Detlef Schmidt I Peter Vest DIE ENERGIE DER MARKE
Detlef Schmidt I Peter Vest
DIE ENERGIE DER MARKE Ein konsequentes...
66 downloads
2592 Views
5MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Detlef Schmidt I Peter Vest DIE ENERGIE DER MARKE
Detlef Schmidt I Peter Vest
DIE ENERGIE DER MARKE Ein konsequentes und pragmatisches Markenführungskonzept
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2010 Lektorat: Barbara Möller / Gabi Staupe Redaktion: Dr. Ingrid Vollmer, M-Result GmbH, Mainz. Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Ducento Design, Bad Schönborn Umschlagmotiv: Fotolia LLC/fotolia.com Satz/Layout: Ducento Design, Bad Schönborn Druck und buchbinderische Verarbeitung: MercedesDruck, Berlin Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-1479-8
Geleitwort Braucht es in der gegenwärtigen Zeit ein neues Buch über Markenführung? Wir sind der Ansicht: ja! Vielleicht ist unsere Meinung nicht ganz objektiv – allerdings zeigt sich aus der Beobachtung der Praxis in vielen Branchen, dass die langfristig orientierte, konsequente Markenführung als Königsdisziplin im Marketing aber auch für die wertorientierte Unternehmensführung nach wie vor allzu oft kurzfristigem Denken untergeordnet wird. Zugleich werden vermeintlich neuere Konzepte wie Corporate Social Responsibility und integrierte Unternehmenskommunikation – ausgehend von der Öffentlichkeitsarbeit – zunehmend mit einem Anspruch der Ganzheitlichkeit propagiert. Dies findet häufig eher mit Blick auf Einzelinteressen von spezialisierten Unternehmensberatungen statt als mit Blick auf unternehmerische Notwendigkeiten für den Wert der Marke. Wir stimmen da der eher einfachen und wahren Formel von Peter Drucker zu: „Any business enterprise has two – and only these two – basic functions and that is Marketing and Innovation. They are the entrepreneurial functions“ (Peter Drucker, 1955) .. und dabei gilt: Auch Innovation schafft nur dann Wert, wenn sie entweder aus dem Markt kommt oder einen Markt findet. Markenführung und Marketing dürfen sich insofern nicht in Marketingabteilungen „verstecken“, sondern sollten das gesamte Unternehmen und damit alle Mitarbeiter mit dem MarketingGedanken „infizieren“. Wertorientiertes Marketing steht eben nicht am Ende der Wertschöpfungskette, sondern muss als Führungs- und Querschnittsfunktion frühzeitig in Beschaffungs-, Entwicklungs-, Produktions- und Vertriebsprozesse integriert werden. Marketing und Markenführung müssen über den Kunden und den Wettbewerb hinaus auch auf die Beziehungen zu allen weiteren externen und internen Anspruchsgruppen angewandt werden, die beeinflussen können, wie erfolgreich oder erfolglos ein Unternehmen im Markt agiert. Dies erfordert eine stärker ganzheitliche Sicht des Marketings. Im Sinne dieser Integrationsaufgabe ist Marketing als grundlegende Führungsfunktion zu verstehen. Wenn dieses Buch ein Stück weit dazu beitragen kann, dass sich diese Erkenntnisse in den Unternehmen noch weiter durchsetzen, hat es seinen Zweck erfüllt. Bei der Entstehung haben uns viele Freunde und Unternehmer inspiriert und motiviert. Besonderen Dank sagen möchten wir den Mitarbeitern von Audi, EnBW und Yello, die viele der hier beschriebenen Projekte mit hohem Engagement umgesetzt haben. Ebenso sehr gilt unser Dank Frau Dr. Ingrid Vollmer von der m-result GmbH für die umfassende wissenschaftliche Begleitung und die Umsetzung des Buches sowie Herrn Hans Berger von der Audi AG für die großen inhaltlichen Beiträge zum Buchprojekt. Frau Yvonne Druivenga danken wir für die Unterstützung bei der Layoutgestaltung des Buches.
Dr. h.c. Detlef Schmidt
Dr. Peter Vest
5
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort Inhaltsverzeichnis Einleitung
5 6 9
Teil I 1. 1.1 1.2 1.3
Markenführung als strategische Managementaufgabe Marketing und Markenführung Marketing im Wandel der Zeit Markenführung als Leitfunktion unternehmerischen Handelns Markenführung nach dem 8P-Ansatz
16 18 18 22 33
2. 2.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.3 2.3.1 2.3.2 2.4 2.4.1 2.4.2
Herausforderungen und Aufgaben der Markenführung Markenbedeutung und Markenverständnis Funktionen der Marke Funktionen der Marke für den Konsumenten Funktionen der Marke für den Anbieter Funktionen der Marke für die Stakeholder Ziele der Markenführung Die Zielpyramide der Markenführung Der Markenwert als Zielgröße der Markenführung Kritische Erfolgsfaktoren der Markenführung Marktbezogene Rahmenbedingungen Unternehmensbezogene Rahmenbedingungen
38 38 44 44 46 47 53 53 54 57 57 59
Teil II 3. 3.1 3.1.1 3.1.2 3.2 3.3 3.4
Prozess der Markenführung Planung der Markenführung Markenidentität Definition und Bedeutung der Markenidentität Managementprozess zur Erstellung einer Identität Die Positionierung als Bindeglied zwischen Markenidentität und Markenimage Corporate Branding - Unternehmensmarke versus Produktmarke Markenarchitektur
64 66 66 66 75 78 88 92
4. 4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4
Entwickeln von Markenstrategien als strategische Basis der Markenführung Allgemeine Markenstrategien Einzelmarkenstrategie Familienmarkenstrategie Dachmarkenstrategie Mehrmarkenstrategie
6
100 100 101 102 103 105
4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.3 4.3.1 4.3.2
Spezifische Markenstrategien Markendehnung Markenlizenzierung Markenallianzen und Co-Branding Dynamische Markenstrategien Markenkonsolidierungsstrategie Markenexpansionsstrategien
112 112 122 124 129 129 131
5. 5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.1.4 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4 5.2.5
Implementierung der Markenführung Markenführung und Marketing-Mix Produkt Preis Markenkommunikation Vertrieb von Markenprodukten und -dienstleistungen Implementieren der Markenführung im Unternehmen Bedeutung einer innengerichteten Markenführung Behavioral Branding Ansatzebenen innengerichteter Markenführung Change Management als Herausforderung innengerichteter Markenführung Wissensmanagement als Element der Markenführung
138 138 138 152 161 204 211 211 212 215 218 225
6. 6.1 6.2 6.3 6.3.1 6.3.2
Markenführung effizient messen und kontrollieren Markenführung effizient nutzen und kontrollieren Die Brand Scorecard als Ansatz eines umfassenden Markencontrollings Die Marktforschung zur Messung zentraler Markenkontrollgrößen Die Rolle der Marktforschung für die Markenführung Markenwert und Markenstärke
228 228 231 237 237 242
7.
Fazit Literaturverzeichnis Stichwortverzeichnis Bildnachweise Die Autoren
252 254 257 258 259
7
Einleitung
Marketing bedeutet das Führen des Unternehmens von seinen Märkten her, das heißt, mit klarem Fokus auf Kunden und Konkurrenz aber auch auf alle weiteren Zielgruppen wie Politik oder Presse, die im Sinne des Stakeholder-Ansatzes den Erfolg des Unternehmens mitbestimmen. Effektives Marketing bedarf einer klaren inhaltlichen Verankerung, wenn es im Sinne einer wertorientierten Unternehmensführung zu einer Wertsteigerung führen soll. Der Rahmen für den Einsatz der Marketinginstrumente wird durch die Positionierung und das Management der Marke gesetzt. Markenpositionierung und Markenführung werden damit zu zentralen Bestandteilen der Unternehmensführung – weit über den Einsatz der Marketinginstrumente hinaus. Aus unserer langjährigen Praxis, einerseits in verantwortlichen Funktionen der Automobilindustrie und der Energiewirtschaft, andererseits in der wissenschaftlichen Arbeit und in vielfältigen Projekten aus Marketing und Vertrieb unterschiedlichster Branchen, kristallisiert sich eine wesentliche Erkenntnis heraus: Nach wie vor wird die Bedeutung der Markenführung und des Marketings in vielen Unternehmen unterschätzt. Insbesondere der Vertrieb wird vielfach als notwendiges Übel betrachtet. Markenführung und einzelne Marketingdisziplinen, insbesondere die Kommunikation, werden in vielen Unternehmen noch immer in zu hohem Maße an Strategieberater und Agenturen delegiert, deren Einblicke in die Märkte und Erfolgsfaktoren des Unternehmens bestenfalls als „second hand“ zu bezeichnen sind. Marketingentscheidungen sind immer noch zu selten analytisch vorbereitet, die Erfolgsmessung wird oft vernachlässigt. Die zentrale Bedeutung der Markenführung für das Gesamtunternehmen wird häufig noch immer nicht anerkannt – auch und gerade in Zeiten des Erfolgs. Dabei wird oft eine simple Logik übersehen: Fundamentaler Unternehmenserfolg ist nur über Erfolg auf den relevanten Absatzmärkten nachhaltig erzielbar. Ohne die Bedeutung der Finanzmärkte für die globalisierte Wirtschaft schmälern zu wollen – eine rein finanzgetriebene Unternehmensführung bedeutet, dass ein Unternehmen auf Dauer Gefahr läuft, Märkte, Kunden, Markenwerte, innovative Produkte und notwendige Investitionen zu vernachlässigen. Für diese Erkenntnis hätte es der Finanzkrise, die die Weltwirtschaft Ende 2008 mit aller Härte traf, sicherlich nicht bedurft. In unserer mehr als fünfjährigen Tätigkeit für die Marken EnBW (Energie Baden-Württemberg AG) und Yello haben wir auf eine konsequente Markenstrategie in einem sich dynamisch wandelnden Energiemarkt gesetzt und nachhaltig die Markenwerte aber auch die finanziellen Ergebnisse der Vertriebe entwickeln und verbessern können. Gleiches wurde unter Dr. h.c. Detlef Schmidt für die Marken Skoda und Seat erreicht. Kennzeichnend waren jeweils Ausgangssituationen mit hohem Restrukturierungsbedarf, im Fall Skoda zusätzlich erschwert durch die laufende Systemtransformation in der Tschechischen Republik nach der „Velvet Revolution“.
9
Mit diesem Buch möchten wir dazu anregen, sich vertieft mit den Themen Markenführung, Marketingstrategie und operatives Marketing nach den Leitlinien einer starken Marke auseinanderzusetzen. Dabei wollen wir mit der Automobilbranche und der Energiebranche zwei aus der Sicht vieler Experten in punkto Kundeninteresse vollkommen unterschiedliche Branchen beleuchten und belegen, dass die Bedeutung der Markenführung und des Marketings sich in beiden Branchen in keiner Weise unterscheidet. Audi als Premiummarke im Automobilmarkt mit physisch erlebbaren und stark emotionalen Produkten bildet den Gegenpunkt zum Strom mit den Marken EnBW und Yello. Mit Case Studies wird die jeweilige Markenführung von EnBW, Yello und Audi einander gegenübergestellt, Gemeinsamkeiten und Unterschiede werden herausgearbeitet. Die EnBW Energie Baden-Württemberg AG mit Hauptsitz in Karlsruhe ist mit rund sechs Millionen Kunden das drittgrößte deutsche Energieversorgungsunternehmen. Im Jahr 2008 erwirtschaftete EnBW einen Jahresumsatz von über 16 Milliarden Euro und beschäftigte mehr als 20.000 Mitarbeiter. Kernaktivitäten sind die Geschäftsfelder Strom, Gas sowie Energie- und Umweltdienstleistungen. Traditionell ist die EnBW fest in Baden-Württemberg verwurzelt. Darüber hinaus ist das Unternehmen in ganz Deutschland sowie in weiteren Märkten Mittel- und Osteuropas aktiv. Im Zuge der Liberalisierung des Strommarkts hat sich EnBW frühzeitig im Wettbewerb orientiert und Strom als erstes Energieunternehmen in ganz Deutschland angeboten. Als Vordenker und Wegbereiter auf dem Energiemarkt gibt das Unternehmen Impulse für die wissenschaftliche Forschung, Entwicklung und Innovation. Durch die Entwicklung neuer Konzepte und Ideen spielt EnBW einen aktiven Part in der energiepolitischen Gestaltung der Zukunft. Das Energieunternehmen versteht sich im Sinne der Nachhaltigkeit als ein wirtschaftlich, gesellschaftlich und ökologisch agierender Teil der Gesellschaft und ist bestrebt, der Verantwortung für zukünftige Generationen gerecht zu werden. Yello Strom ist eine hundertprozentige Tochter der EnBW Energie Baden-Württemberg AG und gehört mit mehr als 1,4 Millionen Kunden zu den Top 10 Stromunternehmen. Kunden verbinden mit der Marke Yello einen dauerhaft günstigen Preis und einen einfachen Anbieterwechsel. Was den Kunden noch wichtig ist: Yello ist stark, innovativ, sympathisch, frech und verlässlich. Deswegen wächst das Unternehmen auch jeden Tag und baut seine Position stetig aus – über ein Drittel aller wechselwilligen Kunden hat sich für den gelben Strom von Yello entschieden. Fast jeder Deutsche kennt Yello. Im August 1999 staunte ganz Deutschland beim Marktstart von Yello und über die Botschaft: „Also ich glaube, Strom ist gelb“. Heute kennt fast jedes Kind Yello: Die Werbespots (Slogan: „Gelb. Gut. Günstig.“) klären über die Möglichkeiten beim Anbieterwechsel auf und machen Yello bei fast 100 Prozent der deutschen Bevölkerung bekannt. Heute liegt die gestützte Markenbekanntheit von Yello in Deutschland bei einem Durchschnittswert von 97 Prozent. Und Yello ist mehr als nur ein günstiger Preis. Beim ersten großen Stromanbietervergleich im Jahr 2005 wurden die 100 wichtigsten deutschen Stromanbieter getestet: Preise, Service, Stellung des Kunden – das Ergebnis: Yello wurde Testsieger (Focus, Heft 13, März 2005). Auch beim zweiten Anbietervergleich 2006 wurde Yello erneut Testsieger (Focus-Money, Nr. 22, Mai 2006). Durchgängig Bestnoten gab es für Yello auch im dritten Stromanbietervergleich in den Kategorien „Vertragsbedingungen und Services“ (Focus-Money, Nr. 30, Juli 2007) – Testurteil: Sehr gut! Auch 2008 konnte Yello wieder erfolgreich den Stromanbietervergleich dominieren. So kommt auch die Langzeitstudie des Marktforschungs-
10
instituts „Kundenmonitor Deutschland“ in den Jahren 2006 bis 2008 zu dem Ergebnis: Yello hat die zufriedensten Kunden in der deutschen Stromwirtschaft. Nachdem Yello ab 1999 den Wettbewerb im liberalisierten Strommarkt nach vorne getrieben hat, eröffnet Yello den Wettbewerb nun auch in dem bisherigen Monopolbereich „Zähl- und Messwesen“ und bietet seit Dezember 2008 den Sparzähler online an. Mit dem Sparzähler online können Verbraucher Stromfresser in den eigenen vier Wänden aufspüren, ihren Stromverbrauch insgesamt dauerhaft senken und dadurch Kosten sparen. Seit über 100 Jahren gilt die AUDI AG als Hersteller außergewöhnlicher Automobile. Begonnen wurde die Produktion mit sehr hochwertigen, exklusiven Automobilen, bevor sich das Unternehmen zunehmend auf preiswertere Fahrzeuge konzentrierte. Veränderte Marktbedingungen in den 90er Jahren bewegten Audi allerdings zur Rückbesinnung auf die alten Markenwerte. Der eher traditionelle Automobilbauer wandelte sich innerhalb weniger Jahre zu einer der emotionalsten Marken im Premiumsegment. Das Audi-Signet – die ‚Vier Ringe‘ – ist das Zeichen eines der ältesten Automobilhersteller in Deutschland. Es symbolisiert den 1932 vollzogenen Zusammenschluss von vier bis dahin unabhängigen Kraftfahrzeugherstellern: Audi, DKW, Horch und Wanderer. Sie sind die Wurzeln der heutigen AUDI AG. Der Ingenieur August Horch gründete im Jahr 1899 seine Firma August Horch & Cie. 1909 verließ er die eigene Firma und gründete die August Horch Automobilwerke GmbH. Aber: Die neuen Direktoren der Horchwerke hatten den Namen schützen lassen. Daher übersetzte er kurzerhand seinen eigenen Namen ins Lateinische: Horch! = Audi! So entstand die Audi Automobilwerke GmbH. 1910 lief das erste Automobil unter dem Namen Audi vom Band. In ihrer langen Geschichte vereinte man die Firmen DKW, Wanderer, Horch, Audi und NSU zur Auto Union. Seit 1985 existiert der Konzern als AUDI AG. Aber noch heute fühlen sich die Mitarbeiter von Audi der Philosophie August Horchs verpflichtet: „Ich bin unter allen Umständen bestrebt, nur starke und gute Wagen zu bauen.“ Audi hat in seiner langen Geschichte stets bewiesen, dass man aus einem sehr guten Automobil immer ein noch besseres machen kann. Der Audi quattro war 1980 das erste Serienfahrzeug mit Allradantrieb, der A8 1994 das erste Auto mit dem leichten und gleichzeitig hochstabilen Audi Space Frame® aus Aluminium. Und die beiden Direkteinspritzverfahren TDI® und FSI® sorgen heute sowohl bei Diesel- als auch bei Benzinfahrzeugen für einen deutlich verringerten Kraftstoffverbrauch und höchste Leistung. Im Bereich Komfortelektronik setzt Audi mit dem Multimedia Interface und MMI neue Maßstäbe. Unter dem Dach des Audi-Konzerns entstehen nicht nur Automobile. Zum Unternehmen gehören auch verschiedene Motorenwerke in Ungarn und England. Cosworth Technology zum Beispiel hat sich auf Hochleistungsmotoren spezialisiert, während die bei Audi Hungaria gefertigten Motoren im gesamten Volkswagen-Konzern eingesetzt werden. In Zusammenarbeit mit der quattro GmbH entstehen die äußerst sportlichen und individuellen S- und RS-Modelle, die die Marke Audi zusätzlich emotionalisieren. Am deutlichsten wird die Sportkompetenz von Audi bei Lamborghini, einer 100-prozentigen Tochter. Die Fahrzeuge aus der italienischen Edelschmiede gelten weltweit als Benchmark im Bereich exklusiver Sportwagen.
11
Aufgrund der einfließenden Praxiserfahrung aus den sehr unterschiedlichen Branchen Energie und Automobil ist das vorliegende Buch auch ein Plädoyer für eine Erweiterung des traditionellen Markenverständnisses. Marketing wurde in Theorie und Praxis lange Zeit vom so genannten 4P-Ansatz geprägt, der die Marketinginstrumente ins Zentrum der Betrachtung stellt. Product bezeichnet die Angebotspolitik mit Produktinnovation und Produktmodifikationen. Price bezieht sich auf die Konditionen- und Preispolitik. Unter Promotion werden die klassische Werbung, das Direktmarketing und die Öffentlichkeitsarbeit zusammengefasst – zunehmend ergänzt von Sponsoring und unterschiedlichen Formen des Eventmarketings wie Messen und Road-Shows. Place schließlich symbolisiert die Distributionspolitik mit unterschiedlichen Vertriebsformen und Steuerungsmechanismen. Marketing ist nach unserem Verständnis allerdings heute viel mehr als der Einsatz der Marketinginstrumente. Marketing bedeutet die konsequente Führung des Unternehmens vom Markt her. Diese Führungsrolle für das Gesamtunternehmen kann das Marketing nur dann erfolgreich ausfüllen, wenn der Marketingstrategie ein klares Markenleitbild zugrunde liegt, das sowohl Kundennutzen als auch die Differenzierung vom Wettbewerb in klarer Form verdeutlicht. Das heißt, die Positionierung der Marke im relevanten Umfeld von Markt und Stakeholdern ist der erste Schritt einer sinnvollen Marketingstrategie. Insofern findet der klassische 4P-Ansatz mit dem „Positioning“, der Positionierung der Marke, eine erste notwendige Ergänzung. Damit Marketing seine Führungsfunktion im Unternehmen erfolgreich umsetzen kann, bedarf es allerdings der Überwindung von oftmals noch rein funktional oder divisional geprägten Organisationsstrukturen. Die Abgrenzung von Funktionen und Hierarchieebenen im Unternehmen führt fast zwangsläufig zu Insellösungen. Solche Insellösungen erschweren die Definition und Optimierung von Prozessen mit den hinreichend bekannten Negativeffekten, die umso schwerer wiegen, je größer eine Organisation wird. Ein umfassendes Marketingverständnis sollte den Anspruch haben, die kritischen marktorientierten Prozesse in der gesamten Wertschöpfungskette zu optimieren. Jede Prozessstufe muss die nächste Stufe als internen Kunden anerkennen, ihre Anforderungen kennen und dauerhaft erfüllen. Dabei müssen die Partner in der Wertschöpfungskette, wie Zulieferer und Entwicklungspartner aber auch Logistikdienstleister, integriert werden. Das heißt, letztlich ist dies nichts anderes als ein unternehmensübergreifendes, markt- und kundenorientiertes Prozessmanagement. So kann zum Beispiel die Entwicklung neuer Produkte nur dann erfolgreich sein, wenn alle Funktionen im Unternehmen in den Prozess integriert werden. Die Einführung eines Customer Relationship Management-Systems betrifft nicht nur Marketing oder IT, sondern den Vertrieb, den Service, die Entwicklung und die Produktion. In allen Funktionen gibt es Informationen, die für das Customer Relationship Management benötigt werden. Gleichzeitig helfen Daten aus dem Customer Relationship Management in allen Bereichen die Markt- und Kundenorientierung zu verbessern. Process Engineering, also die Gestaltung und Optimierung der Prozesse vom und zum Markt und anderen Anspruchsgruppen gehört damit zwingend zu einem ganzheitlichen Marketingverständnis und ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass ein Unternehmen vom Markt her geführt werden kann.
12
Ein ganzheitliches Marketingverständnis, wie wir es verstehen, erfordert somit ein grundsätzliches Umdenken und ein neues Verhalten auch in Bereichen und Abteilungen, die nicht auf den ersten Blick nah am Markt und am Kunden agieren. Eine unternehmensübergreifende Teamorientierung ist wichtig. Überall da, wo es darum geht, die Leistungen im Markt zu verbessern, sollten Mitarbeiter aus allen Funktionen darin bestärkt werden, sich im Team für eine permanente Verbesserung der Leistung im Interesse des Kunden einzusetzen und auch Verantwortung zu übernehmen. Qualifikation, Motivation und Verantwortung sind wesentliche Erfolgsfaktoren. Es geht also im Marketing nicht nur um Analytik und Fakten, sondern vor allem um Menschen. Hauptsächlich um deren Bereitschaft und Fähigkeit, alte Konzepte – wie die strikte Trennung von Abteilungen – im Interesse des Kunden durch neue auszutauschen. Insofern erfordert unser Marketingverständnis ganz explizit „People“: Die Menschen müssen im Unternehmen und bei den Partnern im Markt eingebunden werden. Die wesentlichen Instrumente schildern wir im Abschnitt 5.2.2. „Behavioral Branding“. Das klassische Marketing findet damit eine weitere sinnvolle Ergänzung der Perspektive. Markenführung und Marketing sind für jedes Unternehmen die wichtigsten Managementaufgaben. Sie erfordern daher eine ebenso große Planungssorgfalt wie etwa die Finanzplanung oder die Produktionsplanung eines Unternehmens. Dies ist umso wichtiger, wenn man beachtet, dass neben harten Kennzahlen gerade im Marketing oft mit eher weichen, schwer zu erhebenden Faktoren wie Image, Positionierung, Markenwerten oder Einstellungen gearbeitet werden muss. Diese gilt es messbar und damit auch steuerbar zu machen. Die Planung „Planning“ ist damit ein weiterer Aspekt, dem wir insbesondere in den Abschnitten zur Markenführung breiteren Raum widmen. Marketing kommt heute nicht mehr ohne einen klaren Management-Fokus aus, und Erfolg im Markt kommt eben nicht „aus dem Bauch“. Daher ist die Erweiterung des tradierten 4P-Ansatzes überfällig. Dieser Erkenntnis folgend haben wir in unserer Arbeit im Marketing und in diesem Buch weitere 4Ps hinzugefügt und integriert. Der 8P-Ansatz eines markt- und kundenorientierten Managements ist das Ergebnis. Danach managen erfolgreiche Unternehmen den Markt – erfolglose managen sich selbst.
Dr. h.c. Detlef Schmidt
Dr. Peter Vest
13
14
le eop P . 8
Markenleitbild und Markensteuerrad
Vertrieb
Markenführungskonzept
g nnin Pla 2.
7. Pl ace
Mitarbeiter und Partner (Brand Behavior)
1. Pos itio nin g
Markenführung nach Brand Scorecard
Kunden, Märkte, Stakeholder
Preise und Konditionen
5. Pri cing
Auf die Zielgruppen gerichtete Prozesse
3. Pro ces ses
n tio mo 6. Pro
Kommunikation
Leistungsspektrum, Produkte und Services
uct d o 4. Pr
15
Teil I Markenführung als strategische Managementaufgabe
1. Marketing und Markenführung
1.1 Marketing im Wandel der Zeit Das Marketing hat im Zuge seiner kontinuierlichen Entwicklung eine Reihe von Phasen durchlaufen, in denen jeweils ein anderer Schwerpunkt im Vordergrund stand. Abbildung 1 veranschaulicht die aufeinanderfolgenden Entwicklungsphasen.
Inhaltlicher Fokus des Marketings
Netzwerke Umweltorientierung
Umwelt
Umwelt
Wettbewerber
Wettbewerber
Wettbewerber
Handel
Handel
Handel
Handel
Verbrauch
Verbrauch
Verbrauch
Verbrauch
Verbrauch
Unternehmung
Unternehmung
Unternehmung
Unternehmung
Unternehmung
Wettbewerbsorientierung Handelsorientierung
fu un
gs
as sf
18
ra te g St
Fü s al g in ke t ar M
in ke t ar M
Abbildung 1: Die Entwicklung des Marketings
is
hr
gp En te an in m
do s al g
n nk
kt un
nk fu ns io ut ib
st r Di s al g in ke t ar
tio
io
tio
n
n
Anspruchsspektrum des Marketings
1970er
1980er
1990er
2000er
ch es ke M t ar in ing ke te a tin gr ls ie m g In rt a di es rk vid t Fü or ue hr ie lle un nti s, gs er m ul ko tes ito nz , pt ep t Be ion zie ale hu s v ng er sm ne ar tzte ke s tin g
1960er
1950er
ar
Unternehmung
Distributionsorientierung
M
Verbraucherorientierung
M
Marketing und Markenführung
1.
Diese Entwicklung verdeutlicht, dass im Laufe der Zeit das Marketing im Unternehmen sukzessive eine Führungsfunktion übernommen hat. Zentrale Merkmale dieser Funktion des Marketings sind: Eine bewusste Absatz- und Kundenorientierung aller Unternehmensbereiche Der Kunde steht im Mittelpunkt aller unternehmerischen Aktivitäten und sämtlicher Funktionsbereiche des Unternehmens – vom Einkauf bis hin zum Vertrieb. Dazu werden die Markt- und Kundenbedürfnisse detailliert analysiert, um alle Unternehmensaktivitäten gezielt daran auszurichten. Ein systematischer Planungs- und Entscheidungsprozess Marketing als Managementfunktion erfordert ein Entscheidungsverhalten, das auf einer systematischen Planung basiert. Suche nach kreativen und innovativen Problemlösungen Markterfolge werden nicht allein durch ein analytisches Vorgehen erzielt, sondern darüber hinaus durch kreative und innovative Problemlösungen. Marketing umfasst daher auch die Suche nach ungewöhnlichen und einzigartigen Lösungen, um Innovationen im Markt erfolgreich durchzusetzen.
19
1.1 Marketing im Wandel der Zeit
In der Phase der Produktionsorientierung, in deren Verlauf Fragen der technischen Rationalisierung und die Analyse mittels Kostenrechnung im Mittelpunkt standen, kam dem Vertrieb eher eine Verteilerfunktion zu. Von Marketing konnte man in dieser Phase noch nicht sprechen. Der Produktionsorientierung schließt sich die Phase der Verkaufsorientierung an. Nachdem der Angebotsengpass bei vielen Gütern in den Industrienationen durch den Aufbau ausreichender Produktionskapazitäten gelöst war, entwickelte sich der Absatz zum Engpassfaktor. Um diesen zu fördern, wurden daher erstmals Verkaufsförderungsmaßnahmen und Werbung eingesetzt. Der Vertrieb war aber weiterhin eine der Produktion nachgelagerte Unternehmensfunktion. Es folgte die Phase der Markt- und Kundenorientierung, in der sich das gesamte Unternehmen an den Wünschen und Bedürfnissen der Kunden orientierte. Hier entwickelte sich der betriebliche Funktionsbereich Vertrieb hin zum Marketing als eine Führungsfunktion. Um dem immer intensiver werdenden Wettbewerb zu begegnen, fügte die Phase der Marktorientierung eine weitere Perspektive hinzu: die strategische Unternehmensplanung, die nun komplementär mit dem Marketing als Führungsfunktion interagierte. Darüber hinaus hing das Überleben einer Unternehmung auch davon ab, ob die Forderungen und Bedürfnisse aller relevanten Anspruchsgruppen hinreichend berücksichtigt wurden. Innerhalb der Phase der Umweltorientierung fand daher der Stakeholder– Ansatz zunehmende Berücksichtigung. Gerade in den letzten Jahren ging die Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien mit einer Zunahme der Bedeutung von Netzwerken im Unternehmen und der Kommunikation mit den unternehmensexternen Anspruchsgruppen (Internet und Intranet) einher.
Eine systematische Marktsuche, Markterschließung und Markterhaltung Beim strategischen Marketing stehen die Auswahl neuer Märkte, die Gewichtung vorhandener Märkte sowie der Austritt aus Märkten im Mittelpunkt unternehmerischer Entscheidungen. Voraussetzung für eine solche marktorientierte Vorgehensweise sind detaillierte Kenntnisse über den entsprechenden Markt.
Marketing und Markenführung
1.
Eine ganzheitliche Betrachtung aller Zusammenhänge im Innen- und Außenverhältnis Die Kernaufgabe des Marketings ist die Koordination aller relevanten Zusammenhänge nach innen und nach außen. Die Koordination nach innen umfasst die Abstimmung der Marketinginstrumente zu einem zielorientierten Marketing-Mix. Die Koordination nach außen gewinnt insbesondere beim indirekten Vertrieb durch das Einschalten einer Vielzahl von Absatzmittlern an Bedeutung. Der Hersteller kontrolliert in diesem Fall nur die produktspezifischen Marketingmaßnahmen, indem er autonom die Produktpolitik und die endabnehmergerichtete Kommunikation festlegt. Einen anderen Teil der Maßnahmen konzipiert und produziert zwar der Hersteller, allerdings hängt die konkrete Umsetzung von der Kooperationsbereitschaft des Handels ab. Diese Maßnahmen werden um handelsgerichtete Maßnahmen ergänzt, die darauf zielen, den Handel zu gewinnen, das Produkt zu listen und im Sortiment aufzunehmen. Für ein erfolgreiches Marketing ist es daher notwendig, alle Funktionsbereiche, die direkt oder indirekt mit dem Absatzmarkt in Bezug stehen, zu koordinieren, um ein integriertes Vorgehen im Unternehmen und vor allem am Markt sicherzustellen. Durch ein integriertes Marketing lassen sich Synergiepotenziale nutzen und die Wirkung gegenüber dem Kunden erhöhen. Eine differenzierte Bearbeitung der Märkte im Sinne einer Marktsegmentierung Aufgrund einer zunehmenden Fragmentierung der Märkte ist es die Aufgabe des Marketings, die Märkte und Zielgruppen zu segmentieren und einen segmentspezifischen Marketing-Mix bereitzustellen, um den individuellen Anforderungen und Bedürfnissen zu entsprechen. Die Übernahme von sozialer und gesellschaftlicher Verantwortung Gemäß der Grundidee des Stakeholder-Ansatzes sind es nicht nur die Kunden und die Anteilseigner, denen das Interesse des Marketings gelten soll, sondern alle Anspruchsgruppen des Unternehmens. Die Ausrichtung am Kundennutzen Die wesentliche Absicht des Marketings ist eine Steigerung des Kundennutzens durch das angebotene Leistungsspektrum. Betrachtet man das Marketing nicht nur als eine gleichberechtigte Unternehmensfunktion, sondern als ein umfassendes Leitkonzept des Managements im Sinne einer ganzheitlichen Unternehmensphilosophie, ergibt sich das duale Konzept einer marktorientierten Unternehmensführung. Im Sinne des 8P-Ansatzes ist es die Aufgabe der Unternehmens- und Markenführung, mit besonderer Sorgfalt die strategische Ausrichtung der Marke und damit des Unternehmens zu planen (Planning). Der Fokus liegt dabei nicht allein auf den finanzwirtschaftlichen Größen wie Umsatz, Return on Investment (ROI) und Deckungsbeiträgen, sondern vielmehr auch in der Planung, Führung und Kontrolle qualitativer Größen wie Positionierung, Image und Leben der Marke im Unternehmen.
20
Das Marketing, verstanden als duales Konzept, findet seinen Niederschlag in zwei Bereichen: Der funktionale Kern des Marketings, also der Absatz- und Vertriebsbereich, nimmt die Rolle einer gleichberechtigten Unternehmensfunktion ein.
Die Relevanz von Marketing als Führungsfunktion zur Ausrichtung aller Unternehmensbereiche auf den Kunden, seine Bedürfnisse und Anforderungen sowie auf alle Anspruchsgruppen des Unternehmens ist unumstritten. Immer wieder entflammt jedoch die Diskussion zwischen Theoretikern und Praktikern dahingehend, ob nun die Markenführung dem Produktmanagement zugehörig ist und damit dem Marketing untergeordnet ist oder aber die Markenführung die Leitfunktion einnimmt, an der sich das Marketing mit allen seinen zur Verfügung stehenden Instrumenten ausrichtet. Die Marke vermittelt dem Produkt und dem Unternehmen in der Wahrnehmung des Kunden ein Bild, das sie von anderen Produkten differenziert und im Wettbewerb profiliert. Die Marke und das Markenimage geben dann die Vorgaben für die Ausgestaltung des Marketings und des Marketing-Mix.
21
1.1 Marketing im Wandel der Zeit
Das Marketing als Leitkonzept der Unternehmensführung stellt im Spannungsfeld zwischen Konsumenten, Handel und Wettbewerbern eine marktorientierte Koordination aller betrieblichen Funktionen im Sinne von „Shared Values“ sicher. Somit wird das gesamte Unternehmen funktionsübergreifend auf die Bedürfnisse aktueller und potenzieller Kunden ausgerichtet. Das Leistungsangebot ist dabei so zu gestalten, dass der Kunde es gegenüber den Wettbewerbern als vorteilhaft beurteilt und der komparative Wettbewerbsvorteil durch den Kunden wahrnehmbar ist. Solche Vorteile begründen Kundenzufriedenheit, führen zu Kundenbindung und Kundenloyalität und bilden damit die Grundlage für das Erreichen der ökonomischen Ziele eines Unternehmens.
Marketing und Markenführung
1.
1.2 Markenführung als Leitfunktion unternehmerischen Handelns Die Führung von Marken erscheint aufgrund der zahlreichen in Wissenschaft und Praxis diskutierten Einflussfaktoren auf die Markenführung als ein sehr komplexes Unterfangen. Zahlreiche Erfolgsbeispiele sowohl etablierter als auch junger Marken belegen jedoch, dass die Markenführung ein zentraler Gestaltungsparameter von Unternehmen ist und somit zu einem nachhaltigen und langfristigen Unternehmenserfolg beitragen kann. Unabhängig von der Problematik einer exakten Spezifizierung des Wertbeitrages der Marke herrscht Einigkeit darüber, dass die Marke einen erheblichen Anteil am Unternehmenswert ausmacht. So haben sich im Jahr 2005 die Umsätze für Markenwaren auf 361 Milliarden Euro erhöht (+ vier Prozent gegenüber 2004). Die Wertsteigerung börsennotierter Markenartikler liegt bis zu 60 Prozent über der Wertsteigerung börsennotierter Unternehmen, die keine Marken anbieten. Folglich sind Unternehmen bestrebt, einen so bedeutenden Wertetreiber nicht unkoordiniert den Marktkräften zu überlassen, sondern die Marke konsequent zu führen und zielorientiert zu steuern. Eine Studie von Sattler und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC (2001) kommt zu dem Ergebnis, dass Marken im Durchschnitt 56 Prozent des Wertes von Unternehmen ausmachen. 80 Prozent der in der Untersuchung befragten Führungskräfte glauben außerdem, dass die Bedeutung der Marke für den Unternehmenserfolg zukünftig noch weiter wachsen wird. Bei globalen Marken (Global Brands) liegt die Börsenbewertung um 10- bis 20-mal höher als der Gesamtumsatz des Unternehmens. Nicht zuletzt die neuen Bilanzierungsstandards, die die Nachhaltigkeit und die Steigerung des Unternehmenswertes durch die Marke anerkennen sowie die von außen an Unternehmen herangetragene Notwendigkeit eines umfassenden Risikomanagement rücken die Bilanzierung des Markenwertes bei Mergers & Acquisitions und bei Unternehmensübernahmen nach vorne und schaffen somit Schnittstellen in der Zahlenwelt des Unternehmens. Abteilungen, die bisher nie mit der Marke in Berührung gekommen sind, sind auf einmal mitverantwortlich für deren langfristige (Wert-)Entwicklung. Dazu müssen die Markenwerte im Idealfall in jeden operativen Aufgabenbereich übersetzt werden – bis hin in einzelne Prozesse mit einer aufgabenspezifischen Interpretation: als Kommunikationsleitbild für das Marketing und die PR, als Pflichtenheft für die IT-Abteilung, als Reporting-Vorgabe und Controllingschema für die Finanzabteilung oder Recruitingguideline für die Personalabteilung. Damit entstehen praxisnahe Übersetzungstools mit der Marke als übergeordnetem, gemeinsamen Nenner. Alle Umsetzungsimplikationen besitzen einen hohen verbindenden Charakter, weil sie konsequent aus der Marke abgeleitet sind. In allen Abteilungen agieren die Verantwortlichen im Idealfall als interne Brandmanager, die ihre spezifischen Aufgaben an klaren und motivierenden Vorgaben ausrichten und messen. Die Markenwerte als Selbstverständnis des gesamten Unternehmens wirken daran mit, das Markenversprechen gegenüber den Stakeholdern des Unternehmens zu erfüllen.
22
Markenführung als Leitfunktion bei Audi. Das Management des Audi Konzerns richtet seine Geschäftstätigkeit konsequent an dem Ziel aus, die Marke Audi bis zum Jahr 2015 als erfolgreichste Premiummarke weltweit zu etablieren. Um dieses Ziel zu erreichen, hat Audi einen detaillierten Maßnahmenkatalog ausgearbeitet, um die beschlossenen Meilensteine auf diesem Weg zu realisieren. Die Eckpunkte dieses Maßnahmenplans bilden vier strategische Zieldimensionen:
AUDI – ERFOLGREICHSTE PREMIUMMARKE Kundenbegeisterung und Imageführer in Emotion und Qualität
Attraktivster Arbeitgeber
Volumenwachstum auf 1,5 Mio. Fahrzeuge
Markenführung als Leitfunktion unternehmerischen Handelns
Deutliche Erhöhung der Ertragskraft
1.2
In all seinen Wachstumsbestrebungen setzt Audi in erster Linie auf ein qualitatives und nachhaltiges Wachstum. Neben dem Erreichen der Volumenziele steht vor allem die Verbesserung der Profitabilität im Mittelpunkt der verfolgten Wachstumsstrategie. Möglich wird dies durch eine kontinuierliche Analyse und Verbesserung der Unternehmensprozesse. So tragen innovative Entwicklungs- und Produktionsmethoden dazu bei, eine flexible und kosteneffiziente Umsetzung zukünftiger Fahrzeugprojekte zu gewährleisten. Sie sind die Grundlage einer intelligenten Fahrzeugarchitektur bei Audi, die umfangreiche Synergiepotenziale eröffnet. Denn es sind die Automobile, die einer der wichtigsten Treiber für Image und Prestige der Marke sind. Gerade in Zeiten eines stetig wachsenden Wettbewerbs bildet eine möglichst starke und begehrenswerte Marke die Basis für einen anhaltenden Erfolg. Das Ziel ist es daher auch in den kommenden Jahren, die Imageposition der Marke Audi weltweit nachhaltig zu stärken und auszubauen. Die sportlichen Erfolge der Marke Audi unterstreichen den sportlichen Anspruch der Marke. Mit dem R10 TDI gewinnt erstmals ein Rennwagen mit einem Dieselmotor die Gesamtwertung des 24h-Rennen von Le Mans. Mit dem A3, A4, dem A6 und dem A8 belegt die Marke Audi immer wieder die ersten Plätze in den jeweiligen Kategorien bei der Leserwahl des Automagazin „auto motor sport“. Nicht nur in der nationalen Presse auch international erhalten die Fahrzeuge der Marke Audi zahlreiche Auszeichnungen. Hinter dem Strategiebaustein „attraktivster Arbeitgeber“, steht die Überzeugung, dass das Unternehmen langfristig kompetente und engagierte Mitarbeiter für sich begeistern muss. Hierzu gehört es, ein Umfeld anzubieten, in dem sich hochmotivierte Mitarbeiter kontinuierlich weiterentwickeln können. Die hohe Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter zahlt sich aber auch unter monetären Aspekten aus: die Mitarbeiter sind ergebnisabhängig am Erfolg beteiligt. Im Jahr 2005 wurde die leistungsorientierte Entlohnung neu gestaltet und in ihrer Attraktivität noch weiter gesteigert. Nur mit hochmotivierten und leistungsfähigen Mitarbeitern lassen sich die faszinierenden Fahrzeuge der Marke Audi entwickeln und herstellen, die den hohen Kundenanforderungen gerecht werden. Als weitere Dimension auf dem Weg zur erfolgreichsten Premiummarke hat sich Audi das Ziel gesetzt, bis 2015 mehr als 1,5 Millionen Fahrzeuge an Kunden zu verkaufen. Dazu wird die bestehende Modellpalette um neue Produktlinien und Derivate erweitert – der Q7, R8 oder A5 sind erste Botschafter der geplanten Modelloffensive. Nicht nur neue Produkte, auch neue Märkte tragen dazu bei, das Ziel zu erreichen. So werden zum Beispiel Wachstumsmärkte, wie Indien, bereits in einem frühen Stadium zielgerichtet aufgebaut und in einem bereits etablierten Wachstumsmarkt, wie China, wird kontinuierlich investiert. Die gesamte Unternehmensstrategie von Audi ist damit vollständig auf die Marke und deren nachhaltige Etablierung als Premiummarke ausgerichtet.
23
Marketing und Markenführung
1.
Voraussetzung für eine solchermaßen erfolgreiche Markenführung ist das exakte und kontinuierliche Erfassen und Aufbereiten entscheidungsrelevanter Informationen und deren Integration in den Markenführungsprozess. Der Markenführungsprozess – Planung, Steuerung und Kontrolle der Marke – beginnt mit einer Bestandsaufnahme der Markenleistung, die Rückschlüsse auf die Quellen der Markenleistung zulässt. Die Kontrolle der Markenleistung führt dann aus einem Vergleich von definierten Soll-Größen mit den tatsächlich erreichten Ist-Größen zur direkten Ableitung von Maßnahmen. Um die Wirkungen der Marke zu verstehen und erklären zu können, erfolgt die Beurteilung einer Marke aus der Kundenperspektive. In der Praxis haben sich eine Vielzahl an Verfahren herausgebildet, die den Wert einer Marke bestimmen und damit eine Aussage über den Markenerfolg zu treffen versuchen. Die unterschiedlichen Ansätze zeigen allerdings gleichzeitig die Problematik der Markenbewertung: Verschiedene Ansätze zur Markenbewertung führen bei identischen Marken zu Ergebnissen, die um mehrere hundert Prozent voneinander abweichen können und untereinander nicht vergleichbar sind. So bewertete Interbrand beispielsweise den Markenwert von Volkswagen für das Jahr 2005 mit knapp 4,7 Milliarden Euro, während Semion den Markenwert mit rund 16,2 Milliarden Euro angab. Auch im Zeitvergleich ergeben sich teilweise nicht nachvollziehbare Schwankungen. Interbrand zum Beispiel bewertete Yahoo 1999 mit 1,7 Milliarden Euro, 2000 mit 6,8 Milliarden Euro, 2001 mit 4,9 Milliarden Euro. Eine 2004 von Absatzwirtschaft in Zusammenarbeit mit PricewaterhouseCoopers (PwC) veröffentlichte Studie zum Vergleich alternativer Bewertungsansätze von neun Instituten belegt das Bewertungsproblem. Bei der Bewertung einer fiktiven Marke führen die neun angewandten Modelle zu Markenwerten zwischen 173 Millionen und 958 Millionen Euro. Berichte und Rankings von Markenunternehmen sind daher immer im Zusammenhang mit der Bewertungsmethodik zu betrachten. Für die Markenführung muss eine sinnvolle Methodik ausgewählt und konsequent beibehalten werden (siehe Kapitel 5). Unabhängig von der Bewertungsmethodik gilt: Der Einfluss der Markenführung und damit die Bedeutung der Marke ist über alle Branchen hinweg stetig steigend. Viele Industrien und Branchen, die nicht gerade als traditionell markenaffin bekannt sind, betrachten die Marke nun als relevantes Wettbewerbsinstrument. Der Erfolg einer konsistenten und integrierten Markenführung zeigt sich gerade in Märkten, die dereguliert wurden und nun im Wettbewerb stehen wie beispielsweise der Energie- und der Telekommunikationsmarkt. Nachfolgend soll am Beispiel des Energiemarktes und des Automobilmarktes kurz auf die Auswirkungen veränderter Rahmenbedingungen eingegangen werden.
Veränderte Rahmenbedingungen im Energiemarkt Auf dem Energiemarkt begann alles im Jahre 1844 mit der Beleuchtung des Place de la Concorde in Paris durch ein Bogenlicht. Die Gründerjahre der Stromwirtschaft bis 1880 waren geprägt durch einzelne Erfindungen und Entdeckungen. Es gab im Wesentlichen nur Versuchsanlagen, und die elektrische Beleuchtung konnte sich nur langsam als Alternative zum Gaslicht entwickeln. Bis dahin war Strom aufgrund der hohen Kosten ein reines Prestigeobjekt.
24
Erst im Zuge der ersten Ölpreiskrise Mitte der 70er Jahre wurden Begriffe wie Energiesparen, Endlichkeit der Ressourcen und Umweltschutz in einen Zusammenhang mit Energienanwendungen im privaten und gewerblichen Bereich gebracht. Das energiewirtschaftliche und politische Umfeld in Deutschland wurde erstmals aufgerüttelt und das bisherige Vorgehen hinterfragt. Eine zweite Welle der Veränderungen von Grundeinstellungen zur Stromwirtschaft hatte Mitte der 80er Jahre ihren Zenit. Ursache hierfür waren die zunehmenden Ängste in der Bevölkerung vor einer möglichen atomaren Verseuchung, die Diskussion um Entsorgungsproblematiken sowie das Waldsterben durch „sauren“ Regen. Die Marketingmaßnahmen und hier insbesondere die Kommunikationsmaßnahmen der Energieversorger fokussierten als Reaktion auf die veränderte öffentliche Meinung auf die Darstellung der Vorzüge von Stromanwendungen im Allgemeinen, den hohen Sicherheitsstandards in den deutschen Kraftwerken sowie auf technische Nachrüstungen von Rauchgasentschwefelungsanlagen in fossil befeuerten Kraftwerken. Mitte 1998 begann die EU, den Energiesektor zu liberalisieren. Hierdurch kam es zu zahlreichen Veränderungen auf dem deutschen und europäischen Elektrizitätssektor. Durch den Wegfall der Gebietsgrenzen konnten erstmals neue Anbieter bzw. ortsfremde Energieversorger Strom in bisher abgeschottete Gebiete liefern. Aus „Abnahmestellen“ wurden nun Kunden. Es war nun an den Energieversorgern die ehemalige Monopolstellung zu verlassen und sich aktiv um die Kunden zu kümmern. Damit war die Stunde des Marketings auch für die Energiebranche gekommen: Unternehmen mussten bekannt gemacht werden (zum Beispiel EnBW, Eon). Netzunabhängige Marktteilnehmer wie Yello Strom, LichtBlick, Ares, bestenergy oder Ampère warben um Kunden. Das physisch nicht greifbare Produkt Strom wurde zu einer Marke. Strom bekam eine Farbe („Strom ist gelb“), wurde umweltfreundlich („Greenpeace energy“) oder konnte im Energie-Mix zusammengestellt werden („Mix-it baby“). Yello Strom im Kleinkundensegment und EnBW im Industriekundensegment waren die Vorreiter bei der Entwicklung von Markenbewusstsein und Identifizierung mit einer Strommarke. EnBW konnte sich mit branchen- und kundenspezifischen Angeboten als ein innovatives Unternehmen positionieren. Mit dem Slogan „gut, gelb, günstig“ und der Aussage „Strom ist gelb“ ist Yello eine Markeneinführung geglückt, die bezüglich Bekanntheits- und Sympathiewerten einzigartig ist und bis heute als Benchmark angesehen wird. Eine gezielte, positiv besetzte Kundenansprache, ein innovatives Preiskonzept, einfache Rechnung, kostenlose Hotline, kreative Kundenbindungsaktionen, Geburtstagsgrüße etc. tragen zur Identifikation mit der Marke Yello und zur Treue der Kunden bei.
25
1.2 Markenführung als Leitfunktion unternehmerischen Handelns
Um die Jahrhundertwende (1900) begann die Elektrizität einen ersten praktischen Wert zu erreichen, nämlich Arbeitserleichterung durch elektrische Antriebe. Wenn man zu diesem Zeitpunkt bereits von einem aktiven Marketing sprechen möchte, so standen im Fokus der Marketingmaßnahmen die technischen Einsatzmöglichkeiten sowie der Abbau von weit verbreiteten Vorurteilen und Ängsten gegenüber dem Produkt „Elektrizität“. In den darauffolgenden Jahrzehnten lag die Aufgabe der Stromwirtschaft vor allem darin, den raschen Nachfrageanstieg nach Strom durch Kraftwerks- und Netzausbauten zu decken. Aktive Marketingmaßnahmen waren in dieser Situation nicht erforderlich, da einerseits mit dem Energiewirtschaftsgesetz von 1935 Gebietsmonopole in Deutschland gesetzlich festgelegt wurden, in denen die Stromversorger exklusiv Strom und Gas anbieten durften und andererseits die Menschen den Vorteil von Elektrizität gegenüber den Alternativen von sich aus erkannten.
Marketing und Markenführung
1.
Mit großer Euphorie wurden zu Beginn der Liberalisierung von den Energieversorgern neue Märkte für Industrie- und Haushaltskunden erschlossen. Der Mangel an gesetzgeberischen Rahmenbedingungen, fehlende „Spielregeln“ für beispielsweise den Lieferantenwechsel, mangelhafte interne Abwicklungsprozesse oder fehlgeschlagene Marketingkampagnen machen den neuen Energieanbietern allerdings das Leben schwer. In der Folge verschwinden viele der neuen Angebote wieder vom Markt, wie beispielsweise „Avanza“ von RWE oder „Mix-it baby“ von E.ON. Darüber hinaus führten eine vergleichsweise geringe Wechselbereitschaft der Kunden sowie die geringen Vertriebsmargen zu einem Rückgang der Wettbewerbsintensität, insbesondere im Kleinkundensegment. Nur wenige Stromanbieter, darunter Yello, haben die Marktbereinigung überstanden. In der Zwischenzeit hat sich das Marktumfeld im Zuge einer zweiten Liberalisierungswelle sukzessive verbessert. Mit einem regulierten Netzzugang, standardisierten Marktregeln und gestiegenen Strompreisen werben neue Anbieter wie Nuon und flexstrom sowie neue Marken bestehender Energieversorger wie zum Beispiel „e-wie einfach“ oder eprimo, wieder mit deutlich höherem Aufwand um Privat- und Gewerbekunden. Zwar führte die Etablierung eines regulierten Netzzuganges mit genehmigten Netznutzungsentgelten zu einer deutlichen Veränderung der erzielbaren Margen, aber die sicheren und hohen Gewinne im Netzbetrieb gehören nun der Vergangenheit an. Energieversorger ohne nennenswerte Eigenerzeugung müssen nun ihre Gewinne über Vertriebsaktivitäten verdienen, in kapitalintensive Kraftwerkskapazitäten investieren oder neue Geschäftsfelder erschließen. Die sich ändernden Rahmenbedingungen im Zuge der Liberalisierung der Energiemärkte, die aktuellen Fragestellungen zur Energieeffizienz oder zum Klimaschutz sowie technische Entwicklungen mit intelligenten Zählern und neuartigen Netzbetrieben, wie Smart Grid (intelligente Netze zur Optimierung der Steuerung von Lastflüssen), erhöhen die Bedeutung der Marken im Energiemarkt. Ein an sich undifferenziertes Produkt wie Strom differenziert sich zunehmend anhand individueller Markeneigenschaften.
26
Rahmenbedingungen für die Stromversorgung. Aktuelle Situation (Liberalisierte Welt)
Generelle Situation
Gebietsmonopole, Versorgungssicherheit mit hohem Stellenwert
Liberalisierung der Strommärkte, Vorrang für Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit
Gesetzlicher Rahmen
Stabile nationale Gesetzeslage geprägt von einem Miteinander zwischen Politik und Energiewirtschaft
Umfangreiche Gesetze und Verordnungen vielfach auf Basis von EU-Vorgaben, vergleichsweise kurzlebiges Handeln. Zunehmend zusätzliche staatliche Abgaben wie KWK, Ökosteuer, EEG
Unternehmensstruktur
Vollständig integrierte Unternehmen
Unbundlingvorgaben mit getrennten Gesellschaften für Netze und Wettbewerbsbereiche (Vertrieb, Erzeugung)
Kosten/Erlöse
Rein kostenbasierte Kalkulation von Netzentgelten, Stromentstehungskosten und Abwicklungsaufwendungen zuzüglich einer auskömmlichen Gewinnmarge, die „zusätzliche Belastungen“ aus einem Finanzierungsbedarf für Bäder und ÖPNV mit abgedeckt hat
Stromgestehungskosten und Abwicklungskosten der Vertriebe stehen im Wettbewerb mit anderen Anbietern und die Preise ergeben sich mithin aus dem Wettbewerb
Wenig Anreize für einen effizienten Betrieb
Netze/ Netzzugang
Der Netzbetreiber ist der einzige Anbieter (Gebietsversorger) Diskriminierung nicht relevant, da nur ein Anbieter „Regeln“ legt der Netzbetreiber fest
1.2 Markenführung als Leitfunktion unternehmerischen Handelns
Vergangenheit (Monopol)
Netzentgelte müssen von einer Regulierungsbehörde genehmigt werden Marktregeln und Effizienzstandards werden teilweise vorgegeben In den ersten Jahren der Liberalisierung führte der verhandelte Netzzugang zu einer starken Diskriminierung neuer Anbieter in einem Netz Seit der Einführung der staatlichen Netzregulierung faktische Gleichstellung der neuen Anbieter mit dem Vertrieb des Gebietsversorgers Regeln für den Netzzugang werden von der Regulierungsbehörde vorgegeben
Erzeugung
Ausreichende Erzeugungskapazitäten in jeder einzelnen Regelzone Kraftwerksausfälle konnten durch den eigenen Kraftwerkspark kompensiert werden, da vollständige Weitergabe der Kosten für Reservekraftwerke
Vertrieb
Vertriebsaktivitäten – soweit im klassischen Sinne überhaupt vorhanden – als integraler Bestandteil der Gebietsversorger
Abbau der Überkapazitäten und teilweise Erzeugungsengpässe bei extremen Situationen Risiken bei Kraftwerksinvestitionen: Können Kosten wieder erwirtschaftet werden? Folge: Knappheiten bei Erzeugung und Verzögerungen bei Ersatzinvestitionen Vertriebe werden als eigenständige Einheiten oder Gesellschaften geführt, die Profit abwerfen sollen/müssen
Tabelle 1: Veränderte Rahmenbedingungen auf den Energiemärkten
27
Rahmenbedingungen im Automobilmarkt
Marketing und Markenführung
1.
Die Automobilindustrie ist nach wie vor eine Schlüsselindustrie – nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Sie macht gut ein Viertel der Welt-Produktion aus, und in Deutschland hängt jeder vierte Steuer-Euro vom Auto ab. Eine wesentliche Veränderung der Rahmenbedingungen auf diesem wirtschaftlich relevanten Markt hat sich durch die neue GVO 1400/2002 ergeben, die am 1. Oktober 2003 in Kraft getreten ist. Die GVO-Novellierung hat zum Ziel, die Unabhängigkeit der Händler und Werkstätten gegenüber den Herstellern zu stärken, den Wettbewerb zwischen den Händlern einer Marke zu erhöhen sowie die Preise zwischen den EU-Staaten langfristig anzugleichen und damit eine verbesserte Wahrung der Verbraucherinteressen zu erreichen. Die wichtigsten Änderungen betreffen: Die Vertriebsstruktur Hersteller müssen nach dem Inkrafttreten der neuen GVO qualitative und/oder quantitative Kriterien zur Händlerselektion einsetzen. Die Trennung von Vertrieb und Kundendienst Die modifizierte GVO hebt die Untrennbarkeit von Vertrieb und Kundendienst auf, so dass autorisierte Werkstätten nicht zum Neuwagenverkauf verpflichtet werden können. Händlern wird damit umgekehrt ermöglicht, sich allein auf den Verkauf der Fahrzeuge zu spezialisieren. Der Mehrmarkenvertrieb Händlern ist nun gestattet, Neuwagen verschiedener Hersteller in einem Verkaufsraum gemeinsam zu vertreiben. Zur Wahrung der Markenidentität dürfen Hersteller eine optische Separierung in Form markenspezifischer Verkaufsbereiche fordern. Erste Reaktionen auf die neue GVO waren eine Verschärfung der Anforderungen in den Verträgen, die Anhebung von Standards und im Durchschnitt eine Reduzierung der Margen bei einer gleichzeitigen Anhebung der variablen Bestandteile. Neben den rechtlichen Rahmenbedingungen verändern auch technologische Rahmenbedingungen den Automobilmarkt nachhaltig. Neue Medien und elektronische Märkte liefern den Herstellern (branchenübergreifend) eine effiziente Plattform, um mit dem Endkunden direkt in Kontakt zu kommen und Verkaufsabschlüsse zu tätigen, ohne unbedingt eine weitere Vertriebsstufe zu integrieren. Auch wenn der Abschluss nicht über die neuen Medien stattfinden muss, so lassen sich durch die multimedialen Informationsprozesse Effizienzpotenziale nutzen. Die Folgen sehen so aus: Die Automobilhersteller sehen sich einer kostspieligen und ungenügend kontrollierten Distribution ihrer Produkte gegenüber. Das aufgebaute Markenversprechen wird häufig am Point of Sale (POS) unzureichend umgesetzt. Trotz der hohen Standards für Personal und Ausstellungsräume klafft zwischen dem Leistungsversprechen und der Realität häufig eine beachtliche Lücke.
28
Die Automobilhändler sind mit einem Margenverfall und einem drohenden Funktionsverlust konfrontiert. Oftmals herrscht darüber hinaus eine starke Ernüchterung bezüglich der Herstellerunterstützung. Zudem drängen in die finanziell lukrative Sparte des After Sales-Geschäftes zunehmend freie Werkstätten und Fast-Fit-Chains sowie preisaggressive Franchiseketten.
Aber die veränderten Rahmenbedingungen bieten trotz der genannten kritischen Faktoren für den Hersteller, den Handel und für den Autokäufer zahlreiche Nutzenpotenziale.
Nutzenpotenziale aus den veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen (GVO)
Hersteller
Händler
■ Nutzung markenfremder Handelsstrukturen
■ Mehrmarkenhandel
■ Breitere Auswahl
■ Beziehungseffizienz
■ Spezialisierung ■ Markenarealausweitung
■ Verringerung des Preisrisikos
■ Verstärkter Direktvertrieb ■ Differenzierung im Vertrieb
■ Machtzunahme
■ Unterstützung bestehender Absatzkanäle ■ Aufbau eigener Absatzkanäle ■ Direktkontakt zum Kunden
■ Preisreduktion im Neuwagen- und Kundendienst– geschäft ■ Convenience der Informationssuche
■ Erhöhte Kundenorientierung
Nutzenpotenziale aus den veränderten technologischen Rahmenbedingungen (Neue Medien)
Kunde
■ Effizienzgewinn in der Wertschöpfung ■ Höhere Marktabdeckung
■ Markttransparenz ■ Einsparung von Suchkosten ■ Convenience der Informationssuche ■ Preisvorteile ■ Breitere Auswahl
Tabelle 2: Nutzenpotenziale aus veränderten rechtlichen und technologischen Rahmenbedingungen
29
1.2 Markenführung als Leitfunktion unternehmerischen Handelns
Mit den sich verändernden Rahmenbedingungen wandelt sich auch das Verhalten der Autokunden. Die in anderen Märkten zunehmend gelernte und nachgefragte Möglichkeit des Wechsels zwischen Distributions- und Kommunikationskanälen zur Nutzung kanalspezifischer Vorteile wird im Automobilmarkt noch nicht umfassend angeboten. Dies führt dazu, dass ein markenkonformes konsistentes Zusammenspiel von Hersteller und Handel durch den Kunden häufig nicht wahrgenommen wird.
Marketing und Markenführung
1.
Es sind jedoch nicht nur rechtliche und technologische Rahmenbedingungen, die den Automobilmarkt prägen, es kommen ökologische und weitere wettbewerbspolitische Tendenzen hinzu. Gerade die letzte Zeit war geprägt von der intensiven öffentlichen Debatte um den Klimawandel. Der CO2-Wert eines Fahrzeugs, bis vor einem Jahr noch eine fast unbekannte Größe, wurde plötzlich nahezu prominenter als die PS-Zahl. Darüber hinaus hat sich die Wettbewerbsintensität noch weiter erhöht. So belasten steigende Mobilitätskosten, die nicht zuletzt durch die höheren Kraftstoffpreise getrieben sind, den Automobilmarkt – national und international. Gleichzeitig führen auf der Beschaffungsseite gestiegene Preise für Rohstoffe und Energie zu einem erhöhten Kostendruck für die Hersteller. Um die Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern und weiter auszubauen, gilt es für die Automobilhersteller die eigene Produktivität nachhaltig zu optimieren. Um beim Kunden echte Präferenzen aufzubauen, ist die Markenführung damit in beiden, vordergründig so unterschiedlichen Branchen, heute stärker denn je gefordert durch ein professionelles Markenmanagement die Marke eindeutig zu positionieren und von den relevanten Wettbewerbern zu differenzieren. Dies ist eine notwendige Voraussetzung zum Aufbau von Markenloyalität. Der Erfolg der Markenführung ist aber auch durch unternehmensinterne Faktoren beeinflusst.
Notwendigkeit einer professionellen Markenführung Besonders in ehemals regulierten Märkten wie dem Energiemarkt zeigt sich, dass es vielfältige Anspruchsgruppen gibt, die auf den Erfolg einer Marke Einfluss nehmen können. Die Markenführung geht hier, aber auch in anderen Branchen, daher heute weit über den Fokus des klassischen, kundenorientierten Marketings hinaus und verfolgt die Sichtweise des Stakeholder-Ansatzes als Unternehmensphilosophie. Der Stakeholder-Ansatz berücksichtigt bei allen in der Unternehmensführung getroffenen, unternehmerischen Entscheidungen die Interessen aller mit dem Unternehmen in Zusammenhang stehenden Anspruchsgruppen. Um auch in dynamischen Märkten einen langfristigen Erfolg zu erzielen, dürfen Marketingaktionen in der Markenführung nicht losgelöst voneinander geplant, konzipiert und implementiert werden. Aufgabe der Markenführung ist es, sie so aufeinander abzustimmen, dass sich in den Köpfen der Nachfrager ein langfristig konsistentes Vorstellungsbild der Marke bildet, das in der Lage ist, im Wettbewerbsumfeld eine eigenständige, nachhaltige Positionierung einzunehmen. Damit wird die Marke zum Impulsgeber für das Marketing, der den Aktionsrahmen für Marketingmaßnahmen vorgibt, die darauf ausgerichtet sind, die Grundwerte der Marke zu vermitteln und das Markenprofil in der Außenwahrnehmung zu stärken. Die Notwendigkeit einer konsequenten Markenführung wird verstärkt durch folgende Faktoren: Eine zunehmende Leistungshomogenisierung Technische Vorsprünge werden schneller kopiert, Dienstleistungen werden von fast allen Anbietern angeboten und ähneln sich immer mehr. Diese Tendenz wird aufgrund einer zunehmenden Standardisierung durch Normen noch weiter verschärft. Die Leistungshomogenität zwingt die Anbieter zum Einsatz alternativer Differenzierungsmöglichkeiten, wie sie zum Beispiel die Marke bietet.
30
Ein zunehmender Preisdruck Gerade auf attraktiven Märkten und in zukunftsträchtigen Branchen nimmt durch die wachsende Globalisierung, Deregulierung und Liberalisierung die Zahl der Anbieter stetig zu. Zudem verlagert sich das Wettbewerbsverhalten durch die Zunahme des Fixkostenanteils an den Gesamtkosten, zum Beispiel durch Online-Angebote. Diese beiden Entwicklungen führen zu einem verstärkten Preisdruck, dem ein Unternehmen nur durch eine starke Marke entgehen kann, die als Hebel fungiert, um Nachfragerpräferenzen gezielt zu steuern.
Die Schwierigkeiten bei der Etablierung langfristiger Geschäftsund Kundenbeziehungen Die Kommunikation durch moderne IuK-Technologien (Informations- und KommunikationsTechnologien) sowie eine hohe Fluktuation unter den Mitarbeitern mit Kundenkontakt erschweren den Aufbau einer persönlichen Beziehung zwischen Anbieter und Nachfrager. Um dennoch eine persönliche Beziehung zwischen den Geschäftspartnern, den Kunden und dem Unternehmen aufzubauen und zu etablieren, ist eine starke Marke erforderlich. Durch die mit der Marke und der Markenpersönlichkeit verbundenen Assoziationen entsteht eine markenpolitisch begründete Beziehung zur Marke und damit indirekt zum Unternehmen. Eine erfolgreiche Markenführung ist damit in der Lage, den unternehmensexternen Rahmenbedingungen erfolgreich zu begegnen und sich trotz einer Intensivierung des Wettbewerbsdrucks einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Markenerfolge sind aber häufig durch unternehmensinterne Hemmnisse gefährdet. Durch eine langfristig angelegte Markenstrategie und einer Implementierung der Markenführung in der oberen Management- und Geschäftsführungsebene lassen sich diese Hemmnisse erfolgreich vermeiden. Dies fördert das Leben der Marke im Unternehmen und steigert die Glaubwürdigkeit und Prägnanz der Marke in der Wahrnehmung unterschiedlicher Anspruchsgruppen.
31
Markenführung als Leitfunktion unternehmerischen Handelns
1.2 Eine zunehmende Komplexität der Leistungen Aufgrund eines fortschreitenden Überganges von produkt- zu lösungsorientierten Vermarktungsansätzen sowie einer sachlichen Verschmelzung der Märkte, steigt die Komplexität der Angebote. Für den Nachfrager lassen sich die Unterschiede zwischen den Anbietern nur noch schwer erkennen. Die zunehmende Komplexität erfordert daher eine sichtbare, klare Positionierung der Anbieter.
Die Marke Audi auf dem Weg zur Eigenständigkeit. Mit Ferdinand Piëch bekam die Marke Audi ein neues Gesicht und die Markenführung wechselte aus dem VW-Konzern zu Audi nach Ingolstadt. Neues zu schaffen war schon immer das Bestreben von Ferdinand Piëch. Als 1972 nach einem einstimmigen Beschluss der Familien Piëch und Porsche alle Familienmitglieder aus dem operativen Geschäft bei Porsche ausstiegen, wechselte er im Sommer 1972 zu Audi. Zunächst als Hauptabteilungsleiter für Sonderaufgaben, später (1975) als Entwicklungsvorstand und 1998 als Vorstandvorsitzender gelang es ihm und seinem Team, das Ansehen der Marke Audi komplett zu wandeln. Er sorgte dafür, dass die Markenführung bei Audi etabliert wurde und dass im Hause Audi die Werte der Marke und der Slogan „Vorsprung durch Technik“ auch konsequent gelebt wurden, ausgehend von der Vorstandsebene bis hin zu den Mitarbeitern in der Produktion. Der Vorstand forderte daher nachdrücklich, höchste Ansprüche an die eigene Arbeit zu stellen. Dies ist etwas, was alle bei Audi vorleben müssen. Diese Haltung ist das wertvollste Kapital für das ganze Unternehmen.
Marketing und Markenführung
1.
Vor diesem Hintergrund gewinnt die Marke an Selbstständigkeit innerhalb des VW-Konzerns und in der Wahrnehmung interner und externer Interessentengruppen. Auch die nachfolgenden Vorstandsvorsitzenden der AUDI AG, Herr Prof. Dr. Martin Winterkorn und Herr Rupert Stadler, forcieren bis heute kontinuierlich diese eigenständige Positionierung und das Leben der Marke nach innen und außen.
Wann aber ist eine Marke eine Marke? Der Weg von einer unmarkierten Leistung hin zu einem Markenprodukt ist ein Entwicklungsprozess, der im Kopf des Verbrauchers stattfindet. Das Vorstellungsbild im Kopf des Verbrauchers und das Vertrauen in die Marke muss aber jeden Tag neu über alle Markenkontaktpunkte hinweg gefestigt und bewiesen werden. Die Marke muss gelebt werden und daraus ihre Unverwechselbarkeit beziehen. Eine Marke zu leben heißt auch eine Marke zu verändern, anzupassen und zu entwickeln. Im Sinne sich ändernder Kundenbedürfnisse und Verbrauchergewohnheiten ist eine Markenanpassung sehr vorsichtig vorzunehmen, so dass sie im Grunde genommen nicht als zur Marke dazugehörig wahrgenommen wird. Eine fehlende Anpassung würde dem Verbraucher allerdings unmittelbar auffallen und negativ registriert werden. Die Herausforderung der Markenführung ist es, den Kern der Marke zu erhalten und sie gleichzeitig dem Wandel des Zeitgeists anzupassen. Aber Marken bestimmen den Zeitgeist auch selber mit, sie sind Vorreiter und Innovator, wie unter anderem das Beispiel der erfolgreichen EnergydrinkMarke Red Bull eindrucksvoll belegt.
32
1.3 Markenführung nach dem 8P-Ansatz Der Marketing-Mix wurde 1948 von Neil H. Borden in Anlehnung an Cullington in die Marketingliteratur eingeführt. Er bezeichnete den Marketingmanager als „mixer of ingredients“. Da der Begriff „Marketing-Mix“ sehr anschaulich ist, wurde er in die deutschsprachige Fachliteratur übernommen. Unter dem Marketing-Mix versteht man eine abgestimmte Kombination der absatzpolitischen Instrumente einer Unternehmung zur bestmöglichen Erreichung der Unternehmens- und Marketingziele. Die klassischen 4Ps des Marketings, Product, Price, Place und Promotion stellen den Ursprung des Marketinginstrumentariums dar. Mit der zunehmenden Globalisierung von Marken, den steigenden Anforderungen und Bedürfnissen der verschiedenen Interessengruppen (Stakeholder) am Unternehmen und den kommunikativen Herausforderungen von Multimedia und Internet ist die Welt des Marketings immer komplexer geworden. Eine kontinuierliche Interaktion mit dem Kunden – von der Produktentwicklung bis hin zur Kommunikation und die fortschreitende Individualisierung der Produkte und Dienstleistungen ersetzen das klassische Transaktionsmarketing durch ein langfristig angelegtes Beziehungsmarketing. In der Folge sind die klassischen 4Ps des Marketing-Mixes alleine nicht mehr ausreichend, um eine Marke nachhaltig und erfolgreich zu führen. Das Marketing in Theorie und Praxis hat sich erheblich weiterentwickelt. Es ist nicht mehr nur eine betriebliche Funktion, sondern hat die unternehmerische Führungsfunktion im Unternehmen übernommen, um so den kritischen Erfolgsfaktoren umfassend gerecht werden zu können. Als unternehmerische Führungsfunktion integriert das Marketing nun die Erkenntnisse aus Ansätzen der allgemeinen Unternehmensführung wie beispielsweise die Erweiterung des Shareholder Value-Konzeptes auf alle Interessen- und Anspruchsgruppen des Unternehmens (Stakeholder-Ansatz) oder die Balanced Scorecard zur Operationalisierung von strategischen Zielen. Diese Weiterentwicklung des Marketings führte zu branchenspezifischen Marketing-Mixes, die unterschiedliche Ps integriert haben. Die Dienstleistungsbranche hat beispielsweise 3Ps hinzugefügt, um den individuellen Besonderheiten der Branche gerecht zu werden: Process, People und Physical Evidence (vgl. Zollondz 2005). Bisher hat sich jedoch eine einheitliche Sicht branchenübergreifend notwendiger Ergänzungen nicht herausgebildet. Nach unserer Überzeugung sind es die bereits eingangs genannten acht Erfolgsfaktoren, die den langfristigen Markterfolg eines Unternehmens bestimmen.
33
Markenführung nach dem 8P-Ansatz
1.3
ople e P 8. Mitarbeiter und Partner (Brand Behavior)
7. Pl ace
Vertrieb
Markenführungskonzept
Markenführung nach Brand Scorecard
Kunden, Märkte, Stakeholder
Kommunikation
Preise und Konditionen
5. Pri cing
Auf die Zielgruppen gerichtete Prozesse
3. Pro ces ses
n tio mo 6. Pro
Marketing und Markenführung
Markenleitbild und Markensteuerrad
g nnin Pla 2.
1.
1. Pos itio nin g
Leistungsspektrum, Produkte und Services
t duc o r 4. P
Abbildung 2: Der 8P-Ansatz als Erweiterung des klassischen Marketingverständnisses
In der Praxis ist somit die Erweiterung des klassischen Ansatzes (Product, Price, Place und Promotion) um die weiteren 4Ps (Positioning, Planning, Processes und People) zwingend notwendig. Die 8Ps sind nicht unabhängig voneinander zu sehen. Sie greifen netzwerkartig ineinander und entfalten ihre vollständige Wirkung erst im gegenseitigen Zusammenspiel. Dies erfordert ein systematisches und integriertes Management der 8Ps und ihrer Erfolgsfaktoren. Die Bereiche der 8Ps müssen strategisch und operativ kundenorientiert mit einem effektiven und effizienten Ressourceneinsatz gemanagt werden. Dies setzt voraus, dass im Unternehmen eine klare und
34
übereinstimmende Vorstellung über die strategischen Ziele besteht. Das Erreichen dieser strategischen Ziele setzt eine umfassende und detaillierte Analyse der Ist-Situation voraus.
35
1.3 Markenführung nach dem 8P-Ansatz
Den Rahmen für die Ausrichtung und Gestaltung der 8Ps bildet eine klare und differenzierende Positionierung (Positioning) der Marke. Die Ergebnisse der Situationsanalyse sind die Basis für eine erfolgreiche Übersetzung der Positionierung in operative Ziele. Die Positionierung bestimmt und dirigiert somit den Einsatz aller Marketinginstrumente sowie die Ausgestaltung der anderen 7Ps. Eine erfolgreiche nachhaltige Markenführung wählt eine Positionierung, die eine klare Differenzierung zu den Wettbewerbern sicherstellt. Die Positionierungseigenschaften sollten so gewählt sein, dass sie für alle Stakeholder relevant und glaubwürdig sind (siehe Abschnitt 2.2.3). Die Planung (Planning) übersetzt die strategischen Ziele der Markenführung für alle Instrumente und alle Bereiche des Unternehmens. Die nachhaltige Planung und das Überführen der strategischen Ziele in die einzelnen Bereiche ermöglicht eine genaue Erfolgskontrolle und gegebenenfalls Anpassung der Ziele. Das wichtigste Kontrollinstrument der Markenführung ist die Brand Scorecard, die angelehnt an eine Balanced Scorecard die wichtigsten Kenngrößen des Markenmanagement enthält und einen Rückschluss auf den Wert der Marke und damit den Erfolg der Markenführung erlaubt (siehe Abschnitt 6.2). Positionierung und Planung beziehen sich auf eine Marke und damit verbunden auf spezifische Angebote, das heißt Produkte und Dienstleistungen (Product) für die definierten Zielgruppen. Für alle erfolgreichen Marken, unabhängig ob für Produkte oder Dienstleistungen ist kennzeichnend, dass sie auf die Bedürfnisse und Anforderungen der Kunden ausgerichtet sind. Dies setzt voraus, dass die Kunden bereits frühzeitig in den Produktentwicklungsprozess integriert werden. Darüber hinaus liefert die Marktforschung wertvolle Erkenntnisse zur Kundenzufriedenheit mit Produkt und Service sowie zu den Erwartungen und Wünschen, die in die Produkt- und Dienstleistungsgestaltung Berücksichtigung finden sollten. Gerade für Dienstleistungen ist eine umfassende Kundenorientierung unerlässlich, da der Kunde in den Dienstleistungsprozess integriert sein kann und das Ergebnis einer Dienstleistung in der Regel nicht im Vorhinein prüfbar ist. Eine erfolgreiche Service Brand muss daher einfach, für den Kunden transparent und nachvollziehbar, convenient sowie „custom and market driven“ sein. Kann eine Marke so dem Kunden einen individuellen Nutzen stiften, ist er bereit, für diese Leistung ein Preispremium zu zahlen. Die Markenführung steht im Pricing vor der Herausforderung, eine Preispolitik zu gestalten, die dieses Preispremium ausschöpfen kann, gleichzeitig der Positionierung entspricht und zur geplanten Zielerreichung beitragen kann. Anwendung finden häufig intelligente, zunehmend individualisierte Preismodelle, die auf den Kunden abgestimmt sind. Ihnen liegen zum Beispiel sinnvolle Produktund Servicebündel zugrunde, die aus einer unmittelbaren Vergleichbarkeit mit den Angeboten der Wettbewerber führen. Das vom Kunden wahrgenommene Preis-Leistungs-Verhältnis entscheidet über den Erfolg einer Marke (siehe Abschnitt 5.1.2). Die Wahrnehmung einer Marke erfolgt entweder am Point of Sale (POS) oder über die Kommunikation (Promotion). Kommunikation von Marken vermittelt die Markenwerte und die Markenidentität über alternative Medienkanäle. Der Preis und die Kommunikation sind auf die Positionierung und die Ziele der Markenführung abgestimmt. Eine erfolgreiche Markenkommunikation ist über alle Medien und Kundenkontaktpunkte hinweg verzahnt und integriert. Nur so ist es möglich, die Marke mit ihren Werten und ihrer Identität nachhaltig in den Köpfen der Konsumenten zu verankern. Das Vermitteln eines Markenerlebnisses gewinnt immer mehr an Bedeutung. Ziele sind die Emotionalisierung der Marke, der Aufbau einer Markenwelt und erlebbare Markenwerte für den Konsumenten. Der Kunde erhält so die Möglich-
Marketing und Markenführung
1.
keit, zur Marke eine Beziehung aufzubauen – der Grundstein zur Markenloyalität. Am häufigsten finden sich Markenwelten am POS und im Vertriebsnetz (Place) wieder. Für den nachhaltigen Erfolg einer Marke sind daher Vertriebskanäle, die nicht isoliert nebeneinander, sondern zu einem geschlossenen markentypischen Vertriebssystem kombiniert sind, von außerordentlicher Wichtigkeit. Sie unterstützen den Kunden in seinem Kaufentscheidungsprozess und senken durch eine Multi Channel-Präsenz die Transaktionskosten (siehe Abschnitt 5.1.4). Repräsentiert wird die Marke durch die Mitarbeiter (People) in allen Zielgruppenkontakten. Sie stehen stellvertretend für die Marke und sollten im Idealfall die Markenwerte leben. Gerade bei Dienstleistungen entsteht eine Beziehung nicht zwischen dem Kunden und der Leistung, sondern zwischen dem Kunden und dem Mitarbeiter. Der Mitarbeiter wird damit zum Baustein der Markenloyalität. Trainings- und Weiterbildungsmaßnahmen unterstützen die Identifikation der Mitarbeiter mit der Marke und tragen zum Auf- und Ausbau der Markenkompetenz bei allen Mitarbeitern bei. Die Grundlage zur Vernetzung der Ps sind die Geschäftsprozesse im Unternehmen (Processes). Gerade in kundenorientierten Unternehmen sind es nicht einzelne Funktionen oder Abteilungen, die im Fokus des Management und der Markenführung stehen, sondern kunden- und marktorientierte Prozesse und Abläufe. Alle Prozesse sind auf den Kunden abgestimmt und durch eine hohe Effizienz gekennzeichnet. Die Effizienz resultiert aus dem Abbau nicht kundenorientierter Prozessschritte und dem Abbau von Fehlerquellen, die zu Kundenunzufriedenheit führen und damit langfristig das Image der Marke negativ beeinflussen. Alle Prozess-Schritte sind klar und eindeutig definiert und geben konkrete Handlungsanweisungen im unmittelbaren Kundenkontakt aber auch zur internen Organisation und Umsetzung (siehe Kapitel 5). Der 8P-Ansatz zeigt eindrucksvoll, dass heute für eine konsequente Markenführung ein umfassendes Management-Know-how unerlässlich ist. Die Kenntnis der traditionellen Marketing-MixInstrumente ist nicht mehr ausreichend, um den Anforderungen der Interessengruppen und den Herausforderungen des Wettbewerbs erfolgreich begegnen zu können. Das Beherrschen von Human Resources Management, moderne Controllinginstrumente, verhaltenswissenschaftliche Zusammenhänge und ein prozessorientiertes Denken und Handeln werden zu Schlüsselqualifikationen. Ohne sie kann ein nachhaltiger und langfristiger Erfolg im Markt nicht erzielt werden.
36
37
2. Herausforderungen und Aufgaben der Markenführung
Herausforderungen und Aufgaben der Markenführung
2.
2.1 Markenbedeutung und Markenverständnis Moderne Marken sind als hochkomplexe Systeme aus dem heutigen Wirtschaftsgeschehen und unserer modernen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Ihre wirtschaftliche und gesellschaftliche Relevanz ist unbestritten. Man denke nur an die nachweisbar erhöhte Preisbereitschaft für ein Markenprodukt. Zusätzlich entscheiden heute Marken vielfach über sozialen Status und Gruppenzugehörigkeit. Sie bieten Kunden Orientierung und Heimat. Marken, wie Coca-Cola, sind längst zu Mythen avanciert, deren Zeichen international und interkulturell lesbar sind. Die ökonomische Bedeutung der Marken zeigt sich an der Umsatzentwicklung der deutschen Markenindustrie in den vergangenen Jahren. Die Umsätze stiegen seit 2003 um jährlich 3,5 Prozent auf 361 Milliarden Euro im Jahre 2005. Die Bruttowertschöpfung, der wichtigste Indikator für die wirtschaftliche Leistung, stieg zwischen 2003 und 2005 um rund 2,5 Prozent p. a. auf ca. 150 Milliarden Euro. Jährlich veröffentlicht die Zeitschrift Business Week gemeinsam mit Interbrand das Ranking der 100 wertvollsten Marken der Welt. 2008 ergab sich das folgende Bild (siehe Tabelle 3):
Platz
Marke Land
Land
Branche
Veränderung gegenüber 2006
1
Coca Cola
USA
Getränke
66.667
+2 %
2
IBM
USA
Computer Services
59.031
+3 %
3
Microsoft
USA
Computer Services
59.007
+1 %
4
GE
USA
Diverses
53.086
+3 %
5
Nokia
Finnland
Telekommunikation
35.942
+7 %
6
Toyota
Japan
Automobil
34.050
+6 %
7
Intel
USA
Computer Hardware
31.261
+1 %
8
McDonald‘s
USA
Restaurants
31.049
+6 %
9
Disney
USA
Medien
29.251
+0 %
10
Google
USA
Internet
25.590
+43 %
Tabelle 3: Marken-Ranking (vgl. Interbrand Best Global Brands 2008)
38
Wert 2008 in Tsd. US$
FORD DAILY COOC NASDAG
+ 60 % + 45 % + 30 % + 15 % + 0% - 15 % - 30 % - 45 % - 60 % - 75 %
Abbildung 3: Vergleich Entwicklung des Börsenwertes
Eine Steigerung des Markenwertes schlägt sich somit tendenziell in finanziellen Werten nieder und erhöht damit nachhaltig den Unternehmenswert. Die Marke rückt in ihrer Rolle als Differenzierungsfaktor gegenüber der Konkurrenz und unter ökonomischen Aspekten damit immer stärker in den Fokus der Unternehmensstrategie. Eine erfolgreiche Marke wirkt auf unterschiedliche Interessengruppen einer Unternehmung – interne und externe. Für Konsumenten schafft sie eine Vertrauensbasis und Orientierung im Kaufentscheidungsprozess, bei Mitarbeitern fördert sie die Motivation und die Identifikation mit dem Unternehmen, am Arbeitsmarkt erhöht sie die Attraktivität des Unternehmens für qualifizierte Mitarbeiter, auf dem Finanzmarkt stimuliert sie die Anlagebereitschaft potenzieller Investoren und in der breiten Öffentlichkeit erhöht sie die Akzeptanz und Vertrauenswürdigkeit des Unternehmens.
1
2.1 Markenbedeutung und Markenverständnis
Der dem Ranking zugrunde liegende Markenwert drückt den Gegenwartswert der zukünftig erwarteten Erträge aus, die ausschließlich aufgrund der Präsenz der Marke generiert und gesichert werden (Quelle: Pressemitteilung Interbrand 2008, S. 2). Aus dem Ranking lassen sich auch die Gewinner und Verlierer des Jahres ermitteln. Im Jahr 2008 war, wie auch in den Jahren 2006 und 2007, Google der Gewinner und konnte seinen Markenwert um 43 Prozent steigern (auf 25.590.000 US-Dollar, Rang 10). Ford dagegen hatte einen hohen Markenwertverlust aufzuweisen. Eine Gegenüberstellung der Börsenentwicklung der beiden Marken bekräftigt die Tendenz. Während der Kurs von Google, zwar mit Schwankungen stieg, war bei Ford eine eher fallende Tendenz festzustellen.1
Die Darstellung der Börsenwerte ist auf den Ausgangskurs normiert (Börsenkurs Dezember 2006 auf 1,0 normiert), um eine Vergleichbarkeit der Börsenkursentwicklung und der Markenwertentwicklung zu gewährleisten.
39
Herausforderungen und Aufgaben der Markenführung
2.
Attraktive, starke Marken generieren auch auf der Marktseite einen ökonomischen Zusatznutzen. Eine starke Marke steigert den Marktanteil: Sie erhöht die Wiederkaufrate, senkt die Floprate bei Produktneueinführungen, führt zu einer niedrigeren Wechselrate der Kunden, ermöglicht ein überproportionales Wachstum und erleichtert die Akquisition von Neukunden. Auch auf die Umsatzentwicklung eines Unternehmens besitzen Marken einen positiven Einfluss. Sie ermöglichen auch in sonst rückläufigen Märkten das Erzielen eines Preispremiums, wie zum Beispiel die Marke Audi im Automobilmarkt belegt. Auf Kundenseite führen eine reduzierte Preissensibilität und die Möglichkeit des Cross- und Up-Selling zu einem höheren Umsatzpotenzial. Geringere Akquisitions- und Markteintrittskosten realisieren Kostensenkungspotenziale. Erfolgreiche Marken sind also in der Lage, den Unternehmenswert sowohl direkt als auch indirekt zu steigern. Die Bedeutung der Marke variiert in unterschiedlichen Produktkategorien. So wird die Marke mittlerweile auch in einer Reihe traditionell nicht markenaffiner Branchen als wirksames Wettbewerbsinstrument genutzt. Werbeausgaben können als Indikator für die Bedeutung einer Marke herangezogen werden. In den letzten Jahren sind die Werbeausgaben in den Branchen besonders stark gestiegen, die davor einer staatlichen Regulierung unterlagen. Unternehmen der Telekommunikationsindustrie und der Energiewirtschaft beispielsweise haben umfangreiche Investitionen getätigt, um Marken zu entwickeln und aufzubauen. Aber auch Unternehmen anderer Branchen versuchen den Wettbewerb mit erhöhten Markeninvestitionen zu gewinnen. Das werbliche Wettbewerbsumfeld im Energiemarkt hat in den letzten Jahren noch weiter zugenommen. Die Netznutzungsentgeltsenkung auf dem Strommarkt unter der Zuständigkeit der Bundesnetzagentur ab dem Jahr 2006 hat nochmals zu einer deutlich verstärkten Wettbewerbsintensität geführt. In der Folge sind die Werbeinvestitionen auch 2008 noch einmal angestiegen – schon von 2006 auf 2007 war ein Anstieg um knapp 90 Prozent auf 180 Millionen Euro im deutschen Strommarkt zu verzeichnen. 2008 wurden ca. 270 Millionen Euro erreicht. Der Erfolg der Markenpolitik und damit die Amortisation der getätigten Investitionen stehen und fallen mit der Relevanz der Marke für die Kaufentscheidung. Dafür ist es zunächst notwendig, ein Verständnis darüber zu erhalten, was eine Marke eigentlich ist und welche Funktionen eine Marke zum einen für den Kunden im Rahmen des Kaufentscheidungsprozesses und zum anderen für den Hersteller erfüllt. Neben dem ersten und wichtigsten „P“, der Positionierung der Marke im Wettbewerb, ist für die Markenführung auch das zweite „P“, die Processes, von entscheidender Bedeutung. Die Relevanz von strukturierten Prozessen wird deutlich, wenn man einen genaueren Blick auf erfolgreiche Marken im Vergleich zu weniger erfolgreichen und erfolglosen Marken wirft. Es sind die erfolgreichen Marken, die ihre Prozesse vom Markt her gestalten und optimieren. So stellen sie sicher, dass die Erwartungen und Ansprüche aller internen und externen Anspruchsgruppen in die Markenführung integriert werden. Vor wenigen Jahrzehnten war eine Marke allerdings lediglich ein „die Herkunft kennzeichnendes Merkmal“ (Mellerowicz 1963, S. 39). Im Sinne einer sinnvollen Markendefinition sind aber weitere Merkmale erforderlich: eine konstante oder verbesserte Qualität, gleich bleibende Menge und Aufmachung, Überallerhältlichkeit der Marke (Ubiquität), umfassende Werbung und eine hohe Anerkennung im Markt (Verkehrsgeltung). Für Produktmarken ist diese Definition durchaus anwendbar, allerdings ist eine Übertragbarkeit auf Dienstleistungen, Luxusprodukte, Vorprodukte (im Sin-
40
Ein Produkt, eine Dienstleistung, ein Unternehmen oder eine Persönlichkeit werden demzufolge zu einer Marke, wenn sie ein positives, relevantes und unverwechselbares Vorstellungsbild in der Psyche des Konsumenten verankern, das eine Identifikations- und Differenzierungsfunktion übernimmt, das Kaufverhalten nachhaltig positiv beeinflusst sowie das gesamte Unternehmen in seinen Funktionen leitet und prägt. (Vgl. Weinberg 1995, S. 2681, Keller 1981, Meffert/Burmann 1998, S. 81 und Esch 2002, S. 23). Ein weiteres Beispiel vermag dies verdeutlichen: Dass ein Porsche ein besonders sportliches Auto ist, sagen sogar viele Menschen, die noch nie in einem Porsche gesessen haben. Ein Vorurteil könnte man sagen, ein positives in diesem Fall. Es hat sich eine Vorstellung aufgebaut, die nicht einmal von jedem erlebt wurde, der diese Vorstellung von einer Marke hat. Aber es sind genau diese Vorstellungen und Assoziationen, die eine erfolgreiche Marke ausmachen. Eine Marke generiert einen Nutzen, der über den eigentlichen Kernnutzen hinausgeht. Dieser wahrgenommene Nutzenvorteil einer Marke repräsentiert den Markenwert aus Konsumentensicht und schlägt sich unmittelbar in der Kaufbereitschaft des Kunden nieder. Die Marke ist dabei das Ergebnis einer Vielzahl von Maßnahmen und der hierauf basierenden Erfahrungen der verschiedenen Anspruchsgruppen. Der Markeneigner, das Unternehmen, ist bestrebt, den ökonomischen Markenwert zu steigern, der auf dem von den Nachfragern wahrgenommenen Nutzenvorsprung basiert. Die Marke erfüllt darüber hinaus sowohl für den Kunden als auch für den Anbieter weitere Funktionen, deren Erfüllungsgrad den Markenerfolg determiniert.
41
2.1. Markenbedeutung und Markenverständnis
ne Ingredient Branding), Unternehmen (Corporate Branding) und Personen nicht möglich. Eine umfassendere Definition bietet die Marke im rechtlichen Sinne. Das Markengesetz grenzt eine Marke dahingehend ab, dass als Marken „alle Zeichen, insbesondere Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen, Hörzeichen, dreidimensionale Gestaltungen einschließlich der Form einer Ware oder ihrer Verpackung sowie sonstiger Aufmachungen einschließlich Farben und Farbzusammenstellungen geschützt werden, die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden“ (§3, Abs. 1, MarkenG). Die rechtliche Definition ist zwar umfassender und nicht allein auf Produktmarken beschränkt, legt den Fokus aber alleine auf die Herstellerperspektive. Sie berücksichtigt nicht den Konsumenten und dessen individuelle Verhaltensdeterminanten. So kaufen Kunden Marken weniger wegen ihrer Herkunft, sondern mehr aufgrund der Assoziationen und Vorstellungen, die eine Marke auslöst. Über die funktionalen Eigenschaften des Produktes hinaus, sind es die emotionalen, symbolischen Eigenschaften, die das Kaufverhalten maßgeblich prägen. Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: Während bei einem Blindtest der Marken Pepsi und Coca-Cola 51 Prozent der Teilnehmer die Marke Pepsi vorzogen und nur 44 Prozent Coca-Cola wählten, änderte sich das Bild merklich, als der Test mit Darbietung der Marken durchgeführt wurde. In diesem Fall wählten nur noch 23 Prozent Prozent der Testteilnehmer Pepsi, während 65 Prozent Coca-Cola bevorzugten. Dieser einfache Test veranschaulicht die „Macht einer Marke“.
Eine schwierige Situation? Eine große Herausforderung. Anfang der 90er Jahre war Audi ein traditioneller deutscher Automobilhersteller – wenig profiliert, wenig emotional, sogar ein bisschen bieder. Zu dem „verstaubten“ Image kam ein weiteres Problem: Zu kleine Stückzahlen und zu niedrige Durchschnittspreise senkten mittelfristig die Fähigkeit, in die Entwicklung zukünftiger Modelle zu investieren. Außerdem führten ein verändertes Käuferverhalten und gesellschaftliche Trends zu einer zunehmenden Zersplitterung des Gesamtmarkts in viele Zielgruppen. Das Mittelpreissegment, in dem Audi positioniert war, geriet zwischen dem Premium- und Volumensegment noch stärker unter Druck. Audi drohte mit seiner Kundschaft zu überaltern, da es dem Markenkern – im Wettbewerbsvergleich – an einer zeitgemäßen Interpretation und emotionaler Aufladung fehlte. Und: Audi war zu sehr auf den nationalen Markt beschränkt. In Zeiten zunehmender Globalisierung ein echter Wettbewerbsnachteil. Was war also zu tun? Audi musste sich und damit die Marke neu positionieren und einer eigenständigen Markenführung unterwerfen.
Herausforderungen und Aufgaben der Markenführung
2.
Wie vollzog sich nun der Markenwandel von der Mittelklasse in das Premiumsegment? „Wenn ein Kunde einen Audi kauft, dann geht es nicht um einen „fahrbaren Untersatz“ für den Transport von Punkt A nach Punkt B. Es geht vielmehr um geballte Gefühlspakete, lang gehegte Träume, manifeste Lebenseinstellungen und vierrädrige Visitenkarten“ so formuliert es der ehemalige Vorstandsvorsitzende der AUDI AG Prof. Dr. Martin Winterkorn. Noch vor 15 Jahren wurden Audi-Fahrzeuge gekauft, weil sie als zuverlässig galten, ein akzeptiertes Preis-Leistungs-Verhältnis hatten, statusneutral waren – und vielleicht, weil es ein Auto mit Allradantrieb sein sollte. Dieser Allradantrieb, der bei Audi quattro heißt und 1980 in dem gleichnamigen Auto erstmals vorgestellt wurde, hatte einen bedeutenden Anteil an der Höherpositionierung der Marke. Keine andere Marke konnte einen Vierradantrieb in schnellen Personenwagen anbieten. Quattro war das greif- und erfahrbare Machen einer Unique Selling Proposition. Erstmals wurden die Vorteile des Claims „Vorsprung durch Technik“ für jeden offenbar – nicht nur für die Audi-Fahrer, sondern auch für alle, die die Erfolge der Audi quattro- Rallyefahrzeuge in den 80er Jahren mitverfolgten. Damit war dann auch die Entscheidung des Top-Management gefällt: Audi sollte die Premiummarke im VW-Konzern werden. Hierzu gehörten ein eigenständiger Auftritt und eine eigenständige Vertriebsorganisation. Bis zum Eintritt von Audi war das Premiumsegment geprägt durch statusorientierte und eher konservative Marken. Audi brachte das Element der Fortschrittlichkeit, den „Vorsprung“ ins Premiumsegment. Der Kurs in das Premiumsegment war aber nicht ohne Risiko. Mit einer ambitionierten Produktoffensive sollte der Weg geebnet werden. Audi wagte es, den etablierten Herstellern von Premiumfahrzeugen mit dem neuartigen A8 Paroli zu bieten. Darüber hinaus wurden aus den ehemals zwei Modellreihen – A80 und A100 – erst drei, dann vier und heute acht. Das entscheidende Jahr für die Neupositionierung – 1994 – brachte ein neues Logo, neue Produktbezeichnungen und eine innovative Luxuslimousine. Aus dem traditionellen ovalen Signet wurde ein modernes, selbstbewusstes Logo – vier Ringe –. Mit dem Modellwechsel wurde aus dem Audi 80 ein A4, aus dem Audi 100 ein A6. Der A8 ist das erste Vollaluminium-Serienfahrzeug und die erste Luxuslimousine mit Allradantrieb. Vollendet wird die Innovation A8 durch einen Achtzylinder-TDI-Motor, dem ersten in Serienfahrzeugen. Mit der Einführung des A3 im Jahr 1996 hat Audi den Premiummarkt nach unten erweitert. Der Erfolg des A3 basiert im Wesentlichen auf der sportlichen Motorleistung und der Hochwertigkeit in jedem Detail. Damit konnte Audi alle Experten widerlegen, die nicht an eine Premiummarke im Kompaktsegment glaubten. Mit der Erweiterung der Motorenpalette – hinzugefügt wurden die leistungsfähigen Sechs-, Acht- und Zwölfzylindermotoren sowie die TDI-Aggregate – war ein weiterer Schritt der Neupositionierung der Marke vollzogen, und das Audi-Image „Vorsprung durch Technik“ fand eine weitere Grundlage.
42
Die Produkte prägen zwar wesentlich das Bild einer Marke und tragen zu deren Erfolg bei, aber es gehört mehr dazu, um im Wettbewerb erfolgreich bestehen zu können. Im Rahmen einer langfristigen Strategie hat Audi begonnen, spezialisierte Audi-Partner mit einem eigenen Management und Personal aufzubauen. Gleichzeitig wurde das Händlernetz bewusst verkleinert, um die Volumina der einzelnen Handelspartner zu erhöhen und damit die Investitionsbereitschaft zu erhöhen. Die neue Corporate Identity ist der Wegweiser, der sagt „Hier ist Audi“. Über die typische Hangar-Architektur der Gebäude, das Logo, die Geschäftsausstattung, den Ahornboden wurde die Audi-Markenwelt geschaffen.
Markenbedeutung und Markenverständnis
2.1.
Nicht nur bei den Produkten und den Handelspartnern ging Audi einen neuen Weg, sondern auch in der Kommunikation und dem erfolgreichen Engagement im Motorsport. Während die Wettbewerber sich auf die Kommunikation von rationalen Informationen in der Werbung verließen, wählte Audi so etwas wie eine charmante Provokation. Beispielhaft sei der Eskimogroßvater mit seinem Enkel genannt oder der geschäftsreisende TDI-Fahrer, der sich fragt „Wo ist der Tank?“. Im Motorsport erfolgreich zu sein, erscheint auf den ersten Blick nichts Neues zu sein, wenn es darum geht, eine Automarke zu positionieren. Schon August Horch hat in den Jahren 1912 bis 1914 mit seinen Siegen bei der großen Alpenrundfahrt für Aufsehen gesorgt. Siebzig Jahre später konnte Audi eindrucksvoll seine quattro-Kompetenz unter Beweis stellen. In den 90er Jahren kamen dann aufmerksamkeitsstarke Erfolge bei verschiedenen Tourenwagen-Meisterschaften hinzu. Bei einem der härtesten Automobilrennen der Welt, dem 24h-Rennen von Le Mans, belegt Audi kontinuierlich die führenden Plätze und dokumentiert damit seinen Anspruch auf „Vorsprung durch Technik“. Der eindrucksvolle Sieg von Audi durch einen R10 mit TDI-Motor in 2007 und 2008 macht Audi zu einer der erfolgreichsten Motorsportmarken. Als erstem Automobil-Hersteller gelang Audi der wiederholte Sieg mit einem Dieselmotor. Das Unternehmen hat damit Motorsportgeschichte geschrieben.
43
Herausforderungen und Aufgaben der Markenführung
2.
2.2 Funktionen der Marke 2.2.1 Funktionen der Marke für den Konsumenten Konsumenten erwarten von einer Marke im Wesentlichen drei Funktionen: eine höhere Informationseffizienz, eine Reduktion des wahrgenommenen Risikos und die Stiftung eines ideellen Nutzens: Markenprodukte machen es für den Konsumenten einfacher, Informationen zu einem Produkt zu erhalten und zu verarbeiten. Die Marke bündelt Informationen über den Hersteller und die Herkunft des Produktes. Sie hilft damit dem Verbraucher, sich in einem neuen oder unübersichtlichen Produktumfeld zurechtzufinden. Darüber hinaus zeichnen sich Markenprodukte durch einen starken Wiedererkennungseffekt aus: Konsumenten können vertraute Marken schnell und einfach wieder erkennen bzw. am Point of Sale (POS) wiederfinden. Mit der Wahl eines Markenproduktes verringert sich für den Kunden die Gefahr, eine subjektiv falsche Kaufentscheidung zu treffen. Marken schaffen aufgrund ihrer Bekanntheit, Kompetenz und Identität Vertrauen in die erwartete Produktleistung. Diese Funktion ist insbesondere bei Kaufentscheidungen, die mit einem hohen subjektiven Kaufrisiko einhergehen, von besonderer Relevanz. Marken stiften einen ideellen Nutzen. Dieser Nutzen ist nach außen gerichtet, wenn der Kunde die Marke, zum Beispiel ein Bekleidungsstück, zur Selbstdarstellung und eigenen Profilierung in der Öffentlichkeit einsetzt. Marken werden damit zu einem Kommunikationsmittel der eigenen Persönlichkeit gegenüber anderen Menschen. Nach innen richtet sich der Nutzen, wenn die Marke der Selbstverwirklichung oder Identifikation mit persönlichen Werten und Idealen dient, zum Beispiel bei Automobilen und Motorrädern. Die Markenfunktionen aus Konsumentensicht decken den gesamten Kauf- und Konsumprozess ab. Die Steigerung der Informationseffizienz wirkt während der Vorkaufphase, die Risikoreduktion beeinflusst die eigentliche Entscheidungsfindung, und der ideelle Nutzen entsteht in der Nachkaufphase und während des Konsums. Die Funktionen der Marke haben allerdings nicht in allen Kaufentscheidungen einen gleich gewichteten Einfluss. Der Stellenwert der einzelnen Funktionen aus Konsumentensicht variiert in Abhängigkeit von der Produktkategorie. Eine Studie (MCM/ McKinsey 2002) hat die Relevanz der Funktionen in ausgewählten Produktkategorien analysiert und kam zu den folgenden Ergebnissen:
44
Die Steigerung der Informationseffizienz ist insbesondere für kurzlebige Konsumgüter wie Zigaretten, Waschmittel und Bier von Wichtigkeit.
Die dritte Markenfunktion, die Risikoreduktion, ist vor allem bei Produkten mit einem hohen Anteil an Vertrauenseigenschaften, die auch nach dem Kauf und Konsum eines Produktes nicht zweifelsfrei beurteilt werden können (beispielsweise bei Kompaktwagen oder Pauschalfernreisen) von besonderer Bedeutung. Bei Papiertaschentüchern und Strom ist der Einfluss wiederum am geringsten. Geht man nun aber davon aus, dass die meisten Stromkunden einen Anbieterwechsel deswegen nicht durchführen, weil sie das Risiko als zu hoch einschätzen (vgl. GfK-Studie 2006 und 2007) und die Versorgungssicherheit als nicht sichergestellt sehen, so muss das Ergebnis der Studie relativiert werden, da hier eine Marke durchaus eine Risikoreduktion bewirkt.
Produktmärkte (Bewertung von 0 bis 5) Ideeller Nutzen
Informationseffizienz
Risikoreduktion
■ Designersonnenbrillen 4,86
■ Zigaretten
4,12
■ Kompaktwagen
3,20
■ Mittelklassewagen
3,77
■ Waschmittel
3,72
■ Pauschalfernreisen
3,02
■ Champagner
3,54
■ Bier
3,67
■ Waschmaschinen
2,99
■ Festnetzanbieter
2,41
■ Banknoten
2,63
■ Festnetzanbieter
2,38
■ Waschmittel
2,36
■ Fastfood
2,60
■ Kaffeemaschinen
2,32
■ Strom
1,72
■ Kaffeemaschinen
1,86
■ Papiertaschentücher
1,85
■ Papiertaschentücher
1,43
■ Strom
1,51
■ Strom
1,78
Abbildung 4: Stellenwert der Markenfunktionen aus der MCM/McKinsey-Markenrelevanz-Umfrage (Quelle: MCM/McKinsey)
45
2.2 Funktionen der Marke
Die höchste Wichtigkeit weist der ideelle Nutzen beim Kauf von Designer-Sonnenbrillen auf, gefolgt von Mittelklassewagen und Champagner. Der ideelle Nutzen im Sinne eines Prestige– nutzens ist hier offensichtlich. Dagegen ist der Einfluss des ideellen Nutzens bei Strom und Papiertaschentüchern zunächst einmal vernachlässigbar, auch wenn sich dies zum Beispiel bei Ökostromangeboten zunehmend verändert oder bei Angeboten in Kombination mit Energiedienstleistungen.
Herausforderungen und Aufgaben der Markenführung
2.
Weiterhin kritisch anzumerken ist, dass die Studie zu dem Resultat kommt, Marken würden bei der Kaufentscheidung für Strom und Papiertaschentücher eine nur untergeordnete Rolle spielen. Wie ist es aber dann zu erklären, dass die Marke Tempo als ein Synonym für Papiertaschentücher gilt und dass Strom gelb ist, seit Yello am Markt agiert. Beide Marken sind in der Lage, Kunden zu gewinnen und an die Marke zu binden, ohne einen besonders hohen Preisvorteil zu bieten – im Gegenteil. Tempo erzielt gegenüber dem günstigsten Konkurrenten einen Preisabstand von bis zu 40 Prozent, und Yello wächst nach einer Einführungsphase auf einem Preisniveau weiter, das dem der Wettbewerber entspricht. Wechselgründe sind demzufolge nicht der Preis, sondern das gute Gefühl Kunde der Marke Tempo oder der Marke Yello zu sein – und das geht nur mit einer starken Marke.
2.2.2 Funktionen der Marke für den Anbieter Aus den Funktionen der Marke für den Konsumenten leiten sich viele Chancen für den Anbieter im Rahmen seiner Markenführung ab. Primäres Ziel der Markenführung ist es, beim Kunden Präferenzen zu schaffen, um sich von den Wettbewerbern zu differenzieren und sich zu profilieren. Sind nun die Präferenzen ausreichend stark ausgeprägt, werden die Kunden aufgrund ihrer emotionalen Bindung die Marke wiederkaufen und weiterempfehlen. Die dadurch erreichte Kundenbindung und Kundenloyalität reduziert das Absatzrisiko und erhöht gleichzeitig den Unternehmenswert. In der Folge sinken tendenziell die Fremdkapitalkosten, die sich ihrerseits am Unternehmenswert orientieren (Basel II), und die Aufnahme von Fremdkapital wird erleichtert. Ferner ermöglicht die Markenpolitik eine zielgruppenspezifische Marktbearbeitung. Mit dem Angebot verschiedener Marken im Rahmen einer Mehrmarkenstrategie (siehe Abschnitt 4.1.4) können unterschiedliche Bedürfnisse und Anforderungen der Kunden optimal bedient werden. Allerdings bleiben Kundenbedürfnisse und Marktgegebenheiten nicht konstant, sondern verändern sich im Zeitablauf. Im Rahmen einer professionellen Markenführung können sich dadurch weitere Wachstumspotenziale für das Unternehmen ergeben. Mit starken Marken lassen sich neue geografische Absatzgebiete erschließen und neue Produkte und Dienstleistungen mit einer höheren Erfolgswahrscheinlichkeit im Markt platzieren. Sie profitieren von dem bereits aufgebauten Markenimage, der Kompetenz und dem Vertrauen der etablierten Marke. Gelingt es der Markenführung, die Marke im Vergleich zum Wettbewerb als etwas „Einzigartiges“ zu positionieren, lassen sich zudem preispolitische Spielräume nutzen. Das Produkt stiftet dem Kunden einen „besonderen“ Nutzen, für den er bereit ist, ein Preispremium zu zahlen. Der Nutzen einer Marke für den Anbieter ist nicht allein auf den Konsumenten gerichtet, sondern gleichsam auf den Handel. Erfolgreiche Marken verbessern die Verhandlungsmöglichkeiten gegenüber dem Handel und erleichtern auch hier neuen Produkten eine Listung im Sortiment des Handels. Gerade in Zeiten, in denen die Wettbewerbsintensität steigt, übernimmt die Marke Funktionen, die die Wettbewerbsfähigkeit stärken. Sie erlauben einen Preisabstand gegenüber den Wettbewerbern aufrechtzuerhalten, da die Kunden das Produkt nicht aufgrund des Preises kaufen. Des Weiteren schützt eine starke Marke vor neuen Wettbewerbern im Markt. Die Aufwendungen, die nötig sind, um sich gegen eine etablierte Marke zu positionieren sind so hoch, dass sie als eine
46
Markteintrittsbarriere wirken und somit den Wettbewerb nachhaltig einschränken. Oft sind nur Marken, die sich bereits in anderen Märkten etablieren konnten, in der Lage und dazu bereit, diese Kosten zu tragen.
2.2.3 Funktionen der Marke für die Stakeholder 2.2 Funktionen der Marke
Von starken Marken profitieren alle Beteiligten: das Unternehmen und seine Mitarbeiter ebenso wie die Verbraucher, Shareholder, Geschäftspartner, die Politik und die allgemeine Öffentlichkeit. Unternehmen profitieren von der Marke, weil sie vor Nachahmung schützt und entscheidende Wettbewerbsvorteile bringt. Die Mitarbeiter wiederum können sich mit „ihrer“ Marke identifizieren, sie fördert das Zusammengehörigkeitsgefühl der Mitarbeiter untereinander und vermittelt Anerkennung. Auch die Shareholder sind Nutznießer von erfolgreichen starken Marken. Allein die Ankündigung, dass ein Markenportfolio erweitert wird, kann den Börsenkurs steigen lassen. Voraussetzung ist ein ganzheitliches Markenmanagement, das alle Ziel- und Interessengruppen der Marke erreicht.
Unternehmenshierarchie
Top-ManagementEbene
Zielgruppen
Markenhierarchie
Aktionäre Führungskräfte Banken Analysten Wirtschaftspresse
Corporate Brand
Unternehmensbereichsebene
Mitarbeiter Lieferanten Fachpresse
Strategische Geschäftseinheiten-Ebene
Konsumenten
Dachmarken
Die Corporate Brand wird dabei zur übergreifenden Profilierung eines Unternehmens gegenüber allen Stakeholdern eingesetzt. Mit der Company Brand wird genauer auf einzelne Ziel- und Interessentengruppen gezielt. Einzel- und Familienmarken ermöglichen darüber hinaus eine noch feinere Abstimmung auf spezifische Zielgruppen und die Herausstellung einzelner Leistungsvorteile. Während sich Konsumenten und Kunden vor allem mit der Ebene der einzelnen Strategischen Geschäftseinheiten (SGE) auseinandersetzen, suchen andere Stakeholder – wie beispielsweise Investoren oder die politischen Interessengruppen – den Bezug zu der Top-Management-Ebene.
Company Brands
Familienmarken Einzelmarken Markenzusätze
Abbildung 5: Einordnung der Stakeholder in die Unternehmens- und Markenhierarchie (vgl. Meffert 2005, S.167)
47
Herausforderungen und Aufgaben der Markenführung
2.
Darüber hinaus sind starke Marken in der Lage, auf ausgewählte Stakeholder Einfluss zu nehmen. Mehr noch, Marken werden mehr und mehr zu zentralen politischen Akteuren. Unternehmen und starke Marken beeinflussen den Gang politischer Diskussionen und den Inhalt politischer Entscheidungen. So prägt die Marke Yello den Wettbewerb auf dem Energiemarkt und steht in einem ständigen Dialog mit Vertretern der Politik, um damit Tendenzen im Strommarkt frühzeitig zu antizipieren und aktiv an den Entwicklungen teilzunehmen. Marken besitzen in politischen Diskussionen die Macht, das Verhalten der Konsumenten und damit der Wähler maßgeblich zu beeinflussen. Der politische Einfluss von Marken basiert aber nicht darauf, unmittelbar politische Direktiven zu erlassen, sondern vielmehr darauf, dass Marken als Identifikationsangebot das Konsumentenverhalten weit über den eigentlichen Kauf und den Konsum hinaus prägen. Google beispielsweise verändert massiv das Informationsverhalten; Marken wie Coca-Cola oder McDonald’s verändern nicht nur das Essverhalten, sondern beeinflussen maßgeblich gesundheitspolitische Diskussionen. Der politische Bedeutungs- und Machtgewinn von Marken gibt einen „sanften“ Hinweis auf den unmerklichen Bedeutungs- und Vertrauensverlust der eigentlich zuständigen politischen Instanzen und provoziert damit politische Diskussionen nach Kontrollmechanismen und der sozialen Verantwortung von Marken.
Welche Erwartungen hat ein Kunde an eine Premium-Automobilmarke? „Audi gehört zum exklusiven Kreis der Premiumautomobilmarken – ein ganz besonderer Club, dessen Mitgliedsausweis man sich jeden Tag neu erarbeiten muss“ Ralph Weyler, ehemaliger Audi-Vorstand für Marketing und Vertrieb
Was bedeutet dies für Audi? Die Erwartungen der Kunden werden in Zukunft vielschichtiger und der Premiumanspruch wird zunehmen. Bei der Formulierung von Kundenerwartungen an eine Premium-Automobilmarke lassen sich Hygienefaktoren und Motivatoren unterscheiden. Beim Kauf einer Premium-Automobilmarke sind Hygienefaktoren eine Selbstverständlichkeit. Die Motivatoren bzw. Premiumfaktoren sind dagegen in der Lage, eine Premiummarke von einer Volumenmarke zu differenzieren. Es ist wichtiger denn je, die Erwartungen der Kunden zu kennen, um sie zu erfüllen. Typische Kundenerwartungen sind: Individualität und Einzigartigkeit Jeder Kunde hat seine persönlichen Vorstellungen, wie er behandelt werden möchte, seine individuellen Probleme, die gelöst werden müssen, seine eigenen Träume und Wünsche, die erfüllt werden sollen. Emotionale Erlebnisse Der Kunde betrachtet den Kauf eines Autos, die Übergabe seines Fahrzeugs nicht als etwas Alltägliches. Er will die Marke fühlen und erleben. Oft genügt eine kleine Aufmerksamkeit oder ein Lächeln, um diesen Wunsch zu erfüllen.
48
Identifikation und Orientierungshilfe Der Kunde hat ganz bestimmte Lebensgewohnheiten und Wertevorstellungen, die er mit einer Marke in Verbindung bringt. Diese gilt es durch Handeln zu bestätigen. Schnelligkeit, Flexibilität und Komfort Zeit ist ein rares Gut. Der Kunde bezahlt für sein Fahrzeug oder die Kundendienstleistungen bei einem Audi Partner teilweise mehr als bei anderen Herstellern. Er erwartet dafür eine schnelle und pragmatische Lösung seiner Anliegen, die ihn ohne große Umstände zufriedenstellt.
Funktionen der Marke
2.2
Aufmerksamkeit und Sozialkompetenz Ein Kunde im Audi-Schauraum erwartet eine gewisse Aufmerksamkeit. Hat er ein Anliegen, so wird dies ernst genommen und man begegnet ihm mit entsprechender Offenheit und Kompetenz. Mobilität Letztlich steht hinter allem der Wunsch nach Mobilität. Dieses ureigenste Interesse des Kunden sollte nie außer Acht gelassen werden. Um von den Kunden als eine Premiummarke wahrgenommen zu werden, müssen die Premiumfaktoren sichergstellt sein:
Innovation Top-Service Herkunft Exklusivität Prestige Unternehmenserfolg
Der Audi-Kunde erwartet eine Durchgängigkeit der Premiumfaktoren an allen Kontaktpunkten – beim Produkt, in der Kommunikation, im Verhalten der Audi-Mitarbeiter und beim Handel. Dafür ist er dann auch bereit, ein Preispremium zu bezahlen.
Was heißt nun aber Premium für Audi? Premium funktioniert nur, wenn das Produkt, das Marketing und das Verhalten im Einklang stehen. Der Erfolg spiegelt sich in einer konsistenten Qualität und einer Haltung wider, die Hochwertigkeit und Kundenzufriedenheit in den Mittelpunkt stellen. Die Hochwertigkeit ist damit ein zentrales Element der Audi-Markenstrategie. Hochwertigkeit bedeutet dabei für Audi eine Mischung aus Kultur, Raffinesse und Faszination. Diese Hochwertigkeit spiegelt sich in den vier Ringen wider. Sie stehen für höchste Qualitätsansprüche, die Kunden selbstverständlich bei hochwertigen Premiumprodukten voraussetzen. Aber Audi geht noch einen Schritt weiter: Durch das Design und die Hochwertigkeit kommen Gefühle und Faszination hinzu. Hochwertigkeit ist also die Messlatte, an der sich alle Prozesse bei Audi ausrichten. In der Kommunikation bedeutet dies beispielsweise qualitativ hervorragende Inhalte ausgezeichnet aufzubereiten. „Premium“ ist ein Gefühl, das jeder Audi-Kunde spürt. Mit innovativer Technik, fachlicher Kompetenz und individuellem Service gilt es, den Kunden zu begeistern… und es sind letztendlich immer die Menschen, die eine Marke zu einer Premiummarke machen.
Quelle: Audi Geschäftsbericht 2006
49
Welche Rolle spielen Stakeholder für einen Energieversorger?
Herausforderungen und Aufgaben der Markenführung
2.
Die Energiewirtschaft steht heute mehr denn je im Spannungsfeld unterschiedlicher Interessengruppen. Energieerzeugung, Transport und Vermarktung rücken in zunehmendem Maß in den Blickpunkt der gesamten Öffentlichkeit, der Politik, der Presse, auch die bisher wenig interessierten Kunden sowie Aktionäre und Mitarbeiter. Letztere sehen sich zum Beispiel mit dem weitgehenden Wegfall der „staatlichen“ Beschäftigungsgarantie zu Monopolzeiten zunehmend mit Rationalisierungsbestrebungen konfrontiert. Auch für die Anteilseigner entsteht mit dem Wegfall der staatlichen „Quasi-Amortisationsgarantie“ für Investitionen in Netz oder Erzeugung ein zunehmendes Risiko hinsichtlich der Wertentwicklung ihrer Anteile und der Ausschüttungshöhe. Auch Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen haben die Energiewirtschaft im Fokus. Dabei verfolgen diese Interessengruppen unterschiedlichste Ziele, vom Total Return ihrer Anteile an den Energieversorgungsunternehmen, über Versorgungs- und Beschäftigungsziele bis hin zu ökologischen Zielen. Zunehmend wird die Energiewirtschaft zur Profilierung unterschiedlicher politischer Lager instrumentalisiert und damit in der öffentlichen Diskussion unabhängig von rationalen Argumenten zum Spielball rein politisch motivierter Eigeninteressen. Ökonomie, Ökologie sowie eine sichere, preiswerte Versorgung sind dabei die Eckpunkte eines magischen Dreiecks, das für die Markenführung in der Energiewirtschaft eine besondere Rolle spielt. Eine starke Marke, die konsistent nach relevanten Markenwerten gesteuert wird, ist eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür, einen glaubhaften Interessensausgleich zwischen den unterschiedlichen Gruppen und ihren Zielsetzungen zu verfolgen. Eine konsistente, langfristig ausgelegte Führung der Marke sorgt dabei für den notwendigen Vertrauensaufbau, um in den Dialog mit den unterschiedlichen Interessengruppen einzutreten und auch in kritischen Situationen (zum Beispiel Preissteigerungen, Stromausfälle oder Störfälle in Kraftwerken) im Dialog zu bleiben. Auf die unterschiedlichen Markenzielgruppen wirken Schwerpunktmäßig die folgenden Markenfunkionen: Kunden Differenzierung im Markt aufgrund eines homogenen Kernproduktes Aktivierungsfunktion Immunisierung gegen negative Pressemeldungen Mitarbeiter Identifikation und Motivation, insbesondere für die Mitarbeiter, die in marktfernen Bereichen tätig sind Wirkt als Hygienefaktor Besondere Relevanz für dezentrale Organisationen und Beteiligungen, wie es bei einem Energieversorger häufig der Fall ist
50
Öffentlichkeit/Gesellschaft/Presse Vertrauensbildung aufgrund einer potenziell risikobehafteten Technologie Immunisierung gegenüber kritischer Berichterstattung Politik und Investoren Vertrauensbildung für einen partnerschaftlichen Dialog Als Gesprächspartner in politische Entscheidungsprozesse integriert werden Unterstützung des Lobbyismus
Funktionen der Marke
2.2
Wozu braucht die Energiebranche überhaupt Marken? Marken spielen für Energieversorger heute eine nicht zu unterschätzende Rolle. Sie geben Kunden und Mitarbeitern Orientierung und fokussieren das Unternehmen auf den Markt und die Kunden. Das Ziel ist es, in den Köpfen der Kunden sowie aller Zielgruppen und Anspruchsgruppen ein Bild zu schaffen und zu verankern, das sich von anderen Bildern und insbesondere von denen der Konkurrenz abhebt. Nur starke Marken sind in der Lage dies zu erreichen. Dies gilt sowohl für den Privatkundenmarkt als auch den Geschäftskundenmarkt. In beiden Zielmärkten hat sich das wettbewerbliche Umfeld im Zuge der Liberalisierung verändert und der Energiemarkt befindet sich in einem Umbruch: Aus lokalen Marken werden regionale, aus regionalen nationale und schließlich internationale Marken. Dazu treten immer neue Energieanbieter in den Markt, die durch hohe Vertriebsmargen angezogen werden und um Kunden werben. Aufgrund der Regulierungsstandards, die einheitliche Geschäftsprozesse und Datenformate festlegen, hat sich der Wechselprozess für Kunden erleichtert. Aber nicht nur neue Anbieter intensivieren den Wettbewerb, auch im Markt etablierte Anbieter weiten ihre Vertriebsaktivitäten aus und intensivieren diese in Ballungsräumen und ausgewählten Zielregionen. Gerade in einer solchen Situation ist es für einen etablierten Energieversorger notwendig, die Marke professionell zu steuern. Eine Marke ist für den Kunden im liberalisierten Energiemarkt ein zentraler Vertrauensanker und ein Indikator für Qualität und Sicherheit. Nur über eine starke Marke lässt sich bei einem so homogenen Produkt wie Strom eine Präferenz bei den Kunden aufbauen und ein ruinöser Preiskampf vermeiden. Energie ist zwar ein homogenes Produkt, aber kein Low Interest-Produkt, wie häufig behauptet wird. Strom ist ein wesentlicher Bestandteil des täglichen Lebens. Auch im gewerblichen Markt hat der Wettbewerbsdruck erheblich zugenommen. Preisaggressive Wettbewerber bieten den Kunden Konditionen unterhalb des Börsenniveaus und führen gezielte Rückgewinnungsaktionen durch, um den Marktanteil sukzessive zu steigern. Der Wettbewerbsdruck wird nicht allein durch den deutschen Markt beeinflusst. Programme für energieintensive Industrien im europäischen Umfeld wirken sich ebenfalls auf die Wettbewerbsintensität aus. Aber gewerbliche Kunden erwarten von ihrem Stromanbieter mehr als nur Strom. Sie erwarten das Angebot von Energieeffizienzprodukten und einer fundierten Energieeffizienzberatung. Diesen Anforderungen muss ein wettbewerbsfähiger Stromanbieter gerecht werden. Wie im Privatkundenmarkt gilt aber auch im Markt für gewerbliche Kunden, dass nur eine starke Marke in der Lage ist, erfolgreich dem steigenden Margendruck und der Wechselbereitschaft der Kunden zu begegnen.
51
Hygiene
Sc hu tz f ür Im age
Dif fer tion Integra
on ati din oor Planung & K
Im mu nisi erung
Ku nd en a
Iden tifi ka
ung ier z en
n tio
Herausforderungen und Aufgaben der Markenführung
Mita rbe ite rb i
g un nd
2.
ise u kq
ung bind &
Ko n nsis tenz der Maßnahme
Die Marke gibt EnBW eine Identität, die sie von anderen Energieanbietern differenziert und gegen mögliche Angriffe der Wettbewerber weitgehend immunisiert. Sie integriert als inhaltliche Klammer alle EnBW-Aktivitäten – nach innen und außen – und schließt solche Maßnahmen aus, die nicht zur Marke passen. EnBW wird durch eine starke Marke zu einem Leuchtturm und Orientierungsanker für alle Anspruchsgruppen im Energiemarkt. Für die verschiedenen Markenzielgruppen und Anspruchsgruppen eines Energieversorgers übernimmt die Marke EnBW unterschiedliche Funktionen. Betrachtet man die allgemeine Öffentlichkeit nimmt die Debatte um die Zukunft der globalen Energieversorgung, die Preis- oder CO2–Diskussion einen zunehmend hohen Stellenwert ein. In kaum einem anderen Markt gibt es so viele heterogene Anspruchsgruppen wie im Energiemarkt, die aus der Vielfalt an Stromkunden mit sehr unterschiedlichen Nutzerverhalten resultiert. Gerade gegenüber kritischen Anspruchsgruppen bei emotional diskutierten Themen muss die Marke EnBW für klare Werte stehen und verlässlich sein. Dadurch wird EnBW zu einem gefragten Ratgeber und Partner in der notwendigen Versachlichung der Diskussion um die Energie der Zukunft.
52
Die Funktionen der Marke für den Konsumenten, den Anbieter und die Stakeholder sind vielfältig und bekräftigen damit die Herausforderungen und Chancen der Markenführung. Ihre Aufgabe ist es, die unterschiedlichen Anforderungen, die an eine Marke gestellt werden, zu konsolidieren und in die markenpolitische Zielplanung sowie in ein einheitliches Zielkonzept der Markenführung zu integrieren.
2.3 Ziele der Markenführung Die Zielplanung legt den Rahmen für die mögliche Zielerreichung durch die Marke fest. Ohne ein klares, langfristig ausgerichtetes Zielkonzept ist eine Markenführung reaktiv anstatt aktiv den Markt zu gestalten. Ziele sind Maßstäbe zur Bewertung strategischer Alternativen. Sie stellen sicher, dass alle an der Markenführung Beteiligten in- und außerhalb des Unternehmens auf ein gemeinsames Ziel hin arbeiten.
2.3.1 Die Zielpyramide der Markenführung Geht es darum, die Ziele in einem verbindlichen Zielkonzept der Markenführung festzulegen, ist zwischen dem Globalziel der Unternehmung, ökonomischen Zielen und verhaltenwissenschaftlichen Zielen zu unterscheiden. Die einzelnen Ziele sind jedoch nicht unabhängig voneinander, sondern stehen in einem mittelbaren Zusammenhang (vgl. Abbildung 6). Das Globalziel der Unternehmung betrifft die langfristige Existenzsicherung der Unternehmung im Markt. Ökonomische Ziele dienen dem Aufbau und der Steigerung der zentralen Steuerungsgröße der Markenführung – dem Markenwert. Unbestritten ist die Erkenntnis, dass Marken in vielen Branchen einer der zentralen Werttreiber sind und damit einen wesentlichen Einfluss auf den Unternehmenswert besitzen. Daher ist es nicht überraschend, dass 27 Prozent der auf dem World Economic Forum 2004 befragten Manager den Markenwert sogar als eine bedeutendere Kennzahl einschätzen als die Aktienperformance.
Globalziel
ökonomische Ziele
verhaltenswissenschaftliche Ziele
Abbildung 6: Ziele des Markenmanagement (vgl. Esch 2006, S. 42)
53
Ziele der Markenführung
2.3
Eine konsequente und erfolgreiche Markenführung senkt die Preissensibilität, führt zu einer Erhöhung des Absatzes und entwickelt sich somit zu einem wichtigen Treiber für die Erreichung des Globalziels (vgl. Hahn/Hungenberg 2001, S. 13). Die Markenführung ist langfristig angelegt, so dass Erfolge oft nicht sofort erkennbar sind. Eine alleinige Fokussierung auf den Unternehmenserfolg im Sinne des Jahresüberschusses ist dagegen kurzfristig orientiert und führt häufig zu einer Fehlinterpretation des Erfolgspotenzials einer konsequenten Markenführung.
Herausforderungen und Aufgaben der Markenführung
2.
Vorrangiges Ziel jedes unternehmerischen Handelns ist es, den Kunden zum Kauf zu bewegen und somit die ökonomischen Ziele zu unterstützen. Eine Entscheidung über Kauf bzw. Nichtkauf variiert mit dem Zielerreichungsgrad verhaltenswissenschaftlicher Ziele. Die wichtigsten verhaltenswissenschaftlichen Ziele der Markenführung sind der Aufbau von Markenbekanntheit und eines Markenimages. Gemeinsam sind sie in der Lage, Markenpräferenzen zu schaffen und somit den ökonomischen Erfolg der Marke zu gewährleisten (vgl. Esch/Wicke/Rempel 2005, S. 43). Voraussetzung hierfür ist eine eigenständige Positionierung der Marke in den Köpfen der Konsumenten, um damit eine Differenzierung von den Wettbewerbern zu erreichen. Die Marke wird damit im Wettbewerbsumfeld unterscheidbar und eigenständig in der Wahrnehmung der Konsumenten (vgl. Kroeber-Riel 1993, S. 46 ff.). Die Sichtbarkeit und die Bedeutung der Marke werden durch die klare Differenzierung von Produktnutzen, Qualität, Design und Kommunikation erhöht.
2.3.2 Der Markenwert als Zielgröße der Markenführung Der Aufbau und der Erhalt von Marken ist das erklärte Ziel der Markenführung. Zentrale Steuerungsgröße ist dabei der Markenwert. Aus finanzwirtschaftlicher Sicht gibt der Markenwert eine Antwort auf die Frage „Wie erfolgreich ist eine Marke?“ und entspricht dem Barwert aller zukünftigen Einzahlungsüberschüsse, die der Markeneigner erwirtschaften kann (vgl. Kaas 1990, S. 48). Offen bleiben aber die Ursachen hierfür. Für die Markenführung ist die Antwort auf die Frage, warum eine Marke erfolgreich ist, von größerem Interesse und soll damit einen Aufschluss über die Gründe einer erhöhten Zahlungsbereitschaft für Markenprodukte gegenüber nicht markierten Produkten liefern. Der Wert einer Marke liegt nicht im Unternehmen selbst begründet, sondern spiegelt sich vielmehr in den Köpfen der Konsumenten wider. Somit erscheint eine verhaltenswissenschaftliche Sichtweise die geeignete Herangehensweise, um den Markenwert zu operationalisieren und geeignete Maßnahmen zu dessen Aufbau und Steigerung abzuleiten. Aaker (1992, S. 32 f. in Esch 2005, S. 1270) identifiziert als wesentliche Determinanten eines verhaltenswissenschaftlich geprägten Markenwertes:
Markentreue Bekanntheit von Markenname und Markensymbol angenommene, subjektiv wahrgenommene Qualität Markenassoziationen andere Markenvorzüge, zum Beispiel Patente, Warenzeichen, Distributionswege und -kanäle.
Die verhaltenswissenschaftliche Operationalisierung des Markenwertes gewährt einen Einblick in das individuelle Markenwissen, das die Stärke einer Marke in den Köpfen der Konsumenten
54
Eine Analyse der Netzwerke und Gedächtnisstrukturen zur Marke offenbart zwei wesentliche Konstrukte (vgl. Aaker 1991, Keller 1993): die Markenbekanntheit das Markenimage. Die Markenbekanntheit ist die Basis für den Markenerfolg und grundlegende Voraussetzung für eine Integration der Marke in die Kaufentscheidung markenspezifische Assoziationen den Aufbau von Vertrauen und Sympathie beim Konsumenten (vgl. Aaker 1992, S. 85).
Die Bekanntheit misst die Fähigkeit potenzieller Nachfrager, sich an ein Markenzeichen zu erinnern (Markenrecall) oder es nach akustischer und/oder visueller Stützung wieder zu erkennen (Markenrecognition) und diese Kenntnisse einer Produktkategorie zuzuordnen (Aaker 1991, S. 61, in Meffert 2005, S. 54). Die Markenbekanntheit kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein. So kann man sich etwa an den Namen Coca-Cola erinnern oder aber auch an die Farbe rot, die typische Flaschenform oder den prägnanten Schriftzug.
55
2.3 Ziele der Markenführung
reflektiert und so die Höhe des Markenwertes bestimmt. Das Markenwissen wiederum lässt sich in Schemata, das heißt großen, komplexen Wissenseinheiten, die typische Eigenschaften und feste Vorstellungen umfassen, darstellen. Die Informationsaufnahme, -verarbeitung und -speicherung komplexer Informationen lassen sich durch Schematavorstellungen wesentlich vereinfacht darstellen. Man denke beispielsweise an Apple Computer. Auf die Frage was man mit dem Markennamen Apple verbindet, erhält man Aussagen, wie kreativ, benutzerfreundlich, für Desktop Publishing, innovativ oder Forrest Gump. Durch ein geschicktes Marketing ist es Apple gelungen, ein Markenimage aufzubauen, das mit einer Vielzahl an Assoziationen in den Köpfen von Kunden und Nichtkunden verankert ist.
Markenbekanntheit
Herausforderungen und Aufgaben der Markenführung
2.
aktive Markenbekanntheit: Markenrecall
Passive Markenbekanntheit: Markenrecognition
visuelle Markenanker (Präsenzsignal, Wort-Bild-Zeichen, Farb- und Formcodes) verbaler Markenanker verbaler Zugriff nonverbaler Zugriff
Art der Markenassoziationen
Markenwissen
emotional geprägt kognitiv geprägt
Stärke der Markenassoziationen verbal Markenimage Abgleich mit Wissensstrukturen zu Konkurrenz marken
Repräsentation der Markenassoziationen Zahl der Markenassoziationen
nonverbal (Bilder, Jingles, haptische Bilder usw.) produktbezogene Assoziationen
Einzigartigkeit der Markenassoziationen Relevanz der Markenassoziationen Richtung der Markenassoziationen
markenbezogene, eigenständige Assoziationen angenehm unangenehm
Zugriffsfähigkeit der Markenassoziationen
Abbildung 7: Operationalisierung des Markenwissens der Konsumenten (vgl. Esch 2006, S. 1272)
Eine Marke wird allerdings nicht nur durch verbale, rationale Inhalte reflektiert, sondern auch durch Emotionen (vgl. Boesch 1984, S. 179). Als Ergebnis kristallisiert sich das Markenimage heraus. Das Markenimage ist ein mehrdimensionales Konstrukt, das das in der Psyche des Konsumenten fest verankerte, verdichtete, wertende Vorstellungsbild einer Marke wiedergibt. Es sind also die mit einer Marke verbundenen individuellen Assoziationen, die die Stärke des Markenimages determinieren. Der Erfolg der Mehrzahl von Markenprodukten basiert nicht allein auf dem funktionalen Nutzen der Marke, sondern immer stärker auf der vom Kunden wahrgenommenen symbolischen Bedeutung der Marke. Dies kann die Vermittlung von Prestige sein (Geltungsnutzen) die Vermittlung eines Gefühls der Gruppenzugehörigkeit (sozialer Nutzen) die Wahrnehmung der Marke als ein Mittel zur Selbstverwirklichung die Verknüpfung der Marke mit individuell wichtigen Erlebnissen und Ereignissen das Generieren von Beziehungsvorteilen die Marke als Sinnbild individuell wichtiger Werte oder Lebensstile sein.
56
2.4 Kritische Erfolgsfaktoren der Markenführung Die Markenführung wird durch marktbezogene und unternehmensbezogene Rahmenbedingungen beeinflusst. Eine kontinuierliche Antizipation der kritischen Erfolgsfaktoren erleichtert die Markenführung und fördert eine nachhaltige Markenwirkung bei den verschiedenen Anspruchsgruppen.
2.4.1 Marktbezogene Rahmenbedingungen Die Zahl der angebotenen Produkte und Dienstleistungen hat sich in den vergangenen Jahren vervielfacht. Die Gründe hierfür sind vielfältig: eine zunehmende Marktsegmentierung, um den heterogenen Bedürfnissen der Konsumenten gerecht zu werden, eine verstärkte Internationalisierung der Unternehmenstätigkeit, der Markteintritt neuer Wettbewerber, eine Verkürzung der Produktlebenszyklen und der damit einhergehende Zwang zu einer kontinuierlichen Produktneuentwicklung. So hat sich beispielsweise das Wettbewerbsumfeld im Strom- und Telekommunikationsmarkt seit der Liberalisierung der Märkte gravierend verändert. Es sind circa 250 neue Stromanbieter in dieser Zeit in den Markt getreten und ständig kommt ein neuer Anbieter hinzu. In der Folge sinken die Markttransparenz und das Vertrauen in die Anbieter. Die Konsumenten sind mit der daraus resultierenden Angebots- und Informationsvielfalt überfordert und können gar nicht alle Informationen aufnehmen und verarbeiten. Die geringe Anzahl an Produkten im AwarenessSet sowie die vergleichsweise kurze Zeit der Markenwahl am POS sind Hinweise auf eine Informationsreduktionsstrategie der Nachfrager. Unternehmen sind deshalb gefordert, die eigene Marke für den Kunden im Wettbewerbsumfeld wahrnehmbar und mit präferenzfördernden Merkmalen zu versehen. Marken vereinfachen in einem so geprägten Angebotsumfeld die Kaufentscheidung, und die Notwendigkeit des Aufbaus eines klaren Markenimages gewinnt noch weiter an Bedeutung.
57
2.4 Kritische Erfolgsfaktoren der Markenführung
Der Aufbau eines positiven Markenimage erfolgt über Marketingprogramme, die starke, eindeutige Assoziationen mit der Marke verknüpfen. Es sind aber nicht nur unternehmenseigene und -kontrollierte Informationen, die das Markenimage formen, sondern eine Vielzahl weiterer Facetten: eigene Erfahrungen, Berichte in den Medien, Verbraucherstudien, Berichte von anderen Verbrauchern durch Mund-Kommunikation, aber auch durch das Logo, den Markennamen und die Identifikation der Marke mit dem Unternehmen, einem Land, einem Distributionskanal, einer spezifischen Person oder einem bezeichnenden Ereignis. Die Wirkungen der verschiedenen Informationen auf die mit der Marke verbundenen Assoziationen werden bei der Festlegung der Markenkommunikationsstrategie berücksichtigt. Positive Wirkungen werden verstärkt, negative Effekte mit geeigneten Maßnahmen reduziert. Grundsätzlich besitzen die eigenen Erfahrungen mit der Marke den größten Einfluss, gefolgt von der Weiterempfehlung und Mund-Kommunikation. Für den Erfolg der Markenführung ist es daher von großer Wichtigkeit, die Einflussfaktoren und kritischen Erfolgsfaktoren zu erfassen, um rechtzeitig negativen Strömungen entgegenwirken zu können.
Herausforderungen und Aufgaben der Markenführung
2.
Nicht nur bei Produkten und Marken ist eine Inflation zu verzeichnen. Gleiches gilt für die kommunikativen Markenaktivitäten, die in einer Vielzahl über die verschiedensten Kanäle auf den Verbraucher wirken. Die Effizienz der Kommunikationsmaßnahmen und der Kommunikationskanäle sinkt, da der Konsument die Informationen innerhalb einer beständig zunehmenden Informationsüberflutung immer weniger wahrnimmt. Für Unternehmen ist es daher notwendig, die kommunikativen Maßnahmen nachhaltig markenkonform zu integrieren, um die Marke in den Köpfen der Nachfrager zu verankern (vgl. Esch 2002, S. 30). Erschwerend wirkt geringes Involvement der Verbraucher. Produktinformationen werden nur selektiv wahrgenommen, da der Verbraucher heute bei der Mehrzahl der Käufe ein lediglich geringes Kaufrisiko empfindet. Um Marken dennoch sichtbar zu machen, ist es notwendig, die Kommunikation so zu gestalten, dass sie die Aufmerksamkeit fördert und plakativ, bildhaft die Markeneigenschaften zum Verbraucher transportiert. Die größten Unterschiede zwischen Produkten nehmen Verbraucher wahr, wenn die Information erlebnisorientiert konzipiert ist. Dies trägt der zunehmenden Erlebnisorientierung der Konsumenten Rechnung. Es sind der Spaßfaktor und der Erlebniswert der Marke, die häufig über Kauf oder Nichtkauf entscheiden. Die Markenführung steht nun vor der Herausforderung, die Marke mit markenkonformen, für die Zielgruppe relevanten Erlebnissen aufzuladen. Das Ziel ist, über eine erlebnisorientierte Positionierung der Marke eine emotionale Bindung bei den Konsumenten aufzubauen. Die Vermittlung der Erlebnisorientierung erfolgt konsequent über alle Marketing-Mix-Instrumente: vom Produktdesign, über die Verpackung, die Werbung bis hin zu den Distributionskanälen. Auf der Konsumentenseite ist in den letzten Jahren eine deutliche Veränderung des Kaufverhaltens erkennbar. Verschiedene Studien haben versucht, dieses Phänomen zu erfassen und daraus Kundentypen zu entwickeln (vgl. unter anderem Grey 1996, Meer 1995). Allen Studien gemein ist die Erkenntnis, dass es eine Verschiebung der Kundentypen gibt: vom Qualitätskäufer hin zum Smart-Shopper und hybriden Kunden. Smart-Shopper richten ihr Kaufverhalten am Preis-Leistungs-Verhältnis des Angebots aus. Sie sind häufig eher markenkritisch, da sie nicht bereit sind, für einen Markenartikel ein Preispremium zu zahlen. Der hybride Kunde ist durch ein kontrastreiches Kaufverhalten gekennzeichnet. Er ist bei dem Kauf der Produkte des täglichen Bedarfs preisbewusst, um sich in anderen Bereichen etwas Besonderes zu gönnen. So kauft er beispielsweise die Lebensmittel im Discounter und den französischen Rotwein im spezialisierten Weinhandel. Das veränderte Kaufverhalten mag auch auf eine Veränderung im Handel zurückzuführen sein. Zum einen sind zunehmende Konzentrationstendenzen und eine Intensivierung des Preiswettbewerbs, insbesondere durch die stark wachsende Bedeutung von Discountern, wie Aldi und Lidl zu verzeichnen. Zum anderen sinkt das Markenbewusstsein der Kunden, da Handelsmarken und Herstellermarken als zunehmend vergleichbar wahrgenommen werden, aber zu einem niedrigeren Preis. Gelingt es den Herstellermarken nicht, eine klare Positionierung und Differenzierung aufzubauen, entscheidet der Preis über Kauf oder Nichtkauf. Diese Tendenz ist insbesondere bei Produkten des täglichen Bedarfs mit einem vergleichbaren geringen Risiko zu verzeichnen. Bei subjektiv bedeutsamen Kaufentscheidungen entscheidet sich der Konsument aber weiterhin eher für ein Markenprodukt, das er kennt und dem er vertraut. Geht man zusätzlich davon aus, dass einem Konsumenten auf der Suche nach dem günstigsten Anbieter Opportunitätskosten entstehen, also Kosten für die Zeit, die er aufwendet, um den
58
günstigsten Anbieter zu finden, so sind diesen Kosten die mögliche Ersparnis gegenüberzustellen. Dauert die Suche beispielsweise eine Stunde, so entstehen durchschnittliche Opportunitätskosten von 45 Euro sofern man bereit ist, eine Stunde individueller Zeit entsprechend zu bewerten – und die kapitalisierte Ersparnis beim günstigsten Anbieter „nur“ 25 Euro betragen würde – ist der Suchaufwand nicht gerechtfertigt. In einem solchen Fall kann eine limitierte Kaufentscheidung, die zugunsten eines Markenproduktes ausfällt, trotz des höheren Preises die vorteilhaftere Alternative sein, weil diese Wahl dem Kunden Zeit und damit Suchkosten erspart.
2.4.2 Unternehmensbezogene Rahmenbedingungen Damit Marken in der Wahrnehmung der Kunden konsistent und vertrauenswürdig sind, müssen die unternehmensinternen Rahmenbedingungen mit großer Sorgfalt beachtet und kontrolliert werden. Eine Marke kann nur so wahrgenommen werden, wie sie im Unternehmen konzipiert und konsequent umgesetzt wird. Versucht man eine Antwort darauf zu finden, warum eine über Jahre entwickelte Markenidentität oder ein aufgebautes Markenimage sukzessive verwässert, lassen sich verschiedene interne Ursachen identifizieren. Es kann an der Unerfahrenheit der Produktmanager in der Markenführung liegen, an der Unkenntnis externer Werbeagenturen, die den kommunikativen Auftritt der Marke entwickeln, ohne deren Ziele und Grundwerte zu kennen oder an einer unzureichenden Akzeptanz der Markenführung im Top-Management. Die Koordination und Integration aller markenstrategischer Aktivitäten sollte daher durch einen übergeordneten Markenmanager verantwortet werden, der in der Geschäftsführung auf Top-Managementebene angesiedelt ist. Markenführung ist ein langfristiger, auf Kontinuität und Nachhaltigkeit ausgerichteter Prozess, der sich nicht an kurzfristigen quantitativen Größen orientieren darf. Was kurzfristig gut für die Umsatzentwicklung sein mag, kann langfristig durchaus schlecht für die Marke sein. Der Einsatz von sehr offensiven externen Strukturvertrieben kann zum Beispiel kurzfristig den Absatz steigern, aber langfristig dem Markenwert schaden. Der Aufbau eines klaren Markenimages und eine Verankerung der Marke in der Psyche der Nachfrager erfordert Zeit und eine Konstanz aller Marketingaktivitäten. Kunden haben mit Marken eine Vielzahl von Berührungspunkten: am Point of Sale, auf der Straße, in der täglichen Erfahrung, in den Medien, durch Freunde und Bekannte, etc. All diese Kontakte prägen das Bild der Marke in der Wahrnehmung der Zielgruppen. So wichtig diese Kontaktpunkte für die Marke und deren Erfolg sind, so nachlässig werden sie vielfach gemanagt. Häufig besteht keine Klarheit über die Bedeutung der einzelnen Kontaktpunkte im Hinblick auf den Wert der Marke. Ein Beispiel mag diesen Sachverhalt verdeutlichen: Der häufigste Kontaktpunkt bei Strommarken ist die Stromrechnung – ein an sich bereits kritischer Kontakt. Die Gestaltung der Rechnung ist allerdings in der Regel alles andere als kundenfreundlich. Sie ist komplex, meist unverständlich gestaltet und von der Marke ist nur wenig zu erleben. Die Ausnahme unter den Strommarken ist Yello Strom. Die Yello-Stromrechnung ist einfach und verständlich. Sie macht so die Markenwerte unmittelbar für den Kunden erlebbar.
59
Kritische Erfolgsfaktoren der Markenführung
2.4
Eine fundierte Analyse der Kundenkontaktpunkte bietet die Grundlage zur besseren Ausschöpfung des Markenpotenzials. Im Vorfeld der Analyse gilt es Antworten auf die folgenden Fragen zu finden:
Herausforderungen und Aufgaben der Markenführung
2.
Herrscht im Unternehmen Klarheit darüber, wie wichtig welcher Kontaktpunkt im Rahmen des Kauf- und Wiederkaufprozesses für den Kunden ist? Welche möglichen Kontaktpunkte lassen sich darüber hinaus beim Kunden identifizieren? Wie gut sind die Kontaktpunkte auf die Markenidentität abgestimmt und in der Lage, diese den Zielgruppen zu vermitteln? Wie stark sind die Kundenkontaktpunkte an den Bedürfnissen und Wünschen der Zielgruppen ausgerichtet? Wie gut sind die einzelnen Kundenkontaktpunkte aufeinander abgestimmt und integriert? Wie effektiv und effizient werden die jeweiligen Kontaktpunkte gemanagt? Die Analyse aller Kundenkontaktpunkte mit der Marke folgt einem mehrstufigem Vorgehen: Bestimmung aller relevanten Kontaktpunkte aus der Sicht des Management und Einschätzung der kommunikativen Bedeutung der Kontaktpunkte für die Marke. Daraufhin sind die Managementkapazitäten zu prüfen, um die Kontaktpunkte markenspezifisch zu gestalten. Analyse der relevanten Zielgruppen im Hinblick auf die Ausgestaltung aktueller und idealer Kontaktpunkte. Hierzu erfolgen gleichzeitig eine Kategorisierung der Kontaktpunkte sowie eine Zuordnung der einzelnen Kontaktpunkte zu den Phasen des Kundenkontaktkreislaufes. Ebenso werden die Wichtigkeit, die Leistungsstärke der Kontaktpunkte sowie die subjektiv empfundene Übereinstimmung mit der Markenpositionierung erfragt. Abgleich zwischen der Innensicht und der Außensicht. Darauf aufbauend werden die Kontaktpunkte priorisiert und dahingehend analysiert, inwieweit diese mit der angestrebten Markenpositionierung in Einklang stehen, um Optimierungspotenzial zu identifizieren. Im abschließenden Schritt wird ein konkreter Plan zur Optimierung der Kontaktpunkte und dessen Umsetzung entwickelt. Dieser richtet sich nach dem notwendigen zeitlichen, finanziellen und personellen Bedarf, der erwarteten Hebelwirkung und den Anforderungen an die Umsetzung. Eine solche Analyse setzt entsprechende Prozesse und Strukturen im Unternehmen voraus. Im Resultat lässt sich über einen langfristig integrierten und relevanten Markenauftritt an allen Kundenkontaktpunkten eine nachhaltige Steigerung des Markenwertes realisieren. Die Analyse von Kundenkontaktpunkten als „Moments of Truth“ hat zwischenzeitlich in verschiedenen Branchen Einzug gehalten. Am Beispiel eines Autohauses wird im Folgenden der typische Vertriebs- und Serviceprozess grafisch dargestellt (siehe Abbildung 8).
60
Beratung
Erstkontakt
Fahrzeugübergabe
Vertriebsprozess Verhandlung
Vorbereitung
Terminvereinbarung
Verfügbarkeit
2.4
Fahrzeugübergabe
Serviceprozess Fahrzeugannahme
Reparatur
Qualitätskontrolle
Abbildung 8: Vertriebs- und Serviceprozesse eines Autohauses
Im Vertrieb und im Kundendienst sind auf der Grundlage von möglichen Kundenkontaktpunkten Kernprozesse definiert worden, die beispielhaft und verdichtet dargestellt werden. Der VertriebsKernprozess beginnt mit dem Erstkontakt zwischen einem Interessenten und dem Autohaus. Der Interessent hat den Wunsch, sich im Autohaus umzuschauen und sich zu informieren. Dies mündet in eine Beratung mit einem Mitarbeiter des Autohauses. Ziel des Beratungsgesprächs ist es, dem Kunden eine Probefahrt mit einem Fahrzeug anzubieten, um ein Produkterlebnis zu schaffen. Dem Kernprozess folgend, beginnen im Anschluss daran die Verhandlungen zwischen dem potenziellen Kunden und dem Verkäufer mit dem Ziel eines Vertragsabschlusses. Mit dem Vertragsabschluss gilt es, die Verfügbarkeit des bestellten Fahrzeugs sicherzustellen und den Kunden über den voraussichtlichen Liefertermin zu informieren. Die Fahrzeugübergabe schließt den Vertriebsprozess ab und mündet unmittelbar in den Service-Kernprozess. Der Service-Kernprozess beschreibt, wie der Kundendienst an einem Fahrzeug idealerweise ablaufen sollte. Er beginnt mit der Terminvereinbarung zwischen Kunde und Werkstatt. Ist ein Termin vereinbart, gilt es von Seiten des Kundendienstes den Werkstattbesuch vorzubereiten. Mitarbeiter sind einzuteilen, es sind gegebenenfalls Materialien und Ersatzteile zu bestellen und die Kapazitäten zu planen. Am Tag des Kundendienstes bringt der Fahrer sein Fahrzeug (oder es wird abgeholt) und gemeinsam mit einem Mitarbeiter werden die auszuführenden Arbeiten besprochen und in einem Arbeitsauftrag fixiert. Im Anschluss an die Reparatur sollte eine Qualitätskontrolle erfolgen, die die getätigten Arbeiten und das Fahrzeug überprüft. Bei der Fahrzeugübergabe werden die getätigten Arbeiten und die Rechnung dem Kunden erläutert. Der Kernprozess endet mit einem Follow-up nach dem Werkstattbesuch, in dem der Kunde nach seiner Zufriedenheit mit dem Werkstattbesuch befragt wird.
61
Kritische Erfolgsfaktoren der Markenführung
Probefahrt
Optimierung der Kundenkontakte bei EnBW. EnBW hat die Relevanz der Kundenkontaktpunkte für eine erfolgreiche Markenführung frühzeitig erkannt und optimiert nicht allein einzelne Kundenkontakte, sondern die gesamte Kundenkontaktkette. Besondere Bedeutung kommt dabei der Identifikation entscheidender Kontakterlebnisse aus Kundensicht (Moments of Truth) zu. Das Augenmerk bei der Optimierung und Weiterentwicklung der Servicepunkte liegt dabei auf der Umsetzung des neuen Markenleitbildes der Marke EnBW und der neuen CRM-Leitlinien.
2. Herausforderungen und Aufgaben der Markenführung
Zur Erfassung der Außensicht wählt EnBW bewusst heterogene Privatkunden-Probanden der EnBW AG, die im Haushalt über die Wahl des Stromversorgers entscheiden. In vier Gruppendiskussionen zu je drei Stunden Dauer an vier verschiedenen Standorten in Baden-Württemberg werden die folgenden Befragungsinhalte erörtert:
erinnerte Kundenkontaktpunkte erinnerte (typische) Kundenkontaktkette Kontaktqualität im Vergleich mit den CRM-Leitlinien Markenwirkung im Vergleich mit den Markenzielen Bewertungskriterien für die Kontaktpunkte Einzeldiagnose aller Kundenkontaktpunkte Prioritätenbildung von Kundenkontaktpunkten Optimierung der Kundenkontaktpunkte ideale Kundenkontaktpunkte ein Ausblick in die Zukunft und die zukünftige Ausgestaltung der Kundenkontaktpunkte.
Der als am intensivsten erlebte Kontaktpunkt der Befragten ist die telefonische Kontaktaufnahme im Rahmen von Anfragen und/oder Beschwerden, gefolgt von den Routinen Jahresrechnung und Zählerstandkarte. Dementsprechend ergibt sich die als logische Abfolge beschriebene Kundenkontaktkette, die sich auf die Ablese- und Abrechnungsmodalitäten beschränkt. Weitere Kontakte mit dem Stromversorger sind aus Kundensicht so selten, dass sie nicht in die Kette integriert werden. Mit der Einführung des neuen Markenleitbildes hat EnBW auch CRM-Leitlinien entwickelt, anhand derer die Kontaktqualität bewertet wird. Die CRM-Leitlinien umfassen:
einen ganzheitlichen Markenauftritt eine ganzheitliche Sicht von EnBW auf den Kunden eine abgestimmte Ansprache und Betreuung der Kunden eine dauerhafte (positive) Kundenbeziehung eine individuelle Ansprache des Kunden.
Das Bewerten und Erleben der CRM-Leitlinien im Kontakt mit EnBW zeigt, dass die Erwartungen an die Kundenbeziehung sich auf die Momente konzentrieren, die einer kompetenten, schnellen und individuellen Problemlösung bedürfen. Das nachfolgende Beispiel mag dies verdeutlichen.
62
Erleben + „Ich hatte da Einiges
zum Ändern gehabt, waren sehr entgegenkommend“
individuelle Ansprache
+ Angebot günstigerer Tarife (EnBW-Initiative)
- I.d.R. keine persönliche Kontaktaufnahme
Bewertung „Ich finde die nett“
2.4
Interesse am Kunden Nähe
Kritische Erfolgsfaktoren der Markenführung
CRM-Leitlinien
unpersönlich
Das Erleben der persönlichen und individuellen Ansprache im Beschwerdemanagement und bei Tarifänderungen wird von den Befragten positiv beurteilt. Ein Optimierungsbedarf besteht bei Routinebeziehungen, die bisher eher als anonym empfunden werden und daher noch nicht in vollem Umfang der CRM-Leitlinie entsprechen. Analog zur Ermittlung der Kontaktqualität anhand des individuellen Erlebens der CRM-Leitlinien, erfolgt ein Abgleich der Markenwirkung mit den Markenwerten. Die Analyse offenbart, dass das aktuelle Markenbild noch unzureichend kommuniziert und gelebt wird und hier ein großer Nachholbedarf besteht, der in der Folge aktiv durch die Markenführung forciert wird.
63
2.
Teil 2 Prozess der Markenführung
3. Planung der Markenführung
Planung der Markenführung
3.
Die Markenführung als Leitfunktion des Unternehmens kann nur erfolgreich sein, wenn die Unternehmensführung einem klaren Markenleitbild folgt, das nicht nur den Nutzen für die verschiedenen Anspruchsgruppen, sondern gleichfalls die Differenzierung von den Wettbewerbern klar und unmissverständlich herausstellt. Im Sinne des 8P-Ansatzes ist dies das erste „P“-Positioning. Die Definition des Markenleitbildes und die Entwicklung einer Positionierungsstrategie sind Gegenstand dieser Stufe des Markenführungsprozesses.
3.1 Markenidentität Den Ausgangspunkt der Markenführung bilden die Wurzeln der Marke, also die Markenidentität. Aus ihr kann die Markenpositionierung abgeleitet werden, die letztendlich das Markenimage aus Kundensicht determiniert.
„One name – one standard – everywhere”: Erfolgsfaktoren der Markenführung. Der Erfolg der Marke Audi basiert auf einer konsequenten Markenführung. Dabei hat Audi die folgenden Erfolgskriterien identifiziert, die der Markenführung zugrunde gelegt sind:
eine klare Markenpositionierung eindeutige Vision, Mission und Ziele klare Definition strategischer Wettbewerber die erfolgreiche Implementierung von CI/CD-Richtlinien eine konsequente Markenführung weltweite Umsetzung aller Richtlinien.
Die formulierten Erfolgsfaktoren gilt es konsequent umzusetzen und zu leben – ausgehend von den Produkten über den Handel bis hin zur Kommunikation.
3.1.1 Definition und Bedeutung der Markenidentität „Wer bin ich?“ Das ist die Kernfrage, um die sich seit Jahrhunderten die philosophische Diskussion zur menschlichen Identität dreht. Die Antwort auf diese Frage offenbart, wie ein Individuum
66
sich selbst wahrnimmt und sich positioniert, um von anderen entsprechend wahrgenommen zu werden. Politiker nutzen diese Erkenntnis, um Wählerstimmen zu erhalten, Prominente um Verkaufszahlen zu erhöhen und Berufsanwärter zur optimalen Gestaltung des ersten Eindrucks im Bewerbungsgespräch. Auch das Markieren von Produkten bedient sich dieser Erkenntnisse. Die alten Ägypter, zum Beispiel, markierten Ziegelsteine mit einem Identitätszeichen, und Krüge wurden mit einem Qualitätssiegel versehen.
Interne Zielgruppen
Externe Zielgruppen
„Inside-out“Perspektive
Positionierung
Markenidentität (Selbstbild der Marke)
Marke
Markenimage (Fremdbild der Marke)
Feedback „Outside-in“Perspektive Abbildung 9: Markenidentität versus Markenimage (vgl. Meffert/Burmann/Koers 2005, S. 52)
Gerade in Zeiten, in denen Produkte homogener werden und damit austauschbarer, gewinnt die Differenzierungskraft von Marken zunehmend an Bedeutung. Sie entspringt aus der Substanz einer Marke, der Markenidentität (vgl. Burman/Wenske 2005, S. 3). Das unternehmensinterne, subjektive Bild der Markenidentität wird als Selbstbild bezeichnet. Ausgehend von der Markenphilosophie, die die Idee, den Inhalt und die zentralen Eigenschaften einer Marke festlegt, entsteht ein plastisches Markenleitbild (vgl. Meffert/Burmann 2002, S. 52). Die Markenidentität bringt zum Ausdruck, wofür eine Marke konkret steht bzw. wofür sie aus Unternehmenssicht stehen soll. Sie hat zum Ziel, die essenziellen, wesensprägenden und zeitlich stabilen Eigenschaften einer Marke zu definieren.
67
3.1 Markenidentität
Das Markieren von Produkten ist kein Selbstzweck. Es dient zur Identifikation und Differenzierung von Produkten, mehr noch, es verkörpert Emotionen, Eindrücke und Gefühle. Die Marke wird zum Kaufkriterium Nummer 1. Der Aufbau und die Struktur einer Marke sind äußerst komplex. Das beteiligte Unternehmen sowie der potenzielle Konsument, der die Marke wahrnimmt und Assoziationen mit der Marke entwickelt, beeinflussen die Markenidentität und das Markenimage. Das Finden und der Aufbau einer Markenidentität werden zum zentralen Prozess – das Selbstbild, die Positionierung und das Fremdbild zur Grundlage einer Marke.
Wichtige Komponenten der Identität sind ihre inhaltliche oder geografische Herkunft, Fähigkeiten und damit verbundene Leistungen, Markenvisionen und deren Kernwerte. Für den Konsumenten werden das Selbstbild und damit die Markenidentität erst erfahrbar, wenn sie in reale Produkte, Kommunikationsmittel und Strategien umgesetzt worden sind.
Planung der Markenführung
3.
Die Markenidentität spiegelt die Positionierung der Marke in den Köpfen des Konsumenten wider. Basierend auf Zielgruppen-, Markt- und Bedürfnisanalysen reflektiert die Positionierung das Sichtbare einer Marke – Dinge, die die Marke wahrnehmbar machen. Auf der Markenpositionierung wiederum basieren alle Kommunikationsmaßnahmen, die das angestrebte Markenimage umsetzen: wie Above the line-Kommunikation, Below the line-Kommunikation, Produktdesign und andere Instrumente des Marketing-Mix.
EnBW – wer ist das? Zu Beginn des Markenführungsprozesses, der im Jahr 2004 gestartet wurde, stand die Erkenntnis, dass EnBW bisher weitgehend unprofiliert war und keine klaren Werte thematisierte. Um eine konsequente Richtung und damit eine klare Positionierung und Differenzierung im Wettbewerb zu finden, begann EnBW einen strukturierten Markenführungsprozess, um so der Marke ein unverwechselbares Profil zu geben. Zum Start des Prozesses wurden umfangreiche und intensive Marktforschungsstudien durchgeführt und die Ergebnisse analysiert. In Fokusgruppen und Workshops mit Führungskräften und Mitarbeitern hat EnBW das Selbstbild ermittelt. Für eine repräsentative Erhebung des Fremdbildes wurden alle relevanten Ziel- und Anspruchsgruppen befragt, wie sie über die Marke EnBW denken und wie sie die Marke wahrnehmen. Dabei hat EnBW überraschende, manchmal auch zum Nachdenken anregende Antworten erhalten. Sie alle haben eines verdeutlicht: EnBW hatte in der Außenwirkung noch kein klares Profil, und es bestand ein dringender Handlungsbedarf.
guter Service am Kunden
hat was mit Energie zu tun
liefert verlässlich Strom
Personalabbau Tom & Jerry
Strompreiserhöhung nicht gelb
EnBW? E W? EnBW? Wer ist das? Wer ist das?
starke Medienpräsenz KSC kein Bild – nichts
rot, schwarz recht erfolgreich in der letzten Zeit
Skandal im Atomkraftwerk
starke Medienpräsenz
blau größere Umstrukturierung
68
diversifiziertes Stromunternehmen
Während sich die Markenidentität im Unternehmen formt, entwickelt sich das Fremdbild bei den verschiedenen externen Zielgruppen erst im Laufe der Zeit und resultiert im Image der Marke. Im Unterschied zum Eigenbild beschreibt das Fremdbild die Sichtweise bzw. die Wahrnehmung der Marke von einem externen Standpunkt aus. Es entsteht durch Kontakte, Erfahrungen und Lernprozesse der Zielgruppen mit der Marke. Die Markenidentität muss dabei nicht dem Ist-Zustand entsprechen. Sie sollte nur nicht vollkommen losgelöst und vom Ist-Zustand entkoppelt sein, um keinen zu großen Bruch in der Wahrnehmung der Konsumenten hervorzurufen.
Die Frage, wie man die Markenidentität erfassen und steuern kann, wurde Anfang der 90er Jahre in einer Fülle modelltheoretischer Ansätze diskutiert. Kapferer, Aaker und Meffert, um nur drei Pioniere der Markenwelt zu nennen, haben wegweisende und praxisnahe Modelle formuliert, auf denen bis in die heutige Zeit sämtliche neuen Ansätze basieren. Ihre Ansätze weisen eine Reihe von Übereinstimmungen auf: Vollständige Erfassung der Identitätsmerkmale Ziel ist es, alle Wurzeln (die Substanz) einer Marke zu erfassen, um die Identität nicht von der „wahren“ Marke zu entkoppeln. Trennschärfe der Identitätsmerkmale Um störende Redundanzen zu vermeiden und eine praktische Anwendung der Markeninstrumente zu gewährleisten, sind die Identitätsmerkmale so festzulegen, dass sie überschneidungsfrei sind. Integrierte Erfassung der Markenidentität „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“ Das Gesamtbild der Markenidentität entsteht nicht durch das Aufaddieren der einzelnen Identitätsfacetten, sondern aufgrund der Abstimmung und Integration aller Facetten. Ein Modell mit hoher praktischer Relevanz zur Erfassung der Markenidentität ist das Markensteuerrad von icon brand navigation. Es basiert auf der Erkenntnis, dass Wissen im menschlichen Gehirn in zwei miteinander verbundenen Hemisphären gespeichert wird. Während die linke Seite stark gedanklich gesteuert ist und eher sachlich, rationale Merkmale einer Marke einprägt, werden in der rechten Hemisphäre ganzheitlich, emotionale Eindrücke und Bilder gespeichert.
69
Markenidentität
3.1 Die Markenidentität sollte somit aus der wechselseitigen Beziehung zwischen internen und externen Zielgruppen der Marke entstehen, so dass sie nicht isoliert aus der Perspektive des Marktes oder des Unternehmens betrachtet werden darf. Sie steht im Spannungsfeld zwischen dem Unternehmen und seiner Umwelt. Zur Sicherstellung einer starken Markenidentität besteht das langfristige Ziel einer Übereinstimmung zwischen dem Markenimage und der Identität der Marke. Zentral für den Erfolg einer Marke ist demzufolge die Ausrichtung an den Bedürfnissen der Zielgruppe. Produkte und Marken, die sich nicht am Kunden orientieren, werden nur schwer dem Wettbewerb erfolgreich entgegentreten können, da andere Marken den emotionalen Platz im Gedächtnis blockieren.
Das Markensteuerrad ist diesem Sachverhalt nachempfunden. Sachliche Elemente werden auf dem linken Teil des Rades beschrieben, emotionale in den beiden rechten Quadranten.
sachlich/rational
emotional
Planung der Markenführung
3.
Kompetenz der Marke
Tonalität Wie bin ich?
Wer bin ich?
Benefit & Reason Why
Markenbild Wie trete ich auf?
Was biete ich an?
Abbildung 10: Das Markensteuerrad (vgl. Esch 2002, S.120)
Die Markenkompetenz erfasst die zentralen Merkmale der Marke und stützt sich dabei auf die eingangs formulierte Frage „Wer bin ich?“. Dabei sollen die wichtigsten Markenbestandteile, Herkunft sowie die Rolle der Marke beschrieben werden. Der zweite Quadrant, der ebenfalls die linke Hemisphäre anspricht, fragt nach den Benefits und den „Reason Why“, übersetzt „Was biete ich an?“. Ziel ist es, die sachlichen Eigenschaften der Marke, ihre Angebote darzustellen, zum Beispiel eine vollverzinkte Karosserie des Fahrzeugs, die speziell geformten Borsten der Zahnbürste. Des Weiteren definiert diese Dimension den rationalen Markennutzen für den Kunden, zum Beispiel eine hohe Korrosionsbeständigkeit, die effiziente Zahnpflege. Wichtig ist dabei die Abstimmung von Eigenschaften und Nutzen, da das Unternehmen nur dann einen Nutzen erbringen kann, wenn dieser auch durch bestimmte Eigenschaften des Angebots oder des Unternehmens gestützt wird. Die rechte Seite des Steuerrades reflektiert die mit der Marke verbundenen Gefühle und nonverbalen Eindrücke. Die zentralen Fragestellungen entsprechen hier „Wie bin ich als Marke?“ (die Markentonalität) und „Wie trete ich als Marke auf?“ (das Markenbild). Die Tonalität umfasst die Emotionen und Gefühle, die aus den Persönlichkeitseigenschaften einer Marke, den Beziehungen
70
Nicht nur EnBW und Yello, auch Audi legt der Markenführung das Markensteuerrad zugrunde, um daraus die Strategien und Maßnahmen der Markenführung abzuleiten. Die Markensteuerräder von EnBW und Yello spiegeln das grundsätzliche Positionierungsziel der Marken wider und dienen als Grundlage des gesamten Markenführungsprozesses. Die Essenz der Marke – ihre Positionierung – wird in aufmerksamkeitsstarke Bilder umgesetzt, die sich dann auch in der Kommunikation wiederfinden und die Tonalität der Marke transportieren. Die Marke EnBW und Yello manifestieren sich somit nachhaltig in den Köpfen der Nachfrager und lassen damit ein Bild der Marke in der Wahrnehmung und Assoziation der Konsumenten entstehen.
Energie braucht Impulse.
Die EnBW ist der Vordenker und Wegbereiter der Energiebranche aus Baden-Württemberg, der seine Kunden versteht, ehrlich, engagiert und konsequent handelt und gesellschaftliche Verantwortung Markenübernimmt
kompetenz
*** in Baden-Württemberg verankert *** versteht den Kunden *** ist Vordenker/Wegbereiter
Markennutzen
ehrlich *** engagiert *** kompetent *** konsequent *** erfahren ***
Tonalität
fortschrittlich ***
Markenbild
** hält, was man verspricht ** übernimmt gesellschaftl. Verantwortung *
bietet Mehrwerte und exzellenten Service
71
3.1 Markenidentität
von Anspruchsgruppen zur Marke sowie aus den mit ihr verknüpften relevanten Erlebnissen resultieren. Unter das Markenbild fallen alle nonverbalen Eindrücke der Marke, wie Farben (z. B. die Farbe Magenta für Deutsche Telekom oder Gelb für Yello Strom), Bilder (der angebissene Apfel für Apple), Geräusche (Geräusch der Trockenkupplung bei Motorrädern der Marke Ducati), Musik (Beck’s Lied „Sail away“), Geruchsbilder (Penaten-Creme), Design (Packung von Toblerone-Schokolade), Gebäude (Smart-Türme) oder Personen (Herr Kaiser von der Hamburg-Mannheimer Versicherung). Das Ziel ist der Aufbau eines Schlüsselbildes, das mit der Marke assoziiert wird und die nonverbalen Eindrücke wiedergibt.
Planung der Markenführung
3.
Regionale Verankerung
Vordenker/Wegbereiter
Kundenverständnis
Die Marke EnBW positioniert sich als ein in Baden-Württemberg verankerter, engagierter Vordenker und Wegbereiter im Energiemarkt, der seine Kunden versteht. Im Vordergrund stehen also die Regionalität, die Innovation und die Kundenorientierung. Der Markennutzen gibt den Mitarbeitern, den Kunden und der Gesellschaft eine klare Orientierung, die die Marke EnBW im Wettbewerb abgrenzt. In Baden-Württemberg verankert = Aus dem Ursprung Kraft schöpfen EnBW ist aus mehreren traditionellen Vorgängerunternehmen entstanden, die alle ihren Ursprung in Baden-Württemberg haben und durch den Namen Energie Baden-Württemberg verankert ist. Die Stärke des Landes macht EnBW zu den eigenen Stärken. Sie geben EnBW die Kraft und Energie, weit über die Landesgrenzen hinweg zu wirken. Die Verankerung im Land zeigt sich durch die gewachsenen und lebendigen Beziehungen mit den Kommunen und den Bewohnern des Landes. Versteht den Kunden = Das Gefühl der Nähe geben EnBW gibt seinen Kunden mehr als nur ein Produkt – EnBW gibt seinen Kunden ein Lebensgefühl, gibt Verständnis im persönlichen Gespräch, in der Beratung und im Service. Das Leben der Kunden soll bequemer, sorgloser und angenehmer werden durch EnBW als der Energieversorger vor Ort, der im Land verankert ist und mitten im Leben steht. Ist Vordenker/Wegbereiter = Der Zukunft Raum geben EnBW hat bereits heute die Herausforderungen der Zukunft im Blick – egal wo sie sich abzeichnen. Die Impulse sind nicht nur Anstöße, sondern Vorstöße in neue Bereiche und zu neuen Lösungen. EnBW steht daher für eine Öffnung des Energiemarktes, um Bewegung in den Wettbewerb zu bringen und sich selbst somit permanent zu verbessern. Übernimmt gesellschaftliche Verantwortung = Ein Beispiel geben EnBW übernimmt Verantwortung, auch für Fragen, die außerhalb des eigenen Wirkungskreises liegen. EnBW nimmt Impulse nicht nur auf, sondern gibt auch Impulse ab und übernimmt damit eine gesellschaftliche Verantwortung. EnBW sieht sich als Wegbereiter für den Energie-Mix der Zukunft, als kundennaher Dienstleister und als umweltbewusstes Mitglied der Gesellschaft.
72
Die DNA der Marke Audi.
Wer bin ich?
Wie bin ich?
Deutsche Premiummarke Innovative Technik Automobile sportliche Tradition
Was biete ich an?
Hohe Qualität
Markenkompetenz
Tonalität
Markennutzen
Markenbild
innovativ
3.1
sportlich erfolgreich
Markenidentität
Erfolgreich im Motorsport
stylish selbstbewusst
Wie trete ich auf?
Attraktives Design Sportliche Fahrzeuge Fortschrittliche Technik Vorsprung durch Technik
Im Gegensatz zu EnBW und Yello bietet Audi seinen Kunden ein physisches Produkt mit Produkt- und Markenattributen, die der Kunde sinnlich wahrnehmen kann. Darüber hinaus verfügt die Marke über eine Historie, die die Automobile der Gegenwart maßgeblich mitgeprägt hat. Die heutige Markenidentität von Audi basiert daher auf Werten und Kompetenzen, wie innovative Produkte und sportliche Erfolge im Motorsport. Die im Markensteuerrad beschriebene Technikkompetenz zieht sich schon seit mehr als 100 Jahren wie ein roter Faden durch die Audi-Historie und findet heute und in Zukunft seine Fortsetzung. In seiner mehr als 100-jährigen Tradition hat Audi schon immer Meilensteine in der Automobilgeschichte gesetzt: 1931 – erstes Automobil mit Frontantrieb, Anfang der 80er Jahre die quattroTechnologie oder der A8 als erstes Serienfahrzeug mit Aluminiumkarosserie. Diese und zahlreiche weitere Innovationen haben die Marke maßgeblich geprägt. Jede Marke hat eine eigene Persönlichkeit – die Markenidentität, die den Markenkern und die Markenwerte darstellen. Sie basieren auf den Antworten der Frage „Wo kommen wir her und wo wollen wir hin?“ und formt damit die DNA der Marke. Der genetische Code der Marke Audi umfasst leidenschaftlichen Automobilbau gepaart mit höchstem technologischem Anspruch und Hochwertigkeit – oder wie schon August Horch 1899 formulierte: „Nur gute und starke Autos für den exklusiven Kunden.“ Die Technik ist die Eintrittskarte in das Premiumsegment. Das alleine reicht aber noch nicht aus, um die Marke klar von den Wettbewerbern zu differenzieren und zu positionieren. Vielmehr muss zusätzlich noch ein emotionales Profil definiert werden. „Vorsprung durch Technik“ ist dabei mehr als nur ein Slogan. „Vorsprung durch Technik“ ist die Kernbotschaft der Marke Audi und steht für das gesamte Unternehmen, die Marke und die Produkte – es ist die Leidenschaft, Neues zu entdecken und neue Standards zu setzen.
73
Eine Auswahl bedeutender Audi-Innovationen
Planung der Markenführung
3.
quattro
LED light
TDI
S tronic
multitronic
ASF
FSI
MMI
adaptive light
Der Slogan „Vorsprung durch Technik“ artikuliert nicht nur die Vorreiterrolle von Audi in Technik und Design. Er zeigt die Einstellung des gesamten Unternehmens, das die Botschaft nach innen lebt und nach außen trägt. Bei jedem Kontakt mit der Marke Audi wird dieser Vorsprung erlebbar – vom Produkt über die Kommunikation bis hin zum Handel. Wofür steht die Marke Audi und welche Werte werden durch sie verkörpert? Die Marke Audi ist durch die Markenwerte „sportlich“, „progressiv“ und „hochwertig“ gekennzeichnet:
Sportlichkeit steht für Jugendlichkeit, Attraktivität, Dynamik und Top-Performance. Das Design ist athletisch und dynamisch. Die Grundlage hierfür sind die langjährigen Erfahrungen und Erfolge im Motorsport und die daraus resultierenden innovativen Audi-Technologien. Kunden erleben den Fahrspaß in der gesamten Marke. Sportlich meint, die Herausforderung anzunehmen und dabei fair zu bleiben.
Progressivität ist die treibende Kraft des Denkens, des Entdeckens und des Entwickelns innovativer Lösungen. Audi heißt: Heute schon das Auto von morgen fahren, Vorsprung vermitteln. Die Marke verkörpert die menschliche Leidenschaft für das Neue und Bessere und drückt sich in Design und Technologie aus. Die Marke Audi gibt der Technik eine Seele – modern, innovativ und individuell.
Hochwertigkeit ist der Ausdruck von Stilsicherheit, Raffinesse und Faszination. Audi steht für höchsten Anspruch an Qualität mit einem klaren Commitment für Perfektion im Detail. Es ist die Messlatte, an der sich alle Aktivitäten und Maßnahmen der Markenführung ausrichten, um so dem Image der Marke Audi als Premiummarke gerecht zu werden.
74
3.1.2 Managementprozess zur Erstellung einer Identität
Auf der rechten Seite der Abbildung 11 ist die „Unternehmenszukunft“ beschrieben, die sich aus der Vision und den daraus abgeleiteten Leitsätzen ergibt. Sie ist kurzfristiger als die Unternehmensphilosophie: 10 bis 30 Jahre. Die Unternehmensvision gibt ein eindeutig formuliertes Ziel wieder, das den Mitarbeitern als Anhaltspunkt dient, was wann erreicht werden sollte. Die Vision darf nicht zu nahe an der Realität sein, aber auch nicht irreal sein, sondern das gerade noch Machbare umschreiben. Die Leitsätze legen fest, wie das Unternehmen seine Vision verwirklicht und dienen zur Orientierung im täglichen Handeln aller Mitarbeiter des Unternehmens.
Unternehmensphilosophie Vision Unternehmenszweck
„Was wollen wir erreichen?“
„Warum gibt es uns?“
Unternehmenswert und Grundsätze „Für was stehen wir?“
Leitsätze „Wie wollen wir dieses Ziel erreichen?“
Zwischen-/Unterziele
Markenidentität „Wer sind wir?“
Umsetzung
Abbildung 11: Unternehmensphilosophie und Unternehmensleitsätze (vgl Esch 2002, S. 84)
75
3.1 Markenidentität
Vorgabe und Ausgangspunkt für die Markenführung ist die Soll-Identität, an der alle Marken- und Marketingstrategien, Positionierung und alle Marketingmaßnahmen ausgerichtet werden. Das Entwickeln einer Soll-Identität erfordert einen systematischen Managementprozess. Er ist als eine strategische Aufgabe zu sehen, die direkt aus der Unternehmensvision und den Unternehmenszielen abgeleitet wird. Die Markenidentität kann nicht losgelöst von der grundlegenden Auffassung, Philosophie und Kultur des Unternehmens festgelegt werden. Zunächst ist in jedem Unternehmen eine Unternehmensphilosophie festzulegen, die den dauerhaften Charakter des Unternehmens beschreibt, ohne unbedingt differenzierend gegenüber den Wettbewerbern zu sein. Sie findet sich auf der linken Seite der Abbildung 11 und umfasst die Unternehmenswerte und -grundsätze sowie den Unternehmenszweck. Der Unternehmenszweck sollte für mindestens 100 Jahre Bestand haben und übernimmt eine Wegweiserfunktion für das Unternehmen, dem man folgt, aber dessen Ziel man nicht erreicht. Die Unternehmensgrundsätze und –werte definieren, wofür das Unternehmen steht.
Die Unternehmensphilosophie, die Vision und die Leitsätze bilden den Rahmen für die Entwicklung der Markenidentität. Gleichzeitig spielt die Markenidentität für das Ableiten von Unternehmenszielen und -strategien eine entscheidende Rolle. Alle Vorgaben für eine Strategie werden auf Basis der Markenidentität vorgenommen. Um die Markenidentität exakt zu erfassen, ist zu berücksichtigen, dass...
Planung der Markenführung
3.
die Markenidentität weniger durch einen spezifischen Nutzen geprägt ist, wenn das Produktportfolio sehr heterogen ist. Stattdessen gilt es, einen möglichst großen gemeinsamen Nenner über alle Angebote hinweg zu finden die Markenidentität in die Markenstrategie eingebettet ist. In Abhängigkeit von der gewählten Markenstrategie (Einzelmarken-, Familienmarken-, Dachmarken-, Mehrmarkenstrategie) ist die Markenidentität zu entwickeln. So ist es für eine Einzelmarkenstrategie notwendig, klare, eindeutig abgegrenzte Markenidentitäten für die einzelnen Produkte abzuleiten, um Substitutionseffekte zwischen den Angeboten, Verwechselungen und eine Verwässerung der Marke weitestgehend zu vermeiden alle relevanten Markeneigenschaften erfasst sind. Marken verankern sich dann besonders gut im Gedächtnis der Konsumenten, wenn sowohl die rechte als auch die linke Gehirnhälfte angesprochen wird die Identitätsmerkmale in sich stimmig sind, keine Widersprüche aufweisen und als ein einheitliches Ganzes wahrgenommen werden. Der Managementprozess zur Ableitung einer Markenidentität, der den formulierten Anforderungen entspricht, folgt einem vierstufigen Vorgehen.
Situationsanalyse
Analyse des relevanten Marktes
Erfassung der IstIdentität aus der Innensicht (Markenidentität)
Erfassung der IstIdentität aus der Außensicht (Markenimage)
Markenstrategie
Ableiten einer Soll-Markenidentität
Entwickeln eines Positionierungskonzeptes
Erfassen der Wettbewerbssituation
Strategieumsetzung
Ableiten der Positionierungsumsetzung über - Markendesign - Markenkommunikation
Markencontrolling
Shareholdergerichtet Wettbewerbsgerichtet Kundengerichtet Handelsgerichtet Mitarbeitergerichtet
- Distibution - Preis
Synthese und Bewertung der Innenund Außensicht
Abbildung 12: Der Markenführungsprozess (in Anlehnung an Esch, 2002 und Meffert/Burmann/Koers 2005)
76
1. Situationsanalyse Ausgangspunkt ist eine fundierte Analyse der Rahmenbedingungen und der Ausgangssituation der eigenen Marken.
2. Markenstrategie Ableiten der Soll-Markenidentität Aufbauend auf der Gap-Analyse der Innen- und Außensicht der Markenidentität können Unter schiede bzw. Gemeinsamkeiten in der Wahrnehmung erfasst werden. Aus der Zusammenführung der internen und externen Sichtweise wird die Soll-Markenidentität festgelegt. Abgleich der Soll-Markenidentität mit den Wettbewerbern Die abgeleitete Soll-Markenidentität ist im Vorfeld der Positionierung mit den Wettbewerbern abzugleichen, um differenzierende Elemente zu identifizieren, die eine eindeutige Positionierung der Marke im Wettbewerbsumfeld ermöglichen und damit einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil sicherstellen. Entwickeln einer Positionierungsstrategie Auf Basis der Soll-Markenidentität und des Wettbewerbsvergleichs müssen die Entscheidungen hinsichtlich der angestrebten Positionierung getroffen werden. Das Ziel ist es, mit einer Positionierung über festgelegte Markeneigenschaften (Identitätsbestandteile) sowohl eine dominierende Stellung in der Psyche der Konsumenten als auch eine ausreichende Differenzierung gegenüber den Wettbewerbsmarken zu erreichen. Die verwendeten Markeneigenschaften sollten sich auf wenige, aber klare Eigenschaften beschränken, die sich auch im Rahmen eines Marketing-Mix umsetzen lassen.
77
3.1 Markenidentität
Analyse des relevanten Marktes Dies beinhaltet das Erfassen der aktuellen Kundenbedürfnisse und erkennbaren Trends, des Orts, an dem die Marke erlebt wird und der Erscheinungsform des Markenerlebnisses bei den relevanten Zielgruppen (Brand Touch Points) sowie die Wahrnehmung der Marke im Wettbewerbsumfeld. Erfassen der Ist-Markenidentität Aus der aktuellen unternehmensinternen Identität (Innensicht) werden Identitätsmerkmale der Marke abgeleitet und mit denen der Außensicht (von unternehmensexternen Stakeholder) verglichen. Große Abweichungen sind ein Hinweis darauf, dass die gewählten Marketingmaßnahmen nicht in der Lage sind, das gewünschte Markenbild in der Wahrnehmung der externen Anspruchsgruppen zu erzeugen.
3. Strategieumsetzung – Ableiten der Positionierungsumsetzung Die strategischen Vorgaben werden durch die Ausgestaltung des Marketing-Mix in konkrete Maßnahmen umgesetzt. Alle Maßnahmen sind dabei auf die formulierte Positionierung hin auszurichten. 4. Markencontrolling
Planung der Markenführung
3. Ein effektives Markencontrolling unterstützt das strategische und operative Markenmanagement in den verschiedenen Prozess-Stufen zur Festlegung der Markenidentität. Die Umsetzung der Positionierung über die verschiedenen Marketing-Mix-Instrumente wird durch eine regelmäßige Kontrolle ihres Zielerreichungsgrades unterstützt. Somit können rechtzeitig Steuerungsmaßnahmen eingeleitet werden. Das Markencontrolling umfasst neben der Markenerfolgsmessung das Markenberichtswesen. Die Markenerfolgsmessung bündelt die mittels verschiedenen Tools erhobenen Daten aus unternehmensinternen und unternehmensexternen Quellen. Sie bewerten die Ergebnisse des Markenmanagement und ermöglichen die Diagnose der hinter den Ergebnissen stehenden Ursachen. Das Markenberichtswesen fasst die umfassenden und komplexen Ergebnisse der Markenerfolgsmessung in einer zur Entscheidungsunterstützung geeigneten Form zusammen (vgl. Meffert/Burmann/Koers 2005, S. 77 ff.).
3.2 Die Positionierung als Bindeglied zwischen Markenidentität und Markenimage Der Positionierung als Bindeglied zwischen der unternehmensinternen Markenidentität und der Wahrnehmung durch den Konsumenten kommt im Rahmen des Markenmanagements eine entscheidende Rolle zu. Sie ist daher auch im 8P-Ansatz das zentrale Element, an dem sich eine erfolgreiche Markenführung ausrichtet. Aufbauend auf der Markenidentität erfolgt die Positionierung der Marke im Markt. Sie transferiert die Markenidentität in das Markenimage und definiert die Rolle, die ein Produkt im Markt einnimmt. Die Positionierung im Markt sollte so gewählt sein, dass sich die eigene Marke eindeutig von den Konkurrenzmarken differenziert. Hierzu müssen die Positionierungseigenschaften so gewählt sein, dass sie für die angesprochene Anspruchsgruppe relevant und wahrnehmbar sind. Als Position bezeichnet man in diesem Zusammenhang die Stellung einer Marke im Gedächtnis des Konsumenten, die in einem Positionierungsmodell abbildbar ist. Das Positionierungsmodell veranschaulicht die subjektiv wahrgenommene Position der eigenen Marke, der Konkurrenzmarken sowie einer Idealvorstellung. Je näher die wahrgenommene Stellung der eigenen Marke an der Idealvorstellung liegt und je weiter die Konkurrenzmarken von dieser entfernt liegen, umso größer ist die Kaufwahrscheinlichkeit der eigenen Marke. Die Positionierung gibt auch einen Hinweis zur Austauschbarkeit von Produkten: Produkte, die nahe beieinander positioniert sind, weisen ein hohes Substitutionspotenzial auf.
78
+
-
Innovation/Qualität
+
Abbildung 13: Positionierung von Automobilmarken (Quelle: Marketing Systems)
Die Rolle der Positionierung Den Ausgangspunkt aller markenrelevanter Entscheidungen bildet die Festlegung der aus der Markenidentität abgeleiteten Markenpositionierung. Die heutigen Markt- und Kommunikationsbedingungen machen eine erfolgreiche Positionierung problematisch. Durch gesättigte Märkte mit Produkten, die sich kaum in Qualität und Produkteigenschaften voneinander unterscheiden, kombiniert mit der Informationsflut an Werbung, ist eine erfolgreiche Positionierungsstrategie sehr aufwendig geworden. Eine vorteilhafte Positionierung ist daher an die folgenden Anforderungen gebunden (vgl. Bruhn 1997, S. 121 f.) Relevanz Die Positionierung sollte so gewählt sein, dass sie für den Konsumenten wichtige Positionierungseigenschaften beinhaltet. Konzentration Der Konsument ist mit einer Vielzahl an Informationen konfrontiert. Daher ist diejenige Positionierung erfolgreich, die sich auf wenige, aber relevante Eigenschaften konzentriert. Differenzierungsfähigkeit Klare Abgrenzung der Positionierung gegenüber Wettbewerbern. Dauerhaftigkeit Die gewählten Positionierungseigenschaften sollen so gewählt sein, dass sie vor einer kurzfristigen Imitation durch die Wettbewerber geschützt sind. Zukunftsorientierung Die Positionierung soll nachhaltig sein und auch in Zukunft für den Konsumenten von Relevanz sein.
79
3.2 Die Positionierung als Bindeglied zwischen Markenidentität und Markenimage
Emotionen
Innovation/Qualität
Emotionen
-
Planung der Markenführung
3.
Flexibilität Trotz der geforderten Nachhaltigkeit der Positionierung soll sie soviel Flexibilität besitzen, dass sie auch bei sich verändernden Marktbedingungen einsetzbar bleibt. Kontinuität Eine gewählte Positionierung sollte langfristig beibehalten werden, um eine feste Verankerung bei den Konsumenten erreichen zu können. Operationalisierbarkeit Um den vorgenannten Forderungen gerecht zu werden, erfordert die Positionierung einen entsprechenden Abstraktionsgrad. Begleitend sind daher Formulierungen zu entwickeln, die eine Umsetzung in konkrete Marketing-Mix-Maßnahmen erlauben und damit eine Kontrolle der gewählten Positionierung ermöglichen. Ein Blick in die Realität offenbart, dass immer wieder ähnliche Fehler gemacht werden, die einer erfolgreichen Positionierung entgegenstehen. Eine Positionierung erfolgt über Eigenschaften, die der Produktart und damit allen Marken in diesem Markt gemeinsam sind. Eine Differenzierung der einzelnen Marke ist damit nicht realisierbar. Trotz einer zunehmenden Homogenität der angebotenen Produkte versuchen sich Marken über rein sachliche Eigenschaften zu positionieren. In solchermaßen geprägten Märkten kann aber mit einer erlebnisbetonten und emotionalen Positionierung eine klare Differenzierung erreicht werden. Kurzfristige Perspektiven, Fluktuationen im Unternehmen oder ein Wechsel der Agenturen führen zu Inkonsistenzen in der Positionierung. Trotz einer guten Konzeption der Positionierung können Fehler in der Umsetzung den Erfolg gefährden. Wortlastige Kommunikation, austauschbare Kommunikationsbotschaften oder eine häufige Veränderung in der Kommunikation sind deutliche Hinweise auf eine unzureichende Umsetzung der eigentlichen Positionierung. Zur Planung der Positionierung hat sich der nachfolgende Prozessablauf bewährt: Festlegen der Positionierungsziele
Entwickeln von Positionierungsstrategien
Postitionierungsumsetzung
Kontrolle der Positionierung
Abbildung 14: Prozessablauf zur Positionierung (in Anlehnung an Esch 2002, S. 142 ff.)
80
Festlegen der Positionierungsziele Ausgangspunkt zur Festlegung der Positionierungsziele ist die Analyse des Status quo aus unternehmensexternen und unternehmensinternen Daten. Das Zusammenführen der Analyseergebnisse zeigt zielstrategische Ansatzpunkte auf, die in die Formulierung der Positionierungsziele mit einfließen. Ein Instrument, das die Analyse und Strukturierung der Daten unterstützt und als weitere Entscheidungsgrundlage fungiert, ist beispielsweise die SWOT-Analyse.
Ein hohes kognitives und hohes emotionales Involvement erfordert eine gemischte Positionierung. In diesem Fall sind sowohl emotionale Bedürfnisse als auch Informationen über das Produkt für den Konsumenten relevant, zum Beispiel beim Kauf einer teuren Armbanduhr. Ein hohes kognitives und niedriges emotionales Involvement sind ein Hinweis darauf, dass die emotionalen Bedürfnisse hier eine untergeordnete Rolle spielen und es die Informationen sind, auf denen die Kaufentscheidung basiert. In der Folge ist hier eine sachorientierte Positionierung anzustreben. Diese Situation ist auf technikorientierten Märkten und auf Märkten in frühen Lebenszyklusphasen vorherrschend. Dort ist das Interesse an Informationen über das Produkt besonders hoch, beispielsweise beim Kauf eines Computers. Ein hohes emotionales und geringes kognitives Involvement verlangt nach einer erlebnisorientierten Positionierung, die das Angebot in der emotionalen Erfahrungswelt des Konsumenten verankert. Gerade in gesättigten Märkten, auf denen die Produkte austauschbar geworden sind, lassen sich über eine erlebnisorientierte Positionierung Zusatznutzen für den Konsumenten stiften, die nicht unmittelbar von den Konkurrenten imitierbar sind. Nicht Informationen, sondern die Verknüpfung mit emotionalen Erlebnissen liefern einen positiven Beitrag zur Steigerung der individuellen Lebensqualität. Mögliche erlebnisorientierte Positionierungen können sein: Erfolg, Leistung, Prestige, Abenteuer, Jugendlichkeit, Sportlichkeit, Exotik, Gemütlichkeit, Geselligkeit oder Tradition, zum Beispiel der Kauf von Bier. Ein geringes emotionales und geringes kognitives Involvement bedarf einer Positionierung nach Aktualität. Durch die Thematisierung des Angebots und einer ständigen Aktualisierung soll der Marke eine gedankliche Präsenz geschaffen werden. Dabei bleiben die konkreten Positionierungseigenschaften vollkommen unbeachtet. Allein durch die ständige Gegenwart kann die Einstellung der Konsumenten gegenüber der Marke verbessert werden. Das Ziel dieser Positionierung liegt darin, die Marke bei den Konsumenten „Top of Mind“ werden zu lassen und damit die Kaufwahrscheinlichkeit zu erhöhen. Eine solche Positionierung erfordert in der Umsetzung einen hohen kontinuierlichen Kommunikationsdruck, beispielsweise beim Kauf von Waschmittel.
81
Die Positionierung als Bindeglied zwischen Markenidentität und Markenimage
3.2 Es sind aber nicht nur die Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken, die das Positionierungsziel beeinflussen. Die Konkretisierung des Positionierungsziels hängt auch vom Involvement der relevanten Zielgruppe ab. Grundsätzlich kennzeichnet das Involvement das Interesse – die innere Beteiligung bzw. das Engagement –, das ein Individuum für ein Produkt oder eine Kaufentscheidung zeigt. Das Involvement kann kognitiver oder emotionaler Art sein. Ersteres ist dadurch gekennzeichnet, dass der Kunde aktiv nach Informationen sucht und diese aufwendig verarbeitet. Ist das Involvement hingegen emotional geprägt, erfolgt die Kaufentscheidung ohne eine umfangreiche Informationssuche, sondern „aus dem Bauch heraus“, weil „man das Produkt haben möchte“. Daraus lassen sich dann alternative Positionierungsziele ableiten:
Entwickeln von Positionierungsstrategien
Planung der Markenführung
3.
Die Positionierungsziele legen die grundlegende Richtung der Positionierung fest. Auf ihrer Basis und des bislang realisierten Markenimages ist eine geeignete Strategie auszuwählen. Markterhebungen in Verbindung mit multivariaten Analyseverfahren erfassen die Ist-Position einer Marke. Sie ist das Resultat der durch das Marketing und/oder die eigene Verwendungserfahrung der Konsumenten aufgebauten und verfestigten Gedächtnisinhalte. Die für eine strategisch konsequente Markenführung relevante Soll-Positionierung zeigt dagegen die anzustrebende Stellung. Für das Markenmanagement ergeben sich zwei grundlegende strategische Optionen, um die Soll-Position zu erreichen: entweder die Position der Marke beibehalten oder eine Um- bzw. Neupositionierung zur Veränderung der Positionierung.
Positionierungsstrategie
alter Positionierungsraum
Beibehaltung der Position
Anpassungsstrategie: Ideal als Datum!
Beeinflussungsstrategie: Verändere IdealVorstellungen!
Kombinationen
Umpositionierung Abbildung 15: Positionierungsstrategien (vgl. Esch 2005, S. 144)
82
neuer Positionierungsraum
Anbaustrategie
Neupositionierungsstrategie
Bei einer hohen Übereinstimmung zwischen den Idealvorstellungen der Zielgruppe und der angestrebten Identität einer Marke empfiehlt sich die Beibehaltung der Position. Die gewählte Positionierung wird nicht verändert, sondern durch eine konstante und konsequente Umsetzung verstärkt. Eine Anpassung der Positionierung erfolgt lediglich aufgrund aktueller Strömungen, ohne dass die Markenidentität und das Markenimage verändert wird.
Auf gesättigten Märkten, wo etablierte Marken feste Imageräume besetzen, ist es schwierig, nachhaltig eine erfolgreiche Positionierung zu besetzen. Das Ausweichen auf die Kopie einer bestehenden Positionierung ist allerdings riskant, da somit die Gefahr einer Verwechselung der Marken überproportional steigt. Weicht zudem die Ist-Position extrem weit von der Idealposition ab, ist eine vollständige Neupositionierung erforderlich. Diese Strategie zielt auf neue, bislang nicht besetzte Eigenschaften der Marke und spricht somit eine bisher nicht bearbeitete Zielgruppe an.
83
3.2 Die Positionierung als Bindeglied zwischen Markenidentität und Markenimage
Die Strategie der Umpositionierung zielt dagegen auf eine Veränderung der Marktposition, zum Beispiel wenn die Marke von den Idealvorstellungen der Konsumenten abweicht oder wenn mehrere Marken in der unmittelbaren Nähe der Idealvorstellung liegen. Sie ist erforderlich, weil sich die Marktbedingungen verändern, die Verhaltensmechanismen der Marktteilnehmer sich wandeln und/oder neue Wettbewerber in den Markt eintreten. Als Umpositionierungsansätze im gegebenen Positionierungsraum können die Anpassungs- oder Beeinflussungsstrategie angewandt werden. Bei beiden Ansätzen bleiben der Zielgruppenkern und die angestrebten Positionierungseigenschaften weitestgehend konstant. Die Anpassungsstrategie passt die Positionierung an die Idealvorstellungen des Konsumenten an. Sie hat den Nachteil, dass die Idealvorstellung des Kunden oft von einer anderen Marke besetzt ist und somit in einer Me-Too-Strategie enden kann. Die Beeinflussungsstrategie versucht, auf die Idealvorstellungen des Kunden einzuwirken und diese Positionierung der eigenen Marke anzunähern. Diese Strategie ist zumeist ein langfristig angelegter Prozess, der sehr kostenintensiv ist. Eine dritte Möglichkeit zur Umpositionierung ist die Anbaustrategie. Sie unterscheidet sich von der Anpassungs- und Beeinflussungsstrategie dahingehend, dass die Positionierung um weitere Eigenschaften ergänzt wird und nun auch andere Zielgruppen anspricht. Sie eröffnet damit einen neuen Positionierungsraum, ohne jedoch die ursprüngliche Positionierung vollständig aufzugeben. Ein Teil der alten Positionierung bleibt bestehen und wird um neue Eigenschaften ergänzt. Insbesondere auf wettbewerbsintensiven Märkten, auf denen eine Vielzahl vergleichbarer Marken um den Kunden wetteifern, erweist sich die Anbaustrategie als vorteilhaft (vgl. Esch 2005, S. 143 ff.).
Differenzierung als Schutz vor Plagiaten.
Auch Yello ist von Kopien der eigenen Positionierung nicht losgelöst. So versuchen neu in den Markt eintretende Wettbewerber Markeneigenschaften billig zu kopieren.
Planung der Markenführung
3.
E wie einfach kopiert von Yello die Einfachheit des Wechsels.
Nuon kopiert die Farbe gelb von Yello.
Um sich von diesen einfachen Kopien zu distanzieren und einer Verwechslung vorzubeugen, erweitert Yello nun seine Positionierung, indem Yello den Kunden einen weiteren Benefit stiftet: den Sparzähler online. Der Sparzähler online ermöglicht eine weitere Differenzierung der Marke Yello von den Wettbewerbern. Das Produkt Strom und der damit einhergehende Service sind heute keine Differenzierungselemente, sondern entsprechen dem so genannten Basisnutzen. Die Informationen für den Kunden und das Aufbauen einer Erlebniswelt rund um das Produkt Strom sind aber dagegen ein Instrument zum Aufbau und Erhalt einer eigenständigen Positionierung in der Wahrnehmung der Kunden. Es sind aber nicht immer nur Wettbewerber, die eine Repositionierung begründen, sondern es können durchaus auch politische Diskussionen sein, die eine Repositionierung erforderlich machen. Aktuell sind es die Diskussionen um den Klimaschutz, die sich sowohl für Energieunternehmen als auch für Automobilhersteller auswirken.
Sparzähler online von Yello
84
Positionierungsumsetzung Die bisherigen Überlegungen fokussieren auf Positionierungsstrategien, die aus der Ist-Position der Marke abgeleitet sind. Im Folgenden geht es nun darum, wie eine solche Strategie in konkrete Maßnahmen umgesetzt werden kann. Gerade an der Umsetzung aber scheitern die Unternehmen häufig. Die Positionierungsüberlegungen enden mit der Formulierung der Positionierungsstrategien, und es erfolgt kein fundierter Transfer auf die Umsetzung mittels geeigneter Marketing-Mix-Instrumente. 3.2
Ist die Umsetzung geeignet, die Marke eindeutig von den Wettbewerbsmarken zu differenzieren? Wie wird das mit den Marketing-Mix-Instrumenten umgesetzte Positionierungskonzept von der relevanten Zielgruppe wahrgenommen? Sind die Marketing-Mix-Maßnahmen so aufeinander abgestimmt, dass sich hieraus Synergieeffekte realisieren lassen? Nur ein klarer differenzierter Markenauftritt, der auch von den Konsumenten als solcher wahrnehmbar ist, kann das Markenimage formen. Die Wahrnehmung ist zum einen beeinflusst durch die Eigenständigkeit der Positionierung und zum anderen durch die Eigenständigkeit der Umsetzung, zum Beispiel über die Kommunikation. Eine eigenständige Positionierung und eine eigenständige kommunikative Umsetzung führen zu einer eigenständigen Wahrnehmung der Marke bei den Konsumenten. Eine eigenständige Positionierung und eine austauschbare kommunikative Umsetzung beeinflussen die Wahrnehmung dagegen negativ und bergen die Gefahr der Verwechselung und Austauschbarkeit. Eine austauschbare Kommunikation und eine eigenständige Umsetzung dagegen führen wieder zu einer eigenständigen Wahrnehmung durch den Konsumenten. Einen wesentlichen Einfluss auf die klar erkennbare Wahrnehmung hat die Art der Vermittlung. Grundsätzlich präferieren Konsumenten Bildinformationen gegenüber Sprach- bzw. Textinformationen. Die Aufnahme von Bildinformationen erfolgt ganzheitlich und mit einer geringeren kognitiven Kontrolle. In der Folge können sie leichter aufgenommen, verarbeitet und gespeichert werden. Eine eigenständige Umsetzung erfordert die Integration der verschiedenen Marketingmaßnahmen, mit dem Ziel Synergieeffekte zu realisieren und die intendierten Eindrücke beim Konsumenten zu intensivieren. Eine angestrebte Markenpositionierung lässt sich so schneller und nachhaltiger in den Köpfen der Nachfrager verankern. Dissonante und widersprüchliche Informationen bewirken beim Konsumenten dagegen diffuse Eindrücke, die zu Verwechselungen mit der Konkurrenz führen können. Es sind die stetigen, konsistenten Informationen, die trotz der Informations- und Reizüberflutung beim Konsumenten ein differenziertes, eindeutiges Bild hinterlassen und bei Bedarf aktivierbar sind. Kontrolle der Positionierung Die Positionierung muss, wie andere strategisch bedeutsame Entscheidungsfelder, professionell geplant und kontrolliert werden. Wesentliche Aufgaben der Positionierungskontrolle sind die wettbewerbsorientierte Planung und regelmäßige Kontrolle der Positionierung. Ziel ist es zu ermitteln,
85
Die Positionierung als Bindeglied zwischen Markenidentität und Markenimage
Im Rahmen der Positionierungsumsetzung gilt es Antworten auf die folgenden Fragen zu finden:
wie und warum die Maßnahmen so auf die Konsumenten wirken. Sind die Konsumenten in der Lage die postulierte Positionierung zu erkennen? Inwieweit ist die Positionierung von denen der Konkurrenzmarken klar differenzierbar?
Planung der Markenführung
3.
Die Wirkungskontrolle der eingesetzten Marketingmaßnahmen im Hinblick auf ihren Beitrag zur Positionierung erfolgt in regelmäßigen Zeitabständen. Eine solche Kontrolle gewinnt an Bedeutung, je mehr Marketingbereiche unabhängig voneinander agieren. Eine Verselbstständigung der Ideen und Umsetzungsmaßnahmen, die der verfolgten Positionierung nicht entsprechen, ist hier eher zu erwarten als bei einer zentralen Koordination aller Marketing- und Vertriebsmaßnahmen (vgl. Esch 2005, S. 158). Die Ergebniskontrolle prüft die Lücke zwischen der angestrebten und der erreichten Realisierung der Markenpositionierung in Form eines Soll-Ist-Vergleichs. Als Kontrollgrößen fungieren quantitative, ökonomische Größen, aber auch qualitative, verhaltenswissenschaftliche Größen (wie Bekanntheit und Image). Während die quantitativen Größen die Effektivität der Maßnahmen beurteilen, messen die qualitativen Größen die Effizienz der Maßnahmen. Meist bilden die quantitativen Größen die wesentliche Kontroll- und Entscheidungsgrundlage. Deren ausschließliche Betrachtung kann aber zu Fehleinschätzungen und falschen Aktionen führen. Zunächst sind es die verhaltenswissenschaftlichen Größen, also Bekanntheit und Image, die sich verändern, bevor es zu einem messbaren ökonomischen Erfolg kommt. Und der Aufbau verhaltenswissenschaftlicher Größen, wie Image, braucht Zeit. Ein Erfolg bzw. Misserfolg kann folglich erst mittelfristig erfasst werden. Damit wird insgesamt deutlich: Die Markenpositionierung bildet die unverzichtbare Grundlage für die Einsatzweise aller Marketinginstrumente sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht. Mit ihr soll eine möglichst dauerhaft, unverwechselbare Position (Unique Selling Proposition- USP) im Markt und damit ein für den Kunden unverwechselbarer und attraktiver Alleinstellungscharakter der Marke erreicht werden, der in einem hohen Maße auch den Wert der Marke determiniert (vgl. Becker 2006, S. 918).
Progressiv sein. Nicht prätentiös. Eine Neupositionierung im Premiumsegment war für Audi erstrebenswert, da durch dieses Tradingup und die damit verbundenen Durchschnittsmargen langfristig eine steigende Rentabilität würde erzielt werden können. Das Premiumsegment war von den strategischen Wettbewerbern vor allem im konservativen Milieu mit den Werten „Prestige, Wohlstand, Macht” besetzt. Analysen ergaben aber, dass das bis dahin vernachlässigte progressive Milieu in den kommenden Jahren weiter zunimmt. Hier konnte Audi ansetzen. Anstatt sich über „Status und Reichtum” zu definieren, würde Audi den Bereich „Progressivität und Sportlichkeit” für sich besetzen. So deckte sich die neue Positionierung mit einer wachsenden Zielgruppe. Die Markenhistorie und der Markenkern „Vorsprung durch Technik” bildeten das Fundament für einen erfolgreichen Vorstoß in das progressive Premiumsegment. Der erste Schritt erfolgte 1991: Audi übernahm die Marken- und Vertriebsführung, die bis dahin bei Volkswagen lag. Der Aufstieg ins Premiumsegment konnte beginnen.
86
Mit der Übernahme der Marken- und Vertriebsverantwortung durch Audi begannen wichtige Veränderungen für die Marke. Erstmals hatte das Unternehmen einen direkten Zugang zu den Kunden und konnte damit die Aufgabe, Audi als Premiummarke mit einer globalen Ausrichtung zu positionieren, angehen. Die Wettbewerber Mercedes-Benz und BMW hatten damals das traditionelle, statusorientierte Segment besetzt. Anfang der 90er Jahre zeigte sich, dass das progressive Kundensegment noch deutlich wachsen wird und bisher noch offen war. Audi nutzte dies und positionierte sich entsprechend. Mit der Umpositionierung der Marke hat sich auch das Kundenprofil gewandelt.
3.2 Die Positionierung als Bindeglied zwischen Markenidentität und Markenimage
Audi – eine Marke für Hutträger? Eine Anekdote mag das damalige Image der Marke veranschaulichen: Eine junge Dame sollte sich entscheiden, mit welchem Wagen sie nach Hause gefahren werden sollte. Sie wählt den BMW, wenn sie eine Affäre will. Sie wählt den Mercedes, wenn sie heiraten möchte. Den Audi aber wählt sie, wenn sie sicher nach Hause kommen möchte. Die Fahrzeuge waren technisch perfekt, aber was damals fehlte, war die emotionale Aufladung der Marke. Dies gelang nicht „über Nacht“, sondern ist das Ergebnis einer konsistenten und systematischen Markenführung, die einhergeht mit attraktiven und innovativen Produkten. Auftakt für mehr Emotionen der Marke Audi war die quattro-Technologie. Als erster Hersteller brachte Audi den im Rallyesport erprobten Allradantrieb in die Serienfahrzeuge. Es ist aber nicht die innovative Technologie allein, sondern zusätzlich werden emotionale Elemente der Marke, wie das Engagement im Sport und Informationen über bekannte Fahrer in der Öffentlichkeit kommuniziert. Auch die Art der Kommunikation wandelt sich. Innovationen werden aus dem technischen Kontext gelöst. Stattdessen steht der Kundennutzen im Vordergrund der Kommunikation.
Der Audi-Schanzenspot aus dem Jahre 1986 ist zu einer Legende der deutschen Werbung geworden. Rallye-Fahrer Harald Demuth fuhr in einem roten Audi 100 CS quattro, mit 136 PS unter der Haube, die Skisprung-Schanze Pitkävuori im finnischen Kaipola hinauf – bei 80 Prozent Steigung! Bis heute hat Audi mit quattro die Allradtechnologie emotional für sich besetzt. Damals aber stand Audi vor einem klassischen strategischen Dilemma: zum einen mit zu wenig Emotionen ausgestattet, um im Umfeld anderer Premiummarken wettbewerbsfähig zu sein, und zum anderen zu klein, um im Volumenmarkt erfolgreich sein. Eine Neupositionierung im Premiumsegment war erstrebenswert.
87
Planung der Markenführung
3.
3.3 Corporate Branding – Unternehmensmarke versus Produktmarke Ein unverzichtbarer Bestandteil der Unternehmensführung und damit der Markenführung ist nicht allein das Management von Produktmarken, sondern auch der Aufbau und der Erhalt einer starken Unternehmensmarke (Corporate Brand). Sie signalisiert gegenüber den Interessengruppen Vertrauen, Glaubwürdigkeit und eine hohe Qualität der Produktmarken. Eine starke Unternehmensmarke ist ein wichtiger Mehrwert für Produktmarken, die im täglichen Wettbewerb stehen. Die Kaufentscheidung wird positiv beeinflusst, wenn die Unternehmensmarke wie ein Leuchtturm wahrgenommen wird, der dem Verbraucher in der unüberschaubaren Flut von Warenangeboten Produkte von hoher Qualität signalisiert. Starke Unternehmensmarken sind das Ergebnis eines langen und konsequenten Prozesses. Das Potenzial marktorientierter Unternehmensmarken, die nachweislich positiv auf das Entscheidungsverhalten der Kunden wirken und die Investitionsbereitschaft von Kapitalgebern beeinflussen, wird immer noch von vielen Unternehmen unterschätzt und bleibt oftmals ungenutzt. Aufgrund bislang schwacher Nutzung oder falscher Positionierung ist der Markenwert der meisten Unternehmensmarken den Produktmarken unterlegen. Schätzungen zufolge (Sattler 2001), werden aber rund 56 Prozent des Unternehmenswertes durch den Markenwert bestimmt. Die Idee des Corporate Branding geht über die Produktdimension hinaus. Beim Corporate Branding versucht das Management, das Unternehmen als Ganzes in den Köpfen von Mitarbeitern, Anteilseignern, Kunden und der Öffentlichkeit zu verankern, also eine Unternehmensmarke zu etablieren. Die verschiedenen Anspruchsgruppen werden dabei vielfach nach ihrer Relevanz für das jeweilige Unternehmen unterschieden. Als relevant werden diejenigen Gruppen bezeichnet, die einen Einfluss auf das Unternehmen haben, die über wirksame Sanktionsmechanismen verfügen sowie über den Willen, diese Macht auch auszuüben (vgl. Müller-Stewens/Lechner 2001, S. 127 ff.). Die Unternehmen stehen damit vor der Aufgabe, den Anforderungen und Bedürfnissen unterschiedlicher Anspruchsgruppen gerecht zu werden. Das Corporate Brand Management bewegt sich daher im Spannungsfeld zwischen der Berücksichtigung der Interessen der verschiedenen Stakeholder sowie der Wahrung der notwendigen Konsistenz eines nach innen- und außengerichteten Unternehmensauftrittes (vgl. Esch/Langner/Tomczak/Kernstock/Strödter 2005, S. 406). Das Ziel ist es, all diesen Gruppen ein konsistentes Bild des Unternehmens zu kommunizieren. Dafür ist aber nicht ausreichend, allein die Identität auf der Unternehmensebene zu definieren und mithilfe geeigneter Designelemente und einer einprägsamen und klaren Botschaft intern und extern zu kommunizieren, sondern sie muss an die Anforderungen der Anspruchsgruppen angepasst werden, ohne die Konsistenz aufzugeben.
88
Anspruchsgruppen
Regulierungsbehörde Wissenschaft Gemeinden/Kommunen Interessenverbände Presse Lieferanten Mitarbeiter
Öffentlichkeit
3.3
Handelsunternehmen Kunden
Abbildung 16: Unternehmens- und Produktmarke (vgl. Esch 2005, S. 407)
Die Informationsbedürfnisse von Kunden, Anteilseignern und Mitarbeiter vermischen sich immer mehr. So ist es keine Seltenheit, dass der Käufer eines Nokia-Handys auch Aktien des Unternehmens besitzt. Das Management muss sich demzufolge die Frage stellen, welche Ansprüche die einzelnen Interessengruppen stellen und ob die einzelnen Bestandteile der Markenpolitik miteinander harmonieren und kompatibel sind. Um diese Stimmigkeit zu überprüfen, sind die Markenidentität, also das Selbstbild, und das Markenimage, also die Marke in der Wahrnehmung der Kunden, geeignete Größen. Wenn diese beiden Größen nicht übereinstimmen, kann es Probleme geben, wie Nike Mitte der 80er Jahre erfahren musste: Nike verstand sich selbst als eine Unternehmensmarke für Schuhe von Spitzensportlern. Als Nike feststellte, dass über die Hälfte ihrer Produkte als Straßenschuhe genutzt wurden, boten sie ein neues Straßenschuh-Modell an. Dies erwies sich als ein Flop. Denn in den Augen der Kunden war Nike die Marke, die es ihnen ermöglichte, die Sportbekleidung ihrer Idole zu tragen und nicht „nur einfache“ Straßenschuhe. Um den Herausforderungen gerecht zu werden, ist der Aufbau einer Markenidentität für eine Unternehmensmarke unabdingbar. Die Markenidentität umfasst – analog zur Produktmarke – eine Mission, eine Vision und Leitsätze des Unternehmens sowie dessen Wurzeln und die künftige Ausrichtung des Unternehmens. Beim Aufbau und der Steuerung der Corporate Brand übernimmt die Markenkommunikation eine Schlüsselfunktion. Durch sie wird die Unternehmensmarke sichtbar und die Markenidentität für den Konsumenten wahrnehmbar. Corporate Branding ist somit kein Selbstzweck, sondern leistet einen bedeutenden Beitrag zum Unternehmenserfolg. Eine Unternehmensmarke, die bedürfnis- und positionierungskonform bei den verschiedenen Stakeholdern verankert ist, kann auf vielfältige Weise Entscheidungen gemäß der Unternehmensziele beeinflussen. Sie wirkt positiv auf Aktienkaufentscheidungen, auf die Akquisition von Mitarbeitern, auf den Goodwill in der Öffentlichkeit und die Kaufentscheidung des Konsumenten.
89
Corporate Branding – Unternehmensmarke versus Produktmarke
Staatliche Kommissionen
Unternehmensmarke
Finanzmärkte
Produktmarke
Shareholder
Das Unternehmensleitbild leben Wirkung im Unternehmen
3.
Wirkung für Markt und Kunden
Planung der Markenführung
Kommunikation
Unternehmensleitbild
Identität
Verhalten
Markenleitbild
Das Zusammenspiel von Unternehmens- und Markenleitbild der EnBW Parallel zur Implementierung des neuen Markenleitbildes hat EnBW in einem breit angelegten Prozess das Unternehmensleitbild neu definiert und Maßnahmen zur Implementierung festgelegt. Ausgangspunkt waren zahlreiche Führungskräfteworkshops, in denen das Unternehmensleitbild auf der Grundlage des Markenleitbildes entwickelt wurde. In einem zweiten Schritt wird das entwickelte Leitbild vom Konzernvorstand diskutiert und beschlossen, um es anschließend über alle Mitarbeiterebenen zu implementieren. Die Umsetzung des Unternehmensleitbildes nach innen und außen muss uneingeschränkt auf das Markenleitbild abgestimmt sein. Um das Unternehmensleitbild im täglichen Verhalten mit Kollegen und mit Kunden zu leben, entwickelte EnBW Leitsätze, um den festgelegten Werten eine konkrete Gestalt zu geben. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.
Wir erfüllen die Anforderungen unserer Kunden besser als der Wettbewerb. Wir schaffen exzellente Leistung durch Engagement und Kompetenz. Wir handeln konsequent und verlässlich. Unser Wort gilt. Wir denken über Bereichsgrenzen hinaus. Fairness, Respekt und Vertrauen sind der Maßstab unserer Zusammenarbeit. Wir fordern und fördern unsere Mitarbeiter. Führungskräfte führen klar und zielorientiert zum Erfolg. Wir teilen unser Wissen und entwickeln uns durch ständiges lernen weiter. Wir handeln stets wirtschaftlich und steigern den Wert unseres Unternehmens. Wir sind Vordenker und Wegbereiter für innovatives Handeln in unserer Branche. Wir sehen Wandel als Chance und treiben Veränderungen entschlossen voran. Wir handeln vorausschauend im Bewusstsein unserer besonderen Verantwortung für Umwelt und Gesellschaft.
Die Leitsätze sind aus dem Soll-Steuerrad (Soll-Identität) der Marke EnBW abgeleitet und stellen damit die Kompatibilität zwischen Unternehmensleitbild und Markenleitbild sicher. Das Beispiel der Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung mag diese enge Verflechtung verdeutlichen.
90
Wer ist EnBW? Was bietet EnBW? *** in Baden-Württemberg verankert *** versteht den Kunden *** ist Vordenker/Wegbereiter *** hält, was man verspricht *** übernimmt gesellschaftliche Verantwortung *** bietet Mehrwerte und exzellenten Service
3.3 Corporate Branding – Unternehmensmarke versus Produktmarke
Die EnBW ist der Vordenker und Wegbereiter der Engergiebranche aus Baden-Württemberg, der seine Kunden versteht, ehrlich, engagiert und konsequent handelt und gesellschaftliche Verantwortung übernimmt.
Die gesellschaftliche Verantwortung als elementarer Bestandteil der EnBW-Markenidentität Die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung ist für EnBW keine Floskel, sondern ein elementarer Bestandteil der Markenidentität und des Unternehmensleitbildes. Das Unternehmen übernimmt neben einer allgemeinen gesellschaftlichen Verantwortung für Sport, Kunst/Kultur sowie Gesundheit/Soziales eine spezifische Verantwortung in den Bereichen Wissen, Umwelt/Technik und Ethik. Die allgemeine Verantwortung resultiert aus der Verpflichtung von EnBW als Versorger zur Vorsorge und zur Fürsorge. Energie wird zunehmend als ein „Lebensmittel“ begriffen, das elementar im Leben der Verbraucher geworden ist. Das Grundverständnis der Vorsorge und der Fürsorge beschränkt sich für EnBW aber nicht allein auf den verantwortungsvollen Umgang mit den Mitarbeitern, Kunden und Geschäftspartnern, sondern geht weit darüber hinaus. Aus der unternehmerischen Tätigkeit als Energiekonzern resultiert die spezifische Verantwortung von EnBW mit dem Ziel der Nachhaltigkeit an innovativen Ansätzen für die Energie von morgen zu arbeiten.
Aus zwei mach eins. Nach dem gelungenen Schritt, sich im Premiumsegment zu etablieren, will Audi nun auch weltweit eine führende Position unter den Automobilherstellern einnehmen. Um sich noch deutlicher zu positionieren, extrahiert Audi aus den bisher zwei Markensymbolen ein einheitliches Markenzeichen. So standen das Audi-Oval für das Unternehmen und die vier Ringe nur für das Produkt. Aus Markensicht war dies wenig vorteilhaft, da das Produkt die Marke am stärksten prägt. Daher wurde entschieden, die Ringe als alleiniges Markenzeichen zu definieren. Für die Kommunikation wurde den Ringen zusätzlich der Audi-Schriftzug zugeordnet, um den Markennamen insbesondere in neuen Märkten bekannter zu machen. Von da an waren der Unternehmens- und Produktauftritt in der Marke Audi vereint. Auf dieser Grundlage hat das Unternehmen seine Mission „Taking the Lead“ realisiert. Der Erfolg der Marke Audi ist das Ergebnis des Wechselspiels von Unternehmen, Produkten und Mythos. Audi lebt dieses Prinzip: Im Unternehmen denkt und handelt man progressiv und beweist sich jeden Tag mit neuen innovativen Ideen gegenüber den Wettbewerbern. Wie das Unternehmen sind auch die Produkte von dieser Philosophie geprägt. 1990: Unternehmensmarke + Produktmarke
heute: Marke Audi
91
Planung der Markenführung
3.
Anbieter von Markenartikeln stehen damit grundsätzlich vor der Entscheidung, den Marktauftritt als Unternehmensmarke, als Produktmarke oder als eine Kombination aus Unternehmens- und Produktmarke zu realisieren. Die Entscheidung ist grundsätzlich abhängig von der jeweiligen Markt- und Wettbewerbssituation, von der Kundenwahrnehmung, von der Art des angebotenen Produktes bzw. der Dienstleistung sowie dem angestrebten Marktareal. So sind für Dienstleistungen und Produkte, die ein hohes Risiko in sich bergen, beispielsweise aufgrund des vergleichsweise hohen Preises oder aufgrund der Neuartigkeit, eher Unternehmensmarken das geeignete Mittel. Eine Kombination von Produkt- und Unternehmensmarke findet in Markenarchitekturen ihren Niederschlag.
3.4 Markenarchitektur Markenarchitekturen gewinnen in jüngster Zeit immer mehr an Bedeutung. Sie bezeichnen die vertikale Anordnung von mindestens zwei Marken, die ein Über- und Unterordnungsverhältnis aufweisen. Ein typisches Beispiel hierfür ist Persil von Henkel, wobei Henkel als Unternehmensmarke der Produktmarke Persil übergeordnet ist. Bei der Analyse und Gestaltung einer Markenarchitektur geht es nicht um eine einzelne Marke, sondern es werden alle zu einem Unternehmen gehörenden Marken in die Betrachtung miteinbezogen. Als Markenarchitektur bezeichnet man die Anordnung aller Marken eines Unternehmens, durch die die Rollen der Marken und ihre Beziehungen untereinander sowie die Marken-Produkt-Beziehungen aus strategischer Sicht festgelegt werden (vgl. Aaker/Joachimsthaler 2000, S. 102). Ziel ist es, die Gesamtheit der Marken so aufeinander abzustimmen, dass ein möglichst harmonisches Gesamtbild entsteht. Zur Gestaltung einer Markenarchitektur gibt es drei Parameter: Die Anordnung der Marken auf unterschiedlichen Hierarchiestufen Die Markenarchitektur legt nicht nur die Anzahl der Hierarchieebenen in einem Markenportfolio fest, sondern auch auf welcher Stufe die verschiedenen Marken positioniert sind. Insbesondere im Zuge von Unternehmenskäufen stellt sich die Frage nach einer geeigneten Eingliederung der aufgekauften Marke in die bestehende Markenarchitektur. Die Beziehung der Marken untereinander Neben den Hierarchieebenen bestimmt die Markenarchitektur ob und in welchem Ausmaß Beziehungen zwischen den Marken auf unterschiedlichen Hierarchiestufen bestehen dürfen. Inwieweit nach außen sichtbare und vom Kunden wahrnehmbare Verbindungen zwischen den einzelnen Marken existieren, variiert von Unternehmen zu Unternehmen und wird selbst innerhalb der Marken eines Unternehmens nicht einheitlich gehandhabt. Einige Produktmarken besitzen einen sichtbaren Hinweis auf die Unternehmensmarke (zum Beispiel Nivea), andere Marken haben lediglich einen kleinen, kaum sichtbaren Verweis auf der Verpackungsrückseite (beispielsweise Maggi und Nestlé) bis hin zu einem vollständigen Verzicht des Hinweises auf Verbindungen zum Unternehmen oder anderen Marken (zum Beispiel Buitoni).
92
Die Rolle der Marken in der Kaufentscheidung Werden zwei oder mehr Marken für die Markierung eines Produktes genutzt, so stellt sich für die Gestaltung der Markenarchitektur die Frage, welche Bedeutung die einzelne Marke für den Konsumenten haben soll (Driver Role) (vgl. Aaker/Joachimsthaler 2000, S. 103).
Markenrollen innerhalb von Markenarchitekturen
„dominierend“
„gleichberechtigt“
„unterstützend“
„keine“
Die Marke spielt bei dem Produkt die dominante Rolle
Die beteiligten Marken wirken gleichberechtigt
Die Marke wirkt unterstützend auf das Produkt
Die Marke spielt für das Produkt keine Rolle
Abbildung 17: Markenrollen innerhalb von Markenarchitekturen (vgl. Bräutigam 2005, S. 18)
Die Marken-Produkt-Beziehung legt die Spannweite der einzelnen Marken fest: Wie umfangreich ist das Feld an Produkten/Marken, das durch eine Marke abgedeckt wird (vgl. Keller 1998, S. 402)? Die mögliche Marken-Produkt-Beziehung wird aber wiederum beeinflusst durch die Anzahl der Hierarchieebenen innerhalb der Markenarchitektur. Bei einem gegebenen Produktprogramm bedeuten wenige Hierarchieebenen automatisch, dass die Anzahl und die Breite des unter einer Marke geführten Produktprogramms zunimmt. Umgekehrt bedeuten viele Hierarchiestufen die Fokussierung einer Marke auf eines oder wenige Produkte (vgl. Bräutigam 2005, S. 18). Was unterscheidet nun die Markenarchitektur von den klassischen Markenstrategien wie Einmarken-, Mehrmarken-, Familienmarken- und Dachmarkenstrategie? Abbildung 18 zeigt eine Markenarchitektur-Matrix, die die Abgrenzung anhand der Dimensionen Anzahl der Marken und Anzahl der Hierarchieebenen veranschaulicht. Im Falle einer einzelnen Marke und nur einer Hierarchieebene bestehen keinerlei Markenbeziehungen und Markenrollen und demzufolge keine Markenarchitektur.
93
3.4 Markenarchitektur
Die Driver Role bestimmt, in welchem Maße eine Marke die Kaufentscheidung und den empfundenen Nutzen determiniert. Grundsätzlich lassen sich vier Markenrollen innerhalb einer Markenkombination unterscheiden: Eine Marke kann dominant sein, sie kann mit der anderen Marke gleichberechtigt sein, sie kann eine untergeordnete Rolle spielen oder aber sie spielt gar keine Rolle. In Abhängigkeit von der identifizierten Rolle werden die entsprechenden markentypischen Elemente stärker oder schwächer bei der Gestaltung der Kommunikation und der Verpackung eines Produktes eingesetzt (vgl. Roberts/McDonald 1989, S.32) und Abbildung 17.
Mehrmarkenstrategie und Markenallianzen beziehen sich auf zwei oder mehr Marken, die auf einer Hierarchiestufe gleichberechtigt nebeneinander stehen. Anzahl der Marken
Anzahl der Hierarchieebenen
Planung der Markenführung
3.
eine Hierarchieebene
zwei oder mehr Hierarchieebenen
eine Marke
zwei oder mehr Marken
Einzelmarke Familienmarke Dachmarke
Mehrmarke Markenallianz
komplexe Markenarchitektur
Kombination der klassischen Strategien
Abbildung 18: Markenallianzen (vgl. Aaker/Joachimsthaler 2000, S. 102 in: Bräutigam 2005, S. 19)
Bei einer Mehrmarkenstrategie werden mehrere selbstständige Marken parallel zueinander im gleichen Produkt- oder Marktbereich geführt. Für die Fragestellung der Markenarchitektur sind daher auch Mehrmarkenstrategien ohne weitere Bedeutung, da in der Regel zwischen den Marken keine vom Konsumenten wahrnehmbare Beziehung besteht und es daher auch keine Markenrollen zu beachten gibt. Werden die verschiedenen Marken allerdings unter einer übergeordneten Dach- oder Unternehmensmarke geführt, so entstehen wiederum komplexe Markenarchitekturen mit zwei Hierarchieebenen. Markenallianzen sind dadurch gekennzeichnet, dass zwei eigenständige Marken meist unterschiedlicher Unternehmen zur Markierung eines Produkts eingesetzt werden, wobei in der Regel beide Marken auf dem Produkt erscheinen. Durch den gemeinsamen Auftritt wird die Beziehung der beteiligten Marken offensichtlich, und die Marken können unterschiedlich stark Einfluss auf die Kaufentscheidung des Konsumenten nehmen. Die beteiligten Marken stehen aber auf einer Hierarchieebene: Es existieren keine Über- oder Unterordnungsbeziehungen im Sinne von „gehört zu“ oder „Hersteller von“ (vgl. unter anderem Bräutigam 2005, S. 21). Im Gegensatz zu Mehrmarkenstrategien und Markenallianzen, die gleichfalls zwei und mehr Marken umfassen, sind die Marken innerhalb einer Markenarchitektur auf unterschiedlichen Hierarchieebenen angeordnet. Zwischen den Marken bestehen Über- bzw. Unterordnungsbeziehungen, die allerdings nicht sichtbar im Markt kommuniziert werden müssen. In Abhängigkeit von der Zielgruppe können aber unterschiedliche Strukturen der Markenarchitektur kommuniziert werden. So betreibt Procter & Gamble gegenüber den Endverbrauchern eine klassische Einmarkenstrategie.
94
3.4 Markenarchitektur
Gegenüber den Shareholder oder auf dem Arbeitsmarkt tritt das Unternehmen aber gemeinsam mit den Marken auf. Demgegenüber gibt es Unternehmen, die auf ihren Produkten und in der Werbung ganz bewusst zwei oder mehr Markenhierarchieebenen sichtbar kommunizieren. Ein prominentes Beispiel hierfür ist Unilever, die unter der Unternehmensmarke noch weitere Markenhierarchieebenen führen. Die so genannten House Brands erfüllen die Funktion einer Dachmarke, unter die eine Reihe von Produktmarken geordnet sind. Während die Beziehung zwischen der Dachmarke und den House Brands für den Konsumenten kaum sichtbar ist, werden die Verbindungen auf den darunter liegenden Hierarchieebenen offen kommuniziert.
House Brands keine sichtbare Verbindung zur Dachmarke
...
Produktmarken sichtbare Verbindung zur House Brand
...
Abbildung 19: Markenarchitektur – ein Beispiel
Eine so genannte House Brand-Markenarchitektur kann zwei Ursachen haben. Zum einen kann sie durch den Aufkauf und/oder die Fusion mit anderen Marken begründet sein. Marken stellen sowohl für die Kunden als auch für die Mitarbeiter eine wesentliche Identifikationsgrundlage dar. Aus dieser Erkenntnis heraus wird versucht, fusionierte Marken soweit möglich in die eigene Architektur zu integrieren, ohne deren Markenimage zu verändern. Zum anderen entstehen House Brand-Markenarchitekturen in stark diversifizierten Unternehmen. Aufgrund des weit verzweigten Markenportfolio werden die Marken aus Vereinfachungsgründen aus der Unternehmensstruktur abgeleitet. In der Folge können Produkte mit mehreren Dachmarken, einer Produktmarke und gegebenenfalls noch weiteren ergänzenden Zusätzen markiert sein. Das Beispiel von 3M mag dies verdeutlichen: 3M als Unternehmensmarke, die House Brand Littmann® für Stethoskope und als Produktmarke das Master Classic II.
95
Die Einordnung und Klassifikation von Markenarchitekturen mit Hilfe einfacher Kombinationen der klassischen Markenstrategien (Markenarchitektur-Matrix) offenbart bereits die Schwierigkeit der eindeutigen Zuordnung von Marken in dieses Schema. Für eine erfolgreiche Markenführung ist es allerdings notwendig, dass sich Aussagen über mögliche Synergiepotenziale, die notwendige Eigenständigkeit der Marken in der Markenarchitektur sowie die Relevanz der Marken als Treiber der Kaufentscheidung ableiten lassen. Eine Klassifizierung, die diesen Anforderungen genügt, lässt folgende Markengrundarchitektur entstehen (siehe Abbildung 20).
Planung der Markenführung
3.
Markentypen Branded House
Mixed Brands
House of Brands
Corporate Brand
Company Brand
Sub Brands
Dual Brands
Endorsed Brands
Mono Brands
Futive Brands
Der Name des Unternehmens wird eingesetzt
Der Name einer Tochter wird eingesetzt
Corporate Brand dominiert gegenüber Produktmarke
Mindestens zwei Namen werden gleichberechtigt gesetzt
Corporate Brand oder Company Brand unterstützt die Marke
Einzelner Brandname oder Absender ist auf der Verpackung
Einzelner Markenname, der Absender bleibt verborgen
Qualität von Henkel
P&G
Desk-Jet
Dachmarkenstrategie
Einzelmarkenstrategie
Abbildung 20: Markengrundarchitektur (vgl. Huber, 2006)
Die Markenarchitektur erstreckt sich zwischen den Extremen „Branded House“ (Dominanz der Unternehmensmarke) und „House of Brands“ (Dominanz der Produktmarke) und variiert zwischen dem Ausnutzen von Synergieeffekten aus der Dachmarke heraus und der Eigenständigkeit durch eine Einzelmarkenstrategie. Je stärker die Markenarchitektur in Richtung eines „Branded House“ tendiert, desto größer ist das Synergiepotenzial. Ist also die übergeordnete Marke in der Lage, das Produkt durch positive Assoziationen und bestehendes Vertrauen in die übergeordnete Marke zu unterstützen, dann sollte die Unternehmensmarke dominant gegenüber der Produktmarke positioniert sein. Eine stärkere Orientierung am House of Brand, also einer Einzelmarkenstrategie, ist dann anzuwenden, wenn eigenständige Markenassoziationen geschaffen werden sollen, das Produkt innovativ ist und auf der Marktseite eine eigenständige Marke auf Akzeptanz stößt.
96
Bei der Fusion zweier Marken, die bisher eine eigene Positionierung und ein eigenständiges Image im Markt besaßen und die nun einen neuen gemeinsamen Namen erhalten sollen, stellt die Namensgebung für die künftige „Führungsmarke“ eine hochsensible Aufgabe dar. Es sind unterschiedliche Optionen denkbar:
Die Audi-Markenhierarchie. Die Marke Audi ist monolithisch: Alle Tochtergesellschaften, Geschäftsfelder, Dienstleistungen und alle Produkte der Marke stehen in einem klaren hierarchischen Bezug zur Marke. Alles, was im Namen von Audi produziert, vertrieben oder veranstaltet wird, zahlt somit auf die Marke Audi ein.
Gerade im Premiumsegment steht der Markenname im Vordergrund, nicht der Produktname. Somit ist Audi immer als klarer Absender erkennbar und alle Produkte und Leistungen kommunizieren im Kontext der Marke.
97
3.4 Markenarchitektur
Die künftige „Führungsmarke“ erhält den Namen eines der Fusionspartner, zum Beispiel des stärksten Partners. Der Schweizer Pharmakonzern Hoffman-La Roche oder General Electrics folgen dieser Markenarchitektur. Die beteiligten Markennamen werden verkettet, wie es bei der Fusion von Ciba und Geigy oder bei Cadbury Schweppes der Fall war. Der neue Name wird aus einer Kombination der Anfangsbuchstaben der beteiligten Markennamen gebildet wie beispielsweise Asea und Brown Boverie zu ABB oder Condor und Neckermann zu C&N. Ein neuer neutraler Name wird geprägt wie zum Beispiel Aventis aus Hoechst und RhônePoulenc oder Eon aus Viag und Veba.
EnBW eine Dachmarke für alle? Die Markenarchitektur bei EnBW folgt festgelegten Regularien, die exakt festlegen, welche Marken und Beteiligungen in welcher Form in die Markenarchitektur integriert werden können. Vier Stufen legen den Grad der Anbindung an die Marke EnBW fest. Stufe 1: Stufe 2: Stufe 3: Stufe 4:
Planung der Markenführung
3.
maximale Anbindung an die Unternehmensmarke Endorsement von Produktmarken über EnBW Endorsement von ausgewählten Beteiligungen über „EnBW-Gruppe“ keine sichtbare Verbindung durch eine eigenständige Markierung.
Die Einordnung in die Stufen schlägt sich auch in der Umsetzung des Branding nieder: Stufe 1
Stufe 2
Stufe 3
Stufe 4
Die konkrete Einstufung ist das Ergebnis eines strukturierten Markenarchitekturprozesses, in dem verschiedene Parameter zur Prüfung der Markenpassung herangezogen werden. 1. Prüfschritt:
Die Passung zum Kerngeschäft Im Zuge der Restrukturierung hat der EnBW-Vorstand feste Kernfelder definiert, in denen EnBW zukünftig aktiv sein soll. Für eine markentechnische Anbindung einer Tochtergesellschaft oder Beteiligung ist deshalb eine Geschäftstätigkeit in diesen Kerngeschäftsfeldern Grundvoraussetzung. Ist dies gegeben, so folgt der 2. Prüfschritt.
2. Prüfschritt:
Die wahrgenommene Markenpassung Die Markenpassung erfasst die wahrgenommene Übereinstimmung oder Komplementarität zwischen der Marke EnBW und der Beteiligung bzw. Submarke. Dabei geht es nicht um eine interne Beurteilung aus Unternehmenssicht, sondern nur um die Sicht der Kunden und sonstiger Anspruchsgruppen.
3. Prüfschritt:
Beteiligung und Durchgriffsmöglichkeit Für eine erfolgreiche und starke Marke EnBW ist ein konsistenter Umgang und eine langfristige Steuerungsmöglichkeit der Marke EnBW unumgänglich. Eine Anbindung an die Marke EnBW ist daher nur bei einer Mehrheitsbeteiligung oder bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrages möglich, die eine direkte Durchgriffsmöglichkeit der EnBW ermöglichen und damit einer Verwässerung des Markenimages vorbeugen können.
4. Prüfschritt:
Wirtschaftliches Potenzial Um sicherzustellen, dass nur wirtschaftlich gesunde Unternehmen mit der Marke EnBW in Verbindung gebracht werden, muss vor einer Anbindung geprüft werden, ob die Beteiligung ein ausreichendes wirtschaftliches Potenzial aufweisen kann.
Wurden nun alle Prüfschritte positiv bewertet, entscheidet der EnBW-Vorstand über eine inhaltliche Zuordnung und den Grad der Anbindung (Stufe 1 bis 4). Kann eine zu prüfende Beteiligung oder Tochtergesellschaft den Prüfparameter nicht erfüllen, so ist eine eigenständige Markierung notwendig, die keine sichtbare Verbindung zur Unternehmensmarke EnBW aufweist. Eine solche eigenständige Markierung bedeutet jedoch nicht, dass die betreffende Marke vom EnBW-Markenportfolio ausgeschlossen ist, wie das Beispiel Yello beweist.
98
In der Realität existieren zwischen den beiden Extremen eine Vielzahl an Markenarchitekturen, die durch Markendehnungen, Einführung neuer Produkte oder den Aufkauf fremder Marken weiter an Komplexität zunehmen. Die Gestaltung der Markenarchitektur sollte dabei nicht allein aus Unternehmenssicht erfolgen, sondern auch aus Kundensicht. Inwieweit werden Synergien innerhalb des Markenportfolios auch tatsächlich vom Kunden wahrgenommen? Das Zusammenspiel der Marken ist also aus einer strategischen Sicht zu optimieren – mit dem Kunden und dessen Wahrnehmung als Ausgangspunkt.
Markenarchitektur
3.4
99
4. Entwickeln von Markenstrategien als strategische Basis der Markenführung
Entwickeln von Markenstrategien als strategische Basis der Markenführung
4.
Der Begriff der Marke ist selten so inflationär verwendet worden wie heute. Die Zahl der Konzepte geht ins Uferlose, und ein Ende ist noch nicht abzusehen. Die Definitionen der Marke sind so variantenreich, dass sie für jedes Konzept bei Bedarf passend sind. Welche Rolle spielen vor diesem Hintergrund die Markenstrategien? Die Notwendigkeit marketingstrategischer Entscheidungen tritt grundsätzlich auf, wenn ein Unternehmen vor der Einführung eines neuen Produkts dem Aufkauf eines neuen Produktes/Unternehmen der Restrukturierung bestehender Markensysteme steht Markenstrategien und die damit einhergehenden Entscheidungen definieren den zukünftigen Weg einer Marke im Unternehmenskontext. Sie setzen den Rahmen für einen zielgerichteten und konsequenten Marketinginstrumenteneinsatz und bilden das Fundament für einen nachhaltigen Unternehmenserfolg, insbesondere in wettbewerbsintensiven Käufermärkten. Hierfür wird in einem ersten Schritt, basierend auf einer eingehenden Analyse der Ausgangssituation der Marke und den fixierten Zielen der Marke, eine Grundsatzentscheidung für die Marke getroffen. Sie ist die Basis zur Festlegung aller operativer Marketingmaßnahmen, stellt damit eine strategische Schlüsselentscheidung dar und legt die zu bearbeitende Marktschicht sowie die Wettbewerbsform fest mit den Extremen: Wettbewerb über die Qualität und echte Kundenpräferenzen Wettbewerb über den Preis. Eine strategische Positionierung von Markenprodukten in Markenartikel- und Premiummärkten erfordert ein konsequentes Qualitätsbewusstsein sowie ein kundenorientiertes Angebot von Leistungsvorteilen. Dies sind notwendige Voraussetzungen zum Aufbau echter Präferenzen beim Kunden. Marken sind genau dazu in der Lage. Sie sind daher für das Unternehmen insgesamt sowie für die marktstrategische Positionierung von elementarer Bedeutung. Eine Markenprofilierung ist also das Resultat einer konsequenten Markenpolitik im Sinne einer schlüssigen Auswahl der geeigneten Markenstrategie sowie ihrer systematischen Weiterentwicklung im Zeitablauf. Neben den allgemeinen Markenstrategien kommen spezifische Markenstrategien und dynamische Markenstrategien in Betracht.
4.1 Allgemeine Markenstrategien Bei der Festlegung der grundsätzlichen Markenstrategie gilt es unter Berücksichtigung des unternehmerischen Kompetenzfeldes, der Bedürfnisse der Zielgruppe und der marktspezifischen Wett-
100
bewerbsstruktur eine Entscheidung für eine enge (Einzelmarkenstrategie), mittlere (Familienmarkenstrategie) oder weite (Dachmarkenstrategie) Ausrichtung der Markenstrategie zu treffen.
4.1.1 Einzelmarkenstrategie
Das Ziel der Einzelmarkenstrategie ist, eine klare, unverwechselbare Markenidentität und damit eine unverkennbare Differenzierung im Wettbewerbsumfeld aufzubauen. Insbesondere Unternehmen, die heterogene Produkte für unterschiedliche Käufersegmente anbieten, müssen um eine eigenständige Positionierung der einzelnen Produkte bemüht sein, um ungewollte SpilloverEffekte zu vermeiden. Auch für neue Produkte, die einen bisher noch nicht bearbeiteten Markt besetzen, erweist sich die Einzelmarkenstrategie als das geeignete Vorgehen. Viele erfolgreiche Markenartikelunternehmen wählen bewusst diese Strategie. Alle Marketingaktivitäten werden individuell auf die Bedürfnisse und Anforderungen der Zielgruppe zugeschnitten: Markenname, Logo, Produktdesign, Markenkommunikation, Preisgestaltung und Distribution. Auf der einen Seite können im Falle eines Misserfolgs des Produktes negative Spillover-Effekte auf andere Marken sowie auf das Unternehmen vermieden werden. Auf der anderen Seite werden aber die Risiken der Einzelmarke gravierender: Im Zuge einer zunehmenden Markenvielfalt und dem damit einhergehenden intensiven Markenwettbewerb steigt der Profilierungsaufwand für Einzelmarken und muss von der jeweiligen Marke allein getragen werden. Vor dem Hintergrund einer Verkürzung der Produktlebenszyklen sowie einem potenziellen Marktstrukturwandel durch eine Veränderung der Kundenbedürfnisse wird das Erreichen des Break Even-Punktes zusätzlich erschwert. Die Entscheidung für oder gegen eine Einzelmarkenstrategie basiert neben der Chancen-RisikoAbwägung auch auf den spezifischen Branchenbedingungen. Bei Finanzdienstleistungen beispielsweise kommt es in der Regel weniger auf die Profilierung der einzelnen Leistung an als vielmehr auf die Kompetenz und die Vertrauenswürdigkeit des Unternehmens, was dann wiederum eher für eine Dachmarkenstrategie spricht. Die klassische Einzelmarkenstrategie wird daher immer häufiger „aufgeweicht“, um die Vorteile zu nutzen und gleichzeitig die Nachteile abzumildern. So kann die Einzelmarke um einen Absender ergänzt werden. Der Absender – die Dachmarke – integriert die Einzelmarke in die Markenarchitektur des Unternehmens, zum Beispiel Riesen von Storck. Eine andere Möglichkeit ist die Dehnung von Einzelmarken durch eine Produktlinienerweiterung bzw. Markenerweiterung. Anstatt eines einzelnen Produktes werden nun mehrere Produkte unter einer Marke geführt, zum Beispiel Tesa. Somit ergeben sich hier bereits erste Ansatzpunkte einer Familienmarkenstrategie.
101
4.1. Allgemeine Markenstrategien
Das Grundprinzip der Einzelmarkenstrategie besteht darin, für jedes einzelne Produkt eines Anbieters eine eigenständige Marke zu schaffen und am Markt zu etablieren. Der Anbieter, also das herstellende Unternehmen, bleibt deutlich im Hintergrund, was dazu führt, dass den Kunden unter Umständen weder das Unternehmen noch andere Marken des Unternehmens bekannt sind.
4.1.2 Familienmarkenstrategie Die Familienmarke nimmt eine Zwischenstellung zwischen der Einzelmarkenstrategie und der Dachmarkenstrategie ein. Zum einen nutzt sie die Synergieeffekte und die damit einhergehenden Kosteneinsparungspotenziale der Dachmarke und zum anderen die Möglichkeit einer klaren Positionierung der Einzelmarke. Die Familienmarke hat sich insbesondere im Konsumgüterbereich durchgesetzt. Typisches Beispiel ist etwa die „Du darfst-Linie“ von Unilever.
Entwickeln von Markenstrategien als strategische Basis der Markenführung
4. Die Familienmarke wählt für eine bestimmte Produktgruppe (Produktlinie) eine einheitliche Marke und ein identisches Markenimage. Insbesondere für die Zusammenfassung heterogener Produkte zu einer Produktlinie oder zur Ausschöpfung von Potenzialen auf neuen Teilmärkten findet die Familienstrategie Anwendung. Die darin vereinten Marken werden unter einem übergeordneten Nutzenversprechen bzw. einer Nutzenklammer (beispielsweise „Ich will so bleiben wie ich bin!“ Du darfst - Ernährung) geführt und verfügen damit über eine gemeinsame Grundpositionierung. Insbesondere neue Produkte können vom Goodwill der etablierten Marke profitieren und erhalten damit sowohl beim Kunden als auch bei der Platzierung im Handel eine Starthilfe und stärken ihrerseits die Markenkompetenz und damit das Markenimage. Familienmarken ermöglichen die Bildung eigenständiger „strategischer Geschäftsfelder“ mit eigenen strategischen Erfolgsfaktoren. Für jedes Geschäftsfeld lässt sich so der jeweilige Leistungsbeitrag analysieren und prognostizieren sowie die zukünftig relevanten Unternehmens- und Markenstrategien eingrenzen und im Hinblick auf ihren Beitrag zum Unternehmenserfolg bewerten. Die Familienmarkenstrategie bietet somit die Möglichkeit, sowohl grundlegende Vorteile der Einzelmarkenstrategie (Profilierungsvorteil: durch eine produktspezifische Positionierung) als auch solche der Dachmarke (Ökonomievorteil: mehrere Produkte finanzieren das Marketingbudget ohne jeweils deren gravierende Nachteile vollständig in Kauf nehmen zu müssen) zu nutzen. Der Aufbau einer erfolgreichen Familienmarke ist an eine erfolgreiche starke Pioniermarke geknüpft, auf die im Bedarfsfall zurückgegriffen werden kann. Es ist deren Sympathie- und Vertrauenskapital, auf das die gesamte Familienmarke aufbaut. Das aus einer Familienmarke resultierende Markenkapital kann auch unternehmensextern genutzt werden. Im Rahmen einer Lizenzvergabe für andere Produktkategorien kann der Markenname eingesetzt werden. Boss hat beispielsweise die Lizenz an seinem Markennamen unter anderem an einen Jeans- und einen Körperpflegehersteller vergeben, die jeweils unter dem Namen Boss, Serien von Jeans-Bekleidung und Körperpflegeprodukten anbieten. Je weiter sich neue Produkte und die in Lizenz hergestellten Produkte jedoch von der ursprünglichen Positionierung der Familienmarke entfernen, desto notwendiger sind segment- und zielgruppenspezifische Erweiterungen der Positionierung, um die Akzeptanz der Produkte in der Markenfamilie zu erhöhen. Dies birgt allerdings die Gefahr einer Verwässerung des Markenimages. Um diesem Effekt entgegenzuwirken, erscheint es sinnvoll, eine Erweiterung der Marke in konzentrischen Kreisen um den Markenkern herum durchzuführen. In einer ersten Stufe werden Produkte integriert, die den stärksten Bezug zum Kernprodukt (Pionierprodukt) besitzen. In den darauf folgenden Stufen erfolgt eine sukzessive Erweiterung. Weitere Details zur Markendehnung sind im Abschnitt 4.2.1 beschrieben.
102
4.1.3 Dachmarkenstrategie Die Dachmarkenstrategie vereinigt alle Produkte eines Unternehmens unter einer einheitlichen Marke (Umbrella Branding) mit dem Zweck, das Unternehmen und dessen Kompetenzen zu profilieren (Becker, 2005). Die Dachmarkenstrategie ist stark verbreitet, bisher aber nur begrenzt im Konsumgüterbereich (Ausnahmen: Bahlsen, Dr. Oetker). Typische Beispiele sind Siemens, Allianz oder BMW. 4.1.
der Umfang des vom Unternehmen angebotenen Produkt- und Leistungsprogramms für eine Einzelmarkenstrategie zu umfangreich ist (zum Beispiel IBM) die Zielgruppe und die Markenpositionierung nur unwesentlich variiert (zum Beispiel OBI) das Produktprogramm starken Modeschwankungen unterliegt und damit die eigentlichen Produkte nur über einen limitierten Zeitraum angeboten werden (zum Beispiel Hugo Boss). Ähnlich wie bei der Familienmarkenstrategie liegen die Vorteile der Dachmarkenstrategie in der Einführung von neuen Produkten und dem Tragen der Aufwendungen und Kosten durch alle Produkte unter der Dachmarke. Im Gegensatz zur Einzelmarkenstrategie sind die Effekte verkürzter Produktlebenszyklen leichter auffangbar. Diesen klaren Vorteilen steht der Nachteil gegenüber, dass bei einem sehr heterogenen Produkt- und Leistungsprogramm keine klare Positionierung möglich ist. Dass dieser Nachteil aber nicht zwangsläufig auftreten muss, beweisen beispielsweise BMW und Storck. Beide Unternehmen haben um ihre Produkte eine Klammer gelegt, die eine Grundpositionierung fixiert: BMW „Freude am Fahren“ und Storck „Part of Your Life“. Je breiter und heterogener das Produkt- und Leistungsprogramm unter einer Dachmarke ist, desto weniger scharf kann es sich im Markt und in der Wahrnehmung der Konsumenten positionieren. Bekanntheit, Kompetenz und Vertrauen werden hier zu den wesentlichen Merkmalen, mit denen die einzelnen Angebote belegt werden. Ist dagegen das Produkt- und Leistungsprogramm homogener Art, kann sich auch eine Dachmarke spitz positionieren und entspricht dann ihrem Wesen nach einer Familienmarkenstrategie. Neben der Frage nach der Eingliederung neuer Marken in ein Unternehmensportfolio, geht es jedoch häufiger darum, wie ein neues Produkt idealerweise eingeordnet werden kann. Von nicht minder ausschlaggebender Relevanz ist die Entscheidung, wie tragfähig eine bestehende und momentan erfolgreiche Marke im Hinblick auf eine zukünftige Expansion ist.
103
Allgemeine Markenstrategien
Das Implementieren einer Dachmarke erweist sich dann als vorteilhaft, wenn
Hieraus lassen sich die kritischen Erfolgsfaktoren einer erfolgreichen Dachmarkenstrategie ableiten: 1. Integration Erfolgreiche Dachmarken basieren auf einem Schlüsselbild. Auf dessen Grundlage geht es dann „nur“ noch um die Variation des Schlüsselbildes und den Erhalt des integrativen Charakters der Klammer. Eine Integration erfolgt:
Entwickeln von Markenstrategien als strategische Basis der Markenführung
4. über die Zeit in den verschiedenen Kommunikationskanälen im Produkt- und Leistungsangebot. Diskontinuitäten können insbesondere durch Veränderungen und Wechsel auf der Führungsebene entstehen. Als Folge eines Wechsels wird häufig die Basis (das Schlüsselbild) aus der Vergangenheit schnell und leichtfertig verlassen und durch Neuerungen ersetzt. 2. Innovationsgrad Bei Produkten mit einem geringen Innovationsgrad ist es zweckmäßig, die Dachmarke in den Vordergrund zu stellen und die Einzelprodukte lediglich durch entsprechende Produkt-Codes oder sachliche Bezeichnungen an die Dachmarke anzubinden, zum Beispiel Bohrmaschinen von Bosch. Die Produktbezeichnung übernimmt dabei vor allem eine Identifikations- und Orientierungsfunktion, ohne dass das Produkt ein Marken-Eigenleben entfaltet. Anders verhält es sich bei Produkten, die sich im Hinblick auf den Innovationsgrad bzw. die Produktpositionierung stark von der Dachmarke unterscheiden. Je stärker die Abweichung, desto eher ist eine Einzelmarkenstrategie sinnvoll, zum Beispiel Jeep (Chrysler). 3. Mental Convenience Konsumenten sind heute einer stetig anwachsenden Produkt- und Informationskomplexität ausgesetzt. Die Zahl an Kaufentscheidungen steigt, es stehen dem Konsumenten immer mehr Produkte und Marken zur Auswahl, und die Kaufentscheidungen müssen in immer kürzerer Zeit getroffen werden. Durch die Explosion der Produktvarianten und die sich beschleunigenden Produktlebenszyklen kommt es beim Konsumenten zu einem Gefühl der Informationsüberlastung und dem Wunsch einer kognitiven Entlastung. So sind beispielsweise viele Konsumenten von der Vielzahl an Telefontarifen überfordert und reagieren daher häufig mit einem NichtKauf. Der Konsument möchte sich nicht zwischen zu viel konkurrierenden Angeboten einer Marke entscheiden müssen, die sich im Extremfall selbst gegenseitig in Frage stellen. Eine starke Dachmarke entlastet die Kaufentscheidungssituation und beeinflusst damit die Zufriedenheit mit der Entscheidung, die Entscheidungswahrscheinlichkeit, die Entscheidungsdauer und die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten positiv. 4. Markenrestrukturierung Um einen klaren und prägnanten Markenauftritt im Markt zu gewährleisten und die Marke unter ökonomischen Gesichtspunkten effizient zu führen, ist es von Zeit zu Zeit notwendig, über die Gestaltung sinnvoller Markensysteme und gegebenenfalls über eine Bereinigung nachzu-
104
denken. Durch das interne Wachstum und/oder den Aufkauf anderer Unternehmen wachsen im Zeitablauf sowohl die Markenvielfalt in einem Unternehmen als auch die Beziehungen der Marken untereinander und erhöhen damit die Komplexität. Um einem daraus resultierenden Imageverlust und einer Kompetenzverwässerung entgegenzuwirken, kann es zweckmäßig sein, neue oder bestehende Markennamen für einzelne Produktbereiche einzuführen oder zu nutzen.
6. Markenkompetenz Eine erfolgreiche Dachmarkenführung fokussiert nicht ausschließlich auf den Nutzen und die Zielgruppe einer Marke. Zusätzlich ist die Dachmarkenführung auf eine Differenzierungs- und Ähnlichkeitsstrategie im Hinblick auf das Markenbild und die Tonalität der Marke auszurichten. Eine zu große Ähnlichkeit zwischen den Produkten unter einer Dachmarke führt zu einer unzureichenden Differenzierung und damit einer Verwechselungsgefahr. Ist dagegen der Unterschied zu dem bestehenden Markenauftritt zu groß, kommt es aufgrund der fehlenden Markenidentität sowie einer Verwässerung der Markenkompetenz (objektiv und subjektiv in der Wahrnehmung der Kunden) zu Schwierigkeiten bei der Integration der Marke in die Dachmarke. Die Gefahr etwas „Markenuntypisches“ zu entwickeln, entsteht durch ein zu umfassendes Verändern von Merkmalen des Markenbildes bzw. Schlüsselbildes. Nur eine Reduktion der zu verändernden Variablen oder eine stärkere Loslösung des neuen Produktes von dem bestehenden Angebot (im Sinne einer Absendermarkenstrategie) kann in einer solchen Situation weiterhelfen.
4.1.4 Mehrmarkenstrategie Mit einer zu umfangreichen Leistungsausdehnung des Produkt- und Leistungsprogramms unter einer Dach- bzw. Familienmarke geht das Risiko einer Deprofilierung ursprünglich konturierter Marken einher. Aus diesem Grund gewinnt die Marktbearbeitung mit mehreren, parallel auf den Absatzmarkt ausgerichteten Marken und somit die Ausübung einer Mehrmarkenstrategie zunehmend an Bedeutung (vgl. Kapferer 1997, S. 281 ff.). Die Mehrmarkenstrategie stellt eine besondere Herausforderung an das Markenmanagement. Sie ist ein Instrument zur Profilierung von Markenportfolios im horizontalen Wettbewerb. Innerhalb der Mehrmarkenstrategie werden mehrere Marken in der gleichen Produktkategorie geführt. Ihre Differenzierung erfolgt durch das Abdecken unterschiedlicher Kundenbedürfnisse, Preissegmente, Nutzen unterschiedlicher Distributions-
105
4.1. Allgemeine Markenstrategien
5. Wettbewerbssituation Nur noch wenige neue Produkte, die auf den Markt gebracht werden, sind echte Innovationen. Stattdessen besitzen sie ein mehr oder weniger hohes Maß an Ähnlichkeit mit bereits bestehenden Produkten der Wettbewerber. Je größer die Vergleichbarkeit und damit die Austauschbarkeit des Produktes, desto geringer ist dessen Beitrag auf das Markenguthaben der Dachmarke. Bei einer Erweiterung der Dachmarke um weitere Produkte gilt es daher, die Wettbewerbssituation im Vorfeld zu analysieren. So birgt die direkte Positionierung zu einer profilierten Monomarke ein großes Risikopotenzial für die Dachmarke. Stellt ein Wettbewerber die Kompetenz in einem von Monomarken dominierten Marktsegment, dann hat man es mit einer Dachmarke schwer, in dieses Segment einzubrechen (zum Beispiel Dominanz der Marke Red Bull bei Energy Drinks erschwert den erfolgreichen Markteintritt anderer Marken).
kanäle oder die Berücksichtigung regionaler Besonderheiten im bearbeiteten Marktsegment. Die aus einer Mehrmarkenstrategie resultierende parallele Marktbearbeitung ermöglicht eine breite Marktabdeckung, bei der die Kunden zur Befriedigung eines Bedürfnisses zwischen verschiedenen Marken des gleichen Unternehmens wählen können. Ein Beispiel für eine Mehrmarkenstrategie ist der Mobilfunkanbieter E-Plus mit der eigenen Marke eplus, dem Billigdienst Simyo, der Marke Ay Yildiz für türkische Kunden in Deutschland, der Handy-Flatratemarke BASE und der Jugendmarke vybemobile.
Entwickeln von Markenstrategien als strategische Basis der Markenführung
4. Die mit einer Mehrmarkenstrategie verbundenen Chancen und Risiken erfordern zur wirksamen Umsetzung dieser Profilierungsstrategie einen systematischen und dynamischen Planungsprozess. Der Prozess entwickelt den Marktauftritt des Markenportfolios und passt diesen kontinuierlich an, um die Präferenzbildung bei den Konsumenten sowie die Differenzierung der Marke im Wettbewerbsumfeld und innerhalb des Produktportfolios fortdauernd sicherzustellen (vgl. Meffert/ Burmann/Koers 2005, S. 227). Der Planungsprozess basiert auf einer fundierten Analyse des internen und externen Unternehmensumfeldes. Zur Ableitung einer tragfähigen Mehrmarkenstrategie erfolgt ein Abgleich der unternehmens- bzw. marktspezifischen Stärken und Schwächen mit den umfeldbedingten Chancen und Risiken (SWOT-Analyse). Ziel ist die fortlaufende Identifikation der Kundenbedürfnisse, um auf deren Basis die Gestaltung bzw. Aktualisierung zielgruppenspezifischer Problemlösungen durch das Angebot geeigneter Marken vornehmen zu können. Aber ein Kunde ist nicht gleich ein Kunde. Daher ist es erforderlich, die Konsumenten regelmäßig zu segmentieren, um den Markt hinsichtlich der Marktreaktion in intern homogene und extern heterogene Kundengruppen aufzuteilen und individuelle Strategien zu deren Bearbeitung abzuleiten. Die Segmentierung folgt dem Prinzip „So viel Differenzierung wie nötig, so viel Standardisierung wie möglich“. Es werden möglichst kleine Segmente geschaffen, um die Bedürfnisse möglichst exakt befriedigen zu können, die jedoch gleichzeitig so groß sind, dass sie wirtschaftlich tragfähig und sinnvoll bearbeitbar sind. Eine solchermaßen bedürfnisorientierte Segmentierung erfolgt in drei Schritten: Identifikation der verschiedenen Segmente im Markt Bewertung der identifizierten Segmente Entwickeln von Marktstrategien zu Bearbeitung der Segmente. In Anlehnung an Homburg/Krohmer (2003) erfolgt eine Marktsegmentierung anhand der folgenden Kriterien: soziodemografische Kriterien: Alter, Geschlecht, Familienstand, Einkommen, Ausbildungsstand, sozialer Status geografische Kriterien: makro- oder mikrogeografisch verhaltensorientierte Kriterien: Informations- und Kommunikationsverhalten, Produkt- und Markenwahl, Nutzungsintensität, Kauffrequenz, Markentreue oder Preisverhalten psychografische Kriterien: Einstellungen, Persönlichkeitsmerkmale, Verhaltensmerkmale (spontan, konservativ, progressiv, introvertiert, extrovertiert, etc.).
106
Welche Segmentierungskriterien nun tatsächlich relevante Segmente identifizieren, ist nicht allgemeingültig zu beantworten. Eine nützliche Hilfestellung bietet in diesem Zusammenhang ein Blick auf das Produktinvolvement der jeweiligen Zielgruppe. Grundsätzlich kann das Produktinvolvement hoch oder niedrig sein kognitiv und/oder emotional ausgeprägt sein. Erlebnisbezogene Eigenschaften, wie Lebensstile, Persönlichkeitsinventare und emotionale Haltungen zu Marken, sind richtungsweisende Segmentierungskriterien im Falle eines hohen emotionalen Involvements bzw. eines niedrigen kognitiven Involvements. Ist die Zielgruppe dagegen durch ein hohes kognitives Involvement geprägt, ist eher eine Nutzensegmentierung hilfreich: eine Segmentierung ist vorwiegend auf die rationalen Bedürfnisse der Zielgruppe ausgerichtet (vgl. Koers 2001, S. 211). Die identifizierten Segmente werden nun in einem zweiten Schritt bewertet, um diejenigen Segmente auszuwählen, für die ein spezifisches markenstrategisches Vorgehen zu entwickeln ist. Die Bewertung erfolgt anhand der Kriterien Einzigartigkeit, Verhaltensrelevanz der Kriterien, Erreichbarkeit und Bearbeitbarkeit der Segmente, Profitabilität, Stabilität, Passung zum Unternehmen sowie Zahl und Stärke der vorhandenen Konkurrenten im Segment. Basierend auf den formulierten Zielen und den im Rahmen der internen und externen Unternehmensanalyse gewonnenen Erkenntnissen stehen nun die Gestaltung des Markenportfolios sowie die Festlegung der strategischen Stoßrichtung im Fokus der strategischen Rahmenplanung von Mehrmarkenstrategien. Ziel ist es, ein Markenportfolio aufzubauen, mit dem eine zieladäquate und möglichst breite Abdeckung des Gesamtmarktes erreicht wird. Sind die Bedürfnisse der Nachfrager mit den vorhandenen Marken nicht zu befriedigen, ist zu analysieren, inwieweit eine Ausweitung des Portfolios den Zielerreichungsgrad zu erhöhen vermag. Durch den eigenständigen Aufbau neuer Marken, der Akquisition fremder Marken sowie durch das Eingehen von strategischen Kooperationen lässt sich das Markenportfolio bedürfnisorientiert erweitern. Der eigenständige Aufbau neuer Marken ist in der Regel sehr langwierig und kostenintensiv. In der Praxis versucht man daher entweder durch ein kooperatives Verhalten oder durch Aufkauf fremder Marken das Portfolio abzurunden und gleichzeitig neue Käufersegmente zu erschließen (vgl. Meffert, S. 828). Auf Basis des festgelegten Portfolios werden Ziele und Aufgaben der einzelnen Marken im Wettbewerbsumfeld und innerhalb des Portfolios abgeleitet. Über strategische Rollen der Marken erfolgt eine Operationalisierung der formulierten Ziele, um markenspezifische Maßnahmen abzuleiten.
107
Allgemeine Markenstrategien
4.1.
Die strategische Rolle einer Marke im Markenportfolio umfasst:
Entwickeln von Markenstrategien als strategische Basis der Markenführung
4.
Mission Das entspricht dem Markenauftrag im Portfolio und beinhaltet Angaben über die Art und Intensität der markenspezifischen Vision im Markenverbund. Inhalt Der Markeninhalt legt die Markenphilosophie und die technologische Rolle der Marke im Portfolio fest. Die technologische Rolle konkretisiert den Grad und den Inhalt der Innovationsorientierung im Vergleich zum Wettbewerb sowie im unternehmenseigenen Markenportfolio. Sie drückt das Technologietransfer-Potenzial einer Marke aus und liefert Hinweise auf das effiziente Ausschöpfen vorhandener Synergien. Ausrichtung der Marke Sie bestimmt die Zielsegmente, den Grad der angestrebten Marktabdeckung, die Auswahl der relevanten Wettbewerber sowie eine Priorisierung der zu bearbeitenden Marktsegmente/-areale. Basierend auf den strategischen Rollen der Marken erfolgt eine spezifische marktstrategische Positionierung, die so formuliert ist, dass für jede Marke eine positive Alleinstellung im Verhältnis zum Wettbewerb und den übrigen Marken im Portfolio geschaffen wird. Sie ist die Basis für eine Unique Selling Proposition (USP). Dennoch kann es im Einzelfall notwendig sein, Umpositionierungen oder eine Neupositionierung vorzunehmen (vgl. Haedrich/Tomczak 1994, S. 934 f.). Wie eine flexible Kontinuität aussehen kann, veranschaulicht die Kinderschokolade-Verpackung im Laufe der Zeit (siehe Abbildung 21). In der ersten Generation: ein dunkelhaariger Junge mit Schleifenbinder und braunem Farbschema. In der zweiten Generation: Wechsel auf ein orangenes Farbschema und der Junge nun mit blond-braunem Haar und gestreiftes Siebzigerjahre-Hemd, bedeckte Ohren, Victory-Attitüde. In der dritten Generation: Polohemd, exakter Haarschnitt mit freien Ohren, übertrieben weiße Zähne. Heute die Future-Generation: natürliche Hautfarbe, glaubhaftes Zahnweiß, zeitgemäße Gelfrisur.
Abbildung 21: Entwicklung der Kinderschokolade-Verpackung
108
Eine konsequente Umsetzung der Markenpositionierung erfordert eine gegenständliche Darstellung der Markenphilosophie: das Markenleitbild. Das Markenleitbild ist ein strategisches „Dokument“, das das Selbstverständnis der Marke hinsichtlich der strategischen Ausrichtung, Positionierung und Marketingaktivitäten eindeutig formuliert. Es dient als Steuerungsinstrument aller Markenverantwortlichen innerhalb und außerhalb des Unternehmens. Das Markenleitbild muss: nutzenstiftend wettbewerbsdifferenzierend zukunftsweisend (innovativ-visionär) konsistent und prägnant glaubwürdig und nachvollziehbar umsetzbar und messbar sein.
Die wesentliche Rolle des Mehrmarkenmanagement besteht nun darin, analog zu der Formulierung der strategischen Rollen, die markenspezifischen Leitbilder im Portfolio festzulegen. Mit einer zunehmenden Heterogenität der Leitbilder im Markenverbund steigt auch die Differenzierung der Marken im Markenauftritt. Eine präzise und klare Abgrenzung zwischen den einzelnen Marken sowie der Markenleitbilder untereinander ist die Voraussetzung zum Aufbau differenzierter Markenidentitäten. Die marktstrategische Instrumentenausgestaltung setzt die markenstrategischen Überlegungen um. Ihr Ziel ist es, alle absatzpolitischen Instrumente im Hinblick auf die übergeordneten Gesamtzielsetzungen aufeinander abzustimmen. Eine konsistente Umsetzung der Positionierung und des Leitbildes steigert die Glaubwürdigkeit und Unverwechselbarkeit der Marken in der Wahrnehmung der Konsumenten (vgl. Koers 2001, S. 69 ff.). Die herausfordernde Aufgabe besteht nun in der markenübergreifenden Integration der Marketinginstrumente. Sie beinhaltet das Entwickeln übergeordneter Marketingprogramme zur Ausnutzung von Synergiepotenzialen sowie spezifische Maßnahmen zur differenzierenden Positionierung der einzelnen Marken. Das Mehrmarkencontrolling nimmt eine Schlüsselstellung zur Erreichung der übergeordneten Ziele und damit zur Sicherstellung der Effektivität und Effizienz des Gesamtsystems ein. Im Mittelpunkt des Controllings einer Mehrmarkenstrategie steht die Wanderungsanalyse. Sie stellt wertmäßig die Wanderungsbewegungen innerhalb des Markenportfolios (Substitutionseffekte) mit den Wanderungen zwischen den eigenen Marken und denen der Wettbewerber (Partizipationseffekte) gegenüber. Von einer Kannibalisierung kann man nur bei solchen Wanderbewegungen sprechen, bei denen die Nachfrager von einer Marke des Portfolios zur anderen wechseln, dabei jedoch als Alternative die vorher besessene Marke (aus dem Portfolio) und nicht eine Wettbewerbsmarke in Betracht gezogen haben.
109
Allgemeine Markenstrategien
4.1.
Eine synergetische Mehrmarkenstrategie.
Das klare Leitbild der Corporate Brand EnBW nachhaltig profilieren Ausschöpfen aller Synergiepotenziale Optimierung der Markenprozesse Entwickeln und Umsetzen einer stringenten Markenarchitektur Klarer Auftritt jeder Marke.
en
Dachmarke
B2B
B2C
Ton a
nb ild
nz ete
t litä
Kom p
tz Nu
Entwickeln von Markenstrategien als strategische Basis der Markenführung
4.
Der EnBW-Konzern verfügt nicht nur über die Marke EnBW, sondern hat noch weitere Marken integriert. Die bekannteste ist sicherlich Yello. Im Zuge der Neuausrichtung der Markenführung standen die Verantwortlichen nun vor der Aufgabe, eine klare Markenarchitektur zu schaffen, die eine synergetische Mehrmarkenstrategie gewährleistet – mit einer starken Marke EnBW. Aus diesen Vorgaben lassen sich die Anforderungen an die Markenführung unmittelbar ableiten:
ke Mar
Stadtwerke
Kommunen
Gas
Segmentspezifische Markenelemente
Produktmarken
Unternehmensmarken/ Beteiligungen
Die Markenstrategie der EnBW Innerhalb der Mehrmarkenstrategie übernehmen die einzelnen Marken spezifische Rollen.
110
Die Konzernmarke EnBW tritt deutschlandweit in attraktiven Kundensegmenten auf, in denen die Marke profitabel weiter organisch wachsen kann. Sie zeichnet sich durch eine exzellente Kundenbetreuung und Beratung im B2B-Segment aus. In Baden-Württemberg nutzt die Marke ihre Beratungs- und Betreuungskompetenz, um Marktanteile abzusichern. Im Heimatgebiet steht EnBW im B2C-Segment für die Premium-Energiemarke in Baden-Württemberg. Kundenzufriedenheit und Kundenbindung sind die wichtigsten Ziele in diesem Marktsegment. WATT ist die Marke für den Mittelstand in Deutschland, die sich gerade in diesem Kundensegment wie auch bei Kettenkunden über Beratungs- und Abwicklungs-Know-how differenziert. Gerade der Mittelstand in Deutschland ist ein wichtiges strategisches Wachstumssegment für den Konzern. Yello ist in Deutschland die einzige nationale Strommarke im B2C-Bereich für die EnBW und steht für clever und nachhaltig preiswert. Das Ziel von Yello ist ein organisches und profitables Wachstum in Deutschland. Natur-Energie ist die Marke für Umweltbewusste. Sie schärft das Profil der Marke EnBW im Hinblick auf eine ökologische Verantwortung für die Gesellschaft. Sie steht für einen CO2-armen Energie-Mix, in dem erneuerbare Energien eine im Wettbewerbsvergleich große Rolle spielen. Jede der Marken besitzt eine eigene Markenidentität auf der Basis eines individuellen Markensteuerrades, die in den gesamten Markenführungsprozess integriert werden.
111
4.1. Allgemeine Markenstrategien
Die Zielsetzung für die Markenführung lautet also: Die Marken müssen sich von der Konkurrenz differenzieren, Wettbewerbsvorteile generieren und einen nachhaltigen Ertrag erwirtschaften. Wenn EnBW als Unternehmensmarke weiter an Profil gewinnen möchte, müssen sich alle anderen Marken im Konzern an ihr ausrichten. Hierzu müssen die unterschiedlichen Marken im Konzern zu einem einheitlichen „Gebäude“ umgebaut werden, in dem alle Marken auf die Marke EnBW einzahlen, dadurch dass eine integrierte Vertriebs- und Marketingplanung umgesetzt wird. Alle unternehmensinternen Bereiche von den Stadtwerken über Gas bis zur Unternehmenspolitik werden auf der Markenebene vernetzt und die Maßnahmen aufeinander abgestimmt. Der Konzern EnBW wird daher als ein Branded House wahrgenommen.
4.2 Spezifische Markenstrategien Während die allgemeinen Markenstrategien die grundlegende Struktur des Markenportfolios festlegen, fokussieren die spezifischen Markenstrategien auf einzelne Marken innerhalb des Markenportfolios und wie diese ihr Potenzial weiter ausbauen können. Neben der Markendehnung bieten die Markenlizensierung und das Co-Branding Ansatzpunkte, um alleine oder mit einem Partner den Markt für eine Marke zu erweitern. Allerdings haben Markendehnungen enge Grenzen.
Entwickeln von Markenstrategien als strategische Basis der Markenführung
4.
4.2.1 Markendehnung Als zentralen Wertschöpfern und -treibern kommt Marken in Unternehmen eine grundlegende Bedeutung zu. Dies kann aber nicht darüber hinweg täuschen, dass viele Markenneuheiten scheitern oder nicht die erhofften Erfolge bringen. Markendehnungen werden daher immer häufiger zu einer Wachstumsoption. Durch den Transfer aufgebauter Assoziationen und damit verbundene Präferenzen in neue Produkte versucht die Markendehnung Investitionen in die Marke zu kapitalisieren. Zur Ausschöpfung des Marktpotenzials lassen sich alternative Produkt-Marken-Optionen ableiten. Wachstum ist möglich mit vorhandenen oder mit neuen Marken in bisherigen oder neuen Produktkategorien. Bei der Nutzung vorhandener Marken erfolgt die Markendehnung durch eine Produktlinienerweiterung (Dehnung der Marke in der bisherigen Produktkategorie) einer Markenerweiterung (Dehnung der Marke in eine neue Produktkategorie). Bisheriger Markenname
Neuer Markenname
Bisherige Produktkategorie
Produktlinienerweiterung
Flankierende Marke
Neue Produktkategorie
Markenerweiterung
Neue Marke
Markendehnung Abbildung 22: Markendehnung (vgl. Tauber 1988, S. 37)
Je weiter man sich jedoch im Rahmen der Wachstumsstrategie von den klassischen Stammbereichen und dem dort aufgebauten Wissen entfernt, desto höher das Risiko für das Unternehmen. Das größte Wagnis sind laterale Diversifikationen (mit einer neuen Marke in einen neuen Markt eintreten), die sich am weitesten von den Kernkompetenzen des bisherigen Geschäftsmodells ent-
112
fernen. Kernkompetenzen umfassen nicht nur technologisches Know-how, fertigungstechnische Kenntnisse und Marktkenntnisse, sondern auch Markenkompetenzen. Insbesondere Markenerweiterungen nutzen diese Markenkompetenzen zum Eintritt und Wachstum in neuen Märkten und reduzieren damit das Markteintrittsrisiko. Vor dem Hintergrund, dass nur eines von zehn neuen Produkten sich erfolgreich im Markt etablieren kann, haben neue Produkte, die aus einer starken Marke hervorgehen, die besten Chancen. Wo liegen die Ursachen dafür? Neue Produkte auf der Basis einer Markendehnung ... (vgl. Keller 2003, S. 582 ff.)
reduzieren das wahrgenommene Risiko beim Konsumenten Die Glaubwürdigkeit des Unternehmens durch die Erfahrung, die Zuverlässigkeit und das Vertrauen, erleichtern dem Kunden das Zutrauen in ein neues Produkt und damit dessen Akzeptanz im Markt. senken die Markteintrittsbarrieren im Handel Neue Produkte, die auf einer im Markt etablierten Marke basieren, stoßen auf eine erhöhte Nachfrage im Markt und überwinden damit leichter die Listungshemmnisse im Handel. steigern die Effizienz von Promotionsmaßnahmen zur Markteinführung Das neue Produkt kann auf einen existenten Bekanntheitsgrad der Marke zurückgreifen. Es ist also nicht mehr notwendig, die Marke zu etablieren und bekannt zu machen, sondern es ist allein das neue Produkt, auf das die Kampagnen fokussieren. senken die notwendigen Marketingkosten Die pull- und push-Effekte aus dem Handel und die fokussierten Promotionsmaßnahmen sparen dem Unternehmen 40 bis 60 Prozent der Marketingkosten gegenüber der Einführung einer neuen Marke ein (vgl. Keller 2003, S. 584). Auch nach der Produkteinführung wirken die Effekte weiter: Eine Marke, die mit mehreren Produkten assoziiert ist, erhöht die Effizienz jeder einzelnen Marketingmaßnahme. vermeiden Kosten zur Entwicklung einer neuen Marke Das Entwerfen einer neuen Marke ist zeit- und kostenaufwendig. Eine fundierte Marktforschung zur Markt-, Kunden- und Wettbewerbsanalyse ist notwendig, Markenname, -logo, -zeichen, Verpackungen, Labels und Slogans müssen entworfen werden und der Erfolg ist fragwürdig. nutzen Verpackungs- und Labeleffizienzen Der Erfolg neuer Produkte basiert auf der wahrgenommenen Nähe zur Marke und den dadurch hervorgerufenen Assoziationen beim Konsumenten. Eine ähnliche, optisch vergleichbare Verpackung der Produkte verstärkt diesen Effekt. Man denke in diesem Zusammenhang an die Produkte der Marke Weihenstephan, die durch ihre einheitliche blau-weiße Verpackung unmittelbar auffallen und deren neue Produkte direkt auf ihre „Herkunft“ hinweisen.
113
Spezifische Markenstrategien
4.2 greifen auf ein bestehendes Markenimage zurück Konsumenten bilden ihre Erwartungen an das neue Produkt auf der Grundlage der Assoziationen und Informationen über die Marke, die sie bereits kennen.
Entwickeln von Markenstrategien als strategische Basis der Markenführung
4.
vermindern das Risiko, Kunden durch Variety Seeking (Wunsch nach Abwechslung) zu verlieren Konsumenten streben nach Abwechslung und wollen etwas „Neues“ ausprobieren. Der Kunde wechselt die Marke aber nicht aufgrund von Unzufriedenheit oder einer Veränderung seiner Präferenzen, sondern vielmehr, weil der Wechsel als solcher, unabhängig von der gewählten Marke oder dem neuen Anbieter, für ihn einen Nutzen darstellt (vgl. Peter 2001, S. 100). Ein erweitertes Produktangebot vermeidet, dass die eigenen Kunden den fremden Reizen der Wettbewerber erliegen. Der Kunde erhält die Möglichkeit, etwas Neues zu kaufen, ohne abzuwandern. So hat Coca-Cola eine Vielzahl an Soft Drink-Varianten auf den Markt gebracht. Nicht nur neue Produkte profitieren durch die Markendehnung, sondern gleichfalls die Marke selbst und auch das Unternehmen (vgl. Keller 2003, S. 586 ff.). Verdeutlichen der Markenbedeutung Die Markendehnung unterstützt die Verankerung der Assoziationen einer Marke beim Konsumenten. Insbesondere Marken, die mit einem Markenportfolio an „verwandten“ Produkten die Kundenbedürfnisse in einem Bereich umfassend erfüllen, können diesen Vorteil für sich nutzen. Im Ergebnis steht der Markenname für eine festgelegte Produktkategorie. So stehen beispielsweise die Marke Tempo für Papiertaschentücher und Colgate für Mund- und Zahnhygiene. Aufwerten des Markenimage Eine erfolgreiche Markendehnung intensiviert die Markenassoziationen und Markenwerte in der Wahrnehmung der Konsumenten. Alle Produkte innerhalb einer Produkt-/Markenlinie sind durchgängig durch die Markenwerte charakterisiert. Es sind diejenigen Merkmale und Nutzen, die bei den Konsumenten die stärksten Assoziationen hervorrufen. Die Marke Nike beispielsweise hat sich ausgehend von Laufschuhen erweitert hin zu Sportschuhen, Sportbekleidung und Sportsausrüstung. Mit dieser Ausdehnung des Produktangebots haben sich die Assoziationen zu „Spitzenleistung“ und „Sport“ noch weiter in den Köpfen der Kunden verfestigt. Ausschöpfen des Marktpotenzials und die Gewinnung neuer Zielgruppen Neue Produkte sprechen nicht nur bestehende Kunden an, sondern auch neue Kunden, deren Bedürfnisse bisher noch nicht durch die Marke abgedeckt wurden. Eine Markendehnung bietet Unternehmen damit eine Vielzahl von Möglichkeiten, die Stellung im Markt zu festigen und auszubauen. Für eine erfolgreiche Umsetzung müssen aber auch die mit einer Markendehnung verbundenen Risiken beachtet werden. Neue Produkte, die eine Marke erweitern, können... Kunden verwirren und frustrieren Die Vielzahl an neuen Produkten überfordert den Konsumenten und führt zu Unsicherheiten, welches Produkt denn nun „das richtige“ ist. In der Folge greifen sie dann eher zu dem bereits bekannten Produkt anstatt das neue Produkt auszuprobieren.
114
das Image der Marke verwässern Die mangelnde Übereinstimmung oder Relevanz des Markenimages mit den neuen Produkten wirkt einer klaren Positionierung entgegen. Kannibalisierungseffekte hervorrufen Kannibalisierungseffekte treten auf, wenn durch das neue Produkt gleiche oder ähnliche Bedürfnisse angesprochen werden wie durch bereits vorhandene Produkte der Marke. Dennoch nehmen Unternehmen auch bewusst Substitutionseffekte zwischen den Marken in Kauf. Diese proaktive Kannibalisierung kann langfristig zu einer besseren Marktausschöpfung führen, wenn die Veränderung der Kundenbedürfnisse und die Marktentwicklung kontinuierlich überwacht werden. Der interne Wettbewerb zwischen den Produkten muss dabei aber als eine Managementaufgabe wahrgenommen werden, die das Verhältnis der einzelnen Marken im Markt übergreifend analysiert, kontrolliert und anpasst. Eine kontinuierliche Analyse der Chancen und Risiken sowie der Kosten und Nutzen einer aktiven Kannibalisierung im Hinblick auf die Marke, die bestehenden Produkte und das neue Produkte gibt einen weiteren Hinweis auf das Verbesserungspotenzial der Marktausschöpfung (vgl. Cravens/Piercy/Prentice 2000, S. 383). Wenn die Nachteile einer Markendehnung überwiegen, ist es sinnvoll anstatt einer Markendehnung eine neue Marke zu entwickeln. Neumarkenstrategien sind dann vorteilhaft, wenn der Innovationsgrad des neuen Produkts aus der Sicht des Kunden so groß ist, dass es eigenständig im Markt positioniert werden kann. Allerdings sind die Einführungskosten neuer Marken sehr hoch. Neben den Listungskosten neuer Marken im Handel sind sehr hohe Marketingaufwendungen notwendig, um von den Konsumenten wahrgenommen zu werden, Bekanntheit zu erlangen und die Marke in den Köpfen der Konsumenten zu verankern. Die Risiken der Neumarkenstrategie lassen sich durch eine Markendehnung vermeiden. Dennoch ist die Markendehnung bei Wissenschaftlern und Praktikern umstritten. Die einen sehen in der Markendehnung eine zukunftsträchtige strategische Option, andere stehen ihr skeptisch gegenüber, weil nach deren Ansicht eine Marke nur dann glaubwürdig sein kann, wenn sie klar und eindeutig positioniert ist. Damit eine Markendehnung erfolgreich ist und langfristig zur Stärkung der Stammmarke beiträgt, erfolgt die Konzeption und Umsetzung der Strategie durch eine Produktlinienerweiterung bzw. Markenerweiterung systematisch.
115
4.2 Spezifische Markenstrategien
im Handel auf Widerstand treffen Der Handel hat eine limitierte Regalfläche zum Angebot des Sortiments zur Verfügung. Um diesen knappen Regalplatz konkurrieren die bestehenden Produkte mit den neuen Produkten. Der Handel versucht daher im Zuge der Umsatzoptimierung Produkte, die reine Me too-Produkte sind und solche, die nur einen geringen Warenumschlag haben, aus dem Sortiment zu nehmen. Als Folge kann es nun passieren, dass ein Unternehmen, ein neues Produkt angekündigt hat, der Kunde es im Handel nachfragt, es aber dort, aufgrund der Sortimentspolitik des Handels, nicht erhältlich ist. Der Kunde ist verärgert und wird zu einem alternativen, im Handel vorhandenen Produkt greifen.
Markendehnung mit Premiumanspruch.
Produktlinienerweiterung Expansion einer markengleichen oder verwandten Produktkategorie
Markendehnung
Entwickeln von Markenstrategien als strategische Basis der Markenführung
4.
Zum Beispiel: Audi R8
Markenerweiterung Expansion einer Marke in eine neue, nicht verwandte Produktkategorie
Zum Beispiel: Audi Accessoires
Auch Audi dehnt die Marke, um zum einen das Marktpotenzial weiter auszunutzen und auszubauen, zum anderen, um den Audi-Kunden eine Erlebniswelt rund um die Marke Audi anzubieten. Bei allen Maßnahmen zur Markendehnung achtet die AUDI AG genau darauf, dass der Premiumanspruch aufrechterhalten und ausgebaut wird.
Produktlinienerweiterung Expandiert eine Marke in die gleiche Produktkategorie, so handelt es sich um eine Produktlinienerweiterung. Circa 80 bis 90 Prozent der Produktneueinführungen fallen in diese Kategorie der Markendehnung (vgl. Keller 2003, S. 581). So handelt es sich bei der Erweiterung von Audi in das Sportwagen-Segment um eine Produktlinienerweiterung. Der wesentliche Vorteil der Produktlinienerweiterung liegt in der Möglichkeit, schnell und kostengünstig das Image eines Neuproduktes aufzubauen. Eine Realisierung der Erweiterung ist auf drei Arten möglich: Erstens kann die Marke durch das zusätzliche Angebot von technisch-funktional ähnlichen Leistungen innerhalb der Produktkategorie und in Marktsegmenten, die an den bislang bearbeiteten Ursprungsmarkt angrenzen, ausgedehnt werden. Exemplarisch für dieses Vorgehen ist die Erweiterung von Nivea Creme auf Nivea Milk.
116
Grundlegende Voraussetzungen für eine Erweiterung der Produktlinie sind:
Es gibt das Potenzial für Mehrverkäufe Bisher sind noch nicht alle Kundenbedürfnisse hinreichend befriedigt Die Marke ist zur Befriedigung der Bedürfnisse relevant Die Marke weist einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den konkurrierenden Marken auf Das neue Produkt steht nicht im Widerspruch zu dem bei den Kunden aufgebauten Image der Marke.
Wenn es nun darum geht, eine Produktlinienerweiterung umzusetzen, liegt die größte Herausforderung darin, die Integration der wesentlichen Markenassets in allen Angeboten der Produktlinie zu gewährleisten und gleichzeitig die notwendige Differenzierung zwischen den Angeboten einer Marke sicherzustellen. Die Wahrung der Selbstähnlichkeit der Angebote durch eine Nutzung der Markenassets bei der Linienerweiterung ist notwendig, damit das Markenimage nicht verwässert wird. Der Kunde soll die einzelnen Produkte mit abgedecktem Namen (Blindtest) als einander zugehörig erkennen. Die Forderung nach der sichtbaren Differenzierung der Angebote einer Marke voneinander erscheint nun zunächst als Widerspruch. Jedes Produkt einer Marke muss sich klar von den anderen Produkten differenzieren, aber unter der Wahrung der Markenidentität. Eine Unterscheidbarkeit zwischen den Produkten ist notwendig, um Verwechselungen zwischen den verschiedenen Marken aus Kundensicht vorzubeugen. Kunden, die nur ein geringes Involvement aufweisen, setzen sich nicht nachhaltig mit der Marke auseinander. Es muss daher intuitiv erkennbar und verständlich sein (Mental Convenience), worin sich die verschiedenen Angebote der Produktlinie unterscheiden und welchen Nutzen sie dem Kunden bieten. Das Erfassen der Unterschiede kann durch entsprechende Sub-Brands unterstützt werden. Die Sub-Brands müssen so formuliert sein, dass der Kunde unmittelbar die differenzierende Eigenschaft und den daraus resultierenden Nutzen erkennt, zum Beispiel Aspirin Plus C. Unter dem Aspekt von Mental Convenience sollten die Produktlinien regelmäßig analysiert und gegebenenfalls bereinigt werden. Auch eine Reduktion des Produktlinienumfangs kann einen positiven Effekt auf den Umsatz der verbleibenden Produkte haben. Zu viele Varianten in einer Produktlinie erschweren die Orientierung des Kunden im Dschungel der Angebote. Er ist häufig kognitiv überfordert, die unterschiedlichen Angebote zu bewerten und reagiert mit einem Ausweichverhalten. Dies kann unter anderem ein Grund dafür sein, dass eine Vielzahl neuer Produkte
117
4.2 Spezifische Markenstrategien
Zweitens kann die Marke in preislich und qualitativ höher (Trading-up) bzw. niedriger positionierte Marktsegmente (Trading-down) erfolgen. Ein Beispiel für Trading-up ist die Marke Ralph Lauren mit der Einführung der Marke „Black Label“ sowie als Trading-down die Einführung der jüngeren und preisaggressiveren Marke „Blue Label“. Die Ausweitung des Leistungsangebots einer Marke kann, als dritte Möglichkeit, auch in voroder nachgelagerte Wertschöpfungsstufen erfolgen. Als Beispiel für eine Vorwärtsintegration in Richtung auf den Endkunden der Marke kann die Hi-Fi-Marke Bang & Olufsen herangezogen werden. Bang & Olufsen hat seine Geschäftstätigkeit durch den Aufbau markenexklusiver Einzelhandelsgeschäfte, die sich im Besitz von Bang & Olufsen befinden, auf die nachgelagerte Stufe im Wertschöpfungsprozess ausgedehnt.
nur eine kurze Zeit im Markt sind. Die Angaben zu den Flopraten von neuen Produkten schwanken zwischen 85 und 95 Prozent (vgl. Esch 2002, S. 291). Eine weitere Möglichkeit eine vorhandene Marke zu dehnen, ist die Markenerweiterung. Sie ist die zurzeit am häufigsten genutzte Strategie zur Einführung eines neuen Produktes in einen für das Unternehmen neuen Markt. Markenerweiterung
Entwickeln von Markenstrategien als strategische Basis der Markenführung
4. Die Markenerweiterung umfasst die Nutzung eines etablierten Markennamens für den Eintritt der Marke in eine neue Produktkategorie. Als Beispiel sei an dieser Stelle erneut auf Audi verwiesen: Audi hat die Stammmarke in den Bereich der Accessoires, und damit in eine vollkommen neue Produktkategorie, erfolgreich erweitert. Während bei der Hauptalternative zu einer Markenerweiterungsstrategie, der Verwendung eines neuen Markennamens (Neumarkenstrategie), ein Markenimage sich erst nach Jahren unter Einsatz erheblicher finanzieller Mittel aufbauen lässt, besteht bei der Markenerweiterungsstrategie schon kurz nach der Einführung ein etabliertes Markenimage für das Neuprodukt. Verglichen mit einer Neumarkenstrategie zeigt sich bei einer Markenerweiterung eine größere Effizienz, die wesentlich beeinflusst wird von folgenden Faktoren: Produktkenntnisse Je weniger Produktkenntnisse der Kunde über ein neues Produkt hat, desto vorteilhafter ist die Markenerweiterungsstrategie. Hier kommt der Vertrauensvorsprung durch die existente Marke zum Tragen. Art des Produktes Handelt es sich um ein Erfahrungsgut, bei dem das Markenvertrauen grundsätzlich wesentlich auf die Kaufentscheidung einwirkt, ist eine Markenerweiterung zu empfehlen. Neuartigkeit der Produktkategorie Zwar bieten neue Produktkategorien für neue Marken ein großes Potenzial, aber hier dienen die vorhandenen Marken als Vertrauensanker und senken das vom Kunden wahrgenommene Produktrisiko. Ziel der Markenerweiterung ist die Übertragung von positiven Imagekomponenten einer etablierten Marke auf ein Erweiterungsprodukt in einer neuen Produktkategorie. Im Gegenzug soll das Image des Erweiterungsproduktes wiederum das Image der Stammmarke stärken.
Goodwill-Transfer Erweiterungsprodukt
Stammmarke Stärkung der Stammmarke
Abbildung 23: Goodwill-Transfer zwischen Stammmarke und Erweiterungsmarke (in Anlehnung an Meffert 1994, S. 189)
118
Eine idealtypische Wechselbeziehung zwischen der Stammmarke und dem Erweiterungsprodukt ergibt sich nicht zwangsläufig, sondern ist an zentrale Erfolgsfaktoren gebunden.
Konkrete Assoziationen mit der Stammmarke schränken ebenfalls das Transferpotenzial ein, da diese Assoziationen unmittelbar auf das Erweiterungsprodukt übertragen werden. Hingegen können abstrakte Assoziationen wie Luxus, Spaß und Familie auf ein breites Produktspektrum übertragen werden, ohne dass es zu Widersprüchen kommen muss (vgl. Baumgarth 2004, S. 146). Ob ein Fit wahrgenommen wird oder nicht, wird wesentlich durch Kommunikationsmaßnahmen beeinflusst. Die verbale und/oder visuelle Betonung von gemeinsamen und verbindenden Eigenschaften steigern die Erfolgsaussichten von Markenerweiterungen. Die Chancen und Risiken einer Markenerweiterung lassen sich nach Konsumenten, Handel und Unternehmen unterteilen. Beim Konsumenten bewirkt die Nutzung eines etablierten Markennamens eine bessere gedankliche Verarbeitung und Speicherung des Erweiterungsproduktes (vgl. Keller 1993, S. 15). Ein einfaches Wiedererkennen ist oft für einen Versuchskauf ausreichend, da der Markennamen beim Konsumenten eine gewisse Qualitätsvermutung bewirkt. Beim Handel ist mit einem geringeren Akquisitionsaufwand zu rechnen. Gegenüber der Platzierung einer neuen Marke kann eine etablierte Marke mit einem Bekanntheits- und Vertrauensvorsprung und damit mit einer höheren Handelsakzeptanz rechnen. Durch eine konsequente Realisation der Economies of Scale in der Kommunikation lassen sich für das Unternehmen Ertragssteigerungen realisieren. Mit einem Wachstum der Märkte sowie der Ansprache neuer Zielgruppen erweitert sich das Bedeutungsfeld der Marke und erhöht damit die Markenkompetenz. Das Ausweiten des Kompe-
119
4.2 Spezifische Markenstrategien
Besteht ein hoher Fit wird das Erweiterungsprodukt der Stammmarke zugeordnet und damit das (positive) Image der Stammmarke übertragen. Der Umfang des Fits wird beeinflusst durch (1) gemeinsame Produkteigenschaften, (2) gemeinsames Image, (3) gemeinsame Nutzungssituationen und (4) ähnliche Nutzer (vgl. Baumgarth 2004, S. 144). Die individuelle Beurteilung des Fits variiert mit dem Markenwissen der Konsumenten. Während Kunden, die nur wenig oder gar keine Erfahrung mit dem Produkt besitzen, den Fit auf der Grundlage von Äußerlichkeiten wie zum Beispiel Verpackung oder Farbe, beurteilen, basiert die Einschätzung von erfahrenen Kunden und Experten eher auf nicht unmittelbar erfassbaren Produkteigenschaften, beispielsweise der Technologie. Auch die subjektiv wahrgenommene Qualität beeinflusst die Beurteilung des Fits. Stammmarken mit einer hohen subjektiven Qualität haben einen besseren Fit, als jene mit einer wahrgenommenen durchschnittlichen Qualität. Problematisch kann die Übertragung von Imagekomponenten bei prototypischen Marken werden. Bei prototypischen Marken handelt es sich um solche, die besonders häufig in der Produktkategorie auftauchen, viele gemeinsame Eigenschaften mit den anderen Marken der Produktkategorie teilen und häufig als erste Marke die Produktkategorie prägen. Beispiel für prototypische Marken sind Tempo (Papiertaschentücher), Tesa (Klebestreifen) oder Post it (Haftnotizen). Die Schwierigkeit der Übertragbarkeit liegt damit auf der Hand: Prototypische Marken sind ganz eng mit einer Produktkategorie verknüpft. Um dennoch einen Transfer zu realisieren, bieten sich indirekte Transferstrategien an. Ein vertikaler Transfer erfolgt durch Tempo Kids) eine Ausdifferenzierung der prototypischen Marke mittels Sub-Branding (Tempo Tempo Aromathera Duft). Horizontale Strategien verknüpfen oder einer Aufwertung (Tempo die prototypische Marke über ein Co-Branding mit einer anderen Marke.
tenzfeldes eröffnet die Möglichkeit, die etablierte Stammmarke behutsam umzupositionieren und Imagemodifikationen vorzunehmen.
Entwickeln von Markenstrategien als strategische Basis der Markenführung
4.
Trotz der enormen Beliebtheit der Strategie sind deren Erfolgsaussichten unsicher. Die Risiken für das Erweiterungsprodukt haben im Wesentlichen drei Ursachen: Die Stammmarke ist nicht stark genug, um klare Image-Assoziationen auf das Erweiterungsprodukt zu übertragen Mangelnde Relevanz und/oder Passung der übertragenden Markenimages und –assoziationen für das Erweiterungsprodukt Economies of scale können nur unzureichend genutzt werden, so dass die potenziellen Synergieeffekte auf einer Fehleinschätzung beruhen. Durch zu viele oder zu schnell aufeinander folgende Markenerweiterungen kann es zu einem Verlust der Markenidentität der Stammmarke kommen. Deshalb ist bei jedem Markentransfer auf eine marken- und imagekonforme Integration aller Marketingmaßnahmen von Stammmarke und Erweiterungsmarke zu achten. Die genannten Chancen und Risiken verdeutlichen den Gestaltungsrahmen einer Markenerweiterung, der auf dem Markenimage der Stammmarke basiert. Hieran gilt es mit einer Markenerweiterung anzuknüpfen, ohne die Markenwurzeln zu beschädigen. Die Markenerweiterung als strategische Markenoption bedarf einer systematischen Analyse, die im Folgenden kurz dargestellt ist (siehe Abbildung 24).
Konzeption
Wie viel?
Wo?
Festlegen des Dehnungspotenzials der Stammmarke
Analyse potenzieller Erweiterungsprodukte und deren Akzeptanz
Realisation
Mit wem?
Wie?
Markendehnung mit Lizenzvergabe oder ohne Einschaltung von Lizenznehmern
Positionierung der Marke im Markt und deren Umsetzung
Abbildung 24: Prozess der Markenerweiterung (in Anlehnung an Esch 2002, S. 312 f.)
Ausgangspunkt der Analyse ist die grundlegende Frage, ob die Stammmarke generell über ein Dehnungspotenzial verfügt und in welchen neuen Produktbereichen dieses nutzbar sein könnte. Je höher die Bekanntheit und je klarer das Image der Stammmarke, desto besser sind die Chancen des Erweiterungsproduktes, sich erfolgreich im Markt zu etablieren. Ist ein Erfolg versprechendes Dehnungspotenzial vorhanden, wird im zweiten Schritt die Übertragbarkeit der Marke aus Konsumentensicht analysiert. Je deutlicher die von den Konsumenten subjektiv wahrgenommene
120
Übereinstimmung zwischen den Imagekomponenten der Stammmarke und denen des Erweiterungsproduktes sowie der Kundenbedürfnisse, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit zufriedener Kunden und damit die Akzeptanz des neuen Produktes.
Markendehnung – eine Chance zur Differenzierung.
Die Markendehnung hat enge Grenzen, wie das Beispiel Yello zeigt. Über das Kernelement Strom kann sich das Unternehmen nicht von den Wettbewerbern differenzieren. Auch der Service ist nur begrenzt in der Lage sich zu differenzieren. Nahezu alle Stromanbieter bieten ihren Kunden einen identischen Service, der gegebenenfalls in Nuancen variiert und damit nicht kaufentscheidungsrelevant ist. Um sich von den Wettbewerbern zu differenzieren, entwirft Yello für seine Kunden rund um das Kernprodukt Strom und die damit zusammenhängenden Services eine Erlebniswelt – angefangen von der Hotline bis hin zu Eve, die den Kunden durch die Internetseiten führt und Fragen rund um das Thema Energie und Yello interaktiv beantwortet. Der Kunde soll selbst Einfachheit erleben, dass mitgedacht wird und dass Strom und Service fortschrittlich und innovativ sind und dabei Spaß machen. Der Kunde soll spüren, dass man sich um ihn kümmert und dabei Pfiff, Charme und Witz versprüht. Eve begleitet über die Webseite
Ein unternehmerisch wichtiges Element der Differenzierung ist die der Kundeninformationen. Gerade im Zuge der aktuellen Diskussion um Energiepreise, Energieeffizienz möchte der Kunde einfach, umfassend und aktuell über seinen individuellen Stromverbrauch, seine Kosten und seine Alternativen informiert sein. Auch das Angebot des Sparzähler online ist eine Produkterweiterung, die dem Kunden einen umfangreichen Mehrwert stiftet und eine Vielzahl an Informationen über unterschiedliche Kanäle zur Verfügung stellt. Yello versucht mit Produkterweiterungen eine Erlebniswelt rund um die Marke Yello aufzubauen und das Informationsbedürfnis der Kunden zu erfüllen. Yello war hier in einer Experimentierphase und kam dann aber zu der Erkenntnis, dass die Services und Produkte, die nah am Kerngeschäft liegen, erfolgreich sind. Dass man auf diesem Weg auch Fehler machen kann, bleibt nicht aus.
is
bn
Preiss
le Er
on
ati
m or Inf
ce
rvi
Se
Strom keine Differenzierung möglich
Differenzierung möglich
Ansätze zur Differenzierung
121
4.2 Spezifische Markenstrategien
In der Realisation sind zwei wesentliche Aspekte zu berücksichtigen. Ist das Unternehmen in der Lage die Erweiterung allein zu realisieren oder besteht die Notwendigkeit einen externen Partner zu integrieren? Darauf aufbauend gilt es, die Positionierung des Produktes im Markt festzulegen und mit den entsprechenden Marketingmaßnahmen zu untermauern.
Identifiziert das Unternehmen ein Erweiterungspotenzial für seine Marken, gilt es festzustellen, ob es über die erforderlichen Ressourcen und Kompetenzen verfügt, um die Markenerweiterung eigenständig durchzuführen. Sind die notwendigen Ressourcen nicht vorhanden, so kann das Unternehmen dennoch seine Erweiterungspotenziale ausschöpfen, indem es eine Lizenzierungsstrategie verfolgt.
Entwickeln von Markenstrategien als strategische Basis der Markenführung
4.
4.2.2 Markenlizenzierung Als Lizenzierung bezeichnet man das Einräumen eines Rechts zur Nutzung der Marke von dem Markeninhaber an den Lizenznehmer. Der Lizenznehmer erhält damit das Recht, die Marke für seine eigenen Produkte zu nutzen (vgl. Esch 2002, S. 342). Marken zählen mit einem Umsatzvolumen von rund 8,5 Milliarden Euro zu den besonders erfolgreichen Lizenzthemen. Als erfolgreichste Beispiele im deutschsprachigen Raum können die Marken Willy Bogner, Hugo Boss und Milka genannt werden (vgl. Absatzwirtschaft, März 2003, S. 94–97). Die Markenlizenzierung bezieht sich dabei entweder auf neue Produkte, die der Markeninhaber selbst nicht vermarktet (zum Beispiel Brillen und Parfum von Boss) oder auf die Vermarktung bestehender Produkte in neuen Märkten bzw. Regionen (internationale Markenerweiterung, beispielsweise im Fall von Coca-Cola). Häufig ist die Markenlizenzierung der einzige Weg, um in einen ausländischen Markt zu expandieren. So kann beispielsweise der Aufbau von Produktionsanlagen vor Ort zu kostenintensiv oder die Transportkosten zu hoch sein oder aber die Verderblichkeit der Produkte kann einem Export entgegenstehen. Als Gegenleistung für das Recht, die Marke nutzen zu dürfen, verpflichtet sich der Lizenznehmer zur Einhaltung vertraglich geregelter Vorgaben und zur Zahlung einer Lizenzgebühr. Markenlizenzierungen haben in den vergangenen Jahren immer weiter an Bedeutung gewonnen. Ursprünglich wurden Lizenzen zur Vermarktung von TV-Formaten vergeben, heute finden sich Lizenzen in vielen Bereichen und Branchen wieder. Manche Marken wie zum Beispiel Aigner oder Natreen erwirtschaften durch die Markenlizenzierung höhere Umsätze als durch den Verkauf der eigenen Produkte (vgl. Meffert/Burmann/Koers 2005, S. 203 f.). Daneben resultieren für den Lizenzgeber weitere Vorteile aus der Lizenzvergabe: Konzentration auf die Kernkompetenzen Es erfolgt eine Fokussierung auf diejenigen Geschäftsfelder, in denen der Lizenzgeber über nachhaltige Wettbewerbsvorteile verfügt. Anstatt das eigene Kompetenzfeld zu verlassen, kann es über die Lizenzvergabe durch kompetente Partner ergänzt werden. Wachstum in neuen Märkten erzielen Durch das Ausnutzen der Kenntnisse und Kompetenzen der Lizenzpartner lassen sich über den angestammten Markt hinaus weitere Marktpotenziale erschließen. Ressourcenschonendes Wachstum Durch den Rückgriff auf die Kompetenz des Lizenznehmers lassen sich Ressourcen einsparen bzw. an anderer Stelle wirksam einsetzen. Steigerung der Markenbekanntheit Ein stärkerer Markenauftritt auch in andere Verwendungsbereiche und ein höherer Kommunikationsdruck bewirken eine höhere Bekanntheit. So profitiert die Marke Boss durch die Kommunikation im Parfum- und Körperpflegebereich.
122
Die Vorteilhaftigkeit einer Lizenzvergabe gegenüber der eigenen Herstellung und/oder Vermarktung steigt, je ...
intensiver der Wettbewerb im Zielmarkt ist je höher die Markteintrittsbarrieren sind je unterschiedlicher die Vertriebskanäle zum Kundenzugang sind je größer die Unterschiede zum bestehenden Markt sind je größer die notwendigen Investitionen für den Markteintritt sind.
Nicht nur der Lizenzgeber, auch der Lizenznehmer profitiert aus der Lizenz. Das Risiko der Produktneueinführung wird reduziert, da das Produkt unter einem bereits etablierten Markennamen vermarktet werden kann. Das Produkt kann sich auf die Imagewerte der Stammmarke sowie auf die Präferenz und Loyalität der Markenverwender stützen. Trotz ihrer zahlreichen Vorteile beinhaltet die Lizenzierung für den Lizenzgeber auch Risiken, insbesondere im Hinblick auf eine Beeinträchtigung der Konsistenz der Markenidentität. Das Risiko von Inkonsistenzen steigt ... mit der Divergenz in der Unternehmenskultur und Markenführung zwischen Lizenzgeber und Lizenznehmer mit der Unterschiedlichkeit zwischen neuen Lizenzprodukten und der Markenidentität mit der unzureichenden Koordination zwischen den Lizenzpartnern in der Positionierung der Lizenzprodukte und der eigentlichen Markenprodukte je umfassender der Markeninhaber die Kommunikation der Produkte dem Lizenznehmer überlässt. Ein Lizenzprogramm sollte als ein integriertes Instrument des Markenmanagements gesehen werden. Kritische Erfolgsfaktoren in einem Lizenzverhältnis sind insbesondere die sorgfältige Selektion des geeigneten Lizenznehmers sowie die Betreuung und umfassende Koordination der Lizenznehmer im Hinblick auf ein identitätsorientiertes Markenmanagement. Als eine Alternative zur Lizenzierung steht das Co-Branding bzw. die Markenallianz.
123
4.2 Spezifische Markenstrategien
Steigerung der wahrgenommenen Markenkompetenz Über eine Lizenzvergabe können Unternehmen schnell und kostengünstig das Leistungspotenzial der Marke um zusätzliche Problemlösungen für den Kunden erweitern. Durch den Rückgriff auf externe Ressourcen und Kompetenzen lässt sich die vom Nachfrager wahrgenommene Kompetenz verstärken, ohne in einem langfristigen und kostenintensiven Prozess die Kompetenzen intern aufzubauen. Stärkung des Markenimage Über eine gezielte Positionierung und kommunikative Verstärkung kann das Markenimage beeinflusst und gestärkt werden. Steigerung der Markenloyalität Durch die Erweiterung der Produktpalette erhöht sich potenziell die Kontakt- und Verwendungshäufigkeit der Marke. Über eine Steigerung der Bekanntheit und der Markenzufriedenheit wirkt dies langfristig positiv auf die Markenloyalität.
4.2.3 Markenallianzen und Co-Branding
Entwickeln von Markenstrategien als strategische Basis der Markenführung
4.
Im Gegensatz zur Lizenzierung, bei der nur eine Marke in Erscheinung tritt, wird das Leistungsangebot bei einer Co-Branding-Strategie durch zwei oder mehr Marken im Verbund markiert (vgl. Aaker/Joachimsthaler 2000, S. 141 f.). Co-Branding ist demzufolge die Verbindung von mindestens zwei Marken, die für den Nachfrager wahrnehmbar kooperieren, um durch die zeitlich befristete Kooperation der Marken ein gemeinsames Leistungsbündel (neues Produkt) zu schaffen. Die beteiligten Marken sind sowohl vor als auch nach der Co-Branding-Kooperation aus Sicht der Nachfrager selbstständige, isolierte Marken. Bekannte Beispiele für eine Co-Branding-Kooperation sind Smarties und Haribo oder Smart mit Apple ipod. Co-Branding ist keine einheitliche Strategie, vielmehr lassen sich verschiedene Formen unterscheiden. Bei einem horizontalen Co-Branding im Sinne einer Markenallianz befinden sich die beteiligten Marken auf einer Wertschöpfungsstufe, wie smart und ipod. Bei einem vertikalen CoBranding bezieht sich die Zusammenarbeit auf vor- und nachgelagerte Wertschöpfungsstufen. Diese Form des Co-Branding wird häufig auch als Ingredient Branding bezeichnet. Prominente Beispiele für ein vertikales Co-Branding sind die Zusammenarbeit von IBM mit Intel, GoreTex als Markenartikelzulieferer für die Textilbranche oder Shimano für Gangschaltungen und Bremsanlagen von Fahrrädern. Als Sonderform des Co-Branding ist die Schaffung einer neuen Markenidentität für die gekennzeichnete Kooperation unter Einschränkung der individuellen markenbezogenen Handlungsfreiheiten anzusehen. Ein Beispiel für eine sogenannte Mega-Brand ist die Star Alliance als ein Zusammenschluss mehrerer Fluglinien, wobei die beteiligten Marken auch nach der Kooperationsvereinbarung als eigene Marken bestehen bleiben.
124
SüdBest – ein Kooperationsprojekt der EnBW.
Die SüdBest Vorteilskarte, die im Mittelpunkt der Initiative steht, bietet für alle Seiten die gewünschten Vorteile. Die Inhaber der SüdBest Vorteilskarte können Bonuspunkte auf ihre Einkäufe bei den teilnehmenden Partnerunternehmen sammeln oder gegen Vorlage der Karte Sofortrabatte und Exklusivleistungen nutzen. Teilnehmen kann grundsätzlich jeder. Zunächst wurde die SüdBest Vorteilskarte an drei Millionen Haushalte in Baden-Württemberg versandt, die Stromkunden bei EnBW oder anderen teilnehmenden Stromversorgern sind. Interessenten, die keine Vorteilskarte per Post erhielten, können sie beantragen und so an dem Programm teilnehmen.
125
4.2 Spezifische Markenstrategien
Auch EnBW nutzt Kooperationen, um zum einen die Bekanntheit und die Kundenbindung zu erhöhen, und zum anderen, um den Kunden einen Zusatznutzen zu stiften. Das Resultat der Kooperation ist die SüdBest-Karte. SüdBest ist eine landesweite Initiative von EnBW für das Land Baden-Württemberg. So ist sowohl für Kunden als auch Unternehmen ein Programm entstanden, das die Interessen des Landes und seiner Menschen in den Mittelpunkt stellt: Kunden profitieren von der Vielfalt der Vorteilsleistungen, Geschäftstreibende und Unternehmen genießen die Vorteile eines landesweiten Kundenbindungsprogramms. Ziel des Programms ist die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Förderung des Landes. Aufgrund der angespannten konjunkturellen Situation steht das Sparen im Fokus des Verbrauchers. Bundesweit nimmt die Discountorientierung zu und Rabatte werden gezielt nachgefragt. Es steigt der Margendruck für Handel und Hersteller. Die Kundenbindung wird damit zum zentralen Element jeder Unternehmensstrategie. Darüber hinaus gewinnt die Markendifferenzierung durch das Angebot von Zusatznutzen weiter an Bedeutung.
Die gesammelten Punkte werden dann auf dem SüdBest Kartenkonto des Kunden gutgeschrieben. Der Kunde hat nun die Wahl entweder eine Gutschrift auf seine Stromrechnung zu erhalten oder einen Einkaufsgutschein bei einem der Partnerunternehmen.
Entwickeln von Markenstrategien als strategische Basis der Markenführung
4.
Mit bereits über 3.000 SüdBest Partnerunternehmen im ganzen Land bietet das Programm ein attraktives Angebot. Für sie hat das Programm ebenfalls zahlreiche Vorteile. Es erhöht die Kundenbindung und die Kundenfrequenz, da die Kunden für ihren Einkauf belohnt werden. Gleichzeitig wird die Neukundengewinnung gefördert, da im Vergleich zu den Wettbewerbern ein attraktiver Mehrwert geboten wird. Alle Partner sind technisch an das SüdBest Vorteilsprogramm angeschlossen und in die medienübergreifende SüdBest Kommunikation, wie Newsletter, Promotionmailings, Messen, Events und Internet, eingebunden. Um die Aufmerksamkeit der Kunden zu wecken und zu signalisieren, dass man als Partner an dem Programm teilnimmt, beinhaltet zum einen ein „Starter-Paket, umfangreiches Informationsmaterial für die Kunden sowie Dekorationsmaterial für den POS. Zum anderen liefert SüdBest über eine zentrale Datenbank wertvolle Informationen über die Kunden, die sich dann in zielgruppenspezifische Dialogmaßnahmen umsetzen lassen und Streuverluste vermeiden.
Soziodemografische Daten (Alter, Familienstand etc.)
Adressdaten (Straße, Stadt, PLZ)
Daten zu Lebens- und Konsumeinstellung (Status, Aktiv/Passiv, Umsatz usw.)
SüdBest Datenbank Selektion potenzieller Kundengruppen nach Ihren Kriterien (Kundenprofil)
Gezielte Mailingansprache mit Ihren saison-, segment- und produktspezifischen Angeboten
Ausschöpfung Ihres Kundenpotenzials h
Umsatzsteigerung
Die regionale Verankerung garantiert eine hohe Reichweite und durch die Einbindung von Partnern auf allen Ebenen – neben landesweiten Partnern auch regionale und lokale Partner – besitzen die Angebote eine hohe tägliche Relevanz für Kunden und Partner.
Die Bewertung von Co-Brands erfolgt zum einen anhand des wahrgenommenen Fits zwischen den Stammmarken und dem neuen Produkt und zum anderen über eine sinnvolle und stimmige Ergänzung der beteiligten Markenpartner untereinander. Ein erfolgreiches Co-Branding ist daher an folgende Faktoren gekoppelt (vgl. Meffert/ Burmann/Koers 2005, S. 207 f., Baumgarth 2004, S. 180 f.):
126
Komplementarität der Markenidentitäten Die Markenidentitäten der kooperierenden Marken sollten in einem hohen Maße komplementär sein, über eine angemessene Markenbekanntheit verfügen und bei den Konsumenten positive Assoziationen hervorrufen.
Ergänzende Kompetenzen Erfolg versprechend sind dagegen solche Co-Brands, bei denen die Kooperationspartner über sich ergänzende Kompetenzen verfügen und diese in die Co-Brand einbringen und dem Nachfrager einen Nutzenzuwachs bringen. Positive Spill over-Effekte Die geschaffene Co-Brand sollte einen signifikant positiven Einfluss auf die Beurteilung der Individualmarken besitzen und damit den Erfolg einer Co-Branding-Strategie erhöhen.
Die Vorteile einer Co-Branding-Strategie liegen insbesondere in der Möglichkeit eines gegenseitigen Imagetransfers und der Nutzung eines bestehenden Vertrauenskapitals in die Markenpartner. Darüber hinaus lassen sich weitere Umsatzpotenziale generieren, neue Märkte erschließen, ein Preispremium ausschöpfen, und es wird der Eintritt in neue Märkte ermöglicht, die für beide (oder nur eine) der beteiligten Marken aufgrund hoher Eintrittsbarrieren nur schwer zugänglich wären. Kostenoptimierungspotenziale entstehen durch die Reduzierung der notwendigen Investitionskosten für den Markenaufbau bzw. Umpositionierung der Marke.
127
4.2 Spezifische Markenstrategien
Zielgruppenüberschneidung Wenig erfolgreich sind diejenigen Co-Brands, bei denen die Individualmarken spezifische Zielgruppen besitzen, die nicht zu der Zielgruppe der anderen Marke passen. Ohne eine Überlappung der Zielgruppen ist das Markenimage des Kooperationspartners nur bedingt verhaltensrelevant.
Fanstrom von Yello.
Entwickeln von Markenstrategien als strategische Basis der Markenführung
4.
Gemeinsam mit dem deutschen Rekordmeister FC Bayern München brachte Yello als Premiumpartner ein einzigartiges Fanprodukt auf den Markt: den Bayern Fanstrom von Yello. Bayern Fans, die zu dem Stromanbieter Yello wechselten, wurden ein Jahr kostenlos Mitglied beim FC Bayern München. Wer schon bereits Mitglied ist war und zu Yello wechselte, profitierte ebenso – der Gutschein konnte auch für den Mitgliedsbeitrag der Folgesaison genutzt werden. Der Fanstrom ist ein weiteres Beispiel dafür, wie eine effiziente Partnerschaft einen Nutzen und Mehrwert für die Fans und die Kunden bieten kann. Darüber hinaus lassen sich Wertschöpfungspotenziale für beide Marken stiften. Unter dem Motto „aus einer Zweier-Partnerschaft drei Gewinner machen“ zeigen Yello und der FC Bayern München was Sponsoren-Engagements im Sinne der Kunden und Fans alles bewirken können. Das Kooperationsprojekt lief bis zum Ende der Yello-Partnerschaft mit dem FC Bayern in 2008. Das enge Zusammenspiel der beiden Marken spiegelt sich auch im Logo wider, das eigens für den Fanstrom entwickelt wurde und beide Marken prägnant miteinander verbindet.
Der Chance eines positiven Imagetransfers steht in gleicher Weise das Risiko eines negativen Spill over gegenüber. Durch die Kombination von Marken weicht die vormals klare Positionierung auf und kann zu einer Verwirrung bei den Konsumenten führen. Eine Co-Branding-Strategie bedingt einen hohen Koordinationsbedarf zwischen den beteiligten Unternehmen im Hinblick auf die markenbezogenen Aktivitäten und engt gleichzeitig die individuellen Positionierungsspielräume ein. Im Vergleich zu einer Markendehnung ist das Co-Branding dann vorteilhaft, wenn der Imagetransfer auf ein Angebot durch Nutzung mehrerer Marken effektiver und effizienter ist, als bei dem Transfer einer einzigen Marke (vgl. Esch 2002, S. 361). Markenstrategien sind allerdings nicht statisch, sondern passen sich im Zeitablauf den sich verändernden Kundenbedürfnissen und den sich wandelnden Markt- und Wettbewerbsbedingungen an. Dynamische Markenstrategien tragen dieser Tatsache Rechnung.
128
4.3 Dynamische Markenstrategien
4.3.1 Markenkonsolidierungsstrategie Unternehmen sehen sich verstärkt der Problematik stagnierender und schrumpfender Märkte gegenüber. In der Folge stehen Unternehmen immer häufiger vor der Entscheidung, das Markenportfolio zu verkleinern. Markenkonsolidierungsstrategien ziehen Unternehmensressourcen aus einzelnen Marken und verwenden sie in anderen Aktivitäten, die eine höhere Effizienz besitzen und die Wettbewerbsposition des Unternehmens langfristig verbessern. Die Gründe für eine zunehmende Welle an Konsolidierungen sind neben der Marktsättigung und einem steigenden Rentabilitätsdruck der wachsende Handelsmarken- und Globalisierungsdruck. Durch den steigenden Wettbewerbsdruck und einer Verkürzung der Produktlebenszyklen steigt der Rentabilitätsdruck auf das Markenportfolio. Des Weiteren stärkt die zunehmende Konzentration im Einzelhandel die Handelsmarken. Häufig verbleiben nur die starken Markenartikel im Sortiment und werden im mittleren und unteren Preissegment durch Handelsmarken ergänzt. Die zunehmende Globalisierung bietet auf der einen Seite den Unternehmen Chancen und Risiken. Insbesondere global ausgerichtete Marken profitieren hiervon. Auf der anderen Seite erfordert die Umsetzung einer globalen Markenstrategie einen hohen Ressourceneinsatz, der aber alleine noch kein Garant dafür ist, dass die Marke die etablierte Marktposition gegenüber den neuen Wettbewerbern in einem globalen Umfeld behaupten bzw. ausbauen kann. Kommen nun Unternehmen zu dem Entschluss, das bestehende Markenportfolio zu konsolidieren, so stehen hier drei Optionen zur Auswahl: die sofortige Elimination der Marke, ein abgestufter Rückzug oder eine Fokussierungsstrategie. Sofortige Elimination Weist die Marke einen negativen Cashflow auf und wirkt sich dieser darüber hinaus negativ auf das Unternehmensimage aus, sollte die Marke so schnell wie möglich aus dem Markt genommen werden. Im Fall der sofortigen Elimination ist zu berücksichtigen, dass negative Verbundwirkungen in Richtung anderer Produkte und Marken auftreten können und sich nachteilig auf das gesamte Unternehmen auswirken können. Zur Elimination der Marke sind neben sachlichen auch personelle Barrieren im Unternehmen zu überwinden. Zum einen ist eine sofortige Veräußerung der Marke mit finanziellen Risiken verbunden, da sich oftmals nur geringe Erlöse erzielen lassen. Zum anderen ist eine offene Kommunikation gegenüber internen und externen Anspruchsgruppen
129
4.3. Dynamische Markenstrategien
Dynamische Markenstrategien umfassen die Strategien, die zu einer Veränderung des Markenportfolios und einer Veränderung der Zielgruppe im Zeitablauf führen. Diese zeitliche Entwicklungsperspektive ist notwendig, da sich das Markenmanagement aufgrund sich verändernder Markt- und Unternehmensbedingungen über die Zeit weiterentwickeln muss. Die Weiterentwicklung der Marken (Markenevolution) ist eine langfristige Strategie, die die Konsolidierung bzw. Expansion der Marken festlegt.
die Grundvoraussetzung zur Aufrechterhaltung der Motivation der Mitarbeiter sowie des Goodwill aller Anspruchsgruppen gegenüber dem Unternehmen. Marken, die in den letzten Jahren eliminiert wurden, sind beispielsweise Nixdorf Computer oder DEA Tankstellen. Abgestufter Rückzug
Marketing und Markenführung
4.
Eine Möglichkeit dem Goodwill-Verlust entgegenzuwirken, ist ein abgestufter Rückzug, bei dem die Marketingaktivitäten schrittweise eingestellt werden. Über einen Zeitraum von mehreren Monaten oder sogar Jahren wird die Marke zunächst aus einzelnen Teilmärkten und schließlich vollständig aus dem Markt genommen. Ein Beispiel, wie der Rückzug aus einem Marktsegment „zelebriert“ werden kann, veranschaulicht die Marke Braun. Um das Kerngeschäft zu straffen und zu stützen, entschloss sich Braun, das Hi-Fi-Geschäft aufzugeben. Um negative Auswirkungen auf die Marke Braun zu vermeiden und gleichzeitig die Eliminationskosten zu minimieren, entwarf Braun eine limitierte, nummerierte „Last Edition“. Damit gelang dem Elektrogerätehersteller ein betriebswirtschaftlich erfolgreicher sowie markt- und markenschonender Rückzug aus dem Hi-Fi-Markt (vgl. Becker 2006, S. 741). Ein abgestufter Rückzug kann auf zwei Arten erfolgen: als Abschöpfungsstrategie oder als Markenmigrationsstrategie. Bei einer Abschöpfungsstrategie ist die Zahl der loyalen Kunden und das Kosteneinsparungspotenzial ausreichend groß, um sukzessive den Kapitalbedarf und die Kapitalbindung reduzieren zu können. Die Einschränkungen beginnen zunächst beim Kommunikationsbudget und den verkaufsunterstützenden Maßnahmen bis hin zu Einsparungen bei Service und Produktion. Die Marke lebt während der Abschöpfungszeit von ihrer Substanz, die sich aber ohne weitere Unterstützung sukzessive abbaut. Die Marke wird nun solange am Markt gehalten, wie sie einen positiven Cashflow erwirtschaften kann. Demgegenüber bleibt das Angebotsprogramm einer Marke bei einer Migrationsstrategie weitestgehend unverändert am Markt bestehen, allerdings wird das bisher verwandte Markenzeichen durch ein anderes substituiert. Es ist häufig der Verkauf oder die Internationalisierung einer Marke, die dieses Vorgehen erforderlich machen. Beispiele sind die Migration der Marke PricewaterhouseCoopersConsulting (PwC) zu IBM Business Consulting Service (bedingt durch den Aufkauf) oder die Substitution des Markennamens Raider durch die international verwendete Markierung Twix. Sachs (2002) führt aus, dass eine erfolgreiche Migration der Marke an die folgenden Voraussetzungen geknüpft ist: Es sollte gewährleistet sein, dass... die Leistungen der Ursprungsmarke unter einer neuen Marke akzeptiert werden. Die Kundenbindung sollte also primär auf dem funktionalen Nutzen basieren und weniger auf dem symbolischen Nutzen der Ursprungsmarke die grundlegenden Merkmale der Markenidentität und des Markenimages von Ursprungsmarke und neuer Marke zueinander passen die aufnehmende Marke durch die Migration langfristig gestärkt wird die Zielgruppen von der Migration überzeugt sind: die internen und die externen. Das Ziel einer internen Akzeptanz kann vor allem durch eine offene Top-down-Kommunikation der Notwendigkeit und der strategischen Beweggründe für die Markenmigration Unterstützung finden.
130
Werden dagegen die Markenzeichen der zu substituierenden Marke unmittelbar ausgetauscht, so handelt es sich um eine ad hoc-Migration. Dieses Vorgehen ist dann geeignet, wenn die Positionierung der zu ersetzenden Marke mit der neuen Marke nicht oder nur bedingt übereinstimmt und eine klare Trennung vollzogen werden soll. Dies hat aber auch zur Folge, dass das Gesamte über die Zeit aufgebaute Markenkapital verloren ist, wie beispielsweise die Migration von Wertkauf zu Walmart belegt. Fokussierungsstrategie Marken, die im Laufe der Zeit zu stark durch Markendehnungen und Markentransfers erweitert wurden und bei denen durch eine unzureichende Konsistenz der Leistungen das Markenimage verwässert ist, sind Gegenstand einer Fokussierungsstrategie. Sie verkleinert das Leistungsprogramm einer Marke mit dem Ziel, die Komplexitätskosten zu reduzieren und das Markenimage zu schärfen. Eliminiert werden diejenigen Leistungen, die den geringsten Fit zur Markenidentität haben. Die eingesparten Kosten können dann zielgerichtet zur Stärkung der Marke investiert werden. Nicht nur über eine Fokussierung lassen sich Marken stärken, auch eine gezielte Markenexpansion trägt dazu bei.
4.3.2 Markenexpansionsstrategien Marken, die aufgrund ihrer Stärke über noch nicht genutzte Potenziale verfügen, sind geeignet, ihren Wirkungsraum auszuweiten. Eine Markenexpansionsstrategie umfasst das Erschließen neuer Märkte (regionale Expansion) oder den Transfer des Markenpotenzials auf neue Produkte. Geografische Expansionsstrategien Durch eine zunehmende Öffnung der weltweiten Märkte sowie einer wachsenden Angleichung internationaler Konsumentenbedürfnisse stellt die geografische Expansion eine attraktive Wachstumsmöglichkeit für Hersteller von Markenprodukten dar. Markenstrategien, die über das inländische Absatzgebiet hinausgehen, haben zahlreiche Beweggründe. Es sind unter anderem die nicht zu unterschätzenden Prestigeaspekte (beispielsweise wenn wichtige Wettbewerber auch international tätig sind) und Imagemotive (zum Beispiel auch als eine international kompetente Marke von den Konsumenten wahrgenommen zu werden). Insbesondere für Anbieter, die sich bisher auf
131
4.3 Dynamische Markenstrategien
Die Umsetzung der Migration kann sukzessiv oder ad hoc erfolgen. Die sukzessive Migration ersetzt das etablierte Markenzeichen schrittweise über einen Zeitraum von mehreren Monaten (mitunter auch Jahren) durch das Zeichen der neuen Marke. Mitunter sind während der Übergangszeit sowohl das etablierte als auch das neue Markenzeichen im Markt präsent. Sukzessive tritt jedoch das alte Markenzeichen in den Hintergrund und verschwindet schließlich vollständig aus dem Wahrnehmungsraum der Konsumenten. Mitarbeiter und Kunden können sich so langsam an den Wechsel gewöhnen. Ein Beispiel ist der Verkauf der Notebook-Sparte ThinkPad von IBM an Lenovo Mitte 2005. ThinkPads sind unter der etablierten Marke noch weitere fünf Jahre erhältlich und werden dann durch die Marke Lenovo ersetzt.
Marketing und Markenführung
4.
Märkten mit geringen Wachstumsraten und hoher Wettbewerbsintensität bewegt haben, bieten neue internationale Märkte weitere Chancen. Das Bearbeiten verschiedener internationaler Märkte unterstützt die Risikostreuung und dient der Kundenbindung. Konsumenten sind zunehmend international mobil und können so die gewohnten Markenprodukte ortsunabhängig kaufen und konsumieren. Sind Unternehmen bereits international tätig, besteht immer stärker der Zwang, die übernationalen Geschäftstätigkeiten des Unternehmens und der Marke zu forcieren, um die Absatzmengen zu steigern und auf diese Weise entsprechend niedrige Produktionskosten zu realisieren, um am Weltmarkt überlebensfähig zu werden bzw. zu bleiben. Neben der grundsätzlichen Entscheidung über die Bearbeitung mehrerer Ländermärkte ist im Rahmen einer internationalen Markenstrategie insbesondere der Grad der Standardisierung bzw. Differenzierung der angebotenen Leistungen festzulegen. Als Idealtypen einer internationalen Markenpolitik lassen sich eine multinationale Markenstrategie, eine globale Markenstrategie und eine internationale Markenadaptionsstrategie unterscheiden. Ausgangspunkt aller Strategien ist eine geografische Ausweitung des Absatzraumes ausgehend vom Heimatmarkt. Für eine multinationale Markenstrategie greift das Unternehmen auf individuelle Markenkonzepte (sogenannte Local Brands) in den einzelnen Auslandsmärkten zurück. Das Produkt kann somit optimal an die länderspezifischen Bedürfnisse der Verbraucher und die individuellen gesetzlichen Bestimmungen angepasst werden. Eine Berücksichtigung nationaler Besonderheiten erfolgt auch in der Umsetzung der Kommunikations-, Preis- und Distributionspolitik. Die Vorteile einer multinationalen Markenstrategie liegen in der gezielten Ansprache der Nachfrage einer höheren Flexibilität des Markenmanagements dem Umsetzen einer internationalen Preisdifferenzierung der Berücksichtigung von rechtlichen und kulturellen Unterschieden der Besetzung lukrativer Nischen. Die zentralen Nachteile dieser Vorgehensweise liegen in der mangelnden Nutzung von Synergien im Marketing-Mix und gegebenenfalls fehlenden Degressionseffekten im gesamten Unternehmenssystem. Auch das Goodwill-Potenzial der Ursprungsmarke für die neuen internationalen Märkte kann nicht bzw. nur unzureichend genutzt werden. Im Gegensatz zur multinationalen Markenstrategie versuchen Unternehmen im Rahmen der globalen Markenstrategie ein einheitliches Markenkonzept ausgerichtet an der ursprünglichen Markenidentität – ohne Anpassung und Rücksicht auf nationale Unterschiede – global durchzusetzen. Im Idealfall wird die Marke weltweit mit einer identischen Markierung, Qualität, Positionierung, Verpackung sowie einem übereinstimmenden Marketing-Mix vertrieben. Die Vorteile einer globalen Markenstrategie liegen in dem Ausnutzen von Kostendegressions- und Synergieeffekten dem Aufbau und Ausbau eines international renommierten Images und damit einer Stärkung des Markenwertes dem Entwickeln einer starken Verhandlungsposition gegenüber Distributionspartnern der schnellen Einführung von Produktneuheiten.
132
Die mit einer globalen Markenstrategie verbundenen Nachteile liegen insbesondere in der Vernachlässigung lukrativer Nischen und der länderspezifischen Bedürfnisse, sowie in der auf die jeweilige Kultur unzureichend angepasste Kundenansprache. Zu Problemen kommt es, wenn die Markenidentität aufgrund ihrer Werte und der Persönlichkeit in den einzelnen Ländern Konflikte auslösen kann. Beispielhaft sei Starbucks genannt, eine internationale Kaffeehaus-Kette mit Geschäften in San Francisco und in Peking, in Wien und in Doha, insgesamt rund 12000 Filialen weltweit. Nur in Italien stößt Starbucks auf einen massiven Widerstand, da die italienische Kaffee-/ Espresso-Kultur im Gegensatz zu der Starbucks-Kultur steht. Bis 2008 hatte Starbucks in Italien nicht eine einzige Filiale eröffnet. Ein weiteres Problem der globalen Markenstrategie resultiert aus potenziellen Konflikten zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften aufgrund einer zentral gesteuerten Markenpolitik und dem damit einhergehenden eingeschränkten Handlungsspielraum in den Märkten. Neben den grundsätzlichen Entscheidungen über den Grad der Standardisierung der internationalen Markenstrategie sind Detailentscheidungen über die zu standardisierenden und differenzierenden Elemente der Marke zu treffen. Welche Möglichkeiten es gibt, kann am Beispiel des Markennamens und des Logos veranschaulicht werden (vgl. Berndt/Fantapié, Altobello/Sander 1997, S. 133).
Markenname Standardisiert
Markenname Differenziert
Logo Standardisiert
Marlboro
Langnese/Eskimo
Logo Differenziert
NIVEA, teilweise zusätzlich mit dem Signet „N“ versehen
GLORIX/WEGA/KLORIN/VIM etc. bei gleichzeitig unterschiedlichen Logos
Tabelle 4: Standardisierung versus Differenzierung
133
4.3 Dynamische Markenstrategien
Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche globale Markenstrategie sind neben einer Ähnlichkeit der Lebensstile in den bearbeiteten internationalen Märkten, dass die Markierung und der Markenname international verständlich sind, zu keinen sprachlichen Schwierigkeiten führen und keine negativen Assoziationen zu dem Markennamen existieren. Inwieweit sich eine Standardisierung auch tatsächlich umsetzen lässt, hängt wesentlich von der zugrunde liegenden Markenleistung ab. Beispielsweise lassen sich bei Culture-Free-Leistungen (zum Beispiel Uhren), High-Tech-Produkten (zum Beispiel Computer), Lifestyle-Produkten (zum Beispiel Mobiltelefone) und PrestigeProdukten (zum Beispiel Parfum) leichter globale Marken aufbauen als bei Produkten mit einer nationalen Identität (zum Beispiel Bier) oder bei Grundnahrungsmitteln (zum Beispiel Brot).
Trotz aller Bemühungen einer globalen Markenpolitik existiert praktisch keine Marke, die tatsächlich eine Weltmarke darstellt. Es finden sich immer wieder, wenn auch geringfügige, Adaptionen, wie die nachfolgenden Beispiele zeigen (vgl. Kelz 1989).
Marken
Standardisierte Elemente der Marke
Differenzierte Elemente der Marke
einheitliche Positionierung
unterschiedliche Hautfarbe der Cowboys Geschmacksanpassungen Beachtung der rechtlichen Bedingung
4. Marketing und Markenführung
Schlüsselbild (Cowboy) Markenname Verpackung
für die Zigarettenwerbung
Banner auf der Verpackung einheitliche Positionierung Markenname Verpackung
Produktanpassung aufgrund von
Markenname einheitliche Positionierung einheitliche Slogans
geringe Produktanpassungen Verkaufsförderungsmaßnahmen Verpackung
klimatischen Bedingungen
werbliche Darstellung
Tabelle 5: Internationale Markenstrategien – Beispiele
Die Beispiele offenbaren, dass viele Unternehmen aufgrund der länderspezifischen Unterschiede eine gemischte Markenstrategie betreiben. Die internationale Markenadaptionsstrategie strebt einen möglichst hohen Standardisierungsgrad an bei gleichzeitiger Differenzierung zur Anpassung an ausgewählte Besonderheiten der Märkte sowie der Bedürfnisse der Verbraucher. Das Ziel liegt in der Ausnutzung von Kosten- und Nutzenvorteilen, indem die essenziellen Markenmerkmale beibehalten werden und die nicht zum Markenkern gehörigen Markenelemente auf die Länderspezifika adaptiert werden. Hieraus resultiert auch das zentrale Problem: die Festlegung des optimalen Adaptionsgrades. Insbesondere bei einer Anpassung von Qualität und Preis darf die Markenidentität nicht gefährdet werden. Gerade bei international mobilen Konsumenten könnten daraus Irritationen entstehen.
134
Yello goes Sweden. Yello war ursprünglich eine rein nationale Marke, die bundesweit angeboten wurde. Anfang September 2007 begann die Internationalisierung der Marke. Yello wurde erstmals auch auf dem schwedischen Markt angeboten. Das Angebot an die Stromkunden in Schweden ist an das deutsche Yello-Stromprodukt angelehnt und bietet den schwedischen Kunden dauerhaft günstigen Strom mit einem Top-Service.
Audi… one World – one brand. Audi verfolgt eine weltweit einheitliche Markenstrategie, in der das weltweite Premiumimage „von oben geprägt“ wird. So sind es der A6 und der A8, die die weltweite Positionierung der Marke prägen, aber es ist der A4, der die höchsten Verkaufszahlen aufweist. Globale Marken erfordern eine Wiedererkennbarkeit und damit eine einheitliche Positionierung der Marke. Ein emotionales Produkt darf dabei aber nicht die Notwendigkeiten und spezifischen Eigenheiten eines regionalen Marktes unberücksichtigt lassen. Deshalb folgt Audi in der Kommunikation der Produkte dem Grundsatz der „Glocalization“. Dies bezeichnet die lokale Ausgestaltung einer globalen Idee. So haben die Fahrzeuge für den chinesischen Markt, die vorwiegend als Chauffeurfahrzeuge verwendet werden, einen vergrößerten Innenraum. Der emotionale Kern der Marke Audi wird so international verstanden, geschätzt und die substanzielle Qualität der Produkte ist jederzeit erlebbar. Die wichtigste Basis für einen weltweiten Erfolg aber sind die Produkte, über die die Marke transportiert und erlebbar wird. Für Audi sind dies insbesondere die sportlichen Motorisierungen und Fahrzeuge wie der A6, die Audi zum Marktführer in ihrem Segment machen. Und mit dem Audi R8 hat Audi sogar den Ruf „the world’s hottest brand“ erlangt. Quelle: Audi Geschäftsbericht
Neben einer geografischen Expansion der Marke in neue Märkte, kann auch eine neue Marke das Markenportfolio erweitern. Transfer des Markenpotenzials auf eine neue Marke Grundsätzlich handelt es sich um eine Neumarke, wenn alle Markenelemente wie Name, Logo, Slogan, Verpackung etc. für die entsprechende Zielgruppe neu sind. Dabei unterscheidet man Markeninnovationen im engeren Sinne Eine vollständig neue Entwicklung aller Markenelemente, zum Beispiel Red Bull. Markeninnovation mit Absender Eine Neuentwicklung aller Markenelemente mit Integration einer bestehenden Empfehlermarke, zum Beispiel Rigo von Bacardi.
135
4.3 Dynamische Markenstrategien
Der Eintritt in den schwedischen Markt ist für Yello attraktiv, da der schwedische Strommarkt aufgrund des fortgeschrittenen Liberalisierungsgrades einer starken Marke wie Yello das Potenzial für weiteres Wachstum außerhalb von Deutschland bietet. Mit dem Start in Schweden erschließt sich Yello eine weitere Option auf Wachstum über die geplanten Kundenzuwächse im deutschen Strommarkt hinaus.
Markeninnovation mittels geografischer Neueinführung Die Marke ist bereits in anderen regionalen Märkten vertreten, zum Beispiel Ben & Jerry’s Eiscreme. Markenrevitalisierung Die Neueinführung, nachdem die Marke für einige Zeit nicht mehr existent war, zum Beispiel Maybach.
Marketing und Markenführung
4.
Die Bildung von Neumarken hat den Vorteil, dass die Markenführung eine hohe gestalterische Freiheit in der Ausformung der Markenidentität, der Markenelemente sowie der Markenpositionierung hat. Hierdurch wird es möglich, ein Markenimage zu schaffen, das genau den Vorstellungen der anvisierten Zielgruppe entspricht. Die Neumarkenstrategie eignet sich daher für solche Produkte und Leistungen, die von den anderen Marken des Unternehmens unter einem Markenmanagement-Aspekt weiter entfernt sind. Nachteilig wirken die umfangreichen Investitionen und der hohe Zeitbedarf, den die Festlegung der Positionierung einer neuen Marke in Anspruch nimmt. Unternehmen, die eine neue Marke entwickeln, sehen sich mit dem Entscheidungsproblem konfrontiert, welche Markenstrategie für das neue Produkt eingesetzt werden soll und wie die neue Marke in das Markenportfolio integriert werden soll. In Abbildung 25 sind verschiedene Markenstrategien für ein neues Produkt dargestellt.
Neues Produkt?
nein
Strategisches Festhalten an den vorhandenen Produkten
nein
Gattungsmarken-/ Handelsmarkenstrategie
ja
Markenstrategie? ja
Neuer Markenname?
Neumarkenstrategie
ja
nein
Monomarkenstrategie
Mehrere Marken in einem Bereich?
ja
Mehrmarkenstrategie
Sämtliche Produkte unter einem Markendach?
nein
Familienmarkenstrategie
ja
Dachmarkenstrategie
nein
Marke im eigenen Haus vorhanden?
Markentransferstrategie ja
Line-Extension Räumlicher Transfer Transferinstrumente
Externer Erwerb von Markenrechten
136
Abbildung 25: Markenstrategien für neue Marken (vgl. Sattler 2001, S. 370)
Soll für das neue Produkt ein neuer Markenname verwendet werden, liegt eine Neumarkenstrategie vor. Jede Art von Image- oder Goodwill-Transfer aus dem bestehenden Markenportfolio auf die neue Marke wird damit ausgeschlossen. Soll dies nicht der Fall sein, so ist eine Markentransferstrategie anzuwenden. Hinsichtlich der Produktkategorie eines Markentransfers lassen sich Line Extension und Franchise Extension unterscheiden. Bei der Line Extension erfolgt der Transfer zwischen Produkten der gleichen Produktkategorie. Eine Franchise Extension nimmt den Transfer dagegen in eine neue Produktkategorie vor. Ein Markentransfer räumlicher Art liegt dann vor, wenn die Nachfrager in der Region, in der die neue Marke eingeführt wird, die neue Marke bereits kennen. Ursache hierfür ist unter anderem die räumliche Mobilität der Nachfrager und Medien, die Produkte global kommunizieren. So war beispielsweise die Marke Coca-Cola in Indien bereits vor der Einführung des Getränkes in Indien bekannt, da die Bevölkerung die Marke durch dort sehr populäre amerikanische Kinofilme kennengelernt hat. Unterstützt wird der Markentransfer durch verschiedene Instrumente (wie beispielsweise das Produktdesign, die Verpackungsgestaltung oder die Gestaltung des Regalplatzes im Handel). Bei der Wahl einer Neumarkenstrategie wird typischerweise eine Einzelmarken- oder Mehrmarkenstrategie realisiert. Unabhängig davon, ob die Neumarkenstrategie in Form einer Einzelmarken- oder Mehrmarkenstrategie umgesetzt ist, kann die neu entwickelte Marke im Zeitablauf in neue Produktbereiche in Form eines Markentransfers ausgedehnt werden. In diesem Fall würde dann eine Familien- oder Dachmarkenstrategie vorliegen. Die dargestellten Markenstrategien werden über den Marketing-Mix in operativen Maßnahmen umgesetzt. Dadurch wird die strategisch geplante Marke für den Kunden erlebbar.
137
4.3 Dynamische Markenstrategien
Den Ausgangspunkt bildet die Frage, ob es sich grundsätzlich um ein neues Produkt handelt. Kann diese Frage mit „Ja“ beantwortet werden, gilt es die Markenstrategie für die neue Marke festzulegen. Bei einem Verzicht auf eine Markenstrategie können eine Handels- oder Gattungsmarkenstrategie umgesetzt werden. Diese Strategien sind dadurch gekennzeichnet, dass die Markierung nicht durch den Hersteller, sondern durch den Handel erfolgt. Gattungsmarken (häufig auch als „no Names“ oder „weiße Ware“ bezeichnet) werden ebenfalls durch den Handel geführt und erfüllen in ihrer Produktkategorie die qualitativen Mindestanforderungen. Sie besetzen das Preiseinstiegssegment und liegen nicht selten bis zu 40 Prozent unter dem Preisniveau des vergleichbaren Herstellermarkenartikels. Es sind insbesondere Verbrauchsgüter des täglichen Bedarfs mit einer Standardqualität wie Zucker, Salz, Mehl, die in einer sortimentseinheitlichen Gestaltung mit einem eindeutigen Wiedererkennungssymbol versehen sind. Sie dienen den Handelsunternehmen zur Abrundung des Sortiments und als Signal für die Preiswürdigkeit der Einkaufsstätte im Wettbewerbsvergleich. Die Gattungsmarke „TIP“ des Handelsunternehmens real beispielsweise umfasst bis zu 700 Produkte.
5. Implementierung der Markenführung
Implementierung der Markenführung
5.
Das grundlegende Ziel jedes Unternehmens ist es, sein Angebot so zu gestalten, dass es den Wünschen und Vorstellungen der tatsächlichen und potenziellen Nachfrager entspricht. Der Erfolg eines Produktes im Markt wird dabei beeinflusst von Faktoren wie Bequemlichkeit, Sicherheit, Wirtschaftlichkeit, Umweltfreundlichkeit und von der subjektiven Wahrnehmung des Produktes bzw. der Leistung (vgl. Koppelmann 1997, S. 309 ff.).
5.1 Markenführung und Marketing-Mix Der Marketing-Mix umfasst die klassischen 4Ps – Product, Price, Promotion und Place, die in den 8P-Ansatz integriert wurden. Die formulierten Markenstrategien werden mit den Marketinginstrumenten operativ eingesetzt und machen die Marke damit für die verschiedenen Anspruchsgruppen erlebbar.
5.1.1 Produkt Die funktionale und ästhetische Gestaltung eines Produktes ist gerade für Markenprodukte von hoher Relevanz. Zur Sicherstellung eines einheitlichen Markenauftritts ist hierfür ein grundlegendes Designkonzept, das für alle Produkte der Marke gilt, unerlässlich. Für ein Markenprodukt ist es nicht ausreichend, alleine durch seine funktionale Zwecktauglichkeit und Leistungsfähigkeit zu überzeugen. Gerade der ästhetischen Gestaltung und Ausstattung, die eine Marke mit Emotionen auflädt, kommt eine zentrale Bedeutung bei der Kaufentscheidung zu. Damit ein Unternehmen einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil generieren kann, ist es notwendig, diejenigen Anforderungen der Zielgruppe zu identifizieren, die eine Relevanz für die Kaufentscheidung besitzen. Grundsätzlich unterscheidet man drei Arten von Produktanforderungen (vgl. Kano 1984, S. 39 ff.): Die Basisanforderungen verkörpern Kriterien, die ein Produkt unbedingt erfüllen muss (Musskriterien). Das Nichterfüllen dieser Anforderungen führt zu einer hohen Unzufriedenheit, wohingegen die Erfüllung lediglich zu einer Nichtunzufriedenheit führt. Es macht für Unternehmen häufig keinen Sinn, weiter in die Basisanforderungen zu investieren, wenn diese bereits zufriedenstellend erfüllt werden. Vielmehr ist in die Leistungs- und Begeisterungsanforderungen zu investieren, die einen hohen Einfluss auf die Zufriedenheit, das Markenimage und damit auf eine eindeutige Positionierung in der Wahrnehmung der Kunden besitzen.
138
Vorsprung durch Technik: mehr als ein Slogan. Der Slogan verkörpert das fortwährende Versprechen, nicht nur Autos anzubieten, sondern zuverlässige Innovationsträger. Einige Beispiele mögen verdeutlichen, wie sich dieser Vorsprung bei Audi manifestiert.
Widerspruch 1: „Permanenter Allradantrieb taugt nur für den militärischen Einsatz.“ Audi hat den Allradantrieb salonfähig gemacht und gezeigt, dass er nicht nur in spartanischen Geländefahrzeugen Vorteile bringt, sondern auch in schnellen, sportlichen Personenfahrzeugen. Mit dem Audi quattro kam 1980 ein Coupé mit 200 PS auf den Markt. Ein Allradfahrzeug, dessen Platz nicht auf Feldwegen, sondern auf der linken Überholspur war. Wer die Technik so ungewöhnlich und innovativ umsetzt, muss möglicher Kritik klare Fakten entgegensetzen können. Der Audi quattro hat dies mit seinen beeindruckenden Fahrleistungen getan, die auch im Rallyesport zu zahlreichen Erfolgen führten. Der Allradantrieb ist in der Zwischenzeit fast zu einer Selbstverständlichkeit geworden und erfreut sich großer Beliebtheit bei Kunden aller Marken. Widerspruch 2: „Sportlich und trotzdem sparsam mit einem Diesel.“ Noch vor 15 Jahren galt dies als unmöglich. 1989 brachte Audi den turbogeladenen, direkteinspritzenden TDI-Motor zur Serienreife. Der entscheidende Vorsprung war die Kombination aus dem wirkungsgradstarken, aber unkultivierten Direkteinspritzer-Prinzip aus der LKW-Technik mit antriebsschnellen Turboladern. Für einige Jahre sicherte diese Technik für Audi eine Unique Selling Proposition (USP) und hat einen Megatrend ausgeöst, der bis heute andauert. Widerspruch 3: „Ein Kombi dient dem Transport.“ Audi hat es geschafft, den Kombi aus den Sphären des bloßen Transports in den begehrenswerten Lifestyle zu verschieben. Der A4 Avant entwickelte sich zum ersten Lifestyle-Kombi und hat es geschafft eine potente Zielgruppe anzusprechen: im kauffreudigsten Alter zwischen 30 und 40 Jahren, beruflich erfolgreich und sehr markenbewusst. Widerspruch 4: „Computer sind ohne Schulung nicht zu gebrauchen.“ Das Audi-Bediensystem MMI hat der Vielzahl an Einstellmöglichkeiten den Wunsch nach einer intuitiven Bedienbarkeit gegenübergestellt. Nicht nur die Audi-Kunden, sondern auch Medien und Fachleute bewerten das Bediensystem als ausgesprochen kundenfreundlich. Der Slogan „Technik durch Vorsprung“ ist ein Technikansatz, der Synthesen statt Kompromissen und damit einen Mehrwert für den Kunden schafft, der von zwei Säulen getragen wird: Technik und Design.
139
5.1 Markenführung und Marketing-Mix
Ein besonderes Anliegen der Marke Audi ist es, technische Widersprüche, Zielkonflikte und Vorurteile aufzulösen und stattdessen dem Kunden einen nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Mehrwert zu bieten.
Implementierung der Markenführung
5.
Die Leistungsanforderungen werden explizit vom Kunden verlangt und verhalten sich proportional zu ihrem Erfüllungsgrad. Je höher das Ausmaß der Leistungserfüllung subjektiv empfunden wird, desto zufriedener ist der Kunde. Die Begeisterungsanforderungen üben einen besonders großen Effekt auf die Kundenzufriedenheit und das Markenimage aus. Sie werden nicht explizit durch den Kunden formuliert und erwartet. Werden sie dennoch erfüllt, so ist der Effekt auf die Kundenzufriedenheit und das Markenimage überproportional. Eine Nichterfüllung lässt aber keine Unzufriedenheit entstehen. Das Auffinden und Erfüllen von Begeisterungsanforderungen bietet daher vielfältige Möglichkeiten zur Differenzierung und eigenständigen Positionierung einer Marke. Es stellt sich nun die Frage, wie sich die Basis-, Leistungs- und Begeisterungsanforderungen ermitteln lassen, um sie in die Produktgestaltung mit einfließen zu lassen. Über eine Befragung von Kunden lassen sich beispielsweise zielgruppenspezifische Produktanforderungen identifizieren. Insbesondere Fokusgruppen sind hierfür ein geeignetes Erhebungsinstrument, da sich durch gruppendynamische Prozesse wesentlich mehr und deutlich differenzierte Nachfragerbedürfnisse aufdecken lassen. Für empirische Untersuchungen dieser Art (vgl. unter anderem Griffin/Hauser 1993, S. 1 ff.) sind 20 bis 30 Interviews ausreichend. Zur Strukturierung der Befragung dienen die folgenden Fragen: Was assoziiert der Konsument mit dem Kauf und der Verwendung der Marke? Die Antwort gibt einen Aufschluss über die Einstellung des Kunden zur Marke und zum intendierten Verwendungszweck. Die weitere Analyse der Antworten gibt Anregungen für die Verbesserung des bestehenden Produktes oder die Entwicklung eines neuen Produktes. Welche besonderen Probleme, Schwierigkeiten, Ärgernisse und Beschwerden verbindet der Kunde mit dem Kauf und der Verwendung der Marke? Die Antworten vermitteln eine Vorstellung über bislang unentdeckte Kundenwünsche, die in der weiteren Produktentwicklung Berücksichtigung finden können. Welche Kriterien legt der Kunde bei der Wahl einer Produktmarke zugrunde? Hieraus lassen sich Leistungsanforderungen aus Kundensicht ableiten. Es handelt sich hierbei um die Produkt- und Markenmerkmale, auf die der Kunde bei der Kaufentscheidung einen besonderen Wert legt. Welche neuen Produkteigenschaften und Serviceleistungen könnten die Erwartungen der Kunden noch besser erfüllen? Was würde der Kunde an dem Produkt/an der Marke verändern? Die Antworten decken Bedürfnisse der Kunden auf, die sich durch das bisherige Angebot noch nicht erfüllen lassen. Als Ergebnis liefert die Analyse Anhaltspunkte für produktpolitische Aktivitäten, wobei die Aufmerksamkeit jenen Produktanforderungen gilt, die aus Nachfragersicht kaufentscheidungsrelevant sind und aus Unternehmenssicht derzeit gegenüber den Wettbewerbern einen Wettbewerbsnachteil darstellen (vgl. Hermann 1998, S. 220).
140
Kundenzufriedenheit Relative Bedeutung des Merkmals
niedrig
hoch
Strategischer Wettbewerb muss ausgebaut werden
Strategischer Wettbewerbsnachteil muss ausgemerzt werden
niedrig
Irrelevanter Wettbewerbsvorteil
Akzeptabler Wettbewerbsnachteil
Tabelle 6: Das (Un-)Zufriedenheitsportfolio (vgl. Herrmann 1998, S. 220)
„One name – one standard – everywhere“: Erfolgsfaktoren Produkt. Das Produkt hat den größten Einfluss auf die Markenwahrnehmung. Daher hat Audi nicht nur für den Handel und die Kommunikation, sondern insbesondere für die Produkte Erfolgsfaktoren festgelegt, die durch die Produkte umgesetzt werden:
5.1 Markenführung und Marketing-Mix
hoch
klare Produktpositionierung, basierend auf dem Audi Markenleitbild kontinuierliche Erweiterung des Produktportfolio Weiterentwicklung des Designs (Design-Evolution) Änderung der Nomenklatur (aus dem Audi 80 wird der A4) kontinuierliche technologische Weiterentwicklung durchgängige Premiumqualität.
Die Umsetzung der Erfolgsfaktoren nahm den Anfang mit der Auflösung der Unternehmensmarke von der Produktmarke. Hierdurch wird die Relevanz der Produkte für die Markenführung erneut sehr deutlich. Am deutlichsten wird die Design-Evolution am Kühlergrill der Fahrzeuge, der sich von 1980 bis heute kontinuierlich verändert und damit das Gesicht der Fahrzeuge und damit der Marke prägt. Audi war Vorreiter bei der Einführung des Singleframe-Grill, der bis heute das Design formt.
141
Das Produkt- und Serviceportfolio der EnBW.
Implementierung der Markenführung
5.
Mit einem umfassenden Produkt- und Serviceportfolio versucht EnBW den unterschiedlichen Anforderungen und Bedürfnisse der Kunden – privaten und gewerblichen – gerecht zu werden. Die kundenorientierte Ausdifferenzierung des Angebots für Privatkunden erfolgt im Hinblick auf die Preissensibilität und das individuelle Servicebedürfnis. Für Privatkunden, die sehr preissensibel sind und ein niedriges Servicebedürfnis haben, bietet EnBW das Produkt „EnBWOnline“ an. Ist die Preissensibilität dagegen niedrig und das Servicebedürfnis hoch ausgeprägt, bietet das Portfolio „EnBW Intelligenter Zähler“ an. Die nachfolgende Darstellung veranschaulicht das an den kundenspezifischen Anforderungen ausgerichtete Produkt- und Serviceportfolio für Privatkunden.
Produkt- und Serviceportfolio der EnBW für Privatkunden So kann jeder Kunde ein passgenaues Angebot auswählen. Ergänzt wird das Produktangebot um Zusatzleistungen, wie beispielsweise ein Kundenmagazin, Stromsparberatung, Freizeitplaner oder der EnergyTruck vor Ort. Positiv wirkt sich das bedürfnisorientierte Angebot von Produkten und Services auf die Gesamtzufriedenheit der EnBW-Kunden aus. Lauf GfK verfügt der Stromanbieter im eigenen Marktgebiet über die höchste Gesamtzufriedenheit im Vergleich zu den Wettbewerbern in ihren relevanten Marktgebieten. Der positive Zusammenhang zwischen der Kundenzufriedenheit und dem Unternehmenserfolg zeigt sich auch bei EnBW ganz deutlich. Im gewerblichen Bereich, dem Industriekundengeschäft, ist EnBW einer der größten, deutschlandweiten Anbieter. Dies ist insbesondere auf die besondere Beratungskompetenz und die hohe Kundenzufriedenheit zurückzuführen, die wie im Privatkundengeschäft in einem deutlichen positiven Preisabstand zum relevanten Wettbewerb resultiert. Das Angebot von Produkten und Services reicht von der klassischen Vollversorgung bis hin zum vollständigen Strukturbezug. Das Produktportfolio deckt damit alle Facetten der Industriekundenbedürfnisse im Hinblick auf den Aufwand und die Flexibilität ab, wie die nachfolgende Darstellung zeigt.
142
Markenführung und Marketing-Mix
5.1
Produkt- und Serviceangebot für Gewerbekunden
Die Abgrenzung einer Marke von einem „einfachen“ Produkt bzw. einer unmarkierten Leistung erfolgt nicht allein durch eine emotionale Aufladung. Ein konstitutives Merkmal der Marke ist die überdurchschnittliche, gleichbleibende oder verbesserte Qualität eines Markenproduktes. Das individuelle Qualitätsurteil reflektiert nicht nur die objektive Beschaffenheit der Marke, sondern auch dessen Wahrnehmung und Bewertung anhand individueller Nutzenerwartungen und des intendierten Verwendungszweckes. Sein individuelles Qualitätsurteil bildet der Konsument anhand allgemeiner Dimensionen (vgl. Keller 2003, S. 238): Leistung (Performance) Die Erfüllung der primären Produktfunktionen, beispielsweise die Beschleunigung eines Autos. Ausstattung (Features) Welche Zusatzfunktionen ergänzen die Basisfunktionen, beispielsweise Infotainment im Auto? Zuverlässigkeit (Reliability) Die Wahrscheinlichkeit des Nichtauftretens von Fehlfunktionen, beispielsweise geringe Reparaturanfälligkeit des Fahrzeugs. Konformität (Conformance) Die Erfüllung von akzeptierten Standards, beispielsweise serienmäßige Ausstattung mit ABS oder Rußpartikelfilter.
143
Implementierung der Markenführung
5.
Haltbarkeit (Durability) Die Lebensdauer des Produktes bis Fehlfunktionen mit unwirtschaftlichen Reparaturkosten auftreten, beispielsweise Länge der Serviceintervalle. Wartbarkeit (Serviceability) Die grundsätzliche Möglichkeit, das Produkt warten zu lassen, die Dauer der Reparatur, die Kompetenz und die Höflichkeit der Mitarbeiter, beispielsweise Fahrzeuginspektion in der Fachwerkstatt. Ästhetik (Style and Design) Die subjektive Einschätzung der Ästhetik und des Designs, beispielsweise das innere und äußere Fahrzeugdesign. Die subjektive Qualitätswahrnehmung beeinflusst unmittelbar die funktionalen Markenassoziationen und wirkt damit auf das Markenimage. Unter der Kenntnis der Relevanz der Produktqualität für das Markenimage und damit für die Entscheidung über Kauf oder Nichtkauf des Produktes greifen Unternehmen auf Konzepte zurück, die das konsequente Qualitätsstreben unterstützen, wie beispielsweise der Quality Function Deployment-Ansatz (vgl. hierzu unter anderem Herrmann 1998, S. 228 ff., Hauser/Clausing 1997, S. 63 ff.). Ein erster Indikator für die Qualitätsvermutung des Konsumenten ist die Verpackung als die äußere Hülle des Produktes. Die Verpackung steht in einem Spannungsfeld zwischen dem Erfüllen von Verpackungsleistungen, Einhalten von Kostengrenzen und Umweltauflagen, einer sozialen Verträglichkeit sowie den Forderungen der verschiedenen Anspruchgruppen Hersteller, Handel und Kunde. Da sich nicht alle Anforderungen gleichzeitig erfüllen lassen, sind im Einzelfall die Art des Produktes und die jeweilige Wettbewerbssituation zu berücksichtigen. Eine Verpackung muss in der Lage sein, das Produkt verkäuflich zu machen und es in den Augen der Verbraucher als begehrenswert erscheinen zu lassen. Neben der Schutzfunktion stehen vor allem die Anliegen des Marketings mit den werblichen und kommunikativen Anforderungen im Zentrum. Unabhängig vom konkreten Inhalt ist es häufig die Verpackung, die aus einem Produkt eine unverwechselbare Marke macht. Man denke da nur beispielsweise an die Livio-Salatöl-Dose, die quadratische Rittersportschokolade oder die Coca-Cola-Flasche. An ihren formalen und ästhetischen Merkmalen wird die Qualität des Produktes und damit die Kompetenz des Herstellers gemessen. Gerade in Zeiten der Selbstbedienung sind Verpackungen die entscheidenden Kommunikationsträger. Sie dienen dem Konsumenten mit ihrer Konstruktion, ihrem Design und ihrer Grafik als Orientierung. Eine tragfähige und praxisgerechte Verpackungspolitik zielt auf die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Erfordernisse ab. Die Anforderungen an die Verpackung aus Sicht der drei Anspruchsgruppen sind in Tabelle 7 zusammengefasst.
144
Handel
hohe Abfüllgeschwindigkeit Eignung zur Profilierung Eignung als
optimale Regalplatznutzung
Informationsträger
kostengünstig Vermittlung intendierter Preis- und Qualitätsvorstellungen
scanningfähig selbstbedienungsfähig
Verbraucher
optimales Handling Eignung zur Verkaufsförderung
ansprechendes Design hohe Anmutungsqualität Sichtbarkeit des Inhalts leicht zu öffnen, zu schließen und zu dosieren
5.1
verbrauchswirtschaftlich Möglichkeit der
Markenführung und Marketing-Mix
Hersteller
Zweitverwendung
ökologische Qualität Vermittlung von Zusatzinformationen
stapelfähig palettierungsfähig raumsparend gewichtsgünstig bruchsicher
Sicherheit vor missbräuchlicher Öffnung verbrauchergerechte Größe
Schutz des Inhalts Haltbarkeit des Inhalts
Recyclingfähigkeit
Tabelle 7: Anforderungen an die Verpackung (in Anlehnung an Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 1997, S. 240)
Nicht nur Sachleistungen, sondern auch Dienstleistungen sind unter markenstrategischen Gesichtspunkten zu analysieren. Sie gewinnen im Rahmen des wirtschaftlichen Geschehens immer mehr an Bedeutung.
Bruttowertschöpfung gesamt Land- und Forstwirtschaft; Fischerei Produzierendes Gewerbe Dienstleistungen
2003
2004
2005
2008
1.947,11
1.994,21
2.022,47
2.235,12
20,98
24,27
19,91
19,57
561,31
575,90
593,38
672,82
1.364,82
1.394,04
1.409,18
1.541,77
Tabelle 8: Entwicklung des Dienstleistungssektors von 2003 bis 2008 in Deutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (in Tausend Euro)
145
Dieser Entwicklung liegen im Wesentlichen zwei Ursachen zugrunde: die wachsende Bedeutung von Dienstleistungen im Sinne begleitender Dienstleistungen für ein Produkt (Added Value) die steigende Kundennachfrage nach Dienstleistungen als eigenständiges Angebot.
Implementierung der Markenführung
5.
Gerade in zunehmend homogenen Märkten mit gleichartigem Produktangebot ist eine Marke alleine häufig nicht ausreichend, um sich im Markenumfeld zu differenzieren. Daher werden entlang des gesamten Produktlebens- und Verwendungszyklus von Produkten (im Sinne von Sachleistungen) produktbegleitende Dienstleistungen angeboten. Um einen Wettbewerbsvorteil am Markt zu erzielen, erweitern viele Anbieter ihr Angebot und hoffen damit, den unterschiedlichen Wünschen und Anforderungen der Kunden zu entsprechen und so einem unmittelbaren Preiswettbewerb auszuweichen. Die Dienstleistung reichert also das Kernprodukt um einen zusätzlichen Wert an, den Mehrwert. Das Beispiel einer Fluglinie mag diesen Sachverhalt verdeutlichen. Die Fluglinie offeriert ihren Kunden ein Leistungspaket, das sich aus einem Grundnutzen (Sicherheit und Zuverlässigkeit) sowie einem Zusatznutzen (Bequemlichkeit, Bordservice) zusammensetzt. Der Added Value, der geeignet ist, einen Vorsprung gegenüber anderen Fluglinien am Markt zu erzielen, liegt beispielsweise in der Kompetenz und Sympathie der Mitarbeiter. Der Zusatznutzen kann aber auch in einer wertgebenden Form gestiftet werden. Ein Beispiel hierfür ist das Kundenprogramm Miles & More. Der wertgebende Zusatznutzen für den Kunden wird über die gesammelten Meilen, Einkaufsvorteile und eine zusätzliche Kreditkartenfunktion erzielt. Damit der Added Value auch tatsächlich zu einem strategischen Wettbewerbsvorteil wird, muss er dauerhaft sein, für den Kunden wahrnehmbar sein und von diesem als wichtig erachtet werden. Sieht der Kunde die Added Values zusätzlich als hochwertig und einzigartig an, so steigern sie die Profilierung der Marke und schaffen dauerhafte Präferenzen für die Marke.
Die Revolution von oben. Die Neupositionierung von Audi war der Anfang. Nun galt es Produkte zu entwickeln, die dieser Positionierung entsprachen. Die Annahme war: In naher Zukunft wird in jeder Klasse (Mittelklasse, Oberklasse etc.) Potenzial für ein Premiumprodukt sein. Aber: Nur wer in der Oberklasse besteht, kann auch in den unteren Klassen glaubhaft ein Premiumangebot positionieren. Die logische Konsequenz für Audi: Die erste Neuentwicklung des Konzerns musste eine Limousine der Oberklasse sein. 1994 war es so weit: Der Audi A8 wurde gelauncht. Und 1996 konnte mit dem A3 auch in der Kompaktklasse ein Wagen angeboten werden, der das Prädikat „premium“ verdiente. Um die Marke weiter zu emotionalisieren, wurde die Entwicklung sportlich betonter Modelle vorangetrieben. Die hoch motorisierten S-Modelle beispielsweise greifen die Charakteristika der Basismodelle auf und interpretieren sie sportlich. Mit dieser Sportkompetenz als Grundlage entwickelte Audi den ersten Serien-Sportwagen seiner Geschichte: Der TT feierte im Jahr 1998 einen von Fachpresse und Publikum gleichermaßen bejubelten Einstand. Und 2002 wurde das bisher leistungsstärkste Serienmodell gelauncht: der RS6. Zwei Jahre später übertrifft Audi diesen Superlativ selbst: mit dem topmotorisierten und streng limitierten RS6 plus und erweitert dies aktuell um den R8.
146
Die virtuelle Kraftwerkscheibe.
Die „virtuelle Kraftwerksscheibe“ ist ein langfristiger Strombezugsvertrag, der insbesondere kleinen und mittleren Stadtwerken Bezugssicherheit bei gleichzeitig geringen wirtschaftlichen Risiken bietet. Die virtuelle Kraftwerksscheibe eröffnet den Stadtwerken ähnliche Vorteile wie bei eigenen Erzeugungsanlagen, ohne dass die Stadtwerke die wirtschaftlichen Risiken eines Kraftwerkbaus und des Anlagenbetriebs übernehmen müssen. Damit entspricht EnBW dem vielfach von Stadtwerken geäußerten Wunsch nach Unabhängigkeit von den Entwicklungen der Strombörse. Das neue Produkt ermöglicht den Strombezug zu langfristig fairen Preisen auf Basis der tatsächlichen Kostenstruktur eines Kraftwerks. So können einerseits kleine Leistungen gezeichnet und andererseits zwischen einem virtuellen Gas- oder Steinkohlekraftwerk oder einer Kombination gewählt werden. Die Stadtwerke können somit ihren Strombezug verlässlich planen und auch von der Strommenge flexibel gestalten, ohne sich verbindlich an den Bau eines realen Kraftwerks binden zu müssen. Der entscheidende Vorteil ergibt sich für die Stadtwerke aus der garantierten Sicherheit der Belieferung. Der Strom aus dem virtuellen Kraftwerk fließt garantiert immer, verspricht EnBW. Angeboten werden zwei Alternativen mit festen Laufzeiten von 15 bzw. 30 Jahren. Das entspricht der wirtschaftlichen Lebensdauer eines Gas- bzw. Steinkohlekraftwerks.
Besonderheiten der Markenführung bei Dienstleistungen Die Bedeutung von Dienstleistungen als ein eigenständiges Angebot an den Kunden stieg in den vergangenen Jahren kontinuierlich an. Konsequenterweise stellt sich daher die Frage, inwieweit die Besonderheiten der Dienstleistung gegenüber einem klassischen Produkt eine Modifikation bestehender Markenführungsansätze erforderlich macht. Hierfür ist es zunächst notwendig, die Besonderheiten einer Dienstleistung darzustellen. Zur Bestimmung eines Dienstleistungsbegriffs gibt es eine Vielzahl an Definitionen, die als Komplementäre zur Festlegung des Dienstleistungsbegriffs herangezogen werden.
147
5.1 Markenführung und Marketing-Mix
EnBW investiert kontinuierlich in die Entwicklung innovativer Produkt- und Servicekonzepte, um den Kunden Lösungen anzubieten, die Energieeffizienzkonzepte kundenorientiert umsetzen. Ausgangspunkt der virtuellen Kraftwerkscheibe war der ständig steigende Strompreis in den Großhandelsmärkten. Der Kundenwunsch, Teilmengen des Beschaffungsportfolios im B2B-Bereich abgekoppelt von den Stromgroßhandelsmarktpreisen langfristig zu sichern, hat EnBW dazu bewogen, ein neues „Stromprodukt“ zu konzipieren – die EnBW virtuelle Kraftwerksscheibe. Damit ist und bleibt EnBW Innovations- und Marktführer in Sachen Energieeffizienz. Die virtuelle Kraftwerksscheibe ist ein innovatives Konzept, das EnBW den Stadtwerken anbietet.
Implementierung der Markenführung
5.
Demzufolge sind Dienstleistungen: selbstständige, marktfähige Leistungen (beispielsweise die Inspektion eines Autos in der Kfz-Werkstatt) die mit der Bereitstellung und/oder dem Einsatz von Leistungsfähigkeiten verbunden sind: Der Mitarbeiter der Kfz-Werkstatt muss die Fertigkeiten und Kompetenz besitzen, das Fahrzeug zu warten und zu reparieren. Interne und externe Faktoren werden im Rahmen des Erstellungsprozesses kombiniert: Damit die Inspektion an dem Fahrzeug durchgeführt werden kann, muss der Kunde das Fahrzeug in die Kfz-Werkstatt bringen und der Mitarbeiter muss sich ebenfalls dort aufhalten. Die Faktoren werden von einem Dienstleistungsanbieter mit dem Ziel eingesetzt, an den externen Faktoren, an Menschen oder deren Objekten nutzenstiftende Wirkungen zu erzielen: Die Inspektion bzw. die Reparatur offeriert dem Kunden einen tatsächlichen Nutzen. Im Gegensatz zum Anbieter einer Sachleistung offeriert der Anbieter einer Dienstleistung kein fertiges Produkt, sondern die Fähigkeiten und die Bereitschaft zur Erbringung einer spezifischen Leistung (vgl. Engelhardt/Kleinaltenkamp/Reckenfelderbäumer 1993, S. 398 f.): Der Mitarbeiter in der Kfz-Werkstatt liefert dem Kunden keine „vorgefertigte“ Inspektion oder Reparaturleistung, sondern er stellt seine Fähigkeiten bereit, das Fahrzeug des Kunden direkt zu reparieren. Das Ergebnis und die Qualität der Inspektion oder der Reparatur kann mit den Fähigkeiten des jeweiligen Mitarbeiters variieren. Es handelt sich damit um ein Leistungsversprechen des Dienstleistungserbringers an den Kunden: Der Kunde hat nicht die Möglichkeit die Qualität der Reparatur im Vorfeld zu testen, sondern muss sich auf Ersatzindikatoren verlassen, die einen Rückschluss auf die Dienstleistungsqualität zulassen. Die Leistungspotenziale beziehen sich dabei sowohl auf persönlich erbrachte Dienstleistungen (beispielsweise in der Autowerkstatt) als auch auf maschinell erbrachte Dienstleistungen (zum Beispiel der Geldautomat). Neben dem Dienstleister ist auch der Kunde ein unverzichtbarer Bestandteil einer Dienstleistung. Der Kunde als so genannter externer Faktor gelangt in der Regel zeitlich begrenzt in den Verfügungsbereich eines Dienstleistungsanbieters (zum Beispiel in das Reisebüro, in das Restaurant), wo die Dienstleistung erbracht wird. Weiteres Charakteristikum ist die Immaterialität der Dienstleistung. Die Leistung wird erst mit dem Erstellungsprozess Realität. Die Immaterialität der Dienstleistung birgt allerdings das Problem der Markierung bzw. Kennzeichnung der Leistung. Streng genommen bedarf ein Sachgut keiner Kennzeichnung, da das Vorzeigen des Produktes allein ausreichend ist, um ein gemeinsames Verständnis zwischen Anbieter und Nachfrager hinsichtlich der Art und der physischen Beschaffenheit des Produktes zu erhalten. Dienstleistungen dagegen erfordern eine der Leistung vorgelagerte Verhandlung zwischen den beteiligten Marktpartnern. Eine Konkretisierung der Dienstleistung erfolgt erst mit der Spezifikation des Leistungserbringers, da dieser mit seinen individuellen Fähigkeiten eine notwendige Bedingung zur Erbringung einer Dienstleistung ist. Um trotz der Immaterialität eine Dienstleistung zu markieren, sind verschiedene Möglichkeiten denkbar. So können die zur Leistungserstellung notwendigen Dienstleister markenspezifisch gekennzeichnet werden. Die Mitarbeiter von Fluglinien beispielsweise tragen eine Uniform als Form der Markierung. Darüber hinaus lassen sich tangible Elemente einer Dienstleistung mit einer Markierung versehen, zum Beispiel das Besteck oder die Give aways einer Fluglinie.
148
Tabelle 9 stellt die wesentlichen Unterschiede zwischen Sachleistungen und Dienstleistungen dar.
Objektart Dienstleistungen
Objektart Sachleistungen
Ergebnis des Produktionsprozesses
Immateriell (und materiell)
Materiell
Leistungsangebot
Immateriell (nicht vorführbar)
Materiell (vorführbar)
Lagerbarkeit
Nicht lagerbar
Lagerbar
Transportierbarkeit
Nicht transportierbar
Transportierbar
Beteiligte an der Leistungserstellung
Erstellung bedarf der Interaktion zwischen dem Kunden oder seiner Objekte und dem Dienstleister
Erstellung ist ohne Beteiligung des Kunden möglich
Zeitpunkt der Erstellung
Erstellung und Absatz erfolgen zeitgleich
Erstellung und Absatz sind zeitlich getrennt
Zeitpunkt der Einigung zwischen Anbieter und Kunde
Einigung vor der Leistungserstellung
Einigung i.d.R. nach der Leistungserstellung
Ort der Leistungserstellung
Interaktionsort (bedingte Standortgebundenheit)
Produktionsstätte
Eigentumsübertragung
Nutzung, keine Eigentumsübertragung
Eigentumsübertragung
Homogenitätsgrad des Prozessergebnisses
Heterogen/individuell
Homogen
Fixkostenanteil
Hoch
Vergleichsweise gering
Leistungs- und Preisdefinition
Intransparent
Vergleichsweise transparent
5.1 Markenführung und Marketing-Mix
Kriterium
Tabelle 9: Sachleistung versus Dienstleistung
149
Aufgrund der genannten Besonderheiten von Dienstleistungen ergeben sich die nachfolgenden Implikationen für die Führung und das Management von Dienstleistungsmarken:
Implementierung der Markenführung
5.
Das subjektive Kaufrisiko In den überwiegenden Fällen impliziert eine Dienstleistung ein Leistungsversprechen, das zum Zeitpunkt des Kaufs noch nicht realisiert ist und damit für den Kunden mit einem subjektiven Risiko verbunden ist. Verstärkt wird die mit dem Kauf verbundene Unsicherheit durch eine begrenzte Reversibilität. Dienstleistungen können bei Nichtgefallen in der Regel nicht umgetauscht oder zurückgenommen werden. Hinzu kommt, dass der Kunde oder ein von ihm überlassenes Verfügungsobjekt in den Leistungserstellungsprozess integriert wird, zum Beispiel das Fahrzeug, das zur Inspektion in die Werkstatt gebracht wird. Somit kommt der Marke aus Kundensicht eine Vertrauens- und Orientierungsfunktion zu. Dieser Vertrauensfunktion kann eine Marke aber nur gerecht werden, wenn das dahinter stehende Leistungsversprechen in einer konstanten Qualität auch eingehalten wird. Die Imitier- und Austauschbarkeit von Dienstleistungen Dienstleistungen sind immateriell und stellen Handlungsabläufe dar, die unter Umständen einfach zu imitieren sind. Der Differenzierungsfunktion von Marken bei Dienstleistungen kommt daher eine besondere Bedeutung zu. Zudem sind die Angebote der Dienstleister einer Branche in ihrem Grundnutzen sehr ähnlich und vom Kunden nur sehr schwer zu unterscheiden. In einem solchermaßen geprägten Markt- und Wettbewerbsumfeld kann eine Dienstleistung nur erfolgreich sein, wenn es ihr gelingt, eine eigenständige Markenidentität aufzubauen, sich zu positionieren und ein klares Markenimage aufzubauen. Daher gewinnt im Dienstleistungsbereich der Mitarbeiter zur Entwicklung der Markenidentität noch mehr an Bedeutung als bei einem Sachgut. Der Mitarbeiter tritt gegenüber dem Kunden unmittelbar in Erscheinung und ist damit ein Repräsentant für die Marke. Die Interaktion zwischen Mitarbeiter und Kunde und die Kompetenz der Mitarbeiter sind entscheidende Stellhebel für ein erfolgreiches Markenmanagement von Dienstleistungen. Das Handeln und Verhalten des Mitarbeiters wird für den Kunden direkt erfahrbar und bildet damit die Grundlage für eine kundenindividuelle Imagebildung. Bei Dienstleistungen besteht eine unmittelbare Abhängigkeit der Dienstleistungsqualität von der Kooperationsbereitschaft des Kunden, der an der Dienstleistungserstellung direkt oder indirekt beteiligt ist. Das Verhalten der Mitarbeiter muss daher kundenspezifisch so gewählt sein, dass es die Kooperationsbereitschaft des Kunden fördert. So sollte die Zeit, die der Kunde mit dem Dienstleister zur Erstellung der Dienstleistung verbringt oder für ihn aufwenden muss, als so angenehm wie möglich empfunden werden. Damit der Kunde auch bei einer wiederholten Inanspruchnahme der Leistung in seinen aufgebauten Erwartungen an die Dienstleistungserstellung und -qualität sowie das Markenimage bestätigt wird, ist ein konsistentes Mitarbeiterverhalten die grundlegende Voraussetzung. Die damit verbundene Herausforderung wird schnell deutlich: Trotz einer Standardisierung des Mitarbeiterverhaltens ist eine Individualisierung während der Interaktion mit dem Kunden notwendig. Dies mag auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen, aber ein einheitliches Verhalten soll nicht verstanden werden als die strikte Gleichartigkeit des Verhaltens, sondern als eine gleichförmige Vermittlung der Markenmerkmale.
150
Strom – ein Produkt oder eine Dienstleistung?
Servicekampagnen der EnBW – eine Auswahl Die Marktforschung hat bestätigt, dass das Vertrauen in den Stromanbieter von besonderer Wichtigkeit für den Kunden ist. Das Vertrauen richtet sich primär auf das Versprechen der Lieferfähigkeit. Noch immer sind die Bedenken, dass ein Stromanbieter keinen Strom mehr liefert das am häufigsten genannte Wechselhemmnis. Bei der Vermarktung von Strom und beim Aufbau einer Strommarke ist es daher wichtig, nicht allein das Produkt, sondern das Versprechen der zuverlässigen Lieferung zu kommunizieren und auch einzuhalten.
Zum Aufbau eines solchen einheitlichen Verhaltens ist es notwendig, dass die Mitarbeiter ein ausgeprägtes Brand Citizenship Behavior zeigen, das getragen ist von einem hohen Brand Commitment. Brand Commitment ist die emotionale Bindung des Mitarbeiters an die Marke und an das Unternehmen. Die Herausforderungen für eine erfolgreiche Dienstleistungsmarke liegen daher in der Personalauswahl und der Markenkommunikation. Im Rahmen der Personalauswahl ist ein größtmöglicher Fit zwischen der Markenidentität und der Persönlichkeit des potenziellen Mitarbeiters anzustreben, während die Markenkommunikation nicht nur nach außen, sondern auch nach innen ein klares, konsistentes und nachhaltiges Markenimage zu vermitteln hat. Neben dem Mitarbeiterverhalten resultiert das Markenimage aus den weiteren wahrnehmbaren Elementen im Umfeld der Dienstleistung. Dies sind beispielsweise rein optische Eindrücke wie die Raumgestaltung, die Sauberkeit der Räumlichkeiten, Attraktivität des Umfeldes, etc.
151
5.1 Markenführung und Marketing-Mix
Immer wieder liest und hört man, dass Strom ein Produkt ist. Allerdings weist Strom auch Eigenschaften auf, die eher auf eine Dienstleistung hinweisen. Ein Produkt ist physisch anfassbar und lagerfähig. Diese beiden Eigenschaften treffen auf Strom nicht zu. Zudem ist der Kunde nicht in der Lage, die Qualität des Stroms im Vorfeld der Kaufentscheidung zu prüfen. Aus diesen Gründen ist es für eine erfolgreiche Markenführung notwendig, Instrumente von Dienstleistungsmarken zu integrieren. Serviceversprechen sind eines dieser Instrumente, die auch EnBW für sich definiert hat. Sie operationalisieren die Markenwerte in Versprechen für den Kunden, an denen sich die tatsächlichen Leistungen von EnBW und den Mitarbeitern messen müssen. Die Serviceversprechen werden über spezifische Servicekampagnen kommuniziert.
Implementierung der Markenführung
5.
Um eine starke Marke aufzubauen, bedarf es weiterhin einer hohen Übereinstimmung zwischen der Markenidentität und der Identität der angesprochenen Zielgruppe. Wird der Kunde während der Leistungserstellung von Dritten wahrgenommen, so kann die Markenidentität durch die Kundenidentität geprägt werden. Insbesondere Hotels, Restaurants und Friseure prägen ihre Markenidentität und ihr Markenimage maßgeblich über die Identität und das Image ihrer Kunden. In der Folge ist es die Aufgabe der Markenführung, solche Kundensegmente gezielt anzusprechen, die zur Markenidentität passen und gegebenenfalls den Kundenzugang zur Dienstleistung entsprechend zu steuern, zum Beispiel durch eine festgelegte Kleiderordnung oder die Beschränkung des Zugangs über eine Mitgliedschaft.
5.1.2 Preis Der Preis rückt immer weiter ins Zentrum der marketing- und markenpolitischen Überlegungen. Preisbezogene Werbemaßnahmen, wie Sonderangebote, Rabatte und Bonussysteme haben in den letzen Jahren zugenommen. Gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten versuchen Handel und Industrie die zurückhaltende Nachfrage durch Spezialangebote und Lockpreise zu steigern. Aktuelle Discountangebote und Werbekampagnen, wie „Geiz ist geil“ intensivieren zusätzlich den Preiskampf zwischen den Anbietern. Die Folgen für die Unternehmens- und Produktmarken bleiben dabei häufig unberücksichtigt. Der unternehmerische Ansatz den Umsatz und den Marktanteil auch in Zeiten härteren Wettbewerbs und wechselfreudiger Kunden mit abnehmenden Markenpräferenzen über eine Preisreduktion zu steuern, ist kontraproduktiv. Eine aggressive Preisstrategie und die Einzigartigkeit einer Marke stehen zueinander im Widerspruch. Es ist die Einzigartigkeit des Leistungsversprechens, für die der Verbraucher bereit ist, ein Preispremium zu zahlen. Um eine Marke zu differenzieren und einer Vergleichbarkeit vorzubeugen, muss die Marke mit einem einzigartigen, differenzierenden Leistungsversprechen ausgestattet sein. Für die Marke Volvo beispielsweise sind die Sicherheit und die Stabilität das differenzierte Markenversprechen. Ein Kunde, der besonderen Wert auf diese Eigenschaften legt, zahlt für diese Marke einen höheren Preis und erwirbt dafür einen besonderen Nutzen. Preisreduktionen – offen oder versteckt über Rabattaktionen und Bonussysteme –, um den Verkauf zu fördern, folgen häufig einer kurzfristigen Sichtweise. Mittel- bis langfristig sind damit nur bedingt Umsatzzuwächse zu erzielen. Stattdessen verliert die Markenidentität an Prägnanz und der Markenwert sinkt. Zahlreiche Luxustextilmarken versuchen in regelmäßigen Abständen durch zusätzliche Niedrigpreisprodukte in Kaufhäusern und Supermärkten weitere Käufergruppen anzusprechen und damit den Absatz auszuweiten. Im Ergebnis wird durch diese Aktionen aber das Differenzierungskriterium „Exklusivität“ ausgehebelt, der Markenkern verwässert und im Extremfall sogar zerstört. Es stellt sich nun die Frage, wie eine Marke zum Umsatzwachstum des Unternehmens beiträgt, ohne über eine Preisreduktion das Risiko einer Markenwertminderung einzugehen. Grundsätzlich sind die preispolitischen Zielsetzungen auf die Unternehmensziele abzustimmen, was zu Widersprüchen führen kann. Ein besonderes Konfliktpotenzial besteht zwischen dem
152
Profitabilitäts- und dem Mengenziel. Es wird die Durchsetzung eines höheren Preises ohne den Verlust von Marktanteilen angestrebt, was aber nur schwer miteinander zu vereinbaren ist. Daher sind beide strategischen Zieloptionen zu analysieren, zu bewerten, gegeneinander abzuwägen und eindeutig zu entscheiden. Eine Entscheidung über die Struktur, die Elemente und die Höhe des Preises, sollte sich an folgenden Prinzipien orientieren:
Das Beispiel des Stromanbieters Vattenfall vermag dies zu verdeutlichen. Vattenfall Europe ist 2003 unter anderem aus dem Berliner Stromversorger Bewag und den Hamburgischen ElektrizitätsWerken hervorgegangen. Im Jahr 2007 hat eine Pannenserie bei dem deutschen Stromversorger zu einer beispiellosen Kundenflucht geführt. Rund 200.000 Endkunden, also circa sieben Prozent, haben in Berlin und Hamburg dem Unternehmen den Rücken gekehrt Im deutschen Strommarkt hat bisher kein Exmonopolist derart schwere Verluste hinnehmen müssen. Zunächst hatte der Konzern seine Kunden in Berlin und Hamburg mit einer Preiserhöhung verärgert. Zu heftigen Protesten von Verbraucherschützern und zu zahlreichen Kündigungen kam es aber erst, als Vattenfall im Juni 2007 einen Kundenbrief verschickte, in dem der günstigste Tarif verschwiegen und eine Zusatzversicherung aufgedrängt wurde. Nach Zwischenfällen in den beiden schleswig-holsteinischen Atommeilern Krümmel und Brunsbüttel behinderte Vattenfall im Nachgang eine schnelle Aufklärung und zog scharfe Kritik am Krisenmanagement auf sich. In der Folge ist Vattenfall nicht wie geplant schon 2007 in den bundesweiten Stromvertrieb eingestiegen, sondern hat den bundesweiten Markteintritt auf 2008 verschoben. Um die verlorenen Marktanteile wiederzugewinnen, versucht sich der Konzern über eine gezielte Kampagne im Bereich Umweltschutz positiv darzustellen. Das Zusammenspiel der Vorkommnisse und die gleichzeitige Preiserhöhung haben zu einem Vertrauensverlust der Kunden geführt, den Vattenfall nur unter erheblichen finanziellen und zeitlichen Aufwand wiederherstellen kann. Preiserhöhungen greifen in der Regel nur dann, wenn sie in einem gesicherten unternehmerischen Umfeld getroffen werden (vgl. hierzu unter anderem Die Welt, Ausgabe vom 11. Dezember 2007).
153
5.1 Markenführung und Marketing-Mix
Transparenz versus Komplexität Für Marken, die eine marktbeherrschende Stellung haben, ist es vorteilhaft, komplexe Preismodelle einzusetzen, die die maximale Preisbereitschaft der Konsumenten abschöpfen und damit direkte Preisvergleiche erschweren, zum Beispiel T-Mobile. (Skimming-Strategie). Herausforderer in einem Markt sollten ihre Kunden dagegen mit einfachen Preismodellen ansprechen. Dies gilt insbesondere für Marken (Gattungsmarken), die über eine Niedrigpreisstrategie (Penetrations-Strategie) möglichst schnell Marktanteile gewinnen wollen, beispielsweise Simyo oder Base. Attraktion und Selektion Preise besitzen eine Signal- und Selektionsfunktion. Unabhängig von der konkreten Preishöhe muss sichergestellt sein, dass eine ausreichende Anzahl an potenziellen Käufern selektiert und gewonnen wird (Attraktionseffekt). Kundenbindung Mit Hilfe von Staffelpreisen, Rabatten, Boni und zweiteiligen Tarifen mit einem fixen Grundpreis und variablen nutzungsabhängigen Preisen soll der Mehrkonsum und damit die Markenloyalität der Kunden gefördert werden.
Implementierung der Markenführung
5.
Damit ist noch keine Aussage über die genaue Festlegung der Preishöhe getroffen worden. Eine pauschale Antwort lässt sich an dieser Stelle auch nicht geben, da der Preis von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird, deren Gewichtung produkt- und branchenspezifisch variieren. In den Unternehmen existiert ein komplexes System an unterschiedlichen Preisen, die sich differenzieren im Hinblick auf den gewählten Distributionskanal, in Abhängigkeit von der aktuellen Wettbewerbssituation und dem Zeitpunkt des Kaufs beziehungsweise der Inanspruchnahme der Leistungen. In der Folge entstehen Intransparenzen in der Preisgestaltung bis hin zur Kundenunzufriedenheit aufgrund einer preislichen Ungleichbehandlung und einer Verwässerung des Markenimages, insbesondere bei Premiummarken. Dennoch stehen die Marke und der Preis in einem unmittelbaren Verhältnis. Verschiedene Studien weisen auf diesen Zusammenhang hin. Die aktuelle Verbrauchsund Medienanalyse (VuMA) kommt zu dem Ergebnis, dass insbesondere Konsumenten, die eine hohes Produktinvolvement und Produktinteresse aufweisen, eher auf die Marke und weniger auf den Preis achten. Auf den ersten Blick scheint der Preis das entscheidende Kriterium zu sein. Über alle untersuchten Produktbereiche hinweg gibt eine Mehrheit von 57 Prozent der Konsumenten an, eher auf den Preis zu achten. Auf die Marke achtet insgesamt nur jeder Dritte (37 Prozent). Betrachtet man jedoch die Produktinteressierten, ändert sich das Bild. Konsumenten, die an einem spezifischen Produkt interessiert sind, achten mehrheitlich auf die Marke (59 Prozent), den Preis nennt hier nur jeder Dritte (39 Prozent) als relevantes Kriterium. Dieser Einfluss des Produktinteresses erstreckt sich auf alle Produktbereiche, also von langlebigen Konsumgütern wie Autos bis hin zu Produkten des täglichen Bedarfs. Das strategische Preismanagement stellt verschiedene Optionen langfristig ausgerichteter Preisentscheidungen zur Verfügung, die die Konsequenzen auf das Verhalten der Kunden und der Konkurrenz berücksichtigen (siehe Abbildung 26).
Preispositionierung Discountstrategie Premiumstrategie
Preishöhe
Preislogik Preislagenstrategie
Preisindividualisierung Rabatt- und Bonusstrategien
Preisdifferenzierung
Abbildung 26: Preisstrategische Optionen einer Marke (in Anlehnung an Becker 2006)
154
Preisanpassung Preisvorteilsstrategie Preisbündelungsstrategie
Die zentralen Fragestellungen in diesem Zusammenhang lauten:
Preispositionierung Die Festlegung der Preispositionierung betrifft die Frage nach der richtigen Kombination von Preis und Qualität einer Marke. Geht eine relativ hohe Leistung mit einem relativ hohen Preis einher, so ist eine Positionierung als Premiummarke angestrebt. Entsprechend geht eine Positionierung als Niedrigpreismarke mit einem relativ niedrigen Preis und einer relativ niedrigen Leistungsqualität einher. In der Realität sind allerdings Abweichungen von dieser streng dichotomischen Sichtweise anzutreffen. Discounter wie Aldi bieten gemessen an der relativ hohen Qualität einen besonders günstigen Preis. Hier ist es der Preis, der im Marketing-Mix die entscheidende Rolle spielt, dem sich alle anderen Marketing-Mix-Instrumente unterordnen. Er wird aktiv eingesetzt, zum Teil auch preisaggressiv, um sich im Rahmen der Preisvorteilsstrategie von der Konkurrenz zu differenzieren. Die „Discountmarke“ bietet Dauerniedrigpreise und verzichtet auf temporäre Preisschnäppchen des festen Sortiments, um die dauerhafte Vorteilhaftigkeit des Angebots nicht in Frage zu stellen. Um die Produkte langfristig zu günstigen Preisen anbieten zu können, genügt es nicht, nur niedrigere Preise als der Wettbewerber zu verlangen. Voraussetzung ist, dass die Organisationsstruktur des Unternehmens flach ist und der Absatz mehr oder minder über Selbstbedienung erfolgt. Darüber hinaus müssen Skaleneffekte konsequent genutzt werden bei einem gleichzeitigen Erhalt des relativ hohen Qualitätsniveaus der Produkte. Die Kostenstruktur ist konsequent und dauerhaft auf die Preispositionierung ausgerichtet. Hierfür werden permanent Kostensparpotenziale identifiziert und genutzt, neue Absatzmärkte und Zielgruppen gewonnen und der Druck auf die Zulieferer und damit auf die Einkaufspreise erhöht. Dabei muss der Anteil der preissensitiven Kunden ausreichend groß sein, um die Kostendegression ausschöpfen zu können. Insgesamt ist der erfolgreiche Einsatz einer Discountstrategie daran geknüpft, dass sich das Sortiment auf ein begrenztes Angebotsfeld und auf die zentralen Leistungskomponenten des Kundennutzens konzentriert. Ferner muss der dauerhafte Preisvorteil für den Kunden wahrnehmbar sein und das Unternehmen neben der Preisführerschaft auch eine klare Kostenführerschaft einnehmen. Das gesamte Unternehmen wird also von den Kosten und den Preisen her gesteuert.
155
5.1 Markenführung und Marketing-Mix
Welche Preispositionierung strebt die Marke an? Wie muss der Preis gesetzt werden, um eine ausreichende Anzahl an Kunden zu gewinnen und an die Marke zu binden, die Kosten und die Gewinnerwartungen zu decken sowie die Kapazitäten dauerhaft auszulasten? Welcher Preislogik soll die Markenpreisstrategie folgen? Wird die Marke zu einem einheitlich festgelegten Preis angeboten (Einheitspreisstrategie) oder variiert der Preis (differenzierte Preisstrategie)? Im Falle einer Preisdifferenzierung ist festzulegen, welche Kriterien hierfür herangezogen werden. Welche Rolle und Funktion hat die Preisfestsetzung innerhalb der Markenführung? In welchem Maße gelten die Preise als fix beziehungsweise mit welchen Instrumenten lassen sich die Preise kurzfristig an neue Marktgegebenheiten anpassen? Soll der Preis aktiv eingesetzt werden, um Preispositionen zu besetzen, auszubauen und zu verteidigen oder eher passiv, um Preiskämpfen vorzubeugen?
Schließlich ist zu prüfen, ob der Zielmarkt überhaupt „discountgeeignet“ ist und die Kunden die Vereinfachungen und Einschränkungen im Leistungsangebot akzeptieren. Ein erfolgreiches Beispiel hierfür ist RyanAir. Die Flugpreise liegen deutlich unter denen der Wettbewerber, bieten aber dennoch einen komfortablen Flug mit einem freundlichen Service, aber ohne Extras und nur mit einem limitierten Flugangebot. RyanAir ist eine der wenigen Fluggesellschaften, die in der Lage sind, weiter profitabel zu wachsen.
Implementierung der Markenführung
5.
Bei Premiumstrategien dagegen steht weniger der Preis als vielmehr die Qualität, die Kompetenz und Alleinstellung der Leistung im Vordergrund. Der vom Kunden empfundene Wert des Produktes ist die Basis für den geforderten Preis. So kann beispielsweise Bekleidung mit Gore-Tex im Vergleich zu den Wettbewerbern aufgrund des von den Kunden wahrgenommenen Marken- und Produktnutzens ein deutliches Preispremium realisieren. Die Premiumstrategie ist somit von einer hohen unternehmerischen Relevanz, da die Kosten der Marke und der Markenführung in der Regel unter dem wahrgenommenen Wert der Marke liegen.
Wer mehr bietet, darf mehr verlangen. Audi hat seine Produktpalette kontinuierlich den sich verändernden Kundenbedürfnissen angepasst. Den Kunden wird eine lebenszyklusorientierte Produktpalette angeboten, die geprägt ist durch eine hohe Qualität und zahlreiche technische Innovationen. Mit diesen Kundennutzen steigt die Preisbereitschaft der Kunden und Audi kann sich nachhaltig gegenüber dem Volumensegment abgrenzen. Sowohl der durchschnittlich gezahlte Preis für einen Neuwagen als auch das durchschnittliche Netto-Haushaltseinkommen der Audi-Kunden ist seit 1999 stetig gestiegen. Audi ist es damit erfolgreich gelungen am Wachstum (quantitativ und qualitativ) der Zielgruppe im progressiven Milieu teilzuhaben. Es ist aber nicht allein der Verkauf von Fahrzeugen, sondern auch der Service, der dem Premiumanspruch der Marke gerecht werden muss – Premiumservice für Premiumkunden. Die Faszination der Marke Audi, ihre Exklusivität, ihr Anspruch und ihre Werte sollen in allen Bereichen umfassend und durchgängig erlebbar werden, um beim Kunden ein eindrucksvolles Markenerlebnis zu erzeugen. Dieses gilt es auch im Service erlebbar zu machen. Unter Service wurden früher primär Wartungsereignisse und Reparaturen sowie Teile- und Zubehörverkauf verstanden. Die exzellente Reparaturqualität wird durch innovative Diagnosesysteme und hohe technische Kompetenz gewährleistet. Heute kommt zu dieser Basisleistung die Erfüllung von Kundenbedürfnissen wie Mobilitätserhaltung und Convenience hinzu. Das Spektrum der Serviceprogramme reicht von der Mobilitätserhaltung (Mobilitätsgarantie, Ersatzwagen-Service, Hol- und Bring-Service), über einen Airport-Service, bei dem das Fahrzeug gewartet wird, während der Kunde auf Reisen ist, bis hin zur Garantieversicherung Audi CarLife Plus, die vor unerwarteten Reparaturkosten über die Gewährleistung hinaus schützt.
Preisdifferenzierung, Preisindividualisierung und Preislogik Preisdifferenzierungen sind ein geeignetes Instrument, um den Erlös eines Unternehmens nachhaltig zu steigern. Im Rahmen der Preisdifferenzierung werden gleiche oder ähnliche Marken an
156
Den Vorteilen der Preisdifferenzierung stehen aber auch Nachteile gegenüber. So geht die Preisdifferenzierung mit einer wachsenden Komplexität und Kannibalisierungseffekten sowie Irritationen im Kaufverhalten bei inkonsistenten und zu großen Preisunterschieden einher, die sich unmittelbar auf die Erlöse und Kosten auswirken. Bei einer Preisdifferenzierung ist daher darauf zu achten, dass die Märkte bzw. Marktsegmente, zwischen denen differenziert wird, streng voneinander abgeschottet sind, die Kosten der Differenzierung dessen Nutzen nicht übersteigen und dass Arbitrage zwischen den Marktsegmenten ausgeschlossen ist. Die Notwendigkeit einer Preislogik ergibt sich im Zusammenhang einer produktorientierten Preisdifferenzierung. Für die Wahrnehmung und Beurteilung der Preislogik spielen die Einstiegspreise, die Preisstufen innerhalb der Produktlinie sowie die Anzahl der Preisalternativen eine entscheidende Rolle. Im Rahmen der Preislogik sind unterschiedliche Preisstrukturen möglich: Man startet mit einem niedrigen Einstiegspreis und deckt mit deutlichen Preisabstufungen sowohl den mittleren Preisbereich als auch das obere Premiumsegment mit unterschiedlichen Marken ab. Das Angebot von TUI folgt beispielsweise dieser Preislogik. Die Marken „1-2-FLY“ und „L’tur“ bedienen das Niedrigpreissegment, „TUI schöne Ferien“ belegt das mittelpreisige Segment, und „Robinson-Angebote“ richten sich an das Premiumsegment. Preisalternativen können aber auch weniger stark abgestuft sein und sich nur in einer Preiskategorie bewegen. Mit einer Hochpreispositionierung von Luxusuhren der Marke Breitling werden durch geringe Produktvariationen und unterschiedliche Ausstattungsvarianten Preisalternativen generiert. Die Preisalternativen ermöglichen es, für unterschiedliche Kundensegmente preislich passende Produkte anzubieten und eine konsistente Preispolitik zu betreiben.
157
5.1 Markenführung und Marketing-Mix
unterschiedliche Gruppen von Nachfragern zu unterschiedlichen Preisen verkauft. Voraussetzung hierfür ist eine Segmentierung der Konsumenten nach verschiedenen Kriterien, die unterschiedliche Formen der Zahlungsbereitschaft charakterisieren und wiedergeben. Die unterschiedlichen Zahlungsbereitschaften basieren auf dem subjektiv wahrgenommenen Produktwert. Neben einer regionalen Preisdifferenzierung (unterschiedliche Preise in den verschiedenen Absatzmärkten) unterschiedet man eine Preisdifferenzierung nach dem Absatzkanal (Kauf des Produktes im Internet ist günstiger als der Kauf im Ladengeschäft) sowie eine zeitliche Differenzierung (Preis variiert in Abhängigkeit vom Zeitpunkt des Konsums). Aus Unternehmenssicht sind differenzierte Preise von Vorteil, weil dadurch eine Segmentierung der Konsumenten vorgenommen werden kann. Mengenbezogene Preisdifferenzierungen wie Rabatte und Boni weisen gegenüber nicht mengenbezogenen Preisdifferenzierungen den Vorteil auf, dass damit ein Bindungseffekt erreicht werden kann. Für den Konsumenten ist es vorteilhaft, einen Großteil seines Konsums auf einen Anbieter zu konzentrieren. Sie eröffnen dem Kunden die Möglichkeit, das Produkt zu einem individuellen Preis zu erwerben (Preisindividualisierung). Aber auch hier gilt der Grundsatz der Transparenz und der Komplexitätsreduktion. Mit dem Wegfall des Rabattgesetzes Ende Juli 2001 hat sich eine nahezu unüberschaubare Rabatt- und Bonuspolitik etabliert, die der Rabatt- und Bonusgewährung keine einheitlichen Kriterien zugrunde legt und insofern nicht nur für den Kunden, sondern auch für das Unternehmen intransparent ist und damit die Komplexität ansteigen lässt. Eine zieladäquate und strategisch orientierte Rabattpolitik basiert auf den strikten Grundsätzen einer kundenindividuellen und leistungsbezogenen Preisdifferenzierung.
Des Weiteren gibt es die Möglichkeit, im Sinne einer Komplexitätsvermeidung, Marken mit nur wenigen Preisalternativen anzubieten. Dies ist besonders häufig im Zusammenhang mit einer Niedrigpreisstrategie der Fall. Ein Extrembeispiel hierzu ist das so genannte 1 Euro-Kaufhaus, in dem alle Artikel für 1 Euro erhältlich sind.
Implementierung der Markenführung
5.
Das Einhalten einer Preislogik durch gestaffelte Preisstufen erleichtert zum einen den Einstieg der Kunden in eine bestimmte Preis- und Leistungskategorie und fördert zum anderen den Aufstieg des Kunden in eine höhere Preiskategorie („Upgrading“).
Preisanpassung Zur Einführung von neuen Marken oder im Rahmen von Verkaufsförderungsmaßnahmen können Unternehmen ausgewählte Marken mit einem besonderen Preisvorteil anbieten. Diese so genannten Preisattraktionen sind kurzfristig ausgerichtet und sprechen Kunden an, die günstig und vorteilhaft einkaufen wollen, ohne die grundlegende strategische Preis-Leistungs-Positionierung zu beeinträchtigen. Mittels des vorübergehenden Preisvorteils versuchen sich Unternehmen gegenüber den Wettbewerbern für einen begrenzten Zeitraum über eine Position der Vorteilhaftigkeit zu differenzieren (Preisvorteilhaftigkeitsstrategie). Eine weitere Möglichkeit zur Preisanpassung ist die Preisbündelung. Gerade Mehrproduktunternehmen stehen vor dem preispolitischen Entscheidungsproblem, Produkte nur einzeln anzubieten oder aber die Produkte zu einem Bündel zusammenzufassen und für dieses Angebot einen Gesamtpreis zu kalkulieren. Die Preisbündelung besitzt gegenüber dem Einzelverkauf erhebliche Gewinnsteigerungspotenziale, weil sie eine bessere Abschöpfung der Konsumentenrente ermöglicht. Die Strategie der Preisbündelung wird in nahezu allen Branchen erfolgreich angewendet, beispielsweise kann man mit dem Kauf eines Tickets für den Konzertbesuch in der Semper Oper auch gleichzeitig die Hotelübernachtung im Kempinski Taschenbergpalais buchen. Der Kunde kauft das Bündel aufgrund des vermeintlichen Preisvorteils, obwohl er vielleicht bei einem separaten Angebot auf einzelne Bündelbestandteile verzichtet hätte. Gleichzeitig sinken die Preistransparenz und die Preissensitivität sowie die Vergleichbarkeit mit Wettbewerbsangeboten. Dennoch ist in zahlreichen Märkten zu erkennen, dass aufgrund eines verschärften Wettbewerbs, gestiegener Kundenanforderungen und einer zunehmenden Markttransparenz die Preise unter Druck geraten sind. Attraktive Konditionen rücken immer häufiger in das Zentrum von Werbekampagnen, und Kunden feilschen hart um Preise und Rabatte und sind damit eine Quelle der Markenerosion. Ihr kann erfolgreich entgegengewirkt werden, wenn die Preisverhandlung eine Wert- anstatt einer Preisdiskussion ist. Die Preisbereitschaft des Kunden hängt immer vom wahrgenommenen Wert des Markenprodukts (wie Produktqualität) und den Leistungen (wie Beratungsqualität) ab. Diese Werte, die der Kunde erhält und die differenzierenden Markeneigenschaften sollen daher im Zentrum eines (Verkaufs-) Gesprächs zwischen Mitarbeiter und Kunde stehen. Mögliche Zugeständnisse sollten nicht beim Preis des Produktes erfolgen, sondern eher durch Zugaben oder beim Service, um den Wert der Marke nicht in Frage zu stellen.
158
Preis – von besonderem Stellenwert für Stromanbieter?
EnBW bietet den Kunden alternative zielgruppenorientierte Stromprodukte an, die in ihren Preisen gestaffelt sind. Der EnBW Komfort-Tarif bietet einen Rund-um-Service und ist im Vergleich am teuersten. EnBW Aktiv-Tarif ist ein flexibles Stromprodukt mit einer drei-stufigen Preisstruktur, die sich am Verbrauch orientiert und sich automatisch anpasst. Die erste Stufe ist mit einem niedrigen Grundpreis ideal für Kleinverbraucher (zum Beispiel Singles). Die zweite Stufe bietet ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Verbrauchs- und Grundpreis (zum Beispiel für Familien) und die dritte Stufe richtet sich mit einem niedrigen Verbrauchspreis an Haushalte mit hohem Strombedarf. Wird der EnBW Aktiv-Tarif online abgeschlossen, erhalten die Kunden einen weiteren Preisvorteil.
Günstig = billig?
Yello hat zunächst den Ansatz einer Penetrationsstrategie verfolgt, um schnell auf eine kritische Kundenanzahl zu kommen. Die Grundidee von Yello besteht aus dem Prinzip „gut aber einfach“. Die ersten Slogans lauten daher „Strom ist gelb“, „gelb, gut, günstig“ sowie „einfach, ehrlich, einleuchtend“. Für den Kunden soll der Lieferantenwechsel ohne Probleme und möglichst einfach gestaltet werden. Mit dem bundesweit einheitlichen Stromangebot 19/19 – also 19 Pfennig/kWh und 19 DM monatlicher Grundpreis, konnte erstmalig das eigentlich austauschbare Commodity Strom Farbe, Emotion und eine Identifikationsmöglichkeit für Kunden vermitteln – und das alles zu einem einfachen, transparenten und günstigen Preis. Der Erfolg der Penetrationsstrategie von Yello liegt nicht allein in den erfolgreichen Vertriebstätigkeiten. Datenwirrwarr, uneinheitliche Formate und Verhinderungstaktiken mit Quersubventionstatbeständen von Gebietsversorgern erschwerten es Drittanbietern Strom zu wirtschaftlichen Preisen anzubieten. Dem Erstangebot „19/19“ von Yello lag die Annahme zugrunde, dass die Netzentgelte schneller sinken würden als es tatsächlich geschehen ist. Zusammen mit den neu hinzugekommenen staatlichen Belastungen wie der Stromsteuer musste Yello Strom mit wirtschaftlichen Problemen kämpfen, die aber mit der Umstellung auf eine regionale Preisgestaltung mit der Orientierung an den Preisen der Gebietsversorger (Target Pricing) ihre positive Wendung fand.
159
5.1 Markenführung und Marketing-Mix
Das Pricing von Strom erfährt durch Änderungen der Rahmenbedingungen und der Reaktionen einzelner Marktteilnehmer eine neue Dynamik. Insbesondere der Wegfall der Tarifaufsicht, die bevorstehende Anreizregulierung, Unbundling von Preisen, ein branchenweites Benchmarking sowie die zunehmenden negativen Schlagzeilen und Pressemeldungen lassen der Preispolitik von Stromanbietern einen gestiegenen Stellenwert zukommen. EnBW und Yello sind daher gefordert, eine aktive und innovative Preispolitik zu betreiben, um sich so einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Zudem stehen gerade die Stromanbieter derzeit durch die Strompreisdebatte unter einem enormen Preisdruck. Führt man sich allerdings vor Augen, dass der Anteil am Strompreis von jeweils über 30 Prozent für Erzeugungskosten, Netznutzungsentgelte sowie Steuern beträgt, so ist der Spielraum für die Preispolitik begrenzt. Ein Blick in die Stromrechnung eines Privathaushaltes offenbart, dass mehr als 30 Prozent für Stromsteuer, Konzessionsabgabe, Mehrwertsteuer sowie weitere Belastungen nach dem Erneuerbaren Energiegesetz anfallen.
Der Yello-Preis ist heute regional verschieden. Denn Yello Strom – als nationaler Stromanbieter ohne eigenes Netz – ist regional unterschiedlichen Kosten- und Wettbewerbsbedingungen unterworfen. Die Yello-Preise orientieren sich neben anderen, nicht statischen Kostenfaktoren, stark an den Netzkosten der Netzbetreiber. Das kann dann auch an dem Phänomen der Quersubventionierung liegen. Dadurch halten manche Wettbewerber neue Anbieter künstlich – vorübergehend – aus ihrem Stammgebiet fern. Zu untersuchen, ob und wo dies im Einzelfall geschieht, obliegt der Bundesnetzagentur.
Implementierung der Markenführung
5.
Ein Blick auf die Landkarte zeigt, dass Yello im Löwenanteil der Fläche günstiger ist als der Grundversorgungstarif des Wettbewerbs - zumal das Produkt Yello Strom seinen Kunden viele Vorteile neben dem günstigen Preis bietet. Nicht umsonst ist Yello Strom immer wieder Testsieger in zahlreichen Vergleichstests.
Unternehmen und gerade Marken benötigen eine Preisstrategie, die die Preispositionierung und Preisdifferenzierung nachhaltig und klar festlegt. Die konkrete Ausgestaltung erfolgt in Abstimmung mit der angestrebten Positionierung im Markt und der markenspezifischen Wettbewerbssituation.
160
5.1.3 Markenkommunikation
Die Evolution der Yello-Kampagnen.
Die Kommunikation von Yello unterstützt systematisch den Aufbau der Marke. Jede Kommunikationsphase hat eine konkretisierte Zielsetzung, eine eigene Botschaft und eine individuelle Kampagnenidee. 1999 Markenlaunch: Primäres Kommunikationsziel war das Schaffen von Bekanntheit. Die Botschaft „Der gelbe Strom ist da“ war in allen Medien präsent und vermittelte die neuartige Erkenntnis „Strom ist gelb“.
2000–2002 Nachdem die Marke an Bekanntheit gewonnen hat, galt es nun die Marke zu etablieren und die Preiswürdigkeit explizit zu kommunizieren und damit die Positionierung zu untermauern. „Der gelbe Strom ist günstig“ so die Botschaft der Kampagne mit dem „Yello Man“ und Franz Beckenbauer als Werbebotschafter.
2003–2004 In der dritten Phase stand die Verbraucheraufklärung im Vordergrund. Potenzielle Kunden hatten „gelernt“, dass Strom gelb ist und dass gelber Strom günstig ist. Allerdings bestanden noch Wechselbarrieren, die viele Kunden abhielten, den Stromanbieter zu wechseln. Ziel dieser Kommunikationsphase war es nun, die rationalen Wechselbarrieren vermeintlich abzubauen, z. B. waren viele potenzielle Kunden noch der Ansicht, dass mit dem Wechsel ein Risiko verbunden sei, nicht mehr beliefert zu werden. Mit der Botschaft „Der Wechsel ist einfach“ und einem Otto-Normal-Verbraucher an seinem Stromzähler als Werbebotschafter.
161
5.1 Markenführung und Marketing-Mix
Der Markenwert ist ein wichtiger Indikator für eine erfolgreiche Markenführung. Eine Schlüsselrolle für den Aufbau und den Erhalt eines hohen Markenwertes nimmt, insbesondere bei austauschbaren Produkten und Dienstleistungen, die Kommunikation ein. Geht man nun davon aus, dass eine konsequent geführte Marke mehr ist als die Summe ihrer Teile, dürfen die kommunikativen Aktivitäten nicht isoliert voneinander geplant, konzipiert und umgesetzt werden. Sie wirken stattdessen aufeinander abgestimmt und komplementär. Der zugrunde liegende Kommunikationsprozess muss daher sorgfältig geplant und konsequent kontrolliert werden.
2005–2007 Über eine Verbrauchermotivation galt es in dieser Kommunikationsphase, die emotionalen Wechselbarrieren abzubauen und der Schweinehund trat in das Zentrum der Kommunikation. Die zentrale Botschaft lautet „Überwinde Deinen Schweinehund“.
Implementierung der Markenführung
5.
Ab 2008 Das Ziel der Kommunikation liegt in einem Ausbau der Marke durch eine Aufladung der Marke mit weiteren Emotionen. Es ist das gute Yello-Gefühl, das in der Kommunikation, den Kunden und den potenziellen Kunden vermittelt wird, basierend auf dem vielfach ausgezeichneten Yello Service.
Die Markenkommunikation, als „Stimme der Marke“ bewirkt Folgendes: Sie weckt das Bedürfnis nach einer Produktkategorie: Das Handeln der Konsumenten wird durch deren individuelle Bedürfnisse geleitet. Die Kommunikation trägt dazu bei, dass der Konsument Kenntnis über die Existenz der Produktkategorie erhält, die in der Lage ist, sein Bedürfnis zu befriedigen und dass die Marke genau dieser Kategorie angehört. Sie erzeugt Markenbekanntheit: Die Markenbekanntheit umfasst zwei Aspekte: Markenrecognition (passive Markenbekanntheit) und Markenrecall (aktive Markenbekanntheit). Markenrecognition bezeichnet den Sachverhalt, dass Verbraucher nicht den Markennamen erinnern, sondern lediglich aufgrund der Verpackung oder des Logos die Marke am POS wieder erkennen. In diesem Fall sind die Kommunikationsinhalte auf diese Merkmale auszurichten. Der Markenrecall basiert auf dem Bedürfnis nach einem Produkt und der Verbraucher verbindet hier alternative Marken mit diesem Produktbedürfnis. Aufgabe der Kommunikation ist es dann, das Bedürfnis nach der Produktkategorie unmittelbar mit der Marke zu verbinden. Beispielsweise wird das Bedürfnis nach Papiertaschentüchern unmittelbar mit der Marke Tempo verknüpft.
162
Die besonderen Herausforderungen zum Erreichen der formulierten Ziele liegen in einer inhaltlich und formal konsistenten Gestaltung der Markenbotschaft über alle Kommunikationsinstrumente. Darüber hinaus hat die Markenkommunikation die Aufgabe, die Identität der Marke gegenüber internen und externen Zielgruppen zu vermitteln. Im Zentrum steht dabei die Erzeugung von funktionalen und symbolisch emotionalen Nutzenassoziationen, um diese in den Köpfen der Verbraucher zu vereinheitlichen und zu verstärken. Insbesondere der Vermittlung der symbolisch emotionalen Nutzenassoziationen kommt auf Märkten, die durch eine hohe Austauschbarkeit der Produkte gekennzeichnet sind, eine besondere Rolle zu. Die gemeinsame Kommunikation mit den funktionalen Leistungsvorteilen erzeugt so bei den Zielgruppen ein konsistentes Markenimage und trägt nachhaltig zur Steigerung des Markenwertes bei.
Kommunikation und Marke. In der Markenführung von Audi nimmt die Kommunikation einen großen Stellenwert ein. Für alle kommunikativen Maßnahmen ist allerdings die notwendige Voraussetzung, dass sie die Audi-Markenwerte verkörpern. Erfolgfaktoren einer Kommunikation zum Aufbau einer starken Marke sind für Audi:
eine emotionale Kommunikation eine konsistente und integrierte Kommunikation die Nutzung aller Kommunikationskanäle
eine sehr hohe Qualität der Umsetzung Etablierung der Marke durch hochwertige PR, VIP’s, Events, Sponsorings und Direktmarketingaktivitäten.
Die Audi-Kommunikation hat sich im Zuge der Markenführung gewandelt. Ehemals war die Kommunikation auf das Produkt fokussiert und sachlich gestaltet mit einer Vielzahl an Informationen. Die Kommunikation von heute ist dagegen emotional, fokussiert, integriert und konsistent. Zentrale Kampagnen finden ihre inhaltliche und gestalterische Fortsetzung in den Kampagnen der Importeure, in der Händlerwerbung, den Postern in den Schauräumen der Händler, im Audi-Magazin und in den Mailings. So lässt sich eine konsistente Wahrnehmung der Marke und des Produktes sicherstellen, die nachhaltig das Image der Marke prägen.
163
5.1 Markenführung und Marketing-Mix
Sie beeinflusst die Einstellung zur Marke: Die Einstellung zu einer Marke charakterisiert die Einschätzung der Verbraucher, inwieweit die Marke die Bedürfnisse im Vergleich zu anderen Marken derselben Kategorie befriedigen kann. Ziel der Kommunikation ist es, bei allen Anspruchsgruppen, eine positive Einstellung gegenüber der Marke zu erzeugen, zu festigen und im Bedarfsfall auch Einstellungen zu ändern. Sie lenkt die Kaufabsicht: Hat der Konsument eine positive Einstellung gegenüber der Marke, so ist dies ausreichend, um eine Kaufabsicht zu aktivieren. Dies gilt insbesondere für Produkte mit einem geringen wahrgenommenen Risiko. Ist dagegen der Kauf mit einem hohen finanziellen oder persönlichen Risiko verbunden, so dient die Markenkommunikation dazu, die Zielgruppe von der Markenwahl zu überzeugen und somit die Kaufabsicht zu fördern. Sie trägt zur Kauferleichterung bei: Die Markenkommunikation trägt dazu bei, dem Konsument den Zugang zur Marke sowie das Wiederfinden der Marke am POS zu erleichtern. Sie reduziert kognitive Dissonanzen nach dem Kauf: Über die Auswahl geeigneter Kommunikationsmittel kann das Entstehen kognitiver Dissonanzen nach dem Kauf reduziert bzw. vermieden werden – der Kunde erfährt über die Kommunikation eine Kaufbestätigung.
Integrierte Kommunikation
Implementierung der Markenführung
5.
In den vergangenen Jahren haben sich die Kommunikationsbedingungen verschlechtert: Eine stetig wachsende Anzahl von Marken, Medien, Kommunikationsmitteln und -kanälen führt zu einer Informationsüberflutung der Zielgruppen. In der Folge nehmen die Kommunikationswirkungen der einzelnen Maßnahmen sukzessive ab. Eine Optimierung der Kontaktwirkung kann nur eine langfristig konzipierte Kommunikation mit inhaltlich und formal abgestimmten Maßnahmen gewährleisten, die eine klare Positionierung und Differenzierung im Wettbewerbsumfeld bewirken. Eine solchermaßen integrierte Kommunikation umfasst die durchgängige Umsetzung eines Kommunikationskonzeptes, das die Marke positioniert und die einzelnen Maßnahmen widerspruchsfrei und konsistent mit dem Markenimage konzipiert. Darüber hinaus ist eine integrierte Kommunikation in der Lage, Kosten einzusparen: Die Verwendung einheitlicher Muster für die verschiedenen Medien und kommunikativen Inhalte reduziert die Kosten für deren Gestaltung und Umsetzung. Synergien zu nutzen: Aufeinander abgestimmte kommunikative Botschaften können sich gegenseitig stützen und in ihrer Wirkung verstärken. Eine Integration der Kommunikationsmaßnahmen erfolgt über eine zeitliche Integration, eine formale Integration und eine inhaltliche Integration.
Wie aus einer Idee eine integrierte Kommunikation wird. Wichtigstes Ziel der Kommunikation sind die beständige Umsetzung des Markenkerns „Vorsprung durch Technik“ sowie eine stärkere Profilierung der Marke im Bereich „Sportlichkeit“. Dies umfasst alle Bereiche, in denen der Kunde mit der Marke Audi in Berührung kommt. Eine konsequent integrierte Kommunikation über alle Kommunikationskanäle hinweg gibt der Marke ein einheitliches Erscheinungsbild und gewährleistet, dass alle Medien dieselbe Botschaft vermitteln. Audi hat verschiedene Instrumente entwickelt, die sicherstellen, dass der Auftritt der Marke weltweit einheitlich ist und in allen Märkten die gleiche Bedeutung hat. Wie bewirbt Audi ein neues Modell? Indem eine Positionierung festgelegt und diese dann konsequent in allen Kommunikationsmitteln umgesetzt wird. Das bedeutet nicht nur, ein Key-Visual zu entwickeln und alle Mittel damit zu bedrucken. Sondern das bedeutet: eine tragfähige Kernidee zu konzipieren und diese dann mediengerecht und faszinierend umzusetzen, zum Beispiel mit einer Kampagne wie zum Launch des neuen Audi A6. Die Kommunikation begann mit einer „Big-Bang“-Veranstaltung für die internationale Presse. Nachdem durch die Presseberichterstattung Aufmerksamkeit für das neue Produkt geschaffen wurde, setzte die klassische Werbung ein. „Nach eigenen Regeln“. Die gesamte A6 Kampagne steht unter dem Leitgedanken „Nach eigenen Regeln“. Das gilt sowohl für den Audi A6 als auch für die Menschen, die ihn fahren. Mit dem Audi A6 spricht Audi selbstbewusste Menschen an, die eine Balance zwischen Arbeits- und Privatleben erreicht haben. Es sind aktive Menschen, die selbst die Regeln für ihr Leben definieren und sich nicht nach den Erwartungen anderer richten. Für den TV-Spot, eine Hommage an den Filmklassiker „Die Reifeprüfung“, konnte der zweifache Oscarpreisträger Dustin Hoffman gewonnen werden.
164
Printkampagne und TV-Spot zur Einführung des A6 Gemäß dem Claim „Nach eigenen Regeln“ ging Audi für die Einführung des Audi A6 neue Wege in der Medienkooperation. So wurde das A6 Special des „Audi Magazins“ den Aboauflagen verschiedener Wirtschaftsmagazine beigelegt. In Lifestyle-Titeln und anderen Wirtschaftsmagazinen zeigt ein Flipcover auf der Rückseite des Magazins den neuen Audi A6, dahinter folgen sechs Seiten, die den A6 ausführlich darstellen. Eine besondere Kooperation wurde mit dem SZ-Magazin, der wöchentlichen Beilage der Süddeutschen Zeitung, durchgeführt. Das Thema „Nach eigenen Regeln“ wurde von Audi vorgegeben und von den Redakteuren des SZ-Magazins redaktionell interpretiert. Auf acht Seiten werden Menschen vorgestellt, die nach eigenen Regeln leben oder gelebt haben. Eine Eröffnungsseite zu Beginn und eine Doppelseite am Schluss bilden einen Audi Rahmen um die Bildstrecke und erstellen einen deutlichen Bezug zum Audi A6.
SZ-Magazin „Nach eigenen Regeln“
Emotion und Information. Auf Klick. Nach einer Untersuchung des Profnet-Institutes für Internetmarketing ist www.audi.de eine der besten Automobil-Website Deutschlands. Die Site ist emotional ansprechend und weckt Faszination für die Produkte; sie bietet aber auch ausreichend Informationen und Details. Per Newsletter wird man über aktuelle Neuigkeiten informiert. Mittels eines Car-Configurators kann der User sich schließlich sein Wunschauto zusammenstellen. Die Site unterstützt somit den Kunden optimal in der Kaufanbahnungsphase und bildet eine wichtige Verbindung zum Handel. Die Site und die Online-Werbung in Form von Bannern oder Pop-ups sind natürlich in die aktuelle Kampagne integriert.
Audi A6 im Internet
165
Markenführung und Marketing-Mix
5.1
Wer Empfehlungen geben will, muss Erfahrungen sammeln.
Implementierung der Markenführung
5.
Bei der Einführung eines neuen Produktes werden die Audi Importeure und Händler umfassend auf den Launch vorbereitet. Im Rahmen von Händlerpräsentationen lernen sie das Fahrzeug und die von der AUDI AG entwickelten Marketingmittel kennen. Bei der dreiwöchigen Audi A6 Händlerpräsentation in Sardinien erlebten insgesamt 5.500 internationale Gäste einen aufregenden Tag rund um den Audi A6. 230 Fahrzeuge standen für dieses besondere Fahrerlebnis zur Verfügung. Auf der Dynamikfläche vermittelten Rennsport-Profis, was der neue Audi A6 leisten kann. Und bei der Abendveranstaltung im extra für Audi umgebauten Museo Archeologico erhielten die Händler in einer umfassenden Ausstellung alle Informationen zum Produkt und zu den Marketingmitteln, die sie nun auch in ihren Märkten einsetzen.
Impressionen einer Händlerpräsentation des Audi A6
Zeitliche Integration Die zeitliche Stabilität und Konsistenz der durch die Kommunikation vermittelten Inhalte sind die wesentliche Voraussetzung für das Bilden eines klaren Markenimages und eindeutiger Markenassoziationen. Die zeitliche Integration der Kommunikation kann dabei aus zwei unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden: Zeitliche Integration im Sinne einer zeitlichen Stabilität der formalen und inhaltlichen Kommunikationsmittel Zeitliche Integration aus der Konsumentenperspektive während des Kaufentscheidungsprozesses. Der Käufer eines Produktes durchläuft vor, während und nach dem Kauf Phasen wechselnden Involvements. Dieses zeigt sich in der unterschiedlichen Verarbeitungsweise von Medieninhalten und vor allem in der Nutzung unterschiedlicher Medientypen (siehe Abbildung 27).
166
Involvement
2
3
Low Involvement
Höheres Involvement
primär gefühlsbetonte Eindrücke
primär Informationen zum Entscheidungsprozess
Höheres Involvement
4 Siehe
1
5.1
Dissonanzreduktion
Zeit Prägung
Ersatzanlass und Informationsphase
Kaufphase
Nachkaufreaktion
Abbildung 27: Involvementbasierte Kommunikation (vgl. Esch 2002, S. 243)
In der Phase, in der der Konsument kein akutes Bedürfnis verspürt, ist das Involvement gering und die Suche nach Informationen eher zufällig. Der Kontakt erfolgt in der Regel über Massenmedien (Print-, Radio-, TV-Werbung oder über das Internet). Gewinnt nun das zunächst latente Bedürfnis an Bedeutung, steigt auch das Involvement. Der Konsument beginnt, sich mit dem Bedürfnis auseinanderzusetzen und sucht nach allgemeinen Informationen zur Befriedigung des Bedürfnisses. Mit steigendem Involvement sucht der Kunde nach immer konkreteren Informationen, auf deren Basis er dann eine Kaufentscheidung trifft. Der Konsument nutzt in dieser Phase spezifische Kommunikationsmittel, wie Produktprospekte, Berichte in Fachzeitschriften (Vergleichstest), Informationen am POS sowie über das Internet. In dieser Phase gewinnen die so genannten Below-theline-Maßnahmen an Bedeutung. Below-the-line-Maßnahmen sind die Kommunikationsaktivitäten, die nicht der klassischen Kommunikation (Print, TV, Hörfunk) zuzuordnen sind, wie beispielsweise Direktmarketing, Internet, Events oder Sponsoring. In der Nachkaufphase bleibt das Involvement zunächst auf einem hohen Niveau. Der Kunde sucht weiter aktiv nach Informationen, die ihn in seiner Kaufentscheidung bestätigen und somit die kognitive Dissonanz reduzieren. Das Involvement und die Informationssuche sinken dann sukzessiv ab, bis das latente Bedürfnis wieder aktualisiert wird.
167
Markenführung und Marketing-Mix
1
Die Bedeutung der ersten Low-Involvement-Phase, in der der Kunde noch nicht über einen Kauf nachdenkt, darf nicht unterschätzt werden. Zwar werden Informationen nicht aktiv gesucht, jedoch entscheidet der zufällige Kontakt mit klassischer Werbung in dieser Phase häufig darüber, für welche Marken in der Entscheidungsphase überhaupt Informationen eingeholt werden.
Implementierung der Markenführung
5.
Führt man sich vor Augen, dass sich verschiedene potenzielle Kunden zum gleichen Zeitpunkt in ganz unterschiedlichen Phasen der Kaufentscheidung befinden, unterstreicht dies die Notwendigkeit einer kommunikativen Integration über den Zeitverlauf und über unterschiedliche Kommunikationsmedien. Formale Integration Die formale Integration der Kommunikation dient in erster Linie dem Wiedererkennen der Marke. Sie verankert die Marke im Gedächtnis der Konsumenten. Voraussetzung hierfür ist die konsequente Umsetzung des Corporate Design über alle Medien und alle Botschaften hinweg sowie mit einer zeitlichen Stabilität (vgl. Esch 2005, S. 720). Die formale Klammer erleichtert die Verknüpfung von Kommunikationsinhalten mit der Marke. Eine formale Integration erweist sich dann als sinnvoll, wenn unter einer Marke immer wieder verschiedene Produkte und Dienstleistungen kommuniziert werden, zum Beispiel bei IBM, die Hardware, Software und Services anbieten. Des weiteren erleichtert die formale Klammer die Aktualisierung einer Marke in solchen Produktbereichen, die nur ein geringes Involvement beim Konsumenten hervorrufen und in denen eine Top-of-MindAwareness alleine kaufentscheidend sein kann, beispielsweise Tempo bei Papiertaschentücher. Inhaltliche Integration Inhaltlich betrachtet ist es wichtig, auf die zentralen Positionierungsanker der Marke Bezug zu nehmen. Die zentralen Points of Parity (Gemeinsamkeiten mit den Wettbewerbern, beispielsweise die Produktart) und Points of Difference (Unterschiede zu den Wettbewerbern) dienen als inhaltliche Klammern, die allen Botschaften als gemeinsame inhaltliche Basis zugrunde liegen und dem Rezipienten so ein konsistentes Markenschema vermitteln. Die Telekomgesellschaft T-Systems beispielsweise verfolgt eine sehr klare inhaltliche Integrationsstrategie. Der potenzielle Kunde wird durch eine bildlastige Annonce unter der Überschrift „Dynamic Services“ in einer Tageszeitung aufmerksam. Point of Parity sind die IT-Services und Point of Difference ist der „Dynamic”-Aspekt. Der Internetauftritt greift dieses Thema wieder auf: Auf der T-Systems Seite im Internet wird der Konsument mit dem Anzeigenbild begrüßt, das bereits in der Zeitung verwendet wurde, kombiniert mit der Headline „Dynamic Services“. Von hier aus wird der Kunde dann weitergeleitet.
168
Markenführung und Marketing-Mix
5.1
Abbildung 28: Printanzeige und T-Systems-Startseite, eingekreist ist das inhaltliche Integrationsmoment (Motiv und Slogan der Printanzeige)
169
Impulse ausstrahlen – Die EnBW TV-Kampagne 2007.
Implementierung der Markenführung
5.
Mit einem TV-Spot zeigt EnBW deutschlandweit Präsenz mit dem Ziel, die nationale Bekanntheit zu steigern und gleichzeitig die Positionierung als Vordenker und Wegbereiter der Energiebranche weiter zu festigen. Das Fernsehen ist das geeignete Medium zur Imagebildung und zum schnellen Aufbau von Bekanntheit. Die Marke kann so sehr viel emotionaler dargestellt werden, als es beispielsweise in Print-Anzeigen möglich wäre. Um die Aufmerksamkeit zu erhöhen, ist der TV-Spot zweigeteilt in einen 31-sekündgen Hauptspot und einen zehn-sekündigen Folgespot (sog. Nachklapper). Als Testimonial hat EnBW sich für Franz Beckenbauer entschieden. Er strahlt Seriosität und Glaubwürdigkeit aus: Eigenschaften, die auch EnBW in ihrem Markenbild trägt. Der Spot setzt die Marke so in Szene, wie sie ist: zukunftsorientiert und innovativ, als Vordenker und Wegbereiter der Energiebranche, als eine Marke, die nahe am Menschen ist. Umgesetzt wird dies durch eine Mischung aus futuristisch technischen Elementen und emotionaler Nähe. Die Hauptrolle in dem TV-Spot spielt das EnBW Markensymbol, der Impuls. Er greift aktiv in die Handlung ein und lässt aus dem Nichts eine Stadt der Zukunft entstehen.
EnBW TV-Spot Der Impuls ist das Symbol für die Leistungen von EnBW, für die Entschlossenheit und die Tatkraft, mit der EnBW neue Projekte angeht und tagtäglich unter Beweis stellt. Durch diese Darstellungsweise unterscheidet sich der Hauptspot grundlegend von denen der Wettbewerber. Im Folgespot steht der reale Nutzen des EnBW-Kunde im Fokus: der intelligente Stromzähler. Der TV-Spot wird darüber hinaus auch im Internetauftritt fortgeführt und auf einem Werbebanner, einer eigens für die Kampagne eingerichtete Microsite sowie auf der EnBW-Seite aufgegriffen. Die Werbebanner machen auf die Microsite aufmerksam und sind automatisch mit dieser verlinkt. Sowohl über die Werbebanner als auch über die www.enbw.com-Seite gelangt man auf die Microsite. Sie ist ein wichtiges Bindeglied zwischen dem TV-Spot und dem EnBW-Webauftritt. Auf der Microsite kann sich der User einen Überblick beispielsweise über den intelligenten Stromzähler und weitere aktuelle Themen schaffen. Wer mehr erfahren will, wird von der Microsite zur www.enbw.com-Seite gelenkt. Ein Teaser auf der Startseite macht auf den TV-Spot aufmerksam. Darüber hinaus liefert die www.enbw.com-Seite das inhaltliche Fundament der Kampagne mit umfassenden Informationen zu Energieinnovationen und weiteren Impulsen.
Integrierte Kommunikation der EnBW im Internet Die Kampagnenidee ist damit über verschiedene Kontaktkanäle integriert und kann so nachhaltig zur Bekanntheitssteigerung und Imagebildung beitragen.
170
Darüber hinausgehende Botschaften, die sich durchaus segmentspezifisch unterscheiden können, werden dann auf die inhaltliche Basis abgestimmt. Als inhaltliche Klammer dienen Bilder (Schlüsselbilder), Sprache und Slogans (Claims).
Evolution anstatt Revolution. Im Zuge des EnBW Markenpositionierungsprozesses, im Jahr 2004, in dem die Markenwerte definiert wurden, galt es nun auch eine Visualisierung und ein adäquates Marken-Erscheinungsbild zu finden.
1998
2002
Evolution der EnBW-Kommunikation. Im Vordergrund stand hierbei „Evolution statt Revolution“. Vorgegeben waren daher die Beibehaltung des Namens und des Markenzeichens, also der Logo-Schriftzug. Trotz dieser Fixierung sollte das neue Markenleitbild eine neue visuelle Erscheinung bekommen.
171
5.1 Markenführung und Marketing-Mix
Das Schlüsselbild ist der visuelle Extrakt einer Positionierungsbotschaft der Marke. Es soll klar erkennbar, einprägsam sowie lebendig gestaltet sein. Um den Anforderungen an ein Schlüsselbild zu genügen, muss das visuelle Schlüsselmerkmal eindeutig und schnell zu erkennen sein und die benutzten Bildmotive können auf ein gleichbleibendes Grundmotiv zurückgeführt werden. Somit kann flexibel auf Veränderungen der Konsumentenansprüche und Marktbedingungen reagiert werden. Bildmotive können variiert werden, ohne dass sich die Bedeutung des Schlüsselbildes verändert (vgl. Kroeber-Riel 1993, S. 202). Entscheidend für die Umsetzung eines Schlüsselbildes in verschiedenen Medien ist die Variationsfähigkeit des Bildes und dessen Anpassungsfähigkeit an momentane Trends im Zeitverlauf, um eine langfristige Kontinuität zu garantieren (vgl. KroeberRiel 1993, S. 199 ff.). Bilderwelten, die auf Schlüsselbildern beruhen, erzeugen visuelle Erinnerungen, die im Kaufentscheidungsprozess aktualisiert werden.
Implementierung der Markenführung
5.
Spezialisierte Design-Agenturen waren nun aufgefordert, kreative Vorschläge zu machen, die dann anhand der folgenden Kriterien zu prüfen sind. Eigenständigkeit Das Erscheinungsbild muss eigenständig sein, um EnBW klar im Markt vom direkten Wettbewerbsumfeld zu differenzieren. Der Entwurf darf also nicht in einer ähnlichen Form bereits schon einmal gesehen worden sein. Umsetzbarkeit Das Design muss sich auf allen Ebenen und in allen Anwendungen umsetzen lassen, also auf Papier, über den Online-Auftritt bis hin zur dreidimensionalen Umsetzung, wie beispielsweise beim Messeauftritt. Prägnanz Die Informationsfülle und – vielfalt erfordert ein Markenbild, das schnell, klar und eindeutig erkennbar ist, um bei aktuellen und potenziellen Kunden in Erinnerung zu bleiben und ein Image aufzubauen. Zeitlosigkeit Viele auf den ersten Blick innovative Entwürfe bergen die Gefahr in sich, dass man „sich satt gesehen hat“. Dabei ist es gerade die Kontinuität des Markenauftritts, die wesentlich den Erfolg mitbestimmt. Neben den eher sachlichen Kriterien spielt natürlich auch das Bauchgefühl eine entscheidende Rolle bei der Auswahl – das Design muss schließlich auch gefallen. Die Auswahl fiel auf den Entwurf einer Agentur aus Baden-Württemberg, was zusätzlich auch die regionale Verankerung unterstreicht.
2004 Die Marke EnBW hat nun ein neues Zeichen im Markt: – die Energielinie. Die Energielinie nimmt Impulse auf und gibt Impulse. Sie symbolisiert in einfacher und klarer Form die Substanz der Marke. Jeder Impuls hat seinen Ursprung – für EnBW liegt der Ursprung in Baden-Württemberg. Gleichzeitig gibt EnBW Impulse als Vordenker und Wegbereiter, nicht nur in Baden-Württemberg, sondern über die Landesgrenzen hinaus. EnBW nimmt die Impulse der Kunden auf, versteht ihre Bedürfnisse und handelt entsprechend. Diese drei wichtigen Impulsquellen fließen zu einer Linie zusammen – der Energielinie, an der man EnBW nicht nur heute, sondern auch in Zukunft erkennen wird. Das Logo der Marke EnBW zieht sich konsequent durch alle Bereiche des Unternehmens und formt damit nachhaltig das Gesicht der Marke nach innen und außen. Einige bildliche Beispiele mögen dies verdeutlichen:
172
Markenführung und Marketing-Mix
5.1 Messestand Anzeigenwerbung
Broschüre Konzernkommunikation Pylon
Kundenbroschüre
Marken werden mit allen Sinnen wahrgenommen. Daher gewinnt bei der Entwicklung multisensorischer Markenkommunikation neben dem etablierten visuellen auch der auditive Sinn zunehmend an Bedeutung: Sound Branding wird als integrierter Bestandteil einer ganzheitlichen Markenführung verstanden und trägt auditiv zur Emotionalisierung des Markenerlebnisses bei. Die Verbindung von Musik und Text wird gerne auch als „Trojanisches Pferd in musikalischer Form“ bezeichnet. Ohne dass es der Mensch beeinflussen kann, dringt die Werbebotschaft als verspielte Melodie über die Ohren in das menschliche Unterbewusstsein und verankert sich dort. Die Melodie dient dabei dem Text als Vehikel. Jingles, wie derjenige von McDonalds, belegen die Tatsache, dass sich Werbebotschaften mit Melodie besser einprägen als Werbebotschaften ohne musikalische Begleitung.
173
Ein Sound Logo funktioniert ähnlich, ist aber in der Regel kürzer. Nur einige einprägsame Noten oder ein charakteristischer Klang sind ausreichend, um eindeutige Assoziationen auszulösen und eine Botschaft zu kommunizieren. Das aufeinander abgestimmte Ineinandergreifen von visueller und akustischer Identität erhöht signifikant die Wiedererkennung einer Marke. Das gelbe „M“ von McDonalds mag als ein prominentes Beispiel diesen Sachverhalt verdeutlichen. Wer kennt dieses Zeichen nicht? Auch Kinder erkennen das Zeichen schon aus der Entfernung. Viele Kinder stimmen auch gleich den aktuellen McDonald-Jingle an, wenn sie das Logo entdecken.
Implementierung der Markenführung
5.
Sound Branding – ein Element der integrierten Kommunikation. Im Rahmen des Markenpositionierungsprozesses gewinnt das Sound Branding auch für EnBW an Bedeutung. Die visuell stringente Linie des Energieimpulses, der sich in allen Kommunikationsmitteln und in der CI wiederfindet, wird durch eine akustisch konsequente Präsentation (Sound-ID) des Unternehmens ergänzt. Die Sound-ID setzt die Markenwerte – Vordenker und Wegbereiter auf akustischer Ebene um und verankert sie bei Zuhörern und Betrachtern. Das Sound Logo kommt in einem ersten Schritt im TV-Spot zum Einsatz und wird dann sukzessive in eine ganzheitliche Sound-ID integriert – mit Brand Song, Jingle und Telefon-Loop.
Der Slogan (Claim) umfasst in knapper, eingängiger Form die zentrale(n) Eigenschaft(en) der Marke, zum Beispiel für Audi „Vorsprung durch Technik“. Die meisten Marken verwenden in ihrer Kommunikation Claims oder Slogans. Dies sind kurze Phrasen, die in der Kommunikation deskriptive oder emotionale Informationen über eine Marke transportieren. Sie dienen dazu, das Wiedererkennen und die Positionierung einer Marke aktiv zu unterstützen. Die in den vergangenen Jahren häufig zu beobachtende Verwendung englischsprachiger Slogans ist allerdings oft nicht zielführend. Verschiedene empirische Studien haben sich dem Thema gewidmet und untersucht, inwieweit Slogans in englischer Sprache von deutschen Muttersprachlern in Deutschland verstanden werden (vgl. Endmark-Studie 2003). Während deutschsprachige Slogans markenidentitätsprägend sind, hat in den Studien nicht nur das generell geringe Verständnis der untersuchten Slogans überrascht, sondern insbesondere das offensichtliche Missverständnis, die einige Slogans bei den Befragten hervorrufen. Beispielsweise glauben 54 Prozent der Befragten der Endmark Studie (2003), den Slogan „Come in and find out“ verstanden zu haben, aber nur 34 Prozent konnten auch tatsächlich die Botschaft des Absenders entschlüsseln. Signifikant ist weiterhin, dass einige Slogans, zum Beispiel „Driven by instinct“ mehrheitlich als „gut“ empfunden werden gleichzeitig aber von der Mehrheit (78 Prozent) gar nicht korrekt übersetzt werden konnten.
174
Absender
Intendierte Übersetzung des Absenders
Die skurrilsten Übersetzungen durch Befragte (selektive Beispiele)
Every time a good time
McDonalds
Jedes Mal ein gutes Mal (Jederzeit eine gute Zeit)
Jede Zeit ist eine gute Zeit Jederzeit ist Gottes Zeit
There’s no better way
Lufthansa
Es gibt keine bessere Art zu fliegen
Da ist keine bessere Route Nur Fliegen ist schöner
Come in and find out
Douglas
Komm herein und schau Dich um (Komm herein und entdecke)
Komm herein und finde wieder heraus Erst „in“ sein – dann „out“ sein
Powered by emotions
SAT 1
Angetrieben von Emotionen / von Gefühlen gesteuert
Kraft durch Freude Strom bei Emotion
We are drivers too
Esso
Wir sind auch Autofahrer
Wir sind zwei Fahrer Wo fahren wir hin?
Stimulate your senses
Loewe
Rege Deine Sinne an
Die Sinne stimulieren Befriedige Dich selbst
Share moments,
Kodak
Teile Momente, teile das Leben (mit anderen)
Teure Momente, teuer leben Schare die Momente um Dein Leben
Where money lives
Citibank
Wo das Geld lebt (Wo das Geld etwas tut)
Wo Manni lebt Das Leben des Geldes
Drive alive
Mitsubishi
Lebendiges Fahren
Fahre lebend Die Fahrt überleben
Be inspired
Siemens mobile
Lass Dich inspirieren
Ich bin angeregt Bienen-Inspektion
One Group.
RWE
Eine Gruppe. Viele Versorgungsarten
Viele Werkzeuge für eine Gruppe Eine Gruppe. Viele Stämme Ohne Gruppe – Multi-Kulti
to fly
share life
Multi Utilities
5.1 Markenführung und Marketing-Mix
Claim
Tabelle 10: Intendierte und interpretierte Übersetzungen von Slogans (vgl. Endmark-Studie 2003)
175
Implementierung der Markenführung
5.
Nach Logos für das Auge, Claims und Jingels für das Ohr soll der Wiedererkennungswert von Marken auch durch spezielle Wohlgerüche (Duftmarketing) erhöht werden. Einer der ersten Konzerne, die dieses Marketinginstrument im großen Stil nutzen, ist Samsung. Der Elektronikhersteller stattete alle Flagship-Stores mit einem so genannten Corporate Scent, einem Markenduft, aus, der über die Klimaanlage versprüht wird. Das Duftkonzept geht weit über die verbreitete Produktbeduftung hinaus, wie man sie beispielsweise von Körperpflegemitteln oder Parfums her kennt. Ein Brand Scent soll auch auf ein Markenprodukt anwendbar sein, bei dem der Duft kein immanenter Produktbestandteil ist. Die Ziele einer olfaktorischen Markenführung sind:
positiver Einfluss auf die Emotionen der Konsumenten positiver Einfluss auf die Einstellung zur Marke Reduktion negativer Assoziationen Festigung bzw. Erweiterung der Markenpositionierung Schaffen und Lenken der Aufmerksamkeit Intensivieren des Markenerlebnisses Erhöhung von Spontankäufen.
So nutzen auch zahlreiche Automobilhersteller die Erkenntnisse des Duftmarketings. Auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt (IAA) werden beispielsweise Stände mit einem Duft bestäubt, der nach sauberer Luft riecht. Erstmals in den 80er und 90er Jahren begannen die Hersteller sich mit dem Duft der verschiedenen Materialien im Auto zu beschäftigen. Ziel war es, ihren spezifischen Duft herauszubekommen und in der Folge zu intensivieren. So versuchen Hersteller von Fahrzeugen der Premiumklasse, den Duft des Leders im Fahrzeuginnern zu intensivieren, so dass auch nach mehreren Jahren der Nutzung der Lederduft bestehen bleibt. Gerade Autos eignen sich für den Einsatz von Geruchsstoffen, da hier die Dosierung des Duftes genau gesteuert werden kann. Es ist aber nicht nur der Branding-Effekt, der den Einsatz von Düften in Fahrzeugen interessant macht. Düfte entspannen die Insassen und reduzieren den Stress beim Fahren. In Flugzeugen werden schon seit Jahren Düfte wie Minze oder Zitrus-Orange eingesetzt, um die Angst bei Fluggästen abzubauen. Die Geruchsrezeptoren in der menschlichen Nase sind unmittelbar mit dem Gehirn verbunden. Sie können daher schneller als ein akustischer Reiz Erinnerungen wachrufen oder Befindlichkeiten ändern. Wie bei allen Kommunikationsmaßnahmen ist auch beim Duftmarketing die Dosierung eine kritische Erfolgsgröße, die bei der Umsetzung beachtet werden muss, um negativen Effekten vorzubeugen. Die Kommunikationsrealisierung erfolgt in der Regel über externe Werbeagenturen, wobei nicht alle Kommunikationsmaßnahmen von einer einzigen Agentur umgesetzt werden. Um dennoch sowohl eine inhaltliche als auch eine formale Klammer über alle Maßnahmen spannen zu können, wird eine werbeinhaltliche Basiskonzeption (Copy-Strategie) entwickelt. Die Copy-Strategie garantiert die mittelfristige Stabilität des kommunikativen Auftritts und ist eine kondensierte Form der Markenidentität, auf deren Umsetzung die Werbepraxis ausgerichtet ist. Sie ist eine Transformation der Markenidentität in operative Maßnahmen und bildet den langfristigen Rahmen der Kommunikation für eine Marke. Die Elemente der Copy-Strategie Positionierung, Zielgruppen, Consumer Benefit, Reason Why, Werbeidee und Tonalität (vgl. Becker 2006, S. 569) – lassen sich unmittelbar aus dem Markensteuerrad ableiten.
176
Element der Copy-Strategie
Kompetenz
Positionierung
Benefit & Reason Why
Zielgruppe
Benefits
Consumer Benefits
Reason Why
Reason Why
Tonalität und Markenbild unter Einhaltung der Kompetenz und des Benefit & Reason Why
Werbeidee
Tonalität
5.1
Markenkompetenz Tonalität
Wer bin ich?
Markenführung und Marketing-Mix
Element des Markensteuerrads
Tonalität Wie bin ich?
Markennutzen
Markenbild
Was biete ich an?
Wie trete ich auf?
Abbildung 29: Ableitung der Copy-Strategie aus dem Markensteuerrad (vgl. Becker 2006, S. 569)
Das Markensteuerrad ist daher ein wertvolles Instrument, das dem Briefing einer mit der Kommunikation betrauten Agentur zugrunde gelegt werden sollte. Werbeagenturen und andere Kommunikationsdienstleister können auf diese Weise auf einer verlässlichen Basis Konzepte entwickeln, die die notwendigen integrativen Aspekte inhaltlicher und formaler Art mit Kreativität vereinen.
177
Warum ist Yello gelb? Yello Strom ist – wie der Produktname schon sagt – mehr als bloß Strom. Deswegen ist der Yello Strom gelb – und unterscheidet sich damit weithin sichtbar von „herkömmlichen“ Strom. Das YelloGelb steht für die Summe der Benefits, die die Kunden bei Yello und eben nicht woanders bekommen. Gelb steht für das WIE Kunden bedient werden.
Implementierung der Markenführung
5.
Wenn man das Jahrhundert-Monopol in der Energiebranche als dunkel und intransparent verstehen will, dann ist es die Farbe Gelb, die Helligkeit und Transparenz in das Dunkel bringt. Gelb transportiert, genau wie die Sonne, Emotionen. Gelb ist positiv, klar, licht, stark. Das Produkt Yello Strom hat einen vielschichtigen emotionalen Mehrwert – basierend auf seinen rationalen, messbaren Produktvorteilen. Diese sind: ein dauerhaft günstiger Preis bei Top-Service und einen Benchmark-Service, um nur einige emotionale Mehrwerte zu nennen. Nahezu jeder Deutsche kennt Yello, Yello ist jung, hat den Wettbewerb in der heutigen Form überhaupt erst möglich gemacht und den Verbrauchern das Wahlrecht auf günstigen Strom erkämpft. Yello hat das Ende des Monopols eingeleitet und besiegelt. Der Lohn ist die Aura einer starken Marke – der Preis dafür ist, dass Yello in allen möglichen Facetten kopiert wird. Die Farbe Gelb zu kopieren, ist zwar leicht, dagegen den Charakter und die Persönlichkeit der Marke zu kopieren ist schier unmöglich. Als EnBW den Entschluss gefasst hat, die Liberalisierung des Strommarktes aktiv nach vorne zu treiben, hat man sich schließlich für das Konzept entschieden, Strom eine Farbe zu geben, um einem zunächst gesichtslosen Gut ein Gesicht zu geben. Doch eine gute Idee ist noch keine Marke. Marke bedeutet dauerhafte Leistung und dauerhafte Qualität. Um aus dem gelben Strom eine Marke zu machen, bedurfte es nach dieser ersten guten Idee noch 1000 weiterer guter Ideen. „Mix it, baby“ von E.on war im Prinzip auch eine gute Idee, hat sich aber nie als Marke durchgesetzt, sondern blieb lediglich eine Kampagne. Erst wenn die äußere Hülle durch die Produktinhalte jeden Tag bestätigt wird, also das Aussehen den Charakter widerspiegelt, die Leistung dem Logo entspricht – dann wird letztlich aus einer guten Idee eine Marke. Das Geschäft der Marke Yello ist die Dauerkundenbeziehung. Wobei der Aufbau der Marke vergleichbar ist mit dem Investment in Produktionsstandorte und Filialen in ganz Deutschland. Das ist Werteaufbau. Dabei gibt es auch Auseinandersetzungen um die Verwendung von Farbe – kurioserweise meistens erst dann, wenn die Marke steht und eben diesen Wert verkörpert. Die Markenführung schützt die Marke und ihren Wert, den sie im Bereich Energie geschaffen haben gegen Trittbrettfahrer. Yello hat dem Yello-Gelb Bedeutung, Inhalt und das Assoziationsreichtum gegeben, wie sich durch die Marktforschung ja auch belegen lässt. Heute assoziieren die Menschen bestimmte Eigenschaften, wenn sie das Gelb sehen – das ist der beste Schutz für eine Marke, wie Yello.
Integrierte Kommunikation in Abhängigkeit von der kommunikativen Positionierung In Abhängigkeit von der Positionierung der Marke variieren die Anforderungen an die Kommunikation. Geht es darum, eine Marke in den Köpfen der Konsumenten präsent zu halten, also eine Positionierung durch Aktualität, so ist eine formale Integration notwendig. Aufmerksamkeitsstarke Maßnahmen manifestieren sich durch viele Wiederholungen beim Konsumenten. Eine erlebnisorientierte Positionierung erfolgt dagegen über Bildreize, Bilder und insbesondere Schlüsselbilder. Sie können besser emotionale Inhalte vermitteln und bauen Assoziationen einer vormals neutralen Marke mit spezifischen Emotionen auf. Die höchsten Anforderungen an die integrierte kommunikative Umsetzung stellt eine informativ gehaltene Werbung.
178
In der Praxis lässt sich die Kommunikation selten einer einzigen kommunikativen Positionierung exakt zuordnen. In der Regel sind es gemischte Positionierungen, die kommuniziert werden. Es sind Werbebotschaften, in denen die Aktualität, die Erlebnisvermittlung oder die Information im Vordergrund stehen kann, ohne jedoch alleiniger Zweck der Botschaft zu sein. In diesem Fall müssen die Integrationsinstrumente angepasst, das heißt gemischt werden. Das Mischungsverhältnis variiert mit dem kommunikativen Schwerpunkt. So würde beispielsweise eine schwerpunktmäßig erlebnisorientierte Kommunikation eine Integration über Bildreize vornehmen und den informativen Anteil eher gering halten. Die nachfolgend abgebildeten Anzeigen der Marke Philips erschienen am gleichen Tag auf unterschiedlichen Seiten einer deutschen Tageszeitung. Philips verfolgt hier eine gemischte kommunikative Positionierung: Die Anzeigen vermitteln zu etwa gleichen Teilen eine erlebnisorientierte und informative Positionierung der Marke.
Abbildung 30: Emotionen und Informationen als Elemente zur Positionierung am Beispiel Philips
Die Erlebnisorientierung erfolgt über dominante emotionale Bildreize, die den Kernnutzen des Produktes visualisieren. Die produktspezifischen Informationen finden sich einheitlich über alle Motive im linken unteren Seitenbereich. Markenname und Slogan sind identisch in den Anzeigen positioniert und damit für den Betrachter unmittelbar wahrnehmbar.
179
5.1 Markenführung und Marketing-Mix
Je höher der Umfang an Informationen ist, desto mehr Raum bietet sich für Unstimmigkeiten mit den integrativen Elementen, die immer gleich sind und sich von allen übrigen, zusätzlichen Informationen deutlich abheben. So ist beispielsweise in der Anzeigenwerbung nicht der Fließtext, der kaum wahrgenommen wird, die sprachliche Klammer, sondern die Headline und der Slogan, die ohne gedankliche Anstrengung wahrgenommen und kognitiv verarbeitet werden können. Spezifische Informationen, die durchaus von Medium zu Medium oder von Anzeige zu Anzeige unterschiedlich sein dürfen, müssen einen klaren, unmittelbar einleuchtenden Zusammenhang zu den dominanten integrativen Inhalten haben. Der PC-Hersteller Dell beispielsweise geht in der Kommunikation für unterschiedliche Modelle auf die spezifischen Eigenschaften der einzelnen PCs ein. Diese spezifischen Informationen lassen sich unter das Dach der Assoziationen der Marke Dell integrieren und tragen damit zu einem eindeutigen Markenimage bei (vgl. Esch 2005, S. 724 f.).
25 Jahre quattro® – der permanente Allradantrieb.
Implementierung der Markenführung
5.
Die langjährige Markenpositionierung als progressivster Anbieter im Premiumautomobilsegment im Sinne des Markenkerns „Vorsprung durch Technik“ wird von den Kernwettbewerbern BMW und Mercedes-Benz zunehmend angegriffen. Sie begeben sich in die von Audi besetzten Technologiefelder und versuchen vermehrt, speziell die Allradkompetenz von Audi zu kopieren. Für Audi besteht daher nun die Herausforderung, die Innovationsführerschaft weiter auszubauen und die Positionierung gegenüber den Wettbewerbern abzusichern und zu stärken. Für die Kommunikation bedeutet dies, die Markenkompetenz weiter zu stärken und gleichzeitig die Bekanntheit der neuen Modelle zu erhöhen. Als Anlass wurde das Jubiläum des wichtigsten technischen Features genommen: Die Erfindung des quattro®-Antriebs wurde 25 Jahre alt. Audi verband damit die folgenden Marketingziele:
Steigerung der Verkäufe von Fahrzeuigen mit quattro®-Antrieb Steigerung der Einbaurate von quattro®-Antrieben Erhöhung der Neuzulassungen von Audi-Fahrzeugen Erhöhung des Ausstattungswertes der Fahrzeuge durch höherwertige Ausstattung, zum Beispiel quattro®, gegenüber dem Durchschnittspreis pro verkauftem Fahrzeug.
Die Kommunikationsstrategie von Audi hebt konsequent die Technikführerschaft als Kernbestandteil der Marke hervor. Hinzu kommt das Jubiläum des Technologiefeatures quattro® – einen zentralen Imagetreiber für Audi. Quattro® ist der stärkste Differenziator gegenüber den Wettbewerbern und steht als ein Inbegriff des Markenkerns „Vorsprung durch Technik“. Darüber hinaus ist die Technologie mit einem Bekanntheitsgrad von mehr als 50 Prozent vor allem im mittleren und oberen Fahrzeugsegment ein entscheidendes Verkaufsargument. Das Jubiläum wurde daher als Dachkampagne genutzt, die die ursprüngliche Kampagne neu inszeniert. Die zentrale Botschaft: „25 Jahre quattro® – herausragende Momente der quattro® Historie und Zukunft“. Über das Thema „quattro®“ wurden alle Kommunikationskanäle schlüssig miteinander vernetzt und boten damit eine breite Plattform für alle funktionalen Bereiche der Kampagne: (1) Emotionale Ansprache und Awareness durch die Darstellung der quattro®-Historie. (2) Aufzeigen der faktischen Vorteile und der Zukunftsorientierung durch eine Erweiterung des „quattro®“-Images als Sicherheitsfeature um die Aspekte Fortschrittlichkeit und Fahrvergnügen. (3) Die Kommunikation der neuen Modelle unter dem Dach des quattro®-Jubiäums eröffnet weitere, neue Möglichkeiten in der Kommunikation.
180
Der Erfolg dieses ganzheitlichen Ansatzes ließ nicht lange auf sich warten. Die Imagewerte im Jahr nach der Kampagne haben sich gegenüber den Vorjahren signifikant verbessert. Die Verkaufzahl der quattro®-Fahrzeuge konnte im Jahr 2005 um 23,9 Prozent gesteigert werden und auch die Einbaurate von quattro®-Antrieben wurde übererfüllt. Die positive Presseresonanz auf den Schanzenspot und die Aktionen rund um das quattro®-Jubiläum gaben der Marke weitere Impulse, die in den nachfolgenden Jahren konsequent genutzt und weiter ausgebaut werden, um die Positionierung der Marke Audi als Premiummarke zu manifestieren.
Integrierte Kommunikation in Abhängigkeit von der Markenarchitektur Nicht nur die Positionierung, sondern auch die Ausgestaltung der Markenarchitektur beeinflusst die Kommunikation. Liegt eine einfache Markenarchitektur vor, so ist festzulegen, ob eine unabhängige, abgestimmte oder integrierte Kommunikation realisiert werden soll. Bei einer unabhängigen Positionierung findet weder eine inhaltliche noch eine formale Integration in der Kommunikation statt. Für den Konsumenten gibt es keinerlei Ansatzpunkt für eine Beziehung zwischen den Marken. Ist dagegen eine einheitliche Positionierung aller Marken angestrebt, so erfolgt eine Kommunikation vergleichbar einer Monomarke. Die integrative Klammer ist bei allen Marken identisch. Häufig ist eine einheitliche Positionierung und damit eine vollständig integrierte Kommunikation nicht realisierbar. Hier kommt dann eine abgestimmte Kommunikation zum Tragen, die entweder eine einheitliche formale Integration bei unterschiedlichen inhaltlichen Positionierungen anstrebt oder eine Abgleichung der inhaltlichen Integration bei ähnlichen Positionierungen der einzelnen Marken. Eine abgestimmte Kommunikation unterstützt unterschiedliche Positionierungen der Marken, aber kommuniziert inhaltliche Gemeinsamkeiten und stellt damit eine offensichtliche Beziehung zwischen den einzelnen Marken her. Der Getränkeproduzent Eckes beispielsweise vertreibt sowohl einen alkoholfreien Traubensaft als auch die Spirituose „Eckes Edelkirsch“, die unterschiedlich positioniert sind. Die formale Klammer der beiden Produktmarken erfolgt über das Corporate Design, nämlich die Platzierung des Eckes-Schriftzugs auf dem Produkt und in der Kommunikation.
181
5.1 Markenführung und Marketing-Mix
Mit dem Anspruch eines ganzheitlichen Ansatzes, einer strikten Vernetzung aller Kommunikationskanäle und einer breiten Zielgruppenansprache spielen neben den Above the line-Maßnahmen insbesondere die Below-the-line–Maßnahmen eine wesentliche Rolle. Die Show zum quattro®-Jubiläum begann mit einer nationalen Printkampagne, die das Jahr 25 nach quattro® einläutete. Dem Auftakt folgten zahlreiche quattro®-Events beim Handel. In einer großen Kooperation von stern und sternTV wurde der legendäre Schanzenspot neu aufgelegt. Kurze Zeit später bezwang Dr. Martin Winterkorn, der ehemalige Vorstandsvorsitzende der AUDI AG anlässlich der Jahrespressekonferenz vor 500 internationalen Journalisten mit einem Audi RS4 eine Schanze. Parallel dazu wurden auf www.audi.de und www.audi. com interaktive Webseiten aufgebaut, die unterschiedliche Momente der quattro®-Historie zum Leben erweckten. Über einen Zeitraum von zehn Monaten wurde jedes Produktereignis unter dem quattro®Aspekt kommuniziert. Jeder Medienkanal spiegelte konsequent das Thema 25 Jahre quattro® wider.
Implementierung der Markenführung
5.
Bei komplexen Markenarchitekturen ist ebenfalls zu prüfen, inwieweit die Verbindung zwischen den Marken offensichtlich wahrnehmbar sein soll. Wird eine enge wahrnehmbare Verbindung angestrebt, so sind klare Integrationselemente anzuwenden, wobei entweder die Produktmarke oder die Unternehmensmarke dominant sind. Bei einer Produktmarkendominanz können die Produktmarken jeweils unterschiedlich positioniert sein. Die Unternehmensmarke wird lediglich aufgrund ihrer Bekanntheit mitkommuniziert. Hier reicht eine formale Integration durch bloße Nennung der Unternehmensmarke aus, zum Beispiel Marché von Mövenpick. Ist dagegen die Unternehmensmarke dominant, besteht eine hohe Übereinstimmung zwischen den Positionierungen der Unternehmensmarke und den Produktmarken. Die Unternehmensmarke bestimmt die Positionierung. Die Produktmarke kann diese Positionierung zwar erweitern oder verdeutlichen, sie ist aber in die Positionierung der Unternehmensmarke eingebettet. Hier bietet sich eine starke inhaltliche Integration durch dominante Merkmale – wie Bilder oder Slogan – an, die in der Kommunikation aller Produktmarken des Unternehmens zentral sind (vgl. Esch 2005, S.726 ff.). Bei Nokia beispielsweise ist die Unternehmensmarke der dominante Imageträger. Die Produktmarken (zum Beispiel 6233, 6151) sind ausschließlich für eine Modelldifferenzierung zuständig, ohne nennenswerte eigene Assoziationen zu transportieren. Die inhaltliche Klammer wird über den Slogan „Nokia – Connecting People“ gebildet. Mediaplanung Ob und wie die Kommunikationsziele erreicht werden, hängt auch von der Marketingplanung ab. Neben den klassischen Medien, TV, Print, Hörfunk (Above-the-line-Maßnahmen) sind dies die „Neuen Medien“, Direktmarketing, Sponsoring und Events (Below-the-line-Maßnahmen). Für Above-the-line-Maßnahmen werden Massenmedien genutzt, für Below-the-line-Maßnahmen eine eher direkte, persönliche Kommunikation. Diese Kommunikationsformen haben zum Teil sehr unterschiedliche Eigenschaften und müssen trotz ihrer sehr heterogenen Merkmale ein kohärentes Markenbild vermitteln. Above-the-line-Maßnahmen Die wichtigsten klassischen (Above-the-line-) Medien sind Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehen, Hörfunk, Film und Plakat. Mit diesen klassischen Medien wird im Gegensatz zum Direktmarketing eine Zielgruppe angesprochen, die sich zwar durch die Wahl des Werbeträgers, beispielsweise Kauf eines bestimmten Anzeigentitels, segmentieren lässt, aber nicht aus individuell identifizierbaren Personen besteht. Die Übersicht der klassischen Medien zeigt, dass kommunikative Aufgaben in der Regel nicht mit einem einzigen Werbemittel realisierbar sind. Es ist notwendig, einen ziel- und strategieorientierten Kommunikationsmix zu wählen, auch unter Einbeziehung der nichtklassischen Maßnahmen. Für eine Ableitung der jeweiligen konzeptionsadäquaten Kommunikationsmittel sind allein qualitative Abwägungen nicht ausreichend. Es müssen zusätzlich Kosten-Nutzen-Überlegungen und entsprechende Optimierungsrechnungen durchgeführt werden. Tabelle 11 stellt die klassischen Maßnahmen im Hinblick auf die wichtigsten Merkmale gegenüber.
182
Zeitschriften
Fernsehen
Rundfunk
Film
Plakat
Funktion des Werbeträgers
Information, Information, aktuelle Nach- Unterhaltung, richten Bildung
Information, Unterhaltung, Bildung
Information, Unterhaltung, aktuelle Erholung Informationen, Unterhaltung, Bildung
Outdoor-Werbung
Darstellungsbasis
Text, Bild (z.T. Farbwirkung)
Text, Bild (Farbwirkung)
Text, Bild, Ton (multisensorische Ansprache, Farbwirkung
Ton (Sprache und Musik)
Text, Bild, Ton (multisensorische Ansprache, Farbwirkung
Text, Bild (Farbwirkung)
Ansprachearten
Informierende und argumentierende Werbung
Argumentierende Werbung, emotionale Appelle
Emotionale Appelle, argumentierende Werbung
Rationale Werbebotschaften, emotionale Appelle (nur Zusatzmedium)
Emotionale Appelle (nur Zusatzmedium)
Vermittlung von Kurzinformationen (nur Zusatzmedium)
Aufnahmesituation
Inhaltsaufnahme, i.d.R. in häuslicher Atmosphäre oder am Arbeitsplatz
Inhaltsaufnahme, i.d.R. in häuslicher Atmosphäre
Empfang i.d.R. in häuslicher Atmosphäre (nachmittags oder abends)
Empfang i.d.R. in häuslicher Atmosphäre oder im Auto (ganztags)
Empfang i.d.R. in häuslicher Atmosphäre oder im Kino (überwiegend abends)
Inhaltsaufnahme auf der Straße oder im Auto (eher zufällig)
Werbenutzung Mehrmalige Nutzung möglich
Mehrmalige Nutzung möglich, verschiedene Nutzungsphasen
Einmalige Betrachtung, zeitlich begrenzt
Einmaliger Kontakt, zeitlich begrenzt
Einmalige Betrachtung, zeitlich begrenzt
Mehrmalige Betrachtung denkbar
Auswahlmöglichkeiten
Auswahl aufgrund Leserstrukturanalyse
Auswahl aufgrund Panelbefragung
Auswahl aufgrund Panelbefragung
Keine exakte ZielgruppenBestimmung
Keine exakte ZielgruppenBestimmung
Erscheinungs- Täglich weise
Wöchentlich, vierzehntägig, monatlich, Quartalsweise
Täglich
Täglich
Täglich (Mindestbelegung eine Woche)
Täglich (Mindestbelegung 10 Tage)
Verbreitung
Regional, Überregional
Regional, Überregional
Überregional
Regional, Überregional
Regional, Überregional
Regional, Überregional
Verfügbarkeit
Keine Gesetzliche UnterschiedKeine Beschränkung Beschränkung Beschränkung liche Beschränkung
Begrenzung auf Filmvorführzeiten
Keine Beschränkung
Schwächen
Emotionen sind Emotionen sind Hohe Wahrnur begrenzt nur begrenzt nehmungsvermittelbar vermittelbar schwelle, geringe Zielgruppenspezifität
Begrenzte Reichweite (Kino)
Begrenzte Reichweite, Informationsvermittlung nur begrenzt realisierbar, geringe Zielgruppenspezifität, aufwendige Kontrolle der Kontaktzahlen
Auswahl aufgrund Leserstrukturanalyse
Geringe Aufmerksamkeit, nur einfache Botschaften vermittelbar
Tabelle 11: Übersicht der klassischen Medien (in Anlehnung an Becker, 2005)
183
5.1 Markenführung und Marketing-Mix
Werbeträger Zeitungen
Merkmale
Below-the-line-Maßnahmen
Implementierung der Markenführung
5.
Die Below-the-line-Maßnahmen sind durch eine stärkere Personalisierung gekennzeichnet und werden zukünftig noch weiter an Gewicht gegenüber den klassischen Kommunikationsmaßnahmen gewinnen. Es sind insbesondere die nichtklassischen Maßnahmen, die eine Marke emotional aufladen und damit nachhaltig das Markenimage beeinflussen und die Positionierung gegenüber den Wettbewerbern stärken. Während die Ausgaben für konventionelle Werbung stagnieren, steigen die Investitionen für Direktmarketing, Sponsoring, Events, neue Medien und Erlebniskommunikation stetig an. Eine Befragung von Vorstandsvorsitzenden mittelständischer Unternehmen und Großunternehmen in Deutschland und in der Schweiz hinsichtlich der Verteilung ihres Kommunikationsbudgets hat das nachfolgende Bild ergeben (vgl. Tomczak/Herrmann/Henkel/Heitmann 2006). 42,6 Prozent der befragten Unternehmen: Mehr als 70% des Budget fließen in direkte Kommunikation (persönlich)
42,6%
32,8%
24,6%
32,8 Prozent der befragten Unternehmen:
24,6 Prozent der befragten Unternehmen:
Mehr als 70% des Budget fließen in indirekte Kommunikation (massenmedial)
Budget fließt zu ungefähr gleichen Teilen in persönliche und massenmediale Kommunikation
Abbildung 31: Aufteilung des Kommunikationsbudgets
Rund 43 Prozent der Befragten investieren einen Großteil ihres Kommunikationsbudgets in eine direkte Kommunikation mit der Zielgruppe mittels Below–the-line-Maßnahmen. Am häufigsten sind dabei Direktmarketing, Sponsoring, Events und das Internet.
184
Sponsoring Sponsoring ist eine immer häufiger genutzte Option, das Image der eigenen Marke zu stärken und durch die Assoziation mit dem gesponsorten Ereignis zu erweitern. Das Unternehmen nutzt hierzu fremdinitiierte Veranstaltungen als Trägermedium der eigenen Kommunikationsbotschaften in einem realen, emotionalen Kontext. Der Sponsor stellt Geld, Sachmittel, Dienstleistungen oder Know-how zur Förderung von Personen und/oder Institutionen in den Bereichen Sport, Kultur, Soziales, Umwelt und/oder den Medien bereit (vgl. Baumgarth 2004, S.186). Die Mehrzahl der Sponsoringaktivitäten unterstützt Sportler und Sportveranstaltungen. Sponsoring ist ein multiples und komplementäres Instrument der Markenkommunikation (vgl. Herrmanns 1989, S. 6 ff.). Es ist multipel, da das Einsatzspektrum sehr weit gefasst ist und das der anderen Kommunikationsinstrumente übersteigt. Die Komplementarität resultiert aus dem ergänzenden Einsatz des Sponsoring zu Werbung, Verkaufsförderungsung etc. Die Ziele des Sponsoring sind vielfältig: – Erhöhung und Konsolidierung des Bekanntheitsgrades des Unternehmens und der Marken – Aufbau oder positive Veränderung des Unternehmens- und/oder Markenimage – Kontaktpflege auf Kunden- und Mitarbeiterebene – Demonstration von Leistung und/oder gesellschaftspolitischer und sozialer Verantwortung des Unternehmens und der Marke – Nutzen der Multiplikatorwirkung der Medien. Die Vorteile des Sponsorings gegenüber alternativen Kommunikationsinstrumenten liegen in der Qualität der Zielgruppenansprache ebenso wie in der nachweisbaren Wirkung in der anvisierten Zielgruppe, ohne dabei zu hohe Streuverluste in Kauf nehmen zu müssen. Sponsoringaktivitäten sind in der Regel längerfristig ausgerichtet und können daher nachhaltig positiv auf das Image wirken und die Glaubwürdigkeit, insbesondere bei sozial-orientiertem Sponsoring unter Beweis stellen. Das Instrument ist sehr variabel und damit für zahlreiche Einsatzmöglichkeiten geeignet. Je nach Umfeld, Engagement und Ausgestaltung des Sponsorings lassen sich damit spezifische Zielgruppen und verschiedene Kommunikationsziele erreichen. Die Zielgruppen werden emotional in ihrer Freizeit oder bei persönlichen Interessen angesprochen. Das Unternehmen und die
185
5.1 Markenführung und Marketing-Mix
Direktmarketing Direktmarketing umfasst alle Formen der direkten, individuellen Ansprache und Kommunikation von bzw. mit den Zielgruppen (vgl. Bruns 1998). Ziel des Direktmarketing ist weniger der unmittelbare Verkauf, sondern vielmehr das Einleiten eines Dialogs sowie der Aufbau einer Kundenbeziehung und die Steigerung der Kundenloyalität. Die Attraktivität des Direktmarketing für Markenprodukte basiert auf der Möglichkeit einer zielgerichteten Ansprache von Käufergruppen. Ausgangspunkt hierfür sind Adresslisten oder Responsedaten aus Massenmedien. Die Sammlung und Analyse von kundenindividuellen, marketingrelevanten Kundendaten ermöglichen eine individualisierte Kundenansprache, deren Erfolg unmittelbar und genau messbar ist. Die Steuerung und Kontrolle kann am konsequentesten über Database-Marketing erfolgen. Als Direktwerbemedien werden personalisierte Werbebriefe per Post oder Fax, E-Mails oder Telefonate genutzt. Darüber hinaus werden auch klassische Medien eingesetzt, zum Beispiel durch Anzeigen mit Coupons, TV-Spots mit eingeblendeter Telefonnummer oder E-Mail-Adresse.
Implementierung der Markenführung
5.
Marke treffen damit auf Sympathie und eine positive Grundhaltung, sowohl bei Mitarbeitern als auch bei externen Zielgruppen. Ob eine Sponsoringaktivität erfolgreich war, ist insbesondere bei Veranstaltungen unmittelbar erlebbar und über den direkten Dialog nachvollziehbar. Damit ein positiver Imagetransfer vom Sponsoringobjekt auf den Sponsor stattfinden kann, ist eine gemeinsame Wahrnehmung alleine nicht ausreichend. Vielmehr muss darüber hinaus eine gedankliche Verbindung zwischen den Sponsoringpartnern existieren, die durch einen hohen Fit zwischen Sponsoringobjekt und Sponsor begünstigt wird. Im Sinne einer integrierten Kommunikation ist bei der Auswahl der Sponsoringaktivitäten der Fit zwischen der Marke, der Sponsoringaktivität, der Zielgruppe sowie der Dauer der Maßnahme zu berücksichtigen. Ein Sponsor, dessen Image nicht zum Sponsoringobjekt passt, wird von der Zielgruppe als nicht glaubwürdig angesehen. Die große Gefahr im Sponsoring stellt die Unkontrollierbarkeit der Abläufe dar. Nimmt eine Veranstaltung eine negative Wendung, kann nicht ausgeschlossen werden, dass die so entstehenden negativen Assoziationen auf den Sponsor abfärben (vgl. Keller 2003, S. 318).
Neue Wege im Sponsoring. Audi versteht sich als Schrittmacher für fortschrittliche Technologie. Deshalb geht Audi auch im Sponsoring neue Wege. Die Konzepte sind langfristig angelegt, die Nachwuchsarbeit wird stark gefördert. Ziel ist es, das Besondere durch gezielte Unterstützung zum Vorschein zu bringen. Ob im Sport- oder Kulturbereich: Das Audi Engagement unterstützt Menschen, die ihrer Vision folgen, in Bereichen, die neue Impulse geben. Dazu gehört das Audi Sportsponsoring ebenso wie die Kulturförderung oder die Unterstützung von internationalen Gipfeltreffen. Audi und die Audi Partner vor Ort laden ein, die verschiedenen Events und Konzerte zu besuchen. Der Sport ist heute fester Bestandteil in der Kommunikation vieler Unternehmen und so auch für Audi. Bekanntheit und Image spielen genauso eine Rolle wie die Kontaktpflege zu Geschäftspartnern und Kunden. Die wirtschaftlichen Dimensionen des Sports sowie die Relevanz des Sports für das Audi Markenbild verlangen nach professionellem Handwerkszeug – gerade in der Sportkommunikation. Das Audi Institut für Sportkommunikation leistet einen wichtigen Beitrag zur Vernetzung von Wissenschaft und Praxis im Sport, indem es Forschungsprojekte als Grundlage stetiger Strategieoptimierung durchführt. Begeisterung verbindet: Audi und Wintersport Gemeinsame Werte, wie technische Kompetenz, Dynamik und Faszination verbinden den Wintersport und die Marke Audi. Aus diesem Grund engagiert sich Audi als Titelsponsor des FIS Ski World Cup und als Hauptsponsor des Deutschen Skiverbandes (DSV). Daneben unterstützt Audi weitere Ski-Nationalmannschaften. Sie alle verbindet neben der Begeisterung am Skisport eines: Sie setzen auch nach den Wettkämpfen auf Technik, die die Spur hält: Audi Fahrzeuge mit dem permanenten Allrad-Antrieb quattro. Perfektion verbindet: Audi und Golfsport Technik, Design und Sportlichkeit prägen jeden Audi. Genau diese Werte sind es, die dem Golfsport besondere Faszination verleihen. Aus dieser Übereinstimmung heraus engagiert sich Audi für diese Sportart und spricht damit gleichzeitig Menschen an, die eines verbindet: höchster Anspruch, Leidenschaft und Stil. Neben der Unterstützung ausgesuchter Profiturnier rief Audi mit dem Audi quattro Cup und dem Audi Ladies Cup zwei erfolgreiche, renommierte Wettbewerbe in das Leben. Diese werden jedes Jahr in Zusammenarbeit mit den Audi Partnern vor Ort veranstaltet.
186
„Leinen los“: Audi und Segelsport So lautet das Motto ab sofort für Audi. Als Premium-Sponsor des TP52 Breitling MedCup erweitert die Premiummarke Audi das Portfolio erfolgreicher Sportsponsoring-Aktivitäten.
Kontinuierliche Spitzenleistung – das verbindet den FC Barcelona mit der Marke Audi. Europas erfolgreichste Fußball-Mannschaft ist durch das Sponsoring von Audi nun auch auf der Straße nicht zu schlagen. Alle Spieler des FC Barcelona fahren mit neuen Audi Q7 zum Training. Die Ausstattung des Teams mit dem sportlichen SUV ist der Bestandteil einer Partnerschaft, die der FC Barcelona und Audi für die nächsten zwei Jahre festgelegt haben. Im Gegenzug wird sich Audi künftig auf den Banden im Stadion präsentieren. Zudem sind intensive Kooperationen bei VIP-Aktionen und im Ticketing geplant. Kulturelles Engagement braucht Partner: Audi Art Experience Die AUDI AG hat ihre Erfahrung und Kompetenz im Bereich Kunst- und Kulturförderung unter dem Label „Audi Art Experience“ zusammengefasst. Das kulturelle Engagement der Marke mit den vier Ringen ermöglicht seit vielen Jahren künstlerische Höchstleistungen. International renommierte Musikfestivals und innovative Kunstprojekte stehen für Audi im Zentrum der Kulturförderung. Sie gelten im Selbstverständnis der Marke Audi als wichtiger Teil der Unternehmenspersönlichkeit. Die Fördergelder werden in erster Linie in neue, innovative Projekte geleitet oder tragen zur Erweiterung bestehender Projekte bei. So wurde Audi 1995 zum Hauptsponsor der Salzburger Festspiele. Darüber hinaus unterstützt Audi Neuinszenierungen an der Bayerischen Staatsoper München, fördert das SchleswigHolstein Musikfestival sowie die Händel-Festspiele in Halle, die Musikfestspiele in Potsdam und die Meraner Musikwochen. Seit 1990 veranstaltet Audi aber auch eigene Sommerkonzerte, um das kulturelle Leben am Standort Ingolstadt ebenfalls zu beleben. Bereits nach wenigen Jahren sind sie fest in der Region etabliert und erzielen schnell, auch über die Grenzen hinaus, große Aufmerksamkeit. Programmatisch haben sich die Sommerkonzerte in den vergangenen Jahren verstärkt innovativen Ansätzen gewidmet. Mit progressiven Künstlern, außergewöhnlichen Konzertorten und unkonventionellen Programmen richtet Audi im Rahmen der Sommerkonzerte auch kulturell den Blick in die Zukunft. Faszination Automobilgeschichte: Audi Tradition Fahrende Legenden vor traumhaften Kulissen hautnah erleben – in ganz Europa locken Oldtimer und Youngtimer-Events der Superlative. Für Audi Tradition willkommene Szenarien, die Highlights der eigenen Historie zu präsentieren: ob bei der Mille Miglia in Italien, beim Festival of Speeds in Goodwood oder der bayerischen Donau Classic. Mit raren Schönheiten aus der faszinierenden Unternehmenshistorie haucht Audi Tradition der Automobilgeschichte neues Leben ein und lässt den Ursprung der Marke lebendig werden. „Ladies and Gentleman – start your engines“ Die Starterliste der Donau Classic Oldtimer Rallye liest sich wie das „Who is Who” der internationalen Automobilgeschichte. Audi Tradition ist nicht nur Hauptsponsor der Veranstaltung, sondern auch mit einigen besonders edlen Modellen aus der Historie mit am Start: zwei Wanderer W 35 K, ein Wanderer Stromlinie Spezial, ein Horch 930 V, ein Audi 100 Coupé S sowie ein DKW 3=6 F93 Cabrio.
187
5.1 Markenführung und Marketing-Mix
Eine runde Sache: Audi im Fußballsport Das Engagement von Audi im internationalen Spitzensport lässt auch im Fußballsport starke Partnerschaften entstehen. Mit Bayern München, Real Madrid, dem FC Barcelona und Manchester United vertrauen vier Spitzenmannschaften auch abseits des Rasens auf höchstes Leistungsvermögen: Sie fahren Audi.
Sponsoring bei EnBW.
Implementierung der Markenführung
5.
Nicht nur Sponsoring, auch Events, sind ein wesentlicher Teil der Markenkommunikation von EnBW. Während die klassische Kommunikation über Werbung zwar Bekanntheit schaffen kann, darf nicht übersehen werden, dass bei den Verbrauchern zunehmend Tendenzen der Reaktanz und Ablehnung erkennbar werden. Sie werden mit einer Vielzahl an Informationen konfrontiert, so dass die einzelnen Werbebotschaften austauschbar werden und damit hohe Streuverluste die Folge sind. Aus Sicht der EnBW hat die klassische Kommunikation zusätzlich den Nachteil, dass in der Regel kein Rückkanal vorhanden ist, so dass es zu keinem Feedback bzw. Dialog mit dem Kunden kommen kann. In der Folge sucht EnBW alternative Zugänge zum Kunden und für die Markenkommunikation. Im Zuge der Markenentwicklung setzt EnBW auf drei Säulen zur Vermittlung der neuen Corporate Identity (CI): Säule 1: klassische Werbung, neue Medien und Dialogmarketing Säule 2: Sponsoring und Eventmarketing Säule 3: Messen und Ausstellungen Über alle Säulen werden die Kommunikationsthemen erneuerbare Energien, Innovation, Klimaschutz, Sicherheit, Umwelt, Service, Kundenbindung und Energieeffizienz konsistent und integriert vermittelt. Somit stellt EnBW sicher, dass sich in allen Aktivitäten alternativer Markenkommunikation die Markenwerte konsequent und nachhaltig widerspiegeln. EnBW Energie Baden-Württemberg AG – die Verwurzelung im Land steckt schon im Namen. Für die Region übernimmt EnBW Verantwortung und bietet mehr als Strom, Gas und Wasser. Sie geben dem Land und den Leuten Impulse – für viele Bereiche des Lebens: im Sport und für die Kultur, für Projekte, die der Gemeinschaft und der Gesellschaft nützen, und natürlich auch für die Zukunft der Energie. Die geförderten Projekte besitzen einen strategischen Fit mit der strategischen Ausrichtung der Marke EnBW. Für eine Partnerschaft müssen die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:
Der Sponsoringpartner muss zum Markenleitbild passen: – Vordenker/Wegbereiter – regionale Verantwortung – Kundennähe – gesellschaftliche Verantwortung.
Optimale Rechte- und Mediakombination: Der Werbewert der Sponsoringaktivität muss die Vertragssumme zuzüglich der Begleitmaßnahmen um mindestens das Doppelte übersteigen
Gewährleistung von partnerschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten Angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis im Sinne der Mediawirkung und der dafür zu erbringenden Kosten
Professionalität der Umsetzung Innovative Ansprache von Kunden und Partnern in einem attraktiven Umfeld Projektförderung anstatt Pauschalförderung. Darüber hinaus trägt jedes EnBW-Engagement dazu bei, die Markenwerte zu steigern, Kundenpotenziale zu aktivieren und zu identifizieren, Teil des integrierten Marketing-Mix zu sein und gleichzeitig die Mediawerte und CRM-Leistung zu steigern. Das Sponsoring ist für EnBW damit ein weiteres Element im Rahmen einer wertorientierten Unternehmensführung. Die Kooperationspartner sind wie EnBW regional verankert und besitzen ein weit über Baden-Württemberg hinaus reichendes Renommee. EnBW will mit dem Engagement die Potenziale dieser Partner fördern und erlebbar machen.
188
Im Bereich Gesellschaft und Kultur fördert EnBW das Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe, das Kunstmuseum in Stuttgart, das Stuttgarter Ballett, die Experimentierlandschaft Phaeno in Wolfsburg sowie die Aktion „Echt gut – Ehrenamt in BW“. Diese strategisch wichtigen Engagements werden durch zahlreiche weitere Aktivitäten in Baden-Württemberg ergänzt.
Jetzt kracht es! Der „EnBW EnergyTower“ im phaeno
Das Engagement von EnBW beim VFB Stuttgart als Beispiel eines Engagements wird nun im Folgenden genauer dargestellt. Nicht nur das Großereignis WM 2006 wurde durch EnBW aktiv unterstützt. Um die regionale Verankerung des Stromversorgers zu unterstreichen, ist EnBW aktiver Förderer des VFB Stuttgart und des Karlsruher SC. EnBW ist für den VFB Stuttgart offizieller Haupt-, Spielbekleidungsund Trikotsponsor. Neben der Intensivierung des Relationship Managements mit Kunden, Partnern und der Stadt Stuttgart ist das wesentliche Ziel des Engagements der Auf- und Ausbau der nationalen Bekanntheit der Marke EnBW. Darüber hinaus profitiert der Energieversorger vom positiven Imagetransfer der erfolgreichen Fußballvereine in der 1. Bundesliga.
Das Engangement von EnBW für den Fußballsport
189
Markenführung und Marketing-Mix
5.1
Die WM 2006 „Das Runde muss in‘s Eckige“– EnBW und Yello.
Implementierung der Markenführung
5.
Eingeleitet durch den FIFA Confederation Cup startete das Engagement des EnBW-Konzerns mit allen Marken als nationaler Sponsor. Im Juni 2006 trugen die Kontinentalmeister ihre Spiele in Köln, Leipzig, Frankfurt am Main, Hannover und Nürnberg aus. Rund 600.000 Zuschauer und mehr als 120 Millionen Menschen an den Bildschirmen verfolgten die Spiele. Diese hohe Aufmerksamkeit im Vorfeld der WM 2006 in Deutschland nutzte EnBW für sich und die Konzernmarken als eine Generalprobe. Im Mittelpunkt standen Kundenbindungs- und betreuungsmaßnahmen. Ein Aktionsbeispiel ist das Yello-Team, das im Vorfeld der WM entstand. Das Yello-Fußball-Team verkörperte die pure Freude am Fußball spielen genauso wie die Vorfreude auf die kommende WM in Deutschland. Betreut wurden die Spieler vom „Kaiser“: Franz Beckenbauer machte die Yello Mannschaft fit und begleitete sie auf dem Weg bis zum Finale der FIFA Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Das Motto der Spieler lautete: „Wir geben alles.“ Dies reflektierte das Ziel von Yello – im Wettbewerb und für die Kunden das Beste geben, um die Menschen immer wieder auf’s Neue von Yello zu begeistern.
Das Yello-Team Das Yello-Team wurde eingebunden in eine integrierte WM-Kommunikationsstrategie. Zahlreiche Gewinnaktionen - unter anderem auf der Hannover Messe, in Verbindung mit Kundenkarten und Online-Gewinnspielen – Aktionen mit den Fußballvereinen VFB Stuttgart und Karlsruhe SC, ein Yello Helikopter mit Franz Beckenbauer, spezielle Commercial Displays und Aktionen für die Mitarbeiter sind nur einige aus einer Vielzahl an Aktionen.
Das Yello-Team online und prominente Fußballbegeisterte
190
EnBW verband mit dem WM-Engagement viele Chancen, die es für die einzelnen Konzernmarken zu nutzen galt: EnBW versuchte die neu definierte Marke sympathisch, unverwechselbar und emotional einem großen Publikum in Baden-Württemberg näher zu bringen und national einen ausgewählten Kreis an Top-Entscheidern anzusprechen.
„Die Welt zu Gast bei Freunden“ – das Motto der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland griff EnBW auf. Der Stromversorger repräsentierte als einziger offizieller FIFA-Partner das Land Baden-Württemberg und hatte damit die Verantwortung, das Motto der WM zu leben – Menschen willkommen zu heißen und sie mit Energie zu begeistern. EnBW stellte damit alle Aktivitäten unter das Motto: „Das größte Heimspiel aller Zeiten“. Die WM 2006 wurde somit zu einem Ort der Begegnung mit den wichtigsten Zielgruppen. Ausgewählte Kunden erhielten ein WM-Paket, das ein Ticket, Zutritt zu den EnBW-Logen und Commercial Hospitality und einen Shuttle-Service beinhaltete. Über Bandenwerbung, Logo auf allen offiziellen FIFA-Boards, Anzeigenwerbung in Stadion-Magazinen und Programmheften erhielten die Marken EnBW und Yello nicht nur nationale, sondern auch internationale Bekanntheit. Auch in der EnBW-Kommunikation wurde das Thema immer wieder aufgegriffen. Ob in der Standard-Kommunikation, dem Kunden-Magazin, der EnBW-Website, in Emails, in Flyern und Broschüren oder Mailings – überall fand das Thema Fußball Beachtung oder das offizielle Logo der Fußball-WM seinen Platz. Als weitere Maßnahme nutzte EnBW die Fußball-WM außerhalb des Stadions beim Public Viewing. EnBW lud hierzu die Menschen in Baden-Württemberg ein, gemeinsam die WM zu sehen und auf den Fußball-Parties zu feiern. Abgerundet wurde die Event-Serie durch das EnBW-Engagement auf dem FiFA-Fanfest in der Host-City Stuttgart.
Die Fußball-WM als Element der EnBW-Kommunikation
191
5.1 Markenführung und Marketing-Mix
Für Yello war die WM 2006 mit dem Ziel verbunden, neue Stromkunden zu gewinnen und bestehende Kunden zu binden. Die weiteren Konzernmarken, wie NaturEnergie nutzten die kommunikativen Maßnahmen zur individuellen Zielerreichung. Daher waren alle Maßnahmen der EnBW-Marken aufeinander abgestimmt, um einen maximalen Synergieeffekt zu erreichen. Zu diesem Zweck hatte EnBW ein internes WM-Team gebildet, das bis auf die Vorstandsebene verankert war und damit ein markenkonformes Auftreten sicherstellte.
Implementierung der Markenführung
5.
Die Fußball-WM als Element der Yello-Kommunikation
192
Events
Das externe Markenevent spricht eine externe Zielgruppe an und hat das kommunikative Ziel, den symbolischen Nutzen der Marke zu intensivieren. Es eignet sich daher besonders zum Aufbau einer stabilen Beziehung zwischen dem Konsumenten und der Marke. Das Markenevent ist stark erlebnisorientiert und fördert damit emotionale Prozesse bei der Zielgruppe. Bei Informationsevents dagegen ist das primäre Ziel, das Wissen über die Markenmerkmale beziehungsweise den funktionalen Nutzen bei Mitarbeitern und externen Zielgruppen aufzubauen bzw. zu verfestigen. Events haben zwei grundlegende Ziele: Operative Ziele richten sich vorrangig auf kurzfristige Wirkungen. Es handelt sich um Kontaktziele, wie zum Beispiel die Anzahl der Eventteilnehmer, die Relation der tatsächlichen Teilnehmer zu den eingeladenen Teilnehmern, die Direktkontakte zwischen Eventteilnehmer und Unternehmen, sowie um kurzfristige Kommunikationsziele, beispielsweise den Grad der emotionalen Aktivierung, die Intensität der Interaktion und die Dialogbereitschaft der Teilnehmer. Kurzfristige ökonomische Ziele sind dagegen nicht das grundlegende Anliegen eines Events. Operative Ziele stellen daher eher eine Ausnahme dar oder sind nebenrangig. Strategische Ziele richten sich auf die mittel- und langfristige positive Beeinflussung der Bekanntheit und der Einstellung zum Unternehmen, die Verfestigung emotionaler Markenbilder, die emotionale Kundenbindung und letztlich das Kaufinteresse und die Kaufbereitschaft. Es wird also eine längerfristige Gedächtniswirkung und Verhaltensbeeinflussung angestrebt. Die Abgrenzung zwischen der Teilnahme an einem Event und einer strafbaren Vorteilsnahme oder Bestechung kann im Einzelfall – insbesondere nach deutschem Recht – umstritten sein. Zusätzlich sind die steuerlichen Regelungen in Deutschland vielfach unklar. Hier sollten im Interesse transparenter Rahmenbedingungen für das Marketing und einer für das Unternehmen aber auch für Kunden und Interessenten klaren Rechtssituation eindeutige Regelungen geschaffen werden.
193
5.1 Markenführung und Marketing-Mix
Sponsoring und Events sind sehr ähnliche Below-the-line-Maßnahmen. Die Ziele und Erfolgsfaktoren sind übertragbar. Wie das Sponsoring bezeichnet ein Event ein Ereignis, das sportlicher, kultureller oder gesellschaftlicher Art sein kann. Im Gegensatz zum Sponsoring nutzt das Event eigenständig initiierte Veranstaltungen als Trägermedium eigener Kommunikationsinhalte in einem inszenierten emotionalen und interaktionsfähigen Kontext (vgl. Meffert/Burmann/Koers 2005, S. 389). Das Unternehmen und die Marke stehen im Mittelpunkt des Events und können daher ein hohes Situations- und Kommunikationsinvolvement der Eventteilnehmer realisieren. In der Folge werden eine hohe Kontaktqualität und ein nachhaltiger Imagetransfer ermöglicht. In Abhängigkeit von den Kommunikationsinhalten und der Zielgruppe lassen sich vier Grundtypen von Events unterscheiden:
Fahren im Grenzbereich – Audi Driving Experience.
Implementierung der Markenführung
5.
Das Fahrertraining Audi Driving Experience nutzen jährlich bis zu 14.000 ambitionierte Autofahrer. Auf präparierten Schneeflächen, zum Beispiel in Finnland, Österreich oder auf Rennstrecken wie dem Circuit de Catalunya in Barcelona können die Sportlichkeit der Audi Modelle und die Vorteile der quattro®Technologie erlebt werden. Die Audi Driving Experience dient der Kundenbindung und der Neukundengewinnung. Die Weltmarktführerschaft beim Wintertraining (rund 4.000 Teilnehmer im Jahr) bestätigt den Erfolg.
Faszination Audi – Millionen Mal erleben. Die AUDI AG ist jährlich auf mehr als 30 internationalen Automobil-Messen vertreten. Die faszinierende und intelligente Inszenierung der Marke wird so von über acht Millionen Messebesuchern erlebt. Um in allen Ländern den gleichen Standard in der Produktinszenierung zu gewährleisten, wurde das „International Motorshow Concept IMC“ entwickelt. Es ist ein modulares Baukastensystem, das individuell einsetzbar ist. Es entspricht den Anforderungen verschiedenster Messetypen. Der aktuelle Messeauftritt der AUDI AG wurde mit dem „Most Significant Exhibit Design“-Preis und dem „red dot design award“ ausgezeichnet.
Der Audi-Messestand
194
Der Audi-Messestand
Der Audi-Shop
Wenn eine Marke zu einem Erlebnis wird Ein wichtiger Bestandteil der Kommunikation: Audi will real erfahrbar sein. Dafür wurden die Audi Foren konzipiert. In acht Weltstädten, zum Beispiel Berlin, London, Paris und New York, fungieren sie als Kommunikations- und Inszenierungsort von Produkt und Marke und repräsentieren den globalen Anspruch der AUDI AG. In architektonisch progressiv konzipierten Bauten wird der Dialog mit dem Kunden intensiviert und der Öffentlichkeit ein facettenreiches Kulturprogramm geboten. So bekommt die Marke ein emotionales Gesicht. Ein besonderes Erlebnis ist das Audi Forum Ingolstadt. Hier hat der Kunde die Möglichkeit, seinen Audi direkt im Werk abzuholen. Als erster Automobilhersteller empfing Audi seine Kunden als Gäste, die das Unternehmen ganz persönlich erleben können. Zur Abholung des Wagens gehört ein individuelles Tagesprogramm inklusive Werksbesichtigung. Eine ganz besondere Attraktion ist der Besuch im Museum mobile, das sowohl die lange Historie der Marke erlebbar macht als auch über neueste Technik informiert. So wird die Neuwagenabholung ein Erlebnis rund um die Marke Audi.
Der Audi-Neuwagenabholung
195
Markenführung und Marketing-Mix
5.1
Die Marke erlebbar machen.
Implementierung der Markenführung
5.
EnBW nutzt Messen und Zentren, um die Marke für den Kunden erlebbar zu machen und das eigentlich unsichtbare Produkt Strom anfassbar und begreifbar zu machen. Die Infocenter sind ein zentraler Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit. Mit ihnen verfolgt EnBW das Ziel, im Direktkontakt eine zielgruppenspezifische Kommunikation zu etablieren, die Kernbotschaften der Marke zu platzieren und bei den verschiedenen Anspruchsgruppen der Marke ein positives Meinungsbild zu schaffen. Die emotionale Informations- und Erlebniswelt ist auf das moderne Informationsverhalten ausgerichtet und durch einen hohen Innovationsanspruch beim Wissen- und Markentransfer geprägt.
Der EnBW-Messestand
Den Auftritt auf Messen nutzt EnBW nicht nur als Akquiseinstrument, sondern gleichfalls als ein Instrument der Öffentlichkeitsarbeit. Der Messestand von EnBW folgt den CI-Gestaltungsrichtlinien und unterstreicht damit den konsequenten Markenauftritt nach außen und innen.
Markenauftritt – konsequent umgesetzt im Messekonzept der EnBW
196
Spenden und Sponsoring für Kultur und Sport werden auch häufig als Corporate Social Responsibility und Corporate Citizenship bezeichnet. Unternehmen zeigen eine soziale Verantwortung und engagieren sich gesellschaftlich. Mit dem Engagement verfolgen die Unternehmen drei Hauptziele: öffentlichkeitsbezogene Ziele kunden- und umsatzbezogene Ziele personalbezogene Ziele. In einer internationalen Studie wurden 1.000 Führungskräfte nach der wirtschaftlichen Relevanz des Corporate Citizenship befragt. 70 Prozent der deutschen Führungskräfte gaben an, dass sich die Geschäftspolitik bereits geändert hat bzw. dies geplant sei (vgl Backhaus-Maul/Braun 2007, S. 6 ff.). Auch das Bundesministerium für Wirtschaft weist auf die wirtschaftliche Relevanz des gesellschaftlichen Engagements von Unternehmen hin: Durch den Einsatz von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Corporate Citizenship-Projekten können deren Kommunikations- und Teamfähigkeit, Zielorientierung, Eigenaktivität, Kreativität sowie Sozial- und Führungskompetenz verbessert werden Gleichzeitig kann sich dadurch die Mitarbeiterzufriedenheit und Einbindung sowie die Identifikation mit dem Unternehmen erhöhen und die Personalfluktuation sinken Ein Engagement im Bereich von Bildung und Qualifizierung kann dazu führen, dass ein Unternehmen jenseits bewährter Instrumente neue Zugänge zu Nachwuchskräften und Auszubildenden erhält In der Unternehmenskommunikation und im Marketing kann durch Corporate Citizenship-Projekte eine Differenzierung am Markt erzielt, das Image verbessert und der Bekanntheitsgrad erhöht werden Corporate Citizenship ist auch eine Chance, sich mit gesellschaftlichen Entwicklungen auseinander zu setzen, Trends zu erkennen und zusätzliche Einblicke in Märkte und in das Verhalten von Kunden zu erhalten Eine Verbindung und Integration sozialer Zwecke in das Marketing hilft eine Beziehung zu neuen Kundengruppen aufzubauen, die Kundenbindung zu stärken und dadurch den Absatz zu erhöhen Gerade mittelständische Unternehmen sind sich bewusst, dass sie auf einen funktionierenden Standort angewiesen sind. Nur in einem intakten Umfeld lassen sich gute Geschäfte mit Kunden und Zulieferern machen oder qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finden. Die Möglichkeiten sind vielfältig. Von großer Bedeutung ist weiterhin ein monetäres Engagement insbesondere in Form von Spenden oder durch Sponsoring. Darüber hinaus setzen Unternehmen ihr Geld zunehmend auf neue Art und Weise ein, etwa durch Beteiligung an Bürgerstiftungen, Förderfonds oder durch das Ausloben von Förderpreisen, indem sie zinsfreie bzw. zinsgünstige Kredite gewähren oder auch Aufträge an gemeinnützige Organisationen vergeben. Es sind aber auch Produkte, Dienst- und Logistikleistungen, die zur Verfügung gestellt werden. Hier geht es vor allem um die kostenlose oder kostengünstige Überlassung von Produkten, Dienstleistungen oder der Infrastruktur des Unternehmens (also zum Beispiel von Räumen, Fahrzeugen oder Kopiergeräten), Beratung in Managementfragen und Unterstützung bei der Öffentlichkeitsarbeit.
197
Markenführung und Marketing-Mix
5.1
Implementierung der Markenführung
5.
Möglich ist auch, zusätzliche Praktikums- und Ausbildungsstellen bereitzustellen oder Beschäftigungsmöglichkeiten für benachteiligte Personenkreise zu schaffen. Immer häufiger zu beobachten ist, dass Unternehmen Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter in gemeinnützigen Feldern einsetzen oder die Unternehmensleitung sich selbst engagiert. Darüber hinaus kann die Unternehmensleitung der Belegschaft beispielsweise ein Stundenkontingent für ihr Engagement zur Verfügung stellen. Anstelle eines Betriebsausflugs können Unternehmensführung, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch einen Tag lang in einem sozialen Projekt arbeiten. Dazu zählen auch Patenschaften zum Beispiel für benachteiligte Kinder oder Jugendliche („Mentoring“), die kostenfreie Beratung von gemeinnützigen Organisationen (beispielsweise im Bereich EDV, Buchhaltung und Controlling) sowie die Unterstützung im Bereich des Marketings. Eine starke Marke und ein positives Image, der gute Namen des Unternehmens und die hilfreichen Kontakte der Unternehmensleitung lassen sich zur Unterstützung gemeinnütziger Ziele oder von gemeinnützigen Organisationen einsetzen. So kann es hilfreich sein, ein gutes Wort bei Politik und Verwaltung für eine Initiative einzulegen, ihr Kontakte zu vermitteln oder die Möglichkeit zu verschaffen, sich in einem Unternehmernetzwerk zu präsentieren, um Unternehmerkollegen von der Sinnhaftigkeit einer Initiative zu überzeugen. Das gesellschaftliche Engagement geht über die eigentliche Kommunikation hinaus. Nicht das Unternehmen steht im Vordergrund, sondern die Aktion beziehungsweise Empfänger des Engagements. Dennoch sind die positiven Effekte auf das Unternehmen und auf die Marke signifikant und messbar. Ein weiteres Kommunikationsinstrument, das immer weiter an Bedeutung gewinnt, ist das Internet. Internet In den letzten Jahren hat sich die Anzahl der Internetnutzer vervielfacht. Allein in Deutschland erhöht sich der Anteil der Internetnutzer von Jahr zu Jahr. Im Jahr 2008 sind rund 62 Prozent aller Deutschen online. Zentrale Treiber dieser rasanten Verbreitung des Internets sind die medienspezifischen Besonderheiten. Das Internet ermöglicht einen nutzergesteuerten interaktiven Zugriff auf Informationen, unabhängig von Zeit und Raum. Von Seiten der Unternehmen bietet das Internet die Möglichkeit, den Nutzern personalisierte Informationen und Angebote bereitzustellen und im Gegenzug eine Vielzahl an kundenspezifischen Informationen zu erhalten. Neben dem Einsatz des Internet als Informations- und Kommunikationskanal lassen sich Geschäfte über das Internet anbahnen und abschließen sowie bei digitalisierten Leistungen auch unmittelbar abwickeln, zum Beispiel bei Book on demand. Vor dem Hintergrund der wachsenden Attraktivität und der damit einhergehenden zunehmenden Bedeutung des Internet stellt sich nun die Frage, welche Herausforderungen sich daraus für die Markenführung ergeben. Für klassische Marken ist das Internet lediglich eine weitere Facette des Markenauftritts. Im Sinne einer integrierten Kommunikation ändert sich durch das neue Medium, das die Marke nutzt, nicht der Markenauftritt. Die Markenidentität, die Positionierung und das Markenimage werden in den Internetauftritt übertragen und medienspezifisch dekliniert. Darüber hinaus übernimmt das Internet nicht allein kommunikative Aufgaben, sondern ist auch ein Instrument der Öffentlichkeitsarbeit (PR), zur Akquise von Interessenten und Neukunden, zur Kundenbindung sowie zur Prozessoptimierung, beispielsweise im Rahmen von Bestellungen und Vertragsabschlüssen.
198
Innerhalb der letzten Jahre haben sich in den neuen Angebotsbereichen des Internets bekannte Mechanismen der Markentechnik etabliert, wie das Beispiel der Online-Automarktplätze veranschaulicht. Die Idee virtueller Automarktplätze nutzt die Vorteile des Internets. In relativ kurzer Zeit hat sich die Anzahl der Anbieter vervielfacht. Heute hat sich der Markt auf klassische Weise, also über Insolvenzen und Aufkauf von Marktanteilen, bereinigt. Neben dem Marktführer AutoScout24, einer Marke, die als Teil der Scout24-Holding und somit im Rahmen einer Familienmarkenfamilienstrategie erfolgreich ist, hat sich Mobile als Monomarke etabliert. Der gegenseitige Wettbewerb wirkt positiv auf das Produkt, das permanent im Hinblick auf die Kundenbedürfnisse optimiert wird. Nach dem markentechnischen Aufbau und kontinuierlichen Marktanteilsgewinnen kommt nun der Feinschliff von Angebot und Marke. Added Values – die Mehrwerte für den Nutzer – stärken zusätzlich die Identität der Marke, wenn sie zu ihr passen und mit den Markenwerten übereinstimmen. Eine Überfrachtung der Webpräsenz mit belanglosen Services, die den Nutzern keinen Mehrwert bringen, verwässert dagegen den Markenwert. Gleiches gilt für eine mangelnde Convenience beim Suchen und Finden auf der Seite sowie zu viele ablenkende Reize (Pop-Up’s, Skyscraper etc.). Die Markenführung muss den Gesetzen des Mediums angepasst sein, sie darf ihnen aber nicht unterworfen werden. Erfolgreichen E-Brands gelingt es, ihre Identität in ein Schlüsselbild (Brand Visual) zu übertragen. Sie transportieren die Einzigartigkeit und den Nutzen einer Marke und verankern beim Konsumenten ein inneres Bild von der Marke. So visualisiert zum Beispiel die Figur des Scout bei Scout24 die Kernkompetenz aller Scout24-Marken, nach dem Motto „wer scoutet, der findet“ – und zwar schnell, bequem und vor allem das Gewünschte.
199
5.1 Markenführung und Marketing-Mix
Neben den klassischen Marken finden sich im Internet E-Brands. Sie bezeichnen diejenigen Marken, die für das Internet geschaffen wurden und im Internet gepflegt werden. Die Präsenz im Internet stellt den Kern aller Marketingaktivitäten dar (vgl. Specht 2001, S. 258 f.). Wie für alle Marken ist das Schaffen von Markenbekanntheit auch für E-Brands das oberste Ziel. Die mittlerweile weite Verbreitung und hohe Akzeptanz des Internetmediums unterstützt das Ziel. Aber mit der wachsenden Popularität ist auch die Anzahl der verfügbaren Internetseiten exponentiell angestiegen. Häufig kommt der Nutzer nur durch Zufall auf eine Seite und kann den Weg dorthin kaum mehr nachvollziehen. Beeinflusst ist der Erfolg einer E-Brand wesentlich durch die Neuartigkeit des Angebots. Dieser so genannte First Mover Advantage schlägt sich in einer hohen Aufmerksamkeit von Presse und der Öffentlichkeit nieder, wie die Beispiele von Amazon, ebay und Google eindrucksvoll belegen. Diesen Wettbewerbsvorteil können erfolgreiche E-Brands oft langfristig halten und durch eine kontinuierliche Aktualisierung des Angebots sukzessive ausbauen. Gegenüber den klassischen Marken kann E-Brand mit einem vergleichsweise geringen Kommunikationsbudget Bekanntheit aufbauen. Sie haben in der Regel ein sehr spezifisches Angebot, das sich an eine stärker involvierte Zielgruppe wendet. Über Beiträge in Diskussionsforen und Newsgroups lässt sich das Angebot kostengünstig kommunizieren. Durch die Kooperation mit anderen Internetanbietern steigert sich gleichfalls der Bekanntheitsgrad. Darüber hinaus weisen Pop-ups oder Anzeigen im Newsletter der Kooperationspartner auf das eigene Angebot hin.
Implementierung der Markenführung
5.
Eine emotionale Bindung an die Marke via Internet aufzubauen, erscheint zunächst schwierig. Doch auch das Internet bietet verschiedene Möglichkeiten zum Beziehungsaufbau. Die Dialogfähigkeit und die damit einhergehende Möglichkeit unmittelbar auf die Bedürfnisse der Kunden einzugehen, bietet die größten Potenziale zur Kundenbindung. Oft wird dieses Customizing jedoch als ein schlichtes Sammeln von Kundendaten fehl interpretiert, die anschließend für aggressive Marketingaktivitäten verwendet werden. Versteht man unter Customizing hingegen die Möglichkeit eines persönlich zugeschnittenen Angebotes im Internet – wie beispielsweise bei Amazon – erhöht man die emotionale Bindung der Kunden. Für den Aufbau einer emotionalen Bindung der Konsumenten an eine E-Brand sowie an klassische Marken, die das Internet als ergänzendes Medium nutzen, ist die Umsetzung der Markenpositionierung von großer Bedeutung. Bei der Umsetzung ist sicherzustellen, dass die Wahrnehmung gesichert ist Marken müssen Elemente definieren, die ihre Positionierung wahrnehmbar im Internet umsetzen. Ein Nutzer, der nur zufällig eine Internetseite „besucht“, kann eine Positionierungsbotschaft nur dann wahrnehmen, wenn diese schon mit wenigen Blicken erfasst werden kann. Zur Visualisierung der Marke im Internet können das Markenlogo, das Corporate Design (Farbe/ Formen) oder Schlüsselbilder verwendet werden. der Internetauftritt eigenständig gestaltet ist Viele Unternehmen nutzen für ihren Internetauftritt Stereotypen und ähneln ihren Wettbewerbern. In der Folge prägen sich diese austauschbaren Marken nicht in das Gedächtnis des Konsumenten ein und können damit nicht eindeutig einer Marke zugeordnet werden. Nur eine Marke, die ihren Internetauftritt eigenständig gestaltet, kann sich klar positionieren. Die eigenständige Gestaltung muss aber abgestimmt mit dem restlichen Auftritt der Marke erfolgen. die Kommunikation integriert ist Der Internetauftritt der Marke muss sowohl in sich als auch mit dem Auftritt der Marke in anderen Medien abgestimmt sein. Durch das Ausnutzen von Synergieeffekten kann das Markenimage aufgebaut und intensiviert werden. der Kontakt mit dem Kunden aktiv hergestellt und genutzt wird Die Bedeutung des Kontaktaufbaus und der Dialogfähigkeit wird noch immer unterschätzt. Zum Kontaktaufbau lassen sich verschiedene Instrumente nutzen. Bei der aktiven Suche nach Informationen und Leistungen im Internet bedient sich der Nutzer entweder direkt der URL des Anbieters oder einer Suchmaschine. Für die Marke bedeutet dies, dass die URL so gewählt sein sollte, dass sie den Nutzer intuitiv auf die richtige Seite führt und in allen relevanten Suchmaschinen vertreten ist. Eine weitere Möglichkeit ist das Schalten von Werbebanner auf anderen Internetseiten. Der Einsatz emotionaler, überraschender oder physisch-intensiver Reize erzeugt Aufmerksamkeit und intensiviert die Nutzung des Internetauftritts. Ein Instrument ist der virtuelle Berater, der den Kunden durch den Internetauftritt leitet. Er verfügt über einen Sprachschatz, der sich in der Kommunikation mit den Nutzern erweitert, beantwortet Fragen, berät und personalisiert das virtuelle Angebot.
200
Den größten Erfolg zur Ansprache einer breiten Zielgruppe hat eine Kopplung der Kommunikation in Massenmedien oder auf der Produktverpackung mit dem Internetauftritt, wenn
die emotionale Wirkung sichergestellt ist Emotionen dienen als positiver oder negativer Wahrnehmungsfilter. Insbesondere bei gering involvierten Konsumenten kommt den emotionalen Reizen auf der Internetseite eine besondere Bedeutung zu. Der Besucher einer Internetseite beurteilt zunächst, ob ihm der Internetauftritt der Marke gefällt. Erst danach folgt die stärker rationale Wahrnehmung der Details. Emotionale Reize werden unbewusst wahrgenommen und peripher verarbeitet. Sie wirken somit positiv auf den Markenerfolg und unterstützen die Informationsvermittlung und -aufnahme. Eine markenkonforme Hintergrundgestaltung und eine intuitive Benutzerführung sind wichtige optische Gestaltungsmittel zur Erzeugung von Emotionen. Große emotionsstarke Bilder, die beispielsweise in Verbindung mit Animationen in einem Webseiten-Intro geschaltet werden, visualisieren den Markenauftritt und die Markenpositionierung. Kunden an die Marke gebunden werden Im Gegensatz zur klassischen Marke ermöglicht der Auftritt einer Marke im Internet die einfache Sammlung und Analyse von kundenrelevanten Daten und Informationen, den Dialog in Echtzeit und die differenzierte Behandlung von Kunden. Dadurch kann auf die spezifischen Bedürfnisse der Kunden Bezug genommen werden und Angebote individualisiert werden. Sachliche und emotionale Mehrwertdienste, die nicht unmittelbar mit dem Verkauf in Verbindung stehen, leisten einen wertvollen Beitrag zur Kundenbindung. Emotionale Mehrwertdienste binden den Konsumenten in die Markenwelt ein, während sachliche Mehrwertdienste ergänzende Informationen zur Marke und den Produkten bieten.
201
5.1 Markenführung und Marketing-Mix
Informationen wirksam vermittelt werden Mit der Interaktivität verfügt das Internet über eine Eigenschaft, die in den klassischen Medien nur durch einen Medienbruch realisierbar ist. Voraussetzung ist eine benutzerfreundliche Navigation, die dem Nutzer das zielgerichtete Auffinden von Informationen ermöglicht. Ist dies nicht gegeben steigt die Gefahr des Nutzungsabbruchs. Die Übersichtlichkeit und damit die Informationsaufnahme werden häufig durch die Komplexität der Internetseite behindert. Eine Komplexitätsreduktion kann beispielsweise durch eine Personalisierung der Internetseite erreicht werden, deren Informationsangebot sich an den Bedürfnissen des Nutzers ausrichtet, wie beispielsweise Amazon.
Der Internetauftritt – eingebettet in die integrierte Kommunikation.
Implementierung der Markenführung
5.
Die Internetseite von Yello
Die Internetseite von EnBW
Die Internetseiten von Yello und EnBW spiegeln die jeweiligen Markenwerte wider und sind eingebettet in eine integrierte Kommunikationsstrategie. Interaktive Elemente auf beiden Internetseiten tragen zu einer Optimierung verschiedener Prozesse wie beispielsweise dem Vertrieb bei. Auf der Yello-Webseite dominiert die gelbe Farbe. Sie ist einfach und intuitiv gestaltet mit Eve als virtuelle Person, die dem Nutzer bei Fragen hilfreich zur Seite steht. Die EnBW-Seite ist in den markenspezifischen Farben blau und silber gehalten mit dem orangefarbenen Impulsstrahl. Auch hier findet sich ein Bild der aktuellen Kampagne wieder. EnBW nutzt die Webseite unter anderem, um über regionale Nachrichten und Besonderes aus Baden-Württemberg zu berichten und damit die regionale Verankerung der Marke zu unterstreichen.
Im Zuge einer wachsenden Attraktivität des Internets gewinnen auch soziale Netzwerke im Internet (Brand Communities) immer weiter an Bedeutung. Auch Unternehmen erkennen zunehmend die Relevanz von Communities für die Markenführung. Sie entstehen zumeist aufgrund der Initiative von Konsumenten und werden von diesen selbstständig geführt. Die Mitglieder binden sich somit freiwillig und zumeist langfristig an die Marke eines Unternehmens. In Zeiten, in denen eine langfristige Differenzierung im Wettbewerbsumfeld immer aufwendiger und schwieriger wird und traditionelle Kundenbindungsmaßnahmen immer häufiger nicht den gewünschten Erfolg bringen, steigt die Attraktivität von Brand Communities. Communities sind komplexe soziale Systeme, die die gleichen Strukturen aufweisen können wie traditionelle Gemeinschaften. Sie bringen Markenfans und -interessierte in einem durch die Marke geprägten Umfeld zusammen, fördern den Austausch und die Interaktion miteinander und kreisen oft um das gemeinsame Konsumerlebnis. Die Brand Community kann sich virtuell oder
202
die Marke ein dauerhaftes Interesse generieren kann die Marke Relevanz im Alltag besitzt die Marke ein Identifikationspotenzial für Konsumenten und Interessierte besitzt die Marke den Kunden emotional anspricht die Marke über eine interaktive Komponente verfügt.
203
5.1 Markenführung und Marketing-Mix
real treffen, wobei in der Regel eine Kombination angestrebt wird. Sie ist gekennzeichnet durch eine kollektive Identität, Rituale und Traditionen sowie das Gefühl moralischer Verantwortung. Die kollektive Identität ist der gemeinsame „Nenner“ der Community und ist sehr eng mit der Marke verbunden. So verbindet beispielsweise die Harley Davidson-Fahrer der gemeinsame Glaube an Freiheit und „Rebellion“, während es bei Apple-Fans das Gefühl der Originalität, Kreativität und Non-Konformität ist. Im Rahmen ihrer Interaktion entwickeln die Mitglieder ihre eigenen Rituale und Traditionen. Viele VW Käfer- oder Saab-Fahrer hupen, wenn sie sich auf der Straße begegnen. Diese und weitere Rituale und Traditionen verleihen einer immateriellen Community eine konkrete und greifbare Bedeutung. Darüber hinaus zeichnen sich Communities durch ein Gefühl moralischer Verantwortung aus. Apple-Nutzer helfen sich gegenseitig bei Problemen mit Hard- und Software und zeigen einen gegenseitigen Zusammenhalt zwischen den Mitgliedern einer Community. Darüber hinaus stärken Brand Communities die Markenbindung auf vielfältige Weisen: Zum einen können neue Nutzungsmöglichkeiten dazu führen, dass die Marke öfter genutzt wird und die Zufriedenheit steigt. Zum anderen entsteht eine kollektive Markenbindung, da innerhalb der Community Freundschaften aufgebaut und soziale Bedürfnisse befriedigt werden. Sie wirken damit als eine Wechselbarriere: Unterbricht ein Mitglied die Markennutzung, könnte es aus der Community ausgeschlossen werden und einen Teil seiner sozialen Kontakte verlieren. Des Weiteren sind die Mitglieder von Brand Communities aufgrund ihres hohen Involvement und der Verbundenheit als regelrechte Markenexperten zu sehen. Unternehmen sollten von diesem Wissen im Rahmen ihrer Marktforschung partizipieren und die Community aktiv in die Markenführung integrieren. Obgleich der größte Teil der jeweiligen Marke positiv gegenüber stehen, dürfen die markenkritischen Beiträge nicht ignoriert werden. Sie bieten die Chance, Produkte zu verbessern und dies auch zeitnah zu kommunizieren. Werden diese Warnsignale ignoriert, können gravierende Imageverluste die Folge sein. So hat Apple 2003 zu spät auf Beiträge in Apple-Diskussionsforen reagiert, die die kurze Haltbarkeit der iPod-Akkus bemängelten. Erst eine aufmerksamkeitsstarke Klage hat Apple zum Handeln bewegt. Das Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, über die Meinungsbildung in den Brand Communities informiert zu sein, um einen nachhaltigen Imageverlust zu vermeiden. Die Eigendynamik des Internets bedingt, dass sich negative Nachrichten und Erfahrungen schnell verbreiten und leicht außer Kontrolle geraten können. Unternehmen sollten daher kontinuierlich Foren, User Groups und andere Plattformen, die ihr Geschäft betreffen beobachten, um negative Entwicklungen zu vermeiden. Das Eingehen auf die Kritik aus der Zielgruppe ermöglicht es, das Angebot weiter zu optimieren und als ein Unternehmen angesehen zu werden, das seinen Kunden zuhört und sie ernst nimmt. Einige Unternehmen nutzen die Vorteile von Communities und bauen eine eigene Markengemeinschaft auf zum Beispiel das Maggi-Kochstudio oder Ikea family. Allerdings ist nicht jede Marke dafür geeignet. Voraussetzung ist, dass...
Eine eigene Community muss in der Lage sein, über eine erhöhte Kundenbindung, Neukundengewinnung, Up- und Cross-Selling sowie durch Weiterempfehlung Einkünfte für das Unternehmen zu generieren. Um diese Hebelwirkungen optimal zu nutzen, müssen die Maßnahmen auf die Interessen und Bedürfnisse der Kunden und Mitglieder ausgerichtet sein und ihnen einen Zusatznutzen stiften. Brand Communities – eigene oder unabhängige – bieten dem Unternehmen zahlreiche Vorteile, die sich mit „normalen“ Kunden nicht realisieren lassen.
Implementierung der Markenführung
5.
5.1.4 Vertrieb von Markenprodukten und -dienstleistungen Der Vertrieb bringt „die Marke zum Kunden“. Nach einem Boom von großflächigen Verkaufsräumen in den vergangenen Jahren, gewinnen heute alternative Vertriebswege neben den etablierten klassischen Absatzkanälen zunehmend an Bedeutung. Dies ist insbesondere auf folgende Ursachen zurückzuführen. Die Kauf- und Konsumgewohnheiten haben sich in den vergangenen Jahren gewandelt. Die Verbraucher suchen nach Entlastungen vor, während und nach dem Kauf. Dabei stehen insbesondere die Bequemlichkeit des Kaufs und die Verfügbarkeit des gewünschten Produktes im Vordergrund. Zusätzlich erfordert die Dynamik der Betriebsformen im Handel eine Anpassung des Vertriebs. Auch durch die fortschreitende Entwicklung in den Kommunikationsund Informationstechnologien eröffnen sich Vertriebsmöglichkeiten, die bestehende Absatzkanäle effizienter nutzen und neue Absatzkanäle in die bestehende Vertriebs- und Distributionsstruktur integrieren. Diese Entwicklungen erfordern auch bei Herstellern von Markenprodukten ein Umdenken im Hinblick auf vertriebspolitische Entscheidungen. Um eine Marke wettbewerbsfähig im Markt zu etablieren, ist es in der Regel nicht mehr ausreichend ausschließlich einen einzigen Vertriebskanal zu wählen. Stattdessen gilt es, eine geeignete markenkonforme Kombination verschiedener Absatzkanäle zu bilden, die den Anforderungen und Bedürfnissen der Nachfrager entsprechen und im Einklang mit dem Markenimage und den Markenwerten stehen. Die Wahl der Vertriebskanäle übt einen großen Einfluss auf das Markenimage aus, und umgekehrt tragen Marken zur Imagebildung des Vertriebskanals bei. So sind einige Marken nur über ausgewählte Vertriebskanäle erhältlich (zum Beispiel der Exklusivvertrieb von Luxusmarken) während andere ganz bewusst mehrere Absatz- und Kontaktkanäle nutzen. Die Nutzung unterschiedlicher Vertriebswege ist keine neue Entwicklung. Neu ist aber die geplante Abstimmung und Integration der einzelnen Absatzkanäle im Hinblick auf die markenstrategische Zielsetzung. Bei der Konzeption einer solchen Vertriebsstrategie gilt die zugrunde liegende Markenstrategie als Ausgangspunkt und wesentlicher Rahmenfaktor, um einer Verwässerung des Markenimages vorzubeugen. Die Marke Dallmayr zum Beispiel geht im von Konzernen dominierten Kaffeemarkt einen eigenen Weg. Die Marke Prodomo ist bei Röstkaffee die Nummer zwei in Deutschland nach der „Krönung“ von Jacobs. Neben einem Ladengeschäft unweit des Münchner Marienplatzes nutzt Dallmayr das Vertriebsnetz von Nestlé. Das einzige Ladengeschäft ist auch der Schauplatz sämtlicher Kommunikationsmaßnahmen der Marke und macht sie damit zu einer „begehbaren“ Marke, die Kunden und Interessierte aufnimmt. Das Familienunternehmen lehnt weitere Filialen vehement ab, weil damit die Einmaligkeit und die Besonderheit der Marke ver-
204
loren gingen. Für die Marke Dallmayr liegt die Kunst der Markenführung in der Kunst der eigenen Bescheidung. So hat Dallmayr, anders als der Konkurrent Käfer, der Versuchung widerstanden, alle möglichen Lizenzen zu vergeben. In München gilt Käfer daher eher als der Alfa Romeo unter den Delikatessenhändlern und Dallmayr als der Rolls Royce.
Typ
Stationärer Handel
Beziehungsvertrieb
Door to DoorVertriebswege
Eigenschaften
Kunde „geht“ zum Einkauf und sucht ein stationäres Geschäft auf.
Einkauf des Kunden, bei dem der soziale Kontakt im Mittelpunkt steht.
Der Anbieter bietet dem Kunden die Produkte und Leistungen im Umfeld des Orts des Konsums an.
Der Kunde erhält die Möglichkeit, ortsunabhängig die Produkte und Leistungen zu bestellen.
Beispiele
Hausbesuche Mobile
Supermarkt Discounter Tankstelle Kiosk
Strukturvertrieb Partyverkauf Events Kundenclubs
Verkaufsstellen
Abholstellen
Hol-Prinzip
Home Shopping
Bestellkarten Versandkataloge Tele-Shopping Internet
Bring-Prinzip
Abbildung 32: Das Hol- und Bring-Prinzip (in Anlehnung an Schögel 1998, S. 78)
Geht es darum, die Absatzstruktur zu bestimmen, lassen sich direkte und indirekte Absatzstrukturen unterscheiden. Direkte Absatzkanäle verbinden den Markenhersteller direkt mit dem Konsumenten ohne Zwischenschaltung von Handelsstufen. Beim indirekten Absatzkanal dagegen findet kein unmittelbarer Kontakt zwischen dem Markenhersteller und dem Konsumenten statt, sondern nur indirekt über den Handel. Diese beiden Grundformen (direkter und indirekter Absatz) lassen sich kombinieren und werden dann als Mehrkanalsysteme bezeichnet. Der Konsument erhält somit die Möglichkeit, unterschiedliche Kanäle bedarfsspezifisch innerhalb des Kaufentscheidungsprozesses zu nutzen. Bei einer Kombination des Absatzes über den stationären Handel (indirekter Absatz) mit einem E-Commerce-Angebot über das Internet (direkter Absatz) kann ein Konsument in der Phase der Kaufanbahnung, also der Anregungs- und Suchphase das Internet nutzen und dann den Kauf und den Service über den stationären Handel abwickeln.
205
5.1 Markenführung und Marketing-Mix
Mögliche alternative Absatzkanäle, die im Rahmen einer Mehrkanalstrategie genutzt werden können, lassen sich nach dem Hol- oder Bring-Prinzip strukturieren (vgl. Ahlert/Hesse 2003, S. 7 ff.). Beim Hol-Prinzip werden die Produkte und Leistungen an einem Ort gebündelt und durch den Konsumenten vom Verkaufsort zum Ort des Konsums transportiert. Übernimmt dagegen das Unternehmen den Transport der Produkte und Leistungen zum Ort des Konsums, so handelt es sich um das Bring-Prinzip. Abbildung 32 veranschaulicht die beiden Prinzipien.
Das Mehrkanalsystem zur Markendistribution unterscheidet grundsätzlich zwei Formen:
Implementierung der Markenführung
5.
Multiple Channel Retailing: Hierbei werden die verschiedenen Absatzkanäle des Markenartikelherstellers parallel und unkoordiniert nebeneinander eingesetzt. Da der Konsument innerhalb des Kaufentscheidungsprozesses zwischen den verschiedenen Distributionskanälen wechselt (Channel Hopping), kann es bei einem Multiple Channel Retailing zu Problemen kommen. Aufgrund einer unzureichenden Abstimmung der einzelnen Vertriebskanäle, kann eine uneinheitliche Produktpalette, eine fehlende Verknüpfung der Warenwirtschaftssysteme sowie das Fehlen eines kanalübergreifenden Kundeninformationssystems (CRM) zu Unzufriedenheit bei den Kunden führen und damit dem Markenimage nachhaltig schaden. Ist es dennoch die Zielsetzung des Unternehmens, kanalspezifische Produktpaletten über nebeneinander liegende, nicht verknüpfte Absatzkanäle anzubieten, so sollten die Produkte und Leistungen nicht unter einer einheitlichen Marke präsentiert werden. Multi Channel Retailing: Hier haben die Konsumenten die Möglichkeit zwischen den verschiedenen Vertriebskanälen der Marke beliebig zu wechseln, ohne dabei auf eine einheitliche Produktpalette zu verzichten. Die einzelnen Absatzkanäle werden parallel integriert und koordiniert eingesetzt, um ein einheitliches Markenimage aufzubauen und zu festigen. Darüber hinaus ermöglichen kanalübergreifende Kundeninformationen sowie eine Verknüpfung der Warenwirtschaftssysteme an jedem Kundenkontaktpunkt auf die spezifischen Wünsche und Bedürfnisse des Kunden reagieren zu können. So kann ein Kunde beispielsweise im Internet ein Produkt bestellen und dieses bei der stationären Filiale des Unternehmens reklamieren oder warten lassen. Durch eine Integration der Absatzkanäle und (im Idealfall) der kommunikationspolitischen Aktivitäten werden die Konsumenten an unterschiedlichen Kontaktpunkten auf die Marke aufmerksam und verankern diese sukzessive im Gedächtnis. Die Vorteile eines solchen Vorgehens sind vielfältig. So lassen sich durch eine Erweiterung der Absatzkanäle weitere Marktpotenziale erschließen und damit die Marktabdeckung der Marke erhöhen. Dabei können sowohl auf Seiten des Markenherstellers als auch auf Seiten des Verbrauchers Synergien und Kosteneinsparungen realisiert werden. Der Markenhersteller kann beispielsweise Systembrüche sowie kosten- und personalintensive Bestellannahmen durch eine Integration des Internets in die Absatzkanalstruktur vermeiden. Darüber hinaus lassen sich über die verschiedenen Absatzkanäle eine Vielzahl an Kundeninformationen sammeln, die in einem zentralen CRMSystem aufbereitet, analysiert und allen Vertriebskanälen zur Verfügung gestellt werden. So wird sichergestellt, dass alle Kundenkontaktpunkte über die Kundenhistorie informiert sind und diese konsequent weiterentwickeln. Die Kundendaten bilden die Grundlage zur Analyse und Vorhersage des Kaufverhaltens von aktuellen und potenziellen Kunden sowie zur Entwicklung und Umsetzung von neuen, kundenorientierten Absatzkonzepten, die nachhaltig zur Stärkung des Markenimages beitragen.
206
Ein integriertes Distributions- und Vertriebssystem unterstützt zudem das Category Management von Hersteller- und Handelsunternehmen. Ziel ist es, unterscheidbare, eigenständig steuerbare Gruppen von Produkten zu bilden, die von den Kunden als zusammenhängend und/oder austauschbar empfunden werden und ihre Bedürfnisse umfassend befriedigen. Die Zusammenstellung der Markenprodukte erfolgt im Hinblick auf folgende Produkte:
Für den Kunden reduzieren sich somit die Suchkosten. Das Cross-Selling wird gefördert und der Kaufentscheidungsprozess erleichtert. Im Einzelfall werden auch die Absatzkanäle entsprechend differenziert. Den Vorteilen des Multi Channel Retailing stehen allerdings auch Nachteile gegenüber, die ein Markenunternehmen bei der Umsetzung der Vertriebsstrategie berücksichtigen muss. Die Risiken ergeben sich aus einer unzureichenden Integration der verschiedenen Absatzkanäle sowie dem Fehlen eines kanalübergreifenden Warenprogramms und Kundendatenmanagement. Für eine identitätsorientierte Markenführung sind alle Absatzkanäle und Kundenkontaktpunkte einheitlich und im Sinne des Markenimages zu markieren, um das Wiedererkennen der Marke und die Stärkung des Markenimages zu gewährleisten. Eine uneinheitliche Sortimentsstruktur und -zusammensetzung wirkt negativ auf die Kundenzufriedenheit, wie das nachfolgende Beispiel verdeutlicht. Ein Kunde informiert sich durch das Internet über das Produktangebot des Herstellers. Entscheidet er sich nun, das Produkt über einen anderen Absatzkanal zu erwerben, so ist die Verfügbarkeit dieses Produktes ein entscheidender Faktor, der über die Zufriedenheit des Kunden entscheidet. Wird eine Marke dagegen lediglich über einen Vertriebskanal vertrieben, vereinfacht sich die einheitliche Gestaltung der Markenwelt und die damit zu vermittelnden Werte, da sie nicht mit anderen Vertriebsmaßnahmen abzustimmen sind. Mit einer steigenden Anzahl von Vertriebskanälen nimmt die Anzahl der Kundenkontaktpunkte zu und damit auch die Markenerfahrungspunkte, welche miteinander in Einklang zu bringen sind (vgl. Böing/Huber 2003, S. 74). Ausgehend von der Erkenntnis, dass der Distributionskanal den wahrgenommenen Produktnutzen beeinflusst, wird die Markenidentität wesentlich über das Image des Absatzkanals bestimmt. Zahlreiche Markenunternehmen selektieren daher ihre Vertriebskanäle im Hinblick auf das markenkonforme Ambiente.
207
5.1 Markenführung und Marketing-Mix
Produkte, die der Konsument in der Verwendung als zusammenhängend betrachtet, um eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen (Orientierung nach Bedarfsbereichen) Produkte, die der Konsument zusammenhängend für einen bestimmten Anlass wahrnimmt (Orientierung nach Erlebnisbereichen) Produkte, die sich an eine bestimmte Zielgruppe richten (Orientierung nach Zielgruppen).
Der Yello-Shop. Mit der Präsenz durch den Yello-Shop hat Yello die Zielsetzungen, Präsenz zu zeigen, die Markenwerte zu vermitteln und die Marke erlebbar zu machen. Darüber hinaus ist der Markenshop ein Vertriebsinstrument, das Adressen von Interessenten generiert, Kunden gewinnt und Merchandising-Artikel der Marke vertreibt (Ausnutzen von Cross-Selling-Potenzialen).
Implementierung der Markenführung
5.
Impressionen aus dem Yello-Shop
Aufgrund der mit markenpolitischen Entscheidungen einhergehenden hohen Komplexität ist eine Systematisierung der distributionspolitischen Aktivitäten notwendig. Ausgangspunkt aller markenpolitischer Entscheidungen ist die detaillierte Analyse der Kundenbedürfnisse und der Markenidentität. Sie zeigen auf, welche Parameter bei der Gestaltung von Vertriebsmaßnahmen von besonderer Wichtigkeit sind und identifizieren die Zielgruppen im relevanten Markt. Der Marken-Fit der einzelnen Absatzwege, das Umsatzpotenzial, die anzutreffende Zielgruppe, das grundsätzliche Preisniveau, der Koordinationsaufwand sowie die Kosten der Absatzkanalerschließung sind weitere Analyseergebnisse, auf deren Grundlage die Ziele und Strategien der Vertriebspolitik formuliert werden. Es wird festgelegt, welche Marken über welche Absatzkanäle langfristig mit welchen Zielen vertrieben werden. Hierzu werden zunächst die Potenziale der einzelnen Absatzkanäle bestimmt, um hierauf aufbauend die markenstrategischen Vertriebsziele zu definieren.
208
Gilt es die Entscheidung zu treffen, ob ein weiterer Absatzkanal in die bestehende Vertriebsstruktur integriert werden soll, so sind die folgenden Nutzen und Kosten gegeneinander abzuwägen (vgl. Böing/Huber 2003, S. 79 ff.):
Als Kosten einer Absatzkanalerweiterung ist Folgendes zu berücksichtigen: Die Kosten der Absatzkanalerschließung Fixe Kosten pro Periode und variable Kosten pro verkauftem Stück Die Koordinationskosten Die Komplexitätskosten Potenzielle Kannibalisierungseffekte durch eine Verlagerung der Aktivitäten in den einzelnen Absatzkanälen Konflikte mit bestehenden Absatzkanälen, auch mit Blick auf unterschiedliche Preisgestaltung und/oder unterschiedliche Provisionssysteme Die Veränderung der Markenidentität Die Verwässerung des Markenimages.
Eine Abwägung der Kosten und Nutzen ist sehr komplex. Eine konsequente und genaue Einschätzung aller markenrelevanter Daten ist allerdings für den Erfolg der Marke unumgänglich. Wie das Beispiel der Marke Breitling zeigt, kann eine solche Analyse auch zu dem Ergebnis führen, dass eine geplante Ausweitung der Vertriebskanäle wieder verworfen wird. Der Uhrenhersteller vertreibt seine hochwertigen Uhren nur über spezialisierte Fachgeschäfte, um einen hohen Beratungsstandard und eine einwandfreie Abwicklung bei Beanstandungen oder Reparaturen zu garantieren. Den autorisierten Händlern ist es untersagt, die Markenprodukte von Breitling über das Internet zu vertreiben, um einerseits den Exklusivcharakter und den Servicestandard sowie andererseits das exklusive Markenimage zu bewahren. Die Markenführung besitzt insbesondere bei der Konzeption, Auswahl und Steuerung der Distributions- und Vertriebskanäle eine besondere Bedeutung. Ohne eine explizite Beachtung der Marke und der Auswirkungen eines diversifizierten Absatzkanalsystems auf das Markenimage können vermeintliche Vorteile einer Absatzkanalerweiterung und der dadurch kurzfristig erzielbare Mehrumsatz jedoch durch eine langfristig nachlassende Markenperformance überkompensiert werden. Festzuhalten ist dennoch, dass die Thematik des Multikanalvertriebs zukünftig weiter an Bedeutung gewinnen wird. Einige Hersteller von Markenprodukten bereiten intensiv den Vertrieb über Mobile-Commerce via UMTS vor, um ihre Produkte und Dienstleistungen über mobile Endgeräte zu vertreiben.
209
5.1 Markenführung und Marketing-Mix
Zusätzlicher Umsatz im neuen Absatzkanal Zusätzlicher Umsatz in den bestehenden Absatzkanälen, beispielsweise durch die Ubiquität, die Steigerung der Markenbekanntheit oder das Cross Channel-Selling. Änderung des Kaufverhaltens Verbesserung der Markenidentität und des Markenwertes Erhöhung der Kundenbindung und der Kundenloyalität Einfluss auf den Customer Lifetime Value und Customer Equity.
Die Audi Partner. Die Premiumstrategie von AUDI erfordert ein intaktes und dauerhaft profitables Händlernetz, um den Markenerfolg zu festigen und weiter auszubauen. Erfolgsfaktoren für den Handel, um die Marke Audi zu repräsentieren, sind:
Implementierung der Markenführung
5.
Ein exklusives Händlernetz Exklusive Corporate Design-Standards Premium-Servicequalität Premiumqualität in Training, Verhalten und Prozessen.
Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, wurde die Anzahl der Audi Partner auf dem Weg zur Premiummarke deutlich reduziert. Durch die Konzentration des Vertriebsnetzes erhöhte sich die Rentabilität der einzelnen Partner. Jeder ausgewählte Audi Partner verpflichtet sich, auch am POS (Point of Sale), die Audi-Standards zu erfüllen und gewährleistet damit einen konsistenten und nachhaltigen Markenauftritt. Das in früheren Jahren vorherrschende Vertriebssystem mit VAG-Händlern ist durch ein exklusives Audi Partner Vertriebskonzept abgelöst worden. Der Markenkern „Vorsprung durch Technik“ wird somit durch die neue Architektur, das progressive Erscheinungsbild, das Verhalten der Mitarbeiter und die emotionale Welt rund um die Audi-Modelle im Schauraum auch im Handel erlebbar. Die Corporate Design Standards haben eine internationale Gültigkeit und stellen so einen internationalen, markenkonformen Auftritt der Marke Audi sicher.
Der Audi-Hangar Audi hat sehr früh erkannt, dass es die Menschen sind, die die Marke machen, jenseits von allen Markenführungsstrategien. Besonders großer Wert wird auf qualifizierte und kundenorientierte Mitarbeiter im Handel gelegt. So war Audi der erste Automobilhersteller, der seine Ausbildung zum Automobilverkäufer zertifizieren ließ. Bei der Personalauswahl, Aus- und Weiterbildung sowie dem Coaching setzt Audi innovative Techniken und Lernmethoden ein. Zur Markteinführung neuer Modelle wird das obligatorische Präsenztraining durch vorbereitende Live-Trainings über das Internet und durch ein Web-based Training ergänzt. Nur wer die Produkte, den Wettbewerb und die Kundenbedürfnisse kennt, kann die Erwartungen der Zielgruppe erfüllen und sie von der Marke begeistern und zu ihrer Zufriedenheit betreuen. Um auch international diesem Anspruch zu genügen und für einen premiumgerechten Markenauftritt zu sorgen, übernehmen Audi Akademien in den strategischen Märkten Trainingsinhalte und Trainingsstrategien.
210
5.2 Implementieren der Markenführung im Unternehmen
5.2.1 Bedeutung einer innengerichteten Markenführung Im Rahmen einer integrierten Markenführung finden sowohl unternehmensexterne als auch unternehmensinterne Anspruchsgruppen Berücksichtigung. Die integrierte Markenführung betrachtet die Mitarbeiter des Unternehmens als eine Zielgruppe der Marke, die die Schnittstelle zwischen Unternehmen und Kunden bildet. Verschiedene Studien belegen, dass Markenunternehmen, denen es gelingt, ihre Mitarbeiter für ihre Marke zu begeistern, finanziell erfolgreicher sind als Unternehmen, die ihre Aktivitäten vorrangig auf die Außendarstellung der Marke beschränken. Das zentrale Markenversprechen muss in zahlreichen und vielfältigen Kundenkontakten täglich aufs Neue eingehalten und bewiesen werden. Markenunternehmen profitieren daher von einer ganzheitlichen Markenführung, die sich sowohl nach außen als auch nach innen richtet und den Mitarbeiter als Quelle der Markenidentität begreifen. Insbesondere für Dienstleistungsunternehmen ist eine innengerichtete Markenführung von hoher Bedeutung. Eine Dienstleistung kann nicht im Vorhinein geprüft werden. Sie lebt daher durch die Mitarbeiter, die die Dienstleistung erbringen. Ein erfolgreiches Beispiel hierfür ist neben der Disney Corporation die Ritz Carlton Hotel Company L.L.C. Alle Mitarbeiter werden hier als „The Ladies and Gentlemen of the Ritz Carlton“ bezeichnet und so zu einem Bestandteil der Marke Ritz Carlton. Damit die Mitarbeiter im Einklang mit der Marke handeln, haben sie umfassende Kenntnisse zur Marke und fühlen sich ihr verpflichtet. Alle Mitarbeiter durchlaufen, unabhängig von ihrer Position, zu Beginn ihrer Tätigkeit eine mehrtägige Schulung, die sie mit dem Geist und der Philosophie der Marke Ritz Carlton vertraut macht und die so genannten „Gold Standards“ der Marke vermittelt. Alle Handlungen und Leistungen folgen dem Leitbild und den Gold Standards, deren Einhaltung alle Mitarbeiter in einem Versprechen bekunden. Fortgeführt und ergänzt wird die Maßnahme durch regelmäßige Trainings- und Schulungsaktivitäten während ihrer Tätigkeit, um die Leistungen für die Kunden und damit das Markenimage fortlaufend zu verbessern. In den nachfolgenden Abbildungen sind das Leitbild und die Ritz Carlton Gold-Standards dargestellt.
211
5.2 Implementieren der Markenführung im Unternehmen
Was unterscheidet eine erfolgreiche Marke von einer erfolglosen Marke? Es sind die Menschen, die Mitarbeiter des Unternehmens, die als Repräsentant der Marke auftreten. Nur wenn die Mitarbeiter die Markenwerte für sich annehmen und leben, kann die Marke glaubhaft und konsistent im Markt auftreten. Dies erfordert häufig auch ein Umdenken und das Erlernen neuen Verhaltens, auch in Bereichen und Abteilungen, die nicht in einem unmittelbaren Kundenkontakt stehen. Die Marke muss im ganzen Unternehmen gelebt werden, von den Führungskräften bis hin zu den „einfachen“ Mitarbeitern. Voraussetzung für ein solches Leben der Marke ist es, die Menschen für die Marke zu gewinnen und bereits bei der Personalauswahl die „richtigen“ Mitarbeiter auszuwählen. Mitarbeiter, die qualifiziert und motiviert sind und die Bereitschaft besitzen, für die Marke Verantwortung zu übernehmen. Daher kommt dem achten P im 8P-Ansatz –„People“– eine wichtige Rolle im Rahmen der Markenführung zu.
Implementierung der Markenführung
5.
Abbildung 33: Die Ritz-Carlton® Gold-Standards
5.2.2 Behavioral Branding Das Beispiel verdeutlicht die Bedeutung der Mitarbeiter und der internen Markenführung für die Markenkommunikation. Die Mitarbeiter kommunizieren bewusst oder unbewusst, verbal oder nonverbal permanent Markeninhalte. Über ein „Behavioral Branding“ werden Mitarbeiter zu Markenbotschaftern. Es umfasst alle Maßnahmen, die dazu geeignet sind, den Aufbau und die Pflege von Marken durch ein zielgerichtetes Verhalten und persönliche Kommunikation zu unterstützen und wird damit insbesondere für Dienstleistungsunternehmen zu einem zentralen Faktor für eine erfolgreiche Markenführung. Die Mitarbeiter werden durch eine geeignete Kommunikation nach innen überzeugt und begeistert, um so ihre Identifikation und ihr Commitment mit der Marke zu erhöhen. In der Folge verhalten sich Mitarbeiter markenkonform, sind motiviert und leistungsorientierter, so dass eine nach außen geschlossene Wirkung erzielt wird.
212
Erfolgreiches Behavioral Branding ist an verschiedene Rahmenbedingungen geknüpft, die bei der Umsetzung Berücksichtigung finden müssen: Vielfalt der Mitarbeiterpersönlichkeiten Die Mitarbeiter unterscheiden sich in ihrer Persönlichkeit und in ihrem Verhalten. Ein einheitliches Erleben aller Mitarbeiterkontakte ist somit keine Selbstverständlichkeit für den Kunden.
Heterogene Mitarbeiterstruktur Nicht nur eine zunehmende Globalisierung, sondern auch Unternehmenszusammenschlüsse und -käufe bedingen ein heterogenes Bild der Mitarbeiterstruktur. Insbesondere in dezentral organisierten Unternehmen entstehen durch eine räumliche und geografische Trennung tendenziell häufiger Abstimmungs- und Kommunikationsprobleme. Die Folge ist ein unterschiedliches Niveau an Markenwissen und Markenverständnis, dem eine konsistente interne Kommunikation auf allen Hierarchieebenen aktiv entgegenwirken kann. Kulturelle Unterschiede und Einflüsse dürfen die Markenidentität nicht überlagern, sondern sie sind moderierende Variablen, die bei der Festlegung und Umsetzung der Markenidentität Berücksichtigung finden. Im Kontext der Markenführung bedeutet Behavioral Branding daher die Verankerung der Markenidentität in den Köpfen der Mitarbeiter, damit alle Mitarbeiter die Markeninhalte verstehen, verinnerlichen und schließlich glaubhaft leben können. Zur Gewährleistung eines solchen Markenverständnisses sollte den Mitarbeitern neben der Botschafterrolle nach außen auch eine Gestalterrolle im internen Prozess der Markenentwicklung zukommen. Jeder Mitarbeiter im Unternehmen, von der Führungsspitze bis hin zur Fachebene, besitzt spezifisches Wissen und kreative Ideen. Jeder Mitarbeiter hat in seinem Umfeld markenspezifische Erfahrungen gemacht, die der Marke zugute kommen und die nicht ungenutzt bleiben dürfen. Das damit verbundene Ziel liegt nicht allein in der Verbesserung der konzeptionellen und operativen Qualität, sondern insbesondere auch im Auf- und Ausbau von Commitment der Mitarbeiter im Unternehmen. Eine Marke, die von den Mitarbeitern mitgestaltet wurde, erfährt eine höhere Akzeptanz in der gesamten Organisation. In der Praxis lassen sich natürlich – gerade in großen Unternehmen – nicht alle Mitarbeiter in den Markenprozess integrieren. Um dennoch das Unternehmen ganzheitlich zu repräsentieren und unterschiedliche Sichtweisen und Erfahrungen zu integrieren, werden Mitarbeiter aus verschiedenen, möglichst allen Unternehmensbereichen und Hierarchiestufen gebeten, sich in die Weiterentwicklung der Marke einzubringen. Dabei ist es wichtig nach Möglichkeit auch externe Partner einzubeziehen, die zwischen dem Markenunternehmen und der Zielgruppe als Kontaktpunkte fungieren und dadurch ebenfalls eine wesentliche Rolle als Markenbotschafter übernehmen. Dies betrifft vor allem die Partner in Vertrieb und Service, die durch die Ausgestaltung des Abverkaufs, zum Beispiel am POS oder im Beratungsgespräch, einen wesentlichen Einfluss auf die Wahrnehmung der Marke bei den Zielgruppen ausüben.
213
5.2 Implementieren der Markenführung im Unternehmen
Zersplitterung der Kommunikation Auch bei Markenunternehmen wird häufig die Integration der internen und externen Kommunikation sowohl über die einzelnen Kommunikationsmedien als auch über den Zeitablauf vernachlässigt. Erfolgt keine interne Abstimmung, besteht die Gefahr inkonsistenter Markenbotschaften nach innen und nach außen.
Implementierung der Markenführung
5.
Ein Blick in die Praxis offenbart allerdings, dass in vielen Unternehmen die Markenstrategie und die mit ihr verbundenen Ziele den Mitarbeitern nicht bekannt sind oder nur abstrakte Vorstellungen darüber bestehen. Brand Rating kam in einer Studie 2007 zu dem Ergebnis, dass zwar 80 Prozent der befragten Führungskräfte es als sehr wichtig einstufen, dass die Markenpositionierung allen Mitarbeitern im Unternehmen bewusst ist und sie sich mit der Marke identifizieren, jedoch geben nur 42 Prozent an, dass hierauf im jeweiligen Unternehmen großer Wert gelegt wird. Hinzu kommt, dass ein Brand Behavior Management nicht durch einen konsistenten Prozess geprägt ist. Nur in 28 Prozent der befragten Unternehmen erfolgt die Kommunikation an die verschiedenen Geschäftsbereiche und Länderorganisationen auf der Grundlage eines definierten Prozesses. Allerdings ist es gerade vor dem Hintergrund einer zunehmenden Internationalisierung unumgänglich, ein einheitliches Markenbild innerhalb aller Unternehmens- und Geschäftsbereiche über Landesgrenzen hinweg zu schaffen. Eine Kontrolle der Umsetzungsmaßnahmen im Hinblick auf ihre Wirkung und ihren Zielerreichungsgrad erfolgt aufgrund unzureichender klar definierter Kriterien nur unregelmäßig oder gar nicht. Die markenstrategischen Ziele sind dann so in die interne Kommunikation zu etablieren, dass sich in der Organisation ein gemeinsames Verständnis für die Marke als einen zentralen Wertschöpfungsfaktor entwickelt und festigt. In einem weiteren Schritt werden nun die markenstrategischen Ziele in verhaltenswissenschaftliche und ökonomische Zielgrößen für eine operative Umsetzung herunter gebrochen. Hierdurch wird die Markenstrategie für alle Beteiligten im Unternehmen begreifbar und mit operativen Kriterien unterlegt. Auf der vierten Prozess-Stufe erfolgt die Maßnahmenumsetzung durch eine konkrete Zeit- und Meilensteinplanung sowie die konzeptionelle Ausgestaltung der Maßnahmeninhalte. Bei der Maßnahmenkonzeption sollten neben dem Marketingbereich die Mitarbeiter aus allen für die Markenumsetzung relevanten Funktionsbereichen miteinbezogen werden. Dies betrifft insbesondere den Vertrieb („das Gesicht der Marke“ gegenüber dem Kunden), die Produktentwicklung und das Produktmanagement (Erfüllen der Nutzenversprechen der Marke auf Produktebene) und reicht bis hin zur Personalabteilung (Fortbildung und Auswahl der Mitarbeiter im Sinne der Marken-Zielidentität). Hiermit soll sichergestellt werden, dass die Markenbotschaft konsistent und konsequent an allen Kontaktpunkten vermittelt und gelebt wird. Mit der Kontrolle der Zielerreichung schließt sich der Prozess. Die Gegenüberstellung der definierten Markenziele mit aktuellen Ergebnissen spiegelt den Grad der Zielerreichung wider. Über den engeren Rahmen der Funktionsbereiche hinaus, sollten alle Mitarbeiter über den aktuellen Stand der Erreichung der wichtigsten Markenziele in regelmäßigen Abständen informieren. Hierbei werden vor allen Dingen die Erfolge der Marke kommuniziert und gleichzeitig die daraus resultierenden Prioritäten für die zukünftige Entwicklung der Marke aufgezeigt. Die Folgen einer unzureichenden internen Markenführung werden unter anderem in den Studien des Gallup-Instituts offensichtlich. Demzufolge fühlen sich nur 13 Prozent der Mitarbeiter in deutschen mittelständischen Unternehmen emotional mit ihrem Unternehmen verbunden, 69 Prozent machen Dienst nach Vorschrift und 18 Prozent haben bereits innerlich gekündigt. Die Folgen: eine steigende Fluktuation, Verlust von Markenwissen und Know-how und eine sinkende Produktivität. Offensichtlich wird in der Praxis die Bedeutung einer starken Marke nach innen nach wie vor gerne unterschätzt, obwohl ähnliche Wirkungsmechanismen bestehen. Eine starke Marke erhöht bei
214
5.2.3 Ansatzebenen innengerichteter Markenführung Wenn Markenführung nach innen (Behavioral Branding) überhaupt eine Rolle im Unternehmen spielt, werden allerdings häufig entscheidende Fehler gemacht, die dazu führen, dass die Motivations- und Identifikationsziele öfter verfehlt als erreicht werden (vgl. Esch/Rutenberg/Strödter/ Vallaster 2005, S. 1000): Die Mitarbeiter werden – bei einer Markenneuentwicklung oder einem größeren Relaunch – oft erst mit einer zeitlichen Verzögerung auf die neue Markenidentität vorbereitet
215
5.2 Implementieren der Markenführung im Unternehmen
Mitarbeitern die Identifikation, die Motivation und die Produktivität. Mitarbeitern, denen ein markenkonsistentes Verhalten selbstverständlich ist, identifizieren sich auch emotional mit der Marke und haben eine freiwillig erhöhte Leistungsbereitschaft. Sie sind intrinsisch motiviert und erkennen die Marke als grundlegenden Bestandteil ihrer Arbeit an. Darüber hinaus reduziert eine starke Marke die Fluktuation der Mitarbeiter und manifestiert Wissen im Unternehmen. Wenn es darum geht, neue qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen, dient eine starke Unternehmens- und Produktmarke als Employer Brand im Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt. Employer Brands entstehen in den Köpfen der Zielgruppe und stellen das unverwechselbare Vorstellungsbild von einem Unternehmen als Arbeitgeber im Kopf potenzieller Mitarbeiter dar. Sie reduziert bei der Entscheidung für oder gegen einen Arbeitgeber die Entscheidungskomplexität für den Bewerber und reduzieren das subjektiv wahrgenommene Risiko, in der realen Arbeitssituation einen enttäuschenden Arbeitgeber zu wählen. Kommuniziert wird die Employer Brand am häufigsten über klassische Stellenanzeigen. Im Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter ist dieses Instrument alleine aber nicht ausreichend. Stattdessen ist ein umfassender Mix aus zielgruppenspezifischen Instrumenten der Direktansprache bzw. Live Communication erforderlich, um die Marke für die Zielgruppe erlebbar zu gestalten. Hierfür eignen sich beispielsweise Studentenwettbewerbe, Hochschulaktionen, Aufbau fester Beziehungen zu Hochschulen bzw. Lehrstühlen, Messen, und Patenschaftssysteme. Erhebliche Bedeutung haben auch Informationen, die der potenzielle Bewerber über das Internet erhält. Demzufolge muss der Internetauftritt der Marke so gestaltet sein, dass die Positionierung und das Markenimage klar und eindeutig wahrnehmbar sind. Eine erfolgreiche Marke muss sich international präsentieren, um die potenziellen Mitarbeiter anzusprechen und zu bekommen, die am besten zur Marke und ihren Werten passt. Ein Zitat aus dem Wall Street Jounal bringt es auf den Punkt: „A recent study says global corporations are at war for 21st century executive talent. Attracting world-class is getting more and more difficult. Firms, big and small need to provide talented people with a compelling reason to join and stay with a company – a strong and successful brand.” Wachsenden Einfluss im Rahmen der Rekrutierung erhalten Online-Stellenbörsen. Sie haben den Vorteil, dass die Bewerber unmittelbar Informationen über das betreffende Unternehmen abrufen können und ihre Bewerbungsunterlagen direkt einreichen können. Für das Unternehmen bietet sich der Vorteil einer Vorauswahl der Bewerber. So können beispielsweise über ein Online-Assessment die Markenaffinität, eine Übereinstimmung von Persönlichkeitsmerkmalen mit der Markenpersönlichkeit sowie fachliche Kompetenzen getestet werden, um so die Bewerber auszuwählen, die in der Lage sind, markenkonformes Verhalten zu leben.
Implementierung der Markenführung
5.
Unternehmen halten ein großes Einmal-Event zur Einführung der Marke für ausreichend Anstatt über eine persönliche Kommunikation mit den Führungskräften und Vorgesetzten, erhalten die Mitarbeiter aus verschiedenen internen und externen Medien Informationen zur Marke Eine innengerichtete Informationsvermittlung erfolgt nur in einzelnen Abteilungen und ist nicht unternehmens- bzw. abteilungsübergreifend, so dass nicht alle Mitarbeiter die Chance haben, die Informationen zum Aufbau eines konsistenten und umfassenden Markenwissens zu erhalten Unternehmen unterschätzen die Kraft der Symbolik. Nur wenn die Markenidentität operationalisiert werden kann, ist sie für alle Mitarbeiter im Unternehmen verständlich und ansprechend. Hierfür sind verschiedene Ansätze denkbar: eine Verbalisierung, ein Leitbild, die Personifizierung oder aber eine Visualisierung, die die Markenidentität intern transportiert. Eine Verbalisierung muss so gestaltet sein, dass sie alle Facetten der Markenidentität korrekt widerspiegelt und gleichzeitig einprägsam ist. Hierbei ist ein Markenhandbuch hilfreich, das im Sinne. eines Leitfadens hilft, die internen Aktivitäten zu steuern, zu implementieren und zu kontrollieren. Leitbilder geben die Marke kurz und treffend wieder wie zum Beispiel der angebissene Apfel der Marke Apple. In einem engen Zusammenhang hierzu steht die Personifizierung der Marke über Persönlichkeiten, wie beispielsweise der Unternehmensgründer oder eine andere starke Persönlichkeit mit einer klaren Vision für die Marke wie beispielsweise Claus Hipp. Nachteilig ist, dass die herausgehobene Rolle der Person der Marke auch schaden kann bzw. durch einen Weggang der Persönlichkeit von der Marke zu einer Aufweichung, im Extremfall zu einer Auflösung der Markenidentität führen kann Der Prozess der Implementierung wird häufig in seiner Komplexität und zeitlichen Dimension unterschätzt. Es ist ein kontinuierlicher Lernprozess, der wiederholt und ständig adjustiert werden muss, um in den Köpfen der Mitarbeiter manifestiert zu werden Oftmals erfolgt eine Kontrolle der internen Implementierung nur unzureichend. Um bei der Implementierung einer nach innen gerichteten Markenführung den vorgenannten Fehlern entgegenzuwirken, sind unterschiedliche Ansätze denkbar. Eine erfolgreiche Implementierung kann über Partizipation, Kommunikation, Anreizsysteme, Personalentwicklung oder kulturpolitische Maßnahmen erfolgen. Geht es darum, Widerstände im Unternehmen bei der Implementierung zu überwinden, ist die Partizipation das geeignete Instrument. Mitarbeiter werden in den Markenentwicklungsprozess eingebunden und so zu Beteiligten gemacht, wobei der Grad der Beteiligung variieren kann. Die Kommunikation als weiterer Implementierungsansatz vermittelt den Mitarbeitern den persönlichen Nutzen aus der internen Markenführung und die damit einhergehenden Veränderungen und Anpassungen. Dabei geht es um die erwarteten Verhaltensweisen und um die Bereitstellung aller Informationen zu den Hintergründen und Zielen, zum Ablauf, den Ansprechpartnern und den Markenverantwortlichen. Eine offene Kommunikation reduziert die Unsicherheit bei den Mitarbeitern und fördert das Markenwissen und die Markenakzeptanz. Die Kommunikation sollte hohe Glaubwürdigkeit aufweisen und gezielt Meinungsführer einsetzen, die als Multiplikatoren wirken.
216
Zahlreiche Unternehmen setzen die Personalentwicklung als ein Instrument zur Verbesserung des Markenwissens und des markenkonformen Verhaltens ein. Die Maßnahmen umfassen Aus- und Fortbildungen, Trainingsmaßnahmen sowie alle Unternehmensaktivitäten zur Mitarbeiterförderung. Für eine erfolgreiche Personalentwicklung sind die Schulungs- und Trainingsinhalte auf den Wissensstand der Zielgruppe abgestimmt, finden rechtzeitig und zeitnah statt sowie unterliegen in ihrer Erfolgswirkung einer regelmäßigen Evaluation. Die Maßnahmen der Personalentwicklung richten sich, individuell abgestimmt, an alle Mitarbeiter des Unternehmens über alle Hierarchieebenen hinweg. Verbindliche Kommunikations- und Verhaltensrichtlinien geben dem Mitarbeiter Anhaltspunkte, wie und in welchen Bereichen sich die Marke äußern kann und soll. Klare Standards, wie CI-Vorgaben für Unternehmenspräsentationen, erleichtern den Mitarbeitern, ein markenkonformes Verhalten zu zeigen und zu leben. Symbolische Handlungen, wie Mitarbeiterfeste und Rituale sowie das Vorleben der Markenidentität durch die Führungskräfte und das Management des Unternehmens, verankern die Markenführung in der Unternehmensführung und in der Unternehmenskultur. Weitere kulturpolitische Maßnahmen, wie eine markenkonforme Gestaltung des Arbeitsumfeldes, erleichtern darüber hinaus ein einheitliches Verständnis der Marke und fördern ein konsequentes, markenkonformes Verhalten der Mitarbeiter an allen Kundenkontaktpunkten. Ein übergreifendes Instrument der internen Markenführung ist die interne Marktforschung. Sie umfasst die systematische Sammlung, Aufbereitung, Analyse und Interpretation von Daten über das Management und die Mitarbeiter des Unternehmens mit dem Ziel, Informationen für das Treffen von Entscheidungen und zu deren Beeinflussung zu gewinnen. Sie bilden die Grundlage für die Auswahl und die Ausgestaltung der Instrumente der internen Markenführung. Über Beobachtungen lassen sich beispielsweise wahrnehmbare Sachverhalte, Verhaltensweisen und Einstellungen der Mitarbeiter erfassen. Befragungen in Form von qualitativen Interviews, standardisierten Befragungen sowie Gruppendiskussionen versuchen Verhaltensursachen aufzudecken, Verbesserungspotenzial zu identifizieren sowie Veränderungen und Erfolge der internen Markenführung zu analysieren.
217
5.2 Implementieren der Markenführung im Unternehmen
Um die mit der internen Markenführung verfolgten Ziele systematisch zu fördern und zu den Zielen der Mitarbeiter zu machen, sind Anreizsysteme eine geeignete Implementierungsmaßnahme. Es sind bewusst gestaltete Regelungen von Belohnungen und Sanktionen. Ihre Wirksamkeit wird forciert, wenn es auf die Präferenzstruktur der Mitarbeiter abgestimmt ist und an die gewünschten markenkonformen Verhaltensweisen anknüpft. Damit mögliche Verhaltenskonsequenzen bereits im Vorhinein abgeschätzt werden können, sind sie gerecht, nachvollziehbar und transparent gestaltet und wirken auf unterschiedliche Weisen. Zum einen wird markenkonformes Verhalten gefördert während restriktives Verhalten sanktioniert wird. Zum andern wirken sie über eine Selektionsfunktion, die gute Mitarbeiter mit überproportionalen Anreizen an das Unternehmen binden. Die konsequente Umsetzung von Anreizsystemen setzt eine stringente Kontrolle markenbezogener Einstellungen und markenbezogenen Verhaltens voraus.
5.2.4 Change Management als Herausforderung innengerichteter Markenführung
Implementierung der Markenführung
5.
Unternehmen stehen häufig vor der Herausforderung, Veränderungen im Unternehmen umzusetzen. Die Notwendigkeiten hierfür sind vielfältig – sie können aus der Neueinführung einer Marke, der Repositionierung oder aber aufgrund von Unternehmenszusammenschlüssen oder käufen resultieren. Eine Studie von Kienbaum (2000) kommt zu dem Ergebnis, dass 85 Prozent der mittelgroßen und großen Unternehmen in Deutschland an umfassenden Change-Projekten arbeiten. Die Mitarbeiter müssen dann durch eine konsequente interne Markenführung ihr Verhalten auf die veränderten Gegebenheiten und das gewandelte Markenimage anpassen. Eine solche Umstellung ist langwierig und mit zahlreichen Schwierigkeiten und Widerständen verbunden, insbesondere wenn die neuen Verhaltensweisen stark von den bestehenden Verhaltensweisen abweichen und damit ein grundsätzliches Umdenken im Unternehmen erfordern. Die Umwandlung der Deutschen Telekom in T-Com ist ein prominentes Beispiel für eine umfassende Veränderung des Markenimages, das nur durch eine konsequente Umsetzung im Mitarbeiterverhalten erfolgreich realisiert werden kann. Veränderungen des Markenimages sind somit eine strategische Herausforderung für eine innengerichtete Markenführung, die für eine erfolgreiche Realisierung einem konsequenten Prozess folgen sollte. Ein Change Management-Prozess zur Verankerung der angestrebten Markenidentität im Verhalten der Mitarbeiter umfasst idealerweise die folgenden Phasen (vgl. Wittke-Kothe 2001, S. 83 ff.):
Analyse der Ausgangslage
Beseitigung von Änderungswiderständen
Motivation der Mitarbeiter
Umsetzungsplanung
Umsetzung
Bewertung und Schlussfolgerung
Stabilisierung
Abbildung 34: Phasen eines Change Management-Prozesses zur Implementierung einer veränderten Markenidentität im Mitarbeiterverhalten
Phase 1: Analyse der Ausgangslage Die Analyse der Ausgangslage soll feststellen, ob die Bedingungen für eine Anpassung des Mitarbeiterverhaltens gegeben sind und welcher Änderungsbedarf im Mitarbeiterverhalten sowie in der Unternehmenskultur konkret besteht. Voraussetzungen für eine erfolgreiche Verhaltensänderung der Mitarbeiter sind neben einem einheitlichen Verständnis über die Markenwerte, die Unterstützungsbereitschaft der Führungskräfte. Durch den Aufbau einer eigenen Linien- und Ablauforganisation zur Konzeption, Implementierung und Kontrolle des Veränderungsprozesses sowie einer Integration von Machtpromotoren und fachlichen Experten in die Projektorganisation wird die Glaubwürdigkeit und Relevanz der Veränderung erhöht. Darüber hinaus muss gewährleistet sein, dass bei den Mitarbeitern keine Widerstände bestehen. Die Identifikation derartiger Änderungswiderstände ist der zweite Teilbereich der Analysephase.
218
Phase 2: Beseitigung von Änderungswiderständen Die Reaktion der Mitarbeiter auf bzw. in Veränderungsprozessen im Unternehmen wird im Wesentlichen beeinflusst durch: die Angst vor Veränderungen aufgrund von direkten oder indirekten negativen Folgen bisherige Erfahrungen mit Veränderungsprojekten in Organisationen Akzeptanz der Gründe für Veränderungen Vertrauen in Vorgesetzte soziale Unterstützung im Team und durch Vorgesetzte.
5.2
Folglich sind im Unternehmen individuelle Unterschiede der Mitarbeiterreaktionen auf Veränderungen zu beobachten. Den in der zweiten Phase identifizierten Änderungswiderstände, die auf Anreiz-Beitrags-Defiziten oder auf unzureichenden organisatorischen Bedingungen basieren, wird frühzeitig entgegengewirkt. Anreiz-Beitragsdefizite entstehen bei einem Mitarbeiter, der das Gefühl hat, in Relation zu Vergleichspersonen im gleichen oder in anderen Unternehmen unzureichende Anreize zu erhalten oder zu viele Belastungen tragen zu müssen. Diese als unzureichend empfundenen Anreize können sowohl monetärer als auch nicht monetärer Art sein. Zur Beseitigung werden die identifizierten Defizite und ihre Ursachen offen von den Führungskräften im Unternehmen thematisiert, Maßnahmen zu ihrer Beseitigung angekündigt, initiiert und umgesetzt. Die konkrete Ausgestaltung der Maßnahmen hängt dabei von der Art der identifizierten Defizite ab. Liegen die Ursachen dagegen in unzureichenden organisatorischen Rahmenbedingungen und empfinden die Mitarbeiter ihre Zeit und die ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen als nicht ausreichend, um die bevorstehenden Veränderungen aktiv zu unterstützen, so ist es die Aufgabe der Führungskräfte, Ressourcen in ausreichender Form zur Verfügung zu stellen, zum Beispiel durch eine Umschichtung oder durch eine Repriorisierung laufender Projekte. Der so geschaffene Freiraum wird für die Implementierung des geänderten Markenverständnisses und damit einer Steigerung der Akzeptanz bei den Mitarbeitern genutzt. Phase 3: Motivation der Mitarbeiter Eine hohe Motivation der Mitarbeiter fördert die Intention, die Realisation der angestrebten Markenidentität zu unterstützen. Die Bereitschaft, die Umsetzung der angestrebten Markenidentität zu stärken und die „neue“ Markenidentität aktiv zu leben kann das Unternehmen mit Informationen über die Ziele der internen Markenführung Informationen über die Bedeutung der Mitarbeiter für die Zielrealisierung einer Steigerung des Wertes der Zielerreichung durch deren Verknüpfung mit monetären und nicht monetären Anreizen und Belohnungen positiv verstärken.
219
Implementieren der Markenführung im Unternehmen
Implementierung der Markenführung
5.
Das Unternehmen und die Führungskräfte haben grundsätzlich zwei Ansatzpunkte zur Beeinflussung der Akzeptanz. Neben der individuellen Änderungsfähigkeit (das „Kennen und Wissen“ durch gezielte Informationen sowie das „Können“ durch Qualifizierungs- und Trainingsmaßnahmen) sind es die Faktoren der Änderungsbereitschaft (das „Wollen“ durch kompensatorische Anreize sowie das „Sollen“ durch akzeptierte und glaubwürdige Multiplikatoren). Eine zielgruppenorientierte Information aus autorisierten Informationsquellen beugen einer „brodelnden Gerüchteküche“ innerhalb der Mitarbeiterschaft vor. Hierzu eignen sich Betriebsversammlungen, Informationstafeln oder eine Leitlinienbroschüre, die die neue Markenstrategie erläutert und Ansatzpunkte für aktive Beiträge zur Bildung eines Markenimages aufzeigt. Dies erfolgt mittels E-Learning-Konzepten, Handbüchern, Verhaltenstrainings, Coaching oder Supervision. Zusätzliche Qualifizierungs- und Schulungsmaßnahmen vermitteln die erforderlichen Fach-, Methoden- und Sozialkompetenzen. Phase 4: Umsetzungsplanung In der Umsetzungsplanung werden Handlungen und Umsetzungsmaßnahmen spezifiziert, so dass jeder Mitarbeiter Kenntnis darüber erhält, wann, wo, wie, wie lange und welchen Beitrag die Aktivitäten zur Realisierung der angestrebten Markenidentität leisten. Die entsprechenden Umsetzungsmaßnahmen betreffen das gesamte Unternehmen oder aber nur einzelne Unternehmensbereiche. Ihre Zielrichtung ist entweder die unternehmensinterne Umsetzung der angestrebten Markenidentität und/oder die Veränderung bzw. Stärkung des Markenimages in den relevanten unternehmensexternen Bezugsgruppen. Entsprechend ordnen sich die Aktivitäten in vier Kategorien ein (siehe Abbildung 35). In der Regel beinhaltet der Change Management-Prozess neuartige, zumeist komplexe Aufgaben, zu deren Bewältigung die Ideen, das Wissen und die Kompetenz verschiedener Mitarbeiter aus unterschiedlichen Bereichen und Hierarchiestufen kombiniert werden. Dazu werden Projektteams gebildet, die aus Mitarbeitern mit komplementären, für die jeweilige Zielsetzung relevante Fähigkeiten bestehen. So setzt sich ein Projektteam, dessen Aufgabe es ist, Kommunikations- und Verhaltensstandards zu generieren, vornehmlich aus Experten für interne und externe Kommunikation sowie aus Mitarbeitern, die ein fundiertes Wissen über die angestrebte Markenphilosophie besitzen, zusammen.
220
... das gesamte Unternehmen
... ausgewählte Unternehmensbereiche
Ableitung unternehmensinterner
Ausrichtung interner Arbeitsab-
Kommunikations- und Verhaltensrichtlinien als verbindliche Orientierung für alle Führungskräfte und Mitarbeiter Vorleben der Markenidentität durch die Führungskräfte von „oben nach unten“ Umsetzung der Markenidentität im Arbeitsumfeld der Mitarbeiter. Etablierung einer Identifikationsfigur oder -gruppe, die die angestrebte Markenidentität verkörpert und von allen Mitarbeitern anerkannt wird Rekrutierung von Mitarbeitern mit identitätskonformen Wertvorstellungen Etablierung eines identitätsgerechten Anreizsystems.
läufe sowie von Gruppenwerten und - normen an der Markenidentität Festlegen von Kommunikationsund Verhaltensrichtlinien zur Zusammenarbeit von einzelnen Unternehmensbereichen, um die Markenidentität auch in der unternehmensinternen Zusammenarbeit zu leben Etablierung interner Leistungsversprechen zwischen einzelnen Unternehmensbereichen
5.2
Etablierung unternehmensweit
Umsetzung des geplanten
gültiger externer Kommunikations- und Verhaltensrichtlinien Verbindliche Richtlinien für die Gestaltung des optischen Unternehmensauftritts, wie bspw. Verkaufsstätten, Messestände, Geschäftsberichte etc. Definition und Implementierung von verbindlichen CI-Vorgaben
Markenimages in den externen Zielgruppen durch die jeweilige Unternehmensbereiche Mögliche Maßnahmen zum Endkunden: – Veränderung des Leistungsangebotes – Veränderung der absatzmarktgerichteten Kommunikation – Veränderung der Vertriebsstruktur Mögliche Maßnahmen im Personalmarkt: – Veränderte Personalwahl – Veränderung der Personalwerbung Mögliche Maßnahmen im Beschaffungsmarkt: – Veränderung der Anforderungen an die Lieferanten von Produkten und Dienstleistungen
Abbildung 35: Potenzielle Umsetzungsmaßnahmen (in Anlehnung an Wittke-Kothe 2001, S. 125 ff.)
221
Implementieren der Markenführung im Unternehmen
... die unternehmensinterne Umsetzung der angestrebten Markenidentität ... die Veränderung bzw. Stärkung des Markenimages in den relevanten unternehmensexternen Bezugsgruppen
Die Umsetzungsmaßnahmen zielen primär ab auf...
Die Umsetzungsmaßnahmen betreffen...
Phase 5: Umsetzung Je nach Art der Umsetzungsmaßnahme ist es sinnvoll, zunächst in einem Pilotprojekt zu testen und erst dann über deren unternehmensweite Implementierung zu entscheiden. Für das interne Markenmanagement stellen sich in der Umsetzungsphase folgende Aufgaben:
Implementierung der Markenführung
5.
die relevanten Fähigkeiten und Fertigkeiten an die Mitarbeiter zu vermitteln die notwendigen organisatorischen Rahmenbedingungen zu schaffen. In der Umsetzungsphase erfolgt auch die Einführung der angestrebten Markenidentität im Markt. Hierfür muss aber sichergestellt sein, dass zum Zeitpunkt der unternehmensexternen Einführung die Maßnahmenpläne im Unternehmen so weit umgesetzt wurden, dass die Einlösung des mit der Markenidentität verbundenen Versprechens in der Wahrnehmung der Kunden gewährleistet ist. Phase 6: Bewertung und Schlussfolgerungen Nach der internen und externen Umsetzung der angepassten Markenidentität wird bereits frühzeitig der Zielerreichungsgrad überprüft: Inwieweit wurden die mit einer Anpassung der Markenidentität formulierten Ziele erfüllt oder sind gegebenenfalls Anpassungen notwendig? Um weiterhin die Akzeptanz und Motivation der Mitarbeiter zu unterstützen, ist es die Aufgabe des internen Markenmanagement, die erzielten Erfolge bzw. Misserfolge an die betroffenen Mitarbeiter zurückzumelden gemeinsam mit den Mitarbeitern die Gründe für die Erfolge zu analysieren und weiteres Verbesserungspotenzial zu identifizieren gemeinsam mit den betroffenen Mitarbeitern die Gründe für das Nichterreichen der gesetzten Ziele aufzudecken und gemeinsam Ansatzpunkte zum Vermeiden von Misserfolgen zu erarbeiten internes Gerechtigkeitsempfinden durch objektiv nachvollziehbare, transparente und allgemein als gerecht empfundene Leistungskriterien zu schaffen. Dies gilt insbesondere für die Verteilung monetärer und sozialer Belohnungen, die nicht alle Mitarbeiter in gleichem Ausmaß erhalten. Phase 7: Stabilisierung Mit einer erfolgreichen Implementierung sind die Aufgaben des internen Markenmanagement noch nicht abgeschlossen. Es gilt, die mit der Markenidentität verbundenen Werte und Normen in der Unternehmenskultur zu etablieren und am Leben zu halten. Neben den bereits „etablierten“ Maßnahmen zur Stabilisierung der Markenidentität bei bestehenden Mitarbeitern sind ergänzende Maßnahmen einzuplanen, durch die neue Mitarbeiter in die bestehende, durch die Marke gekennzeichnete Unternehmenskultur integriert werden können. Hierzu gehören Maßnahmen, die die Rekrutierung, Auswahl und Eingliederung der Mitarbeiter markenkonform gestalten und umsetzen. Das Stabilisieren der Markenidentität bedeutet aber nicht das Festhalten an einmal erarbeiteten Maßnahmen und Verhaltensweisen. Im Gegenteil, es ist die kontinuierliche Anpassung an Umweltund Marktveränderungen, die die Marke am Leben hält und erfolgreich im Markt positioniert.
222
Wege zur Durchsetzung der Unternehmensmarke EnBW.
Um das Potenzial der Mitarbeiter als „Sprachrohr der Marke“ gezielt zu aktivieren, setzte EnBW bereits im Rahmen der Markenleitbildentwicklung auf eine integrative Vorgehensweise. Neben der Analyse der Markeninhalte, -stärken und -potenziale aus Sicht der Zielgruppen im Privatkunden- und Industriekundensegment wurden die Mitarbeiter als aktive Gestalter in den Entwicklungsprozess miteinbezogen. In insgesamt 37 Workshops setzten sich 800 Führungskräfte und Mitarbeiter aus allen Gesellschaften mit der Frage auseinander, „Wer sind wir und für was wollen wir stehen?“. Aus der Gegenüberstellung von Eigen- und Fremdbild resultierte ein umfassender Informations- und Ideenpool zur Ableitung der markenstrategischen Stoßrichtungen. Im Rahmen der internen Umsetzung und Implementierung des neuen Markenleitbildes hat EnBW ein professionelles Brand Behavior Management als Bestandteil des Marken-Managements installiert. Das Verständnis der Mitarbeiter, warum EnBW nach außen in einer bestimmten Art und Weise auftritt, bildet die Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung. Um dieses Verständnis für die Marke intern zu verankern, geht der Behavioral Branding-Ansatz von EnBW über die reine „in Kenntnissetzung“ der Mitarbeiter hinaus. Vielmehr orientiert sich die Implementierung an einem mehrstufigen Prozess:
Im ersten Schritt werden die Mitarbeiter über die zentralen Werte und Ziele der Marke informiert und es wird begründet, warum die Marke für das Unternehmen von zentraler Bedeutung ist und wie die Marke den Unternehmenserfolg unterstützt Im zweiten Schritt wird die interne Zielgruppe in die „Markendenke“ von EnBW integriert. Damit soll erreicht werden, dass die Marke von den Mitarbeitern nicht nur passiv konsumiert wird, sondern eine aktive Auseinandersetzung mit der Markenidentität stattfindet Der dritte Schritt umfasst schließlich die Belohnung eines markenorientierten Verhaltens, wodurch jeder einzelne Mitarbeiter in besonderem Maße motiviert wird, sich für die Marke mit Ehrlichkeit, Engagement und Konsequenz einzusetzen.
Interne Markenbildung
Externe Markenbildung
Information Involvement Begründung Motivation
Klares Markenbild Vertrauen Anker für alle Zielgruppen
223
5.2 Implementieren der Markenführung im Unternehmen
Im Zuge der Neuausrichtung des Unternehmens- und Markenleitbildes im Jahre 2003 hat sich EnBW als Vordenker und Wegbereiter auf dem Energiemarkt positioniert. Traditionell ist EnBW fest in der Kernregion Baden-Württemberg verwurzelt – nahezu jeder Einwohner in Baden-Württemberg kennt direkt oder indirekt einen der rund 21.000 Mitarbeiter der EnBW. Gleichzeitig ist sich das Unternehmen im Klaren, dass jeder Mitarbeiter die Außenwahrnehmung der Marke beeinflusst. Damit besitzt das Unternehmen einen gewaltigen Hebel, um die Neuausrichtung und Weiterentwicklung der Markenidentität nachhaltig und effektiv im Markt zu verankern.
Auf dieser Grundlage wurde die interne Vermittlung des neuen Markenleitbildes und die Gewinnung der Mitarbeiter als Markenbotschafter durch konkrete Aktivitäten unterstützt, von denen einige im Folgenden kurz dargestellt werden. kaDer Kick off zur internen Kommunikaßt tion erfolgte kaskadenmäßig, das heißt te vom Vorstand über die Führungskräfte er hin zu den Mitarbeitern. Direkt nach der e Präsentation im Führungskreis hat die er Vorstandsrunde die Neuausrichtung der Marke unter dem Titel „Quo Vadis“ perr Videoschaltung an die Mitarbeiter in al-len Konzernstandorten kommuniziert.. Den Ausgangspunkt der Vorstellung bildete der Interviewfilm, in dem die Sichtweise der Mitarbeiter zur Marke EnBW aufgezeichnet wurde. Er verdeutlichte auch die Notwendigkeit eines neuen Markenleitbildes. Während der gesamten Veranstaltung nutzten zahlreiche Mitarbeiter die Möglichkeit, ihre Fragen über eine Hotline direkt an den Vorstand zu richten, die dann live in der Konferenz beantwortet und erläutert wurden.
Implementierung der Markenführung
5.
Große Resonanz auf die Kick offKommunikation
Mitarbeiter-I
nformationen
der Energie
Baden-Württe
mberg AG
unsere
zeitung
05|2005 Sonderausgab e zum Start der Markenkampag ne
Sehr lange hat man nichts mehr von der EnBW Nun ist es endlich in der Werbun wieder soweit. g gesehen. Die EnBW zeigt zieht Position wieder Flagge mit einer neuen und beWerbekampagn und stringenten e. In einer konseq Entwicklungsph uenten ase über ein halbes die logische Folge Jahr ist die Kampa in einem strateg ischen Entwick gne lungsprozess.
Frischer Wind in der Branch e– EnBW zeigt ih r neues Profil
In einer pfiffig en Anzeigenka mpagne wird das Markenleit bild breit komm uniziert Aus dem Anfang des Jahres in der EnBW Zeitung vorgestellten neuen Markenleitbild der EnBW ist das neue Erscheinungsb ild (Corporate Design) entwickelt worden . Danach wurde im Marketing in Rekordzeit eine neue Markenkampag ne entwickelt, die Zeichen setzen wird, dessen ist sich Dr. h.c. Detlef Schmid t, Vorstand Marketing und Vertrieb , sicher: „Sie ist sehr eigenständig, aufmerksamke itsstark, emotional und informativ und erhebt einen hohen Anspru ch, den es gilt zu halten und zu beweisen. Sie ist mutig und zeigt den Charakter der EnBW.“ Mit der nun eingelei teten Kommu nikation werde das EnBW-Markenle itbild konsequent positioniert. Kampagne für
Herz und Kopf
„Ehrlich im Sinne von Verbindlichkeit und Information ohne die typisch en Werbewelten, Sympathie durch Fakten erzielen, Herz und Kopf erobern , das sind wichtig e Ziele der Kampagne“, erläuter t Dr. Schmidt. „Um das zu erreichen, müssen die Anzeige n aufmerksamke itsstark sein, eingängige Bilder haben, einen einzigar tigen Bildstil, um nur EnBW-Vorstand einige Anford Marketing und erungen zu beschre Vertrieb Dr. h.c. und Bereichs iben. All dies haben Detlef Schmidt vorstand Marketin (li.) g und Koordina wir präsentieren professionell Positionierung tion Dr. Peter das erste Anzeigem entwickelt und der EnBW als Vest motiv der neuen mit eipagne. der Vornem starken denker und Wegber MarkenkamPartner, der eiter der Energie Agentu r Jung von Matt branche aus Baden-W am Neckar aus ürttemberg, der Stuttgart umgesetzt.“ seine Kunden versteht, ehrlich, engagiert und konsequ ent handelt und Er betont: „Mit gesellschaftliche einer Verspre Verantwortung chensüberkampagne setzten nimmt. Damit wird die EnBW wir einen hohen zu eiAnspruch. Der nem Leuchtturm Detlef Schmid Verbraucher kann und Orientierungst: „Der energie sich von uns als effizienanker für alle teste Kraftwe ser Art werden Impuls geber Anspruchsgrup rkspark befähig die wichtigen und Impen im pulsnehmer überzeu t uns Themen Energiemarkt. dazu, denn die der Positionierung gen und sich auf Atomenergie umgesetzt und leistet eiWunsch im Interne nen wichtigen ab dem 1. Juni in t mit detaillie Beitrag zur C0 Tageszeitungen rten Informationen 2- MiniZu Beginn: Gesells und mierung. Dieses Plakaten in Baden-W zu den Themen chaftliche Bekenntnis ergänzt verürttemberg und sorgen.“ Verantwortung und in Entscheidermed unterm thematisiert auert mit Fakten ien bundesweit und Informationen geschaltet. Im nächste ist ein wichtig n Schritt er Beitrag EnBW als Vorden Das erste Motiv werden zur Entideologisier für Busines-to-Bus ker hat den Schwerp ung und Versach iness-Kunden unkt und Wegbereiter gesellschaftlich spelichung zifische der Diskussion um e Verantwortung Anzeigen geschal den Atomtet. im Bereich Ökologi ausstieg.“ e. Die EnBW hat Jedes Motiv den geringsten CO2 „Wir werden den stehe für bestim Ausstoß unter Mitarbeitern me Schwerpunkte den großen Energie interAnzeigenstart essante neue , so Dr. Schmid unternehmen. 1. Juni Anzeigenmotiv t, die Diese Motive als ganzes Tatsache wird e auch zukünftig vorab vermitteln die informativ und vorstellen“, verspric neue kreativ dargestellt. Die Informationen ht Dr. h.c. Detlef Schmidt. finden die interessierten Kunden im Internet. In die-
Begleitend hierzu sind im Rahmen von Posteraktionen aktuelle Kampagnenmotive online bestellbar oder in auffallend gestalteten Posterständen an den Konzernstandorten erhältlich. Die gedruckte Auflage war schnell vergriffen und viele Mitarbeiter drückten durch das Aufhängen der Kampagnenmotive am Arbeitsplatz ihr Commitment zur Marke aus. Neben der Mitarbeiterzeitung informiert das Marketingportal im EnBW-Intranet über aktuelle Hintergründe zu Markenleitbild, Positionierungszielen und laufenden oder anstehende Aktivitäten der Marke im Markt. Dabei haben die Mitarbeiter jederzeit die Möglichkeit, direkt mit dem Markenmanagement in Kontakt zu treten und individuelle Fragen zur Marke zu diskutieren. Das starke Interesse der Mitarbeiter an der Marke belegen auch die Klickraten sowie die rege Nutzung der angebotenen Interaktionsmöglichkeiten. Roadshows und Informationsflächen runden die breite Ansprache der internen Zielgruppe ab und vermitteln die Markenwerte auf unterhaltende Art und Weise. So hat eine Wanderausstellung zum neuen Markenleitbild die Mitarbeiter an 20 Standorten des Unternehmens auf Basis neuester, computergestützter Medientechnik zur interaktiven Auseinandersetzung mit der Marke animiert. Ein anderes Beispiel beschreibt die Installation von Informationsecken, in denen auf Monitoren der neue EnBWImagefilm abgespielt wird, umgeben von Tischkickern und Sitzecken, die von den Mitarbeitern gerne während der Pausenzeiten genutzt werden.
224
5.2.5 Wissensmanagement als Element der Markenführung Marken stehen heute zumeist in einem globalen Wettbewerb. Um eine Marke international konkurrenzfähig zu gestalten und zu halten, muss die Markenführung dauerhaft exzellent sein. Das heißt, die vorhanden Kompetenzen und Potenziale sind mit den Chancen eines globalen Marktes in Einklang zu bringen. Die Kompetenzen und Potenziale liegen zum einen in der Marke selbst und zum anderen im Management und den Mitarbeitern des Unternehmens. Der Schlüssel, um diese Kompetenzen und Potenziale langfristig nutzen zu können und weiter ausbauen zu können, ist das Wissensmanagement. Das Wissensmanagement basiert auf drei wesentlichen Grundpfeilern: Menschen, Kommunikation und Kultur. Es sind diese drei Grundpfeiler, die die Qualität des Wissensmanagement beeinflussen und damit den ökonomischen Erfolg von Marke und Unternehmen determinieren (vgl. Claassen 2007, S. 167 ff.). Die Menschen Das intellektuelle Kapital eines Unternehmens sind die Qualitäten, die Qualifikationen und die Leistungen der Menschen im Unternehmen. Wissensmanagement beschränkt sich nicht auf die Führungskräfte, sondern betrifft alle Mitarbeiter und damit alle Talente und Potenziale. Als kritischer Erfolgsfaktor kristallisiert sich daher die strategische Personalentwicklung heraus. Inwieweit die Kompetenzen der Mitarbeiter geweckt werden, hängt nicht zuletzt von den Führungskräften und deren Kompetenz zur Mitarbeiterführung und -motivation ab. Die Führungskräfte haben hier eine besondere Vorbildfunktion. Nur wenn sie selbst teamfähig und bereit sind, Neues zu lernen und Mut zur Selbstkritik besitzen, sind sie in der Lage, ihre Mitarbeiter zu motivieren, ihr gesamtes Wissen und Potenzial in das Unternehmen einzubringen. Der ehemalige EnBW-Vor-
225
5.2 Implementieren der Markenführung im Unternehmen
In Kombination mit dem Einsatz übergreifender Medien schließt das Behavioral Branding-Konzept von EnBW die interne Vermittlung der Markenneuausrichtung über die persönliche, individuelle Ansprache ein. Eine Säule der persönlichen Ansprache bildet die EnBW-Akademie, in der das Thema Marke als durchgängiges Modul in Seminaren zu unterschiedlichsten Themen integriert wurde. In enger Zusammenarbeit mit dem zentralen Brand Behavior Management werden die Akademietrainer umfassend zu allen markenrelevanten Themen geschult, um wiederum die Seminarteilnehmer im Dialog für die Marke zu begeistern. Ergänzend zur Akademie durchlaufen die Mitarbeiter im Kundenkontakt regelmäßig tiefergehende Marken-Schulungsprogramme, die direkt von den Spezialisten des Markenmanagement in den Gesellschaften vor Ort durchgeführt werden. In einer zweiten Säule werden speziell die Führungskräfte von EnBW gezielt mit Informationen und Tools rund um die Marke ausgestattet und damit für ihre Vermittlerrolle „fit gemacht”.
Implementierung der Markenführung
5.
standsvorsitzende Utz Claassen (2007) schlägt zur gezielten Förderung von Talenten und Potenzialen im Unternehmen so genannte Talent-Pools vor. Der Talent-Pool identifiziert besonders qualifizierte Mitarbeiter und vernetzt sie durch Workshops, Auslandsaufenthalte und Job-Rotation gezielt miteinander. Spezielle Trainingsprogramme bilden neben dem Fachwissen ihre Soft Skills sowie ihre persönlichen Qualifikationen und Eigenschaften heraus. Es gilt aber nicht nur Talente entsprechend zu fördern, sondern alle Mitarbeiter sollen in Maßnahmen zur Personalentwicklung integriert werden. Dies steigert die Motivation und erhöht die Identifikation mit dem Unternehmen und der Marke. Die Kommunikation Neben den Menschen ist die Kommunikation der zweite Grundpfeiler des Wissensmanagement. Neben der Mitarbeiterqualifikation ist es für den Unternehmenserfolg entscheidend, wie die Menschen im Unternehmen miteinander umgehen, kommunizieren und kooperieren. Viel Wissen und wenig kommunizieren führt zur Macht Einzelner. Mit viel Wissen, viel Kommunikation und der geeigneten interne Vernetzung der Mitarbeiter baut sich ein Unternehmen eine Kompetenz auf, die konsequent weiterentwickelt und erweitert werden muss. Von zentraler Bedeutung ist dabei, dass Anregungen von außen aufgenommen und integriert werden, um weiteres Wissen zu generieren, zu speichern und zielgerichtet einzusetzen. Das Management dieser Kompetenzen ist entscheidend dafür, dass sich Unternehmen und Marken trotz komplexer Rahmenbedingungen kontinuierlich verbessern können. Voraussetzung ist ein exzellentes Wissensmanagement, das durch eine wirkliche Informations- und Kommunikationskultur gelebt wird. Die Kultur Der dritte und schwierigste Pfeiler des Wissensmanagement ist die Kultur. Sie ist auf die Teilung und Weitergabe von Wissen, auf Motivation und Partizipation ausgerichtet. Talente können sich nur dort entfalten und Strukturen und Abläufe können nur dort funktionieren, wo die Unternehmenskultur – das Klima, die Herausforderung und die Wertschätzung – die entsprechenden Rahmenbedingungen schafft. Voraussetzungen sind Offenheit, Transparenz und Ehrlichkeit. Die Einführung von Wissensmanagement und die Entwicklung einer Wissenskultur sind Aufgabe des Managements. Die Unternehmensführung muss glaubwürdig und mit Überzeugung die Ziele und Werte einer entsprechenden Unternehmens-/Markenphilosophie und -kultur tragen, vermitteln und verkörpern. Gleichzeitig ist das Wissensmanagement eine Aufgabe der gesamten Organisation und für die gesamte Organisation. Gelebtes Wissensmanagement wird zu einem selbstverständlichen Teil der Arbeit jedes Mitarbeiters. Alle Mitarbeiter werden auf diese Weise zu einem Teil der Wissensorganisation. Die Kultur eines Unternehmens muss die bestmögliche Förderung und Entwicklung der Potenziale seiner Mitarbeiter gewährleisten und als einen wichtigen Faktor zur Beherrschung strategischer und operativer Komplexität und damit als Fundament unternehmerischen Erfolges betrachten.
226
5.2 Implementieren der Markenführung im Unternehmen
Wissensmanagement mit seinen Grundpfeilern Menschen, Kommunikation und Kultur ist nicht nur das Fundament unternehmerischen Erfolges, sondern gleichfalls ein Werttreiber für den Markenwert. Es sind die Menschen, die die Marke nach innen und nach außen leben. Ob die Mitarbeiter die Markenwerte leben können, hängt zum einen von einer umfassenden Kommunikation nach innen und nach außen ab. Nur so kann bei den Mitarbeitern ein Identifikationspotenzial aufgebaut und manifestiert werden. Zum anderen ist es die Unternehmens- und die Markenkultur, die die Kommunikation prägen und damit wiederum das Verhalten der Mitarbeiter. Nur wenn die drei Grundpfeiler aufeinander abgestimmt sind, sind sie in der Lage den Markenwert nachhaltig positiv zu beeinflussen und damit den Unternehmenswert zu steigern.
227
6. Implementierung der Markenführung
Markenführung effizient messen und kontrollieren
6.
6.1 Markenführung effizient nutzen und kontrollieren Der Controllingbegriff und damit die Inhalte der Controllingaufgaben werden insgesamt sehr unterschiedlich weit gefasst, ohne dass sich bisher eine einheitliche Auffassung durchgesetzt hat. Als weiteste Definition ist diejenige anzusehen, welche die Planung als ein Bestandteil des Controllingsystems ansieht (vgl. u. a. Horvath 2003). Das so genannte strategische Controlling versucht ex-ante mögliche Abweichungen vom Zielzustand vorwegzunehmen, um dadurch ihr Eintreten zu verhindern. Zur Anwendung kommen hierbei eine Analyse der Änderungen unternehmensexterner Rahmenbedingungen und ihre frühzeitige strategische Weiterentwicklung, zum Beispiel durch die Implementierung von Frühwarnsystemen. Im Rahmen des hier dargestellten Controllings liegt der Fokus auf der Erfolgskontrolle der Markenführung und untersucht die Maßnahmen der Markenführung ex-post im Hinblick auf ihre Zielwirksamkeit. Das Markencontrolling umfasst die Erfassung, Aufbereitung und Verbreitung von relevanten Informationen für die Markenführung. Dabei geht es nicht allein um die Prüfung der Effizienz des Einsatzes der Marketinginstrumente (ex-post-Analyse), sondern auch um die Messung der Wirkung der Marketinginstrumente auf die Marke vorab (ex-ante-Analyse). Die Marktforschung stellt hier eine Vielzahl an Instrumenten zur Durchführung von Pre-Tests bereit. So werden beispielsweise Werbespots und Kommunikationsmittel vor ihrem Einsatz von einer limitierten Anzahl von Probanden in speziellen Teststudios getestet. Mit einem solchen Pre-Test kann einer Beschädigung der Marke vorgebeugt werden. Die Bedeutung der Markenführung auch für das strategische Controlling wird deutlich, wenn man sie als eine Ressource auffasst, um nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Eine Marke erzeugt einen unternehmerischen Mehrwert, indem sie die Risiken reduziert, zum Beispiel durch eine höhere Kundenbindung den Cashflow beschleunigt, beispielsweise durch eine verbesserte Handelsunterstützung bei Markenausdehnungen sowie eine schnellere Diffusion von Innovationen den Cashflow durch Mehreinnahmen erhöht, zum Beispiel aufgrund einer geringeren Preissensibilität der Kunden den Cashflow durch Ausgabeneinsparungen erhöht, zum Beispiel aufgrund einer höheren Effektivität und Effizienz der Markenkommunikation. Marken sind insgesamt kein Selbstzweck, sondern dienen dem Erreichen strategischer unternehmerischer Ziele. So sind der Aufbau einer erfolgreichen Marke und die zugrunde liegende Markenführung mit Investitionen in einem erheblichen Umfang verbunden. Vor dem Hintergrund einer rationalen Unternehmensführung ist es daher notwendig, ein Controllingsystem zu implementieren, das sowohl quantitative als auch qualitative Daten erfasst sowie den individuellen
228
Um den formulierten Anforderungen eines Controllingsystems gerecht zu werden, müssen die zugrunde liegenden Leistungs- und Steuerungsgrößen so ausgearbeitet sein, dass sie eine zielgerichtete Koordination und Steuerung der Marken im Unternehmen zulassen. Neben der Validität und Reliabilität stellen insbesondere eine hohe Informationsqualität und Markenrelevanz wichtige Gütekriterien dar. Die Informationsqualität wird erhöht, wenn das Markencontrolling sowohl ökonomische als auch psychografische Größen, also Leistungstreiber, umfasst und neben quantitativen Größen auch qualitative Größen mit einschließt. Um die Kennzahlen in ein umfassendes System zu integrieren, ist auf eine vollständige Erfassung aller Kontrollgrößen zu achten, wobei stets das Spannungsfeld zwischen Vollständigkeit und Praktikabilität bzw. der Kosten-Nutzen-Vergleich zu beachten ist. Dennoch sollen die zugrunde liegenden Größen stets die tatsächliche aktuelle Situation der jeweiligen Marke widerspiegeln. Nur so können sich die Verantwortlichen der Markenführung eine umfassende Übersicht über die derzeitige Lage der Marke schaffen und konkrete Ansatzpunkte und Maßnahmen für Verbesserungs- und Optimierungsmaßnahmen aufzeigen. Zur Bestimmung geeigneter Zielgrößen erscheint eine Orientierung an unternehmerischen Wertmaßstäben sinnvoll. Im Rahmen der Markenführung ist dies der Markenwert, der die Erfolgsindikatoren Markenstärke und ökonomischer Markenwert in sich vereint. Die Markenstärke ist die Voraussetzung zur Erzielung eines ökonomischen Markenwerts und kann erst entstehen, wenn sich beim Nachfrager feste Gedächtnisstrukturen zur Marke gebildet haben, die sich in der Psyche der Nachfrager verankert haben und ein Vorstellungsbild über die Marke generiert. Erst so kann eine Wahrnehmung und eine Akzeptanz der Marke beim Konsumenten erreicht werden. Daher nimmt neben der regelmäßigen Erfassung der ungestützten und gestützten Bekanntheit die genaue Analyse des Markenimages einen zentralen Stellenwert innerhalb des Markencontrollings ein. Über diese zentralen Größen hinaus sind die Markenvertrautheit und die Markensympathie weitere Kenngrößen. Während die vorgenannten Größen dem Kauf vorausgehen, bedingen die Kundenzufriedenheit und die Analyse der Kaufgründe die Kauf- und Nutzungserfahrung mit der Marke und erfolgen nach dem Kauf. Sie sind die grundlegenden Voraussetzungen für den Wiederkauf und das Entstehen von Markenloyalität. Gelingt es einer Marke, eine hohe Markenloyalität
229
6.1 Aufgaben und Herausforderungen des Markencontrolling
Ergebnisbeitrag der Markenführung operationalisiert. Für ein effizientes Markencontrolling ist es sinnvoll, alle Steuerungsgrößen der Markenführung zu berücksichtigen, um Optimierungsansätze zu erkennen. Darüber hinaus ist es das Ziel eines umfassenden Markencontrollings, die Rationalität der Markenführung sicherzustellen und durch markenrelevantes Wissen die Reaktions- und Adaptionsfähigkeit zu erhalten bzw. zu verbessern. Ein erfolgreiches Markencontrollingsystem richtet sich an langfristig wirksamen Leistungs- und Steuerungsgrößen aus. So sind das Image und die Bekanntheit einer Marke wichtige Erfolgsgrößen, die aber erst mittel- bis langfristig ihre Wirksamkeit entfalten. Dabei muss gleichzeitig sichergestellt sein, dass die für die Markenführung vorgegebenen Zielvorgaben und ihr Erfüllungsgrad mit einem unternehmensinternen Anreizsystem verknüpft sind. Zielvorgaben wirken nämlich nur dann steuernd auf das Markenmanagement, wenn sich ihre Erfüllung auch im persönlichen Bereich der beteiligten Mitarbeiter niederschlägt und damit für die Zukunft als Motivationsreiz wirkt (zum Beispiel variable Gehaltsbestandteile, die sich am Zielerreichungsgrad orientieren). Voraussetzung hierfür ist die Möglichkeit der Mitarbeiter, die für sie gesetzten Leistungsgrößen durch ihre Arbeit aktiv und zurechenbar beeinflussen zu können.
aufzubauen, steigt der Umsatz über eine geringere Preissensibilität und einem höheren CrossSelling-Potenzial und gleichzeitig reduzieren sich die Marketingkosten zur Bindung der Kunden bzw. zur Akquisition neuer Kunden. Das System der Zielgrößen eines Markencontrollings ist komplex und stellt eine Herausforderung im Markenführungsprozess dar, die es mit einem effizienten Kontrollinstrument zu lösen gilt.
Markenführung effizient messen und kontrollieren
6. Unternehmenswert
Markenwert
Ökonomischer Markenwert
Markenstärke
Psychografische Zielgrößen
Markenimage Markenbekanntheit Markensympathie Markenvertrautheit Kundenzufriedenheit Kaufgründe
Markenloyalität Markeneroberung Beobachtetes Verhalten
Vorökonomische Zielgrößen
Mengenpremium Preispremium Deckungsbeitrag
Umsatz
Kosten
Marktanteil
Ökonomische Zielgrößen
Abbildung 36: Zielgrößen des Markencontrollings (vgl. Meffert/Koers 2005, S. 280)
230
6.2 Die Brand Scorecard als Ansatz eines umfassenden Markencontrollings
Die finanzielle Perspektive: Auf der Basis definierter finanzwirtschaftlicher Kennzahlen werden die zu erwartenden finanziellen Leistungen festgelegt. Die finanzielle Perspektive verdeutlicht somit, inwiefern die Implementierung der verfolgten Markenstrategie zu einer Ergebnisverbesserung beiträgt. Die Nachfragerperspektive: Sie beinhaltet Größen, die für den Erwerb eines Produktes beziehungsweise einer Leistung entscheidend sind, beispielsweise Zeit, Qualität, Produktnutzen für den Konsumenten oder die Preiswahrnehmung. Die Nachfragerperspektive umfasst als Ergebnisgrößen unter anderem die Kundenzufriedenheit, die Kundenbindung oder die Kundenprofitabilität. Die interne Prozessperspektive: Wichtige Voraussetzung für das Entstehen von Kundenzufriedenheit ist das Beherrschen der hierfür notwendigen internen Prozesse. Die interne Prozessperspektive betrachtet daher diejenigen Abläufe und Kenngrößen, die maßgeblich für das Entstehen von Kundenzufriedenheit verantwortlich sind wie die Qualitätsstandards oder das Wissen und die Fertigkeiten der Mitarbeiter. Die Lern- und Wachstumsperspektive: Für den Erfolg eines Unternehmens ist es notwendig, nicht nur heute, sondern auch in Zukunft, die Bedürfnisse der Kunden zu erfüllen. Hierzu bedarf es einer permanenten Weiterentwicklung der Produkte und Verfahren im Unternehmen. Die Lern- und Wachstumsperspektive generiert zu diesem Zweck Maßstäbe für die Verbesserung des bestehenden Wissens und der existierenden Fähigkeiten der Mitarbeiter, der Systeme und der Abläufe. Die Balanced Scorecard ist kein statisches Instrument, sondern ein dynamisches Managementwerkzeug, das von den Lerneffekten während der Nutzung profitiert und ständig an die sich ändernden Rahmenbedingungen angepasst wird. Es ist ein strategisches Steuerungsinstrument mit einer hohen Ziel- und Zukunftsorientierung. Die formulierten aktionsorientierten Ziele sind über die vier festgelegten Perspektiven hinweg definiert und konkretisieren den Weg vom Ist zum Soll und sind deshalb nach vorne, in die Zukunft gerichtet. Die Balanced Scorecard unterstützt das Management beim Denken in Zusammenhängen. Über Ursache-Wirkungs-Ketten lassen sich die strategischen Ziele miteinander verbinden, um so die Konsistenz und die Ausgewogenheit der Ziele über die einzelnen Perspektiven hinweg zu prüfen. Das Ableiten und die Formulierung von konkreten Aktionen und Maßnahmen zur Zielerreichung stellen den letzten, aber entscheidenden Schritt der Strategieumsetzung dar.
231
6.2 Die Brand Scorecard als Ansatz eines umfassenden Markencontrolling
Eine erfolgreiche Unternehmens- und Markenführung hängt von einer Reihe von Faktoren ab, welche aufeinander abgestimmt zum Einsatz kommen. Es geht dabei um die „geschickte“ Führung aller erfolgsrelevanten Hard- und Soft-Faktoren im Unternehmen. Für eine umfassende Abbildung aller Faktoren liefert das Konzept der Balanced Scorecard wertvolle Hinweise. Die zentrale Hypothese des Ansatzes von Kaplan und Norton (1997) ist, dass zentrale quantitative und qualitative, interne und externe Faktoren den Unternehmenserfolg wesentlich bestimmen. Diese Erfolgsfaktoren gilt es zu identifizieren, messbar zu machen sowie in die Planungen zu integrieren und kontinuierlich zu kontrollieren. Die Balanced Scorecard verknüpft vier Dimensionen miteinander, die die drei wichtigsten Stakeholder des Unternehmens, nämlich Shareholder, Nachfrager und Mitarbeiter, berücksichtigen:
Der Aufbau einer Balanced Scorecard erfolgt über fünf Schritte:
Klärung Vision und Strategie Konkretisierung der strategischen Ziele Verknüpfung der strategischen Ziele durch Ursache-Wirkungs-Ketten Auswahl der Messgrößen und Festlegung der Zielwerte Bestimmung der strategischen Aktionen
Markenführung effizient messen und kontrollieren
6.
Vision und Strategie klären „Wo wollen wir hin?“
Strategische Stroßrichtungen
Strategische Ziele definieren
Leistungsauftrag Kunden Finanzen Prozesse Lernen und Entwickeln
Strategische Ziele
Ursache-/ Wirkungsketten erarbeiten
Messgrößen festlegen/ Zielwerte
„Was genau ist unsere Absicht?“
„Wenn man es nicht messen kann, kann man es nicht steuern.“
Ursache-/ Wirkungskette
Messgrößen Zielwerte
Aktionen selektieren und Ressourcen planen „Von der Strategie zur Aktion!“
Aktionen
Abbildung 37: Vorgehen beim Aufbau einer Balanced Scorecard (vgl. Wöhler/Weise 2003, S. 7)
Aus Sicht einer wertorientierten Markenführung ist der klassische Ansatz der Balanced Scorecard zwingend, um die Dimensionen der Marke zu ergänzen. Je nach Branchensituation und Unternehmensstrategie sind gegebenenfalls weitere Dimensionen hinzuzufügen. Als Beispiel zur Verdeutlichung wird im Folgenden die Balanced Scorecard eines Automobilunternehmens aufgebaut, wobei der klassische Ansatz mit drei für jede Automobilmarke entscheidenden Perspektiven ergänzt wird: die Perspektive der Marke, die des Vertriebsnetzes und die der Zulieferunternehmen. Hinzu kommt die strategische Perspektive, die die Auswahl der Kennzahlen entscheidend bestimmt. Die für die einzelnen Perspektiven definierten Kennzahlen müssen unmittelbar aus der Strategie des Unternehmens abgeleitet werden. Die Unternehmensstrategie wird konkretisiert durch die strategischen Leitsätze, die innerhalb der Differenzierungsstrategie angestrebten Wettbewerbsvorteile sowie die definierten Zielgruppen. So kann zum Beispiel innerhalb der Vertriebsstrategie der Aufbau eines vollständig eigenen Niederlassungsnetzes gegenüber einem selbstständigen Händlernetz Vorteile aufweisen, wenn es um die konsequente Umsetzung
232
der Marketingstrategie bis zum Point of Sale geht. Eine Kennzahl, die sich auf den Anteil exklusiver Händler am Gesamtnetz bezieht, würde dann in der Balanced Scorecard keinen Sinn machen. Wenn ein Automobilhersteller dagegen seine Vertriebsstrategie grundsätzlich auf ein Netz rechtlich selbstständiger Händler aufbaut, etwa um im Vertrieb von stärkerer unternehmerischer Motivation zu profitieren, ist die Aufnahme des Exklusivitätsgrades dann als sinnvoll anzusehen, wenn gleichzeitig angestrebt wird, die Identifikation des Händlernetzes mit der eigenen Marke zu fördern.
Strategische Perspektive
Markenleitbild
Markendifferenzierung
Zielgruppen
Finanzielle Perspektive (Werttreiber) Cashflow/ Umsatzrate
Markenperspektive, z. B.
Umsatzwachstum
Kundenperspektive, z. B.
Bekanntheitsgrad Kundenzufriedenheit Imagewert Loyalitätsrate Sympathiewert Eroberungszahlen Marktanteile Empfehlungsrate Beschwerderate Interessentenkontakte Probefahrten Produktzufriedenheit Servicezufriedenheit
Anlageninvestitionen
Netzperspektive, z. B.
Händlernetzdichte Exklusivitätsrate Händlerzufriedenheit Händlergröße im Durchschnitt Lagerbestände durchschnittl. Rabattierung Service-Marktanteil
Working Investitonen
Prozessperspektive, z. B.
Capital
Zulieferperspektive, z. B.
Innovationszyklus Abhängigkeitsgrad Time to Market Qualität Fertigungstiefe Lieferbereitschaft Produktivität Just-in-timeNachbesserungsAnteil rate IntegrationsProduktpotenzial zufriedenheit
Kapitalkosten
Mitarbeiterund Know-howPerspektive, z. B. Mitarbeiterzufriedenheit Fluktuationsrate Fehlzeiten F+E-Anteil Personal Ausbildungsstand
Durchlaufzeiten
Trainingsteilnahme
Kapazitätsauslastung
Verbesserungsvorschläge p. a.
Lagerbestände Lieferzeiten
Abbildung 38: Balanced Scorecard eines Automobilherstellers
233
Die Brand Scorecard als Ansatz eines umfassenden Markencontrolling
6.2
Basierend auf der Grundidee der Balanced Scorecard gilt es daher aus Sicht der wertorientierten Markenführung, spezifische Kennzahlen abzuleiten. Im Vergleich zu unternehmensstrategischen Entscheidungen ist die Markenführung stärker situativ ausgerichtet. Sie muss daher auch Zusammenhänge, die unabhängig von Branche und Unternehmenssituation sind, berücksichtigen. Da der Erfolg einer Marke seinen Ursprung nicht nur in den externen Marktanforderungen, sondern auch in den internen Fähigkeiten und Kompetenzen hat, ist es sinnvoll, eine Brand Scorecard mit drei Perspektiven dem Markencontrolling zugrunde zu legen:
Markenführung effizient messen und kontrollieren
6. Mit einer internen Perspektive werden Informationen durch das Aussagenkonzept der Markenführung erfasst Mit einer Marktperspektive werden die notwendigen Kennzahlen des Akzeptanzkonzeptes der Markenführung betrachtet Im Rahmen einer Ergebnisperspektive werden die angestrebten Ergebniswirkungen abgebildet. Darüber hinaus wird die Kundenperspektive der Balanced Scorecard um die wettbewerbsrelevanten Aspekte ergänzt und entwickelt sich damit zu einer umfassenden Marktperspektive. Mit diesen Erweiterungen wird die Brand Scorecard auch zu einem sinnvollen Steuerungsinstrument der Markenführung. Wenn es darum geht, die Steuerungsgrößen der Brand Scorecard festzulegen, gilt es, die markenbezogenen Anspruchs- und Zielgruppen zu berücksichtigen. Aufgrund der innen- und außengerichteten Markenidentität (Markenselbstbild und Markenimage) richtet sich die Markenführung an verschiedene interne und externe Bezugsgruppen (Stakeholder). Im Hinblick auf den Kunden geht es bei der Gestaltung der Markenidentität um eine echte Nutzenstiftung der Marke beim Konsumenten bzw. der Nachweis einer echten Problemlösungskompetenz. Ziel der Marke ist es dabei, eine hohe Markenloyalität durch ein klares Leistungsprofil, eine hohe Kundenzufriedenheit und ein nachhaltiges Vertrauen in die Marke aufzubauen. Ausgerichtet auf den Wettbewerb, dient eine starke Markenidentität einer eindeutigen Positionierung, mit dem Ziel einen relevanten, dauerhaften, wahrgenommenen Wettbewerbsvorteil zu generieren und auszubauen. Für den Mitarbeiter hat die Markenidentität im Wesentlichen eine Identifikations- und Motivationsfunktion. Gelingt es, ein klares Markenverständnis bei den Mitarbeitern zu erzeugen, so wird hiermit ein markenkonformes Verhalten auf allen Hierarchieebenen sichergestellt. Auch für den Handel besitzt die Markenidentität eine Identifikationsfunktion. Der Handel hat mit seinen Leistungen und Verhaltensweisen gegenüber dem Kunden eine Multiplikatorfunktion der Marke inne, die es im Einklang mit der Markenidentität zu nutzen gilt. Ein hoher Markenwert stellt die Grundlage eines hohen Unternehmenswertes dar. Somit ist die nach außen gerichtete Markenidentität, also das Markenimage, ein Faktor, der das Verhalten der Shareholder maßgeblich beeinflusst. Nur ein positives, starkes Markenimage ist in der Lage, die Shareholder zufriedenzustellen und damit den Unternehmenswert positiv zu beeinflussen. Die unterschiedlichen internen und externen Bezugsgruppen werden in den Perspektiven der Brand Scorecard erfasst und zu entsprechenden Kennzahlen bzw. Ergebnisgrößen in Relation gesetzt.
234
Ergebnisperspektive
Shareholdergerichtet Ertrags- und Renditesteigerung
Erfolgsfaktoren (beispielhaft) Verwirklichung marktstrategischer Wirkungs- und unternehmensgerichteter Effizienzziele der verfolgten Markenstrategie
Maßgrößen (beispielhaft) Markenrespektive Portfoliowert Umsatz und Gewinn Absatz- und Marktanteil
Wettbewerbsgerichtet
Klar differenzierte Markenpositionierung
Differenzierung gegenüber sonstigen Portfolio – und Wettbewerbsmarken
Sicherung des Preisgefüges
Dominanz gegenüber Hauptwettbewerbern
Marktperspektive
Proaktive Begegnung mit Konkurrenzaktivitäten Sicherung von Pioniervorteilen in neuen Bedürfnisdimensionen
Fit zwischen Selbst- und Fremdbild der Marke Kundengerichtet Loyalität und Profilierung
Handelsgerichtet Identifikation und Profilierung
Wahrgenommene überlegene Markenkompetenz Eigenständige Markenpersönlichkeit, die Sicherheit, Vertrauen, Sympathie und ein positives Kaufund Empfehlungsverhalten fördert Einlösen des Markenversprechens am POS Markenadäquater Auftritt des Händlers i. S. einer Corporate Identity Sicherung der Markenidentifikation des Handels durch psychologische und ökonomische Anreize
Mitarbeitergerichtet Identifikation
Interne Perspektive
Motivation
Klares Markenverständnis (Markenleitbild als Identifikationsund Motivationsbasis sowie leitbildgerechtes Verhalten auf allen Hierarchieebenen) Beeinflussbarkeit der Kernelemente der Markensubstanz
6.1
Eroberungsraten Erwägerraten Markenloyalität Distanz zwischen Marke und – Hauptwettbewerb – strategischer Wettbewerber Distanz zwischen Soll- und IstPositionierung Kundenzufriedenheit Markensympathie Markenvertrautheit Markenbekanntheit Zufriedenheit der Händler mit dem Hersteller als Indikator der Händleridentifikation Zufriedenheit der Mitarbeiter mit dem Arbeitgeber als Indikator der Mitarbeiteridentifikation
Eigenständigkeit der personen- und sachbezogenen Markenführung Verantwortlichkeit für die Marke Abbildung 39: Bezugsgruppen der Marke innerhalb der Perspektiven der Brand Scorecard (vgl. Meffert/Koers 2005, S. 287)
235
Aufgaben und Herausforderungen des Markencontrolling
Strategische Ziele
Markenführung effizient messen und kontrollieren
6.
Die Verknüpfung der einzelnen Perspektiven in der Brand Scorecard stellt sicher, dass die Interaktionen zwischen ihnen Berücksichtigung finden und nicht isoliert betrachtet werden. Die nach innen gerichteten Erfolgsfaktoren beeinflussen maßgeblich die unternehmensexternen Perspektiven, die wiederum das Unternehmensergebnis nachhaltig beeinflussen. Jedoch weist jede Marke individuelle Besonderheiten auf, die es im Markencontrolling zu berücksichtigen gilt. Die Bestimmung der Erfolgsfaktoren basiert häufig auf dem formulierten Markenleitbild und greift auf dessen Konkretisierung zurück. Die Erfolgsfaktoren und Maßgrößen, die der Ergebnisperspektive zugeordnet sind, sind markenunabhängig und besitzen für alle Marken Gültigkeit. Erfolgsfaktoren und Maßgrößen der Marktperspektive und der internen Perspektive dagegen sind markenspezifisch formuliert und spiegeln die Besonderheiten der Marke wider.
Die EnBW-Markenscorecard. Die Markenscorecard ist das zentrale Controllinginstrument der Marke EnBW. Sie ist in das EnBWIntranet integriert und erlaubt so den standardisierten Zugang aller Unternehmensbereiche zu wichtigen Informationen, die die Marke betreffen. Die Markenscorecard ist dabei weit mehr als eine bloße Datensammlung. Vielmehr ermöglicht sie eine differenzierte Darstellung aller Kenngrößen gegliedert nach Marken, Segmenten und Zielgruppen. Es ist also ein umfassendes Steuerungsinstrument, das die Entwicklung der Marken entlang des Marken-Wertschöpfungspfades im Zeitablauf – von der Vergangenheit über die Gegenwart bis in die Zukunft berücksichtigt. Es ist auf einen Blick ersichtlich, wie sich die jeweilige Marke im Hinblick auf die
Marketing-Mix-Wahrnehmung Wahrnehmung der Markenidentität und Wahrnehmung der Markenstärke Markenstärke das Verhalten der Zielgruppe gegenüber der Marke
entwickelt. Darüber hinaus lassen sich die Beiträge der Marken auf jeder Wertschöpfungsstufe quantifizieren. Die Planung und Konzeption der EnBW-Markenscorecard erforderte die Berücksichtigung kritischer Erfolgsfaktoren. Eine Markenscorecard muss in der Lage sein, die Komplexität der Realität abzubilden. So müssen unterschiedliche Regionen isoliert analysiert werden können oder die Wahrnehmung von Kunden und Nichtkunden separat erfasst werden. Auf der anderen Seite muss die Komplexität der Markenscorecard für den Anwender so gering wie möglich sein. Die Nutzung soll intuitiv sein. Aus diesem Grund werden die Anwender aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen frühzeitig in die Konzeption der Markenscorecard einbezogen. So wird sichergestellt, dass die Vermittlung der komplexen Daten und Sachverhalte einfach und anschaulich vermittelt wird und die spätere Akzeptanz gewährleistet. Wesentliches Kennzeichen der Markenscorecard ist die Aktualität der Daten. Dies erfordert eine zeitnahe Integration aller Daten, wie bspw. Marktforschungs-, Finanz- und Marktkennzahlen. Da diese Kenngrößen aus unterschiedlichen unternehmensinternen und -externen Quellen stammen, müssen bereits im Vorfeld mögliche Barrieren bei der Weitergabe sensibler Daten überwunden werden. Es ist ein Trugschluss anzunehmen, dass die Markenscorecard irgendwann vollständig und fertig ist. Der Markt und die Marke sind in einer kontinuierlichen Bewegung, die sich in der Markenscorecard widerspiegelt. Um diese Veränderung zeitnah zu aktualisieren und einzupflegen hat EnBW einen EnBWMarkenscorecard-Verantwortlichen benannt, der hierfür die Verantwortung trägt,
236
Nach Berücksichtigung dieser kritischen Erfolgsfaktoren hat EnBW nun ein Instrument, das Analysen und Planungen auf einer einheitlichen Informationsbasis ermöglicht. Die Markenscorecard erleichtert durch das Verwenden einer „einheitlichen Sprache“ die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Geschäftsbereiche und trägt damit weiter zur Stärkung des Markenwertes bei. (Quelle: in Anlehnung an Esch/Bisalski (2008), EnBW – Top Performer im Markenmanagementprozess, in: absatzwirtschaft 3/2008)
In der Praxis dominieren nicht die Unternehmen, die nur eine Marke vertreten, sondern diejenigen, die ein komplexes Markenportfolio anbieten. Innerhalb der Markenarchitektur sind die einzelnen Markenidentitäten trennscharf zu definieren und die Markenwerte überschneidungsfrei festzulegen. Dies erleichtert zum einen eine eigenständige Positionierung der Marken im Markt und zum anderen das Markencontrolling. Bei einer Mehrmarkenstrategie erfasst das Markencontrolling zusätzlich die Wechselbeziehungen zwischen den Marken. Hierfür wird zunächst durch die operative Führung der jeweiligen Marken eine individuelle Brand Scorecard entwickelt. Die zentrale Markenführung führt die einzelnen Brand Scorecards zusammen und ergänzt sie um Kennzahlen, die aus der Gesamtbetrachtung des Markenportfolios resultieren wie zum Beispiel Wanderungsbewegungen innerhalb des Portfolios. Im Resultat ergibt sich ein „Netz von miteinander verwobenen Markenscorecards“ (vgl. Meffert/Koers 2005, S. 292). In vertikaler Richtung lässt sich das Netz auf Modellebene erweitern.
6.3 Die Marktforschung zur Messung zentraler Markenkontrollgrößen Die Markenführung und die Marktforschung sind eng miteinander verknüpft. Eine erfolgreiche Markenführung erfordert ständig Entscheidungen, die die Zukunft der Marke determinieren und deren Konsequenzen mit Unsicherheit behaftet sind.
6.3.1 Die Rolle der Marktforschung für die Markenführung Die Marktforschung liefert Daten und Informationen, die zwar nur die Vergangenheit abbilden können, aber dennoch eine wichtige Entscheidungsgrundlage darstellen und die in der Lage sind, Unsicherheiten zu reduzieren. Das Wissen um die Wettbewerber ist beispielsweise ein wesentliches Element einer erfolgreichen Markenführung. Oft lohnt ein Blick zum Wettbewerb zur Schaffung neuer Ideen – oder auch zur besseren Abgrenzung. Das gewonnene Wissen spart bei der Entwicklung neuer Strategien Zeit und Ressourcen. Erfahrungsgemäß werden Wettbewerbsbetrachtungen wegen Zeitmangels und kleinen Budgets aber häufig vernachlässigt – oft mit negativen Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg.
237
Die Marktforschung zur Messung zentraler Markenkontrollgrößen
6.3
Die Wettbewerbsanalyse verfolgt folgende grundsätzliche Erkenntnisinteressen:
Markenführung effizient messen und kontrollieren
6.
Identifikation von besonders gut gelungenen Lösungsansätzen in der eigenen Branche sowie im weiteren Wettbewerbsumfeld (Benchmarking) systematische Einordnung des eigenen Angebots ins Wettbewerbsumfeld und die Identifikation von Stärken und Schwächen genaue Kenntnis der Wettbewerber Nutzung vorhandener Erfahrungspotenziale Identifikation von innovativen Lösungen und Ideen Schaffung einer Grundlage für eine Positionierung. Die intensive Betrachtung und Analyse von Wettbewerbern ist damit eines der wesentlichen Instrumente, um Markenstrategien zu gestalten. Je dynamischer die Märkte, um so mehr sind auch hier Ideenreichtum und Kreativität gefragt. Überraschungsmomente im Wettbewerb sind nur möglich, wenn Unternehmen ihre eigenen (oft vermeintlichen) Grenzen überwinden. Ein weiteres Instrument sind Langfrist- und Trendanalysen. Die Trendanalyse ist ein Prognoseverfahren, bei dem vor dem Hintergrund historischer Werte (Zeitreihe/Langfristanalyse) der Versuch unternommen wird, Aussagen über künftige Entwicklungen zu treffen. Während Langzeitanalysen vielfach einen Status quo beschreiben, definieren Trendanalysen auf der Basis von Zeitreihen, zukünftige und richtungweisende Entwicklungen. Für EnBW sind aktuelle Trends wie die Entwicklung der Einstellungen zu Energiethemen, Kundenzufriedenheitsniveaus, Kundendemografien oder die Entwicklung des Umweltbewusstsein in der Bevölkerung von strategischer Bedeutung, da sie wegweisend für Innovationen und die Entwicklung neuer Geschäftsideen sind. Grundlegende Fragen, denen sich das Unternehmen regelmäßig stellen muss, um zukunftsorientierte Produkte anbieten und ihre Marktposition langfristig ausbauen zu können, sind: „Auf welche Modifikationen im Kundenverhalten muss ich mich einstellen? Wie kann ich auf diese Änderungen reagieren?“ Aus diesem Grund sind Trendanalysen das elementare Instrument des Innovationsmanagements. Gesellschaftliche und kundenspezifische Trends können so frühzeitig wahrgenommen werden, um das Produktportfolio eines Unternehmens zielgerichtet und strategieorientiert zu modifizieren bzw. anzupassen. Hersteller von Markenprodukten sollten die Marktforschung konsequent für die Markenführung einsetzen. Die Marktforschung nimmt im Markenführungsprozess eine steuernde Funktion ein. Voraussetzung hierfür ist aber, dass sie gleichfalls systematisch, strukturiert und vor allem zielgerichtet auf die Erfordernisse, Anforderungen und Fragestellungen der Markenführung und des Markencontrollings hin konzipiert und eingesetzt wird. Besondere Bedeutung sowohl in der Markenführung als auch in der Marktforschung besitzt die Kontinuität: Eine erfolgreiche, starke Marke sollte gemäß der spezifischen Markenidentität mit der Notwendigkeit einer – immer kontrollierten – ständigen Veränderung und Anpassung geführt werden. Vor diesem Hintergrund und gemessen an den Herausforderungen der Markenführung, muss die Markenmarktforschung einheitlich und konsistent gestaltet sein. Also keine Instrumentenvielfalt, sondern ein integriertes, aufeinander abgestimmtes Marktforschungssystem. Eine Marktforschung, die für jede Frage-
238
Die EnBW-Zukunftswerkstatt.
Bei der Suche nach Produkt- und Service-Innovationen folgt EnBW einem strukturierten Prozess. Prozess-Stufe 1: Innovationen sammeln EnBW hat ein Scouting Netzwerk mit Universitäten, Unternehmen und Forschungseinrichtungen, das systematisch verschiedenste Innovationen sammelt. Prozess-Stufe 2: Zusammenfassung der gesammelten Innovationen Die gesammelten Innovationen werden von den Scouts vorgestellt. Aus allen gesammelten Innovationen bilden die Mitglieder der Zukunftswerkstatt eine „Longlist“. Prozess-Stufe 3: Innovationen bewerten Auf der Grundlage festgelegter Bewertungskriterien werden die gesammelten Innovationen priorisiert, bewertet und auf einer „Shortlist“ zusammengefasst. Sie bildet die Grundlage für das Ableiten von Workshop-Themen mit ausgewählten Führungskräften und Mitarbeitern von EnBW. Prozess-Stufe 4: Ausarbeitung der Themen In einzelnen Workshops werden die identifizierten Themen hinsichtlich ihrer Machbarkeit und Relevanz für EnBW geprüft und anschließend ausgearbeitet. Prozess-Stufe 5: Ergebnis Die Ergebnisse der einzelnen Workshops werden präsentiert und sind damit der Startschuss für die Umsetzung von konkreten Projekten und dem Ableiten der „Next Steps“. Mit dem Ende des Durchlaufens der Prozess-Stufen beginnt der Prozess wieder von vorne. Nur durch das kontinuierliche Sammeln, Bewerten und Aufarbeiten von Innovationsansätzen ist EnBW in der Lage neue Produkt- und Serviceideen zu entwickeln und umzusetzen. Die Teilnehmer an der Zukunftswerkstatt sind die Entscheider von EnBW aus der Ebene des mittleren Management, die jeweils Themenverantwortlichen aus dem EnBW-Konzern und den EnBW-Gesellschaften sowie wichtige Multiplikatoren, Experten und Vertreter von Dienstleistern und Agenturen. Somit sind alle relevanten Personenkreise mit Fach- und/oder Entscheidungskompetenz in den Innovationsprozess integriert.
239
6.3 Die Marktforschung zur Messung zentraler Markenkontrollgrößen
Zum Aufrechterhalten und Steigern der Attraktivität eines Stromanbieters bedarf es eines umfassenden, attraktiven Produkt- und Serviceangebotes. Die EnBW-Zukunftswerkstatt hat das Ziel, durch das frühzeitige Erkennen von Trends Impulse zu setzen. Durch kontinuierliche Produktinnovationen oder die Kombination von Einzelinnovationen ist EnBW auf dem Weg, die Innovationsführerschaft unter den Energieanbietern zu erreichen und kontinuierlich auszubauen. Mit der Unterstützung durch vertriebliche Aktivitäten erreicht EnBW somit nicht nur eine erhöhte Markenbekanntheit, sondern kann auch verstärkt neue Kunden gewinnen und bestehende Kunden an die Marke binden.
Markenführung effizient messen und kontrollieren
6.
stellung ein eigenes Instrument einsetzt, ist für die jeweilige Fragestellung sicherlich optimal. Im Gesamtergebnis bedeutet dies aber, dass für eine Vielzahl an Fragestellungen im Rahmen der Markenführung eine Vielzahl an Verfahren und Instrumenten eingesetzt werden, deren Ergebnisse losgelöst voneinander sind und denen es an einer Vergleichbarkeit fehlt. Sinnvoller ist es dagegen, die Marktforschungsinstrumente aufeinander abzustimmen und zu integrieren, um mit weniger Instrumenten, die konsistent und stringent sind, die Markenführung mit Daten und Informationen zu unterstützen, die eine Nachhaltigkeit und Vergleichbarkeit gewährleisten – Business Intelligence. Business Intelligence bezeichnet die Sammlung, Auswertung und Darstellung aller in einem Unternehmen vorhandenen Geschäftsdaten. Betriebswirtschaftlich gesehen ist das nichts Neues: Seit jeher ziehen Unternehmen aus ihren Geschäftsprozessen Rückschlüsse für ihr Geschäft. Explosionsartig steigende Datenmengen erfordern heutzutage jedoch umfangreichere und verfeinerte Reportingmöglichkeiten – der handgeschriebene Zettel genügt oft einfach nicht mehr, um das eigene Geschäft und die zugrunde liegenden Zusammenhänge zu verstehen. Deshalb haben sich in den vergangenen Jahren branchenweit IT-gestützte Business Intelligence-Systeme in Unternehmen etabliert. Die BI-Plattformen führen die relevanten Daten aus allen Unternehmensbereichen sowie weiterer wichtiger Datenquellen (wie zum Beispiel Marktdaten) automatisch zusammen und stellen sie strukturiert, anwenderorientiert und nach Wunsch auch grafisch aufbereitet zur Verfügung. Durch die Verzahnung der unterschiedlichen Daten entstehen wertvolle Informationen für das Unternehmen, indem beispielsweise aktuellste Reports erstellt werden. Und: Die neu gewonnenen Informationen stehen auf einen Blick zur Verfügung – ohne dass die Daten manuell aus den unterschiedlichen Datenquellen zusammengesucht und aufbereitet werden müssen. Alle Unternehmensteile – von der Produktion über die Beschaffung und den Vertrieb bis hin zur Geschäftsleitung – haben selektiv Zugriff darauf und können die Daten individuell nach Informationsbedarf in der für sie gewünschten Präsentationsform abrufen; seien es die Vertriebs- und Absatzzahlen, Produktionsdaten oder die Marketingausgaben – oder alle zusammen. Die Daten stehen sofort für eine Auswertung zur Verfügung, indem sie automatisch strukturiert, grafisch aufbereitet und somit vergleichbar gemacht werden. Ein weiterer Schritt kann nun noch sein, die ausgewählten Daten nach nicht offensichtlich erkennbaren Zusammenhängen zu durchforsten. Dies geschieht beim so genannten „Data Mining“. Gerade für die Markenführung ist dies ein entscheidender Vorteil. Zum Beispiel erkennen Manager dabei auf einen Blick, ob die Erträge den definierten Unternehmenszielen entsprechen, ob die Marke geeignet positioniert ist, das Markenimage der intendieren Markenidentität entspricht oder wo Schwächen in den Geschäftsprozessen liegen. Business Intelligence und die zugrunde liegenden Systeme liefern komprimiert in Sekundenschnelle die nötigen Informationen, wo andere Unternehmen erst begonnen haben, die Daten zusammenzufassen. Nur wer seine Daten gut kennt und fehlerlos zur Verfügung hat, kann die Optimierung der eigenen Organisation steuern und erfolgreiche Markenstrategien entwickeln und umsetzen. Für viele Unternehmen sind jedoch noch simpelste Reports eine immense Herausforderung, da ihre Systeme größtenteils Insellösungen sind, die nur unzureichend kompatibel sind und nur abteilungsspezifisch bereitgestellt werden.
240
Marktforschung als Basis für Entscheidungen der Markenführung. nach Zielgruppen nach Marken nach Regionen nach Geschäftsbereichen
Basisstudien Kommunikationscheck (Tests der Werbemittel und Werbeerinnerungen) Intern und Extern Pre- und Posttests
6.3
bei Bedarf
ergänzende Studien Messung der Markenstärke bei Bedarf z. B. jährlich
qualitativ
quantitativ
z. B. Markeneisberg
der finanziellen Markenwelt
Mitarbeiterübersicht
Kundenzufriedenheit
Interne Beurteilung der Marke aus Sicht der Mitarbeiter
Bekanntheits- und Imageanalyse
bei Bedarf z. B. jährlich
für die Dachmarke EnBW und relevante Submarken
regelmäßig quartalsweise/ halbjährlich
Gain-Loss-Analyse Basis der Markenwertplanung (Brand Pipeline)
Analyse der Kontaktpunkte mit der Marke bei Nichtkunden (Interessenten) Kunden Wechslern (Ex-Kunden)
bei Bedarf z. B. jährlich
Die Marktforschung ist ein wichtiges Instrument der Markenführung. Sie liefert die Informationen, die alle Entscheidungen der Markenführung unterstützen und gibt ein Feedback über den Erfolg jeder einzelnen Markenführungsmaßnahme. EnBW hat zur Umsetzung und Kontrolle der Markenwertplanung ein integriertes Marktforschungskonzept entwickelt, das alle relevanten Informationen zur Steuerung jeder einzelnen Marke liefert. In regelmäßigen Abständen finden Kundenzufriedenheits-, Bekanntheitsund Imageanalysen für die Dachmarke EnBW sowie die relevanten Submarken statt. Des Weiteren bilden die Messung der Markenstärke, die internen Beurteilungen der Marken durch die Mitarbeiter, die Gain- and Loss-Analysen sowie Pre- und Posttests aller kommunikativen Maßnahmen die Grundlage zur Entscheidung über strategische und operative Handlungsoptionen und zur Messung des Erfolgsbeitrages. Alle Aktivitäten der Marktforschung werden nach Zielgruppen, nach Marken, nach Regionen und nach Geschäftsbereichen getrennt durchgeführt, um ein klar definiertes und abgegrenztes Bild für jede Marke und für jede Zielgruppe zu erhalten und zu vergleichen. Darüber hinaus nutzt EnBW intensiv Trendanalysen mit Langfristszenarien, um zukünftige Kundenanforderungen zu antizipieren. Die Ergebnisse bieten die Grundlage für das Angebot neuer Service- und Produktangebote. Die Kunden werden so systematisch in den Produkt-/Service-Entwicklungsprozess miteinbezogen. In einer solchen „Wertschöpfungspartnerschaft“ werden die Kunden aktiv und konkretisieren ihr implizites Wissen über neue Produkt- und Serviceideen aufgrund ihrer Erfahrung und unter Verwendung bestimmter Hilfswerkzeuge, wie beispielsweise Kreativitätstechniken und Szenariotechniken.
241
Die Marktforschung zur Messung zentraler Markenkontrollgrößen
6.3.2 Markenwert und Markenstärke Der Markenwert misst das Erfolgspotenzial einer Marke und ist die zentrale verdichtete Steuerungsgröße der Markenführung. Der Markenwert beruht zum einen auf einer einstellungs- und verhaltensorientierten Kundenperspektive und zum anderen auf einer finanzwirtschaftlich orientierten Sichtweise.
Markenführung effizient messen und kontrollieren
6.
Die Markenstärke als Determinante des Markenwertes basiert auf der derzeitigen Markenperformance und -profitabilität, der Verlässlichkeit der Gewinnerwartungen sowie den Ausbau- und Wachstumspotenzialen der Marke. Diese drei Determinanten der Markenstärke wiederum werden durch verhaltenswissenschaftliche Größen, wie Bekanntheit, Wertschätzung, Loyalität und die Übertragbarkeit von Markeneigenschaften, maßgeblich beeinflusst. Die daraus resultierende Markenstärke beeinflusst den finanziellen Markenwert, der wiederum in den Unternehmenswert mit einfließt. Die exakte Quantifizierung des Markenwertes ist nicht nur für die Markenführung von Relevanz, sondern auch im Rahmen der Bilanzierung, beim Verkauf oder Aufkauf von Marken, bei der Markenlizenzierung oder der Schadensbemessung im Falle der Markenpiraterie wichtig. Zur Messung des Markenwertes existieren eine Vielzahl an Bewertungsverfahren, die sich grundsätzlich in Globalmodelle und kriterienorientierte Verfahren gliedern lassen. Globalmodelle versuchen den finanziellen Wert einer Marke als Ganzes zu quantifizieren. Zu ihnen zählen kostenorientierte Verfahren, kapitalmarktbasierte Verfahren und einkommensorientierte Markenwertberechnungen.
Kostenorientierte Verfahren Grundidee Bewertung einer Marke auf Basis einer Kalkulation der mit dieser Marke verbundenen Kosten:
Bewertung der Aufbaukosten (Kosten, die mit dem Aufbau einer Marke verbunden gewesen sind)
Schätzung der Ersatzkosten (Kosten, die damit verbunden wären, einen vergleichbaren Namen und ein vergleichbares Geschäft aufzubauen).
Bewertung Rückwärtsgerichtet; ungenügende valide Informationen über historische Kosten.
Kostenzurechnung schwierig; Problem der Trennung der Marketingkosten von anderen Kosten
Replikation einer Marke häufig aufgrund der Marktkapazität nicht möglich, ohne den Wert bestehender Marken zu beeinflussen.
Kapitalmarktbasierte Verfahren Grundidee Diese Verfahren versuchen zu evaluieren, zu welchen Preis eine Marke verkauft werden könnte.
242
Bewertung Echte Märkte für Marken existieren kaum Indikatorenorientierte Markenbewertungen schwanken stark (Indiz für ineffiziente Märkte).
Einkommensbasierte Verfahren
Diese Verfahren versuchen, den Markenwert aufgrund von Präferenzen zu berechnen, die nicht auf Produktunterschiede zurückzuführen sind:
Ermittlung diskontierter Cash-Flow-Unterschiede zwischen Marken- und Nichtmarkenprodukten durch Kalkulation von Absatzmengenunterschieden und des Preispremiums
Schätzung von Gewinnverlusten aufgrund von Präferenzdifferenzen, die entstehen, wenn Markennamen weggelassen würden
Bewertung diskontierter (potenzieller) Lizenzeinnahmen.
Bewertung Preispremium häufig praktikable, verständliche und daher akzeptierte Lösung
Differenzschätzung in Märkten ohne Nichtmarkenprodukte kaum möglich
Preispremiummodell führt in Märkten mit
6.3
ähnlichen Preisen zur systematischen Überbewertung kleiner Präferenzmarken und Unterbewertung von Preis-Mengen-Marken; Marktabgrenzungsproblem
Trotz Diskontierung statische Modelle, die weder Markensteuerung noch mögliche Markenerweiterungen berücksichtigen
Bestimmung von Zeithorizont, Zinssatz und Prognose des Zahlungsstroms bei Cash-FlowBerechnungen problematisch. Abbildung 40: Globalmodelle der Markenwertmessung
Kriterienorientierte Verfahren verwenden Indikatoren, die individuell gewichtet werden, um daraus die Markenstärke und den Markenwert abzuleiten. Sie besitzen eine hohe Praktikabilität und sind insbesondere für Markenportfolios geeignet. Kriterienorientierte Modelle: Ausgewählte Verfahren und Bewertungen Interbrand-Modell (Ward 1989; Aaker 1991, S. 29; Keller 1998, S. 363; Cravens/Guildung 1999, S. 59 f.): Multiplikatormodell, bei dem der operative Gewinn mit einem branchenspezifischen Multiplikator gewichtet wird. Die Multiplikatorhöhe ergibt sich aus einer Bewertung der Dimensionen der Markenstärke im Vergleich zur Konkurrenz: Marktführerschaft (Leadership), Stabilität, Markt, Internationalität, Trend, kontinuierliche Marktingunterstützung, juristischer Markenschutz. Nichtmarken-Einflussfaktoren wie z. B. das Distributionssystem werden herausgerechnet
Nielsen-Brand-Monitor (Franzen 1995, S. 564): Berücksichtigung kundenorientierter Größen: Marktattraktivität (Marktvolumen, -wachstum), Durchsetzungsstärke der Marke im Markt (Entwicklung des Marktanteils), Handelsakzeptanz (numerische und gewichtete Distribution), Konsumentenakzeptanz (Bekanntheit, Relevant Set)
icon Brand Trek-Modell (Esch/Andresen 1994, S. 217ff.): Verhaltenswissenschaftliche Messung des‚ Markenwerts im Gedächtnis der Konsumenten mittels Markenbild (Marken-Awareness, Klarheit, Attraktivität des inneren Markenbildes, Eigenständigkeit, Einprägsamkeit, wahrgenommener Werbedruck) und Markenguthaben (Markensympathie, Markenvertrauen)
„Markenwissen“ nach Keller (1993, S. 7): Markenkenntnis (Wiedererkennung, Erinnerung) und -image (Arten, Vorteilhaftigkeit, Stärke, Einzigartigkeit der Assoziationen)
Brand Asset Valuator von Young & Rubicam (2000): Hierarchisches Vier-Kriterien-Modell: Differenzierung (Basis), Relevanz (Markenbedeutung), Wertschätzung (Qualität, Popularität), Wissen (Verständnis der Markenpersönlichkeit)
Brand Equity Ten nach Aaker (1996, S. 318 ff.): Preispremium, Zufriedenheit/Loyalität, wahrgenommene Qualität, Führerschaft/Popularität, wahrgenommener Wert, Unternehmensassoziationen, Markenpersönlichkeit, -bekanntheit (Wiedererkennung, Erinnerung, Top of Mind, Markendominanz, -familiarität, -wissen), Marktanteil, Preis, Distributionsgrad.
243
Die Marktforschung zur Messung zentraler Markenkontrollgrößen
Grundidee
Bewertung von Kriterienmodellen In der Regel hohe Praktikabilität und gute Eignung für Portfoliomodelle Grundannahmen der Modelle sind häufig stark vereinfachend und selten empirisch gestützt, ungenügende Operationalisierung der Konstrukte
Zum Teil mangelne Konsistenz, subjektive Kriterienauswahl und- gewichtung Mit Ausnahme von Interbrand selten finanzwirtschaftliche Quantifizierung. 6. Markenführung effizient messen und kontrollieren
Abbildung 41: Kriterienorientierte Modelle zur Markenwertmessung
Die Messung des Markenwertes ist ein wichtiges Instrument zum Ableiten von strategischen und operativen Handlungsempfehlungen sowie zur Identifikation von Zielabweichungen und dem rechtzeitigen Einleiten von geeigneten Gegenmaßnahmen. Dennoch geben in einer Studie von Kriegbaum (2001, S. 162) 36,7 Prozent der befragten Unternehmen an, keine Markenwertmessung durchzuführen, da sie kein geeignetes Messinstrument besitzen, 31,9 Prozent halten eine Bewertung zwar für sinnvoll, aber zu kosten- und zeitintensiv, und 19 Prozent sehen gar keinen Sinn in der Markenbewertung. Unabhängig davon, welches Bewertungsverfahren zum Einsatz kommt, ergeben sich vier Herausforderungen:
Isolierbarkeit/Abgrenzbarkeit der Marken monetäre Transformierbarkeit der Markenstärke in den Markenwert Berücksichtigung von Markenausdehnungen Kontextbezogenheit der Bewertung.
Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, sollte der Markenwert nicht mit einer einzigen Treibergröße gemessen werden, sondern als ein mehrdimensionales Konstrukt, das auf verhaltenswissenschaftlichen und ökonomischen Markenwirkungen basiert. Die verhaltenswissenschaftlichen Zielgrößen umfassen neben der Markenbekanntheit das Markenimage, die Markensympathie, das Markenvertrauen, die Markenzufriedenheit, die Markenloyalität, die Markenbindung und die Kaufabsicht. Sie werden gemäß der Brand Scorecard operationalisiert und in Messgrößen überführt. Die verhaltenswissenschaftlichen Zielgrößen beeinflussen den Erst- bzw. Wiederkauf der Marke sowie die individuelle Zahlungsbereitschaft und begründen damit die ökonomischen Markenwirkungen.
244
Operationalisierung
Marken Aktive Bekanntheit bekanntheit
Markenimage
Passive Bekanntheit
Recognition-Test: Welche der folgenden Marken kennen Sie?
Messung mittels
Beispiel: Die Marke vermittelt Freude am Fahren. (stimme zu/stimme nicht zu)
Imageprofilen
Assoziationstests
Wir möchten Sie jetzt bitten, alles, was Ihnen zur Marke A einfällt, wiederzugeben. Dies können sprachliche und bildliche Inhalte und Eindrücke aus Ihrem Gedächtnis sein. Beispiel: Wenn Sie an Marlboro denken, fallen Ihnen wahrscheinlich sprachliche Assoziationen wie Abenteuer, Freiheit, Männerwelt, Macho-Image usw. ein. Sie können aber auch bildliche Assoziationen haben wie Cowboy, Hutkrempe des Cowboys, Sporen, gegerbtes, hartes Gesicht, wilder Ritt durch staubige Prärie usw. Sie verbinden mit Marlboro möglicherweise auch Gefühle wie Freude oder Eigenschaften wie guter Geschmack usw. Bitte denken Sie jetzt an die Marke A
Vividness des
Marks-Skala: Versuchen Sie sich die Marke bildlich vorzustellen. Wie ist das Bild, dass Sie nun vor sich sehen? (Völlig klar und so lebendig wie die Realität/klar und ziemlich lebendig/ mäßig klar und lebendig/vage und undeutlich/Ich habe überhaupt kein Bild. Ich weiß nur, dass ich an die Marke denke.
inneren Bildes
Overall-Einstellung zur Marke
Markensympathie
Overall-Messung
Markenvertrauen
Overall-Messung des Markenvertrauens Versprechen
Verlassen auf die Marke
Zufriedenheit mit der Marke
Erfüllung von Erwartungen
Markenloyalität
Wie finden Sie die Marke generell? Ich finde die Marke... (gut/schlecht)
Wie sympathisch finden Sie die Marke? zur Markensympathie (sympathisch/unsympathisch)
Die Marke hält ihr
Markenzufriedenheit
Recall-Test: Welche Marken kommen Ihnen in den Sinn, wenn Sie an die Prokuktkategorie XY denken?
Regelmäßigkeit des Markenkaufs
Ich vertraue der Marke... (stimme zu/stimme nicht zu) Ich empfinde die Marke als... (vertrauenswürdig/ nicht vertrauenswürdig Ich empfinde die Marke als... (zuverlässig/unzuverlässig) Ich verlasse mich auf die Marke (stimme zu/stimme nicht zu) Messung mittels Statements: Wie zufrieden sind Sie mit der Marke? (zufrieden/unzufrieden) Die Marke erfüllt meine Erwartungen (voll und ganz/überhaupt nicht) Wie regelmäßig kaufen Sie die Marke? (regelmäßig/unregelmäßig)
Markentreue
Ich bin der Marke sehr treu (stimme ich zu/stimme ich nicht zu)
Häufigkeit der Markennutzung
Wie häufig verwenden Sie die Marke? (gar nicht/sehr oft)
245
6.3 Die Marktforschung zur Messung zentraler Markenkontrollgrößen
Konstrukt
Konstrukt Markenbindung
Operationalisierung Verbundenheit mit der Marke
Regret-Messung
Ich würde es sehr bedauern, wenn es die Marke nicht mehr gäbe (stimme ich zu/stimme ich nicht zu) Würden Sie die Marke an Ihre Freunde weiterempfehlen? (ganz sicher empfehlen/ganz sicher nicht empfehlen)
6. Markenführung effizient messen und kontrollieren
Ich fühle mich der Marke sehr verbunden (stimme ich zu/stimme ich nicht zu)
Testbereitschaft
Kaufabsicht Kaufabsicht
Wenn es von der Marke noch weitere Produkte gäbe, würde ich diese bei Gelegenheit testen (ganz sicher testen/ganz sicher nicht testen) Haben Sie die Absicht, in Zukunft die Marke zu kaufen? (ganz sicher/ganz sicher nicht)
Abbildung 42: Operationalisierung der verhaltenswissenschaftlichen Zielgrößen (vgl. Esch/Geus/Langner 2002)
In der Praxis existiert eine Vielzahl an Messansätzen, die auf der Grundlage basieren, dass es die verhaltenswissenschaftlichen Größen sind, die der ökonomischen Markenwirkung vorgelagert sind. Die einzelnen Modelle unterscheiden sich vor allem in den zur Messung herangezogenen Zielgrößen und in der Art und Weise, wie die Zusammenhänge modelliert sind. Zur Modellierung können entweder kausalanalytische Modelle oder kaufprozessorientierte Ansätze herangezogen werden. Exemplarisch für beide Kategorien sind im Folgenden der Markeneisberg von Icon Added Value (kausalanalytisches Modell) sowie die Brand Pipeline von Icon Added Value (kaufprozessorientierter Ansatz) dargestellt. Der Markeneisberg von Icon Added Value Der Markeneisberg ist ein Instrument zur Bestimmung des Markenwertes. Mit Hilfe von Kundenbefragungen werden die beiden Konstrukte „Markenbild“ und „Markenguthaben“ über jeweils sechs bzw. drei Subdimensionen abgefragt, die ihrerseits über mehrere items gemessen werden. Das Markenbild ist geprägt durch die Subdimensionen:
Markenbekanntheit subjektiv wahrgenommener Werbedruck Einprägsamkeit der Werbung Marken-Uniqueness (Eigenständigkeit) Klarheit des inneren Markenbildes Attraktivität des inneren Markenbildes.
Das Markenguthaben ist operationalisiert über: Markensympathie Markenvertrauen Markenloyalität.
246
In der Analyse des Markeneisbergs werden die Ergebnisse einer Marke auf den unterschiedlichen Dimensionen des Markenbildes und des Markenguthabens jeweils in Relation zum Branchendurchschnitt gesetzt, um daraus ein markenspezifisches Stärken-Schwächen-Profil zu entwickeln. Anschließend werden die Detailergebnisse für das Markenbild und das Markenguthaben verdichtet und in einem zweidimensionalen Raum mit allen relevanten Wettbewerbern abgebildet. Dadurch lassen sich die Markenstärken ausgewählter Marken miteinander vergleichen. Marken, die sich im rechten oberen Quadranten befinden, verfügen in der Regel über eine starke Markenidentität. Eine starke Ausprägung des Markenguthabens und ein gleichzeitig schwaches Markenbild (rechter unterer Quadrant) weisen auf eine Markenerosion hin.
-4
Markeniconographie -6
17
80 54
2
28 24
2
Markeniconographie
27 56
9
44
Markenguthaben
47 -
31
Markenguthaben
8 9 2
+
Abbildung 43: Der Markeneisberg von Icon Added Value (eigene Bearbeitung nach Munzinger/Berens/Kuntkes 2004, S. 5)
247
6.3 Die Marktforschung zur Messung zentraler Markenkontrollgrößen
Um den vom Nachfrager wahrgenommenen Teil der Marke eigenständig zu erfassen, werden das Markenbild und das Markenguthaben getrennt voneinander betrachtet. Das vom Kunden wahrgenommene Markenbild wird maßgeblich durch den kurzfristig anpassbaren Markenauftritt beeinflusst. Daneben werden Marken aber auch durch relativ stabile Grundeinstellungen des Kunden zur Marke geprägt, die weitestgehend von der aktuellen äußeren Gestaltung der Marke unabhängig sind. Diese Einstellungen, die den eher unsichtbaren Teil der Marke ausmachen, werden über das Markenguthaben in die Markenbewertung integriert. Das Markenguthaben baut sich mittel- bis langfristig bei den relevanten Zielgruppen auf und kann nicht unmittelbar durch das Markenmanagement beeinflusst werden, sondern nur indirekt über das Markenbild. Mit einem zunehmenden Alter der Marke wächst der Einfluss des Markenguthabens auf den Markenwert und gleichzeitig nimmt der Einfluss des Markenbildes ab.
Der wesentliche Vorteil dieses Verfahrens liegt in der Verknüpfung von Befragungs- und Kaufdaten, die zu einem besseren Verständnis kundenbezogener Ursachen des Stärken- und Schwächenniveaus der eigenen Marke führt. Dies erleichtert die Ableitung von Maßnahmen zur zielgerichteten Markenwerterhöhung.
Brand Pipeline von Icon Added Value
Markenführung effizient messen und kontrollieren
6. Als ein kaufprozessorientiertes Modell des Markencontrollings basiert die Brand Pipeline auf der Annahme, dass ein Konsument im Rahmen einer Kaufentscheidung mehrere, aufeinander folgende Phasen durchläuft. Das Ziel ist es, diejenigen Zielgrößen zu erkennen, die dazu beitragen, dass ein Konsument von einer Phase der Entscheidung zur nächsten gelangt. Auf diesem Weg lassen sich die zentralen Treiber einer Marke identifizieren, die letztendlich zum Kauf führen. Die Brand Pipeline ist einer Weiterführung des Kauftrichters von McKinsey. Auch hier steht die Analyse der Leistungsfähigkeit einer Marke entlang des gesamten Kaufentscheidungsprozess im Fokus. Die einzelnen Stufen im Kaufentscheidungsprozess sind:
Der Konsument kennt die Marke nicht Der Konsument kennt die Marke, sie kommt aber für ihn nicht in Frage Der Konsument könnte sich vorstellen, die Marke zu kaufen Der Konsument betrachtet die Marke als seine erste Wahl Der Konsument hat die Marke bereits gekauft Der Konsument wird die Marke auch in Zukunft wieder kaufen.
INPUT
Gestützte Markenbekanntheit
Relevant Set
First Choice
Kauf
OUTPUT
Kundenloyalität
„kurzfristiger“ Markenerfolg monetärer Marken(mehr-) wert Budgeteffizienz
-20 % -12 % Branchenbester
Branchenschlechtester
97 %
-43 %
85 % 43 % -43 %
28 %
16 %
2%
68 %
5%
39 %
-40 %
-69 %
Abbildung 44: Brand Pipeline von Icon Added Value (vgl. Feldmann/Tiemann 2003, S. 43)
248
2%
Über die Brand Pipeline lässt sich analysieren, an welcher Stelle im Kaufentscheidungsprozess die größten Potenziale für die Marke liegen. Es werden diejenigen Benefits & Reason Why und Tonalitäten der Marke identifiziert, die den größten Einfluss auf den Kaufentscheidungsprozess des Konsumenten haben und damit über Kauf bzw. Nichtkauf entscheiden.
Der Wert der Marke. Der Markenwert ist auch für EnBW eine zentrale Größe. Er ist die Grundlage für die monetäre Markenwertplanung und für ein modernes, kohärentes und transparentes Markenmanagement. Darüber hinaus ist der Markenwert ein wesentlicher Bestandteil des Unternehmenswertes. Zusammen mit dem Humankapital, also dem Wissen und der Kompetenz von EnBW, dem Beziehungskapital, dem Logistikkapital und dem Buchwert ist der Wert der Marke zentral für die Bewertung von EnBW im Markt und damit auch zentral für den Zugang zu Fremdkapital am Finanz- und Kapitalmarkt. EnBW hat sich für ein modernes Verfahren der Markenbewertung entschlossen, das sowohl qualitative Elemente wie die Kundeneinstellungen als auch quantitative Elemente, wie die Preisabstände, miteinander verbindet. Im Einzelnen berücksichtigt die Methode
die Wahrnehmung der Marke durch den Kunden und den Markt die Einstellung zu EnBW im Wettbewerbsvergleich das Potenzial der Marke zur Erweiterung das Verhalten der Kunden, zum Beispiel die Kundenloyalität, die Weiterempfehlung der Preisabstand zum Wettbewerb der Umsatz, der sich aus der Kundenbasis ergibt.
Die zur Bestimmung des Markenwertes herangezogenen Kriterien bilden gleichzeitig die Grundlage für eine integrierte Marketing- und Vertriebsplanung, die für eine langfristige Optimierung der EnBWWertschöpfungskette relevant ist. Die Optimierung der Wertschöpfung auf Basis des Markenwertes folgt einem mehrstufigen Prozess, der eng mit der EnBW-Unternehmens- und Ergebnisplanung verknüpft ist. Prozess-Stufe 1: Auf der Vorgabe der Unternehmens- und Ergebnisplanung erfolgt die Definition der Markenwertschöpfungsplanung sowie die Festlegung der markenstrategischen Ziele. Prozess-Stufe 2: Im zweiten Schritt werden die angestrebten Verhaltensänderungen der einzelnen Zielgruppen (Stakeholder) in Bezug auf deren (Kauf-) Entscheidungsprozesse festgelegt. Prozess-Stufe 3: In der dritten Stufe erfolgt die Zielplanung der Markenstärkefaktoren, der Markeninhalte und der Markenkompetenzen im Abgleich mit der Ist-Positionierung der Corporate Brand. Hierauf aufbauend wird dann das Soll-Steuerrad definiert. Prozess-Stufe 4: Nun werden die operativen Ziele zur Erreichung der Planungsziele bestimmt sowie die Prämissen, Maßnahmen, das Budget und der Zeitrahmen. Die konkrete Umsetzung erfolgt dann in einer integrierten Marketing- und Vertriebsplanung.
249
Die Marktforschung zur Messung zentraler Markenkontrollgrößen
6.3
Die Instrumente des Markencontrollings stellen eine wertvolle Informationsbasis für die Markenführung bereit. Aufgebaut auf den historischen Kennzahlen müssen die Visionen für die Markenzukunft durch die Markenführung erarbeitet und stringent in operative Maßnahmen umgesetzt werden, um so langfristig die Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden zu erfüllen und eine eigenständige Positionierung in den Köpfen der Konsumenten zu besetzen. Markenreporting bei EnBW
Markenführung effizient messen und kontrollieren
6. EnBW als ein dezentrales Unternehmen mit mehreren Marken steht vor der Herausforderung, im Rahmen der Markenführung allen Unternehmens- und Konzernbereichen einen standardisierten Zugang zu allen wichtigen Informationen zu gewähren. Zur Lösung wurde ein Online-Tool konzipiert, das allen autorisierten Mitarbeitern aus dem Markenmanagement eine einheitliche Datenbasis mit den wichtigsten Marken-Kenngrößen aus Marktforschung und Markt schafft. Das entstandene Markenreporting-Tool ist jedoch nicht allein eine reine Sammelstelle von Markendaten, sondern dient vor allem auch der Markenführung als Analyse-, Steuerungs- und Controlling-Tool. Alle relevanten Kenngrößen sind differenziert nach Marken, Segmenten, Zielgruppen und Markenwertschöpfungsstufen erfasst und dargestellt. Die Scorecard-Struktur analysiert alle EnBWMarken und -Segmente entlang des Markenwertschöpfungsprozesses in der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft. Der Anwender erkennt somit auf einen Blick, wie sich die Marke auf den verschiedenen Wertschöpfungsstufen entwickelt und wie sich diese Entwicklungen auf den Markenwert auswirken. So lassen sich alle Aktivitäten und Maßnahmen des Markenmanagement konsequent und nachhaltig auf ihren Erfolgsbeitrag kontrollieren und nachverfolgen. Zusätzliche Analysen aus verschiedenen Zielgruppen- und regionalen Perspektiven sowie die anwenderfreundliche Darstellung machen das Markenreporting zu einem wichtigen Instrument für das Markenmanagement von EnBW. Die Entwicklung des Markenreporting-Tools von der Konzeption, über die IT-Umsetzung bis hin zur Befüllung des Tools mit den entsprechenden Daten erforderte die Berücksichtigung kritischer Erfolgsfaktoren. Die Konzeption des EnBW Markenreporting-Tools brachte die Herausforderung mit sich, die als relevant erachteten Kenngrößen zum einen ausreichend differenziert darzustellen ohne die Komplexität so weit zu erhöhen, dass die Übersichtlichkeit des Tools eingeschränkt wird. Diesem Ziel folgend wurden bereits in einem frühen Stadium der Konzeptionsphase Anwender aus allen Unternehmensbereichen miteinbezogen, um die gewohnten Kennzahlen in der gewünschten Form zu integrieren und damit auch die spätere Akzeptanz des Tools zu sichern. Während der Umsetzung des Konzeptes in das Online-Tool ist die enge Abstimmung zwischen den Verantwortlichen der Konzeption und der umsetzenden IT-Abteilung als kritischer Faktor zu berücksichtigen. Dies begründet sich darin, dass das zunächst statische Konzept des Markenreportings erst durch die Implementierung in ein Online-Tool richtig zu leben beginnt. Die zukünftigen Anwender erhalten dann die Möglichkeit, das Tool ausführlich zu testen und herauszufinden, womit sie sich wohlfühlen. Das Konzept wird dann entsprechend der technischen Gegebenheiten und der Anmerkungen der Anwender angepasst.
250
In einem nächsten Schritt wird nun das Markenreporting-Tool mit Daten aus der Marktforschung gefüllt. Die Daten stammen von verschiedenen Instituten, den Markterfolgskenngrößen aus dem Controlling der EnBW-Zentrale und den betroffenen Gesellschaften. Auch hier ist eine intensive Abstimmung zwischen den Beteiligten unerlässlich, um mögliche Barrieren bei der Weitergabe sensibler Daten zu überwinden und genügend Vorlauf für eine reibungslose Einspielung der Daten zu gewährleisten.
251
6.3 Die Marktforschung zur Messung zentraler Markenkontrollgrößen
Sobald das Tool mit Daten gefüllt und online verfügbar ist, wird es den relevanten Unternehmensbereichen vorgestellt. Dieser letzte Schritt ist wichtig, um das ursprüngliche Ziel, ein Tool bereitzustellen, das allen Unternehmensbereichen einen Zugang zu markenrelevanten Informationen ermöglicht, auch tatsächlich zu erreichen. Denn nur wenn alle am Markenführungsprozess Beteiligten das Tool kennen und ihre Analysen darauf aufbauen, sprechen sie die gleiche Sprache, was die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Unternehmens- und Konzernbereichen erleichtert und stärken damit gemeinsam die Marke. Der Prozess des Anpassens, Abstimmens und Optimierens des Markenreporting-Tools wird allerdings immer weiter fortgeführt, da sich Analysen verändern, Datenmaterial neu hinzukommt oder wegfällt, neue Themen an Relevanz gewinnen oder sich Prioritäten verschieben. Diese Veränderungen müssen zeitnah in das Tool einfließen, damit sich die Nutzer auf die Aktualität und die Zuverlässigkeit der Daten jederzeit verlassen können.
7.
Fazit
7.
Fazit
Die EnBW hat sich während der Restrukturierungs- und Sanierungsphase ab 2003 auch im Marketing neu erfunden. Die Ansätze der konsequenten Markenführungsstrategie und der permanenten Optimierung der segmentspezifischen Marktbearbeitung im Vertrieb und aller Marketinginstrumente haben in dieser Zeit dazu geführt, dass die zentralen Markenwerte sich im Konkurrenzvergleich ganz erheblich verbessert haben und nunmehr im Industrievergleich als beispielhaft gelten können. Die EnBW hat sich über die letzten Jahre in punkto Kundenzufriedenheit klar von einem durchweg negativen Branchentrend abgekoppelt und rangiert über alle Segmente mit deutlichem Abstand vor der nationalen Konkurrenz E.on, RWE und Vattenfall. Auch die in Sachen Kundennähe traditionell vergleichsweise guten Werte der Stadtwerke mit ihrer Kundennähe vor Ort werden von der EnBW klar übertroffen. Dementsprechend niedrig ist die Rate an Wechslern im EnBW Stammgebiet, obwohl sich die nationale Konkurrenz zum Beispiel mit den Marken Eprimo, E wie einfach und Nuon schon seit Beginn des Jahres 2007 verstärkt auf das Kerngebiet der EnBW konzentriert. Das EnBW-Marketing hat in den letzten Jahren regelmäßig internationale Preise gewonnen, die zeigen, dass die Neupositionierung der Marke auch in der Fachwelt als erfolgreich angesehen wird. Einschlägige Beispiele sind der neue Internetauftritt (Preis: Art Directors Cup Deutschland; Kategorie: Digitale Medien für Product Websites 2006), die Prämierung des Kundenmagazins (Preis: Best of Corporate Publishing, 2 mal Silber, 1 mal Gold), der EnBW-Imagefilm (prämiert als weltweit bester Imagefilm eines Energieversorgers) sowie die internationale Prämierung des Messeauftritts. Auch die Servicequalität der Marke wurde deutlich verbessert und ist seit 2007 durch Verivox ausgezeichnet. Bei Yello ist in den letzten Jahren die Stabilisierung und Ausbau der Markenwerte auf höchstem Niveau gelungen. Yello ist mit weitem Abstand die Energiemarke mit der höchsten Kundenzufriedenheit und Loyalität. Yello ist dabei seit Jahren bester Stromanbieter in allen Kategorien 2005, 2006, 2007 und 2008 bei den relevanten Tests (Focus Money, Kundenbarometer). Die Marke erreicht (Stand Ende 2008) nahezu alle Deutschen mit einem Bekanntheitsgrad von fast 100 Prozent. Die vertriebsorientierte Optimierung der Kommunikation etwa mit der hoch wirkungsvollen „Schweinehund-Kampagne“ und ab 2008 mit der Service-Kampagne ist in beispielhafter Weise gelungen. Yello ist heute laut GfK die werbeeffizienteste Marke in ganz Deutschland über alle Branchen. Damit wurden die Voraussetzungen für ein weiteres organisches Wachstum der Marke geschaffen.
252
EnBW und Yello stehen beispielhaft dafür, wie durch eine konsequente und pragmatische Markenführung in Kombination mit einem ganzheitlichen integrierten Marketingdenken auch in einer Branche mit vermeintlich homogenen Angeboten klare Differenzierung im Wettbewerb geschaffen und Markenwerte aufgebaut werden können. Die Case Studies, die das vermeintlich emotionslose Commodity Strom der Marken Yello und EnBW der hochemotionalen Marke Audi gegenüberstellen, machen deutlich, dass deren Markenführung gar nicht so unterschiedlich ist, wie vielleicht vermutet wurde. Der Marke Audi ist es gelungen über sportliche, technisch innovative Fahrzeuge und dem damit einhergehenden konsequenten Markenführungskonzept die Marke zu emotionalisieren und zu einer der erfolgreichsten deutschen Premiummarken zu machen. Das Produkt Strom von EnBW und Yello wird dagegen erst über eine starke Marke erlebbar. Beide Marken haben eine mit der Marke Audi vergleichbare Herangehensweise in der strategischen und operativen Markenführung. Alle drei Marken nutzen das Markensteuerrad zur Definition der Markenidentität und haben die Notwendigkeiten einer konsequenten und durchgängigen Markenführung erkannt und für sich genutzt. Bildlich ausgedrückt sind alle betrachteten Marken auf dem richtigen Weg, aber haben auf diesem unterschiedliche Wegstrecken bereits zurückgelegt. Es bleibt damit spannend, wie die Marken den Herausforderungen der Zukunft auf diesem Weg begegnen werden und für die Marke nutzen werden.
253
Literaturverzeichnis
Aaker, D.A. (1996), Building Strong Brands, New York. Aaker, D.A. (1991), Managing Brand Equity: Capitalizing on the Value of a Brand Name, New York. Aaker, D.A. (1992), Management des Markenwertes, Frankfurt.
Literaturverzeichnis
7.
Aaker, D.A. (2004), Brand Portfolio Strategy – Creating Relevance, Differentiation, Energy, Leverage and Clarity, New York. Aaker, D.A. (2005), Strategic Market Management, 7. Auflage, New York. Aaker, D.A./Joachimsthaler, E. (2000), Brand Leadership, New York. Backhaus-Maul, H./Braun, S. (2007), Gesellschaftliches Engagement von Unternehmen in Deutschland, Berlin. Baumgarth, C. (2003), Erfolgreiche Führung von Medienmarken. Strategien für Positionierung, Markentransfer und Branding, Wiesbaden. Baumgarth, C. (2004), Markenpolitik, Markenwirkungen, Markenführung, Markencontrolling, 2. Auflage, Wiesbaden. Baumgarth, C. (2008), Markenpolitik, Markenwirkungen, Markenführung, Markencontrolling, 3. Auflage, Wiesbaden. Bräutigam, S. (2005), Management von Markenarchitekturen – Ein verhaltenswissenschaftliches Modell zur Analyse und Gestaltung von Markenportfolios, Wiesbaden. Bruhn, M. (1997), Multimedia-Kommunikation: Systematische Planung und Umsetzung eines interaktiven Marketing-Instrumentes, München. Bruhn, M. (2001), Die Marke – Symbolkraft eines Zeichensystems, Bern. Bruhn, M. (2004), Handbuch Markenführung, Band 1–3, 2. Auflage, Wiesbaden. Bruhn, M. (Hrsg.) (2008), Dienstleistungsmarken – Forum Dienstleistungsmanagement, Wiesbaden. Burmann, C. (2001), Strategische Flexibilität und Strategiewechsel als Determinanten des Unternehmenswertes. Eine Analyse aus ressourcen- und wissenstheoretischer Perspektive, Münster. Burmann, C./Zeplin, S. (2006), Innengerichtetes Markenmanagement. Ansätze zur Schaffung und Erhaltung von Brand Commitment in marktorientierten Unternehmen, Münster. Chematony, L. de/McDonald, M.H. (2003), Creating Powerful Brands, 3. Auflage, Oxford. Engelhardt, W.H./Kleinaltenkamp, M./Reckenfelderbäumer, M. (1993), Leistungsbündel als Absatzobjekte, in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 45. Jg., Nr. 5, S. 395–426. Esch, F.-R. (2005), Moderne Markenführung. Grundlagen, innovative Ansätze, praktische Umsetzungen, 4. Auflage, Wiesbaden. Esch, F.-R. (2008), Strategie und Technik der Markenführung, 5. Auflage, München. 254
Esch, F.-R./Ambrecht, W. (2008), Best Practice der Markenführung: Zielsetzung, Strategie, Umsetzung, Wiesbaden. Esch, F.-R./Tomczak, T./Kernstock, J./Langner, T. (2006), Corporate Brand Management. Marken als Anker strategischer Führung von Unternehmen, 2. Auflage, Wiesbaden. Feldmann, K./Tiemann, M. (2003), Handel – Wie Kundenpotenziale in Käufer umgewandelt werden, in: Absatzwirtschaft, Nr. 1/2003, S. 42-45. Grey (1996), Smart Shopper: Wieviel Marke braucht der Mensch?, Grey Düsseldorf. Griffin,A./Hauser, J.R. (1993), The Voice of the Customer, in: Marketing Science, Winter, pp. 1–27. Haedrich, G./Tomczak, T. (1994), Strategische Markenführung, in: Bruhn, M. (Hrsg.), Handbuch Markenartikel – Anforderungen an die Markenpolitik aus der Sicht von Wissenschaft und Praxis, Bd. 2, Stuttgart, S. 925–948. Haedrich, G./Tomczak, T./Kaetzke, P. (2003), Strategische Markenführung, Planung und Realisierung von Marketingstrategien, 3. Auflage, Bern. Hahn, D./Hungenberg, H. (2001), PuK: Planung und Kontrolle, Planungs- und Kontrollsysteme, Planungs- und Kontrollrechnung: wertorientierte Controllingkonzepte, 6. Auflage, Wiesbaden. Horváth, P. (2003), Controllling, 9. Auflage, München. Kaas, K.P. (1990), Langfristige Werbewirkung und Brand Equity, in: Werbeforschung & Praxis, 35. Jhg., Nr. 3, S. 48–53. Kano, N. (1984), Attractive Quality and Must-be Quality, in: The Journal of the Japanese Society for Quality Control, April, pp. 39–48. Kapferer, J.-N. (1997), Strategic Brand Management, New York. Kapferer, J.-N. (2001), Reinventing the Brand, London. Kapferer, J.-N. (2008), The New Strategic Brand Management. Creating and Sustaining Brand Equitiy Long Term, 4. Auflage, London. Keller, K.L. (1993), Conceptualization, Measuring and Managing Customer-Based Brand Equity, in Journal of Marketing, Vol. 57, No.1, S. 1–22. Keller, K.L. (1998), Strategic Brand Management. Building, Measuring, and Managing Brand Equity, 1. Auflage, New York. Keller, K.L. (2003), Strategic Brand Management. Building, measuring, and managing Brand Equity, 2. Auflage, New York. Keller, K.L./Kotler, P./Bliemel, F. (2007), Marketing-Management. Strategien für wertschaffendes Handeln, 12. Auflage, München. Koers, M. (2001), Steuerung von Markenportfolios, Frankfurt . Koppelmann, U. (1997), Produktmarketing, 5. Auflage, Berlin. Kroeber-Riel, W. (1993), Strategie und Technik der Werbung, 4. Auflage, Stuttgart. Meer, D. (1995), System Beaters, Brand Loyals, and Deal Shoppers: New Insights into the Role of 255
Brand and Price, in: Journal of Advertising Research, May/June S. RC-2 – RC-7. Meffert, H./Burmann, C. (1996), Identitätsorientierte Markenführung. Grundlagen für das Management von Markenportfolios, Arbeitspapier Nr. 100 der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Marketing und Unternehmensführung e.V., Meffert, H., Backhaus, K. (Hrsg.), Münster. Meffert, H./Burmann, C., Kirchgeorg, M. (2008), Marketing. Grundlagen marktorientierter Unternehmensführung. Konzepte, Instrumente, Praxisbeispiele, 10. Auflage, Wiesbaden.
Literaturverzeichnis
7.
Meffert, H./Burmann, C., Koers, M. (Hrsg.) (2005), Markenmanagement. Identitätsorientierte Markenführung und praktische Umsetzung, 2. Auflage, Wiesbaden. Müller-Stewens,G./Lechner, C. (2001), Strategisches Management, Wiesbaden. Peter, S. (2001), Kundenbindung als Marketingziel, Wiesbaden. Munzinger, U. J./Behrens, H., /Kuntkes, J. (2004), Der Wert einer Marke entsteht im Kopf des Verbrauchers, in: Planung & Analyse, 31. Jg., Nr. 2, Sonderausgabe, S. 1-6. Riesenbeck, H./Perrey, J. (2004), Mega-Macht Marke. Erfolg messen, machen, managen, Augsburg. Sattler, H. (1997), Monetäre Bewertung von Markenstrategien für neue Produkte, Stuttgart. Sattler, H. (2001), Marken und Markenbewertung in deutschen Unternehmen und deren Auswirkungen auf den Kapitalmarkt, in: Knüppel, H./Lindner, C. (Hrsg.), Die Aktie als Marke, Frankfurt, S. 49–63. Sattler, H./Völckner, F. (2007), Markenpolitik, 2. Auflage, Stuttgart. Sattler, H./PricewaterhouseCoopers (2001), Praxis von Markenbewertung und Markenmanagement in deutschen Unternehmen, in: PricewaterhouseCoopers (Hrsg.), Industriestudie, Frankfurt, S. 1–19. Schimansky, A. (Hrsg.) (2004), Der Wert der Marke: Markenbewertungsverfahren für ein erfolgreiches Markenmanagement, München. Specht, U. (2001), Die Rolle von Global Brands im internationalen Wettbewerb – ein verbraucherorientierter Ansatz, in: Zentes, J./Swoboda, B. (Hrsg.), Globales Handelsmanagement, Frankfurt. Tauber, E.M. (1988), Brand Leverage – Strategy for Growth in a Cost-Control World, in: Journal of Advertising Research, Vol. 16, No. 4, S. 26–30. Tomczak, T./Esch, F.-R./Kernstock, J./Herrmann, A. (Hrsg.) (2007), Behavioral Branding: Wie Mitarbeiterverhalten die Marke stärkt, Wiesbaden. Trommsdorff, V. (2008), Konsumentenverhalten, 7. Auflage, Stuttgart. Weinberg, P. (1995), Markenartikel und Markenpolitik, in: Tietz, B./Köhler, R./Zentes, J. (Hrsg.), Handwörterbuch des Marketing, 2. Auflage, Stuttgart, Sp. 2679–2690. Weise, F./Wöhler, B. (2003), Eine BSC entwickeln - Eine Anleitung für profesionelle Vorbereitung, Durchführung und nachhaltige Implementierung, Berlin. Wittke-Kothe, C. (2001), Interne Markenführung. Verankerung der Markenidentität im Mitarbeiterverhalten, Wiesbaden. 256
Stichwortverzeichnis
Balanced Scorecard 33, 35, 231 ff. Beeinflussungsstrategie 82f. Behavioral Branding 13, 212 ff., 233, 235 Below-the-line-Maßnahmen 167, 181 ff., 193 Brand Behavior 15, 214, 233, 235 Brand Citizenship Behavior 151 Brand Commitment 151, 254 Brand Community 202 Brand Pipeline 241, 246, 248 f. Brand Scent 176 Brand Scorecard 15, 34 f., 231 ff., 244 Brand Touch Points 77 Branded House 96, 111 Business Intelligence 240 Change Management 218 ff. Claim 42, 165, 171, 174 ff. Co-Branding 112, 119, 124 ff. Copy-Strategie 176 f. Corporate Brand 41, 47, 88 ff., 96, 110 Corporate Citizenship 197 Corporate Design 168, 181, 200, 210 Cross-Selling 204, 207 f., 230, Dachmarkenstrategie 93, 96, 100 f., 103 ff., 136 f. Data Mining 240 Dienstleistung 30, 33 ff., 40 f., 45 f., 49, 92, 145 ff., 161, 168, 185, 197, 204 ff. Differenzierung 12, 29, 33 ff., 50, 66, 67 ff., 84, 101, 105 f., 109, 117, 121, 132 ff., 140, 157, 164, 197, 202, 235, 243 Direktmarketing 12, 167, 182 ff. E-Brand 199 f. Einzelmarkenstrategie 76, 96, 101 ff. Employer Brand 215
Event 126, 163, 167, 181 ff., 193, 205 Expansionsstrategie 131 ff. Familienmarke 47, 76, 93 f., 102 f., 105 Fokussierungsstrategie 129, 131 Fremdbild 67 ff., 233, 235
7.
Gap-Analyse 77 Gattungsmarken 136 f., 153 Goodwill-Transfer 119, 137 Handelsmarke 58, 129 House Brand 95 Integrierte Kommunikation 163 f., 170, 178, 181, 202, Involvement 58, 81, 107, 117, 166 ff., 203 Kundenkontaktpunkt 35, 60 ff., 206 f., 217 Liberalisierung 10, 26 f., 31, 51, 57, 178 Logo 42 f., 57, 101, 113, 128, 133, 135, 162, 172, 178, 191 Markenallianzen 94, 124 ff. Markenarchitektur 92 ff., 110, 181 f., 237 Markencontrolling 76, 78, 109, 228 ff. Markendehnung 99, 102, 112 ff., 128, 131 Markeneisberg 241, 246 f. Markenerweiterung 101, 112 ff., 243 Markenfunktionen 44 f. Markenidentität 28, 35, 59, 60, 66 ff., 101 ff., 117, 120, 123 ff., 150 ff., 174, 176, 198, 207 f., 234 ff., 247 Markenimage 21, 46, 54 ff., 66 ff., 76 ff., 102, 113 ff., 138, 144, 150 ff., 163 ff., 179, 184 f., 198, 200, 204 ff., 211, 215, 218, 220 f., 230, 234, 240, 244 f. Markenkompetenz 36, 70, 72, 102, 105, 113, 119, 123, 177, 180, 235, 249 Markenlaunch 161 Markenleitbild 12, 15, 34, 62, 66 f., 90, 109, 141, 171, 188, 223 f., 233, 235 f. Markenlizenzierung 122 f., 242
257
Stichwortverzeichnis
Above-the-line-Maßnahmen 191 8P-Ansatz 33 ff., 66, 78, 138, 211 Anbaustrategie 82 f. Anpassungsstrategie 82 f. Awareness Set 57
Stichwortverzeichnis/Bildnachweise
7.
Markenrecall 55 f., 162 Markenrecognition 55, 56, 162 Markenrollen 93, 94 Markenstärke 229 f., 236, 242 ff. Markensteuerrad 15, 34, 69 ff, 111, 176 f., 253 Markenstrategien 93 f., 100 ff., 240 Markentransfer 120, 131, 137, 196 Markenwert 22 ff., 35 f., 39 ff., 50, 53 ff., 73 f., 151 f., 161, 163, 171, 174, 188, 199, 202, 204, 208 f., 218, 224, 226, 229 ff., 242 ff. Markenwissen 54 ff., 119, 213 ff., 243 Marktforschung 35, 68, 113, 151, 178, 203, 217, 228, 236, 237 ff. Me too-Produkte 115 Mehrmarkenstrategie 46, 76, 94, 105 ff., 136 f., 237 Mitarbeiter 15, 31, 33 ff., 47 ff., 61, 68, 72, 75 f., 88 ff., 95, 130, 136, 144 ff., 150 f., 158, 186, 190 ff., 211 ff., 229 ff. Multiple Channel Retailing 206
Quality Function Deployment (QFD) 144
Neupositionierung 42, 82, 86 f, 108, 146, 252
Validität 229 Variety seeking 114 Vision 66, 75, 76, 89, 108, 186, 216, 232, 250
People 13, 15, 33 ff., 182, 211, 215 Place 12, 15, 24, 33 ff., 138 Point of Sale 28, 35, 44, 59, 210, 233 Points of Difference 168 Points of Parity 168 Positionierung 30 ff., 33 ff., 40, 54, 58, 66 ff., 71, 75, 77, 78 ff., 88, 97, 100 ff., 140, 146, 155 ff., 160, 161, 164 ff., 198, 200, 215, 234 ff., 250 Positionierungsstrategie 66, 78 ff. Preisanpassung 154, 158 Preisdifferenzierung 132, 154 ff. Preislogik 154 ff. Preispositionierung 154 f., 160 Premiummarke 23, 42, 48 f., 73 f., 87, 154 f., 181, 187, 210, 253 Process Engineering 12 Product 12, 15, 33 ff., 138, 152 Produktlinienerweiterung 101, 112, 115 ff. Produktmarke 40, 41, 88 ff., 110, 140 f., 152, 181 f., 215 Promotion 12, 15, 33 ff., 138, 259
258
Reason Why 70, 176 f., 249 Reliabilität 229 Selbstbild 67 f., 89 Situationsanalyse 35, 76 f. Sound Branding 173 f. Sponsoring 12, 163, 167, 182, 184 ff., 193, 197 Stakeholder-Ansatz 9, 19, 20, 30, 33 Standardisierung 30, 106, 132 f., 150 SWOT-Analyse 81, 106 Tonalität 70 ff., 105, 110, 176 f., 249 Umpositionierung 82 ff., 108, 127 Unternehmensleitbild 90 f. Unternehmensmarke 88, 89, 91, 92 ff., 110 f., 141, 182, 223 Unternehmensphilosophie 20, 30, 75 f. Up-Selling 40
Wissensmanagement 225 f.
Bildnachweise AUDI AG 73, 74, 87, 116, 165, 166, 180, 194, 195, 210 EnBW Energie Baden-Württemberg AG 72, 125, 170, 171, 173, 176, 189, 191, 202, 223, 224 Fotolia LLC/fotolia.com 14, 15, 16, 37, 64, 65, 247 Philips GmbH 179 T-Systems International GmbH 169 Yello Strom GmbH 84, 121, 128, 161, 162, 190, 192, 202, 208
Die Autoren Dr. h.c. Detlef Schmidt
Dr. Peter Vest Hochschulassistent am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Mainz 1994: Promotion zum Dr. rer. pol. mit „summa cum laude“/Auszeichnung der Teves-Stiftung 09/94-12/98: Wissenschaftlicher Direktor des Forschungsinstituts für Wirtschaftspolitik (FfW) an der Universität Mainz 01/96-06/03: Geschäftsführender Gesellschafter der InterCom-Gruppe (Agentur für Marketing, Kommunikation und Sponsoring mit Tochtergesellschaften in Mainz, Wolfsburg, Prag und Barcelona) 07/03-04/06: Bereichsvorstand „Marketing“ bei der EnBW Energie Baden-Württemberg AG – verantwortlich für Markenführung, Marketing- und Vertriebsstrategie, Geschäftsentwicklung und Kommunikation für alle EnBW-Marken (z. B. EnBW, Yello Strom, NaturEnergie AG, Watt) Bereichsvorstand „Vertrieb Privat- und Gewerbekunden“ bei der EnBW Energie Baden-Württemberg AG – verantwortlich für die Marketing- und Vertriebsstrategie im Privatkundengeschäft der EnBW, Yello Strom, NaturEnergie AG; ab 02/09 Geschäftsfeldentwicklung – Sprecher der Geschäftsführung von Yello Strom – Sprecher der Geschäftsführung der SüdBest GmbH mit Verantwortung für das Kundenbindungsprogramm SüdBest der EnBW AG seit 09/09 Geschäftsführender Gesellschafter Peter Vest, Beratung für Markenführung und Innovationen
259
7. Die Autoren
1972-2003: verschiedenste Führungsaufgaben im Bereich Vertrieb des Volkswagen-Konzerns 1986-1994: Geschäftsführer des SEAT Deutschland GmbH – erfolgreicher Aufbau der Marke und des Vertriebsnetzes/Absatzrekord 1986 Mitglied des Vorstandes der SKODA, automobilová a.s. (heute SkodaAuto) für den Geschäftsbereich Vertrieb und Marketing – Schaffung eines völlig neuen weltweiten Handels- und Servicenetzes parallel zur Tätigkeit bei Skoda seit 1994 zusätzlich zum Vorstand für Vertrieb und Marketing der SEAT, S.A. in Barcelona ernannt 1995-2000: Vicepresidente Ejecutivo Comercial der SEAT, S.A. 07/00-06/03: Vorstandsmitglied für Vertrieb und Marketing bei SkodaAuto in Mlada Boleslav 07/00-04/02: Mitglied des Aufsichtsrates der SEAT, S.A. 10/2002: Ehrendoktorwürde der Technischen Universität (VUT Brno) 07/03-06/08: Mitglied des Vorstands, Chief Marketing und Sales Officer der EnBW Energie Baden-Württemberg AG seit 07/08 verschiedene Beiratsmandate und freie Beratertätigkeit