Rudolf Busch Elektrotechnik und Elektronik
Rudolf Busch
Elektrotechnik und Elektronik für Maschinenbauer und Verfahr...
1189 downloads
5445 Views
5MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Rudolf Busch Elektrotechnik und Elektronik
Rudolf Busch
Elektrotechnik und Elektronik für Maschinenbauer und Verfahrenstechniker 5., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage Mit 429 Abbildungen und 132 Übungsaufgaben mit Lösungen STUDIUM
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Prof. Dr.-Ing. Rudolf Busch wechselte nach fast zwanzigjähriger Tätigkeit in der Industrie in das Hochschulwesen und lehrte zuletzt über zehn Jahre an der Universität Essen, wo er das Fachgebiet Elektrotechnik leitete und mit der Ausbildung von Maschinenbauingenieuren betraut war.
1. Auflage 1994 2. Auflage 1996 3. Auflage 2003 4. Auflage 2006 5., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © Vieweg +Teubner | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Harald Wollstadt | Ellen Klabunde Vieweg +Teubner ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.viewegteubner.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Strauss Offsetdruck, Mörlenbach Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier. Printed in Germany ISBN 978-3-8351-0248-4
Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufträge zu vergeben oder Arbeit zu verteilen, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer. Antoine de Saint - Exupéry
Vorwort Das vorliegende Buch ist aus Vorlesungen entstanden, die ich über viele Jahre hinweg für Studierende der Ingenieurwissenschaften in nichtelektrotechnischen Studienrichtungen an der Technischen Universität „Otto von Guericke“ Magdeburg gehalten habe und seit 1991 an der Universität GH Essen durchführe. Es gehört zu den wichtigen Erfahrungen meiner Lehrtätigkeit, dass es den Lernenden, die keinen elektrotechnischen Beruf ausüben oder ausüben wollen, sich jedoch mit Elektrotechnik und Elektronik befassen müssen, häufig sehr schwerfällt, sich in der Gedankenwelt der Elektrizitätslehre zurechtzufinden. Allzu oft treten dann Misserfolg und Resignation ein und die Studierenden sind froh, wenn endlich die Elektrotechnikprüfung abgelegt und dieses Fach „überstanden“ ist. Von dem vermittelten Stoff bleiben bei ihnen oft nur einige wenige Begriffe oder diffuse Vorstellungen im Gedächtnis, mit denen sie in ihrer Ingenieurpraxis wenig anzufangen wissen. Nach meiner Überzeugung kann man dem entgegenwirken, wenn das in so genannten „Nebenfächern“ oft praktizierte „black-box-Denken“ verlassen und mehr danach gefragt wird, was sich in der „box“ verbirgt, welche grundlegenden physikalischen Zusammenhänge dort existieren, d.h., wenn man sich darum bemüht, die Erscheinungen wirklich zu verstehen. Denn nur mit dem, was man begriffen hat, kann man erfolgreich arbeiten, beispielsweise weitergehende Studien durchführen oder Schlussfolgerungen für das eigene Fachgebiet ziehen. Allein auf der Basis soliden Grundlagenwissens wird man ein guter Spezialist in der Praxis. Es gibt für mich keinen erkennbaren Grund, hier das „Nebenfach“ (ich gebrauche dieses Wort ungern) auszuschließen, weil es nicht nur Bestandteil des Studiums, sondern ohne Zweifel auch der Praxis ist, was in besonderem Maße für die Elektrotechnik zutrifft, der man in Wissenschaft und Technik auf Schritt und Tritt begegnet. Das vorliegende Buch habe ich mit dem Ziel geschrieben, auch den diesem Fachgebiet ferner stehenden Studierenden, Ingenieuren und anderen Interessierten die physikalischen Zusammenhänge in der Elektrizitätslehre und in deren wichtigsten Anwendungsgebieten deutlich zu machen. Dabei war ich stets bemüht, von einfachen, der Leserin oder dem Leser oft aus eigener Erfahrung bekannten Phänomenen auszugehen und darauf Schritt für Schritt aufbauend zu komplizierteren Zusammenhängen zu führen. Dieser Orientierung habe ich u.a. dadurch Rechnung getragen, dass die Behandlung der Felder an den Anfang des Lehrbuches gestellt wurde. Aus ihnen lassen sich die technischen Grundlagen der Elektrotechnik anschaulich ableiten. Bei der Darlegung der Anwendungen war ich darüber hinaus bestrebt, auch modernste Entwicklungen einzubeziehen.
VI
Vorwort
Das Buch wendet sich an alle, für die in Studium oder Beruf Kenntnisse der Grundlagen der Elektrotechnik und Elektronik sowie ihrer Anwendungen notwendig sind. Der Stoff entspricht etwa den Anforderungen, die heute an eine moderne Ingenieurausbildung, bei der Elektrotechnik nicht das Hauptfach bildet, gestellt werden. Das Buch ist auch für Studierende der Elektrotechnik in den Anfangssemestern geeignet. Vorkenntnisse in Physik und Mathematik sind im Rahmen dessen wünschenswert, was in naturund ingenieurwissenschaftlichen Studienrichtungen an Universitäten, Technischen Hochschulen und Fachhochschulen im ersten Studienjahr geboten wird. Die den Hauptabschnitten nachgestellten Übungsaufgaben sind bezüglich ihres Schwierigkeitsgrades dem Leserkreis angemessen. Ihre Lösungen werden am Ende des Buches angegeben. Sie sollen dazu dienen, den Stoff zu vertiefen und die Kenntnisse zu erweitern. Bei meinem wissenschaftlichen Mitarbeiter, Herrn Dipl.-Ing. Sven Hilfert, möchte ich mich für die wertvolle Hilfe bei der computergestützten Erstellung der Bilder und beim Durchrechnen der Übungsaufgaben bedanken. Weiterhin gilt mein Dank Herrn Dr. Jens Schlembach vom TeubnerVerlag für die gute Zusammenarbeit, den im Text genannten Firmen für die Überlassung von Bildmaterial und meinen ehemaligen Magdeburger Kollegen für die Beisteuerung einiger Übungsaufgaben. Schließlich bedanke ich mich bei meiner Frau Ingrid für viele Hinweise und tatkräftige Unterstützung beim Korrekturlesen. Essen, im Frühjahr 1994
Rudolf Busch
Vorwort zur 2. Auflage Die erste Auflage dieses Lehrbuches hat eine gute Aufnahme gefunden, so dass sich schon nach relativ kurzer Zeit eine zweite Auflage erforderlich machte. Ich habe sie zum Anlass genommen, den Text einer vollständigen Überarbeitung zu unterziehen. Außerdem erfolgte die Korrektur einiger Druckfehler sowie kleinerer Fehler in den zeichnerischen Darstellungen. An verschiedenen Stellen wurde die Darbietung des Stoffes präzisiert und klarer gestaltet. Statistische Angaben habe ich auf den neuesten Stand gebracht. In den Abschnitt „Elektrische Messtechnik“ sind die Festlegungen der im Januar 1995 erschienenen Neuausgabe der Norm DIN 1319 „Grundlagen der Messtechnik. Teil 1: Grundbegriffe“ eingearbeitet worden. Weiterhin habe ich versucht, durch eine größere Zahl von fett oder kursiv gedruckten Hervorhebungen und durch die Unterlegung wichtiger Gleichungen und Merksätze den Text noch besser zu strukturieren und dadurch übersichtlicher zu machen. Zu Dank bin ich meinem Mitarbeiter, Herrn Dipl.-Ing. Sven Hilfert sowie meiner Frau verpflichtet. Beide haben mich bei der Vorbereitung dieser zweiten Auflage wiederum mit Engagement unterstützt. Essen, im Februar 1996
Rudolf Busch
Vorwort
VII
Vorwort zur 3. Auflage Die vorliegende dritte Auflage wurde einer gründlichen Überarbeitung unterzogen, die sich hauptsächlich auf die völlig neue Gestaltung des Hauptabschnittes „Elektronik“ konzentrierte. Abweichend von den Ausführungen zu diesem Gebiet in den früheren Auflagen wurden zwei getrennte Abschnitte „Leistungselektronik“ (Abschnitt 7.4) und „Informationselektronik“ (Abschnitt 7.5) verfasst. Da die elektronischen Bauelemente dieser beiden Gebiete im wesentlichen die gleichen sind, wurden deren Eigenschaften und Hauptanwendungsaspekte in einem vorangehenden Abschnitt über „Elektronische Bauelemente“ (Abschnitt 7.3) ausführlich beschrieben, so dass die leistungselektronischen und informationselektronischen Schaltungen frei vom Ballast zusätzlicher Ausführungen zu Bauelementefunktionen beschrieben und erklärt werden konnten. Wie bereits in den früheren Auflagen habe ich mich bemüht, niemals nur reine Fakten und Phänomene global darzustellen, sondern immer die physikalischen und elektrotechnischen Hintergründe zu zeigen und herauszuarbeiten. Zu den Inhalten der Abschnitte „Leistungselektronik“ und „Informationselektronik“ ist folgendes zu bemerken: Beide Abschnitte wurden selbstverständlich auf den neuesten Stand gebracht und entsprechend erweitert, was wegen der rasanten Fortschritte auf diesen Gebieten auch erforderlich ist. Besonders die Ausführungen zur Leistungselektronik wurden gegenüber den früheren Auflagen wesentlich ausgebaut. Das hat zweierlei Gründe. Einerseits sind leistungselektronische Prinzipien gerade in den letzten Jahren tief in die Arbeitsgebiete von Maschinenbau- und Verfahrenstechnik-Ingenieuren eingedrungen und andererseits gibt es zur Zeit kein Fachbuch der Leistungselektronik, welches sich direkt an Studenten oder Ingenieure wendet, die sich nicht mit Elektrotechnik im Hauptfach oder in der beruflichen Praxis befassen. Die ausgezeichneten Bücher über Leistungselektronik, über die wir verfügen, sind hauptsächlich für Elektrotechniker geschrieben und sind deshalb für diesem Gebiet ferner Stehende oft schwierig lesbar. Natürlich ist mir andererseits auch klar, dass das, was in dem vorliegenden Buch über Leistungselektronik gebracht werden konnte, nicht ausreicht, um auch nur einen Teil der anfallenden Aufgaben zu lösen. Ich bin allerdings auch der Auffassung, dass eine elementare Darstellung eines neuen bzw. fremden Gebietes den Zugang zur vertiefenden Literatur nicht nur wesentlich erleichert, sondern auch motiviert. Die anderen Abschnitte des Buches betreffend, ergibt sich das folgende Bild: Der frühere Abschnitt „Feldtheorie“ wurde gestrichen, da er wohl für einen Ingenieur, für den Elektrotechnik nicht das Hauptfach darstellt, entbehrlich ist und dessen Platz für die erweiterten Ausführungen zum Abschnitt „Elektronik“ benötigt wurde. Die Grundlagenabschnitte 1 bis 6 sowie der Abschnitt 10 („Elektrische Messtechnik“) sind im wesentlichen unverändert geblieben. Im Teil „Elektrische Maschinen und Antriebe“ (Abschnitt 8) wurden einige kurze Bemerkungen zu Kleinmaschinen eingeführt, die insbesondere als Stellglieder in der Automatisierungstechnik eine große Bedeutung haben. Die Ausführungen und Statistiken im Abschnitt „Elektrische Energieversorgung“ (Abschnitt 9) wurden auf den neuesten Stand gebracht, ebenso die Literaturangaben und das Sachwortverzeichnis. Meiner Frau bin ich wiederum zu Dank verpflichtet. Besonderer Dank gebührt meinem wissenschaftlichen Mitarbeiter, Herrn Dipl.-Ing. Kai Müller, der, obwohl er sich in der Endphase der Erarbeitung seiner Dissertation befand, mir mit großer Einsatzbereitschaft und mit großem Zeitaufwand bei der computergestützten Erstellung des Manuskriptes dieses Buches zur Seite gestanden hat. Farsleben bei Magdeburg, im Mai 2003
Rudolf Busch
VIII
Vorwort
Vorwort zur 4. Auflage Nachdem die 3. Auflage eine so gute Aufnahme zu verzeichnen hatte, machte sich relativ schnell eine erneute Auflage erforderlich. Sie wurde zum Anlass genommen, das gesamte Manuskript in das Textverarbeitungssystem WORD zu konvertieren, wodurch das äußere Erscheinungsbild wesentlich verbessert werden konnte. Darüber hinaus wurden die statistischen Angaben auf den neuesten Stand gebracht. Danken möchte ich Herrn Dr. Martin Feuchte vom Verlag B.G. Teubner für sein Engagement bei der Vorbereitung der vorliegenden 4. Auflage. Farsleben bei Magdeburg, im November 2005
Rudolf Busch
Vorwort zur 5. Auflage Die 5. Auflage ist das Ergebnis einer umfangreichen Überarbeitung und Erweiterung wesentlicher Teile dieses Lehrbuches. Bezeichnungen und Symbole wurden den heute üblichen Standards angepasst, was sich auf nahezu alle Hauptabschnitte ausgewirkt hat. Bei der Berechnung von Netzwerken wurde zusätzlich zur bisher beschriebenen Spannungsquelle die Stromquelle eingeführt und ein Ausblick auf die Zweipoltheorie gegeben. Der Abschnitt „Informationselektronik“ ist durch mehrere praktische Beispiele, wie den Einsatz von Operationsverstärkern als Regler und die Anwendung von Flipflops als Zähler und Schieberegister, ergänzt worden. Im Abschnitt „Elektrische Energieversorgung“ sind die neuesten Trends und statistischen Daten der Stromerzeugung in Deutschland berücksichtigt. Die Liste der Literaturangaben wurde, wie auch das Sachwortverzeichnis, auf den neuesten Stand gebracht. Die wesentlichste Änderung in der vorliegenden Auflage ist die Neuaufnahme eines größeren Abschnittes über die Anwendung von Personalcomputern (PC´s) in der elektrischen Messtechnik. Damit möchte ich einerseits der Tatsache ständig zunehmender Komplexität von Messaufgaben Rechnung tragen und andererseits die großen Möglichkeiten einer computergestützten Messtechnik aufzeigen, um auch Maschinenbauer und Verfahrenstechniker und natürlich auch Studenten und Ingenieure anderer Disziplinen zu ermuntern, sich dieser überaus leistungsfähigen Technik zu bedienen. Bei der Ausarbeitung dieses neuen Abschnittes wurde ich mit Bildmaterial von zwei Firmen der Messtechnikbranche, die bei den Bildern genannt sind, unterstützt. Dafür möchte ich mich nochmals bedanken. Seit dem Erscheinen der 1. Auflage habe ich sehr viele Rezensionen mit Ratschlägen und Hinweisen erhalten, für die ich mich bei den Fachkollegen, deren Nennung wegen ihrer Vielzahl hier nicht möglich ist, ebenfalls bedanken möchte. Die mir sinnvoll erscheinenden Hinweise habe ich selbstverständlich berücksichtigt. Ich bin der Auffassung, dass sich das vorliegende Lehrbuch wiederum auf dem Stand befindet, der für eine moderne Ingenieurausbildung erforderlich ist. Hinweise zur weiteren Verbesserung sind mir jederzeit willkommen. Farsleben bei Magdeburg, im Juni 2008
Rudolf Busch
Inhaltsverzeichnis
Teil A: Grundlagen der Elektrotechnik ................................................................................
1
1 Das elektrische Feld ........................................................................................................... 1.1 Feldbegriff. Darstellung von Feldern .......................................................................... 1.2 Das stationäre elektrische Strömungsfeld .................................................................... 1.2.1 Ladung. Strom. Stromdichte ............................................................................ 1.2.2 Potenzial. Spannung. Feldstärke ...................................................................... 1.2.3 Elektrischer Widerstand. Ohmsches Gesetz .................................................... 1.2.4 Der elektrische Stromkreis .............................................................................. 1.2.5 Die Gesetze von Kirchhoff .............................................................................. 1.3 Das elektrostatische Feld ............................................................................................. 1.3.1 Entwicklung aus dem Strömungsfeld .............................................................. 1.3.2 Kenngrößen des elektrostatischen Feldes ........................................................ 1.3.3 Kapazität. Kondensatoren ................................................................................ 1.3.4 Kondensatorstrom ............................................................................................ 1.3.5 Energie und Kräfte im elektrostatischen Feld ................................................. 1.4 Übungsaufgaben ..........................................................................................................
1 1 2 2 7 12 14 16 18 18 20 21 22 23 25
2 Das magnetische Feld ........................................................................................................ 2.1 Magnetische Erscheinungen ........................................................................................ 2.2 Magnetische Kenngrößen ............................................................................................ 2.2.1 Magnetischer Fluss und magnetische Flussdichte ........................................... 2.2.2 Durchflutung. Magnetische Spannung. Magnetischer Widerstand ................. 2.2.3 Die magnetische Feldstärke ............................................................................. 2.3 Das Durchflutungsgesetz ............................................................................................. 2.4 Materie im Magnetfeld ................................................................................................ 2.4.1 Die Permeabilität. Einteilung der Stoffe .......................................................... 2.4.2 Hystereseschleife und Magnetisierungskurve ................................................. 2.5 Das Induktionsgesetz ................................................................................................... 2.5.1 Grundlagen. Der Versuch von Faraday ........................................................... 2.5.2 Anwendungen des Induktionsgesetzes ............................................................ 2.6 Selbst- und Gegeninduktion ........................................................................................ 2.6.1 Selbstinduktion ................................................................................................ 2.6.2 Gegeninduktion ............................................................................................... 2.7 Energie und Kräfte im magnetischen Feld .................................................................. 2.7.1 Energieinhalt des Magnetfeldes ....................................................................... 2.7.2 Kraftwirkungen im magnetischen Feld ........................................................... 2.7.2.1 Kräfte an Grenzflächen ..................................................................... 2.7.2.2 Kräfte auf stromdurchflossene Leiter ............................................... 2.8 Übungsaufgaben ..........................................................................................................
27 27 29 29 30 32 33 36 36 37 41 41 47 49 49 52 54 54 54 54 55 57
3 Die passiven Bauelemente der Elektrotechnik ................................................................ 61
X
Inhaltsverzeichnis
4 Berechnung von Stromkreisen bei Gleichstrom ............................................................. 4.1 Der unverzweigte Gleichstromkreis ........................................................................... 4.1.1 Der elektrische Widerstand ............................................................................ 4.1.2 Lineare und nichtlineare Widerstände ............................................................ 4.1.3 Energie und Leistung im Gleichstromkreis .................................................... 4.1.4 Der Grundstromkreis ...................................................................................... 4.1.5 Leistungsumsatz im Stromkreis ...................................................................... 4.2 Der verzweigte Gleichstromkreis ............................................................................... 4.2.1 Vereinfachung von Widerstandsnetzwerken .................................................. 4.2.2 Teilerregeln ..................................................................................................... 4.2.2.1 Die Stromteilerregel ......................................................................... 4.2.2.2 Die Spannungsteilerregel ................................................................. 4.2.3 Berechnung verzweigter Stromkreise mittels der Gesetze von Kirchhoff ...... 4.2.4 Spannungsquellen und Stromquellen. Zweipoltheorie ................................... 4.3 Übungsaufgaben .........................................................................................................
62 62 62 63 64 65 69 71 71 75 75 76 78 81 82
5 Berechnung von Stromkreisen bei Wechselstrom .......................................................... 5.1 Erzeugung von Wechselstrom. Bestimmungsgrößen ................................................. 5.2 Kenngrößen ................................................................................................................ 5.2.1 Zeitliche Mittelwerte ...................................................................................... 5.2.2 Zählpfeile ........................................................................................................ 5.3 Darstellung sinusförmiger elektrischer Größen im Zeigerdiagramm ............................ 5.4 Spannungs- und Stromzeiger bei den Grundschaltelementen .................................... 5.5 Zeigerdiagramme bei gemischten Wechselstromschaltungen .................................... 5.5.1 Reihenschaltung von Kondensator und Widerstand ....................................... 5.5.2 Parallelschaltung von Spule und Widerstand ................................................. 5.5.3 Gemischte Schaltung ...................................................................................... 5.6 Die komplexe Darstellung von Zeigern ...................................................................... 5.7 Komplexe Zeiger der Grundschaltelemente ............................................................... 5.8 Komplexer Widerstand und komplexer Leitwert ....................................................... 5.8.1 Komplexer Widerstand ................................................................................... 5.8.2 Komplexer Leitwert ........................................................................................ 5.9 Wirk- und Blindkomponenten von Spannung und Strom .......................................... 5.10 Wechselstromleistung ................................................................................................. 5.11 Drehstrom (Dreiphasenwechselstrom) ....................................................................... 5.11.1 Erzeugung von Drehstrom .............................................................................. 5.11.2 Die Verkettung des Drehstromsystems ........................................................... 5.11.3 Spannungen und Ströme im symmetrischen Drehstromsystem ...................... 5.11.4 Drehstromleistung .......................................................................................... 5.12 Übungsaufgaben .........................................................................................................
85 85 86 86 89 90 91 92 92 94 94 95 97 100 100 104 105 106 111 111 113 115 118 119
6 Ausgleichsvorgänge in Stromkreisen .............................................................................. 6.1 Die Schaltgesetze ........................................................................................................ 6.2 Aufladung eines Kondensators ................................................................................... 6.3 Kurzschluss einer stromdurchflossenen Spule ........................................................... 6.4 Entladung eines Kondensators in einem Reihenschwingkreis ................................... 6.5 Schlussbemerkungen .................................................................................................. 6.6 Übungsaufgaben .........................................................................................................
124 124 125 128 130 133 133
Inhaltsverzeichnis
XI
Teil B: Anwendungen der Elektrotechnik ............................................................................. 135 7 Elektronik ........................................................................................................................... 7.1 Einleitende Bemerkungen ........................................................................................... 7.2 Physikalische Grundlagen ........................................................................................... 7.2.1 Eigenleitung ..................................................................................................... 7.2.2 Störstellenleitung ............................................................................................. 7.2.3 Eigen- und Störstellenleitung im Bändermodell .............................................. 7.2.4 Der pn-Übergang ............................................................................................. 7.3 Elektronische Bauelemente ......................................................................................... 7.3.1 Halbleiterwiderstände ...................................................................................... 7.3.2 Halbleiterdioden .............................................................................................. 7.3.2.1 Aufbau. Kennlinien. Typen .............................................................. 7.3.2.2 Diode als Gleichrichter ..................................................................... 7.3.3 Transistoren ..................................................................................................... 7.3.3.1 Bipolartransistoren ........................................................................... 7.3.3.2 Feldeffekttransistoren ....................................................................... 7.3.3.3 Insulated Gate Bipolar Transistors (IGBTs) ..................................... 7.3.3.4 Betriebsarten von Transistoren ......................................................... 7.3.3.5 Transistoren als Verstärker ............................................................... 7.3.3.6 Transistoren als Schalter ................................................................... 7.3.4 Thyristoren ...................................................................................................... 7.3.4.1 Aufbau und Wirkungsweise. Typen ................................................. 7.3.4.2 Thyristoren als gesteuerte Gleichrichter ........................................... 7.3.5 Optoelektronische Bauelemente ...................................................................... 7.3.5.1 Lichtempfangende Bauelemente ...................................................... 7.3.5.2 Lichtaussendende Bauelemente ........................................................ 7.3.5.3 Andere optoelektronische Bauelemente ........................................... 7.4 Leistungselektronik ..................................................................................................... 7.4.1 Einführung. Arten und Wirkungsweise von Stromrichtern ............................. 7.4.2 Gleichrichter .................................................................................................... 7.4.2.1 Gleichrichter mit Dioden (Ungesteuerte Gleichrichter) ................... 7.4.2.1.1 Einphasengleichrichter ................................................... 7.4.2.1.2 Dreiphasengleichrichter .................................................. 7.4.2.2 Gleichrichter mit Thyristoren (Gesteuerte Gleichrichter) ................. 7.4.2.2.1 Gesteuerte Einphasengleichrichter ................................. 7.4.2.2.2 Gesteuerte Dreiphasengleichrichter (B6C,B6H) ............ 7.4.2.2.3 Zusammenfassung gesteuerte Gleichrichter ................... 7.4.2.2.4 Umkehrstromrichter ....................................................... 7.4.3 Wechselrichter ................................................................................................. 7.4.4 Gleichstromumrichter ...................................................................................... 7.4.5 Wechselstromumrichter. Frequenzumrichter .................................................. 7.5 Informationselektronik ................................................................................................ 7.5.1 Einführung ....................................................................................................... 7.5.2 Analoge und digitale Größen und Signale ....................................................... 7.5.3 Analogschaltungen .......................................................................................... 7.5.3.1 Wechselspannungsverstärker ........................................................... 7.5.3.2 Operationsverstärker .........................................................................
135 135 136 136 138 139 142 144 144 145 145 148 150 151 155 158 159 161 164 165 165 168 171 171 173 174 175 175 178 178 178 180 180 180 184 184 186 188 189 190 193 193 194 197 197 198
XII
Inhaltsverzeichnis
7.5.3.3 Schwingungserzeuger ...................................................................... 7.5.4 Digitalschaltungen .......................................................................................... 7.5.4.1 Kombinatorische Schaltungen ......................................................... 7.5.4.1.1 Logische Verknüpfungen .............................................. 7.5.4.1.2 Gatter ............................................................................. 7.5.4.2 Sequenzielle Schaltungen ................................................................ 7.5.4.2.1 Kippschaltungen ............................................................ 7.5.4.2.2 Flipflops ......................................................................... 7.6 Mikroelektronik .......................................................................................................... 7.6.1 Schaltungsintegration ..................................................................................... 7.6.2 Schaltkreisfamilien ......................................................................................... 7.6.3 Mikroprozessoren und Mikrorechner ............................................................. 7.6.3.1 Komponenten des Mikrorechnersystems ......................................... 7.6.3.2 Mikrorechner als Prozessrechner ..................................................... 7.6.3.3 Weitere Ergebnisse der Mikrorechentechnik ................................... 7.7 Übungsaufgaben .........................................................................................................
200 201 201 201 203 205 205 206 210 210 212 213 213 222 226 228
8 Elektrische Maschinen und Antriebe .............................................................................. 8.1 Einleitung ................................................................................................................... 8.2 Die Gleichstrommaschine ........................................................................................... 8.2.1 Aufbau und Funktionsprinzip ......................................................................... 8.2.2 Erregung der Gleichstrommaschine ............................................................... 8.2.3 Der Gleichstromnebenschlussmotor ............................................................... 8.2.3.1 Ersatzschaltbild und Kennlinien ...................................................... 8.2.3.2 Drehzahlstellung .............................................................................. 8.2.3.3 Anlassen und Bremsen .................................................................... 8.2.4 Der Gleichstromreihenschlussmotor ............................................................... 8.2.5 Spezielle Typen .............................................................................................. 8.3 Der Transformator ...................................................................................................... 8.3.1 Grundsätzlicher Aufbau und Funktionsprinzip .............................................. 8.3.2 Der ideale Transformator ................................................................................ 8.3.2.1 Definition und Ersatzschaltbild ....................................................... 8.3.2.2 Induzierte Spannung und Klemmenspannung ................................. 8.3.2.3 Zeigerdiagramme und Wirkungsweise ............................................ 8.3.2.4 Widerstandstransformation .............................................................. 8.3.3 Der technische Transformator ........................................................................ 8.3.3.1 Ersatzschaltbild ................................................................................ 8.3.3.2 Spezielle Betriebsfälle ..................................................................... 8.3.3.3 Betriebsverhalten ............................................................................. 8.3.4 Drehstromtransformatoren .............................................................................. 8.3.5 Spezielle Transformatortypen ......................................................................... 8.4 Rotierende Drehstrommaschinen ................................................................................ 8.4.1 Das Drehfeld ................................................................................................... 8.4.2 Arten von Drehfeldmaschinen ........................................................................ 8.4.3 Der Drehstromasynchronmotor ...................................................................... 8.4.3.1 Aufbau ............................................................................................. 8.4.3.2 Ersatzschaltbild ................................................................................ 8.4.3.3 Drehzahl-Drehmomenten-Kennlinie ...............................................
232 232 233 233 235 236 236 239 240 243 244 244 244 245 245 246 247 250 251 251 253 256 259 261 262 262 264 266 266 268 269
Inhaltsverzeichnis
XIII
8.4.3.4 Drehzahlstellung ............................................................................... 8.4.3.5 Anlassen von Asynchronmotoren ..................................................... 8.4.3.6 Spezielle Typen von Asynchronmotoren .......................................... 8.4.4 Die Synchronmaschine .................................................................................... 8.4.4.1 Ersatzschaltbild ................................................................................. 8.4.4.2 Betrieb am starren Drehstromnetz .................................................... 8.4.4.3 Inselbetrieb des Synchrongenerators ................................................ 8.4.4.4 Spezielle Typen von Synchronmotoren ............................................ 8.5 Elektrische Antriebstechnik ......................................................................................... 8.5.1 Mechanische Struktur elektrischer Antriebe ................................................... 8.5.2 Grundgesetze elektrischer Antriebe ................................................................. 8.5.2.1 Die Bewegungsgleichung ................................................................. 8.5.2.2 Stabilität stationärer Arbeitspunkte .................................................. 8.5.2.3 Wellenlast bei Übertragungsgliedern ............................................... 8.5.3 Betriebsarten elektrischer Maschinen .............................................................. 8.5.3.1 Motorwicklungserwärmung .............................................................. 8.5.3.2 Nennbetriebsarten ............................................................................. 8.5.3.3 Motorauswahl ................................................................................... 8.5.4 Ein- und Mehrquadrantenantriebe ................................................................... 8.5.5 Regelung elektrischer Antriebe ....................................................................... 8.5.6 Ergänzende Bemerkungen ............................................................................... 8.6 Übungsaufgaben ..........................................................................................................
271 273 274 275 275 276 281 282 283 283 284 284 287 287 289 289 290 291 293 295 297 298
9 Elektrische Energieversorgung ......................................................................................... 9.1 Einleitung .................................................................................................................... 9.2 Überblick zu Kraftwerken ........................................................................................... 9.3 Elektrotechnische Komponenten eines Kraftwerkes ................................................... 9.4 Übertragungssysteme für elektrische Energie ............................................................. 9.5 Drehstromnetze ........................................................................................................... 9.5.1 Spannungsebenen ............................................................................................ 9.5.2 Drehstromleitungen ......................................................................................... 9.5.2.1 Die Leitungsgleichungen .................................................................. 9.5.2.2 Übertragung auf Hoch- und Höchstspannungsleitungen (Fernübertragung) ............................................................................. 9.5.2.3 Übertragung auf Mittel- und Niederspannungsleitungen ................. 9.5.2.4 Praktische Ausführung von Drehstromleitungen ............................. 9.5.3 Netzgestaltung ................................................................................................. 9.5.3.1 Sternpunktbehandlung in Drehstromnetzen ..................................... 9.5.3.2 Netzstrukturen .................................................................................. 9.6 Schaltanlagen ............................................................................................................... 9.6.1 Arten von Schaltanlagen .................................................................................. 9.6.2 Schaltgeräte der elektrischen Energietechnik .................................................. 9.6.2.1 Schalten von Wechselstrom .............................................................. 9.6.2.2 Niederspannungsschaltgeräte ........................................................... 9.6.2.3 Schaltgeräte für Spannungen > 1000 V ............................................ 9.6.2.4 Hochleistungssicherungen ................................................................ 9.6.3 Praktische Ausführung von Schaltanlagen ...................................................... 9.7 Personenschutz in Niederspannungsnetzen .................................................................
301 301 302 308 312 313 313 315 315 316 320 323 327 327 330 331 331 331 331 333 335 336 337 338
XIV
Inhaltsverzeichnis
9.7.1 Gefährdung des Menschen ............................................................................. 338 9.7.2 Schutzmaßnahmen .......................................................................................... 340 9.8 Übungsaufgaben ......................................................................................................... 342 10 Elektrische Messtechnik ................................................................................................... 10.1 Einleitung ................................................................................................................... 10.2 Grundlegende Begriffe der elektrischen Messtechnik ................................................ 10.3 Elektrische Messwerke ............................................................................................... 10.3.1 Drehspulmesswerk .......................................................................................... 10.3.2 Dreheisenmesswerk ........................................................................................ 10.3.3 Elektrodynamisches Messwerk ...................................................................... 10.3.4 Induktionsmesswerk ....................................................................................... 10.4 Messgeräte .................................................................................................................. 10.4.1 Vielfachmesser ............................................................................................... 10.4.2 Elektronenstrahloszilloskope .......................................................................... 10.4.3 Registriergeräte ............................................................................................... 10.4.4 Zählmessgeräte ............................................................................................... 10.5 Messverfahren für elektrische Größen ....................................................................... 10.5.1 Messung von Strom und Spannung ................................................................ 10.5.2 Messung von Widerständen und Impedanzen ................................................ 10.5.3 Messung der elektrischen Leistung ................................................................ 10.5.4 Zeit- und Frequenzmessung ............................................................................ 10.6 Elektrische Messung nichtelektrischer Größen .......................................................... 10.6.1 Allgemeines .................................................................................................... 10.6.2 Messung von Wegen und Winkeln ................................................................. 10.6.3 Messung von Kräften und Momenten ............................................................ 10.6.4 Drehzahlmessung ............................................................................................ 10.6.5 Temperaturmessung ........................................................................................ 10.7 Messtechnik mit dem PC ............................................................................................ 10.7.1 Einleitende Bemerkungen ............................................................................... 10.7.2 Geräte mit integrierter digitaler Schnittstelle .................................................. 10.7.3 Messkarten ...................................................................................................... 10.8 Störbeeinflussung von Messkreisen ........................................................................... 10.9 Übungsaufgaben .........................................................................................................
344 344 344 347 347 348 349 349 350 350 352 355 357 359 359 360 361 363 364 364 364 366 367 368 369 369 371 374 378 380
Lösungen der Übungsaufgaben ................................................................................................ 383 Literatur .................................................................................................................................... 398 Sachwortverzeichnis ................................................................................................................. 401
Teil A: Grundlagen der Elektrotechnik 1 Das elektrische Feld 1.1 Feldbegriff. Darstellung von Feldern Von einem Feld sprechen wir in der Physik immer dann, wenn irgendeine physikalische Größe bezüglich ihrer räumlichen Verteilung betrachtet wird. Beispielsweise existiert in jedem Raum ein so genanntes Temperaturfeld, welches durch die Angabe der Temperatur in den verschiedenen Punkten des Raumes quantitativ bestimmt werden kann. In jedem Raum findet aber auch aus den verschiedensten Gründen eine Luftströmung statt und es wäre möglich, auch diese, beispielsweise durch die Angabe der Geschwindigkeit der Luftteilchenströmung in den jeweiligen Raumpunkten, zu bestimmen. Auf diese Weise würden wir ein so genanntes Strömungsfeld erhalten. Die beiden Beispiele zeigen die grundsätzliche Einteilungsmöglichkeit der Felder, nämlich die in Skalar- und in Vektorfelder, je nachdem, ob die physikalische Größe ein Skalar (z.B. die Temperatur) oder ein Vektor (z.B. die Strömungsgeschwindigkeit) ist. Innerhalb der Vielfalt physikalischer Größen und der durch sie im angegebenen Sinne determinierten Felder behandeln wir im Folgenden diejenigen, die die räumliche Verteilung elektrischer und magnetischer Größen charakterisieren. Wir nennen sie elektrische oder magnetische Feldgrößen. Als Demonstrationsbeispiel betrachten wir eine so genannte Stromenge, die durch einen an einer bestimmten Stelle verjüngten Leiter gebildet wird (s. Bild 1.1). Die gleichmäßig über den Leiterquerschnitt strömenden elektrischen Ladungsträger müssen sich durch diese Stromenge „hindurchzwängen“, ihre Dichte ist an der Engestelle größer als außerhalb. Es liegt nahe, hier als Feldgröße die Dichte des Ladungsträgerstromes zu definieren, deren räumliche Verteilung dadurch charakterisiert ist, dass sie, von links beginnend, von einem zunächst konstanten Wert allmählich zunimmt, in der Stromenge ein Maximum erreicht, um dann wieder bis zum ursprünglichen
Bild 1.1
Stromenge
Wert abzunehmen. Die eingezeichneten Stromlinien stellen das Feldbild dar. Ihr Abstand ist ein Maß für die Stärke des Feldes der Stromdichte. Ist dieser Abstand konstant (genügend weit links oder rechts von der Stromenge entfernt), hängt die Feldgröße nicht von der Ortskoordinate ab und wir sprechen von einem homogenen Feld, ist er das aber nicht (z.B. in unmittelbarer Nähe der Stromenge), die Feldgröße also eine Funktion des Ortes, nennen wir das Feld inhomogen. In der Elektrizitätslehre unterscheiden wir drei grundsätzlich verschiedene Arten von Feldern, wie es in Bild 1.2 dargestellt ist. Wir werden bald erkennen, dass es zwischen dem elektrischen Strömungsfeld und dem elektrostatischen Feld viele Gemeinsamkeiten gibt, so dass beide unter dem
2
1 Das elektrische Feld
Namen Elektrisches Feld dargestellt werden. Diese beiden sowie das magnetische Feld werden wir in den Abschnitten 1 und 2 unter den Aspekten ihrer Entstehung, der sie kennzeichnenden Größen und der in ihnen ablaufenden Vorgänge, die von praktischem Interesse sind, so ausführlich behandeln, wie es für das Verständnis einer großen Vielfalt elektrotechnischer Erscheinungen, die wir in späteren Abschnitten dieses Buches betrachten, notwendig ist. Das elektromagnetische Feld werden wir nur streifend im Abschnitt 2 behandeln.
Bild 1.2
Einteilung der Felder
Von der Voranstellung der Felder gegenüber allen anderen Teilgebieten der Elektrotechnik versprechen wir uns ein tieferes Verständnis der physikalischen Zusammenhänge und das sollte stets unser Bestreben sein.
1.2 Das stationäre elektrische Strömungsfeld 1.2.1 Ladung. Strom. Stromdichte Ladung. Wenn eine gerichtete Bewegung von Teilchen in einem Medium vor sich geht, sprechen wir von einem Strömungsfeld. Wird dafür gesorgt, dass ein zeitlich konstanter Teilchenstrom stattfindet, dass also genau so viele Teilchen in das Feld nachgeliefert werden wie aus ihm heraustreten, sprechen wir von einem stationären Strömungsfeld. Sind die strömenden Teilchen Träger elektrischer Ladungen, liegt ein stationäres elektrisches Strömungsfeld vor. Solche Felder bilden sich z.B. in Metallen oder in wässrigen Lösungen aus. Im ersten Falle sind die Ladungsträger, wie wir aus der Schulphysik wissen, Elektronen, im zweiten sind es Ionen, also elektrisch geladene Atome oder Moleküle. Sämtliche elektrischen Ladungen sind ein Vielfaches der Elementarladung, die nicht mehr unterteilbar ist. Seit dem Altertum ist bekannt, dass es zwei verschiedene elektrische Ladungen gibt, die man heute positive bzw. negative nennt. Das Elektron trägt eine einfache negative Elementarladung der Größe QE = e = – 1,602 · 10– 19 As. 1 As (1 Amperesekunde) ist die Einheit der elektrischen Ladung. 6,2 · 1018 Elektronen stellen somit eine Ladung von – 1 As dar. Ionen können mehrfache Elementarladung tragen und positiv oder negativ geladen sein. Die gesamte elektrische Ladung, die ein Träger mit sich führt, nennt man auch Elektrizitätsmenge.
Bild 1.3
Einfaches Strömungsfeld
1.2 Das stationäre elektrische Strömungsfeld
3
Strom. Bild 1.3 zeigt ein einfaches elektrisches Strömungsfeld, wie es sich näherungsweise zwischen zwei sehr gut leitenden Platten ausbildet. Wir nehmen an, dass das Medium zwischen den beiden Platten, die kreisrund sein sollen, ein Metall ist, so dass eine Elektronenströmung im Feld stattfindet. Der Ladungsträgerstrom fließt über die Zuleitungen zu einer Platte, verteilt sich auf das Strömungsfeld und verlässt es wieder über die andere Platte und die Ableitung. Zwei Querschnittsflächen A1 und A2, die von den Bahnen der Ladungsträger senkrecht durchsetzt werden, sind besonders hervorgehoben. Es stellt sich uns nun die Frage, wie wir den Ladungsträgerstrom quantitativ erfassen können. Dazu greifen wir auf ein analoges Problem aus dem täglichen Leben zurück. Wenn beispielsweise, um notwendige verkehrstechnische Maßnahmen zu ergreifen, der durch eine Straße fließende Autoverkehr erfasst werden soll, könnte man dabei folgendermaßen vorgehen: Man zählt die Autos, die in einer bestimmten Zeit eine (gedachte) Linie auf der Straße überfahren und bildet dann den Quotienten aus der Anzahl der Fahrzeuge und der Beobachtungszeit. Diese errechnete Größe nennen wir logischerweise „Autostrom“. Er wird angegeben in der Dimension „Autoanzahl oder Automenge in der Zeiteinheit“. Im elektrischen Strömungsfeld liegen die Dinge ganz ähnlich. Wir beobachten nämlich, dass hier eine bestimmte Menge, eine Elektrizitätsmenge, in einer bestimmten Zeiteinheit einen bestimmten Betrachtungsquerschnitt durchsetzt. Bilden wir auch hier den Quotienten aus Elektrizitätsmenge oder elektrischer Ladung und Beobachtungszeit, dann erhalten wir, völlig analog wie im Straßenverkehr, einen „Ladungsstrom“, den wir elektrischen Strom oder einfach Strom nennen. Wir nehmen jetzt einfach einmal an, wir könnten die Elektronen zählen und hätten festgestellt, dass n Elektronen, d.h. eine Ladung ǻq = ne (dass diese Ladung negativ ist, spielt im Moment noch keine Rolle) in dem Zeitabschnitt ǻt den betrachteten Querschnitt im Strömungsfeld überquert hat. Dann ist der elektrische Strom: i=
Δq Δt
(1.1)
Prinzipiell kann sich der Strom in der Beobachtungszeit ǻt zeitlich ändern. Ist das der Fall, würden wir bei der Berechnung des Stromes nach Gl. (1.1) einen Mittelwert für die Beobachtungzeit bekommen. Da uns aber eigentlich nicht ein Mittelwert, sondern vielmehr der jeweilige „Augenblickswert“ interessiert, machen wir das, was man bei ähnlich gelagerten Problemen in der Physik immer macht. Wir verkleinern die Zeit ǻt und je mehr wir das tun, umso besser nähert sich der ermittelte Stromwert nach Gl. (1.1), der immer noch ein Mittelwert ist, dem Wert des Stromes in einem beliebigen Zeitpunkt innerhalb der Zeit ǻt. Lassen wir aber im Grenzfall ǻt „unendlich klein“ werden, also gegen Null streben, erhalten wir den genauen Augenblickswert des Stromes im betrachteten Beobachtungszeitpunkt. Mit den Mitteln der Analysis stellt sich das so dar: i = lim
Δt → 0
Δq dq = Δt dt
(1.2)
Der elektrische Strom entspricht der zeitlichen Änderung der elektrischen Ladung. Ist uns der zeitliche Verlauf der den Querschnitt durchsetzenden Ladung bekannt, gewinnen wir den zugehörigen Strom durch Differenziation dieser Ladungsfunktion. Gehen wir nun umgekehrt vom Strom aus und berechnen die zugehörige Ladung, erhalten wir durch Umstellung der Gl. (1.2): t
³
q = i dt 0
(1.3)
4 1 Das elektrische Feld Ehe wir uns mittels eines Beispiels den physikalischen Gehalt der beiden letzten Gleichungen klarmachen, wollen wir uns zunächst in bezug auf die Schreibweise der Formelzeichen unserer elektrotechnischen Größen verständigen. Wir haben beispielsweise in diesem Abschnitt bei der Verwendung des Formelzeichens für die elektrische Ladung einmal die Groß- und ein anderes Mal die Kleinschreibweise benutzt. Um hier alle Zweifel zu beseitigen, erinnern wir uns an das nicht nur in der Elektrotechnik geltende Prinzip, dass alle die Größen, die keiner Zeitabhängigkeit unterliegen, somit konstant sind, groß, und alle die Größen, die zeitabhängig, also nicht konstant sind, klein geschrieben werden. I und Q stellen also konstanten Strom bzw. konstante Ladung, i und q zeitabhängigen Strom bzw. zeitabhängige Ladung dar. Sollten wir beim Aufschreiben einer Größe noch nichts über ihre zeitliche Abhängigkeit wissen, entscheiden wir uns vorsichtshalber erst einmal für die Kleinschreibweise. Insofern ist die zeitliche Konstanz ein Spezialfall. Zur Demonstration des Zusammenhanges zwischen Strom und Ladung betrachten wir das Beispiel einer linear ansteigenden Ladung, wie es in Bild 1.4 a dargestellt ist. Wir fragen zunächst nach dem physikalischen Inhalt dieses Vorganges. Dazu betrachten wir einen beliebigen Querschnitt im Strömungsfeld, z.B. die Fläche A1 oder die Fläche A2 entsprechend Bild 1.3. Wenn wir die eine solche Fläche durchquerenden Ladungsmengen registrieren, heißt lineares Ansteigen, dass in gleichen Zeitabschnitten die Anzahl der Ladungsträger, somit die Ladung, stets um den gleichen Betrag ansteigt, also eine gleichmäßige Strömung, und zwar in einer Richtung, stattfindet. Entsprechend Gl. (1.2) errechnet sich der Strom: dq q = = const = I 0 dt t
Bild 1.4
Ladungsverlauf und Strom bei Gleichstrom
(1.4)
Bild 1.5
Ladungsverlauf und Strom bei Wechselstrom
1.2 Das stationäre elektrische Strömungsfeld
5
Bild 1.4 b zeigt seinen Verlauf. Wir nennen ihn, da Richtung und Größe stets konstant sind, einen Gleichstrom und wir erkennen natürlich sofort, dass ein stationäres elektrisches Strömungsfeld immer von einem solchen Gleichstrom getragen bzw. gespeist wird. Wäre der Strom veränderlich, hätten wir zwar auch ein Strömungfeld zwischen unseren Platten, aber es wäre kein stationäres mehr. Wir wollen uns an dieser Stelle an eines der wichtigsten Hilfsmittel für den Ingenieur oder den auf anderen Gebieten wissenschaftlich Tätigen erinnern, nämlich an die Mathematik. Wenn wir sie verwenden, können wir wesentlich rationeller physikalische oder andere Zusammenhänge analysieren oder aber auch knüpfen. Wenn wir z.B. wissen, dass sich der Strom aus dem Differenzialquotienten der Ladung ergibt (und eine angemessene Zahl von grundlegenden Beziehungen sollte man sich schon einprägen), ist es für uns relativ leicht, aus einer vorliegenden Ladungsfunktion den Strom entweder genau oder aber zumindest in guter Näherung zu bestimmen, denn wir wissen um die geometrische Bedeutung des Differenzialquotienten als Steigung der zu differenzierenden Funktion in einem jeweils betrachteten Punkt (hier genauer: Zeitpunkt). Wenn infolgedessen die Ladungsfunktion linear verläuft, repräsentiert sie immer einen Gleichstrom, denn eine lineare Funktion hat zu jedem Zeitpunkt konstante Steigung und diese Steigung ist entsprechend Gl. (1.2) identisch mit dem Strom. Wir müssen deshalb nicht unbedingt immer so komplizierte Überlegungen, wie wir das oben zum Ladungsträgerdurchsatz einer Fläche im Strömungsfeld getan haben, anstellen, um herauszubekommen, welcher Strom sich dahinter verbirgt. Es reicht aus, wenn wir differenzieren, um ihn zu erkennen. In unserem Beispiel einer zeitlinearen Ladungsfunktion ist das besonders einfach. Beim Betrachten unseres Strömungsfeldes (Bild 1.3) können wir verschiedene Ströme erkennen. Den die Gesamtfläche A1 durchsetzenden nennen wir Gesamt-, den die Teilfläche A2 durchsetzenden Teilstrom. Es gilt ITeil < IGes. Der Teilstrom bildet eine so genannte Stromröhre im Feld. Ein stromdurchflossener Draht kann beispielsweise als Stromröhre aufgefasst werden. Wir wollen nun noch den umgekehrten Weg gehen, d.h. wir nehmen an, dass der Strom gegeben ist und die Ladung berechnet werden soll. Wir stützen uns wiederum auf Bild 1.4. Dabei interessieren wir uns für diejenige Ladung, die zwischen den beiden Zeitpunkten t1 und t2 die Querschnittsfläche durchsetzt hat. Entsprechend Gl. (1.3) folgt dafür das bestimmte Integral: t2
q1,2 = ³ i dt
(1.5)
t1
Wir erinnern uns an die geometrische Bedeutung des bestimmten Integrals und erkennen, dass die gesuchte Ladung der Fläche unter der Stromfunktion zwischen den Integrationsgrenzen entspricht. Das gilt ganz allgemein, ist folglich nicht auf unser spezielles Beispiel beschränkt, bei dem die Verhältnisse relativ einfach liegen. Da wir zeitunabhängigen Strom haben, können wir ihn als Konstante vor das Integralzeichen setzen, so dass sich ergibt: t2
q1,2 = I 0 ³ dt =I 0 (t2 − t1 ) = I 0 Δt
(1.6)
t1
An der rechten Seite von Gl. (1.6) erkennen wir ganz klar, dass die Ladung der Fläche unter der Stromkurve entspricht. Sie ist im Bild 1.4 b schraffiert dargestellt. Wir betrachten jetzt einen Ladungs- und den zugehörigen Stromverlauf nach Bild 1.5. Wie ist dieser Fall physikalisch zu interpretieren ?
6
1 Das elektrische Feld
Zur Erklärung betrachten wir wieder eine Fläche im Strömungsfeld, durch die Ladungen hindurchtreten. Im Abschnitt zwischen t = 0 und t = t1 liegen die gleichen Verhältnisse wie in Bild 1.4 vor. Dann jedoch ändert sich das Bild grundlegend. Die Ladung nimmt wieder ab. Das bedeutet, dass Ladungen, die bereits die Betrachtungsfläche durchquert haben, wieder „zurückkehren“. Sie fließen demzufolge in entgegengesetzter Richtung, so dass wir sie in Abzug bringen müssen, weil sie wieder auf die Seite der Fläche zurückströmen, von der sie gekommen sind. Eine solche Erscheinung bedeutet somit Stromumkehr, d.h. Richtungswechsel der Ladungsträgerwanderung. Einen Strom, der seine Richtung wechselt, also positive und negative Werte annimmt, nennen wir einen Wechselstrom (Eine genauere Definition geben wir im Abschnitt 5.2). Der wichtigste Wechselstrom ist z.B. der von uns täglich im Haushalt benutzte. Er hat einen sinusförmigen Verlauf, wechselt demnach nicht nur ständig seine Richtung, sondern auch seine Größe. Die Einheit der Stromstärke ist 1A (Ampere), wie wir aus den Gln. (1.1) oder (1.2) erkennen, wenn wir bedenken, dass die Ladung in As gemessen wird. Stromdichte. Zur Einschätzung von Erwärmungsproblemen in Strömungsfeldern ist die Stromdichte wichtig. Sie stellt den auf die Querschnittsfläche bezogenen Strom dar:
S=
I A
(1.7)
Ihre Einheit ist demzufolge 1 A/m2 . Unter Bezug auf Bild 1.3 gilt: S=
I Ges I = Teil A1 A2
(1.8)
Die Stromdichte ist im Feld nach Bild 1.3 überall die gleiche, d.h. es handelt sichGum ein homogenes Feld. Die Stromdichte ist ein Vektor und bekommt daher die Bezeichnung S . Ihre räumliche Verteilung nach Betrag und Richtung stellt das Vektorfeld der Stromdichte dar. Für eine beliebig gewählte Fläche in diesem Feld können wir den diese Fläche durchsetzenden Strom berechnen, was wir im Folgenden zeigen wollen.
Bild 1.6
Flächenelement im Strömungsfeld
Um dieses Stromberechnungsproblem ganz allgemein zu lösen, betrachten wir eine beliebige Lage einer Teilfläche ǻA im Raum des Strömungsfeldes (s. Bild 1.6). Die Fläche können wir, wie G wir wissen, ebenfalls als einen Vektor ΔA darstellen, der in Richtung der Flächennormalen weist, d.h. auf der betrachteten Fläche senkrecht steht und dessen Länge ein Maß für die Flächengröße G G ist. Die beiden Vektoren S und ΔA bilden untereinander den Winkel Į, so dass der Strom durch die Fläche kleiner ist, als wenn Į = 0 wäre, der Strom also senkrecht auf das Flächenelement treffen würde. Wirksam für die Stromberechnung ist nur die in Richtung der Stromdichte projizierte Fläche ǻA cos Į, die dem Querschnitt einer Stromröhre im Feld entspricht, die von dem Teilstrom ǻI durchflossen wird. Da ein Strom das Produkt aus Stromdichte und wirksamer Fläche ist (s. Gl. (1.7)), können wir für den Teilstrom schreiben:
G
G
ΔI = S ΔA cos α = S ⋅ ΔA
(1.9)
1.2 Das stationäre elektrische Strömungsfeld
7
Beim Aufschreiben dieser Gleichung haben wir unsere Kenntnisse aus der Vektoralgebra genutzt, wo wir das durch einen Punkt charakterisierte skalare Produkt zweier Vektoren als das (normale) Produkt ihrer Beträge mit dem Kosinus des eingeschlossenen Winkels definiert haben. Der Strom entspricht folglich dem skalaren Produkt der Vektoren von Stromdichte und Fläche und ist somit selbst ein Skalar, obwohl auch er stets Richtung und Betrag hat. Dies ist eine interessante Eigentümlichkeit des Stromes. Sie ist der Preis für einen logischen Aufbau der Theorie der Felder. Ist die Stromdichte überall konstant, handelt es sich also um ein homogenes Feld, dann können wir den Gesamtstrom I aus der Summe von n Teilströmen bilden, die n Stromröhren, also n Flächenelemente durchfließen, die, lückenlos aneinandergesetzt, die Gesamtfläche A bilden:
G
G
G
G
G
G
G
n
G
I = S ⋅ Δ A1 + S ⋅ ΔA2 + ... + S ⋅ ΔAn = S ¦ ΔAi
(1.10)
i =1
Ist das Feld der Stromdichte inhomogen, diese folglich von Ort zu Ort eine andere, lassen wir einfach die Fläche ǻA immer kleiner werden und zwar solange, bis an der Stelle, an der sich diese Fläche befindet, das Feld homogen, die Stromdichte somit ortsunabhängig und deshalb konstant auf dem Flächenelement ist. Die Berechnung des Stromes bereitet dann keinerlei Schwierigkeiten mehr. Im allgemeinsten Falle kann das Feld so stark inhomogen sein, dass wir die Fläche ǻA gegen Null streben lassen müssen, so dass wir eine infinitesimale, d.h. eine unendlich kleine Fläche dA bekommen. Der Strom durch diese Fläche ist dann entsprechend Gl. (1.9): G G dI = Si ⋅ d A
(1.11)
Der Gesamtstrom setzt sich aus unendlich vielen Teilströmen zusammen: G G G G G G I = S1 ⋅ d A + S2 ⋅ d A + ... + Sn ⋅ d A + ...
(1.12)
oder, da die vollständige Aufsummierung der Skalarprodukte mit unendlich kleiner Fläche zu einem Flächenintegral führt:
G
G
I =³S ⋅dA
(1.13)
A
Der Strom entspricht dem Flächenintegral der Stromdichte. Das ist der allgemeinste Zusammenhang zwischen Strom und Stromdichte für beliebige Feldformen. Die z.B. aus Gl. (1.7) folgende Beziehung I = S A ist lediglich ein Spezialfall für senkrecht durch die Fläche fließenden Strom und homogenes Feld der Stromdichte, wie wir es im Bild 1.3 angenommen hatten.
1.2.2 Potenzial. Spannung. Feldstärke Wir stellen in diesem Abschnitt die Frage nach der Ursache für die Aufrechterhaltung des Stromes, d.h. der Bewegung der Ladungsträger. Um das möglichst anschaulich zu machen, wählen wir wiederum ein uns aus dem täglichen Leben bekanntes Beispiel, bei dem analoge Vorgänge ablaufen wie in unserem Strömungsfeld. Wir greifen dabei auf das Wasser zurück, denn eine Wasserströmung verhält sich in vielerlei Hinsicht wie ein elektrischer Strom. Potenzial. Dazu betrachten wir das Bild 1.7 a (den Teil b dieses Bildes negieren wir einfach erst einmal bzw. decken ihn ab). Wir erkennen dort zwei mit Wasser gefüllte Behälter B1 und B2, deren Ausflussöffnungen sich in der Höhe h1 bzw. h2 über dem Erdboden befinden. In Richtung
8
1 Das elektrische Feld
G
der Erde wirkt die Schwerkraft FS . Die potenzielle Energie einer in der Höhe h befindlichen Masse m errechnet sich, wie wir aus dem Physikunterricht wissen, mit der Schwerebeschleunigung g zu Wpot = FSh = mgh. Sie kann z.B. genutzt werden, wenn man die Ventile S1 oder S2 öffnet, das Wasser somit ausströmen und auf die Schaufelräder einer dann Arbeit leistenden Turbine fallen lässt. Beziehen wir jetzt Wpot auf die Masseneinheit von einem Kilogramm, dividieren also durch die Masse, erhalten wir eine neue Größe, die Schwere- oder Gravitationspotenzial Vpot heißt: Vpot =
Wpot m
= gh
(1.14)
h zählt von der Erdoberfläche aus und deshalb ist, wie man sagt, Vpot nach Gl. (1.14) das Schwerepotenzial in bezug auf die Erdoberfläche. Für jede Potenzialangabe ist demzufolge ein Bezugspunkt erforderlich. Da Wpot die Arbeit verkörpert, die zu leisten ist, um die Masse m in die Höhe h zu bringen, können wir unser Gravitationspotenzial folgendermaßen charakterisieren:
Bild 1.7
Schwerkraft und elektrische Feldkraft
Das Schwere- oder Gravitationspotenzial eines Punktes (wir nennen einen solchen beliebigen Punkt einen Aufpunkt) in bezug auf einen anderen (den Bezugspunkt) entspricht der Arbeit, die gegen die Schwerkraft geleistet werden muss, um eine beliebige Masse vom Bezugspunkt in den Aufpunkt zu bringen, dividiert durch die Größe dieser Masse. Da nach Gl. (1.14) Vpot nur von h abhängt und nicht von der Art der Masse m, ist das Schwerepotenzial eine allgemeine Eigenschaft des Aufpunktes. Nun kehren wir zu unserem Strömungsfeld zurück und betrachten dazu das bisher unbeachtet gelassene Bild 1.7 b. Es handelt sich dort um ein Strömungsfeld, in dem sich in den Punkten P1 bzw. P2 jeweils eine positive Ladung der Größe Q befindet. Da ein Strom fließt, sich also die G beiden Ladungen bewegen, muss auf sie eine Kraft wirken, die wir elektrische Feldkraft Fel nennen. Sie ist hier willkürlich als von oben nach unten wirkend gezeichnet, um den direkten Vergleich mit dem Schwerefeld zu ermöglichen. Sie könnte auch nach oben wirken. Dann würden die Ladungen „nach oben fallen“ denn sie unterliegen nur der Feld- und wegen ihrer sehr kleinen Masse nicht der Gravitationskraft. Alles das, was wir zum Schwerepotenzial gesagt haben, gilt sinngemäß auch für ein Potenzial im elektrischen Strömungsfeld, welches wir elektrisches Potenzial nennen und bei dem an die Stelle der Massen die Ladungen treten. Ohne weitere Erklärungen ist deshalb der folgende Satz verständlich:
1.2 Das stationäre elektrische Strömungsfeld
9
Das elektrische Potenzial eines Aufpunktes in bezug auf einen anderen (den Bezugspunkt) entspricht der Arbeit, die gegen die elektrische Feldkraft geleistet werden muss, um eine beliebige Ladung vom Bezugspunkt in den Aufpunkt zu bringen, dividiert durch die Größe dieser Ladung. Wir wählen als Bezugspunkt die untere Begrenzung des Strömungsfeldes nach Bild 1.7 b und erhalten für das elektrische Potenzial der Punkte P1 und P2:
ϕ1 =
Well F d = el 1 = E d1 Q Q
(1.15)
ϕ2 =
Wel 2 F d = el 2 = E d 2 Q Q
(1.16)
E = Fel/Q heißt elektrische Feldstärke. Auf ihre Bedeutung wird gleich eingegangen. Sie wird hier zunächst formal eingeführt, um die Unabhängigkeit des elektrischen Potenzials von der Größe der Ladung erkennbar werden zu lassen. Das elektrische Potenzial ist somit eine allgemeine Eigenschaft eines betrachteten Aufpunktes im Feld. Sein Formelzeichen ist ϕ und seine Einheit 1 V (Volt). Flächen gleichen Potenzials nennen wir Äquipotenzialflächen. Beispielsweise sind alle zu den Begrenzungen unseres Strömungsfeldes parallel verlaufenden Flächen Äquipotenzialflächen, weil die aufzuwendende Arbeit (bei unveränderlicher Feldkraft, also bei Homogenität) dem Abstand d (s. Bild 1.7 b) proportional und dieser für eine jeweils parallele Fläche konstant ist. Spannung. Wir wollen jetzt, wieder unter Bezug auf Bild 1.7 b, die Arbeit berechnen, die erforderlich ist, um eine Ladung nicht vom Bezugspunkt, sondern von einem beliebigen Punkt des Feldes in einen beliebigen anderen Punkt zu bringen. Dazu wählen wir wieder die Punkte P1 und P2. Logischerweise ist die zwischen ihnen zu leistende Arbeit gleich der Differenz der Arbeiten, die zu verrichten sind, wenn einmal die Ladung vom Bezugspunkt in den einen und ein anderes Mal vom Bezugspunkt in den anderen Aufpunkt gebracht wird. Wir schreiben also für die uns interessierende Arbeit zwischen P1 und P2:
Wel 1,2 = Wel 2 − Wel1 = Fel d 2 − Fel d1
(1.17)
Unter Berücksichtigung der Gln. (1.15) und (1.16) folgt daraus:
Wel 1,2 Q
F d F d = el 2 − el 1 = ϕ 2 − ϕ1 Q Q
(1.18)
Da Wel 2 > Wel 1 und Q > 0, ist auch ϕ2 > ϕ1. Der Punkt P2 hat somit ein höheres Potenzial als der Punkt P1. Wir müssen Arbeit leisten, um die Ladung Q auf ein höheres Potenzial zu bringen, denn wir können das nur gegen die Feldkraft tun. Befindet sich aber die Ladung einmal im Punkt P2, „fällt“ sie ohne äußere Krafteinwirkung, sozusagen „von selbst“ wieder in den Punkt P1 und natürlich darüber hinaus, weil die Feldkraft auch dort wirkt. Wichtig ist, dass die bei der Bewegung der Ladung von P1 nach P2 aufgewendete gleich der bei der Bewegung von P2 nach P1 gewonnenen bzw. freigewordenen Arbeit ist. Wir stellen uns nun vor, wir könnten unsere Probeladung im Punkt P2 festhalten. Das Arbeitsvermögen, das in ihr steckt, ist umso größer, je größer die auf dem Wege von P1 nach P2 zu leistende Arbeit war. Die Ladung hat das unbedingte Bestreben, diese Arbeit durch Rückkehr in den Punkt P1 als elektrische Energie abzugeben. Es besteht sozusagen ein „Spannungszustand“ zwi-
10 1 Das elektrische Feld schen den beiden Punkten, als wäre zwischen ihnen eine Feder gespannt. Dieser Spannungszustand ist umso intensiver, je größer die auf dem Wege von P1 nach P2 geleistete Arbeit war. Deshalb nennen wir die auf der linken Seite von Gl. (1.18) stehende, auf die Ladung bezogene Arbeit, die entweder zugeführt werden muss oder frei werden kann, wenn eine Bewegung zwischen den beiden betrachteten Aufpunkten stattfindet, elektrische Spannung zwischen diesen beiden Punkten. Die elektrische Spannung zwischen zwei beliebigen Punkten im elektrischen Feld ist gleich der Differenz der elektrischen Potenziale dieser beiden Punkte. Sie wird wie das Potenzial in V (Volt) gemessen. Ihr Formelzeichen ist U. Nur wenn Spannung zwischen benachbarten Punkten des Strömungsfeldes besteht, ist eine Ladungsbewegung, d.h. ein Strom zwischen ihnen möglich. Zwischen Punkten gleichen Potenzials kann kein Strom fließen, da sieG keine Spannung gegeneinander führen (Ihre Potenzialdifferenz ist Null). Ein Stromdichtevektor S , der wie jeder Vektor in der Ebene oder im Raum immer in zwei oder in drei Komponenten zerlegbar ist, kann folglich keine Komponente haben, die in einer Äquipotenzialfläche liegt. Das aber bedeutet, dass der Stromdichtevektor senkrecht auf der Äquipotenzialfläche stehen bzw. dass der Strom durch diese stets senkrecht fließen muss.
Bild 1.8
Bewegungsrichtungen im elektrischen Feld
Feldstärke. Es ist leicht einzusehen, dass die Bewegung von Ladungsträgern im Strömungsfeld nicht nur von der Existenz von Punkten oder Flächen verschiedenen Potenzials, sondern ganz sicher auch von dem räumlichen Abstand zweier Äquipotenzialflächen abhängt, d.h. davon, wie schnell sich beim Fortschreiten in Richtung einer Ortskoordinate das Potenzial ändert. Bild 1.8 zeigt zwei Äquipotenzialflächen A und B. Wenn wir von einem Punkt P um ein kleines Wegelement ǻs in beliebiger Richtung zur Fläche B fortschreiten, ist selbstverständlich die Potenzialänderung bei gegebenem ǻs dann am größten, wenn die Fortbewegung senkrecht von der Fläche A aus geschieht. Wir nennen das Wegelement in diese spezielle Richtung ǻx und die in dieser Richtung zu verzeichnende bezogene Potenzial- bzw. Spannungsänderung, wenn wir infinitesimales Element dx einführen, elektrische Feldstärke:
E=
dϕ dU = dx dx
(1.19)
Sie weist, wie G wir gesehen haben, in die Richtung des größten Potenzialgefälles und ist deshalb ein Vektor E . Sie wird gemessen in V/m (Volt pro Meter). Zur Ableitung einer fundamentalen Eigenschaft elektrischer Felder betrachten wir jetzt das Bild 1.9. Wir bewegen uns vom Punkt „1“ zum Punkt „2“ in beliebiger Richtung zunächst um das G Wegelement d s und gelangen zur Äquipotenzialfläche A'. Die Spannung zwischen dem Punkt „1“ und der Fläche A' ist dann (vgl. Gl. (1.19)): G G dU = E d x = E d s cos α = E ⋅ d s (1.20)
1.2 Das stationäre elektrische Strömungsfeld
11
G
Dabei haben wir wieder, wie in Gl. (1.9), das skalare Produkt, hierG für die beiden Vektoren E G G und d s , eingeführt. Durch Aufsummierung aller Skalarprodukte E ⋅ d s beim Fortschreiten bis zum Punkt „2“ z.B. entlang des gestrichelt dargestellten Weges, erhalten wir die Spannung zwischen den Punkten „1“ und „2“: 2
2
G
G
U1,2 = ³ d U = ³ E ⋅ d s 1
(1.21)
1
Das auf der rechten Seite dieser Gleichung stehende Integral nennen wir das Linienintegral der elektrischen Feldstärke, weil es sich aus Feldstärke-Wegelement-Produkten zusammensetzt.
Bild 1.9
Bewegung im elektrischen Feld
Die Spannung zwischen zwei Punkten im Feld entspricht folglich dem Linienintegral der elektrischen Feldstärke zwischen diesen beiden Punkten. Ganz wichtig ist hier: Der Wert des Linienintegrals hängt bei gegebenem Feld nur von den Integrationsgrenzen, d.h. von der Lage der beiden betrachteten Punkte, nicht aber von dem Weg ab, auf dem man vom Punkt „1“ in den Punkt „2“ gelangt oder, was dasselbe ist, der Wert des Linienintegrals ist wegunabhängig. Gehen wir nun umgekehrt vom Punkt „2“ aus und wandern zum Punkt „1“, dann hat das sich ergebende Linienintegral den gleichen, auch wegunabhängigen Betrag, ist aber wegen der Vertauschung der Integrationsgrenzen negativ, so dass sich in der Summe nach Rückkehr zum Ausgangspunkt, also zum Punkt „1“ der Wert Null ergibt. Da das für beliebige Punkte gelten muss, können wir allgemeingültig für den Weg hin und zurück (ausgedrückt durch ein Umlaufintegral) schreiben: 2
G
G
1
G
G
G
G
³ E ⋅ d s + ³ E ⋅ d s = QE ⋅ d s = 0 1
(1.22)
2
Das Umlaufintegral der elektrischen Feldstärke ist Null. Felder mit dieser Eigenschaft nennt man konservative Felder. Nur für konservative Felder kann man ein skalares Potential nach Gl. (1.15) bzw. (1.16) definieren, was wir hier aber nicht weiter vertiefen wollen. Es ist leicht zu erkennen, dass das Schwerefeld diese Eigenschaft ebenfalls besitzt. Wenn wir beispielsweise eine Masse von der Erdoberfäche in eine Höhe h und wieder zurückbringen, wird die beim Heben geleistete Arbeit beim Senken in den Ausgangspunkt als mechanische Energie wiedergewonnen. In der Summe ist somit die verrichtete Arbeit Null. Hier muss deshalb das Umlaufintegral der Schwerkraft, welches als Summe von Kraft-Weg-Produkten diese Arbeit darstellt, ebenfalls verschwinden. Wir kehren zur elektrischen Feldstärke zurück. Wie wir gesehen haben (s. Bild 1.8), steht sie senkrecht auf den Äquipotenzialflächen, d.h. sie wirkt in der gleichen Richtung wie der Vektor der Stromdichte. Diese ist der Feldstärke proportional und es gilt die Gleichung:
12
1 Das elektrische Feld
G
G
S =γ E =
1 G E
ρ
(1.23)
Darin ist Ȗ die spezifische elektrische Leitfähigkeit und ρ = 1/Ȗ der spezifische elektrische Widerstand des Mediums, welches das Strömungsfeld bildet. Wir erkennen G an Gl. G (1.23), dass, da Ȗ und ρ als Materialkonstanten nur positiv sein können, die Vektoren S und E die gleiche Richtung haben (gilt streng genommen nur in sog. isotropen Medien, die man aber meist voraussetzen kann). Eine weitere, sehr wichtige Beziehung ist der Zusammenhang zwischen auf die Ladung wirkender Kraft und Feldstärke, die wir bereits in den Gln. (1.15) und (1.16) benutzt haben. Die vektorielle Schreibweise ist: G G Fel = Q E (1.24) Für Q > 0 haben folglich Feldkraft und Feldstärke gleiche, für Q < 0 entgegengesetzte Richtung. Positive Ladungen bewegen sich somit immer in Richtung der elektrischen Feldstärke, negative immer entgegengesetzt zur Feldstärke. Die Bewegungsrichtung positiver Ladungsträger nennt man deshalb positive oder technische Stromrichtung. Elektronen in Metallen bewegen sich beispielsweise in negativer Stromrichtung. Dieser Vorgang ist derselbe wie die Bewegung von positiven Ladungen in der positiven Stromrichtung. Auch bei Metallen können wir formal von rechts nach links fließende Elektronen mit von links nach rechts fließenden positiven (Elementar-) Ladungen gleichsetzen. Abschließend stellen wir zusammenfassend fest, dass die elektrische Strömung insgesamt durch vier Feldgrößen charakterisiert werden kann: das Potenzial, die Stromdichte, die elektrische Feldstärke und die elektrische Feldkraft. Das Potenzial bildet ein skalares Feld. Die drei anderen stellen vektorielle Felder dar. Stromdichte- und Feldstärkevektor sind parallel (s. Gl. (1.23)) und stehen senkrecht auf den Äquipotenzialflächen. Entsprechend Gl. (1.24) gilt das auch für die Feldkraft. Ob diese jedoch in der Richtung des Feldes oder entgegengesetzt wirkt, wird durch das Vorzeichen der sich im Strömungsfeld unter dem Einfluss dieser Kraft bewegenden Ladungen bestimmt (s. Gl. 1.24).
1.2.3 Elektrischer Widerstand. Ohmsches Gesetz Wir betrachten zunächst einen Ausschnitt aus dem Strömungsfeld in Form einer Stromröhre mit der Querschnittsfläche A und der Länge l gemäß Bild 1.10. Es könnte sich hier auch um einen stromleitenden zylindrischen Draht aus Metall handeln, in dem Elektronenfluss stattfindet. Stromdichte- (positive Stromrichtung!) und Feldstärkevektor sind nach rechts gerichtet, die Feldkraft wegen der negativen Elektronenladung nach links, was der Bewegungsrichtung der Elektronen entspricht. Von der unregelmäßigen thermischen Bewegung der Elektronen, die der gerichteten überlagert ist, sehen wir hier ab. Die Spannung zwischen den beiden Endflächen sei U, der Strom I. Die Stromröhre setzt dem Stromfluss einen bestimmten Widerstand entgegen, der, wie wir uns ohne Mühe klarmachen können, von den Abmessungen (Fläche A und Länge l) und dem Material der Stromröhre oder des Drahtes (spezifischer elektrischer Widerstand ρ) abhängt: R=ρ⋅
l A
(1.25)
1.2 Das stationäre elektrische Strömungsfeld
Bild 1.10
13
Stromröhre
R heißt elektrischer Widerstand. Er lässt sich nicht nur aus den Abmessungen der Stromröhre, sondern auch aus Strom und Spannung bestimmen. Der Widerstand ist nämlich umso kleiner, je größer bei gegebener Spannung der sich dann einstellende Strom ist und umgekehrt (d.h. R∼1/I). Andererseits ist er umso größer, je größer die für einen bestimmten Strom erforderliche Spannung ist und umgekehrt (d.h. R∼U). Aus diesen Proportionalitäten folgt die alle drei elektrischen Größen erfassende Gleichung, die den elektrischen Widerstand als Quotient von Spannung und Strom definiert: R=
U I
(1.26)
Die Einheit des Widerstandes ist 1 ȍ (Ohm) = 1 V/1A. Sein Kehrwert heißt elektrischer Leitwert mit der Einheit 1 S (Siemens) = 1 A/1 V = 1/ȍ: G=
1 I = R U
(1.27)
Bei vielen Leiterwerkstoffen, Bauelementen und Geräten ist der Quotient aus Spannung und Strom, unabhängig davon, bei welchen Messwerten von U und I man ihn bestimmt, konstant: U = const = R I
(1.28)
Ist bei einem Widerstand der Quotient aus Spannung und Strom für beliebige Werte von Spannung und Strom konstant, erfüllt dieser Widerstand das Ohmsche Gesetz Gl. (1.28) In diesem Falle kann man die Größen R, U und I jeweils nach Gl. (1.26) auseinander errechnen. Die Bezeichnung elektrischer Widerstand trägt nicht nur die nach Gl. (1.26) definierte physikalische Größe, sondern auch das ihn verkörpernde elektrische Bauelement selbst. Wir sprechen in diesem Zusammenhang von einem stromdurchflossenen Widerstand.
Bild 1.11
Symbol für den elektrischen Widerstand
Bild 1.11 zeigt das für ihn in elektrischen Stromlaufplänen verwendete Schaltzeichen mit den Richtungspfeilen für Strom und Spannung. Die angegebene Stromrichtung ist stets die positive und entspricht somit, wie bereits am Ende des vorigen Abschnittes erläutert, der Bewegungsrichtung positiver Ladungen. Wir vereinbaren, dem Spannungspfeil die gleiche Richtung zu geben.
14
1 Das elektrische Feld
Da, wie wir ebenfalls im vorigen Abschnitt sahen, positive Ladungsträger sich immer von Stellen höheren zu Stellen niedrigeren Potenzials bewegen, hat aufgrund dieser Vereinbarung der Spannungspfeil eben diese Richtung, d.h. er weist in die Richtung des Potenzial- oder Spannungsgefälles, oder, wie wir ganz allgemein sagen, von plus (+) nach minus (–). Der Widerstand nach Bild 1.11 hat daher links seinen positiven, rechts seinen negativen Anschluss.
1.2.4 Der elektrische Stromkreis Im Abschnitt 1.2.2 haben wir die Spannung zwischen zwei Punkten als die auf die Ladung bezogene Arbeit definiert, die entweder zugeführt werden muss oder frei werden kann, je nachdem, ob sich die Ladung von einem Punkt niedrigeren zu einem Punkt höheren Potenzials oder umgekehrt bewegt (s. z.B. in Bild 1.7 b die Bewegung von P1 nach P2 oder von P2 nach P1). Daraus schließen wir, dass es zwei grundsätzlich verschiedene Arten von Spannungen geben muss, nämlich eine, bei der wir die auf die Ladung bezogene Arbeit bzw. Energie zuführen müssen (also z.B. bei der Bewegung von P1 nach P2) und eine, bei der Arbeit bzw. Energie gewonnen wird (also z.B. bei der Bewegung von P2 nach P1). Wir definieren: W1,2 Wzu = = Uq Q Q
(1.29)
und W2,1 Q
=
Wab =U Q
(1.30)
Uq ist mit Energieaufnahme durch die Ladungsträger verbunden und heißt Quellenspannung oder Urspannung. U ist mit Energieabnahme durch die Ladungsträger verbunden und heißt Spannungsabfall oder, wenn keine Verwechslungen möglich sind, schlechthin Spannung. Beide werden, wie alle elektrischen Spannungen, in Volt gemessen. Alle Bauelemente in elektrotechnischen Strömungsfeldern oder Stromkreisen, in denen die sich bewegenden Ladungsträger Energie aufnehmen, heißen Strom- oder Spannungsquellen. Alle Bauelemente, in denen sie Energie abgeben, heißen Verbraucher. In Quellen wirken Quellenspannungen, an Verbrauchern tritt eine Spannung bzw. ein Spannungsabfall auf. Kehren wir noch einmal zu Bild 1.7 b zurück. Alle Ladungsträger bewegen sich unter dem Einfluss der Feldkraft in Richtung zur unteren Begrenzung des Strömungsfeldes. Auf dem Wege dorthin geben sie elektrische Energie ab, wie wir bereits mehrfach gezeigt haben. Diese Energie ist beim Erreichen der unteren Begrenzungselektrode erschöpft. Wenn nun im Strömungsfeld wieder Energie abgegeben werden soll, ist es erforderlich, die Ladungsträger erneut auf höheres Potenzial, am besten bis zur oberen Begrenzungselektrode zu bringen, so dass sie wiederum unter Abgabe elektrischer Energie das Feld von oben nach unten durchqueren können. Wenn dieser Prozess ständig wiederholt wird, ist eine kontinuierliche Freigabe elektrischer Energie an das Strömungsfeld möglich. Die Frage ist nur, auf welche Art und Weise es uns gelingt, die Ladungsträger jeweils wieder zurück bzw. nach oben zu bringen. Da wir das inmitten des Strömungsfeldes nicht tun können, werden wir „von außen eingreifen“, also beispielsweise die an der unteren Begrenzungselektrode angekommenen Ladungsträger abfangen und sie über eine elektrische Anschlussleitung zu einer Spannungsquelle leiten. Dort wird ihnen durch Wirksamwerden der Quellenspannung die notwendige Energie zugeführt und sie werden dann in diesem Zustand über eine zweite Anschlussleitung an die obere Begrenzung des Strömungsfeldes trans-
1.2 Das stationäre elektrische Strömungsfeld
15
portiert, von wo sie dann sozusagen „von selbst“ unter Abgabe elektrischer Energie das Feld durchqueren, nach Erreichen der unteren Begrenzungselektrode wieder zur Spannungsquelle gelangen usw. Auf diese Weise wird ein ständiger Kreislauf aufrechterhalten in einem System, das wir elektrischen Stromkreis nennen. Er besteht aus zwei örtlich getrennten Elementen: aus der Spannungsquelle, in der die den Strom bildenden Ladungsträger Energie zugeführt bekommen und dem Verbraucher, an den sie diese abgeben. Die Quellenspannung wird durch nichtelektrische Energien erzeugt, beispielsweise in einer Solarzelle durch Strahlungsenergie der Sonne, in einer Batterie durch chemische Energie, in einem Thermoelement durch Wärmeenergie, in einem Kraftwerk durch mechanische Energie einer Turbine usw.. Alle diese Anordnungen haben nur eine einzige Aufgabe, nämlich den Ladungsträgern im Stromkreis diejenige Energiemenge zuzuführen, die sie benötigen, um in angeschlossenen Strömungsfeldern, d.h. in den Verbrauchern, die gerade notwendige elektrische Arbeit zu leisten. Dabei ist das bisher verwendete Bild des Strömungsfeldes im weitesten Sinne zu verstehen, denn überall, wo Ströme fließen, handelt es sich um Strömungsfelder. Sie stellen schlechthin die Verbraucher dar, an die Energie abgegeben wird. Natürlich ist auch in einem stromdurchflossenen Draht ein Strömungsfeld vorhanden. Wir sind uns dessen nur nicht so deutlich bewusst, weil die Querabmessungen eines Drahtes deutlich kleiner als seine Längsabmessungen sind und wir es gewöhnt sind, bei der Verwendung des Begriffes Feld an „Weiträumigkeit“ zu denken. Bild 1.12 a zeigt einen elektrischen Stromkreis mit den beiden Kernelementen, der Spannungsquelle und dem Verbraucher, die durch elektrische Leitungen verbunden sind. Das hier für die Quelle benutzte Schaltzeichen ist das einer Batterie. Sie stellt die Quellenspannung Uq zur Verfügung. Der Verbraucher wird durch einen Widerstand R repräsentiert, an dem der Spannungsabfall oder die Spannung U auftritt und der vom Strom I durchflossen wird. In solchen Stromkreisen arbeiten wir nicht wie im Strömungsfeld mit Feldstärke und Stromdichte, sondern ausschließlich mit Spannung und Strom, die sich wesentlich einfacher messen lassen. Der Strom hat die Richtung der positiven Ladungsträger, fließt folglich vom positiven Pol der Spannungsquelle, wo sich diese Ladungsträger anreichern, über den Widerstand zurück zum negativen Pol. Vereinbarungsgemäß haben Quellenspannung und Spannungsabfall die gleiche Richtung von plus (+) nach minus (–).
a)
b)
Bild 1.12
Stromkreise
Bild 1.12 a zeigt uns, dass sich am positiven Pol der Spannungsquelle die positiven, am negativen Pol die negativen Ladungen ansammeln. Diese Trennung der beiden Ladungsträgerarten voneinander ist die physikalische Ursache dafür, dass ein Ausgleich zwischen ihnen, also ein Strom im Widerstand R überhaupt möglich ist. Die Voraussetzung dafür wird durch die aus nichtelektrischen Energien entstehende Quellenspannung geschaffen.
16
1 Das elektrische Feld
In Ergänzung zu dem bisher entwickelten Bild können wir deshalb ganz allgemein sagen: Jeder physikalische Vorgang, der eine Trennung von positiven und negativen Ladungen bewirkt, führt zum Entstehen einer Quellenspannung (Da diese Trennung Kräfte erfordert, nannte man früher die elektrische Quellenspannung auch elektromotorische Kraft oder EMK). Zum Schluss werfen wir noch einen Blick auf Bild 1.12 b, wo ein Wasserkreislauf mit der Pumpe P (analog Spannungsquelle) und der Turbine T (analog Verbraucher) dargestellt ist. Beim Herabströmen des Wassers wird die vorher durch die Pumpe erteilte potenzielle Energie in Form von kinetischer Energie wieder abgegeben. Eine solche Anordnung wird z.B. bei Pumpspeicherkraftwerken benutzt. Es sei dem Leser überlassen, die nahezu vollständige Analogie zum oben abgeleiteten elektrischen Stromkreis sich selbst zu veranschaulichen. Er wird dabei zu der Überzeugung gelangen, dass ein Vergleich des Stromkreises mit einem Wasserkreislauf mitunter sehr nützlich sein kann.
1.2.5 Die Gesetze von Kirchhoff In der gesamten Elektrotechnik spielen zwei Gesetze von Kirchhoff eine überragende Rolle: der Knotenpunkt- und der Maschensatz. Wir befassen uns zunächst mit dem erstgenannten, der auch 1. Kirchhoffscher Satz genannt wird.
Bild 1.13
Knotenpunkt
Stromkreise sind in der Regel nicht so einfach aufgebaut, wie das in Bild 1.12 a dargestellt ist, denn sie enthalten Verzweigungsstellen, die beispielsweise durch den Anschluss weiterer Verbraucher an die Spannungsquelle entstehen. Wir erhalten auf diese Weise Stromknoten (z.B. beim Zusammenlöten von Drähten). Einen solchen zeigt das Bild 1.13. Es gilt hier wie bei einer Wasserströmung wegen des Prinzips der Nichtzusammendrückbarkeit (Inkompressibilität), dass die Summe der in den Knoten hineinfließenden gleich der Summe der aus dem Knoten herausfließenden Ströme sein muss, oder: I 1 – I 2 + I3 + I4 – I 5 = 0
(1.31)
Bei n Strömen gilt: n
¦
Iv = 0
(1.32)
v =1
In einem Knotenpunkt ist die Summe aller Ströme Null. Bei der Bildung der Summe ist zu beachten, dass vereinbarungsgemäß die in den Knoten hineinfließenden Ströme positiv, die aus ihm herausfließenden negativ gezählt werden.
1.2 Das stationäre elektrische Strömungsfeld
17
Nun leiten wir den Maschensatz, der auch 2. Kirchhoffscher Satz genannt wird, ab. Als Masche bezeichnet man jeden in sich geschlossenen Umlauf in einem elektrischen Netzwerk, wie das an einem Beispiel in Bild 1.14 dargestellt ist. Hier haben wir zwei Quellen und drei Verbraucher in einer willkürlich angenommenen Schaltung. Sie bildet ein in sich abgeschlossenes System, in dem der Energieerhaltungssatz gelten muss. Das bedeutet, dass eine sich im Stromkreis nacheinander durch die Quellen und Verbraucher bewegende Ladungsmenge Q soviel Energie aus den Quellen aufnimmt, wie sie beim Durchfließen der Widerstände an diese abgibt. Unter Berücksichtigung der Gln. (1.29) und (1.30) ergibt sich die Energiebilanz:
Bild 1.14
Masche
U1Q + U2Q + U3Q = Uq1Q + Uq2Q
(1.33)
U1 + U2 + U3 = Uq1 + Uq2
(1.34)
U1 + U2 + U3 – Uq1 – Uq2 = 0
(1.35)
Wir schließen daraus, dass allgemein bei n Spannungsquellen und m Verbrauchern innerhalb einer Masche entsprechend Gl. (1.34) gelten muss: m
n
μ=1
v=1
∑U μ = ∑U q v
(1.36)
oder kürzer entsprechend Gl. (1.35): m
∑
n
Uμ +
μ=1
∑
Uqv =
v=1
m+n
∑ Ul ;U ql = 0
(1.37)
l=1
Innerhalb einer Masche ist die Summe der Spannungen bzw. Spannungsabfälle und der Quellenspannungen Null. Das Vorzeichen ist sowohl bei den Spannungen bzw. Spannungsabfällen als auch bei den Quellenspannungen positiv, wenn sie in Richtung des gewählten Umlaufsinns wirken, ansonsten ist es negativ. Sowohl bei der Anwendung des Knoten- als auch des Maschensatzes sind die Regeln für das Vorzeichen von entscheidender Bedeutung. Werden sie nicht beachtet, verlieren beide Sätze ihren Sinn. Im Abschnitt 4 werden wir uns intensiver mit diesen Problemen beschäftigen.
18
1 Das elektrische Feld
1.3 Das elektrostatische Feld 1.3.1 Entwicklung aus dem Strömungsfeld Wir greifen zurück auf das Strömungsfeld nach Bild 1.3, welches sich in einem leitfähigen G G Medium zwischen zwei begrenzenden Platten ausbildet. Mit den Feldlinien der Vektoren E und S sowie mit den Äquipotenzialflächen von ϕ ist es nochmals in Bild 1.15 a dargestellt. Dabei wird das Feld als völlig homogen angenommen, was für nicht zu großen Plattenabstand auch zutrifft. Der kontinuierliche Stromfluss vom ihrem Pluspol über das Strömungsfeld zu ihrem Minuspol wird durch eine Spannungsquelle aufrechterhalten. Die Ladungsträger nehmen in der Quelle Energie auf und geben diese im Strömungsfeld bzw. im Verbraucher wieder ab. Jetzt entfernen wir das zwischen den Platten befindliche leitfähige Medium und ersetzen es durch ein nichtleitendes, durch einen Isolator (Ȗ = 0). Dann kann kein Strom fließen, weil das Medium in diesem Falle einen unendlich hohen Widerstand besitzt. Die von der Quelle auf die Platten gebrachten positiven und negativen Ladungen können es nicht durchdringen und werden deshalb auf den Platten festgehalten (Wir bemerken hier, dass in Wirklichkeit die positiven Ladungen in dieser Anordnung nicht auf die rechte Platte „gebracht“ werden, sondern dass sie durch „Abzug“ von Elektronen durch die Spannungsquelle in Form von zurückbleibenden positiv geladenen Atomrümpfen entstehen). Die Anzahl positiver und negativer Ladungen ist gleich groß, denn das gesamte System muss elektrisch neutral sein (s. Bild 1.15 b).
Bild 1.15
Entstehung des elektrostatischen Feldes aus dem Strömungsfeld
Der entscheidende Unterschied in bezug auf das Strömungsfeld ist, dass an die Stelle sich zwischen den Platten bewegender auf den Platten sitzende Ladungen treten. Wir sprechen deshalb von einem elektrostatischen Feld. Wegen Ȗ = 0 ist entsprechend Gl. (1.23) auch die Stromdichte Null. Zwischen den Platten, d.h. im Isolator, baut sich ein elektrisches Kraftfeld auf, welches die Ladungen in den Isolator zu drücken versucht, was jedoch nicht möglich ist, da sich Ladungsträger in isolierenden Medien nicht bewegen können. Die Kraft auf die positiven Ladungen wirkt also von rechts nach links. Entsprechend Gl. (1.24) gilt das auch für die Feldstärke. Den gesamten Feldaufbau hat man sich dann so vorzustellen, dass die Feldlinien jeweils in einer positiven La-
1.3 Das elektrostatische Feld
19
dung entspringen und in einer negativen enden. Zu je einem Paar von Ladungen gibt es eine Feldlinie. Man spricht in diesem Zusammenhang von Quellen und Senken bzw. insgesamt von einem Quellenfeld. In unserem Beispiel liegt ein im Wesentlichen homogenes Feld vor, welches nur an den Rändern ein wenig verzerrt ist. Deshalb ist E überall konstant und wir erhalten für die Spannung G zwischen G den beiden Platten aus dem Linienintegral der Feldstärke entlang einer Feldlinie ( E || d s ) nach Gl. (1.21): 2
G
G
2
2
U1,2 = ³ E ⋅ d s = ³ E d x = E ³ d x = E d 1
1
(1.38)
1
und daraus für den Betrag der Feldstärke: E=
U1,2
(1.39)
d
Darin ist d der Abstand zwischen den beiden Platten. E ist demnach leicht aus der Spannung zwischen den Platten und dem Plattenabstand berechenbar. Erstrecken wir das Linienintegral der elektrischen Feldstärke nicht nur von der rechten Platte zur linken, sondern auch wieder zurück, erhalten wir für den vollständigen Umlauf die bereits für das Strömungsfeld abgeleitete Gl. (1.22), d.h., das Umlaufintegral der elektrischen Feldstärke verschwindet. Das elektrostatische Feld hat somit ein skalares Potenzial, ist also, wie das Strömungsfeld, ebenfalls ein konservatives Feld. Influenz. Wir stellen uns jetzt ein elektrostatisches Feld mit dem Medium Luft vor und bringen in dieses Feld, wie das in Bild 1.16 gezeigt ist, eine nicht geladene metallische Hohlkugel. Infolge elektrostatischer Kräfte findet in der Kugel eine Ladungstrennung statt und zwar so, dass die negativen Ladungen sich gegenüber der positiv geladenen Platte und die positiven Ladungen sich gegenüber der negativ geladenen Platte ansammeln, weil ungleichnamige Ladungen einander anziehen. Diese Beeinflussung von Ladungen durch elektrostatische Kräfte nennen wir Influenz.
Bild 1.16
Vorgang der Influenz
Das Bild der elektrischen Feldstärke ergibt sich bei dieser Anordnung, wie eben diskutiert, daraus, dass die Feldlinien in den positiven Ladungen entspringen und in den negativen enden. Wir erkennen, dass die Feldstärke innerhalb der Hohlkugel der außerhalb wirkenden entgegen gerichtet ist und zwar so, dass sich beide aufheben, innerhalb der Kugel also ein feldfreier Raum entsteht. Eine solche Anordnung nennt man einen Faradayschen Käfig (benannt nach dem berühmten englischen Physiker Michael Faraday). Laboratorien, in denen sehr empfindliche elektrische Messungen unter Ausschluss von elektromagnetischen Störungen, z.B. durch Rundfunkwellen, durchzuführen sind, werden als Faradaykäfige ausgebildet.
20
1 Das elektrische Feld
1.3.2 Kenngrößen des elektrostatischen Feldes Wenn wir mit n die Anzahl der auf einer Platte befindlichen Elementarladungen bezeichnen, ist die gesamte Plattenladung Q = n e. Mit dem Bild der in der positiven Ladung entspringenden und in der negativen Ladung endenden Feldlinie ist n gleichzeitig die Gesamtzahl der Feldlinien des elektrostatischen Feldes. Wie im Strömungsfeld, wo sich Elementarladungen entlang einer Feldlinie der Stromdichte bewegen, die in ihrer Gesamtheit den Strom ergeben, definieren wir hier analog einen so genannten Verschiebungsfluss, obwohl hier eigentlich nichts fließt: Ψ=ne=Q
(1.40)
Diese Größe ist mit dem Strom im Strömungsfeld vergleichbar. Die Verschiebungsflussdichte ist dann: D=
Ψ Q = A A
(1.41)
Dabei ist A die Querschnittsfläche des Feldes im Medium. D ist ein Vektor und der Feldstärke proportional. Er ist mit der Stromdichte im Strömungsfeld vergleichbar. Im Vakuum und näherungsweise auch in Luft gilt: G G D0 = ε 0 E (1.42) İ0 = 8,86 · 10–12 As/Vm ist eine Naturkonstante und heißt elektrische Feldkonstante.
Bild 1.17
Vorgang der Polarisation
Befindet sich zwischen den Platten ein fester Isolierstoff, tritt infolge von Influenz das ein, was in Bild 1.17b für zwei Moleküle des Isolierstoffes gezeigt ist. Die Moleküle verbleiben fest auf ihren Plätzen. Die sie bildenden Elektronen und Protonen werden jedoch innerhalb des Molekülverbandes durch elektrostatische Feldkräfte verschoben (Polarisation), so dass zusätzliche Ladungen Q nach außen in Erscheinung treten (Dipole), die nach Gl. (1.41) die Verschiebungsflussdichte gegenüber dem Vakuum vergrößern. Die entstandenen Dipole influenzieren ihrerseits auf den Platten entgegengesetzte Ladungen, wodurch sich ein dichteres Feldlinienbild für die Verschiebungsflussdichte ergibt. Wir sagen, dass sich D im Isolierstoff um das İr-fache gegenüber dem Vakuum vergrößert: G G G G D = ε r D0 = ε r ε 0 E = ε E (1.43) İr heißt relative Dielektrizitätskonstante oder Permittivitätszahl und ist ein Maß für das Polarisationsvermögen eines Isolierstoffes (s. Tabelle 1.1). Die oben eingeführte Größe İ0 kann man
1.3 Das elektrostatische Feld
21
deshalb auch Permittivität des Vakuums nennen. İ = İr İ0 heißt einfach Dielektrizitätskonstante oder Permittivität des betrachteten Stoffes. Gl. (1.43) bringt auch in der Sprache der Mathematik zum Ausdruck, dass die Vektoren von Feldstärke und Verschiebungsflussdichte in eine Richtung weisen (isotrope Medien), denn İ ist eine positive Zahl. Wir haben gesehen, dass in dem im elektrostatischen Feld befindlichen Isolierstoff eine Polarisierung der an sich neutralen Moleküle stattfindet. Es bilden sich Dipole. Deshalb nennt man einen in solchen Feldern eingesetzten Isolator auch Dielektrikum. Wir werden im folgenden Abschnitt am Beispiel des Kondensators ein wichtiges praktisches Beispiel für den Einsatz solcher Stoffe in elektrotechnischen Bauelementen kennenlernen. Tab. 1.1 Permittivitätszahl verschiedener Stoffe İr bei 20 ºC 3,5 ... 9 5 ... 8 5,5 ... 6,5 1 2,5 ... 4 2,3 3,1 ... 4 4,2 2,5
Stoff Glas Glimmer Hartporzellan Luft Papier, imprägniert Polyethylen (PE) Polyurethan (PUR) Quarzglas Transformatorenöl
Zum Schluss sei noch auf die Verwandtschaft der Gln. (1.43) und (1.23) hingewiesen. An die Stelle der Leitfähigkeit für das Strömungsfeld tritt die Permittivität für das elektrostatische Feld. Während im ersten Falle sich Ladungen über weite Strecken bewegen, werden im zweiten Ladungen lediglich innerhalb des Molekülverbandes verschoben (Dipolbildung).
1.3.3 Kapazität. Kondensatoren Je größer wir die zwischen den Platten unserer Anordnung nach Bild 1.15 b wirksame elektrische Spannung machen, umso mehr Ladungen werden auf die Platten „getrieben“ d.h. es gilt die Relation Q ∼ U. Mit einem zunächst formal eingeführten Proportionalitätsfaktor C folgt die Gleichung: Q=CU
(1.44)
C heißt Kapazität der Anordnung. Wir ersehen ihre physikalische Bedeutung aus Gl. (1.44). Je größer sie ist, eine umso größere Ladungsmenge kann man bei gegebener Spannung auf den Platten unterbringen. Dabei ist immer die Ladungsmenge einer Platte gemeint. Die Maßeinheit für C ergibt sich aus Gl. (1.44) zu 1 As/V = 1 F (Farad zu Ehren von Michael Faraday). Da diese Einheit, wie wir in der Praxis feststellen werden, viel zu groß ist, werden meist die Maßeinheiten Picofarad (1 pF = 10–12 F), Nanofarad (1 nF = 10–9 F) und Mikrofarad (1 ȝF = 10–6 F) verwendet.
Bild 1.18
Symbol eines Kondensator
Sämtliche Bauelemente der Elektrotechnik, die im Prinzip aus zwei sich gegenüberliegenden Platten (oder anders gestalteten leitfähigen Flächen) mit zwischengelegtem Isoliermaterial, dem
22
1 Das elektrische Feld
Dielektrikum, bestehen, nennen wir Kondensatoren. Ihr Symbol zur Darstellung in elektrischen Schaltungen zeigt Bild 1.18. Die Kapazität eines sog. Plattenkondensators, der aus zwei planparallelen Platten mit der jeweiligen Fläche A und dem Abstand d besteht, ist: C = ε0 εr
A d
(1.45)
İr ist die Permittivitätszahl des verwendeten Dielektrikums.
Kondensatoren können zusammengeschaltet werden. Als Gesamt- oder Ersatzkapazität ergibt sich für die Parallelschaltung von n Kondensatoren (s. Bild 1.19 a): n
Cers = ¦ Cv
(1.46)
v =1
Für n in Reihe geschaltete Kondensatoren gilt (s. Bild 1.19 b): n 1 1 =¦ Cers v =1 Cv
(1.47)
Ein Kondensator der Kapazität Cers kann somit n Kondensatoren in Parallel- oder Reihenschaltung ersetzen.
Bild 1.19
Schaltung von Kondensatoren
a) Parallelschaltung
b) Reihenschaltung
1.3.4 Kondensatorstrom Bild 1.20 zeigt zwei Momentaufnahmen des Ladungszustandes eines Plattenkondensators bei steigender Spannung. Es ist also u(t2) > u(t1) und deshalb auch entsprechend Gl. (1.44) q(t2) > q(t1).
Bild 1.20
Ladungsmenge bei ansteigender Spannung
1.3 Das elektrostatische Feld
23
Eine Vergrößerung der Spannung bewirkt eine Vergrößerung der Ladung auf den Platten. Umgekehrt bedeutet eine Verkleinerung der Spannung auch eine Verkleinerung der Ladung. Der Augenblickswert der Ladung ist entsprechend Gl. (1.44) q = Cu und somit der in den Kondensator fließende Strom nach Gl. (1.2) i = dq/dt = d(Cu)/dt. Da C keine Zeitfunktion ist, können wir sie vor das Differenziationszeichen ziehen, und es ergibt sich: i=C
du dt
(1.48)
Es fließt folglich nur dann ein Kondensatorstrom, wenn sich die Spannung am Kondensator zeitlich ändert. Der Strom ist der Spannungsänderung, nicht der Spannung selbst proportional. Für konstante Spannung ist der Strom Null, denn die Spannungsänderung ist dann Null. Das ist auch anschaulich klar, denn wenn die Spannung des Kondensators konstant ist, ist es auch die Ladung auf den Platten und wenn diese sich nicht ändert, heißt das, dass weder Ströme in den Kondensator hinein- noch aus ihm herausfließen. Steigt dagegen z.B. die Spannung, vergrößert sich auch die Ladung (vgl. Gl. (1.44)), was bedeutet, dass Strom in den Kondensator fließen muss. Gl. (1.48) kann auch so interpretiert werden, dass der Kondensator für Gleichspannung einen unendlich hohen Widerstand besitzt, denn bei Gleich-, also bei konstanter Spannung, kann kein Strom fließen. Somit haben wir ein Bauelement zur Verfügung, welches in der Lage ist, z.B. aus Gleich- und Wechselstromgemischen die Gleichkomponenten „herauszufiltern“. Sie werden nicht durchgelassen. Die Bedeutung des Kondensators geht aber noch weit darüber hinaus, denn ein Blick auf Gl. (1.48) zeigt uns auch, dass der Strom, den ein Kondensator durchlässt, umso größer ist, je schneller sich die Kondensatorspannung ändert. Aus der Schule wissen wir, dass hohe Spannungsfrequenzen großen Änderungsgeschwindigkeiten und umgekehrt niedrige Frequenzen kleinen Änderungsgeschwindigkeiten der Spannung entsprechen, was letzten Endes bedeutet, dass der Kondensator hohe Frequenzen bedeutend besser „durchlässt“ als niedrige und wir somit die Höhen gegenüber den Tiefen (Bässen) unseres Musikverstärkers besser wirksam werden lassen können mittels eines Kondensators, der in dieser Funktion eine so genannte Klangblende darstellt. Ist der Kondensatorstrom gegeben und die Spannung gesucht, erhält man durch Auflösung der Gl. (1.48) nach u: t
u=
1 i dt C³
(1.49)
0
1.3.5 Energie und Kräfte im elektrostatischen Feld Auf den Platten des Kondensators sitzen Ladungen. Deshalb ist er ein Speicher für elektrische Energie, die beispielsweise durch Entladung genutzt werden kann. Wir wollen diese gespeicherte Energie berechnen. Dabei gehen wir von einem auf die Spannung Uc geladenen Kondensator aus, den wir über einen Widerstand R entladen. Bild 1.21 a zeigt die entsprechende einfache Entladeschaltung. Zum Zeitpunkt t = 0 wird der Schalter S geschlossen, so dass ein Ladungsausgleich über den Widerstand stattfinden kann. Es fließt ein Entladungsstrom und zwar so lange, bis der Kondensator völlig leer (entladen) ist. Dieser Strom gehorcht der Gleichung:
24
1 Das elektrische Feld
⎛
t ⎞
U ⎜− ⎟ i (t ) = c e⎝ RC ⎠ R
(1.50)
Seinen Verlauf zeigt Bild 1.21 b. Er ist theoretisch erst nach unendlich langer Zeit Null. Die diesen Strom tragenden Elektronen geben elektrische Energie an den Widerstand R während des Entladungsvorganges ab. Diese Energie könnten wir, wenn der Strom konstant, also ein Gleichstrom wäre, leicht über Gl. (1.30) berechnen: W = U Q = UIt. Entsprechend Gl. (1.50) und Bild 1.21 b ist der Strom (und damit die von ihm an R erzeugte Spannung u = iR) aber zeitlich veränderlich. Deshalb bestimmen wir zunächst die in dem infinitesimalen Zeitabschnitt dt erzeugte elektrische Energie dWe = uidt und integrieren dann, um die Gesamtenergie zu erhalten, über die ganze Entladungszeit: ∞
We =
³ u i dt
(1.51)
0
Bild 1.21
Schaltung zur Entladung eines Kondensators und Verlauf des Entladungsstromes
Mit u = iR und unter Berücksichtigung von Gl. (1.50) ergibt sich für die während des gesamten Entladevorganges an R abgegebene elektrische Energie: ∞
We = R ³ i 2 d t = 0
We =
U c2 R
∞ § −2 t · ¨ ¸ e© RC ¹ d t
³
(1.52)
0
CU c2 2
(1.53)
Da diese Energie während der Entladung an den Widerstand R abgegeben wurde und sich in dem Stromkreis keine andere Energiequelle als der Kondensator befindet, stellt Gl. (1.53) die vor der Entladung im Kondensator gespeicherte Energie dar. Man erinnere sich an die Ähnlichkeit mit der aus der Mechanik bekannten Gleichung für die kinetischen Energie Wkin = mv2/2. Die wichtigsten Gleichungen, die die Kraftwirkungen auf Ladungen in elektrostatischen Feldern beschreiben, sind:
G
a) Kraft auf eine Ladungsmenge Q im Feld der Feldstärke E (bereits bekannt als Gl. (1.24)):
G
G
F = QE
(1.54)
1.4 Übungsaufgaben
25
b) Betrag der Kraft zwischen zwei Ladungen Q1 und Q2, die einen Abstand a voneinander haben: F =
Q1Q2 4 π ε a2
(1.55)
Diese Gleichung ist unter dem Namen Coulombsches Gesetz bekannt. Bei gleichnamigen Ladungen ist die Kraft nach Gl. (1.55) eine abstoßende, bei ungleichnamigen Ladungen eine anziehende. Man vergleiche die Ähnlichkeit mit dem Newtonschen Gravitationsgesetz, bei dem allerdings nur anziehende Kräfte möglich sind. c) Kraft zwischen planparallelen Platten, z.B. bei einem Kondensator: F =
Q2 DE A = 2ε A 2
(1.56)
1.4 Übungsaufgaben 1-1 Wie groß ist der Strom in einem Leiter, durch den in 20 Minuten eine Elektrizitätsmenge von 30 As transportiert wird? 1-2 Wieviele Elektronen fließen pro Sekunde durch einen Leiterquerschnitt, damit ein eingeschalteter Strommesser den Wert 20 mA anzeigt? Wieviele zweifach geladene Ionen (z.B. in einer wässrigen Lösung) würden den gleichen Strom erzeugen? 1-3 Gegeben sind folgende Ladungs- bzw. Stromzeitfunktionen : a) q(t) = 10 A/s t2
b) i(t) =
0 für t < 0 1 A/s · t für 0 t 2 s 2 A für t > 2 s
Für a) ist i(t), für b) q(t) rechnerisch zu bestimmen! Alle Funktionen sind grafisch darzustellen!
Bild 1.22
Zur Aufgabe 1-4
1-4 In einem homogenen Strömungsfeld nach Bild 1.22 ist die Stromdichte S = 4 A/cm2. Berechnen Sie den Teilstrom durch das Flächenelement ǻA = 2,1 cm2! 1-5 Welche elektrische Feldstärke besteht in einer Leitung aus Kupfer von 1,5 mm Durchmesser, wenn diese von einem Strom von 3 A durchflossen wird (ρCu = 1,78 · 10–8 ȍm)? Wie hoch ist der Spannungsabfall in dieser Leitung auf einer Länge von 10 m?
26
1 Das elektrische Feld
1-6 Ein Plattenkondensator, dessen Elektroden sich in einem Abstand von 0,5 cm gegenüberstehen (Fläche 100 cm2), liegt an einer Spannung von 220 V. Es sind zu berechnen: a) Feldstärke, Kapazität, Ladungsmenge, Anzahl der überschüssigen Elektronen auf der negativ geladenen Platte, Verschiebungsfluss und Verschiebungsflussdichte b) die im Dielektrikum gespeicherte Energie und die zwischen den Platten wirkende Anziehungskraft und zwar jeweils für Luft (İr = 1) und für imprägniertes Papier (İr = 2,5)! 1-7 Welche Feldstärke in V/m herrscht zwischen den Elektroden eines Plattenkondensators bei 200 V und folgenden Plattenabständen: a) 1 mm b) 5 mm c) 2 cm d) 11 cm e) 0,005 cm f) 0,1 mm? 1-8 Wie dick muss das Dielektrikum a) eines Luftb) eines Papierkondensators mindestens gemacht werden, damit dieser mit einer Betriebsspannung von 1000 V betrieben werden kann (Durchschlagsfeldstärke für Luft 20 kV/cm, für das verwendete Spezialpapier 30 kV/cm)? 1-9 Von drei in Reihe geschalteten Kondensatoren von 100 pF, 220 pF und 470 pF ist der zuletzt genannte durchgeschlagen. Um welchen Wert und um wieviel Prozent ändert sich dadurch die Gesamtkapazität? 1-10 Ein Papierkondensator (İr = 2,5) mit der Kapazität C = 1,1 ȝF wird an eine Spannung von 200 V gelegt. Die wirksame Plattenfläche ist 4 m2. Wie groß ist die im Dielektrikum dieses Kondensators gespeicherte elektrische Feldenergie und welche Kraft herrscht zwischen den Platten? Handelt es sich dabei um eine Druck- oder um eine Zugkraft? 1-11 Eine aus 1010 Elektronen bestehende punktförmige Ladung befindet sich im Vakuum. a) Das Feldbild der Verschiebungslinien ist zu zeichnen! b) Wie groß sind dielektrische Verschiebungsdichte D und Feldstärke E im Abstand von 30 cm von der Punktladung? c) Welche Kraft wird an dieser Stelle auf ein sich dort befindliches zweifach negativ geladenes Ion ausgeübt? G G G d) Zeichnen Sie (nicht maßstabsgerecht!) die Vektoren D, E und F an dieser Stelle! 1-12 Aus einem 35 mm breiten Wickelband, bestehend aus einem Streifen imprägnierten Papiers (İr = 2,5) der Dicke 0,03 mm und einem Streifen Aluminiumfolie, soll ein Kondensator gewickelt werden. Wieviel Meter dieses Bandes sind erforderlich, wenn der Wickelkondensator eine Kapazität von 2,2 ȝF haben soll? (Hinweis: Wickelstruktur wie Plattenkondensator behandeln) 1-13 In der Zündschaltung für einen Ottomotor befindet sich ein Kondensator der Kapazität 1 ȝF, der in der Lage sein muss, eine elektrische Energie von 0,15 Ws zu speichern, um daraus einen ausreichend kräftigen Zündfunken zu speisen. Wie hoch muss die Spannung an diesem Kondensator sein? 1-14 In der Technik wird häufig die Bereitstellung elektrischer Energie in kurzzeitiger Impulsform verlangt (z.B. für Explosionsverfahren beim Tiefziehen von Blechen). In der Regel werden dabei aufgeladene Kondensatoren benutzt, aus denen man die vorher gespeicherte Energie innerhalb kürzester Zeit entnehmen kann. Die notwendige Energie sei 120 Ws, die Entnahmezeit 4 ms. a) Mit welcher Leistung würde das Netz in der Entnahmezeit belastet, wenn die Impulsenergie direkt entnommen, also kein Speicherkondensator eingesetzt würde? b) Wie groß müsste die Kapazität des Speicherkondensators sein, wenn eine Ladespannung von 800 V zur Verfügung steht? c) Wie groß ist die praktisch verbrauchte Energie, wenn am Kondensator nach der Energieentnahme noch eine Restspannung von 97 V gemessen wird?
2 Das magnetische Feld 2.1 Magnetische Erscheinungen Wir alle erinnern uns an das aus der Schule bekannte Experiment mit den sich auf einem Blatt Papier ausrichtenden Eisenfeilspänen, wenn sich unter diesem Papier ein Magnet befindet (s. Bild 2.1). Durch die strenge Anordnung der Eisenfeilspäne wird um den Magneten herum ein Raumzustand erkennbar, in dem Kraftwirkungen auftreten und der das magnetische Feld darstellt. Die Intensität dieses Feldes ist offensichtlich an den Enden des Stabmagneten am größten. Diese Enden heißen deshalb Pole des Magneten.
Bild 2.1 Eisenfeilspäne unter der Wirkung eines Stabmagneten
Wenn wir anstelle der Eisenfeilspäne eine leicht drehbar gelagerte Kompassnadel zur Feststellung des Magnetfeldes benutzen, beobachten wir, dass sie sich entsprechend dem Feldlinienverlauf einstellt und zwar so, dass der dunkel gezeichnete Teil der Kompassnadel in die Richtung der Feldlinien weist, wie das in Bild 2.2 für zwei beliebig herausgegriffene Feldlinien gezeigt ist. Wir kennzeichnen diese Richtung durch einen Pfeil und erhalten so das gesamte Feldbild des Stabmagneten, wie es in Bild 2.3 dargestellt ist.
Bild 2.2
Kompassnadel unter der Wirkung eines Stabmagneten
Bild 2.3
Feldlinien eines Stabmagneten
Die Feldlinien treten in dieser Anordnung rechts aus dem Stabmagneten heraus und links wieder in ihn hinein. Die Austrittsstelle nennen wir Nord-, die Eintrittsstelle Südpol. Die Feldlinien sind in sich geschlossen, haben weder Anfang noch Ende, d.h. keine Quellen und keine Senken, wie wir sie beispielsweise beim elektrostatischen Feld kennengelernt haben (s. Bild 1.15 b). Solche Linien nennt man auch Wirbel und das magnetische Feld deshalb ein quellenfreies Wirbelfeld. Die magnetischen Wirkungen bestimmter Eisenerze (Magnetit Fe3O4) sind bereits seit dem Altertum bekannt. Seit etwa der Mitte des vorigen Jahrhunderts (Oersted, Ampére) weiß man aber
28
2 Das magnetische Feld
auch, dass sich bewegende elektrische Ladungen, also elektrische Ströme, ebenfalls Magnetfelder erzeugen. Ruhende Ladungen haben kein Magnetfeld.
Bild 2.4 a) Strom herausfließend
Feldlinienbild eines stromdurchflossenen Leiters
b) Strom hineinfließend
Das Feldlinienbild eines geraden, stromdurchflossenen Leiters zylindrischer Form, der senkrecht auf der Zeichenebene steht, zeigt das Bild 2.4. Dabei fließt der Strom einmal aus der Zeichenebene heraus (angedeutet in Bild 2.4 a durch einen Punkt innerhalb des Leiterquerschnittes, somit Sicht des Betrachters auf die Pfeilspitze) und ein anderes Mal in sie hinein (angedeutet in Bild 2.4 b durch ein Kreuz, d.h. Sicht des Betrachters auf das Gefieder des Pfeiles). An diesem Bild erkennt man zweierlei: 1. Die Intensität des Feldes nimmt mit steigendem Abstand vom Mittelpunkt des Leiterquerschnittes ab (Der Abstand der Feldlinien wird größer). 2. Die den Leiter bzw. den Strom umschließenden MagnetfeldWirbel haben eine Richtung im Sinne einer auf die Stromrichtung bezogenen Rechtsschraube. Während wir uns mit der Feldintensität als Funktion des Abstandes vom Leiter noch eingehend im Abschnitt 2.3 beschäftigen, soll hier zunächst die sehr wichtige Rechtsschraubenregel angeführt werden:
Bild 2.5
Rechte-Hand-Regel
Fließt der Strom in der Richtung der axialen Bewegung einer Rechtsschraube, entspricht die Feldlinienrichtung der Drehrichtung dieser Schraube. Ebenfalls sehr anschaulich ist die auf den gleichen Sachverhalt zutreffende Rechte-Hand-Regel (s. Bild 2.5): Legt man den abgespreizten Daumen der rechten Hand in die Richtung des Stromes, zeigen die gekrümmten Finger die Richtung der Feldlinien an. Mit Hilfe dieser Regeln wollen wir jetzt das Feldlinienbild einer stromdurchflossenen Spule zeichnen. Dazu betrachten wir zunächst die Entstehung des Feldes einer sehr kleinen Spule, die aus nur zwei Windungen besteht (s. Bild 2.6 a). Stellen wir diese Spule im Schnitt dar und zwar durch eine Schnittebene, die durch die Spulenachse verläuft (s. Bild 2.6 b), dann haben wir in der Zeichenebene vier zylindrische Leiterquerschnitte, um die sich magnetische Feldwirbel ausbilden. In unmittelbarer Nähe der Leiterquerschnitte sind diese Feldlinien noch ungestörte konzentrische Kreise, deren Richtung sich aus der Rechtsschraubenregel ergibt. Wird der Abstand von den Leiterquerschnitten jedoch größer, beeinflussen sich die Feldlinien untereinander und das Feld wird entsprechend verzerrt. Die Richtung der Feldlinien bleibt erhalten. Schließlich ergibt sich das dargestellte resultierende, stark inhomogene Feld einer solchen „Minispule“.
2.2 Magnetische Kenngrößen
Bild 2.6
Feldlinienbild zweier Windungen
Bild 2.7
29
Schnittbild Zylinderspule
Das magnetische Feld einer gewöhnlichen (langen) Zylinderspule mit hoher Windungszahl (typisch 1000 oder 10 000) entsteht auf analoge Weise und ist in Bild 2.7 gezeigt. Der durch Schraffur gekennzeichnete Teil ist das von der Wicklung ausgefüllte Volumen, das hier bei vielen Windungen aus entsprechend vielen Leiterquerschnitten im Schnittbild besteht. Wir erkennen, dass das magnetische Feld im Inneren einer solchen Spule, wenn sie genügend lang ist, einen hohen Grad an Homogenität aufweist. Wir sehen außerdem, dass keinerlei Unterschiede zwischen den Feldlinienbildern von stromdurchflossener langer Zylinderspule und Stabmagnet bestehen (vgl. Bild 2.7 mit Bild 2.3). Durch Abschalten des Stromes verschwindet das Feld der Zylinderspule. Dagegen ist das Feld eines aus einem Eisenerz bestehenden Stabmagneten eine bleibende Eigenschaft und nicht ohne weiteres „abschaltbar“. Deshalb nennen wir durch Stromfluss realisierte Magnete Elektro- und durch bestimmte Werkstoffe realisierte Magnete Dauer- oder Permanentmagnete. Schon Ampere vermutete, dass auch die magnetischen Eigenschaften der Dauermagnete auf Wirkungen von Strömen im atomaren Bereich beruhen, was durch den heutigen Stand der Erkenntnisse vollauf bestätigt wird.
2.2 Magnetische Kenngrößen 2.2.1 Magnetischer Fluss und magnetische Flussdichte Wir nennen die Gesamtheit der Feldlinien im magnetischen Feld magnetischen Fluss oder Magnetfluss. Er trägt das Formelzeichen ĭ. Seine Einheit ist 1 Vs (Voltsekunde) oder 1 Wb (Weber). Zusammenfassend wollen wir an dieser Stelle zu den bisher kennengelernten Feldarten festhalten: Die Gesamtheit der Feldlinien ist im – Strömungsfeld der Strom I – elektrostatischen Feld der Verschiebungsfluss Ȍ – magnetischen Feld der magnetische Fluss ĭ.
Bild 2.8
Feldlinienbild einer Zylinderspule
30
2 Das magnetische Feld
Diese Größen sind für die drei genannten Feldarten analog, also miteinander vergleichbar. Der wesentliche Unterschied ist der, dass im Strömungsfeld tatsächlich eine Teilchenströmung stattfindet (z.B. Elektronen in Metallen oder Ionen in wässrigen Lösungen), während im elektrostatischen und magnetischen Feld nichts fließt, der Flussbegriff aber aus Gründen der Anschaulichkeit und Vergleichbarkeit hier ebenfalls verwendet wird. Völlig analog wird auch die entsprechende Dichtegröße B im Magnetfeld definiert, nämlich als magnetischer Fluss pro Flächeneinheit. Sie heißt magnetische Flussdichte oder elektromagnetische Induktion (veraltet) und wird in T (Tesla) angegeben (1 T = 1 Vs/m2 = 1 Wb/m2). Wie wir bereits bei der Stromdichte im Abschnitt 1.2.1 gezeigt haben, müssen wir zu ihrer Definition wieder zwischen homogenen und inhomogenen Feldern oder Feldteilen unterscheiden. Dazu betrachten wir nochmals eine Zylinderspule. In Bild 2.8 sind die homogenen und die inhomogenen Bereiche des Feldes dieser Spule erkennbar. 1. Homogener Feldteil (Inneres der Spule): Hier ist die magnetische Flussdichte besonders einfach zu bilden: B=
Φ
(2.1)
A
2. Inhomogener Feldteil (Spulenäußeres): Bei der Berechnung der Magnetflussdichte gehen wir genauso vor, wie wir das bei der Berechnung des Stromes aus der Stromdichte im inhomogenen Strömungsfeld getan haben (s. Abschnitt 1.2.1). Wir greifen eine infinitesimale Teilfläche dA, die vom infinitesimalen Teilfluss dĭ durchsetzt wird, heraus. Wegen der Kleinheit der Fläche dA können wir ruhigen Gewissens annehmen, dass die Dichte der Feldlinien auf ihr konstant ist, so dass an der Stelle dA gilt: B=
dΦ dA
(2.2)
Der Teilfluss dĭ hängt von der Orientierung der Fläche dA zu den Feldlinien ab. Verläuft diese Fläche parallel zu den Feldlinien, ist dĭ = 0, verläuft sie aber senkrecht dazu, ist dĭ maximal. Wir erkennen, dass hier die gleichen Verhältnisse gelten wie im Abschnitt 1.2.1, Bild 1.6. An die Stelle von dI tritt hier dĭ, an die Stelle der Stromdichte S die Flussdichte B. Es gilt demzufolge das skalare Produkt:
G
G
dΦ = Β ⋅ dA
(2.3)
Der gesamte Fluss ist dann:
G G Φ = ∫ B ⋅ dA
(2.4)
A
ĭ ist also wie der Strom ein Skalar. B ist ein Vektor, da er Faktor eines skalaren Produktes ist. Wir vergleichen die Gl. (2.4) mit der Gl. (1.13) und finden die bereits erwähnten Analogien zwischen Strom und magnetischem Fluss einerseits und Stromdichte und Magnetflussdichte andererseits nochmals unterstrichen.
2.2.2 Durchflutung. Magnetische Spannung. Magnetischer Widerstand So, wie wir bei der Behandlung des Strömungsfeldes die Frage nach der Ursache für den Stromfluss gestellt haben, fragen wir jetzt nach der Ursache für den sich in einer elektromagnetischen Anordnung ausbildenden magnetischen Fluss. Dass dafür in erster Linie der Strom I infrage
2.2 Magnetische Kenngrößen
31
kommt, ist nach den bisherigen Ausführungen ohne weiteres klar. Bei der Konstruktion des Feldes zweier Windungen (vgl. Bild 2.6) haben wir aber bereits erwähnt, dass sich die Wirkungen einzelner Windungen bei der Bildung des Gesamtflusses überlagern, so dass es erforderlich ist, neben dem Strom auch die Windungszahl N der das Feld bildenden Spule mit in die Betrachtungen einzubeziehen. So kommen wir zu einer neuen physikalischen Größe mit dem Formelzeichen Ĭ:
Θ=IN (2.5) Diese Größe wird in Ampere oder auch in Amperewindungen gemessen und heißt Durchflutung. So, wie die elektrische Quellenspannung Uq die Ursache für den Strom im elektrischen Stromkreis ist, ist die Durchflutung Ursache für den Fluss Φ im Magnetkreis, weshalb wir sie als magnetische Quellenspannung bezeichnen können.
Bild 2.9
Magnetkreis
Bild 2.9 zeigt eine typische, für viele Anwendungsfälle benutzte magnetische Anordnung. Sie besteht im wesentlichen aus einer stromdurchflossenen Spule, durch die der magnetische Fluss durch Wirksamwerden der Durchflutung nach Gl. (2.5) erzeugt wird und aus einem sogenannten Spulenkern, der die Wicklung trägt und der infolge seiner hervorragenden Leitfähigkeit für magnetische Feldlinien den magnetischen Fluss in eine gewollte Bahn zu einem Luftspalt und wieder zurück zur Spule lenkt. In dem Luftspalt, der vom Magnetfluss durchsetzt wird, können entsprechende magnetische Wirkungen erzielt und genutzt werden, z.B. die Auslenkung des Zeigers eines Messwerkes, die Ablenkung von in den Luftspalt eingeschossenen Ladungsträgern (z.B. erfolgt die Ablenkung des das Bild zeichnenden Elektronenstrahles in Fernsehbildröhren nach diesem Prinzip) usw.. Wenn wir diesen Magnetkreis mit dem elektrischen Stromkreis in Bild 1.12 a vergleichen, finden wir nahezu vollständige Analogien vor. An die Stelle der elektrischen Quellenspannung Uq tritt im Magnetkreis die Durchflutung Ĭ, an die Stelle der den Strom fortleitenden Drähte oder Leitungen die verschiedenen Abschnitte des Spulenkernes und an die Stelle des elektrischen Widerstandes (Verbrauchers), in dem die elektrische Energie genutzt wird, der Luftspalt, oder genauer, der magnetische Widerstand des Luftspaltes. Wegen dieser Analogien können wir die Gesetzmäßigkeiten, die wir für das Strömungsfeld oder für den elektrischen Stromkreis entwickelt haben, auch auf den magnetischen Kreis problemlos übertragen. Nach dem Ohmschen Gesetz (s. Gl. (1.28)) ist der Spannungsabfall am Verbraucherwiderstand R im elektrischen Stromkreis durch U = I R bestimmt. Also ist analog der magnetische Spannungsabfall oder die magnetische Spannung am Luftspalt: (2.6) VAB = Φ RmL Um die magnetische von der elektrischen Spannung zu unterscheiden, wählen wir für sie das Zeichen V. RmL ist der magnetische Widerstand des Luftspaltes. Genauso ergibt sich für die magnetische Spannung am Spulenkern: VBA = Φ RmFe
(2.7)
32
2 Das magnetische Feld
RmFe stellt dabei den magnetischen Widerstand des Kernes dar, der hier im Index das chemische Zeichen Fe enthält, weil die Kernwerkstoffe in den meisten Fällen aus Eisen oder Eisenlegierungen bestehen. In Analogie zu Gl. (1.25) schreiben wir für die magnetischen Widerstände: RmL =
lL
μ0 A
l RmFe = Fe μA
(2.8) (2.9)
lL ist die Luftspaltlänge, lFe die Länge des Eisenkernes der Spule (gerechnet entlang seiner neutralen Faser). ȝ ist ein Maß für die magnetische Leitfähigkeit (analog zu Ȗ im elektrischen Kreis). Diese Größe heißt Permeabilität, was soviel wie Durchlässigkeit bedeutet, wobei hier die Durchlässigkeit für magnetische Feldlinien gemeint ist. Wir werden sie im Abschnitt 2.4.1 näher betrachten. ȝ0 ist also die Permeabilität der Luft, ȝ die des Eisens oder Kernwerkstoffes. Bei Anwendung des Maschensatzes auf den Magnetkreis ergibt sich: VAB + VBA = Θ
(2.10)
oder allgemein, wenn mehrere verschiedene Abschnitte des Eisenkernes mit ihren jeweiligen Spannungsabfällen (einschließlich des Luftspaltes) vorkommen:
Σ Vi = Θ
(2.11)
Die Summe aller magnetischen Spannungen bei einem geschlossenen Umlauf im Magnetkreis ist gleich der Durchflutung. Aus Gl. (2.11) erkennen wir, dass magnetische Spannungen in Ampere gemessen werden. Wir haben gesehen, dass man alle Gesetzmäßigkeiten des Stromkreises formal auf den Magnetkreis anwenden kann. Insbesondere erhalten wir für den bisher noch nicht berechneten magnetischen Fluss im Magnetkreis nach Bild 2.9 unter Beachtung des Ohmschen Gesetzes:
Φ =
Θ RmFe + RmL
(2.12)
oder allgemein bei mehreren magnetischen Widerständen im Kreis:
Φ =
Θ Σ Rm i
(2.13)
2.2.3 Die magnetische Feldstärke Wiederum in Analogie zum elektrischen Feld, diesmal zur elektrischen Feldstärke E, können wir die magnetische Feldstärke definieren. E lernten wir als Spannung pro Wegeinheit im elektrischen Feld (s. Gl. 1.19) kennen. Also definieren wir die magnetische Feldstärke als magnetische Spannung pro Wegeinheit im magnetischen Feld: ΔV dV H = H = (2.14) Δl dl Ihre Einheit ist, da die magnetische Spannung in A gemessen wird, A/m.
2.3 Das Durchflutungsgesetz
33
Am konkreten Beispiel des Magnetkreises nach Bild 2.9 ist die magnetische Feldstärke im Luftspalt, wenn lL die Luftspaltlänge darstellt: V H L = AB lL
(2.15)
Sind Feldstärke und Luftspaltabmessungen gegeben, errechnet sich daraus die magnetische Spannung am Luftspalt: VAB = HL lL
(2.16)
Genauso wie im elektrischen Feld (vgl. Gl. (1.21)) ist das Linienintegral der magnetischen Feldstärke zwischen zwei Punkten „1“ und „2“ im Magnetfeld gleich der magnetischen Spannung zwischen diesen beiden Punkten: 2
G
G
V1,2 = H ⋅ ds
³
(2.17)
1
Den diesbezüglichen entscheidenden Unterschied zwischen elektrischem und magnetischem Feld werden wir im nächsten Abschnitt kennenlernen. Vorher halten wir noch fest, dass die magnetische Feldstärke H ein Vektor ist und deshalb durch Betrag und Richtung charakterisiert wird.
2.3 Das Durchflutungsgesetz Das Durchflutungsgesetz ist eines der wichtigsten Gesetze der Elektrizitätslehre, weil es den fundamentalen Zusammenhang zwischen Strom und dem von ihm erzeugten magnetischen Feld beschreibt. Zu seiner Ableitung betrachten wir den Magnetkreis nach Bild 2.10. Er ist gegenüber Bild 2.9 im Schnittbild dargestellt und wir gehen davon aus, dass die für die Ausbildung des magnetischen Flusses notwendige Durchflutung von einer Spule mit fünf Windungen erzeugt wird. Ihr Betrag ist somit Ĭ = 5I. Der Fluss ist durch eine einzige Feldlinie, die in der neutralen Faser verläuft, dargestellt. Die magnetische Spannung zwischen den beiden Punkten „1“ und „2“ ist durch Gl. (2.17) gegeben. Wenn wir das Linienintegral der magnetischen Feldstärke nicht nur vom Punkt „1“ bis zum Punkt „2“, wie in Gl. (2.17), bilden, sondern im Magnetfeld einen vollständigen Umlauf machen, also das Linienintegral, beginnend vom Punkt „1“, immer in Richtung der Feldlinie, über den Punkt „2“, den Luftspalt und wieder zurück zum Punkt „1“, erstrecken, können wir für die Summe aller auf diesem Umlaufweg vorkommenden magnetischen Spannungen in Abwandlung von Gl. (2.17) schreiben:
G G ΣVi =Q H ⋅ ds
Bild 2.10
Zur Ableitung des Durchflutungsgesetzes
(2.18)
Bild 2.11
Verschiedene Integrationswege im magnetischen Feld einer Spule
34
2 Das magnetische Feld
Zusammen mit Gl. (2.11) bekommen wir:
G
G
(2.19) Q H ⋅ ds = Θ In unserem speziellen Fall des Bildes 2.10 erhalten wir konkret: G G (2.20) Q H ⋅ ds = 5 I Wenn wir uns daran erinnern, dass der Integrationsweg für unser Linienintegral entlang der in Bild 2.10 dargestellten Feldlinie verlief, so können wir Gl.(2.20) folgendermaßen deuten: Das Umlaufintegral der magnetischen Feldstärke entspricht dem fünffachen Spulenstrom, der diese Feldstärke erzeugt hat. Fünfmal wird aber auch die Fläche, die vom Umlaufintegral aufgespannt wird, von demselben Strom durchflossen, da alle Windungen in Reihe geschaltet sind. In diesem ausgewählten Beispiel fließt der Strom jeweils fünfmal innerhalb der aufgespannten Fläche in die Zeichenebene hinein. In Bild 2.11 ist die Spule nochmals im Schnitt mit drei verschiedenen Integrationswegen dargestellt. Der Integrationsweg 1 ergibt den gleichen Wert für das Umlaufintegral wie eben, weil die von diesem Integral aufgespannte Fläche das Fünffache des Spulenstromes enthält:
G
G
(Q H ⋅ ds )1 = 5I
(2.21)
Der Integrationsweg 2 umfasst den zweifachen Spulenstrom, wobei hier aber die Stromrichtung umgekehrt ist, der Strom somit aus der Zeichenebene herausfließt. Logischerweise werden wir diesen Strom negativ bewerten:
G
G
(Q H ⋅ ds )2 = −2 I
(2.22)
Für den Integrationsweg 3 können wir schreiben:
G
G
(Q H ⋅ ds )3 = 0
(2.23)
denn die beiden umfassten Ströme heben sich auf, da sie entgegengesetztes Vorzeichen haben. Bei einer beliebigen Anzahl von Strömen gilt: Das Umlaufintegral der magnetischen Feldstärke ist gleich der Summe der vom Umlauf erfassten Ströme (Bei der Summenbildung ist das Vorzeichen der Ströme zu berücksichtigen). Dies ist das Durchflutungsgesetz. Es lautet in analytischer Form bei n umfassten Strömen:
G
G
Q H ⋅ ds =
n
¦ Iv
(2.24)
v =1
Hier haben wir wieder die Bestätigung der skalaren Natur des Stromes, denn ein skalares Produkt, wie es in dieser Gleichung im Integranden steht, ergibt im Ergebnis immer einen Skalar. Wir ziehen an dieser Stelle eine sehr wichtige Schlussfolgerung beim Vergleich von elektrischem und magnetischem Feld. Im Abschnitt 1.2.2, Gl.(1.22), waren wir zu dem Ergebnis gekommen, dass das Umlaufintegral der elektrischen Feldstärke immer den Wert Null hat, das Linienintegral also wegunabhängig ist, was die Grundlage für die Existenz eines skalaren Potenzials bildet. Gl. (2.24) zeigt uns, dass das Umlaufintegral der magnetischen Feldstärke nicht verschwindet, das Linienintegral zwischen zwei Punkten deshalb vom Integrationsweg abhängig ist und das magnetische Feld kein skalares Potenzial
2.3 Das Durchflutungsgesetz
35
besitzt. Nur in stromfreien Gebieten ist die rechte Seite von Gl. (2.24) Null und es kann ein skalares magnetisches Potenzial definiert werden, z. B. bei Anordnungen mit Dauermagneten. Ein Feld, bei dem das Umlaufintegral der entsprechenden Feldgröße nicht verschwindet, nennt man ein Wirbelfeld. Anschaulich hatten wir das bereits im Abschnitt 2.1 anhand der Bilder 2.3 und 2.7 aufgrund der in sich geschlossenen Feldlinien erklärt. Das Durchflutungsgesetz bildet die Grundlage für die Existenz dieses physikalischen Sachverhaltes im magnetischen Feld. Anwendungsbeispiel. Zur Demonstration der Anwendung des Durchflutungsgesetzes stellen wir uns die Aufgabe, die magnetische Feldstärke H in der Umgebung eines geradlinigen Leiters, der vom Strom I durchflossen wird, zu berechnen. Entsprechend Bild 2.12 soll der Leiter senkrecht auf der Zeichenebene stehen, wie das im Bild links oben angedeutet ist. Es reicht aus, wenn wir die durch den Strom erzeugte Feldstärke in dieser Ebene berechnen, denn bei genügend langem Leiter ist sie wegen der Zylindersymmetrie der Anordnung nicht von der Koordinate in Richtung der Achse des Leiters abhängig. Die Feldstärkelinien verlaufen, wie bereits in Bild 2.4 gezeigt, in Form konzentrischer Kreise um den Leiter und auch, wie wir gleich sehen werden, in dem Leiter. Der Vektor der Feldstärke verläuft in Richtung der Tangente an die Feldlinien. Da wir ihn als Funktion des Leiterstromes berechnen wollen, benutzen wir das diesen Zusammenhang beschreibende Durchflutungsgesetz Gl. (2.24). Wir berechnen zuerst die Feldstärke außerhalb des Leiters, also für den Bereich r R und dann innerhalb des Leiters, d.h. für den Bereich r R. 1. r R: Zur Bildung des Umlaufintegrals haben wir zunächst den Integrationsweg festzulegen. Da der Strom erfasst werden soll, muss dieser Weg natürlich den Leiter umschlingen. Aus Gründen einer möglichst einfachen Rechnung wählen wir eine Feldlinie, die den Abstand r von der Leiterachse besitzt, als Integrationsweg. Das Wegelement ds verläuft somit jeweils tangential zur Feldlinie (s. Bild 2.12). Für das Linienintegral eines vollen Umlaufs auf dieser Feldlinie gilt dann nach Gl. (2.24):
G
Q
G
H ⋅ ds = I
(2.25) G
G Da G aufG der gesamten Feldlinie H und ds gleichgerichtet sind (Į = 0), können wir für den Integranden H · ds = H ds cos Į = H ds schreiben. Weil außerdem auf der Feldlinie wegen des stets gleichen Abstandes vom Leitermittelpunkt die Feldstärke konstant ist, können wir H vor das Integralzeichen setzen und erhalten: H ds = I = H 2πr Q
Bild 2.12
H =
Zur Berechnung der Feldstärke eines zylindrischen Leiters I 2πr
(2.26)
Bild 2.13
Betrag der magnetische Feldstärke innerhalb und außerhalb eines Leiters
(2.27)
Die Feldstärke nimmt demzufolge hyperbolisch mit dem Abstand vom Leiter ab. Sie ist dem Strom proportional.
36
2 Das magnetische Feld
2. r R: Da konzentrische Kreise innerhalb des Leiters Teile des gesamten Stromes umschließen, müssen diese Kreise Feldlinien sein. Für die Feldlinie mit r = R wird, wenn wir sie als Integrationsweg benutzen, der gesamte Strom umschlossen, bei r < R nur ein von r abhängender Teilstrom. Dieser Strom I(r) ergibt sich aus der Beziehung I(r)/I = A(r)/A, wobei A(r) = r2ʌ und A = R2ʌ ist. Das Durchflutungsgesetz im Innern des Leiters lautet somit: Q
G G §r· H ⋅ ds = I (r ) = I ¨ ¸ © R¹
2
(2.28)
Bei Integration auf der Feldlinie und unter Berücksichtigung der Konstanz von H auf der Feldlinie ergibt sich durch Rechnung wie oben: H =
I I r= r 2A 2πR 2
(2.29)
Innerhalb des Leiters steigt folglich, von Null in der Leiterachse beginnend, die Feldstärke linear an und erreicht auf der Leiteroberfläche ihren Maximalwert, der sich für r = R sowohl aus Gl. (2.27) als auch aus Gl. (2.29) zu Hmax = I/2ʌR ergibt. Die Feldstärke ist auch hier stromproportional. Bild 2.13 zeigt das Ergebnis der Rechnungen zu 1. und 2.
2.4 Materie im Magnetfeld 2.4.1 Die Permeabilität. Einteilung der Stoffe Mittels der Gln. (2.8) und (2.9) haben wir den magnetischen Widerstand definiert. Allgemein kann man für den magnetischen Widerstand irgendeines prismatischen Abschnittes der Länge l und der Querschnittsfläche A im magnetischen Feld schreiben: Rm =
l
(2.30)
μA
ȝ heißt Permeabilität dieses Abschnittes im Magnetkreis. Sie drückt die Werkstoffabhängigkeit des magnetischen Widerstandes aus und ist somit eine Stoffkonstante, die wir näher untersuchen wollen. Dazu analysieren wir das Ergebnis des in Bild 2.14 dargestellten Gedankenexperimentes. Wir benutzen zwei Spulen exakt gleicher Abmessungen und gleicher Windungszahl, die vom gleichen Strom durchflossen werden, d.h. gleiche Durchflutungen erzeugen. Der einzige Unterschied zwischen beiden Anordnungen besteht darin, dass die links dargestellte Spule kernlos („Luftkern“) ist, die rechts dargestellte aber einen magnetisch sehr gut leitenden, beispielsweise einen Eisenkern besitzt, der hier nicht dargestellt wurde. Für diese beiden Fälle a) und b) machen wir folgende experimentelle Beobachtung in Bezug auf den sich ausbildenden magnetischen Fluss: ĭa « ĭb. Unter Beachtung von Gl. (2.13) heißt das Rma » Rmb und unter Beachtung von Gl. (2.30) ȝa « ȝb.
Bild 2.14
Spule ohne und mit Eisenkern
2.4 Materie im Magnetfeld
37
Der wesentlich höhere magnetische Fluss kommt somit durch die wesentlich höhere Permeabilität des Eisens zustande. Die hier mit ȝa bezeichnete Permeabilität der Luft (genauer: des Vakuums) trägt das Formelzeichen ȝ0 und heißt magnetische Feldkonstante. Sie ist eine Naturkonstante und hat den Wert ȝ0 =1,256 · 10–6 Vs/Am. Die in unserem Gedankenexperiment mit ȝb bezeichnete Größe ist die Permeabilität des verwendeten Kernwerkstoffes, hier des Eisens. Sie wird im allgemeinen ohne Index angegeben und lässt sich als Vielfaches der Vakuumpermeabilität darstellen:
μ = μr · μ0
(2.31)
ȝr gibt also an, um welches Vielfache die Permeabilität des betrachteten Stoffes die des Vakuums bzw. der Luft übertrifft. Deshalb heißt sie relative Permeabilität oder Permeabilitätszahl und ist dimensionslos. Für das Vakuum gilt ȝr = 1. Entsprechend dem Wert ihrer relativen Permeabilität kann man zunächst eine Grobeinteilung der Stoffe nach ihrem magnetischen Verhalten vornehmen, nämlich in solche, für die ȝr § 1 und in solche, für die ȝr » 1 ist. Die ersteren nennt man pauschal unmagnetische, die letzteren magnetische Stoffe. Diese Bezeichnungen werden umgangssprachlich benutzt und sind nicht exakt. Eine genauere Betrachtung der magnetischen Eigenschaften der Stoffe ergibt folgendes Bild: Die unmagnetischen Stoffe bestehen aus zwei verschiedenen Gruppen, den diamagnetischen und den paramagnetischen. Beide haben relative Permeabilitätswerte, die ganz in der Nähe der des Vakuums liegen (also ȝr § 1), für diamagnetische gilt aber ȝr < 1, für paramagnetische ȝr > 1. Zur Gruppe der diamagnetischen Stoffe gehören Gold, Kupfer, Silber und Wasser (Kupfer hat beispielsweise bei 20 °C einen Wert von ȝr = 0,999990, Wasser von ȝr = 0,999991), zur Gruppe der paramagnetischen Aluminium, Platin, Luft und Sauerstoff (Aluminium ȝr = 1,000024, Sauerstoff ȝr = 1,000002). Die Unterschiede zwischen diesen beiden Gruppen kommen durch unterschiedliches Verhalten inneratomarer Elektronenbewegungen (Kreisstrom und Spin) zustande, was jedoch an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden soll. Die oben als magnetisch bezeichneten Stoffe mit ȝr » 1 (typisch sind Werte für ȝr von einigen 1000 bis einige 100 000) heißen ferromagnetisch. Die einzigen reinen Stoffe, die ferromagnetische Eigenschaften besitzen, sind Eisen, Kobalt und Nickel. Alle anderen sind speziell entwickelte Legierungen, von denen es heute einige tausend gibt. Ferromagnetische Werkstoffe zeigen mit steigender Temperatur eine langsame Abnahme der Permeabilität. Beim Überschreiten einer Temperaturgrenze, die Curie-Temperatur genannt wird, verschwindet der Ferromagnetismus schlagartig und es stellt sich Paramagnetismus ein. Der Werkstoff wird folglich unmagnetisch. Dieser Effekt ist reversibel und lässt sich für eine Temperaturbewertung nutzen. Die Curie-Temperatur beträgt bei Eisen 760 °C, bei Nickel 360 °C und bei Kobalt 1120 °C.
2.4.2 Hystereseschleife und Magnetisierungskurve Hystereseschleifen und Magnetisierungskurven sind grafische Darstellungen der Abhängigkeit der Magnetflussdichte von der magnetischen Feldstärke, d.h. der Funktion B = f(H) für ferromagnetische Werkstoffe. Sie haben große praktische Bedeutung für die Berechnung der Magnetkreise elektrischer Maschinen und Apparate. Eine mögliche Messanordnung zur Aufnahme von Magnetisierungskennlinien zeigt Bild 2.15. Der ringförmige Kern der Querschnittsfläche A und der Länge l (neutrale Faser) ist aus dem zu untersuchenden Magnetwerkstoff hergestellt.
38
2 Das magnetische Feld
Bild 2.15
Messanordnung zur Aufnahme einer Magnetisierungskurve
Unter Beachtung der Gln. (2.13) und (2.30) gilt für den sich im Kern ausbildenden magnetischen Fluss:
Φ =
Θ Rm
=μA
Θ l
=μA
NI l
(2.32)
Er kann durch Variation des Stromes eingestellt werden. Die Magnetflussdichte ist dann: B=
Φ A
=μ
Θ
(2.33)
l
Für das Linienintegral der magnetischen Feldstärke entlang der neutralen Faser des Kernes ergibt sich nach dem Durchflutungsgesetz: Q Hdl = Hl = NI = Θ NI Θ H = = l l
Eingesetzt in Gl. (2.33) folgt: B = μ H = μ0 μr H
(2.34) (2.35)
G
G
G
B = μ H = μ0 μ r H
(2.36)
Hier haben wir den gesuchten Zusammenhang B = f(H). Wäre ȝ konstant, würden wir eine Gerade erhalten. Da aber ȝ sehr stark von der Feldstärke abhängt, ergibt sich eine gekrümmte Kurve, die experimentell ermittelt werden muss. Das geschieht in der Anordnung nach Bild 2.15 auf folgende Weise: Der Strom wird, von Null beginnend, langsam vergrößert. Die magnetische Feldstärke, die für jeden Stromwert nach Gl. (2.35) berechnet werden kann, vergrößert sich dabei proportional zum Strom. Gleichzeitig wird mit
Bild 2.16
Hystereseschleife
2.4 Materie im Magnetfeld
39
Spezialmessverfahren der im Kern sich ausbildende Fluss gemessen und B aus der Division durch die Fläche des Kerns ermittelt. Die erhaltenen Wertepaare werden aufgetragen und man erhält so zunächst die Neukurve nach Bild 2.16. Bei weiterer Steigerung des Stromes, also der Feldstärke, erreicht die Kurve den Sättigungsbereich, in dem sich die Flussdichte nur noch wenig vergrößert. Wird nun, nachdem der Punkt A erreicht worden ist, die Feldstärke wieder verkleinert, ergeben sich grundsätzlich höhere Werte für die Magnetflussdichte als sie vorher erreicht wurden. Es tritt eine Hysterese auf. Werden Strom und Feldstärke zu Null gemacht, bleibt trotzdem im Kern eine Restflussdichte erhalten, die man als Remanenzflussdichte Br bezeichnet. Wird die Feldstärke negativ, der Strom also in entgegengesetzter Richtung in die Spule geschickt, wirkt die so erzeugte Durchflutung dem Remanenzfluss entgegen. Es tritt demzufolge eine entmagnetisierende Wirkung ein. Hat die Feldstärke den Wert Hc erreicht, sind Fluss und Flussdichte Null. Der Kern ist somit in diesem Zustand vollständig entmagnetisiert. Die Feldstärke Hc, bei der das geschieht, heißt Koerzitivfeldstärke. Sie ist ein Maß für die Entmagnetisierbarkeit eines Magnetwerkstoffes. Steigert man die Feldstärke weiter in negativer Richtung, läuft prinzipiell der gleiche Prozess wie am Anfang ab, der Fluss verläuft aber in entgegengesetzter Richtung. Es wird wieder eine Sättigung erzielt, bei Abnahme der Feldstärke tritt wiederum Hysterese auf usw.. Die Neukurve kann nur beim ersten Aufmagnetisieren erreicht werden. Die gesamte Kurve, die man auf diese Weise gewinnt, nennt man Hystereseschleife (Bild 2.16). Ihre Form gibt Auskunft über gewisse Haupteigenschaften des Magnetwerkstoffes (Bild 2.17). So haben die weichmagnetischen Werkstoffe kleine Koerzitivfeldstärkewerte, d.h. eine schmale Hystereseschleife. Sie sind leicht zu entmagnetisieren und finden deshalb Anwendung bei Wechselstrommaschinen, weil bei diesen ständig Auf- und Entmagnetisierungsvorgänge, die Energie verbrauchen, stattfinden. Andererseits haben wir die hartmagnetischen Stoffe mit breiter Hystereseschleife, die nicht so leicht entmagnetisiert werden können und deshalb für Dauermagnete geeignet sind. Die Bezeichnungen „weich“ und „hart“ beziehen sich auf mechanische Eigenschaften dieser Stoffe. Die einen sind weich und zäh, die anderen hart und spröde. Spulen mit Eisenkernen können mit verschieden großen Strömen betrieben werden. Die Aufmagnetisierung erfolgt dann bis zu verschieden hohen Feldstärkewerten. Wenn jetzt wieder ent- und in entgegengesetzter Richtung aufmagnetisiert wird, ergeben sich verschieden breite Hystereseschleifen,
Bild 2.17
Formen von Hystereseschleifen
Bild 2.18
Magnetisierungskurve
40
2 Das magnetische Feld
je nachdem, wie hoch die Aufmagnetisierung war (s. Bild 2.18). Die Verbindungslinie der Umkehrpunkte im 1. Quadranten nennt man Magnetisierungskurve, die nur wenig von der Neukurve abweicht. Sie wird für die Dimensionierung von Magnetkreisen benutzt, wie wir an folgendem Beispiel zeigen.
Bild 2.19
Elektromagnet
Beispiel: Berechnung eines Elektromagneten. Wenn wir in einem Magnetfeld Wirkungen erzielen, z.B. eine definierte Kraft auf einen stromdurchflossenen Leiter ausüben wollen, haben wir eine genaue Vorstellung darüber, wie stark der magnetische Fluss sein muss, der die gewünschte Wirkung zustande bringt. Es kommt nun darauf an, einen Magnetkreis zu berechnen, in dessen Luftspalt dieser notwendige Fluss auftritt. Die Aufgabe besteht darin, bei gegebenen konstruktiven Daten des magnetischen Kreises die Durchflutung zu bestimmen, die für die Erzeugung des gewünschten Flusses notwendig ist. Wir demonstrieren, wie wir diese Aufgabe mittels des Durchflutungsgesetzes lösen können. Bild 2.19 zeigt die Anordnung. Der Kern mit kreisrundem Querschnitt soll aus Stahlguss mit einer Magnetisierungskurve nach Bild 2.20 bestehen. Es ist die durch die Spule zu realisierende Durchflutung zu berechnen, wenn im Luftspalt eine magnetische Flussdichte von 0,885 T herrschen soll. Von den die Feldlinien im Luftspalt aufspreizenden Wirkungen, d.h. von einer sog. Streuung im Luftspalt, wollen wir absehen, so dass die Flussdichte B sowohl im Eisen als auch in der Luftstrecke denselben Wert besitzt (BFE = BL). Wir gehen vom Durchflutungsgesetz Gl. (2.24) aus und schreiben es in der folgenden Form, wobei der Integrationsweg entlang einer Feldlinie im Stahlguss verläuft:
G
A
G
G
G
B
G
G
Q H ⋅ ds = Θ = N I = H Fe ⋅ ds + H L ⋅ ds
³
B
³
A
Darin ist HFe die Feldstärke im Eisen und HL die Feldstärke im Luftspalt. Wir bilden die Linienintegrale entlang der in der neutralen Faser liegenden Feldlinie, so dass die Feldstärkevektoren stets in Richtung des G Umlaufweges, also in Richtung des Wegelementes ds verlaufen. Dann ist der Winkel zwischen Feldstärkevektor und Wegelement immer Null und aus den skalaren Produkten werden gewöhnliche, weshalb wir schreiben können: A
B
N I = H Fe ⋅ ds + H L ⋅ ds
³
³
B
A
HFe berechnet sich nach Gl. (2.36) zu: H Fe =
BFe
μ0 μ r
=
BL
μ0 μr
=
BL
μ
2.5 Das Induktionsgesetz
41
Da die Permeabilität überall im Eisen den gleichen Wert hat, ist auch HFe überall im Eisen konstant. Das gleiche gilt für HL im Luftspalt, so dass wir die Feldstärken vor das Integralzeichen setzen können: A
B
Θ = N I = H Fe ³ ds + H L ³ ds B
A
Die Integrale sind nun leicht auszuwerten: A
³ ds = 50mm + (50 mm − 2 mm) + 70 mm ⋅ π = 317,8mm
B B
³ ds = 2 mm A
Den Wert von HFe erhalten wir für die gegebene Flussdichte aus der Magnetisierungskurve Bild 2.20 zu 1,75 A/cm. Für HL folgt HL = BL/ȝ0 = BFe/ȝ0 = 7050 A/cm mit ȝr = 1 aus Gl. (2.36). Damit ergibt sich für die Durchflutung (H in A/cm, s in cm):
Θ = N I = HFe · 31,78 + HL · 0,2 = 55,6 A + 1410 A = 1465,6 A Wir sehen, dass der weitaus größte Teil der durch die Spule aufgebrachten Gesamtdurchflutung für den Luftspalt verbraucht wird (hier sind es z.B. etwa 96 %). Deshalb kann man bei praktischen Rechnungen häufig ohne Magnetisierungskurve auskommen und muss nur den Luftspalt betrachten.
Bild 2.20
Magnetisierungskurve Stahlguss
Weiterhin ist zu bemerken, dass wir als Resultat unserer Berechnung die Durchflutung erhalten haben und noch den Spulenstrom bestimmen müssen. Eine Durchflutung von 1500 A kann z.B. realisiert werden durch einen Strom von 1 A bei 1500 Windungen, aber auch durch einen Strom von 1500 A bei nur einer einzigen Windung. Dazwischen liegen viele mögliche Wertekombinationen, die alle den gleichen Magnetfluss erzeugen. In der Praxis wählt man den Strom entsprechend der zur Verfügung stehenden Stromquelle, nach der Strombelastbarkeit der Wicklungsdrähte und nach konstruktiven Gesichtspunkten aus. Ein diese Problematik berührendes Beispiel behandelt die Übungsaufgabe 2-6 am Ende des Abschnittes 2.
2.5 Das Induktionsgesetz 2.5.1 Grundlagen. Der Versuch von Faraday Zusammen mit dem Durchflutungsgesetz stellt das Induktionsgesetz eines der wichtigsten Gesetze der Elektrizitätslehre dar. Man begegnet ihm in der Elektrotechnik auf Schritt und Tritt. Wir wollen es deshalb ausführlich, einschließlich einiger wichtiger Anwendungen, behandeln. Michael Faraday, einer der ganz großen Physiker des neunzehnten Jahrhunderts, fand das Induktionsgesetz bei der Suche nach einer Antwort auf die Frage, ob eine Umkehrung des Durchflu-
42
2 Das magnetische Feld
tungsgesetzes möglich ist. Da dieses das durch Strom erzeugte Magnetfeld beschreibt, wollte Faraday wissen, ob umgekehrt aus Magnetfeldenergie Strom entstehen kann. Er konnte die Frage positiv beantworten. Wir wollen den von Faraday gegangenen Weg zu dieser Erkenntnis noch einmal schrittweise nachvollziehen. Die von Faraday benutzte Anordnung zeigt Bild 2.21. In der Nähe einer schaltbaren Spule ist eine sogenannte Leiterschleife, das ist eine Spule mit nur einer Windung (N = 1), angeordnet. Ihre Enden sind an einen Spannungsmesser geführt. Der sich bei geschlossenem Schalter S in der Hauptspule ausbildende magnetische Fluss durchsetzt zu einem Teil ĭ die Leiterschleife.
Bild 2.21
Zum Induktionsgesetz
Beim Arbeiten mit dieser Versuchsanordnung ergab sich für Faraday der folgende experimentelle Befund: Ist der Schalter S geschlossen, bildet sich infolge des dann in der Spule fließenden Stromes ein magnetischer Fluss aus, wie es in Bild 2.21 dargestellt ist. Dieser Fluss ist konstant, weil er von einem Gleichstrom erzeugt wird. Ansonsten gibt es keine weiteren experimentellen Befunde, insbesondere keinen Ausschlag des Spannungsmessers. Ist der Schalter geöffnet, fließt kein Strom und es bildet sich in diesem Falle kein Magnetfeld aus. Auch jetzt bleibt der Zeiger des Messinstrumentes selbstverständlich in Ruhe. Eine Spannung ist nur in den Zeiten des Umschaltens von Stromlosigkeit der Spule auf Stromfluss und umgekehrt, also bei Flussaufbau und Flussabbau, festzustellen. Sie klingt nach dem Schaltvorgang schnell auf Null ab. Daraus ist zu schlussfolgern: Wird eine Leiterschleife von Magnetflusslinien durchsetzt, entsteht in ihr dann und nur dann eine Spannung, wenn sich der von der Leiterschleife umfasste Fluss zeitlich ändert. Ist er zeitlich konstant, wird keine Spannung beobachtet. Diesen Vorgang des Entstehens einer Spannung bei zeitlich veränderlichen Magnetfeldern nennen wir Induktion und die Spannung induzierte Spannung. Sie ist eine Quellenspannung, weil sie in dem Kreis der Leiterschleife einen Strom antreibt, der elektrische Energie, hier beispielsweise an den Spannungsmesser, liefert. Zunächst nur für den Betrag der induzierten Quellenspannung können wir formulieren: | uq |
dΦ dt
(2.37)
Mit dem nach experimentellem Befund gültigen Proportionalitätsfaktor „1“ ergibt sich daraus die Gleichung:
2.5 Das Induktionsgesetz
| uq | =
dΦ dt
43
(2.38)
Wichtig ist es zu bemerken, dass einzig und allein der Fluss oder die Flussteile, die von der Leiterschleife umfasst werden, für den Induktionsvorgang maßgeblich sind. Wie sich Flüsse außerhalb der Leiterschleife verhalten, ist für das Entstehen der induzierten Spannung völlig gleichgültig. Wenn der Leiterschleifenstromkreis geschlossen ist, fließt in ihm infolge der induzierten Spannung ein Strom. Für diesen Strom gilt eine wichtige Gesetzmäßigkeit, die wir jetzt behandeln wollen. Dazu betrachten wir die in Bild 2.22 dargestellte Versuchsanordnung. Ein an einem Faden aufgehängter Ring aus Aluminium wird als Pendel benutzt, welches frei über einen Stabmagneten schwingen kann. Wir machen dieses Experiment einmal mit einem vollständig geschlossenen, ein anderes Mal mit einem geschlitzten Aluminiumring. Im Ergebnis stellen wir folgendes fest: Die Bewegung des geschlitzten Ringes wird vom Magneten nicht beeinflusst. Der geschlossene Ring dagegen wird beim Überfahren des Magneten stark abgebremst. Die Erklärung liefert das Induktionsgesetz. In den beiden Ringen wird eine Spannung induziert, denn durch die Annäherung an den Stabmagneten vergrößert sich der von dem Aluring umfasste magnetische Fluss (dĭ/dt 0, s. Gl. (2.38)). Ein Strom kann aber nur in dem nicht geschlitzten Ring fließen. Dieser Strom hat ein eigenes Magnetfeld, welches in Wechselwirkung mit dem Feld des Stabmagneten tritt und zwar so, dass die Bewegung, die die Ursache für die Induktion ist, abgebremst wird. Fehlt das Feld des Ringes, kann es keine Wechselwirkung und damit keine Beeinflussung des Pendels geben.
Bild 2.22
Ring-Pendelversuch zur Lenzschen Regel
Mit diesem Ergebnis können wir die Lenzsche Regel formulieren, die für alle Ströme, die als Folge induzierter Spannungen entstehen, gilt: Der durch eine induzierte Spannung angetriebene Strom ist so gerichtet, dass sein eigenes Magnetfeld im Zusammenwirken mit dem die Induktion erzeugenden (äußeren) Magnetfeld eine Wirkung hervorruft, die den Induktionsvorgang zu hemmen versucht. Kurz gesagt: Der induzierte Strom wirkt der Induktionsursache entgegen. Induktionsursache ist die Pendelbewegung. Folglich wird sie beim geschlossenen Ring, in dem sich der Induktionsstrom ausbilden kann, gebremst.
44
2 Das magnetische Feld
Ein eine Leiterschleife durchsetzender magnetischer Fluss, der eine Spannung in ihr induziert, kann entweder steigen oder fallen. Wenn er steigt, also dĭ/dt > 0 ist, wollen wir den Strom als negativ bezeichnen, wenn er fällt, somit bei dĭ/dt < 0, als positiv. Damit bringen wir gewissermaßen den Inhalt der Lenzschen Regel zum Ausdruck, wonach Gegenwirkung des Induktionsstromes gefordert ist. Da er von der induzierten Quellenspannung angetrieben wird, können wir dieser die gleiche Richtung zuordnen. Sie ist also negativ bei steigendem und positiv bei fallendem Fluss. Somit gilt für die induzierte Quellenspannung: dΦ (2.39) dt Wir prüfen nach, dass entsprechend dieser Gleichung dĭ/dt < 0 positive, dĭ/dt > 0 hingegen negative induzierte Spannungen liefert. Haben wir nicht nur eine einzige Leiterschleife, sondern eine Spule der Windungszahl N, deren Inneres vom Magnetfluss ĭ durchsetzt wird, dann hat die induzierte Spannung den N-fachen Wert, weil die Spule aus N in Reihe geschalteten Leiterschleifen besteht und sich die einzelnen Anteile addieren: uq = −
uq = − N
dΦ dΨ =− dt dt
(2.40)
Dies ist das Induktionsgesetz. Ȍ = N ĭ heißt mit der Spule der Windungszahl N verketteter Fluss. Die Ermittlung der induzierten Spannung aus der Flussänderung ist im Prinzip eine Rechenvorschrift. Sie sagt nichts über den Mechanismus der Entstehung der Spannung in der Leiterschleife aus. Diesen Vorgang wollen wir jetzt untersuchen.
Bild 2.23
Induktionsvorgang bei Bewegung eines geradlinigen Leiters im Magnetfeld
Dazu betrachten wir Bild 2.23 a, welches die Bewegung eines Leiters der Länge l quer durch ein Magnetfeld der Dichte B darstellt. Die Feldlinien sollen senkrecht in die Zeichenebene hinein verlaufen. Die Bewegung des Leiters erfolgt senkrecht zu den Feldlinien mit der Geschwindigkeit v.
2.5 Das Induktionsgesetz
45
Wenn Ladungsträger sich in einem Magnetfeld fortbewegen, werden auf sie so genannte LorentzKräfte ausgeübt, die durch folgende Vektorgleichung beschrieben werden: G G G F = Qv × B (2.41) Darin ist Q die sich im Magnetfeld der Dichte B mit der Geschwindigkeit v bewegende Ladungsmenge. Wenn nun, wie in Bild 2.23 a, ein Leiter im Magnetfeld bewegt wird, wirken auf die im Leiter vorhandenen quasifreien Elektronen, die eine solche Ladungsmenge darstellen, LorentzKräfte. Das Vektordreibein für unseren Versuch ist in Bild 2.23 b gezeigt. Der Vektor von v weist nach rechts, der Vektor von B in die Zeichenebene hinein. Beide bilden einen rechten Winkel. Entsprechend der Definition des Vektorproduktes ergibt sich die auf die negative Ladung (Q < 0) wirkende Kraft nach Gl. (2.42) als nach unten gerichtet und senkrecht auf den beiden anderen Vektoren stehend. Im Leiter werden also die negativ geladenen Elektronen nach unten abgelenkt. Im oberen Teil bleiben die positiven Ladungen der feststehenden Atomrümpfe zurück (s. Bild 2.23 c). Somit entsteht ein Element, welches in der Lage ist, an einen über die Zuleitungen angeschlossenen Verbraucherwiderstand elektrischen Strom zu liefern, da sich die im Leiter getrennten Ladungen über ihn ausgleichen können. Der Vorgang der Induktion bewirkt folglich eine Ladungstrennung (s. dazu auch Abschnitt 1.2.4) in der Leiterschleife oder dem Leiter, was das Entstehen einer Quellenspannung bedeutet, weil durch diese Ladungstrennung die Voraussetzungen für einen Ladungsausgleich, also einen Strom gegeben sind. Wir können die Quellenspannung auf folgende Weise berechnen. G G Da die Vektoren von v und B in unserem Beispiel aufeinander senkrecht stehen, folgt für den Betrag der Lorentz-Kraft aus Gl. (2.41):
F=QvB
(2.42)
Es handelt sich hier um eine ladungstrennende Kraft. Gleichzeitig ziehen sich die getrennten Ladungen im Leiter gegenseitig an. Die Anziehungskraft in diesem kleinen elektrischen Feld ist durch die Gl. (1.24) zu F = Q E gegeben. Beide hier wirkenden Kräfte müssen im Gleichgewicht stehen:
QvB=QE
(2.43)
woraus mit E = uq/l für die induzierte Spannung folgt:
uq = B v l
(2.44)
Dies ist eine andere Form des Induktionsgesetzes, die sich aber von der in Gl. (2.39) oder Gl. (2.40) nicht unterscheidet, wie wir jetzt zeigen wollen. Schon Bild 2.23 a lässt erkennen, dass der Leiter mit den Zuleitungen zum Spannungsmesser ebenfalls eine Leiterschleife darstellt, deren umfasster Fluss mit der Bewegung des Leiters abnimmt. Bild 2.23 d zeigt in schematisierter Form zwei Momentaufnahmen des sich bewegenden Leiters, die um die Zeitspanne dt auseinander liegen. Es ist dann v = ds/dt und l ds = dA, weiterhin BdA = dĭ und somit wird schrittweise aus Gl. (2.44), wenn wir vorerst nur den Betrag von uq betrachten: | uq | = B v l = B
ds dA dΦ l= B = dt dt dt
(2.45)
Wir sehen, dass das Induktionsgesetz in der Form der Gl. (2.44) ebenfalls auf das Modell der Flussänderung im Inneren einer Leiterschleife führt. Die in der Literatur oft getroffene Unterscheidung zwischen Induktion der Ruhe (ruhende Leiterschleife nach Bild 2.21) und Induktion der Bewegung (sich bewegende Leiterschleife oder sich bewegender Leiter nach Bild 2.23) wer-
46
2 Das magnetische Feld
den wir hier deshalb nicht vornehmen. Wir wollen uns nur merken, dass es bei der Berechnung der induzierten Spannung bei sich im Magnetfeld bewegenden geraden Leitern meist günstiger ist, die Gl. (2.44) zu verwenden, besonders, wenn B, v und l bekannt sind und senkrecht aufeinander stehen, was beides häufig der Fall ist. Ergänzend sei noch bemerkt, dass die nach Gl. (2.45) berechnete induzierte Spannung positiv ist, weil, wie wir schon erwähnt haben, der Fluss, der von der aus Leiter und Zuleitungen gebildeten Leiterschleife umfasst wird, bei der Bewegung zeitlich abnimmt (dĭ/dt < 0, also entsprechend Gl. (2.39) uq > 0).
Bild 2.24
Induktion in geschlossener Leiterschleife
Wir wollen noch einige Schlussfolgerungen grundsätzlicher Art ziehen. Dazu betrachten wir Bild 2.24, welches eine als Ring ausgebildete Leiterschleife darstellt, die der Einfachheit halber von einer einzigen Fluss- bzw. Feldstärkelinie durchsetzt werden soll. Wenn sich diese Feldlinie in ihrer Intensität zeitlich ändert, wird in der Schleife eine Spannung induziert und es fließt ein Strom (Ringstrom). Wenn aber ein Strom fließt, muss in der Leiterschleife entsprechend Gl. (1.23) auch ein elektrisches Feld bestehen. Da das Linienintegral der Feldstärke zwischen zwei Punkten immer der Spannung zwischen diesen beiden Punkten entspricht (s. Gl. (1.21)) und weil wir nun wissen, dass längs des ganzen Ringes die Spannung uq induziert wird, ergibt sich das über den gesamten Ring erstreckte Linienintegral zu:
G G dΦ Q E ⋅ ds = uq = − dt
(2.46)
Wie wir gesehen haben, war der Wert dieses Integrals in elektrischen Feldern von der Art, wie wir sie ausführlich im Abschnitt 1 behandelt haben, stets Null (vgl. Gl. (1.22)). Das begründete eine fundamentale Eigenschaft dieses Feldes, nämlich ein Potenzial zu haben. In elektrischen Feldern, die durch Induktion entstehen, ist das offensichtlich anders, wie Gl. (2.46) beweist. Das zeigt sich u.a. auch darin, dass die elektrische Feldlinie in Bild 2.24 in sich geschlossen ist, wie wir es bereits bei der magnetischen Feldlinie kennengelernt haben (Feldwirbel, vgl. z.B. die Bilder 2.4, 2.6 und 2.7 und den Bezug zum Durchflutungsgesetz Gl. (2.24)). Aus zeitlich veränderlichen Magnetfeldern entstehen demzufolge durch Induktion quellenfreie elektrische Wirbelfelder. Da hier sowohl elektrische als auch magnetische Felder vorkommen, sprechen wir von elektromagnetischen Feldern. Ein elektrostatisches Feld nach Abschnitt 1 (vgl. dazu Bild 1.15 b) weist dagegen immer Quellen und Senken auf, die Feldlinien haben somit Anfang und Ende (wirbelfreies Quellenfeld). Sowohl für das elektrostatische als auch für das stationäre Strömungsfeld hatten wir im Abschnitt 1 festgestellt, dass das Umlaufintegral der elektrischen Feldstärke den Wert Null besitzt (vgl. Gl. (1.22)). Das können wir jetzt auch aus dem Induktionsgesetz Gl. (2.46) ableiten, denn im elektrostatischen Feld gilt I = 0 und somit ĭ = 0, im Strömungsfeld I = const und somit ĭ = const, d.h. in beiden Fällen dĭ/dt = 0, womit Gl. (2.46) in Gl. (1.22) übergeht.
2.5 Das Induktionsgesetz
47
2.5.2 Anwendungen des Induktionsgesetzes Das Induktionsgesetz ist von so großer Bedeutung für die gesamte Elektrotechnik, dass wir an dieser Stelle einige wichtige Anwendungen darstellen wollen. Da wir die wichtigsten Anwendungsgebiete im Teil B dieses Buches ausführlich besprechen (z.B. Generator und Transformator), werden wir hier nur das Grundsätzliche anführen und uns entsprechend kurz fassen. Generator. Das Prinzip eines elektrischen Generators oder Stromerzeugers zeigt Bild 2.25. Im Luftspalt eines kräftigen Magneten befindet sich in einem Gleichfeld eine drehbar gelagerte Leiterschleife. Wenn diese in Rotation versetzt wird, ändert sich laufend der von ihr umfasste magnetische Fluss, obwohl der gesamte Fluss im Luftspalt konstant ist. Befindet sich beispielsweise die Leiterschleife in horizontaler Lage, treten also die Feldlinien senkrecht durch die von ihr aufgespannte Fläche, ist der umfasste Fluss maximal. Befindet sie sich in vertikaler Lage, parallel zu den Feldlinien, ist der umfasste Fluss Null. Demnach wird bei Rotation eine Spannung induziert, die von den sogenannten Bürsten, die auf den fest mit der Leiterschleife verbundenen Schleifringen gleiten, abgenommen und zu Elektrizitätsverbrauchern weitergeleitet werden kann. Alle elektrischen Gas-, Dampf-, Wasser-, Wind- oder Dieselkraftwerke arbeiten in leicht abgewandelter Form nach diesem Prinzip. Die Generatoren besitzen, um ausreichend hohe Spannungen zu bekommen, nicht nur eine, sondern eine Vielzahl von Leiterschleifen. Die Antriebsmaschinen sind in der Regel Turbinen.
Bild 2.25
Prinzip des Generators
Transformator. Ein Transformator hat die Aufgabe, elektrische Spannungen auf ein höheres oder niedrigeres Niveau zu bringen (z.B. von 400 V auf 10 000 V und umgekehrt). Seine prinzipielle Wirkungsweise zeigt Bild 2.26. Er besteht aus zwei Wicklungen (Spulen), die auf einen gemeinsamen, geschlossenen Eisenkern aufgebracht sind. Wenn wir in die linke, die sog. Primärspule, einen Strom schicken, bildet sich ein magnetischer Fluss aus, der durch den Eisenkern in die rechts dargestellte Spule, die Sekundärspule, geleitet wird. Dieser Fluss durchsetzt alle Windungen der Sekundärspule und induziert in ihnen eine Spannung, die an den Klemmen der Spule abgenommen werden kann. Voraussetzung für die Spannungsinduktion ist, dass der magnetische Fluss sich zeitlich ändert, d.h. der in die Primärspule geschickte Strom darf kein Gleichstrom sein. Der Transformator ist deshalb eine typische Wechselstrommaschine.
Bild 2.26
Prinzip des Transformators
48
2 Das magnetische Feld
Bild 2.27
Entstehung von Wirbelströmen
Wirbelströme. Bild 2.27 zeigt einen Ausschnitt aus dem Eisenkern des in Bild 2.26 dargestellten Transformators. Die dort eingezeichnete magnetische Feldlinie wird, wie wir anhand des Bildes 2.24 gezeigt haben, von elektrischen Feldlinien und, da das Eisen als Metall ein relativ guter Leiter ist, auch von Strömen umwirbelt. Voraussetzung für das Entstehen dieser Ströme ist nach dem Induktionsgesetz, dass der magnetische Fluss sich zeitlich verändert, folglich ein Wechselfluss ist. Diese Voraussetzung ist im Transformator stets erfüllt. Die durch Induktion entstandenen Ströme heißen anschaulich Wirbelströme. Sie sind hier unerwünscht, weil sie das Eisen des Transformators nur unnötig erwärmen, ohne einen Beitrag zur eigentlichen Aufgabe dieser Maschine zu leisten. Die Wärmeentstehung bedeutet Verluste und damit Schmälerung des Wirkungsgrades. Aus diesem Grunde werden Wechselstrommaschinenkerne „geblecht“ ausgeführt, d.h. sie bestehen aus einzelnen Schichten, die elektrisch voneinander isoliert sind, so dass die Bahn der Wirbelströme unterbrochen ist, sie sich demzufolge nicht oder nur schlecht ausbilden können. In der Informations- und Nachrichtentechnik geht man einen anderen Weg. Man verwendet dort als Kernwerkstoffe sog. Ferrite (Basis Mn, Ni, Zn und Fe), die eine sehr gute magnetische, aber eine schlechte elektrische Leitfähigkeit haben, so dass Wirbelströme, die elektrischer Natur sind, unterdrückt bzw. minimiert werden. Stromverdrängung. In Bild 2.28 ist ein zylindrischer Leiter perspektivisch und im Längsschnitt dargestellt. Er wird von einem Wechselstrom durchflossen. Die momentane Stromrichtung ist von unten nach oben gerichtet. Eine einzelne Stromlinie, die in der Achse des Leiters verläuft, ist im Bild hervorgehoben. Um diese Stromlinie herum bilden sich sowohl im Inneren des Leiters als auch außerhalb Feldwirbel aus (vgl. die Bilder 2.12 und 2.13). An dieser Stelle interessieren nur die Wirbel im Leiterinneren, von denen einer dargestellt ist, dessen Richtung sich aus der Rechtsschraubenregel ergibt. Da diese Feldlinie durch einen Wechselstrom erzeugt wird, ist sie ihrerseits von Wirbelströmen umgeben. Diese sind stets so gerichtet, dass sie, wie man aus Bild 2.28 b deutlich erkennt, die Stromlinien in der Leitermitte schwächen bzw. aufheben, die Stromlinien am Leiterrand aber verstärken.
Bild 2.28
Entstehung und Auswirkung des Hauteffektes
2.6 Selbst- und Gegeninduktion
49
Im Ergebnis heißt das, dass der Strom an die Leiteroberfläche verdrängt wird. Deshalb nennt man diese Erscheinung Haut- oder Skineffekt. Er ist eine Folge des Induktionsgesetzes, weil die Wirbelströme um die magnetische Feldlinie nur dann entstehen können, wenn die Intensität dieser Feldlinie sich zeitlich ändert, also dĭ/dt 0 ist. Je schneller sich der Fluss ändert, je größer folglich dĭ/dt ist, umso intensiver ist die Wirbelstrombildung und umso mehr wird der Strom an die Leiteroberfläche gedrängt. Mit steigender Frequenz dieses Stromes findet die Stromleitung in immer dünneren Oberflächenschichten statt, wodurch der elektrische Widerstand des Drahtes entsprechend ansteigt, weil für den Stromfluss immer weniger Fläche zur Verfügung steht (s.Bild 2.28 c). In der Höchstfrequenz- bzw. Mikrowellentechnik verwendet man deshalb sogenannte Hohlleiter, da das Innere massiver Leiter bei den dort verwendeten Frequenzen ohnehin nicht genutzt wird. Aber auch bei den niedrigen Frequenzen des technischen Wechselstromes kann man bereits den Hauteffekt nutzen, z.B. bei Elektromotoren mit sog. Stromverdrängungsläufern zur Vergrößerung des Anlaufmomentes. Bei Gleichstrom gibt es keinen Hauteffekt, denn dann ist dĭ/dt = 0. Es können keine Wirbelströme entstehen. Der Strom füllt gleichmäßig den Leiterquerschnitt aus.
2.6 Selbst- und Gegeninduktion 2.6.1 Selbstinduktion Beim Studium des Induktionsgesetzes sind wir immer davon ausgegangen, dass die induzierte Spannung in einer Leiterschleife oder einer Spule von einem äußeren Magnetfeld herrührt. Ein Beispiel gibt Bild 2.29 a, wo die induzierte Spannung durch Vorbeibewegung eines Dauermagneten entsteht.
Bild 2.29
Induktion (a) und Selbstinduktion (b)
Jetzt benutzen wir keinen äußeren Magneten, sondern wir legen an die Leiterschleife eine Spannung uL, die einen Stromfluss zur Folge hat (s. Bild 2.29 b). Dieser Strom baut um den Leiter ein Magnetfeld auf, welches auch die Leiterschleife durchsetzt. Ist der Strom zeitlich veränderlich, ist es auch der magnetische Fluss und nach dem Induktionsgesetz muss eine Spannung in der Leiterschleife induziert werden. Es ist nämlich völlig gleichgültig, ob dieser Fluss von einer fremden Anordnung (wie in Bild 2.29 a) oder vom eigenen Magnetfeld (wie in Bild 2.29 b) stammt. Diesen Vorgang der Spannungsinduktion in einer Leiterschleife durch ihren eigenen Strom nennen wir Selbstinduktion. Selbstverständlich gilt das auch für eine Spule, die aus vielen Leiterschleifen besteht. Für eine solche Spule mit der Windungszahl N wollen wir die Selbstinduktionsspannung nach Gl. (2.40) berechnen. Dazu brauchen wir den Fluss ĭ. Wir erhalten ihn aus Gl. (2.13) zu ĭ = Ĭ/Rm mit Ĭ = i N. Eingesetzt in Gl. (2.40) folgt (wir lassen im Folgenden den Index q weg):
50
2 Das magnetische Feld
u= −
N 2 di di = −L dt Rm dt
(2.47)
mit L=
N2 Rm
(2.48)
L nennen wir den Selbstinduktionskoeffizienten oder die Induktivität der Spule. Sie hängt nur von deren konstruktiven Daten ab, wobei die Windungszahl besonders stark eingeht. Die Maßeinheit von L ergibt sich aus Gl. (2.47) zu 1 ȍs = 1 H (Henry). Gebräuchlich ist auch die Einheit mH (Millihenry). Um die Induktivität mit den Feldgrößen zu verknüpfen, wandeln wir Gl. (2.48) in folgender Weise um: L i = N 2 i/Rm = NĬ/Rm = N ĭ = Ȍ:
Ψ =NΦ =Li
(2.49)
Die Induktivität L ist also Proportionalitätsfaktor zwischen Strom und Fluss bzw. verkettetem Fluss. Je größer die Induktivität ist, umso größer ist bei gegebenem Strom der magnetische Fluss der Spule. Die Berechnung von L nach Gl. (2.48) ergibt für eine lange Zylinderspule (s. Bild 2.7) mit der Windungszahl N, der Querschnittsfläche des Spuleninneren A und der Länge l: L=
μ0 μ r A N 2
(2.50)
l
ȝr ist die Permeabilitätszahl des Kernes, der sich in der Spule befindet (bei Luftkern ȝr = 1). Durch Verdopplung der Windungszahl können wir die Induktivität einer Spule auf das Vierfache, durch einfache Einführung eines Eisenkernes die Induktivität einer Luftspule auf ein Mehrtausendfaches steigern. Deshalb werden nahezu ausschließlich Spulen mit Eisenkernen verwendet.
Bild 2.30
Schaltzeichen einer Spule
Solche Anordnungen heißen in der elektrischen Energietechnik Drosselspulen oder Drosseln. Das Schaltzeichen für Spulen mit und ohne Eisenkern zeigt Bild 2.30. Bei Reihenschaltung von n Spulen gilt für deren Gesamt- bzw. Ersatzinduktivität: Lers =
n
¦ Lv
(2.51)
v =1
Für Parallelschaltung ergibt sich: 1 = Lers
n
1
¦ Lv
(2.52)
v =1
Die an die Leiterschleife oder Spule gelegte Spannung, die Klemmenspannung, haben wir bisher außer acht gelassen. Bild 2.31 zeigt die Orientierungen von u und uL für Leiterschleife und Spule.
2.6 Selbst- und Gegeninduktion
Bild 2.31
Klemmen- und Quellenspannung von Leiterschleife (a) und Spule (b)
Bild 2.32
51
Technische Spule
Beide wirken einander entgegen und halten sich das Gleichgewicht. Nach dem Maschensatz folgt daraus uL = – u und unter Berücksichtigung von Gl. (2.47): uL = L
di dt
(2.53)
Die Klemmenspannung ist somit der Stromänderungsgeschwindigkeit proportional. Für Gleichstrom ist sie folglich Null. Wenn wir aber in der Praxis eine Spule mit Gleichstrom speisen und eine Messung an ihr vornehmen, werden wir dennoch eine Spannung feststellen. Das liegt daran, dass jede Spule aus Drähten gewickelt ist, die einen ohmschen Widerstand besitzen, an dem auch bei Gleichstrom ein Spannungsabfall U = I R auftritt. Im elektrischen Ersatzschaltbild für die Spule berücksichtigen wir das durch einen in Reihe geschalteten Widerstand (s. Bild 2.32). Eine solche Anordnung heißt reale oder technische Spule im Gegensatz zu einer idealen Spule nach Bild 2.30. Je größer im allgemeinen die Spule ist, umso mehr nähert sie sich dem Idealfall, weil wegen der größeren Querschnitte der Wicklungsdrähte deren Widerstände immer weniger ins Gewicht fallen. Stromverzögernde Wirkung von Induktivitäten. Wir betrachten einen Stromkreis nach Bild 2.33 a. Wir wollen den Stromverlauf ermitteln, nachdem der Schalter S geschlossen wurde, die Gleichspannungsquelle also an die technische Spule geschaltet wird. Strom und Spannungsabfälle bezeichnen wir mit kleinen Buchstaben, da wir sie als zeitlich veränderlich erwarten. Nach dem Schließen des Schalters gilt entsprechend dem Maschensatz uL + uR = Uq und mit uL = L di/dt (s. Gl. 2.53) und uR = i R (Ohmsches Gesetz) ergibt sich: L
Bild 2.33
di + i R = Uq dt
Schaltvorgang an einer Spule:
(2.54)
a) Schaltung
b) Stromverlauf
52
2 Das magnetische Feld
Es handelt sich hier um eine inhomogene Differenzialgleichung erster Ordnung für den Strom. Sie hat mit der Anfangsbedingung i(t = 0) = 0 die Lösung: i (t ) =
R Uq § − t· ¨1 − e L ¸ ¸ R ¨ © ¹
(2.55)
Der Verlauf des Stromes über der Zeit ist in Bild 2.33 b (mit L) dargestellt. Nehmen wir die Induktivität aus dem Kreis heraus, folgt aus Gl. (2.53) oder (2.55) mit L = 0:
i=
Uq
(2.56)
R
Folglich ist in diesem Falle der Strom zu allen Zeiten konstant, d.h. er springt im Einschaltmoment auf Uq /R und behält diesen Wert bei (s.Bild 2.33 b ohne L). Wir sehen, dass eine Induktivität stromverzögernd wirkt. In Stromkreisen mit Induktivitäten, d.h. mit Spulen, kann sich der Strom niemals sprunghaft ändern (ausführlich wird das im Abschnitt 6 besprochen). Die Zeitkonstante der Funktion nach Gl. (2.55), IJ = L/R, sagt aus, dass der Stromanstieg beim Schaltvorgang umso langsamer erfolgt, je größer L ist. Die durch Drosselspulen mögliche Stromglättung wird z.B. beim Betrieb von GleichstromNebenschlussmotoren (s. Abschnitt 8.2.3) zur Vergleichmäßigung ihres stromproportionalen Drehmomentes genutzt.
2.6.2 Gegeninduktion Wird in einer Spule eine Spannung durch Flussänderung einer anderen Spule induziert, spricht man von Gegeninduktion. Diesen Fall haben wir im Grunde schon behandelt (s. Bild 2.21). Wir wollen hier aber nicht nur die Wirkung der ersten Spule auf die zweite, sondern auch die Rückwirkung der zweiten Spule auf die erste untersuchen. Dazu betrachten wir die beiden in Bild 2.34 dargestellten Leiterschleifen.
Bild 2.34
Vorgang der Gegeninduktion
Der Teil ĭ12 des Flusses ĭ1 der Spule 1 (aus Verallgemeinerungsgründen rechnen wir hier mit Spulen der Windungszahl N, obwohl Leiterschleifen dargestellt sind) durchsetzt die Spule 2. Mit dem sog. Kopplungsfaktor k1, der von der Stellung der Spulen zueinander abhängt, ergibt sich für den Fall, dass zunächst nur die Spule 1 von Strom durchflossen wird (s. Gl. 2.32):
Φ12 = k1Φ1 = k1
Θ1 Rm1
= k1
i1 N1 Rm1
(2.57)
2.6 Selbst- und Gegeninduktion
53
Die in der Spule 2 induzierte Quellenspannung ist entsprechend Gl. (2.40): u2 = − N 2
dΦ12 k N N di di = − 1 1 2 1 = − M12 1 dt Rm1 dt dt
(2.58)
mit M12 = k1 N1 N2/Rm1. Umgekehrt gilt für die induzierte Spannung in der Spule 1, wenn nur die Spule 2 von Strom durchflossen wird: u1 = − M 21
di2 dt
(2.59)
Man kann zeigen, dass im Raum mit konstanter Permeabilität ȝ gilt:
M12 = M21 = M
(2.60)
somit: u1 = − M
di2 dt
u2 = − M
di1 dt
(2.61)
M heißt Gegeninduktivität der Anordnung und wird wie die Induktivität in Henry gemessen. Mit ihr ist es möglich, aus der Stromänderungsgeschwindigkeit in der einen die induzierte Spannung in der anderen Spule zu berechnen. Bild 2.34 zeigt, dass die beiden Spulen magnetisch gekoppelt sind. Die Gegeninduktivität hängt vom Kopplungsfaktor k und von den Induktivitäten der beiden miteinander verkoppelten Spulen ab: M = k L1 L2
Bild 2.35
(2.62)
Demonstration des Kopplungsfaktors
Bild 2.35 gibt Beispiele für fehlende bzw. geringe Kopplung (k § 0) und maximale Kopplung (k § 1). Bisher haben wir angenommen, dass nur in einer der beiden Spulen Strom fließt, der in der jeweils anderen eine Spannung induziert. Die Höhe dieser Spannung ist bei gegebenem Strom durch die Gegeninduktivität nach Gl. (2.62) bestimmt. So lässt z.B. der Strom i2 eine Gegeninduktionsspannung in Spule 1 nach Gl. (2.59) entstehen. Gleichzeitig erzeugt dieser Strom auch eine Selbstinduktionsspannung in der eigenen Spule 2, die von deren Induktivität abhängt und durch Gl. (2.47) bestimmt ist. Analog sind die Verhältnisse in der Spule 1. Die gesamte Spannung an den stromdurchflossenen Leiterschleifen oder Spulen setzt sich somit aus zwei Anteilen, einem selbstinduktiven und einem gegeninduktiven zusammen (Spule 1: L1di1/dt und Mdi2/dt, Spule 2: L2 di2/dt und Mdi1/dt).
54
2 Das magnetische Feld
2.7 Energie und Kräfte im magnetischen Feld 2.7.1 Energieinhalt des Magnetfeldes Ebenso wie bei der Berechnung des Energieinhaltes des elektrostatischen Feldes beim Kondensator (s. Abschnitt 1.3.5) können wir den Energieinhalt des magnetischen Feldes einer vom Strom I durchflossenen Spule mit der Induktivität L berechnen. Das Ergebnis lautet:
Wm =
L I2 2
(2.63)
Die Ähnlichkeit dieser Gleichung mit der kinetischen Energie einer Masse Wkin = mv2/2 erlaubt es zum Beispiel, mechanische Vorgänge mit Massen in elektrischen Schaltungen durch Induktivitäten zu simulieren. Wir wollen die magnetische Energie nach Gl. (2.63) durch magnetische Feldgrößen ausdrücken. Dazu betrachten wir eine Spule der Länge l, des Öffnungsquerschnittes A und der Windungszahl N mit Eisenkern (s. z.B. Bild 2.8). Wir führen in Gl. (2.63) folgende Substitutionen durch:
I = H l/N L = ȝ0 ȝr A N 2/l H = B/(ȝ0 ȝr)
(folgt aus Gl. 2.35) (s. Gl. 2.50) (folgt aus Gl. 2.36)
und erhalten: Wm =
1 B2 Al 2 μ0 μ r
(2.64)
Das ist die im Volumen V = A l der Spule (Spuleninneres) gespeicherte magnetische Feldenergie. Sie entspricht in sehr guter Näherung der Energie des gesamten durch die Spule aufgebauten Feldes.
2.7.2 Kraftwirkungen im magnetischen Feld 2.7.2.1 Kräfte an Grenzflächen An Grenzflächen, die Gebiete verschiedener Permeabilität voneinander trennen, treten im Magnetfeld Kräfte auf. Solche Kräfte können wir an den Polflächen, die die Grenze zwischen Eisenkern und Luftspalt eines Magneten bilden, erwarten. Man kann sich die Feldlinien im Luftspalt wie gespannte Gummibänder vorstellen. Die Feldlinien haben nämlich das Bestreben, sich zu verkürzen. Wir wollen am Beispiel eines Hubmagneten (Bild 2.36) die dabei auftretenden Kräfte berechnen. Ein solcher Magnet besteht aus einem feststehenden Spulenkörper, der die Spule trägt. In ihm ist ein aus magnetischem Material bestehender Bolzen beweglich angeordnet. An diesem ist der Haken für das Anschlagen einer zu hebenden Last befestigt. Bild 2.36 b zeigt den Luftspalt und die benachbarten Eisenteile. Die Last sei so groß, dass sich das untere (bewegliche) Stück dem oberen (unbeweglichen) um die Strecke ǻl nähert. Der Energieinhalt des Volumens A ǻl ist vor dem Hub ǻl entsprechend Gl. (2.64): Wm Luft =
1 B2 A Δl 2 μ0
(2.65)
2.7 Energie und Kräfte im magnetischen Feld
55
und nach dem Hub um ǻl: Wm Fe =
1 B2 A Δl 2 μ0 μ r
(2.66)
Die Energieänderung während des Hubvorganges ist ǻWm = WmLuft – WmFe, aber wegen WmFe « WmLuft (denn ȝr beträgt einige tausend oder zehntausend) ergibt sich ǻWm = WmLuft. Die geleistete mechanische Hubarbeit ist ǻWmech = F ǻl. Dabei ist F die Hubkraft. Da die Hubarbeit aus der Energieänderung des magnetischen Feldes während des Hubes geschöpft wurde, muss ǻWmech = ǻWm = WmLuft sein, woraus sich aus Gleichung (2.65) für die Hubkraft des Elektromagneten ergibt: F =
Bild 2.36
B2 A 2μ0
Hubmagnet
(2.67)
a) Gesamtansicht
b) Luftspaltbereich
2.7.2.2 Kräfte auf stromdurchflossene Leiter Leiter im Feld eines Magneten. Wir betrachten einen in ein homogenes Magnetfeld eingebrachten Leiter nach Bild 2.37 a. Der Leiter steht senkrecht auf der Zeichenebene und das Feld verläuft parallel zu ihr. Wenn jeweils der Leiter oder der Magnet allein vorhanden wäre, würde sich der gestrichelt dargestellte Feldlinienverlauf ergeben: konzentrische Kreise für den Leiter, parallele
Bild 2.37
a)
b)
Leiter im Feld eines Magneten a) Feldbild b) Vektordreibein
56 2 Das magnetische Feld Linien für den Magneten. Beide Felder überlagern sich jedoch, so dass der durch ausgezogene Linien dargestellte resultierende Feldverlauf entsteht. Links vom Leiter wird das Feld des Magneten durch das Feld des Leiterstromes verstärkt (die Feldliniendichte wird größer), rechts wird es geschwächt (die Feldliniendichte verringert sich). Auf den stromdurchflossenen Leiter wirkt dann grundsätzlich eine Kraft in Richtung des geschwächten Feldbereichs. Diese Kraft wollen wir berechnen. Da sich in dieser Anordnung innerhalb des Leiters Ladungsträger im Magnetfeld bewegen, entspricht die auf sie ausgeübte Kraft der Lorentz-Kraft (Gl. (2.41)). Das zugehörige Vektordreibein zeigt Bild 2.37 b. Weil die Ladung Q und die Ladungsträgergeschwindigkeit v kaum mit vernünftigem Aufwand zu ermitteln sind, wollen wir diese Größen durch besser messbare ersetzen. Für den Strom gilt I = Q/t, erweitert mit der Leiterlänge l: I l = Q l/t = Q v. In vektorieller Schreibweise bedeutet das:
G
G
I l = Qv
(2.68)
G
Der Vektor der Leiterlänge weist also in die Richtung des Leiterstromes (gegeben durch v ). Setzen wir Gl. (2.68) in Gl. (2.41) ein, so erhalten wir:
G
G
G
F = Il ×B
(2.69)
Die Kraft steht somit immer senkrecht auf dem Leiter und der magnetischen Flussdichte. Stehen auch die Vektoren von l und B senkrecht aufeinander, wie im hier betrachteten Beispiel, erhalten wir für den Betrag der Kraft: F=IlB
Bild 2.38
Motorprinzip
(2.70)
Bild 2.39
Kraftwirkungen auf Leiter untereinander a) Stromrichtung verschieden b) Stromrichtung gleich
Die Gleichungen (2.69) bzw. (2.70) stellen das elektrodynamische Kraftgesetz dar. Es ist Grundlage für die Wirkungsweise rotierender elektrischer Maschinen, die ihre Kräfte alle auf der Basis stromdurchflossener Leiter im Magnetfeld entwickeln, außerdem für viele Messinstrumente u.a.m. Die prinzipielle Wirkungsweise eines Elektromotors zeigt das Bild 2.38. Im Luftspalt eines Magneten befindet sich eine drehbar gelagerte Leiterschleife, in die Strom geschickt wird. Anhand der Gl. (2.69) können wir feststellen, dass die durch das elektrodynamische Kraftgesetz bestimmte Kraft in der im Bild angegebenen Richtung die Leiterschleife antreibt. In der Übungsaufgabe 2-15 zu diesem Abschnitt werden wir diesen Vorgang eingehender analysieren. Leiter im Feld eines anderen Leiters. Die Darstellungen in Bild 2.39 zeigen die Wechselwirkung zweier parallel verlaufender und senkrecht auf der Zeichenebene stehender Leiter bei ver-
2.8 Übungsaufgaben
57
schiedenen Stromrichtungen. Gestrichelt ist das jeweils ungestörte Feld des Einzelleiters, ausgezogen das resultierende Feld beider Leiter dargestellt. Bei Betrachtung der Zone zwischen den beiden Leitern können wir bei a) eine Feldverstärkung, bei b) eine Feldschwächung feststellen. Bei gleicher Stromrichtung ziehen sich die Leiter demnach an, bei ungleicher stoßen sie sich ab. Die Größe der Kraft ergibt sich aus: F =
μ0 l I1I 2 2πa
(2.71)
a ist der Abstand zwischen den Leitern. In elektrischen Maschinen werden die in ihnen parallel verlaufenden Leiter meist vom gleichen Strom durchflossen (I1 = I2 = I): F =
μ0 l I 2 2πa
(2.72)
Bei der Dimensionierung elektrischer Maschinen muss die Festigkeit der Wicklungen so groß sein, dass auch bei Kurzschlüssen oder Anlaufvorgängen, d.h. bei den höchsten Strömen, keine mechanische Zerstörung der Wicklung oder der Isolation durch elektrodynamische Kräfte auftreten kann. Wie wir aus Gl. (2.72) erkennen, steigen diese Kräfte mit dem Quadrat des Stromes an. Ein Asynchronmotor hat beispielsweise Anlaufströme, die etwa das 6-fache des Nennstromes, für den er elektrisch bemessen ist, betragen. Die mechanische Belastung durch magnetische Kräfte beim Anlauf würde nach Gl. (2.72) das 36-fache der mechanischen Belastung bei Nennbetrieb betragen. Zum Schluss wollen wir noch erwähnen, dass die Einheit der Stromstärke, das Ampere, über eine definierte Kraftwirkung zwischen stromdurchflossenen Leitern bestimmt wird.
2.8 Übungsaufgaben 2-1 Ein Ring kreisförmigen Querschnittes mit dem Innendurchmesser d1 = 54 mm und dem Außendurchmesser d2 = 74 mm wird mit Kupferlackdraht von 1,2 mm Durchmesser dicht bewickelt, so dass sich die Drähte an der Innenseite des Ringes berühren. In die Spule wird ein Strom von 2 A geschickt. Es ist die im Kern sich einstellende magnetische Flussdichte zu berechnen für den Fall, dass a) der Kern aus Plaste b) der Kern aus einem Magnetwerkstoff mit ȝr = 700 besteht! 2-2 Ein gerader Leiter wird von einem Strom von 4,2 A durchflossen. Welche magnetische Feldstärke und welche magnetische Flussdichte bestehen in einem Abstand von a) 6 cm b) 12 cm c) 25 cm vom Mittelpunkt des Leiterquerschnittes? 2-3 Welche Feldstärke und welche magnetische Flussdichte erzeugt ein von einem Strom von 180 A durchflossener gerader Kupferleiter von 10 mm Durchmesser a) im Abstand von 3 mm vom Querschnitt-Mittelpunkt (also im Inneren) b) auf der Drahtoberfläche c) im Abstand von 20 mm von der Leiteroberfläche? 2-4 Zwei parallele, im Abstand von 500 mm verlaufende Drähte führen je einen Strom von 21 A. Die Stromrichtung ist in beiden die gleiche. Wie groß ist die Feldstärke in den Punkten P1, P2, P3 und P4 (s. Bild 2.40)? Zeichnen Sie die Vektoren der Feldstärken in den 4 Punkten maßstabsgerecht ein!
58 2 Das magnetische Feld
Bild 2.40
Zur Aufgabe 2-4
Bild 2.41
Zur Aufgabe 2-5
2-5 Ein Vierleiterdrehstromsystem (s. Bild 2.41) führt im Augenblick der Betrachtung folgende Ströme : i1 = 750A, i2 = 750 A und i3 = 1500 A. Es ist die von diesen drei Strömen in der Mitte des Neutral-Leiters N hervorgerufene Feldstärke nach Größe und Richtung zu bestimmen! 2-6 Im Luftspalt des Elektromagneten nach Bild 2.42 soll eine magnetische Flussdichte von 0,5 T wirken. Von der Streuung der Feldlinien im Luftspalt und zwischen den Schenkeln des Kernes wird abgesehen, so dass der magnetische Fluss ĭ sowohl im Eisen als auch im Luftspalt der gleiche ist. Es sind zu berechnen : a) die erforderliche Durchflutung und die notwendige Stromstärke (N = 1000) b) der erforderliche Drahtdurchmesser (auf Zehntel mm aufgerundet), wenn die Stromdichte in der Wicklung 2,3 A/mm2 nicht überschreiten soll c) der Wicklungsquerschnitt des Spulenkörpers nach Bild 2.43!
Bild 2.42
Zur Aufgabe 2-6
Bild 2.43
Zur Aufgabe 2-6
(Hinweis : Drahtquerschnitt als Quadrat mit dem Durchmesser als Kantenlänge ansehen, zum Durchmesser 10 % für die Lackisolation aufschlagen, den gesamten Wicklungsquerschnitt um 25 % erhöhen, womit der sog. Füllfaktor (in der Praxis liegen die Wicklungen gewöhnlich nicht dicht nebeneinander) und die Zwischenisolation berücksichtigt werden. (Magnetisierungskurve nach Bild 2.20 benutzen!). 2-7 Der im Bild 2.44 dargestellte Magnetkreis führt eine magnetische Flussdichte von 0,5 T bei einem Erregerstrom von 0,4 A. Nachdem an der Stelle A – B ein Luftspalt angebracht wurde, erreicht man die gleiche Flussdichte mit einem Erregerstrom von 3 A. Wie breit ist der Luftspalt? 2-8 Für die Erregung eines Elektromagneten wird eine Spule mit 500 Windungen bei einem Strom von 13,5 A eingesetzt. Da das diesen Strom liefernde Gerät ausgefallen ist und als Ersatz nur ein Gerät, das auf Dauer 4 A liefern kann, zum Einsatz kommen soll, ist eine neue Spule zu wickeln, die den gleichen Magnetfluss wie früher erzeugt. Wie viele Windungen muss die neue Spule besitzen? 2-9 Ein mit 30 Windungen bewickelter Rahmen befindet sich im Magnetfeld. Es ist die in ihm induzierte Spannung zu berechnen, wenn sich der Magnetfluss innerhalb von 0,22 ms von 47 ȝWb auf 12 ȝWb erniedrigt. Welches Vorzeichen haben Quellenspannung und Spannung?
2.8 Übungsaufgaben
Bild 2.44
59
Zur Aufgabe 2-7
2-10 Eine Leiterschleife wird gemäß Bild 2.45 quer durch das (homogene) Feld eines Dauermagneten gezogen. Die Bewegung beginnt links und endet rechts von den Magnetpolen jeweils außerhalb des Feldes. Die Streuung von Feldlinien wird vernachlässigt, d.h. es wird angenommen, dass diese auch an den Rändern der Polflächen geradlinig von einem Pol zum anderen verlaufen. In welchen Bewegungsphasen wird eine Spannung induziert und wie groß ist sie, wenn die Leiterschleife eine Länge von l = 8 cm und eine Breite von b = 2,2 cm hat, ihre Geschwindigkeit v = 0,2 m/s ist und die Flussdichte im Luftspalt B = 1,4 T beträgt?
Bild 2.45 Zur Aufgabe 2-10 2-11 Der Läufer eines Generators besteht aus einer Trommel von 50 cm Durchmesser, an deren Umfang Stäbe von 71,4 cm Länge angebracht sind. Diese Anordnung dreht sich in einem Magnetfeld der Magnetische Flussdichte 0,7 T mit einer Drehzahl von 420 min–1. Wie groß ist die in einem Stab induzierte maximale Spannung und in welchen Bewegungsphasen nimmt die Spannung diesen Maximalwert an ? Wieviele Stäbe in Reihenschaltung müsste der Generator besitzen, damit hier eine Spannung von 220 V abgenommen werden kann? 2-12 Es sind zu berechnen: a) die Induktivität einer einlagigen Zylinder-Luftspule mit N = 500, einem Wicklungsdurchmesser d = 2 cm und einer Länge von l = 20 cm b) die Induktivität einer Spule der gleichen Geometrie, aber mit doppelter Windungszahl c) die Induktivität einer Reihenschaltung zweier Spulen nach a) d) die Induktivität einer Spule nach a) mit einem Eisenkern (ȝr = 1000)! Die Ergebnisse sind zu diskutieren! 2-13 Ein ohmscher Widerstand R = 2 ȍ und eine Spule der Induktivität L = 1,2 H sind in Reihe geschaltet. Sie werden von einem zunächst konstanten Strom von 0,5 A durchflossen. Ab dem Zeitpunkt t1 ändert sich der Strom linear innerhalb von 0,7 s auf 1,5 A und bleibt dann wieder konstant. Es sind zu berechnen und in einem gemeinsamen Zeitdiagramm darzustellen: a) der Strom b) die Spannungsabfälle über R und L c) die Gesamtspannung!
60 2 Das magnetische Feld 2-14 Eine aus zwei Einzelschienen im Abstand von 10 cm bestehende Doppelleitung besitzt eine Länge von 30 m. Durch einen Schaltfehler entsteht ein Kurzschluss, so dass die Doppelleitung einen Strom von 6000 A
Bild 2.46
Zur Aufgabe 2-15
führt. Wie groß ist die in der Leitung wirkende Kraft im Moment des Kurzschlusses? Unter welchen Bedingungen wird die zwischen den Einzelleitungen vorhandene Isolation auf Druck oder auf Zug beansprucht? 2-15 In einem magnetischen Feld der Flussdichte 0,9 T zwischen den Polschuhen eines Magneten befindet sich eine drehbar gelagerte Leiterschleife (s. Bild 2.46). Sie hat eine Länge von 40 cm, ist 25 cm breit und wird von einem Strom von 95 A durchflossen. Wie groß ist das an der Leiterschleife angreifende Drehmoment und in welcher Richtung dreht sie sich? Wie hängt das Drehmoment vom Drehwinkel ab und welche Bedingung muss erfüllt werden, damit die Drehbewegung kontinuierlich erfolgen kann?
3 Die passiven Bauelemente der Elektrotechnik Wir wollen hier einen sehr kurzen Abschnitt zusammenfassenden Charakters einfügen, der sich sowohl auf den Abschnitt 1 als auch auf den Abschnitt 2 bezieht. Bei der Behandlung des Strömungsfeldes (Abschnitt 1.2) ergab sich die Möglichkeit und die Notwendigkeit, den elektrischen Widerstand mit dem Wert R zu definieren. Gleiches gilt für den Kondensator der Kapazität C bei der Behandlung des elektrostatischen (Abschnitt 1.3) und für die Spule der Induktivität L bei der Betrachtung des magnetischen Feldes (Abschnitt 2). Diese drei Elemente sind die sogenannten passiven Grundbauelemente, aus denen im Prinzip alle elektrotechnischen Schaltungen aufgebaut sind. Dass sie sich so eindeutig aus den drei genannten Feldern ableiten lassen, deutet auf ihren fundamentalen Charakter hin, was uns übrigens veranlasst hat, diese Felder an den Anfang unserer Betrachtungen zu setzen. Wir stellen deshalb in der Tabelle 3.1 die bisher abgeleiteten Strom-Spannungs-Beziehungen dieser drei Bauelemente und die Gleichungen für die in ihnen erzeugte oder gespeicherte Energie zusammenfassend dar. Tab. 3.1
Die passiven Grundschaltelemente der Elektrotechnik
Widerstand
Kondensator
u=iR
u=
Spule
t
1 i dt C
³
u=L
0
u R
i=C
W =uit
We =
i=
di dt t
1 u dt L
du dt
i=
C u2 2
Wm =
³ 0
L i2 2
4 Berechnung von Stromkreisen bei Gleichstrom 4.1 Der unverzweigte Gleichstromkreis Ein unverzweigter Stromkreis besitzt keine Knotenpunkte. Alle Elemente, Spannungsquellen und Verbraucherwiderstände, sind in Reihe geschaltet.
4.1.1 Der elektrische Widerstand Der elektrische Widerstand wurde bereits im Abschnitt 1.2.3 im Strömungsfeld definiert. Dort haben wir mit Gl. (1.25) den Widerstand einer „Stromröhre“ (s. Bild 1.10) als Funktion ihrer Querschnittsfläche und ihrer Länge dargestellt. Diese Beziehung verwenden wir, wenn wir beispielsweise den Widerstand von linienhaften Leitern, die wir in der Elektrotechnik „Drähte“ nennen und die Stromröhren darstellen, berechnen wollen. Aber ein Bauelement, das einen elektrischen Widerstand bildet, muss nicht immer aus Drähten bestimmter Länge und bestimmten Querschnittes hergestellt („gewickelt“) werden, sondern kann auch so aufgebaut sein, dass es nicht möglich ist, seinen Widerstandswert einfach aus den Abmessungen zu berechnen. Wenn wir an ein solches Bauelement eine bekannte Spannung legen und den in das Element fließenden Strom messen (und das ist immer möglich), können wir nach Gl. (1.26) ebenfalls den elektrischen Widerstand bestimmen, in diesem Falle aber nicht aus den Abmessungen, sondern aus den elektrischen Größen U und I. Beide Methoden führen zum gleichen Ergebnis. Jedes elektrotechnische Bauelement, das an eine Spannung angeschlossen wird, setzt dem folgenden Stromfluss einen mehr oder weniger großen Widerstand entgegen, weil sich z.B. die Elektronen im Metall oder Halbleiterwerkstoff durch das Atomgerüst des Kristallgitters „hindurchzwängen“ müssen. Dieser Widerstand ist von der Temperatur abhängig, da die Intensität der Gitterschwingungen und/oder das Entstehen zusätzlicher freier Elektronen temperaturabhängig ist. Wir wollen die Temperaturabhängigkeit des elektrischen Widerstandes berechnen. Dazu beziehen wir uns auf einen Ausgangswert, den wir R0 nennen und der dem Widerstand bei Raumtemperatur (20 ºC) entsprechen soll. Wird die Temperatur um den Betrag ǻϑ geändert, ändert sich auch der elektrische Widerstand um den Betrag ǻR. Dabei gelten offensichtlich folgende Proportionen: ΔR ~ Δϑ
ΔR ~ R0
(4.1)
Mit einem Proportionalitätskoeffizienten wird daraus die Gleichung: ΔR = α R0 Δϑ
(4.2)
Für den Widerstand nach der Temperaturveränderung gilt dann: Rϑ = R0 + ΔR = R0 + α R0 Δϑ
(4.3)
Rϑ = R0 (1 + α Δϑ)
(4.4)
oder:
α ist der Temperaturkoeffizient des elektrischen Widerstandes (TK). Seine Dimension ist K–1 (Kelvin–1). Wir unterscheiden nach seinem Wert drei verschiedene Fälle:
4.1 Der unverzweigte Gleichstromkreis
Bild 4.1
63
Temperaturabhängigkeit des elektrischen Widerstandes
1. α > 0: Der Widerstand wird mit steigender Temperatur größer. Diese Charakteristik haben alle Metalle. Als Temperaturmesswiderstände nennt man sie PTC-Widerstände (Positive Temperature Coefficient). 2. α = 0: Der Widerstand bleibt konstant bei Veränderung der Temperatur. Diese Eigenschaft ist wichtig für Präzisions- und Messwiderstände. Die Legierungen Manganin und Konstantan besitzen diese Eigenschaft. 3. α < 0: Der Widerstand fällt mit steigender Temperatur. So verhalten sich die Halbleiterwerkstoffe und alle Isolatoren. Aus solchen Materialien hergestellte Temperaturmessfühler heißen NTC-Widerstände (Negative Temperature Coefficient). Bild 4.1 demonstriert diese drei Möglichkeiten.
4.1.2 Lineare und nichtlineare Widerstände Mittels der Versuchsanordnung nach Bild 4.2 stellen wir an dem Widerstand die verschiedensten Werte der Spannung ein und messen den zugehörigen Strom durch diesen Widerstand. Aus den Messwertepaaren bilden wir den jeweiligen Quotienten U/I, der, wie bereits im Abschnitt 1.2.3, Gl. (1.26) erläutert, den Wert des elektrischen Widerstandes darstellt.
Bild 4.2
Aufnahme der U-I-Kennlinie eines Widerstandes
Bild 4.3
Lineare und nichtlineare Abschnitte einer U-I-Kennlinie
64
4 Berechnung von Stromkreisen bei Gleichstrom
Wir stellen bei den Messungen fest, dass in den meisten Fällen das Verhältnis R = U/I konstant, also unabhängig von Spannung oder Strom, ist. Ein solcher Widerstand erfüllt folglich das Ohmsche Gesetz (s. Abschnitt 1.2.3 und insbesondere Gl. (1.28)). Deshalb sprechen wir in solchen Fällen von einem linearen oder auch ohmschen, andernfalls von einem nichtlinearen Widerstand (Die Bezeichnung nichtohmscher Widerstand ist möglich, aber weniger gebräuchlich). Lineare Widerstände erfüllen das Ohmsche Gesetz R = U/I = const, nichtlineare dagegen nicht. Bei einem aus Metalldraht gewickelten Widerstand könnte beispielsweise die Strom-Spannungskennlinie, gemessen mit unserer Versuchsanordnung nach Bild 4.2, das Aussehen nach Bild 4.3 a haben. Wir unterscheiden deutlich zwei Bereiche, den linearen, in dem das Ohmsche Gesetz R = const erfüllt ist und den nichtlinearen, in dem R vom Strom abhängt. Diese Stromabhängigkeit kommt dadurch zustande, dass durch hohe Ströme eine Erwärmung des Widerstandes stattfindet, die eine Widerstandserhöhung (s. Gl. (4.2)) nach sich zieht. Während im linearen Bereich bei allen Werten von Strom und Spannung überall auf der Kennlinie U/I = R = const gilt, ist z.B. im nichtlinearen Bereich U1/I1 = R1 < U2/I2 = R2. Hier hängt, wie wir sagen, der Widerstand vom Strom bzw. vom Arbeitspunkt auf der Kennlinie ab. Da er sich von Punkt zu Punkt ändert, sprechen wir von einem differenziellen Widerstand, der der Steigung der Kennlinie dU/dI im Arbeitspunkt entspricht. Wir beachten (s. Bild 4.3), dass sich differenzieller Widerstand und Verhältnis U/I in einem jeweiligen Arbeitspunkt voneinander unterscheiden, denn es sind (dU/dI)AP1 > U1/I1 = R1 und (dU/dI)AP2 > U2/I2 = R2. Den Verlauf des differenziellen Widerstandes der U-I-Kennlinie nach Bild 4.3 a zeigt Bild 4.3 b. Er ergibt sich durch Differenziation. Im folgenden beschäftigen wir uns nahezu ausschließlich mit linearen Widerständen. Sollten wir davon abweichen, werden wir das ausdrücklich vermerken.
4.1.3 Energie und Leistung im Gleichstromkreis Wir schlagen noch einmal den Abschnitt 1.2.4 auf und beachten insbesondere die Gl. (1.30) und erinnern uns daran, dass wir die elektrische Spannung als Quotient aus abgegebener elektrischer Energie und der diese Energie tragenden Ladungsmenge definiert haben. Wenn das Ladungsquantum dQ das Energiequantum dW liefert, ist die dazu notwendige Spannung entsprechend Gl. (1.30) U = dW/dQ, also dW = UdQ und mit dQ = Idt (s. Gl. (1.2)), dW = UIdt und somit die in der Zeit von t = 0 bis t erzeugte elektrische Energie: t
W = UI d t
³
(4.5)
0
oder, da es sich um Gleichspannungen und -ströme handelt, d.h. U = const und I = const, gilt: t
W = UI d t = U I t
³
(4.6)
0
Die Einheit der elektrischen Energie ist 1 Ws (Wattsekunde). Wir beachten, dass die Beziehung 1Ws = 1J (Joule) gilt. Insbesondere für die Umwandlung elektrischer in mechanische Energie, welches Aufgabe der Elektromotoren ist, ist es wichtig zu wissen, dass 1Ws = 1Nm (Newtonmeter) entspricht.
4.1 Der unverzweigte Gleichstromkreis
65
Je mehr Energie pro Zeiteinheit produziert wird, umso höher ist die Leistung des Energieproduzenten. Das wissen wir bereits aus dem Mechanikunterricht in der Schule. Leistung ist somit die Ableitung der Energie nach der Zeit. Also folgt aus Gl. (4.6) durch Differenziation: P = UI
(4.7)
Führen wir in diese Gleichung I = U/R oder U = IR ein, erhalten wir auch:
P=
U2 = I2 R R
(4.8)
Die Einheit der elektrischen Leistung ist 1W (Watt). Insbesondere dem weniger eng mit den elektrotechnischen Begriffen Vertrauten fällt es oft schwer, zwischen elektrischer Leistung und elektrischer Energie zu unterscheiden. Die Leistung eines elektrotechnischen Gerätes wird meist in kW (Kilowatt) angegeben und bestimmt im Wesentlichen dessen Größe. Sie ist eine das Gerät (eben dessen Leistungsfähigkeit) charakterisierende Kennziffer und deshalb vom Typschild ablesbar. Ein Gerät größerer Leistung „leistet mehr“ und produziert somit pro Zeiteinheit mehr elektrische Energie als ein Gerät geringerer Leistung. Die produzierte Energie hängt bei gegebener Leistung nur von der Zeitdauer ab, während der das Gerät eingeschaltet ist. Ein Gerät kleiner Leistung kann demnach, wenn es länger in Betrieb ist, mehr Energie abgeben als ein solches größerer Leistung. Ein Heizkörper mit einer Leistung von 1,5 kW erzeugt in einer Stunde eine elektrische Energie von W = 1,5 kW · 1 h = 1,5 kWh (Kilowattstunden). Ein Heizgerät mit einer Leistung von 1 kW produziert in einer Zeit von drei Stunden eine elektrische Energie von 3 kWh, also das Doppelte. Zur Bereitstellung der gleichen Energiemenge würde der größere der beiden Heizkörper allerdings nur zwei Stunden benötigen. Die elektrische Energie hängt folglich von der Betriebsdauer eines gegebenen Gerätes ab, ist deshalb keine dieses Gerät kennzeichnende Größe und aus diesem Grunde auch nicht auf dem Typschild angebracht.
4.1.4 Der Grundstromkreis Bereits im Abschnitt 1.2.4 haben wir die beiden Grundelemente eines elektrischen Stromkreises, die Spannungsquelle und den Verbraucherwiderstand, ausführlich diskutiert und den Stromkreis in Bild 1.12 a dargestellt. Dieses Bild ist in einer Hinsicht zu ergänzen, weil wir noch berücksichtigen müssen, dass auch innerhalb der Spannungsquelle den sie durchquerenden Elektronen ein
Bild 4.4
Grundstromkreis (a) und seine Bestandteile (b)
66 4 Berechnung von Stromkreisen bei Gleichstrom Widerstand entgegengesetzt wird. Wir nennen ihn Innenwiderstand Ri der Quelle. Damit ergibt sich das vollständige Schaltbild des so genannten Grundstromkreises nach Bild 4.4 a. Sämtliche noch so komplizierte Stromkreise und Vernetzungen lassen sich auf diesen elementaren Kreis zurückführen. Man kann bei Kenntnis seiner Gesetzmäßigkeiten wesentliche Schlussfolgerungen bezüglich des Zusammenwirkens von elektrischen Energieerzeugern und -verbrauchern ziehen, weshalb wir uns etwas eingehender mit ihm beschäftigen wollen. Wenn wir die Schaltungsstruktur analysieren, stellen wir zwei Bestandteile fest (s. Bild 4.4 b), deren Schnittstellen die Klemmen A und B sind. Links von diesen Klemmen befindet sich die Batterie mit Quelle und Innenwiderstand, aktiver Zweipol genannt, rechts der Widerstand, der einen beliebigen Verbraucher repräsentiert und den wir passiven Zweipol nennen. Wie die Elemente des Grundstromkreises sich beispielsweise auf die Bestandteile einer normalen Flachbatterie verteilen, zeigt das Bild 4.5. Wir erkennen:
Uq (Quellenspannung) und Ri (Innenwiderstand). U (Klemmenspannung) und Ra (Verbraucherwiderstand, Außenwiderstand) I (Strom, Klemmenstrom)
Ein aktiver Zweipol ist charakterisiert durch: Ein passiver Zweipol ist charakterisiert durch:
Beide Zweipole sind charakterisiert durch:
Bild 4.5
Stromkreis mit Flachbatterie
An Ri tritt der innere Spannungsabfall Ui = IRi auf. Bei Betrachtungen zum Grundstromkreis sind stets und nahezu ausschließlich der Strom und die Klemmenspannung von Interesse. Beide lassen sich auf einfache Weise herleiten. Zunächst ergibt der Maschensatz (s. Gl. (1.37)): −U q + U i + U = 0
(4.9)
Mit U = IRa und Ui = IRi folgt daraus für den Strom: I =
Uq Ri + Ra
(4.10)
und mit U = IRa für die Klemmenspannung: U = Uq
Ra Ri + Ra
(4.11)
4.1 Der unverzweigte Gleichstromkreis
Bild 4.6
67
Spezielle Betriebsfälle des Grundstromkreises
Bei gegebener Spannungsquelle kann man durch Variation des Außenwiderstandes alle möglichen Strom- und die zugehörigen Spannungswerte einstellen. Dabei gibt es jedoch drei Fälle, die sich vor den anderen auszeichnen, nämlich Ra = 0 (Kurzschluss), Ra ĺ (Leerlauf) und Ra = Ri (Anpassung). Das Bild 4.6 zeigt diese drei Fälle in ihrer praktischen Bedeutung.
1. Kurzschluss: Mit Ra = 0 folgt aus den Gln. (4.10) und (4.11): I = IK =
Uq
(4.12)
Ri
und U = UK = 0
(4.13)
IK nennen wir Kurzschlussstrom, UK Kurzschlussspannung. Der Kurzschlussstrom hängt allein von den Daten der Spannungsquelle ab. Die Kurzschlussspannung ist naturgemäß immer Null. 2. Leerlauf: Mit Ra ĺ ergibt sich aus den Gln. (4.10) und (4.11): I = IL = 0
(4.14)
U = U L = Uq
1 = Uq Ri +1 Ra
(4.15)
UL nennen wir Leerlaufspannung. Sie ist gleich der Quellenspannung. Der Strom ist bei Leerlauf natürlich immer Null. 3. Anpassung: Mit Ra = Ri erhalten wir aus den Gln. (4.10) und (4.11) unter Berücksichtigung der Gln. (4.12) und (4.15): I =
U =
Uq 2 Ri
Uq 2
=
IK 2
(4.16)
=
UL 2
(4.17)
In der Praxis liegen die Verbraucherwiderstände zwischen fast Null und sehr großen Werten. Bei speziell angestrebten Betriebsregimen wählt man Ra = Ri. Wir wollen nun die Strom-Spannungs-Kennlinien U = f(I) des Grundstromkreises ableiten. Klemmenspannung U und Strom I werden sowohl durch den aktiven als auch durch den passiven Zweipol bestimmt. Fließt Strom, tritt am Innenwiderstand der Spannungsabfall Ui (s. Bild 4.4 a) auf. An die Klemmen A und B kann nur die um Ui verminderte Quellenspannung gelangen:
68
4 Berechnung von Stromkreisen bei Gleichstrom
U = U q − U i = U q − IRi
(4.18)
Diese Gleichung stellt im U-I-Diagramm eine fallende Gerade dar (s. Bild 4.7a), die auf der Ordinate den Wert U = Uq und auf der Abszisse den Wert I = IK = Uq /Ri abschneidet und die umso stärker fällt, je größer der Innenwiderstand der Spannungsquelle ist. Sie ist die U-I-Kennlinie des aktiven Zweipols. Die Klemmenspannung U ist andererseits als Spannungsabfall am Außenwiderstand Ra bestimmt: U = Ra I
(4.19)
Diese Beziehung repräsentiert eine durch den Koordinatenursprung des U-I-Diagramms verlaufende Gerade, deren Steigung Ra ist (s. Bild 4.7b). Diese Gerade heißt U-I-Kennlinie des passiven Zweipols.
Bild 4.7
Arbeitspunkt-Entstehung im Grundstromkreis a) aktiver Zweipol b) passiver Zweipol c) Grundstromkreis
Werden aktiver und passiver Zweipol zusammengeschaltet, muss sich ein Betriebspunkt einstellen, der sowohl der Kennlinie des einen wie der des anderen genügt. Das aber ist nur im Schnittpunkt beider Linien möglich (s. Bild 4.7c). Diesen Schnittpunkt nennt man Arbeitspunkt des Grundstromkreises. Er hat die Koordinaten Klemmenstrom I und Klemmenspannung U. In welcher Richtung eine jeweilige Parameteränderung wirkt, ist im Bild 4.7 c angedeutet. Hinter jeder Steckdose verbirgt sich im Prinzip ein aktiver Zweipol. Die Steckbuchsen der Dose sind dabei die Klemmen A und B. Schließen wir ein Elektrogerät an, stellt dieses den Außen- oder Verbraucherwiderstand, der der Steckdose Strom entnimmt, dar. Durch Anschluss mehrerer Verbraucher wird der entnommene Strom größer. Damit vergrößert sich auch der Spannungsab-
4.1 Der unverzweigte Gleichstromkreis
69
fall Ui an dem hinter der Steckdose platzierten Innenwiderstand Ri. Die Folge ist ein Absinken der Klemmenspannung und damit der vom Verbraucher aufgenommenen Leistung. Dann dauert es länger, bis das Bügeleisen heiß ist oder die erforderliche Endtemperatur wird nicht erreicht oder die angeschlossene Glühlampe brennt nicht hell genug usw.. In der Praxis der Stromversorgung werden diese Klemmenspannungsschwankungen bei Laständerungen ausgeregelt. Diese Regelung wirkt meist so, dass in den Ortsnetzen die Transformatoren derart verstellt werden, dass sie je nach Belastung verschieden große Quellenspannungen liefern. Auf diese Weise wird der so genannte Spannungsfall zwischen Quelle und Verbraucher vermieden. Wir sehen, dass wir mittels der einfachen Kenntnisse vom Grundstromkreis bereits wichtige praktische elektrotechnische Sachverhalte verstehen können. Dabei konnten wir die eigentlich für einen Gleichstromkreis abgeleiteten Gesetze auch auf den technischen Wechselstrom aus der Steckdose anwenden und so die Allgemeingültigkeit dieser Gesetze unterstreichen.
4.1.5 Leistungsumsatz im Stromkreis Wir betrachten eine Spannungsquelle oder einen elektrischen Generator mit der Quellenspannung Uq und dem Innenwiderstand Ri, der auf einen Außenwiderstand Ra arbeitet. Das Schaltbild entspricht dem des Grundstromkreises nach Bild 4.4. Wir wollen berechnen: die gesamte im Kreis erzeugte elektrische Leistung Pg, die am Verbraucherwiderstand umgesetzte elektrische Leistung Pa sowie den Wirkungsgrad η, den wir hier sinnvollerweise als Verhältnis von an Ra umgesetzter Leistung und der Gesamtleistung definieren, also η = Pa/Pg. Für die folgenden Berechnungen benutzen wir die im vorigen Abschnitt für Strom und Klemmenspannung abgeleiteten Beziehungen. Damit die von uns erhaltenen Ergebnisse allgemeingültiger Natur sind, führen wir eine Normierung durch, d.h. wir stellen die zu berechnenden Größen als Funktion des Verhältnisses Ra/Ri dar. Die Gesamtleistung entspricht dem Produkt aus Strom und Quellenspannung. Unter Beachtung von Gl. (4.10) können wir daher schreiben: Pg = I U q =
U q2 Ri + Ra
=
U q2 Ri
⋅
1 R 1+ a Ri
(4.20)
Für Ra = 0 (Kurzschluss) erhält man daraus die so genannte Kurzschlussleistung der Quelle: PK =
U q2 Ri
= IK Uq
(4.21)
Das ist die (theoretisch) größte Leistung, die die Quelle zu liefern imstande ist. Wir berechnen nun die am Verbraucher Ra umgesetzte Leistung unter Beachtung von Gl. (4.11): Ra U 2 U q2 Ri = Pa = 2 Ra Ri § Ra · + 1 ¨ ¸ Ri ¹ ©
Der Wirkungsgrad ist somit:
(4.22)
70
4 Berechnung von Stromkreisen bei Gleichstrom
Ra Pa Ri η= = Pg 1 + Ra Ri
(4.23)
In Bild 4.8 sind die Abhängigkeiten der beiden berechneten Leistungen und des Wirkungsgrades vom Verhältnis Ra/Ri aufgetragen. Wir ziehen aus diesem Diagramm zwei sehr wesentliche Schlussfolgerungen:
Bild 4.8
Leistungskennlinien des Grundstromkreises
1. In der Elektroenergietechnik (Starkstromtechnik) können wir ein Kraftwerk als Spannungsquelle mit Uq und Ri auffassen, welches über Fernleitungen die elektrische Energie an die angeschalteten Verbraucher Ra liefert. Für diese Energieversorgung ist aus ökonomischen Gründen ein großer Wirkungsgrad erforderlich. Wir entnehmen Bild 4.8, dass dies nur für große Werte von Ra/Ri möglich ist. Nach der Beziehung Pa = U 2/Ra (s. Gl. (4.8)) sind aber hohes Ra und gleichzeitig hohes Pa einander widersprechende Forderungen. Bei großem Ra kann großes Pa nur dann erreicht werden, wenn man die Übertragung vom Kraftwerk an den Verbraucher bei sehr hohen Spannungen realisiert. Das ist der Grund, warum die Elektrizitätsversorgung über Hoch- und Höchstspannungsleitungen erfolgen muss. Wir alle kennen die Hochspannungsmasten in der freien Natur und die von ihnen getragenen Leitungssysteme aus eigener Anschauung. Dabei ist die Spannung umso höher, je weiter die Energieübertragung erfolgen muss. Deshalb sind z.B. in Deutschland Maximalspannungen von 380 kV, in Kanada oder Russland jedoch bis zu 1150 kV (1,15 MV) üblich. 2. In der Elektroinformationstechnik (Schwachstromtechnik) spielt der Wirkungsgrad einer Energieübertragung wegen der kleinen elektrischen Leistungen keine entscheidende Rolle. Hier ist es vielmehr wichtig, dass der maximal mögliche Absolutwert der Leistung zum Verbraucher gelangt. Das ist, wie ein Blick auf die Kurve für Pa zeigt, für Ra/Ri = 1, d.h. für Ra = Ri, der Fall (Anpassung). Es gibt viele Beispiele in der Informationstechnik, wo man bei gegebenen Signalquellen besondere Maßnahmen ergreift, um den Signalempfängern, also den Energieverbrauchern, deren Widerstand Ra meist erheblich vom Innenwiderstand der Signalquelle Ri abweicht, künstlich einen anderen Ra-Wert zu geben, so dass Ra = Ri wird (zu dieser Problematik siehe z.B. Abschnitt 8.3.2.4).
4.2 Der verzweigte Gleichstromkreis
71
4.2 Der verzweigte Gleichstromkreis 4.2.1 Vereinfachung von Widerstandsnetzwerken Bild 4.9 zeigt elektrische Netzwerke, die im allgemeinen aus Spannungsquellen und Verbraucherwiderständen bestehen (Bild 4.9 a). Sind keine Quellen vorhanden, sprechen wir von einem passiven Widerstandsnetzwerk (Bild 4.9 b). Bei diesen besteht oftmals die Aufgabe, den Strom, der in die Klemme A des Netzwerkes hineinfließt und aus der Klemme B wieder herausfließt, zu berechnen, wenn die zwischen A und B anliegende Spannung bekannt ist. Diese Aufgabe wird
Bild 4.9
Elektrische Netzwerke a) aktiv b) passiv
gelöst, indem man den zwischen den Klemmen wirksamen Widerstand, den Ersatzwiderstand, aus der Konfiguration des Netzwerkes bestimmt und danach einfach aus dem Ohmschen Gesetz den Klemmenstrom mit der anliegenden Spannung berechnet. Diese Zusammenfassung vernetzter Widerstände zu einem einzigen wollen wir jetzt behandeln. Reihenschaltung. Bild 4.10 zeigt eine Reihen- oder Serienschaltung von insgesamt n Widerständen mit dem zugehörigen Ersatzschaltbild. Bereits aus dem Physikunterricht in der Schule wissen wir, dass der Ersatzwiderstand der Reihenschaltung der Summe der Einzelwiderstände entspricht: Rers =
n
¦ Rv
(4.24)
v =1
Kriterium für die Reihenschaltung ist, dass alle Widerstände von demselben Strom durchflossen werden. Er passiert alle Bauelemente „der Reihe nach“. Die Spannungen an den einzelnen Widerständen sind im allgemeinen verschieden und hängen vom Strom und dem jeweiligen Widerstandswert ab. Wenn der Widerstand nach Gl. (4.24) richtig berechnet ist, kann man die Einzelwiderstände durch einen Ersatzwiderstand ersetzen. Die Ersatzschaltung hat dann das gleiche Klemmenverhalten wie das Original. Eine Untersuchung einzelner Spannungsabfälle an den Widerständen ist in der Ersatzschaltung aber nicht mehr möglich.
72
4 Berechnung von Stromkreisen bei Gleichstrom
Bild 4.10
Reihenschaltung mit Ersatzschaltbild
Parallelschaltung. Bild 4.11 zeigt eine Parallelschaltung von n Einzelwiderständen und das entsprechende Ersatzschaltbild. Auch hier ist uns das Bildungsgesetz für den Ersatzwiderstand bereits bekannt: 1 = Rers
n
1
¦ Rv
(4.25)
v =1
Der Kehrwert des Ersatzwiderstandes ist gleich der Summe der Kehrwerte der Einzelwiderstände der Originalschaltung. Oder, da der Kehrwert eines Widerstandes seinem Leitwert entspricht: Gers =
n
¦ Gv
(4.26)
v =1
Der Leitwert der Ersatzschaltung entspricht der Summe der Einzelleitwerte. Kriterium für die Parallelschaltung ist, dass alle Widerstände an der gleichen Spannung liegen, d.h. an die gleichen Klemmen angeschlossen sind. Die Ströme durch die Widerstände sind im allgemeinen verschieden und hängen von der Spannung und der Größe des jeweiligen Widerstandes ab. Bei der Parallelschaltung ist der Ersatzwiderstand immer kleiner als der kleinste der Einzelwiderstände. Das ist leicht einzusehen, weil zu dem kleinsten Widerstand der Schaltung (zwar größere) Widerstände parallel geschaltet sind, was im Prinzip einer Querschnittsvergrößerung für den Gesamtstrom entspricht. Der Gesamtwiderstand muss deshalb kleiner als der kleinste Einzelwiderstand sein. Die Überbrückung eines einzelnen Widerstandes durch eine Kurzschlussverbindung führt somit immer zum Kurzschluss der gesamten Schaltung, was bei einer Reihenschaltung nicht passieren kann.
Bild 4.11
Parallelschaltung mit Ersatzschaltbild
4.2 Der verzweigte Gleichstromkreis
73
Bei der praktischen Berechnung von Parallelschaltungen muss man folgendes beachten. Das Bauelement Widerstand wird umgangssprachlich immer durch seinen Widerstandswert in Ohm charakterisiert. Will man mit Leitwerten nach Gl. (4.26) rechnen, sind diese erst durch Kehrwertbildung zu bestimmen, was in der Regel zu sehr kleinen Dezimalbrüchen führt. Die Gl. (4.26) sollte man deshalb erst bei mehr als drei parallel geschalteten Widerständen benutzen. Für den Fall zweier Widerstände ergibt sich aus Gl. (4.25) eine gut zu merkende Beziehung für deren Ersatzwiderstand: Rers =
R1 R2 R1 + R2
(4.27)
Diese Gleichung ist bequem zu handhaben und man verbleibt mit den Werten in gut überschaubaren Zahlenbereichen. Da die Parallelschaltung zweier Widerstände sehr häufig vorkommt, wollen wir uns diese Beziehung einprägen. Die analoge Formel für drei Widerstände möge sich der Leser selbst ableiten. Sicherlich erkennt er dabei, dass zwei dieser Widerstände nach Gl. (4.27) zusammengefasst werden können, so dass zwei parallel geschaltete verbleiben, auf die sich wiederum Gl. (4.27) anwenden lässt. Auf diese Weise ist der Ersatzwiderstand schnell zu berechnen. Gemischte Schaltungen. Bereits Bild 4.9 hat uns gezeigt, dass meist weder reine Reihen- noch reine Parallelschaltungen in der Praxis auftreten. Es handelt sich meist um gemischte Schaltungen, bei denen es darauf ankommt zu erkennen, wo Netzwerkteile als Reihen- oder Parallelschaltung existieren. Diese Schaltungsteile sind mittels der behandelten Methoden berechen- und zusammenfassbar. Man gelangt so sukzessive zu dem Ersatzwiderstand des Netzes. Beispielsweise sind die Widerstände R5 und R6 der Schaltung nach Bild 4.9 b parallel geschaltet. Ihr Ersatzwiderstand R5,6 ist nach Gl. (4.27) zu berechnen. R5,6 aber liegt in Reihe mit R4, also ist R4,5,6 = R5,6 + R4 usw.. Auf diese leicht nachvollziehbare Weise erhält man letztlich den einzigen Ersatzwiderstand der Schaltung, der deren Klemmenverhalten bestimmt. Dreieck-Stern-Umwandlung. Es gibt elektrische Netzwerke, die Schaltungsteile enthalten, die weder Reihen- noch Parallelschaltungen sind. Das sind beispielsweise die so genannten gebrückten Schaltungen. Bild 4.12 zeigt eine solche Konfiguration. Der Widerstand R1,3 ist z.B. nicht mit R3,4 in Reihe geschaltet, denn beide werden nicht von demselben Strom durchflossen, weil der durch R1,3 fließende sich in einen durch R2,3 und einen durch R3,4 fließenden Strom aufteilt. R1,3 und R3,4 sind aber auch nicht parallel geschaltet, da sie nicht an den gleichen Klemmen angeschlossen sind (nur eine Klemme bzw. den Knotenpunkt „3“ haben beide gemeinsam). Die oben genannten Gesetzmäßigkeiten zur Schaltungsvereinfachung sind folglich nicht anwendbar. Deshalb gibt es hier Spezialverfahren, von denen die Dreieck-Stern-Umwandlung das wichtigste ist. Sie wird an Hand des Bildes 4.13 erklärt.
Bild 4.12
Gebrückte Schaltung
Zunächst vergleichen wir Bild 4.13 a mit Bild 4.12 und erkennen auch bei wenig Erfahrung, dass die beiden hier dargestellten Schaltungen völlig identisch sind. Wir sehen in der neuen Darstel-
74
4 Berechnung von Stromkreisen bei Gleichstrom
lung, dass nun die Widerstände R1,2, R2,3 und R1,3 ein Dreieck bilden. Wenn es uns gelingen würde, diese innerhalb der Knotenpunkte „1“ „2“ und „3“ liegende Dreieckschaltung zwischen der gleichen Knoten in eine Schaltung von ebenfalls drei Widerständen R1,0, R2,0 und R3,0 nach
Bild 4.13
Dreieck-Stern-Umwandlung a) Originalschaltung b) äquivalente Sternschaltung
Bild 4.13 b (diese Schaltungskonfiguration heißt Sternschaltung und der Knotenpunkt „0“ Sternpunkt) umzuwandeln, wäre der Ersatzwiderstand zwischen den Punkten „1“ und „4“ berechenbar. Denn in der Sternschaltung gibt es, wie wir sehen, eindeutige Reihen- und Parallelschaltungsverhältnisse. Damit Äquivalenz zwischen dem Dreieck und dem Stern besteht, müssen wir fordern, dass der jeweilige Widerstand zwischen den Punkten „1“ und „2“, „1“ und „3“ sowie „2“ und „3“ sowohl für das Dreieck als auch für den Stern den gleichen Wert besitzt, d.h. es müssen folgende Gleichungen erfüllt sein:
Punkte 1-2: R1,0 + R2,0 =
R1,2 ( R1,3 + R2,3 ) R1,2 + R1,3 + R2,3
(4.28)
R1,3 ( R1,2 + R1,3 ) R1,2 + R1,3 + R2,3
(4.29)
Punkte 1-3: R1,0 + R3,0 =
Punkte 2-3: R2,0 + R3,0 =
R2,3 ( R1,2 + R1,3 ) R1,2 + R1,3 + R2,3
(4.30)
Da alle Widerstände der Ausgangsschaltung, also die Dreieckwiderstände, bekannt sind, haben wir drei Gleichungen für die drei unbekannten Sternwiderstände R1,0, R2,0 und R3,0. Die Auflösung dieses Gleichungssystems ergibt: R1,0 = R2,0 = R3,0 =
R1,2 R1,3 R1,2 + R1,3 + R2,3 R1,2 R2,3 R1,2 + R1,3 + R2,3 R1,3 R2,3 R1,2 + R1,3 + R2,3
(4.31) (4.32) (4.33)
4.2 Der verzweigte Gleichstromkreis
75
Damit sind alle Widerstände der Schaltung nach Bild 4.13 b bekannt. Der Ersatzwiderstand der gesamten Schaltung zwischen den beiden Punkten „1“ und „4“ ist problemlos zu errechnen, denn nun liegen durch die Umwandlung reine Reihen- und Parallelschaltungen vor: Rers = R1,4 = R1,0 +
( R2,0 + R2,4 )( R3,0 + R3,4 ) R2,0 + R3,0 + R2,4 + R3,4
(4.34)
4.2.2 Teilerregeln 4.2.2.1 Die Stromteilerregel Die Stromteilerregel bezieht sich auf Parallelschaltungen und erlaubt die Berechnung der jeweils durch die Widerstände fließenden Ströme. Wir beschränken uns zunächst nur auf zwei Widerstände, an denen wir alles Charakteristische einer Stromteilung bereits erkennen können. Bild
Bild 4.14
Zur Stromteilerregel
4.14 zeigt die Original- und die Ersatzschaltung sowie den Gesamtstrom, die beiden Teilströme und die anliegende Spannung. Da an den Klemmen beider Schaltungen jeweils die gleiche Spannung liegt, lassen sich folgende Beziehungen aufstellen: U = I1 R1 = I 2 R2 = I Rers
(4.35)
Daraus folgt zunächst für die Teilströme: I1 R G = 2 = 1 I2 R1 G2
(4.36)
Die Teilströme verhalten sich wie die Leitwerte bzw. umgekehrt wie die Widerstände, die von den Teilströmen durchflossen werden. Wie aus der Herleitung über die gemeinsame Spannung erkennbar ist, gilt dieses Prinzip für beliebig viele parallel geschaltete Widerstände. Liegt z.B. eine Parallelschaltung von n Widerständen vor, folgt für zwei beliebige Ströme Ii und Ij, die die Widerstände Ri bzw. Rj in dieser Schaltung durchfließen: Rj Ii = I j Ri
Aus Gl.(4.35) folgt weiter für die Teilströme im Verhältnis zum Gesamtstrom:
(4.37)
76
4 Berechnung von Stromkreisen bei Gleichstrom
I1 Rers = I R1
I2 R = ers I R2
(4.38)
Ein Teilstrom verhält sich zum Gesamtstrom wie der Ersatzwiderstand der Parallelschaltung zu dem Widerstand, der von dem Teilstrom durchflossen wird. Bei n parallel geschalteten Widerständen gilt für den Strom im i-ten Widerstand: Ii R = ers I Ri
(4.39)
n 1 1 = Rers v =1 Rv
(4.40)
mit
¦
Anwendungsbeispiel. Die Stromteilerregel findet bei der Messbereichserweiterung von Strommessern Anwendung. Wenn wir z.B. einen Strommesser mit einem Endausschlag von 5 A haben, wollen aber mit ihm einen Strom von maximal 20 A messen, dann müssen wir dafür sorgen, dass, wenn der Strom einen Wert von 20 A besitzt, nur 5 A durch den Strommesser fließen. Es ist also erforderlich, dass ein Widerstand parallel geschaltet wird, der die „überschüssigen“ 15 A aufnimmt. Mit diesem Parallelwiderstand, der in
Bild 4.15
Messbereichserweiterung bei einem Strommesser
dieser Verwendung zur Messbereichserweiterung Shunt heißt, wird der Strommesser Endausschlag anzeigen (durch ihn fließt ein Strom von 5 A), wenn der Gesamtstrom 20 A ist. Diese Aufteilung des gesamten zu messenden Stromes auf Messgerät und Shunt wird mittels der Stromteilerregel berechnet. Bild 4.15 zeigt eine solche Anordnung. RA ist der Widerstand des Amperemeters. Die Stromteilerregel für die Teilströme ergibt:
Rp =
IA RA Ip
Wenn der Innenwiderstand des Strommessers z.B. 12 Ω beträgt, ist zur Erfüllung der geschilderten Messaufgabe für IA = 5 A und Ip = 15 A ein Shunt mit dem Widerstand von Rp = 4 Ω erforderlich.
4.2.2.2 Die Spannungsteilerregel Die Spannungsteilerregel bezieht sich auf Reihenschaltungen von Widerständen. Sie erlaubt die Berechnung der an ihnen wirksamen Spannung. Auch hier betrachten wir zunächst nur zwei Widerstände. Bild 4.16 zeigt die Schaltung und das entsprechende Ersatzschaltbild mit Gesamtspannung, Teilspannungen und dem durch die beiden Widerstände fließenden Strom. Da dieser für beide der gleiche ist, können wir schreiben: I =
U1 U 2 U = = R1 R2 Rers
(4.41)
4.2 Der verzweigte Gleichstromkreis
Bild 4.16
77
Zur Spannungsteilerregel
Daraus ergibt sich für die Teilspannungen: U1 R = 1 U2 R2
(4.42)
Die Teilspannungen verhalten sich wie die Widerstände, an denen sie abfallen. Bei beliebig vielen in Reihe geschalteten Widerständen gilt für das Verhältnis zweier Spannungen Ui und Uj, die an den Widerständen Ri bzw. Rj anliegen: Ui R = i U j Rj
(4.43)
Aus Gl. (4.41) ergeben sich für die beiden Teilspannungen im Verhältnis zur Gesamtspannung: U1 R = 1 U Rers
U2 R = 2 U Rers
(4.44)
Eine Teilspannung verhält sich zur Gesamtspannung wie der Widerstand, an dem diese Teilspannung abfällt, zu dem Ersatzwiderstand der Reihenschaltung.
Bei n in Reihe geschalteten Widerständen gilt für die Spannung am i-ten Widerstand: Ui R = i U Rers
(4.45)
mit Rers =
n
¦ Rv
(4.45)
v =1
Anwendungsbeispiele. Die Spannungsteilerregel wird bei der Messbereichserweiterung von Spannungsmessern angewandt. Besitzen wir beispielsweise einen Spannungsmesser mit dem Endausschlag 100 V, möchten ihn aber für die Messung einer maximalen Spannung von 1000 V einsetzen, müssen wir vor ihn bzw. in Reihe zu ihm einen Widerstand (Vorwiderstand) schalten, der beim Anlegen von 1000 V die Spannung von 900 V aufnimmt, so dass 100 V für das Voltmeter übrigbleiben, für die es dimensioniert ist. Bild 4.17 zeigt die Schaltung. Aus der Spannungsteilerregel für Teilspannungen folgt:
Rv =
Uv Rs Us
78
4 Berechnung von Stromkreisen bei Gleichstrom
Für das genannte Beispiel muss der Vorwiderstand demzufolge einen Wert von 180 kΩ besitzen, wenn der Innenwiderstand des Spannungsmessers 20 kΩ ist.
Bild 4.17
Messbereichserweiterung bei einem Spannungsmesser
Bild 4.18
Potenziometerschaltung
Ebenfalls mit der Spannungsteilerregel berechnet man die Ausgangsspannung eines sog. Spannungsteilers oder Potenziometers (s. Bild 4.18). Der Teilwiderstand RT kann über einen Abgriff kontinuierlich verstellt werden. Beim sog. unbelasteten Spannungsteiler (d.h. sehr großer Widerstand des nachgeschalteten Verbrauchers, an den die Spannung UT weitergegeben wird) ergibt sich für die abgegriffene Spannung nach der Spannungsteilerregel für Teil- und Gesamtspannung: UT =
RT U R
Durch Verstellen des Abgriffs ist UT zwischen Null (RT = 0) und der Gesamtspannung U (RT = R) einstellbar.
4.2.3 Berechnung verzweigter Stromkreise mittels der Gesetze von Kirchhoff Die beiden Kirchhoffschen Gesetze, die wir auch Knotenpunkt- bzw. Maschensatz nennen, haben wir bereits im Abschnitt 1.2. kennengelernt. Jetzt wollen wir mit ihrer Hilfe ein konkretes Netzwerk berechnen, z.B. das in Bild 4.19 dargestellte.
Bild 4.19
Zur Netzwerksberechnung mittels der Kirchhoffschen Sätze a) Originalnetzwerk b) Zur Berechnung vorbereitetes Netzwerk
Bei solchen Berechnungen besteht die Aufgabe immer darin, bei gegebener Schaltung und gegebener Größe der Quellenspannungen und der Widerstände die vorkommenden Ströme zu berechnen. Bevor wir damit beginnen, nehmen wir zwei für Netzwerke wichtige Definitionen zur Kenntnis: 1. Die Verbindung zweier benachbarter Knoten nennt man einen Stromzweig oder Zweig. Ein Netzwerk hat soviel verschiedene Ströme wie Zweige. 2. Einen in sich geschlossenen Umlauf im Netzwerk nennt man eine Masche.
4.2 Der verzweigte Gleichstromkreis
79
Der erste Lösungsschritt besteht darin, die Richtungspfeile für die Quellenspannungen und die Ströme durch die einzelnen Widerstände (damit die Richtung der Spannungsabfälle) in das Schaltbild einzuzeichnen. Der Pfeil von Uq zeigt dabei immer vom Plus- zum Minuspol der Batterie (s. Bild 1.14) und ist somit durch deren Lage im Schaltbild fest vorgegeben. In welcher Richtung der Strom durch den jeweils betrachteten Widerstand fließt, ist von vornherein nicht bekannt. Deshalb legen wir die Stromrichtung willkürlich fest. Wenn wir am Ende der Rechnung einen negativen Strom erhalten, ist die Richtung nachträglich zu ändern. In den meisten Fällen ist aber nur der Strombetrag und nicht die Richtung von praktischem Interesse. Im zweiten Schritt legen wir, ebenfalls willkürlich, rechts oder links herum, den Umlaufsinn der ausgewählten Maschen fest, um zu bestimmen, ob wir bei der Aufsummierung die einzelnen Spannungen positiv oder negativ zählen müssen. Bild 4.19 b zeigt die Realisierung dieser beiden Schritte mit allen Pfeilen für Spannungen und Ströme und dem jeweiligen Umlaufsinn dreier sinnvoller Maschen I bis III in dem zu berechnenden Netzwerk. Es enthält drei Zweige, folglich drei zu berechnende Ströme I1 bis I3. Im dritten Schritt stellen wir die Knotenpunkts- und Maschengleichungen auf. Wir beginnen mit der Gleichung der Masche I. Sie enthält zwei Widerstände: R1 (durchflossen vom Strom I1) und R2 (durchflossen vom Strom I2) sowie eine Batterie der Quellenspannung Uq1. Die Anwendung des Maschensatzes ergibt als Spannungsbilanz entsprechend Gl. (1.37):
Masche I: R1 I1 + R2 I 2 − U ql = 0
(4.47)
R1 I1 + R2 I 2 = U ql
(4.48)
oder: Genauso folgt für die beiden anderen Maschen:
Masche II: R2 I 2 + ( R3 + R4 ) I3 = U q 2
(4.49)
Masche III: R1 I1 − ( R3 + R4 ) I 3 = U ql − U q 2
(4.50)
Mit den Maschengleichungen haben wir ein Gleichungssystem gewonnen, das aus drei Gleichungen für drei unbekannte Ströme besteht. Ihre Auflösung nach den Strömen sollte uns das Berechnungsergebnis liefern. Wie wir es in der Mathematik bei der Behandlung linearer Gleichungssysteme gelernt haben, prüfen wir zunächst, bevor wir voreilig losrechnen, ob dieses System überhaupt lösbar ist und zwar dadurch, dass wir den Rang der Koeffizienten- und den Rang der erweiterten Koeffizientenmatrix der Gln. (4.48) bis (4.50) bestimmen. Als Ergebnis erhalten wir für den Rang beider Matrizen ρ = 2, d.h. das Gleichungssystem ist wegen ρ < n (n = 3, drei unbekannte Ströme) nicht eindeutig lösbar. Die Gleichungen sind linear abhängig. Also müssen wir eine der drei Maschengleichungen weglassen. Die fehlende dritte Gleichung für die unbekannten Ströme versuchen wir uns mittels des Knotenpunktsatzes zu beschaffen. Wir haben zwei Knoten A und B und es gilt für sie nach Gl. (1.32):
Knoten A: − I1 + I 2 − I 3 = 0
(4.51)
Knoten B: I1 − I 2 + I3 = 0
(4.52)
80
4 Berechnung von Stromkreisen bei Gleichstrom
Wir erkennen, dass auch diese beiden Gleichungen linear voneinander abhängen, also nur eine von ihnen für die Stromberechnung verwendbar ist. Zur Komplettierung unseres Systems genügt aber eine Gleichung, weil wir bereits zwei unabhängige Maschengleichungen zur Verfügung haben. Wenn wir beispielsweise die Maschengleichung III (4.50) und die Knotengleichung A (4.51) weglassen, erhalten wir das System:
R1 I1 + R2 I2 R2 I2 + (R3 + R4) I3 I1 –
I2
I3
= Uql
(4.53)
= Uq2
(4.54)
=0
(4.55)
Wir überzeugen uns, dass der Rang von Koeffizienten- und erweiterter Koeffizientenmatrix ρ = 3 ist und somit der Anzahl der unbekannten Ströme entspricht (ρ = n). Das Gleichungssystem (4.53) bis (4.55) ist nun eindeutig lösbar. Der vierte Schritt besteht also in der Lösung des Gleichungssystems und der fünfte endlich darin, die Richtung derjenigen Ströme im Ausgangsschaltbild zu korrigieren, die im Ergebnis der Rechnung ein negatives Vorzeichen haben. Beispiel: In der Schaltung nach Bild 4.19 sind gegeben: R1 = 5Ω, R2 = 20 Ω, R3 = 6 Ω und R4 = 3 Ω sowie Uq1 = 4 V und Uq2 = 2 V. Es folgen aus dem aufgestellten Gleichungssystem mit den festgelegten Richtungspfeilen nach Bild 4.19 b die Ströme I1 = + 0,234 A, I2 = + 0,142 A und I3 = – 0,092 A. I3 fließt somit in umgekehrter Richtung als im Bild angegeben, d.h. vom Knoten B weg und nicht in ihn hinein.
Allgemein lässt sich für die Berechnung von Netzwerken mittels der Gesetze von Kirchhoff formulieren: Nach Eintragen der Richtungspfeile für die Spannungsquellen entsprechend ihrer Polarität im Netzwerk legt man willkürlich die Stromrichtungen und die Maschenumläufe fest. Danach werden die unabhängigen Knotenpunkts- und Maschengleichungen aufgestellt. Dazu merken wir uns: 1. Bei k Knoten im Netzwerk existieren immer k-1 unabhängige Knotenpunktsgleichungen. Da man die Anzahl der Knoten meist schnell erkennen kann, sollten wir diese k-1 Gleichungen zuerst aufstellen. 2. An Maschengleichungen sind immer so viele voneinander unabhängig, wie so genannte Einzel- oder einfache Maschen vorhanden sind. Einfach ist eine Masche dann, wenn in der vom Umlaufweg aufgespannten Fläche kein Bauelement vorhanden ist. Folglich ist die Masche III nach Bild 4.19 keine einfache, weil inmitten der vom Umlauf aufgespannten Fläche der Widerstand R2 liegt. Einfache Maschen sind demnach I und II. Wie wir an dem Beispiel gesehen haben, enthält es zwei unabhängige Maschengleichungen. Bei der Aufstellung der Gleichungen sollten wir die einfachen Maschen erkennen, die uns unabhängige Ausdrücke liefern. 3. Haben wir z Zweige bzw. unbekannte Ströme, dann sind m = z – (k – 1) Maschengleichungen für die Komplettierung des Gleichungssystems erforderlich. Genauso viele Maschengleichungen wie zur Komplettierung fehlen, sind auch voneinander unabhängig, so dass man immer z unabhängige Gleichungen bekommen kann, womit das Netzwerk eindeutig berechenbar ist.
4.2 Der verzweigte Gleichstromkreis
81
Wenn wir Netzwerke mittels der Gesetze von Kirchhoff berechnen, also die Lösungen des entsprechenden linearen Gleichungssystems suchen, werden wir einschlägige Berechnungsprogramme nutzen, die heutzutage in Taschenrechnern zur Verfügung stehen. Schematische Anwendung dieser Programme aber führt zu gefährlicher Blindheit und wir sollten uns bemühen, die inneren Zusammenhänge, die wir nicht ohne Absicht in diesem Abschnitt ausführlich dargestellt haben, niemals aus dem Auge zu verlieren. Andere Methoden zur Netzwerkberechnung, die oft zu Vereinfachungen führen, sind das Überlagerungs- oder Superpositionsprinzip von Helmholtz, die Zweipoltheorie oder die so genannte Maschenstromanalyse. Auf sie können wir im Rahmen dieses Buches nicht eingehen. Im nächsten Abschnitt werden wir aber das Grundprinzip der Zweipoltheorie erläutern.
4.2.4 Spannungsquellen und Stromquellen. Zweipoltheorie Im Grundstromkreis nach Bild 4.4 ist der innere Widerstand Ri der Quelle nach außen verlagert. Die Quelle selbst hat den Widerstandswert Null. Diese Eigenschaft wird in vielen neueren Büchern der Elektrotechnik durch das Symbol eines Kreises mit durchgehendem Längsstrich hervorgehoben (s. Bild 4.20 a)). Eine solche Quelle nennen wir Spannungsquelle, weil diese bei Ri = 0 eine vom Klemmenstrom, d.h. vom Verbraucherwiderstand Ra unabhängige, konstante Klemmenspannung U = Uq liefern würde. Ein Beispiel dafür ist unser Stromversorgungsnetz, das bei schwankender Zuschaltung von Verbrauchern eine (nahezu) konstante Spannung liefert.
Bild 4.20
Grundstromkreis mit a) Spannungsquelle b) Stromquelle
Eine zu Bild 4.4 alternative Darstellung des Grundstromkreises, die die gleichen Ergebnisse liefert, führt zu einer Quelle mit anderen Eigenschaften. Um das zu zeigen, schreiben wir entsprechend Gl. (4.9) für die Quellenspannung: Uq = Ui + U = IRi + U
(4.56)
Division durch Ri ergibt: Uq/Ri = I + U/Ri
(4.57)
Ik = Iq = I + Ii
(4.58)
82
4 Berechnung von Stromkreisen bei Gleichstrom
Diese Gleichung wird von der Schaltung in Bild 4.20 b) erfüllt. Das Symbol des Kreises mit Querstrich stellt eine Stromquelle dar, die den Quellenstrom Iq liefert, der betragsmäßig dem Kurzschlussstrom Ik = Uq/Ri entspricht. Der links von den Klemmen A,B liegende aktive Zweipol muss, wenn wir von diesen Klemmen aus in ihn „hinein“ messen, den inneren Widerstand Ri besitzen, wenn die realen Verhältnisse zum Ausdruck gebracht werden sollen (s. Bild 4.20 a)). Das ist aber nur möglich, wenn der Zweig, in dem sich die Stromquelle befindet, einen unendlich hohen Widerstand aufweist, was durch den Querstrich im Kreissymbol angedeutet werden soll. Jedes aktive, d.h. Quellen und Verbraucher enthaltende elektrische Netzwerk, lässt sich auf ein Ersatzschaltbild mit einer Spannungs- oder mit einer Stromquelle reduzieren. Wenn beispielsweise in Bild 4.19 nur der Strom durch den Widerstand R2 interessieren würde, kann man ihn als Außenwiderstand Ra auffassen und aus den Quellen und Widerständen der restlichen Schaltung einen aktiven Zweipol nach Bild 4.20 bestimmen und mit den so ermittelten Größen Uq und Ri bzw. Iq und Ri den Strom durch R2 berechnen. Ob man das Spannungsquellen- oder das Stromquellenbild benutzt, hängt von der Struktur der Schaltung ab. Beide führen in jedem Fall zum gleichen Ergebnis. Diese Methode der Stromberechnung heißt Zweipoltheorie. Sie ermöglicht in der Regel einfachere Rechnungen als die im Abschnitt 4.2.3 demonstrierte Methode der Kirchhoffschen Sätze und zwar insbesondere dann, wenn nicht alle Ströme des Netzwerkes berechnet werden müssen. Sollte der betrachtete Widerstand R2 nichtlinear sein, ist die Methode nach Kirchhoff grundsätzlich nicht anwendbar. Die Zweipoltheorie kann man jedoch auch in diesem Falle zugrunde legen. Wir werden bei unseren weiteren Ausführungen das Ersatzschaltbild der Spannungsquelle zugrunde legen und ihr mit Bild 1.12 a) eingeführtes Symbol auch weiterhin benutzen, weil wir damit auch Quellen verschieden hoher Quellenspannung einfacher darstellen können (vgl. z.B. Bild 7.25).
4.3 Übungsaufgaben 4-1 Zwei unbekannte Widerstände werden an eine veränderbare Spannung angeschlossen. Es wird der bei Variation der Spannung fließende Strom gemessen. Dabei registriert man die folgenden Messwerte: Widerstand 1:
U/V I/A
50 5,15
80 8,25
120 10,43
50 0,1
80 0,16
120 0,24
Widerstand 2:
U/V I/A
Welcher der beiden Widerstände ist linear, welcher nichtlinear? Begründen Sie Ihre Aussagen! Arbeiten Sie mit grafischen Darstellungen! 4-2 Der Wolframfaden einer Glühlampe hat bei der Betriebstemperatur von 2100 ºC einen Widerstand von 484 Ω. Wie groß ist der Fadenwiderstand bei der Raumtemperatur 20 ºC (αWo = 0,0041 K–1)? Bilden Sie das Verhältnis Betriebs- zu Kaltwiderstand und diskutieren Sie den Wert im Hinblick auf Einschaltvorgänge bei Glühlampen!
4.3 Übungsaufgaben
83
4-3 Ein schon lebensgefährlicher Strom von 35 mA fließt durch den Körper eines Menschen, welcher im Augenblick der Berührung zwischen einer Hand und den Füßen einen Widerstand von 1 kΩ besitzt. Welche Spannung reicht dazu bereits aus? 4-4 Welche Betriebswiderstände haben folgende Glühlampen, die an einer Spannung von 230 V betrieben werden? a) 40 W b) 60 W c) 100 W d) 200 W 4-5 Ein Widerstand von 2,2 MΩ hat eine zulässige Leistung von 3 W. Mit welchen höchstzulässigen Werten von Strom und Spannung darf dieser Widerstand betrieben werden? 4-6 Eine 230 V – Kochplatte enthält zwei gleich große Heizwiderstände, mit denen drei verschiedene Schaltungen realisierbar sind. a) Skizzieren Sie diese Schaltungen! b) In welcher Schaltung wird die größte, in welcher die kleinste Leistung aufgenommen? c) Berechnen Sie die Größe der beiden Widerstände, wenn die schwächste Heizstufe eine Leistung von 375 W haben soll! d) Berechnen Sie die Leistungsaufnahme der übrigen beiden Schaltungen! 4-7 Bestimmen Sie Quellenspannung, Innenwiderstand und Kurzschlussstrom einer Spannungsquelle, wenn die Klemmenspannung bei Entnahme von I1 = 50 A den Wert U1 = 10,75 V, bei Entnahme von I2 = 140 A den Wert U2 = 8,5 V annimmt! Lösen Sie die Aufgabe rechnerisch und grafisch! 4-8 Ein aktiver Zweipol mit Uq = 12 V und Ri = 2,1 Ω wird einmal mit einem Verbraucherwiderstand von Ra1 = 20 Ω, ein anderes Mal mit Ra2 = 0,9 Ω betrieben. Berechnen Sie für beide Fälle die gesamte von der Spannungsquelle gelieferte Leistung, die am Innen- und Verbraucherwiderstand umgesetzte Leistung sowie den Wirkungsgrad! Welche allgemeinen Schlussfolgerungen können Sie aus den Ergebnissen in bezug auf eine rationelle Energieverwendung in elektrischen Netzen ziehen? 4-9 Berechnen Sie den Ersatzwiderstand der in Bild 4.21 dargestellten Schaltung. Jeder Widerstand hat den Wert 100 Ω. Welcher Strom fließt über die Klemmen A und B, wenn an sie eine Spannung von 230 V angelegt wird?
Bild 4.21
Zur Aufgabe 4-9
4-10 Wie groß ist der Widerstand zwischen den Klemmen A und B der gebrückten Schaltung nach Bild 4.22? Jeder Widerstand hat den Wert 50 Ω.
Bild 4.22
Zur Aufgabe 4-10
84
4 Berechnung von Stromkreisen bei Gleichstrom
4-11 In einem 100 m vom Elektroenergieerzeuger entfernt liegenden Raum sind insgesamt 50 Glühlampen, von denen jede einen Widerstand von 880 Ω besitzt, parallel geschaltet. Die Leitungen bestehen aus Kupfer (ρCu = 0,0175 Ω mm2 m–1) mit einem Querschnitt von 16 mm2. Bestimmen Sie den Spannungsfall in den Leitungen zwischen Stromerzeuger und Lampen und die für eine Lampenspannung von 230 V notwendige Klemmenspannung des Stromerzeugers! Zeichnen Sie vor Beginn der Rechnung einen Stromlaufplan mit allen Abschnitten der Anordnung! 4-12 Im Bild 4.23 a ist ein in der Praxis häufig für die Bereitstellung einer veränderbaren Spannung benutzter Spannungsteiler (Potenziometer) dargestellt. Die variable Ausgangsspannung wird dabei durch Verfahren eines Abgriffes am Widerstand R eingestellt. Für eine bestimmte Stellung des Abgriffes gilt dann das Schaltbild nach Bild 4.23 b. Für R1 = 500 Ω, R2 = 700 Ω und U = 230 V ist Ua zu berechnen für die Fälle: a) Ra ĺ (unbelasteter Spannungsteiler) b) Ra = 400 Ω c) Ra = 100 Ω! Welche Erkenntnisse ergeben sich daraus für die Benutzung von Spannungsteilern?
Bild 4.23
Zur Aufgabe 4-12
4-13 In eine Parallelschaltung dreier Widerstände R1 = 10 Ω, R2 = 15 Ω , R3 = 25 Ω fließt der Gesamtstrom I = 16 A. Wie groß sind die Teilströme I1, I2 und I3 sowie die anliegende Spannung? 4-14 In dem in Bild 4.24 dargestellten Schaltbild sind gegeben: Uq1 = 2 V, Uq2 = 4 V und Uq3 = 6 V, R1 = 12 Ω, R2 = 12 Ω, R3 = 25 Ω und R4 = 30 Ω. Berechnen Sie alle Ströme mittels der Kirchhoffschen Sätze!
Bild 4.24
Zur Aufgabe 4-14
5 Berechnung von Stromkreisen bei Wechselstrom 5.1 Erzeugung von Wechselstrom. Bestimmungsgrößen Die Funktionsweise des Wechselstromgenerators haben wir bereits bei den Anwendungsbeispielen zum Induktionsgesetz im Abschnitt 2.5.2 beschrieben (s. Bild 2.25). Wir wollen den Bewegungsvorgang der Leiterschleife hier etwas genauer unter die Lupe nehmen. Dazu betrachten wir Bild 5.1, welches die zwischen den Polen des Magneten rotierende Leiterschleife der Fläche A in schematisierter Form und in verschiedenen Phasen der Bewegung darstellt. Wir erkennen deutlich, dass sich durch die Drehbewegung trotz konstanten Magnetflusses und konstanter Magnetflussdichte der die Leiterschleife durchsetzende Teilfluss ändert (s. die punktiert gezeichneten Feldlinien),G wodurch G in ihr eine Spannung induziert wird. Der Teilfluss hängt von der Lage der Vektoren B und A zueinander ab.
Bild 5.1
Wechselstromgenerator. Bewegungsphasen
Zur Berechnung der induzierten Spannung benötigen wir den von der Zeit abhängigen Fluss ĭ(t). Er entspricht dem skalaren Produkt von Induktion und Fläche, die die Leiterschleife aufspannt (s. die Gl. (2.3) oder (2.4)): G G Φ = B ⋅ A = B A cos α (5.1) Bei gleichförmiger Drehbewegung wächst Į zeitproportional. Wir schreiben Į = Ȧ t und bezeichnen den Proportionalitätsfaktor Ȧ als Winkelgeschwindigkeit der Drehbewegung, wie wir aus dem Mechanikunterricht wissen. Somit erhalten wir:
Φ = B A cos ω t
(5.2)
Die induzierte Spannung ist damit nach dem Induktionsgesetz: u= −
dΦ = B A ω sin ω t = û sin ω t dt
(5.3)
86
5 Berechnung von Stromkreisen bei Wechselstrom
Es handelt sich um eine sinusförmige Spannung, die im Nullpunkt des Spannungs-ZeitDiagramms beginnt. Für Spannungen und Ströme in allgemeiner Lage gilt: u (t ) = uˆ sin (ω t + ϕ u ) i (t ) = iˆ sin (ω t + ϕ i )
(5.4) (5.5)
Den zeitlichen Verlauf einer sinusförmigen Spannung zeigt Bild 5.2. Dabei sind auf der Abszisse die Winkelgrößen und in Klammern die zugehörigen Zeitgrößen angegeben.
Bild 5.2
Sinusförmige Wechselspannung
Wir nennen u Augenblicks- oder Momentanwert Maximal- oder Scheitelwert, Amplitude uˆ ϕu (Null-) Phasenwinkel T Periodendauer oder auch kurz Periode f = 1/T Frequenz (gemessen in Hertz, Hz) Ȧ = 2 ʌ f Kreisfrequenz (gemessen in s–1)
Wechselspannungen oder -ströme sind demnach Größen, die positiv und negativ werden und zwischen positiven und negativen Scheitelwerten schwanken. Der hier dargestellte spezielle Fall sinusförmiger elektrischer Größen ist besonders wichtig, weil die weitaus meisten Spannungen und Ströme diesen Verlauf aufweisen. Von besonderer Bedeutung ist der technische Wechselstrom, wie wir ihn z.B. im Haushalt oder in der Industrie verwenden. Er hat eine Frequenz von 50 Hz, eine Periodendauer von 20 ms und eine Kreisfrequenz von 314 s–1. Wir werden im folgenden immer sinusförmige Spannungen und Ströme voraussetzen.
5.2 Kenngrößen 5.2.1 Zeitliche Mittelwerte Wenn bei einer Gleichspannung beispielsweise die Aussage gemacht wird, sie betrage 400 V, ist sofort klar, wie man diese Spannungsangabe zu verstehen hat. Ohne nähere Erläuterungen wissen wir, dass es sich hier um eine im Verlauf der Zeit ständig gleichbleibende, folglich konstante Spannung der angegebenen Größe handelt. Im Falle einer Wechselspannung ist die Angabe einer ihre Stärke charakterisierenden Größe schon ein wenig komplizierter, da sich ihr augenblicklicher Wert ständig verändert. Wir werden jedoch sehen, dass sich auch für Wechselspannungen und Wechselströme derartige Größen sehr anschaulich definieren lassen.
87
5.2 Kenngrößen
Die beiden wichtigsten Größen, die in der Wechselstromtechnik ständig verwendet werden, sind der arithmetische und der quadratische Mittelwert. Letzteren nennt man häufiger Effektivwert einer Wechselspannung oder eines Wechselstromes. Arithmetischer Mittelwert. Der arithmetische Mittelwert einer periodisch zeitveränderlichen Größe entspricht immer dem Flächeninhalt zwischen der Kurve, die diese Größe beschreibt und der Zeitachse, gerechnet über eine Periode, dividiert durch die Periodendauer. Daher können wir für eine periodisch verlaufende Spannung festhalten: U =
1 T
T
³ u (t ) dt
(5.6)
0
und für einen periodisch sich ändernden Strom: I =
1 T
T
³ i (t ) dt
(5.7)
0
Um eine konkrete Vorstellung von der Bedeutung dieses Mittelwertes zu bekommen, muss man sich vor Augen führen, dass eine zeitlich veränderliche Spannung mit dem arithmetischen Mittelwert U bei einem gegebenen Gleichstrommotor die gleiche Drehzahl hervorruft wie eine Gleichspannung, die die Größe dieses arithmetischen Mittelwertes hat. Zwei Beispiele sollen den arithmetischen Mittelwert verdeutlichen. 1. Beispiel: Eine rein sinusförmige Spannung hat den Mittelwert Null, denn das Integral in Gl. (5.6) nimmt den Wert Null an, weil die beiden Flächen oberhalb und unterhalb der Zeitachse sich über eine Periodendauer aufheben. Wir erkennen, dass alle periodisch und symmetrisch zur Zeitachse verlaufenden Wechselgrößen immer den arithmetischen Mittelwert Null besitzen. Ein mit einer sinusförmigen Wechselspannung angesteuerter Gleichstrommotor bleibt also stehen.
Bild 5.3
Zur Bildung des Mittelwertes einer pulsförmigen Spannung
2. Beispiel: Wir bestimmen den arithmetischen Mittelwert der Spannung nach Bild 5.3. Es gilt nach Gl. (5.6): U =
1 T
T 2
³ uˆ sin ω t dt
(5.8)
0
Wir haben zu beachten, dass die Integration nur bis zur Hälfte der Periodendauer erfolgen darf, da in der zweiten Periodenhälfte die Fläche zwischen Spannung und Zeitachse Null ist. Um den Integranden zu vereinfachen, gehen wir mittels der Transformationsbeziehung Ȧt = ϕ von der zeitlichen zur Winkeldarstellung über und erhalten mit dt = dϕ /Ȧ: π
U =
uˆ uˆ sin ϕ dϕ = = 0,32 uˆ ωT π
³ 0
(5.9)
88 5 Berechnung von Stromkreisen bei Wechselstrom Der arithmetische Mittelwert der nach Bild 5.3 verlaufenden impulsförmigen Spannung beträgt etwa ein Drittel des Spitzenwertes dieser Spannung. Steuern wir demnach einen Gleichstrommotor mit einer Spannungsform nach Bild 5.3 an und ist der Scheitelwert dieser Spannung z.B. 100 V, dreht sich dieser Motor genauso schnell, als würde er mit einer Gleichspannung von 32 V betrieben.
Bildet man den arithmetischen Mittelwert des Betrages einer Wechselgröße (vgl. Bild 7.63 b)), so erhält man den Gleichrichtwert dieser Größe. Er ist für die Beurteilung von Elektrolysewirkungen des elektrischen Stromes von Bedeutung. Für sinusförmige Spannung ergibt er sich zu Nj = 0,64 û. Effektivwert. Der Effektivwert hat in der Elektrotechnik eine sehr große Bedeutung. Sämtliche Spannungen und Ströme der Wechselstromtechnik werden, wenn nicht ausdrücklich anders vermerkt, in Effektivwerten angegeben. Wenn wir von der Netzwechselspannung sagen, sie hat eine Größe von 230 V, bedeutet das immer den Effektivwert. Er steht in engem Zusammenhang mit der Leistung oder der Energie des Wechselstromes.
Gl. (4.8) zeigte uns bereits, dass die in einem Widerstand entwickelte elektrische Leistung, die in Wärme umgewandelt wird, dem Quadrat des Stromes bzw. dem Quadrat der Spannung proportional ist. Wenn wir einen Mittelwert aus den Quadraten von Strom und Spannung bilden, können wir erwarten, dass dieser so definierte Wert eine Größe liefert, die uns eine konkrete Aussage in bezug auf die Erwärmung des Widerstandes liefert. Wir schreiben deshalb: T
U =
1 2 u (t ) dt T³
(5.10)
0
und T
I =
1 2 i (t ) dt T³
(5.11)
0
Der Effektivwert wird immer wie eine Gleichgröße angegeben, d.h. in großen Buchstaben ohne besondere Kennzeichnung. Ein zeitlich veränderlicher Strom entwickelt in einem vorgegebenen Widerstand in der gleichen Zeit die gleiche Wärmemenge wie ein Gleichstrom, der die Größe dieses Effektivwertes hat. Analoges gilt für die Spannung. Beispiel: Wir berechnen den Effektivwert einer sinusförmigen Spannung: T
U =
uˆ 1 2 2 = 0,707 uˆ uˆ sin ω t dt = T 2
³
(5.12)
0
und eines sinusförmigen Stromes: iˆ I = = 0,707 iˆ 2
(5.13)
Der Effektivwert einer sinusförmig verlaufenden Größe beträgt demzufolge 70,7 % der Amplitude. Wir können schnell nachrechnen, dass unsere Netzwechselspannung von 230V den Scheitelwert 325 V besitzt. Nach ihm muss das Isolationsvermögen der an die Netzspannung angeschlossenen Geräte bemessen sein.
5.2 Kenngrößen
89
5.2.2 Zählpfeile In der Gleichstromtechnik ist es sehr einfach, Pfeile für Strom und Spannung festzulegen. Wir wählen den Strompfeil beispielsweise so, dass seine Richtung mit der technischen Stromrichtung übereinstimmt, also von „plus“ nach „minus“ weist. In die gleiche Richtung legen wir auch den Spannungspfeil (s. Bild 1.11). Da in der Gleichstromtechnik die Pfeile immer entsprechend der Strom- bzw. Spannungsrichtung festgelegt werden, sprechen wir hier von Richtungspfeilen. In der Wechselstromtechnik hat ein solcher Pfeil keinen Sinn, da der Wechselstrom positive und negative Werte annimmt und infolgedessen ständig seine Richtung ändert. Da wir aber für die quantitative Behandlung von Wechselstromvorgängen auch Strom- und Spannungspfeile festzulegen haben, müssen wir hier anders vorgehen. Im Bild 5.4 ist dies für den Strom erläutert.
Bild 5.4
Zur Bedeutung des Zählpfeiles
Wir zeichnen an den links dargestellten Widerstand einen Pfeil mit ganz willkürlich gewählter Richtung und interpretieren ihn auf folgende Weise: Ist der Augenblickswert des Stromes positiv, sagen wir, dass der Strom in der Richtung des an den Widerstand gezeichneten Pfeiles fließt. Ist der Augenblickswert aber negativ, fließt der Strom entgegengesetzt zur Pfeilrichtung. Wir sprechen in diesem Zusammenhang nicht mehr von Richtungs-, sondern von Zählpfeilen, weil sie uns Auskunft darüber geben, wann ein Strom positiv oder negativ gezählt werden muss. Betrachten wir nun den noch fehlenden Spannungspfeil. Je nachdem, wie dieser in bezug auf den Strompfeil gelegt wird, unterscheiden wir zwischen zwei Systemen, dem Verbraucherzählpfeilsystem und dem Erzeugerzählpfeilsystem. Der Unterschied zwischen beiden geht aus dem Bild 5.5 hervor. In der Praxis der Berechnung von Wechselstromnetzwerken gibt man dem Verbraucherzählpfeilsystem meist den Vorzug. Wir werden in diesem Buch immer dasjenige System wählen, welches für den gerade betrachteten Vorgang physikalisch am plausibelsten ist.
Bild 5.5
Festlegung der Zählpfeile im a) Verbraucherzählpfeilsystem b) Erzeugerzählpfeilsystem
90
5 Berechnung von Stromkreisen bei Wechselstrom
5.3 Darstellung sinusförmiger elektrischer Größen im Zeigerdiagramm Die rechte Seite des Bildes 5.6 zeigt zeitlich gegeneinander versetzte Sinusschwingungen von Strom und Spannung. Eine solche Darstellung nennen wir ein Liniendiagramm. Da die Versetzung beider Schwingungen in diesem Falle ein Winkel ist, bezeichnen wir ihn als Phasenverschiebungswinkel oder einfach als Phasenverschiebung. Sie trägt in der Elektrotechnik stets das Formelzeichen ϕ und hat in dem dargestellten Beispiel den willkürlich gewählten Wert 90°.
Bild 5.6
Zusammenhang zwischen Linien- und Zeigerdiagramm
Beide Schwingungen können wir uns entstanden denken aus einem im mathematisch positiven Sinn rotierenden Zeigersystem und zwar in der Weise, dass eine Projektion der jeweiligen Abstände der Zeigerspitzen von der Bezugslinie bei den einander entsprechenden Winkeln in das Liniendiagramm erfolgt, wie das für zwei Augenblickslagen der Zeiger in Bild 5.6 gezeigt ist. Das Zeigersystem besteht aus je einem Zeiger für die Spannung u (Symbol u) und den Strom i (Symbol i), die den Phasenwinkel ϕ einschließen. Sie rotieren mit einer der Kreisfrequenz entsprechenden Winkelgeschwindigkeit, die für beide Zeiger die gleiche ist, weil sowohl die Spannung als auch der von ihr angetriebene Strom die gleiche Frequenz haben. Die relative Lage der Zeiger zueinander ist also stets dieselbe. Eine solche Darstellung, die offensichtlich der linienhaften gleichwertig ist, nennen wir ein Zeigerdiagramm oder ein Zeigerbild. Wie aus Bild 5.6 ersichtlich, entspricht die Länge der Zeiger der Amplitude von Strom und Spannung. Praktisch wichtiger ist jedoch der Effektivwert. Ein mit Effektivwertzeigern rotierendes System wäre aber ein sinnloses Gebilde, da es nicht das äquivalente Liniendiagramm projizieren kann. Deshalb abstrahieren wir von der Drehbewegung und benutzen ruhende Zeigerdiagramme mit Effektivwertzeigern, die den Phasenwinkel ϕ einschließen. Diese enthalten alle Informationen, die bei Wechselgrößen von Interesse sind.
Bild 5.7
Effektivwertzeigerdiagramme
Bild 5.7 a zeigt das dem Bild 5.6 entsprechende Effektivwert-Zeigerdiagramm.
5.4 Spannungs- und Stromzeiger bei den Grundschaltelementen
91
Dabei sind aus Darstellungsgründen die Zeiger der Bilder 5.6 und 5.7 a nicht maßstabsgerecht zueinander gezeichnet. Exakt muss die Länge der (ruhenden) Effektivwertzeiger U und I 70,7 % der Länge der (rotierenden) Momentanwertzeiger u und i betragen (vgl. dazu Gln. (5.12) und (5.13)). Bild 5.7 b zeigt ein Zeigerbild für eine beliebige Phasenlage. Effektivwertzeiger werden durch unterstrichene Großbuchstaben symbolisiert. Für sie gilt: |U |=U =
uˆ 2
| I |= I =
iˆ 2
(5.14)
Wenn wir im folgenden von Zeigern sprechen, sind immer Effektivwertzeiger gemeint.
5.4 Spannungs- und Stromzeiger bei den Grundschaltelementen Unter Grundschaltelementen verstehen wir Widerstand, Kondensator und Spule (s. Tabelle 3.1, Abschnitt 3). Wir legen an diese drei Bauelemente eine sinusförmige Spannung u = uˆ sin ω t und berechnen den dann fließenden Strom. Widerstand. Der Augenblickswert des Stromes ergibt sich aus dem Ohmschen Gesetz: i=
u uˆ = sin ω t = iˆ sin ω t R R
(5.15)
mit uˆ iˆ = R
(5.16)
In Bild 5.8 a sind Linien- und Zeigerdiagramm von u und i dargestellt. Bei einem ohmschen Widerstand ist die Phasenverschiebung Null. Spannung und Strom sind in Phase. Kondensator. Unter Beachtung der in Tabelle 3.1 angegebenen Beziehungen gilt für den Kondensatorstrom: i=C
du = C ω uˆ cos ω t = iˆ cos ω t dt
(5.17)
mit iˆ = ω C uˆ
(5.18)
Eine sinusförmige Spannung ruft somit in einem Kondensator einen kosinusförmigen Strom hervor (s. Liniendiagramm Bild 5.8 b). Bei t = 0 oder Ȧt = 0 besitzt der Strom seinen Maximalwert, den die Spannung erst nach Ablauf einer Viertelperiode erreicht. Wir sagen, dass beim Kondensator die Spannung dem Strom um 90° nacheilt. Wir kennzeichnen das Nacheilen der Spannung durch einen negativen Phasenwinkel (Um das Nacheilen aus dem Zeigerbild zu erkennen, denke man an die im vorigen Abschnitt diskutierte Entstehung des Liniendiagramms aus dem Zeigerdiagramm). Bei einem Kondensator eilt die Spannung dem Strom um 90° nach (ϕ = – 90°).
92
5 Berechnung von Stromkreisen bei Wechselstrom
Spule. Ebenfalls der Tabelle 3.1 entnehmen wir die Vorschrift zur Berechnung des Spulenstromes: i=
uˆ 1 u dt = − cos ω t = −iˆ cos ω t L ωL
³
mit
uˆ iˆ = ωL Bild 5.8 c zeigt Linien- und Zeigerdiagramm. Bei einer Spule eilt die Spannung dem Strom um 90° voraus (ϕ = + 90°).
Bild 5.8
Diagramme von Widerstand (a), Kondensator (b) und Spule (c)
Die in Bild 5.8 dargestellten Zusammenhänge und die Merksätze prägen wir uns fest ein, weil sie die Grundlage für das Aufstellen komplizierterer Zeigerdiagramme, die wir in den nächsten Abschnitten behandeln wollen, bilden.
5.5 Zeigerdiagramme bei gemischten Wechselstromschaltungen 5.5.1 Reihenschaltung von Kondensator und Widerstand Bild 5.9 a zeigt die Schaltung. Da hier eine Reihenschaltung vorliegt, kommt nur ein Strom vor, es sind aber drei Spannungsabfälle zu verzeichnen. Demzufolge erwarten wir ein Zeigerdiagramm mit insgesamt vier Zeigern. Diesen Überblick zur Anzahl der zu erwartenden Zeiger sollte man sich stets vor dem Zeichnen des Diagrammes verschaffen.
5.5 Zeigerdiagramme bei gemischten Wechselstromschaltungen
93
Da nur ein Stromzeiger I vorhanden ist, gehen wir von diesem aus. Wir benutzen ihn als in der Horizontalen liegenden, nach rechts weisenden Bezugszeiger. Um ihn sind die drei Spannungszeiger phasenrichtig zu gruppieren. Wir beginnen mit dem Zeiger der Spannung UR, also mit UR. Aus dem vorigen Abschnitt ist uns bekannt, dass an einem ohmschen Widerstand Strom und Spannung in Phase sind und deshalb parallel verlaufen. Folglich muss der Zeiger UR in der gleichen Richtung wie der Zeiger I liegen. Weiterhin wissen wir, dass bei einem Kondensator die Spannung UC, also der Zeiger UC, dem Strom um 90° nacheilt. Auf diese Weise ergeben sich die Lagen der Zeiger UR und UC, wie es in Bild 5.9 b dargestellt ist. Weil eine Reihenschaltung vorliegt, ergibt sich die Gesamtspannung U bzw. deren Zeiger U aus der Summe der beiden Teilspannungszeiger UR und UC und zwar aus der vektoriellen oder geometrischen oder auch Zeigersumme dieser beiden Spannungen, niemals aus ihrer algebraischen Summe. Zeiger sind deshalb grundsätzlich wie Vektoren zu behandeln, so, wie wir es beispielsweise von Kräfteparallelogrammen her kennen.
Bild 5.9
Reihenschaltung C und R mit Zeigerdiagramm
Wir beachten folgende Beziehungen für unsere Reihenschaltung nach Bild 5.9: U = UR + UC
(5.21)
Das ist eine Zeigergleichung, die eine Zeigersumme darstellt. Da es sich um eine Gleichung für Zeiger handelt, ist diese Summe also eine geometrische bzw. vektorielle. Für die Effektivwerte, somit für die Zeigerlängen, gilt: U < U R + UC
(5.22)
U = U R2 + U C2
(5.23)
Bestimmen wir infolgedessen die Spannungen U, UR und UC mit einem Effektivwertmesser, werden wir feststellen, dass die Summe der beiden Spannungen UR und UC größer als die Gesamtspannung U ist. Solche Beziehungen sind typisch für Wechselstromkreise und kommen durch die Phasenverschiebung zustande (hier die zwischen UR und UC). In der Gleichstromtechnik gibt es so etwas nicht. Dort ist die Summe von Einzelspannungen immer gleich der Gesamtspannung. Gleichstromgrößen werden jedoch nicht als Zeiger dargestellt. Wenn wir bei einer Wechselstromschaltung aus mehreren Elementen vom Phasenwinkel ϕ sprechen, meinen wir immer den Winkel zwischen den Zeigern der Gesamtspannung und des Gesamtstromes. In unserem Beispiel des Bildes 5.9 ist ϕ < 0, d.h., die Spannung eilt dem Strom nach. Wir sagen deshalb: die Schaltung hat kapazitives Verhalten.
94
5 Berechnung von Stromkreisen bei Wechselstrom
5.5.2 Parallelschaltung von Spule und Widerstand Bild 5.10 zeigt das elektrische Schaltbild und das zugehörige Zeigerdiagramm. Wir wollen uns kurz fassen, denn die Zeigerbildkonstruktion verläuft analog wie im vorigen Abschnitt. Dabei haben wir aber zu beachten, dass hier eine Parallelschaltung vorliegt, also nur eine Spannung auftritt, die als Bezugszeiger, mit dem wir die Konstruktion beginnen, benutzt wird. Die beiden Komponenten IR und IL des Gesamtstromzeigers I ergeben sich bezüglich ihrer Lage aus den Bedingungen, dass beim ohmschen Widerstand Strom und Spannung in Phase sind, bei einer Spule jedoch die Spannung dem Strom um 90° vorauseilt. Der Zeiger des Gesamtstromes folgt aus der vektoriellen Summe: I = IR + IL
(5.24)
Für die Beträge gilt: I < IR + IL
(5.25)
I =
(5.26)
Bild 5.10
I R2 + I L2
Parallelschaltung L und R mit Zeigerdiagramm
Da die Spannung U dem Strom I um den Winkel ϕ vorauseilt, gilt ϕ > 0 und somit induktives Verhalten für die Gesamtschaltung. Für etwas kompliziertere Schaltungen betrachten wir das folgende Beispiel.
5.5.3 Gemischte Schaltung Es besteht die Aufgabe, für das in Bild 5.11 a dargestellte Wechselstromnetzwerk das Zeigerdiagramm aufzustellen. Da wir hier im Gegensatz zu den Beispielen der Abschnitte 5.5.1 und 5.5.2 sowohl mehrere Spannungs- als auch mehrere Stromzeiger haben, ist nicht sofort klar, mit welchem Zeiger als Bezugsgröße begonnen werden soll. Dieser kann noch willkürlich platziert werden. Die anderen jedoch sind entsprechend den Gegebenheiten des Netzwerkes um den Bezugszeiger herum zu konstruieren. Für die Wahl des Bezugszeigers gibt es kein allgemein gültiges Rezept. Es ist immer gut, in der Tiefe der Schaltung anzufangen und das Ganze nach außen „aufzurollen“. Deshalb werden wir nicht am Rande der Schaltung, beim Kondensator C2, beginnen, sondern bei der Parallelschaltung. Diese wiederum besteht aus zwei Zweigen und es ist günstig, an der Stelle zu beginnen, die am kompliziertesten aussieht. Das aber ist die Reihenschaltung von C1 und R. Da für diese beiden Elemente nur ein Strom vorkommt, wählen wir diesen als Bezugszeiger.
5.6 Die komplexe Darstellung von Zeigern
Bild 5.11
95
Gemischte Schaltung mit Zeigerdiagramm
Die elektrischen Größen sind dann in einfacher Weise und in folgender Reihenfolge zu konstruieren (s. Bild 5.11 b): I1, UR || I1, UC1 ⊥ I1, UR + UC1 = UL (Es ist an dieser Stelle wichtig zu erkennen, dass die Summe der Spannungen UR und UC1 der Spannung an der parallel geschalteten Spule, also UL, entspricht), I2 ⊥ UL, I = I1 + I2, UC2 ⊥ I und U = UL + UC2. Schließlich ergibt sich der Phasenwinkel ϕ zwischen Gesamtspannung U und Gesamtstrom I. U eilt I nach (ϕ < 0). Folglich liegt kapazitives Verhalten der Gesamtschaltung vor. Die bisher behandelten Beispielen haben gezeigt, dass wir immer dann, wenn von einer Phasenverschiebung zwischen Spannungs- und Stromzeigern die Rede war, den Spannungszeiger sozusagen als Bezugszeiger benutzen. Wir sagen beispielsweise, der Spannungszeiger eilt dem Stromzeiger voraus und nicht, der Stromzeiger eilt dem Spannungszeiger nach, obwohl auch das natürlich möglich und auch allgemein üblich ist. Durch den Bezug auf den Spannungszeiger ist es aber einfacher, sich zu merken: In induktiv wirkenden Wechselstromkreisen ist der Phasenwinkel positiv, d.h., die Spannung eilt dem Strom voraus. In kapazitiv wirkenden Kreisen dagegen ist der Phasenwinkel negativ, d.h., die Spannung eilt dem Strom nach. Auf diese Weise verbinden wir Voreilen mit positivem, Nacheilen mit negativem Phasenwinkel und können so unsere Merkfähigkeit etwas unterstützen. Bisher haben wir stets so genannte qualitative Zeigerdiagramme gezeichnet, bei denen wir die Zeigerlängen, also die wirklichen Größen der Spannungen und Ströme, willkürlich gewählt haben. Bei den so genannten quantitativen Zeigerdiagrammen legen wir die Zeigerlängen maßstabsgerecht fest. Nur solche sind selbstverständlich bei der quantitativen Lösung von Aufgaben aus der Wechselstromtechnik anzuwenden. In Übungsaufgabe 5-10 wird ein derartiges Diagramm behandelt. Neben der sehr anschaulichen Handhabung von Wechselstromaufgaben mittels Zeigerbildern gibt es auch analytische, d.h. rein rechnerische Methoden zu ihrer Lösung. Die wichtigste behandeln wir im nächsten Abschnitt.
5.6 Die komplexe Darstellung von Zeigern Zunächst wiederholen wir einige Gesetzmäßigkeiten der Darstellung komplexer Zahlen in der Gaußschen Zahlenebene. Wenn wir eine irgendwo in dieser Zahlenebene gelegene komplexe Zahl mittels einer Geraden mit dem Koordinatenursprung verbinden, erhalten wir aus dieser Geraden einen Zeiger, wenn wir
96
5 Berechnung von Stromkreisen bei Wechselstrom
an der Stelle, wo sich die betrachtete komplexe Zahl befindet, einen Pfeil anbringen (s. Bild 5.12). Auf diese Weise ergibt sich die Möglichkeit, Spannungs- und Stromzeiger je nach ihrer Größe und Phasenlage in der komplexen Zahlenebene zu platzieren und Berechnungen mit den für komplexe Zahlen entwickelten Methoden durchzuführen. Die für unsere Zwecke relevanten Methoden wollen wir kurz anführen. Zuerst behandeln wir die drei möglichen Darstellungsformen in der Zahlenebene. Vorher ist noch zu bemerken, dass es in der Elektrotechnik üblich ist, als imaginäre Einheit nicht, wie in der Mathematik, das i, sondern das j zu verwenden, um Verwechslungen mit dem Strom i auszuschließen.
Bild 5.12
Darstellung einer komplexen Zahl A
Kartesische Form. Der Zeiger A wird als geometrische Summe seiner beiden Komponenten A1 und A2 dargestellt. Dabei ist A1 eine rein reelle, A2 eine rein imaginäre Zahl:
A = A1 + A2 = A1 + j A2
(5.27)
Die reelle Zahl A1 heißt Realteil, die reelle Zahl A2 Imaginärteil der komplexen Zahl A: Re {A} = A1
Im {A} = A2
(5.28)
Weiterhin gilt, wie aus Bild 5.12 ohne weiteres ersichtlich ist: | A|≡ A =
α = arctan
A12 + A22
A2 A1
(5.29) (5.30)
Trigonometrische Form. Mit A1 = A cos α und A2 = A sin α erhalten wir aus Gl. (5.27):
A = A (cos α + j sin α) Diese Darstellung ist für elektrotechnische Zwecke besonders gut geeignet, da wir aus ihr die Länge A des Zeigers und seinen Winkel α direkt ablesen können. Bei der kartesischen Darstellung müssen diese Größen erst nach den Gln. (5.29) und (5.30) berechnet werden. Exponentialform. Mit der Eulerschen Gleichung
cos α + j sin α = e jα
(5.31)
folgt aus Gl. (5.31): A = A e jα
(5.33)
Auch aus dieser Darstellungsform sind Betrag und Winkel direkt ablesbar. Für unsere weiteren Betrachtungen benötigen wir einige Gesetzmäßigkeiten der Multiplikation von Zeigern bzw. von komplexen Zahlen, die wir im folgenden ohne wesentliche Kommentare
5.7 Komplexe Zeiger der Grundschaltelemente
97
anführen, weil sie dem Leser, der die Grundidee der Darstellung in der komplexen Ebene verstanden hat, ohne weiteres einleuchten.
Bild 5.13
Drehung um ± 90° durch Multiplikation mit ± j
Multiplizieren wir einen Zeiger mit der imaginären Einheit j, wird dieser Zeiger um den Winkel 90° im mathematisch positiven, multiplizieren wir ihn mit – j, wird er um 90° im mathematisch negativen Sinne gedreht. Auf diese Weise entsteht z.B aus dem Zeiger A = 1 + j durch Multiplikation mit j der Zeiger A1 = –1 + j und durch Multiplikation mit – j der Zeiger A2 = 1 – j. Anhand von Bild 5.13 überzeugen wir uns von der Richtigkeit dieser getroffenen Aussagen. Multiplizieren wir einen Zeiger mit einer reellen Zahl, wird dieser Zeiger um den Betrag der reellen Zahl gestreckt. Eine Drehung erfolgt in diesem Falle nicht. Multiplizieren wir einen Zeiger mit einer komplexen Zahl, wird dieser Zeiger um den Betrag der komplexen Zahl gestreckt und um den Winkel der komplexen Zahl gedreht. Es findet folglich eine Drehstreckung statt. Wir zeigen das rechnerisch, indem wir die beiden Zeiger A = A e jα und B = B e jβ miteinander multiplizieren, so dass der neue Zeiger C entsteht: C = A B = A B e j(α + β) = C e j γ
(5.34)
Der Zeiger C hat somit den Betrag C = A B und den Winkel Ȗ = α + β in bezug auf die reelle Achse. Der Zeiger A wurde demzufolge um den Betrag B gestreckt und um den Winkel β gedreht. Es entstand der neue Zeiger C. Wir ersparen uns hier ein Zahlenbeispiel, weil wir bei der Interpretation des so genannten Scheinwiderstandes bald noch einmal auf dieses Drehstreckungsproblem zurückkommen.
5.7 Komplexe Zeiger der Grundschaltelemente Wir demonstrieren nun die Anwendung der im vorigen Abschnitt behandelten Gesetze der komplexen Zahlen auf die Beschreibung der im Abschnitt 5.4 diskutierten und in Bild 5.8 zusammenfassend dargestellten Wechselstromeigenschaften der Grundschaltelemente Widerstand, Kondensator und Spule. Zuerst behandeln wir die Spule.
98 5 Berechnung von Stromkreisen bei Wechselstrom Spule. Wenn wir beide Seiten der Gl. (5.20) durch 2 dividieren, dabei beachten, dass sich durch diese Division aus den Amplituden von Spannung und Strom die jeweiligen Effektivwerte ergeben und nach U auflösen, erhalten wir:
U = ω L I = XL I
(5.35)
Der Effektivwert der Spannung ergibt sich aus dem Effektivwert des Stromes, indem mit der Größe XL = Ȧ L = 2 ʌ f L multipliziert wird. Diese Größe ist von der Frequenz sowie von den Eigenschaften der Spule abhängig und besitzt die Dimension eines Widerstandes. Sie heißt induktiver Blindwiderstand und wird in ȍ (Ohm) angegeben. Bild 5.14 zeigt seinen Verlauf als Funktion der Frequenz mit der Spuleninduktivität als Parameter. Gl. (5.35) ist eine Gleichung zwischen den Beträgen von Strom und Spannung. Um auch ihre Phasenbeziehungen in einer Gleichung zum Ausdruck zu bringen, erinnern wir uns daran, dass eine Multiplikation mit j eine Drehung um + 90° bewirkt, schreiben also die Zeigergleichung: U = j XL I
(5.36)
Diese einfache Gleichung besagt alles, was in bezug auf Beträge und Phasenwinkel für Strom und Spannung notwendig ist. Ihre Aussage ist in Worten: Bei einer Spule mit dem induktiven Blindwiderstand XL = ȦL erhält man den Spannungszeiger U, indem man den Stromzeiger I um XL streckt und ihn um 90° im mathematisch positiven Sinne dreht.
Bild 5.14
Induktiver Blindwiderstand als Funktion der Frequenz
Der Spannungszeiger eilt so dem Stromzeiger um 90° voraus (ϕ = + 90°). Das ist genau die Beschreibung des für die Spule gültigen Zeigerdiagramms (vgl. Bild 5.8 c). Gl. (5.36) liefert eine universelle Beschreibung der Verhältnisse an einer Spule. Interessieren uns nur die jeweiligen Größen von Spannung und Strom, bilden wir auf beiden Seiten die Beträge und erhalten Gl. (5.35). Letztere ist somit als Spezialfall in ersterer enthalten. Lösen wir Gl. (5.36) nach dem Strom auf, ist also die Spannung gegeben und der Strom zu berechnen, erhalten wir: I =
1 1 1 U = −j U = −j U = j BL U ωL j XL XL
(5.37)
BL = – 1/ȦL heißt induktiver Blindleitwert und hat die Dimension S (Siemens). Diese Gleichung beschreibt die Drehstreckung des Spannungszeigers U, aus der der Stromzeiger I folgt. Der Leser möge sich selbst diesen Vorgang im einzelnen überlegen und den Streckungsfaktor bestimmen. Als Betragsgleichung folgt ohne weiteres aus Gl. (5.37):
5.7 Komplexe Zeiger der Grundschaltelemente
I =
1
ωL
U =| BL | U
99
(5.38)
Kondensator. Aus Gl. (5.18) ergibt sich, wiederum nach Division durch der Spannung: 1 U = I ωC
2 und Auflösen nach
(5.39)
Das ist die Betragsgleichung für den Kondensator. Als Zeigergleichung folgt: U = −j
1
ωC
I = j XC I
(5.40)
Bild 5.15
Kapazitiver Blindwiderstand als Funktion der Frequenz
Darin ist XC = – 1/ȦC der kapazitive Blindwiderstand, gemessen in ȍ. Den Verlauf von |XC| = 1/ȦC als Funktion der Frequenz für verschiedene Werte der Kapazität zeigt Bild 5.15. Mit unseren bisherigen Kenntnissen von den komplexen Zahlen kommen wir zu dem Schluss, dass die in Bild 5.8 b dargestellte Phasenbeziehung durch Gl. (5.40) richtig beschrieben wird. Sie lautet in Worten: Bei einem Kondensator mit dem kapazitiven Blindwiderstand XC = – 1/ω C erhält man den Spannungszeiger U, indem man den Stromzeiger I um XC streckt und ihn um 90° im mathematisch positiven Sinne dreht. Oder: … indem man den Stromzeiger um den Betrag von XC streckt und ihn um 90° im mathematisch negativen Sinne dreht. Wir stellen Gl. (5.40) nach I um und erhalten: 1 I = − ω CU = j ω C U = j BC U j
(5.41)
BC = ω C heißt kapazitiver Blindleitwert und wird in S gemessen. Auch hier mache sich der Leser den einfachen Vorgang der Drehstreckung des Zeigers U selbst klar. Widerstand. Aus Gl. (5.16) folgt für den Effektivwert der Spannung:
U=IR
(5.42)
Die Zeigergleichung ist hier: U=IR
(5.43)
100
5 Berechnung von Stromkreisen bei Wechselstrom
R wird als Wirkwiderstand bezeichnet und ist mit dem Wert des ohmschen Widerstandes identisch. Im Gegensatz zu den Blindwiderständen hängt R nicht von der Frequenz ab. Bei einem ohmschen Widerstand erhält man den Spannungszeiger, indem man den Stromzeiger mit dem Wert des ohmschen Widerstandes streckt. Eine Drehung findet nicht statt. Dies steht ebenfalls in völligem Einklang mit der Tatsache, dass Spannung und Strom bei einem Widerstand in Phase sind. Wir lösen Gl. (5.43) nach dem Strom auf und erhalten: I =
1 U = GU R
(5.44)
G = 1/R ist der Wirkleitwert und wird wie jeder Leitwert in S gemessen.
5.8 Komplexer Widerstand und komplexer Leitwert 5.8.1 Komplexer Widerstand Wir schreiben noch einmal die Strom-Spannungs-Gleichungen des vorigen Kapitels auf: Widerstand:
U=RI
(5.45)
Kondensator: U = −j
1
ωC
I =
1 I jω C
(5.46)
Spule:
U = jωLI
(5.47)
Führen wir, vorerst ganz willkürlich aussehend, einen Faktor Z ein, können wir die drei angegebenen Gleichungen in die folgende Form bringen: U=ZI
(5.48)
Der einzusetzende Wert von Z hängt davon ab, ob wir einen Widerstand, einen Kondensator oder eine Spule vorliegen haben. Z hat aber in jedem Falle die Dimension eines Widerstandes und ist demnach auch als ein Widerstand aufzufassen. Er ist der vermittelnde Faktor zwischen Strom und Spannung.
Bild 5.16
Ersatzwiderstand einer Wechselstromschaltung. Beispiel Reihenschaltung
Bild 5.17
Ersatzwiderstand einer Wechselstromschaltung. Beispiel Paralellschaltung.
5.8 Komplexer Widerstand und komplexer Leitwert
101
Diese vermittelnde Funktion erfüllt Z aber nicht nur bei Einzelbauelementen, wie bisher diskutiert, sondern auch bei komplizierteren Schaltungen der Wechselstromtechnik, die aus den drei Einzelbauelementen aufgebaut werden können. Dazu sehen wir uns zwei Beispiele an. 1. Beispiel: Reihenschaltung eines Widerstandes und einer Spule (s. Bild 5.16). Wir kennen bereits die Z-Werte von Widerstand und Spule, nämlich ZR = R (s. Gl. (5.45)) und Z L = j XL = j ω L (s. Gl.(5.47)). Da eine Reihenschaltung vorliegt, addieren wir diese beiden Widerstände und erhalten den Wert Z der gesamten Schaltung:
Z = ZR + ZL = R + jω L
(5.49)
Als Strom-Spannungs-Gleichung gilt für diese Schaltung somit: U = Z I = (R + jω L) I
(5.50)
2. Beispiel: Parallelschaltung eines Widerstandes und einer Spule (s. Bild 5.17). In diesem Falle gilt für die gesamte Schaltung (vgl. auch die Gln. (4.25) und (4.27)): 1 1 1 = + (5.51) Z ZR ZL
Z =
ZR ZL ZR + ZL
(5.52)
Nach elementarer Rechnung und Ordnung von Real- und Imaginärteil ergibt sich im Ergebnis als StromSpannungs-Gleichung: ª (ω L)2 R ω L R2 º U =« 2 + j 2 »I = Z I 2 R + (ω L) 2 ¼ ¬ R + (ω L) Dabei ist Z mit dem in eckigen Klammern stehenden Ausdruck identisch.
(5.53)
Wir nennen Z den komplexen Scheinwiderstand oder die Impedanz eines Netzwerkes. Sein Betrag heißt Scheinwiderstand oder einfach Wechselstromwiderstand. Er wird in Ohm (ȍ) angegeben. Alle (passiven) Netzwerke setzen sich aus Widerständen, Kondensatoren und Spulen zusammen, deren Impedanzen sind (s. die Gln. (5.45) bis (5.47)): ZR = R ZC =
1 jω C
ZL = jω L
(5.54) (5.55) (5.56)
Die Impedanz eines ohmschen Widerstandes hat keinen Imaginärteil. Er ist folglich ein reiner Wirkwiderstand. Die Impedanzen eines Kondensators und einer Spule haben keinen Realteil. Sie sind somit reine Blindwiderstände. Aus diesen drei Einzelimpedanzen wird, wie die beiden eben behandelten Beispiele zeigen, die Gesamtimpedanz der Schaltung nach den gleichen Regeln ermittelt, wie wir sie in der Gleichstromtechnik für die Ermittlung des Gesamt- bzw. Ersatzwiderstandes einer Gleichstromschaltung kennengelernt haben (s. den Abschnitt 4.2.1). Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Impedanzen durch komplexe und nicht, wie die Widerstände in der Gleichstromtechnik, durch reelle Zahlen beschrieben werden. Die Impedanz, die sich im Resultat für das gesamte Netzwerk ergibt, ist in der Regel komplex. Ihr Realteil heißt Wirkwiderstand, ihr Imaginärteil Blindwiderstand des Netzwerkes.
102
5 Berechnung von Stromkreisen bei Wechselstrom
Vergleichen wir die Wirk- und Blindwiderstände der beiden eben gerechneten Beispiele miteinander, erkennen wir, dass sie sehr einfach im ersten (s. Gl. (5.50)) und relativ kompliziert im zweiten Beispiel (s. Gl. (5.53)) aufgebaut sind. Welche physikalische Bedeutung sie haben und warum man sie so bezeichnet, werden wir im Abschnitt über Wechselstromleistung erfahren. Zahlenbeispiel. Wir benutzen die Schaltung nach Bild 5.16 mit R = 10 ȍ und L = 64 mH. Die Frequenz soll 50 Hz, der Strom 10 A betragen. Zu berechnen ist der Zeiger der Gesamtspannung U. Wie bei der zeichnerischen Lösung mittels eines Zeigerdiagramms ist es zuerst einmal notwendig, den gegebenen Stromzeiger, der hier Bezugszeiger ist, zu platzieren. Wir können ihn in die Horizontale legen. Dann würde er in der reellen Achse der Gaußschen Zahlenebene liegen. Da wir aber zu allgemeinen Schlussfolgerungen aus unserem Beispiel kommen wollen, wählen wir eine andere Lage für den Stromzeiger, z.B. mit einem Winkel von 50° in bezug auf die reelle Achse (s. den Stromzeiger in Bild 5.18). In der Exponentialdarstellung ist seine Zeigergleichung: I = 10 A e j 50° Der komplexe Scheinwiderstand der Reihenschaltung ist: Z = 10 Ω + j 2π · 50 · 64 · 10–3 Ω = 10 Ω + j 20 Ω Der Wirkwiderstand der Schaltung ist 10 ȍ, ihr Blindwiderstand 20 ȍ. Die Impedanz ist induktiv 20 (ϕZ = arctan = arctan 2 = 63,4° > 0). 10 In der exponentiellen Form ist Z: Z = 22,4 Ω e j 63,4°
Bild 5.18
Zur Operatoreigenschaft von Z (Zeiger nicht maßstabsgerecht)
Der Scheinwiderstand ist demzufolge Z = | Z | = 22,4 ȍ, sein Winkel ϕz = 63,4°. Für den Zeiger der Gesamtspannung gilt: U = Z I = 224 V e j 113,4° Die Spannung beträgt 224 V, die Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung 63,4°. Sie entspricht dem Winkel von Z, also ϕz. Bild 5.18 zeigt alle Zeiger dieses Zahlenbeispiels.
Allgemein können wir formulieren: Wenn ein Strom I = I e jϕi gegeben ist und für das durchströmte Netzwerk der komplexe Scheinwiderstand Z = Z e jϕz ermittelt wurde, kann für die Spannung geschrieben werden: U = Z I = Z I e j(ϕi + ϕz)
(5.57)
Man erhält den Spannungszeiger aus dem Stromzeiger, indem man letzteren um | Z | = Z streckt und um ϕz dreht. ϕz ist somit der Phasenwinkel zwischen Spannung und Strom.
5.8 Komplexer Widerstand und komplexer Leitwert
103
Da Z eine Rechenvorschrift für die Ermittlung der Spannung aus dem Strom liefert, nennt man Z auch einen Widerstandsoperator. Beispiel Reihenschwingkreis. Wir betrachten einen sog. Reihenschwingkreis nach Bild 5.19. Sein komplexer Scheinwiderstand ist: § 1 · Z = R + j ¨ω L − ¸ = R + jX ωC ¹ ©
(5.58)
Bild 5.19
Reihenschwingkreis
Für den Realteil von Z gilt: Re{Z} = R (Wirkwiderstand) und für den Imaginärteil: Im{Z} = ω L – 1/ω C = X (Blindwiderstand). Verändern wir die Frequenz, bleibt der Realteil davon unbeeinflusst. Für den Imaginärteil können wir jedoch drei qualitativ verschiedene Fälle unterscheiden: 1. Fall: X = 0, d.h. ω L = 1/ω C und Z = R. Der Scheinwiderstand ist reell, der Blindwiderstand Null (ϕz = 0). Die Phasenverschiebung zwischen Spannung und Strom ist daher auch Null. Der Reihenschwingkreis wirkt in diesem Falle wie ein ohmscher Widerstand R, trotz Vorhandenseins eines Kondensators und einer Spule. Dieser Zustand kann durch entsprechende Wahl der Frequenz erreicht werden. Wir nennen ihn Resonanz und die Frequenz, bei der er eintritt, Resonanzfrequenz. Sie errechnet sich aus ω0L = 1/ω0C zu: 1 f0 = 2π LC Der Operator Z hat die in Bild 5.20 dargestellte horizontale Lage, liegt also in der reellen Achse. 2. Fall: X > 0, d.h. ω L > 1/ω C, d.h. ω > ω0 oder f > f0. Die Frequenz ist höher als die Resonanzfrequenz, ϕz = arctan X/R ist positiv. Bild 5.20 zeigt den Zeiger des komplexen Scheinwiderstandes auch für diesen Fall. Da ϕz identisch ist mit dem Phasenwinkel zwischen Spannung und Strom, eilt demnach für ϕz > 0 die Spannung dem Strom voraus, d.h. der Schwingkreis wirkt bei f > f0 induktiv. Im {Z} > 0 bedeutet folglich immer induktives Verhalten. 3. Fall: X < 0, d.h. ω L < 1/ω C, f < f0 und ϕz < 0. Der Zeiger des komplexen Scheinwiderstandes liegt im 4. Quadranten der Gaußschen Zahlenebene (s. Bild 5.20). Wegen ϕz < 0 eilt die Spannung dem Strom nach. Der Schwingkreis wirkt bei Frequenzen unterhalb der Resonanzfrequenz folglich kapazitiv. Im {Z} < 0 bedeutet immer kapazitives Verhalten.
Die verschiedenen Lagen von Z in der komplexen Zahlenebene können bei gegebenem Netzwerk durch Variation der Frequenz bzw. der Kreisfrequenz, beginnend von Null bis zu beliebig hohen Werten, erreicht werden. Die Impedanzzeigerspitze beschreibt dabei für den Reihenschwingkreis eine Gerade, die senkrecht auf der reellen Achse steht und den Abstand R von der imaginären Achse besitzt (denn R ist unabhängig von der Frequenz). Eine solche Kurve des komplexen Scheinwiderstandes, die bei Variation der Frequenz entsteht und die je nach vorliegendem Netzwerk auch ein Kreis oder eine andere Figur sein kann, bezeichnen wir als Ortskurve. Ortskurven sind sehr informativ, weil man aus ihnen sofort die Größe des Wechselstromwiderstandes und die Phasenverschiebung zwischen Spannung und Strom für eine gegebene Frequenz oder als Funktion der Frequenz ablesen kann. Bild 5.21 zeigt z.B. die Abhängigkeit des Scheinwiderstandes (Länge des Zeigers Z der Ortskurve nach Bild 5.20) von der Frequenz. Wir erkennen ein Minimum bei der Resonanzfrequenz. Wird an den Reihenschwingkreis eine konstante Spannung gelegt, ist bei Frequenzvariation somit der fließende Strom bei der Resonanzfrequenz
104
5 Berechnung von Stromkreisen bei Wechselstrom
am größten. Solche selektiven Eigenschaften von Schwingkreisen werden z.B. bei der Abstimmung von Rundfunk- und Fernsehgeräten auf bestimmte Sender ausgenutzt. Sie strahlen ihre Programme mit einer Trägerfrequenz, die jeweils charakteristisch für den Sender ist, aus. Dort handelt es sich allerdings meist um Parallelschwingkreise (Die Berechnung eines Parallelschwingkreises enthält die Übungsaufgabe 5-16).
Bild 5.20
Ortskurve von Z für den Reihenschwingkreis
Bild 5.21
Wechselstromwiderstand eines Reihenschwingkreises
5.8.2 Komplexer Leitwert Wir lösen Gl. (5.48) nach I auf und erhalten: I =
1 U =YU Z
(5.60)
Y =
1 Z
(5.61)
mit:
Bild 5.22
Parallelschwingkreis mit Darstellung der Leitwerte
Y ist der Kehrwert des komplexen Scheinwiderstandes und heißt komplexer Scheinleitwert. Sein Betrag | Y | = Y = 1/| Z | ist der Scheinleitwert. Er wird in S gemessen. Y ist ebenfalls ein Operator, weil er die Rechenvorschrift für die Gewinnung des Stromzeigers aus dem Spannungszeiger liefert. Da er komplex ist, kann er auch als Ortskurve in der Gaußschen Zahlenebene dargestellt werden.
5.9 Wirk- und Blindkomponenten von Spannung und Strom
105
Die komplexen Scheinleitwerte der drei passiven Grundschaltelemente Widerstand, Kondensator und Spule erhalten wir durch Kehrwertbildung bei den Gln. (5.54), (5.55) und (5.56): YR =
1 1 = =G ZR R
(5.62)
YC =
1 = jω C ZC
(5.63)
YL =
1 1 = ZL jω L
(5.64)
Wie wir bereits aus der Gleichstromtechnik wissen, liefern Leitwerte einfache Gleichungen bei Parallelschaltungen. Für den in Bild 5.22 dargestellten Parallelschwingkreis ergibt sich beispielsweise für dessen Gesamtleitwert: 1 · § Y = Y R + Y C + Y L = G + j ¨ω C − = G + jB ω L ¸¹ ©
(5.65)
Analog wie beim komplexen Scheinwiderstand heißt der Realteil von Y (Re {Y}) Wirkleitwert, der Imaginärteil (Im {Y}) Blindleitwert.
5.9 Wirk- und Blindkomponenten von Spannung und Strom Spannung. Bild 5.23 zeigt die Reihenschaltung eines Widerstandes und einer Spule und das zugehörige Zeigerdiagramm. Die Zeigergleichung für die Spannungen lautet:
U = UR + UL = R I + jω L I
(5.66)
Auch ohne Zeigerdiagramm sagt uns die rechte Seite der Gleichung zweierlei: 1. UR || I 2. UL ⊥ I Die mit dem Strom in Phase liegende Spannungskomponente nennt man Wirkspannung, die senkrecht auf dem Stromzeiger stehende Blindspannung, denn die erstgenannte fällt an einem Wirk-, die andere an einem Blindwiderstand ab (im Beispiel eine Spule).
Bild 5.23
Komponenten der Gesamtspannung
106
5 Berechnung von Stromkreisen bei Wechselstrom
Strom. Die Zeigergleichung für die Ströme nach Bild 5.24 lautet: 1 I = I R + I C = U + jω C U R
(5.67)
Die mit der Spannung in Phase liegende Stromkomponente heißt Wirkstrom, die senkrecht auf der Spannung stehende Blindstrom. Der Wirkstrom durchfließt den Wirk-, der Blindstrom den Blindwiderstand (in diesem Fall ein Kondensator).
Bild 5.24
Komponenten des Gesamtstromes
Wie bereits erwähnt, werden wir jetzt eine anschauliche Interpretation von Wirk- und Blindgrößen geben.
5.10 Wechselstromleistung Wir schließen an einen Wechselstromgenerator einen beliebigen Wechselstromverbraucher an (s. Bild 5.25). Der Innenwiderstand des Generators soll klein sein, so dass er vernachlässigt werden kann. Die Phasenverschiebung ϕ zwischen Spannung und Strom hängt von der Natur des komplexen Verbrauchers Z ab, kann folglich Null, positiv oder negativ sein.
Bild 5.25
Wechselstromgenerator und Verbraucher
Wir setzen für den Strom an: i = iˆ sin ω t
(5.68)
Die um den Winkel ϕ phasenverschobene Spannung ist: u = uˆ sin (ω t + ϕ )
(5.69)
Durch Wahl des Wertes von ϕ können wir alle möglichen Fälle der Wechselstromlast Z erfassen (ϕ > 0 bedeutet induktive, ϕ < 0 kapazitive, ϕ = 0 ohmsche Last), so dass die folgenden Berechnungen allgemeingültig sind. Der Augenblickswert der an Z umgesetzten Leistung ergibt sich aus dem Produkt der Augenblickswerte von Strom und Spannung: p = u i = uˆ iˆ sin ω t sin(ω t + ϕ )
(5.70)
5.10 Wechselstromleistung
107
Unter Berücksichtigung des Additionstheorems für die Sinusfunktion erhalten wir: p = uˆ iˆ (sin 2 ω t cos ϕ + cos ω t sin ω t sin ϕ )
(5.71)
und mit: sin 2 ω t =
1 (1 − cos 2ω t ) 2
(5.72)
1 sin 2ω t 2
(5.73)
sowie: sin ω t cos ω t =
folgt: p=
uˆ iˆ (cos ϕ + sin 2ω t sin ϕ − cos 2ω t cos ϕ ) 2
(5.74)
Mit: uˆ =
2U
iˆ =
(5.75)
2I
sowie den Substitutionen: U I cos ϕ = P
U I sin ϕ = Q
(5.76)
erhalten wir schließlich für den Augenblickswert der Leistung: p = P(1 – cos 2ω t) + Q sin 2ω t = p1 + p2
(5.77)
Die Leistung hat zwei Anteile, die, wie wir an dem Argument der Sinus- und Kosinusfunktion erkennen, mit der doppelten Frequenz (2ω) gegenüber Spannung und Strom (ω) oszillieren. In Bild 5.26 sind diese beiden Leistungsanteile p1 und p2 sowie der Strom dargestellt. Der arithmetische Mittelwert von p1 ist: p1 =
1 T
T
³ p1 (t ) dt = P = U I cos ϕ
(5.78)
0
Am Verlauf von p1 erkennen wir, dass das richtig ist, denn ein Blick auf Bild 5.26 zeigt uns, dass dieser Leistungsanteil symmetrisch um die Linie P = const oszilliert.
Bild 5.26
Die Anteile p1 und p2 der Wechselstromleistung und der zugehörige Wechselstrom nach Gl. (5.68)
108
5 Berechnung von Stromkreisen bei Wechselstrom
Außerdem entnehmen wir Bild 5.26, dass p1 stets positiv ist, was ständige Leistungsaufnahme durch den Verbraucher Z oder, was das gleiche ist, ständige Leistungsabgabe des Generators an Z bedeutet. Anders verhält es sich mit dem Leistungsanteil p2. Dessen arithmetischer Mittelwert ist selbstverständlich Null, weil die Kurve von p2 symmetrisch um die Zeitachse schwingt, so dass sich die positiven und die negativen Flächen aufheben. In den Zeitintervallen, in denen p2 > 0 ist, wird der Leistungsanteil p2 durch Z aufgenommen, dort, wo p2 < 0 gilt, wird umgekehrt Leistung von Z an die Quelle geliefert. Die im zeitlichen Mittel ausgetauschte Leistung ist für den Anteil p2 Null. Wir konstatieren: Die in einem Wechselstromkreis zwischen dem Stromerzeuger und dem (komplexen) Verbraucher ausgetauschte elektrische Leistung setzt sich aus zwei grundsätzlich verschiedenen Anteilen zusammen. Der eine Anteil wird im Verbraucher umgesetzt, der andere pendelt zwischen Spannungsquelle und Verbraucher mit doppelter Stromfrequenz hin und her. Der im Verbraucher umgesetzte Teil ist die im Mittel an ihn gelieferte Leistung entsprechend der Substitution (5.76): P = U I cos ϕ
(5.79)
Sie heißt Wirkleistung. Sie verbleibt und bewirkt immer etwas in einem Verbraucher, erzeugt in ihm z.B. Wärme oder ein Drehmoment beim Elektromotor. Der pendelnde Leistungsanteil, der im Verbraucher „nichts bewirkt“, wird quantitativ durch seine Amplitude dargestellt (vgl. Gl. (5.76)): Q = U I sin ϕ
(5.80)
Diese Größe heißt Blindleistung. Für Phasenwinkel ϕ > 0 (induktive Last) ist Q > 0, für ϕ < 0 (kapazitive Last) ist Q < 0. Für Z = R, also ohmsche Last, ist ϕ = 0 und Q = 0. Die Blindleistung verschwindet, der pendelnde Anteil ist Null. Die gesamte gelieferte Leistung wird im Verbraucher umgesetzt. Wir verstehen jetzt, warum wir in der Wechselstromtechnik einen ohmschen Widerstand Wirkwiderstand nennen. Die von ihm aufgenommene Wirkleistung ist P = U I. Für Z = j ω L (Z = 1/j ω C), d.h. Vorhandensein einer Spule (eines Kondensators), ist ϕ = + 90° (ϕ = – 90°). Die Wirkleistung P ist Null. Es gibt nur einen pendelnden Leistungsanteil. Wir erkennen, wie sinnfällig in der Wechselstromtechnik die Bezeichnung Blindwiderstand für die Spule (den Kondensator) ist. Die Blindleistung ist Q = U I (Q = – U I, denn sin (– 90°) = – 1). Alle bisherigen Schlussfolgerungen bezüglich der Blindleistung haben wir aus den abgeleiteten Gleichungen gezogen. Hinter diesen Gleichungen verbirgt sich ein physikalischer Sachverhalt, der in folgendem besteht: Wenn ein Wechselstromverbraucher in der Lage sein soll, gelieferte elektrische Energie an die Quelle zurückzugeben, muss er während der Zeit der Aufnahme der Energie diese speichern können. Spule und Kondensator sind aber Energiespeicher, wie wir aus den Abschnitten 1 und 2 dieses Buches wissen. Deshalb können pendelnde Leistungsanteile, also Blindleistungen, nur dann vorkommen, wenn die Wechselstromschaltung Spulen und/oder Kondensatoren enthält. In der Spule erfolgt die zwischenzeitliche Speicherung als magnetische, im Kondensator als elektrische Feldenergie. Der Energieaustausch zwischen Blindwiderstand und Netz erfolgt mit der doppelten Frequenz der anliegenden Wechselspannung bzw. des fließenden Wechselstromes.
5.10 Wechselstromleistung
109
Ist beispielsweise ein Generator bei der Frequenz 50 Hz (T = 20 ms) an eine Spule angeschlossen, so wird 5 ms lang magnetische Feldenergie in der Spule gespeichert, danach 5 ms lang diese magnetische Feldenergie an das Netz zurückgegeben, wiederum 5 ms gespeichert usw. usf.. Beim Kondensator verläuft dieser Vorgang völlig analog, so dass zwischen den beiden Blindschaltelementen in bezug auf Leistungspendelung keine prinzipiellen Unterschiede bestehen. Da aber aus Gl. (5.80) bei einer Spule wegen ϕ > 0 Q > 0 und bei einem Kondensator wegen ϕ < 0 Q < 0 folgt, sagen wir, dass eine Spule induktive Blindleistung aus dem Netz aufnimmt und ein Kondensator kapazitive Blindleistung an das Netz abgibt. Arbeiten Spulen und Kondensatoren in einem Netzwerk zusammen, sind bei der Ermittlung der Gesamtblindleistung die kapazitiven von den induktiven Blindleistungsanteilen wegen ihres negativen Vorzeichens in Abzug zu bringen. Sowohl die Wirk- als auch die Blindleistung können maximal den Betrag: S=UI
(5.81)
annehmen. S heißt Scheinleistung. Von großer praktischer Bedeutung ist das Verhältnis von Wirkleistung zu Scheinleistung, weil es den Anteil der im Verbraucher umgesetzten an der maximal möglichen Leistung ausdrückt:
λ ≡ cos ϕ =
P S
(5.82)
Diese Größe heißt Leistungsfaktor. Mit ihm werden wir uns gleich noch einmal beschäftigen. Vorerst wollen wir jedoch den Zusammenhang zwischen den drei Leistungsarten Wirk-, Blindund Scheinleistung herstellen. Dazu bilden wir mit den Gln. (5.79) und (5.80) den Ausdruck: P2 + Q2 = (U I)2 (sin2ϕ + cos2ϕ) = (U I)2 = S2
(5.83)
S =
(5.84)
Somit: P2 + Q2
Alle zwischen den verschiedenen Leistungsarten gültigen Beziehungen können wir an dem gut merkbaren Leistungsdreieck nach Bild 5.27 ablesen. Legt man dieses in die komplexe Zahlenebene, dann ist die Scheinleistung auch in komplexer Form S = P + jQ darstellbar. Wie aus den Gln. (5.79), (5.80) und (5.81) folgt, ergeben sich die Dimensionen von Wirk-, Blindund Scheinleistung aus dem Produkt von Volt und Ampere, was, wie wir aus der Gleichstromtechnik wissen, Watt bedeutet. Watt wird aber nur als Einheit für die Wirkleistung verwendet. Für die Scheinleistung benutzt man Voltampere (VA), für die Blindleistung voltampere reaktiv (var).
Bild 5.27
Leistungsdreieck
Bild 5.28 enthält in einer Zusammenstellung die ohne weiteres aus den Gln. (5.79), (5.80) und (5.81) folgenden Beziehungen für P, Q und S bei den drei Grundschaltelementen.
110
5 Berechnung von Stromkreisen bei Wechselstrom
P =UI =
U2 = I 2R R
P=0
Q=0
Q = −U I =
S=P
S=–Q
Bild 5.28
P=0 U2 = I 2 XC XC
Q =UI =
U2 = I 2 XL XL
S=Q
P, Q und S für die Grundschaltelemente
Aus der Leistung erhält man mit der Zeit t für die Wirkarbeit: Wp = P t
(5.85)
und für die Arbeit, die die Blindleistung verrichtet, die sog. Blindarbeit: Wq = Q t
(5.85)
Blindleistungskompensation. Die pendelnde Blindleistung wird über die Stromleitungen zwischen Generator und Verbraucher ausgetauscht, so dass diese nicht nur für den Wirkleistungs-, sondern auch für den Blindleistungsfluss ausgelegt werden müssen. Das aber erfordert u.a. zusätzliches Kupfer und zusätzliche Netzblindleistung und ist aus diesem Grunde wirtschaftlich von Nachteil.
Deshalb werden Großverbraucher von elektrischer Energie, z.B. Industriebetriebe, von den Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU) in die Pflicht genommen, indem über sog. Blindstromzähler der Blindleistungsbedarf gemessen und bei Überschreiten vorgegebener Werte Strompreiszuschläge erhoben werden. Da die Verbraucher neben der Wirk- meist induktive Blindleistung aus dem Netz beziehen (man denke z.B. an die Wicklungen von Elektromotoren), schalten sie zusätzlich Kondensatoren in ihre Stromkreise. Dadurch wird die induktive teilweise oder ganz durch die zur Verfügung gestellte kapazitive Blindleistung kompensiert. Je vollständiger diese Kompensation ist, desto weniger Blindstrom belastet das öffentliche Stromnetz, umso größer ist der Leistungsfaktor cos ϕ. Eine totale Kompensation, d.h. cos ϕ = 1 ist technisch möglich, wirtschaftlich aber selten sinnvoll. Als Kompromiss wird in der Praxis cos ϕ = 0,9 … 0,95 gewählt. Bild 5.29 zeigt den Vorgang der Verbesserung des Leistungsfaktors mit den entsprechenden Leistungsdreiecken.
cos ϕ1 < cos ϕ2 Bild 5.29
Blindleistungskompensation
5.11 Drehstrom (Dreiphasenwechselstrom)
111
5.11 Drehstrom (Dreiphasenwechselstrom) 5.11.1 Erzeugung von Drehstrom Wenn wir wie bisher bei der Wechselstromspeisung über eine Hin- und eine Rückleitung für die Übertragung der elektrischen Energie verfügen, sprechen wir von Einphasenwechselstrom. Ein Verbraucher mit zwei Anschlüssen ist in diesem Sinne ein einphasiger Wechselstromverbraucher. Wie wir anhand von Bild 5.26 gesehen haben, erfolgt die Übertragung von Wirkleistung auf einen solchen Verbraucher impulsförmig, demnach nicht gleichmäßig in der Zeit (s. den Verlauf von p1). Besonders für die Übertragung großer elektrischer Energien ist das von erheblichem Nachteil. Einen Ausweg hat man in den dreiphasigen Wechselstromsystemen gefunden, die deshalb in der elektrischen Energietechnik eine zentrale Rolle spielen und die wir jetzt behandeln wollen. Das Prinzip verstehen wir am besten, wenn wir zunächst die Erzeugung von Dreiphasenwechselstrom, der aus im Abschnitt 8 dargelegten Gründen auch Drehstrom genannt wird, betrachten.
Bild 5.30
Prinzip des Drehstromgenerators
Bild 5.30 zeigt den grundsätzlichen Aufbau eines Drehstromgenerators in Form einer so genannten Synchronmaschine. Im Zentrum dieser Maschine befindet sich ein drehbarer Magnet (Dauermagnet oder durch Stromfluss erregter Magnet). Um ihn herum sind drei feststehende, jeweils räumlich um 120° gegeneinander versetzte Spulen (Wicklungen) angeordnet. Wird der Magnet angetrieben (beispielsweise in der Praxis von einer Dampfturbine oder einem Dieselmotor), werden, wie wir sofort erkennen, die einzelnen Spulen von durch die Drehbewegung zeitveränderlichen Magnetflüssen durchsetzt. In ihnen entstehen nach dem Induktionsgesetz also induzierte Spannungen, die wir an den Klemmen der Spulen abnehmen können. Diese Spannungen sind infolge des optimierten Aufbaus des Generators sinusförmig. Die Spulen bilden drei einphasige Wechselstromkreise.
112
5 Berechnung von Stromkreisen bei Wechselstrom
Bild 5.31
Liniendiagramme der Drehspannungen
Da die drei Wicklungen oder die drei Wicklungsstränge völlig gleich sind, d.h. der Generator symmetrisch aufgebaut ist, werden auch die gleichen Spannungen induziert. Insbesondere haben diese drei Spannungen die gleiche Amplitude und Frequenz. Der wesentliche Unterschied zwischen ihnen besteht in der Phasenverschiebung. Wenn wir die in Bild 5.30 gezeichnete Lage des rotierenden Magneten als Ausgangslage mit dem Drehwinkel ω t0 = 0 annehmen, wird in der Wicklung 1 in diesem Moment die Spannung u1(t0) induziert. Genau die gleiche Spannung muss auch nach einer Drehung um den Winkel ω t1 = 120° = 2/3 ʌ in der Wicklung 2 induziert werden, denn sowohl zum Zeitpunkt t0 als auch zum Zeitpunkt t1 bewegt sich gerade der Nordpol des rotierenden Magneten an der jeweiligen Spule vorbei. Es liegen somit in diesen Zeiten die gleichen Magnetflussverhältnisse vor. Bei weiterer Drehung um 120° gilt das gleiche für die Spule oder Wicklung 3. Somit ist u1(ω t = 0) = u2(ω t = 120°) = u3(ω t = 240°), d.h., die drei Spannungen sind um 120° gegeneinander phasenverschoben:
u 1 = uˆ sin ω t 2π · § u2 = uˆ sin ¨ ω t − ¸ 3 ¹ © 4π · § u3 = uˆ sin ¨ ω t − ¸ 3 ¹ ©
(5.87) (5.88) (5.89)
Bei einer vollen Umdrehung des Magneten durchlaufen alle drei Spannungen jeweils eine Periode. Bild 5.31 zeigt das Linien-, Bild 5.32 a das Zeigerdiagramm dieser Spannungen. Aus dem Zeigerdiagramm lesen wir ab: U 1 + U2 + U 3 = 0
Bild 5.32
Zeigerbild von a) Drehspannung und b) Drehstrom (ohmsche Belastung)
(5.90)
5.11 Drehstrom (Dreiphasenwechselstrom)
113
Schalten wir an die drei einphasigen Systeme ohmsche Widerstände gleicher Größe, so fließen Ströme i1, i2 und i3, die mit der jeweiligen Klemmenspannung in Phase und untereinander ebenfalls gleich groß sind (Zeigerdiagramm Bild 5.32 b). Ihre Zeigergleichung lautet: I1 + I2 + I3 = 0
(5.91)
Wie man sich selbst anhand des Liniendiagramms nach Bild 5.31 klarmachen kann, ist auch die Summe jeweiliger Augenblickswerte von Spannung und Strom Null. Ein solches Dreiphasen- oder Drehstromsystem heißt symmetrisch, andernfalls unsymmetrisch.
5.11.2 Die Verkettung des Drehstromsystems Die im Generator durch Induktion erzeugte elektrische Energie wird Verbrauchern zugeführt. Dabei ordnet man sinnvollerweise jedem Einphasensystem einen Verbraucherwiderstand zu, wie das in Bild 5.33 dargestellt ist, und erhält den aus drei Widerständen bestehenden Drehstromverbraucher.
Bild 5.33
Unverkettetes Drehstromsystem
Das gesamte Drehstromsystem setzt sich aus so genannten Strängen zusammen, die aus drei Generator- bzw. Wicklungssträngen und aus drei Verbrauchersträngen, die in unserem Beispiel ohmsche Widerstände sind, bestehen. Anfang und Ende eines Generatorwicklungsstranges werden normgerecht bezeichnet: U1 und U2 stehen für den Anfang bzw. das Ende der Wicklung 1, V1 und V2 entsprechend für Wicklung 2 sowie W1 und W2 für Wicklung 3. Die Wicklungsanfänge und -enden sind mit den Verbrauchern verbunden, so dass insgesamt sechs Leitungen erforderlich sind. Überlegungen, Leitungen einzusparen, führten zur Verkettung des Drehstromsystems, wobei zwei Verkettungsschaltungen von großer praktischer Bedeutung sind: die Sternschaltung und die Dreieckschaltung. Sternschaltung. Sie ist das Ergebnis der Idee, die Rückleitung des Stromes vom Verbraucher zum Generator einem für alle drei Phasen gemeinsamen Stromleiter zu übertragen, so dass nur vier Leiter benötigt werden. Bild 5.34 zeigt diese Schaltung, die wie ein Stern aussieht. Wir sagen deshalb, der Generator und der Verbraucher sind in Stern geschaltet.
Der Schaltungspunkt, in dem die Wicklungsenden des Generators bzw. die Enden der Verbraucherwiderstände zusammengeführt sind, heißt Sternpunkt, der beide Sternpunkte verbindende Leiter Neutralleiter N oder auch Sternpunktleiter. Die drei Hinleitungen zum Verbraucher heißen Außenleiter oder einfach Leiter L1, L2 und L3. Die angegebenen Zählpfeile der Außenleiterströme und des ggf. auftretenden Neutralleiterstromes I0 verdeutlichen die Energieflussrichtung.
114
5 Berechnung von Stromkreisen bei Wechselstrom
Alle Generatoren unserer Kraftwerke arbeiten nach dem in Bild 5.30 demonstrierten Prinzip und haben in der Regel in Sternschaltung nach Bild 5.34 verkettete Wicklungen. Wir sprechen bei einem so aufgebauten Netz von einem Vierleiter-Drehstrom-Netz.
Bild 5.34
Sternschaltung des Drehstromsystems
Bild 5.35
Dreieckschaltung des Drehstromsystems
Dreieckschaltung. Sie ist in Bild 5.35 dargestellt und ohne weiteren Kommentar verständlich. Hier handelt es sich um ein Drei-Leiter-Drehstromnetz, da für die Übertragung der elektrischen Energie vom Generator zum Verbraucher nur drei Außenleiter erforderlich sind. Dieses Netz ist uns in Form der in der freien Natur aufgestellten Hoch- oder Höchstspannungs-Masten, die von den Kraftwerken zu den Verbrauchern führen, bekannt (s. Abschnitt 9).
Für die Stern- und die Dreieckschaltung sind folgende Begriffe wichtig: Unter Strangspannung verstehen wir die an einem Strang anliegende Spannung (z.B. die Spannung über einem Widerstand des Drehstromverbrauchers nach Bild 5.33 oder 5.34), unter Strangstrom den durch einen Strang fließenden Strom. Unter Leiterspannung verstehen wir die zwischen jeweils zwei Außenleitern des Systems wirkende Spannung, unter Leiterstrom den in jeweils einem Außenleiter fließenden Strom. Am Ende dieses Abschnittes sei noch erwähnt, dass die beiden Konfigurationen Stern und Dreieck nichts mit der räumlichen Lage der Wicklungs- oder Verbraucherstränge zu tun haben. Sie werden aus Gründen der Anschaulichkeit lediglich als solche geometrischen Figuren gezeichnet. Man erhält die jeweilige Konfiguration durch die Realisierung der entsprechenden elektrischen Verbindungen.
5.11 Drehstrom (Dreiphasenwechselstrom)
115
5.11.3 Spannungen und Ströme im symmetrischen Drehstromsystem Sternschaltung. Wir stellen im folgenden nur den Drehstromverbraucher dar. Seine Sternschaltung mit allen vorkommenden Spannungen und Strömen zeigt das Bild 5.36.
Bild 5.36
Spannungen und Ströme bei der Sternschaltung
Die Leiterströme I1, I2 und I3 fließen zum Verbraucher hin, der Strom I0 im Neutralleiter fließt von ihm weg. Letzterer ist in einem symmetrischen Drehstromsystem stets Null, da er in dem Knotenpunkt N durch Addition der drei Leiterströme, für die bei Symmetrie Gl. (5.91) gelten muss, entsteht. Die Leiterströme durchfließen auch die Verbraucherstränge. Bei der Sternverkettung sind demzufolge die Leiterströme gleich den Strangströmen. Anders ist es bei den entsprechenden Spannungen. Die Leiterspannungen tragen zwei Indizes, die angeben, zwischen welchen Leitern die jeweilige Spannung anliegt. So ist U1,2 die zwischen Leiter L1 und Leiter L2 wirkende Spannung usw.. Zur Charakterisierung der nächsten Leiterspannung vertauschen wir die Indizes zyklisch und bekommen die beiden anderen als U2,3 und U3,1. Wir erhalten durch diese Festlegungen leicht überschaubare Zeigerdiagramme. Die Strangspannungen (auch Sternspannungen genannt) sind zwischen jeweils einem Leiter und dem Sternpunkt wirksam. Wir nennen sie U1, U2 und U3. Wegen der vorausgesetzten Symmetrie sind alle Leiterspannungen untereinander gleich groß, ebenfalls alle Strangspannungen. Leiterspannungen und Strangspannungen sind jedoch untereinander verschieden. Für die Strangspannungen gilt das Zeigerbild nach Bild 5.32 a. Es ist in Bild 5.37 a in anderer Form dargestellt. Auf diese Weise kommt die in Bild 5.36 gewählte Richtung des Spannungspfeiles, nämlich vom Außenleiter zum Sternpunkt, zum Ausdruck. Da diese Darstellung bereits alle „Anschlusspunkte“ („1“ für L1 usw.) für die Außenleiter enthält, sind die Spannungen zwischen ihnen als Verbindungslinien dieser Punkte unter Berücksichtigung ihrer Zählpfeile leicht einzutragen. Somit erhalten wir das komplette Zeigerbild aller Spannungen nach Bild 5.37 b.
116
5 Berechnung von Stromkreisen bei Wechselstrom
Bild 5.37
Zeigerbilder der Strangspannungen (a) und aller Spannungen (b) bei Sternschaltung
Aus dem schraffierten Dreieck lesen wir ab: U1,2 2
= U1 cos 30° =
1 3 U1 2
U1,2 = 3 U1
(5.92) (5.93)
Analog gilt für die anderen Leiterspannungen: U 2,3 = 3 U 2
(5.94)
U 3,1 = 3 U 3
(5.95)
Wegen der Symmetrie gilt U1,2 = U2,3 = U3,1 Ł U und U1 = U2 = U3 Ł UStr und somit: U = 3 U Str
(5.96)
Für Leiter- und Strangströme gilt, wie bereits festgestellt: I = IStr
(5.97)
Die Leiterspannungen im Vierleiterdrehstromsystem entsprechen dem 1,732-fachen der Strangspannungen. Leiter- und Strangströme sind gleich. Zwischen den am Verbraucher ankommenden vier Leitungen eines solchen Systems können demnach zwei verschiedene Spannungen abgegriffen werden. Die in unsere Wohnhäuser geführten Drehstrom-Niederspannungs-Systeme haben beispielsweise eine Außenleiterspannung von 400 V (früher 380 V). Zwischen jeweils einem Außenleiter und dem Neutral- oder Sternpunktleiter steht zusätzlich die Spannung 400 V/1,732 = 230 V (früher 380 V/1,732 = 220 V) zur Verfügung. Die drei Außenleiter (L1, L2 und L3), an die wir die (Drehstrom-) Motoren in unserer Werkstatt oder den Elektroherd in der Küche bei 400 V anschließen, nennen wir umgangssprachlich Kraftstromsystem. Die zwei Leiter (z.B. L1 und N), an die wir einphasig unsere Glühlampen, die Kaffeemaschine oder den Fernsehapparat oder aber auch die (Einphasen-) Motoren von Kühlschrank oder Luftdusche bei 230 V anschließen, nennen wir umgangssprachlich Lichtstromsystem.
117
5.11 Drehstrom (Dreiphasenwechselstrom)
Schon an dieser Ausdrucksweise erkennen wir, dass für höhere Leistungen grundsätzlich Drehstromverbraucher, für niedrigere Leistungen einphasige Verbraucher bevorzugt werden. Bild 5.38 demonstriert das eben Gesagte nochmals.
Bild 5.38
Drei- und Einphasenverbraucher am Drehstromnetz
Dreieckschaltung. Bild 5.39 zeigt den in Dreieck geschalteten Verbraucher mit allen auftretenden Spannungen und Strömen. Die Lage der drei Verbraucheranschlusspunkte 1, 2 und 3, die gewählte Folge der Indizes und die gewählten Zählpfeilorientierungen sollten zweckmäßigerweise immer so, wie hier dargestellt, benutzt werden.
Aus der Dreieckschaltung können wir sofort ablesen: U = UStr
(5.98)
Die Beziehung zwischen Leiter- und Strangströmen ist analog wie bei den Spannungen der Sternschaltung (s. oben) abzuleiten: I = 3 IStr
(5.99)
Bei Dreieckschaltung entsprechen die Leiterströme dem 1,732-fachen des Strangstromes. Leiter- und Strangspannungen sind gleich. Messen wir beispielsweise in den Zuleitungen eines Drehstrommotors in Dreieckschaltung einen Strom von 17,32 A, fließt in den drei Wicklungssträngen dieses Motors ein Strom von jeweils 10 A.
Bild 5.39
Spannungen und Ströme bei der Dreieckschaltung
118
5 Berechnung von Stromkreisen bei Wechselstrom
Die meisten Drehstromverbraucher sind symmetrisch aufgebaut (Drehstrommotoren, Drehstromtransformatoren, Elektroheizungsanlagen usw.). Da, wie eben gezeigt, an das Vierleiternetz auch einphasige Verbraucher, vielfach in ihrer Zahl und ihrer Art, angeschlossen sind, führen diese stets zu Unsymmetrien im öffentlichen Drehstromnetz. Die Folge davon ist, dass die Zeigersumme der Ströme im Sternpunkt nicht mehr Null ist. Es fließt infolgedessen ein Strom I0 im Sternpunktleiter. Es ist eine der Hauptaufgaben des Sternpunktleiters, diesen Strom, der infolge von Asymmetrien im Netz auftritt, aufzunehmen.
5.11.4 Drehstromleistung Die Wirkleistung in einem Verbraucherstrang ist nach Gl. (5.79): PStr = UStr IStr cosϕ
(5.100)
Darin ist ϕ der Winkel zwischen Strangspannung und Strangstrom. Die gesamte Wirkleistung aller drei Stränge, d.h. die Wirkleistung des Drehstromverbrauchers ist: P = 3 PStr = 3 UStr IStr cosϕ
(5.101)
Bei Leistungsberechnungen benutzt man nicht die Strang-, sondern die Leitergrößen, weil diese in den Zuleitungen des Drehstromverbrauchers leicht gemessen werden können. Wir drücken deshalb in Gl. (5.101) die Stranggrößen durch Leitergrößen aus. Für die Sternschaltung ergibt sich mit U Str = U / 3 und IStr = I für die gesamte Drehstromwirkleistung: P = 3 U I cos ϕ
(5.102)
Für die Dreieckschaltung mit UStr = U und IStr = I / 3 erhalten wir den gleichen Ausdruck. Bei gleichen Werten von Leiterspannung und Leiterstrom ergibt sich unabhängig von der Art der Verkettung die gleiche Leistung. Für die Drehstromblindleistung folgt analog: Q = 3 U I sin ϕ
(5.103)
Wir beachten, dass U und I die entsprechenden Leitergrößen sind, ϕ aber herleitungsgemäß dem Phasenwinkel zwischen den entsprechenden Stranggrößen entspricht. Die Scheinleistung als maximal mögliche Leistung ist: S = 3U I
(5.104)
Vergleichen wir diese Leistungsgleichungen mit denen des einphasigen Wechselstromes (s. Abschnitt 5.10), dann stellen wir fest, dass der Unterschied bei der Leistungsberechnung aus den Zuleitungsgrößen darin besteht, dass beim Drehstromsystem zusätzlich der Faktor 3 zu berücksichtigen ist. Ansonsten gelten völlig analoge Beziehungen. Insbesondere kann man ein Leistungsdreieck zeichnen. Weiterhin sind die gleichen Dimensionen gültig, nämlich für die Wirkleistung das Watt (W), für die Blindleistung voltampere reaktiv (var) und für die Scheinleistung Voltampere (VA).
5.12 Übungsaufgaben
119
Die Bedeutung des Drehstromsystems besteht u.a. darin, dass infolge der Verteilung auf drei Einphasensysteme und der Phasenverschiebung der elektrischen Größen dieser Systeme von 120° ein gleichmäßiger Leistungsfluss vom Generator zum Verbraucher stattfindet. Wir werden in den Abschnitten über elektrische Maschinen und elektrische Energietechnik auf das Drehstromsystem zurückkommen.
5.12 Übungsaufgaben 5-1 Welche Periodendauer und welche Kreisfrequenz haben folgende Wechselströme mit den folgenden Frequenzen: 16 2/3 Hz; 25 Hz; 40 Hz; 50 Hz; 53,7 Hz; 1 kHz; 2,5 MHz; 2450 MHz; 11,8 GHz? 5-2 In welcher Zeit nach dem Nulldurchgang erreichen die Wechselspannungen folgender Frequenzen zum ersten Male ihren positiven und ihren negativen Maximalwert: 16 2/3 Hz; 50 Hz, 100 Hz? 5-3 Folgende Sinusfunktionen sind maßstabsgerecht über mindestens eine Periode darzustellen (f = 50 Hz):
i(t) = 25 A sin (ω t – 20°) u(t) = 325 V cos (ω t + 35°) Berechnen Sie i(t) und u(t) nach Ablauf von 50 ms! 5-4 Von zwei Strömen gleicher Frequenz erreicht der eine 20 % seiner Amplitude, während zur gleichen Zeit der andere 90 % seiner Amplitude annimmt. Wie groß ist die Phasenverschiebung zwischen diesen beiden Strömen? 5-5 Es sind die arithmetischen Mittelwerte der in Bild 5.40 dargestellten Spannungsverläufe zu berechnen (die dargestellten Kurven sind Teile der Sinusfunktion u(t)= uˆ sin ω t)!
Bild 5.40
Zur Aufgabe 5-5
5-6 Berechnen Sie den Effektivwert der in Bild 5.41 dargestellten Spannung (Dimmerspannung. Die Kurven sind Teile der Sinusfunktion u(t) = uˆ sin ω t)!
Bild 5.41
Zur Aufgabe 5-6
120
5 Berechnung von Stromkreisen bei Wechselstrom
5-7 Zwei in Reihe geschaltete Generatoren erzeugen eine Spannung von 110 V bzw. 150 V bei gleicher Frequenz. Die Phasenverschiebung beider Spannungen beträgt 35°. Wie groß ist die Gesamtspannung? Lösen Sie die Aufgabe grafisch und rechnerisch! (Hinweis: Erinnern Sie sich bei der rechnerischen Lösung an die Sätze, die Sie aus der ebenen Trigonometrie kennen!) 5-8 In einem Knotenpunkt überlagern sich drei Ströme von je 20 A. Die Phasenverschiebungen sind: ϕ1,2 = 50°, ϕ2,3 = 30°. Zu ermitteln ist grafisch und rechnerisch der Gesamtstrom! (Hinweis: s. Hinweis zur Aufgabe 5-7!)
Bild 5.42
Zur Aufgabe 5-9
5-9 Es sind die qualitativen (willkürlich gewählte Länge der Zeiger!) Zeigerdiagramme der Schaltungen nach den Bildern 5.42 a, b, c und d zu entwickeln! Bei jeder Schaltung ist anzugeben, ob sie sich induktiv, kapazitiv oder ohmisch verhält! Außerdem ist für jede Schaltung zu prüfen, welchen Widerstand sie für Gleichspannung (f = 0) und für Wechselspannung sehr hoher Frequenz (f → ∞) besitzt! 5-10 Die Schaltung nach Bild 5.42 b wird mit folgenden Daten betrieben: f = 50 Hz R1 = 75 ȍ R2 = 40 ȍ IL,R2 = 3 A L = 95,5 mH C = 21,2 ȝF a) Es ist ein maßstabsgerechtes Zeigerdiagramm zu konstruieren! b) Es sind Wirk-, Blind- und Scheinleistung sowie der Leistungsfaktor der Schaltung aus den grafisch aus a) erhaltenen Daten zu berechnen! Diskutieren Sie Möglichkeiten der Verbesserung des Leistungsfaktors! c) Wie groß ist der Strom durch die Schaltung, wenn eine Gleichspannung von 10 V angelegt wird? 5-11 Folgende Zeiger sind in der Exponentialform darzustellen! e) Z = 5 ȍ + j 2 ȍ a) U = 2 V + j 3 V b) U = 20 V + j 15 V f) I = 10 A c) I = 1 A – j 1 A g) U = j 2 V d) U = – 5 V + j 3 V h) Z = 100 ȍ – j 200 ȍ ! (Hinweis: Eine Skizze wird die Rechnungen wesentlich erleichtern) 5-12 Der Strom nach Aufgabe 5-11 c) sei durch die Spannung nach Aufgabe 5-11 b) verursacht. a) Der zugehörige Scheinwiderstand ist in komplexer Form sowie nach Betrag und Phase zu berechnen! Wie groß ist die Phasenverschiebung zwischen Spannung und Strom? b) Geben Sie eine Schaltung an, durch die das unter a) berechnete Z praktisch realisiert werden kann. Berechnen Sie die Bauelementedaten der in dieser Schaltung enthaltenen Wirk- und Blindwiderstände (f = 50 Hz)! c) Berechnen Sie die Wirk- und die Blindkomponente des Stromes in bezug auf die Spannung!
5.12 Übungsaufgaben
121
5-13 Es wird die Parallelschaltung eines Widerstandes mit einer Spule betrachtet (R = 10 ȍ, L = 38,2 mH, f = 50 Hz). Die anliegende Spannung ist 20 V. a) Bestimmen Sie mittels der komplexen Rechnung den in diese Schaltung fließenden Strom nach Betrag und Phase! b) Kontrollieren Sie anschließend das Ergebnis, indem Sie den Gesamtstrom aus den beiden Teilströmen berechnen! 5-14 Berechnen Sie den in die Schaltung nach Bild 5.43 fließenden Strom, wenn an diese Schaltung eine Spannung von U = 100 V bei f = 50 Hz gelegt wird (R1 = 40 ȍ, R2 = 50 ȍ, L = 0,1 H, C = 45 ȝF)!
Bild 5.43
Zur Aufgabe 5-14
5-15 Folgende Schaltelemente sind in Reihe geschaltet. Der komplexe Scheinwiderstand ist in der kartesischen und in der exponentiellen Form zu errechnen und die Phasenverschiebung zwischen Spannung und Strom ist anzugeben! a) R = 200 ȍ L = 0,5 H f = 50 Hz b) R = 200 ȍ L = 0,5 H f = 100 Hz c) R= 80 ȍ C = 31,9 ȝF f = 50 Hz d) R = 120 ȍ L = 0,48 H C = 31,9 ȝF f = 50 Hz e) R = 120 ȍ L= 0,48 H C = 31,9 ȝF f = 20 Hz f) R = 120 ȍ L = 0,48 H C = 31,9 ȝF f = 40,6 Hz 5-16 Folgende Bauelemente sind parallel geschaltet (Parallelschwingkreis). Es sind der komplexe Scheinwiderstand in der kartesischen und in der exponentiellen Form zu errechnen und die Phasenverschiebung anzugeben (Hinweis: Berechnen Sie bei Parallelschaltungen immer zuerst den komplexen Scheinleitwert und danach durch Kehrwertbildung den komplexen Scheinwiderstand Z = 1/Y!)! R = 250 ȍ C = 2,2 ȝF L = 1,15 H Folgende Frequenzen sind zugrunde zu legen: a) 5 Hz b) 20 Hz c) 60 Hz d) 100 Hz e) 160 Hz f) 500 Hz g) 1500 Hz Tragen Sie die ermittelten Z - Werte maßstäblich in die komplexe Zahlenebene ein und ergänzen Sie Zwischenwerte durch Zeichnen der Ortskurve von Z! Die Ortskurve ist zu diskutieren! 5-17 Für die Schaltung nach Bild 5.44 sind gegeben: U = 12 V XL = 20 ȍ R1 = 10 ȍ XC = – 10 ȍ R2 = 6 ȍ
Bild 5.44
Zur Aufgabe 5-17
Es sind für die gesamte Schaltung P, Q, S und cos ϕ zu berechnen (Hinweis: Ermitteln Sie die Leistungswerte zuerst für die beiden Zweige, aus denen die Schaltung besteht, einzeln und berechnen Sie dann die Gesamtwerte!)
122
5 Berechnung von Stromkreisen bei Wechselstrom
5-18 Drei einphasige Verbraucher sind entsprechend Bild 5.45 an das Drehstromnetz angeschlossen. Alle fehlenden Ströme, Wirk-, Blind- und Scheinleistungen der einzelnen Verbraucher sind zu berechnen und aus den Einzelwerten die gesamte Drehstromwirk-, Drehstromblind- und Drehstromscheinleistung zu bestimmen!
Bild 5.45
Zur Aufgabe 5-18
5-19 Welche Blindleistung ist zu kompensieren, wenn ein Industriebetrieb bei einem durchschnittlichen Verbrauch von 5200 kW den Leistungsfaktor von 0,7 auf 0,9 verbessert? Wie groß ist die Gesamtkapazität der dazu notwendigen Kompensationskondensatoren, wenn die Spannung 230 V beträgt? 5-20 Ein Drehstromgenerator liefert eine Strangspannung von 6,062 kV. Wie groß ist die Spannung zwischen den vom Generator weggeführten Außenleitern (Leiterspannung) a) bei Sternb) bei Dreieckschaltung des Generators? 5-21 Ein elektrischer Heizofen mit drei Widerständen von je 40 ȍ kann a) in Stern- und b) in Dreieckschaltung an das Niederspannungs - Drehstromnetz 400 V / 230 V 50 Hz angeschlossen werden. Für beide Fälle sind zu berechnen: a) der Leiterstrom b) die gesamte aufgenommene Leistung! Was erreicht man also, wenn ein solcher elektrischer Ofen mit einem Stern - Dreieck - Schalter ausgerüstet wird? 5-22 Schaltet man die drei Heizwiderstände eines elektrischen Ofens von je 20 ȍ in Dreieck, lässt sich in den Zuleitungen ein Strom von 34,6 A messen. Wie groß sind Leiterspannung und Leiterstrom, wenn auf Stern umgeschaltet wird? 5-23 Zu berechnen sind Wirk-, Blind- und Scheinleistung eines Drehstrommotors bei 400 V, 12,8 A und cos ϕ = 0,85 ! Stellen Sie Überlegungen zu der Frage an, welche Bedeutung Wirk- und Blindleistung für den Betrieb des Motors haben! 5-24 Ein Drehstrommotor nimmt bei einer Spannung von 400 V einen Strom von 15,8 A auf. Sein Leistungsfaktor ist cos ϕ = 0,82. Wie lange war er in Betrieb, wenn am Elektrizitätszähler ein Verbrauch von 53,927 kWh für diese Zeit abzulesen ist ? Wie groß ist die im gleichen Zeitraum verrichtete Blindarbeit? 5-25 Ein Drehstromverbraucher nach Bild 5.46 wird aus einem Drehstromnetz mit 400 V Leiterspannung gespeist. Für die Parallelschaltung in den Strängen gilt R = XL = 120 ȍ. Es sind alle zwölf vorkommenden Ströme zu berechnen!
5.12 Übungsaufgaben
Bild 5.46
Zur Aufgabe 5-25
123
6 Ausgleichsvorgänge in Stromkreisen In den Abschnitten vier und fünf über die Berechnung von Gleich- und Wechselstromkreisen haben wir stets den so genannten eingeschwungenen Zustand der Schaltung betrachtet. Die Parameter der Schaltung waren unverändert, die angelegte Spannung hatte einen festen Betrag sowie konstante Frequenz. Es stellte sich ein bestimmter Strom ein. Verändern wir schlagartig die Spannung, deren Frequenz oder Phasenlage oder aber die Schaltung selbst, stellt sich in der Folge auch ein anderer Strom im Netzwerk ein, der zu den veränderten Bedingungen gehört. Ihn können wir mit den neuen elektrischen Werten nach den uns jetzt bekannten Methoden berechnen. Zwischen diesen beiden eingeschwungenen Zuständen ergibt sich ein Übergangsvorgang oder Ausgleichsvorgang, mit dem wir uns nun beschäftigen wollen. Die häufigsten Übergangsvorgänge setzen beim Schließen oder Öffnen eines Schalters ein. Wir nennen sie deshalb Schaltvorgänge. Sie werden durch lineare Differenzialgleichungen mit konstanten Koeffizienten beschrieben, wenn die Bauelemente, die das elektrische Netzwerk bilden, linear sind, d.h. wenn Proportionalität zwischen Spannung und Strom besteht. Gerade dies ist aber für die Bauelemente Widerstand, Kondensator und Spule in den weitaus meisten Fällen erfüllt (s. die Gln. (5.45),(5.46) und (5.47)), so dass wir das generell voraussetzen. Die erhaltenen Differenzialgleichungen sind dann relativ einfach nach immer dem gleichen Algorithmus zu lösen. Das Problem besteht in der Regel in der Bestimmung der Integrationskonstanten, die aus den Rand- bzw. den Anfangsbedingungen für den Schaltvorgang bestimmt werden müssen. Diese Bedingungen können bei Kenntnis der so genannten Schaltgesetze gewonnen werden, die wir als nächstes behandeln.
6.1 Die Schaltgesetze Spule. Der Energieinhalt des Magnetfeldes einer Spule ist durch Gl. (2.64) bestimmt. Ist der sie durchfließende Strom ein Wechselstrom i, ist der Augenblickswert dieser Energie: Wm =
L i2 2
(6.1)
Für die zeitliche Änderung der Energie ist eine Leistung erforderlich: p=
d Wm di = Li dt dt
(6.2)
Eine durch einen Schaltvorgang bedingte sprunghafte Änderung des Stromes (di/dt ĺ ) würde eine unendlich große Leistung, die von der Stromquelle des Kreises geliefert werden müsste, erfordern, was technisch unmöglich ist. Daraus folgt das Schaltgesetz: In einem Stromzweig, der eine Spule der Induktivität L enthält, kann sich der Spulenstrom niemals sprunghaft ändern. Mit anderen Worten: Unmittelbar nach einem Schaltvorgang, der nach Ablauf des Übergangsvorganges einen anderen Strom erzwingt, hat der Strom den gleichen Wert wie unmittelbar vor dem Schaltvorgang.
6.2 Aufladung eines Kondensators
125
Dies gilt nicht für die Spulenspannung, da die in einer gegebenen Spule gespeicherte magnetische Feldenergie nur vom Strom abhängt. Kondensator. Die im Dielektrikum des Kondensators gespeicherte elektrische Feldenergie ist durch Gl. (1.54) gegeben. Bei Wechselspannung u gilt: We =
C u2 2
(6.3)
Die erforderliche Leistung bei Spannungsänderungen ist: p=
d We du = Cu dt dt
(6.4)
Eine sprungartige Spannungsänderung am Kondensator würde unendlich hohe Leistung der Spannungsquelle im Kreis erfordern. Deshalb gilt das Schaltgesetz: In einem Stromzweig, der einen Kondensator der Kapazität C enthält, kann sich die Kondensatorspannung niemals sprunghaft ändern. Folglich muss unmittelbar nach einem Schaltvorgang die Kondensatorspannung den gleichen Wert wie unmittelbar vor dem Schaltvorgang haben. Weil die elektrische Feldenergie eines gegebenen Kondensators nur von dessen Spannung abhängt, gilt dies nicht für den Kondensatorstrom. Widerstand. Gl. (4.6) bestimmt die in einem Widerstand umgesetzte elektrische Energie. Der Augenblickswert der Leistung ist bei Zugrundelegung der Wechselspannung u und des Wechselstromes i: p = ui
(6.5)
Da in diesem Ausdruck die Differenzialquotienten von Strom und Spannung nicht vorkommen, ist für einen Spannungs- oder Stromsprung auch keine unendlich hohe Leistung erforderlich. Bei einem ohmschen Widerstand können sich demnach Spannung und Strom sprungartig ändern. Dabei zieht ein Spannungssprung einen Stromsprung und ein Stromsprung einen Spannungssprung nach sich. Im folgenden Abschnitt wird ein Beispiel, welches alles Charakteristische für Schaltvorgänge enthält, behandelt. Danach folgen zwei weitere, die entsprechend kurz gehalten werden.
6.2 Aufladung eines Kondensators Bild 6.1 zeigt die elektrische Schaltung. Der Schalter kann neben der Mittelstellung noch zwei andere einnehmen. Befindet er sich in der Stellung 1, wird der Stromkreis von Spannungsquelle,
Bild 6.1
Schaltung mit Widerstand und Kondensator
126
6 Ausgleichsvorgänge in Stromkreisen
Widerstand und Kondensator, befindet er sich in Stellung 2, wird der Stromkreis nur von Widerstand und Kondensator gebildet. Im Ausgangszustand, bei Mittelstellung des Schalters, ist der Kondensator spannungslos. Wir bringen den Schalter in die Stellung 1, beginnen in diesem Moment mit der Zeitzählung (Schaltaugenblick: t = 0) und beobachten den sich anschließenden Ausgleichsvorgang. Nach dem 2. Kirchhoffschen Satz gilt für die durch Quelle, Widerstand und Kondensator gebildete Masche: uR + uC = U q
(6.6)
uR und uC sind veränderlich, ihre Summe ist aber immer konstant und gleich dem Wert der Quellenspannung. Mit den Beziehungen uR = i R und i = C du/dt ergibt sich aus Gl. (6.6): RC
d uC + uC = U q dt
(6.7)
Dies ist eine lineare, inhomogene Dgl. 1. Ordnung mit konstanten Koeffizienten für die Kondensatorspannung. Wie wir aus der höheren Mathematik wissen, müssen wir zuerst den homogenen Teil dieser Gleichung lösen, der sich aus Gl. (6.7) für Uq = 0 ergibt: RC
d uC + uC = 0 dt
(6.8)
Die Lösung von Gleichungen dieser Art realisiert man über einen Exponentialansatz für die gesuchte Größe, hier die Kondensatorspannung uC: uC (t ) = K eλt
(6.9)
Darin ist K die Integrationskonstante. Setzen wir diesen Ausdruck in Gl. (6.8) ein, erhalten wir nach Division durch K expλt (was immer möglich ist, denn eλt kann nie Null werden) die charakteristische Gleichung von (6.8): R C λ +1 = 0
(6.10)
mit der Lösung:
λ=−
1 RC
(6.11)
Eingesetzt in Gl. (6.9): uCf (t ) = K e
−
t RC
(6.12)
Das ist erst die allgemeine Lösung des homogenen Teils der Dgl. (6.7), d.h. der Gl. (6.8). Wir benötigen aber die allgemeine Lösung der inhomogenen Dgl. (6.7), weil nur diese unser Schaltproblem richtig beschreibt (der homogene Teil beinhaltet nämlich nicht das Störglied Uq). Uns ist bekannt, dass diese allgemeine Lösung der inhomogenen Dgl. sich aus der Summe der Lösung des homogenen Teils entsprechend Gl. (6.12) und einer partikulären Lösung der inhomogenen Dgl. (6.7) zusammensetzt. Um letztere müssen wir uns also bemühen. Eine partikuläre Lösung kann man in vielen Fällen durch Probieren finden. Mit ein wenig Übung erkennt man beispielsweise, dass uCe = Uq eine solche ist, denn sie erfüllt, wie wir uns durch Einsetzen überzeugen können, die Gl. (6.7). Somit ist unsere vollständige Lösung:
6.2 Aufladung eines Kondensators
uC (t ) = uCf (t ) + uCe = K e
−
t RC
+ Uq
127
(6.13)
Die Integrationskonstante kann unendlich viele Werte annehmen. Auf unser konkretes Schaltproblem passt aber nur eine, die wir bestimmen müssen. Dazu benutzen wir das für den Kondensator gültige Schaltgesetz nach Abschnitt 6.1. Bei t < 0, d.h. vor dem Umlegen des Schalters in die Stellung 1, ist der Kondensator ungeladen, also uC = 0. Im Schaltmoment, bei t = 0, wird Uq sprungartig an den Widerstand und den Kondensator gelegt. Die Kondensatorspannung kann sich aber bekanntlich nicht sprungartig ändern, so dass im Schaltmoment und unmittelbar danach die Kondensatorspannung immer noch Null ist. Setzen wir diese Bedingungen uC = 0 und t = 0 in Gl. (6.13) ein, folgt für die Integrationskonstante K = – Uq. Aus Gl. (6.13) ergibt sich dann die auf unser zu bewältigendes Problem passende Lösung: t § − uC (t ) = U q ¨1 − e RC ¨ ©
t · § − ¸ = U q ¨1 − e τ ¸ ¨ ¹ ©
· ¸ ¸ ¹
(6.14)
Das ist der Verlauf der Kondensatorspannung für t ≥ 0. Der Strom ist: i (t ) = C
t Uq − t d uC U q − e RC = e τ = R R dt
(6.15)
Der Verlauf von Kondensatorspannung und Strom wird in Bild 6.2 gezeigt. Wir erkennen deutlich den Aufladevorgang des Kondensators und den mit steigender Kondensatoraufladung immer mehr versiegenden Strom. Die Zeit, die vergehen muss, bis der Exponent den Betrag „Eins“ erreicht, heißt Zeitkonstante τ = RC des Aufladevorganges. Sie bestimmt bekanntlich die Geschwindigkeit der Aufladung. Wir arbeiten jetzt anhand des Beispiels der Kondensatoraufladung das Charakteristische für alle Ausgleichsvorgänge heraus.
Bild 6.2
Aufladen eines Kondensators
Gl. (6.13) zeigt uns, dass sich die Kondensatorspannung aus zwei zu summierenden Anteilen zusammensetzt, aus uCf und uCe. Für K = – Uq sind diese beiden Summanden gemeinsam mit der Kondensatorspannung in Bild 6.3 gezeigt. Wir erkennen, dass uCf mit der Zeit verschwindet, uCe jedoch von Anfang an in konstanter Größe erhalten bleibt und derjenigen Spannung entspricht, die nach Abschluss des Ausgleichsvorganges am Kondensator vorhanden ist. Der Übergangsvorgang wird folglich maßgeblich durch uCf, der neue eingeschwungene Zustand maßgeblich durch uCe bestimmt.
128
6 Ausgleichsvorgänge in Stromkreisen
Die Lösung der für einen Ausgleichsvorgang gültigen Differenzialgleichung setzt sich aus zwei Anteilen zusammen, dem flüchtigen und dem eingeschwungenen. Der flüchtige Anteil ist Lösung des homogenen Teils der Differenzialgleichung. Er bestimmt die Geschwindigkeit des Überganges in den sich nach dem Schaltvorgang ergebenden neuen eingeschwungenen Zustand. Der eingeschwungene Anteil ist partikuläre Lösung der inhomogenen Differenzialgleichung und bestimmt diesen neuen Zustand.
Bild 6.3
Flüchtiger und eingeschwungener Anteil von uC
Wir nennen deshalb uCf den flüchtigen, uCe den eingeschwungenen Anteil der Kondensatorspannung. Ist die für den Ausgleichsvorgang gültige Differenzialgleichung homogen, existiert nur ein flüchtiger Anteil. Der eingeschwungene ist in diesem Falle Null. Wir zeigen das sofort an einem Beispiel im nächsten Abschnitt.
6.3 Kurzschluss einer stromdurchflossenen Spule Bild 6.4 zeigt eine Spule der Induktivität L, die bis zum Schaltvorgang von dem Strom i (t ≤ 0) = I 0 =
Uq
(6.16)
R1 + R
durchflossen wird. Im Zeitpunkt t = 0 wird geschaltet. Dann sind Stromquelle und Widerstand R1 unwirksam. Die Spule ist über R kurzgeschlossen und gibt die beim Strom I0 in ihr gespeicherte magnetische Feldenergie in einem Ausgleichsvorgang an den Widerstand R ab. Der Strom während des Ausgleichvorganges ist zu berechnen.
Bild 6.4
Schaltung mit Widerstand und Spule
6.3 Kurzschluss einer stromdurchflossenen Spule
129
Schon aus der bloßen Anschauung können wir vermuten, dass der Strom irgendwann Null wird, weil die Stromquelle abgetrennt wurde. Also muss der eingeschwungene Anteil des Ausgleichsstromes Null sein. Exakt wissen wir dies nach dem Aufstellen der Differenzialgleichung für diesen Vorgang (s. die eingezeichnete Masche): uR + u L = i R + L
di =0 dt
(6.17)
Die Gleichung ist homogen. Der Strom hat folglich keinen eingeschwungenen Anteil. Offensichtlich ist das immer so, wenn die Spannungs- oder Stromquelle aus dem Ausgleichsgeschehen ausgeklammert wird, denn immer dann enthalten die aus dem Maschensatz folgenden Differenzialgleichungen keine Quellenspannungen und damit keine Störglieder. Das stimmt auch hundertprozentig mit unserer Erfahrung überein, weil in Stromkreisen ohne wirksame Quellen letztendlich alle Ströme einmal versiegen und alle Spannungen zu Null werden müssen. Wie lange das dauert, hängt von den Daten der Bauelemente, insbesondere von den durch sie bestimmten Zeitkonstanten des Übergangsvorganges in den „Nullzustand“ ab. Wir wollen Gl. (6.17) lösen. Über den üblichen Ansatz i(t) = K eλt erhalten wir als Lösung der charakteristischen Gleichung λ = – RL und mit der aus dem Schaltgesetz folgenden Bedingung i(t = 0) = I0 = Uq /(R1 + R) die partikuläre Lösung der Dgl. (6.17): i (t ) =
Uq R1 + R
−
R
e L
t
(6.18)
Die Spannung an der Induktivität ist: R
uL (t ) = L
− t di R1 e L = −U q dt R1 + R
(6.19)
Bild 6.5
Kurzschlussvorgang einer Spule
Die Zeitkonstante für Strom- und Spannungsverlauf ist somit τ = L/R. Bild 6.5 zeigt das Ergebnis der Rechnung.
130
6 Ausgleichsvorgänge in Stromkreisen
6.4 Entladung eines Kondensators in einem Reihenschwingkreis Bild 6.6 enthält das elektrische Schaltbild. Bei t < 0 befindet sich der Kondensator in aufgeladenem Zustand an der Spannungsquelle. Im Zeitpunkt t = 0 wird der Schalter nach rechts an den Schwingkreis gelegt und dadurch die Quelle abgetrennt. Im Reihenschwingkreis fließt jetzt ein Ausgleichsstrom, der nach einer gewissen Zeit Null werden muss. Dieser Strom hat somit nur einen flüchtigen Anteil, weil die für den Ausgleichsstromkreis gültige Dgl. homogen ist: uR + uL + uC = i R + L
di 1 + i dt = 0 dt C
³
(6.20)
Nach Differenziation und Ordnung der einzelnen Glieder erhalten wir aus dieser so genannten Integro – Differenzialgleichung: LC
d2 i di + RC +i = 0 2 t d dt
(6.21)
Dieser Ausdruck ist eine der wichtigsten Dgln. der Physik, die so genannte Schwingungsgleichung, in der in diesem Falle elektrotechnische Größen stehen. Die für mechanische Schwingungen gültige Gleichung für die Schwingungsauslenkung enthält zwar mechanische Größen wie Masse, Reibung oder Rückstellkraft, ist aber völlig analog aufgebaut.
Bild 6.6
Schaltung Reihenschwingkreis
Die Lösung erfolgt über den Ansatz: i (t ) = K1 eλ1 t + K 2 eλ 2 t
(6.22)
Da eine Dgl. 2. Ordnung zweier Integrationsvorgänge bedarf, erhalten wir zwei Integrationskonstanten. Mit dem Ansatz (6.22) ergibt sich als charakteristische Gleichung:
λ2 +
R 1 λ+ =0 L LC
(6.23)
mit der Lösung: 2
λ1,2 = −
R 1 § R · ± ¨ ¸ − 2L LC © 2L ¹
(6.24)
Da sich in dem Schwingkreis eine Induktivität befindet, muss der Strom im Schaltmoment bzw. unmittelbar danach Null sein, d.h. i(t = 0) = 0, so dass aus Gl. (6.22) folgt:
6.4 Entladung eines Kondensators in einem Reihenschwingkreis
K1 + K 2 = 0
131 (6.25)
Wir benötigen eine zweite Gleichung für die Bestimmung der Integrationskonstanten. Auch sie muss aus einem Schaltgesetz ableitbar sein. Dazu betrachten wir die Spannung an der Induktivität im Schaltmoment. Weil noch kein Strom fließt, ist uR (t = 0) = 0. Da in der vom Schwingkreis gebildeten Masche aber der 2. Kirchhoffsche Satz erfüllt sein muss, entspricht die Spannung an der Spule der Kondensatorspannung. Diese besitzt im Schaltmoment den gleichen Wert wie kurz davor, nämlich Uq. Demnach ist uL (t = 0) = L di/dt = Uq. Somit folgt aus Gl. (6.22) durch Differenziation und Multiplikation mit L die zweite notwendige Gleichung zur Bestimmung der Integrationskonstanten: § di · = U q = L ( K1 λ1 + K 2 λ2 ) ¨L ¸ © d t ¹t = 0
K1 =
Uq
(6.27)
L (λ1 − λ2 )
K2 = −
(6.26)
Uq L (λ1 − λ2 )
(6.28)
Der Strom ist, wiederum unter Beachtung von Gl. (6.22): i (t ) =
Uq L (λ1 − λ2 )
( eλ1 t − eλ2 t )
(6.29)
Aus der Lehre von den Differenzialgleichungen ist bekannt, dass die Natur der Lösung von der Natur der Wurzeln λ1 und λ2 der charakteristischen Gleichung abhängt. Für diese Wurzeln kann man nämlich zwei Fälle unterscheiden: Sie sind reell, d.h. der Radikant in Gl. (6.24) ist positiv oder sie sind komplex, d.h. der Radikant ist negativ. Wir behandeln diese beiden Fälle getrennt. 1. Fall: 2
§ R · 1 ¨ ¸ > 2 L L C © ¹
(6.30)
λ1 und λ2 sind verschieden und reell. Mit den Abkürzungen: R =δ 2L 1 LC
= ω0
δ 2 − ω02 = κ
(6.31) (6.32)
(6.33)
(nach Voraussetzung ist κ eine reelle Zahl) erhalten wir für die beiden Wurzeln der charakteristischen Gleichung:
λ1 = −δ + κ
(6.34)
λ 2 = −δ − κ
(6.35)
132
6 Ausgleichsvorgänge in Stromkreisen
Mit λ1 – λ2 = 2 κ folgt durch Einsetzen der Wurzeln in Gl. (6.29): i (t ) =
U q −δ t e κ t − e−κ t e 2 κL
(6.36)
i (t ) =
U q −δ t e sinh κ t κL
(6.37)
Bild 6.7 zeigt den Verlauf des Stromes für diesen ersten Fall. Da er nach Gl. (6.37) für t = 0 wegen sinh 0 = 0 und für t ĺ wegen e–δt ĺ 0 jeweils Null wird, muss dazwischen ein Strommaximum auftreten. Dieses Maximum ist umso höher, je kleiner κ ist, je mehr sich also δ der Resonanzfrequenz ω 0 nähert. Gilt δ = ω 0, haben wir nach Gl. (6.24) eine reelle Doppelwurzel der charakteristischen Gleichung, aber immer noch einen ähnlichen Stromverlauf mit Maximum wie in Bild 6.7. Wir nennen den sich bei reellen und verschiedenen Werten von λ1 und λ2 ergebenden Fall aperiodischen Fall, den sich bei reellen und gleichen Werten (Doppelwurzel) ergebenden aperiodischen Grenzfall.
Bild 6.7
Stromverlauf, aperiodischer Fall
Durch Änderung der Werte R, L und C im Schwingkreis kann man den gewünschten Zustand jeweils herbeiführen. 2. Fall. Wir wählen die Bauelementedaten unseres Schwingkreises so, dass die Bedingung δ 2 – ω02 < 0 vorliegt. Dann sind die Wurzeln der charakteristischen Gleichung konjugiert komplex:
λ1,2 = −δ ± δ 2 − ω02 = −δ ± j ω j ω = δ 2 − ω02 = κ
(6.38)
ω=
ω02 − δ 2
(6.39)
Einsetzen von κ = j ω in Gl. (6.37) liefert somit für den Strom in diesem zweiten Falle: i (t ) =
U q −δ t e j ω t + e− j ω t e 2j ωL
(6.40)
i (t ) =
U q − δ t e jω t + e− jω t e 2 j ωL
(6.41)
Den Verlauf zeigt Bild 6.8. Der Strom klingt in Form einer exponentiell gedämpften Schwingung ab. Der Grad der Dämpfung ist δ proportional, deshalb beispielsweise umso größer, je größer der im Schwingkreis vorhandene ohmsche Widerstand ist (vgl. Gl. (6.31)). An den Ergebnissen der beiden diskutierten Fälle finden wir bestätigt, dass nur ein flüchtiger Strom beim Ausgleichsvorgang auftritt. Der eingeschwungene Strom ist beide Male Null.
6.6 Übungsaufgaben
Bild 6.8
133
Stromverlauf, Schwingungsfall
6.5 Schlussbemerkungen Die bisher behandelten Beispiele haben einmaschige elektrische Schaltungen zur Grundlage. Dadurch erhielten wir aufgrund des Maschensatzes jeweils eine den Auf- oder Entladevorgang beschreibende Differenzialgleichung. Betrachten wir jedoch Schaltvorgänge in komplizierteren Netzwerken, die aus mehreren Stromknoten und Maschen bestehen, ergibt die Anwendung der beiden Kirchhoffschen Sätze auf das Netzwerk ein System von Differenzialgleichungen höherer Ordnung, welches nicht mehr so einfach lösbar ist. Insbesondere die Bestimmung der Integrationskonstanten bereitet meist erhebliche Schwierigkeiten. Bei solchen Problemen zieht man als Lösungsmethode nicht die bisher behandelte so genannte klassische Methode in Betracht, sondern benutzt andere Verfahren. Dabei kommt hauptsächlich die Laplace-Transformation zur Anwendung, bei der die aufgestellten Differenzialgleichungen oder Originalfunktionen mittels einer speziellen Transformationsgleichung in Bildfunktionen verwandelt werden, so dass sich in dem so genannten Bildbereich algebraische Gleichungen ergeben, die meist leicht durch Umstellen nach der interessierenden Größe lösbar sind. Eine Rücktransformation in den Originalbereich ergibt die gesuchten Lösungen als Funktionen der Zeit. Bei der Transformation in den Bildbereich werden alle Anfangsbedingungen berücksichtigt, so dass eine Bestimmung der Integrationskonstanten aus diesen Bedingungen nicht mehr erforderlich ist. Wir wollen auf diese Methoden hier nicht eingehen, sondern begnügen uns damit, das Problem der Ausgleichsvorgänge in Stromkreisen vom Grundsätzlichen her verstanden zu haben.
6.6 Übungsaufgaben 6-1 Wird der in Bild 6.1 dargestellte Schalter von der Stellung 1 in die Stellung 2 umgelegt, kann sich der vorher auf die Spannung Uq aufgeladene Kondensator über den Widerstand R entladen. a) Es ist die für diesen Entladevorgang gültige Dgl. für die Kondensatorspannung uC(t) aufzustellen und zu lösen! b) Der Strom ist zu bestimmen! c) Die Verläufe von Strom und Kondensatorspannung sind grafisch darzustellen!
134
6 Ausgleichsvorgänge in Stromkreisen
6-2 Die Aufladung eines Kondensators über einen Widerstand beschreiben die Gln. (6.14) und (6.15). Dazu s. auch Bild 6.2! a) Wieviel Prozent des Endwertes der Kondensatorspannung sind nach Ablauf der Zeiten t = τ, t = 3τ und t = 5τ erreicht? b) Wieviel Prozent des Anfangsstromwertes werden nach Ablauf von t = τ erreicht und wann ist der Strom auf die Hälfte seines Anfangswertes gesunken? c) Wie kann man aus den Zeitverläufen nach Bild 6.2 die Zeitkonstante grafisch bestimmen (Hinweis: Ermitteln Sie die Gleichung der Tangente an die jeweilige Funktion bei t = 0, bringen Sie diese mit der Geraden uC = Uq bzw. i = 0 zum Schnitt und bestimmen Sie die Zeitkoordinate der Schnittpunkte!)?
Teil B: Anwendungen der Elektrotechnik 7 Elektronik 7.1 Einleitende Bemerkungen Die Elektronik ist ein spezielles Gebiet der Elektrotechnik. Sie hat sich aber in den letzten drei Jahrzehnten, insbesondere durch den Einfluss der Mikroelektronik, ziemlich verselbständigt und zwar so stark, dass sie oft vom Nichtfachmann als nahezu unabhängig von der klassischen Elektrotechnik angenommen wird, was natürlich nicht der Fall ist. Vielmehr ist die Elektronik eine Disziplin, die sich elektrotechnischer Grundprinzipien (Physikalische Grundlagen, Methoden der Schaltungsberechnung usw.) bedient und deshalb im Rahmen der Anwendung von Elektrotechnik gesehen werden muss, weshalb wir sie in diesem Teil B des vorliegenden Buches behandeln. Andererseits besitzt die Elektronik eigene Grundlagen, die man nicht, besonders in einem Buch wie dem vorliegenden, zu dem allgemeinen Basiswissen der Elektrotechnik rechnen muss. Deshalb bringen wir diese spezifischen Grundlagen im Abschnitt 7.2 dieses Kapitels. Es geht dabei um Grundlagen der Festkörperelektronik, denn wir werden nur die Halbleiterelektronik behandeln, die sich in festen, überwiegend kristallin aufgebauten Stoffen abspielt. Wir lassen hier die ebenfalls zur Elektronik gehörenden Gebiete der Vakuum- und Gaselektronik völlig außer Betracht. Der Grund dafür ergibt sich aus der klaren Dominanz der Halbleitertechnik bezüglich der Anwendung von Elektronik in den ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen. Bevor wir uns mit den Grundlagen der Halbleiterelektronik beschäftigen, wollen wir kurz auf einige Termini eingehen, die heute, auch umgangssprachlich, weitgehend benutzt werden, wie Nachrichtenelektronik, Informationselektronik, Leistungselektronik oder Mikroelektronik. Während man unter Nachrichtenelektronik oder Informationselektronik all das an Elektronik (Bauelemente, Schaltungen, Berechnungsmethoden usw.) versteht, was auf dem Gebiet der Nachrichtentechnik oder der Informationstechnik zur Anwendung kommt, sind entsprechende Unterscheidungen zwischen Leistungs- und Mikroelektronik oft nicht ganz so einfach zu treffen. Es verbleiben auch Lücken, wenn man das Gesamtgebiet der Elektronik in dieser Weise einteilt. Bauelemente der Leistungselektronik führen Ströme von einigen Ampere bis zu mehreren tausend Ampere und Spannungen von einigen hundert Volt bis zu mehreren tausend Volt. Sie sind meist in diskreter Form, d.h. als Einzelbauelemente, ausgeführt. Bauelemente der Mikroelektronik führen Ströme im Milli- oder auch Mikroampere-Bereich und Spannungen von einigen Volt. Sie werden in integrierter Form, d.h. als monolithische Festkörperschaltungskomplexe hergestellt. Heutzutage gibt es dagegen aber schon leistungselektronische Bauelemente in integrierter Form (also gefertigt nach einer typisch mikroelektronischen Technologie). Weiterhin existiert eine sehr große und wichtige Gruppe von elektronischen Bauelementen, die zwar Spannungs- und Stromwerte haben, die für mikroelektronische Bauelemente typisch sind, die aber als Einzelbauelemente, d.h. diskret, ausgeführt werden. Diese sind somit weder der Leistungs- noch der Mikroelektronik zuzuordnen.
136
7 Elektronik
Der mit den Problemen der Elektrotechnik nicht sehr häufig konfrontierte Ingenieur kann deshalb leicht in Schwierigkeiten geraten. Wir werden aus diesem Grunde die Halbleiterelektronik nach physikalischen Gesichtspunkten, d.h. anknüpfend an ihre Grundlagen, behandeln. Ein Transistor der Leistungselektronik funktioniert z.B. genauso wie der um Zehnerpotenzen kleinere Transistor der Mikroelektronik. Bezüglich der Bauelementefunktionen gibt es hier folglich nur graduelle Unterschiede, keine prinzipiellen. Gleiches gilt für Dioden und andere elektronische Bauelemente. Deshalb werden wir diese Bauelemente im Hinblick auf ihre grundsätzliche Funktionsweise (Abschnitt 7.3) untersuchen, ohne uns zunächst um ihre Einordnung in bestimmte Kategorien zu kümmern. Erst danach werden wir die für die Leistungselektronik (Abschnitt 7.4) und die Informationselektronik (Abschnitt 7.5) jeweils typischen Schaltungen erläutern. Schließlich werden wir uns in einem eigenständigen Kapitel (Abschnitt 7.6) mit der Schlüsseltechnologie Mikroelektronik beschäftigen und dabei feststellen, dass diese zwar Bauelemente realisiert, wie wir sie in den vorausgegangenen Abschnitten beschrieben haben, dass das aber nach Technologien geschieht, die es ermöglichen, in Räumen von Kubikmillimeter-Größe hundertausende, ja Millionen von elektronischen Bauelementen unterzubringen. Dadurch haben sich enorme Möglichkeiten für die kostengünstige Realisierung elektronischer Gerätetechnik eröffnet, so dass viele Ingenieure, Naturwissenschaftler und Technikphilosophen das Entstehen der Mikroelektronik als so revolutionär einschätzen wie derzeit die Einführung der Dampfmaschine. Bei dem Gebrauch elektronischer Geräte, sei es als Computer, als Fernsehgerät mit allen seinen Diensten, als CD-oder DVD-Player, als Mobiltelefon oder anderes ahnen wir die große Leistungsfähigkeit der Elektronik. Wir wollen anhand von Physik und Technik der elektronischen Bauelemente erfahren, warum das so ist und wie wir dies für uns und unsere berufliche Tätigkeit nutzen können. Am Ende des Abschnittes über Elektronik werden wir dann selbst in der Lage sein, über die Einordnung eines Bauelementes oder einer Schaltung in eine bestimmte Kategorie zu entscheiden, wenn das überhaupt von Wichtigkeit sein sollte.
7.2 Physikalische Grundlagen Stoffe, deren elektrische Leitfähigkeit zwischen der der Metalle und Isolierstoffe liegt, nennen wir Halbleiter. Ihrer physikalischen Natur nach sind sie jedoch eher den Isolatoren zuzuordnen, wie wir gleich sehen werden. Wir unterscheiden Elementhalbleiter und Verbindungshalbleiter. Die wichtigsten der ersten Gruppe sind Silizium und Germanium, die wichtigsten der zweiten Galliumarsenid (GaAs), Galliumphosphid (GaP) und Kadmiumsulfid (CdS). Von alles überragender Bedeutung für die gesamte Halbleitertechnik ist das Silizium (Si), weshalb wir uns im folgenden nahezu ausschließlich auf diesen Stoff konzentrieren. Zunächst wollen wir klären, wie die Stromleitung im Halbleiterwerkstoff erfolgt.
7.2.1 Eigenleitung Die Silizium-Atome bilden ein kristallines Gitter. Sie sind untereinander über so genannte kovalente Bindungen verbunden, wie in Bild 7.1 gezeigt wird. Silizium ist vierwertig und besitzt somit auf seiner äußersten Elektronenschale vier Elektronen (Valenzelektronen), von denen jedes mit je einem Elektron des im Kristallgitter benachbarten Atoms in Wechselwirkung tritt. Beim absoluten Nullpunkt der Temperatur (T = 0) sind alle diese
137
7.2 Physikalische Grundlagen
Verbindungen abgesättigt und die Elektronen fest an ihre Plätze gebunden. Sie sind an diesen Stellen sozusagen „eingefroren“.
Bild 7.1
Kristallgitter des Siliziums für T = 0
Legen wir an den Siliziumkristall eine Spannung, fließt kein Strom, denn die Elektronen können sich nicht bewegen. Silizium verhält sich folglich bei T = 0 wie ein Isolator. Bei höheren Temperaturen nehmen die Elektronen Energie auf und es gibt einzelne, die sich dann aus der vorher festen Bindung losreißen, infolgedessen frei beweglich werden und bei Vorhandensein einer Spannung (und dadurch eines elektrischen Feldes) im Kristallgitter einen Strom bilden. Der Werkstoff ist in diesem Zustand kein Isolator mehr. Wir nennen diesen Leitungsvorgang Eigenleitung, da er nur im Silizium und nicht durch andere Stoffe zustandekommt. Jedes Elektron, welches aus dem Atomverband austritt, hinterlässt an der vakanten Stelle eine positive Ladung, weil das Atom vorher nach außen elektrisch neutral war (s. Bild 7.2). Diese positive Ladung nennen wir Defektelektron oder Loch. Da jeweils ein Elektron auf diese Weise ein Defektelektron erzeugt, heißt der beschriebene Vorgang Paarbildung. Die Ladungen von Elektron und Loch sind betragsmäßig gleich, bezüglich ihres Vorzeichens jedoch verschieden. Mit steigender Temperatur wächst die Zahl der sich freimachenden Elektronen und der dadurch entstehenden Löcher stark an. Die Dichte einer der beiden Ladungsträgerarten ist: 3
ni = C1 T 2 e
C − 2 kT
(7.1)
Sie heißt Eigenleitungs- oder Intrinsicdichte und beträgt beispielsweise für Silizium bei Raumtemperatur 1,5 · 1010 cm–3. C1 und C2 sind stoffabhängige Konstanten, k ist die Boltzmannsche Konstante. Bezeichnen wir mit n die Dichte der Elektronen, mit p die Dichte der Löcher, gilt offensichtlich: p n = ni2
(7.2)
denn p = n = ni. Die Eigenleitungsdichte von Germanium ist um den Faktor 1600 größer als die des Siliziums. Das ist einer der Gründe für die vorwiegende Anwendung von Silizium in der Halbleitertechnik, denn die Eigenleitung ist in den meisten Fällen unerwünscht. Wenn sich ein Elektron innerhalb des Kristallgitters frei bewegt, kann es auf ein Loch treffen und festgehalten werden. Dabei neutralisieren sich die negative Ladung des Elektrons und die positive des Loches. Diesen Vorgang nennen wir Rekombination (s. Bild 7.2). Paarbildung (Generation) und Rekombination stehen miteinander im Gleichgewicht. Es werden so viele Elektronen und Löcher durch Paarbildung erzeugt und durch Rekombination vernichtet, dass stets Gl. (7.2) erfüllt ist.
138
7 Elektronik
Bild 7.2
Paarbildung und Rekombination
Wir fassen zusammen: Durch Aufreißen der Paarbindungen bei T > 0 entstehen im Halbleiterkristall frei bewegliche Elektronen und Löcher, deren Dichte stark von der Temperatur abhängt. Beide Ladungsträger bilden einen Strom, wenn der Kristall an eine Spannung gelegt wird. Dieser Prozess heißt Eigenleitung des Halbleiterwerkstoffes. Der wesentliche Leitungsmechanismus, auf dem die Bedeutung der Halbleitertechnik beruht, ist jedoch nicht die Eigen-, sondern die Störstellenleitung, die wir im nächsten Abschnitt kennenlernen.
7.2.2 Störstellenleitung In den reinen Siliziumkristall werden Fremdatome, sogenannte Störstellen, gezielt eingebaut. Man nennt diesen Vorgang in der Halbleitertechnologie Dotierung. Die Störstellenkonzentration ist dabei sehr gering. Beispielsweise kommt auf eine Million, manchmal sogar auf hundert Millionen Siliziumatome nur ein einziges Fremdatom.
Bild 7.3
Entstehung eines n-Halbleiters
Bei Nennung dieser Zahlen bekommen wir einen Begriff davon, wie extrem sauber das Halbleiterausgangsmaterial sein und unter welch extrem sauberen Bedingungen in der Halbleiterfertigung gearbeitet werden muss, um brauchbare Bauelemente herstellen zu können. Für den Störstelleneinbau gibt es zwei Möglichkeiten: Einbau von fünfwertigen (z.B. Phosphor) oder Einbau von dreiwertigen Fremdatomen (z.B. Bor). Störstelle Phosphor. Phosphor besitzt fünf Valenzelektronen, von denen nur vier durch die Elektronen des benachbarten Siliziums gebunden werden können. Folglich bleibt ein Elektron des Phosphors frei und steht einem Stromfluss im Halbleiterkristall zur Verfügung. Gleichzeitig wird das P-Atom zum einfach positiv geladenen Ion (fünf positive Ladungen im Kern, vier negative auf der Elektronenschale, s. Bild 7.3). Wir nennen Phosphor in diesem Zusammenhang einen Donator, weil es Elektronen zur Verfügung stellt. Den aus Silizium mit eingebauten Phosphoratomen bestehenden Werkstoff nennen wir n-leitend oder n-Halbleiter.
7.2 Physikalische Grundlagen
139
Störstelle Bor. Bor besitzt drei Elektronen auf seiner Valenzschale. Ein Elektron des Siliziums findet also keinen Bindungspartner, wodurch eine Lücke verbleibt, in die ein benachbartes Elektron springen kann (s. die Bilder 7.4 a und b). Die so entstandene neue Lücke wird wieder von
Bild 7.4
Entstehung eines p-Halbleiters
einem Elektron aus der Nachbarschaft aufgefüllt usw.. Auf diese Weise haben wir zwar von Nachbaratom zu Nachbaratom springende Elektronen, im Endeffekt aber ein sich in entgegengesetzter Richtung quer durch den gesamten Kristall fortbewegendes Loch. Der Strom wird bei Anlegen einer Spannung durch die (positiven) Löcher getragen. Wir nennen deshalb einen mit Bor dotierten Halbleiterwerkstoff p-leitend oder p-Halbleiter. Das Bor heißt hier Akzeptor, weil es für das Einfangen eines Elektrons (wodurch es zu einem einfach negativ geladenen Ion wird) und somit für das Nachrücken eines anderen Elektrons in das entstandene Loch sorgt. Wird ein Halbleiterwerkstoff mit einem Donator dotiert, ist der Strom ein Elektronenstrom. Der Werkstoff heißt n-leitend. Wird er mit einem Akzeptor dotiert, ist der Strom ein Löcherstrom. Der Werkstoff heißt p-leitend. Da unsere aus Halbleiterwerkstoffen bestehenden elektronischen Bauelemente bei Temperaturen weit oberhalb des absoluten Nullpunktes arbeiten, tritt zusätzlich Paarbildung auf, d.h. in einem n-leitenden Stoff haben wir stets auch Löcher, in einem p-leitenden stets auch Elektronen. Die Zahl der durch Paarbildung, also temperaturbedingt in einem Störstellenhalbleiter erzeugten Ladungsträger ist jedoch wesentlich kleiner als die durch die dotierten Fremdatome entstehenden, so dass die elektronischen Eigenschaften im Wesentlichen durch die Störstellen bestimmt werden. Die in einem Störstellenhalbleiter vorherrschenden Ladungsträger heißen Majoritätsträger, die sich in der Minderheit befindenden Minoritätsträger. Die Löcher sind in einem n-leitenden Halbleiter folglich Minoritätsträger. In einem p-leitenden Stoff sind sie im Gegensatz dazu Majoritätsträger. Analoges gilt für die Elektronen. Für das Produkt der Konzentrationen von Löchern und Elektronen ist auch für den Störstellenhalbleiter die Gl. (7.2) gültig.
7.2.3 Eigen- und Störstellenleitung im Bändermodell Das bisher benutzte Modell für die Entstehung von Leitfähigkeit in einem Halbleiterwerkstoff basiert auf der Verfolgung des Verhaltens einzelner Elektronen und Löcher im Kristallverband und wird deshalb Korpuskularmodell genannt. Es ist anschaulich, eignet sich aber nicht für die quantitative Behandlung der elektronischen Vorgänge in Halbleitern. Für diese Zwecke wurde ein
140
7 Elektronik
auf der Quantenphysik beruhendes sogenanntes Energie-Bändermodell entwickelt. Es ist ebenfalls sehr anschaulich, hat große Bedeutung für die gesamte Festkörperphysik und soll deshalb kurz behandelt werden. Nach dem Bohrschen Atommodell umkreisen die Elektronen eines Atoms den Kern auf ganz bestimmten Bahnen. Dabei sind nur Bahnen möglich, die der jeweiligen Energie der kreisenden Elektronen entsprechen. Zwischenbahnen gibt es nicht. Je weiter die Bahn vom Atomkern entfernt ist, desto höher ist die Energie der sich auf der entsprechenden Bahn befindenden Elektronen. Geht ein Elektron von einer äußeren auf eine innere Bahn über, wird Energie abgestrahlt (z.B. in Form eines Lichtquants). Geht es von einer inneren auf eine äußere über, wird Energie aufgenommen. In Bild 7.5 a ist ein sogenanntes Energieterm-Schema eines einzelnen Atoms gezeigt, welches den Elektronenbahnen eine bestimmte Energie als Funktion des Abstandes vom Atomkern zuordnet. Ein durch einen waagerechten Strich dargestellter Energieterm entspricht dabei einem einzigen Energiewert.
Bild 7.5
Entstehung des Bändermodells
Sind, wie in einem Kristallgitter aus Silizium-Atomen, viele Atome nebeneinander vorhanden, überlagern sich deren Energierterme. Dabei treffen die Terme zweier Nachbaratome nie genau aufeinander. Bei vielen Atomen bekommen wir auf diese Weise dicht liegende Terme, die Energiebänder bilden. Innerhalb dieser Bänder kann sich die Energie der zu dieser Schale gehörigen Elektronen bewegen. Die Entstehung von Energiebändern eines ganzen Kristalls aus den scharfen Energietermen des Einzelatoms zeigt Bild 7.5 b. Zwischen den Bändern liegen die „verbotenen Zonen“, die von Elektronen nicht besetzt werden können. Für die Interpretation der Leitfähigkeitsphänomene sind nur die beiden äußeren Bänder, das Leitungsband und das Valenzband, von Interesse (s. Bild 7.6). Um elektronisch leiten zu können, müssen im Leitungsband Elektronen vorhanden sein. Bei Halbleitern und Isolatoren ist dieses aber leer, das darunter liegende Valenzband jedoch vollständig gefüllt (s. Bild 7.6 a). Um in das Leitungsband zu gelangen, muss den Elektronen des Valenzbandes der Energiebetrag ΔWB, der der Breite des verbotenen Bandes entspricht, zugeführt werden.
Bild 7.6
Valenz- und Leitungsband für T = 0 bei a) Halbleitern und Isolatoren b) Metallen
7.2 Physikalische Grundlagen
141
Bei einem Halbleiter ist ΔWB klein, elektronische Leitfähigkeit folglich relativ leicht erzielbar. Bei einem Isolator dagegen ist ΔWB groß. Bei Metallen überlappen sich Valenz- und Leitungsband, so dass stets Elektronen im Leitungsband vorhanden sind (s. Bild 7.6 b). Das erklärt die hervorragende Leitfähigkeit der Metalle, auch beim absoluten Nullpunkt der Temperatur. Weiterhin wird verständlich, dass zwischen Halbleitern und Isolatoren keine prinzipiellen Unterschiede bestehen. Sie unterscheiden sich nur bezüglich der Breite der verbotenen Zone zwischen den Energiebändern (s. Bild 7.6 a). Die Entstehung von Eigen- und Störstellenleitung in einem Halbleiterkristall ist schnell anhand dieses Bändermodells erklärt. Eigenleitung. Bild 7.6 a gilt nur für T = 0. Wird T > 0, können einige Elektronen das verbotene Band überwinden. Jedes in das Leitungsband übertretende Elektron hinterlässt im Valenzband ein Loch, in welches andere Elektronen dieses Bandes wechseln, so dass sich ein Elektron im Leitungs- und ein Loch im Valenzband unter dem Einfluss einer angelegten Spannung frei bewegen können. Auf diese Weise wird der Halbleiterkristall leitfähig (s. Bild 7.7 a). Wir erkennen deutlich die bereits anhand des Korpuskularmodells diskutierte Paarbildung. Füllt umgekehrt ein Elektron aus dem Leitungsband ein Loch im Valenzband, findet Rekombination statt (Bild 7.7 b). Bei diesem Vorgang geht das Elektron in ein niedrigeres Energieniveau über, womit das Entstehen von Strahlung (Rekombinationsstrahlung) verbunden ist, was z.B. bei den lichtemittierenden Dioden (LED's) für Anzeigen genutzt wird (s. Abschnitt 7.3.5). Störstellenleitung. Wir haben mittels des Korpuskularmodells erkannt, dass ein in den Siliziumkristall eingebrachter Donator ein Elektron „spendet“, da dieses durch Nachbaratome nicht abgebunden werden kann. Nach Abspaltung des Elektrons, was Übergang in das Leitungsband bedeutet, ist das Donatoratom einfach positiv geladen und bleibt als Ion fest an seinem Platz zurück. Weil die Energie für das Abspalten des Elektrons wesentlich kleiner als die Energie für die Überwindung der verbotenen Zone ist, muss sich das Energieniveau dieses Elektrons kurz unterhalb des Leitungsbandes befinden. Die Energie, die für den Übergang in dieses Band erforderlich ist, ist so gering, dass schon bei Raumtemperatur nahezu alle Elektronen der Donatoren in das Leitungsband wechseln, die Donatoratome also vollständig ionisiert sind (s. Bild 7.8 a). Ein p-Halbleiter ist mit Akzeptoren dotiert. Ein Akzeptoratom bindet ein Elektron an sich und wird dadurch zu einem einfach negativ geladenen Ion. Die Energie zur Herstellung dieser Verbindung ist sehr klein. Demzufolge muss sich das Energieniveau für das angelagerte Elektron kurz oberhalb des Valenzbandes, aus dem es entnommen wird, befinden (s. Bild 7.8 b). Im Valenzband enstehen Elektronenfehlstellen, d.h. Defektelektronen bzw. Löcher, die durch das Überspringen weiterer Elektronen unter dem Einfluss einer angelegten Spannung wandern.
Bild 7.7
Elektronenübergang bei a) Paarbildung (Eigenleitung) b) Rekombination
Bild 7.8
Störstellenhalbleiter mit a) Donatoren b) Akzeptoren
142
7 Elektronik
Stromfluss im n-Halbleiter ist Elektronenbewegung im Leitungsband. Stromfluss im p-Halbleiter ist Löcherbewegung im Valenzband. Bei T > 0 überlagert sich die Eigenleitung der Störstellenleitung. Das bedeutet, dass sowohl Elektronenleitung im Leitungsband als auch Löcherleitung im Valenzband stattfindet. Reine Elektronenleitung im Leitungsband oder reine Löcherleitung im Valenzband, d.h. reine Störstellenleitung, ist nur am absoluten Nullpunkt der Temperatur möglich.
7.2.4 Der pn-Übergang Der pn-Übergang ist das grundlegende Element der weitaus meisten elektronischen Bauelemente. Er entsteht, wenn p-leitendes und n-leitendes Halbleitermaterial zusammengebracht werden. Spannungsloser pn-Übergang. In Bild 7.9 a sind die positiven Donatorionen mit den von ihnen abgespaltenen Elektronen (n-Gebiet) sowie die negativen Akzeptorionen mit den ihnen zugeordneten Löchern (p-Gebiet) dargestellt. Zunächst neutralisieren sich alle Ladungen.
Bild 7.9
Sperrschicht eines pn-Überganges
Infolge des Konzentrationsunterschiedes wandern die Elektronen aus dem n- in das p-Gebiet, die Löcher aus dem p- in das n-Gebiet. In der Grenzschicht treffen Elektronen und Löcher aufeinander und rekombinieren. Die Grenzschicht und ihre nächste Umgebung verarmen somit an beweglichen Ladungsträgern, die einen Strom bilden könnten. Es entsteht hier ein Gebiet mit hohem elektrischen Widerstand, eine Sperrschicht. Die Donator- und Akzeptorionen können keinen Strom ausbilden, da sie ortsfest in das Gitter eingebaut sind. Sie verursachen jedoch eine Raumladung in der Sperrschicht, weil sie nicht mehr durch die Elektronen und Löcher neutralisiert werden (s. Bild 7.9 b). Spannung am pn-Übergang. Wir wollen zuerst die Spannungsquelle so polen, dass ihr Pluspol am n-, ihr Minuspol am p-Gebiet angeschlossen ist (s. Bild 7.10 a). Die beweglichen Elektronen und Löcher werden unter dem Einfluss dieser Spannung durch Influenzwirkung der Sperrschicht entzogen. Diese verarmt an beweglichen Ladungsträgern noch mehr, als es im spannungslosen Zustand der Fall war und verbreitert sich, so dass sich der elektrische Widerstand des pn-Überganges weiter vergrößert. Wir sagen, dass der pn-Übergang in Sperrrichtung gepolt ist. Jetzt kehren wir die Polarität der angelegten Spannung um (s. Bild 7.10 b) und stellen dabei fest, dass nun die beweglichen Ladungsträger durch Influenz in die Sperrschicht hineingetrieben werden. Sie wird dadurch schmaler, so dass sich ihr Widerstand gegenüber dem spannungslosen Fall verringert. Der pn-Übergang ist in Durchlassrichtung gepolt. Wir bemerken hier eine echte Ventilwirkung: Liegt der Pluspol der angelegten Spannung am p-, der Minuspol am n-Gebiet, haben wir einen geringen Widerstand des pn-Überganges und einen großen Strom im Kreis nach Bild 7.10. Bei anderer Polung liegen die Verhältnisse umgekehrt.
7.2 Physikalische Grundlagen
143
Diese Ventilwirkung des pn-Überganges ist entscheidend für die Funktion des weitaus größten Teils der Halbleiterbauelemente. Besonders bei der Gleichrichtung, also bei der Umwandlung von Wechsel- in Gleichstrom, wird sie praktisch genutzt (s. Abschnitt 7.3.2).
Bild 7.10
Polung eines pn-Überganges in a) Sperrrichtung b) Durchlassrichtung
Infolge des Eigenleitungsmechanismus sind im n-Gebiet neben den Elektronen, die hier Majoritätsträger sind, auch Löcher, die in diesem Gebiet Minoritätsträger sind, vorhanden. Analoges gilt für das p-Gebiet, wo die Löcher Majoritäts- und die Elektronen Minoritätsträger sind. Die Minoritätsträger spielen beim in Sperrichtung gepolten pn-Übergang eine große Rolle (s. Bild 7.11). Während die Majoritätsträger bei Sperrpolung in der jeweiligen Raumladung wegen des unterschiedlichen Vorzeichens festgehalten werden (die Elektronen im n-Gebiet in der positiven, die Löcher im p-Gebiet in der negativen Raumladung), können die Minoritätsträger ungehindert durch den pn-Übergang hindurchtreten, weil sie von der jenseits der Grenzschicht befindlichen Raumladung angezogen werden. Der Sperrstrom wird folglich allein durch die Anzahl der Minoritätsträger, die die Eigenleitung ausmachen, bestimmt und ist somit stark temperaturabhängig (s.Gl. (7.1)). Da hoher Sperrstrom unerwünscht ist, ist Silizium mit seinem kleineren Wert der Eigenleitungsdichte ni der bessere Halbleiterwerkstoff als Germanium.
Bild 7.11
Bewegung der Minoritätsträger bei Sperrpolung
Wir fassen in einem Satz zusammen, was für die Funktion von Dioden und Transistoren wichtig ist: Ein (für Majoritätsträger) in Sperrrichtung gepolter pn-Übergang ist für Minoritätsträger in Durchlassrichtung gepolt.
144
7 Elektronik
7.3 Elektronische Bauelemente Es existiert eine Vielzahl von elektrotechnischen Bauelementen, so dass eine Systematisierung sehr schwer ist und auch nur unter einem vorherbestimmten Aspekt durchgeführt werden kann. Wir behandeln hier diejenigen Bauelemente, deren Funktion primär auf der Bewegung und Beeinflussung von Elektronen und/oder Löchern in Halbleiterwerkstoffen beruht und die eine dominierende Rolle im Bereich der Elektronik spielen. Beispielsweise interessieren uns Widerstände, die massenhaft in den verschiedensten Form- und Materialvarianten in elektronischen Schaltungen eingesetzt werden, nur insofern, als sie direkt aus Halbleitermaterial gefertigt sind. Im vorliegenden Abschnitt 7.3 beschäftigen wir uns mit Aufbau und Eigenschaften der elektronischen Bauelemente. Anhand einfacher Beispiele lernen wir deren grundsätzliches Verhalten in einer Schaltung kennen, um erst einmal mit ihrem Hauptanwendungsgebiet vertraut zu werden. Komplexere Schaltungen, die wir in den Abschnitten 7.4 bis 7.6 behandeln, werden wir dann umso besser verstehen.
7.3.1 Halbleiterwiderstände Wir beschränken uns hier auf eine Auswahl der wichtigsten Halbleiterwiderstände. Nahezu alle befolgen nicht das Ohmsche Gesetz, d.h. Strom und Spannung sind einander nicht proportional. Der Widerstand ist nichtlinear.
Bild 7.12
Kennlinie und Symbol eines Thermistors
Thermistoren. Es handelt sich um Widerstände, die aus Sinterkeramiken auf der Basis oxidischer Halbleiterstoffe hergestellt werden. Durch Aufnahme von Wärme wird eine starke Eigenleitung ausgelöst, so dass der Widerstand des Thermistors mit steigender Temperatur abnimmt (Heißleiter oder NTC-Widerstand wegen des negativen Temperaturkoeffizienten). Er gehorcht der Beziehung: R=
B T Ae
(7.3)
Darin sind A und B Konstanten. Die durch Gl. (7.3) beschriebene Kennlinie und das Schaltungssymbol zeigt Bild 7.12. Der Thermistor wird zur elektrischen Messung von Temperaturen angewendet. Da er in kleinsten Abmessungen herstellbar ist, kann seine Wärmeträgheit sehr klein gehalten werden, was besonders bei schnell sich verändernden Temperaturen von großem Vorteil ist. Varistoren. Der Varistor besitzt einen von seiner Spannung abhängigen Widerstandswert und zwar ist dieser umso kleiner, je höher die an ihn angelegte Spannung ist. Dieses Bauelement ist somit in der Lage, hohe Spannungen kurzzuschließen und es wird deshalb zum Schutz empfindli-
7.3 Elektronische Bauelemente
145
cher Anlagen, Geräte und Schaltungen vor Überspannungen eingesetzt. Wegen seiner Widerstands-Spannungs-Charakteristik wird der Varistor auch als VDR-Widerstand (Voltage Dependent Resistor) bezeichnet.
Bild 7.13
Kennlinie und Symbol eines Fotowiderstandes
Fotowiderstände. Ein Fotowiderstand besteht aus CdS, PbS oder GaP. Sein Widerstandswert ist abhängig von der Intensität einfallenden Lichtes. Das Prinzip beruht auf dem inneren fotoelektrischen Effekt, bei dem durch Absorption von Lichtquanten den gebundenen Elektronen soviel Energie erteilt wird, dass sie sich aus dem Atomverband lösen bzw. in das Leitungsband übertreten und damit für die Ausbildung eines elektrischen Stromes zur Verfügung stehen. Kennlinie und Schaltbild sind in Bild 7.13 gezeigt. Hauptanwendungsgebiete sind Lichtschranken und Belichtungsmesser.
7.3.2 Halbleiterdioden 7.3.2.1 Aufbau. Kennlinien. Typen Eine Halbleiterdiode stellt im Prinzip einen pn-Übergang dar (s. Abschnitt 7.2.4). Je nach der Polarität der angelegten Spannung oder dem Grad der Dotierung des n- oder p-Gebietes unterscheidet man verschiedene Diodenarten. Gleichrichterdioden. Diese Dioden nutzen die schon im Abschnitt 7.2.4 herausgearbeitete Ventilwirkung des pn-Überganges. Die technische Realisierung einer Halbleiterdiode in Form einer sogenannten Planarstruktur zeigt Bild 7.14. Der p-Anschluss heißt Anode, der n-Anschluss Katode. Ist die an die Diode angelegte Spannung in Durchlassrichtung gepolt, fließt ein großer, ist sie in Sperrrichtung gepolt, fließt ein kleiner Strom. Die Strom-Spannungskennlinie zeigt Bild 7.15. Die Durchlassgrößen werden üblicherweise mit dem Index „F“ (forward), die Sperrgrößen mit „R“ (reverse) gekennzeichnet.
Bild 7.14
Planardiode
Bild 7.15
Kennlinie einer Diode
146
7 Elektronik
IF steigt erst bei einem bestimmten Wert von UF, der Schleusenspannung UF0 (für Ge ca. 0,3 V, für Si ca. 0,7 V), steil an. Im Sperrbereich wächst der Strom schnell bis auf den Wert des Sättigungs-Sperrstromes IS, der, wie am Ende des Abschnittes 7.2.4 ausgeführt wurde, durch die Minoritätsträger und die durch sie verursachte Eigenleitung bestimmt wird und deshalb stark von der Temperatur abhängig ist. Übersteigt die Sperrspannung einen bestimmten Grenzwert, erfolgt ein elektrischer Durchbruch im Halbleitermaterial. Der Strom wächst lawinenartig an und die Diode wird zerstört (s. den gestrichelten Teil der Kennlinie). Die Dioden-Kennlinie nach Bild 7.15 wird durch folgende Gleichung beschrieben: § U · I = I S ¨ e U T − 1¸ ¨ ¸ © ¹
(7.4)
UT ist die Temperaturspannung und beträgt einige zehn Millivolt. Der Sättigungs-Sperrstrom IS liegt in der Größenordnung von Milli- bzw. Mikroampere und ist im Vergleich zu den Durchlassströmen sehr klein, weshalb er meist vernachlässigt werden kann. Mit dieser Vernachlässigung zeigt Bild 7.16 die schematisierte Gegenüberstellung der Kennlinien von Ge und Si.
Bild 7.16
Ge- und Si- Diode
Das für Gleichrichterdioden in Stromlaufplänen verwendete Schaltsymbol ist in Bild 7.17 dargestellt. Im Durchlassfall fließt der Strom von der Anode zur Katode. Seine Richtung ist mit der Flussrichtung positiver Ladungsträger, hier der Löcher, identisch. Z-Dioden. Diese dem Physiker Zener zu Ehren bezeichneten Dioden (Früher nannte man sie auch Zenerdioden) bestehen aus Silizium und werden grundsätzlich in Sperrrichtung betrieben. Durch
Bild 7.17
Symbol einer Gleichrichterdiode
Bild 7.18
Symbol und Kennlinie einer Z-Diode
7.3 Elektronische Bauelemente
147
besondere Maßnahmen bei der Dotierung wird dafür gesorgt, dass der für Dioden übliche Durchbruch im Sperrbereich bereits bei niedrigen Sperrspannungen erfolgt, so dass der Durchbruch reversibel ist und technisch genutzt werden kann. In Bild 7.18 sind die Sperrkennlinie der ZDiode mit den für sie üblichen Achsenbezeichnungen und das Schaltsymbol gezeigt. Aus der Gestalt der Kennlinie ergibt sich deren Anwendungsgebiet. Dadurch, dass die zum Durchbruch gehörende Sperrspannung UZ0 trotz großer Schwankungen des Stromes IZ nahezu konstant ist, kann man bei Nutzung dieses Effektes stromunabhängige, also stabilisierte Spannungen realisieren. Kapazitätsdioden. Diese Dioden sind ebenfalls in Sperrrichtung betriebene Si-Dioden, bei denen die Abhängigkeit der Breite der Sperrschicht eines pn-Überganges von der Spannung genutzt wird. Zur Erklärung greifen wir auf Bild 7.10 a zurück. Die Breite der angedeuteten Sperrschicht wird umso größer, je höher der Betrag der angelegten Spannung ist. Da diese Schicht ein Gebiet hohen Widerstandes ist, können wir sie als Dielektrikum eines Kondensators, dessen Dicke durch die anliegende Spannung verändert werden kann, auffassen. Nach Gl. (1.46) ist aber die Kapazität eines Kondensators der Dicke des Dielektrikums umgekehrt proportional, so dass wir mit der Kapazitätsdiode über einen Kondensator verfügen, dessen Kapazität mittels der anliegenden Spannung einstellbar ist. Dies ist eine sehr elegante Möglichkeit einer Kapazitätsveränderung. Sie wird insbesondere zur elektronischen Scharfabstimmung bei Empfängereingangsschaltungen benutzt. Solche durch Schwingkreise realisierte Schaltungen müssen eine Resonanzfrequenz aufweisen, die möglichst genau mit der Trägerfrequenz des zu empfangenden Senders übereinstimmt. Die Resonanzfrequenz des Schwingkreises ist aber nach Gl. (5.59) durch seine Kapazität beeinflussbar. Sollte sich die Resonanzfrequenz des Kreises gegenüber der gerade empfangenen Trägerfrequenz verschieben, wird aus der Größe dieser Verschiebung eine Regelspannung erzeugt. Diese wird an die Kapazitätsdiode geführt und verursacht dort gerade eine solche Kapazität, dass der Resonanzkreis wieder die richtige, mit der Trägerfrequenz genau übereinstimmende Resonanzfrequenz bekommt. Die Abhängigkeit der Kapazität von der Sperrspannung sowie das Schaltbild der Kapazitätsdiode zeigt Bild 7.19.
Bild 7.19
Kennlinie und Symbol einer Kapazitätsdiode
Bild 7.20
7-Segmentanzeige mit Darstellung der Ziffer „4“
Lichtemitterdioden. Lichtemitter- oder Lumineszenzdioden (allgemein bekannt als LEDs) sind aus Verbindungshalbleitern hergestellte pn-Übergänge. Sie werden in Durchlassrichtung betrieben und beruhen auf der Entstehung von Lichtstrahlung durch Rekombination (Rekombinationsstrahlung, s. Abschnitt 7.2.3). Die Wellenlänge und damit die Farbe der Strahlung ist über die Wahl des Halbleiterwerkstoffes beeinflussbar. So ergibt GaP rote, SiC blaue oder gelbe Strahlung. GaAs strahlt im Infrarotbereich.
148
7 Elektronik
LEDs werden als Punktdioden oder Displays angeboten. In Bild 7.20 ist eine so genannte 7Segment-Anzeige, die zur Darstellung der Ziffern von 0 bis 9 geeignet ist, zu sehen. Jedes der Segmente a bis g ist ein pn-Übergang, der bei Stromdurchgang leuchtet. Um eine Ziffer darzustellen, sind die entsprechenden Dioden anzusteuern. Beispielsweise müssen zur Anzeige der 0 die Segmente a bis f, zur Anzeige der 4 die Segmente b, c, f und g zum Leuchten gebracht werden. LEDs werden auch zur Realisierung kohärenter Strahlung (Laser) genutzt (s. dazu Abschnitt 7.3.5.2).
7.3.2.2 Diode als Gleichrichter Gleichrichter haben die Aufgabe, Wechselspannungen in Gleichspannungen umzuwandeln. Da uns das Netz Wechselspannung liefert, viele Geräte aber mit Gleichspannung arbeiten, sind Schaltungen zur Umwandlung von Wechsel- in Gleichspannung von großer praktischer Bedeutung. Bevor wir zu komplizierteren Gleichrichterschaltungen (s. Abschnitt 7.4.) kommen, wollen wir an dieser Stelle zunächst den grundsätzlichen Mechanismus eines Gleichrichtvorganges an der einfachsten Schaltung, nämlich der Einpuls- oder Einwegschaltung demonstrieren. Um die Verhältnisse möglichst übersichtlich zu machen, setzen wir eine so genannte idealisierte Diode voraus, deren Eigenschaften wir aus der Darstellung ihrer Kennlinie in den Bildern 7.15 und 7.16 ableiten. Wir achten dabei insbesondere auf die aus dem Bild erkenntliche Größenordnung der Ströme im Sperr- und Durchlassbereich. Wir vergleichen zuerst die Sperrkennlinie. Der Sperrstrom ist sehr klein, im Vergleich zu den Durchlassströmen in der Regel vernachlässigbar. Wir idealisieren: Der Sperrstrom ist Null. Das bedeutet: Der Sperrwiderstand der Diode ist unendlich groß. Wir betrachten jetzt die Durchlasskennlinie. Für eine gegebene Spannung über der Diode fließt im realen Fall ein bestimmter Strom. Aus beiden können wir einen Widerstand errechnen, den die Diode im Durchlassfall darstellt. Aus der Kennlinie ist aber ersichtlich, dass bereits bei kleinster Spannung ein sehr großer Strom fließt. Wir idealisieren: Der Spannungsabfall an der Diode ist im Durchlassfall Null. Das bedeutet: Der Durchlasswiderstand der Diode ist Null.
Bild 7.21
Schaltzustände einer idealen Diode
Bild 7.21 demonstriert anschaulich diese beiden Zustände. Wir können somit die Diode als einen Schalter auffassen. Ist die Anodenspannung positiv, ist „durchgeschaltet“ (es fließt Strom). Die Diode ist in diesem Zustand folglich als durchgehende Verbindung darstellbar. Ist die Anodenspannung negativ, ist „abgeschaltet“ (es fließt kein Strom). Der Kreis ist an der Stelle der Diode jetzt aufgetrennt, da deren Widerstand unendlich groß ist.
7.3 Elektronische Bauelemente
149
Diese idealisierte Vorstellung weicht nur geringfügig, meist kaum bemerkbar, von den praktischen Verhältnissen ab. Sie wird uns aber das Verständnis der Gleichrichterschaltungen wesentlich erleichtern. Wie bereits erwähnt, lernen wir jetzt die Einpuls- oder Einwegschaltung kennen. Sie ist in Bild 7.22 a gezeigt. Das Gerät, welches der Gleichrichter versorgt, wird als ein ohmscher Widerstand RL aufgefasst. Ein Transformator, um dessen Funktion wir uns hier nicht kümmern müssen (s. Abschnitt 8.3), liefert die Wechselspannung u2 an die aus Diode und ohmscher Last RL bestehende nachfolgende Schaltung. Die an RL erscheinende Spannung ist ud (d von engl. direct voltage...Gleichspannung). Der Pfeil für die Spannung u2 ist ein Zählpfeil, d.h., wenn die sinusförmige Wechselspannung positiv ist, wirkt sie in Richtung des Zählpfeiles (also vom oberen Ende der Transformatorwicklung zum unteren). Ist sie negativ, wirkt sie in entgegengesetzter Richtung.
Bild 7.22
Einpulsgleichrichter bei ohmscher Last a) Schaltung b) Verlauf der elektrischen Größen
Während der positiven Halbwelle der Spannung u2 ist das obere Ende der Wicklung positiv gegenüber dem unteren. Da die Anode der Diode am oberen, die Katode (über RL) am unteren Ende des Transformators angeschlossen ist, liegt in diesem Falle Durchlasspolung vor. Es fließt Strom. Die Diode wirkt während der positiven Halbwelle wie eine durchgehende Verbindung ohne Spannungsabfall (s. Bild 7.21 b). Nach dem Maschensatz muss ud = u2 sein, denn ud und u2 sind in diesem Falle die einzigen Spannungen in der von i durchflossenen Masche. Während der negativen Halbwelle von u2 ist das obere Wicklungsende in bezug auf das untere negativ. Die Anode liegt an negativem, die Katode an positivem Potenzial. Die Diode ist gesperrt. Der Kreis ist „aufgetrennt“ (s. Bild 7.21a). Es fließt kein Strom und deshalb wird am Widerstand RL auch kein Spannungsabfall erzeugt. Während des Ablaufs der negativen Halbwelle der speisenden Wechselspannung gilt somit ud = 0. Hieraus erfolgt eine Erkenntnis, die uns den Schlüssel für das Verständnis der Entstehung der Gleichspannung am Lastwiderstand RL liefert: Für alle Zeiten, in denen Strom fließt, die Diode folglich in Durchlassrichtung geschaltet ist, gilt ud = u2. Für alle Zeiten, in denen kein Strom fließt, die Diode folglich gesperrt ist, gilt ud = 0. Das ist für jede Gleichrichterschaltung gültig. Über eine Analyse der jeweiligen Stromsituation (er fließt oder er fließt nicht) können wir somit schrittweise die am Verbraucher entstehende Gleichspannung konstruieren. Bild 7.22 b zeigt den Verlauf der sinusförmigen Speisespannung u2 und des Stromes i sowie die nach diesem Prinzip konstruierte Spannung ud für die Einpulsschaltung. Wir erkennen, dass Strom und Spannung am Lastwiderstand stets in einer Richtung wirken, so dass tatsächlich ein Gleichstrom und eine Gleichspannung vorliegen. Beide sind aber nicht geglättet, sondern pulsie-
150
7 Elektronik
rend. Dabei erhalten wir einen Puls pro Periode der Wechselspannung, woraus sich der Name Einpulsschaltung ableitet. Der arithmetische Mittelwert der Spannung ud errechnet sich mit u2 = 2 U2 sin ω t entsprechend Gl. (5.6) zu:
Ud =
1 T
T 2
³
2 U 2 sin ω t d t =
0
2 U 2 = 0, 45U 2 π
(7.5)
Beispiel: Ist in einer Einpulsschaltung nach Bild 7.22 der Effektivwert der speisenden Wechselspannung U2 = 230 V, entsteht eine (pulsierende) Gleichspannung mit dem arithmetischen Mittelwert Ud = 103,5 V.
Die in Bild 7.22 b dargestellten Verläufe von Strom und Spannung auf der Gleichspannungsseite entsprechen in den meisten Fällen nicht den praktischen Erfordernissen. Ein Gleichstrommotor würde bei Aufnahme eines derart pulsierenden Stromes auch ein pulsierendes Drehmoment entwickeln, d.h. ruckartig umlaufen. Ideal wären in diesem Falle zeitlich konstante Spannung und zeitlich konstanter Strom, was z.B. mit einer Batterie möglich ist. Bei Gleichrichtung der Netzspannung treten in der Regel aber stets mehr oder weniger große Schwankungen auf. Als quantitatives Maß dafür wird die Welligkeit einer Gleichspannung definiert: w=
U~ Ud
(7.6)
Jede in irgendeiner Form periodisch pulsierende Spannung kann als (ideale) Gleich- mit überlagerter Wechselspannung dargestellt werden. U~ ist der Effektivwert dieses Wechselanteils. Mit U~ = 0, damit w = 0, läge eine ideal glatte Spannung vor. Durch nachfolgend zum Gleichrichter angeschlossene so genannte Filterschaltungen ist eine solche Spannungsform mehr oder weniger gut erreichbar. Ohne ein solches Filter ist die für die Einpulsschaltung charakteristische Welligkeit w = 1,21. Schaltungen mit kleineren Werten werden im Abschnitt 7.4.2 behandelt.
7.3.3 Transistoren Mit der Erfindung des Transistors im Jahre 1948 wurde die Wende eingeleitet, die uns zum heutigen Stand der Elektronik führte. Der Transistor hat weitgehend die Elektronenröhre abgelöst. Erst durch ihn ist es möglich geworden, leistungsfähige, billige, wenig Energie verbrauchende und hochzuverlässige Schaltungen auf kleinstem Raum zu entwickeln. Er kann mit Fug und Recht als das wichtigste Bauelement der Elektronik bezeichnet werden. Bei den Transistoren unterscheiden wir zwei große Gruppen, die von gleichrangiger Bedeutung sind und teilweise für sie jeweils spezifische Anwendungsgebiete haben: – Bipolartransistoren (BPT) – Unipolartransistoren oder Feldeffekttransistoren (FET) Beide werden auf der Basis von Silizium hergestellt. Ihre Funktion beruht auf den im Abschnitt 7.2 diskutierten Leitungsmechanismen. Dabei sind für den Bipolartransistor (s. Abschnitt 7.3.3.1) sowohl die Elektronen als auch die Löcher, für den Feldeffekttransistor (s. Abschnitt 7.3.3.2) aber nur jeweils eine Ladungsträgerart, also Elektronen oder Löcher funktionsbestimmend, wie die Namen bereits zum Ausdruck bringen. Beide Transistorarten haben charakteristische Vor- und Nachteile. Ein Zwischentyp, der die Vorteile beider bei gleichzeitiger Ausschaltung der Nachteile in sich vereinigt, ist der – Insulated Gate Bipolar Transistor (IGBT),
7.3 Elektronische Bauelemente
151
der erst in den letzten drei Jahrzehnten insbesondere für die Leistungselektronik (s. Abschnitt 7.4) zu großer Bedeutung gelangt ist. Wir werden ihn im Abschnitt 7.3.3.3 behandeln.
7.3.3.1 Bipolartransistoren Aufbau und Wirkungsweise. Ein Bipolartransistor besitzt zwei pn-Übergänge, die nach Bild 7.23 auf zweierlei Art realisiert werden können. Der sogenannte pnp-Transistor, der eine n-leitende Zone mit zwei benachbarten p-leitenden Gebieten besitzt, ist der historisch erste Typ. Er wurde auf der Basis von Germanium hergestellt. Bei Verwendung von Silizium ist die Struktur npn aus technologischen Gründen günstiger. Sie hat auch bessere elektrische Eigenschaften.
Bild 7.23
pnp- und npn- Transistor
Nahezu alle modernen BPTs sind npn-Transistoren, weshalb wir hier nur diesen Typ betrachten. Bild 7.24 zeigt die konstruktive Ausführung eines solchen Bauelementes mit den drei möglichen elektrischen Anschlüssen an die drei halbleitenden Gebiete, die Emitter (E), Basis (B) und Kollektor (C) genannt werden. Da wir den Transistor elektrisch betreiben wollen, schließen wir Spannungsquellen mit der aus Bild 7.25 ersichtlichen Polarität an. Das untere n-Gebiet ist der Emitter, das mittlere p-Gebiet die Basis, das obere n-Gebiet der Kollektor. Wir haben zwei pn-Übergänge, Ü1 und Ü2. Die Spannungspfeile weisen, wie wir es gewöhnt sind, von plus nach minus. Die Pfeilrichtung bringen wir durch die Stellung der Indizes für die Spannungen zum Ausdruck, indem wir die Bezeichnung für
Bild 7.24
Ausführung eines npn-Transistors
Bild 7.25
Spannungen am Transistor
152
7 Elektronik
die jeweils positive Elektrode im Index an den Anfang stellen (UCB heißt also, dass der Kollektor positiv in bezug auf die Basis ist). UBE heißt Basis-Emitter-, UCE Kollektor-Emitter- und UCB Kollektor-Basis-Spannung. An der Polarität der angelegten Spannungen erkennen wir, dass die Emitterdiode mit dem Übergang Ü1 und der Spannung UBE in Durchlass-, die Kollektordiode mit dem Übergang Ü2 und der Spannung UCB in Sperrrichtung gepolt ist (vgl. Bild 7.10). Die Diodenkennlinie nach Bild 7.15 zeigt uns, dass bereits bei kleinen Spannungen ein relativ großer Strom im Durchlassbereich fließt. Im Sperrbereich ist der Strom sehr klein, solange die Sperrspannung unterhalb der Durchbruchspannung bleibt, was wir immer einhalten müssen. Trotzdem können wir die Spannung UCB am Transistor wesentlich größer machen als die Spannung UBE. Wir bringen das auch äußerlich durch die gewählte Anzahl der Einzelelemente unserer Spannungsquellen zum Ausdruck (s. Bild 7.25).
Bild 7.26
Ströme im Transistor
Infolge der Durchlasspolung der Emitterdiode fließen Elektronen vom Emitter in die Basis und Löcher von der Basis in den Emitter. Da das Basisgebiet immer nur sehr schwach dotiert und darüber hinaus sehr schmal gehalten wird, sind weit mehr Elektronen als Löcher am Stromfluss beteiligt, so dass wir nur die Elektronen betrachten. Die vom Emitter über Ü1 in die Basis eintretenden Elektronen (sie bilden den Emitterstrom IE) sind im p-Gebiet der Basis Minoritätsträger. Sie können deshalb ohne Schwierigkeiten auch den Übergang Ü2 passieren, da dieser nur für Majoritätsträger in Sperrrichtung gepolt ist (vgl. den Merksatz am Ende des Abschnittes 7.2.4). Die Elektronen werden daher vom Kollektor nahezu vollständig aus dem Basisgebiet abgesaugt, so dass der Kollektorstrom IC fast genauso groß wie der Emitterstrom ist (IC ≈ IE). Diejenigen wenigen Elektronen, die im Kollektorstrom fehlen, sind durch Rekombination mit Löchern beim Durchqueren der Basis verlorengegangen. Der dazu notwendige sehr kleine Löcherstrom wird über den Basisanschluss der Batterie als Basisstrom IB geliefert. Der Elektronenfluss vom Emitter über die Basis bis zum Kollektor ist in Bild 7.26 a in Form einer Strombilanz dargestellt. Als Emitterstrom IE fließen die Elektronen vom Emitter-Batterieanschluss E in den Transistor, durchqueren ihn in Längsrichtung über die Basis bis zum Kollektor und verlassen ihn wieder als Kollektorstrom IC über den Kollektoranschluss C. Unterwegs wird ein kleiner Bruchteil des Elektronenstromes infolge von Rekombination abgezweigt. Dieser Teil bildet den kleinen Basisstrom IB im Basisanschluss B des Transistors. Es gilt IC ≈ IE » IB.
7.3 Elektronische Bauelemente
153
Bild 7.26 b zeigt die Transistorströme mit den Pfeilen in positiver bzw. technischer Stromrichtung. Wir wollen noch ergänzen, dass der Vorgang des Eintretens der Elektronen vom Emitter in die Basis als Elektroneninjektion bezeichnet und deshalb der Bipolartransistor gelegentlich auch Injektionstransistor genannt wird. Nachdem wir die Funktion des Transistors kennengelernt haben, wollen wir uns nun klarmachen, wie wir ihn nutzen können. Dazu schätzen wir die in der Emitter- und Kollektordiode umgesetzten elektrischen Leistungen ab. Die Leistung am Übergang Ü1 ist: P1 = U BE I E
(7.7)
und an Ü2: P2 = U CB I C ≈ U CB I E
(7.8)
Mit UCB > UBE leiten wir aus den Gln. (7.7) und (7.8) die Relation P2 > P1 ab. Die elektrische Leistung am Kollektor („Ausgangsleistung“) ist somit größer als die am Emitter („Eingangsleistung“). Folglich hat im Transistor eine Leistungsverstärkung stattgefunden. Betrachten wir nun nicht den Emitter, sondern die Basis mit dem sehr kleinen Basisstrom IB als „Eingang“ und den Kollektor mit dem Kollektorstrom IC weiterhin als „Ausgang“, können wir wegen IC ›› IB auch von einer Stromverstärkung sprechen. Diese Eigenschaften waren der Grund, warum der Transistor seinen Siegeszug antreten konnte. Wir werden sehen, dass er noch andere hervorragende Merkmale besitzt, die uns erheblichen technischen Nutzen bringen. Zunächst stellen wir eine allgemeine Eigenschaft fest, die aus der Beeinflussbarkeit des Kollektorstromes durch Emitter- oder Basisstrom folgt: Der Bipolartransistor ist ein stromgesteuertes Bauelement. Zur Darstellung in Schaltungen wird für den BPT das in Bild 7.27 gezeigte Symbol verwendet. Zur Kennzeichnung des Emitteranschlusses ist ein in die (technische) Stromrichtung weisender Pfeil angebracht. Er hat beim pnp-Transistor entgegengesetzte Richtung, so dass man beim Studium einer Schaltung bereits am Symbol erkennen kann, ob npn- (Silizium-) oder pnp- (Germanium-) Transistoren eingesetzt sind.
Bild 7.27
Symbol eines npn-Transistors
Bild 7.28
Übertragungsglied oder Vierpol
Transistorgrundschaltungen. Bei der Darstellung der Verstärkereigenschaften haben wir als „Eingang“ einmal den Emitter, ein anderes Mal die Basis benutzt. Wie man diese Wahl in der Praxis trifft, wollen wir nun überlegen. Dazu schicken wir einige Bemerkungen zum sogenannten Übertragungsglied oder Vierpol voraus.
154
7 Elektronik
Ein Vierpol liegt in einer Übertragungsstrecke elektrischer Signale. Demzufolge muss er einen Eingang und einen Ausgang mit je einer Hin- und Rückleitung besitzen (s. Bild 7.28). Wir nennen die zugehörigen elektrischen Parameter Eingangsspannung (allgemein Ue bzw. ue) und Eingangsstrom (Ie, ie) bzw. Ausgangsspannung (Ua, ua) und Ausgangsstrom (Ia, ia). Ein Transistor wird auch stets als Übertragungsvierpol verwendet. Da er aber insgesamt nur drei Anschlüsse besitzt, ist die Realisierung eines Vierpols nur möglich, wenn ein Anschluss sowohl als Eingangs- wie auch als Ausgangsleitung benutzt wird. Je nachdem, um welchen Transistoranschluss es sich dabei handelt, unterscheiden wir zwischen drei Grundschaltungen: Emitterschaltung, Kollektorschaltung und Basisschaltung. Sie sind in den Bildern 7.29 (hier zur Orientierung mit den entsprechenden Kristallanschlüssen) und 7.30 dargestellt. Wie es in der Elektrotechnik üblich ist, befindet sich links der Eingang, rechts der Ausgang. Die Richtungspfeile für die Spannungen und Ströme ergeben sich aus den Bildern 7.25 und 7.26 b.
Bild 7.29
Emitterschaltung eines npn-Transistors
Bild 7.30
a) Kollektorschaltung b) Basisschaltung eines npn-Transistors
Die weitaus wichtigste aller Transistorschaltungen ist die Emitterschaltung mit den Eingangsgrößen IB und UBE sowie den Ausgangsgrößen IC und UCE. Wegen IC/IB Ԡ 1 ist ihre stromverstärkende Wirkung (ca. 100-fach und mehr) sofort erkennbar. Es findet außerdem Spannungs- und Leistungsverstärkung statt. Die Kollektorschaltung (Bild 7.30 a) zeigt wegen IE/IB Ԡ 1 ebenfalls Stromverstärkung. Sie wird infolge ihrer stark unterschiedlichen Eingangs- und Ausgangswiderstände auch als Impedanzwandler zur Widerstandstransformation bei Anpassungsproblemen verwendet. Die Basisschaltung nach Bild 7.30 b wird gelegentlich zur Spannungsverstärkung und auch als Impedanzwandler eingesetzt, ist aber von geringerer Bedeutung als die beiden anderen.
155
7.3 Elektronische Bauelemente
Wir werden uns aus den bereits genannten Gründen im folgenden nur noch auf die Emitterschaltung des Transistors konzentrieren. Kennlinien der Emitterschaltung. Das Kennlinienfeld des BPT hat vier Quadranten und verknüpft die elektrischen Eingangsgrößen mit den Ausgangsgrößen (vgl. Bild 7.29): 1. Quadrant:
Parameter: IB IC = f(UCE) Zusammenhang zwischen Ausgangsspannung und Ausgangsstrom: Ausgangskennlinien.
2. Quadrant:
UCE = const (z.B. UCE = 5 V) IC = f(IB) Stromübertragungskennlinie.
3. Quadrant:
UCE = const IB = f(UBE) Dies ist die Kennlinie des pn-Überganges Ü1, d.h. eine Diodenkennlinie von der Art des Bildes 7.15. Sie heißt wegen der Verknüpfung der Eingangsgrößen Eingangskennlinie des Transistors.
4. Quadrant:
Parameter: IB UBE = f(UCE) Spannungsübertragungskennlinie.
Bild 7.31
Ausgangskennlinien der Emitterschaltung (npn)
Bild 7.32
n-Halbleiterkanal
Das typische Verhalten des Bipolartransistors in allen Betriebsweisen ist mittels des Ausgangskennlinienfeldes (1. Quadrant) erkärbar. Es ist in Bild 7.31 gezeigt.
7.3.3.2 Feldeffekttransistoren Das grundlegende Prinzip dieses mit der Kurzbezeichnung FET charakterisierten Transistortyps ist ein einfaches: Steuerung der Leitfähigkeit eines Halbleiterkanals. Bild 7.32 zeigt einen solchen durch ein n-leitendes Gebiet realisierten Kanal mit den für FETs üblichen Bezeichnungen für die elektrischen Größen und die Anschlüsse Source (Quelle, von dort kommen die Elektronen) und Drain (Abfluss, dorthin fließen die Elektronen). Der Drainstrom ID durch diesen Kanal bei der Drain-Source-Spannung UDS ist: ID =
U DS RKanal
(7.9)
Entsprechend Gl. (1.25) ist der Kanalwiderstand abhängig von seiner Länge l, seinem Querschnitt A und seinem spezifischen Widerstand ρ bzw. seiner spezifischen Leitfähigkeit γ = 1/ρ: RKanal = f (l , A, γ )
(7.10)
156
7 Elektronik
Die drei in der Klammer stehenden Größen können somit dazu dienen, auf den Kanalwiderstand steuernd einzuwirken. In der Praxis nutzt man die Beeinflussung des Querschnittes und der Leitfähigkeit des Kanales und erhält so die beiden FET-Grundtypen: 1. Steuerung über A: 2. Steuerung über γ :
Sperrschicht-Feldeffekttransistor oder engl. Junction-FET (JFET). Feldeffekttransistor mit isolierter Steuerelektrode (MOSFET).
Hervorragende Bedeutung in der gesamten Elektronik, besonders in der Mikroelektronik, hat der MOSFET erlangt. Wir werden gleich erklären, warum er diesen Namen trägt. Sperrschicht-Feldeffekttransistor. In das n-dotierte Grundmaterial (Substrat) wird eine pdotierte Insel eingebracht und mit einer dritten Elektrode verbunden (s. Bild 7.33). Diese heißt Gate (Tor) und trägt die Kurzbezeichnung G. Das Potenzial des Gate ist negativer als das des Source, so dass der Pfeil der Source-Gate-Spannung von S nach G weist. Der zwischen der pInsel und dem n-Substrat vorhandene pn-Übergang ist in Sperrrichtung gepolt. Die Breite der sich ausbildenden ladungsträgerfreien bzw. ladungsträgerarmen Sperrschicht ist umso größer, je stärker negativ das Gatepotenzial ist. Der verbleibende leitfähige n-Kanal wird immer mehr an die untere Seitenfläche des Halbleiters nach Bild 7.33 gedrängt, je größer USG wird. Sein Querschnitt verringert sich, wodurch sich der Kanalwiderstand vergrößert, folglich der Drainstrom sich verkleinert usw..
Bild 7.33
Prinzip eines JFET
Da der Strom zwischen Source und Gate wegen der Sperrpolung verschwindend klein ist, wird der Drainstrom annähernd stromlos, also nahezu leistungslos gesteuert, allein über die Spannung USG. Diese leistungslose Steuermöglichkeit ist einer der wesentlichen Vorteile der Feldeffektgegenüber den Bipolartransistoren.
Bild 7.34
Prinzip des MOSFET
MOS-Feldeffekttransistor. Bei diesem Transistortyp ist das Gate nicht direkt auf einen Halbleiter aufgebracht, denn zwischen Gate und Halbleitermaterial befindet sich eine isolierende Schicht. Dadurch wird der Stromfluss in der Gatezuleitung total unterbunden, so dass die leistungslose Steuerung hier nicht nur annähernd, sondern vollständig gewährleistet ist. Der MOS-Feldeffekttransistor ist ein spannungsgesteuertes Bauelement. Für seine Steuerung ist kein Strom, folglich keine elektrische Leistung erforderlich.
7.3 Elektronische Bauelemente
157
Eine wichtige Ausführungsform des MOSFET zeigt Bild 7.34. In ein p-leitendes SiliziumSubstrat sind zwei n-leitende Inseln eingebracht, die mit dem Source- bzw. dem Drain-Anschluss verbunden sind. Zwischen den Anschlüssen befindet sich eine Isolationsschicht, die aus Siliziumdioxid besteht. Sie wird im Fertigungsprozess durch thermische Oxidation des SiliziumGrundkörpers aufgebracht. Auf dieser Schicht ist der Gate-Anschluss befestigt. Die Aufeinanderfolge der verschiedenen Stoffe, beginnend beim metallischen Gate über das Siliziumoxid bis zum Silizium-Halbleitermaterial, d.h. die Folge Metall-Oxid-Silizium, hat dem MOSFET seinen Namen gegeben. Das Potenzial des Gate ist positiv gegenüber dem des Source, der Gate-Source-Spannungspfeil somit vom Gate zum Source gerichtet.
Bild 7.35
Kennlinie ID = f(UGS) des MOSFET
Bild 7.36
Symbol des n-Kanal-AnreicherungsMOSFET
Die Funktionsweise des MOSFET ist die folgende: Vom positiven Gate werden durch Influenz (s. Abschnitt 1.3.1) Elektronen, die als Minoritätsträger im p-Substrat vorhanden sind, an die Oberfläche in Richtung der Gateelektrode gezogen. Sie können diese wegen der isolierenden Schicht aber nicht erreichen und sammeln sich deshalb an der Oberfläche des Halbleitergrundkörpers an, dicht unter der SiO2 – Schicht. Dadurch bildet sich zwischen den beiden n-leitenden Inseln eine stromleitende „Brücke“, ein Elektronen- oder n-Kanal aus. Dieser macht einen Fluss von Elektronen vom Source zum Drain bei der anliegenden Drainspannung UDS möglich. Je stärker positiv die Gatespannung wird, desto mehr reichert sich der Kanal mit Elektronen an, umso größer wird seine Leitfähigkeit und umso mehr steigt der Drainstrom ID. Kleine Änderungen der Gatespannungen bewirken große Änderungen des Drainstromes, so dass auch hier, wie schon beim Bipolartransistor festgestellt, Verstärkereffekte erzielt werden können. Die Kennlinie ID = f(UGS) für konstante Drainspannung zeigt Bild 7.35. Wir erkennen, dass erst in dem Moment, wo die Gatespannung den Schwellwert Up (Größenordnung wenige Volt) erreicht, der Kanal leitfähig wird, der Drainstrom also anzusteigen beginnt. Das Schaltzeichen des in Bild 7.34 dargestellten Transistors ist in Bild 7.36 gezeigt. Der erkennbare vierte Anschluss B („Bulk“) ist zum p-Substrat geführt und wird meist mit S verbunden. Eine entscheidende funktionsbestimmende Wirkung hat er in diesem Falle nicht. Ebenso wie mit dem BPT können wir mittels des MOSFET mit seinen drei Anschlüssen S, D und G Vierpolschaltungen realisieren, die Source-, Drain- und Gateschaltung heißen und ebenfalls verschiedene Eigenschaften und Anwendungsmöglichkeiten haben. Die wichtigste ist die Sourceschaltung, die gemeinsam mit ihrem Ausgangskennlinienfeld in Bild 7.37 zu sehen ist.
158
7 Elektronik
Beim Vergleich dieser Kennlinien mit den Ausgangskennlinien des Bipolartransistors nach Bild 7.31 erkennen wir sehr ähnliche Kurvenverläufe. Der jeweils verwendete Kurvenparameter verdeutlicht die Stromsteuerung beim BPT und die Spannungssteuerung beim MOSFET. Der bisher beschriebene MOSFET ist ein sog. n-Kanal-Anreicherungstyp, weil sich der Halbleiterkanal bei Steigerung der Gatespannung mit Elektronen anreichert. Verwendet man im Gegensatz zum Aufbau nach Bild 7.34 n-leitendes Silizium als Substrat und bringt als Source und Drain kleine p-leitende Inseln auf, werden bei Anlegen einer negativen Gatespannung die Löcher aus der Tiefe des Substrates an die Isolationsschichtgrenze gezogen und bilden dort einen pKanal, der sich mit negativer werdender Gatespannung immer mehr mit Löchern anreichert. Dieser MOSFET heißt deshalb folgerichtig p-Kanal-Anreicherungstyp. Es gibt noch zwei weitere Typen. Sorgt man durch entsprechende Dotierung dafür, dass bereits ohne Gatespannung ein n-Kanal vorhanden ist und macht das Gate negativ, werden die Elektronen aus dem Kanal verdrängt und zwar umso mehr, je stärker negativ die Gatespannung ist. Diesen Typ nennt man deshalb n-Kanal-Verarmungstyp. Ist andererseits von vornherein ein pKanal vorhanden und verdrängt man die Löcher mit einer positiven Gatespannung, liegt ein pKanal-Verarmungstyp vor.
Bild 7.37
Source-Schaltung des MOSFET
a) Schaltung
b) Ausgangskennlinien
Bis zum heutigen Zeitpunkt hat sich für die Realisierung von FET-Bauelementen eine Reihe von Technologien herausgebildet, wie n-MOS (n-Kanal), p-MOS (p-Kanal), C-MOS (KomplementärMOS: Verwendung von Transistor-Paaren, jeweils einen n- und einen p-Kanal-MOSFET), HMOS (Hochvolt-MOSFET) oder V-MOS (Transistoren für hohe Spannungen und Ströme, sogenannte Leistungstransistoren). Eine der heute wohl bedeutendsten Technologien, besonders im Zusammenhang mit der Schaffung stromsparender und störsicherer Halbleiterspeicher, dürfte die CMOS-Technik sein. Auf diese werden wir im Abschnitt 7.6 eingehen.
7.3.3.3 Insulated Gate Bipolar Transistors (IGBTs) Ein wesentlicher Vorteil des FET ist die Möglichkeit seiner leistungslosen Steuerung. Da bei Verwendung der Sourceschaltung (Bild 7.37) praktisch kein Gatestrom fließt, hat diese einen sehr hohen Eingangswiderstand, was für viele Anwendungen von Wichtigkeit ist. Insbesondere bei der Messung an schwachen Signalquellen, die beim Messvorgang nicht oder nur wenig belastet werden dürfen, ist diese Eigenschaft von großer Bedeutung. Auch in Eingangsstufen von Empfängern, die mit den schwachen Antennensignalen gespeist werden, wird sie genutzt. Ein weiterer Vorteil ist, dass FETs gegenüber Bipolarschaltungen auf kleinerem Raum realisiert werden können, weshalb sie sich hervorragend für die Schaltungsintegration (s. Abschnitt 7.6.1) eignen. Ein für bestimmte Anwendungen wesentlicher Nachteil des Feldeffekttransistors ergibt sich aus seinem Aufbau. Da die Gateelektrode mit dem Sourceanschluss einen kleinen Kondensator (Die-
7.3 Elektronische Bauelemente
159
lektrikum Siliziumdioxid) bildet, an dem sich bekanntlich Spannungen nicht sprungartig ändern können (s. Abschnitt 6), treten Schwierigkeiten bei höchsten Schaltfrequenzen der anliegenden Spannungen auf. Weil die Kapazitäten aber sehr gering sind, macht sich das in den weitaus meisten Anwendungsfällen nicht störend bemerkbar. Will man aber „superschnelle“ Schaltungen, z.B. schnelle Speicher oder Prozessoren, realisieren, greift man in der Regel auf Bipolarschaltungen zurück. Bei ihnen treten die geschilderten kapazitiven Umladungseffekte nicht auf. Weiterhin ist es beim BPT von Vorteil, dass er im eingeschalteten Zustand bei ansonsten etwa gleichen elektrischen Parametern einen geringeren Durchgangswiderstand als der FET besitzt. Diese Eigenschaft ist dann von erheblicher Wichtigkeit, wenn sehr hohe Ströme, die z.B. in der Leistungselektronik beim Betrieb von elektrischen Maschinen auftreten, durch den Transistor bewältigt werden müssen. An hohen Widerständen erzeugen große Ströme große elektrische Verluste, die quadratisch mit dem Strom steigen (PV = I2 R) und die erhebliche Wärmemengen entstehen lassen, durch die das Bauelement gefährdet werden kann. Für solche leistungselektronischen Anwendungen wäre das niederohmige Bipolarprinzip genau das richtige, wenn nicht der Nachteil der Notwendigkeit relativ großer Steuerleistungen bestünde, den der FET nicht hat. Überlegungen zu einer Synthese der vorteilhaften Eigenschaften beider Transistortypen führten zu einem neuen Bauelement, das den Namen IGBT (Insulated Gate Bipolar Transistor) bekommen hat. Es handelt sich hier um eines der modernsten elektronischen Bauelemente, welches vorwiegend in leistungselektronischen Stellgliedern für rotierende elektrische Maschinen eingesetzt wird und eingesetzt werden soll.
Bild 7.38
Aufbau des IGBT
Bild 7.38 zeigt seinen prinzipiellen Aufbau in schematisierter Form, an der wir zunächst die MOSFET-Struktur nach Bild 7.34 erkennen. Auf der Seite des Anschlusses C ist zusätzlich ein pGebiet angebracht, so dass ein pn-Übergang entsteht. Dieser ist wegen der positiven Spannung an C in Durchlassrichtung gepolt. Auf diese Weise werden Löcher in die C-seitige n-Insel und in den sich bei Aufsteuerung bildenden n-Kanal injiziert. Die dadurch bedingte verstärkte Anreicherung des Kanals mit Ladungsträgern ist gleichbedeutend mit einer Verringerung des elektrischen Widerstandes der Strombahn zwischen den Anschlüssen E und C, was erreicht werden sollte. Da die Strombahn bipolare Eigenschaften hat, wählt man für deren Anschlüsse die Bezeichnungen E (Emitter) und C (Kollektor). Die Steuerelektrode trägt weiterhin die Bezeichnung G (Gate), weil das Steuerprinzip vom MOSFET übernommen wurde. Der IGBT ist heute das am häufigsten eingesetzte Bauelement der Leistungselektronik (s. Abschnitt 7.4) für Leistungen von 100 W bis 10 MW, für Spannungen bis 6600 V und Ströme bis 4000 A.
7.3.3.4 Betriebsarten von Transistoren Obwohl man prinzipiell alle Transistorschaltungen sowohl mit Bipolar- als auch mit Feldeffekttransistoren realisieren kann, konzentrieren wir uns hier hauptsächlich auf den Bipolartransitor (BPT) in der Struktur npn.
160
7 Elektronik
Im Abschnitt 7.3.3.1 (s. Bilder 7.25 und 7.26) haben wir uns die Funktionsweise des Transistors bei in Durchlassrichtung gepolter Emitterdiode (Übergang Ü1) und gesperrter Kollektordiode (Ü2) klargemacht. Es entstehen dann die in Bild 7.31 gezeigten Ausgangskennlinien. Diese Betriebweise ist aber nicht die einzig mögliche. Durch Veränderung von Größe und Polarität der an den Transistor gelegten Spannungen ist die Herbeiführung der in Tabelle 7.1 dargestellten Betriebsarten möglich. Dabei ist der inverse Betrieb von untergeordneter Bedeutung und wird deshalb an dieser Stelle nicht weiter betrachtet. Bild 7.39 zeigt die Lage der Bereiche nach Tabelle 7.1 im Ausgangskennlinienfeld der Emitterschaltung. Sie sind durch geeignete Wahl des Eingangssignals, also der Spannung UBE bzw. des Stromes IB, erreichbar, wie wir im Folgenden sehen werden. Im aktiven Bereich hat der Transistor, wie wir bereits im Abschnitt 7.3.3.1 gezeigt haben, verstärkende Eigenschaften. Der Transistor arbeitet hier als Verstärker. Im Sperrbereich ist der Transistor völlig gesperrt, im Sättigungsbereich völlig durchgeschaltet. Durch Wechsel vom Sperr- in den Sättigungsbereich und umgekehrt arbeitet der Transistor somit als Schalter. Beide Betriebsweisen sind von großer praktischer Bedeutung und deshalb werden wir sie in den nächsten beiden Abschnitten in angemessenem Umfang besprechen.
Bild 7.39
Mögliche Arbeitsbereiche des Transistors
Tabelle 7.1: Mögliche Betriebsarten des Bipolartransistors
Emitterdiode
Kollektordiode
Betriebsbereich
Durchlassbetrieb
Sperrbetrieb
Aktiver oder normaler Bereich
Durchlassbetrieb
Durchlassbetrieb
Sättigungsbereich
Sperrbetrieb
Sperrbetrieb
Sperrbereich
Sperrbetrieb
Durchlassbetrieb
Inverser Bereich
Bei allen Betriebsarten ist eine Überlastung des Transistors unzulässig, weil sie zu starker örtlicher Wärmeentwicklung und damit zur Zerstörung der Halbleiterstruktur führt. Verantwortlich für die Erwärmung ist im Wesentlichen die im Übergang Ü2 umgesetzte elektrische Leistung (Sie heißt Verlustleistung, weil sie irreversibel in Wärme umgewandelt wird): PV = I C U CE
Die daraus folgende Beziehung
(7.11)
7.3 Elektronische Bauelemente
IC =
PV U CE
161
(7.12)
stellt die sog. Verlusthyperbel des Transistors dar und ist in Bild 7.39 ebenfalls eingezeichnet. Sie darf bei der Ansteuerung nicht überschritten werden. Dadurch ergibt sich, insbesondere für den Verstärkerbereich, eine zusätzliche Eingrenzung des Kennlinienfeldes.
7.3.3.5 Transistoren als Verstärker Eine komplette Verstärkerstufe in Emitterschaltung mit der Mindestzahl an Elementen zeigt Bild 7.40. Die Elemente sind neben dem Transistor selbst: Kollektorwiderstand RC, Basisvorwiderstand R1 und ein Gerät zur Bereitstellung der Versorgungsgleichspannung UB (Netzgleichrichter). Die Eingangsspannung ist uBE, die am Kollektor abnehmbare Ausgangsspannung uCE. Dem durch UB in die Basis gelieferten Gleichstrom IB0 überlagert sich der Eingangswechselstrom i'B , so dass in den Basisanschluss des Transistors der Strom iB = IB0 + i'B fließt, der somit einen Gleich- und einen Wechselstromanteil besitzt.
Bild 7.40
Einfache Verstärkerstufe in Emitterschaltung
Wir analysieren die einzelnen Bauelemente im Hinblick auf ihre Notwendigkeit in der Schaltung. Dazu setzen wir zunächst i'B = 0, was bedeutet, dass in der Schaltung nur Gleichspannungen (UB, UCE, UBE) wirken und demzufolge nur Gleichströme fließen. Insbesondere fließt der Strom IB0 in die Basis. Für die Masche des Ausgangskreises ergibt sich die Spannungsbilanzgleichung der Gleichspannungen: U B = I C RC + U CE
(7.13)
Daraus folgt für den Kollektorstrom: IC = −
1 U U CE + B RC RC
(7.14)
Diese Gleichung stellt eine Gerade im Ausgangskennlinienfeld dar, die umso stärker fällt, je kleiner der Kollektorwiderstand ist. Sie heißt Widerstandsgerade. Die Verstärkerwirkung der Stufe kommt durch das Zusammenwirken des Transistors mit RC zustande. Deshalb müssen mögliche Betriebszustände der Schaltung sowohl den TransistorKennlinien als auch der Widerstandsgerade genügen, deren Schnittstelle den Arbeitspunkt ergibt. Ein eindeutiger (Gleichstrom-) Arbeitspunkt ergibt sich durch Auswahl einer einzigen Kennlinie. Auswahl bedeutet Einstellung des Stromes IB0 über den Basisvorwiderstand R1. Dieser Widerstand wird zweckmäßigerweise gleich mit an die Versorgungsspannungsquelle UB angeschlossen. Bild 7.41 b zeigt den so entstehenden Arbeitspunkt A. Die Verstärkerstufe ist, wie der Elektroniker sagt, gleichstrommäßig eingestellt.
162
7 Elektronik
Bild 7.41
Entstehung von uCE aus iB a) Verlauf von iB b) Arbeitspunkt und Arbeitspunktwanderung c) Verlauf von uCE
Nun legen wir eine sinusförmige Wechselspannung uBE an den Eingang der Stufe. Jetzt fließt der dieser Spannung etwa proportionale Wechselstrom i'B in die Eingangsklemme und der Gesamtstrom iB = IB0 + i'B in den Transistor. Für sinusförmigen Strom i'B hat iB die Form nach Bild 7.41 a. Mittels dieses Stromverlaufes und des Kennlinienfeldes nach Bildteil b können wir sehr anschaulich die Entstehung der (gegenüber der Eingangsspannung uBE verstärkten) Ausgangsspannung uCE verfolgen. Bei den Nulldurchgängen von i'B ist iB = IB0, d.h. der Arbeitspunkt bei A. Steigt i'B , so steigt der gesamte Basisstrom iB entsprechend und der Arbeitspunkt gleitet auf der Widerstandsgeraden in Richtung des Punktes A1, der bei iB = IB0 + iˆB' , also beim positiven Maximalwert von i'B , erreicht wird. Infolge des danach wieder fallenden Stromes verschiebt sich der Arbeitspunkt in Richtung kleiner Basisströme, bis nach Durchlaufen des Wertes iB = IB0, d.h. des Arbeitspunktes A, beim Stromminimum von i'B der Punkt A2 erreicht wird usw.. In nachrichtenelektronischer Schaltungen liegen die Schwankungen des Eingangsstromes iB (ΔiB = 2 iˆB' ) im Bereich einiger 100 μA. Sie verursachen entsprechende Änderungen des Ausgangsstromes in der Größenordnung einiger 10 mA, so dass hier Stromverstärkungen um etwa den Faktor 100 vorliegen. Bei der Aussteuerung durch den sinusförmigen Eingangswechselstrom entlang der Widerstandsgeraden entsteht ein ebenfalls sinusförmiger Verlauf der Kollektor-Emitter-Spannung uCE (s. Bild 7.41 c), die als Ausgangsspannung der Verstärkerstufe zur Verfügung steht.
7.3 Elektronische Bauelemente
163
Wir erkennen an ihrem Verlauf zwei wichtige Merkmale: erstens besteht sie wie der Transistor' und zweitens ist sie basisstrom iB aus einem Gleichanteil UCE(A) und einem Wechselanteil U CE ' gegenüber der Eingangswechselspannung uBE (die mit iB in Phase ist) um 180° phasenverschoben, d.h. gegenphasig bezüglich uBE. Da nur der Wechselanteil, der die zu verstärkende Information enthält, weiterverarbeitet werden muss, trennen wir den Gleichanteil mittels eines Kondensators, den wir in den Weg zur nächsten Verstärkerstufe schalten, ab. Die Kapazität dieses Koppelkondensators CK darf nicht zu klein sein, damit die verstärkte Wechselspannung keine Dämpfung erfährt. Das Abblocken der Gleichspannung zeigt Bild 7.42. Durch den Koppelkondensator, der am Ende einer jeden Verstärkerstufe und damit am Eingang der nächsten liegt, ist es möglich, die Stufen gleichstrommäßig völlig voneinander zu entkoppeln, so dass eine Arbeitspunkteinstellung separat für jede Stufe und ohne Beeinflussung einer benachbarten möglich ist. Dies ist auch unbedingt erforderlich, da sich bei mehrstufigen Verstärkern die Anforderungen an die Transistoren in den Anfangsstufen wesentlich von denen in den Endstufen unterscheiden. Beim Betrieb einer Verstärkerschaltung müssen wir darauf achten, dass die verstärkte Spannung bzw. der verstärkte Strom möglichst genau der Eingangsspannung bzw. dem Eingangsstrom folgt. Ist das erfüllt, sagen wir, die Spannung bzw. der Strom sind wenig oder nicht verzerrt. Verzerrungen verfälschen den Informationsgehalt der elektrischen Größen und sind deshalb zu minimieren bzw. auszuschließen. Sie treten bei einer Verstärkerstufe immer dann auf, wenn der Arbeitspunkt bei der Aussteuerung zu nahe an die Grenze zum Sättigungs- und/oder Sperrbereich des Kennlinienfeldes gerät, folglich keine symmetrische Steuerung um den Arbeitspunkt A herum erfolgt. Deshalb ist es im Verstärkerbetrieb erforderlich, A etwa in die Mitte der Widerstandsgeraden zu legen, damit beim Erreichen der Extremwerte des Eingangssignals noch genügend Abstand zum Sättigungs- bzw. Sperrbereich verbleibt. In der Praxis wird A durch die Verstellung von R1 so gewählt, dass für seine Spannungskoordinate UCE(A) ≈ 0,5 UB gilt.
Bild 7.42
Funktion des Koppelkondensators
Bild 7.43
Komplette Verstärkerstufe mit Arbeitspunktstabilisierung
Durch temperaturbedingte Einflüsse kann sich der Arbeitspunkt verschieben. Entsprechende Gegenmaßnahmen sind die sog. Stromgegenkopplung (bewirkt über einen Emitterwiderstand RE) und die Verwendung eines Basisspannungsteilers (bewirkt über einen Widerstand R2), wie das in Bild 7.43 gezeigt ist. Um die Wechselkomponente des den Transistor vom Kollektor bis zum Emitter durchfließenden Stromes, die mit der Einstellung des Arbeitspunktes nichts zu tun hat, nicht zu beeinflussen, überbrückt man bei der Stromgegenkopplung den Emitterwiderstand RE mit einem Kondensator CE. Somit fließt der Gleichanteil völlig über RE und der Wechselanteil nahezu vollständig über den Kondensator, vorausgesetzt, dass dessen Wechselstromwiderstand durch genügend großes CE vernachlässigbar klein gehalten wird.
164
7 Elektronik
Wie bereits gesagt, ist die Ausgangsspannung einer Stufe größer als deren Eingangsspannung. Die Spannung wird demzufolge verstärkt. Die Berechnung der Verstärkung und ihre Abhängigkeit von den Einflussfaktoren wollen wir den Spezialisten überlassen. Wir begnügen uns mit dem grundsätzlichen Verständnis des Signaldurchlaufes durch Verstärkerstufen.
7.3.3.6 Transistoren als Schalter Wir betrachten noch einmal das Bild 7.39 mit den möglichen Betriebsbereichen des Transistors. Der Verstärkerbetrieb ist durch das Gleiten des Arbeitspunktes auf der Widerstandsgeraden innerhalb des aktiven Bereichs bestimmt. Dabei kann jeder Punkt der Geraden eingenommen werden. Theoretisch sind demnach unendlich viele Zustände möglich. Wir nennen deshalb solche Transistorschaltungen auch analoge Schaltungen im Gegensatz zu den digitalen Schaltungen, bei denen nur ganz bestimmte Zustände eingenommen werden können (Zu den Begriffen analog und digital s. Abschnitt 7.5.2). Mit dem Transistor können wir zwei solcher Zustände realisieren: durch Steuerung in den Sättigungsbereich mit genügend hohem und durch Steuerung in den Sperrbereich mit genügend niedrigem Basisstrom. Im ersten Fall führt der Transistor einen hohen (Wir sagen: „Er ist eingeschaltet“), im zweiten einen sehr niedrigen Kollektorstrom (Wir sagen: „Er ist ausgeschaltet“). In beiden Fällen liegt der Arbeitspunkt auf der Widerstandsgeraden, jedoch einmal im Sättigungs- und einmal im Sperrbereich. Bild 7.44 zeigt die Schaltung mit dem Ansteuersignal (Bildteil a links), dem Ausgangssignal (Bildteil a rechts) und die korrespondierenden Arbeitspunkte im Ausgangskennlinienfeld (Bildteil b). Wir beachten, dass als Parameter hier nicht der Basisstrom IB, sondern die Basis-EmitterSpannung UBE gewählt wurde, die die Größe des Basisstromes bestimmt. An der Lage der Arbeitspunkte erkennen wir zweierlei: Im Ein-Zustand führt der Transistor einen hohen Strom, aber eine kleine Kollektor-Emitter-Spannung UCESat, im Aus-Zustand einen geringen Strom und eine hohe Spannung UCE0, die aber nicht ganz die Betriebsspannung UB erreicht. Wenn wir also nach einem bestimmten Zeitschema rechteckförmige Basisstromimpulse (erzeugt durch entsprechende Spannungsimpulse zwischen Basis- und Emitterleitung) einspeisen, können wir am Kollektor des Transistors rechteckförmige Spannungsimpulse abnehmen, die das Aussehen nach Bild 7.45 haben. Wie aus diesem Spannungsverlauf hervorgeht, ist der H-Pegel (High) oder die so genannte logische „1“ durch uCE ≈ UB und uCE < UB, der L-Pegel (Low) oder die logische „0“ durch uCE ≈ 0 und uCE > 0 gekennzeichnet. Um beide Zustände eindeutig voneinander zu trennen, müssen die
Bild 7.44
npn-Transistor als Schalter a) Schaltstufe b) Arbeitspunkte im Ausgangskennlinienfeld
7.3 Elektronische Bauelemente
165
Spannungsbereiche, in denen „1“ oder „0“ gilt, in Übereinstimmung mit den technischen Eigenschaften der Transistorstufe festgelegt werden. Mit der bei Bipolartransistorschaltungen stets verwendeten Betriebsspannung UB = 5 V gilt für diese Bereiche am Transistorausgang: H-Pegel 2,4 ... 5 V L-Pegel 0,0 ... 0,4 V
Bild 7.45
Verlauf der Ausgangsspannung im Schalterbetrieb
Solche Pegel heißen TTL-Pegel (abgeleitet von der Wortkombination Transistor-TransistorLogik, weil in der Regel zwei Transistoren zur Erzeugung solcher Pegel im Spiel sind, s. Abschnitt 7.5.4). Sie sind typisch für digitale Schaltungen mit Bipolartransistoren. Ebenfalls von großer praktischer Bedeutung ist der Schalterbetrieb mit Feldeffekttransistoren. An die Stelle des IC - UCE - Kennlinienfeldes tritt dann das ID - UDS - Feld (vgl. die Bilder 7.31 und 7.37). Der wesentliche Unterschied zum Bipolartransistor besteht darin, dass beim FET höhere Betriebsspannungen angewendet werden können, so dass die Pegelbereiche weiter auseinander liegen. Für ihre eindeutige Unterscheidbarkeit spielt das eine große Rolle, insbesondere im Hinblick auf die Unempfindlichkeit gegenüber Störspannungen, die sich den Signalen überlagern und umso weniger Einfluss gewinnen können, je größer die zu den Pegeln gehörenden Spannungen sind und je stärker diese sich voneinander unterscheiden.
7.3.4 Thyristoren 7.3.4.1 Aufbau und Wirkungsweise. Typen Während Transistoren in nahezu allen für die Elektronik und Leistungselektronik typischen Strom- und Spannungsbereichen eingesetzt werden, von Mikroampere bis zu einigen tausend Ampere, von Millivolt bis zu mehreren tausend Volt, ist der Thyristor ein typisch leistungselektronisches Bauelement mit Strömen ab etwa einem Ampere und mit Spannungen im Bereich der Netzspannung und darüber. Er hat, wie der Transistor die Elektronenröhre, die für Gleichrichtungszwecke früher üblichen Thyratrons abgelöst und daher seinen Namen erhalten. Aufbau und Wirkungsweise. Der Thyristor besteht aus vier dotierten Halbleiterschichten in der Folge p-n-p-n, besitzt also drei pn-Übergänge (s. Bild 7.46). Die Anschlüsse an den Enden heißen Anode (A) und Katode (K). Den am katodenseitigen p-Gebiet angebrachten Anschluss nennt man Steuerelektrode (S). UA ist die zwischen A und K anliegende Anodenspannung, US die Steuerspannung und IA der Anodenstrom. Die Bezeichnungen Anode und Katode deuten bereits auf eine Verwandtschaft mit der Diode hin. Tatsächlich verhält sich der Thyristor wie ein Gleichrichterventil, bei dem jedoch der Gleichrichtvorgang im Gegensatz zur Diode gesteuert werden kann.
166
7 Elektronik
Bild 7.46
Schichtaufbau des Thyristors
Bild 7.47
Kennlinie des Thyristors
Zum Verständnis der Funktionsweise eines Thyristors betrachten wir das Bild 7.47. Zunächst lassen wir die Steuerelektrode außer acht und betrachten nur die Vorgänge zwischen Anode und Katode. Solange das Anodenpotenzial gegenüber der Katode negativ ist (UA < 0), sind die pnÜbergänge Ü1 und Ü3 gesperrt. Wir erhalten eine normale Sperrkennlinie mit dem Sättigungsstrom IS. Wird UA > 0, fällt das Potenzial von der Anode in Richtung Katode ab. Infolgedessen ist nur der pn-Übergang Ü2 gesperrt, so dass sich zunächst bei steigender Anodenspannung die Sperrkennlinie dieses Überganges ergibt. Überschreitet UA jedoch den Wert UAK0, bricht der Übergang Ü2 durch. Der Thyristor verhält sich in diesem Zustand, da die beiden anderen Übergänge Ü1 und Ü3 von vornherein schon durchgeschaltet waren, wie eine in Durchlassrichtung betriebene Diode. Die für UA > 0 gültige Sperrkennlinie heißt Blockierkennlinie, die nach dem Durchschalten erreichte heißt Durchlasskennlinie. Das Ereignis des Überganges vom Blockierin den Durchlasszustand nennen wir Zünden, den umgekehrten Vorgang des Verlassens des Durchlassbereichs Löschen. Legen wir eine Spannung US an die Steuerelektrode, erfolgt der Zündvorgang bereits bei Spannungen, die kleiner als UAK0 sind. Je größer US, umso kleiner ist die Anodenspannung, bei der gezündet wird. Ist US ausreichend hoch, verschwindet der Blockierteil der Kennlinie und der Thyristor verhält sich wie eine normale Diode. In der Praxis wird US so groß gewählt, dass diese Bedingung erfüllt ist. In der Praxis ist auch UA < UAK0, so dass die Zündung nur über die Steuerelektrode möglich ist. Sehr wichtig für das Verständnis der Funktion des Thyristors ist, dass er zwar über seine Steuerelektrode gezündet, jedoch nicht gelöscht werden kann. Die notwendige Bedingung für das Löschen ist die Unterschreitung des so genannten Haltestromes IH (s. Bild 7.47), der im Vergleich zu den gewöhnlichen Durchlassströmen sehr klein ist, so dass wir ihn zu Null annehmen können. Berücksichtigen wir darüber hinaus noch, dass die Sperr- und Blockierströme auch relativ klein sind und wir sie ebenfalls Null setzen können, lässt sich die Funktionsweise des Thyristors so beschreiben: Bei negativer Anodenspannung ist der Thyristor gesperrt. Es fließt kein Strom. Bei positiver Anodenspannung ist er bei fehlender Steuerspannung gesperrt (blockiert). Es fließt ebenfalls kein Strom. Wird eine Steuerspannung angelegt, geht der Thyristor in den Durchlasszustand über. Er wird gezündet und es fließt der hohe Durchlassstrom. Ein einmal gezündeter Thyristor kann über die Steuerelektrode nicht wieder gelöscht werden. Deshalb ist es für die Zündung ausreichend, wenn die Steuerspannung die Form eines kurzen Impulses besitzt. Zu der Feststellung „Bei negativer Anodenspannung ist der Thyristor gesperrt“ ist noch eine präzisierende Bemerkung erforderlich. Diese Feststellung bezieht sich auf die in Bild 7.47 gezeig-
7.3 Elektronische Bauelemente
167
te „statische“ Kennlinie. Bei dynamischem Betrieb, also beispielsweise bei der Gleichrichtung von Netzwechselspannungen, sperrt der Thyristor in dem Moment, in dem der Strom, den er führt, den Haltestrom unterschreitet, unabhängig davon, welche Polarität seine Anodenspannung besitzt. Bei der Besprechung des gesteuerten Gleichrichtvorganges mit Thyristoren im nächsten Abschnitt werden wir uns das klar machen. Das Schaltsymbol für einen Thyristor zeigt Bild 7.48 a.
Bild 7.48
Schaltsymbole des Thyristors a) nicht abschaltbar b) abschaltbar (GTO)
GTO-Thyristor. Der (vermeintlichen) Nachteil des Thyristors, über die Steuerelektrode nur gezündet und nicht gelöscht werden zu können, hat zur Entwicklung des Gate-Turn-Off- oder GTO-Thyristors geführt, der nicht nur mit der Steuerelektrode ein- sondern auch ausgeschaltet werden kann (Schaltsymbol s. Bild 7.48b). Solche Bauelemente können für das Schalten von Gleichspannungen (insbesondere für die Wandlung von Gleich- in Wechselspannung beliebiger Frequenz in sogenannten Wechselrichtern) und überall dort eingesetzt werden, wo man vom vorgegebenen Takt einer zu verarbeitenden Wechselspannung unabhängig sein muss. Derartige Applikationen liegen beispielsweise auf dem Gebiet der elektrischen Antriebstechnik vor, die eines der Hauptanwendungsgebiete für GTO-Thyristoren bildet. Das wohl bekannteste Beispiel ist der Elektrozug „Transrapid“, bei dem die Einstellung der Fahrgeschwindigkeit über GTO's geschieht. MCT. Eine neue Entwicklung bei leistungselektronischen Bauelementen ist der MOSControlled-Thyristor. Bei ihm wurde das vom Feldeffekttransistor bekannte leistungslose Steuerungsprinzip mit der hohen Stromtragfähigkeit und Spannungsfestigkeit der Thyristorstruktur kombiniert. Die bedeutendste Eigenschaft des MCT ist sein geringer innerer Spannungsabfall bei hohen Strömen, d.h. im durchgeschalteten Zustand. In dieser Hinsicht ist er selbst dem IGBT überlegen. Ein typischer Wert bei einem Strom von 100 A ist ca. 1 V im Vergleich zu ca. 4 - 5 V beim IGBT. Entsprechend klein ist die Wärmeentwicklung. Triac. Schaltet man zwei Thyristoren antiparallel (s. Bild 7.49 a), führt bei beliebiger Polarität der angelegten Spannung immer einer der beiden Thyristoren positive Anodenspannung und somit eine Kennlinie nach Bild 7.47 (1. Quadrant). Das bedeutet, dass die gleiche Kennlinie auch im 3. Quadranten vorhanden sein muss, so dass sich für diese als Triac bezeichnete Anordnung
Bild 7.49
Triac a) Schaltung b) Kennlinien
168
7 Elektronik
das Bild 7.49 b ergibt. Es liegt auf der Hand, dass man bei solchen Kennlinien positive und negative Spannungen über die beiden Steuerelektroden beeinflussen kann, weshalb Triacs bei der Steuerung von Wechselspannungen Anwendung finden. Man nennt sie hier Wechselstrom- bzw. Drehstromsteller. Der Dimmer für die Helligkeitseinstellung von Glühlampen ist beispielsweise ein einphasiger Wechselstrom-Steller.
7.3.4.2 Thyristoren als gesteuerte Gleichrichter Diodenschaltungen (s. Abschnitt 7.3.2.2) liefern bei konstanter Wechselspannung auch konstante Gleichspannung (vgl. Gl. 7.5). Überall, wo solche Spannungen benötigt werden, wie z.B. für die Versorgung elektronischer Geräte, genügen Diodengleichrichter den gestellten Anforderungen. Will man aber die Größe der Gleichspannung bei gegebener Wechselspannung (Das ist in der Regel die Netzspannung) verändern, beispielsweise bei der Drehzahlsteuerung von Gleichstrommotoren, muss man steuerbare Dioden, somit Thyristoren verwenden. Wir ersetzen also einfach in der Schaltung von Bild 7.22 a die Diode durch einen Thyristor. Diesen Vorgang zeigt das Bild 7.50. Obwohl die Einpulsschaltung (sowohl ungesteuert als auch gesteuert) nur geringe praktische Bedeutung besitzt, eignet sie sich jedoch hervorragend für die Demonstration des Mechanismus der Thyristorsteuerung, der bei allen anderen Schaltungen, auf die wir näher im Abschnitt 7.4 eingehen werden, prinzipiell der gleiche ist. Im Abschnitt 7.3.2.2 hatten wir gesehen, dass die Diode zwei Zustände einnehmen kann (s. Bild 7.21), die denen eines Schalters entsprechen. Sie ist entweder ein- oder ausgeschaltet. Wir werden anhand der Kennlinie zeigen, dass der Thyristor über drei Schaltzustände verfügt (vgl. dazu Bild 7.47). Da er beim Gleichrichten an Wechselspannung liegt, führt er sowohl positive als auch negative Anodenspannung UA. Bei positiver Spannung kann er zwei, bei negativer nur einen Zustand annehmen: UA > 0:
a) US = 0 b) US > 0
UA < 0:
c) US beliebig
Blockierung, kein Stromfluss durch den Thyristor möglich, Thyristorwiderstand ist unendlich groß Durchlasszustand, Stromfluss durch den Thyristor, Thyristorwiderstand ist Null Sperrung, kein Stromfluss, Thyristorwiderstand ist unendlich groß
Wie schon bei der Diode, haben wir wiederum idealisiert, indem wir einen sehr großen Widerstand als unendlich groß und einen sehr kleinen Widerstand als verschwindend angenommen haben. Diese Idealisierung ist zulässig, weil sie sich kaum bei praktischen Berechnungen auswirkt.
a) Bild 7.50
b) Beispiel Einpulsschaltung a) mit Diode (ungesteuert) b) mit Thyristor (gesteuert)
7.3 Elektronische Bauelemente
169
Bild 7.51 stellt die drei Schaltzustände anschaulich dar. Im Vergleich mit der Diode erkennen wir, dass sich der Thyristor nur in einer (aber entscheidenden) Hinsicht von der Diode unterscheidet. Bei ihm kann nämlich bei UA > 0 durch Wahl der Steuerspannung (vorhanden oder nicht vorhanden) darüber entschieden werden, ob blockiert oder durchgelassen wird, oder anders ausgedrückt, ob sich der Thyristor wie eine Diode verhält (die bei UA > 0 immer durchlässt) oder ob er sperrt (was eine Diode bei UA > 0 nicht kann). Bei UA < 0 unterscheiden sich Diode und Thyristor nicht voneinander. Beide sperren in diesem Fall und Stromfluss ist nicht möglich.
Blockieren
Durchlassen
Sperren
Bild 7.51
Schaltzustände eines idealen Thyristors
Ein blockierter Thyristor kann durch Anlegen der Steuerspannung in den Durchlassbetrieb geschaltet werden, ein gesperrter bleibt, unabhängig von der Steuerspannung, stets gesperrt. Blockierung und Sperrung sind völlig verschiedene Zustände.
Bild 7.52
Strom und Spannungsverläufe vor und nach der Zündung bei Wechselspannung
170
7 Elektronik
Nun ist es für uns kein Problem mehr, den gesteuerten Gleichrichtvorgang mit der Schaltung nach Bild 7.50 b zu verstehen. Bild 7.52 demonstriert das Entstehen der Ausgangsgleichspannung udα am Gleichstromverbraucher. Im obersten Bildteil sehen wir die Eingangswechselspannung, die gleichgerichtet werden soll. Auf der Abszisse haben wir nicht die Zeit, sondern ω t aufgetragen (s. Abschnitt 5.1), so dass alle Abszissenwerte Winkel sind. Ist die Wechselspannung u2 positiv und fehlt der Zündimpuls, blockiert der Thyristor (Bereich von ω t = 0 bis α). Es fließt kein Strom durch den Widerstand. Folglich ist die an ihm liegende Spannung Null. Mit Erscheinen des Zündimpulses an der Steuerelektrode zündet der Thyristor. Von hier ab verhält er sich genauso wie eine Diode. Die volle Eingangswechselspannung wird auf den Widerstand durchgeschaltet und Strom und Spannung verlaufen wie bei einer Diode (vgl. Bild 7.22 und den im Anschluss an dieses Bild gegebenen Merksatz). Da als Last ein ohmscher Widerstand vorhanden ist, tritt keine Phasenverschiebung auf und Strom und Spannung werden gleichzeitig Null. Der Haltestrom des Thyristors wird unterschritten. Er verlöscht und kann erst dann wieder zünden, wenn bei positiver Wechselspannung der nächste Zündimpuls kommt. Dazwischen liegt (bei negativer Wechselspannung) Sperren und (bei positiver Wechselspannung) Blockieren vor. Der im Bild eingetragene Zündwinkel α ist von besonderem Interesse, weil er die Größe der Gleichspannung bestimmt. Die auf die geschilderte Weise praktizierte Steuerung dieser Spannung heißt Phasenanschnittsteuerung. Bild 7.53 enthält zusammengefasst die Ergebnisse des ungesteuerten und des gesteuerten Betriebes mit jeweiligem Bild und mit jeweiliger Gleichung. Wir erhalten somit bei Verwendung eines Thyristors eine zwischen dem Maximalwert Ud0 (α = 0) und Null (α = 180°) stufenlos einstellbare Gleichspannung. Ud0 entspricht der bei Thyristorbetrieb mit α = 0 gewonnenen Spannung, die mit der bei Diodenbetrieb erhaltenen identisch ist. Sie ist im Falle der hier dargestellten Einpulsschaltung Ud0 = 0,45 U2 (s. Gl. 7.5). gesteuert (Thyristor)
ungesteuert (Diode)
π
π
Ud =
1 ud d ϕ = U d 0 2π
Ud =
³
1 ud d ϕ = U d α 2π
³
α
0
Ud 0 ≥ Ud α Bild 7.53
Vergleich zwischen ungesteuertem und gesteuertem Betrieb
Wie bereits im vorigen Abschnitt angedeutet, wollen wir an dieser Stelle noch einige Bemerkungen zu der Frage des Unterschiedes zwischen Verhalten nach (statischer) Kennlinie und bei dynamischem Betrieb, insbesondere bezogen auf den Löschvorgang, machen. Thyristoren verlöschen immer dann, wenn der Strom den Haltestrom unterschreitet, also etwa Null wird. Bei ohmscher Last, wie bisher betrachtet, fallen Nulldurchgang der Spannung und des Stromes zusammen, so dass es in diesem Falle auch richtig ist zu sagen, dass der Thyristor beim Nullwerden der
7.3 Elektronische Bauelemente
171
Spannung verlöscht. Anders ist das aber bei induktiver Last, die in der Praxis sehr häufig vorkommt. Hier eilt der Strom bekanntlich der Spannung nach, d.h. aber, dass die Spannung bereits negativ ist, wenn der Strom durch Null geht und in diesem Augenblick der Thyristor verlöscht. Bis dahin haben wir somit den Fall, dass der Thyristor trotz negativer Spannung noch immer gezündet ist, also Durchlassverhalten zeigt (s. dazu auch Abschnitt 7.4.2.2.1). Am Ende dieses Abschnittes wollen wir noch kurz der Frage nachgehen, warum denn der „konventionelle“ Thyristor, der mittels der Steuerelektrode nicht abschaltbar ist, überhaupt noch existiert, obwohl der GTO-Thyristor im Gegensatz zu diesem sowohl ein- als auch ausgeschaltet werden kann. Das hängt damit zusammen, dass bei Gleichrichterschaltungen nur durch den Zündimpuls eingeschaltet werden muss, während die Nulldurchgänge der gleichzurichtenden Wechselströme bzw. -spannungen automatisch den Löschvorgang übernehmen. Der Thyristor muss somit von sich aus gar nicht verlöschen können, weil diese Aufgabe von der Netzspannung übernommen wird. Wir sprechen in diesem Zusammenhang von netzgeführten Gleichrichtern. Da alle Gleichrichterschaltungen mit dem Netz zusammenarbeiten, können natürlich weiterhin die „konventionellen“ Thyristoren eingesetzt werden. GTO's sind hier gar nicht erforderlich.
7.3.5 Optoelektronische Bauelemente Optoelektronische Bauelemente nutzen die Wechselwirkungen zwischen elektronischen Vorgängen und elektromagnetischer Strahlung, besonders des sichtbaren Lichtes. Wir unterscheiden lichtempfangende, lichtaussendende und übrige optoelektronische Bauelemente.
7.3.5.1 Lichtempfangende Bauelemente Die lichtempfangenden optoelektronischen Bauelemente werden, wenn sie dem Nachweis von Strahlung dienen, auch Fotodetektoren genannt.
Fotowiderstand. Der Fotowiderstand wurde bereits bei den Halbleiterwiderständen im Abschnitt 7.3.1 behandelt. Fotoelement (Solarzelle). Das Fotoelement ist ein pn-Übergang, der mit Licht bestrahlt wird und elektrische Energie liefert. Durch die Absorption von Lichtquanten entstehen im Übergang durch Paarbildung Elektronen und Löcher. Ist Sperrspannung angelegt, wandern die Elektronen zur nSeite und die Löcher zur p-Seite, genauso wie die Minoritätsträger, die bereits im Halbleiterwerkstoff vorhanden sind (s. Bild 7.11). Der durch Lichtabsorption ausgelöste Fotostrom addiert sich somit zum durch Minoritätsträger verursachten Dioden-Sättigungs-Sperrstrom. Da diese Wirkung auch für den Durchlassstrom gilt, wird demzufolge die normale Diodenkennlinie nach Bild 7.16 um den Betrag des Fotostromes, der von der Beleuchtungsstärke E abhängt, nach unten verschoben. Wir erhalten so die Kennlinien nach Bild 7.54. Wird an das Fotoelement kein Widerstand angeschlossen (I = 0), ist, wie an einer Spannungsquelle des Grundstromkreises nach Abschnitt 4.1.4, an den Klemmen des Fotoelementes die Leerlaufspannung Ul messbar (s. Bild 7.54). Die dicker ausgezogene Kennlinie soll der aktuellen Beleuchtungsstärke entsprechen, so dass sich für I = 0 der Wert von Ul als Kennlinienschnittpunkt mit der positiven Spannungsachse ergibt. Wird andererseits das Fotoelement kurzgeschlossen, ist U = 0 und wir erhalten als Schnittpunkt mit der Stromachse den Kurzschlussstrom Ik. Zwischen diesen beiden Grenzzuständen Leerlauf und Kurzschluss müssen alle anderen Betriebsfälle liegen (s. Abschnitt 4.1.4). Der Kennlinienteil im 4. Quadranten des Bildes 7.54 ist folglich für die Stromlieferung durch das Fotoelement maßgebend. Dieser Teil ist im Bild 7.55 noch einmal in etwas anderer Form dargestellt. Wir erkennen, dass er der Kennlinie des aktiven Zweipols, also
172
7 Elektronik
der Batterie des Grundstromkreises, entspricht (vgl. dazu Bild 4.7). Er ist lediglich durch die stark nichtlineare Kennlinie der Diode entsprechend gekrümmt. Wenn das als Spannungsquelle arbeitende Fotoelement an einen äußeren Verbraucherwiderstand geschaltet wird, bildet dieser den passiven Zweipol des Kreises, dessen Widerstandsgerade die Fotoelement-Kennlinie im Arbeitspunkt schneidet (s. Bild 7.55).
Bild 7.54
Fotoelement-Kennlinien
Bild 7.55
Arbeitspunkt einer Solarzelle
Das Einzeichnen der Koordinaten von Strom und Spannung im Arbeitspunkt ergibt ein Rechteck, dessen Fläche der dem Fotoelement entnommenen Leistung entspricht. Diese ist demnach am größten, wenn der Verbraucherwiderstand so gewählt ist, dass seine Widerstandsgerade einen Schnittpunkt liefert, bei dem die Rechteckfläche maximal ist. Diesen Schnittpunkt nennt man deshalb Maximum Power Point (MPP). Aus Silizium hergestellte Fotoelemente, die auf diese Weise optimiert eingestellt sind, bezeichnet man als Solarzellen. Sie spielen eine zunehmend große Rolle für die Erzeugung elektrischer Energie aus der Sonnenstrahlung in Raumflugkörpern und auf der Erde. Insbesondere im Hinblick auf die Nutzung solcher regenerierbarer Energien zur Elektrizitätserzeugung laufen z.Z. viele Forschungsprojekte und werden Kraftwerke bis zu einer Leistung von vielen MW errichtet. Das sind wichtige Schritte zur Sauberhaltung unserer Umwelt (s. auch Abschnitt 9.2). Bei der Einspeisung von durch Solarzellen erzeugter Elektroenergie in das öffentliche Stromnetz ist zu beachten, dass in der Zelle ein Gleichstrom fließt, der erst in Wechselstrom umgewandelt werden muss.
Fototransistor. Fototransistoren gibt es sowohl als BPTs als auch als FETs. Das Schaltzeichen der bipolaren Ausführung und deren Ausgangskennlinienfeld enthält Bild 7.56. Der Basisanschluss wird nicht herausgeführt, weil die Stelle des Basisstromes durch die Beleuchtungsstärke,
Bild 7.56
Fototransistor a) Symbol b) Ausgangskennlinien
7.3 Elektronische Bauelemente
173
die somit auch den Parameter des Kennlinienfeldes bildet, eingenommen wird. Die Abhängigkeit des Kollektorstromes von der Beleuchtung entsteht durch Lichtabsorption und daraus resultierender Paarbildung im Basis-Kollektor-Übergang. Der Fototransistor kann in Lichtschranken und allen Belichtungsmessern eingesetzt werden.
Fotothyristor. Beim Fotothyristor wird die Zündung nicht durch einen Steuerspannungsimpuls (s. Abschnitt 7.3.4.1), sondern durch Bestrahlung mit Licht oder Laserstrahlen herbeigeführt. Der Grund für seine Bedeutung ist die zwischen Steuereinrichtung und eigentlichem Thyristorkörper gegebene elektrische Trennung. Wenn also der Thyristor höhere Spannung führt, kann die Strahlungseinrichtung (z.B. eine LED oder Laserdiode) dadurch nicht gefährdet werden, weil sie über die Lichtstrahlstrecke vom Thyristor elektrisch isoliert ist.
7.3.5.2 Lichtaussendende Bauelemente Lichtemitterdioden. Lichtemitter- oder Lumineszensdioden (LEDs) wurden schon im Abschnitt 7.3.2 beschrieben. Laserdioden. Bei den Lichtemitterdioden wird, wie bereits dargestellt, verschiedenfarbiges Licht ausgestrahlt, das durch Elektronenübergänge vom Leitungs- in das Valenzband entsteht. Diese Elektronenübergänge erfolgen spontan, d.h. unregelmäßig, zu beliebigen Zeitpunkten. Wird jedoch dafür gesorgt, dass sich einerseits genügend Elektronen im Leitungsband befinden und andererseits deren Übergänge auf das niedrigere Energieniveau des Valenzbandes nicht unregelmäßig, sondern so erfolgen, dass sich die durch einen jeweiligen Elektronenübergang erzeugten Lichtquanten gegenseitig verstärken, entsteht hochenergetische Strahlung, deren Energiedichte mehr als zehn Zehnerpotenzen größer sein kann als die normaler Lichtquellen (LASERStrahlung, abgeleitet von engl. Light Amplification by Stimulated Emission of Radiation). Die genannten Bedingungen zur Erzeugung solcher Strahlen werden bei den Laserdioden durch in Durchlassrichtung betriebene pn-Übergänge zwischen hochdotierten Gebieten auf der Basis von Verbindungshalbleitern und durch besondere Ausführung der Diodengeometrie herbeigeführt. Die emittierte Strahlung ist streng monochromatisch, hat demzufolge nur eine Frequenz, deren Wert durch die Wahl des Halbleitermaterials bestimmt wird. Sie zeichnet sich durch eine so scharfe Bündelung aus, wie sie bei normalem Licht, selbst bei Verwendung optischer Mittel wie Linsen und Spiegel, nicht erreicht werden kann. Aufgrund der genannten Eigenschaften werden Laserdioden bei der Feinstbearbeitung von Werkstoffen, in der optischen Nachrichtentechnik (Aufmodulation von Signalen und Übertragung auf Lichtleitern usw.) und in der Unterhaltungselektronik (Laserabtastung feinster digitaler Strukturen auf Platten, z.B. beim CD- oder DVD-Player) eingesetzt.
Anzeigen (Displays). Displays dienen zur Darstellung alphanumerischer und anderer Zeichen und setzen sich aus Einzelelementen zusammen. Nach der Art dieser Elemente unterscheiden wir zwei große Gruppen von Anzeigen, die LCD- und die LED-Displays. LCD-Elemente (Flüssigkristalle, Liquid Crystal Device) bestehen nicht aus Halbleiterwerkstoffen, sondern aus Kristallstrukturen, die sich beim Anlegen einer Spannung in Vorzugsachsen ausrichten, wodurch auffallendes Licht in bestimmter Weise polarisiert wird. So können abgegrenzte Bereiche, z.B. Zahlen, sichtbar gemacht werden. Die LCDs sind deshalb nicht selbstleuchtend wie die LEDs. Die grundsätzliche Funktionsweise der oft verwendeten 7-Segment-Anzeige, deren Elemente durch LEDs gebildet werden, zeigt Bild 7.57. Alle Dioden liegen an einer gemeinsamen Anodenleitung. Es können aber nur diejenigen leuchten, über denen auch eine Spannung in Durchlassrichtung auftritt. Das ist dann der Fall, wenn das Katodenpotenzial von den beiden möglichen
174
7 Elektronik
Werten „Null“ oder „5 Volt“ den ersteren Wert annimmt. Für die Darstellung der Ziffer 2 wird dies in Bild 7.57 demonstriert. Der Dekoder hat die Aufgabe, die ankommenden Signale, in denen die Informationen über die darzustellende Zahl enthalten sind, zu entschlüsseln und seine Ausgänge, d.h. die Katoden der LEDs, entsprechend dem Entschlüsselungsergebnis anzusteuern.
Bild 7.57
Ansteuerung eines Displays zur Darstellung der Ziffer 2
7.3.5.3 Andere optoelektronische Bauelemente Optokoppler. Eine typische Optokoppleranordnung zeigt Bild 7.58. Das Licht einer LED fällt auf einen Fototransistor, der dadurch leitend wird. Fehlt der Lichtstrahl, ist der Transistor gesperrt (s. Bild 7.56). Ein am Ausgang angeschlossenes elektrisches Gerät kann somit durch Betätigen der im Eingang liegenden Diode ein- und ausgeschaltet werden. Der Vorteil einer solchen Steuerung liegt auf der Hand. Ein auf höherer Spannung befindliches Gerät ist vom Erdpotenzial aus steuerbar (die höhere Spannung kann dabei bis etwa 50 kV betragen). Als Lichtquelle wird eine infrarot-emittierende GaAs-Diode (IRED) eingesetzt. Die Lichtempfänger können durch alle im Abschnitt 7.3.5.1 beschriebenen Bauelemente realisiert werden.
Bild 7.58
Prinzip des Optokopplers
Bei Optokopplern gibt es verschiedene Ausführungen. Beim sog. Gabelkoppler läuft zwischen Lichtquelle und -empfänger eine Lochscheibe. Bei der Vorbeibewegung der Löcher wird der Lichtstrahl ständig unterbrochen, so dass man aus der Zahl der pro Zeiteinheit vom EmpfängerTransistor gelieferten Impulse die Drehzahl der Scheibe bestimmen kann. Dieses Prinzip ist auch bei der Stückzahlerfassung, bei der Drehwinkelbestimmung und bei ähnlichen Aufgaben anwendbar.
Lichtwellenleiter. Lichtwellenleiter (LWL) sind aus Glas- oder Plastefasern hergestellte „Kabel“, in denen das eingekoppelte Licht geführt wird. Sie sind folglich keine Halbleiterbauelemente, spielen jedoch in der modernen Elektronik eine große Rolle. Deshalb werden sie hier ebenfalls behandelt. Bild 7.59 zeigt die Informationsübertragung in einem Lichtstrahl innerhalb eines LWL. Dabei wird das in der Regel in elektrischer Form vorliegende Signal mittels eines lichtaussendenden Bauelementes nach Abschnitt 7.3.5.2 in ein optisches und nach Übertragung auf dem LWL mittels eines lichtempfangenden Bauelementes nach Abschnitt 7.3.5.1 wieder in ein elektrisches Signal gewandelt. Der LWL bietet folgende Vorteile:
7.4 Leistungselektronik
– – – – –
175
keine Beeinflussung des Signals durch Störfelder keine Abhörmöglichkeit Potenzialtrennung zwischen Sender und Empfänger große Übertragungsbandbreite (gleichzeitige Nutzung durch verschiedene Nachrichtendienste) geringe Signaldämpfung.
LWLs spielen nicht nur in der optischen Nachrichtentechnik, sondern auch in der Automatisierungstechnik bei der Übermittlung schwacher und dadurch störanfälliger Signale über größere Entfernungen, beispielsweise zu informationsverarbeitenden Automatisierungsgeräten oder Warten und Leiteinrichtungen, eine große Rolle. So genannte Feldbusse, das sind ganze Bündel von Signal-Übertragungskanälen in rauher Umgebung, können vorteilhaft in LWL-Technik ausgeführt werden.
Bild 7.59
Prinzip der Signalübertragung über Lichtwellenleiter
Nachdem wir in diesem Abschnitt Aufbau und grundsätzliche Wirkungsweise elektronischer Bauelemente kennengelernt haben, wollen wir uns ihren wichtigsten Schaltungen in der Leistungs- und in der Informationselektronik zuwenden.
7.4 Leistungselektronik 7.4.1 Einführung. Arten und Wirkungsweise von Stromrichtern Die Leistungselektronik ist ein Teilgebiet der elektrischen Energietechnik und befasst sich mit dem Umformen, Schalten und Steuern von elektrischer Energie. Sie ist durch die rasante Entwicklung der Halbleitertechnik in den letzten drei Jahrzehnten, und insbesondere durch deren jüngstes Produkt, den IGBT (s. Abschnitt 7.3.3.3), entscheidend in ihrer Vorwärtsentwicklung beeinflusst worden. Geräte und Anlagen für die Stromversorgung (z.B. Gleichrichter, unterbrechungsfreie
Bild 7.60
Arten von Stromrichtern
176
7 Elektronik
Stromversorgung, Photovoltaik, Windkraftanlagen, Elektrofilter, Hochspannungsgleichstromübertragung HGÜ, Netzkupplungen usw.), drehzahlverstellbare elektrische Antriebe (insbesondere mit Gleich- und Drehstrommotoren bei Elektroautos, Elektrolokomotiven und bei einer Vielzahl von Industrieantrieben), große Anlagen für die Metallurgie (z.B. Induktionserwärmungsanlagen, Elektroschmelzöfen) usw. mit Leistungen bis in den Megawattbereich arbeiten auf der Grundlage leistungselektronischer Schaltungen mit Halbleiterbauelementen wie Gleichrichterdioden, Transistoren aller Typen und Thyristoren, GTO's und Triacs (s. die Abschnitte 7.3.2 bis 7.3.4). Dabei funktioniert eine Diode oder ein Transistor der Leistungselektronik wie eine Diode oder ein Transistor der Informationselektronik. Die Unterschiede sind im wesentlichen nur gradueller Natur, so dass die im Abschnitt 7.3 gemachten Ausführungen sowohl für die Leistungs- als auch für die Informationselektronik, die wir im Abschnitt 7.5 behandeln werden, gelten. Die Geräte, die auf der Grundlage von Schaltungen mit leistungselektronischen Bauelementen arbeiten, werden allgemein Stromrichter genannt (s. Bild 7.60). Ihre vier Grundfunktionen sind gleichrichten, wechselrichten, gleichstromumrichten und wechselstromumrichten. Die entsprechenden Geräte oder Anlagen heißen demzufolge Gleichrichter, Wechselrichter, Gleichstromumrichter (auch Gleichstromsteller) und Wechselstromumrichter. Bei den letzteren unterscheiden wir zwei Typen, den Wechselstromsteller (er ändert nur die Größe der Spannung, nicht deren Frequenz) und den so genannten Frequenzumrichter (er formt eine Eingangsgröße der Frequenz f1 in eine Ausgangsgröße der Frequenz f2 um, wobei oft auch ein anderer Parameter, z.B. die Spannungshöhe mit umgeformt wird).
Bild 7.61
Wirkungsweise eines Wechselrichters
Um das Typische aller Stromrichter zu erkennen, beschreiben wir im folgenden beispielhaft die prinzipielle Wirkungsweise eines Wechselrichters (s. Bild 7.61). Praktisch könnte es sich hier um einen Wechselstromverbraucher handeln, der aus einer Batterie gespeist wird (Beispiele wären Notstromversorgung, Wechselstrommotor an Bord eines Fahrzeuges mit Batterie usw.). Wir symbolisieren ihn durch den Widerstand RL. Zwischen der Batterie und dem Verbraucher ist der eigentliche Wechselrichter angeordnet, der aus einer Brückenschaltung mit vier Schaltern besteht. Wir schließen zunächst die beiden Schalter S1 und S4, S2 und S3 bleiben vorerst geöffnet (Diese Schalterstellungen sind durchgezogen gezeichnet). In dieser Situation wird der positive Pol der Quelle durch S1 auf die Klemme A, der negative Pol durch S4 auf die Klemme B des Verbrauchers geschaltet. Die tatsächlich am Verbraucher auftretende Spannung hat die gleiche Richtung wie der eingezeichnete Spannungspfeil: Die Verbraucherspannung ist positiv und gleich +UB.
7.4 Leistungselektronik
177
Nun öffnen wir S1 und S4 und schließen unmittelbar darauf S2 und S3 (Diese Schalterstellungen sind gestrichelt gezeichnet). Jetzt wird der Pluspol der Quelle auf die Klemme B, der Minuspol auf die Klemme A geschaltet. Die tatsächlich anliegende Spannung hat die entgegengesetzte Richtung wie der Zählpfeil: Die Verbraucherspannung ist negativ und ihr Betrag entspricht UB. Jetzt wiederholen wir den Vorgang, indem wir S2 und S3 wieder öffnen, S1 und S4 kurz danach wieder schließen usw. usf.. Wir erhalten dann unter der Voraussetzung, dass die Schließ- und Öffnungsphasen der Schalterpaare gleich lang sind, den im Bild 7.61b dargestellten Verlauf der Spannung am Verbraucher RL. Wir stellen fest, dass es eine Wechselspannung ist. Damit sie die meist angestrebte Sinusform erhält, sind weitere Hilfsmittel erforderlich, die an dieser Stelle jedoch nicht von Interesse sind. Wichtig ist, dass wir erkennen: Für die Realisierung eines Stromrichters benötigen wir Schalter. Diese Schalter müssen folgende Forderungen erfüllen: – Sie müssen eine hohe „Stromtragfähigkeit“ besitzen, denn in der Leistungselektronik sind einige tausend Ampere keine Seltenheit – Sie müssen sehr schnell schalten können, denn wir wollen nicht nur Spannungen mit Netzsondern auch mit viel höheren Frequenzen erzeugen, möglichst sogar höherfrequente Impulsspannungen (Bei IGBT's sind z.B. Schaltzeiten bis herab zu 10 ns möglich) – Sie müssen sich mit geringer Leistung ein- und ausschalten lassen, d.h. sie müssen leicht steuerbar sein. Wir erinnern uns an den Abschnitt 7.3: Dioden können ein- und ausgeschaltet sein, je nach Polarität der angelegten Spannung. Transistoren werden durch geringen Basisstrom (BPT) oder geringe Gatespannung (FET, IGBT, beide sogar leistungslos), Thyristoren, GTO's oder Triacs ebenfalls durch kleine Gatespannungen ein- und ausgeschaltet. Da hier Elektronen und/oder Löcher mit geringsten Massen im Spiel sind, laufen die Vorgänge des Schaltens äußerst schnell ab. Weil es gelungen ist, diese hervorragenden Schalteigenschaften auch für hohe Ströme und Spannungen zu realisieren, sind die genannten Halbleiterbauelemente in der Lage, die formulierten Forderungen in nahezu idealer Weise zu erfüllen. Bei den Stromrichtern erfolgt der Fluss der relativ großen elektrischen Energie über die leistungselektronischen Bauelemente vom Energielieferanten (in Bild 7.61 die Batterie) zum Verbraucher (Widerstand RL). Mit relativ kleiner elektrischer Energie werden die Schaltbefehle erzeugt und an den Leistungsschaltern wirksam gemacht. Wir unterscheiden deshalb beim Stromrichter zwei Teile mit unterschiedlicher Aufgabenstellung: einen leistungselektronischen und einen informationselektronischen Teil. Mittels der Darstellung in Bild 7.62 wollen wir uns das klarmachen. Es handelt sich hier beispielhaft um einen drehzahlgeregelten Gleichstrommotor, der über einen Gleichrichter mit Thyristoren, der die Netzwechselspannung in eine veränderbare Gleichspannung umformt, betrieben wird. Zur Messung der Drehzahl dient ein Tachometergenerator T. Das Ziel besteht darin, die Drehzahl des Motors konstant zu halten. Bei Änderungen der Drehzahl in bezug auf einen Sollwert muss der Informationsteil des Stromrichters einen solchen Zündwinkel vorgeben, dass die Drehzahländerung kompensiert wird. Nehmen wir beispielsweise an, dass sich die Drehzahl gegenüber dem Sollwert verkleinert, weil das mechanische Gegenmoment an der Motorwelle steigt. Die Informationselektronik bestimmt nun aus den ihr zur Verfügung stehenden Größen von Drehzahlist- und -sollwert einen kleineren Zündwinkel für die Thyristoren, so dass die Motorspannung angehoben und damit der Drehzahlabfall kompensiert wird.
178
7 Elektronik
Bild 7.62
Grundstruktur eines geregelten Antriebes
Der Leistungsfluss geht vom Netz über den Gleichrichter zum Motor. Parallel dazu verläuft der Informationsfluss zur Steuerung des Leistungsflusses. In diesem Abschnitt 7.4 werden wir uns nur mit dem leistungselektronischen Teil der Stromrichter beschäftigen. Wir werden sie in den folgenden Abschnitten in der Reihenfolge Gleichrichter, Wechselrichter, Gleichstromumrichter, Wechselstromumrichter behandeln.
7.4.2 Gleichrichter Im Abschnitt 7.3.2.2 haben wir die grundsätzliche Wirkungsweise einer Gleichrichtung mit Dioden kennen gelernt und haben gesehen, dass bei Dioden keine Möglichkeit besteht, die Höhe der Gleichspannung bei konstanter Eingangswechselspannung zu variieren. Das ist anders beim im Abschnitt 7.3.4.2 behandelten Gleichrichtvorgang mit Thyristoren, mit denen auch bei konstanter Wechselspannung die Höhe der erzeugten Gleichspannung verändert werden kann. Deshalb nennen wir die Diodengleichrichter ungesteuerte, die Thyristorgleichrichter gesteuerte Gleichrichter. Unabhängig davon unterscheiden wir Einphasengleichrichter, die einphasige Wechselspannungen und Dreiphasengleichrichter, die dreiphasige Wechselspannungen gleichrichten. Die erstgenannten werden im Bereich kleiner bis mittlerer, die letztgenannten im Bereich mittlerer bis großer Leistungen eingesetzt. Sie können ungesteuert (Dioden) oder gesteuert (Thyristoren) sein. Die sich so ergebenden Typen werden wir im folgenden behandeln.
7.4.2.1 Gleichrichter mit Dioden (Ungesteuerte Gleichrichter) 7.4.2.1.1 Einphasengleichrichter Der bereits im Abschnitt 7.3.2.2 geschilderte Einpulsgleichrichter (Bild 7.22) gehört zu dieser Kategorie. Bei der Beschreibung des Gleichrichtvorganges bei dieser Schaltung hatten wir gesehen, dass die gleichgerichtete Spannung eine impulsförmige mit den dort angedeuteten Nachteilen ist. Bemühungen zur Verkleinerung der Welligkeit der Gleichspannung führten zu den Zweipuls- oder Zweiweggleichrichtern, die entweder in Mittelpunktschaltung oder in Brückenschaltung ausgeführt werden. Wir betrachten hier nur die praktisch bedeutendere Brückenschaltung, die in der Leistungselektronik auch B2-Schaltung oder Zweipulsbrücke heißt. Sie wird u.a. sehr häufig als Netzgleichrichter in elektronischen Geräten, bei denen die für die elektronischen Bauelemente notwendige Gleichspannung aus der Netzwechselspannung gewonnen wird, eingesetzt.
7.4 Leistungselektronik
Bild 7.63
179
Zweipulsgleichrichter B2 a) Schaltbild b) Verlauf der elektrischen Größen
In dieser Anwendung wird sie auch oft Graetz-Gleichrichter genannt. Bild 7.63 zeigt die Schaltung und das Liniendiagramm der elektrischen Größen. Mit den bisher gewonnenen Kenntnissen zur Einpulsschaltung können wir auch die Funktionsweise dieser Schaltung ohne Schwierigkeiten verstehen. Ist die Netzspannung positiv (obere Klemme von u2 positiv in bezug auf die untere, Pfeil von u2 von oben nach unten gerichtet), sind die Dioden D1 und D4 in Durchlassrichtung geschaltet, denn ihre Anoden liegen an der positiven Klemme der Netzspannung (Bei D4 liegt RL dazwischen). Der Strom nimmt seinen Weg immer von der Plus- zur Minusklemme des speisenden Wechselspannungsnetzes (Das ist übrigens genauso wie beim Gleichstromkreis nach Bild 4.4), d.h. vom (positiven) oberen Ende des Netzspannungsanschlusses über D1, RL und D4 zurück zum (negativen) unteren Ende (s. die ausgezogenen Pfeile). Ist u2 negativ, sind entsprechend D2 und D3 geöffnet. Der Stromfluss erfolgt vom unteren (nun positiven) über D2, RL und D3 zurück zum oberen (nun negativen) Netzanschluss (s. die gestrichelten Pfeile). Im Gegensatz zur Einpulsschaltung fließt sowohl in der positiven als auch in der negativen Halbwelle der Netzspannung Strom durch den Diodenblock. Folglich entspricht die (absolute) Größe der Spannung ud0 in beiden Fällen der Netzspannung. In bezug auf ihr Vorzeichen ist jedoch zu beachten, dass der Strom in der positiven und in der negativen Halbwelle jeweils in der gleichen Richtung durch den Lastwiderstand RL fließt und daher die negative Halbwelle der Netzspannung als positive Halbwelle („hochgeklappt“) an der Last erscheint. Während einer Periode der Netzspannung erhalten wir zwei Halbwellenimpulse der gleichgerichteten Spannung, woraus sich der Name dieser Schaltung ableitet. Der arithmetische Mittelwert von ud0 ist entsprechend dem Verlauf nach Bild 7.63 b: π
Ud 0 =
1 2 u2 d(ω t ) = 2 U 2 = 0,9U 2 π π
³
(7.15)
0
Bei Anschluss einer Zweipulsbrücke an unsere Netzwechselspannung mit dem Effektivwert U2 = 230 V würde sich folglich eine Gleichspannung mit dem arithmetischen Mittelwert von Ud0 = 207 V einstellen. Das ist das Doppelte gegenüber der Einpulsschaltung (s. Gl.7.5). Am Verlauf von ud0 erkennen wir sofort, dass sich die Welligkeit im Vergleich zur Einpulsschaltung verbessert hat (w = 0,48 im Gegensatz zu w = 1,21). Für die Praxis ist sie aber immer noch viel zu groß, so dass man sogenannte Glättungsglieder nachschalten muss. Es handelt sich dabei um Spulen zur Vergleichmäßigung des Stromes oder um Kondensatoren zur Vergleichmäßigung der Spannung. Auf solche, auch als Siebglieder bezeichnete Schaltungen (denn sie „sieben“ die Wechselspannungskomponenten aus der Spannung ud0 heraus), können wir hier nicht weiter eingehen.
180
7 Elektronik
7.4.2.1.2 Dreiphasengleichrichter Dreiphasen- oder Drehstromgleichrichter sind u.a. von größter Bedeutung für die Realisierung von Stellgliedern für elektrische Antriebe. Sie werden an das Drehstromnetz angeschlossen und liefern eine Gleichspannung. Auch hier gibt es Einweg-, Mittelpunkts- und Brückenschaltungen, von denen die letztere, die Drehstrombrücke, die wichtigste ist. Sie heißt auch Sechspulsschaltung oder B6-Schaltung, weil sie pro Periode der Netzspannung sechs Gleichspannungspulse liefert.
Bild 7.64
Drehstrombrücke B6 a) Schaltung b) Verlauf von Leiter- und gleichgerichteter Spannung
Bild 7.64 zeigt die Schaltung mit Speisung durch einen Drehstromtransformator sowie den Verlauf der Leiterspannungen und der Gleichspannung ud0. Sie ergibt sich als „Einhüllende“ der Leiterspannungen und ist auch ohne Anwendung von Siebmitteln bereits sehr gut geglättet. Wir erkennen, wie bereits bei Einführung der Drehstromtechnik (s. Abschnitt 5.11), dass im Vergleich zum Einphasenwechselstrom ein wesentlich gleichmäßigerer Energiefluss gegeben ist. Die Welligkeit beträgt nämlich nur noch w = 0,042 und ist fast um den Faktor 30 geringer als bei der Einpulsschaltung. Für den Mittelwert der Ausgangsgleichspannung der Drehstrombrücke berechnet man mit der Strangspannung des speisenden Transformators Ud0 = 2,34 Ustr. Zwecks weiterer Glättung der Gleichspannung setzt man vereinzelt auch zwölf- oder höherpulsige Schaltungen ein. Bei der Schaltung B12 erreicht man das beispielsweise mittels zweier Sechspulsschaltungen, die gegeneinander versetzte Gleichspannungspulse entsprechend Bild 7.64 liefern, so dass durch Überlagerung dieser beiden Spannungen eine weitere Verringerung der Welligkeit resultiert.
7.4.2.2 Gleichrichter mit Thyristoren (Gesteuerte Gleichrichter) 7.4.2.2.1 Gesteuerte Einphasengleichrichter Zu dieser Gleichrichtergruppe gehört auch der bereits im Abschnitt 7.3.4.2 beschriebene gesteuerte Einpulsgleichrichter. Wie bereits erwähnt, sind die Brückenschaltungen von größerer Bedeutung als die Mittelpunktschaltungen, weshalb wir uns ausschließlich auf diese konzentrieren. Die Aufgabe besteht jetzt also darin, die Zweipulsbrücke (B2) nach Bild 7.63a anstelle mit Dioden mit Thyristoren zu betreiben. Dazu ergeben sich zwei Möglichkeiten. Entweder wir ersetzen alle vier Dioden durch Transistoren und erhalten auf diese Weise eine so genannte vollgesteuerte B2-Schaltung (Kürzel B2C, engl. controlled… gesteuert). Wir können aber auch zwei Dioden in der Brücke belassen und die beiden anderen durch Thyristoren ersetzen, denn unser Ziel besteht
7.4 Leistungselektronik
181
ja darin, sowohl die positive als auch die negative Halbwelle der Netzspannung beim Durchlauf durch die Brücke zu beeinflussen und dazu reicht jeweils ein Thyristor in der Bahn der positiven und ein Thyristor in der Bahn der negativen Halbwelle aus, also z.B. zwei Thyristoren anstelle von D1 und D3 (oder auch D2 und D4). Eine solche Schaltung nennen wir halbgesteuert (Kürzel B2H). Wir werden sehen, dass sie völlig andere Eigenschaften als die vollgesteuerte hat, die aber von größerer Bedeutung ist und die wir zuerst besprechen.
Vollgesteuerte B2-Schaltung (B2C) Ohmsche Last. Alle vier Dioden werden durch Thyristoren ersetzt (s. Bild 7.65 a mit L = 0). Es ergeben sich Spannungs- und Stromverläufe nach Bild 7.65 b. Bild 7.65 c enthält die zugehörigen Steuersignale (Gatespannungsimpulse). T1 und T4 erhalten gleichzeitig einen Steuerimpuls, so dass der Stromweg über T1, RL und T4 vom positiven bis zum negativen Anschluss des Netzes durchgeschaltet wird (s. die Stelle 1). Von
Bild 7.65
Vollgesteuerte Zweipulsbrücke a) Schaltung b) für L = 0 c) Verlauf von us für b, d d) für L ≠ 0 (ωL ›› RL)
182
7 Elektronik
diesem Moment an gilt udα = u2. Vorher war udα = 0. Mit dem Nulldurchgang der Netzspannung verlöschen T1 und T4 selbsttätig (Stelle 2), denn der spannungskonform verlaufende Strom wird Null und der Haltestrom der Thyristoren wird somit unterschritten. Die Brücke ist vollständig gesperrt und es gilt wieder udα = 0 und zwar so lange, bis die Thyristoren T2 und T3 zünden und die negative Halbwelle der Spannung u2 mit positiver Polarität nach dem bei der Behandlung der Zweipulsdiodenbrücke nach Bild 7.63 erläuterten Mechanismus auf den Ausgang hochgeklappt durchschalten (Stelle 3). Beim nächsten Nulldurchgang der Netzspannung (Stelle 4) verlöschen T2 und T3. Es ist udα = 0, bis T1 und T4 wieder zünden usw.. Der arithmetische Mittelwert von udα beträgt: π
Ud α =
1 2 1 u2 d(ω t ) = U 2 (1 + cos α ) = U d 0 (1 + cos α ) π π 2
³
(7.16)
α
Darin ist Ud0 die Gleichspannung, die eine ungesteuerte B2 (s. Gl. 7.15) oder eine gesteuerte B2 mit α = 0 liefern würde. In diesem Falle erscheinen alle vollen Halbwellen am Lastwiderstand RL. Offensichtlich ist das die größte Gleichspannung, die die gesteuerte B2 zu liefern in der Lage ist. Für α > 0 verkleinert sie sich, um für α = 180° Null zu werden. Durch kontinuierliche Verstellung des Zündwinkels kann somit stufenlos die Gleichspannung verändert werden. Damit verfügen wir über eine elegante Möglichkeit, beispielsweise die Drehzahl eines Gleichstrommotors zu stellen (s. Abschnitt 8.2.3). Im Bild 7.65 b haben wir den Strom, um die Übersichtlichkeit zu wahren, nicht eingezeichnet. Er verläuft, da wir eine ohmsche Belastung haben, konform mit der Spannung. Ohmisch-induktive Last. Ist deren Induktivität L genügend groß, werden Stromänderungen sehr erschwert, weil eine solche Änderung nach Gl. (2.48) eine L proportionale Selbstinduktionsspannung induziert, die der Stromänderung entgegenwirkt. Da wir es in der Praxis meist mit großen Induktivitäten zu tun haben, können wir sogar annehmen, dass sich der Strom durch den aus RL und L bestehenden Verbraucher nicht ändert, sondern stets konstant bleibt (s. Bild 7.65 d), also auch nicht Null werden kann. Da er aber durch die Brücke fließen muss, bedeutet das, dass diese ständig durchgeschaltet ist und immer derjenige Teil der Eingangswechsel- oder Netzspannung auf den Ausgang mit RL und L geschaltet wird, bei dem das jeweilige Thyristorpaar in dem entsprechenden Brückenzweig gerade leitend ist. Welches Paar das in dem jeweiligen Abschnitt ist, ist im Bildteil d gekennzeichnet. Im Abschnitt von ω t = α bis ω t = π + α ist das beispielsweise das Thyristorpaar T1, T4. Wir sehen, dass dieses Paar an der Stelle π nicht verlöscht, obwohl die anliegende Wechselspannung ihren Nulldurchgang hat. Das liegt daran, dass bei stark induktiven Lasten der Strom nicht Null wird, somit größer als der Thyristorhaltestrom ist, wodurch ein Verlöschen unmöglich wird. Wenn aber gezündet ist, dann wird die Wechselspannung weiterhin auf die Last geschaltet, was negatives udα bedeutet. Dieses „Nicht-verlöschen-können“ dauert so lange an, bis das Thyristorpaar T2, T3 zündet, denn dann wird der Strom von diesem übernommen und T1 und T4 können löschen. Der durch die Induktivität aufrechterhaltene Strom kommutiert vom Thyristorpaar T1, T4 auf das Paar T2, T3. Wenn T2, T3 gezündet sind, erscheint die restliche hochgeklappte negative Halbwelle an der Last, bis bei 2π + α die Kommutierung von T2, T3 auf T1, T4 erfolgt usw. usf.. Der Leser wird sich an dieser Stelle vielleicht fragen, ob er diese Vorgänge im Einzelnen überhaupt kennen muss. Natürlich kann für den mit diesem Buch angesprochenen Leserkreis hier kein „muss“ gelten. Wenn aber das eben Erläuterte verstanden wurde, haben wir einiges aus der Gleichrichtertechnik begriffen und das wird uns auch an anderen Stellen der Leistungselektronik sowohl in bezug auf ihre Grundlagen als auch auf ihre Anwendungen von Nutzen sein.
7.4 Leistungselektronik
183
Die Bilder 7.65 b und d zeigen uns, dass trotz völlig gleichen Aufbaus der Brücke am Ausgang ganz andere gleichgerichtete Spannungen udα entstehen. Bei Widerstandslast kann udα nicht negativ werden, denn der Strom ist in Phase mit der Spannung, so dass bei jedem Nulldurchgang der Spannung auch der Haltestrom unterschritten wird und die Thyristoren verlöschen können. Bei induktiver Last jedoch gibt es Abschnitte negativer Spannung. Da der Strom nie negativ wird, weil er nicht in umgekehrter Richtung, also in Sperrrichtung der Gleichrichterventile fließen kann, haben wir in den Abschnitten negativer Spannungen mit udα < 0 und i > 0 Zeitintervalle mit negativen Augenblickswerten der Leistung (p = u i). Das bedeutet aber nicht mehr Leistungslieferung vom Netz über den Gleichrichter an den Verbraucher wie in den Phasen mit ud > 0 und i > 0 (denn dann ist p > 0), sondern Umkehrung des Leistungsflusses, d.h. Leistungsrücklieferung vom Verbraucher über den Gleichrichter an das Wechselstromnetz. Die dazu notwendige Energie stammt aus der magnetischen Energie des in den Phasen mit p > 0 in der Spule aufgebauten Feldes. Bei induktivem Verbraucher sind somit zwei Betriebsweisen einer Gleichrichterschaltung möglich: ud > 0, also p > 0 und ud < 0, folglich p < 0. Da im zweiten Falle der Leistungsfluss von der Gleichstromseite zur Seite des speisenden Wechselstromnetzes erfolgt, sagt man, dass die Schaltung als Wechselrichter arbeitet. Wechselrichterbetrieb eines Gleichrichters kann demnach zur ökonomischen Verwendung von elektrischer Energie genutzt werden. Dazu muss aber, wie wir gesehen haben, der Verbraucher über Energiespeicher verfügen, die in den Phasen p < 0 geleert werden. Neben Induktivitäten können das auch in Abbremsphasen generatorisch arbeitende, d.h. in diesen Phasen elektrische Energie liefernde Motoren sein. Solche Antriebe werden Mehrquadrantenantriebe genannt. Wir werden uns im Abschnitt 8.5.4 näher mit ihnen befassen. Zum Schluss berechnen wir noch den Mittelwert Udα von udα bei ohmisch-induktivem Verbraucher:
Ud α =
1 π
π+α
³
α
u2 d(ω t ) = 2
2 cos α = U d 0 cos α π
(7.17)
Halbgesteuerte B2-Schaltung (B2H) In Bild 7.66 ist eine halbgesteuerte Einphasenbrücke dargestellt. Mittels des Thyristors T1 können wir die positive, mittels T3 die negative Halbwelle beeinflussen. Wir wollen untersuchen, wie diese Brücke bei einer induktivitätsbehafteten Last arbeitet.
Bild 7.66
Halbgesteuerte Brücke bei induktiver Last
Bei der vollgesteuerten Brücke haben wir gesehen, dass die beiden jeweils stromführenden Thyristoren trotz Nulldurchgangs der Netzspannung nicht verlöschen können, weil sie den durch die Spule aufrechterhaltenen Strom führen müssen, denn es gibt für den Strom keinen anderen Weg als über diese beiden Thyristoren. Bei der halbgesteuerten Brücke nach Bild 7.66 ist das völlig anders. Hier ist ein Löschen beim Nulldurchgang von u2 ohne weiteres möglich, denn der Strom sucht sich seinen Weg nach Abschalten des Thyristors T1 oder T3 von der Last über die beiden Dioden D2 und D4, die nicht steuerbar und deshalb auch nicht abschaltbar sind. Diese Erschei-
184 7 Elektronik nung heißt Freilaufwirkung der Dioden. Da sie mit dem Nulldurchgang der Netzspannung einsetzt, kann der jeweils stromführende Thyristor verlöschen, d.h. den Eingang vom Ausgang trennen, so dass Spannungen nach dem Nulldurchgang, also negative, nicht an den Ausgang gelangen können und deshalb udα nur positive Werte annehmen kann. Bei einer halbgesteuerten Brücke ist somit trotz der induktiven Last kein Wechselrichterbetrieb, also keine Energierücklieferung an das Wechselstromnetz, möglich. Die Beziehung Udα = f(α) entspricht der der vollgesteuerten Brücke mit ohmscher Last (s. Gl. (7.16)), bei der dies aufgrund der Natur der Last nicht geht. 7.4.2.2.2 Gesteuerte Dreiphasengleichrichter (B6C,B6H) Ersetzen wir in Bild 7.64 a die drei oberen Dioden durch Thyristoren, liegt eine halbgesteuerte B6-Schaltung vor, für die Gl. (7.16) bei beliebiger Last gilt. Bei Vollsteuerung sind in allen Brückenzweigen Thyristoren vorhanden. Es ist Gl. (7.16) für Widerstands- und Gl. (7.17) für induktive Last gültig. Bei der Anwendung dieser Gleichungen ist zu beachten, dass für die Sechspulsschaltung Ud0 = 2,34 Ustr gilt (s. Bild 7.64). 7.4.2.2.3 Zusammenfassung gesteuerte Gleichrichter Das unmittelbar aus Gl. 7.16 folgende so genannte Steuergesetz eines gesteuerten Gleichrichters lautet in normierter Form (d.h. bezogen auf die maximal mögliche Spannung bei α = 0): Ud α 1 = (1 + cos α ) Ud 0 2
(7.18)
Es gilt für halb- und vollgesteuerte Schaltungen und ohmsche oder ohmisch-induktive Last mit einer Ausnahme: Für die vollgesteuerte Schaltung mit induktiver Komponente der Last gilt (vgl. Gl. 7.17): Ud α = cos α Ud 0
Bild 7.67
(7.19)
Steuerkennlinien von Gleichrichtern a) nach Gl. (7.18) b) nach Gl. (7.19)
Im Bild 7.67 sind diese beiden möglichen Steuergesetze grafisch dargestellt. Sie gestatten die Bestimmung der für einen bestimmten Zündwinkel zu erwartenden Gleichspannung bei gegebenem
7.4 Leistungselektronik
185
Ud0, d.h. bei gegebener Schaltung. Eine Zusammenstellung der möglichen Gleichrichterschaltungen zeigt Bild 7.68 mit den für die jeweilige Schaltung charakteristischen Ud0-Werten, die sich ergeben würden, wenn anstelle der Thyristoren Dioden vorhanden wären bzw. die Thyristoren mit α = 0 betrieben würden.
Bild 7.68
Gleichrichterschaltungen
186 7 Elektronik Unter Bezugnahme auf die uns hier vorrangig interessierenden Brückenschaltungen ist einschränkend zu bemerken, dass die Steuerkennlinie nach Bild 7.67 a in dieser Form nur für zweipulsige, die Kennlinie nach Bild 7.67 b sowohl für zwei- als auch für sechspulsige Schaltungen gilt. Hier wird allerdings der mögliche Bereich für den Zündwinkel wegen der so genannten Wechselrichtertrittgrenze auf etwa 0 bis 150° begrenzt. Um Irrtümer auszuschließen, stellen wir an dieser Stelle die verwendeten Spannungssymbole zusammen: U2 Ustr Ud0 U dα
Effektivwert der speisenden (einphasigen) Wechselspannung Effektivwert der Strangspannung des speisenden Drehstromtransformators Arithmetischer Mittelwert der gleichgerichteten Spannung für den ungesteuerten Gleichrichter oder für den gesteuerten Gleichrichter mit α = 0 Arithmetischer Mittelwert der gleichgerichteten Spannung, wenn in der Schaltung mit dem Zündwinkel α betriebene Thyristoren vorhanden sind.
Die gesteuerten Gleichrichterschaltungen B2 und B6 spielen in der elektrischen Energietechnik eine hervorragende Rolle. Besonders beim Betrieb hochwertiger Gleichstromantriebe im Leistungsbereich von einigen zehn Watt bis zu mehreren Megawatt haben sie ein weites Einsatzfeld gefunden, weil es mit ihnen möglich ist, durch Verstellung des Zündwinkels die Steuerspannung für den Motor und damit seine Drehzahl stufenlos in großen Bereichen zu verändern. Dadurch genügen sie bestimmten technologischen Erfordernissen, wie z.B. der werkstoffabhängigen Einstellung von Schnittgeschwindigkeiten bei Werkzeugmaschinen usw.. Sind die verwendeten Gleichrichter darüber hinaus vollgesteuert ausgeführt, ist beispielsweise beim Reversieren von Elektroantrieben, bei der Talfahrt von Elektrobahnen oder beim Absenken von Kranlasten Wechselrichterbetrieb, folglich Energierücklieferung in das Stromnetz, möglich. 7.4.2.2.4 Umkehrstromrichter Im Abschnitt 8.2.3.3 werden wir sehen, dass ein Gleichstrommotor beim Vorgang des so genannten Nutzbremsens bei gleichbleibender Polarität der Motorspannung die Richtung seines Stromes umkehrt. Wie gezeigt wurde, bedeutet das aber Umkehr des Vorzeichens der Leistung und somit Übergang vom Motor- (Verbrauch elektrischer Energie) in den Generatorbetrieb (Erzeugung elektrischer Energie). Der Unterschied zum im Abschnitt 7.4.2.2.1 geschilderten Fall ist der, dass jetzt der Strom sein Vorzeichen umkehrt und nicht, wie beim gesteuerten Gleichrichter mit induktiver Last geschildert, die Spannung. Da ein Gleichrichter immer nur Strom in einer Richtung durchlassen kann, müssen wir für den Fall seines Richtungswechsels einen zweiten Gleichrichter
Bild 7.69
Prinzip des Umkehrstromrichters
7.4 Leistungselektronik
187
einsetzen, dessen Durchlassrichtung mit der Richtung des umgekehrten Stromes übereinstimmt. Einen solchen Umkehrstromrichter zeigt das Bild 7.69. Wir erkennen zwei der Einfachheit halber als Blöcke dargestellte Gleichrichter oder Stromrichter SR 1 und SR 2 (Es kann sich hier sowohl um zwei- als auch um sechspulsige Gleichrichter handeln), die parallel, genauer antiparallel, zum Motor geschaltet sind. SR 1 liefert den (positiven) Strom für Motorbetrieb, der in dem Bild von rechts nach links durch den Motor fließt (durchgezogene Pfeile). Geht der Motor in den Generatorbetrieb über (Wie das geschieht, werden wir im Abschnitt 8.2.3.3 erläutern), kehrt sich der Strom um und fließt jetzt von links nach rechts durch den Motor (gestrichelte Pfeile). Er kann nur vom Gleichrichter SR 2 aufgenommen werden, denn dessen Durchlassrichtung stimmt jetzt mit der Richtung des umgekehrten Stromes überein (Wir achten auf die Richtung der Symbolpfeile für die Gleichrichterventile in den Blöcken). SR 1 ist also aktiv bei Motorbetrieb (Energieverbrauch, Gleichrichterbetrieb), SR 2 bei Generatorbetrieb (Energierückspeisung, Wechselrichterbetrieb) der Maschine. Für die einwandfreien Funktion dieser Schaltung ist es wichtig, dass die beiden Gleichrichter störungsfrei zusammen arbeiten. Wir unterscheiden bezüglich der Zusammenarbeitsstrategie zwei Fälle. Einerseits können wir die Steuerung der Stromrichter so betreiben, dass immer, wenn SR 1 eingeschaltet, SR 2 ausgeschaltet und immer wenn SR 2 eingeschaltet, SR 1 ausgeschaltet ist. Dann entspricht der Strom, der durch den Gleichrichter fließt, stets dem Motorstrom, denn der jeweils andere Stromrichter ist abgeschaltet. Dabei müssen wir aus Sicherheitsgründen dafür sorgen, dass zwischen dem Zeitpunkt des Abschaltens des einen Stromrichters und dem Zeitpunkt des Einschaltens des anderen eine gewisse Zeit vergeht. Da in dieser (kurzen) Zeit weder der eine noch der andere Gleichrichter eingeschaltet ist, entsteht eine stromlose Pause, in der der Motor kein Drehmoment entwickelt, was bei manchen Anwendungen nicht toleriert werden kann (z.B. bei Aufzügen oder bei Positioniersteuerungen mit hohen Forderungen an die Genauigkeit). Andererseits können wir eine stromlose Pause dadurch verhindern, indem wir die Steuerung der Gleichrichter so betreiben, dass beide beim Übergang vom Motor- in den Generatorbetrieb überlappend arbeiten, also Phasen gleichzeitigen Betriebes auftreten. Dadurch kann man zwar Stromlosigkeit des Motors verhindern, diese Betriebsweise hat aber den Nachteil, dass nun nicht nur Strom über den Motor allein, sondern auch über beide Gleichrichter fließt (s. Bild 7.69), denn beide sind in der Überlappungsphase ja eingeschaltet. Diesen Strom, der den Motor umgeht und nur in dem „äußeren Kreis“ durch die Gleichrichter fließt, nennen wir Kreisstrom des Umkehrstromrichters. Er muss in diesem Betriebsfall durch so genannte Kreisstromdrosseln begrenzt werden. Die zuerst geschilderte Betriebsweise des getrennten Arbeitens der Gleichrichter ohne Überlappungsphase heißt kreisstromfreier, die zuletzt beschriebene mit überlappender Arbeit der Stromrichter heißt kreisstrombehafteter Betrieb des Umkehrstromrichters. Der letztgenannte ist hochwertiger. Er bedarf aber eines höheren Aufwandes in bezug auf Steuerung und Materialeinsatz. Wie wir sahen, kann ein Umkehrstromrichter im Gegensatz zu einem einfachen Gleichrichter auch Stromumkehr „verkraften“, indem er die in diesem Falle in elektrische Energie umgesetzte Bremsenergie des Motors in das Netz zurückspeist. Gleichzeitig können wir entsprechend Gl. (7.19) und Bild 7.67 b durch entsprechende Wahl des Zündwinkels der Thyristoren auch die Ausgangsspannung der Gleichrichter bezüglich ihrer Polarität verändern (Udα > 0 für 0 ≤ α <90° und Udα < 0 für 90° < α ≤ 180° bzw. 150°). Somit gibt uns der Umkehrstromrichter die Möglichkeit, den an ihn angeschlossenen Motor sowohl mit positiver oder negativer Spannung als auch mit positivem oder negativem Strom zu betreiben. Solche Antriebe erlauben Motor- und Generatorbetrieb bei Rechts- und Linkslauf des Motors und werden Vierquadrantenantriebe genannt. Wir werden im Abschnitt 8.5.4 auf sie zurückkommen.
188 7 Elektronik
7.4.3 Wechselrichter Entsprechend Bild 7.60 formen Wechselrichter Gleich- in Wechselspannungen um. Aktuelle Beispiele sind Speisung eines Wechsel- oder Drehstrommotors aus einer Batterie in einem Elektroauto, Umwandlung der aus Solarzellen gewonnenen Gleich- in eine Netzwechselspannung oder Notstromversorgung aus einer Batterie bei Netzausfall. Im Verlauf unserer Betrachtungen haben wir bereits zwei Typen von Wechselrichtern kennengelernt: Im Abschnitt 7.4.2.2.1 den bei α > 90° als Wechselrichter arbeitenden Gleichrichter und im einführenden Abschnitt 7.4.1 (s. Bild 7.61) den eine Batteriespannung in eine Wechselspannung umformenden Wechselrichter. Der erstgenannte ist mit dem Netz verbunden, wird durch das Netz geführt und heißt deshalb netz- oder fremdgeführter Wechselrichter. Der andere ist nicht mit dem Netz verbunden, kann somit durch ein (fremdes) Netz nicht geführt werden, sondern erzeugt sein „eigenes“ Wechselstromnetz. Man nennt ihn deswegen selbstgeführten Wechselrichter. Beide Arten unterscheiden sich in bezug auf die einzusetzenden Halbleiterschalter. Im fremdgeführten Wechselrichter können wir Thyristoren einsetzen, weil diese durch die Netzwechselspannung gelöscht werden. In einem Wechselrichter, der eine Gleichspannung umformen soll, ist das nicht möglich, weil hier ein einmal gezündeter Thyristor nicht wieder gelöscht werden könnte, da keine Polaritätsumkehr von Spannung und Strom stattfindet. Hier benötigen wir also Halbleiterschalter, die auch abschalten können. Als solche haben wir GTO's und Transistoren kennengelernt.
Bild 7.70
Drehstrom-Wechselrichter
Der in Bild 7.61 dargestellte Wechselrichter erzeugt eine einphasige Wechselspannung. Die Schaffung eines Drehstromnetzes aus einer Batterie zum Betreiben eines Drehstromasynchronmotors (s. Abschnitt 8.4.3) ist in Bild 7.70 gezeigt. Als Schalter werden IGBT's verwendet. Antiparallel zu diesen sind so genannte Rückstromdioden geschaltet, die für die einwandfreie Funktion des Wechselrichters bei induktiven Lasten erforderlich sind. Im Laufe der Entwicklung haben sich verschiedene Typen herausgebildet. Der modernste unter ihnen ist der so genannte Pulswechselrichter, der durch geeignete Zündung und Löschung der Schalter eine Wechselspannung variabler Größe und Frequenz nach Bild 7.71 zur Verfügung stellt und somit beispielsweise in der Lage ist, über die Frequenz eine Drehzahlstellung von Drehfeldmotoren (s. Abschnitt 8.4) zu ermöglichen. Die jeweiligen Pulsmuster können je nach Situation des Antriebes sehr verschiedenartig sein. Sie werden durch die Ein- und Ausschaltzeitpunkte der Halbleiterschalter im Wechselrichter bestimmt. Diese werden in der modernen Antriebstechnik entweder in Speichern abgelegt oder durch Mikroprozessoren berechnet. Warum der Pulswechselrichter heute eine so große Bedeutung hat, wird im Abschnitt 7.4.5 erläutert.
7.4 Leistungselektronik
Bild 7.71
189
Ausgangsspannung eines Pulswechselrichters
7.4.4 Gleichstromumrichter Gleichstromumrichter formen eine konstante in eine variable Gleichspannung um. Synonyme sind: Gleichstromsteller, Konverter, Gleichspannungswandler oder Durchflusswandler. In der elektrischen Antriebstechnik heißen sie Pulssteller. Ein Anwendungsbeispiel ist die Fahrgeschwindigkeitseinstellung bei einem batteriegespeisten Elektrofahrzeug. Da Gleichspannung keine Polaritätsumkehr zeigt, ist das Umrichten hier nur mittels abschaltbarer Bauelemente möglich, also nur mit GTO's oder mit Transistoren. Das Prinzip des Gleichstromumrichters zeigt Bild 7.72. Der Transistor wird nach einem bestimmten Impulsschema ein- (Zeitdauer tE) und ausgeschaltet (Zeitdauer tA). Ist er eingeschaltet, wird die Batteriespannung auf den Lastwiderstand RL geschaltet, ist er ausgeschaltet, ist der Kreis
190 7 Elektronik
Bild 7.72
Prinzip des Gleichstromumrichters
geöffnet. Es fließt kein Strom und die Spannung am Widerstand ist Null. Auf diese Weise erhalten wir den Verlauf der Spannung an RL nach Bild 7.72 b. Der arithmetische Mittelwert dieser Spannung ist: UR =
1 T
T
tE
³ uR (t ) d t = T U B
(7.20)
tA
Die am Lastwiderstand erhaltenen Spannung ist somit über die Wahl von tE/T zwischen UR = 0 (tE = 0, tA = T) und UR = UB (tE = T, tA = 0) stufenlos einstellbar. Soll anstelle des Widerstandes RL ein Motor oder allgemein eine Last mit induktiver Komponente angesteuert werden, muss diese mit einer Freilaufdiode überbrückt werden, die während der Ausschaltzeit des Transistors den Strom übernimmt.
7.4.5 Wechselstromumrichter. Frequenzumrichter Laut Bild 7.60 unterscheiden wir beim Wechselstromumrichten zwei Vorgänge. Man verstellt einerseits nur die Spannung unter Beibehaltung der Frequenz. Diese Geräte heißen Wechseloder Drehstromsteller. Andererseits verändert man die Frequenz (oft auch die Spannung) mit den Frequenzumrichtern, die vereinfachend auch nur Umrichter genannt werden. Wechselstromsteller. Wie schon im Abschnitt 7.3.4.1 angesprochen, werden Wechselstromsteller mit Triacs realisiert. Ein bekanntes Beispiel ist der Dimmer zur Helligkeitsregelung von Glühlampen. Triacs werden aber auch im Bereich kleinerer Leistungen in der Antriebstechnik, z.B. zur Drehzahlstellung von Handbohrmaschinen oder auch bei Drehstromasynchronantrieben eingesetzt, wofür Bild 7.73 ein Beispiel zeigt. In der Motorzuleitung wird die Ständerspannung und damit die Drehzahl verstellt (s. Abschnitt 8.4.3.4). Frequenzumrichter. Man unterscheidet zwei Klassen: Direktumrichter und Zwischenkreisumrichter. Der Direktumrichter wird für sehr große Antriebe im MW-Bereich eingesetzt und gestattet nur die Realisierung von kleineren Frequenzen als die Speisefrequenz, bei Speisung mit Netzfrequenz weit weniger als 50 Hz. Auf ihn wollen wir im Rahmen dieses Buches nicht eingehen. Allergrößte Bedeutung auf nahezu allen Gebieten der Elektrotechnik, des Anlagen- und Maschinenbaus oder der Verfahrenstechnik hat heutzutage der indirekte oder Zwischenkreis-Frequenzumrichter erlangt. Sein Blockschaltbild in Bild 7.74 zeigt, dass er eine Synthese bisher bereits behandelter Schaltungen ist. Die Netzwechselspannung der Frequenz f1 (in der Regel die Netzfrequenz 50 Hz) wird gleichgerichtet und einem Gleichspannungs- oder Gleichstromzwischenkreis zugeführt. Ein sich anschließender Wechselrichter formt die Gleich- in eine Wechselspannung
7.4 Leistungselektronik
Bild 7.73
191
Drehstromsteller
um. Im Wechselrichter können wir durch beliebige Ansteuerung der GTO's oder Transistoren theoretisch beliebige Ausgangsfrequenzen f2 für ein zweites Netz erzeugen. f2 kann dabei kleiner oder größer sein als die Frequenz f1. Typische Werte für Frequenzumrichter der unteren und mittleren Leistungsklasse liegen zwischen f2 ≈ 0 und f2 = 400 Hz.
Bild 7.74
Blockschaltbild eines Zwischenkreis- Frequenzumrichters
Nach der Gestaltung des Zwischenkreises unterscheiden wir zwei Typen, den SpannungsZwischenkreis-Umrichter oder U-Umrichter und den Strom-Zwischenkreis-Umrichter oder IUmrichter. Der U-Umrichter arbeitet wegen des Kondensators mit konstanter (aber einstellbarer) Zwischenkreis-Spannung Ud0 bzw. Udα, der I-Umrichter wegen der Spule mit konstantem Zwischenkreis-Strom Id. Bei ersterem liegen also angeschlossene Verbraucher an einer bestimmten Spannung und diese ist (bis zu einem gewissen Grade) unabhängig von der Anzahl der angeschlossenen Verbraucher. Für die elektrische Antriebstechnik bedeutet das z.B., dass bei einem U-Umrichter Motoren zu- und abgeschaltet werden können, ohne dass sich die (vorgeschriebene) Betriebsspannung ändert, während I-Umrichter in der Regel für das Zusammenspiel mit nur einem Motor eingerichtet werden. Wenn die Zwischenkreis-Spannung beim U-Umrichter auf einen bestimmten Wert eingestellt werden soll, wird entweder der Gleichrichter gesteuert ausgeführt oder man verwendet einen ungesteuerten Gleichrichter und einen Gleichstromsteller (s. Abschnitt 7.4.4) im Zwischenkreis.
192 7 Elektronik Die erste Variante hat einen wesentlichen Nachteil, den wir anhand von Bild 7.52 erklären wollen. Der Thyristor schaltet den Strom, bezogen auf die Netzspannung u2 , verzögert ein. Für das Netz bedeutet das aber gegenüber der Spannung nacheilenden Strom. Somit wirkt der gesteuerte Gleichrichter wie eine Induktivität und nimmt entsprechende Blindleistung aus dem Netz auf. Was erhöhte Blindleistung bedeutet, haben wir im Abschnitt 5.9 diskutiert. Die zweite Variante hat im Wesentlichen den Nachteil hohen Aufwandes für den Steller im Zwischenkreis. Die Ideallösung bestünde darin, bei konstanter Zwischenkreisspannung (also mit ungesteuertem Gleichrichter) trotzdem die Ausgangswechselspannung verstellen zu können. Das ist mit dem Pulswechselrichter, wie bereits in Bild 7.71 gezeigt, gelungen. Die Höhe der Impulse entspricht stets der konstanten Zwischenkreisspannung, denn diese wird durch die Transistoren oder GTO's des Wechselrichters jeweils mit positiver oder negativer Polarität auf den Ausgang durchgeschaltet (vgl. mit Bild 7.61). Trotzdem „empfindet“ der Motor die verschiedenen Impulsmuster wie verschiedene Spannungen mit verschiedener Frequenz, wie die eingezeichnete Sinusform verdeutlicht. Bild 7.71 zeigt auch die Möglichkeit der gleichzeitigen Verstellung von Spannung und Frequenz. Insbesondere ist es mit diesem Pulswechselrichter auch möglich, das Verhältnis von Ausgangsspannung und Ausgangsfrequenz konstant zu halten, was für hochdynamische Regelverfahren von Asynchronmotoren von wesentlicher Bedeutung ist. Ein Spannungszwischenkreis-Frequenzumrichter mit ungesteuertem Gleichrichter und Pulswechselrichter, d.h. ein Pulsfrequenzumrichter, bestückt mit IGBT's für kleine und mittlere Leistungen und mit GTO's für große Leistungen, ist heute in der Antriebstechnik das modernste Drehzahl-Stellglied für Synchron- und Asynchronmotoren. Es zeichnet sich ab, dass die Gleichstrommotoren mit dem im Abschnitt 7.4.2.2 behandelten gesteuerten Gleichrichtern durch diese stark in den Hintergrund gedrängt werden. Trotz allem hat der U-Umrichter einen Nachteil. Da die Spannung im Zwischenkreis konstant ist, kann bei Generatorbetrieb des Motors nur dann Energierückspeisung in das Netz erfolgen, wenn der Zwischenkreisstrom sich umkehren kann. Dazu ist aber, wie bereits im Abschnitt 7.4.2.2.4 für den Gleichstrommotor erläutert, ein zusätzlicher Gleichrichter erforderlich (Umkehrstromrichter). Das bedeutet natürlich beträchtlichen Aufwand. Für kleine bis moderate Leistungen verzichtet man deshalb auf diesen zusätzlichen Gleichrichter und lässt die bei Generatorbetrieb des Motor im Zwischenkreis anfallende Rückspeiseenergie in einem so genannten Bremswiderstand in Wärme umwandeln. Ein anderes, technisch sehr wichtiges Anwendungsgebiet von Frequenzumrichtern ist die Erzeugung der notwendigen Frequenzen für Induktionsöfen aus der Netzfrequenz. Bei ihnen wird ein zu erhitzendes Werkstück beispielsweise zum Zwecke des Härtens, Anlassens, Lötens oder Schweißens in ein schnell wechselndes magnetisches Feld gebracht, welches Induktionsströme nach sich zieht, die das Werkstück von innen heraus erwärmen. Dabei sind Umrichterausgangsfrequenzen von etwa 10 kHz (mit Thyristoren, die hier durch gesonderte Stromkreise gelöscht werden müssen) bis etwa 250 kHz (mit MOSFET's) üblich. Durch Nutzung des Hauteffektes (s. Abschnitt 2.5.2) lässt sich auch Oberflächenhärtung mit einer gewünschten, über die Frequenz genau einstellbaren Eindringtiefe durchführen. Infolge der großen gesellschaftlichen Veränderungen in Europa ab 1989 trat ein weiteres Gebiet der Anwendung von Frequenzumrichtern vorübergehend in den Vordergrund. Es bestand nach der politischen Einigung auch der Wunsch nach Kopplung der bis dahin autark betriebenen Stromversorgungsnetze ost- und westeuropäischer Länder. Das war jedoch ohne weiteres nicht möglich, da in den Ländern Osteuropas wesentlich größere Toleranzen der Netzfrequenz zugelassen waren. Deshalb wurde das Zusammenschalten zunächst durch Umrichter realisiert, denn
7.5 Informationselektronik
193
durch deren Gleichstromzwischenkreis wird eine Entkopplung der Wechselspannungsnetze erreicht. Eine solche Anlage nennt man allerdings nicht Umrichter sondern Gleichstromkurzkupplung. Inzwischen sind sie in Mitteleuropa nicht mehr erforderlich, da seit Oktober 1995 die Netze Ostdeutschlands und vieler osteuropäischer Länder mit dem Netz Westeuropas wegen der inzwischen vollzogenen vereinheitlichten Frequenzregelung direkt gekoppelt sind. Darüber hinaus gibt es aber Kurzkupplungen, die nicht ohne weiteres vermieden werden können, wenn nämlich Netze mit unterschiedlichen Nennfrequenzen zu verbinden sind. Solche Fälle gibt es beispielsweise in Lateinamerika, wo manche Länder die Frequenz 50 Hz, andere wiederum die Frequenz 60 Hz benutzen. Als letztes Anwendungsgebiet für Zwischenkreisfrequenzumrichter soll die Notstromversorgung genannt werden. Eine solche Anlage für die unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) besitzt im Eingang einen Gleichrichter, der im Falle des Vorhandenseins der Netzspannung eine an den Zwischenkreis geklemmte Batterie auflädt. Der Wechselrichter ist abgeschaltet. Tritt ein Netzspannungsausfall ein, wird der Wechselrichter automatisch eingeschaltet und das an ihn angeschlossene, zu schützende Netz wird aus der Batterie versorgt. Solche Anlagen finden auch Anwendung, wenn die Netzspannung stark verzerrt ist, aber Sinusform gebraucht wird, die insbesondere durch Pulswechselrichter sehr gut realisiert werden kann.
7.5 Informationselektronik 7.5.1 Einführung Es gibt heutzutage kaum ein Gebiet, auf dem sich die Entwicklungen in so atemberaubendem Tempo vollziehen wie auf dem Gebiet der Informationselektronik. Ein jeder von uns kennt beispielsweise aus eigenem Erleben das vielfältige, oft verwirrende und kaum noch im Gesamten zu überschauende Gebiet der Elektronik für Unterhaltung und Büro. Es ist nicht das Anliegen dieses Buches, die Informationselektronik auch nur näherungsweise im Gesamten darzustellen. Es ist vielmehr unsere Aufgabe, aus der Vielzahl informationselektronischer Verfahren, Methoden und Schaltungen das herauszufiltern, was für einen Ingenieur, der nicht hauptberuflich auf diesem Gebiet tätig ist oder tätig sein will, für seinen Beruf von Nutzen sein kann. Aber selbst mit dieser Einschränkung ist es nicht möglich, auf alles einzugehen, was dieser Ingenieur eventuell einmal gebrauchen könnte. Viele Probleme können nicht angesprochen werden und viele Fragen bleiben unbeantwortet. Deshalb beschränken wir uns darauf, wie an anderen Stellen in diesem Buch, Grundlegendes zu zeigen, auf dem aufgebaut werden kann. Wie bei der Unterhaltungs- oder Büroelektronik, zeichnet sich auch auf dem Gebiet der Elektronikanwendung im Maschinen- und Anlagenbau und in der Automatisierungstechnik ein eindeutiger Trend zur Digitaltechnik ab. Andererseits kann man auf bestimmte Prinzipien der Analogtechnik nicht verzichten. Deshalb wollen wir uns hier die Aufgabe stellen, das Wichtigste aus diesen beiden Gebieten zu zeigen, die Unterschiede zwischen beiden Technologien herauszuarbeiten und die Vor- und Nachteile zu verstehen und einschätzen zu lernen. Das Gebiet der Mikroelektronik ist eigentlich auch zum vorliegenden Abschnitt zu rechnen, denn sie verwendet die elektronischen Bauelemente in analogen und digitalen Schaltungen, wie sie in den folgenden Abschnitten dargestellt werden. Da das aber mit besonderen Technologien geschieht, wird die Mikroelektronik in einem eigenen Abschnitt 7.6 behandelt.
194 7 Elektronik
7.5.2 Analoge und digitale Größen und Signale Bild 7.75 zeigt verschiedene Signale, bei denen als Signalträger eine elektrische Spannung gewählt wurde. Die Werte, die die Spannung annimmt, enthalten die Information, die vermittelt werden soll. Das Signal nach Bildteil a kann beliebige Werte annehmen. Diese liegen „dicht an dicht“. Der Wertebereich ist unendlich groß. Eine so abgebildete Größe nennen wir analog. Der Bildteil b zeigt dagegen eine Spannung, die nur ganz bestimmte Werte, beispielsweise 1 V, 2 V, 3 V, 4 V oder 5 V annehmen kann. Zwischenwerte sind nicht möglich. Ein solches Signal heißt diskret.
Bild 7.75
Signalformen a) analog b) diskret c) binär
Eine Sonderstellung unter den diskreten nimmt das binäre Signal nach Bildteil c ein. Es kann nur zwei Werte aufweisen, entweder H-Pegel (bei TTL ≈ 5 V) oder die logische „1“ bzw. L-Pegel (≈ 0 V) oder die logische „0“ (s. Abschnitt 7.3.3.6). Bei einem digitalen Signal werden die Informationen durch Ziffern dargestellt. Wir denken z.B. an eine „digital anzeigende“ Uhr, deren Anzeige ein Mensch verstehen und verarbeiten kann. Wenn wir aber erreichen wollen, dass auch eine technische Anordnung, z.B. ein Computer, ein digitales Signal „verstehen und verarbeiten“ kann, so können wir nicht die uns bekannten Zahlen bzw. Ziffern 1, 2, 3..., sondern müssen die Binärziffern „0“ und „1“ verwenden, denn die informationsverarbeitenden Bauelemente unserer technischen Anordnung entsprechen nur einer zweiwertigen (binären) Logik: Eine LED brennt oder brennt nicht, ein Ventil ist geschlossen oder geöffnet, ein Transistor ist ein- oder ausgeschaltet usw.. Da alle Informationen sich durch eine Folge von Binärzeichen darstellen lassen, kann unsere technische Anordnung, also beispielsweise unser Computer, alle Informationen, die sich aus solchen binären Ziffern zusammensetzen, verstehen, verarbeiten und darstellen. Wenn wir somit von einem digitalen Signal sprechen, dann ist
Bild 7.76
Mögliche Zeichen mit 2 und 3 Bit
7.5 Informationselektronik
195
das eine endliche Folge von Binärziffern. Dabei heißt ein Element dieser Folge 1 Bit. In diesem Bit kann die Binärziffer „0“ oder „1“ enthalten sein. Bild 7.76 zeigt zwei bzw. drei Bits mit den möglichen Belegungen. Mit zwei Bits lassen sich vier, mit drei Bits acht Zeichen darstellen. Bei acht Bit sprechen wir von einem Byte, bei 16 Bit von zwei Byte usw. Wie Bits hardwaremäßig realisiert werden, zeigen wir im Abschnitt 7.5.4.2.2. Halbleiterspeicher sind meist byteorganisiert, d.h. jeder Speicherplatz enthält acht Bit oder ein Byte. Bild 7.77 zeigt einen solchen 8-Bit-Speicherplatz, der auf zweierlei Art gelesen werden kann, entweder gleichzeitig über acht Leitungen (paralleles Digitalsignal) oder nacheinander über eine Leitung (serielles Digitalsignal). Wir erkennen, dass ein paralleles Digitalsignal viel schneller übertragen werden kann als ein serielles. Dafür benötigen wir allerdings eine entsprechend größere Anzahl von Datenleitungen. Wir haben bereits mehrfach erwähnt, dass ein (Digital-) Rechner nur digitale Signale „versteht“ und verarbeiten kann. Wir aber leben in einer analogen Welt und wenn wir ein Problem aus dieser Welt in den Rechner bringen wollen, müssen wir die analogen Signale vorher in digitale umwandeln. Das geschieht in Analog-Digital-Umsetzern (ADU). Umgekehrt muss es möglich sein, nach Beendigung der Arbeit des Rechners eine Umwandlung der anfallenden Digital- in Analogsignale zu realisieren, was durch Digital-Analog-Umsetzer (DAU) bewerkstelligt wird.
Bild 7.77
Lesen eines Digitalsignals von einem 8 Bit- (1 Byte) Speicherplatz rechts oben: parallel rechts unten: seriell
Wie wir von der analogen in die digitale „Welt“ kommen, wollen wir an einem einfachen Beispiel schildern. Ein Spannungsmesser, der mit einem über eine Skala gleitenden Zeiger ausgestattet ist, liefert uns einen Ablesewert von z.B. 50 V. Wenn wir die Spannung absenken, z.B. über 40 V und 30 V usw., erkennt man, dass jedem Ausschlagwinkel des Zeigers eine Spannung zugeordnet werden kann. Diese Spannung ist umso kleiner, je kleiner der Winkel ist. Wir haben eine genaue Vorstellung davon, wo ein bestimmter Spannungswert, der nach Bild 7.75 a ein analoges Signal darstellt, auf der Skala des Messinstrumentes zu liegen kommt. Wie verhält es sich aber diesbezüglich mit einem digitalen Signal? Welchen „Wert“ hat ein digitales Signal? Um dies zu ergründen, betrachten wir zunächst das uns von Kindheit an bekannte dezimale Zahlensystem, welches wir verwenden, wenn wir z.B. von einer Spannung von 230 V sprechen. Diese Zahl hat drei Dezimalstellen: 2 Hunderter, 3 Zehner und 0 Einer und ist folgendermaßen darstellbar: 230 = 2 × 102 + 3 × 101 + 0 × 100
(7.21)
Jetzt stellen wir uns nebeneinander drei Bit vor, von denen beispielsweise die beiden äußeren mit dem Binärzeichen „1“, und das mittlere mit dem Binärzeichen „0“ belegt sind. Das Lesen dieses
196 7 Elektronik aus drei Bit bestehenden Digitalsignals würde die Anordnung 101 ergeben und stellt, wenn wir sie als Dezimalzahl interpretieren, den Spannungswert 101 V dar. Der höchste Wert, der durch unsere drei Bit-Stellen ausgedrückt werden kann, ist offensichtlich der Wert 111 V. Wir können demnach die Zahl in Gl. (7.21) so überhaupt nicht darstellen. Ein größeres Problem ist aber, dass alle mittels unserer drei Bit realisierbaren Varianten, nämlich 000 = 0 V, 001 = 1 V, 010 = 10 V, 011 = 11 V, 100 = 100 V, 101 = 101 V, 110 = 110 V und 111 = 111 V nicht in der Lage sind, Zwischenwerte, wie z.B. 57 V oder 98 V zum Ausdruck zu bringen. Die Abstände zwischen den durch die drei Binärstellen dargestellten Werten sind viel zu groß. Wir erkennen sofort, dass dies an der zu großen Basis unseres Dezimalsystems (10!) liegt. Deshalb wählen wir zur Lösung unseres Problems die kleinstmögliche Basis, die 2. Wir kommen so vom Dezimalsystem zum Dualsystem. Die duale Zahl 101 muss dann wie folgt dargestellt werden: 101 = 1 × 22 + 0 × 21 + 1 × 20 = 5
(7.22)
Die dezimale Zahl 5 entspricht der dualen Zahl oder Dualzahl 101. Wir haben schnell nachgeprüft, dass alle eben angeführten Kombinationen, die wir mit den drei gebildeten Binärstellen realisieren können, lückenlos die Dezimalzahlen von 0...7 repräsentieren. Wollen wir größere Zahlen darstellen, fügen wir einfach weitere Binärstellen hinzu. Mit n Binärstellen können wir m = 2n
(7.23)
Dezimalzahlen beschreiben. Bei acht Bit (n = 8), also einem Byte, sind das die Zahlen von 0 bis 28 – 1 = 255. Die oben angeführte Spannung von 230 V ist folglich mit acht Binärstellen ohne weiteres darstellbar (230 = 1110 0110). Wir stellen uns nun die Aufgabe, eine (analoge) Spannung im Bereich zwischen 0 und 100 V in digitale Werte umzusetzen und benutzen dazu einen 8-Bit-ADU. Zunächst treffen wir die Zuordnungen 0 V = 0000 0000 und 100 V = 1111 1111. Einschließlich der Eckwerte 0 und 100 können wir dem gesamten analogen Spannungsbereich 28 = 256 Dualzahlstufen zuordnen. Jede Stufe entspricht einer Spannung von 100 V/256 = 0,4 V. Bei Benutzung eines 12-Bit-ADU wäre die Stufung desselben analogen Spannungsbereichs 100 V/212 = 0,025. Die Auflösung ist in diesem Falle also wesentlich besser. Wandeln wir andererseits ein digitales Signal in ein analoges um, ist die Qualität der Umwandlung umso besser, je größer die Bit-Zahl des DAU ist. Beispielsweise haben die DAU's in CDPlayern, welche die Aufgabe haben, die durch Laserabtastung der Disc gewonnenen Digitalsignale in entsprechende akustische Analogsignale umzuwandeln, eine „Breite“ von mehr als 20 Bit. Entsprechend hoch ist die Qualität der Wiedergabe. Die digitale Signalverarbeitung hat gegenüber der analogen die folgenden großen Vorteile. Sie sind die Gründe dafür, dass sich auf allen Gebieten der Elektronik ein Trend zur Digitaltechnik abzeichnet: Geringe Störempfindlichkeit. Die Binärzeichen des Digitalsignals sind zweiwertig, entweder „0“ oder „1“, bei der Verwendung von Spannungen als Signalträger also „Spannung nicht vorhanden“ oder „Spannung vorhanden“. Da allein diese beiden Zustände die zu vermittelnde Information enthalten, spielt es keine Rolle, ob der Wert einer Spannung bei der Übertragung verändert wurde oder nicht, sofern nur „keine Spannung“ oder „Spannung“ unterscheidbar bleiben und das ist offensichtlich wesentlich leichter zu erfüllen als bei einem analogen Signal, wo die Information im Spannungswert steckt, der durch überlagerte Störungen leicht verfälscht werden kann.
7.5 Informationselektronik
197
Hohe Genauigkeit. Mit Digitalsignalen sind Informationen beliebig genau darstellbar, wenn nur ihre Breite in Bit ausreichend groß gewählt wird. Verlustlose Speicherbarkeit. Digitalsignale lassen sich über praktisch unbegrenzte Zeit speichern (Halbleiterspeicher, Disketten, CD-ROM, DVD usw.). Diese Speicherung führt (im Gegensatz zur Speicherung anologer Signale) nicht zu Informationsverlusten, denn wenn man Binärzeichenfolgen speichert und sie später wieder abruft, kann man sich darauf verlassen, dass man die gleiche Zeichenfolge, also die unverfälschte Information, zurückerhält. Der Hauptnachteil der digitalen Signalverarbeitung besteht darin, dass Übertragungskanäle von hoher Frequenzbandbreite notwendig sind. Bei einem Übertragungsfehler von z.B. < 0,1 % ist die zehnfache Kanalbreite gegenüber Analogsignalen erforderlich. Das würde bei einem Niederfrequenzverstärker einer Breite von 200 kHz entsprechen (bei Analogverstärkern 20 kHz). Trotz der Vorteile digitaler Schaltungen haben die analogen Techniken nicht an Bedeutung eingebüßt. Beispiele sind Verstärkung und Schwingungserzeugung und andere analoge Verfahren. Wir werden im folgenden zuerst analoge, danach digitale Schaltungen besprechen. Dabei müssen wir uns wiederum auf das Wichtigste beschränken.
7.5.3 Analogschaltungen 7.5.3.1 Wechselspannungsverstärker Bereits im Abschnitt 7.3.3.5 haben wir uns mit dem Verstärkungsprinzip bekannt gemacht. In Bild 7.43 ist die Elementarschaltung, die Verstärkerstufe, dargestellt. Einstufige oder mehrstufige Verstärker sind durch die Aneinanderreihung (Kettenschaltung) solcher Elementarstufen gekennzeichnet. Da neben den Transistoren hauptsächlich Widerstände und Kondensatoren zum Einsatz kommen, nennt man solche Typen RC-Verstärker. Sie sind insbesondere durch die Frequenzbereiche, in denen sie verstärken, charakterisiert. Bei sehr niedrigen Frequenzen kann die dämpfende Wirkung des kapazitiven Widerstandes des Koppelkondensators nicht mehr vernachlässigt werden (vgl. Gl. 5.55), so dass die Verstärkung absinkt. Bei sehr hohen Frequenzen dagegen
Bild 7.78
Frequenzabhängigkeit der Verstärkung
machen sich die Schaltkapazitäten am Eingang einer Verstärkerstufe bemerkbar. Da sie den Widerstand R2 in Bild 7.43 überbrücken, schließen sie die anliegende Spannung kurz und wirken damit ebenfalls dämpfend. Deshalb besitzt jeder RC-Verstärker eine untere und eine obere Grenzfrequenz (fu und fo in Bild 7.78) mit dazwischenliegender nahezu gleichmäßiger Verstärkung. Solche Verstärker nennt man auch Breitbandverstärker. Typische Vertreter dieses Typs sind Niederfrequenz- und Videoverstärker. Selektivverstärker übertragen nur ein sehr schmales Frequenzband mit der Bandmittenfrequenz fm (s. Bild 7.78). Diese Eigenschaft wird z.B. in Eingangskreisen von Rundfunk- und Fernsehempfängern (Tunern) zur Abstimmung auf den jeweils gewünschten Sender und zur Unterdrückung der übrigen genutzt. Die Bezeichnungen für Wechselspannungsverstärker sind vielfältig. Je nach Einteilungsprinzip unterscheidet man Röhren- und Transistorverstärker, Messverstärker, Hochfrequenzverstärker, Vor- und Endverstärker usw.
198 7 Elektronik
7.5.3.2 Operationsverstärker Lassen wir die Kondensatoren des Verstärkers weg, erhalten wir einen Gleichspannungsverstärker. Seine untere Grenzfrequenz ist fu = 0 Hz, seine obere hängt vom Aufbau des Verstärkers ab. Der wichtigste Typ eines Gleichspannungsverstärkers ist der Operationsverstärker, der in Form von integrierten Schaltkreisen (s. Abschnitt 7.6.1) angeboten wird. Er hat ein eigenes Schaltsymbol bekommen, das in Bild 7.79 gezeigt ist und aus dem hervorgeht, dass der Operationsverstärker zwei Eingänge besitzt. Der mit + bezeichnete legt die Spannung ue1 an den nichtinvertierenden, der mit – bezeichnete die Spannung ue2 an den invertierenden Verstärker. Die Spannung zwischen den Eingangsklemmen ist ud = ue1 – ue2. Sie wird mit dem Verstärkungsfaktor v0 auf die Ausgangsspannung ua = v0 ud verstärkt. Eine herausragende Eigenschaft des Operationsverstärkers ist sein großer Verstärkungsfaktor v0 ≈ 105. Mit dem typischen Wert ua = 10 V folgt für die Spannung zwischen den beiden Eingangsklemmen ud = ua/v0 = 10–4 V ≈ 0 V. Damit gilt für den Eingangsstrom i0 ≈ 0.
Bild 7.79
Operationsverstärker-Symbol
Rechentechnik. Wir wollen zunächst die Eigenschaften der Schaltungen nach Bild 7.80 a) und b) untersuchen. Beide enthalten eine so genannte Rückkopplung, wodurch ein Teil der Ausgangsspannung ua auf den Eingang zurückgeführt wird. Für den Bildteil a) ergibt der Knotenpunktsatz mit i0 = 0: −iN = ie1 + ie 2 + ie3 (7.24) und bei Einführung der Spannungen: u u u u − a = e1 + e 2 + e 3 RN R1 R2 R3
(7.25)
oder: §R · R R ua = − ¨ N ue1 + N ue 2 + N ue 3 ¸ R2 R3 © R1 ¹
(7.26)
und bei R1 = R2 = R3 = RN: ua = −(ue1 + ue 2 + ue 3 )
(7.27)
Die Ausgangsspannung entspricht der Summe der drei Eingangsspannungen (Das Minuszeichen können wir mit einem invertierenden Verstärker sehr leicht in ein Pluszeichen verwandeln). Wir verfügen mit der Schaltung nach Bild 7.80 a) somit über ein Addierglied. Bild 7.80 b) liefert nach dem Knotensatz: −iN = iC −
ua du =C e dt RN
ua = − RN C
d ue dt
(7.28) (7.29)
(7.30)
7.5 Informationselektronik
Bild 7.80
Operationsverstärker als
a) Addierer
b) Differenzierglied
c) PI-Regler
199
d) Tiefpass
Die Schaltung differenziert das Eingangssignal, ist somit ein Differenzierglied. Wir erkennen, dass die Signalverarbeitung im Operationsverstärker nur davon abhängig ist, wie er von außen beschaltet wird. Auf diese Weise können wir, lediglich durch entsprechende Gestaltung des Beschaltungsnetzwerkes, weitere mathematische Operationen wie Subtrahieren, Multiplizieren, Potenzieren, Logarithmieren, Integrieren usw. ausführen. Deshalb ist der Operationsverstärker ein sehr wichtiges Bauelement der analogen Rechentechnik. Regelungstechnik. Wir stellen uns eine rotierende Kraftmaschine vor, die an ihrer Welle eine bestimmte Last antreibt. Unser Ziel besteht darin, die Drehzahl n der Maschine konstant zu halten, eine Regelaufgabe, die in der Praxis sehr häufig vorzufinden ist. Wenn die Last größer wird, sinkt die Drehzahl, was durch höhere Energiezufuhr zur Kraftmaschine ausgeglichen werden kann. Das zu bewerkstelligen ist Aufgabe des Reglers. Dazu muss ihm die Differenz aus einem vorgegebenen Sollwert (der der konstant zu haltenden Drehzahl entspricht) und dem gemessenen Istwert (der der abgesunkenen Drehzahl entspricht) zugeleitet werden. Aus dieser Differenz, die Regelabweichung genannt wird, bildet der Regler eine Ausgangsgröße (das Stellsignal), die die Energiezufuhr zur Kraftmaschine vergrößert, wodurch die Istdrehzahl sich wieder der Solldrehzahl nähert. Die Regelaufgabe ist dann erfüllt, wenn die Regelabweichung den Wert Null annimmt. Dazu stehen als Regler so genannte P-, PI- oder PID-Regler zur Verfügung, die auf Grund ihrer hervorragenden Eigenschaften und ihres geringen Preises mittels Operationsverstärkern realisiert werden können.
Ein P-Regler (Proportionalregler) benötigt unbedingt die Regelabweichung, um ein Stellsignal bilden zu können, vermag ohne diese nicht zu arbeiten, was bedeutet, dass bei seiner Nutzung immer eine (wenn auch kleine) Regelabweichung bestehen bleibt. Wie im Fach Regelungstechnik gezeigt wird, erreicht man eine genaue Regelung mit der Regelabweichung Null mittels PI-
200
7 Elektronik
Reglern, die als Ausgangsgröße nicht nur einen proportionalen, sondern auch einen integralen Anteil der Eingangsspannung enthalten: R 1 ua = − N ue − R1 RN CN
t
∫ uedt
(7.31)
o
Diese Gleichung erfüllt ein nach Bild 7.80 c) beschalteter Operationsverstärker. Wir erkennen das proportionale Glied RN/R1 und das integrale mit RNCN. Will man die Regelung dynamischer machen, kann das dadurch erreicht werden, dass dem Regler die Eigenschaft verliehen wird, nicht nur schlechthin den Drehzahlabfall, sondern bereits die Tendenz zum Drehzahlabfall, somit eine Drehzahländerung, d.h. ein dn/dt zu erkennen. Der Regler muss also über einen differenziellen Anteil verfügen, somit ein PID-Regler sein, der ein differenzielles Glied mit due/dt enthält. Das wird durch einen zusätzlichen Kondensator im Eingang der Schaltung erreicht (vgl. dazu Bild 7.80 b)). Nachrichtentechnik. Auch auf diesem Gebiet gibt es viele Anwendungsmöglichkeiten für Operationsverstärker. Ein Beispiel zeigt Bild 7.80 d). Es handelt sich hier um einen so genannten Tiefpass, der bei Anlegen eines Frequenzgemisches an seinen Eingang nur die tiefen Frequenzen durchlässt, die hohen aber dämpft oder unterdrückt (Filter). Die (genau definierte) Frequenz, ab der diese Unterdrückung stattfindet, nennt man Grenzfrequenz des Tiefpasses. Sie kann durch die Verstellung von RN und CN geändert werden. Wir erkennen hier den Klangregler unserer Stereoanlage, der in diesem Falle für die Akzentuierung der Bässe geeignet ist. Mit Operationsverstärkern lassen sich auch Hochpässe, Bandpässe usw. realisieren. Im Gegensatz zu den mit Widerständen, Kondensatoren und ggf. Spulen aufgebauten passiven Filtern nennt man sie aktive Filter.
7.5.3.3 Schwingungserzeuger Ebenfalls im Verstärker- oder aktiven Bereich des Kennlinienfeldes nach Bild 7.39 arbeiten die Transistorschaltungen zur Erzeugung von Schwingungen, die Oszillatoren. Die in der Technik am häufigsten gebrauchten Sinusschwingungen können z.B. mittels eines Meißner-Oszillators erzeugt werden (s. Bild 7.81). Das Prinzip ist einfach. Ein Bruchteil der durch den Transistor verstärkten Spannung wird aus dem in der Kollektorleitung liegenden Parallelschwingkreis transformatorisch ausgekoppelt und wieder auf den Eingang des Transistors gegeben. Diese Rückkopplung führt zu einem sich in kürzester Zeit abspielenden „Aufschaukeln“ der Schaltung, bis sich ein stabiler Zustand einstellt und der Oszillator, ohne dass ein Eingangssignal zugeführt werden muss, selbständig mit einer Frequenz schwingt, die man über die Parameter des Kollektorschwingkreises (L und C) einstellen kann. Solche Schwingungserzeuger nennen wir Sinusos-
Bild 7.81
Meißner-Oszillator
7.5 Informationselektronik
201
zillatoren. Durch den Einbau von Schwingquarzen, die Resonanzfrequenzen höchster Genauigkeit und Stabilität garantieren, können mit ihnen Schwingungen hoher Frequenzstabilität erzeugt werden. Anwendungsgebiete finden solche Quarzoszillatoren beispielsweise bei der genauen Zeitmessung in Labor und Industrie oder in Uhren des privaten oder öffentlichen Bereichs. Werden statt Sinus- Rechteck- oder Dreieckspannungen erzeugt, nennt man die Geräte in der Regel Signalgeneratoren. In der Analogtechnik spielen neben den Verstärkern und Schwingungserzeugern auch andere Schaltungen eine wichtige Rolle. Beispiele sind Komparator-, Modulator-, Analogmultiplexerschaltungen usw. Wir können an dieser Stelle nicht auf sie eingehen.
7.5.4 Digitalschaltungen Digitale Schaltungen verarbeiten digitale Signale. Die sie bildenden Bauelemente arbeiten im Schalterbetrieb („Ein“ oder „Aus“, Zustand „1“ oder „0“). Dieser wurde für den Transistor, der in Form des Bipolar- oder MOS-Feldeffekttransistors in der Digitaltechnik eine dominierende Rolle spielt, im Abschnitt 7.3.3.6 behandelt. Eine grobe Einteilung kann in kombinatorische und sequenzielle Schaltungen vorgenommen werden. Bei kombinatorischen hängen die Ausgangsgrößen nur vom augenblicklichen Zustand der Eingangsgrößen ab, bei sequenziellen Schaltungen sind die Ausgangsgrößen zusätzlich vom vorherigen Zustand der Eingangsgrößen abhängig.
7.5.4.1 Kombinatorische Schaltungen 7.5.4.1.1 Logische Verknüpfungen Die von den kombinatorischen Schaltungen zu lösenden Aufgaben demonstrieren wir an zwei einfachen Beispielen.
Bei einer handbedienten Tiefziehpresse besteht aus Gründen des Arbeitsschutzes die Notwendigkeit, den Tiefziehvorgang trotz Betätigung des dafür vorgesehenen Schalters erst dann auszulösen, wenn das Werkstück eingelegt und das Schutzgitter eingefahren ist. Nur wenn diese UNDBedingung erfüllt ist, darf der Einschaltvorgang der Presse ablaufen. Da das völlig unabhängig von dem Menschen, der die Maschine bedient, sein muss, überlegen wir uns eine diese Aufgabe übernehmende elektronische Schaltung. Das Vorhandensein des Werkstückes und das Eingefahrensein des Schutzgitters werden wir im einfachsten Fall durch Einsatz zweier Endschalter E1 und E2 überwachen. Ist ein Endschalter geschlossen, fließt Strom, ist er das nicht, fließt kein Strom. Dem ersten Zustand ordnen wir die logische „1“, dem zweiten die logische „0“ zu. Welcher Zustand vorliegt, können wir z.B. durch Strommessung überprüfen. Nun brauchen wir eine Logik (oder eine logische Schaltung), die erst dann das Absenken der Presse erlaubt, wenn beide Endschalter die logische „1“ signalisieren. Ordnen wir dem Erlauben die „1“ (der Ausgang der Logik ist A = 1), dem Nichterlauben die „0“ (der Ausgang der Logik ist A = 0) zu, können wir die in der ersten Zeile des Bildes 7.82 abgebildete sog. Wahrheitstabelle aufstellen. Eine logische Schaltung, welche die Bedingungen dieser Tabelle erfüllt, heißt UNDGlied. Seine Eigenschaften sind auf viererlei Art darstellbar: als Tabelle, als (genormtes) Symbol, als Kontaktschaltung und als schaltalgebraische Gleichung (s. Bild 7.82). Auf jeden Fall verknüpft es die beiden Eingangsgrößen derart, dass nur dann A = 1 ist, wenn E1 = 1 (E1 geschlossen) und E2 = 1 (E2 geschlossen) sind. Für alle anderen Fälle von E1 und E2 ist A = 0.
202
7 Elektronik
Nun ein anderes einfaches Beispiel. Die Beleuchtung des Hofes unseres Hauses soll sich einschalten, wenn wir entweder die Tür vom Inneren des Hauses zum Hof oder die Tür von der Straße zum Hof öffnen. Unser für diesen Vorgang notwendiges logisches Glied muss den Ausgangswert A = 1 (das Hoflicht ist eingeschaltet) haben, wenn E1 (Endschalter Haustür) oder E2 (Endschalter Straßentür) den Wert „1“ annimmt. Es heißt folgerichtig ODER-Glied und ist bezüglich seiner möglichen Beschreibungsformen ebenfalls in Bild 7.82 dargestellt. Eine weitere wichtige logische Verknüpfungsschaltung, allerdings nur mit einem Eingangssignal, ist das NICHT- oder NOT-Glied (auch Inverter). Sein Ausgang entspricht immer dem entgegengesetzten Zustand des Einganges. Das Eingangssignal wird verneint oder negiert (s. Bild 7.82). Die Kontaktschaltung enthält einen sog. Öffnerkontakt, der bei Betätigung (E = 1) den Stromkreis öffnet im Gegensatz zu den bei UND und ODER verwendeten sog. Schließerkontakten, die bei Betätigung (E = 1) schließen. UND, ODER und NICHT sind die sogenannten logischen Grundglieder. Mit ihnen lassen sich alle nur denkbaren Verknüpfungen realisieren. Es gibt aber auch Glieder, die für sich allein, wenn sie nur in ausreichender Stückzahl eingesetzt werden, den Aufbau beliebiger Verknüpfungen gestatten. Es handelt sich hier um das NAND-Glied (verneintes UND oder engl. NOT AND) und das NOR-Glied (verneintes ODER oder engl. NOT OR). Ihre Funktion und Darstellung gehen
Bild 7.82
Logische Verknüpfungen
7.5 Informationselektronik
203
ebenfalls aus dem Bild 7.82 hervor. Wir achten darauf, dass am Ausgang des NAND- der verneinte Zustand des Ausganges des UND-Gliedes, am Ausgang des NOR- die Verneinung des ODER-Ausganges auftritt. An unseren beiden Beispielen Tiefziehpresse und Hoflicht haben wir erkannt, dass durch Verknüpfungsschaltungen gewünschte Reaktionen (Ausgangssignale) auf der Basis von in bestimmter Weise realisierten Voraussetzungen (Eingangssignale) ausgelöst werden können. Dabei hängt das Ausgangssignal nur von der Belegung der Eingänge ab. Es müssen nicht immer nur zwei, sondern es können auch drei oder mehr logisch zu verknüpfende Eingänge auftreten. Auch mehrere logische Glieder können zu einer Einheit zusammengefasst werden. Elektronische Steuerungen. Geräte, die auf der Grundlage von (beliebig vielen) Eingangssignalen durch logische Verknüpfungen (beliebig viele) gewünschte Ausgangssignale und somit gewünschte Reaktionen hervorrufen, nennen wir Steuerungen. Dabei unterschieden wir zwei verschiedene Arten, die verbindungs- und die speicherprogrammierten Steuerungen. Die erstgenannten sind mit Gliedern nach Bild 7.82, die miteinander verbunden werden, aufgebaut. Sie zeigen ein durch diese Verbindung festgelegtes Verhalten der Ausgänge bei gegebenen Eingangsgrößen. Wird die Steuerungsaufgabe geändert, soll die Steuerung also auf die Eingangsgrößen anders als bisher reagieren, müssen die Verbindungen gelöst und muss eine andere Verdrahtung vorgenommen werden, was mitunter schwierig und auch teuer sein kann. Besitzt die Steuerung aber eine Einheit, die in der Lage ist, aus von uns z.B. in einem Speicher abgelegten und damit leicht veränderbaren Signalen eine von diesen Signalen abhängige Zuordnung der Ausgangs- zu den Eingangsgrößen, also eine gewünschte Reaktion oder ein gewünschtes Verhalten zu realisieren, verfügen wir über eine sehr flexible Steuerung, die leicht durch Verändern der im Speicher abgelegten Befehle umprogrammiert werden kann. Verbindungen sind bei diesen speicherprogrammierten Steuerungen nicht aufzutrennen. Wir kommen auf dieses Problem bei der Behandlung einer Mikrorechnersteuerung im Abschnitt 7.6.3.2 ausführlich zurück.
Aber zunächst wollen wir der Frage nachgehen, wie wir die logischen Elementarverknüpfungen elektronisch verwirklichen können.
7.5.4.1.2 Gatter Logische Verknüpfungen werden durch elektronische Bauelemente, meist Transistoren, hardwaremäßig realisiert. Diese Schaltungen heißen Gatter. Ein Gatter kann mehrere Elemente nach Bild 7.82 enthalten. Sie haben zwei (Ausnahme: NICHT) oder mehr Eingänge und in der Regel einen Ausgang. Die am meisten eingesetzten sind die NAND-Gatter, mit denen sich alle Steuerungsaufgaben lösen lassen. Sie enthalten entweder Bipolartransistoren (sog. TransistorTransistor-Logik TTL) oder Feldeffekttransistoren (sog. MOS- oder CMOS-Logik).
Ein NAND-Grundgatter in TTL-Logik zeigt Bild 7.83. Es besitzt zwei Eingänge mit den Eingangsspannungen ue1 und ue2 und einen Ausgang mit der Ausgangsspannung ua. Der Eingangstransistor verfügt über zwei Emitteranschlüsse, die unabhängig voneinander betrieben werden können. Wenn mindestens eine der beiden Eingangsspannungen Null ist (Das schließt den Fall ue1 = ue2 = 0 ein !), wird die Emitterleitung dadurch auf das Potential der unteren Eingangsklemme (0 V) geschaltet. Da die Basisleitung des Zweiemittertransistors T1 über RB an der Versorgungsspannung + 5 V liegt, ist die Basis (p-Gebiet!) positiv gegenüber dem Emitter (n-Gebiet!). Die Emitterdiode befindet sich somit im Durchlasszustand. Folglich ist die Basis-Emitterspannung relativ klein, d.h. das p-Gebiet der Basis negativ in bezug auf das n-Gebiet des Kollektors.
204
7 Elektronik
Bild 7.83
NAND-Gatter
Die Kollektordiode befindet sich im Sperrzustand. Der Transistor T2, der in der Kollektorleitung von T1 liegt, wird nicht angesteuert, ist folglich gesperrt. Über RC fließt kein (bzw. nur ein sehr geringer) Strom und es ist somit ua ≈ 5 V (Zustand „1“ oder „High“). Für den Fall, dass beide Eingangsspannungen 5 V betragen, wird die Emitterdiode gesperrt und dadurch wird das Basispotential so stark angehoben, dass T2 durchgeschaltet werden kann. An dem Kollektorwiderstand RC fällt fast die gesamte Betriebsspannung ab, so dass ua ≈ 0 wird (Zustand „0“ oder „Low“). Wir fassen zusammen: Für die drei Fälle, dass mindestens eine der Eingangsspannungen Null („0“) ist, ist die Ausgangsspannung 5 V („1“). Für den übrigbleibenden Fall, dass beide Eingangsspannungen 5 V („1“) sind, ist die Ausgangsspannung 0 V („0“). Das aber ist genau die Logik des NAND (s. Bild 7.82).
Bild 7.84
NOR-Gatter mit MOSFETs
Ähnliche Schaltungen lassen sich mit MOSFET-Gattern realisieren. Bild 7.84 zeigt ein entsprechendes NOR-Gatter, dessen Funktion leicht zu verstehen ist. Wenn mindestens eine der Eingangsspannungen vorhanden ist, wird mindestens einer der MOSFETs durchgeschaltet, die Ausgangsklemmen also kurzgeschlossen, was den Zustand „0“ für die Ausgangsspannung bedeutet. Nur für den Fall ue1 = ue2 = 0 V („0“) sind beide MOSFETs gesperrt und somit ua = 5 V („1“).
7.5 Informationselektronik
205
Die Störanfälligkeit der MOS-Logik ist gegenüber TTL geringer, da höhere Betriebsspannungen verwendet werden können. Besonders wichtig sind die CMOS-Gatter. Sie werden im Abschnitt 7.6.2.1 angesprochen, da sie in der Speichertechnik eine besondere Rolle spielen.
7.5.4.2 Sequenzielle Schaltungen 7.5.4.2.1 Kippschaltungen Schaltungen, die sägezahn- oder rechteckförmige Spannungen erzeugen können, nennen wir Kippschaltungen. Sie sind ebenfalls mit Transistoren, die im Schaltermodus arbeiten, aufgebaut. Wichtige Kippschaltungen stellen die Multivibratoren dar, deren prinzipieller Aufbau in Bild 7.85 gezeigt ist. Das Charakteristische für diese Schaltung ist, dass das Potential am Kollektor
Bild 7.85
Multivibrator, allgemein
eines Transistors über ein Koppelglied auf die Basis des anderen übertragen wird, wodurch man erreicht, dass, wenn der eine Transistor eingeschaltet, der andere zu dieser Zeit gerade ausgeschaltet ist. Denn wenn z.B. T2 Strom führt, sinkt sein Kollektorpotential. Dieser Potentialsprung wird über K1 auf die Basis von T1 übertragen, wodurch dieser gesperrt wird. Umgekehrt gilt das Gleiche, wenn T1 Strom führt. Aus diesem Verhalten leitet sich ab, dass immer, wenn ua1 = „1“ ist, ua2 = „0“ sein muss und umgekehrt: ua1 ist die Negation von ua2 und umgekehrt. Wie lange jeweils ein Transistor ein- oder ausgeschaltet ist, hängt von der Gestaltung der Koppelglieder K1 und K2 ab. Sind beide Kondensatoren, sprechen wir von einem astabilen, ist eines von beiden ein Widerstand, das andere ein Kondensator, von einem monostabilen und sind beide Koppelglieder Widerstände, von einem bistabilen Multivibrator. Astabiler Multivibrator. Die Rückkopplung über die Kondensatoren ist so gestaltet, dass die Schaltung von selbst schwingt. Es ist deshalb kein Eingangssignal ue erforderlich. Selbstschwingen heißt, dass die Schaltung zwischen den Zuständen T1 „aus“, T2 „ein“ und T1 „ein“, T2 „aus“ ständig selbsttätig hin- und herpendelt. Dabei kann die Zeit für die Aufrechterhaltung eines solchen Zustandes über die Dimensionierung der eingesetzten Bauelemente beeinflusst werden. Bild 7.86 a zeigt eine Variante möglicher Ausgangsspannungen für jeweils gleiche Einschaltzeit der Transistoren. Solche Schaltungen werden zur Erzeugung von Rechteckimpulsen verwendet. Im
206
7 Elektronik
Bereich größerer Leistungen nennt man sie Rechteckgeneratoren, werden sie aber z.B. für die Vorgabe des Zeittaktes für mikroelektronische Schaltungen eingesetzt, Taktgeber oder Taktgeneratoren.
Bild 7.86
Multivibratorsignale a) astabiler b) monostabiler c) bistabiler Multivibrator
Monostabiler Multivibrator. Diese Schaltung hat eine stabile Lage, z.B. T1 aus- und T2 eingeschaltet. Die andere Lage der Schaltung, T1 ein- und T2 ausgeschaltet, kann nur durch einen Eingangsimpuls ue herbeigeführt werden und das auch nur für kurze Zeit, denn die Schaltung kehrt selbsttätig wieder in den Ausgangszustand zurück. Bild 7.86 b zeigt das Zeitschema der entstehenden Impulse. Wir sehen, dass hier ein kurzer Impuls in einen langen verwandelt werden kann. Demzufolge ist dieser Multivibratortyp als Impulsformer einsetzbar. Bistabiler Multivibrator. Er hat zwei stabile Lagen. Das Umschalten von der einen in die andere muss durch einen Eingangsimpuls erfolgen. Solange kein weiterer Eingangsimpuls folgt, bleibt die Schaltung in dieser Lage, ansonsten geht sie in den anderen Zustand über. Bild 7.86 c zeigt die Impulse. Wir erkennen, dass mit jeder positiven Flanke des Eingangsimpulses das Umsteuern der Transistoren erfolgt. Der bistabile Multivibrator wird auch RS-Flipflop genannt. Er ist so wichtig für die Digitalelektronik, dass er im nächsten Abschnitt ausführlicher behandelt wird. 7.5.4.2.2 Flipflops RS-Flipflop. Bild 7.87 a zeigt sein Schaltbild, Bild 7.87 b sein logisches Schaltsymbol.
a)
Bild 7.87
b)
RS-Flipflop a) Schaltbild b) Symbol
7.5 Informationselektronik
207
Das Verhalten dieses Flipflop ist folgendermaßen darstellbar (Wir verwenden, wie allgemein üblich bei solchen Darstellungen, statt „0“ „L“ für 0 V und statt „1“ „H“ für 5 V): R = H und S = L R = L und S = H R = L und S = L
ergibt ergibt ergibt
Q = L (Q = H) Q = H (Q = L) keine Änderung gegenüber dem vorangegangenen Zustand
Die verbleibende Möglichkeit R = H und S = H wird vermieden, da sich in diesem Falle kein eindeutiger Zustand des Flipflop einstellt. Die drei anderen Zustände können beliebig herbeigeführt werden durch entsprechende Belegung der Eingänge R und S. Allein wichtig am Verhalten des RS-Flipflop ist folgendes: unabhängig vom vorangegangenen Zustand nimmt der Ausgang Q immer dann den Wert H an, wenn S = H ist. Geht S auf L zurück, ändert sich nichts. Es bleibt Q = H. S = H muss also nur kurzzeitig, z.B. als (5 V-) Impuls wirken, um Q = H zu erzielen. Weiter: unabhängig vom vorangegangenen Zustand nimmt der Ausgang Q immer dann den Wert L an, wenn R = H ist. Geht R auf L zurück, ändert sich nichts. Es bleibt Q = L. R = H muss nur kurzzeitig bestehen, um Q = L zu erzielen. Die Herbeiführung von Q = H durch S = H heißt Setzen, die Herbeiführung von Q = L durch R = H heißt Rücksetzen des RS-Flipflop. Wir können somit den Q-Ausgang des RS-Flipflop als eine Binärstelle mit dem Informationsgehalt von einem Bit auffassen. Legen wir an den S-Eingang Spannung, wird Q = H, legen wir an den R-Eingang Spannung, wird Q = L. Wir können in diese Binärstelle also über die Eingänge entweder H bzw. 1 oder L bzw. 0 schreiben und ihr damit einen Informationsgehalt geben. Wir können andererseits durch Messen der Spannung an Q den Inhalt dieser Binärstelle lesen. Ein Flipflop kann also beschrieben und gelesen werden. Das aber ist gerade die Eigenschaft, die wir von einem Speicher verlangen. Das Flipflop bildet eine Speicherzelle von 1 Bit, acht nebeneinander angeordnete Flipflops einen Speicherplatz von 8 Bit oder 1 Byte. Statische RAM-Speicher (SRAM) bestehen aus Flipflops. Der Inhalt der Speicherzelle geht verloren, wenn die Versorgungsspannung abgeschaltet wird (flüchtiger Speicher, s. auch Abschnitt 7.6.3.1), denn dann ist das Flipflop ohne Spannung. Delay- oder D-Flipflop. Dieser Typ ist ein so genanntes taktflankengesteuertes Flipflop (Bild 7.88a)). Es besitzt zwei Eingänge, einen Informationseingang D (im Symbol 1D) und einen Takteingang C (C1) sowie die Ausgänge Q und Q . Der Takt wird durch Rechteckimpulse bestimmter Frequenz gebildet.
Ein taktflankengesteuertes D-Flipflop schaltet im Moment der Anstiegs- (L/H-Sprung) oder im Moment der Abfallflanke (H/L-Sprung) des Taktes die am Eingang D liegende Information auf den Ausgang Q und hält sie dort bis zum Eintreffen der nächsten Flanke. Zwischenzeitliche Änderungen am D-Eingang bleiben ohne Wirkung. Jetzt können wir uns die Funktionsweise eines mit der Anstiegsflanke L/H schaltenden D-FFs am Beispiel des aus ihnen aufgebauten Schieberegisters nach Bild 7.88 klar machen: Am Eingang E der Schaltung wird ein aus 4 Bit bestehendes serielles Digitalsignal eingespeist. Zu Beginn (t < t1) sind alle D-FFs zurückgestellt, führen Low-Potential. Mit dem LH-Sprung des
208
7 Elektronik
Bild 7.88
Schieberegister a) Aufbau mit D-FFs b) Impulsdiagramm für die Dualzahl 1011
ersten Taktimpulses wird das zu diesem Zeitpunkt an E anliegende H-Potenzial auf den Ausgang Q1 geschaltet (Q1=H bzw. Q1=1). Dort wird es so lange gehalten, bis die zweite Taktanstiegsflanke eintrifft, die das dann an E vorhandene L-Potential auf den Ausgang schaltet, so dass von hier ab Q1 = L bzw. Q1 = 0 gilt usw.. Da der Takt aus nur vier Impulsen besteht, ändert sich ab dem Zeitpunkt t4 nichts mehr, d.h. alle Zustände auf den Ausgängen Q1 bis Q4 bleiben ab dieser Zeit erhalten. Zur Konstruktion des Signalverlaufs auf den Leitungen Q2 bis Q4 beachten wir, dass der Ausgang eines bestimmten D-FF jeweils den Eingang des folgenden bildet. Deshalb wird mit der Anstiegsflanke des zweiten Taktimpulses das (zu diesem Zeitpunkt noch vorhandene) H-Potenzial an Q1 auf den Ausgang Q2 geschaltet usw.. Analoges gilt für die restlichen Kanäle. Nach dem vierten Taktimpuls stehen an den Ausgängen Q1 bis Q4 alle vier Bits des Eingangssignals E gleichzeitig, d.h. in paralleler Form zur Verfügung, und können beispielsweise zur Zeit tL von einem Digitalrechner gelesen werden. Das einlaufende serielle 4-Bit-Signal wurde in ein paralleles 4-BitSignal umgewandelt. Umgekehrt können durch solche Schaltungen auch parallele Codewörter in serielle umgewandelt werden. Diese Serien-Parallel- und Parallel-Serien-Umsetzung spielt eine große Rolle bei der Anwendung von Mikrorechnern in der Mess- und Regelungstechnik. Der digitale Datenaustausch zwischen Rechner und angeschlossenen Geräten erfolgt heute meist mittels serieller Übertragung der Bits, was sich schon aus Gründen der Materialökonomie anbietet, denn dafür sind um ein Vielfaches weniger Leitungen im Vergleich zur parallelen Übertragung erforderlich (vgl. Bild 7.77). Der Mikrorechner verarbeitet jedoch nur parallele Signale, so dass sich an den Schnittstellen zur Geräteperipherie immer die Notwendigkeit der Umsetzung serieller in parallele Signale ergibt und umgekehrt. An den Signalverläufen auf den Leitungen Q1 bis Q4 erkennt man, dass die an E anliegende Nachricht durch die D-FF-Kette „geschoben“ wird, wo der Name Schieberegister für diese Anordnung herrührt. Weiterhin können wir feststellen, dass die Informationen auf den Ausgängen verzögert in Bezug auf die Eingänge auftreten, was für die Synchronisation von Vorgängen genutzt werden kann.
7.5 Informationselektronik
209
JK-Flipflop. Dieses nach dem US-amerikanischen Ingenieur Jack Kilby benannte Flipflop ist ebenfalls taktflankengesteuert. Es besitzt neben dem Takteingang C zwei weitere, nämlich J und K. Die hier anliegenden Signale werden durch den Takt miteinander kombiniert, so dass beabsichtigte Pulsmuster am Ausgang Q erscheinen. In dem in Bild 7.89 a) dargestellten Fall des permanenten Anliegens des H-Potentials an den Eingängen J und K arbeitet das JK-FF wie folgt:
Der Ausgang eines jeden JK-FFs wird immer dann umgeschaltet (d.h. von L auf H oder von H auf L), wenn die Abfallflanke des ansteuernden Impulses am Eingang C eintrifft. Zur Demonstration der Funktionsweise solcher Flipflops betrachten wir beispielhaft den mit drei JK-FFs bestückten Impulszähler im Bild 7.89. (Zum Einsatz von Zählern s. die Abschnitte 10.5.4, 10.6.2 und 10.6.4).
Bild 7.89
Asynchroner 3-Bit-Dualzähler a) Aufbau mit JK-FFs b) Zeitdiagramm für 7 Zählimpulse
Es handelt sich hier um einen 3-Bit-Dualzähler, für den drei JK-FFs erforderlich sind. Bild 7.89 b) stellt die am Impulseingang C des ersten Flipflops einlaufenden und zu zählenden Impulse sowie die Signale an den Ausgängen Q1 bis Q3 dar. Vor Einlaufen der Impulse sind die Ausgänge der JK-FFs zurückgesetzt und führen L-Potenzial (Q1 = Q2 = Q3 = 0). Mit der Rückflanke des ersten Impulses wird der Ausgang Q1 auf H-Potenzial (1) geschaltet. Er behält diesen Zustand so lange bei, bis die nächste Rückflanke über C eintrifft. Bis zu diesem Zeitpunkt ist Q1 = 1, Q2 = Q3 = 0, was die Dualzahl 001 (dezimal 1) bedeutet, da bis hierher ein Impuls eingetroffen ist. Die Rückflanke des zweiten Eingangsimpulses schaltet Q1 wieder auf L und der so entstehende H/LSprung an Q1 veranlasst das zweite JK-FF zur Annahme des Potenzials H auf seinem Ausgang Q2. Die Belegung der Ausgänge ist jetzt Q1 = 0, Q2 = 1, Q3 = 0, also 010 (dezimal 2), denn es sind bis dahin zwei Impulse eingetroffen. Die Rückflanke des dritten Impulses schaltet Q1 wieder auf H. Das bleibt ohne Einfluss auf Q2, denn nur eine Rückflanke an Q1 kann das Umschalten bewirken. Wir haben also jetzt die Belegung Q1 = Q2 = 1, Q3 = 0, somit die Dualzahl 011 (dezimal 3), denn es sind inzwischen drei Impulse eingetroffen usw. usf.. Wir sehen, dass dieser Zähler bis zur Belegung Q1 = Q2 = Q3 = 1 (dual 111, dezimal 7) zählen kann. Allgemein gilt bei n Flipflops für die größte darstellbare Zahl: 2n – 1. Der beschriebene Zähler heißt asynchron, weil jedes JK-FF vom jeweils davor liegenden gestellt wird. Bei einem synchronen Zähler werden alle Impulseingänge gleichzeitig vom gleichen Signal gespeist.
210
7 Elektronik
Der in Bild 7.89 dargestellte Zählertyp arbeitet als Vorwärtszähler. Benutzen wir die negierten Ausgänge, arbeitet er als Rückwärtszähler. Anhand des Bildes 7.89 b) stellen wir fest, dass die Frequenz der Impulse an Q1 die Hälfte, an Q2 ein Viertel und an Q3 ein Achtel der Eingangstaktfrequenz beträgt. Der Zähler ist deshalb als Frequenzteiler einsetzbar. Ein Beispiel wäre die Heruntersetzung einer quarzstabilisierten (hohen) Frequenz auf den Sekundentakt einer Uhr.
7.6 Mikroelektronik 7.6.1 Schaltungsintegration Wie auf anderen Gebieten hat es auch bei den elektronischen Bauelementen Bestrebungen gegeben, die mit ihnen aufgebauten Schaltungen auf immer kleinerem Raum zu konzentrieren, sie also kompakter zu gestalten. Insbesondere wurden in den 50er Jahren einige Technologien, wie z.B. Modul- und Zwergröhrentechnik oder die so genannten Dick- oder Dünnschichtschaltungen eingeführt, die teilweise beträchtliche Erfolge erzielten. Der entscheidende Durchbruch gelang aber erst Anfang der 60er Jahre, als sich der US-amerikanische Physiker Robert Noyce die Idee patentieren ließ, Transistoren nicht mehr als Einzelhalbleiterbauelemente herzustellen, sondern mehrere Elemente auf einer gemeinsamen Siliziumscheibe unterzubringen. Dabei sind in einem einzigen Halbleiterkristall viele Transistoren nebeneinander angeordnet und über die im Halbleiter vorhandenen leitfähigen Bahnen miteinander verbunden. Auf diese Weise werden ganze Schaltungskomplexe, z.B. komplette Verstärker, realisiert. Neben der Kompaktheit solcher Schaltungen liegen weitere Vorteile auf der Hand. Die Bauelemente sind dicht nebeneinander angeordnet, was zu einer Verkürzung der Signallaufzeiten und damit zu schnelleren Schaltungen führt. Die Leistungsaufnahme ist klein, die Zuverlässigkeit extrem hoch, weil die bisherigen Lötverbindungen, die meist Ursache für Defekte in den Schaltungen waren, wegfallen. Außerdem ist es unmöglich, dass beispielsweise ein Fremdkörper (Staub u. Ä.) in den Halbleiter eindringen und dessen Funktion stören kann.
Bild 7.90
Bauelemente-Realisierung auf Halbleiterchips
Diese Technik hat zu einer Revolution auf dem Gebiet der Elektronik und in der Folge auf nahezu allen Gebieten der menschlichen Tätigkeit geführt. Die heutige Welt der Computer ist ein Ergebnis dieser Entwicklung. Sie wären ohne die Schaltungsintegration, wie die Zusammenfassung von elektronischen Bauelementen zu kompletten Schaltungen in einem einzigen Halbleiterkristall, dem Chip, genannt wird, nicht möglich. Die Elemente, die von diesem Chip mit den nach außen führenden Anschlussleitungen und dem Gehäuse gebildet werden, heißen Integrierte Schaltkreise (IS). Die ihnen zugrunde liegende Technologie ist die Mikroelektronik. Dabei werden in die Schaltkreise nicht nur Transistoren, sondern auch Dioden, Widerstände und Kondensatoren eingebracht.
7.6 Mikroelektronik
211
Bild 7.90 zeigt die entstehenden Strukturen. In aufeinanderfolgenden Prozessschritten werden die p- und n-Gebiete in der Si-Scheibe erzeugt. Die gesamte Chip-Oberfläche wird durch eine SiO2Schicht passiviert. Die p-Zone, die an die Anschlüsse für den Widerstand gelegt ist, kann bezüglich Breite, Länge und Leitfähigkeit (Löcherkonzentration) in engen Grenzen beeinflusst und zwischen den Anschlüssen A1 und A2 ein eng tolerierter Widerstandswert realisiert werden. Beim Kondensator schließen die auf die SiO2-Schicht aufgebrachte metallische Elektrode und das darunterliegende n-Gebiet die isolierende SiO2-Schicht, die das Dielektrikum bildet, ein. Dicke der Schicht und Größe der leitfähigen Flächen bestimmen die Größe der Kapazität des Kondensators (s. Gl. 1.45). Schließlich erhalten wir die Strukturen von Diode und Transistor, die wir bereits für das Bauelement in diskreter Ausführung anhand der Bilder 7.14 und 7.24 diskutiert haben. Die Chips werden mit den äußeren Anschlüssen verbunden und das Ganze wird mittels Kunststoff verpresst. Auf diese Weise entstehen Schaltkreise mit dem äußeren Aussehen nach Bild 7.91.
Bild 7.91
Integrierte Schaltkreise (Werkfoto Siemens)
Wenn auch der Transistor in Bild 7.90 in Bipolarstruktur dargestellt ist, müssen wir doch bemerken, dass insbesondere bei hochkomplexen Schaltkreisen wie Speichern und Prozessoren vorwiegend MOS-Technologien zur Anwendung kommen. Die Anzahl der auf einem Si-Chip (Fläche etwa 6...8 mm2) untergebrachten Bauelemente ist der Integrationsgrad. Er hat sich von anfangs etwa 20...30 auf Werte um mehrere Millionen gesteigert. Diese Entwicklung ist besonders dramatisch bei den Mikroprozessoren und den Halbleiterspeichern verlaufen. Auf den Chips der bekannten Prozessoren Pentium, Celeron oder Athlon befinden sich beispielsweise mehrere Millionen Transistoren. Schaltungen, für die man heute Flächen von der Größenordnung mm2 benötigt, beanspruchten vor einigen Jahrzehnten noch die Größenordnung m2, woraus im Mittel eine Reduzierung um den Faktor 106 folgt. Die Zentraleinheit des ersten elektronischen Rechners der Welt, ENIAC (Electronic Numerical Integrator and Computer), der gegen Ende des zweiten Weltkrieges in den USA mit rund 18 000 Röhren, 10 000 Kondensatoren u.a. Elementen gebaut wurde, beanspruchte einen Raum von der Größe eines mittleren Versammlungssaales. Beim heutigen Stand der Mikroelektronik findet eine entsprechende Einheit bequem auf der Handfläche eines Menschen Platz. Die gleiche Tendenz findet man bei den Preisen. Während vor etwa 30 Jahren ein durchschnittlicher Prozessrechner für die Steuerung von Produktionsprozessen ohne periphere Einrichtungen noch hunderttausende von DM (nicht selten eine Mio.) kostete, ist er heute für einige 100 Euro und weniger zu haben. Der weitaus geringere Stromverbrauch, die wesentlich höheren Zuverlässigkeits- und Verfügbarkeitswerte sowie der unvergleichlich kleinere Platzbedarf sind dabei gar nicht eingerechnet. Die heutige dezentrale Automatisierungstechnik, die aus Zuverlässigkeitsgründen möglichst jedem Aggregat in einem komplizierten Prozess (chemische Industrie, Verfahrens- und Kraftwerkstechnik) einen Rechner zuordnet, wäre aus Kostengründen früher nicht möglich gewesen.
212
7 Elektronik
Bisher haben wir alle Bauelemente für den Aufbau elektronischer Schaltungen (z.B. Verstärker, Operationsverstärker, Logikbausteine, Flipflops usw.) als Einzel-, als sog. diskrete Bauelemente gesehen und behandelt. In dieser Form werden Schaltungen teilweise auch noch aufgebaut. In der Regel wird man aber eine Schaltung bestimmter Eigenschaften als Schaltkreis verwenden, z.B. einen kompletten Operationsverstärker, einen Videoverstärker, eine Ansteuerschaltung für einen Thyristor oder auch Gatterschaltkreise mit den Verknüpfungsschaltungen nach Abschnitt 7.5.4.1.1 zum Aufbau einer Steuerung. Früher als Geräte (z.B. Verstärker) bezeichnete elektrische oder elektronische Einrichtungen sind heute dem Wesen nach Bauelemente (z.B. Verstärkerschaltkreis). Dieser Trend zu integrierten Schaltkreisen gilt in starkem Maße für die Informations- und Nachrichtenelektronik mit ihren relativ kleinen Spannungen und Strömen. In der elektrischen Energietechnik werden dagegen vorwiegend Einzeltransistoren, -dioden und -thyristoren eingesetzt, da die hohen Spannungen und Ströme in den meisten Fällen eine weitgehende Integration nicht zulassen.
7.6.2 Schaltkreisfamilien Verstärkerschaltungen sind, wie wir gesehen haben, analoge Schaltungen. Deshalb werden entsprechende Schaltkreise auch analoge Schaltkreise genannt. Schaltkreise mit Logikgattern, Speichern, Mikroprozessoren u. Ä., in denen die Transistoren als Schalter arbeiten und die infolgedessen nur die beiden Zustände logisch „0“ und „1“ kennen, heißen digitale Schaltkreise. Im Laufe der Entwicklung haben sich bei ihnen verschiedene Konzepte herausgebildet, die Schaltkreisfamilien genannt werden. Dabei sind zwei große Gruppen zu unterscheiden, die bipolaren und die MOS-Schaltkreisfamilien, die sich wieder in Untergruppen teilen. Jede Familie besitzt bestimmte technische Eigenschaften wie z.B. Leistungsaufnahme und Arbeitsgeschwindigkeit. Die wichtigsten Vertreter der Bipolarfamilie sind DTL-(Dioden-Transistor-Logik), TTL(Transistor-Transistor-Logik) und ECL-Schaltkreise (Emittergekoppelte Logik). Am weitesten verbreitet sind die TTL-Schaltkreise. Viele digitale Schaltungsaufgaben lassen sich mit ihnen elegant lösen. Außerdem sind sie hoch belastbar. Höchste Schaltfrequenzen und kürzeste Schaltzeiten gestatten die Schaltkreise der ECL-Familie. Die wichtigsten Vertreter der MOS-Familie sind die Einkanal-MOS- (nMOS oder pMOS, s. Abschn. 7.3.3.2) und die CMOS-Familie. Die Bedeutung der MOS- Familien hat gegenüber den Bipolarfamilien in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Mit einer weiteren Zunahme ist zu rechnen. Hauptgründe dafür sind die größere Störsicherheit (Wegen der höheren Betriebsspannungen liegen H- und L-Pegel weiter auseinander. Sie sind somit besser unterscheidbar) und die leichtere Schaltungsintegration der MOS-Technik. Zur Herstellung sehr schneller Prozessoren, bei denen die notwendige Aufladung der GateKapazität bei den MOSFETs hinderlich wäre, setzt man oft Bipolarschaltkreise ein. In der Regel reichen aber auch hier die dynamischen Eigenschaften der MOS-Technik aus, so dass das Gebiet der Mikrorechentechnik sowohl bezüglich Speichern als auch bezüglich Prozessoren von den MOS-Schaltkreisen dominiert wird. Von besonderer Bedeutung sind die CMOS-Schaltkreise (Complementary MOS) wegen ihrer geringen Leistungsaufnahme (besonders wichtig für batteriebetriebene Geräte, z.B. Uhren) und der in weiten Grenzen wählbaren Betriebsspannung, die das komplikationslose Zusammenarbeiten mit den weit verbreiteten TTL-Schaltkreisen möglich macht (Wir sprechen hier von TTLKompatibilität der CMOS-Schaltkreise).
7.6 Mikroelektronik
Bild 7.92
213
CMOS- Inverter
Den Aufbau eines CMOS-Schalters zeigt Bild 7.92. Er besteht aus einem n-Kanal- (T1) und einem p-Kanal-Transistor (T2), beide vom Anreicherungstyp. Bei ue ≈ UB (logisch „1“) ist T1 leitend und T2 gesperrt, d.h. ua ≈ 0 (logisch „0“), bei ue = 0 (logisch „0“) ist es umgekehrt, also ua ≈ UB (logisch „1“). Der Schalter erfüllt somit die logische Funktion eines NICHT-Gliedes (Inverter). Im Ruhezustand fließt, da jeweils einer der beiden Transistoren gesperrt ist, so gut wie kein Strom. Ein merklicher Leistungsverbrauch tritt nur während des Umschaltens auf. Eine CMOS-Stufe nach Bild 7.92 ist folglich für die Binärstelle eines Halbleiterspeichers eine besonders günstige Speicherzelle.
7.6.3 Mikroprozessoren und Mikrorechner 7.6.3.1 Komponenten des Mikrorechnersystems Wir erinnern uns an den Abschnitt 7.5.4.1.1, in dem wir uns klargemacht haben, was eine Steuerung darstellt und welche Aufgaben sie erfüllt. Wir wollen nun einem Mikrorechnersystem die Aufgabe übertragen, einen industriellen Prozess zu steuern. Aus den dann an ihn gestellten Forderungen leiten wir seinen notwendigen inneren Aufbau und das erforderliche Zusammenspiel seiner Komponenten ab. Wir betonen hier den Einsatz des Mikrorechners als Prozessrechner, weil uns in diesem Buch in erster Linie sein Eingriff in technische Prozesse, z.B. als Regelungsrechner, interessiert. Da der Mikrorechner programmiert werden kann, können wir mit ihm eine programmierbare, genauer, eine speicherprogrammierbare Steuerung, wie wir zeigen werden, realisieren. Die Lösung einer Steuerungsaufgabe verlangt zunächst, dass Prozesssignale über Eingänge aufgenommen werden und dass nach ihrer Verarbeitung entsprechende Einwirkungssignale auf den Prozess an Ausgängen zur Verfügung stehen. Weiterhin benötigen wir Speicher, in denen wir das Programm, welches die Vorschrift, in welcher Weise der Rechner die Prozesseingangssignale miteinander verknüpfen soll, enthält und wo wir andere Signale ablegen können (z.B. das Ergebnis von Zwischenrechnungen). Darüber hinaus brauchen wir noch eine dritte Komponente, die vielerlei „können“, also sehr „intelligent“ sein muss. Sie sollte in der Lage sein, logische Verknüpfungen beliebiger Art und Rechenoperationen wie Addieren und Subtrahieren zu bewerkstelligen sowie im Programm kodierte Befehle zu entschlüsseln und auszuführen. Außerdem sollte es ihr möglich sein, alle im Innern stattfindenden Vorgänge zu koordinieren. Diese Komponente ist der Prozessor (auch CPU, Central Processor Unit) der Anlage. Damit haben wir die drei notwendigen Komponenten des Rechnersystems, nämlich Ein-/Ausgabe-Komponenten, Speicher und den Prozessor, ermittelt. Um eine Zusammenarbeit zwischen ihnen zu ermöglichen, müssen sie über elektrische Leitungen miteinander verbunden werden.
214
7 Elektronik
Dabei handelt es sich um ein ganzes Bündel von Leitungen, die wir unter dem Begriff Systembus zusammenfassen. Dieser setzt sich aus den Bussen für die Übertragung von Adressen, von Daten und von Steuersignalen zusammen (s. Bild 7.93). Über die Leitungen des Adressbusses werden die gewünschten Plätze eines Speichers und die gewünschten E/A-Schaltkreise durch den Prozessor, wenn er sie lesen oder neu beschreiben will, angesprochen. Da der Signalfluss hier also stets vom Prozessor zum Speicher oder E/A-Schaltkreis verläuft, nennen wir den Adressbus einen unidirektionalen Bus. Er kann z.B. aus 16 Leitungen bestehen.
Bild 7.93
Grobstruktur eines Mikrorechnersystems
Ist ein Speicherplatz angesprochen, wird ein Datensignal entweder vom Prozessor zu diesem Speicherplatz transportiert (Beschreiben des Speicherplatzes) oder vom Speicher in den Prozessor geholt (Lesen des Speicherplatzes). In beiden Fällen werden die Daten über den Datenbus übertragen. Er ist demzufolge ein bidirektionaler Bus und besteht bei einem 8-Bit-Prozessor aus 8 Leitungen. Der Steuerbus umfasst alle Signalleitungen, die für die Steuerungsprozesse im Mikrorechnersystem zuständig sind. Dabei kann der Signalfluss in beiden Richtungen erfolgen. Die Anzahl der Steuerleitungen hängt von der Komplexität der Rechnerstruktur ab. Mit den drei Bussen ergibt sich die Grobstruktur des in Bild 7.93 dargestellten Mikrorechnersystems. Jeder Rechner hat diese Struktur und kann deshalb zu Steuerungsaufgaben herangezogen werden. Wir erörtern hier aber nur Mikrorechner, bei denen die Komponenten aus Halbleiterschaltkreisen bestehen. Wir sprechen deshalb von Ein-/Ausgabe-, Speicher- und Mikroprozessorschaltkreisen. Ein Mikrorechnersystem besteht mindestens aus einem Prozessor, aus Speicher- und E/ASchaltkreisen und aus dem alle Einheiten verbindenden Systembus, der sich seinerseits aus dem Daten-, Adress- und Steuerbus zusammensetzt. Ein-/Ausgabe-Schaltkreise. Der Eingabeteil (Eingabeport) eines E/A-Schaltkreises hat die Aufgabe, ein digitales Prozess-Eingangssignal zwischenzuspeichern, um es für die Abfrage durch den Prozessor bereitzuhalten. Der Ausgabeteil (Ausgabeport) hat demgegenüber die Aufgabe, ein vom Prozessor kommendes Digitalsignal zwischenzuspeichern, um es für die Ausgabe an den Prozess bereitzuhalten.
Bild 7.94 zeigt die Anschaltung des E/A-Schaltkreises an die CPU. Ein vom Prozess kommendes digitales Eingangssignal wird im Eingabeport A (8 Bit) abgelegt. Jedes Bit wird über je eine Datenleitung, d.h. alle Bits über einen 8-Bit-Datenbus, in die CPU transportiert, dort bearbeitet und
7.6 Mikroelektronik
215
das Ergebnis wiederum über den Datenbus in das Ausgabeport B (ebenfalls 8 Bit) transportiert und dort eingeschrieben. Die Ports sind programmierbar, d.h. sie können als Ein- und/oder Ausgabeports arbeiten. Da meist mehrere Prozessgrößen in den Prozessor ein- oder von ihm ausgegeben werden, sind dementsprechend mehrere E/A-Schaltkreise vorhanden, die über den Adressbus angesprochen werden. Alle notwendigen Steueroperationen werden über die Leitungen des Steuerbusses abgewickelt. Ein sehr häufig in industriellen Mikrorechnersystemen eingesetzter E/A-Schaltkreis ist der Typ 8255 (Intel). Er hat drei Ports: A (8 Bit), B (8 Bit) und C (2×4 Bit). Port C ermöglicht die Einund Ausgabe einzelner Bits oder von Steuersignalen. Die Ports A und B arbeiten im Byte-E/AModus. Ob Bits oder Bytes ein- oder ausgegeben oder ob im Port C zusätzliche Steuerleitungen aktiviert werden, wird durch den Prozessor jeweils programmiert. Solche Schaltkreise heißen deshalb PPI (Programmable Peripheral Interface) oder auch PIO (Parallel Input Output), sofern sie bit-parallel arbeiten.
Bild 7.94
Anschaltung eines E/A – Schaltkreises (PIO) an die CPU
Es gibt auch Schaltkreise, die vom Prozessor kommende Parallelsignale in serielle umwandeln, um sie in dieser Form an andere Einheiten des Rechnersystems abzugeben. Umgekehrt können sie serielle Signale über Datenleitungen empfangen und diese für die Eingabe in den Rechner in parallele umsetzen (s. Bild 7.88). Eine solche Betriebsweise wird z.B. beim Anschluss von Rechnern an das Datennetz der Bundespost, auf dem bitseriell übertragen wird, angewendet. Zu den E/A-Schaltkreisen rechnet man auch sog. Zeitgeberschaltkreise, die in der Lage sind, Impulse genau definierter Länge abzugeben. Dabei wird die Einstellung der Zeitdauer auch über einen Programmiervorgang, der vom Prozessor aus vorgenommen wird, realisiert. Speicherschaltkreise. Auf Speicherplätze muss der Prozessor ebenfalls über Adressen zugreifen. Deshalb ähnelt die Anschaltung der Speicher derjenigen der E/A-Schaltkreise, wenn man diese durch die jeweiligen Speicherschaltkreise ersetzt. In der Mikrorechentechnik gibt es verschiedene Halbleiterspeicher, denen verschiedene Aufgaben zugewiesen sind. Programm- oder Festwertspeicher. In Programmspeichern sind nicht löschbare und nicht veränderbare Informationen enthalten. Sie können nur gelesen und nicht beschrieben werden. Sie heißen deshalb ROM – Speicher (Read Only Memory). Sie sind sog. nichtflüchtige Speicher, d.h., sie verlieren ihren Inhalt nicht, wenn die Betriebsspannung abgeschaltet wird oder ausfällt. Aus
216
7 Elektronik
diesem Grunde werden sie zur Speicherung von Programmen und ständig benötigten Festwerten benutzt. Das Programm wird in der Regel durch den Hersteller des Speichers „eingebrannt“. Zu dem Zweck, dass der Benutzer selbst den Schaltkreis programmieren will, wurde der programmierbare ROM, der PROM, entwickelt. Er kann beim Anwender mittels eines speziellen Gerätes einmalig programmiert werden. Einen großen Fortschritt in der Halbleiterspeichertechnik bedeutete die Einführung löschbarer Festwertspeicher, die nach dem Löschvorgang neu programmiert werden können. Die Löschung wird entweder, wie beim EPROM durch Bestrahlung mit ultraviolettem Licht (Erasable Programable ROM) oder, wie beim EEPROM durch Anlegen von Spannungsimpulsen (Electrically Erasable Programable ROM) durchgeführt. EEPROMs sind zwar teurer als EPROMs, müssen aber beim Löschen oder Neuprogrammieren nicht von ihrem Steckplatz entfernt werden und sie besitzen den Vorzug, dass einzelne Speicherplätze gelöscht und neu beschrieben werden können, während bei EPROMs immer der gesamte Speicher gelöscht wird. Allerdings sind EEPROMs relativ langsame Speicher. Löschbare programmierbare Speicher haben den für die Steuerungstechnik großen Vorteil, dass das in ihnen abgespeicherte Programm an der Steuerung ausprobiert und bei auftretenden Fehlern jederzeit geändert werden kann und zwar solange, bis die Steuerung einwandfrei arbeitet. Eine neuere Entwicklung ist der Flash-ROM, bei dem der Speicherplatz aus nur einem Transistor besteht, so dass sich hohe Speicherdichten realisieren lassen. Als Hauptanwendungsgebiet zeichnet sich bei diesen Speichern die Telekommunikation ab. Datenspeicher. Es handelt sich hier um Speicher, die sowohl beschrieben als auch gelesen werden können. Sie heißen RAM (Random Access Memory) und sie eignen sich für einen Steuerungsrechner als Arbeitsspeicher, in den er z.B. Zwischenergebnisse ablegen und zu gegebener Zeit wieder lesen kann. Auch die Hauptspeicher von Personalcomputern sind RAM-Speicher. Man unterscheidet statische und dynamische RAM (SRAM und DRAM). SRAM speichern die binären Informationen in Transistorzellen, die als Flipflops geschaltet sind (s. Abschnitt 7.5.4.2.2). Beim DRAM wird die Information in der Gatekapazität eines Feldeffekttransistors als Ladung gespeichert. Da diese Ladung infolge unvollkommener Isolation abfließen kann, ist eine ständige „Auffrischung“ notwendig, die etwa alle 10 ms erfolgen muss. Diese Arbeit wurde in der Anfangszeit vom Prozessor durch so genannte „Refresh-Zyklen“ erledigt. Heute sind dafür in den DRAM-Schaltkreisen vorhandene On-Chip-Refresh-Generatoren zuständig. Da der DRAM im Gegensatz zum Flipflop des SRAM nur einen Transistor als Speicherzelle benötigt, sinkt der Platzbedarf für die Abspeicherung drastisch. Das ist der große Vorteil dynamischer RAM-Speicher. Es werden heute bereits Packungsdichten von über zehn Millionen solcher Speicherzellen auf einem Chip erreicht. SRAM sind allerdings um etwa den Faktor fünf bis zehn schneller als DRAM. Sie erreichen Zugriffszeiten bis herab zu fünf Nanosekunden. Sie sind aber teurer als DRAM, verbrauchen auch mehr Strom, benötigen jedoch keine Auffrischung. Vorteilhaft ist außerdem ihre geringe Störanfälligkeit. Allen RAM-Speichern gemeinsam ist die Tatsache, dass sie ihre gespeicherte Information verlieren, wenn die Betriebsspannung ausfällt. Sie sind flüchtige Speicher. Finden sie als Programmspeicher Verwendung, müssen sie durch Batterien gepuffert werden (batteriegestützter RAM). Deshalb beschäftigt man sich zunehmend mit der Entwicklung sog. NVRAM (Non Volatile RAM, nichtflüchtiger RAM). Sie sind die Kombination aus einem RAM und einem EEPROM. Fällt die Versorgungsspannung aus, sorgt ein generiertes Signal für die Abspeicherung der RAMDaten im EEPROM. Bei Wiederkehr der Spannung wird der EEPROM-Inhalt in den RAM zu-
7.6 Mikroelektronik
217
rückgeladen. So kann man die hohe Arbeitsgeschwindigkeit des RAM bei gleichzeitiger Sicherheit gegenüber Datenverlust voll ausnutzen. Weil heute viele Menschen mit Personalcomputern umgehen, wollen wir noch einige Bemerkungen zu den dort verwendeten Speichertypen machen. Der Arbeitsspeicher, in den das gerade genutzte Programm von der Festplatte, der Diskette oder CD-ROM geladen wurde, ist ein RAM-Speicher. Er muss während der Arbeit sowohl beschrieben als auch gelesen werden können. Fällt die Netzspannung aus, geht sein Inhalt verloren. Deshalb bemühen wir uns, z.B. bei der Textverarbeitung möglichst oft abzuspeichern oder durch den Rechner selbsttätig abspeichern zu lassen. Gewöhnlich geschieht das auf der Festplatte, die kein Halbleiter-, sondern ein Speicher auf magnetischer Basis ist. Unter den in jüngster Zeit besonders im Bereich der Personalcomputer eingesetzten DDR-RAM versteht man schnelle RAM-Speicher, die bei Pulsansteuerung Lese- oder Schreibaktivitäten sowohl bei der Anstiegs- als auch bei der Abfallflanke der Pulse auslösen, was der Name DoubleData-Rate-RAM zum Ausdruck bringen soll. Weiterhin enthält unser Personalcomputer eine Reihe von ROM-Speichern, die festgelegte, immer wieder vom Rechner benötigte Programme enthalten. Der bekannteste ist der BIOS-Baustein, der das einwandfreie Anlaufen des PC nach dem Einschalten unterstützt. Bei der Zusammenarbeit mit 8-Bit-Mikroprozessoren sind die Speicher byteorganisiert, d.h., jeder Speicherplatz enthält ein 8 Bit (= ein Byte) breites Digitalsignal. Besitzt ein Speicher 210 = 1024 solcher Plätze, sagen wir, er habe eine Speicherkapazität von 1 Kilobyte (1KByte). Dementsprechend stellen 211 = 2048 Plätze 2 KByte, 212 = 4096 Plätze 4 KByte usw. und 220 = 1 048 576 Speicherplätze 1 MByte (1 Megabyte) dar. Bei Anwahl einer Speicherzelle durch den Prozessor über den Adressbus kann das in dieser Zelle gespeicherte Byte gelesen und über den 8-Bit-Datenbus in den Prozessor transportiert werden. Wir müssen hier genau unterscheiden zwischen dem z.B. 16-Bit-Signal eines 16-Bit-Adressbusses, mit dem ein Speicherplatz angesprochen wird, und dem z.B. 8-Bit-Signal, das den Inhalt dieses Speicherplatzes bildet und über den 8-Bit-Datenbus in den Prozessor transportiert wird. Obwohl sie keine Halbleiterspeicher sind, führen wir der Vollständigkeit halber auch die optischen Massenspeicher CD (Compact Disc), DVD (Digital Versatile Disc) und neuerdings Bluray-disc (abgeleitet von blue ray, blauer Lichtstrahl, was sich auf den „blauen“ Abtastlaser bezieht) an. Ihr Fassungsvermögen reicht von 700 MByte bei der CD bis zu bemerkenswerten 50 GByte bei der Blu-ray-disc mit Dual-Layer-Beschichtung. Mikroprozessorschaltkreise. Aus der großen Zahl der Mikroprozessoren sind zwei große Familien hervorzuheben. Die eine entwickelte sich aus dem Typ 6800 von Motorola (Motorola, Hitachi, Valvo), die andere aus dem Typ 8080 von Intel (Intel, Siemens, AMD, NEC, Zilog). Beide verarbeiten parallel Digitalsignale mit 8 Bit Breite, was für viele Steuerungs- und Regelungsaufgaben in der industriellen Praxis ausreicht. Für Personalcomputer, Workstations oder Großrechner sind breitere Digitalsignale, z.B. 16, 32 oder 64 Bit erforderlich. Hier dominieren heute die Prozessoren Pentium, Celeron (Intel) und Athlon (AMD) mit Taktfrequenzen von mehreren Gigahertz.
Wir wollen jedoch an dieser Stelle den Aufbau und die Funktion eines in der Steuerungstechnik sehr häufig verwendeten 8-Bit-Prozessors erläutern. Dabei verzichten wir auf Details und beschränken uns auf das Wesentliche. Bild 7.95 zeigt ein Mikrorechner-Minimalsystem mit CPU, E/A-Schaltkreis und EPROMSpeicher. Die innere Struktur des Prozessors ist zwar stark vereinfacht dargestellt, enthält aber die
218
7 Elektronik
für das Verständnis seiner Arbeitsweise notwendigen Komponenten. Das Abarbeiten eines Programms läuft immer in den gleichen, sich ständig wiederholenden Schritten ab: 1. Ansprechen eines Speicherplatzes (hier EPROM) über den Adressbus. Die Adresse wird im Programmzähler gebildet und auf den Adressbus gelegt. 2. Holen des dort gespeicherten Befehls in das Befehlsregister der CPU über den Datenbus. 3. Entschlüsseln (Dekodieren) des Befehls. 4. Ausführen des Befehls. Nun wird der nächste Speicherplatz angesprochen, der nächste Befehl geholt usw.. Diesen Befehlszyklus müssen wir uns ständig vor Augen halten, um die Funktion des Mikroprozessors zu verstehen. Der Adressbus des Prozessors kann z.B. aus 16 Leitungen (16 Bit) bestehen, mit denen 216 = 65 536 verschiedene Adressen (Bitbelegungen) gebildet werden können. Somit kann der Prozessor alle Plätze eines 64 KByte-Speichers über seinen Adressbus direkt ansprechen. Da aber die E/A-Schaltkreise ebenfalls über den Adressbus angewählt werden, sind es etwas weniger. Wir wollen die Arbeitsweise eines solchen Prozessors kennenlernen, indem wir ihm die Aufgabe stellen, die Zahlen „5“ und „7“ zusammenzuzählen (Eine solche Aufgabe kann in abgewandelter Form auch bei einer Prozesssteuerung vorkommen). Dabei gehen wir davon aus, dass diese beiden Zahlen im Dualcode, d.h. als Digitalwerte, eingegeben mittels einer Tastatur, in den Ports des E/A-Schaltkreises stehen und zwar die „5“ im Port A, die „7“ im Port B. Die Flipflops des Ports A haben dann die Stellungen 0000 0101, die des Ports B 0000 0111.
Bild 7.95
Struktur der CPU und Anschaltung an E/A- und Speicher-Schaltkreis (in Klammern: Bits)
7.6 Mikroelektronik
219
Das von uns aufzustellende Programm zur Summation dieser beiden Zahlen muss folgendes leisten: 1. Zuerst ist die Dualzahl (der erste Summand) bzw. das digitale Signal aus dem Port A in den Akkumulator der CPU zu bringen, um es im Prozessor zur Bearbeitung zur Verfügung zu haben. Der Akkumulator ist ein 8-Bit-Speicher und kann deshalb das Digitalsignal vollständig aufnehmen. 2. Um den Akkumulator für Rechenoperationen frei zu halten, soll die Dualzahl anschließend in das Register D der CPU transportiert und dort zunächst aufbewahrt werden (Ein Register ist ein normaler Speicherplatz, der sich jedoch innerhalb des Prozessors befindet und auf den entsprechend schnell zugegriffen werden kann, hier: B, C, D, E, H, L, jeweils 8 Bit, realisiert durch 8 Flipflops). 3. Nun muss der zweite Summand, der im Eingabeport B steht, in den Akkumulator geholt werden. 4. Danach ist der Inhalt des Registers D zum Inhalt des Akkumulators zu addieren. 5. Schließlich muss das im Akkumulator stehende Ergebnis der Addition zum Port B des E/ASchaltkreises transportiert werden, wo es für die weitere Verarbeitung zur Verfügung steht. Beim Nachschlagen in der Befehlsliste des Mikroprozessors finden wir die Befehle, mit denen wir das Summationsprogramm entsprechend den eben dargestellten Schritten schreiben können. Vorher legen wir jedoch die notwendigen Adressen für den Programmspeicher und für die E/APorts fest. Der erste Befehl des Programms soll auf dem EPROM-Speicherplatz mit der Adresse Null stehen. Dieser wird angesprochen, wenn unser Programmzähler, der die 16-Bit-Adresse bildet, die Bitbelegung 0000 0000 0000 0000 auf dem Adressbus einstellt. Bei dem kurzen Programm, das wir realisieren wollen, rechnen wir mit nur wenigen Speicherplätzen. Damit ist klar, dass man das höherwertige Byte der Adresse, d.h. ihre ersten acht Bits nicht benötigt, weil sie alle stets mit der „0“ belegt sein werden. Deshalb notieren wir nur das niederwertige Byte der Adresse, also die Signalbelegung der letzten acht Leitungen des Adressbusses und lassen das höherwertige Byte einfach weg. Wir reservieren die Speicherplätze von 0 (Adressbus 0000 0000) bis 99 (Adressbus 0110 0011) für unser aufzustellendes Programm im EPROM und die Adressen 200 (1100 1000) und 201 (1100 1001) für die E/A-Ports, die erste für das Port A, die zweite für B. Wir werden für unser Programmierbeispiel den für Steuerungsaufgaben hervorragend geeigneten 8-Bit-Prozessor 8085 benutzen und wählen aus dessen Befehlsliste die Befehle aus, die für die Realisierung der oben angegebenen fünf Schritte notwendig sind: 1. IN n1
2. MOV D, A
Der Prozessor erhält die Anweisung: „Lade den Inhalt des Ports der Adresse n1 in den Akkumulator!“ Da wir den Inhalt des Ports A (= 0000 0101) in den Akkumulator bringen wollen, ist n1 = 1100 1000 = 200. Dieser Befehl ist ein 2Byte-Befehl. Das erste Byte enthält den Operationscode, d.h. die Codierung der Anweisung „Lade den Inhalt usw.“ (beim 8085: 1101 1011) und das zweite die Adresse n1. „Transportiere den Inhalt des Akkumulators A in das Register D!“ Nach Ausführung dieses 1-Byte-Befehls befindet sich die Zahl 5 aus dem Port A in dualer Codierung im Register D der CPU. Das Byte dieses Befehls hat die 8085Codierung 0101 0111.
220
7 Elektronik
3. IN n2
4. ADD D
5. OUT n2
„Lade den Inhalt des Ports der Adresse n2 in den Akkumulator!“ n2 = 1100 1001 = 201 ist die Adresse von Port B. Das ist wieder ein 2-Byte-Befehl. Das erste Byte ist mit dem ersten unter Punkt 1 identisch, denn es ist der gleiche Ladebefehl. Das zweite entspricht der Adresse n2. Die Zahl 7 befindet sich jetzt im Akkumulator (0000 0111). „Addiere den Inhalt des Registers D zum Akkumulatorinhalt!“ Das Ergebnis steht im Akkumulator. Dieser Befehl ist ein 1-Byte-Befehl. Seine duale Codierung ist 1000 0010. „Transportiere den Inhalt des Akkumulators zum Port mit der Adresse n2!“ Das ist die Adresse des Ports B. Damit befindet sich das Rechenergebnis (12 = 0000 1100) im Ausgabeport B des E/A-Schaltkreises entsprechend der Aufgabenstellung. Dieser Transportbefehl ist ein 2-Byte-Befehl. Das erste Byte hat die Codierung 1101 0011, das zweite ist n2.
Unser gesamtes Programm besteht somit aus drei 2-Byte-Befehlen (IN und OUT) und aus zwei 1Byte-Befehlen (MOV und ADD). Das sind zusammen acht Byte, die wir in unserem EPROM unterbringen müssen. Vorher jedoch ist es erforderlich, die Speicherplätze festzulegen, auf die wir die acht Befehle schreiben, d.h. wir müssen die EPROM-Adressen dieser Befehle festlegen. Im Prinzip ist es nur wichtig, dass die Speicherplätze hintereinander angeordnet werden. An welcher Stelle im Speicher sie sich befinden, ist zwar nicht unwesentlich, aber von untergeordnetem Interesse. Wir wählen sinnvollerweise die EPROM-Speicherplätze von Null (Adresse 0000 0000) bis Sieben (Adresse 0000 0111). Die Speicherplatzbelegung des EPROM ist dann: laufende Nr.
Adresse
EPROM-Belegung
Speicherplatz 1.
0000 0000
1
1
0
1
1
0
1
1
2.
0000 0001
1
1
0
0
1
0
0
0
3.
0000 0010
0
1
0
1
0
1
1
1
4.
0000 0011
1
1
0
1
1
0
1
1
5.
0000 0100
1
1
0
0
1
0
0
1
6.
0000 0101
1
0
0
0
0
0
1
0
7.
0000 0110
1
1
0
1
0
0
1
1
8.
0000 0111
1
1
0
0
1
0
0
1
Das Programm wird in folgender Weise abgearbeitet: Der Programmzähler wird auf die Adresse Null gestellt, so dass der Prozessor mit dem Lesen der Speicherzelle Nr. 1 beginnt. Das hier gespeicherte Byte wird über das Befehlsregister in den Befehlsdekodierer geholt und dort entschlüsselt. Der Prozessor „weiß“ jetzt, dass er eine Zahl in den Akkumulator laden soll. Der Programmzähler schaltet auf die Adresse des Speicherplatzes Nr. 2, an der der Prozessor die Adresse (n1) des E/A-Schaltkreises, in dem der erste Summand gespeichert ist, vorfindet (Port A). Diese Adresse wird angesprungen und der Inhalt in den Akkumulator transportiert. Damit ist der erste Befehl ausgeführt.
7.6 Mikroelektronik
221
Der Programmzähler wird nun auf die Adresse 2 (dual 0000 0010), also auf den 3. Speicherplatz gestellt. Das hier stehende Byte wird vom Prozessor dekodiert und der entschlüsselte Befehl ausgeführt, d.h., der Akkumulatorinhalt wird in das Register D geschrieben. Danach schaltet der Programmzähler auf die Adresse 3, d.h. auf den 4. Speicherplatz. Nach Dekodierung seines Inhaltes und Schalten auf den Programmplatz Nr. 5 (Adresse 4) erkennt der Rechner, dass er den Inhalt des Ports B (Adresse n2) in den Akkumulator transportieren soll, was er augenblicklich ausführt. Jetzt weist der Programmzähler auf den Speicherplatz Nr. 6 (Adresse 5). Nach Entschlüsselung des hier stehenden Bytes addiert der Prozessor auftragsgemäß den Inhalt des Registers D zum Inhalt des Akkumulators. Der Programmzähler schaltet auf den 7. Speicherplatz mit der Adresse 6. Das hier gespeicherte Byte wird durch den Prozessor nach der Dekodierung als Auftrag eines Transportes zum E/ASchaltkreis verstanden, dessen Adresse (n2) in der 8. EPROM-Speicherzelle mit der Adresse 7 steht. Nach Ausführung dieses Befehls steht das Ergebnis der Summenbildung im Port B, was das Ziel war. Wir sehen, dass der Mikroprozessor streng sequenziell, d.h. Schritt für Schritt nacheinander, jeden Speicherplatz in aufsteigender Folge liest, die hier gespeicherten Befehle dekodiert und ausführt. Der Programmzähler schaltet nach jedem gelesenen Byte eines Speicherplatzes auf den nächsten weiter. Die so gebildeten Adressen werden auf den Adressbus gelegt, der die entsprechenden Speicher- oder E/A-Plätze anspricht. Den Transport der Daten vom Speicherplatz oder E/A-Schaltkreis in den Akkumulator und umgekehrt übernimmt der Datenbus. Auf diese Weise verarbeitet ein Mikrorechner Prozesseingangs- zu Prozessausgangsinformationen immer nach dem gleichen Schema entsprechend einem im Speicher abgelegten Programm. Macht es der zu steuernde Prozess erforderlich, ein anderes als das gerade ablaufende Programm abzuarbeiten, z.B. ein Abfahrprogramm bei einer Störung, wird durch ein vom Prozess ausgelöstes Signal (sog. Unterbrechungs- oder Interruptsignal) der Prozessor veranlasst, das aktuelle Programm zu verlassen und die Startadresse des ebenfalls im Speicher abgelegten Interruptprogramms anzuspringen. Diese für Prozessrechner sehr wichtige Betriebsweise lernen wir im nächsten Abschnitt kennen. Das Abarbeiten der Programme geschieht mit einer Geschwindigkeit, die durch die Taktfrequenz des Prozessors festgelegt ist (Die Taktfrequenz wird durch einen für jeden Prozessor notwendigen Taktgenerator erzeugt, der in Bild 7.93 nicht eingezeichnet ist). In unserem Beispiel dauert dies nur einige Mikrosekunden. Die eigentlichen Rechenoperationen werden in der ALU (Arithmetic-Logic-Unit) erledigt und die Ergebnisse im Akkumulator abgelegt (s. Bild 7.95). Die ALU ist auch in der Lage, logische Verknüpfungen durchzuführen. Die Steuervorgänge werden über die Leitungen des Steuerbusses realisiert. Die nach außen gehenden Steuerleitungen signalisieren u.a. den angeschlossenen Schaltkreisen, ob der Prozessor Daten aufnehmen (lesen) oder abgeben (schreiben) will usw.. Auf diese Weise wird eine strenge Koordinierung aller im System ablaufenden Prozesse erreicht, was zur Vermeidung von Signalkollisionen auf den Bussen dringend erforderlich ist.
222
7 Elektronik
7.6.3.2 Mikrorechner als Prozessrechner Ein mit einem Prozessor, Speicher- und E/A-Schaltkreisen ausgestatteter Mikrorechner ist grundsätzlich zur Realisierung von Steuerungen und Regelungen einsetzbar. Je nach Ausstattungsgrad reicht das Spektrum seiner Anwendungsmöglichkeiten von einfachen Steuerungen mit wenigen Ein- und Ausgängen (Kompaktsteuerungen) bis zu komplexen Steuerungen und Regelungen, die in meist hierarchisch aufgebauten Strukturen mit anderen Rechnern zusammenarbeiten und die einen modularen Aufbau besitzen, so dass sie beliebig erweiterungsfähig sind. Da man mit ihnen nahezu alle Automatisierungsaufgaben in sehr flexibler Weise lösen kann, nennt man sie Automatisierungssysteme. Ein solches System mittleren Leistungsgrades, wie es von vielen Herstellern angeboten wird, verfügt typisch z.B. über 16 Binär- oder Digital- und über vier Analog-Eingänge, weiterhin über 16 Binär- oder Digital- und zwei Analog-Ausgänge. Die Zahl der Ein- und Ausgänge ist ein Maß für die Komplexität und den Komfort des Automatisierungsgerätes oder -systems. Über die 16 Digitaleingänge können binäre Signale von Kontakten, Endschaltern usw. oder ganze Digitalsignale (z.B. 2×8 Bit), die direkt von digitalen Sensoren des zu steuernden Prozesses kommen, aufgenommen werden. Die vier Analog-Eingänge gestatten das Anschalten analoger Signale wie z.B. der Temperatur eines Thermoelementes, des Druckes einer Druckmessdose (alle Signale umgewandelt in elektrische Spannungen) o.ä.. In einem ADU müssen die Analogwerte in digitale umgesetzt werden, damit der Rechner mit ihnen arbeiten kann. Nach der Verarbeitung der Eingangswerte gemäß dem Steuerungs- und Regelungsprogramm des Nutzers (Anwenderprogramm) im Mikrorechnerkern stehen die entsprechenden Signale für die Beeinflussung des Prozesses an den dafür vorgesehenen Ausgängen zur Verfügung, entweder als Binärsignale für die Betätigung von Meldelampen, Motoren oder Magnetventilen, als Digitalsignale für die direkte Betätigung digitaler Prozessstellglieder oder als Analogwert für die Einwirkung auf ein analoges Stellglied. Weiterhin besitzen solche Automatisierungssysteme Schnittstellen für den Anschluss eines PC für Programmierungszwecke und für die Ankopplung an andere Mikrorechnersteuerungen oder Leiteinrichtungen. Um das Grundsätzliche einer Prozessregelung mittels eines Mikrorechner-Automatisierungssystems zu verstehen, lösen wir jetzt eine einfache Regelungsaufgabe und zwar die Regelung der Temperatur eines Glühofens. Dabei soll das Ziel darin bestehen, die Temperatur entsprechend einem vorgegebenen Wert konstant zu halten. Dazu sind drei Hauptaufgaben zu bewältigen: 1. Die Ofentemperatur ist zu ermitteln, ihr Istwert ist zu messen. 2. Der Istwert ist mit einem vorgegebenen Sollwert zu vergleichen. 3. Entsprechend dem Ergebnis des Ist-Sollwert-Vergleichs ist die dem Ofen zugeführte Heizleistung zu stellen. Die drei Grundoperationen „Messen“, „Vergleichen“ und „Stellen“ treten bei jeder Regelungsaufgabe auf (s. auch die Ausführungen zu Reglern im Abschnitt 7.5.3.2). Bild 7.96 zeigt die für ihre Lösung notwendigen Funktionsblöcke einschließlich derer des Rechnerinneren. Der ROM enthält unsere Regelungs- und sonstigen benötigten Anwenderprogramme. Im RAM kann man Daten, die für Rechnungen gebraucht werden, ablegen, verändern und je nach Bedarf wieder lesen.
7.6 Mikroelektronik
Bild 7.96
223
Mikrorechner als Prozessrechner
Als Schnittstellen zum Glühofen benötigen wir einen Analog-Eingang für die Spannung des Temperaturmessgliedes (z.B. eines Thermoelementes), zwei Binär-Eingänge für die beiden von den PÜEs (Prozessüberwachungseinrichtungen) kommenden Signale sowie einen AnalogAusgang für eine Einrichtung (Stellglied), die das Einstellen der Spannung an den Heizwiderständen des Ofens ermöglicht. Außerdem brauchen wir vier Binär-Ausgänge für die Betätigung einer Meldeleuchte, eines Magnetventils, eines akustischen Signals und des Hauptschalters für die Ofenheizung. Wir stellen fest, dass nur ein Teil der Ein- und Ausgänge des oben beschriebenen Automatisierungssystems in Anspruch genommen wird. Die PÜEs sind Einheiten, die für die Sicherheit des Prozesses erforderlich sind und dann wirksam werden, wenn Gefahrenzustände (z.B. Kurzschluss in der elektrischen Energieversorgung u. Ä.) auftreten. Dabei wirken sie mit einer sog. Interrupt-Steuer-Einheit (Programmable Interrupt Controller, PIC) zusammen, indem sie das Abarbeiten gesonderter Sicherheitsprogramme zur Beseitigung eines aktuellen Gefahrenzustandes auslösen. Diese Programmteile des Anwenderprogramms nennt man Interrupt-Service-Routinen (ISR). Sie sind im ROM abgelegt, unabhängig von dem sich dort ebenfalls befindenden normalen Anwenderprogramm, das bei ungestörtem Prozessablauf die Regelung organisiert. Dieser ungestörte Prozessablauf besteht in der Regelung der Temperatur entsprechend einem vorgegebenen Sollwert. Über die Erfüllung dieser Aufgabe durch den Mikrorechner wollen wir zuerst sprechen. Danach lernen wir sein Verhalten bei Gefahrenzuständen kennen. Deshalb lassen wir zunächst die Einheiten PÜE und PIC außer Betracht. Abarbeiten des Regelungsprogramms. An dieser Stelle werden wir nicht, wie bei der Addition zweier Zahlen durch einen Mikroprozessor im Abschnitt 7.6.3.1, alle einzelnen Programmschritte des Mikrorechners durchgehen, sondern nur den Regelungsablauf, stark vereinfacht und in groben Schritten angeben, was für das grundsätzliche Verständnis der Arbeitsweise des Mikrorechner-Reglers völlig ausreicht: 1. Abgabe eines analogen Signals, z.B. einer Spannung, die ein Abbild der Temperatur ist (Istwert ϑist), durch das Messglied (hier ein Temperaturfühler).
224
7 Elektronik
2. Umwandlung des analogen Wertes von ϑist in eine 8-Bit-Dualzahl durch den ADU. 3. Ablage von ϑist im Port A des E/A-Schaltkreises des Mikrorechners. Hier steht dieses „Prozesszustands-Byte“ für die Abfrage durch den Prozessor zur Verfügung. 4. Übernahme von ϑist über den Datenbus in den Akkumulator der CPU. 5. Transport des Inhaltes desjenigen RAM-Speicherplatzes, der den Temperatur-Sollwert ϑsoll enthält, in das prozessorinterne Register D (hier nicht dargestellt). Der Sollwert wurde vorher in den RAM eingeschrieben. 6. Bildung der Differenz ϑist – ϑsoll = Δϑ (Regelabweichung), d.h. der Differenz des Inhaltes des Akkumulators und des Registers D. Das Ergebnis steht im Akkumulator. 7. Aufnahme von Δϑ als Variable in das im ROM abgelegte Anwender-Regelungsprogramm. 8. Berechnung des Stellsignals durch das Anwender-Regelungsprogramm entsprechend dem Ergebnis des Ist-Sollwert-Vergleichs. 9. Ablage des Rechenergebnisses im Akkumulator der CPU. 10. Transport des Akkumulatorinhaltes in das Register B (Port B) des E/A-Schaltkreises. 11. Übergabe dieses „Stell-Bytes“ an den DAU und Umsetzung in ein analoges Signal, hier in eine Spannung, an der die Heizwicklung des Ofens angeschlossen ist (Das Gerät, welches diese Spannung erzeugt, heißt Stellglied). 12. Einstellen dieser Spannung und dadurch Regulierung der Ofentemperatur. Als Ergebnis des Ist-Sollwert-Vergleichs (Punkt 6) sind drei Werte möglich: a) Δϑ = 0: die Ofentemperatur entspricht der Solltemperatur b) Δϑ > 0: die Ofentemperatur ist zu hoch c) Δϑ < 0: die Ofentemperatur ist zu niedrig. Findet das Anwenderprogramm im Schritt 7 die Null im Akkumulator (d.h. Fall a), wird nichts weiter veranlasst. Findet es den Fall b) vor, wird durch das Programm ein Stellsignal errechnet, welches das am Analogausgang hinter dem DAU angeschlossene Stellglied veranlasst, eine niedrigere Heizspannung einzustellen. Umgekehrt wird im Fall c) eine höhere Heizspannung angelegt. Der unser Regelungsprogramm ausführende Mikrorechner arbeitet also dahingehend, dass er die Regelabweichung Δϑ zu Null zu machen versucht, was Einstellung von ϑist = ϑsoll, d.h. Erfüllung der gestellten Regelaufgabe bedeutet. Dabei wird ständig in kurzen Zeitabständen die Isttemperatur gemessen, ständig das Programm durchlaufen und ständig ein Stellsignal gebildet, das die Ofentemperatur nachführt. Abarbeiten der Interruptprogramme. Wir nehmen an, dass zwei verschiedene Gefahrenzustände auftreten können und zwar Kurzschluss in den Heizwicklungen und Stau des Glühgutes im Ofen (Es soll sich um einen Durchlaufofen handeln). Bei Kurzschluss soll die PÜE 1, bei Stau die PÜE 2 ansprechen (z.B. jeweils durch Betätigung eines Schalters). Für den logischen Zustand der beiden Ausgänge der PÜEs können wir folgende Zuordnung treffen: PÜE 1: kein Kurzschluss = „0“ (Schalter nicht betätigt) Kurzschluss = „1“ (Schalter betätigt) PÜE 2: kein Glühgutstau = „0“ (Schalter nicht betätigt) Glühgutstau = „1“ (Schalter betätigt) Diese Bits werden in die Binärstellen 3 und 4 des Interrupt-Anforderungs-Registers übertragen (s. Bild 7.96). Sobald in einer dieser Stellen eine „1“ erscheint, wird der CPU über die Steuerleitung INT sofort mitgeteilt, dass ein Gefahrenzustand vorliegt. In diesem Falle unterbricht sie augen-
7.6 Mikroelektronik
225
blicklich das laufende Regelungsprogramm, entnimmt dem Interrupt-Service-Register des PIC über den Datenbus die Startadresse des im ROM gespeicherten Programms für die Beseitigung des Gefahrenzustandes und lädt mit dieser Adresse den Programmzähler, worauf dieses Programm, die Interrupt-Service-Routine, angesprungen und abgearbeitet wird. Die ISR könnte bei Kurzschluss etwa folgendermaßen aussehen: Da ein Kurzschluss vorübergehend sein kann, wird so programmiert, dass die CPU nicht sofort, sondern erst dann die ISR anspringt, wenn sich auch nach mehrmaliger Abfrage des Interrupt-Anforderungs-Registers die Binärstelle 3 noch immer im Zustand „1“ befindet. Dafür können wir beispielsweise eine Zeit von 100 ms zulassen. Ist nach Ablauf dieser Zeit immer noch Kurzschluss vorhanden, ist die ISR abzuarbeiten. Diese haben wir so gestaltet, dass am Programmende die vier Binärausgänge des Mikrorechners gesetzt werden, so dass über die Binärstelle „8“ die Abschaltung der Spannung an der Heizwicklung erfolgt, über die Stelle „7“ ein akustisches und über die Stelle „6“ ein optisches Warnsignal ausgelöst wird. Außerdem betätigen wir über die Binärstelle „5“ ein Magnetventil, welches die weitere Zufuhr des Schutzgases, in dem der Glühprozess stattfindet, unterbindet. Dies kann eventuell zeitlich verzögert erfolgen, was wir im Programm beliebig festlegen können. Die ISR für Glühgutstau wird durch den Prozessor in dem Moment eingeleitet, in dem ihm über die Steuerleitung INT der logische Zustand „1“ des Binäreinganges Nr. 4 signalisiert wird. Dann wird nach dem gleichen, eben beschriebenem Mechanismus die Startadresse für diesen Programmteil angesprungen und die ISR abgearbeitet. In diesem Falle wird sie so gestaltet, dass der Ofen nicht abgeschaltet, sondern nur ein akustisches und ein Lichtsignal gegeben werden, damit der Bediener eingreifen und den Glühgutstau per Hand beseitigen kann. Am Ende der ISR für Stau müssen folglich die Binärausgänge „6“ und „7“ aktiv werden. Wichtig ist der Fall gleichzeitigen Auftretens von Kurzschluss und Stau, d.h. gleichzeitige Einnahme des logischen Zustandes "1" durch die beiden Bits des Interrupt-Anforderung-Registers. Dazu können wir den PIC so programmieren, dass ein Prioritäten-Erkenner die Startadresse derjenigen ISR in das Interrupt-Service-Register lädt, die die Priorität hat. Das ist in unserem Falle ohne Zweifel das Programm für die Kurzschlussbearbeitung. Die Interrupt-Anforderung für den Stau wird dann einfach durch den PIC ignoriert. Wir sind jetzt in der Lage zu erkennen, über welche speziellen Eigenschaften ein Prozessrechner verfügen muss. Im Vergleich zu unserem PC (Dialogbetrieb) oder zu einem für die Lösung von Gleichungen vorgesehenen Rechner (Stapelbetrieb) sind für ihn drei zusätzliche wichtige Merkmale entscheidend: 1. Der Prozessrechner muss über Analog-Digital- und über Digital-Analog-Umsetzer verfügen, da die meisten Prozesssignale analoger Natur sind. 2. Der Prozessrechner muss des Echtzeitbetriebes fähig sein, d.h. unmittelbar nach Feststellen der Regelabweichung muss der Eingriff über das Stellglied in den Prozess erfolgen und nicht beliebige Zeit später. 3. Das Programm des Prozessrechners muss unterbrochen werden können, z.B. durch Havarieprogramme, d.h. er muss Interruptfähigkeit besitzen. Programmherstellung. Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten für die Erstellung von Programmen: das Programmieren im Maschinencode, in einer Assemblersprache oder in einer höheren Programmiersprache.
Das Erstellen eines Maschinencodeprogramms bedeutet die direkte Notierung der einzelnen Binärstellen („0“ oder „1“), die der Rechner „versteht“. Diese Codierung ist naturgemäß sehr aufwendig und wird nur noch für Prüfzwecke verwendet.
226
7 Elektronik
Eine Assemblerprogrammierung benutzt gut merkbare Kürzel (Mnemonics) für die Dokumentierung der einzelnen Programmschritte. Die so gebildete Assemblersprache hängt von dem verwendeten Prozessortyp ab. Sie ist jeweils neu zu erlernen, wenn eine andere CPU verwendet werden soll. Ein in Assemblersprache formuliertes Programm muss durch einen Assembler in den Maschinencode übersetzt werden, bevor es direkt in den ROM oder EPROM des Mikrorechners eingegeben werden kann. Assemblerprogramme benötigen wenig Speicherkapazität und sind deshalb relativ schnell. Ein Beispiel für ein Assemblerprogramm ist das im Abschnitt 7.6.3.1 für die Addition zweier Zahlen aufgestellte. Es wurde in der Sprache der CPU 8085 formuliert (IN, OUT, MOV usw.). Diese CPU ist zwar inzwischen ein wenig gealtert, an ihr lässt sich aber alles für eine Assemblerprogrammierung Charakteristische anschaulich demonstrieren. Beim Benutzen einer höheren Programmiersprache ist man unabhängig von einem bestimmten Prozessortyp. Für die Übersetzung in den Maschinencode werden Compiler benutzt. Programme in einer höheren Programmiersprache benötigen mehr Speicherplatz als Assemblerprogramme und sind oft auch langsamer. In ihnen lässt sich aber wesentlich leichter programmieren und die Fehlersuche ist nicht kompliziert. Während man in den ersten zehn Jahren der Existenz von Mikroprozessoren, etwa bis Anfang der 80er Jahre, fast nur in Assemblersprachen programmierte, verwendet man heute auch höhere Sprachen, weil einerseits wegen der Fortschritte in der Technik der Halbleiterspeicher größere Speicherkapazitäten und andererseits Hochsprachen mit gesteigerter Effizienz zur Verfügung stehen. Dabei scheinen sich insbesondere die Hochsprachen C und C++ für den Bereich der industriellen Mikrorechnersteuerungen durchzusetzen. Zum Schluss soll noch erwähnt werden, dass man für einfachere Steuerungen eigene Steuersprachen für die Programmierung verwendet, die den Unterlagen des jeweiligen Herstellers entnommen werden können. Auf diesem Gebiet wurde bereits beträchtliche Normenarbeit geleistet.
7.6.3.3 Weitere Ergebnisse der Mikrorechentechnik Mikrocontroller. Befinden sich die für ein funktionsfähiges Mikrorechnersystem notwendigen Komponenten nicht auf verschiedenen Halbleiterchips, sondern auf einem einzigen, sprechen wir von einem Microcontroller oder einem Einchipmikrorechner. Die Hauptkomponenten sind dabei die CPU mit internen Registern, EPROM, RAM, serielle und parallele Schnittstellen, programmierbare Zähler, Businterface, Interruptsteuerung, Analog-Digital- und Digital-Analog-Umsetzer.
Der Einsatz von Mikrocontrollern hat im letzten Jahrzehnt sehr stark zugenommen, denn sie gestatten, außerordentlich kostengünstige Automatisierungslösungen in kleinen bis mittleren Systemen zu realisieren. Beispiele sind programmierbare Steuerungen, Kraftfahrzeugtechnik, Haushaltgerätetechnik, Medizintechnik, Gebäudeautomatisierung, Telekommunikation usw.. Es gibt 4-, 8-, 16- und 32-Bit-Mikrocontroller, wobei die 8-Bit-Variante mit einem Marktanteil von etwa 75 % eindeutig dominiert. Die größte Verbreitung hat dabei die im Jahre 1981 von Intel initiierte Mikrocontroller-Familie 8051 gefunden. Vorherrschend ist die CMOS-Technologie. Zu notwendigen Funktionserweiterungen können Bausteine der Universalprozessor-Familie 8085 angeschlossen werden. Ein jeder Ingenieur, der auf dem Gebiet der Automatisierung von kleinen bis mittleren Systemen arbeitet, sollte diese 8-Bit-Mikrocontroller zumindest in Erwägung ziehen. Ihre Programmierung erfolgt oft in Assembler, aber auch in den Hochsprachen C bzw. C++. Co-Prozessoren. Mit den steigenden Anforderungen an die Leistungsfähigkeit von Mikroprozessoren wurde damit begonnen, die CPU innerhalb des Mikrorechnersystems von bestimmten Aufgaben zu entlasten. Beispielsweise fallen bei komplexen Regelungsaufgaben, wie in der chemischen Industrie und in der Kraftwerkstechnik, umfangreiche arithmetische Operationen (z.B. bei der Realisierung von Regelalgorithmen) an. Um den (Haupt-) Prozessor davon zu befreien, hat
7.6 Mikroelektronik
227
man sog. Signalprozessoren geschaffen, die diese Rechenarbeit übernehmen und das Ergebnis der CPU mitteilen. Diese Prozessoren sind im Gegensatz zu den Universalprozessoren auf bestimmte Problemstellungen spezialisiert, die vorwiegend im Bereich mathematischer Operationen, wie Fouriertransformation, schnelle Fouriertransformation (FFT) und Filterberechnung liegen. Insbesondere auf den Gebieten Telekommunikation, digitales Fernsehen, Kraftfahrzeugmotor-Management, Navigationssyteme usw. ist ein starkes Anwachsen des Einsatzes von Signalprozessoren feststellbar und zu prognostizieren. Eine andere Art von Co-Prozessoren sind die Interface-Prozessoren, die der CPU komplexe Ein- und Ausgabeoperationen abnehmen und diese zugunsten der Erledigung anderer Aufgaben ebenfalls weitgehend entlasten. RISC. Die bisher im Abschnitt 7.6.3.1 behandelten Mikroprozessoren zählen zu den sog. CISCProzessoren (Complex Instruction Set Computer). Bei ihnen hat man festgestellt, dass sich bei der Bewältigung verschiedener Aufgaben bestimmte Befehle und Befehlsgruppen ständig wiederholen, andere nur selten oder nicht gebraucht werden. Eine genaue Analyse führte zu einer entsprechenden Einschränkung des Befehlssatzes und gleichzeitig zu einer Vereinfachung der Befehlsabarbeitung, weil die einzelnen Anweisungen nicht durch ein Mikroprogramm, sondern durch (festverdrahtete) Gatter, die jedem einzelnen Befehl zugeordnet sind, abgearbeitet werden. Dadurch sind diese als RISC-Prozessoren (Reduced Instruction Set Computer) bezeichneten Typen sehr schnell. Sie werden vorwiegend in CMOS-Technik ausgeführt.
RISC spielen insbesondere bei der Echtzeitverarbeitung großer Datenmengen eine Rolle, z.B. beim computergestützten Konstruieren und Entwerfen, wo räumlich dargestellte Konstruktionsteile auf dem Bildschirm geradlinig bewegt oder gedreht werden müssen usw.. Transputer. Reicht die Erhöhung der Rechenleistung trotz der Verwendung von höchstintegrierten schnellen Speichern, trotz des Einsatzes von 32- oder 64-Bit-Architekturen und von RISCProzessoren nicht aus, um bestimmte Automatisierungs-, Datenverarbeitungs- und -darstellungsaufgaben zu lösen, verwendet man mehrere Rechner. Sie arbeiten parallel und sind durch in beiden Richtungen übertragungsfähige, sehr schnelle Datenverbindungen miteinander gekoppelt. Solche Rechneranordnungen heißen Transputer. Sie eignen sich ebenfalls besonders zur Bewältigung sehr großer Datenmengen, z.B. bei der Simulation in Forschung, Entwicklung und Konstruktion. ASIC. Um beispielsweise eine Maschinensteuerung zu verwirklichen, wünscht sich ein Anwender oft Schaltkreise, die direkt auf die Lösung seines eigenen Steuerproblems zugeschnitten und deshalb in der Regel nicht handelsüblich sind. Solche Schaltkreise nennt man ASICs (Application Specific Integrated Circuits). Wir unterscheiden zwei große Gruppen, die sog. Halbkunden- und die sog. Vollkundenschaltkreise. Erstere werden mit vorgefertigter Struktur hergestellt und, dem Kundenwunsch entsprechend, nachträglich verdrahtet und in Betrieb genommen. VollkundenASICs werden in der Halbleiterfabrik von der Vor- bis zur Endfertigung speziell nach Kundenwunsch gefertigt. Beispielsweise könnte ein Waschmaschinenhersteller Speicher, in die das von ihm entwickelte Steuerprogramm eingebracht ist sowie E/A-Strukturen dem Halbleiterproduzenten in Auftrag geben, um für ihn einen speziell in seinen Waschmaschinen einsetzbaren Schaltkreis zu entwerfen und zu produzieren.
Wir erkennen, dass hier ein großes Gebiet gemeinsamer Arbeitsaufgaben von Ingenieuren der Elektrotechnik / Elektronik und Ingenieuren anderer Fachdisziplinen besteht.
228
7 Elektronik
7.7 Übungsaufgaben 7-1 Die Energiedifferenzen zwischen Valenz- und Leitungsband betragen bei Si 1,10 eV, bei Ge 0,72 eV, bei GaAs 1,43 eV und bei GaP 2,25 eV (1 eV = 1 Elektronenvolt = 1,602 · 10–19 Ws). Berechnen Sie die maximale Wellenlänge von Lichtquanten, die in der Lage sind, Elektronen-Löcherpaare in dem jeweiligen Halbleiterwerkstoff zu bilden! (Anleitung: Energie eines Lichtquants W = h f; h = 6,626 · 10–34 Ws2 ist das Plancksche Wirkungsquantum, f die Frequenz des Lichtquants). 7-2 Wir betrachten einen Thermistor (NTC), der der Gl. (7.3) gehorcht. a) Berechnen Sie seine Kennlinie R = f(ϑ) für B = 3400 K im Temperaturbereich von 10 bis 60 °C (in Schritten von 10 K), wenn der Widerstand des Thermistors bei Raumtemperatur zu ϑ20°C = 9,8 kΩ bestimmt wurde und stellen Sie diese Kennlinie grafisch dar! b) Ermitteln Sie den Temperaturkoeffizienten des elektrischen Widerstandes α, der der Steigung der Kurve R = f(ϑ) proportional ist, für die Temperaturen ϑ1 = 30 °C und ϑ2 = 50 °C (Steigung der Tangente grafisch bestimmen)! c) Schalten Sie dem Thermistor einen temperaturunabhängigen Widerstand von 5 kΩ parallel und bestimmen Sie den Ersatzwiderstand dieser Schaltung für die gleichen Temperaturen wie unter a)! Stellen Sie das Ergebnis im gleichen Diagramm wie unter b) dar! d) Bestimmen Sie nach dem gleichen Verfahren wie unter b) die nun für ϑ1 = 30 °C und ϑ2 = 50 °C gültigen Temperaturkoeffizienten des elektrischen Widerstandes, vergleichen Sie die Ergebnisse mit denen unter b) und ziehen Sie Schlussfolgerungen! 7-3 Eine einphasig an das Netz angeschlossene Zweipuls-Gleichrichter-Brücke liefert eine Gleichspannung von 360 V. Wie groß ist die Netzwechselspannung? 7-4 Ein Gleichrichter in vollgesteuerter B2-Schaltung speist einen a) ohmschen b) Verbraucher mit ohmscher und induktiver Komponente. Beim Zündwinkel α = 0 wurde eine Gleichspannung von 207 V gemessen. Wie groß ist die Gleichspannung bei den Zündwinkeln α1 = 55°, α2 = 90° und α3 = 130°? Diskutieren Sie das Ergebnis im Hinblick auf das Vorzeichen der erhaltenen Gleichspannung! 7-5 Eine Schaltung B2 wird einmal halb-, ein anderes Mal vollgesteuert betrieben. Die Last besteht aus der Reihenschaltung eines Widerstandes und einer Spule. Die speisende Wechselspannung ist 400 V. Zeichnen Sie das Schaltbild für beide Betriebsweisen der Brücke und berechnen Sie für beide Fälle die jeweils erhaltene Gleichspannung für die Zündwinkel α1 = 35°, α2 = 100° und α3 = 138°! 7-6 Bild 7.97 zeigt die Schaltung eines sog. Wechselstromstellers mit einem Triac. Die Zündimpulse der beiden Thyristoren sind jeweils um 180° gegeneinander versetzt, so dass sowohl die positive als auch die negative Halbwelle der Wechselspannung angeschnitten werden kann.
Bild 7.97
Zur Aufgabe 7-6
a) Stellen Sie den zeitlichen Verlauf von Strom und Spannung am Widerstand R allgemein für α < 90° dar! Berechnen Sie die Effektivwerte der Ausgangsspannung für α1 = 0° bzw. 180°, α2 = 70° bzw. 250°, α3 = 140° bzw. 320° bei einer speisenden Wechselspannung von 230 V! b) Wie groß ist in jedem der drei Fälle die an R = 550 Ω umgesetzte Leistung? c) Diskutieren Sie Anwendungsmöglichkeiten für den Wechselstromsteller!
7.7 Übungsaufgaben
229
7-7 Bild 7.98 zeigt das Ausgangskennlinienfeld eines Transistors in Emitterschaltung, Bild 7.99 die Abhängigkeit der möglichen Transistor-Verlustleistung von der Umgebungstemperatur. a) Stellen Sie für die Temperaturen ϑU = 40° C und ϑU = 150° C den jeweils erlaubten Arbeitsbereich im Ausgangskennlinienfeld dar! b) Bestimmen Sie grafisch (in Bild 7.98) den für die beiden Umgebungstemperaturen jeweils zu verwendenden Kollektorwiderstand Rc, wenn der gleichstrommäßig eingestellte Arbeitspunkt in beiden Fällen auf der Verlusthyperbel liegen soll und die Betriebsspannung jeweils UB = 15 V ist! c) Diskutieren Sie die Aussteuerbarkeit des Kennlinienfeldes bei den unterschiedlichen Umgebungstemperaturen!
Bild 7.98
Zur Aufgabe 7-7
Bild 7.99
Zur Aufgabe 7-7
7-8 Gegeben ist das Ausgangskennlinienfeld eines Transistors in Emitterschaltung nach Bild 7.100. Mit ihm soll eine Verstärkerstufe realisiert werden. Der Transistor-Arbeitspunkt soll dabei auf UCE = 3 V und IC = 4,3 mA eingestellt werden. a) Wie ist der Kollektorwiderstand Rc für die Betriebsspannungen UB1 = 5 V und UB2 = 8 V zu bemessen? Zeichnen Sie für beide Fälle die Widerstandsgerade ein! b) Wie groß ist der für die Einstellung des Arbeitspunktes erforderliche Basisstrom? c) Wie verlagert sich der Arbeitspunkt, wenn sich der Basisstrom infolge der Ansteuerung des Transistors um ± 10 μA ändert? Wie groß ist näherungsweise der Maximalwert der Wechselspannung uCE vor und hinter dem Kopplungskondensator (vgl. Bild 7.43) für die unter a) angegebenen Betriebsspannungen?
Bild 7.100
Zur Aufgabe 7-8
Bild 7.101
Zur Aufgabe 7-9
230
7 Elektronik
7-9 Die in Bild 7.101 dargestellte Verstärkerstufe mit Stromgegenkopplung über einen Emitterwiderstand hat zwei Ausgänge. Die Eingangsspannung u1 sei sinusförmig. Wie verlaufen dann Basisstrom iB, Kollektorstrom iC sowie die beiden Ausgangsspannungen u2 und u3? Stellen Sie diese Größen in Diagrammen übereinander mit gleichem Zeitmaßstab dar und wählen sie der Einfachheit halber für die Wechselgrößen gleiche Amplitudenwerte!
Bild 7.102
Zur Aufgabe 7-10
Bild 7.103
Zur Aufgabe 7-11
7-10 Eine Meldelampe mit den Daten 6 V, 5 mA soll entsprechend der Schaltung des Bildes 7.102 ein- und ausgeschaltet werden. Der verwendete Transistor habe das Ausgangskennlinienfeld nach Bild 7.100. Zu beachten ist, dass der Betriebswiderstand der Lampe (Warmwiderstand) bei 6 V, 5 mA um den Faktor 9 größer als ihr Kaltwiderstand ist. a) Der Transistor wird durch einen Basisstromsprung von 30 μA eingeschaltet. Welchen Weg nimmt der Arbeitspunkt im Ausgangskennlinienfeld vom Einschaltmoment an bis zum Erreichen der Betriebstemperatur (Hinweis: Konstruktion der Widerstandsgeraden für Rwarm und Rkalt)? b) Wie groß muss der Basisstrom mindestens sein, um im eingeschalteten Zustand den Sättigungsbereich zu erreichen? Was geschieht, wenn der Basisstrom kleiner als dieser Mindestwert ist? 7-11 Welche logische Verknüpfung wird durch die Schaltung in Bild 7.103 realisiert? Stellen Sie die Wahrheitstabelle auf! 7-12 Zeigen Sie anhand der Funktion der Schaltung nach Bild 7.104 und durch Aufstellen einer Wahrheitstabelle, dass bei Benutzung des Ausganges ua1 die NOR-, bei Benutzung des Ausganges ua2 die ODERVerknüpfung realisiert wird !
Bild 7.104
Zur Aufgabe 7-12
7-13 Im Abschnitt 7.5.4.1.2 haben wir behauptet, dass alle logischen Verknüpfungen, somit alle Steuerungsaufgaben, ausschließlich durch NAND-Glieder bzw. NAND-Gatter herbeigeführt werden können. Zeigen Sie das, indem Sie mittels alleiniger Benutzung von NAND-Gliedern nach Bild 7.82 bzw. 7.83 die logischen Verknüpfungen des NICHT, des UND sowie des ODER realisieren (Hinweis: für NICHT ist ein, für UND sind zwei, für ODER drei NAND-Gatter erforderlich)! 7-14 Stellen Sie die Wahrheitstabelle für die Zusammenschaltung der logischen Glieder nach Bild 7.105 auf! Ermitteln Sie die schaltalgebraische Gleichung dieser Schaltung! 7-15 In Bild 7.106 ist ein sog. Halbaddierer, ausschließlich aus NAND-Gattern bestehend, dargestellt. Zeigen Sie durch Aufstellen der Wahrheitstabelle, dass diese Schaltung tatsächlich zwei Dualstellen, angeschaltet an die Eingänge E1 und E2, addiert (0 + 0 = 0; 0 + 1 = 1; 1 + 0 = 1; 1 + 1 = 10. Achten Sie darauf, dass die letzte Summation den Übertrag 1 ergibt!)!
7.7 Übungsaufgaben
Bild 7.105
Zur Aufgabe 7-14
Bild 7.106
231
Zur Aufgabe 7-15
7-16 Ein Analog-Digital-Umsetzer (ADU) für eine Waschmaschinen-Steuerung soll für den Temperaturbereich von 20° C bis 90° C entsprechende Digitalwerte an den Mikroprozessor der Steuerung ausgeben. Wie viele Bits muss das Digitalsignal haben, wenn die Messgenauigkeit mindestens a) ± 2 K b) ± 1 K c) ± 0,5 K betragen soll? Welche maximale Genauigkeit ist für die drei Fälle erreichbar, wenn alle Bits voll genutzt werden?
8 Elektrische Maschinen und Antriebe 8.1 Einleitung Elektrische Maschinen bestehen im Prinzip aus zwei Hauptteilen, die miteinander in Wechselwirkung treten. Führen diese Teile relativ zueinander eine (Rotations-) Bewegung aus, nennen wir sie rotierende, tun sie das nicht, nennen wir sie ruhende elektrische Maschinen. Zu den rotierenden Maschinen gehören alle Gleich-, Wechsel- und Drehstromgeneratoren und -motoren. Die Gruppe der ruhenden Maschinen wird von den Transformatoren gebildet. Die beiden Hauptteile einer rotierenden Maschine sind der (feststehende) Ständer und der in der Ständerbohrung untergebrachte (rotierende) Läufer. Rotierende Maschinen gleichen Aufbaus können sowohl als Generatoren wie auch als Motoren betrieben werden. Wird der Läufer einer Maschine angetrieben, d.h. wird ihr mechanische Leistung zugeführt, gibt sie elektrische Leistung ab (Generatorbetrieb, s. Bild 8.1 a). Der Wirkungsgrad ist dann: η=
Pel Pmech
(8.1)
Der Generator ist folglich ein mechanisch-elektrischer Energiewandler. Wird der Maschine elektrische Leistung zugeführt, dreht sich der Läufer. Er gibt also mechanische Antriebsleistung ab (Motorbetrieb, s. Bild 8.1 b). In diesem Falle ist der Wirkungsgrad: η=
Pmech Pel
(8.2)
Der Motor ist somit ein elektrisch-mechanischer Energiewandler. Im vorliegenden Hauptabschnitt 8 betrachten wir die rotierenden Maschinen vorwiegend unter dem Aspekt ihres Einsatzes zur Realisierung von elektrischen Antrieben. Deshalb soll der Motorbetrieb im Vordergrund stehen. Bei der Gleichstrommaschine, auf die zuerst eingegangen wird (Abschnitt 8.2), werden wir an geeigneter Stelle auch ihre Betriebsweise als Generator untersuchen und wir werden zeigen, dass ein Motor auch generatorisch arbeiten kann.
Bild 8.1
Betriebsweisen elektrischer Maschinen
Den Drehstromasynchronmotor, die weitaus am häufigsten eingesetzte elektrische Maschine, behandeln wir dagegen nur unter motorischen Aspekten (Abschnitt 8.4.3). Die Synchronmaschine ist als Motor und als Generator wichtig, so dass wir sie in beiden Betriebsarten erörtern (Abschnitt 8.4.4). Ruhende Maschinen, d.h. Transformatoren, haben keine beweglichen Teile. Ihre beiden Hauptteile sind in der Regel zwei Wicklungen, die elektromagnetisch gekoppelt sind. Transformatoren
8.2 Die Gleichstrommaschine
233
haben die Hauptaufgabe, Spannungen zu vergrößern oder zu verkleinern bzw. Ebenen verschiedener Spannungen miteinander zu verbinden. Sowohl rotierende elektrische Maschinen als auch Transformatoren besitzen nicht nur den gleichen Grundaufbau, sie lassen sich auch theoretisch unter gemeinsamen Aspekten behandeln, so dass sie im gleichen Kapitel besprochen werden. Dabei sind die Ähnlichkeiten mit dem Asynchronmotor am auffälligsten, weshalb wir den Abschnitt über den Transformator (8.3) dem des Asynchronmotors unmittelbar voranstellen. Im letzten Abschnitt 8.5 beschäftigen wir uns schließlich mit den Gesetzmäßigkeiten elektrischer Antriebe, d.h. mit dem Zusammenwirken von Elektromotoren und Arbeitsmaschinen.
8.2 Die Gleichstrommaschine 8.2.1 Aufbau und Funktionsprinzip Das Grundprinzip einer Gleichstrommaschine ist die sich im Feld eines Magneten drehende Leiterschleife (s. Bild 8.2 und die Übungsaufgabe 2-15). Der Ständer trägt die beiden Pole des Magnetfeldes, die wegen ihrer charakteristischen Formgebung auch Polschuhe heißen. Im Zwischenraum befindet sich die Leiterschleife, die den Läufer der Maschine darstellt (bei der Gleichstrommaschine nennt man den Läufer auch Anker).
Bild 8.2
Prinzip des Elektromotors
Wird der Läufer angetrieben (beispielsweise durch Wasserkraft), so wird in ihm nach dem Induktionsgesetz Gl. (2.40) eine Spannung induziert, die an Schleifringen abgenommen werden kann (s. Bild 2.25). Die Maschine arbeitet als Generator. Wird Strom in die Leiterschleife geschickt, so wirken an ihr nach dem elektrodynamischen Kraftgesetz Gln. (2.70) und (2.71) Kräfte, die sie in Drehung versetzen (s. Bild 2.38). Die Maschine arbeitet als Motor. Für Motorbetrieb wollen wir einige Bewegungsphasen untersuchen, die aus Bild 8.3, einer Schnittdarstellung der Leiterschleife, ersichtlich sind. Die Magnetpole sind hier nicht eingezeichnet. Der GNordpol soll sich aber, wie in Bild 8.2, oben, der Südpol unten befinden, so dass der Vektor B stets nach unten weist. Es gilt Gl. (2.70), aus der wir sowohl den Betrag als auch die Richtung der entstehenden Kraft bestimmen können. Dabei haben wir zu beachten, dass der Vektor der Länge der Leiterschleife in Richtung des konstanten Stromes liegt (zur Form der Leiterschleife s. auch Bild 2.25).
234
8 Elektrische Maschinen und Antriebe
G
G
Da sich die beiden kraftbildenden Vektoren I l und B weder bezüglich ihres Betrages noch bezüglich ihrer Richtung ändern, ist auch die Kraft stets die gleiche (s. Bilder 8.3 a, b und c). Entscheidend für Drehbewegungen ist aber nicht die Kraft, sondern das am Umfang der Schleife angreifende Moment, welches den Betrag
Bild 8.3
Bewegungsphasen (Leiterschleife geschnitten) c) α = 90° a) α = 0 d) α > 90° b) α = 45°
M = F b cos α (8.3) hat und bei horizontaler Lage (α = 90°) Null ist, so dass eine Weiterdrehung unter den bisherigen Bedingungen nicht stattfinden kann. Bild 8.3 d zeigt jedoch den Ausweg, der darin besteht, die Stromrichtung im Moment des Durchganges durch die horizontale Lage umzukehren, wodurch sich nach Gl. (2.70) die Kraft umkehrt und so die Drehung kontinuierlich fortgesetzt werden kann. Es ist einzusehen, dass die Stromumkehr alle 180° erfolgen muss. Diese Stromumkehr wird von dem Kollektor bzw. Kommutator der Gleichstrommaschine bewerkstelligt. Aus Gl. (8.3) kann man ablesen, dass das entwickelte Drehmoment vom Kosinus des Drehwinkels abhängig ist, beim Umlauf somit kosinusförmig „pulsiert“, der Motor sich also ruckartig drehen würde. Um das zu vermeiden, werden mehrere Leiterschleifen nach Bild 8.2 oder 8.3 um kleine Winkel gegeneinander versetzt im Läufer angebracht, so dass jede einen anderen Drehwinkel in Bezug auf das Magnetfeld erhält. Die Summe der Einzelmomente jeder Schleife ergibt dann bei einem bestimmten Drehwinkel einen konstanten Wert und damit Unabhängigkeit des Drehmomentes von der Stellung des Läufers der Maschine. Die Enden der Leiterschleifen sind an voneinander isolierte Lamellen des Kollektors geführt, auf denen die Bürsten gleiten, die für die Stromzufuhr von der äußeren Gleichspannungsquelle sorgen. Bild 8.4 zeigt den Läufer einer Gleichstrommaschine. Der lamellierte Kollektor ist auf der linken Seite erkennbar.
Bild 8.4
Läufer einer Gleichstrommaschine (Werkfoto ABB)
8.2 Die Gleichstrommaschine
235
Bei unseren bisherigen Betrachtungen haben wir nicht berücksichtigt, dass die Leiterschleifen des Läufers, da sie Strom führen, ein eigenes Magnetfeld aufbauen, das sich dem durch den Ständer realisierten Hauptfeld überlagert. Diese Ankerrückwirkung ist die Ursache für Verzerrungen des Feldes und zusätzliche Induktionsspannungen, die von den auf dem Kollektor gleitenden Bürsten kurzgeschlossen werden und so das so genannte Bürstenfeuer nach sich ziehen. Um es zu umgehen, wird die Maschine mit Wendepolen ausgerüstet, die die Feldverzerrungen kompensieren. Da die Feldverzerrung umso stärker ist je größer der Ankerstrom ist, müssen diese Pole vom Ankerstrom durchflossen werden. Bild 8.5 zeigt einen Querschnitt durch eine Gleichstrommaschine mit Haupt- und um 90° gegen diese versetzten Wendepolen. Weitere Feldverzerrungen können unmittelbar an der Oberfläche der Polschuhe auftreten. Zu ihrer Vermeidung werden Kompensationswicklungen benutzt, die aber nur bei Maschinen größerer Leistung üblich sind.
Bild 8.5
2-polige Gleichstrommaschine (p = 1)
Die in den Bildern 8.2 und 8.5 dargestellten Anordnungen haben zwei Hauptpole und werden deshalb zweipolige Maschinen oder Maschinen mit der Polpaarzahl p = 1 genannt. Selbstverständlich gibt es auch Gleichstrommaschinen mit höheren Polpaarzahlen, z.B. mit p = 2 (vier Haupt- und vier Wendepole) und mehr. Die elektrische Schaltung eines Gleichstrommotors ist in Bild 8.6 dargestellt. Darin bedeuten A1, A2 die Anschlüsse des Läufers bzw. Ankers, B1, B2 der Wendepol-, C1, C2 der Kompensationsund F1, F2 der Erregerwicklung der Hauptpole. Im folgenden werden wir die Wendepol- und Kompensationswicklungen aus den Schaltbildern weglassen, weil sie für die Erläuterung der prinzipiellen Wirkungsweise der Maschinen nicht erforderlich sind.
Bild 8.6
Stromkreise der Gleichstrommaschine
8.2.2 Erregung der Gleichstrommaschine Die Methoden zur Erzeugung des Feldes der Hauptpole gelten für Generatoren und Motoren gleichermaßen. In den Schaltbildern werden wir jedoch aus bereits erwähnten Gründen das Motorsymbol verwenden.
236
8 Elektrische Maschinen und Antriebe
Das Hauptfeld kann durch Dauermagnete (bei Maschinen kleiner Leistung) oder von stromdurchflossenen Spulen erzeugt werden (s. die Bilder 8.7 a und b). Da die Felder aus einer Energiequelle, die unabhängig vom Ankerstromkreis ist, gespeist werden, nennt man diese Erregungsart Fremderregung. Entnehmen wir die elektrische Energie für die Erregerspulen des Hauptfeldes dem Läuferkreis, sprechen wir von Selbsterregung der Gleichstrommaschine. Dabei gibt es zwei verschiedene Möglichkeiten, die sich auf das Betriebsverhalten der Maschine völlig anders auswirken.
Bild 8.7
Fremderregung a) Dauermagnet b) Elektromagnet
In der in Bild 8.8 a dargestellten Schaltung ist die Erregerspule dem Anker parallel geschaltet. Eine auf diese Weise realisierte Maschine heißt Gleichstromnebenschlussmaschine.
Bild 8.8
Selbsterregung a) parallel (Nebenschlussmaschine) b) in Reihe (Reihenschlussmaschine)
Im Gegensatz dazu ist nach Bild 8.8 b eine Gleichstromreihenschlussmaschine mit einer in Serie zur Ankerwicklung geschalteten Erregerwicklung ausgestattet. Der Gleichstromnebenschlussmotor hat wegen seiner hervorragenden Regelbarkeit und der Natur seiner Drehzahlkennlinien eine große praktische Bedeutung erlangt. Er spielt deshalb in vielen elektrischen Antrieben eine große Rolle, weshalb wir ihn ausführlicher behandeln wollen.
8.2.3 Der Gleichstromnebenschlussmotor 8.2.3.1 Ersatzschaltbild und Kennlinien Sofern die an die Klemmen A1 und A2 angelegte Spannung konstant ist, sind die Schaltungen nach den Bildern 8.7 b und 8.8 a gleichwertig. Wir werden deshalb für die Entwicklung der wichtigsten Eigenschaften des Nebenschlussmotors die übersichtlichere Fremderregung nach Bild 8.7 b benutzen. Im Bild 8.9 sind die Ersatzschaltungen des Anker- und des Erregerkreises für diesen Fall dargestellt.
8.2 Die Gleichstrommaschine
Bild 8.9
237
Ersatzschaltung
Der Kreis mit dem Motorzeichen repräsentiert die eigentliche Leiterschleife, in der infolge der Drehbewegung mit der Winkelgeschwindigkeit ȍ = 2 π n (n ist die Drehzahl) im Magnetfeldfluss ĭ der Erregerspulen eine Quellenspannung Uq induziert wird, die mit der angelegten Spannung U in Wechselwirkung tritt. Der Ankerstrom IA fließt von der Plusklemme A1 über den Kollektor in die Leiterschleifen des Ankers, die den Widerstand RA besitzen, dann zurück und wiederum über den Kollektor zur Minusklemme A2. Die Ankerspannung U zeigt ebenfalls von der Plus- zur Minusklemme. Der Läufer besitzt eine beträchtliche Induktivität, die sich aber im stationären Betrieb, d.h. bei konstanter Drehzahl, nicht bemerkbar macht. Da wir vorwiegend stationären Betrieb betrachten wollen, lassen wir sie außer acht. Der Erregerkreis enthält die Erregerspulen, die für die Erzeugung des Flusses ĭ der Hauptpole sorgen. Der dafür erforderliche Strom ist IE. Er fließt nach Anlegen der Spannung UE über die Spulen, deren ohmscher Widerstand mit RE bezeichnet ist. Es gilt dann für den Erregerkreis: UE = IE RE (8.4) Der Maschensatz ergibt für den Ankerkreis entsprechend Gl. (1.35): U = Uq + IA RA
(8.5)
Die induzierte Quellenspannung ist nach dem Induktionsgesetz dem Fluss ĭ und der Winkelgeschwindigkeit ȍ proportional (s. die Gln. (5.2) und (5.3)): Uq = c Φ Ω
(8.6)
c heißt Maschinenkonstante. Sie wird nur von der jeweiligen Maschinenausführung bestimmt. Der Gleichstrommotor gibt an seiner Welle mechanische Leistung ab, für die bei Rotationsbewegungen bekanntlich gilt: (8.7) Pmech = Ω M M ist das vom Motor entwickelte Drehmoment. Da der Motor ein elektrisch-mechanischer Energiewandler ist, muss es einen Zusammenhang zwischen seinen elektrischen Größen, z.B. IA und seinen mechanischen Größen, z.B. M geben. Wir ermitteln ihn aus der Leistungsbilanz, die wir nach Multiplikation der Gl. (8.5) mit IA erhalten: U IA = Uq IA + I A2 RA I A2 RA
(8.8)
ist offensichtlich ein Leistungsanteil, der durch Wärmeentwicklung an RA verloren geht. Es verbleibt der Term Uq IA für den Umsatz in mechanische Leistung. Diese mechanische Leistung setzt sich ihrerseits aus der eigentlichen Antriebsleistung für den Betrieb der an den Motor gekoppelten Arbeitsmaschine und aus der Leistung, die für die Überwindung der Lager- und Lüfterreibung des Motors aufgebracht werden muss, zusammen, so dass die Leistungsbilanz ergibt:
238
8 Elektrische Maschinen und Antriebe
Uq IA = PAntrieb + PReibung = Ω M + Ω MR
(8.9)
In der Praxis ist PAntrieb Ԡ PReibung, so dass Uq IA = ȍ M ist. Führen wir hier für Uq den Ausdruck Gl. (8.6) ein, folgt die gesuchte Gleichung: M = c Φ IA
(8.10)
Die Gln. (8.4), (8.5), (8.6) und (8.10) charakterisieren das stationäre Verhalten des Gleichstromnebenschlussmotors, welches sich in seinen stationären Kennlinien äußert. Von diesen sind besonders die Drehzahl-Drehmomenten-Kennlinie und die durch Gl. (8.10) dargestellte Ankerstrom-Drehmomenten-Kennlinie von großer praktischer Bedeutung. Die Drehzahl-Drehmomenten-Kennlinie erhalten wir, indem wir Gl. (8.5) nach Uq auflösen und in Gl. (8.6) einsetzen: Ω=
U I R − A A cΦ cΦ
(8.11)
Mit IA nach Gl. (8.10) kann man umformen: Ω=
U RA − M c Φ (c Φ ) 2
(8.12)
Die Drehzahl ist mit n = ȍ/2π: n=
U RA M = n0 − Δn − 2 π c Φ 2 π (c Φ ) 2
(8.13)
Gl. (8.13) ist die bereits erwähnte Drehzahl-Drehmomenten-Gleichung der Gleichstrommaschine. Die aus ihr für M = 0 (keine Wellenbelastung) folgende Größe n0 heißt Leerlaufdrehzahl (genauer gesagt ideelle Leerlaufdrehzahl, denn M = 0 ist nur annähernd möglich, weil wir die Reibungsmomente der Motorlager und des Lüfters nicht ausschalten können). ǻn ist der Drehzahlabfall bei Belastung mit dem Moment M. Bild 8.10 a zeigt die prinzipiellen Verläufe von n nach Gl. (8.13) und IA nach Gl. (8.10), Bild 8.10 b den Verlauf von n = f (IA), abgeleitet aus Gl. (8.11). Die Kurven verlaufen sehr flach, d.h. der Drehzahlabfall ist bei Belastung mit dem Moment M an der Welle relativ klein. Dieses nicht nur für den Gleichstromnebenschlussmotor charakteristische Verhalten heißt Nebenschlussverhalten. Der Elektroantriebstechniker nennt eine solche Kennlinie eine „harte“ Kennlinie. Praktische Werte für den Drehzahlabfall von M = 0 bis zum Nennmoment M = MN sind bei Maschinen mit einer Leistung von etwa 1 kW 6 … 8 %, bei Maschinen mit einer Leistung von etwa 100 kW 2 … 3 %, jeweils bezogen auf die Leerlaufdrehzahl. Bild 8.10 a zeigt, dass die Leerlaufdrehzahl n0 im 2. Quadranten des Darstellungsfeldes überschritten wird. Das ist nur möglich, wenn man die Maschine antreibt, sie also als Generator arbeitet. Es ist hier M < 0, damit Pmech < 0 (s. Gl. (8.7)). Das bedeutet, dass die Maschine keine mechanische Leistung an der Welle abgibt, sondern mechanische Leistung über ihre Welle aufnimmt. Weiterhin ist auch IA < 0, d.h. die Maschine nimmt keine elektrische Leistung über den Ankerkreis auf, sondern gibt elektrische Leistung an den Ankerklemmen A1 und A2 ab. Beides aber bedeutet nach Abschnitt 8.1 Generatorbetrieb. Auf dieses Problem werden wir im Abschnitt 8.2.3.3 noch einmal zurückkommen.
8.2 Die Gleichstrommaschine
Bild 8.10
239
Kennlinien der Gleichstrommaschine
8.2.3.2 Drehzahlstellung Mit Gleichstromnebenschlussmaschinen werden hochpräzise und hochdynamische geregelte Antriebe realisiert. Dabei ist besonders die Einstellung beliebiger Drehzahlen und deren Regelung von großer praktischer Wichtigkeit. Wir wollen untersuchen, wie die Drehzahl beeinflusst werden kann. Aus Gl. (8.13) lesen wir ab, dass dies über folgende drei Größen möglich ist: 1. Ankerspannung U (Spannungssteuerung) 2. Hauptfeldfluss ĭ (Feldsteuerung) 3. Ankerwiderstand RA (Widerstandssteuerung) Die Widerstandssteuerung spielt bei modernen Antrieben kaum noch eine Rolle, weshalb auf sie nicht weiter eingegangen wird. Spannungssteuerung. Der Erregerstrom IE und somit der Fluss ĭ werden konstant gehalten. Das erfordert Fremderregung der Maschine entsprechend Bild 8.7 b. RA ist durch die verwendete Maschine vorgegeben. Durch Wahl von U als Parameter entstehen entsprechend Gl. (8.13) parallel gegeneinander verschobene Geraden (s. Bild 8.11). UN ist die Nenn- oder Bemessungsspannung des Motors. Wir achten darauf, dass durch Vorzeichenumkehr der Spannung die Drehzahl negativ wird, der Motor demzufolge seine Drehrichtung umkehrt. Der Strom wird nur von der Wellenbelastung in Form des Lastmomentes M bestimmt (s. Gl. (8.10)): IA =
M cΦ
(8.14)
Er ist deshalb unabhängig von der angelegten Spannung. Dieses für den Nichtspezialisten ungewohnte Verhalten (denn wir rechnen gewöhnlich bei Vergrößerung von Spannungen an den Klemmen eines Bauelementes oder Elektrogerätes auch mit einer Vergrößerung des Stromes) hängt mit der im Motor induzierten (Gegen-) Spannung Uq zusammen, was leicht zu erklären ist. Dazu lösen wir Gl. (8.5) nach dem Ankerstrom auf: IA =
U − Uq RA
(8.15)
Wird die Spannung U beispielsweise vergrößert, erhöht sich die Drehzahl und mit ihr nach Gl. (8.6) die induzierte Urspannung Uq und zwar so, dass die Differenz der beiden Spannungen und damit der Ankerstrom konstant bleiben. Der Strom ist bei unverändertem Fluss eine alleinige Funktion des Lastmomentes (s. Gl. (8.14)). Je stärker der Motor antreiben muss, desto größer ist der Strom, den er der Spannungsquelle entnimmt
240
8 Elektrische Maschinen und Antriebe
und umgekehrt. Diesbezüglich stellen wir beim Elektromotor eine sehr interessante Eigenschaft fest, über die beispielsweise ein Verbrennungsmotor nicht verfügt. Bei diesem ist es erforderlich, das Gaspedal durchzutreten, wenn die Belastung steigt, weil sonst das Fahrzeug stehenbleiben würde (z.B. ein Kraftfahrzeug an einer Straßensteigung). Wird demgegenüber von einem Elektromotor mehr abverlangt, d.h. steigt seine Belastung, entnimmt er den zur Bewältigung dieser Last gerade notwendigen Strom selbsttätig dem Speisegerät, ohne dass der Eingriff eines Menschen erforderlich ist. Die Drehzahlstellung eines Gleichstrommotors über die Variation der Ankerspannung ist die am häufigsten angewandte Stellmethode und sie wird heute nahezu ausschließlich mit thyristorgesteuerten Gleichrichtern, die wir im Abschnitt 7.4.2.2 kennengelernt haben, verwirklicht. Mit ihnen können wir, wie gezeigt wurde, auf elegante Art und Weise veränderbare Gleichspannungen erzeugen, mit denen der Motor direkt angesteuert wird. Die Methode ist darüber hinaus verlustarm. Außerdem lassen sich mit ihr reaktionsschnelle Antriebsregelungen realisieren. Feldsteuerung. Aus Gl. (8.13) lesen wir ab, dass durch Veränderung des Flusses ĭ sowohl die Leerlaufdrehzahl als auch der Drehzahlabfall beeinflusst werden. Die Spannung wird konstant gehalten. Für zwei verschiedene Werte von ĭ sind die Kennlinien in Bild 8.12 gezeigt.
Bild 8.11
Kennlinienparameter U
Bild 8.12
Kennlinienparameter Φ
In der Praxis wird diese Methode ebenfalls vorrangig durch Thyristorgleichrichter nach Abschnitt 7.4.2.2, die die Erregerspannung UE verstellen, realisiert. Dabei geht man nicht über den Nennwert des Erregerstromes bzw. des Erregerflusses (in Bild 8.12 ist das ĭ1) hinaus, so dass gegenüber diesem Wert nur Drehzahlerhöhungen durch Verkleinerung von ĭ (im Bild ĭ2) verwirklicht werden. Man nennt diese Methode Drehzahlerhöhung durch Feldschwächung. Sie wird u.a. bei Kränen für das Arbeiten im Teillastbereich mit erhöhter Drehzahl angewandt. Auch für den Betrieb von Elektroautos und Elektrolokomotiven spielt diese Methode eine große Rolle. Die Beschleunigung dieser Fahrzeuge wird nämlich nur bis zu einer so genannten Eckdrehzahl über die Erhöhung der Spannung vorgenommen. Bei der Eckdrehzahl ist deren Bemessungswert erreicht. Eine Spannungserhöhung darüber hinaus verbietet sich. Die jedoch weiter notwendige Geschwindigkeitserhöhung erreicht man durch Feldschwächung bei konstanter (Bemessungs-) Spannung. Wir sehen an diesem Beispiel, dass die Methoden Spannungssteuerung und Feldsteuerung auch sinnvoll kombiniert werden können.
8.2.3.3 Anlassen und Bremsen Anlassen. Wir gehen von einer stillstehenden Maschine aus und legen die volle Ankerspannung, z.B. die Nennspannung der Maschine, an. Mit Ω = 0 wird nach Gl. (8.6) auch Uq = 0, d.h. der Einschaltstrom nach Gl. (8.15): U (8.16) I Aein = RA
8.2 Die Gleichstrommaschine
241
Durch die im Einschaltmoment fehlende Gegenspannung Uq kann der Strom nahezu den sechsbis achtfachen Wert des Normalbetriebes annehmen, was nur für kleine Maschinen akzeptabel ist. Maschinen mit mehreren kW Leistung erfordern dagegen Hilfsmittel zur Begrenzung des Einschaltstromes. Gl. (8.16) gibt den Hinweis darauf, dass dies auf zweierlei Weise erfolgen kann, nämlich durch Beeinflussung der Spannung oder des wirksamen Widerstandes im Läuferkreis. Wir werden z.B. die Spannung nicht mit ihrem vollen Nennwert an den Motor legen, sondern sie, bei kleinen Werten beginnend, langsam steigern. Auf diese Weise wird der Motor bis auf die Betriebsdrehzahl hochgefahren, ohne dass der Strom einen gefährlichen Wert annimmt. Das Hochfahren geschieht am besten mit einem gesteuerten Gleichrichter nach Abschnitt 7.4.2.2. Es gibt heute bereits Anlassgeräte, die automatisch eine bestimmte U = f (t) - Kennlinie realisieren, die programmierbar ist. Die zweite Anlassmethode, die auf dem Einfügen von Widerständen im Einschaltmoment und deren stufenweise Abschaltung mit der Erhöhung der Drehzahl beruht (Widerstandsanlasser), verliert immer mehr an Bedeutung. Bremsen. Beim Abschalten des Motors liegen analoge Verhältnisse wie beim Einschalten vor. Schalten wir die angelegte Spannung ab und schließen gleichzeitig die Motorklemmen kurz, ist der Strom im Abschaltmoment nach Gl. (8.15): Uq I Aaus = − (8.17) RA Auch hier hat er einen großen Betrag, weil die kompensierende Spannung U fehlt. Der Strom muss folglich mit Beginn der Stillsetzung der Maschine ebenfalls begrenzt werden. Das ist, wie die Gleichungen zeigen, durch langsames Herabsetzen der Spannung U mit einem gesteuerten Gleichrichter oder mit Ankervorwiderständen RV zu erreichen (Widerstandsbremsen). In vielerlei Hinsicht überlegen ist die Spannungssteuerung, mit der es sogar möglich ist, die Bremsenergie in das Netz, aus dem der Motor versorgt wird, zurückzuspeisen. Diese Methode nennen wir deshalb Nutzbremsen. Bevor wir jedoch in der Lage sind, die Vorgänge bei derartiger Bremsung zu verstehen, machen sich einige vorläufige Betrachtungen zum Zusammenspiel von Motor und Arbeitsmaschine erforderlich (Ausführlicher gehen wir auf diese Problematik im Abschnitt 8.5.2 ein). Motor und Arbeitsmaschine. Alle Arbeitsmaschinen (z.B. Förderbänder, Hubwerke, Lüfter, Pumpen usw.) haben wie der Motor charakteristische Drehzahl-Drehmomenten-Kennlinien. Wird der Motor fest mit einer solchen Maschine gekuppelt, ergibt sich der Schnittpunkt der Kennlinien von Motor und Arbeitsmaschine als Arbeitspunkt für den Antrieb. Für einen Gleichstrommotor und ein Hubwerk sind die Kennlinien und die Arbeitspunkte im Bild 8.13 dargestellt. Hubwerke haben ein von der Drehzahl unabhängiges Widerstandsmoment. Die Kennlinie steht deshalb senkrecht auf der Moment-Achse. Der Drehzahl-Arbeitspunkt AD ist der Schnittpunkt der beiden Drehzahl-Kennlinien. Bei Belastung des Gleichstromnebenschlussmotors mit dem Hubmoment MH stellt sich die Drehzahl nH für Motor und Hubwerk ein.
Bild 8.13
Hubwerksantrieb
242
8 Elektrische Maschinen und Antriebe
Der Schnittpunkt der IA = f (M) - Kennlinie des Motors mit der Drehzahlkennlinie des Hubwerkes ist der Strom-Arbeitspunkt AS. Bei Belastung mit MH ergibt sich der Motorstrom IAH. Wird das Widerstandsmoment des Hubwerkes größer, also mehr Last angehängt, rückt die Hubwerkskennlinie nach rechts. Dadurch wandern auch die Arbeitspunkte nach rechts, d.h. die Drehzahl sinkt und der Strom steigt. Mit diesen Grundkenntnissen über die Arbeitspunktentstehung können wir die Vorgänge beim Nutzbremsen verstehen. Nutzbremsen. Dazu betrachten wir das Bild 8.14. Bildteil a zeigt uns zunächst, dass das Herabsteuern der Spannung in Stufen geschehen soll, wozu wir einen Thyristorgleichrichter benutzen. Zu Beginn befindet sich der Antrieb bei der Spannung U1 mit dem Widerstandsmoment MH im Drehzahlarbeitspunkt 1D und im Stromarbeitspunkt 1S (s. Bild 8.14 b). Er läuft stationär mit der Drehzahl n1. Jetzt verkleinern wir schlagartig die Spannung (z.B. durch schlagartige Vergrößerung des Zündwinkels unseres gesteuerten Gleichrichters). Zu der niedrigeren Spannung gehört, den Kennlinien der Maschine entsprechend, eine niedrigere Drehzahl, die sich aber infolge der Trägheit des Ankers viel später als die Spannung einstellt. Bild 8.14 a zeigt, dass diese neue Drehzahl erst nach einem Übergangsvorgang, der eine gewisse Zeit beansprucht, erreicht wird. Unmittelbar nach Absenken der Spannung liegen die folgenden Verhältnisse vor: Die Spannung ist bereits auf U2 gefallen, und die Maschine befindet sich deshalb bereits auf der für diese Spannung gültigen Kennlinie. Die Drehzahl entspricht aber immer noch n1. Kennlinie U2 und Drehzahl n1 ergeben die Arbeitspunkte 1D' für die Drehzahl und 1S' für den Strom. Das Moment ist negativ, d.h. die Maschine treibt nicht selbst, sondern wird durch die Arbeitsmaschine angetrieben. Außerdem ist der Strom negativ. Die Maschine arbeitet somit als Generator und liefert Strom in das Gleichstromnetz zurück.
Bild 8.14
Vorgang des Nutzbremsens a) Zeitverlauf von Spannung und Drehzahl b) Arbeitspunktbewegungen
Da die Kennlinie der Maschine für U2 im 2. Quadranten keinen Schnittpunkt mit der Kennlinie des Hubwerkes hat, kann sich in den Arbeitspunkten 1'D und 1S' kein stationärer Zustand einstellen. Die Maschine ist vielmehr bestrebt, in den Arbeitspunkt 2D zu gelangen, der dem Schnittpunkt der U2 - Kennlinie mit der des Hubwerkes entspricht. Der Arbeitspunkt 1'D gleitet deshalb auf der Kennlinie für U2 bei entsprechender Abnahme der Drehzahl in den neuen stationären Punkt 2D, bei dem sich die neue Drehzahl n2 einstellt. Synchron dazu bewegt sich der Punkt 1S' auf der Stromgeraden über den Koordinatenursprung (wo IA = 0 ist) in den ebenfalls stationären
8.2 Die Gleichstrommaschine
243
Arbeitspunkt 2S, der identisch mit dem Punkt 1S ist. Der Strom ist im neuen stationären Zustand der gleiche wie vorher, weil sich das zu bewältigende Widerstandsmoment nicht geändert hat. Der Ankerstrom ist jetzt positiv, d.h. die Maschine nimmt Leistung auf. Sie arbeitet wieder als Motor. Die Grenze zwischen Motor- und Generatorbetrieb liegt offensichtlich dort, wo IA = 0 ist. Für IA > 0, d.h. nach Gl. (8.15) für U > Uq, arbeitet die Maschine motorisch. Ihr Drehzahlarbeitspunkt liegt im 1. Quadranten. Für IA < 0, d.h. U < Uq, arbeitet sie generatorisch, und der Drehzahlarbeitspunkt liegt im 2. Quadranten. Der Generatorbetrieb ist ein Übergangsvorgang zwischen den Arbeitspunkten als Motor, der beim Bremsen durchlaufen wird. Die bei Betrieb im 2. Quadranten gelieferte elektrische Energie stammt aus der mechanischen Energie, die man beim Abbremsen erhält. Betreiben wir den Gleichstrommotor mit einem gesteuerten Gleichrichter, erfolgt der Energiefluss bei Motorbetrieb vom Wechsel- oder Drehstromnetz über den Gleichrichter zur Maschine (Gleichrichterbetrieb), bei Generatorbetrieb von der Maschine über den Gleichrichter zurück in das Netz (Wechselrichterbetrieb). In dem hier geschilderten Fall des Erreichens des 2. Quadranten muss der Gleichrichter in der Lage sein, eine Stromumkehr zu gestatten. Das aber erfordert einen Umkehrstromrichter, dessen Eigenschaften wir bereits ausführlich im Abschnitt 7.4.2.2.4 demonstriert haben.
Bild 8.15
Kennlinie des Reihenschlussmotors
Auf den Betrieb von Motoren in mehr als einem Quadranten werden wir noch einmal im Abschnitt 8.5.4 zurückkommen.
8.2.4 Der Gleichstromreihenschlussmotor Die Schaltung entnehmen wir Bild 8.8 b. Es gelten die für die Nebenschlussmaschine abgeleiteten Gln. (8.13) und (8.14). Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Fluss ĭ vom Ankerstrom IA bestimmt wird, weil dieser auch die Erregerwicklung durchfließt. Eine Folge davon ist, dass der Drehzahlabfall Δ n nicht konstant ist, sondern stark vom belastenden Moment abhängt. Bild 8.15 zeigt die für Reihenschlussmaschinen charakteristischen Kennlinien. Man nennt sie auch „weiche“ Kennlinien, da die Drehzahl bei Belastung stark abfällt, die Maschine sich also „nachgiebig“ verhält. Reihenschlussmotoren entwickeln bei niedrigen Drehzahlen große Drehmomente. Sie eignen sich deshalb als Bahnmotoren und werden, sofern die Bahnen aus Gleichstromnetzen betrieben werden, auch als solche eingesetzt. Ein Vorteil hierbei ist, dass die Drehzahl-DrehmomentenKennlinien Hyperbelcharakter besitzen. Infolgedessen ist nM und somit die mechanische Leistung P = Ω M = 2π n M, unabhängig von dem gerade geforderten Moment, konstant. Dem Netz wird dadurch für alle Drehzahlen eine gleichbleibende elektrische Leistung entnommen, was sich günstig auf den Betrieb des Netzes, in dem der Motor arbeitet, auswirkt.
244
8 Elektrische Maschinen und Antriebe
Ein Nachteil des Reihenschlussmotors besteht darin, dass die Drehzahl bei kleinen Belastungen stark ansteigt. Die Maschine neigt zum „Durchgehen“. Deshalb setzt man solche Motoren nicht dort ein, wo mit plötzlichen Entlastungen zu rechnen ist (Lastabwurf). Sie eignen sich daher nicht für Riementriebe, sofern nicht zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden. Sollte eine Kupplungswelle brechen, begrenzen sich kleine Motoren bezüglich ihrer Leerlaufdrehzahl infolge der Wirkung von Lager- und Lüfterreibung selbst. Reihenschlussmotoren großer Leistung kann man durch Fliehkraftschalter oder durch eine zusätzliche Nebenschlusswicklung schützen. Im letzteren Falle sprechen wir von einem Doppelschlussmotor.
8.2.5 Spezielle Typen Von der konventionellen Konstruktion nach Bild 8.5 abweichende Gleichstromnebenschlussmaschinen werden im Leistungsbereich von Zehntel Watt bis zu wenigen Kilowatt insbesondere in Haushaltgeräten, Elektrowerkzeugen, Robotern usw. eingesetzt. Das Magnetfeld wird bei diesen so genannten Kleinmaschinen durch hochwertige Permanentmagnete auf der Basis von Aluminium/Nickel/Kobalt, Samarium/Kobalt oder Neodym/Eisen/Bor erzeugt. Insbesondere bei Stellmotoren (Servomotoren) kommt es auf hohe Dynamik an, die kleinste Trägheitsmomente und kleinste elektromechanische Zeitkonstanten der Läufer verlangt. Das wird durch Maschinenkonstruktionen mit Scheibenläufer, Schlankanker oder Hohlläufer erreicht, deren elektromechanische Zeitkonstanten im Milli-Sekunden-Bereich liegen. Zur Ableitung der Wirkungsweise eines anderen speziellen Motortyps betrachten wir nochmals das Bild 8.3. Für die hier aus der Richtung von Ankerstrom und Hauptfeld konstruierten momenterzeugenden Kraftvektoren würde sich nichts ändern, wenn wir sowohl die Strom- als auch die Feldrichtung in irgendeiner Bewegungsphase umkehren. Also müsste der Motor auch dann laufen, wenn wir in den Läufer und in die Erregerwicklung Wechselströme einspeisen, die untereinander keine Phasenverschiebung aufweisen, denn dann würden Strom- und Feldumkehr immer gleichzeitig auftreten. Phasengleichheit des Stromes sowohl in der Anker- als auch in der Erregerwicklung ist aber nur erreichbar, wenn beide in Reihe geschaltet sind, d.h. wenn wir eine Reihenschlussmaschine (Abschnitt 8.2.4) verwenden. Diese kann sowohl mit Gleich- als auch mit Wechselspannung betrieben werden und heißt in dieser Anwendung Universalmotor. Er hat eine Kennlinie mit Reihenschlussverhalten nach Bild 8.15.
8.3 Der Transformator 8.3.1 Grundsätzlicher Aufbau und Funktionsprinzip Im Abschnitt 2.5.2, Bild 2.26, haben wir uns bereits die grundsätzliche Funktionsweise eines Transformators klargemacht. Es ist sehr nützlich, sich den Inhalt der wenigen diesbezüglichen Sätze noch einmal zu vergegenwärtigen. Der Transformator ist dem Prinzip nach ein Vierpol, der über seine Eingangsklemmen (Primärwicklung) bei der Spannung U1 und dem Strom I1 elektrische Energie aufnimmt und diese bei der Spannung U2 und dem Strom I2 an den Ausgangsklemmen (Sekundärwicklung) wieder abgibt (s. Bild 8.16). Er wirkt bei Sicht auf seine Primärklemmen wie ein Verbraucher, aus der Sicht der Sekundärklemmen wie ein Erzeuger oder Lieferer elektrischer Energie. Um dem gerecht zu werden, benutzen wir auf der Eingangs- oder Primärseite das Verbraucher-, auf der Ausgangs- oder Sekundärseite das Erzeugerzählpfeilsystem (s. Abschnitt 5.2.2). Die Konsequenz ist, dass die Zählpfeile der Ströme in Energieflussrichtung liegen, was für uns logisch ist.
8.3 Der Transformator
Bild 8.16
245
Klemmengrößen des Transformators
Konstruktiv unterscheiden wir zwei Grundtypen, den Kern- und den Manteltransformator. Bild 8.17 zeigt diese beiden Ausführungsformen. In der Praxis wird vorwiegend der Manteltyp eingesetzt, weil sich bei ihm Primär- und Sekundärspule auf einem gemeinsamen Spulenkörper befinden. Dadurch ist eine bessere Flusskopplung als bei den räumlich entfernten Spulen des Kerntyps gegeben. Die Eisenkerne der Transformatoren sind zur Minimierung von Wirbelströmen grundsätzlich geblecht (s. Abschnitt 2.5.2, Bild 2.27).
Bild 8.17
Ausführungsformen von Transformatoren a) Kernb) Manteltransformator
Die bereits dargestellte Funktion des Transformators fassen wir noch einmal zusammen: Durch eine an die Primärwicklung des Transformators angelegte zeitveränderliche Spannung bildet sich im Eisenkern ein zeitlich veränderlicher Fluss aus, der Primär- und Sekundärspule durchsetzt und deshalb in diesen nach dem Induktionsgesetz Spannungen induziert. Diese Vorgänge wollen wir etwas näher betrachten. Dabei interessiert uns zuerst der relativ einfach zu verstehende so genannte ideale Transformator, dessen Gesetze bereits alles für diese elektrische Maschine Charakteristische enthalten. Danach lassen wir die idealisierenden Bedingungen fallen und beschäftigen uns mit dem so genannten realen oder technischen Transformator. Wir werden auf dem Weg über den idealen Transformator zum theoretischen Verständnis und über den realen Transformator zu praktisch wichtigen Anwendungsproblemen gelangen. Einige Ausführungen über Drehstromtransformatoren und spezielle Typen schließen unsere Betrachtungen zu dieser elektrischen Maschine ab.
8.3.2 Der ideale Transformator 8.3.2.1 Definition und Ersatzschaltbild Wir idealisieren in dreifacher Hinsicht: 1. Es wird ein linearer Zusammenhang B = μ0 μr H für die Hystereseschleife des Kernmaterials angenommen. Das bedeutet, dass ȝr konstant ist und die Kurve keine Hysterese aufweist. Die der Fläche der Hystereseschleife beim nicht idealen Magnetkreis proportionalen Hystereseverluste sind somit Null. Weiterhin nehmen wir an, dass die elektrische Leitfähigkeit des Eisens ebenfalls
246
8 Elektrische Maschinen und Antriebe
Null ist, so dass sich keine Wirbelströme im Kern ausbilden und somit auch keine Wirbelstromverluste vorkommen können. Da beide genannten Verlustarten im Eisen begründet sind, sagt man, dass der ideale Transformator keine Eisenverluste besitzt. 2. Die Wicklungsdrähte der Spulen sollen ideal stromleitfähig, d.h. widerstandslos sein. Es treten keine Kupferverluste auf. 3. Die Flusskopplung zwischen Primär- und Sekundärspule soll ideal sein, d.h., es existieren keine Streuflüsse oder Streuverluste. Das Schaltbild des idealen Transformators zeigt Bild 8.18. Den beide Spulen durchsetzenden magnetischen Fluss nennen wir Hauptfluss Φ. Durch ihn werden in den beiden Wicklungen die Hauptfeldspannungen mit den Effektivwerten Uh1 und Uh2 induziert.
Bild 8.18
Idealer Transformator
Die angegebenen Richtungen der Zählpfeile für Uh1 und Uh2 werden uns klar, wenn wir z.B. den Transformator mit offenen Sekundärklemmen (I2 = 0, Leerlauf) betreiben. Er wirkt dann wie eine (ideale) Spule, d.h., Uh1 entsteht durch Selbstinduktion und ist der Klemmenspannung U1 entgegengerichtet (s. Bild 2.31). Uh2 wird gegeninduktiv gebildet und ist die treibende Spannung für das Erzeugersystem des Transformatorausganges. Sie hat deshalb die gleiche Richtung wie die Klemmenspannung U2 und der Strom I2. Mittels des Maschensatzes nach Gl. (1.35) erhalten wir für die Primärseite: U1 = – Uh1
(8.18)
und für die Sekundärseite: U2 = Uh2
(8.19)
8.3.2.2 Induzierte Spannung und Klemmenspannung Bei sinusförmigem Fluss
Φ (t ) = Φˆ sin ω t
(8.20)
ergibt sich für die in der Primärspule induzierte Urspannung nach Gl. (2.40): uh1 = − N1
dΦ = − N1 ωΦˆ cos ω t dt
(8.21)
Für die Sekundärwicklung gilt analog: uh2 = − N 2
dΦ = − N 2 ωΦˆ cos ω t dt
(8.22)
N1 und N2 sind die Windungszahlen von Primär- und Sekundärspule. Da wir leicht zu überschauende Zeigerbilder brauchen, interessieren uns die Effektivwerte der induzierten Spannungen:
247
8.3 Der Transformator
N1 ωΦˆ = 4, 44 N1 f Φˆ (8.23) 2 N ωΦˆ U h2 = | U h2 | = 2 = 4, 44 N 2 f Φˆ (8.24) 2 Unter Beachtung der Gln. (8.18) und (8.19) gilt für die Beträge der Klemmenspannungen: U1 = 4, 44 N1 f Φˆ U 2 = 4, 44 N 2 f Φˆ (8.25) U h1 = | U h1 | =
Daraus folgt: U1 U h1 N = = 1= ü U 2 U h2 N2
(8.26)
Diese Beziehung demonstriert uns die Hauptaufgabe des Transformators, die darin besteht, eine gegebene Eingangsspannung U1 in eine höhere oder niedrigere Spannung U2 umzuformen, zu transformieren. ü ist das Übersetzungsverhältnis des Transformators. Für ü < 1 gilt U2 > U1, d.h. die Spannung wird herauftransformiert. Die Sekundärseite heißt in diesem Falle Oberspannungs-, die Primärseite Unterspannungsseite. Für ü > 1 ist U2 < U1, d.h. die Spannung wird herabtransformiert. Jetzt ist primärseitig die Ober- und sekundärseitig die Unterspannungsseite. Ob herauf- oder herabtransformiert wird, legen wir nach Gl. (8.26) durch das Übersetzungsverhältnis, d.h. durch Wahl der Windungszahlen für die Primär- und die Sekundärspule fest.
8.3.2.3 Zeigerdiagramme und Wirkungsweise Leerlauf: Sind die Klemmen auf der Sekundärseite des Transformators offen, ist also kein Verbraucher angeschlossen, ist I2 = 0. Wir sprechen vom Leerlauf des Transformators. Den in diesem Falle in die Primärklemmen fließenden Strom nennen wir I0. Er erzeugt im Eisenkern einen Magnetfluss, dessen Effektivwert wir mit ĭ0 bezeichnen. Dieser Fluss besitzt seine Maximalwerte, wenn der Strom I0 seine Maximalwerte erreicht, er ist Null, wenn der Strom Null ist usw.. Er ist demnach mit dem Strom in Phase. Außerdem erkennen wir beim Vergleich der Gln. (8.21) und (8.22) mit der Gl. (8.20), dass die durch den Fluss ĭ0 in den Spulen induzierten Spannungen Uh1 und Uh2 jeweils um einen Winkel von 90° dem Fluss und damit dem Strom nacheilen. Phasenlage und Größe der für ein Zeigerdiagramm noch fehlenden Klemmenspannungen U1 und U2 ergeben sich aus den Beziehungen (8.18) und (8.19).
Bild 8.19
Zeigerbild des idealen Transformators bei Leerlauf
Bild 8.20
Ersatzschaltbild des idealen Transformators bei Leerlauf
248
8 Elektrische Maschinen und Antriebe
Das vollständige Zeigerdiagramm des idealen Transformators bei Leerlauf ist nun problemlos zu zeichnen. Es ist in Bild 8.19 dargestellt. Dabei haben wir, wie bereits dem Primärstrom, auch der Primärspannung den Index Null gegeben, da dies bei Leerlauf üblich ist. Wir erkennen aus dem Zeigerbild, dass der Leerlaufstrom I0 der Leerlaufspannung U0 um einen Winkel von 90° nacheilt. Von den Eingangsklemmen aus betrachtet wirkt der ideale Transformator in dieser Betriebsweise folglich wie eine verlustlose Spule, so dass sich das in Bild 8.20 dargestellte Ersatzschaltbild für den Leerlauf ergibt. Der durch die Induktivität verkörperte Wechselstromwiderstand hat die Größe Xh = ω Lh. Wir nennen ihn die Hauptreaktanz oder den Hauptblindwiderstand des Transformators. Der in diesem Bauelement fließende Strom I0 erzeugt den Fluss ĭ0 im Eisenkern. Belastung: Bei Anschluss eines Verbrauchers an die Sekundärklemmen des Transformators fließt im Ausgangskreis Strom, der ebenfalls einen magnetischen Fluss ausbildet, welcher sich dem vom Primärstrom herrührenden überlagert. Wir stellen uns die Frage, wie sich die sekundärseitige Belastung des Transformators auf den Primärstrom auswirkt. Zur Erklärung gehen wir vom eben besprochenen Leerlauffall aus und ziehen die Lenzsche Regel zu Rate, die wir ausführlich im Abschnitt 2.5.1 diskutiert haben und die besagt, dass jeder Strom, der durch einen Induktionsvorgang entsteht, über sein Feld der Ursache für die Induktion entgegenwirkt. Wenn der ausgangsseitige Verbraucher angeschlossen ist und der Strom I2 einsetzt, wird der von ihm hervorgerufene magnetische Fluss dem in der Primärspule durch den Strom I1 erzeugten Fluss entgegenwirken. Er schwächt diesen, weil er die Ursache für die Entstehung des Stromes I2 ist. Dadurch wird die in der Primärspule selbstinduzierte Spannung Uh1 gegenüber dem Leerlauffall kleiner. Somit kommt es zum Überwiegen der Primärspannung U1 und deshalb zu einer Vergrößerung des Primärstromes I1. Je größer der Strom I2 in der Sekundärwicklung ist, desto intensiver ist die Schwächung des magnetischen Flusses und desto stärker steigt der Strom I1 in der Primärwicklung an, um diese Schwächung zu kompensieren. Wie groß I1 dabei wird, sagt uns das Prinzip von der Konstanz der Leerlaufdurchflutung: Bei Leerlauf fließt in der Sekundärwicklung kein Strom, in der Primärwicklung der Leerlaufstrom I0. Somit ist die wirksame Leerlaufdurchflutung Θ 0 = I0 N1. Sie ruft im Eisenkern den magnetischen Fluss Φ 0 hervor. Wird an die sekundärseitigen Klemmen ein Verbraucher angeschlossen, fließt in der Sekundärwicklung der Strom I2, dessen Feld den magnetischen Fluss Φ 0 im Eisenkern zu schwächen versucht. Dieser Schwächung wirkt der Primärstrom I1 entgegen. Er steigt bei diesem Vorgang so weit an, dass die Summe der von I1 und I2 erzeugten Durchflutungen Θ 1 und Θ 2 gerade wieder die Leerlaufdurchflutung Θ 0 ergibt. In allen Betriebsfällen haben wir stets den gleichen Fluss Φ 0 im Eisenkern und die gleiche wirksame Durchflutung Θ 0. Voraussetzung ist konstant bleibende Klemmenspannung U1, was in der Regel der Fall ist. Das Konstanzgesetz lautet in mathematischer Form:
Θ 1 + Θ 2 = Θ 0 = N1 I1 + N 2 I 2 = N1 I 0
(8.27)
Daraus erhält man für den Zeiger des Primärstromes: I 1 = I 0 + I 2'
(8.28)
mit: I2 ' = −
1 I2 ü
(8.29)
8.3 Der Transformator
Bild 8.21
249
Zeigerbild des idealen Transformators bei Belastung (ü = 2)
I2' heißt in die Primärwicklung übersetzter Sekundärstrom. Er trägt diesen Namen deshalb, weil er in der Gl. (8.28) als Summand mit zwei Primärströmen erscheint. Wir wollen ihn im weiteren abgekürzt übersetzten Sekundärstrom nennen. Er ist mittels Gl. (8.29) aus dem wirklichen Sekundärstrom I2 bestimmbar. Unsere bisher gewonnenen Erkenntnisse lassen sich in einem das Betriebsverhalten des Transformators beschreibenden, sehr übersichtlichen Zeigerdiagramm darstellen, dessen schrittweisen Aufbau wir jetzt vornehmen wollen (s. dazu Bild 8.21). Ausgangsgröße ist der Zeiger des magnetischen Flusses, der infolge des Konstanzprinzips für alle Betriebsfälle dem Leerlauffluss entsprechen muss. Die in den beiden Wicklungen induzierten Hauptfeldspannungen Uh1 und Uh2 eilen, wie bereits festgestellt, dem Fluss um einen Winkel von 90° nach (s. Bild 8.23). Die Lage der Zeiger der beiden Klemmenspannungen U1 und U2 bezüglich Uh1 und Uh2 ist durch die Gln. (8.18) und (8.19) bestimmt. Somit ergibt sich ein dem Fluss um 90° vorauseilendes U1 und ein dem Fluss um 90° nacheilendes U2. Die induzierten Spannungen Uh1 und Uh2 werden aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht berücksichtigt (Beim realen Transformator sind sie der direkten Messung sowieso nicht zugänglich). Wir nehmen jetzt an, dass der Transformator induktiv belastet wird. Der Strom I2 eilt demzufolge der Spannung U2 um den Winkel ϕ 2 nach. Somit liegen die Sekundärgrößen im Zeigerdiagramm fest. Die Aufgabe besteht in der Regel darin, bei gegebenen Sekundärgrößen den Primärstrom I1 zu bestimmen. Dazu benutzen wir die Gl. (8.28). Der Strom I0 ist der uns vom Leerlauffall bekannte Leerlaufstrom. Er ist mit dem Fluss in Phase (s. dazu Bild 8.19). Der übersetzte Sekundärstrom I2' wird aus Gl. (8.29) ermittelt. Er verläuft gegenphasig zum wirklichen Sekundärstrom I2, und sein Betrag entspricht I2/ü. Die geometrische Summe der Zeiger I0 und I2 ergibt den gesuchten Zeiger I1 (s. Gl. (8.28)). Nach Antragen des Phasenwinkels ϕ1 zwischen U1 und I1 ist das Zeigerbild komplett. Wir sehen, dass die beiden Ströme I0 und I2' eine große Bedeutung für die Bildung des Stromes I1 haben. Deshalb wollen wir das Wesen dieser beiden Größen noch einmal zusammenfassend herausstellen. I0 ist nur bei Leerlauf direkt messbar. Bei Belastung ist dieser Strom lediglich eine Rechengröße, mit der wir nach Gl. (8.28) den Primärstrom I1 bestimmen können (Die reale Bedeutung von I0 für den belasteten Transformator lernen wir im Abschnitt 8.3.3 kennen). Analoges gilt für I2'. Er ist auch nicht direkt messbar, kann aber nach Gl. (8.29) aus I2 bestimmt werden, so dass wir die Gl. (8.28) komplettieren und den Primärstrom I1 berechnen können.
250
8 Elektrische Maschinen und Antriebe
Da die beiden genannten Ströme nicht unmittelbar gemessen werden können, wurden sie im Zeigerdiagramm gestrichelt gezeichnet. Wir betrachten noch kurz das Stromübertragungsverhalten des idealen Transformators. Da er nach den getroffenen Voraussetzungen keinerlei Verluste aufweist, müssen Eingangs- und Ausgangswirkleistung gleich sein: U1 I1 cos ϕ 1 = U2 I2 cos ϕ 2
(8.30)
Weil in der Praxis der Leerlaufstrom I0 wesentlich kleiner als der Strom I1 bei Belastung ist, folgt aus Gl. (8.28) I1 ≈ I2'. Nach Bild 8.21 ist dann ϕ 1 ≈ ϕ 2, d.h. cos ϕ 1 ≈ cos ϕ 2, so dass wir aus Gl. (8.30) erhalten: I1 U 2 1 ≈ = I 2 U1 ü
(8.31)
Die Ströme verhalten sich folglich umgekehrt wie die Spannungen. Auf der Oberspannungsseite fließt der kleinere, auf der Unterspannungsseite der größere Strom. Dabei wird immer die Gl. (8.31) erfüllt. Wir können davon ausgehen, dass alle in diesem Abschnitt zum idealen Transformator angeführten Gleichungen und Erklärungen in meist guter Näherung auch für technische Transformatoren gültig sind. Bei notwendigen energetischen Betrachtungen, beispielsweise bei der Analyse von Verlusten und des Wirkungsgrades, reicht das Bild vom idealen Transformator nicht aus, weil bei ihm die Verluste ausdrücklich vernachlässigt worden waren. Ehe wir uns mit der Behandlung des realen oder technischen Transformators beschäftigen, wollen wir eine weitere wichtige Anwendungsmöglichkeit dieser elektrischen Maschine kennenlernen. Dabei legen wir aus Gründen der Einfachheit wieder den idealen Transformator zugrunde.
8.3.2.4 Widerstandstransformation Wir belasten den Transformator entsprechend Bild 8.22 mit einem Widerstand R2 und fragen, wie groß der Eingangswiderstand, d.h. der zwischen den Primärklemmen wirksame Widerstand, ist.
Bild 8.22
Transformator mit Sekundärwiderstand (Verbraucher)
Der Sekundärstrom ist durch I2 = U2/R2 bestimmt. Mit U2 = U1/ü und I2 = ü I1 folgt daraus I1 = U1/ü2 R2, d.h. für den Eingangswiderstand: R1 =
U1 = ü 2 R2 I1
(8.32)
Der Transformator hat einen Eingangswiderstand, der dem ü2 - fachen des sekundären Belastungswiderstandes entspricht. Ist beispielsweise das Übersetzungsverhältnis ü = 20, wirkt ein mit dem ohmschen Widerstand R2 = 6 Ohm sekundär abgeschlossener Transformator an den Eingangsklemmen wie ein ohmscher Widerstand der Größe R1 = 2400 Ohm. Es findet demzufolge eine Widerstandstransformation statt.
8.3 Der Transformator
251
In dieser Anwendung nennt man den Transformator Anpassungsübertrager. Er wird als solcher häufig in der Mess- oder Nachrichtentechnik eingesetzt, um die inneren Widerstände von Signalquellen den Verbraucherwiderständen anzugleichen und dadurch die Übertragungsvorteile bei Anpassung (s. Abschnitt 4.1.5) zu nutzen.
8.3.3 Der technische Transformator 8.3.3.1 Ersatzschaltbild Wir lassen Schritt für Schritt die drei im Abschnitt 8.3.2.1 genannten Voraussetzungen für einen idealen Transformator fallen und gelangen danach zum Ersatzschaltbild des realen oder technischen Transformators. 1. Es treten Eisenverluste auf. Sie sind die Folge der magnetischen Hysterese sowie der sich im Kern ausbildenden Wirbelströme und führen zu entsprechender Wärmeentwicklung im Eisen. In elektrischen Ersatzschaltbildern wird Wärmeentstehung immer mittels stromdurchflossener Widerstände dargestellt bzw. simuliert, weil an Widerständen ebenfalls Verlustwärme gebildet wird. Beim Transformator berücksichtigen wir das, indem wir der idealen (verlustlosen) Spule mit dem Hauptblindwiderstand Xh = ω Lh nach Bild 8.20 einen Widerstand RFe parallel schalten, der die dem Eisen zuzuordnenden Verluste repräsentiert. 2. Die Kupferverluste äußern sich durch Wärmeentwicklung in den Widerständen der Wicklungsdrähte von Primär- und Sekundärspule und lassen sich somit im Ersatzschaltbild ebenfalls durch Widerstände R1 und R2, die in Reihe zu diesen Spulen geschaltet sind, berücksichtigen.
Bild 8.23
Streuverluste am Transformator
3. Sowohl die Primär- als auch die Sekundärspule führen Flussanteile, die nicht durch die jeweils andere Spule verlaufen (s. dazu Bild 8.23). Beispielsweise durchsetzt der Streufluss der Primärspule Φσ1 nur diese selbst, nicht aber die Sekundärspule. Er wirkt deshalb selbstinduktiv und nicht gegeninduktiv. Analoges gilt für die Sekundärspule mit ihrem Streufluss Φσ2. Darum werden die Streuflüsse im Ersatzschaltbild des Transformators durch Selbstinduktivitäten Lσ1 und Lσ2 bzw. durch induktive Blindwiderstände Xσ1 = ω Lσ1 und Xσ2 = ω Lσ2 (Streublindwiderstände, Streureaktanzen), die in die Zuleitungen von Primär- und Sekundärspule geschaltet sind, berücksichtigt.
Bild 8.24
Ersatzschaltbild des technischen Transformators
252
8 Elektrische Maschinen und Antriebe
Beziehen wir die drei genannten Verlustarten ein, ergibt sich das Ersatzschaltbild des realen Transformators nach Bild 8.24. Mit allen seinen Elementen können wir eine klare physikalische Vorstellung verbinden. Die Teile, die den idealen Transformator darstellen, sind durch eine gestrichelte Linie abgegrenzt. Wir wollen jetzt dieses Ersatzschaltbild wesentlich vereinfachen. Dazu stellen wir zunächst die Maschengleichung für den Sekundärkreis auf: U2 + I2 (R2 + j Xσ2) = Uh2
(8.33)
und multiplizieren beide Seiten mit dem negativen Übersetzungsverhältnis: − üU 2 −
I2 2 (ü R2 + j ü 2 X σ 2 ) = − üU h2 = − U h1 ü
(8.34)
Die Größe - I2/ü ist uns bereits als übersetzter Sekundärstrom (s. Gl. (8.29)) bekannt. Für den Term ü2R2 schreibt man mit Hilfe von Gl. (8.29): 2
§I · ü 2 R2 = ¨ 2 ¸ R2 = R2' ' © I2 ¹
(8.35)
woraus folgt: I 22 R2 = I 2' 2 R2'
(8.36)
Der tatsächliche Sekundärstrom I2 erzeugt an dem tatsächlichen Wicklungswiderstand R2 der Sekundärseite die gleiche elektrische Leistung wie der übersetzte Sekundärstrom I2' an dem übersetzten Widerstand R2'. Wenn wir also I2' einführen, müssen wir auch R2 durch R2' ersetzen, damit die physikalischen Aussagen unseres Ersatzschaltbildes richtig bleiben. Mit analoger Begründung folgt für die restlichen zu transformierenden Größen: U 2' = – ü U 2;
Uh2' = – ü Uh2 = – Uh1; Xσ2' = ü2 Xσ2
(8.37)
Einsetzen aller Transformierten in die Gl. (8.34) ergibt: U2' + I2'(R2' + j Xσ2') = – Uh1
(8.38)
Dies ist die Maschengleichung für den Sekundärkreis mit den übersetzten bzw. transformierten Größen. Wir fügen die Maschengleichung des Primärkreises hinzu: U1 – I1 (R1 + j Xσ1) = – Uh1
(8.39)
Die beiden in den Gln. (8.38) und (8.39) vorkommenden Ströme I1 und I2' sind mit dem Leerlaufstrom I0 nach Gl. (8.28) verknüpft. Andererseits müssen wir beachten, dass sich I0 als ein Primärstrom nach Bild 8.24 in zwei Komponenten aufspaltet, in einen Strom über den Widerstand RFe und in einen Strom in die Wicklung (Beim idealen Transformator, s. Bild 8.20, war das nicht der Fall). Unter Beachtung von Gl. (8.28) können wir folglich für I0 zwei Ausdrücke aufschreiben: I0 = I1 – I2' = I ν + Iμ
(8.40)
Dabei ist Iν der für die Eisenverluste, Iμ der für die Ausbildung des Magnetfeldes verantwortliche Strom. Wir nennen sie Verlust- bzw. Magnetisierungsstrom. Beide stehen senkrecht aufeinander, weil der eine über einen Widerstand, der andere über eine Spule fließt. Wir können uns leicht davon überzeugen, dass die Gln. (8.38) bis (8.40) genau dem Ersatzschaltbild nach Bild 8.25 entsprechen. Sie stellen die Maschen- und Knotenpunktsgleichungen dieses Netzwerkes dar.
8.3 Der Transformator
Bild 8.25
253
Vollständiges Ersatzschaltbild des Transformators
Mit der Einführung der übersetzten Größen ist ein einfaches Ersatzschaltbild entstanden, das seine Übersichtlichkeit besonders dem Umstand verdankt, dass Primär- und Sekundärseite galvanisch miteinander verbunden sind, so dass wir es wie ein normales RL-Netzwerk behandeln können. Darüber hinaus zeigt die mittlere der Gln. (8.37), dass Uh2' = Uh1 (Beträge), d.h.: U h1 = 1= ü ' U h2
(8.41)
ist (vgl. Gl. (8.26)). Unser Transformator nach Bild 8.25 mit den übersetzten Größen auf der Sekundärseite hat somit das Übersetzungsverhältnis „Eins“, wodurch die Darstellung von Zeigerdiagrammen in übersichtlicher Form möglich wird, da die Zeiger der Primär- und Sekundärgrößen etwa die gleiche Länge haben. Wir nennen es das vollständige Ersatzschaltbild des Transformators. Wenn wir mit ihm arbeiten, ist darauf zu achten, dass die Sekundärgrößen in transformierter Form vorliegen, dass man demnach z.B. ein durch Rechnen mit dem Ersatzschaltbild erhaltenes U2' erst über Gl. (8.37) in die wirkliche Größe U2, die am Transformator konkret messbar ist, umwandeln muss. Die Notwendigkeit der Umrechnung stört uns nicht im geringsten, da sie einfach durchzuführen ist. Außerdem haben wir uns dafür den weitaus überwiegenden Vorteil eines leicht handhabbaren Ersatzschaltbildes erkauft.
8.3.3.2 Spezielle Betriebsfälle Spezielle Betriebsfälle sind Leerlauf und Kurzschluss. Sie können bei Betrieb des Transformators auftreten, werden aber auch absichtlich herbeigeführt, um bestimmte Transformatorkennwerte zu ermitteln. Leerlauf. Wir gehen vom vollständigen Ersatzschaltbild nach Bild 8.25 aus. Bei Leerlauf ist I2 = I2' = 0. Die Sekundärklemmen sind offen. Der Leerlaufstrom I0 fließt über R1 und Xσ1, und, nachdem er sich im Knotenpunkt in seine Komponenten Iν und Iμ aufgespalten hat, über die Parallelschaltung von RFe und Xh zurück zur unteren Eingangsklemme. Somit wird der Ausgangskreis überhaupt nicht wirksam. Wenn wir außerdem berücksichtigen, dass die Widerstände R1 und Xσ1 in der Praxis gewöhnlich sehr klein sind, können wir sie vernachlässigen, so dass das einfache Ersatzschaltbild des leerlaufenden Transformators nach Bild 8.26 entsteht. Bezüglich der im Leerlauf umgesetzten Wirkleistung lesen wir ab: P0 =
U 02 RFe
(8.42)
254
8 Elektrische Maschinen und Antriebe
Die beim Leerlaufversuch an den Primärklemmen gemessene Wirkleistung ist die an RFe umgesetzte, also die Eisenverlustleistung. Aus Gl. (8.42) folgt für den Eisenverlustwiderstand: RFe =
U 02
(8.43)
P0
Aus den Messgrössen des Leerlaufversuchs ist demzufolge RFe berechenbar. So ist es uns gelungen, ein wesentliches Element des Ersatzschaltbildes nach Bild 8.24 oder 8.25 zu bestimmen.
Bild 8.26
Ersatzschaltbild für Leerlauf
Auch den Hauptblindwiderstand Xh können wir aus Leerlaufmesswerten berechnen. Dazu müssen wir zusätzlich den Strom I0 messen. Mit diesem ist die Leerlaufscheinleistung S0 = I0 U0 und daraus können wir mit P0 die Leerlaufblindleistung Q0 aus dem Leistungsdreieck (s. Abschnitt 5.10, Bild 5.27) ermitteln. Mit Q0 = U02/Xh ergibt sich somit: Xh =
U 02
(U 0 I 0 ) 2 − P02
(8.44)
Wir betrachten noch einmal die Leerlaufersatzschaltung nach Bild 8.26 und lesen U2,0' = U0 ab. Mit der ersten der Gln. (8.37) folgt daraus: ü=
U0 U 2,0
(8.45)
Zu beachten ist, dass U2,0' die im Ersatzschaltbild verwendete, U2,0 dagegen die tatsächlich gemessene Spannung ist. Aus den Messwerten der Primär- und der Sekundärspannung können wir nach Gl. (8.45) das Übersetzungsverhältnis bestimmen. Damit sind wir in der Lage, wirklich gemessene Spannungen, Ströme oder Widerstände jederzeit in übersetzte Größen des Ersatzschaltbildes und umgekehrt umzurechnen. Denn zwischen beiden vermittelt, wie wir bei der Ableitung des vollständigen Ersatzschaltbildes festgestellt haben, allein das Übersetzungsverhältnis ü (s. die Gln. (8.29), (8.35) und (8.37)). Wir sehen, auf welch einfache Weise Parameter des Ersatzschaltbildes ermittelt werden können. Die jetzt noch fehlenden bestimmen wir aus dem Kurzschlussversuch. Kurzschluss. Kurzschluss bedeutet kurzgeschlossene, d.h. überbrückte Sekundärklemmen. Somit ist U2 = U2' = 0. Es fließt der Primärstrom Ik bei der Primärspannung Uk. Er ist sehr viel größer als der Leerlaufstrom I0. Ein Blick auf Bild 8.25 zeigt uns, dass dann Primärstrom und Sekundärstrom I2' etwa gleich groß sind. Es fließt ein vernachlässigbar kleiner Strom über den aus RFe und Xh bestehenden Querzweig, so dass dieser nicht berücksichtigt werden muss. Somit erhalten wir das Kurzschlussersatzschaltbild und das zugehörige Zeigerdiagramm des Transformators nach Bild 8.27. Das von den Spannungen gebildete Dreieck ist charakteristisch für einen Transformator. Es wird Kappsches Dreieck genannt.
8.3 Der Transformator
Bild 8.27
255
Transformatorkurzschluss a) Ersatzschaltbild b) Kappsches Dreieck
Die Wirkleistung bei Kurzschluss ist: Pk = I k2 R = I k2 ( R1 + R2' )
(8.46)
Die beim Kurzschlussversuch an den Primärklemmen gemessene Wirkleistung ist die an R1 und R2' umgesetzte, d.h. die Kupferverlustleistung. Aus Gl. (8.46) können wir R bestimmen. Der Streublindwiderstand folgt mit Sk = Uk Ik aus: Xσ =
(U k I k )2 − Pk2 I k2
(8.47)
Damit haben wir die restlichen Parameter des Ersatzschaltbildes gewonnen. Nach Durchführung von Leerlauf- und Kurzschlussversuchen an Transformatoren sind wir in der Lage, mittels der Gln. (8.42) und (8.46) die in Wärme überführten Verluste der Transformatoren zu bestimmen und ihren Wirkungsgrad einzuschätzen. Solche Messungen wird alle diejenigen interessieren, die sich mit dem rationellen Umgang mit Elektroenergie beschäftigen, besonders wenn es sich um die großen Transformatoren der elektrischen Energietechnik handelt. Das müssen nicht immer die Elektroingenieure selbst sein. Zu den Messungen der Verluste mittels des Leerlauf- und Kurzschlussversuches sind noch einige praktische Hinweise erforderlich, und zwar im Hinblick auf die jeweils anzulegenden Primärspannungen. Der Betrieb des Transformators bei Nennbedingungen, also bei der Nennspannung und beim Nennstrom (Nach neuester Begriffsnormung heißen beide Bemessungsspannung bzw. Bemessungsstrom. Wir wollen in diesem Buch, wie es z.Z. in der Praxis noch üblich ist, beide Termini benutzen) ist der am meisten interessierende Fall. Deshalb werden die Verlustleistungen bei diesen Bedingungen als Nennverlustleistungen ermittelt. Da die Eisenverluste nach Gl. (8.42) von der Spannung, die Kupferverluste nach Gl. (8.46) vom Strom abhängen, sind die ersteren bei der Bemessungsspannung UN, die letzteren beim Bemessungsstrom IN zu bestimmen. Dabei muss die Einstellung des Bemessungsstromes beim Kurzschlussversuch sehr behutsam vorgenommen werden. Weil nämlich die Widerstände R und Xσ (s. Bild 8.27) bei praktisch ausgeführten Transformatoren klein sind (im Bereich weniger Ohm), wäre bei Anlegen der Bemessungsspannung UN der dann fließende Kurzschlussstrom Ik =
UN R 2 + X σ2
(8.48)
256
8 Elektrische Maschinen und Antriebe
so groß, dass der Transformator zerstört würde. Deshalb wird die Spannung, von Null beginnend, langsam gesteigert, bis in der Primärwicklung der Bemessungsstrom IN fließt. Die dabei herrschende Spannung heißt Kurzschlussspannung Uk. Es gilt für IN in diesem Falle: IN =
Uk R2
(8.49)
+ X σ2
Eine Leistungsmessung unter diesen Bedingungen ergibt nach Gl. (8.46) mit Ik = IN die Nennkupferverlustleistung. Aus den Gln. (8.48) und (8.49) folgt: IN Uk = = uk Ik UN
(8.50)
uk heißt relative Kurzschlussspannung und wird in Prozent der Bemessungsspannung UN angegeben. Sie liegt im Bereich von 3 bis 20 % und ist eine wichtige Transformatorkenngröße. Sie bestimmt die Höhe des Primärstromes bei der Nennspannung, wenn (beispielsweise durch einen Fehler) die Sekundärseite des Transformators im Betrieb kurzgeschlossen wird. Beispiel: Beträgt die Nennspannung eines Transformators 230 V und wird im Kurzschlussbetrieb der Nennstrom bei einer Eingangsspannung von 18,3 V erreicht, ist die relative Kurzschlussspannung uk =18,3/230 = 0,08 oder 8 %. Bei einem Nennstrom von beispielsweise 4 A würde somit im Falle eines Kurzschlusses bei anliegender Nennspannung ein (Dauer-)Kurzschlussstrom von Ik = 4/0,08 = 50 A fließen. Er ist um den Faktor 12,5 höher als der Nennstrom, für den der Transformator bemessen ist.
8.3.3.3 Betriebsverhalten Die Transformatoren der Energieversorgungsnetze arbeiten nahezu ausschließlich als Spannungstransformatoren, d.h. mit fester (starrer) Eingangsspannung U1, was wir deshalb bei der Behandlung des Betriebsverhaltens generell voraussetzen wollen. Sehr wichtig für den praktischen Betrieb von Transformatoren sind diejenigen Kennlinien, die das Verhalten der Sekundärspannung U2 in Abhängigkeit vom Laststrom I2 und von der Natur der Last (ohmisch, induktiv oder kapazitiv) bei konstanter (Nenn-)Eingangsspannung beschreiben. Außerdem ist der Wirkungsgrad der Energieübertragung von besonderem Interesse. Auf diese Fragen gehen wir im vorliegenden Abschnitt ein. Zuerst entwickeln wir das Ersatzschaltbild für den Normalbetrieb, der zwischen den Fällen Kurzschluss und Leerlauf angesiedelt und der dadurch gekennzeichnet ist, dass an der Sekundärseite ein komplexer Verbraucher Z2 ≠ 0 angeschlossen wird.
Bild 8.28
Belasteter Transformator mit Zeigerbild
8.3 Der Transformator
257
Im Nennbetrieb arbeitet der Transformator beim Bemessungsstrom und bei der Bemessungsspannung. Für den Bemessungsstrom IN gilt immer die Relation IN » I0. Wie schon beim Kurzschlussbetrieb festgestellt, kann man somit auch bei normaler Belastung den Querzweig des Ersatzschaltbildes nach Bild 8.25 weglassen, so dass für den Transformator im Betrieb das gleiche Ersatzschaltbild wie für Kurzschluss nach Bild 8.27 gültig ist, die in Reihe geschalteten Elemente R und Xσ. Weiterhin sind für Transformatoren der Energieversorgung die Querschnitte der Wicklungsdrähte so groß, dass R « Xσ ist (gilt etwa ab Scheinleistungen von einigen 10 kVA). Daraus ergeben sich für den Transformator mit angeschlossener Last das einfache Ersatzschaltbild und das zugehörige Zeigerdiagramm nach Bild 8.28 (Annahme einer induktiven Last, d.h. I2 eilt U2 um den Winkel ϕ 2 nach). Betriebskennlinien U2 = f (I2). Für I2 = I2' = 0 (Leerlauf) lesen wir aus Bild 8.28 a für die Sekundärspannung U2,0' = U1 ab. Steigert man den Strom, ändert sich die Sekundärspannung auf den Betrag U2'. Der Betrag der Spannungsänderung in Bezug auf Leerlauf ist folglich ǻU = U2,0' – U2' = U1 – U2'. Da die Zeiger U1 und U2' nur einen kleinen Winkel einschließen (Er ist kleiner als hier dargestellt), entspricht ǻU in guter Näherung der in Bild 8.28 b eingezeichneten Strecke a. Somit können wir für die Spannungsänderung schreiben: ΔU = UX sin ϕ 2 = I2'Xσ sin ϕ 2
(8.51)
Die Spannungsänderung gegenüber dem Leerlauf ist dem vom Transformator an den Lastwiderstand gelieferten Strom I2' bzw. I2 proportional. Liegt, wie es der Normalfall ist, eine induktive Last vor, ist ϕ 2 > 0, damit sin ϕ 2 > 0 und ǻU > 0, d. h. die Spannung U2 sinkt mit steigendem Strom I2. Handelt es sich um eine kapazitive Last (ϕ 2 < 0), ist sin ϕ 2 < 0 und somit ǻU < 0, d.h. die Spannung steigt mit steigendem Strom. Ist die Belastung des Transformators ohmisch (ϕ 2 = 0), ist ǻU = 0, d.h. die Spannung bleibt konstant (In der Praxis fällt sie etwas ab, da sich das von uns im Ersatzschaltbild vernachlässigte R bemerkbar macht). Bild 8.29 zeigt diese drei möglichen Fälle.
Bild 8.29
Betriebskennlinien des Transformators
Leerlauf I2 = 0
Wirkungsgrad. Wenn wir einem Transformator die Wirkleistung P2 entnehmen wollen, müssen wir ihm andererseits die Wirkleistung P1 = P2 + Pv = P2 + P0 + Pk zuführen (Pv = P0 + Pk ist die Gesamtverlustleistung entsprechend den Gln. (8.42) und (8.46)). Wegen der konstanten Primärspannung ist auch P0 konstant, unabhängig davon, wie der Transformator gerade belastet ist. Pk hängt jedoch stark vom Strom ab. Wenn wir annehmen, dass in die Ersatzschaltung nach Bild 8.27 a der Primärnennstrom I1N fließt, sind die Kupferverluste PkN = I1N2 R. Sie sind quadratisch vom Strom abhängig. Mit PkN ergibt sich für die Kupferverluste bei beliebigem Strom: 2
§ I · Pk = PkN ¨ 1 ¸ © I1N ¹ Der Wirkungsgrad beträgt:
(8.52)
258
8 Elektrische Maschinen und Antriebe
η=
P2
(8.53)
P2 + P0 + Pk
Bei Leerlauf sind P2 = 0 und η = 0. Bei kleinen Strömen I2 ist auch I1 klein, so dass Pk noch nicht ins Gewicht fällt. Der Wirkungsgrad bei Stromanstieg wird dann nur durch das ebenfalls steigende P2 bestimmt und vergrößert sich (P0 = const). Bei hohen Strömen nehmen die Kupferverluste stark zu, stärker als die abgegebene Leistung P2, so dass η wieder sinkt. Der Wirkungsgrad durchläuft folglich ein Maximum (s. Bild 8.30). Wie sich zeigt, liegt dieses Maximum bei: I1 = I1N
P0 PkN
(8.54)
Ist der Transformator so konstruiert, dass P0 = PkN ist, arbeitet er mit maximalem Wirkungsgrad bei I1 = I1N, also beim Bemessungsstrom. Dieser stellt den höchstzulässigen Dauerstrom dar, der bei einem Transformator der Energieversorgung in den Spitzenzeiten auftreten darf. Im Tagesmittel ist der Strom jedoch niedriger. Deshalb werden die Transformatoren so bemessen, dass P0 < PkN ist und somit der maximale Wirkungsgrad bei I1 < I1N erreicht wird. In Bild 8.30 ist dies für den Fall P0 = 0,5 PkN gezeigt. Hier liegt das Wirkungsgradmaximum bei I1 = 0,7 I1N.
Bild 8.30
Kennlinien des Wirkungsgrades
Im Gegensatz zu den rotierenden elektrischen Maschinen und zu anderen Geräten, die durch ihre Wirkleistung charakterisiert werden, ist die beim Transformator im Vordergrund stehende Leistungsgröße die Scheinleistung in Form der Bemessungsscheinleistung, die sich aus dem Produkt von Bemessungsspannung und -strom ergibt. Die Bemessungsscheinleistung eines Transformators bestimmt dessen Baugröße, denn durch die Bemessungsspannung ist der Aufwand für die Isolierung und für den Magnetfluss (Größe des Eisenkerns), durch den Bemessungsstrom der Querschnitt der Wicklungsdrähte, somit die Masse des verwendeten Kupfers festgelegt. Parallelschalten von Transformatoren. Besteht durch Anschluss neuer Verbraucher die Gefahr der Überlastung eines Transformators, ist ein anderer oder sind mehrere andere parallel zu schalten. Damit die Gesamtlast auf die einzelnen Transformatoren im Verhältnis ihrer Bemessungsscheinleistungen aufgeteilt wird, sind im wesentlichen drei Bedingungen zu erfüllen. Zunächst ist klar, dass die Transformatoren primär- und sekundärseitig die gleiche Bemessungsspannung, demnach das gleiche Übersetzungsverhältnis haben müssen. Außerdem dürfen sich ihre Bemessungskurzschlussspannungen nur um maximal 10% voneinander unterscheiden. Als dritte Bedingung ergibt sich schließlich die Forderung, dass das Verhältnis der Bemessungsscheinleistungen der parallel zu schaltenden Transformatoren den Wert 3:1 nicht überschreiten darf. Nur durch Einhalten dieser drei Bedingungen wird die angestrebte Lastaufteilung im Verhältnis der Bemessungsleistungen gewährleistet. Für Drehstromtransformatoren kommt eine vierte Bedingung hinzu, die wir im nächsten Abschnitt erörtern.
8.3 Der Transformator
259
8.3.4 Drehstromtransformatoren Aufbau. Die bisher behandelten Transformatoren waren Einphasentransformatoren. Wir untersuchen nun, wie man die in der elektrischen Energietechnik ausschließlich verwendeten Dreiphasentransformatoren realisieren kann. Dazu betrachten wir noch einmal das Bild 5.30, in dem das Prinzip der Drehstromerzeugung demonstriert ist. Wollen wir die in den drei Wicklungen induzierten Spannungen z.B. heruntertransformieren, schließen wir an jede Wicklung die Primärseite dreier völlig gleich aufgebauter Einphasentransformatoren mit ü > 1 an. An deren Sekundärseiten kann man die niedrigere Spannung abnehmen. Diese drei Einphasensysteme verketten wir nach den im Abschnitt 5.11.2 beschriebenen Methoden und erhalten auf diese Weise ein Drehstromsystem.
Bild 8.31
Drehstromtransformator
Durch das Zusammenschalten dreier Einphasentransformatoren entsteht eine sog. Transformatorenbank. Werden sie durch Zusammenfassung der magnetischen Kreise auch konstruktiv vereinigt, erhalten wir den üblichen Drehstrom- oder Dreiphasentransformator. Bild 8.31 zeigt einen solchen Transformator mit in Stern geschalteten Wicklungen (primärseitig durch die Verbindung der Wicklungsenden 1U2, 1V2 und 1W2, sekundärseitig durch die Verbindung der Wicklungsenden 2U2, 2V2 und 2W2). Er verbindet, wie aus den im Bild angegebenen Bezeichnungen hervorgeht, ein Drehstromsystem höherer mit einem System niedrigerer Spannung. Die sechs Wicklungsenden sind nicht alle aus dem Transformator herausgeführt, wurden aber gestrichelt angedeutet, um die zwei jeweiligen Ein- und Ausgänge jedes Einzeltransformators zu verdeutlichen. Dieses Bild zeigt nämlich, dass auch auf den Drehstromtransformator alle für die bisherigen Betrachtungen zugrundegelegten einphasigen Ersatzschaltbilder und die zugehörigen Rechnungen angewendet werden können (Allerdings müssen wir bei Phasenbetrachtungen berücksichtigen, dass die Spannungen und die Ströme der drei Einzeltransformatoren untereinander um 120° phasenverschoben sind). Das gilt jedoch bekanntlich nur, wenn der Drehstromtransformator symmetrisch gespeist und symmetrisch belastet wird. Dies ist oft der Fall. Sollte das nicht zutreffen, kann der Elektrotechniker auf Methoden zurückgreifen, die unsymmetrische in symmetrische Fälle zu überführen gestatten, was an dieser Stelle jedoch nicht behandelt werden kann. Wir erkennen daran aber die allgemeingültige Bedeutung der bisher von uns entwickelten Gesetzmäßigkeiten und Erscheinungen beim Transformator. Bild 8.32 zeigt die Anordnung der Spulenkörper eines Drehstromtransformators vom Kerntyp, Bild 8.33 einen ausgeführten Netz- bzw. Netzkupplungstransformator.
260
8 Elektrische Maschinen und Antriebe
a) Bild 8.32
b) Spulenkörper eines Drehstromtransformators a) schematische Darstellung b) technische Ausführung (Werkfoto ABB)
Kennzahl und Schaltgruppe. Die Transformatorwicklungen können nicht nur in Stern, sondern auch in Dreieck geschaltet sein (Die teilweise ebenfalls praktizierte sog. Zick-Zack-Schaltung besprechen wir hier nicht). Eine in Stern geschaltete Wicklung wird mit Y oder y, eine in Dreieck geschaltete mit D oder d gekennzeichnet. Dabei ist der Großbuchstabe für die Oberspannungs-, der Kleinbuchstabe für die Unterspannungsseite gültig. Im Hinblick auf die Parallelschaltbarkeit mit anderen Transformatoren ist auch der Phasenwinkel zwischen Ober- und Unterspannung von Interesse. Er ist beim Drehstromsystem ein Vielfaches von 30°. Dieses Vielfache (Kennzahl n) wird in der Bezeichnung für die sog. Schaltgruppe angegeben. Beispiele:
Bild 8.33
Schaltgruppe Yy0 : Ober- und Unterspannungsseite in Sternschaltung, Phasenverschiebung 0 × 30° = 0°. Schaltgruppe Dy5 : Oberspannungsseite in Dreieckschaltung, Unterspannungsseite in Sternschaltung, Phasenverschiebung 5 × 30° = 150°.
Netztransformator 110 kV/10 kV , 40 MVA (Werkfoto ABB)
8.3 Der Transformator
261
Will man Drehstromtransformatoren parallel schalten, müssen sie, zusätzlich zu den am Ende des vorigen Abschnitts für Einphasentransformatoren formulierten Forderungen, die gleiche Kennzahl haben, denn die Sekundärspannungen der Transformatoren sind bei Anschluss an ein gemeinsames Primärnetz nur bei Einhaltung dieser Kennzahlbedingung phasengleich (z.B. können Dy5 und Yd5 parallel geschaltet werden, Dy5 und Yy0 aber nicht).
8.3.5 Spezielle Transformatortypen Spartransformatoren. Sie besitzen nur eine einzige Wicklung und sind im Prinzip induktive Spannungsteiler (s. Bild 8.34). Bei Zugrundelegung idealer Verhältnisse ist die Sekundärspannung: N2 N U 2 = U1 = U1 2 (8.55) N1 + N 2 N Sie kann durch den Abgriff stufenlos zwischen U2 = 0 (N2 = 0) und U2 = U1 (N2 = N) verstellt werden.
U1 Bild 8.34
Spartransformator
Spartransformatoren dürfen in geerdeten Netzen nicht direkt dort, wo Menschen tätig sind, eingesetzt werden, weil bei entsprechender Polung von U1 die volle Netzspannung über den unteren Anschluss, unabhängig von der Stellung des Abgriffs, auf die Sekundärseite gelangt. Befindet sich der Abgriff z.B. an diesem unteren Ende, ist zwar U2 = 0, die Sekundärseite führt jedoch die volle Netzspannung U1 gegen Erde, auf der der Mensch steht. Für den Nichtfachmann wird somit durch U2 = 0 Spannungsfreiheit auf der Sekundärseite nur vorgetäuscht, was bei ungünstigen Umständen ein tödlicher Irrtum sein kann. Wenn wir mit Wechselspannungen arbeiten, benutzen wir Transformatoren, bei denen keine galvanische Verbindung zwischen Primär- und Sekundärseite wie beim Spartransformator besteht. Das sind die Transformatoren, die wir bisher kennengelernt haben. In dieser Anwendung nennt man sie Trenntransformatoren. Wir kommen auf sie im Abschnitt 9.7.2 noch einmal zurück. Messwandler. In Netzen der elektrischen Energietechnik sind meist sehr große Ströme und Spannungen zu messen. Es ist Aufgabe der Messwandler, zu denen die Strom- und Spannungswandler gehören, die elektrischen Größen so weit herabzutransformieren, dass sie mit gewöhnlichen Messinstrumenten bestimmt werden können.
Bild 8.35
Messwandler a) Stromwandler b) Spannungswandler
262
8 Elektrische Maschinen und Antriebe
Die Schaltung von Messwandlern zeigt Bild 8.35. Da der Widerstand des Voltmeters sehr hoch, der des Amperemeters sehr niedrig ist (s. Abschnitt 10.5.1), arbeitet der Spannungswandler nahezu im Leerlauf, der Stromwandler nahezu im Kurzschluss. Es ist wichtig zu beachten, dass Stromwandler nicht im Leerlauf, d. h. mit offenen Sekundärklemmen betrieben werden dürfen, weil sonst gefährlich hohe Sekundärspannungen auftreten können.
8.4 Rotierende Drehstrommaschinen Aufbau und Wirkungsweise von Drehstrommaschinen werden durch das so genannte Drehfeld bestimmt, von dem der Dreiphasenstrom seinen Namen erhalten hat. Dieses Feld wollen wir deshalb zuerst untersuchen.
8.4.1 Das Drehfeld Bild 8.36 zeigt Beispiele fürG Drehfelder. In allen drei Fällen kann man das Feld durch einen rotierenden Flussdichtevektor B oder durch einen rotierenden Zeiger des magnetischen Flusses ĭ darstellen. Die Drehfelder entstehen durch eine Rotationsbewegung mechanischer Teile, wie Dauermagnete oder Spulen. Wir werden jetzt zeigen, dass Drehfelder auch in ruhenden Anordnungen erzeugt werden können.
Bild 8.36
Drehfelder a) rotierender Magnet b) rotierende Spule c) Ersatzbild
Dazu betrachten wir, wie bereits in Bild 5.30 drei bezüglich ihrer Achsen um 120° gegeneinander versetzte Spulen, die mit ihren Wicklungsanfängen an die drei Außenleiter eines Dreiphasensystems angeschlossen werden (s. Bild 8.37 b und c). Diese drei Spulen oder Wicklungsstränge sind im Ständer der Drehstrommaschine untergebracht (s. Bild 8.38). Sie können in Stern oder Dreieck geschaltet sein. Welche der beiden Schaltungen wir verwenden, ist zunächst gleichgültig. Wichtig ist, dass in den Wicklungssträngen Ströme fließen, die um 120° oder um T/3 gegeneinander phasenverschoben sind. Das ist beim Dreiphasensystem, wie wir aus dem Abschnitt 5.11 wissen, der Fall. Durch diese Ströme bilden sich stromproportionale magnetische Flüsse aus, die in der Achse der jeweiligen Spule wirken. Wir konstruieren diese drei Flusskomponenten und deren Resultierende im Raum zwischen den Spulen (s. Bild 8.37), wobei wir den eigentlich an dieser Stelle befindlichen Läufer vorläufig unbeachtet lassen. Zunächst betrachten wir den Zeitmoment t1 im Verlauf der drei Wicklungsströme (s. Bild 8.37 a). Der Strom i1 hat seinen positiven Maximalwert erreicht. Die Ströme i2 und i3 sindG negativ und betragsmäßig halb so groß wie i1. Die von i1 herrührende Flussdichtekomponente G G B1 ist doppelt so groß wie die beiden anderen, von i2 und i3 bestimmten Komponenten B2 und B3 .
8.4 Rotierende Drehstrommaschinen
Bild 8.37
263
Drehfeldentstehung a) Verlauf der Spulenströme b) Flussdichtevektoren bei t = t1 c) Flussdichtevektoren bei t = t2
Alle Komponenten liegen stets in der Achse der sie erzeugenden Spule. Sie sollten mit ihrer Pfeilspitze auf die Spule weisen, wenn Gder Strom positiv und von ihr wegweisen, wenn der Strom negativ ist.G Wegen i1(t1) > 0 zeigt B1 auf die Spule 1 und wegen i2(t1) < 0 und i3(t1) < 0 zeigen G B2 und B3 Gvon den Spulen 2 und 3 weg. Ihre geometrische Summe ergibt die resultierende Flussdichte Bres , die mit der Pfeilspitze auf die Spule 1 weist. Nun betrachten wir den um T/3 später liegenden Zeitpunkt t2 und führen die Konstruktion genauso wie eben beschrieben durch (s. Bild 8.37 c). Der resultierende Zeiger der magnetischen Flussdichte weist jetzt auf die Spule 2. Auf diese Weise können wir Schritt für Schritt für alle weiteren Zeiten ti aus den jeweiligen Augenblickswerten der Wicklungsströme die Komponenten der Flussdichten in den Wicklungsachsen und ihre Resultierende ermitteln und erhalten ein Ergebnis, das wir gemeinsam mit den bisherigen Feststellungen zusammenfassend folgendermaßen formulieren können: Schließen wir an drei räumlich um 120° gegeneinander versetzte Wicklungen ein Dreiphasensystem mit den drei elektrisch um 120° oder um T/3 gegeneinander versetzten Strömen an, erzeugt jeder Strom in der Achse seiner Wicklung eine Komponente der magnetischen Gesamtflussdichte derart, dass ein resultierender Flussdichtevektor konstanter Länge entsteht, der beim Erreichen eines positiven Maximalwertes der drei Wicklungsströme immer auf diejenige Spule weist, die diesen Strom-Maximalwert gerade führt. Zwischen den maximalen Strömen ergeben sich entsprechende Zwischenlagen des Vektors. Das bedeutet: Der resultierende Flussdichtevektor im Raum zwischen den Wicklungen dreht sich mit einer Winkelgeschwindigkeit, die der Frequenz der Spulenströme proportional ist. Das so entstehende Feld nennen wir Drehfeld. Prinzipiell unterscheidet sich dieses Drehfeld nicht von den nach Bild 8.36 auf mechanische Weise erzeugten Feldern.
G
Der Betrag des rotierenden Vektors Bres ist, wie wir aus seiner Konstruktion nach Bild 8.37 b und c ablesen können: B res =
3 ˆ B 2
(8.56)
264
8 Elektrische Maschinen und Antriebe
Dabei entspricht Bˆ der Flussdichtekomponente beim Maximalwert des Stromes in der jeweiligen Spulenachse. Die Winkelgeschwindigkeit Ω S des Drehfeldvektors ergibt sich aus der eben im Merksatz formulierten Feststellung, nach der seine Spitze immer auf diejenige Spule weist, die gerade den Strommaximalwert führt. Da der Strom i2 in der Spule 2 sein Maximum um die Zeit T/3 später als der Strom i1 in der Spule 1 annimmt, muss sich der Drehfeldvektor in der Zeit T/3 um den Winkel 120° gedreht haben bzw. eine vollständige Umdrehung ausführen, wenn der Strom eine volle Periode T durchläuft. Das bedeutet, dass die mechanische Winkelgeschwindigkeit Ω S = 2π nS des Feldvektors der Winkelgeschwindigkeit des Stromzeigers, d.h. der Kreisfrequenz ω = 2π f1 entspricht. Dabei ist f1 die Frequenz des Drehstromes. Hieraus folgt für die Drehzahl des resultierenden Drehfeldes nS = f1. Bei der Netzfrequenz von f1 = 50 Hz würden das ns = 50 s–1 = 3000 min–1 sein. Eine Drehfeldmaschine mit Ständerwicklungen nach Bild 8.37 heißt zweipolige Maschine oder Maschine mit der Polpaarzahl p = 1, weil der rotierende Feldvektor als ein rotierender Magnet mit einem Nord- und einem Südpol, eben einem Polpaar, aufgefasst werden kann. Es lässt sich nun die Ständerwicklung durch drei zusätzliche Spulen so ausdehnen, dass ein weiterer Drehfeldvektor entsteht, der seinerseits ebenfalls Nord- und Südpol besitzt, so dass wir eine Maschine der Polpaarzahl p = 2 erhalten, also eine vierpolige Maschine. Die Drehzahl des Drehfeldes wird dadurch halbiert. Allgemein gilt für sie mit der Winkelgeschwindigkeit Ωs = 2ʌ ns: ȍs f = 1 p 2π
ns =
(8.57)
Die Drehfelddrehzahl hängt von der Frequenz des das dreisträngige Spulensystem speisenden Stromes und von der Polpaarzahl der Maschine, also ihrer Wicklungsausführung ab. nS nennt man aus gleich ersichtlichen Gründen Synchrondrehzahl. Tabelle 8.1 zeigt diese Drehzahl für verschiedene Polpaarzahlen bei Netzfrequenz. Tab. 8.1
Synchrondrehzahlen bei f1 = 50 Hz
p
1
2
3
4
…
12
nS in min–1
3000
1500
1000
750
…
250
8.4.2 Arten von Drehfeldmaschinen Zu den rotierenden Drehstrom- oder Drehfeldmaschinen zählen wir die Drehstrom-Asynchronund die Drehstrom-Synchronmaschinen. Legen wir bei den letzteren die in der Praxis bedeutendsten, die sog. Innenpolmaschinen zugrunde, so besitzen alle diese Maschinen prinzipiell den gleichen Ständeraufbau mit der dreisträngigen Drehstromwicklung nach Bild 8.37. Sie unterscheiden sich lediglich bezüglich der Gestaltung des Läufers (s. Bild 8.38). Asynchronmaschinen. Der Läufer ist im Prinzip als geschlossene Leiterschleife ausgeführt, die sich in der Bohrung des Ständers bewegen kann (s. Bild 8.38 a). Wird eine solche Maschine an das Drehstromnetz angeschlossen, bildet sich im Raum, in dem sich der Läufer befindet, augenblicklich ein Drehfeld mit der Drehzahl nS aus. Da die Leiterschleife im Einschaltmoment noch stillsteht (n = 0), treten durch das schnell rotierende Drehfeld starke zeitliche Änderungen des von ihr umfassten magnetischen Flusses auf. In der Schleife wird deshalb nach dem Induktionsgesetz Gln. (2.39) oder (2.40) eine Spannung induziert, die in der kurzgeschlossenen Leiterschleife einen kräftigen Strom nach sich zieht. Dieser Strom unterliegt der Lenzschen Regel. Sein Feld ist demzufolge beim Zusammenwirken mit dem Drehfeld bestrebt, die Induktionsursache zu beseitigen.
8.4 Rotierende Drehstrommaschinen
Bild 8.38
265
Arten von Drehfeldmaschinen a) Asynchronmaschine b) Synchronmaschine
Ursache für die Induktion ist die Relativgeschwindigkeit zwischen Drehfeld und Läufer. Um sie abzubauen, muss sich der Läufer mit der Drehzahl n in Richtung des Drehfeldes in Bewegung setzen. Die Schlupfdrehzahl ǻn = ns – n wird dadurch zwar kleiner, sorgt aber in der nun rotierenden Leiterschleife immer noch für einen Induktionsstrom, der bestrebt ist, ǻn zu verkleinern und n zu vergrößern. Folglich nimmt die Drehzahl der Maschine nach dem Einschalten ständig zu. Der Zustand n = ns mit der Relativdrehzahl ǻn = 0 kann dabei offensichtlich nie erreicht werden, weil sich dann der den Läufer durchsetzende Fluss wegen der gleichen Rotationsgeschwindigkeit von Drehfeld und Läufer zeitlich nicht mehr ändern würde, so dass kein Induktionsstrom und keine Kraftwirkung mit dem Drehfeld mehr auftreten könnten. Vielmehr ist es für die Funktion der Maschine notwendig, dass stets ein gewisser Wert der Schlupfdrehzahl aufrechterhalten wird, der die Ausbildung eines Induktionsstromes im Läufer sichert. Die Drehzahl n der Maschine ist daher immer etwas kleiner als die Drehfeld- oder Synchrondrehzahl. Deshalb heißen diese Maschinen Asynchronmaschinen. Auch die Bezeichnung Induktionsmaschinen ist üblich, da im Läufer stets ein vom Drehfeld induzierter Strom fließt. Fassen wir die Ständerwicklung als Primär-, die Leiterschleifen des Läufers als Sekundärwicklung auf, erkennen wir deutlich die Verwandtschaft der Asynchronmaschine mit dem Transformator. Die Asynchronmaschine wurde bisher nur in der Betriebsweise als Motor betrachtet (Lieferung von Drehstromleistung aus dem Netz an die Ständerwicklung, Entstehen eines Drehmomentes durch Wechselwirkung zwischen Läuferfeld und Drehfeld). Wenn wir sie jedoch mit einem Dieselmotor antreiben und zwar so, dass sie schneller umläuft als das Drehfeld (übersynchroner Lauf), liefert sie elektrische Leistung an das Netz und arbeitet nun als Generator. Diese Betriebsweise der Asynchronmaschine wird seltener genutzt (vorwiegend in Notstromaggregaten, kleinen Laufwasserkraftwerken und Windkraftanlagen). Wir konzentrieren uns deshalb in den nächsten Abschnitten ausschließlich auf den Asynchronmotor, der in allen möglichen Leistungsbereichen für nahezu alle Antriebsaufgaben eingesetzt wird und aus diesem Grunde der am häufigsten ausgewählte Motor ist. Synchronmaschinen. Den Betrieb der Asynchronmaschinen haben wir aus der Wechselwirkung der Felder von (induziertem) Läuferstrom und Ständerstrom abgeleitet. Genauso haben wir uns die Funktion der Synchronmaschinen vorzustellen. Der entscheidende Unterschied ist, dass bei ihnen das Läuferfeld nicht erst durch Induktion erzeugt werden muss. Es ist vielmehr bereits vorhanden, weil der Läufer als Magnet ausgebildet ist (s. Bild 8.38 b). Dieser Magnet stellt sich wie die Kompassnadel im Magnetfeld unserer Erde entsprechend der Richtung des durch die Ständerwicklung erzeugten Drehfeldvektors ein. Dadurch wird der Läufer in Rotation versetzt. Da kein Läuferstrom induziert werden muss, benötigt diese Maschine keine Drehzahldifferenz
266
8 Elektrische Maschinen und Antriebe
zwischen Drehfeld und Läufer. Der Läufer bewegt sich mit der gleichen Drehzahl wie das Drehfeld, d.h. mit der Synchrondrehzahl ns. Deshalb nennt man diese Maschinen Synchronmaschinen. Die bei weitem wichtigste Synchronmaschine ist die in Bild 8.38 b dargestellte Innenpolmaschine. Der Läufer heißt bei ihr auch Polrad. Bei sehr kleinen Maschinen ist das Polrad meist als Dauermagnet, bei größeren immer als Elektromagnet, der aus einer Gleichstromquelle gespeist wird, ausgeführt. Die Synchronmaschine besitzt überragende Bedeutung als Generator. In allen Kraftwerken arbeiten solche Maschinen mit Leistungen bis zu vielen hundert MW. Ihre Polräder werden von Turbinen angetrieben (Näheres dazu in den Abschnitten 9.2 und 9.3) und induzieren in den drei Wicklungssträngen des Ständers um 120° phasenverschobene Spannungen, die den Verbrauchern von elektrischer Energie zugeführt werden (vgl. auch die Bilder 5.34 und 5.35). In der Betriebsweise als Motor hat die Synchronmaschine im Bereich kleinerer Leistungen ein Anwendungsfeld bei Uhren- und anderen Kleinantrieben gefunden (s. dazu den Abschnitt 8.4.4.4). In mittleren Leistungsbereichen sind Synchronantriebe seltener. Erst bei sehr hohen Antriebsleistungen bis in den Bereich mehrerer MW hinein setzt man Synchronmotoren insbesondere bei großen Kompressor- und Pumpenantrieben ein. Da Synchronmaschinen angeworfen werden müssen, was relativ großen Aufwand bedeutet, handelt es sich hier in der Regel um Antriebe im Dauerbetrieb. Synchronmaschinen werden auch zur Blindleistungskompensation benutzt, weil man mit ihr kapazitive Blindleistung erzeugen, also den Leistungsfaktor cos ϕ verbessern kann (s. Abschnitt 8.4.4.2). Aus den bisher dargelegten Gründen werden wir die Asynchronmaschine ausschließlich in ihrer Funktion als Motor, die Synchronmaschine in den Funktionen als Generator und Motor beschreiben.
8.4.3 Der Drehstromasynchronmotor 8.4.3.1 Aufbau Wir unterscheiden zwei Typen mit verschiedenen Ausführungen des Läufers, den Asynchronmotor mit Schleifringläufer (AMSL) und den Asynchronmotor mit Kurzschlussläufer (AMKL). AMSL. Der Ständer ist, wie bisher beschrieben, mit einer dreisträngigen Wicklung ausgeführt. Die Anfänge U1, V1 und W1 und die Enden U2, V2 und W2 der drei Stränge werden an das Klemmbrett des Ständers geführt. Über jeweils einzulegende leitfähige Brücken können die Wicklungen in Stern oder in Dreieck geschaltet werden (s. Bild 8.39). Der Läufer eines AMSL trägt ebenfalls eine dreisträngige Wicklung, die grundsätzlich in Stern geschaltet ist, was durch interne Verbindung der drei Wicklungsenden erreicht wird. Die übrigbleibenden Wicklungsanfänge werden über Schleifringe an das Klemmbrett des Läufers nach außen geführt. Hier kann man Widerstände zur Beeinflussung des Betriebsverhaltens der AMSL anschließen. Der Läuferkreis ist somit von außen elektrisch zugänglich.
Bild 8.39
Klemmbrett eines Drehstromasynchronmotors (a) in Stern- (b) und Dreieckschaltung (c)
Den Aufbau eines AMSL-Läufers zeigt Bild 8.40. Die drei Schleifringe sind deutlich erkennbar. Das Schaltsymbol des AMSL ist in Bild 8.41 dargestellt.
8.4 Rotierende Drehstrommaschinen
Bild 8.40
Aufbau eines AMSL-Läufers
Bild 8.41
267
Schaltsymbol eines AMSL
AMKL. Der Ständer ist wie beim AMSL aufgebaut und besitzt auch prinzipiell das gleiche Klemmbrett. Der Läufer ist jedoch ein einfacher Käfig mit Längsstäben nach Bild 8.42, in deren Zwischenräumen sich Magneteisen befindet. Da er lediglich die Aufgabe hat, einen kräftigen Induktionsstrom auszubilden, reicht eine solche Konstruktion völlig aus. Ein so ausgeführter Motor ist sehr robust und wenig störanfällig. Er hat, wie der Vergleich mit Gleichstrommotor und AMSL zeigt, keinen Kollektor und keine Schleifringe, die meist Ursache für Störungen sind. Insbesondere darin liegt die hervorragende Bedeutung des Kurzschlussläufer- oder Käfigläufermotors begründet. Außerdem ist man seit etwa Mitte der 70er Jahre in der Lage, die Regeleigenschaften dieses Motors wesentlich besser auszuschöpfen. Deshalb besitzt der AMKL heute auch für geregelte Antriebe große Bedeutung (in ungeregelten ohnehin schon immer).
Bild 8.42
Käfigläufer einer AMKL (schematisch)
Die praktische Ausführung eines solchen Motors zeigt Bild 8.43, sein Schaltsymbol Bild 8.44.
Bild 8.43
Asynchronmotor mit Kurzschlussläufer (Werkfoto ABB)
Bild 8.44
Schaltsymbol eines AMKL
268
8 Elektrische Maschinen und Antriebe
8.4.3.2 Ersatzschaltbild In die Ständerwicklung der Asynchronmaschine wird Strom gespeist, der über sein Feld in der Läuferwicklung eine Spannung induziert, die den Läuferstrom nach sich zieht. Das entspricht genau der Funktionsweise eines Transformators, wenn wir die Ständer- als Primärwicklung und die Läufer- als Sekundärwicklung auffassen (Auch der Käfig eines Kurzschlussläufers ist im weitesten Sinne als Wicklung vorstellbar, so dass sich hier keinerlei Einschränkungen ergeben). Die Tatsache, dass durch die Widerstände der Wicklungsdrähte von Ständer und Läufer Kupferverluste, durch die Ummagnetisierung des Magneteisens der Asynchronmaschine Eisenverluste und durch die Magnetkreise des Ständers und des Läufers Streuverluste auftreten, zeigt, dass auch diesbezüglich nahezu die gleichen Erscheinungen wie beim Transformator zu verzeichnen sind. Deshalb haben beide Maschinen prinzipiell das gleiche Ersatzschaltbild für den Wicklungsstrang mit der gleichen Bedeutung der Elemente wie nach Bild 8.25. Wir vermuten jedoch, dass es beim Asynchronmotor eine wichtige Abweichung vom Transformatorersatzschaltbild geben wird. Die Frequenz des induzierten Läuferstromes hängt nämlich von der Relativgeschwindigkeit zwischen der (konstanten) Drehzahl des Drehfeldes nS und der gerade aktuellen Läuferdrehzahl n ab. Da das wegen der stets festen räumlichen Zuordnung von Primärund Sekundärwicklung beim Transformator nicht möglich ist, müssen wir diese Eigenart im Ersatzschaltbild der Asynchronmaschine berücksichtigen. Das Maß für die Relativgeschwindigkeit zwischen ns und n bzw. Ωs und Ω ist der in folgender Weise definierte Schlupf der Asynchronmaschine: n − n ȍs − ȍ = s= s ns ȍs
(8.58)
Er wird als Dezimalbruch oder nach Multiplikation mit 100 in Prozent angegeben. Für Stillstand ist n = 0, d.h. s = 1, für Synchronismus (nicht erreichbare theoretische Grenze) ist n = ns, also s = 0. Der gesamte Drehzahlarbeitsbereich ist somit für die Asynchronmaschine im Motorbetrieb durch 0<s≤1 (8.59) charakterisiert. Die Schlupfwerte von Asynchronmotoren liegen bei Nennbetrieb je nach Motorleistung im Bereich von etwa 3 bis 8 %. Ihre Nenndrehzahlen sind deshalb nur wenig kleiner als die entsprechenden Synchrondrehzahlen nach Tabelle 8.1 (s. am Schluss des Abschnittes 8.4.1). Mit dem Schlupf können wir die Frequenz des Läuferstromes bestimmen: (8.60) f2 = s f1 f1 = 50 Hz ist dabei die Frequenz der Ständerspannung bzw. des Ständerstromes (für einen Schlupf von s = 5 % wäre folglich die Frequenz des Läuferstromes f2 = 2,5 Hz). Mit s können wir das Ersatzschaltbild der Asynchronmaschine präzisieren. Bei ihr ist, was wir an dieser Stelle nicht weiter begründen wollen, der Widerstand auf der Läufer- oder Sekundärseite des Ersatzschaltbildes drehzahl- bzw. schlupfabhängig, so dass wir anstelle von R2' (s. Bild 8.25) R2' /s aufnehmen müssen. Wenn wir zusätzlich noch berücksichtigen, dass die Sekundär- oder Läuferseite bei der Asynchronmaschine stets kurzgeschlossen betrieben wird (Beim AMKL ist das immer der Fall, beim AMSL wird nach eventuellen Anlassvorgängen mit Einschaltung von Läuferwiderständen dieser Kurzschlusszustand im Betrieb immer eingestellt), ergibt sich aus Bild 8.25 das für die Asynchronmaschine typische Ersatzschaltbild nach Bild 8.45 a. Für praktische Berechnungen ist aber das vereinfachte Ersatzschaltbild nach Bild 8.45 b völlig ausreichend. Mit dieser gut überschaubaren Schaltung, bei der die Eisenverlustleistungen vernachlässigt worden sind (RFe fehlt), können wir das Betriebsverhalten des Asynchronmotors, worunter wir in erster Linie seine Drehzahl-Drehmomenten-Kennlinie verstehen, ableiten.
8.4 Rotierende Drehstrommaschinen
Bild 8.45
269
Ersatzschaltbild des Asynchronmotors a) vollständig b) vereinfacht
8.4.3.3 Drehzahl-Drehmomenten-Kennlinie Kleine Schlupfwerte s < 0,1: Der komplexe Scheinwiderstand des Läuferzweiges ist nach Bild 8.45 b: R1 + R2/s + j Xi. Da R1 ≈ R2' ≈ Xi, überwiegt der Term R2/s wegen der kleinen vorausgesetzten Schlupfwerte die beiden anderen Summanden bei weitem, so dass sich das modifizierte Ersatzschaltbild und das zugehörige Zeigerdiagramm nach Bild 8.46 a und b ergeben. Iμ fließt durch den Hauptblindwiderstand Xh und ist für die Ausbildung des magnetischen Flusses in der Maschine verantwortlich. Er heißt deshalb Magnetisierungs- oder feldbildender Strom. Wegen Iμ ⊥ U1 ist er ein reiner Blindstrom, der keine Wirkleistung erzeugt.
Bild 8.46
a) Ersatzschaltbild für s < 0,1 b) Zeigerbild für s < 0,1 c) Zeigerbild für s > 0,1
I 2' fließt durch den Widerstand R2' /s, ist folglich mit der Ständerspannung in Phase ( I2' || U1) und somit ein reiner Wirkstrom. Er bringt Wirkleistung hervor und ist demzufolge für die Bildung der mechanischen Motorwellenleistung bzw. des Drehmomentes verantwortlich. Er heißt in diesem Zusammenhang momentbildender Strom.
Bild 8.46 a gilt für jeweils einen Strang, durch den die Wirkleistung P' = I 2'2 R2' /s (s. Gl. (4.8)) aufgenommen wird. Für drei Stränge ist: P = 3I 2'2
R2' 1− s ' = 3I 2'2 R2' + 3I 2' 2 R2 s s
(8.61)
Man kontrolliere, dass der Ausdruck auf der rechten Seite mit dem mittleren identisch ist. Wir erkennen, dass die gesamte auf den Läufer übertragene Leistung aus zwei Anteilen besteht. 3 I 2'2 R2' ist offensichtlich die in Wärme umgesetzte Läuferverlustleistung. Der zweite Anteil muss dann die an der Welle der Maschine abgegebene mechanische Leistung sein:
270
8 Elektrische Maschinen und Antriebe
Pmech = 3I 2'2
1− s ' R2 = Mȍ = Mȍs (1 − s ) s
(8.62)
Wenn wir Gl. (8.62) nach dem gesuchten Drehmoment M auflösen und für den übersetzten Läuferstrom die aus Bild 8.46 a ablesbare Beziehung I 2' = s U1* / R2' einsetzen und dabei beachten, dass U1* = 0,95 U1 gesetzt wurde, erhalten wir: M =
2, 7 U12 s ȍs R2'
(8.63)
Für den Bereich kleiner Schlupfwerte steigt somit das der Maschine abverlangte Drehmoment linear mit dem Schlupf an (Anfangsteil der Kennlinie nach Bild 8.47). Große Schlupfwerte s > 0,1: Für größere Schlupfwerte wird R2' /s kleiner. R1 und Xi sind nicht mehr vernachlässigbar. Es muss der gesamte komplexe Scheinwiderstand des Läuferzweiges im kompletten Ersatzschaltbild nach Bild 8.45 b in Rechnung gestellt werden. I2' verläuft nun nicht mehr parallel zur Ständerspannung U1, sondern bekommt eine Blindkomponente auf Kosten der Wirkkomponente, die für die Momentbildung verantwortlich ist (s. Bild 8.46 c). Die Folge ist ein zunächst weniger als linear ansteigendes, bei höheren Schlupfwerten sogar abfallendes Drehmoment (s. Bild 8.47).
Bild 8.47
M = f (s)-Kennlinie
Bild 8.48
Drehzahl-Drehmomenten-Kennlinie
Bild 8.48 zeigt die gesamte Drehzahl-Drehmomenten-Kennlinie des Asynchronmotors in der üblichen Darstellung. Die Leerlaufdrehzahl n0 gilt für M = 0 und entspricht näherungsweise der Synchrondrehzahl nS. Das größte Moment, welches die Maschine entwickeln kann, ist das Kippmoment MK. Die zugehörige Drehzahl ist die Kippdrehzahl nK. Der Kippschlupf ist nach Gl. (8.58): n − nK sK = S nS
(8.64)
Er kann bis zu 30 % betragen. Das bei der Drehzahl n = 0 bzw. beim Schlupf s = 1 vorhandene Drehmoment heißt folgerichtig Anlaufmoment. Das Moment, für das der Motor bemessen ist, mit dem er also im Dauerbetrieb belastet werden darf, heißt Bemessungsmoment (Nennmoment) MN. Es entspricht etwa dem 0,3- bis 0,4-fachen Kippmoment. Die sich bei Belastung mit dem Nennmoment einstellende Drehzahl ist die Bemessungsdrehzahl (Nenndrehzahl) nN. Der zugehörige Schlupf wird als Bemessungsschlupf (Nennschlupf) sN bezeichnet. Der Asynchronmotor wird stets so belastet, dass er in der Nähe des Nennmomentes, zumindest aber im linearen Teil der Kennlinie arbeitet. Die anderen Kennlinienteile werden nur beim Anlassen und Bremsen durchlaufen.
8.4 Rotierende Drehstrommaschinen
271
Die Kennlinie nach Bild 8.48 kann man analytisch durch die Näherungsgleichung M 2 = s s Mk + K sK s
(8.65)
darstellen. Sie heißt Kloss'sche Beziehung.
8.4.3.4 Drehzahlstellung Zur Darstellung der Möglichkeiten der Drehzahlveränderung lösen wir Gl. (8.58) nach der Drehzahl n auf und berücksichtigen dabei Gl. (8.57): f n = nS (1 − s) = 1 (1 − s ) p
(8.66)
Über die Frequenz der Ständerspannung f1, die Polpaarzahl p und den Schlupf s kann man demzufolge die Gestalt der Drehzahl-Drehmomenten-Kennlinie beeinflussen (Wir beachten dabei auch die Gl. (8.63)). Frequenzsteuerung. Die Kennlinien für verschiedene Frequenzen der Ständerspannung zeigt das Bild 8.49. Bei dieser Steuerungsmethode ist es sehr wichtig zu beachten, dass das Kippmoment nur dann konstant bleibt, wie im Bild dargestellt, wenn die Nebenbedingung U1/f1 = const erfüllt ist. Wird die Frequenz verändert, muss man die Ständerspannung im gleichen Sinne verstellen.
Bild 8.49
Frequenzsteuerung
Die Erklärung dafür ergibt sich aus Bild 8.45 b. Wenn wir z.B. die Frequenz der Spannung U1 verkleinern, erhöht sich der Magnetisierungsstrom Iμ (denn Xh nimmt mit sinkender Frequenz ab), wodurch der Magnetfluss in der Maschine und dadurch die Kraftwirkung verstärkt werden. Zur Kompensation dieser Erscheinung erniedrigt man die Ständerspannung so, dass Iμ konstant bleibt. Die Methode der Frequenzsteuerung macht Geräte erforderlich, die in der Lage sind, die feste Netzspannungsfrequenz in variable Frequenzen umzuwandeln. Das geschieht durch Frequenzumrichter, die als aktive Elemente heutzutage GTO-Thyristoren, Transistoren oder IGBT's enthalten (s. Abschnitt 7.4.5). Mit ihnen kann man sowohl höhere als auch niedrigere Frequenzen als die des Netzes erzeugen. Mit Frequenzumrichtern gesteuerte oder geregelte Kurzschlussläufermotoren gehören zu den modernsten Antrieben. Ihre Realisierung wurde und wird durch die neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet der leistungselektronischen Bauelemente überaus positiv beeinflusst.
272
8 Elektrische Maschinen und Antriebe
Polumschaltung. Durch Veränderung der Polpaarzahl wird entsprechend Gl. (8.57) die Synchrondrehzahl verändert (vgl. Tab. 8.1 am Ende des Abschnittes 8.4.1). Die Wirkung kommt dabei einem Stufengetriebe gleich. Die Kennlinien für p = 1 und p = 2 zeigt Bild 8.50. Da die Polpaarzahl durch die Ausführung der Ständerwicklung festgelegt wird, gibt es für diese Steuerungsmethode zwei Möglichkeiten. Man benutzt entweder zwei völlig voneinander getrennte Wicklungen, eine zweipolige (p = 1) und eine vierpolige (p = 2), wobei die jeweils erforderliche ein-, die andere ausgeschaltet ist, oder man führt die Ständerwicklung so aus, dass bei p = 2 die für p = 1 vorgesehene Wicklung mit benutzt wird, die Wicklungen also schaltbar sind. Diese bevorzugte Ausführung heißt nach ihrem Erfinder Dahlander-Wicklung. Die Methode der Polumschaltung ist nur bei Kurzschlussläufermotoren üblich. Sie findet insbesondere bei Antrieben für Werkzeugmaschinen und Hebezeuge Anwendung.
Bild 8.50
Polumschaltung
Bild 8.51
Ständerspannungssteuerung
Schlupfsteuerung. Der Schlupf ist über die Ständerspannung und über den Läuferwiderstand (s. Gl. (8.63)) beeinflussbar. Ständerspannungssteuerung. Die Kennlinien sind in Bild 8.51 dargestellt. Charakteristisch ist die konstant bleibende Kippdrehzahl. Da das Moment nach Gl. (8.63) quadratisch von der Ständerspannung abhängt, verkleinert sich das Kippmoment bei Verkleinerung der Spannung drastisch (bei 30 % Spannungsabsenkung wird das Kippmoment halbiert). Deshalb muss darauf geachtet werden, dass auch bei den kleinsten Ständerspannungen noch ein Schnittpunkt von Motor- und Arbeitsmaschinenkennlinie erreicht wird, weil ansonsten der Antrieb stehen bleiben würde. Diese Methode findet deshalb vorwiegend bei Antrieben mit Kurzschlussläufermotoren relativ kleiner Leistungen Anwendung. Die Spannungssteuerung erfolgt dabei entweder über Stelltransformatoren (veraltet) oder über Drehstromsteller, die über Phasenanschnitt den Spannungseffektivwert verändern (s. Bild 7.73 und die Übungsaufgabe 7-6). Auf dem Markt sind auch Anlassgeräte mit Drehstromstellern, mit denen ein Motor (vorwiegend automatisch) hochgefahren werden kann, zu finden. Läuferwiderstandssteuerung. Diese Steuerung ist nur bei Schleifringläufermotoren anwendbar. Es werden bei dieser Methode über das Klemmbrett des Läufers Zusatzwiderstände in den Läuferkreis geschaltet (s. Bild 8.52). Das so erhaltene Kennlinienfeld zeigt Bild 8.53. Charakteristisch ist das durch den Läuferwiderstand unveränderliche Kippmoment. Wir erkennen, dass sich das Anlaufmoment MA durch Vergrößerung des Vorschaltwiderstandes erhöht. Bei einem bestimmten Widerstand kann man MA = MK erreichen. Das ist der Grund, warum diese Methode bei so genannten Schwerstanläufen mit großen Losreißmomenten, wie sie bei Drehrohröfen in der Zementindustrie oder bei Kranantrieben vorkommen, benutzt wird. Der grundsätzliche Verlauf der Kurven lässt sich mit Gl. (8.63) erklären, wenn man die Vergrößerung von R2' durch die Zusatzwiderstände berücksichtigt.
8.4 Rotierende Drehstrommaschinen
Bild 8.52
AMSL mit Läuferzusatzwiderständen
Bild 8.53
273
Läuferwiderstandssteuerung
Änderung der Drehrichtung. Dazu ist eine Änderung der Drehrichtung des Drehfeldes erforderlich. Man erreicht dies durch Vertauschen zweier beliebiger Zuleitungsanschlüsse am Ständerklemmbrett (s. Bild 8.39).
8.4.3.5 Anlassen von Asynchronmotoren Schleifringläufermotoren werden grundsätzlich über schaltbare Läuferwiderstände angelassen. Bei Kurzschlussläufern gibt es verschiedene Methoden. Bei Leistungen, die unter 5 kW liegen, kann man die Motoren direkt einschalten. Dabei ist allerdings zu beachten, dass im Einschaltmoment wegen des dann großen Schlupfes (s = 1) eine hohe Spannung im Läufer induziert wird, und deshalb hohe Ströme fließen. Sie liegen in der Größenordnung des vier- bis achtfachen Nenn- bzw. Bemessungsstromes. Werden Anlasshilfen benötigt, benutzt man dazu entweder Anlasstransformatoren, Drehstromsteller oder für kleine bis mittlere Leistungen Stern-Dreieck-Schalter. Bei letzteren wird die für die Dreieckschaltung bemessene Wicklung für den Anlaufvorgang zuerst in Stern, nach Erreichen der ungefähren Nenndrehzahl in Dreieck an das Drehstromnetz geschaltet. So liegt beispielsweise eine 400 V-Wicklung bei Sternschaltung an einer Spannung von 400/ 3 = 230 V und nimmt dabei nur ein Drittel des Stromes der Dreieckschaltung auf. Deshalb ist zu berücksichtigen, dass die Maschine in Sternschaltung auch nur ein Drittel des bei Dreieck möglichen Drehmomentes entwickelt. Insbesondere verringert sich das Anlaufmoment entsprechend (s. Bild 8.54).
Bild 8.54
Kennlinie bei Stern- und Dreieckschaltung
Bild 8.55
Kennlinie bei verschiedenen Läuferstabformen
274
8 Elektrische Maschinen und Antriebe
Dieser entscheidende Nachteil hat die Elektromotorenbauer veranlasst darüber nachzudenken, wie man beim Einschalten trotz zu realisierender Strombegrenzung hohe Anlaufmomente sichern kann. Das Ergebnis war der Motor mit Stromverdrängungsläufer. Sein Prinzip ist sehr einfach. Man gibt den Längsstäben des Kurzschlussläufers nicht, wie sonst üblich, kreisförmigen, sondern länglichen Querschnitt. Dadurch wird erreicht, dass bei hohen Läuferstromfrequenzen, also beim Einschalten (s = 1, f2 = f1), eine Verdrängung der Ströme in den Läuferstäben an die Oberfläche erfolgt (Skineffekt, s. Abschnitt 2.5.2 und Bild 2.28). Diese nehmen dadurch einen relativ hohen Widerstand an. Gleichzeitig wird der Streublindwiderstand Xi verkleinert. Beides führt zu einer Begrenzung des Einschaltstromes und zu einer Erhöhung des Anlaufmomentes in bezug auf den Fall nicht genutzter Stromverdrängung. Im Bild 8.55 ist dies für den so genannten Hochstabläufer und den so genannten Doppelkäfigläufer im Vergleich zum stromverdrängungsfreien Rundstabläufer demonstriert. Für den Doppelkäfigläufer kann die Kennliniendeformation so stark sein, dass ein Momentminimum, ein Sattelmoment Ms auftritt.
8.4.3.6 Spezielle Typen von Asynchronmotoren Unter speziellen Typen von Asynchronmotoren wollen wir die einphasigen Asynchronmaschinen mit Kurzschlussläufern und die Linearmotoren verstehen, die in Automatisierungs-, Haushaltgeräte- und Medizintechnik sowie auf vielen anderen Gebieten breite Anwendung gefunden haben. Einphasige Asynchronmotoren werden für Leistungen von Bruchteilen von Watt bis zu einigen Kilowatt hergestellt. Ihre Ständerwicklung baut in der Ständerbohrung ein Wechselfeld auf, welches durch ein rechts- und ein linkslaufendes Drehfeld dargestellt werden kann. Beide Felder überlagern sich dergestalt, dass sie sich im Stillstand aufheben, wodurch kein Anlaufmoment entstehen kann. Wird der Läufer jedoch angeworfen, dreht sich die Maschine in Anwurfrichtung weiter, weil das in dieser Richtung vorhandene Drehfeld das gegenläufige überwiegt. Um den Motor ohne Anwurf anlaufen zu lassen, ist es somit erforderlich, dafür zu sorgen, dass ein resultierendes Drehfeld auch im Stillstand existiert. Das wird erreicht, indem man eine zusätzliche Feldkomponente erzeugt, die senkrecht auf der durch die Hauptwicklung gegebenen Feldachse steht und eine Phasenverschiebung von ϕ ≈ 90° gegenüber dieser besitzt. Nach der Art und Weise, wie diese beiden Forderungen erfüllt werden, unterscheidet man Kondensatormotoren und Spaltpolmotoren. Kondensatormotoren. Die Zusatzkomponente wird durch eine im Ständer angeordnete Hilfswicklung erzeugt, die senkrecht zur Hauptwicklung angebracht ist. Für die Phasenverschiebung sorgt ein mit der Hilfswicklung in Reihe geschalteter Kondensator. Dieser kann je nach Ausführung nach dem Hochlauf abgeschaltet werden oder ständig eingeschaltet sein. Diese Motoren eignen sich für robuste Anwendungsbedingungen im Leistungsbereich bis zu einigen kW und für Antriebe, die mit konstanter Drehzahl laufen (meist ≈ 1400 oder 2800 min–1). Spaltpolmotoren. Die Hilfskomponente wird bei diesen Maschinen durch Kurzschlussringe, die sich in entsprechenden Aussparungen der Polschuhe befinden, erzeugt. Die in diesen Ringen durch Induktion entstehenden Ströme bilden das Hilfsfeld. Eine zusätzliche Ständerwicklung ist nicht erforderlich. Auch diese Motoren werden mit konstanter Drehzahl betrieben. Der Leistungsbereich erstreckt sich bis zu einigen 100 W. Asynchron-Linearmotoren. Sie dienen der direkten Erzeugung translatorischer Bewegungen und vermeiden einige Nachteile, die die Umsetzung von Dreh- in Linearbewegung mit sich bringt (Spiel, Reibung, Erschütterungen). Denkt man sich den Ständer eines Asynchronmotors aufgeschnitten und rollt ihn in einer Ebene aus, so entsteht bei Drehstromspeisung ein sich transversal bewegendes Magnetfeld. In einer sich parallel zur Wicklung befindenden Metallplatte (Läuferschiene) werden Wirbelströme induziert, die im Zusammenspiel mit dem Ständerfeld Kräfte erzeugen, welche die Schiene in Richtung des Wanderfeldes bewegen. Die Geschwindigkeit kann
8.4 Rotierende Drehstrommaschinen
275
über die Speisefrequenz des Statorfeldes oder über die Speisespannung verstellt werden. Wegen des sehr großen Schlupfes ist der Wirkungsgrad wesentlich kleiner als bei rotierenden Motoren. Angewendet werden solche Maschinen beispielsweise bei Torantrieben, Positioniereinrichtungen und Förderanlagen.
8.4.4 Die Synchronmaschine 8.4.4.1 Ersatzschaltbild Synchron-Innenpolmaschinen besitzen wie die Asynchronmaschinen einen Ständer, der die dreisträngige Wicklung trägt (s. Bild 8.38). Unterscheidungen gibt es nur hinsichtlich der konstruktiven Ausführung des Läufers. Diese wollen wir aus den Forderungen ableiten, die man an die Synchronmaschine im Generatorbetrieb stellen muss. Da diese Anforderungen im Zusammenhang mit der den Generator treibenden Turbine zu sehen sind, gehen wir auf diese Probleme im Abschnitt 9.3 ein. Wir weisen aber bereits an dieser Stelle darauf hin, dass sich die im folgenden angestellten Betrachtungen auf eine Synchronmaschine mit Trommel- oder Turboläufer (Vollpolsynchronmaschine), wie sie am häufigsten vorkommen, beziehen. Unsere Überlegungen und die aus ihnen resultierenden wesentlichen Schlussfolgerungen treffen jedoch für alle Synchronmaschinen zu. Um das Ersatzschaltbild und die Wirkungsweise der Synchronmaschine als Generator und als Motor zu verstehen, sind keine Kenntnisse über spezielle Läuferausführungen erforderlich. Vielmehr reicht dazu die bereits im Bild 8.38 b gegebene Darstellung ihres grundsätzlichen Aufbaus völlig aus. Im Abschnitt 8.4.3.2 haben wir uns mit dem Ersatzschaltbild der Asynchronmaschine vertraut gemacht (s. Bild 8.45 a) und uns die Bedeutung der in ihm enthaltenen Elemente, die wir bereits beim Transformator kennengelernt haben, noch einmal in Erinnerung gerufen. Jetzt werden wir überlegen, welches die relevanten Unterschiede zwischen Asynchron- und Synchronmaschine sind und wie wir das Ersatzschaltbild der Asynchronmaschine zu modifizieren haben, um dasjenige der Synchronmaschine zu erhalten. Dazu präzisieren wir die im Abschnitt 8.4.2 nur kurz dargelegte Wirkungsweise dieser Maschine. Das sich drehende Polrad induziert in den um 120° versetzten drei Wicklungssträngen des Ständers Spannungen, die zu entsprechenden Ständerströmen führen. Diese Ströme bauen ein Drehfeld auf, welches mit der gleichen Drehzahl wie das Polrad umläuft. Dadurch gibt es zwischen Drehfeld und Polrad keine Relativbewegung. Folglich kann das Drehfeld im Polradläufer keine Spannung induzieren. Wir stellen zwei wesentliche Unterschiede im Vergleich zur Asynchronmaschine und deren Auswirkungen auf das Ersatzschaltbild fest: 1. Das Polrad besitzt ein eigenes, nicht erst durch Induktion vom Ständer her aufzubauendes Magnetfeld. Dieses induziert in jedem Ständerstrang eine Spannung, die Polradspannung Up. Sie ist Quellenspannung im Ersatzschaltbild des Ständerstranges. Diese induzierte Spannung ist mit der angelegten Ständerspannung U1 im Gleichgewicht, wirkt ihr also entgegen. 2. Im Läufer wird keine Spannung induziert. Er führt lediglich den Gleichstrom für die Polradmagnetisierung bzw. ist stromlos bei Verwendung eines Permanentmagneten. Für das Ersatzschaltbild, welches stets das Wechselstromverhalten ausdrückt, bedeutet dies, dass der gesamte Läuferstromzweig, wie er bei der Asynchronmaschine erforderlich ist, wegfallen kann. Wenn wir mit Blick auf Bild 8.45 a noch berücksichtigen, dass bei Wegfall des Läuferkreises die beiden Blindwiderstände Xσ1 und Xh in Reihe geschaltet sind (RFe kann hier vernachlässigt wer-
276
8 Elektrische Maschinen und Antriebe
den), d.h. durch einen einzigen Blindwiderstand Xd = Xσ1 + Xh dargestellt werden können und dass in der Praxis die Relation R1 ԟ Xσ1 + Xh gilt, erhalten wir schließlich aus dem Bild 8.45 a das im Bild 8.56 a gezeichnete Ersatzschaltbild. Xd heißt synchrone Reaktanz oder synchroner Blindwiderstand der Synchronmaschine. Die Darstellung in Bild 8.56 a, in der die Synchronmaschine als Motor arbeitet, ist für uns natürlich, denn wir sind es gewöhnt, den Verbraucher von elektrischer Energie in Schaltbildern immer auf der rechten Seite zu platzieren. Da wir die Maschine auch als Generator betrachten und von der Gewohnheit, Quellen elektrischer Energie immer auf der linken Seite zu zeichnen, nicht Abstand nehmen wollen, drehen wir für Generatorbetrieb die Schaltung entsprechend Bild 8.56 b einfach um. Beide Bilder sind zwar elektrisch identisch, dennoch ermöglichen sie es uns, für den jeweiligen Betriebsfall vertraute Darstellungen zu benutzen.
Bild 8.56
Ersatzschaltbild der Synchronmaschine a) Motordarstellung b) Generatordarstellung
Hierbei stört nicht, dass der Strom im Generatorbetrieb nicht aus der Maschine heraus, sondern in sie hinein fließt. Herausfließender Strom würde nämlich Übergang auf das Erzeugerzählpfeilsystem (s. Abschnitt 5.2.2) für den Generator bedeuten, was im Interesse einer einheitlichen Behandlung beider Betriebsweisen der Synchronmaschine nicht günstig ist. Wir benutzen an dieser Stelle durchgehend das Verbraucherzählpfeilsystem. Die Ergebnisse sind nämlich von der Wahl des Zählpfeilsystems völlig unabhängig. Aus Bild 8.56 leiten wir unter Benutzung des Maschensatzes ab: U1 = Ud + Up = j Xd I1 + Up
(8.67)
Daraus folgt für den Ständerstrom: I1 = − j
U1 − U p Xd
(8.68)
8.4.4.2 Betrieb am starren Drehstromnetz Unter einem starren Drehstromnetz verstehen wir ein Netz mit vorgegebenen unveränderlichen Werten von Spannung, Frequenz und Phase, an die die entsprechenden elektrischen Größen der Synchronmaschine angepasst werden müssen. Sie kann erst dann an das Netz geschaltet werden, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. In diesem Zusammenhang sprechen wir von einer Netzsynchronisierung der Synchronmaschine.
8.4 Rotierende Drehstrommaschinen
Bild 8.57
277
Synchronmaschine während des Synchronisiervorganges
Netzsynchronisierung. Wir stellen uns vor, dass die Maschine von einer Dampfturbine angetrieben wird. Dies ist für Generatorbetrieb immer der Fall (Auch ein Synchronmotor muss, wenn keine speziellen Anlaufhilfen vorhanden sind, angeworfen werden, weil er der schnellen Drehung des Drehfeldes aus dem Stillstand heraus nicht folgen kann). Die Maschine ist über Schalter zunächst dreiphasig vom Netz getrennt. Bild 8.57 zeigt die Anschaltung der drei Einzelstränge nach Bild 8.56 an das starre Drehstromnetz. Da völlige Symmetrie besteht, betrachten wir nur die Vorgänge in einem einzigen Wicklungsstrang, der im Bild hervorgehoben ist. Wir bezeichnen die Maschine dann als netzsynchronisiert, wenn trotz Schließens der Schalter keine Ständerströme fließen, d.h. I1 = 0 ist. Aus Gl. (8.68) ist ersichtlich, dass das der Fall ist, wenn die Synchronisierungsbedingung U 1 = Up
(8.69)
erfüllt wird. Da Größe, Frequenz und Phase von U1 fest vorgegeben sind, besteht die Aufgabe bei der Synchronisierung darin, die Polradspannung Up durch Verstellen der Drehzahl der treibenden Turbine und des Polraderregerstromes so lange zu verändern, bis die Bedingung (8.69) erfüllt ist. Ist dies der Fall, stimmen Netz- und Polradspannung bezüglich Größe, Frequenz und Phasenlage überein und es gilt das Zeigerdiagramm nach Bild 8.58a. Wenn nun die Schalter geschlossen werden, ist I1 = 0, d.h., die Maschine befindet sich im Leerlauf und im synchronisierten Zustand am Netz.
Bild 8.58
Synchronmaschine bei a) Normalerregung IE = IEN b) Übererregung IE > IEN
278
8 Elektrische Maschinen und Antriebe
Phasenschieberbetrieb. Wir vergrößern den Magnetfluss des Polrades, indem wir dessen Erregerstrom IE steigern (IE > IEN. Dabei ist IEN der Nenn-Erregerstrom, der im synchronisierten Zustand fließt). Daraufhin nimmt die Polradspannung Up zu. Es stellt sich ein Strom nach Gl. (8.68) ein, der an der synchronen Reaktanz Xd den Spannungsabfall Ud erzeugt. Nach Gl. (8.67) muss die Summe der Zeiger Up und Ud der Netzspannung U1 entsprechen. Außerdem muss der Zeiger I1 dem Zeiger Ud um 90° nacheilen. Somit ergibt sich das Zeigerdiagramm nach Bild 8.58 b. Wesentlich ist, dass die Klemmenspannung U1 der Synchronmaschine ihrem Strom I1 um 90° nacheilt. Folglich wirkt die Maschine am Netz wie ein Kondensator. Wir konstatieren: Eine übererregte Synchronmaschine erzeugt kapazitive Blindleistung, die zur Kompensation induktiver Blindleistung benutzt werden kann. Da die produzierte Blindleistung über den Erregerstrom der Maschine regelbar ist, ist eine Anpassung an die normalerweise ständig wechselnde Blindleistung induktiver Verbraucher möglich. Um uns hier letzte Klarheit zu verschaffen, betrachten wir noch einmal das Bild 5.29 und lesen den zugehörigen Text. Bei dieser Arbeitsweise der Synchronmaschine, die Phasenschieberbetrieb genannt wird, kann der Phasenwinkel ϕ zwischen Strom und Spannung verkleinert und deshalb der Leistungsfaktor cos ϕ entsprechend verbessert werden. Der Leser überzeuge sich selbst davon, dass sich die Maschine bei Untererregung wie eine Induktivität verhält. Motor- und Generatorbetrieb. Eine elektrische Maschine arbeitet im Motorbetrieb, wenn sie Wirkleistung aufnimmt und im Generatorbetrieb, wenn sie Wirkleistung abgibt. Beides war bei den bisher betrachteten Betriebsweisen nicht der Fall, weder bei Leerlauf (hier ist I1 = 0) noch bei Phasenschieberbetrieb (hier ist I1 ⊥ U1 und deshalb I1 ein reiner Blindstrom). Wir untersuchen jetzt die Verhältnisse bei Wirkleistungsumsatz. Dazu erinnern wir uns an die zu Beginn dieses Abschnittes eingeführte Anordnung einer mit einer Dampfturbine gekoppelten Synchronmaschine. Mit diesem Maschinensatz können wir sowohl Motor- als auch Generatorbetrieb realisieren. Dabei gehen wir wieder vom synchronisierten Zustand, bei dem das Dampfventil der Turbine eine bestimmte Stellung eingenommen hat, aus. Drosseln wir die Dampfzufuhr, wirkt an der Welle der Synchronmaschine augenblicklich ein Widerstandsmoment, das sie zu überwinden versucht. Sie arbeitet in diesem Falle als Motor, weil sie mechanische Leistung an ihrer Welle abgeben und dafür elektrische Leistung aus dem Netz beziehen muss. Drehen wir andererseits das Dampfventil weiter auf als das bei Leerlauf der Fall war, treibt die Dampfturbine die Synchronmaschine an. Diese setzt die über die gemeinsame Welle erhaltene mechanische Leistung in elektrische um und liefert sie an das Netz. Sie arbeitet als Generator. Wir wollen beide Fälle eingehender untersuchen. Motorbetrieb. Durch das Widerstandsmoment, das an der Welle der Synchronmaschine auftritt, muss aus energetischen Gründen eine Verzögerung des Polrades solange eintreten, bis die Maschine in der Lage ist, dem Widerstandsmoment das Gleichgewicht zu halten. Das Polrad läuft in diesem Augenblick wieder synchron, d.h. mit Drehfeldgeschwindigkeit um, ist jedoch gegenüber seiner Position bei Leerlauf um einen festen Winkel, den Polradwinkel δ, zurückversetzt. Das bedeutet, dass die vom Polrad induzierte Spannung Up der von diesem Vorgang unbeeinflussten, eben „starren“ Netzspannung, ebenfalls um den Winkel δ nacheilen muss. Unter Beachtung der Gl. (8.67) kann man das in Bild 8.59 a dargestellte Zeigerdiagramm konstruieren. Wir setzen δ < 0, da Up nacheilt. Die Wirkleistung ist P = U1 I1 cos ϕ1 > 0 (wegen ϕ1 < 90°), somit M > 0, d.h., die
8.4 Rotierende Drehstrommaschinen
279
Maschine entnimmt dem Netz elektrische Wirkleistung und gibt an ihrer Welle mechanische Leistung ab. Der Energiefluss verläuft vom Netz über die Synchronmaschine zur Turbine (oder bei reinem Motorbetrieb zu einer beliebigen Arbeitsmaschine). Wird die zunächst leerlaufende Synchronmaschine an ihrer Welle belastet, reagiert sie mit der Aufnahme von Wirkleistung aus dem Netz. Sie arbeitet als Motor. Generatorbetrieb. Da in diesem Falle das Polrad getrieben wird, muss es gegenüber dem Leerlauffall um den festen Polradwinkel δ vorauseilen, was einem Vorauseilen von Up gegenüber U1 entspricht. Wiederum unter Beachtung von Gl. (8.67) ergibt sich das Zeigerdiagramm nach Bild 8.59 b. Es ist δ > 0, P = U1 I1 cos ϕ1 < 0 (wegen ϕ1 > 90°), somit M < 0. Der Energiefluss ist von der Turbine über die Synchronmaschine zum Netz gerichtet. Wird die zunächst leerlaufende Synchronmaschine an ihrer Welle angetrieben, reagiert sie mit der Abgabe von Wirkleistung an das Netz. Sie arbeitet als Generator.
Bild 8.59
Synchronmaschine im a) Motorbetrieb b) Generatorbetrieb
Anmerkung: Dass im Zeigerdiagramm nach Bild 8.59 b ein für uns ungewohnter Phasenwinkel ϕ > 90° auftritt, hängt mit der Anwendung des (hier vereinbarten) Verbraucherzählpfeilsystems auf einen Erzeuger, den Generator, zusammen. Da die Ergebnisse hiervon nicht beeinflusst werden, wollen wir an dieser Stelle darüber nicht philosophieren. Wirkleistung und Moment. Wir stellen uns die Aufgabe, das bei Motor- und Generatorbetrieb von der Synchronmaschine entwickelte Moment zu berechnen. Dazu benutzen wir die Darstellung in Bild 8.59 b, die zwar nur für den Generator gilt, jedoch bei Einsetzen von δ < 0 auch das Motorverhalten beschreibt. Für die eingezeichnete Höhe h im Spannungsdreieck können wir schreiben: Up sin δ = Ud cos (180° – ϕ1) = – Xd I1 cos ϕ1
(8.70)
Daraus folgt für den Ständerstrom: I1 = −
U p sin δ X d cos ϕ1
(8.71)
Die gesamte elektrische Wirkleistung der Synchronmaschine ist das Dreifache der Strangleistung, also: P = 3 U1 I1 cos ϕ1
(8.72)
280
8 Elektrische Maschinen und Antriebe
Durch Einsetzen von Gl. (8.71) ergibt sich:
P = −3
U1 U p Xd
sin δ
(8.73)
Wenn wir annehmen, dass die Leistungsverluste im Vergleich zur Gesamtleistung der Maschine klein sind, was in der Praxis insbesondere bei großen Maschinen der Fall ist, entspricht die elektrische Leistung nach Gl. (8.73) der mechanischen Leistung Pmech = Ω SM, so dass wir durch Gleichsetzen für das Drehmoment erhalten: M =
P 3 U1 U p sin δ =− ȍS ȍ S Xd
(8.74)
Diese Beziehung ist in Bild 8.60 grafisch dargestellt. Motorbetrieb (į < 0): Das Widerstandsmoment einer vom Synchronmotor angetriebenen Arbeitsmaschine hängt nicht vom Polradwinkel ab. Deshalb verlaufen die Kurven von Widerstandsmomenten parallel zur δ -Achse. Im Bild 8.60 sind zwei verschieden große Widerstandsmomente Mw1 und Mw2 mit Mw1 < Mw2 einschließlich der möglichen stabilen Arbeitspunkte eingezeichnet. Wird die Wellenlast des Motors größer, wandert der Arbeitspunkt nach oben, d.h. der Polradwinkel vergrößert sich. Im jeweiligen Arbeitspunkt entspricht aber die Drehzahl des Polrades stets der Drehzahl des Drehfeldes. Das Polrad läuft jedoch diesem Drehfeld um den Polradwinkel versetzt hinterher (δ < 0). Von der Wellenlast ist zwar der Polradwinkel, nicht aber die Drehzahl des Synchronmotors abhängig. Die Drehzahl-Drehmomenten-Kennlinie der Maschine ist somit eine Parallele zur M -Achse (s. Bild 8.61). Die Drehzahl kann über die Änderung der Umlaufgeschwindigkeit des Drehfeldes durch Veränderung der Frequenz des Ständerstromes mittels eines Frequenzumrichters (s. Abschnitt 7.4.5) verstellt werden.
Bild 8.60
Drehmoment der Vollpol-Synchronmaschine
Bild 8.61
Drehzahl-Drehmomenten-Kennlinie des Synchronmotors
Wird das Widerstandsmoment so weit vergrößert, dass der Arbeitspunkt im Maximum der Sinuskurve nach Bild 8.60 liegt, ist offensichtlich ein Grenzzustand erreicht, bei dessen Überschreiten kein Schnitt- bzw. Arbeitspunkt des Antriebes mehr erzielt werden kann. Das Widerstandsmoment ist größer als das vom Synchronmotor entwickelte. Der Antrieb „fällt außer Tritt“. Er bleibt stehen. Das maximal mögliche Maschinenmoment heißt wie beim Asynchronmotor Kippmoment (s. Bild 8.61). Ist es erreicht, beträgt der Polradwinkel – 90°. Winkel unterhalb dieses Wertes sind folglich nicht möglich. Nach Gl. (8.74) kann man das Kippmoment u.a. durch Erhöhung der Ständerspannung vergrößern. Stellen wir diese Gleichung der Momentengleichung (8.63) für den Asynchronmotor ge-
8.4 Rotierende Drehstrommaschinen
281
genüber, erkennen wir, dass das Moment, hier insbesondere das Kippmoment, bei der Synchronmaschine linear, bei der Asynchronmaschine jedoch quadratisch von der Ständerspannung abhängt. Deshalb ist der Synchronmotor bei Spannungseinbruch unempfindlicher gegenüber AußerTritt-fallen als der Asynchronmotor. Dies ist ein wesentlicher Vorteil der Synchronmaschine. Generatorbetrieb (δ > 0). Die Antriebsmomente der Turbine sind unabhängig vom Polradwinkel des Synchrongenerators. Deshalb stellen auch sie horizontale Linien im Bild 8.60 dar. Bei Vergrößerung des treibenden Turbinenmomentes MT wird beim Polradwinkel + 90° ebenfalls ein Extremwert des Gegenmomentes der Synchronmaschine erreicht, das generatorische Kippmoment. Es hat den gleichen Betrag wie das motorische. Wird es vom antreibenden Moment MT überschritten, gibt es keinen stabilen Arbeitspunkt mehr. Das treibende Moment der Turbine ist stets größer als das verzögernde des Synchrongenerators. Für den Maschinensatz besteht die Gefahr des Durchgehens. Er fällt, wie wir auch in diesem Falle sagen, außer Tritt. Arbeitet ein Kraftwerkssynchrongenerator auf ein Drehstromnetz und sinkt in diesem aus irgendwelchen Gründen die Spannung (U1) ab, fällt nach Gl. (8.74) auch das Kippmoment. Dadurch wird bei gegebenem Antriebsmoment MT die Gefahr des Durchgehens vergrößert. Solchen Instabilitätszuständen versucht man auf dreierlei Weise zu begegnen: kraftwerksseitig durch Begrenzung des Polradwinkels auf Maximalwerte von etwa + 40°, netzseitig durch schnelle Behebung der Ursachen des Spannungseinbruchs, z.B. durch sofortiges Abschalten der fehlerhaften Netzteile und schließlich maschinenseitig durch Realisierung eines großen Luftspaltes zwischen Polrad und Ständer in der Ständerbohrung (dadurch wird Xd kleiner und somit nach Gl. (8.74) das Moment größer). Typisch für Synchronmaschinen sind Schwingungen des Polrades (Pendelungen), die bei Lastsprüngen und den dadurch eingeleiteten Übergängen zu anderen Polradwinkeln auftreten. Sie überlagern sich der Kreisbewegung. Dies ist bei großen Maschinen, wie es die Synchronmaschinen meist sind, besonders gefährlich. Zur Dämpfung der Schwingungen benutzt man so genannte Dämpferkäfige. Sie sind ähnlich wie der Kurzschlussläufer eines Asynchronmotors ausgeführt und über das Polrad gezogen. Da es sich bei Pendelbewegungen um Relativbewegungen gegenüber dem gleichmäßig umlaufenden Drehfeld handelt, werden im Dämpferkäfig bei Pendelung Spannungen induziert. Diese rufen Ströme hervor, deren Felder der Ursache für die Induktion, also der Pendelung, entgegenwirken. Tritt sie nicht auf, sind Polrad und Dämpferkäfig relativ in Ruhe zum Drehfeld. Es findet dann keine Induktion statt und der Käfig ist unwirksam. Beim Synchronmotor benutzt man den Dämpferkäfig auch zum Anlaufen. Er funktioniert dann wie ein Asynchronmotor bis zu einer dicht unter der Sychrondrehzahl liegenden asynchronen Drehzahl. Die Maschine zieht sich, wenn diese erreicht ist, nach Einschalten der Erregung des Polrades von selbst in den Synchronismus.
8.4.4.3 Inselbetrieb des Synchrongenerators Die Kraftwerksgeneratoren speisen ihre elektrische Energie in starre Netze ein, an die auch andere Generatoren angeschlossen sind. Die dabei auftretenden Probleme sind uns nun bekannt. Das Verhalten des Generators kann vom Netz beeinflusst werden, weil es einen großen Energiespeicher darstellt. Hat ein Generator ein eigenes Netz, z.B. bei Notstromaggregaten oder auf Schiffen, sprechen wir von Inselbetrieb. Der Generator verhält sich hier völlig anders. Stabilitätsprobleme, wie sie bei der Arbeit am starren Netz auftreten, können nicht vorkommen, da ein Inselnetz keine Energiespeicher besitzt und deshalb elektrisch passiv ist. Die Ständerspannung U1 ändert sich bei Belastung, was beim starren Netz nicht möglich war.
282 8 Elektrische Maschinen und Antriebe Um dies zu zeigen, stellen wir die Abhängigkeit der Ständer- oder Klemmenspannung U1 vom Ständer- oder Laststrom I1 bei verschiedenen Arten der Last (ohmisch, induktiv, kapazitiv) dar.
Bild 8.62
Anschluss verschiedener Lasten an den Synchrongenerator
Bild 8.62 zeigt das dem Grundstromkreis (s. Abschnitt 4.1.4) ähnelnde Schaltbild, wobei wir das Erzeugerzählpfeilsystem für den Generator benutzt haben, weil Motorbetrieb hier nicht auftreten kann. Wir schließen nacheinander die verschiedenen Lasten an, entnehmen verschiedene Ströme und notieren die zugehörigen Werte der Klemmenspannung. Das erhaltene Ergebnis sind die Strom-Spannungs-Kennlinien des Inselgenerators. Sie sind in normierter Form im gesamten Bereich von Leerlauf bis Kurzschluss im Bild 8.63 dargestellt (vgl. mit Bild 4.7 a). Wir sehen, dass die Spannung bei induktiver (ϕ ≤ 90°) und ohmscher Last (ϕ = 0°) mit steigendem Entnahmestrom fällt. Bei Anschluss einer Spule hängt die Spannungsänderung von deren Induktivität ab. Bei kapazitiver Belastung steigt die Spannung an (vgl. dazu die Betriebskennlinien des Transformators in Bild 8.29).
Bild 8.63
Strom-Spannungs-Kennlinie des Inselgenerators
8.4.4.4 Spezielle Typen von Synchronmotoren Spezielle Ausführungen von Synchronmotoren findet man, wie bei den einphasigen Asynchronmotoren, ebenfalls vorwiegend im Bereich kleinster und kleiner Leistungen. Das erforderliche Drehfeld wird, so wie bei den asynchronen Typen, entweder über eine Hilfswicklung mit Kondensator oder durch Spaltpole erzeugt (s. Abschnitt 8.4.3.6). Wir unterscheiden bei dieser Art vorwiegend nach der Ausführung des Läufers Motoren mit Permanentmagnetläufer, Elektronikmotoren, Hysteresemotoren und Reluktanzmotoren. Zur Gruppe der speziellen Typen wollen wir auch die Synchron-Linearmotoren zählen. Motoren mit Permanentmagnetläufern. Sie unterscheiden sich prinzipiell nicht von den in diesem Abschnitt bereits beschriebenen Typen mit elektromagnetischer Polraderregung. Der Läufer dreht sich synchron mit dem Ständerdrehfeld. Er wird aus hochwertigen Dauermagnetwerkstoffen, wie wir sie bereits im Abschnitt 8.4.3.6 beschrieben haben, gefertigt. Die Drehzahl ist unabhängig von der Last. Bei Überlastung fällt die Maschine außer Tritt. Hauptanwendungsgebiete sind Registriergeräte, Betriebsstundenzähler und Uhren.
8.5 Elektrische Antriebstechnik
283
Elektronikmotoren. Die Drehzahl der Synchronmotoren mit Permanentmagnet wird durch Vorgabe der Ständerfrequenz, die die Drehfelddrehzahl bestimmt, gesteuert. Wir sprechen in diesem Falle von einem fremdgesteuerten Synchronmotor. Wird aber durch einen Magnetfeldsensor ständig die Lage des Polrades erfasst und daraus die Ansteuerung des Ständers abgeleitet, sprechen wir von einem selbstgesteuerten Synchronmotor. Dieser heißt im Bereich der Kleinmaschinen Elektronikmotor. Im Gegensatz zum fremdgesteuerten Motor ist seine Drehzahl spannungsabhängig mit einem für die Gleichstromnebenschlussmaschine typischem Nebenschlussverhalten (vgl. Bild 8.11).
Deshalb wird der Elektronikmotor meist auch „bürsten- oder kommutatorloser Gleichstrommotor“ oder „Gleichstrommotor mit elektronischem Kommutator“ genannt. Er kann wie eine Gleichstrommaschine elegant und verlustarm über die Spannung gesteuert und geregelt werden und besitzt darüber hinausgehend zwei wesentliche Vorteile gegenüber dieser: Er braucht keinen (verschleißenden) mechanischen Kommutator und, da die Wicklung nicht im Läufer, sondern im Ständer untergebracht ist, ist bei ihm für eine bessere Wärmeabfuhr gesorgt. Die Selbststeuerung von Synchronmaschine über Polradlagegeber wird auch im Bereich sehr großer Leistungen, d.h. bei elektromagnetisch erregten Polrädern, praktiziert. Bei dieser Anwendung nennt man die Maschinen allerdings nicht Elektronikmotor, sondern Stromrichtermotor. Beispiele sind die Speisewasserpumpen in großen Kraftwerken mit Leistungen von mehreren MW. Hysteresemotoren. Bei diesen Maschinen wird die Drehmomentbildung von Magnetfluss und Ummagnetisierungsstrom genutzt. Deshalb wird der Läufer aus einem hartmagnetischen Werkstoff mit großer Remanenzflussdichte hergestellt. Hysteresemotoren decken den Bereich kleinster Leistungen ab. Reluktanzmotoren. Sie besitzen einen weichmagnetischen Läufer, der sich im Drehfeld immer so einstellt, dass dem Magnetfluss der geringste Widerstand entgegegesetzt wird. Dazu muss er ausgeprägte magnetische Unsymmetrien aufweisen. Reluktanzmotoren sind robust und wartungsarm und werden mit Leistungen bis zu einigen hundert Watt gefertigt. Synchron-Linearmotoren. Die Vorteile der direkten Erzielung translatorischer Bewegungen haben wir bereits kurz im Abschnitt 8.4.3.6 angeführt. Anstelle der Metallplatte bei den Asynchron-Linearmotoren besitzt der Synchronmotor eine mit Dauer- oder Elektromagneten bestückte Platte (vergleichbar mit dem Polrad einer rotierenden Maschine), die sich mit der Geschwindigkeit des Wanderfeldes bewegt. Dadurch lassen sich hohe Geschwindigkeiten erzielen.
Das wahrscheinlich bekannteste Beispiel für eine solche Maschine ist der Transrapid, dessen so genannter Langstator die Länge des gesamten Fahrweges besitzt und dessen Fahrkabine die gleichstromerregten Magnetpole trägt. Der Langstator ist in Teilabschnitte unterteilt, und es wird jeweils immer nur der Streckenabschnitt an den Pulsumrichter (s. Abschnitt 7.4.5) geschaltet, in dem sich das Fahrzeug gerade befindet.
8.5 Elektrische Antriebstechnik 8.5.1 Mechanische Struktur elektrischer Antriebe Unter einem elektrischen Antrieb verstehen wir die Gesamtheit von treibender (Elektromotor) und anzutreibender Maschine (Arbeitsmaschine) einschließlich der Übertragungsglieder wie Kupplungen und Getriebe sowie der elektrischen Ausrüstungen für das Schalten oder Steuern und Regeln. In der Anfangszeit der elektrischen Antriebstechnik vor mehr als 100 Jahren waren so genannte Gruppenantriebe üblich, bei denen ein Motor über Transmissionsanlagen mit Riementrieben mehrere Arbeitsmaschinen bediente. Heute ordnet man nahezu ausschließlich jeweils einer Arbeits-
284 8 Elektrische Maschinen und Antriebe maschine einen eigenen Elektromotor zu. Die Gründe dafür sind bessere Anpassungsmöglichkeiten für den Motor und die hohe Spezialisierung von einzelnen Aufgaben für Arbeitsmaschinen. Man denke in diesem Zusammenhang beispielsweise an die Werkzeugmaschinen. Die mechanische Grundstruktur eines Einzelantriebes zeigt Bild 8.64.
Bild 8.64
Struktur eines elektrischen Antriebes
Die Absicht dieses Buches und der begrenzte zur Verfügung stehende Platz lassen selbst das Anreißen aller vielgestaltigen Probleme elektrischer Antriebe nicht zu. Wir versuchen deshalb in angemessener Weise nur das darzustellen, was ein nicht unmittelbar auf dem Gebiet der Antriebe tätiger oder zukünftiger Ingenieur unbedingt wissen sollte, um aus diesem Fachgebiet gewonnene Erkenntnisse für seine eigene Tätigkeit nutzen zu können. Dabei ist zu beachten, dass bereits bei der Behandlung der elektrischen Maschinen viele diesbezügliche Fragen aufgeworfen und beantwortet wurden.
8.5.2 Grundgesetze elektrischer Antriebe 8.5.2.1 Die Bewegungsgleichung Bereits im Abschnitt 8.2.3.3 haben wir einige Betrachtungen zum Arbeitspunkt elektrischer Antriebe als Schnittpunkte der Kennlinien von Motor und Arbeitsmaschine durchgeführt und die Kennlinie eines Hubwerkes gezeichnet (s. Bild 8.13). Im Bild 8.65 sind weitere charakteristische Arbeitsmaschinen-Kennlinien und die beim Zusammenspiel mit einem Asynchronmotor erhaltenen Arbeitspunkte dargestellt. Dabei müssen wir beachten, dass das Motormoment M ein treibendes, das Arbeitsmaschinenmoment aber ein bremsendes ist, das wir deshalb Widerstandsmoment Mw nennen. Auch die Bezeichnung Gegenmoment ist üblich.
Bild 8.65
Arbeitspunkte verschiedener Antriebe
In Bild 8.65 ist berücksichtigt, dass Hebezeuge sich trotz aufwärts gerichtetem Bewegungsbestreben des Motors absenken können (negative Drehzahl). Dieser Fall tritt immer dann ein, wenn die Hublast die Leistungsfähigkeit des Motors übersteigt. Ein solches Moment wird als aktives Widerstandsmoment bezeichnet. Die dargestellten Arbeitspunkte sind dadurch gekennzeichnet, dass in ihnen das Motormoment M dem Moment der Arbeitsmaschine Mw entspricht und sich infolge dieses Momentengleichgewichts eine
8.5 Elektrische Antriebstechnik
285
konstante Drehzahl n einstellt. Wir sprechen deshalb von einem stationären Arbeitspunkt. Die hier vom Motor an der Welle abgegebene mechanische Leistung ist Pmech = Ω M = 2π n M oder, geschrieben als zugeschnittene Größengleichung, die für praktische Rechnungen bequem zu handhaben ist: Pmech [W] = 0,105 n [min–1] M [Nm]
(8.75)
Bei Einsetzen der Nennbedingungen (Bemessungsbedingungen), also der Nenndrehzahl und des Nennmomentes folgt daraus die Nennleistung, die stets auf dem Typschild des Motors angegeben ist. Sagt man, dass ein Motor beispielsweise eine Leistung von 2,2 kW hat, ist das stets die bei Nennbedingungen an der Welle abgegebene mechanische Leistung, nicht die aufgenommene elektrische. Für letztere erhält man mit dem Motorwirkungsgrad η entsprechend Gl. (8.2): P Pel = mech
(8.76)
η
Ist der Betrieb nicht stationär, sondern tritt eine Laständerung auf, verlagert sich der Arbeitspunkt entsprechend. Nach einem Übergangsvorgang stellt sich eine neue stationäre Drehzahl ein. Wenn diese niedriger als die vorherige ist, hat während des Übergangsvorganges eine Verzögerung, wenn sie höher ist, eine Beschleunigung stattgefunden. Nach dem ersten Newtonschen Axiom erfordern Geschwindigkeitsänderungen bei geradliniger Bewegung Kräfte und Drehzahländerungen bei der Rotationsbewegung Momente. Bei den Übergangsvorgängen von einer Drehzahl zur anderen tritt somit neben dem Motor- und dem Arbeitsmaschinenmoment ein drittes auf, das wir Beschleunigungsmoment mb nennen. Bei Verzögerungen ist es negativ. Es verschwindet, wenn die Drehzahl konstant wird. Zur Berechnung von mb gehen wir von der Beschleunigungsleistung aus: Pb = ω mb
(8.77)
Darin ist ω die Winkelgeschwindigkeit der Drehbewegung (Wir legen Kleinbuchstaben zugrunde, weil wir zeitabhängige Vorgänge betrachten wollen). Die Beschleunigungsleistung erhalten wir auch aus der kinetischen Energie der rotierenden Massen, die das Massenträgheitsmoment J enthält: Wkin =
J 2 ω 2
(8.78)
durch Differenziation: Pb =
d Wkin ω 2 d J dω = + Jω dt 2 dt dt
(8.79)
Mit Gl. (8.77) folgt daraus für das Beschleunigungsmoment: mb =
ω dJ 2 dt
+J
dω dt
(8.80)
Bis auf wenige Ausnahmen ist bei elektrischen Antrieben das Massenträgheitsmoment konstant, d.h. d J/d t = 0 und daher: mb = J
dω dt
(8.81)
Bezeichnen wir das Motormoment mit m, das Widerstandsmoment mit mw (Wir wählen auch hier die Kleinschreibweise, da die Momente zeitlich veränderlich sein können) und beachten, dass der
286 8 Elektrische Maschinen und Antriebe Motor sowohl das Widerstands- als auch das Beschleunigungsmoment aufbringen muss, kann als Momentenbilanz geschrieben werden: m = mw + mb = mw + J
dω dt
(8.82)
Diesen Ausdruck nennen wir Bewegungsgleichung eines elektrischen Antriebes. Beispiele: Wir betrachten einen aus Asynchronmotor und Hubwerk bestehenden Antrieb nach Bild 8.66. An das Hebezeug sei einmal eine kleinere (Mw1), ein anderes Mal eine größere Last (Mw2) angehängt. Der Arbeitspunkt A1 ist Schnittpunkt von m und Mw1. Folglich gilt in diesem Punkt m = mw = Mw1. Also ist nach Gl. (8.81) mb = J dω /dt = 2πJ dn/dt = 0, woraus dn/dt = 0 und n = const folgt. Die Drehzahl ist konstant, der Arbeitspunkt stationär. Wenn der Motor mit der Last Mw1 eingeschaltet wird (n = 0), wirken im Einschaltaugenblick das Motormoment m = MA und das Widerstandsmoment mw = Mw1. Die Differenz von beiden muss nach Gl. (8.82) dem Beschleunigungsmoment beim Einschalten entsprechen: MA – Mw1 = mb = 2πJ dn/dt > 0. Wegen mb > 0 wird der Antrieb beschleunigt, was in der unmittelbar ableitbaren Beziehung dn/dt > 0 zum Ausdruck kommt, denn sie beinhaltet die Drehzahlzunahme mit der Zeit. Wenn wir nun von n = 0 aus den Bewegungsvorgang weiter verfolgen, erkennen wir, dass die Momentendifferenz m – Mw1 = mb mit steigender Drehzahl bis zum Erreichen des Kippmomentes ständig zu-, danach wieder abnimmt, bis der Punkt A1 erreicht ist. In ihm gilt m – Mw1 = 0, also mb = 0. Bis zu diesem Punkt tritt während des gesamten Anlaufvorganges Beschleunigung auf, weil für jede Drehzahl bis zum Punkt A1 mb > 0 ist. Wird der Motor mit Mw2 eingeschaltet, gilt für den Einschaltaugenblick m – Mw2 = MA – Mw2 = mb < 0. Es tritt Verzögerung statt Beschleunigung auf, was für den stehenden Motor bedeutet, dass er nicht anlaufen kann. Würden wir ihn aber beispielsweise mit einer Anwurfmaschine oder von Hand bis auf die Drehzahl nB, somit bis in den Punkt B bringen, würde von hier aus Beschleunigung stattfinden (mb > 0) und zwar solange, bis der stationäre Arbeitspunkt A2 erreicht ist. Unterhalb des Punktes B ist stets mb < 0, d.h. Verzögerung (dn/dt < 0) vorhanden.
Hochlaufzeit eines Antriebs. Wir lösen Gl. (8.82) nach d t auf: dt =
J dω m − mw
(8.83)
Bild 8.66
Zur Demonstration der Bewegungsgleichung
Daraus folgt für die Hochlauf- bzw. Anlaufzeit von ω = 0 bis ω = Ω N: ȍN
tA =
³ 0
J dω = m − mw
ȍN
³ 0
J dω mb
(8.84)
287
8.5 Elektrische Antriebstechnik
Je größer das Beschleunigungsmoment und je kleiner die Massenträgheit des Antriebes sind, umso kleiner ist die Anlaufzeit. Um tA berechnen zu können, müssen m, mw und J analytisch als Funktion der Drehzahl vorliegen. Weil das aber selten der Fall ist, greift man in der Praxis meist auf eine grafische Lösung der Gl. (8.84) zurück.
8.5.2.2 Stabilität stationärer Arbeitspunkte Bild 8.67 zeigt zwei mögliche Arbeitspunkte eines Antriebes mit Asynchronmotor. In beiden gilt die Bedingung mb = 0, d.h., es tritt weder Beschleunigung noch Verzögerung auf. Trotzdem kann der Antrieb den Punkt A2 nicht auf Dauer einnehmen. Folglich ist dieser instabil, denn sobald nur der kleinste Momentenstoß in der Last auftritt, wird A2 verlassen. Wird nämlich das Widerstandsmoment um den Stoßbetrag ǻMw größer, gleitet der Punkt A2 um einen kleinen Betrag ǻn auf der Motorkennlinie nach oben. Hört nun der Stoß auf, befindet sich der neue Arbeitspunkt in einem Bereich, in dem stets ein positives Beschleunigungsmoment mb = m – Mw vorhanden ist. Der Antrieb wird demnach solange beschleunigt, bis der stabile Arbeitspunkt A1 erreicht ist, in dem wieder m = Mw, d.h. mb = 0 gilt. Der Leser mache sich auf dem gleichen Wege klar, warum der Antrieb bei einem Momentenstoß immer wieder in den Arbeitspunkt A1 zurückkehrt, und warum bei einer stoßartigen Verkleinerung des Momentes im Arbeitspunkt A2 der Antrieb stehen bleibt.
Bild 8.67
Stabiler und instabiler Arbeitspunkt
Offensichtlich hängt die Stabilität davon ab, wie die Steigungen der Kennlinien des treibenden Motors und der angetriebenen Arbeitsmaschine im Arbeitspunkt zueinander verlaufen. Die Steigung kann man durch die Differenzialquotienten der Kurven zum Ausdruck bringen. Die Bedingung für Stabilität ist dann: § dm · § dmw ¨ ¸ <¨ © dn ¹Ap © dn
· ¸ ¹Ap
(8.85)
Stabilität verlangt geringere Steigung der Tangente der Motorkennlinie in Bezug auf die Steigung der Tangente der Arbeitsmaschinenkennlinie im Arbeitspunkt. Wir sollten das zur Übung anhand des Bildes 8.67 nachprüfen.
8.5.2.3 Wellenlast bei Übertragungsgliedern Wenn Elektromotor und Arbeitsmaschine nicht die gleiche Welle besitzen, sondern über ein Getriebe miteinander verbunden sind, werden auch die Dreh- und Massenträgheitsmomente durch
288
8 Elektrische Maschinen und Antriebe
das Getriebe über- oder untersetzt. Dadurch machen sich direkt an der Motorwelle andere Belastungen, als sie die Arbeitsmaschine bei der gerade gegebenen Drehzahl darstellt, bemerkbar. Die für die Bemessung des Motors notwendige Arbeitsmaschinenkennlinie ist deshalb auf die Motorwelle umzurechnen, was wir jetzt tun wollen.
Bild 8.68
Elektroantrieb mit Getriebe
Drehmomente. Bild 8.68 zeigt eine schematisierte Darstellung des Antriebes mit Getriebe. Die Arbeitsmaschine besitzt bei der Winkelgeschwindigkeit Ω2 das Widerstandsmoment Mw2, welches sich mit dem Wert Mw1 bei der Winkelgeschwindigkeit Ω1 an der Motorwelle auswirkt. Die vom Motor abgegebene mechanische Leistung ist P1 = Mw1 Ω1, die bis zur Welle der Arbeitsmaschine übertragene ist P2 = Mw2 Ω2. Mit dem Getriebewirkungsgrad ηG muss dann gelten:
Mw2 Ω2 = Mw1 Ω1 ηG
(8.86)
Daraus folgt für das Moment an der Welle des Motors: M w1 =
M w2 ȍ 2 M w2 = ηG ȍ1 ηG i
(8.87)
i = Ω1/Ω2 ist das Getriebeübersetzungsverhältnis. Bei i < 1 erscheint das Widerstandsmoment der Arbeitsmaschine vergrößert, bei i > 1 erscheint es verkleinert an der Welle des Motors. Massenträgheitsmomente. Bei der Beschleunigung oder Verzögerung von Antrieben machen sich die Massenträgheitsmomente bemerkbar (s. Gl. (8.81)). Auch sie sind auf die Motorwelle umzurechnen. Dabei gehen wir von der kinetischen Energie aus (s. Gl. (8.78)). Es gilt mit Wkin2 = Wkin1 ηG: J 2 2 J1 2 ȍ = ȍ ηG 2 2 2 1
(8.88)
Daraus folgt für das an der Motorwelle wirksame Massenträgheitsmoment: J1 =
J2 ηG i 2
(8.89)
Ein untersetzendes Getriebe (i > 1) verkleinert das Massenträgheitsmoment für den Motor und erleichtert so die Beschleunigung und umgekehrt. J bzw. J1 ist entscheidend für die Dynamik des Antriebes. Dabei ist das Eigenmassenträgheitsmoment JM des Motorläufers mit einzubeziehen. Der Quotient FI =
J M + J1 JM
(8.90)
gibt an, um welchen Faktor das gesamte zu beschleunigende Massenträgheitsmoment des Antriebes größer ist als das des Motorläufers allein. Er ist eine wichtige Kenngröße zur Beurteilung der dynamischen Eigenschaften eines Antriebes. FI ist abgeleitet von engl. „factor inertia“, was Trägheitsfaktor bedeutet.
289
8.5 Elektrische Antriebstechnik
8.5.3 Betriebsarten elektrischer Maschinen 8.5.3.1 Motorwicklungserwärmung Die Lebensdauer einer Motorwicklung wird entscheidend von ihrer Temperatur bestimmt. Das von Büssing und später auch von Dakin aufgestellte und inzwischen vielfach empirisch bestätigte Lebensdauergesetz lautet: B
L = A eT
(8.91)
Darin sind A und B Konstanten. T ist die (absolute) Wicklungstemperatur. Die Motoren werden in der Regel so dimensioniert, dass eine vorgegebene maximale Wicklungstemperatur nicht überschritten wird. Diese Maximaltemperatur ist von der Ausführung der Wicklung abhängig und wird in Wärmebeständigkeitsklassen festgelegt (s. Tabelle 8.2). Tabelle 8.2 Wärmebeständigkeitsklassen für die Wicklungsisolation
Klasse Höchstzulässige Dauertemperatur in °C
A
E
B
F
H
105
120
130
155
180
Die Motoren sind so ausgeführt, dass die angegebenen Temperaturen bei Betrieb mit der Bemessungs- bzw. Nennspannung und bei Belastung mit dem Bemessungs- bzw. Nennmoment etwa erreicht werden. Erfolgt ständiger Betrieb bei dieser Temperatur, kann der Anwender mit einer Lebensdauer von ca. 40 000 h rechnen. Ist die Wicklungstemperatur um 8 bis 10 Kelvin höher, was bei Betrieb oberhalb des Nennmomentes eintritt, halbiert sich diese Lebensdauer. Ist sie um den gleichen Betrag niedriger (bei Betrieb unterhalb des Nennmomentes), verdoppelt sie sich (Montsingerregel). Daraus darf man nicht schlussfolgern, die Motoren zum Zwecke der Lebensdauererhöhung überzudimensionieren, wie ein Blick auf Bild 8.69 für das Beispiel eines Drehstromasynchronmotors zeigt. Wird der Motor mit M < MN nämlich unterlastet, steigt zwar seine Lebensdauererwartung, er arbeitet aber mit einem niedrigeren Wirkungsgrad, besonders mit einem stark verschlechterten Leistungsfaktor cos ϕ. Der Betrieb des Motors wird somit teurer. Die Betriebskosten überschreiten wegen der relativ langen Betriebszeiten bei weitem die Kosten für einen neuen Motor. Ein Elektromotor sollte weder über- noch unterlastet, sondern möglichst immer mit dem Nennmoment oder in dessen Nähe betrieben werden, d.h. bei einer zulässigen Dauertemperatur nach Tabelle 8.2. Die in jüngster Zeit entwickelten Methoden der Antriebsdimensionierung zielen deshalb darauf ab, über Wärmemodelle des Motors die Wicklungstemperatur aus den vorgegebenen Daten der Belastung mit möglichst hoher Treffsicherheit zu bestimmen. Dabei hat sich das so genannte Zweikomponentenmodell besonders bewährt. Es geht u.a. davon aus, dass die Erwärmung der Wicklung bei einem Lastsprung nicht nach einer einfachen Exponentialfunktion mit einer einzigen Zeitkonstanten verläuft, sondern dass zwei verschiedene Zeitkonstanten berücksichtigt werden müssen. Wir können an dieser Stelle nicht darauf eingehen und benutzen deshalb zur Beschreibung des Erwärmungsverlaufs der Motorwicklung aus Gründen der Übersichtlichkeit eine einfache Exponentialfunktion. Dazu betrachten wir Bild 8.70, in dem der Erwärmungsvorgang nach dem Einschalten und der Abkühlungsvorgang nach dem Abschalten des Motors dargestellt sind. Angegeben ist die so
290
8 Elektrische Maschinen und Antriebe
genannte Übertemperatur ϑ (t), d.h. die Differenz von Wicklungstemperatur des Motors und Umgebungstemperatur.
Bild 8.69
Verlauf von Leistungsfaktor und Wirkungsgrad bei verschiedenen Momenten
Bild 8.70
Erwärmung und Abkühlung der Motorwicklung
Die Erwärmungskurve lässt sich beschreiben durch: §
t τ
· ¸ ¨ ¸ © ¹ und die Abkühlungskurve durch:
ϑ (t ) = ϑ 0 ¨1 − e
ϑ (t ) = ϑ0 e
−
−
t τ St
(8.92)
(8.93)
Wird der Motor mit einer von ihm unabhängigen Einrichtung belüftet (Fremdbelüftung), verlaufen Erwärmungs- und Abkühlungsvorgang gleich schnell, d.h. τ = τSt. Sitzt der Lüfter jedoch auf der Motorwelle (Eigenbelüftung), verlaufen die thermischen Prozesse beim Abkühlen langsamer, weil Motor und Lüfter stillstehen. Deshalb gilt in diesem Falle τSt = 1,4 … 2,0 IJ. Die Zeitkonstanten liegen je nach Motorleistung in der Größenordnung von einigen Minuten bis zu einigen Stunden. Die Zeit, während der der Motor eingeschaltet ist, nennt man Betriebszeit tB, die Zeit, in der er stillsteht, Pausenzeit tP. Die Summe beider, tSp = tB + tP, heißt Spieldauer, ED = tB/tSp · 100 [%] relative Einschaltdauer. Die Erwärmung betrachten wir als abgeschlossen (d.h. die Beharrungstemperatur ϑ0 wird erreicht), wenn tB > 3 τ, die Abkühlung als beendet, wenn tP > 3 τSt ist.
8.5.3.2 Nennbetriebsarten Elektromotoren arbeiten in den vielgestaltigsten Lastregimen. Es ist erforderlich, schon bei der Konstruktion des Motors auf seinen späteren Einsatz Rücksicht zu nehmen. Deshalb hat man so genannte Nennbetriebsarten geschaffen, in denen die wesentlichsten praktisch vorkommenden Belastungen klassifiziert sind. Bisher sind zehn solcher Nennbetriebsarten definiert worden, die die Bezeichnungen S1 bis S10 tragen. Sie sind in DIN VDE 0530 festgelegt. Eine Auswahl soll hier kurz vorgestellt werden. S1: Dauerbetrieb. Es ist tB > 3 τ, d.h., die Maschine erreicht ihre Beharrungstemperatur ϑ0. Dabei wird der Motor mit seiner Nennleistung betrieben. Eine obere Grenze für die Betriebszeit ist nicht gegeben. Ein solcher Motor kann beliebig lange bei Nennleistung in Betrieb sein.
Die Nennbetriebsart ist aus dem Typschild ersichtlich. Fehlt diese Angabe, handelt es sich immer um einen Motor der Betriebsart S1.
8.5 Elektrische Antriebstechnik
291
S2: Kurzzeitbetrieb. Die Maschine erreicht nicht die Beharrungstemperatur (tB < 3 τ), kühlt aber nach dem Stillsetzen vollständig ab (tP > 3 τSt). Für tB werden u.a. die Zeiten 10, 30, 60 und 90 Minuten empfohlen. Da die Maschine vor Erreichen der Beharrungstemperatur abgeschaltet wird, kann sie in der Einschaltphase überlastet werden. Beispiel für Typschildangabe: S2 – 10 min. S3: Aussetzbetrieb. Der Motor wird periodisch ein- und ausgeschaltet (s. Bild 8.70). Dabei wird weder die Beharrungstemperatur (tB < 3 τ ) noch die vollständige Abkühlung (tP < 3 τSt) erreicht. Für die relative Einschaltdauer werden die Werte 15, 25, 40 und 60 % empfohlen. In der Bezeichnung werden Spiel- und relative Einschaltdauer angegeben, z.B. S3 – 10 min – 60 %. S7: Reversierbetrieb. Die Maschine arbeitet periodisch mit einer Folge gleicher Spiele, in denen die Beharrungstemperatur nicht erreicht wird. Das Spiel besteht aus Anlauf, Phase konstanter Belastung und elektrischer Abbremsung. Dabei laufen aufeinander folgende Spiele stets mit umgekehrter Drehrichtung ab (Reversieren). S10: Aperiodischer Betrieb mit Überlastzyklen. Diese Betriebsart wird von der IEC (Internationale Elektrotechnische Kommission) zur Aufnahme in die Normen der Länder empfohlen. Sie ist die neueste Nennbetriebsart. Ihre Notwendigkeit ist folgendermaßen begründet:
Viele Antriebe arbeiten im Durchlaufbetrieb bei wechselnder Belastung (z.B. Förderbänder mit ungleichmäßiger Aufschüttung, Kräne bei verschiedenen Lasten usw., s. Bild 8.71). Die für diese Antriebe eingesetzten Elektromotoren wurden in der Vergangenheit stets so bemessen, dass die höchste vorkommende mechanische Leistung der Arbeitsmaschine der Nennleistung des Motors entsprach, damit auf keinen Fall die Grenztemperatur nach Tabelle 8.2 überschritten werden konnte. Zwangsläufig sind diese Motoren in den Phasen geringerer Last unterlastet, wobei die im Zusammenhang mit Bild 8.69 bereits diskutierten Nachteile auftreten. Setzt man einen Motor mit kleinerer Nennleistung ein, wird er bei gleichem Lastregime bei den höchsten Arbeitsmaschinenleistungen überlastet. Im Mittel wird man jedoch über längere Zeit bessere Werte des cos ϕ und des Wirkungsgrades erhalten. Die bei Spitzenlast auftretenden Wicklungstemperaturen liegen aber über den Grenztemperaturen nach Tabelle 8.2 (denn diese gelten für Nennlast). Die Maschine altert nach Gl. (8.91) dadurch schneller. Da aber Unterlastphasen mit niedrigeren Temperaturen folgen, in denen eine gegenüber Nennbedingungen verlangsamte Alterung zu erwarten ist, können diese Lebensdauerverluste in gewissem Maße kompensiert werden. Im Mittel wird die für Nennbedingungen übliche Lebensdauer des Motors erreicht. Ein solches wesentlich ökonomischeres Regime nennt man lebensdauerorientierten Betrieb des Motors. Zur Erfassung solcher Fälle wurde die Nennbetriebsart S 10 geschaffen, deren weltweite Durchsetzung sicher noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird, weil sie neue Denkweisen für den Motoreinsatz erfordert. Da man mit ihr jedoch kleinere Motoren bei verringerten Betriebskosten zum Einsatz bringen, also Material und Energie sparen kann, gibt es für ihre Einführung, besonders unter Berücksichtigung der riesigen Motorbedarfszahlen, auch starke wirtschaftliche Zwänge.
8.5.3.3 Motorauswahl Motorauswahl für eine bestimmte Antriebsaufgabe bedeutet Bestimmung der dieser Aufgabe entsprechenden Motorleistung. Sie ist am leichtesten für Dauerbetrieb mit konstanter Last zu ermitteln. Bei wechselnder Belastung gestaltet sich die Leistungsberechnung schwieriger. Beispielhaft für alle anderen Dimensionierungsaufgaben wollen wir in diesem Abschnitt die so genannte Effektivwertmethode demonstrieren. Die oft gestellte Aufgabe lautet: Gegeben ist ein stets wechselnder, aber insgesamt periodischer Verlauf des Widerstandsmomentes einer Arbeitsmaschine. Diese wechselnde Last ist auf eine
292
8 Elektrische Maschinen und Antriebe
zeitlich konstante Ersatzlast zurückzuführen, die die gleiche Motorwicklungserwärmung wie die wechselnde Last hervorruft. Für diesen Antrieb können wir eine S 1 – Maschine, deren Nennleistung mindestens gleich der errechneten Ersatzleistung ist, einsetzen. Um die Effektivwertmethode anwenden zu können, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: 1. Die Maschine soll Nebenschlussverhalten zeigen, d.h., die Drehzahl muss konstant sein. Sie darf nicht von der Höhe des Widerstandsmomentes abhängen, wodurch Proportionalität zwischen mechanischer Leistung und Widerstandsmoment gewährleistet ist. Dieses Verhalten ist exakt beim Synchronmotor und in sehr guter Näherung beim Gleichstromnebenschluss- sowie beim Asynchronmotor gegeben, was ein Blick auf die DrehzahlDrehmomenten-Kennlinien dieser Maschinen zeigt. 2. Die Zeitdauer des Wirkens einer bestimmten Laststufe muss gegenüber der Erwärmungszeitkonstante klein sein. Unter diesen Bedingungen sind die Temperaturschwankungen zwischen den einzelnen Laststufen vernachlässigbar. Es stellt sich eine etwa konstante Wicklungstemperatur ein. Auch diese Bedingung ist häufig erfüllt. Wir sollten sie aber jeweils nachprüfen. Sind beide Voraussetzungen gegeben, können wir für den beispielhaft in Bild 8.71 dargestellten Widerstandsmomentenverlauf ein effektives Widerstandsmoment berechnen (s. auch die Berechnung von Effektivwerten des Stromes und der Spannung im Abschnitt 5.2.1): M w,eff =
1 tSp
tSp
³ mw2 dt
(8.94)
0
Bild 8.71
Praktisches Beispiel des Verlaufs von mW an der Motorwelle
Angewandt auf den Verlauf nach Bild 8.71 ergibt sich: M w,eff =
2 t + M2 t + M2 t + M2 t M w1 1 w2 2 w3 3 w4 4
t1 + t2 + t3 + t4
(8.95)
Mit diesem effektiven Moment errechnet sich die Leistung der auszuwählenden S1 – Maschine entsprechend Gl. (8.75): Peff = 0,105 nN Mw,eff Wir erhalten die mechanische Leistung Peff in W, wenn wir die Nenndrehzahl in min–1 und das effektive Moment in Nm einsetzen. Aus der Leistungsreihe ist die Maschine auszuwählen, für die P Peff ist. Ist keine Maschine der Leistung Peff im Typensortiment vorhanden, muss die nächst höhere genommen werden.
8.5 Elektrische Antriebstechnik
293
8.5.4 Ein- und Mehrquadrantenantriebe Wir schließen jetzt die elektrische Seite des Antriebes mit in die Betrachtungen ein. Dazu legen wir einen Gleichstromantrieb mit steuerbarem Gleichrichter (Stromrichter) zugrunde, wie er in Bild 8.72 dargestellt ist.
Bild 8.72
Stromrichtergesteuerter Gleichstromantrieb
Der Stromrichter soll halbgesteuert sein, so dass er nur in der Lage ist, positive Spannungen zu liefern (s. Abschnitt 7.4.2.2.3, Bild 7.67). Der Strom ist ebenfalls stets positiv, weil er wegen der Ventilwirkung der Dioden bzw. Thyristoren nur vom Gleichrichter zum Motor fließen kann. Wir ordnen der positiven Spannung eine positive Drehzahl und dem positiven Strom ein positives Moment zu: Udα > 0 IA > 0
n > 0 (Rechtslauf des Antriebes) M>0
Wenn wir die elektrischen Größen des Stromrichters und die mechanischen Größen des Antriebes jeweils in einem Koordinatensystem darstellen, beschreiben die angegebenen Bedingungen die vom 1. Quadranten des jeweiligen Koordinatensystems dargestellte Ebene (s. Bild 8.73). Je nach Spannung, Strom, Drehzahl oder Moment, die voneinander abhängen, kann sich der Arbeitspunkt an beliebigen Stellen des jeweiligen 1. Quadranten befinden. Ein solcher Antrieb heißt deshalb Einquadrantenantrieb. Er ist der einfachste stromrichtergespeiste Antrieb. Nun benutzen wir als Arbeitsmaschine ein Hubwerk, das in der Lage ist, ein aktives Widerstandsmoment zu liefern (s. Bild 8.65). Außerdem verwenden wir eine vollgesteuerte Gleichrichterschaltung, die auch negative Spannungen Udα bilden kann (s. Bild 7.67). Wir stellen vorausgreifend fest, dass ein solcher Antrieb im 1. und im 4. Quadranten der oben definierten Koordinatensysteme arbeiten kann. Wir zeigen das anhand des Bildes 8.74 b.
Bild 8.73
Ebene des a) Motors b) Antriebes (M und AM)
294
8 Elektrische Maschinen und Antriebe
Bild 8.74
Zweiquadrantenantrieb
Der Hubantrieb soll sich im Arbeitspunkt A1, d.h. bei Udα1 > 0 und n > 0 (Rechtslauf bzw. Heben) bewegen. Senken wir die Spannung durch Zündwinkelvergrößerung am Stromrichter ab, verschiebt sich die Motorkennlinie parallel nach unten, d.h. die Hubgeschwindigkeit verringert sich. Stellen wir eine negative Spannung (Udα2 < 0) ein, erreichen wir den im 4. Quadranten liegenden Arbeitspunkt A2, für den n < 0 (Linkslauf bzw. Senken) gilt. Der Motor entwickelt wegen IA > 0 (Ventilwirkung des Gleichrichters) zwar immer noch ein positives Moment, das Hebezeug sinkt aber infolge des Gewichtes der angeschlagenen Last nach unten, entgegen der nach oben gerichteten Motorkraft. Wegen des verschiedenen Vorzeichens von Udα und IA ist die elektrische Leistung negativ, was Leistungsfluss vom Antrieb über den Stromrichter in das Netz bedeutet (Wechselrichterbetrieb des Stromrichters). Die elektrische Maschine arbeitet demzufolge im 4. Quadranten als Generator, angetrieben von der Last des Hubwerkes. Die Bedingungen Ud α > 0
n > 0 (Rechtslauf, Heben)
Udα < 0
n < 0 (Linkslauf, Senken)
IA > 0
M>0
füllen die rechte Halbebene der beiden Koordinatensysteme aus (s. Bild 8.74). Ein solcher Antrieb wird deshalb als Zweiquadrantenantrieb bezeichnet. Es ist klar, dass wir den Strom umkehren müssen (IA < 0), wenn wir auch den 2. und 3. Quadranten erreichen wollen. Auf diese Weise realisieren wir einen Vierquadrantenantrieb. Die Möglichkeit der Stromumkehr ist bei Verwendung eines Umkehrstromrichters, wie wir ihn im Abschnitt 7.4.2.2.4 ausführlich beschrieben haben, gegeben. Da er mit vollgesteuerten Gleichrichtern bestückt ist, gestattet er auch Vorzeichenumkehr der Spannung, so dass alle vier Quadranten erreichbar sind. Bereits im Abschnitt 8.2.3.3 haben wir uns bei der Behandlung des Nutzbremsens mit einem Beispiel für das Erreichen des 2. Quadranten beschäftigt. Liegt der Arbeitspunkt im 3. Quadranten (Udα < 0, IA < 0, n < 0), dann ist der einzige Unterschied zum Betrieb im 1. Quadranten, dass der Antrieb sich nicht im Rechts-, sondern im Linkslauf befindet. Die elektrische Leistung ist auch hier wegen des zwar negativen, aber gleichen Vorzeichens von Spannung und Strom positiv, d.h. es liegt Motorbetrieb vor. Bild 8.75 zeigt noch einmal alle Vorgänge in den vier Quadranten des Drehzahl-DrehmomentenKennlinienfeldes. Wir achten besonders auf das abwechselnde Arbeiten der beiden Stromrichter SR. Sie sind in diesem Bild mit GG 1 und GG 2 („Gleichrichtgerät“) bezeichnet. Im 1. und 4. Quadranten ist SR 1 bzw. GG 1, im 2. und 3. Quadranten SR 2 bzw. GG 2 aktiv. Vierquadran-
8.5 Elektrische Antriebstechnik
295
tenantriebe stellen die modernsten elektrischen Antriebe dar. Sie ermöglichen bei Bremsvorgängen in jeder Drehrichtung eine Rücklieferung elektrischer Energie in das Netz. Natürlich lassen sie sich nicht nur mit Gleichstrom-, sondern auch mit Asynchronmotoren bei Verwendung der entsprechenden maschinenangepassten Stellglieder realisieren.
Bild 8.75
Vorgänge beim Vierquadrantenantrieb
8.5.5 Regelung elektrischer Antriebe Wir legen wieder einen Antrieb mit Gleichstromnebenschlussmaschine zugrunde und fragen, was erforderlich ist, um die Drehzahl dieses Antriebes konstant zu halten. Das ist eine Aufgabe, die in der Antriebstechnik sehr häufig vorkommt. Wir denken beispielsweise an eine hochwertige Werkzeugmaschine, bei der genaue Werte der Schnittgeschwindigkeit einzuhalten sind. Bild 8.76 a erläutert das Ziel unseres Bestrebens. Es besteht darin, eine vorgegebene Solldrehzahl nSoll einzuhalten. Ein erster Schritt zur Lösung dieser Aufgabe besteht in der Verwendung eines gesteuerten Gleichrichters, bei dem wir eine zunächst feste Spannung Udα einstellen. Halten wir diese Spannung konstant, ist zu erwarten, dass sich auch die Drehzahl nicht ändert, weil der Arbeitspunkt durch die konstante Spannung festgehalten wird. Das Blockschaltbild unserer Anordnung hat das Aussehen nach Bild 8.77. Wir geben den Sollwert in Form einer elektrischen Spannung in das Ansteuergerät für den Gleichrichter ein. Die im Ansteuergerät vorhandene Elektronik gibt den Thyristoren des gesteuerten Gleichrichters dann solche Zündwinkel vor, dass genau die Spannung Udα erzeugt wird, die die Solldrehzahl des Antriebes gewährleistet. Durch Messung der Istdrehzahl an der Antriebswelle, beispielsweise mit einem Tachometer, können wir das kontrollieren.
296
8 Elektrische Maschinen und Antriebe
Bild 8.76
Vorgänge bei der Antriebsregelung a) ungestört b) Ausregelung eines Drehzahlabfalls
Wenn z.B. der Meißel unserer Werkzeugmaschine AM tiefer eingreift oder auf Materialzonen größerer Zähigkeit trifft, stellen wir fest, dass trotz exakt konstant gehaltener Motorspannung die Drehzahl absinkt. Das ist einfach zu erklären, denn die Kennlinie der elektrischen Maschine ist leicht geneigt, so dass bei Vergrößerung des Widerstandsmomentes um den Betrag ǻMw der Arbeitspunkt entlang der Kennlinie nach unten gleiten muss (s. Bild 8.76 b). Wenn wir jetzt die Spannung genau soweit erhöhen, dass der Abfall der Drehzahl ǻn gerade kompensiert wird, erreichen wir wieder die Solldrehzahl, was wir uns zur Aufgabe gestellt hatten. Im Bild entspricht Udα1 der ursprünglichen, Udα2 der neu eingestellten Motorgleichspannung.
Bild 8.77
Blockschaltbild einer Drehzahlsteuerung
Wir erkennen, in welcher Weise die Blockschaltung nach Bild 8.77 abzuändern ist. Es reicht nicht aus, nIst zu messen. Wir müssen nIst auch mit nSoll vergleichen und entsprechend dem Vergleichsergebnis den notwendigen neuen Wert der Spannung einstellen. Hier finden wir wieder die drei für jede Regelung durchzuführenden Tätigkeiten vor: Messen, vergleichen, stellen. Auf diese Probleme waren wir bereits im Abschnitt 7.6.3.2 bei der Beschreibung des Einsatzes eines Mikrorechners als Regler gestoßen. Es ergibt sich somit das verbesserte Blockschaltbild nach Bild 8.78. Der als Spannung des Messgliedes vorliegende Drehzahl-Istwert wird auf den Eingang zurückgeführt und dort mit dem Drehzahl-Sollwert verglichen. Ist er kleiner als der Sollwert, wird die Motorspannung erhöht. Ist er größer, wird sie verkleinert. Die Steuerspannung, welche, in der Ansteuerelektronik verarbeitet, die entsprechende Verstellung des Zündwinkels veranlasst, wird im Drehzahlregler erzeugt. Sie hat genau den Wert, der erforderlich ist, um die Regelabweichung ǻn = nSoll – nIst zu Null zu machen, d.h. den Antrieb bei der Solldrehzahl zu halten. Diese Anordnung mit Rückführung der Istdrehzahl heißt Drehzahlregelung im Gegensatz zu der ohne Rückführung arbeitenden Drehzahlsteuerung (Bild 8.77).
8.5 Elektrische Antriebstechnik
Bild 8.78
297
Drehzahlregelung
Die Regelung nach Bild 8.78 besitzt jedoch eine Unzulänglichkeit, die in folgendem besteht. Beim Übergang vom Arbeitspunkt 1 zum Arbeitspunkt 2, der durch den Regelvorgang bewirkt wird, vergrößert sich der Motorstrom entsprechend Gl. (8.14). Hierbei können sehr große Stromänderungsgeschwindigkeiten auftreten, die die Funktion des gesteuerten Gleichrichters stören. Um das zu verhindern, muss man den zeitlichen Verlauf des Stromes so beeinflussen, dass seine Änderungsgeschwindigkeit begrenzt wird. Dies gelingt durch Verwendung eines zusätzlichen Stromreglers, dessen Sollwert IASoll durch die Regelabweichung der Drehzahl ǻn bestimmt ist (s. Bild 8.79). Der Drehzahlregler gibt entsprechend der Größe von ǻn den Stromsollwert vor. Sobald geringstes ǻn auftritt, wird der Sollwert des Stromes (und damit der Strom selbst) verändert. Der Motorstrom wird also entsprechend der Abweichung zwischen Ist- und Sollwert der Drehzahl geführt. Der Drehzahlregler ist darüber hinaus so gestaltet, dass selbst bei größten Regelabweichungen ein bestimmter Wert von IASoll nicht überschritten werden kann. Der Strom wird dadurch auch in seiner absoluten Höhe begrenzt. Eine solch hochwertige Regelung nennt man Drehzahlregelung mit unterlagerter Stromregelung.
Bild 8.79
Drehzahlregelung mit unterlagerter Stromregelung
8.5.6 Ergänzende Bemerkungen Wir stellen uns mit diesem Buch das Ziel, alle elektrotechnischen Vorgänge und Erscheinungen sowohl bezüglich der Grundlagen als auch der Anwendungen möglichst gut zu verstehen, um eine solide Plattform für meist notwendiges vertieftes Studium einer einschlägigen Problematik zu besitzen. Deshalb haben wir in diesem Abschnitt über elektrische Maschinen und Antriebe immer die physikalisch-technischen Zusammenhänge in den Vordergrund gestellt. Zur Antriebstechnik gehören jedoch auch Festlegungen über Ausführungsformen von Motoren, über Bemessungsspannungen (Nennspannungen) und Bemessungsleistungen (Nennleistungen), über Arten der Kühlung einer elektrischen Maschine, über Schutz- und Einsatzklassen usw. usf.. Da zu diesen Problemen keine detaillierten physikalischen Erläuterungen notwendig sind und sie beim Nachlesen ohne weiteres verstanden werden können, gehen wir im Rahmen dieses Buches nicht darauf ein, verweisen aber auf das Normenwerk DIN 57 530 / VDE 0530 „Drehende elektrische Maschinen“. Dieses umfangreiche Schriftstück enthält alles für elektrische Maschinen Wesentliche in Bezug auf Kennwerte, Methoden, Prüfverfahren u.a.m.
298
8 Elektrische Maschinen und Antriebe
8.6 Übungsaufgaben 8-1 Ein Gleichstrommotor nimmt eine elektrische Leistung von 6 kW auf und gibt an seiner Welle eine mechanische Leistung von 5,1 kW ab. Wie groß sind Wirkungsgrad und Verlustleistung des Motors? Diskutieren Sie Möglichkeiten des Zustandekommens dieser Verlustleistung! 8-2 Vom Leistungsschild eines fremderregten Gleichstrommotors können wir u.a. folgende Nenndaten ablesen: U = 800 V, I = 2010 A, P = 1530 kW, UE = 110 V, RE = 1 ȍ. Welchen Wirkungsgrad hat dieser Motor? 8-3 Ein so genannter Umformer besteht aus einem Motor, der einen Generator antreibt. Bei Nennbetrieb hat der Motor einen Wirkungsgrad von ηM = 0,94, der Generator ηG = 0,92. Es sind der Gesamtwirkungsgrad des Umformers und die aufgenommene Motorleistung zu bestimmen, wenn der Generator eine Leistung von 640 kW abgibt! 8-4 Von einem Gleichstromnebenschlussmotor sind folgende Nenndaten bekannt: P = 150 kW, n = 1100 min–1, U = 440 V, I = 378 A, RA = 26 mΩ. Es sind zu berechnen: a) Nennmoment MN b) das Produkt cΦ c) Leerlaufdrehzahl n0 d) Verlustleistung im Ankerkreis bei Nennbetrieb! 8-5 Ein Gleichstromnebenschlussmotor hat folgende Nenndaten: U = 440 V, I = 33 A, P = 12 kW, n = 1150 min–1. Der Ankerkreiswiderstand wurde messtechnisch zu RA = 2,4 Ω bestimmt. a) Berechnen Sie das Nennmoment und die Konstante cĭ! b) Wie groß ist die Leerlaufdrehzahl n0? c) Wie groß ist der Einschaltstrom des Motors und wie groß muss ein zusätzlicher Vorwiderstand im Ankerkreis gewählt werden, damit der Einschaltstrom den Wert von 80 A nicht übersteigt? d) Wie groß ist die Drehzahl bei Belastung mit dem Nennmoment und bei eingeschaltetem Anlasswiderstand nach c)? 8-6 Ein vierpoliger Asynchronmotor (p = 2, f = 50 Hz) hat einen Nennschlupf von sN = 3,8 %. Wie groß ist seine Nenndrehzahl? 8-7 Ein Drehstromschleifringläufermotor besitzt die folgenden Daten: f = 50 Hz, UN = 400 V, IN = 58 A, PN = 30 kW, cos ϕN = 0,89, MK/MN = 2,9, sK = 0,12, nN = 980 min–1. a) Wie groß sind Polpaarzahl und Nennschlupf der Maschine? b) Bestimmen Sie die Drehzahl-Drehmoment-Koordinaten des Leerlauf-, Nenn-, Kipp- und Anlaufpunktes der Maschine und zeichnen Sie die Kennlinie maßstäblich (Hinweis: Verwenden Sie u.a. auch die Kloss'sche Beziehung zur Koordinatenberechnung)! c) Wie kann die Maschine bei einem Widerstandsmoment von MW > MA zum Anlaufen gebracht werden? 8-8 Ein Drehstromasynchronmotor mit Schleifringläufer hat folgende Nenndaten: 400 V, 14 kW, 50 Hz, cos ϕ = 0,84, 970 min–1, aufgenommene Wirkleistung Pel = 17,5 kW. Außerdem entnimmt man einem Katalog: MK/MN = 2,5. Bestimmen Sie: a) Synchrone Drehzahl und Polpaarzahl b) Wirkungsgrad c) Nennstrom d) Nenndrehmoment und Kippmoment! Weiterhin: e) Der Motor wird mit einem Widerstandsmoment belastet, welches dem Nennmoment entspricht. Die Drehzahl muss dann gleich der Nenndrehzahl sein. Auf welches Vielfache des natürlichen Läuferwiderstandes muss der gesamte wirksame Läuferwiderstand durch Vorschaltwiderstände vergrößert werden, damit eine Drehzahl von 500 min–1 erreicht wird? Wie groß ist dann das Anlaufmoment MA? (Hinweise: Zeichnen Sie mit Blick auf Bild 8.53 maßstabsgerecht das Widerstandsmoment MW und die Kennlinien für den natürlichen Läuferwiderstand (d.h. RV = 0) und RV > 0 ein und markieren Sie die beiden Arbeitspunkte, wobei für RV = 0 n = nN = 970 min–1, für RV > 0 n = 500 min–1 sein muss ! Berücksichtigen Sie, dass sich nach Gl. (8.63) bei konstantem Moment die Schlupfwerte in den Arbeitspunkten wie die Läuferwiderstände verhalten!)
8.6 Übungsaufgaben
299
8-9 Ein Drehstromasynchronmotor hat folgende Leistungschilddaten: 400 V, 245 A, 140 kW, 2970 min–1, cos ϕ = 0,9. Berechnen Sie: a) das Nennmoment b) vom Motor aufgenommene Wirk-, Blind- und Scheinleistung c) den Wirkungsgrad d) den Nennschlupf! 8-10 Ein Drehstromasynchronmotor hat in Dreieckschaltung folgende Nenndaten: P = 4 kW, n = 1475 min–1. Außerdem sind gegeben: MK/MN = 2, sK = 0,2. a) Berechnen und zeichnen Sie unter Benutzung der Kloss'schen Beziehung die Koordinaten der Drehzahl-Drehmomenten-Kennlinie für Leerlauf, Nennbetrieb, Kipp-Punkt und Anlauf! b) Bestimmen und zeichnen Sie aus a) die entsprechende Kennlinie bei Sternschaltung der Motorwicklung (U = const)! c) Kann dieser Motor bei Stern-Dreieck-Anlauf aus dem Stillstand starten, wenn das Widerstandsmoment Mw = 12 Nm beträgt? Begründen Sie Ihre Antwort! Welche Läuferausführung eines Kurzschlussläufermotors würden Sie aufgrund dieses Ergebnisses als besonders geeignet für SternDreieck-Anlauf halten? 8-11 Bei einem nennerregten Synchronmotor sind die Stranggrößen U1 = 230 V, I1 = 11,5 A, ϕ1 = 28°, Xd = 15 Ω gegeben. Zeichnen Sie ein maßstäbliches Zeigerbild der Ströme und Spannungen und geben Sie den Polradwinkel an! 8-12 Ein Synchrongenerator mit in Stern geschalteter Ständerwicklung arbeitet auf ein Inselnetz. Die Erregung ist so eingestellt, dass bei offenen Klemmen, also bei Leerlauf, die Leiterspannung U = 400 V (Strangspannung U1 = Up = U/ 3 ) ist. Wird eine ohmsche Last angeschlossen, fließt ein Strom von 45 A. Die synchrone Reaktanz ist Xd = 2,3 Ω. Welchen Wert nimmt die Leiterspannung im Inselnetz bei dieser Belastung an? 8-13 Das Massenträgheitsmoment eines Motors soll durch einen Auslaufversuch bestimmt werden. Dazu wird der Motor zunächst in seinem Nennarbeitspunkt stationär betrieben, ist also hier mit einem Widerstandsmoment Mw = MN belastet. Nun wird der Motor abgeschaltet. Das konstante Widerstandsmoment wird nicht abgekuppelt, jedoch im Abschaltmoment auf 0,1 MN abgesenkt. a) Modifizieren Sie die Bewegungsgleichung Gl. (8.82) für diesen Fall und lösen Sie sie nach J auf! b) Der Motor habe die Nennwerte P = 100 kW und n = 980 min–1. Beim Auslaufversuch wird im Zeitintervall von 5 s ein Drehzahlabfall auf 344 min–1 gemessen. Berechnen Sie J nach der unter a) abgeleiteten Gleichung!
Bild 8.80
Zur Aufgabe 8-14
8-14 Ein täglich 16 Stunden ununterbrochen laufendes Taktstraßenband soll mit einem S1-Drehstromasynchronmotor mit Kurzschlussläufer ausgerüstet werden. Eine Analyse der Bandbelastung ergab den periodischen Verlauf des Widerstandsmomentes des Bandes nach Bild 8.80. Ein zwischen Motor und Band geschaltetes Getriebe untersetzt die Motordrehzahl von 1470 min–1 im Verhältnis 3: 1. Der Wirkungsgrad des Getriebes ist 0,98. Welche Leistung muss der für diese Antriebsaufgabe vorzusehende Motor mindestens haben, und wie groß ist der durchschnittliche Verbrauch an Elektroenergie pro Tag, wenn der Wirkungsgrad des Motors 0,89 ist? 8-15 Einem einphasigen Transformator wird sekundärseitig bei einer Spannung von 6 V ein Strom von 2,7 A entnommen. Die Primärspannung beträgt 230 V. Wie groß ist der Strom in der Primärwicklung, wenn der Transformator als verlustlos angenommen wird?
300
8 Elektrische Maschinen und Antriebe
8-16 Die Oberspannungswicklung eines Einphasentransformators hat 4600 Windungen und liegt an einer Spannung von 6000 V. An der Unterspannungsseite beträgt die Spannung 230 V. Wie groß sind das Übersetzungsverhältnis und die Windungszahl auf der Unterspannungsseite (Hinweis: In der Praxis versteht man unter dem Übersetzungsverhältnis stets das Verhältnis der Windungszahlen der Ober- zur Unterspannungswicklung. Es gilt also immer ü > 1)? 8-17 An einem Einphasentransformator werden zur Ermittlung der Elemente des Ersatzschaltbildes Leerlauf- und Kurzschlussversuch durchgeführt. Es ergeben sich die folgenden Messergebnisse: a) Leerlauf: P0 = 12 W; U0 = 230 V; I0 = 60 mA b) Kurzschluss: Pk = 420 W; Uk = 34,5 V; Ik = 14,5 A Berechnen Sie aus den Messwerten RFe, Xh, Rk und Xk! Zeichnen Sie maßstäblich das für Kurzschluss geltende Kappsche Dreieck! 8-18 Ein Anpassungsübertrager nach Bild 8.81 hat primärseitig zwei Teilwicklungen mit den Windungszahlen N11 = 2400 und N12 = 4320. Sekundärseitig ist die Windungszahl N2 = 400. Welche Eingangswiderstände ergeben sich für die drei Anschlussmöglichkeiten 1-2, 1-3 und 2-3 ? Wie groß muss in jedem der drei Fälle die angelegte Primärspannung sein, wenn für den Verbraucherwiderstand von 4 Ω eine Leistung von 5 W benötigt wird?
Bild 8.81
Zur Aufgabe 8-18
9 Elektrische Energieversorgung 9.1 Einleitung Unter elektrischer Energieversorgung verstehen wir all das, was zur Erzeugung, Übertragung und Verteilung elektrischer Energie gehört. Wir werden uns mit einigen wichtigen Problemen, die auf dem Weg des elektrischen Stromes vom Kraftwerksgenerator bis zum Endverbraucher auftreten, beschäftigen. An der Versorgung mit Endenergie, d.h. mit Energie in einer für den Endverbraucher aufbereiteten Form wie Kraftstoffe, Öl, Gas, Kohle oder Fernwärme, ist die Elektrizität mit etwa einem Fünftel beteiligt und liegt damit hinter Kraftstoffen und Gas an dritter Stelle. Im Jahre 2007 waren das in Deutschland etwa 600 Milliarden kWh. Schon daraus ist die hervorragende Bedeutung des elektrischen Stromes für die gesamte Energietechnik ersichtlich.
Bild 9.1 Energieträger für die Stromerzeugung in Deutschland im Jahre 2007
Die Deckung des weiter steigenden Strombedarfs wird heutzutage in der Bundesrepublik Deutschland zu etwa 85 % durch die Kraftwerke der öffentlichen Stromversorgung, zu etwa 14 % durch Industrieunternehmen und zu etwa 1 % durch Kraftwerke der Bundesbahn gesichert. Die dabei für die Stromproduktion genutzten Primärenergieträger und deren Anteil zeigt Bild 9.1. Wir erkennen die Dominanz der Kohle und der Kernenergie (insgesamt ca. 70 %) und den relativ kleinen Anteil der Wasserkraft oder anderer regenerier- oder erneuerbarer Energieträger. Etwa 90 % der Stromproduktion wird durch Nutzung der durch Verbrennung von Kohle, Erdgas und Heizöl gewonnenen Wärme sowie der bei der Kernspaltung entstehenden Wärme erbracht. Die diese Prozesse realisierenden Wärmekraftwerke sind bei weitem in der Überzahl. Die anderen sind, zumindest heute und in naher Zukunft, vielleicht mit Ausnahme der Wasserkraft und Windenergie, lediglich als „Additiv“ anzusehen. Gerade diese Tatsache stellt ein erhebliches aktuelles Problem dar, weil die Kraftwerke mit fossilen Brennstoffen wie Kohle, Öl und Gas zu etwa 30 % am gesamten CO2-Ausstoß in die Atmosphäre beitragen und die Kernenergie aus Gründen des Sicherheitsbedürfnisses der Menschen auf erhebliche Akzeptanzprobleme in der Bevölkerung stößt. Zur Sauberhaltung der Luft wurden deshalb, beginnend Anfang der achtziger Jahre, in den Kraftwerken umfangreiche Maßnahmen ergriffen, die den Ausstoß von Staub, Schwefeldioxid, Stickoxiden und Kohlendioxid drastisch gesenkt haben. Außerdem wurde der Wirkungsgrad ständig gesteigert. Während man 1950 noch 600 g Steinkohle zur Erzeugung von 1 kWh Elektro-
302
9 Elektrische Energieversorgung
energie benötigte, sind es heute nur noch 300 g. Darüber hinaus gibt es bei Kernkraftwerken intensive Bemühungen zur Erhöhung der Sicherheit. Es scheint, dass alle diese Maßnahmen nicht ausreichen, um die auf internationalen Umweltkonferenzen fixierten Zielstellungen bezüglich des Schadstoffausstoßes zu erreichen oder das Akzeptanzverhalten der Bevölkerung zu verbessern oder gar zu ändern. Deshalb gibt es erhebliche Anstrengungen, die Anwendungsbreite der die Umwelt nicht schädigenden Energieträger wie Wasser, Wind und Sonne auszubauen. Da diese Energieträger im Gegensatz zu den fossilen, die sich verbrauchen, erneuerbar sind, haben diese Bemühungen eine große Bedeutung für die Zukunft der Menschheit. Deshalb wollen wir im folgenden Abschnitt nicht nur die konventionellen Kraftwerke, sondern auch die Prinzipien der Stromerzeugung auf der Basis regenerierbarer Energieträger kennenlernen.
9.2 Überblick zu Kraftwerken Begriffe. Jedes Kraftwerk liefert elektrische Energie. Bis auf wenige Ausnahmen (z.B. bei der Photovoltaik) wird die elektrische Energie unmittelbar durch Umwandlung mechanischer Energie (Rotationsenergie) gewonnen. Dabei kann diese mechanische Energie z.B. aus Wärmeenergie (Kohle-, Gas-, Kernkraftwerk), aus potentieller und kinetischer Energie des Wassers (Wasserkraftwerk) oder aus Strömungsenergie von Luftteilchen (Windkraftwerk) stammen. Die Maschine, die die Wandlung dieser Energien in mechanische bewirkt, ist die Turbine (Dampf-, Wasseroder Windturbine), die mit dem Stromerzeuger, dem Generator, direkt gekoppelt ist. Es ergibt sich das grobe Blockschaltbild eines Kraftwerkes nach Bild 9.2. Die Bezeichnung eines Kraftwerkes erfolgt meist nach dem Primärenergieträger, wie z.B. Kohle- oder Kernkraftwerk.
Bild 9.2
Grobschaltbild von Wärmekraftwerken
Wirkungsgrad von Wärmekraftwerken. In Wärmekraftwerken wird Wasserdampf oder Gas von sehr hoher Temperatur erzeugt und auf die Schaufelräder der Turbine geleitet. Der Wirkungsgrad dieses Prozesses ist umso höher, je höher die Turbineneintritts- und je niedriger die Turbinenaustrittstemperatur des Dampfes oder Gases sind. Zur groben Einschätzung eignet sich der aus dem Carnot-Kreisprozess abgeleitete ideale thermische Wirkungsgrad, obwohl er exakt nur gilt, wenn das Arbeitsmedium keine Aggregatzustandsänderungen durchläuft (Für genauere Betrachtungen wird der Clausius-Rankine-Prozess zugrunde gelegt):
ηth,ideal = 1 −
T0 T1
(9.1)
Dabei ist T0 die durch das Kühlmedium bestimmte Austritts- und T1 die Eintrittstemperatur des Dampfes oder Gases in die Turbine. Dieser Wirkungsgrad stellt eine theoretische Grenze dar, die nicht erreicht werden kann. Es treten vielmehr in den einzelnen Umwandlungsstufen nach Bild 9.2 weitere Verluste auf, so dass der (reale) thermische Wirkungsgrad
9.2 Überblick zu Kraftwerken
ηth =
Pmech Pth
303
(9.2)
weit niedriger liegt. Da ein Kraftwerk nach dem Wirkungsgrad seiner Stromlieferung an das Netz beurteilt werden muss, wird der so genannte Nettowirkungsgrad Pel − Pel, eigen ηnetto = (9.3) Pth zugrunde gelegt, bei dem die erzeugte elektrische Leistung vom Eigenbedarf des Kraftwerkes bereinigt ist. Eine Gegenüberstellung der ungefähren Nettowirkungsgrade verschiedener Kraftwerkstypen zeigt die Tabelle 9.1. Die entscheidenden Wirkungsgradschmälerungen treten in den dem Generator vorgelagerten Stufen ein. Dieser hat selbst einen Wirkungsgrad (Umwandlung mechanisch - elektrisch) von mehr als 97 %. Tab. 9.1
Nettowirkungsgrade verschiedener Kraftwerke
Energieträger Steinkohlekraftwerk Braunkohlekraftwerk Gaskraftwerk Kernkraftwerk GuD / Erdgas GuD / Kohlegas
Wirkungsgrad 44% 39% 38% 37% 53% 50%
Die Größe eines Kraftwerkes wird durch die gesamte erzeugte mechanische oder elektrische Leistung bestimmt. Wir sprechen in diesem Sinne auch von einem 1200 MW-Kraftwerk oder von einer 150 MW-Turbine usw.. Kohlekraftwerke. In Kohlekraftwerken wird durch Kohleverbrennung aus Wasser überhitzter Dampf (Heißdampf) gewonnen und dieser bei Temperaturen von etwa 700 °C und Drücken von bis zu 350 bar auf die Turbinenschaufeln geleitet. Die Temperatur des Kühlmediums liegt etwas oberhalb der Umgebungstemperatur. Die Turbine besitzt in der Regel einen Hoch-, einen Mittelund einen Niederdruckteil, in denen der Dampf unter gleichzeitiger Arbeitsleistung stufenweise entspannt wird. Der Generator ist stets an der Niederdruckseite der Dampfturbine angekoppelt. Gasturbinenkraftwerke. Eine Gasturbine arbeitet wie ein Strahltriebwerk. Öl oder Erdgas wird zusammen mit komprimierter Frischluft bei hoher Temperatur in Brennkammern verbrannt. Das heiße Gas treibt die Gasturbine, die mit dem Generator fest verbunden ist, an. Modernste Turbinen dieser Bauart können Eintrittstemperaturen von mehr als 1200 °C gewährleisten. An einer weiteren Erhöhung dieses Wertes auf 1300 °C wird gearbeitet, da er nach Gl. (9.1) direkt den Wirkungsgrad bestimmt. Die Austrittstemperaturen liegen bei 500 bis 550 °C. Der Wirkungsgrad ist etwas ungünstiger als beim Dampfprozess (s. Tabelle 9.1). Kombinierte Kraftwerke. Da die Gasaustrittstemperatur einer Gasturbine etwa der Eintrittstemperatur einer Dampfturbine z.B. eines Kohlekraftwerkes entspricht, liegt der Gedanke nahe, Gasund Dampfturbinenprinzip miteinander zu kombinieren, indem das Abgas der Gasturbine direkt zur Heißdampferzeugung für die Dampfturbine genutzt wird. Die gesamte Anlage arbeitet mit etwa 1200 °C Ein- und mit ca. 20 bis 30 °C Austrittstemperatur, d.h. mit einer Temperaturdifferenz von ca. 1180 K, die bis dahin noch nie erreicht wurde und zu entsprechenden Spitzenwerten des Wirkungsgrades führte (s. Tabelle 9.1).
304
9 Elektrische Energieversorgung
Solche Kraftwerke heißen Kombikraftwerke oder GuD-Kraftwerke (Gas und Dampf) und sind die z.Z. modernsten Wärmekraftwerke überhaupt (s. Bild 9.3).
Bild 9.3
Schema eines GuD-Kraftwerkes
Als Beispiel sei das von der Fa. Siemens gebaute und mit einer Leistung von 1350 MW zu seiner Zeit (1987) größte Kombikraftwerk Europas in der Türkei genannt. Es besteht aus drei Blöcken mit je 450 MW Leistung, wobei innerhalb eines Blockes zwei 150 MW-Gas- und eine 150 MWDampfturbine vorhanden sind. Alle drei treiben jeweils einen separaten Generator an. Um die heimischen Kohlevorräte zu nutzen, werden seit 1997 in der Nähe von Köln Untersuchungen mit dem Ziel durchgeführt, anstelle von Erdgas oder Erdöl vergaste Kohle einzusetzen (GuD - Kraftwerke mit integrierter Kohlevergasung). Bereits im Jahre 1994 wurden diesbezügliche Arbeiten an einer Versuchsanlage in Buggenum (Holland) begonnen und erfolgreich abgeschlossen. Kernkraftwerke sind Dampfkraftwerke, bei denen an die Stelle des den Dampf erzeugenden Kessels ein Kernreaktor tritt. Sie stoßen keinerlei Kohlendioxid aus, bergen dafür aber andere Gefahren in sich, die durch die radioaktive Strahlung bedingt sind. Im Kernreaktor wird durch den Massendefekt bei der Kernspaltung Wärme frei, die für die Dampferzeugung genutzt wird. Als spaltbares Material verwendet man in den meisten Fällen Uran 235, das sich in Brennstäben im Reaktorkern befindet. Wir unterscheiden mehrere Typen von Kernkraftwerken. Wegen ihrer relativ einfachen Bauweise sind Leichtwasserreaktoren weltweit dominierend. Von diesen gibt es zwei verschiedene Typen, den Siedewasser- und den Druckwasserreaktor. Letzterer ist in der Bundesrepublik Deutschland vorherrschend. Beim Siedewasserreaktor erfolgt die Dampferzeugung direkt innerhalb des Reaktorkerns, und der Dampf wird über Rohrleitungen zur Turbine geführt. Deshalb gehört die Maschinenhalle, in der sich der Turbinen - Generator - Satz befindet, zum nuklearen Kontrollbereich, in dem besondere Sicherheitsvorschriften gültig sind. Nach dem Durchströmen der Turbine kondensiert der Dampf und wird mit Speisewasserpumpen wieder in den Reaktor befördert.
9.2 Überblick zu Kraftwerken
305
Beim Druckwasserreaktor sind Wasser- und Dampfkreislauf voneinander getrennt, beide aber energetisch über einen Wärmetauscher gekoppelt. Der Wasserkreislauf führt direkt durch den Reaktor. Da hier Temperaturen von über 300 °C erzielt werden, das Wasser aber nicht verdampfen darf, steht es unter einem hohen Druck von 160 bar. Im Wärmetauscher wird dieses Druckwasser mit einem weiteren Wasserkreislauf kontaktiert, in dem Dampf entsteht, der zur Turbine geleitet wird, kondensiert und über Pumpen zurück in den Wärmetauscher gelangt. Die Dampfzustandsgrößen liegen bei beiden Leichtwasserreaktortypen bei etwa 280 °C und 70 bar. Das ist wesentlich weniger als bei Kohlekraftwerken. Dadurch sind die erzielten Energiedichten entsprechend kleiner. Somit sind bei gleicher Leistung die dampfführenden Teile und insbesondere die Turbine von größeren Abmessungen als bei einem konventionellen Wärmekraftwerk. Trotzdem sind Kernkraftwerksblöcke bezüglich der Leistung die größten überhaupt, die gebaut werden. Ihre Grenzleistung liegt bei 1350 MW. Der nur wenig überhitzte Dampf heißt Sattdampf, die Turbine des Kernkraftwerkes Sattdampfturbine. Wird in einem Wärmekraftwerk nicht nur Elektroenergie, sondern auch Heizwärme produziert, spricht man von Kraft-Wärme-Kopplung. Durch diese Technologie sind erhebliche Einsparungen an Brennstoffen, die zu einer entsprechenden Absenkung der Schadstoffemissionen führen, möglich. Kraftwerke mit erneuerbaren Energieträgern. Erneuerbare Energieträger sind unerschöpflich und deshalb von besonderer Bedeutung für das zukünftige Leben auf der Erde. Es handelt sich hierbei im wesentlichen um Biomasse, Erdwärme, Gezeitenströmungen, Sonnenstrahlung, Wasser und Wind. Biomasse bilden alle Stoffe, die aus natürlichen biologischen Prozessen hervorgegangen sind. Dabei spielen insbesondere Holz, pflanzliche Öle und der biologische Anteil von Müll eine große Rolle. Für die Stromerzeugung nutzt man sie durch direkte Verbrennung (Müllheizkraftwerke) oder über die Verbrennung von methanhaltigen Gasen, die in Mülldeponien entstehen. Erdwärme kann dann für die Elektrizitätserzeugung genutzt werden, wenn die Gesteinstemperatur im Erdinnern genügend hoch ist, was nur in ganz bestimmten Regionen der Fall ist. Besonders günstig ist das Anbohren von wasser- oder wasserdampfgefülltem heißen Gestein und der Transport des bis zu 250 °C heißen Dampfes an die Erdoberfläche. Ein weiteres Verfahren ist die so genannte hot-dry-rock-Technik, bei der kaltes Wasser in der Tiefe der Erde in Risse des heißen Gesteins gedrückt und nach erfolgtem Wärmeaustausch wieder an die Erdoberfläche zum Betreiben eines Wärmekraftwerks gepumpt wird. In der Bundesrepublik Deutschland werden diese Verfahren hauptsächlich zu Heizzwecken genutzt. In Russland und einigen Staaten in Übersee gibt es bereits geothermische Kraftwerke mit Leistungen bis zu 2000 MW. Auf den Philippinen soll beispielsweise die geothermische Energie zur wichtigsten Energiequelle für die Stromerzeugung des Landes ausgebaut werden. Gezeitenkraftwerke nutzen die Strömungsenergie des Seewassers bei Ebbe und Flut, die sich in periodischen Wasserstandsänderungen (Tidenhub) zeigen, welche durch Gravitationskräfte zwischen Erde und Mond zustande kommen. Eine effektive Nutzung für die Stromerzeugung setzt einen entsprechenden Tidenhub voraus, der an der deutschen Nordseeküste nicht gegeben ist. Weltweit wurden mehrere solcher Kraftwerke gebaut, wobei das seit 1966 an das Stromnetz angeschlossene französische Gezeitenkraftwerk in der Mündung der Rance an der Atlantikküste mit einer Leistung von 240 MW das größte ist. Der Tidenhub beträgt in der Mündungsbucht im Mittel etwa 8 m. Bei Ebbe und Flut strömt das Wasser durch mehrere Rohrturbinen, deren Schaufeln beim Gezeitenwechsel entsprechend umgestellt werden müssen.
306
9 Elektrische Energieversorgung
Sonnenkraftwerke. Sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch weltweit gibt es intensive Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten, um die Sonnenenergie für die Stromerzeugung zu nutzen. Dabei kann man zwei Betätigungsfelder feststellen: 1. Direkte Umwandlung der Strahlungsenergie der Sonne in elektrische Energie aufgrund des inneren elektrischen Effekts in Solarzellen (s. Abschnitt 7.3.5.1). Dieses Gebiet heißt Photovoltaik. 2. Umwandlung der Strahlungsenergie in Wärmeenergie in so genannten Sonnenkollektoren und Erzeugung von Heißdampf für den Betrieb einer Turbine. Dieses Gebiet nennen wir Photothermik. Zum Betreiben von Photovoltaik sind keinerlei Betriebsstoffe und keine thermischen, chemischen oder mechanischen Zwischenschritte erforderlich. Die Solarzellen arbeiten ohne bewegliche Teile, sind somit praktisch verschleißfrei und dadurch wartungsarm und langlebig. Photovoltaische Anlagen lassen sich einfach installieren und nutzen. Sie sind gut in Geräte integrierbar. Durch Zusammenschalten einzelner Solarzellen sind Leistungsbandbreiten möglich, wie man sie bei anderen Stromerzeugern nicht vorfindet (Mikro- bis Gigawatt). Soll die elektrische Energie der Solarzelle in das Stromnetz eingespeist werden, sind vom Netz geführte Wechselrichter erforderlich (s. Abschnitt 7.4.3). Die Forschungs- und Entwicklungsvorhaben laufen darauf hinaus, die Photovoltaik zu einem kostengünstigen und zuverlässigen Stromerzeugungsverfahren zu machen. Dabei sind in der Zukunft drei relevante Anwendungsfelder zu sehen: 1. Einsatz autonomer Systeme zur Stromversorgung in Ländern mit hoher Sonnenscheinrate, also in südlichen Regionen. 2. Einsatz von Anlagen zur Hausstromversorgung, die aber netzgekoppelt sind, d.h. bei Sonnenüberangebot in das Stromnetz speisen können. 3. Verwendung von Solarstrom für die Wasserelektrolyse zur Herstellung von Wasserstoff, der wiederum dazu genutzt werden kann, um in Brennstoffzellen eine direkte Erzeugung von Strom zu realisieren. Dadurch ist ein Speicherprinzip für Elektrizität realisierbar. Die bisher weltweit installierte Leistung von Photovoltaikkraftwerken liegt bei 5000 MW. Davon entfallen etwa 2000 MW allein auf Deutschland. Trotzdem liegt der Anteil der Photovoltaik an der Gesamtstromerzeugung in Deutschland bei lediglich 0,3 % (2006), wobei hervorzuheben ist, dass die Bundesrepublik auf diesem Gebiet in Europa eine führende Rolle einnimmt. Die Photothermik nutzt die Sonnenenergie zur Erzeugung von Heißdampf mittels Strahlungskonzentratoren. Der Betrieb solcher Anlagen für die Stromerzeugung ist jedoch nur in Gebieten mit einem hohen Anteil an direkter Sonneneinstrahlung sinnvoll. Demgemäß sind einige Photothermikkraftwerke in Kalifornien bereits in Betrieb genommen worden und solche Projekte sind auch in Südeuropa geplant. In unseren Breiten wird die Photothermik vorwiegend für Heizzwecke, speziell für die Warmwasserbereitung genutzt. Wasserkraftwerke. Die Nutzung der Wasserkraft steht weltweit an der Spitze bei der Stromerzeugung durch erneuerbare Energien. Länder wie Norwegen (99 %), Brasilien (92 %), Österreich (76 %) oder die Schweiz (62 %) decken ihren Strombedarf überwiegend mit Wasserkraft. In der Bundesrepublik Deutschland beträgt dieser Anteil nur 4,3 % und die diesbezüglichen Möglichkeiten sind auch bereits zu etwa 75 % ausgeschöpft. Wir unterscheiden zwei Arten von Wasserkraftwerken, die Laufwasser- und die Speicherkraftwerke. Bei den ersteren wird die Strömungsenergie von Flusswasser, bei den letzteren die potenzielle Energie von Wasser in einem hochgelegenen Stausee genutzt. Laufwasserkraftwerke besitzen als mechanisch-elektrische Energiewandler Generatoren, die meist von Kaplanturbinen, die ähnlich wie Schiffsschrauben aufgebaut sind, angetrieben werden.
9.2 Überblick zu Kraftwerken
307
Lokale Schwerpunkte für diese Art von Kraftwerken in Deutschland sind die Flüsse Mosel, Saar und Neckar sowie die Nebenflüsse der Donau. Die technischen Daten liegen für alle etwa in einer Größenordnung. Deshalb soll das Moselkraftwerk Fankel als Beispiel dienen. Die gesamte Kraftwerksleistung beträgt hier 16,4 MW bei einer Jahresenergiedeckung von 75 GWh. Die Leistung ist auf vier Maschinensätze mit Kaplanturbinen und Synchrongeneratoren aufgeteilt. Die Generatoren laufen mit einer Drehzahl von 750 min–1 um und sind über Getriebe mit den Turbinen verbunden. Ihre Nennspannung beträgt 6300 V. Speicherkraftwerke setzen einen Stausee voraus, von dem aus das Wasser über Druckrohrleitungen mit einer Fallhöhe bis zu 2000 m auf die Schaufeln einer Pelton- oder Francisturbine fällt. Hat der Stausee keinen natürlichen Zulauf, sondern wird das herabgeströmte Wasser wieder in den Stausee zurückgepumpt, sprechen wir von einem Pumpspeicherkraftwerk. Bei diesem kann der Maschinensatz als Pumpe wie auch als Stromerzeuger arbeiten. Das größte Pumpspeicherkraftwerk Europas mit einer Leistung von 1060 MW wurde im Jahr 2003 in Goldisthal im Thüringer Wald in Betrieb genommen. Der große Vorteil von Speicherkraftwerken besteht darin, dass sie innerhalb weniger Minuten von Stillstand auf Bemessungsleistung gefahren werden können, so dass sie für die Strombedarfsdeckung in Lastspitzenzeiten kurzfristig einsetzbar sind (s. Kraftwerkseinsatz). Windkraftanlagen nutzen über Propeller die Luftströmungsenergie, um einen Generator anzutreiben. Voraussetzung für einen effektiven Betrieb sind stärkere Luftströmungen, wie sie meist an der Meeresküste anzutreffen sind. Deshalb gibt es in Großbritannien, Dänemark und besonders in Kalifornien ganze „Windparks“, in denen hunderte von Türmen mit Windpropellern aufgestellt sind. Diese Windparks speisen Energie in das öffentliche Stromnetz. Einzelanlagen liefern Strom für autonome Verbraucher (z.B. Landwirtschaftsbetriebe) oder arbeiten mit Photovoltaik- oder Dieselgeneratoren zusammen.
Bild 9.4
Tagesbelastungskurve
Nirgendwo auf der Welt werden mehr Windkonverter betrieben als in Deutschland. Die bedeutendsten Windkraftwerke in der Bundesrepublik befinden sich an den Küsten von Nord- und Ostsee. Aber auch in anderen Gegenden unseres Landes hat die Nutzung der Windenergie zur Stromerzeugung in letzter Zeit einen gewaltigen Aufschwung genommen, wie wir an der stark wachsenden Zahl der aufgestellten Windkonverter selbst beobachten können. Um die Windenergie mit noch höherem Wirkungsgrad nutzen zu können, werden Windkonverter zunehmend auch weit außerhalb von Küsten im Meer aufgestellt (Offshore-Windparks). Einzelne Anlagen gibt es bereits an den deutschen Küsten, ganze Parks an den Küsten Englands, Dänemarks und Hollands. Die Zuwachsraten der Stromerzeugung aus Windenergie sind enorm. Am Ende des Jahres 2007 arbeiteten allein in Deutschland fast 20 000 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 22,25 GW. Das ist etwa das 20-fache im Vergleich zum Jahr 1995.
308
9 Elektrische Energieversorgung
Von Experten wird eingeschätzt, dass bei Nutzung aller in der Bundesrepublik gegebenen technischen Möglichkeiten und Standorte etwa 15 % des Strombedarfs durch Windkraftwerke gedeckt werden könnte. Die tatsächlichen Nutzungsmöglichkeiten sind aber weitaus geringer, da Landschafts- und Lärmschutz sowie das Baurecht erhebliche Restriktionen schaffen. Kraftwerkskombinationen. Neuerdings treten Kombinationen von Stromerzeugungsmethoden in den Vordergrund. Beispielsweise werden Solar- und Brennstoffzellen derart kombiniert, dass in Zeiten mit viel Sonnenschein die Solarzellen neben der Stromlieferung an Verbraucher gleichzeitig durch Elektrolyse die Herstellung von Wasserstoff und Sauerstoff realisieren, welche dann in sonnenarmen Zeiten in Brennstoffzellen Strom erzeugen. Dazu und auch mit anderen Kombinationen gibt es in Deutschland einige konkrete Projekte. Sie haben wohl das Hauptziel, mitteloder langfristig die Stromproduktion der dann eventuell zu schließenden Kernkraftwerke zu übernehmen. Kraftwerkseinsatz. Im Tagesverlauf ist der Bedarf an Strom nicht konstant. Den Verlauf der elektrischen Leistung über die Stunden eines Tages nennt man Tagesbelastungskurve (s.Bild 9.4). Da sich elektrische Energie im für die Stromversorgung notwendigen Umfang nicht speichern lässt, müssen die im Verbundbetrieb arbeitenden Kraftwerke stets die Energiemenge bereitstellen, die gerade benötigt wird. Das stellt hohe Anforderungen an den Einsatz der Kraftwerke, der deshalb zentral gesteuert wird. Die Tagesbelastungskurve kann man in drei unterschiedliche Bereiche einteilen, die Grund-, Mittel- und Spitzenlast heißen. Ihre Dauer ist verschieden. Die Grundlast wird im Verlauf des gesamten Tages gefordert, Mittel- und Spitzenlast in kürzeren Zeitabschnitten. Dementsprechend werden die Kraftwerke eingesetzt. Ein schnell an- und abzufahrendes Kraftwerk wird man für die Bedarfsdeckung in Spitzenlastzeiten und ein Kraftwerk, das mehrere Stunden zur Aktivierung benötigt, für die Grund- oder Mittellast heranziehen. Entsprechend kann man den Kraftwerken Lastbereiche zuordnen: Kernkraftwerke: Kohlekraftwerke: Wasserkraftwerke: Gasturbinenkraftwerke: Pumpspeicherkraftwerke:
Grundlast Grund- und Mittellast Grund- und Spitzenlast Spitzenlast Spitzenlast
Grundlastkraftwerke sind mehr als 5000 Std., Spitzenlastkraftwerke weniger als 2000 Std. im Jahr am Netz. Mittellastkraftwerke liegen im Zwischenbereich.
9.3 Elektrotechnische Komponenten eines Kraftwerkes Unter elektrotechnischen Bauteilen verstehen wir hier nicht die umfangreichen Anlagen und Geräte der Regel-, Steuer- und Leittechnik eines Kraftwerkes, sondern die energetischen Komponenten, wozu der Generator, die Erregermaschine und der Maschinentransformator zählen. Synchrongenerator. In den Kraftwerken werden zur Stromerzeugung, richtiger zur mechanischelektrischen Energieumwandlung, nahezu ausschließlich Synchronmaschinen eingesetzt. Sie sind als Innenpolmaschinen ausgeführt, bei denen der Läufer als Magnet ausgebildet ist, der in der dreisträngigen Ständerwicklung ein Drehstromsystem induziert (s. die Bilder 5.30 und 8.38 b). Der Synchrongenerator arbeitet auf das Verbund- und Energieverteilungsnetz, an das auch andere Generatoren angeschlossen sind. Der Betrieb in diesem so genannten starren Netz einschließlich der dabei zu beachtenden Stabilitätsprobleme wurden bereits im Abschnitt 8.4.4.2 diskutiert. Deshalb wollen wir an dieser Stelle nur einige ergänzende Ausführungen zum Aufbau der Gene-
9.3 Elektrotechnische Komponenten eines Kraftwerkes
309
ratoren machen, weil dieser in engem Zusammenhang mit der Art des Kraftwerkes bzw. der Turbine steht. Während der Ständer stets den gleichen prinzipiellen Aufbau wie alle Drehfeldmaschinen besitzt (s. z.B. Bild 8.38), hängt die Läuferkonstruktion insbesondere von der Drehzahl der antreibenden Turbine ab. Für die Frequenz f1 der in der Ständerwicklung induzierten Spannung, die im Netz der elektrischen Energieversorgung stets den Wert 50 Hz haben muss, erhält man mit der Drehzahl ns des infolge der Rotation des Läufers vorhandenen Drehfeldes und mit der Polpaarzahl p des Läufers aus Gl. (8.57): f1 = ns p = 50 s −1
(9.4)
Eine Dampfturbine in Kohlekraftwerken erreicht ihre günstigsten Betriebswerte bei einer Drehzahl von 3000 min–1 = 50 s–1. Nach Gl. (9.4) muss der Läufer der Synchronmaschine folglich die Polpaarzahl p = 1, also je einen Nord- und Südpol besitzen, wenn die Frequenz der induzierten Spannung 50 Hz sein soll.
Bild 9.5
Läuferkonstruktionen a) und c) Schenkelpolläufer p = 1 und p = 4 b) Turboläufer p = 1
Ein solcher Läufer, mit dem das theoretisch möglich wäre, ist in Bild 9.5 a gezeigt. Mit diesem so genannten Schenkelpolläufer kann man allerdings eine Drehzahl von 3000 min–1 in der Praxis nicht realisieren. Das liegt daran, dass bei den für Kraftwerksgeneratoren üblichen Abmessungen Teile des Läufers bei dieser Drehzahl bereits Umfangsgeschwindigkeiten annehmen, die in der Nähe der Schallgeschwindigkeit liegen. Ein solcher Betrieb ist aber bei den großen Unwuchten des in Bild 9.5 a dargestellten Gebildes nicht möglich. Deshalb setzt man bei diesen Drehzahlen so genannte Turboläufer mit gleichmäßiger Massenverteilung ein. Sie tragen eine verteilte Gleichstromwicklung, die das Polpaar erzeugt (s. Bild 9.5 b). Die gesamte Maschine nennt man Turbogenerator. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass aus Gründen der kleinen Energiedichte die Sattdampfturbinen von Kernkraftwerken die größten Abmessungen besitzen. Deshalb sind hier niedrigere Drehzahlen als bei Kohlekraftwerken üblich. Typisch sind 1500 min–1 = 25 s–1, was Generatorläufer mit p = 2 erfordert. Auch hier wird das Konstruktionsprinzip des Turboläufers angewendet. Völlig anders liegen die Verhältnisse bei Wasserkraftgeneratoren. Die Turbinen der Laufwasserkraftwerke an der Mosel laufen z.B. mit Drehzahlen im Bereich von 70 bis 100 min–1, was Polpaarzahlen bis p > 40 erfordern würde. Deshalb schaltet man zwischen die Wasserturbine und den
310
9 Elektrische Energieversorgung
Generator ein Getriebe und setzt so die Generatordrehzahl auf 750 min–1 herauf . Aus Gl. (9.4) ergibt sich dann p = 4. Ein solcher Läufer mit vier Polpaaren, d.h. ein achtpoliger Läufer, ist in Bild 9.5 c dargestellt. Da hier die Drehzahlen relativ niedrig sind, behält man die Konstruktion mit ausgeprägten Polen bei. Man nennt diese Läufer, wie bereits erwähnt, Schenkelpolläufer. Sie sind für wasserkraftgetriebene Generatoren, die auch Hydrogeneratoren genannt werden, typisch. Die Bilder 9.6 und 9.7 zeigen praktisch ausgeführte Läufer der beiden diskutierten Grundtypen.
Bild 9.6
Turboläufer 750 MW (p = 1) (Werkfoto ABB)
Bild 9.7
Schenkelpolläufer 250 MW (p = 12) (Werkfoto ABB)
Bild 9.8
Schleifringlose Polraderregung (Außenmagnetpole N S feststehend)
Erregermaschine. Es wurde schon mehrfach darauf hingewiesen, dass das Polrad zur Ausbildung des induzierenden Magnetfeldes eine Wicklung trägt, die mit Gleichstrom gespeist werden muss. Zu diesem Zweck befindet sich auf der Welle des Generators eine so genannte Erregermaschine, die die erforderliche Gleichspannung erzeugt. Früher war das ein separater Gleichstromgenerator, der über Schleifringe an das Polrad angeschlossen wurde. Heute benutzt man schleifringlose Anordnungen, wie sie Bild 9.8 zeigt. Die Erregermaschine ist als Außenpolmaschine ausgeführt. Sie induziert in der Drehstromwicklung ihres Läufers Spannungen, die in mitrotierenden Dioden gleichgerichtet und auf die Erregerwicklung des Polrades gegeben werden.
9.3 Elektrotechnische Komponenten eines Kraftwerkes
Bild 9.9
311
Dampfturbinensatz 500 MW von links: Turbine, Generator, Erregermaschine (Werkfoto ABB)
In Bild 9.9 ist das Innere des Maschinenhauses eines modernen Kohlekraftwerks mit Turbine, Generator und Erregermaschine zu sehen. Einen Maschinensatz, wie er in der Anfangszeit der Wasserkraftwerke eingesetzt wurde, zeigt Bild 9.10. Wir erkennen u.a. auf der linken Seite des Generators deutlich die Schleifringe und die ausgeprägten Pole des Polrades.
Bild 9.10
Laufwasserturbinensatz von links: Generator, Kupplung, Turbine mit Regler
Maschinentransformator. Bei Synchrongeneratoren sind je nach Leistung Spannungen von 10,5 kV (bis etwa 150 MW), 21 kV (800 MW) oder 27 kV (> 1000 MW) üblich. In kleineren Industrieanlagen zur Stromerzeugung für den Eigenbedarf sind 6,3 kV gebräuchlich. Zur Einspeisung der Generatorleistung in die Hochspannungsnetze mit 110 kV, 220 kV oder 380 kV muss die Generatorspannung entsprechend hochtransformiert werden. Das geschieht mit so genannten Maschinentransformatoren, an deren Eingang der Generator und an deren Ausgang das Hochoder Höchstspannungsnetz angeschlossen ist (s. Bild 9.11). Sie können bei sehr großen Leistungen aus drei Einphasentransformatoren bestehen (Transformatorenbank, s. Abschnitt 8.3.4), weil komplette Drehstromtransformatoren in diesem Leistungsbereich bereits so schwer sind, dass sie kaum noch wirtschaftlich transportiert werden können.
312
9 Elektrische Energieversorgung
Bild 9.11
Übergang vom Kraftwerk zur Fernleitung
9.4 Übertragungssysteme für elektrische Energie Bereits im Abschnitt 4.1.5 zeigte sich bei der Interpretation des Bildes 4.8, dass eine Übertragung von elektrischer Energie mit hohem Wirkungsgrad nur bei hoher Spannung möglich ist. Je höher die Spannung, umso kleiner kann für gegebene Leistung, die dem Produkt aus Strom und Spannung proportional ist, der Strom in den Übertragungsleitungen sein. Je kleiner dieser aber ist, umso kleiner sind die durch I2 RL bestimmten Leistungsverluste in den Leitungen mit dem Widerstand RL und umso höher ist der Wirkungsgrad. Dies ist der Grund, warum für den Energietransport vom Generator zum Verbraucher Hoch- oder Höchstspannungsleitungen und die dazu notwendigen Einrichtungen (z.B. Freileitungsmasten, wie wir sie in der freien Natur vorfinden) erforderlich sind. Je nach Art der benutzten Spannungsform unterscheiden wir Übertragungen auf der Basis von Gleich-, Einphasenwechsel- oder Drehstrom. Bei der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) wird die im Generator erzeugte Spannung hochtransformiert, gleichgerichtet, als Gleichspannung übertragen und am Ort der Verbraucher wieder mittels Wechselrichtern in Wechselspannung umgewandelt (s. Abschnitt 7.4.3). Die HGÜ hat heute drei Anwendungsgebiete. Das erste ist der Einsatz von Gleichstromkurzkupplungen zur Kopplung von Netzen unterschiedlicher Frequenzen oder Frequenztoleranzen, was wir bereits im Abschnitt 7.4.5 im Zusammenhang mit dem Frequenzumrichter diskutiert haben. Ein zweites Anwendungsgebiet ist die Energieübertragung über Entfernungen von mehr als 1000 km, wie sie in Kanada oder Russland üblich sind. Bei solchen Leitungslängen würde sich nämlich im Falle einer Drehstromübertragung die Induktivität der Übertragungsleitungen so auswirken, dass die Stabilität des Kraftwerksgenerators negativ beeinflusst wird (s. die Diskussion des Generatorbetriebes anhand der Gl. (8.74), wobei wir zu beachten haben, dass die durch die Induktivität dargestellten Leitungsreaktanzen zu Xd zu addieren sind). Das dritte Anwendungsgebiet der HGÜ ist schließlich die Energieübertragung auf Seekabeln. Kabel besitzen wegen ihrer kleinen Leiterabstände relativ große Kapazitäten zwischen den Leitern, die bei Wechselspannung kapazitive Querströme von Leiter zu Leiter nach sich ziehen, die im übertragenen Strom fehlen und somit Verluste bedeuten. Deshalb werden bei Wechselstrom und bei Entfernungen von mehr als 100 km nahezu ausschließlich Freileitungen statt Kabel eingesetzt. Da Überseeverbindungen jedoch grö-
9.5 Drehstromnetze
313
ßere Entfernungen zu überbrücken haben und mit Freileitungen nicht realisierbar sind, benutzt man Gleichstrom, weil sich dann die Kabelkapazitäten nicht auswirken. In Europa sind Schweden und Norwegen sowie England, Korsika und Sardinien über Seekabel mit dem Festland verbunden. Die HGÜ über Seekabel wird auch für die Anbindung von Offshore-Windparks (s. Abschnitt 9.2) eingesetzt. Die Einphasenwechselstrom-Übertragung ist nur bei der Eisenbahn üblich. Dabei spielt der erhebliche Vorteil, dass man nur einen Fahrdraht benötigt (der Rückleiter ist die Schiene), eine große Rolle. Deshalb wird die Bahn auch in Zukunft ihre ganz Deutschland überspannenden eigenen 110 kV-Netze und eigenen Kraftwerke betreiben. Die Frequenz ist hier 16 2/3 Hz und die Spannung der Fahrmotoren gewöhnlich 15 kV. Die Hochspannungs-Drehstrom-Übertragung (HDÜ) ist in kontinentalen Bereichen die weitaus bedeutendste Übertragungsform, weil mit Drehstrom die höchsten Wirkungsgrade erzielt werden können (Es wird auf drei statt auf einem Leiter Energie transportiert, und es gibt keinen Rückleiter, somit keine Rückleiterverluste), weil ein gleichmäßiger Leistungsfluss zum Verbraucher realisiert werden kann und weil Drehfelder erzeugbar sind, was von großer Bedeutung für den Bau rotierender elektrischer Maschinen ist. Deshalb sind nahezu alle energetischen Systeme der Elektrotechnik Drehstromsysteme. Dazu zählen Einrichtungen für die Erzeugung, den Transport, die Verteilung und, zumindest in hohem Maße, auch für die Nutzung von Elektroenergie. Wir werden uns deshalb im folgenden fast ausschließlich mit solchen Systemen beschäftigen.
9.5 Drehstromnetze 9.5.1 Spannungsebenen Für die Elektroenergieübertragung ist hohe Spannung erforderlich, wobei für europäische Verhältnisse von der Faustformel, Entfernung in km ist etwa gleich der Spannung in kV, ausgegangen werden kann. Hieraus ergeben sich für die Bundesrepublik Deutschland die Spannungen 380 kV und 220 kV für die Transportnetze, die reine Übertragungsaufgaben, beispielsweise den Energietransfer von Süd- nach Norddeutschland oder umgekehrt haben. Diese Transportleitungen durchqueren das ganze Land. Sie bilden die Basis für die Versorgung des Landes mit Elektroenergie. An dieses Verbundnetz sind die einzelnen Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU) angeschlossen, welche sich gegenseitig bei Energieausfall oder Überlastung auf der Grundlage entsprechender Verträge helfen. Darüber hinaus ist unser Netz in das westeuropäische Verbundnetz UCTE (Union pour la Coordination du Transport de l´Electricité) eingebettet. Außerdem verfügen wir über das 110 kV-Netz, dem vorwiegend Verteilungs-, teilweise auch Transportaufgaben im regionalen Bereich zukommen. Daneben existieren im ländlichen Bereich reine Verteilungsnetze mit Spannungen von 10 kV oder 20 kV und örtlich das 400 V/230 V-Netz. Wir unterscheiden nach der Höhe der Spannung Höchstspannungsnetze mit 220 kV und 380 kV Hochspannungsnetze mit 110 kV Mittelspannungsnetze mit 10 kV und 20 kV sowie Niederspannungsnetze mit 400 V bzw. 230 V.
314
9 Elektrische Energieversorgung
Bild 9.12
Grundsätzlicher Netzaufbau
Das Niederspannungsnetz ist als Vierleiternetz ausgebildet, alle anderen sind Dreileiternetze (s. Abschnitt 5.11.2). Die gesamte Netzstruktur ist hierarchisch gestaltet (s. Bild 9.12). Die Kraftwerke höchster Leistung, z.B. Kohle- und Kernkraftwerke, speisen in das 380 kV- oder 220 kV-Netz, Kraftwerke mittlerer Leistung oder Industriekraftwerke, sofern sie sich an der öffentlichen Stromversorgung beteiligen, in das 110 kV-Netz. Die einzelnen Spannungsebenen werden über Netz- bzw. Netzkupplungstransformatoren miteinander verbunden. Zusammen mit den notwendigen Schalt- und Sicherungseinrichtungen heißen diese Koppelstellen Umspannwerke, im Niederspannungsbereich Ortsnetzstationen. Von letzteren aus werden die umliegenden Haushalte und gewerblichen Betriebe mit Elektroenergie versorgt. Wir werden im weiteren, beginnend mit der Sekundärseite des Maschinentransformators, alle wichtigen Netzkomponenten, die auf dem Wege der Elektroenergie vom Kraftwerk bis zum Verbraucher liegen, kurz behandeln. Dabei gehen wir nicht mehr auf Transformatoren ein, weil sie bereits ausführlich im Abschnitt 8.3 besprochen wurden.
9.5 Drehstromnetze
315
9.5.2 Drehstromleitungen 9.5.2.1 Die Leitungsgleichungen Wir haben bisher schon mehrfach gesehen, dass es möglich ist, einen Strang des Drehstromsystems einzeln zu behandeln, da bei Symmetrie der einzige Unterschied zwischen den Strängen die Phasenverschiebung von 120° ist. Liegt allerdings Asymmetrie vor, sind die drei Stränge einzeln zu betrachten.
Bild 9.13
Doppelleitung eines Drehstromstranges
Bild 9.14
Allgemeines Leitungselement
Bild 9.13 zeigt einen in Stern geschalteten Generator, von dem aus Leitungen zu den Verbrauchern verlaufen. Der Neutralleiter ist nicht mitgeführt, wie das generell ab Mittelspannung aufwärts geschieht. Wir können jedoch einen gedachten Neutralleiter annehmen, gegen den alle Außenleiter des Drehstromsystems eine Spannung von ULL/ 3 , also die Strangspannung führen. Auf diese Weise ist das Drehstromsystem in drei Einphasensysteme aufgeteilt, die jeweils aus einem Außenleiter L1, L2 oder L3 und dem Neutralleiter N bestehen. Diese drei Einphasensysteme übernehmen den Transport der elektrischen Energie vom Generator zum Verbraucher. Es reicht aus, nur die Vorgänge auf den Leitungen eines solchen Systems zu betrachten, weil sich die beiden anderen analog verhalten. Dieses Einzelsystem besteht somit aus einem Hin- (z.B. L1) und einem Rückleiter (gedachter Neutralleiter N). Am Eingang der Leitung liegt die Strangspannung des Generators. Wir wollen die elektrischen Eigenschaften einer solchen Leitung untersuchen und betrachten dazu ein Leitungsstück der Länge Δx (s. Bild 9.14). In jeder elektrischen Leitung wirken Widerstände, die durch das Leitungsmaterial verursacht werden. Es ist bei Leitungen üblich, diese als so genannten Widerstandsbelag R' in Ω/km, d.h. auf die Leitungslänge bezogen, anzugeben. Daher hat dieser Widerstand bei der Leitungslänge Δx den Wert R = R'Δx. In analoger Weise wird die Induktivität der Leitung durch ihren Induktivitätsbelag L' mit der Maßeinheit mH/km ausgedrückt. Neben diesen beiden in Längsrichtung der Leitung wirkenden Elementen gibt es aber auch noch in Querrichtung liegende. So ist infolge des endlichen Widerstandes der Isolierungen zwischen den beiden spannungsführenden Drähten ein zwar sehr hoher, aber doch endlicher Ableitungswiderstand vorhanden. Über ihn fließen Teile des Eingangsstromes, die im Ausgangsstrom fehlen. Wir drücken diesen Widerstand als Leitwert aus und nennen ihn Ableitungsbelag G' mit der Maßeinheit μS/km. Ein weiteres querliegendes Element tritt aufgrund der zwischen den beiden Drähten wirksamen Kapazität auf, die als Kapazitätsbelag C' in nF/km angegeben wird. Eine Leitung besteht aus sehr vielen Elementen (Vierpolen) nach Bild 9.14, die aneinandergeschaltet sind. Wenn wir zu unendlich kleiner Länge des Leitungselementes (Δx ĺ dx, ΔI ĺ dI und ΔU ĺ dU) übergehen und auf die Schaltung des Bildes 9.14 die beiden Kirchhoffschen Sätze
316
9 Elektrische Energieversorgung
anwenden, erhalten wir Differenzialgleichungen für Spannung und Strom, deren Lösungen die so genannten Leitungsgleichungen sind: U1 = U 2 cosh γ l + Z w I2 sinh γ l I1 = I2 cosh γ l +
(9.5)
U2 sinh γ l Zw
(9.6)
In diesen Gleichungen ist l die Leitungslänge, U1 und I1 sind Spannung und Strom am Leitungsanfang, U2 und I2 Spannung und Strom am Leitungsende. Zw ist der so genannte Wellenwiderstand der Leitung: Zw =
R' + jω L' G' + jω C'
(9.7)
γ ist die Ausbreitungskonstante der Leitung und durch folgenden Ausdruck gegeben: γ = ( R' + jω L' ) + (G' + jω C' ) = α + j β
(9.8)
α ist Realteil von Ȗ und heißt Dämpfungskonstante. Sie bestimmt die Dämpfung der Spannung und des Stromes längs der Leitung. β ist Imaginärteil von Ȗ, heißt Phasenkonstante und bestimmt die Phasenverschiebung zwischen den Eingangs- und Ausgangsgrößen der Leitung (U1, I1, U2, I2). Alle in den Gln. (9.5) und (9.6) vorkommenden Größen haben somit eine konkrete physikalische Bedeutung, die wir noch näher kennenlernen werden. Die beiden Gleichungen beschreiben ganz allgemein die Abhängigkeit der elektrischen Eingangs- von den elektrischen Ausgangsgrößen. Für den uns hier interessierenden Fall der Energieübertragung auf Hoch- und Höchstspannungsleitungen wollen wir sie entsprechend modifizieren.
Bild 9.15
Leitungselement der Fernleitung
9.5.2.2 Übertragung auf Hoch- und Höchstspannungsleitungen (Fernübertragung) Leitungsgleichungen. Bei Hoch- oder Höchstspannung haben wir die größten Leitungslängen. Fast immer werden hier Freileitungen benutzt. Da diese untereinander sehr große Abstände besitzen und das isolierende Medium Luft ist, sind die Isolationswiderstände zwischen ihnen sehr groß (d.h. der Leitwert G' ist sehr klein). Auch die Induktivitäten sind wegen der großen Leiterabstände relativ groß (Nach Gl. (2.50) ist der Magnetfluss Φ bei gegebenem Strom umso größer, je größer die Induktivität ist. Da zwei Leitungen eine Leiterschleife aufspannen, ist der diese durchsetzende Fluss umso größer, je größer ihr Abstand ist. Für gegebenen Strom steigt somit die Induktivität einer Doppelleitung mit dem Abstand der Leiter). Das bedeutet, dass folgende Relationen gelten: ωL' Ԡ R' und ωC' Ԡ G'. Demzufolge können wir bei der Drehstromfernleitung R' und G' vernachlässigen, so dass ihr Leitungselement das Aussehen nach Bild 9.15 hat. Für den Wellenwiderstand folgt damit aus Gl. (9.7):
9.5 Drehstromnetze
Zw =
L' = Zw C'
317
(9.9)
Er ist nicht mehr komplex, sondern reell. Für übliche Leitungswerte von L' = 1 mH/km und C' = 12 nF/km hat er beispielsweise den Wert Zw = 288 Ω. Für die Ausbreitungskonstante der Fernleitung ergibt sich aus Gl. (9.8):
γ = α + j β = jω L' C'
(9.10)
Aus dieser Gleichung lesen wir α = 0 und
β = ω L' C'
(9.11)
ab. Strom und Spannung werden auf der Leitung nicht gedämpft, aber entsprechend dem Wert von β in der Phase gedreht. Mit den Gln. (9.9) und (9.10) wird aus den allgemeinen Leitungsgleichungen (9.5) und (9.6): U1 = U 2 cosh j β l + Z w I2 sinh j β l I1 = I2 cosh j β l +
U2 sinh j β l Zw
(9.12) (9.13)
Mit cosh jx = cos x und sinh jx = j sin x ergibt sich daraus: U1 = U 2 cos β l + j Z w I2 sin β l I1 = I2 cos β l + j
U2 sin β l Zw
(9.14) (9.15)
Das sind die für die Drehstromfernleitung gültigen Gleichungen, aus denen sich für beliebige Leitungslängen die elektrischen Eingangsgrößen als Funktion der Ausgangsgrößen und umgekehrt berechnen lassen. Wie wir schon feststellen konnten, sind viele Eigenschaften elektrotechnischer Schaltungen besser zu verstehen, wenn man die Betriebsfälle Leerlauf, Kurzschluss und Anpassung betrachtet (s. z.B. Abschnitt 4.1.4). Deshalb wollen wir diese Fälle auch für unsere Drehstromfernleitung heranziehen. Leerlauf. Der Kraftwerksgenerator bzw. der Maschinentransformator speist die Drehstromleitung, an deren Ende kein Verbraucher angeschlossen ist. Dann ist I2 = 0 und es folgt aus Gl. (9.14): U1 = U 2 cos β l
(9.16)
Weil cos β l eine reelle Zahl darstellt, sind U1 und U2 in Phase und für das Verhältnis dieser beiden Spannungen gilt: U2 1 = U1 cos β l
(9.17)
Mit den bereits weiter oben benutzten Größen von L' und C' errechnen wir nach Gl. (9.11) für die Phasenkonstante einen Wert von β ≈ 10–3 km–1 bei der Netzfrequenz von 50 Hz. Damit ist das Spannungsverhältnis nach Gl. (9.17) in Abhängigkeit von der Leitungslänge bestimmbar.
318
9 Elektrische Energieversorgung
Wir erkennen aus Gl. (9.17), dass die Spannung am Leitungsende in bezug auf die Spannung am Leitungsanfang umso größer wird, je länger die Leitung ist (cos β l fällt mit steigender Leitungslänge). Bei einer Kraftwerkseinspeisung mit 220 kV bildet sich beispielsweise in einer Entfernung von 500 km bei Leerlauf auf der Leitung eine Spannung von etwa 250 kV aus. Bei 1000 km würden es bereits etwa 405 kV sein. Diese Erscheinung wird nach ihrem Entdecker Ferranti-Effekt genannt. Sie kann bei Lastabwurf zu gefährlichen Überspannungszuständen am Leitungsende führen. Der Ferranti-Effekt ist einer der Gründe dafür, dass man bei elektrischen Übertragungsstrecken, die größer als 1000 km sind, anstelle der Drehstrom- die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) nutzt. Für den Strom am Leitungsanfang folgt für Leerlauf nach Gl. (9.15): I1 = j
U1 sin β l Zw
(9.18)
Obwohl kein Verbraucher angeschlossen ist, fließt Strom. Er wird verursacht durch die Querströme über die Kapazitäten und heißt Ladestrom der Leitung. Aus den Gln. (9.16) und (9.18) ergibt sich für den Eingangswiderstand der Leitung bei Leerlauf: Z1 =
U1 = − j Z w cot β l = − Z' I1
(9.19)
Da der Wellenwiderstand Zw der Fernleitung reell ist (s. Gl. (9.9)), ist es auch Z'. Außerdem ist Z' > 0, und somit stellt Z1 wegen des Faktors -j einen rein kapazitiven Blindwiderstand dar. Die Leitung wirkt also bei Leerlauf am Eingang wie eine (ideale) Kapazität. Das wird auch aus der Anschauung heraus klar, wenn wir das Leitungselement nach Bild 9.15 betrachten. Ist das letzte Element nicht mit einem Widerstand abgeschlossen, läuft es also leer, ist das letzte Glied in der Leitungskette nämlich ein Kondensator. Kurzschluss. Bei kurzgeschlossenem Leitungsende ist U2 = 0 und es ergibt sich aus den Gln. (9.14) und (9.15) für den Eingangswiderstand: Z1 =
U1 = j Z w tan β l = j Z' I1
(9.20)
Auch hier ist Z' positiv reell. Der Eingangswiderstand ist induktiv, was anschaulich aus Bild 9.15 folgt, denn bei Überbrückung der Ausgangsklemmen des letzten Elementes wird der Kondensator kurzgeschlossen und es bleibt die Induktivität. Anpassung bedeutet Abschluss der Leitung mit einem Widerstand, der dem Wellenwiderstand entspricht (Z2 = Zw). Da dieser reell ist, sind U2 und I2 in Phase. Durch Einsetzen von U2 = Z2 I2 = Zw I2 in die Gln. (9.14) und (9.15) lässt sich zeigen, dass an jeder Stelle der Leitung, d.h. unabhängig von l, der Quotient aus Spannung und Strom gleich dem Wellenwiderstand ist. Weil das auch für den Leitungseingang gilt, sind U1 und I1 ebenfalls in Phase. Außerdem lässt sich zeigen, dass U1 = U2 und I1 = I2, jedoch U1 ≠ U2 und I1 ≠ I2 gilt. Spannungen und Ströme haben den gleichen Betrag, sind jedoch phasenverschoben. Die Phasenverschiebung wird durch die Phasenkonstante β und durch die Leitungslänge bestimmt. Pro 100 km Leitungslänge sind das β l = 10–3 km–1 100 km = 0,1 rad = 5,7°. Die bei Anpassung in die Leitung eingespeiste Leistung ist U12 /Z1 = U12 /Zw. Sie entspricht der Leistung eines Stranges (s. die Bilder 9.13 und 9.14). Die gesamte Drehstromleistung ergibt sich aus 3 U12 /Zw. Mit dem Nennwert der Leiterspannung UN = 3 U1 kann man dafür schreiben:
9.5 Drehstromnetze
Pnat =
2 UN
319
(9.21)
Zw
Diejenige Leistung, die bei Nennspannung und bei Abschluss der Drehstromleitung mit dem Wellenwiderstand übertragen wird, heißt natürliche Leistung der Leitung. Bei natürlicher Übertragung ist die Ausgangsspannung gleich der Eingangsspannung und der Ausgangsstrom gleich dem Eingangsstrom. Der Wirkungsgrad ist maximal. Die Leitung wirkt für den Generator wie ein ohmscher Widerstand, der wertmäßig dem Wellenwiderstand entspricht.
Bild 9.16
380 kV - Viererbündel -Leitung
Beispiele für Pnat: 380 kV-Leitungen können als so genannte Dreier- oder Viererbündel ausgeführt sein. Man versteht darunter die Aufteilung eines Drehstromleiters L1, L2 oder L3 in je drei oder vier Einzelleiter (s. Bild 9.16). Da Viererbündel eine größere Ausdehnung haben, besitzen sie einen größeren Kapazitätsbelag als Dreierbündel und damit nach Gl. (9.9) einen kleineren Wellenwiderstand (ZwV = 230 Ω gegenüber ZwD = 260 Ω). Die natürlichen Leistungen sind dementsprechend bei der Nennspannung: PnatV = 628 MW und PnatD = 555 MW.
Die höhere Übertragungskapazität ist einer der Gründe für die Bündelung der Leiter. 380 kVLeitungen werden gewöhnlich als Vierer- oder Dreier-, 220 kV-Leitungen als Zweierbündel ausgeführt. 110 kV-Leitungen sind nicht gebündelt. An dieser Gestaltung der Leiter kann man die Höhe der Übertragungsspannung ablesen (s. auch Bild 9.24). Beliebiger Übertragungsbetrieb auf der Leitung. Zusammenfassend können wir folgende Leitungszustände feststellen: 1. Natürlicher Betrieb: Der Widerstand Z2 am Leitungsende und der für den Generator oder Maschinentransformator wirksame Eingangswiderstand Z1 der Leitung entsprechen dem Wellenwiderstand Zw. Er ist ohmisch. Die Spannung am Leitungsende entspricht der Spannung am Leitungsanfang (U2 = U1). Es wird die natürliche Leistung übertragen. 2. Unternatürlicher Betrieb: Der Abschlusswiderstand ist größer als der Wellenwiderstand (Z2 > Zw). Die Last am Leitungsende wirkt in der Richtung des Leerlaufbetriebes (Leerlauf Z2 ĺ wäre der Extremfall). Der Eingangswiderstand ist kapazitiv. Die Spannung steigt
320
9 Elektrische Energieversorgung
zum Leitungsende hin an (U2 > U1). Es tritt der Ferranti-Effekt auf. Die übertragene Leistung ist kleiner als die natürliche. 3. Übernatürlicher Betrieb: Der Abschlusswiderstand ist kleiner als der Wellenwiderstand. Die Last wirkt in der Richtung des Kurzschlussbetriebes (Kurzschluss Z2 = 0 wäre der Extremfall). Der Eingangswiderstand ist induktiv. Die Spannung sinkt längs der Leitung ab (U2 < U1). Die übertragene Leistung ist größer als die natürliche. In der Praxis weicht der wirksame Abschlusswiderstand wegen der unkontrollierten An- und Abschaltung von Verbrauchern am Leitungsende vom Wellenwiderstand ab. Der natürliche Betrieb lässt sich somit nicht ohne weiteres aufrecht erhalten. Um jedoch den wegen des FerrantiEffektes gefürchteten unternatürlichen Betrieb zu vermeiden, schaltet man in Abhängigkeit von der Last Induktivitäten in die Leitung, um deren kapazitive Komponente zu kompensieren, so dass auch hier näherungsweise natürlicher Betrieb möglich wird. Solche Induktivitäten werden Kompensationsdrosselspulen oder Ladestromdrosseln genannt.
9.5.2.3 Übertragung auf Mittel- und Niederspannungsleitungen Verfolgt man anhand des Bildes 9.12 den Fluss der elektrischen Energie weiter, gelangt man nach dem eben behandelten Ferntransport über 380 kV-, 220 kV- und 110 kV-Leitungen über die Umspannwerke in das reine Verteilungsnetz mit Mittel- und Niederspannungsleitungen, deren Längen zwischen einigen Metern und etwa 30 km liegen. Bei so kurzen Leitungen können die über die Querelemente der Leitung abfließenden Ströme, d.h. die Querelemente selbst, vernachlässigt werden (s. Bild 9.14). Außerdem werden die Leitungen wegen der niedrigeren Spannungen in geringeren Abständen, meist in Kabeln, geführt, so dass der Induktivitätsbelag L' absinkt und dadurch R' gegenüber L' nicht mehr vernachlässigbar wie bei der Fernleitung ist. Die Leitungselemente haben folglich das Aussehen nach Bild 9.17 a. Da wir die ohmschen und die induktiven Blindwiderstände durch Addition zusammenfassen können, ergibt sich das einfache Ersatzschaltbild der Mittel- und Niederspannungsleitung nach Bild 9.17 b. Hier müssen wir keine Leitungstheorie mehr betreiben, denn das Ziel, die Ausgangsspannung der Leitung als Funktion der Eingangsspannung darzustellen, kann man auch über ein Zeigerdiagramm erreichen. Es ist in Bild 9.18 a für eine induktiven Last (I eilt U2 um den Winkel ϕ2 nach)
Bild 9.17
Mittel- und Niederspannungsleitung a) Elemente b) Gesamt - Ersatzschaltung
dargestellt. Wir erkennen, dass ϕ2 ≈ ϕ1 ist. Auf der Leitung findet nur eine vernachlässigbare Phasendrehung der Spannung statt. Eingangs- und Ausgangsstrom sind identisch.
9.5 Drehstromnetze
Bild 9.18
321
Zeigerdiagramm der Mittel- und Niederspannungsleitung a) Gesamt b) Detail
Bild 9.19
Einfach belastete Leitung a) einpolig b) allpolig
Das von UR und UL gebildete Dreieck hat näherungsweise das Aussehen nach Bild 9.18 b. Aus beiden Diagrammen folgt für den Spannungsfall längs der Leitung: ΔU = U1 − U 2 ≈ U R cos ϕ 2 + U L sin ϕ 2
(9.22)
Einfach belastete Leitung. Unter einer einfach belasteten Leitung verstehen wir eine nur an ihrem Ende belastete Leitung. An anderen Stellen ist kein Verbraucher angeschlossen. Zur Spannungsfallberechnung folgt ein Zahlenbeispiel. Beispiel. Im Niederspannungsnetz 400/230 V 50 Hz soll eine Unterverteilung für einen gewerblichen Verbraucher installiert werden. Das von der Ortsnetzstation (Einspeisepunkt) bis zu dieser Verteilung zu legende Kabel muss eine Länge von 170 m haben. Das Kabel hat laut Tabelle die Leitungskonstanten R' = 0,174 Ω/km, L' = 0,22 mH/km. Der entnommene Strom ist I = 280 A, der mittlere Leistungsfaktor der Verbraucher des Gewerbebetriebes cos ϕ = 0,82 induktiv. Wie groß muss die Leiterspannung am Einspeisepunkt sein, damit die Leiterspannung beim Verbraucher den Wert 400 V hat? Bild 9.19 zeigt ein Schema der Anlage in ein- und allpoliger Darstellung. Lösung: Mit UR = R' l I = 8,28 V und UL = ωL' l I = 3,29 V ergibt sich mit cos ϕ = 0,82 aus Gl. (9.22) für den Spannungsfall auf der Leitung ΔU = 8,7 V. Da die den Gleichungen zugrunde liegende Leitung nach Bild 9.19 einen Außenleiter und den Neutralleiter enthält, ist der berechnete ΔU-Wert ein Strangspannungswert. Der Spannungsfall für die Leiterspannung ist deshalb uL = 3 ΔU = 15,1 V. Die Leiterspannung an der Einspeisestelle muss somit 415,1 V betragen.
322
9 Elektrische Energieversorgung
Der auf die Nennspannung bezogene Spannungsfall ist ΔuL = (15,1/400) × 100 = 3,8 %. In der Praxis sind in der Regel Werte bis zu 5 % zulässig.
Für den prozentualen Leiterspannungsfall können wir mit Gl. (9.22) ganz allgemein schreiben: ΔuL =
3(U R cos ϕ 2 + U L sin ϕ 2 ) 100 UN
[%]
(9.23)
ΔuL =
3 I l ( R' cos ϕ 2 + X 'L sin ϕ 2 ) 100 UN
[%]
(9.24)
oder
Mit
I =
P2
(9.25)
3 U N cos ϕ 2
wird daraus ΔuL = P2 l
R' cos ϕ 2 + X L' sin ϕ 2 100 2 cos ϕ UN 2
[%]
(9.26)
P2 l heißt Lastmoment von P2. Mehrfach belastete Leitung. Einfach belastete Leitungen sind im Prinzip Transportleitungen von einem Punkt zum anderen. Bei mehrfach belasteten Leitungen wird der Verteilungsaspekt sichtbar, der bei Mittel- und Niederspannung im Vordergrund steht. Bild 9.20 zeigt die einpolige Darstellung einer an drei Stellen belasteten Drehstromleitung. Wir nehmen an, dass die Leiterquerschnitte überall gleich sind, was wegen der dann vereinfachten Leitungsschutztechnik häufig zutrifft. Die verschiedenen Leitungsabschnitte haben verschiedene elektrische Leistungen zu transportieren: Pa = P1 + P2 + P3, Pb = P2 + P3,
Pc = P3.
Die Spannungsfälle auf den Teilabschnitten sind entsprechend Gl. (9.26): ΔuLa = Pa la
R' cos ϕ a + X 'L sin ϕa 100 2 cos ϕ UN a
[%]
(9.27)
ΔuLb = Pb lb
R' cos ϕ b + X 'L sin ϕ b 100 2 cos ϕ UN b
[%]
(9.28)
ΔuLc = Pc lc
R' cos ϕ c + X 'L sin ϕ c 100 2 cos ϕ UN c
[%]
(9.29)
In der Praxis kann man davon ausgehen, dass die verschiedenen Verbraucher, die an das Kabel angeschlossen sind, im Mittel etwa den gleichen Leistungsfaktor haben (Drehstrommotoren besitzen z.B. Leistungsfaktoren, die in einem weiten Leistungsbereich annähernd konstant sind). Mit dieser Annahme haben die Brüche in den Gln. (9.27) bis (9.29) alle den gleichen Wert, für den wir abkürzend „a“ setzen wollen. Der Spannungsfall bis zum Leitungsende bzw. bis zur dritten Entnahmestelle (P3) entspricht der Summe der einzelnen Spannungsfälle:
9.5 Drehstromnetze
Bild 9.20
323
Dreifach belastete Leitung
ΔuL = ΔuLa + ΔuLb + ΔuLc = a ( Pa la + Pb lb + Pc lc )
(9.30)
Drücken wir Pa, Pb und Pc durch die entnommenen Leistungen P1, P2 und P3 und die Längen la, lb und lc durch l1, l2 und l3 aus (s. Bild 9.20), so folgt: ΔuL = a ( P1 l1 + P2 l2 + P3 l3 )
(9.31)
Bei n Leistungsabnahmestellen gilt für den gesamten Spannungsfall: n
ΔuL = a ¦ Pi li
(9.32)
i =1
Die Summe aller auftretenden Lastmomente ist demzufolge entscheidend für den Leiterspannungsfall bis zum Leitungsende.
9.5.2.4 Praktische Ausführung von Drehstromleitungen Wir unterscheiden Freileitungen und Kabel. Freileitungen werden in allen Spannungsbereichen eingesetzt. Sie bestehen aus den Komponenten Masten, Leitungen, Isolatoren und Erdungen.
Bild 9.21
Stütz- und Hängeisolatoren
Masten. Bei Niederspannung sind Holzmasten gebräuchlich, die die Leiter auf Stütz- oder Hängeisolatoren tragen (s. Bild 9.21). Niederspannungssysteme sind stets Vierleitersysteme, d.h., dass vier Leiter befestigt werden müssen.
324
9 Elektrische Energieversorgung
Im Mittelspannungsbereich werden Beton-, im Bereich der Hoch- und Höchstspannung Stahlgittermasten (s. Bild 9.22) benutzt. In bezug auf bestimmte Funktionen, die die Masten zu erfüllen haben, werden Trag-, Abspann- (Aufnahme der Abspannkräfte), Eck- und Endmasten (z.B. beim Übergang auf Kabel) unterschieden. Leitungen. Es werden so genannte Leiterseile verwendet. Das sind Aluminiumseile mit eingelagerter Stahlseele, die für die notwendige mechanische Festigkeit sorgt (s. Bild 9.23). Es gibt unterschiedliche Querschnitte, z.B. Al/Stahl 240/40 mm2. Wegen der stets durch Oxidation vorhandene Al2O3-Schicht sind die Einzelleiter voneinander isoliert, wodurch Wirbelstromeffekte begrenzt werden. Der beschriebene Seiltyp kommt einheitlich für alle Hoch- und Höchstspannungssysteme (110, 220, 380 kV) zum Einsatz. Zur Begrenzung von Entladungsverlusten (so genannte Koronaverluste) und zur Erhöhung der natürlichen Leistung (s. Abschnitt 9.5.2.2) benutzt man so genannte Bündelleiter (s. Bild 9.24 und auch Bild 9.16). Für 220 kV ist das Zweier-, für 380 kV das Vierer- oder Dreierbündel charakteristisch.
Bild 9.22
Typische Mastbilder 110 ... 380 kV a) Einebenenmast (2 Stromkreise) b) Donaumast (2) c) Donaumast (4)
Bild 9.23
Querschnitt durch ein Leiterseil
Bild 9.24
Bündelleiter a) Zweierbündel (220 kV) b) Viererbündel (380 kV)
9.5 Drehstromnetze
325
Isolatoren. An die Isolatoren werden hohe Anforderungen gestellt. Sie müssen bei allen Wetterlagen, sowohl im Winter als auch im Sommer einen großen Isolationswiderstand aufweisen. Außerdem müssen sie über eine hohe mechanische Festigkeit verfügen, damit sie die Leiterseile
Bild 9.25
Längsstab - Isolatoren
auch bei stärksten Stürmen sicher tragen können. Als Werkstoff ist Porzellan, teilweise auch Glas im Einsatz. Für die Freileitungsisolationstechnik der Zukunft wird den Kunststoffen eine größere Rolle zugeschrieben. Bild 9.25 zeigt den modulförmigen Aufbau der Hängeisolatoren für die drei Spannungsebenen. Schon von weitem können wir an ihrer Ausführung erkennen, ob es sich um ein 110-, 220- oder 380 kV-System handelt. Manchmal trägt ein einziger Mast alle drei genannten Systeme. Sie sind an den Isolatoren leicht zu identifizieren (auch an der Bündelung). Erdungen. Alle Stahlgittermasten sind zusätzlich über das an der Mastspitze befestigte und in gutem elektrischen Kontakt mit ihnen stehende Erdseil geerdet (s. Bild 9.26). Dieses ist nicht mit dem Neutralleiter identisch. Denn die Hoch- und Höchstspannungssysteme, die von diesen Masten getragen werden, sind grundsätzlich Drehstromdreileitersysteme, bei denen ein Neutralleiter nicht mitgeführt wird.
Bild 9.26
Masterdung
Das Erdseil hat zwei Aufgaben zu erfüllen. Die erste demonstriert Bild 9.27 a. Bekommt ein Leiterseil durch Sturm oder Isolationsfehler elektrischen Kontakt mit dem Stahlgittermast, fließt
326
9 Elektrische Energieversorgung
der so entstandene Kurzschlussstrom zum Teil über den Mast, zum Teil über das Erdreich ab. Bei fehlendem Erdseil hätte allein der Mast den großen Strom abzuleiten. Dadurch würde im Erdbereich um den Mast herum ein sehr viel steilerer Spannungstrichter als bei Vorhandensein eines Erdseiles entstehen. Bewegt sich in diesem Bereich ein Mensch oder ein Tier, wird bei Ausführung eines Schrittes von den Füßen eine so genannte Schrittspannung abgegriffen, die umso größer ist, je steiler der Trichter verläuft. Da diese Schrittspannungen erheblich sein können, kann Lebensgefahr bestehen. a)
Bild 9.27
b)
Funktion des Erdseils a) Verkleinerung der Schrittspannung b) Blitzschutz
Eine weitere Aufgabe des Erdseiles ist der Schutz vor Blitzeinschlägen in die Leiterseile. Es wird eine abschirmende Wirkung erzeugt, die in Bild 9.27 b demonstriert ist. Kabel werden in der Regel bis max. 110 kV eingesetzt. Moderne Polyäthylenkabel sind jedoch für mehrere hundert kV geeignet und werden in speziellen Fällen, z.B. in Großstädten, auch angewandt. Für Fernübertragungen werden Kabel wegen ihrer mit der Länge stark anwachsenden Querkapazitäten nicht benutzt (Ausnahme: HGÜ, wo Kapazitäten keine Rolle spielen, s. Abschnitt 9.4). Sie sind also typische Elemente für die Stromverteilung. Den grundsätzlichen Aufbau eines Starkstromkabels zeigt Bild 9.28.
Bild 9.28
Prinzipieller Aufbau eines Starkstromkabels
9.5 Drehstromnetze
327
Es setzt sich aus den Leitern oder Adern mit den entsprechenden Isolierungen und dem Schutzmantel zusammen. Die Leiter bestehen aus Aluminium oder Kupfer. Das Kabel kann ein- und mehradrig sein. Im Niederspannungsbereich werden für die Außen- und den Neutralleiter sehr häufig vieradrige Kabel benutzt. Die Isolierung ist als Aderisolierung und als gemeinsame Isolierung ausgeführt. Sie besteht aus PVC (Polyvinylchlorid), PE (Polyäthylen) oder VPE (vollvernetztes PE). Der Schutzmantel hat die Aufgabe, das Kabel vor Feuchtigkeit sowie chemischen und mechanischen Einflüssen zu schützen und ist aus PVC, Aluminium oder Blei hergestellt. Bei extremen mechanischen Belastungen wird um den Schutzmantel herum eine Stahlband- oder Stahldrahtbewehrung gelegt. Wird das Kabel für Spannungen von mehr als 6 kV eingesetzt, sind Vorkehrungen zu treffen, damit die Isolierung nicht durchschlägt. Man bettet die Aderdrähte in leitenden Kunststoff ein, wodurch die Inhomogenitäten des zur Nachbarader bestehenden elektrischen Feldes, die durch die kleinen Radien der Einzeldrähte bedingt sind und die für hohe örtliche Feldstärkewerte sorgen, beseitigt werden, das Feld also homogener wird (s. Bild 9.29). Dadurch wird der Einsatzbereich des Kabels für höherer Spannungen entscheidend erweitert. Man nennt die beschriebene Beeinflussung des Feldes im Kabel Feldsteuerung.
Bild 9.29
Prinzip der Feldsteuerung
Für Spannungen ab 60 kV reicht die Feldsteuerung nicht aus. Man benutzt dann Öl- oder Gasdruckkabel. Bei Ölkabeln wird Isolieröl bei 2 bis 4 bar durch als Hohlleiter ausgebildete Leiter in das Kabel gedrückt. Bei Gefälle in der Kabeltrasse würde das Öl einseitig ablaufen. Deshalb verwendet man hier Gaskabel. Bei ihnen sorgt Stickstoff bei einem Druck von etwa 15 bar für die Isolierung im Kabelinneren. Kabel haben wegen ihrer großen Kapazitäts- und kleinen Induktivitätsbeläge kleine Wellenwiderstände (s. Gl. (9.7)). Sie liegen meist beträchtlich unter 100 Ω. Dadurch ist die natürliche Leistung eines Kabels so hoch (s. Gl. (9.21)), dass sie weit über der für das Kabel thermisch verträglichen Leistung liegt. Deshalb müssen Kabel bei Übertragung der natürlichen Leistung meist zusätzlich gekühlt werden.
9.5.3 Netzgestaltung 9.5.3.1 Sternpunktbehandlung in Drehstromnetzen Den Sternpunkt eines Generators oder Transformators kann man erden oder nicht erden. Solange kein Fehler auftritt, bleibt dies ohne Einfluss auf das Verhalten des gespeisten Drehstromnetzes. Bildet sich aber beispielsweise ein Kurzschluss aus, reagieren Netze mit geerdeten Sternpunkten völlig anders als ungeerdete. Um das zu verdeutlichen, nehmen wir den in Drehstromnetzen häufigsten Fehler, den so genannten einpoligen Erdschluss an. Er tritt auf, wenn einer der Drehstromaußenleiter auf den Erdboden fällt oder durch Isolationsschaden Kontakt mit dem Freileitungsmast bekommt.
328
9 Elektrische Energieversorgung
Ungeerdeter Sternpunkt. Man spricht hier auch von einem isolierten oder freien Sternpunkt. Bild 9.30 zeigt diesen Fall.
Bild 9.30
Erdschluss bei isoliertem Sternpunkt a) Apparative Anordnung b) Ersatzschaltbild c) Zeigerdiagramm
Der Leiter L3 berührt die Erde (s. Bild 9.30 a). Da L3 in Bezug auf N Spannung führt, fließt der Erdstrom IE über das Erdreich zurück zum Generator und über dessen Gehäuse in sein Inneres zum Sternpunkt N. Weil dieser sorgfältig isoliert ist, ist der Widerstand, der dem Erdstrom auf seinem Wege zum Sternpunkt entgegengesetzt wird, sehr groß. Folglich ist IE sehr klein, so klein, dass man häufig einen solchen Erdschluss gar nicht gleich bemerkt oder zumindest nicht sofort die Spannung abschalten muss. Es kann in solchen Netzen sogar passieren, dass, wenn der Erdschluss aus einem Lichtbogen besteht, der sich infolge Schmutzes über einen Isolator bis zu Mastteilen ausbildet, der Bogen selbst den Schmutz verbrennt oder verdampfen lässt, so dass die ursprüngliche Isolation wiederhergestellt ist, der Erdschluss somit von selbst ausheilt. Diese Eigenschaft ist bei Netzen mit freiem Sternpunkt von großem Vorteil. Um ihren entscheidenden Nachteil zu erkennen, betrachten wir die für Erdschluss geltende Ersatzschaltung nach Bild 9.30 b. Der Strang mit der Spannung U3 ist durch den Schluss direkt an Erde gelegt, die Spannung des Leiters L3 gegen Erde ist also Null (UL3E = 0, vor dem Schluss entsprach sie der Strangspannung, UL3E = U3 ). Wir erkennen in der Schaltung zwei Maschen, aus denen wir ablesen: U L1E = U1 − U 3
(9.33)
U L 2 E = U 2 − U3
(9.34)
Bild 9.30 c stellt das Zeigerdiagramm bei Erdschluss und die aus den Strangspannungen U1, U2 und U3 nach den Gln. (9.33) und (9.34) konstruierten Spannungen der Leiter L1 und L2 gegen Erde dar. Wir können sie aus dem Diagramm berechnen: UL1E = UL2E= 3 U1 = 3 U2 = 3 U3. Bei einem einpoligen Erdschluss im ungeerdeten Netz wächst also die Spannung der beiden gesunden Leiter gegen Erde auf den 1,73-fachen Betrag an. Bei 220 kV würde das einen Anstieg auf etwa 380 kV bedeuten, für den das Netz nicht bemessen ist, so dass unweigerlich Isolationsoder andere Schäden auftreten. Geerdeter Sternpunkt. Der Sternpunkt wird über einen speziellen Erder niederohmig mit dem Erdreich verbunden (s. Bild 9.31). Wird nun L3 an Erde gelegt, so findet der zum Sternpunkt zurückfließende Erdstrom nur einen sehr geringen Widerstand vor. Die Strangspannung U3 wird kurzgeschlossen. Die Folge ist ein sehr großer Strom, der erhebliche Schäden anrichten kann,
9.5 Drehstromnetze
329
weshalb sofort abgeschaltet werden muss. Da sich dieser Fehlerstrom im Gegensatz zum ungeerdeten Fall erheblich vom normalen Betriebsstrom unterscheidet, ist die Erkennung einer Störung relativ leicht. Dieser Störfall heißt Erdkurzschluss.
Bild 9.31
Erdkurzschluss bei geerdetem Sternpunkt a) Apparative Anordnung b) Ersatzschaltbild
Bei Betrachten der Ersatzschaltung für Erdkurzschluss, Bild 9.31 b, lesen wir nach dem Maschensatz UL1 = U1 und UL2 = U2 ab. Eine Spannungsüberhöhung tritt nicht auf. Das ist für die Erhaltung der Isolation von Wichtigkeit, weil das Abschalten im Fehlerfall eine gewisse Zeit dauert. Sternpunktbehandlung. Aus dem bisher Gesagten ergeben sich für die Sternpunktbehandlung in Drehstromnetzen folgende Gesichtspunkte.
In den Höchstspannungsnetzen (220 und 380 kV) ist eine Spannungserhöhung nicht tolerierbar. Deshalb werden die Sternpunkte geerdet.
Bild 9.32
Sternpunkterdung über Petersenspule LE
Das gleiche gilt für Hochspannungsnetze (110 kV). Hier wendet man neben der direkten Erdung auch die Erdung über eine so genannte Petersen-Spule oder Erdschlusslöschspule an (s. Bild 9.32). Diese Spule bildet zusammen mit den Kapazitäten der Außenleiter gegen Erde einen Parallelschwingkreis, dessen Resonanzfrequenz man auf die Netzfrequenz abstimmt. Dieser Resonanzkreis wird bei Erdschluss wirksam. Da er bei der Resonanzfrequenz einen sehr hohen Widerstand hat, ist der Erdstrom stark begrenzt, so dass trotz Erdung u.a. der Vorteil der möglichen Selbstheilung von Schlüssen genutzt werden kann. In Mittelspannungsnetzen toleriert man Spannungserhöhungen. Deshalb sind die Sternpunkte in der Regel hier nicht geerdet, jedoch wird teilweise auch die Erdung über Petersen-Spulen praktiziert. In Niederspannungsnetzen werden die Sternpunkte der Verteilungstransformatoren aus Gründen der Realisierungsmöglichkeit einer wirksamen Schutztechnik für Mensch und Tier geerdet (s. Abschnitt 9.7). Außerdem wird der Sternpunktleiter mitgeführt (Drehstromvierleitersystem), um die beiden Spannungsebenen von 400 V und 230 V für drei- und einphasige Verbraucher zur Verfügung zu haben.
330
9 Elektrische Energieversorgung
9.5.3.2 Netzstrukturen Wir unterscheiden Strahlen-, Ring- und Maschennetze (s. die Bilder 9.33 bis 9.35). Strahlennetze haben den Vorteil einer einfach zu übersehenden Netzüberwachung mittels Sicherungselementen. An den Leitungsenden tritt jedoch wegen der relativ großen Entfernung des Generators ein erheblicher Spannungsfall auf. Die Versorgungssicherheit eines Strahlennetzes ist gering, weil bei Ausfall des Generators oder einer Hauptleitung das gesamte Stromversorgungssystem ausfällt. Ringnetze besitzen diesen Nachteil nicht, weil man bei Ausfall einer Zuleitung zum Verbraucher einen weiteren Zugang schaffen kann. In der Regel werden die beiden Leitungen des Ringes an beiden Seiten einer Straße verlegt. Am Straßenende befindet sich eine im Normalfall offene Trennstelle (Schalter), die im Fehlerfall geschlossen werden kann. Im Prinzip handelt es sich hier um ein Strahlennetz, welches durch Schließen der Trennstellen in ein Ringnetz umwandelbar ist.
Bild 9.33
Strahlennetz (V...Verbraucher)
Maschennetze sind Ringnetze mit zusätzlichen Querverbindungen. Sie gewährleisten eine sehr hohe Versorgungssicherheit, weil man auf verschiedenen Wegen zu einem beliebigen Netzpunkt gelangen kann. Die Spannungsfälle bis zu den Verbrauchern sind gering. Es besteht jedoch das Erfordernis einer relativ komplizierten Abstimmung der Schutzelemente.
Bild 9.34
Ringnetz (Tr...Trennstelle)
Bild 9.35
Maschennetz
9.6 Schaltanlagen
331
9.6 Schaltanlagen 9.6.1 Arten von Schaltanlagen An allen Punkten eines elektrischen Netzes, an denen Abzweigungen realisiert werden, sind Schaltanlagen erforderlich. Darunter versteht man die Gesamtheit aller Schalt- und Messgeräte sowie Steuer-, Regel- und Schutzeinrichtungen, soweit sie entsprechend der Aufgabe der Abzweigung erforderlich sind. Sind in der Schaltanlage auch Transformatoren vorhanden, spricht man von Umspannanlagen, Umspannwerken oder Umspannstationen. Im Niederspannungsbereich heißen Schaltanlagen ohne Transformator auch Verteilungen oder Verteiler. Mit Transformatoren nennt man sie in der Regel Ortsnetzstationen.
Bild 9.36
Schaltplan einer Ortsnetzstation
Nach dem Aufstellungsort unterscheiden wir Freiluft- und Innenraumschaltanlagen, nach der Spannungsebene Höchst-, Hoch-, Mittel- und Niederspannungsschaltanlagen und nach ihrer Bauform offene (mit Luftisolierung) und gekapselte (druckluft- oder druckgasgefüllte) Schaltanlagen. Bild 9.36 zeigt den einpoligen Schaltplan einer Ortsnetzstation mit dem Übergang von 20 kV auf 0,4 kV. Neben dem Transformator erkennen wir vor allem verschiedene Schaltertypen oder Schaltgeräte wie Sicherungen, Leistungsschalter, Trenner und Lasttrenner, denen jeweils spezifische Aufgaben zufallen, mit denen wir uns im nächsten Abschnitt beschäftigen wollen.
9.6.2 Schaltgeräte der elektrischen Energietechnik 9.6.2.1 Schalten von Wechselstrom Ein Schalter hat die Aufgabe, Stromkreise zu schließen und zu öffnen. Dabei wird er besonders beim Öffnungsvorgang stark beansprucht. Es entsteht nämlich an den sich öffnenden Schaltkon-
332
9 Elektrische Energieversorgung
takten ein so genannter Schaltlichtbogen, in dem der Strom für die Zeit der Bogenbrenndauer trotz geöffneter Kontakte weiterfließen kann. Die Hitzeentwicklung im Lichtbogen ist so groß, dass das Metall der Schaltkontakte zum Verdampfen gebracht wird. Im Verlaufe der vielen Schaltvorgänge, die bewältigt werden müssen, findet eine schrittweise Zerstörung der Kontaktstelle und damit des ganzen Schalters statt. Dieser Verschleißvorgang hängt entscheidend von der Höhe des Lichtbogenstromes ab. Deshalb ist es von großer Wichtigkeit, diesen zu begrenzen.
Bild 9.37
Lichtbogenstromverlauf bei verschiedenen Bogenspannungen
Bild 9.38
Lichtbogenlöschung durch Abbrandhörner
Wir stellen uns einen geschlossenen Schalter vor, über den Wechselstrom fließt. Wird der Schalter geöffnet, zündet im Öffnungsmoment ein Lichtbogen. Wir nehmen an, dass der Lichtbogenstrom genau zu Beginn der positiven Stromhalbwelle einsetzt. Dann verläuft er nach der Gleichung: t − · u (t ) § iB (t ) = Iˆ sin ω t − B ¨ 1 − e τ ¸ (9.35) ¸ R ¨ © ¹ Darin ist uB(t) die Brennspannung des Lichtbogens, d.h. die Spannung über den sich öffnenden Kontaktstücken des Schalters. Aus Gl. (9.35) erkennen wir, dass der Lichtbogenstrom durch Erhöhung der Bogenbrennspannung verkleinert werden kann, was für die Lebensdauer des Schalters von Wichtigkeit ist. Bild 9.37 zeigt den Zusammenhang. Bei geschlossenem Schalter ist die unbeeinflusste Stromhalbwelle vorhanden. Sie ergibt sich aus Gl. (9.35) für uB(t) = 0 und ist bei Netzfrequenz 10 ms lang. Wird der Stromkreis durch den Schalter geöffnet, bleibt der Strom unter dem Wert des unbeeinflussten. Es findet somit eine Strombegrenzung statt. Diese ist umso stärker, je größer die Bogenbrennspannung ist. Außerdem wird der Nulldurchgang früher erreicht, was Verlöschen des Bogens bedeutet. Eine große Brennspannung wirkt sich folglich in zweierlei Hinsicht günstig auf den Schalter aus: sie wirkt begrenzend auf den Strom, und sie verkürzt die Bogenbrenndauer. Deshalb laufen die wichtigsten Maßnahmen zur Lichtbogenlöschung darauf hinaus, die Brennspannung zu vergrößern. Die Bilder 9.38 bis 9.40 zeigen drei solcher Maßnahmen. Abbrandhörner leiten den Bogen von seiner Entstehungsstelle, den Kontaktstücken, weg. Dadurch wird der Bogen verlängert und die Brennspannung nimmt zu. Hier tritt zusätzlich der für die Schalterlebensdauer wichtige Effekt auf, dass der Bogen außerhalb der eigentlichen Kontaktierungsstelle des Schalters ausbrennt, wodurch die Schaltstelle geschont wird.
9.6 Schaltanlagen
Bild 9.39
Lichtbogenlöschung in Löschkammern Bild 9.40
333
Lichtbogenlöschung durch Löschgas
Bei Löschkammern wird der Bogen zwischen parallele Stahlbleche geleitet. Er wird auf diese Weise intensiv gekühlt und in Einzelbögen aufgeteilt. Beides wirkt brennspannungserhöhend. Schließlich kann man einen Gasstrom auf die Brennstelle lenken. Daraufhin verschlechtert sich die Beweglichkeit der Ladungsträger im Bogen. Außerdem wird ein Kühleffekt erreicht. Auch diese beiden Erscheinungen wirken sich vergrößernd auf die Bogenbrennspannung aus. Als so genanntes Löschgas wird neben Luft vor allem Schwefelhexafluorid (SF6) verwendet. Wir werden auf dieses für die gesamte Hochspannungstechnik wichtige Gas im Abschnitt 9.6.3 zurückkommen.
9.6.2.2 Niederspannungsschaltgeräte Die Vielfalt der Schaltgeräte für Niederspannung (< 1000 V) ist beträchtlich. Selbst für den Fachmann ist es schwierig, alle Varianten zu überschauen. Man kann aber eine Einteilung in zwei große Gruppen vornehmen, in Leistungsschalter und in Lastschalter. Leistungsschalter müssen in der Lage sein, die höchsten Ströme, wie sie bei Kurzschlüssen auftreten, sicher abzuschalten. Lastschalter dagegen sind so ausgelegt, dass sie die normalen Betriebsströme der elektrischen Geräte bzw. ein Mehrfaches dieser Betriebsströme (etwa 6- bis 8fach) ausschalten können. Die an sie gestellten Forderungen sind bezüglich des Schaltstromes geringer, bezüglich der Zahl der möglichen Schaltungen aber höher als bei Leistungsschaltern. Denn mit Lastschaltern schalten wir Geräte ein und aus, während Leistungsschalter in der Regel nur bei Überströmen (automatisch) abschalten. Leistungsschalter sind für Drehstrom dreipolig ausgeführt. Sie unterbrechen bei Überströmen oder Kurzschlüssen automatisch alle drei Drehstromleiter, schalten also allpolig ab. Ihre wichtigste Funktion ist das Auslösen bei hohen Strömen, was nach der Auslösekennlinie entsprechend Bild 9.41 erfolgt.
Wir unterscheiden den Bereich der Überströme (bis zum etwa 8-fachen des Nennstromes) und den Bereich der Kurzschlussströme (in der Regel wesentlich mehr als das 8-fache des Nennstromes). Im Überstrombereich wird eine stromabhängige Abschaltzeit erreicht. Je größer der Überstrom ist, umso schneller wird abgeschaltet. Im Kurzschlussbereich dagegen wird in kürzester Zeit, unabhängig von der Stromhöhe ausgeschaltet. Dabei ist die Abschaltzeit einstellbar, wodurch man die so genannte Selektivität des Geräteschutzes realisieren kann. Sie besteht darin, für die in der Nähe der Verbraucher befindlichen Leistungsschalter die kürzeste, für weiter in Richtung des Generators befindliche die längste Ausschaltzeit einzustellen. Dadurch wird erreicht, dass bei generatorfernem Kurzschluss nur die dort befindlichen Leistungsschalter auslösen und
334
9 Elektrische Energieversorgung
nicht die in Generatornähe. Andernfalls würden nämlich alle nachgelagerten Netzteile außer Betrieb gesetzt (vgl. das Strahlennetz nach Bild 9.33). Der Überstromkennlinienteil des Bildes 9.41 wird durch Bimetalle, der Kurzschlussstromteil durch magnetische Schnellauslöser verwirklicht. Durch die Bimetalle wird der zu überwachende Strom geleitet. Sie werden dadurch erwärmt, biegen sich entsprechend durch und betätigen nach einer Zeit, die vom Strom abhängt, den Ausklinkhebel des Leistungsschalters. Schnellauslöser sind Spulen, die bei Überschreiten eines Stromgrenzwertes einen Schalthebel magnetisch anziehen, der den Auslösevorgang herbeiführt.
Bild 9.41
Auslösezeit eines Leistungsschalters
Bild 9.42
Ansicht eines Leistungsschalters (Werkfoto EAW Berlin)
Die äußere Ansicht eines Leistungsschalters mit einem Bemessungsstrom von 250 A zeigt Bild 9.42. Leistungsschalter werden für Ströme bis zu vielen tausend Ampere hergestellt. Am besten bekannt sind uns die Leitungsschutzschalter (Sicherungsautomaten), welche immer mehr die Schraubsicherungen in den Haushalten verdrängen. Sie sind einphasig ausgeführt und besitzen ebenfalls Bimetallstreifen und Schnellauslöser zur Realisierung der beiden Kennlinienteile. Lastschalter. Für die elektrische Antriebstechnik sehr wichtige Lastschalter sind das Schütz und der Motorschutzschalter.
Bild 9.43
Stromlaufplan eines Motorschützes
9.6 Schaltanlagen
335
Schütze sind elektromagnetisch betätigte Fernschalter, die insbesondere zum Ein- und Ausschalten von Motoren dienen. Bild 9.43 zeigt den Stromlaufplan. Durch Betätigen des EIN-Tasters T2 (Schließer) wird der Stromkreis von L1 bis N über die Steuerspule des Schützes geschlossen. Dadurch wird eine Schaltstange in diese Spule hineingezogen und die drei mit ihr fest verbundenen und in der Motorzuleitung liegenden Schalter sowie eventuell vorhandene Hilfskontakte werden geschlossen. Gleichzeitig wird der Kontakt K1 geschlossen, so dass nach Loslassen von T2 der Spulenstrom von L1 nach N über T1 und K1 aufrechterhalten wird und der Motor auf diese Weise eingeschaltet bleibt (Selbsthalteschaltung). Erst nach Betätigung des AUS-Tasters T1 (Öffner) wird der Spulenstrom unterbrochen und der Schalter durch Federkraft ausgerückt. An der Schaltstange können weitere Kontakte, so genannte Hilfskontakte, angebracht werden, über die z.B. durch Einschalten von Meldeleuchten der Schaltzustand des Motors signalisiert werden kann u.a.m. Ein Schütz besitzt von sich aus keine Schutzelemente, sondern ist lediglich ein fernbetätigter Schalter. Es ist aber so gebaut, dass sich Überstromauslöser aufstecken lassen. Ein Schütz darf die hohen Anlaufströme eines Motors, jedoch nicht Kurzschlussströme schalten. Deshalb muss es immer zusammen mit Sicherungen oder Leistungsschaltern montiert werden. Motorschutzschalter sind dreipolige Schalter, die eine stromabhängige Ausschaltzeit verwirklichen (Bimetall). Sie können Motoranlaufströme schalten. Zum Schalten von Kurzschlussströmen sind sie in der Regel nicht geeignet, so dass meist zusätzliche Sicherungen erforderlich sind. Es gibt jedoch Motorschutzschalter, die über magnetische Schnellauslöser verfügen, d.h. Kurzschlüsse selbst unterbrechen können. In dieser Bauform sind sie echte Leistungsschalter. Neuere Entwicklungen auf diesem Gebiet sind mikroprozessorgesteuerte Motorschutzschalter, die nicht nur Auslösekennlinienteile, sondern die gesamte Ausschaltcharakteristik realisieren. Sie benutzen ein Wärmemodell des Motors, um vom Motorstrom auf die Motorwicklungstemperatur, die für den Motorschutz wichtig ist, zu schließen. Außerdem werden bereits Motorschutzschalter angeboten, die aus der Wicklungstemperatur den Wicklungsverschleiß direkt berechnen. In der heutigen Zeit hochausgenutzter Motoren mit ihren teilweise bisherige traditionelle Grenzen überschreitenden Temperaturen ist eine solche Schutzstrategie besonders wichtig (s. auch Abschnitt 8.5.3.2 und das dort zur Nennbetriebsart S 10 Gesagte).
9.6.2.3 Schaltgeräte für Spannungen > 1000 V Im Bereich hoher Spannungen unterscheiden wir wie bei Niederspannung Leistungs- und Lastschalter. Sie haben hier auch analoge Aufgaben. Bei den hohen Spannungen kommen die so genannten Trenner hinzu, mit denen nur lastlos geschaltet werden darf. Sie versehen also Kreise mit einer zusätzlichen Trennstelle, nachdem bereits ein Leistungs- oder ein Lastschalter den Stromkreis unterbrochen hat. Ihre Notwendigkeit ergibt sich aus Aspekten der Sicherheit. Beispielsweise müssen Trenner konstruktiv so gestaltet sein, dass man schon aus beträchtlicher Entfernung erkennen kann, ob sie ein- oder ausgeschaltet sind. Bei Lasttrennern wurden das Lastschalter- und das Trennerprinzip in einem Schalter verwirklicht. Diese sind also in der Lage, Betriebsströme zu schalten und ermöglichen außerdem die visuelle Erkennung des Schaltzustandes. Bei Schaltern für hohe Spannungen ist charakteristisch, dass oft nicht nur eine, sondern mehrere Stromkreis - Trennstellen, die in Reihe geschaltet sind, verwendet werden. Hierbei muss man dafür sorgen, dass die Schaltbelastung gleichmäßig auf die Schaltstellen aufgeteilt wird (Potenzialsteuerung).
336
9 Elektrische Energieversorgung
Außerdem arbeitet man hier grundsätzlich mit Druckluft oder Schwefelhexafluorid SF6, mit denen die Schaltlichtbögen angeblasen und gelöscht werden. Dabei wird mittels eines beweglichen Schaltstiftes eine Düse freigegeben, durch die der Lufteinlass erfolgt. Zur Unterdrückung der bei diesem Vorgang entstehenden Knallgeräusche werden Schalldämpfer eingesetzt.
9.6.2.4 Hochleistungssicherungen Hochleistungssicherungen dienen dem Überstrom- und Kurzschlussschutz von Starkstromanlagen. Wir unterscheiden Niederspannungs-Hochleistungs- (NH-Sicherungen, s. Bild 9.44) und Hochspannungs-Hochleistungs-Sicherungen (HH-Sicherungen). Beide wirken bei Kurzschluss stark strombegrenzend. Sie bestehen aus einem Schmelzleiter, der bei Überschreiten eines Grenzwertes des Stromes durchbrennt. Dabei entsteht ein Lichtbogen, der in dem umgebenden
Bild 9.44
Aufbau einer NH-Sicherung
Bild 9.45
Auslösezeit einer NH-Sicherung
Quarzsand schnell verlöscht. Wie bereits im Bild 9.37 dargestellt, wird durch die Sicherung sowohl der Strom begrenzt als auch die Bogenzeit gegenüber dem unbeeinflussten Kurzschlussstrom, der fließen würde, wenn die Sicherung nicht da wäre, verkürzt. Eine 200 A-Sicherung dieser Art würde z.B. bei einem Kurzschlussstrom, der ohne Sicherung eine Amplitude von 100 kA erreicht hätte, bereits bei einem Strom von 20 kA, also weit vor Ablauf der Halbperiode abschalten. Mit Hochleistungssicherungen kann man Überstrom-Auslösekennlinien, wie sie in Bild 9.45 dargestellt sind, realisieren. Da anlaufende Motoren zeitweise hohe Überströme mit ü = I/IN = 4...8 führen, würde eine flinke Sicherung auslösen. Um das zu vermeiden, wurden träg-flinke Sicherungen entwickelt, die im Überstrombereich träge, im Kurzschlussstrombereich flink reagieren. Sie nähern sich damit der Kennlinienform von Leistungsschaltern (vgl. Bild 9.41). Erreicht wird dies durch eine besondere Formgebung des Schmelzleiters (s. Bild 9.44). Bei den relativ geringen Überströmen ist genügend Zeit für eine gleichmäßige Wärmeverteilung im Schmelzleiter vorhanden. Bei Kurzschluss dagegen staut sich wegen des abrupten starken Stromanstiegs die Wärme an den Engestellen des Schmelzleiters, der dadurch an diesen Stellen überdurchschnittlich schnell schmilzt.
9.6 Schaltanlagen
337
9.6.3 Praktische Ausführung von Schaltanlagen Schaltanlagen können in Einzelteilen oder auch komplett montiert mit allen zugehörigen Einrichtungen und Geräten geliefert werden. Ihr Schaltplan entspricht in einfachen Fällen etwa dem in Bild 9.36 dargestellten. In der Regel kommen jedoch noch Messeinrichtungen mit den erforderlichen Messwandlern sowie Steuer- und Betätigungseinrichtungen für die Schalter und andere Geräte hinzu.
Bild 9.46
NS - Schaltanlage (Werkfoto AEG)
Niederspannungsschaltanlagen gibt es in verschiedenen Bauweisen. Eine Ausführung in Schrank- bzw. Tafelbauform zeigt Bild 9.46. Wir erkennen in den Zuleitungen Messinstrumente (links oben) und darunter den Leistungsschalter der Anlage. In der Mitte des Schaltschrankes sind die querliegenden NH-Sicherungen und Lastschalter zu sehen, über die die einzelnen Abgänge von der Hauptsammelschiene geführt werden. Die Anlage ist komplett verdrahtet, so dass vor Ort nur die entsprechenden Anschlüsse an die Kabel geschaffen werden müssen. Mittelspannungsschaltanlagen bis etwa 36 kV werden ausschließlich in Innenräumen untergebracht, auch in gekapselter Bauform. Hoch- und Höchstspannungsschaltanlagen wurden früher ausnahmslos als Freiluftanlagen gebaut. Sie sind uns in dieser Form als Umspannanlagen oder Umspannwerke, die eine Ausdehnung von mehreren Fußballfeldern haben können, gut bekannt. Heute ist man teilweise gezwungen, den Platzbedarf drastisch einzuschränken und die Anlage in Innenräumen unterzubringen. Das hat folgende Gründe:
Durch die ständige Steigerung des Strombedarfs in Großstädten und Ballungszentren ist es erforderlich, die Transport- und Verteilungsnetze dieser Regionen auf immer höhere Spannungsebenen zu verlagern. Bei konventioneller Bautechnik bedeutet das Einhaltung größerer Abstände zwischen den spannungsführenden Teilen und somit weitere Flächenausdehnung der Schaltanlage. Aber gerade das ist in Städten wegen des Platzmangels, vor allem jedoch wegen der enormen Bau- und Grundstückskosten nicht möglich. Deshalb wurden ab Anfang der siebziger Jahre völlig neue Wege im Schaltanlagenbau beschritten.
338
9 Elektrische Energieversorgung
Es entstanden die voll- oder gasisolierten Schaltanlagen (GIS), bei denen sich alle spannungsführenden Teile wie Leiter, Wandler, Schaltgeräte usw. innerhalb einer Kapselung aus Metall befinden, die mit Schwefelhexafluorid (SF6) bei einem Druck von etwa 5 bar gefüllt ist. Eine solche Schaltanlage ist in Bild 9.47 zu sehen.
Bild 9.47
Gasisolierte Schaltanlage 550 kV (Werkfoto AEG)
SF6 besitzt eine ca. dreifach höhere Durchschlagspannung als Luft. Diese wird bei Überdruck weiter erhöht, so dass eine Reduzierung des Platzbedarfs solcher Anlagen auf ein Fünftel des ursprünglich bei konventioneller Technik notwendigen Wertes erreicht wurde. In den in die Anlage integrierten Leistungsschaltern nutzt man darüber hinaus die hervorragenden Lichtbogenlöscheigenschaften von SF6. Neuere Konzepte von Schaltanlagen sind Hybridlösungen (HIS), bei denen es sich um Freiluftanlagen mit GIS-Komponenten handelt.
9.7 Personenschutz in Niederspannungsnetzen 9.7.1 Gefährdung des Menschen Wir erläutern das Auftreten eines Gefahrenzustandes anhand des Bildes 9.48. Hier wird ein beliebiges elektrisches Gerät, symbolisiert durch den Widerstand RG, an 230 V betrieben, ist also beispielsweise an den Außenleiter L1 und den Neutralleiter N angeschlossen. N ist am Transformator geerdet (s. Abschnitt 9.5.3.1). Solange das Elektrogerät, z.B. eine Tischlampe, nicht defekt ist, kann nur der Betriebsstrom in dem angegebenen Kreis fließen. Ist aber die Isolation in der Lampe beschädigt und berührt der dann blankliegende Leiter L1 innerhalb der Lampe das Gehäuse (Der Elektrotechniker nennt das Körperschluss), so steht es unter Spannung. Dieser Zustand bleibt in der Regel unbemerkt, weil das Lampengehäuse von der Erde isoliert aufgestellt ist, so dass sich kein größerer Ableitungsstrom zur Erde ausbilden kann, d.h. weiterhin nur der normale Betriebsstrom fließt. Berührt aber eine Person das Gehäuse, bildet sich ein Fehlerstrom vom Gehäuse über den menschlichen Körper zur Erde und durch das Erdreich zurück zum Transformator aus.
9.7 Personenschutz in Niederspannungsnetzen
Bild 9.48
339
Auftreten einer Berührungsspannung
Entscheidend für die physiologische Wirkung ist die Höhe des durch den Menschen fließenden Fehlerstromes: 1 mA 15 mA 40 mA
Wahrnehmbarkeitsschwelle Krampfschwelle Gefahrenschwelle, Beginn der tödlichen Wirkung.
Der Strom wird von der zwischen Lampengehäuse und Erde wirksamen Berührungsspannung UB und vom Widerstand des menschlichen Körpers, einschließlich der zwischen Gehäuse und Erdboden vorhandenen Übergangswiderstände, bestimmt. Für diesen Gesamtwiderstand kann man einen Minimalwert von etwa 2500 Ω annehmen. Wenn das Überschreiten der Krampfschwelle, somit ein Strom von etwa 20 mA, bereits als gefährlicher Zustand angesehen wird, darf die Berührungsspannung nicht größer als UB = 20 mA · 2500 Ω = 50 V sein. Dieser Wert ist deshalb in den Normen als Maximalwert festgelegt (Für elektrisches Kinderspielzeug gelten 24 V). Todesursachen bei Elektrounfällen sind das so genannte Herzkammerflimmern und der folgende Kreislaufzusammenbruch. Bei Hochspannung und Körperströmen von etwa 5 A tritt der Tod meist durch Verbrennungen oder Atemstillstand ein. Wir sollten uns angesichts der Tatsache, dass unsere in den Haushalten zur Verfügung stehende Einphasenspannung von 230 V die festgelegte Berührungsspannung fast um den Faktor 5 übertrifft, der Gefahr bewusst sein, die ein direktes Berühren spannungsführender Leiter bedeutet. Wenn die Übergangswiderstände zum Erdreich klein sind, ist das besonders kritisch. Deshalb sind beispielsweise Mindestabstände zwischen Steckdosen oder elektrischen Geräten und einer Badewanne oder Dusche festgelegt, damit diese von der Wanne oder der Dusche aus nicht erreichbar sind. Leider gibt es aber immer wieder Menschen, die sich in der Wanne sitzend die Haare fönen oder ein am Netz betriebenes Kofferradio auf den Badewannenrand stellen. Falls eines der Geräte ins Wasser fällt, hat dies mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tödliche Folgen. Trotzdem sind von allen tödlich ausgehenden Unfällen nur etwa 0,4 % Elektrounfälle. Das ist auf die hohen Sicherheitsstandards in der Elektroenergietechnik, auf die Gesetze und Verordnungen und nicht zuletzt auf die verantwortungsbewusste Arbeit der Elektromonteure zurückzuführen. Darüber hinaus ist es dem verstärkten Einsatz von Fehlerstromschutzschaltern (s. nächster Abschnitt) zu verdanken, dass die Anzahl der tödlichen Unfälle in den letzten drei Jahrzehnten ständig gesunken ist. Durch mehr Vorsicht beim Umgang mit Elektrogeräten und Unterlassen von Elektroarbeiten durch den Laien könnte der angegebene Prozentsatz weiter gesenkt werden.
340
9 Elektrische Energieversorgung
9.7.2 Schutzmaßnahmen Wir unterscheiden direktes und indirektes Berühren von spannungsführenden Teilen. Direktes Berühren liegt vor, wenn betriebsmäßig Spannung führende Teile direkt mit Körperteilen, z.B. mit den Händen oder Füßen, in Kontakt kommen. Um diese Art der Berührung zu vermeiden, sind alle elektrischen Leitungen und Geräte mit Isolierungen versehen. Beispielsweise sind die Adern einer Geräteschnur gummiisoliert, wodurch direktes Berühren ausgeschlossen ist. Leiter dürfen nur dann blank liegen, wenn sie sich nicht im Arbeits- oder Handlungsbereich eines Menschen befinden. Indirektes Berühren liegt vor, wenn infolge eines Isolationsfehlers Spannungen an berührte Stellen gelangen, an denen im Normalfall keine Spannung auftritt (s. das Lampengehäuse in Bild 9.48). Die in Niederspannungsnetzen praktizierten Schutzmaßnahmen gegen indirektes Berühren zielen darauf ab, solche Berührungsspannungen zu vermeiden oder schnellstens abzuschalten. Schutzisolierung. Bei dieser Methode wird die normale Basisisolierung durch zusätzliche Isolationsmaßnahmen so verstärkt und sicher gemacht, dass das Auftreten von Berührungsspannungen am Gehäuse unmöglich ist. Der Widerstand RG im Bild 9.48 wird so tief in Isolierstoff oder Isoliermasse „vergraben“, dass seine spannungsführenden Teile das Gehäuse nicht erreichen können. Dabei kann auch das Gehäuse selbst aus einem Isoliermaterial bestehen. Beispiele für schutzisolierte Geräte sind elektrische Rasierapparate, Haartrockner, Staubsauger, Küchenmaschinen oder Handbohrmaschinen. Als Schutzisolierung gilt auch die Verwendung eines isolierenden Fußbodenbelages. Schutzkleinspannung. Die benutzten Betriebsspannungen werden mittels eines Transformators von 230 V auf einen ungefährlichen Wert von beispielsweise 24 V herabgesetzt. Angewendet wird diese Methode bei Geräten kleiner Leistung (Da die Spannung klein ist, würde bei größeren Leistungen der Strom zu groß) wie z.B. bei Kinderspielzeug, elektrischen Zahnbürsten oder ortsveränderlichen Beleuchtungskörpern (Kesselhandleuchten). Die eingesetzten Transformatoren müssen bestimmte Anforderungen bezüglich der galvanischen Trennung zwischen Primär- und Sekundärkreis erfüllen. Schutztrennung. Hier wird wie bei der Schutzkleinspannung ein Transformator benutzt. Sein Übersetzungsverhältnis ist ü = 1, d.h., bei Anschluss an 230 V gibt er sekundärseitig ebenfalls eine Spannung von 230 V ab. Durch den verwendeten Trenntransformator ist der Sekundärkreis galvanisch vom speisenden Netz getrennt. Ein Stromkreis kann sich bei Berührung eines blanken Leiters nur von diesem über den Menschen und über den Boden, auf dem er steht, zum anderen Leiter des Sekundärkreises schließen. Die in dieser Reihenschaltung liegenden Widerstände sind aber so hoch, dass nur ein vernachlässigbarer Strom auftritt. Nullung. Wir ändern die Schaltung des Bildes 9.48 ab, indem wir das Gehäuse mit dem Neutralleiter verbinden (s. Bild 9.49 a). Wird jetzt die Isolation unserer Lampe schadhaft, fließt der Strom direkt vom schadhaften Leiter über das (metallische) Gehäuse zum Neutralleiter. Da der Stromkreis hier um den Verbraucherwiderstand RG herumführt, ist dieser kurzgeschlossen. Der Strom ist sehr hoch, die Sicherung schmilzt und trennt den Leiter L1 vom Verbraucher ab. Hier kommt zwar eine Berührungsspannung zustande, sie wird aber nach ihrem Entstehen augenblicklich abgeschaltet.
Im geschilderten Falle hat der Neutralleiter eine Doppelfunktion. Einerseits dient er der Realisierung der einphasigen Spannungsebene von 230 V bei intaktem Netz, andererseits ist er Schutzleiter bei einer Störung. Er wird deshalb hier PEN-Leiter genannt (PE leitet sich von engl. protection earth, also Schutzerde, N von Neutralleiter ab). Die Schutzmethode heißt Nullung.
9.7 Personenschutz in Niederspannungsnetzen
Bild 9.49
341
Nullung a) klassisch b) modern
Ist der PEN-Leiter unterbrochen, kann er seine Schutzaufgabe nicht mehr erfüllen. Um das zu verhindern, trennt man die Schutz- und Neutralleiterfunktion, indem für jede dieser Funktionen separate Leiter N und PE (s. Bild 9.49 b) vorgesehen werden. Im ungestörten Betrieb führt nur der Neutralleiter Strom. Bei Auftreten einer Berührungsspannung wird über den Schutzleiter PE ein Kurzschluss hergestellt, so dass die Sicherungen oder sonstigen Überstromauslöseeinrichtungen ansprechen. Da Leiter eine umso kleinere Festigkeit besitzen, je dünner sie sind, ist festgelegt, dass bei Leiterquerschnitten unter 10 mm2 Neutralleiter N und Schutzleiter PE getrennt geführt werden, bei Leiterquerschnitten über 10 mm2 ein gemeinsamer PEN-Leiter verlegt wird. Ein Netz mit PEN-Leiter heißt TN-C-Netz, die Schutzmethode „klassische“ Nullung. Bei getrennter Neutralleiter- und Schutzleiterfunktion sprechen wir von einem TN-S-Netz und von der stromlosen oder „modernen“ Nullung.
Bild 9.50
Nullung, gemischt
Der erste Buchstabe der Netzbezeichnung bezieht sich auf die Behandlung des Sternpunktes des speisenden Transformators der Ortsnetzstation, der zweite auf die Erdungsverhältnisse bei den Verbrauchern. T kommt von franz. „la terre“, die Erde. Somit bedeutet TN, dass der Sternpunkt des Transformators geerdet ist und alle Verbraucher mit diesem Sternpunkt elektrisch verbunden sind. C bedeutet kombiniert, franz. „combinée“ und S getrennt, franz. „separée“. Im TN-C-Netz hat ein Leiter die Neutral- und die Schutzleiterfunktion wahrzunehmen (PEN). Er wird kombiniert betrieben. Im TN-S-Netz sind diese Aufgaben auf zwei Leiter verteilt (N und PE), d.h. die Funktionen sind getrennt. In der Bundesrepublik Deutschland kommen gewöhnlich gemischte Netze vor, die TN-C-SNetze genannt werden und entsprechend Bild 9.50 aufgebaut sind. Bei ihnen wird der gemeinsame PEN-Leiter vom geerdeten Sternpunkt bis zum Abnehmer geführt und hier die entsprechende
342
9 Elektrische Energieversorgung
Netzgestaltung vorgenommen. Diese richtet sich, wie oben erwähnt, nach den Querschnitten der in den jeweiligen Netzteilen verlegten Leiter. Der Vollständigkeit halber seien noch zwei andere, weniger gebräuchliche Netzformen genannt. Das sind einerseits TT-Netze, bei denen die Gehäuse der Verbraucher mit Erdern am Verbraucherort verbunden sind (Schutzerde) und andererseits IT-Netze, bei denen die Sternpunkte isoliert sind und die Verbrauchergehäuse ebenfalls mit Erdern in Verbindung stehen. Fehlerstromschutzschalter (FI-Schalter). Eine normale Sicherung oder ein Sicherungsautomat schaltet die Berührungsspannung infolge Auslösens durch den hohen Kurzschlussstrom ab. Ein FI-Schalter bewertet jedoch den auftretenden Fehlerstrom selbst, indem er die Differenz zwischen dem über den Leiter L1 (s. Bild 9.48) in den Verbraucher fließenden und dem über N aus dem Verbraucher herausfließenden Strom bildet. Solange diese Ströme gleich groß sind, ihre Differenz folglich Null ist, ist die Verbraucherisolierung in Ordnung. Tritt ein Körperschluss auf, kommt es zu Ableitströmen, die vom Verbraucher in Richtung Erde fließen und die im rückfließenden Strom fehlen. Die Differenz zwischen Eingangs- und Ausgangsstrom ist nicht mehr Null und der FI-Schalter löst aus, d. h. er schaltet die Betriebsspannung ab.
FI-Schalter reagieren bereits bei Fehlerströmen von 10 mA und sind damit wesentlich empfindlicher als Sicherungen. Sie werden deshalb zunehmend in besonderen Gefährdungsbereichen wie Waschküchen, Terrassen und Bädern eingesetzt.
9.8 Übungsaufgaben 9-1 Ein Kohlekraftwerk erzeugt täglich eine elektrische Energie von 31,2 GWh, von denen 1,7 GWh für den Eigenbedarf verwendet werden. Der Nettowirkungsgrad des Kraftwerkes beträgt 39 %. Berechnen Sie den täglichen Bedarf an Kohle in Tonnen und den spezifischen Kohleverbrauch in kg/kWh a) für ein Steinkohlenkraftwerk b) für ein Braunkohlenkraftwerk! (Heizwerte: Steinkohle 30 000 kJ/kg, Braunkohle 8 500 kJ/kg). Stellen Sie den spezifischen Kohleverbrauch dem spezifischen Uranverbrauch eines Kernkraftwerkes, das unter den gleichen Bedingungen arbeitet, gegenüber (Heizwert Uran 9·1010 kJ/kg)! 9-2 Die Kaplanturbine eines Laufwasserkraftwerkes hat eine Drehzahl von nT = 83 min–1. Welche Übersetzung muss das zwischen Turbine und Synchrongenerator geschaltete Getriebe haben, wenn der Synchrongenerator 24 Pole (p = 12) besitzt? 9-3 Eine 380 kV-Fernleitung hat einen Induktivitätsbelag von L' = 1,1 mH/km und einen Kapazitätsbelag von C' = 11 nF/km. Berechnen Sie a) die natürliche Leistung der Fernleitung b) die Höhe der Spannung bei leerlaufender Leitung im Abstand von 400 km von der Einspeisestelle (Einspeisung 380 kV)! 9-4 Gegeben ist eine leerlaufende 380 kV-Freileitung nach Aufgabe 9-3. Berechnen Sie die Spannung in 300 km Entfernung vom 380 kV-Einspeisepunkt für die Übertragungsfrequenzen 50 Hz und 60 Hz! 9-5 Eine 380 kV-Freileitung hat als Dreierbündel eine natürliche Leistung von 550 MW, als Viererbündel von 650 MW. Wie groß sind die Wellenwiderstände dieser Leitungen? Begründen Sie die Unterschiede auf der Grundlage der konstruktiven Besonderheiten beider Bündelleiterarten! 9-6 Konstruieren Sie anhand der Gl. (9.14) ein qualitatives Zeigerdiagramm der Fernleitung mit den vorkommenden elektrischen Größen für a) ohmisch-induktive Last (ϕ2 > 0) b) ohmisch-kapazitive Last (ϕ2 < 0) am Leitungsende. Wie verhält sich in beiden Fällen die Spannung längs der Leitung?
9.8 Übungsaufgaben
343
Da die Last nicht rein ohmisch ist, liegt kein natürlicher Betrieb vor. Welcher der beiden Betriebsfälle ist übernatürlich, welcher unternatürlich? Begründen Sie Ihre Antwort! 9-7 Drei Gebäude eines Industriebetriebes mit den im Lageplan nach Bild 9.51 angegebenen Daten sollen an eine Transformatorenstation 20 kV/0,4 kV angeschlossen werden. Es wird durchgehend ein Kabel mit den Konstanten R' = 0,184 Ω/km und L' = 0,25 mH/km verwendet. Wie groß ist der maximale Spannungsfall? Für alle Gebäude gilt cos ϕ = 0,8. 9-8 Ein Drehstromasynchronmotor von 22 kW soll über ein 200 m langes Kabel an eine Transformatorenstation 20 kV/0,4 kV 50 Hz angeschlossen werden. Der Motor hat einen Wirkungsgrad von 90,5 %, einen Leistungsfaktor von 0,91. Der Spannungsfall darf höchstens 6 % betragen. Es wird zunächst ein Kabel NYY 4 × 16 mm2 vorgesehen, für das einer Datentabelle die Leitungskonstanten R' = 1,36 Ω/km und L' = 0,27 mH/km entnommen werden können. Kontrollieren Sie, ob der vorgegebene Spannungsfall mit diesem Kabel eingehalten wird! Wenn ja, prüfen Sie nach, ob vielleicht auch ein Kabel NYY 4 × 10 mm2 (R' = 2,16 Ω/km, L' = 0,3 mH/km) ausreicht (Kupfereinsparung)! 9-9 Welche Aussagen sind richtig: a) Kabel besitzen einen größeren Wellenwiderstand als Freileitungen b) Der Kapazitätsbelag von Freileitungen ist kleiner als der von Kabeln c) Der Induktivitätsbelag von Kabeln ist größer als der von Freileitungen d) Die natürliche Leistung von Kabeln ist bei gleicher Bemessungsspannung größer als die natürliche Leistung von Freileitungen e) Fehlersuche und Reparatur sind bei Kabeln leichter und billiger als bei Freileitungen. 9-10 In einem TN-C-Netz 400 V/230 V 50 Hz berührt eine Person (Körperwiderstand RK = 2000 Ω) aus Versehen einen Außenleiter. Berechnen Sie Körperstrom und Berührungsspannung für den Fall, dass die Person a) auf einem PVC-Boden mit dem Widerstand 150 kΩ b) auf feuchtem Boden mit dem Widerstand 3 kΩ steht. Alle anderen Widerstände im Fehlerstromkreis können vernachlässigt werden. Fertigen Sie eine Skizze des Fehlerstromkreises an und diskutieren Sie das Ergebnis unter dem Aspekt der Sicherheit!
Bild 9.51
Zur Aufgabe 9-7
10 Elektrische Messtechnik 10.1 Einleitung Elektrische Messprinzipien sind in alle Gebiete der Technik eingedrungen. Das liegt daran, dass sie empfindlich und genau sind, dass sich elektrische Messwerte beliebig verstärken und über große Entfernungen relativ störunempfindlich übertragen lassen und dass man sie ohne größere Probleme verarbeiten kann. Besonders die Verarbeitung in einem Rechner, bei der der Messwert in elektrischer (digitaler) Form vorliegen muss, bietet bei einer großen Zahl von Messwerten die Möglichkeit, die in ihnen enthaltenen Informationen optimal auszuschöpfen und in komfortabler Weise zur Anzeige zu bringen. Dabei ist äußerst wichtig, dass sich nahezu alle physikalischen Größen durch geeignete Aufnehmer (Messfühler, Sensoren) in elektrische umwandeln lassen, so dass die erheblichen Vorteile der elektrischen Messtechnik auch auf dem Gebiet der Messung nichtelektrischer Größen nutzbar sind. Entsprechend dem in diesem Buch gesteckten Rahmen werden wir nur die allerwichtigsten Prinzipien elektrischer Messtechnik aufzeigen, um den Leser in die Lage zu versetzen, grundlegende Messverfahren selbst auswählen bzw. beurteilen zu können. Darüber hinausgehend geben wir einen Überblick zum Einsatz von Personalcomputern (PC’s) in der elektrischen Messtechnik.
10.2 Grundlegende Begriffe der elektrischen Messtechnik Empfindlichkeit. Der sichtbare Teil eines klassischen Messinstrumentes ist die Skala mit dem auf ihr gleitenden Zeiger. Dieser Zeiger kann prinzipiell alle Stellungen innerhalb des Anzeigebereichs annehmen, weshalb wir ein solches Gerät als analoges Messgerät bezeichnen (zu analogen und digitalen Größen s. Abschnitt 7.5.2). Eine derartige Anordnung ist umso empfindlicher, je weiter der Zeiger ausschlägt, wenn sich die Messgröße um einen bestimmten Betrag d M ändert. Der Zeigerausschlag kann dabei eine Länge oder ein Winkel sein, so dass sich für die Empfindlichkeit schreiben lässt: dl dα E= E= (10.1) dM dM Auf diese Weise können wir z.B. für einen Spannungsmesser die Empfindlichkeitswerte in cm/V, in grad/V oder auch in Skalenteile/V angeben. Die Empfindlichkeit kann von der Zeigerposition abhängen. Bei einer linear geteilten Skala ist die Anzeigeempfindlichkeit stets dieselbe. Bei digitalen, d.h. in Ziffern anzeigenden Messgeräten, ist die Empfindlichkeit dem Ziffernschritt ǻZ bei gegebener Messgrößenänderung ǻM proportional: ΔZ E= (10.2) ΔΜ Bei einem Digitalvoltmeter wird sie demzufolge in V –1 angegeben. Unsicherheit bei Messungen. Bei jeder Messung besteht das Ziel darin, den „wahren“ Wert der Messgröße zu ermitteln. Jeder Messwert x weicht allerdings mehr oder weniger von diesem wahren Wert xW ab: x – xw = e
(10.3)
10.2 Grundlegende Begriffe der elektrischen Messtechnik
345
e nennt man Messabweichung. Sie setzt sich aus der systematischen Messabweichung es und der zufälligen Messabweichung er zusammen: e = es + er
(10.4)
Beide werden durch den Messvorgang selbst und das Messgerät beeinflusst. es hat ihre wesentlichen Ursachen in der Unvollkommenheit der Messgeräte und Messverfahren sowie in erfassbaren Umgebungseinflüssen. Eine systematische Messabweichung hat in der Regel bekannte Gründe und kann im Messergebnis berücksichtigt werden. Beispiele sehen wir im Bild 10.1, welches Schaltungen zur Bestimmung des Widerstandes Rx aus einer Messung von Strom und Spannung darstellt. Der Quotient der Messwerte von I und U muss korrigiert werden, um das richtige Messergebnis zu bekommen. Im Bildteil a muss U/I verkleinert werden, da die Spannung an der Reihenschaltung von Rx und RAi (Innenwiderstand des Strommessers) gemessen wird und demzufolge zu groß ausfällt. Im Bildteil b hingegen wird ein zu kleiner Wert gemessen, weil der Strom nicht nur den Anteil über Rx, sondern auch den Teilstrom U/RVi über den Spannungsmesser mit dem Innenwiderstand RVi enthält.
Bild 10.1
Systematische Messabweichung a) der Spannung b) des Stromes
Beide Beispiele zeigen die für systematische Messabweichungen typischen Eigenschaften: Sie lassen sich aus den Daten der Messgeräte quantitativ ermitteln, und es ist bekannt, in welcher Richtung sie wirken (das Messergebnis vergrößernd oder verkleinernd). Deshalb sind diese Fehler grundsätzlich korrigierbar. Unterlässt man die Korrektur, sind die Messergebnisse unrichtig. Zufällige Messabweichungen sind in der Regel Ablesefehler und nicht beherrschbare Einflüsse des Messgerätes, der Messgröße und/oder der Umwelteinflüsse. Sie verursachen eine Streuung der Messwerte. Da sie nicht beherrschbar, sondern zufälliger Natur sind, kann man sie nicht korrigieren. Sie machen das Messergebnis nicht unbedingt unrichtig, in jedem Falle aber unsicher. Hat man systematische Messabweichungen korrigiert, ist die Messunsicherheit u des Messergebnisses nach Methoden der mathematischen Statistik berechenbar. Misst man beispielsweise eine Größe n mal bei gleichen Bedingungen und bildet das arithmetische Mittel x und die (empirische) Standardabweichung s=
1 n ¦ ( xi − x )2 n − 1 i =1
(10.5)
all dieser Messwerte, kann man x als Schätzwert für den wahren Wert der Messgröße benutzen und aus s die Messunsicherheit u berechnen. Das vollständige Messergebnis wird dann in der Form x = x ± u angegeben. Man kann erwarten, dass der wahre Wert in dem Bereich zwischen x – u (Untergrenze) und x + u (Obergrenze) liegt.
346
10 Elektrische Messtechnik
Fehlerfortpflanzung. Die Beispiele in Bild 10.1 zeigen ein weiteres Problem. Hier wird nämlich der Widerstand Rx messtechnisch nicht direkt bestimmt, sondern aus zwei direkten Messwerten berechnet. Da diese mit Messabweichungen behaftet sind, muss es auch der Rechenwert von Rx sein. Die Messabweichungen pflanzen sich in der Berechnung fort. Wird aus n Messwerten x1 … xn mit den Messabweichungen e1 … en eine Größe g nach der Gleichung g = f (x1 … xn) berechnet, ist die gesamte Abweichung des Rechenergebnisses, d.h. der Größe g, durch deren totales Differenzial gegeben: eg =
δ f δ f δ f e1 + e2 + ! + en δ x1 δ x2 δ xn
(10.6)
Gl. (10.6) ist das Fortpflanzungsgesetz für systematische Abweichungen. Bei bekannten systematischen Messabweichungen können die Vorzeichen in Gl. (10.6) positiv oder negativ, je nach ihrer Wirkungsrichtung, sein. Bei der Berücksichtigung der Messabweichungen von Messgeräten, die aus deren Genauigkeitsklasse abgeleitet werden können, ist darauf zu achten, dass das Vorzeichen nicht bekannt ist, weshalb in Gl. (10.6) die Absolutbeträge der Summanden einzusetzen sind. eg ist dann als größtmögliche Abweichung zu werten. Kompensieren sich systematische Abweichungen oder kann man mit ihnen das Ergebnis entsprechend korrigieren, wird die Unsicherheit des Berechnungsergebnisses für g von den Unsicherheiten u1 … un der einzelnen Messwerte x1 … xn bestimmt. Sie berechnet sich aus: 2
2
2
§δ f · 2 § δ f · 2 §δ f · 2 ug = ¨ ¸ u1 + ¨ ¸ u2 + ! + ¨ ¸ un x x δ δ © 1¹ © 2¹ © δ xn ¹
(10.7)
Gl. (10.7) stellt das Fortpflanzungsgesetz der Messunsicherheiten dar. Genauigkeitsklasse. Elektrische Messgeräte werden in Genauigkeitsklassen, die eine Aussage zu ihrer Messabweichung machen, eingestuft. Dabei unterscheiden wir Feinmessgeräte mit den Klassen 0,1, 0,2 und 0,5 sowie Betriebsmessgeräte mit den Klassen 1,0, 1,5, 2,5, 5,0 und 10,0. Die Genauigkeitsklasse gibt die auf den Messbereichsendwert bezogene maximale Messabweichung des Gerätes an. Beispiel: Ein Strommesser mit dem Skalenendwert 200 A habe die Genauigkeitsklasse 1,5. Die Messabweichung ist dann ± 3 A. Dieser Wert gilt für die gesamte Skala. Ein Messwert von z.B. 50 A ist somit ebenfalls mit einem Fehler von ± 3 A behaftet, was, auf den Messwert selbst bezogen, bereits ± 6 % sind.
Aus diesem Beispiel ergibt sich eine einfache Regel für elektrische Messungen. Sie besagt, dass man Messgröße und Messgerät so aufeinander abstimmen soll, dass die Anzeige im oberen Drittel der Skala erfolgt. Die Genauigkeitsklasse ist auf der Instrumentenskala abgedruckt. Die aus ihr ableitbare systematische Abweichung ist bei der geschilderten indirekten Messung in der Fehlerfortpflanzung zu berücksichtigen. Sinnbilder für elektrische Messgeräte. Auf der Skala sind neben der Genauigkeitsklasse weitere Sinnbilder angebracht, von denen Bild 10.2 eine Vorstellung gibt. Es sind auch die wichtigsten Messwerke dargestellt, die in ihrer prinzipiellen Form bereits zu Beginn des elektrischen Messens eingesetzt wurden. Seitdem sind sie immer weiter vervollkommnet worden. Sie besitzen heute noch eine überragende Bedeutung für die gesamte elektrische Messtechnik. Deshalb wollen wir im nächsten Abschnitt näher auf sie eingehen.
10.3 Elektrische Messwerke
Bild 10.2
347
Auswahl wichtiger Sinnbilder für Messinstrumente
10.3 Elektrische Messwerke 10.3.1 Drehspulmesswerk Dieses zu den häufigsten Messgeräten gehörende Messwerk beruht auf der Kraftwirkung auf eine stromdurchflossene Leiterschleife oder Spule im Magnetfeld nach Gl. (2.70). Dabei ist das Feld radialhomogen ausgebildet (s. Bild 10.3), so dass das wirkende Drehmoment unabhängig vom Drehwinkel ist, weil Flussdichte und Strom stets senkrecht aufeinander stehen: M=2Fr=2BIlNr
(10.8)
Darin sind B die magnetische Induktion im Luftspalt des Magneten, I der zu messende Spulenstrom, l die Länge der Spule im Magnetfeld, N ihre Windungszahl und r der Spulenradius. Die Spule ist über eine Feder gefesselt, kann sich also unter dem Einfluss des Drehmomentes nicht beliebig weit drehen. Das von der Feder ausgeübte Gegenmoment ist dem Auslenkungswinkel der Spule proportional: Mf = kf α
(10.9)
Für jeden Stromwert stellt sich Momentengleichgewicht (M = Mf) ein. Es folgt durch Gleichsetzen von (10.8) und (10.9):
α =
2ΒΙ l Ν r = kI kf
(10.10)
Der Ausschlagwinkel ist dem Strom proportional. Das Drehspulmesswerk besitzt somit eine linear geteilte Skala. k ist eine Gerätekonstante. Es kann nicht nur ein Strom, sondern auch eine Spannung gemessen werden, denn sie erzeugt einen durch den Widerstand der Drehspule bestimmten, ihr proportionalen Strom.
Bild 10.3
Drehspulmesswerk
348
10 Elektrische Messtechnik
Da das Auslenksystem nach Bild 10.3 eine relativ große Massenträgheit besitzt, kann sich die Spule bei reinem Wechselstrom nicht bewegen (Ausnahme ist die bei Lichtstrahloszilloskopen genutzte Sonderkonstruktion, s. Abschnitt 10.4.3). Deshalb sind Drehspulmesswerke typische Anzeigeräte für Gleichströme und Gleichspannungen. Sie zeigen bei pulsförmigen Strömen und Spannungen den arithmetischen Mittelwert an. Zur Messung reiner Wechselgrößen ist ein Gleichrichter erforderlich. Die empfindlichsten elektromechanischen Messwerke überhaupt entstehen, wenn man den Zeiger nach Bild 10.3 durch einen Lichtstrahl ersetzt. Dabei ist an der Drehspule ein kleiner Spiegel befestigt, auf den ein Lichtstrahl fällt, der nach Reflexion am Spiegel und nach mehrfacher Umlenkung durch optische Einrichtungen auf die Anzeigeskala trifft (Spiegel- oder Lichtmarkengalvanometer). Die Umlenkung entspricht einer Zeigerverlängerung bis zu mehreren Metern. Entsprechend wird die Auslenkung vergrößert. Außerdem wird die Spule nicht gelagert, sondern an dünnen Spannbändern aufgehängt, wodurch ein extrem kleines Federgegenmoment erreichbar ist. Durch diese Maßnahmen ergeben sich Empfindlichkeitswerte in der Größenordnung von mm/nA, so dass sich Ströme im 10–9 A-Bereich messen lassen. Mit Drehspulmesswerken kann man Genauigkeitsklassen von 0,1 realisieren. Sie besitzen auch noch im Zeitalter des Vordringens elektronischer Lösungen eine hervorragende Bedeutung.
10.3.2 Dreheisenmesswerk Das Dreheisenmesswerk (Weicheisenmesswerk) ist in Bild 10.4 in der Variante des Rundspultyps dargestellt. Ein bewegliches und ein festes Eisenplättchen werden gleichsinnig durch das in der Spulenachse vom zu messenden Strom erzeugte Magnetfeld aufmagnetisiert. Es findet eine Abstoßung der Pole statt, was zu einem Ausschlag des beweglichen Teiles, das fest mit dem Zeiger verbunden ist, führt. Weil sowohl das Feld in der Spule als auch die Magnetisierung der Eisenplättchen stromproportional sind, ergibt sich für den Auslenkungswinkel:
α = k I2
(10.11)
Das Dreheisenmessinstrument besitzt eine quadratische Skala, die durch besondere Formgebung der Eisenplättchen weitgehend linearisiert werden kann. Da I2 stets positiv ist, hängt der Ausschlagwinkel nicht von der Stromrichtung ab. Weil aus I2 der Stromeffektivwert gebildet wird (s. Gl. (5.11)), dient ein Dreheisenmessinstrument zur Messung dieses Wertes. Eine an die Spule gelegte Spannung zieht einen proportionalen Strom nach sich, so dass dieses Messwerk auch zur Messung des Effektivwertes von Spannungen dienen kann. Das Dreheisenmesswerk ist weit verbreitet, besonders als Schalttafelinstrument mit der Genauigkeitsklasse 1,5. Es ist mechanisch robust und elektrisch hoch überlastbar.
Bild 10.4
Dreheisenmesswerk
10.3 Elektrische Messwerke
349
10.3.3 Elektrodynamisches Messwerk Das elektrodynamische Messwerk ist wie ein Drehspulmesswerk aufgebaut, besitzt aber anstelle des dort üblichen Dauermagneten einen Elektromagnet (s. Bild 10.5). Schicken wir durch die erste Spule den Strom I1, durch die zweite den Strom I2, ist der Ausschlagwinkel des Zeigers dem Produkt dieser beiden Ströme proportional. Außerdem hängt er von der Phasenverschiebung der beiden Ströme untereinander ab:
α = k I1 I2 cos (I1; I2)
(10.12)
Schalten wir die beiden Spulen in Reihe, können wir den sie durchfließenden Strom bzw. die an ihnen liegende Spannung messen. Die Skala ist dann quadratisch geteilt, weil in diesem Falle I1 = I2 gilt.
Bild 10.5
Elektrodynamisches Messwerk
Am weitaus häufigsten wird das elektrodynamischen Messwerk jedoch auf einem anderen Gebiet eingesetzt. Wenn wir z.B. an die Spule 1 die Spannung U legen und durch die Spule 2 den Strom I2 = I schicken, ist mit I1 ~ U der Ausschlagwinkel nach Gl. (10.12) dem Produkt U I cos (U; I), d.h. der Wirkleistung proportional (s. die Gl. (5.79). Deshalb liegt die typische Anwendung des elektrodynamischen Messwerkes auf dem Gebiet der Messung von Wirkleistungen in Wechselund Drehstromkreisen. Wir werden im Abschnitt 10.5.3 die dabei angewendeten Messverfahren ausführlicher erörtern.
10.3.4 Induktionsmesswerk Der Aufbau des Induktionsmesswerkes ergibt sich aus Bild 10.6. Die Spule 1 heißt Spannungsspule und hat gegenüber der Stromspule 2 eine so hohe Induktivität, dass der Strom I1 gegenüber dem Strom I2 um 90° nacheilt. Die um den gleichen Winkel phasenverschobenen Wechselmagnetflüsse rufen in der Aluminiumscheibe, die sich in den Luftspalten der beiden Magnete befindet, Wirbelströme hervor. Diese erzeugen im Zusammenwirken mit den Flüssen ein Drehmoment, das die Scheibe in Rotation versetzt: MA = k1 U I cos ϕ
(10.13)
Durch einen an der Scheibe angeordneten Dauermagneten (Bremsmagnet) wird, ebenfalls über die Induktion von Wirbelströmen an dieser Stelle, ein drehzahlproportionales Gegenmoment Mw wirksam: Mw = k2 n
(10.14)
Stationär herrscht Momentengleichgewicht MA = Mw, woraus für die Drehzahl der Scheibe folgt: k n = 1 U I cos ϕ = k U I cos ϕ k2
(10.15)
350
10 Elektrische Messtechnik
n lässt sich durch die Zahl der Umdrehungen z in der verstrichenen Zeit t als n = z/t darstellen, so dass sich aus Gl. (10.15) für z ergibt: z = k U I t cos ϕ = k Wel
(10.16)
Durch Abzählen der Anzahl der Umdrehungen der Aluminiumscheibe können wir die elektrische Energie bzw. den elektrischen Energiebezug von Verbrauchern messen. Dieses Prinzip findet deshalb in den Elektrizitätszählern Anwendung. Der Wert der Konstante k, z.B. 75 Umdrehungen pro kWh, ist vom Typschild des Zählers ablesbar. Für einen Zähler der beschriebenen Art wird oft auch die Bezeichnung Ferrariszähler verwendet.
Bild 10.6
Induktionsmesswerk
10.4 Messgeräte 10.4.1 Vielfachmesser Für Wartungs-, Reparatur- und Laborarbeiten ist ein Gerät wünschenswert, mit dem die am häufigsten vorkommenden elektrischen Größen wie Strom, Spannung und Widerstand durch einfaches Umschalten auf der gleichen Skala zur Anzeige gebracht werden können. Solche Geräte heißen Vielfachmesser und sind besonders flexibel einsetzbar. Es gibt analog und digital anzeigende, wobei sich eingebürgert hat, nur die ersteren als Vielfachmesser, die letzteren aber als Digitalmultimeter zu bezeichnen.
Bild 10.7
Analogvielfachmesser (Werkfoto Hartmann & Braun)
10.4 Messgeräte
351
Analoge Vielfachmesser. Bild 10.7 zeigt die äußere Ausführung eines solchen Messgerätes. Als Messwerk wird ein Drehspulsystem nach Abschnitt 10.3.1 benutzt. Beim Umschalten von Gleichauf Wechselstrommessung wird ein Messgleichrichter vorgeschaltet. Die verschiedenen Messbereiche bzw. Messbereichsendwerte werden bei der Spannungsmessung durch Vorwiderstände, bei der Strommessung durch Parallelwiderstände (Shunts) verwirklicht (s. die Textbeispiele in den Abschnitten 4.2.2.1 und 4.2.2.2). Die Widerstandsmessung erfolgt über die Bestimmung des Spannungsabfalls aus bekanntem Strom, der von einer eingebauten Batterie erzeugt wird. Mit Vielfachmessern können Ströme von etwa 10 μA bis 10 A, Spannungen von etwa 100 mV bis 1000 V und Widerstände von 0 Ω bis 10 MΩ gemessen werden. Um den Stromkreis, in dem die Messungen durchgeführt werden, möglichst wenig zu beeinflussen, ist ein sehr großer Widerstand des Messinstrumentes bei der Spannungs- und ein sehr kleiner Widerstand bei der Strommessung erforderlich (s. Abschnitt 10.5.1). Durch Einsatz von Feldeffekttransistoren und Operationsverstärkern in den Vielfachmessern ist es gelungen, bei der Spannungsmessung Eingangswiderstände von 10 MΩ und bei der Strommessung Spannungsabfälle von < 50 mV zu erreichen. Spezielle Ausführungen von Vielfachmessern gestatten auch die Bestimmung von Kapazitäten sowie Verstärkungs- und Dämpfungsmessungen. Digitalmultimeter. In Digitalmultimetern wird der Messwert digitalisiert und in Form von Ziffern zur Anzeige gebracht (s. Bild 10.8). Da die dazu erforderlichen Analog-Digital-Umsetzer nur Spannungen verarbeiten können (im Gegensatz zu den im Abschnitt 10.3 dargestellten Messwerken, die nur Ströme zur Anzeige bringen), ist bei der Strom- und Widerstandsmessung eine Umwandlung dieser Größen in eine Spannung erforderlich. Deshalb sind Digitalmultimeter grundsätzlich anders aufgebaut als analoge Vielfachmesser. Ihre Baugruppen sind im wesentlichen: Wandler von Strom bzw. Widerstand in Spannung, Gleichrichter bei Wechselgrößen, Spannungsteiler zur Auswahl der verschiedenen Messbereiche, Analog-Digital-Umsetzer, Dekodierer für die Ansteuerung der Ziffernanzeige und entsprechende Steuerschaltungen.
Bild 10.8
Digitalmultimeter (Werkfoto Hartmann & Braun)
Digitalmultimeter haben den Vorteil, dass keine Ablesefehler auftreten und bei entsprechendem Aufwand eine beliebig hohe Anzeigegenauigkeit erreicht werden kann. Ihr Nachteil ist, dass durch die Abtastung der Messgröße in endlichen Zeitabständen und die für ihre Umwandlung und Anzeige erforderliche Zeit eine schnelle Verfolgung sich zeitlich ändernder Größen schwierig sein kann. Dieser Nachteil ist bei analog anzeigenden Geräten nicht gegeben. Mit ihnen kann man wesentlich leichter tendenzielle Entwicklungen der Messgröße verfolgen.
352
10 Elektrische Messtechnik
10.4.2 Elektronenstrahloszilloskope Das Elektronen- oder Katodenstrahloszilloskop (s. Bild 10.9) ist eines der universellsten Geräte und für anspruchsvolle Messaufgaben einsetzbar. Mit ihm ist es möglich, zeitliche Verläufe von Messgrößen innerhalb kürzester Zeitintervalle darzustellen und bei entsprechender Oszilloskopausführung auch zu registrieren. Das Herzstück eines jeden Elektronenstrahloszilloskopes ist die Elektronenstrahlröhre, die sich von der Bildröhre eines Fernsehapparates prinzipiell nicht unterscheidet. Sie ist in Bild 10.10 dargestellt. Aus einer Glühkatode werden Elektronen emittiert, in einem speziellen, hier nicht dargestellten elektronenoptischen System fokussiert und durch eine hohe positive Anodenspannung beschleunigt, so dass sie mit hoher Geschwindigkeit auf den Bildschirm treffen. Die dort befindlichen Phosphore werden unter dem Elektronenbeschuss zum Leuchten angeregt, so dass der Auftreffpunkt sichtbar wird. Die Helligkeit des Leuchtpunktes ist über die Gitterspannung der Röhre, die die Stärke des Elektronenstromes steuert, mittels eines Bedienknopfes einstellbar.
Bild 10.9
Elektronenstrahloszilloskop (Werkfoto Hewlett Packard)
Legen wir z.B. eine sinusförmige Spannung an die Y-Platten, entsteht zwischen den Platten ein dieser Spannung proportionales elektrisches Feld, das mit einer Kraftwirkung (s. Gl. (1.24)) auf die Elektronen des Strahls in vertikaler Richtung verbunden ist. Auf dem Schirm, dessen Phosphore eine gewisse Nachleuchtdauer besitzen, wird folglich ein senkrechter Strich gezeichnet, dessen Länge der Amplitude der angelegten Spannung proportional ist. Damit geben wir uns jedoch nicht zufrieden. Wir wollen vielmehr auch die Form des Spannungssignals, d.h. seinen zeitlichen Verlauf erkennen, was uns auf folgende Weise gelingt: Wir legen an die X-Platten der Röhre ebenfalls eine Spannung und lassen diese Spannung linear in der Zeit ansteigen. Fehlt das Signal an den y-Platten, zeichnet der Elektronenstrahl einen waagerechten Strich auf den Schirm. Sind aber sowohl das (lineare) X-Signal als auch das (beliebige) Y-Signal vorhanden, wird der Elektronenstrahl von links nach rechts über den Bildschirm geführt und zeichnet gleichzeitig die entsprechenden Leuchtpunkte in der Vertikalen auf. Das Y-Signal wird damit in X-Richtung „auseinandergezogen“ und ist so in seinem natürlichen zeitlichen Verlauf als zusammenhängende Kurve auf dem Bildschirm erkennbar. Dabei wird umso mehr auseinandergezogen, je schneller die Spannung an den X-Platten ansteigt. Ist der Elektronenstrahl am rechten Bildrand angelangt, können wir ihn durch Verkleinerung der Spannung an den X-Platten wieder zurückbewegen, so dass eine erneute Aufzeichnung erfolgen kann. Während der Rückbewegung erfolgt „Dunkelsteuerung“ der Röhre, indem der Elektronenstrahl durch eine negative Gitterspannung unterbrochen wird.
10.4 Messgeräte
Bild 10.10
353
Elektronenstrahlröhre
Aus dieser Darstellung der Funktionsweise eines Oszilloskops folgt sein grundsätzlicher Aufbau. Es besteht aus einem X- und einem Y-Teil, wie aus Bild 10.11 ersichtlich ist. Das darzustellende Signal wird am Y-Eingang des Oszilloskops angeschlossen, durch einen Y-Verstärker verstärkt und auf die Y-Platten der Elektronenstrahlröhre gegeben. Die zeitlinear ansteigende Spannung wird durch einen internen Kippgenerator erzeugt. Wegen ihres charakteristischen Aussehens mit dem kürzeren dunkelgesteuerten Rücklauf heißt sie Sägezahnspannung (auch Kippspannung). Sie wird nach dem Durchlaufen des X-Verstärkers an die X-Platten gelegt.
Bild 10.11
Blockschaltbild eines Oszilloskops
Um ein stehendes Bild zu erhalten, muss der Y-Kanal getriggert werden. Triggerung heißt, dass der zeitlineare Anstieg der Spannung des X-Kanals erst dann beginnt, wenn die Messspannung am Eingang Y einen bestimmten einstellbaren Wert erreicht. Erst ab diesem Wert erfolgt die Aufzeichnung. Durch entsprechende Einstellung der Triggerspannung ist es möglich, besonders wichtige Stellen des Oszillogramms auszuschneiden und durch einen genügend steilen Sägezahn der X-Spannung zu vergrößern. Bei einem Oszilloskop besteht die Möglichkeit, mehr als nur ein Messsignal auf dem Bildschirm zur Anzeige zu bringen. Am weitesten verbreitet sind die Zweikanaloszilloskope, deren prinzipielle Wirkungsweise Bild 10.12 zeigt. Bei ihnen legt ein elektronischer Schalter (gewöhnlich ein Multivibrator nach Abschnitt 7.5.4.2.1) mit hoher Frequenz abwechselnd die Messsignale YA und YB an den gemeinsamen Y-Verstärker und von ihm an die Y-Platten. Dabei werden beide Signale Punkt für Punkt alternierend auf dem Bildschirm aufgebaut, was wegen der Trägheit des menschlichen Auges nicht bemerkt wird. Beim Zweikanaloszilloskop ist nur eine Sägezahnspannung an den X-Platten erforderlich. Dieses Prinzip ist auf mehr als zwei Kanäle ausdehnbar.
354
10 Elektrische Messtechnik
Bild 10.12
Blockschaltbild eines Zweikanaloszilloskops
Speicheroszilloskope sind in der Lage, Messsignale nicht nur auf einem Schirm bildlich darzustellen, sondern sie auch festzuhalten, um sie später wieder sichtbar zu machen. Dabei können mehrere Signale miteinander verglichen werden, auch wenn sie nicht gleichzeitig aufgetreten sind. Wir unterscheiden analoge und digitale Speicheroszilloskope. Analoge Speicheroszilloskope. Bei ihnen wird durch den Elektronenstrahl eine zunächst unsichtbare Spur gezeichnet, die durch nachträgliches „Fluten“, ebenfalls mit Elektronen, sichtbar gemacht werden kann. Die Speicherzeit beträgt bis zu mehreren Stunden. Analoge Speicheroszilloskope eignen sich besonders für das Festhalten von ein- oder zweimaligen Vorgängen. Treten mehrere Messsignale auf, kann die Übersichtlichkeit auf dem Bildschirm verlorengehen. Digitale Speicheroszilloskope. Die zurzeit wohl universellsten Messgeräte sind die digitalen Speicheroszilloskope, die auch einfach als Digitaloszilloskope bezeichnet werden. Bei ihnen wird das Messsignal durch Analog-Digital-Umsetzer digitalisiert und in einem Halbleiterspeicher (RAM) abgelegt. Von dort kann es entweder sofort oder nach beliebig langer Zeit abgerufen und auf dem Bildschirm dargestellt werden. Weil die Messsignale fest im Speicher bereit liegen, ist es möglich, mit ihnen beliebige Manipulationen auszuführen. Man kann sie beispielsweise durch mathematische oder logische Operationen miteinander verknüpfen oder sie von den Speichern auf Schreiber oder Rechner geben usw.. Es existieren hier kaum Grenzen der Handhabung und Auswertung von Messsignalen.
Bild 10.13
Prinzip des Samplingoszilloskops
Samplingoszilloskope. Die obere Frequenzgrenze auswertbarer Messsignale für gewöhnliche Elektronenstrahloszilloskope liegt bei etwa 1 GHz = 109 Hz. Durch Ausnutzen des Abtastprinzips gelingt es, den Frequenzbereich bis über 10 GHz hinaus zu erweitern. Voraussetzung dabei ist Periodizität des auf dem Bildschirm darzustellenden Signals. Bild 10.13 zeigt das Prinzip. Das Signal
10.4 Messgeräte
355
mit der Periodendauer T wird in Zeitabständen T + ǻT abgetastet und der Abtastwert als Leuchtpunkt auf dem Bildschirm markiert. Beim Ablauf von mehreren Perioden der Messspannung wird dabei nur eine Periode sichtbar gemacht und die horizontale Bewegung des Elektronenstrahls entsprechend verlangsamt. Es tritt ein Zeitdehneffekt auf, der die Auswertung des Signals vereinfacht.
10.4.3 Registriergeräte Mit Registriergeräten ist es möglich, Messwerte und ganze Kurvenverläufe aufzuzeichnen, um sie einer späteren Auswertung zugänglich zu machen oder um eine bessere Beurteilung durch Darstellung der zeitlichen Aufeinanderfolge von Messwerten zu ermöglichen (Strenggenommen gehören dazu auch die Speicheroszilloskope). Es werden Linienschreiber, Punktschreiber und Kompensationsschreiber unterschieden. Linienschreiber. Linienschreiber sind dem Prinzip nach Messwerke, die anstelle des Zeigers ein an einem Hebel angebrachtes Schreiborgan (Röhrchenfeder, Kugelschreiber oder Tintenstrahl) besitzen. Dieses gleitet auf einem Papierregistrierstreifen, der von einem kleinen Synchronmotor angetrieben wird und zeichnet so die Messwertkurve auf. Dabei sind alle im Abschnitt 10.3 beschriebenen Messwerke einsetzbar. Wird der mit dem Messwerk fest verbundene Schreibhebel durch einen mehrfach umgelenkten Lichtstrahl (s. das Prinzip des Lichtmarkengalvanometers nach Abschnitt 10.3.1) ersetzt, erhalten wir einen Lichtstrahloszillografen. Hierbei wird der Lichtstrahl auf Fotopapier gelenkt und die Bewegung der Messwerkspule aufgezeichnet. Die Spule muss den Stromänderungen folgen können, was durch extrem kleine Massen der Auslenkorgane erreicht wird. Deshalb werden für solche Geräte Grenzfrequenzen angegeben, die bis zu 15 kHz reichen. Eine mehrkanalige Aufzeichnung ist möglich. Punktschreiber. Beim Linienschreiber sind wegen der unvermeidlichen Reibung zwischen Schreiborgan und Registrierpapier große Einstellmomente, die die Empfindlichkeit nachteilig beeinflussen, erforderlich. Deshalb wurden Punktschreiber entwickelt, die die Schreibfeder nur in bestimmten Zeitabständen auf das Papier aufsetzen. Dazu wird ein so genannter Fallbügel über eine Kurvenscheibe intervallweise angehoben und danach gegen das Papierband gedrückt. Das Messwerk kann nacheinander auf verschiedene Messgrößen geschaltet werden, so dass mehrkanalige Aufzeichnung möglich ist. Bei Benutzung von Farbbändern können die Kanalaufzeichnungen entsprechend kenntlich gemacht werden.
Bild 10.14
Prinzip des Kompensationsschreibers
Kompensationsschreiber. Linien- und Punktschreiber arbeiten nach dem Ausschlagverfahren, das sich für sehr genaue Messungen nicht eignet. Besser sind in dieser Hinsicht die so genannten Kompensationsverfahren, deren Prinzip in Bild 10.14 erläutert ist. Der zu messenden Spannung Ux wird eine hochkonstante Quellenspannung Uq über einen Spannungsteiler entgegengeschaltet. Der Abgriff an RM wird solange verstellt, bis der Strom durch den Widerstand RA Null ist. Dann heben sich U1 und Ux gegenseitig auf und es gilt in diesem Falle: R1 Ux = Uq (10.17) R ges
356
10 Elektrische Messtechnik
Die unbekannte Spannung ist aus der bekannten Hilfsspannung Uq und der Verstellung des Abgriffs am Potenziometer bestimmbar. R1 ist Ux und dem Verstellweg l proportional. Koppelt man den Abgriff mit einem Schreibsystem, wird dieser Weg und damit die Spannung Ux aufgezeichnet. In der Praxis wird der über RA auftretende Spannungsabfall verstärkt und auf einen Motor geschaltet, der den Abgriff verstellt. Sobald der Strom über RA Null ist, bekommt der Motor keine Spannung mehr und bleibt stehen. Der zu dem eingestellten l gehörige Punkt kann auf den Registrierstreifen des Schreibers gebracht werden. Der große Vorteil dieses Verfahrens ist, dass der zu messenden Signalquelle Ux im Abgleichzustand keinerlei Strom entnommen wird und daher keine Verfälschung von Ux stattfinden kann.
Bild 10.15
XY-Schreiber
Die bisher betrachteten Schreiber gewährleisteten die Darstellung einer beliebigen Messgröße über der Zeit. Mit dem ebenfalls nach dem Kompensationsprinzip arbeitenden XY-Schreiber ist es möglich, die Abhängigkeit einer bestimmten Größe von einer anderen, z.B. der Drehzahl eines Motors vom an seiner Welle wirksamen Widerstandsmoment (s. die im Abschnitt 8 behandelten Motorkennlinien) zu Papier zu bringen. Dazu sind zwei Messsysteme erforderlich, die jeweils ein Schreiborgan in einer der beiden Koordinatenrichtungen ansteuern. Das Registrierpapier liegt meist waagerecht auf einem Aufzeichnungstisch. Das Schreiborgan ist an einem in Y-Richtung beweglichen Schlitten befestigt, der seinerseits auf einem in X-Richtung geführten Schreibarm verläuft (s. Bild 10.15). Solche Aufzeichnungsgeräte heißen auch Plotter.
Bild 10.16
Speicherschreiber (Werkfoto HIOKI)
10.4 Messgeräte
357
Speicherschreiber. Neuere Entwicklungen auf dem Gebiet der Registriertechnik sind die Speicherschreiber (s. Bild 10.16), die, wie ihr Name bereits zum Ausdruck bringt, den Verlauf von Messgrößen nach entsprechender Digitalisierung in Analog-Digital-Umsetzern speichern. Die aufgenommenen Signale sind von den RAM-Speichern jederzeit abrufbar und können entweder auf einem LCD-Display dargestellt und/oder auf Papier geschrieben werden. Auf dem Display kann man besonders interessierende Ausschnitte des Messgrößenverlaufs sichten, bevor man eventuell einen Ausdruck veranlasst. Die Signale können auch sofort geschrieben werden, ohne die Speicherfunktion zu benutzen. In typischer Ausführung verfügen diese Schreiber über acht Kanäle. Die in den Kanälen aufgenommenen Größen lassen sich miteinander verknüpfen. Insbesondere sind mathematische Berechnungen und XY-Darstellungen, d.h. Darstellungen der Abhängigkeiten der Messgrößen untereinander, möglich. Alle Daten können auf Disketten oder CD’s abgelegt werden. Für die Schreiber gibt es steckbare Zusatzkomponenten zur Aufzeichnung bestimmter Signale, wie z.B. Temperatureinheiten zum direkten Anschluss an Thermoelemente. Die Speicherschreiber verwenden keine elektromechanischen Drucker mit Messwerken, sondern so genannte Thermodrucker. Bei ihnen gleitet auf einem speziellen Aufzeichnungspapier eine Druckzeile, die von vielen nebeneinander angebrachten Heizelementen mit einer Fläche von weniger als 0,1 mm2 besetzt ist. Diese Elemente werden elektrisch angesteuert und innerhalb einiger Millisekunden aufgeheizt. Sie hinterlassen hierbei einen entsprechenden Abdruck auf dem thermoempfindlichen, mit Schrittmotoren angetriebenen Registrierpapier und zeichnen so die Messkurve auf. Transientenrecorder. Vorgänge in technischen Systemen, die einmalig und meist auch zufällig vorkommen, nennt man Transienten (engl. transient, vorübergehend). Sie treten z.B. bei Schaltvorgängen oder Kurzschlüssen in elektrischen Netzen, als Stoßsignale bei Maschinen, als Schallereignisse u.v.a. auf. Da in der Regel der Zeitpunkt des Auftauchens von Transienten nicht vorhersehbar ist, ist eine fortlaufende Registrierung auf Papier unvertretbar aufwändig. Deshalb setzt man für solche Aufgaben Transientenrecorder bzw. Transientenspeicher ein. Sie tasten das analoge Signal, von dem eine Transiente erwartet wird, ständig ab, digitalisieren und transportieren es laufend in einen Digitalspeicher (RAM). Ist der Speicher voll, werden die ältesten Messwerte gelöscht, um den aktuellen Platz zu machen. Die Werte durchlaufen den Speicher vom Anfang bis zum Ende. Tritt eine Abweichung vom normalen Messverlauf, d.h. eine Transiente auf, wird noch eine gewisse einstellbare Zeit weiter aufgezeichnet und danach der Vorgang des Dateneinlesens automatisch gestoppt. Nun stehen die Messwerte vor und nach der Transiente im Digitalspeicher, wo sie beliebig lange aufbewahrt werden können. Zur Analyse werden sie ausgelesen und auf einen Schreiber, einen Rechner oder ein anderes Auswertegerät gegeben. Dabei kann der Vorgang stark verlangsamt dargestellt werden, was bei der Auswertung von Transienten und deren Vorgeschichte von großer Wichtigkeit ist. Wir sehen, dass bezüglich der Dateneinspeicherung große Ähnlichkeiten mit dem Digitaloszilloskop bestehen, weshalb man diese auch häufig Transientenrecorder nennt.
10.4.4 Zählmessgeräte Auf vielen Gebieten der Technik wendet man Zählmethoden an. Besonders bei der Messung von Drehzahlen, Frequenzen oder Periodendauern und zur Zeitmessung sind Zählmethoden mit hoher Genauigkeit vorteilhaft einsetzbar. Das Prinzip der Zählung ist in Bild 10.17 dargestellt. Ein Rechteckgenerator liefert Impulse der Periodendauer TG und der Frequenz fG = 1/TG an den Eingang eines UND-Gliedes (s. Abschnitt 7.5.4.1.1,
358
10 Elektrische Messtechnik
Bild 10.17
Prinzip der Zählmessung a) Schaltung b) Zeitdiagramme
Bild 7.82), an dessen zweiten Eingang ein Zeitgeber mit einem Impuls bekannter Länge t angeschaltet ist. Das UND-Glied arbeitet als Torschaltung, weil die Rechteckimpulse es nur dann passieren können, wenn der Zeitgeberimpuls anliegt. Der hinter dem Tor angeordnete Zähler zählt die Impulsanzahl z der Rechteckimpulsfolge und zeigt sie digital, d.h. in Ziffern an. Es gilt t = z TG = z/fG oder für z: z = fG t
(10.18)
Aus der Anzahl der während der Zeitdauer t in den Zähler eingelaufenen Impulse können wir somit bei bekannter Torzeit t die Frequenz fG des Rechteckgenerators oder wenn tG bekannt ist, die Zeit t berechnen. Wir sehen die engen Zusammenhänge zwischen Frequenz- und Zeitmessung. Geräte, mit denen solche Messungen durchführbar sind, heißen Universalzähler. Bild 10.17 b zeigt, dass die Anzahl der vom Zähler registrierten Impulse nicht nur von der Länge, sondern auch von der relativen Lage des Torzeitimpulses (Q2) in bezug auf die Rechteckimpulsfolge (Q1) abhängen kann. Der Zähler registriert jeweils die Anstiegsflanke eines Impulses, d.h., es ergibt sich z = 5 für den im Bild gezeichneten Fall. Hätte die Torzeit ein wenig früher begonnen, wären nur vier ansteigende Impulsflanken gezählt worden. Die Messabweichung von z ist demnach ǻz = 1, in bezogener Darstellung ǻz/z = 1/z. Mit Gl. (10.18) folgt für diese bezogene Messabweichung: Δz 1 = z fG t
(10.19)
oder abgekürzt mit δ = ǻz/z:
δ fG t = 1
(10.20)
Diese Gleichung wird als Grundgesetz der digitalen Messtechnik bezeichnet. Es besagt, dass bei der Frequenzmessung die Messabweichung umso kleiner gehalten werden kann, je größer man die Messzeiten macht. Kleinste Messabweichungen in kürzesten Zeiten sind nicht zu erzielen. Sind die Frequenzen niedrig, wie beispielsweise die Netzfrequenz, sind bei gleicher Genauigkeit längere Messzeiten als bei höheren Frequenzen erforderlich.
10.5 Messverfahren für elektrische Größen
359
10.5 Messverfahren für elektrische Größen 10.5.1 Messung von Strom und Spannung Um eine Strömung zu messen, ist es erforderlich, das Messgerät direkt in den Lauf der Strömung einzubringen. Wollen wir den Strom durch einen Widerstand messen, ist der Strommesser oder das Amperemeter in Reihe zu schalten, wie das im Bild 10.18 a gezeigt ist. Da sich außerdem die Messgröße I bei Einschaltung des Messinstrumentes nicht ändern darf, folgt als Bedingung für dessen Widerstand RA « R. Weil wir den Strom durch beliebige Widerstände messen wollen, müssen wir von Strommessern generell einen sehr kleinen Widerstand fordern. Für die Messung des Stromes durch einen Widerstand ist der Strommesser in Reihe zu schalten. Der Stromkreis muss aufgetrennt werden, wenn der Strommesser angeschlossen wird. Sein Eigenwiderstand muss vernachlässigbar klein sein gegenüber dem Widerstand, dessen Strom gemessen werden soll. Eine Spannung, ein Spannungsabfall oder ein Spannungsfall besteht immer zwischen zwei Punkten einer Schaltung, zwischen denen sich ein Widerstand befindet oder sich mehrere Widerstände befinden. Wollen wir demnach die Spannung an einem Widerstand messen, müssen wir den Spannungsmesser oder das Voltmeter an diesen beiden Punkten, d.h. parallel zum Widerstand anschließen (s. Bild 10.18 b). Da der Widerstand dieser Parallelschaltung möglichst dem Widerstand R, der ohne Messinstrument vorhanden ist, entsprechen soll, ist RV » R zu erfüllen. Allgemein müssen von Spannungsmessern sehr hohen Widerstände gefordert werden. Für die Messung der Spannung an einem Widerstand ist der Spannungsmesser parallel zu schalten. Der Stromkreis muss für die Messung nicht aufgetrennt werden. Der Eigenwiderstand eines Spannungsmessers muss wesentlich größer sein als der Widerstand, dessen Spannung gemessen werden soll. Diese Eigenschaft eines Voltmeters lässt sich auch durch seinen Eigenleistungsverbrauch ausdrücken, der durch PV = U2/RV = U/κ mit κ = RV/U gegeben ist. Der Faktor κ ist entscheidend für den Wert von PV und somit eine quantitative Größe zur Beurteilung der Verfälschung eines Kreises durch den Spannungsmesser.
Bild 10.18
Messung von a) Strom b) Spannung
κ soll so groß wie möglich sein. Für Instrumente nach Abschnitt 10.3 und teilweise 10.4 werden Werte von 102 … 105 Ω/V erreicht. Bei elektronischen Messprinzipien (u.a. auch bei Oszilloskopen) liegen diese Werte meist viel höher. Hohe Eingangswiderstandswerte von Spannungsmessern lassen sich beispielsweise durch Verwendung von Feldeffekttransistoren realisieren. Diese können, wie wir aus Abschnitt 7.3.3.2 wissen, (fast) stromlos gesteuert werden, was sehr hohen Widerstand bedeutet.
360
10 Elektrische Messtechnik
Für das Anschließen von Strom- und Spannungsmessern gibt es zwischen dem Messen von Gleich- oder Wechselgrößen keine Unterschiede. Zur Messbereichserweiterung (Sie wurde im Abschnitt 4.2.2 bereits behandelt) dienen Vorwiderstände bei der Spannungs- und Nebenwiderstände oder Shunts bei der Strommessung. Bei der Ermittlung von Wechselspannungen und Wechselströmen werden auch, besonders wenn die zu bestimmenden Werte sehr groß sind, Messwandler benutzt (s. Abschnitt 8.3.5). In der Elektrochemie und in der Elektrometallurgie sind Gleichströme bis zu etwa 100 kA zu messen. Weil hier Messwandler nicht einsetzbar sind, haben sich Verfahren durchgesetzt, die den Strom aus dem von ihm erzeugte Magnetfeld ermitteln. Das sind beispielsweise so genannte HallSonden, die eine der Magnetflussdichte proportionale Spannung abgeben.
10.5.2 Messung von Widerständen und Impedanzen Ohmsche Widerstände kann man bestimmen, indem man an den unbekannten Widerstand eine Gleich- oder Wechselspannung legt und den fließenden Strom misst. Der Widerstand ergibt sich aus R = U/I. Diese Messung ist mittels zweier Schaltungsvarianten, die wir bereits im Abschnitt 10.2 (s. Bild 10.1) diskutiert haben, ausführbar. Bei beiden tritt eine systematische Messabweichung auf, die berücksichtigt werden muss. Das stromrichtige Messen nach Bild 10.1 a wird man anwenden, wenn der zu bestimmende Widerstand Rx sehr groß erwartet wird, da für diesen Fall die Bedingung RA « Rx erfüllt und somit der Spannungsabfall an RA vernachlässigbar ist. Die gemessene Spannung entspricht in sehr guter Näherung der tatsächlich an Rx liegenden. Dagegen wird man bei kleinen Werten von Rx die spannungsrichtige Messschaltung nach Bild 10.1 b benutzen, weil jetzt die Bedingung RV » Rx erfüllt ist, so dass der Strom durch RV vernachlässigt werden kann und der mittels des Amperemeters gemessene Strom dem tatsächlich durch Rx fließenden sehr nahe kommt.
Bild 10.19
Wheatstone – Brücke a) Schaltung b) Ersatzschaltung bei Abgleich
Für die Widerstandsmessung sind Brückenschaltungen sehr gebräuchlich, auch wenn sie durch die Entwicklung digitaler Messverfahren etwas in den Hintergrund getreten sind. Am bekanntesten ist die bereits 1844 von Wheatstone angegebene und nach ihm benannte Messbrücke, die in Bild 10.19 a zu sehen ist. Durch Verstellen des Abgriffs kann man die Widerstände R1 und R2 variieren. Für eine bestimmte Abgriffstellung ergibt sich beispielsweise die Ersatzschaltung nach Bild 10.19 b, in der das Messinstrument weggelassen wurde. Für das Verhältnis der beiden Ströme in der Ersatzschaltung ist nach der Stromteilerregel: I1 R + R2 = 1 I2 Rx + RN
(10.21)
Wenn die Spannungsabfälle über Rx und R1 gleich groß sind, d.h. I1 Rx = I2 R1
(10.22)
10.5 Messverfahren für elektrische Größen
361
gilt, sind die elektrischen Potenziale der Punkte A und B gleich groß und zwischen ihnen ist keine Spannung vorhanden. Das Messinstrument in Bild 10.19 a würde den Wert Null anzeigen. Mit dieser Abgleichbedingung erhalten wir, indem wir sie in Gl. (10.21) einsetzen und nach Rx auflösen: Rx = RN
R1 R2
(10.23)
Verstellen wir den Abgriff der Wheatstone-Brücke solange, bis über das Indikatorinstrument kein Strom mehr fließt, können wir den unbekannten Widerstand Rx aus den bekannten Widerständen RN, R1 und R2 bestimmen. Dieses so genannte Abgleichverfahren wird bei der labormäßigen Ermittlung von unbekannten Widerständen angewendet. Will man aber z.B. den Widerstand zur Temperaturmessung einsetzen (z.B. den Thermistor, Abschnitt 7.3.1), benutzt man ebenfalls eine Brückenschaltung, gleicht diese aber nicht ab, sondern gebraucht die Brückenverstimmung, d.h. die zwischen den Punkten A und B (Bild 10.19 b) wirksame Spannung zur Ermittlung des unbekannten Widerstandes. In diesem Falle sprechen wir von einer Ausschlagbrücke. Bei der Bestimmung von Wechselstromwiderständen sind die Zweige der Brücke nach Bild 10.19 mit komplexen Scheinwiderständen bzw. Impedanzen besetzt. Bei Abgleich ist (vgl. Gl. (10.23)):
Zx = ZN
Z1 Z e jϕ1 = Z x e j ϕ x = Z N e jϕ Ν 1 Z2 Z 2 e j ϕ2
(10.24)
Der Brückenabgleich ist demzufolge an zwei Bedingungen gebunden, an eine für die Beträge: Zx = ZN
Z1 Z2
(10.25)
und an eine andere für die Winkel:
ϕx = ϕN + ϕ1 – ϕ2
(10.26)
10.5.3 Messung der elektrischen Leistung Gleich- und Wechselstrom. Die Leistung wird aus dem Produkt von Strom und Spannung gebildet, weshalb das elektrodynamische Messwerk (s. Abschnitt 10.3.3) für derartige Messungen benutzt wird. Bei Gleichstrom wird dabei das Produkt U I, bei Wechselstrom U I cos ϕ, also die Wirkleistung, angezeigt. Eine solche Wirkleistungsmessung im einphasigen Wechselstromnetz zeigt Bild 10.20.
Das elektrodynamische Messwerk hat zwei Stromanschlüsse (s. Bild 10.5). Die niederohmige (feststehende) Stromspule bzw. der Strompfad wird vom Strom durch den Verbraucherwiderstand durchflossen. An die hochohmige (bewegliche) Spannungsspule bzw. den Spannungspfad wird die Spannung des Verbraucherwiderstandes, die einen proportionalen Strom nach sich zieht, gelegt.
Bild 10.20
Leistungsmessung
362 10 Elektrische Messtechnik Drehstrom. Für das Drehstromsystem gibt es verschiedene Messschaltungen, die zunächst davon abhängen, ob ein Drehstromvier- (s. Bild 10.21) oder ein Drehstromdreileitersystem (s. Bild 10.22) vorliegt.
Bei symmetrischer Last reicht ein einziges Wattmeter aus. Im Dreileiternetz ist dazu ein künstlicher Sternpunkt in unmittelbarer Nähe der Messstelle zu schaffen (s. Bild 10.22 a). Wichtig für beliebig belastete Dreileiternetze ist die Zweiwattmeter- oder Aronschaltung (s. Bild 10.22 b), bei der die gesamte Drehstromleistung der Summe der Anzeigen der beiden Leistungsmesser entspricht.
Bild 10.21
Leistungsmessung im Vierleiter-Netz a) Last symmetrisch b) Last unsymmetrisch
Messbereichserweiterungen kann man im Strompfad durch Shunts, im Spannungspfad durch Vorwiderstände bewerkstelligen. In Wechsel- oder Drehstromnetzen sind dafür Strom- oder Spannungswandler üblich. Mit elektrodynamischen Messwerken ist es auch möglich, Blindleistung zu messen. Für diese gilt nach Gl. (5.80): π Q = U I sin ϕ = U I cos (ϕ − ) 2
(10.27)
Verwandeln wir durch eine phasendrehende Schaltung den natürlichen Phasenwinkel ϕ für die Messung in einen Winkel (ϕ – π/2), ist die Blindleistung mit dem Wirkleistungsmesser erfassbar.
Bild 10.22
Leistungsmessung im Dreileiter-Netz a) Last symmetrisch b) Last unsymmetrisch (Aron-Schaltung)
Die Methode der Bestimmung des elektrischen Energieverbrauchs
10.5 Messverfahren für elektrische Größen
363
t
Wel = P (t ) dt
³
(10.28)
0
haben wir bereits im Abschnitt 10.3.4 (Gl. 10.16) kennengelernt.
10.5.4 Zeit- und Frequenzmessung Schon im Abschnitt 10.4.4 wurde auf die elegante Messung dieser Größen mittels eines Universalzählers hingewiesen. Zeitmessung. Wir betrachten noch einmal das Bild 10.17 und legen eine konkrete Messaufgabe zugrunde. Sie soll darin bestehen, die Zeit zu bestimmen, die zwischen dem Passieren zweier Lichtschranken durch ein beliebiges Objekt beim Transport auf einem Förderband vergeht. Der beim Unterbrechen des Lichtstrahles der zuerst gekreuzten Lichtschranke im Fotowiderstand oder Fototransistor (s. Abschnitt 7.3.5) entstehende elektrische Impuls startet, der durch die zweite Lichtschranke entstehende Impuls stoppt den Torimpuls des Timers. Während der zwischen Start und Stop liegenden Torzeit laufen die Impulse genau bekannter Periodendauer bzw. Frequenz des Rechteckgenerators in den Zähler ein und werden hier registriert. Aus dem Zählerstand z und fG = 1/TG berechnet sich nach Gl. (10.18) die zu messende Zeit.
Bild 10.23
Frequenzmessung mit Zähler
Frequenzmessung. Wir verwenden wiederum den Universalzähler von Bild 10.17, nutzen aber eine durch ihn gegebene Zusatzfunktion, die aus Bild 10.23 hervorgeht. Anstelle des Impulsgenerators wird die Spannung mit der zu messenden Frequenz fx angeschlossen. Aus dieser Spannung werden bei den Nulldurchgängen von negativen zu positiven Werten durch ein einfaches elektronisches Zusatzglied Impulse gewonnen und auf den Eingang des UND-Tores geschaltet. Der ebenfalls am Tor anliegende Timerimpuls ist von einem Präzisionsrechteckimpuls abgeleitet und hat eine genau definierte Länge, die einstellbar ist. Aus der Anzahl der in der Tor- oder Messzeit tm eingelaufenen Impulse z bestimmen wir entsprechend Gl. (10.18) die unbekannte Frequenz: fx =
z tm
(10.29)
Wählen wir tm = 1 s, ist fx = z. In diesem Falle zeigt der digitale Zähler direkt die zu bestimmende Frequenz an. Wir müssen allerdings beachten, dass bei Netzfrequenzmessungen, d.h. bei 50 Hz, mit einer Messzeit von 1 s nach Gl. (10.20) bereits ein Messfehler von 2 % auftritt. In den Netzen der elektrischen Energieversorgung liegen die Genauigkeitsforderungen der Frequenzhaltung aber bei 0,1 %. Dafür ist nach Gl. (10.20) eine Messzeit von 20 s notwendig.
364
10 Elektrische Messtechnik
10.6 Elektrische Messung nichtelektrischer Größen 10.6.1 Allgemeines Die herausragendsten Merkmale elektrischer Größen bestehen darin, dass man sie über große Entfernungen übertragen, sie beliebig verstärken, speichern und einfach zur Anzeige bringen, sie digitalisieren und somit einem Rechner zur umfassenden Informationsverarbeitung zuführen kann usw.. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass man in Forschung, Entwicklung und Konstruktion damit beschäftigt ist, Möglichkeiten zu finden, um nichtelektrische Größen in elektrische wandeln zu können. Dieses Gebiet ist deshalb eine selbständige Disziplin der elektrischen Messtechnik geworden. Bild 10.24 zeigt die prinzipielle Messschaltung zur elektrischen Erfassung einer nichtelektrischen Größe Gn. Ein Messgrößenumformer oder Wandler wandelt die nichtelektrische Größe in eine elektrische, in der Regel eine Spannung um. Den unmittelbar an der Messstelle wirksamen Teil nennt man Messfühler oder, wenn es sich um einen Fühler in Halbleitertechnik handelt, Sensor. Das in eine Spannung umgewandelte Messfühlersignal wird verstärkt und entweder analog oder digital angezeigt, registriert oder in einem Rechner weiterverarbeitet. Aus der Vielzahl der möglichen Verfahren wollen wir eine kleine Auswahl der am häufigsten angewandten vorstellen.
Bild 10.24
Elektrische Messung nichtelektrischer Größen
10.6.2 Messung von Wegen und Winkeln Potenziometer. Den Spannungsteiler bzw. das Potenziometer haben wir bereits im Abschnitt 4.2.2.2 vorgestellt (s. Bild 4.18). Die Ausgangsspannung UT ist dem Widerstand RT und dieser wiederum der Verstellstrecke x des Potenziometerabgriffs proportional. Bei konstanter Eingangsspannung U wird dann entsprechend der Gleichung für das Potenziometer mit R2 ~ x:
UT = k x
(10.30)
Durch Messen der Spannung UT können wir den Ort des Abgriffs bestimmen. Dabei ist vorausgesetzt, dass das Messinstrument den Spannungsteiler nicht belastet, sein Innenwiderstand also sehr hoch ist und dadurch die Messung nicht beeinflusst wird (unbelasteter Spannungsteiler). Koppeln wir ein bewegliches Teil einer Werkzeugmaschine fest mit dem Abgriff des Potenziometers, kann man durch laufende Messung der Spannung UT die jeweilige Lage des Maschinenteils bestimmen. Wir müssen es aber nicht beim Ablesen dieser Spannung belassen, sondern können die Spannung auch (nach Digitalisierung) in einen Rechner geben, der die Fahrkurve auswertet, registriert, eventuell nach Sollvorgaben korrigiert usw.. Haben wir den zu erfassenden Weg in eine Spannung umgewandelt, ist alles Weitere meist nicht mehr schwer zu verwirklichen.
10.6 Elektrische Messung nichtelektrischer Größen
365
Bereits an diesem einfachen Beispiel erkennen wir die Bedeutung von Wandlern nichtelektrischer in elektrische Größen für die Automatisierungstechnik. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass aus dieser Technikdisziplin die stärksten Anstöße für Entwicklungen in der Sensortechnik kommen. Benutzen wir anstelle eines eindimensional angeordneten Spannungsteilers ein kreisförmiges Dreh-Potenziometer (s. Bild 10.25), ist klar, dass mit dieser Anordnung Winkel angezeigt werden können, denn es gilt hier UT = k α.
Bild 10.25
Dreh-Potenziometer
Bild 10.26
Induktiver Differenzial-Weg-Geber
Induktive Weggeber. Die Induktivität einer Spule mit Eisenkern ist nach L = N 2/Rm vom magnetischen Widerstand abhängig. Wenn das bewegliche Eisenstück nach Bild 10.26 z.B. nach links gleitet, nimmt der magnetische Widerstand des Spulenkreises mit L1 ab und die Spuleninduktivität L1 zu. Diese Änderung kann in einer Messbrücke für Induktivitäten oder Impedanzen (s. Abschnitt 10.5.2) nachgewiesen und den Wegen x zugeordnet werden. Die dargestellte Anordnung mit zwei Spulen erfasst die Differenz zwei sich gegenläufig ändernder Induktivitäten und ist deshalb besonders empfindlich (Differenzialgeberprinzip).
Bringt man in Bild 10.26 an die Stelle des beweglichen Teiles die Welle einer rotierenden Maschine, sind Messungen des Lagerspiels möglich. Kapazitive Weggeber. Diese Geber nutzen die Veränderung von Kapazitäten durch die Verschiebung eines Dielektrikums (s. Bild 10.27). Die Kapazitätsänderung wird ebenfalls in Messbrücken als Brückenverstimmung erfasst und als Wegänderung dargestellt. Auch hier ist das Differenzialprinzip realisierbar. Inkrementale Geber. Das Prinzip zeigt Bild 10.28. Ein Rasterlineal, welches fest mit einem beweglichen Werkstück oder Maschinenteil verbunden ist, trägt lichtdurchlässige und lichtundurchlässige Segmente und gleitet zwischen einer Lichtquelle und einem Fotodetektor (Fotowiderstand oder Fototransistor). Beim Auftreffen von Licht ist letzterer ein-, beim Abdunkeln ausgeschaltet. An seinem Ausgang ist folglich eine impulsförmige Spannung vorhanden, die auf einen Zähler gegeben wird. Aus dem Zählerstand kann man die Lage des Rasterlineals bestimmen.
Der in Bild 10.28 dargestellte Geber heißt translatorischer inkrementaler Geber (IGT). Beim rotatorischen (IGR) wird eine rotierende Rasterscheibe benutzt. Durch Registrierung der Impulszahl pro Zeiteinheit sind mit diesen Gebern auch Geschwindigkeits- und Drehzahlmessungen möglich (s. Abschnitt 10.6.4). Da inkrementale Geber Impulse liefern, die leicht in Digitalsignale umwandelbar sind, eignen sie sich besonders für die Kopplung mit Digitalrechnern.
366
10 Elektrische Messtechnik
Bild 10.27
Kapazitiver Weggeber
Bild 10.28
Prinzip der inkrementalen Wegmessung
10.6.3 Messung von Kräften und Momenten Piezoelektrischer Kraftsensor. Im Abschnitt 1.3.2., Bild 1.17 b), hatten wir gezeigt, wie in einem Dielektrikum zwischen zwei Kondensatorplatten eine Polarisation stattfindet, was die Entstehung von zusätzlichen Ladungen an den Grenzflächen nach sich zieht. Bestimmte Stoffe, wie z.B. Quarz (SiO2) und Bariumtitanat (BaTiO3), besitzen Dipole, deren Ausrichtung durch mechanischen Druck verändert werden kann (piezoelektrischer Effekt). Dadurch werden zusätzliche Ladungen auf den Grenzflächen (Platten des Kondensators) influenziert, die proportional mit der auf das Dielektrikum wirkenden Kraft zunehmen. Nach Gl. (1.45) bewirkt dies eine Erhöhung der Spannung, die somit ein Maß für die Höhe der angreifenden Kraft ist. Da Kraft und Druck proportional sind, kann ein solcher Sensor auch zur Messung von Drücken verwendet werden. Ein häufiges Beispiel ist die Messung der Kompression in Zylindern von Verbrennungsmotoren. Dehnungsmessstreifen (DMS). Wenn wir einen Stromleiter dehnen oder stauchen, ändern sich Querschnittsfläche, Länge und durch Deformationen im Kristallgitter seine spezifische Leitfähigkeit. Das aber ist mit einer Widerstandsänderung verbunden, die wir über das totale Differenzial des Ausdruckes nach Gl. (1.25) berechnen können (mit ρ = 1/γ): ΔR =
1
γA
Δl −
1
γ 2A
Δγ −
1
γ A2
ΔΑ
(10.31)
Dividiert durch Gl. (1.25) ergibt sich für die relative Widerstandsänderung bei Dehnung oder Stauchung: ΔR Δl Δγ ΔA = − − R l A γ
(10.32)
ε = Δl/l ist die Dehnung. Die beiden anderen Terme auf der rechten Seite sind der Dehnung proportional, so dass wir schreiben können: ΔR = kε R
(10.33)
k heißt k-Faktor und ist ein Maß für die Empfindlichkeit. Je größer k ist, umso größer ist die Änderung des Widerstandes bei gegebener Dehnung. Er hat für metallische Materialien den Wert k ≈ 2, für Silizium k ≈ 100. Die der Dehnung oder Streckung unterworfenen Widerstände werden meist in Form flacher Bänder ausgeführt und heißen bei diesem Verwendungszweck Dehnungsmessstreifen. Sie werden z.B. an Brückenpfeiler oder auf Maschinenteile geklebt, um Dehnungen oder Stauchungen über Widerstandsänderungen quantitativ nachzuweisen. Das erfolgt über die Registrierung der Verstimmung einer Messbrücke nach Abschnitt 10.5.2.
10.6 Elektrische Messung nichtelektrischer Größen
Bild 10.29
367
Pendelmaschine
Dehnungsmessstreifen zeigen eigentlich Wege an. Sie werden jedoch auch oft zur Kraft- (Kraftmessdose) und Momentenmessung benutzt, wobei der notwendige Zusammenhang zwischen Dehnung und Krafteinwirkung aus den jeweiligen Gleichungen der Elastizitätslehre hervorgeht. Zur Bestimmung des Drehmomentes elektrischer Antriebe benutzt man so genannte Drehmomentenmesswellen, auf die die Dehnungsmessstreifen aufgebracht sind und die zwischen Motor und Arbeitsmaschine eingekuppelt werden. Pendelmaschine. Eine seit Jahrzehnten in nahezu allen Prüffeldern für Elektro- und Verbrennungsmotoren verwendete Einrichtung zur Erzeugung und Messung von Widerstandsmomenten ist die Pendelmaschine. Sie ist dem Prinzip nach ein Gleichstromgenerator, der, an den zu belastenden Motor angekuppelt, nach M = c Φ I ein Gegenmoment erzeugt, das über den Erregerfluss Φ oder den Ankerstrom I eingestellt werden kann. Um eine Momentenmessung durchzuführen, ist das Generatorgehäuse drehbar gestaltet und drückt über einen Hebel mit einer dem Belastungsmoment entsprechenden Reaktionskraft auf den Messfühler (z.B. ein Dehnungsmessstreifen) einer Kraftmessdose (s. Bild 10.29). Aus dieser Kraft und dem Hebelarm ist das Moment M = F l bestimmbar. Da der Hebelarm in der Regel konstant ist, kann man die Anzeige direkt in Momentenwerten eichen.
Pendelmaschinen werden noch heute weitgehend zur stufenlosen Einstellung von Belastungsmomenten für Antriebsmaschinen angewendet. Es ist damit zu rechnen, dass sie durch die Platz und Kosten sparenden Drehmomentenmesswellen immer mehr verdrängt werden.
10.6.4 Drehzahlmessung Für die Messung der Drehzahl gibt es eine Vielzahl von Prinzipien, von denen wir die wichtigsten darstellen wollen. Tachometerverfahren. Bei Tachometern handelt es sich um kleine, an die Motorwelle angeflanschte Gleich- oder Wechselstromgeneratoren mit Permanentmagneten, die eine drehzahlproportionale Spannung abgeben. Sie werden für Drehzahlen bis etwa 3000 min–1 hergestellt und liefern eine Spannung von einigen zehn bis 100 V, die mit Drehspulinstrumenten gemessen wird. Bei Wechselstrom sind auch Zählverfahren üblich, bei denen man die Spannung in eine Impulsfrequenz umsetzt, die der Zähler registriert. Impulsverfahren. Zu diesen Verfahren gehört das Messen mit inkrementalen Gebern IGR (s. Abschnitt 10.6.2), die auf der Welle der rotierenden Maschine, deren Drehzahl gemessen werden soll, angebracht sind. Bild 10.30 zeigt die Anordnung. Die in der Messfühlerschaltung entstehenden verschliffenen Impulse werden in einer Impulsformerstufe in Rechteckimpulse umgewandelt und auf einen Zähler gegeben. Ist das Tor für eine definierte Zeit geöffnet (s. Abschnitt 10.4.4), berechnet man aus der Impulszahl und der Länge der Torzeit die Drehzahl.
368
10 Elektrische Messtechnik
Bild 10.30
Drehzahlmessung mit IGR
Bild 10.31 zeigt ein induktives Messprinzip. Durch den auf der Scheibe sitzenden Dauermagneten wird infolge der Vorbeibewegung an der Spule in ihr eine Spannung induziert, die impulsförmig ist und wie vorstehend beschrieben mit Zählern ausgewertet werden kann.
Bild 10.31
Induktive Drehzahlmessung
Bringen wir an die Stelle der Spule einen so genannten Reedkontakt (Er besteht aus zwei in ein Glasröhrchen eingeschmolzenen Kontaktzungen, die unter dem Einfluss eines magnetischen Feldes schließen und, wenn das Feld entfernt wird, durch Rückstellkräfte wieder öffnen), entsteht im Messkreis durch das ständige Schließen und Öffnen eine impulsförmige Spannung, aus der die Drehzahl der Scheibe bestimmt wird. Da die Impulsverfahren binäre Signale liefern, können sie ohne die Verwendung eines AnalogDigital-Umsetzers direkt in Digitalrechner eingegeben werden.
10.6.5 Temperaturmessung Die Temperatur ist die mit am häufigsten gemessene Größe in technischen Prozessen. Dementsprechend groß ist die Anzahl der entwickelten Messverfahren. Wir wollen die beiden wichtigsten Prinzipien kennenlernen.
Bild 10.32
Thermoelement
10.7 Messtechnik mit dem PC
369
Thermoelemente. Schweißt man zwei Drähte verschiedenen Werkstoffes an einem Ende zusammen, kann man an den freien Enden eine geringe Spannung messen, die sich mit steigender Temperatur der Verbindungsstelle vergrößert (Seebeckeffekt). Eine solche Anordnung nennen wir ein Thermoelement (s. Bild 10.32). Seine Spannung ist der Differenz der Temperaturen von Mess- und Vergleichsstelle proportional:
Uth = k (ϑM – ϑV)
(10.34)
Die bekanntesten Thermoelementpaare sind Eisen-Konstantan (verwendbar bis etwa 900 °C, Thermospannung etwa 5,4 mV/100 K), Nickelchrom-Nickel (1200 °C, 4,1 mV/100 K) und Platinrhodium-Platin (1600 °C, 0,7 mV/100 K). Um richtig messen zu können, muss die Temperatur der Vergleichsstelle bekannt sein und möglichst konstant gehalten werden. Bei einfacheren Anordnungen hält man die bekannte Temperatur ϑV mit Thermostaten auf dem gleichen Wert. Mikroprozessorgesteuerte Einrichtungen messen die jeweils aktuelle Vergleichsstellentemperatur und berücksichtigen sie bei der Ermittlung der Temperatur der Messstelle. Widerstandsthermometer. Der elektrische Widerstand von Metallen und besonders von Halbleitern ist temperaturabhängig und kann deshalb für die Temperaturmessung genutzt werden.
Bei den Metallen sind elektrische Widerstandsthermometer aus Platin (z.B. Pt 100, Bereich von -220 bis 850 °C) oder Nickel (z.B. Ni 100, Bereich von -60 bis 180 °C) sehr verbreitet. Der von ihnen repräsentierte elektrische Widerstand liegt in einem Zweig einer Widerstandsmessbrücke, deren Verstimmung ein Maß für den Widerstandswert und damit der Temperatur ist. Bei Halbleitern ist die Anzahl der durch Paarbildung entstehenden Ladungsträger und somit die Leitfähigkeit sehr stark von der Temperatur abhängig (s. Gl. (7.1)). Da ihre Leitfähigkeit mit steigender Temperatur zunimmt, nennt man diese Halbleiterbauelemente Heißleiter oder NTCWiderstände (Negative Temperature Coefficient). Der Ausdruck Thermistor ist ebenfalls sehr gebräuchlich. Die Abhängigkeit ihres Widerstandes von der Temperatur ist durch Gl. (7.3) gegeben. Der messtechnische Nachweis erfolgt in Brückenschaltungen. Neben den Heißleitern gibt es Kaltleiter, bei denen wie bei den Metallen der Widerstand mit steigender Temperatur größer wird. Sie heißen PTC-Widerstände (Positive Temperature Coefficient) und zeigen im Gegensatz zu den Metallen keinen stetigen Anstieg des Widerstandes mit der Temperatur, sondern bei einem charakteristischen Temperaturwert einen steilen Widerstandssprung über mehrere Zehnerpotenzen. Aus dieser Eigenschaft leitet sich ihre Anwendung auf dem Gebiet der Grenztemperaturüberwachung ab. Die Kontrolle der Wicklungstemperatur von elektrischen Maschinen wird vorwiegend mit solchen PTC-Widerständen durchgeführt. Dabei wird der Widerstand nicht in Brücken gemessen, sondern der durch den Widerstandssprung entstehende Impuls wird geformt, verstärkt und einer Auslöseeinrichtung zugeführt, die die Wicklungsspannung abschaltet. Der Kaltleiter erfüllt hier mehr eine Überwachungs- als eine Messfunktion.
10.7 Messtechnik mit dem PC 10.7.1 Einleitende Bemerkungen Für die Lösung komplexer Messaufgaben treten rechnergestützte Verfahren immer mehr in den Vordergrund. Dabei spielt der Personalcomputer (PC) eine hervorragende Rolle. Das zeigt sich darin, dass die Hersteller von messtechnischen Einrichtungen ihre Produkte mit Schnittstellen ausstatten, die dem PC angepasst sind, wie z.B. USB (Universal Serial Bus), PCI (Peripheral
370
10 Elektrische Messtechnik
Component Interconnect) oder neuerdings auch Bluetooth. Das gleiche trifft für Notebooks/Laptops zu, bei denen USB und Bluetooth im Vordergrund stehen. Bevor wir auf diese Schnittstellen näher eingehen, wollen wir zunächst die bei rechnergestützten Messungen anfallenden Aufgaben herausarbeiten. Dazu betrachten wir ein Beispiel: Zur Untersuchung der elastischen und plastischen Eigenschaften eines neuen Werkstoffes führen wir den bekannten Zugversuch durch, um die entsprechende Spannungs-Dehnungs-Kurve zu erhalten. Dazu befestigen wir eine stabförmige Probe des Stoffes zwischen zwei Halterungen auf unserer Experimentiereinrichtung und setzen sie einer sich vergrößernden Zugkraft aus. Wir messen die Kraft mit einem piezoelektrischen Sensor (s. Abschnitt 10.6.3) und die Dehnung mit einem Dehnungsmessstreifen (s. ebenfalls Abschnitt 10.6.3). Beide liefern analoge Signale, die für den PC zu digitalisieren sind. Die Dehnung erhalten wir direkt, die mechanische Spannung muss der Rechner aus der (gemessenen) Kraft und aus dem Anfangsquerschnitt der Werkstoffprobe errechnen, wobei wir den Anfangsquerschnitt zu Beginn unseres Versuches über die Tastatur in den PC eingegeben haben. Alle Werte werden gespeichert (Festplatte, CD), um sie entweder als Kurve auf einen Plotter auszugeben, sie auszudrucken, sie miteinander in Beziehung zu setzen oder sie gleich oder später auf dem Monitor darzustellen. Damit wäre die Messaufgabe eigentlich schon erledigt. Aber mit unserem PC können wir natürlich noch eine Vielzahl zusätzlicher Möglichkeiten ausschöpfen. Wir könnten z.B. unseren Dehnungsversuch bei veränderter Temperatur durchführen und dafür Sorge tragen, dass die Einstellung der neuen Temperatur automatisch geschieht, indem der PC ein Stellsignal ausgibt, das eine Heizeinrichtung ansteuert. Zur Anzeige der Temperatur brauchen wir dann einen zusätzlichen Sensor (s. Abschnitt 10.6.5). Wir haben demnach drei analoge Messsignale vorliegen (Kraft, Dehnung, Temperatur), die vor der Eingabe in den PC zu digitalisieren sind. Weiterhin muss das vom PC generierte digitale Stellsignal für die Temperatureinstellung in ein analoges Signal für die Ansteuerung der Heizeinrichtung umgewandelt werden. Schließlich müssen wir aus Betriebs- und Sicherheitsgründen in der Lage sein, Zustände der Messeinrichtung und des Messobjektes abfragen zu können, d.h. beispielsweise zu prüfen, ob ein bestimmter Schalter geschlossen ist oder nicht. Dazu muss das entsprechende Zustandsbit in den PC eingegeben werden. Andererseits muss der PC auch Bits oder Bytes ausgeben können, um einen Schalter zu betätigen oder ein Display anzusteuern usw.. Zusammenfassend müssen wir zur Bewältigung unserer Messaufgabe an die zwischen Messgerät und PC zu schaltende Einrichtung folgende Forderungen stellen: Sie muss drei analoge Eingänge, einen analogen Ausgang und diverse digitale Ein- und Ausgänge (einzelne Bits oder Bytes) besitzen. Wollen wir nur Messungen bei einer einzigen Temperatur durchführen, wird der analoge Ausgang nicht benötigt. Nun kennen wir die grundsätzliche Problematik der PC-Anwendung in der Messtechnik und werden auf dieser Grundlage die Messgeräte in zwei große Gruppen einteilen (s. Bild 10.33) und zwar 1. in Messgeräte, die digitale Signale über entsprechende Schnittstellen ausgeben und empfangen und deshalb direkt mit dem PC oder dem Notebook verbunden werden können. Wir nennen sie Messgeräte mit integrierter digitaler Schnittstelle (die zwischen Messobjekt und PC zu schaltende Einrichtung ist im Messgerät selbst enthalten) und 2. in Messgeräte bzw. Sensoren, die analoge Signale liefern, die in digitale umgesetzt werden müssen. Dazu dienen nachgeschaltete so genannte Messkarten, die in entsprechende Slots eines CPU-nahen Busses (PCI-Bus, s. Abschnitt 10.7.3) eingesteckt werden können. Sollte die Mess- mit einer Regelungsaufgabe verbunden sein, muss die Messkarte auch eine DigitalAnalog-Umsetzung gewährleisten.
10.7 Messtechnik mit dem PC
Bild 10.33
371
Anschluss eines Messgerätes an den PC a) mit digitaler Schnittstelle b) mit Messkarte
Die zuletzt geschilderte Methode der Verwendung von Messkarten ist die am häufigsten angewandte und wird nach knapper Beschreibung der erstgenannten etwas ausführlicher behandelt.
10.7.2 Geräte mit integrierter digitaler Schnittstelle Zum besseren Verständnis der folgenden Ausführungen wollen wir zunächst die Begriffe „Schnittstelle“ und „Bus“ bzw. „Messgerätebus“ klären (zum Begriff Bus wurde das Wesentliche bereits im Abschnitt 7.6.3.1 ausgeführt). Eine Schnittstelle ist diejenige Stelle, an der die Übergabe von Daten- und Steuersignalen an eine andere Komponente oder (was die Regel ist) an den Messgerätebus erfolgt. Diese Stelle wird über Rechner-Hard- und -Software, die Bestandteile der Schnittstelle sind, verwaltet bzw. gesteuert. Ein Messgerätebus besteht aus Daten- und Steuerleitungen, die von angeschlossenen Messgeräten (Slaves) und Rechnern (Master) über deren Schnittstellen gemeinsam genutzt werden. Die Datenübertragung auf dem Bus kann bit- oder byteseriell erfolgen. Die mögliche Zahl anschließbarer Messgeräte hängt von den Eigenschaften der Schnittstelle und des Busses ab. Da PCs über mehrere digitale Schnittstellen verfügen (RS-232, LPT, USB, Bluetooth), ist die Kopplung an Messeinrichtungen mit integrierter digitaler Schnittstelle direkt möglich und dadurch unproblematisch. Das gilt natürlich auch für Notebooks, deren Bedeutung für eine mobile Messtechnik ständig zunimmt, und die heutzutage serienmäßig mit USB und Bluetooth ausgerüstet sind. RS-232. Sie ist eine der ältesten und bekanntesten Schnittstellen für seriellen Datentransfer. Unter Windows trägt sie auch den Namen COM. Mit ihr sind Distanzen bis zu 100 m überbrückbar. Jedes zu übertragende Zeichen (Buchstabe, Zahl oder Sonderzeichen) wird mittels eines Wortes mit 8 Bit codiert. Diese Worte werden bitweise nacheinander ausgegeben, was eine Trennung zu Nachbarwörtern durch zusätzliche Start- und Stoppbits erfordert. Die Übertragungsrate ist unterschiedlich. Sie liegt zwischen 0,3 und 115,2 kBaud (kBd), wobei 1 Bd = 1 Symbol/s (Ein Symbol kann aus einem oder mehreren Bits bestehen. Beim Normalfall von einem Bit pro Symbol liegt die Datenübertragungsrate der RS-232 somit zwischen 0,3 und 115,2 kBit/s). Das ist im Ver-
372
10 Elektrische Messtechnik
gleich zu anderen Schnittstellen relativ wenig, reicht aber für die meisten messtechnischen Anwendungen aus. Die Leitung zwischen PC und Messgerät besitzt computerseitig einen 9-poligen so genannten Sub-D-Stecker (Er hat die Form eines D) und geräteseitig eine 9-polige Sub-DBuchse, an die die Masse-, Steuer- und Datenleitungen angeschlossen sind. Um einen einwandfreien Datenverkehr zu gewährleisten und Datenverluste zu vermeiden, muss der Empfänger dem Sender mitteilen, ob er betriebs- und empfangsbereit ist, ob Daten gültig sind usw.. Die dafür notwendigen Signale nennt man Handshake-Signale. Das Handshake kann über die Hard- (Steuerleitungen) oder über die Software (zusätzliche Zeichen auf den Datenleitungen) erfolgen. Die RS-232 ist z.Z. noch sehr verbreitet. Sie wird aber an Bedeutung verlieren und der USBSchnittstelle weichen müssen. Mit der RS-232 verwandt sind die Schnittstellen RS-422 und RS485, die in der Prozessmess- und Prozessleittechnik Verwendung finden. Universal Serial Bus (USB). USB wurde von INTEL mit dem Ziel der Schaffung einer einheitlichen Schnittstelle für alle Arten von PCs und Notebooks entwickelt. Die überbrückbaren Abstände liegen unter 5 m. Das USB-Kabel besitzt vier Leitungen, zwei für die bitserielle bidirektionale Datenübertragung, eine für die Versorgungsspannung (+ 5V) und eine, die Massepotenzial führt. Über den so genannten Hub (Verteiler) ist die USB-Schnittstelle vielfach erweiterbar. Da die Adressierung der angeschlossenen Messgeräte durch den USB-Controller im PC (Host) mit einer 7-Bit-Adresse erfolgt, können theoretisch 27 = 128 Geräte angeschlossen werden. Praktisch sind es „nur“ 127, da die Adresse „Null“ (000 0000) für die Geräte-Identifizierung benutzt wird. USBSchnittstellen verfügen über die Eigenschaften des Hot-Plugging (steckbar, ohne den PC auszuschalten) und des Plug-and-Play („stecken und los geht´s“, d.h. Selbstkonfigurierung), was für die Praxis der Messtechnik von Bedeutung ist. Zur Zeit werden die Spezifikationen USB 1.1 und USB 2.0 verwendet. USB 1.1 verfügt über zwei Kanäle mit Übertragungsgeschwindigkeiten von 1,5 MBit/s bzw. 12 MBit/s, bei USB 2.0 kommt ein High-Speed-Kanal mit 480 MBit/s hinzu. Die unterschiedlichen Übertragungsraten nehmen Rücksicht darauf, dass gleichzeitig schnelle und weniger schnelle Geräte an den USB-Bus angeschlossen sein können. Im Herbst 2007 wurde von INTEL die Entwicklung einer Schnittstelle USB 3.0 angekündigt, die auf der Basis von Lichtwellenleitern (s. Abschnitt 7.3.5.3) eine Übertragungsrate von 5GBit/s ermöglichen soll. IEC-Schnittstelle und IEC-Bus (auch General Purpose Interface Bus, GPIB genannt) wurden von Hewlett-Packard entwickelt und finden Anwendung zur Steuerung von Messgeräten im Labormaßstab. Als Arbeitsprinzip liegt die bitparallele byteserielle Datenübertragung zugrunde. Die Schnittstelle an den Geräten wird durch 25-polige Stecker bzw. Buchsen realisiert. Der Bus verfügt über 8 Daten-, 5 Steuer- und 3 Handshake-Leitungen. Er kann bis zu 20 m lang sein. Insgesamt 15 Messgeräte sind anschließbar. Die Datenübertragungsrate beträgt maximal 1 MByte/s. Ein Messgerät mit IEC-Schnittstelle kann direkt an den IEC-Bus angeschlossen werden, was für den PC nicht ohne weiteres möglich ist. Er benötigt dafür eine zusätzliche IECSchnittstellenkarte, die in den PCI-Bus des PC gesteckt wird. Bluetooth. Bluetooth wurde von der Firma Ericsson entwickelt und ermöglicht die drahtlose Kommunikation auf der Basis von Funk zwischen Handys, Computern und verschiedensten peripheren Komponenten, wie z.B. Messgeräten. Bluetooth arbeitet im Frequenzbereich 2,402 bis 2,480 GHz, in dem 79 Kanäle mit einer Breite von je 1 MHz untergebracht sind. Über eine Distanz von etwa 10 m beträgt die Datenübertragungsrate für die Spezifikation Bluetooth 2.0 + EDR (Enhanced Data Rate) 2,1 MBit/s. Eine neue Variante Bluetooth 2.1 + EDR ist vorgesehen. Das bei Vernetzung von Bluetooth-Geräten entstehende Netzwerk nennt man WPAN (Wireless Personal Area Network) oder auch Piconet. Bluetooth hat gegenüber dem mit Infrarotlicht arbeitenden Verfahren IrDA (Infrared Data Association) den Vorteil, dass PC und Messgerät sich nicht in Sichtkontakt zueinander befinden müssen. Moderne PCs und Notebooks sind mit BluetoothSchnittstellen ausgerüstet und die Vorteile kabelloser Laborarbeitsplätze sind hier uneinge-
10.7 Messtechnik mit dem PC
373
schränkt nutzbar, wenn auch die Messgeräte oder Sensoren mit solchen Schnittstellen ausgestattet werden. Insbesondere auf dem Gebiet der Medizintechnik gibt es schon erhebliche Fortschritte, da Kabelverbindungen bei Untersuchungen am menschlichen Körper (z.B. EKG, EEG u.a.) störend und unangenehm sind. WLAN. WLAN (Wireless Local Area Network) ist ebenfalls ein auf Funkbasis arbeitender Schnittstellenstandard mit gegenüber Bluetooth größerer Reichweite (bis etwa 50 m, bei Sichtverbindung bis 300 m) und höherem Datendurchsatz (bis zu 54 MBit/s) und ist besonders geeignet für den Datentransfer innerhalb von und zwischen benachbarten Gebäuden. Die Übertragungsfrequenzen liegen etwas über denen von Bluetooth und reichen bis 5,4 GHz. Für diese Betriebsweise sind spezielle WLAN-Karten erforderlich, die u.a. über PCI- oder USB-Interface verfügen. Wenn Messgeräte über eine der erwähnten Schnittstellen und Busse vom PC oder Notebook gesteuert werden, kann man auf die üblichen Bedienungselemente an den Frontseiten der Geräte, wie Schalter, Stellelemente, Anzeigen u. Ä. verzichten. Der Rechner ist, wie bereits erwähnt, der Master. Er kann jederzeit auf den Bus oder die Verbindungsleitungen zugreifen. Die Messgeräte sind Slaves und müssen vom Master zur Entsendung von Signalen aufgefordert werden oder aber durch ein Interruptsignal (vgl. Abschnitt 7.6.3.2) vom Rechner eine Bedienung anfordern. Im Handel sind eine Vielzahl von Geräten mit integrierter digitaler Schnittstelle zu finden, wie z.B. Multimeter für die Messung von Strom, Spannung, Widerstand, Kapazität sowie Transientenrecorder, Universalzähler für die Frequenz- und Zeitmessung, Pulsgeneratoren usw. usf.
Bild 10.34
LabJack U12 (Meilhaus Electronic GmbH)
Bild 10.35
USB/RS-232-Adapter. USBAnschluss auf der Rückseite (Meilhaus Electronic GmbH)
Als anschauliches Beispiel für ein Messgerät mit integrierter Schnittstelle dient das so genannte Mini-Mess-Labor mit dem Namen „LabJack U12“ mit 8 Analog-Eingängen, 2 AnalogAusgängen und 4 digitalen Ein-/Ausgängen, die alle über Schraubklemmen realisiert werden. Der Anschluss an den PC oder das Notebook erfolgt mittels eines USB-Kabels (s. Bild 10.34). Für den Fall, dass die Schnittstelle des Messgerätes nicht mit derjenigen des PCs oder Notebooks übereinstimmt, gibt es eine Vielzahl von Schnittstellenumsetzern (Adapter). Im Bild 10.35 ist ein Adapter USB zu RS-232 dargestellt, der es gestattet, zwei Messgeräte mit RS-232-Ausgang an den USB-Eingang des Computers anzuschließen.
374
10 Elektrische Messtechnik
10.7.3 Messkarten Jeder von uns, der schon einmal in das Innere seines PCs geschaut hat, kennt die weißen PCIKontaktleisten, die als Aufnahme für Erweiterungskarten dienen. Zu diesen Erweiterungskarten gehören die Messkarten, die in die PCI-Slots gesteckt werden. PCI (Peripheral Component Interconnect) wurde in seiner heutigen Form im Jahre 1995 in die PCs als Nachfolger für ISA (Industry Standard Architecture) eingeführt und ist heute in allen handelsüblichen PCs enthalten. Als Nebenlinien entstanden CompactPCI mit dem Ziel, den PCIBus industrietauglich zu machen (robuste mechanische Ausführung, 19-Zoll-Einbauraster usw.) und PXI (PCI Extension for Instrumentation, erweitertes CompactPCI) mit gegenüber CompactPCI zusätzlichen Synchronisationsfunktionen. Etwa 2003 bekannt geworden und seit Mitte 2007 auch bei Messkarten realisiert, ist PCIe (PCI Express). PCIe ist im Vergleich zum parallelen PCI-Bus eine serielle Punkt-zu-PunktVerbindung, die über so genannte Lanes (Lauf- oder Fahrbahnen) realisiert sind. Dabei besteht eine Lane aus je einem Leitungspaar für Senden und Empfangen. Einzelne Lanes können über Schalter (Switches) miteinander verbunden werden, was den Datendurchsatz entsprechend erhöht. Benutzt man nur eine Lane, spricht man von PCIe x1. Dieser Standard ist der direkte Nachfolger des jetzigen PCI-Busses. PCIe wird mit 1,25 GHz getaktet (im Vergleich: PCI 33 MHz) und gestattet im Falle von PCI x1 eine Durchsatzrate von 500 MByte/s für beide Übertragungsrichtungen (im Vergleich: PCI 133 MByte/s). Es ist in naher Zukunft mit der Ablösung von PCI durch PCIe x1 zu rechnen. Da beide voll kompatibel sind, wollen wir im Folgenden einheitlich von PCI sprechen.
Bild 10.36
Blockschaltbild einer PCI-Messkarte
10.7 Messtechnik mit dem PC
375
Bild 10.36 zeigt das Blockschaltbild einer PCI-Messkarte. Es ist so gezeichnet, dass die Lage der Anschlüsse (links der Gehäuseanschlussstecker und unten der Stecker für den PCI-Slot des PCs) etwa der realen Geometrie der Messkarte entspricht (vgl. mit Bild 10.37). Anhand von Bild 10.36 wollen wir die Hauptfunktionen der Messkarte erläutern. Analoge Eingänge. Messkarten können nur Spannungen verarbeiten. Andere elektrische Größen wie Strom oder Widerstand müssen in Spannungen umgewandelt werden. Das Hauptanwendungsgebiet von Messkarten ist aber die Messung nichtelektrischer Größen (s. Abschnitt 10.6), wie Temperatur, Kraft, Druck, Strömungsgeschwindigkeit, Vibration und vieles mehr. Die für diese Zwecke eingesetzten Sensoren liefern eine analoge Spannung, die in den analogen Eingang der Messkarte eingespeist wird. In unserem Beispiel sind 16 Eingangskanäle belegt. Dabei können die Sensorspannungen entweder gegen Masse (single ended) oder zwischen zwei Messpunkten (differenziell) abgenommen werden. Deshalb hat eine Messkarte mit 16 Analogeingängen insgesamt 16 single-ended- oder 8 differenzielle Eingänge. Differenzielle Messung bedeutet zwar, weniger Eingänge zu haben, ist aber betriebsicherer, weil Störspannungen auf beide Leitungen wirken und sich gegenseitig eliminieren. Deshalb sind bei differenzieller Messung längere Zuleitungen möglich. Ob die Karte in der einen oder anderen Weise betrieben werden soll, wird durch die PC-Software bestimmt. Digitale Eingänge. Sollte ein Sensor in der Lage sein, ein digitales Signal abzugeben, kann es z.B. als 8-Bit-Datenwort über einen digitalen Eingang der Messkarte dem PC zugeführt werden. In der Hauptsache dienen die digitalen Eingänge aber zur Aufnahme von Datenbits, die Informationen zu Zuständen des Messsystems enthalten (z.B. Schalterstellungen oder Stellungen von Grenzwertmeldern) und die u.a. auch die Sicherheit des Systems bei Havarien gewährleisten (s. dazu auch die Ausführungen im Abschnitt 7.6.3.2). Analoge Ausgänge. Sie werden durch den Digital-Analog-Umsetzer (DAU) realisiert. Die meisten Messkarten verfügen über einen, zwei oder vier analoge Ausgänge, wobei in der Regel jedem ein DAU zugeordnet ist. Solche Ausgänge sind dann erforderlich, wenn nicht nur gemessen, sondern auch geregelt werden soll, was der Betätigung von Stellgliedern bedarf. Zur rechnergestützten Regelung haben wir ausführlich im Abschnitt 7.6.3.2 informiert. Digitale Ausgänge. Sie dienen in der Regel dazu, den angeschlossenen Messgeräten Daten zu übermitteln, z.B. die Ansteuerung einer Leuchtdiode als Warnsignal, die Betätigung eines Schalters oder ähnliches. Multiplexer. Der Multiplexer (MUX) ist ein elektronischer Umschalter, der nacheinander alle Eingänge auf den nachfolgenden programmierbaren Verstärker (PGA) und den Analog-DigitalUmsetzer (ADU) schaltet, so dass nur noch ein Kanal für die Datenübertragung verbleibt. Eine mit Multiplexer versehene Messkarte besitzt deshalb nur einen Verstärker und einen ADU. Eine wesentliche Eigenschaft des Multiplexers ist seine so genannte Abtastrate, die angibt, wie schnell er die Eingänge nacheinander zur Gewinnung und Weiterleitung der Messwerte abtastet. So bedeutet z.B. eine Abtastfrequenz von 100 KHz, dass 100 000 Mal in der Sekunde abgetastet wird. Sie heißt Summenabtastrate. Da der Multiplexer aber nicht nur einen, sondern wie im Beispiel 16 Sensoren abtasten muss, ergibt sich für einen einzelnen Kanal eine Abtastfrequenz von 100 kHz/16 = 6,25 kHz, d.h. eine Abtastrate von 6250 Abtastwerten pro Sekunde. Auf dem Markt werden auch Messkarten angeboten, die keinen Multiplexer verwenden, so dass jeder Eingangskanal einen eigenen Verstärker und ADU besitzt. Das hat den Vorteil, dass für jeden Kanal die volle Abtastrate wirksam ist. Nach dem so genannten Abtasttheorem, das für hohe Messsignalfrequenzen hohe Abtastraten fordert, ist dies besonders wichtig für Signale mit hohen Frequenzanteilen.
376
10 Elektrische Messtechnik
Verstärker. Wie der Name PGA (Programmable Gain Amplifier) schon zum Ausdruck bringt, handelt es sich um einen programmierbaren Verstärker. Der Verstärkungsgrad kann über die Rechnersoftware für jeden Kanal gesondert eingestellt werden. Das ist deshalb wichtig, weil die Sensor-Eingangsspannungen in der Regel verschiedene Größe haben und der nachfolgende ADU aus Gründen der Genauigkeit möglichst mit der für ihn maximalen Spannung angesteuert werden sollte. Analog-Digital-Umsetzer. Der ADU wandelt das von den Sensoren kommende analoge in ein für den PC verarbeitbares digitales Signal. Er tastet das Signal ab und setzt die analogen Abtastwerte in Digitalwerte um. Der wichtigste Parameter eines ADU ist seine Auflösung, unter der man die Breite des von ihm generierten Digitalwortes versteht. Für Messkarten sind 12 und 16 Bit üblich. Bei Zugrundelegung eines typischen Spannungsmessbereichs für einen single-endedAnalogeingang von -10 V bis +10 V (Gesamtbereich 20 V) erhält man mit 12 Bit eine Auflösung von 20 V/212 = 4,88 mV pro Bit, bei 16 Bit sind das bereits 0,305 mV pro Bit. FIFO-Speicher. Der Speicher vom Typ FIFO (First In First Out) hat die Aufgabe, den PC zu entlasten. In ihm werden die mit fester Abtastrate vom ADU gelieferten Digitaldaten zwischengespeichert, ohne dass der PC innerhalb der Speicherzeit Rechenleistung zur Verfügung stellen muss. Der FIFO-Speicher hat ein Fassungsvermögen von einigen tausend Messwerten, die in der Reihenfolge ihres Einlaufens an den PC ausgegeben werden, nachdem ein Statusbit signalisiert hat, dass der Speicher voll ist. Messkarten-Controller. Bei „langsamen“ Messkarten werden alle Funktionen, wie z.B. Wahl des Sensorkanals, Einstellung der Verstärkung des PGA, Start des ADU, Einlesen von Daten usw. vom PC gesteuert, was viel Rechenzeit in Anspruch nimmt. Deshalb verfügen „schnelle“ Messkarten über einen eigenen Mikrorechner. Zu Beginn der Messung wird diesem Controller eine Liste der Abarbeitungsdaten übergeben (z.B. Wert der PGA-Verstärkung u. Ä.), die dieser dann ohne Eingreifen des PC umsetzt. Zusammen mit einem FIFO-Speicher ergibt sich so ein in Bezug auf die Rechenzeit optimales System. Allerdings sind schnelle Messkarten teurer und verlangen auch eine umfangreichere Vorbereitung der Messaufgabe. Insbesondere dort, wo neben der Messung auch eine Steuerung des Versuches realisiert werden soll (s. unser Beispiel der automatischen Temperatureinstellung oben), muss der Nutzer das Programm für den Controller oft selbst erstellen, wozu in der Regel Kenntnisse der Prozessorarchitektur und maschinennaher Programmiersprachen (Assembler) erforderlich sind. Der PCI-Controller der Messkarte schließlich steuert die gesamte Kommunikation zwischen PC und Messkarte, die in einen freien Schacht (Slot) der PCI-Steckleiste eingesteckt wird.
Bild 10.37
PCI-Messkarte mit Erweiterungsmodulen (BMC Messsysteme GmbH)
Bild 10.37 zeigt eine PCI-Messkarte. Die Steckerleiste für das Einlassen in den PCI-Slot des PCs ist vorn deutlich zu erkennen. Die hier dargestellte Karte ist eine komplettierbare Basisversion, die vom Anwender durch verschiedene Erweiterungsmodule nach seinen Anforderungen konfi-
10.7 Messtechnik mit dem PC
377
guriert werden kann. Die Basiskarte besitzt bereits 16 digitale Ein- und 16 digitale Ausgänge sowie einen 4 kByte-FIFO-Speicher und kann durch verschiedene aufsteckbare Module mit analogen Ein- und Ausgängen unterschiedlicher Abtastrate und Auflösung komplettiert werden. Die im Bild gezeigten Erweiterungsmodule realisieren analoge Eingänge (hinten links) und analoge Ausgänge (hinten rechts). Die bisher geschilderten Messkarten nach Bild 10.36 und Bild 10.37 sind „Alleskönner“. Karten mit diesen Eigenschaften nennt man deshalb auch Multifunktionskarten. Bei sehr vielen Anwendungen jedoch können deren Möglichkeiten bei weitem nicht genutzt werden. Deshalb gibt es eine Vielzahl von Messkarten, mit denen ganz spezielle Messaufgaben gelöst werden können: Temperaturmesskarten, speziell geeignet für die Temperaturmessung mit Thermoelementen oder Widerstandsthermometern, Messkarten für die Druck-, Längen- oder Vibrationsmessung, Zählerkarten für die Drehzahl- oder Frequenzmessung, Messkarten, die die kompletten Funktionen eines Vielfachmessers oder eines Oszilloskops enthalten usw.
Bild 10.38
Messsystem USB-AD12 (BMC Messsysteme GmbH)
Bild 10.39
Mess-PC für Industrieanwendung (Meilhaus Electronic GmbH)
Bild 10.38 zeigt ein Beispiel für ein sehr kompaktes Messsystem mit niedriger Abtastrate für langsame Anwendungsfälle (z.B. für die Temperaturmessung). Die Messkarte ist in einem 37poligen Sub-D-Buchsengehäuse untergebracht. Sie verfügt über 16 analoge Eingänge mit 12 Bit Auflösung, einen analogen Ausgang und vier digitale Ein-/Ausgänge. Ein solches System ist für den mobilen Einsatz in Verbindung mit einem Notebook besonders geeignet. Zu den Spezialkarten wollen wir hier auch die für Notebooks vorgesehenen PCMCIA-Karten (Personal Computer Memory Card International Association), auch PC-Cards genannt, rechnen, die jedoch immer seltener verwendet werden. Befinden sich Prüfling und PC auf verschiedenen Potenzialen oder können Störspannungen aus dem Netz oder durch Schaltvorgänge auf die Messleitungen einwirken, ist eine galvanische Trennung (Isolierung) von PC und Messobjekt erforderlich. Deshalb wurde eine Reihe von Messkarten entwickelt, bei denen in den Weg des Digitalsignals Optokoppler (s. Abschnitt 7.3.5.3 und Bild 7.58) eingeschaltet sind. Solche Karten haben für den Industriebetrieb, der eine robuste Messtechnik voraussetzt, eine besondere Bedeutung. Für Industrieanwendungen gibt es übrigens auch eigens für den rauen Betrieb entwickelte so genannte Mess-PCs, die nichts anderes als PCs in spezieller Industrieausführung sind. Bild 10.39 zeigt einen solchen PC und den Vorgang des Einschiebens einer Messkarte.
378
10 Elektrische Messtechnik
Zum Abschluss wollen wir noch einige Bemerkungen zur Mess-Software anfügen. Die von den Herstellern gelieferten Programme laufen unter den Betriebssystemen Windows 2000, Windows XP, Windows Vista und Linux. Sie müssen Erfassung, Verarbeitung, Analyse, Darstellung und Archivierung von Messwerten und Messreihen gewährleisten. Während in der Anfangszeit computergestützter Messtechnik der Anwender seine Messprogramme selbst schreiben musste, stellen die Produzenten von Messkarten heutzutage ganze Programmsysteme zur Verfügung, die eine Programmierung seitens des Nutzers überflüssig machen oder außerordentlich erleichtern. Die unter den genannten Betriebssystemen laufenden Programmiersprachen sind grafische Programmiersprachen. Bei diesen werden im Gegensatz zu den textorientierten Sprachen Funktionsblöcke oder Objekte aufgerufen und entsprechend der geforderten Messaufgabe miteinander verbunden. Drei sehr häufig angewandte Softwarepakete wollen wir stellvertretend für andere im folgenden kurz anführen. DASYLab. Die Programmierung geschieht über die Platzierung der durch Mausklick ausgewählten Objekte und durch Ziehen von Verbindungslinien mit der Maus auf dem Bildschirm. Die Auswahl der Objekte bzw. Funktionsmodule erfolgt aus einer entsprechenden Liste. Zu jedem Modul gehört eine Tabelle, in die die für die Ausführung der gewünschten Funktion notwendigen Parameter eingetragen werden. Für die Visualisierung stehen Zeiger- und Digitalanzeigen oder Bargraphen zur Verfügung. Zur Messwertverarbeitung gibt es neben den mathematischen Grundfunktionen aufwendigere Operationen wie Regression, Statistik und die Darstellung in Histogrammen. Für den Fall, dass über den DAU auch geregelt werden soll, können entsprechende Regelalgorithmen aufgerufen werden. LabVIEW. Auch LabVIEW enthält eine umfangreiche Sammlung von Funktionsblöcken für die Programmierung und Visualisierung. Die einzelnen Objekte, die durch Icons repräsentiert sind, werden ähnlich wie bei DASYLab einfach in der gewünschten Reihenfolge miteinander verbunden. Jedes Objekt stellt eine bestimmte Operation, eine mathematische Funktion oder ein Unterprogramm dar. Hinter den Objekten verbirgt sich eine Vielzahl von Programmzeilen, die gegenüber textbasierten Sprachen eingespart werden können. DIADem. DIADem ist wie DASYLab und LabVIEW eine grafische Programmiersprache, d.h. die Programmierung der Messaufgabe erfolgt ebenfalls durch Platzierung der Funktionsmodule auf der Arbeitsoberfläche und durch Verbinden der einzelnen Blöcke. DIADem zeichnet sich insbesondere durch eine Vielzahl mathematischer Operationen aus. Neben den Grundfunktionen ist u.a. schnelle Fouriertransformation (FFT, Fast Fourier Transformation) und digitale Filterung möglich. Auch die Anwendung von Methoden zur Ermittlung statistischer Parameter wie Maximal- und Minimalwert, Mittelwert, Standardabweichung und Berechnung empirischer Verteilungen ist durchführbar.
Die unter den heute üblichen PC-Betriebssystemen lauffähigen grafischen Programmiersprachen sind ohne spezielle Programmierkenntnisse einfach zu handhaben und erfordern ein Minimum an Einarbeitungszeit.
10.8 Störbeeinflussung von Messkreisen In Messkreise können Störsignale eingekoppelt werden, die die Messung verfälschen. Galvanische, induktive und kapazitive Kopplungen sind die wichtigsten. Wir wollen die dabei auftretenden Probleme kurz ansprechen und Hinweise zu ihrer Lösung geben. Galvanische Kopplung. In der Elektronik verwendet man beim Schaltungsaufbau oft einen aus leitfähigem Blech bestehenden Bauelementeträger, das so genannte Chassis. Neben der Trägerfunk-
10.8 Störbeeinflussung von Messkreisen
379
tion wird das Chassis auch als Rückleiter in Stromkreisen genutzt, weil man auf diese Weise Verdrahtungsmaterial einsparen kann. Bild 10.40 a zeigt zwei auf einem solchen Blech aufgebaute Stromkreise. Wir sagen hier, dass die Spannungsquellen und die Widerstände mit einem Ende an Masse angeschlossen sind (Für die vielen Stromkreise eines Kraftfahrzeuges dient übrigens die Karosserie als „Masse“). Der gemeinsame Rückleiter für die Ströme ist der Chassis-Metallkörper. Solange die beiden Masseanschlusspunkte A und B nahe beieinander liegen, kann der zwischen ihnen wirksame elektrische Widerstand vernachlässigt werden. Die beiden Stromkreise sind völlig unabhängig voneinander, d.h., der Strom im Kreis 1 ist durch I1 = U1/R1 bestimmt. Liegen die Punkte A und B aber weit auseinander, muss der zwischen ihnen befindliche Widerstand des Chassis Berücksichtigung finden. Er ist gemeinsames Element beider Stromkreise, so dass sie jetzt miteinander verkoppelt sind. Das für diesen Fall geltende Ersatzschaltbild zeigt 10.40 b.
Bild 10.40
Galvanische Kopplung von Stromkreisen durch Erdschleifen a) Schaltung b) Ersatzschaltbild
Mittels Anwendung der Kirchhoffschen Sätze berechnen wir den Strom I1: I1 =
U1 ( R2 + Rk ) + U 2 Rk R1R2 + R1 Rk + R2 Rk
(10.35)
Wir schließen daraus, dass I1 nicht, wie im ungestörten Fall, nur von U1 und R1, sondern auch von den elektrischen Größen des Kreises 2 und vom Koppelwiderstand Rk bestimmt wird. Das Strommessergebnis wird demzufolge durch den Rk-Stromzweig, den wir Erdschleife nennen, verfälscht. Setzen wir in Gl. (10.35) Rk = 0, folgt I1 = U1/R1, also das richtige Ergebnis. Zur Vermeidung von Erdschleifen ist es erforderlich, möglichst nur einen Massepunkt zu realisieren bzw. die Widerstände zwischen verschiedenen Massepunkten klein zu halten. Bei sehr empfindlichen Messungen ist das besonders zu beachten. Induktive Kopplung. Wir wollen die Klemmenspannung eines Generators nach Bild 10.41 messen. In der Nähe des Messkreises befindet sich ein von Wechselstrom durchflossener Leiter des Netzes. Weil das magnetische Feld dieses Leiters die von der Messschaltung gebildete Leiterschleife durchsetzt, wird in ihr eine Spannung induziert, die sich der zu messenden überlagert und dadurch das Messergebnis verfälscht. Da die induzierte Spannung nach dem Induktionsgesetz Gl. (2.40) umso höher ist, je schneller sich der magnetische Fluss ändert, ist bei am Messkreis vorbeiführenden Hochfrequenzleitungen besondere Vorsicht geboten.
Aus dem Mechanismus des Entstehens induktiver Kopplungen können wir folgende Maßnahmen zu ihrer Unterdrückung ableiten:
380
10 Elektrische Messtechnik
1. Schirmung der Messleitungen. 2. Enge Parallelführung der Messleitungen, damit wegen der nunmehr kleinen Fläche der sie durchsetzende Magnetfluss entsprechend klein ist. 3. Einhaltung von Mindestabständen zwischen Mess- und Störkreisen. 4. Verdrillung der Messschleife, so dass sich ihre Orientierung zum induzierenden Fluss ändert und sich so die induzierten Spannungen gegenseitig aufheben. Kapazitive Kopplung. Zwischen Messkreis und Störleitung wirken Koppelkapazitäten, über die Störsignale auf die Messleitungen gelangen können (s. Bild 10.42). Auch hier sind hochfrequente Störleiterspannungen besonders kritisch, weil der kapazitive Blindwiderstand mit steigender Frequenz kleiner wird. Abhilfe schafft das Einhalten von Mindestabständen und die Verhinderung einer zu großen räumlichen Ausdehnung der Messschaltung.
Bild 10.41
Induktive Kopplung von Stromkreisen
Bild 10.42
Kapazitive Kopplung von Stromkreisen
10.9 Übungsaufgaben 10-1 Ein Messwerk hat eine Skalenlänge von 10,2 cm und eine Empfindlichkeit von 0,51 m/A. Wie groß ist der Strom bei Vollausschlag? 10-2 Ein Drehspulmesswerk hat die Genauigkeitsklasse 0,5 und den Endausschlag 400 mA. Bestimmen Sie für verschiedene Ströme die bezogene Messabweichung im gesamten Skalenbereich und stellen Sie sie grafisch über dem Strom dar! Diskutieren Sie die Kurve! 10-3 Ein 270°-Dreheiseninstrument hat die Kennlinie α = k I2 mit k =1080 grd/A2. a) Zeichnen Sie die Kennlinie! b) Berechnen Sie die Empfindlichkeit dieses Messwerkes für I = 200 mA und I = 450 mA! c) Wie groß ist die bezogene Messabweichung bei einem Strom von 300 mA, wenn das Instrument zur Fehlerklasse 1,5 gehört? 10-4 In der Messschaltung nach Bild 10.43 ist die bezogene systematische Spannungs-Messabweichung für Spannungsmesser mit dem Innenwiderstand RVi = 15 kΩ, 100 kΩ und 10 MΩ zu bestimmen! Diskutieren Sie das Ergebnis!
Bild 10.43
Zur Aufgabe 10-4
10-5 Ein Widerstand, von dem man weiß, dass er wenige Ohm beträgt, soll mit der Strom-SpannungsMethode genau ausgemessen werden. Zur Verfügung stehen ein Strommesser mit RAi = 0,9 Ω und ein Spannungsmesser mit RVi = 10 kΩ. Würden Sie hier die strom- oder spannungsrichtige Schaltung vorziehen? Begründen Sie Ihre Wahl!
10.9 Übungsaufgaben
381
10-6 Bei der Bestimmung eines Widerstandes nach der Strom-Spannungs-Methode wurde bei U = 100 V ein Strom von I = 6,25 mA gemessen. Durch richtige Wahl der Schaltung und einer kleinen Genauigkeitsklasse wurde die systematische Messabweichung sehr klein gehalten, so dass nur noch zufällige Messabweichungen (z.B. Einstell- und Ablesefehler) bei der Strom- (ǻI = ± 0,5 mA) und Spannungsmessung (ǻU = ± 2 V) zu berücksichtigen sind. Die Widerstände der Messinstrumente entsprechen denen von Aufgabe 10-5. a) Ist hier die strom- oder spannungsrichtige Schaltung zu wählen? b) Bestimmen Sie Messabweichung und bezogene Messabweichung des aus U und I berechneten Widerstandes nach dem Fehlerfortpflanzungsgesetz! 10-7 Die U-I-Kennlinie einer Diode (s. Abschnitt 7.3.2, Bild 7.15) soll durch Strom-Spannungsmessung aufgenommen werden. Für welche Teile der Kennlinie ist die strom-, für welche die spannungsrichtige Messung günstiger? Begründen Sie Ihre Meinung! 10-8 Die in Bild 10.44 dargestellten Spannungsverläufe werden mit einem a) Drehspulmesswerk b) Weicheisenmesswerk gemessen. Welcher Spannungswert wird jeweils angezeigt (vier verschiedene Werte)?
Bild 10.44
Zur Aufgabe 10-8
Bild 10.45
Zur Aufgabe 10-9
10-9 Welche Spannung zeigt ein Drehspulmesswerk bei dem Verlauf nach Bild 10.45 an? Wie kann man den Anzeigewert grafisch bestimmen? 10-10 Ein Strommesser hat einen Messbereich von 10 A bei einem Spannungsabfall von 120 mV. Der Messbereich soll für einen Strom von 100 A erweitert werden. Wie groß muss der Shunt sein, und welche Belastbarkeit (Leistung) muss er besitzen? 10-11 Die Netzspannung 230 V, 50 Hz soll oszilloskopiert werden. Da Untersuchungen in der Nähe des positiven Maximalwertes durchgeführt werden sollen, wird bei einer Spannung von 270 V bei positivem Anstieg getriggert. Das ausnutzbare Schirmbild hat eine Breite von 14 cm, eine Höhe von 10 cm und ist in Raster von je 1 cm horizontal und vertikal eingeteilt. Skizzieren Sie maßstabsgerecht das Schirmbild für eine horizontale Zeitablenkung von 2 ms/cm und 1 ms/cm! 10-12 Ein sechsstelliger Universalzähler misst eine Frequenz von 92,74 kHz. Wie viele Zählimpulse werden für Torzeiten von 1 ms, 10 ms, 100 ms, 600 ms, 1 s und 10 s angezeigt? 10-13 Was zeigt der elektrodynamische Leistungsmesser nach Bild 10.46 bei Anliegen der Netzspannung 230 V, 50 Hz an? 10-14 Entwerfen Sie die Schaltung eines LeistungsmesBild 10.46 Zu Aufgaben 10-13 u. 10-14 sers nach Bild 10.46 im Einphasennetz mit Strom- und Spannungswandlern! 10-15 Für einen komplexen einphasigen Wechselstromverbraucher Z sollen Wirkleistung, Blindleistung und Leistungsfaktor cos ϕ bestimmt werden. Neben einem Leistungsmesser stehen Strom- und Spannungsmesser zur Verfügung. Zeichnen Sie das Schaltbild mit den erforderlichen Messgeräten, und geben Sie die Gleichungen an, mit denen Sie die gesuchten Größen berechnen können!
382
10 Elektrische Messtechnik
10-16 Auf einem Stahlstab ist ein Dehnungsmessstreifen aus Silizium (R0 = 350 Ω, k = 110) befestigt. Der Stab hat einen Durchmesser von 25 mm und ist 30 cm lang. Nach Anhängen eines Gewichtes an den Stahlstab wird eine Änderung des Widerstandes des Dehnungsmessstreifens von 7,35 Ω registriert. Die Verformung des Stahlstabes ist rein elastisch (E = 21 · 104 N/mm2). a) Um welche Länge hat sich der Stab gedehnt? b) Wie groß ist das angehängte Gewicht? 10-17 Ein Nickelchrom-Nickel- und ein Platinrhodium-Platin-Thermoelement (Empfindlichkeiten s. Abschnitt 10.6.5) sollen zur Temperaturmessung im Bereich zwischen Raumtemperatur und 1000 °C eingesetzt werden. Zeichnen Sie die beiden Eichkurven Uth = f (ϑM), wenn die Vergleichsstellen unter Eis gehalten werden! Diskutieren Sie den Unterschied beider Kurven! 10-18 Der zunächst achtlos aufgebaute Messkreis eines Oszilloskops zum Nachweis kleiner Spannungen spannt eine Fläche von 500 cm2 auf. Durch die Nähe einer Starkstromleitung wird die Messschleife von einem magnetischen Fluss durchsetzt (senkrecht zur Messschleife und homogen). Infolge des in der Starkstromleitung fließenden Wechselstromes ändert sich die Magnetflussdichte innerhalb von 4 ms von 0,009 auf 0,011 T. Später wird nach einer Analyse des Messkreises ein sorgfältigerer Aufbau durchgeführt, indem man durch entsprechend enge Leitungsführung die Messschleifenfläche auf 10 cm2 verkleinert. Wie groß ist vor und nach dem Umbau die im Messkreis induzierte Spannung? Setzen Sie die berechneten Induktionsspannungen mit zu messenden Spannungen in Beziehung!
Lösungen der Übungsaufgaben Abschnitt 1 q 30 As = = 25mA t 1200s
1-1:
I =
1-2:
nE =
nI = 1-3:
q It 20 ⋅ 10−3 A ls = = = 12, 48 ⋅ 1016 e e 1,602 ⋅ 10−19 As
q = 6, 24 ⋅ 1016 2e
a) i(t ) =
dq A = 20 t s dt s für t < 0
b) q = 0 q=
t2
A für 0 ≤ t ≤ 2 s 2 s
t
q = 2 A dτ + q (t = 2) = 2 A t − 2 A s
³
für t > 2 s
2
1-4:
ΔI = S ΔA cos32o = 4
1-5:
E = ρS = ρ
4I 4 ⋅ 3A V = 1,78 ⋅ 10−8 Ω m = 0,0303 m d2 π (1,5 ⋅ 10−3 ) m 2 ⋅ 3,14
U = E l = 0,0303 ⋅
1-6:
a)
E = 44
A 2,1cm 2 0,85 = 7,12 A cm 2
V ⋅ 10 m = 0,303V m
kV m
Luft: C = 17,72 pF
nE = 2, 43 ⋅ 1010
Q = 3,9 · 10–9 As
D = 0,39 · 10–6
As m2
D = 0,98 · 10–6
As m2
Ψ = Q = 3,9 · 10–9 As
Papier: alle Werte 2,5-fach C = 44,3 pF
Q = 9,75 · 10–9 As
nE = 6,075 · 1010
Ψ = Q = 9,75 · 10–9 As
384
Lösungen der Übungsaufgaben
b)
We =
Luft:
CU 2 = 0, 43 μ Ws 2
F =
F = 214,5μ N
Papier: We = 1,075 μ Ws 1-7:
a)
200 · 103
d)
1818, 2
V m
b) 40 ⋅ 103
V m
e) 4 ⋅ 106
V m
V m
1-9:
a) d ≥ 0,5 mm b) d ≥ 0,333 mm vor dem Durchschlag: Cg = 60 pF nachher: Cg = 68,8 pF Änderung: ΔCg = + 8,8 pF oder + 14,7 %
1-10:
We = 22 m Ws
1-8:
1-11: a)
b)
F =
Q2 (CU ) 2 = = 273,1 N 2ε A 2ε A
c) 10 ⋅ 103 f) 2 ⋅ 106
Druck
s. Bild ne
D=
4πr 2
=
1010 ⋅ 1,602 ⋅ 10−19 As As = 1, 42 ⋅ 10−9 2 4 ⋅ 3,14 ⋅ (0,3) 2 m 2 m
As 2 V m = = 160, 2 E= m ε 0 8,86 ⋅ 10−12 As Vm D
c)
1, 42 ⋅ 10−9
F = 2 e E = 2 ⋅ 1,602 ⋅ 10−19 As⋅ 160, 2
V = 0,5133 ⋅ 10−16 N m
d)
Cd
1-12:
l=
1-13:
U =
1-14: a)
P=
c)
ε0 εr b
= 85m
2We = 548 V C W = 30 kW t
WeV = 120 Ws − 0,375 ⋅ 10−3
b) C =
2We = 375 μ F U2
As 97 2 V 2 = 118, 24 Ws V 2
Abschnitt 2 2.1:
N =
(d1 − 1, 2 mm) ⋅ 3,14 = 138 1, 2 mm
DEA = 85,8μ N 2
Θ = I N = 276 A
V m
V m
Lösungen der Übungsaufgaben
B=
2-2:
Φ
Φ =
A
Θ Rm
Rm =
l
μ0 μ r A
a) B = 1,72 m T
b) B = 1,2 T
I H = 2πr
B=μH
a) H = 0,11
A cm
b) H = 0,055
B = 14 μ T 2-3:
a) H = 34, 4
A cm
H1 = −33,8
d a + di π 2
A cm
B=7μT b)
B = 4,32 m T
2-4
l=
H = 57,3
A cm
B = 3,35 μ T A cm
B = 7, 2 m T
A m
c) H = 0,027
c) H = 11,5
A cm
B = 1,44 m T
A m A H 4 = + 25,1 m H 2 = − 8,13
H3 = 0
2-5:
Die im Neutralleiter von den einzelnen Strömen erzeugten Feldstärken sind: A A A H1 = 169 H 2 = 239 H 3 = 338 m m m Für sie gilt das Vektordiagramm nach nebenstehendem Bild. A Resultierende Feldstärke: H g = 447 m Winkel gegen die Vertikale: α = 32,3º.
2-6:
a) Θ = N I = HFe lFe + HLδ = Σ V Eisen: B1 = BL = 0,5 T. Dazu gehört laut Magnetisierungskurve die Feldstärke A A H Fe1 = 1 . Somit ist V1 = H Fe1 2 l1 = 1 ⋅ 2 ⋅ 3,05cm = 6,1A cm cm B2 = B1
A1 (wegen Φ = const) = 0,667 T, somit nach Bild 2.20 A2
H Fe 2 = 1, 25
B3 = B2
Luftspalt: H L =
A und V2 = 18,75 A cm
A2 A = 0,333 T , d.h nach Bild 2.20 H Fe3 = 0,75 , V3 = 4,88 A cm A3 BL
μ0
=
0,5
Vs m2
1, 256 ⋅ 10−6
Vs Am
= 398100
A und VL = 1592 A m
385
386
Lösungen der Übungsaufgaben
Θ = V1 + V2 + V3 + VL = 1622 A
2-7:
Θ
b)
I =
c)
AW = (d + 0,1d )2 N + 0, 25(d + 0,1d ) 2 N
N
= 1,62 A und d = 1 mm2
AW = 1513mm 2 a = 30,25 mm, d.h. die Wicklung kann auf dem gegebenen Kern untergebracht werden. B A Θ L = N ( I 2 − I1 ) = 2600 A. Mit H L = L = 0,398 ⋅ 106 m μ0 folgt lL =
ΘL HL
= 6,5mm
N = 1688 ΔΦ 2-9: uq = − N u = – 4,77 V = +4,77 V Δt 2.10: Spannung wird nur dann induziert, wenn sich der umfasste Fluss zeitlich ändert. Es kann also an der Leiterschleife nur bei ihrem Hinein- und Heraustreten in oder aus dem Feldlinienbereich eine Spannung gemessen werden. Befindet sie sich während der Bewegung vollständig außerhalb oder volldΦ ständig innerhalb des Feldes, ist keine Spannung messbar, denn hier ist = 0. dt Bewegung in das Feld hinein: uq = – 22,4 mV, aus dem Feld heraus: uq = + 22,4 mV. Vs 1 2-11: uq = Bl 2πnr = 0,7 2 ⋅ 0,714m⋅ 6, 28 ⋅ 7 ⋅ 0, 25m = 5,5V s m N = 40 2-12: a) 0,5 mH b) 2 mH c) 1 mH d) 500 mH = 0,5 H Induktivitäten von akzeptabler Baugröße und Wirtschaftlichkeit (Kupfer-Einsparung) sind nur bei Verwendung von Magneteisen möglich. 2-8:
2.13:
Lösung s. Bild
2-14: F = 2160 N Druck bei gleicher, Zug bei unterschiedlicher Stromrichtung. Vs 2-15: M = Fb = 95A ⋅ 0, 4 m ⋅ 0,9 2 ⋅ 0, 25m = 8,55 Nm m Bewegung erfolgt im Uhrzeigersinn. M = 8,55 · cos α (in Bild 2.46 ist α = 0). Beim jeweiligen Durchgang der Leiterschleife durch die Horizontale (α = 90°, 270° usw.) muss die Stromrichtung umgekehrt werden.
Lösungen der Übungsaufgaben
387
Abschnitt 4 4-1: 4-2:
4-3:
Widerstand 1 nichtlinear, Widerstand 2 linear. Rϑ R0 = 50,8 Ω = 9,5 R0 Der Glühfaden der Lampe besitzt im kalten Zustand einer Widerstand, der etwa einem Zehntel der Betriebswiderstandes entspricht. Der Einschaltstrom beträgt also etwa das Zehnfache des Betriebsstromes U B = 35V
4-4: 4-5: 4-6:
a) 1322,5 Ω b) 881,67 Ω c) 529 Ω d) 264,5 Ω I = 1,17 mA U = 2570 V a) s. Bild b) Parallelschaltung größte, Reihenschaltung kleinste Leistung c) Jeder Widerstand 70,5 Ω d) Einzelwiderstand: 750 W Parallelschaltung: 1500 W
4-7:
Uq = 12 V Ri = 25 mΩ Ik = 480 A Grafische Lösung: Gerade durch die beiden gegebenen Arbeitspunkte legen (s. Bild). Uq und Ik ablesen, Ri daraus berechnen.
Pg1 = 6,52 W Pi1 = 0,62 W Pg2 = 48 W Pi2 = 33,6 W Es muss Ra Ԡ Ri gelten. 4-9: Rers = 67,5 Ω I = 3,41 A 4-10: RAB = 50 Ω 4-8:
Pa1 = 5,9 W Pa2 = 14,4 W
η1 = 90,5 % η2 = 30,0 %
4-11: Stromlaufplan nach Bild. Uv = 2,9 V U = 232,9 V
4-12: a)
Ua = U
R2 = 134, 2 V R1 + R2
b)
Ua = U
R2 // Ra = 77,6 V R1 + R2 // Ra
c) U a = 34,3 V (Gl. wie b))
Bei a) teilt sich die Spannung exakt im Verhältnis der Spannungsteilerwiderstände. Bei b) und c) ist die abgenommene Spannung vom Verbraucher selbst abhängig, was i.a. nicht günstig ist. 4-13: I1 = 7,74 A I2 = 5,16 A I3 = 3,1 A U = 77,4 V 4-14: IR1, R2 = 67,6 mA IR3 = 145 mA IR4 = 212,6 mA
Abschnitt 5 5-1:
T = 60 ms; 40 ms; 25 ms; 20 ms; 18,62 ms; 1 ms; 0,4 μs; 0,408 ns; 84,7 ps
388
Lösungen der Übungsaufgaben
ª1 º ¬ ¼ 15 ms und 45 ms; 5 ms und 15 ms; 2,5 ms und 7,5 ms
ω « » = 104,66; 157; 251,2; 314; 337,24; 6280; 15,7 · 106; 15,386 · 109; 74,104 · 109 s
5-2: 5-3:
Verlauf s. Bild i(t = 50 ms) = 8,55 A u(t = 50 ms) = – 266,2 V
5-4: 5-5:
ϕ = 52,62º a) Ud = 0,3185 uˆ = 0,45 U
b) Ud = 0,637 uˆ = 0,9 U
1 + cos α 1 + cosα c) Ud = 0,637 uˆ = 0,9U 2 2
5-6: 5-7: 5-8: 5-9:
1 (2π − 2α + sin 2α ) 4π Ug = 248,3 V U=û
Ig = 50,5 A Beispiele für Zeigerdiagramme s. Bilder. Widerstände für f = 0, f → ∞: R1 R2 a) ∞, 0 b) ,0 c) ∞, (R1 + R2) R1 + R2
d) ∞, (R1 + R2)
5-10: a) s. Bild. Abgelesen: U = 150 V, I = 4,5 A ϕ = 10° b) P = 662 W, Q = 117 var S = 675 VA, cos ϕ = 0,98; Vergrößerung von C würde cos ϕ weiter verbessern. c) I = 0,38 A 5-11: a) U = 3,6 V · e j 56,3º b) U = 25 V · e j 36,9º c) I = 1,414 A · e–j 45º d) U = 5,8 V · e j 149º e) Z = 5,4 Ω · e j 21,8º f) I = 10 A · e j 0° g) U = 2 V · e j90º h) Z = 223,6 Ω · e–j 63,4º 5-12: a) Z = 17,7 Ω · e j 81,9° |Z| = 17,7 Ω ϕz = + 81,9º ϕ = ϕz b) Schaltung s. Bild mit R = 2,5 Ω und L = 55,8 mH c) Iw = 0,2 A Ib = 1,4 A 5-13: a)
o
Z = 7,7Ω ⋅ e j39,8 I =
U o = 2,6 A ⋅ e − j39,8 : I = 2,6 A; ϕ = ϕ z = +39,8o Z
Lösungen der Übungsaufgaben
b)
IR =
U = 2A R
I =
I R2 + I L2 = 2,6 A
5-14: Z = 28,6 Ω · e –j20,9º
IL =
U = − j 1,67 A jω L
ϕ = arctan
also kapazitiv. I =
−1,67 = −39,8o 2
U = 3,5 A · e j20,9º Z
|I| = 3,5 A ϕ = – 20,9º, d.h. Strom vorauseilend. 5-15: a) Z = 200 Ω + j 157 Ω = 254,3 Ω · e j 38,1º, ϕ = + 38,1° b) Z = 200 Ω + j 314 Ω = 372,3 Ω · e j 57,5º, ϕ = + 57,5° c) Z = 80 Ω – j 100 Ω = 128,1 Ω · e–j 51,3º, ϕ = – 51,3º d) Z = 120 Ω + j 50,7 Ω = 130,3 Ω · e j 22,9º, ϕ = + 22,9º e) Z = 120 Ω – j 189,3 Ω = 224,1 Ω · e–j 57,6, ϕ = – 57,6º f) Z = 120 Ω = 120 Ω · e j0, ϕ = 0° (Resonanz) 5-16: a) b) c) d) e) f) g)
Z = 5,14 Ω + j 35,5 Ω = 35,8 Ω · e j 81,8º, ϕ = + 81,8º Z = 66,5 Ω + j 110,5 Ω = 128,9 Ω · e j 59,3º, ϕ = + 59,3° Z = 220 Ω + j 81,4 Ω = 234,6 Ω · e j 20,3º, ϕ = + 20,3° Z = 250 Ω = 250 Ω · e j0º, ϕ = 0º (Resonanz) Z = 224,7 Ω – j 75,6 Ω = 237,1 Ω · e–j 18,6º, ϕ = – 18,6' Z = 66,7 Ω – j 110,6 Ω = 129,1 Ω · e–j 59º, ϕ = – 59° Z = 9 Ω – j 46,7 Ω = 47,6 Ω · e–j 79º ϕ = – 79°
Die Ortskurve ist ein Kreis, aus dem alle Werte des komplexen Scheinwiderstandes für beliebige Werte der Frequenz von f = 0 bis f → ∞ entnommen werden können.
5-17: P = 9,23 W 5-18: P1 = 560 W I2 = 7,83 A P3 = 640 W Pg = 3000 W
Q = – 4,86 var Q1 = 478 var Q2 = 0 Q3 = – 848 var Qg = – 370 var
S = 10,43 VA
cos ϕ = 0,885
S1 = 736 VA S2 = 1800 VA S3 = 1063 VA Sg = 3023 VA
5-19: Q folgt für beide Fälle aus Q = P tan ϕ. ΔQ = 2787 kvar, 5-20: a) 10,5 kV b) 6,062 kV 5-21: aa) 5,75 A ab) 4 kW ba) 17,32 A bb) 12 kW Man kann zwei verschiedene Heizstufen realisieren. 5-22: U = 400 V I = 11,5 A
C = 167,7 mF
389
390
Lösungen der Übungsaufgaben
5-23: P = 7,54 kW Q = 4,67 kvar S = 8,87 kVA P ist zur Deckung der Verluste (Stromwärme, Reibung usw.) und zur Erzeugung des Drehmomentes, Q zum Aufbau der magnetischen Felder notwendig. 5-24: t = 6 h Wb = 37,6 kvarh 5-25: IR1,2 = IR2,3 = IR3,1 = 3,333 A IL1,2 = IL2,3 = IL3,1 = 3,333 A I1,2 = I2,3 = I3,1 = 4,71 A IL1 = IL2 = IL3 = 8,16 A
Abschnitt 6 6-1:
a)
RC
d uC + uC = 0 dt
Lösung: uC = U q e
−
t RC
Uq − t d uC =− e RC dt R c) s. Bild
b)
6-2:
i=C
a) 63,2 %, 95 % und 99,3 % b) 36,8 % t50% = 0,693 τ c) Tangente bei t = 0 an die Kurven legen. Die Tangente an die Spannungskurve schneidet dann auf der Geraden u = Uq, die Tangente an die Stromkurve auf der Geraden i = 0 einen Abschnitt von der Größe der Zeitkonstanten ab.
Abschnitt 7 7-1:
Silizium: λmax = 1130 nm (Infrarot), Germanium: λmax = 1570 nm (Infrarot), Galliumarsenid: λmax = 790 nm (Rot), Galliumphosphid: λmax = 502 nm (Grün)
7-2:
a) s. Bild b)
α =
1 Δ Rϑ R20o Δϑ
α 30o = 0,0232 K −1
α 50o = 0,0106 K −1 c) s. Bild d) α30º = α50º = 0,0129 K–1 Obwohl die Kurve der Parallelschaltung flacher als alle anderen verläuft, bedeutet das nicht zwangsläufig kleinsten α-Wert, d.h. nicht zwangsläufig kleinste Messempfindlichkeit. Das liegt an dem kleineren Wert R20º der Parallelschaltung. Weiterhin wird durch die Zusammenschaltung mit einem temperaturunabhängigen Widerstand die Kennlinie linearisiert, was für die Weiterverarbeitung mit Prozessrechnern von Bedeutung sein kann. 7-3:
U = 400 V
7-4:
a) Udα1 = 162,9 V b) Udα1 = 118,7 V
Udα2 = 103,5 V Udα2 = 0V
Udα3 = 37 V Udα3 = – 133,1 V
Lösungen der Übungsaufgaben
391
Bei negativer Spannung Rücklieferung el. Energie von der Gleichspannungsseite an das speisende Wechselstromnetz (Wechselrichterbetrieb). 7-5:
Halbgesteuert: Udα1 = 327,4 V Vollgesteuert: Udα1 = 294,9 V
Udα2 = 148,7 V Udα2 = – 62,5 V
Schaltbilder s. Bild 7.65 a und Bild 7.66! 7-6:
a) s. Bild und U1 = 230 V U2 = 194 V U3 = 59 V b) P1 = 96,2 W P2 = 68,4 W P3 = 6,3 W c) Helligkeitssteuerung Glühlampen (Dimmer), Drehzahlstellung Motoren (z.B. Bohrmaschine)
7-7:
a) s. die im Bild dargestellten Verlusthyperbeln b) Der Wert von Rc entspricht der Steigung der Widerstandsgeraden: Rc40º ≈ 170 Ω Rc150º ≈ 580 Ω. Die Aussteuerbarkeit des Kennlinienfeldes wird entscheidend eingeschränkt.
7-8:
a) Rc5V = 465 Ω Rc8V = 1163 Ω b) IB0 = 15 μA c) AP-Verlagerung bis zu den Kennlinien für IB = 25 μA und IB = 5 μA. Vor Kondensator: UCEmax5V ≈ 4,3 V UCEmax8V ≈ 6,5 V Hinter Kondensator: UCEmax5V ≈ 1,3 V UCEmax8V ≈ 3,5 V
7-9:
Udα3 = 46,2 V Udα3 = – 267,5 V
392
Lösungen der Übungsaufgaben
7-10: a) Rwarm =
6V = 1,2 kΩ 5 mA
Rkalt = 133,33 Ω. Weg AP s. Bild. b) IBSat ≈ 17 μA. Ist IB kleiner, dann brennt die Lampe mit geringerer Leistung.
7-11: ODER
ue1 0 1 0 1
Wahrheitstabelle:
ue2 0 0 1 1
ua 0 1 1 1
7-12: Wahrheitstabellen:
ue1 0 1 0 1
NOR:
7-13:
ue2 0 0 1 1
ua1 1 0 0 0
NICHT:
7-14: Wahrheitstabelle:
A = E1 ∧ E 2
7-15: Wahrheitstabelle:
7-16: 2nmin ≥
ue1 0 1 0 1
UND:
ue2 0 0 1 1
ua2 0 1 1 1
ODER:
E1 0 1 0 1
E2 0 0 1 1
A 1 1 1 0
E1 0 1 0 1
E2 0 0 1 1
S 0 1 1 0
Temperaturbereich Genauigkeit
Max. Genauigkeit:
ODER
Ü 0 0 0 1
a) nmin = 6 Bit
b) nmin = 7 Bit
c) nmin = 8 Bit
a) ± 1,1 K
b) ± 0,55 K
c) = ± 0,27 K
Lösungen der Übungsaufgaben
Abschnitt 8 8-1:
8-2: 8-3: 8-4:
8-5: 8-6: 8-7:
8-8:
η = 0,85 PV = 900 W Stromwärme-, Bürstenübergangs-, Erreger-, Reibungsverluste (Reibung an Bürsten und Lagern, Luftreibung des Ventilators) η = 0,944 ηges = 0,865 PMOTOR = 740 kW M a) MN = 1298,7 Nm b) cΦ = N = 3,44 Vs c) n0 = 1220 min–1 IN d) PVAN = 3,715 kW a) MN = 99,4 Nm cΦ = 3,01 Vs b) n0 = 1400 min–1 c) IAein = 183,33 A RVz = 3,1 Ω d) n = 824 min–1 –1 nN = 1443 min a) p = 3 sN = 2 % b) Leerlauf: M = 0; n = n0 ≈ nS = 1000 min–1 Nennbetrieb: M = MN = 291,5 Nm; n = nN = 980 min–1 Kipp-Punkt: M = MK = 2,9 MN = 845,4 Nm; n = nK = nS – nS sK = 880 min–1 M 2 Anlauf: A = = 0,236 und somit MA = 199,5 Nm sA sK MK + sK sA n = nA = 0 (s = sA = 1) c) Der Anlauf gelingt durch Einschalten von Läuferwiderständen (s. Bild 8.53) 14 kW a) nS = 1000 min–1 p=3 b) η = = 0,8 17,5 kW c)
I =
Pel = 30,1A 3 U cos ϕ
d) MN = 137,5 Nm
MK = 2,5 MN = 343,8 Nm
e) maßstäbl. Zeichnung s. Bild. s1 R R 0,03 = 1 = 1 = = 0,06 s2 R2 nR1 0,5 daraus: n = 16,67, d.h. es ist der 16 2/3-fache Läuferwiderstand erforderlich. Aus dem Bild ist weiterhin ablesbar: MA = 2MW = 275 Nm
a) MN = 449 Nm b) P = 152,8 kW Q = 74 kvar S = 169,7 kVA c) η = 0,916 d) SN = 1 % 8-10: a) Leerlauf: M = 0; n = 1500 min–1 Nennbetrieb: MN = 25,8 Nm; nN = 1475 min–1 Kippbetrieb: MK = 51,6 Nm; nK = 1200 min–1 MA Anlauf: = 0,385 (Kloss !) und somit MA = 19,9 Nm MK 8-9:
393
394
Lösungen der Übungsaufgaben
b) Werte von n s. a), Momente werden gedrittelt: Leerlauf: M = 0 Kippbetrieb: MK = 17,2 Nm Anlauf: MA = 6,63 Nm c) Wegen 6,63 Nm < 12 Nm ist SternDreieck-Anlauf nicht möglich. Besonders geeignet ist der Doppelkäfigläufer-Motor (s. Bild 8.55)
8-11: s. Bild. Abzulesen: δ = 45°
8-12: Nach dem Zeigerdiagramm (s. Bild ) gilt: U1 = U p2 − U d2 =
2302 V 2 − (45 ⋅ 2,3)2 V 2 = 205, 4 V
(Strangspannung). Leiterspannung U = 356 V dω dn . Nach Abschalten des Motors: = 2π J dt dt dn 1 1 = − Mw = − 2π J dt 10 10 M N
8-13: a) mb = m – Mw = J
b) Es wird linearer Drehzahlabfall angenommen: kgm 2 1 97, 2 2 MN 1 5s s = ⋅ = 7,3kgm 2 J = 10 1 2 π Δn 6, 28 10,6 s Δt
8-14: Effektives Widerstandsmoment des Bandes: MwB = 108,5 Nm. Effektives Widerstandsmoment an der Motorwelle: MwM = 36,9 Nm. Peff,Motor = 5,7 kW, Pel,Motor = 6,4 kW, Wel,Motor = Pel,Motor · 16 h = 102,4 kWh 8-15: I1 = 70,4 mA 8-16: ü = 26
N2 = 177
8-17: a) RFe = 4,41 kΩ
b) Rk = 2 Ω
Xh =
U 02 S02 − P02
Xk =
S k2 − Pk2 I k2
= 7,76 k Ω
= 1,3 Ω
Kappsches Dreieck s. Bild 8-18: Anschluss 1 – 2: R1–2 = 144 Ω Anschluss 1 – 3: R1–3 = 1129 Ω Anschluss 2 – 3: R2–3 = 467 Ω
U1 (P2 = 5 W) = 26,9 V U1 (P2 = 5 W) = 75,3 V U1 (P2 = 5 W) = 48,4 V
Lösungen der Übungsaufgaben
395
Abschnitt 9 9-1:
a) mSt = 9077 t
kSt ≈ 0,3
b) mBr = 32040 t
kBr ≈ 1,1
kg kWh
kg kWh
Vergleich Uran: mU = 3 kg und kU ≈ 0,1 · 10–6
kg mg = 0,1 kWh kWh
9-2:
i = 83 : 250 ≈ 1 : 3
9-3:
a) Pnat = 457 MW b) U2L = 420 kV
9-4:
50 Hz : U2L = 402 kV
9-5:
Zw3er = 263 Ω Zw4er = 222 Ω. Wegen der größeren „effektiven“ Fläche des Viererbündels ist der Kapazitätsbelag C' größer und damit nach Gl. (9.9) der Wellenwiderstand kleiner.
9-6:
a) Zeigerdiagramm s. Bild. U1 > U2, d.h. die Spannung fällt zum Leitungsende hin ab. b) Zeigerdiagramm s. Bild. U1 < U2, d.h. die Spannung steigt zum Leitungsende hin an (Ferranti-Effekt). Induktive Lasten am Leitungsende tendieren zum Kurzschluss. Also ist Z2 < Zw und somit nach Gl. (9.21) P > Pnat, d.h. es liegt übernatürlicher Betrieb vor. Kapazitive Lasten tendieren zum Leerlauf, somit Z2 > Zw und P < Pnat, d.h. unternatürlicher Betrieb und FerrantiEffekt.
9-7:
a=
0,184
Ω 1 H ⋅ 0,8 + 314 ⋅ 0, 25 ⋅ 10−3 ⋅ 0,6 1 km s km = 1,52 ⋅ 10−6 2 2 Wkm 400 V ⋅ 0,8
a = 0,152 ⋅ 10−3
% kWm
ΔuL = 0,152 ⋅ 10−3
9-8:
P=
16
60 Hz : U2L = 412 kV
5 (20 kW · 30 m + 70 kW · 90 m + 45 kW · 165 m) = 2,15 % kWm
PN = 24,31 kW 0,905
mm2:
ΔuL% = 24310 W · 0,2 km
1,36
Ω 1 H ⋅ 0,91 + 314 ⋅ 0, 27 ⋅ 10−3 ⋅ 0, 41 km s km 100 4002 V 2 ⋅ 0,91
ΔuL = 4,2 % 10 mm2: ΔuL = 6,7 % Es muss das 16 mm2 – Kabel verwendet werden. 9-9:
Richtig sind:
b) und d)
396
Lösungen der Übungsaufgaben
9-10: Fehlerstromkreis s. Bild. 230V = 1,5mA a) I K = 152 k Ω U B = 2 k Ω ⋅ 1,5mA = 3 V
b)
IK =
230V = 46 mA 5 kΩ
U B = 2 k Ω ⋅ 46 mA = 92 V
Abschnitt 10 10-1: I = 200 mA 10-2: Messabweichung im gesamten Skalenbereich s. Bild. Will man die mögliche Genauigkeit nutzen, sollte man nur im oberen Anzeigebereich messen. Das Bild zeigt, welchen Fehler man macht, wenn in anderen Bereichen gemessen wird. 10-3: a) s. Bild.
b) E200 = 432
grd A
E450 = 972
grd A
c) 2,5 %
10-4: eS 15kΩ = 57,2 % eS 100 kΩ = 16,7 % eS 10MΩ = 0,2 % Spannungsmesser müssen einen hohen Eigenwiderstand haben (exakt: im Vergleich zum Widerstand des Messobjektes). 10-5: Es muss die spannungsrichtige Messung angewendet werden, weil dann die Bedingung RVi ›› R erfüllt ist und somit der Strom durch das Voltmeter vernachlässigt werden kann. 10-6: a) stromrichtig ΔU U ΔR ΔI b) ΔRmax = + 2 ΔI = ± 1600 Ω + = ± 10% I R I I 10-7: Der Widerstand der Diode ist umso kleiner, je steiler deren Kennlinie ansteigt. Im Bereich kleiner Spannungen und kleiner Ströme, also im unteren Teil der Kennlinie wird man somit stromrichtig, im oberen Teil der Kennlinie aber spannungsrichtig messen müssen. 10-8: a) Arithmetische Mittelwerte Ud = 0,3185 uˆ und Ud = 0,637 uˆ
b) Effektivwerte U = 0,5 uˆ und U = T
10-9: UDs =
uˆ = 0,707 uˆ 2
1 1 3 u (t )d t = ⋅ 24V ⋅ T = 18V . Grafische Lösung: Zeichnen eines Rechtecks gleicher 4 T T
³ 0
Fläche wie die Einzelimpulse. 10-10: Rx = 1,33 mΩ
Px = 10,8 W
Lösungen der Übungsaufgaben
397
10-11:
10-12: z = fx tm 92, 927, 9274, 55644, 92740, 927400. 10-13: Er zeigt die Wirkleistung an: P = 154 W 10-14: s. Bild.
10-15: Schaltung s. Bild. P wird abgelesen. Berechnet werden: P cos ϕ = und Q = UI sin ϕ UI 10-16: a)
ΔR μm = k ε = 0,021 , somit: ε = 1,9 · 10–4 = 190 m R
somit: Δl =ε l0 = 57 μm. b) G = σ A = ε E A = 1,9 · 10–4 · 21 · 104
N 252 mm 2 ⋅ π = 19576 N mm 2 4
10-17: Kurven s. Bild. Die Kennlinie von NiCr-Ni verläuft um den Faktor 5,9 steiler als die von PtRh-Pt. Das Thermoelement NiCr-Ni ist somit um diesen Faktor empfindlicher.
10-18: vorher: uq = 25 mV
nachher: uq = 0,5 mV
1 des Betrages zu messender Spannungen sein 10 sollen, kann man im ersten Falle mit dem Oszilloskop noch Spannungen von einigen Zehntel Volt, im zweiten Falle aber von einigen tausendstel Volt mit genügender Genauigkeit untersuchen.
Wenn man z.B. annimmt, dass Störpegel maximal
Literatur
Grundlagen Altmann, S., Schlayer, D.: Lehr- und Übungsbuch Elektrotechnik. Hanser 2003 (3. Auflage) Flegel, G., Birnstiel, K., Nerreter, W.: Elektrotechnik für Maschinenbau und Mechatronik. Hanser 2004 (8. Auflage) Frohne, H., Löcherer, K.-H., Müller, H.: Moeller Grundlagen der Elektrotechnik. Teubner 2008 (21. Auflage) Hagmann, G.: Grundlagen der Elektrotechnik. Aula Verlag 2006 (12. Auflage) Hering, E., Gutekunst, J., Martin, R.: Elektrotechnik für Maschinenbauer. Springer 1999 Lindner, H.: Elektroaufgaben. Hanser Bd.1 : Gleichstrom. 2006 (28. Auflage) Bd.2 : Wechselstrom. 2006 (23. Auflage) Linse, H., Fischer, R.: Elektrotechnik für Maschinenbauer. Teubner 2005 (12. Auflage) Ose, R.: Elektrotechnik für Ingenieure. Bd.1 : Grundlagen. Hanser 2005 (3. Auflage) Seidel, H.U., Wagner, E.: Allgemeine Elektrotechnik. Gleichstrom-Felder-Wechselstrom. Hanser 2003 (3. Auflage)
Anwendungen Abschnitt 7 Becker, W.J., Seifart, M.: Analoge Schaltungen. Verlag Technik Berlin 2003 (6. Auflage) Beierlein, T., Hagenbruch, O.: Taschenbuch Mikroprozessortechnik. Fachbuchverlag Leipzig 2004 (3. Auflage) Felderhoff, R., Busch, U.: Leistungselektronik. Hanser 2006 (4. Auflage) Hagmann, G.: Leistungselektronik. Grundlagen und Anwendungen in der elektrischen Antriebstechnik. Aula Verlag 2006 (3. Auflage) Hering, E., Bressler, K. , Gutekunst, J.: Elektronik für Ingenieure und Naturwissenschaftler. Springer 2005 (5. Auflage) Probst, U.: Leistungselektronik für Bachelors. Hanser 2008 Prochaska, E.: Digitaltechnik für Ingenieure. Oldenbourg 2003 Schaaf, B.: Mikrocomputertechnik. Mit Microcontrollern der Familie 8051. Hanser 2007 (4. Auflage) Seifart, M., Beikirch, H.: Digitale Schaltungen. Verlag Technik Berlin 1998 (5. Auflage) Siemers, Ch., Sikora, A.: Taschenbuch Digitaltechnik. Fachbuchverlag Leipzig 2007 (2. Auflage) Tietze, U., Schenk, Ch.: Halbleiter-Schaltungstechnik. Springer 2002 (12. Auflage) Woitowitz, R., Urbanski, K.: Digitaltechnik. Springer 2007 (5. Auflage) Abschnitt 8 Böhm, W.: Elektrische Antriebe. Vogel Buchverlag 2007 (6. Auflage) Fischer, R.: Elektrische Maschinen. Hanser 2006 (13. Auflage) Kremser, A.: Elektrische Maschinen und Antriebe. Teubner 2008 (3. Auflage) Merz, H.: Elektrische Maschinen und Antriebe. VDE Verlag 2008 (2. Auflage)
Literatur
Stölting, H., Kallenbach, E.: Handbuch elektrische Kleinantriebe. Hanser 2006 (3. Auflage) Spring, E.: Elektrische Maschinen. Springer 2006 (2. Auflage) Vogel, J.: Elektrische Antriebstechnik. Hüthig 1998 (6. Auflage) Abschnitt 9 Flosdorff, R., Hilgarth, G.: Elektrische Energieverteilung. Teubner 2005 (9. Auflage) Heuck, K., Dettmann, K.-D., Reuter, E.: Elektrische Energieversorgung. Vieweg 2007 (7. Auflage) Knies, W., Schierack, K.: Elektrische Anlagentechnik. Hanser 2006 (5. Auflage) Noack, F.: Einführung in die elektrische Energietechnik. Fachbuchverlag Leipzig 2003 Quaschning, V.: Regenerative Energiesysteme. Hanser 2007 (5. Auflage) Schufft, W.: Taschenbuch der elektrischen Energietechnik. Hanser 2007 Abschnitt 10 Carter, H.: Kleine Oszilloskoplehre. Hüthig 1999 (11. Auflage) Felderhoff, R., Freyer, U.: Elektrische und elektronische Messtechnik. Hanser 2006 (8. Auflage) Mühl, Th.: Einführung in die elektrische Messtechnik. Teubner 2008 (3. Auflage) Schmusch, W.: Elektronische Messtechnik. Vogel Buchverlag 2005 (6. Auflage) Schrüfer, E.: Elektrische Messtechnik. Hanser 2007 (9. Auflage)
399
Sachwortverzeichnis
Abbrandhorn
332 Ableitstrom 342 Ableitungsbelag 314 Abtastrate 375 Addierglied 198 Adressbus 214 ADU 376 Akzeptor 138 ALU 221 Amplitude 86 Analog-Digital-Umsetzer 226 Analogsignal 193 Anker 228, 231, 239 Ankerrückwirkung 230 Ankerspannung 237 Ankerstrom 243 Anlassen eines Gleichstrommotors 240 eines Asynchronmotors 273 Anlaufmoment 298 Anpassung 68, 71, 246 einer Leitung 318 Anpassungsübertrager 246, 294 Anreicherungstyp 213 Anwenderprogramm 224 Anzeige LCD 173 LED 147, 173 Äquipotentialfläche 12 Arbeitspunkt beim Grundstromkreis 68 eines Verstärkers 161, 162, 164 Aronschaltung, 361 ASIC 223 Assembler 221, 222 Assemblersprache 225 Asynchronmotor 297 Augenblickswert 106 Ausbreitungskonstante 309, 310 Ausgangskennlinie eines Transistors 155, 158, 160 Ausgleichsvorgang 132
Ausschlagbrücke 361 Außenleiter 116 Außenwiderstand 69
Bündelleiter 324 Büssing-Gesetz 289
CD-Player Bändermodell
139 Basis des Transistors 151 Basisschaltung 153 Basisstrom 177 Befehlsdekodierung 286 Befehlsliste 219 Befehlszyklus 217 Bemessungsspannung 343 Bemessungsstrom 334 Berührungsspannung 343 Beschleunigungsmoment 286 Betriebszeit eines Antriebs 290 Bewegungsgleichung eines Antriebs 284 Bimetallauslöser 334 Binärsignal 218 Bipolartransistor 164 Blindarbeit 122 Blindleistung 121, 122, 191 Blindleistungskompensation 110, 267 Blindleitwert 104 induktiver 98 kapazitiver 99 Blindspannung 105 Blindstrom 105 Blindwiderstand 108 induktiver 97 kapazitiver 99 synchroner 275 Blockierkennlinie eines Thyristors 166 Bluetooth 370, 373 Bluray-Disc 217 Breitbandverstärker 197 Bremswiderstand 191 Brennspannung eines Schaltlichtbogens 332 Brückenschaltung Gleichrichter 178, 180 für Widerstandsmessung 360
196 Chip 212 CISC-Rechner 222 Clausius-Rankine-Prozess 302 CMOS 212 CMOS-Schaltkreis 212 Compiler 225 Co-Prozessor 222 Coulombsches Gesetz 25 CPU 222 Curietemperatur 51
Dahlahnderwicklung
272 Dämpferkäfig einer Synchronmaschine 281 Dämpfungskonstante 314 DASYLab 378 Datenbus 219, 220 DAU (Digital-Analog Umsetzer) 375 Dauermagnet, 111, 231, 261 DDR-RAM 217 Defektelektron 137 Dehnungsmessstreifen 372 Dekoder 174 D-Flipflop 206 DIADem 378 Diamagnetismus 37 Dielektrikum 26 Differnziell 375 Differenzierglied 199 Digital-Analog-Umsetzer 194, 222 Digitalmultimeter 344, 345 Digitaloszilloskop 357 Digitalsignal 226 Dimmer 190 Direktumrichter 190 Display LCD 173 LED 173 Donator 137, 141
402
Sachwortverzeichnis
Doppelkäfigläufer 274 Doppelschlussmotor 243 Dotierung 158 Drain 154, 157 Drainschaltung 212 Drainspannung 156 Drainstrom 156 DRAM 216 Dreheisenmesswerk 348 Drehfeld 277, 278 Drehmomentenmesswelle 367 Drehspulmesswerk 372 Drehstreckung komplexer Zeiger 97 Drehstrom 111 Drehstromblindleistung 118 Drehstrombrücke 180 Drehstromgenerator 122 Drehstromscheinleistung 121 Drehstromsteller 167, 268 Drehstromsystem 118 Drehstromwirkleistung 118 Drehung komplexer Zeiger 97 Drehzahlregelung 296 Dreieckschaltung 75, 114, 117 Dreieck-Stern-Umwandlung 73 Drei-Leiter-Drehstromnetz 114 Dreiphasenwechselstrom 111 Drosselspule 50 Druckwasserreaktor 303 Dualsystem 196 Dualzähler 209 Durchflutung 30 Durchflutungsgesetz 33 DVD-Player 172
E/A-Schaltkreis 214 Echtzeitbetrieb 225 Eckdrehzahl 237 EEPROM 216 Effektivwert 87 Effektivwertzeiger 89 Eigenleitung 136, 140 Eigenleitungsdichte 143 Einchip-Mikrorechner 296 Einphasentransformator 299 Einphasenwechselstrom 311 Einpulsschaltung 179 Einquadrantenantrieb 292 Einschaltdauer relative 290 Einwegschaltung 148
Eisenverluste der Asynchronmaschine 268 des Transformators 251, 254 Elektrizitätszähler 122 Elektrodynamisches Kraftgesetz 56, 233 Messwerk 349 Elektroneninjektion 152 Elektronikmotor, 282 Elementarladung, 2 Elementhalbleiter 135 Emitter 150 Emitterschaltung 154 Emitterstrom 151 Endenergie 300 Energie elektrische 14, 23, 64 magnetische 55 mechanische 64, 243, 287 Energiebändermodell 186 Energieterm-Schema 139 ENIAC 211 EPROM 216 Erdkurzschluss 328 Erdschleife 370 Erdschluss 327 Erdseil 325 Erregermaschine eines Kraftwerksgenerators 309 Ersatzschaltbild eines Asynchronmotors 268 einer Leitung 320 einer Synchronmaschine 276 eines Transformators 246, 251 von Widerständen 71 Ersatzwiderstand 71 Erzeugerzählpfeilsystem 89
Factor inertia
363 Faradaykäfig 27 Fehlerfortpflanzung 346 Fehlerstrom 339 Fehlerstromschutzschalter 342 Feld elektrostatisches 18 homogenes 1 inhomogenes 1 magnetisches 27 Strömungs- 2 Feldeffekttransistor 149, 155
Feldkonstante elektrische 20 magnetische 37 Feldschwächung 237 Feldstärke elektrische 10, 12 magnetische 32, 35 Feldsteuerung eines Gleichstrommotors 240 eines Starkstromkabels 326 Ferranti-Effekt 318 Ferrariszähler 350 Ferrit 64 Ferromagnetismus 37 Festkörperelektronik 134 FET 149 FIFO (First In First Out) 376, 377 Filter aktiver 199 FI-Schalter 342 Flash-ROM, 216 Flipflop 206 Fluss, magnetischer 29 Flussdichte magnetische 29, 30 Fotodetektor 365 Fotoelement 171 Fotothyristor 172 Fototransistor 171 Francisturbine 306 Freilaufdiode 190 Freilaufwirkung 184 Freileitung 343 Fremderregung der Gleichstrommaschine 236 Frequenz 103 Frequenzmessung 363 Frequenzteiler 210 Frequenzumrichter 191, 306
Gabelkoppler 174 Gasdruckkabel, 326 Gasturbinenkraftwerk 302 Gate 155, 166 Gateschaltung 156 Gatespannung 157 Gatter 203 Gaußsche Zahlenebene 101 Gegeninduktion 49 Gegeninduktivität 53
Sachwortverzeichnis
Gegenmoment 349 Genauigkeitsklasse 371 Generator 275 Prinzip 47 Gezeitenkraftwerk 304 GIS (Gasisolierte Schaltanlage) 339 Gleichrichter 186, 191 gesteuert 168, 180 halbgesteuert 181, 183 netzgeführt 171 ungesteuert 178 vollgesteuert 180, 181 Gleichrichterdiode 145 Gleichrichtwert 88 Gleichstrom 5 Gleichstromkurzkupplung 192 Gleichstrommotor bürstenlos 283 Gleichstromnebenschlussmotor 231, 233 Gleichstromreihenschlussmotor 304, 313 Gleichstromsteller 190 Gleichstromumrichter 189 Graetz-Gleichrichter 179 Grenzfrequenz 197 Grundgesetz der digitalen Messtechnik 358 Grundlast 307 Grundschaltelemente 109 GTO-Thyristor 170 GuD-Kraftwerk 303
Halbleiter 155 Halbleiterelektronik 135 Hallsonde 360 Haltestrom 181 Handshake 372 Hauptblindwiderstand eines Asynchronmotors 269 eines Transformators 248, 254 Hauptreaktanz eines Asynchronmotors 269 eines Transformators 248, 254 Hauptfeldspannung 246 Hauptfluss 246 Hauteffekt, 49 HDÜ 313 Heißleiter 143 HGÜ 312
HH-Sicherung 336 HochspannungsDrehstromübertragung (HDÜ) 313 Hochspannungs-Gleichstromübertragung (HGÜ) 312, 318 Höchstspannungsnetz 310 Hohlleiter 49 Hot-dry-rock-Technik 304 H-Pegel 193 Hydrogenerator 309 Hysterese 39 Hysteresemotor 283 Hystereseschleife 38, 40 Hystereseverluste 245
IEC-Bus
372 IGBT 158, 166 Impedanz 101 Impedanzwandler 153 Induktion 31, 41 Induktionsgesetz 42, 43 Induktionsmesswerk 349 Induktivität, 51, 53 Induktivitätsbelag 309, 313 Influenz 20, 21, 141 Informationselektronik 134, 135, 175 Injektionstransistor 152 Innenpolmaschine 266 Innenwiderstand 67, 68 Inselbetrieb des Synchrongenerators 281 Insulated Gate Bipolar Transistor (IGBT) 150, 158, 159, 192 Integrationsgrad 211 Integrierter Schaltkreis (IS) 277 Interruptfähigkeit 225 Interruptprogramm 221 Intrinsicdichte 137 Inverter 202 IRED 173 IS 206 ISA (Industry Standard Architecture) 374 IT-Netz 342
JFET 156 JK-Flipflop 206 Junction-FET (JFET) 156
403
Kabel 173 Käfigläufermotor 267 Kaltleiter 369 Kapazität 314 Kapazitätsbelag 314 Kapazitätsdiode 147 Kaplanturbine 343 Kappsches Dreieck 253 Katodenstrahloszilloskop 352 Kennzahl eines Drehstromtransformators 260 Kernkraftwerk 296, 297 Kerntransformator 322 k-Faktor 366 Kippdrehzahl 270 Kippmoment einer Asynchronmaschine 270 einer Synchronmaschine 280 Kippschaltung 273 Kippschlupf 270 Kippspannung eines Oszilloskops 353 Klemmenspannung 50 Klemmenstrom 68 Kloss´sche Beziehung 271 Knoten 16 Knotenpunkt 16 Knotenpunktsatz 198 Koerzitivfeldstärke 39 Kohlekraftwerk 342 Kollektor einer Gleichstrommaschine 234 eines Transistors 151, 159 Kollektorschaltung 154 Kollektorstrom 151, 225 Kombikraftwerk 303 Kommutator, elektronisch 283 Kommutierung 182 Kompensationsdrosselspule 321 Kompensationsschreiber 355 Kompensationswicklung 230 Komplexe Zahl 95 Exponentialform 96 kartesische Form 96 trigonometrische Form 96 Kondensator 123, 124, 125, 126, 129 Kondensatormotor 274
404
Sachwortverzeichnis
Koppelkapazität bei Messvorgängen 380 Koppelkondensator eines RC-Verstärkers 163, 197 Koronaverluste 324 Körperschluss 339 Kraftstrom 116 Kraft-Wärme-Kopplung 306 Kreisfrequenz 86 Kreisstrom 187 Kupferverluste einer Asynchronmaschine 268 eines Transformators 251, 255, 257 Kurzschluss einer Leitung 318 eines Stromkreises 67 eines Transformators 254 Kurzschlussläufer 273 Kurzschlussleistung, 69 Kurzschlussspannung relative 256 Kurzschlussstrom 82
LabJack 373 LabVIEW 378 Ladestrom einer Leitung 316 Ladestromdrossel 320 Ladung 2, 3 Langstator 283 Laplace-Transformation 133 Laserdiode 173 Lastmoment 323 Lastschalter 326, 328 Lasttrenner 332 Läufer 60 Laufwasserkraftwerk 260, 300 LCD 172, 351 Lebensdauergesetz 288 LED 172, 173 Leerlauf einer Leitung 318 eines Stromkreises 67 eines Transformators 247, 253 Leerlaufdrehzahl 233, 235 Leerlaufdurchflutung 247 Leerlaufspannung eines Stromkreises 67 eines Transformators 248
Leerlaufstrom eines Transformators 248 Leichtwasserreaktor 303 Leistung Kurzschluss- 69 natürliche 319, 324, 327 Leistungsdreieck 109, 249 Leistungselektronik 134, 135 Leistungsfaktor 109 Leistungsschalter 332 Leiterschleife 39 Leiterseil 318, 319 Leiterspannung 114, 115 Leitungsband 140 Leitungsgleichungen 309, 310 Leitungsschutzschalter 335 Leitwert 13 komplexer 104 spezifischer 12 Lenzsche Regel 44, 243 Lichtbogenlöschung 325, 326 Lichtemitterdiode (LED) 146, 172 Lichtmarkengalvanometer, 348 Lichtstrahloszillograf 355 Lichtstrom 116 Lichtwellenleiter 174 Linearmotor 274, 283 Liniendiagramm 89, 90 Linienschreiber 355 Loch (Defektelektron) 182 Lorentz-Kraft 46, 57 L-Pegel 163
Magnetfluss
29 Magnetflussdichte 30 Magnetisierungskurve 37 Majoritätsträger 138, 142, 151 Manteltransformator 244 Masche 17, 18 Maschennetz 330 Maschensatz 16, 17 Maschinenkonstante eines Gleichstrommotors 237 Maschinentransformator 307 MCT 167 Mehrquadrantenantrieb 182, 287 Messabweichung bezogene 358 systematische 345 zufällige 345
Messbereichserweiterung 77, 78 Messbrücke 354, 359 Messfühler 338, 358, 361 Messgrößenumformer 364 Messkarte 370, 374 Messkartencontroller 376 Mess-PC 377 Mess-Software 378 Messunsicherheit 345 Messwandler 256, 354 Mikrocontroller 222 Mikroelektronik 134 Mikroprozessor 216, 219, 226 Mikrorechner 209, 210, 213 Mikrowellentechnik 49 Minoritätsträger 138 Mittellast 307 Mittelspannungsnetz 308, 323 Mittelspannungsschaltanlage 338 Mittelwert arithmetischer 87 quadratischer 87, 88 Mnemonics 221 Momentanwert 86 Montsinger-Regel 382 MOS-Controlled-Thyristor (MCT) 167 MOSFET 155, 156 Motorschutzschalter 335 MPP (Maximum Power Point) 172 Müllheizkraftwerk 304 Multifunktionskarte 377 Multivibrator 203, 347 MUX (Multiplexer) 375
Nachrichtenelektronik
134, 208 NAND-Gatter 203 NAND-Glied 203 Natürliche Leistung 312 Nennbetriebsart 290 Nennmoment 233 Nennscheinleistung 341 Nennschlupf 270 Nettowirkungsgrad 302 Netzkupplungs-Transformator 254 Netzsynchronisierung 276 Netztransformator 255 Neukurve 39
Sachwortverzeichnis
Neutralleiter 113, 115 n-Halbleiter 137, 141 NH-Sicherung 336 NICHT-Glied 213 Niederspannungsnetz 329, 338 Niederspannungsschaltanlage 332 n-Kanal 156 Nordpol 112, 228 NOR-Gatter 204 NOR-Glied 204 NOT-Glied 202 NTC-Widerstand 144 Nullung klassische 340, 341 moderne 340, 341 stromlose 340, 341 Nutzbremsen 242 NVRAM 216
ODER-Glied 202 Offshore-Windpark 308 Ölkabel 326 Operationsverstärker 199 Optokoppler 173 Ortskurve 103, 121, 373 Ortsnetzstation 315, 324 Oszillator 198, 199 Oszilloskop 347, 381 Paarbildung
136, 137 Paramagnetismus 38 Pausenzeit eines Antriebs 290 PCI (Peripheral Component Interconnect) 369, 374 -Bus 374 PCI-Messkarte 376 PCI-Slot 376 Peltonturbine 306 Pendelmaschine 360, 361 PEN-Leiter 341 Periode 112 Periodendauer 120 Permanentmagnet 282 Permanentmagnetmotor 367 Permeabilität 33, 37, 38 relative 37 des Vakuums 37 Permeabilitätszahl 38, 51 Permittivität 21, 22 Permittivitätszahl 21, 22 Petersen-Spule 329
PGA (Programmable Gain Amplifier) 376 p-Halbleiter 138, 140, 141 Phasenanschnittsteuerung 169 Phasenkonstante 309, 311, 312 Phasenschieber 366 Phasenschieberbetrieb einer Synchronmaschine 277 Phasenverschiebung 89, 91, 93, 95 Phasenwinkel 86, 90 induktiver 90 kapazitiver 90 negativer 90 positiver 90 Photothermik 305 Photovoltaik 175 Piconet 372 PID-Regler 200 PI-Regler 199 Plotter 356 pn-Übergang 142 Pol 15 einer Spannungsquelle 15 magnetischer 27, 54 Polarisation 20 Polpaarzahl 230, 259 Polrad 266 Polradspannung 275 Polradwinkel 278 Polschuhe 228 Potenzial elekrisches 8 Gravitations- 8 Schwere- 8 Potenziometer 83, 350 P-Regler 199 Primärenergie 300 Programmzähler 219 PROM 216 Prozessrechner 211 PTC-Widerstand 369 Pulsfrequenzumrichter 192 Pulssteller 189 Pulsumrichter 283 Pulswechselrichter 188 Pumpspeicherkraftwerk 16, 301 Punktschreiber 355 PXI 374
Quarzoszillator
200 Quellenfeld 19, 47
405
Quellenspannung 16, 17, 18 magnetische 31 Quellenstrom 82
RAM
216 Raumladung 142 RC-Verstärker 196 Reaktanz synchrone 276 Rechte-Hand-Regel 28 Rechtsschraubenregel 28 Reedkontakt 368 Regelabweichung 199, 224, 296 Reihenschlussmotor 242 Reihenschwingkreis 103 Rekombination 137 Rekombinationsstrahlung 141 Reluktanzmotor 282 Remanenzflussdichte 39 Remanenzinduktion 39 Resonanz 103 Resonanzfrequenz 103 Ringnetz 329 RISC-Computer 297 ROM 216 RS-232 372 RS-Flipflop 206 Rückkopplung 197, 198 Rundstabläufer 274
Sägezahnspannung 353 Sämplingoszilloskop 354 Sattdampfturbine 309 Sattelmoment 274 Sättigungssperrstrom 193 Schaltanlage 324, 330 gasisolierte 337 Schaltgesetz 123 beim Kondensator 125 bei der Spule 124 beim Widerstand 125 Schaltgruppe bei Transformatoren 260 Schaltkreis 211 Schaltkreisfamilie 212 Schaltlichtbogen 332 Schaltungsintegration 206 Schaltvorgang 123 Scheibenläufermotor 321 Scheinleistung 109, 118 Scheinleitwert 104 komplexer 104
406
Sachwortverzeichnis
Scheinwiderstand 101 komplexer 100 Scheitelwert 86 Schenkelpolläufer 303, 304 Schieberegister 207, 208 Schlankankermotor 321 Schleifringläufermotor 272 Schleusenspannung 145 Schlupf 272 Schlupfdrehzahl 265 Schnellauslöser magnetischer 334 Schnittstelle 371 Schrittspannung 326 Schütz 335 Schutzisolierung 340 Schutzkleinspannung 340 Schutzleiter 341 Schutztrennung 341 Schwachstromtechnik 70 Schwefelhexafluorid (SF6) 333, 338 Seebeckeffekt 368 Seekabelübertragung 312 Selbsterregung einer Gleichstrommaschine 236 Selbstinduktion 49 Selektivverstärker 196 Sensor 221 Servmotor 221 SF6 326, 331 Shunt 77, 345 Sicherungsautomat 335 Siebensegmentanzeige 165 Siebglied 179 Siedewasserreaktor 303 Signalprozessor 222 Silizium 135 Single ended 375 Skineffekt 50, 269 Solarzelle 15, 170 Sonnenkraftwerk 304 Source 154 Sourceschaltung 156 Spaltpolmotor 274 Spannung 7 induzierte 42 magnetische 31 Spannungsabfall 14, 15 innerer 66 Spannungsebene 313 Spannungsfall 70, 83
Spannungsmesser 42 Spannungsmessung 351 Spannungspfad 361 Spannungspfeil 13, 89 Spannungsquelle 14, 15 Spannungsteiler 79, 83 Spannungsteilerregel 76 Spannungswandler 261 Spannungszeiger 93 Spartransformator 261 Speicherkraftwerk 16 Speicheroszilloskop 354 Speicherschaltkreis 216 Speicherschreiber 356 Sperrkennlinie 147 Sperrschicht 141, 146 Sperrschicht-FeldeffektTransistor (JFET) 156 Spiegelgalvanometer 355 Spieldauer eines Antriebs 290 Spitzenlast 290 Spule 29, 30, 31 SRAM 216 Ständer 232 Starkstromtechnik 70 Stellglied 192 Stellsignal 199, 224 Stern-Dreieck-Schalter 273 Sternpunkt 75, 113 geerdeter 328 isolierter, freier 328 Sternpunktbehandlung 321, 322 Sternpunktleiter 116 Sternschaltung 75, 113, 114, 115 Sternspannung 115 Steuerbus 214 Steuerelektrode, 155, 158, 164, 165, 166, 169, 170 isolierter, freier 342 Steuerung speicherprogrammierte 203 verbindungsprogrammierte 213 Störstelle 138 Störstellenleitung 137, 138 Strahlennetz 330 Strangspannung 114 Strangstrom 114 Streckung komplexer Zeiger 97 Streublindwiderstand 250
Streureaktanz 250 Streuung magnetische 40 von Messwerten 345 Streuverluste beim Asynchronmotor 268 beim Transformator 246, 251 Strom 3, 4 Stromdichte 1, 2 Stromflusswinkel 223 Stromgegenkopplung 162 Stromknoten 16, 132 Stromkreis 14 Strommesser 26 Strommessung 200 Strompfad 361 Strompfeil 88, 89 Stromquelle 82 Stromrichter 175 Stromrichtermotor 283 Stromrichtung 12 technische, positive 16 Stromröhre 5, 6 Strom-Spannungs-Kennlinie einer Diode 145, 146 des Grundstromkreises 68 eines Thyristors 166 Stromteilerregel 75 Strömungsfeld 1 Stromverdrängung 48 Stromverdrängungsläufer 274 Stromversorgung, unterbrechungsfreie (USV) 175, 176, 193 Stromwandler 256 Stromzeiger 93 Stromzweig 78 Südpol 27 Summenabtastrate 375 Synchrondrehzahl 264 Synchrone Reaktanz 275 Synchrongenerator 276, 293 Synchronisierung 205, 272 Synchronmaschine 111 Synchronmotor 277 Systembus 214
Tachometer 295 Tagesbelastungskurve 306 Taktgeber 206 Temperaturspannung 146 Thermistor 143, 355
Sachwortverzeichnis
Thermodrucker 357 Thermoelement 368 Thyristor 164 Tiefpass 200 TN-C-Netz 342 TN-C-S-Netz 342 TN-S-Netz 342 Torschaltung 358 Trägheitsfaktor 288 Transformator 239, 240, 246 Prinzip 47 Transformatorenbank 254, 305 Transientenspeicher 357 Transistor 149 Bipolar 151 Feldeffekt- 155 Transputer 222 Transrapid 166, 283 Trenner 336 Trenntransformator 341 Triac 167 Triggerung 353 Trommelläufer 275 TTL-Pegel 165 TTL-Schaltkreis 212 TT-Netz 342 Turbine 301 Turbogenerator 308 Turboläufer 308
Übergangsvorgang 123 Übernatürlicher Betrieb einer Leitung 320 Übersetzter Sekundärstrom 248 Übersetzungsverhältnis eines Transformators 247, 254 UCTE (Union pour la Coordination du Transport de l´Electricité) 311 Umkehrstromrichter 185, 238 kreistrombehaftet 187 kreisstromfrei 187 Umrichter 190 Umspannanlage 331 Umspannwerk 314 UND-Glied 199, 201 Universalmotor 243 Universalzähler 358 Unternatürlicher Betrieb einer Leitung 319 Urspannung
elektrische 14, 15, 16, 42, 45 magnetische 31 USB (Universal Serial Bus) 369, 373 USV (unterbrechungsfreie Stromversorgung) 193
Valenzband
140 Varistor 144 VDR-Widerstand 145 Verarmungstyp 157 Verbindungshalbleiter 135 Verbraucherwiderstand 65 Verbraucherzählpfeilsystem 89 Verbundnetz 313 Verkettung des Drehstromsystems 113 Verlusthyperbel 161 Verschiebungsfluss 20 Verschiebungsflussdichte 20 Verstärker 159, 160 Vielfachmesser 344, 345 Vierleiterdrehstromnetz 113 Vierpol 152 Vierquadrantenantrieb 288, 289
Wandler
338 Wärmebeständigkeitsklasse 288 Wärmekraftwerk 304 Wasserkraftwerk, 301 Wechselrichter 187, 300 Wechselrichtertrittgrenze, 186 Wechselstrom 6 Wechselstromgenerator 85 Wechselstromleistung 106 Wechselstromsteller 190 Wechselstromverbraucher 175 Wechselstromwiderstand 101 Weggeber 359, 360 Weicheisenmesswerk 371 Wellenwiderstand 311, 312 Welligkeit 180 Wendepole 230 Wheatstone-Brücke 360, 361 Wicklungsstrang 268 Wicklungstemperatur 291 Widerstand 13, 71, 167 Außen- 66, 68, 69 differenzieller 64 Ersatz- 71 Innen- 66, 69, 70, 76, 78
407
komplexer 100, 101 linearer 63 magnetischer 31, 32, 36 -Netzwerk 71, 72 nichlinearer 63 ohmscher 64 spezifischer 12 Verbraucher- 15, 45, 65, 66, 69, 244 Wechselstrom- 101, 103 Widerstandsbelag 314 Widerstandsgerade 171 Widerstandsmoment 356 aktives 284 effektives 292 Widerstandsnetzwerk 72 Widerstandsoperator 103 Widerstandsthermometer 369 Widerstandstransformation 245 Windkraftanlage 306 Wirbel 27 Wirbelfeld 28, 35 Wirbelstrom 105 Wirkarbeit 109 Wirkleistung 108, 118 Wirkleitwert 99, 104 Wirkspannung 105 Wirkstrom 105 Wirkungsgrad 70, 71 thermischer 302 Wirkwiderstand 102, 108 WLAN/Wireless Local Area Network) 373 WPAN (Wireless Personal Area Network) 372
X-Verstärker
353 X-Y-Schreiber 356
Y-Verstärker
353
Zahlenebene komplexe 95 Zähler 365 Zählpfeil 148 Z-Diode 146 Zeiger 120 Zeigerbild 115 Zeigerdarstellung 120 Zeigerdiagramm 112 qualitatives 95 quantitatives 95
408
Sachwortverzeichnis
Zeigergleichung 101, 105, 112 Zeigersumme 118 Zeitgeberschaltkreis 283 Zeitkonstante elektromechanische 244 einer Kondensatoraufladung 127 des Stroms in einer Spule 52, 129
der Wicklungserwärmung 290, 292 Zeitmessung 363 Zündwinkel 223 Zweig 78 Zweikomponentenmodell 289 Zweipol 82
aktiver 66, 68 passiver 66, 68 Zweipoltheorie 81, 82 Zweipulsgleichrichter 178 Zweiquadrantenantrieb 293 Zweiweggleichrichter 177 Zwischenkreisumrichter 190