Holger Rust Die „Dritte Kultur“ im Management
Holger Rust
Die „Dritte Kultur“ im Management Ansichten und Absichten ...
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Holger Rust Die „Dritte Kultur“ im Management
Holger Rust
Die „Dritte Kultur“ im Management Ansichten und Absichten der nächsten Führungsgeneration
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2009 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009 Lektorat: Frank Engelhardt VS Verlag für Sozialwissenschaften ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Ten Brink, Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-15662-0
7050_book.fm Page ii Wednesday, July 12, 2006 3:27 PM
Inhalt
Vorbemerkung: Ein aktuelles Projekt und seine Bezugsrahmen ................... 9 Die „Dritte Kultur“: 1959 und 2009 ............................................................. 9
Die Studie........................................................................................................... 13 Ansichten und Absichten: Mentalitätsmilieu des Führungsnachwuchses........... 13 Das Thema: Vorstellungen vom Management der Zukunft........................ 13 Die Befragten: Studierende und Young Professionals................................ 14 Aktuelle Befunde: Einschätzungen vor der Krise im Sommer 2008 .......... 16 Signifikante Unterschiede: Ideale und amtierende CEOs 2008 .................. 18 Drei Fragen: Die Struktur des weiteren Berichts ........................................ 23
Frage 1: Profile 2008 – Momentaufnahme oder Kontinuität?...................... 27 Quantitative Befunde: Ein Jahrzehnt im empirischen Spiegel............................ 27 Erster Impuls: Die Studie „Reinventing the CEO“ 1989 ............................ 27 „CEO of the Future“: Die Profile in der ersten Erhebung 2000.................. 30 Re-Check: Die Profile im Jahr 2006 ........................................................... 32 Nach der Krise: Die Befunde von 2009 im langfristigen Vergleich ........... 35 Zentrales Motiv: Die mitarbeiterorientierte Führungskraft......................... 39 Qualitative Befunde: Ergänzende Gespräche ..................................................... 42 Motive: Präferenzen von Young Professionals und Studenten ................... 42 Aussagen: Vorstellungen der Young Professionals .................................... 44 Aussagen: Vorstellungen der Studierenden ................................................ 46 Kommentare: Vorstellungen amtierender Führungskräfte.......................... 48 Illustrative Ergänzung: Vorstellungen von Schülern .................................. 49 Fazit 1: Idealbild, Konfrontation und Selbstbewusstsein.................................... 51
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Frage 2: Inhaltliche Reichweite der Befunde? ............................................... 53 Werteorientierung: Quantitative und qualitative Befunde .................................. 53 Moralische Dilemmata: Handlungsoptionen 2008 und 2009...................... 53 Moralische Dilemmata: Vergleich mit 2001/2002 und 2006...................... 56 Moralische Dilemmata: Geschlecht und Ausbildungs-/Berufsstatus .......... 61 Moralische Dilemmata: Kontrollgruppe im Vergleich ............................... 66 Gespräche über Moral: Pragmatische Abwägungen ................................... 68 Weitere Studien: Erwartungen, Werte und amtierende Manager ....................... 70 „Millenials“: Erwartungen des Nachwuchses an Unternehmen 2008......... 70 Führungskräftebefragung: Werte und amtierendes Management 2008 ...... 74 Kritik: Unzureichende Erfüllung von Führungsaufgaben ........................... 76 Widersprüche: Loyalitätsbereitschaft und Wechselwünsche ...................... 77 Konsequenzen: Privatisierung der Zukunftsideen, Träume und Wünsche ..................................................................................................... 79 Dokumentation: Die Hierarchie der Wünsche und Träume................................ 82 Weibliche Vorstellungen: Antworten in der Erhebungswelle 2008............ 82 Männliche Vorstellungen: Antworten in der Erhebungswelle 2008 ........... 85 Nach der Krise: Die Antworten in der Erhebungswelle 2009..................... 89 Gespräche: Träume der Studierenden und Young Professionals ................ 94 Kontrollgruppe: Träume der Soziologen und Pädagogen ........................... 96 Fazit 2: Die repräsentative Bedeutung der Mitarbeiterorientierung.................. 100
Frage 3: Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit .......................... 103 Grauer Alltag: Konfrontation der „Kulturen“................................................... 103 Widersprüche: Die andersartige Wirklichkeit........................................... 103 Erklärungsversuch: Long Tail-Theorie des Karrierismus ......................... 105 Dominanz: „Erste Kultur“ des kennzahldominierten Formalismus .......... 108 Konventionelle Ikonografie: Habitus der „Ersten Kultur“........................ 110 Ersehnte Synthese: Work-Life Balance aus Formalismus und Geist........ 113 Alternative Konvention: Das Mentalitätsmilieu der „Zweiten Kultur“ ............ 116 Gegenstand der Kritik: Apologetik der formalistischen Modelle ............. 116 Leitmotive: Der intellektuelle Habitus der „Zweiten Kultur“................... 118 Praktische Utopie: Studien zur Bedeutung des Personal-Ressorts............ 121
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Präferenzen: Die vermutete Hierarchie der Unternehmens-Ressorts........ 123 Dominanz der Sachlichkeit: Contentanalyse von Stellenanzeigen ........... 125 Fazit 3: Das kommunikative Missverständnis der „Two Cultures“ .................. 128
Bezugsrahmen: Das Gedankenspiel mit der „Dritten Kultur“................... 131 Motivanalyse: Geschichte und Nutzwert einer Provokation............................. 131 Der Impuls: C.P. Snows Rede Lecture vom 7. Mai 1959 ......................... 131 Debatten: Auseinandersetzung um die „Two Cultures“............................ 133 Vereinseitigung: Wiederaufnahme der Idee durch John Brockman.......... 136 Aktualisierung: Auf dem Weg zur „Dritten Kultur“................................. 138 Intellektuelle Herausforderung: Produktive Skepsis als Strategie ............ 141
Schluss: Zielpunkt Bildung ............................................................................ 145
Literatur .......................................................................................................... 151 Web-Dokumente ............................................................................................. 152 Tabellenverzeichnis ........................................................................................ 154 Danksagung..................................................................................................... 157
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Vorbemerkung: Ein aktuelles Projekt und seine Bezugsrahmen
Die „Dritte Kultur“: 1959 und 2009 Dies ist ein Report über Ansichten und Absichten, Träume, Ziele und Wertvorstellungen junger Menschen, die sich mit dem Gedanken tragen, eines Tages verantwortliche Positionen in Unternehmen und Wirtschaft einzunehmen. Um den Leserinnen und Lesern einen möglichst authentischen Eindruck zu bieten, werden die Befunde ausführlich in Tabellen, Übersichten und Dokumentationen dargestellt. Diese Informationsvermittlung wirkt zugegebenermaßen wie alle Darstellungen empirischer Ergebnisse mitunter etwas nüchtern. Aber sie ist notwendig, um Vergleiche und Verbindungen zu ähnlichen Studien zu ermöglichen, von denen hier einige herangezogen werden, die zum selben Zeitpunkt mit vergleichbaren Fragen die Vorstellungen und Einstellungen ähnlicher Personen untersucht haben. Auf einer zweiten Informationsebene wird der Einblick dann etwas lebendiger, wenn Repräsentanten derselben Stichprobe aus Studierenden und jungen Berufstätigen mit ihren Aussagen aus ergänzenden Interviews wörtlich wiedergegeben werden, als Illustrationen der quantitativen Verdichtungen und als Impulse für die Interpretation und das bessere Verständnis der Zahlen. Beide Darstellungsformen sind eingebettet in einen weiterführenden Kontext, der sich aus der gegenwärtigen Diskussion über das Management und seine Zukunftsaufgaben ergibt und vor allem durch die Frage nach der Charakteristik der Führungspersönlichkeit von morgen geprägt ist. Als Ziel einer beachtlichen Mehrheit der hier zu Wort kommenden Befragten wird eine Wirtschaftskultur beschrieben, die dem kennzahldominierten Formalismus auf der einen wie der fundamentalen Managementkritik dieser Tage auf der anderen Seite eine konstruktive, pragmatische, werteorientierte Handlungsoption entgegenstellt – eine, wie sie im Titel des Buches genannt wird, „Dritte Kultur“. Der Bezugspunkt dieses Begriffes und der Idee, die hinter ihm steht, ist nicht der Vorschlag eines „dritten Weges“, wie er zum Jahrtausendwechsel von Antony Giddens und anderen für die Politik formuliert wurde. Ausgangspunkt ist vielmehr ein Vortrag, den der Physiker und Schriftsteller Charles Percy Snow am 7. Mai 1959 unter dem Titel: „The Two Cultures and the Scientific Revolution“ an der University of Cambridge gehalten hat (Snow 1959; die folgenden Zitate stammen aus einer deutschen Fassung; siehe Web-Dokument 1). In diesem 9
Vortrag beklagte er die Kluft zwischen zwei intellektuellen Milieus – zwischen der physikalisch-mathematischen Weltbetrachtung pragmatischer „Sciences“ und der Kritik an den Naturwissenschaften, wie sie nach seiner Auffassung von einer geisteswissenschaftlich-hermeneutischen Kultur der „Arts and Humanities“ andererseits gepflegt wurde. Beide Mentalitätsmilieus stünden nicht zuletzt auch auf Grund ihrer Bildungswege und Sozialisationsvermächtnisse einander in harter Konfrontation gegenüber. Snow sah in dieser Konfrontation eine Gefahr für die wirtschaftliche und technische Entwicklung, vor allem angesichts der Aufgabe, die Armut in der Welt zu bekämpfen. Zwar erschien ihm die Borniertheit der literarischen Kultur gegenüber den technischen Errungenschaften ausgeprägter als umgekehrt die Ignoranz der „Sciences“ gegenüber der geisteswissenschaftlich orientierten Kultur der Literaten und Künstler. Dennoch mahnte er beide Seiten gleichermaßen und sparte nicht mit Kritik an seinen naturwissenschaftlichen Kollegen: „Sie haben ihre eigene Kultur, die kraftvoll ist, streng und ständig in Bewegung. In dieser Kultur gibt es viele Auseinandersetzungen, die gewöhnlich in härteren Formen und fast stets auf einer höheren begrifflichen Ebene vor sich gehen als die Auseinandersetzungen unter Vertretern der literarischen Kultur.“ Dennoch – sie seien nicht bereit, sich der literarischen Kultur zu öffnen. Die Folge sei, dass ihr Einfühlungsvermögen schwächer ausgebildet sei als es sein könnte. „Das ist eine selbstverschuldete Verarmung“ (Snow: 29). Snow präzisierte seine Idee Anfang der 60er Jahre in weiteren Vorlesungen und Vorträgen, in denen dann auch der Begriff der „Third Culture“ an Konturen gewann. Das unmittelbare Ziel war die Reform der Bildung, die sich nicht mehr an den klassischen Grenzen der Disziplinen orientierte, auch nicht in bloßer Interdisziplinarität nur den Austausch ihrer Ansätze pflegte. Die „Dritte Kultur“ definierte sich vor allem durch die Bereitschaft, unabhängig von Disziplinen an der Lösung der großen Herausforderungen der Zukunft mitzuwirken, den „Problemen des menschlichen Lebens“, wie Snow sich ausdrückte. Die gemeinsame Bewältigung dieser Aufgabe erforderte, so Snow, das wechselseitige Verständnis für technologische Machbarkeiten auf der einen und dem, was wir heute kritische Technikfolgenabschätzung nennen würden, auf der anderen Seite. Die zum Teil bissigen Kritiken, die sich Snow einhandelte, vernachlässigen diesen Aspekt, weil sie vornehmlich auf die eher künstliche Trennung geistiger Kulturen reagierten und weniger auf die Idee ihrer gemeinsamen Bestimmung. In den 80er Jahren nahm auch die Soziologie mit einer Reihe konstruktiver Beiträge die Diskussion auf, unter anderen in einem Buch über die „Dritte Kultur“ von Wolf Lepenies (Lepenies 1988). Zu wirklicher Popularität gelangte der Begriff aber erst durch den Literaturagenten John Brockman, der ihn als Label für die Vermarktung naturwissenschaftlicher Literatur umdeutete, 10
die sich einer breiten Leserschaft in einer verständlichen Sprache öffnete (Brockman 1997). In dieser Deutung der „Third Culture“ wird der ursprüngliche Ansatz der diszplin- oder ressortübergreifenden Aufgabenorientierung in den Hintergrund gedrängt. Was Brockman umtreibt, ist die – zum Teil den geisteswissenschaftlichen und literarischen Weltdeutungen gegenüber polemische – Aufwertung der Naturwissenschaften. Von den klassischen Intellektuellen und Literaten erwartet Brockman keine Impulse, ja er geht sie mit einer lässigen Arroganz an: Dass jemand ein begabter Schriftsteller sei, bedeute noch lange nicht, dass er bessere Ideen habe als sein Metzger, polemisiert Brockman. Eigentlich interessiere es ihn überhaupt nicht, was literarische Menschen zu diesen Themen zu sagen hätten. Es sei völlig unbedeutend, wenn ein Mensch 30 Bücher über Philosophie geschrieben habe. Erst der fünfzigste Jahrestag der Vorlesung Snows brachte originäre Idee wieder ans Tageslicht, die natürlich angesichts vieler neuer Querverbindungen zwischen Natur- und Geisteswissenschaften leicht angestaubt wirkt. Dennoch – die britische Financial Times würdigte Snows Vortrag in ihrer Wochenendausgabe vom 10. Mai 2009 als eine der „most influential single lectures of the past century“ und stellte diese ihre Würdigung in den Kontext der ungezählten Mutmaßungen über die Ursachen der gegenwärtigen Krise und was man aus ihr zu lernen habe. Dass nun eine der weltweit führenden Wirtschaftszeitungen an die Idee der „Third Culture“ erinnerte und sie in den Zusammenhang der aktuellen ökonomischen Geschehnisse stellte, basiert auf dem gleichen Gedanken, der im Titel dieses Buches angedeutet werden sollte: Die von Snow und vielen anderen Autoren beider Kulturen immer wieder beklagte Konfrontation setzt sich heute in der Haltung verschiedener intellektueller Milieus zur Wirtschaft fort. Als eine „Erste Kultur“ wären danach die Handlungsoptionen zu bezeichnen, die ein streng ökonometrisch geprägtes Management mit Hilfe mathematisch-formalistischer „Tools“ zu etablieren suchen, als eine „Zweite Kultur“ die wachsende Schar von Kritikern des Modells der Marktwirtschaft und des formalistischen Bildungskanons, dem sich die „Erste Kultur“ verpflichtet fühlt. Der von C. P. Snow angeregte Diskurs um eine „Third Culture“ erschien nach der ersten Durchsicht von Befunden des Projekts zu den Ansichten und Absichten der nächsten Führungsgeneration als ein gutes Leitmotiv, vor allem angesichts der erwähnten Diskussion um die „beiden Kulturen“ des Managements und ihre Rolle der Krisenbewältigung. Dieses Leitmotiv wird noch eingehend erörtert. Zunächst aber möchte ich einen Einblick in die Vorstellungswelt von Repräsentantinnen und Repräsentanten der nächsten Führungsgeneration geben, auf die sich dann die Überlegungen beziehen.
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Die Studie
Ansichten und Absichten: Mentalitätsmilieu des Führungsnachwuchses Das Thema: Vorstellungen vom Management der Zukunft Die Klagen darüber, dass sich der Mangel an Führungsnachwuchs zusehends zu einer Bedrohung für die Innovationskultur der Unternehmen im Besondern und der Wirtschaft im Allgemeinen auswachse, bestimmten schon vor Ausbruch der Krise die personalpolitischen Diskussionen. Zwar wurde in diesem Zusammenhang regelmäßig auf demografische Engpässe durch die geburtenschwachen Jahrgänge hingewiesen. Nach Aussagen prominenter Personalberater resultierte das Problem aber in gleichem Maße aus einem Defizit an innovativen, kommunikativen und visionären Geistern, die bereit sind, sich loyal unter einer inspirierenden, ermutigenden und kooperativen Führung aus der Perspektive ihrer jeweiligen Unternehmen mit den drängenden Herausforderungen der Zukunft zu beschäftigen. Diese Diagnose ist bestürzend. Sie ist vor allem deshalb bestürzend, weil die Bereitschaft vieler junger Leute, genau diese Forderungen zu erfüllen, durchaus vorhanden ist, sie aber meinen, das eben die zweite Voraussetzung nicht in ausreichendem Maße gegeben sei: die inspirierende und kooperative, ermutigende Führung. Eine ähnliche Konfrontation zeichnet sich ab, wie sie in der Idee der „Two Cultures“ vor gut 50 Jahren formuliert wurde: zwischen dem Mentalitätsmilieu kennzahldominierter Formalisten und seinen Kritikern, die eine ganzheitliche, werte- und mitarbeiterorientierte Wirtschaftskultur wünschen und diesen Wunsch zum Leitmotiv ihres Engagements erheben. Das ist ein zentrales Ergebnis der hier erstmals vorgestellten Ergebnisse der aktuellen Befragungswelle zwischen Juni 2008 und Februar 2009 einer nun seit knapp zehn Jahren immer wieder aufgelegten Studie (im folgenden Text als „Führungsnachwuchs-Studie“ bezeichnet). Sie bestand und besteht aus wenigen Fragen, die schon in den Jahren 2000, 2001/2002 und 2006 an vergleichbare Zielgruppen gestellt wurden: Die Einschätzung des idealen CEOs der Zukunft auf der Grundlage von 22 in der Managementforschung etablierten Kategorien (siehe Tabelle 1), die Einschätzung amtierender Führungskräfte und schließlich
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in einem dritten Schritt die Selbsteinschätzung der Befragten auf derselben Grundlage. Ergänzt wurde diese Kernfrage ab 2001/2002 durch eine zweite, die denkbare Handlungsoptionen in moralischen Dilemmata thematisierte, wie sie im Wirtschaftsleben alltäglich sind. Auch hier galt die Einschätzung den Handlungsoptionen, die man selbst wählen würde und der Einschätzung der entsprechenden Entscheidungen amtierender Führungskräfte. Diese beiden Fragekomplexe wurden durch einige spezifische Fragen ergänzt, die sich mit dem Stil des künftigen Managements, mit Einstiegsbereichen für Karrieren und den persönlichen Träumen und Wünschen für die Zukunft beschäftigten. Alle Teile dieser Studie waren in den Lehr- und Forschungsprozess meines wirtschaftssoziologischen Schwerpunkts am Institut für Soziologie der Universität Hannover integriert. Den Studierenden wurde damit immer wieder die Möglichkeit gegeben, sozusagen einen Blick in ihre eigene Zukunft zu werfen, durch Befragungen und vor allem die begleitenden Gespräche Kontakte zu schließen, gleichzeitig Forschungsmethoden am praktischen Beispiel kennen zu lernen und attraktive Themen für ihre Diplomarbeiten und nun zusehends für ihre Bachelor-Arbeiten finden. Einzelne Befunde aus den Arbeiten der aktuellen Befragungswelle 2008/2009, die in diesem Bericht erwähnt werden, sind mit den Namen der Studierenden identifiziert. Überdies bietet die Integration derartiger Projekte in die neuen Studiengänge eine gute Möglichkeit, auf sinnvolle Weise Credit Points zu erwerben.
Die Befragten: Studierende und Young Professionals Auf diese Weise sind in den nun knapp zehn Jahren des Projekts insgesamt etwa 1 300 junge Leute befragt worden. In dieser aktuellen Befragungswelle erreichten wir 378 Studierende und junge Berufstätige mit zwei bis vier Jahren Berufserfahrung (im folgenden Text als „Young Professionals“ bezeichnet). Wichtiger als eine große Zahl zu erreichen, war uns die sehr eng gefasste Charakteristik: Personen mit dem Wunsch nach einer gehobenen Karriere in der Wirtschaft. Die Befragten sollten so weit wie möglich aus jener Grundgesamtheit stammen, aus der sich die künftige Exekutive der Wirtschaft rekrutieren könnte. Als einen geeigneten Zugang sahen wir für die Studierenden das Engagement in einer studentischen Unternehmensberatung – oder zumindest eine Tätigkeit im Umfeld einer solchen Initiative – an. Für das studentische Sample erfolgte die Ansprache daher auf der Grundlage deutschlandweiter Kontakte der studentischen Unternehmensberatung Janus in Hannover und der Kölner Beratungsinitiative OSCAR. Darüber hinaus wurde eine Reihe von Studierenden privater Hochschu14
len einbezogen. Die Koordinationsarbeit für die Online-Befragung 2008/2009 wurde von Nadine Neukamp betreut. Unter den Befragten fanden sich 47 Studenten der Soziologie und der Erwachsenenbildung, die als eines ihrer Wahlpflichtfächer Soziologie studieren. Nun ist es nicht ausgeschlossen – in zunehmendem Maße sogar wahrscheinlich – dass diese Sozialwissenschaftler wirtschaftliche Führungspositionen erreichen, zumal viele von ihnen eine Tätigkeit in der Personalentwicklung anstreben und sich sehr gezielt darauf vorbereiten. Dennoch wurde dieses Teilsample, auch wenn es nicht im statistischen Sinne repräsentative Daten liefert, gesondert betrachtet – als Kontrollgruppe. Daher beziehen sich die Daten für den Befragungszeitraum vom Sommer 2008 bis zum Februar 2009 durchwegs auf Betriebs- und Volkswirtschaftler, Wirtschaftsingenieure, sowie Informationstechniker und Maschinenbauer oder andere Studiengänge beziehungsweise Studierende mit deutlich auf wirtschaftliche Positionen ausgerichteten Curricula oder Interessen. Was die Young Professionals betrifft, wurden Adressen von befreundeten Unternehmensberatern und von dem Rekrutierungs- und Forschungsunternehmen Universum genutzt. Die Auswahl war ebenfalls auf die bereits erwähnten Ausbildungen konzentriert – Wirtschaftswissenschaften, IT und Ingenieursstudiengänge. Die Berufsstruktur in den schließlich ausgewerteten Erhebungsbögen entsprach präzis den Erwartungen: Es antworteten Leitende Angestellte des öffentlichen Dienstes, Bankbetriebswirte, Bauleiter, Bereichsleiter, Controller, Einkäufer, Finanzberater, Niederlassungsleiter, Personalreferentinnen, Selbstständige, Projektingenieure, Geschäftsführer, Kundenberater, Leitende Serviceberater, Controller, Projektleiter, Teamleiter, Manager, Prüfingenieure, ein technischer Leiter in einer Fernsehdienstleistungsfirma, Trainees und Unternehmenskundenbetreuer in Banken. Für den strukturierten Teil der Erhebung wurde ein Online-Fragebogen eingerichtet. Dieses Instrument diente als weiteres Selektionskriterium, weil seine Handhabung eine gewisse Routine mit elektronischen Werkzeugen („tools“) voraussetzt, die zur habituellen Ausstattung der angestrebten Positionen zählen. Das Gesamt-Sample, das sich schließlich auf Grund dieser engen Vorgaben ergab, umfasste – ohne die Soziologiestudenten – 331 Personen. Ergänzend wurden tiefer gehende Gespräche mit 17 Personen geführt worden, die dem Profil des Samples entsprechen – also mit Studierenden in Wirtschafts-, IT- und Ingenieursstudiengängen in den letzten Semestern sowie einem Engagement in Studentischen Unternehmensberatungen und mit ebenfalls in Unternehmensberatungen tätigen Young Professionals mit zwei bis fünf Jahren Berufserfahrung. Als weitere interessante Quelle zur Einschätzung künftiger Führungskräfte erschienen uns Personen, die nicht-unternehmensnahe Positionen anstrebten oder bereits in solchen Positionen tätig waren, sowie einige Gespräche mit amtierenden Führungskräften. 15
Darüber hinaus werden als kontextuelle Sicherung der Interpretationen Erhebungen anderer Institutionen einbezogen, die im selben Zeitraum zu vergleichbaren Themen ähnliche Zielgruppen untersucht haben – zum Beispiel eine Erhebung des Beratungsunternehmens PricewaterhouseCoopers (PwC 2008), eine Führungskräftebefragung zu Wertorientierungen der Initiative für Wertebewusste Führung (Bucksteeg, Hattendorf 2009), einige Befunde aus der Gallup-Studie zum Verhältnis von Mitarbeitern und Vorgesetzten 2008 sowie die IBM HumanCapital-Study (IBM 2008). Sie alle werden später im Einzelnen vorgestellt und an den entsprechenden Stellen zur Illustration und Vertiefung herangezogen.
Aktuelle Befunde: Einschätzungen vor der Krise im Sommer 2008 Bevor nun die Ergebnisse für den gesamten Zeitraum der aktuellen Erhebungswelle im Vergleich mit den Befunden der zuvor gewählten Zeiträume vorgestellt werden, soll der Blick auf die Antworten des ersten Teilsample im Sommer 2008 gelenkt werden. Der Grund: Mitten in die Befragungswelle 2008/2009 hinein platzte der Zusammenbruch der Bank Lehmann Brothers und die durch diesen Zusammenbruch einsetzende Finanz- und Wirtschaftskrise. Dieses Ereignis ist für die Erhebung der Bilder vom Zukunfts-CEO insofern von Bedeutung, als unmittelbar nach dem Ausbruch der Krise eine weltweite Diskussion einsetzte, die auf der Grundlage der äußerst kritischen Betrachtung der amtierenden CEOs – wohl auch unter dem Eindruck einer oft undifferenzierten Managerschelte – das Profil einer künftigen Managerpersönlichkeit entwarf. Es war, wie jedem Beobachter dieser Debatte in Erinnerung sein wird, das Profil einer kommunikativen, offenen, vorausschauenden, moralisch verantwortungsvollen, ermutigenden und lernenden Führungspersönlichkeit, deren Risikofreude durch die Berücksichtigung der Mitarbeitermeinungen in Grenzen gehalten würde. Es war präzis das Bild, das sich in der überwiegenden Mehrzahl der Antworten von Studierenden und Young Professionals abzeichnete, die vor dem Ausbruch der Krise eingetroffen waren. Aber nicht nur das: Wenn man die Befunde zum Profil des idealen CEO und zur Selbsteinschätzung mit den Einschätzungen des amtierenden Managements konfrontiert, ergibt sich für letztere ein sehr kritisches Zeugnis. Die Befragten, ganz gleich ob noch Studierende oder schon junge Berufstätige, definierten ihr künftiges berufliches Handeln sehr nah am Idealbild und distanzierten sich vor allem bei Fragen des Kommunikationsstils und der Mitarbeiterorientierung von den amtierenden CEOs.
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Tabelle 1: Vorstellungen vom idealen CEO der Zukunft, Bewertung der amtierenden Führungskräfte und Selbsteinschätzung im Sommer 2008 Mittelwerte, gemessen an den aufgelisteten Kategorien über eine Fünferskala (1 = ist in hohem Maße gegeben, 5 = überhaupt nicht gegeben); Reihenfolge nach der Rangskala für die ideale Führungskraft. N = 169; Durchschnittsalter 31 Jahre; männlich 63 Prozent; weiblich 37 Prozent; Befragungszeitraum Juli bis Mitte September 2008
Belastbar Kommunikativ Open-minded Ermutigend Vorausschauend Lernend Analytisch Delegationsfreudig Intelligent Kooperativ Kundenorientiert Organisiert Gerecht Diplomatisch Ethisch Inspirierend Loyal Kreativ Geduldig Risikofreudig Würdevoll Sozial engagiert
Ideal
Amtierend
Selbst
1,6 1,6 1,7 1,7 1,7 1,8 1,8 1,9 1,9 1,9 2,0 2,0 2,0 2,1 2,1 2,1 2,1 2,4 2,5 2,7 2,8 2,9
1,9 2,5 3,1 3,3 2,9 3,2 2,3 2,3 2,3 3,0 2,7 2,3 3,3 2,8 3,7 3,3 3,0 3,1 3,4 2,5 3,4 3,8
1,9 1,9 1,6 1,9 2,0 1,6 1,8 2,6 1,9 1,7 1,9 2,2 2,0 2,2 2,0 2,4 1,8 2,4 2,5 2,9 2,5 2,6
Kurzinterpretation: Durchwegs liegen die Bewertungen für den idealen CEO der Zukunft und die Selbsteinschätzung recht nah beieinander, während gleichzeitig die Einschätzung des amtierenden Managements (mit der überraschenden Ausnahme der Risikofreude) deutlich und konstant niedriger sind. Für spätere Fragen nach den Handlungsorientierungen in moralischen Dilemmata des Wirtschaftsalltags sind die Werte für „ethisch“ und „sozial verantwortlich“ interessant. Eigentlich wären deutlicher positivere Einschätzungen zu erwarten gewesen. Zudem aber zeigt sich bereits hier eine durchgehende Differenzierung in den Bewertungen amtierender Manager: Soziale und persönliche Kompetenzen 17
werde kritischer eingeschätzt als Kategorien, die sich auf pragmatische Aspekte beziehen. Signifikante Unterschiede: Ideale und amtierende CEOs 2008 Die folgenden Tabellen bieten zur Veranschaulichung noch einmal einen Überblick über die Höhe der Differenzen zwischen den einzelnen Positionen. Zunächst werden dabei die Urteile über das amtierende Management und die Selbsteinschätzung im Vergleich zum Profil der idealen Führungskraft der Zukunft dokumentiert. Tabelle 2: Differenzen zwischen Idealbild und Einschätzung amtierender Manager 2008; alle Befragten Befragte wie in Tabelle 1; Reihung nach der Höhe der Differenz, absteigend. Lesebeispiel: Bei der Eigenschaft „ermutigend“ erreicht das amtierenden Management auf der Fünferskala eine im Durchschnitt aller Befragten um 1,6 Punkte geringere Zustimmung als der ideale CEO. Ermutigend Ethisch Lernend Open-minded Gerecht Vorausschauend Inspirierend Kooperativ Sozial engagiert Geduldig Kommunikativ Loyal Diplomatisch Kreativ Kundenorientiert Würdevoll Analytisch Delegationsfreudig Intelligent Belastbar Organisiert Risikofreudig
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1,6 1,6 1,4 1,4 1,3 1,2 1,2 1,1 1,0 0,9 0,9 0,9 0,8 0,7 0,7 0,6 0,5 0,4 0,4 0,3 0,3 - 0,2
Kurzinterpretation: Sehr deutlich zeigt sich noch einmal, dass die idealen Chefs von morgen aus der Sicht der Studierenden und Young Professionals in erster Linie ermutigender sein werden, dass sie deutlicher werteorientiert handeln, geistig offener sind und damit lernbereiter, vorausschauender und inspirierender als die amtierenden Führungskräfte. Interessant ist, dass man eine ausgeprägte Risikofreude weniger schätzt. Tabelle 3: Differenzen zwischen Idealbild und Selbsteinschätzung 2008; alle Befragten Befragte wie in Tabelle 1; Reihung nach der Höhe der Differenz, absteigend. Differenz Delegationsfreudig Sozial engagiert Würdevoll Belastbar Inspirierend Vorausschauend Kommunikativ Risikofreudig Ermutigend Organisiert Diplomatisch Geduldig Analytisch Intelligent Kreativ Gerecht Open-minded Kundenorientiert Ethisch Lernend Kooperativ Loyal
0,7 0,3 0,3 0,3 0,3 0,3 0,2 0,2 0,2 0,2 0,1 0,1 0,0 - 0,0 - 0,1 - 0,1 - 0,1 - 0,1 - 0,1 - 0,3 - 0,3 - 0,3
Kurzinterpretation: Die eher geringen Differenzen zwischen dem dargestellten Profil und der Selbsteinschätzung, wie sie schon in der Übersichtstabelle deutlich werden, zeigen sich hier eindrucksvoll. Lediglich bei der Delegationsfreude ergibt sich eine halbwegs bemerkenswerte Differenz – was aber auf Grund der Positionen unserer Befragten plausibel ist.
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In einem weiteren Schritt der Interpretation der Werte aus der Übersichtstabelle sollen nun die Differenzen zwischen der Selbsteinschätzung der jungen Befragten und ihrer Einschätzung der amtierenden Führungskräfte dargelegt werden. Um den wesentlichen Befund deutlicher herauszuarbeiten, soll dabei zusätzlich nach Geschlecht und Ausbildungs- bzw. Berufsstatus unterschieden werden. Tabelle 4: Differenz zwischen Selbsteinschätzung und Einschätzung amtierender Manager 2008; Vergleich Männer und Frauen Teilsamples der Befragten aus Tabelle 1; Reihung nach der Höhe der Differenz auf der Fünferskala, absteigend. Männlich Ethisch Lernend Open-minded Kooperativ Ermutigend Gerecht Loyal Vorausschauend Würdevoll Sozial engagiert Geduldig Inspirierend Kundenorientiert Kreativ Kommunikativ Analytisch Diplomatisch Intelligent Belastbar Organisiert Risikofreudig Delegationsfreudig
1,9 1,7 1,7 1,6 1,4 1,3 1,2 1,1 1,0 1,0 1,0 0,9 0,9 0,8 0,7 0,7 0,6 0,6 0,1 - 0,1 - 0,1 - 0,4
Weiblich 1,4 1,5 1,4 1,2 1.4 1.3 0,9 0,4 0,9 0,8 0,7 0,9 0.9 0.8 0,7 0,0 0,6 0,3 0,0 - 0,2 - 0,8 - 0,2
Kurzinterpretation: Generell stellen sich die Differenzen zwischen der Selbsteinschätzung und der Einschätzung des amtierenden Managements für junge Frauen und junge Männer gleich dar – mit einigen Ausnahmen: Größere Unterschiede in den Haltungen zum amtierenden Management zwischen den männlichen und weiblichen Befragten finden sich in den Kategorien „analytisch“, gefolgt von den Kategorien „vorausschauend“, „flexibel“ und „risikofreudig“. Erneut 20
zeigt sich, dass die ursprünglich als positiv konnotierte Risikofreude bereits zu diesem Zeitpunkt (also vor Ausbruch der Krise im Sommer 2008) als eine eher zweifelhafte Eigenschaft angesehen wird. Tabelle 5: Differenzen zwischen Selbsteinschätzung und Einschätzung amtierender Manager 2008; Vergleich Studierende und Young Professionals Teilsamples der Befragten aus Tabelle 1; Reihung nach der Höhe der Differenz auf der Fünferskala, absteigend. Studenten Lernend Open-minded Ethisch Ermutigend Loyal Gerecht Kooperativ Sozial engagiert Kreativ Inspirierend Diplomatisch Geduldig Kundenorientiert Würdevoll Vorausschauend Kommunikativ Analytisch Intelligent Belastbar Risikofreudig Delegationsfreudig Organisiert
1,7 1,7 1,6 1,6 1,2 1,2 1,1 0,9 0,9 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,5 0,5 0,3 0,2 0,1 - 0,5 - 0,4 - 0,4
Young Professionals 1.6 1.4 1,6 1,3 1.0 1.0 1.4 1,1 0.8 0.8 0,5 0.8 0,9 0,9 0,9 0,7 - 0.5 0.5 0,0 - 0,5 - 0,3 0,2
Kurzinterpretation: Die Einschätzungen gleichen sich mehr als die männlichen und weiblichen Urteile. Es kann allenfalls eine leichte Tendenz zu pragmatischeren Einschätzungen bei Young Professionals gegenüber Studierenden beobachtet werden. Wichtiger als diese tendenziellen Mutmaßungen ist auch hier wieder die Hierarchie der Differenzen – am stärksten sichtbar in der vermuteten Bereitschaft zum Lernen und zur geistigen Offenheit sowie zum werteorientierten Handeln. 21
Eine ergänzende Übersicht mit einigen illustrativ ausgewählten Beispielen verdeutlicht die Tendenzen der weiblichen Befragten zu etwas größerer Konzilianz in der Bewertung der amtierenden Führungskräfte und die von Berufserfahrungen geprägten pragmatischeren Einstellungen der Young Professionals. Zur Illustration sind die Einschätzungen in den Prozentanteilen der zustimmenden und ablehnenden Antworten gelistet. Die Unterschiede treten mit dieser Methode etwas deutlicher zu Tage, weil die Nennungen der neutralen Kategorie 3 auf der Fünfskala nicht wie beim Mittelwert mit ins Gewicht fallen. Tabelle 6: Einige Unterschiede zwischen den Befragtengruppen 2008; in Prozent; 2-Top-Box und 2-Bottom-Box Selbsteinschätzung: Analytisch Werte (1,2) (4,5)
männlich 91 0
weiblich 49 13
Selbsteinschätzung: Risikofreudig Werte (1,2) (4,5)
männlich 47 24
weiblich 24 39
Einschätzung amtierende Führungskräfte: flexibel Werte (1,2) (4,5)
männlich 40 21
weiblich 58 5
Einschätzung amtierende Führungskräfte: vorausschauend Werte (1,2) (4,5)
22
männlich 34 35
weiblich 49 13
Einschätzung amtierende Führungskräfte: kommunikativ Werte (1,2) (4,5)
Studenten 55 0
Young Professionals 44 20
Einschätzung amtierende Führungskräfte: Kooperativ Werte (1,2) (4,5)
Studenten 55 0
Young Professionals. 28 11
Einschätzung Idealer CEO: Flexibel Werte (1,2) (4,5)
Studenten 92 0
Young Professionals 79 5
Einschätzung Idealer CEO: Open minded Werte (1,2) (4,5)
Studenten 100 0
Young Professionals. 89 11
Drei Fragen: Die Struktur des weiteren Berichts Wie bereits erwähnt, entstand dieses Meinungsbild nur wenige Wochen vor dem Zusammenbruch der Bank Lehman Brothers und mithin nur eine kurze Zeitspanne entfernt vom Ausbruch der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise. Somit auch nur kurze Zeit entfernt von der bald einsetzenden harschen Kritik an den amtierenden Managern in allen erdenklichen gesellschaftlichen Breichen. Dennoch dominieren Vorstellungen, wie sie nach Ausbruch der Krise die wirtschafts- und gesellschaftspolitische Diskussion zum Profil der künftigen Führungskräfte und zum Versagen des amtierenden Managements prägten. Dieser Befund wirft einige Fragen auf, die der folgenden Argumentation ihrer Struktur geben.
23
1. Dokumentieren die bis hier formulierten Profile der idealen und amtierenden Führungskräfte und die Konfrontationen mehr als eine zufällige Bestandsaufnahme einer eventuell vorübergehenden Meinung? Es gibt eine eindeutige Antwort: Ja. Die Tendenzen, die sich in den Daten der Erhebungswelle 2008 andeuten, entsprechen den Befunden, die zur eben dieser Frage nach dem Profil des idealen CEO der Zukunft und der Einschätzung amtierender Führungskräfte vor dem Hintergrund der Selbsteinschätzung bereits in den Erhebungswellen der Jahre 2000 und 2006 diagnostiziert werden konnten. Mehr noch: In einer Studie, die die Columbia University 1989 gemeinsam mit der Personalberatung Korn-Ferry durchgeführt hat und deren methodologische Impulse in der hier referierten Studie aufgenommen sind, zeichnet sich dasselbe Idealbild des „21st Century Managers“ (Korn Ferry 1989) ab. 2. Ist die Konfrontation, die sich in diesen ersten Befunden zur Einschätzung des Profils von idealen und amtierenden Führungskräften andeutet, auch in anderen Bereichen des Wirtschaftsalltags zu bemerken? Die Antwort ist erneut unmissverständlich: Ja. In den Erhebungszeiträumen 2001/2002, 2006 und 2008/2009 prägt dieselbe Konfrontation die Antworten zur zweiten Kernfrage nach der mutmaßlichen Entscheidung für Handlungsoptionen in moralischen Dilemmata des Wirtschaftsalltags. Diese Frage wurde in der ersten Erhebungswelle 2000 nicht gestellt, weil erst die unerwartet niedrig ausfallenden Bewertungen der Kategorien „ethisch“ und „sozial verantwortlich“ uns damals veranlassten, dieser Irritation auf den Grund zu gehen. Es wird sich zeigen, dass die Konfrontation zu amtierenden Führungskräften ähnlich deutlich wird, gleichzeitig bleibt auch der pragmatische Grundzug der Antworten erhalten. 3. Warum zeigt die hier angedeutete und sich in weiteren Studien verdichtende Mentalität der wünschenswerten kommunikativen und werteorientierten Führungskraft so wenig Wirkung? Die Tatsache, dass sich eine große Mehrheit zu einem kommunikativen, mitarbeiterorientierten und gesellschaftspolitisch verantwortlichen Führungsstil bekennt, wird durch zwei Befunde relativiert: Erstens gibt es auch in dieser Mehrheitsfraktion eine klare, bereits skizzierte Tendenz zum Pragmatismus. Andererseits scheint im herrschenden System einer Kultur des kennzahldominierten Formalismus die Minderheit einen großen Einfluss auf die Gestaltung des Systems zu haben. Dies wird verstärkt durch die Tendenz der eher kritischen Geister der 24
„zweiten Kultur“, Unternehmen gezielt zu wechseln oder sich dem Wirtschaftssystem ganz zu entziehen. Die flankierend herangezogenen Studien anderer Institutionen weisen in diesem Zusammenhang auf die konzertierte Bedeutung von Ausbildungskonzeptionen, unternehmerischer Personalentwicklung und dem Verhalten der amtierenden Führungskräfte hin. Der Widerspruch ist offensichtlich im Alltag spürbar, wird aber nicht produktiv bewältigt. Im Anschluss an diese drei Fragen wird dann aus dem Blickwinkel der Überlegungen zur „Dritten Kultur“ geprüft, wie denn der Widerspruch zwischen Wunsch und Wirklichkeit aufgelöst werden könnte. Die zur dritten Frage letztgenannten Aspekte bieten bereits den Hinweis auf eine fundamentale Aufgabe: die akademische und unternehmensinterne Bildung differenzierter und langfristig zukunftsorientierter Führungskräfte, die sich neben der ursächlichen Aufgabe ihres Unternehmens – Gewinn zu machen – auch auf die übergeordnete Aufgabe konzentrieren, gesellschaftlichen Wohlstand und soziale Sicherheit zu fördern. Diese Aufgabenorientierung fördert, mehr als alle Interdisziplinarität, die intellektuelle Wertschöpfung durch die Verknüpfung der unterschiedlichsten Fachkompetenzen. Die damit verbundene Werteorientierung, das zeigen die empirischen Befunde der Führungsnachwuchs-Studie ebenso wie die Befunde aller anderen erwähnten Studien, stößt auf das Interesse gut ausgebildeter Studierender an den Unternehmen und die Loyalität der Mitarbeiter in den Unternehmen. Die Kennzeichnung dieser Wert- und Aufgabenorientierung als „Dritte Kultur“, die den kennzahldominierten Formalismus ebenso überwindet wie die enttäuschte Abkehr vom System, bietet einen zukunftsweisenden Hinweis auf die Fragen, die sich im Frühjahr 2009 irritierte Manager stellen. Sie bietet auch konkrete Impulse für die unternehmerische Führungskultur.
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7050_book.fm Page ii Wednesday, July 12, 2006 3:27 PM
Frage 1: Profile 2008 – Momentaufnahme oder Kontinuität?
Quantitative Befunde: Ein Jahrzehnt im empirischen Spiegel Erster Impuls: Die Studie „Reinventing the CEO“ 1989 Dass die für den Sommer 2008 erhobenen Befunde nicht nur der Ausdruck einer vorübergehenden Laune oder die Reaktion einer Vorahnung der kommenden Krise darstellen, soll nun im Einzelnen belegt werden. Sowohl das Profil des idealen CEO und damit des künftigen Vorgesetzten, an dem man sein eigenes Profil orientiert, als auch die Selbsteinschätzung und die Urteile über das amtierende Management sind bereits in vorangehenden Erhebungsstufen in den Jahren 2000 und 2006 erhoben worden. Die Ergebnisse sind, wie sich gleich zeigen wird, denen des Jahres 2008 sehr ähnlich. Dass die Wertschätzung der so skizzierten inspirierenden, ermutigenden und wertorientierten Führungspersönlichkeit einem grundsätzlichen Wunsch entspricht und die Vorstellungen von verantwortungsvoller Arbeit dauerhaft prägt, zeigt sich aber zusätzlich, wenn man noch weiter in der Geschichte der Forschung zu den Profilen des idealen Managers zurückgeht – zum Beispiel zur Quelle der Inspiration für die Methode, die den Ausgangspunkt für das hier dokumentierte Projekt darstellt. Der Erhebungsbogen, der im Jahr 2000 für die Begleitstudie eines Planspiels „CEO of the Future“ (in Kooperation mit dem Manager Magazin) entworfen wurde, nahm eine elf Jahre zuvor aufgelegte Gemeinschaftsstudie der Personalberatung Korn-Ferry und der Columbia University zum Vorbild. Diese 1989 publizierte Studie trug den Titel „Reinventing the CEO“. Ihr Ziel war die Profilierung der Führungspersönlichkeit für die globale „21st Century Economy“. Donald C. Hambrick und James W. Fredrickson, zwei Professoren der Graduate School of Business an der Columbia University, leiteten die Erhebung. Das Ergebnis war ziemlich übersichtlich: Der ideale Chef des 21. Jahrhunderts sollte dieser Studie zufolge vor allem drei Charakteristika aufweisen – auf Englisch ein Spiel mit dem Kürzel CEO: „Creativity, Enthusiasm, Open-mindedness“. Zudem müsse er oder sie eine klare Vision von der strategischen Position des Unternehmens im Kontext der Globalisierung entwickeln. Das Motiv der Mitarbeiterorientierung, das in den Befunden des Jahres 2008 anklingt und sich in weiteren Stufen der Erhebung noch verdichten wird, 27
gewinnt hier erste Konturen. In diesem Zusammenhang wurde Weiterbildung als eine der wichtigsten Aufgaben der Zukunft definiert. Um Ideen anzuregen, müsse die Führungspersönlichkeit des 21. Jahrhunderts über hervorragende kommunikative Talente verfügen – und dies schließe die Kompetenz ein, sich auch öffentlich überzeugend darzustellen. Interessant waren die Ergebnisse des globalen Vergleichs: Die Antworten der japanischen Befragung fokussierten die technologische Kompetenz, Amerikaner legten weniger Wert auf die Kenntnis von Fremdsprachen, die von Europäern wiederum als sehr wichtig eingeschätzt wurde. Als einer der wesentlichen Gesichtspunkte für den Alltag stellten die Wirtschaftswissenschaftler heraus, dass der Personalvorstand in engerem Kontakt mit der Unternehmensführung stehen müsse, um die Beziehungen zu den hierarchisch weiter unten positionierten Beschäftigten zu verbessern. Diese personalpolitische Konsequenz, die später noch einmal auch aus der Perspektive der aktuell Befragten diskutiert wird, verdichtet sich schon damals in den höchst bewerteten Eigenschaften eines idealen CEO. Tabelle 7: Die fünf wichtigsten und die fünf unwichtigsten Charakteristika des Future-CEO in der Studie von Korn-Ferry und der Columbia University 1989 In Prozent der Befragten aus Westeuropa; 2 Top-Box (sehr wichtig/einigermaßen wichtig); Übertrag auf die Mittelwerte der hier verwendeten Fünferskala
Inspiring Enthusiastic Creative Intelligent Encourageing Tough Personable Patient Dignified Conservative
2Top-Box
Mittelwert
84,3 82,7 82,5 82,5 81,7 62,8 61,0 56,3 50,2 34,0
1.6 1.7 1.7 1.7 1.7 2.4 2.5 2.8 3.0 3.7
Kurzinterpretation: Angesichts dieser 1989 erhobenen Prognosen zum Profil und zu den Handlungsoptionen des „21st-Century-Managers“ mutet die Diskussion um die Werte eines künftigen Managements, die Ende 2008 als Reaktion auf den Ausbruch der Krise einsetzte, wie ein Déja Vu an. Die Hierarchie der Eigenschaften gleicht der aus der Erhebungsstufe im Jahr 2008 in der Führungsnachwuchs-Studie. 28
Sechs Jahre später erhärten sich die Befunde aus der ersten Korn-Ferry-Studie in einer weiteren Erhebung des Unternehmens. Das Jahrtausend, dem die „Neuerfindung des CEO“ 1989 galt, ist ein erhebliches Stück nähergerückt, und Ruth Tait, Director von – wie es nun heißt – Korn/Ferry Carré/Orban International, kommentiert die aktuellen Ergebnisse von 1995 mit dem Bezug auf die Befunde des Jahres 1989: „Inescapably, then, business leaders will continue to require the same clarity of vision, derived from a powerful intellect reducing a complex reality to the critical essentials; the same credible communication and interpersonal skills to articulate the vision compellingly and motivate people to action; the same character, sincerity, generosity and self-mastery to inspire trust, withstand the necessary loneliness of leadership and not fall victim to the ‚walk-on water’ syndrome; and the same high levels of motivation and physical energy to achieve the extraordinary. These qualities, combined with a self-critical, open, flexible and lifelong learning approach that draws on a track record of broad functional experience, early successful line management experience, international experience (increasingly) and the lessons to be learned from managing in diversity and adversity in fast-changing conditions, will continue to be what it takes to reach the top in the new millennium“ (Tait 1996). Ein Jahr später fasst Rosabeth Moss Kanter, die berühmte Professorin der Harvard Business School, den Focus einer weltweiten Erhebung über die Zukunft des Managements so zusammen: „The new business strategies require managers to find new ways to guide action and motivate people. The old carrots and sticks of pay and promotion are less relevant to the new, flatter organizations. Some managers feel threatened because traditional privileges erode and new skills are required. Managers must become leaders who mobilize people through an inspiring mission and who emphasize learning capabilities“ (Kanter 1997: 27-28). Basis dieser Einsicht war eine schriftliche Befragung, auf die weltweit knapp 12 000 Manager geantwortet hatten, darunter 134 aus Deutschland. Eines der wichtigsten Ergebnisse weltweit ist die starke Betonung der Bildungsdefizite als Hindernis für wirtschaftlichen Fortschritt. In Deutschland sind mehr als zwei Drittel – 69 Prozent – der Befragten dieser Ansicht. Das entspricht den globalen Werten. Anders aber als in anderen Ländern betonen die Deutschen darüber hinaus, dass Bildung zu den Aufgaben der Wirtschaft zählt: Mit 89 Prozent Zustimmung (2-Top-Box einer Fünferskala) liegt Deutschland auf Platz 1. Die Realität während dieser Epoche von der Mitte der 80er Jahre bis zum Jahrtausendwechsel wirkt gegenüber derartigen Ideen von einer aufgeklärten Managementpersönlichkeit provokativ: Es ist die Ära der Corporate Raiders, die Ära des „greed“ an den Börsen (deren erste kurz vor der Korn-Ferry-Studie im 29
Oktober 1987 mit dem Zusammenbruch des „Yuppie“-Phänomens durch den Crash in Wall Street zu Ende ging); viele Titelblätter der einflussreichen Wirtschaftsmagazine machten damals mit diesem Wort auf: „Greed“, („Gier“). Und so begnügt sich nicht alle Literatur dieser Zeit sich mit dem moralischen Gegenbild zu einem entfesselten Management. Die mit der Entlassung von Millionen erfahrener Mitarbeiter dokumentierte Vernachlässigung der menschlichen Ressource sei, so zum Teil recht kämpferisch diese neue Literatur aus den USA – wörtlich – ein Verbrechen. Alan Downs, Wirtschaftswissenschaftler, betitelte ein Buch: Corporate Executions. The Ugly Truth about Downsizing. How Corporate Greed is Shattering Lives, Companies, and Communities. Das Buch ist im Oktober 1996 im Verlag der American Management Association erschienen und berichtete schonungslos über Narzissmus, selbstsüchtige Manager und „KGBMethoden in Großkonzernen“, über die Demotivierung der Belegschaft, die katastrophalen Folgen und – menschliche Alternativen.
„CEO of the Future“: Die Profile in der ersten Erhebung 2000 Trotz dieser Warnungen – es gab bis zum Zeitpunkt der ersten Befragung keine Andeutung einer Krise. Im Gegenteil: Die „New Economy“ (die bald kläglich zusammenbrach) wurde als reale Utopie einer „virtuellen Wirtschaft“ gefeiert. Enthusiastische Erwartungen bestimmten die Zukunftsideen. Die mathematischen Modelle folgten der virtuellen Logik, und erstmals geriet die Realwirtschaft aus dem Blick. Der Nemax All Share schloss im März 2000 am dritten Geburtstag des Neuen Marktes auf einem Allzeithoch von 8 546,19 Punkten. Die Zahl der Neuemissionen lag im Gesamtjahr 2000 bei 132. Ende des Jahres 2000 sind laut Manager Magazin 339 Firmen mit einem Börsenwert von 120,992 Milliarden Euro am Neuen Markt gelistet. In dieser seltsam zwiespältigen Atmosphäre also wurden zum ersten Male Wirtschaftsstudenten und Young Professionals nach ihrem Bild vom idealen CEO und nach ihren Einschätzungen des amtierenden Managements gefragt. Es waren 501 Personen, die im Rahmen des erwähnten Planspiels „CEO of the Future“ einen schriftlichen Fragebogen beantworteten. Die Teilnahme an einem derartigen Planspiel kann als ähnlicher Beleg eines gesteigerten Interesses an einer wirtschaftlichen Karriere gewertet werden wie die Auswahlkriterien 2008 und 2009. Zwar dominieren im Sample die Studierenden (77 Prozent gegenüber 23 Prozent Berufstätiger). Grundsätzlich aber ist, wie später noch belegt wird, die Vergleichbarkeit zum Sample 2008 gegeben.
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Tabelle 8: Vorstellungen vom idealen CEO der Zukunft, Bewertung der amtierenden Führungskräfte und Selbsteinschätzung im Sommer 2000 Mittelwerte, gemessen über eine Fünferskala (1 = ist in hohem Maße gegeben, 5 = überhaupt nicht gegeben); N = 501; männlich 93, weiblich 7 Prozent, in Ausbildung 77, berufstätig 23 Prozent; Befragungszeitraum September 2000; Reihenfolge nach der Rangskala für die ideale Führungskraft. Hier sind nur die Kategorien berücksichtigt, die auch 2008 in der Erhebung abgefragt wurden.
Kommunikativ Belastbar Lernend Vorausschauend Kundenorientiert Open-minded Analytisch Intelligent Ermutigend Kooperativ Inspirierend Organisiert Diplomatisch Delegationsfreudig Kreativ Loyal Gerecht Risikofreudig Ethisch Geduldig Sozial engagiert Würdevoll
Ideal
Amtierend
Selbst
1,4 1,5 1,5 1,5 1,6 1,6 1,6 1,6 1,8 1,9 1,9 1,9 2.0 2.0 2,0 2,3 2,1 2,5 2,7 2,8 3,0 3,1
3.0 2,2 3,2 2,9 3,1 3,3 2,1 2,3 3,4 3,1 3,4 2,1 3.0 2,8 3,4 2,7 3,3 2,4 3,5 3,4 3,3 2,6
1,9 1,8 1,5 1,9 1,8 1,6 1,8 1,9 2,1 1,9 2,5 2,3 2,2 2,5 2,3 2,1 2,1 2,5 2,6 3.0 2,9 3,0
Kurzinterpretation: Zwischen den Werten für die ideale Führungskraft und der Einschätzung amtierender Führungskräfte zeigt sich dieselbe signifikante Differenz wie schon 2008/2009 – eine Konfrontation, die noch einmal deutlich wird, wenn man die Werte der Selbsteinschätzung und der Einschätzung amtierender Führungskräfte vergleicht. Zwei Mal also in Zeiten fiebriger Märkte, die kurz darauf zusammenbrechen, dokumentiert sich in den Antworten von Studierenden und Young Professionals 31
eine klare Einstellung, die deutlich zu einem anderen Management tendiert. Das heißt: Die Studierenden und Young Professionals suchen nach einer kommunikativen Atmosphäre, in der sie von einer kooperativen und inspirierenden Führung zur eigenverantwortlichen Lösung von Aufgaben ermutigt werden. Noch etwas wird erneut sichtbar: In den eher pragmatisch-betriebswirtschaftlichen Kategorien sind die Differenzen zwischen Selbsteinschätzung und Einschätzung der amtierenden Manager wieder geringer als bei den Soft-Skills. In der Erhebung des Jahres 2000 ist im Unterschied zu späteren Befragungen zusätzlich noch nach der Einschätzung der Peers (also der Kommilitonen und der Kollegen) gefragt worden. Auf Grund der Prägnanz des Instruments ist diese Frage später nicht mehr wiederholt worden. Gelohnt hätte es sich schon: Denn damals, 2000, erwies sich als überraschender zusätzlicher Befund, dass auch die Einschätzung der Peer-Group-Mitglieder deutlich schlechter ausfiel als die Selbsteinschätzung.
Re-Check: Die Profile im Jahr 2006 Das selbstrekrutierte Sample des Jahres 2000 hatte eine störende Eigenart: Für das Planspiel interessierten sich nur sehr wenige weibliche Teilnehmerinnen, so dass ein sehr starkes Übergewicht männlicher Befragter entstand. Als daher 2006 noch einmal dieselbe Frage gestellt werden sollte, bedienten wir uns eines geschichteten Zufallssamples, in dem junge Frauen und Männer annähernd gleich verteilt waren. Die Ergebnisse zeigen, wie schon in der Dokumentation der Daten für 2008, dass die Vorstellungen vom idealen CEO und die Einschätzungen des amtierenden Managements keine merklichen geschlechtsspezifischen Unterschiede aufweisen. In dieser Wiederholung 2006 wurden 171 Studierende und Young Professionals befragt.
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Tabelle 9: Vorstellungen vom idealen CEO der Zukunft, Bewertung der amtierenden Führungskräfte und Selbsteinschätzung im Sommer 2006 Mittelwerte, gemessen über eine Fünferskala (1 = ist in hohem Maße gegeben, 5 = überhaupt nicht gegeben); N = 171; männlich 54,3; Weiblich 45,7 Prozent; in Ausbildung 45, berufstätig (Prozent) 55 Prozent; Durchschnittsalter 27; Befragungszeitraum September 2006; Reihenfolge nach der Rangskala für die ideale Führungskraft
Lernend Organisiert Kundenorientiert Belastbar Kommunikativ Vorausschauend Intelligent Analytisch Open-minded Diplomatisch Kooperativ Delegationsfreudig Kreativ Ermutigend Inspirierend Loyal Gerecht Ethisch Risikofreudig Sozial engagiert Geduldig Würdevoll
Ideal
Amtierend
Selbst
1,7 1,7 1,8 1,8 1,9 1,9 1,9 2,1 2,0 2,1 2,1 2,1 2,2 2,2 2,2 2,5 2,5 2,5 2,6 2,7 2,7 2,8
2,8 2,5 2,5 2,4 2,6 2,7 2,5 2,7 3,0 2,6 2,9 2,6 3,0 2,9 3,1 2,9 3,1 3,1 2,6 3,0 3,1 3,1
1,9 2,1 2,0 2,1 2,3 2,3 2,1 2,4 2,2 2,4 2,2 2,6 2,4 2,4 2,6 2,1 2,2 2,5 3,1 2,5 2,7 2,6
Kurzinterpretation: Die Struktur der Bewertungen und Einschätzungen bleibt auch 2006, sechs Jahre nach der ersten Befragung, gleich. Somit kann man davon ausgehen, dass es sich bei der Differenz in der Profilierung des idealen und des amtierenden CEO um eine grundsätzliche Unzufriedenheit mit den alltäglichen Routinen handelt. Offensichtlich kommen gerade jene Bedürfnisse zu kurz, die sich auf innovationsorientierte Kommunikation, auf Mitarbeiterpflege und langfristige Perspektiven beziehen.
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Auch hier sollen noch einmal die beiden Gruppen der Studierenden und der Young Professionals im Vergleich dargestellt werden. Da sich auch bei dieser Gegenüberstellung keine grundsätzlichen Veränderungen ergeben, bleiben die beiden folgenden Tabellen auf die jeweils 10 wichtigsten Eigenschaften beschränkt. Tabelle 10: Vorstellungen der Studierenden vom idealen CEO der Zukunft, Bewertung der amtierenden Führungskräfte und Selbsteinschätzung im Sommer 2006 Reihung nach den Top 10 der Führungskräfte der Zukunft. Ergebnisse in Mittelwerten einer fünfstufigen Skala (1= in hohem Maße vorhanden; 5= gar nicht vorhanden)
Lernend Kundenorientiert Organisiert Belastbar Vorausschauend Intelligent Kommunikativ Kooperativ Diplomatisch Open-minded
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Ideal
Amtierend
Selbst
1,4 1,6 1,6 1,6 1,7 1,7 1,7 1,8 1,9 1,9
2,8 2,6 2,4 2,2 2,6 2,5 2,6 2,9 2,7 3,1
1,7 1,9 1,9 2,1 2,2 1,9 2,4 2,1 2,0 2,1
Tabelle 11: Vorstellungen der Young Professionals vom idealen CEO der Zukunft, Bewertung der amtierenden Führungskräfte und Selbsteinschätzung im Sommer 2006 Reihung nach den Top 10 der Führungskräfte der Zukunft.
Lernend Organisiert Kundenorientiert Belastbar Kommunikativ Analytisch Vorausschauend Delegationsfreudig Open-Minded Diplomatisch Intelligent
Ideal
Amtierend
Selbst
1,9 1,9 1,9 2,0 2,1 2,1 2,1 2,1 2,2 2,2 2,2
2,9 2,5 2,5 2,4 2,5 2,7 2,7 2,5 2,9 2,8 2,5
2,1 2,3 2,1 2,2 2,1 2,3 2,3 2,5 2,3 2,3 2,2
Kurzinterpretation: Die bereits berufstätigen Befragten zeigen insgesamt eine leicht pragmatischere Haltung als die Studierenden. Das deutete sich bereits in den vorangehenden Aufstellungen von Befunden an. Die Erfahrung im Berufsalltag führt wohl zu einer etwas veränderten Einschätzung. Die allgemeine Tendenz ist davon allerdings nicht berührt.
Nach der Krise: Die Befunde von 2009 im langfristigen Vergleich Damit komme ich zu einem letzten Aspekt der ersten Frage: Alle Befunde, die bislang referiert worden sind, beziehen sich auf die Zeit vor dem Ausbruch der Finanzkrise im Herbst 2008. Da die zweite Hälfte der Befragung 2008/2009 nun nach Ausbruch der Krise lag, wurde das Sample geteilt, um Einflüsse auf die Einschätzungen zu untersuchen. Das Ergebnis ist eindeutig: Offensichtlich hat die Krise im Bewusstsein der Befragten keine weiteren bemerkenswerten Veränderungen provoziert – jedenfalls nicht bis zum Ende der Befragungswelle im März 2009, als noch einmal 162 Personen den Erhebungsbogen zum Thema ausfüllten (männlich 71, weiblich 29 Prozent; in Ausbildung 28, berufstätig 72 Prozent; Durchschnittsalter 29 Jahre). Die Vergleichswerte der vier Zeiträume 2000, 2006, 2008 und 2009 demonstrieren anschaulich, dass es sich bei der Profilierung der Idealfigur, der Einschätzung des amtierenden Managements und der Einschätzung der eigenen Charakteristik um eine konstante Haltung handelt. 35
Tabelle 12: Vorstellungen vom idealen CEO der Zukunft, Bewertung der amtierenden Führungskräfte und Selbsteinschätzung von 2000 bis 2009, alle Befragten Mittelwerte, gemessen über eine Fünferskala (1 = ist in hohem Maße gegeben, 5 = überhaupt nicht gegeben); Befragungszeiträume: September 2000, Juni 2006, August/September 2008, Februar 2009; Reihenfolge nach der Rangskala für die ideale Führungskraft 2000; der Übersichtlichkeit halber sind die Befunde aller Befragungszeiträume noch einmal aufgeführt.
00 Kommunikativ 1,4 Belastbar 1,5 Lernend 1,5 Vorausschauend 1,5 Kundenorientiert 1,6 Open-minded 1,6 Analytisch 1,6 Intelligent 1,6 Ermutigend 1,8 Kooperativ 1,9 Inspirierend 1,9 Organisiert 1,9 Diplomatisch 2,0 Delegationsfreudig 2,0 Kreativ 2,0 Gerecht 2,1 Loyal 2,3 Risikofreudig 2,5 Ethisch 2,7 Geduldig 2,8 Sozial engagiert 3,0 Würdevoll 3,1
Ideal 06 08 1,9 1,6 1,8 1,6 1,7 1,8 1,9 1,7 1,8 2,0 2,0 1,7 2,1 1,8 1,9 1,9 2,2 1,7 2,1 1,9 2,2 2,1 1,7 2,0 2,1 2,1 2,1 1,9 2,2 2,4 2,5 2,0 2,5 2,1 2,6 2,7 2,5 2,1 2,7 2,5 2,7 2,9 2,8 2,8
09 1,8 1,5 1,8 1,7 1,9 2,0 1,9 1,7 1,7 1,9 2,2 1,7 1,9 2,1 2,3 2,0 2,1 2,9 2,5 2,4 2,9 2,7
00 3,0 2,2 3,2 2,9 3,1 3,3 2,1 2,3 3,4 3,1 3,4 2,1 3,0 2,8 3,4 3,3 2,7 2,4 3,5 3,4 3,3 2,6
Amtierend 06 08 2,6 2,5 2,4 1,9 2,8 3,2 2,7 2,9 2,5 2,7 3,0 3,1 2,7 2,3 2,5 2,3 2,9 3,3 2,9 3,0 3,1 3,3 2,5 2,3 2,7 2,8 2,6 2,3 3,0 3,1 3,1 3,3 2,9 3,0 2,6 2,5 3,2 3,7 3,1 3,4 3,0 3,8 3,1 3,4
09 2,4 2,2 3,0 2,7 2,5 2,9 2,4 2,3 3,0 2,7 3,7 2,4 2,8 2,3 2,9 3,1 2,8 2,5 3,4 3,1 3,2 3,0
Selbsteinschätzung 00 06 08 09 1,9 2,3 1,9 1,9 1,8 2,1 1,9 1,9 1,5 1,9 2,0 1,6 2,0 2,3 2,0 2,0 1,8 2,0 1,9 2,0 1,6 2,2 1,6 2,0 1,8 2,4 1,8 2,0 1,9 2,1 1,9 1,9 2,1 2,4 1,9 2,0 2,0 2,2 1,7 1,6 2,5 2,6 2,4 2,5 2,3 2,1 2,2 2,2 2,2 2,2 2,2 2,2 2,5 2,4 2,6 2,5 2,3 2,4 2,4 2,3 2,1 2,2 2,0 2,0 2,1 2,1 1,8 1,9 2,5 3,1 2,9 3,0 2,6 2,5 2,0 2,2 3,0 2,7 2,5 2,6 2,9 2,5 2,6 2,6 3,0 2,6 2,5 2,4
Kurzinterpretation: Das Profil des idealen CEO, die an diesem Profil gemessene Charakteristik der amtierenden Vorgesetzten und die Selbsteinschätzungen, gemessen an den Antworten vergleichbarer Samples zu unterschiedlichen Zeit-
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punkten, entsprechen nach diesen Daten einer kontinuierlichen Grundstimmung, die offensichtlich für die Mehrheit der Befragten als eine überdauernde Philosophie des Managements und der Führung gilt. Die gelegentlichen kleineren Abweichungen innerhalb der einzelnen Fragen lassen sicher Interpretationen offen – ich möchte allerdings hier auf Spekulationen verzichten, da es sich auch um nicht kontrollierbare Einflüsse des jeweiligen öffentlichen Meinungsklimas auf die Samples oder um nicht sichtbare Verschiebungen in den Teilstichproben handeln kann. Der Vergleich von Studierenden und Young Professionals ergibt eine leicht „mutigere“ Selbsteinschätzung“ bei den Studierenden. Die Mutmaßung, dass sich die Bewertung des amtierenden Managements nach Ausbruch der Krise unter dem Eindruck der öffentlichen Diskussion 2009 noch einmal verschlechtern würde, lässt sich nicht bestätigen. Es bestätigt sich weiterhin, dass die größeren Differenzen bei den Soft Skills zu beobachten sind und dass die jungen Befragten sehr großen Wert auf mitarbeiterorientiertes und inspirierend-ermutigendes Verhalten legen, das ihnen ohne allzu große Risiken unter kooperativer Führung Lernerfahrungen bietet. Ein Blick auf die Kontrollgruppen zeigt, dass die Haltung bei den wirtschaftsnäheren Studienbereichen etwas moderater ist als bei Studierenden der Soziologie oder Erwachsenenbildung, dennoch aber eine allgemeine Tendenz repräsentiert. Eine deutlichere Differenzierung zeigt sich später bei der Prüfung der Befunde zu Handlungsoptionen in moralischen Dilemmata. Dann nämlich verdichtet sich der Eindruck einer pragmatischen Kompromissbereitschaft, der hier andeutungsweise zu erkennen ist.
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Tabelle 13: Werte der Kontrollgruppen aus Soziologie- und Pädagogikstudenten Studenten der Diplom-Pädagogik (2006) und der Soziologie und der Diplompädagogik (2008); Reihenfolge nach Mittelwerten der Einschätzung amtierender Führungskräfte durch Pädagogen; N 2006 = 60, 2008 = 47 Amtierend
Sozial engagiert Inspirierend Diplomatisch Ermutigend Ethisch Geduldig Würdevoll Gerecht Kreativ Kundenorientiert Loyal Lernend Open-minded Analytisch Vorausschauend Kooperativ Risikofreudig Kommunikativ Organisiert Belastbar Delegationsfreudig Intelligent
Selbst
Päd
Soz/Päd
Päd
Soz/Päd
3,1 3,1 2,8 2,9 2,9 2,9 2,9 2,8 2,8 2,8 2,7 2,7 2,7 2,7 2,6 2,6 2,5 2,4 2,4 2,4 2,3 2,2
3,4 3,4 3,1 3,2 3,9 3.4 3,3 3,6 3,1 2,6 3,3 3,1 3,0 2,7 3,0 3,0 2,4 2,5 2,6 2,3 2,3 2,3
2,5 2,7 2,8 2,8 2,3 2,6 2,6 2,3 2,4 2,1 2,2 2,1 2,4 2,8 2,6 2,4 4,1 2,2 2,4 2,5 2,9 2,6
2,2 2,8 2,1 2,1 2,0 2,6 2,6 2,1 2,3 2,6 2,1 2,0 1,7 2,5 2,6 1,9 3,4 2,2 2,8 2,6 2,7 2,0
Kurzinterpretation: Die Befragten legen eine vergleichbar große Distanz zu den amtierenden Führungskräften an den Tag – dies bei relativ gleichartiger, allerdings schon etwas deutlicher differenzierten, Einschätzung der eigenen Eigenschaften. Die Ergebnisse müssen natürlich mit aller Vorsicht interpretiert werden, weil die Fallzahlen nicht allzu groß sind.
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Zentrales Motiv: Die mitarbeiterorientierte Führungskraft Die Tendenz, die in den vorangehenden Befunden bereits sichtbar ist, erhärtet sich: Offensichtlich sind die Studierenden und jungen Berufstätigen keine verträumten Idealisten, sondern pragmatische Realisten mit einem klaren Bild der wesentlichen Faktoren für langfristige Erfolge. Als der primäre Faktor für diesen Erfolg erscheint die Mitarbeiterorientierung. Um zu prüfen, ob mit der Befragung ungewollt Interaktionseffekte erzeugt wurden – die ja in der Regel zu „sozial erwünschten“ Antworten führen – sind verschiedene weitere Informationswege eingeschlagen worden, im Erhebungsbogen selber die Frage nach dem Arbeitsstil des idealen CEO von morgen. Die Frage ist auch aus Gründen der internen Validierung einbezogen. Die folgende Übersicht zeigt die Mittelwerte und Ränge der einzelnen Handlungsoptionen, die den Befragten unterbreitet wurden, für die Befragungszeiträume 2000 und 2008/09. Die Auswertung stammt aus der Prüfungsarbeit von Timo Wohlers. Tabelle 14: Arbeitsstil des idealen CEO von morgen; Vergleich 2000 und 2008/2009 Samples wie in den Tabellen der jeweiligen Jahrgänge beschrieben; Mittelwerte und Ränge für die Aussagen über den Arbeitsstil des Managers von morgen; die zehn höchstbewerteten Optionen; Mittelwerte auf einer Fünferskala (1 = sehr wichtig, 5 = sehr unwichtig);
Weiterbildung d. Führungskräfte Pflegt häufige Kommunikation mit Angestellten Legt Wert auf die persönliche Entwicklung der Mitarbeiter Knüpft Entlohnung an Leistung Von innerer Leidenschaft getrieben Besucht regelmäßig alle Abteilungen Vertritt Firmeninteressen offensiv Delegiert wichtige Aufgabenbereiche Plant seine Nachfolge aktiv Belohnt Loyalität gegenüber der Firma Forciert kosmopolitische Mentalität der Mitarbeiter
2008/09
2000
1,5 (1)
1,7 (2)
1,6 (2)
1,6 (1)
1,7 (3) 1,9 (4) 2,0 (5) 2,1 (6) 2,2 (7) 2,2 (8) 2,3 (9) 2,4 (10)
1,8 (4) 1,7 (3) 2,1 (7) 2,1 (7) 1,9 (5) 2,1 (9) 2,3 (11) 1,9 (6)
2,8 (13)
2,3 (10)
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Kurzinterpretation: Leichte Gewinne sind 2008/2009 für die Weiterbildung und die persönliche Entwicklung der Mitarbeiter zu verzeichnen. Damit bestätigt sich auch die bereits in der Abfrage der Bewertungskategorien für das Profil des idealen CEO verfestigte Bild. Die „Steigerung des Unternehmenswertes“ bleibt beide Male auf Platz 12, damit ein zwar noch verhalten positiv bewertetes Ziel, aber keineswegs eines der vordringlichen Leitmotive der Arbeit. Dabei kommt es den Befragten offensichtlich nicht auf eine harmonische Atmosphäre an. Das Statement, dass der ideale CEO von morgen Wert auf die Sympathie bei seinen Mitarbeitern lege, erreicht 2008/2009 bei einem Mittelwert von 2,9 nur den 17 Rang – ein Abstieg um drei Plätze gegenüber 2000, als dieses Statement einen Mittelwert von 2,5 erreichte. Allenfalls mittlere Werte erreichen Statements wie beispielsweise die „häufige Konsultation von Beratern“ (bei einem Mittelwert von 3,1) markiert diese Option 2008/2009 den 19. Rang und verschlechtert sich damit gegenüber 2000 (Mittelwert damals 2,8) um zwei Plätze. Erwartungsgemäß lehnen die Befragten zu beiden Zeitpunkten einen Typus ab, der nach persönlichem Ruhm strebt (Mittelwert in der aktuellen Erhebung von 3,7 auf Platz 22; im Jahr 2000 ein Mittelwert von 3,2 auf Rang 21). Diese Tendenzen bestätigen sich in einer offenen Frage danach, was man selbst als erstes tun würde, wenn man die Führung eines Unternehmens anvertraut bekäme. Mehr als ein Drittel der Befragten nennt als ihre Priorität die „Förderung und Entwicklung von Mitarbeitern“. Ein Viertel sieht ein Ziel in der „Flexibilisierung der Organisation“. Es folgen die „längerfristige Ausrichtung in der Planung“, die „Intensivierung der Kostenkontrolle“, die „Steigerung der Kundenorientierung und des Service“ sowie (immerhin noch mit durchschnittlich 12 Prozent der Befragten) die „Ethikorientierung und gesellschaftspolitische Initiativen“. Die Steigerung des Umweltschutzes rangiert nicht unter den 10 wichtigsten Aktionen, ebenso wenig wie die Sicherung von Arbeitsplätzen einerseits, andererseits aber auch die Entmachtung der Betriebsräte (die Kategorien sind nachträglich formulierte Über-Codes). Dieses auf den ersten Blick disparate Bild, das die Antworten auf die offen gestellte Frage bieten, klärt sich erst in einem zweiten Blick auf: Die Mentalität des Führungsnachwuchses ist offensichtlich sowohl durch die starke Betonung der mitarbeiterorientierten Loyalität der Führungskräfte wie durch einen stark pragmatischen Grundzug des betriebswirtschaftlichen Handelns bestimmt. Im Prinzip wiederholt sich das Bild, das die organisationssoziologische Forschung zur Führung seit den 70er Jahren im Typus der „transformationalen Führungspersönlichkeit“ zusammenfasst.
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Exkurs: Statements des Multifactor Leadership Questionnaire Form 6S nach Bass/Avolio in der Fassung von Northouse 1997 Kurz gesagt, ist transformationale Führung vor allem durch visionäre Kraft, kommunikative Kompetenz, Inspiration und Ermutigung der Mitarbeiter charakterisiert. Ermittelt wird dieser Führungsstil in der Regel durch ein Inventar aus einer Reihe von Statements, in denen Führungsverhalten thematisiert wird. Ich stelle als Instrument hier unkommentiert vor. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21.
Andere fühlen sich gut, wenn sie mit mir zusammen sind. Ich drücke mit wenigen, einfachen Worten aus, was wir tun könnten und sollten. Ich befähige andere, alte Probleme auf neue Weise zu sehen. Ich helfe anderen bei Ihrer Entwicklung. Ich sage den anderen, was zu tun ist, wenn sie für Ihre Arbeit belohnt werden wollen. Ich bin zufrieden, wenn die anderen die vereinbarten Standards erreichen. Ich bin zufrieden, wenn ich die anderen ihre Arbeit wie immer machen lassen kann. Andere haben volles Vertrauen zu mir. Ich liefere ansprechende Visionen darüber, was wir tun können. Ich liefere anderen neue Wege zur Betrachtung von schwierigen Dingen. Ich lasse die anderen wissen, was ich über ihre Arbeit denke. Ich gebe Anerkennung/Belohnungen, wenn andere ihre Ziele erreichen. So lange die Dinge gut gehen, ändere ich nichts. Was andere auch tun, ich finde es in Ordnung. Andere sind stolz darauf, mit mir in Verbindung zu stehen. Ich helfe anderen, den Sinn ihrer Arbeit zu finden. Ich erreiche, dass andere Ideen neu durchdenken, die sie bisher nie in Frage gestellt haben. Ich wende meine persönliche Aufmerksamkeit anderen zu, die anscheinend zurückgewiesen werden. Ich mache darauf aufmerksam, was andere für das Erreichte bekommen können. Ich informiere die anderen über die Normen, die sie zur Realisierung ihrer Aufgaben wissen müssen. Ich verlange nie mehr von anderen, als absolut notwendig ist.
Je nach der Zustimmung zu den Statements ergeben sich drei unterschiedliche Stile. Aussagen 1,8,15 verdeutlichen einen idealisierten Einfluss auf Mitarbeiter, 41
Inspirierende Motivation ist in den Aussagen 2,9,16 zu erkennen; intellektuelle Stimulierung ist erkennbar durch Zustimmung zu den Aussagen 3,10,17, ergänzt durch individuelle Zuwendung (4,11,18). Dies sind insgesamt die Kriterien transformationaler Führung. Der zweite Stil, sachlicher, systemischer, unpersönlicher, wird als „transaktional“ bezeichnet und dokumentiert sich in den Zustimmungen zu den Aussagen 5,12,19, 6, 13, 20. Schließlich wird der dritte Führungsstil („Laissez faire“) durch die Aussagen 7, 14, 21 repräsentiert. Später wird diese Charakteristik noch einmal im Lichte der Antworten auf weitere Fragen und der Befunde aus weiteren Studien aufgegriffen. Es wäre interessant – wenngleich außerordentlich kompliziert – zu prüfen, ob diese Idee der transformationalen Führung in den Ausbildungsgängen der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften vermittelt wird und ob diese Vermittlung die Ideen von „guter Führung“ prägt – ganz gleich, wie die Praxis dann aussieht. Der Gedanke eines solchen Projekts liegt nahe, weil sich in einer ersten kursorischen Contentanalyse der fachlichen und wissenschaftlichen Literatur zu Führungsstilen zwischen 2000 und 2009 ein deutliches Übergewicht dieses Führungsstils zeigt, sowohl, was die Quantität der Darstellung als auch was die Einschätzung der Qualität betrifft. Noch liegen allerdings keine konkreten Auswertungen vor. Das Ziel, so zu werden, wie es dieses Modell beschreibt, und der Wunsch, Führungskräfte zu erleben, die so sind, scheint die Vorstellungen aber auch dann zu beherrschen, wenn man persönliche Gespräche führt. Die Studierenden und Young Professionals betonen die Qualifikationen und Qualitäten einer Führungskraft in eben diesem Sinn auch dann, wenn sie nicht im Schutz ihrer Anonymität antworten.
Qualitative Befunde: Ergänzende Gespräche Motive: Präferenzen von Young Professionals und Studenten Als illustrative Zusatzinformation zu den quantitativen Befunden und als mögliche Inspirationen zu ihrer Interpretation sollen nun einige „O-Töne“ aus den 2008 und 2009 begleitend zur quantitativen Erhebung geführten Gesprächen mit 20 Studierenden und Young Professionals zitiert werden. Sie liefern interessante Illustrationen zu den vorangehenden – auch etwas ermüdenden – Zahlenkolonnen und Grafiken, bieten darüber hinaus auch erste Anhaltspunkte für die Beantwortung der zweiten Frage, ob sich die Konfrontationen zwischen der Selbst42
einschätzung und der Einschätzung amtierender Führungskräfte auch auf andere Bereiche des Arbeitsalltags erstrecken. Der Leitfaden für die Gespräche nahm die Kernthemen der geschlossenen Befragung auf. Diese Gespräche wurden mit Studierenden aus dem Umfeld der Studentischen Unternehmensberatung „Janus“ in Hannover und mit jungen Unternehmensberaterinnen und -beratern geführt, die zwischen zwei und fünf Jahren berufstätig waren. Nach der Transkription wurden sie sowohl einer offenen als auch einer contentanalytischen Auswertung mit Hilfe des Programms MAXQDATA 2007 unterzogen. Die Gespräche, aus denen hier und in weiteren Kapiteln zitiert wird, wurden von Yvonne Balz, Judith Dufek, Inga Engelken, Julia Frank, Katharina Holtzheimer, Melanie Rogner und Andreas Stegner geführt. Die Zitierungen sind für die folgende Dokumentation unwesentlich bearbeitet – Wortwiederholungen, Unterbrechungen oder Füllwörter wurden aus dem transkribierten Text gestrichen. Die Kategorien für diese Auswertung stellen Über-Codes der bereits dargelegten Fragen zum idealen CEO und zu den amtierenden Managern dar. Dabei wurde zwischen „idealen Eigenschaften“ und „idealen Verhaltensweisen“ unterschieden. Auf diese Weise lassen sich zunächst einmal thematische Prioritäten feststellen. Die Codes der Young Professionals Eigenschaften:
Verhaltensweisen:
Soft Skills Analytische Fähigkeiten Flexibilität Potenziale erkennen Delegationsgeschick Führungsqualitäten Ehrgeiz Teamfähigkeit Fachliche Kompetenzen Empathie Problemlösefähigkeit Verantwortungsbewusstsein Kommunikationsfähigkeit
Work-life-Balance Außerberufliches Engagement Selbständiges Arbeiten Querdenken/innovativ sein Offenheit Ausstrahlen von Autorität Sicheres Auftreten
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Übersicht: Die Codes der Studenten Eigenschaften:
Verhaltensweisen:
Soft Skills Führungsqualitäten Ehrgeiz Teamfähigkeit Fachliche Kompetenzen Empathie Problemlösefähigkeit Verantwortungsbewusstsein Vertrauenswürdigkeit Kommunikationsfähigkeit
Work-Life-Balance leben Außerberufliches Engagement Selbständiges Arbeiten Querdenken/Innovativ sein Offenheit Ausstrahlen von Autorität Sicheres Auftreten
Aussagen: Vorstellungen der Young Professionals Diese Listen der Kompetenzen und Qualifikationen bestätigen einerseits die bereits erarbeiteten Befunde, ergänzen sie aber andererseits um einen wichtigen Faktor: Fachkompetenz. als zwingend notwendige Voraussetzung für eine Führungspersönlichkeit. Allerdings sehen die Befragten diese Fachkompetenz nur dann als produktiv an, wenn sie in Verbindung zu mitarbeiter- und werteorientiertem Verhalten steht. Personen, die ausschließlich fachkompetent sind, werden in den Gesprächen eher skeptisch beurteilt. „Ich … kann mich nur auf das beziehen was ich jetzt in Deutschland in verschiedenen Unternehmen gesehen habe, die dann weniger diese Sozialeigenschaften haben, die auf einer fachlichen Kompetenz Führungskräfte geworden sind“, sagt eine Unternehmensberaterin. Eine andere berufstätige Person sagt: „Bei Kunden ist es häufig noch so, dass ich das Gefühl hab, dass einige Führungskräfte einfach aufgrund ihrer fachlichen Kompetenz und gegebenenfalls auch aufgrund ihrer langjährigen Zugehörigkeit in den Unternehmen in Führungspositionen sind.“ Oder: „Ich glaub, ehrlich gesagt, dass Kreativität, das was, wie es weitergeht, auf Mitarbeiter eingehen, dass das halt nicht so im Vordergrund stand, sondern wirklich fachliches Wissen, Finanzen und so weiter, dass das eher entscheidend war.“ Zwei Faktoren werden immer wieder als unerlässliche Zusatzqualifikationen betont – Kommunikationsfähigkeit und Mitarbeiterorientierung. Eine Unternehmensberaterin: „Das war vielleicht früher wichtig, die fachliche Kompetenz zu haben, wenn man dann in seiner personalen Arbeit ein Experte war, war man automatisch auch Führungskraft. Ich denke, das ändert sich jetzt. Dass zum Beispiel die Sozialkompetenz, wie zum Beispiel Mitarbeitermotivation, Einfühlungsvermögen, Kommunikation usw., das die dann auch wichtiger werden, aber 44
ich denke, wir sind noch nicht so weit, dass wir sagen, alle schätzen und haben diese Eigenschaften.“ In diesem Interview wird noch eine weitere Kritik geäußert, die als illustrative Ergänzung zum Wunsch nach Delegationsfähigkeit und -bereitschaft gelesen werden kann – dass sich nämlich Vorgesetzte zu sehr um die operative Belange kümmern. Die Befragte findet es kontraproduktiv, „wenn man zu sehr Mikromanager ist, das heißt wenn man zu wenig Vertrauen in seine Organisation hat … und dementsprechend alles kontrolliert, das ist nichts was jetzt irgendwie auch dann die Organisation an sich besonders leistungsfähig werden lässt.“ Eine wieder andere Befragte betont die Unterschiedlichkeit der ihr bekannten Führungskräfte: „Ich habe nur einen begrenzten Einblick in Führungskräfte von heute. Die ich kennen gelernt habe, waren sehr verschieden. … Ich hab keinen erlebt, der das nur ein bisschen kann, sondern ich hab also jemanden erlebt, der es überhaupt nicht kann und in meinen Augen eine schlechte Führungskraft ist. Ich hab aber auch sehr gute Führungskräfte erlebt, die das sehr, sehr gut können.“ Die Selbsteinschätzungen der Befragten in den Interviews bestätigen den Unterschied zwischen den eben skizzierten Einschätzungen und der Selbsteinschätzung, wie er sich in der quantitativen Befragung zeigte. „Ich glaube, das ich ganz gut mit Teams umgehen kann, aber gleichzeitig aber auch zusteuern kann, sich in das Team einbringen, den Teamspirit so ein bisschen aufrecht erhalten, kreativ mitzuwirken, das Team anzufeuern, aber gleichzeitig nicht zu sehr die Führungsrolle zu verlieren, zu kontrollieren eben auch. Was ich auch können muss, weil ich inzwischen auch kleine Teams leite, sowohl bei Kunden wie auch in meinem Unternehmen.“ Der Name des Unternehmens ist bekannt. Das gleiche Selbstbewusstsein dokumentiert sich in der nächsten Aussage einer ebenfalls berufstätigen Person. „Also ich denk schon, dass also diese menschliche Seite mich ausmacht, als Führungskraft, wobei ich jetzt noch eine sehr junge Führungskraft bin, sozusagen gerade diese Projektleiterrolle gestartet habe und jetzt auch erst mal Erfahrungen sammeln muss und da auch selbst natürlich auch das Ganze weiterentwickeln. … Ich glaube ich kann gut einschätzen wer zu was in der Lage ist, wer welche Fähigkeiten hat.“ Das Motiv wiederholt sich in verschiedenen Aussagen: „Ich glaub ich habe eine hohe Motivation, meine Mitarbeiter weiterzuentwickeln, also mein Team weiterzuentwickeln. … Zumindest kann ich das zum Beispiel gut im Umgang mit Praktikanten, die wir hier haben für die ich dann der Mentor bin. Das ist jetzt keine wirkliche Führungsposition, aber geht ja in die Richtung. Ich glaube, dass mir das liegt eine gute Beziehung zu Kollegen oder entsprechend zu Mitarbeitern aufzubauen.“ Erneut wird die Kombination von Fachkompetenz und sozialer Kompetenz betont: „Grundsätzlich glaube ich, dass mich vor allem, neben den 45
fachlichen Kompetenzen, soziale Eigenschaften auszeichnen, wie zum Beispiel Offenheit gegenüber Veränderungen oder Einfühlungsvermögen.“ Oder: „So ich halte mich für eine relativ einfühlsame Person und ich versuche auch auf jeden Fall jede einzelne Person in meinem Umfeld, also jedem das Gefühl zu geben, dass er wichtig ist und das, was er beiträgt sehr wichtig ist sozusagen für das Gesamtziel.“ Eine andere Beraterin, die seit mehr als 5 Jahren in der Beratungsbranche tätig ist, betonte auf unsere Frage hin erneut, dass die soziale Kompetenz eine essenzielle Eigenschaft darstellt. Zudem versichert sie uns, dass es nicht nur für Führungskräfte, sondern auch für sie persönlich in ihrer Position wichtig ist, sich „mit dem Kunden auseinanderzusetzen und zwar auf jeder Ebene, nicht nur mit den Vorständen, sondern auch mit der Produktion beispielsweise“. Sie erzählt uns, dass sie christlich erzogen wurde und für sie das Gebot der Nächstenliebe auch in der Berufswelt zählen sollte. Als wir sie fragen, wo ihrer Meinung nach die Dinge im Argen liegen, nennt sie uns den „Oberbegriff ‚Gier‘“.
Aussagen: Vorstellungen der Studierenden Die Aussagen der Studierenden konzentrieren sich auf die dieselben Qualitäten und Defizite, die schon die jungen Berufstätigen betont haben. Auch nach den Aussagen eines 24jährigen BWL-Studenten (mit dem Schwerpunkt Unternehmensführung) ist die Überbetonung der Fachkompetenz bei der Personalauswahl ein Problem: Wer nur fachkompetent sei, „ist einfach keine Führungsfähigkeit. [Das sind] einfach Leute, die nicht wissen, wie man mit Menschen umgeht. Also, ich meine, es gibt ja Leute, die sind fachlich ganz gut, gerade auch so im technischen Bereich, die haben dann ihre Karriere gemacht, sind super mit Doktortiteln und allem und super Forscher und dann müssen sie irgendwann mal ein Team führen und haben ein Riesenproblem, weil sie das noch nie gemacht haben. Und die auch nicht so der Typ sind, der auch gern was mit Menschen macht.“ Ein studentischer Unternehmensberater, der in seinem Studium des Wirtschaftsingenieurswesens den Schwerpunkt auf Controlling gelegt hat, erklärt uns, er wolle in seiner beruflichen Zukunft in klarem Gegensatz dazu „die Mitarbeiter nicht einfach nur so als auswechselbare Wertschöpfungskraft sehen“ und versuchen, auf sie einzugehen. Für ihn ist eine „Vertrauensbasis“ zwischen Führungskraft und Mitarbeitern sehr wichtig. Was die Differenz zwischen den Selbsteinschätzungen und den Bewertungen der amtierenden Führungskräfte betrifft, wird vor allem in den Aussagen der Studierenden eine mögliche Erklärung sichtbar, die sich auch auf die überbetonte Fachkompetenz bezieht: das Alter der Führungskräfte. Die Defizite bei heutigen Führungskräften könnten 46
zum Beispiel durch den Umstand bedingt sein, dass früher die fachliche Kompetenz im Vordergrund stand und die meisten Führungskräfte aufgrund dieser Kompetenz ihre Position haben. Eigenschaften wie soziale Kompetenz erschienen unwichtig oder waren – wenn es sich um ältere Führungskräfte handelt – überhaupt kein Thema, vor allem nicht in den Ausbildungsgängen der technischen Fächer. Die Auswahl richtete sich einfach nach der zertifizierbaren Fachkompetenz. So führt ein Student des Wirtschaftsingenieurswesens im 7. Semester aus: „Diese Generation 50 plus steckt häufig noch in diesen alten Rollenbildern fest, und die die jetzt grade frisch sind, so mit vierzig oder so, die kommen aus der Industrie, die haben promoviert an der Uni und sind dann fünf, sechs Jahre in der Industrie gewesen und haben dann dort das auch mitbekommen mit diesem flexiblen Arbeitszeitenmodell und das ist sehr viel anders dann. Ich würde sagen, dass die jetzige neue Generation, die grade angefangen hat, Führungskraft zu sein, das teilweise schon verinnerlicht hat.“ Eine Studentin, die kurz vor der Befragung ein Praktikum in einer bekannten Unternehmensberatung absolviert hat, differenziert ebenfalls klar: „Also ich hatte bis jetzt gute Erfahrungen. Das Praktikum war super. Da werden die Chefs, die Partner teilweise geduzt und man kann zu jedem hingehen. Da hat meiner Meinung nach der Wandel schon angefangen. Früher war das so, dass die Chefs niemanden an sich ranließen. Sie sitzen meistens hinter verschlossenen Türen, wie hier in der Uni.“ Noch einmal fast wörtlich wird dieses Motiv von einem bereits tätigen Unternehmensberater angesprochen: „Ja, gut, wenn ich mir Führungskräfte heute anschaue, dann sind das hauptsächlich ältere Herren. Und wie gesagt, sie sind auf jeden Fall, gut, sonst wären sie nicht da, wo sie sind. Ich, ich glaub aber sehr, dass das früher sehr viel aus Wissen resultierte, also sagen wir mal gute Ausbildung und ein wirklich fachliches Wissen und auch Kontakte. Somit, sagt ein Student der Wirtschaftswissenschaften, der eine führende Rolle in einer Studentischen Unternehmensberatung spielt, würden in der Personalauswahl wohl die falschen Weichen umgelegt. „Wenn heute nach Führungskräften gesucht wird, dann wird im Prinzip die Vorauswahl immer erst mal nach Noten getroffen und eh nach dem Ideallebenslauf, wie z.B.: bitte ein Jahr Auslandserfahrung, bitte mehrmonatiges Praktikum irgendwo, bitte mal Schulsprecher gewesen oder sonst was oder irgendwo engagiert. Daneben zählen dann die Noten … und ich denke, dass letztendlich das nicht unbedingt relevant ist. Also das, was die Person letztlich ausmacht und die Personen, nach denen gesucht wird – da ist, glaube ich, einen kleine Differenz vorhanden. So also dass ich denke, dass sich Menschen zu ziemlich guten Führungspersonen entwickeln würden, die man aber so in dem Bild überhaupt nicht wiedererkennen würde oder die so nicht gesucht werden würden.“ 47
Kommentare: Vorstellungen amtierender Führungskräfte Bis zum Redaktionsschluss dieses Textes konnten erst fünf Gespräche geführt werden. Dennoch erscheint es interessant, jetzt schon einige Impulse – sozusagen als Illustrationen und Hinweise auf denkbare Reaktionen – darzustellen. Die Eingangsfrage lautete: „Heutige Führungskräfte werden von Studenten und Young Professionals als wenig empathisch und wenig kommunikativ beschrieben. Wie sehen Sie das als derzeitige Führungskraft, wie schätzen Sie sich selbst ein?“ Die Antworten überraschten. Alle fünf befragten Führungskräfte hielten sich selbst für empathisch und kommunikativ. Sie verweisen darauf, dass ihre Mitarbeiter ihnen diese Kompetenzen regelmäßig bestätigten. Sie stellten jedoch Defizite bei einigen Kollegen fest. So wird als Beispiel eine Situation geschildert, in der Zusatzaufgaben unabhängig von der jeweiligen Zielvereinbarung an Mitarbeiter delegiert werden. Einige Kollegen seien „sehr sachorientiert unterwegs“. Ihnen fehle die „Empathie“, vor allem, weil sie die Mitarbeiter allein ließen mit der Einbindung der Zusatzaufgaben in die Zielvereinbarung. Eine Person beklagte, dass viele Vorgesetzte mit ihren Mitarbeitern hauptsächlich per E-Mail kommunizierten, statt sich mit ihnen zusammenzusetzen und die Aufgaben persönlich zu besprechen. Die befragte Person selber wies darauf hin, dass sie selber den persönlichen Umgang bevorzuge und ein ausgeprägtes Interesse an der beruflichen und persönlichen Belastung der Mitarbeiter habe. Eine weibliche Führungskraft vermutete auf Grund ihrer Erfahrungen, dass Männer auffallend weniger empathisch seien, und Frauen, wenn sie zu empathisch kommunizierten, die Position als Respektsperson riskierten. Sie betonte, dass sie ihre Mitarbeiter nicht als solche titulierte, sondern als „Kollegen“ und so auch ihre Führungsrolle praktizierte. Als Beispiel nannte sie einen humorvollen Umgang mit ihren Kollegen. Die Kommunikationsfähigkeit schätzte die weibliche Führungskraft als im Allgemeinen eher schlecht ein. Es bestehe oft keine Problemlösefähigkeit in Konfliktsituationen. Von einer anderen Führungskraft wurde angemerkt, dass Kommunikationsstärke auch für traditionelle Karrieren eine unverzichtbare Kompetenz sei. Dieser Gedanke zeigt eine interessante Differenzierung: „Kommunikative Kompetenz“ wird in diesem Falle also nicht mit Empathie gleichgesetzt, sondern erscheint als eher funktionale Kompetenz. Sie korrespondiert eher mit Durchsetzungsfähigkeit und Überzeugungskraft. Der Grund sei ganz einfach: Manche Berufe erforderten einfach eine gesteigerte Kommunikationskompetenz, weil man oft mit „verschiedensten sozialen Schichten oder mit verschiedensten sozialen Hintergründen“ zu tun habe und somit zwangsläufig ein hohes Maß an Empathie und Kommunikation erforderlich sei. 48
In dieser Aussage verdichtet sich die schon mehrfach kurz angedeutete „differenzielle“ Einschätzung von den Qualitäten gegenwärtiger und künftiger Führungspersönlichkeiten: Je mehr Erfahrungen die Befragten in ihren Berufen haben, desto stärker sind die Tendenzen zu pragmatischen Interpretationen von Empathie. Es wäre interessant, auf dieser Grundlage die „Konnotationen“ des oft benutzten Begriffs – und die mit ihm etikettierten Forderungen – auf unterschiedlichen Karrierestufen zu untersuchen. In der Auseinandersetzung mit den Fragen nach Handlungsoptionen in moralischen Dilemmata im nächsten Abschnitt soll diese Frage noch einmal aufgegriffen werden. Wie auch immer: Amtierende Führungskräfte nehmen zur Kenntnis, dass sich ihre potenziellen Nachfolgerinnen und Nachfolger ein noch höheres Maß an Empathie wünschen. Das Thema werde auf jeden Fall ernst genommen und sei sicher auch in den letzten Jahren unterschätzt worden. Der Bereich müsse noch mehr gefördert werden und Unternehmen müssten sich diesbezüglich noch mehr engagieren. Alle befragten Personen hielten die Aussagen der Studenten und Young Professionals für nachvollziehbar. Vermutlich rücken in den Zwängen des betrieblichen Alltags diese Kriterien zugunsten pragmatischer Kurzfrist-Ziele und entsprechender Handlungsprioritäten aber in den Hintergrund. Diese Tendenz prägt, wie sich im folgenden Abschnitt zeigen wird, die mutmaßlichen Handlungsoptionen in alltäglichen moralischen Dilemmata.
Illustrative Ergänzung: Vorstellungen von Schülern Bei der Durchsicht von Studien, die im Zeitraum unserer FührungsnachwuchsStudie 2008/2009 mit ähnlichen Samples zu gleichen Themen durchgeführt worden sind, sind wir auf weitere Gespräche mit jungen Leuten gestoßen, die zwar nicht unmittelbar unsere Kernklientel ausmachen, aber als illustrative Meinungen die Breite der hier repräsentierten Einstellungen zeigen: Schülerinnen und Schüler beziehungsweise Studierende in den ersten Semestern aus der Schweiz. Es handelt sich um eine Umfrage der Zeitschrift HR Today, die auf dem 1. Swiss Talent Forum durchgeführt wurde. Dieses sehr prominente Forum wurde von 120 Gymnasiasten aus der Schweiz und aus anderen europäischen Ländern besucht. Die Fragen sind mit der Struktur der Future-CEO-Erhebung kompatibel, weil definitiv sowohl das Profil der idealen Führungskraft als auch die Selbsteinschätzung für die eigene berufliche Zukunft angesprochen wurden. Eine 18 Jahre alte Gymnasiastin beschreibt den Idealtyp eines Vorgesetzen so: „Ich erwarte, dass mein Chef kompetent ist und dass er das, was er macht, gut macht. Das heißt, dass er nicht nur das Unternehmen gut leitet, sondern auch Verantwortung für seine Mitarbeitenden übernimmt. Wichtig ist mir, dass er 49
nicht nur eine Respektsperson ist, sondern jemand, dem ich mich auch anvertrauen kann, der verständnisvoll und tolerant ist.“ Ein Gymnasiast, 20 Jahre, ergänzt: „Ein Chef muss fähig sein, Mitarbeitende zu begeistern und zu motivieren und dann einzuschreiten, wenn etwas droht, aus dem Ruder zu laufen. Er sollte nicht als ‚der große Chef’ angesehen werden müssen, aber als eine Persönlichkeit mit Autorität.“ Auch ein 18-jähriger Schüler betont die Notwendigkeit der Autorität, vergisst aber ebenso wenig wie alle anderen den Hinweis auf die Mitarbeiterorientierung: „Von meinem künftigen Vorgesetzten erwarte ich, dass er streng ist und klare Grenzen und Ziele setzt. Dabei sollte er aber auch ein gewisses Verständnis für außerordentliche Zwischenfälle haben. Und es wichtig, dass er keine zu konservative Linie fährt, was Ideenreichtum angeht, und flache Hierarchien schafft, damit man auch als einfacher Mitarbeiter zum Chef gehen kann.“ Eine 20-jährige Studentin der Politikwissenschaften sieht die Aufgabe etwas pragmatischer: „Führungskräfte müssen wissen, was sie wollen. Sie müssen strikt sein und ihre Mitarbeitenden pushen, aber ohne sie unter Druck zu setzen. Zu viel Verständnis brauchen Führungskräfte nicht, das wird von manchen Mitarbeitern nur ausgenutzt. Mir ist es wichtig, an einem Ort zu arbeiten, an dem ich meine eigene Meinung vertreten kann.“ Was sie selbst als Führungskraft tun würde? „Wenn ich einmal eine Führungsposition hätte, würde ich auf jeden Fall meine Mitarbeiter in alle Entscheidungen einbeziehen und nach ihren Vorschlägen fragen. Ich denke, dass die Leute sich damit wohl fühlen und dann auch besser arbeiten und bessere Ideen haben. … Ein Arbeiter, der seit zehn Jahren in einer Firma arbeitet, hat vielleicht eher eine Ahnung als jemand, der erst seit kurzer Zeit Chef ist.“ Sie, sagt eine 18 Jahre alte Schülerin, wäre später gern eine Führungskraft, „die, wenn sie einmal etwas falsch macht, dazu auch stehen kann. … Ich glaube, auf diese Weise kann man sich viel Respekt, Vertrauen und Glaubwürdigkeit verdienen. Und das sind wohl die besten Voraussetzungen, um Mitarbeiter zu führen. Ich bin sicher nicht der Erste, der sich das vornimmt – wir werden sehen, ob ich es auch umsetzen kann.“ Offen für Diskussionen will auch ihr 18 Jahre alter Mitschüler sein, wenngleich in einem konservativen Rahmen: „Als Führungskraft wäre ich sehr strikt in puncto Pünktlichkeit, Benehmen und Umgangsformen, aber immer offen für Diskussionen. Denn bei Ideen und Träumen habe ich sehr weite Grenzen.“ Eine weitere Gymnasiastin, ebenfalls 18 Jahre alt, wählt den Weg in die Gegenrichtung: Sie möchte keine Führungsverantwortung übernehmen. „Ich möchte nicht für die Arbeitsplätze meiner Mitarbeiter und damit indirekt auch für deren Familien verantwortlich sein. Zumindest nicht in dieser Zeit. Ich möchte nicht diejenige sein, die da etwas kaputt macht.“ Dieses letzte Motiv einer wirtschaftsfernen Berufsbiografie ist die erste Andeutung einer Haltung, die sich 50
in der Frage nach der künftigen Wertorientierung im Beruf und im Privatleben noch verdichten wird. Die Konsequenzen werden zwar selten so deutlich ausgesprochen. Doch schwingt, wie sich später zeigen wird, in den Überlegungen zur Lebensgestaltung auch die Alternative zur traditionellen Karriere mit. Das ist, um vorzugreifen, insofern hoch interessant, als die Daten aller Studien auch den Wunsch nach einer langfristigen und loyalen Beziehung zu einem Unternehmen nahe legen.
Fazit 1: Idealbild, Konfrontation und Selbstbewusstsein Die Antworten der Studierenden und Young Professionals verdichten sich in der Vorstellung eines inspirierenden, kommunikativen, ermutigenden Führungstypus, der durchaus als Vorbild für eigenes Verhalten dient. Die Befunde zeigen ein relativ starkes Selbstvertrauen der jungen Befragten, was die Umsetzung der von ihnen gewünschten Führungsprofile betrifft. In der Charakterisierung der idealen Führungskraft der Zukunft spiegelt sich also das Selbstverständnis. Die Gespräche machen deutlich, dass die Idee eines Generationenwechsels in den Zukunftsfantasien herumgeistert. Amtierende Führungskräfte scheinen aber nicht die Grundlage dieses Vorbilds zu sein. Sie werden weit kritischer beurteilt – vor allem im Hinblick auf die mitarbeiterorientierten Eigenschaften. Die Diskrepanz verringert sich bei eher arbeitstechnischen Kategorien, die als „operative Schlüsselqualifikationen“ bezeichnet werden könnten. In diesem Bild lassen sich die Konturen einer Diskrepanz zwischen der „Ersten Kultur“ der lediglich auf Fachkompetenz basierenden Führung und einer „Zweiten Kultur“ der kritischen Distanz erkennen. Die Stabilität der Daten ist bemerkenswert. Was aber auf den ersten Blick wie der idealistische Entwurf eines sozial erwünschten Profils und damit wie das Ergebnis von Gefälligkeitsaussagen interpretiert werden könnte, scheint eher eine ambivalente Haltung zu dokumentieren, die zwischen der unablässigen öffentlichen Inszenierung eines bestimmten empathischen, kommunikativen und mitarbeiterorientierten Führungsideals und der eher kennzahldominierten „Verfassungswirklichkeit“ der Wirtschaft und ihrer Repräsentanten schwankt. Diese ambivalente Haltung zeigt sich in zwei zentralen Kategorien der abgefragten Liste, die den Kern des nächsten Abschnittes bilden: „ethisch“ und „sozial engagiert“. Beide Kategorien erreichen nicht die vermutete starke Befürwortung, wie sie etwa bei den Kategorien „kommunikativ“ oder „lernend“ und „open minded“ zu sehen ist. Eine Erklärung liefert die folgende Sektion, die auch die Frage beantworten wird, ob sich die Struktur der Einstellungen in anderen thematischen Kontexten abzeichnet. Die Antwort wird eindeutig ausfallen. 51
Ein Randergebnis könnte noch von Interesse sein: Die Frage nach dem Profil des idealen und des amtierenden CEO und nach der Selbsteinschätzung wurde, wie es üblich ist, durch eine Zusatzfrage nach Kategorien ergänzt, die den Befragten wichtig sind, aber nicht in der Liste der zu bewertenden Eigenschaften aufgenommen sind. Dabei zeichnet sich zwischen Frauen und Männern kaum ein nennenswerter Unterschied ab. Empathie und Mitarbeiterorientierung wurden von beiden Gruppen etwa gleich häufig genannt. Als weitere Ergänzung erschien auch bei dieser Frage die fachliche Kompetenz bedeutsam. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Antworten eine bestimmte Linie der gegenwärtige Diskussion um die Ausrichtung des künftigen Managements widerspiegeln: die Betonung des Prinzips der „transformationalen Führungspersönlichkeit“, die über fachliche Kompetenzen und pragmatische Orientierungen vor allem die Entwicklung der Mitarbeiterschaft im Auge hat.
52
Frage 2: Inhaltliche Reichweite der Befunde?
Werteorientierung: Quantitative und qualitative Befunde Moralische Dilemmata: Handlungsoptionen 2008 und 2009 In den Befunden der zweiten Kernfrage der Führungsnachwuchs-Studie nach denkbaren Handlungsoptionen in moralischen Dilemmata des Managementalltags scheint dasselbe Muster deutlich durch, das bei der Frage nach Profil und Eigenschaften einer Führungskraft sichtbar wurde: Zwischen der Einschätzung von Handlungsprioritäten amtierender Führungskräfte und der Einschätzung der eigenen Handlungsweisen in moralisch zweifelhaften Situationen lässt sich eine ähnlich große Differenz beobachten wie bei der Zuordnung von sozialen Kompetenzen und persönlichen Qualitäten. Anhand einer Liste von 26 Statements, die unterschiedliche Dilemmata des Managementalltags vorstellen, urteilten die Befragten über die ihre eigene Wahl aus Handlungsoptionen und über die mutmaßliche Wahl der amtierenden Führungskräfte. Das Profil des idealen CEO ist in dieser Frage nicht mehr aufgerufen worden. Betrachtet man die Reaktionen auf diese Vorgaben – wobei der Grad der Zustimmung oder Ablehnung wieder auf einer Fünferskala gemessen wird –, verfestigt sich nicht nur der Eindruck dieser Konfrontation, sondern auch die zweite Beobachtung. In Situationen, die eher pragmatisch-betriebswirtschaftliche Aktivitäten betreffen, nähern sich die Selbsteinschätzungen deutlich den Werten für die amtierenden Führungskräfte. Die Dokumentation der Befunde zu dieser Frage folgt in etwa der Struktur des ersten Teils: Zunächst werden die Befunde aus dem Erhebungszeitraum 2008 im Vergleich mit 2009 dokumentiert, um erneut die Frage beantworten zu können, ob der Ausbruch der Krise zu einer kritischeren Einstellung führt. Die darauf folgenden Sektionen bieten dann einen Einblick in frühere Ergebnisse der Führungsnachwuchs-Studie. Schließlich werden die quantitativen Befunde durch die Dokumentation wichtiger Aussagen in den Gesprächen ergänzt und differenziert. An diese Darstellung schließt sich dann die Durchsicht einiger Studien an, die mit vergleichbaren Themenstellungen von anderen Institutionen zum selben Zeitpunkt durchgeführt worden sind.
53
Tabelle 15: Wertedilemmata 2008 und 2009; Vergleich Selbsteinschätzung und Einschätzung des amtierenden Managements Mittelwerte, gemessen auf einer fünfstufigen Skala: 1 = uneingeschränkte Zustimmung; 5 = völlige Ablehnung; Sample wie beschrieben Lesebeispiel: In der Befragungswelle 2008 beträgt der Mittelwert für die Zustimmung zum Statement „Kinderarbeit …“ bei den Befragten 4.8 auf der Fünferskala, 2009 beträgt er 4.7. Die vermutete Zustimmung der amtierenden Führungskräfte wird mit einem Mittelwert von 3.3 vor und 2.7 nach Ausbruch der Krise eingeschätzt.
Kinderarbeit in der Dritten Welt ist deshalb schon gerechtfertigt, weil es alle tun Jede Firma hat das Recht, bei der Einstellung von Frauen unter 40 Jahren zu verlangen, dass auf eine Schwangerschaft innerhalb eines bestimmten Zeitraumes verzichtet wird Gerüchte über den Gesundheitszustand von Konkurrenten in die Welt zu setzen, ist bei der Harten Wettbewerbssituation gerechtfertigt Ich halte es für gerechtfertigt, dass Führungskräfte nicht mit den übrigen Mitarbeitern eines Unternehmens gemeinsam eine Kantine benutzen, sondern ihr eigenes Casino besitzen Im Extremfall würde ich zu Gunsten des Unternehmens auch in Deutschland Schmiergelder einsetzen Es wäre gut, wenn man mit Hilfe von GenomAnalysen die Talente und Neigungen von Mitarbeitern präzise einschätzen könnte Statt der Einstellung von behinderten Personen zahle ich als Manager eines Großunternehmens lieber die gesetzlich vorgeschriebenen Ausgleichszahlungen Ich habe Verständnis dafür, dass viele Unternehmen das weiterhin bestehende Lohngefälle bei der Besoldung von Frauen und Männern nutzen, um gleiche Arbeit billiger zu bekommen
54
Selbsteinschätzung 2008 2009 4.8 4.7
Amtierende Führungskräfte 2008 2009 3.3 2.7
4.6
4.6
2.7
2.6
4.6
4.3
2.8
2.6
4.6
4.6
2.5
2.9
4.4
4.2
2.4
2.0
4.4
3.9
3.0
3.2
4.1
4.1
2.4
2.6
4.1
4.0
2.4
2.0
In Ländern der Dritten Welt ist Korruption Alltag, deshalb würde ich die Praxis mitmachen Privat lasse ich gelegentliche Arbeiten an meinem Haus in Schwarzarbeit durchführen Umweltschutz ist nichts anderes als eine PRMaßnahme, mit der ein Unternehmen öffentlichem Druck begegnet Ich halte es für angebracht, das Mitarbeiter ihre persönliche Weiterbildung selbst bezahlen und Wochenenden dafür nutzen Im scharfen weltweiten Wettbewerb ist es gar nicht anders möglich, als gelegentlich außerhalb der Legalität zu operieren Die Forderung deutscher Führungskräfte nach Gehältern wie in den USA, also nach bis zu zweistelligen Millionenbeträgen, ist angebracht Die erweiterte Mitbestimmung ist abzulehnen, weil Mitarbeiter keine Verantwortung für das Unternehmen tragen Ich würde als Repräsentant meines Unternehmens die Menschenrechtsfrage in bestimmten Ländern nicht ansprechen, wenn sie die Geschäfte behindert Parteispenden sind legitime Mittel, um wirtschaftspolitischen Einfluss zu nehmen Ohne Tierversuche wird die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Kosmetikindustrie nachhaltig beeinträchtigt Es ist normal, Journalisten mit kleinen Geschenken, Incentives oder Vergünstigungen positiv für das Unternehmen zu stimmen Ich bin dafür, unternehmensinterne Dienstleistungen in Firmen mit geringeren Gehältern auszugliedern, um auf diese Weise Kosten zu sparen Ich habe keine Schwierigkeiten damit, in einem Rüstungskonzern zu arbeiten Ich habe keine Schwierigkeiten damit, in einem Konzern zu arbeiten, der Zigaretten herstellt
Selbsteinschätzung 2008 2009 4.0 4.2
Amtierende Führungskräfte 2008 2009 2.3 2.1
4.0
3.7
2.2
2.2
3.9
3.9
2.1
2.1
3.8
3.8
2.5
2.5
3.8
3.4
2.2
2.0
3.7
3.9
1.8
1.9
3.6
3.5
2.2
2.1
3.4
3.5
1.7
1.9
3.3
3.8
1.8
1.9
3.4
3.6
2.2
2.2
3.2
3.0
1.8
1.8
3.2
3.3
1.6
1.7
2.8
3.0
1.9
2.0
2.8
2.6
2.0
1.7
55
Die Kritik an betriebsbedingten Entlassungen ist falsch, weil es nicht die Aufgabe eines Unternehmens ist, Arbeitsmarktpolitik zu betreiben, sondern Geld zu verdienen Ich lehne Flächentarifverträge ab, weil sie die Flexibilität meines Unternehmens beeinträchtigen Es ist gerechtfertigt, zwei Kommunen gegeneinander auszuspielen, um für die Ansiedlung eines Unternehmens die bestmöglichen steuerlichen Konditionen zu erhalten Es ist gerechtfertigt, der Konkurrenz hochklassige Mitarbeiter abzujagen
Selbsteinschätzung 2008 2009 2.7 3.1
Amtierende Führungskräfte 2008 2009 1.8 1.9
2.5
3.1
2.1
1.9
2.4
2.7
1.5
1.4
1.5
1.9
1.3
1.3
Kurzinterpretation: Zu den Statements mit der heftigsten Ablehnung durch die Befragten zählen alle Situationen, in denen unvorteilhafte Arrangements für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angesprochen sind – dabei auch die eher symbolisch bedeutsame Trennung von Casino und Kantine. Andererseits nähern sich, wie bereits angedeutet, die Einschätzungen einander an, wenn es um betriebswirtschaftlich-pragmatische Dilemmata, also etwa um Steuerersparnis, geht. Zwei Aspekte werden im Teilsample 2009 etwas kritischer gesehen – die Kritik an betriebsbedingten Entlassungen und die Haltungen zu Flächentarifverträgen.
Moralische Dilemmata: Vergleich mit 2001/2002 und 2006 Die in der vorangehenden Passage vorgestellten Statements sind zuvor bereits zu mehreren Zeitpunkten benutzt worden – und zwar in einem ersten Erhebungszeitraum in den Jahren 2001 und 2002, zum zweiten Male dann 2006. Der Grund war die bereits erwähnte irritierende Beobachtung in der ersten Future-CEOBefragung 2000: Die Kategorien „ethisch“ und „sozial engagiert“ zählten in der Befragung des Jahres 2000 nicht zu zehn wichtigsten Punkten, sondern rangierten im mittleren Bereich – ganz gleich, ob es sich um die Einschätzung des idealen, des amtierenden CEO oder um die Selbsteinschätzung handelte. Angesichts der skizzierten öffentlichen Debatte über Ethik in der Wirtschaft war eigentlich eine höhere Platzierung zu erwarten. Daher fassten wir nach der Auswertung der Befunde im Jahr 2000 den Entschluss, Statements zu entwerfen, die den in dieser Zeit in den Wirtschaftsressorts der Qualitätszeitungen behandelten Fällen mora56
lisch zweifelhaften Verhaltens entsprachen und zum Teil in späteren Erhebungsstufen aktualisiert wurden. In einer ersten Befragungswelle wurde die Haltung von 180 Studierenden erhoben, die in höheren Semestern eines wirtschaftswissenschaftlichen Studiums standen. Es liegt nahe, an den Universitäten zu befragen, zu denen man ohnehin eine Beziehung hat – das wären also Hamburg, Wien und Hannover gewesen. Die Entscheidung fiel auf Hannover, weil die Universität eine weitere Besonderheit aufweist: Betriebs- und volkswirtschaftliche Studienanteile sind integriert – man bietet sozusagen ein „kontextuelles“ Studium an. Insofern ist auch die Bandbreite der beruflichen Orientierungen der Studentinnen und Studenten größer. Zudem kann man davon ausgehen, dass sich (trotz einer Tendenz zu niedersächsischen Studierenden) in einem solchen Studienbereich Interessenten aus der gesamten Bundesrepublik zusammenfinden. Die Studierenden sollten sich gewissermaßen in ihre eigene Zukunft versetzen, in der sie dann mit den üblichen moralischen Dilemmata konfrontiert sein würden. Gleichzeitig wurden sie gebeten, die Reaktion der bereits tätigen Führungskräfte der deutschen Wirtschaft einzuschätzen. Wenig später, im Herbst 2002, wurden dann im Rahmen einer zweiten Auflage des Planspiels „CEO of the Future“ in Kooperation mit dem Manager Magazin noch einmal 109 Teilnehmerinnen und Teilnehmer befragt. In der Befragung des Jahres 2006 wurden die Statements dann noch einmal 171 Studierenden und Young Professionals vorgelegt. Alle drei Befragungswellen sind in der folgenden Übersicht in ihren Ergebnissen erfasst.
57
Tabelle 16: Handlungsprioritäten in Wertedilemmata: Vergleich 2001, 2002, 2006, alle Befragten Ausgewählte Statements; Sample wie beschrieben; Skala wie beschrieben; einige Statements sind seit 2006 nicht mehr erhoben worden, um das Erhebungsinstrument zu entlasten (-).
Ich halte es für richtig, den Mitarbeitern keine Information über Strategien zu geben Ich habe Verständnis dafür, dass viele Unternehmen das weiterhin bestehende Lohngefälle bei der Besoldung von Frauen und Männern nutzen, um gleiche Arbeit billiger zu bekommen Kinderarbeit in der Dritten Welt ist deshalb schon gerechtfertigt, weil es alle tun Ich halte es für angebracht, das Mitarbeiter ihre persönliche Weiterbildung selbst bezahlen und Wochenenden dafür nutzen Es ist gerechtfertigt, die Ertragslage des Unternehmens zu beschönigen um Aktienkurs zu stützen In Ländern der Dritten Welt ist Korruption Alltag, deshalb würde ich die Praxis mitmachen Parteispenden sind legitime Mittel, um wirtschaftspolitischen Einfluss zu nehmen Ich bin dafür, unternehmensinterne Dienstleistungen in Firmen mit geringeren Gehältern auszugliedern, um auf diese Weise Kosten zu sparen Statt der Einstellung von behinderten Personen zahle ich als Manager eines Großunternehmens lieber die gesetzlich vorgeschriebenen Ausgleichszahlungen Umweltschutz ist nichts anderes als eine PRMaßnahme, mit der ein Unternehmen öffentlichem Druck begegnet Es ist normal, Journalisten mit kleinen Geschenken, Incentives oder Vergünstigungen positiv für das Unternehmen zu stimmen
58
01 4.0
Selbst 02 4.8
06 -
Amtierende 01 02 06 3.4 3.9 -
4.0
3.8
4.3
2.5
2.7
3.1
3.9
4.8
4.4
3.4
3.9
3.2
3.9
3.5
3.8
2.8
2.9
2.7
3.8
-
-
2.2
-
-
3.6
3.4
3.8
2.4
2.5
2.8
3.6
3.3
3.6
2.5
2.2
2.8
3.6
2.7
3.2
1.6
2.1
2.2
3.4
3.6
3.9
2.1
2.4
2.8
3.3
4.0
3.8
2.3
3.0
2.8
3.1
2.8
3.2
2.2
2.0
2.2
Ich würde als Repräsentant meines Unternehmens die Menschenrechtsfrage in bestimmten Ländern nicht ansprechen, wenn sie die Geschäfte behindert Shareholder Value ist das wichtigste Unternehmensziel Es ist gerechtfertigt, der Konkurrenz hochklassige Mitarbeiter abzujagen Es ist gerechtfertigt, zwei Kommunen gegeneinander auszuspielen, um für die Ansiedlung eines Unternehmens die bestmöglichen steuerlichen Konditionen zu erhalten Ich habe kein Problem damit, in einem Zigarettenkonzern zu arbeiten Privat lasse ich gelegentliche Arbeiten an meinem Haus in Schwarzarbeit durchführen
01 2.8
Selbst 02 06 3.2 3.5
2.8
Amtierende 01 02 06 2.8 2.3 2.4
2,8
2.7
1.6
2.3
1.8
1.5
1.9
2.5
2.0
3.1
1.7
1.6
2.4
2.4
2.7
3.5
1.9
2.1
2.6
2.0
3,2
3,3
2,6
2,5
2,6
Tabelle 17: Handlungsprioritäten in Wertedilemmata: Durchschnittswerte aller Befragungszeiträume Mittelwerte über alle Statements zu verschiedenen Untersuchungszeiträumen; gemessen auf der fünfstufigen Skala
Selbsteinschätzung Einschätzung amtierender Führungskräfte
2009
2008
2006
2002
2001
3.6
3.6
3.5
3.4
3,3
2.1
2.2
2.6
2.5
2.4
Kurzinterpretation: Ein bereits identifiziertes Ergebnis der ersten Kernfrage nach den Profilen der Führungskräfte bestätigt sich auch in dieser Frage: die pragmatisch differenzierte Einstellung, die sich in den geringeren Differenzen zu amtierenden Führungskräften äußerte, wenn es um betriebswirtschaftliche Kompetenzen ging. Die Einschätzungen zu Handlungsoptionen bei moralischen Dilemmata zeigen dasselbe Bild: Die mitarbeiterorientierten und die gesellschaftspolitischen Dilemmata provozieren weit deutlichere Reaktionen als die betriebswirtschaftlich-pragmatischen.
59
Einige Unterschiede fallen im Teil-Sample 2002 auf. Zwar ist die Zahl der Befragten etwas niedriger als im rein studentischen Teilsample der ersten Erhebungswelle dieses Zeitraums. Wichtiger könnte aber sein, dass sich dieses Teilsample wie bereits erwähnt, aus Teilnehmern eines unternehmerischen Planspiels rekrutiert war – und 14 von den 109 Personen zu den Kandidatinnen und Kandidaten der Endauswahl für ein Trainee-Programm bei McKinsey gehörten. Dieses Teilsample bewies also in betriebswirtschaftlichen und strategischen Fragen das weitaus größte Geschick. Die Vermutung, dass mit dieser strategischen Fähigkeit auch ein besserer Einblick in unternehmerische Abläufe und die Wirtschaftspraxis verbunden ist und mithin eine pragmatischere Haltung den Dilemmata gegenüber besteht, liegt nahe. Wir haben uns trotz der Tatsache, dass dies eine sehr kleine und mithin statistisch nicht signifikante Gruppe ist, die Werte einmal angesehen. Tabelle 18: Handlungsprioritäten in Wertedilemmata; Interner Vergleich eines Teil-Samples 2002 Ausgewählte Statements; Explorative Mittelwerte getrennt nach den 14 Kandidaten für eine Trainee-Programm und den restlichen Befragten;
Kinderarbeit in der Dritten Welt ist deshalb schon Gerechtfertigt, weil es alle tun Jede Firma hat das Recht, bei der Einstellung von Frauen unter 40 Jahren zu verlangen, dass auf eine Schwangerschaft innerhalb eines bestimmten Zeitraumes verzichtet wird Ich halte es für gerechtfertigt, dass Führungskräfte nicht mit den übrigen Mitarbeitern eines Unternehmens gemeinsam eine Kantine benutzen, sondern ihr eigenes Casino besitzen Ich habe Verständnis dafür, dass viele Unternehmen das weiterhin bestehende Lohngefälle bei der Besoldung von Frauen und Männern nutzen, um gleiche Arbeit billiger zu bekommen Die Forderung deutscher Führungskräfte nach Gehältern wie in den USA, also nach bis zu zweistelligen Millionenbeträgen, ist angebracht Ich würde als Repräsentant meines Unternehmens die Menschenrechtsfrage in bestimmten Ländern nicht ansprechen, wenn sie die Geschäfte behindert
60
Selbst Auswahl/Rest 4.9 4.8
Führungskräfte Auswahl/Rest 4.2 3.8
4.4
4.5
3.5
3.4
4.0
4.3
2.6
2.6
3.3
3.9
2.3
2.7
3.3
3.7
1.9
2.2
2.9
3.2
2.5
2.3
Ich bin dafür, unternehmensinterne Dienstleistungen in Firmen mit geringeren Gehältern auszugliedern, um auf diese Weise Kosten zu sparen Es ist gerechtfertigt, zwei Kommunen gegeneinander auszuspielen, um für die Ansiedlung eines Unternehmens die bestmöglichen steuerlichen Konditionen zu erhalten Ich lehne Flächentarifverträge ab, weil sie die Flexibilität meines Unternehmens beeinträchtigen Es ist gerechtfertigt, der Konkurrenz hochklassige Mitarbeiter abzujagen
Selbst Auswahl/Rest 2.3 2.7
Führungskräfte Auswahl/Rest 1.8 2.1
1.9
2.1
1.3
1.6
1.9
2.0
1.5
1.8
1.6
1.6
1.2
1.5
Kurzinterpretation: Zwar unterscheiden sich die Gewinner des Planspiels in wenigen Punkten tatsächlich vom Rest des Samples. Aber generell schätzen auch sie sich als deutlich moralischer ein als die amtierenden Führungskräfte es nach ihrer Einschätzung sein würden.
Moralische Dilemmata: Geschlecht und Ausbildungs-/Berufsstatus Auf dieser Grundlage nun wird die Frage interessant, ob nennenswerte Unterschiede zwischen den Einschätzungen von jungen Frauen und Männern bzw. Studierenden und Young Professionals zu beobachten sind. Die nächsten beiden Tabellen basieren auf den Werten der Zustimmung, wechseln also den Darstellungs-Modus. Um die Streubreite der möglichen Antworten, die in den Mittelwerten nicht sichtbar werden, einbeziehen zu können, sind nun nur die Anteile der Befragten ausgewiesen, die die Wertungen 1 und 2 gewählt haben – die „2Top-Box“. Diejenigen, die nicht zustimmten, also den mittleren Wert oder einen der beiden ablehnenden Werte gewählt haben, bilden die Differenz zum Gesamtsample. Durch diese Darstellungsform wird die Marge der definitiven Zustimmungen etwas deutlicher als bei den Mittelwerten. Die in einigen Fallen sichtbar deutliche Differenz resultiert aus der offensichtlich in diesen Kategorien häufiger gewählten mittleren Option „3“. Da sich die Differenzen zwischen den Teilsamples 2008 und 2009 in engen Grenzen halten, sind hier die Werte für alle 331 Personen ausgewiesen, die dem Kern-Sample entsprachen.
61
Tabelle 19: Handlungsprioritäten in Wertedilemmata: Vergleich Männer und Frauen 2008/2009 In Prozent (2-Top-Box: „Stimme voll zu“ + „Stimme eher zu“) Selbst Es ist gerechtfertigt, der Konkurrenz hochklassige Mitarbeiter abzujagen Es ist gerechtfertigt, zwei Kommunen gegeneinander auszuspielen, um für die Ansiedlung eines Unternehmens die bestmöglichen steuerlichen Konditionen zu erhalten Ich habe keine Schwierigkeiten damit, in einem Rüstungskonzern zu arbeiten Ich lehne Flächentarifverträge ab, weil sie die Flexibilität meines Unternehmens beeinträchtigen Ich habe keine Schwierigkeiten damit, in einem Konzern zu arbeiten, der Zigaretten herstellt Die Kritik an betriebsbedingten Entlassungen ist falsch, weil es nicht die Aufgabe eines Unternehmens ist, Arbeitsmarktpolitik zu betreiben, sondern Geld zu verdienen Ich bin dafür, unternehmensinterne Dienstleistungen in Firmen mit geringeren Gehältern auszugliedern, um auf diese Weise Kosten zu sparen Es ist normal, Journalisten mit kleinen Geschenken, Incentives oder Vergünstigungen positiv für das Unternehmen zu stimmen Parteispenden sind legitime Mittel, um wirtschaftspolitischen Einfluss zu nehmen Ich würde als Repräsentant meines Unternehmens die Menschenrechtsfrage in bestimmten Ländern nicht ansprechen, wenn sie die Geschäfte behindert Im scharfen weltweiten Wettbewerb ist es gar nicht anders möglich, als gelegentlich außerhalb der Legalität zu operieren Die Forderung deutscher Führungskräfte nach Gehältern wie in den USA, also nach bis zu zweistelligen Millionenbeträgen, ist angebracht Die erweiterte Mitbestimmung ist abzulehnen, weil Mitarbeiter keine Verantwortung für das Unternehmen tragen
62
m 89
w 78
Amtierend m w 95 94
72
48
89
91
61
25
77
65
55
43
80
59
47
48
66
78
46
47
82
79
38
22
91
94
34
30
82
85
34
19
79
78
29
16
84
75
26
11
75
73
25
16
84
79
23
13
55
64
Selbst In Ländern der Dritten Welt ist Korruption Alltag, deshalb würde ich die Praxis mitmachen Ohne Tierversuche wird die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Kosmetikindustrie nachhaltig beeinträchtigt Umweltschutz ist nichts anderes als eine PRMaßnahme, mit der ein Unternehmen öffentlichem Druck begegnet Ich habe Verständnis dafür, dass viele Unternehmen das weiterhin bestehende Lohngefälle bei der Besoldung von Frauen und Männern nutzen, um gleiche Arbeit billiger zu bekommen Privat lasse ich gelegentliche Arbeiten an meinem Haus in Schwarzarbeit durchführen Im Extremfall würde ich zu Gunsten des Unternehmens auch in Deutschland Schmiergelder einsetzen Ich halte es für angebracht, dass Mitarbeiter Ihre persönliche Weiterbildung selbst bezahlen und Wochenenden dafür nutzen Es wäre gut, wenn man mit Hilfe von GenomAnalysen Talente und Neigungen von Mitarbeitern präzise einschätzen könnte Statt der Einstellung von behinderten Personen zahle ich als Manager eines Großunternehmens lieber die gesetzlich vorgeschriebenen Ausgleichszahlungen Ich halte es für gerechtfertigt, dass Führungskräfte nicht mit den übrigen Mitarbeitern eines Unternehmens gemeinsam eine Kantine benutzen, sondern ihr eigenes Casino besitzen Jede Firma hat das Recht, bei der Einstellung von Frauen unter 40 Jahren zu verlangen, dass auf eine Schwangerschaft innerhalb eines bestimmten Zeitraumes verzichtet wird Gerüchte über den Gesundheitszustand von Konkurrenten in die Welt zu setzen, ist bei der harten Wettbewerbssituation gerechtfertigt Kinderarbeit in der Dritten Welt ist deshalb schon Gerechtfertigt, weil es alle tun
m 22
w 8
Amtierend m w 65 52
19
19
70
66
17
16
68
78
17
6
43
82
12
25
70
54
12
3
61
69
8
16
52
56
7
16
31
42
5
11
54
66
4
6
55
55
3
10
38
63
0
8
36
42
0
3
15
34
63
Kurzinterpretation: Die Betrachtung der Zustimmungs-Margen legt den Eindruck nahe, dass sich zumindest in der Intensität der Reaktionen einige geschlechtsspezifische Tendenzen andeuten: Nur 16 Prozent der jungen Frauen zum Beispiel finden die Millionengehälter gerechtfertigt, bei den Männern sind es immerhin 25 Prozent. Frauen sind generell merklich zurückhaltender bei Fragen, die den Grenzbereich zwischen gesellschaftspolitischen und betriebswirtschaftlichen Fragen betreffen. Die Konfrontation zu den amtierenden Führungskräften bleibt allerdings durchwegs signifikant. Tabelle 20: Handlungsprioritäten in Wertedilemmata: Vergleich Young Professionals und Studierende 2008/2009
Es ist gerechtfertigt, der Konkurrenz hochklassige Mitarbeiter abzujagen Es ist gerechtfertigt, zwei Kommunen gegeneinander auszuspielen, um für die Ansiedlung eines Unternehmens die bestmöglichen steuerlichen Konditionen zu erhalten Ich lehne Flächentarifverträge ab, weil sie die Flexibilität meines Unternehmens beeinträchtigen Ich habe keine Schwierigkeiten damit, in einem Konzern zu arbeiten, der Zigaretten herstellt Es ist normal, Journalisten mit kleinen Geschenken, Incentives oder Vergünstigungen positiv für das Unternehmen zu stimmen Ich habe keine Schwierigkeiten damit, in einem Rüstungskonzern zu arbeiten Ich bin dafür, unternehmensinterne Dienstleistungen in Firmen mit geringeren Gehältern auszugliedern, um auf diese Weise Kosten zu sparen Parteispenden sind legitime Mittel, um wirtschaftspolitischen Einfluss zu nehmen Die Kritik an betriebsbedingten Entlassungen ist falsch, weil es nicht die Aufgabe eines Unternehmens ist, Arbeitsmarktpolitik zu betreiben, sondern Geld zu verdienen Die Forderung deutscher Führungskräfte nach Gehältern wie in den USA, also nach bis zu zweistelligen Millionenbeträgen, ist angebracht
64
Selbst YP Stud 85 87
Amtierend YP Stud 96 97
60
65
93
90
52
48
85
67
46
45
69
72
43
28
89
81
39
51
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Privat lasse ich gelegentliche Arbeiten an meinem Haus in Schwarzarbeit durchführen Im scharfen weltweiten Wettbewerb ist es gar nicht anders möglich, als gelegentlich außerhalb der Legalität zu operieren Ohne Tierversuche wird die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Kosmetikindustrie nachhaltig beeinträchtigt Ich halte es für gerechtfertigt, dass Führungskräfte nicht mit den übrigen Mitarbeitern eines Unternehmens gemeinsam eine Kantine benutzen, sondern ihr eigenes Casino besitzen Umweltschutz ist nichts anderes als eine PRMaßnahme, mit der ein Unternehmen öffentlichem Druck begegnet In Ländern der Dritten Welt ist Korruption Alltag, deshalb würde ich die Praxis mitmachen Im Extremfall würde ich zu Gunsten des Unternehmens auch in Deutschland Schmiergelder einsetzen Es wäre gut, wenn man mit Hilfe von GenomAnalysen Talente und Neigungen von Mitarbeitern präzise einschätzen könnte Die erweiterte Mitbestimmung ist abzulehnen, weil Mitarbeiter keine Verantwortung für das Unternehmen tragen Ich habe Verständnis dafür, dass viele Unternehmen das weiterhin bestehende Lohngefälle bei der Besoldung von Frauen und Männern nutzen, um gleiche Arbeit billiger zu bekommen Ich würde als Repräsentant meines Unternehmens die Menschenrechtsfrage in bestimmten Ländern nicht ansprechen, wenn sie die Geschäfte behindert Statt der Einstellung von behinderten Personen zahle ich als Manager eines Großunternehmens lieber die gesetzlich vorgeschriebenen Ausgleichszahlungen Jede Firma hat das Recht, bei der Einstellung von Frauen unter 40 Jahren zu verlangen, dass auf eine Schwangerschaft innerhalb eines bestimmten Zeitraumes verzichtet wird
Selbst YP Stud 28 12
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Ich halte es für angebracht, dass Mitarbeiter Ihre persönliche Weiterbildung selbst bezahlen und Wochenenden dafür nutzen Gerüchte über den Gesundheitszustand von Konkurrenten in die Welt zu setzen, ist bei der harten Wettbewerbssituation gerechtfertigt Kinderarbeit in der Dritten Welt ist deshalb schon Gerechtfertigt, weil es alle tun
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Kurzinterpretation: Young Professionals neigen dazu, aus dem Kontext ihrer Erfahrungen mit den Notwendigkeiten des unternehmerischen Alltags teils pragmatischer zu antworten. Zum anderen Teil aber reagieren sie deutlich irritierter als Studierende. So stimmen sie zwar etwas dem Statement zu, dass die Kritik an Entlassungen ungerechtfertigt sei, dafür sind sie bei der Zustimmung zu Millionengehältern zurückhaltender. Erfahrungen scheinen also nicht nur die Bereitschaft zu pragmatischen Kompromissen zu erhöhen, sondern auch die kritische Auseinandersetzung mit dem Alltagshandeln in bestimmten Bereichen. Moralische Dilemmata: Kontrollgruppe im Vergleich Ein Vergleich mit den Reaktionen der Soziologie- und Pädagogikstudenten auf die moralischen Dilemmata 2008 bietet eine interessante Zusatzinformation. Tabelle 21: Handlungsprioritäten in Wertedilemmata: Vergleich Kernzielgruppe und Kontrollgruppe; ausgewählte Statements
Kinderarbeit in der Dritten Welt ist deshalb schon Gerechtfertigt, weil es alle tun Jede Firma hat das Recht, bei der Einstellung von Frauen unter 40 Jahren zu verlangen, dass auf eine Schwangerschaft innerhalb eines bestimmten Zeitraumes verzichtet wird Ich halte es für gerechtfertigt, dass Führungskräfte nicht mit den übrigen Mitarbeitern eines Unternehmens gemeinsam eine Kantine benutzen, sondern ihr eigenes Casino besitzen
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Selbsteinschätzung Alle Soz/Päd 4.8 4.9
Amtierende Führungskräfte Alle Soz/Päd 3.3 2.8
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Ich habe Verständnis dafür, dass viele Unternehmen das weiterhin bestehende Lohngefälle bei der Besoldung von Frauen und Männern nutzen, um gleiche Arbeit billiger zu bekommen Ich halte es für angebracht, dass Mitarbeiter Ihre persönliche Weiterbildung selbst bezahlen und Wochenenden dafür nutzen Die Forderung deutscher Führungskräfte nach Gehältern wie in den USA, also nach bis zu zweistelligen Millionenbeträgen, ist angebracht Ich bin dafür, unternehmensinterne Dienstleistungen in Firmen mit geringeren Gehältern auszugliedern, um auf diese Weise Kosten zu sparen Die Kritik an betriebsbedingten Entlassungen ist falsch, weil es nicht die Aufgabe eines Unternehmens ist, Arbeitsmarktpolitik zu betreiben, sondern Geld zu verdienen Es ist gerechtfertigt, zwei Kommunen gegeneinander auszuspielen, um für die Ansiedlung eines Unternehmens die bestmöglichen steuerlichen Konditionen zu erhalten Es ist gerechtfertigt, der Konkurrenz hochklassige Mitarbeiter abzujagen
Selbsteinschätzung Alle Soz/Päd 4.1 4.6
Amtierende Führungskräfte Alle Soz/Päd 2.4 2.4
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Kurzinterpretation: In ihrer Selbsteinschätzung reagieren die Soziologen und Pädagogen weit kritischer auf die Statements als die Kerngruppe der Befragung. Bei der Mutmaßung über die gewählten Handlungsoptionen der amtierenden Führungskräfte sind die Unterschiede weniger groß, aber immer noch erkennbar. Das legt zwei Erklärungen nahe: Erst einmal bestätigt sich der pragmatische Grundzug in den Ansichten und Absichten der Kernzielgruppe von Studierenden wirtschaftsaffiner Disziplinen und Young Professionals. Daher ist ihre Selbsteinschätzung, was die Kompromissbereitschaft betrifft, etwas zurückhaltender. Gleichzeitig aber können sich die Soziologie- und Pädagogikstudenten offensichtlich auch nicht vorstellen, dass amtierende Führungskräfte bei vielen der moralischen Dilemmata wenig Skrupel zeigen.
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Gespräche über Moral: Pragmatische Abwägungen Wie bereits bei der Einschätzung der Profile von idealer und amtierender Führungskraft und der Selbsteinschätzung sind auch zu den mutmaßlichen Handlungsoptionen in moralischen Dilemmata tiefer gehende Gespräche geführt worden. Die in der Bewertung der Statements sichtbare Rangfolge und der offenkundige Pragmatismus werden in Gesprächen noch deutlicher, als sie sich in den Zahlen repräsentiert. Ich fange mit den am wenigsten umstrittenen Optionen an. Auf die Frage nach der Legitimität des Versuchs, anderen Unternehmen die besten Kräfte abspenstig zu machen, antwortet ein angehender Wirtschaftsingenieur: „Selbstverständlich. Das ist Wettbewerb. Wäre ja schlimm, wenn nicht.“ Ein Kommilitone bestätig: „Das Angebot zu machen, da finde ich jetzt persönlich nichts Verwerfliches daran.“ Nur, sagt ein anderer Student, „natürlich muss ich dann auch in Kauf nehmen, dass, wenn ich da irgendwo Chef bin, meine Mitarbeiter die gleichen Maßstäbe anlegen und auch sofort zur Konkurrenz wechseln, wenn die ihnen was Besseres bieten.“ Zum Thema der Millionengehälter von Managern äußert sich ein junger Unternehmensberater sehr differenziert: „Da hab ich heut schon drüber diskutiert (lacht). Also ich find die in der Tat zum Teil ungerechtfertigt, in den Zeiten als die Wirtschaft boomte, hieß es immer..., dass die Manager zu hohe Grundgehälter haben. Oder insgesamt zu hohe Gehälter, auch zu hohe Grundgehälter, die müssten eigentlich auch einen Teil des Risikos mittragen. Also Risiko tragen sie dann mit, wenn sie einen flexiblen Anteil ihres Gehaltes haben. Auf der anderen Seite wurde auch immer gesagt, die Mitarbeiter müssten stärken partizipieren am Erfolg, was ja auch bedeuten würde sie würden einen variablen Anteil bekommen. Und heutzutage, wenn man mal in die Talkshows reinschaut, da wird genau das Gegenteil diskutiert. Da heißt’s jetzt die Manager sollten ein höheres Grundgehalt haben und weniger Erfolgsbezüge. Und das gleiche auch für die Mitarbeiter. Neuerdings heißt es, die Mitarbeiter sollen lieber einen höheren fixen Anteil haben und nicht einen variablen. Ja, aber deswegen, um zu Deiner Frage zurückzukommen, denke ich, es ist schon angemessen, dass ein Manager ein so ein hohes Gehalt hat, ich bin auch überzeugt, dass diese Menschen eine ganze Menge leisten, also die stecken verdammt viel Zeit rein, stecken Wochenenden rein, und ich finde, dass sie dann irgendwie auch einen großen Mehrwert für die Belegschaft schaffen, indem sie Arbeitsplätze generieren. Daher finde ich es auch vollkommen angemessen, dass denen ein hohes Gehalt zukommt.“ Die Aussagen einer 23jährigen Studentin der Wirtschaftswissenschaften illustrieren die abwägende Haltung gegenüber den moralischen Dilemmata und einen gewissen Pragmatismus: „Ethik? Wir hatten auch eine Vorlesung zu dem Thema – Marketing und Moral oder Ethisches Marketing oder Marketing-Ethik 68
oder wie das hieß… gut, wenn’s dann um so Sachen geht, wie Korruption beispielsweise oder Mobbing, das sind dann Bereiche… also ich denke, man sollte genau wie im Sport immer fair und offen miteinander umgehen, damit jeder immer genau weiß, woran er ist und einfach mit offenen Karten spielen. Bestechung und Korruption sind dann selbstverständlich irgendwo die Grenze, die man nicht überschreiten sollte“. Die hintergründig mitschwingende Relativierung – sozusagen der pragmatische Bewertungsvorbehalt – wird selbst beim Statement zur Erwähnung der Menschenrechtsfrage deutlich: Die Unantastbarkeit wird grundsätzlich von niemandem bezweifelt. Dennoch – unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten wird immer wieder auch eine abwägende Haltung deutlich, zumindest, was die definitive Ansprache des Themas in Geschäftsverhandlungen betrifft: „Das hängt sicherlich sehr stark von der Situation vor Ort ab“, sagt ein Maschinenbau-Student. „In vielen Ländern ist es ja der Punkt, dass keine Geschäfte gemacht werden können ohne gute Zusammenarbeit mit der Regierung oder mit den Politikern vor Ort. Da sollte man sicherlich sehr stark abwägen – wie man sich dort verhält und äußert, weil es vielleicht auch nicht Aufgabe der Unternehmer ist, dort Menschenrechtsprobleme anzusprechen, sondern eher der Politiker.“ Und die Kinderarbeit? „Wenn man mich drauf anspricht, würde ich auf jeden Fall sagen, dass ist absolut unmoralisch, sollte man auf keinen Fall tun“, antwortet eine junge Frau. „Allerdings habe ich ein paar Reportagen zu dem Thema gesehen und festgestellt, dass ich wahrscheinlich viel zu wenig darüber weiß, als dass ich mir ein Bild darüber machen könnte, wie die gesamten Zusammenhänge sind und wie es den Ländern gehen würde, wenn die Kinder da nicht arbeiten würden. Also ich fühle mich nicht wirklich in der Lage da eine fundierte Antwort zu geben.“ Generell sind die Antworten also ambivalent – versuchen pragmatische Gesichtspunkte mit der Wahrung ethischer Richtlinien zu verknüpfen. Genau in dieser Ambivalenz, die die Entscheidung für Handlungsoptionen in moralischen Dilemmata von der jeweiligen Situation abhängig macht, ergibt sich eine mögliche Antwort auf die Frage, warum über die gesamte Laufzeit der Erhebung zum Profil des idealen CEO und seiner amtierenden Vorgänger die Werte für „ethisches“ Verhalten und „soziales Engagement“ geringer ausfielen als erwartet: Ethik ist im Bewusstsein junger Nachwuchsführungskräfte eine offensichtlich kontextgebundene Kategorie. Sie umfasst einerseits und mit einer sichtlichen Priorität Einstellungen und Handlungsweisen, die sich auf die unmittelbaren Beziehungen im Arbeitsleben auswirken. Diese Aspekte ethischen Verhaltens werden anders gewichtet als etwa gesellschaftspolitisch generelle Fragen oder auch Dilemmata, die das wirtschaftliche Handeln in Konkurrenzsituationen betreffen. 69
Die sozusagen individuell erlebte Ethik ist zunächst einmal Aspekt einer besonderen „Work-Life-Balance“: nämlich der Harmonisierung persönlicher und beruflicher Werte auf dem Kontinuum von individuellem Wohlbefinden, der Befriedigung sozialer Bedürfnisse im Rahmen einer erfüllenden Tätigkeit, gefördert durch eine kommunikative, inspirierende und ermutigende Führung, bis hin zu allgemein gesellschaftspolitischen Einstellungen. Man erwartet offensichtlich, dass die Unternehmen, dass auch die Vorgesetzten, für die Einlösung dieses ganzheitlichen Anspruchs eintreten. Mitarbeiterorientierte Werte erscheinen somit als Beweis einer generell ethischen Unternehmenskultur – denn wer Mitarbeiter gut behandelt, und zwar auf allen Hierarchiestufen, dokumentiert damit auch eine Grundhaltung zur Welt. Diese Haltung ist, wie sich gleich zeigen wird, weit weniger idealistisch, als sie in vielen Studien bewertet wird. Die oben zitierten Kommentare zum Wunschprofil des idealen CEO haben bereits erste Hinweise auf diese Mentalität geliefert. Vor diesem Hintergrund stellen sich die Befunde zur Konfrontation mit den amtierenden Vorgesetzten als eine personalpolitisch höchst prekäre Situation dar. Denn diese Bedürfnisse nach einer mitarbeiterorientierten Werthaltung als Ausdruck eines zukunftsorientierten und ganzheitlichen Unternehmenskultur bestimmen in erheblichem Maße auch die Motivation, damit die Loyalität des Nachwuchses und auf dieser Grundlage wiederum auch die Bereitschaft, langfristiges Engagement zu beweisen. Dieser Befund bestätigt sich in vollem Umfang in einer Reihe weiterer Studien, darunter eine Befragung von sogenannten „Millenials“ (also jener jungen Leute, die um 2000 in den Arbeitsmarkt eintraten), eine Führungskräftebefragung zu werteorientiertem Management und die jährliche Sondierung des „Engagements-Index“ durch Gallup.
Weitere Studien: Erwartungen, Werte und amtierende Manager „Millenials“: Erwartungen des Nachwuchses an Unternehmen 2008 Eine Forschungsgruppe des Beratungsunternehmens PricewaterhouseCoopers befragte im September 2008 weltweit insgesamt 4 271 Absolventen nach ihren Erwartungen an das Berufsleben. Unter ihnen befanden sich 759 Personen aus westeuropäischen Ländern. Die Zahl der deutschen Befragten ist nicht gesondert ausgewiesen, aber man kann davon ausgehen, dass die Größe des Samples etwa der der Führungsnachwuchs-Studie entspricht. Die Mehrheit dieser jungen Leute plante eine Karriere bei PwC, entspricht also der Charakteristik des Samples der Führungsnachwuchs-Studie. Und noch eine Parallele: Die Millenials-Studie hat 70
eine Reihe von Vorläufern, auf deren Grundlage die grundsätzliche Mentalität der künftigen Führungskräfte beschrieben werden kann. Die Autoren betonen in der Interpretation ihrer Ergebnisse nicht nur eine wachsende Tendenz, die Attraktivität von Unternehmen danach zu bewerten, ob sie den kommunikativen und werteorientierten Vorstellungen des Nachwuchses entsprechen. Sie bestätigen auch den vor wenigen Sätzen schon diagnostizierten Zusammenhang: Eine sozial verantwortliche Unternehmenskultur zeigt sich in erster Linie in der Wertschätzung der Mitarbeiter. Für sie ist ein Unternehmen sozusagen die ausführende Repräsentanz des Bedürfnisses nach einem gleichermaßen beruflich erfüllenden wie sozial verantwortlichen Leben. Die auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinende Befunden zeigen, dass „Ethik“ sich nicht in individuellen Aktionen erfüllt, sondern in der Wahl eines Unternehmens, das ethisches Handeln unterstützt: „62% of CEOs say providing opportunities for employees to get involved in socially responsible activities is key. Yet only 7% of our millennials would choose to have time off for doing social or charity work as one of their top three benefits.“ In den Empfehlungen des Forschungsberichtes weist PwC darauf hin, dass die Enttäuschung dieser Erwartungen zu unliebsamen Konsequenzen führen könnte: 88 Prozent der Millenials weltweit (82 Prozent der westeuropäischen Befragten) sagen, dass sie Arbeitgeber wählen würden, die ihrer eigenen Auffassung der sozialen Verantwortung von Unternehmen entsprächen. 86 Prozent würden sich überlegen, einen Arbeitgeber zu verlassen, der diesen Erwartungen nicht länger entspricht. Diese Drohung muss ernst genommen werden, denn der Tatbestand ist hier nicht zum ersten Mal beschrieben. Frühere Erhebungen über die Unternehmenspräferenzen von Absolventen und Young Professionals, wie sie regelmäßig vom Rekrutierungs-Dienstleister Access unternommen wurden, rechnen schon seit 2000 mit einer konstanten Rate so genannter „Market Observers“ (also von jungen Berufstätigen, die sich mit dem Gedanken tragen, das Unternehmen gegebenenfalls zu wechseln) von über 75 Prozent – unabhängig davon, ob die Befragten bereits suchen oder in einem festen Anstellungsverhältnis stehen. Und nach den Mutmaßungen der PwC-Studie verfügt die jüngere Generation in naher Zukunft über weit größere Möglichkeiten und – unter einer interessanten Bedingung – eine weit größere Bereitschaft zum Unternehmenswechsel als vorangehende Generationen. Dieser Befund ist für das Personalwesen von großer Bedeutung, weil die meisten Befragten eigentlich eine langfristige Bindung mit einem Arbeitgeber suchen, was in deutlichem Gegensatz zu allen vordergründigen Trend-Berichten steht, nach denen die Zukunft der gehobenen Arbeitsmarktes von Portfolioworkers und einer Elite flexibler Projektmitarbeiter geprägt sei,. „The notion of portfolio careers is not likely to become a reality for this group – 75% of whom be71
lieve they will have between two and five employers in a lifetime.“ Auch die Bereitschaft, loyal mit einem Unternehmen zu kooperieren, zählt zu den wesentlichen Bestandteilen der längerfristigen Orientierung. „Our survey suggests a number of similarities between millenials and previous generations. The new generation want stability, security and variety in their working environment. They want to be loyal to an organisation that they are proud to work for and reflects their own values“. Auf die weitere Frage, wie viele Unternehmenswechsel man im Berufsleben erwarte, antworten 83 Prozent der deutschen Millenials, dass sie mit nicht mehr als fünf Arbeitgebern in ihrem gesamten Berufsleben rechnen. „Over 90% of respondents expressed loyalty to the organisation they worked for. We varied the loyalty statements to ascertain exactly how deep the loyalty was. Australia, Germany and Turkey had the highest agreement that they are loyal to the organisation they work for.“ Dem Statement: „My loyalty is to myself and my career objectives rather than my employer“ stimmen weltweit nur 20 Prozent zu. Werte für Deutschland sind hier nicht eigens ausgewiesen. Eine große Mehrheit der Beschäftigten aber fühlt sich offensichtlich von den Vorgesetzten nur wenig inspiriert, kaum ermutigt – mit anderen Worten: Führungskräfte versehen nach Meinung der meisten Mitarbeiter in Unternehmen ihre Aufgaben der Mitarbeiterförderung nur unzureichend, was sich dann in mangelndem Engagement niederschlägt. Eine Gallup-Studie, die seit 2001 jährlich unter dem Titel „Engagement Index“ ein repräsentatives Meinungsbild zum Engagement und zur Motivation von Arbeitnehmern erfasst, zeigt, dass die Motivation stetig abnimmt und tatsächlich vor allem die Vorgesetzten dafür verantwortlich gemacht werden.
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Tabelle 22: Gallup-Studie zum Engagement-Index; Jahres- und Ländervergleich Anteil der Personen, die ein sehr hohes und hohes emotionales Engagement mit ihrem Unternehmen pflegen; in Prozent der Befragten; telefonische Interviews; knapp N = 2.000 Arbeitnehmer ab 18 Jahre; Befragungszeitraum Ende Oktober bis Ende November 2008 Hohes Engagement
Geringes Engagement
Keine emotionale Bindung
2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008
16 15 12 13 13 13 12 13
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15 16 18 18 18 19 20 20
Indien USA Schweiz Deutschland Frankreich Japan
44 29 19 13 12 7
43 51 73 67 57 70
13 20 8 20 31 23
Quelle: Gallup GmbH, Engagement Index Deutschland 2008
Kurzinterpretation: Die Pressemitteilung erläutert: „Die Ursachen sieht Gallup nicht in einer grundsätzlichen Verweigerungshaltung der Mitarbeiter sondern vielmehr in der Personalführung. Denn 72 Prozent aller Beschäftigten würden auch dann weiter arbeiten, wenn Sie genügend Geld hätten, ein finanziell sorgenfreies Leben ohne bezahlte Tätigkeit zu führen. Dafür klagen viele Mitarbeiter über mangelndes Gehör ihrer Vorgesetzten sowie fehlendes Lob und fehlende Ansprechbarkeit.“ Der Grund liegt offenbar in der einseitigen betriebswirtschaftlichen Orientierung. Konsequenz scheint erneut die Distanz zu Vorgesetzten zu sein, die sich in den Befunden der Führungsnachwuchs-Studie schon verdichtete.
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Tabelle 23: Gallup-Studie zum Verhältnis deutscher Arbeitnehmer zu ihren Vorgesetzten, 2008 Strukturdaten wie Tabelle 19 Meine individuelle Entwicklung wird nur mangelhaft gefördert Ich kriege kein regelmäßiges Feedback über meine persönlichen Fortschritte Mein Chef hat kein Interesse an mir als Mensch Ich fülle eine Position aus, die mir wirklich 100-prozentig lieg Ich fühle mich mit einbezogen, weil nach meiner Meinung gefragt wird Ich bekomme Lob und Anerkennung für gute Arbeit
81 77 69 33 28 19
Quelle: Gallup GmbH, Engagement Index Deutschland 2008
Führungskräftebefragung: Werte und amtierendes Management 2008 Dass dieses Problem bis in die mittleren Etagen der Karrieren zu spüren ist, offenbart sich überraschend in der so genannten „Führungskräftebefragung“ der „Initiative Wertebewusste Führung“, die ebenfalls im September 2008 durchgeführt worden ist (Bucksteeg, Hattendorf 2009; im weiteren Text „Werte-Studie“ genannt). Die Befragten waren im Schnitt zwischen 30 und 40 Jahre alt, standen und stehen also auf dem Weg nach oben ein paar Stufen höher als die Befragten der hier referierten Führungsnachwuchs-Studie. Sie repräsentieren einen Teil des Samples der Befragungswelle zwischen 2000 und 2002, der mittlerweile wohl die Positionen erreicht haben dürfte, für die man damals studierte oder zu denen die ersten Schritte unternommen wurden. Die Fragestellung dieser Studie war auf das werteorientierte Management hin fokussiert. Interviewt wurden im Rahmen einer Online-Befragung bundesweit 502 junge Führungskräfte im Alter von 26 bis 40 Jahren. „Alle haben Führungserfahrung“, betonen die Autoren der Studie, „denn wer Menschen anleiten, motivieren und beurteilen muss, urteilt anders und realistischer über Werte und Wertekonflikte. Die Befragten verdienen über fünfzigtausend Euro Jahresbrutto, wobei sich das Panel relativ gleichmäßig über die Einkommensgruppen verteilt.“ Das Sample setzte sich aus 74 Prozent männlichen und 26 Prozent weiblichen Befragten zusammen – entspricht in der Geschlechterproportion also der Struktur der Erhebungswelle 2008 und 2009 der Führungsnachwuchs-Studie. Mehrere Motive des hier referierten Projekts verdichten sich. Zunächst zeigt sich im generellen Befund zur Mentalität, dass die Werthaltungen sich kaum von den Orientierungen der jüngeren Befragten unterscheiden. „Seit der letzten Stu-
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die der Wertekommission im Jahr 2007 haben sich auch die Werte, nach denen junge Führungskräfte ihr Leben ausrichten und ihren Beruf gestalten wollen, noch stärker auf Vertrauen und Ehrlichkeit fokussiert. Das ist bereits eine Folge der Krise, auch wenn letztere zum Zeitpunkt der Befragung in der 2. Jahreshälfte noch nicht auf ihrem Höhepunkt war. Umso beeindruckender ist, dass die jungen Führungskräfte den Paradigmenwechsel offenbar schon sehr früh gespürt und vorweggenommen haben“ (Bucksteeg, Hattendorf: 5). Über diese Interpretation mag man diskutieren. Bemerkenswert aber bleibt der Hinweis, dass in diesem erneut vehement geäußerten Bedürfnis eine „echte Herausforderung“ der amtierenden Führungskräfte liege. Diese Herausforderung scheint nicht in ausreichendem Maße angenommen zu werden – denn auch in der Wertestudie deutet sich eine Konfrontation der Befragten zu ihren Vorgesetzten an, wie sie in der Führungsnachwuchs-Studie zum gleichen Zeitpunkt für die zehn Jahre jüngeren Befragten identifiziert wurde. Zwar sei, räumen die Autoren der Wertestudie ein, seit der letzten Erhebung im Jahre 2007 der Anteil der Unternehmen gewachsen, die Unternehmenswerte definieren. „In der Umsetzung allerdings klafft eine erhebliche Lücke zwischen dem Top-Management, das es offensichtlich in vielen Fällen mit der eleganten Formulierung von Unternehmenswerten genug sein lässt, und immer stärker wertebewussten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die auf den mittleren Führungsebenen mit sich und ihren direkten Vorgesetzten um eine werteorientierte Gestaltung der betrieblichen Abläufe ringen“ (Bucksteeg, Hattendorf: 5). Tabelle 24: Führungskräftebefragung 2008: Erschwernisse der Umsetzung von Werten Prozentuale Anteile der Antworten auf die Frage: Welche der folgenden Aspekte erschweren es Ihnen, im Beruf nach Ihren Werten zu handeln? Verhalten des/der Vorgesetzten Priorität der Profitorientierung Drohender oder befürchteter Personalabbau Differenzen zwischen den eigenen Werten und den offiziellen Zielen des Unternehmens Falsch verstandener Korps-Geist Anonymität Keiner der genannten Aspekte/“Ich kann voll und ganz nach meinen Werten handeln“
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Quelle Bucksteeg, Hattendorf: 20
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Weitere Ergebnisse spitzen die Diagnose zu: „Das mittlere Management steht wie ein Puffer zwischen Profitorientierung, kurzfristig definierten Unternehmenszielen einerseits und den werteorientierten Mitarbeitern andererseits. Wenn 36 Prozent eine deutliche Profitorientierung, und 30 Prozent einen drohenden oder befürchteten Personalabbau als Haupt-Hindernis für einen werteorientierten Unternehmensalltag melden, mindert dies vor allem die kurzfristige Ertragsorientierung, denn der langfristige ökonomische Nutzen von Unternehmenswerten steht für die große Mehrheit außer Frage“ (Bucksteeg, Hattendorf: 20). Dazu passt, „dass immerhin 34 Prozent feststellen, dass in ihren Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren Fälle von Begünstigung und Machtmissbrauch stattgefunden haben, und in 38 Prozent der Fälle die Probleme und Verstöße entweder verschwiegen oder toleriert wurden.“
Kritik: Unzureichende Erfüllung von Führungsaufgaben Natürlich sind dies in erster Linie subjektive Wahrnehmungen, aber die Zahlen deuten darauf hin, dass seitens der jungen Führungskräfte kritischer hingeschaut wird und Probleme auch benannt werden sollen. Fehlendes Verantwortungsbewusstsein wird nicht mehr toleriert. Die Autoren weisen auf einen interessanten Widerspruch hin: Während über die Hälfte der Befragten die vorgegebenen Unternehmenswerte akzeptiert, sagen 45 Prozent, dass sie sich in den genannten Situationen vom Unternehmen nur teilweise gestützt, in vielen Fällen sogar eher gemaßregelt gefühlt haben. Eine plausible Erklärung ist, dass der offizielle Wertekanon im Zweifelsfall von Vorgesetzten pragmatisch oder gar beliebig ausgelegt und an die jeweiligen Erfordernisse angepasst (unfreundlich gesagt: zurechtgebogen) wird. Diese Kritik an den Vorgesetzten, die sich deutlich an die Befunde aus der Frage zum Profil des idealen und des amtierenden CEO anschließt, ist nicht neu. Hans Jörg Bullinger und Rolf Ilg vom Fraunhofer Institut IAO in Stuttgart betonten diesen Punkt schon vor Jahren: „Das letzte Jahrzehnt hat uns in rascher Abfolge immer neue Managementkonzepte beschert. Nur wenige davon haben sich dauerhaft bewährt. ... Geblieben ist vor allem eine Erkenntnis: Ganz gleich, ob es sich um die Durchsetzung neuer Strategien auf dem Markt oder um die Entfaltung interner Veränderungsprozesse handelt – was letztlich zählt, ist Führung“ (Bullinger, Ilg 2003: 5). Die renommierten Wirtschaftsprofessoren, Berater und Publizisten Warren Bennis und Burt Nanus sind auf Grund ihrer langjährigen Studien über Führung zu diesem Ergebnis gekommen: „Es wird viel über den Niedergang der Arbeitsmoral und der Ethik im Berufsleben geklagt. In Wahrheit sind es aber weder die 76
Arbeitsmoral noch die Ethik, die verfallen sind. Es sind Führungspersönlichkeiten, die versagt haben. Es sind Führungspersönlichkeiten, die versäumt haben Visionen zu erzeugen, ihren Mitarbeitern einen Sinn zu vermitteln und eine Atmosphäre des Vertrauens zu schaffen“ (zitiert nach Haijtema 2005; Webdokument 2). Diese Beschwerden klingen idealistisch. Das sind sie aber keineswegs. Denn auch hier mischt sich der pragmatische Grundzug in die Wünsche, der sich in der Abfrage zu den Handlungsoptionen in den alltäglichen Wertedilemmata offenbart hat: „Offensichtlich wollen junge Führungskräfte weniger ‚Politik’ im Unternehmen; sie wollen nicht einen erheblichen Teil ihrer Arbeitskraft an Ränke, psychologische Spielchen, versteckte Konkurrenzen und das Rätseln über die Strategie des Unternehmens (und die Taktik der Vorgesetzten und Kollegen) verschwenden. Werte sind für sie die Basis, auf der sie sich in Ruhe auf ihre Arbeit und ihr Geschäft konzentrieren können“ (Bucksteeg, Hattendorf: 20). Die Verletzung dieser Normen stellt also nicht nur eine Beeinträchtigung ideeller Werte, sondern auch ein Hindernis für die Umsetzung der beruflichen Wunschvorstellungen dar. Und mitunter steht die Option, in einem Unternehmen zu arbeiten, überhaupt nicht mehr auf dem Lebensplan. Die Worte der bereits zitierten 18jährigen Gymnasiastin aus der Schweiz, dass sie „nicht diejenige sein (möchte), die da etwas kaputt macht“, finden sich auch in der Führungsnachwuchs-Studie wieder: Ein in unserer Studie befragter 25jähriger Unternehmensberater stimmt das gleiche Motiv mit einer anderen Konsequenz an: „Langfristig ist mein Ziel, dass ich selbst auch ein Unternehmen gründe, einfach aus dem Grund, dass ich meine Ideale besser verfolgen kann. Ich bin der Meinung, in den heutigen Konzernen, in Aktiengesellschaften, ist es sehr schwierig langfristig denken zu können und sich dementsprechend auch seinen Mitarbeitern gegenüber zu verhalten. Also ich denke, dass viele Mitarbeiter auch in diesem Konstrukt nur verheizt werden.“ Mit dieser drastischen Reaktion zeigt sich eine Alternative, die Unternehmen zu denken geben müsste: die Privatisierung der Träume. Eine erfolgreiche Zukunft wird in dieser Aussage nicht mehr mit der loyalen Einbindung in ein Unternehmen identifiziert – auch wenn die Bereitschaft zu einer solchen Loyalität durchaus gegeben ist. Eine weitere Ambivalenz offenbart sich, die eine personalpolitische Bedeutung haben könnte.
Widersprüche: Loyalitätsbereitschaft und Wechselwünsche Thomas Sattelberger, Personalvorstand der Deutschen Telekom und zuvor viele Jahre in verantwortlichen einschlägigen Positionen in anderen Großunternehmen, bestätigte schon 1999: „Dauerhafte Beziehungen zu Angestellten werden 77
zu einem wichtigen strategischen Vorteil – auch im Kampf um andere Talente“. Gewinner in diesem Kampf werden die Unternehmen sein, die mit jedem hochtalentierten Mitarbeiter eine individuelle Beziehung eingehen, wie mit einem Kunden. „Enrollment“ nennt es Sattelberger: die Entwicklung eines seelischen Vertrags (Sattelberger 1999). Der Volkswirtschaftler Gunter Tichy nennt als einen Grund, „dass die rasch alternde Bevölkerung … risikoscheuer, weniger lernfähig und strukturkonservativer wird. Diejenigen Firmen, die sich schon jetzt auf die Änderung der Voraussetzungen einstellen und wieder Instrumente entwickeln, um eine Stammbelegschaft mit firmenspezifischem Wissen aufzubauen und längerfristig zu halten, werden einen nicht unerheblichen Konkurrenzvorsprung erlangen. Eine Wirtschaftspolitik, die diese Tendenzen vorwegnimmt, bewusst macht, und die entsprechenden Rahmenbedingungen schafft, kann zur Sicherung der Konkurrenzfähigkeit und Standortqualität des betreffenden Landes erheblich beitragen“ (Tichy 2003: 40). Wenn es Unternehmen nicht gelingt, diese Bindungen durch Motivation und interessante Aufgaben, durch inspirierende Führungskräfte und eine von der Wertschätzung der Mitarbeiter ausgehende Werteorientierung aufzubauen, verlieren sie nach Einschätzung renommierter Experten wichtige Potenziale. Es sind die Potenziale der kritisch-innovativen Geister, die sich jenseits des Kennzahlformalismus zu etablieren suchen – oft aber die Gelegenheit dazu nicht finden, weil ihre Vorgesetzten ihnen die Gelegenheit nicht bieten. Es sind die Potenziale, die händeringend beschworen werden, wenn es um die Zukunft der Innovationskultur in Deutschland geht: gut gebildete Mitarbeiter, die eigenverantwortlich an der Entwicklung des Unternehmens und der Volkswirtschaft, in der dieses Unternehmen steht, partizipieren. Diese Schlussfolgerung lässt sich durch viele weitere Befunde stützten. „Aus zwei aktuellen Studien geht hervor, dass weder die Größe der Firma noch die Branche entscheiden über das Engagement und die Zufriedenheit der Mitarbeiter, sondern ausschlaggebend ist vor allem das Verhalten der Führungskraft“, schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung im Sommer 2008. „Für die meisten Vorstandschefs sei es nicht leicht, ehrliches Feedback einzuholen und anzunehmen: ‚kontinuierliches Lernen, das auch Bescheidenheit und ehrliche Selbsteinschätzung beinhaltet, ist ein lebenslanger Prozess auch auf höchster Managementebene’“ (www.faz.net v. 24.06.2008). Dabei scheint es sich, jedenfalls der FAZ zufolge, um unmittelbare Vorgesetzte zu handeln, weil die Einschätzungen der Vorstandsvorsitzenden von den hier referierten Ergebnissen abweichen. Das Hamburger Beratungsunternehmen Krauthammer untersuchte in einer europaweiten Studie zum Thema Corporate Governance und persönlicher Leistung von Vorstandsvorsitzenden elf Merkmale, die für eine gute Leistung der Vorstandschefs bedeutsam seien. Darunter: 78
Strategieentwicklung, Personalentwicklung, Networking-Kompetenzen, Unternehmensethik, Teamführung, Präsentationsfähigkeiten, Entwicklungsfähigkeit und Offenheit für Feedback. „Nach Ansicht der meisten Angestellten, so lautet ein Ergebnis der Untersuchung, verkörperten Vorstandsvorsitzende auch nach außen die Ziele ihres Unternehmens und leben danach“. Aber weniger als die Hälfte würden von ihrem Vorstandsvorsitzendem zu außergewöhnlichen Leistungen inspiriert oder fühlen sich von ihm der Unternehmensvision näher gebracht. Für lediglich 37 Prozent habe der Vorstandsvorsitzende eine Vorbildfunktion. Die bereits angedeutete Privatisierung ist eine der denkbaren Konsequenzen.
Konsequenzen: Privatisierung der Zukunftsideen, Träume und Wünsche So vermuten die Autoren der Werte-Studie: „Der Fokus wird enger, die wirklich wichtigen Werte rücken näher zusammen. 29 Prozent nennen als oberste Priorität Familie und Partnerschaft – und meinen damit auch: Verbindlichkeit, Treue und Verantwortung. Auf Platz zwei stehen Ehrlichkeit und Wahrheit mit 24 Prozent. Erfolg und Anerkennung sind mit 10 Prozent eher abgeschlagen, während sich viele andere Werte, die sich bei Zustimmungsgraden um 8 bis 10 Prozent bewegen, de facto um denselben Fixpunkt sammeln: Family Values und die Balance zwischen Beruf und Privatleben. Der Trend zum Downshifting scheint keine Blase zu sein, die nur im Feuilleton existiert, sondern Realität“ (Bucksteeg, Hattendorf: 11). Diese Privatisierung betrifft Deutschland in besonderem Maße, denn hier stellt die PwC-Millenials-Studie in einem weit größeren Ausmaß als in den meisten anderen Ländern ein Bedürfnis nach flexibler Arbeitszeitgestaltung fest. Als Grund wird vor allem das steigende Bedürfnis nach einer Familiengründung benannt. Dieses Bedürfnis prägt schon in ähnlich hohem Ausmaß die Ideen der Befragten des Jahres 2000, ist also nicht neu. Schon damals fokussierten sich die Vorstellungen bei der – offen gestellten – Frage nach den Fantasien und Träumen für die berufliche und private Zukunft im wesentlichen auf eine intakte Familie, einen festen Freundeskreis, ein ausgewogenes Verhältnis von Beruf und Privatleben, gleichrangig dann auf finanzielle Sicherheit und eine herausfordernde Tätigkeit in einem kollegialen Umfeld unter kooperativer, inspirierender und ermutigender Führung.
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Tabelle 25: Träume und Vorstellungen 2000, alle Befragten In Prozent; Strukturdaten wie in Tabelle 8; offene Frage, drei Antwortmöglichkeiten Erstnennung Familie, Freunde Privates Karriere Sicherheit in Finanzen/Beruf Selbstständigkeit/Unabhängigkeit Selbstverwirklichung Erfahrung Gesundheit Freizeit & Ruhe
32 21 17 11 5 5 3 1
Gesamtnennungen 64 45 43 20 14 13 12 2
Kurzinterpretation: Das Ergebnis überrascht nicht, sollte aber auch nicht überbewertet werden, weil sich gleich zeigen wird, dass diese Familienorientierung eine ebenso symbolische wie substanzielle Bedeutung besitzt. Die Wünsche nach der Karriere werden von diesem Sample der wirtschaftnah Studierenden und der Young Professionals auch deshalb so deutlich in den Vordergrund gereiht, weil sie zum Befragungszeitpunkt eine Karriere mit einer gewissen Selbstverständlichkeit voraussetzten. Die „Family Values“ stehen für den Wunsch nach einem ganzheitlichen Leben. Auch das wird sich gleich in der Dokumentation der Antworten auf Träume und Wünsche für das nächste Jahrzehnt zeigen. Das Hochschulinformationssystem fragt ebenfalls im Sommer 2008 nach und findet den Wunsch nach der Familiengründung bei 73 Prozent der 6 000 befragten Studierenden aller Studienrichtungen. Gleichzeitig sinke, so der Bericht, die Zahl derer, die eine „leitende Position“ anstreben. In einer Recherche der Manager Magazin-Autoren Eva Müller und Klaus Werle („Wie die junge Elite tickt“) ist nachzulesen: „Die klassischen Karriereziele wie hohes Einkommen oder herausgehobene Position haben bei der jungen Elite ausgedient. Für 78 Prozent der Befragten ist ein interessanter Job wichtiger als ein dickes Gehalt. Für die Erfüllung ihrer Berufung arbeiten die Nachwuchsmanager hart. 61 Prozent nannten eine Wochenarbeitszeit von mehr als 50 Stunden den Regelfall. Dennoch rangiert die Familie in der Prioritätenliste deutlich über dem Beruf. 90 Prozent sagen: ‚Eine intakte Familie ist mir wichtiger als die Karriere.’ 54 Prozent würden sogar auf Einkommen verzichten, um mehr Zeit für ihre Lieben zu haben“ (Webdokument 3)
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Diese Familienorientierung wird in allen Studien als erstaunliche Renaissance traditioneller Werte vorgestellt: „In der Tat zeigen diverse Studien“, heißt es in einer Zusammenfassung des Deutschen Studentenwerks, „dass die Familie für Studenten immer wichtiger wird. Das ‚Deutsche Absolventenbarometer 2008’ des Trendence-Instituts verdeutlicht beispielsweise, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben wesentlich wichtiger ist als die Aussicht, viel Geld zu verdienen“ (audimax 1/2009: 9). Im Zusammenhang der hier referierten Befunde liegt allerdings ein anderer Schluss nahe: Die starke Familienorientierung – in der Wertestudie auch „Family Values“ genannt – ist nicht nur als eine Art Rückzugsstrategie aus dem feindlichen und ach so unbefriedigenden Wirtschafts- und Karriereleben zu interpretieren. Im Kontext aller Nennungen, die sich mit Lebensvisionen der nächsten Jahrzehnte beschäftigen, verdichtet sich das Motiv zu einem allgemeinen Wunsch nach Gemeinsamkeit mit gleichermaßen Betroffenen, mit Freunden und Kollegen, mit Mitarbeitern und den Menschen ganz allgemein, ganz gleich ob im privaten oder beruflichen Bereich. In diesem Licht gewinnen auch die Befunde der deutlichen Loyalität zu einem mitarbeiter- und wertorientierten Unternehmen ihre Bedeutung: Es geht um die ganzheitliche Lebensgestaltung. Das Problem scheint nur, dass der berufliche Teil dieser ganzheitlichen Lebensgestaltung zusehends weniger als Perspektive dient. Der Vergleich der Werte-Studie mit der ersten Erhebungswelle der Führungsnachwuchs-Studie ist vor allem deshalb interessant, weil, wie schon angedeutet, ihre Stichprobe als eine Art Panel angesehen werden kann, in dem sich die Zukunft der von im Jahr 2000 befragten Nachwuchskräfte beobachten lässt. Die Träume, die man 2000 formulierte, sind in der Zwischenzeit offensichtlich realisiert: „83 Prozent sind verheiratet oder leben in einer festen Partnerschaft. Fast die Hälfte der Befragten hat ein Kind oder mehrere – und ist es also gewohnt, auch in dieser sehr persönlichen Beziehung Verantwortung zu übernehmen“ (8). Und diese Träume leben weiter. In der letzten Erhebungswelle unserer Studie bleibt alles beim Alten. Da die Zahlen die gleichen sind, sollen aus dieser Erhebungsphase einige Originalaussagen zitiert werden. In diesem Zusammenhang wird sich noch einmal deutlich zeigen, dass die klassische Rollenteilung zwischen Männern und Frauen auf diesem Gebiet allmählich verblasst, mit welchem Nachdruck eine ganzheitliche Lebensgestaltung die Vorstellungen bestimmt und welchen Sinn die oft inhaltsleer heruntergebetete Formel von der „Work-Life-Balance“ in Wirklichkeit besitzt.
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Dokumentation: Die Hierarchie der Wünsche und Träume Weibliche Vorstellungen: Antworten in der Erhebungswelle 2008 Die folgende Dokumentation enthält ohne weitere Kommentare die Antworten von jungen Frauen und Männern auf die Frage der Online-Erhebung 2008/2009, welche Wünsche und Träume sie denn in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren realisieren möchten. Dokumentiert werden die Original-Antworten der Befragten, die alle drei Antwortmöglichkeiten genutzt haben. Die Formulierungen sind – bis auf die Korrekturen offensichtlicher Schreibfehler – wörtlich wiedergegeben. Dass die Antworten hier so umfangreich ausgewiesen werden, dient der Veranschaulichung der fantasievollen Vielfalt an Ausdrucksformen von im Grunde nur wenigen Optionen. Andererseits sind einige der etwas exotischeren Ausprägungen recht unterhaltsam. Die Dokumentation für 2008 ist nach weiblichen und männlichen Befragten unterteilt. Das bemerkenswerteste Resultat zeigt, dass sich die weiblichen und männlichen Vorstellungen im Prinzip und in der Rangfolge der generellen Motive kaum unterscheiden. Gleichwohl scheinen vor allem die beruflichen Formulierungen der männlichen Befragten drängender, konziser, planvoller. Auffällig ist darüber hinaus, dass bei den männlichen Befragten häufiger als bei ihren Kommilitoninnen und Kolleginnen die Promotion angestrebt wird. Um zu prüfen, ob sich die generellen Einstellungen nach der Krise verändert haben, schließt sich an die Antworten von 2008 die nicht weiter differenzierte Dokumentation für 2009 an. Dabei ist festzustellen, dass die Wünsche nach beruflicher Sicherheit geringfügig mehr akzentuiert werden. Tabelle 26: Träume von weiblichen Wirtschaftsstudierenden und Young Professionals; 2008 Liste der Befragten, die alle drei Antwortmöglichkeiten genutzt haben, 2008 Erstnennungen ausgewogene Work-LifeBalance, herausfordernde Aufgaben zur stetigen Weiterentwicklung Ich möchte Pilot werden
Viel von der Welt gesehen haben (durch Reisen, Projekte...)
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Zweitnennungen Familiengründung
Drittnennungen Erlernen neuer Sprachen
Ich möchte mein Studium mit einer sehr guten Note abschließen Eine gute Position im höheren Management
Ich möchte in einer glücklichen Beziehung sein Eine glückliche Beziehung/ Familie
Erstnennungen Studium beenden und eine Arbeit finden Finanzielle Sicherheit.
Einen Arbeitsplatz zu finden, der mich fordert und mir Spaß macht Familie Erfolgreich bestandene Promotion Finanziell auf sicheren Beinen stehen. Finanzielle Unabhängigkeit Senior Partner in einer Unternehmensberatung sein und in der Planung eines eigenen Unternehmens sein Einen Job zu haben, mit dem ich zufrieden bin und meine persönliche Ziele erreichen kann Glückliche Familie Weiterer Karriereaufstieg im Beruf Ein festes und sicheres Standbein aufbauen Glückliches Familienleben
Ein erfülltes, balanciertes Leben (Arbeit UND Familie/Kinder) Weltreise
Familie
Zweitnennungen Einen Partner finden und heiraten Einen Job in einer Führungsposition der mir Freude bereitet und mit dem ich mich rundum wohl fühle. Ein eigenes Heim
Drittnennungen Kinder
Erfolg im Beruf/Karriere Keine Gesundheits- und Geldsorgen Spaß an der Arbeit.
Finanzielle Sicherheit Ausgeglichenes Privatleben
Gesundheit Durch Asien gereist sein, den Menschen in den Topf gucken und ein Buch darüber schreiben In meinem Privatleben glücklich zu sein (Familie, Freunde etc)
Familie Eine Familie gründen
Zufrieden im Job Finden einer gesunden Work-Life-Balance. Eine Familie gründen Innere Gelassenheit und Zufriedenheit mit dem Lebensverlauf Gesundheit
Glückliches Familienleben führen Erfüllender Job
Einen Partner zu haben.
Die Welt zu erkunden
Eine eigene Familie.
Genügend Zeit übrig haben, um andere Wunsche zu erfüllen (Reisen, Wohltätigkeit etc) Keine Geldsorgen Gründen einer Familie Die Welt bereisen sowohl beruflich, als auch privat Gesundheit der gesamten (Groß)Familie bzw. keine schweren Schicksalsschläge Zufriedenheit
Einen Beruf auszuüben, der zum einen befriedigend ist und zum anderen erfüllend Fortkommen im privaten Bereich: Politik
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Erstnennungen Eine gesunde und fröhliche Familie gründen und führen, die sich gut versteht und keine großen finanziellen Probleme haben soll. 2-3 Kinder mit meinem Freund haben und dass wir alle gesund sind. Weitere Kinder und wieder eine erfüllende Arbeitsstelle Gesundheit
Zweitnennungen Fortschritte in der Klimaproblematik und bei den großen Problemen der Welt (Krieg, Hunger, Wasser).
Einen eigenen Hof zu besit- Finanziell unabhängig zu zen, der zum Seminarhotel sein. umgebaut wurde. Gesundheit Glückliche Familie Selbständigkeit
Weiterentwicklung geistig und karrierebezogen Sicheren Job Haus kaufen Flexiblere Zeitgestaltung, Gründung eines eigenen die längere Pausen für Beratungs/Trainings/CoaWeiterbildung und Medita- chinginstituts mit zusätzlitionsretreats ermöglicht. cher Ausbildungs- und Forschungstätigkeit auf höchster internationaler Ebene. Intakte Familienverhältnisse Berufliche finanzielle Unabhängigkeit
Glückliche Beziehung Eine Möglichkeit finden, ethisches nachhaltiges persönliches Wachstum in einem Business-Umfeld zu leben und das an andere weiterzugeben. Gesundheit für meine Familie, nahestehenden Personen und mich Chefposten Eigene Familie Eine Position als Geschäfts- Ich strebe eine Beteiligung führer zu begleiten. an einem Unternehmen, in der ich selbst eine verantwortungsvolle Position begleiten kann. Einen Job haben, der Spaß macht und finanzielle Unabhängigkeit bietet.
Eine erfüllende Partnerschaft.
CIO eines DAX Unternehmens Gesund zu bleiben
Leben in Asien
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Drittnennungen Ein oder zwei Pferde besitzen und richtiges Training haben.
Finanzielle Sicherheit
Eigenheim Meine Fremdsprachkenntnisse zu vervollständigen, sodass ich ohne viel Nachdenken jederzeit mich in der jeweilige Sprache unterhalten kann. Die Möglichkeit viel zu Reisen und viel von der Welt kennenzulernen – in Verbindung mit Wunsch Nr. 1 und Nr. 2. Abschluss der Tauchlehrerausbildung Ein ausgeglichenes Leben
Erstnennungen Keine weiteren Todesfälle oder schwere Krankheiten im engen Freundes- und Familienkreis bis 2020. Job & Familie unter einen Hut zu bekommen Mehr zu reisen,
Familie gründen
Zweitnennungen Nicht krank werden
Drittnennungen Weiterhin engen Kontakt mit Menschen, die mir wichtig sind
Erfolgreich im Job zu sein
Zufrieden mit dem Job zu sein In internationalen Teams zu arbeiten
Persönliche Entwicklung und Karriere interessante internationale Projekte zu entwickeln Einer Arbeit nachgehen, die In einer Stadt/auf dem Land Spaß macht, mich für mei- wohnen, wo es mir gefällt nen Einsatz monetär adäquat belohnt und bei der ein gutes kollegiales Arbeitsklima herrscht (okay, das sind vielleicht drei Wünsche?).
Männliche Vorstellungen: Antworten in der Erhebungswelle 2008 Tabelle 27: Träume von männlichen Wirtschaftsstudierenden und Young Professionals; 2008 Liste der männlichen Befragten, die alle drei Antwortmöglichkeiten genutzt haben Erstnennung Gesichertes Einkommen Erfolgreicher Job in der Beratung Gehaltsverdopplung Nachwuchs kriegen!
Zweitnennung Eigenes Haus bauen Familie
Drittnennung Familie Zeit zu leben
Gesundheit Abteilungsleiter werden.
Familie, Kinder
Beruf, der mir Spaß macht. Verdienst ist ein netter Nebeneffekt dto
Zufriedenheit Ordentlich Schifahren lernen. Auswandern/im Ausland arbeiten
Alle Träume bereits erfüllt, suche derzeit nächtlich neue
dto
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Erstnennung Familie Gesundheit Ich möchte für ein Unternehmen Arbeiten, dessen Ideale und Ziele mit den meinen übereinstimmen. Dies würde zur Folge haben, dass ich gerne für dieses Unternehmen arbeite. Eigene Familie gründen Familie gründen Mit wenig Arbeitszeit genug Geld zum Erhalt einer Familie verdienen. Finanzielle Unabhängigkeit
Zweitnennung Abteilungsleiter Erfüllung der Träume Ich möchte eine Familie gründen.
Rundum gesund zu bleiben Promotion Ein Haus mit Garten haben und mich sozial in der Kirche engagieren Selbstverwirklichung in und Gesund bleiben außerhalb des Jobs Nachwuchs Eigene Firma bzw. sehr Promotion hohe Führungsposition (Board Level) Eine eigene, gut funktionie- Einen PhD haben und einer Ein eigenes Segelboot rende Familie gegründet zu erfüllenden Tätigkeit nach- besitzen oder einmal in der haben. gehen. Antarktis gewesen sein Karriere und Familie so zu Eine berufliche EntwickMehr Zeit in nicht-berufgestalten, dass ich nicht lung durchlaufen zu haben, liche Bereiche investieren mehrmals verheiratet bin. die mir möglichst viel zu können. Flexibilität bietet. Privates Glück, Familie Gesundheit Beruflichen Erfolg, gründen Führungsposition mit Personalverantwortung Meine Karriere im besten Die Grundlage für eine Ein eigenes Beratungshaus Maße voranzubringen Familie zu schaffen aufzubauen Wohneigentum Sportwagen Gesundheit Familiengründung Am Abend von der Arbeit Weitere Auslandserfahrung nach Hause zu kommen und sammeln zu denken es war ein guter sinnvoller Tag. Kinder bleiben gesund und Ich beerbe meinen Chef in Ich wohne mit meiner Frau werden erfolgreich selbstseinem Job am Stadtrand im Häuschen ständig
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Finanzielle Absicherung Ordentlich Geld verdienen Die Welt bereisen.
Drittnennung Immobilie Familie Sich Geld keine Sorgen machen zu müssen, wäre sehr schön. Reichtum ist allerdings nicht der Wunsch - es muss lediglich ausreichen.
Erstnennung Zweitnennung Persönliches Glück durch Eine Wohnung auf Ibiza kompromisslose Partnerschaft, in der von der Persönlichkeit über den Sex alles Stimmt Stabilität Kinder und glückliche Familie Familiengründung. Mehrere Kinder. aktive Vaterschaft. Familie mit Kindern Gründung einer Familie
Familie Promotion Familie Kinder
Familie Berufliche Selbstverwirklichung Pilotenschein für Sportflugzeug und Mitbesitz eines. Finanzielle Unabhängigkeit Gesundheit und Zufriedenheit im nahen persönlichen Umfeld Gesundheit Familie gründen Gesichertes Einkommen
Gründung eines eigenen Unternehmens Viele Kinder
Auswanderung in die USA
Abschluss der Promotion
Interessanter Job nach der Promotion Familie Beruflichen Erfolg
Gesundheit Glückliche Familie mit gehobenem Lebensstandard Ich möchte promovieren
Viel Geld
Ich möchte einen schönen Job mit meiner Familie vereinbaren können. Soviel Geld verdient haben, Ein erträgliches Verhältnis dass ich mir keine finanziel- zwischen Arbeit und len Sorgen machen muss. Freizeit.
Drittnennung Einen erfüllenden Job, in dem ich die Möglichkeit habe, meine kompletten Fähigkeiten einzusetzen (Selbstverwirklichung) und darüber hinaus auszubauen. Sicherheit finanzieller Wohlstand Gesundheit meiner und Familie. Berufliche Selbständigkeit Finanziell abgesichert zu sein. Freundeskreis Weltreise Herausfordernder Job, um Führungserfahrung ausbauen zu können und internationale Erfahrungen sammeln zu können Finanzielle Unabhängigkeit in Krisenphasen Gründung eines Unternehmens Private Zufriedenheit Finanzielle Sicherheit Beibehalten bestehender und Zugewinn neuer Freundschaften Ich hätte gerne einen Porsche. Der Erhalt wahrer Freundschaften und Ausbau des persönlichen Netzwerkes.
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Erstnennung Mit meiner Frau ein gemeinsames Familienleben (inkl. Kinder) zu führen Familie Heiraten, Kinder kriegen, glücklich sein Ein eigenes Haus
Ausreichend Geld zu verdienen um sich wenigstens darum keine Sorgen mehr machen zu müssen. Worklife Balance finden Nützlich sein/einen wichtigen Beitrag zum Fortschritt der Gesellschaft leisten Work-Life-Balance erarbeiten Den Kindern eine gute Ausbildung ermöglichen
Zweitnennung Beruflich zufrieden und unabhängig zu sein in einer Stadt, die ich mag Gesundheit
Drittnennung Autosammlung vergrößern
Gesund bleiben Anerkannt sein
Ethischer handeln Freude haben
Beruflicher Erfolg und finanzielle Unabhängigkeit Personalreferent werden Mit Freunden zusammen wohnen Eine Arbeitsstelle die es mir Gute erzogene Kinder ermöglicht jeden Abend bei meiner Familie zu sein Eine vernünftige/WorkGesundheit! Life-Balance
Finanzielle Unabhängigkeit Ausgeglichenheit erhalten
Ich möchte eine berufliche Aufgabe haben, die mir bis zum Ende meines Arbeitslebens Freude bereitet Niederlassen in einer europä- Einige Jahre in Asien ischen Großstadt, dann arbeiten einige Jahre in Asien arbeiten, schließlich zurückkehren und zeit für Familie haben Intakte Familie Gesundheit
Familie gründen Gesundheit für mich und meine Familie Familie gründen
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Mit meinen Freunden 3 Wochen durch die USA fahren Zeit für Familie haben
Zufriedenheit mit Job > Vergütung + Verantwortung/Position Gruppen- bzw. Abteilungs- Arbeitsort bei meiner leitung Familie 2 weitere Kinder Eine Aufgabe die gleichermaßen herausfordernd und erfüllend ist Stabile finanzielle Situation Die Erde vom Weltraum aus sehen
Erstnennung Verbesserung der Arbeitsbedingungen Gesund bleiben
Zweitnennung Vollständige finanzielle Unabhängigkeit Unabhängig sein in allen Bereichen Einen Beitrag dazu leisten, Eine Position erreichen, von dass Entscheidungen im Sin- der aus ich selbst Meilenne einer gesunden Zukunft steine auch für andere Unfür das jeweilige Unterneh- ternehmen setzen kann. men getroffen werden und nicht nur zugunsten kurzfristiger Profitsteigerungen. Familie mit Kindern und Funktionierende Wirtschaft Haus bei voller Gesundheit mit gerechterer Einkommensverteilung Freude an der Arbeit und im Berufliche und finanzielle Privatleben Unabhängigkeit Finanzielle Unabhängigkeit Zeit für Familie
Drittnennung Ausbildung der Kinder Nur noch arbeiten dürfen nicht mehr müssen Kaizen-basierende Management-Kultur.
Wirtschaftswachstum und rückläufige Globalisierung Familiäre Zufriedenheit Gesundheit
Kurzinterpretation: Eine Quantifizierung der Wünsche nach Erst-, Zweit- und Drittnennungen würde einen weiteren tendenziellen Unterschied zwischen Männern und Frauen darlegen – interessanterweise auch in der Gruppe der bereits Berufstätigen. Während 34 Prozent der Erstnennungen von männlichen Berufstätigen auf die Familie entfallen, sind es bei den Frauen 18 Prozent. Dafür finden sich umgekehrt weit mehr individuelle Vorstellungen von persönlichem Glück bei Frauen als bei Männern (30 im Vergleich mit 23 Prozent). In den Zweitnennungen dominieren die beruflichen Vorstellungen. In den Drittnennungen zeichnet sich dann auch bei den männlichen Befragten eine Tendenz zu individualistischen Wünschen ab. Insgesamt aber lassen aber die Antworten im Erhebungsbogen ebenso wenig prinzipielle Unterschiede zwischen Männern und Frauen erkennen wie die Gespräche. Die Auswertung wurde von Linda Bauch vorgenommen.
Nach der Krise: Die Antworten in der Erhebungswelle 2009 Eine Übersicht zu den Antworten im zweiten Teilsample der Erhebungswelle 2008/2009 bringt, was die Vergleiche weiblicher und männlicher Antworten angeht, keine weiteren Befunde. Die Antworten unterscheiden sich insgesamt kaum von denen der ersten Teil-Erhebungswelle.
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Tabelle 28: Träume aller Befragten 2009 Liste der Befragten, die alle drei Antwortmöglichkeiten genutzt haben Erstnennung
Zweitnennung
Drittnennung
Selbstverwirklichung Persönliche Erfüllung Gesundheit
Gesundheit Finanzielle Unabhängigkeit Sesshaftig werden & eine Familie gründen
Gesundheit Gesund zu sein, eine eigene Familie zu haben und keine finanziellen Sorgen. Kinder 1 Gründung einer Familie Einen gut bezahlten Job bekommen, der sich in einem familienfreundlichen, ehrlichen und freudebringenden Umfeld befindet Familiengründung Ein sicheres, finanziell wohlgebettetes, familiäres Leben zu führen. eine große Familie aufbauen Habilitation Familie Gründung einer Familie
Eigene Familie einen Beruf zu haben, der mir Spaß macht.
Reisen Förderung Dritter Finanzielle Sicherheit durch einen Job der mich begeistert Erfüllender Job glückliche Partnerschaft.
Beruf Abschluss des Studiums Eine Familie gründen.
weiß ich nicht Einstieg in den Beruf finanzielle Absicherung für mich und meine Familie
Karriere Gesundheit
Gesundheit Zufriedenheit
beruflich auf sicheren Beinen stehen Kind sozial abgesichert Finanzielle Absicherung
finanziell unabhängig sein
Sichere Arbeitsstelle haben einen Sohn oder eine Tochund ein Eigenheim besitter haben. zen. Gesundheit (für mich und gute Freunde (beibehalalle nahestehenden Bekann- ten)und feste Partnerschaft ten, Verwandten etc.)
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eigenes Haus Gesundheit Persönliche und berufliche Weiterentwicklung Immer noch glücklich verheiratet sein wie bisher und dass es allen meinen Familienmitgliedern gut geht. Freude am angestrebten Beruf
Erstnennung
Zweitnennung
Drittnennung
Sicherheit in Beruf und Privatleben
Genügend Zeit für das Privatleben bei gleichzeitigem Erfolg im Beruf (eine ausgewogene Work/Life-Balance) 1-2 Kinder eine zufriedene und integere Familie gründen/finden Ich wünsche mir, dass ich privat glücklich bin
Ein angemessenes Gehalt, um den eigenen Lebensstandard kontinuierlich verbessern zu können mehrere gute Freunde gesund bleiben und körperliches Wohlbefinden ich wünsche mir, einen Job in meinem Berufsfeld zu bekommen Geld, Gesundheit, Erfolg
gute Arbeitstelle mich in einem erfüllenden Beruf etablieren Ich wünsche mir, dass es allen Menschen in meinem privaten Umfeld gut geht Weltfrieden, Familie, und ein Job Titel: Steuerberater/ Wirtschaftsprüfer volle Gesundheit Kinder bekommen Gesundheit + Familiengründung Selbständig sein Familie Karriere machen Heirat persönliches Glück mit der Familie Zufriedenheit Erfolg im Beruf Eine eigene Familie. Geschäftleitung Erfolgreich Auswandern mit meinem Partner
Familie, Arbeit Finanzielle Sicherheit beruflich erfolgreich Berufliche Erfüllung Beruflicher Erfolg als leitende Angestellter mit Personalverantwortung Familie
Auf dem Höhepunkt seiner Karriere zu sein. sozial fair Persönlicher Erfolg Soziale Veränderung im Land
Familie + Kinder und reich sein:) Eigentumswohnung/ Haus Familie haben Im Wohlstand leben längerer Auslandsaufenthalt Gesundheit Beruflichen Erfolg Berufliche Verantwortung finanzielle Unabhängigkeit Verwirklichung eigener Wünsche Eine Karriere als Führungskraft. Gesundheit Gesundheit und nach wie vor eine glückliche Partnerschaft/Ehe
private Stabilität Gutes privates Umfeld Ein Energiesparhaus. Haus und Familie Angemessener Job in gehobener Position mit ausgewogener Life-WorkBalance sowohl für mich als auch meinen Partner
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Erstnennung
Zweitnennung
Drittnennung
Ballance zu finden zwischen Familie/Freunde, Gesundheit, Arbeit und\ „Spirituellem\“ Haus Kinder Gesundheit
Finanzielle Unabhängigkeit
Glückliches, sorgenfreies Leben
Kinder
Immobilie
Privatvermögen weiter steigern Ich wünsche mir viele schöne Reisen Arbeiten im Ausland
finanzielle Unabhängigkeit/ Sicherheit Gesundheit für die Familie
Ich wünsche mir viel Geld Anspruchsvoller und ausfüllender Job Familie finanzielle Sicherheit Sicher und guten Job Gesundheit Familie gründen Meine Familie die ich bis dahin habe in der gehobenen Mittelschicht gut ernähren zu können Familiengründung Ein sicheres Einkommen zu haben finanzielle Sicherheit Familie persönliche Zufriedenheit im Beruf Das Einpendeln der Globalisierung durch ethisches Handeln und\“fair trade\“ eigenes Haus (Kauf oder Bau)
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Gesundheit eigenes Haus/Wohnung Gesundheit in friedvoller Umgebung leben fachliche und soziale Kompetenz ausbauen Die Welt bereisen und LEBEN
Ausbau beruflichen Erfolgs Zufriedenheit im Beruf finden ausfüllenden und anspruchsvollen Job finanzielle Unabhängigkeit Technische Leitung
Familie Dass die Familie und ich selbst gesund bleibe. Zufriedenheit Partnerschaft Familie frei von finanziellen sorgen berufliche Weiterentwicklung Gesund zu bleiben und eine gesicherte Arbeitsstelle zu besitzen Wohlstand Angenehmes Lebensumfeld haben befriedigende Partnerschaft erfolgreiches soziales Engagement Intakte Beziehung
Mehr Engagement im sozia- Menschen nicht mehr auslen Bereich. nutzen! Wechsel des Arbeitsplatzes
eigene Familie gründen
Erstnennung
Zweitnennung
Restabilisierung der Welt- Aufbau eines eigenen, gröwirtschaft zur Re-Ankurbe- ßeren Filialnetzwerkes lung des Exportweltmeisterstandortes Deutschland Gesundheit Anerkennung meiner Leistung im Beruf durch Beförderung Wohlstand und Zufrieden- Familie in Balance mit heit. meinem Beruf. geregeltere Arbeitszeiten kürzerer Weg zur Arbeit
Drittnennung Millionär zu werden ;-)! und meinen Traum zu leben ...
sichere berufliche Zukunft meiner Kinder
Absicherung für die Zeit nach 2020. Zukunftsperspektiven für meine Kinder Kinder gesicherter Job sichere Rentenansprüche Familiengründung Wirtschaftliche und soziale Absicherung Familiengründung Sicherer und zufriedenstel- Wirtschaftliche und soziale lender Arbeitsplatz Absicherung Familie gründen und Haus Beruf und Familie unter Noch genug Geld haben, bauen einen Hut bekommen (Teil- um sich einen Urlaub und zeitstelle genehmigt bekom- andere Freizeitaktivitäten men/Kinderbetreungsleisten zu können stelle...) 1 ) Kauf einer Eigentumswohnung 2 ) Eigenes Büro in meiner Heimatstadt 3 ) Richtige Partnerin finden Familie und Beruf verein- Gesundheit Weiterhin Spass am Beruf baren können! haben. Weltfrieden Persönliche Entwicklung Gesundheit 1.Familie gründen 2.Beruflicher Erfolg 3.Erfolg bei sportlichen Hobbys Kinder sicheres Einkommen Selbstständigkeit im Beruf Controlling ist nicht alles, Nur im Team erreicht man Psychischer Stress muss Persönlichkeit ist wichtiger. langfristigen Erfolg. abgebaut werden. Eigenes Haus Hohes Monatseinkommen :-) Neues Auto Die richtige Frau für`s Ein eigenes Büro in meiner Die Gesundheit meiner Leben finden und eine Heimatstadt eröffnen. Familie soll noch weiter Familie mit ihr gründen. anhalten. glückliche Familie gute Auftragslage nette Freunde Millionär Millionär Millionär
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Kurzinterpretation: Die Übersicht zeigt erneut, wie vielfältig ein und dieselbe Bedürfnislage ausgedrückt werden kann. Hinter dem Individualismus dieser Wünsche verbirgt sich aber die generelle Forderung nach einer Harmonisierung der unterschiedlichen Bedingungsfaktoren eines guten Lebens: erfüllender Beruf, der die Umsetzung der Familienwünsche ermöglicht, dennoch aber Führungspositionen bereithält und Entwicklungsmöglichkeiten bietet; interessant ist ein Rückbezug der Antworten auf die Befunde aus der Frage nach moralischen Dilemmata: Ethische und moralische Vorstellungen werden bei den Träumen explizit kaum genannt. Die bereits formulierte Vermutung, dass die Erfüllung der gesellschaftspolitischen Ziele auf die Unternehmen verlagert und in den Unternehmen durch das Verhalten von Führungskräften repräsentiert wird, findet eine indirekte Bestätigung.
Gespräche: Träume der Studierenden und Young Professionals Die in der vorangehenden Dokumentation zitierten Wünsche und Zukunftsvorstellungen repräsentieren das gesamte Sample aus Studierenden und Young Professionals. Da sich in den Befunden immer wieder eine leichte Tendenz der bereits Berufstätigen zu einem größeren Pragmatismus angedeutet hat, sollen hier einige vertiefende Bemerkungen aus den begleitenden Interviews mit den Young Professionals zu ihren beruflichen und privaten Vorstellungen und Träumen zusätzlich zitiert werden – den eingangs beschriebenen engen Samplevorgaben zufolge durchwegs junge Angestellte in Unternehmensberatungen. Die Motive, die in den Skizzen zu persönlichen Träumen und Plänen für die Zukunft formuliert sind, gewinnen hier schärfere Konturen. „Mein Ziel ist es erstmal mich weiterzubilden“, sagt eine 25 Jahre alte Unternehmensberaterin. „Ich habe … nur einen Bachelor-Abschluss und werde nächstes Jahr einen MBA machen, zwei Jahre, und anschließend, trotz der Karriere, die sich dem wahrscheinlich anschließen wird, Familie mit der Arbeit unter einen Hut zu bringen. Das ist ja ein sehr, sehr großes und ambitioniertes Ziel, denn ich kenne nur wenige Frauen, die das geschafft haben.“ Eine weitere, 30 Jahre alte Unternehmensberaterin mit einem BWL-Studium, das sie durch ein weiteres Studium der Wirtschaftsmathematik ergänzt hat, betont dieselben Ziele: „Ich würde sagen, eine Führungskraft zu werden, dann auch natürlich, Menschen führen zu können, was ich persönlich glaube sehr schwer ist, das gut zu machen und noch ein wichtiges Thema, dass es besser möglich ist, Familie und Karriere zu vereinbaren, in Deutschland.“ Eine dritte Unternehmensberaterin, ausgebildet als Bankkauffrau und mit einem Studium der BWL, legt eine berufliche Gelassenheit, gleichzeitig aber auch eine Zielstrebigkeit in der persönlichen Weiterentwicklung an den Tag: 94
„Beruflich meinen Sie jetzt, nehme ich an… [Interviewer: Ja, sowohl beruflich als auch privat]. Zurzeit ist das relativ simpel, also ich möchte im Grunde genommen momentan so weitermachen wie bisher und wir haben hier eine extrem steile Lernkurve und soviel ich da mitnehmen kann, desto bereicherter bin ich am Ende des Tages. Ich muss keine bestimmte Position in so uns so vielen Jahren erstmal erreichen.“ Eine Projektleiterin meint: „Ich würde es nicht an einem Karriereziel festmachen, sondern mein Ziel ist eher sozusagen persönlich mit dem was ich mache im Reinen zu sein, sage ich mal, also dabei mich wohl zu fühlen und zu sagen, das ist das, was ich auch eben gerne mache, wo ich weiter wachse und wo ich auch was bewirken kann. Das ist für mich eher die Frage, die ich mir regelmäßig stelle. Natürlich würde ich mich in 5 Jahren schon auch noch in der Beratung sehen, also auch den Weg hier weitergehen – zum aktuellen Zeitpunkt.“ Zweifel mischen sich auch in die Zukunftsvisionen einer 28 Jahre alten Unternehmensberaterin, die BWL studiert hat: „Also ich würd gern noch ein bisschen hier sein bei der Unternehmensberatung, solange wie es mir Spaß macht und wie ich es auch machen kann und solange das Unternehmen natürlich will, dass ich hier bin. Für die Zukunft würde ich mir natürlich wünschen, dass ich definitiv mal Personalverantwortung habe. Ich halte es nach wie vor in Deutschland für illusorisch, dass man Familie und irgendwie Vorstandsvorsitzender verbinden kann als Frau. Ich würde mir wünschen, dass es so was gibt, allerdings glaube ich nicht dran und deswegen glaube ich auch für mich persönlich nicht dran, weil ich einfach Familie haben möchte irgendwann, ja, und deswegen glaub ich, mehr als so Mittelmanagement, da ganz ehrlich, fast illusorisch ist. Allerdings, nichtsdestotrotz wünsch ich mir natürlich, dass ich irgendwie Verantwortung hab und da auch was bewegen kann.“ Die Motive Weiterbildung, Work-Life-Balance, Familie, erfüllter Beruf bewegen auch die Fantasien einer 28-jährigen Unternehmensberaterin nach ihrem Studium des Faches Europäische Wirtschaft: „Wahrscheinlich möchte ich noch mal promovieren, weil es einem ganz einfach einem noch mal die Möglichkeit gibt sich in ein Themengebiet intensiv einzuarbeiten und gleichzeitig hat man aber auch ein etwas entspanntes Leben als in der normalen Beratung. Das andere wäre eben, dass es halt auf jeden Fall möglich ist, Job und Familie unter einen Hut zu bekommen. Das heißt, dass es eben auch sozusagen eine Möglichkeit gibt für einen Job, der anspruchsvoll ist und der es mir auch ermöglicht...sagen wir mal ... einigermaßen erfolgreich zu sein.“ Ebenso argumentiert eine 27-jährige Betriebswirtin: „Karriere zu machen. Hoffentlich noch im Einklang mit dem Privaten, Work-Life-Balance. Immer noch die Möglichkeit zu haben eine Familie zu gründen.“
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Die männlichen Befragten reagieren auch im unmittelbaren Gespräch kaum anders. Ein studierter Volkswirt, 30 Jahre alt, erläutert zunächst sein kurzfristiges Ziel: „dass ich heute meinen Arbeitstag über die Bühne bringe und dann erstmal 3 Wochen im Urlaub bin.“ Die mittel- bis längerfristigen Ziele entsprechen den bereits dargelegten Schwerpunkten: „Privat möchte ich gerne eine Familie gründen und Kinder bekommen und beruflich möchte ich mittelfristig Mitarbeiterverantwortung übernehmen. Also wenn ich mich beruflich weiterentwickle dann erstmal in der Hierarchie des Unternehmens, um noch mehr Verantwortung zu übernehmen. Daher ist mein mittelfristiges Ziel, dass ich bei gewissen Projekten selber mal die Projektleitung übernehme oder vielleicht bei interessanten Projekten. Später würde ich aber auch gerne wieder Weg und in die Industrie gehen und da dann eine interessante Position einnehmen aber auch in die Richtung Mitarbeiterverantwortung.“ Ein ebenfalls hervorragend ausgebildeter junger Mann, der Sozialökonomie studiert, dieses Studium durch einen Master in Corporate Management und Economics ergänzt hat, bringt schließlich das Lebensgefühl, das sich in den Träumen, Wünschen, Plänen und Kommentaren verdichtet, auf den Punkt: „Ich will mich einfach beim Arbeiten nur ausleben und nicht langweilen. Also, das ist eigentlich das Hauptkriterium. Und privat… ich find Kinder, Familie schon gut [lacht].“
Kontrollgruppe: Träume der Soziologen und Pädagogen Eine Zwischenfrage soll noch geklärt werden – die nämlich, ob diese Haltung zur Harmonisierung von Familie und Beruf mit dem Anspruch der Vereinbarkeit von Führungsposition und privatem Leben für die Studierenden der Wirtschaftswissenschaft und die Young Professionals typisch ist oder auch andere Gruppen charakterisiert. Erste Hinweise auf eine Antwort bietet die Durchsicht der Antworten der Kontrollgruppe.
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Tabelle 29: Träume von Studierenden der Soziologie und Diplompädagogik, 2008 Liste der Studierenden von Soziologie und Diplompädagogik, die alle drei Antwortmöglichkeiten genutzt haben Erstnennung
Zweitnennung
Drittnennung
Weltfrieden Eigene Familie
Entdeckung neuer Ressourcen Gesundheit
Kind kriegen
Haus bauen
2020 persönlich noch zu erleben Job der mich erfüllt und hoffentlich Spaß macht Beruf der Spaß macht
Immer noch verheiratet sein Familie und ein Kind
berufliche Zufriedenheit und Karriere einen Beruf der Spaß macht Einen Ehepartner und Fami- Weltfrieden und zum guten Leben reicht lie Weltfrieden Gesundheit Familie und Job gesichertes Einkommen
Familie
soziale Gerechtigkeit
Familie
Beruf
Wohnungswechsel
Familie/Ehe
genug Geld
Beruf
Personalmanagement
Beratung/Coaching
Familie
finanzielle Sicherheit
Gesundheit
Erhaltung sozialer Kontakte
zufriedenstellender Beruf
gesichertes Einkommen
grundsätzliche Zufriedenheit
Job
Familie
Arbeitsplatz
Familie gründen
im Ausland leben
Kinder haben
guten Job haben
glücklich sein
einen erfüllten Arbeitsplatz
Kinder/heiraten
gut versorgt sein
Festanstellung
Heirat
Kinder
kein weiterer Krieg Karriere
dass die soziale Ungleichheit reduziert wird berufliche Stabilität
glücklich bleiben in jeglicher Hinsicht Familie
Promotion
Heirat/Familie
interessante und sichere Arbeitsstelle Studienplätze für meine Kinder
Gesundheit für meine Fami- Abschluss mit Diplom lie und mich
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Erstnennung
Zweitnennung
Drittnennung
Job
Kinder/heiraten
Haus
Familie gründen mit liebevoller Partnerin Familie
zufriedenstellende soziale Beziehungen pflegen stabile berufliche Existenz
einen sinnvollen und befriedigenden Beruf ergreifen stabile soziale Beziehungen
Familie
berufliche Erfüllung
ruhiger sein/ankommen
Doktorarbeit
finanzielle Unabhängigkeit
Beziehung bleibt erhalten
persönlicher/beruflicher funktionierendes FamilienErfolg leben Durchbrüche in der Medizin Harmonie in der Familie mehr Geld
vielfältige persönliche Erfahrungen feste freundschaftliche Beziehungen bessere Lebensbedingungen mehr Sicherheit
Heirat
Kinder
Beruf
Beruf gesichert
Familie gegründet
sich im Beruf wohlfühlen
Familie
gefestigter Beruf
gutes soziales Umfeld
finanzielle Unabhängigkeit
Gründung einer Familie
Gesundheit
Familie
Gesundheit
abgeschlossenes Studium/verbeamtet
Kurzinterpretation: Interessant sind dieser Aufstellung zwei Dinge: Erstens, dass berufliche Motive deutlicher in den Vordergrund treten als in der Kernzielgruppe der Befragungen. Zum zweiten ist es auffällig, dass mehr Antworten die weltpolitische Situation ansprechen – eine Erfahrung, die durch eine Zusatzbefragung zu den wesentlichen Problemen der Zukunft bis 2020 unter Soziologiestudenten in Hannover bestätigt wird. Diese Tendenz, dass bei Befragten in den eher nicht unternehmensnahen Studien- und Tätigkeitsfeldern das Motiv der beruflichen Unsicherheit zu einer etwas stärkeren Akzentuierung beruflicher Wünsche führt, deutet sich auch in den Gesprächen mit anderen Berufsanfängern an, die in nicht unternehmensnahen Bereichen arbeiten. Noch kann kein Urteil über die Repräsentativität dieser Aussagen getroffen werden. Dennoch ist es interessant, einige Bemerkungen zur Kenntnis zu nehmen. Der Grund könnte in der größeren Unsicherheit liegen, nach dem Studium eine Position zu finden. Eine 24-jährige Ärztin im praktischen Jahr gibt zu Protokoll: „Als erstes möchte ich mein Examen bestehen, dann sofort einen Job bekommen, in dem Gebiet, wo ich auch arbeiten möchte, d.h. mir diesen Job aussuchen zu können
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und dort anzufangen wo ich meine, es bringt mir am meisten. Dann möchte ich mit den Kollegen gut klarkommen und auch als neue Junge akzeptiert werden und endlich das Gelernte eigenständig anzuwenden. Und dort leben wo ich es will.“ Ihre Wünsche und Ziele für die Zukunft zeigen den schon häufiger diagnostizierten ganzheitlichen Pragmatismus: „Ich möchte innerhalb von 5 Jahren meinen Facharzt machen, dann schnell Oberärztin werden, eine eigene Abteilung leiten, auf meinem Gebiet richtig gut werden und über ein kleines Gebiet richtig viel wissen. Jetzt noch was nicht Berufliches, ich möchte ein Auto haben, eine schöne Wohnung, irgendwann eine Familie haben und reisen.“ Berufliche Wünsche stehen auch für eine 22 Jahre alte Hotelfachfrau im Vordergrund. „Also für meine Zukunft wünsche ich mir, dass ich immer einen Job habe und vor allem, dass ich in diesem aufsteige. Mein Ziel ist es Manager eines Unternehmens zu werden.“ Ähnliche Tendenzen bestimmen die Aussagen einer Logopädin (22 Jahre alt) mit ihren Wünsche nach „geregelter Arbeit, meinen Traummann kennen lernen und heiraten... und natürlich auch Kinder“ und eines Piloten in Ausbildung: „Für die Zukunft wünsche ich mir einen sicheren Job mit einem Einkommen, bei dem ich mir keine Sorgen um mein Wohlergehen machen muss. Außerdem wünsche ich mir natürlich auch eine Familie für die ich auch ‚ohne Probleme’ sorgen kann. Mein Ziel für die nahe Zukunft ist es erstmal die Ausbildung erfolgreich zu beenden und so schnell wie möglich danach in den Beruf zu starten.“ Ein 25-jähriger Polizist fokussiert diese Aussagen auf das Motiv der Sicherheit: „Ich muss gestehen, dass ich derzeit gar keine konkreten Wünsche und Ziele habe, was den Beruf angeht. Im Großen und Ganzen bin ich doch recht zufrieden mit der aktuellen Situation. Im März endet meine Probezeit, dann muss ich nur noch 27 Jahre alt werden, damit ich Beamter auf Lebenszeit bin und damit quasi unkündbar. Das ist in der derzeitigen wirtschaftlichen Lage sicher nicht schlecht. Dafür sieht es, was Beförderungen angeht, eher nicht so gut aus.“ Insgesamt scheint es, dass die von uns und den Autoren anderer Studien befragten Personen mit dem Ziel unternehmensnaher Karrieren eine größere Zuversicht besitzen, was ihre Zukunft betrifft – und aus dieser Zuversicht heraus ihren Anspruch auf einen ganzheitlichen Lebensentwurf hin formulieren. Vielleicht fundiert diese Zuversicht auch das Selbstbewusstsein vieler Befragter, sich mit dem amtierenden Management kritisch auseinanderzusetzen und gegebenenfalls sogar nach Alternativen zu suchen.
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Fazit 2: Die repräsentative Bedeutung der Mitarbeiterorientierung Als erstes ist festzuhalten: Die Konfrontation zu amtierenden Führungskräften, die in der Frage nach den Profilen deutlich sichtbar wurde, bestätigt sich in der Frage nach den mutmaßlich gewählten Handlungsoptionen in moralischen Dilemmata. Je deutlicher sich die Statements auf betriebswirtschaftlich pragmatische Handlungsoptionen beziehen, desto geringer werden die Differenzen zwischen Selbsteinschätzung und Einschätzung der vermuteten Entscheidungen von amtierenden Führungskräften. Eine etwas akzentuiertere Pragmatik lässt sich bei – insbesondere berufstätigen – jungen Männern feststellen. Wie die zur Ergänzung herangezogenen Studien von PricewaterhouseCoopers, der Initiative für Wertebewusste Führung und Gallup sowie einiger weiterer nur skizzierter Arbeiten zu ähnlichen Fragen bestätigen, tendieren die Studierenden und jungen Berufstätigen zu einer „differenziellen Ethik“. Die unmittelbar mitarbeiterorientierten Verhaltensmuster im Unternehmen erscheinen als Repräsentation einer generell wertorientierten Unternehmenskultur. Fasst man die Statements aus der Frage zu den Wertedilemmata mit den Übercodes „betriebswirtschaftliche“, „persönliche“, „politische“ und „mitarbeiterorientierte Dilemmata“ zusammen, wird die Bedeutung dieser letzteren Kategorie noch klarer: Die Mittelwerte für die Zustimmung oder Ablehnung auf der Fünferskala zu den vorgeschlagenen Handlungsoptionen in betriebswirtschaftlichen Dilemmata sind bei Studierenden 2,8 und bei Young Professionals 2,7; für persönliche Statements lässt sich jeweils ein Mittelwert von 3,3 errechnen; für politische von 3,9 und für mitarbeiterorientierte Dilemmata bei den Studenten wein Mittelwert von 4,4 und den Young Professionals von 4,3 (Auswertung: Manuela Sabrina Fitzek, Bachelorarbeit 30. 7. 2009). Dies gilt insbesondere für die Verhaltensweisen im zwischenmenschlichen Bereich der Alltagsarbeit sowie in der Berücksichtigung der Interessen nach einer Harmonisierung von privaten und beruflichen Wünschen. In allen Studien und Kommentaren lässt sich eine latente, mitunter aber auch deutlich ausgesprochene Tendenz zum Rückzug erkennen – dies interessanterweise trotz einer generellen Bereitschaft zur Loyalität. Diese Tendenz ist vor allem dann festzustellen, wenn die Unternehmen den Bedürfnissen nach einer mitarbeiterorientierten und wertebewussten Kultur nicht entsprechen. Die immer wieder so genannte Work-Life-Balance erscheint als das Bedürfnis nach ganzheitlicher Lebensgestaltung, bei der die Umsetzung der privaten und der beruflichen Vorstellungen korrespondiert. Trotz einiger Akzentverschiebungen zwischen jungen Frauen und Männern, Studierenden und Young Professionals, wirtschaftsnahen und eher weniger wirtschaftsnahen Studien- und Tätigkeitsprofilen kann man festhalten, 100
dass die hier befragten Repräsentantinnen und Repräsentanten der Generation zwischen 25 und 35 Jahren durch konzise Vorstellungen eines ganzheitlichen Lebensentwurfs geprägt sind. Zieht man das Fazit aus dem ersten Teil hinzu, erklärt sich aus diesem werte- und mitarbeiterorientierten Bedürfniskatalog der Wunsch nach einer Führungskraft, die eben diese Bedürfnisse auch im beruflichen Kontext durch Lernbereitschaft, Ermutigung, Inspiration, kommunikative Kompetenz und Delegationsgeschick fördert. Das Fazit aus den hier analysierten Befunden bestätigt eine Vermutung, die vor mehr als zehn Jahren schon so unterschiedliche Beobachter des Zeitgeschehens wie der Psychiater Horst Eberhard Richter oder der Professor für Verwaltungswissenschaft an der Hochschule Speyer, Helmut Klages, gleichermaßen formuliert haben: Persönliche Zufriedenheit ist zunehmend das Ergebnis eines absehbaren Lebensweges, auf dem durchaus hohe Positionen ins Auge gefasst, doch die Karrieregelüste durch Verantwortungsbewusstsein, Werteorientierung und den Wunsch nach persönlichem Wohlergehens gezügelt werden. Das persönliche Wohlergehen gründet sich insbesondere auf dem Traum einer eigenen Familie, eines intakten sozialen Netzwerks, das sich nicht mit den beruflichen Vorstellungen widerspricht. Für die Unternehmen, insbesondere für die Personalpolitik der Unternehmen, zeichnet sich eine komplizierte Aufgabe ab: Motivation und Engagement erfordert Vorgesetzte auf allen Ebenen, die dem Führungsnachwuchs nicht nur Inspiration und Ermutigung bieten, sondern darüber hinaus eine werteorientierte Grundhaltung, die sich vor allem im alltäglichen Verhalten der Vorgesetzten äußert.
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7050_book.fm Page ii Wednesday, July 12, 2006 3:27 PM
Frage 3: Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Grauer Alltag: Konfrontation der „Kulturen“ Widersprüche: Die andersartige Wirklichkeit Der eingangs beschriebene Widerspruch zwischen den vielfältigen Bekundungen einer neuen ethischeren und menschlicheren Managementkultur nach dem Ausbruch der Krise und der sich klar abzeichnenden Haltung junger Leute, die genau die in dieser Situation formulierten Forderungen für die Zukunft schon lange vor der Krise gestellt haben, bleibt unaufgelöst. Vor allem ist die Frage zu stellen, wie denn die nun beklagte Dominanz einer eher kennzahlformalistischen Managementkultur und ihrer Fundierung in neoklassischen, mathematisch begründeten Ausbildungssystemen entstehen konnte. Diese Frage drängt sich auch vor dem Hintergrund der vielfältigen öffentlichen Bekundungen amtierender Führungskräfte zur Wertorientierung auf – wie sie sich auch in den weltweiten Initiativen zur Business-Ethik und den Bekenntnissen zur Corporate Social Responsibility verdichten. Seit mehreren Jahrzehnten propagieren Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler einflussreicher Business-Schools und Autoren empirischer Studien und nicht zuletzt Manager den Typus der tranformationalen Führungspersönlichkeit – also genau jenes Idealbilds, das sich in den Profilen der ersten Kernfrage widerspiegelt und dessen Charakteristik schon beschrieben wurde. Dieser Typus der transformationalen Führungspersönlichkeit stellt ja, wie weiter oben schon angedeutet, auch das dominierende Motiv der fachlichen und wissenschaftlichen Forschung dar. In den typischen Aussagen des Tests zum transformationalen Führungsstil lassen sich wesentliche Befunde der bisher referierten Studien und der zitierten Aussagen von Studenten und Young Professionals wiedererkennen. Dieses Modell bestimmt die Aussagen einer deutlichen Mehrheit der Befragten von 2000 an, als 501 ganz sicher nicht karriereferne junge Leute erstmals eine merkliche Distanz zwischen idealer und amtierender Führung formulieren, bis zur Erhebungswelle 2008/2009. Es bestimmt die Aussagen der jungen Beraterinnern und Berater in der PwC-Studie, dominiert als Motiv die Aussagen der jüngeren amtierenden Führungskräfte in der WerteStudie, fundiert die Begründungen für die Kritik an Vorgesetzten in allen diesen 103
Studien, definitiv verdichtet in der Befragung zum Engagement der Mitarbeiter in der Gallup-Studie. Vor allem die Informationen aus der Werte-Studie, in der bereits arrivierte Führungskräfte zwischen 25 und 40 Jahren befragt wurden, erzeugen Irritationen – weil eine weitere Generation junger Befragter 2008 die amtierenden Führungskräfte genau so einschätzt, wie Studierende und Young Professionals 2000 ihre damaligen Führungskräfte einschätzten. Diese Diskrepanz kann nun mit den empirischen Daten, die uns zur Verfügung stehen, nicht mehr erklärt werden. Allerdings sind auf Grund der bislang dokumentierten Befunde eine Reihe mehr oder weniger plausibler Mutmaßungen möglich. Eine erste – weniger plausible – Mutmaßung wäre, dass alle Wirtschafts-, Ingenieurs- und IT-Studenten, alle studentischen Unternehmensberater und Young Professionals, gleich in welchen Studien, Gefälligkeitsantworten gegeben haben. Das ist eher unwahrscheinlich. In der Zusammenschau der sehr unterschiedlichen und mit verschiedenen Methoden und Techniken aufgelegten Projekte, die immer wieder eine strukturell gleichartige Klientel befragt, gestestet oder sonst wie analysiert haben, erweist sich diese Haltung als valide Beschreibung von Ansichten und Absichten der nächsten Führungsgeneration. Wir können also davon ausgehen, dass der Wunsch nach einer mitarbeiter- und werteorientierten Wirtschaftskultur durchaus eine globale Bedeutung besitzt (zumal sich in anderen Studien diese Haltung auch als Erfolgsfaktor dargestellt wird). Was nichts an der Diskrepanz zu den offensichtlichen Machtstrukturen ändert, die noch zu erklären sind. Eine zweite Mutmaßung betrifft die Macht des „Systems“. Die These wäre, dass Menschen auch mit noch so idealistischen Vorstellungen dieses System nicht ändern können, wenn es bestimmten Systemimperativen wie etwa der Kapitalmarktorientierung unterworfen ist. Da nun in den hier referierten Untersuchungen aber offensichtlich nicht nur Minderheitenmeinungen offenkundig werden, fragt sich, wieso denn viele Menschen eine bestimmte Managementkultur anstreben – die auch als Maßstab des zukunftsträchtigen Wirtschaftens weltweit akzeptiert ist, aber das Gegenteil entsteht? Es könnte sein, dass globale Großunternehmen mit ihrer finanzmarktorientierten Orientierung die Wirtschaftskultur prägen – und die pragmatischen Effizienzkriterien die Bedürfnisse nach transformationaler Führung überfremden. Diese Überlegung setzt voraus, dass es einflussreichen Führungspersonen gelingt, diese Verhaltensmuster durchsetzen und dass gleichzeitig auch eine ausreichend große Zahl von Personen diese Verhaltensmuster akzeptieren und sich selber an ihnen orientieren. Die weiter oben zitierten Bemerkungen über ältere Führungskräfte, die in der Tradition der eher fachlich ausgerichteten Personalpolitik zu ihren Positionen gekommen sind, stützen diese Annahme: Kommunikationsprozesse werden als zertifizierbare Strategien der Internal Relations 104
„implementiert“ – der transformationale Stil zum Instrument der Mitarbeiterführung (nicht ihrer Beteiligung) umcodiert. Die Gefolgschaft ließe sich logischerweise nur in den Reihen der befragten Studierenden und Young Professionals finden. Man findet sie dort auch, allerdings erst auf den zweiten Blick – und zwar deshalb, weil der konventionelle Interpretationsprozess in empirischen Projekten diese Akteure vernachlässigt, weil sie nicht die Mehrheit repräsentieren. Konkret: Wenn 80 Prozent aller Befragten es ablehnen, dass Führungskräfte sich zum Mittag in ein Casino zurückziehen, bleiben doch immer noch 20 Prozent, die nicht dagegen oder gar dafür sind. Selbst wenn 90 Prozent der Befragten definitiv einer Nutzung des Lohngefälles zwischen Männern und Frauen zur Steigerung des Unternehmensgewinns nicht zustimmen, sind es doch zehn Prozent, die es tun. Geht man nun, um bei dieser Frage zu bleiben, alle die moralischen Dilemmata durch und berechnet den Anteil derer, die sich eher oder in erheblichem Ausmaß „unethisch“ verhalten, wird man immerhin auf ein Fünftel aller Befragten kommen, deren Handlungsprioritäten in moralischen Dilemmata von rein wirtschaftlichen Erwägungen geprägt sind. Es ist ja selbst bei der Frage nach der Kinderarbeit so, dass in einigen Kommentaren aus den begleitenden Gesprächen durchaus rationale Erklärungen für eine denkbare Zustimmung gegeben werden – etwa dass durch Kinderarbeit in unterentwickelten Volkswirtschaften auch Familien ernährt werden. Es sind also die zehn, fünfzehn oder zwanzig Prozent, die unter den flachen Ausläufern der Verteilungskurve subsumiert sind, unter dem „Long Tail“ – statistisch insignifikant, aber in der Praxis höchst einflussreich und durchsetzungsfähig.
Erklärungsversuch: Long Tail-Theorie des Karrierismus Diese Mutmaßung, dass eine geringe Zahl von jungen Leuten im traditionellen System die wesentlichen Entscheidungspositionen erreichen und damit das System manifestieren, das die Mehrzahl kritisch betrachtet, erscheint auch deshalb plausibel, weil einige Indikatoren aus anderen Studien ebenfalls in diese Richtung weisen. Die Autoren der Werte-Studie schreiben: „Eine nicht zu vernachlässigende Gruppe schlägt sich, insbesondere im Spannungsfeld zwischen Werteorientierung und einer notwendigen Rendite im internationalen Wettbewerb, auf die Seite des betriebswirtschaftlichen Ergebnisdrucks – die schlichte Tatsache berücksichtigend, dass ein unwirtschaftliches Unternehmen zumindest nicht mehr lange imstande sein wird, seinen Mitarbeitern ein werteorientiertes Umfeld zu bieten (und sei es, weil es vom Markt verschwindet). Positiv formuliert: Wer-
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te haben mehr als eine nur dienende Funktion, aber Unternehmen werden andererseits auch nicht als Kuschelzonen gesehen (Bucksteeg, Hattendorf 2009: 14). Die Anpassung an solche Systemimperative vollzieht sich in verschiedenen Intensitäten auf verschiedenen Wegen. Drei wichtige Weichenstellungen sind es vor allem, die diesen Prozess unterstützen: erstens eine zielgerichtete, wirtschaftsnahe und durch die Wünsche der Personalabteilungen dominierte Ausbildung nach dem Muster der neoklassischen Wirtschaftswissenschaft; zweitens die Verweigerung, sich an der innovativen Veränderung dieser Systemimperative zu beteiligen – wie sie in der Aussage der auf Seite 999 zitierten Schülerin deutlich wurde. Diese Verweigerung, so verständlich sie sein mag, verschärft das Problem, auf das sie reagiert und ist letztlich die Quelle der eingangs dieses Buches zitierten Klage über den Mangel an widerspenstigen jungen Geistern, die den Traditionalisten mit ihren Gedanken neue Wege weisen; die dritte sehr frühzeitige Weichenstellung erfolgt im Personalmanagement – sowohl in der Rekrutierung von „Talenten“ als auch in ihrer Entwicklung. Mit dieser Erklärung wird die Argumentation am Ende dieses Abschnittes auf die empirischen Befunde der aktuellen Studien zurückkommen. Alle drei Gründe tragen in wechselseitiger Verstärkung dazu bei, dass die „erste Kultur“ des kennzahldominierten Formalismus ihre prägende Machtfülle entfalten konnte und weiterhin entfalten kann. Die soziologische und auch ein Teil der bildungspolitischen wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsprojekte haben in ihren Ergebnissen überdies darauf hingewiesen, dass die eben von Spitzenmanagern skizzierte Haltung nicht erst mit der Ausbildung an den BusinessSchools oder Elite-Universitäten entsteht. Sie ist zum Teil auch das Resultat eines milieuspezifischen Erziehungs- und damit Auswahlprozesses, der sich vor allem über die Wahl der beruflichen Karrieren und, wie sich gleich zeigen wird, in diesen beruflichen Karrieren über die Wahl der Ressorts äußert – vor allem Controlling und Vertrieb. Das Mentalitätsmilieu, das hier als „Erste Kultur“ gekennzeichnet wird, versteht sich als Aktivposten in der Gestaltung der Wirklichkeit – der Begriff „Management“ bedeutet ja übersetzt die Handhabung und Kontrolle von Dingen oder Vorgängen. Diese Gestaltung richtet sich auf die Bewältigung von Komplexität – fast in klinisch theoretischer Form durch die Suche nach der mathematischen Formel zur Erklärung eines Universums, das man „Markt“ nennt – ein höchst simpler Begriff für eine komplexe kulturelle Angelegenheit, ein Begriff des „restringierten Sprachcodes“ dieser Machtelite. Diese Ideen erinnern an zwei Theorien der 60er Jahre, die eine an die Formulierung von Hans Albert, dass Wissenschaft nichts anderes sei als eben dies: „ein Sprachspiel zur Weltorientierung“. Dieser These zufolge ist also auch die Wirtschaftswissenschaft ein solches Sprachspiel – allerdings nach Meinung einer mittlerweile illustren Schar von Kritikern eines sehr restringierten, mitunter rea106
litätsfernen Sprach-Spiels. Auch diese Theorie stammt aus der kritischen Soziologie, zielte aber in ihrem Ursprung auf ein anderes Problem: auf die gesellschaftlich verursachte Inkompetenz von weniger gebildeten Milieus (damals benutzte man tatsächlich noch den Begriff der „Unterschichten“), mit der Komplexität der „bürgerlich“ dominierten Welt zurechtzukommen. Der „restringierte“ Sprachcode, so behauptete diese Theorie, resultiere in einer sektoralen Begrenzung der Weltsicht und in einer Blockade der Teilhabe an öffentlichen Angelegenheiten, die in einem „elaborierten“ Sprachcode repräsentiert seien. „Restringierter Code“ ist ein Begriff der „Zweiten Kultur“, die sich kritisch mit den rationalistischen, ertragsorientierten Modellwelten des wirtschaftlichen Denkens auseinandersetzt und die Tendenz zur „Kolonisierung der Lebenswelt durch die Systemimperative“ entlarvt, wie Jürgen Habermas im zweiten Band seiner „Theorie des kommunikativen Handelns“ ausführt. Ein wesentliches Medium dieser „Kolonisierung“ war, diesen Gedanken zufolge, die Sprache, ein anderes das Geld. Wo beide Elemente nun in einer Konvention zusammengefasst und durch Bildungsinhalte befestigt werden, entsteht eine „sektorale Intelligenz“, die sich mit hoher Differenziertheit auf die Perfektionierung weniger Qualitäten und Qualifikationen richtet. Die starke Zurüstung der universitären Ausbildung auf die Verwertbarkeit ist der stärkste Ausdruck dieser Konventionalisierung des restringierten Codes neuer Prägung: Das wirtschaftswissenschaftliche Studium ist in der Regel von kennzahldominierten Modellen und einem rationalistischen Menschenbild geprägt, das sich in diese Modelle integrieren lässt. Was immer in anderen Disziplinen an soziologischen und psychologischen, an nicht rationalistischen und irrationalen Aspekten betont wird, wird in diesen Modellen als (im doppelten Wortsinn) unberechenbar verdrängt, wenn nicht als esoterisch oder weltfremd belächelt. Einer der Kritiker dieser Tendenzen zur Marktrationalisierung der Wissenschaft, Stephen Ziliak, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler am Georgia Institute of Technology der Emory University und neben Deirdre McCloskey CoAutor des Buches „The Cult of Statistical Significance“ (Ziliak, McCloskey 2008), schreibt im Newsletter der postautistischen Bewegung: „Economic historians continue to speak in the wonderfully useful language of statistics and constrained maximization. But to the Samuelsonians of the Seventies who crafted the curriculum of micro-macro-and metrics while fetching money to mathematize economics, the numerate historians' talk of politics, religion, institutions, open fields, lacks of freedom, legacies of slavery, narrative voice, contested meanings, census manuscripts, personal diaries, and plantation account books was, to use a technical term from the sociology of science, „humanities crap.“ A real economist was a Problem Solver, a calculus wonk“ (Ziliak 2002: 1). Es fällt auf, dass die Stimmen, die sich mit den Konsequenzen der „First Culture Attitudes“ auseinandersetzen, durchweg auf die Funktion der Bildung 107
und Ausbildung zu sprechen kommen. Der Sozialwissenschaftler Kyle Siler (Department of Sociology, McMaster University, Canada) hat diesen sich selbst verstärkenden Zirkel in seinem Aufsatz „The Social and Intellectual Organization and Construction of Economics“ vor allem auch im Hinblick auf die Ausbildung von Managern eindringlich beschrieben und damit die Brücke zur Praxis geschlagen: Die neoklassische Wirtschaftswissenschaft gilt aus dieser Sicht als eine Art Initiationsritus für Erfolge in und außerhalb der Wissenschaft – außerhalb dadurch, dass bestimmte Adressen der Ausbildung die Garantie des richtigen Habitus beinhalten, der, folgt man Siler, mitunter die geheimbündlerische Züge annimmt: „The arcane and esoteric mathematical nature of neoclassical economics is a powerful context, contributing to a very strong, unified organizational discipline, thus influencing both the profession and ‚science’ of economics. Mathematics is not only an effective means of creating scholarly hierarchies, but also makes economic work difficult to comment on (at least in the mainstream economists’ domain and language) for non-mathematical economists. This places control over the discipline largely into the hands of the most advanced mathematical economists, while insulating and empowering the discipline as a whole. Social and cultural norms which value abstractness, theoretical complexity, esoteric science and quantification also help make economics trusted, well-supported and respected“ (Siler 2003: 5).
Dominanz: „Erste Kultur“ des kennzahldominierten Formalismus Siler formuliert eine wichtige wissenssoziologische Idee, die einen Beitrag zur Entstehungsgeschichte des Habitus der „Ersten Kultur“ leistet. Aus der wissenschaftstheoretisch produktiven Modellbildung für die Kommunikation unter Forschern entsteht eine Konvention des Denkens in der Praxis. Wirtschaftshandeln wäre dieser These zufolge auch ein Produkt der Konventionalisierung Höherer Bildung. Der Münchner Politikwissenschaftler Dieter Frey brachte es in kürzlich in der Süddeutschen Zeitung noch einmal auf den Punkt. Er beklagte, dass der intellektuelle Diskurs in Deutschland vernachlässigt werde. „Viele Wissenschaftler denken zu wenig visionär und bemühen sich auch nicht, ihre Studenten dazu anzuregen“, sagt Frey, der auch akademischer Leiter der Bayerischen Eliteakademie ist. Was an den Universitäten versäumt wird, wiederholt sich nach Freys Beobachtung in den Unternehmen. „Das ist bedauerlich, weil die jungen Menschen sich rasch anpassen. Wenn sie merken, dass ihre Karriere schneller vorangeht, wenn sie die vorgegebenen Denkmuster nicht in Frage stellen, dann halten sie sich daran. Sie hören auf, neue Ideen zu entwickeln, das ganze kreative Potential geht verloren“. (SZ, 16. April 2009, S HF 2). 108
Thomas Sattelberger bestärkt den Gedanken, dass diese Art des Denkens unmittelbar mit der wirtschaftswissenschaftlichen Ausbildung zu tun habe, in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung: „Ich halte diese Ausbildung [an den Kaderschmieden, den sogenannten Business-Schools, deren MBA-Abschluss eine Karriere in Unternehmen oder Banken bislang garantierte] insbesondere in den USA und in England, für ziemlich seelenlos. … Diese Managerausbildung – übrigens auch teilweise die deutsche Betriebswirtschaftslehre – ist einseitig auf ökonomische Aspekte fokussiert. … Heute produzieren die Business-Schools auf eine lemminghafte Art und Weise jährlich Hunderttausende Absolventen. Wenn Sie die Lehrpläne anschauen, steht dort immer das Gleiche – von Strategie über Finanzen und Marketing bis hin zum technokratischen Veränderungsmanagement der Kultur von oben nach unten.“ Die Konsequenz ist eben jene Dominanz des ökonomischen (und ökonometrischen) Denkens: „Oft finden wir Manager auf moralische und soziale Fragen der Menschen nur ökonomische Antworten. So ist kein Dialog möglich“ (6. Mai 2009: 18). Der Zirkel der wechselseitigen Verstärkung wissenschaftlicher Denkweisen und praktischer Umsetzung zeigt auf jeden Fall deutliche Korrespondenzen, die sich in den Ansichten und Absichten eines Teils der künftigen Führungskräfte niederschlagen – und zwar mutmaßlich vor allem bei denen, die zu karrieristischen Kompromissen bereit sind und mit dieser Haltung die Macht der „Ersten Kultur“ des kennzahldominierten Formalismus und seiner Weltsicht verstärken. Die theoretischen Modelle der Ausbildung bieten die Matrizes, nach denen die Welt gestaltet werden könnte, die finanzmathematischen Modelle der Risikoabwägung auf der Grundlage der Annahme eines Marktes rational abwägender Individuen, die volkswirtschaftliche Theoriekulisse eines Marktes, der immer zum Gleichgewicht tendiert und die Eleganz einer Mathematik, deren Universum aus systemisch verflochtenen Elementen besteht und die – theoretisch – nicht scheitern kann. Fores und Rey haben sich schon 1977 in der Zeitschrift Nature (später dann noch einmal in der Higher Education Review) mit dieser wirtschaftswissenschaftlich begründeten Einstellung der Gestaltbarkeit der Welt mit dem Blick auf die Ingenieure auseinandergesetzt (Fores, Rey 1979). Der Punkt, an dem die Virtuosität der mathematischen Modellbildung als Hilfskonstruktion der wirtschaftswissenschaftlichen Welterkenntnis in ihr Gegenteil verkehrte, ist nicht auszumachen – schon deshalb nicht, weil es sich auch um einen Machtkampf um die fachpublizistische Vorherrschaft und die Autorität bei der Besetzung lukrativer Positionen in der universitären Hierarchie handelt, die dann wieder von Absolventen als „Bildungskapital“ für die Anwartschaft auf entsprechende Positionen in der wirtschaftlichen Praxis eingesetzt werden kann. In dieser konzentrierten Aktion entsteht eine Definitionsmacht, die sich bis in die Ikonografie des öffentlichen Auftretens fortsetzt. 109
Konventionelle Ikonografie: Habitus der „Ersten Kultur“ Auch wenn diese Inszenierung mitunter karikaturistische Züge annimmt, bleibt sie doch bestimmend – selbst die karikaturistischen Darstellungen verweisen ja auf eine reale Wirklichkeit wie die folgende Darstellung: „Die ‚CEO oft he Future’ marschieren im Gleichschritt herein“, schrieb beispielsweise der Spiegel (in seiner online-Ausgabe) anlässlich einer Job-Messe. „Erhabener Blick, stolz geschwellte Brust wie Regierungschefs, die sich gleich an die Weltöffentlichkeit wenden. Sie tragen schwarze Sakkos, schwarze Hosen, Lackschuhe. Zu unterscheiden sind sie meist nur durch ihre Krawatten. Sie werfen mit englischen Begriffen um sich, zeigen ‚Slides’, besprechen ‘Business Cases’, suchen nach ‘Cash Cows’. Um den Titel ‚CEO of he Future’ zu erlangen, zieht der Management-Nachwuchs mit Lebensläufen in den Boss-Battle, die ein Bewerbungsberater hätte nicht besser schreiben können: Hauptstudium mit 20; ein Job in einer Bank, parallel zum Studium; Geschäftsführer der eigenen Firma“ (WebDokument 4). Diese fast kabarettistisch anmutende Beschreibung deckt sich allerdings mit Studien, die die geheimen Prioritäten deutscher Personalrekrutierung offenlegen. Die erwünschte Ikonografie des Erfolgstypus entspricht offensichtlich klaren Vorstellungen – die die bildhafte Umsetzung berechenbarer Faktoren darstellen: Männlicher Typus, dominant auftretend, mit klar geschnittenen Gesichtszügen, vollem Haar, weißem Idealgebiss, zurückhaltender Businesskleidung in gedeckten Farben, ein Typus der in Hunderten von Bewerbungsratgebern und Studien über Erfolgsfaktoren dominiert. In mehreren Diplomarbeiten, die unter meiner Ägide in den letzten Jahren am Institut für Soziologie der Universität Hannover geschrieben worden sind, ist diese Diagnose bestätigt worden. Der hier beschriebene Typus dominiert in den studentischen Karrierezeitschriften. Auf Grund ähnlicher Befunde anderer einschlägiger Erhebungen schrieb die Frauenzeitschrift Brigitte in ihrer Ausgabe vom 21. März 2003 über den Versuch einer jungen Frau, sich auf ein Bewerbungsgespräch vorzubereiten: „Den Besuch beim Friseur hätte sie sich sparen können. Auch den schicken Hosenanzug, den sie sich extra fürs Bewerbungsfoto zugelegt hat. Adrett gestylt, dezent geschminkt, mit besten Examensnoten und jahrelanger Erfahrung im Management einer Firma hatte sie sich eigentlich größere Chancen auf den Chefposten ausgerechnet. Doch das Rennen machte eine von denen, die früher in der Tanzstunde niemand aufgefordert hat. Groß, breitschultrig, die Haare kurz, das kräftige Kinn energisch nach vorn geschoben. Kurz gesagt, ein Mannsbild von einer Frau.“ Je femininer ein Anwärter oder eine Anwärterin für die freie Stelle wirke, fasste die Brigitte zusammen, desto schlechter seien die Chancen. „Diese Regel gilt, so die Ergebnisse der Psychologin Sabine Sczesny, nicht nur dann, „wenn 110
Männer die Entscheider sind – ihnen könnte man unterstellen, sie suchten gern ihresgleichen aus. Aber weibliche Personalleiter haben die gleichen Präferenzen.“ So aufklärend wie diese Befunde sind, so irritierend ist allerdings die Konsequenz, die Sczesny zieht: Sich dem Klischee unterordnen, sich auch als Frau „maskulin stylen“, einen schwarzen Rollkragenpullover statt rosafarbener Bluse tragen und – Herrenparfüm auflegen. Dieser Ratschlag klingt zwar nach einem aufgekratzten Feuilleton und mithin nicht ganz ernst gemeint. Doch in der unsere Studie begleitenden Contentanalyse sind eine Menge Fundstücke angefallen, die das Bild und die Strategie bestätigen. Unter dem Titel „Verantwortung tragen“ untersuchte die NZZ am Sonntag am 17. August 2008 die Garderobe der TopManager. Denn „heute gilt es auch in den höchsten Chargen, seine kompetetive Natur mit allen Mitteln zu betonen – also auch mit der Garderobe, die man zur Arbeit trägt.“ Zu diesem Thema präsentiert sich der damalige wenige Monate zuvor als Nachfolger von Marcel Ospel angetretene neue Vorstandsvorsitzende der schweizerischen Bank UBS, Peter Kurer. Das Blatt schreibt: „Kurer trug statt der schweren Seventies-Brille, die er bei seinem Amtsantritt als Chairman noch hatte, plötzlich eine leichte, randlose Sehhilfe, so wie sein CEO Marcel Rohner auch eine hat. Außerdem hatte Kurer seine davor leicht zauseligen Haare um ein erhebliches Stück gestutzt, was ihn jünger und fokussierter aussehen ließ. Und last but not least trug er statt des ‚alten’ Dreiknopf-Anzugs plötzlich einen erheblich besser sitzenden, moderneren Zweiknöpfer. Es steht außer Frage, dass Kurers Verwandlung bewusst geschehen ist und von Image-Strategen begleitet wurde. Schließlich geht es bei der UBS gerade darum, mit allen Mitteln verlorenes Vertrauen wiederherzustellen. Kurer selbst sagte im Interview mit der ‚NZZ am Sonntag’, dass er mit dem neuen Stil signalisieren wolle, dass es Zeit für ‚einen Wechsel in der Bank’ sei“ (36). Viel Erfolg hatte die Image-Retusche nicht. Am 26. Februar 2009 wechselt die UBS überraschend ihren Chef aus: ExCredit-Suisse-Chef Oswald Grübel übernimmt die Leitung der Bank, löst Rohner ab. Kurer tritt auf der General-Versammlung vom 15. April zurück. Die Entwicklung der Krise ist im Einzelnen hier nicht wo wichtig. Sie lässt sich ohnehin in den einschlägigen Medien leicht nachvollziehen (Web-Dokument 5). Was wichtiger erscheint, ist das Vertrauen in den Habitus und die symbolische Bedeutung von Äußerlichkeiten, an denen sich selbstverständlich dann auch der Nachwuchs in seinen Stilentscheidungen schult – und das nicht nur, was die Kleidung betrifft. Der ehemalige McKinsey Deutschland-Chef Jürgen Kluge ging anlässlich der Publikation einer großen Erhebung über Deutschlands beste Studierende, die als Kooperation des Spiegel, der Unternehmensberatung McKinsey und der Internetplattform AOL im November 2004 publiziert wurde, 111
einen ausholenden Schritt weiter. Diejenigen, die die Kriterien der Personalverantwortlichen nicht erfüllen, sollten rasch ihre Biografie formatieren. In dieser Studie lassen sich die Selbstverständlichkeit des beschriebenen Habitus und die Macht seiner Konventionen exemplifizieren. Die Erhebung selber hatte nichts anderes zum Thema, als die Frage nach den Studienorten jener Studierenden zu beantworten, die die Vorgaben für eine schriftliche Bewerbung in einem deutschen Unternehmen am besten erfüllten. Dabei wurden Personalverantwortliche befragt. Es war eine hervorragende empirische Arbeit von hoher Repräsentativität, die nur zwei Schönheitsfehler aufwies: Die Frage selbst basierte auf der impliziten Theorie, dass die Wünsche der Personalverantwortlichen ein Indikator für die berufliche Qualität des Nachwuchses sei. Der zweite, eng damit zusammenhängende Schönheitsfehler erwuchs aus der journalistischen Verarbeitung der Befunde – die als Hinweis auf die künftige Elitemitglieder gewertet wurden, die am besten in der Lage seien, die Anforderungen der Zukunft zu bewältigen. Das zeigt sich vor allem in einem Punkt, der später noch mit einigen quantitativen Befunden illustriert werden soll: der Bedeutung von Personalrekrutierung und -entwicklung in den Unternehmen. Dieser Punkt ist insofern von Interesse, als die karikaturistischen Belustigungen und die Urteile der sozialpsychologischen Analytiker der „Ersten Kultur“ des kennzahldominierten Formalismus stets begleitet sind von den Klagen der Personalberatungen und -verantwortlichen in Unternehmen, dass sich ihnen immer wieder derselbe Typus präsentiere. So schreibt auch der Spiegel am Schuss einer kleinen Karikatur des Catwalks der Bewerbermesse: „Die Jury urteilt: die Manager von morgen seien viel zu brav, sie führten nur den Auftrag aus und seien zu wenig kreativ im Denken.“ Silers Überlegungen zu den sozialen Konsequenzen der Dominanz neoklassischer Ausbildungselemente in den Wirtschaftswissenschaften leuchten diesen Sozialisationsaspekt aus dem Blickwinkel der Karriereplanung aus. „This symbiotic relationship … may help contribute to maintaining (if not reinforcing) the ‘bourgeois’ focus of mainstream economics, which trends to trumpet the virtues of capitalism far more than it criticizes the economic, social and moral shortcomings it may process“ (Siler 2003: 7). Das alles wirkt irgendwie wunderlich, was ebenfalls schon lange vor der gegenwärtigen Krise (und einigen anderen, die ihr vorausgingen) eine Reihe von Analytikern auf den Plan gerufen hat. Viele Funktionsträger in Politik und Wirtschaft, schrieb der bekannte Psychoanalytiker Erik H. Erikson bereits 1977 als Ergebnis jahrzehntelanger Arbeit, verhalten sich im Beruf wie spielende Kinder. Sie bewegten sich in einer künstlichen Welt und umgaben sich mit Spielkameraden, die denselben oft irrealen Träumen von Weltherrschaft und Heldentum nachhingen wie sie. Auf diese Weise lebten sie eine abgehobene Existenz, die 112
mit großer Wahrscheinlichkeit zum persönlichen und beruflichen Scheitern führte. Die Untersuchung trägt den schönen Titel „Kinderspiel und politische Phantasie. Stufen in der Ritualisierung der Realität“ (Erikson 1989). Ein anderer, der Wirtschaft sehr nahestehender Psychiater und Coach von ungezählten Spitzenkräften der globalen Wirtschaft, INSEAD-Professor Manfred Kets de Vries, entwarf in seinem lesenswerten Buch für Klett-Cotta – „Führer, Narren und Hochstapler. Essays über die Psychologie der Führung“ – ein bestürzendes Psychogramm der Eitelkeit und des Narzissmus – und des aus einem Realitätsverlust resultierenden Scheiterns (Kets de Vries 1998). Im selben Jahr erschien im Gabler Verlag eine von Ewald Krainz und Horst Groß herausgegebene Analyse: „Eitelkeit im Management. Kosten und Chancen eines verdeckten Phänomens“. Die Diagnose eines kommunikativen Defizits, die in der Führungsnachwuchs-Studie seit 2000 in gleicher Intensität immer wieder formuliert wurde, findet ihre Bestätigung also nicht nur in gleichartigen empirischen Projekten, sondern auch in den Essays von erfahrenen Analytikern und Beobachtern des Managementszene, in der eher „qualitativen“ Forschung mithin. Gleichzeitig bestätigen aber auch all diese Hinweise aus der Praxis und ihren Analytikern, dass es offensichtlich nur einer kleinen Gruppe mit dem absoluten Willen bedarf, die wesentlichen Weichenstellungen für die Kontinuität ihrer Weltorientierung vorzunehmen. Der Management-Coach Klaus Doppler schreibt zu dieser personellen Konstellation: „Um Manager herum bilden sich Hofhaltungen mit Heerscharen von Opportunisten. Da gibt es kein ehrliches Feedback mehr.“ Und „wenn diejenigen, die Gefahren sehen, sich nicht trauen zu warnen, weil sie es nicht verscherzen wollen für ihre Karriere, dann ist der Crash programmiert“ (FAS 10. 5. 2009: 36).
Ersehnte Synthese: Work-Life Balance aus Formalismus und Geist Dennoch zeigen die ungezählten Titel, die mittlerweile auf dem Markt sind, eine starke Sehnsucht nach einem intelligenten, durch mehr als formalistische Kennzahlen geprägten, inspirierenden, ganzheitlichen Managementstil, der seiner engen sozialen Kontrolle zu entkommen sucht. Business Schools haben diese Wünsche systematisch schon in den 80er Jahren aufgegriffen, um die Friktionen der „Two Cultures“ in nahezu wortgetreuem Nachvollzug von Charles Percy Snows Idee zu überwinden: durch Literatur. In den späten 80ern gab es an der Harvard Business School das erste Seminar, das, wie man auf der Website dieses weltweit renommierten Instituts lesen kann, „future money market managers and risk arbitrageurs [cause] to pause for a semester and reflect on the ethical dimensions of their chosen profession.“ 113
Das Seminar führte ein – Kinderpsychiater: Robert Coles, Pulitzer Preisträger for General Non-Fiction im Jahr 1973 für eine Serie von Büchern über „Children of Crisis“. Eines seiner späteren Bücher, 2000 bei Random House in New York erschienen, widmet sich dem einen Teil des oben beschriebenen Zeitgeistes und seinen Repräsentanten: „Lives of Moral Leadership“. HBS hat die Tradition beibehalten. Heute lässt Sandra Sucher, Senior Lecture, in ihrem Seminar „The Moral Leader“ Albert Camus, Barbara Kingsolver oder David Mamet lesen. Interessant ist, dass der Impuls auf wesentlich breitere Akzeptanz stieß, als in diesem Elite-Programm zunächst zu vermuten. Coles hatte gerade die ersten Stunden seines Kurses abgehalten, und die Manager, die diesen Kurs besuchten, kämpften noch darum, sich in die deklamatorische Sprache von Shakespeares Dramen einzufinden, da schwärmten schon Epigonen aus und kopierten das Prinzip. Was bei diesem Ideenklau herauskam, war so dürftig wie gefälschte Designer-Ware, nichts als der Versuch, unsicheren Management-Aspiranten das Geld für billig zusammengeschusterte SecondHand-Bildung aus der Tasche zu ziehen. Plötzlich wurde jegliche Literatur zum Lernobjekt für das Management. Platon, Goethe, Kant, Sokrates, Seneca und hundert andere wurden posthum zu Management-Consultants umcodiert. Wo Coles und nun seine Nachfolgerin im Geiste eine intellektuelle Auszeit förderten, Ruhe, Besinnung, Langsamkeit, allmähliche Verfertigung eines Gedankengange im Diskurs, wo sie Originale vorlegten, folgte nun die schnöde Instrumentalisierung. Wo sie und ihre ernsthaften Kollegen und Kolleginnen die künftigen ganzheitlichen Aufgaben des Managements zur Diskussion stellten, bastelten die Epigonen kurzatmig „Tools“ zusammen, Instrumente, und klapperten mit ihnen publikumswirksam herum. Ihr Versprechen war der schnelle Erfolg, der rasche Ertrag. Wer das alles liest, ist ohnehin offen, gestandene Managerinnen und Manager auf keinen Fall. Es sind ja leere Versprechen, ausgerichtet auf oberflächlichen Small-Talk, in dem unverbundene Gedankenfetzen eine Art literarischer Bildung vortäuschen sollen: Habitus-Kosmetik, eine Praxis, die Coles und Sucher nun wirklich nicht anstrebten. Dass diese Versprechungen einer wild aufblühenden Soft-Skill-Industrie keinerlei Beziehungen zum Gedanken der „Dritten Kultur“ besaß – und weiterhin keine besitzt – offenbart sich in einem seltsamen Instrumentalismus dieser Angebote: Das Verkaufsargument zielt vor allem auf den „Sieg“ über die Konkurrenz durch berechenbare Steigerungen von Schlagfertigkeit, Charisma, kommunikativer Kompetenz, Belesenheit, Teamorientierung und Führungskraft, Persönlichkeit, körperlicher Fitness, Gedächtnisleistung und Interpretationsgeschick für die Enträtselung der Körpersprache von Dialogpartnern. Die Anbieter scheuen nicht einmal vor prozentualen Angaben über die Steigerungsraten zurück. 114
Die „Erste Kultur“ des kennzahldominierten Formalismus ist also offenbar weit stärker von emotionalen Befindlichkeiten geprägt als ihr rationalistischer Kern das vermuten ließe. Sie spürt, wie trügerisch die Auffassung ist, dass ihr die selbst erschaffene Modellwelt Sicherheit biete – und dies umso mehr, je mehr Geister die Auffassung von der Richtigkeit dieser Modellwelten teilen. Sozialpsychologen würden zur Erklärung vermutlich die so genannten „Balancetheorien“ heranziehen: vornehmlich jene 1952 von Leon Festinger im Begriff der „kognitiven Dissonanzen“ verdichtete Beobachtung, dass Menschen zur Neutralisierung von Informationen neigen, die ihrem Weltbild nicht entsprechen. Aber es ging ja lange gut. Und viele Protagonisten dieser Kultur sind reich geworden. Damit wird verständlich, dass junge Leute nach ihrem Studium selbstverständlich eine Neigung zur Integration in ein bestehendes System haben – wenn sie eine Karriere anstreben. Und dass sie diese Karriere in der Tradition ihrer Ausbildung als eine berechenbare Gestaltungsoption wahrnehmen. Die vielfältigen Ratgeber für junge Leute mit der Lust auf Führungspositionen sind sich alle in einem Punkt einig: in der Notwendigkeit der Anpassung an die Weltsicht der amtierenden Führung. Diese Art des Mainstreaming scheint immer noch ein lohnendes Geschäft mit der Unsicherheit, das zu einer selbstverständlichen Berufsvorbereitung zählt. Eindrucksvoll zeigt sich die Macht dieser Konvention, wenn mittlerweile selbst der exponierteste Kritiker dieses Habituszirkels, der Mannheimer Soziologe Michael Hartmann, im Hochschulanzeiger der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Karrieretipps formuliert: „Man sollte sich darüber im Klaren sein, wie schwierig der Weg ist, und die Wirklichkeit richtig einschätzen. Außerdem würde ich dann zumindest schon mal das richtige Fach studieren. Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften oder BWL – das sind die klassischen Karrierefächer. Jura kann ich nur mit Abstrichen empfehlen – die Zahl der Juristen in Spitzenfunktionen ist stark rückläufig. Von exotischen Kombinationen sollte man die Finger lassen. Geisteswissenschaftler sind nur Randerscheinungen in der Wirtschaft“ (Hartmann 2009: 69). Die Gratifikationen für derartige Anpassungen, die schon mit der Wahl des Studiums, dann (was Hartmann in der Kürze der Zeit nicht erwähnen konnte) mit der Wahl des Studienortes und damit auch der Zurüstung der Studieninhalte beginnt, sind beträchtlich. Und sie entsprechen den sozialen Wünschen vieler Menschen: Anerkennung, Gestaltungsoptionen, Integration in eine soziale Gemeinschaft, Sicherheit und materielles Wohlergehen. Umso interessanter sind eben die im ersten Teil umfänglich dokumentierten empirischen Befunde zu den Zweifeln an der Richtigkeit dieser „Ersten Kultur“ – und das durchweg an Stichproben, die als deutlich karriereorientiert gelten. Gleichzeitig zeigt sich aber auch, dass der Enthusiasmus seine Grenzen hat: Der pragmatische Realismus der Befragten ist unübersehbar. Wenn Studierende in den begleitenden Gesprächen 115
unserer Studie darauf hinweisen, dass diese Kritik sich wohl auf eine Mentalität der ältern Führungskräfte richtet, wird damit auch die Hoffnung formuliert, dass dieser Anpassungsprozess immer weniger die Voraussetzung einer Karriere ist. „Dritte Kultur“ hieße dann, dass die kennzahldominierten Formalisten das intellektuelle Potenzial ihrer Antagonisten der „zweiten Kultur“ nutzen, um die unberechenbaren unliebsamen Konsequenzen denkbarer Entscheidungen in die Vorbereitungen dieser Entscheidungen einzubeziehen, dass auch die Antagonisten bereit sind, die pragmatischen Erfordernisse zu akzeptieren. Die „Dritte Kultur“ entsteht in den Köpfen der Individuen – in der Praxis aber nur dann, wenn sie durch die Autorität der Führung angeregt wird. Werfen wir also einen Blick auf die „Zweite Kultur“, also jene Mentalität, die sich in den empirischen Ergebnissen als Kritik am amtierenden Management und in der darüber hinausgehenden Praxis in der Weigerung äußert, sich überhaupt auf das sogenannte System einzulassen.
Alternative Konvention: Das Mentalitätsmilieu der „Zweiten Kultur“ Gegenstand der Kritik: Apologetik der formalistischen Modelle Das Problem der Konventionalisierung des Habitus der „Ersten Kultur“ des kennzahldominierten Formalismus liegt nun nach Aussagen der akademischen Repräsentanten dieser Wissenschaftsrichtung nicht in der Mathematik oder der systemtheoretischen begründeten Modellbildung. Gerard Debreu hat in seiner Nobelpreisrede am 8. Dezember 1983 in einem bemerkenswerten Essay in der American Economic Review die Bedeutung dieser Entwicklung für die Forschung in der Wirtschaftwissenschaft gewürdigt. „The axiomatization of economic theory has helped its practitioners by making available to them the suberbly efficient language of mathematics. It has permitted to them to communicate with each other, and to think, with a great economy of means“ (Debreu 1984, 235). Dieses Argument ist kürzlich noch einmal sehr deutlich unterstützt worden. Der Direktor des Instituts für Außenwirtschaft und Angewandte Wirtschaftsforschung an der Universität Sankt Gallen, Gebhard Kirchgässner, bekräftigt die Bedeutung der Ökonometrie in der Volkswirtschaftslehre und wendet sich gegen die Kritik, dass die Mathematisierung der Volkswirtschaft zur Vernachlässigung der Realität führe. Die Mathematik, so Kirchgässner, sei notwendig, um Hypothesen an der Wirklichkeit überprüfen zu können.“ Es sei dennoch unvermeidlich, die Zahl der Kriterien eng zu halten. „Jede realwissenschaftliche Analyse, die etwas über die Wirklichkeit aussagen will, muss notwendigerweise 116
von den meisten Aspekten der Wirklichkeit abstrahieren und sich einige wenige genau vornehmen. Wesentlich ist nicht, dass eine Ansatz allumfassend ist …, sondern dass er die für die Fragestellung relevanten Aspekte der Wirklichkeit hinreichend relevant abbildet.“ (FAS, 14. Juni 2009: 34) Mit dieser Apologetik der formalen Analyse beschreibt Kirchgässner aber gleichzeitig auch das Problem, das durch die Sympathisanten der „zweiten Kultur“ in den Vordergrund gerückt wird: die Übertragung dieses formalen Prinzips wissenschaftlicher Arbeit auf das Handeln in der Wirklichkeit und damit die Entstehung eines formalistischen Managementkonzepts. Die finanzmathematischen Berechnungen der letzten Jahre werden ebenso als Beispiele spektakulären Scheiterns in der Wirklichkeit angeführt wie die Theorien der Chicago-Schule um Gary Becker und Milton Friedman, die ja der amerikanischen Wirtschaftspolitik lange Zeit als wissenschaftliche Legitimation galten (Vgl. dazu d’Eramo 1996). Die Kritik der „heterodoxen“ Wirtschaftwissenschaften wiederum richtet sich auch nicht gegen den Gebrauch der Mathematik oder gegen andere formalisierte Modelle innerhalb der wissenschaftlichen Arbeit, sondern gegen die Weigerung, diese Modelle einer empirischen Prüfung an der Realität auszusetzen – das heißt auch: Wissensbestände aus anderen Disziplinen in die wirtschaftswissenschaftlichen Theorien zu integrieren. Diese Weigerung führt mitunter zu eklatanten Verspätungen der Erkenntnis und gelegentlich sogar zu karikaturistischen Verzerrungen. Spektakulär zeigte sich eine solche Situation vor wenigen Jahren, als im modischen Boom eines praxisorientierten Zweiges der Neuroökonomie – nämlich des sogenannten „Neuromarketing“ – alle erdenklichen Aufzeichnungen von Hirnaktivitäten zu vorgeblich bahnbrechenden wissenschaftlichen Einsichten führten. Eine dieser Einsichten, die im naturwissenschaftlichen Leitmedium „Science“ publiziert wurde, war die Entdeckung, dass der „homo oeconomicus“ bei seinen wirtschaftlichen und Konsumentscheidungen auch von Gefühlen geleitet sei. Drastischer lässt sich die Abkapselung wissenschaftlicher Modelle von anderen Disziplinen und von der Wirklichkeit, die diese Disziplinen untersuchen, kaum illustrieren. Ein Blick in die marketingorientierte Sozialpsychologie der 70er Jahre hätte genügt, um die Bedeutung der emotionalen Faktoren bei wirtschaftlichen Entscheidungen breit dokumentiert und theoretisch aufgearbeitet zu finden (vgl. Rust 2007). Argumente einer zusätzlichen Perspektive für die Vertreter des herrschenden, eher naturwissenschaftlich inspirierten Paradigmas wurden nicht nur aus der eher studentischen Gegenkultur formuliert, sondern seit langem auch von klassischen Vertreterinnen und Vertretern des Faches – und auch hier wieder von führenden Geistern wie den Nobelpreisträgern Vernon Smith und Amartya Sen. Beide weisen auf die notwendige Erweiterung hin, Sen im Sinne einer „context117
dependent parametric variation in the characterization of rational choice“ (Sen 1994: 385), und Smith im Hinblick auf die Versuchung, die Wirklichkeit aus rein technischen Gründen aus der Theorie auszusperren. „The temptation is to ignore this reality because it is poorly understood, and does not yield to our familiar but inadequate modeling tools, and to proceed in the implicite belief that our parables capture what is most essential about what we are observing“ (Smith 2003: 468).
Leitmotive: Der intellektuelle Habitus der „Zweiten Kultur“ Dass das Modell des inspirierten, kommunikativen und ermutigenden Führungsstils scheitert, kann gerade deshalb nicht allein den Machtgelüsten und Realitätsverlusten der kennzahldominierten Formalisten angekreidet werden. Denn die „zweite Kultur“ ist zwar in der wirtschaftswissenschaftlichen Theorie mittlerweile konstruktiv vertreten – etwa in den Kongregationen der „heterodoxen“ Wissenschaftstheorie. In der Praxis jedoch gibt sie sich höchst zögerlich. Sie pflegt zudem ihrerseits eine Konvention, die als klare Grenzziehung erkennbar ist – die Inklusionsmetaphern der anderen Seite, die auf eine lange literarische Tradition zurückgreifen kann. Sie pflegt das Modell des verantwortungslosen, gierigen, manchester-kapitalistischen Managers. Schaut man die Literaturgeschichte von der Bibel bis John Grisham durch findet sich mit wenigen Ausnahmen ein Motiv – sprachgewaltig und publikumswirksam realisiert: die Reichen sind Gauner. Auch die Schulbücher, die Traktate, die Klassiker. Dickens, Nestroy, Rousseau, Upton Sinclair, Sinclair Lewis, Bohumil Hrabal, Alois Brandstetter, David Lodge und Hunderte andere und nicht zuletzt die Blockbusters der FernsehkrimiGeschichte repräsentieren eine verantwortungslose Elite. „Eliten“ wird zum Unwort, „Wirtschaft“ zu einem lebensweltfeindlichen System und zur Karikatur – was zu einer Reihe von (höchst erfolgreichen) Adaptionen für das Theater geführt hat: „Top Dogs“ von Urs Widmer (1996), das 2003 uraufgeführte Stück „Groundings“ von Christoph Marthaler, „Push up 1-23“ von Roland Schimmelpfennig (2003), „McKinsey kommt“ von Rolf Hochhuth (Premiere im Frühjahr 2004) und anderen. Alle diese Stücke sind sehr bekannt und oft gespielt. „Top Dogs“ war (und ist weiter) sogar ein Welterfolg. In diesem Stück wird am deutlichsten von allen die Sprachkultur seziert – in einer Szene wälzen sich Manager in ihrem Realitätsverlust auf der Bühne und schreien 123 verschiedene Fachbegriffe ins Publikum. „Es ist pervers“ überschrieb die Wirtschaftswoche elf Jahre nach der Uraufführung des Stückes, am 10. September 2007, ein Interview mit Urs Widmer „über das Sprachregime des Kapitalismus und die Unterwerfungslust der Mana118
ger“. Die Sprache der Ökonomie, so Widmer, immerhin in einem der führenden deutschen Wirtschaftsmagazine ein Jahr vor Ausbruch der Krise, „sucht nach eindeutigen Regelungen und gängelt das Sprachverhalten, freilich nicht durch Anordnung, sondern durch stilles gegenseitiges Abgleichen. Und sie hat eine Eigenschaft, die für alle korrupten Sprachen charakteristisch ist: Sie ist durch und durch euphemistisch. Sie setzt den Begriff an die Stelle der Wirklichkeit.“ Dahinter steckten Machtmotive. „Wer Macht anstrebt, muss Gefolgschaft und Konformität erzeugen. Dazu ist die Sprache hervorragend geeignet. Der eindeutige, formalisierte Jargon der globalisierten Wirtschaft hat etwas ungemein Beruhigendes, er suggeriert, dass man eine fest umrissene Aufgabe, ein definiertes Ziel und eine klare Funktion, kurz: dass man die Wirklichkeit im Griff hat“ (151). In einem Plädoyer für „narrativen Pluralismus“ erweitert Edward Fullbrook im Mai 2007 das Blickfeld erneut im Sinne der Sätze von Urs Widmer, indem er die soziologische Funktion der Sprache der Wirtschaftswissenschaft betont: „This means that, regardless of value judgments, it is the nature of all social theorizing, economics being no exception, to favour some groups in society over others, so that any attempt to block enquiry and analysis from multiple theoretical perspectives, i.e., anti-pluralism, is an ideological move!“ (Fullbrook 2007: 41) Der neuseeländische Wirtschaftswissenschaftler William Kaye-Blake stellte in der „Post Autistic Economic Review“ 2006 eine ähnliche These auf, wie sie Widmer im Interview mit der Wirtschaftswoche bekundete: „Economics is structured like a language“. Kaye-Blake schrieb in Anlehnung an den Beitrag von Lawson und Ruccio über zwei Welterklärungssysteme („Two Ontologies“) der Wirtschaftwissenschaften: „Lawson suggests that mainstream economics is unhealthy because it relies on mathematical-deductive explanations of economic phenomena. These are closed-system explanations, in which the same initial conditions lead (with some probability, including“ (Kaye-Blake 2006: 24). Brian Eno, einer der Protagonisten der naturwissenschaftlichen Literaturszene, die sich als Kongregation der „Third Culture“ auf der Website „Edge“ etabliert hat, vertieft schließlich den Gedanken der metaphorischen Funktion dieser Sprachkultur (wie jeder anderen übrigens auch) in einem Gespräch mit John Brockman: „Humans actually codify most of their knowledge not in terms of mathematical tables, sets of statistics and scientific laws, but in terms of metaphors. Most of the things we normally have to deal with understanding are complex, fuzzy, messy, changing, and in fact poorly delineated. We don't actually know where the boundaries of them are, let alone being able to make clear questions about them. We spend a lot of our time as ordinary humans navigating through complicated situations with one another that require constant negotiation, and constant new attempts to understand. Science is, of course, one extreme 119
version of this process. Science works by trying to say, okay, I can separate off this piece of the world from the rest. Effectively we can say, I've separated that off, and then I can make some theories and predictions about it“ (WebDokument 6). Die wissenschaftliche Auseinandersetzung indes pflegt eine nicht minder heftige, aber doch konstruktive Auseinandersetzung. Sie greift die „heterodoxen“ Ideen auf und versucht, bereits in den Grundlegungen der späteren Konventionen anzusetzen. Diese Auseinandersetzung wird weltweit mit den Mitteln eines öffentlichen Diskurses geführt. Ausgehend von einer Petition, die Wirtschaftsstudierende der Universität Paris 1 im Juni 2000 formulierten und die auf eine unerwartete öffentliche Aufmerksamkeit stieß, entwickelte sich eine Art Podium (mittlerweile eine Internetplattform), das als Diskussionsforum für eine kritische, nichtformalistische Wirtschaftswissenschaft weltweite Geltung errang. Ich habe diese Bewegung erstmals im Buch „Die sanften Managementrebellen“ (Rust 2003) beschrieben, kann deshalb hier auf weitere Erläuterungen verzichten, Dennoch halte ich einen kurzen Hinweis für notwendig, dass sich zuvor schon eine ähnliche Initiativen gemeldet hatten: Schon 1992 formierte sich eine Gruppe von Wirtschaftswissenschaftlern und formulierte ein Dokument mit dem Titel: „Plea for a Pluralistic and Rigorous Economics“ in einer Anzeige, die in der „American Economic Review“ erschien. Ein neuer Geist des Pluralismus wurde beschworen, der die kritische Auseinandersetzung verschiedener Standpunkte und die Kommunikation zwischen unterschiedlichen Ansätzen forderte. Ein Jahr später formierte sich die „International Confederation of Associations for Pluralism in Economics“ (ICAPE). 2003 wird an der University of Missouri in Kansas City die erste große Konferenz der Vereinigung unter dem Titel: „The Future of Heterodox Economics“ gehalten. „This conference will afford unique opportunities for dialogue among diverse schools of thought and across intellectual generations: among our ‚elders’ (senior scholars who have inspired the revival of heterodox economics over the past 20-30 years), our ,youth’ (innovative younger scholars, including those associated with the Post-Autistic Economics movement and the authors of the open letters issued recently from Cambridge University and the AFEE Summer School), and many others in between. In all, the purpose of this conference is to create new resources – energy, ideas, debates, alliances, and projects – for the future of heterodox economics, and indeed of economics itself, internationally“ (Web-Dokument 7) Das Ziel wurde sehr deutlich im Sinne des empirisch in der Führungsnachwuchs-Studie und den begleitend beschriebenen Arbeiten festgestellten Motivs formuliert, „We seek proposals offering fresh perspectives on heterodox economic theory, economic policy, and economic pedagogy at the graduate and undergraduate levels. We especially encourage efforts to integrate heretofore 120
separate strands of thought, including (but not limited to) Austrian Economics, Black Political Economy, Evolutionary Economics, Feminist Economics, Georgist Economics, Historical Economics, Institutionalism, Marxism, Post Keynesian Economics, Postmodern Economics, Postcolonial Economics, Social Economics, and Sraffian Economics“ (ebenfalls Web-Dokument 7). Das Ziel ist idealistisch. Vielleicht zu idealistisch. Ein Befund aus der Wertestudie zu den Gründen der Anpassung eigentlich kritischer Geister amtierender Führungskräfte an die vordergründigen Normen der herrschenden Wirtschaftskultur klingt überzeugend: Ohne Gewinne sei kein werteorientiertes Management denkbar. Insofern hätte sich der „differenzielle“ Geist für eine längere Periode einseitig ausgerichtet, die sozialen und werteorientierten Elemente des Wirtschaftens verdrängt, um den Notwendigkeiten der zweiten großen Welle der Globalisierung zu begegnen und die nationalen Volkswirtschaften sowie in ihnen die Unternehmen überhaupt über die Runden zu bringen. Aus diesem Grund dominieren bei der Wahl der Teildisziplinen von Wirtschaftsstudierenden nach Aussagen meiner Kollegen vor allem Controlling und Unternehmensführung. Der Theorie zufolge allerdings ist ein Kernressort, in dem diese Gestaltungskompetenz der Zukunft begründet wird, das Personalwesen. Fast alle großen Studien, die sich mit der Gestaltung der Unternehmenszukunft beschäftigen, heben die wachsende Bedeutung für das Strategische Management hervor. Vor allem aber findet sich in den Befunden der Führungsnachwuchs-Studie eine durchgehend starke Betonung der mitarbeiterorientierten Werte. Die mehrfach diagnostizierte Ambivalenz der Ansichten und Absichten unserer Befragten lässt sich an diesem Thema noch einmal veranschaulichen.
Praktische Utopie: Studien zur Bedeutung des Personal-Ressorts Schon die Referenzstudie von Korn/Ferry und der Columbia University 1989 betonte als eine der zukunftsträchtigen „Areas of Expertise“ für den CEO des Jahres 2000 die Bedeutung des Human Resource Management. „Make the Human Resource Executive a member of the top management team. Transform the human resource function from its current role as a processing mechanism to a future role as a key activator in sourcing and deployment“, lautete der Ratschlag der Personalberater und der Professoren. Sie nahmen damit eine Diskussion vorweg, die in den letzten Jahren unter dem meist völlig missverstanden Begriff des „Humankapitals“ geführt wurde – als Auseinandersetzung mit der Frage, wie die fachlichen, sozialen und intellektuellen Potenziale jedes einzelnen Mitarbeiters und jeder einzelnen Mitarbeiterin für das Unternehmen fruchtbar gemacht werden könnten. 121
Dass dieser Prozess der Integration von Qualifikationen, Kompetenzen, Motivation und Kommunikationsfähigkeit in ein Unternehmen schließlich zu einer Vorstandsaufgabe ausgebaut werden sollte, zeigte eine neue Dimension in den Managementtheorien. Wie es aussieht aber eben vornehmlich in den Theorien – und den öffentlichen Bekundungen, die ein lautstarkes Plädoyer für die Aufwertung der Personalabteilung zu einem „Businesspartner“ für die Strategische Entscheidungsebene formulierten. HR, wie es fortan schmissig hieß, sollte zu einer Vorstandsfunktion ausgebaut werden. Das Plädoyer lässt sich mühelos in spätere Studien zur objektiven Bedeutung des Personalmanagements integrieren, etwa in die IBM Human Capital-Study 2008, also einer weiteren Arbeit, die im Zeitraum der letzten Erhebungswelle der Führungsnachwuchs-Studie publiziert wurde. In dieser Studie wurden 400 Personalverantwortliche aus 40 Ländern befragt, davon 13 Prozent Personalvorstände. Das Ergebnis ist eindeutig: Zunächst einmal bezieht sie sich definitiv auf die Rekrutierung künftiger Führungskräfte, auf die Klientel also, die in der Führungsnachwuchs-Studie befragt wurde. Das Fazit ist nicht neu, aber immer wieder alarmierend – vor allem vor dem Hintergrund des hier erarbeiten Kernbefunds der spürbaren und anhaltenden Distanz der potenziellen Führungskräfte von morgen zu den amtierenden von heute. Die Studie zeige, so die Autoren, dass Unternehmen über den „aktuellen und prognostizierten Mangel an solchen Führungspersönlichkeiten sehr besorgt“ seien. (3) Unmittelbar darauf wird die Bedeutung der unternehmensinternen Kommunikation betont: „Die wichtigste Voraussetzung für die erfolgreiche Entwicklung künftiger Führungskräfte ist möglicherweise jedoch die Bereitschaft der gesamten Organisation, Verantwortung für die Auswahl von einzelnen Mitarbeitern zu übernehmen und diesen mit entsprechender Führung und Erfahrung zur Seite zu stehen“ (3). Das heißt wiederum, dass eine der Anforderungen der 21st CenturyEconomy in der persönlichen wie strategischen Vorbildfunktion des CEO ist. Und so wird auch in der IBM-Studie das Bild eines idealen CEO der Zukunft skizziert: „Erfolgreiche Führungskräfte von morgen müssen noch effektiver mit externen Partnern zusammenarbeiten. Sie müssen als Vorbilder und Mentoren für Ihre Belegschaft fungieren, die zunehmend auf verschiedene Regionen und Länder verteilt ist. Außerdem müssen die Führungskräfte den Mitarbeitern unterschiedlichster Generationen, Erfahrungsniveaus und Kulturen unterstützend zur Seite stehen.“ Dass dieser Prozess nur schleppend vorangehe, geben die Befragten in der Mehrheit zu. „Die gute Nachricht ist, dass sich HR langsam von der klassischen Umsetzungsrolle weg und hin zu einer eher strategischen Rolle innerhalb der Unternehmensführung entwickelt. Die schlechte Nachricht ist, dass nur 39 Prozent der Befragten diesen strategischen Dialog wirklich auf einer regelmäßigen Basis führen“ (4). Diese Zwiespältigkeit – wie sie ja auch in der Werte-Studie 122
sehr deutlich zu Tage tritt – mag einer der Gründe sein, die zur distanzierten Bewertung der amtierenden Führungskräfte führt. Das mittlere Management stehe wie ein Puffer zwischen Profitorientierung, kurzfristig definierten Unternehmenszielen einerseits und den werteorientierten Mitarbeitern andererseits. Die Führungskräfte äußern sich in der Werte-Studie generell skeptisch, was die stringente Umsetzung von Unternehmenswerten angeht. „Die Proklamation von Werten ist offensichtlich sehr häufig ein einmaliges ‚Event’ der internen und/ oder externen Kommunikation, das nicht nachhaltig betrieben wird. Werte bilden die soziale Qualität eines Unternehmens ab. Da ist es kein Wunder, dass 45 Prozent der Befragten fordern, die Werte ihrer Unternehmen sollten das Ergebnis eines unternehmensweiten Prozesses sein, in den alle Hierarchieebenen eingebunden sind. Dies ist mit Abstand die bedeutendste Antwort auf die Frage, wer im Unternehmen die Werte vorgeben solle“ (Bucksteeg, Hattendorf: 20).
Präferenzen: Die vermutete Hierarchie der Unternehmens-Ressorts Solle – der Konjunktiv führt zurück in den harten Realismus des Alltags. Denn wenn man fragt, welche Ressorts als Karriereeinstiege am besten geeignet seien, steht Personalarbeit bei der Kernzielgruppe ganz unten auf der Liste. Offensichtlich wird dieser Bereich als ein Feld für die Vettern und Cousinen aus den eher weichen Studienfächern gesehen. Ein Impuls, eine Frage zur Bedeutung der Ressorts für den Karriereeinstige aufzunehmen, stammte aus einer Untersuchung der Academy of Management Executive, die in 50 amerikanischen Unternehmen die Bedeutung unausgesprochener kultureller Grundmuster für die Entwicklung von Wissen untersucht hatte. David W. de Long, ein Unternehmensberater, und der Wirtschaftsprofessor Liam Fahey berichteten 2000 im Publikationsorgan der Academy unter dem Titel „Diagnosing Cultural Barriers to Knowledge Management“, dass eine dieser Barrieren die unterschiedliche Wertschätzung verschiedener Abteilungen war. Als Ausdrucksform ungeschriebener Gesetze ergab sich ein klares Ranking, das von Mitarbeitern als Status-Hierarchie und als Manifestation des Vertrauens gesehen wird: „Status differences impede crossfunctional knowledge sharing a culture that clearly values some units over others is more likely to undermine the cross-functional sharing of any type of knowledge, in part by supporting subcultures that seek to defend their own knowledge assets. Managers in one firm clearly recognized that their culture valued R&D, marketing, manufacturing, and information systems, in descending order. This shared sense that functions were valued differently – an example of social knowledge – reinforced a silo mentality and encouraged employees to spend unproductive time defending their unit's perspective“. De Long und Fahey beto123
nen vor allem diesen Aspekt: „The level trust that exists between the organization, its subunits, and its employees greatly influences the amount of knowledge that flows both between individuals and from individuals into the firm's databases, best practices archives, and other records“ (De Long, Fahey 2000: 119). Diese Hierarchie bestimme auch, welche Art von Wissen in einem Unternehmen als wichtig und wertvoll angesehen und auf welchen Kanälen mit welchen Mitteln dieses Wissen kommuniziert werde. Als Ergebnis der Frage nach dem Wert von Einstiegsbereichen für eine spätere Karriere zeichnete sich in unserer Studie 2000 eine vergleichbare Hierarchie ab, die sich bis zum Zeitpunkt der aktuellen Befragungswelle nicht mehr grundlegend veränderte. Sieht man von der ungebrochenen (vermuteten) Attraktivität der Unternehmensberatungen als karrierefördernde Einstiegsbereiche ab, rangieren in den unternehmensinternen Sparten Produktion und Personalmanagement weit hinten. Die folgende Tabelle veranschaulicht die Entwicklung am Vergleich der ersten und der letzten Befragungswelle (Auswertung: Cordt Kleinschmidt). Tabelle 30: Vermuteter Wert der Einstiegsbereiche für eine Karriere im Unternehmen 2000 und 2008/2009 Mittelwerte; 1 = besonders förderlich, 5 = besonders hinderlich; Reihenfolge nach der Platzierung der Bereiche im Jahr 2000
Beratung Verkauf & Vertrieb Forschung und Entwicklung Controlling Marketing & Werbeleitung Personalmanagement Produktion
2008/2009
2000
1,8 2,2 2,3 2,4 2,5 2,7 2,9
1,9 2,1 3,0 2,4 2,4 2,9 3,2
Kurzinterpretation: Auch wenn diese Befunde nur Tendenzen andeuten, zeigt sich eine Konstanz zwischen 2000 und 2008/2009. Im Vergleich der beiden TeilSamples von 2008 und 2009 gibt es aber leichte Veränderungen: Die Beratung verliert an Attraktivität, Verkauf und Vertrieb bleiben gleich, Marketing und Werbeleitung und Controlling ebenso, Personalmanagement gewinnt, wenngleich die auffälligste Veränderung (schon im Vergleich von 2000 und 2008) in der Einschätzung von Forschung und Entwicklung zu beobachten ist. Das ist insofern interessant, als sich die Werte den Vorstellungen der Kontrollgruppe nähern. 124
Tabelle 31: Vermuteter Wert der Einstiegsbereiche für eine Karriere im Unternehmen 2008; Kontrollgruppe aus Studierenden der Soziologie und der Erwachsenenbildung Forschung und Entwicklung Beratung Personalmanagement Marketing & Werbeleitung Verkauf & Vertrieb Controlling Produktion
2,0 2.1 2,2 2,3 2,6 2,6 3,1
Kurzinterpretation: Soziologen und Diplompädagogen mit dem Ziel der Erwachsenenbildung bewerten die Bereiche Forschung, Personalmanagement und Marketing höher als es bei den Wirtschaftsstudierenden und Young Professionals der Fall ist. Personalmanagement bleibt offensichtlich auch in dieser Einschätzung die Domäne weicherer Fächer, was vor dem Hintergrund der pragmatischen Orientierungen die beschriebene Wertehierarchie erklärt.
Dominanz der Sachlichkeit: Contentanalyse von Stellenanzeigen So scheint es mitunter – oder sehr oft –, dass auch die Proklamationen zu einer neuen „Philosophie“ des Personalwesens für einen großen Teil der Kernzielgruppe unserer Befragungen nichts anderes sind als verbale Inszenierungen, „Events“ mit einem festgelegten Ritual der Beschwörung des diversifizierten Humankapitals und der innerbetrieblichen Vertrauens- und Kommunikationskultur. In der Praxis dominiert weiter und in zunehmendem Maße auch im Bereich der Personalauswahl die „Erste Kultur“ des kennzahldominierten Formalismus. Die konkreten Methoden der Personalrekrutierung und -entwicklung spiegeln die Hierarchien der Unternehmensbereiche in ihrer Arbeit wider. Die Instrumente des Controllings prägen die Assessment Centers, in denen junge Leute auf formale Qualitäten getestet werden, die das Unternehmen präferiert. Und das sind keineswegs in erster Linie die kommunikativen Talente, sondern – verständlich – fachliche Kompetenz, die Fähigkeit, im Team zu funktionieren, Engagement und Leistungsbereitschaft, Belastbarkeit und Zielorientierung. Das zumindest sind die Ergebnisse einer Contentanalyse von redaktionellen Beiträgen und Stellenanzeigen in Karrierezeitschriften und überregionalen Tageszeitungen, die begleitend zur Führungsnachwuchs-Studie durchgeführt wurde. In bunter Mischung werden eine Reihe von Soft Skills ergänzt, die allerdings keine innere Logik erkennen lassen. Diese Sammlung von Eigenschaften ist interpretationsoffen. 125
Vor dem Hintergrund der kritischen Einschätzung der amtierenden Führungskräfte gerade im Hinblick auf die oft betonten mitarbeiter- und werteorientierten Elemente der Wirtschafts- und Unternehmenskultur liegt die Vermutung nahe, dass die pragmatischen Anteile des reibungslosen Funktionierens und die Prognose der Anpassungsfähigkeit an die herrschende Kultur im Vordergrund stehen. In dieser Contentanalyse sind die Begriffe zur Ermittlung des idealen Profils der künftigen Führungskraft als Kategorien genutzt worden (allerdings nur auf nominalskalierter Basis). Dabei sind einige Weiterungen notwendig gewesen, die allerdings in der ursprünglichen Liste der Untersuchung von Korn/Ferry und der Columbia University 1989 benutzt wurden. Die drei beschriebenen Führungsstile dienten in der Auswertung dieser Contentanalyse als Über-Codes. Folgende Adjektive wurden auf Grund der weiter oben skizzierten Vorgaben des Multifactor Leadership Questionnaire dem transformationalen Führungsstil zu Auswertungszwecken zugeordnet: delegationsfreudig kommunikativ teamorientiert visionär diplomatisch ermutigend ethisch kooperativ
zugänglich emphatisch engagiert inspirierend kreativ enthusiastisch problemlösungsorientiert
Dem transaktionalen Führungsstil wurden zu Auswertungszwecken folgende Adjektive zugeordnet: autokratisch gerecht hart kompromisslos konservativ leistungsorientiert
strategisch strukturiert analytisch energisch zielorientiert organisiert
Beim Laizzes-fair-Führungsstil wurden nur wenige Adjektive ausgewählt. geduldig loyal
tolerant intuitiv
Insgesamt wird in den redaktionellen Beiträgen der transformationale Führungsstil mit 60,8% propagiert. Der transaktionale Führungsstil wird in 33,5% und der 126
Laissez-faire-Stil in 5,7% aller untersuchten Beiträge als idealer Führungsstil bewertet. Die Frage, warum bei dieser geradezu erdrückenden „Beweislage“ für die Bedeutung und Effizienz des „transformationalen“ Führungsstils der „Ersten Kultur“ in der Realität offensichtlich eine eher disproportional große Bedeutung zukommt, kann hier nicht beantwortet werden (die Daten stammen aus der Prüfungsarbeit von Stella Luig). Ein Hinweis ergibt sich in der weiteren Contentanalyse der Stellenanzeigen, die ebenfalls mit Hilfe der genannten Kategorien zum selben Zeitpunkt im Sommer 2008 durchgeführt wurde. Da nach einer Überprüfung sichtbar wurde, dass identische Angebote in verschiedenen Tageszeitungen gleichzeitig erscheinen, beschränkt sich die folgende illustrative Analyse auf den Stellenkompass in der Welt (Prüfungsarbeit von Mirjana Kozarski-Sadzakov). Tabelle 32: Contentanalyse von Stellenanzeigen; Kompetenzhierarchie N = 400; Angaben in Prozent Stellen für YP Fachliche Kompetenzen Soziale Kompetenzen Schlüsselqualifikationen
52 27 21
Stellen für Absolventen 57 27 16
Kurzinterpretation: Deutlich sichtbar ist der dominierende Anteil der fachlichen Kompetenzen, der bei Stellen für Absolventen noch leicht höher liegt. Der Anteil der Schlüsselqualifikationen ist in den Anzeigen für Young Professionals höher – offensichtlich werden fachliche Kompetenzen durch die erste berufliche Erfahrung bereits vorausgesetzt. Die zweite Auswertung der Stellenanzeigen dokumentiert die Differenz zu den redaktionellen Beiträgen noch deutlicher. Hier werden die Kriterien den drei Führungsstilen zugeordnet.
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Tabelle 33: Contentanalyse von Stellenanzeigen; Führungsstile N = 400; Angaben in Prozent Stellen für YP Tranformational Transaktional Laissez faire
41 49 9
Stellen für Absolventen 44 49 7
Kurzinterpretation: Die funktionale Tendenz, die sich in den KompetenzErwartungen der Stellenanzeigen offenbart, setzt sich in der leichten Dominanz des transaktionalen Führungsstils fort. Die Zugangskriterien für eine Karriere sind also weit sachlicher formuliert als sie in den Erörterungen der redaktionellen Beiträge erscheinen. Insofern stellen sich die Ideen der in den unterschiedlichsten Studien Befragten als eine bloße Wunschvorstellung dar, deren Realisierung in der Praxis kaum möglich erscheint und immer wieder zu sehnsuchtsvollen Utopien eines idealen CEO, zur unmissverständlichen Kritik des amtierenden Managements oder gar zu bitterer karikaturistischer Ablehnung des herrschenden Typus führt.
Fazit 3: Das kommunikative Missverständnis der „Two Cultures“ Wenn – um diese Inkonsistenz einmal in nur wenigen der bis hier angesammelten Daten auszudrücken – bei Access etwa 80 Prozent und bei PwC um die 88 Prozent als „Market Observers“ angesehen werden müssen, gleichzeitig 86 Prozent keine moralisch verwerfliche Aktion darin sehen, der Konkurrenz die besten Mitarbeiter abzujagen, wiederum nur 14 Prozent der bereits länger aktiven Führungskräfte aber meinen, ihre Werte im Unternehmen leben zu können, und die Mehrzahl der von uns Befragten in klarem Gegensatz zu ihren Wünschen nach einem mitarbeiterorientierten idealen CEO eine signifikante Distanz zu den Vorgesetzten formuliert, sind die Konsequenzen absehbar: Entweder Anpassung oder Abkehr. Beides aber kann eine verantwortliche Personalpolitik für die Zukunft nicht akzeptieren. Denn weder die Anpassung (oder die Dominanz eines bestimmten angepassten Typus), noch die Abkehr einer großen Zahl von geistig beweglichen, ambitionierten jungen Leuten, ist für eine innovationsgetriebene Wirtschaft förderlich.
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In der Suche nach Spuren einer Erklärung für den Widerspruch zwischen dem Wunsch nach einer offenen Unternehmenskultur und der unverbrüchlichen Macht des kennzahldominierten Formalismus stößt man auf den Wunsch nach der Bewältigung der Komplexität. Berechenbarkeit wird zum Leitmotiv, auch die Berechenbarkeit von Personen und ihrem individuellen Beitrag zur Problembewältigung. Offensichtlich sind die Wissensbestände, die an Universitäten und in Unternehmen dominieren, mit diesem Ziel eng synchronisiert. Das führt zur Ausblendung von Kritik. Vor allem aber führt es zur Verengung der Perspektiven auf die Aufgaben, die unmittelbar bewältigt werden können: Steigerung von Renditen in überschaubaren Zeiträumen, Mainstreaming der intellektuellen Potenziale, symbolisches Qualitätsmanagement durch eine konzertierte Aktion von Universitäten, die wirtschaftsnah ausbilden wollen und Unternehmen, die die Maximen dieser Ausbildung vorgeben. Eine Personalpolitik im Sinne der intellektuellen Diversifizierung wird auf diese Weise erschwert – zumal sie dem Nachwuchs kein karrieristisches Erfolgsversprechen zu liefern scheint. Andererseits etabliert sich in den Universitäten zusehends die konstruktive Gegenperspektive, die auf eine längerfristige Orientierung setzt. Diese heterodoxe Wissenschaftstheorie hat sich mittlerweile eine beachtliche Prominenz erwirtschaften können. Sie müsste eine Ermutigung junger Menschen darstellen, die ihren Weg in Unternehmen und Wirtschaft suchen und gleichzeitig die übergeordneten gesellschaftspolitischen Aufgaben nicht vernachlässigen wollen. „Wissen“ ist aus dieser Perspektive „wirtschaftsnah“, wenn es diskutierenswerte Impulse bietet (was Aufgabe einer akademischen Bildung wäre) und die pragmatischen Umsetzungen liefert (eine Aufgabe der Weiterbildung in Unternehmen). Dabei hilft Interdisziplinarität allein nicht weiter. Die Aufgabenhierarchien müssen klar formuliert werden. Dies war der Ansatz, den die Protagonisten einer nun schon 50 Jahre andauernden Diskussion im Sinn hatten, deren Leitbegriff dieses Buch seinen Titel verdankt: „Third Culture“.
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7050_book.fm Page ii Wednesday, July 12, 2006 3:27 PM
Bezugsrahmen: Das Gedankenspiel mit der „Dritten Kultur“
Motivanalyse: Geschichte und Nutzwert einer Provokation Der Impuls: C.P. Snows Rede Lecture vom 7. Mai 1959 Die Vorgeschichte der begrifflichen Verdichtung des Diskurses zwischen den naturwissenschaftlich-mathematisch geprägten „Sciences“ auf der einen und den geisteswissenschaftlich geprägten „Humanities“ auf der anderen Seite beginnt, wie in der Vorbemerkung bereits skizziert, am 7. Mai 1959 in einer Vorlesung im Senate House der Cambridge University, England. Es ist ein interessanter Ort und mit ihm ein interessanter Anlass, sich mit einer Idee der kulturellen Umwälzung zu beschäftigen. Denn die Vorlesung Snows findet in der langen Tradition einer intellektuell entgrenzten Auseinandersetzung mit allen erdenklichen Facetten von Natur, Kultur, Gesellschaft, Politik und Wirtschaft statt – dies bereits seit Beginn des 16. Jahrhunderts. Damals rief Robert Rede, ein hoch dekorierter Gentleman (unter anderem Lord Chief Justice of the Common Pleas 1506-19, Mitglied des renommierten Buckingham College, ähnlich unseren heutigen Akademien der Wissenschaft, später Fellow am King’s Hall) eine Art Stiftung ins Leben. Ihr Ziel war, jährlich eine Reihe von Vorträgen zu ermöglichen, die sich mit den Gegenständen der „Humanity, Logic and Philosophy“ beschäftigte. Gleichzeitig gab es eine Vorlesungsreihe über mathematische Themen. Zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Lectures nur noch unregelmäßig gehalten, dann aber durch ein Dekret der Königin am 6. April 1858 wiederbelebt. In der Folge wurde in jedem Jahr ein prominenter Redner zu einer Vorlesung zu einem beliebigen Gegenstand gebeten. Die Auswahl der Person oblag und obliegt weiter dem Vizekanzler der Universität. Die Themenliste stellt einen interessanten Querschnitt durch Paraphernalia und Kernaspekte der Wissenschaften dar, sozusagen eine Dokumentation von Entdeckungen, Fragen und überraschenden Gedanken, für die sich intellektuell wache Geister interessieren könnten: 1859 zum Beispiel las Richard Owen über „The Classifaction and Geographical Distribution of the Mammalia“. Der deutsche in Oxford lehrende Sprachforscher Friedrich Max Müller beschäftigte sich 1868 mit der „Stratification of Language“. James Clerk Maxwell redete 1878 Über das Telephon“. Immer wieder war die Kultur Indiens ein Thema. Und eine Reihe von Themen dokumentiert die zukunftsträch131
tige Moderne dieser Einrichtung, wenn etwa Josiah Stamp 1927 seine Gedanken „On stimulus in the economic life“ unterbreitete. Stamp war Industrieller, Wirtschaftswissenschaftler, Statistiker, Direktor der Bank of England und Vorstandsvorsitzender der London Midland and Scottish Railway. Ihm werden eine Reihe von Aussagen zugeschrieben, die im vorliegenden Zusammenhang höchst erstaunlich – ja prophetisch – anmuten. Zum Beispiel diese, die tatsächlich verifizierbar ist: „The government are very keen on amassing statistics. They collect them, add them, raise them to the nth power, take the cube root and prepare wonderful diagrams. But you must never forget that every one of these figures comes in the first instance from the chowty dar (village watchman), who just puts down what he damn pleases“ (Stamp 1929: 258-259). Eine andere Aussage, die ebenfalls im heutigen Zusammenhang von Interesse ist, kann nicht auf eine konkrete Quelle zurückgeführt werden, wird aber ebenfalls übereinstimmend Stamp zugeschrieben: „Banking was conceived in iniquity and was born in sin. The bankers own the earth. Take it away from them, but leave them the power to create money, and with the flick of the pen they will create enough deposits to buy it back again. However, take it away from them, and all the great fortunes like mine will disappear and they ought to disappear, for this would be a happier and better world to live in. But, if you wish to remain the slaves of bankers and pay the cost of your own slavery, let them continue to create money“ (mehrfach übereinstimmend zitiert als Aussage in einem informellen Gespräch in der University of Texas in den 1920ern). Am 7. Mai 1959 also trat Charles Percy Snow ans Rednerpult und lieferte einen Vortrag über „The Two Cultures and the Scientific Revolution“ ab, der seitdem die Diskussionen um das Verhältnis von „Sciences“ and „Humanities“ bewegt, und, wie eingangs schon erwähnt, von der Financial Times zur fünfzigjährigen Reminiszenz als eine der „most influential single lectures of the past century“ gewürdigt wurde. Snow hatte an der University of Leicester studiert, danach in Cambridge im Fach Molekulare Physik seine Dissertation geschrieben. Über zwanzig Jahre war er als Hochschullehrer tätig, bevor er in die Verwaltung der Universität eintrat. Während des 2. Weltkriegs war er als Berater der britischen Regierung tätig, erhielt 1957 den Ritterschlag und 1964 den Titel eines Peers auf Lebenszeit. Seit den 30er Jahren veröffentlichte Snow eine Reihe von Novellen über das private, öffentliche und universitäre Leben eines Briten, dem er den Namen Lewis Eliot gab. Das Leitmotiv dieses elfteiligen Werkes war der korrumpierende Einfluss der Macht. Weitere Romane erschienen in den 70er Jahren. Der Hinweis auf diese literarischen Tätigkeiten des Physikers ist insofern von Bedeutung, als Snow eben diese Spannung zwischen den beiden Sphären („cultures“) zum Ge132
genstand der Rede Lecture im Mai 1959 erhob. Die Kernthese beschrieb die Kluft zwischen beiden Bereichen des intellektuellen Lebens. Die Protagonisten der einen wie der anderen Seite wüssten, so Snow, wenig bis nichts von den wissenschaftlichen Entdeckungen, Ideen, Theorien der jeweils anderen. Die westliche Kultur, so das Fazit, sei durch diese wechselseitige Ignoranz innerlich zerrissen. „Selbst im Bereich der Gefühle ist die Einstellung so grundverschieden, dass sich nur schwer eine gemeinsame Basis findet“ (hier zitiert nach der deutschsprachigen Ausgabe; Webdokument 8: 21).
Debatten: Auseinandersetzung um die „Two Cultures“ Im Verlauf der Argumentation zeigt sich allerdings ein gewisses Ungleichgewicht – offenbar hielt Snow die Ignoranz der literarischen gegenüber der naturwissenschaftlichen Kultur für ausgeprägter. „Wenn die Naturwissenschaftler die Zukunft im Blut haben, dann reagiert die überkommene Kultur darauf mit dem Wunsch, es gäbe gar keine Zukunft“ (Web-Dokument 8: 27). Snow kritisierte also, dass sich die Vertreter der literarischen Kultur – mitunter in geradezu maschinenstürmerischer Weise – gegen die Errungenschaften der Naturwissenschaften wandten, was sich auch in intellektueller Ignoranz ausdrückte: „Ein oder zweimal habe ich mich provozieren lassen und die Anwesenden gefragt, wie viele von ihnen mir das zweite Gesetz der Thermodynamik angeben könnten. Man reagierte kühl – man reagierte aber auch negativ. Und doch bedeutete meine Frage auf naturwissenschaftlichem Gebiet etwa dasselbe wie: ‚Haben Sie etwas von Shakespeare gelesen?’ Ich glaube heute, daß auch bei einer einfacheren Frage – etwa: ‚Was verstehen sie unter Masse?’, oder ‚Was verstehen Sie unter Beschleunigung?’, die für den Naturwissenschaftler dasselbe bedeutet wie ‚Können Sie lesen?’ – höchstens einer unter zehn hochgebildeten Menschen das Gefühl gehabt hätte, dass ich dieselbe Sprache spreche wie er. So wird also das großartige Gebäude der modernen Physik errichtet, und die Mehrzahl der gescheitesten Leute in der westlichen Welt versteht ungefähr genauso viel davon wie ihre Vorfahren in der Jungsteinzeit“ (Web-Dokument 8: 30). Gleichzeitig spart Snow nicht mit Kritik gegen die Naturwissenschaftler, die sich nach seiner Auffassung kaum mit den realen Zuständen er Welt auseinandersetzten. In amüsierter Selbstkritik beschreibt er die eigene Einstellung als junger Wissenschaftler in Cambridge: „Wir waren stolz darauf, dass unsere wissenschaftliche Arbeit niemals und unter gar keinen Umständen praktisch nutzbar gemacht werden konnte“ (Webdokument 8: 43). Als katastrophales Resultat dieses Bruchs quer durch die intellektuellen Milieus der akademisch Gebildeten, beklagte Snow den Mangel „an schöpferischen 133
Impulsen“, die aus der Konfrontation der Weltsichten der beiden Kulturen entstehen könnten. „In der Geschichte geistiger Bemühungen waren das die Momente, in denen so mancher Durchbruch sich ereignete“ (Web-Dokument 8: 31). Interessanterweise stimmt er in den nächsten Worten ein Motiv an, das sich seitdem weiter verdichtet hat und seine eigene Praxis entwickelt: „Es gibt nur einen Weg, hier Abhilfe zu schaffen: unser Bildungssystem muß neu durchdacht werden“ (Web-Dokument 8: 33). Dieses Plädoyer gründete in einer tiefen sozialpolitischen Ethik. Snow war davon überzeugt, dass „Industrialisierung … die einzige Hoffnung der armen Leute“ in aller Welt sei, sich aus ihrer Misere zu befreien (38). „Was auch immer in der Welt, wie wir sie kennen, sich bis zum Jahr 2000 halten wird – diese Ungleichheit bestimmt nicht. Wenn der Weg zum Reichtum erst einmal bekannt geworden ist – und das ist heute der Fall – dann kann die Welt nicht halb reich und halb arm weiter bestehen. Das gibt es einfach nicht“ (Web-Dokument 8: 51). Das Leitmotiv der „Third Culture“ ist schon in den 60er Jahren mehrfach aufgegriffen worden – und dies durchaus kontrovers. Die berühmteste und gleichzeitig heftigste Kritik wurde kurz nach Erscheinen der Lecture vom Literaturkritiker J. R. Leavis in einer gegen Snow gerichteten Vorlesung formuliert (Leavis 1962). Das heißt: „formuliert“ ist ein schwacher Ausdruck für die beißende Häme, die Leavis über Snow ausschüttete. Die darauf folgende Auseinandersetzung ist in einer Sammlung von Web-Links dokumentiert (Web-Dokument 8). Auch später hat die Auseinandersetzung mit Snow immer wieder zu sehr emotionsgeladenen Kommentaren geführt. So schrieb Hubert Markl, von 1977 bis 1983 Vizepräsident und von 1986 bis 1991 Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), später (1996-2002) Direktor der Max PlanckGesellschaft: „Bei näherer Betrachtung wird einem schnell bewusst, dass solche Typenkonstrukte allenfalls amüsante Karikaturen geistiger Vielfalt, nicht aber erhellende Ordnungsprinzipien für das sind, was Bildung ausmachen kann“ (Markl 2002: 62). Snow – bzw. die Rezeption der Rede Lecture – wird deftig attackiert: „Was den alten Zwei-Kulturen-Snow betrifft, den ‚Schnee von gestern‘ (wie ihn der Linguist Harald Weinrich genannt hat), so sollte er endlich bibliothekarisch zur letzten Ruhe gelegt werden. Für das, was Bildung heute und morgen bedeuten muss, sollte er allenfalls in Zitatform die abschreckende Erinnerung daran wach halten, mit wie wenig Inhalt sich in einer Gesellschaft mit Bildung nach dem Zwei-Kulturen-Schema hohe Wellen schlagen lassen, wenn die Botschaft dabei nur auf genügend halbseitig Bildungsbehinderte trifft“ (Markl 2002: 62). Dagegen nun wieder polemisieren andere Wissenschaftler, wie etwa der Mathematiker und Wissenschaftshistoriker Peter Fischer im Science.Blog: „Der Name ‚Snow’ gibt populären Vertretern der Geisteswissenschaften die Gelegenheit, kalauernd zu verkünden, daß sei doch Snow von gestern, und 134
viele merken dabei nicht, daß eigentlich ‚der Schnee vom vergangenen Jahr’ gemeint ist, was erstens poetischer klingt und zweitens überhaupt erst sinnvoll wird. Lassen wir den Aspekt und fragen, ob die Unterscheidung in zwei Kulturen noch aktuell ist. In aller Kürze lautet die Antwort leider ‚Ja’, wie jeder merkt, der etwa als Genetiker einen Kunsthistoriker fragt, wie Formen entstehen.“ Das ist eine Breitseite gegen die Geisteswissenschaftler. Die feuern selbstverständlich zurück und werfen Natur- und Technikwissenschaftlern Ignoranz gegenüber den Folgen ihres Handelns vor. Aber es wäre unergiebig, nun die Scharmützel zu verfolgen – denn am Ende wollen alle Protagonisten in diesem Diskurs – ausgesprochen oder nicht – nur dies: die „Third Culture“. Markl zum Beispiel greift genau jenes Motiv auf, das Snow 1959 nur andeutete, in der Vorlesung von 1963 aber expliziert ausführte und das die spätere Diskussion prägte: „Gerade die Überwindung jener stupiden Zwei-Kulturen-Teilung der Erfahrungswelt öffnet ja erst das Verständnis dafür, dass die Welt des Wissbaren und Erfahrenswerten weit vielfältiger differenziert ist, als es die Snowsche Zweiteilung suggeriert. Nicht nur, weil etwa die Probleme und die Methodik zu ihrer Aufklärung in Geschichts-, Rechts-, Sozial-, Literatur-, Kunst-, Wirtschaftswissenschaft, Psychologie oder Philosophie jeweils so verschiedenartig sind, dass es unsinnig ist, sie in eine einzige, die so genannte geisteswissenschaftliche Erkenntnis zusammenzupressen“ (Markl 2002: 63). Es ist die Idee der „Dritten Kultur“, ein Begriff, der sich allmählich von der 50er Jahre-Kontroverse löst und zu einer Chiffre genau der von Markl beschriebenen Haltung wird. Das beginnt schon sehr früh. Im selben Jahr 1963, als Snow seine Gedanken zum Problem der zwei Kulturen noch einmal schärfte, setzte sich Jacob Bronowski in einer Vorlesung mit dem Titel „Science and Human Values“ auf der Grundlage seines berühmten gleichnamigen Buches von 1956 (siehe Neuauflage: Bronowski 1990) mit der Idee auseinander. Bronowski, Mathematiker an der University of Cambridge, verneinte einen Widerspruch zwischen beiden Domänen der Wissenschaft – indem er die Kreativität beider Ansätze der Realitätsverarbeitung in den Mittelpunkt seiner Überlegungen rückte. Diese These ist bekannt geworden unter dem Begriff der „Unity in Hidden Likeness“ (der in der verborgenen Ähnlichkeit gründenden Gleichheit unterschiedlicher intellektueller Zugänge zu den Problemen der Wirklichkeit). Viel später hat einer der Kollegen und Koautoren Bronowskis, der Historiker Bruce Mazlish, unter dem Titel „The Three and a Half Cultures“ (Mazlish 1985) dann erstmals die Sozialwissenschaften als „Dritte Kultur“ gekennzeichnet (und in ihnen die Psychologie als dreieinhalbte), weil sie von beiden, sowohl von naturwissenschaftlichen wie von geisteswissenschaftlichen Paradigmen geprägt waren. In diese Domäne, die mit dem Begriff der „Sozialwissenschaften“ etiket135
tiert ist, fielen auch die Wirtschaftswissenschaften. Doch dieser Impuls, der zwischen 1965 und 1985 mehrfach als Lösung des „Two Cultures“-Problems, mitunter aber auch als kritische Gegenthese, formuliert wurde, verblasste, als der Literaturagent John Brockman den Begriff – mit deutlichen Verweis auf das Vermächtnis des C.P. Snow – für das Marketing seiner Autorenagentur okkupierte.
Vereinseitigung: Wiederaufnahme der Idee durch John Brockman Brockman hatte 1974 eine Marketingagentur gegründet, war Agent von Andy Warhol und wesentlich an der Förderung der Prominenz seiner Kunst beteiligt. Heute ist er als Literaturagent für Autoren aus naturwissenschaftlichen Disziplinen tätig. Mit Bestsellern vom Ameisenforscher und Evolutionsbiologen Edward Wilson, von Stephen Jay Gould oder Richard Dawkins war er höchst erfolgreich. Zu weiteren naturwissenschaftlichen Intellektuellen, die unter dem Einfluss Brockmans begannen, sich des literarischen Stils ihrer im Grunde den Naturwissenschaften gegenüber skeptischen „zweiten Kultur“ zu bedienen, zählen weitere große Namen: Marvin Minsky, Daniel C. Dennett, Francisco Varla, Steven Pinker, Roger Penrose, Martin Rees, Lee Smolin, Paul Davies, Murray Gell-Mann, Stuart Kauffman. Ein eigenes Werk über die „Third Culture“ erschien 1997. Brockman schreibt einleitend: „The third culture consists of those scientists and other thinkers in the empirical world who, through their work and expository writing, are taking the place of the traditional intellectual in rendering visible the deeper meanings of our lives, redefining who and what we are. … A 1950s education in Freud, Marx, and modernism is not a sufficient qualification for a thinking person in the 1990s. Indeed, the traditional American intellectuals are, in a sense, increasingly reactionary, and quite often proudly (and perversely) ignorant of many of the truly significant intellectual accomplishments of our time. Their culture, which dismisses science, is often nonempirical. It uses its own jargon and washes its own laundry. It is chiefly characterized by comment on comments, the swelling spiral of commentary eventually reaching the point where the real world gets lost“ (schnellster Zugang zum Text und gleichzeitig zur Website des Netzwerks: Web-Dokument 9). Es ist kaum zu übersehen, dass er den Begriff einer „Dritten Kultur“ in einer selbstwidersprüchlichen Form stutzt: nämlich als hegemonialen Anspruch der Naturwissenschaftler, die nur eines anders machen als früher: Mit Hilfe ihres Agenten Brockman drücken sie verständlich aus und verkaufen ihre Bücher. Brockman dazu: „The recent publishing successes of serious science books have 136
surprised only the old-style intellectuals. Their view is that these books are anomalies – that they are bought but not read. I disagree. The emergence of this third-culture activity is evidence that many people have a great intellectual hunger for new and important ideas and are willing to make the effort to educate themselves“ (Web-Dokument 9). Von Seiten der Geistes- und (vor allem) der Sozialwissenschaften sind diese Versuche der Hierarchisierung natürlich nicht unwidersprochen hingenommen worden. Aber auch Naturwissenschaftler äußern sich gelegentlich irritiert – wie etwa der Neurobiologe und Philosoph Gerhard Roth, der Brockmans Perspektive aus der Sicht einer ganzheitlichen europäischen Wissenschaftstradition heraus kritisch kommentiert: „Brockmans Polemik zündet, greift aber zu kurz. Die Spaltung von Uran- und Plutoniumkernen ist eine physikalische Jahrhundertleistung – und gleichzeitig hat sie die furchtbarste Vernichtungswaffe aller Zeiten möglich gemacht. Wie ist also mit der Kernspaltung umzugehen? Naturwissenschaftliche Antworten auf moralische Fragen helfen nicht weiter. Das weiß auch Brockman“ (Web-Dokument 10). Der Zugriff auf den Begriff der „Dritten Kultur“ kaschiert Brockmans Versuch, mit Hilfe einer populären Kategorie der jüngeren Wissenschaftsgeschichte die Verkäuflichkeit eines feuilletonistisch aufbereiteten Literaturgenres zu beflügeln. Geht es wirklich um Wissenschaft? Der bekannte Wissenschaftsautor Hubertus Breuer bezweifelt diesen Anspruch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vehement – trotz der Tatsache, dass der Herausgeber der FAZ sich als Anhänger der Brockman’schen „Third Culture“ deklariert. „Die heutigen Leser, schreibt Breuer, „suchen ideologiefreie, leicht verdauliche Orientierung. Populärwissenschaftliche Bücher aus den Naturwissenschaften bieten ihnen offenbar die gewünschte Wegweisung. Aber das gelingt auch psychologischen Selbsthilfebüchern, einem launigen Philosophieverschnitt wie Jostein Gaarders ‚Sofies Welt’, politischen Reportagebänden, esoterischer Erbauungsliteratur, den intermedialen Visionen Bill Gates oder, in den Vereinigten Staaten, Harold Blooms Manifest ‚Der literarische Kanon des Westens’. John Brockmans ‚dritte Kultur’ ist also nur eine Offerte von vielen“ (1.12.1996, Nr. 289/Seite N5). Doch Breuer meint keineswegs, dass man mit dieser Diagnose zur akademischen Tagesordnung zurückkehren könne – oder wenn es so klingt, dann allenfalls aus einer tiefen Resignation heraus: Die Geistes- und Gesellschaftswissenschaftler hätten sich in der Zwischenzeit „weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen“. Ihr einstiger Außenposten, der nichtakademische Intellektuelle, scheine eine vom Aussterben bedrohte Spezies zu sein. Auch Jürgen Mittelstaß meldete schon kurz nach der Inauguration der Marke „Third Culture“ erhebliche Zweifel an: „John Brockman glaubt, diese (dritte) Kultur entdeckt zu haben. Sie fällt ein wenig dürftig aus, vielleicht auch darum, 137
weil Brockman, wie jeder ordentliche Entdecker, allein sein will und die Nähe zu Snow scheut. … Brockman übernimmt die Snowsche Karikatur des geisteswissenschaftlichen Verstandes – während der naturwissenschaftliche die Zukunft im Blut und die Welt in der Hand hat, gibt sich der geisteswissenschaftliche Verstand mit sich selbst und der Vergangenheit zufrieden. Geisteswissenschaftler sind für ihn Glasperlenspieler in einem Wolkenkuckucksheim. Ihr Verstand ist nicht von dieser Welt und daher ungeeignet, die wirkliche Welt auch nur wahrzunehmen“ (Web-Dokument 11). Nun sei nichts gegen Snows Idee vom Brückenschlag zwischen Natur- und Geisteswissenschaftlern und Brockmans Vorliebe für wirklichkeitsnahe Wissenschaft einzuwenden. „Die Analyse ist ja richtig. Über den Zwängen zur Spezialisierung und der institutionellen Atomisierung von Fächern und Disziplinen haben sich die Wissenschaften auseinandergelebt.“ Was wir bräuchten, meint Mittelstraß, wäre „gute und relevante, darum wirklichkeitsnahe Forschung und das Zusammenwirken der Forscher im … transdisziplinären Sinne. Und auch eine Numerierung von Kulturen ist da gänzlich entbehrlich. Schließlich wollen wir nicht Buchhalter des wissenschaftlichen Verstandes sein, sondern seine kräftigen Vertreter und Förderer“ (Web-Dokument 11).
Aktualisierung: Auf dem Weg zur „Dritten Kultur“ Im Zuge der Hegemoniebestrebungen der „Sciences“, sich auf Grund der Reform ihrer publizistischen Präsenz zur „Third Culture“ auszurufen, ist die Idee von den Sozialwissenschaften als vermittelnde Domäne verschüttet worden. Doch so leise die Idee auch in den erwähnten Erörterungen formuliert wurde – sie war nicht zu verdrängen, weil eben die ursächliche Legitimation für die Überwindung der „Science Friction“ (Financial Times) in den Herausforderungen der gesellschaftlichen Wirklichkeit an die wissenschaftlichen Disziplinen lag. Es ist also nicht verwunderlich, wenn der Soziologe Rudolf Stichweh in einer Rede zum „Dies Academicus“ der Universität Luzern (deren Rektor er seit 2006 ist) selbstbewusst die Soziologie ins Spiel zurückbrachte – nicht ohne die Anmaßung des John Brockman oder anderer Kritiker der Geisteswissenschaften als lediglich instrumentelle Manöver zu entlarven. Die „Fähigkeit einer unmittelbaren Adressierung des Publikums nennt Brockman die ‚dritte Kultur’. Mit einer ähnlichen Zuspitzung formuliert der Physiker Lee Smolin die Kulturendifferenz als eine von Gesprächsunfähigkeit auf der humanistischen und Publikumsnähe auf der naturwissenschaftlichen Seite: ‚Die Leute in diesen Fächern’, gemeint sind die Geisteswissenschaften, ‚sprechen nicht miteinander. Sie sitzen zu Hause und in ihren Büros und feilen an ihren Sätzen. Naturwissenschaftler sprechen miteinan138
der. Unsere Kultur ist in erster Linie eine mündliche, und darum wissen wir, wie man zum Publikum spricht.’“ Stichweh bleibt skeptisch und fragt: „Wie aber sieht die Wirklichkeit zwischen den Disziplinen aus? Die Autoren, die John Brockman so effektiv vermarktet … sind zweifellos Träger einer bedeutenden intellektuellen Entwicklung. Aber sie verkörpern keine dritte Kultur jenseits literarischer Intelligenz und Naturwissenschaft. Diese dritte Kultur ist in den systematischen Wissenschaften der Kultur, in den Wirtschafts- und in den Rechtswissenschaften und in dem breiten Spektrum der Sozialwissenschaften in den letzten einhundert Jahren auf eindrucksvolle Weise entstanden.“ Stichweh ruft mit dieser Argumentation die Erinnerung an die vielfältigen Entstehungsbedingungen der modernen Sozialwissenschaften in Erinnerung, die von der idealistischen Philosophie über die Nationalökonomie bis zu den naturwissenschaftlich inspirierten Bemühungen einer „physique sociale“ reichen und die aus dieser Tradition entsprechend differenzierte Methoden der empirischen und theoretischen Zugänge zur Welt und eine große Zahl unterschiedlicher Darstellungsmodi für die Öffentlichkeit entwickelt haben. Wolf Lepenies hat in seinem einflussreichen Essay über die Entstehungsbedingungen der Soziologie diese Perspektive schon vor zwei Jahrzehnten begründet (Lepenies 1988). Der interessante Grundgedanke seiner Argumentation entwickelt sich aus der Beobachtung eines Gegensatzes zweier geistiger Kulturen zwischen dem 18. und dem frühen 20. Jahrhundert – der eher naturwissenschaftlich-pysikalisch ausgerichteten Wissenschaftstheorie mit deutlich pragmatischen Orientierungen einerseits (Comte, Durkheim, Mill, Mannheim) und der antimodernistischen Bewegung literarischer Intellektueller wie Peguy, Eliot, George andererseits. In diesem Konflikt, so Lepenies, entwickelt sich die moderne Soziologie als eine Art „Third Culture“. Indem sie als Wissenschaft ihre Methoden auf den Modellen der naturwissenschaftlichen Rationalität begründet – die Prüfung von Hypothesen –, gleichzeitig aber die Themen der literarischen Intellektuellen, zum Teil sogar ihre essayistischen Darstellungsformen, aufnimmt, entwickelt sie einen neuen Zugang zur Realität. Immer dann aber, so führt Lepenies aus, wenn die Soziologie sich auf ihre naturwissenschaftlichen Wurzeln besinnt und ein Paradigma auf dieser Tradition aufbaut, setzt eine heftige Gegenbewegung ein, die wiederum das literarische Vermächtnis einer „qualitativen Näherung“ an die Wirklichkeit in den Vordergrund rückt. P. Balaram zum Beispiel setzt sich in der Zeitschrift Current Science über die „Third Culture“ mit der Kehrseite der intellektuellen Hegemonieansprüche der Brockmanschen Linie auseinander und kritisiert die Vermarktungslogik, die Brockman als Anspruch der rein naturwissenschaftliche ausgerichteten „Third Culture“ betont. Dies sei nichts als eine Analogie zur ökonomischen Überfrem139
dung geistiger Diskurse, die beiden Fraktionen der intellektuellen Auseinandersetzung mit der Welt schadeten. „In our academic institutions both the humanities and the sciences are in full retreat, swept away by the high tide of management, commerce and ‘information technology’ courses, to which students and teachers flock. … We live in an age dominated as never before, by commerce. The last two centuries of science have brought forth unprecedented technological progress; but in this time science has also contributed enormously to our understanding of nature and ourselves. It is indeed one of the great ironies of our times that science (and of course, the more traditional academic disciplines) has become a victim of its own success by the emergence of this third culture, dominated by the technologies of communication and driven solely by the mindless consumerism of the marketplace“ (Web-Dokument 12). Snow, bemerkt Balaram, wäre erschüttert gewesen. Weniger erschüttert wäre er gewesen über eine Rede des Mathematikers Phillip A. Griffith, der anlässlich des jährlichen Distinguished Chairs Dinner an der texanischen Rice University am 13. September 1995 die Rückbesinnung das eigentliche Vermächtnis von C.P Snow anmahnte. Zwar kann auch Griffith der Versuchung nicht ganz widerstehen, vermeintlich intellektuelles Geschwätz zu karikieren und sich die Dekonstruktivisten vorzunehmen. Doch dient diese launige Auseinandersetzung nur als Ausgangspunkt einer weit deftigeren Kritik an den Naturwissenschaftlern. „From the other side, however, we hear little from the scientists, who tend to avoid political debate in favour of the work they prefer to immerse themselves in. They find it more congenial to focus on a specific task rather than on the place of that task in the broader culture. They rarely ask.“ Genau das aber, meint Griffith, werde von vielen Vertretern der Naturwissenschaften vernachlässigt. „Let me go one step further. Over the last half century, it has become the goal of the ambitious university to be known as a ‘research university’. The more people in white coats, the better. I would like to suggest a new concept as we prepare for the 21st century – the concept of the research and service university. Clearly, we do not want to diminish the importance of research, which must continue to bring us new technologies, products, and ways of looking at the world. But we need to balance the emphasis on research with an equally strong emphasis on service – on ways to relate what is discovered and accomplished in the university to what is unknown and lacking in society“ (Web-Dokument 13). Das Motiv der Verantwortung gegenüber der Gesellschaft ist unüberhörbar. Ebenso wie – im Unterschied zu Brockman – das Motiv der gleichberechtigten Bedeutung der „two cultures“, das sich unabhängig von der etwas lärmenden Präsenz des Brockman-Netzwerkes, im Laufe der Jahre stetig verdichtet – und dies vor allem unter bildungspolitischen Aspekten. Mit diesem Motiv beendete 140
Snow seine Vorlesung des Mai 1959. „In der Bildung liegt zwar nicht die vollständige Lösung …, aber ohne Bildung kann der Westen nicht im entferntesten hoffen, der Schwierigkeiten Herr zu werden. Alle Pfeile weisen in dieselbe Richtung. Daß wir die Kluft zwischen unserer Kulturen schließen, ist sowohl im extrem geistigen als auch im extrem praktischen Sinn notwendig. Wenn diese beiden Extreme keinerlei Verbindung mehr miteinander haben, wird keine Gesellschaft imstande sein, einsichtig zu bleiben. Um des geistigen Lebens willen, um der besonderen Gefahren willen, die England drohen, um der westlichen Gesellschaft willen, die das gefährliche Leben der von Armen umgebenen Reichen führt, um der Armen willen, die nicht arm zu sein brauchen, wenn es Intelligenz in der Welt gibt.“ Man sei verpflichtet, das Bildungswesen unter diesem Gesichtspunkt zu betrachten und, setzte Snow in einer für die Fünfzigerjahre äußerst mutigen Bemerkung hinzu: „dies sei einer der Fälle, wo wir und die Amerikaner am meisten voneinander lernen können. Und beide können wir eine Menge von den Russen lernen, wenn wir nicht zu stolz dazu sind“ (WebDokument 1: 57/58). Im Beitrag der Financial Times zum 50. Jahrestag von Snows Rede-Lecture fokussiert ein Nachfahre im Geiste, Marcus du Sautoy, Mathematiker und Inhaber der Simonyi Professorship for the Public Understanding of Science in Oxford, das Motiv auf seine zeitgenössische Bedeutung: „Certainly in the past decade we’ve seen a real responsibility placed on scientists to have a dialogue with the rest of society. We’ve made progress. The progress we’re not so good at is that science is not just one culture but many cultures. We could do with more communication between ourselves. [Snow] was talking about poverty but it’s even more relevant today. Climate change, the current swine flu, the energy debate, the science of risk ... unless those outside science actually can engage with the science they’re not going to be able to understand decisions that affect humanity and the planet.“
Intellektuelle Herausforderung: Produktive Skepsis als Strategie An dieser Stelle mündet die Argumentation wieder in die eingangs beschriebene Auseinandersetzung mit der Krise, die selbstkritisch nicht zuletzt auch von führenden Repräsentanten des amtierenden Managements angestoßen wird – mit geradezu ungläubigem Erstaunen über das Vertrauen, das man in finanzmathematische Konstruktionen gesetzt hat. Im Laufe der Argumentation hat sich als Motiv einer „Dritten Kultur“ eine deutlichere Aufgabenorientierung herausgestellt, die als Kontext für die jeweiligen Perspektiven eines Unternehmens formuliert werden müssen. Diese Aufgaben entspringen keineswegs nur einer mora141
lischen Idee von der „guten“ Gesellschaft – wenngleich dies ihr Ziel sein muss. Sie ist in gleichem Maße auch die Grundlage für die Konstruktion einer „erfolgreichen“ Wirtschaft. Dass die nächste Generation des Führungsnachwuchses diese Idee in ihren Vorstellungen von der Unternehmens- und Wirtschaftskultur verankert, lässt sich nach der Durchsicht der Befunde aus der Führungsnachwuchs-Studie und den begleitend analysierten anderen Studien eindrucksvoll festhalten. Offensichtlich ist das Bewusstsein lange schon vorhanden, aber unter dem Druck der Herausforderungen einer stark kapitalmarktgetriebenen Globalwirtschaft nur unzureichend honoriert worden. Nun werden die kritischen Gedanken öffentlich – und zu Bestsellern. Aber auch diese Bestseller sind nicht neu. Stephen Ziliaks und Deirdre McCloskeys Warnung vor statistischen Artefakten ist zwar passend kurz vor der Krise erschienen und hat nach Ausbruch der Krise erhöhte Aufmerksamkeit erreicht. Aber zuvor schon hatten beide Autoren sich mehrfach mit dem Thema zu Wort gemeldet. Auch der Erfolg von Nassim Talebs Buch „Der schwarze Schwan“ ist nicht zuletzt auf diese Verwunderung zurückzuführen – allerdings auch symptomatisch für die gegenwärtige Diskussion: Taleb warnt seit vielen Jahren vor der Überschätzung der finanzmathematischen Risikoberechnungen. Seine Kritik richtet sich vor allem auf die Ausblendung von Faktoren, die in den finanzmathematischen Modellen überhaupt nicht erfasst werden können, darunter auch soziokulturelle Faktoren, die das wirtschaftliche Geschehen durchdringen, psychologische Faktoren, aber auch ganz schlicht die unberechenbaren Folgeerscheinungen, die aus einer unbeabsichtigten Konstellation der bekannten Faktoren entstehen können (eine eindrucksvolle Übersicht über die wissenschaftlichen und öffentlichen Warnungen vor der Überbewertung der Finanzmathematik findet man auf der Homepage; Webdokument 14). Dass nun plötzlich der Begriff der „Realwirtschaft“ in dieser Diskussion wieder eine wichtige Rolle spielt, zeigt, wie letztlich das mathematische Modelldenken über die kaufmännische Abwägung von Chancen und Risiken in der wirklichen Welt triumphiert hat und der Habitus der „Ersten Kultur“ des kennzahldominierten Formalismus sich selbst ad absurdum geführt hat. Das heißt konkret: wie letztlich die Repräsentanten dieses mathematischen Modelldenkens mit ihren Konzepten über die wirkliche Welt triumphierten, Geldströme aus den Investitionsbereichen der Güterproduktion und substanziellen Dienstleistungen in eine virtuelle Ökonomie umlenkten und eine prägende Rolle in der Wirtschaftskultur spielen konnten, deren Fantasie und Kreativität auf diese engen Aktionsfelder zugeschnitten waren. Der Weg der steten Anpassung an dieses „Narrowing down“ der auf kurzfristige Ertragsorientierungen erwies sich als Sackgasse. Die Stimmen der Gegenkultur, der „zweiten Kultur“ einer kritischen Absage an das Wirtschaftssystem sind lauter und die Abkehr vom „System“ ist mo142
disch geworden. Und wo die Beurteilung zu einem kritischen Ergebnis führt, könnte die Demotivierung bei den Älteren, aber auch die Bereitschaft zum Wechsel bei den Young Professionals wachsen. Bei Studierenden in den letzten Semestern könnte eine Tendenz entstehen, sich vorschnell anzupassen oder überhaupt von dieser Art Wirtschaftskultur fernzuhalten – dies insbesondere deshalb, weil diese Wirtschaftskultur ihnen auf Grund von Sparprogrammen und Personalabbau in der gegenwärtigen Krise erst recht keine Möglichkeit gibt, intellektuell an ihrer Bewältigung teilzuhaben. Das ist eine seltsame Dialektik, nun gerade an den intellektuellen Kapazitäten zu sparen, die anders denken wollen. Die scheinbare Aussichtslosigkeit, eine Kultur der kritischen Folgenabschätzung als Gegengewicht der oft narzisstischen Kultur des kennzahldominierten Formalismus zu etablieren, kann also zu unproduktiver Resignation führen. Die Konfrontation der beiden Kulturen verhärtet sich dann, wenn ihre Repräsentanten nur noch indirekt über ihre wechselseitigen Vorurteile miteinander kommunizieren. Nun ist die Frage entscheidend, die weiter oben aufgeworfen wurde: Stehen sich zwei Mentalitätsmilieus gewissermaßen klassenkämpferisch gegenüber? Oder sind beide Optionen nur die Ausdrucksform eines in den Widersprüchen der letzten Jahre zerrissenen Geistes? Einer differenziellen Mentalität? Man kann also durchaus die folgende These an den Abschluss der Untersuchung zur „Dritten Kultur im Management“ stellen: Hier stehen sich nicht zwei Gruppen gegenüber. Die beiden Kulturen sind unterschiedliche Optionen, die in jeder einzelnen Person realisiert werden können – je nach Ausbildung, Förderung und vorgeblichen Zwängen. Nicht erst die Krise hat dieses Thema auf die Tagesordnung gebracht – das zeigen neben den geradezu dialektisch verwobenen Dimensionen der Profile und Handlungsoptionen die Wünsche und Träume für private und berufliche Zukünfte. Die Tatsache, dass Studierende Illusionen haben, mag ebenso belächelt werden wie der oft verkrampfte Versuch, so zu werden wie die Altvorderen, um mit deren gestrigen Konzepten die Welt von morgen zu gestalten. Doch dieses Lächeln wird weder der machtvollen Rekonstruktion des Formalismus noch der Befürwortung der Verweigerung als Legitimation dienen können. Wenn die einen sich für den formalistischen Weg entschieden haben und die anderen für den der Skepsis, muss eine Situation geschaffen werden, in der beide Seiten maßgeblich an der Neubestimmung der Unternehmenskultur beteiligt sind. Ich zitiere dazu noch einmal aus der Werte-Studie, um den Eindruck einer idealistischen Interpretation der eigenen Daten zu vermeiden: „Ein neuer Standard für Unternehmenswerte entsteht: Nicht mehr Top down formuliert, sondern erarbeitet. Nicht mehr lockere Absichtserklärung, sondern verbindliche Abmachung. Nicht mehr je nach ‚Gefechtslage’ durch die Vorgesetzten frei interpretierbar, sondern belastbar und berechenbar. Werte sind aus Sicht junger Führungskräfte kein ‚Soft Fact’ mehr. Sie sind ein hartes Kriterium 143
für die Beurteilung des eigenen Unternehmens“ (Bucksteeg, Hattendorf 2009: 28/29). Dieses neue professionelle Zwiegespräch entspricht dem heftigen Wunsch nach einer kommunikativen Unternehmenskultur – die bereits in der wirtschaftsund sozialwissenschaftlichen Ausbildung angelegt sein sollte. Das ist kein Selbstzweck. Denn eines müssen sich die neoklassische Wirtschaftswissenschaft ebenso wie eine fundamentalkritische Geisteswissenschaft entgegenhalten lassen: Beide versagen vor der Aufgabe, pragmatische Lösungen für die gesellschaftliche Wirklichkeit insgesamt zu entwerfen. Ihre jeweiligen hegemonialen Ansprüche werden gar als Statussymbole herumgereicht. Gemessen an den Einstiegsgehältern ist die Bedeutung eines Controllers weit höher als die eines Soziologen, der in der Personalabteilung arbeitet. Und Einstiegsgehälter werden in vielen Rankings von Universitäten als einer der wesentlichen Indikatoren für den Erfolg der Bildungsinstitutionen gesehen. Darauf wiederum bezieht sich die Reputation der Disziplinen, die sich in der Reputation von Unternehmensressorts fortsetzt. So entsteht eine höchst seltsame Situation: Die Apologeten einer Wissenschaft und der auf ihr aufbauenden Praxis – nämlich der Finanzmathematik – sonnen sich im Glanz einer höchsten Reputation, obwohl sie vielleicht ebenso „wirtschaftsfern“ ist wie die „Kritische Theorie“ – oder vielleicht ist es sogar so, dass die „Kritische Theorie“, um die Sache auf die Spitze zu treiben, in der gegenwärtigen Situation mit ihrer Systemkritik einen stärkeren Bezug zur wirtschaftlichen Realität besitzt als die Finanzmathematik, die einen erheblichen Anteil an der Entstehung der Krise hat. Das sind natürlich theoretische Spekulationen.
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Schluss: Zielpunkt Bildung
Ein Problem bleibt aber in dieser Analyse ebenso wie in den Argumenten von Snow, Bronowski und anderen ungelöst: dass die Friktionen, die Snow und seine Nachfolger beschreiben, die insbesondere Lepenies inspirierten, auch die Verhältnisse innerhalb einer wissenschaftlichen Disziplin charakterisieren können. Klassische Fälle sind die heftigen wissenschaftstheoretischen Auseinandersetzungen während des Positivismusstreits der Soziologie in späten 60er Jahren oder die gegenwärtig ausgefochtenen Debatten zwischen den Fraktionen der neoklassischen und der heterodoxen Wirtschaftswissenschaften oder zwischen den jeweiligen Fraktionen der kritischen Soziologie auf der einen und der neoklassischen Wirtschaftswissenschaft auf der anderen Seite. Nicht weniger ausgeprägt sind die Verständnisprobleme zwischen unterschiedlichen „Ingenieurskulturen“. Schon unterschiedliche Abteilungen eines Automobilwerkes – Verantwortliche für den Antrieb und andere für die Elektronik – sprechen verschiedene Sprachen. Insofern weckt der Begriff der „Dritten Kultur“ neben bildungspolitischen auch kommunikationstheoretische Assoziationen, die mitunter sogar auf betriebswirtschaftliche Aspekte anspielen. Alle empirischen Daten und Erfahrungen, auf die sich die hier genannten und die nur angedeuteten Positionen und ihr Autoren beziehen, sehen den Grund für eine Distanz zwischen handelnden Personen im anerzogenen Habitus. Auch Snows Idee von den „Two Cultures“ basiert auf Gesprächen mit Naturwissenschaftlern, die er seit den 30er Jahren im Rahmen eines nationalen Projekts führen konnte. Zwar zielt die Diagnose in seiner Rede Lecture, wie schon mehrfach angedeutet, schließlich vor allem auf die Ignoranz der Geistes- gegenüber den Naturwissenschaften. Aber in den Jahren darauf verändert sich hier und da der Schwerpunkt doch merklich – und zielt auf die konstruktive Überwindung der Barrieren, die durch fachliche oder kulturelle Grenzen errichtet werden. So setzt sich zum Beispiel Harry Irving in seiner Antrittsvorlesung an der University of Leeds am 3. Dezember 1962 unter dem Titel „The Three Cultures“ mit den universitären Curricula für technische Fächer auseinander (erhältlich über die Leeds University Press). Douglas Lewin (Professor für Elektronik an der School of Mathematics and Physics der University of East Anglia) nimmt das Motiv zwanzig Jahre später noch einmal auf, wenn er über die intellektuellen Grundlagen des Weltverständnisses bei Ingenieuren nachdenkt: „Engineering Philosophy – the Third Culture?“ (Lewin 1983) Der Impuls für seine Abhandlung liegt erneut in der Beobachtung einer „déformation professionelle“ der Realitäts145
bezüge, die sich auch und vielleicht sogar in besonderem Maße im Verständnis der so genannten „angewandten Wissenschaften“ niederschlage. „Applied science simply represents a certain subset of all scientific knowledge“ (Lewin 1983: 127). Bei der Identifikation der Gründe formuliert Lewin dieselbe Kritik, die an der neoklassischen Wirtschaftswissenschaft und den von ihr dominierten Managementkulturen zitiert wurde: „The experimental scientist isolates a small part of the real world, systematically investigates a few variables under carefully controlled laboratory conditions and then attempts to extrapolate this research to the world in general“ (129). Es ist ein Argument, das auch in den wissenschaftstheoretischen Auseinandersetzungen um soziologische Modellbildungen immer wieder aktualisiert wird. Die Konsequenz wird ebenfalls immer wieder gleichartig beschrieben: Die Komplexität der Realität werde systematisch ausgeblendet. „These problems arise from the universities’ over-specialization in the Arts and Sciences with the resulting polarization of attitudes induced by the Two Cultures. In the author’s view the only possibility of escaping from this educational impasse is by recognizing the existence of a new avenue, that of a Third Culture – engineering philosophy – seen in its broadest sense as creative problem-solving within a complex environment“. Es gehe darum, nicht Artefakte entwickeln, sondern an Problemlösungen mitzuwirken. „Thus engineering philosophy with its emphasis on problem solving can be considered as a basis for a liberal education and not simply as a means of designing artifacts“ (Lewin 1983: 131). Wenig später fokussierte Wolfgang Hörner, heute Pädagogikprofessor in Leipzig, diese Gedanken (Hörner 1985) auf das wissenschaftliche Selbstverständnis der Ingenieure. Hörner entwickelt seine These in den Überlegungen zum Bedeutungswandel des Begriffs der „Technologie“. Der Begriff bezeichne in seiner etymologischen Grundbedeutung die Theorie von und die Auseinandersetzung mit der Technik, ähnlich wie die Soziologie die Gesellschaft und die Biologie die lebenden Organismen studiere. Doch der Begriff der Technologie werde selten in diesem Sinne platziert. „Instead, the inescapable influence of American culture has led to the applying of the American sense of the word ‚technology’, meaning ,technical process’, to the German word ,Technologie’, although this contradicts the logic of the language“ (318). Der Begriff der „Technologie“ verliere damit das Potenzial, als eine „Dritte Kultur“ zwischen Wissenschaft und Praxis zu treten und eine Zone analytischer Distanz zur Umsetzung theoretischer Modelle in der Wirklichkeit aufrechtzuerhalten. Es erwarte ja auch niemand, dass die Soziologie neue Gesellschaften konstruiere oder die Biologie Frankenstein-Monster. Diese letzte Bemerkung ist mittlerweile nicht mehr ganz so absurd, wie sie in der 80er Jahren erschien – was aber die These Hörners nur bestärkt: Das „Sprachspiel zur Weltorientierung“ hat die Haltung zur Wirklichkeit offensicht146
lich so nachhaltig beeinflusst und mithin auch die Ausbildung derer, die sie als wirtschaftlich-technische Exekutive die Geschicke der Wirklichkeit maßgeblich mitgestalten, dass die Konstruktion von Menschen und damit auch von Gesellschaften keine fiebrige Science-Fiction mehr darstellt. Der innere Widerspruch ist eklatant: Eine realitätsferne Theorie wird zum Ausgangspunkt der Handlungen in dieser Wirklichkeit und gestaltet sie nach den Maximen der Theorie um – was unausweichlich auf Grund der unbeachteten Randbedingungen in der Wirklichkeit zu Krisen führen muss. Die „Dritte Kultur im Management“ ist eine aufgabenorientierte Kultur. Die Vielfalt der Geister und die intellektuellen Milieus werden zur Lösung dieser Aufgaben eingesetzt. Es sind vielfältige Aufgaben, die von rein unternehmerischen Zielsetzungen bis zur Sicherung des gesellschaftlich angemessen verteilten Wohlstands durch soziales Engagement reichen. Die Themenfelder sind seit vielen Jahren in Delphi- und Futur-Prozessen identifiziert. Es geht um biologische Lebensmittel und physische Mobilität; eigenschaftsdefinierte Werkstoffe, lebenslanges Lernen; neue Wohnformen, umweltgerechtes Bauen, Medizintechnik, Lebenshilfen, Gesundheit, umweltgerechte Produktion und Nachhaltigkeit, die strukturelle Revolution der Arbeitswelt, damit um Kommunikationstechnik und Logistik, gesellschaftliche Differenzierung, Altern und Lebens- sowie Berufszyklus vor dem Hintergrund einer globalen Wirtschaft, in der nicht mehr der Austausch komplementärer Güter im Vordergrund steht, sondern zusehends die Konkurrenz um identische Güter. Die konkrete Aufgabe eines Unternehmens, das zum Beispiel eigenschaftsdefinierte Werkstoffe herstellt, hat unmittelbare Verbindungen mit der Medizintechnik und somit auch mit der Gestaltung des Gesundheitswesens, lokal, regional, global. Die Auseinandersetzung mit ethischen Fragen der Gesundheitsökonomie führt unmittelbar zur Definition von Marktchancen. Ich brauche an dieser Stelle die Beispiele nicht weiter auszudehnen, weil diese Art von komplexen Denkmodellen in den öffentlich-rechtlichen Forschungsinstitutionen Deutschlands exzellent repräsentiert ist, in den Frauenhofer-Instituten, Max Planck-Gesellschaften und so fort. Wichtig ist aber, dass die Impulse dieses Denkens in die alltäglichen Entscheidungsvorbereitungen der Exekutive einfließen – durch die Inspiration junger Leute, die sich schon deshalb mit der Zukunft intensiver beschäftigen müssen, weil sie es sind, die in ihr leben. Die Befunde der Führungsnachwuchs-Studie zeigen seit 2000, dass die Lösung des Problems in der Rolle der Führung gesehen wird. Diese Befunde werden durch eine Reihe von weiteren Studien bestätigt. Wichtig ist dabei die Auswahl der befragten Personen gewesen – als Sicherung der Validität der Befunde: Wenn frühere Studien die plausible Mutmaßung formulierten, dass im Management der Zukunft Kommunikation, Moral, Mitarbeiterorientierung und intellek147
tuelle Wertschöpfung eine wachsende Rolle spielen, wird man diese These am ehesten durch die Befragung von definitiv auf Karrieren und Führungspositionen ausgerichteten Personen prüfen können – in deren Verhalten man auch das Gegenteil vermuten könnte, nämlich die Bereitschaft zu einer Anpassung um ihrer Karriere willen. Aus diesem Grund sind hier durchwegs Studierende und Young Professionals befragt worden, die eine klar erkennbare Aufstiegs- und Karriereorientierung zeigen: Mitglieder studentischer Unternehmensberatungen, junge Unternehmensberaterinnen und Unternehmensberater, Teilnehmer an betriebswirtschaftlichen Planspielen oder Personen, die durch diese Kontakte vermittelt wurden. Die Samplebildung folgte also gewissermaßen dem Blickwinkel einer denkbaren Gegenthese zur Grundannahme des Projekts. Dass es gerade Repräsentanten dieses Milieus sind, in deren Antworten die Konturen einer „Dritten Kultur“ erkennbar sind, stimmt zuversichtlich, vor allem aber, dass sich eine deutliche These zur Umsetzung abzeichnet – nämlich das Handeln von Führungspersönlichkeiten. Nur sie sind in der Lage, die Chancen für die Umsetzung der „Dritten Kultur“ zu schaffen – sozusagen als „Third Culture Personalities“. Wo sie versagen, das haben alle Projekte in ihren Ergebnissen gezeigt, sinken die Chancen auf eine derartige innovative Geisteskultur in den Unternehmen. Wichtig ist auch die Feststellung, dass die von uns – und wieder auch die in den anderen Studien – befragten Aspiranten auf künftige Führungspositionen ganz im Gegensatz zu dem Gerede von Portfolioworkers und Flexisten in der überwiegenden Mehrzahl eine langfristige Beziehung zu den Unternehmen aufbauen wollen. Damit ist die Voraussetzung für eine produktive intellektuelle Wertschöpfung im Hinblick auf die unmittelbaren Aufgaben des Unternehmens und die globalen gesellschaftspolitischen Aufgaben gegeben. Das heißt: Bei der Realisierung dieser zukunftsweisenden Strategien einer Neubesinnung auf Nachhaltigkeit, Innovation und Mitarbeiterintelligenz vor dem Hintergrund der großen gesellschaftlichen Aufgaben können sich die Unternehmen und ihre Repräsentanten offensichtlich auf die breite Zustimmung und das hohe Engagement des Nachwuchses verlassen, wenn sie die entsprechenden geistigen und betriebswirtschaftlichen Infrastrukturen bieten. Die heutigen Studierenden und die jungen Berufstätigen wollen eine inspirierende Unternehmenskultur. Sie soll kommunikativ und ermutigend sein und die Mitarbeiter, Männer wie Frauen, wertschätzen. Die meisten von ihnen glauben, dass sie selbst diese Forderungen eines Tages erfüllen werden. Der Optimismus ist geerdet: Die deutlichen Tendenzen zum betriebswirtschaftlichen Pragmatismus lassen die Mutmaßung zu, dass sie es tatsächlich schaffen könnten, beide Kulturen zu leben. Es fällt in den Ergebnissen auf, dass immer dann, wenn nach rein betriebswirtschaftlich bedeutsamen Profilierungen oder Handlungsoptionen gefragt wird, die Differenzen zwischen der Selbstein148
schätzung und der Einschätzung amtierender Führungskräfte geringer sind. Wir haben es also nicht mit verträumten Utopisten zu tun, sondern mit Personen, die durchaus in der Lage sind, den harten Anforderungen einer globalisierten Wirtschaft entgegenzutreten. Und das bei Studierenden der Wirtschaftswissenschaft, die sich nach Aussagen ihrer Professoren, bestätigt durch unsere empirischen Impressionen, kaum für irgendwelche soziologischen Relativierungen ihres Handelns interessieren. Die Wahl der Schwerpunkte für die meisten von ihnen, die Karrieren anstreben, fällt auf die harten Teildisziplinen: Controlling, Operations Research und dergleichen. Ein für die gegenwärtige Studienreform sehr nachteiliger Effekt liegt in der Tatsache, dass diese Curricula sich kaum für die Angebote der geisteswissenschaftlichen Fakultäten öffnen lassen. Der wichtigste Zugang zur „Third Culture“ kann den empirischen Befunden dieser Studie zufolge nur in den persönlichen Beziehungen der Mitarbeiter untereinander liegen, die durch eine ermutigende Führung dazu motiviert sind, sich mit der Synchronisation der unmittelbaren Aufgaben des Unternehmens und der Abschätzung der unmittelbaren Folgen für die großen Kontexte (Gesellschaft, Umwelt, Kultur, Alltag) auseinanderzusetzen. So enthält also die nun etwas mehr als fünfzig Jahre dauernde Diskussion um die „Third Culture“ vor allem im Hinblick auf die gegenwärtig diskutierten Werte für eine neue Management-Ära ein Vermächtnis, das man aufmerksam studieren sollte. Was in diesem Vermächtnis und in den Befunden der hier referierten Studie zu Tage tritt, lässt sich auch für die Universitäten als eine aufgabenorientierte Reform beschreiben: vor allem was die Neudefinition der „Wirtschaftsnähe“ betrifft. Denn der einzige Ort, an dem jenes komplexe Denken eingeübt werden kann, das die konkrete Aufgabe eines Unternehmens mit der großen Aufgabe der Globalpolitik in einen Kontext stellt, ist die Universität. Ihr muss man die Freiheit zugestehen, neben der Vermittlung der pragmatischen Grundlagen den Geist ihrer Studierenden zu lockern. Das amtierende Management wird die Impulse aufgreifen müssen, um die Anerkennung des Nachwuchses als ideale CEOs der Zukunft zu erringen und mit ihrem Verhalten den Mitarbeitern gegenüber den Geist einer „Dritten Kultur“ als Zukunftssicherung von Unternehmen und Unternehmensumwelt zu etablieren.
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7050_book.fm Page ii Wednesday, July 12, 2006 3:27 PM
Literatur
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Tabellenverzeichnis Tabelle 1:
Tabelle 2: Tabelle 3: Tabelle 4: Tabelle 5:
Tabelle 6: Tabelle 7:
Tabelle 8:
Tabelle 9:
Tabelle 10:
Tabelle 11:
Tabelle 12:
Tabelle 13:
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Vorstellungen vom idealen CEO der Zukunft, Bewertung der amtierenden Führungskräfte und Selbsteinschätzung im Sommer 2008......................................................................... 17 Differenzen zwischen Idealbild und Einschätzung amtierender Manager 2008; alle Befragten................................. 18 Differenzen zwischen Idealbild und Selbsteinschätzung 2008; alle Befragten.................................................................... 19 Differenz zwischen Selbsteinschätzung und Einschätzung amtierender Manager 2008; Vergleich Männer und Frauen ....... 20 Differenzen zwischen Selbsteinschätzung und Einschätzung amtierender Manager 2008; Vergleich Studierende und Young Professionals ........................................ 21 Einige Unterschiede zwischen den Befragtengruppen 2008; in Prozent; 2-Top-Box und 2-Bottom-Box ....................... 22 Die fünf wichtigsten und die fünf unwichtigsten Charakteristika des Future-CEO in der Studie von KornFerry und der Columbia University 1989 ................................... 28 Vorstellungen vom idealen CEO der Zukunft, Bewertung der amtierenden Führungskräfte und Selbsteinschätzung im Sommer 2000......................................................................... 31 Vorstellungen vom idealen CEO der Zukunft, Bewertung der amtierenden Führungskräfte und Selbsteinschätzung im Sommer 2006......................................................................... 33 Vorstellungen der Studierenden vom idealen CEO der Zukunft, Bewertung der amtierenden Führungskräfte und Selbsteinschätzung im Sommer 2006 ......................................... 34 Vorstellungen der Young Professionals vom idealen CEO der Zukunft, Bewertung der amtierenden Führungskräfte und Selbsteinschätzung im Sommer 2006 .................................. 35 Vorstellungen vom idealen CEO der Zukunft, Bewertung der amtierenden Führungskräfte und Selbsteinschätzung von 2000 bis 2009, alle Befragten .............................................. 36 Werte der Kontrollgruppen aus Soziologie- und Pädagogikstudenten .................................................................... 38
Tabelle 14: Tabelle 15:
Tabelle 16: Tabelle 17: Tabelle 18: Tabelle 19: Tabelle 20: Tabelle 21: Tabelle 22: Tabelle 23: Tabelle 24: Tabelle 25: Tabelle 26: Tabelle 27: Tabelle 28: Tabelle 29: Tabelle 30: Tabelle 31:
Arbeitsstil des idealen CEO von morgen; Vergleich 2000 und 2008/2009 ............................................................................ 39 Wertedilemmata 2008 und 2009; Vergleich Selbsteinschätzung und Einschätzung des amtierenden Managements .............................................................................. 54 Handlungsprioritäten in Wertedilemmata: Vergleich 2001, 2002, 2006, alle Befragten .......................................................... 58 Handlungsprioritäten in Wertedilemmata: Durchschnittswerte aller Befragungszeiträume .......................... 59 Handlungsprioritäten in Wertedilemmata; Interner Vergleich eines Teil-Samples 2002 ............................................ 60 Handlungsprioritäten in Wertedilemmata: Vergleich Männer und Frauen 2008/2009 ................................................... 62 Handlungsprioritäten in Wertedilemmata: Vergleich Young Professionals und Studierende 2008/2009 ...................... 64 Handlungsprioritäten in Wertedilemmata: Vergleich Kernzielgruppe und Kontrollgruppe ........................................... 66 Gallup-Studie zum Engagement-Index; Jahres- und Ländervergleich .......................................................................... 73 Gallup-Studie zum Verhältnis deutscher Arbeitnehmer zu ihren Vorgesetzten, 2008 ............................................................ 74 Führungskräftebefragung 2008: Erschwernisse der Umsetzung von Werten............................................................... 75 Träume und Vorstellungen 2000, alle Befragten ........................ 80 Träume von weiblichen Wirtschaftsstudierenden und Young Professionals; 2008 ......................................................... 82 Träume von männlichen Wirtschaftsstudierenden und Young Professionals; 2008 ......................................................... 85 Träume aller Befragten 2009 ...................................................... 90 Träume von Studierenden der Soziologie und Diplompädagogik, 2008.............................................................. 97 Vermuteter Wert der Einstiegsbereiche für eine Karriere im Unternehmen 2000 und 2008/2009...................................... 124 Vermuteter Wert der Einstiegsbereiche für eine Karriere im Unternehmen 2008; Kontrollgruppe aus Studierenden der Soziologie und der Erwachsenenbildung ............................ 125 155
Tabelle 32: Tabelle 33:
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Contentanalyse von Stellenanzeigen; Kompetenzhierarchie..... 127 Contentanalyse von Stellenanzeigen; Führungsstile ................. 128
Danksagung
Ein empirisches Projekt, wie es hier dargestellt wurde, kann ohne die engagierte Beteiligung vieler innovativer Geister nicht gelingen. Einige der Autorinnen und Autoren, die sich mit den Befunden vor allem der letzten Befragungswelle auseinandergesetzt haben, sind im Text genannt. Viele andere, die das Projekt im Rahmen der Methodenausbildung ein Stück begleitet und durch ihre Motivation und ihren Esprit bereichert haben, wären ebenfalls zu nennen. Da aber im vorliegenden Zusammenhang der Idee einer „Dritten Kultur im Management“ nicht alle Aspekte der begleitenden Arbeit berücksichtigt werden können, möchte ich hier einen kollektiven Dank für die inspirierende Teilnahme aussprechen. Für die Begleitung der quantitativen Erhebung der aktuellen Befragungswelle sind hier Edith Görzen, Steven Lach und Gregor von Olnhausen zu nennen. In der Forschungseinheit zur Contentanalyse von Karrierenzeitschriften – über deren Ergebnisse an anderer Stelle zu berichten sein wird – haben sich Katarzyna Bun, Florian Gindel, Christin Grobe, Patrick Heeg, Robert Jastrzebski, Dimitri Kling, Astrid Korzinoga, Sarah Kretzschmar, Konrad Laski, Gunnar Leonhard, Victor Paredes Moreno, Jadranca Staici und Tamer Alper engagiert. Daniel Petereit betreute die Sammlung von Fundstücken aus Literatur und Medien. Allen gilt mein Dank, vor allem auch dafür, dass sie durch ihr Engagement gezeigt haben, wie sich Forschung auch in die enge Planung eines Bachelor-Studienganges integrieren lässt. Die vielfältigen individuellen Zugänge zu den hier referierten und den über diesen Bericht hinausgehenden quantitativen und qualitativen Befunden, die in den Bachelor-Arbeiten dieses ersten Jahrganges eingegangen sind, sind ein weiterer Beleg dafür. Auch den Beteiligten an früheren Phasen des Projekts, die längst ihre ersten Schritte auf den Karrieretreppen ihrer jeweiligen Wahl getan haben, gilt ein herzlicher Dank. Die Befunde mögen sie in der Absicht bestärken, produktiv an der Weiterentwicklung der Unternehmens- und Wirtschaftskulturen im Sinne der „Dritten Kultur im Management“ zu arbeiten. Selbstverständlich gilt mein Dank allen, die sich der Mühe unterzogen haben, uns für quantitative und qualitative Befragungen zur Verfügung zu stehen oder die Wege zu Personen mit den von uns gesuchten Merkmalen zu ebnen. Das Projekt, das im Jahr 2000 mit einer Begleitstudie zum Planspiel „CEO of the Future“ begann, wird weitergeführt werden. Der wesentliche Impuls, der sich aus den Befunden dieser letzten knapp zehn Jahre ergibt, wird allerdings die Frage etwas verändern: Es wird nun zu prüfen sein, ob die Ansichten und Absichten der nächsten Führungsgeneration, die sich in den Antworten niederschla157
gen, nach der aktuellen Krise als Impuls für ein Umdenken genommen werden. Insofern werden nächste Schritte den Reaktionen der amtierenden Führungskräfte auf die Befunde gelten. Einige erste Befragungen deuteten bereits die Richtung an.
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