Insel der Lotsen
Der Niedergang der Dunklen Mächte
von Detlef G. Winter
Atlan - König von Atlantis - Nr. 485
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Insel der Lotsen
Der Niedergang der Dunklen Mächte
von Detlef G. Winter
Atlan - König von Atlantis - Nr. 485
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In das Geschehen in der Schwarzen Galaxis ist Bewegung gekommen. Schwerwiegende Dinge haben sich bereits vollzogen – weitere Ereignisse von großer Bedeutung bahnen sich an. Es begann damit, daß Duuhl Larx, der verrückte Neffe, mit zwei gefange nen Magiern an Bord des Organschiffs HERGIEN durch die Schwarze Ga laxis raste und Unheil unter seinen Kollegen stiftete. Es hatte damit zu tun, daß die große Plejade zum Zentrum der Schwar zen Galaxis gebracht wurde, und nicht zuletzt auch damit, daß Atlan, der Arkonide, und Razamon, der Berserker, in ihrem Wirken gegen das Böse nicht aufsteckten. Inzwischen hat die große Plejade den Lebensring um Ritiquian aufgelöst. Der Dunkle Oheim mußte seine bisher schlimmste Niederlage einstecken, und die Neffen, die Statthalter des Dunklen Oheims, sterben aus. Der Niedergang der dunklen Mächte scheint damit besiegelt zu sein. Wenn es auch viele in den verschiedenen Bereichen der Schwarzen Gala xis noch nicht wissen können – im Zentrum bahnt sich bereits die Katastro phe an. Für die, die nun an Bord der GOL'DHOR, des magischen Raumschiffs, sind, zeigt sich dies ganz deutlich am Beispiel der INSEL DER LOTSEN …
Die Hautpersonen des Romans:
Atlan - Der Arkonide begibt sich zur Insel der Lotsen.
Koratzo, Copasallior und Zwertelis - Atlans Begleiter.
Akorn - Kommandant der XODIEN.
Keltzell - Akorns Stellvertreter.
Ystheimer - Eine Galionsfigur wird wieder frei.
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1.
Wer Kolphyr kannte, der wußte um seine Gutmütigkeit und um sein Be streben, mit allen Wesen, denen er begegnete, ein friedvolles und freund schaftliches Zusammenleben herbeizuführen. Auch Zwertelis war diese hervorstechende Charaktereigenschaft des Bera nicht lange verborgen ge blieben. Sein Besuch überraschte sie nicht. »Was ist los mit dir?« fragte der schwergewichtige Koloß, während er unschlüssig vor dem Lager des Pelzwesens stehenblieb. »Du kapselst dich von allem ab, was um dich herum vorgeht. Das ist nicht gut. Ich möchte mit dir darüber reden.« Zwertelis hob träge den Kopf und blinzelte den Besucher an. »Es gibt nichts zu reden«, sagte sie. »Ich will allein sein und meine Ru he haben, das ist alles.« »Ich denke, daß dein Verhalten etwas mit mir zu tun hat«, vermutete Kolphyr. »Ich kann es sogar verstehen, aber es rechtfertigt nicht, daß du dich aufführst, als seist du der einzige Passagier der GOL'DHOR.« »Gar nichts verstehst du!« Zwertelis richtete sich vollends auf und blickte am Körper des Dimensionsforschers hoch. »Ich bin nicht in bester Verfassung, das ist richtig, aber das hat weder mit dir noch mit sonst je mandem zu tun. Ich muß einfach ausspannen, und das kann ich nur, wenn mir nicht ständig einer auf die Füße tritt.« Kolphyr machte eine unbestimmte Handbewegung. »Du belügst dich selbst«, warf er der Denkenden vor. Zwertelis wußte, daß er recht hatte. Tatsächlich waren die Gründe für ihre depressive Stimmung andere als die, die sie als Erklärung vorschob. Der Bera hatte das erkannt. Er hatte begriffen, daß ihr ungewöhnliches Verhalten mit seinem entschlossenen Handeln in engem Zusammenhang stand – deshalb hatte er sie aufgesucht. »Vielleicht ist es so«, gab sie zu. »Aber du täuschst dich, wenn du glaubst, ich brauchte deinen Zuspruch. Du hast auch keinen Grund, dich für etwas zu entschuldigen, das keiner Entschuldigung bedarf.« »Was meinst du damit?« fragte Kolphyr. Zwertelis hob abweisend eine Pfote. »Jetzt stellst du dich dumm! Daß die große Plejade das Schiff verlassen hat und die Lebensblase zerstört wurde, ist dein Werk. Deshalb bist du doch hier …!« Die Verlegenheit des Bera war offensichtlich. Damit, daß sie ihn ihrer seits durchschauen könnte, schien er nicht gerechnet zu haben. »Die Marmorkugel und meine Absicht, mit ihr in die Lebensblase zu gelangen, war in den letzten Tagen zum eigentlichen Inhalt meiner Exi stenz geworden«, fuhr die Denkende fort. »Du glaubst, daß ich dir böse
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bin oder dich verachte, weil du mir diesen Daseinszweck genommen hast. Das ist der Grund für dein Kommen. Du wolltest dich mit mir aussöhnen oder um mein Verständnis bitten.« »So war es wohl«, räumte Kolphyr ein. »Ich weiß allerdings nicht, ob du mir verzeihen kannst.« »Ich sagte es bereits: es gibt nichts zu entschuldigen. Was du getan hast, war richtig und notwendig. Ich mache dir keinen Vorwurf. Meine eigenen Interessen durften nicht zum Selbstzweck werden.« »Du hast gehofft, mit Hilfe der großen Plejade den Lebensring zu errei chen?« hakte der Bera nach. »Yeers und Olken zu treffen?« »Ja. Ich glaube, daß mir der Kontakt mit den Körperlosen über vieles hinweggeholfen hätte.« In einer schnellen Bewegung legte sich Zwertelis bäuchlings auf ihr Lager und bettete den Kopf zwischen die Pfoten. »Doch es ist sinnlos, darüber jetzt noch nachzudenken. Die Chance ist vertan.« »Yeers und Olken sind nicht tot«, sagte Kolphyr. »Ich habe ihre Stim men gehört.« »Sie sind frei – ich weiß. Ich hatte gehofft, ihnen folgen zu können; in die Höheren Welten oder wohin auch immer.« »Wäre das eine Lösung gewesen? Du hättest als Bewußtsein ohne Kör per ein ewiges, erbärmliches Dasein fristen müssen.« Erregt hob Zwertelis den Kopf. »Und? Was tue ich jetzt?« »Du lebst!« »Ich lebe; ja!« Die Denkende sprang von ihrem Lager und lief aufgeregt umher. »Aber was ist das für ein Leben? Ich bin ein intelligenter Geist im Körper eines Tieres, ein künstliches Geschöpf, das aus den genetischen Experimenten wahnsinniger Scuddamoren entstand, ein Wesen ohne Vergangenheit und ohne Zukunft. Mein Dasein erschöpfte sich in dem Versuch, einen Sinn für alles zu finden, eine Aufgabe. Auf Cyrsic habe ich alle Energie darauf verschwendet, mögliche Nachkommen von mir zu suchen. Nachkommen, die es vermutlich nicht gibt und niemals geben wird. Dann entdeckte ich die Marmorkugel, die den Widerschein der Freiheit verströmte und deren Bestimmung es war, die Ringwelt zu erreichen. Ich machte diese Bestim mung zu meiner eigenen, setzte alle Kraft in das neue Ziel, verlor dabei gute und treue Freunde …« »Faderkyhl und Usmaender?« unterbrach Kolphyr, der den Lebensweg des Pelzwesens kannte. »Meinst du sie?« »Sie und andere. Ich hätte mit ihnen gehen können, als sie das Sternen schiff des Koordinators verließen, um auf einem bewohnbaren Planeten von vorne anzufangen. Ich habe es nicht getan, weil mir meine Aufgabe wichtiger war als alles andere. Und jetzt? Die Bestimmung der Marmorku
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gel hat sich erfüllt – ohne mich und ohne mein Zutun. Ich bin wieder das, was ich war, als ich auf Cyrsic aus der Narkose erwachte: ein grausam ma nipuliertes Versuchsobjekt, ein Geschöpf, das nicht weiß, wozu es über haupt existiert. Nennst du das Leben, Kolphyr?« Wenn der Dimensionsforscher von dem leidenschaftlichen Vortrag be eindruckt war, zeigte er es nicht. Ruhig stand er in der Mitte des Raumes und beobachtete Zwertelis, die ihre erregte Wanderung beendet hatte und ihn fragend anstarrte. Sie atmete heftig. »Kennst du Grulpfer?« fragte Kolphyr leise. »Nein«, antwortete die Denkende verwirrt. »Was ist das?« »Es ist meine Heimatwelt, ein Planet, der zwischen den Dimensionen liegt und der mein Zuhause war, bevor Pthor mich erfaßte und mit sich riß. Wie, glaubst du, ist mir zumute, wenn ich daran denke, daß ich in einer mir fremden Umgebung lebe, deren atomare Struktur der meinen so ex trem gegensätzlich ist, da ich ohne den Velst-Schleier keinen Sekunden bruchteil überleben könnte? In dieser Welt, für deren Verhältnisse mein Körper aus Antimaterie besteht, bin ich genauso fremd wie du. Auch ich habe, wenn du es so siehst, keine Zukunft und weiß nichts über den Sinn meiner Existenz. Aber ich werde mich deshalb nicht aufgeben. Ich kann denken und handeln – also lebe ich; genau wie du. Es bleibt jedem selbst überlassen, was er daraus macht.« »Immerhin hast du die Hoffnung, eines Tages in deine Heimat zurück zukehren.« »Diese Hoffnung ist so gering, daß ich sie nicht ins Auge fassen darf«, widersprach Kolphyr. »Natürlich – ich habe wenigstens eine Vergangen heit, ich weiß, woher ich komme und welchem Volk ich angehöre. Aber das macht kaum einen Unterschied. Das eigentliche Problem liegt darin, ob du bereit bist, dich selbst und deine Lebensumstände so zu akzeptieren, wie sie sind. Nachdem du lange Zeit einsam durch den Dschungel von Cyrsic gestreift bist, solltest du dich eigentlich glücklich schätzen, daß du auf der GOL'DHOR viele neue Freunde gefunden hast. Dies sind doch Be zugspersonen, mit denen du reden und dich verständigen kannst, die für dich da sind, wenn du sie brauchst, die dich auch in größter Not nicht im Stich lassen würden. Was willst du mehr?« »Ich weiß es selbst nicht«, gab Zwertelis zu, während sie ihre unruhige Wanderung wieder aufnahm. »Ich fühle mich unausgeglichen und … nutz los!« »Das redest du dir ein. Wir alle sind momentan zur Untätigkeit ver dammt und wissen nicht, wie es weitergeht. Du solltest versuchen, dir das klarzumachen und diesen Zustand nicht zu einer persönlichen Tragödie hochzustilisieren.« Sie gab einen krächzenden Laut der Erheiterung von sich.
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»Vermutlich hast du deinen Beruf verfehlt«, meinte sie. »Du hättest Seelenarzt werden sollen.« Der Bera setzte zu einer Entgegnung an, doch er kam nicht mehr dazu, sie auszusprechen. Wie erstarrt lauschte er der Stimme, die aus dem Nichts entstand und durch den Raum hallte. Es war Koratzos Stimme, und daß sich der Magier ihrer auf diese Weise bediente, verlieh seiner Botschaft höchste Bedeutung. »Der Dunkle Oheim …«, verstanden Zwertelis und Kolphyr, »… er ist verschwunden.« Scheinbar reglos schwebte das ungewöhnliche Objekt in der Nähe des Pla neten Ritiquian. Seine Außenhülle reflektierte das Licht der Sonne in gol denem Glanz und bildete damit einen extremen Gegensatz zu dem optisch beherrschenden Element dieses Sektors der Galaxis – zu dem gewaltigen schwarzen Ring, der das Zentralgestirn wie eine düstere Klammer um schlang. Kein unbeteiligter Beobachter hätte dem vergleichsweise winzigen, in sektenförmigen Gebilde die geringste Bedeutung im grausamen Spiel kos mischer Mächte beigemessen. Und doch drängte sich jetzt eine Ahnung über das ewige Gleichnis von Gut und Böse auf, an die Legende von Da vid, der seinen Gegner Goliath mit unzureichenden Mitteln bekämpfte und schließlich in die Knie zwang. Äußerlich unbedeutend und zerbrechlich, wirkte das goldene Raum schiff wie ein ruhender Pol inmitten eines durch einschneidende Ereignis se in chaotische Turbulenzen gestürzten Gebietes. Unbeeindruckt von hek tischen Flottenbewegungen, von lebhafter Funktätigkeit und zahllosen un überlegten Manövern, verharrte die GOL'DHOR in ihrer Warteposition. Seine Insassen hätten zufrieden sein können. Aus einer langen und er bitterten Auseinandersetzung waren sie, wie es schien, als Sieger hervor gegangen. Der Hort der Finsternis, Brutstätte für neue Neffen, war zerstört und würde seinen unmenschlichen Zweck niemals mehr erfüllen können. Die Lebensblase, die die Existenz der Neffen und die Zustände in der Ga laxis sicherte, hatte sich aufgelöst und die in ihr gefangenen Bewußtseine freigegeben. Der Dunkle Oheim, jener schwarze Ring um die Sonne, war von allen Verbindungen zur Außenwelt abgeschnitten. Seine unmittelbare Macht war gebrochen. Nun begann die Zeit des Wartens, doch von Zufriedenheit war unter den Passagieren der GOL'DHOR nichts zu spüren. Sie hatten einen Erfolg ver bucht – aber sie waren weit davon entfernt, in Euphorie zu verfallen. Der Dunkle Oheim hatte eine Niederlage hinnehmen müssen, aber er war si cherlich noch nicht geschlagen. Wie sollte man gegen ihn vorgehen, um ihn endgültig unschädlich zu machen? Welche Mittel standen ihm noch zur Verfügung, die er vielleicht überraschend einsetzen würde?
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Fragen, auf die es vorerst keine Antwort gab. Die Passagiere waren zur Untätigkeit verdammt, nachdem sie im Sog turbulenter Ereignisse lange keine Ruhe gefunden hatten. Die GOL'DHOR verhielt sich wieder passiv und abwartend, nachdem sie erkannt hatte, daß sie im direkten Konflikt mit dem Dunklen Oheim nicht bestehen konnte. Die Alven und andere Völker, die in diesem Sektor operierten, waren viel zu verwirrt, um an einen Angriff zu denken oder auch nur in Erwägung zu ziehen, das golde ne Schiff könnte mit der Katastrophe etwas zu tun haben. Elf Personen befanden sich jetzt an Bord – zu viel für die begrenzten Räumlichkeiten. Die ersten Versorgungsschwierigkeiten traten auf, und die drückende Enge wurde zunehmend unerträglicher. Mit jeder Stunde, die ereignislos verstrich, wurde die Stimmung schlechter, und niemand vermochte dagegen anzukämpfen. Sie warteten auf Pthor, das, wie sie er fahren hatten, bald hier eintreffen mußte. Aber noch befand sich das Wel tenfragment in einem Dimensionskorridor und war somit unerreichbar … Das war die Situation, als Koratzos magische Stimme durch das Schiff hallte und das unerhörte Ereignis verkündete. Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe. Der Dunkle Oheim war verschwunden! Atlan, der sich mit Razamon in einem kleinen, abgeteilten Raum auf hielt, sprang alarmiert auf. »Kommst du mit?« Der Berserker winkte mit einer fahrigen Geste ab. »Es wird ausreichen, wenn einer von uns sich darum kümmert.« Atlan bedachte ihn mit einem besorgten Blick. In letzter Zeit war der Freund wieder unzugänglich und gereizt geworden. Sein Verhalten beun ruhigte den Arkoniden, aber jetzt war keine Zeit, darüber nachzudenken oder ein Gespräch zu suchen. Er wandte sich ab und stürmte davon. In der Zentrale erwartete ihn Koratzo. Auch Copasallior war bereits ein getroffen. Der Weltenmagier fuchtelte mit allen sechs Armen, als Atlan den Raum betrat – für seine sonst zur Schau getragene Gelassenheit eine durchaus ungewöhnliche Gemütsregung. »Es ist wahr«, sagte er, und seine basaltenen Augen glühten vor Erre gung auf. »Der Dunkle Oheim hat sich zurückgezogen.« »Ich habe an Koratzos Beobachtung nicht gezweifelt«, gab der Arkoni de lächelnd zurück. Er stützte sich an einer Konsole ab, und blickte durch die transparenten Augenfenster nach draußen. Wirksame Filter milderten die blendende Leuchtkraft der Sonne, die vor ihnen in der Schwärze des Alls schwebte. Nichts deutete mehr auf den dunklen Ring hin, der sie bislang umschlun gen hatte. Sie war, bis auf den düsteren Kern, zu einem völlig normalen Gestirn geworden.
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»Hast du gesehen, wohin er sich gewandt hat?« fragte Atlan. »Leider nicht«, erwiderte Koratzo bedauernd. »GOL'DHOR?« »Nein.« Die Stimme des Schiffes klang gewohnt sanft. »Er hat sich be wegt, gelöst … und ist verschwunden. Mehr kann ich nicht sagen.« Inzwischen hatten sich, bis auf Zwertelis und Razamon, die übrigen Passagiere ebenfalls in der kleinen Zentrale eingefunden. Sie alle wollten von hier aus mit eigenen Augen sehen, was der Stimmenmagier ihnen mit geteilt hatte. Wohin Atlan auch blickte, er sah nur verblüffte und erstaunte Gesichter. »Was hat das zu bedeuten?« fragte Querllo. »Hat er aufgegeben?« »Durchaus denkbar«, meinte Opkul. »Er hat eingesehen, daß er den Kampf verloren hat.« »Ich glaube nicht daran«, mischte sich der Arkonide ein. »Wahrscheinlicher ist, daß er sich in einen entlegenen Winkel der Galaxis zurückgezogen hat, um neue Kräfte zu schöpfen und später um so härter gegen uns vorzugehen.« Ach! drang der höhnische Impuls des Extrasinns in seine Gedanken. Ist es nicht ebenso wahrscheinlich, daß der Dunkle Oheim jetzt, nachdem er den größten Teil seines Einflusses verloren hat, seiner Bestimmung erliegt und dabei ist, sich in eine Materiesenke zu verwandeln? Unwahrscheinlich, gab Atlan zurück. Es wäre zu schön, um wahr zu sein. Wenn das das einzige Argument ist, das du dagegensetzen kannst … Für die anderen unvermittelt, weil sie den wortlosen Gedankenaus tausch nicht hatten mitverfolgen können, lachte der Arkonide auf. Natür lich war die Möglichkeit, die der Logiksektor ins Auge faßte, nicht völlig auszuschließen, aber sie erschien ihm in gewisser Weise zu einfach, um sie ernsthaft in Erwägung zu ziehen. »Was werden wir jetzt tun?« fragte Koratzo. »Wie sollen wir auf die neue Entwicklung reagieren?« »Was schlägst du vor?« »Ich weiß es nicht«, bekannte der Stimmenmagier. »Hat jemand eine Idee?« wollte Atlan wissen, während er auffordernd in die Runde blickte. »Niemand? Ich leider auch nicht. Also werden wir nichts tun! Wir warten ab, bis Pthor eingetroffen ist, dann sehen wir wei ter. Allerdings sollte sich ab sofort ständig einer von uns in der Zentrale aufhalten, damit wir nicht noch mehr unangenehme Überraschungen erle ben. Wenn der Dunkle Oheim zurückschlägt, möchte ich ihm nicht gänz lich unvorbereitet entgegentreten.« Es war ein Vorschlag, keine Anordnung. Dennoch kam zustimmendes Gemurmel auf. Sie alle waren froh, daß überhaupt jemand bereit war, Ent
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scheidungen zu treffen. »Ich bleibe vorerst hier«, erbot sich Copasallior und ließ sich demon strativ auf einer Sitzgelegenheit nieder. »Vielleicht kann mich Koratzo nach einer Weile ablösen.« Atlan nickte zustimmend und verließ wortlos die Zentrale. Auch ihm machte die gegenwärtige Situation zu schaffen. Sie mußten darauf warten, daß etwas geschah, worauf sie reagieren konnten. Jede eigene Initiative würde sie keinen Schritt weiter bringen. Bevor Pthor nicht aufgetaucht war, besaßen sie keinen Ansatzpunkt zu konkretem Handeln. Immerhin gab ihm die Phase der Untätigkeit Gelegenheit, sich um Raz amon zu kümmern. Seit einiger Zeit schon bot der Berserker Anlaß zur Sorge. Etwas plagte ihn, manchmal wirkte er nervös und ungeduldig, ohne selbst sagen zu können, welches die Gründe dafür waren. Seltsamerweise trat dieser Zustand immer dann auf, wenn die Situation eigentlich die Möglichkeit der Entspannung bot. Mehrmals bereits hatte Atlan ihn darauf angesprochen, aber immer hatte ihm der Berserker durch ausweichende Antworten zu verstehen gegeben, daß er nicht darüber sprechen wollte. Das war insofern erstaunlich, als die gegenseitige Aussprache und die Hilfe bei persönlichen Problemen immer einen wichtigen Teil ihrer Freundschaft ausgemacht hatte. Langsam, weil er nicht sicher war, wie Razamon reagieren würde, wenn er das Thema erneut anschnitt, näherte sich der Arkonide ihrer gemeinsa men Unterkunft. Um den Passagieren einen Rest Individualsphäre zu ga rantieren, hatte die GOL'DHOR Trennwände errichtet und auf diese Weise kleine Kabinen geschaffen, in die sich die, die es wünschten, zurückziehen konnten. Aus mehreren Metern Entfernung bereits konnte Atlan den Durchlaß sehen, der in jene Kammer führte, die er mit Razamon teilte. Da hinter erkannte er den Freund. Der Berserker stand leicht vornübergebeugt und strich wie prüfend über sein linkes Bein. Der Zeitklumpen! analysierte der Extrasinn sofort. Etwas stimmt mit dem Zeitklumpen nicht! Des Hinweises hätte es nicht bedurft. Razamons Verhalten war eindeu tig. Das Problem, das ihn beschäftigte, mußte mit dem Zeitklumpen zu sammenhängen. Vielleicht ist er ihm abhanden gekommen. Selbst diese Möglichkeit, gab Atlan zu, war nicht auszuschließen, wenn er sich auch nicht vorstellen konnte, auf welche Art es hätte geschehen können. In diesem Moment bemerkte der Berserker seine Annäherung. Ruckar tig fuhr er hoch und starrte ihn an. »Du spionierst mir nach!« stieß er hervor. Atlan schob sich an ihm vorbei in die Kammer und setzte sich auf sein
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Schlaflager. »Du phantasierst, alter Freund«, sagte er ruhig. »Leidest du jetzt schon unter Verfolgungswahn?« »Ich leide an gar nichts!« gab Razamon barsch zurück. »Höchstens an deiner ständigen Fragerei.« Der Tonfall gefiel dem Arkoniden nicht, dennoch bemühte er sich, sachlich und gelassen zu bleiben. »Jeder, der dich kennt, kann dir ansehen, daß dich etwas quält. Es wird wohl erlaubt sein, danach zu fragen.« »Ich habe dir des öfteren beizubringen versucht«, knurrte der Berserker in verhaltenem Zorn, »daß ich nicht darüber reden möchte.« »Warum nicht?« Razamon machte eine abwehrende Geste. Seine Stimme wurde wieder eine Spur schärfer. »Lassen wir es dabei!« Atlan musterte ihn eine Weile schweigend. Reglos fast stand der Freund vor ihm, den Kopf leicht erhoben. Die ohnehin schmalen Lippen waren zu einem Strich zusammengepreßt, die dunklen Augen blickten stechend. Seine Haltung wirkte drohend, und der Arkonide wollte nicht ausschlie ßen, daß er einen seiner Anfälle bekommen könnte, wenn er ihn weiter be drängte. Nein, überlegte Atlan, trotzdem würde er jetzt nicht zurückstecken. Die Situation war günstig. Er mußte Razamon aus der Reserve locken. »Du speist mich ab wie einen Fremden«, hielt er ihm vor. »Ist dir dein Schweigen so viel wert, daß du dafür eine Freundschaft aufs Spiel setzt?« »Du führst dich auf wie mein Kindermädchen«, entgegnete Razamon heftig. »Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig!« Atlan erhob sich und trat so dicht an ihn heran, daß er seinen Atem im Gesicht spüren konnte. »Ich weiß, was dich quält«, sagte er leise. »Es ist der Zeitklumpen.« Razamons Lippen zuckten. Beinahe erschrocken trat er einen Schritt zu rück. »Es ist genug!« stieß er hervor. »Wenn du mich nicht in Ruhe läßt, ver gesse ich mich!« Der Arkonide sah die weit hervorstechenden Wangenknochen und die zitternden Fäuste. Er begriff, daß er weder durch ein vernünftiges Ge spräch noch durch betont provokatives Auftreten etwas erreichen konnte. Schulterzuckend wandte er sich ab. Wahrscheinlich war es wirklich besser, wenn er den Berserker sich selbst überließ. Irgendwann, hoffte Atlan, würde er von selbst auf sein Problem zu sprechen kommen. Draußen, vor der Kabine begegnete er Kolphyr. Seine Gedanken wur
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den abgelenkt. Der Bera schob sich durch ein Gehänge aus goldenen Plätt chen und blieb stehen, als er ihn bemerkte. Seine Haltung ließ erkennen, daß auch er sich vergeblich um Ausgeglichenheit bemühte. Das nächste Problem, kommentierte der Extrasinn trocken. »Ich war auf dem Weg zu dir«, sagte der Dimensionsforscher. »Ich wollte dich um Unterstützung bitten.« Unwillkürlich versteifte sich Atlan. »Worum geht es?« fragte er, und zugleich wurde ihm bewußt, daß er sich geradezu abweisend benahm. Sein gestörtes Verhältnis zu Razamon belastete ihn offenbar mehr, als er selbst zugeben mochte. »Nun …« Kolphyr schien plötzlich unsicher, ob er den richtigen Zeit punkt gewählt hatte, sein Anliegen vorzutragen. Er stotterte. »Es … es ist wegen Zwertelis …« »Heraus damit!« forderte Atlan. »Was ist mit ihr?« »Sie verhält sich seltsam«, berichtete Kolphyr. »Seit die große Plejade und die Lebensblase verschwunden sind, läßt sie kaum noch mit sich re den und benimmt sich sehr abweisend.« »Wir alle befinden uns nicht in bester Laune«, bemühte sich Atlan um eine Erklärung. »Warum sollte Zwertelis davon verschont bleiben?« »Nein, nein«, wehrte der Bera ab, »das meine ich nicht. Sie hat ihr Le bensziel verloren, seit die Marmorkugel …« »Jetzt verstehe ich!« unterbrach ihn der Arkonide. »Du fühlst dich ver antwortlich für ihren Zustand, weil du die Plejade aus dem Schiff beför dert hast. Nur deshalb bist du besorgt um sie. Du willst es wieder gut ma chen und weißt nicht, wie! Du leidest unter ihrer Ablehnung.« »Auch das ist nicht ganz richtig«, erklärte Kolphyr. »Es geht mir weni ger um mich als um sie. – Zwertelis braucht eine Aufgabe, etwas, wofür sie sich einsetzen kann. Andernfalls wird sie völlig in Lethargie verfal len.« Atlan lachte rauh auf. »Natürlich; du magst recht haben. Uns allen geht das Nichtstun an die Substanz.« Er hob beschwörend die Hände. »Aber, um alles in der Welt, kannst du mir sagen, wo ich für deinen Schützling eine Aufgabe herneh men soll …?«
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2.
Mit einemmal hast du das Gefühl, als fehle dir ein Stück deiner selbst, als seist du in deiner einsamen Vollkommenheit unvollkommen. Du erfaßt, daß es schon immer so war, aber erst jetzt wird es dir bewußt. Es ist, als begänne eine bislang stabile Barriere in dir langsam zu zerbröckeln, als falle ein blasser Streifen wohltuender Helligkeit in das Dunkel deiner Ge danken. Undeutlich schälen sich Bilder eines längst vergangenen Lebens aus dem Nebel des Vergessens. Du beginnst zu begreifen, daß es mehr gibt als das Heute und ein ungewisses Morgen, mehr als die nur scheinbar ausfül lende Tätigkeit eines perfekten Steuermanns, mehr als das, was du jetzt bist. Ja, es gibt noch eine andere Existenz, eine Vergangenheit, die anders war als es das Jetzt ist. Plötzlich spürst du, daß du nicht einsam zu sein brauchtest, daß dieser Zustand keineswegs so erstrebenswert ist, wie du immer angenommen hast. Du bist ein Einzelwesen, gewiß, aber du entstammst einem Volk, das aus vielen Tausenden von Individuen wie dir besteht. Das Volk nennt sich Orquinen, und es lebt auf einer Welt, die auch deine Heimat ist … Erinnere dich, Ystheimer! Versuche nicht zu verdrängen, was mit sanftem Druck an die Oberflä che deines Bewußtseins strömt. Es ist eine Revolution in deinen Gedanken und wird zu einem heftigen, brennenden Sturm werden, der alle bisherigen Werte davonfegt – aber du mußt dich ihm aussetzen, wenn du das Wert vollste in deinem Dasein zurückgewinnen willst. Verkrampfe dich nicht, Ystheimer; laß es über dich ergehen und bemühe dich, die neuen Eindrücke sinnvoll in alle bisherigen Erfahrungen einzu ordnen, ihnen den Platz in dir zu geben, den sie einmal hatten und der ih nen zukommt. Erinnere dich! »Akorn …! Akorn! – Akorn, verdammt, du alter Haudegen! Stellst du dich tot oder hast du dir Pryssten in die Gehörgänge gestopft? Melde dich, Akorn!« Der, dem der Aufruf galt, lag rücklings auf seiner Pritsche und streckte alle zwölf Gliedmaßen von sich. Träge blinzelte er gegen die Decke und folgte mit müdem Blick dem Verlauf eines organischen Strangs, der sich zwischen zwei Stahlträgern dahinzog. Ein Laut des Mißmuts entrang sich seiner Kehle. »Hörst du, Akorn«, hob der Sprecher erneut an, »wir brauchen dich in der Zentrale. Es ist wichtig!« Innerlich begann der Kommandant zu fluchen. Nicht einmal hier, in sei
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ner privaten Kabine, ließen sie ihm seine Ruhe. Immer und überall brauch ten sie ihn; meistens natürlich dann, wenn er sich in einem Sektor der XODIEN aufhielt, von dem aus der Weg in die Zentrale besonders weit war. Sie wußten, wie sehr ihm das Schiff und die Galionsfigur ans Herz gewachsen waren und nutzten das schamlos aus. Wegen jeder Kleinigkeit riefen sie ihn oder baten um seine Stellungnahme. Permanent taten sie so, als seien sie nicht fähig, auch ohne ihn vernünftige Entscheidungen zu treffen. Aber diesmal würde er ihnen einen Strich durch die Rechnung machen. Einen Dreck würde er sich um die kleinen Sorgen scheren, die gerade wie der Unruhe unter seinen Leuten auslösten. Wahrscheinlich handelte es sich um eine abgenutzte Kabelverbindung oder um ein kurzes Störungsrau schen auf einem der Kontrollbildschirme. »Letzter Aufruf!« Akorn lachte hämisch auf und verringerte die Laut stärke der Wiedergabe. »Kommandant, bitte melden! Wir haben Schwie rigkeiten.« Der Sprecher war Keltzell, sein Stellvertreter. Nur er sprach das ThobDra, die Verkehrssprache des Kelpen-Reviers, dermaßen akzentfrei. Akorn mochte den kleinen Garzen, der während eines Kampfes gegen Rebellen vier Beine verloren hatte und seine Arme zu Hilfe nehmen mußte, um sich halbwegs würdevoll fortbewegen zu können. Wenn der Kommandant je mals einen Sohn gezeugt hätte, er hätte ihn nicht liebevoller behandeln können. Heute jedoch war ihm alles zuviel. »Ruft nur«, knarrte er vor sich hin. Die Mikrofone hatte er abgeschaltet, so daß keine Gefahr bestand, daß sie ihn hören konnten. »Ich habe Prys sten in den Ohren!« »Er meldet sich nicht«, drang die Stimme eines anderen Garzen aus dem Lautsprecher. »Wir müssen versuchen, alleine damit fertig zu wer den.« »Jemand läuft los und holt ihn!« bestimmte Keltzell. »Wer übernimmt das freiwillig?« Wieder lachte Akorn. Sie wollten ihn holen, das war allerhand! Er betä tigte eine Schaltung und verriegelte den Eingang zu seiner Kabine. »Gut«, hörte er, »dann gehst du, Folk! Inzwischen müssen wir uns über legen, was wir tun wollen.« »Wir warten, bis Akorn hier ist«, kam der erste Vorschlag. »Er ist der Kommandant und hat die meiste Erfahrung. Er soll entscheiden.« Typisch! dachte Akorn grimmig. Das war typisch für die lasche Dienstauffassung seiner Mannschaft! Wieder einmal machten sie aus einer Kleinigkeit ein Drama und führten sich auf, als würden sie mit einem Pro blem nicht selbst fertig. Er faßte das als reine Schikane auf. Er wußte, daß sie weder dumm noch beschränkt waren – natürlich nicht, sonst hätten sie
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nie Raumfahrer werden können. Sie empfanden lediglich eine fast kindi sche Abneigung dagegen, Verantwortung zu übernehmen, wenn es nicht unbedingt sein mußte. Aber sie würden es lernen, schwor sich Akorn. Über dem Eingang zu seiner Unterkunft leuchtete die Meldelampe auf. Das konnte nur Folk sein, den sie losgeschickt hatten, um ihn zu holen. Der Zeit nach zu urteilen, die er von der Zentrale bis hier gebraucht hatte, mußte er wie ein Irrsinniger durch die Korridore der XODIEN gerast sein. Akorn grinste in sich hinein und rührte sich nicht. Es wurde interessant. Er war gespannt, was seine Leute jetzt tun würden. Nach einer Weile hörte er Folks Stimme über das zentrale Kommunika tionsnetz. Er benutzte einen der Sprechapparate, die in regelmäßigen Ab ständen über alle Gänge verteilt waren. »Akorn hat sich eingesperrt und öffnet nicht. Was soll ich tun?« »Komm zurück!« war Keltzells Anweisung aus der Zentrale. »Also gut, Leute, es ist, wie ich es mir gedacht habe. Entweder hat er Pryssten in den Ohren und Lunkusblätter vor den Augen, oder er stellt sich tot. Die Sache wird ernst. Wir müssen uns selbst helfen.« Eine gewisse innere Zufriedenheit konnte der Kommandant nicht ver hehlen. Obwohl er oft gezweifelt hatte, stellte sich jetzt heraus, daß er sei nen Stellvertreter richtig eingeschätzt hatte. Keltzell übernahm ohne viel Federlesens die Initiative. »Es kann ihm auch etwas zugestoßen sein«, befürchtete jemand. »Darauf können wir keine Rücksicht nehmen«, sagte Keltzell. »Es geht um mehr als das Leben einer einzelnen Person. Wir können uns später dar um kümmern.« Ruckartig richtete Akorn sich auf und produzierte einen schrillen Ton der Entrüstung. Die Achtung für seinen Stellvertreter sank rapide dem Nullpunkt entgegen. Dieser Unwürdige kalkulierte tatsächlich ein, daß ihm etwas passiert sein könnte – und er unternahm nichts, um ihn aus ei ner möglicherweise mißlichen Lage zu befreien … ihn, den Kommandan ten, die wichtigste Person an Bord des Schiffes! Das war ein starkes Stück! »Ich erwarte eure Vorschläge!« bellte Keltzell in diesem Moment. »Steht nicht herum und hofft auf ein Wunder! Wir müssen etwas tun!« »Warum eigentlich?« fragte ein anderer. »Genausogut können wir ab warten, wohin uns der neue Kurs bringt. Es gibt Legenden, wonach ver sprengte Raumfahrer auf Planeten gestrandet sind, die sich als Paradiese entpuppten. Vielleicht erreichen wir eine solche Welt. Es wäre ein herrli ches Abenteuer.« »Unser Schöngeist hat gesprochen! Kannst du mir auch sagen, was wir mit der Fracht anfangen sollen?« »Wir werfen sie über Bord.«
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»Gut, gut! Hast du dir eigentlich überlegt, wie wir auf einem Planeten landen sollen, wenn wir nicht einmal mehr in der Lage sind, den jetzigen Kurs einwandfrei zu halten?« Allmählich wurde Akorn hellhörig. Der anfängliche Zorn auf seine Leu te verflog mehr und mehr. Entweder trieben sie ein tückisches Spiel, um ihn aus seiner Kabine zu locken, oder sie hatten tatsächlich Schwierigkei ten mit der Steuerung. Letzteres wäre einer Katastrophe gleichgekommen. Er dachte daran, daß die Galionsfigur bislang einen hervorragenden, zu verlässigen Eindruck hinterlassen hatte. Das steigerte seinen Ärger wieder. Er entschied sich dafür, daß es wohl doch ein Trick sein müsse, den die Raumfahrer inszenierten. Innerlich grollend, rollte er sich von der Pritsche und tappte, bittere Rache schwörend, in der Kabine umher. »Ich weiß, was wir tun können«, hörte er den nächsten Vorschlag aus der Zentrale. »Einer von uns geht in die Kuppel und kontrolliert Ysthei mers Anschlüsse.« »Nicht schlecht. Und was, wenn das nichts nützt?« »Dann blockieren wir die Nahrungszufuhr! Vielleicht wird er dann wie der vernünftig.« »Oder er verhungert.« »Ja, oder das …« Akorn stieß einen Schrei aus, wie man ihn selten an Bord der XODIEN gehört hatte. Es war zuviel! Mit ihrer Drohung gegen Ystheimer gingen sie zu weit! Ganz gleich, ob es ein Trick oder Ernst war – das durften sie nicht tun! Mit bebendem Zorn öffnete er das Schott und stürmte auf den Gang hin aus. Da stand Folk, der Dummkopf, untätig herum und blickte ihn aus großen, entsetzten Augen an. Wahrscheinlich hielt er ihn für eine überna türliche Erscheinung. Akorn raste an ihm vorbei und hetzte durch die Kor ridore. Schnaufend, aber mit sich selbst zufrieden, erreichte er die Zentrale. Er war sicher, daß er einen neuen Tagesrekord aufgestellt hatte. Die Zeit, die Folk in der Gegenrichtung benötigt hatte, mußte er weit unterboten haben. Aber das war unwichtig. In weniger als einer Sekunde verschaffte er sich einen Überblick. Sieben oder acht Garzen standen wie in einer Traube um ein Bedienungselement gruppiert. Noch immer diskutierten sie heftig. »Seid ihr alle von Sinnen?« schrie Akorn wütend, während er sich zu voller Größe aufrichtete. »Habt ihr den Verstand verloren?« Die Köpfe der anderen ruckten herum. Die Gespräche verstummten. »Da ist er«, sagte einer von ihnen. Er verstand es, seiner Stimme einen erstaunten Ausdruck zu verleihen, was den Zorn des Kommandanten nur noch steigerte. »Siehst du, Keltzell, er hatte keine Pryssten …« »Kein Wort mehr!« unterbrach Akorn schneidend. »Ich weiß, daß ihr
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Scherze liebt; es liegt in unserer Mentalität. Aber das. Schauspiel, das ihr euch geleistet habt, um mich aus meiner Kabine zu treiben … ging zu weit! Es wird Folgen haben, unangenehme Folgen.« Keltzell trat vor und näherte sich ihm. Die Gliedmaßen, die er nicht zum Laufen benötigte, streckte er zur Seite, als wollte er um Entschuldigung bitten. Es wirkte grotesk. Akorn wollte ihm zu verstehen geben, daß es diesmal keinen Zweck hatte, um seine Gunst zu jammern, doch etwas im Auftreten seines Stell vertreters ließ ihn schweigen. Plötzlich hatte er die Befürchtung, daß er ihm Unrecht tat, wenn er ihn beschimpfte. Vielleicht war es der Ausdruck seiner Augen, der ihm klarmachte, daß keiner der Garzen an einen Scherz gedacht hatte. Akorn begriff es mit schockierender Deutlichkeit, die Dis kussion, die er vorhin mitgehört hatte, war einer Situation entsprungen, de ren Gefährlichkeit nicht unterschätzt werden durfte. Augenblicklich vergaß er seinen Groll und alle subtilen Rachepläne, die er sich ausdenken wollte. Langsam ließ er sich herabsinken, bis das Ge wicht seines Körpers wieder auf alle sechs Läufe verteilt war. »Was ist geschehen?« fragte er leise. Keltzell blieb vor ihm stehen. Die Erleichterung darüber, daß der Kom mandant ihm die nötigen Entscheidungen abnehmen würde, war ihm anzu sehen. Er mochte zwar gezwungenermaßen die Initiative ergriffen haben, aber er hatte sich alles andere als wohl dabei gefühlt. »Ystheimer …«, brachte er stockend hervor. »Seine Steuerimpulse sind ungenau und weichen vom gewünschten Kurs ab. Er sperrt sich gegen un sere Befehle …« Dein Schuldgefühl ist unberechtigt und bringt dir nichts ein. Es ist normal, daß die Eindrücke, die aus der Vergessenheit ans Licht tauchen, dich ver wirren und verunsichern. Die neuen Erfahrungen sind überwältigend für dich, und niemand wird dir einen Vorwurf machen können, wenn du dar über andere Dinge vernachlässigst. Immer wieder hältst du dir das vor Augen, während unablässig Befehle und Anordnungen auf dich einstürmen. Die Ungeduld und die zunehmende Hektik in den Stimmen der Garzen ist verständlich, denn früher hast du al le ihre Wünsche sofort beachtet und präzise ausgeführt. Du tust es auch jetzt noch, aber du merkst, daß deine Reaktionen langsamer werden, daß die Impulse, die du über die Organmasse des Schiffes weitergibst, unge nau sind und die Besatzung nicht zufriedenstellen. Auch das ist nicht verwunderlich. Du bist viel zu sehr mit dir selbst be schäftigt, als daß du deine Aufgabe noch exakt erfüllen könntest. Die Erin nerung an deine Heimat, an dein Volk und an deinen früheren Lebenskreis wird immer deutlicher; sie drängt sich mit ungestümer Kraft in dein Be wußtsein und weckt den Wunsch nach einem Dasein, das nicht länger den
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Zwängen einer übergeordneten Macht ausgesetzt ist. In steigendem Maß erkennst du, daß dich die Tätigkeit einer Galionsfigur nicht mehr ausfüllen kann, daß es Erstrebenswerteres gibt – ja, daß du ausgebeutet und ver sklavt wirst. Du möchtest diesen Zustand ändern, aber du weißt, daß du es nicht kannst. Jeder Versuch, dich von dem Schiff zu lösen, würde deinen Tod be deuten, außerdem wärst du ohne Hilfe von außen ohnehin nicht dazu in der Lage. Die Erkenntnis stürzt dich in ein psychisches Dilemma, während die Erinnerungen sich tiefer und tiefer in deine Gedanken brennen. Da hörst du die schneidende Stimme Akorns. Er gibt Befehle, wie die anderen auch, und doch ist es ein Unterschied. Der Kommandant hat dich nie als Untergebenen oder als Werkzeug behandelt, er war immer ver ständnisvoll und aufgeschlossen, wenn du Probleme hattest, hat in jeder Situation zu helfen versucht. Jetzt wendet er sich nach längerer Zeit wie der persönlich an dich, und du weißt genau, daß du ihn enttäuschen wirst. Es trifft dich mehr als die Tatsache, daß du dich nicht mehr ausreichend konzentrieren kannst. Du bemühst dich, eine Antwort zu geben. Du willst um Entschuldigung bitten, dein Verhalten begründen. Du sagst etwas und weißt Sekunden spä ter nicht mehr, was es war. Momentan kannst du keinen klaren Gedanken fassen. Die Revolution in dir nähert sich ihrem Höhepunkt. Drei Dinge, schein bar gleichrangig, streiten sich um die Vorherrschaft in deinem Wertmaß stab. Da ist deine Aufgabe als Galionsfigur, die du jahrelang ausgeführt hast und die die Sicherheit des Schiffes gewährleistet. Da ist deine Sympathie zu Akorn, den du als Person schätzt und dessen Wohlergehen dir ebenso wichtig ist wie ihm deines. Und da ist, vor kurzem erst hinzugekommen und doch schon mindestens gleichwertig, die Erinnerung an deine Heimat, an deine Vergangenheit … Der Konflikt scheint unlösbar. Man sieht es dir an. Dein Blick ist unstet, flackernd. Deine Glieder zucken unkontrolliert unter dem Einfluß wider streitender Nervenimpulse. Eine Lösung …? Nur du selbst kannst sie finden, Ystheimer! Du selbst mußt in dir und für dich die Prioritäten setzen! Augenblicklich begriff Akorn, daß das, was er zunächst für einen Scherz gehalten hatte, in Wahrheit bitterer Ernst war. Wenn die Galionsfigur ihre Aufgabe nicht mehr zufriedenstellend erfüllte, bestand höchste Gefahr für das Schiff und seine Besatzung. Keiner der Garzen war befähigt, die XODIEN so sicher und zuverlässig zu steuern wie Ystheimer. Der Schock, den die Eröffnung ausgelöst hatte, verflog schnell. Jetzt galt es, rasch und entschlossen zu handeln, bevor die Schwierigkeiten zur
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Katastrophe eskalierten. Der Kommandant schob seinen Stellvertreter mit sanftem Druck zur Seite und hielt auf das Hauptsteuerpult zu. Aus den Augenwinkeln konnte er zufrieden feststellen, daß die übrigen Mitarbeiter, durch sein entschlos senes Ausschreiten offenbar beflügelt, eilfertig zu ihren Plätzen hasteten. »Wo sind wir?« fragte er, noch bevor er den Leitstand erreicht hatte. »Tempo, Leute, ich brauche unseren Standort!« Seine Aktivität schien ansteckend. Sobald jemand da war, der sie an spornte und ihnen klar und unmißverständlich beibrachte, was sie zu tun hatten, waren sie kaum zu halten und reagierten äußerst pflichtbewußt. »Ritiquian-System.« Die Antwort kam fast ohne Verzögerung. »Äußeres Grenzgebiet.« »Ausgerechnet!« entfuhr es Akorn. »Ich glaube, wir sind vom Pech ver folgt.« Keltzell trat neben ihn und blickte auf die Orterschirme. »Was ist daran so schlimm?« fragte er. »Wir Wußten schon beim Start, daß unser Kurs hier vorbeiführt.« »Was daran schlimm ist?« wiederholte der Kommandant gereizt. »Ist dir bekannt, daß in diesem System der Dunkle Oheim residiert? Daß sich um Ritiquian die wildesten Gerüchte ranken und jeder vernünftige Raum fahrer dieser Welt lieber fernbleibt?« Keltzell starrte ins Leere, als müsse er überlegen, warum Akorn so ent setzt reagierte. Die XODIEN transportierte wertvolle Fracht aus dem Kel phen-Revier zu einem Umschlagplatz in der benachbarten Zentrumszone. Von vornherein war klar gewesen, daß der Flug hier vorbeiführen würde. Es war ein normaler und alltäglicher Vorgang. Das Unbehagen und die Andeutungen des Kommandanten allerdings … »Was hast du vor?« fragte er lauernd. »Ich dachte, die Lage sei klar. Wir müssen landen.« »Landen?« rief jemand voller Ungläubigkeit. »Du willst landen? Hier auf Ritiquian?« »Was sonst?« schrie Akorn zurück. »Es ist der einzige Planet in diesem Sektor, der dafür in Frage kommt!« Betretenes Schweigen machte sich breit. Selbst Folk, der eben die Zen trale erreichte, spürte die drückende, gespannte Atmosphäre. Er blieb, kaum daß er eingetreten war, stehen und schaute sich unsicher um. »Das kannst du nicht tun«, beschwor Keltzell seinen Vorgesetzten. »Du magst ein Mann sein, der sich vor nichts fürchtet, aber du mußt auch an deine Leute denken. Sie alle haben Angst davor, auf einem Planeten zu landen, dessen übler Ruf weit über die Grenzen des Zentrums hinaus be kannt ist.« »Wir haben keine andere Wahl«, wies Akorn ihn ab. Er wandte sich um,
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damit er seinen Mitarbeitern in die Augen sehen konnte. »Unsere Galions figur arbeitet nicht mehr zuverlässig, sie reagiert ungenau auf unsere Be fehle. Ich nehme an, daß Ystheimer dies nicht vorsätzlich tut, sondern daß er krank ist. Muß ich euch noch erklären, wie schnell aus einer kranken Galionsfigur eine tote Galionsfigur werden kann? – Freunde, ich möchte euch nicht einschüchtern, aber ich habe schon einmal wochenlang in ei nem manövrierunfähigen Organschiff festgesessen, dessen Lotse gestor ben war. Ich habe es zwar dank einiger glücklicher Zufälle überlebt, aber es war keine angenehme Erfahrung. Es ist die Hölle, das versichere ich euch, und deshalb müssen wir, solange Ystheimer überhaupt noch reagiert, zusehen, daß wir festen Boden unter die Füße bekommen. Und zwar so fort!« Ob er seinen Leuten damit den Mut und die Bereitschaft zur Mithilfe vermittelt hatte, die er beabsichtigte, vermochte Akorn nicht zu beurteilen. Ihre Gesichter strahlten weiterhin Betroffenheit aus. Er konnte sich nicht länger darum kümmern. Die Zeit drängte. Er wandte sich wieder seinem Kontrollpult zu und speiste die nötigen Kursänderungen ein. Auf einem Monitor verfolgte er gespannt die Aus führung. Im Gitternetz eines Koordinatenfelds verschoben sich träge meh rere Orientierungslinien. Der Richtungsvektor kippte zur Seite – viel zu langsam und ungenau, wie Akorn feststellte. Fast schien es, als führe Yst heimer die Anweisungen nur noch mechanisch aus, als tue er gerade das Nötigste, um überhaupt eine Reaktion zu zeigen … oder als erfolge die Kursangleichung aus einem in Fleisch und Blut übergegangenen Reflex heraus, während er sich in Wahrheit mit völlig anderen Dingen beschäftig te. Ratlos stand Akorn eine Weile da und überlegte, was er tun könnte. Dann hieb er auf einen Schalter, der die Sprechverbindung zur Galionsfi gur herstellte. »Ystheimer!« rief er mit eindringlicher Stimme. »Ystheimer, hörst du mich! Die Koordinaten, die du eingibst, sind ungenau. Sie führen an Riti quian vorbei. Verstehst du, Ystheimer, du mußt korrigieren!« Aus dem Lautsprecher drangen gestammelte Worte, die Akorn nicht verstand. »Kann mir das jemand übersetzen?« fragte er, ohne den Blick von den Kontrollen zu wenden. Keltzell, der noch immer neben ihm stand, sagte leise: »Es klang wie ich erwache… glaube ich.« Akorn spürte den Schauder des Unheimlichen, der durch seinen Körper rieselte. Was mit der Galionsfigur vor sich ging, vermochte er sich nicht zu erklären. Es schien eine Entwicklung zu sein, die allen Beteiligten längst aus der Kontrolle geglitten war.
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»Ystheimer!« begann er von neuem. »Auf diesem Schiff leben über fünfzig Garzen, die darauf angewiesen sind, daß du meine Befehle be folgst. Es kann unseren und deinen Tod bedeuten, wenn du dich sträubst. Konzentriere dich! Wir müssen nach Ritiquian! Nur du kannst es ermögli chen. Ich bitte dich darum, Ystheimer.« »Du erniedrigst dich«, warf Keltzell ihm vor. »Du bist der Komman dant, kein Bittsteller.« »Was macht es für einen Unterschied?« schrie Akorn aufgebracht. »Wenn ich einen Erfolg erziele, ist es mir egal, auf welche Weise.« Wieder erklang unverständliches Gemurmel aus den Lautsprechern. Niemand erfaßte den Sinn dessen, was Ystheimer ausdrücken wollte. Er sprach schnell und unartikuliert, wurde dabei immer schriller und lauter – bis er plötzlich abbrach. Akorns Unbehagen wandelte sich in nacktes Entsetzen. Er hatte keine Vorstellung davon, was mit der Galionsfigur passierte, aber er war sicher, daß keine böswillige Absicht dahintersteckte. Es war deutlich, daß Ysthei mer Qualen litt. Er kannte ihn und seine Reaktionen gut genug, um es be urteilen zu können. Irgendwo, tief in seinem Innern, empfand er Trauer und Mitleid. Aber er konnte nicht helfen. In erster Linie mußte er sich um das Schiff und die Besatzung kümmern. »Da siehst du, was du erreichst«, sagte Keltzell neben ihm und deutete auf die Kontrollanzeigen. »Nichts …!« Ein Feuer brennt in dir, ein wildes, verzehrendes Feuer – geboren aus Konflikt und Zwiespalt und unbewältigten Eindrücken. Die Erinnerungen an deine Vergangenheit werden immer deutlicher, und doch sind sie der Grund für deine Verwirrung. Sie helfen dir nicht, dich besser zu verstehen, sie sind auch nicht dazu angetan, deine Aufgabe mit neu entdecktem Hin tergrund weiter auszuführen. Sie wecken auch moralische und ethische Vorstellungen, die dem, was du getan hast und tust, widersprechen. Dein Entsetzen ist groß, und deine Gedanken verwirren sich in Grenzbereichen zwischen Traum und Wirklichkeit, zwischen gestern und heute … Manchmal weißt du nicht mehr, wo du dich befindest. Die Sterne, die du siehst, die du seit Jahren durch die transparente Kuppel der XODIEN wahrnimmst – es sind die gleichen Sterne, die in klaren Nächten am Him mel von Orquin funkeln, wenn die Jäger sich nach einem anstrengenden Tag zur Ruhe begeben. Doch du findest keine Ruhe, trotz der Sterne. Et was bedrängt dich, versucht dich aus den Träumen zu reißen und zu be stimmen, wohin du zu gehen hast. Du glaubst, die Stimme des Todes zu hö ren, denn sie spricht davon, daß es zu Ende gehen könnte … Aber du darfst nicht sterben, nicht hier! Du bist in einer fremden Umge bung, und dein Geist wird sich in einen bösartigen Dämon verwandeln, wenn du dem Tod jetzt nachgibst. Nur wenn du den Schrein der Ahnen
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rechtzeitig erreichst, kannst du Frieden schließen mit der Welt und in der Gemeinschaft der geläuterten Seelen aufgehen. So steht es geschrieben im Heiligen Manifest der Orquinen, und so hast du zu handeln, wenn du nicht ewige Schmach über dich und deine Sippe bringen willst. Du beginnst zu überlegen, wo du den Schrein der Ahnen finden kannst. Die Stimme, die zu dir gesprochen hat, war ein schlechter Ratgeber. Du erkennst es, ohne zu wissen, woher du die Gewißheit nimmst. Ganz schwach schimmert in dir eine Ahnung davon, daß du dich in einer frem den Galaxis befindest, zeitliche und räumliche Ewigkeiten von deiner Hei mat entfernt. Aber das verdrängst du schnell wieder. Es ist nicht wichtig. Nur der Schrein hat noch Bedeutung, der Schrein der Ahnen, der die To ten aufnimmt. Den Tod, den du bereits nahen spürst. Du sträubst dich immer heftiger gegen den fremden Einfluß, der dir ei ne Richtung aufdrängen will, eine falsche Richtung! Du wehrst dich dage gen mit aller Kraft, die dir verliehen ist. Natürlich hast du Erfolg, denn die Steueranlage des Schiffes reagiert in erster Linie auf deine Impulse. Loderndes Feuer brennt in deinen Gedanken, Ystheimer – doch manch mal, wenn die Flammenwand kurz aufreißt, siehst du die XODIEN in der sternenklaren Nacht von Orquin schwimmen. Irgendwann wird dich das Feuer zerfressen. Dann stirbst du. Erinnere dich, Ystheimer! Erinnere dich, daß du den Schrein der Ahnen erreichen mußt! »Er ist verrückt geworden«, sagte Keltzell, während er eigenmächtig die Übertragung aus der Galionsfigurenanlage abschaltete. Ystheimers Jam mern, das die letzten Minuten wieder zu hören gewesen war, verstummte. »Merkst du nicht, daß er verrückt ist?« Akorn starrte ihn an, als wollte er jeden Moment auf ihn losgehen. In gewisser Weise fühlte er sich für Ystheimer verantwortlich, und das Urteil seines Stellvertreters weckte seinen Zorn. Aber er beherrschte sich. Wahr scheinlich hatte Keltzell sogar recht. »Ja«, antwortete er grollend. »Ich merke es.« Das Schicksal der Galionsfigur berührte ihn stark. Durch die Verbin dung, die Ystheimer mit der XODIEN eingegangen war, verkörperte er praktisch die Seele des Schiffes. Er steuerte und lenkte es, er wachte über die Funktionstüchtigkeit der Aggregate, er warnte bei heraufziehender Ge fahr, war verantwortlich für Frischluft- und Nahrungsversorgung der Be satzung und für vieles mehr. Er selbst war das Schiff – und für Akorn be deutete die XODIEN mehr als eine geschickt ausgewogene Synthese zwi schen Technik und Organismus. Sie war ihm Heimat, Zufluchtsort und Bestimmung. Die XODIEN war Ystheimer. Ystheimer war die XODIEN.
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Vielleicht erklärte das die tiefe Anteilnahme des Kommandanten. Bis lang hatte er die Galionsfigur als einen Partner betrachtet, ebenso wie Keltzell und die übrigen Garzen. Jetzt begriff er, daß sie mehr war. Das Ausscheiden eines Mitglieds aus der Mannschaft konnte verkraftet wer den. Wenn er jedoch Ystheimer verlor, verlor er das Schiff … »Und?« drang die Stimme seines Stellvertreters in seine Gedanken. »Was willst du tun?« »Was soll ich schon tun!« fuhr er ihn an. »Ich kann ihn schließlich nicht abschalten.« Im gleichen Moment merkte er, daß er sich unfair benahm. Seinen Leu ten lag das Schicksal Ystheimers ebenso am Herzen wie ihm. Aber sie wa ren, mit weniger Entscheidungsbefugnis und Sachverstand versehen, in die Rolle von Beobachtern gedrängt. Sie warteten darauf, daß er, Akorn, ihnen aus der Patsche half. Er konnte ihnen nicht verübeln, daß sie ihn bedräng ten, etwas zu unternehmen – auch wenn er selbst nicht wußte, was er tun sollte. Abermals stellte er die direkte akustische Verbindung zur Galionsfigur her. Noch immer redete Ystheimer unverständliches Zeug vor sich hin, aber seine Stimme war leiser geworden. »Er beruhigt sich«, vermutete Akorn. »Vielleicht war es nur eine Krise, die bald vorüber ist.« »Versuche es noch einmal«, schlug Keltzell vor. »Wenn wir Glück ha ben …« Akorn nickte und tastete das Kursprogramm ein. Die Anzeigen änderten sich nur geringfügig und keinesfalls in den Werten, die erforderlich gewe sen wären. Ystheimers Klagen wurde lauter. Es war deutlich, daß er den Befehl zwar entgegennahm und verstand, sich aber weigerte, ihn auszu führen. Dem Kommandanten schien es, als befinde er sich in einem Kon flikt zwischen Pflichterfüllung und der Verfolgung eigener Interessen. »Ystheimer!« redete er erneut auf ihn ein. »Du kannst uns jetzt nicht im Stich lassen! Ich weiß, daß du dich mit einem Problem herumplagst, das deine Konzentration beeinträchtigt. Ich werde versuchen, dir zu helfen, aber zuvor mußt du uns in Sicherheit bringen. Wenn deine Schwierigkei ten größer werden und du das Schiff nicht mehr steuern kannst, sind wir alle verloren, auch du! Deshalb mußt du landen. Erst dann kann ich mich um dich kümmern. Hörst du, Ystheimer, lande auf Ritiquian!« Ein gurgelnder Laut war die Antwort der Galionsfigur. Akorn schloß für einen Moment die Augen. Er verstand nichts von dem, was aus der Kuppel des Lotsen übertragen wurde, auch nicht die gemurmelten Kommentare seiner Leute. Er fühlte sich überfordert. Das erste Mal in seiner Laufbahn wußte er nicht, wie er sich verhalten sollte. Keltzell nahm ihm die Entscheidung ab. Er tat das, was naheliegend und
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logisch war und was der Kommandant aus Motiven, die in seiner Sympa thie zur Galionsfigur begründet lagen, bisher vermieden hatte. Als Akorn die Augen wieder öffnete, bemerkte er die schattenhafte Bewegung neben sich. Bevor er reagieren konnte, war Keltzell heran und stieß ihn zur Seite. Er schrie entrüstet auf und wollte der Attacke begegnen, aber es war zu spät. Sein Stellvertreter hatte sich über das Kommandopult gebeugt und die Sonderschaltung betätigt. Es war eine spezielle, für Notfälle wie diesen vorgesehene Einrichtung, die dafür sorgte, daß die Galionsfigur mit stimulierenden Impulsen und rhythmischen Elektroschocks zur Besinnung fand. Akorn wußte um die Auswirkungen. Sie waren äußerst schmerzhaft. Sie halfen Ystheimer nicht, im Gegenteil. Zu seiner geistigen Verwirrtheit kam körperliche Qual; laut schrie er sie heraus, so laut und durchdringend, daß der Kom mandant vor unterdrücktem Widerwillen erstarrte. Dann, nachdem er sich gefaßt hatte, versetzte er seinem Stellvertreter einen heftigen Hieb in die Seite. Keltzell taumelte zurück. Durch den Ver lust von vier Beinen war er ohnehin behindert. Er verlor das Gleichge wicht und kippte hintüber. Auf dem Rückenpanzer schlitterte er mehrere Meter über den Boden, bevor ihn einer der Raumfahrer abfing und ihm aufhalf. »Weißt du, was du getan hast?« schrie Akorn voller Zorn. Mit einer ha stigen Bewegung desaktivierte er die Sonderschaltung. Ystheimers Schrei en verstummte. »Damit erreichst du nichts!« Keltzell schien verletzt. Er humpelte, von seinem Helfer gestützt, zum Leitstand. Mit Blicken bat er um Entschuldigung für die unbeherrschte Re aktion. »Es war unsere einzige Chance, die Galionsfigur zur Vernunft zu brin gen«, sagte er. »Nein«, widersprach Akorn. Er wußte, daß Keltzells Tun dem Wohl al ler Garzen hatte dienen sollen, deshalb hegte er keinen Groll gegen ihn. »Ich glaube nicht, daß Ystheimer unseren Flug vorsätzlich sabotiert. Nur dann wäre er berechtigt, ihn zu züchtigen. Seine Abwehr gegen unsere Be fehle ist vielmehr unbewußt. Er kann sich nicht konzentrieren, weil ihn ir gend etwas beschäftigt, womit er noch nicht fertig wird. Jede Anweisung, die wir ihm geben, wird ihn vermutlich noch mehr verwirren und die Lage weiter verschlimmern.« »Das heißt, wir sind ihm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Wir sind von ihm abhängig!« »Das waren wir schon immer – mit dem kleinen Unterschied, daß er früher getan hat, was wir ihm sagten. Heute scheint er seine eigenen Ideen zu haben.« »Du sagst das, als hättest du dich damit abgefunden, daß wir untätig
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darauf warten müssen, was eine verrückte Galionsfigur mit der XODIEN anstellt«, warf Keltzell ihm vor. »Selbst wenn es unser Tod ist.« »Ich habe mich mit gar nichts abgefunden! Aber es ist eine Tatsache, daß es im Moment nicht in unserer Macht steht, Ystheimer zu beeinflus sen. Also müssen wir etwas anderes tun.« »Was?« Dies war einer der Augenblicke, in denen Akorn alle Garzen verfluchte. Keltzells Frage bestätigte aufs neue, daß sie nicht fähig waren, konstrukti ve Überlegungen anzustellen, solange es den Anschein hatte, daß der Kommandant schon wisse, wie man eine mißliche Lage bewältigen könne. Allerdings machte er keinem einen Vorwurf. Der Gedanke, so einfach er war, hatte sich in ihm selbst eben erst gebildet. »Die Alven könnten uns helfen«, sagte er. »Wir senden einen Notruf.«
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3.
Die Besonderheit der Impulskette lag darin, daß sie sich in regelmäßigen Abständen dauernd wiederholte. Andernfalls wäre sie in dem Gewirr von Funksprüchen, das um Ritiquian tobte, unbeachtet untergegangen. Die Al ven, deren Einheiten hier patrouillierten, hatten die Zerstörung der Lebens blase und das Verschwinden des Dunklen Oheims noch nicht verkraftet. In ihren Reihen herrschte keinerlei Ordnung. Pausenlos wurden Erfahrungen und Vermutungen ausgetauscht, oder es ergingen Anfragen an eine über geordnete Instanz, die niemand mehr beantwortete. Nur die stereotype Gleichförmigkeit, mit der die Signalgruppe auf der gebräuchlichen Fre quenz abgestrahlt wurde, weckte Kolphyrs Aufmerksamkeit. Vor einer halben Stunde hatte der Bera die Wache in der Zentrale der. GOL'DHOR übernommen. Besonders glücklich war er dabei nicht. Die Sorge um den psychischen Zustand der Denkenden, für den er sich haupt verantwortlich fühlte, war so weit gewachsen, daß er sich am liebsten stän dig in ihrer Nähe aufgehalten hätte. Er wollte nicht ausschließen, daß sie eine Dummheit beging, und dann brauchte sie jemanden, der sie rechtzei tig davon abhielt und zur Besinnung rief. Erst nach einem längeren Ge spräch mit Koy, der ihm beibrachte, daß es neben der persönlichen auch eine allgemeine Verantwortung gebe, hatte er sich bereiterklärt, seinen Anteil zur Sicherheit der Freunde beizutragen. Also hatte er es sich in der kleinen Zentrale bequem gemacht und sich auf zwei oder drei Stunden fortschreitender Langeweile eingerichtet. Seit dem Aufbruch des Dunklen Oheims hatte sich an der Situation im Ritiqui an-System nichts geändert; allenfalls war die Stimmung an Bord der GOL'DHOR noch etwas schlechter geworden. Kolphyr glaubte auch nicht daran, daß sich vor dem Eintreffen Pthors entscheidende Dinge ereignen könnten. Entsprechend desinteressiert saß er da, hing seinen Gedanken nach und warf angelegentlich einen Blick auf die Monitoren und Funkti onsanzeigen. Manchmal besuchte ihn einer der anderen, wechselte ein paar belanglose Worte mit ihm und verschwand wieder in den Aufent haltsbereich des Schiffes. Die meisten hatten sich winzige Abteile einrich ten lassen, in denen sie allein sein konnten. Man ging sich aus dem Weg in dieser Phase. Wie lange die auffällige Impulskette schon empfangen wurde, wußte Kolphyr nicht. Jedenfalls bemerkte er sie sofort, als er routinemäßig den Funkverkehr überprüfte. Aus dem vielfältigen Stimmengewirr stachen die unmodulierten, piepsenden Signale deutlich hervor. Bereits bei der zwei ten Wiederholung ahnte er, daß es von nun an mit der beschaulichen Ruhe zu Ende war. Er richtete sich bolzengerade auf, lauschte mit plötzlich er
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wachenden Sinnen und betätigte mehrere Schaltungen, um die Quelle der Signale lokalisieren zu lassen. Atlan, der die Zentrale in diesem Moment betrat, blieb überrascht ste hen. Mit so viel Aktivität hatte er vermutlich nicht gerechnet. »Was ist los?« fragte er beinahe spöttisch. »Hat dich der Forschertrieb gepackt?« »Hör hin!« forderte der Bera ihn auf, ohne seine Messungen zu unter brechen. »Wir empfangen ungewöhnliche Zeichen. Es könnte ein Notruf sein.« Auch der Arkonide brauchte nicht lange, bis er in der Lage war, die mo notone Signalkette aus der Wirrwarr der übrigen Funksprüche herauszufil tern. Sofort drängte sich ihm der Vergleich mit der terranischen See- und Raumfahrt auf, wo die ständige Wiederholung einer bestimmten Kombina tion des MorseAlphabets als Mitteilung über höchste Lebensgefahr galt und die dringende Bitte um Hilfe bedeutete. »Es ist ein Notruf«, behauptete er. Es war ihm förmlich anzusehen, wie ein innerer Ruck durch ihn ging, wie er die lähmende Lethargie der letzten Tage abschüttelte und fieberhafte Geschäftigkeit ihn zu beherrschen be gann. »Läßt sich feststellen, woher er kommt?« Erst jetzt blickte Kolphyr von den Instrumenten auf. »Noch nicht«, sagte er. »Die Sendung ist sehr breit gefächert. Wir müs sen eine weitere Peilung durchführen.« Atlan nickte und veranlaßte die GOL'DHOR, einen Standortwechsel vorzunehmen. Das Schiff reagierte mit gewohnter Präzision und beschleu nigte. Nach der langen, quälenden Untätigkeit war das ein aufsehenerre gendes Ereignis. Es dauerte nur wenige Minuten, bis die übrigen Passagie re fast vollzählig in der Zentrale eintrafen. Sie alle wollten wissen, was vorgefallen war. Selbst Razamon und Zwertelis schienen ihre Klaustrophi lie überwunden zu haben. Sie wirkten neugierig und tatendurstig. Nachdem die GOL'DHOR wieder abgebremst und eine neue Warteposi tion bezogen hatte, wurde abermals die Richtung bestimmt, aus der die Notsignale eintrafen. Der Schnittpunkt beider Messungen lag einige Hun derttausend Kilometer entfernt, an der Grenze des Ritiquian-Systems. Die Ferntastung lieferte das verschwommene Bild eines Organschiffs, dessen Besatzung offensichtlich in argen Schwierigkeiten steckte. Automatisch ermittelte Vergleichsdaten über Bewegungsrichtung und Fahrtgeschwin digkeit erlaubten sogar Vermutungen darüber, welches die Ursachen wa ren. »Anscheinend kommen sie mit der Steuerung nicht zurecht«, sagte Kol phyr. »Seht euch das an! Sie führen auf engstem Raum die unsinnigsten Manöver durch.« Es war nicht übertrieben. Als bildhaften Vergleich wählte Atlan die theo
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retisch denkbare Situation, daß an Bord eines Schiffes zwei oder mehr Leute mit jeweils unterschiedlichen Auffassungen gleichberechtigt kom mandierten. Sobald einer von ihnen eine Anordnung traf, wurde sie von ei nem anderen widerrufen und rückgängig gemacht. Im Gegenzug erteilte der erste einen neuen Befehl, dessen Ausführung abermals am Veto des zweiten scheiterte – und so fort. Die Positions- und Kurswechsel mußten entsprechend chaotisch wirken: kurzfristiges Beschleunigen und anschlie ßendes Bremsmanöver; Kippen, Drehen und Trudeln der Schiffsachse; er neute Vorwärtsbewegung; Abstoppen … »Das ist unglaublich«, bemerkte Razamon verblüfft. An der Art, wie er sprach, konnte Atlan heraushören, daß er die psychische Krise vorerst überwunden und sein persönliches Problem einstweilen zurückgestellt hat te. »Als hätten sie den Verstand verloren.« »Das haben sie sicherlich nicht«, mischte sich Koy ein. »Verrückte sen den keine Hilferufe.« »Wir sollten nachsehen«, schlug Copasallior vor. Auch er wirkte über aus unternehmungslustig. »An Ort und Stelle können wir am ehesten fest stellen, was auf diesem Schiff vor sich geht. Ich bin bereit!« »Warte noch!« Atlan hob abwehrend einen Arm. Er deutete auf den Stimmenmagier, dessen Gesicht höchste Konzentration verriet. »Vielleicht findet Koratzo etwas heraus.« Du weißt längst, daß die Galionsfigur des fremden Schiffes die Ursache allen Übels ist, meldete sich der Logiksektor. Warum sprichst du es nicht aus? Weil ich es nicht weiß, sondern höchstens vermute, gab Atlan lautlos zu rück. Aufgrund jüngster persönlicher Erfahrungen kannst du deinen Verdacht getrost als zutreffend hinnehmen! Auch diesmal würde der Extrasinn, wie immer, recht behalten. Dennoch war der Arkonide nicht bereit, ein vorschnelles Urteil abzugeben. Er woll te die Analyse des Stimmenmagiers abwarten. »Es ist die Galionsfigur«, sagte Koratzo in diesem Moment. Seine indi viduellen Fähigkeiten erlaubten es ihm, die Besatzung des Organschiffes regelrecht zu belauschen und damit einen reellen Eindruck von den Vor gängen zu gewinnen, die sich an Bord abspielten. »Sie gehorcht den Be fehlen der Besatzung nicht mehr so, wie sie es erfahrungsgemäß tun müß te.« Atlan nickte verstehend. »Ich dachte es mir. Kannst du die Lage etwas genauer schildern?« Koratzo ging einige Schritte umher, als müsse er nachdenken. Dann lehnte er sich mit dem Rücken gegen die Wand. Der Reihe nach musterte er seine Freunde.
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»Diese Galionsfigur – sie nennt sich Ystheimer – befindet sich in einem Zustand, der schwer zu beschreiben ist. Einerseits erhält sie klare Befehle und möchte diese ausführen, andererseits entdeckt sie in zunehmendem Maß eigene Interessen, denen nachzugehen ihr ebenso wichtig erscheint. Sie hat ihre Erinnerung wiedergefunden und fühlt sich nun den uralten Ri tualen ihres Volkes verpflichtet. Daraus erwächst ihr Konflikt, der um so tragischer ist, als sie ihn nur unbewußt erfassen kann. Deshalb reagiert sie so widersinnig und bringt damit das Schiff und sich selbst in Gefahr.« »Mit anderen Worten«, resümierte Atlan, »sie hat sich, aus welchen Gründen auch immer, von ihrer Knechtschaft als Steuermann gelöst und ist nun dabei, sich selbst zu verwirklichen, den zwingenden Einfluß der Schwarzen Galaxis abzuschütteln.« »Ja«, bestätigte Koratzo, »so kann man es ausdrücken. In gewissem Sinn befindet sich Ystheimer auf dem Weg in die Freiheit. Deshalb ge horcht er nicht mehr.« »Eine Galionsfigur, die nicht gehorcht!« wiederholte Razamon voller Unglauben. »Das hat es noch nie gegeben!« »Du irrst dich, Freund«, sagte der Arkonide. »Es gibt genügend Beispie le dafür, daß eine Galionsfigur sehr wohl eigenmächtig handeln und sich vom Joch ihrer Unterdrückung befreien kann. Mit Hilfe der großen Plejade ist es mir oft gelungen, die Lotsen der Organschiffe auf meine Seite zu ziehen und aus der Pflicht des Dunklen Oheims zu lösen. Ich erinnere mich auch an eine Galionsfigur namens Ganzelpohn, die ihre Gedanken freiheit wiedererlangte, als sie mit ihrem Schiff, der GRIET, die Randbe zirke der Galaxis ansteuerte und sich damit dem unmittelbaren Einfluß entzog. Mich nicht zu vergessen: An Bord der DARIEN passierte mir ein Mißgeschick, das mich selbst zu einer Galionsfigur werden ließ, und auch ich konnte mir einen Rest persönlicher Freiheit bewahren.« Atlan hob die Schultern und grinste ironisch. »Das alles ereignete sich freilich zu einer Zeit, während der du dich als Geist in der Lebensblase vergnügtest oder man sich am Hof des Neffen Duuhl Larx Schauermärchen von dir erzählte …« Razamon winkte ab. An diese Erlebnisse, bei denen er dem Tod oft nä her war als dem Überleben, wurde er nicht gern erinnert. »Also gut«, knurrte er, »wir haben es mit einer Galionsfigur zu tun, die der Besatzung nicht mehr folgt und ihren eigenen Willen durchsetzt. In wieweit betrifft das uns?« »Es besteht die Möglichkeit«, erklärte Koratzo, »daß Ystheimer seinen Konflikt nicht bewältigt und völlig ausfällt. Das würde bedeuten, daß die XODIEN manövrierunfähig wird und sämtliche Lebenserhaltungssysteme des Schiffes versagen. Die Garzen würden elend umkommen. Die ethische und moralische Grundeinstellung eines jeden von uns gebietet es, ihnen zu
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helfen.« »Wir sollten uns da nicht einmischen«, meinte Opkul. »Es befinden sich genügend Einheiten in diesem Sektor. Die Alven werden sich schon um ihre garzischen Freunde kümmern.« Mit einer abwertenden Geste deutete der Stimmenmagier auf die opti schen Anzeigegeräte. »Es sieht nicht danach aus. Die Alven haben nach der Zerstörung der Lebensblase hinreichend eigene Probleme. Das Schicksal einer Besatzung aus dem Nachbarrevier dürfte ihnen gleichgültig sein.« »Es gibt noch einen Grund«, schaltete sich Atlan wieder in die Diskus sion ein. »Ich sagte bereits, daß ich selbst einmal als Galionsfigur ein Or ganschiff gesteuert habe. Durch gewisse Umstände« – er vermied es, den Zellaktivator zu erwähnen – »gelang es mir damals, einen Teil meiner Ent scheidungsfreiheit zu erhalten, und ich glaube, daß dies die Ursache war, daß die DARIEN schließlich zerstört wurde.« »Was heißt das: zerstört?« fragte Koratzo. Die Geschichte war ihm nur in groben Auszügen bekannt. »Was geschah mit dem Schiff?« »Das ist im Moment nicht wichtig. Entscheidend ist, daß sich die Gar zen in höchster Lebensgefahr befinden, wenn sich der Vorgang, den ich damals miterlebt habe, auf der XODIEN wiederholen sollte.« Kurzentschlossen trat Copasallior vor und streckte auffordernd die Ar me aus. »Also los; worauf warten wir noch! Laßt uns den Schritt durch die Welt jenseits der Wirklichkeit wagen!« Seinem Bedürfnis, schnellstmöglich konkrete Taten zu vollbringen, stand der gleichgeartete Wunsch der anderen Passagiere eher hindernd gegen über. Sie alle waren gierig danach, aus der bislang herrschenden Passivität auszubrechen und Abwechslung von dem eintönigen, nervtötenden War ten zu erfahren. Es erhob sich die Frage, wer den Weltenmagier an Bord des Organ schiffes begleiten sollte. Jeder riß sich darum, und es fehlte nicht viel, daß unter den Freunden ein handfester Streit darüber ausgebrochen wäre. Erst Copasalliors Erklärung, daß er entweder Atlan und Koratzo mitnehmen oder überhaupt nicht auf die XODIEN übersetzen würde, beendete den Zwist. Bis dahin allerdings war einige Zeit vergangen. Unterdessen hatten sich die Garzen mit einer bedrohlichen Eskalation ihrer Schwierigkeiten auseinanderzusetzen, die sich genau in der Form vollzog, die Atlan vorausgeahnt hatte. Als die Retter endlich eintrafen, war es fast zu spät …
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4.
Das grell leuchtende Lämpchen des Funkgebers bewies, daß der Hilferuf in kontinuierlicher Folge und mit höchster Sendeleistung ausgestrahlt wur de. Durch die Beobachtung der Bild-, Taster- und Ortungsinstrumente war Akorn außerdem über die Bewegungen und Flugmanöver der meisten in diesem Sektor operierenden Einheiten der Alven informiert. Je länger er die Anzeigen allerdings verfolgte, desto größer wurde sein Unmut. Nichts deutete darauf hin, daß die Notsignale überhaupt beachtet wurden. Ein Dutzend Mal und öfter blickte er zu seinem Stellvertreter hinüber, der angespannt vor dem Empfänger saß und die vielen eingehenden Sen dungen auswertete. Dessen Auskunft war immer dieselbe: »Keine Antwort.« Der Kommandant fühlte Wut in sich aufsteigen. »Was soll das heißen?« grollte er. »Du bekommst in einem fort eine Unmenge von Signalen herein und willst mir weismachen, daß nichts da von für uns bestimmt ist?« Keltzell blieb gelassen. »Es ist, wie ich sage. Was wir empfangen, ist Meinungsaustausch, Kommunikation, Geschwätz – aber keine Antwort.« Akorn gestand sich ein, daß er seinen Zorn gegen den Falschen gerich tet hatte. Er wandte sich ab und beobachtete abermals die Sichtbildschir me. Unzählige Schiffe trieben sich draußen im Raum herum, und keines hielt es für angebracht, den bedrängten Garzen zu Hilfe zu eilen! »Das ist unerhört«, knurrte er. »Ein Skandal! Wenn ich einen dieser häßlichen Zwerge vor die Geschütze bekomme, wird er sein heiliges Wun der erleben!« »Sofern Ystheimer feuert«, murmelte Keltzell. »Ich habe eine viel bessere Idee«, meldete sich Folk zu Wort. »Wir war ten ab, ob nicht eines der Alven-Schiffe ebenfalls eine defekte Galionsfi gur mit sich herumschleppt …« »Ausgezeichnet!« lobte ein anderer Garze den Vorschlag. »Dann kann er um Hilfe schreien, so viel er will. Wir werden uns einen Dreck darum kümmern!« »Diese Vorstellung ist übrigens keineswegs ausgeschlossen«, sagte Keltzell. »Soweit ich es mitbekomme, haben einige Alven ebenfalls Ärger mit den Galionsfiguren.« »Ha!« machte Folk triumphierend. »Es sei ihnen gegönnt! Flehen sie schon um Unterstützung?« »Nein. Sie diskutieren darüber. Offenbar ist die Lage bei ihnen noch nicht sehr gefährlich.«
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»Aber sie kann es werden«, spann Folk seinen Faden weiter. »Wenn erst ihre Notrufe eingehen, beachten wir sie nicht und stellen uns dumm.« Der Kommandant gab einen erbosten Laut von sich. Normalerweise schätzte er den Humor seiner Leute und ihren ausgeprägten Hang, alles ins Lächerliche zu ziehen. Allerdings verabscheute er es, wenn darüber die ak tuelle Situation total vernachlässigt wurde. »Zumindest du, Folk, dürftest keine Schwierigkeiten haben, dich dumm zu stellen«, schnauzte er den Garzen an. »Wir sollen die Alven nicht be achten, wie! Kannst du mir sagen, was wir statt dessen tun werden?« »Nichts«, sagte Folk. »Wir rühren uns einfach nicht.« »Warum nicht?« »Aus Rache. Weil sie uns im Stich lassen.« »Interessant, das! Aus Rache, man höre und staune.« Langsam wandte Akorn sich um und trommelte mit den Fingern der vorderen Extremitäten auf sein Schaltpult. Dann, nach einer Sekunde gespannter Erwartung, brach es schreiend aus ihm heraus: »Du bist ein Narr, Folk!« »Ein Narr?« protestierte der Garze. »Kann mir jemand sagen, warum ich hier als Narr hingestellt werde?« »Weil es überhaupt keiner Erörterung wert ist, ob wir uns rühren wol len«, antwortete jemand anstelle des Kommandanten. »Wir können es nicht!« »Oh.« Folk unterbrach seine Wanderung durch die Zentrale. »Das ist wahr.« »Endlich!« kommentierte Akorn trocken. »Er hat es kapiert.« Trotz der engagierten, halb ernst und halb spaßig geführten Auseinan dersetzung verlor er keinen Moment den Überblick. Als er aus den Augen winkeln das Flackern bemerkte, ruckte sein Kopf herum. Die plötzliche Bewegung veranlaßte auch Keltzell, aus der Konzentration aufzu schrecken. »Das ist …« Er sprach nicht weiter. Akorn beobachtete mit steigender Unruhe das Leuchtsignal des Funkgebers. Es flackerte heftig, verlor ständig an Intensi tät – und erlosch. »Aus«, flüsterte Keltzell bedrückt, »vorbei. Es war unsere letzte Hoff nung.« Der Kommandant schwieg. Die automatische Notrufanlage hatte ihre Funktion eingestellt. Er wußte nicht, warum; er wußte nur, daß sie damit von jeder Verbindung mit der Außenwelt abgeschnitten waren. Sie befan den sich nicht nur in einem fast manövrierunfähigen Schiff, sie hatten auch keine Möglichkeit mehr, sich anderen mitzuteilen. Gefangen waren sie, eingeschlossen und zum Tod verurteilt. »Ystheimer …!« rief einer der Garzen voller Verzweiflung. Sie alle hat
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ten begriffen, was der Ausfall des Senders bedeutete. »Diese verdammte Galionsfigur! Ich bringe sie um!« »Nichts wirst du tun!« rief Akorn schneidend. »Was an Bord der XODI EN geschieht, bestimme immer noch ich. Niemand wird Ystheimer ein Haar krümmen!« »Er ist ein Verräter!« »Mit dem Ausfall der Notrufanlage kann er nichts zu tun haben«, erin nerte Keltzell überaus sachlich. Von allen Garzen bewies er die besten Nerven. »Sie ist eines der wenigen Instrumente, die nicht seiner Kontrolle unterliegen. Der Defekt muß eine andere Ursache haben.« »Welche?« »Was weiß ich! Wir werden es feststellen.« Eine Weile herrschte beklommenes Schweigen. Niemand wußte, was er sagen, was er tun sollte. Es brauchte seine Zeit, bis der Schock verarbeitet und die neue Lage hingenommen war. »Und?« fragte schließlich jemand. Es war das ausgesprochene Einge ständnis der Mehrzahl aller Garzen, die Dinge nicht mehr überblicken oder beurteilen zu können. »Was geschieht jetzt?« »Im Grunde genommen hat sich nichts geändert«, analysierte der Kom mandant ruhig. Über seine Gelassenheit wunderte er sich selbst. »Der Not ruf wird nicht mehr ausgestrahlt, das ist alles. Beachtet hat ihn sowieso niemand.« »Du machst es dir zu einfach«, sagte Keltzell. »Natürlich hat sich nichts Wesentliches geändert, das ist richtig. Aber wir dürfen es auch nicht auf die leichte Schulter nehmen. Was immer die Ursache für den Ausfall ist, wir müssen sie ergründen, wenn wir nicht weitere Überraschungen erleben wollen.« Das war leichter gesagt als getan. Zwei Spezialisten, die sofort an die Ar beit gingen, wußten nichts weiter mitzuteilen, als daß Mechanik und Elek tronik des Senders einwandfrei funktionierten. Warum der Abstrahlimpuls in seiner Ausgangsleistung auf Null zurückfiel, blieb vorerst ein Rätsel. Damit nicht genug, meldete ein junger Garze aus dem privaten Aufent haltsbereich der XODIEN, daß das Schott seiner Kabine sich nicht mehr öffnen lasse und er demzufolge eingeschlossen sei. Eine Überprüfung er gab zwar, daß sich der Unglückliche keineswegs in seiner Kabine aufhielt, sondern in der eines weiblichen Passagiers … aber das soll hier tunlichst übersehen werden, weil es weder mit den gängigen Moralvorstellungen noch mit den Dienstvorschriften zu vereinbaren war. Jedenfalls hätte die Meldung unter normalen Umständen niemanden zu übereilter Aktivität verleiten können. Im Rahmen alles bisher Geschehenen verdiente sie frei lich Beachtung. Sie war ein weiteres Steinchen in einem Mosaik unerklär licher Vorfälle.
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Akorn schickte einen Trupp von drei Leuten aus, verstärkt durch einen Roboter, der das defekte Schott aufbrechen und den Eingeschlossenen aus seiner mißlichen Lage befreien sollte. Außerdem erwartete er einen detail lierten Bericht über die Gründe, die zum Versagen des Öffnungsmechanis mus geführt hatten. Der Fehler wurde, entgegen allen Erwartungen, schnell gefunden. Es war eine Lappalie, die wahrscheinlich tagtäglich auf irgend einem Organ schiff in den Weiten der Galaxis vorfiel, und als der Kommandant den Be richt hörte, strich er in Gedanken das Ereignis aus der Liste jener Bege benheiten, die mit Ystheimers Verhalten ihren Anfang genommen hatten. »Ein kleiner Klumpen Organmasse hat sich aus dem Gesamtverband ge löst und die Gleitmechanik verklemmt. Wir haben ihn entfernt. Das Schott funktioniert wieder einwandfrei.« Der aufmerksame Blick seines Stellvertreters entging Akorn. Er wies die Leute des Reparaturtrupps an, ihren bisherigen Aufgaben wieder nach zugehen, und wandte sich den Kontrollanzeigen zu. Die XODIEN war mittlerweile zur Ruhe gekommen. Die Garzen hatten es aufgegeben, Kurs und Geschwindigkeit des Schiffes zu verändern. Ge gen den Widerstand der Galionsfigur gab es ohnehin kein Mittel. Antriebs los driftete der Raumer dahin, mit einer leichten Restdrehung um die Mit telachse. Die Situation im umgebenden Weltraum war nach wie vor die gleiche. Dort trieb eine unbestimmbare Anzahl von Organschiffen umher, ohne daß sich in deren Bewegungen ein durchdachtes System hätte erkennen lassen. Zwar war aus der Analyse eingehender Funksprüche inzwischen bekannt, daß ein ungeheuerliches Ereignis stattgefunden haben mußte, doch waren Akorn und seine Leute noch nicht dahinter gekommen, was konkret vorgefallen war. Ihre Informationen über das Ritiquian-System reichten wohl so weit, daß es den Sitz des Dunklen Oheims repräsentierte, aber sie wußten nicht, daß sich der Herrscher in jenem schwarzen Ring manifestierte, über dessen Verschwinden nun allerorten gerätselt wurde. Immer öfter überlegte Akorn, ob er nochmals versuchen sollte, mit der Galionsfigur Kontakt aufzunehmen. Jedesmal entschied er sich dagegen. Auch die Möglichkeit, in Ystheimers Sichtkuppel vorzudringen und dort unter vier Augen mit ihm zu reden, erschien ihm aussichtslos. Nach allem, was sich ereignet hatte, war der Mißerfolg vorprogrammiert. Er versuchte es erst gar nicht. Er und die restliche Mannschaft der XODIEN war dazu verdammt, auszuharren, zu warten – auf den Tod oder auf ein Wunder. Zumindest letzteres zeichnete sich nicht ab. Ein bedrohliches, knir schendes Geräusch schreckte den Kommandanten aus seinen Beobachtun gen auf. Dann erscholl ein Schrei, schmerzerfüllt und grauenvoll, der ihn zusammenfahren ließ. Alarmiert wirbelte er herum.
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Aus der halborganischen Decke der Zentrale hatte sich ein Segment des FrischluftRöhrensystems gelöst und war herabgebrochen. Einen Garzen hatte es getroffen. Verkrümmt lag er da, das Gesicht von den Vorderläufen bedeckt, der Rückenpanzer aufgesprungen und zersplittert. Mehrere seiner Freunde liefen zu ihm und kümmerten sich um seine Verletzungen. Keltzell trat neben den Kommandanten und deutete schweigend nach oben. Akorns Blicke folgten der angegebenen Richtung. Er erschauerte. Das Deckenmaterial wies eine große, klaffende Lücke auf, dunkelbraun gefärbt und an den Rändern zerfasert. Es wirkte wie eine Wunde, die dem organischen Teil des Schiffes beigebracht worden war. Ein Stück weiter erkannte er eine Reihe von Bläschen, die sich träge pulsierend vergrößer ten. »Was ist das?« flüsterte er. »Was hat das zu bedeuten?« »Ich fürchte«, antwortete Keltzell, »hier bahnt sich eine Entwicklung an, die wir bald nicht mehr kontrollieren können. Auch die Ursache des verklemmten Schottes war Organmasse, die sich aus dem Gesamtverband gelöst hatte …« Hinter Akorns Stirn arbeitete es. Ein entsetzlicher Verdacht keimte in ihm auf. »Die Notrufanlage …«, sagte er gedehnt. »Die Spezialisten haben kei nen Fehler feststellen können. Besteht die Möglichkeit …« »Ja, sie besteht«, unterbrach Keltzell, während er weiter die Decke be obachtete. Zwei der aufgeworfenen Blasen waren inzwischen so weit an geschwollen, daß sie sich berührten und miteinander zu einem Gebilde verschmolzen. »In der Sendermechanik gibt es zwei extrem dünne, organi sche Verbindungen, die in Metallröhren verlaufen und deshalb nicht ohne weiteres überprüft werden können. Wahrscheinlich sind sie für den Aus fall verantwortlich.« Akorn erkannte längst die Zusammenhänge. Seine Frage war rhetorisch und diente nur dem Zweck, seine Überlegungen bestätigt zu wissen. »In welcher Weise?« Keltzell wandte sich ab. Er wirkte mutlos. »Sie sind gerissen«, sagte er. »Einfach gerissen.« Plötzlich erschien alles in einem anderen, noch gefährlicheren Licht. Die Teile des Schiffes, die aus organischer Substanz bestanden, schienen ihre Konsistenz in zunehmendem Maß zu verändern. Nach Ystheimers Ausfall war dies eine Entwicklung, die die XODIEN endgültig in den Untergang führen mußte. Akorn gab Alarm. »Zentrale an alle! Unsere Situation nähert sich der Katastrophe. Das Schiff wird evakuiert. Es ergeht Anweisung, nach Plan A die Beiboote aufzusuchen und die XODIEN unverzüglich zu verlassen. – Lauft, Freun
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de, es geht um euer Leben!« »Das ist Wahnsinn«, sagte Keltzell, der den Kommandanten ungläubig beobachtete. »Die Beiboote haben einen minimalen Aktionsradius. Mit ih nen können wir nicht einmal Ritiquian erreichen.« »Mit der XODIEN auch nicht!« gab Akorn heftig zurück. Er deutete an die Decke, wo eine der Blasen eben aufplatzte. An den Rändern hing die Organmasse in Fetzen herab. »Willst du hierbleiben, bis du lebendig be graben wirst oder bis sich die Außenhülle des Schiffes auflöst? Wir haben keine Chance mehr. In den Beibooten können wir unser Leben dagegen noch etwas verlängern. Vielleicht nimmt uns auch ein anderes Schiff auf.« An die Hilfe der Alven vermochte Keltzell nicht mehr zu glauben. Aber er schwieg. Die Anweisung des Kommandanten war die einzige Möglich keit, die sie überhaupt noch hatten. Akorn ging zu der Gruppe, die sich um den Verletzten kümmerte. Der Garze würde den Unfall überleben, soviel war sicher. Allerdings hätte er der Ruhe und intensiver ärztlicher Bemühungen bedurft. Er hatte starke Schmerzen und wimmerte leise vor sich hin. »Könnt ihr ihn tragen?« wandte sich der Kommandant an die Betreuer. »Er muß behandelt werden.« »Dazu ist keine Zeit. Los, packt zu und schleppt ihn mit. Im Beiboot können wir uns um ihn kümmern.« Er wandte sich ab, weil er sicher war, daß seine Leute auf ihn hören würden. Sie taten es immer. Irgendwo ertönte ein lauter Schlag, wie von einer elektrischen Entla dung. Akorn hastete zu seinem Kontrollpult und desaktivierte alle Antrieb saggregate, die zum Teil mit minimaler Restenergie liefen. Er wollte ver meiden, daß es durch Kurzschlüsse zu einer vernichtenden Explosion kam. Neben ihm tropfte zähflüssige Substanz von der Decke. Er kümmerte sich nicht mehr darum. Neben Keltzell folgte er der Zentralbesatzung, die, den Verletzten in der Mitte, den Hangars zustrebte. Der Weg gestaltete sich lang und schwierig. Die Veränderung der Or ganmasse schritt unaufhaltsam fort. Überall zeigten sich Risse, Furchen und Blasen. An manchen Stellen dehnte sie sich aus und bildete groteske Formen und Auswüchse, andernorts schrumpfte sie ein, wurde porös und platzte auseinander. Knallende und zischende Geräusche begleiteten die Garzen auf ihrer Flucht. Einige Umwege mußten sie in Kauf nehmen, weil herabgebrochene Substanz die Korridore teilweise versperrte. Noch bevor die Gruppe um Akorn den Hangar erreichte, aktivierte je mand die Rundrufanlage. »Alles anhalten!« drang seine Stimme durch das Schiff. »Die Beiboote bieten uns keine Rettung!« Der Kommandant blieb wie vom Schlag gerührt stehen. Die Verwunde
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rung, daß einer seiner Leute die Entschlußkraft aufgebracht hatte, eine Meldung von solch entscheidender Tragweite bekanntzugeben, wich schnell. Er suchte eine der Kommunikationsstationen, lief darauf zu und hieb gegen den Sprechkontakt. Die anderen unterbrachen ihren Marsch ebenfalls und verfolgten sein Vorgehen. »Was soll das?« rief er ins Mikrofon. »Die Beiboote sind Flugeinheiten, bei deren Konstruktion auf die Verwendung organischen Materials ver zichtet wurde. Nur in ihnen sind wir sicher.« »Wir können uns darin verkriechen, das ist alles«, lautete die nüchterne Antwort. »Irgendwann wird es allerdings langweilig.« Den aufflammenden Zorn über den schnippischen Kommentar unter drückte Akorn. »Begründung!« verlangte er bellend. »Was ist geschehen?« »Die Außenschotte lassen sich nicht öffnen. Wir haben es versucht, er folglos.« Akorns Gedanken überschlugen sich. Das Versagen des Schleusenme chanismus konnte zwei Gründe haben. Entweder war Ystheimer dafür ver antwortlich, was er jedoch nicht glaubte, weil die Weitergabe des Öff nungsbefehls für die Galionsfigur – anders als die Einrichtung eines neuen Kurses – ein eher unbewußter Impuls war, den sie kaum unterdrücken konnte. Die zweite Möglichkeit war, daß sich die Außenhülle der XODI EN so stark verformt hatte, daß sie die Bewegung der Schotte vollkommen blockierte. Sie erschien dem Kommandanten am wahrscheinlichsten. »Keine neuen Befehle«, rief er. »Jede Gruppe geht weiter nach Plan A vor. Vielleicht gelingt es wenigstens einigen von euch, das Schiff zu ver lassen. Die anderen warten ab. Mag sein, daß wir die Situation doch noch unter Kontrolle bekommen.« Nachdem er abgeschaltet hatte, fragte Keltzell: »Glaubst du daran?« »Nein.« Akorn winkte den anderen. »Ihr bringt den Verletzten in die Krankenstation und versucht, ihm zu helfen.« »Und dann?« drängte sein Stellvertreter. »Was geschieht dann? Was hast du vor?« Der Kommandant sah ihn eindringlich an. »Nichts. Ich gehe zurück in die Zentrale und warte, was weiter ge schieht.« Er wandte sich ab. Keltzell lief ihm nach. »Warum rätst du deinen Leuten, den Evakuierungsplan weiter zu verfol gen, wenn du selbst nicht an einen Erfolg glaubst? Was bezweckst du da mit?« »Sie haben etwas, womit sie sich beschäftigen können«, sagte Akorn, ohne seine Gangart zu verlangsamen oder sich umzudrehen. »Das ver
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schafft uns wieder eine Galgenfrist. Sobald sie merken, daß es keine Mög lichkeit gibt, die XODIEN zu verlassen, wird es schlimm genug.« »Du meinst, es könnte eine Panik ausbrechen?« »Es wird eine Panik ausbrechen. Ich halte das für unvermeidlich.« »Du spielst ziemlich hoch«, warf Keltzell ihm vor. Akorn wirbelte herum und machte eine zornige Geste. »Ich spiele überhaupt nicht. Ich tue, was ich für richtig halte, um das Schlimmste so lange wie möglich hinauszuzögernd. Hast du einen besse ren Vorschlag?« Keltzell wirkte beschämt. »Nein«, gab er zu. Neben ihm brach ein Organklumpen aus der Wand. Mit einem schnellen Satz brachte er sich in Sicherheit. »Sag mir, was ich tun kann, um dich dabei zu unterstützen.« »Es ist mir egal.« Wieder mußte Akorn seinen Ärger gewaltsam unter drücken. Selbst sein Stellvertreter, den er von allen Garzen am meisten schätzte, war nicht mehr in der Lage, eigenständige Entscheidungen zu treffen, zu verantworten und danach zu handeln. Es widerte ihn an. Er haß te diese Unentschlossenheit. »Du kannst wie die anderen versuchen, ein Beiboot nach draußen zu bekommen, du kannst hier stehenbleiben und ab warten, du kannst mir auch folgen und mich in die Zentrale begleiten oder sonst etwas unternehmen. Du mußt es selbst wissen. Ich habe nicht die Absicht, dich zu bevormunden oder dir irgendwelche Vorschriften zu ma chen.« Während er sich umdrehte, erfaßte er Keltzells unschlüssigen Blick, aber er hatte keine Lust, weiter darauf einzugehen. Sein Platz war in der Zentrale. Was die anderen taten, wohin sie sich wandten, war ihm gleich gültig. Sicherheit für ihr Leben gab es nirgendwo mehr, und er war nicht mehr bereit, Befehle oder Ratschläge zu erteilen. Er betrat die Zentrale in dem Bewußtsein, daß in wenigen Stunden alles vorbei sein würde. Kaum etwas würde hier noch funktionieren. Überall sah er Spuren der Verwandlung und Zerstörung. Einige Bildschirme waren mittlerweile ausgefallen, und das weite Rund war an den meisten Stellen von verformter organischer Substanz entstellt. Hinter ihm trottete Keltzell mut- und motivationslos in den Raum. Akorn beachtete ihn kaum. Die zweite Gruppe, die einen Beiboothangar erreicht hatte, meldete, daß auch hier die Schotte blockiert waren. Er hatte nichts anderes erwartet. Fünf oder sechs ähnliche Nachrichten würden noch eintreffen, bevor die Garzen endlich begriffen, daß sie auf einem to ten Schiff eingeschlossen waren. Dann würde das Chaos ausbrechen. In seinem Kommandositz wollte er sich niederlassen, als er das Flim mern bemerkte. Es entstand mitten im Raum, und zunächst hielt er es für eine Täuschung. Dann, als es nicht wieder verschwand, stieg die Angst
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wie eine erstickende Gaswolke in ihm auf. Aus dem Nichts schälten sich drei fremdartige, unterschiedlich ausse hende Wesen. Immer deutlicher wurden ihre Konturen, gegenständlicher, realer … sie bewegten ich, sahen sich um … Akorn stieß einen panischen Schrei aus. Viel hatte er bereits mitmachen müssen, doch was er jetzt erlebte, ging über seinen Verstand. Fast gleichzeitig griffen er und Keltzell zu den Waffen.
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5.
Je mehr du dich bemühst, deine Gedanken in geordnete Bahnen zu lenken, desto größer wird deine Verzweiflung. Mit der plötzlichen Freiheit und dem Erinnerungsvermögen, die deinem Geist beschieden sind, kannst du nichts anfangen; du erkennst es immer deutlicher. Es hat vielmehr den An schein, daß deine Versuche, das Schiff in eigener Verantwortung zu steu ern, maßgeblich zu dem jetzigen Dilemma beigetragen haben. Wo du den Schrein der Ahnen suchen sollst, weißt du immer noch nicht. Es ist auch nicht mehr wichtig. Die organischen Bestandteile, der XODI EN sind in zunehmender Auflösung begriffen. Du merkst es, hast lange versucht, diesen entsetzlichen Prozeß aufzuhalten. Doch du bist machtlos. Mit jedem Impuls, den du abgibst und der doch nichts ausrichtet, scheint die Zerstörung sich nur noch zu beschleunigen. Bald wird das Schiff ein Wrack sein, und du ein lebender Toter, der mit seiner Einsamkeit und den Sternen allein ist. Diese Aussicht spornt dich abermals an. Du bäumst dich auf in deinen Fesseln und versuchst zum wiederholten Mal, die Steuerung zu beeinflus sen, so wie du es früher getan hast. Es erfolgt keine Reaktion. Nur vor dir, wo das transparente Material der Sichtkuppel den Blick in den Weltraum gestattet, schiebt sich graue Substanz träge über die Scheibe, folgt einer künstlichen Schwerkraft, deren Vektor zum Heck des Schiffes weist. Du wirst sterben. Einmal mehr erkennst du es in lähmender Deutlich keit. Nichts ist zu retten: nicht das Schiff noch die Garzen oder du selbst. Das Ende ist eine Frage der Zeit. Du hast die Freiheit akzeptiert und angenommen, die so plötzlich in dei ne Gedanken brach. Ihr Preis ist der Tod. Atlan wußte, daß der Ortswechsel, durch Copasalliors magische Fähigkei ten bewerkstelligt, ohne Zeitverlust vonstatten ging. Dennoch entstand der subjektive Eindruck, mehrere Sekunden in einem unendlichen grauen Ne bel zu schweben, aus dem sich die neue Umgebung allmählich heraus schälte und zur Gegenständlichkeit verdichtete. Er erkannte einen runden, kuppelförmigen Raum, an dessen Wänden sich breite Bedienungskonsolen und eine Reihe von Bildschirmen und an deren Beobachtungsgeräten entlangzogen. Vor einem der Terminals stand ein entfernt krabbenähnliches Wesen, gut einen Meter hoch, mit einem dicken Hornpanzer und insgesamt zwölf Gliedmaßen, von denen offen sichtlich die Hälfte zum Laufen dienten. Aus entsetzten Augen starrte es die Ankömmlinge an, fingerte dabei mit einer der sechs übrigen Extremi täten in einer Hautfalte herum und förderte einen glänzenden Stab zutage, dessen flimmerndes Ende keinen Zweifel an seinem Verwendungszweck
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zuließ. Einige Schritte weiter tat es ihm ein zweiter Garze gleich. Die Mentalität dieser Geschöpfe aus dem Kelphen-Revier war Atlan nicht bekannt. Die gezückten Waffen mochten nichts als eine Drohung sein. Ebensogut war es vorstellbar, daß sie ohne weitere Umstände schie ßen würden. Er wollte es nicht darauf ankommen lassen. Reflexartig spannten sich seine Muskeln, um sich mit einem schnellen Satz aus der unmittelbaren Gefahrenzone zu bringen. Im gleichen Moment hob Copasallior zwei seiner Arme und richtete sie auf die Garzen. Sie verschwanden und entstanden an anderer Stelle neu. Bellende Laute verrieten ihre Verwirrung. Ihre Köpfe schwenkten über rascht umher. Noch bevor sie sich orientiert hatten, sprach Koratzo einige magische Worte, mit deren Hilfe er ihre Körperfunktionen beeinflußte. Gegen ihren Willen ließen die Garzen die Waffen fallen und wichen einen Schritt zu rück. Atlan trat hinzu und sammelte sie auf. »Wir wollen euch nichts anhaben«, versicherte der Stimmenmagier in der Muttersprache der Fremden. Seine Fähigkeiten hatten es ihm gestattet, das Thob-Dra innerhalb kürzester Zeit perfekt zu beherrschen. Der passive Translator der Alven, den Atlan mit sich führte, übersetzte das Gesagte ins Pthora. »Wir sind gekommen, um euch zu helfen.« Die Antwort der Garzen ging unter in einem krachenden Geräusch, das in den Ohren schmerzte. Die Frontplatte einer Bedienungskonsole war aufgeplatzt und aus ihren Halterungen gesprungen. Die organische Sub stanz, deren ungeheurer Druck dafür verantwortlich war, wälzte sich wie zäher Schlamm aus dem Geräteinnern und breitete sich auf dem Boden der Zentrale aus. Während er Koratzos Bemühungen, mit den zwei Garzen ins Gespräch zu kommen, verfolgte, nickte er wissend. Die Symptome waren eindeutig. Überall in der Zentrale zeigten sich Spuren des gleichen Vorgangs. Die or ganischen Bestandteile der XODIEN veränderten sich! Eine ähnlich dra matische Entwicklung hatte er auf der DARIEN erlebt … Auf der Schulter spürte er den Druck eines von Copasalliors Armen. »Du weißt mehr, als du sagst«, hielt ihm der Weltenmagier vor. »Ich merke, daß dir die Vorgänge, die sich hier abspielen, nicht unbekannt sind. Du hast vorhin bereits einige Andeutungen gemacht. Willst du dein Wis sen nicht endlich weitergeben?« Unwillkürlich zögerte Atlan. Er wußte selbst nicht genau, warum er sich scheute, über seine Erlebnisse zu berichten. Na los! forderte der Extrasinn scharf. Wenn du helfen willst, mußt du deine Kenntnisse mitteilen! Atlan gab sich einen Ruck. Er wandte sich zur Seite und blickte dem Weltenmagier in die basaltenen Augen.
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»Als ich auf der DARIEN als Galionsfigur gefangen war«, berichtete er leise, während ihn noch nachträglich das Grauen zu übermannen drohte, »geschahen ähnliche Dinge. Es war mir gelungen, einen Teil meiner Frei heit zu erhalten, und schon damals kam mir der Gedanke, daß dieser Um stand letztlich zum Untergang des Schiffes führte. Mit viel Glück habe ich es überlebt.« »Du meinst, daß die plötzliche Unabhängigkeit der Galionsfigur zu die sen …«, Copasallior machte eine umfassende Geste, »… diesen Auflö sungserscheinungen führt?« »Ich fürchte, ja.« Der Weltenmagier wollte weiter darauf eingehen, doch Koratzo beende te das Gespräch, als er sich von den Garzen abwandte und dem Sechsarmi gen ins Wort fiel. »Sie werden friedlich bleiben«, verkündete er den Erfolg seiner Bemü hungen. »Ich habe sie gebeten, die stillgelegten Aggregate wieder aufzu heizen. Wir können gehen.« Copasallior ergriff ihn am Arm und machte Anstalten, auch den Arkoni den zu berühren. »Ich bleibe hier«, lehnte dieser ab, während er einen Schritt zurück trat. »Zur Sicherheit.« Die Magier enthielten sich jeden Kommentars und drückten auf diese Weise ihre Zustimmung aus. Im nächsten Augenblick waren sie ver schwunden. Atlan verfolgte aufmerksam jede Bewegung der Garzen. Sie beachteten ihn kaum. Jeder von ihnen wandte sich einer Konsole zu und betätigte mehrere Schaltungen. Das verhaltene Rumoren, das aus den Tiefen des Organschiffes in die Zentrale drang, bewies, daß die Maschinen wieder Energie zugeführt bekamen. »Akorn an alle!« verstand der Arkonide dann einen Rundspruch des Kommandanten. »Mächtige Freunde sind an Bord eingetroffen und wer den versuchen, uns zu helfen. Evakuierungsplan A wird aufgehoben. Jeder begibt sich an seinen Platz.« Atlan lächelte. Der Stimmenmagier hatte gute Arbeit geleistet. Inner halb kürzester Zeit war es ihm gelungen, die Garzen von ihren friedlichen Absichten zu überzeugen. Es mochte daran liegen, daß die Raumfahrer der XODIEN extrem gutmütige und leichtgläubige Wesen waren. Normaler weise wäre Fremden, die mittels Teleportation urplötzlich auftauchten, er heblich mehr Mißtrauen und Aggressivität entgegengebracht worden. Nachdem er seine Durchsage beendet hatte, kam Akorn auf den Arkoni den zu. Fragend blickte er zu ihm auf. »Was werden deine Freunde tun? Wohin sind sie gegangen?« Die passiven Translatoren der Alven besaßen die hemmende Eigen
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schaft, daß sie zwar fremde Laute in die Sprache des jeweiligen Trägers zu übersetzen vermochten, jedoch in umgekehrter Richtung keinerlei Wir kung entfalteten. Dennoch antwortete Atlan. »Sie sind bei Ystheimer.« Obwohl alle Reviersprachen der Schwarzen Galaxis untereinander verwandt waren und gewisse Ähnlichkeiten aufwie sen, konnte er nicht sicher sein, daß die Garzen ihn verstanden. »Wenn ihn jemand bekehren kann, dann sind sie es.« Akorn hob zwei seiner Gliedmaßen und wandte sich ab. Ob er aus Atlans Worten klug wurde oder nicht – er hatte begriffen, daß er auf die Rückkehr der Magier warten mußte. Als du längst nicht mehr an eine Wende glaubst, als Leben, Freiheit und Zukunft zu vermessenen Träumen geworden sind, tauchen zwei Fremde in deiner Sichtkuppel auf. Ihre Konturen schieben sich aus dem Nichts in dein Blickfeld, ihre Körper verdecken die Sterne und den Anblick der zäh flüssigen Organmasse vor der Trennscheibe. Du spürst eine seltsame, geheimnisvolle Aura, die dich plötzlich mit sei denen Fesseln umwebt. Du vernimmst Worte, gesprochene Worte, die we der deiner Sprache noch der der Garzen entstammen. Dennoch begreifst du ihren Sinn. Du hörst deinen Namen, eindringlich, beschwörend, flehend … – Ystheimer! Kannst du mich hören? Verstehen? Ystheimer! – Du bist verwirrt. Dies ist eine neue Erfahrung, fremd und unbekannt, aber befrei end. Die Gedanken an den Tod, an den Schrein der Ahnen werden bedeu tungslos. Da ist jemand, der sich mit dir beschäftigt, der deine Aufmerk samkeit sucht, der dir womöglich helfen will. Eine Weile besinnst du dich, sortierst deine verwirrten Gedanken. Wäh renddessen redet einer der Fremden unablässig weiter auf dich ein. Es ist, als bohrten sich feurige Nadeln in dein Gehirn, die alles ausmerzen und verbrennen, was dich verunsichert und mutlos macht. Irgendwoher, aus dem hintersten Winkel deiner Überlegungen, kriecht die Einsicht in dein Bewußtsein, daß du das Ende, das du so nahe glaubtest, verhindern kannst, wenn du nur den Willen dazu aufbringst. – Ich – werde – leben – Du schreist es heraus. Fast scheint es, als seien die Fremden erschrocken. Sie zucken zusam men, fahren zurück. Vielleicht haben sie gar nicht damit gerechnet, daß du zur Besinnung kommen könntest, daß du verdrängte Werte neu entdecken und als Zielvorstellung dir zu eigen machen würdest. – Gut so, Ystheimer. – Was du denkst, ist richtig. Nachdem die erste Überraschung abklingt, bestätigen es die Fremden. Du fragst dich, was dich eigentlich in die Realität zurückgerissen hat: die Argumente, mit de nen sie dich bombardierten und die du kaum wiedergeben kannst, oder
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einfach die Tatsache, daß es plötzlich jemand gibt, der sich um dich sorgt. Aber das ist nicht wichtig. – Lerne, dich selbst zu begreifen, zu verstehen. Du hast die Freiheit ent deckt und fürchtest dich davor. Willst du dich verleugnen, um eines Trau mes willen? Nein, Ystheimer, du kannst deinen Traum und deine Wünsche Wirklichkeit werden lassen! Sträube dich nicht, den Befehlen der XODI EN-Besatzung zu folgen. Handle so, wie die Garzen es dir auftragen. Es ist in deinem Sinn! – Wichtig ist, daß sich dir die Chance bietet, das Da sein, das du als erbärmlich erkannt hast, zu beenden, ohne dich selbst da bei zu zerstören. Die Freiheit, die du suchst, kannst du erlangen, wenn du bereit bist, für kurze Zeit noch den Anweisungen anderer zu folgen. Sie werden dir den Weg weisen. Danach, und nur danach, darfst du leben. Die Fremden, zwei unterschiedlich geartete Wesen, deren Existenz du bald vergessen wirst, ziehen sich zurück, verschwinden auf ebenso ge heimnisvolle Weise, wie sie gekommen sind. Du bist wieder allein. Du kannst die Sterne wieder sehen, die mit ihrem düsteren Kern das Charak teristikum dieser Galaxis ausmachen, und die zerfließende Masse organi scher Substanz, die deinen Ausblick trübt und den Beginn der Vernichtung signalisiert. Du willst und wirst dich wehren gegen das Ende und den Untergang. Es braucht nicht mehr als etwas Unterlegenheit, Zurückstecken, Unter drückung. Nimm das hin, solange du die XODIEN steuerst, verneine es, sobald du die Erde eines Planeten unter dir spürst. Nur so, Ystheimer, können deine Träume Wirklichkeit werden. »Gib deine Befehle, Akorn! Euer Ziel ist Ritiquian!« Der Sinn dieser Worte ging fast unter in dem Schock, den der Arkonide verkraften mußte. Soeben hatte sich ein Fladen organischer Materie aus der Deckenkonstruktion gelöst und war mit schmatzendem Geräusch nie dergebrochen. Nur mit einem schnellen Sprung zur Seite konnte sich Atlan in Sicherheit bringen. Fassungslos starrte Akorn die Magier an, die ihn nach ihrer Materialisa tion bedrängten. Akorn wußte kaum, wie ihm geschah. »Was heißt das?« zeterte er, während er aufgeregt mit den Gliedmaßen fuchtelte. »Kannst du dich nicht präziser ausdrücken?« Seine Scheu vor den so plötzlich erschienenen Fremden hatte er völlig abgelegt. Auch die anderen Garzen, die sich allmählich wieder in der Zen trale einfanden, zeigten keine Furcht. Nach kurzer Unsicherheit gewöhnten sie sich schnell an den Anblick der für sie exotischen Wesen. »Was soll ich mehr tun, als dir sagen, daß du deine Befehle geben sollst?« entgegnete Koratzo wütend. »Ich habe mich mit Ystheimer unter halten und ihn dazu gebracht, daß er deinen Anweisungen folgen wird. Aber du mußt dich beeilen, bevor die Chance verstreicht!«
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Atlan versuchte sich auszumalen, was in dem Kommandanten vorgehen mochte. Ein Mann, der jahrelang gewöhnt war, daß seine Entscheidungen befolgt wurden, bekam nun seinerseits vorgeschrieben, wie er sich zu ver halten hatte. Den Stolz des Garzen verletzte das sicher nicht, dazu war er im Grunde seiner Seele zu gutmütig. Aber es verwirrte und verblüffte ihn, und er brauchte eine Weile, bis er es weggesteckt hatte. Dann jedoch handelte er. Er wirbelte herum und betätigte einige Schal tungen. Worte sprudelten aus seinem Mund, so schnell und überstürzt, daß der Translator Mühe hatte, sie zu übersetzen. Während Atlan sich weiterhin aufmerksam umschaute, um möglichen weiteren Veränderungen der Organsubstanz rechtzeitig begegnen zu kön nen, nahm die XODIEN Fahrt auf. Die Freudenschreie einiger Garzen quittierte er mit einem nachsichtigen Lächeln. Nachdem sie bis vor kurz em dem Tod ins Auge gesehen hatten, zeichnete sich jetzt ein Hoffnungs schimmer ab. Koratzo und Copasallior wandten sich ihm zu. »Das war's«, sagte der Stimmenmagier mit einer Lässigkeit, als führte er solche Unternehmen jeden Tag mit gleichbleibendem Erfolg durch. »Wir können gehen.« Er sprach so leise, daß keiner der Garzen ihn verstehen konnte. Den noch schien zumindest Akorn zu ahnen, welche Absichten die unerwartet aufgetauchten Retter hegten. Er kam zu ihnen und wippte mit seinen sechs Beinen auf und ab. »Ihr dürft uns jetzt nicht im Stich lassen«, bat er. »Wenn Ystheimer abermals in eine kritische Phase geraten sollte, sind wir verloren.« Atlan fühlte die fragenden Blicke der Magier auf sich ruhen. Natürlich; wieder einmal würde er die Entscheidung treffen müssen. Aber er wußte nicht, was er anordnen sollte. Besorgt beobachtet er einen Stahlträger, der in einen aus organischer Substanz bestehenden Aus schnitt der Decke eingebettet war und sich infolge der nachlassenden Sta bilität Zentimeter um Zentimeter senkte. Irgendwann würde er sich lösen und herabbrechen, vielleicht jemanden erschlagen. Es war lebensgefähr lich, sich an Bord dieses Schiffes aufzuhalten, und es wurde mit jeder Mi nute gefährlicher. Der Arkonide konnte nicht ausschließen, daß seine Freunde und er schon bald in arge Bedrängnis geraten würden, wenn sie auf der XODIEN blieben. Andererseits widerstrebte es ihm auch, die Gar zen ihrem Schicksal zu überlassen. Noch war er sich nicht darüber im kla ren, was er wichtiger einstufen sollte: die eigene Sicherheit oder die der fremden Raumfahrer. Wo liegt das Problem? meldete sich in beißender Ironie der Extrasinn. In gewisser Weise gab er nur die Gedanken wieder, die Atlan unbewußt schon vollzogen hatte. Die Gefahr war schon immer dein bevorzugtes
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Hobby. Er sah Copasallior an. Seine Frage war rhetorisch und diente nur dazu, die Bereitschaft der anderen zu testen, ebenfalls noch an Bord zu verwei len. »Du bleibst in unserer Nähe und kannst dich bereithalten, jederzeit mit uns zu verschwinden?« Beinahe empört breitete der Weltenmagier die Arme aus. »Hältst du mich für einen Anfänger?« Atlan grinste. Mehr hatte er nicht wissen wollen. »Ihr glaubt, daß ihr nochmals unsere Hilfe braucht?« wandte er sich an Akorn. »Ystheimer kann jederzeit wieder durchdrehen«, begründete der Kom mandant sein Ansinnen. »Dann brauchen wir eure Unterstützung. Ich bitte euch darum.« »Schon gut.« Atlan winkte ab. »Wir bleiben noch.« Es war bemerkenswert, mit welcher Selbstverständlichkeit sich die Frem den auf der XODIEN bewegten. Sie benahmen sich, als könnte sie nichts erschüttern, wirkten äußerst ruhig und gelassen und erweckten den Ein druck, daß ihr Lebenszweck nur darin bestünde, verrückte Galionsfiguren auf den rechten Pfad zurückzuführen. Dementsprechend sicher und überle gen verhielten sie sich. Akorn empfand sie fast als arrogant. Allerdings hütete er sich, über diesen Eindruck auch nur ein Wort zu verlieren. Er bemühte sich im Gegenteil, so unterwürfig wie möglich zu wirken. Die Unterstützung der Fremden zu verlieren, konnte er sich nicht leisten. Bevor das Schiff nicht in Sicherheit war, durfte er sie nicht verär gern. Vielleicht brauchte er sie wirklich noch einmal. Er bekundete also, nachdem der Weißhaarige ihr Verweilen zugesagt hatte, seinen Dank auf eine für ihn so ungewöhnlich höfliche Art, daß sei ne Leute spontan in ihrer Arbeit innehielten und ihm erstaunte Blicke zu warfen. Dann begab er sich zu seinem Kommandopult, indem er sich de monstrativ langsam und würdevoll bewegte. Damit wollte er den Fremden zu verstehen geben, daß er trotz ihrer Anwesenheit immer noch der Chef des Unternehmens war. Vermutlich suchte er damit unbewußt den Kompromiß zwischen seiner offiziellen Funktion als Kommandant und der Notwendigkeit, den Fähig keiten fremder Wesen zu vertrauen und ihre Ratschläge zu befolgen. Sei nem Stellvertreter blieb sein Verhalten, wie allen anderen, natürlich nicht verborgen. Keltzell war jedoch der einzige, der ihn darauf ansprach. »Was ist los mit dir?« zischte er ihm von der Seite zu. »Bist du krank?« »Sei still!« knurrte Akorn zurück. »Ich bin normal. Die Situation erfor dert …«
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»Achtung!« Der panische Schrei ließ ihn verstummen. Blitzartig wirbelte er herum, versuchte mehrere Eindrücke gleichzeitig aufzunehmen und zu verarbei ten. Er sah die träge Bewegung, mit der sich ein Teil der Decke herabsenkte, erfaßte den fliegenden Schatten, der auf einen seiner Leute zuschoß und ihn zur Seite riß, hörte berstendes Krachen … Augenblicklich verwandelte sich die Zentrale in ein Tollhaus. Die Gar zen liefen aufgeschreckt und verängstigt umher, und ihre wilden Schreckensrufe schmerzten in den Ohren. »Ruhe!« rief Akorn mit schriller Stimme. »Benehmt euch!« Seine Autorität, stellte er bei dieser Gelegenheit nebenbei fest, war un gebrochen. Das Geschnatter verstummte. Langsam ging er zu der Unfallstelle, während er innerlich versuchte, das Geschehen zu rekonstruieren. Es war alles viel zu schnell passiert. Einzelheiten hatte er nicht mitbekommen, nur das Ergebnis des Unfalls lag ihm deutlich vor Augen. Ein Stahlträger hatte sich aus der Deckenkonstruktion gelöst und war herabgebrochen. Der Aufprall hatte im Boden der Zentrale eine tiefe Ab senkung entstehen lassen. Wenige Schritte neben diesem Ort erkannte er den Weißhaarigen und einen seiner Leute, der, vom Aufprall des Arkoni den umgerissen, auf dem Rückenpanzer lag und mit sämtlichen Gliedern zappelte. Gemeinsam mit Atlan half er dem Unglücklichen auf die Beine. Der Fremde sah ihn ernst an. »Das kann jederzeit wieder passieren«, sagte er ruhig. »Wenn es eine Möglichkeit gibt, den Flug zu verkürzen, dann nimm sie wahr.« Akorn wandte sich schweigend ab und studierte die Kontrollen. Die XODIEN lief mit halber Kraft, weil er befürchten mußte, daß die Aggre gate bereits derart beschädigt waren, daß sie bei höherer Belastung versa gen oder Explodieren würden. Doch darauf Rücksicht zu nehmen, konnte er sich nicht mehr leisten. Die Verflüssigung der Organmasse schritt un aufhaltsam weiter fort, und je länger der Flug nach Ritiquian dauerte, de sto größer wurde die Gefahr für das Leben der Garzen. Er brauchte nicht zu überlegen. Entschlossen betätigte er einige Schal tungen. Schrilles Kreischen drang aus den Tiefen des Schiffes in die Zen trale herauf. Ein leichtes Zittern lief durch die gesamte Konstruktion, als die Maschinen zur vollen Leistungsabgabe gezwungen wurden. Langsam näherten sich die Anzeigen dem markierten Gefahrenbereich. »Du solltest das lassen«, mahnte Keltzell besorgt. »Du bringst uns alle um.« Akorn warf ihm einen bösen Blick zu und wollte ihn zurechtweisen, als der, den sie den Stimmenmagier nannten, hinzutrat und auf die Anzeigen
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deutete. »Der Kommandant handelt richtig«, sagte er. »Der Weg nach Ritiquian ist zu weit, als daß ihr euch Bummelei leisten könntet. Jede Minute ist kostbar. Für euer und Ystheimers Leben müßt ihr das Risiko eingehen.« Allmählich, stellte Akorn fest, wurden ihm die Fremden etwas sympa thischer. Abgesehen davon, daß sie, was sich am Beispiel des betreten schweigenden Keltzell zeigte, erheblich mehr Autorität besaßen als er selbst, stärkten sie ihm immerhin den Rücken und wehrten die Proteste der anderen ab. Es war ihm jedoch nicht vergönnt, sich darüber zu freuen. Ein bersten des Krachen riß ihn aus seinen Gedanken. Diesmal kam es nicht aus der Zentrale, sondern wurde aus einem anderen Raum übertragen. Der Moni tor, der das entsprechende Bild wiedergab, zeigte dichte Rußwolken, die sich nur träge verzogen. Dann erkannte er ein blockförmiges Aggregat, aus dem organische Masse in zähen Bächen floß. Noch hatte er nicht ergrün det, um welche Maschine es sich handelte, als ein greller Blitz, verbunden mit einer weiteren Detonation, aufzuckte. Wirbelnde Trümmerstücke flo gen durch den Raum und schlugen tiefe Kerben in die Wände. Eines von ihnen raste gegen die Kamera der Übertragungsanlage. Der Bildschirm wurde dunkel. Hastig überprüfte Akorn die Kontrollanzeigen. Der Ausfall des Geräts würde keine weiteren Folgen haben, stellte er erleichtert fest. Es handelte sich um die Versorgungseinheit eines Nährtanks, der nur für die Behand lung äußerst schwerwiegender Körperverletzungen benutzt wurde. Aber der Vorfall hatte einmal mehr gezeigt, daß sie keine Sekunde ver lieren durften. Sie mußten das Schiff verlassen haben, bevor ein lebens wichtiges Element derart beschädigt wurde, daß es seine Funktion nicht mehr erfüllte. Bis jetzt hatten sie Glück gehabt, außerordentliches Glück. Niemand durfte jedoch darauf vertrauen, daß es ihnen hold blieb. Näher und näher schob sich die XODIEN an Ritiquian, doch noch wür den zwei bis drei Stunden vergehen, bis sie auf dem Planeten landen konn te. In dieser Zeit konnte viel geschehen. Die Meldungen, die in der Zentra le eintrafen, ignorierte Akorn längst. Überall kam es zu den gleichen, oder ähnlichen Vorkommnissen: Teile der organischen Substanz, die sich mehr und mehr verflüssigten. Irgendwann würden sie wie Wasser davonfließen. »Wir schaffen es nicht«, unkte Keltzell, als sich aus einem Sektor des Schiffes die Schadensmeldungen häuften. Akorn sah ihn an. Hinter ihm standen die Fremden, und deren Anwe senheit verlieh ihm großes Selbstvertrauen. »Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit«, sagte er ruhig. »Aber wir werden ihn gewinnen.« »Nach meinem Gespräch mit Ystheimer bin ich zu der Überzeugung ge
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kommen, daß der Zeitpunkt, in dem er sein Erinnerungsvermögen zurück gewann, etwa mit dem Moment zusammenfällt, als der Dunkle Oheim das Ritiquian-System verließ. Der Zerfall der Organmasse dagegen setzte ein, als er sich seiner plötzlichen Freiheit bewußt wurde und begriff, in welch aussichtsloser Lage er sich befand.« »Das heißt«, kommentierte Atlan Koratzos Bericht, »daß die Ursache der schrecklichen Vorgänge an Bord dieses Schiffes im Verschwinden des Dunklen Oheims oder auch in der Zerstörung der Lebensblase zu suchen ist.« Der Stimmenmagier nickte bedrückt. »So ist es. Die Verantwortlichen für all diese Vorgänge sind wir!« »Nicht nur das.« Atlan hob die Stimme, um sich durch das Kreischen, das durch die Zentrale scholl, verständlich zu machen. »Wir müssen auch damit rechnen, daß ausnahmslos alle Galionsfiguren im Bereich der Schwarzen Galaxis von der Entwicklung erfaßt werden.« »Dann würden sich alle Organschiffe allmählich in ihre Bestandteile auflösen?« mischte sich Copasallior ein. »Eine entsetzliche Vorstellung.« »Es bedeutet den Tod ungezählter unschuldiger Lebewesen, die nicht mehr in der Lage sind, rechtzeitig einen bewohnbaren Planeten anzuflie gen«, murmelte der Arkonide. Niemand verstand ihn. Das Heulen und Kreischen nahm von einer Se kunde zur anderen weiter zu. Die Garzen wurden zunehmend hektischer und nervöser, einige kümmerten sich bereits nicht mehr um ihre Aufga ben, sondern liefen kopflos umher. Nur Akorn wirkte wie ein ruhender Pol. Er saß, einer steinernen Statue gleich, vor seinen Kontrollen, schwei gend und reglos. Auf dem Bildschirm der Direktbeobachtung vor ihm war der Planet Ri tiquian bereits nur noch in einem Ausschnitt erkennbar. Die Landungsvor bereitungen waren längst eingeleitet, und dennoch beruhigten sich die Garzen nicht. Sie wußten, daß sie sich in einem Schiff befanden, das man nur noch als Wrack bezeichnen konnte. Daß es überhaupt noch bewe gungsfähig blieb und kein Leck aufwies, wurde generell als Wunder ange sehen. »Achtung!« gellte Akorns Stimme durch alle Räume. »Alle Mann bege ben sich auf ihre Einsatzpläne! In wenigen Augenblicken tauchen wir in die Atmosphäre ein!« Er kümmerte sich nicht darum, ob seine Leute der Anweisung Folge lei steten. Ohnehin waren die wenigsten dazu bereit. Er mußte seine ganze Konzentration aufbieten, um die XODIEN halbwegs sicher auf einen Lan deplatz zu dirigieren. Das wurde um so schwerer, je mehr die Beschädi gung der Schiffsmaschinen fortschritt. »Ich glaube«, schrie Copasallior durch den Lärm überbeanspruchter Ag
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gregate, »es wird Zeit für uns, zu verschwinden.« Atlan nickte zustimmend. So sehr es ihm am Herzen lag, daß die Gar zen die Planetenoberfläche von Ritiquian sicher erreichten, so wenig Inter esse hatte er auch, den Eintritt in die Atmosphäre mitzuerleben. Die Ge fahr, daß das angeschlagene Schiff auseinanderbrach, war groß, und wenn das nicht geschah, dürfte er immer noch so heftig durchgeschüttelt wer den, daß die Inneneinrichtung zertrümmert wurde. Ihres Lebens jedenfalls wären der Arkonide und die Magier dann noch weniger sicher als zum jet zigen Zeitpunkt. Koratzo machte Anstalten, über ein herabgebrochenes Maschinenteil zu steigen und den Kommandanten zu informieren, doch Atlan packte ihn am Arm und hielt ihn zurück. »Lieber nicht!« riet er. »Es könnte ihm einfallen, uns mit Waffengewalt hierzu halten.« Auch das war nicht auszuschließen. Die Atmosphäre war gespannt und emotionsüberladen. Der Stimmenmagier sah es ein. »Also gut«, wandte er sich an Copasallior. »Zurück zur GOL'DHOR!« »Nein!« widersprach der Arkonide. Eine Bebenwelle lief durch das Schiff und ließ die Umgebung für einen Sekundenbruchteil vor den Augen verschwimmen. »Ich möchte wissen, ob unser Verdacht zutrifft, daß auf den anderen Organschiffen die gleiche Entwicklung im Gange ist. Wir sollten einige von ihnen aufsuchen.« Der Weltenmagier machte ein unglückliches Gesicht. »Es ist gefährlich«, sagte er. »Außerdem wissen wir von Akorn, daß es überall Schwierigkeiten mit den Galionsfiguren gibt.« »Mit geht es um die Veränderung der Organsubstanz. Wir müssen Ge wißheit haben, ob sie überall eintritt.« »Das ist anzunehmen«, meinte Koratzo. »Anzunehmen, natürlich. Ich will es aber wissen!« Ein donnerndes Krachen unterbrach den Dialog. Von irgendwoher wall te eine Staubwolke auf sie zu. Durch den Dunst sahen sie Akorn, der ha stig aufsprang und mit den vorderen Extremitäten wilde Gesten vollführte. Der Zentraleboden schien sich in die Höhe zu wölben. Atlan taumelte und fühlte sich im gleichen Augenblick von Copasallior gestützt. »Los jetzt!« schrie er, während ein Hustenanfall ihn packte. »Weg von hier!« Wie durch einen Schleier erkannte er Akorn, der durch wirbelnden Rauch auf sie zustürzte. Die Greifarme hielt er nach vorn gestreckt, als wollte er sie festhalten. Bevor er sie erreichte, riß ihn eine Erschütterung von den Beinen … Im nächsten Moment war das Bild verschwunden und hatte grauem, we senlosem Nebel Platz gemacht. Das war der Schritt durch das Nichts oder
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die Welt jenseits der Wirklichkeit, wie er sich dem unbefangenen Betrach ter darstellte. Eine Sekunde, zwei … in Wahrheit verging keinerlei Zeit, nicht der Bruchteil eines Lidschlages. Als der Nebel sich verzog und Atlan wieder festen Boden unter den Fü ßen spürte, befand er sich in einem annähernd rechtwinkligen, mit unzähli gen Kisten und Containern vollgestopften Raum. Von weither hörte er das hämmernde Dröhnen von unter Vollast arbeitenden Maschinen. Der Bo den war bedeckt von häßlichen Pfützen verflüssigter Organsubstanz. Ne ben ihm wälzte sich ein grünlicher Fladen dahin, als besäße er ein zielge steuertes Eigenleben. »Genügt dir das?« fragte Copasallior. Der Weltenmagier war seinem Wunsch gefolgt und hatte sie in ein anderes Organschiff versetzt. »Brauchst du noch weitere Beweise?« »Nein.« Atlan war niedergeschlagen, und er ließ es sich anmerken. »Es reicht.« Der Verdacht hatte sich bestätigt. Wahrscheinlich würden sie tatsächlich auf jedem Organschiff ähnliche Verhältnisse antreffen, zumindest auf den in unmittelbarer Nähe des Zentrums operierenden. Es stand jedoch zu er warten, daß auch die Einheiten, die sich in anderen Revieren oder in den Außenbezirken befanden, früher oder später von der Entwicklung heimge sucht würden. Daß er und seine Freunde durch die Zerstörung der Lebensblase diese Ereignisse eingeleitet hatten, bedrückte ihn. Er fand jedoch keine Zeit mehr, sich darüber Gedanken zu machen. Copasallior ergriff ihn und riß ihn abermals in jenen grauen Nebel.
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Alle waren sie in der Zentrale der GOL'DHOR versammelt: Razamon, der Berserker, Koy, der Trommler, Kolphyr, der Bera, die Magier Copasallior, Koratzo, Opkul, Querllo, Ajyhna, Taldzane – sogar Zwertelis, die Denken de, hatte ihre Klausur beendet und war dem Aufruf Atlans gefolgt. Leicht war es ihr nicht gefallen. In immer stärkerem Maß fühlte sie sich einsam und verlassen, und auch Kolphyrs ständige Anwesenheit, der sich in aufopfernder Weise um sie kümmerte, hatte nichts daran ändern kön nen, daß sie sich überflüssig vorkam. Ihr fehlte ein Lebensinhalt, eine Auf gabe, für die sie sich einsetzen konnte. Sie hatte es längst erkannt, und doch war sie aus eigener Kraft nicht in der Lage, an ihrer Situation etwas zu ändern. Oft in den vergangenen Tagen hatte sie an ihre Freunde gedacht – an Faderkyhl, den Tamater, den Havaren und die vielen anderen, die an ihrer Seite mit der ZIEMEN durch die Weiten der Schwarzen Galaxis geflogen waren, um einer marmornen Kugel, genannt die große Plejade, zu ihrer Bestimmung zu verhelfen. Lange vor dem Ziel hatten die anderen aufge geben und das Sternenschiff verlassen. Wenn das Glück ihnen zur Seite gestanden hatte, mochten sie mit ihrem Beiboot einen bewohnbaren Plane ten gefunden haben, auf dem sie nun ihr Leben fristeten. Vielleicht waren sie glücklich oder wenigstens zufrieden, auf jeden Fall aber verfolgten sie eine Aufgabe, und wenn es sich nur darum handelte, den neuen Lebens raum urbar zu machen oder sich gegen die Anfeindungen der Einheimi schen zur Wehr zu setzen. Damals, als sich die Freunde von ihr getrennt hatten, war Zwertelis der Transport der Marmorkugel wichtiger gewesen als alles andere. Heute da gegen gäbe sie viel darum, die anderen wiederzusehen und mit ihnen Freud und Leid zu teilen. Sie war ein Kunstwesen, ein Geschöpf ohne Vergangenheit, ohne Eltern und ohne Volk. An Bord der ZIEMEN war es ihr teilweise gelungen, dies zu vergessen. Die anderen, ebenfalls von ihren Artgenossen isoliert, waren im weitesten Sinn Schicksalsgenossen, mit de nen eine freundschaftliche Gemeinschaft entstanden war. Hier, auf der GOL'DHOR, hingegen, hatte sie das nie realisieren kön nen, trotz aller Ähnlichkeiten in den persönlichen Schicksalen. Immer hat te sie sich fremd und ausgeschlossen gefühlt, so viel Fürsorge und Zunei gung ihr auch entgegengebracht wurden. Immer hatte sie sich bemüht, es niemandem zu zeigen, doch nach dem Verschwinden der Marmorkugel hatte sie es, auch sich selbst gegenüber, nicht mehr unterdrücken können. Manchmal, wenn sie an ihre alten Freunde dachte, stieg ein Gefühl der Wärme und der kosmischen Weite in ihr auf, eine kaum definierbare Emo
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tion, die dem Widerschein der Freiheit ähnlich oder verwandt war. Alles hätte sie gegeben, wenn sie die Möglichkeit gehabt hätte, das Rad der Zeit zurückzudrehen und die Vergangenheit anders zu gestalten, Faderkyhl, Usmaender und den anderen zu folgen, irgendwohin … Es war Nostalgie, nichts als Erinnerung und Sehnsucht nach Vergange nem. Sie mußte sich mit der Gegenwart abfinden und wußte doch, daß es ihr nicht gelingen würde. Kolphyr, Atlan, Razamon, die Magier – alle wa ren freundlich, hilfsbereit und zuvorkommend. Trotzdem vermochten sie ihre geheimsten Wünsche nicht zu stillen. Warum sie überhaupt in die Zentrale gekommen war, konnte sie selbst nicht begründen. Sie war einem Impuls gefolgt, der ihr bedeutete, daß sie sich trotz aller selbstgewählten Abgeschiedenheit nicht von sämtlichen Vorgängen distanzieren durfte. Zumindest mußte sie sich informieren, was in ihrer unmittelbaren Umgebung geschah. Atlans Bericht über die Erlebnisse an Bord der XODIEN verfolgte sie ohne wirkliches Interesse. Die Mimik der anderen Zuhörer, Kolphyr aus genommen, war ihr noch immer wenig vertraut, dennoch glaubte sie zu er kennen, daß auch sie nicht recht wußten, warum sie sich etwas anhören sollten, was für ihr eigenes weiteres Schicksal offensichtlich keinerlei Be deutung hatte. Während ihrer Mission hatten die beiden Magier und der Arkonide her ausgefunden, daß die Galionsfiguren der Organschiffe in zunehmendem Maß ihre Freiheit wiedererlangten. Damit einhergehend, erfolgte eine dra matische Veränderung der in die Raumer integrierten organischen Sub stanz, mit individuell sehr unterschiedlichem Tempo. Da die Veränderung allgemein jedoch sehr langsam vor sich ging, würde den meisten Raum fahrern genügend Zeit bleiben, vor dem endgültigen Zerfall des betreffen den Schiffes einen Planeten anzusteuern – vorausgesetzt, sie begriffen rechtzeitig, was sich anbahnte. Atlans Absicht war, eine Warnung an alle in der Galaxis operierenden Einheiten abzusetzen. Da er sich für die Entwicklung verantwortlich fühl te, war das nur verständlich. Er wollte das Schlimmste verhindern, um nicht später die ganze Last einer wenig erfreulichen Verantwortung tragen zu müssen. Zwertelis fragte sich, warum er eine Generalversammlung ein berief, um den Freunden dies mitzuteilen. Vielleicht hatte er gehofft, ihre Lebensgeister neu zu erwecken. Bei ihr war es ihm zumindest nicht gelun gen. Seine Rede rauschte an ihr vorbei wie ein ferner Wasserfall oder das verhaltene Raunen eines uninteressanten Kunstgeschöpfes von Cyrsic. Sie hörte kaum zu, behielt nur das Wichtigste, und hing im übrigen ihren eige nen Problemen nach. Bis irgendwann zwei Namen fielen, deren Klang Zwertelis aufhorchen ließ. Yeers und Olken. Augenblicklich vergaß sie al
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les, was sie bisher beschäftigt hatte. Ihr Kopf ruckte hoch, die rundlichen Ohren stellten sich auf. Die Erwähnung der beiden einzigen intakten Bewußtseine, die sich in der Lebensblase aufgehalten hatten, weckte ihre Aufmerksamkeit. Den Wesenlosen hatte sie zumindest in der Denkweise von jeher sehr nahe ge standen, und ihr Schicksal berührte sie mehr, als sie anderen gegenüber zugab. Gerne wäre sie ihnen gefolgt, hätte sich mit ihnen vereint in den Sphären der Höheren Welten, oder wo auch immer. Auch dieser Wunsch würde ihr auf ewig versagt bleiben, sie wußte es, und als der Arkonide Yeers und Olken erwähnte, geschah es nur indirekt und keineswegs in der Absicht, etwas über die beiden selbst auszusagen. Dennoch blieb Zwertelis hellhörig und verfolgte das Gesagte mit größe rer Aufmerksamkeit. Plötzlich bot sich ihr eine Chance, aus der Eintönig keit auszubrechen, einen neuen Lebensinhalt zu finden … »Von Yeers und Olken wissen wir, daß an den Grenzen des RitiquianSystems eine Raumstation ihre Bahn zieht, die als ›Insel der Lotsen‹ be zeichnet wird«, sagte Atlan. »Die Körperlosen gaben Razamon und mir diese Information während unseres Aufenthalts in der Lebensblase. Ur sprünglich wurde die Station errichtet, um im Fall eines Angriffs auf den Dunklen Oheim binnen kürzester Zeit die gesamte Galaxis in Alarmzu stand versetzen zu können. Bekanntlich mußte der Oheim anfangs ständig damit rechnen, daß der positive Teil der Superintelligenz, von der er ab stammt, ihn finden und bestrafen würde. Später, als diese Gefahr für ihn ausgeräumt war, wurde die Insel der Lotsen zum Zentrum eines galaxis weiten Verbindungsnetzes ausgebaut, über das, um nur ein Beispiel zu nennen, die direkte Kommunikation zwischen dem Oheim und den GersaPredoggs oder den Neffen bewerkstelligt wurde.« »Was bedeutet das für uns?« unterbrach Zwertelis voller Aufregung. Fast körperlich spürte sie, daß etwas aus ihr herausdrängen wollte – und daß dieses Etwas auf der Raumstation erst zur Entfaltung kommen würde. Es war ein unbestimmter Eindruck, gewiß, aber es war deutlich und for dernd. »Was hat die Insel der Lotsen mit uns zu tun?« »Sie bietet die Möglichkeit«, erläuterte Atlan, »Funksprüche abzuset zen, die von zahllosen Relaisstationen automatisch weitergegeben werden. Jeden Winkel der Galaxis können wir mit Hilfe der Station erreichen und alle Organschiff-Besatzungen vor der bevorstehenden Katastrophe war nen.« »Was versprichst du dir davon?« fragte Razamon abweisend. Ihm schi en die Idee nicht zu gefallen. Atlans Antwort fiel schärfer aus, als er beabsichtigte. »Ist das so schwer zu begreifen? Wir sind dafür verantwortlich, daß an Bord jedes Organschiffs über kurz oder lang Tod und Zerstörung Einzug
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halten werden. Es ist unsere moralische Pflicht, die Folgen so gering wie möglich zu halten, möglichst viele Wesen vor dem Untergang zu bewah ren. Wir können ihnen nicht direkt helfen, wie den Garzen auf der XODI EN. Aber wir können sie informieren und warnen – und das werden wir tun!« »Du willst in die Raumstation vordringen«, konstatierte Copasallior. »Ist dir klar, daß das neue Schwierigkeiten geben wird? Die Insel dürfte von den Alven kontrolliert werden, die sich das Heft nicht widerstandslos aus der Hand nehmen lassen.« »Und wenn schon!« winkte Atlan ab. »Mit deiner und Koratzos Unter stützung kann es uns gelingen, die Funkanlagen in unsere Kontrolle zu bringen. Wir müssen es zumindest versuchen. Wir sind es uns und allen Völkern dieser Galaxis schuldig!« Zwertelis verfolgte die Debatte und merkte, wie sich ihr Rückenfell da bei sträubte. Unwillig schüttelte sie den Kopf. Es gab einen Faktor, den zur Zeit noch niemand einkalkulieren konnte. Sie wußte oder ahnte es, oh ne jedoch begründen zu können, woher sie die Gewißheit nahm. Die Insel der Lotsen … Eine Aufgabe wartete dort auf sie, die Aufgabe, die sie so lange ent behrt hatte, nach der sie sich sehnte. Sie spürte, daß in ihr verborgene Fä higkeiten schlummerten, deren sie sich nicht vollständig bewußt war und die mit der Übernahme der Raumstation in engem Zusammenhang stan den. Sie konnte sie nicht steuern. Sie würden ausbrechen und zum Vor schein kommen, wenn sie gebraucht wurden, selbsttätig, aus dem Unbe wußten geboren und sich an den Notwendigkeiten orientierend. Sie hätte schreien mögen. Was in ihr vorging, war wie ein Stau, der hin ter einer Mauer tobte und verzweifelt nach einem Durchbruch suchte. Zwertelis begann zu zittern. Die Zeit war noch nicht reif. Aber der Mo ment würde kommen, an Bord der Raumstation … »Gut«, beschloß Copasallior in diesem Augenblick. »Wir fliegen die In sel der Lotsen an.« Als wäre es ein Signal gewesen, wurde Zwertelis plötzlich wieder ruhig. Sie entspannte sich und wartete auf ihren Einsatz. Die Raumstation bot einen chaotischen Anblick. Unwillkürlich fühlte sich Atlan an einen Fragmentraumer der Posbis erinnert. Das Zentrum der An lage wurde von einer quadratischen, mehrere hundert Meter hohen Platt form gebildet, die im Lauf der Jahre immer weiter ausgebaut und ergänzt worden war. Überall fanden sich weit in den Raum hinausreichende An bauten; Türme, Kuppeln, spitzwinklige Aufsätze und kühn anmutende Konstruktionen. Insgesamt mochte das Gebilde einen Rauminhalt von mehr als drei Kubikkilometern ausfüllen. Es besaß somit Ausmaße, die je den Betrachter, der an raumfahrttechnische Dimensionen nicht gewöhnt
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war, das Schaudern lehren konnten. Die Leute von der GOL'DHOR vermochte es freilich kaum zu beein drucken. Sie standen der Konstruktion mit einer durchaus pragmatischen Anschauungsweise gegenüber. Vorrangig sorgten sie sich darum, wie man am gefahrlosesten in die Station eindringen und die Zentrale erreichen konnte. Den ersten Hinweis, welche Schwierigkeiten sich aufwerfen würden, lieferte ein Strahlschuß, der dem Schiff von einem der Waffentürme entge gengeschleudert wurde. Schlecht gezielt und überhastet abgegeben, strich er weit an der GOL'DHOR vorbei. Dennoch lieferte er natürlich Grund für beträchtliche Aufregung. »Wir sollten das Vorhaben aufgeben«, war Copasalliors Ratschlag. »Sie können uns zwar hier im Raum nichts anhaben, selbst wenn sie treffen, weil die Defensivschirme des Schiffes kaum zu knacken sind. Im Innern der Station wird es jedoch blutige Kämpfe geben.« »Auf jeden Fall«, schlug Querllo in die gleiche Kerbe, »sind die Alven in der Überzahl. Wer sich in die Raumstation hineinwagt, wird sie nicht lebend verlassen.« »Du verkennst die Lage«, widersprach Atlan. »Wir haben bereits bei diesem Warnschuß gesehen, daß es auch auf der Insel beträchtliche Schwierigkeiten gibt. Viele Sektionen werden von Galionsfiguren gesteu ert, und ein großer Teil der Konstruktion ist mit organischer Substanz durchsetzt. Die Probleme dürften nicht geringer sein als an Bord jedes be liebigen Organschiffs in diesem Sektor. Es bedeutet, daß die Besatzung hinreichend abgelenkt ist, und das ist unsere Chance!« »Woher nimmst du deine Weisheit, Arkonide?« Razamons Stimme klang höhnisch. »Was willst du tun, wenn die Konstruktion auf rein anor ganischer Basis errichtet ist?« »Von den Sternenschiffen der Koordinatoren der Ewigkeit abgesehen, kenne ich kein raumflugfähiges Gebilde in dieser Galaxis, das nicht mit Organmasse bestückt wäre«, sagte Atlan gelassen. Er deutete auf die Über tragungsanlage. »Außerdem brauchst du dir das Ding nur genau anzuse hen, um zu wissen, daß ich recht habe.« In der Tat waren die meisten Teile der Außenhülle von grauer Organ masse überzogen, die sich an vielen Stellen verformt hatte und skurrile Schichtungen und Konturen bildete. Vieles, was auf den ersten Blick so aussah, als hätte es in der Absicht der Konstrukteure gelegen, entpuppte sich bei näherem Hinschauen als zufälliges Spiel einer verflüssigten und zerfließenden Substanz. »Wir müssen das Risiko eingehen«, bekräftigte Atlan seinen Entschluß. »Copasallior, wirst du mich transportieren?« Der Weltenmagier wedelte mit den Armen.
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»Wenn du dich unbedingt umbringen willst – ich werde dich nicht daran hindern.« Der Arkonide nickte lächelnd. Er hatte nicht daran gezweifelt, daß der Magier dabei sein würde. »Koratzo?« »Ich begleite euch.« Zwertelis fand es an der Zeit, auf sich aufmerksam zu machen. Sie zwängte sich zwischen Koys und Kolphyrs Beinen hindurch und trat vor den Arkoniden. »Ich werde ebenfalls mitgehen«, eröffnete sie. Atlan sah sie verblüfft an. »Du bleibst hier«, bestimmte er. »Du wärst uns eher ein Hemmschuh denn eine Hilfe.« »Es ist mir klar, daß du meine Dienste nicht besonders schätzt«, sagte die Denkende. »Trotzdem bitte ich dich darum, mitgehen zu dürfen. Ich werde dir nicht zur Last fallen.« »Was hast du davon?« Atlan wirkte ärgerlich. »Ich weiß, daß du dich in letzter Zeit von uns anderen zurückgezogen hast, und ich denke, daß du, auch wenn du es selbst nicht zugibst, unbewußt den Tod suchst. Nur des halb willst du an Bord, der Insel, und das werde ich nicht zulassen.« »Nein, das ist es nicht! Ich suche eine Aufgabe, und ich habe das Ge fühl, daß ich sie auf der Station finden werde …« »Wenn wir immer nur unseren Gefühlen vertrauen würden, wären wir längst nicht mehr am Leben«, sagte Atlan abweisend. »Laß sie mit uns gehen«, mischte sich Koratzo ein. Mit seinen magi schen Fähigkeiten mochte er ein wenig von dem erfaßt haben, was in dem Pelzwesen vor sich ging. »Vielleicht wird sie uns wirklich helfen können.« Abwechselnd blickte Atlan von der Denkenden zum Stimmenmagier. Et was sagte ihm, daß sie, wenn sie auf Zwertelis' Wunsch eingingen, ihr einen Teil jener Fröhlichkeit und Offenheit wiedergeben konnten, die sie von ihr kannten. Wahrscheinlich brauchte sie tatsächlich nur eine Aufga be, auf die sie sich konzentrieren konnte, um wieder zu sich selbst zu fin den … »Du kannst mitkommen«, entschied er schließlich. »Aber sieh zu, daß du uns nicht ständig zwischen den Füßen herumläufst.«
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7.
Die Gesichtsformen zumindest ähnelten der des Arkoniden. Ansonsten wiesen die Alven zahlreiche artbedingte Unterschiede auf. Sie waren klein und gedrungen, kaum größer als Zwertelis. Die Arme mit den vierfingri gen Händen wirkten im Verhältnis zum restlichen Körper zu kurz. Spitze Ohren und abstehendes, stacheliges Kopfhaar setzten weitere Akzente. Am bemerkenswertesten war allerdings die Aufsplitterung dieses Vol kes in Vertreter mit schwarzer und solchen mit durchscheinend heller Haut, die als Anhaltspunkt für den jeweiligen Rang des Betreffenden in der Befehlshierarchie galt. Gekleidet waren sie mit einteiligen Overalls, die dem Träger entsprechend, in schwarzem oder weißem Material gehal ten waren. Der Raum, in dem die vier von der GOL'DHOR materialisierten, war ausschließlich von Schwarzalven bevölkert. Sie wirkten unruhig und hek tisch, wie sie zwischen gewaltigen Maschinenblöcken umhereilten, deren Höhe Zwertelis nicht abzuschätzen wagte. Offenbar waren die Zwerge darum bemüht, Reparaturen durchzuführen, und doch war zu erkennen, daß sie an dieser Zielsetzung scheitern mußten. Sie bewegten sich in einer Kulisse der Zerstörung und des Chaos. Zwei der Aggregattürme waren, als sei das Fundament unter ihnen plötzlich ver schwunden, in sich zusammengesunken. In den anderen klafften weite, ge zackte Löcher, die Explosionen in die Wände gerissen hatten. Überall quoll organische Masse in zähem Strom hervor und ergoß sich in breiten Bächen über den Boden, Teile der Decke hatten sich gelöst und hingen trä ge pendelnd herab. Unwillkürlich duckte sich Zwertelis. Für sie war es ein Wunder, daß der Raum noch nicht völlig in sich zusammengebrochen war und alles unter schweren Trümmern begraben hatte. Sie war sicher, daß es jeden Moment geschehen konnte, und sie gestand sich ein, daß sie davor Angst hatte. Sie wollte sich an den Arkoniden wenden und ihn bitten, diesen Ort so schnell wie möglich zu verlassen, doch Atlan kümmerte sich nicht um sie. Scheinbar furchtlos schritt er aus und ging auf einen der betriebsamen Zwerge zu. Koratzo und Copasallior verhielten sich abwartend. Jetzt erst bemerkten die Alven die Anwesenheit von Fremden. Bevor Atlan ein Wort sagen konnte, wichen sie aufgeschreckt zurück und griffen zu den goldfarbenen Gürteln, an denen ihre Waffen befestigt waren. Der Arkonide reagierte augenblicklich. Mit einem schnellen, kräftigen Satz sprang er zurück, ließ sich im Lauf fallen und schlitterte auf die wartenden Freunde zu. Der dumpfe Knall ei ner ausgelösten Lähmwaffe peitschte durch den Raum, doch der Strahl
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ging weit über den Flüchtenden hinweg. Er robbte in die Deckung eines mannshohen Aggregats, hinter dem sich auch Zwertelis und die Magier in Sicherheit brachten. »Ein heißer Empfang«, kommentierte Copasallior trocken. »Das kannst du laut sagen«, bestätigte Atlan ironisch, während er die Alven aufmerksam beobachtete. Vom Umgang mit aus der Kontrolle geratener Organmasse mochten sie wenig oder nichts verstehen, dafür aber um so mehr vom Kämpfen. In ge schlossener Front rückten sie gegen das Versteck der Besucher vor, die Lähmwaffen schußbereit erhoben. »Es wird ungemütlich«, sagte Koratzo. »Wir sollten zusehen, daß wir verschwinden.« Copasallior wartete nicht, bis die anderen sich dazu geäußert hatten. Er streckte die Arme aus, berührte die Freunde und ging den Schritt durch das Nichts. Als sie wieder stofflich wurden, befanden sie sich in einem Korridor, der sich zu beiden Seiten scheinbar unendlich hinzog. In regelmäßigen Abständen waren Türen in die Wände eingelassen, und nirgendwo zeigte sich eine Spur von verformter Organmasse. »Anscheinend sind wir in einem reinen Wohnbereich herausgekom men«, vermutete Atlan. »Das hilft uns auch nicht weiter«, sagte Koratzo. »Wir suchen die Zen trale, keine Privaträume.« »Wir wissen weder, in welchem Abschnitt der Raumstation wir die Zen trale suchen müssen, noch wo wir uns momentan befinden.« Der Arkonide hob einen Arm. »Hier bietet sich uns die Möglichkeit, einen Alven darüber zu befragen, ohne daß wir damit rechnen müssen, von einer Übermacht er drückt zu werden.« »Du willst in eine der Privatkabinen eindringen?« vergewisserte sich der Weltenmagier. »Warum nicht? Wir müssen erfahren, wohin wir uns zu wenden haben, sonst können wir tagelang in der Station umherirren, ohne unser Ziel zu erreichen.« Seine Idee war einleuchtend. In jedem der privaten Räume dürften sich kaum mehr als zwei Garzen aufhalten. Sie würden keine ernstzunehmende Gefahr darstellen, und es schien vernünftig, sich bei ihnen nach dem rich tigen Weg zu erkundigen. Angesichts von vier fremden Eindringlingen mochten sie sogar bereit sein, die gewünschten Informationen preiszuge ben. Zudem stand ihnen das Glück bei, indem es ihnen ersparte, nach einem Öffnungsmechanismus zu suchen oder eine der Türen aufzubrechen. We nige Meter von ihnen entfernt, trat soeben ein Bleicher Alve aus seiner
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Kabine. Als er die Fremden bemerkte, erstarrte er. Die Schrecksekunde nutzte Atlan aus. Langsam näherte er sich dem Zwerg. Als dieser endlich erfaßte, was auf ihn zukam und hastig zu der Lähmwaffe griff, war der Ar konide ihm bereits nahe genug, um ihn mit zwei schnellen Schritten zu er reichen. Bevor die Hand des Überraschten den Kolben des Strahlers berührte, war Atlan heran. Der Aufprall riß den Zwerg von den Beinen. Der Arkoni de trat hinter ihn, packte ihn unter den Achseln und richtete ihn wieder auf. Mit der gleichen, fließenden Bewegung zog er die Waffe aus dem Halfter und schleuderte sie den Freunden entgegen. Copasallior nahm sie an sich. »Höre gut zu«, raunte Atlan, der den Alven nicht aus seinem Griff entließ. »Wir haben nicht vor, dir ein Leid anzutun. Du mußt uns lediglich den Gefallen tun und uns zur Zentrale dieser Raumstation führen!« Der Kleine wand sich und zappelte wild, aber er kam nicht frei. Atlans Körperkräfte waren ungleich größer. »Ihr seid unbefugt in die Insel der Lotsen eingedrungen! Ich werde nichts tun, um euch zu unterstützen.« »Wir besitzen Mittel, dich dazu zu zwingen«, warnte der Arkonide. »Es wäre uns lieber, wenn wir sie nicht anwenden müßten.« »Stellt mit mir an, was ihr wollt«, keifte der Zwerg. »Von mir erfahrt ihr nichts!« Während er den, Raumfahrer weiter mit beiden Armen festhielt, machte Atlan eine Kopfbewegung zum Stimmenmagier hin. »Koratzo! Dies ist dein Patient!« Beinahe erschrocken streckte der Magier die Arme aus. »Nein!« wehrte er ab. »Ich werde ihn nicht beeinflussen.« »Warum nicht?« rief Atlan. Zu dem weiter zappelnden Alven gewandt, raunte er: »Halte endlich still. Ich werde dich nicht loslassen!« »Du weißt genau, daß ich meine Kräfte nur für positive Zwecke einset ze«, war Koratzos Begründung. »Die Beeinflussung eines fremden We sens fällt nicht in diese Kategorie.« Zwertelis kannte die moralischen Skrupel, die den Stimmenmagier oft mals auszeichneten, und plötzlich, während sie den Dialog verfolgte, er wachte wieder jenes seltsame Gefühl in ihr. Der Druck einer unbekannten Strömung, die aus ihr herausbrechen wollte, nahm zu. Unbewußt erfaßte sie, daß es ihr, wenn sie die seltsame Kraft unbeherrscht hätte, ein leichtes gewesen wäre, den störrischen Alven zur Einsicht zu zwingen. Sie hatte keine Ahnung, woher sie die Gewißheit nahm und wie sie es konkret hätte bewerkstelligen sollen, aber sie fühlte, daß dieses unheimliche, unbe stimmte Etwas bei passender Gelegenheit seine Wirkung entfalten würde …
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Noch wurde es jedoch nicht bestätigt, denn Atlan redete weiter auf den Stimmenmagier ein. Zwertelis entspannte sich. »Du bist ein Narr, Koratzo!« schrie der Arkonide aufgebracht. »Du weißt so gut wie wir alle, daß wir nur in der Zentrale unsere Aktion erfolg versprechend versehen können. Das Leben aller intelligenten Wesen dieser Galaxis kann davon abhängen, und du hast nichts Besseres zu tun, als die Gedanken darüber zu machen, ob du ein einzelnes Individuum beeinflus sen darfst oder nicht. Diesem Alven hier wird nichts geschehen sein, nach dem du ihn aus deiner Kontrolle wieder entlassen hast. Wenn du dich da gegen sträubst, wirst du dir allerdings vorwerfen lassen müssen, daß du am Tod vieler Millionen Lebensformen nicht unschuldig bist!« Es war dem Magier anzusehen, daß diese Worte ihn nachdenklich stimmten. Eine Weile stand er schweigend und reglos da. Ob er das Für und Wider eines Einsatzes seiner hypnotischen Fähigkeiten abwog oder einfach Zeit brauchte, seine ethischen Bedenken beiseite zu schieben, wür de sich nie ergründen lassen. Auf jeden Fall trat er schließlich vor und sag te etwas in einer unverständlichen, seinem magischen Repertoire entstam menden Sprache. Der Alve hörte auf zu zappeln. Atlan lockerte seinen Griff und ließ ihn los, nachdem er sicher war, daß er sich nicht weiter wehren würde. »Du wirst uns in die Zentrale führen?« fragte er lauernd. »Ich werde es tun«, antwortete der Zwerg in stereotypem Tonfall. »Ihr könnt meiner Unterstützung gewiß sein.« Fast teilnahmslos trottete Zwertelis neben den anderen her. Über den Wohnkorridor führte der Weg durch mehrere leere Hallen und Lagerräu me. Der Alve, dessen Name Soggdor war, wie sie inzwischen erfahren hat ten, führte sie sicher und zielstrebig. Unter dem zwingenden Bann Korat zos blieb ihm auch gar nichts anderes übrig. Atlan und seine Freunde folg ten ihm ohne Mißtrauen. Selbst wenn er es gewollt hätte, es wäre ihm nicht gelungen, sie in einen Hinterhalt zu locken. Zwertelis machte sich darüber keine Gedanken. Sie vertraute den Fähig keiten des Stimmenmagiers. Sie beschäftigte vielmehr immer noch das, was sich in ihr regte und was sie mit jeder noch so verästelten Faser ihres Körpers spürte. Sie konnte es nicht definieren, nicht erklären, und doch wußte sie, daß es da war, nach draußen drängte und doch die hemmende Schranke noch nicht zu überwinden vermochte. Allmählich wurde ihr die ses Gefühl unheimlich, fast war es, als entfremdete es sie gegenüber sich selbst. Dennoch hegte sie keinen Zweifel, daß das Unheimliche in höch stem Maß positiv war, daß es, wenn es erst zum Ausbruch gelangte, nur Frieden und Freiheit stiften würde, nichts sonst … Sie wurde abgelenkt, als sie in einen kuppelförmigen Saal gelangten, dessen Wände ursprünglich rundum von organischer Substanz umschlos
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sen gewesen waren. Mittlerweile hatte sich die Masse gelöst und über den Boden verteilt. Knöcheltief versanken sie darin. Zwertelis schrie auf, als sie bemerkte, wie ein Teil der Masse, einem Pseudopodium ähnlich, an ei nem ihrer Beine emporkroch zwischen ihrem Fell zerfloß. Atlan packte sie und riß sie in die Höhe. In einem zähen Faden floß die Substanz von ihr ab. Es war ein widerliches Gefühl. »Ob das Zeug Intelligenz besitzt?« vermutete Copasallior, der den Vor gang aufmerksam beobachtet hatte. »Daran glaube ich nicht«, entgegnete Atlan, während er Zwertelis wie der absetzte. »Wahrscheinlicher scheint mir, daß es einem natürlichen In stinkt folgt und eine Verbindung mit jeglichem organischen Leben herbei zuführen versucht.« Der Denkenden führte diese Diskussion zu weit. Sie beteiligte sich nicht daran. Während sie weiter vordrangen, beobachtete sie aufmerksam ihre Umgebung, um vor weiteren Überraschungen ähnlicher Art gewappnet zu sein. Erst, als sie den Saal verließen, konnte sie jedoch aufatmen. Je mehr sie sich der Zentrale näherten, desto größer wurde das Ausmaß der Zerstörungen. Überall waren die Wände aufgeplatzt; herumliegende Trümmerteile und Organklumpen zwangen sie ein ums andere Mal zu Kletterpartien oder Umwegen. Dennoch verlor Soggdor niemals das Ziel aus den Augen, das ihm Koratzo suggeriert hatte. Irgendwann während ihres Marsches sahen sie schon von weitem, daß es nach etwa hundert Metern kein Durchkommen mehr gab. Eine metalle ne Platte war aus der Wand gebrochen und hatte sich in den Boden gegra ben. Sie versperrte den Weg. Soggdor blieb stehen und deutete nach rechts. »Wir können durch einen parallel verlaufenden Seitenstollen das Hin dernis umgehen. Allerdings führt durch ihn eine starke Organader, und es ist nicht sicher, ob der Weg noch frei ist.« »Wir versuchen es«, entschied Atlan. »Es besteht immerhin die Mög lichkeit, daß wir durchkommen. Hier, auf dem Hauptkorridor, ist es jeden falls aussichtslos.« Die anderen drückten ihre Zustimmung durch das Unterlassen von Ein wänden aus. Soggdor kletterte als erster in den Durchgang, der in den Ne benstollen mündete. Es war ein schmaler, düsterer Gang, der wenig einla dend wirkte. Die Luft roch abgestanden und modrig, sie war feucht und kühl und reizte die Schleimhäute. Zwertelis unterdrückte den Impuls, einfach stehenzubleiben und darauf zu hoffen, daß sich an der Umgebung etwas ändern würde. Es war unsin nig und realitätsfremd, überhaupt solche Gedanken zu bilden. Zögernd folgte sie den anderen, immer in der Furcht, im nächsten Moment von her abbrechenden Elementen begraben zu werden. Manchmal wunderte sie
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sich über die Sorglosigkeit, mit der ihre Freunde ausschritten, gerade so, als befänden sie sich in einem völlig intakten Raumschiff, auf dem keiner lei Gefahr drohte. Aber vermutlich war das die einzige Möglichkeit, die ihnen blieb, um nicht vor Angst erdrückt zu werden. Die spärliche Beleuchtung tat ein übriges, ihr Unbehagen zu bereiten. Sie versetzte sie in einen Zustand der ständigen Alarm- und Abwehrbereit schaft. Suchend und sichernd blickte sie sich um, aber sie konnte nichts er kennen, was sie bedrohlich eingestuft hätte. Dennoch zuckte sie zusammen, als über ihr ein schmatzendes Geräusch ertönte. Instinktiv blieb sie stehen, sah nach oben … Dann war Dunkelheit. Sie schrie auf, und ihre Laute klangen so dumpf und hohl, als befände sie sich in einem abgeschlossenen Raum. Panik erfaßte sie. Sie stürmte nach vorn, mitten in die plötzliche Finsternis hinein. Schmerzhaft stieß sie gegen ein Hindernis, weich und nachgiebig, aber stabil. Wo war sie, wo waren ihre Freunde …? Mit den Vorderpfoten tastete sie sich an der neu entstandenen Wand entlang. Sie merkte, daß sie im Kreis lief – und plötzlich wurde ihr klar, was geschehen war. Es mußte ein gewaltiger Organklumpen gewesen sein, der sich über sie ergossen hatte. Entgegen dem Bestreben jeder flüssigen oder halbflüssigen Materie, einen Raum vollständig auszufüllen, hatte die Substanz einen Freiraum gebildet, in dem sie sich bewegen und atmen konnte. So ungewöhnlich und rätselhaft der Vorgang anmutete, so einleuchtend erschien Zwertelis auch die Ursache. Sie hegte kaum einen Zweifel, daß die seltsame Strömung aus ihrem Innern dafür verantwortlich war. Auf ei ne unbegreifliche Weise hatte sie die Organsubstanz daran gehindert, sie völlig einzuschließen und dem Erstickungstod preiszugeben. Allerdings war es nur eine Frage der Zeit, wann die Atemluft in dieser verhältnismäßig kleinen Aussparung zur Neige gehen würde. Als sie das begriff, stieg abermals die Angst in ihr hoch. Schon jetzt glaubte sie, stickige und verbrauchte Atmosphäre einzuatmen, impulsiv begann sie zu husten, obwohl ihr Verstand ihr sagte, daß kein Grund dafür vorhanden war. Irgendwo in ihren Gedanken flackerte ein Rest klarer Überlegung auf. Wenn die Strahlung, die sie verströmte, stark genug war, einen Hohlraum entstehen zu lassen, mochte es auch gelingen, die Substanz insgesamt so weit zurückzudrängen, daß sie in den freien Korridor durchbrechen konn te. Zumindest mußte sie es versuchen. Noch nie war es ihre Art gewesen, tatenlos auf das Ende zu warten.
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Abermals näherte sie sich der Wand, die sie zitternd und pulsierend um schloß. Ihre Vorderpfoten drückten dagegen, sie spürte den Widerstand und das eisige Gefühl auf der Haut. Auf mehr als ihre Intuition konnte sie sich nicht verlassen, denn weiterhin herrschte undurchdringliche Dunkel heit. Immerhin glaubte sie festzustellen, daß die Wand unter dem sanften Druck zurückwich. Sie verstärkte ihre Bemühungen. Tief sanken die Pfoten in die nachgie bige Masse ein, doch vermochte Zwertelis sie durch einen leichten, seit wärts gerichteten Druck davonzuschieben. Ihren ganzen Mut nahm sie zu sammen und zwängte sich selbst in die Substanz. Der Eindruck entstand, als flöße eiskaltes Wasser von ihr ab. Zitternd und voller unterdrückter Angst arbeitete sie sich weiter vor, Meter um Me ter … Dann sah sie Licht, düsteres, diffuses Licht – und ließ ihr entsetzliches Gefängnis hinter sich. Atlan, Koratzo, Copasallior und Sadagar standen vor ihr, während sie sich mit einem schnellen Sprung vollends aus der Umklammerung befreite. »Damit erledigt sich unser Problem«, meinte der Stimmenmagier leicht hin. »Sie hat es aus eigener Kraft geschafft.« Der Arkonide hatte für solche Art skurrilen Humors momentan wenig übrig. »Um ehrlich zu sein«, sagte er, »hatte ich dich bereits aufgegeben. Wie hast du das angestellt, dich aus dem Berg herauszuwühlen?« Erst jetzt sah Zwertelis sich um. Die Organmasse füllte den Korridor in seiner ganzen Höhe aus. Den nachträglich einsetzenden Schrecken erstick te sie mit einem heiseren Lachen. »Was soll ich sagen … nun, es ging sehr einfach …« Mehr vermochte sie beim besten Willen nicht von dem wiederzugeben, was von ihr ausgelöst worden und um sie herum geschehen war. Atlans beinahe mißtrauischen Blick ignorierte sie. »Das mußt du schon genauer erklären«, forderte der Arkonide ungläu big. Er schüttelte leicht den Kopf. »Solch ein Unglück überlebt normaler weise niemand. Was hast du getan, um dich zu retten?« »Ich kann nicht mehr dazu sagen«, brummte Zwertelis unwillig. Eine seltsame Ruhe herrschte jetzt in ihr. »Ich weiß es einfach nicht.« Wie lange sie unterwegs waren, wußten sie nicht. Längst hatten sie das Gefühl für den Ablauf der Zeit verloren, als vor ihnen ein breites, ge schlossenes Schott den Beginn des Zentralebereichs anzeigte. Stundenlang mochten sie marschiert sein, durch Haupt- und Nebenstol len, jeweils den Weg des geringsten Widerstands suchend. Dauernd hatten sie sich vor fliegenden Trümmerstücken in Sicherheit bringen müssen, wa ren über organische Hügel und metallenen Schrott gestiegen und zäh flie
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ßendem Plasma ausgewichen, waren gerobbt, gekrochen und gelaufen. Nichts in der Insel der Lotsen schien mehr intakt oder unbeschädigt zu sein, und jeder Augenblick vergrößerte das Chaos und brachte die Station der Katastrophe näher. Hin und wieder kreuzten andere Alven, schwarze und weiße, ihren Weg, kamen ihnen entgegen oder überholten sie. Anfangs hatten sie wach sam und mißtrauisch auf einen Angriff gelauert, aber mittlerweile waren sie sorgloser geworden. Die Tatsache, daß sie einen alvischen Begleiter bei sich hatten, schien den anderen als Legitimation für ihren Aufenthalt hier zu genügen. Wahrscheinlich lebte unter entsprechender Kontrolle noch eine Vielzahl fremder Wesen in den Weiten der Raumstation. Dem Arkoniden behagte die Leichtigkeit ihres Vorwärtskommen über haupt nicht. Insbesondere Zwertelis' wundersame Rettung aus dem Innern eines herabgebrochenen Plasmaklumpens gab ihm zu denken. Normaler weise hätte sie von dem Aufprall erschlagen werden und am Luftmangel ersticken müssen. Statt dessen wühlte sie sich unversehrt aus dem Organ berg hervor und erklärte leichthin, sie wisse von nichts. Dabei war Atlan davon überzeugt, daß sie mehr über die Zusammen hänge informiert war, als sie ihm gegenüber zugab. Das bestätigte auch der Umstand, daß sie seit dem Erlebnis verschlossen und unnahbar wirkte. Sie redete kaum, auf Fragen antwortete sie ausweichend oder überhaupt nicht. Auf diese Weise schuf sie um sich eine Zone kühler Distanziertheit, die völlig anderer Natur war als vor kurzem an Bord der GOL'DHOR. Dort hatte sie einen unzufriedenen, unausgeglichenen Eindruck hinterlas sen, hier jedoch schien sie eher abwartend und verklärt. Das verstärkte sich noch, als das Zentraleschott in ihrem Sichtfeld auf tauchte. Unmerklich ließ sie sich hinter die anderen zurückfallen, ihr Schritt wurde langsamer und zögernder. Ihr Kopf lag schräg, als überlegte sie scharf oder lauschte einer inneren Stimme. Als Atlan es bemerkte und sich nach ihr umdrehte, begegneten sich ihre Blicke – und er entdeckte eine Spur von Weisheit und kosmischer Weite in den honigfarbenen Augen. Ein unbekanntes und doch irgendwie ver trautes Gefühl erfaßte ihn … Aber er fand nicht die Zeit, sich näher damit zu beschäftigen. Koratzos laute Stimme, der auf ihren unfreiwilligen Führer einredete, lenkte ihn ab. »Versuche das Schott zu öffnen. Wir müssen in die Zentrale vordrin gen!« »Ich habe versprochen, euch hierher zu begleiten«, sagte Soggdor ab weisend. »Die Zentrale darf von Fremden nicht betreten werden, und ich werde keine Schuld auf mich laden, indem ich es euch ermögliche.« »Natürlich wirst du es tun!« mischte sich Atlan ein. »Wir sind keine Leute, die kurz vor dem Ziel umkehren.«
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»Ich kann und darf das Schott nicht öffnen …« »Du willst nicht, das ist alles«, hielt der Arkonide ihm vor. Auffordernd wandte er sich an den Stimmenmagier. »Koratzo, erkläre unserem Freund, wie er sich zu verhalten hat!« »Dafür müßte ich, bildlich gesprochen, durch eine sehr stark hemmende gesellschaftspolitische Schranke brechen«, wehrte der Stimmenmagier ab. »Das kann ein unheilbares Trauma in Soggdor auslösen.« »Ich übernehme die Verantwortung.« »Nein! Ich tue es nicht.« »Koratzo!« Die Basaltaugen des Weltenmagiers glühten kurz auf. »Glaubst du, wir haben den beschwerlichen Weg hierher nur unternom men, um jetzt vor einem geschlossenen Schott aufzugeben? Das war nicht der Sinn der Sache! Du mußt noch einmal auf ihn einwirken!« »Ich …«, setzte Koratzo an, doch dann verstummte er. Wahrscheinlich sah er die Notwendigkeiten ein, wenn er sich ihnen auch nur widerstre bend beugte. Wenige Augenblicke später hatte Soggdor seine ablehnende Haltung aufgegeben. Er betätigte einen verdeckt angebrachten Mechanismus, der die Öffnungsautomatik des Schottes in Betrieb setzte. Leise surrend be wegten sich die beiden Hälften zur Seite. Atlan blickte in einen ausgedehnten, kuppelförmigen Raum, dessen Durchmesser weit über hundert Meter betragen mochte. Die Scheitelhöhe der Decke schätzte er auf mindestens fünfzig Meter. Vielfältige Bedie nungs- und Steuerelemente, Bildschirme und Kontrollanzeigen zogen sich an der Wand entlang. Weitere Konsolen waren in unregelmäßigen Abstän den über den Raum verteilt. Im Gegensatz zu den anderen Regionen der Station, schien dieser Saal völlig intakt. Die Zahl der Alven, die hier ihren Dienst versahen, schätzte der Arkonide auf sechs- oder siebenhundert. Viele von denen, die dem Eingang am nächsten standen, waren bereits aufmerksam geworden. Ab wartend sahen sie den Ankömmlingen entgegen. Ihr Verhalten schürte Atlans Zuversicht. Er ging einige Schritte in den Raum hinein, vorsichtig gefolgt von Koratzo und Copasallior. Zwertelis hielt sich weiterhin im Hintergrund, während Soggdor, plötz lich aus der geistigen Klammer entlassen, schleunigst zusah, daß er sich aus dem Staub machte. »Wir kommen als Freunde«, sagte Atlan so laut, daß man ihn weithin hören konnte. »Wir wollen euch helfen, die Insel der Lotsen vor dem Un tergang zu bewahren. Als einzige Gegenleistung erbitten wir die Überlas sung der Funkanlage.« Wenn er geglaubt hatte, in den Alven bereitwillige Verhandlungspartner gefunden zu haben, sah er sich getäuscht. Ihr Zögern hatte nichts mit
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freundlichem Abwarten zu tun, es fand seine Ursache vielmehr in dem momentan lähmenden Schreck, daß Unbefugte sich erdreisteten, in die Zentrale der Raumstation einzudringen. Atlans Angebot verhallte demzufolge unbeachtet im Nichts. Mit einem mal kam wieder Bewegung in die Alven, einige liefen unruhig umher, an dere griffen zu den Waffen. Schockerschüsse blafften durch die Halle. Ge dankenschnell wichen die Magier und der Arkonide zur Seite. Sie hatten Glück und wurden nicht getroffen. Dafür erlagen einige der eigenen Art genossen den ungezielten Strahlen und sanken gelähmt zu Boden. In aufsteigender Panik sah sich der Arkonide nach einer geeigneten Deckung um, während die Alven weiter wild um sich feuerten. Ein Paraly sestrahl streifte seinen rechten Arm, verursachte jedoch nicht mehr als ein unangenehmes Kribbeln. Seine Gedanken überschlugen sich. Er wußte, daß es keine Rettung mehr gab. Fast alle Alven hatten mittlerweile zu den Waffen gegriffen, und es war nur eine Frage von Sekunden, bis er von ei nem Lähmstrahl voll getroffen und ausgeschaltet wurde. Doch es kam anders. Plötzlich herrschte Stille. Wie auf ein geheimes Kommando ließen die Alven ihre Paralysatoren sinken und sahen sich um, als seien sie eben aus einem bösen Traum erwacht. In ihrem Verhalten war keine Spur von Feindseligkeit mehr zu erkennen. Atlan faßte es nicht. Eben noch von Körperlähmung und Gefangen schaft bedroht, hatte, es jetzt den Anschein, daß die Alven ihm und seinen Begleitern völlig neutral gegenüberstanden. Er wechselte mit Koratzo und Copasallior überraschte Blicke … … und sah Zwertelis, die den Kuppelsaal furchtlos betreten hatte und den Alven langsam entgegenging. Wie hypnotisiert starrten sie die Den kende an, wichen ihr aus, wenn sie in ihre unmittelbare Nähe kam und zeigten ein ungewöhnliches Maß an Respekt und Ehrfurcht. Schweigend beobachtete Atlan die unglaubliche Szene. Mit einemmal wurde ihm klar, warum das Pelzwesen dem herabgebrochenen Organ klumpen hatte entkommen können, warum die Bedienungsmannschaft in der Zentrale ihre feindseligen Reaktionen eingestellt hatte. Von Zwertelis ging ein seltsamer Einfluß aus. Sie verströmte eine zwin gende, durchdringende Emotion, die die Sehnsucht nach Weite und Unab hängigkeit vermittelte, die Bereitschaft zu friedfertiger Verständigung weckte und die Denkweise anderer Wesen von künstlich eingeimpften Zwängen löste. Atlan kannte dieses Gefühl, diese Strömung, die er selbst oft genug ge spürt und zu seinen Zwecken eingesetzt hatte, als er noch im Besitz der großen Plejade gewesen war … Es war der Widerschein der Freiheit!
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Auf Cyrsic, der Kunstwelt, hatte die Entwicklung begonnen. Dort hatte Zwertelis jene faustgroße Marmorkugel entdeckt, die von ihrem Hersteller die große Plejade genannt wurde. Stets hatte sie sich in ihrer Nähe aufge halten, und selbst als ihre Freunde an Bord der ZIEMEN nicht mehr im stande waren, die Ausstrahlung des marmornen Objekts über einen länge ren Zeitraum hinweg zu ertragen, hatte sie sich nicht von dem Stein ge trennt. In dieser Phase mußte ein wenig von der elementaren Kraft der Ku gel auf sie übergesprungen sein. Sie hatte den Widerschein der Freiheit in sich bewahrt und auf geheimnisvolle Weise gespeichert. Jetzt, im Augenblick der höchsten Not, hatte sich das seltsame Etwas in ihr endgültig gelöst und war aus ihr herausgebrochen. Als besäße sie in ih rem Körper ein unerschöpfliches Reservoir, verströmte sie den Wider schein der Freiheit, wie es seinerzeit die große Plejade getan hatte. Unbeirrt bahnte sich Zwertelis ihren Weg durch die Reihen der Alven. Keiner von ihnen dachte noch daran, sie anzugreifen, oder zu bedrohen. Zögernd zunächst, dann sicherer und selbstbewußter ausschreitend, folgten ihr Atlan und die Magier. Der Arkonide war der erste, der das ungewisse Schweigen brach. »Wo befindet sich die Funkanlage?« fragte er. »Wir müssen eine wich tige Meldung absetzen.« Es war kaum zu glauben. Die Alven rissen sich förmlich darum, den Eindringlingen den Weg zu weisen. Mehrere redeten gleichzeitig auf sie ein, ergriffen sie an Armen oder Beinen und zogen sie mit sich. Vor einem etliche Meter breiten Terminal blieben sie stehen. »Wollt ihr uns helfen, die Nachricht zusenden?« Die Frage war überflüssig. Die Alven drückten ihre Zustimmung in hef tigen Gesten und lautem Geschnatter aus. In aller Eile formulierte Atlan einen Text. »An alle Völker der Schwarzen Galaxis! Warnung! Durch verschiedene Umstände werden die Galionsfiguren aller Organschiffe ihre persönliche Entscheidungsfreiheit wiedererlangen. Dies wird in den meisten Fällen zu erheblichen Veränderungen der organischen Bestandteile der entsprechen den Raumer führen. Es besteht höchste Lebensgefahr! Alle Besatzungen werden aufgefordert, unverzüglich den nächsten bewohnbaren Planeten anzufliegen und sich dort in Sicherheit zu bringen. Wiederholung: An alle Völker der Schwarzen Galaxis! Warnung …« In endloser Folge wurde der Funkspruch ausgestrahlt. Zwertelis regi strierte es mit Genugtuung. Damit hatten sie alles getan, um die Auswir kungen der von ihnen eingeleiteten Entwicklungen in erträglichem Rah men zu halten. Aber damit war es nicht genug. Soeben traf eine offene Sendung von Ritiquian ein. Mehrere Organschiffe waren dort gelandet, nachdem die Be
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satzungen die Gefahr erkannt und richtig eingeschätzt hatten. Auch die XODIEN befand sich darunter. Mittlerweile waren die Raumer fast völlig in ihre Bestandteile zerfallen. Aus den kläglichen Überresten krochen, von ihren Anschlüssen losgelöst, die Galionsfiguren hervor: müde, ausgelaugt, mitgenommen – aber lebend! »Ich glaube«, sagte Atlan, als er die Meldungen hörte, »wir haben den Kampf gegen den Dunklen Oheim wirklich gewonnen.« Niemand antwortete. Gespannt und aufmerksam verfolgten sie die Funksprüche, die in immer größerer Zahl in der Insel der Lotsen eintrafen. Sie stammten von den in allen Revieren eingesetzten Gersa-Predoggs, und ihre Mitteilungen waren von höchster Brisanz. Die Neffen starben! Die schwarzen Kerne in den Sonnen hörten auf, ihr bösartiges Fluidum auszusenden! Die Völker der Galaxis wurden in zunehmendem Maße frei! Atlan und die anderen mußten an sich halten, um nicht in gelöstes La chen auszubrechen. Sorgen, Ängste, Befürchtungen und Nöte, die sich in Monaten und Jahren aufgestaut hatten, versiegten in einem betäubenden, berauschenden Gefühl der Befreiung und des Sieges. Von überall her, aus dem Zentrum und den umliegenden Revieren eben so wie aus den unsicheren Randgebieten und den vorgelagerten Mikroga laxien, trafen die Meldungen ein. Es war wie das vielstimmige Einge ständnis der totalen Niederlage der negativen Kräfte. Zwertelis, die Denkende, stand voller Rührung da und hörte sich das Sprachengewirr an. In sich spürte sie die nicht nachlassende Kraft jener befreienden Strömung. Sie fühlte, daß sie ihrer eigentlichen Bestimmung endlich nahe war und es nicht mehr lange dauern konnte, bis sie sie erkannt hatte. Mit der Marmorkugel hatte sie eine Handvoll Freiheit auf Cyrsic gefun den. Den Preis dafür hatte sie gezahlt, als sie von ihren Freunden verlassen wurde. Aber sie hatte nie aufgegeben. Jetzt stand sie vor dem Ziel, dem Ergebnis ihrer Bemühungen. Die Schwarze Galaxis war erfüllt vom Widerschein der Freiheit, und dessen Stimme hallte wie ein lauter, harmonischer Chor durch die Insel der Lotsen. Deutlicher denn je erkannte sie, daß nur die allgegenwärtige, negative Kraft der düsteren Sonnenkerne das vom Dunklen Oheim geschaffene Sy stem der Unterdrückung und des Bösen so stabil hatte werden lassen. Jetzt versiegte die Strahlung der Sonnen allmählich – und damit brachen Macht und Einfluß alles Negativen. Diese Galaxis war lange Zeit in die Irre geführt worden. Jetzt hatte sie den richtigen Weg gefunden und eingeschlagen. Den Weg in die Freiheit.
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»Wo ist sie? Wo habt ihr Zwertelis gelassen? Was ist mit ihr geschehen?« Atlan wußte, wie sehr der Bera das kleine Pelzwesen vom Planeten Cyr sic ins Herz geschlossen hatte. Er ging, kaum daß Copasallior ihn losgelas sen hatte, auf ihn zu und sah ihn ernst an. »Sie ist auf der Insel der Lotsen geblieben.« Kolphyr verengte die Augen. »Was willst du damit sagen?« fragte er. »Ist ihr etwas zugestoßen?« »Nein, das nicht«, wehrte der Arkonide lachend ab. »Wir haben sie auf ihren ausdrücklichen Wunsch zurückgelassen. Sie ist wohlauf. Ich glaube, sie hat die Aufgabe gefunden, nach der sie die ganze Zeit gesucht hat.« In knappen Worten erläuterte er die Wandlung, die mit der Denkenden vor sich gegangen war, bemühte sich darzustellen, daß Zwertelis den Wi derschein der Freiheit in sich trug und sich ausersehen fühlte, die Ge schicke der Schwarzen Galaxis von Bord der, Raumstation aus mitzube stimmen. Die hermetisch verschließbare, nicht von Organsubstanz durch setzte Zentrale bot ihr die Chance dazu. »Sie befindet sich an dem Ort«, schloß er, »von dem aus die GersaPredoggs beeinflußt werden können. Diese Galaxis hat jahrtausendelang nichts als Unterdrückung und Sklaverei erfahren, und jetzt, wo die Freiheit um sich greift, werden viele Wesen anfangen, die erlebten Erfahrungen umzusetzen und ihre eigenen Machtgelüste zu befriedigen. Die Folge wä ren grausame Diktaturen auf unzähligen Planeten. Zwertelis hat sich in den Kopf gesetzt, das zu verhindern. Sie will sich der Gersa-Predoggs da bei bedienen, die ja nun nicht mehr mit den negativen Kräften des Dunklen Oheims versorgt werden. Mit ihrer Hilfe will sie dafür sorgen, daß alle Elemente, die die Freiheit für ihren eigenen Vorteil einsetzen, möglichst kurz gehalten werden, so lange, bis alle Völker gelernt haben, mit den neuen Verhältnissen umzugehen und fertig zu werden. Die Den kende braucht aber auch die Unterstützung der Alven, denn alleine kann die Insel der Lotsen nicht bedient werden. Sie und der Widerschein der Freiheit sollen dafür sorgen, daß die Alven ihre Aufgabe ernst nehmen und sie nicht so schnell vergessen.« Kolphyr hatte zugehört, ohne den Arkoniden zu unterbrechen. Jetzt senkte er den Kopf und wandte sich ab. Atlan konnte ihm nachfühlen, was er empfand. In Zwertelis hatte er eine gute und treue Freundin verloren, jemand, für den er Sympathie empfand und um den er sich hatte kümmern können. Auch die anderen – alle hatten sich in der kleinen Zentrale der GOL'DHOR eingefunden – schmerzte die Entscheidung der Denkenden.
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Aber sie reagierten weniger gefühlsbetont. Irgendwann hatte Zwertelis ih ren Weg gekreuzt, war einige Zeit bei ihnen geblieben und hatte sich nun wieder zurückgezogen. Sie hatte endlich eine Aufgabe gefunden, der sie mit aller Gewalt und Konzentration nachgehen konnte – nur das war wich tig. Wenn sich dennoch drückendes Schweigen ausbreitete, lag es daran, daß jetzt, nachdem sich sämtliche Entwicklungen zum Positiven zu wen den schienen, das eigene Schicksal immer ungewisser wurde. Keines der Wesen, die sich auf der GOL'DHOR aufhielten, besaß ein Zuhause, nicht einmal eine Zuflucht, solange … »Pthor …!« Es war die Stimme des Schiffes, die sie aus ihrer motivationslosen Le thargie riß. »Pthor ist aufgetaucht!« Atlan spürte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte. Keinem würde es in diesem Augenblick anders ergehen. Sie alle hatten darauf gehofft, hatten das Ereignis herbeigesehnt. »Wo?« rief er erregt. »Wie weit entfernt?« »Nur wenige Lichtjahre von hier«, antwortete die GOL'DHOR bereit willig. »In der Nähe einer gelben Sonne.« Seine Ungeduld vermochte der Arkonide kaum noch zu zügeln. Er blickte durch die Sichtfenster. Es war ein unsinniger Impuls, denn über die Entfernung konnte er natürlich nichts erkennen, und auch die Zeit, die das Licht bis hierher benötigte, spielte eine gewichtige Rolle. »Also los!« befahl er. »Worauf warten wir noch!« Das goldene Raumschiff setzte sich in Bewegung. Zwei Stunden Flug vergingen – zwei Stunden voller nervtötender Ungewißheit, ob das georte te Objekt tatsächlich mit Pthor identisch war, zwei Stunden Bangen und Hoffen. Endlose Diskussionen bestimmten das Bild an Bord der GOL'DHOR in dieser Zeit. Jeder machte sich darüber Gedanken, wie er sein Leben nun gestalten würde, auf einem Dimensionsfahrstuhl, der nicht mehr der un heilvollen Kontrolle des Dunklen Oheims unterlag. Daß eigentlich nie mand eine konkrete Vorstellung hatte, was nun geschehen sollte, wurde kaum erkannt. Alles hatte sich radikal verändert; kaum einer zog es in sei ne Überlegungen mit ein. Dennoch schwenkte die Stimmung immer deutlicher zugunsten einer verhaltenen Euphorie um. Lediglich Atlan hatte keinen Grund zu übertrie bener Zuversicht. Er konnte sich mit dem Gedanken, in einer zwar befrei ten, aber doch fremden Galaxis zu leben, nicht anfreunden. Er wollte zu rück in die Milchstraße, wollte Perry Rhodan und die anderen Freunde wiedersehen, an ihrer Seite sein Dasein gestalten … Er bekam keine Gelegenheit, sich in diese Gedanken zu vertiefen. Als
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die GOL'DHOR das Zielgebiet erreicht hatte, gellte ein überraschter Ruf durch die Zentrale. »Sechs!« Koratzo hatte es als erster bemerkt. »Es sind sechs Dimensi onsfahrstühle!« Atlan beugte sich über die Kontrollen. Der Stimmenmagier hatte recht. Nicht nur Pthor war hier materialisiert. Fünf weitere Welteninseln hatten sich versammelt, und soeben brach eine weitere aus dem Dimensionskorri dor. »Was bedeutet das?« fragte Razamon unruhig. Atlan antwortete nicht. Mit brennenden Augen starrte er aus dem Sicht fenster des Schiffes. Am ganzen Körper bebte er. Was er sah, erschütterte ihn bis in die Tiefen seiner Seele. Wie ein Kartenhaus fielen alle seine Hoffnungen, alle seine zuversichtlichen Gedanken zusammen. Um die gelbe Sonne, in deren Nachbarschaft sich die Dimensionsfahr stühle versammelt hatten, schlang sich ein gewaltiger schwarzer Ring … »Der Dunkle Oheim«, murmelte jemand voller Entsetzen. »Ich dachte, er sei bezwungen.« »Vergeblich«, stammelte Atlan kaum hörbar. Erbittert schüttelte er den Kopf. »Alles war vergeblich.«
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Weiter geht es in Atlan Band 486 von König von Atlantis mit: Fragmente einer Welt von Hans Kneifel
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