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DEUTSCHE AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN Institut für griechisch-römische Altertumskunde Arbeitsgruppe für hellenistisch-römische Philosophie
Veröffentlichung Nr. 8
GALEN
EINFÜHRUNG IN DIE LOGIK Kritisch-exegetischer Kommentar mit deutscher Übersetzung
von
J"ÜRGEN MAU
AKlADEMIE-VERLAG. BERLIN
1960
Alle Rechte vorbehalten Erschienen Im Akademie· Verlag GmbH, Berlln W 1, Lelpzlger Str. 3/4 Copyright 1960 by Akademie-Verlag GmbH, Berlln W 1 Llzenz-Nr. 202. 100/68/60 Satz, Druck und Einband: IV/2/14 · VEB Werkdruck GrAfenhalnichen • 1261 Bestellnummer: 2053/8 Preis: DM 12,50 Prlnted in Germany Es7 M
INHALT V-VI
Vorwort Abkürzungsverzeichnis Erklärung der oft verwendeten logischen Symbole •
VII-VIII VIII
Übersicht. • . • • .
IX
Gliederung des Textes
XI-XII
Kommentar • • . . • Wörterve~zeichnis
1-63
zur Übersetzung
64-69
Übersetzung (als Beilage). . • • • • . • . • • . •
1-27
VORWORT Im Jahre 1_844 gab der griechische Gelehrte MINOIDES MINAS in Paris unter dem Titel Fa).:rJvov elaaycoy~ ~ta.Äemt"~ eine Handschrift des 13. Jahrhunderts heraus, die er im Keller eines Athos-Klosters vor dem völligen Zerfall gerettet hatte und die jetzt ein Teil des Cod. Suppl. Gr. 635 der Bibliotheque Nationale in Paris ist. Da die Handschrift nicht nur durch Wasser-, Fäulnis- und mechanische Schäden stark gelitten hatte, sondern auch ihr Schreiber durch Mißverständnis und Unachtsamkeit viel Verwirrung gestiftet hatte, gehört dies Druckwerk, wie P:RA.NTL 591diesmal ohne zu. übertreiben - sagt, "zu den schändlichsten Producten, welche man sich denken kann", denn die Kenntnisse des MINAs waren der Aufgabe der Emendation keineswegs gewachsen. Trotzdem erregte die Schrift lebhaftes Interesse, und P:RA.NTL, obwohl er sie für unecht wenn auch nicht viel später als Galen hielt, zitiert sie in seiner verdienstvollen Geschichte der Logik des Abendlandes so ausführlich und mit so vielen Textbesserungen, daß man die betreffenden Abschnitte seiner Geschichte als die erste brauchbare Ausgabe der Introductio. werten kann. Aus mehreren Gründen schloß man sich allgemein PRANTLS Unechtheitserklärung an. I. Die Sprache erschien auch in der von PRANTL gebesserten Form als schlechthin barbarisch. 2. Angesichts der Tatsache, daß Galen in seinen philosophischen und medizinischen Schriften viel gegen die Stoa polemisierte, befremdete es, daß er hier eine vermittelnde Stellung zwischen Stoa und Peripatos einnimmt. 3. Von der noch heute oft so genannten vierten Galenischen Figur steht nichts in unserer Schrift.
Erst als 0. KALBFLEISCH .nach sorgfältiger Vergleichung der Handschrift im Jahre 1896 seine vorbildliche Teubner-Ausgabe vorgelegt hatte, in der die Masse dessen; was man bisher als Unsinn des Autors angesehen hatte, nunmehr unter der Hand des scharfsinnigen Textkritikers zu einem Häuflein Korruptelen zusammengeschrumpft war,
VI
Vorwort
erwog man wieder die Autorschaft des Galen, und der Aufsatz KALBFLEISCHs in den Jahrbüchern für klassische Philologie, Suppl. 23, 1897, 679-708 beseitigte die letzten Zweifel an der Echtheit. Unser Interesse an der Schrift würde sich aber um nichts verringern, wenn bewiesen wäre, daß .sie, wie PRANTL etwa wollte, gegen Ende der zweiten Sophistik um die Wende vom 2. zum 3. Jahrhundert von einem unbekannten und minderbegabten Philosophielehrer als Schulbuch verfaßt wäre. Für uns ist wichtig, daß wir hier das einzige antike vollständig erhaltene Logikkompendium überhaupt vor uns haben und zugleich die älteste erhaltene nacharistotelische Darstellung der Logik. Von dem etwa gleichzeitigen Kompendium des Apuleius, Ileet Bf!f.J-'YJ11ela~, ist ja nur der Teil erhalten, der die aristotelische Syllogistik behandelt; Diogenes Laertius und Sextus E:hpiricus, unsere Hauptquellen für die stoische Logik, berichten nur innerhalb ihrer Philosophiegesch.Whte bzw. ihrer Polemik über einzelne Lehren. Oieeros Topik verfolgt eher ein rhetorisches als ein logisches Ziel. Gerade das, was PRANTL an unserer Schrift tadelt, ist es, was sie vom Standpunkt der modernen formalen Logik aus so interessant macht, nämlich das Bemühen, die bis dahin getrennten Systeme der aristotelisch-platonischen Begriffslogik und der stoisch-megarischen Aussagenlogik unter einer höheren Einheit zusammenzusehen. Dies aufzuzeigen ist das Hauptziel des vorliegenden Kommentars, der außerdem noch textkritisch über das von KALBFLEISCH Gegebene hinauszukommen sucht und damit eine künftige Neuherausgabe des griechischen Textes vorbereiten will. Die beigegebene Übersetzung soll nur so eindeutig wie möglich zeigen, wie ich den Text verstanden wissen möchte. Sie geht durchweg vom Text KALBFLEISCHs aus, abweichende Lesungen werden im Kommentar begründet. Die, soweit mir bekannt, einzige vorliegende Übersetzung, die von EMIL ÜRTH (s. S. VII), verfolgt nicht das Ziel einer durchgehenden Exegese und wurde daher nur gelegentlich zu Rate gezogen.
ABKüRZUNGSVERZEICHNIS Aristot. Anal. pr. Anal. po.
= Aristoteles = Analytica priora = Analytica posteriora ed. and comm. by W. D. Ross, O:x:ford 1949
BoCHE:Nsxr LT
= J. M. BocHENSXI, La Logique de Tbeophraste, Fribourg en Suisse
1947 . BocRENBXI AFL = Ders., Ancient Formal Logic, Amsterdam 1951 BoCHENSXI FL = Ders., Formale Logik, Freiburg-München 1956 BooRENSXI GL = Ders., Grundriß der Logistik, Faderborn 1954 DL
""" Diagenes Laertius, ed. R. D. Hroxs, London 1925 (Loeb Classical Library)
Kf
= Galeni Introductio dialectica, ed. C. KA.L:BFLEISOR, Lipsiae 1896
LUXA.SIEWICZ Ar. Syll.
= JAN LuxASIEWIOZ, Aristotle's Syllogistic from the Standpoint of Modern I<'ormal Logic, Oxford 1951 (1. Aufl.) . Die Zitate gelten
MA.IEB SA MATES SL MA.TES DI
= HEINRICH MAIER, Die Syllogistik des Aristoteles, Tübingen 1896
= BENBON MA.TES, Stoic Logic, Berkeley Los Angeles 1953 = Ders., Diodorean Implication, The Philosophical Revie'l'!' 58, 1949,
ÜRTR
= Galenos,
PL
= Patrologiae
auch für die 2. Aufl. von 1957
234-242 Einführung in die Logik, Dt. Übers. von EMIL ORTR, Rom 1938
Ross
cursus completus, series Latina, ed. P. MIGNE, Parisiis = MAX PoRLENZ, Die Stoa, Göttingen 1948 = CARL PRANTL, Geschichte der Logik im Abendlande, München 1855, Neudruck: Berlin und Darmstadt 1955 = L. M. RrJ:K, The Place of the Categories of Beingin Aristotle's PhiIosophy, Assen 1952 = s. unter Aristot.
RüSTOW
= ALEXANDER RüSTOW, Der Lügner, Diss. phil. Erlangen 1910
SCHEU
= Sister M. ScHEU OSF, The Categories of Being in Aristotle and
PaRLENZ PRA.NTL R!JX
St. Thomas, Washington 1944 (The Catholic University of America, Philos. Studies, vol. 88)
VIII SE
Symbolik =
Sexti Empirici Opera, vol. 1-2 ed. H. MUTSOHMANN, vol. 3 ed. J. MA.u, Lipsiae 1912, 1914, 1954
M
= Adversus mathematicos I-XI
PH STA.KELUM
= =
SVF
=
Pyrrhoneae hypotyposes I-III JA.MES W. STAKELUM, Galen and the Logic of Proposition, Romae 1940 (Logicalla Nr. 2) Stoicorum veterum fragmenta, coll. J. AB ARNIM, Lipsiae 1903
ERKLÄRUNG DER OFT VERWENDETEN LOGISCHEN SYMBOLE Im Kommentar wird gelegentlich die logistische Schreibweise verwendet, besonders da, wo die Richtigkeit und logische Exaktheit einer Behauptung Galens bewiesen werden soll. Mir schienhierfür die Symbolik.LUKASIEWICZs am handlichsten, deren Hauptvorteil das Fehlen von Klammern und Punkten ist. Wendet man diese Symbolik aber konse· quent an, dann muß man die alten, uns aus dem berühmten Merkvers geläufigen Konstanten der klassischen Logik (A EI 0) fallen lassen, weil drei dieser Buchstaben von !.UKA.SIEWICZ als aussagenlogische Funktoren verwendet werden. Diesen Verzicht leistete BoaRENSKI in seiner vortrefflichen 'Logique de Theophraste', zum Schaden der Lesbarkeit. Ich habe sowohl die aussagenlogischen Funktoren LUKASIEW!ozs als auch die traditionellen Konstanten beibehalten, indem ich stets dort, wo eine Aussage von einem im Sinne der Syllogistik einfachen Ausdruck (im folgenden termlogisches Urteil), z. B., "A ab" (alle a sind b) gebildet wird, diese in Klammern gesetzt habe. Es heißt also: (A a b): "Alle a sind b" A p q: "Entweder p oder g". Diese Klammern wurden auch dort verwendet, wo die Aussage durch eine mathematische Gleichung o. dgl. gebildet wird. In dem Ausdruck A p Np kann also p ersetzt werden durch z. B, (1 + 2 = 3). Noch einmal die Grundregel für das Lesen der LUKA.SIE· WICZschen Symbolik (gute Erklärung: LUKASIEWICZ Ar. Syll. 78-79): Die Argumente folgen stets unmittelbar auf ihren Funktor. Es heißt also z. B.: Cpq CKCpgpq C K (Abc) (Aab) (Aac)
"Wenn p, dann g" "Wenn, wenn p dann g, und p, dann q" "Wenn alle c c sind und alle a b sind, dann sind alle a c" (Barbara)
IX
Symbolik
ÜBERSICHT ·ab c ..• x pqr .. . Jgh .. .
Term = Variable (:z:ist bes. für gebundene Variable gebraucht) Aussagen Prädikate
(.A ....) (E .. .. )
alle .. sind .. kein . . ist . . mindestens ein .. ist . .
(J .... ) (0 .... )
A .. 0 .. D .. E ..
.. .. .. ..
J .. .. K ..
N .. II ..
.E ..
w
F
} 1 . h K term og~.sc e onstanten
mindestens ein .. ist nicht .. entweder (vel) .. oder (vel) .. (Disjunktor) wenn .. , so .. (Implikator) .. schließt .. aus (Schefferscher Funktor) .. dann und nur dann, wenn .... (Aquivalenz) .. ist kontravalent .. sowohl .. als auch .. (Konjunktor) nicht gilt .. (Negator) für alle .. gilt } Q . d . . uantoren • f ur mm estens em .. g11t wahr } . falsch. Wahrheitswerte
II aussagenlogische Funktoren
Vereinzelt eingeführte Symbole werden jeweils an ihrem Ort erklärt.
GLIEDERUNG DES TEXTES
A. Allen .Aussagen und Schlüssen Gemeinsames a) Teile des Beweises b) Die 10 Kategorien c) Teile der Aussage
(Kap. u. Paragr. b.Xf.)
1, l-1, 5
2, 1 2, 2-2,6
B. Zur AUBsagenlogik I. Hypothetische Aussagen a) Allgemeines . . . . . b) Disjunktive Aussagen. c) Konjunktive Aussagen d) Implikative Aussagen . e) Terminologische Festsetzung zur Disjunktion II. Hypothetische Schlüsse a) Schlüsse aus Disjunktionen b) Schlüsse aus Implikationen
3, 1-3,5 4,1-4, 4 4, 4-4,6 4, 6-4, 7 5, 1-5,2
5, 3-5,4 5,5
III. Weitere Operationen mit Aussagen a) Kontradiktion und Negation . . . . • . • . . . . . . . b) Termvertauschung und Umkehrung (unter Berücksichtigung kategorischer Aussagen).. . . . . . . . . . . . . . . . c) Kontraposition von Aussagen und Schlüssen . . . . . • d) Kontraposition von Formeln, exemplifiziert an Chrysipps Anapodeiktoi. . . . • . . . • . . • . • . . . . . . .
6, 1-6, 2 6, 3-6, 4 6, 5 6, 6
IV. Anhang Schlüsse aus der Quasidisjunktion .
6, 7
C. Zur Begriffslogik
I. Allgemein a) Priorität der hypothetischen bzw. kategorischen Schlüsse b) Assumption nur bei hypothetischen Schlüssen o) Bildung kategorischer Schlüsse . d) Terminologie . . . • • • . . . . . . . . .
7, 1-7,3 7,4 7, 5-7,7 7, 8-7,9
Textgliederung
XII
II. Die Aristotelischen Schlüsse und ihre Ableitungen a) der ersten Figur . b) der zweiten Figur c) der dritten Figur d) Welche weiteren Schlüsse sind möglich? 1. Allgemein . . , . . . . , , . 2. Nicht ausgeschöpfte Schlüsse , 3. Umkehrungsschlüsse (4. Figur)
8,1-4 9, 1-9,6 10,1-10,8 11,3 11,4 11,5-11,7
D. Beweiatheorie I. Beweise durch kategorische Schlüsse a) Die Wichtigkeit der allgemeinen Aussage besonders für mathematische Beweise . . , , , . , . . . , , • , • b) Form und Terminologie für wissenschaftliche Aussagen c) Die einzelnen Schlußfiguren und-modials Beweise d) Beweise in den einzelnen Kategorien , . • , , , ,
12,1-12,5 12,5-12, 9 13, 1-13,6 13,7-13, 12
II. Beweise durch hypothetische Schlüsse a) Notwendig besonders in der Kategorie der Existenz, 14, 1 14,2 b) Alle auf Implikationen und Disjunktionen aufgebaut c) Nicht auf Konjunktionen (gegen Chrysipp) . • • . 14,3-14, 6 d) Aussagenverknüpfungen und die dazugehörigen Asump14,7-14,9 tionen . . , • • . . , . . . , . , . • • • • . e) Anzahl der hypothetischen Schlüsse, . , • • . • 14, 10-14, 11 f) Beweise durch mehr als zweigliedrige Quasidisjunktionen . 15, 1-15, 6 g) Sachverhalt und Wortlaut. Beziehungen zwischen Implikations- und Disjunktionsschlüssen mit Beispielen. • . , . • 15, 7-15, 11
E. Axiomatik I. Der mathematischen Beweise a) Proportionen. • , . . , b) Summen und Differenzen . c) Die Grundrechenarten . • .
16, 1-16,3 16,4-16,5 16,6-16, 9
II. Der Beweise beliebiger Relationen (beachte: 16, 11 Umformung kategorischer in hypothetische Aussagen) • • • • • . • . • • • • . • • 16,10-17,3 III. Semantik und Axiomatik a) Ist = Ist wahr , 17,4 b) Äquivalenz. • • • . • 17,5 c) Bedeutung. . • . • . 17,6-17,7 d) Beziehung zwischen Bedeutung und Axiom. 17, 8-17, 9 IV. Der Analogieschluß a.) Allgemein • . . • • • • . • • . • • • . b) Mathematisch • . • • • • • • . , • • .
V. Klassifizierung der Beweise je nach dem Axiom
F. Überfl;üasige Schluß-
'11/lul
BeweiBformen • . • . • •
18, 1-18,4 18,5-18,7 18,8 19, 1-19, 6
KOMMENTAR
I
1. Zur Ergänzung der zerstörten Teile führt folgende Vberlegung: Aus dem überlieferten -rd <56 vo~aet p6'11'(] und Z. 5 p~-re aia{}'YJO"Bt p~-re v~aet ytyvwau6peva ersehen wir, daß von einer Gesamtheit die Rede ist, die durch v61Jatc; bzw. nicht durch v61Jatc; und durch alafhJatc; bzw. nicht durch alr1'fh}atc; erkannt wird. Dies Verfahren der vollständigen Erfassung eines Gegenstandes ist uns bei Aristoteles geläufig und begegnet schon vorher vielfach. BeispielfürAristoteles: Top. 18 103b 17-19ff. Älteres Beispiel: Plato Farm. 139B. Unsere Gesamtheitsentwicklung sieht systematisch so aus: x wird erkannt ala1J~ae1
1.
2. 3.
4.
ja ja nein nein
vo1)ae1
ja nein ja nein
(1) ist logisch und erkenntnistheoretisch uninteressant, ist also im Text nicht notwendigerweise zu erwarten. (3) und (4) sind überliefert, bleibt zu ergänzen (2): 'zu erkennen alafh1aet und nicht vo~ad, d. h. alaD~aet ~t6'11'(], und das hat Kf schon getan. Seine Ergänzung für das oben mit x bezeichnete Objekt des Erkennens (Z. 3 -rrov rpawopevwv) wird gestützt durch Galen Therapeuth. X 36 K ÜRN, wo die Frage aufgeworfen wird, ob die Methodiker, Galens Gegner, ebenso wie die Empiriker den uow67:1J7:Bc;, d. h. den allgemein zugestandenen Axiomen, den Charakter des rpaw6pevov absprachen oder nicht. Die alten Philosophen - das sind die Peri-
Kommentar, I 2-3
2
patetiker - jedenfalls teilten die rpaw6wwa im Gegensatz zu den stark stoisch beeinflußten Methodikern wie folgt ein: ,
rpat'POp8'Jia
{ a) alC1'lh]aet ytyvwax6pe11a, b r ß1, , I~ . ) vnontnTovTa 'II01JC1Bt xa-ra li:(!WT1J'II ent OA1J'II avanouetx-ra. 1
,
,
1
,
•
Für b) führt nun Galen an der zitierten Stelle als Beispiele folgende Axiome an: Die Axiome Euklid EI. I 1-3, das Kausalitätsaxiom (s. z. B. Aristot. Metaph. 1032 a 12), die unserem Gesetz von der Erhaltung der Masse entsprechenden Axiome, daß nichts aus nichts entsteht und in nichts vergeht (s. Aristot. Metaph. 1062 b 24) und den Satz vom Widerspruch (ebd. 1061 b 34). Da unsere Schrift durchweg neben stoischen Elementen vorwiegend peripatetischen Charakter trägt, haben wir uns Kf's Ergänzung anzuschließen. 2. Z. 9 enetd?}- Z. 12 Ende der Lücke gibt auch mit Kf's Ergänzung keinen befriedigenden Sinn. Ich finde keine Lösung. Der voraufgehende richtig ergänzte Teil des Paragr. besagt, daß die Prämissen dem zu beweisenden gemäß sein müssen. Was unter "gemäß", "angepaßt" zu verstehen ist, sagt uns (sinngemäß) Aristoteles Anal. po. I 2 71 b 20:ff.: Die Beweisgrundlagen sind dem zu beweisenden angepaßt, wenn sie aus Urteilen bestehen, die wahr, primär, ohne terminus medius sind und gegenüber dem Schlußsatz leichter erkennbar, logisch früher und ursächlich sind. In dem zerstörten Teil muß dies irgendwie begründet worden sein, vielleicht durch Hinweis auf das Gesetz 'falsum sequitur quodlibet'. Im folgenden muß man Kf's Textherstellung annehmen, wenn es auch zunächst abwegig scheint, Prämissen zuzugestehen, weil (Z. 14 y&[!) aus ihnen das und das folgt. Das ya(! begründet aber nicht die Prämissen, sondern die Wahl der Prämissen, setzt also den Gedanken von Z. 9 duelmv fort. Das Axiom "Was Gleichem gleich ist, ist einander gleich" ist ein typisches durch Vorstellung (vo?}aet) erkanntes, s. o. zu I l. Vgl. Euklid. El. I prop. 1 und unten XVI 6. Weiteres über Schlüsse aus solchen Axiomen im Komm. zu XVI Iff. 3. Mit Sicherheit ist anzunehmen, daß die erste Lücke in unserem Paragr. eine Angabe über die Zahl der Teile eines Beweises enthielt. Kf's Ergänzung ist nicht richtig, denn tatsächlich werden im folgenden vier Teile aufgezählt, zwei Prämissen, ein .Axiom und die Konklusion. Daß die Annahme von vier und mehr Teilen des Beweises bzw. Schlusses nichts Ungewöhnliches ist, zeigt Boethius, De syll. hypoth. PL 64, 844 B ff. unter Hinweis auf Cicero. Er spricht von einem hypothetischen Syllogismus, dessen erste Prämisse (hier eine Implikation) oder dessen zweite Prämisse (Assumption) nicht selbstevident ist, sondern durch eine Hilfsprämisse bewiesen werden muß. Boethius verteidigt den Satz, daß ein Syllogismus stets aus drei und nur drei Teilen, d. h. zwei Prämissen und einer Konklusion besteht, damit, daß er sagt, die Hilfsprämissen bewiesen nicht den Schluß sondern eine der beiden Prämissen; sie gehörten also nicht
Kommentar, I 4-5
3
zu dem eigentlichen Syllogismus. Auf unser Besipiel angewendet sieht das so aus: Unser Beispiel in hypothetische Form gebracht: I. Wenn Theon dem Dion und Phiion dem Dion gleich ist, ist Theon dem Phiion gleich. 2. Nun ist Theon dem Dion und Phiion dem Dion gleich. 3. Also ist Theon dem Phiion gleich. Hier würde nach Boethius das Axiom "Gleichem Gleiches ist einander gleich" nicht die Konklusion, sondern die erste Prämisse, die Implikation, beweisen. Wir erinnern uns, daß Aristoteles ja Anal. pr. I 44 50a 16-28 gesagt hatte, einem hypothetischen Schluß müsse man zwar zustimmen, aber nur auf Grund einer Übereinkunft, nämlich der, daß die Implikation wirklich besteht. Hier wäre diese Implikation durch eine primäre, unbeweisbare, ursächliche Sentenz, ein Axiom, bewiesen. Für Galen handelt es sich hier nicht um einen hypothetischen Schluß, sondern um einen Schluß aus zwei Relationen, der vermöge eines Axioms gezogen werden darf. Darüber ausführlich unten zu XVI I. 4. Aus diesem Paragr., den Kf abgesehen vom letzten Satz, den ich deshalb auslasse, mit einiger Sicherheit ergänzen konnte, geht hervor, daß Galen sich einer aus der stoischen und der perlpathetischen zusammengesetzten Terminologie bedient. Das Verständnis der ganzen Schrift ist dadurch erschwert, daß er sich durchweg nicht für eine der beiden Terminologien entscheidet, sondern beide nebeneinander gelten läßt. Die von Kf ergänzte Behauptung, daß avt:-mieaap.a auch gelegentlich den ganzen Syllogismus bezeichnen kann, findet eine gute Stütze nach PRANTL I 585 in Apuleius' De interpretatione. 5. Hier fehlt zu viel, um die deutsche Wiedergabe des von Kf zweifellos genial ergänzten Textes verantworten zu können. Folgende erhaltene Trümmer geben Anhalte für den ursprünglichen Inhalt: Z. 14-15 " ... v6p.eiM. n :neel r:ij1; r:wv {fn:mv qn)aemr;, övop.al;ea{}m :ne6r:aatr; • •. Das Verbum läßt sich ergänzen zu &:nopaw6p.e1Ja, zu :neor:ew6p.eila nach :ne6r:aatr;, wie Kf will, oder sonst irgendwie im Sinne von "aussagen". Also eine beliebige Aussage (es steht hier nicht, daß sie wahr oder gar überzeugend sein muß) über Seiendes heißt :neor:aatr;, lat. propositio. Der Gebrauch des Wortes ist bei Galen nicht auf "Prämisse" beschränkt (s. TI 2) und schon bei Aristoteles kann es jeden der drei zum Syllogismus gehörenden Sätze bezeichnen (s. l..UKASIEWICZ Ar. Syll. 3. Definition: Aristot. An. pr. 24 a 16. 53 a 8). ":neo-r:aati;" ist also hier wie sonst ganz allgemein "Aussage", dem steht gegenüber der zweite wichtige Trümmer unseres Paragr. Z. 17: " ... mar:1k Myor; d~lmfla "e"A?]"aat "a1M:nee -ra r:q) av-rq) •.. " Zu ergänzen ist hier natürlich das berühmte Axiom 1 des Euklid, das uns schon oben I 2 begegnete. Der Aussage ganz im allgemeinen steht also gegenüber ein :ntar:6r;, wahrscheinlich richtig ergänzt "A~ 8av-rov :ntar:dr; Myor;", der "Axiom" genannt wird, er entspricht nicht dem stoi-
Kommentar, II 1
4
sehen a.elwf.ta, das nach MATES SL 132 sohlechthin gleich "propositio" ist, sondern der stoischen und euklidischen "ot.".q lwota, die wir heute wie schon Ga.len als Axiom zu bezeichnen gewöhnt sind. Bei Aristoteles schwankt die Bedeutung dieses wie so vieler anderer termini. So heißt a.etw~-ta An. po. 72 a 17 dasselbe wie hier, während Ross 511 Belege für andersartigen Gebrauch gibt. Der Rest des letzten Satzes weist auf die andersartige stoische Terminologie hin.
II 1. Die Aufzählung, jeweils mit Beispielen, von ~-tiyefJo~, :n:oTe, :n:oii, "eiai}at, :n:ouiEv, :n:aaxew zeigt, von wenigen Lücken und der Umstellung von :n:oTe und :n:oii abgesehen, die Anordnung der Kategorientafel von Arietotales Categ. 4 1 b 25. Der Hauptunterschied gegenüber der Aristoteles-Stelle ist der, daß hier nicht von unverbundenen Begriffen (Beispiele bei Arietotales 'Mensch', 'Pferd', 'weiß' usw.) die Rede ist, sondern von Aussagen (S. 5,1 wohl richtig ergänzt, s. u. III 1 = S. 7, 12). Für Arietotales steht aber fest (s. z. B. ScHEU 14), daß die Kategorien keine Gliederung aller Dinge sind, sondern eine Gliederung aller möglichen logischen Prädikate. Da nach Anal. pr. I alle logischen Prädikate auch als Subjekte erscheinen (nach LUKASIEWICZ Ar Syll. 5ff. sind Individuen als Terme überhaupt unmöglich), ist Airstoteles' Formulierung verständlich, die besagt, daß die Kategorien eine Einteilung TW'II "aTa plrJIJe~-tlav av~-t:n:J.o"rrv J.syo~-tivwv seien. Wenn andererseits Ga.len die Aussagen nach Kategorien einteilt, liegt darin aus den genannten Gründen kein Widerspruch gegenüber Aristoteles, zuma.l da für diesen die Kategorien einen logischen und ontologischen Aspekt haben. Eine Aufstellung der Kategorientafeln bei Aristoteles mit logischem Aspekt :findet sich bei ScHEU S. 12, solcher mit ontologischem Aspekt S. 22. Die Kategorie des Habens wird auf Grund von XIII 10 sicher in der Art von Kf zu ergänzen sein. Weitgehende philosophische Bedeutung hat die Frage, ob Kf recht daran tat, allen Beispielen, soweit sie fehlt, Negation bzw. Position der Aussage beizufügen. Vberliefert ist uns Aussage und gleiche Aussage negiert nur: S. Z.
I Kategorie I
Beispiel
5, 4
Substanz
Luft ist (nicht) Körper
5, 10
Zeit
Hippakrates lebte (nicht) während des peloponnesischen Krieges
Kommentar, II 1 S. Z.
Kategorie
5
Beispiel
5, 12
Ort
Die Sonne ist von der Erde aus (nicht) das zweite Gestirn
5, 19
Tun
Rosensalbe wärmt (nicht)
5, 20
Leiden
Wir werden von Rosensalbe (nicht) gewärmt
Es sind dies nur fünf von insgesamt zehn bzw. elf Kategorien, statistisch also kein Anlaß, für die übrigen Besispiele Bejahung bzw. Verneinung zu ergänzen. Nach Kf's Lesung scheint das Beispiel für bloße Existenz hinzuzukommen. Hier aber liegt ein Mißverständnis vor. Kf liest nämlich mit DIELS z. 2 statt des überlieferten on:oiot s'Znse die Worte 01Colav efnn~. Dadurch erscheinen die Sätze 'Es gibt die Vorsehung' und 'Nicht gibt es den Kentaur' als ein bejahter und verneinter Satz. Es ist aber nach der Überlieferung zu lesen: Emse 1&(!6'/lota Hcrrw, mo"mn:aveo~ ov" Hcrrt'll, denn unten XIV 2 heißt es, zur Entscheidung von Fragen nach Sein oder Nichtsein bediene man sich vorwiegend hypothetischer Aussagen. Wenn Lukrez im Rahmen seiner die Vorsehung leugnenden darwinistischen Entstehung der Arten V 878 (freilich mit überraschender Wendung, vgl. BAJLEY z. St.) auf die Kentauren zu sprechen kommt, zeigt uns dies, daß unter den Stoikern seiner Zeit die Existenz der Vorsehung und die von Fabelwesen miteinander in Verbindung gebracht wurden. Es bleibt demnach bei fünf Beispielen, für die Bejahung und Verneinung überliefert sind. Da die letzten beiden sachlich identisch sind, sind es eigentlich nur vier. Wenn man nun in der überwiegenden Zahl von Fällen Bejahung bzw. Verneinung ergänzt, dann erweckt dies den Anschein, als ob man das negative und positive Urteil für zwei grundsätzlich verschiedene Arten von Urteilen hielte. Das gilt in gewisser Hinsicht für die Qualität der Urteile bei Aristoteles, denn bei ihm ist z. B. ein generell verneinender Satz keineswegs die Negation eines generell bejahenden Satzes, und solche Urteile, die als Ganzes negiert sind, werden von ihm auf Grund des logischen Quadrats in solche verwandelt, bei denen der ganze Satz bejaht wird und nur ein Satzteil negativ ist. An unserer Stelle aber ist nach der Überlieferung durchweg der ganze Satz negiert, und von V erneinung eines bestimmten Satzteils, durch die allein die Anführung der korrespondierenden Beispiele interessant sein könnte, ist nicht die Rede. Mit anderen Worten: Da sich hier die Verneinung bzw. Bejahung nicht auf die Quantität oder Modalität eines Urteils bezieht, wie in der Syllogistik des Aristoteles, sondern auf die Wahr- bzw. Falschheit der Aussage, Letzteres aber charakteristisch ist für die stoische Logik, haben wir trotz der zweifellos aristotelischen Kategorientafel diese Beispielssätze vom Standpunkt der stoischen Logik zu betrachten. Bei ihr aber sind, wie aus 2 Mau: Galen, Einführung in die Logik
6
Kommentar, Ill
der Formulierung der chrysippischen Anapodeiktoi hervorgeht (s. u. V 5), positive und negative Aussagen logisch völlig gleichwertig und in allen stoischen Schlußschemen frei gegeneinander vertauschbar. Es gibt mithin keinen logisch zwingenden Grund, den Beispielssätzen durchweg ihre positiven bzw. negativen Korrelate zur Seite zu stellen. Wenn Galen dies nach der "Oberlieferung in den oben angeführten Fällen doch getan hat, geschah das mithin nicht aus logischen, sondern aus inhaltlichen Gründen. Für die Beispielssätze, die inhaltlich kontrovers waren, führt er eben Bejahung und Verneinung an: Darüber, ob Luft Körper ist oder nicht, stritten schon die Vorsokratiker. Ob die Sonne sich inner- oder außerhalb der Venus- und Merkurbahn befindet, ist entscheidend wichtig für die Erklärung der Anomalien und war unter den Astronomen umstritten nach Angabe des Ptolemäus (Almagest = Meg. synt. IX I S. TI 206 HEIBERG), des großen Zeitgenossen unseres Autors. Auch die Lebenszeit des Hippokrates dürf~e trotz der ungemein genauen und angeblich archivarisch beglaubigten Angabe Sorans (Vita Hippocr. sec. Soranum, CMG IV 175, 12) kontrovers gewesen sein, denn die mythische Genealogie (ebda Z. 4 und Suda s. v. Hippocr.) widerspricht jenem Datum (RE XIV. Hbd. 1803, 5). Daß ferner ein Arzt die Indikation einer Salbe in Frage stellen konnte, leuchtet ohne weiteres ein. Die anderen für ihn weniger strittigen Sätze spricht er nur bejaht bzw. verneint aus: Daß die Sonne nicht einen Fuß groß ist (Z. 5), gilt ihm im Gegensatz zu den Epikureern (Cleomedes II 1) als ausgemacht, ebenso daß die Sonne nach Aristoteles (Meteor. 341 a 12) nicht von Natur warm ist. Daß die Sonne größer als der Mond ist, ist ebenso unbestritten, wie daß der Zeus in . Olympia sitzend dargestellt ist und Schuhe trägt (Aristot. Categ. 2 a 3 in Verbindung mit Pausanias V ll, 1). Aus alldem ergibt sich, daß wir an den Beispielen nichts zu ergänzen haben. So ausführlich wurde dies abgehandelt, um zu zeigen, daß auch hier Galen sich eklektisch verhält. Er übernimmt die Kategorien von Aristoteles, die Aussagentheorie von den Stoikern. Auch darin verbindet er Aristotelisches mit Stoischem, daß er anderenorts (Belege bei PRANTL 563:ff.) zwar die Kategorien für grundlegend für alle Logik hält, aber nicht an die 10-Zahl gebunden ist, sondern auch mehrere unter einer subsumieren kann. Der Anfang des Paragr. läßt sich nicht mit Sicherheit herstellen. Daß Z. 1 nach Plt.ANTL unter Streichung des titulus der Handschrift mit -rcöv iJE. neo-rauu.ov zu ergänzen ist, wurde schon gesagt. z. 2 bleibt' das überlieferte onoiot rätselhaft, sicher aber ist (s. o.) das folgende elnee zu halten. Z. 3 verbirgt sich unter alvtypa T) wohl evtat {)8 v(nse l'OV -rl, ~aO&nee) aL l'Otalde. Damit wäre die anÄfj 1Jnae~tr;, von der PRANTL 592 richtig sagt, sie sei stoisch bezeichnet, nicht unter die folgenden zehn Kategorien eingereiht, sondern durch die hypothetische Form des angefügten Beispiels deutlich von diesen abgehoben. Die folgenden zehn Kategorien werden § 2 Z. 22 mit -rdr; -rota6-rar: wieder aufgenommen, die Erstere erst in m 1.
Kommentar, II 2-4
7
2. und 3. Das Wort "kategorisch" bedeutet bei Aristoteles noch "bejahend" im Gegensatz zu "tbro({Ja·meot;" (Belege bei BoNITZ). Das, was hier mit kategorisch bezeichnet wird, heißt bei Chrysipp "an.iloiiv d~tw/1-a", eine für die Stoa typische rein syntaktische Bezeichnung. Wie aus Galens eigenen Worten hervorgeht, hat er diesenterminusneu eingeführt, erst später bei Boethius begegnet er ebenso wie sein Korrelat "v:n;o{}s-rt"ot;" als geläufige Bezeichnung. Wenn dem an.il.oiiv bzw. ovz d:n:.il.ovv ä~lw/1-a der Stoiker bei Galen die kategorische bzw. hypothetische ne6-raott; gegenübertritt, sehen wir daran eine Rückwendung von der fast rein formalen Logik Ch rysipps zur metaphysisch gebundenen Logik der alten Peripatetiker. Während Chrysipp nur die Form der Aussage mit seiner Bezeichnung charakterisiert, umfaßt Galen gleich die Momente, auf denen die Wahrheit der damit bezeichneten Urteile beruht, d. h.: Eine kategorische Aussage ist die, deren Wahrheit auf der richtigen bzw. falschen Verknüpfung des Subjekts mit dem Prädikat ("a-rrry6e7Jf'a) beruht, hypothetisch diejenige, deren Wahrheit auf der richtigen oder falschen Verkniipfung des Nachsatzes mit dem Vordersatz (V:n:6'!?eC1tt;) beruht. Wir halten uns im Kommentar an diese seit Galen gebräuchlich gewordene Terminologie. Auch "fJeo~;" hat sich gegenüber Aristoteles gewandelt. Nach Aristoteles (Anal. pr. 24 b 16, vgl. LUKA.SIEWICZ Ar. syll. 3) sind fJeot die Teile, in die eine Aussage (ne6-rar1tt;) zerfällt, wo:Pei elvat oder /1-TJ elvat hinzutritt (unter diese Teile also nicht mitzuzählen ist). Wie auch immer man sich textkritisch an dieser Aristotelesstelle entscheiden mag, entgegengesetzte Standpunkte vertreten W.AITZ und Ross, feststeht, daß für Aristoteles nach dieser Definition nur diejenige Aussage syllogistisch verwertbar ist, bei der· zwei Nomina durch "ist" verbunden sind. Das ist nicht anders denkbar, weil im Syllogismus ja stets ein Term als Subjekt und als Prädikat fungieren muß. Bei Galen ist das anders, weil für ihn der aristotelische Syllogismus nicht die einzige, sondern nur eine von vielen Schlußweisen ist (s. u. XVI I). Zur Funktion des Hilfsverbs im Urteils. Aristoteles, De int. 3 16 b 22. Wie Aristoteles die einfache Subjekt-Prädikataussage in eine solche von der Form "A ist B" umwandelt, zeigt PRA.NTL 147 mit Belegen. Wenn auch die Forderung, der Term müsse Subjekt und Prädikat sein können, zunächst nur für den terminus medius gilt, so fordert doch das Verfahren der Rückführung der zweiten und dritten Figur auf die erste, daß einer der Außenterme zum medius werden kann. 4. Daß hier Aussagen im Hinblick auf ihre Brauchbarkeit in Schlüssen untersucht werden, ist sicher, denn alle besprochenen Formen kommen später in Schlüssen vor. Nun sagten wir schon, daß für Aristoteles' Syllogistik individuelle Terme ausgeschlossen sind. Das Vorkommen von Individualaussagen in De int. 17 b 28 ist für uns nicht von Belang, weil jene Schrift nicht wie die unsere auf Beweise und Schlüsse hinzielt, und wenn auch nach Anal. pr. I 43 a 40 etwas von einem Individuum be2*
8
Kommentar, II 5-III 1
wiesen werden kann, so ändert das nichts an der von Ross z. St. und von LUKABIEWICZ Ar. syll. 5 festgestellten Tatsache, daß in den SyllogismusBeispielen zur Analytik keine Individualterme vorkommen. Somit liegt hier etwas ;Neues vor, wenn Galen den vier aristotelischen Urteilsformen, die er § 5 selbst darstellt, als fünfte und sechste die Individualaussage zur Seite stellt. - Es ist das stoische Interesse an der Form einer Aussage, das Galen zu der trivialen Feststellung veranlaßt, ein Individualterm werde nicht quantifiziert, ebenso unten XII 7, bei generellen Aussagen könne der Quantor fehlen. Den alten Logikern lagen solche Erörterungen fern. 5. Hier werden streng nach Arietoteies Anal. pr. 24 a 16 und De int. Kap. 7 die Bezeichnungen für die Urteile nach Qualtität und Quantität eingeführt. Erlaubt sei mir für das unbestimmte Pronom Tt~ die sinngemäße Wiedergabe "mindestens ein", weil nur so eine einheitliche Übersetzung möglich ist. Beachten wir noch, daß hier ua-r:rrroueiv im aristotelischen Sinne für "bejahen" gebraucht ist.
m 1. Galen geht jetzt zu Aussagenverknüpfungen über, sieht in ihnen aber nicht wie die Stoiker Verknüpfungen einfacher Aussagen (oox dn).ä Muhp.a-r:a DL VII 68. SEM VIII 93), sondern eine andere Gattung von Aussagen, deren Charakter als je eine Aussage ausschließlich auf der Art der Verknüpfung beruht. Er schließt sich damit nicht an die Stoiker, sondern an Arietoteies und den alten Peripatos an. Arietoteies fordert Anal. pr. 47 a lOff., bes. 35ff., man solle Schlüsse aus Bedingungssätzen erst in kategorische Syllogismen umwandeln, bevor man sie auf ihre Stringenz hin untersuche. Diese Umwandlung läßt sich auch nach Galen (s. u. XVI 11, weiteres dort) vollziehen, der hierin auf Theophrast (Philopon. In anal. pr. 302, 9ff., BacHENSKI LT 113) fußt. Seine Charakterisierung dieser Art Aussagen weicht erheblich von der stoischen ab. Die Sammelbezeichnung "hypothetisch" hierfür ist neu (Bocn. LT 103ff. STAKELUM 18f.), hat sich aber nach Galen eingebürgert, siehe z. B. Boäthius, De syll. hypothetico, (PL 64, 832 BC, 834 B, wo auch die hier bereits gültige Beziehung zwischen kategorischer und hypothetischer Aussage formuliert ist). Bei Arietoteies kommt das Wort vno1Jenuoc; überhaupt nicht vor, und avlloyutp.ol e~ vno{}eaero~ sind solche, bei denen eine Prämisse oder ein Prinzip durch Verabredung mit den Gesprächspartnern zugrunde gelegt wird, statt wie sonst der natürlichen Ordnung der Dinge entnommen zu werden (s. Ross 30-32). Sowohl der avlloytap.oc; vno{}eit-
Kommentar, !II 2
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"of: als auch die Vno{}e-r:t"TJ :n:eo-r:aatf: sind nach dem Zeugnis der Aristoteles· kommentatoren wahrscheinlich theophrastisch. Auch die gleich folgenden Definitionen für Implikation und Disjunktion sind nicht stoisch, weil sie nur den Sachverhalt, nicht den Wortlaut berücksichtigen. Fast dieselbe Formulierung benutzte für den modus ponens und modus tollens schon Arietoteies Anal. pr. II 57 b l:ff. (dazu LuKASIEWICZ, Arist. syll. 49). Die Stoiker benutzten dagegen die grammatische Konjunktion als Definitionsmer.kmal (DL VII 68:ff. und SEM VIII 93:ff. s. u. IV 6). 2. Paläographisch elegant und sachlich richtig hat PRANTL Z. 20 -r:oZ!; "EÄÄ'TJC1t'll ll.:n:aat aus -r:oZf: äJ..Äotf: ZPa :n:äat hergestellt. Ob wirklich Z. 19 el'Jiat hinter .Uyew !58 ergänzt werden muß, ist nicht so sicher. Sachlich schließt sich die sprachliche Betrachtung von "Sein" an die Formulierungen des vorhergehenden Paragr. an, wo, wie die moderne Logik-Geschichte zeigt, die Klärung der Bedeutung von el'Pat wirklich nötig ist. (s. u. zu XIV 1). So gibt PRANTL 473 z. B. den ersten stoischen Anapodeiktos wieder in der Form "Wenn das Erste ist, ist das Zweite usw.", obwohl es in den Quellen, so auch hier bei Galen VI 6, einfach "el -r:d ä, -rd ß" heißt. PRANTLmußte sich von H. ScHOLZ (Gesch. d. Logik, Berlin 1931) den Vorwurf gefallen lassen, Aussagen- mit Termvariablen verwechselt zu haben, ein Vorwurf, den er sich nicht zugezogen hätte, wenn er geschrieben hätte: "Wenn das Erste wahr ist, ist· das Zweite wahr". Eben dies betont Galen an unserer Stelle, v:n:de:xew sei dasselbe wie "wahr sein". Es konnte dies schon bei Arietoteies bedeuten (s. z. B. Anal. pr. 49 a 6). Wenn wir Anal. pr. 25 b 39ff. lesen, daß Aristoteles "aT'TJyoeeiaiJoat und VnU(]:XBW wiederum als Synonyme verwendet, dann werden wir versucht sein, an unserer Stelle auf die Ergänzung von sl'Jiat zu verzichten. Indessen verliert dann die Bemerkung den Anschluß an das Vorhergehende, was nicht vertretbar ist. el'Jiat ist also aufzunehmen. Daß für Galen "Sein"= "Wahr sein" ist, lesen wir unten XVII 4 (vgl. dazu aber Komm. zu III 3). Das Folgende hält PRANTL 594 für rein stoisch und benutzt es zum Beweis dessen, daß unsere Schrift nicht von Galen stammen könne. Indessen: Gerade das Wort Mlwp.a, dessen Gebrauch PRANTL als Hauptbeweis dient, erscheint hier nicht in seiner stoischen Bedeutung. Die .Alten sind nämlich bei Galen nicht die Stoa, sondern der alte Perlpatos (BOCHENSKI FL ll8). Bei den Stoikern ist ja das Mlwp.a schlechthin "Aussage", "das, von dem wahr und falsch gilt" (DL VII 66 und SEM VIII 11). Hier dagegen ist a~lwp.a eingeschränkt auf Aussagen von Kenntnissen, die allen Menschen von der Natur mitgegeben sind, geradezu von synthetischen Urteilen a priori, genau solchen Sätzen, wie sie Euklid als Axiome dem ersten Buch seiner Elemente voranstellt. Dieser Wortgebrauch ist Arietoteies geläufig (Bel. bei BoNITZ, Ind. 70 b 4). Die hier vorgebrachte Bedeutung von e'JI'Jiota und 'PO'TJC1t!; beschränkt sich keineswegs auf die stoische Schule. Sehr fraglich ist die Textherstellung Z. 8,1: "aiJod:n:ee ei Tv;xot 'A01JPalw'P. Hiernach nämlich wären die Objekte
Kommentar, 1113
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von Vorstellungen (vor/aet~). Begriffen (lwotat) und Axiomen irgendwelche Terme; der Sinn und vor allem das zuletzt eingeführte äl;lropa fordern aber, daß es sich um Urteile handle. Wären die verdächtigen Worte besser überliefert, könnte man schon hier an die Prädikaten-logische Gleichsetzung von hypothetischen und kategorischen Aussagen denken, über die unten (XVI) 11 gehandelt wird. 3. Auch hier (Z. 8, 8) ist vndexetv wie "Wahr sein" zu verstehen. Da.s Beispiel (Z. 12) läßt zwar vermuten, daß hier doch das "Existieren" eines .Subjekts gemeint ist, andere Stellen aber zeigen, daß es sich nur um die Existenz eines Sachverhalts handeln kann (fJnae~'~ nedypa-ro~). Wollen wir dergleichen in die Symbolsprache der modernen Logik übersetzen, dann werden wir vom Wahrheitswert einer Satzfunktion zu sprechen haben, dürfen aber nicht vergessen, daß hier ausdrücklich die Sprache der alten Peripatetiker (s.o. zu III 2) gesprochen wird, und diese betrachteten Sachverhalte, nicht Aussageformen (s. u. III 5). Ein Sachverhalt aber kann nicht wahr bzw. falsch sein, er kann nur existieren, vorliegen, bzw. nicht existieren (=vorliegen). Beispiel Z. 9, 19: Der Sachverhalt "Dion ist in Athen" existiert (vncfexet) bzw. nicht. - Das Folgende bietet formallogische Schwierigkeiten (Z. 10ff.): Die Aussage "Wenn (weil, da) nicht p, dann (darum) q" soll von den Peripatetikern alternativ (~tatee-rt:~c:o~) genannt worden sein, was dem Disjunkt (ßteCevypevo~) der Stoiker entspreche. Uns überrascht das nicht, denn es gilt EGNpqApq
(auf deutsch etwa: 'Wenn nicht p, dannq', ist dasselbe wie: 'p oderq'), nun lesen wir aber, daß die Stoiker als Disjunkt (ßteCevypevo~) Aussagen der Form K A p q A Np N q bzw. J pq (auf deutsch etwa: Von den Aussagen p und q ist eine und nur eine wahr bzw. falsch) bezeichneten (s. u. V 1). Wenn wir das als Implikation ausdrücken wollen, benötigen wir die Konjunktion zweier Implikationen KGNpqGpNq
Unser Beispiel spricht aber nur eine aus, die zweite ist der tatsächlichen außerlogischen Beziehung der gewählten Einzelaussagen bzw. Sachverhalte zueinander zu entnehmen. Auch daraus ergibt sich also, daß nicht eigentlich Aussagenverknüpfungen, sondern Sachverhalte betrachtet werden (s. u. III 5). Zu beachten ist hier aber, daß Galen ebenso wie er bei den Disjunktionen neben der Nicht-exklusiven vel-vel-Verknüpfung, (A p q), zwei Arten von exklusiven Disjunktionen, D p q und J p q, kennt, offenbar auch zwei Arten von Implikationen annimmt, die den Funktoren G und E entsprechen. Darüber s. u. zu XIV 5-8. Z. 9 lies statt ij. Die Ergänzung in Z. 10 entfällt.
n
Kommentar, III 4-IV 2
11
4. Die Konjektur Z. 3 vsro-,;eeov~ für naÄ.aw6~ ist notwendig. Man beachte, daß bei beiden gewählten Beispielen konvertible Implikation bzw. exklusive Disjunktion vorliegt. 5. "laov 15tlva-rat begegnet bei .Aristoteles (Anal. pr. 49 b 3) in der Form' T:o aVT:dv m'naa{}at und heißt dort nicht "äquivalent sein", sondern "bedeutungsgleich sein" (vgl. 49 b 8 7:0 avT:o riruJ.aWOfJ-F:POV). Dort handelt es sich aber um Begriffslogik, in der von den Termen nur als "bedeutungsgleich", nicht als von "äquivalent" zu sprechen sinnvoll ist. "Äquivalent" im Sinne von "den seihen Sachverhalt wiedergebend" kann nur von Aussagen gelten. Im heute üblichen Sinne von "den gleichen Wahrheitswert habend" ist es hier natürlich nicht gemeint. Wir übersetzen mit "äquivalent", weil dies die sprachlich getreue Wiedergabe des griechischen Ausdrucks ist. Die Worte "ra. dvv." finden wir ferner II 5, XI 2, XVII 5 und XIX 6. XI 2 und XVII 5 hören wir, daß die Äquivalenzen ein besonderes Studienfach bildeten und daß Galen ein Buch darüber schrieb, welches eine Anleitung gewesen sein dürfte zur Umformung von sprachlich frei gestalteten Enthymemen in eine Art Normalform, die die logische Struktur leicht erkennen ließ. Diejenigen, die sich an den Wortlaut halten, sind sicher hauptsächlich die Stoiker. Vgl. z. B. Alexander Aphr. In anal. pr. 372, 29 und 373, 28. i.UKASIEWICZ, Arist. Syll. 18. 19. Aristoteles befaßte sich dagegen in seiner Syllogistik mit dem Gemeinten, s. Anal. po. I 10 76b 24. Ober die Ineinander-Umwandelbarkeitvon Implikation und Disjunktion (Interde:finibility) s. z. B. BocHENSKI FL 138 und AFL 92. BECKER Anekdota Gra.eca li 489, 2:1f.
IV 1-2. Ohne die Konjekturen Kf's zu 9, 19-21 ergibt der Text keinen Sinn. Allenfalls ist zu erwägen, ob Z. 21 1'-TJ O'Vfl-fl-axofJ-BVa sich vielleicht doch in derselben Bedeutung wie das von Kf hergestellte 1'-axdfJ-F:Pa lesen läßt. Der terminus T:BÄ.Bla wim findet sich für denselben Sachverhalt bei SE, PH II 162, wo statt des vnaexsw bzw. f'-TJ vnaexstv oder dnollva*at unserer Stelle von äJ.rrDe~ bzw. '1/)wde~ gesprochen wird. Dadurch wird unsere Feststellung zu III 2 bestätigt. Am Schluß gibt die Hs. avay~'f/ dvoiv iM-,;seov ail~ slvat. Bezieht man den Satz auf die T:BÄ.ela fJ-cZX'YJ, wie es der Zusammenhang erfordert, dann muß sinngemäß das ail~ gestrichen werden. Paläographisch ist das durch die von Kf vermerkte alte Rasur gerechtfertigt. Zur Übersetzung vgl. BocHENSKI FL 138. Die Aussageformen, die diese Sachve:.;halte abbilden, werden V 1 definiert.
12
Kommentar, IV 3-4 p
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I
-rel. JM1.x11
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I
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BocHENSKIAFL 90-91 stellt die verschiedenen pazat und die einschlägigen Quellen zusammen. Oben sehen wir Wahrheitswert-Matrizen, wobei zur besseren Übersicht noch die dritte Art, die der heute in der Mathematik fast ausschließlich gebrauchten Form der Disjunktion entspricht, hinzugefügt wurde. In unserer Schrift wird diese V 1 eingeführt. Vgl. zu obiger Definition Boethius, De syll. hypoth. PL 64, 834 C. 839 B. 3. Galen behandelt jetzt Schlüsse aus Sachverhalten. Die hiermit eng verwandten, aber rein formalen stoischen Anapodeiktoi werden erst VI 6 beim Übergang auf die Aussageformen (hier: Formeln = Teonot) eingeführt. Über die Geschichte der neoaÄrrrpu; (lat. assumptio, s. z. B. Boethius, De syll. hypoth. PL 64, 844 A) handelt PRANTL 595. Danach ist der terminus neoaÄrJ"pU; stoisch, während die Peripatetiker dasselbe mit pBTaÄ'YJ'I{JU; bezeichneten. An unserer Stelle bedient sich also Galen in einem peripatetischen Gedankengang eines stoischen terminus. PRANTL zitiert hierfür Philoponus, In anal. pr. 40 b 17, S. 243, 8 WALLIES. Die sehr viel feinere und genauere Unterscheidung steht bei Alexander .Aphrod. In anal. pr. S. 263, 26:ff., der Quelle des Philoponus. 4. Wenn Galen sagt, das unvollständige Einander-Ausschließen habe im Griechischen gewöhnlich diesen Wortlaut (cpruv1]), dann muß an dieser Stelle der einfachste Ausdruck, nicht ein wenn auch äquivalenter komplizierter .Ausdruck gestanden haben. Ich schließe mich deshalb der Ergänzung Kf's und der PRANTLs nicht an, sondern lese Z. 10, 11 statt TB "al die Worte saTw 1} in der Annahme, daß hier vom Schreiber die Kompendien des nicht verstandenen Textes falsch aufgelöst wurden. Das Wörtchen 7j charakterisiert tatsächlich die Disjunktion, vgl. oben III,3. Im folgenden wird die Konjunktion als das definiert, was einander weder bedingt noch ausschließt. Im Gegensatz zu der stoischen Wahrheitswert-Definition (SE M VIII 124-125) ist diese nicht mit den Matrizendes Aussagenkalküls darzustellen. Wollte man das tun, dann müßte man den Text Z. 14 lesen: tJ.u ä"olovOlav Uzet neo~ äll1JÄa pi}TB p&.z'YJV dnocpaTt"~v. Das wäre möglich, denn das erste pTJTB ist eine Schreiberkorrektur, das älteste plav TB kann aus t1. TB entstanden sein, wo a fälschlich als Zahl gelesen und aufgelöst .wäre. Dann lassen sich folgende Matrizen aufstellen:
Kommentar, IV 4 I d~eo.i.oviJla
p
q
w w w w F
F F
F
III
KKIIIIII
d:n:otpaTt"tj NAN pNq
av~:n:e:n:ky~tvo11
II
neo, ä.i.J.q.i.a
13
~dX"'
Opq
Oqp
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w
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w
F
F F F
F F F
F
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Kpq
Hier wäre die Konjunktion definiert als logisches Produkt von gegenseitiger Implikation und negierter exklusiver Disjunktion, wie unser Text es zu fordern scheint. Abgesehen davon aber, daß hier überflüssige Operationen durchgeführt sind (die Negation der exklusiven Disjunktion würde schon genügen), verbietet das gleich Folgende Z, 10, 17-18 und unten 33, 24 diese Auslegung. An beiden Stellen heißt es ausdrücklich, daß beide Teilsätze der Konjunktion in keinem realen Verhältnis zueinander stehen. Man wird die Stelle so verstehen müssen: Es ist nicht von dem Wahrheitswert konjunktiver Aussagen die Rede. Dieser müßte freilich in der oben skizzierten Weise durch Matrizen darstellbar sein und durch die angeführte SE- Stelle definiert werden (s. u. zu XIV 5-8); GALEN spricht aber von solchen Sachverhalten, diedurch konjunktive Aussagen abgebildet werden. Wenn das so ist, müssen wir erwarten, daß unsere Stelle streng scheidet zwischen Aussagen und Sachverhalten, vorausgesetzt daß Galen korrekt denkt. Dies ist in der Tat der Fall. III 5 wird unterschieden zwischen solchen, die sich an die Uee~ und solchen, die sich an die q;Vat~ 'E"WP neayltat"ruP halten.· Die Definitionen für ~td.XrJ in IV 1-2 sprechen nur von q;Vaet~ neay~tdt"ruP, die sie abbildenden Aussagen werden eigens als solche bezeichnet (Z. 9, 19). In IV 3 werden Schlüsse aus Sachverhalten eingeführt, wobei die Sachverhalte in ihrer gegenseitigen Beziehung als gegeben gelten; durch Hinzunahme eines Urteiis (aetrupa), das einen dieser Sachverhalte anerkennt oder nicht, kommt der Schluß zustande. Also bis hier genaue Beachtung der semantischen Beziehung. In unserem Paragr. erscheint nun neu das Wort rpruP~. Es bezeichnet nach unserer Auslegung den Aussagen-bestimmenden Funktor "f, nach der Auslegung Kf's den ganzen Ausdruck. Jetzt das rpruv1 in unserem Satz (Z. 10, 13): Überliefert ist el de erp' sTeeruP Ä.eyot'E"o rpOYII'YJP p.~'E"B (Verb. aus pla'P 'E"B) a-xoJ..ovfJlaP lx,et •.• Im Nachsatz steht: Dann nennen wir dieses Urteil eine Konjunktion. Die lt"eea müssen hier Sachverhalte sein, über die eine tpruP~ gesagt wird, die dann ein Urteil ist. Ilea:ypat"a bilden kein Urteil. Da, wie wir sahen, die semantischen Beziehungen hier von Galen streng beachtet we1·den, haben wir also unseren Satz zu übersetzen: "Wenn aber hinsichtlich anderer (scill. Sachverhalte) jemand (lies Äeyot na) eine Aussage (tpruv1P) macht, und zwar über solche Sachverhalte ((ä)), die ... ". Folgerichtig ist Z. 18 die Überlieferung zu
14
Kommenta.r, IV 5-7
halten: eep.TJ'IIeVEt, d. h. : Diese Worte drücken Sachverhalte aus, die ... (s. ÜRTH). Vgl. STAK. 55, der das Problem richtig erkennt, ohne allerdings die interpretatorischen Konsequenzen zu ziehen. 5. Das a:notpal'oo1v Z. ll, 2-3 gehört nicht in den Text, die Stellung des vorhergehenden d:notpan-x6v im Satz erlaubt es, das Wort apokoinou zu konstruieren und es zweigeschlechtig zu behandeln. Das av-ra von 10, 19 ist mißverständlich. Es bezieht sich nicht auf die Sachverhalte, denn dann würde sich z. B. das Urteil ergeben: 'Weder spaziert Dion, noch disputiert Theon', Vielmehr bezieht es sich auf die Gesamtheit des Ausgesagten, wie in unserer Auslegung das vorhergehende (10, 17) -ravrl. Wenn nun "der Einfachheit halber" negative Konjunktion und negatives Konjunkt gleichgesetzt werden, dann bedeutet das logisch, daß die Verneinung des Funktors der der Gesamtaussage gleichkommt. Vermutlich bestand unter den stoisch beeinflußten Logikern zu Galens Zeit eine terminologische Kontroverse, die nach Art der bei Sextus überlieferten O'TJp.ei:ov--Lehre über das rein terminologische hinaus die logische Struktur zum Inhalt hatte. Überliefert ist uns davon nichts. 6. Chrysipp definiert (DL VII 72) in der Tat die Konjunktion als eine zusammengesetzte Aussage, die durch das Bindewort -xal verbunden ist. Das sich auf die Sachverhalte beziehende Wahrheitskriterium Chrysipps (SE M VIII 125) würde Galens Forderung auch nicht entsprechen, denn hier werden nur die Wahrheitswerte der Einzelaussagen, nicht die reale Beziehung der von ihnen abgebildeten Sachverhalte zueinander berücksichtigt. Z. ll, 9: "Dafür, worin (ey-xetl'at) die Möglichkeit einer gewissen genauen Kommunikation liegt, wenden sie unachtsam ihre Bezeichnungen an, bei dem aber, wo die Wörter (tproval) überhaupt nichts Besonderes be~euten, dekretieren sie eigene Bedeutungen". (vop.oih:-rovv-req von Kf gut hergestellt. Die Ärzte, über deren sprachliches Dekretieren sich Galen z. B. II 90, 4 MüLLER beschwert, sind vermutlich die stoisch beeinfl.ußten Pneumatiker). Das Erstere sind nach dieser Interpretation die von den Aussagen abgebildeten Sachverhalte, die Chrysipp unterschiedslos, d. h. ohne Ansehung ihrer Eigenart miteinander verbindet und benennt, das zweite die für Galen an sich völlig belanglosen Bindewörter, in denen Chrysipp das Wesentliche einer Aussagenverbindung sieht. Was meint Galen nun mit einer Konjunktion, die in Wirklichkeit eine Konsequenz ist1 Offenbar einen Satz wie 'die Sonne scheint und es ist Tag'. Nach seiner Definition ist das keine Konjunktion, weil bei dieser die Glieder weder einander ausschließen noch auseinander folgen dürfen, 'Es ist Tag' aber die notwendige Folge von 'Die Sonne scheint' ist. 7. Der Paragr. spricht zwei Gedanken aus: 1. Für die implikative Satzverbindung sind mehrere Bezeichnungen möglich. Die Relation zwischen den abgebildeten Sachverhalten kommt in der Bezeichnung sprachlich zum Ausdruck. Die Bezeichnung ist (im Gegensatz zur Stoa) kein starrer terminus technicus. 2. Wie bei der Disjunktion gibt es auch
Kommentar, V 1
15
bei der Implikation mehrere Unterarten. - Die unter 2. angedeuteten Unterarten sind die -reÄela ~oÄov{}la und die elltm}q ~oÄ. Erstere entspricht unserer Äquivalenz, letztere unserer materialen Implikation, die mit der phiionischen Implikation (MA.TES SL 42 u. DI) identisch ist (s. u. XIV 10). An die von den Stoikern diskutierten verschiedenen Implikationstypen (SE MVITI 112ff. Cicero, Lucullus 47, 143. SEM I 309) haben wir hier nicht zu denken. Ausführlich erörtert von STAK. 46:ff.
V 1. Wenn Galen im Vorhergehenden vorwiegend von den Relationen der durch die Aussagen abgebildeten Sachverhalte sprach, so geht er jetzt zur Einteilung eben dieser Aussagen über. Man hat also bei dem neutrum pluralis (11, 24 -ra ... lzoP-ra) das &;uhpa-ra von 12, 3 zu ergänzen. Er hält es für unbedenklich, sich im folgenden der stoischen Terminologie (&;lropa=Aussage) zu bedienen, weil die stoische Methode syntaktisch richtig ist und die nach ihr gezogenen Schlüsse unabhängig von gewissen semantischen Divergenzen zu richtigen Ergebnissen führen. Unsere Tabelle zeigt die Relationen der Sachverhalte, benennt den Funktor in stoischer Terminologie sowie in der Symbolik von Ltr.K.ASIEWIOZ und gibt die Wertfolgen für Funktionen von p und q a.n. dvay~ea iov
Sachverhalts-Relation
Teleta pdxTJ
eAAmiJ~ pdx'l
~ea1
Funktor p q
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F F
F
{
8vvnriex ew B')11,W(/Bi 158 nÄelw u. :rr:dna
T&,
:~&a(/a:n;Ä~G&O'V
stoisch
⪙wypl!vov
n.Luk.
Jpq
Dpq
A pq
F
F
w w w
w w
F
naeaö⪙evypivov
ll⪙evypl!vcp
w w w
I I
F
Das Paradiezeugmenon, das· unserer nicht-exklusivenDisjunktion (logische Summe) entspricht, kennen wir aus Gellius, Noctes Attica.e XVI 8, 14 und Apollonius Dyscolus I 1. 216, 10. Unsere Hauptgewährsleute DL und SE bevorzugen die beiden exklusiven Disjunktionstypen, s. DL VII 72, aber: SE M VIII 282. Die Gegensätze danach einzuteilen, ob etwas zu-
16
Kommentar, V 2-5
sammen wahr oder falsch sein kann, hat schon Aristoteles gelehrt, s. bes. De interpr. cap. 8. 2. Eine Theorie der mehr-als-zweigliedrigen Disjunktionen ist uns, abgesehen von der lückenhaften Stelle Apollonius Dyscolus I l. 218, 29ff. (SCHNEIDER-UHLIG), nur in unserer Schrift überliefert (s. STAD. 31). Über ihre symbolische Darstellbarkeit s. u. zu V. 4. 3. Während hier und unten VI 6 die Schlüsse zur Charakterisierung der Aussagenverbindungen dienen, werden sie Kap. XIV um ihrer selbst w.illen behandelt. Die Schlüsse aus der Disjunktion sind schon von Aristoteles ausdrücklich formuliert: Top. II 6 112 a 24ff. (s. BocHE:NSXI AFL 67), wie er ja auch in der Analytik gelegentlich mit Aussagevariablen operiert (z. B. Anal. po. II 2 53 b 7ff. vgl. BacHENSKI AFL 70). 4. "Das ganze Übrige negieren" bedeutet: "Jedes einzelne der übrigen Glieder negieren". Die vollständige Disjunktion aus mehr als zwei Gliedern kommt bei den Stoikern nicht vor (s.o. zu V 2 und STAK. 68). Hier liegen logistisch gesehen zwei n-adische Wahrheitswertfunktoren vor, wir können für die symbolische Darstellung nicht die dyadischen Funktoren, die Kontravalenz (J) und den Schefferschen Funktor (D), verwenden. Es wird ein komplexer Ausdruck mit verschiedenen dyadischen Funktoren benötigt. Der Text sagt für beide Arten von Einander-Ausschließen, daß wenn ein Glied wahr ist, die anderen falsch sein müssen. Symbolisch für drei Glieder:
K KCpK Nq Nr Cq K NpNrCrK NpNq Der Unterschied liegt darin, daß beim vollkommenen Einander-Ausschließen noch die Forderung hinzukommt, daß eins wahr sein muß, d. h.
AApqr. Die Formel für das vollkommene Einander-Ausschließen lautet demnach:
K K K A A pqrCpK Nq NrCqK NpNrCrK NpNq Der von Kf und PRANTL hergestellte Text befriedigt, nur Z. 4 würde man gern &.noqn7
Kommentar, VI 1-2
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Beiläufig wird die Nicht-Bündigkeit des Schlusses aus der Verneinung des ersten Gliedes von Aristoteles Anal. pr. 57 a 40ff. bewiesen (vgl. Boethius De syll. hypoth. PL 64, 836 AB), allerdings mit Mitteln, die weder von den Stoikern, noch von den modernen Logistikern akzeptiert werden können (s. LUKASIEWICZ Ar. Syll. 49). Einen stoischen Beweis für die Nicht-Bündigkeit des Implikationsschlusses aus der Bejahung des zweiten Gliedes finden wir z. B. SE PH II 149 und M VIII 433. In beiden Fällen geht der Stoiker ähnlich vor wie Aristoteles, d. h. er ersetzt die Variablen so durch konkrete Aussagen (entsprechend bei Aristoteles durch Terme), daß aus wahren Prämissen eine falsche Konklusion folgt, womit die Allgemeingültigkeit der Formel hinfällt. Unten (XIV 5-8) werden wir sehen, daß Galen neben der hier zweifellos verwendeten materialen Implikation auch eine vollständige Implikation kennt, die sehr wohl die beiden hier verworfenen Schlüsse zuläßt. Über den Grund, weshalb diese Schlüsse hier wie sonst verworfen werden, s. u. zu XIV 11.
VI 1. Wie Galen selbst sagt, hat er dieses Thema ausführlich in einem Kommentar zu Theophrasts Ileel "a-r:aq;&.aew~ behandelt (De propr. libris p. XIX 42 KÜHN= p. 118,14MÜLLER, vgl. BoCH. LT 32). Die Kontradiktion hatte Aristoteles z. B. am Schluß der Hermeneutik sowohl formal durch die Verneinung als auch sachverhaltsmäßig durch die Wahrheitsrelation definiert. Das Wort "pax"'" kommt bei ihm im streng logischen Sinne noch nicht vor, begegnet aber oft in anderem Zusammenhang in dieser Bedeutung. Zu Galens Zeit ist es allgemein in Gebrauch, so bei SE, DL, Alexander u. a. Den schon bei Aristoteles vorgezeichneten formalen Aspekt machten sich die Stoiker zu eigen und definierten kontradiktorische Aussagen damit, daß eine gegenüber der anderen um eine Negation länger sei ( SEMVIII 89. DL VII 73. MATES SL 31). Andere Schulen, besonders die Skeptiker, legen großes Gewicht auf den sachverhaltsmäßigen Aspekt und stellen dem Charakteristikum der Negation das der pax"' gegenüber: SE PHI 10. 2. Hier, wo die hypothetischen den kategorischen Aussagen gegenübergestellt werden, lehnt sich Galen für die ersteren stärker an die stoische Theorie an. Auffällig ist, daß er ausdrücklich fordert, bei Aussagen müsse die Negation vor dem Prädikat stehen, nicht, wie wir von den Stoikern wissen, vor dem ganzen Satz (MATES SL 31).- Die Ausführungen über kategorische Aussagen zeigen das berühmte logische Quadrat, vorgezeichnet von Aristoteles im Kap. 7 der Hermeneutik und in graphischer
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Kommentar, VI 3-5
Form erstmalig überliefert bei Apuleius Ileel Bf!/-''YJ'llelac; p. 180 T:HoMAS Siehe oben II 5. 3. Das Wort 11'6voeor; bedeutete bei Arietoteies u. a. einfach "gemeinsame Grenzen habend"= "benachbart". Hier erscheint es, soweit wir sehen, zum erstenmal in dieser streng terminologischen Bedeutung "gleiche" Terme habend. Doch dürfte die Betrachtung von Propositionen danach, ob sie nur einen oder beide Terme gemeinsam haben, Schulbrauch gewesen sein. Das zeigt z. B. Boethius De syll. categ. PL 64, 798 D. Wie die Korrupte! Z. 7 auch verbessert wird, - es empfiehlt sich die Konjektur Kf's - so bleibt der Sinn klar. Die terminologische Scheidung zwischen dvaa-reo~ und dvna-reo~ für Termvertauschung und Umkehrung geht teilweise auf Arietoteies zurück; dieser benutzt überall, z. B. an der Hauptstelle Anal. pr. I 2 25 a 6, für "Umkehrung" das Wort "dvna-reepetv", kennt aber das Wort "dvaa-reepetP" nicht: Wenn eine Umkehrung richtig ist, nennt er sie eine dvna-reo~, wenn nicht, existiert sie für ihn nicht. Wir erwarten den Begriff dvaa-reo~ hierfür erst bei den Stoikern, die die Aussage ja nicht als Sachverhalt, sondern mebx als Wortgefüge betrachten, indessen findet er sich tatsächlich nicht vor Galen. Vgl. De simpl. med. XI 465 KüHN. Es ist unbedingt zu erwarten, daß hier alle vier Aussagenarten, die allgemein bejahende, allgemein verneinende, partiell bejahende und partiell verneinende Aussage, besprochen werden. Darum ist Z.l3 zu ergänzen: ... ua-rapa-r!XIJ.
4. Die Paralleldarstellung und analoge Behandlung hypothetischer und kategorischer Aussagen ist zwar bei Galen erstmalig systematisch durchgefübxt, stammt aber grundsätzlich schon von Arietoteies; diesem war ganz geläufig, daß termlogische Ausdrücke auf dem Umweg über prädikatenlogische sich auf aussagenlogische zurückfübxen lassen und umgekehrt. Wenn er diese Erkenntnis auch nicht theoretisch formulierte, so benutzte er sie doch oft, vgl. z. B. BoCH. AFL 65:ff. Diese Anregung wurde von Theopbxast aufgegriffen und systematisch verwertet, wie z. B. Alexander In anal. pr. 326, 20:ff. (BocH. LT 112) zeigt. Unser Satz über die Kontraposition ist schon in mehreren Definitionen der Implikation mitgegeben und läßt sich leicht auf diese zurückführen: SE PR II 111. Praktisch wird er sehr viel verwendet als zweiter Anapodeiktos des Chrysipp oder modus tollens. Daß Galen hier nicht die Umkebxbarkeit anderer Aussagenverbindungen untersucht, zeigt wieder sein vorwiegendes Interesse am Sachverhalt, und wir geraten auf das Gebiet der damals eng mit der Logik verbundenen Grammatik, wenn wir für die Umkebxbarkeit von Disjunktion und Konjunktion auf Apollonius Dyscolus I I, 218 ScHNEIDER-UHLIG verweisen. Praktisch im medizinischen Meinungsstreit verwendet Galen das Kontrapositionsgesetz z. B. Bd. XI 500 KÜHN. 5. Die vielen von Kf eingefübxten bzw. übernommenen Korrekturen sind unentbebxlich. In symbolisoher Darstellung ergeben sich für Schlüsse
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Kommentar, VI 6-7
mit 2 bzw. n Prämissen folgende Kontrapositionen (über einem Funktor stehende Zahlen bedeuten, wie oft dieser zu wiederholen ist):
GGKpqrGKpNrNq bzw. n-1
n-1
0 0 K Pt P2 ... p,. q C K Pt P2 ... Pn-1 N q Np,. . Das Kontrapositionsgesetz für Schlüsse aus zwei Prämissen ist uns bei Arietoteies als Gnmdlage der reductio ad impossibile wohlvertraut (beachte die schwankende Bedeutung von ti-11Tune. 59 b 1 ff. !) . Ausdrücklich formuliert ist es von den Stoikern als erstes Thema, s. Apuleius, De interpr. S. 191,7 THoMAs, vgl. BaCHENSKI AFL 97. A. KRoKIEWICZ; 0 logice Stoikow, Kwartalnik Filozoficzny 17, 1948,188. O.BECKER, Klass. Phil. Studien, Wiesbaden 1957, H. 17. MATES SL 77. 6. Implikationsschlüsse wurden oben (V 5) ganz allgemein betrachtet, hier unter dem Gesichtspunkt der Kontraposition und unten (XIV ll) unter dem der Beweistheorie. Die Darstellung der fünf Anapodeiktoi des Chrysipp in unserem Paragr. fällt etwas aus dem Zusammenhang, der erst S. 16, 7 mit dem Hinweis auf die Ö.ntrn:eofP11 wieder aufgenommen wird. Ein Anstoß bietet sich aber nicht, denn nachdem die a:11nrn:eofP11 im vorhergehenden Paragr. an Beweisen durchgeführt wurde, soll sie jetzt auch an Beweisformen (Formeln = -reonot) gezeigt werden. Nur als Beispiele für Formeln werden hier die Chrysippischen Anapodeiktoi aufgezählt. Die Unterscheidung zwischen Myo~ und -reono~ ist stoisch, wie SE M VIII 227 und DL Vll 76 zeigen. Die Chrysippischen Anapodeiktoi sind ferner aufgezählt in der gleichen Anzahl und Reihenfolge DL VII 79ff., SE PHI! 157ff., ders. MVIII 223ff. Galen Bist. philos. 15=DIELS Dox. 607. Philoponus In anal. pr. 244ff. Ps. Ammonius In anal. pr. 68. Über weitere modi s. MATES SL 68. Auffällig ist, daß hier und vm 2 der dritte Anapodeiktos widerspruchslos hingenommen wird, während er XIV ll als überflüssig abgelehnt wird. 7. Hier tritt der V I eingeführte moderne vel-Funktor wieder auf. Matrix: (111 0). Die quasi-Disjunktion (die logische Summe) von n Gliedern sei also (die über dem Funktor stehende Zahl zeige an, wie oft dieser zu setzen ist) n-1
A PlPaPs· · ·Pn· Dann lautet bei Assumption von n-2
K N PI N P2 N Ps ... N das Resultat p...
Pn-1
20
Kommentar, VII 1-2
Bei Assumption von N p1 dagegen n-2
A P2Pa · • ·Pn • Weiteres über Disjunktionen undDisjunktionsschlüsse V 3-4 und XV 11.
vn 1. Beide Herstellungsversuche Kf's sind bestechend elegant, Z. 21-22 Ergänzung einer homoeoteleuton-Auslassung und Z. 17, 4 paläographisch gut begründet: TPOIIIN in TPOJI/.,1/ (nach MYN.AS). Das Wort 1jyepovmoc; (Z. 20) ist hier wohl nicht terminologisch, jedenfalls ist es sonst nicht hierfür belegt. Es bedeutet. hier nur, daß bei dieser Art von Schlüssen die erste Prämisse weit mehr als z. B. bei kategorischen bestimmend ist für die zweite Prämisse, da für diese überhaupt nur vier Möglichkeiten bestehen: Bejahung oder Verneinung des einen oder anderen Teiles der ersten Prämisse, und auch diese Möglichkeiten werden je nach dem die beiden Teile der ersten Prämisse verbindenden Funktor noch weiter eingeschränkt. Wir finden diese Einschränkungen V 3-4 und VI 7. Kf's Ergänzung ist also sachlich einwandfrei. - Teom"oc; ist tatsächlich ein. Chrysippischer Terminus. Wir finden ihn bei SE PH II 3, wo von einem !5ta !5vo -reom"crw als einer schwierigen Schulfrage· die Rede ist. Ihre Erklärung findet diese dunkle Stelle ebenda § 202 und M VIII 438ff., wo -reom"oc; den Oberbegriff für zweigliedrige Aussagenverbindungen bezeichnet. Bei den Stoikern heißen also die beiden Prämissen eines einfachen hypothetischen Schlusses ).fJppa:r:a, von ihnen die erste -reom"o'll, die zweite neo11Ä'YJ'lfJtc; (vgl. Alexander In anal. pr. 262, 28 W.ALLIEs. M.ATES SL 136). Es kann aber ein Schluß auch durch zwei -reom"a zustande kommen: Origenes, Contra Celsum VII S. 166, 20 KoETSCHAU. Einem solchen Schluß entspricht die Implikation C K C p q C p N q Np (reductio ad absurdum BoCH. GL 6.69). Angewendet wird ein ähnlicher Schluß SE PH II 131: C K C p q C N p q q (konstruktives Dilemma BocR. GL 6.66). Die Etymologie ist natürlich hybrid, wie so viele jener Zeit. 2. Ausführlich über die philosophische Persönlichkeit des Boethös handelt PR.ANTL 540:ff. Nach Simplicius, In categ. 1, 18 K.ALBFLEISCH z. B. ist Boethos bei der Kommentierung des Arietoteies im Gegensatz zu anderen Erklärern, die nur den Text behandelten, tiefer in die Probleme ein-
Kommentar, VII 3-5
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gedrungen. Unsere Stelle sagt deutlich, daß auch der Peripatetiker Boethos die einfachen hypothetischen Schlüsse als primär auffaßte, während Galen mehr der aristotelischen Ansicht zuneigt, nach der die kategorischen, termlogischen Schlüsse das Primäre sind. Es muß sich also in der alexandrinischen Zeit tmter dem Einfluß der Stoiker die Ansicht durchgesetzt haben, daß die Aussagenlogik für die Termlogik die Grundlage bildet, vielleicht auf Grund derselben Überlegungen und Beobachtungen, die i.UKASIEWICZ zur aussagenlogischen Begründung der aristotelischen Syllogistik führten. Die betont peripatetisch eingestellten Logiker machten dies offenbar nicht mit, weshalb Galen sich darüber wundert, daß auch der Peripatetiker B. diese Ansicht vertritt. Wie entschieden Aristoteles selbst die termlogischen Sätze als grundlegend ansah, zeigt BoaRENSKI FL 104; dafür, daß die Stoiker die Logik auf aussagenlogischen Regeln gründeten, genügt der Hinweis auf die fünf Anapodeiktoi des Chrysipp. Eine Parteinahme Galens für Aristoteles und Theophrast gegen Chrysipp: Galen, De plac. Hippocr. et Plat. V 213
KÜHN. 3. Hier sehen wir, wie für Galen das System der Logik bereits aus stoischen und peripatetischen Elementen zusammengesetzt ist. Nach seiner Ansicht kann man die Logik auf termlogische wie aussagenlogische Sätze aufbauen, j-e nachdem welcher Schule man sich verschrieben hat. Die resultierende Wissenschaft muß - richtiges Denken vorausgesetzt in beiden Fällen ein widerspruchsfreies Gebilde werden. 4. Bis Z. 24 ist der Text durch ohne weiteres einleuchtende alte Konjekturen glatt geheilt. Z. 24-25 weicht Kf aber mit Recht von der überlieferungsfremden und sachlich nicht einwandfreien Lesart des MYNAS ab, ohne freilich einen ganz befriedigenden Text zu gewinnen. Notwendig ist jedenfalls die Änderung von Z. 24 crlJ-re in o.Oße. Der Gedankengang ist der, daß bei kategorischen Schlüssen nicht nur wie bei den hypothetischen eine (Teil-)Aussage der ersten Prämisse bejaht oder verneint wird.- Auf den grundsätzlichen Gegensatz unserer Stelle zu Aristoteles hat PRANTL 599 hingewiesen, freilich nicht ohne diese Stelle als einen Schritt zu dem ihm so verhaßten logisch-mathematischen Kombinationsspiel zu bedauern. Aristoteles ging ja nicht von einer Prämisse aus und bildete zu ihr eine zweite Prämisse, sondern er ging von der Konklusion aus und suchte für diese einen Mittelbegriff. Allgemeine Regeln zur Aufstellung kategorischer Beweise gibt er Anal. pr. I 27 43 a 20ff. 5. Der Text ist hier so verderbt, daß auch Kf's Herstellungsversuch mißglückte. Zum Beispiel ist seine Lesung von Z. 7 schon sachlich unhaltbar, denn völlig beliebige Aussagen brauchen noch längst keinen Syllogismus zu erzeugen. Auch findet Z. 8 eewv-rwv keine Erklärung. Seine Vermutung afee-rwv ist ebenfalls sachlich unhaltbar. Ohne die Stelle dadurch als geheilt anzusehen, mache ich folgenden Varschlag: ßvva-rov !JBV Yfle avTqi (MYNAS für -rd) ~at 'J:otaVT'YJV ne6-raaw -rfj 11:(!07:B(!f!. neorrlJevn 3
Mau: Galen, Einführung in die Logik
22
Kommentar, VII 6-7
o
natfiaat <1VAÄaytalt6v· 'nfiv atee-r:ov d.yaiMv fa-r:w'. la-r:at yaQ <1VÄÄaytap6~· '/brav "aÄov äea (statt aiee-r:ov) aya1J6v eanv'. dvva-r:ov !51! "al ("a.,;a) -r:av (statt näv) '"aÄov' thtoiiv ällo "a-r:1Jyae?]aavn -r:wv sero(-r:1J1J8)v-r:rov 6eyal;ea1Jat -r:ov <1VÄÄaytap6v· ofJ-r:ro tM "al "a1J' e("a)-r:ieov -r:wv lferov [ -r:o "aMv] ä;t;trov lferov vno1J6aet (für -aw) alov -r:' tan :n;at?]aaa1Jat <1VÄÄaytUf.tOV, alov ofhro~ (für a.ß-r:o~) ·~ !5t"atOaV'IIfJ "aÄov ean, 'tO "aÄov atee-r:ov eanv'. Vermutlich wollte
Galen einige Beispiele für Operationen mit einer gegebenen Prämisse und Wahl eines zusätzlichen Terms vorführen, bei denen sich ein Syllogismus ergibt. Er drückte sich dabei so kurz und schwer verständlich aus, daß die Stelle durch Mißverständnisse der Schreiber völlig entstellt wurde. Der Sinn dürfte dieser gewesen sein: Bis Z. 6 bzw. 7 d.ya1J.Ov ean wird der modus Barbara unter Beibehaltung der gegebenen Prämisse entwickelt. Dabei wird der neu hereingenommene Term zum Außenterm, während einer der gegebenen Terme zum terminus medius wird. Von Z. 7 dvva-r:&v bis 8 avÄÄaytaf.toV wird ein Syllogismus in der dritten Figur gebildet dadurch, daß für die neue Prämisse das Subjekt der gegebenen beibehalten wird und ein neues Prädikat von ihm ausgesagt wird. DenRest des Paragr. bildet die Entwicklung eines modus der zweiten Figur: Von beiden Termen der gegebenen Prämisse wird ein neuer (terminus medius) ausgesagt. Leider paßt das Beispiel am Schluß des Paragr. nicht zu dem als drittem entwickelten modus der zweiten Figur. - Einzelnes zu Textkritik und Erklärung: Die lange Ergänzung Kf's in Z. 5 bis 7 ist nicht nötig, weil schon bei Aristoteles (z. B. Anal. pr. I 4 25 b 34) <1VÄA.aytaf.t6~ einfach die Schlußfolgerung oder die zu ihr führende Operation bedeuten kann. 'Eero-r:ö.v (in Z. 8 hergestellt) ist ein bei Aristoteles und später oft begegnender Ausdruck aus der Frühzeit der Dialektik, in der der ,,Frager'' die Prämissen in Form von Fragen an den "Antworter" richtete und sich ihre Wahrheit von ihm bestätigen ließ (s. z. B. Aristot. AnaL pr. II 19 66 a 25:1f.). 6. Kf's Verbesserungen, auch die lange Ergänzung Z. 18-21 müssen wir akzeptieren, nur wird man bei den Ergänzungen die Konklusion fortlassen müssen. Es ist hier ja nur von den Prämissenkombinationen die Rede. Das Wort "Syllogismus" paßt sowohl für den Schluß aus vorher bekannten Prämissen als auch auf die schlüssige Prämissenkombination. Es ist auffällig, daß wenn auch Homoeoteleutonauslassungen hier häufig sind, auf unserer Seite die fehlende Konklusion in drei Fällen eine besondere Ergänzung erfordert (s. zu VIII 1). 7. Auch hier werden wie bei Aristoteles in der ersten Analytik die drei Figuren durch die Funktion des terminus medius als Subjekt bzw. Prädikat charakterisiert. Extensionale Beziehungen der Terme zueinander werden nicht erwähnt. Wenn PRANTL (600) an Galen tadelt, daß er mit seiner Bezeichnung "gemeinsamer Term" nur noch die syntaktische und gar nicht mehr die semantische Beziehung der Terme beachte (mit seinen Worten: den aristotelischen Mittelbegriff totschlage und das ma-
Kommentar, VII 8-VIII 1
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thematische Kombinationsspiel aufpflanze), dann muß dieser Vorwurf auch den großen Theophrast treffen; denn schon dieser hatte bei der Charakterisierung der drei Figuren die Begriffe terminus major und terminus minor aus dem Spiel gelassen (BOCRENSKI LT 59. LUKASIEWICZ Arist. Syll. 27). Jedenfalls folgert LUKASIEWICZ sicher richtig, wenn er Alexander In anal. pr. 258, 17 dem Theophrast zuschreibt als logische Voraussetzung dafür, daß dieser die modi der späteren 4. Figur in die erste mit aufnahm (Alexander In anal. pr. 69, 27). Es ist eine leichte Inkonsequenz, daß Galen nach seiner theophrastischen Charakterisierung der Figuren nun nicht auch mit Theophrast die fünf modi der 4. Figur mit zur ersten schlägt. Dies deutet auf eine Rückwendung Galens auf Aristoteles selbst hin. 8. Die logische Gleichordnung von Bejahung und Verneinung bei Aristoteles, Grundlage jeder formalen Logik, betont MAIER SA I 128ff. mit Recht sehr scharf. Philosophisch interessant ist der auch von MAIER schon ausgesprochene doppelte Aspekt: einerseits der logische, der Bejahung und Verneinung durch das bestimmt, was wir heute "Wahrheitswert" zu nennen gewohnt sind (z. B. Metaphys. LI 7 1017 a 31ff.), anderseits der ontologische, nach dem Bejahung und Verneinung eine Identität bzw. Diversität konstatieren (z. B. De interpr. 6 17 a 25). Daß eine an&<pavm, positiv oder auch negativ sein kann, lesen wir bei Aristot. dase]bst. Dagegen habe ich für ucrr:eyoeeiv in diesem Sinne noch keinen älteren Beleg gefunden als Alexander In anal. pr. 24 a 16, S. 11, 24 WALLIEs. Atistoteles selbst braucht das Wort um:r}'yoeei'll meist und ua-,;eyoetX&, stets synonym mit ua-,;wpavat bzw. ua-,;wpaTtu&, (Belege s. BoNITZ Ind. z. B. 25 a 7. 26 b 18. 58 b 15). Aristoteles wird hier also von Galen korrigiert. Für 10 folge ich Kf's Vorschlag und lese a:n:o<paau&p.evo, lJeo, uaT7JYOeei-rat. 9. Wie wir eben sahen, kann die Bezeichnung uaT7Jyoetu&, für termlogische Aussagen bzw. Schlüsse nicht von Aristoteles stammen. Unsere ältesten Belege stammen aus Galens Zeit: SE PH II 163. ·Alexander In anal. pr. 24 a 16 S. 11, 17 WALLIES und ders. S.17, 25. Nach BocHENSKI FL tritt der Ausdruck sogar erst im Mittelalter auf. Auch hier ist ohne die vielen und kühnen Korrekturen Kf's nicht auszukommen.
z.
VIII
1. Man beachte, daß hier von G"J/Jp.a-,;a Av -rai, neoTaaeaw gesprochen wird, nicht von a1iJJ.LaTa avll.AoytaJ.LCÖV. Dies zur Stützung meiner von Kf abweichenden Textherstellung VII 5-6. Die schon von Aristoteles als Axiome verwendeten Schlüsse der 1. Figur (s. LUKASIEWICZ Ar. Syll. a•
24
Kommentar, VIII 2-IX I
43ff.) nannte dieser d.Aetot im Gegensatz zu den aTeÄ.el.; (Anal. pr. 24 b 22. Anal. po. 72 b 18). Der Ausdruck avan6ßet"'t"Ot; ist sicher stoisch und wurde von dort auf das aristotelische System übertragen. Ältester Beleg: Alexander In anal. pr. 24, 2 WALLIES. Daß dieser Ausdruck schon von Theophrast stamme, weist RocHENSKI LT 58 mit Recht zurück. 2. Daß hier der zweite Anapodeiktos des Chrysipp als doch beweisbar und zu beweisen bezeichnet wird, widerspricht seltsam dem, was in unserer Schrift VI 6 und XIV 11 steht. Eine logische Berechtigung aber hat diese Feststellung, denn das Gesetz der Kontraposition von Schlüssen wurde ja oben VI 5 vor den Anapodeiktoi formuliert, mithin ist mittels dieses Gesetzes der zweite Anapodeiktos auf den ersten zurückführbar. 3. In der gleichen Reihenfolge führt Aristoteles diese Schlüsse an: Barbara Anal. pr. 25 b 37 Celarent Anal. pr. 25 b 40 Darii Anal. pr. 26 a 23 Ferio Anal. pr. 26 a 25 Wir sahen oben, daß Galen sich bei der syntaktischen Bildung der kategorischen Schlüsse etwas von Arietoteies löst und sich mehr an Theophrast anschließt (VII 7). Hier folgt er dagegen ganz dem Aristoteles, indem er die Scheidung zwischen terminus major und terminus minor wieder aufnimmt. Wie LUKASIEWICZ Ar. Syll. 28ff. zeigt, gilt Aristoteles' Erklärung für terminusmajorund minor Anal. pr. 26 a 21 nicht für alle Figuren und modi, sondern nur für Barbara. Hier wie bei Aristoteles haben wir den terminusmajormit dem Prädikat, den terminus minor mit dem Subjekt der Konklusion zu identifizieren. -Wesentlich anders als sein Vorbild formuliert Galen die Schlußmodi. Während nämlich jener Gesetze der Logik entwickelt hatte, z. B. 25 b 37 "Wenn a von jedem b und b von jedem c prädiziert wird, dann muß a von jedem c prädiziert werden", gibt Galen nicht solche Gesetze, sondern er beschreibt Schlüsse, seine Aussage ist also metalogisch (vgl. ROCHENSKI .AFL 105. LUKASIEWICZ Ar. Syll. lff.).
IX 1. Der entsprechende Passus steht bei Aristoteles 27 a 5-8. Auffallend ist, daß Arietoteies hier wie bei Disamis undDatisi zwischen dem terminus major und minor nicht scheidet. Ebensowenig bei dem verworfenen modus K
(Acb) (Aab),
25
Kommentar, IX 2
während doch 26 b 37ff. terminus major und minor speziell für die 2. Figur sorgfältig definiert worden waren. Galen übernimmt diese Scheidung von Aristoteles, obwohl sie zu seiner Darstellungsart schlecht paßt. Aristoteles gab folgende Definitionen für terminus major, minor und medius. 1. Figur: 25 b 35 "Terminus medius ist der Term, der in einem anderen und in dem ein anderer enthalten ist. Er ist auch der (Wort-) Stellung nach der mittlere." Für Barbara und Celarent ist nur von erstem und letztem Außenterm die Rede entsprechend ihrer Stellung in dem Satz 26 a I : el 7:0 A "an\ 1-'TJI'JllVOr; 'l:OV B, 7:0 {J8 B "a'l:a 'l:tvor; 'l:OV Für Darii werden die Ausdrücke terminus major und minor eingeführt 26 a 21: Uyw {J8 fteU;,ov ~-t8v a"eov, e" cp 7:0 ~-tiaov Sa7:lV, eÄaTIOV {J8 7:0 v:n:o 7:0 ~-tiaov Bv, wobei Letzteres so zu verstehen ist: Terminus minor ist das, was Subjekt des terminus medius ist. 2. Figur: 26 b 36~-tiaov tJ8 Av av1:4) 18yw
r ...
7:0 "a'l:TJYO(!oV!-tllVOV a.,.upo'iv, a"ea 138 -;ea{}' div Mynat 'l:oV'l:O, ~-tllil;ov tJ8 ä."eov
7:0 :n:eor; 1:4) ~-tiacp "elw:vov, BAaTiov tJ8 7:0 :n:O(!(!OJ'!:B(!W 'l:OV ~-tiaov. 'l:[{}ll'l:at tJ8 1:0 ~(JOV eEw ~-t8V 'l:WV fl"(!OJV, :n:eäi'l:OV 138 7:fj {}iaet. Hier haben die Worte p.ell;wv und eÄaTIOJV ganz ihre Grundbedeutung eingebüßt, die mit gewissen Einschränkungen bei der ersten Figur sinnvoll war, und bezeichnen nach obiger Definition nur noch die Stellung von Worten z. B. in diesem Satz: 27 a 5 "a'l:TJYOeela{}w . .. 1:0 M -r:ov ~-t8v N p.TJtJevor;, -r:oiJ IJ8 E :n:av1:6r;. 3. Figur: 28 a 12· "Terminus medius nenne ich in dieser Figur das Subjekt, von dem die beiden anderen Terme Prädikate sind. Außenterme heißen die Prädikate. Terminus major sei der Außenterm, der weiter vom terminus medius entfernt ist, terminus minor der, der näher bei ihm ist. Der terminus medius hat seine Stellung außerhalb der Außenterme und zwar hinter ihnen." Hier handelt es sich wieder nicht um eine intensionale oder extensionale Beziehung, sondern ausschließlich um die Stellung von Worten z. B. in dem Satz: 28 a 18 lhav "al 1:0 Il "al 7:0 p :n:av'l:l -r:q) E v:n:aexn . . • Da bei Galen kein Satz in dieser wOrtstellung vorkommt, können die Bezeichnungen für die Terme nur mechanisch von Aristoteles übernommen sein. Das Gesetz der Umkehrung, auf der diese Rückführung von Cesare beruht, wurde oben VI 3 eingeführt. 2. Vgl. Aristoteles Anal. pr. 27 a 9-14. Daß Cesare und Camestres äquivalent sind (das Wort "äquivalent" hier wieder nicht im Sinne der Logistik gebraucht), scheint schon von Aristoteles angedeutet zu sein mit dem Satz: 27 a 14 ro(J'l:' e(J'l:at o av1:or; avJ...Aoytap.or;. Alexander (z. St. 79, 19 WALLIES) versteht es indessen anders. Philoponus S. 89, 13 weist ausdrücklich auf die fast-Identität von Cesare und Camestres hin, und daß dies schon zu Galens Zeit bekannt war, zeigt Apuleius De interpr. S. 189,3 THOM.AS. Interessant ist dies für die Herstellung der verderbten Partie über Disamis-Datisi X 3-4, wo eine entsprechende Bemerkung zu erwarten ist. Ferner für die Frage des "dedoublement de Darapti", die von BocKENSKI zu XI 7 aufgeworfen wurde.
26
Kommentar, IX 3-5
3. Die entsprechende Stelle bei .Aristoteles: 27 a 32. Sein Hinweis darauf, daß Cesare und Camestres auch durch reductio ad impossibile bewiesen werden könne, fällt hier fort. Der Beweis, daß in der 2. Figur weitere Kombinationen von generellen Prämissen nicht schlüssig sind (Aristot. 27 a 18), wird von Galen hier nicht gebracht. Diese wie alle anderen zu verwerfenden modi werden XI 1 geschlossen besprochen. Das narl evlr.ov Z. 11 faßte Kf wohl ·richtig auf, wenn er vermutete, daß sich hinter ihm eine verlorene zweite Ableitung verbirgt, und zwar die reductio ad impossibile. Jedenfalls steht sie bei Alexander 83, 1 W ALLIES. 4. Kf's Konjekturen sind sicher richtig. Vgl. Aristoteles 27 a 37. Den Beweis für Baroco führt Aristoteles nur ex contrario, nicht durch expositio. Wohl deshalb, weil Aristoteles (Anal. po. I 26) ersterem nur eingeschränkte Beweiskraft zuerkennt, setzt Galen hier die expositio daneben. Das Wort l-x{}eau; bzw. be{}ia{}at benutzt Aristoteles 28 a 17ff., wo er Darapti durch Umkehrung, reductio ad impossibile und expositio beweist, und 28 b 14, wo er bemerkt, daß Datisi außer durch Umkehrung aus Dario noch durch reductio ad impossibile und durch expositio bewiesen werden kann. Den Beweis selbst benutzt er ferner zur Ableitung von Bocardo 28 b 20:ff. (s. u. IX 5). 5. Kf's Ergänzungen Z. 21, 23-22, 2 sind sachlich richtig, nur ist Z. 21, 23 -roii- 22, 1 t5e6-reeov entbehrlich. Darüber hinaus muß unbedingt z. 22, 5 hinter -rwor; eingefügt werden (ov). Als Axiom für die reductio ad impossibile hat Galen oben VI 5 das Gesetz der Kontraposition von Schlüssen verkündet. Aristoteles wendet das Gesetz CCKpqrCK NrqNp bei dem Beweis von Baroco und Bocardo ohne weiteres an, eine strenge und allgemeine Formulierung des Gesetzes findet sich Anal. pr. TI 4 57 a 36, vgl. BooHENSKI AFL 47, LUKASIEWICZ, Ar. Syll. 54ff. In scheinbarem Gegensatz zu der oben (zu IX 4) angeführten Stelle spricht Aristoteles hier der reductio ad impossibile das Begründetsein auf den Schlüssen der ersten Figur, also die volle Beweiskraft, zu: 41 a 21, vgl. 45 a 23. 50 a 29. Die Beweiskraft der red. ad imp. wird allerdings Anal. po. I 25-26 eingeschränkt und zwar nicht aus formal-logischen Gründen, sondern weil das positive Urteil eine strengere Entscheidung trifft als das negative und ihm deshalb höhere Beweiskraft zukommt. Ein positives Urteil 'sage mehr' als das negative, ebenso wie das generelle 'mehr sage' als das partielle. 5. Kf's Verbesserungen sind auch hier nötig und richtig. Das Verfahren der be{}eatr;: wird von Aristoteles schon zum Beweis der Konvertierbarkeit der E-Aussage benutzt, allerdings in Verbindung mit der reductio ad impossibile (25 a 14). Die Tatsache, daß Alexander im Kommentar zu Aristoteles' Ableitung von Baroco 27 b 1ff. (84, 6-85, 14 W ALr,ms) den Beweis durch expositio nicht erwähnt, obwohl er auf die Ähnlichkeit
Kommentar, X 1-5
27
von Ba.roco mit Boca.rdo hinweist (85, 5ff.), macht es wahrscheinlich, da.ß hier Ga.len den Aristoteles zu vervollständigen bemüht ist.
X
1. Da.ra.pti wird von Aristoteles direkt (28 a. I8), durch expositio (28 a.24) und durch reductio a.d impossibile (29 a. 37) bewiesen. 2. Fela.pton wird direkt bewiesen von Aristoteles 28 a. 26 mit Hinweis a.uf die Möglichkeit, a.uch durch reductio a.d impossibile und durch expositio zu beweisen. 3. Der Text ist Z. 23, I korrupt, zeigt a.ber deutlich, da.ß a.uch Ga.len die Rückführung a.uf Da.rii durch Umkehrung der I-Prämisse und der Konklusion vornimmt, gena.u wie Aristoteles 28 b 7. Es genügt zu ergänzen dno(~etu!n)pevor; ~td:) -r:fir; .•. 4. Na.ch seiner richtigen Ergänzung Z. 3-4 hätte Kf a.uch das unmögliche G'YJpalvet Z. 4 ohne Bedenken beseitigen müssen, zuma.l er selbst da.ra.n Anstoß na.hm. Entweder ha.t ma.n es mit ihm in GVJ.I3CB(!alvet oder avvayet zu ändern, oder ma.n muß ein entsprechendes Wort in die ohnehin zu ergänzende Partie mit aufnehmen und dies Gf]palvet a.ls in den Text geratenes Glossem tilgen. Ma.n findet da.s Wort ja. oft a.m Rande von Handschriften a.ls Einführung von Glossen. - Ma.n vermißt hier einen Hinweis a.uf die Verwandtschaft zwischen Disamis und Da.tisi, denn Z. 2I, I wa.r von Cesare und Ca.mestres gesagt worden, da.ß sie äquivalent (lao~vvapor;) seien. Zwischen Disamis und Da.tisi besteht ja gena.u dieselbe Beziehung. Auffällig ist, da.ß hier von einer Alanwv ne6-r:aatr; die Rede ist, während diese sonst a.ls die neor; 1:4' Alanovt ne6-r:aatr;, d. h. die den terminus minor enthaltende Prämisse bezeichnet wird. Es kann sich hier nur um eine gekürzte Ausdrucksweise handeln, nicht um die Einführung von "Obersa.tz" und "Untersatz", die Galen fernla.g. Diese Scheidung beruht a.uf einem anderen Prinzip, s. Alexa.nder In ana.l. pr. 48, I4 WALLIES. - Aristoteles leitet diese Syllogismen 28 b 11 a.b unter Hinweis darauf, daß der Beweis auch durch reductio a.d impossibile und expositio möglich sei. 5. Hier weicht die Reihenfolge der behandelten modi von Aristoteles ab. Dieser hatte die modi der dritten Figur in der uns geläufigen Reihenfolge gegeben, Theophra.st (s. BacHENSKI LT 65, Philoponus In a.na.l. pr. 105, 28-30 W ALLIES) hatte Disamis mit Datisi und Boca.rdo mit Ferison die Plätze wechseln lassen, na.ch Philoponus deswegen, weil die Ableitung von Disamis komplizierter a.ls die von Da.tisi und die Ableitung von Bocardo komplizierter a.ls die von Ferison sei. Ähnliches, nur Fela.pton
Kommentar, X 6-XI 1
28
anders eingeordnet, findet sich bei Apuleius De interpr. THOMAS. Aristoteles
I.
2. 3. 4. 5. 6.
Darapti Felapton Disamis Datisi Bocardo Ferison
Ga.len
Apuleius
Darapti Felapton Disamis Datisi Ferison Bocardo
Darapti Datisi Disamis Felapton Ferison Bocardo
s. 189, 27ff.
Theophra.st
Darapti Felapton Datisi Disamis Ferison Bocardo
Das Beispiel des Apuleius, der in der Frage des dedoublement de Darapti (s. u.) ausdrücklich auf eine ÄD.derung durch Theophrast hinweist, zeigt, daß Theophrasts Prinzip, diemodider dritten Figur nach der Kompliziertheit ihrer Ableitung zu ordnen, Schule gemacht hat. Wir haben hier mit einem teilweisen Anschluß an Theophrast zu rechnen. Das formale Kriterium für die Reihenfolge gibt Apuleius De interpr. 190, 27 THoMAS. 6. Bocardo wird auch von Arietoteies 28 b 17ft". mittels reductio ad impossibile und expositio abgeleitet. Apuleius behandelt nur die reductio ad impossibile. . 7. Der Beweisgang stimmt fast wörtlich mit der reductio ad impossibile zu Baroco (s. o. IX 5) überein. Beachte die Formel für die hypothetische Einführung der falschen Konklusion 23, 18 = 21, 22 pi} ill' el !5-v"Pa-ro"P. Bei Arietoteies heißt es einfach 28 b 19 = 27 a 38 el yae na:v-rt. Das liegt wiederum daran, daß wir hier wie bei Apuleius im Gegensatz zu Arietoteies metalogische Formulierungen vor uns haben, s. o. zu VIII 3. Der Schluß aus der Negation der generell positiven Aussage auf die partiell negative (Z. 23, 22 = 22, 5) ist berechtigt, weil II 5 (Z. 7, 3-5) die Äquivalenz der Vemeinung einer generell positiven mit einer partiell negativen Aussage ausgesprochen war. 8. Auch dies ist der expositio-Ableitung von Baroco sehr ähnlich formuliert, dadurch wird auch Kf's Ergänzung Z. 22,7-8 gestützt. Die Hinzufügungder Zahlen ll-13 bzw. 14 in der Handschrift (Z. 24, I und 9) bleibt trotz der Entsprechung Z; 22, 12 rätselhaft. Der Beweis verwendet Barbara und den vorher abgeleiteten modus Felapton.
rae
XI 1. Man beachte den Unterschied gegenüber Aristoteles. Dieser stellt alle denkbaren Prämissenkombinationen in einer zwanglosen Reihen-
Kommentar, XI 1
29
folge (s. u.) zusammen und untersucht in jedem Falle, ob die Kombination einen Schluß gestattet oder nicht. Seine Reihenfolge der schlüssigen Prämissen, die durch den seit PETRUS fuSPANUS bekannten 1\'Ierkvers fest verankert wurde, hat sich hieraus ergeben und ist an sich nicht formal bestimmt. Schon Theophrast (s. o. zu X 5) sieht die Reihenfolge bei Arietoteies nicht als folgerichtig an und korrigiert sie, wohl weil auch er schon wie hier Galen die schlüssigen und nicht schlüssigen Prämissenkombinationen als zwei getrennte Gruppen behandelt und nacheinander erst die schlüssigen, dann die nichtschlüssigen aufführt. - Z. 13 dtaÄe"Tt"äiq ist ohne Zweifel eine Korrupte! für dt' l:11del~ewq, denn Z. 14 schließt sich deutlich hier an eine Definition für evdet~tq an. Das Paar Z. 13 änodel~ewq und Z. 16 änodet~tv korrespondiert genau. Welcher uns bekannte Begriff entspricht nun lvdet~u;1 Galens Definition spricht von 'Finden des Gesuchten aus der Natur des Sachverhaltes (neaypaTor;) gemäß evidenter Abfolge von Phänomenen'. Der Gegensatz dazu ist änodet~tr; = 'Rede, die aus wahren Prämissen folgert'. Also:
efJeeCTtq Tov C'YJTovpevov
Myoq neealvwv
s" Tfjr;
U äÄ'YJ{}äiv A'YJftft&-rwv
'tOV
neo:ypa-r:oq rpVC1ewq
"a-r' ~oÄov{}Lav tvczeyfj -rov rpatvopevov "Evdet~tq
bzw. bdel"vvpt kommt im Organon noch nicht vor, um so öfter dafür im Kommentar des Alexander und bedeutet dort stets "etwas verdeutlichen (mit Worten)". So heißt es z. B. In anal. pr. 53, 28, Arietoteies benutze statt der Terme Buchstaben, um anzuzeigen (svdel~aa&t), daß die Schlußfolgerung nur von der Form, nicht vom Gehalt der Urteile abhänge (zahlreiche Belege im Index von WALLIES). Es heißt immer: "auf etwas hinweisen, etwas an etwas zeigen" und dergl. Hier: "an den Sachverhalten zeigen". Nun gehen aber in der Logik nur die Axiome auf die Sachverhalte zurück, alle andern Sätze der Logik sind u:ater Außerachtlassung des Sachverhalts aus gegebenen Aussagen auf Grund der Axiome ableitbar. Darum ist hier lvdet~tr; als "Beweis unmittelbar auf Grund des Sachverhalts" zu verstehen, d. h. durch irgendeine Veranschaulichungsmethode, entsprechend der der Eulerachen Kreise, während mit änodet~tq der zu einem gewissen Grade formal festliegende Beweis durch Worte gemeint ist. STAXELUM 22, der bdet~tq mit dem aristotelischen hypothetischen Beweis identifiziert, hat außer Acht gelassen, daß hier doch nur änode~tq ein Logos ist. Beachte aber, daß bdet~tq auch als die speziell medizinische Beweisführung gilt (Galen, Optimum medicum esse philosophum, Sor. min. 6, 13 MÜLLER).
30
Kommentar, XI 2-3
2. Die Korrupte! Z. 19 ist durch Streichung von "af}' hearn:o'll ax;ijpa (als Dittographie wie Kf will) nicht behoben. Es muß dort etwas wie uaT1J')'O(!t"d.; neo-raaetr; od. dgl. gestanden haben, was der Schreiber nicht lesen oder verstehen konnte und darum durch diese Wiederholung ersetzte. Z. 20 lies p.eeet (el) "al. Wegen des yrfe in Z. 23 ist die Ergänzung Kf's zu Z. 20 (/Jet) nicht richtig. Ich schlage vor etwa (neetaao'll /Je f}p.i11 WfJa)IJe, dies würde durch das Z. 23 überlieferte yrfe gut begründet. -Der erste Satz besagt allgemein, daß sich ohne Berücksichtigung der Reihenfolge und mit Wiederholungen aus vier Elementen sechzehn Kombinationen bilden lassen. PRANTL 600 ärgert sich hieran wie an allem Mathematischen in der Logik. Nach PRANTL, der unsere Schrift ja für unecht hält, ist die mathematische Kombinatorik in diesem Zusammenhang erstmalig vonApuleiusDe interpr. XIV p.193, 21ff. TB:oMAS verwendet. Aber weder PRANTLs Abneigung gegen diesen mathematischen Aspekt noch seine Behauptung, daß die Kombinatorik erstmalig bei Apuleius auftrete (bei den Kommentatoren häufen sich die Beispiele, von Boethius gar nicht zu reden), können wir teilen. Denn schon Aristoteles behandelte, wie wir sahen, die nicht schlüssigen Prämissenkombinationen vollständig, und wie soll er diese gefunden haben, wenn nicht durch rein formale Kombination~ - "Über Aquivalenzen (nicht im modernen Sinne des "gleichen Wahrheitswert-haben") ist auch unten XVIT 5 und XIX, 6, vor allem aber III 5 die Rede. 3. Der erste Satz (Z. 1-5) birgt inhaltlich große Schwierigkeiten (BXO'JITO(; wurde vom Kf richtig aufgelöst). Wie kann eine neo-r:aau; mit einem av)J.oytap.or; zusammen wahr sein 1 Inwiefern hat jeder Syllogismus seine eigene Konklusion 1 Zur ersten Frage: Nach unserem heutigen Wahrheitswertkalkül wären alle wahren Sätze mit einem echten Syllogismus zusammen wahr, d. h. äquivalent, und nicht nur einige, ganz zu schweigen davon, daß ein Syllogismus, wie ihn Galen formuliert, überhaupt keinen Wahrheitswert haben kann. Aber auch für Galen kann ein Syllogismus zwar schlüssig sein, braucht aber nicht wahr zu sein. Wahr oder falsch ist in der antiken Logik nicht ein Syllogismus, sondern ein Beweis, wie wir von Aristoteles und Chrysipp wissen. Aristot. Anal. pr. 24 b 17-ff. Anal. po. 71 b 23. SE PH II 135ff. Galen geht hierauf nicht besonders ein. Wir müssen unsere Stelle so auffassen, daß mit avlloytap.6r; nur der Schlußsatz gemeint ist, wie es schon bei Aristoteles im Anfang der ersten Analytik mehrfach der Fall ist. Zur zweiten Frage: Streng genommen hat nur Barbara einen Z/Jtor; avp.neeaap6r;, d. h. einen solchen, der nur aus Barbara folgt. Wir müßten also l/Jwr; freier verstehen, etwa so, daß die Syllogismen einen irgendwie besonders ausgezeichneten Schlußsatz haben, und zwar den, der am meisten Inhalt birgt und gemäß der schematischen Ordnung von terminusmajorund minor unmittelbar, d. h. ohne Umkehrung folgt. Um alle diese Erweichungen des sonst nicht unstrengen Textes zu vermeiden, gebe ich folgenden Textbesserungs-
Kommentar, XI 4-7
31
vorschlag zu bedenken: 1:otc; dtl dtrJf!'YJf-'Bvotc; ü5 avÄÄoytupotc; oiJd• lv (für rdwv) e"aO''I:OV O'Vpneeaupa nxe'l:at (für l'l "al Hs., lzurOat o. dat. spät belegt), cLUd (für ä.Uat) 1:wec; ... Im folgenden hat Kf die lange Partie Z. 7 bis 24 richtig hierher umgestellt, die zwischen Z. 6 und der hierher gerückten Partie klaffende Lücke aber nicht ausreichend gefüllt. Da §§ 4-6 ohne Zweifel die theophrastisohen zusätzlichen modi der ersten Figlli sowie die subalternen modi behandelt werden, ist an unserer Stelle zu erwarten: spneedze•at
{
C (Aab) (Iab) C (Eab) (Oab)
O'VVaA'YJ~eVet
l
C (Aab) (Iba) E (lab) (lba) E (Eab) (Eba)
loh schlage deshalb die zwar sprachlich wie inhaltlich harte, aber vollständige Ergänzung vor: avpneeaC!paut <•a lnlpeeovc;· l~ avay"'YJt; dtl 1:atc; "a-ßooÄov "al enlpeeovc; "a•acpa1:"'aic; "al "a-Dolov d.nocpaot"aic; aL d.nocpan"al "a-ßooÄoV "at "a'l:atpa'l:t)"at. B1ttf-'B(!OVt; 1t(!O'I:aC!Btt; lnoV'I:at ... 4. Kf's Texteingriffe zu Z. 12-13 sind mißglückt. Die Lücke ist vorher ·anzusetzen (Homoeoteleuton) und zu athetieren ist nichts: 1:cp dtl dev'I:B(!q> enlpeeovc; d.nocpan~·lv dtl1:oic; 1:ov dBV'I:eeov 1:fj "a-ßooÄov •.• Es handelt sich um die vier subalternen modi von Barbara, Celarent, Cesare und Camestres, bei denen der Schluß nicht ausgeschöpft ist, d. h. obwohl ein allgemeiner Schlußsatz logisch zulässig ist, nur ein partieller gezogen wird. Bei Aristoteles kommen diese Schlüsse noch nicht vor, Apuleius (De interpr. 193, 16 THOMAS) schreibt sie dem "Aristo von Alexandrien und einigen jüngeren Peripatetikern" zu (s. BoaRENSKI AFL 53). Apuleius ebd. 193, 19: " ... quod perquam ineptum est, oui plus oonoessum sit, minus oonoludere". 5. Hier werden die unter der unberechtigten Bezeichnung 'vierte galenische Figur' bekannten Umkehrungssohlüsse der ersten Figur eingeführt und zwar in auffälliger Anlehnung an Aristoteles, nicht wie bei Apuleius, an Theophrast. Vgl. Aristot. Anal. pr. I 7 29 a 21 (Fesapo und Fresison und Anal. pr. II 1 53 a 9 (Bamalip, Dimaris, Calemes). 6. Gegen Kf's Text ist nichts einzuwenden. Hier wird Fresison aus Ferio abgeleitet, ganz nach Anal. pr. 29 a 23. Da die oonversio per aooidens (/zu A) X 1 und 2 bei Darapti und Felapton schon liDbedenklich von Galen angewandt wurde, können wir auch Fesapo als hier mitbewiesen ansehen. 7. Nachdem in XI 6 Fesapo und Fresison abgeleitet sind, erwarten wir hier die Einführung und Ableitung von Bamalip, Calemes und Dimaris, die der Text in der überlieferten Form nicht hergibt. Klar am Text ist folgendes: Z. 3 "a1:a bis 5 neo1:auewv besagt, daß in der zweiten und dritten Figur durch Umkehrung beider Prämissen kein neuer Schluß entsteht. Das stimmt, denn bei Umkehrung der Prämissen einesmodusder
(n
32
Kommentar, XII I
zweiten Figur ergibt sich ein bereits bekannter der dritten Figur und umgekehrt, soweit solche Umkehrungen überhaupt einen Schluß ergeben. Z. 7 o[ bis 10 -rlrae-r:oq: Bei Umkehrung der Konklusion verwandelt sich Cesare in Camestres und Disamis in Datisi und umgekehrt. Z. 10 bis Schluß des Paragr.: Zu den bereits oben XI 4 erwähnten subalternen modi kommt unter den neuen (nennen wir sie die der vierten Figur) Calemos hinzu. Daß hier im Plural gesprochen wird, ist kein ernstlicher Anstoß. Übrig bleibt Z. 5 e,, bis 7 fJOV011, was in der überlieferten Form keinen oder jedenfalls einen unbefriedigenden Sinn ergibt. Durch Umkehrung der Konklusion des dritten modus del' dritten Figur (Disamis) ergibt sich nämlich der vierte (Datisi), was gleich in den nächsten Zeilen deutlich noch einmal gesagt wird. Es liegt nahe, hier unter einer Korrupte! die fehlenden modi der vierten Figur zu suchen, etwa so : be 1-dnot -rfjq T:OV r1VfJ'lt13(!aUfJaT:oq tl11TtU'l'(!OqJ'ijq B11 -rip necb-r:rp uxfJftaT:t ua-ra 1:011 äfJy avllo'J''Uf-'011 rl11eT:at f-'011011. Hier hätten wir also die vermißten modi Bamalip, Calemes und Dimaris. Weil diese drei modi schon von Aristoteles eingeführt und seit Theophrast (s.o. zu XI 5 und Apuleius De interpr. 186, ll:ff. TH:oMAs) ausführlich behandelt werden, ziehe ich diese Textbesserung der von BacHENSKI vor. Dieser (LT 62) sieht in unserer Stelle eine Verdoppelung von Darapti durch Umkehrung der Konklusion, wie sie nach Apuleius De interpr. 189, 19 THoMAs Theophrast gefordert hatte. Er liest Z. 6-7 statt -r:el-ro11 lediglich new-r:ov av.U., eine paläographisch also sehr leichte und darum verlockende Konjektur. Auf keinen Fall dürfen die Worte, wie Kf es möchte, gestrichen werden. Es bedarf wohl keiner Erwähnung, daß bei Umkehrung der Konklusion in der uns geläufigen Normalform des Syllogismus die Prämissen ihre Plätze zu vertauschen haben, daß dies logisch ohne Bedeutung ist, zeigt L UKASIEWICZ Ar. Syll. 32:ff.
XII 1. Über die Bezeichnung "kategorisch" s.o. zu II 2. Wenn wir oben (XI 7) sahen, daß die heute sogenannten Schlüsse der vierten Figur nicht wie bei Theophrast und nach ihm Apuleius zusammen mit denen der ersten Figur behandelt werden, dann liegt die Vermutung nahe, daß unsere Bezeichnung "galenische Figur" auf sie zutrifft, denn die Richtigkeit unserer dortigen Lesung vorausgesetzt haben wir bei Galen zum erstenmal eine geschlossene Darstellung dieser modi. An unserer Stelle dagegen betont er ausdrücklich, daß es drei und nur drei Figuren gibt. Die in XI 7 aufgeführten sind also doch nur Umformungen der ihnen
Kommentar, XII 2
33
entsprechenden Schlüsse der ersten Figur (vgl. BoOHENSKI AFL 105, FL 162). Das hier zitierte Werk ist sicher das De libr. propr. XIX 41, 7 KüHN = 117, 19 MÜLLER genannte. -Die kategorischen Schlüsse werden mit den aristotelischen Syllogismen identifiziert und den hypothetischen, chrysippischen, gegenübergestellt (s. u. XIV l:ff.). Während letztere für Schlüsse der ersten Kategorie, der der Existenz, zu verwenden seien, dienten erstere für Schlüsse in den Kategorien der Quantität, Qualität usw. Unter den für letztere angeführten Beispielen findet sich aber auch ein Schluß der ersten Kategorie (der Substanz): XIII 1. Der Widerspruch löst sich auf, wenn wir bedenken, daß Galen oben (II 1) die erste Kategorie aufspaltete in die der bloßen Existenz und in die der Substanz, wobei er die der Existenz durch die hypothetische Formulierung des Beispiels von allen anderen absondert. Es stehen nun also der einen Kategorie der Existenz die zehn anderen, die der näheren Bestimmung des Subjekts, gegenüber. Daß erstere das Wahr- und Falsch-Sein betrifft, werden wir im Kommentar zu XIV 1 sehen. - Wenn wir auch bei Aristoteles keinen ausdrücklichen Hinweis auf eine mögliche Klassifizierung der Schlüsse nach Kategorien finden, und anderseits Galen die Schlüsse eindeutig nach Kategorien einteilt, so liegt darin keine eigentliche Neuerung gegenüber Aristoteles. Man hat sich viel darüber gestritten, ob die Kategorientafel ontologischen oder logischen Charakter trage, für beides finden sich Belege bei Aristoteles (s. zu II 1). Da aber schon Aristoteles nicht scharf zwischen ontologischem und logischem Aspekt schied, und andererseits Galen stets auf den Sachverhalt mehr Wert als auf die Aussage legt, dürfen wir in seiner kategorialen Einteilung der Schlüsse eine folgerichtige Weiterentwicklung aristotelischer Gedanken sehen. Anal. po. I 22 zeigt, nach der Erklärung von Ross 579 und RIJK 80, daß Aristoteles die Terme kategorischer Aussagen nach Kategorien einteilte, denn von jedem Subjekt wird genus proximum und di:fferentia specifica ausgesagt, und zwar genus in der ersten, differentia in einer der anderen Kategorien. Teilen wir aber die Terme nach Kategorien ein, dann auch die Aussagen(&. Anal. po. I·22 83 a 24-35, dazu Philoponus 238, 23:ff.). 2. Was in XII 1 umrissen wurde, wird im weiteren Verlauf dieses und des nächsten Kapitels ausgeführt. Klar gegliedert ist das Kapitel XIII: §§ 1-5 werden die einzelnen Figuren und modiaufihren Wert für wissenschaftliche Beweise hin untersucht, §§ 6-12 dagegen die Rolle, die die Kategorien in ihnen spielen. Weniger klar, aber noch übersehbar ist die Gliederung von Kapitel XII. Nach der Themastellung § 1 folgen einige Beispiele von durch astronomische Geographie und Mathematik gefundenen Forschungsergebnissen. Gleich § 2 heißt es: "Wenn man Erartosthenes' Erdperipherie-Messung nachprüfen will, dann stellt man eine Untersuchung über den Kreis an." Nach weiteren Beispielen behandeln §§ 5-6 die inhaltlichen Beziehungen genereller Aussagen zu speziellen. Die Absicht der wenig klaren und verderbten §§ 2-6 ist also: Mathe-
34
Kommentar, XII 2
matisch-physikalische Einzelergebnisse sind Sonderfälle allgemein geltender mathematischer Gesetze. Diese wiederum beruhen auf dem logischen Gesetz: Wenn b von allen a gilt, dann gilt es von irgendeinem a, nämlich dem, das gerade zur Debatte steht (siehe zu XIX). Am Beispiel von XII 2: Jeder Kreisbogen verhält sich zum Vollkreis wie der ihn bildende Winkel zum VollwinkeL Also verhält sich die Strecke Alexandria-Syene zur Erdperipherie wie der von den durch die beiden Städte laufenden Erdradien gebildete Winkel zum VollwinkeL (Zur Methode des Eratosthenes s. u.). Ausgesprochen ist dieser Grundsatz in § 5. Dasselbe :findet sich schon beim frühen Aristoteles (Top. II 1 109 a 8, weitere Belege BocHENSKI AFL 64). Kapitel XII endet mit einer Erörterung der grammatischen Form und des Sinns von All-Aussagen.- Wie wir z. B. III 5 und XII 1 sahen, muß Galen immer wieder betonen: Verschiedene sprachliche Ausdrücke können gleichbedeutend sein, was für die Analyse von durch ihre sprachliche Form schwer übersehbaren Beweisen wichtig ist. Das wird hier für die All-Aussagen (XII 6-9) noch einmal ausgeführt. Da, wie gesagt, Galen behauptet, alle Beweise von Aussagen in den Kategorien außer der der bloßen Existenz würden in einem der syllogistischen modi geführt (s. zu XVI 1), hätten wir hier sogar noch etwas mehr Aufklärung über die äquivalenten Sätze erwartet, denn so bleibt es völlig dunkel, wie sich Galen die Reduktion beispielsweise eines Relationsschlusses auf einen der syllogistischen modi vorstellt. Etwa : Alle a sind größer als b Alle b sind größer als c Alle a sind größer als c Gehen wir von der zu beweisenden Konklusion aus. Zwischen welchen Termen hat der terminus medius zu liegen 1 Zwischen 'a' und 'c:' oder zwischen 'a.' und 'größer als c:' 1 Zweifellos zwischen 'a' und 'größer alsc:'. Das 'größer als' gehört somit zum Term und nicht zu der Subjekt und Prädikat verbindenden Kopula. Wäre dem nämlich so, dann verlören die oben VI 3-4 aufgeführten Umkehrungssätze ihre Gültigkeit, denn aus dem Satz "Alle a sind größer als b" folgt nicht "Einige b sind größer als a' '. Auf beliebige Relationen verallgemeinert wäre ein zu beweisender Satz "a steht in der Relation R zu b", um syllogistisch analysierbar zu sein, zu verwandeln in den ihm äquivalenten Satz: "a ist ein Element oder eine Unterklasse der Klasse aller Dinge, die zu b in der Relation R stehen. Formalisiert nach BocHENSKI GL 74 ~
aERb
~
bzw.
acRb
Kommentar, XII 3-4
35
Beweist man nun eine Aussage dieser Form .durch einen Syllogismus, dann ergibt sich folgendes Bild: ~
mcRb a Cm ~
a eRb
Übersetzt und auf die Relation "größer als" angewendet heißt das: Alle m sind größer als b Alle a sind m Alle a sind größer als b Die Relation tritt also nur im Obersatz und im Schlußsatz auf. Streng genommen handelt es sich hier also gar nicht um Relationsschlüsse, sondern um gewöhnliche Subsumptionsschlüsse. Über echte Relationsschlüsse handelt Galen unten z. B. XVI 10. Arietoteies behandelt diese Frage, wenn auch ohne Verwendung des terminus technicus "Kategorien" und ohne obige Konsequenzen zu ziehen, Anal. pr. I 36. Das Verfahren der Erdmessung des Eratosthenes ist beschrieben: Cleomedes II 7. Dazu: H. BERGER, Gesch. d. Wissensch. Erdkunde d. Griechen 111, Leipzig 1891; 79; RE VI 365. ÜAPELLE NJB 45a (1920) 305-324. Der errechnete größte Kreis auf der Erde ist nach Ausweis des Cleomedes sicher der durch beide Pole laufende Umfang, also zwei Meridiane, freilich ist dem Eratosthenes die Differenz zwischen diesem Kreis und dem Äquator noch nicht bekannt gewesen. Die weiteren in diesem Paragr. bezeichneten Forschungsgegenstände dürften sich alle auf die Weltkartenkonstruktion des Eratosthenes beziehen, über die wir Genaueres aus Strabos 2. Buch wissen. Weiteres Material: H. BERGER, Die geographischen Fragmente des Eratosthenes, Leipzig 1880, l42ff. - Der Text fordert über Kf's Verbesserungen hinaus noch Z. 5 &rr:rJÄl-xo(v lbe)e(}Tt • .• 3. Die ersten Worte beziehen sich auf Untersuchungen wie die des Aristarch (On the sizes and distances of the sun and moon, ed. TB:. HEATH, Oxford 1920), wahrscheinlich sogar auf ihn selbst, denn er beweist nach klassisch euklidischer Manier besonders klar durch (freilich verkürzte) Syllogismen des modus Barbara. Näheres darüber TH. HEATH, Greek Mathematics, Oxford 1921, II 2. Unser Paragr. bringt ferner einige weitere lose angereihte Beispiele für wissenschaftliche Themen und leitet dann durch Z. 14 :~ea~ rrflerrr:at :~ea1J&.nse zu den folgenden methodischen Ausführungen über. Über die Messungen von Finsternissen vgl. BoLL, RE VI, 2339. Die wichtigsten Quellen über die Abhängigkeit der Länge der Tage von der geographischen Breite findet man bei BERGER, Gesch. d. wiss. Erdkunde d. Griechen 111 16. 4. Als Inhalt dieses sehr korrupten Paragr. ist nach dem Kontext folgendes zu erwarten: Nachdem in § 1 Grundsätzliches über die Anwendung
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Kommentar, XII 5-6
kategorischer Syllogismen gesagt ist, folgen in §§ 2 und 3 mathematische Beispiele aus dem Bereich der Geographie und Astronomie. Wir erwarten jetzt eine Erklärung darüber, inwiefern die angeführten wissenschaftlichen Forschungsergebnisse Beispiele für die Anwendung der kategorischen Syllogismen, besonders der ersten Figur sind, denn dies ist nicht ohne weiteres ersichtlich. In §§ 5ff. folgt eine Erörterung über generelle Aussagen im allgemeinen, die, wenn es auch nicht ausdrücklich gesagt ist, den Grundsatz der ersten Figur, die Supposition, begründet. In unserem Paragr. muß also gestanden haben: 1. Inwiefern gehen die wissenschaftlichen Daten der §§ 2-3 aus Syllogismen hervor1 2. Alle wissenschaftlichen Beweise gehen, wie die Syllogismen, von mindestens einer generellen Prämisse aus. Dieser Inhalt läßt sich dem Paragr. abgewinnen, nachdem man einige ohne weiteres auffallende textliche Anstöße beseitigt hat: z. 16 mit Kf weoa~on. statt vdeoa"onlrov (contradictio in adiecto). Z. 18-19 1t(!O(!(!~GlJ(J)11 ri).lov ~al i'i0'7:(!0V "al yfj~ ~al p,eye{}o~ noaov a!pll0'7:~"aatv ... lies: naea-crJe1Jaerov ~..llov "al GBA~111J~ (Kf) 1JVefja{}a& (statt ~al yfj~ ~al) p,eye{}o~ ("a/.) noaov a!pBG7:~"aat Z. 20 nach .,;maii.,;a muß unbedingt schwer interpungiert werden. Der vorige Paragr. brachte ja Ergebnisse der astronomischen Geographie. Es soll gezeigt werden, daß diese durch Syllogismen zustande kamen. Darum belehrt uns unser Paragr. über das Zustandekommen der Prämissen dieser Syllogismen, und das wichtigste an Prämissen ist eben, daß sie zugestanden werden. (op,o..loyovv-cat SEM VIII 314 = fr. II 266 SVF .ARNJM). Über Beobachtungen als Grundlage der Astronomie Aristoteles Anal. pr. 46 a 17. Es ist also im Zusammenhang gesehen sinnvoll und notwendig, daß im Anfang unseres Paragr. die aJlgemein zugestandene Zuverlässigkeit von Beobachtungsgeräten und Beobachtungen betont wird, sinnlos aber ist es, wenn, wie es nach der Überlieferung den Anschein hat, zugleich die Methoden als allgemein zugestanden erklärt werden,_ denn über sie wird ja gerade diskutiert. Wir setzen deshalb Z 20 nach -cotav-ca einen Punkt und sehen das folgende "ai p,ev als Spuren eines verlorenen Verbs an, etwa /;1J7:0vp,ev. z. 23 srxewp,evat ist vermutlich korrupt, jedenfalls findet sich für das Kompositum sowie für die Verbindung von xefiaDat mit dem Genitiv kein Beleg. Der letzte Satz ist unsicher. Vielleicht ist mit MYN.AS und PRA.NTL doch anO!ptZGllt~ zu lesen. Dann besagt der Satz, daß mathematisch-wissenschaftliche Propositionen auch negativ sein und doch durch Syllogismen der ersten Figur bewiesen werden können (vgl. z. B. Euklid El. ID 4-6 mit ihren Beweisen ex contrario). Z. 2 ziehe ich vor av-ccöv (.,;cöv) /;1J7:0VP,B11(J)11, denn nicht über die Untersuchung, sondern über deren Gegenstände handeln die anorpaaet~ bzw. -!pavoet~. (Die eingangs genannten Instrumente lassen sich nicht genau identifizieren. Vielleicht ist vöeoa~onwv auch ein Präzisionsmeridian.kreis. Vgl. Galen V 68 KÜHN.) 5-6. Das p,ä..l..lov und ~uov einer Aussage wird von Aristoteles Anal. po. I 24 erörtert in Auseinandersetzung mit "Einigen", vermutlich Maga-
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rikern, die behaupteten, die pM~tiellen Aussagen seien die besseren, weil sie ein ,uäÄÄov 8nlaTaa1Jat vermitteln. Sie gestatteten es, unmittelbar den strittigen Gegenstand zu erkennen, während aus der allgemeinen Aussage immer erst da.s in Frage stehende Urteil deriviert werden müsse. Dem hält Aristoteles 85 b 4:ff. entgegen: Wer weiß, daß das gleichschenklige Dreieck die Winkelsumme von zwei rechten hat, weiß weniger (?}nov) als der, der weiß, daß jedes Dreieck die Winkelsumme von zwei rechten hat. Daß unsere Stelle auf aristotelische Tradition zurückgeht, zeigt allein die Tatsache, daß Aristoteles ebenfalls den Dreieck-Winkelsatz in der Analytik als Beispiel anführt. Zum Beispiel: 73 b 25ff., 67, a 5-21. Vgl. Euklid El. I prop. 5. - Der Text ist korrupt und auch nach Kf's Lesung nicht sinnvQll, nach PRANTL 601 "läppisch". Prüfen wir ihn zunächst durch Vergleich mit Aristoteles, und gehen wir von dem Satz Z. 28, 7 aus: t5td -roih'o "a-rd C1'1J}'ßeß7J"O<; . • • cpalvonal -rtve<; dnocpdvaet<; -rs ual t5slEet<; "a-ra J.'B(!O<;. Im vorigen Paragr. war zuletzt von generellen Aussagen die Rede, also: "Akzidentell stellen sich einige (scil. generelle) Aussagen und Beweise als partiell heraus". Der locus cla.ssicus über "akzidentell" ist Top. I 5 102b 4. Dort heißt die Definition für C1'1Jpßeß7J"&<;: .... 8 8vt5ezB't"at -önaezstv onpoiiv lvl. "al-rqi av-rcp ual ,u-YJ vntfezsw. In unserem Beispiel: Der Aussage "Das Dreieck (='alle Dreiecke' nach Xll 7) hat die Winkelsumme von zwei rechten" steht gegenüber die Aussage "Das Dreieck hat gleiche Basiswinkel". Galen will, wie aus den§§ XII 7:ff. hervorgeht, sagen: Um die proprium-Aussage 'Das Dreieck hat die Winkelsumme von zwei rechten' und die Akzidenzaussage 'Das Dreieck hat gleiche Basiswinkel' in der ersten Figur syllogistisch brauchbar zu machen, hat man sie in die generelle bzw. partielle Aussage umzuwandeln, Hiervon ausgehend dürfen wir da.s pallov "al ?}nov von Z. 4 nicht im Sinne von Relationsschlüssen auffassen (s.o. zu XII 1), was nach Alexander In anal. pr. 390, 3-9 (BocHENSKEI LT 109:ff.) nahe läge und die Ansicht PRANTLS (601) ist, sondern wir müssen es so verstehen, daß allgemeine Aussagen mehr oder minder allgemein sein können. Wir haben hier eine Systematisierung der Lehre von der Quantität des Urteils vor uns, wie sie Aristoteles in De interpr. und der ersten Analytik darstellt. In De interpr. gliedert er (s. MAlER SA I l56:ff.): ua1J? 8Äov
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In der Analytik dagegen wird gegliedert (24 a 17) :
Galen will hier offenbar die quantitativ unbestimmten Aussagen durch Rückführung auf die mehr oder minder allgemeinen Aussagen syllogistisch 4 Mau: Galen, Einfiibrung in die Logik
Kommentar, XII 7-XIII 2
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· brauc;:hbar machen. Wir bekommen einen guten und im Zusammenhang notwendigen Sinn, wenn wir abweichend von Kf lesen: Z. 5 "a.ilw!;' stehen lassen, wenn auch stilistisch unbefriedigend. Z. 6 nn:ov für a-hwv, Kolon für Komma. Z. 7 1eo-r:8 für ToT8 nach Kf. Z. 81fl!6" für ohne das ergänzte llf!o!;.
w"
7. Siehe oben zu II 4. 8. Galen hält sich bei seiner grammatischen Bemerkung nicht an bestimmte Lehrmeinungen sondern an die Beobachtung, daß Aristoteles wie auch andere peripatetische Quellen die allgemeine Aussage auf manigfaltige Weise formulieren. Wenn Galen sagt, daß die All-Aussage die species betreffe und mit Recht (8l"6•w") ausgesagt werde, dann bezieht er sich allerdings auf die Einwände, die von skeptischer Seite gegen die Berechtigung und Beweiskraft solcher Aussagen erhoben wurden. Siehe SE PH li I95:ff., vgl. MAlER SA I I65:ff. - Erkennt man PRANTLS Auflösung der unbekannten Abkürzung Z. 4 in &:n:oq;avaw an, dann wird man Z. 3 lieber lesen (.,;oii) tmaat .,;oi" "a-r:a f.'Bf!o" VlltieX8W, doch wäre dies nicht die einzige grammatische Härte. 9. Aristoteles Metaph. I 3 I 054 b I: "'Eins' nennt man Dinge hinsichtlich ihrer Gleichheit, obwohl sie mehrere sind (olo"V al iaat yeal-'1-'al ..• "at-r:ot 1r.il8lw)". Zu Unrecht athetiert Kf iv6!;. Zu lesen ist HP. Ferner öaot!;' statt des überlieferten ol" und Z. 6 .,;oaaih"a (-r:o) "a-ra • •• Kee"o" läßt sich allenfalls mit 'Phallos' übersetzen, doch würde diese Metapher befremden.
xm 1. Daß nach Barbara die strengsten wissenschaftlichen Beweise gebildet werden, sagt Aristoteles ausdrücklich Anal. po. I 14 79 a l7ff., und daß die generelle positive Aussage besonders ausgezeichnet ist, steht schon Anal. po. I 4 73 b 25. Kf's Ergänzungen müssen wir übernehmen, nur kann man Z. I4-l5 eleganter lesen: Avlo7:8 f.'B'P lien rb" 8'/:aOf.'8'V. 2. Von dem syllogistischen Wert der allgemein negativen Aussage besonders im Hinblick auf Cesare und Camestres spricht Aristoteles Anal. po. I I5. Unser Text muß Z. 21 korrupt sein, denn Celarent, Cesare und Camestres sind nicht dadurch ausgezeichnet, daß in ihnen eine allgemein bejahende Aussage vorkommt, dies gilt auch für viele andere (Darii, Baroco, Darapti, Datisi, Bocardo), vielmehr bilden sie dadurch eine Gruppe für sich, daß sie nur allgemeine negative und positive Aussagen
Kommentar, XIII 3-11
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enthalten. Wir lesen darum statt des überlieferten, schon von MYNAS geänderten a.ßTfj das in der Vorlage vermutlich gekürzte Wort anopa·meai~. In allen diesen modi kommt nämlich auf je zwei negative ein positives allgemeines Urteil. 3. Zur Verwendung des gleichschenkligen Dreiecks als Beispiel s.o. XII 5. Den VoiTang allgemeiner gegenüber partiellen Schlüssen behandelt Aristoteles Anal. po. I 24-25. - Das von Kf angefochtene Wort Z. 24 dnopavaet~ ist zu halten, wenn man aus dem Vorhergehenden entnimmt, daß von &no~el,et~ im strengen Sinne nur bei allgemeinen Schlußfolgerungen die Rede sein kann. Das Folgende ist korrupt. Entgegen Kf ist zu lesen: xe-IJatp.o~· 8-r:av -r:etywvo11(n) laoaxel.e~ fi (für el17:lv), ... Nur so ergibt sich ein Da.rii- Schluß. 4--0. Textkritisch folgen wir in beiden Paragr. Kf, obwohl seine Ei~ griffe sehr weit gehen. Inhaltlich einfach: Daß z. B. der modus Baroco gelegentlich in der Wissenschaft Verwendung finden kann, zeigt Galen so: Wenn man in Camestres den terminus minor durch einen diesen umfassenden ersetzt und durch entsprechende Änderung der Quantität die Prämisse so korrigiert, daß sie wahr bleibt, dann geht Camestres in Baroco über und Camestres erscheint als Spezialfall von Baroco. 6. Mit 'solche Beweise' sind die in §§ 3-5 behandelten Darii und der aus Camestres entwickelte Baroco gemeint. Allgemeines über· Beweise in den einzelnen Kategorien s.o. zu XII 1. Daß ein Satz in der Kategorie der Quantität, soweit er eine exakt-mathematische Größenangabe enthält, nur in Barba.ra, allenfalls, wenn er verneint ist, in Celarent, Cesare oder Camestres bewiesen werden kann, leuchtet ohne weiteres ein. Aristoteles' Gedankengang Anal. po. II 1, der sich auch mit Beweisen in verschiedenen Kategorien befaßt, ist wesentlich anders, nicht zuletzt deshalb, weil Aristoteles dort wie fast überall von einem gegebenen zu beweisenden Satz ausgeht, während bei Galen meistens Prämissen gegeben sind und gefragt wird, ob und was aus ihnen geschlossen werden darf. (Über Assumption s. z. B. zu VII 5). 7-9. V gl. oben II I. Daß § 9 :n'OtBt'P xal naaxew gegen Aristoteles als eine Kategorie aufgefaßt wird, .geht auf eine in der Antike viel diskutierte Frage zurück. V gl. dazu Simplicius In Aristot. categ. 11 b 1 S. 295-334 K.ALBFLEISCH. Galen selbst faßt sie oben II 1 als zwei Kategorien auf. Von Simplicius a. a. 0. 314, 16 wird sogar ein - freilich unechtes A.rchytas-Fragment in diesem Zusammenhang gebracht, das bereits auf den Zusammenhang zwischen :n'OtBiV - naaxew und al-r:la hinweist. 10. Wenn auch der Beispielssatz wesentlich anders ist, so stützt doch unsere Stelle die Ergänzung der Kategorie des Habens in II 1. 11. Seinen Kommentar zu den Kategorien erwähnt Galen De libr. propr. 123, 1 MÜLLER. Daß Aristoteles die rr6y{}eat~ als Kategorie nicht kennt, ist bekannt, auffallend ist aber, daß z. B. auch Simplicius sie nicht kennt. In A.ristot. categ. 1 b 25 S. 60-75 KALBFLEISCH betrachtet er mit
,.
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Kommentar, XIII 12-XIV 1
offenbar gutem Überblick über die einschlägige Literatur und mit dem Ziel der Vollständigkeit die Lehren, die sich mit den zehn Kategorien befassen. Er gliedert den Stoff nach solchen, die weniger (63, 4), solchen, die mehr (64, 13) und solchen, die andere (66, 16) Kategorien einführen. Daß Galen ·nicht genannt wird, wundert uns nicht, da er auch sonst übergangen wird, daß aber diese Lehre nicht erwähnt wird, läßt vermuten, daß Galen sie tatsächlich allein fand und allein vertrat. 12. Die az?]par:a., in die gebrochene Glieder bzw. Knochen gebracht werden müssen, behandelt die alte hippokratische Schrift Ileel ä:ypiiJv z. B. S. 46-48 Küm.WEIN. Vgl. dazu Galens Kommentar XVIII, Il, 332, 3ff, wo betont wird, daß bei den verschiedenen chirurgischen Handgriffen stets das azfipa gewahrt werden muß. Interessant ist, wie der Arzt Galen hier trotz enger Anlehnung an Aristoteles Categ. 5 a 15ff. die rein Mathematik-theoretischen Beispiele des Aristoteles gegen solche aus der praktischen Chirurgie vertauscht.
XIV 1. Z. 8 ylyver:at bis elvat ist unheilbar verderbt. - Stoische Beweise für die Existenz der Vorsehung sind gesammelt bei ARNIM SVF II S. 323ff. Zum Beispiel: fr. 1111 = PhiloDe provid. I 25 (S. 13 AucHER). Dieser Beweis würde in die chrysippische Normalform gebracht lauten: Wenn es für Teile eine Vorsehung gibt, gibt es sie für das Ganze. Nun gibt es für Teile eine Vorsehung (Beispiele). Also, es gibt eine Vorsehung für das Ganze. Entsprechend gebaute Gottesbeweise SVF II S. 301ff., z. B. Cicero DND II 6, 16. Geradezu als Schulbeispiel für den zweiten Anapodeiktos dient der Beweis für das Vorhandensein des Leeren, natürlich nicht bei den Stoikern, die ja die Existenz des Vakuum leugnen, wohl aber bei ihren Gegnern, z. B. Philodern De signis VIII 26ff. (Philodemus, On Methods ofinference, ed.PH. andE. DELACY, Philadelphia 1941, S. 40). Von der Verwendung des Arguments berichtet schon Aristoteles Phys. 213 b 6. Originell ist, wenn auch bereits durch Aristoteles Metaph. 1026 a 33, 1017 a 7, 1051 a 34, 1089 a 26 vorbereitet, daß hier die stoische Aussagenlogik in das aristotelische Kategoriensystem eingebaut wird. Dies gelingt Galen dadurch, daß er dem Wort 'ist' neben seiner Funktion als Kopula die Bedeutung 'existiert' und 'ist wahr' beilegt. XVII 4 heißt es: Ha-rt, V3rfiezet und äJ.:rrfJ6, la.,;w, lht • • • lar:t'll bedeute alles dasselbe. Wenn nun
Kommentar, XIV 2-3
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~peea ttn:l'll dasselbe ist wie o.Ä:qblr; errr:w TO 'ijpeea errr:t."•, dann wird man statt des Namens ~peea auch eine beliebige Aussage einsetzen können (vgl. PH 11 159 lfp-ror; -rov 'ijpeea lrrr:l."'). Hierdurch wird auch folgende Polemik moderner Interpreten gegenstandslos: PRANTL 472 z. B. gibt als Beispiel für den ersten Anapodeiktos des Chrysipp :
Wenn das Erste ist, ist das Zweite. Das Erste ist. Also ist das Zweite. Mit Recht (s. o. zu III 2) wirft ihm HEINRICH ScHOLZ Geschichte der Logik, Berlin 1931, vor, daß bei Sextus und Diogenes einfach stehtel -ro new-ro'll, -ro de6-reeo11 und daß Plt.ANTL durch Hinzunahme des Wortes 'ist' den Eindruck erweckt habe, es handle sich nicht um Aussagen-, sondern um Termvariable. Halten wir uns aber an das von Galen Gesagte, dann können wir Plt.ANTLS Ausdrucksweise leicht richtig verstehen und statt 'ist' lesen 'ist wahr'. Jedenfalls wird es uns nicht mehr wundern, wenn wir in späteren logischen Büchern die Aussagevariablen stets mit 'ist' verbunden finden, z. B. Boethius De syllogismo hypothetico durchgehend. 2. Es folgt jetzt im wesentlichen eine Wiederholung des oben III-VI Gesagten, allerdings dienten oben die hypothetischen Schlüsse mehr zur Cha.ra.kterisierung hypothetischer Aussagen, während wir uns hier in der Beweistheorie befinden und die Aussagen sowie die Schlüsse aus ihnen auf ihre Brauchbarkeit für Beweise hin untersucht werden. Zu XIV 2 vgl. das zu III 3-4 und VI 6 Gesagte. "Die Alten": s. zu III 2. 3. Kf's Verbesserungen sind auch hier notwendig. Ob Z. 21 dt' e-reeaw so oder nach STAKELUM 'by others' zu übersetzen ist, kann nicht entschieden werden. Fest steht, daß, wie BacHENSKI AFL 98 richtig sagt, unter den stoisch beeinflußten Logikern die Anzahl der Satzverknüpfungen (crovdeupot) diskutiert wurde, wobei vermutlich dfe Frage erörtert wurde, ob alle (wenn nein: welche) grammatischen aV'IIdeupot zu Schlüssen und Beweisen verwendet werden können. MATES SL 69 Anm. 50 entnimmt dieser Stelle, daß die Stoiker die Anzahl der hypothetischen SchlUsse ausdrücklich auf fünf beschränkt hätten. Diese Interpretation ist nicht ganz korrekt, trifft aber in Verbindung mit DL VII 79 sachlich teilweise zu. Unsere SteHe sagt: Jene (die na.latol =die älteren Peripatetiker um Theophrast) sagten, daß es acht solche Schlüsse gebe, andere haben (bzw. ich habe an anderer Stelle) bewiesen, daß es nur vier gibt. Von Chrysipp, der, wie allgemein anerkannt wird, ihrer fünf kennt, ist also gar nicht die Rede. Eine grammatische Satzverknüpfung, die zu Schlüssen nicht verwendet werden kann, ist z. B. die kausale Verknüpfung durch 'weil'. Sie kann es deshalb nicht, weil, modern gesehen, 'weil' kein Wahrheitswertfunktor ist. Das bedeutet: DieWahrheit einer kausalen Behauptung hängt
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Kommentar, XIV 3
nicht allein von der Wahrheit der beiden durch 'weil' verknüpften Sätze ab, sie gehört, wie MATES SL 33 sich ausdrückt, zu den mm-truthfunctional types of molecular propositions. Diogenes Laertius zählt auf und charakterisiert VII 73-79 die f1'6v~eapm, und zwar Wahrheitswertfunktoren wie Nicht-W ahrheitswertfunktoren. Obwohl Chrysipp natürlich diese modernen Begriffe nicht bewußt waren, unterschieden sich die beiden Typen von Verknüpfungen bei ihm doch ganz im Sinne unseres Aussagenkalküls voneinander, denn nach DL charakterisiert er die Verknüpfungen ual, 1}-rot, el ausschließlich auf Grund der Wahrheit der durch sie verbundenen Einzelsätze; die von ihm hier verwendeten Begriffe 'kontradiktorisches Gegenteil' und 'Unvereinbarkeit= p.am' sind ja ihrerseits ausschließlich durch die Wahrheitswerte definiert. Dagegen werden zur Definition der Nicht-W ahrheitswertfunktoren btel, ~t6-rt, p.ä.J..Äo'P . • 7} usw. außerlogische Begriffe wie '&uoÄov-Dla' und 'aZnov' hereingezogen, die durch den Inhalt, nicht durch die Wahr- oder Falschheit, der verbundenen Einzelsätze bestimmt werden. Wenn Galen an unserer Stelle sagt, daß von "Jenen" außer den bekannten fünf noch ein 6.-8. hypothetischer Syllogismus angenommen wurde, fragen wir uns: Wie kamen diese zustande, durch unzulässige Verwendung anderer, Nicht-Wahrheitswertfunktoren, oder durch Vermehrung der aus den drei Wahrheitswertfunktoten Implikator, Konjunktor und Disjunktor gebildeten Schlußformen 1 Es sind uns bisher nur zwei Quellen bekannt, die mehr als fünf hypothetische Schlußformen annehmen, dies sind Cicero Top. 52ff. und Marcianus Capella IV 415-420 ( S. 203 DICK). An beiden Stellen werden zusätzlich zu Implikator, Konjunktor und Disjunktor keine weiteren Funktoren eingeführt, beide Stellen stimmen für den ersten, zweiten, vierten und fünften Anapodeiktos mit Chrysipp überein, während mit dem nach ihnen dritten, sechsten und siebenten Syllogismus folgende Implikationen korrespondieren: (3) C K N K p N q p q (6) C K N K p q p N q
(7) C K N K p q Np q
Als Schlußregeln heißen sie auf Lateinisch nach. Marcianus Capella IV 420ff.:
(3) non et primum et non secundum: primum autem, igitur et secundum. (6) non et primum et secundum: primum autem, non igitur secundum. (7) non et primum et secundum: non autem primum, igitur secundum. Marcianus Capella faßt nun die Formen 1-3 und 4-7 zusammen und sagt, 1-3 werde aus dem einen, 4-7 aus dem andern argurnenturn gebildet.
Kommentar, XIV 4-8
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Damit zeigt er, daß ihm die 'interdefinibility' der Funktoren bewußt ist, er also (sit venia verbo !) die MoBGANsehen Gesetze kennt, ebenso wie Galen (z. B. III 5). Es ist hier nicht der Ort zu zeigen, daß nach dem modernen Aussagenkalkül und der stoischen Logik Formel 7 eine falsche Regel darstellt. Wichtig für uns ist, daß Cicero Formel 3 als die bei den Rednern überwiegend benutzte Form des Enthymems bezeichnet. Sie unterscheidet sich nach ihm gar nicht rein logisch sondern l!'ldiglich sprachlich von andern Anapodeiktoi. Wir sehen aus dem allen: Uns noch greifbare Quellen sprechen von einer Vielzahl von hypothetischen Schlußformen, teilen sie nach sprachlichen, praktisch-rhetorischen Gesichtspunkten ein und sind sich darüber klar, daß sie logisch zum Teil zusammenfallen. Hier greift Galen ein und versucht, sie auf eine möglichst geringe Zahl von logischen Grundformen zu reduzieren. Er sagt ja wiederholt, daß ihn nicht die sprachliche Forin sondern der Sachverhalt interessiert, stoisch: das Äs"Tov. Daran sehen wir zugleich, daß er bei seiner Polemik gegen die Stoiker gar nicht Grundsätze der stoischen Logik angreift, sondern sie nur von gewissen Inkonsequenzen reinigt. 4. Der stark zerstörte Text ist nach Kf hergestellt. Sachlich ist wichtig, daß auch hier der dritte Anapodeiktos als in der rednerischen Praxis so gern verwendet erscheint, genau wie an der zu XIV 3 angeführten Cicerostelle. Freilich unterscheidet sich das hier gebrachte Beispiel wesentlich von dem des Cicero und Marcianus Capella, denn dort heißt es
CK N K p N qp q
Hier dagegen
C K N K p q p N q.
Weil nämlich gilt
ENKpNqCpq (BOCHENSKI GL 5. 313; SE M VIII 113 (JV'II'I]J.tJ.tBVOV aÄrrDer; ••• , ö-rav P.TJ lieX'YJTat fix' dA'Y(l}ofir; "al Ä~Y?J l:n:i rpeißor; ist Oieeros und Marcianus Capelias Formel nur ein anderer Ausdruck für
CKOpqpq (BocHENSKI GL 6. 421, Chrysipps erster Anapodeiktos). Galens Formel entspricht dagegen auf Grund des vierten MoBGANsehen Gesetzes (BoCHENSKI. GL 5.511; DL VII 72 ... 't'O [-rseov TWv a~tWp.a:rw'll tpefißor; elvat) einem disjunktiven Schluß, dem vierten Anapodeilrtos. 5-8. Galen sprach in unserem Kapitel bisher vorwiegend von Aussagenverknüpfungen und geht jetzt zu den Relationen von Sachverhalten über; wir versuchen zunächst, die seinen Sachverhaltsrelationen entsprechenden Wahrheitswertfunktionen zu erkennen. Dabei fällt uns eine wichtige Divergenz der Matrix für Implikation gegenüber der uns geläufigen auf:
Kommentar, XIV 5-8
44 pq
ww
F w WF F F
I
dd avvvndexov
I
PTJlJitfO"':B
avvvndexov
w
F
w w
F F
w
F
Die Matrix für d'XoÄov{}la bzw. Implikation gleicht hier dem, was wir heute Äquivalenz nennen, nicht der in der stoischen Logik vorwiegend verwendeten Phiionischen Implikation, die unserer materialen Implikation entspricht. Daß dieser WFFW-Funktor gemeint ist, sagt unser Text deutlich, und die andern Definitionen (III 1 und III 3) widersprechen dem nicht, ja wie STAKELUM 47ff. glaubhaft macht, benutzteGalen sogar beide, die der Äquivalenz und die der materialen Implikation gleichende; erstere nannte er die -r:sÄ.ela, letztere die tÄÄtm}!: ii:xoÄov{}la, entsprechend der -r:sÄ. und All. p.dxTJ (s. u. XIV 11-XV 1). Es ergibt sich unter der Annahme dieser Beziehung zwischen p.dXTJ und d'XoÄ.ov{}la ein klares Bild, das einerseits dem modernen Aussagenkalkül standhält, andererseits verständlich macht, warum Ga.len die verschiedenen Arten von p.&.xTJ ausführlich mehrmals (IV 1, V 1, XIV 5) genau definiert, die von d'XoÄ.ov{}la dagegen nicht oder doch nur unvollständig. In Matrizen dargestellt:
pq
nAela pax"' lpq
ww
F
F W WF FF
w w
F
nAela d"oAov{}la IiJpq
tAAtn7JG" pdx"' D pq
iAAt:r7JG" a"oAov{}ta Opq
w
F
w w
F F
w
I
I
w w w
F
w
Hier erscheint zwar die -r:eÄela d'XoÄov{}la als kontradiktorisches Gegenteil der -r:eÄela p.&.xTJ, bei Galen aber ist dieses Gegenteil nicht durch Negierung des ganzen Ausdrucks zustande gekommen, sondern wie Galen oben (Ill1) zeigte, durch Negierung nur eines Gliedes.
I entweder (aut) es ist Tag oder es ist Nacht TeÄela d'XoÄ.ov{}la I wenn Tag ist, dann und nur dann ist nicht Nacht -r:eÄela p.&.zTJ
Symbolisch:
E J p qE p N q
Den analytischen Charakter dieser Formel erkennt man sofort, wenn man q durch Np substituiert. Daß nämlich p und p äquivalent sind, ist ebenso
Kommentar, XIV 5-8
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wahr, wie daß p und Np kontravalent sind. Dies die einfache Verwandlung der -reir.ela ~t&.X'Yf in die -relela rheolov{}la durch bloße Verneinung des zweiten Gliedes der exklusiven Disjunktion. Der so gewonnene Funktor gleicht, wie gesagt, unserer Äquivalenz und wird auch heute von Logikern und Mathematikern gern mit dem Konditionalsatz "Wenn ... , dann und nur dann ... " umschrieben. Dieser Satz drückt genau den von Galen mit dem Worte rheoÄov{}la (XIV 7) wiedergegebenen Sachverhalt aus. Wir nehmen zunächst an, daß Galen mit a1eoÄov0la a'Jiay1eala und mit a1eOÄ.ov{}la TBÄela dasselbe meint. Wäre dies für ihn die einzige Form der konditionalen Verknüpfung, dann dürfte er nicht wie Chrysipp als zweite Prämisse bei Implikationsschlüssen nur die Bejahung des ersten Gliedes und Verneinung des zweiten zulassen, sondern müßte auch Bejahung des zweiten und Vemeinung des ersten als ebenso schlüssig ansehen. Zusammen mit seiner ausdrücklichen Erwähnung einer -reir.ela und tlltm}!; a1eoÄovOla (XIV 11-XV I) zwingt uns diese Oberlegung zur Annahme einer zweiten Art konditionaler Verknüpfung, und zwar der, deren Matrix wir oben dal'gestellt haben. Auch hier läßt sich der eine Funktor aus dem andern durch Verneinung eines seiner Argumente herstellen:
Alltm7!;
jt&.X'Yf
tlltmi!; rheoÄov{}la Symbolisch:
.I I
Dion ist in Athen oder (vel) Dion ist in Korinth Wenn Dion in Athen ist, ist er nicht in Korinth E D p qC p N q
Ersetzt man hier p durch Np und q durch N q und wendet die Definition 8.2 (BocHENSKI GL) an, dann erhält man das Gesetz der Implikation 5.311, was als logistischer Beweis hier genügen möge. Welche von beiden dxoÄov{}lat Galen jeweils meint, können wir nur dem Sachverhalt des von ihm behandelten Beispiels entnehmen, da er keine Definition gibt und meistens den Zusatz -reir.ela bzw. elJ..tmj!; fortläßt. Soweit können wir die in den Paragr. 5 und 6 behandelten Sachverhaltsrelationen als eindeutig durch die stoischen oder modernen Wahrheitswertfunktoren wiedergegeben ansehen. Auch bei den ersten beiden in § 7 behandelten Relationen ergibt sich noch kein Widerspruch. Interpretieren wir aber die Sachverhaltsrelation, die Galen Z. 33, 22 bis 34, 2 als "konjunktives Urteil bildend" bezeichnet, ergibt sich bei ausschließlicher Verwendung unserer bisher benutzten formal-logischen Mittel ein Widerspruch (vgl. o. zu IV 6). Der Satz: "Was weder in notwendiger Konsequenz noch in gegenseitigem Ausschließen zueinander steht" bedeutet nämlich nach unserer bisherigen Festlegung: "p und q sind nicht äquivalent und nicht-äquivalent'', als Formel: KNEpqNJpq
46
Kommentar, XIV 5-8
Diese Aussageform ist nicht erfüllbar, d. h. es gibt kein Aussagenpaar, so daß es in obiger Aussageform für p und q substituiert diese zu einer wahren Aussage macht. Nun gibt aber Galen mit dem Beispiel "Dion spaziert, und Theon disputiert" eine Erfüllung der von ihm als "konjunktive Aussage" bezeichneten Aussageform. Also ist unsere Formel nicht die von Galen gemeinte Aussageform. Ferner: Die negativ konjunktive Aussage hätten wir nach obiger "öberlegung mit
NKNEpqNJpq wiederzugeben. Das aber ist äquivalent mit AEpqJpq oder AEpqNEpq, und man sieht leicht, daß jedes beliebige Aussagenpaar diese Aussageform erfüllt, sie ist also eine Tautologie und als solche als Prämisse unbrauchbar. Galen aber führt einen Schluß an, in dem eine Erfüllung unserer Aussageform als Prämisse auftritt. Also gibt diese Aussageform nicht das wieder, was Galen mit "negativ konjunktives Urteil" meint. Was meint nun also Galen wirklich 1 Achten wir auf die Worte Z. 33, 9 prr{}' V1ttleXBt'JI fipa ft'YJT o-öx V1ttleXBW oovapeva, ferner z. 33, 20:1f.... Tfj~ :~ea-r:a T~'P pax'YJ'P e1tl TW'JI ft'fJCJB1tOT8 f1V11V1t!lf!XO'PTW'J1 ••• ä:~eoJ.ov{}lav B1tl TW'P äel ••• ('rwv 1to-r:8 pßv C1V'PV1taex6v-r:aw, 1to-r:8 ()8) 1-'~ ..• , wobei letzteres aus dem
Zusammenhang sicher richtig ergänzt ist. Wir erinnern uns hier, daß nach MATES SL 45 die diodorische Implikation (SEM VIII 115. PH II 110) einer phiionischen Implikation mit einer zusätzlichen quantifizierten Zeitvariablen entspricht. Da diese Zeitvariable nicht wie die Aussagenvariablen nur zwei, sondern unendlich viele Werte annehmen kann, haben wir keinen durch eine endliche Matrix darstellbaren Funktor vor uns. Die diodorische Implikation wäre in der von uns gewählten formalisierten Sprache so darzustellen: Phiionische Implikation: Gp q . Die Aussageform II t f t bedeute: Zu jeder Zeit t ist es wahr, daß in t der Sachverhalt f vorliegt. Die diodorische Implikation lautet also, wenn 0 pq für f eingesetzt wird :
IltOpqt Umgangssprachlich: Es ist immer wahr, daß wenn p, dann q. Dem Negat
NlltOpqt ist äquivalent
.EtNOpqt. Entsprechend wäre das ft'fJCJE1toTe C1V'PV1taexov unserer Stelle wiederzugeben mit
IItJpqt
Kommentar, XIV 5-8
47
und das ael O'VVVnaexov mit
IltEpqt Beider N egate wären
EtNJpqt
bzw.
EtNEpqt
Galen behauptet an unserer Stelle, daß das konjunktive Urteil das logische Produkt negierter #&xrJ und negierter a"oÄovfJla ist, setzt es also in der Form (I)
KEtNJpqtEtNEpqt
an. Bei Ersetzung von
NJpq durch und umgekehrt erhält man (2)
KEtEpqt.EtJpqt.
a"o-
Formel 1 läßt Si
tion für O'Vf'nÄo~ einerseits an megarisch-stoische Theorien angeschlossen, andererseits als formal-logisch korrekt erwiesen. Der Beispielssatz Galens Z. 34,2 ist eine korrekte Belegung dieser Aussageform, denn es lassen sich Zeiten und Situationen denken, in denen beides zugleich eintreten kann, nämlich daß Theon disputiert und Dion spaziert, und ebenso, daß es ausgeschlossen ist, daß beides eintritt. Der Sinn des Folgenden läßt sich wegen des verderbten Zustandes von § 8 nur durch logische Deduktion erschließen. Daß Galens konjunktive Aussage syllogistisch völlig unbrauchbar ist, sahen wir aus dem Vorigen. Er fährt fort: "Natürlich wird auch die Negationgenauso sein", d. h. völlig unbrauchbar. Rechnen wir nach! Das konjunktive Urteil hatte die Form
KEtNJpqt.EtNEpqt das Negat:
N ]{ .EtNJpqt.EtN Epqt. Nach dem dritten MoRG.A.Nschen Gesetz entspricht das
ANEtNJpqtNEtNEpqt und nach der Regel von der Negierung quantifizierter Ausdrücke:
AlltJpqtiitEpqt.
48
Kommentar, XIV 9-11
Nach dem Verschiebungsgesetz ffu• Quantifikatoren:
IItAJpqEpqt. Das heißt: Das negierte konjunktive Urteil bedeutet, daß jederzeit die beiden Sachverhalte äquivalent oder kontravalent sind. Da dies von jedem beliebigen Aussagenpaar gilt, ist die negierte Konjunktion syllogistisch ebenso wertlos wie die positive. Aber: Für jedes Aussagenpaar, dessen Verknüpfung als Prämisse für einen hypothetischen Schluß in Frage kommt, ist es bereits entschieden, ob die Aussage bzw. der Sachverhalt sich ausschließen oder bedingen, dadurch fällt jeder hypothetische Schluß unter den ersten, zweiten, vierten oder fünften Anapodeiktos, und einen dritten gibt es nicht. Ausdrücklich ausgesprochen wurde dieser Widerstreit zwischen dem Inhalt und der Form einer Aussage m. W. zuerst von Boethius z. B. De syll. hypoth. PL 64, 846 B. Dort heißt es, aus den Implikationen (1) c p q (2) 0 p N q (3) C N pq (4) ONpNq lassen sich zunächst durch Assumption des ersten bzw. des negierten zweiten Gliedes acht Schlüsse bilden, darüber hinaus aber könne bei (3) auch das zweite sowie das negierte erste Glied assumiert werden: quantum ad complexionem propositionum pertinet, nullum efficit syllogismum, quantum vero ad rerum naturam, videtur esse neoessaria consequentia. Die von Galen hier angeführten Schlüsse z. B. sind nach dem vierten und fünften Anapodeiktos gezogen und nichti nach dem dritten, quod erat demonstrandum. Vgl. oben zu IV 1 und V 1. 9. Kf's na(!arp{}eyp,&:r:rov statt des Z. 10 überlieferten naeadetyp,&:r:rov macht den Text nicht sinnvoller. Ich verstehe das Überlieferte so: Im folgenden wird das System so zusammengefaßt, als ob die einzelnen Punkte (naeadelyp,a-r:a) gar nicht ausgeführt wären, d. h. die Zusammenfassung ist an sich und ohne Rückbeziehung auf die vorhergehende Darlegung klar. Siehe auch ÜRTH. 10. Über die vollständige und unvollständige Konsequenz s.o. zu XIV 5-8. Übersetzung dieser Stelle auch bei BocKENSKI FL 139. 11. Die Ergänzungen Kf's am Schluß sind unumgänglich. Gedankengang ab Z. 24: Galen läßt Schlüsse zu, die äußerlich dem dritten Anapodeiktos des Chrysipp gleichen, betont aber, daß nicht die bloße Form "nicht sowohl ... als auch ... " der ersten Prämisse dazu berechtigt, da ja für ihn hinter dieser sprachlichen Form syllogistisch ganz unbrauchbare Satzverknüpfungen auftreten (s.o. zu XIV 5-8). Für ihn gilt nur der Inhalt der in dieser Form wiedergegebenen Aussage, und das ist vorwiegend der des unvollständigen Einander-Ausschließens. Wenn hier
Kommentar, XV 1-Il
49
Galen bei der •s'Aela ri.xo'AovtJla und der -r:s'Asla p.ax'Y/ nur je zwei Assumptionen zuläßt, während es doch nach unserer Rechnung vier sein müßten, dann hat das, wie STAKELUM 72:ff. richtig sagt, folgenden Grund: Der sprachlichen Form einer konditionalen oder disjunktiven Verknüpfung ist nicht anzusehen, ob es sich um eine vollständige oder unvollständige handelt. Es bewahrt daher vor Trugschlüssen, wenn grundsätzlich nur die beiden Schlüsse aus der unvollständigen Implikation bzw. Disjunktion zugelassen werden. Die gleiche Begründung hat Boethlus In top. Oie. PL 64, 1133 BC.
XV
1-11. Textkritik: Textzustand und Inhalt machen es notwendig, das ganze Kapitel en bloc zu interpretieren. z. 5 erweist sich das w~ AI'Jsl,at-tsV des Korrektors der Pariser Handschrift als sinnlos. Worauf soll sich idslEap.F:II beziehen 1 idsl,ap.sv h -r:oi~ 'XaÄovp.e1•ot-; ... : Dann gäbe es ein Werk, das er •IlaeadtBEsvypba' nennt. Davon ist sonst nichts bekannt, zudem wäre die Wortstellung unmöglich. Der Sinn des ganzen Passus ist, von sehr exakten Einzelheiten abgesehen, infolge solcher Korruptelen zunächst ganz undurchsichtig. Beginnen wir also mit der glücklicherweise gut erhaltenen Zusammenfassung am Ende, dort heißt es: Schlüsse der geschilderten Form kommen praktisch vor, einmal so: "Wenn Alcibiades um das Gerechte weiß, hat er es entweder von jemand anderm gelernt, oder er hat es selbst herausgefunden. Nun hat er es aber weder von jemand anderm gelernt noch selbst herausgefunden, also weiß er nicht um das Gerechte". Zweitens so: "Alcibiades kennt das Gerechte entweder vom Hören oder vom Selbst-Finden. Er kennt es aber nicht vomHören, alsokennt er es vom Selbst-Finden". Wenn sich Kfveranlaßtsah, Z. 35, 8 anstatt slc;: dv&douw zu lesen 1] ·dvddom~, dann verstieß er damit gegen die in der Zusammenfassung gegebene Reihenfolge. Dadurch wird aber auch die Bemerkung Z. 36, 18 sinnlos, die besagt, daß beide Syllogismen (eigentlich: hypothetische Prämissen) scheinbar die gleichen logischen Eigenschaften haben. (vnoJJeVstv ="logische Operationen gestatten" sonst m. W. nicht belegt aber zwanglos verständlich.) Beide Satzverknüpfungen Z. 35, 8-ll und 36, 19-23 müssen also annähernd gleich gelautet haben. Wir lesen deshalb textgetreuer als Kf Z. 35, 8:ff. sl 1] (statt sl~) dvcidOO"t'; (statt -v) ..• -r:o uwp.a al-r:si-r:at (orthographische Variante für überliefertes l-r:t -r:s) •.. :asp.:aop.evwv (mit MYNAS wegen der notwendigen Parallelen Z. 36, 1 -r:fj'; 'Xot'Ala'; i'XD'AtßoVO"TJ';, Z. 36, 22 und Z. 37, 17). Hiervon ausgehend lesen wir Z. 35, 5 die bereits angefochtenen Worte so wie sie der Parisinus vor der Korrektur hatte: oiJO"?]'; di 'Xal ri.xo'AovtJla~ -r:s'Asla!;
50
Kommentar, XV 1-11
"al .Slltnov~ (statt -oVC17J~, als Minuskelkorruptelleicht verständlich). Im folgenden hält sich die Übersetzung im wesentlichen an Kf's Text. Z. 35, 19 muß sich unter den von Kf getilgten Worten etwas wie "al 1-da p8v od. dgl. verbergen, was Z. 36, 10 mit h:eea lJe ne6ctÄ7J"P'~ wieder aufgenommen wird. Z. 36,15 pii.)J.ov li.pewov ist natürlich unsinnig. Der Sinn erfordert etwa äveteovpavruv MjJ..m, .•. Z. 36, 24 ist nedn:rp aus neo richtig ergänzt. Wenn man hier auch "al lJev.,;8erp erwarten möchte, dann muß man doch bedenken, daß Galen hier in nicht ganz korrekter Weise die Implikation als Schluß bezeichnet. Da er die hypothetischen Schlüsse in zwei Gruppen einteilt, die aus Implikationen und die aus Disjunktionen, lassen sich unter new.,;o~ avan6lJet".,;o~ die beiden Chrysippischen Anapodeiktoi 1 und 2 verstehen. Eine ähnliche Einteilung der hypothetischen Schlüsse in implikative und disjunktive :findet sich auch Marcianus Capella 205, 10ff. DICK, wo die von Galen ganz verworfenen Schlüsse aus negativen Konjunktionen je nach der durch die Konjunktion wiedergegebenen Sachverhaltsrelation den implikativen bzw. disjunktiven Schlüssen zugeteilt werden. Galen spricht Z. 37, 5 geradezu von zwei .,;e6not de~ lJvvapt~ des ersten Anapodeiktos. Erklärung: Unser Kapitel führt im Grunde nichts Neues ein, sondern untersucht eine praktisch oft gebrauchte Argumentierungsform auf ihren logischen Gehalt. Sie ist in der Tat eines der am häufigsten praktisch angestellten Kalküle. Erstes Beispiel: Wenn ich meine Brille zu Hause verlegt habe, dann liegt sie jetzt entweder auf dem Schreibtisch oder auf der Kommode oder in der Küche oder auf dem Nachttisch (die Möglichkeiten seien damit erschöpfend erfaßt). Zweites Beispiel: Wenn der Motor stehen bleibt, liegt es entweder an der Benzinzufuhr oder an der Zündung oder am Vergaser oder am Motor selbst. Unser erstes Beispiel entspricht dem llteCevypevov des Galen (Z. 35, 14), das zweite Beispiel dem naealJteCevyp8vov. Vorausgesetzt nämlich, daß ich die Brille wirklich zu Hause verlegt habe (el ... al.,;ei7:at nach unserer Lesung) und daß, was Galen zu erwähnen versäumt, es aus sachlichen Gründen keine weitere Möglichkeit gibt, muß eine und nur eine der Mutmaßungen zutreffen, denn die Brille kann nicht an mehreren Orten sein. In unserem zweiten Beispiel fordert der Sachverhalt, daß nämlich der Motor stehen bleibt, lediglich, daß mindestens eine der Mutmaßungen zutrifft, es können aber auch mehrere, ja auch alle zugleich zutreffen. Bezeichnenderweise wählt Galen ein medizinisches Beispiel, bei dem mindestens der Laie, wohl aber auch der Arzt nicht entscheiden kann, ob es ein lJteCevypivov oder ein naealJteCevypevov ist, und Galen behandelt es deshalb als vorsichtiger Logiker als naealJteCevypevov, weil dies weniger Schlüsse zuläßt und somit die Möglichkeit falscher Schlüsse ausschließt. Darüber vgl. oben zu XIV 11.- Der Sinn der ganzen Untersuchung unseres Kapitels ist nun dieser: Wenn die erste Prämisse eines hypothetischen Schlusses die komplexe Form
CpAAAqrst
Kommentar, XV 1-11
51
hat, (in Worten: wenn p, dann entweder q oder r oder s oder t), dann kann die zweite Prämisse, die Assumption, lauten: Nq Nr Ns Nt
(I)
(In Worten: nicht q bzw. nicht r usw.)
(2)
KKNrNsNt KKNqN8Nt KKNqNrNt KKNqNrNs
(In Worten: Drei beliebige Dissjunktionsglieder werden verneint also weder r noch 8 noch t usw .)
(3)
KNqNr KNqN8 KNqNt KNrN8 KNrNt KN8Nt
(In Worten: Zwei beliebige Disjunktionsglieder werden verneint, d. h. weder q noch r usw.) (4)
p
(In Worten: Nun ist aber p der Fall) (5)
K K K N q N r N 8 Nt
(In Worten: Alle vier Disjunktionsglieder werden verneint, d. h. weder q noch r noch 8 noch t). Es bedarf keiner Erwähnung, daß die Anzahl (vier) der Disjunktionaglieder nur ein Beispiel ist und daß dasselbe sich für n Glieder zeigen ließe. Das geht schon aus Galens verallgemeinernder Formulierung Z. 37, 20 bis 38, l hervor. Er unterscheidet nun grundsätzlich die Assumptionen (1) bis (3) einerseits und (4) und (5) andererseits. Bei ersteren handele es sich um Schlüsse aus dem naealnet;evyf1.8Pov, während es sich bei letzteren um Implikationsschlüsse handele, obwohl es, wie er Z. 36, 18 bemerkt, auf Grund der sprachlichen Form der jeweils ersten Prämisse den Anschein habe, daß die Z. 35, 8-11 und die Z. 36, 19-23 formulierten Implikationen dieselben Schlüsse zuließen. Nun sind nach meiner Textfassung
52
Kommentar, XVI 1-13
beide Formulierungen tatsächlich ähnlich, erstere lautet aber übersetzt: "Wenn p postuliert wird, dann q oder r usw.", die zweite einfach: "Wenn p, dann q oder r usw." Im ersten Falle ist also p als Postulat ausdrücklich aus der Zahl der variablen Aussagen ausgenommen, während es im letzteren Falle eine Variable ist, die gesetzt werden kann. Wenn ich auch weit davon entfernt bin zu behaupten, daß Galen einen Kalkül aufgestellt habe, so halte ich es doch für notwendig, durch nachträgliche Aufstellung eines solchen die Exaktheit seiner logischen Beobachtungen zu überprüfen. Operieren wir der Einfachheit halber nur mit drei V a.riablen, wählen wir aus den Assumptionen (1) bis (3) als Beispiel die Assumption (1) aus, dann können wir eine Implikation aufstellen, die einem Schluß mit der Assumption (1) analog ist. Sie lautet: , ,Wenn, wenn p, dann q oder r, und nicht q, dann r". Symbolisch: OKOpAqrNqr
Durch formallogische Wahrheitswertentwicklung stellen wir fest, daß die Implikation in allen Fällen, in denen p wahr ist, den Wert "wahr" annimmt, nicht aber in allen Fällen, in denen p nicht wahr ist. Sie ist genau dann falsch, wenn alle drei Variablen den Wert "falsch" annehmen.Die Implikation CKOpAqrNqr ist also kein logisches Gesetz. SteHen wir aber mit den Assumptionen (4) und (5) entsprechende Implikationen auf, gewinnen wir bei beiden tautologische Ausdrücke, d. h. logische Gesetze. Die pedantische Breite, mit der Galen diese alltägliche Argumentierungsweise behandelt, (painstaking precision nach ST.AXELUM) erweist sich somit als eine sorgfältige und richtige logische Analyse eines dialektisch-logischen Topos. Das am Schluß angeführte Beispiel steht Plato Alcibiades I 106 Dff.
XVI 1-13. Wie PRANTL 606 richtig bemerkt, wurden Schlüsse in der Kategorie der Relation schon unter den kategorischen Schlüssen mit aufgeführt, jedenfalls geht aus XII 1 hervor, daß in der Behauptung, alles außer der ·bloßen Existenz sei durch kategorische Schlüsse zu beweisen, auch Relationsurteile nicht ausgenommen sind (vgl. oben zu XII 2 und Ross zu Anal. pr. I 35-36). Wir haben aber streng zu tmterscheiden, wie Relationsurteile jeweils behandelt werden. Beispiel: a ist größer als b
Kommentar, XVI 1-13
53
In der kategorischen Beweistheorie würde dieses Urteil z. B. lauten: Alle a sind größer als b und seine Umkehrung: Einiges, was größer als b ist, ist a. In der Relationstheorie dagegen: a ist größer als b
und seine Umkehrung: bist kleiner als a. Ein Schluß wie etwa an unserer Stelle "Theon besitzt doppelt soviel wie Dion Phiion besitzt doppelt soviel wie Theon ergo: Phiion besitzt viermal soviel wie Dion" wäre sinngemäß nach Aristoteles Anal. pr. I 36 umzuwandeln in die Form "Theon ist ein das Doppelte von Dion Besitzender Phiion ist ein das Doppelte von Theon Besitzender". Hieraus folgt syllogistisch gar nichts, weil eine quaternio terminorum vorliegt. Es wäre eine petitio principii, die ternio durch Multiplikation der ersten Prämisse herstellen zu wollen, also: "Ein das Doppelte von Theon Besitzender ist ein das Vierfache von Dion Besitzender Phiion ist ein das Doppelte von Theon Besitzender ergo: Phiion ist ein das Vierfache von Dion Besitzender". Dies würde nämlich ebenfalls das Axiom "Gleiches mit Gleichem multipliziert gibt Gleiches" voraussetzen, ein mathematisches Axiom, das nicht unter denen der Syllogistik enthalten ist. Galen führt hier also wirklich etwas Neues ein, und BoaRENSKI (AFL 105) bezeichnet mit Recht seine Einteilung aller Schlüsse in hypothetische, kategorische und Relationsschlüsse als seine most original theory; freilich, und das ist wohl die bedeutendste wenn auch nicht unbedingt neue logische Erkenntnis Galens: Auch Relationsschlüsse lassen sich als kategorische (s. u. XVI 11) wie hypothetische Schlüsse verstehen. So führt er den 5 Hau: Galen, Einführung in die Logik
54
Kommentar, XVI 1-13
Beweis Euklids zu EI. I prop. 1 auf den Modus Barbara zurück. Euklids Beweis lautet: Ar= AB (als Radien desselben Kreises) BF =AB (als Radien desselben ;Kreises) -ra de -rq) a.O-rq) taa ~al äjtl~Äot~ sa-rlv laa (Axiom 1), ~al '7 r A i'lea -rfi FB sa-rw la'IJ.
Diesem Beweis gibt er die Form (Z. 39,22ff.): "Da demselben Gleiches auch einander gleich ist; aber bewiesen wurde, daß beide, das Erste und Zweite, demselben gleich sind, dürfte dem Zweiten das Erste gleich sein". Ich lese: ... Mdet~-rat (de) nl 1tf!W-rov -re ~al -ro de-6-reeov e~a-reeov •a.O-rcp iaov (-rijJ dev-reeq> laov) liv Bi'Y} of5-rw TO neru-rov. Das ist ein klassischer Syllogismus nach dem Modus Barbara: "Alles demselben Gleiche ist einander gleich. Das Erste und Zweite sind demselben gleich, ergo: das Erste und Zweite sind einander gleich". Danach fallen also Relationsschlüsse auch unter die kategorischen Syllogismen, aber nicht wie oben bei dem Beispiel von Philons, Dions und Theons Besitz. Dort handelt es sich modern gesagt um zwei Ausdrücke, die aus dem gleichen zweistelligen Relator und je zwei Termen bestehen, von denen einer beiden Relationen gemeinsam ist. Daraus läßt sich freilich nach den Gesetzen der kategorischen Syllogistik kein Schluß bilden, wohl aber, wenn wir jenes Beispiel nach dem Muster des Euklidbeweises bilden unter Voranstellung eines allgemein zugestandenen Axioms, etwa: 'Alle Größen, die das Zweifache einer andern betragen, welche ihrerseits das Zweifache einer Dritten beträgt, sind viermal so groß wie die Dritte. Phiions Besitz beträgt das Zweifache von Theons Besitz, welcher seinerseits das Zweifache von Dions Besitz beträgt. Ergo: Phiions Besitz ist viermal so groß wie Dions Besitz'. So ist aus zwei Relationsurteilen gewaltsam ein kategorisches Urteil, bestehend aus einem komplexen Subjekt und einem komplexen Prädikat geworden (s. Z. 38, 14), aus dem sich zusammen mit einem Axiom ein kategorischer Schluß bilden läßt, und
Kommentar, XVI I-13
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nur so ist die aristotelische, auch von Galen vorgebrachte Behauptung zu verstehen, alles lasse sich durch kategorische Syllogismen beweisen. Praktisch aber tut das niemand, vielmehr bildet man aus zwei Relationsurteilen unter Zuhilfenah.nie eines allgemein zugestandenen Axioms einen Schluß. Das ist der Brauch bei Skeptikern (möglicherweise sind mit a'Xemt-xol alle gemeint, die irgendwelche wissenschaftlichen Untersuchungen anstellen) und Mathematikern (Z. 38, 16). Als Beispiele für solche Axiome führt Galen im folgenden die Hauptaxiome für die vier Grundrechenarten an. Es folgt als Beispiel für einen solchen, aber in kategorischer Form ausgesprochenen Schluß unser Beweis aus Euklid. Darauf(§ 7) der Beweis für die Gleichheitzweier Summen, wie er in der Praxis in enthymenatischer Form unter Wegla.ssung des selbstverständlichen Axioms geführt wird. Entsprechendes für Differenzen in § 8 und für Produkte in§ 9. Nachdem wir gesehen haben, daß sich diese Beweise, wenn auch etwas gezwungen, als kategorische Beweise verstehen lassen, folgt nun (§ 10) unvermittelt die richtige Behauptung, daß alle diese mathematischen, aber auch alle anderen Beweise für Relationen, ihre Beweiskraft aus Muhp.a-r:a GV717Jp.p.eva beziehen, also aus Axiomen, die aus zwei durch den Implikator verknüpften Aussagen bestehen. In der Tat führt er folgende implikative Axiome an (symbolisch behandle ich die Relationen als Aussagen und stelle sie in der Symbolik von f,UKASIEWICZ dar, also für die Aussagenvariable ,p' von LUKASIEWICZ z. B. eine algebraische Gleichung in Klammern) :
s•
Seite Zeile
Axiome in Form von Implikationen
(I)
39,2
CK(x
(2)
39,5
CK(x= ;) (y= ;) (x= ;)
(3)
39,7
(4)
39,10
(5)
40,5
CKK(x=y) (x+c=w) (y + c = z) (w = z) CKK(x=y) (x-c=w) (y- c = z) (w = z) s. 0. (3)
(6)
40,11
s.o. (4)
=
Bemerkungen
3y) (y = 3z) (x = 9z) Im Text stark gekürzt
(3) nur Beisp. für ein Axiom, hier dagegen im Zusammenhangmit einem Beweis gebracht dasselbe Verhä.ltnis wie zwischen (3) und (5)
56
Kommentar, XVI 1-13
Einige weitere Axiome werden in der Form von kategorischen Allaussagen eingeführt, wobei der bestimmte Artikel an die Stelle der Quantitätsbezeichnung tritt. Formelmäßig stelle ich auch sie der Einfachheit halber als Implikationen von Aussagen dar: Seite
Zeile
Axiome in Form von der kateg. Allaussage
Bemerkungen
I Eucl. El. I prop. 1
40,15
CK (x = c) (y = c) (x = y) CK(x = 2y) (y = 2z) (x = 4z)
41,11
C (x Vater y) (y Sohn x)
I
(7)
39,19
(8) (9)
Bei den Stoikern heißen diese Schlüsse nach Alexander In anal. pr. I 1 24 b 18 (21, 30 WALLIES) "unmethodisch" und sind nach perlpathetischer Lehre zwar zwingend, nicht aber syllogistisch, es sei denn, daß ein allgemein gültiger Satz hinzugezogen wird (neou).'f/cp{}elTJ). Siehe unten zu XIX 6. Der Unterschied zwischen der hypothetischen Form und der kategorischen Form dieser Beweise wird in § l l gut verdeutlicht mit dem nochmaligen Hinweis darauf, daß die kategorische Form ßwu:h:eeov sei. § 12 wird der wichtige Gedanke ausgesprochen, den wir schon oben I 2-3 lasen und dessen Neuheit unten XVII 1 besonders betont wird: Jeder wie auch immer beschaffene Schluß bezieht seine Überzeugungskraft aus einem allgemein zugestandenen Axiom. Es wird hier etwas ausgesagt, was den kategorischen, hypothetischen und Relationsschlüssen gemeinsam ist. Vergleichen wir: Ein kategorischer Schluß mit allgemein bejahender Konklusion bezieht seine Stringenz aus einer Einsetzung in das von Aristoteles aufgestellte logische Gesetz C K (Abo) (Aab) (Aac)
Ein hypothetischer Schluß nach dem ersten Anapodeiktos erhält seine Stringenz aus einer Einsetzung in das von Chrysipp aufgestellte logische Gesetz CKCpqpq Ein Relationsschluß dagegen bezieht seine Stringenz zunächst aus einem mathematischen oder irgendeinem anderen Axiom, das an sich noch kein logisches Gesetz ist, sondern eine Erfahrungstatsache, die jeder anerkennen muß. Das Logische dieser Schlüsse liegt darin, daß sie sich in einen der oben genannten umwandeln lassen. Die in § 12 genannten Schlüsse nach dem 'mehr' und 'weniger' weisen auf die Topik des Aristoteles (TI Ende bis ID Anfang passim), wo eine Vielzahl von Sachverhalten logisch untersucht wird, die nur das gemeinsam haben, daß in ihrer sprachlichen Wiedergabe 'mehr' und 'weniger' vorkommt.
57
Kommentar, XVIIl-3
XVII Das Kapitel besteht aus drei Abschnitten: I. § 1-2: Nicht nur die zuletzt besprochenen, sondern alle Schlüsse und Beweise kommen kraft eines allgemein gültigen .Axioms zustande.
2. § 3-6: Ein Beispiel zu (1) regt einen Exkurs über den sprachlichen Ausdruck für 'Wahrheit' und allgemein über die Behandlung von Synonyma und Homonyma an. 3. § 7-8: Methodologisches zur Bildung von Beweisen.
1. Über das Z. 10 zitierte Werks. o. zu XII 1; das über die Zahl der Schlüsse wird erwähnt De libr. propr. II 119, 16 MULLER. Wenn auch§ 1 noch 'fast' alle Schlüsse bespricht, so sagt der nächste Paragr. doch, welche Schlüsse alle kraft eines Axioms gültig sind, und hier bleibt, wenn man Galens Gedanken weiterdenkt, keine Gruppe von Schlüssen übrig. PRANTL sieht hierin mit Recht einen Anschluß der Galenischen Logik an die axiomatische Methode der Mathematiker, die später auch in theologische und naturphilosophische Lehrbücher übernommen wurde (Proclus Diadochus, Elementatio theologica und Elementatio physica). Zu Unrecht aber tadelt PRANTL dies als Vernachlässigung des inneren philosophischen Prinzips (562). Wir sahen ja oben (zu XVI 1), daß man zwar solche Axiome mit den Gesetzen der Logik in Parallele setzen kann, auf Grund derer kategorische und hypothetische Schlüsse gezogen werden, daß darum aber Galen diese Axiome nicht gleich mit Gesetzen der Logik verwechselt zu haben braucht, wie PRANTL wohl annimmt. Darum wiesen wir im Kommentar zum vorigen Kapitel ausdrücklich darauf hin, daß Galen auf die Umwandelbarkeit von Relationsschlüssen in kategorische bzw. hypothetische so besonderen Wert legt. 2. Kf's Änderungen gehen zu weit. Ich lese: fJaot lJe :mivn!; ävanolJetx-rot (mit Kf gegen P) avÄÄoyta,."ol lJuz TTJV TWV ua1JoÄov nlanv aeu.o,."&-rrov elal l'OLOVTOt, JJaßeiv beanv evaeyea-reeov ( TqJ) äna.at TOi!;" onwaoiiv fJ(!T'YJJJB1'0L!; (vielleicht -"Cta,_"-1 s. SVF II 107, 29. RuSTOW 81) AOyOL!; l'OtoVTOt!;" entual äÄfJßeVetq. ßMrpavn. 'Xaß&nee Uzet ual 0 TOLoalJe· A8yet!;" 'iJJJeea ea-clv'. iJJJeea (ti.ea) la-rw. Zu IJe-r'YJJJBVotq vgl. Themistius In anal. po. 17, 14
s.
WALLIES. 3. Ich lese
älla
z.
42,20: dnot'Jet'XTL'XO!;" ea-rt ual 0 TOLoVl'O!;" avÄÄoyLCIJJO!;, t'JtoTL 'Xa1J6Äov a/;lWJJa vnonen-rwuev aÄ'Y]ßiq. 'sa-rt -rotoih:ov, (8) vnaezew (statt -ov-caq) d).fJ1JeVWV l'tq (statt -wov-raq) Uyet'. 0 iJi ..,,, olov eewv el -rvzot, Uyet 'iJJJiea ea-rtv'. -rqi liv-ct (statt olov) ti.ea la-rw iJJJI.ea. Zu Unrecht
ual
-ro
nimmt Kf Z. 4 eine Lücke an, denn im folgenden wird ja ausgeführt (ytfe !), daß einfaches ta-cl dasselbe bedeutet wie wenn ein besonderer
58
Kommentar, XVII 4-6
bejahender Zusatz gemacht wird. Vgl. zu II I. Modeme Parallele z. B. :· BocKENSKI GL 21 unten. - Der hier untersuchte Schluß des vorigen Paragr. (Du sagst, es sei Tag, du sagst aber die Wahrheit, also ist Tag läßt sich, wie Galen richtig sagt, nicht unmittelbar auf Grund eines Gesetzes der Logik ziehen, sondern bedarf wie alle sogenannten Relationsschlüsse unseres Autors. eines allgemeinen Axioms, um auf Grund eines Gesetzes der Logik gezogen werden zu können. Dieses Axiom ist hier der Grundsatz der Semantik, den Aristoteles so formuliert und veranschaulicht: "Wenn es wahr ist zu sagen, daß etwas weiß bzw. nicht weiß ist, dann ist es notwendigerweise weiß bzw. nicht weiß" (De interpr. 9 18 b I). Hier sehen wir besonders deutlich, wie klar Galen meistens scheidet zwischen der Sphäre des Realen, dem vnaezew, und der der Urteile und Aussagen, denen dÄ1JD8'6et1! bzw. tp8'61Jea1Jat zukommt (vgl. Aristot. Metaph. E 4 bes. 1027 b 25). 4. Z. 8ff. ergänze ich: "al pi111:ot xal o.iliyaw (fJp.Eea:~~ el11at -rav-ro cp1Jat Tqi AB'}'011'tt) dÄ1J{}8q eaTt TO 'fJ!-dea eaTlv'. Eine alte Auseinandersetzung über Bedeutung und Gebrauch von ea·clv: Aristot. Phys. 185 b 27. Auch für Plat Soph. 240 b bis 241 a hat el11at diese Doppelbedeutung: 'existieren' und 'wahr sein'. 6. Der Text ist so schwer verderbt, daß das Beispiel Z. 14-15 überhaupt nicht rekonstruierbar ist. Kf vermutet zu Recht, daß Z. 15 Äemet IJ8 öde aus einer kritischen Glosse stammt und auf eine Lücke hinweist. Z. l l la{}' lfTe o.J11 lMiv lan ist zu lesen evloTe oJv liJei'll laTt und Z. 12 mit Kf "alTot. Aus Z. 16 Totomotq Myotq entnehmen wir, daß in unserem Paragr. nicht von sprechenden Personen, sondern von Sätzen die Rede ist, die etwas 'sagen' (anders ÜRTH). Zum Inhalts. o. zu III 5. 6. Zu dem Schlußbeispiel § 2 war durch Definition von dÄ1JD8'6ew ein allgemeines Axiom gefunden worden, das den Schluß erst bündig macht. Die §§ 4 und 5 hatten die Schwierigkeiten gezeigt, die sich der eindeutigen Formulierung eines solchen Axioms entgegenstellen. Hier heißt es nun: "Manche mühen sich, aus einem Ausdruck mehrere Bedeutungen herauszulesen, manche finden überhaupt die Bedeutung nicht, und dabei ist sie doch vielfach auf Grund des allgemeinen Sprachgebrauchs völlig klar und eindeutig". Die Nutzanwendung bringt § 7. Die verschiedenen Bedeutungen, die dem Begriff 'Wahrheit' beigelegt wurden, lesen wir SE M XVIII 2ff., diejenigen, die die Bedeutung von 'Wahrheit' ganz verfehlen und folglich ihre Existenz leugnen, sind die pyrrhonischen Skeptiker (SE M XVIII 17). Galen selbst folgt der Definition des Aristoteles (s. o. zu XVII 3). Ich lese gegen Kf Z. 17 Mw'll f'B11 wq (für elq) n:Aelw arr f'at'IIOf'E'IIa TTJ'II TW'II lMw'll /JeoplP1J'II tpW'IITJ'II (mit Kf für aiJTT]v) G1Jpalvew cpaa"o'IITOJJ' •••
Zu erwägen ist die Möglichkeit, daß der zerstörte Schluß des vorigen Paragr. den berühmten Fangschluß "Lügner" einführte, was wegen der soeben gebrachten Sohl~ßheispiele naheliegt. Verstärkt wird dieser Ver-
Kommentar, XVII 7-9
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dacht erstens dadurch, daß am Schluß dieses Paragr. das I~ügen definiert wird, und zweitens dadurch, daß Chrysipp SVF II 298 a ( S. 106, 13 ARNIM) den Lügner mit dÄ1Jßer5aw Myo~ bezeichnet. Chrysipps Lösung des Fangschlusses besteht darin, daß er sagt, die Paradoxie des Lügners ergebe sich aus der Viel- oder Nichtsdeutigkeit des Wortes "Lügen". Er behandelt an der gleichen Stelle noch mehrere andere, seiner Meinung nach verfehlte Lösungsversuche, die möglicherweise in unserem Paragr. ihre Entsprechung finden, doch sind beide Stellen zu schlecht erhalten, um mehr als eine Vermutung zu rechtfertigen (vgl. RüsTOW, SOff.). 7. Zu beachten ist, daß mit rpwvfJ hier die drei ursprünglichen Sätze eines Beweises gemeint sind, Galen geht also nicht, wie meistens Aristoteles, von dem zu beweisenden Satz aus, sondern von zwei Prämissen nebst Schlußsatz. Das Äaf'ßa'IIOIJB'PO'II Ä'ij~J!Ja ist der vierte Satz (s.o. zu I 3), der den Beweis erst bündig macht. Diesen Satz hat man der Bedeutung der gegebenen Ausdrücke zu entnehmen, z. B. Gegeben sei der Beweis: a= 2b b= 2c a= 4c Er ist schlüssig · auf Grund der zusätzlichen Annahme (Äa~Jßavof'BVO'll Äfif'~Ja): "Wenn eine Größe das Doppelte der zweiten und diese das Doppelte der dritten beträgt, dann beträgt die erste das Vierfache der dritten." Das liegt in der Bedeutung von 'doppelt'. Dieser Satz wiederum ist :n:ta"tdc; ßt' tLUo TL, nämlich auf Grund des allgemeinen Proportionalitätssatzes. Die hier erwähnte terminologische Festsetzung stand in dem zerstörten Paragr. I 5. 8. Kf's Ergänzung Z. 18-19 ist zu streichen. Z. 5 hieß es ja, es komme darauf an, die Bedeutung aus dem Wort bzw. Ausdruck herauszuhören, hier ist also der Satz 'cU~t?euf taTL Äoyo~ Twv ßnrov S(!f'TJVf:VTtxo~' heraus. zuhören, und es widerspricht dem Kontext, wenn Kf Entsprechendes ergänzt. -Wo das Beweisparadigma und die terminologische Festsetzung vorher gebracht waren, wissen wir nicht. 9. Wir sahen, daß nach Galen (s. o. zu XVII 7) zu den beiden Prämissen ein allgemeines Axiom oder logisches Gesetz hinzutreten muß, damit der Schluß bündig ist. Hier heißt es implicite, daß die drei Prämissen nicht formuliert zu sein brauchen, sondern daß eine Prämisse das allgemeine Axiom zugleich vertreten kann. In ihr muß aber ein Begriff vorkommen, desssn Definition eben das aUgemeine Axiom ist.
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Kommentar, XVIII 1-4
XVIII 1. Der Form von Aussagenverknüpfungen galt das besondere Interesse der Stoiker (s. Pom..ENZ I 54, Belegeil 33). Die Begriffe und Sätze selbst, die, erst wenn sie in einer bestimmten Form miteinander verbunden sind, es gestatten, einen Schluß aus ihnen zu ziehen, werden u. a. ua{}' op.ot6-crrr:a und 'Xa-r:' ävW.oylav gewonnen (s. Diocles Magnes bei DL VII 52 = SVF II 87). Das Verfahren der Analogie gehört also gar nicht zur Logik im engeren Sinne sondern zur Erkenntnistheorie, deren Aufgabe es ist, aus Sachverhalten :Begriffe und Urteile zu bilden, während die eigentliche Logik aus gegebenen Urteilen bzw. Aussagen weitere Aussagen bildet. Wenn Galen auch, wie wir mehrfach beobachteten, meistens sauber zwischen Sachverhalten und Aussagen scheidet, so ist ihm doch der Gedanke fremd, Logik und Erkenntnistheorie in diesem strengen Sinne zu scheiden. Folglich gehört für ihn auch das Analogieverfahren zur Logik bzw. Beweistheorie, ähnlich wie der Aristoteliker Theophrast nach Alexander (:BooHENSKI LT 116:ff.) besondere Syllogismen 'Xa-r:a -r:o p,ä)).ov 'Xal fjnov ual op,olw<; kannte. Galen stellt hier fest, daß unter die Gattung der Relar tionsschlüsse erstens die der Intensität ('Xa-r:a -r:o p,allov 'Xal fj.-r:ov), zweitens die des gemeinsamen Merkmals ('Xa-r:a -r:o wO"av-r:ro<;) und drittens die der Analogie fallen. Daß letztere beide nicht zusammen eine Art bilden, beweist die Tatsache, daß Z. 45, 13 nur wO"av-r:ro<;, nicht auch av&Äoyov, seine Synonyme beigesellt bekommt. Dies zwingt uns Z. 46, 11-12 zu der Konjektur -r:o ävaÄoyov für -r:ov a~-r:ov Myov. Das Kapitel gliedert sich dann wie folgt: § 1 : Die genannten drei Schlußarten gehören zur Gattung der Relationsschlüsse. §§ 2-4: Ein :Beispiel für Schlüsse aus dem gemeinsamen Merkmal. § 5: Beispiel für Analogieschlüsse. §§5-7: Axiomatisierung der letzteren, speziell für Proportionen gezeigt. § 8: Zusammenfassung. 2-4. Plato sagt (Rep. 368 d e), wenn vor uns zwei Schrifttafeln aufgestellt sind, von denen wir wüßten, daß auf beiden dasselbe stehe, und die eine davon wegen ihrer Kleinheit und großen Entfernung schlecht zu lesen sei, dann würden wir zweifellos die größere und nähere zuerst lesen und das Erkannte auf die kleinere übertragen. Wir wüßten ferner, daß die Gerechtigkeit des Individuums und die des Staates wesensmäßig dieselbe sei. Weil der Staat größer sei als das Individuum, sei es darum zweckmäßig, die Gerechtigkeit des Staates zuerst zu betrachten. Diesen Gedanken gibt unsere Galenstelle mit befriedigender Deutlichkeit wieder. Kf's Text akzeptiere ich bis auf Z. 45, 21, wo lv n(m) dem Vorschlag Kf's ev -r:t ('Xal) vorzuziehen ist, und Z. 45, 22, wo ich ev statt des fälschlich assimilierten evo<; lese. Wenn Galen nur für die zweite und dritte Art der
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in § 1 aufgeführten Relationsschlüsse Beispiele bringt, dann deshalb, weil die erste Art schon oben XVI 1 berührt wurde. 5-7. Der Schluß aus dem gleichen Merkmal (waav-rw~) und der aus dem gleichen Verhältnis (dv<:Uoyov) haben logisch die gleiche Struktur. Beide sind Einsetzungen in das Axiom: 'Wenn zwei Dinge einem dritten gleich sind, sind sie einander gleich'. Galen teilt hier also die Beweisformen nicht nach logischen sondern nach praktischen Gesichtspunkten ein. In etwas anderer Form findet sich unser Proportionalitätsgesetz bereits als Nr. 5 und 6 unter Euklids Axiomen zu El. I, beide wurden von den Kritikern aus dem genannten Grunde als überflüssig athetiert. Zur Textkritik: z. 46, 11 lese ich e:n;ei lJe ean (statt uai) uaTa TO av&.Ä.oyov (statt TOV athov· Myov s. zu § 1) d:n;olJetuvvew (Hs.) ... 8. Erst hier zeigt sich, daß der Anschluß von Galens Logik an das axiomatische System der Mathematik mit unter mittel-stoischem Einfluß erfolgte (s. Pom.ENZ I 231 u. TI 117). So heißt es auch im EuklidKommentar von Proclus, einige Stoiker hätten mit 'Axiom' nicht jede Aussage, sondern eben die unbeweisbaren Grundsätze bezeichnet. Daß Posidonius sich besonders mit der Schlußweise der Mathematik befaßte und deren Grundlagen gegen den Epikureer Zeno als logisch exakt verteidigte, zeigt wiederum der Euklid-Kommentar des Proclus. Dem ging eine Kontroverse zwischen dem Epikureer Demetrius Laco und dem Stoiker Dionysius von Cyrene über den gleichen Gegenstand vorauf (CRÖNERT, Colotes und Menedemus, Leipzig 1906, 109; DE FALco, L'Epicureo Demetrio Lacone, Napoli 1923; PoHLENZ I 245 TI 127).
XIX 1-6. Galen hat seine Einteilung in kategorische, hypothetische und Relationsschlüsse abgeschlossen und tritt nun denen entgegen, die vielleicht unter Hinweis auf andere Arten von Schlüssen behaupten könnten, seine Einteilung sei nicht erschöpfend. Er macht es kurz, weil er auf sein schon oben XII 1 zitiertes Buch hinweisen kann. Die§§ 1-5 behandelten Schlüsse ua-ra :n;eoaÄ.'YJ"PW dürfen nicht mit gewöhnlichen hypothetischen Schlüssen verwechselt werden, bei denen ja auch eine neoaÄ.'YJ'IjJt~ vorzunehmen ist. Dort aber bedeutet :n;eoaÄ.'YJ"Pt~, daß ein Teilsatz der die erste Prämisse bildenden Satzverknüpfung 'hinzugenommen' wird, hier dagegen bedeutet es, daß zu einem bedeutungsarmen, weil Variable enthaltenden, Ausdruck etwas an Bedeutung 'hinzugenommen' wird. Die beiden Schlüsse von §§ 3 und 4 würden symbolisch als Implikationen lauten:
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(1) C K II x Cf x g x f a g a (2) C K II rp C rp b rp a g b g a
Prädikate
Individuon
I l
Zeichenerklärung f = 'Baum-sein' g ='Pflanze-sein' rp = variables Prädikat a ='Platane' b ='Baum' x = Individuenvariable
.Als Schlußregeln dagegen folgendermaßen: (1) Cf X g X
fa ga
(2) C rp b rp a
gb ga
Wenn etwas f ist, dann ist es g Nun gilt f von a .Also gilt g von a Wenn etwas von b gilt, gilt es von a Nun gilt g von b Also gilt g von a
Es kommt hier also zur Assumption des ersten Gliedes der Implikation, die den von Galen anerkannten ersten Anapodeiktos des Chrysipp ausmacht, noch die Ersetzung der Variablen hinzu, und der vollständige Schluß (1) würde sein: IIxCfxgx Cfaga fa ga
Diese Schlüsse schreibt Boc:&ENS.KI LT 117 ff. unter Vorbehalt auf Grund eines anonymen (Ammonius-) Scholion mit hoher Wahrscheinlichkeit dem Theophrast zu (Ammonius, In Aristot. anal. pr. ed. WALLIES, praef. XII). Er bemerkt dazu, wenn dies stimme, dann komme dem Theophrast das Verdienst zu, die Prädikaten-logische Interpretation aristotelischer Schlüsse vorweggenommen zu haben, die die RusSELLsche Logik für sich in Anspruch nimmt. Das gleiche, nur noch klarer, geht aus unserer Stelle hervor. Auch hier werden die Schlüsse "aTa neoaÄ'IJV''"' den Perlpar tetikern zugewiesen, die bei Galen meistens mit der Umgebung des Theophrast identisch sind. Ferner: Z. 48, 17ff. heißt es, daß diese Schlüsse gekürzte kategorische Syllogismen sind und daß Galen sie schon in der oben erwähnten Schrift erledigt hat. In der Tat lassen sich beide Beispielsschlüsse auch in der Form des Modus Barbara vollziehen. Was Galen uns sagen will, ist nur, daß er es für überflüssig hält, diese Schlüsse als eine besondere Gattung von Schlüssen anzusehen; was er uns wirklich sagt, ist wichtiger: Er zeigt uns einen der Wege, die vom kategorischen
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zum hypothetischen Syllogismus führten. Vgl. oben zu XVI 11. Die § 6 ebenfalls als überflüssig bezeichneten zusammengesetzten Syllogismen des Chrysipp (Galen darüber De libr. propr. II 119, 5 und 123, 13 MÜLLER) sind solche hypothetischen Schlüsse, die nur bei Annahme eines Zwischenschlusses auf einen der fünf Anapodeiktoi zurückführbar sind. Beispiele und Regeln dafür s. MATES SL 77 ff. Die neeav-rtuol ).6yot sind nach DL VII 78 und Alexander In anal. pr. 49 b 3 (373, 29ff. WALLIES) solche Beweise, die nicht die strenge Normalform der fünf Anapodeiktoi haben, auf Grund des Sachverhalts, den ihre Teilaussagen wiedergeben, aber doch schlüssig sind. Aristoteles' hätte diese Unterscheidung völlig fern gelegen, und bezeichnenderweise bringt uns Alexander diese Nachricht dort, wo er Aristoteles' Bemerkung kommentiert, daß man in einem Syllogismus Ausdrücke durch gleichbedeutende ersetzen kann. Folgerichtig lehnt auch Galen es ab, diese Schlüsse als eine besondere Art zu betrachten, da sie sich nur dem Wortlaut nach von den andern unterscheiden. Das gleiche gilt von den Hyposyllogismen, die nach Alexander In anal. pr. 27 b 1 (84, 12 W ALLIES) von den Stoikern gebraucht wurden, um in verschiedenem Wortlaut dieselbe Sache zweimal zu beweisen. 'ApiiJoCJot Z. 49, 8 (Kf's Herstellung des arg zerstörten Schlusses unterstelle ich als richtig) sind nach der stoischen Theorie solche Schlüsse, die zwar bündig sind, nicht aber Aristoteles' Definition des Syllogismus entsprechen, nach der die Konklusion ausschließlich aus den gegebenen Prämissen folgen muß und kein weiterer Satz hinzugezogen werden darf (s. Alexander In anal. pr. 21, 30; 68, 22; 345,24. In top. 14, 20WALLIES). Da das nach Galen allen Beweisen gemeinsam ist, fällt auch diese Art für ihn fort. Z. 48, 24 bezieht sich Galen auf Chrysipps von DL VII 195 katalogisiertes Werk Twv neo~ elaaywy~v T(!01CWV neo~ Z?]vwva Y·
WÖRTERVERZEICHNISSE ZUR ÜBERSETZUNG 1. Philosophisch-sprachlich (Die Zahlen bezeichnen Kap. und Paragr. Überlieferung und Konjektur sind hier nicht unterschieden. Einen griechischen Index findet man in Rf)
A abgrenzen oelf;ew II 6 abhängig f!eT'I'Jitfvo~ XVII 2 Abriß vnoyearpfJ XI 2 abwegig sein 01!" erxweeiv II 4 addieren :neocm{JI:"at XVI 7 Addition ne6cn'}eat• XVI 4 äquivalent laoiitlvll/-lo~ IX 2. XIX 6 laoIMO.p.wv XI .2. XVII 5 äquivalent sein laov iitlvacn'}w II 5. III 5 Akt, geistiger !lelV7Jat~ III 2 akzidentell !leaTd avp.ßeß7J!IeO~ XII 6 allgemein "af}6J.011 XVI 6 alternativ iitai(!BTt!leo~ III l. 3. 4. 5 !leaTa iitaleeaw XIV 2 analog dvd Myov XVIII 1 Analogieschluß uaTa To dvdJ.oyov (avJ.J.oytap.d•) XVIII 5 Anapodeiktos dva:noiietuTo~ VI 6. VIII 3. XIV4. XV5 angeboren ilp.qroTor; III 2 angemessen ol!!eeior; XIII 1 augepaßt ol!!esior; I 2 anhaftend (]VV'TJ(!T'T}p.hov IV 7 annähernd disjunkt naeanJ.~awr; iitef;evy~Jhotr; V 1 Anordnung a~p.aTa XIII 12 anzeigen biiehwva1Ja1 li 3 apodiktisch eE dvdy"'fJr; VII 4 d:noiiet!!eTma~ XVI 10. XVII 2. 3 Argument J.oyor; XV 11 Arithmetik d(ltiJp.'fJT"'~ XVIII 5
Arithmetiker d(lt-8-p.'fJTI!IeOr; XVIII 5 Art eliior; li 6. III 3. XII 8. 9. XVI l. XVIII 3. XIX 3. 4 aBSumieren :nf!oaJ.ap.ßdvew XV 5 ABSumption neoaÄ7J'I"~ IV 3. V 3. 4. VI 7. VII l. 4. XIV 8. 11. XV 3. 5. 8. 9.
xvrn
Assumption, als - annehmen :n!!oaJ.ap.ßdvew V3 Assumption, bei - neoaJ.aßmer; V 5 Assumption der Negation V:ndexsw neoaJ.ap.ßdvew VI 7 AssumptionBSchluß cJ !leaTd neoaÄTJIPIII auJ.).oytrrp.o~ XIX l. 4 Astronom dUT(!OIIop.o~ XII 3 Aufgabe, math. -D-6W(l'I'Jp.a XVI 6 aufheben dval(leiv IV 3 Aufzeigung biietEtr; XI 1 Ausdruck MEtr; I 4 tpw~ IV 4 Ausdrucksweise. MEtr; XI 2. XIII l. 5. XIV 6. 11. XVII 3 Auslegung 8E~Y7Jat~ XVII 9 Aussage n(!OTaat~ !I 1. 2. 3. 5. ill 1. 3. 4. IV 4. V 1. VI 1. 2. 3. 4. 6. VII 1. 2. 5. 6. 8. 9. VIII 1. 2. IX durchgehend. XI 1. XIV 2. 10. XVI 11 aussagen uaT'I'JYoeeiv VII 5 J.Byew !leaTa TIVO~ IX 5 tpwv1Jv J.eyew IV 4 ausschließen, einander p.axwfJat IV 2. 6 sich ausschließen p.ax7Jv lxew IV 4. V 1. siehe auch: einanderAussenterm Ü!le(lov VII 7
Wörterverzeichnis Axiom d~lwf!U. III 2. XVI 6. 7. XVII 7 (def.). 9. evidentes Ax. XVI 5 B Basiswinkel ~ neo• -r:fi ßaaet ywvla XII 5f. 8. XIII3. 6 bedeuten r11)f!U.lvtsw III 3. IV 6. XVII 6 Bedeutung r11)f!U.t110p.671oll XVII 7. 8 Begriff bvota III 2 behaupten J.eyew XV 5 Behauptetes alT1JTOv XIV 11 Beispiel naecßety/Aa XIX 2 bejahend "aTatpaTI:IeO!; II 5. XV 6 Bejahung vnaexstv elnei'll V 4 bestehen elvat ill 1 vrpet17:1J"oo' III 2 bestimmend ~ysp.o~~mo!; VII I. 2 Betrachtung aubpt!; XIII 7. 8 Beweis dnodet~t!; I 1. 2. 3. VIII 1. XI I. XII 5. XIII I. 2. 5. 6. XIV 4. 8. 10. XVI I. XIX 1 J.dyo!; VI 5. 6. XVII 8. XVill 2. 6. XIX 6. ohne Beweis I 1 beweisen dnodetuvvew XVIII 5 dnooemW'IIat Xill 4. XVII 7 dnodet~tv :n:ou~iv XVI 6. bewiesen werden dnodet~w lxsw VIII4 Beweiskraft dnooel~ew!; dV!Iap.t!; XVI 12 beweiskräftig xe~atp.o!; Bl!; dn&de~w XIV 3 xe· än. xv 10 Beweistheorie dnodemTt~ IV 7 Bildung (von Schlüssen) avtJTaat!; XVI 12 Bindewort aV!Ideap.o!; III 3. IV 6 Breitenwinkel dmJM"ov cmeaTt XII 2 Bezeichnung U~t!; III 3
neo•
c charakteristisch MetU'I:mo, IV 4
D darlegen emdetmew XIX 5 Darstellung dwaauaMa XI 2 Definiertes wetap.Bro!l XVII 8 (Beweis aus dem Definierten = Schluß a fortiori) Definition J.dyo!; VI 6 definitiv dtwetap.ho!; XII 6 dekretieren vop.o1J.BTeiv IV 6 Differenz J.ot:n:o!; (del'l}p.o!;) XVI 4 -r:o J.ot:n:6v XVI8 disjunkt &eCwyp.bo!; III 3. XV 8
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Disjunktion dteCwyp.evov III durchgeh. V 1. VI 6. 7. VII 1. XIV 5. XV 2. 9 disjunktiv dtateBTmd, III 3 dteCevyp.evo!; III 4. V 2. XIV 2 disputieren "owwveiv XVIII 4 Dreieck 1:elywvov XIII 3. XVI 6 E einander ausschließen p.axecrOat XIV 5. 6 p.amv elvat VI 1 Einander-ausschließen (vollkommen unvollständig) p.am (-r:eJ.ela- ell~!;) IV 1. 2. 3. 4. 7. V 3. 4. XIV 5. 7. 10. 11 Einführung tslaaywy?j XIX 5 eingeschränkt, weniger - doetaTdneot; XIII5 Einsetzung, bei - von Substantiven e:n.' dvop.aTwv XIX 3. 4 Einzelfall -ro "a1:a p.ieot; XVIII 3 Einzelkörper -ro "a1:a p.eeot; awf!U. XII 9 Einzelurteil d:n:J.oiiv d~lwp.a V 2 Einzelverhältnis & "ma p.4/ot; Myot; XVIII7 Element {einer Klasse) -ro "aTa p.4/ot; XII 8 Eliminierung lJ.tsyzot; XIV 3 Erde yij XIII 7 ergeben, sich r1'1Jp.ßalvew I 2 ergo liea IX 6. XV 8 Erscheinung rpawdf.t671011 I 1 erschließen :n:eealvew XV 6 erschöpfend -r:eJ.elwt; XIX 2 evident Bvae)'Wt; tpaWO/JBIIOII XI 1 e~ Eav'I:O'Ü :n:ttJTdt; XIII 3 Evidenz evaeyet; XVII 2 existent v:n:.aexwv III 3 Existenz fJ:naeEtt; Il 1. XIV 1 To vndextsw III 3 . existieren elvat II 1 vnaex6w ill 2. =sein XVII4 expositio l"fJ6atr; L~ 6. X 8
F Fall, der - sein vndexllw XV 3 falsch sein ovx vnaexew V 2 fehl am Platz sein ov" eyxwelliv II 6 Feststellung dn6rpavatt; ill 1. XII 5. XIII 3 Figur a1Jif.ta VII 7. VIII I. 3. 4. IX durchg. X durchg. XI I. 2. XII I. 4. XIII I. 2.
3.4
Wörterverzeichnis
66
finden e(Jeeutv elvat I 2 Finsternis (astr.) btJ.et!ptl; XII 3 Folge in6psvov IV 7 folgen neeatveuOw XI 1 folgern neeal?'ew IV 3. IX durchg. XI 1 t1Vf.'11:6(10.lVBtV I 1 folgernd neeav7:tle6t; XIX 6 Formel •e6not; VI 6. XV 8 . fortiori, a -· siehe 'Definiertes' Frage ( = Prämisse) eewnrfil:v VII 5 Frage aufwerfen Crrr:eiv XIII 8 - stellen XIII 10 Fragestellung C'lj7:11t1tt; XIII 6 C'lj7:'f/pa XIV 1
G Gattung yivot; II 5. m I. XIV 10. XVIII I. 8. XIX5 gebräuchlich 11V111j1h]t; XII 7 gegeben sein elvat XVI 7 Gegenstand neäypa XIII 6 gelten von ..• lea?:a 7:tvot; IX 5 Geltung av111:autt; XVI 10 Genauigkeit aleetßeta IV 6 generell (siehe auch 'allgemein') ysvtle6t; XII 5. XVI 12 leat'Jo.Atle&t; XVIII 6 "aiMJ.ov II 5. VI 2. VIII 3. IX durchg. X durchg. XII 6. XIII 2. XVII 3. 7. XVIII I. 7 Geometer yewp.i7:(/1]t; XVIII 5 Geometrie yew,.u•etle'lj XVIII 5 Gerichtsverfahren 6tleat17:'1jeuw XIV 4 gewaltsam .•. ßtd(;ew XVI 1 gewinnen 8nup4!ew VI 6 glauben ntt11:wew XVIII 6 glaubhaft machen m111:wew III 3 gleichschenklig lucxme.A'Ijt; XII 6. 8. XIII 3. XIV6 gleichtermig aVJIO(/Ot; VI 3 Grad p6etov XII 2 Größe piye:fJot; II 1 grundlegend •eont"ot; VII 1 Gültigkeit u'll111:at1tt; XVII 1
H Haben lzetv (Kategorie des H.) II I. XIII 10 Haltung uzfipa (mediz.) XIII 12 herausnehmen J.apßdvew IX 6
Hilfeverbum Bnt(/(/1Jf.'a II 3 hinzunehmen neauJ.apßavew IV 3 hinzuprädizieren neot11(aT1J)'O(/tiv II 3 hyposyllogistisch vnouvJ.ilaytt77:t"6t; XIX 6 hypothetisch mrafe1:m6t; III I. 3. 4. VI 2. 4. 7. VII 2. 4 VIII 1. 2. XIV 2. 10 XV 8. 10. XVI 11 AE vnafiaewt; XV 8
I identisch 1:0 aV7:6v VII 4 Implikation 11V!Jf/f.'f.'BvOV III 3. 5. V 5. VI 6 implikativ 11V!Jf/f.'f.'ivot; III 4. 5. XIV 2. XVI10 indifferent piaot; XIII 6 Intensität To päJ.J.ov XVI 12 lCaTa To pä.A· J.ov lCal ~nov XVIII ~ K Kategorie yevot; XIII 6. 12. XVI 10 lea7:1]· yoela XII 1. XIII 8. 11. 12. XIV 1 kategorisch "ll7:?J'IDll"'6t; II 2. 3. VI 2. VII 2. 4. 7. VIII 1. 3. XII 1. 4. XVI 1. XIX5 Kausalitätsuntersuchung -rwv al-rtäw CfJ7:1!· att; XIII 9 klar sein q;alveuOat XVIII! 5 Kombination uv(;vyla XI 2. 5 Kommentar VnD/LVf/!JCl XIII 11 konditional leaTd t1V1Jßxetav III I. 3. 4. V5. XIV2 konjunkt t1VfA11:eni.eypiJIOt; IV 4. 5. 6 Konjunktion uvpni.Olef} IV 5 t1VfA11:tnÄey· pivov VI 6. XIV 3. 4. 6. 7. 11 konjunktiv t1VfA11:Ätle?:m6t; IV 6 Konklusion t1Vfln4!aapa I 4. V 3. 5. VI 1. 5. 7. VIII 3. IX 2. XI 3. XIV 8. XV 4 Konsequenz aleai.oafla IV 4. - sein tileoJ.w{}[av ezew IV 4. - seiend tile6J.ov6ot; IV 6. - = Folge = Anhaften aleoÄOV• 6ot; = 8n6pevor; = 11V!Jf/l/7:1/f.'Bvo~; IV 7. tileoJ.ovU.la XI I. XIV 7. 10. 11. XV I. XIX6 kontradiktorisch entgegengesetzt dvTmel· f.'SVOt; VI 2. - - sein aV7:1lCBia9at VI 1. - entgegenstehen dV7:meiuOat VI 5 kontradiktorisches Gegenteil aV7:1leB{f16VOV V5. VI6. IX5
Wörterverzeichnis Kontraposition dvr:urrlloiP'i VI 4. - lautet dvrurresrpet el!; VI 4. in - stehen dvna-,;eirpuv VI 5 Kreis uvuÄo!: XII 2 kugelförmig arpmeoetd~!: XIII 8 Kurzform bmop?] XIX 5 L Lage To xe"ia{Jm II 1 (Kategorie der - ). XIII 12 Lehrsatz yvwat, X1I 6 Leiden :ruiaxuv II 1 (Kateg. d. L.). XIII 9 leugnen ~veiv XVIII 6 logisch Äoytu6, XI 2 logisch dasselbe sein TO QVTO v:n:ophtw XV7 logisch dieselbe Eigenschaft haben -ri}v av-,;~v &Vvapw lxew XV 8
M Mannigfaltigkeit (umschrieben) XI 2 Mantik #QVTLX?j XVII 8 Mathematik, Vertreter der reinen -, der angewandten .:. · ~tiif.L'f/'ttxOr;, Äoytanx6!: XVI I. 5 mathematische Größe piyeiio!: XIII 6 Medizin iao/ltx'l] XIII 9 Mehr ,uä.lAov XII 5 Merkmal qnlat!: XII 9 Metapher sein ex fteoaq;ollii<; Aiyeu&at IV 7 Methode piiio6o, XII 4 methodisch peiio&u6, XIX 6 mindestens ein Tt' II 4. 5. 6 mithören v:n:axoVBLV XIX 3 Mitteilung ~~~aaxa.l{a IV 6 mitumfassen :n:eeuixew XI 3 modus o :n:llw•o!:, &v•. • . . z. B. IX 3. avAAoytaplk XI 4. XIII I. 2. 3 Mond aeÄ?)v'f/ XII 3 mündlich erklären sewrvwew &a tprovij!: III 2
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negieren d:norpdaxew II 4. 5. IV 5. V 4 negiert d:noq:>anuo, XIV 3. 4 nicht-individuell ö Tipveaffat OVvaTat II 4 Nomen ovopa II 3. IV 7 Nordpol äex•o' XII 2 notwendigerweise e~ dvar""'• III 1 p partiell ev pseet II 5. VI 2. 3 ini peeovr; VIII 3. XIII 4. - (astr.) ex /lE(!OV' Ttvor; XII 3 xcrr:d pfeor; XII 5 Platz, am - sein :n:eoaijxov elvat XIX 1 Polarkreis ~xnxlk x15x.:tor; XII 2 Position nov xeiaffat XII 1 positiv xaTatpa'ttxor; VII 9. VIII 3. IX durchg. X durchg. XIII 2. 4. XIV 1. 11 Prädikat xaT'f/Yoeovpevov II 2. 4. VI 3. VII 6. 7. 9. - sein xa•11roeeiaiiat II 3 p1·ä.dizieren Xa't'f/Yoeeiv II 4. 5. 6. VII 8. IX5. 6. XIX3 Prämisse .:tijppa I 4. VI 5. 6. VII 2. VIII 3. XI 1. XVII 7. mit zwei - dt.:t'l]ppaTor; VI5 praktisch xcrr:d dwapw XV 10 Praxis ßlo, XIV 4 privativ UTB(!'f/TixO' II 5. VI 2. 3 primär new•o' VII 2 Priorität :n:eo•eeov elvat VII 2 Problem :n:e6ßA17pa XIV 2 Proportion Äoyor; XVI 3
Q Qualität :n:OL07:'f/<; II l. XIII 6 TO onoiov emw XII 1 To nottlv XIII 8 Quantifikator ~tf}poc; XII 7 Quantität -,;o on'f/Älxov iUT{'IJ XII 1 quasi-Disjunktion :n:O/ladteCevyphov V I. VI 7. VII I. XV 1. 2. 4. 6. 8. 9.11
N
R
Natur, von - qnlaet XVIII 5 Nachsatz hr.opevov XV 8 Äijyov V 5. VI 6 Negation d:n:oq:>aat!: II 5. VI 2. XV 5 negativ d:n:orpanxo• II 5. IV 5. VII 9. XIII 2. 4. XIV 11. XV 3 U7:8(!1jTLXO!: VIII 3. IX durchg.
reductio ad impossibile elc; ddwa•ov d:n:aywy?] IX 4. 5. X 7 Relation To :n:eoc; n II 1. XIII 6. XVI 1. 10. XVII 2. XVIII 8 Relationssohluß xaTd To :n:116<; TII1VÄÄoytap6~ XVIII 1
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Wörterverzeichnis
s Sachverhalt nrJäypa III I. XIV 7 •o c. inf. IV 2 qn)uu; nrJa:yfUi•wv III 5. IV 1 Satz Myo, !II 4. 5. IV 5. VI 2. XI 1. XIV 5..XVII 6. 8. TO c. ini. I 2. VI 4 achließen AnupefJEW VIII 3. ut~.UoytCew XVII7 schlüssig Ant'r1jt5et~ el, O"Vlloytup6v V 4 Schluß .t&yo, XVII 2 O"Vlloytupo' I 4. IV 3. V 3. Vl'5. 6. VII I. VIII I. IX 4. X durchg. XI 2. XII 4. XIV 2. 3. 6. 10. 11. XV 1. 7. 8. 9. 10. XVI 1.11. XVIII 4. 8. XIX 5. - mit mehr als zwei Prämissen no.lv.lijpp.ar:o' VI 5 Schlußfolgerung enttpB(lOf.'BJIOV XV 8 sein = wahr sein elvat XVII 4 Seite n.lsv(ld XVI 6 selbständig l&o, XIX 6 selbstevident 8.; eavroii r:Tjv nlur:w lzov XVI6. 7 Singular ivt"o' tiet1Jp6, XII 8 Sinnendinge r:d alulhJ-cd II! 2 sinngemäß &vdp.et XVII 5 Skeptiker uue=t"6' XVI 1 Sohn-Vater-Relation XVI 10. 11 Sonne ~.l~ XII 3 Sonnenuhr 7j.lcaudv WfJouu&ntov XII 4 species elt5o, XIII 5 Sprachform elö~ JJ.;ew, III 5 uxijp.a .t6.;ew, III 5 Sprachgebrauch l-f)o' VII 9. XVII 7 Streitfrage dp.rpwßfJT'IJUI.I; VII 3 Subjekt vno"e(p.BVOV II 2. VI 3. VII 6. 7. - sein ·Jnoue"iu{}at Il 3 Substanzovula II 6. XIV 1 subtrahieren drpal(!e"iv XVI 8 Subtraktion drpalfJBUtt; XIV 4 Summe IJ.lov XVI 7 Syllogismus O"V.l.loytup.o' VII 3. 4. 5. 7. XII I. XIII 4. XV 9 Syllogistik O"V.l.loywr:mij XIX 6 syllogistisch beweiskräftig O"Vlloytur:t"6' VI6
•.r Tatbestand nrJäYJta IV 2. 6. XIV 5. 6. 10. XVI10 Tatsachenbestand fl.l7J nrJayp.dr:wv XV 8
tatsächlich r:ql lJvr:t XVII 3 Term lJfJo' !I 2. 3. VI 3. 4. VII 5. 6. 7 Terminologie nrJot17JyorJlat V 1 &Jr6p.ar:a IV 6 terminus, maior, minor lffJO' p.etCwv, t.ldr:. r:wv VIII 3. IX durohg. Termvertauschung dvaur:rJtlrpew VI 3. 4 Thema., es ist unser - nrJ6"etr:at XIV 3 Theorie {}eweta XI 2 Tun r:o noteiv (Kategorie des Tuns) III. XIII9
u überzeugend mur:&, XVII7 Überzeugungskraft nlur:u; XVII I. 2. XVIII 1 Umgangssprache, in der - UVfJlw' IV 7 Umkehrung aVTWTfJOrprJ VI 5. IX durchg. X durchg. - liegt vor dvr:tur:e6tpet VI 3. - ma.th. Relationen XVI 3 unbedingt nclvr:w, VI 1 unbewiesen dvan&l5et"r:o' VIII 1 (&ehe auch Ana.pod.) unmethodisch dp.I:IJot5o, XIX 6 Unterredung Myo, XVIII 4 Unterricht, aus dem - pafJwv XV 11 unvollständig elltmj, IV 1. 3. 4. V 1. 2. 3. XIV 5. 11. XV 1 Urteil d.;lwtta III 3. 4. IV 3. 4. V I. 2. VII 1. XIV 2. 6. 7. XV 3. XVI 10. 12. XVII I. XVIII I. 6 r:o • • . XIII 4 V Vakuum "BV&v XIV 1 Vater-Solm-Relation XVI 10. 11 Verbum efipa II 3 Verhältnis Myo, XVIII 6. 7 verhalten, sich - zu elvat ngo, XVIII 5 Verhalten uztlut, XIII 12 Verkehrung in das kontrad. Gegenteil dvr:l{}em' VI 4 verneinen Myew ~~~ elvat XIV 4 verneinend dnorpar:tu6, VI 3 Verneinung dvai(!Biv XV 6 ooz vnd(lzew XV9 vollkommen r:8Aew, IV I. V. I. 3. 4. VI 1. XIV5.11 vollständig "ar:d &e.;oiJov XI 2 6AOuA7Jeo• XIX 3 r:eJ.ew' V 2. XV 1
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Wörterverzeichnis voraussetzen vno-r:t-DeufJat XVIII 6 Vordersatz 1/YoVJlBIIOII V 5. VI 6. XV 8 Vorliegen flnaeEtr; III 1 Vorsehung ne01Iom XIV 1 Vorstellung vorJa&r; I 1. III 2. XVIII 5
Widerlegung KJ.eyxor; XIX 5 Winkelsummen, gleiche -ro -r:ar; ywvlar; -rwl laar; lxew XII 6f. Wirklichkeit, in ~a-r:d n)v ilnagEw XII 9 wissenschaftlich en&a?:7Jp011t~or; XII 6.
XIll1
w wahr dA7JD!jr; XVII 3. beide - bleiben avvaA'fj'f}wew VI 3 Wahrheit d.l.7jOe1a XVII 9. - sagen dÄ1JiJ.e6ew XVII 6 wahrheitsgemäß dÄ1JOwwv XVII 3 Wahrnehmung, sinnliche alU'OrJutr; I 1 wahr sein vnaexew V 2. 3. 4. VI 7. XIV 5. dÄ1JOer; elvat XVII 4 elva1 VI 1. - lassen eäv Vn:cfezew V 4. zugleich - C1V11aA1JiJ.e6ew XI 3 C11J11Vncfexew XIV 7 wann? no-r:e (Kateg. d. 'Wann?') II 1. XIII7 was? -r:l (Kateg. d. Subst.) II 1 Wasseruhr 1elbp00ea XII 4 Welt ~oapor; XIII 7 Wendekreis -reonmdr; XII 2 Weniger ~nov XII 5 wertlos ooo~tpor; XI 1. 5 wieder aufnehmen naea.l.a.pßdvew VII 4
wo? noii (Kateg. d. 'wo?') li 1. XIII 7 Wort ~pwv7j IV 6. XVII 9 Wortlaut UEtr; III 5. IV 6. XIX 6 fPWV'1) III 5. XVII 6. 7. 9. XIX 3
z Zeichnung, durch Jetmpevor; XII 4 zufällig antreffen em7:'V')Ixavew I 2 zugleich vorliegen 0"1J111m:cfexew IV 2 zugestandenermaßen opoi.oyatJpB~~Qr; XVI 7 zugestehen opo.l.oyeiv I 2 Zurückführung dvaywy1) X durchg. zusammengesetzt aVv087:or; XV 4 zusammen nicht zutreffen avvanollvufJat IV2 Zusammensetzung aVvOeatr; (als Kategorie)
XIII 10 Zusammenstellung crottnÄo~ XI 1 Zustandekommen a?Ja-r:autr; XVII 2 zutreffen, zusammen avvvncfexew IV 2
2. H iseorisch-personell Alten, die III 2. 3. 4. VII 7. XIV 2 Arietoteies IX 4. XIII 11. XVI 1 Boäthos VII 2 Chrysipp IV 6. V 5. VI 6. VII 1. XIV 4. 11. XIX6 Demokrit XIII 7 Era.tosthenes XII 2 Euklid XVI 6 Heutigen, die III 2
6 Mau: G&len, Einrührung in die Logik
Hippakrates XIII 7. 12 Neueren, die III 3. 4 Peripa.tos VI 2. XIX 1 Plato XV 10. XVIII 2 Sokra.tes XVIII 2 Stoiker XIV 2 :lleitgenössisch (verschieden ausgedrückt) III 3. IV 4. XII 7. 8. XVII 6. 7
Beilage zu: Galen, Einführung in die Logik, krit.-exeg. Kommentar von J. MAu, Berlin 1960
ÜBERSETZUNG
Ergänzungen von in der Handschrift mechanisch zerstörten Stellen sind durch Kursivdruck hervorgehoben. Die Zahlen am Rande beziehen sich auf Seite und Zeile der Ausgabe von KALBFLEISOll.
I Kf.
1. Die Erscheinungen erkennen alle Menschen teils durch sinnliche Wahrnehmung, teils nur durch Vorstellung, und zwar die genannten ohne Beweis, die dagegen, die wir weder durch sinnlicheWahrnehmungnoch durch Vorstellung erkennen, durch Beweis. 2. Was aber durch Beweis erkannt wird, muß aus vorher Erkanntem gefunden werden, und zwar nicht etwa einfach aus zufäUig Angetroffenem, sondern aus dem, was dem, das bewiesen werden soll, besonders angepaßt ist....................................................... Wenn es z. B. so zutrifft, werden wir zugestehen, daß Theon dem Dion und Philon demselben Dion gleich ist. Daraus wird sich nämlich ergeben, daß Theon dem Philon gleich ist auf Grund des Satzes, daß, was ein und demselben Dritten gleich ist, auch einander gleich ist. 3. Dieser Beweis besteht aus vier Teilen: l. dem, was zuerst gesagt ist, nämlich 'Theon ist dem Dion gleich'. 2. Dem darauf folgenden: 'Philon ist dem Dion gleich'. 3. Dem hinzukommenden Satz: 'Was ein und demselben Dritten gleich ist, ist einander gleich'. Aus ihnen wird gefolgert werden, 4. daß Theon dem Philon gleich ist. 4. Und dies ist die sogenannte Konklusion, 'Prämisse' aber heißen die Sätze, nach deren Annahme jenes gefolgert wird. Der ganze Ausdruck, durch den, nachdem einiges zugestanden ist, eine Konklusion gezogen wird, wird selbst Konklusion und Schluß genannt ...................... . ö. (Text zerstört. Siehe Kommentar.) 1 Mau: Galon, Elnfilhrung ln die Logik
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Übersetzung, II 1-5
Il 1. Einige Aussagen werden über die einfache Existenz ausgesagt, z. B. : 'Wenn die Vorsehung existiert, existiert der Kentaur nicht.' Andere über 5 das "Was", z. B. folgende: 'Die Luft ist Körper. Die Luft ist nicht Körper'. Über die Größe: 'Die Sonne ist nicht einen Fuß groß'. Einige über die Qualität: 'Die Sonne ist nicht von Natur warm'. Einige über die 10 Relation: 'Die Sonne ist größer als der Mond'. Einige über das Wann: 'Hippokrates lebte während des peloponnesischen Krieges, oder er lebte nicht während des peloponnesischen Krieges'. Einige über das Wo: 'Das zweite (scil. Gestirn) von der Erde aus ist die Sonne, bzw. die Sonne ist nicht das zweite von der Erde aus.' Einige über die Lage: 'Das Zensbild 15 in Olympia ist in sitzender Stellung'. Einige über das Haben: 'Das Zensbild in Olympia trägt Schuhe.' Einige über das Tun: 'Die Rosensalbe er20 wärmt bzw. erwärmt nicht'. Einige über das Leiden: 'Wir werden naturgemäß von Rosensalbe erwärmt, bzw. wir werden nicht naturgemäß von Rosensalbe erwärmt'. 2. Alle derartigen Aussagen nennen wir kategorisch, um uns klar und 6 kurz auszudrücken. Die Teile, aus denen sie sich zusammensetzen, nennen wir nach dem alten Brauch Terme. Zum Beispiel bezeichnen wir in der Aussage 'Dion spaziert' den Dion und das "spaziert" als Terme und zwar den Dion als Subjekts-Term, das "spaziert" als Prädikats-Term. 5 3. Wenn nun die Aussage aus Nomen und Verbum besteht, muß man die Terme so unterscheiden; wenn aber aus mehreren Nomina und einem Verbum, wiez.B.inderAussage'DionistMensch',dann werden wir sagen, "Dion" sei Subjekt, "Mensch" sei Prädikat, und obendrein werde hinzu10 prädiziert das Hilfsverbum, um anzuzeigen, daß die Terme zusammengehören. 4. Wenn wir von Dion etwas prädizieren, dann ist es abwegig zu sagen "jeder" oder "mindestens einer", wenn aber etwas von etwas Nicht-Individuellem prädiziert wird, z. B. von "Mensch" und "Baum", muß entsprechend unterschieden werden, nämlich ob von dem gesamten oder von mindestens einem das Prädikat prädiziert wird, ebenso, ob es von dem 15 gesamten oder von mindestens einem negiert wird. 5. Es sollen also die Aussagen mit dem Zusatz "all" (bzw. "jeder", "gesamt") mit "generell bejahend" bezeichnet werden, etwa wenn wir 20 sagen: 'Jeder Mensch ist Lebewesen', 'jede Platane ist Baum'. Die von der ganzen Gattung ausgesagten Negationen sollen dagegen "generell negativ und privativ" heißen. Zum Beispiel wenn wir sagen: 'Kein 7 Mensch ist unsterblich(~)'. Diejenigen aber, die weder von der ga:azen Gattung prädizieren noch von ihr negieren, sollen "partiell" heißen. So . ist partiell bejahend folgende Aussage: 'Mindestens ein Mensch ist Lebe5
Übersetzung, II 6-III 3
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wesen', negativ dagegen diese: 'Mindestens ein Mensch ist nicht Lebewesen'. Als äquivalent mit der letzteren Aussage werden wir auch diese als partiell negativ bezeichnen: 'Nicht jeder Mensch ist Lebewesen'. 5 6. Wenn wir aber etwas prädizieren von einer nicht nur der Art sondern auch der Zahl nach abgegrenzten Substanz, dann ist es fehl am Platz zu sagen: "Jeder oder mindestens einer oder nicht jeder oder keiner". In der Aussage 'Dion ist Mensch' läßt sich nichts dergleichen hinzusetzen. 10
111 1. Eine andere Gattung von Aussagen ist die, bei denen wir die Feststellung nicht über das wirkliche Vorliegen von Sachverhalten treffen, sondern darüber, was bei Bestehen von was besteht und was bei Nichtbestehen von was besteht. Solche Aussagen sollen "hypothetisch" heißen, 15 und zwar, wenn sie besagen, bei Bestehen von welchem (lies ·dvo~ !) andern Umstand dieser notwendigerweise sein muß, "konditional", wenn sie dagegen besagen, daß es ist, indem jenes nicht ist, oder nicht ist, indem jenes ist, "alternativ". 2. Ob man sagt· "sein" oder "existieren", macht bei allen Griechen, 20 den heutigen und den alten, keinen Unterschied, wie auch nicht "bestehen", denn bei den heutigen wird auch dies in demselben Sinne gesagt. Da wir von den Sinnendingen Erinnerungen haben, sollen diese, wenn wir sie durch einen geistigen Akt hervorrufen, wie z. B. die an die Athener, 8 "Vorstellungen" heißen, wenn sie aber nur still da sind, "Begriffe". Zu letzteren gehören aber auch andere, die nicht aus der Erinnerung an Wahrnehmungen stammen, sondern allen Menschen angeboren sind: Diese nennen die alten Philosophen, wenn sie mündlich erklärt werden, 5 Axiom. Oft bezeichnen die Griechen sogar den Begriff mit Vorstellung. 3. Vor allem dann, wenn etwas als existent glaubhaft gemacht wird durch die Existenz eines andern, wird das bei den alten Philosophen die konditionale hypothetische Aussage genannt, aber sogar auch dann, 10 wenn wir meinen, da dies nicht sei, sei das: ,Da nicht Nacht sei, sei Tag'. Meistens allerdings nennt man eine solche Aussage disjunktiv. Bei manchen von den neueren Philosophen heißt es indessen auch disjunktes Urteil, wie bei ihnen auch die andere Art hypothetischer Aussagen, die wir 15 als konditional bezeichneten, Implikation heißt. Vertrauter ist uns die Bezeichnung disjunkt für die Urteile, von denen wir sagten, daß sie alternative Aussagen heißen, wegen des Bindewortes 'oder' (r}?:ot), -wobei es 20 nichts ausmacht, ob man es ein- oder zweisilbig spricht - als für diejenigen, die durch •wenn' (el, ef:n-ee) verbunden sind. Auch diese bedeuten 9 ein und dasselbe.
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Übersetzung, III 4-IV 4
4. Daher nennt man folgenden Satz: 'Wenn es Tag ist, ist die Sonne über der: Erde' ein implikatives Urteil nach denneueren Philosophen, nach 5 den alten eine hypothetische konditionale Aussage. Solche dagegen: 'Entweder es ist Tag, oder es ist Nacht' nennt man bei denneueren Philosophen disjunktives Urteil, bei den alten hypothetische alternative Aussage. 5. Äquivalent ist die alternative Aussage folgendem Satz: 'Wenn nicht 10 Tag ist, ist es Nacht.', den, wenn er auch in implikativer Sprachform ausgesprochen wird, diejenigen, die sich nur an den Wortlaut halten, Implikation nennen, diejenigen dagegen, die sich nach den Sachverhalten richten, Disjunktion. Ebenso ist auch folgende Sprachform: 'Wenn nicht 15 Nacht ist, ist es Tag' dem Sachverhalt nach eine Disjunktion, implikative Form dagegen hat sie dem Wortlaut nach.
IV 1. Dieser Sachverhalt zeigt das vollkommene Einander-Ausschließen, der andere das unvollständige, bei dem wir etwa so sagen: 'Wenn Dion in Athen ist, dann ist er nicht auf dem Isthmos'. 20 2. Das Einander-Ausschließen hat das gemeinsam, daß die einander ausschließenden Sachverhalte nicht zugleich vorliegen können, der Unterschied aber liegt darin, daß die einen bei unmöglichem zusammen Zute:ffen auch nicht zusammen nicht zutreffen können, bei den anderen aber letzteres doch der Fall sein kann. Tritt nun nur das eine, nämlich das 10Nicht-Zugleich-Zutreffen ein, dann ist das Einander-Ausschließen unvollständig, wenn aber auch das Nicht-Zugleich-nicht-Zutreffen, dann ist es vollkommen. Bei solchen Tatbeständen muß nämlich der eine tatsächlich vorliegen. 3. Daher kommt bei ihnen der Schluß auch auf zweierlei Weise zustande. Wenn (scil. beim Vollkommenen) hinzugenommen wird 'Es ist 5 Tag', wird gefolgert 'Es ist nicht Nacht', wird aber hinzugenommen 'Es ist nicht Tag', wirdgefolgert 'Es ist Nacht'. Dagegen ist es bei dem unvollständigen Einander-Ausschließen nur möglich, durch Hinzunahme eines der beiden einander ausschließenden Glieder das andere aufzuheben. Welches von beiden (Teil-)Urteilen man auch immer hinzunimmt, es heißt Assumption. 4. Das unvollständige Einander-Ausschließen wird bei den Griechen 10 gewöhnlich so ausgedrückt: 'Dion ist in Athen oder auf dem Isthmos', und dies ist der charakteristische Ausdruck für das, was in unvollständgem Einander-Ausschließen steht. Wenn man aber von andern (scil.
Übersetzung, IV 5-V I
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Sachverhalten) etwas aussagt, und zwar von solchen, von denen weder der eine die Konsequenz des andern ist noch einer den andern ausschließt, dann nem1en wir ein solches Urteil konjun.kt, z. B. bei der Aussage: 'Dion 15 spaziert, und Theoli disputiert'. Diese Ausdrücke geben nämlich eine konjunkte Erklärung ab, bei der weder eiu Einander-Ausschließen uoch eine Konsequenz vorliegt. 5. Daher werden wir auch, wenn wir sie negie~n, diesen Satz negative 20 Konjunktion oder negatives Konjun.kt nennen. Denn es macht hier 11 keinen Unterschied, ob wir sagen "negatives Konjunkt" oder "negative Konjunktion", das Ziel ist ja bei jedem Ausdruck, den anderen klar zu verdeutlichen, was man meint. 6. Die Anhänger des Chrysipp halten sich aber auch hier mehr an den 5 Wortlaut als an den Tatbestand und bezeichnen alle durch die sogenannten konjunktiven Bindewörter zusammengesetzten Aussagen, ob ihre Glieder nun einander ausschließen oder eins die Konsequenz des andern ist, als konjunkt. Dabei wenden sie für das, worin eine Genauigkeit der lVIitteihing liegt, achtlos ihre Bezeichnungen an, bei dem aber, wo die 10 Wörter (cpwval) überhaupt nichts Besonderes bedeuten, dekretieren sie eigene Bedeutungen. Die andern dürften wohl diese Terminologie nicht anwenden, wenn sie gut griechisch sprechen und den Hörern verständ1ich sein wollen. 7. Ebensowenig wird es einen Unterschied ausmachen, ob man die 15 Konsequenz mit diesem oben (Z. 10, 17) erwähnten Namen bezeichnet, oder als "Folge" oder als "Anhaften", alle diese Nomina sind nämlich Metaphern von dem, was in der Umgangssprache bezeichnet wird mit "mit daran befestigt sein" und "mit daran hängen". In vieJerlei Hinsicht geschieht dies aber, was zu untersuchen Sache der Beweis-Theorie ist, 20 ebenso geschieht auch das Einander-Ausschließen in vielerlei Hinsicht.
V 1. Jetzt aber wollen wir die Einteilung der Terminologie vornehmen, und zwar hindert nichts, um der klaren und kurzen Ausdrucksweisewillen die einander vollkommen ausscl1Iießenden Aussagen "disjunkt" zu 12 nennen, die einander unvollständig ausschließenden "annähernd disjunkt". Es soll kein Unterschied sein, ob man sagt, "annähernd" oder "ähnlich". Bei einigen Urteilen bleibt aber noch die Möglichkeit offen, daß mehrere oder alle Teilaussagen wahr sind und nicht nur eine, uotwendigerweise aber mindestens eine darin wahr sein muß. Einige nennen 5 solche Urteile "Quasi-Disjunktionen", da die (echten) Disjunktionen nur
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Übersetzung, V 2-VI I
eine wahre Teilaussage enthalten, ob sie nun aus zwei oder mehreren Einzelurteilen bestehen. 10 2. Denn ein Einzelurteil sei 'Dion spaziert', ebenfalls 'Dion sitzt', ein Urteil sei ferner 'Dion liegt', ebenfalls 'Er läuft' und 'Er steht'. Aus ihnen allen entsteht folgendes disjunktive Urteil: 'EntwederspaziertDion, oder er sitzt, oder er liegt, oder er läuft, oder er steht'. Wenn aber eine Aussage so zusammengesetzt ist, dann schließt jeder Einzelsachverhalt jeden 15 andern unvollständig aus, alle zusammen dagegen schließen einander vollkommen aus, da notwendigerweise eineunter ihnen wahr sein muß und alle andern falsch. 3. Beim vollkommenen Einander-Ausschließen werden zwei Schlüsse entstehen, wenn wir als Assumption nehmen entweder das Wahr-Sein oder das Nicht-Wahr-Sein einer von beiden Einzelaussagen, und wenn 20 wir schließen, daß das eine nicht wahr ist, wenn das andere wahr ist, und das eine wahr ist, wenn das andere nicht wahr ist. Beim unvollständigen Einander-Ausschließen gibt es nur eine Assumption, nämlich das WahrSein des einen, und nur eine Konklusion, nämlich das Nicht-Wahr-Sein 13 der andern. 4. So ist es, wenn nur zwei Einzelaussagen einander ausschließen. Sind es dagegen mehr einander ausschließende Glieder, dann werden wir bei vollkommenem Ausschließen entweder nach Bejahung eines Gliedes alles Übrige negieren oder bei Verneinung jenes ganzen Übrigen das eine be5 jahen. Indessen werden wir nicht nach Verneinung des einen das Übrige wahr sein lassen und ebensowenig nach Bejahung jenes ganzen Übrigen das eine für unwahr erklären. Bei vollständigem Ausschließen aber werden wir wohl bei Bejahung einer Teilaussage alle übrigen verneinen, nicht aber 10 können wir hier noch irgendeine andere schlüssige Assumption vornehmen. 5. Bei konditional verknüpften Aussagen dagegen, welche die Anhänger des Chrysipp Implikation nennen, werden wir bei Assumption des Vordersatzes den Nachsatz als Konklusion haben, bei Assumption des kontradiktorischen Gegenteils des Nachsatzes dagegen als Konklusion das 15 kontradiktorische Gegenteil des Vordersatzes. Indessen gewinnen wir lteine Konklusion, wenn wir den Nachsatz oder das kontradiktorische Gegenteil des Vordersatzes als Assumption nehmen.
VI 1. Wir nennen eine Konklusion und eine Aussage dann einander kontradiktorisch entgegengesetzt, wenn sie einander vollkommen ausschließen, .20 und es muß unbedingt die eine wahr, die andere nicht wahr sein.
Übersetzung, VI 2-6
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2. Bei den hypothetischen Aussagen enthält die eine der beiden eine Negation mehr als die andere, bei den kategorischen dagegen, wenn sie mit "alle" (bzw. "jeder" u. dgl.) beginnen, setzen wir die Negation hiervor. Bei der Aussage 'Sokrates spaziert' setzen wir die Negation vor das Prädikat, so daß dieser Satz lauten wird: 'Sokrates nicht spaziert'. Bei 2S der allgemein privativen Aussage brauchen wir keine Negation hinzu-14 zufügen, weil wir ja als ihr kontradiktorisches Gegenteil die partiell bejahende haben, wie auch der partiell bejahenden die allgemein privative kontradiktorisch entgegengesetzt ist. Wir brauchen also auch dieser keine s Negation hinzuzusetzen. 3. Alle derartigen Aussagen heißen "gleichtermig", weil sie die Terme gemeinsam haben. Eine Termvertauschung liegt vor, wenn die Reihenfolge der Terme geändert wird, d. h. wenn das Subjekt Prädikat und das Prädikat Subjekt wird. Eine Umkehrung dagegen liegt dann vor, wenn 10 zusammen mit dieser Termvertauschung beide Aussagen wahr bleiben, dabei wird die allgemein privative Aussage in sich selbst umgekehrt, ebenso die partiell bejahende, die allgemein bejahende in die partiell bejahende; die partiell verneinende dagegen läßt sich in nichts umkehren. 4. Bei den hypothetischen Aussagen liegt Termvertauschung vor, wenn 15 die Reihenfolge der Terme geändert wird, Umkehrung (hier: Kontraposition) dagegen, wenn dies zugleich mit der Verkehrung der Terme in ihr kontradiktorisches Gegenteil geschieht. Der Satz 'Wenn es Tag ist, ist es hell' wird nämlich term-vertauscht in den Satz 'Wenn es hell ist, ist es Tag', seine Kontraposition aber lautet: 'Wenn es nicht hell ist, ist 20 es nicht Tag'. 5. Dies die Umkehrung bzw. Kontraposition von Aussagen. Schlüsse mit zwei Prämissen aber stehen zueinander in Kontraposition, wenn sie 15 eine Prämisse gemeinsam haben und die andere des einen der Konklusion des anderen kontradiktorisch entgegensteht. Bei Schlüssen mit mehr als zwei Prämissen werden wir nicht einfach sagen "Eine Prämisse", sondern werden hinzusetzen "oder mehrere". Die ganze Definition formulieren 5 wir dann so: "Zwei Beweise stehen zueinander in Kontraposition, wenn sie eine oder mehrere Prämissen gemeinsam haben, die übrigbleibende des einen aber zu der Konklusion des anderen in Kontradiktion steht''. 6. Entsprechend verhält es sich bei den Formeln. , ,Formeln" nennen die Dialektiker die Schemen von Beweisen, z. B. von dem, der aus einer Implikation und deren Vordersatz den Nachsatz folgert, und den Chrysipp 10 den ersten Anapodeiktos nennt. Seine Formel lautet: "Wenn das Erste, dann das Zweite. Das Erste aber. Also das Zweite".
Übersetzung, VI 7
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Bei demjenigen, der aus einer Implikation und dem kontradiktorischen 15 Gegenteil des Nachsatzes auf das des Vordersatzes schließt, und den
Chrysipp den zweiten .Anapodeiktos nennt, ist dies die Formel: "Wenn das Erste, dann das Zweite. Nicht aber das Zweite . .Also nicht das Erste". Entsprechend beim dritten, demjenigen, der aus einer negierten Konjunktion und einer ihrer Teilaussagen das kontradiktorische Gegenteil der anderen gewinnt. Seine Formellautet: 20
"Nicht zugleich das Erste und das Zweite. Das Erste aber. .Also nicht das Zweite."
16 Entsprechend ist es auch bei dem naoh Chrysipp vierten, der aus einer
Disjunktion und einer ihrer Teilaussagen auf das kontradiktorische Gegenteil der anderen schließt. Dies seine Formel: ,,Entweder das Erste oder das Zweite. Das Erste aber. .Also nicht das Zweite". Beim fünften, der aus einer Disjunktion und dem kontradiktorischen 5 Gegenteil einer ihrer Teilaussagen auf die andere schließt, ist dies die
Formel: "Entweder das Erste oder das Zweite. Nicht aber das Erste. .Also das Zweite". Ebenso wie also Prämissen und deren Kontraposition beide wahr sind, so sind auch in Kontraposition gebrachte richtige Beweise und Formeln wiederum beweiskräftig, d. h. : Diejenige Formel, die einer syllogistischen 10 gegenüber in Kontraposition steht, ist auch ihrerseits syllogistisch beweiskräftig. 7. Wie von hypothetischen .Aussagen die Schlüsse gebildet werden, wurde gezeigt mit .Ausnahme einer Formel, nämlich der aus der quasiDisjunktion, zu der es zweierlei .Assumptionen gibt. Entweder werden 15 wir nämlich sagen, daß nach .Assumption der Negationen aller Glieder außer einem eben dies eine wahr ist, oder, wenn die .Assumption lautet, das eine sei nicht wahr, die anderen übrig bleiben und ihre Disjunktion die Konkulusion bildet.
Übersetzung, VII 1-6
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VII 1. Bei solchen Schlüssen sind also die Aussagen bestimmend für die Assumptionen, denn weder bei der Disjunktion noch bei der quasi- 2 o Disjunktion sind mehr als zwei Assumptionen möglich. Bei dem unvollständigen Einander-Ausschließen dagegen läßt sieb nur eine Assumption vornehmen. Die Schule des Chrysipp nennt diese Art Urteile nicht nur 17 "bestimmend" sondern auch "grundlegend", da ja aufihnen als Grundlage der ganze Schluß aufgebaut wird wie das Schiff auf dem Kielbalken (Wortspiel -r:eom"or; - -r:eonlr;). 2. Auch einige Peripatetiker wie z. B. Boethos nennen die aus bestim- 5 menden Prämissen gebildeten Syllogismen nicht nur "Anapodeiktoi" sondern auch "primär". Für die Anapodeiktoi-Syllogismen dagegen, die aus kategorischen Aussagen bestehen, lassen sie nicht mehr die Bezeichnung "primär" zu. Dabei kommt doch in anderer Hinsicht solchen 10 Aussagen die Priorität vor den hypothetischen zu, und zwar insofern, als die (scil. kategorischen) Aussagen, aus denen sie sich zusammensetzen, unbedingt die Priorität beanspruchen. Niemand wird nämlich bestreiten, daß das Einfache geg!'lnüber dem Zusammengesetzten die Priorität innehat. 15 3. Es spielt aber keine große Rolle, ob man in diesen Streitfragen eine Lösung findet oder nicht; man muß nämlich beide Gruppen von Sy1logismen kennen, und das ist das Nützliche. Mag man eine der beiden Gruppen von Syllogismen benennen und ihr die Priorität zuerkennen, ganz nach Belieben. Man darf nur nicht die andere Gruppe ignorieren. 4. Soweit sie hypothetisch sind, liegt also bei den Syllogismen die Assumption fest, bei den kategorischen dagegen nicht. Wer nämlich gesagt 20 hat 'Alles Schöne ist erstrebenswert', der muß, um irgendeinen Syllogismus zu bilden, entweder das 'Schöne' oder das 'erstrebenswert' in der zweiten Aussage wieder aufnehmen, nicht dagegen etwas mit der anderen (scil. Aussage) Identisches wieder aufnehmen, auch nicht etwas apodiktisch bejahen oder verneinen; nicht nur so wie bei den hypotheti- 25 sehen, sondern er mag es verbinden mit etwas ganz beliebigem andern. 18 5. Es ist nämlich möglich, auch dadurch einen Syllogismus zu bilden, daß man folgende Aussage zur ersten hinzusetzt: 'Alles Erstrebenswerte ist gut'. Der Schluß lautet dann 'Also ist alles Schöne gut'. Es ist möglich, 5 den Syllogismus aus den Fragen (= Prämissen) auch dadurch zu gewinnen, daß man von 'das Schöne' etwas beliebiges anderes aussagt. So ist es auch möglich, dadurch, daß man von jedem der beiden Terme einen andern Term aussagt, einen Syllogismus zu bilden, z. B. so: 'Die Gerech- 10 tigkeit ist schön, das Schöne ist erstrebenswert'. 6. So kann man nun beim Hinzusetzen der zweiten Aussage zur ersten den gemeinsamen Term zum Subjekt des einen und zum Prädikat des
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Übersetzung, VII 7-VIII 2
15 andern machen. Es ist aber auch möglich, die Aussage so hinzuzufügen,
daß der gemeinsame Term das Prädikat der beiden andem bildet, wie z. B. in solchen Syllogismen: 'Alles Schöne ist erstrebenswert, nicht jede Lust ist erstrebenswert', 20
oder auch so, daß die beiden andern die Prädikate des gemeinsamen Terms bilden, z. B. 'Alles Schöne ist er~trebenswert, alles Schöne ist lobenswert'.
7. Und zwar nannten die alten Philosophen "erste Figur" der kategorischen Schlüsse diejenige, in der der gemeinsame Term Subjekt des einen und Prädikat des andern Außenterms ist; die zweite Figur, in der er 5 Prädikat beider Außenterme ist, die dritte Figur, in der er (scil. beider) Subjekt ist. 8. In der Aussage 'Da.s Schöne ist erstrebenswert' wird 'erstrebenswert' von 'das Schöne' prädiziert, Subjekt ist in ihr 'das Schöne', von dem prädiziert wird. Es bedeuten bei ihnen aber "prädizieren" und "bejahen" nicht dasselbe, denn auch der Term, der einem Gegenstand abgesprochen wird, wird prädiziert. 10 9. Da man sagt, in der Aussage 'Das Schöne ist nicht zu meiden' sei Subjekt 'das Schöne', es werde aber negativ von ihm prädiziert das 'zu meiden', und in der Aussage 'Das Schöne ist zu meiden' werde positiv von ihm ausgesagt das 'zu meiden',- da sich dieser Sprachgebrauch durch15 gesetzt hat- nennt man beide angeführte Aussagen "kategorisch", und entsprechend auch die Schlüsse "kategorisch", nicht etwa beide "positiv", sondern so, wie ich sie gegeneinander abgegrenzt habe. 19
VIII
1. Während es also drei Figuren bei den kategorischen Aussagen gibt und eine jede dieser Figuren mehrere Schlüsse umfaßt, sind einige Schlüsse, ebenso wie bei den hypothetischen, unbewiesen (anapodeiktoi) und primär, andere bedürfen des Beweises. 2. Bei den hypothetischen Aussagen sind alle soeben (VI 6) angeführten unbewiesen und primär, außer dem Beweis, der durch Assumption des kontradiktorischen Gegenteils des zweiten Gliedes auf das kontradikto20 rische Gegenteil des ersten Gliedes schließt. Dieser allein nämlich erfordert einen Beweis. 20
Übersetzung, VIII 3-IX 5
11
3. Dagegen enthält bei den kategorischen die erste Figur vier .Anapodeiktoi, und zwar den, der aus zwei generell positiven Aussagen auf eine generell positive Konklusion schließt, - es ist klar, daß auch die Konklusion eine Aussage ist und nur nach ihrer Beziehung zu den Prämissen 5 so genannt wird - der zweite schließt aus einer generell negativen Aussage beim terminus major und einer generell positiven beim terminus minor auf eine generell negative Konklusion, der dritte ist der, welcher aus einer generell positiven Aussage beim terminus major und einer 10 partiell positiven beim terminus minor eine partiell positive Konklusion bildet.· Der letzte schließt aus einer generell negativen und einer partiell positiven auf eine partiell negative Konklusion. Von den andern dagegen ist kein einziger unbewiesen oder evident. 4. Die in den andern beiden Figuren werden durch die eben genannten 15 bewiesen, und zwar gibt es in der zweiten Figur vier Schlüsse, in der dritten Figur sechs.
IX 1. Der erste Schluß in der zweiten Figur hat beim terminus major eine generell negative Aussage, seine andere· Aussage ist generell positiv. 20 Durch Umkehrung der Aussage mit dem terminusmajorlöst er sich auf in den zweiten modus der ersten Figur, der ein generell negatives (scil. Urteil) folgert. 2. Auf ihnfolgt der ihm gewissermaßen äquivalente, der beim terminus 21 major eine generell positive Aussage hat, dessen andere Aussage generell negativ ist. Durch Umkehrung zweier Aussagen, erstens der generell negativen, zweitens der Konklusion, die ihrerseits auch generell negativ 5 ist, löst er sich auf in denselben, eben genannten Schluß, nämlich in den zweiten der ersten Figur, der eine generell negative Konklusion hat. 3. Der dritte modus beweist aus einer generell negativen und einer partiell positiven Aussage ein partiell negatives (scil. Urteil), und zwar 10 wird er durch Umkehrung seiner generellen Aussage auf den vierten modus der ersten Figur zurückgeführt. 4. Der letzte Schluß in der zweiten Figur, der vierte modus, deduziert aus einer generell positiven und einer partiell negativen Aussage eine 15 partiell negative Konklusion, und zwar läßt er sich beweisen durch die reductio ad impossibile und durch die von Aristoteles so genannte expositio. 5. Die reductio ad impossibile - man nennt sie auch den Beweis des Unmöglichen- verläuft so: Es soll gelten das Erste vom ganzen Zweiten, 20
12
Übersetzung, IX 6-X 6
von irgendeinem Dritten aber nicht. Ich sage, daß gefolgert werden wird: Das Zweite gilt von irgendeinem Dritten nickt. Es trifft nun zwar keineswegs zu, aber wenn es doch möglich ist, dann soll einmal das kontra22 diktorische Gegenteil gefolgert werden, nämlich, daß es vom Ganzen gilt. Es war ·aber auch gesagt, daß das Erste vom ganzen Zweiten gilt; ergo wird sich zeigen, daß das Erste vom ganzen Dritten gilt, was absurd ist. Es war nämlich gegeben, daß es von irgendeinem nicht ausgesagt 5 wird. Ergo. wird das Zweite nicht von dem ganzen Dritten prädiziert, sondern von irgedneinem nicht. 6. Der Beweis durch expositio ist dieser: Da das Erste von irgendeinem Dritten nicht prädiziert wird, soll das herausgenommen werden, von dem es nicht prädiziert wird, und dies sei das Vierte. Es wird also das Erste von keinem Vierten prädiziert, dagegen wird e!'J von dem ganzen Zweiten 10 prädiziert. Ergo wird das Zweite überhaupt nicht von dem Vierten prädiziert. Das Vierte ist aber ein Teil des Dritten. Somit wird das Zweite von irgendeinem Dritten nicht prädiziert werden.
X
1. Von den Schlüssen der dritten Figur hat der erste aus zwei generell positiven Aussagen eine partiell positive Konklusion, er läßt sich auf den 15 dritten modus der ersten Figur zurückführen durch Umkehrung der den term.inus minor enthaltenden Aussage. 2. Der zweite ergibt aus einer generell negativen Aussage beim terminus major und einer generell positiven eine partiell negative Konklusion, und 20 zwar löst er sich durch Umkehrung der den terminus minor enthaltenden Aussage in den vierten Modus der ersten Figur auf. 28 3. Der dritte ergibt aus einer partiell positiven und einer generell positiven Aussage eine partiell positive Konklusion, bewiesen durch Umkehrung der partiellen Aussage und obendrein der Konklusion. 4. Der vierte modus, der aus einer generell positiven und einer partiell positiven Aussage besteht, deduziert eine partiell positive Konklusion, 5 wenn der Untersatz umgekehrt wird. 5. Der fünfte, bestehend aus einer generell negativen und einer partiell positiven, läßt sich durch Umkehrung der partiellen zurückführen auf den vierten modus der ersten Figur und ergibt eine partiell negative Konklusion. 10 6. Als letzter folgert der sechstemodusaus einer partiell negativen und einer generell positiven eine partiell negative Konklusion, und er wird
"Übersetzung, X 7-XI 3
13
bewiesen durch die reduotio ad impossibile und die Exposition, entsprechend dem Beweis des vierten modus der zweiten Figur. 7. Durch reduotio ad impossibile lautet der Beweis so: Das Erste soll von irgendeinem Dritten nicht gelten, das Zweite werde vom ganzen 15 Dritten prädiziert. loh sage, daß das Erste von irgendeinem Zweiten nicht ausgesagt werden wird; Es ist zwar keineswegs der Fall, aber wenn es nun doch einmal möglich ist, soll es von dem Ganzen prädiziert werden. Nun wurde aber das Zweite auch von dem ganzen Dritten prädiziert. Somit wird auch das Erste von dem ganzen Dritten prädiziert werden. 20 Gegeben war aber, daß es von irgendeinem nicht prädiziert wird .Ergo wird es nicht von dem ganzen Zweiten prädiziert, es wird also von irgend- 24 einem negiert. 8. Dasselbe wird durch Exposition folgendermaßen bewiesen werden: Da das Erste von irgendeinem Dritten nicht ausgesagt wird, soll das herausgenommen werden, von dem es nicht prädiziert wird, und das soll das Vierte sein. Von keinem Vierten wird also das Erste gelten. Da aber das Vierte ein Teil des Dritten ist, wii;d das Dritte von ihm als Ganzem 5 prädiziert werden. Aber auch das Zweite wird von dem Dritten als Ganzem prädiziert, somit wird es auch von dem ganzen Vierten prädiziert werden. Es wird aber auch das Erste von keinem Vierten prädiziert. Ergo: Das Erste wird von irgendeinem Zweiten nicht gelten.
XI 1. .Alle anderen Zusammenstellungen von .Aussagen in einer jeden Figur 10 sind wertlos, und kein Schluß läßt sich aus ihnen ziehen, weil nichts mit Notwendigkeit daraus folgt, weder durch Aufzeigung noch durch Beweis. Mit ".Aufzeigung" bezeichnen sie nämlich das Finden des Gesuchten aus dem Sachverhalt nach evidenter Konsequenz von Erscheinungen, mit 15 "Beweis" dagegen einen Satz, der aus wahren Prämissen folgert. 2. In jeder Figur kommen sechzehn Aussagen-Kombinationen vor, weil es vier kategorische Aussagen gibt, nämlich zwei generelle und zwei partielle, auch wenn der Ausdrucksweise nach noch mehr aufzutreten 20 scheinen: wir brauchen uns hier aber nicht mit dieser Mannigfaltigkeit abzumühen und sie kennenzulernen, wie es in der Schrift '"Über äquivalente Aussagen' dargestellt ist; die vorliegende Schrift ist nämlich ein 25 Abriß der logischen Theorie, keine vollständige Darstellung. 3. Ebenso wahr wie die dargelegten 14 Schlüsse, von denen ein jeder seine eigene Konklusion hat, sind auch noch einige weitere, und zwar werden einige davon von den Konklusionen der ersteren mitumfaßt, die
14
Übersetzung, XI 4-XII 2
5 anderen sind notwendigerweise zugleich wahr. Mitumfaßt werden in den
generellen Konklusionen die partikulären. Dagegen folgen auf die generell und partiell positiven und die generell negativen generelle und partielle Aussagen, da sie nach Umkehrung mit ihnen zusammen wahr sind. 4. Daher werden in der ersten Figur vom ersten und zweiten modus, 10 die eine generelle Konklusion haben, partielle Aussagen mit umfaßt, und zwar vom ersten die partiell positive, vom zweiten die partiell negative. In der zweiten Figur dagegen von der generell privativen die partiell negative. 5. Sogar einigen von den wertlosen Kombinationen folgt zwar nicht 15 direkt eine Konklusion, wie den genannten vierzehn, die die Schlüsse bilden, wohl aber folgt sie nach Umkehrung der Aussagen. 6. Bei der ersten Figur gibt es, wenn die den terminusmajorenthaltende Aussage positiv ist, gleichgültig ob partiell oder generell, und die den 20 terminus minor enthaltende generell negativ ist, direkt keinen Schluß über das Verhältnis des terminus major zum terminus minor; dagegen gibt es einen einwandfreien Schluß, der den terminus minor vom ter26 minus major prädiziert, und zwar nach Umkehrung der Aussagen nach dem vierten modus dieser Figur, welcher aus einer generell negativen Aussage und einer partiell positiven eine partiell negative Konklusion zieht. 7. In der zweiten und dritten Figur geschieht dagegen dergleichen durch Umkehrung der Aussagen nicht, es geschieht ja nur in der ersten Figur 5 bei dem ersten, zweiten und dritten modus durch Umkehrung der Konklusion. Die ersten beiden modi der zweiten Figur gehen bei Umkehrung der Konklusion ineinander über, in der dritten Figur der dritte und vierte. 10 Mitumfaßt werden die partikulären, ebenso wie bei den ersten beiden modi der ersten und zweiten Figur, so auch hier.
XII
1. Diese Schlüsse heißen wie gesagt (VII 9) kategorisch, und sie können in nicht mehr als den genannten drei Figuren gelten und in keiner anderen Anzahl in jeder einzelnen Figur. Dies wurde ja gezeigt in meinem Buch "Aufzeichnungen über den Beweis". Wir verwenden sie in denjenigen Beweisen, die Quantität, Qualität, Position oder irgendeine andere Kategorie eines Wesens untersuchen. 20 2. Wenn man nämlich die Frage behandelt, ob Eratosthenes richtig aufzeigte, daß der größte Kreis auf der Erde 25 2 000 Stadien beträgt, dann
15
Übersetzung, XII 3-8
15
behandelt man die Frage nach der Kreisgröße, -länge, -quantität, oder 27 wie immer man es nennen will. Entsprechend verhält es sich, welln man die Frage behandelt, wieviel Stadien jeder der beiden Wendekreise auf der Erde mißt, ferner wie weit in jedem Lande der sogenannte nördliche 5 und südliche Polarkreis entfernt ist und wie viele Grade für ein jedes Land der Breitenwinkel vom Nordpol aus gerechnet beträgt. 3. Auch die Größe der Sonne, des Mondes und ihrer Abstände ist von den Astronomen untersucht und aufgezeigt worden, ebenso das Ausmaß 10 der Finsternisse, wenn sie nicht total sondern halb, drittel oder zu irgendeinem anderen Teil partiell sind. Ferner hat man die Länge der Tage in jedem Lande untersucht und gefunden, sowie auch das übrige oben Gesagte. 4. Man ist sich darüber einig, daß von den verschiedenen Arten von 15 Wasser- und Sonnenuhren die Länge jedes Tages im ganzen Jahr gefunden wurde, daß aber von den Beobachtungen bei den Finsternissen Größe und der von uns aus gerechnete Abstand der Sonne, des Mondes und 20 dergleichen mehr gewonnen wurden. Wir untersuchen nun, welches die Methoden sind, die die Größe der genannten Dinge ermitteln und beweisen. Diese beruhen hauptsächlich auf den kategorischen Schlüssen 28 der erstenFigur, denn mankann ja sogardienegativenFeststellungen über jeden der Untersuchungsgegenstände, die sie generell machen, alle als solche finden, die von ihnen (scil. den Schlüssel der ersten Figur) mit Worten und durch Zeichnung dargestellt werden. 5 5. Da sie (scil. die allgemeinen kategorischen Aussagen) aber sehr wohl unter das "Mehr und Weniger" fallen können, wird das gegenüber dem Generellsten Mindere partiell ausgesagt. Darum erscheinen akzidentell einige Feststellungen und Beweise partiell. Zu der Feststellung und dem Beweis über jedes Dreieck, daß seine Winkelsumme gleich zwei Rechten 10 ist, gehört dann die partielle Aussage, die besagt, daß nicht jedes Dreieck, sondern einige Dreiecke gleiche Basiswinkel haben. 6. Was so ausgesprochen ist, das bietet noch keine· definitive wissenschaftliche FeststeJ.lung oder Lehrsatz, so aber ist es eine wissenschaftliche und generelle: Jedes gleichschenklige Dreieck hat gleiche Basis- 15 winke!. 7. Gebräuchliche Ausdrucksweise ist bei den Griechen sowohl die, die das Generelle durch Hinzusatzung des Quanti:fikators anzeigt, als auch die, bei der dieser fehlt. Man kann nämlich folgendermaßen sagen: "Jedes 20 gleichschenklige Dreieck hat gleiche Basiswinkel" und auch "Die gleichschenkligen Dreiecke haben gleiche Basiswinkel". 8. Auch im Singular pflegen die Griechen dies zu erklären, und es macht keinen Unterschied, ob sie sagen, daß die gleichschenkligen Drei- 29 ecke gleiche Basiswinkel haben, oder daß das gleichschenklige Dreieck usw. Denn im Hinblick auf die Art treffen sie mit Recht die Fest-
Übersetzung, XII 9-XIII 4
16
stellung, daß etwas gleichsam einem zukommt, weil es allen einzelnen Elemellten der Art zukommt. Als Art ist es nämlich eins. 9. 'Als Art' sage ich, weil das zahlenmäßig Eine in Wirklichkeit so vieles ist, wie es Einzelkörper gibt, denen es (scil. als Form) zukommt. Ein Merkmal hat ja eben diese Art, auf das hinblickend die Menschen 10 sagen, daß der (1) ein hinterlistiges Tier ist, der Adler Flügel hat, der Bär wild ist. 5
XIII
1. Derjenige Schluß, der den wissenschaftlichen Beweisen am meisten angemessen ist, ist der erste modus der ersten Figur. Für ihn haben die 15 Griechen zwei sprachliche Ausdrucksweisen, erstens wie eben gesagt: "Der Mensch ist ein Lebewesen Das Lebewesen ist eine Substanz Der Mensch ist eine Substanz." Zweitens: "Jeder Mensch ist ein Lebewesen Jedes Lebewesen ist eine Substanz Jeder Mensch ist eine Substanz!" 2. Es folgt der zweite modus der ersten Figur, in der zweiten Figur dagegen sind nur die ersten beiden modi gelegentlich für Beweise von Nutzen, weil sie unter negativen je eine generell positive Aussage enthalten. 3. Auch der dritte modus der ersten Figur ist manchmal, wie kurz zuvor 80 (XII 5) gesagt wurde, für Feststellungen .von Nutzen, z. B. wenn mindestens ein Dreieck gleichschenklig ist, außerdem aber - es ist nämlich bewiesen - das gleichschenklige Dreieck gleiche Basiswinkel hat, dann wird hieraus gefolgert werden, daß mindestens ein Dreieck gleiche Basiswinkel hat. 5 4. Es gibt aber auch in der dritten Figur Syllogismen, wie oben gesagt (X 1.3.4), die ein partiell positives Urteil beweisen. Es wird aber zuweilen auch etwas partiell Negatives in allen drei Figuren bewiesen, z. B.: 20
"Alles Gute ist erstrebenswert Die unzüchtige Lust ist nicht erstrebenswert Also ist die unzüchtige Lust kein Gutes".
Übersetzung, XIII 5-12
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5. Bei dieser Ausdrucksweise wird die auf eine species abgegrenzte Lust 10 zum Beweis herangezogen, bei folgendem ist sie weniger eingeschränkt: "Alles Gute ist erstrebenswert Mindestens eine Lust ist nicht erstrebenswert Mindestens eine Lust ist also nicht gut." Auch bei folgender Ausdrucksweise ist die Feststellung weniger ein- 15 geschränkt: "Alles Gute ist erstrebenswert Nicht jede Lust ist erstrebenswert Also ist nicht jede Lust gut." 6. Es ist klar, daß durch einen solchen Beweis nicht die mathematische Größe, wie bei den vorhergenannten, sondern nur die Qualität des Gegen- 20 staudes bewiesen werden kann. Denn was auch immer die Lust ist, ob gut, schlecht oder indifferent, die Fragestellung liegt in der Kategorie der Qualität, so wie der Satz, daß die gleichschenkligen Dreiecke gleiche Basiswinkel haben, in der Kategorie der Relation steht. 7. Wer dagegen zeigt, daß die Erde in der Mitte der Welt angeordnet 81 ist, der stellt seine Betrachtung in der Kategorie des "Wo" an, entsprechend stellt, wer. beweist, daß Hippakrates und Demokrit nicht zur gleichen Zeit lebten, seinen Beweis in der Kategorie des "Wann" auf. 8. Wer aberdieFrage aufwirft, ob dieErde kugelförmig ist, stellt seine 5 Betrachtung in der Kategorie der Qualität an, so wie z. B., wer feststellt, ob sie kugelförmig ist, eine Qualität der Erde feststellt. 9. In der Kategorie des Tuns und Leidens liegen die Kausalitätsuntersuchungen, z. B. in der Medizin: "Welche Ursache haben Stimme, 10 Atmung, Ernährung, Verdauung1", in der Philosophie: "Erdbeben, die verschiedenen Arten von Gewittern". 10. In der Kategorie des Habens wird die Frage gestellt, wer der Reiche ist, wer der Arme, wer der Wohlhabende und wer der Bettler. 11. Wer darüber hinaus untersucht, wie jemand ein Kleid webt, ein Netz 15 knüpft, einen Korb oder ein Bettgestell flicht, der fragt nach der Zusammensetzung, die von Aristoteles bei seiner Aufzählung der zehn Kategorien ausgelassen wurde, wie ich in meinem Kommentar zu dem betreffenden Buch gezeigt habe. 12. Denn, was er "Lage" zu nennen pflegt, ist eine andere Kategorie, 20 z. B. das Liegen, das Sitzen. Er sagt nämlich, daß in der Kategorie der Lage das ausgedrückt wird, was als Anordnung (bzw. Haltung) der Teile des Körpers bezeichnet wird, die nach deren Verhalten zueinander zustande kommt; nach dieser Kategorie wird von Hippokrates untersucht, welche Haltung die beste ist für ein gebrochenes Bein oder Arm und ebenso 82 für jedes andere Glied. Ähnliche Fragen stellen sich auch Ärzte, die bei 2 ll!au: Galon, Einführung in die Logik
18
Übersetzung, XIV 1-6
Gewalttaten und Unfällen chirurgische Eingriffe vornehmen, Blutungen stillen oder dergleichen Behandlungen vornehmen, nämlich welches die beste Haltung ist.
XIV 1. Die wichtigste und erste Kategorie bei allen Fragestellungen nach etwas, das nicht sinnlich in Erscheinung tritt, die der Existenz oder der Substanz, fragt nach dem Sein oder Nicht-Sein; in ihr werden z. B. folgende Probleme behandelt, etwa ob es die Prädestination gibt, ob es die 10 Vorsehung gibt, ob es Götter gibt, ob es Vakuum gibt. 2. Bei diesen Problemen bedienen wir uns vorwiegend der hypothetischen Aussagen, die die .Alten in konditionale und alternative einteilten. Die konditionalen nennen die Stoiker aber 'implikative Urteile', die alter15 nativen 'disjunktive', sie sind sich darüber einig, daß mit dem implikativen Urteil zwei Schlüsse gebildet werden können und zwei mit dem disjunktiven. 3. Daß aber aus der negierten Konjunktion auch nicht ein beweis20 kräftiger Schluß gebildet werden kann, wie es auch keinen 6., 7., 8., 9. oder sonst einen, wie jene behaupten, Schluß gibt, wurde an anderer Stelle bewiesen; nun aber ist unser Thema, nur die brauchbaren zu behandeln, die Eliminierung überflüssig aufgestellter dagegen fortzulassen. 4. Während nun die Anhänger des Chrysipp denjenigen für den dritten 88 Anapodeiktos halten, welcher aus einer negierten Konjunktion und der Bejahung eines ihrer Glieder auf das kontradiktorische Gegenteil des andern schließt - z. B. bei solchen: "Nicht ist Dion in Athen und auf dem Isthmos" -,haben wir gezeigt, daß diese überall in der Praxis bis 5 hinein in die Gerichtsverfahren für viele Beweise nützlich ist. 5. Da aber die einander ausschließenden Tatbestände und Sätze teils sich durchaus und vollkommen ausschließen und weder zugleich wahr noch zugleich falsch sein können, bei einem anderen Teil dies nur zur 10 Hälfte gilt, daß sie nämlich zwar nicht zugleich wahr sein, wohl aber zugleich falsch sein können, darum habe ich verlangt, daß man die einander vollkommen ausschließenden Disjunktionen nennt, die einander unvollständig ausschließenden dagegen einfach (scil. 'einander ausschließende') oder mit dem Zusatz 'unvollständig'. 15 6. Bei diesen Tatbeständen ist der genannte Schluß brauchbar, wobei er zwar die gleiche Ausdrucksweise verwendet wie Chrysipp, nicht aber auf der Konjunktion, sondern auf den einander ausschließenden (soil. 5
Übersetzung, XIV 7-XV 1
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Sachverhalten) beruht. Darin bestehen mannigfaltige Unterschiede bei dem konjunktiven Urteil. 7. Es gibt nämlich drei Arten von (scil. verknüpften) Sachverhalten: 20 erstens das gegenseitige Ausschließen bei niemals zugleich wahrseienden, zweitens die Konsequenz bei solchen, die immer zusammen wahr sind, drittens das bald zugleich Wahr-Sein, bald nicht, von solchen, die weder in notwendiger Konsequenz zueinander noch im gegenseitigen Aus- 84 schließen stehen. Diese bilden das konjunktive Urteil. Zu Letzteren gehört: "Dion spaziert, und Theon disputiert". Natürlich wird auch seine Negation genauso sein. "Nicht: Dion spaziert und Theon disputiert". 8. DieAssumption aber lautet "Indessen: Dion spaziert", ferner: "In- 5 dessen: Theon disputiert". Die Konklusion lautet bei der einen Assumption "Also: Theon disputiert nicht", bei der andern "Also: Dion spaziert nicht". Für einen Schluß aber ist, wie gezeigt, ein solcher Stoff völlig unbrauchbar. 10 9. Dies ist nun wohl in Anbetracht der Kürze, die wir uns vorgenommen hatten, um der Deutlichkeit willen nun doch etwas breiter als notwendig ausgeführt worden. Kommen wir aber wieder auf das Hauptthema zurück, als ob wir noch kein Beispiel angeführt hätten. 10. Die aus hypothetischen Aussagen bestehenden Schlüsse nämlich kommen durch fibergang von einem Tatbestand auf einen andern zu- 15 stande, und zwar durch unvollständige oder vollkommene Konsequenz bzw. Einander-Ausschließen. Eine weitere, dritte Gattung des Übergangs von einem zum andern, die für einen Beweis brauchbar wäre, gibt es nicht. . 11. Es wird somit zwei Schlüsse aus der vollkommenen Konsequenz, 20 ebenso zwei weitere aus dem vollkommenen Einander-Ausschließen geben, und es sollen heißen: die aus der Konsequenz der erste und zweite. die aus dem Einander-Ausschließen der vierte und fünfte, nachdem Chrysipp es so festgesetzt hat. Der dritte aber ist der Ausdrucksweise nach derselbe wie bei Chrysipp, der Natur des Behaupteten nach aber nicht 25 derselbe. Denn nicht, wie er glaubte, bildet er (scil. der dritte Anapodeik- 85 tos) sich aus einer negativen Konjunktion, sondern aus einem unvollständigen Einander-Ausschließen, wobei er nur eine positive Assumption hat; nicht wie die aus der vollkommenen Konsequenz oder dem vollkommenen Einander-Ausschließen zwei.
XV 1. Da es aber bei den sogenannten quasi-Disjunktionen auch eine voll- 5 ständige und unvollständige Konsequenz gibt, wird es auch bei diesen 3
20
Übersetzung. XV 2-8
Urteilen zwei Schlüsse geben. Erstens folgenden: "Wenn die Weiterleitung der Nahrung aus dem Magen an den ganzen Körper behauptet wird, dann geschieht das entweder durch spontane Bewegung der Speisen 10 selbst oder dadurch, daß sie vom Magen befördert werden, oder dadurch, daß die Körperteile sie anziehen, oder daß sie von den Körperkanälen zugeführt werden." 2. Es soll eingeräumt werden, daß auch alles zugleich der Fall sein kann, denn das ist möglich, und gerade dadurch unterscheidet sich diese quasi-Disjunktion von der Disjunktion. Bei letzterer muß nämlich eins 15 unbedingt der Fall sein, von den andern keins, bei ersterer dagegen ist unbedingt eins wahr, es kann aber auch von den andern sowohl irgendeins als auch alle zugleich wahr sein. 3. Die Assumptionen zu diesen Urteilen sind durchweg negativ, und zwar einerseits die Negationen eines oder nur zweier Glieder, z. B. eines 20 Gliedes: "Die Weiterleitung der Nahrung aus dem Magen in den ganzen 86 Körper geschieht entweder dadurch, daß der Magen sie herausdrückt, oder daß die Kanäle sie weiterführen, oder daß die Körperteile sie an sich ziehen, oder daß sich die Nahrung spontan bewegt. Nun drückt sie aber der Magen nicht heraus. Also geschieht die Weiterleitung entweder dadurch, daß die Kanäle sie weiterführen, oder daß die Körperteile sie an 5 sich ziehen, oder daß sich die Nahrung spontan bewegt." 4. Natürlich wird auch diese Konklusion eine quasi-Disjunktion aus drei Gliedern sein, auch wenn irgendein anderes Glied, entsprechend unserem Beispiel "Der Magen (scil. drückt sie heraus)" verneint wird. Die übrigen drei Glieder bilden nämlich die zu einer quasi-Disjunktion zusammengesetzte Konklusion. 10 5. Eine andere Assumption wird die sein, bei der wir behaupten, daß weder der Magen sie befördert, noch die Kanäle sie weiterleiten, noch die Nahrung sich spontan bewegt, oder sonst irgendwie die Negationen von Gliedern assumieren. Es ist nämlich auf mehrfache Weise möglich. 15 6. Und bei Verneinung vondreienist klar, daß das vierte erschlossen wird, und zwar bejahend und bestimmt, denn bei Assumption von bis zu einem oder zwei von den vier Disjunktionsgliedern wird die Konklusion eine quasi-Disjunktion sein. 7. Man wird aber meinen, daß ein solcher Schluß (eigentlich: Eine solche Satzverknüpfung bzw. Sachverhaltsrelation) logisch dasselbe ist 20 wie: "Wenn die Nahrung aus dem Magen in den ganzen Körper weitergeleitet wird, dann geschieht das entweder durch spontane Bewegung der Nahrung oder dadurch, daß der Magen sie befördert, oder daß sie von den Körperteilen angezogen wird, oder daß sie von den Körperkanälen zugeführt wird". Es ist aber nicht derselbe. 8. Vielmehr hat dieser Schluß (eigentlich: Satzverknüpfung) logisch 87 dieselbe Eigenschaft wie der erste Anapodeiktos, bei dem der Vordersatz hypothetisch behauptet, daß die Nahrung weitergeleitet wird, und bei
Übersetzung, XV 9-XVI 1
21
dem als Nachsatz die Aufzählung erscheint, und es macht keinen Unterschied, ob die Schlußfolgerung ein disjunkter Tatsachenbestand ist, oder ein quasi-disjunkter. Nach der einen Formel hat der erste hypothetische 5 Schluß folgende Form: "Wenn das Erste, dann das Zweite oder das Dritte oder das Vierte oder das Fünfte". Dann die Assumption: "Nun aber das Erste". Ergo: "Entweder das Zweite oder Dritte oder Vierte oder Fünfte". Die andere Assumption, nach der zweiten Formel der 10 Anapodeiktoi, ist diese: "Nun aber weder das Zweite noch das Dritte noch das Vierte noch das Fünfte. Ergo: Nicht das Erste". 9. Der kurz vorher angeführte Schluß dagegen entsteht auf Grund der quasi-Disjunktion, er nimmt zu der als zugestanden geltenden quasi- 15 Disjunktion die Assumption hinzu, als ob das Folgende eine (scil. vollständige1) Disjunktion wäre: "Entweder verteilen sich die Speisen spontan oder sie werden vom Magen weiterbefördert, oder sie werden von den Körperkanälen zugeleitet oder von den Körperteilen angezogen". Die auf der Disjunktion beruhenden Syllogismen aber haben zweiAssump- 20 tionen, und zwar entweder die Verneinung irgendeines Gliedes oder die 38 aller außer einem. 10. Daß solche Schlüsse beweiskräftig sind, beweist Plato im Alcibiades, wo er praktisch den zweiten hypothetischen Schluß anwendet und sagt: "Wenn Alcibiades um das Gerechte weiß, dann hat er es entweder von einem andern gelernt oder hat es selbst gefunden", dann, nachdem er 5 gezeigt hat, daß jener es weder von einem andern gelernt hat noch es selbst gefunden hat, zieht er den Schluß, daß Alcibiades um das Gerechte nicht weiß. 11. Auf Grund der bloßen quasi-Disjunktion da:gegen würde das Argument so lauten: "Alcibiades weiß um das Gerechte entweder aus dem Unterricht oder weil er es selbst entdeckte. Er weiß es aber nicht aus dem 10 Unterricht, also weiß er es, weil er es selbst fand.
XVI 1. Es gibt auch eine andere, dritte Art von Schlüssen, die für Beweise brauchbar ist und die ich 'die nach der Relation' nenne. Die Aristoteliker reihen diese gewaltsam unter die kategorischen ein. Sie werden häufig 15 verwendet von den Skeptikern und den Vertretern der reinen und angewandten Mathematik bei solchen Beweisen wie: Theon besitzt doppelt soviel wie Dion. Phiion aber besitzt doppelt soviel wie Theon. 'also bel!!itzt Phiion viermal soviel wie Dion.
20
22
Übersetzung, XVI 2-10
2. Bei Umkehrung des Ausdrucks wird der Beweis äquivalent so lauten: Dion besitzt halb soviel wie Theon. Aber Theon besitzt halb soviel wie Philon. Also besitzt Dion den vierten Teil der Habe Philons. 3. Ebenso wird auch bei jeder andern vielfachen Proportion der Schluß beweiskräftig geführt. Wäre nämlich diese Zahl dreimal so groß wie jene, eine andere aber wieder dreimal so groß, dann wäre die größere Zahl 5 neunmal so groß wie die kleinere, und bei Umkehrung wieder betrüge die kleinere Zahl ein Neuntel der größeren. 4. Ebenso verhält es sich auch bei den Additionen und Subtraktionen. Wenn nämlich die erste Zahl gleich der zweiten ist, zu jeder von beiden aber eine gleich große andere addiert wird, dann werden auch beide 10 Summen einander gleich sein. Ferner, wenn von zwei gleichen zwei gleiche subtrahiert werden, werden auch die Differenzen einander gleich sein. 5. Sehr häufig sind, wie gesagt, diese Schlüsse in der reinen und augewandten Mathematik; allen diesen Schlüssen gemeinsam ist ja, daß sie 15 auf Grund gewisser Axiome zustande kommen ... 6. Wenn nämlich gegeben ist das allgemeine und selbst-evidente Axiom 20 "Was demselben gleich ist, ist einander gleich", dann kann man schließen und beweisen, wie Euklid es in der ersten Aufgabe tat, wo er beweist, 40 daß die Seiten des (scil. konstruierten) Dreiecks gleich sind. Da nämlich demselben Gleiches auch einander gleich ist, jedoch bewiesen wurde, daß sowohl das Erste als auch das Zweite beide dem Seiben gleich sind, darum dürfte dem Zweiten das Erste gleich sein. · 7. Ferner: Gegeben sei dies selbst-evidente Axiom: ,, Wenn zu Gleichem 5 Gleiches addiert wird, werden die Summen gleich sein". Wenn nun zu dem einander zugestandenermaßen gleichen Ersten und Zweiten etwas Gleiches addiert wird, dann wird die eine Summe der andern gleich sein. So sagen wir z. B.: "Da das Erste dem Zweiten gleich ist, dem Ersten aber das Dritte und dem Zweiten das Vierte zugefügt ist, wobei das 10 Dritte und das Vierte einander gleich sind, wird die eine Summe der andern gleich sein. 8. Entsprechend können wir, wenn Gleiches von Gleichem subtrahiert wird, auch sagen: "Da das Ganze dem Ganzen gleich ist, von beiden aber der gleiche Betrag subtrahiert wird, wird auch die eine Differenz der andern gleich sein. 15 9. So wird auch, was doppelt so groß wie ein doppelt so großes ist, viermal so groß sein. Wenn also das Doppelte von irgendetwas anderm genommen wird und davon wieder das Doppelte, dann wird dieses Dritte viermal so groß wie das Erste sein. 10. .Ähnlich wie bei allem andern beruht die Geltung der apodiktischen 20 Schlüsse auf einem implikativen Urteil, und zwar bei Zahlen und bei andern Tatbeständen in der Kategorie der Relation, denn auch hier wird 89
Übersetzung, XVI 11-XVII 2
23
der Schluß auf einem der Axiome beruhen, wie z. B.: "Wenn Sophronis- 41 cus der Vater des Socrates ist, dann ist Socrates der Sohn des Sophroniscus". Ferner: "Wenn Socrates der Sohn des Sophroniscus ist, dann ist Sophroniscus der Vater des Socrates". 11. Klar sind die Assumptionen zu den genannten Aussagen: Hypothetisch wird letzterer Schluß folgendermaßen lauten: "Wenn Socrates 5 der Sohn des Sophroniscus ist, ist Sophroniscus der Vater des Socrates. Nun ist aber Socrates der Sohn des Sophroniscus. Also ist Sophroniscus der Vater des Socrates". Gewaltsamer wird die Bildung des Schlusses sein, wenn er auf kategorischen Prämissen errichtet wird, wobei natürlich 10 wieder ein generelles Urteil die eine Prämisse bildet: "Alle sind Söhne dessen, den sie zum Vater haben. Lamprocles hat Socrates zum Vater. Also ist Lamprocles der Sohn des Socrates". 12. So wird auch die Bildung und Beweiskraft von Schlüssen, die jede beliebige Beziehung zum Gegenstand haben, auf einem generellen Urteil 15 beruhen. Zum Beispiel bei den Schlüssen der Intensität. Es ist klar, daß auch diese zur Kategorie der Relation gehören. Die Beispiele dafür, in denen das Wort 'mehr' selbst vorkommt, sind in meinen Studien darüber angeführt; auch ohne das Wort 'mehr' werden diese Schlüsse gesprochen, 20 doch enthalten sie es dann sinngemäß. Zum Beispiel: "Die Vollkommen- 42 heit des Stärkeren ist erstrebenswerter. Die Seele ist stärker als der Körper. Die Vollkommenheit der Seele ist also erstrebenswerter als die des Körpers". 13. Ähnlich gehört zu diesen auch folgender Schluß: "Die Güte des Stärkeren ist erstrebenswerter. Die Seele ist stärker als der Körper. Die Güte der Seele ist also erstrebenswerter als die des Körpers". 5
XVII I. Die Gültigkeit fast aller Schlüsse beruht auf der "Überzeugungskraft der ihnen zugeordneten generellen Urteile, was ich weder in meinen Studien "Über den Beweis" noch in "Über die Zahl der Schlüsse" nieder- 10 geschrieben habe, weil ich erst später auf diesen Gedanken gekommen bin. 2. Zwar kannten wir nun die Schlüsse auf die Relation auch aus jenen Abhandlungen, denn dort haben wir die Art und Weise ihres Zustandekommans und ihrer "Oberzeugungskraft gefunden. Welche apodiktischen Syllogismen aber alle auf Grund der Überzeugungskraft der generellen 15 Urteile apodiktisch sind, kann man mit größerer Evidenz erkennen, wenn man alle irgendwie abhängigen derartigen Schlüsse ins Auge faßt.
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Übersetzung XVII 3-9
Etwa folgender: "Du sagst, es sei Tag. Du sprichst aber die Wahrheit. Also ist Tag". 20 3. Auch dieser Schluß ist apodiktisch, weil auch ihm das generelle 48wahre Urteil zugrunde liegt: "Es liegt wirklich vor, was jemand wahrheitsgemäß aussagt". Der 'Jemand', z. B. Theon, aber sagt: "Es ist Tag". Also ist es tatsächlich Tag. Das läßt sich in deutlicherer Ausdrucks5 weise auch so sagen: "Also ist Tag". 4. Wer nämlich sagt: 'Dieses ist', sagt dasselbe wie, wer dies für eines von den (scil. wirklich) Seienden erklärt, so wie jemand, der sagt: 'Dies existiert', dasselbe sagt, wie der, der erklärt, daß dies ist. Ja, sogar wer sagt, daß Tag ist, sagt dasselbe, wie wer sagt, es sei wahr, daß Tag ist. 10 5. Darum mußt du auch geüb"l; sein in der Kunde von den äquivalenten Aussagen. Zuweilen kann man jedenfalls Sätze sehen, die sich voneinander unterscheiden und doch sinngemäß dasselbe sagen, zuweilen aber nicht nur sinngemäß, sondern ganz klar (scil. dasselbe) besagen.... 15 6. Oft aber erhebt sich bei solchen Sätzen noch die Frage nach dem, was sie bedeuten, da manche sagen, daß Wortlaut in Ermangelung eigener mehrere Bedeutungen bedeutet, nicht wenige dagegen den Sinn des Wortlauts überhaupt verfehlen, wobei er doch oft völlig klar ist und allen 20 Griechen bekannt, wie wir am Beispiel des Wortes 'die Wahrheit sagen' 44 zeigten. Alle Griechen sagen nämlich, daß wer Seiendes und Geschehenes so erklärt, wie es sich verhält oder geschah, die Wahrheit spricht, entsprechend wer von nicht Seiendem sagt, es sei, und von Seiendem, es sei nicht, die Unwahrheit sagt. 7. Wer irgendetwas schließt oder beweist, muß seine Aufmerksamkeit 5 zuerst und vor allem auf zweierlei richten, nämlich er muß die Bedeutung des Wortlauts heraushören nach dem Sprachgebrauch der Griechen; ferner muß er heraushören, ob die (hinzu-)genom:inene Prämisse als einem generellen Urteil untergeordnet durch dieses selbst überzeugend ist oder 10 durch etwas anderes. - Das meiste nämlich, was die Menschen schließen und beweisen, wird kraft eines Axioms ausgesagt, wobei wir uns der Bedeutung des Wortes 'Axiom' erinnern; wir nahmen uns nämlich vor, in dem vorliegenden Lehrbuch einen selbstevidenten Satz so zu nennen. 15 8. Oft hat dieser Satz etwas mit der 'Bedeutung' gemein, z. B. den soeben vorgebrachten Beweis, den ich 'den aus dem Definierten' nannte, würde man genauer so formulieren: 'Dion sagt immer die Wahrheit, er 20 sagt aber auch, daß es Mantik gibt, also gibt es Mantik', denn wenn Dion immer die Wahrheit sagt, ist klar, daß er auch mit der Aussage, daß es Mantik gibt, die Wahrheit sagt, wenn es aber wahr ist, daß es Mantik gibt, dann gibt es Mantik. 9. In diesem Beweis nämlich ist die Tatsache, daß aus dem Wortlaut 25 die Bedeutung 'Satz, der das Seiende erklärt' genommen wird, eine Aus45legung der dem Wort 'Wahrheit' zukommenden Bedeutung. Der Satz 'Dion sagt immer die Wahrheit' steht an Stelle des allgemeinen Axioms.
Übersetzung, XVIII 1-5
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Der Schluß läuft dann so: Wenn Dion stets die Wahrheit sagt, eins von dem, was er sagt, aber dies ist, daß es Mantik gibt, dann ist auch dies w~
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XVIII 1. Und hierüber wird für jetzt das Gesagte genügen. Kommen wir somit auf etwas folgender Art: Da in der Gattung der Relationsschlüsse so wie die der Intensität auch noch die des 'ebenso' und des 'analog' ent- 10 halten sind, ist zu untersuchen, ob auch deren Überzeugungskraft auf gewissen generellen Urteilen beruht. Es soll aber keinen Unterschied ausmachen, ob wir 'ebenso' sagen oder 'gleich' oder 'ä.hnlich'. 2. Ein solcher Beweis ist auch folgender, den Plato im Staat gebraucht: Sokrates behauptet nämlich, daß, wie der Staat entsteht und gerecht ge- 15 nannt wird, so entstehe und werde gerecht genannt auch die Seele, ebenso aber werde auch von Tat, Gesetz und was sonst noch 'gerecht' genannt wird, im seihen E!inne gesprochen. 3. Die Art 'Gerechtigkeit' nämlich, nach der jedes ei.Iizelne 'gerecht' genannt wird, ist ein und dieselbe in allen Einzelfä.llen. Wenn aber in 20 einigen (Subjekten) dasselbe ist, auf Grund dessen ein einzelnes klar bezeichnet wird, dann wird es a;uch auf die anderen Einzelfälle übertragbar sein, wobei wir nicht mit gleicher Deutlichkeit dieselbe Art bei 46 allen erscheinen sehen, sondern bei den einen deutlicher, bei den andern weniger _deutlich. 4. Und darum übt Plato die mit ihm disputierenden jungen Männer zuerst in der Unterredung über den gerechten Staat, geht dann auf die 5 Seele über und zeigt, daß auch sie in der gleichen Weise als gerecht bezeichnet wird wie der Staat. Der Schluß ist aber folgender: 'Gleichermaßen werden Staat und Seele als gerecht bezeichnet und sind es tatsächlich. Der Staat aber wird als gerecht bezeichnet auf Grund des ihnen zukommenden Handeins seiner Teile. Also wird auch die Seele auf Grund 10 desselben als gerecht bezeichnet werden'. ö. Weil aber nach dem Analogieschluß (s. zu § 1) bei den Arithmetikern und Geometern sehr Vieles bewiesen wird, und es wohl von Natur allen Menschen völlig klar sein dürfte, daß, was so bewiesen ist, überzeugend sei, darum habe auch ich in den Abhandlungen über die 15 Schlüsse über diesen Schluß geschrieben. Folgendes Beispiel möge auch den in Arithmetik und Geometrie Unerfahrenen eine Vorstellung geben: 'Wie sich A zu B verhält, so verhält sich C zu D. A aber ist doppelt so groß wie B. Also ist C doppelt so groß wie D'. 20
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Übersetzung, XVIII 6-XIX 4
6. Ein generelles Urteil aber liegt auch diesen Beweisen zugrunde und wird von allen geglaubt, es ist dies: 'Was allgemein im gleichen Verhältnis 47 steht, steht auch im einzelnen im gleichen Verhältnis'. Somit wird, wer voraussetzt, daß A zu B im seihen Verhältnis steht wie C zu D, das Verhältnis von A zu B aber wie zwei zu eins ist, nicht leugnen, daß auch das Verhältnis von C zu D wie zwei zu eins ist. Ebenso auch wenn das Ver5 hältnie von A zu B wie drei zu eins ist, wird er sagen, daß das von C zu D wie drei zu eins ist, oder wenn es wie vier zu eins ist, oder wenn es wie fünf zu eins ist oder sich A zu B in sonst irgendeinem Verhältnis befindet, dann wird offenbar auch C zu D im Verhältnis vier zu eins bzw. fünf zu eins stehen. 7. Wenn nämlich generell das gleiche Verhältnis von A zu Bund von C 10 zu D vorliegt, dann werden auch die einzelnen Verhältnisse die gleichen sein. Eins der Einzelverhältnisse aber war das von 5 zu l, also besteht das gleiche Verhältnis von C zu D. 8. Alle diese Schlüsse gehören der Gattung nach zu denen der Relation, 15 der Art nach beruhen sie auf dem jeweiligen Axiom. Darum sagt Posidonius, er nenne sie die auf Grund des Axioms schlüssigen'.
XIX 1. Weil die Peripatetiker in ihren Schriften auch die sogenannten Assumptionsschlüsse als brauchbar bezeichnet haben - ich halte sie für überflüssig, wie ich in meiner Abhandlung 'Über den Beweis' zeigte -, dürfte es am Platze sein, auch über sie zu sprechen. 48 2. Wieviele und welche es sind, brauche ich hier nicht ausführlich darzustellen, da ich ja sie in jenen Studien erschöpfend besprochen habe. Welcher Art sie dagegen sind, soll mit zwei Beispielen gesagt werden. 3. Die eine Art ist folgende: 'Wovon dies, auch dies. Von diesem aber 5 dies, also von diesem auch dies'. Bei Einsetzung (scil. bestimmter) Substantive lautet er so: 'Wovon Baum, davon Pflanze. Baum aber von Platane, also auch Pflanze von Platane'. Man muß bei dem Wortlaut des Beweises natürlich gewissermaßen mithören das 'wird prädiziert' oder 'wird 10 gesagt', so daß der vollständige Beweis so lautet: 'Wovon Baum prädiziert wird, davon wird Pflanze prädiziert. Baum aber wird von der Platane prädiziert, also wird auch Pflanze von der Platane prädiziert werden'. 4. Eine andere Art von Assumptionsschlüssen: 'Was von diesem, auch von diesem. Dies von diesem, also auch von diesem'. Bei Einsetzung (scil. 15 bestimmter) Substantive: 'Was von Baum, auch von Platane. Pflanze aber von Baum, also auch von Platane'. 20
Übersetzung, XIX 5-6
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ö. Daß aber diese Schlüsse eine Art Kurzform der kategorischen sind und keine andere Gattung, habe ich in den genannten Studien dargelegt und brauche darum hier nicht weiter darüber zu sprechen. Bei Ein- 20 führungen in die Lehre von ihnen (scil. der Schlüsse) darf man nämlich zwar keinen von den brauchbaren auslassen, braucht die Widerlegungen der überflüssigen aber nicht auszuführen. 6. Darum brauche ich jetzt a.uch nicht nachzuweisen, daß die von Chrysipp in den drei Büchern der Syllogistik zusammengestellten Schlüsse 25 wirklich unnütz sind; ich ha.be es nämlich schon an anderer Stelle getan. 49 Ebenso ist es bei den von ihnen so genannten 'folgernden'. Es wurde nämlich gezeigt, daß a.uch von diesen einige keine selbständige Ga.ttung von Schlüssen sind, sondern nur nach der besonderen Beschaffenheit ihres Wortlauts als solche erklärt werden, in Wirklichkeit aber teils hypo- 5 thetische Schlüsse der Konsequenz, teils hypothetische Schlüsse der Alternative sind. Ferner lassen sich die. sogenannten 'hyposyllogistischen' in einem den syllogistischen äquivalenten Wortlaut aussprechen. Schließlich sind außer diesen noch über:fl.üsssig diejenigen, die sie 'unmethodisch' nennen, mit ihnen soll man schließen dürfen, wenn es überhaupt keinen methodischen Beweis (mehr) gibt.