Dennis Bösch Carl-Peter Criée Lungenfunktionsprüfung Durchführung – Interpretation – Befundung
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Dennis Bösch Carl-Peter Criée Lungenfunktionsprüfung Durchführung – Interpretation – Befundung
Dennis Bösch Carl-Peter Criée
Lungenfunktionsprüfung Durchführung – Interpretation – Befundung Mit 81 Abbildungen und 18 Tabellen
123
Dr. med. Dennis Bösch Zentrum für Pneumologie Diakoniekrankenhaus Rotenburg (Wümme) Verdener Straße 200 27356 Rotenburg (Wümme)
Prof. Dr. med. Carl-Peter Criée Evangelisches Krankenhaus Göttingen-Weende e.V. Medizinische Klinik – Pneumologie Pappelweg 5 37120 Bovenden-Lenglern
ISBN 978-3-540-34108-6 Springer Medizin Verlag Heidelberg Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer Medizin Verlag springer.com © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2007 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Planung: Hinrich Küster, Heidelberg Projektmanagement: Gisela Zech, Heidelberg Copyediting: Gabriele Siese, Untergruppenbach Einbandgestaltung: deblik Berlin SPIN 11601913 Satz: TypoStudio Tobias Schaedla, Heidelberg Druck: Stürtz GmbH, Würzburg Gedruckt auf säurefreiem Papier
2126 – 5 4 3 2 1 0
V
Vorwort Nicht zuletzt dem technischen Fortschritt mit immer kompakteren und bedienerfreundlicheren Geräten ist es zu verdanken, dass die Lungenfunktionsdiagnostik zunehmende Verbreitung findet. Zudem wecken ein stark anhaltender Wissenszuwachs und stetig steigende Zahlen an Patienten mit obstruktiven Lungenerkrankungen seit Jahren das Interesse an Lungenfunktionsstörungen und entsprechenden Untersuchungsmethoden. Bei zunehmender klinischer Bedeutung der Lungenfunktionsdiagnostik im klinischen Alltag gehören die verschiedenen Methoden der Lungenfunktionsprüfung in den Krankenhäusern und den internistischen, allgemeinmedizinischen und pädiatrischen Praxen heute zum Standard. Neben der weit verbreiteten Spirometrie sind dies die Bodyplethysmographie, Diffusionstestung, Mundverschlussdruckmessung, Blutgasanalyse und die erweiterten Untersuchungen mit Provokation und Bronchospasmolyse. Dieses Buch richtet sich an alle, die mit der Durchführung und Befundung von Lungenfunktionsprüfungen befasst sind. Dem Leser soll nach bewusst kurzer Einführung in die verschiedenen Methoden systematisch – anhand authentischer, klinischer Patientenfallbeispiele – die Befundung und Interpretation der Untersuchungsergebnisse unter Berücksichtigung der klinischen Umstände vermittelt werden. Hierzu wurden über 60 Untersuchungsergebnisse von Patienten, die mit Geräten verschiedener Hersteller und unterschiedlichen Modellen erhoben worden waren, ausgesucht und zusammengestellt. Wichtige Punkte und Hintergrundinformationen zu den jeweiligen Untersuchungen und Funktionsstörungen sind hervorgehoben und gesondert zusammengefasst. Dabei wurde mit großer Sorgfalt versucht, die Empfehlungen der deutschen und internationalen Fachgesellschaften zu berücksichtigen. Neben dem Anfänger wird auch der Fortgeschrittene wertvolle Informationen zur täglichen Praxis finden, da die Beispiele neben den klassischen Befundkonstellationen auch seltenere und kompliziertere Fälle aufzeigen. Abschließend bietet ein Kapitel die Möglichkeit, das erworbene Wissen und die erlernten Fertigkeiten anhand z. T. komplexerer Fallübungen zu kontrollieren. Dieses Buch soll zudem auch als Kompendium und Nachschlagewerk für die tägliche Praxis dienen. Wir wünschen Ihnen eine interessante und lehrreiche Lektüre sowie viel Erfolg und Freude bei der Befundung eigener Lungenfunktionsuntersuchungen.
Dr. med. Dennis Bösch Prof. Dr. med. Carl-Peter Criée
Bremen, Göttingen im Dezember 2006
VII
Inhaltsverzeichnis 1
Lungenfunktionsprüfung im Überblick . . 1
6
Diffusionstestung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
2
Lungenfunktionsparameter . . . . . . . . . . . . 3
6.1 6.2
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Statische und dynamische Volumina . . . . . . . Atemflussparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Resistance-Parameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diffusionsparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mundverschlussdruckparameter . . . . . . . . . . . Blutgasanalyseparameter . . . . . . . . . . . . . . . . .
4 4 6 7 8 8 8
3
Spirometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
3.1 3.2 3.3 3.4
Einleitung und Messprinzip . . . . . . . . . . . . . . Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . Ventilationsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
Bodyplethysmographie . . . . . . . . . . . . . . . 43
4.1 4.2 4.3
Einleitung und Messprinzip . . . . . . . . . . . . . . 44 Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . 46 Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
5
Bronchospasmolysetestung und Provokationstestung . . . . . . . . . . . . . . 75
5.1 5.2 5.3 5.4
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bronchospasmolysetestung . . . . . . . . . . . . . . Provokationstestung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10 12 12 13
76 76 76 78
7
Mundverschlussdruckmessung . . . . . . .101
7.1 7.2
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
8
Peakflow-Messung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .109
8.1 8.2
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
9
Blutgasanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .119
9.1 9.2
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
10
Interpretationsstrategie der Lungenfunktionsprüfung . . . . . . . . . . . . .127
11
Gemischter Übungsteil . . . . . . . . . . . . . . .129 Praxisrelevante Literaturempfehlungen. . . . . . . . . . . . . . .149 Verzeichnis der Fallbeispiele . . . . . . . . . .151 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . .153
IX
Abkürzungsverzeichnis ATS BE BGA COPD CT ERV ERS FEF FEV1 FEV1% FRC FVC Hb HCO3 IC IRV ITGV IVC KCO kg kPA l MEF
American Thoracic Society Base Excess Blutgasanalyse Chronic Obstructive Pulmonary Disease Computertomographie Exspiratorisches Reservevolumen European Respiratory Society Forcierte exspiratorische Flussgeschwindigkeit Einsekundenkapazität Relative Einsekundenkapazität Funktionelle Residualkapazität Forcierte Vitalkapazität Hämoglobin Bikarbonat Inspiratorische Kapazität Inspiratorisches Reservevolumen Intrathorakales Gasvolumen Inspiratorische Vitalkapazität Krogh-Index Kohlenmonoxid Kilogramm Kilopascal Liter Maximale exspiratorische Flussgeschwindigkeit
P0,1 pCO2 PEF pH PIF PImax pO2 RAWex RAWtot RV s SaO2 sRAW tot TGV TLC TLCO VA VC VCEX VCIN VT
Inspiratorischer Mundverschlussdruck bei 0,1 s Kohlendioxidpartialdruck Exspiratorischer Peakflow pH-Wert Inspiratorischer Peakflow Maximaler inspiratorischer Mundverschlussdruck Sauerstoffpartialdruck Exspiratorischer Teilwiderstand Totaler Atemwegswiderstand Residualvolumen Sekunde Sauerstoffsättigung Spezifischer Atemwegswiderstand Thorakales Gasvolumen Totale Lungenkapazität Transferfaktor Kohlenmonoxid Alveolarvolumen Vitalkapazität Exspiratorische Vitalkapazität Inspiratorische Vitalkapazität Tidalvolumen
1
Lungenfunktionsprüfung im Überblick
2
1
Kapitel 1 · Lungenfunktionsprüfung im Überblick
Die Lungenfunktionsdiagnostik ist ein sehr heterogenes Feld von unterschiedlichen Untersuchungen, mit denen die verschiedenen Anteile der Lungenfunktion im Einzelnen oder global als Summe dargestellt und überprüft werden können. Die Lungenfunktion besteht aus einem Zusammenspiel von Einzelfunktionen. Vereinfacht kann man folgende Bereiche unterscheiden: ▬ die Ventilation, ▬ die Perfusion, ▬ den Gasaustausch und ▬ die Atemmuskelfunktion mit ihrer zentralen Steuerung. Neben einer Störung dieser Einzelfunktionen mit den jeweiligen Unterformen können auch kombinierte Störungen auftreten oder Störungen, die
auf einem unphysiologischen Zusammenspiel der Einzelfunktionen basieren. Für die Lungenfunktionsdiagnostik stehen uns im Wesentlichen folgende Tests zur Verfügung: ▬ die Spirometrie/Pneumotachographie, ▬ die Bodyplethysmographie, ▬ die Bronchospasmolyse-/Provokationstestung, ▬ die Diffusionstestung, ▬ die Mundverschlussdruckmessung und ▬ die Blutgasanalyse. Mit den einzelnen Methoden ist es möglich, verschiedene Atemvolumina, Flussgeschwindigkeiten, thorakale Druckverhältnisse, ggf. mit entsprechenden Veränderungen auf Medikamentengabe oder auch Exposition von Reizstoffen, sowie die Diffusionsverhältnisse und den Gasaustausch zu untersuchen.
2
Lungenfunktionsparameter
2.1
Allgemeines – 4
2.2
Statische und dynamische Volumina – 4
2.3
Atemflussparameter – 6
2.4
Resistance-Parameter – 7
2.5
Diffusionsparameter – 8
2.6
Mundverschlussdruckparameter – 8
2.7
Blutgasanalyseparameter – 8
2
4
Kapitel 2 · Lungenfunktionsparameter
2.1
Allgemeines
Die genaue Kenntnis der Bedeutung der einzelnen Messwerte und ihrer Zusammenhänge ist eine Grundvoraussetzung für die Interpretation der Lungenfunktionsprüfung. Man unterscheidet die statischen Volumina, also die zeitunabhängigen einzelnen Teilvolumina der Totalkapazität (z. B. die Vitalkapazität), von den dynamischen Volumina, die in forcierten Atemmanövern in Bezug zur Zeit ermittelt werden (z. B. die Einsekundenkapazität). Des Weiteren können Atemstromstärken bzw. Atemflussparameter (z. B. der Peakflow), Munddruckverhältnisse, Diffusionsparameter und Blutgaswerte gemessen werden. Die einzelnen Parameter werden nachfolgend erläutert und in den ⊡ Abb. 2.1, 2.2 und 2.3 veranschaulicht. Die einzelnen Werte sind jeweils als Ist-Wert (also gemessener Wert) und meist als Soll-Wert (also Normal- oder Referenzwert) mit entsprechender prozentualer Abweichung des Messwertes vom Sollwert angegeben.
2.2
Inspiratorische Vitalkapazität (IVC): das Volumen, das nach maximaler Exspiration maximal eingeatmet werden kann.
VCEX
Exspiratorische Vitalkapazität (EVC): das Volumen, das nach maximaler Inspiration maximal ausgeatmet werden kann. Es kann zwischen einer langsamen (»relaxed«) Exspiration und einer forcierten Exspiration (FVC) unterschieden werden. Bei gesunden Probanden besteht keine systematische Differenz zwischen IVC und EVC; nur bei obstruktiven Lungenerkrankungen kann die IVC größer sein als EVC und FVC. EVC ist in der Regel größer als FVC.
FVC
Forcierte Vitalkapazität: das nach kompletter Inspiration unter stärkster Anstrengung schnellstmöglich ausgeatmete maximale Volumen (TiffenauManöver).
FRC
Funktionelle Residualkapazität: das Volumen, das sich nach normaler Exspiration (endexspiratorisch) noch in der Lunge befindet, also ERV+RV. Bestimmung nur der ventilierten Anteile mittels Heliumdilutionsmethode. Entspricht physiologisch dem TGV.
TGV
(Intra-)Thorakales Gasvolumen (=ITGV): das Volumen, das sich nach normaler Exspiration (endexspiratorisch) noch in der Lunge befindet, also ERV+RV. Bestimmung mittels Bodyplethysmographie – neben den ventilierten Anteilen werden auch die gasgefüllten Anteile erfasst. Entspricht physiologisch der FRC, die mittels Heliumdilution ermittelt wird, jedoch nur den ventilierten Anteil erfasst. Bei intrathorakalen Lufteinschlüssen (z. B. »trapped air« oder Emphysembullae) kann die TGV größer sein als die FRC.
RV
Residualvolumen: das Volumen, das nach maximaler Exspiration noch in der Lunge verbleibt und nicht ausgeatmet werden kann.
Statische und dynamische Volumina
VT
Atemzugvolumen/Tidalvolumen: das pro (Ruhe-)Atemzug ein- bzw. ausgeatmete Volumen. Der Wendepunkt zwischen Aus- und Einatmung bezeichnet die Atemmittellage.
IRV
Inspiratorisches Reservevolumen: das Volumen, das nach normaler Inspiration noch zusätzlich maximal eingeatmet werden kann.
IC
Inspiratorische Kapazität: das Volumen, das aus der Atemruhelage heraus noch maximal eingeatmet werden kann, also VT+IRV.
ERV
Exspiratorisches Reservevolumen: das Volumen, das nach normaler Exspiration noch zusätzlich maximal ausgeatmet werden kann.
▼
VCIN
▼
2
5 2.2 · Statische und dynamische Volumina
TLC
Totale Lungenkapazität: das Volumen, das sich nach maximaler Inspiration in der Lunge befindet, also VC+RV.
FEV1
Einsekundenkapazität (forciertes exspiratorisches Volumen in einer Sekunde): das nach maximaler Inspiration unter stärkster Anstrengung schnellstmöglich ausgeatmete Volumen der ersten Sekunde.
▼
FEV1%
Relative Einsekundenkapazität: das nach maximaler Inspiration unter stärkster Anstrengung, schnellstmöglich ausgeatmete Volumen der ersten Sekunde im Verhältnis zur Vitalkapazität (FVC oder VCIN, s. oben). Ausgedrückt als Prozentanteil der FEV1 an der FVC bzw. VCIN.
Spirogramm Volumen
IRV TLC
IC
ERV FRC Zeit
⊡ Abb. 2.1. Übersicht der Volumina
RV
RV
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VC
VT
Kapitel 2 · Lungenfunktionsparameter
2.3
Atemflussparameter
PEF
PIF
MEF75
Peak Expiratory Flow: maximale exspiratorische Atemstromstärke bzw. Flussgeschwindigkeit, die bei forcierter Exspiration nach kompletter Inspiration erreicht werden kann. Peak Inspiratory Flow: maximale inspiratorische Atemstromstärke bzw. Flussgeschwindigkeit, die bei forcierter Inspiration nach kompletter Exspiration erreicht werden kann. Maximale exspiratorische Atemstromstärke bzw. Flussgeschwindigkeit (Flow) zu dem Zeitpunkt, bei dem noch 75% der VC auszuatmen sind.
Maximale exspiratorische Atemstromstärke bzw. Flussgeschwindigkeit (Flow) zu dem Zeitpunkt, bei dem noch 25% der VC auszuatmen sind.
▼
Fluss
MEF 25
MEF25
MEF 50
Maximale exspiratorische Atemstromstärke bzw. Flussgeschwindigkeit (Flow) zu dem Zeitpunkt, bei dem noch 50% der VC auszuatmen sind.
MEF 75
MEF50
PEF
MEF 75–25 Maximale exspiratorische Atemstromstärke bzw. Flussgeschwindigkeit (Flow) im Volumenabschnitt 75–25% der noch auszuatmenden FVC. FEF25
Maximale (forcierte) exspiratorische Atemstromstärke bzw. Flussgeschwindigkeit (Flow) zu dem Zeitpunkt, bei dem 25% der VC ausgeatmet wurden (=MEF75).
FEF50
Maximale (forcierte) exspiratorische Atemstromstärke bzw. Flussgeschwindigkeit (Flow) zu dem Zeitpunkt, bei dem 50% der VC ausgeatmet wurden (=MEF50).
FEF75
Maximale (forcierte) exspiratorische Atemstromstärke bzw. Flussgeschwindigkeit (Flow) zu dem Zeitpunkt, bei dem 75% der VC ausgeatmet wurden (=MEF25).
FEF25–75
Maximale exspiratorische Atemstromstärke bzw. Flussgeschwindigkeit (Flow) im Volumenabschnitt 25–75% der ausgeatmeten FVC (=MEF75–25).
Fluss-Volumen-Kurve normale Kurve
⊡ Abb. 2.2. Übersicht der Atemflussparameter
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Volumen
PIF
2
6
2
7 2.4 · Resistance-Parameter
Bei Bewertung des forcierten Exspirationsmanövers ( Tiffenau-Manöver) sind 2 Phänomene zu berücksichtigen: ▬ Es besteht eine deutliche Atemabhängigkeit (»effort dependence«) der exspiratorischen Atemflüsse. Dies gilt insbesondere für die 1. Hälfte der ausgeatmeten Vitalkapazität. Bei unzureichender Mitarbeit des Patienten sind die Atemflüsse entsprechend niedriger. Andererseits sind die maximalen (forcierten) Atemflüsse bei maximaler Anstrengung, bedingt durch die Kompression der Atemwege, häufig etwas geringer als bei submaximaler Anstrengung. Bei schlechter Reproduzierbarkeit einer submaximalen Anstrengung ist jedoch stets ein maximal forciertes Manöver zu fordern. ▬ Das 2. Phänomen ist die Zeitabhängigkeit (»time dependence«). Bei langsamer Inspiration (bis zum TLC-Niveau) mit zusätzlicher Pause (>1 s) vor der forcierten Exspiration sind die Atemflüsse bis zu 25% geringer als
bei schneller Inspiration ohne Pause vor der forcierten Exspiration. Ursächlich hierfür sind unterschiedliche viskoelastische Eigenschaften der Lunge und eine unterschiedlich gute Aktivierung der Exspirationsmuskulatur abhängig vom zeitlichen Verlauf.
2.4
Resistance-Parameter
RAWtot
Totaler Atemwegswiderstand (Resistance) bzw. Strömungswiderstand: gerade zwischen maximalem in- und exspiratorischen Druckpunkt der Resistanceschleife.
sRAWtot
Spezifischer totaler Atemwegswiderstand: volumenkorrigierte RAWtot, d. h. RAWtot×TGV.
RAWex
Exspiratorischer Teilwiderstand.
Resistance-Kurve
Fluss
Inspiration in
RAW
RAW
tot PB Kabinendruck
ex
Exspiration
⊡ Abb. 2.3. Übersicht der Resistance-Parameter
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RAW
2
8
Kapitel 2 · Lungenfunktionsparameter
2.5
Diffusionsparameter
2.7
Blutgasanalyseparameter
FRC-He
Funktionelle Residualkapazität (mittels Heliumdilution); s. FRC, TGV.
pH
pH-Wert: aktueller Gehalt an freien Protonen (H+-Ionenkonzentration).
RV-He
Residualvolumen (mittels Heliumdilution); s. RV.
pO2
Sauerstoffpartialdruck: Teildruck des Sauerstoffs am Gesamtgasgemisch.
TLCO
Transferfaktor: Gasmenge an Kohlenmonoxid (CO), die vom Alveolarraum ins Blut (Hämoglobin) aufgenommen wurde. Synonym auch DLCO (Diffusionskapazität).
pCO2
Kohlendioxidpartialdruck: Teildruck des Kohlendioxids am Gesamtgasgemisch.
HCO3
Bikarbonat: Konzentration an Bikarbonat bzw. Standardbikarbonat (berechnet für normoventilatorische Verhältnisse).
Krogh-Index oder Transferkoeffizient (TLCO/VA): Transferfaktor bezogen auf das Alveolarvolumen (VA).
BE
Basenüberschuss (»base excess«): Abweichung der Pufferbasen.
SaO2
Sauerstoffsättigung: Hämoglobinanteil, der mit Sauersoff gesättigt (oxygeniert) ist.
Hb
Hämoglobin.
KCO
VA
2.6
Alveolarvolumen: VA+Totraumvolumen entspricht weitestgehend der TLC.
Mundverschlussdruckparameter
P0,1
Inspiratorischer Mundverschlussdruck 0,1 s nach Beginn der Inspiration, bei Ruheatmung.
PImax
Maximaler inspiratorischer Mundverschlussdruck bei forcierter Inspiration nach vorheriger kompletter Exspiration bis zum Residualvolumen.
P0,1/ PImax
Mundverschlussdruck P 0,1, bezogen auf den maximalen statischen Inspirationsdruck.
P0,1/ MV
Mundverschlussdruck P 0,1, bezogen auf das Atemminutenvolumen.
P0,1/ (VT/ti)
Mundverschlussdruck P 0,1, bezogen auf die mittlere Inspirationsgeschwindigkeit bei Ruheatmung.
3
Spirometrie
3.1
Einleitung und Messprinzip – 10
3.2
Durchführung der Untersuchung – 12
3.3
Ventilationsstörungen – 12
3.4
Fallbeispiele – 12
3
10
Kapitel 3 · Spirometrie
3.1
Einleitung und Messprinzip
Die Spirometrie besitzt einen hohen Stellenwert in der differenzialdiagnostischen Untersuchung und Bewertung respiratorischer Symptome. Darüber hinaus kommt einigen Messwerten eine hohe Bedeutung als prognostischer Faktor von Atemwegserkrankungen zu. Mit relativ geringem apparativem und zeitlichem Aufwand ist sie einfach durchführbar und ermöglicht die Ermittlung grundlegender Atemvolumina sowie in- und exspiratorischer Atemflussverhältnisse. Sie ist deshalb hervorragend als Screening-Untersuchung geeignet. Die ⊡ Abb. 3.1 zeigt ein Modell eines einfachen Spirometers. Der besondere Wert der Spirometrie liegt in der Diagnostik obstruktiver Ventilationsstörungen und der Möglichkeit, die therapeutische Beeinflussbarkeit dieser sehr häufigen Ventilationsstörung zu objektivieren. Es sei darauf hingewiesen, dass andere Störungen der Lungenfunktion mit der Spirometrie nicht oder nur eingeschränkt darstellbar sind. Patienten mit schwerster Ateminsuffizi-
enz können so unter Umständen ein normales Untersuchungsergebnis in der Spirometrie aufweisen. Unter Spirometrie versteht man die Messung von Lungenvolumina am Mund. Erste Untersuchungen von Atemvolumina gehen bis auf das Jahr 1681 zurück (G.A. Borelli). Nach einer stetigen Weiterentwicklung hat A. Fleisch um 1925 mit der Pneumotachographie die Glockenspirometrie, den Keilbalg etc. abgelöst und ein neues Zeitalter der Lungenfunktionsprüfung eingeleitet. Ein Pneumotachograph arbeitet mittels eines bekannten Widerstandes, der in die Atemströmung der zu untersuchenden Person geschaltet ist. Der Widerstand bewirkt einen atemflussabhängigen Druckabfall. Diese Druckdifferenz wird in elektrische Spannung umgewandelt und verhält sich proportional zur Atemströmung. Durch Integration dieser Spannung über die Zeit kann dann zusätzlich das Volumen bestimmt werden (⊡ Abb. 3.2). Neuere Pneumotachographen messen die Strömung mittels eines schräg in die Atemluft einfallenden Ultraschallmessstrahls (⊡ Abb. 3.3).
⊡ Abb. 3.1. Spirometer mit Mundstück und Filter sowie Verbindungskabel zum PC
3
11 3.1 · Einleitung und Messprinzip
Pneumotachograph
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Strömungswiderstand
Druckwandler
⊡ Abb. 3.2. Druckdifferenzmessung des Pneumotachographen
Ultraschall-Flussaufnehmer Ultraschallwandler 2
Ultraschallwandler 1 ⊡ Abb. 3.3. Ultraschall-Flussaufnehmer
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Fluss
12
Kapitel 3 · Spirometrie
Die Volumenänderung wird typischerweise gegen die Zeit, die Flussgeschwindigkeit (Flow) gegen das Volumen in entsprechenden Kurven graphisch dargestellt (⊡ Abb. 2.1, ⊡ Abb. 2.2).
3.2
Durchführung der Untersuchung
Für die Durchführung einer erfolgreichen und aussagekräftigen Untersuchung sollten einige Dinge beachtet werden: ▬ Der Patient sollte beengende Kleidungsstücke ablegen. ▬ Die Messung wird generell im Sitzen durchgeführt, da sich sämtliche Referenzwerte auf eine sitzende Position beziehen. ▬ Die Nase wird mit einer Nasenklemme verschlossen. ▬ Der Patient nimmt das Mundstück zwischen die Zähne, die Zunge liegt dabei unter dem Mundstück. ▬ Nach kurzer Eingewöhnungszeit, in der sich der Patient unter Ruheatmung an das Gerät adaptiert, werden 3–4, jedoch mindestens 2 Tif-
Fluss
3.3
Ventilationsstörungen
Mittels Spirometrie lässt sich eine Ventilationsstörung nachweisen und meist auch grob differenzieren. Ventilationsstörungen werden vereinfacht in obstruktive und restriktive Störungen eingeteilt.
Fluss-Volumen-Kurve normale Kurve Obstruktion
Volumen
⊡ Abb. 3.4. Obstruktive Ventilationsstörung
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3
feneau-Manöver durchgeführt. Zwischen den einzelnen Manövern soll der Patient 2- bis 3mal spontan atmen. ▬ Das Manöver beginnt, indem der Patient aufgefordert wird, langsam pressend maximal auszuatmen. Danach folgt eine zügige und vollständige Inspiration zur Bestimmung der inspiratorischen VC. Nach möglichst geringer Pause (unter 1 s) schließt sich eine forcierte maximale Exspiration an, bis ein deutliches Plateau im zeitlichen Volumenverlauf sichtbar wird. ▬ Wichtig ist neben der maximalen Anstrengung des forcierten Exspirationsmanövers das Erreichen der maximalen Volumengrenzwerte, d. h. RV-, dann TLC- und wieder RV-Niveau.
3
13 3.4 · Fallbeispiele
Fluss-Volumen-Kurve
Fluss
normale Kurve Restriktion
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Volumen
⊡ Abb. 3.5. Restriktive Ventilationsstörung
Eine obstruktive Ventilationsstörung ist durch eine Abnahme der maximalen Atemstromstärken (kurz: Fluss) charakterisiert und lässt sich mittels Spirometrie sehr gut ermitteln. Restriktive Ventilationsstörungen sind durch eine Behinderung der Lungenausdehnung charakterisiert. Hierbei sind die Atemvolumina (TLC und VC) entsprechend vermindert. Der Fluss ist dabei – in Relation zu den eingeschränkten Volumina – nicht relevant beeinträchtigt. Definiert ist die Restriktion über eine TLC-Verminderung, weshalb sie mittels einfacher Spirometrie nur vermutet, aber nicht eindeutig diagnostiziert werden kann. Gemischte Ventilationsstörungen mit Anteilen obstruktiver und restriktiver Ventilationsstörun-
gen lassen sich mittels einfacher Spirometrie somit ebenfalls nicht ausreichend differenzieren und bedürfen weiterer Untersuchungen. Die ⊡ Abb. 3.4 und ⊡ Abb. 3.5 verdeutlichen das Prinzip der Darstellung obstruktiver und restriktiver Ventilationsstörungen in der Fluss-VolumenKurve.
3.4
Fallbeispiele
Die folgenden 13 Fallbeispiele sind ungeschönt aus der täglichen Praxis entnommen und führen systematisch durch die Interpretation von SpirometrieUntersuchungsergebnissen und die Befundung von Ventilationsstörungen.
14
Kapitel 3 · Spirometrie
Fallbeispiel 1 65 Jahre, männlich, 175 cm, 78 kg Das erste Beispiel zeigt die Spirometrie eines 65-jährigen Mannes mit seit Monaten zunehmender Belastungsdyspnoe.
3
Links oben kann der gesamte Untersuchungsgang in der Volumen-Zeit-Graphik nachvollzogen werden. Drei Zyklen einer Ruheatmung folgen hier 3 Tiffeneau-Manöver und erneut 2 Zyklen einer Ruheatmung. Das erste und hier beste Manöver wird rechts oben in der Fluss-Volumen- und Volumen-Zeit-Graphik dargestellt. Die 4 Punkte (in der Volumen-Zeit-Kurve) markieren die Messmarken der Vitalkapazität und des Tidalvolumens. In der zweiten Reihe finden Sie die Fluss-Volumen-Kurven
der einzelnen Tiffeneau-Manöver zum direkten Vergleich übereinander dargestellt. Schon bei Betrachtung der Fluss-Volumen-Kurve (mit dem zusätzlich hinterlegten Sollwertverlauf) kann hier eine relevante Ventilationsstörung ausgeschlossen werden. Der Eindruck eines Normalbefundes lässt sich durch Betrachtung der einzelnen Messparameter bestätigen. Die im Normbereich liegende relative Einsekundenkapazität ist – bei ebenfalls normaler VC – wegweisend für den Normalbefund.
⊡ Abb. 3.6. Spirometrie Fallbeispiel 1
Zusammenfassend bedeutet das: Aktuell lässt sich bei dem Patienten keine Ventilationsstörung nachweisen. Zur Durchführung der Untersuchung sei angemerkt, dass zwischen den einzelnen Tiffeneau-Manövern korrekterweise 2–3 Ruheatemzüge hätten durchgeführt werden sollen. Bei guter
Mitarbeit und guter Lungenfunktion des Patienten bleibt dies im vorliegenden Fall jedoch ohne Relevanz. Als Ursache für die Beschwerden des Patienten wurde im Weiteren eine isolierte Herzinsuffizienz diagnostiziert.
15 3.4 · Fallbeispiele
! Sind die relative Einsekundenkapazität (FEV1 %) und die VC im Normbereich, liegt keine relevante Ventilationsstörung vor. Es handelt sich jedoch immer nur um eine
Momentaufnahme der Ventilationsfunktion. Beim Asthma bronchiale bzw. hyperreagiblen Bronchialsystem besteht typischerweise eine starke Variabilität der Ventilationsfunktion mit zwischenzeitlichen Normalbefunden. Ferner ist ein Normalbefund nicht mit dem generellen
Ausschluss einer pulmonalen Erkrankung zu verwechseln, da durch die Spirometrie nur ein Teil der Lungenfunktion untersucht wird.
3
Typische Indikationen einer Spirometrie sind: ▬ Abklärung unspezifischer Symptome wie Dyspnoe, Husten, in-/exspiratorische Atemgeräusche, Zyanose etc. ▬ Tabakkonsum ▬ Verdacht auf Erkrankungen von Atemwegen, Lunge, Herz, knöchernem Thorax, Skelettmuskulatur ▬ Verdacht auf Erkrankungen der Atempumpe (Atemzentrum, zugehörige Nerven und Muskeln) ▬ Verlaufs-/Therapiekontrolle bronchopulmonaler Erkrankungen ▬ Präoperative Diagnostik ▬ Arbeitsmedizinische Kontrolle ▬ Allgemeine gesundheitliche Vorsorge Als Kontraindikation gelten:
▬ Frischer Myokardinfarkt. Es wird empfohlen, auf eine Spirometrie mit forcierten Atemmanövern während der ersten 4 Wochen zu verzichten. ▬ Spannungspneumothorax ▬ Akute innere Blutungen
16
Kapitel 3 · Spirometrie
Fallbeispiel 2 64 Jahre, männlich, 183 cm, 89 kg
3
Im nachfolgenden Beispiel ist der Befund eines asymptomatischen Patienten dargestellt, der wegen eines Kolonkarzinoms operiert werden soll. Zeigt das Beispiel einen normalen Befund? Es sei angemerkt, dass aufgrund eines Anwendungsfehlers des Untersuchers leider nicht die kompletten Untersuchungsergebnisse ausgedruckt wurden.
⊡ Abb. 3.7. Spirometrie Fallbeispiel 2
17 3.4 · Fallbeispiele
Interpretation der Untersuchung Beim ersten Blick auf den Kurvenverlauf und die Werte hat man den Eindruck einer deutlichen Ventilationsstörung. Tatsächlich handelt es sich jedoch lediglich um eine deutlich eingeschränkte Mitarbeit oder auch unzureichende Anleitung durch den durchführenden Untersucher. Die Untersuchung wurde wiederholt. Der folgende Befund (⊡ Abb. 3.8) zeigt den gleichen Patienten noch am selben Nachmittag. Erfreulicherweise konnte bei dem Patienten, wie klinisch auch erwartet, doch noch ein Normalbefund erhoben werden.
⊡ Abb. 3.8. Zweite Spirometrie Fallbeispiel 2
! Mit der Anleitung bzw. Führung durch die Untersuchung und der letztendlichen Mitarbeit steht und fällt das Ergebnis der Lungenfunktionsprüfungen. Nur bei einer guten Mitarbeit sind die Ergebnisse uneingeschränkt zu bewerten. Da der Befunder die Messung meist nicht selbst durchführt oder der Messung beiwohnt, ist es unerlässlich, die Mitarbeit mit den Ergebnissen, z. B. in Form einer vereinbarten Kodierung, zu dokumentieren.
3
18
Kapitel 3 · Spirometrie
3
Wie erkenne ich die Mitarbeit? Neben dem subjektiven Eindruck bzgl. des Verständnisses, der Bemühungen und letztlich der Ausführung gibt es einige objektive Hinweise für eine gute bzw. weniger gute Mitarbeit. ▬ Bei Durchführung des Tiffeneau-Manövers sollte in der Volumen-Zeit-Kurve am Ende der maximalen Inspiration eine kurze und am Ende der maximalen Exspiration eine deutliche Plateauphase erkennbar bzw. angedeutet sein. ▬ Die Fluss-Volumen-Kurve sollte geschlossen sein. ▬ Am Beginn der Exspiration sollte (bis auf ganz wenige Ausnahmen) ein Peakflow erkennbar sein (Peak=Spitze). Bei steilem Anstieg sollte dieser innerhalb von 120 ms erreicht werden.
▬ Mindestens 2 erzielte Fluss-Volumen-Kurven sollten annähernd deckungsgleich verlaufen. Die Differenz der FEV1 und der FVC darf nicht mehr als 5%, die des PEF nicht mehr als 10% betragen. ▬ Die Kurven sollten möglichst frei von Hustenartefakten oder ähnlichen Störeinflüssen sein.
Das Fallbeispiel hat die Mitarbeitsabhängigkeit eindrucksvoll gezeigt. Grundvoraussetzungen für eine gute Patientenmitarbeit sind eine gute Schulung der die Messung durchführenden Person und die korrekte, patientengerechte Anleitung bzw. Führung durch die Untersuchung. Hierbei muss vom Patienten stets die maximale Leistung gefordert werden.
19 3.4 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 3 62 Jahre, männlich, 176 cm, 75 kg Das dritte Beispiel zeigt eine bizarre, durch exspiratorische Unregelmäßigkeiten gezeichnete FlussVolumen-Kurve eines Patienten, der im Rahmen einer präoperativen Routine untersucht wurde. Wie erklären sich die Auffälligkeiten?
⊡ Abb. 3.9. Spirometrie Fallbeispiel 3
3
20
Kapitel 3 · Spirometrie
Interpretation der Untersuchung
3
Die Veränderungen sind durch Hustenartefakte bedingt. Nach Trinken eines Schluckes Wasser zeigt die Wiederholung einen störungsfreien Kurvenverlauf mit entsprechendem Normalbefund (⊡ Abb. 3.10). ! Hustenstöße oder Hustenreiz während der Messmanöver können die Durchführung und die Ergebnisse der Messung erheblich beeinflussen. Es sollte eine Wiederholung nach beruhigendem Einfluss oder auch nach Trinken eines Schluckes Wasser durchgeführt werden. Hustenreiz kann auch ein Hinweis auf ein hyperreagibles Bronchialsystem z. B. im Rahmen eines Asthma bronchiale sein.
⊡ Abb. 3.10. Zweite Spirometrie Fallbeispiel 3
Folgende Zustände bzw. gesundheitliche Gegebenheiten führen häufig zu einem suboptimalen Ergebnis der Untersuchung: ▬ Starker Hustenreiz ▬ Schmerzzustände in Thorax oder Abdomen ▬ Schmerzen im Bereich von Mund oder Gesicht, die durch das Mundstück verstärkt werden ▬ Demenz oder Verwirrtheit ▬ Schwerhörigkeit/sprachliche Verständigungsschwierigkeiten ▬ Stressinkontinenz
21 3.4 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 4 70 Jahre, weiblich, 138 cm, 80 kg Nachfolgend ist der Befund einer Patientin mit langjährig bekannter obstruktiver Lungenerkrankung dargestellt. Die Untersuchung wurde unter der laufenden Therapie durchgeführt. Schauen Sie sich die Kurven und die dazugehörigen Werte an und versuchen Sie, die Untersuchungsergebnisse zu interpretieren.
⊡ Abb. 3.11. Spirometrie Fallbeispiel 4
3
22
Kapitel 3 · Spirometrie
Interpretation der Untersuchung
3
Die Kurvenverläufe sprechen für eine gute Mitarbeit der Patientin. Der exspiratorische Teil der Fluss-Volumen Kurve ist konkav gekrümmt. Die Atemflussparameter (PEF, FEV1, MEF75 50 25) sind zum Ende der Exspiration hin zunehmend eingeschränkt. Bei normaler VC und leicht eingeschränkter Einsekundenkapazität (folglich auch relativen Einsekundenkapazität) kann zusammenfassend der Befund einer leichtgradigen obstruktiven Ventilationsstörung (bei vorbekannter, nicht näher bezeichneter obstruktiven Lungenerkrankung) gestellt werden. ! Eine obstruktive Ventilationsstörung ist durch eine Verminderung der altersabhängigen relativen Einsekundenkapazität (FEV1/VCIN) auf Werte unterhalb der 5. Perzentile definiert. Hierbei ist die Abnahme der maximalen exspiratorischen Atemstromstärken (MEF bzw. FEF) charakteristisch und für das typische Bild der Fluss-Volumen-Kurve bestimmend. Die Regressionsgleichungen der Referenzwerte mit Errechnung der 5. Perzentile sind in ⊡ Tab. 3.1 dargestellt.
In unserem Beispiel ergibt sich ein unterer Grenzwert für FEV1/VCIN von 65% (75,8–10,7). Mit
63% liegt die Patientin somit unter der 5. Perzentile. Der spirometrische Schweregrad der Obstruktion wird über die Einschränkung der FEV1 bestimmt. Hierbei ist zu beachten, ob die Werte prä- oder postdilatatorisch ermittelt wurden. Die klinischen Schweregrade bestimmter obstruktiver Ventilationsstörungen (Asthma bronchiale, COPD) müssen nicht mit dem spirometrischen Schweregrad der Obstruktion (⊡ Tab. 3.2.) übereinstimmen. ⊡ Tab. 3.2. Spirometrischer Schweregrad der Obstruktion Schweregrad
FEV1 (in % vom Soll)
I leicht
≥70
II mäßig
60–69
III mittelschwer
50–59
IV schwer
35–49
V sehr schwer
<35
⊡ Tab. 3.1. Regressionsgleichungen (EKGS-Werte) für Lungenvolumina und exspiratorische Atemstromstärken für Erwachsene im Alter von 18–70 Jahren Geschlecht Männer
Parameter
Einheit
Mittelwert-Gleichung
1,64×RSD
VCIN
l
(6,10×KL)–(0,028×A)–4,65
±0,92
FVC
l
(5,76×KL)–(0,026×A)–4,34
±1,00
FEV1
l
(4,30×KL)–(0,029×A)–2,49
±0,84
PEF
l/s
(6,14×KL)–(0,043×A)+0,15
±1,99
MEF50
l/s
(3,79×KL)–(0,031×A)–0,35
±2,17
–0,18×A+87,21
±11,8
FEV1/VC(%) Frauen
VCIN
l
(4,66×KL)–(0,024×A)–3,28
±0,69
FVC
l
(4,43×KL)–(0,026×A)–2,89
±0,71
FEV1
l
(3,95×KL)–(0,025×A)–2,60
±0,62
PEF
l/s
(5,50×KL)–(0,030×A)–1,11
±1,48
MEF50
l/s
(2,45×KL)–(0,025×A)+1,16
±1,81
–0,19×A+89,10
±10,7
FEV1/VC(%)
KL Körperlänge in Metern, A Alter in Jahren. Zwischen 18 und 25 Jahren wird in der Gleichung das Alter 25 eingesetzt. Die 5. Perzentile errechnet sich durch die Subtraktion von 1,64×RSD (residuale Standardabweichung) vom errechneten Mittelwert.
23 3.4 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 5 73 Jahre, männlich, 178 cm, 95 kg Der Patient des fünften Beispiels war mit progredientem chronischem Husten und anamnestisch langjährigem Nikotinabusus vorstellig. Wie ist das nachfolgende Untersuchungsergebnis zu bewerten?
⊡ Abb. 3.12. Spirometrie Fallbeispiel 5
3
24
Kapitel 3 · Spirometrie
Interpretation der Untersuchung
3
Die Qualität, zumindest bzgl. der Deckungsgleichheit der Fluss-Volumen-Kurven, ist eingeschränkt. Da der exspiratorische Anteil (der Kurven) jedoch kongruent verläuft, sind folgende Aussagen möglich: Der endexspiratorische Teil der Fluss-Volumen-Kurve ist konkav gekrümmt. Die Atemflussparameter MEF50 und MEF25 zeigen entsprechende Einschränkungen, während die absolute und relative Einsekundenkapazität – bei noch normaler VC – keine relevanten Verminderungen zeigen. Zusammenfassend spricht der Befund für eine leichte periphere Obstruktion im Sinne eines »small airways disease« (z. B. als möglicher Hinweis auf eine beginnende COPD). ! Eine COPD beginnt meistens als leichte Obstruktion der peripheren Bronchialabschnitte, dem sog.
»small airways disease«, erkennbar am Abfall der MEF25 und MEF50 als früher Indikator. Diese Abschnitte sind zudem weniger mitarbeitsabhängig als die frühexspiratorischen Anteile (insbesondere PEF und MEF75).
Ein gewisses Maß an endexspiratorischer Flussminderung wird mit zunehmend höherem Lebensalter (ab ca. 60 Jahren) jedoch als normal bewertet und hat keine krankheitsspezifische Relevanz.
Die Differenzialdiagnose der Obstruktion umfasst viele Krankheiten: ▬ Asthma bronchiale ▬ COPD (chronisch obstruktive Bronchitis, obstruktives Lungenemphysem) ▬ Obstruktive Bronchiolitis ▬ Bronchiektasien ▬ Zystische Fibrose (Mukoviszidose) ▬ Silikose ▬ Intra-/extrathorakale Atemwegsstenosen (Tumoren, Stimmbandparese, Larynxödem) ▬ Lungenparenchymerkrankungen mit Obstruktion (z. B. Sarkoidose)
25 3.4 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 6 58 Jahre, männlich, 176 cm, 83 kg Das folgende Beispiel zeigt die Spirometrie eines 58-jährigen Patienten, der bei vorliegendem Pankreaskarzinom präoperativ im Rahmen einer Risikoabschätzung untersucht werden sollte und bei dem bislang keine Ventilationsstörung bekannt war.
⊡ Abb. 3.13. Spirometrie Fallbeispiel 6
3
26
Kapitel 3 · Spirometrie
Interpretation der Untersuchung
Fluss
! Eine unauffällige Spirometrie schließt eine aktuelle Ventilationsstörung aus. Von der Norm abweichende Kurvenverläufe bzw. veränderte Messwerte sind jedoch nicht zwangsläufig mit dem Vorliegen einer Ventilationsstörung gleichzusetzen. Die Mitarbeit muss diesbezgülich stets berücksichtigt werden.
Die bestmögliche Mitarbeit ist von entscheidender Bedeutung!
Der sichere Ausschluss einer obstruktionsbedingten Flussveränderung ist nur durch den Vergleich der Kurven mehrerer Manöver möglich. Deckungsgleich veränderte Kurven sprechen für eine Störung und unterschiedliche Kurvenverläufe eher für eine mitarbeitsbedingte Veränderung. Bei der Untersuchung werden daher immer so viele Manöver gefordert, dass mindestens 2 Kurven nahezu kongruent verlaufen. In unserem Beispiel ist aus technischen Gründen nur eine Kurve dargestellt. Bei Unkenntnis der anderen Kurven müsste die Untersuchung wiederholt oder eine weitergehende Abklärung (HNO-Konsil o. Ä.) eingeleitet werden.
Fluss-Volumen-Kurve normale Kurve variable intrathorakale Stenose
Volumen
⊡ Abb. 3.14. Variable intrathorakale Stenose
© GANSHORN MEDIZIN ELECTRONIC
3
Bei unauffälliger Exspiration fällt eine abgeflachte, plateauförmige Inspirationskurve mit einem PIF von ca. 3 l/s auf. (Vergleichen Sie hierzu den bauchigen Inspirationsteil aus Fall 1). Erklärt ist dieser Befund durch eine langsame, nicht forciert durchgeführte Inspiration, also letztlich die Mitarbeit. Um Missverständnisse zu vermeiden, sollte deshalb bei entsprechender Kurvenveränderung immer zusätzlich noch eine forcierte Inspiration gefordert werden. Differenzialdiagnostisch könnte es sich nämlich auch um eine variable extrathorakale Stenose mit inspiratorischer Flusslimitierung handeln. Die anderen Manöver (hier nicht abgebildet) wiesen jedoch einen normalen inspiratorischen Flussverlauf auf. Die VC und das FEV1 (sowie die übrigen Werte) liegen im Normbereich. Eine relevante Ventilationsstörung ist somit ausgeschlossen. Zusammenfassend handelt es sich um einen Normalbefund bei leicht eingeschränkter Mitarbeit. Aus Sicht der Ventilationsfunktion besteht somit kein erhöhtes Risiko bzgl. der geplanten Operation bzw. der Vollnarkose oder möglicher postoperativer Komplikationen.
3
27 3.4 · Fallbeispiele
Unterscheidung variabler intrathorakaler und extrathorakaler Stenosen: Vereinfacht kann man sagen: Eine intrathorakale Obstruktion erkennt man an einer exspiratorischen Flusslimitierung, erfasst durch ein forciertes Exspirationsmanöver (⊡ Abb. 3.14).
Fluss
Eine extrathorakale Obstruktion erkennt man an einer inspiratorischen Flusslimitierung, erfasst durch ein forciertes Inspirationsmanöver (⊡ Abb. 3.15). Eine fixe (von In- bzw. Exspiration unabhängige) Stenosierung der großen Atemwege (z. B. durch eine Tumorkompression der Trachea) zeigt sich auch in einer kombinierten in- und exspiratorischen Flusslimitierung (⊡ Abb. 3.16).
Fluss-Volumen-Kurve normale Kurve
Volumen
© GANSHORN MEDIZIN ELECTRONIC
variable extrathorakale Stenose
⊡ Abb. 3.15. Variable extrathorakale Stenose
Fluss
Fluss-Volumen-Kurve normale Kurve
Volumen
⊡ Abb. 3.16. Fixierte extrathorakale Stenose
© GANSHORN MEDIZIN ELECTRONIC
fixierte extrathorakale Stenose
28
Kapitel 3 · Spirometrie
Fallbeispiel 7 64 Jahre, männlich, 164 cm, 86 kg Das siebte Beispiel zeigt den Befund eines Mannes, der mit seit Monaten progredienter unklarer Belastungsdyspnoe vorstellig wurde.
3
⊡ Abb. 3.17. Spirometrie Fallbeispiel 7
Besteht bei dem Patienten aufgrund der Spirometrie ein Hinweis auf eine obstruktive Ventilationsstörung?
29 3.4 · Fallbeispiele
Interpretation der Untersuchung Der Untersuchungsverlauf (Volumen-Zeit-Diagramm) spricht für eine leicht eingeschränkte Mitarbeit. Tiffeneau-Manöver sind nicht eindeutig von einer vertieften Spontanatmung abzugrenzen. Die Form der Fluss-Volumen-Kurve ist verschmälert, ansonsten aber erhalten und ohne konkave Krümmung. Erklärt wird die Verschmälerung durch die verminderte VC. Damit einhergehend ist die Einsekundenkapazität ebenfalls vermindert. In Bezug zur VC ist die FEV1 (relative Einsekundenkapazität) jedoch normal bzw. sogar erhöht. Zusammenfassend sprechen der typische Kurvenverlauf und die Werte für das Vorliegen einer mäßiggradigen restriktiven Ventilationsstörung. Eine obstruktive Ventilationsstörung liegt nicht vor. Neben der leichten Adipositas gibt es sicher noch einen weiteren Grund für die Restriktion, der in zusätzlichen Untersuchungen (Bodyplethysmographie, Diffusionstest, Bildgebung) abgeklärt werden muss. ! Eine erniedrigte VC (<80% vom Soll) zusammen mit einer normalen oder gar erhöhten relativen Einsekundenkapazität spricht für
3
das Vorliegen einer restriktiven Ventilationsstörung. Definiert ist die Restriktion jedoch durch eine TLC unterhalb der 5. Perzentile des Sollwertes (⊡ Tab. 3.3). Den eigentlichen Nachweis einer Restriktion erhält man also nur über die zusätzliche Messung der TLC (mittels Bodyplethysmographie).
Restriktive Ventilationsstörungen werden als parenchymal bzw. pulmonal oder extraparenchymal bzw. extrapulmonal unterschieden. ▬ Typische parenchymale/pulmonale Ursachen sind: Lungenfibrose, Alveolitis, Pneumonie, Pneumonitis, Silikose, zystische Fibrose (Mukoviszidose), Linksherzinsuffizienz ▬ Typische extraparenchymale/extrapulmonale Ursachen sind: Adipositas, Kyphoskoliose, Trichterbrust, Pleuraerguss, Pleuraverschwartung, Pneumothorax, Pleuramesotheliom, Zwerchfellparese, neuromuskuläre Erkrankungen, Myopathien ▬ Zustand nach Pneumektomie
⊡ Tab. 3.3. Regressionsgleichung (EKGS-Werte) für die totale Lungenkapazität für Erwachsene im Alter von 18–70 Jahren Geschlecht
Einheit
Mittelwert-Gleichung
1,64×RSD
Männer
L
7,99×KL–7,08
±1,15
Frauen
L
6,60×KL–5,79
±0,99
KL Körperlänge in Metern. Zwischen 18 und 25 Jahren wird in der Gleichung das Alter 25 eingesetzt. Die 5. Perzentile errechnet sich durch die Subtraktion von 1,64×RSD (residuale Standardabweichung) vom errechneten Mittelwert.
30
Kapitel 3 · Spirometrie
Fallbeispiel 8 68 Jahre, männlich, 164 cm, 75 kg Im achten Beispiel ist die Kontrolluntersuchung eines Patienten mit bekannter COPD (unter laufender Medikation) gezeigt.
3
⊡ Abb. 3.18. Spirometrie Fallbeispiel 8
31 3.4 · Fallbeispiele
Interpretation der Untersuchung Die Fluss-Volumen-Kurve zeigt die typischen Merkmale einer Obstruktion mit konkav gekrümmtem Exspirationsteil. In der Volumen-Zeit-Kurve ist außerdem ein verlängertes Exspirium erkennbar. Bei der gezeigten Obstruktion sind die absolute und die relative Einsekundenkapazität entsprechend vermindert. Es ist jedoch zu beachten, dass die Vitalkapazität ebenfalls vermindert ist. Dies führt zu einer Abmilderung des Obstruktionsgrades bei isolierter Betrachtung der relativen Einsekundenkapazität. Zur Beurteilung des Obstruktionsgrades müssen deshalb neben der Kurvenform sämtliche Werte beachtet werden. Die kleine Differenz zwischen inspiratorischer (VCIN) und forcierter exspiratorischer Vitalkapazität (FVC) ist durch die Mitarbeit begründet, da die FVC physiologischer- und pathophysiologischerweise eher kleiner, aber nicht größer sein kann als die VCIN. Zusammenfassend zeigt der Befund eine mittelschwere (postdilatatorische) Obstruktion mit zusätzlicher leichter VC-Minderung. Erfahrungsgemäß ist eine Verminderung der VC fast immer durch eine Lungenüberblähung bedingt, wenn die relative Einsekundenkapazität unter 55% vermindert ist. Die relative Einsekundenkapazität beträgt hier 58%. Obwohl die VC-Minderung – wie bereits erwähnt – am ehesten durch eine Lungenüberblähung begründet ist, könnte differenzialdiagnostisch aber auch eine zusätzliche restriktive Komponente vorliegen. Zur sicheren Abklärung sollte deshalb (sofern nicht schon in Voruntersuchungen
geschehen) eine ergänzende Bodyplethysmographie erfolgen. Die COPD kann aktuell als mittelgradig bezeichnet werden, entsprechend einem Grad II. ! Eine erniedrigte Vitalkapazität ist nicht mit einer Restriktion gleichzusetzen. Insbesondere bei einer progredienten COPD liegt die Ursache meist in einer Überblähung mit erhöhtem Residualvolumen. Häufig ist eine verminderte VC aber auch mitarbeitsbedingt. Eine Bodyplethysmographie (mit Bestimmung der TLC) ist zur sicheren Differenzierung unabdingbar.
Die Schweregradeinteilung der COPD (und auch des Asthma bronchiale) muss nicht mit der spirometrischen Schweregradeinteilung der Obstruktion übereinstimmen. Die Obstruktionswerte in der COPD-Schweregradklassifikation beziehen sich auf postdilatatorische Werte, und für die Schweregradbestimmung werden zusätzlich blutgasanalytische Werte einbezogen (für die Einteilung ⊡ Tab. 3.4).
Bezüglich der relativen Einsekundenkapazität sei angemerkt, dass in Deutschland die VCIN in den Nenner gesetzt wird, während im angloamerikanischen Raum zumeist die FVC genutzt wird. Bei obstruktiven Lungenerkrankungen kann die VCIN größer sein als die FVC, sodass es hier gewisse Differenzen geben kann.
⊡ Tab. 3.4. Schweregradeinteilung der COPD Schweregrad
FEV1/VCIN
FEV1 (% vom Soll)
Klinik
I leichtgradig
<70%
>80
Mit/ohne Symptomatik (Husten/ Auswurf )
II mittelgradig
<70%
50–80
Mit/ohne chronische Symptome
III schwergradig
<70%
30–50
Mit/ohne chronische Symptome
IV sehr schwergradig
<70%
<30 oder <50 und chronisch respiratorische Insuffizienza
Mit/ohne chronische Symptome
FEV1-Werte postdilatatorisch in % vom Soll bei stabiler COPD. aPaO <60 mHg ± PaCO >60 mmHg unter Raumluft. 2 2
3
32
Kapitel 3 · Spirometrie
Fallbeispiel 9 65 Jahre, männlich, 175 cm, 117 kg Das folgende Beispiel zeigt die Spirometrie eines Patienten, bei dem 2 Wochen zuvor der rechte Oberlappen wegen eines Bronchialkarzinoms operativ entfernt wurde.
3
⊡ Abb. 3.19. Spirometrie Fallbeispiel 9
Wie ist die Untersuchung zu bewerten? Vergleichen Sie das Ergebnis mit der vor der Operation durchgeführten, nachfolgend abgebildeten Untersuchung (⊡ Abb. 3.20).
33 3.4 · Fallbeispiele
⊡ Abb. 3.20. Spirometrie Fallbeispiel 9 (präoperativ)
3
34
Kapitel 3 · Spirometrie
Interpretation der Untersuchung
3
Präoperativ (⊡ Abb. 3.20): gute Lungenfunktion mit (trotz deutlicher Adipositas) hoher Vitalkapazität (große Lunge) und ohne Anzeichen für eine Flussbehinderung. Postoperativ (⊡ Abb. 3.19): mitarbeitsbedingte Unregelmäßigkeiten im Kurvenverlauf. Im Vergleich zur präoperativen Spirometrie Verminderung der VC um 1200 ml entsprechend der Lungenteilresektion. Weiterhin kein Hinweis auf eine Atemflussbehinderung. Im Hinblick auf die postoperative Situation zeigt sich ein normaler postoperativer Befund. ! Die Befundung der Ergebnisse sollte immer unter Berücksichtigung der Umstände, insbesondere der kardiopulmonalen Veränderungen und der vorliegender Beschwerden, erfolgen. Je mehr Informationen über den Patienten bekannt sind, desto genauer kann die Befundung erfolgen bzw. aus den Kurven und Werten herausgelesen werden.
Spirometrie in der allgemein präoperativen Vorbereitung Für die Einschätzung der Operabilität, Beatmungsmöglichkeit und insbesondere des Risikos postoperativer Atemstörungen (Ateminsuffizienz, Pneumonie etc.) muss zwischen den verschiedenen Eingriffen unterscheiden werden. Für allgemeinchirurgische
Operationen gilt im Allgemeinen eine Risikostratifikation, die sich nach der FEV1 richtet (⊡ Tab. 3.5). Abgeleitet wird die FEV1 auf der Basis,
dass letztlich die maximale Leistung der Atemmuskulatur (MVV), die mit der Formel FEV1*35 geschätzt werden kann, und der Grundumsatz bzw. die Sauerstoffaufnahme pro Minute für die Risikobeurteilung interessant sind.
Bei thoraxchirurgischen Eingriffen, Lungenteilresektionen etc. gelten höhere Risiken, sodass hier z. T. strengere Grenzwerte gesetzt werden müssen und oft zusätzliche präoperative Untersuchungen (z. B. BGA, Spiroergometrie, Lungenszintigraphie) nötig sind. Spirometrisch ist neben der FEV1 hier die Vitalkapazität von besonderem Interesse, um die Verträglichkeit der Resektion belüfteter Lungenabschnitte einzuschätzen. Nach Resektion größerer bullöser Areale im Rahmen einer operativen Versorgung einer schwergradigen Emphysemlunge kann die Vitalkapazität postoperativ jedoch auch steigen und sich die Lungenfunktion bessern. ⊡ Tab. 3.5. Risikostratifikation anhand der FEV1-Werte Geschlecht
FEV1
Risiko
Männer
>20 ml/kg KG
Kein erhöhtes Risiko
<20 ml/kg KG
Erhöhtes Risiko
<14 ml/kg KG
Sehr hohes Risiko
>18 ml/kg KG
Kein erhöhtes Risiko
<18 ml/kg KG
Erhöhtes Risiko
<12 ml/kg KG
Sehr hohes Risiko
Frauen
Die angegebenen Werte gelten für normgewichtige Patienten. Bei adipösen Patienten sollte mit dem Normalgewicht nach Broca (Körpergröße in cm–100) gerechnet werden.
35 3.4 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 10 74 Jahre, männlich, 183 cm, 87 kg Das zehnte Beispiel zeigt die Untersuchung (einfaches Tischspirometer) eines Patienten mit bekannter Lungenfibrose und stabiler Belastungsdyspnoe. Ein langjähriger Nikotinabusus ist aus der Vorgeschichte ebenfalls bekannt.
⊡ Abb. 3.21. Spirometrie Fallbeispiel 10
Versuchen Sie, einen Befund zu formulieren, bevor Sie weiterlesen.
3
36
Kapitel 3 · Spirometrie
Interpretation der Untersuchung
3
Gute Mitarbeit. Zwei nahezu deckungsgleich verlaufende, geschlossene Fluss-Volumen-Kurven mit gutem PEF und PIF. Endexspiratorisch schmale und hohe, leicht konkav eingedellte Fluss-Volumen-Kurve. Von der Kurvenform ausgehend, handelt es sich um eine deutliche restriktive Ventilationsstörung mit zusätzlich diskreter peripher obstruktiver Komponente. VC und FEV1 sind um ca. 50% vermindert. Die relative Einsekundenkapazität beträgt 105% des Soll. MEF50 und MEF25 sind diskret, über das Maß der volumenbedingten Senkung (siehe VC) der exspiratorischen Flussvolumina (FEV1, MEF) gemindert. Erkennbar ist dies an der diskret (spätexspiratorisch) konkav gekrümmten Form der Fluss-Volumen-Kurve. Zusammenfassend stellt sich der Befund einer schweren Restriktion bei bekannter Lungenfibrose. Zusätzlich zeigt sich eine diskrete periphere Obstruktion, die in Anbetracht des Alters jedoch keinen pathologischen Befund darstellt.
! Ventilationsstörungen sind nicht selten gemischt, d. h., es bestehen simultan obstruktive und restriktive Anteile. Die Gewichtung der einzelnen Anteile ist mittels alleiniger Spirometrie nur sehr eingeschränkt möglich – eine ergänzen-
de Bodyplethysmographie und ggf. Diffusionstestung sind hier sinnvoll. Die Einteilung des Schweregrades erfolgt über die Vitalkapazität und setzt die Verminderung der TLC (<5. Perzentile) voraus (⊡ Tab. 3.6). ⊡ Tab. 3.6. Schweregradeinteilung der Restriktion Schweregrad
VCIN in % vom Soll
I leicht
>70
II mäßig
60–69
III mittelschwer
50–59
IV schwer
35–49
V sehr schwer
<35
37 3.4 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 11 54 Jahre, männlich, 180 cm, 83 kg Im nächsten Fall ist die Untersuchung eines Patienten mit zunehmender Leistungsminderung und vorbekannter Leukämie dargestellt. Gibt es Anhaltpunkte in der Spirometrie, die gegen den Beginn einer Chemotherapie bei dem Patienten sprechen?
⊡ Abb. 3.22. Spirometrie Fallbeispiel 11
3
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Kapitel 3 · Spirometrie
Interpretation der Untersuchung
3
Versuchen Sie, sich bei der Interpretation und Befundung ein festes Schema anzugewöhnen. Folgende Punkte sind dabei zu berücksichtigen: ▬ Was ist über den Patienten bekannt – was ist im Befund zu erwarten? ▬ Wie ist die Mitarbeit – ist der Befund valide? ▬ Wie verlaufen die Kurven? ▬ Wie passen die einzelnen Messwerte und die Kurven zusammen? ▬ Wie lautet Ihre zusammenfassende Beurteilung? ▬ Empfehlen Sie weitere Untersuchung? Die Punkte können wie folgt umgesetzt werden: ▬ Aus der Vorgeschichte ergibt sich kein Anhalt für eine spezifische Ventilationsstörung. ▬ Die Untersuchung zeigt eine gute Mitarbeit. Ein kleiner endexspiratorischer Hustenstoß ist ohne Relevanz. ▬ Geschlossene Kurve mit normgerechter Form. Sämtliche erhobenen Parameter bewegen sich im Bereich der Norm. ▬ Zusammenfassend ergibt sich aktuell kein Anhaltspunkt für eine Ventilationsstörung.
▬ Bei der speziellen Fragestellung (Verabreichung potenziell lungentoxischer Chemotherapeutika) im vorliegenden Fall empfiehlt sich zur Abklärung einer Gasaustauschstörung die Durchführung einer ergänzenden Diffusionstestung, die bezüglich des Erkennens einer parenchymalen Vorschädigungen bzw. Störung sensitiver ist als die Spirometrie. Ergänzend kann berichtet werden, dass die anschließend bei dem Patienten durchgeführte Diffusionstestung ebenfalls einen unauffälligen Befund erbrachte. ! Ein fester logischer Ablauf bei der Befundung von Lungenfunktionstests ist empfehlenswert. Er hilft, um sämtliche Befunde zu erfassen, einzelne Informationen gegeneinander zu prüfen und sinnvoll zusammenzufügen. Versuchen Sie stets, alle Informationen für Ihren Befund zu berücksichtigen und die einzelnen Ergebnisse in das klinische Gefüge zu integrieren.
39 3.4 · Fallbeispiele
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Fallbeispiel 12 91 Jahre, weiblich, 159 cm, 60 kg Der nachstehende Befund zeigt die Untersuchung einer betagten, rüstigen Patientin mit einem großen unklaren zervikalen Tumor und in ansonsten gutem Allgemeinzustand.
⊡ Abb. 3.23. Spirometrie Fallbeispiel 12
Versuchen Sie erneut, eine Befundung unter Berücksichtigung der einzelnen Punkte aus dem vorherigen Beispiel zu formulieren, bevor Sie weiterlesen.
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Kapitel 3 · Spirometrie
Interpretation der Untersuchung
3
Gute Mitarbeit. Die Fluss-Volumen-Kurve trägt die typischen Zeichen einer fixen Stenose der großen Atemwege (Trachea). PEF und PIF sind (bei forciert durchgeführter In- und Exspiration) um ca. 50% vermindert. In- und exspiratorisch deutet sich ein Plateau an. Von diesem Befund abgesehen, zeigt die Spirometrie eine normale Ventilationsfunktion mit Werten (VC, FEV1) oberhalb der angegebenen Sollwerte. Zusammenfassend besteht der Verdacht auf eine fixe Stenose im Bereich der Trachea (am ehesten im Rahmen einer Tumorkompression). Eine ergänzende Bildgebung (und ggf. Bronchoskopie) sollte durchgeführt werden. Tatsächlich bestätigte sich in einer später durchgeführten CT-Untersuchung der Halsregion eine Tracheakompression. ! Die Normalwerte bzw. Sollwerte sind abhängig von Größe, Alter und Geschlecht. In Deutschland weit verbreitet sind die zuletzt 1993 überprüften und veröffentlichten Werte der Kommission der Europäischen Gemeinschaft für Kohle
und Stahl (EGKS), die auf einem untersuchten Kollektiv von Menschen zwischen 18 und 70 Jahren beruhen. Im Vergleich zu anderen Sollwertformeln fallen die EGKS-Werte eher zu niedrig aus. Für die tägliche Arbeit empfiehlt sich deshalb neben einer Plausibilitätskontrolle des für die Sollwertberechung eingegebenen Alters, Geschlechts und der Körpermaße die Berücksichtigung der Gesamtumstände beim Vergleich der Ist- mit den Sollwerten.
Referenzwerte – Was ist normal? Über die richtigen Sollwertformeln wird noch heute kontrovers diskutiert. Es gibt je nach Fachgesellschaft z. T. deutliche Unterschiede bzgl. der Normalwerte und folglich der Interpretation der entsprechenden Lungenfunktion. Ursächlich hierfür sind die Unterschiede im jeweils zugrunde liegenden Kollektiv der Referenzpersonen. Bei z. T. deutlichen Mittelwertabweichungen wird deshalb vereinzelt auch die Anwendung eines Referenzintervalls empfohlen.
41 3.4 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 13 85 Jahre, weiblich, 168 cm, 78 kg Das letzte spirometrische Fallbeispiel zeigt die Untersuchung einer älteren Patientin, die in der neurologischen Klinik stationär behandelt wurde. Nähere klinische Angaben wurden leider nicht übermittelt. Es sei noch erwähnt, dass die Mitarbeit von der durchführenden MTA als gut dokumentiert wurde.
⊡ Abb. 3.24. Spirometrie Fallbeispiel 13
Wie lautet Ihr Befund der dargestellten Untersuchung?
3
42
Kapitel 3 · Spirometrie
Interpretation der Untersuchung
3
Bei neurologischen Patienten mit Ventilationsproblemen handelt es sich häufig um neuromuskuläre Erkrankungen mit Schwäche bzw. Einschränkung der Atemmuskulatur. Die Mitarbeit kann als gut beurteilt werden. Die offene Fluss-Volumen Kurve mit vorzeitigem Abbruch der Exspiration zeigt sich in der Übersicht der Kurven (siehe »Beste FV-Kurven«) nahezu kongruent und ist eher nicht auf eine mangelnde Mitarbeit zurückzuführen. Homogen eingeschränkter Fluss (FEV1, PEF, PIF) bei verminderter VC mit normaler relativer Einsekundenkapazität. Die Kurvenform spricht ebenfalls für eine Restriktion mit vorzeitigem Abbruch der Exspiration als Zeichen der muskulären Schwäche. Kein Anhalt für eine Obstruktion (Kurvenform und normale relative Einsekundenkapazität). Die deutliche VC-Minderung ist am
ehesten als Zeichen der schweren Restriktion zu werten. Zusammenfassend lässt sich die Spirometrie folgendermaßen befunden: schwergradige Restriktion, die durch eine ausgeprägte (atem)muskuläre Schwäche bedingt sein könnte. Eine Bodyplethysmographie, Mundverschlussdruckmessung und BGA sollten ergänzend durchgeführt werden. Auf Nachfrage bei dem behandelnden Neurologen bestätigte sich der beschriebene Befund bei vorliegender langjähriger Myasthenia gravis. Klinisch beklagte die Patientin eine Dyspnoe und rasche Erschöpfung bei mittlerer Belastung. ! Bei fehlenden Angaben zum Patienten zögern Sie nicht, diese nachzufordern bzw. zu erfragen. Für die sichere Beurteilung eines pathologischen Befundes sind klinische und anamnestische Angaben wichtig und unerlässlich.
4
Bodyplethysmographie
4.1
Einleitung und Messprinzip – 44
4.2
Durchführung der Untersuchung – 46
4.3
Fallbeispiele – 46
4
44
Kapitel 4 · Bodyplethysmographie
4.1
Einleitung und Messprinzip
Die heutige Form der Bodyplethysmographie (bzw. Ganzkörperplethysmographie) geht auf die Einführung der Methode durch DuBois im Jahr 1956 zurück. Im klinischen Bereich und in Praxen niedergelassener Pneumologen gilt die Bodyplethysmographie, kombiniert mit der Spirometrie, als Diagnoseverfahren der ersten Wahl. Die Untersuchung mittels Bodyplethysmographen stellt die ideale Lungenfunktionsprüfungsmethode dar, da sie über die Messgrößen der Spirometrie bzw. Pneumotachographie hinaus im gleichen Untersuchungsgang ▬ das thorakale Gasvolumen (TGV), ▬ die Atemwegswiderstände (RAW) und ▬ die jeweils daraus zusätzlich errechneten Parameter ermitteln kann. Hierbei sind die Messungen weitestgehend mitarbeitsunabhängig und frei von körperlicher Belastung für den Patienten. Die hohe Genauigkeit und große Sensitivität der Methode sind von zusätzlichem Vorteil. Der zeitliche Mehraufwand ist gering. Die eingeschränkte Verbreitung im ambulanten Bereich ist eher durch den apparativen Aufwand erklärt. Neben der Druck-
⊡ Abb. 4.1. Arbeitsplatz mit Bodyplethysmographen, Computereinheit und Diffusionsmesseinheit
messkammer bedarf es hierbei im Wesentlichen einer Computereinheit (⊡ Abb. 4.1). Während der Ruheatmung des Patienten wird, bedingt durch ventilationsbedingte Volumenänderung bzw. Kompression/Dekompression, die Kammerdruckänderung (x-Achse) und hierzu synchron die Atemflussänderung (y-Achse) gemessen und als sog. Resistanceschleife dargestellt (⊡ Abb. 2.3). Über die Steilheit lässt sich der Strömungs- bzw. Atemwegswiderstand ablesen (benötigte Druckänderung pro bestimmter Volumenänderung; ⊡ Abb. 4.2). Zusätzlich werden Inhomogenitäten der Atemwegswiderstände zu jeweiligen Phasen der In- und Exspiration anhand typischer Schleifenverläufe deutlich. Die Messung des thorakalen Gasvolumens beruht auf dem physikalischen Gesetz von Boyle und Mariott, nach dem das Produkt aus Druck (D) und Volumen (V) konstant ist, also: DxV=DxV. Da das Volumen der Kammer bekannt ist, der Druck in der Kammer und am Mund des Patienten gemessen werden kann, lässt sich so das Lungenvolumen zu einer bestimmten Zeit des Atemzyklus (z. B. als TGV) errechnen (KammervolumenxΔKammerdr uck/ΔAlveolardruck). Hierzu wird am endexspiratorischen Scheitel der Ruheatmung für kurze Zeit
4
45 4.2 · Einleitung und Messprinzip
automatisch ein Verschluss (Shutter) vorgeschaltet (⊡ Abb. 4.3). Während frustraner Atemzüge werden die Druckverhältnisse synchron gemessen. Die Steilheit des Verschlussdruckwinkels entspricht dann dem TGV (⊡ Abb. 4.4).
Fluss
Angewandt wird die Bodyplethysmographie zur differenzierten Verlaufsbeobachtung einer bekannten Ventilationsstörung oder auch weiteren Abklärung einer unklaren oder gemischten Ventilationsstörung.
Resistance-Kurve normale Kurve
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Obstruktion
PB Kabinendruck
⊡ Abb. 4.2. Resistanceschleife ohne und mit Obstruktion
PM
TGV & Spirogramm
Volumen
Zeit
⊡ Abb. 4.3. TGV-Verschlussdruckmessung
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PB
Kapitel 4 · Bodyplethysmographie
TGV-Kurve
PM Munddruck
a
4
PB Kabinendruck
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46
⊡ Abb. 4.4. Verschlussdruckkurve
4.2
Durchführung der Untersuchung
Für die Durchführung einer erfolgreichen und aussagekräftigen Untersuchung sollten, ergänzend zu den oben gemachten Ausführungen ( Kap. 3.2), einige Dinge beachtet werden. ▬ Alle Messungen werden bei mit einer Nasenklemme verschlossenen oberen Atemwegen mit Atmung über ein Mundstück durchgeführt. Undichtigkeiten am Mundstück führen zu Fehlbestimmungen, die meist an typischen Kurvenabweichungen erkennbar sind. ▬ Für die Bodyplethysmographie nimmt der Patient in der Kabine Platz, die für die Untersuchung über einen elektromagnetischen Schalter luftdicht verschlossen wird. ▬ Nach kurzer Adaptationszeit, in der das Gerät sich den Gegebenheiten (Temperatur etc.) anpasst, werden die Resistanceschleifen aufgezeichnet. Hierzu atmet der Patient spontan. Bei Bedarf (Flussgeschwindigkeit <1 l/s) muss der Patient ggf. aufgefordert werden, für kurze Zeit etwas schneller zu atmen. ▬ Bevor im Weiteren die Verschlussdruckmessungen durchgeführt werden, muss der Patient unbedingt unbeeinflusst spontan atmen, damit die Atemmittellage nicht artefiziell verändert
ist. Die Verschlussdruckmessung wird durch Betätigung des Shutters (Verschlusses) vorgenommen. Das Gerät verschließt den Atemstrom hierzu für kurze Zeit automatisch nach Erreichen des endexspiratorischen Scheitels der Ruheatmung (TGV-Niveau). Während dieser Zeit versucht der Patient (gegen den Widerstand) ein- und auszuatmen. ▬ Wurden drei bis fünf »brauchbare« Verschlussdruckkurven aufgezeichnet schließt sich zum Ende mindestens ein langsames Manöver zur Bestimmung der Vitalkapazität, d. h. maximale Exspiration, gefolgt von maximaler Inspiration, an. ▬ Bei dann geöffneter Tür, wird im Anschuss, wie beschrieben, die Spirometrie durchgeführt, und die beiden Messungen in der Software werden kombiniert.
4.3
Fallbeispiele
Nachfolgend sind 13 Fallbeispiele gezeigt, die Sie in die Interpretation und Befundung von Spirometrie/Bodyplethysmographie-Untersuchungen einführen sollen.
47 4.3 · Fallbeispiele
4
Fallbeispiel 14 21 Jahre, männlich, 184 cm, 75 kg Im ersten bodyplethysmographischen Beispiel ist die Untersuchung eines 21-jährigen Patienten gezeigt, der beschwerdefrei war und im Rahmen einer betrieblichen Vorsorge untersucht werden sollte.
Auf der linken Seite sind die Ergebnisse der Bodyplethysmographie mit den entsprechenden Messwerten im unteren Block der Wertetabelle und auf
⊡ Abb. 4.5. Bodyplethysmographie Fallbeispiel 14
der rechten Seite die Ergebnisse der Spirometrie (gemäß vorherigem Kapitel) dargestellt
48
Kapitel 4 · Bodyplethysmographie
Interpretation der Untersuchung
4
Die gezeigten Kurven sprechen für eine ausreichend gute Mitarbeit. Inhomogenitäten im Inspirationsteil der Fluss-Volumen-Kurve sind mitarbeitsbedingt und hier zu vernachlässigen. Die Fluss-VolumenKurve ist geschlossen und ansonsten normgerecht geformt. Entsprechend hierzu finden sich spirometrische Messparameter im Bereich der Norm. Die Resistanceschleifen zeigen eine homogene Form mit steilem, geradem und geschlossenem Verlauf. Hierzu finden sich gute Resistancewerte (RAW) innerhalb der Norm. Die Verschlussdruckkurven (TGV-Messung) zeigen gute Ausschläge mit homogenen Werten im Bereich der oberen Norm. Die TLC passt zur VC, RV und TGV sind im Normbereich. Zusammenfassend zeigt die Untersuchung einen unauffälligen Befund. Aktuell lässt sich keine Ventilationsstörung nachweisen. ! Bodyplethysmographischer Normalbefund Die Resistanceschleifen sind homogen und weisen einen ausreichenden Fluss auf. Der Verlauf ist gerade, steil und weicht nicht nennenswert auseinander. Hierzu passend, sind die Widerstandsparameter (RAWtot, sRAWtot) im Normbereich.
Zusätzlich müssen verwertbare (Kurven homogen, >0,5 kPa) Verschlussdruckkurven aufgezeichnet sein, die normalerweise gerade verlaufen und zum inspiratorischen Anteil auch exspiratorische Drücke haben können. Bei älteren Patienten ist es häufig einfacher, das Verschlussdruckmanöver durch einfaches kräftiges Inspirieren durchführen zu lassen. Entsprechend einem normalen Verschlussdruckwinkel findet sich hierzu passend ein TGV im Normbereich. Abzüglich des ERV ergibt sich dann rechnerisch das RV und im Weiteren die TLC (RV+VC).
Bei der Bodyplethysmographie ist auf typische Fehler zu achten. Die Messung ist sehr empfindlich, und die ermittelten Werte sind schnell unbrauchbar. ▬ Mundstück ist nicht fest umschlossen, Atem entweicht. ▬ Weiche Mundstücke werden mit den Zähnen zusammengedrückt. ▬ Patient ist hektisch und atmet nicht gleichmäßig. ▬ Patient erschreckt und stoppt den Atem bei Verschlussdruckmessung (klackendes Geräusch).
49 4.3 · Fallbeispiele
4
Fallbeispiel 15 68 Jahre, männlich, 183 cm, 70 kg Das 15. Fallbeispiel zeigt die Untersuchung eines 68-jährigen Patienten, der mit progredientem Pleuramesotheliom und zunehmender Belastungsdyspnoe vorstellig wurde. Im CT wurde eine massive Ausdehnung mit subtotaler Ummauerung der rechten Lunge beschrieben.
⊡ Abb. 4.6. Bodyplethysmographie Fallbeispiel 15
Was ist aufgrund der Bildgebung zu erwarten, und sind entsprechende funktionelle Veränderungen in der Untersuchung dargestellt?
50
Kapitel 4 · Bodyplethysmographie
Interpretation der Untersuchung
4
Aufgrund der Anamnese, ist mit einer deutlichen Einschränkung der Lungenausdehnung und somit der Vitalkapazität zu rechnen. Es zeigt sich eine gute Mitarbeit bei der dargestellten Untersuchung. Deutliche VC- und TLC-Minderung im Sinne einer schweren Restriktion. Kein Nachweis einer zusätzlichen Obstruktion. Die Minderung der FEV1 und MEF sind nur Auswirkungen der VCEinschränkung. Die relative Einsekundenkapazität und der Kurvenverlauf schließen eine relevante Obstruktion aus. Zusammenfassend ergibt sich der Befund einer schwergradigen Restriktion bei progredientem Pleuramesotheliom. ! Bei einer bodyplethysmographisch gesicherten restriktiven Ventilationsstörung ist zur Differenzierung einer intra- oder extrapulmonalen Ursache neben einer
geeigneten Bildgebung die Durchführung einer Diffusionstestung sinnvoll. Manchmal kann man bereits aus der Kurvenform und der Konstellation der einzelnen Messparameter erste Anhaltspunkte auf eine intra- oder extrapulmonale Ursache finden.
Bei der Beurteilung der Restriktion sollte auch die Konstellation der einzelnen Parameter (VC, TGV, RV, TLC) beachtet werden. Eine isolierte Verkleinerung der TGV kann sich z. B: bei Adipositas, Aszites oder Schwangerschaft zeigen. Eine isolierte Verminderung der RV wird nicht als pathologisch angesehen.
Zur Diagnosestellung und Schweregradbestimmung der Restriktion siehe auch Fallbeispiel 7 und 10.
51 4.3 · Fallbeispiele
4
Fallbeispiel 16 63 Jahre, männlich, 191 cm, 93 kg Nachfolgend ist die Untersuchung eines Patienten dargestellt, der über einen langjährigen, mäßig produktiven Husten klagt und bei dem bereits eine bronchiale Hyperreagibilität bekannt ist. Eine pulmonale Medikation wurde zum Untersuchungszeitpunkt nicht eingenommen bzw. inhaliert.
⊡ Abb. 4.7. Bodyplethysmographie Fallbeispiel 16
Die Mitarbeit wurde von der MTA als gut vermerkt. Welche Funktionsstörung lässt sich aus der Untersuchung nachweisen?
52
Kapitel 4 · Bodyplethysmographie
Interpretation der Untersuchung
4
Gute Mitarbeit, die Ergebnisse sind frei von Störeinflüssen. Es zeigt sich eine mäßige Obstruktion, die peripher betont ist. Die Lokalisationsbetonung ergibt sich, neben der Fluss-Volumen-KurvenForm, aus der betonten Verminderung des MEF50 und MEF25 sowie der FEV1 im Vergleich zum PEF, MEF75 und der normalen Resistancewerte. Formal (5. Perzentile) sind die VC und TLC noch normal. Insgesamt hat man jedoch das Gefühl einer vorliegenden diskreten Überblähung. Zusammenfassender Befund: mäßiggradige, peripher betonte, prädilatatorische Obstruktion. Zur Klärung der Reversibilität der Obstruktion sollte ergänzend ein Bronchospasmolysetest durchgeführt werden.
Der Normalwert des Atemwegswiderstandes (RAW ) für Erwachsene beträgt ca. 0,22, der obere Grenzwert 0,3 kPa*s/l. Der Wert ist unabhängig von Alter, Geschlecht, Größe oder Gewicht. Der Schweregrad der Obstruktion wird daher meist anhand der absoluten Werten bestimmt (⊡ Tab. 4.1).
Eine später durchgeführte Bronchospasmolysetestung bestätigte den Verdacht eines Asthma bronchiale. Das Asthma bronchiale wurde aufgrund der Klinik als Schweregrad III eingestuft. Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass der spezifische Schweregrad der Erkrankung nicht mit dem allgemeinen Schweregrad der Obstruktion, hier Grad II, übereinstimmen muss.
! Anhand der Kurvenverläufe und der Werte lässt sich manchmal grob der Schwerpunkt der Obstruktion lokalisieren. Eine Obstruktion der zentralen, großen Atemwege (bis ungefähr zur 5. Generation des Bronchialbaums) zeigt sich
insbesondere an Veränderungen des PEF, MEF75 und der Resistance, eine periphere Obstruktion durch Einschränkungen des FEV1, MEF50 und MEF25. Der allgemeine Schweregrad der Obstruktion wird anhand der FEV1-Einschränkung beurteilt.
⊡ Tab. 4.1. Schweregradeinteilung der Obstruktion mittels Atemwegswiderstand Schweregrad
RAW (in kPa*s/l)
Grenzwertig
0,3–0,35
Leicht
<0,5
Mittel
0,5–1,0
Schwer
>1,0
53 4.3 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 17 68 Jahre, männlich, 164 cm, 75 kg Nachfolgend ist die 5 Tage später durchgeführte, Kontrolluntersuchung des bekannten COPD-Patienten aus Fallbeispiel 8 gezeigt.
⊡ Abb. 4.8. Bodyplethysmographie Fallbeispiel 17
4
54
Kapitel 4 · Bodyplethysmographie
Interpretation der Untersuchung
normale RAW ist und umgekehrt. Bei normaler TGV wäre auch hier ein eindeutiger Wert im Sinne einer schweren Obstruktion zu erwarten. Die spezifische Resistance, die um das TGV »bereinigt« ist, wird in dem gezeigtem System leider nicht berücksichtigt. ! Die typischen Kennzeichen einer COPD sind neben einem verlängerten Exspirium in der Volumen-Zeit-Kurve eine biphasische Exspirationskurve in der Fluss-Volumen-Darstellung mit frühexspiratorischem Knick (⊡ Abb.4.9) und entsprechender Keulen- oder Golfschlägerform in der Resistanceschleife (⊡ Abb.4.11). Der Schweregrad der Überblähung wird anhand der TLC, TGV, RV und dem Verhältnis RV zu TLC (RV/TLC) bestimmt (⊡ Tab. 4.2). Zunehmende Bedeutung erhält auch die inspiratorische Kapazität (IC).
⊡ Tab. 4.2. Schweregradeinteilung der Überblähung Schweregrad
TLCa
TGVa
RVa
RV/TLC
Leicht
<130
<140
<140
<50%
Mittel
130–150
140–170
140–170
50–60%
Schwer
>150
>170
>170
>60%
aAngegeben
in Prozent vom Soll.
Fluss-Volumen-Kurve
Fluss
normale Kurve Atemwegskollaps
Volumen
⊡ Abb. 4.9. Fluss-Volumen-Kurve mit Zeichen des Atemwegskollaps
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4
Die Kurven sprechen für eine gute Mitarbeit. In der Volumen-Zeit Darstellung erkennt man ein stark verlängertes Exspirium von ca. 10 s des ausgewählten Exspirationsmanövers. Die Form der FlussVolumen-Kurve zeigt den typischen Verlauf einer schweren COPD mit biphasischer Exspiration (frühexspiratorischer Knick) als Hinweis auf einen (stark flusslimitierenden) exspiratorischen Bronchialkollaps. Rechts werden die Resistanceschleife und die Verschlussdruckkurve dargestellt. Der keulen- oder golfschlägerförmigen Veränderung der Resistanceschleife kann eine (bronchialkollapsbedingte) inhomogene Obstruktion mit zusätzlichem deutlichem Phasendisplacement (Öffnung) als Hinweis auf eine Überblähung entnommen werden. Unter zusätzlicher Beachtung der Messwerte ist zusammenfassend folgender Befund zu erheben: Typischer COPDAspekt mit exspiratorischem Bronchialkollaps und mittel-schwergradiger Obstruktion sowie mittelgradiger Überblähung bei guter Vitalkapazität. Zum Schweregrad der Obstruktion ist ergänzend zu erläutern, dass die FEV1 zwar nur mäßiggradig eingeschränkt ist, der Fluss-Volumen-Kurvenverlauf und die Resistanceschleife (mit dem Rtot) aber eher für eine schwere Obstruktion sprechen. Bei Beachtung der Rtot (=RAW) ist hierbei zu bedenken, dass der Wert bei erhöhtem TGV »falsch niedrig« erscheint, da der Atemwegswiderstand vom TGV abhängig ist und je kleiner das TGV, desto höher die
55 4.3 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 18 85 Jahre, männlich, 174 cm, 103 kg Im nächsten Beispiel ist die Untersuchung eines älteren Patienten mit leichter Belastungsdyspnoe und Zustand nach Nikotinabusus dargestellt.
⊡ Abb. 4.10. Bodyplethysmographie Fallbeispiel 18
Handelt es sich hier, im Vergleich zum Vorbefund, ebenfalls um eine COPD?
4
56
Kapitel 4 · Bodyplethysmographie
Interpretation der Untersuchung
Fluss
Adipositas) bei intakten Bronchialwänden hindeutet. Es handelt sich nicht um die Darstellung eines typischen COPD-Aspektes. Die zusätzlich nachgewiesene leichtgradige, obstruktive Ventilationsstörung bleibt unklar. Es sollte ergänzend ein Bronchospasmolysetest und ggf. eine Diffusionstestung durchgeführt werden. ! Eine schwere Adipositas kann eine deutliche Restriktion verursachen und zusätzlich die Atemmechanik mit entsprechender obstruktiver Komponente beeinträchtigen.
Typische Deformierungen der Resistanceschleife sind ein wichtiger Teil in der Differenzierung obstruktiver Ventilationsstörungen, da sie die Verhältnisse des Strömungswiderstandes zu jedem Zeitpunkt des Atemzyklus direkt darstellt. Neben der Golfschläger-/Keulenform und der Dreieckform gibt es z. B. noch eine S-förmige (nahezu geschlossene) Deformierung bei extrathorakaler fixer Stenosierung.
Resistance-Kurve normale Kurve COPD
PB Kabinendruck
⊡ Abb. 4.11. Resistanceschleife bei COPD
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4
Die Kurvenverläufe deuten auf eine gute Mitarbeit. Der Kurvenverlauf der Fluss-Volumen-Kurve weist zunächst auf eine leichte Obstruktion hin. Die Resistanceschleifen zeigen eine dreieckförmige Verformung im exspiratorischen Teil. Hiermit einhergehend finden sich entsprechende Resistancewerte. Spirometrisch ist die Obstruktion jedoch bei Beachtung der zusätzlichen VC-Minderung nur leichtgradig. Die Betrachtung der isolierten FEV1 wäre hier zur Beurteilung des Schweregrades nicht ausreichend. Die Werte zeigen eine zusätzliche, noch leichtgradige, restriktive Einschränkung (VC, TLC). Bei entsprechendem TGV fällt auf, dass das RV hierbei nur gering vermindert ist. Zusammenfassend kann folgender Befund erhoben werden: Nachweis einer leichtgradigen Restriktion. Die Ursache der Restriktion könnte z. B. durch die Adipositas (BMI 34 kg/m2) bedingt sein. Hierfür spricht die Konstellation der TLC, des TGVs und RVs. Zusätzlich fällt eine Deformierung der Resistanceschleife auf, die am ehesten auf eine veränderte Atemmechanik im Rahmen eines Zwerchfellhochstands (schwere
4
57 4.3 · Fallbeispiele
Zu dem vorliegendem Fall sei noch angemerkt, dass die obstruktive Komponente in der Wiederholung mit einer relativen Einsekundenkapazität von 62% (85% vom Soll) nur noch diskret nach-
Fluss
weisbar war und eine Bronchospasmolyse ohne Effekt blieb. Eine ergänzende Diffusionstestung zeigte einen unauffälligen Befund.
Resistance-Kurve normale Kurve
PB Kabinendruck
⊡ Abb. 4.12. Resistanceschleife bei fixer extrathorakaler Stenose
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fixierte extrathorakale Stenose
58
Kapitel 4 · Bodyplethysmographie
Fallbeispiel 19 57 Jahre, männlich, 176 cm, 82 kg
4
Die folgende Bodyplethysmographie wurde von einem Patienten mit langjährigem Nikotinabusus und vor einer Woche neu diagnostizierten COPD unter jetzt neuer Medikation und deutlicher klinischer Beschwerdebesserung gemacht. Der Vorbefund der Lufu vor einer Woche lautete: ▬ Nikotinabusus, keine vorbekannte Atemwegserkrankung, keine pulmonale Vormedikation. ▬ Gute Mitarbeit. Typischer Kurvenverlauf einer schweren COPD mit exspiratorischem Bronchialkollaps und sehr schwerer (prädilatatorischer) Obstruktion (FEV1 29% des Sollwertes) und mindestens mittelgradiger dynamischer Überblähung (TLC, TGV 160% des Sollwertes).
⊡ Abb. 4.13. Bodyplethysmographie Fallbeispiel 19
Wie ist der aktuelle Befund, im Vergleich zum beschriebenen Vorbefund zu werten?
59 4.3 · Fallbeispiele
Interpretation der Untersuchung Die Untersuchung deutet auf eine gute Mitarbeit. Es zeigt sich ein typischer COPD-Aspekt mit verlängertem Exspirium, entsprechenden Veränderungen der Fluss-Volumen-Kurve und Resistanceschleife. In der Fluss-Volumen-Darstellung kann man ferner eine exspiratorische Flusslimitierung erkennen, d. h., der Fluss der forcierten Exspiration ist bei gleichem Lungenfüllungsstand (s. bei 2 l) kleiner als der des exspiratorischen Ruhe-Atemflusses. Die FEV1- und MEF-Einschränkungen deuten zusammen mit der nur leichten RAWtot-Erhöhung auf eine schwere Obstruktion mit Betonung der peripheren Atemwege hin. Die Resistanceschleife zeigt die Inhomogenität der Obstruktion und die leichte Überblähung an. Beachtlich ist auch die letzte Schleife in der unteren Schleifenübersicht. Hier zeigen sich die massiven Veränderungen der Atemmechanik während des bei submaximaler Anstrengung durchgeführten VC-Manövers am Ende der eigentlichen Bodyplethysmographie (siehe Verlaufsübersicht der TGV-Grafik). Die Überblähung ist bei leicht erhöhtem TGV und RV als leichtgradig und bei normaler TLC als eher relativ zu beurteilen. Die entsprechende
4
Einschränkung der Reserve (VC) ist jedoch deutlich. Eine gewisse zusätzliche restriktive Komponente ist hier nicht sicher auszuschließen. Formal (5. Perzentile) liegt die TLC im Normbereich. Eine gegensätzliche Beeinflussung der TLC (Restriktion und Überblähung) muss dann anhand der weiteren Werte und weiterer Untersuchungsergebnisse (Bildgebung etc.) vermutet bzw. dargestellt werden. Insgesamt bestätigt sich der Befund einer COPD, die sich unter laufender Medikation in der Kontrolle deutlich gebessert und nun »nur noch« als schwergradig darstellt. Die Obstruktion ist zurückgegangen, deutlich peripher betont und aktuell als (postdilatatorisch) schwergradig einzustufen. Die Überblähung ist ebenfalls deutlich zurückgegangen und erklärt insbesondere die klinische Besserung des Patienten. ! Die Beurteilung des COPD-Schweregrades erfolgt stets unter stabilen klinischen Verhältnissen und unter laufender Medikation bzw. postdilatatorisch. Ferner ist zu beachten, dass auch die Klinik und blutgasanalytische Parameter maßgebend für die Einstufung sind.
60
Kapitel 4 · Bodyplethysmographie
Fallbeispiel 20 75 Jahre, männlich, 156 cm, 102 kg Nachfolgend ist die Untersuchung eines Patienten mit bekannter Lungenfibrose und langsam progredienter Belastungsdyspnoe dargestellt.
4
⊡ Abb. 4.14. Bodyplethysmographie Fallbeispiel 20
Versuchen Sie, eine Interpretation der Untersuchung und einen abschließenden Befund zu formulieren.
61 4.3 · Fallbeispiele
Interpretation der Untersuchung Die Mitarbeit kann als ausreichend gut bewertet werden. Die dargestellte Fluss-Volumen-Kurve deutet auf eine (parenchymale) Restriktion und eine leichte periphere Obstruktion hin. Aufgrund der VC-Verminderung wird die Restriktion als mittelschwer eingestuft. Die periphere Flussbehinderung findet Ausdruck in der übermäßigen Verminderung der MEF50 und MEF25, kann jedoch im Hinblick auf das Alter noch als normal und als nicht relevant bewertet werden. Formal (5. Perzentile der relativen Einsekundenkapazität) liegt hier keine Obstruktion vor. Der erhöhte Atemwegswiderstand RAWtot ist artefiziell erhöht, da die Resistance vom Lungenvolumen (und somit vom Überblähungs- und Restriktionsgrad) abhängig ist. Die »volumenkorrigierte« sRAWtot ist hier valider und nur diskret erhöht. Zusammenfassend zeigt die Untersuchung den Befund einer parenchymalen, mittelschweren Restriktion (bei bekannter Lungenfibrose) und eine
4
noch altersentsprechende leichte periphere Flussbehinderung. Ergänzend sollte eine Diffusionstestung zur Erfassung der Gasaustauschstörung durchgeführt werden. ! Die Resistance ist vom Lungenvolumen abhängig. Bei veränderten Lungenvolumina und stark verschobener Atemmittellage ist der Atemwegswiderstand RAWtot volumenbedingt erhöht oder erniedrigt. Die spezifische Resistance (sRAWtot) ist volumenkorrigiert (RAWtotxTGV)
und deshalb ein vom TGV unabhängiges Maß der Atemwegsveränderung (⊡ Tab. 4.3). ⊡ Tab. 4.3. Schweregradeinteilung der Obstruktion mittels spezifischem Atemwegswiderstand Schweregrad
sRAW (in % vom Soll)
Leicht
<170
Mittel
170–350
Schwer
>350
62
Kapitel 4 · Bodyplethysmographie
Fallbeispiel 21 57 Jahre, weiblich, 167 cm, 83 kg Das nächste Beispiel zeigt die Lungenfunktionsprüfung einer Patientin, die über leichte Belastungsdyspnoe klagte. Kardiopulmonal waren keinerlei Vorerkrankungen bekannt.
4
⊡ Abb. 4.15. Bodyplethysmographie Fallbeispiel 21
Lässt sich die Symptomatik durch die gezeigte Lungenfunktionsprüfung erklären?
63 4.3 · Fallbeispiele
Interpretation der Untersuchung Den Kurven lässt sich eine gute Mitarbeit entnehmen. Auffällig ist nur eine TGV-betonte diskrete restriktive Komponente (TLC, VC). Da die TLC über der 5. Perzentile liegt, besteht per definitionem noch keine Restriktion. Die Atemflüsse zeigen keinerlei Beeinträchtigung. Zusammenfassend zeigt die Untersuchung eine diskrete restriktive Komponente, die am ehesten adipositasbedingt ist (BMI: 29,8 kg/m2) und klinisch ohne Relevanz sein dürfte. Zum sicheren
4
Ausschluss einer beginnenden Gasaustauschstörung bzw. einer interstitiellen Erkrankung sollten ergänzend ein Diffusionstest und eine Bildgebung durchgeführt werden. ! Eine Restriktion ist über die TLC-Verminderung unter die 5. Perzentile definiert (⊡ Tab. 3.3). Eine klinische Relevanz ist bei restriktiven Ventilationsstörungen erst ab einer VC <80% vom Soll und einer TLC <80% vom Soll zu erwarten. Dies ist natürlich auch abhängig vom Alter und dem entsprechenden Aktivitätsradius des Patienten.
64
Kapitel 4 · Bodyplethysmographie
Fallbeispiel 22 67 Jahre, männlich, 185 cm, 116 kg Nachfolgend ist die Bodyplethysmographie eines 67-jährigen Patienten gezeigt, der mit seit 2 Wochen zunehmender Dyspnoe und beidseitigen Infiltrationen im Röntgen-Thorax stationär behandelt wurde. Bisher verabreichte Antibiotika hatten zu keiner Besserung geführt. Ein Lungenbefund vor 9 Jahren zeigte einen Normalbefund.
4
⊡ Abb. 4.16. Bodyplethysmographie Fallbeispiel 22
Versuchen Sie, einen Befund zu formulieren. Die Mitarbeit wurde als gut beschrieben. Zusätzlich wurde angemerkt, dass der Patient deutlich luftnötig war.
65 4.3 · Fallbeispiele
Interpretation der Untersuchung Etwas unregelmäßige Kurven deuten auf eine Anstrengung des Patienten hin. Die Qualität der Untersuchung ist aber ausreichend gut. Es zeigt sich eine mäßiggradige restriktive Ventilationsstörung mit entsprechender Minderung von VC, TLC, TGV und RV. Die Atemflüsse sind unbeeinträchtigt und sogar erstaunlich gut, entsprechend einer parenchymalen Störung. Zusammenfassend ergibt sich eine mäßiggradige Restriktion. Die Atemflüsse sind gut. Zusätzliche ist die Durchführung einer Diffusionstestung und BGA sinnvoll.
4
Der weitere Verlauf erbrachte den Nachweis einer kryptogen organisierende Pneumonie (COP bzw. BOOP) bei dem Patienten. ! Eine restriktive Ventilationsstörung ohne zusätzlichen Nachweis einer relevanten Obstruktion ist bei einer COP in Anbetracht der Klinik häufig unerwartet, aber typisch. Nur in ca. 20% der Fälle lässt sich eine zusätzliche relevante Obstruktion nachweisen.
66
Kapitel 4 · Bodyplethysmographie
Fallbeispiel 23 70 Jahre, männlich, 164 cm, 62 kg Das folgende Beispiel zeigt das Untersuchungsergebnis eines Patienten mit seit Tagen zunehmender Belastungsdyspnoe und Zustand nach langjährigem Nikotinabusus. Der Patient nahm bisher keinerlei Medikamente ein.
4
⊡ Abb. 4.17. Bodyplethysmographie Fallbeispiel 23
Gibt es eine Lungenfunktionseinschränkung als mögliche Ursache für die Beschwerden?
67 4.3 · Fallbeispiele
Interpretation der Untersuchung Die Exspiration der Tiffeneau-Manöver wurden jeweils etwas vorzeitig abgebrochen (siehe Spirometrieübersichts-Grafik), insgesamt kann die Mitarbeit jedoch als gut bewertet werden. Die Fluss-Volumen-Kurve ist etwas verschmälert und exspiratorisch konkav eingekrümmt. Die Resistanceschleifen bieten keinen spezifischen Anhalt. Den Werten entnehmen wir eine mäßiggradige (TGV-betonte) Restriktion und eine peripher betonte leichtgradige Obstruktion. Zusammenfassend stellt sich der Befund einer gemischten Ventilationsstörung mit leichter, peripher betonter Obstruktion und mäßiggradiger (am ehesten extraparenchymaler) Restriktion.
4
Ergänzend wird die Durchführung einer Bronchospasmolysetestung und eines Diffusionstestes empfohlen. Der weitere Verlauf erbrachte den Nachweis eines ursächlichen rechtsseitigen Pleuraergusses bei Bronchialkarzinom im rechten Hauptbronchus. ! Bei deutlich eingeschränkter Vitalkapazität ist die Beurteilung der Obstruktion mittels der Flussparameter (insbesondere FEV1) schwierig. Neben der relativen Einsekundenkapazität muss man sich an dem Verlauf der FlussVolumen-Kurve orientieren. Die Resistancemessung ist bei peripher betonter Obstruktion leider ebenfalls wenig hilfreich.
68
Kapitel 4 · Bodyplethysmographie
Fallbeispiel 24 70 Jahre, männlich, 173 cm, 64 kg Das nächste Beispiel zeigt die Untersuchung eines COPD-Patienten in derzeit klinisch stabilem Zustand und unter laufender Therapie.
4
⊡ Abb. 4.18. Bodyplethysmographie Fallbeispiel 24
Versuchen Sie, einen Befund zu formulieren.
69 4.3 · Fallbeispiele
Interpretation der Untersuchung Die Kurvenverläufe sprechen für eine gute Mitarbeit. Darstellung eines typischen COPD-Aspektes mit Zeichen der bronchialen Instabilität (FlussVolumen-Kurve, Resistanceschleife). Sehr schwere Obstruktion [Kurve, Einsekundenkapazitäten, sRAW (bzw. RAW spz)] mit zusätzlicher mindestens mittelgradiger Überblähung und deutlich eingeschränkter Reserve (VC-Minderung). Der im Ausdruck angebotene Vergleich der relativen Einsekundenkapazität, bezogen auf die VCIN und FVC, verdeutlicht den relevanten Unterschied zwischen langsamer und forcierter Exspiration bei obstruktiven Atemwegserkrankungen. Zusammenfassend ergibt sich ein COPD-typischer Aspekt. Unter laufender Medikation sehr schwere Obstruktion und mindestens mittelgradige Überblähung mit deutlicher Einschränkung der Reserve (VC). Zur Erfassung des Ausmaßes könnten ergänzend eine Diffusionstestung und eine BGA durchgeführt werden.
4
Der Befund entspricht somit einer sehr schweren COPD (Grad IV). ! Die FEV1 ist ein wichtiger Prognosefaktor bei der COPD. Isoliert und als Teil von multidimensionalen Score-Systemen (z. B. BODE-Index), korreliert die Einsekundenkapazität gut mit dem Überleben der Patienten und ist somit ein wichtiger Verlaufsparameter.
Noch nicht so lange als Prognosefaktor etabliert ist das Verhältnis der inspiratorischen Kapazität (IC) zur TLC. Ein IC/TLC-Wert <25% geht mit einer
klinisch bedeutsamen Überblähung und einer erhöhten Mortalität einher. Verglichen mit der isolierten FEV1 ist IC/TLC als Mortalitätsprädiktor noch aussagekräftiger.
In unserem Beispiel ergibt sich rechnerisch eine IC von 1,77 l (VC–ERV) und ein IC/TLC von 23%.
70
Kapitel 4 · Bodyplethysmographie
Fallbeispiel 25 48 Jahre, männlich, 190 cm, 60 kg Nachfolgend ist die Spirometrie/Bodyplethysmographie eines Patienten mit bekannter COPD dargestellt. Eine Woche nach Extubation und Rekompensation (nach Erschöpfung der Atempumpe im Rahmen einer AECOPD) sollte der lungenfunktionstechnische Status erhoben werden.
4
⊡ Abb. 4.19. Bodyplethysmographie Fallbeispiel 25
Wie ist die Lungenfunktion zu beurteilen?
71 4.3 · Fallbeispiele
Interpretation der Untersuchung Die Mitarbeit des schwer betroffenen Patienten kann als gut bewertet werden. Der hohe PEF spricht für eine maximale Bemühung. Die Fluss-Volumen-Kurve und die Resistanceschleife zeigen sehr eindrucksvoll die atemmechanischen Verhältnisse mit frühexspiratrischem Abbruch des Atemflusses bei forcierter Exspiration (Bronchialkollaps). Die Obstruktion ist als sehr schwer einzustufen. Die erniedrigte TLC lässt an eine Restriktion denken – diese hat sich jedoch im Verlauf durch weitere Untersuchungen nicht bestätigt. Trotz der erniedrigten TLC deuten die restlichen Werte (TGV, RV, RV/TLC) und nicht zuletzt die Form der Resistanceschleife auf eine mindestens mittelgradige relative Überblähung hin. Zusammenfassend ergibt sich der Befund einer sehr schweren COPD mit ausgeprägtesten Zeichen der bronchialen Instabilität. Sehr schwere Obstruktion und mindestens mittelgradige Überblähung. Ergänzend sollte noch eine Diffusionstes-
4
tung zur Bestimmung einer Gasaustauschstörung (als Maß des Parenchymschadens) durchgeführt werden. Es sei ergänzend angemerkt, dass der Patient für die gezeigten Veränderungen viel zu jung ist. Um einen systematischen Fehler (z. B. falsches Geburtsdatum) auszuschließen, wurde der behandelnde Arzt bzgl. der Umstände kontaktiert. Das Geburtsdatum war korrekt, der Patient hat einen bekannten α-1-Antitrypsin Mangel, der entsprechende Veränderungen erklärt. IC/TLC beträgt (rechnerisch) im gezeigten Beispiel 22% und ist somit deutlich vermindert. ! Die klinischen Umstände sind für die Beurteilung der Untersuchungen sehr wichtig und stets zu berücksichtigen. Die Mitarbeit darf bei schwer beeinträchtigten Patienten etwas eingeschränkt sein. Die Plausibilität ist stets zu überprüfen. Passt das Ergebnis zu dem Patienten (Alter, Geschlecht, Körpermaße)?
72
Kapitel 4 · Bodyplethysmographie
Fallbeispiel 26 57 Jahre, weiblich, 161 cm, 94 kg Im letzten Beispiel ist die Untersuchung einer Patientin mit deutlicher Belastungsdyspnoe und bekannter chronischer Bronchitis gezeigt.
4
⊡ Abb. 4.20. Bodyplethysmographie Fallbeispiel 26
Wie beurteilen Sie die Untersuchung?
73 4.3 · Fallbeispiele
Interpretation der Untersuchung Die Mitarbeit der Patientin kann als gut bewertet werden. Die Fluss-Volumen-Kurve und die Resistanceschleifen deuten zunächst auf eine gemischte Ventilationsstörung hin. Auffällig ist, dass die relative Einsekundenkapazität (FEV1/VC) bei stark erniedrigter FEV1 und VC trotz der deutlichen Zeichen der Flusslimitierung nicht vermindert ist. Bei schwergradig verminderter VC ist andererseits die TLC im Normbereich. Zusätzlich fällt eine Erhöhung des RV, TGV und RV/TLC, im Sinne einer relativen Hyperinflation auf. Formal ist somit (orientiert an FEV1, VC und TLC) trotz stark veränderter Lungenfunktionsprüfung sowohl eine Obstruktion als auch eine Restriktion ausgeschlossen. Die Messung der Resistance entspricht jedoch einer mittelgradigen Obstruktion. Zusammenfassend ergibt sich der Befund eines Small Airways Obstruction Syndrome mit klassischer Konstellation von FEV1, VC, RV und TLC. Zugrunde liegend ist in diesem Fall am ehesten eine COPD mit beginnendem Emphysem.
4
! Das Small Airways Obstruction Syndrome ist durch die typische Konstellation von verminderter FEV1 und VC, erhöhtem RV und RV/TLC und normaler FEV1/VC und TLC charakterisiert. Formal wäre (gemäß der üblichen Kriterien) bei dieser Konstellation eine Obstruktion und Restriktion ausgeschlossen. Es handelt sich bei dem Syndrom um eine obstruktive
Ventilationsstörung mit vorzeitigem Verschluss kleiner peripherer Bronchien (mit »air trapping« und entsprechender VC-Minderung).
Das Small Airways Obstruction Syndrome wird bei verschiedenen Erkrankungen oder auch bei älteren Menschen beobachtet. Typischerweise liegt dem Syndrom ein frühzeitiges Emphysem, ein Small Airways Disease oder ein Asthma bronchiale zugrunde. Ursächlich scheint eine Obstruktion der kleinen peripheren Bronchien bei frühzeitigem Bronchialkollaps und entsprechendem »air trapping« zu sein.
5
Bronchospasmolysetestung und Provokationstestung
5.1
Einleitung – 76
5.2
Bronchospasmolysetestung – 76
5.3
Provokationstestung – 76
5.4
Fallbeispiele – 78
5
76
Kapitel 5 · Bronchospasmolysetestung und Provokationstestung
5.1
Einleitung
Ergänzend zur Spirometrie bzw. Bodyplethymographie ist es manchmal sinnvoll, eine Bronchospasmolyse- oder Provokationstestung durchzuführen. Der Wert der Bronchospasmolysetestung liegt in der Überprüfung der Reversibilität und damit in der Differenzierung einer unklaren obstruktiven Ventilationsstörung. Aufgrund der Rückbildungstendenzen einer Obstruktion auf ein Bronchospasmolytikum kann insbesondere zwischen einem Asthma bronchiale und einer COPD unterschieden werden. Andererseits kann mittels inhalativer Provokation eine bronchiale Hyperreaktivität ermittelt werden.
5.2
Bronchospasmolysetestung
In der Bronchospasmolysetestung wird die Beeinflussbarkeit einer Obstruktion durch Bronchospasmolytika (β2-Sympathomimetika, Anticholinergika) überprüft. Da die Obstruktion der verschiedenen Atemwegserkrankungen unterschiedlich auf Bronchospasmolytika anspricht, kann man hiermit zwischen den einzelnen Erkrankungen unterscheiden. Außerdem ist es möglich, die Wirkung verschiedener Bronchospasmolytika individuell auszutesten. Nach erfolgtem Nachweis einer obstruktiven Ventilationsstörung mittels Spirometrie und ggf. Bodyplethysmographie wird ein Bronchospasmolytikum (⊡ Tab. 5.1) inhaliert. Nach ausreichend hoher Dosis und ausreichend langer Wirkzeit wird dann der vorherige Lungenfunktionstest wieder-
⊡ Tab. 5.1. Bronchospasmolytika
a
Substanz
Wirkzeita
Salbutamol
10
Formoterol
10
Ipratropiumbromid
30
Minimale Wartezeit in Minuten
holt und die Rückbildung der Obstruktion (Reversibilität) beurteilt. Für eine effektive Durchführung sei darauf hingewiesen, dass das Vermögen der einzelnen Patienten, inhalative Applikationssysteme richtig anzuwenden, sehr unterschiedlich ist und die Wirkung der Medikamente ganz entscheidend von der richtigen Anwendung der inhalativen Systeme abhängt. Eine etwaige pulmonale Vormedikation muss zudem ausreichend lange pausiert sein, um eine valide Bronchospasmolysetestung durchführen zu können.
5.3
Provokationstestung
Bis zu einem gewissen Grad ist die Reaktion der bronchialen Muskulatur auf inhalative Reize normal und physiologisch sinnvoll. Eine Hyperreaktivität kann jedoch unangenehme Folgen haben. Der inhalative, unspezifische Provokationstest dient dem Nachweis einer bronchialen Hyperreaktivität. Typisch ist dies z. B. bei einem Asthma bronchiale. Es sei jedoch angemerkt, dass es auch andere Erkrankungen gibt, die mit einer erhöhten bronchialen Hyperreaktivität einhergehen (Sarkoidose etc.) und dass auch Atemwegsgesunde oder Patienten nach Atemwegsinfekt (bis zu 6 Wochen) mitunter einen pathologischen Test zeigen können. Beim inhalativen Provokationstest wird spirometrisch (und ggf. bodyplethysmographisch) die Reaktion auf eine standardisierte Inhalation eines Aerosols einer chemischen Substanz (meist Metacholin oder Histamin) ermittelt. Durchgeführt wird der Einkonzentrationstest (mit z. B. 0,25% Methacholin) oder der Mehrkonzentrationstest (mit ansteigender Dosis oder Konzentration, z. B. Methacholin 0,25% – 0,5% – 1,0% – 2,0% – 3,0%). Im Einkonzentrationstest wird die Reaktivität auf eine feste niedrige Dosis anhand der Reaktionsstärke beurteilt. Im Mehrkonzentrationstest wird die Reaktion durch die ansteigende Dosis bzw. Konzentration erfasst und als Provokationskonzentration ausgedrückt, bei der die FEV1 um mindestens 20 % abnimmt (PC 20).
77 5.3 · Provokationstestung
Bei der Durchführung sollten folgende relative Kontraindikationen berücksichtigt werden: ▬ vorliegende Atemwegsobstruktion (FEV1% <70, RAWtot >0,35 kPa/l/s) oder Hypoxämie, ▬ vorliegende Herzerkrankungen, insbesondere bradykarde Herzrhythmusstörungen und Zustand nach frischem Herzinfarkt, ▬ vorliegende Schwangerschaft.
5
Ferner sollte berücksichtigt werden, dass eine bronchodilatatorische Medikation gemäß Wirkdauer im Vorfeld ausreichend lange pausiert ist. Der Patient muss auf das eventuelle Auftreten einer schweren Atemwegsobstruktion hingewiesen werden, und entsprechende Behandlungsmöglichkeiten (Antiobstruktiva) müssen bei der Durchführung des Tests einsatzbereit sein.
78
Kapitel 5 · Bronchospasmolysetestung und Provokationstestung
5.4
Fallbeispiele Fallbeispiel 27 24 Jahre, weiblich, 170 cm, 54 kg Das erste Beispiel zeigt die Untersuchung einer jungen Frau, die mit Atemnot und Verdacht auf ein Asthma bronchiale vorstellig wurde. Dargestellt ist die Lungenfunktionsprüfung vor und 10 min nach Inhalation mit 0,4 mg Salbutamol.
5
⊡ Abb. 5.1. Bronchospasmolysetest Fallbeispiel 27
Welche Veränderungen sind zwischen den beiden Untersuchungen zu erkennen?
79 5.4 · Fallbeispiele
Interpretation der Untersuchung Die Kurven sprechen für eine gute Mitarbeit der Patientin. In der ersten Untersuchung zeigen sich eine mittelschwere Obstruktion sowie eine leichtgradige Überblähung mit entsprechender leichtgradiger Einschränkung der VC. Nach Inhalation des schnell wirksamen β2Sympathomimetikums zeigt sich eine Zunahme der FEV1 um 880 ml bzw. 47%. Die Obstruktion ist nach signifikantem Rückgang noch leichtgradig nachzuweisen (FEV1, Fluss-Volumen-Kurve) und betrifft hauptsächlich die peripheren Bronchialabschnitte (RAWtot normal). Die Überblähung hat sich ebenfalls deutlich zurückgebildet und ist nur noch diskret nachweisbar. Beachtlich ist in diesem Zusammenhang auch die Rückbildung der Resistanceschleife. Zusammenfassend ergibt sich der Befund eines positiven Bronchospasmolysetests mit partieller Reversibilität einer mittelgradigen Obstruktion im Rahmen eines Asthmaanfalls.
5
! Die Reversibilität wird anhand der FEV1Veränderung bestimmt. Eine Zunahme um mindestens 15% bzw. 200 ml gilt hierbei als signifikant. Ferner wird zwischen einer partiellen und kompletten Reversibilität der Obstruktion differenziert.
Eine verminderte oder fehlende Reversibilität kann an der Art der Obstruktion (fixe Obstruktion) oder auch an der Durchführung der Bronchospasmolyse (richtige Inhalation, Dosis, Wartezeit) liegen.
Für den gezeigten Fall sei angemerkt, dass die Wartezeit für das Ausmaß der Obstruktion etwas knapp ist. Andererseits ist kaum zu erwarten, dass ein Asthmaanfall trotz guten Ansprechens auf β2-Sympathomimetika nach einmaliger Inhalation 10 min später vollständig reversibel ist.
80
Kapitel 5 · Bronchospasmolysetestung und Provokationstestung
Fallbeispiel 28 44 Jahre, männlich, 178 cm, 72 kg Nachfolgend ist die Untersuchung eines Patienten dargestellt, der initial mit schwerer Dyspnoe im Rahmen einer Bronchitis stationär aufgenommen wurde. Bei anamnestisch länger bestehenden bronchitischen Beschwerden wurden nach klinischer Besserung die Antiobstruktiva pausiert und ein Bronchospasmolysetest (mit 0,4 mg Salbutamol) durchgeführt. Welcher Befund ist zu erheben?
5
⊡ Abb. 5.2. Bronchospasmolysetest Fallbeispiel 28
81 5.4 · Fallbeispiele
Interpretation der Untersuchung Die Kurven sprechen für eine gute Mitarbeit des Patienten. In der ersten Untersuchung zeigen sich eine sehr schwere, peripher betonte Obstruktion sowie eine leichtgradige Überblähung mit deutlicher Einschränkung der VC. Die Fluss-Volumen-Kurve und die Resistanceschleife zeigen diskrete Zeichen der bronchialen Instabilität. Nach Inhalation des schnell wirksamen β2Sympathomimetikums zeigt sich eine Zunahme der FEV1 um 260 ml bzw. 25%. Die Obstruktion ist nach signifikantem Rückgang postdilatatorisch noch schwergradig nachzuweisen (FEV1, Fluss-Volumen-Kurve) und betrifft bei deutlichem Rückgang der Resistance (um 46%) hauptsächlich die peripheren Bronchialabschnitte. Die Überblähung hat sich bodyplethysmographisch nicht wesentlich verändert, jedoch ist die VC um 441 ml gestiegen. Zusammenfassend ergibt sich der Befund eines positiven Bronchospasmolysetests mit partieller Reversibilität einer sehr schwergradigen Obstruktion. Der Befund spricht am ehesten für das Vorliegen einer COPD. Hierzu ist anzumerken, dass die 25-prozentige Reversibilität für eine gewisse Hyperreaktivität (mit entsprechender Reversibilität) spricht, die bei einer COPD durchaus vorliegen kann, in diesem Fall aber auch Folge des abklingenden Atemwegsinfektes sein könnte. Für eine COPD (insbesondere in dem Ausmaß) ist der Patient sehr jung. Zur weiteren Abgrenzung eines Asthma bronchiale sollte unbedingt eine Verlaufskontrolle und ergänzend noch eine Diffusionstestung durchgeführt werden. Bei einem vorliegenden Emphysem ist der Transferfaktor (DLCO) erniedrigt, während der
5
Transferfaktor bei einem reinen Asthma bronchiale normal oder sogar erhöht ist. Der Befund einer COPD hat sich im Weiteren bestätigt. Ferner wurde bei dem Patienten ein α1Antitrypsinmangel festgestellt. ! An der Reversibilitätsreaktion der Obstruktion durch inhalative Antiobstruktiva kann man häufig
zwischen einem Asthma bronchiale und einer COPD unterscheiden. Während beim Asthma bronchiale die Reversibilität meist fast vollständig ist, ist sie bei der COPD häufig nicht einmal signifikant (d. h. >15% bzw. >200 ml der FEV1). Hierbei muss das primäre Ausmaß der Obstruktion berücksichtigt werden. In unserem Beispiel beträgt die Reversibilität zwar 25%, für die Schwere der Obstruktion ist sie aber eher gering.
Insbesondere bei der COPD ist die positive Reaktion auf ein Antiobstruktivum nicht unbedingt nur an der FEV1 ablesbar. Häufig ist hier jedoch ein deutlicher Rückgang der Resistance nachweisbar. Wegen der bronchialen Instabilität (Bronchialkollaps) ist die FEV1 bei einer COPD häufig wenig aussagekräftig, und es sollte unbedingt das Ausmaß der Überblähung mitbeurteilt werden, die sich meist deutlich bessern lässt. Einige Effekte zeigen sich auch erst nach regelmäßiger wochenlanger Anwendung (z. B. Rückgang der Überblähung). Ein negativer Bronchospasmo-
lysetest darf nicht mit einer Wirkungslosigkeit der verwendeten Substanz verwechselt werden und erlaubt keine Aussage über das Ansprechen der Medikation im weiteren Verlauf.
82
Kapitel 5 · Bronchospasmolysetestung und Provokationstestung
Fallbeispiel 29 70 Jahre, männlich, 173 cm, 64 kg Das nächste Beispiel zeigt die Bronchospasmolysetestung eines Patienten, der an einer langjährig bekannten COPD leidet.
5
⊡ Abb. 5.3. Bronchospasmolysetest Fallbeispiel 29
Versuchen Sie, einen schriftlichen Befund zu erheben und die Untersuchungsergebnisse zu beschreiben.
83 5.4 · Fallbeispiele
Interpretation der Untersuchung Die Kurven sprechen für eine gute Mitarbeit des Patienten. In der ersten Untersuchung zeigt sich eine sehr schwere Obstruktion bei deutlichen Zeichen der bronchialen Instabilität sowie eine mindestens mittelgradige Überblähung mit entsprechend deutlicher Einschränkung der Reserve (VC). Nach Inhalation des schnell wirksamen β2Sympathomimetikums zeigt sich eine Zunahme der FEV1 um 60 ml bzw. 9%. Die Obstruktion ist weiterhin als sehr schwer einzustufen und hauptsächlich durch die bronchiale Instabilität bedingt. Die Betrachtung der Resistanceschleife zeigt, am ehesten bedingt durch eine schnellere, kräftigere Atmung (s. erhöhten Fluss der postdilatatorischen Resistanceschleifen), sogar eine Zunahme der Widerstande (exspiratorischer Bronchialkollaps nimmt mit zunehmendem Exspirationsdruck zu). Die Überblähung hat sich entsprechend nicht wesentlich verändert. Zusammenfassend ergibt sich der Befund eines negativen Bronchospasmolysetests mit sehr schwerer Obstruktion, die hauptsächlich durch die exspiratorische Instabilität des Bronchialsystems gekennzeichnet ist, passend zu einer langjährigen COPD.
5
! Bei bronchialer Instabilität nimmt der exspiratorische Widerstand, also die Obstruktion, mit zunehmender Exspirationsanstrengung bzw. Atemflussgeschwindigkeit zu. Bei Betrachtung der Resistance(schleifen) muss der Fluss stets beachtet werden. Dieser soll bei ca. 1 l/s liegen.
Bei Patienten mit schwerer bronchialer Instabilität (COPD) sind die forcierten, unphysiologischen Atemmanöver nur bedingt geeignet, die (relevante) Lungenfunktion wiederzugeben. Die Diffusionstestung, BGA oder der 6-Minuten-Gehtest sind Untersuchungen, die die schwere der Lungenfunktionseinschränkung bei der COPD ergänzend darstellen können.
Im vorliegenden Fall wurden 2 Hub eines Dosieraerosols verabreicht. Es bleibt offen, ob der Patient in der Lage war, genug Wirkstoff über dieses Applikationssystem zu inhalieren. Ältere Menschen haben große Schwierigkeiten, Dosieraerosole korrekt anzuwenden. Hier muss auf Spacer oder andere Applikationssysteme zurückgegriffen werden.
84
Kapitel 5 · Bronchospasmolysetestung und Provokationstestung
Fallbeispiel 30 44 Jahre, männlich, 197 cm, 140 kg Das nachfolgende Beispiel zeigt die Provokationsuntersuchung eines Patienten, der seit Monaten über wiederholte Husten- und Atemnotanfälle berichtete und ansonsten nach eigenen Angaben gesund sei. Gezeigt ist die Basis-Leermessung (⊡ Abb. 5.4) und die Messung nach Provokation mit Histamin 0,5 mg/ ml (⊡ Abb. 5.5) sowie nach Spasmolyse (⊡ Abb. 5.6). Die komplette Testreihe des Mehrkonzentrationstestes (einschließlich der hier nicht aufgeführten Einzelbefunde) ist im Hyperreagibilitäts-Report (⊡ Abb. 5.7) unten chronologisch aufgeführt. Die Parameter FEV1 und sRAWtot sind über den Verlauf grafisch dargestellt.
5
⊡ Abb. 5.4. Provokationstest – Leermessung Fallbeispiel 30
85 5.4 · Fallbeispiele
⊡ Abb. 5.5. Provokationstest – Histamin 0,5 mg/ml Fallbeispiel 30
5
86
Kapitel 5 · Bronchospasmolysetestung und Provokationstestung
5
⊡ Abb. 5.6. Provokationstest – Bronchospasmolyse Fallbeispiel 30
87 5.4 · Fallbeispiele
⊡ Abb. 5.7. Provokationstest – Hyperreagibilitäts-Report Fallbeispiel 30
5
88
Kapitel 5 · Bronchospasmolysetestung und Provokationstestung
Interpretation der Untersuchung
5
Die Kurven sprechen für eine ausreichend gute Mitarbeit des Patienten. Die Basis-Leermessung zeigt eine diskrete periphere Flussbehinderung. FEV1/VC und MEF50 sind am unteren Grenzwert (5. Perzentile), jedoch formal noch nicht im Sinne einer Obstruktion erniedrigt. Die PEF-Verminderung und der abgerundete exspiratorische Peak sind mitarbeitsbedingt. Nach Inhalation mit NaCl 0,9% zeigt sich keine wesentliche Änderung der Ventilationsfunktion. Es zeigt sich lediglich ein diskreter Anstieg der Resistance. Nach Inhalation von Histamin 0,1 mg/ml zeigt sich ein weiterer, diskreter Anstieg der Resistance bei unveränderten spirometrischen Flussparametern. Nach Inhalation von Histamin 0,5 mg/ml zeigen sich ein deutlicher Anstieg der Resistance (um ca. 300% bzw. 580%, bezogen auf den Leerwert) sowie deutliche Zeichen der Obstruktion in der Fluss-Volumen-Kurve bei entsprechenden spirometrischen Flussparametern im Sinne einer schwergradigen Obstruktion. Zusätzlich zeigt sich eine deutliche Zunahme der relativen Überblähung (»air trapping«) mit entsprechender Auslenkung der Resistanceschleife.
Die anschließende Bronchospasmolyse zeigt im Weiteren die vollständige Reversibilität der Obstruktion und relativen Überblähung. Zusammenfassend ergibt sich der Befund einer positiven unspezifischen Provokationstestung (bei Histamin 0,5 mg/ml) mit anschließend guter Reversibilität als Zeichen eines deutlich hyperreagiblen Bronchialsystems, passend zu dem Befund eines Asthma bronchiale. ! Die Kriterien eines positiven Provokationstestes sind eine Abnahme der FEV1 um mindestens 20% und eine Verdoppelung des Widerstandes sRAWtot auf mindestens 2,0 kPa*s. Die Quantifizierung der Reaktion erfolgt (je nach verwendeter Methode) über die Angabe der Kon-
zentration bzw. Dosis der inhalierten Provokationssubstanz. Alternativ wird die Stärke der Reaktion auf eine fixe Dosierung beschrieben (Einkonzentrationstest). Hierbei besteht jedoch die erhöhte Gefahr falsch negativer Ergebnisse.
6
Diffusionstestung
6.1
Einleitung – 90
6.2
Fallbeispiele – 91
6
90
Kapitel 6 · Diffusionstestung
6.1
Einleitung
Die Diffusionstestung oder Diffusionsanalyse ist eine ergänzende Untersuchungsmethode, die eine weitere wesentliche Teilfunktion der Atmung, die Diffusion der Atemgase, untersucht und in letzter Zeit zunehmende Bedeutung findet. Als Testgas für die Diffusion wird Kohlenmonoxid (CO) verwendet, das eine sehr starke Affinität zum Hämoglobin hat und (außer bei Rauchern) in der natürlichen Atmosphäre und somit auch im Blut praktisch nicht vorkommt. Der wesentliche Parameter der Untersuchung ist die Diffusionskapazität (DLCO oder TLCO). Die Diffusionskapazität ist jedoch nicht nur von der eigentlichen Diffusion, sondern auch von weiteren Teilfunktionen, wie z. B. der Durchblutung, abhängig, die bei der Untersuchung unspezifisch miterfasst werden. Unterschieden werden 2 unterschiedliche Messmethoden. Die Ein-Atemzug-Methode (oder Single-Breath-Methode) ist die weitaus gebräuchlichere Untersuchungsform, wobei ein Gasgemisch (Kohlenmonoxid, Helium, Raumluft) in einem maximalen Inspirationsmanöver eingeatmet und während einer 10 s dauernden Atemanhaltezeit ins Blut diffundieren kann, bevor das restlich Gas in der nachfolgenden Exspiration wieder ausgeatmet und dabei auf seine Zusammensetzung analysiert wird. Insbesondere für ältere und schwergradig atemwegserkrankte Patienten ist es jedoch oft schwierig, die Luft 10 s lang anzuhalten. Hier ist eine Software von Vorteil, die von einer Atemanhaltezeit von z. B. 7 s ausgehen kann und die ermittelten Werte auf die eigentliche Referenzzeit von 10 s umrechnet. Die zweite Messmethode ist die Steady-State-Methode, bei der die Gasaufnahme über eine Ruheatemphase ermittelt wird. In der Praxis hat sie jedoch kaum Bedeutung. Nachfolgend sollen zum besseren Verständnis die einzelnen Einflüsse auf die Diffusionskapazität dargestellt werden. Die DLCO ist von der Diffusionsleitfähigkeit der Membranen (DM), der chemischen Reaktionsrate zwischen Kohlenmonoxid und Hämoglobin (*) und dem Volumen des kapillären Blutstroms (Vc) abhängig. Den Einfluss
der einzelner Faktoren auf die Diffusionskapazität zeigt die folgende Formel: 1/DLco=(1/Dm)+(1/*Vc) Da die Einflüsse der oben genannten Faktoren über die eigentliche Diffusion hinausgehen, wird heute meist der Begriff des Transferfaktors (TLCO) dem der Diffusionskapazität (DLCO) bevorzugt. In ⊡ Tab. 6.1 und ⊡ Tab. 6.2 sind die einzelnen physiologischen und pathophysiologischen Mechanismen der DLco-Erhöhung bzw. -Erniedrigung aufgelistet. Über das Alveolarvolumen (VA) kann man die Diffusionskapazität in Relation zur Lungengröße bringen und somit größenbedingte Veränderungen der Transferfunktion näherungsweise korrigieren. Dieser sog. Transferkoeffizient oder auch KroghIndex (TLCO/VA bzw. KCO) erlaubt eine grobe Unterscheidung der Restriktion in eine pulmonale oder extrapulmonale Ätiologie. So kann beispielsweise bei einer Thoraxdeformität der Transferfaktor zwar erniedrigt sein, der Transferkoeffizient zeigt jedoch Werte im Normbereich oder ist auch leicht erhöht. Ergänzend zu den Diffusionsparametern werden mittels Heliumdilution das Residualvolumen, die funktionelle Residualkapazität und die Totalkapazität ermittelt.
⊡ Tab. 6.1. DLCO-Erhöhung ↑ * VC
Polyzythämie, Links-rechts-Shunt, Lungenhämorrhagie, Asthma, körperliche Anstrengung, Adipositas
⊡ Tab. 6.2. DLCO-Erniedrigung ↓ VA, DM
Atemmuskelstörung, Thoraxdeformierung
↓ * Vc
Anämie, Lungenembolie
↓ Dm und * Vc
Lungenresektion, Emphysem, Lungengerüsterkrankung, Lungenödem, Vaskulitis, pulmonale Hypertonie
91 6.2 · Fallbeispiele
6.2
Fallbeispiele Fallbeispiel 31 39 Jahre, männlich, 178 cm, 81 kg Das folgende Beispiel zeigt die Diffusionstestung eines Patienten, der wegen eines Lymphoms eine potenziell lungentoxische Chemotherapie erhalten soll. Eine vorherige Spirometrie zeigte einen unauffälligen Befund des langjährigen Rauchers.
⊡ Abb. 6.1. Diffusionstestung Fallbeispiel 31
Kann die Chemotherapie ohne Bedenken begonnen werden?
6
92
Kapitel 6 · Diffusionstestung
Interpretation der Untersuchung
6
Die Kurvenformen sprechen für eine gute Mitarbeit des Patienten. Die Heliumdilution zeigt Werte im Normbereich. Eine relevante Restriktion oder Überblähung ist somit ausgeschlossen. Der Transferfaktor und der Transferkoeffizient bzw. Krogh-Index (TLCO/VA=KCO) zeigen Werte im unteren Grenzbereich (5. Perzentile) als mögliches Frühanzeichen einer beginnenden parenchymalen Schädigung. Zusammenfassend ergibt sich der Befund einer noch normalen Diffusion. Die Werte im unteren Grenzbereich sind möglicherweise ein Zeichen einer beginnenden Parenchymschädigung bei unauffälliger Ventilationsfunktion. Der Befund wurde unter der Prämisse eines normalen Hämoglobinwertes und einer mindestens 4-stündigen Rauchabstinenz erhoben. Auf Nachfragen hatte der Patient jedoch 15 min vor der Untersuchung geraucht. Die Untersuchung wurde wiederholt (⊡ Abb. 6.2). Nach 4-stündiger Rauchabstinenz zeigt sich ein Normalbefund. Die Chemotherapie kann ohne Bedenken begonnen werden.
⊡ Abb. 6.2. Diffusionstestung Fallbeispiel 31 – Wiederholung
! Der aktuelle Hämoglobinwert und der aktuelle Raucherstatus bzw. der zeitliche Abstand zur zuletzt gerauchten Zigarette müssen bei jeder Untersuchung vermerkt werden, da sie die Messwerte maßgeblich beeinflussen bzw. verfälschen. In Abhängigkeit von der Menge der gerauchten Zigaretten (Kohlenmonoxidspiegel) wird eine Abstinenzphase von 4–6 h empfohlen, um die Messwerte nicht zu verfälschen. Diffusionswerte nach Zigarettenrauchen sind falsch niedrig.
Als weitere beeinflussende Faktoren wurden Tageszeit, Menstruationszyklus, Alkoholkonsum, Bronchodilatatormedikation und körperliche Anstrengung (bzw. Herzzeitvolumen) identifiziert.
Der Test sollte deshalb möglichst unter standardisierten Bedingungen, z. B. morgens, in Ruhe, nach Medikation, vor der ersten Zigarette, durchgeführt werden.
93 6.2 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 32 63 Jahre, männlich, 191 cm, 93 kg Ergänzend zu Fallbeispiel 16, ist nachfolgend die Diffusionstestung des Patienten mit leicht atypischer Klinik eines Asthma bronchiale dargestellt.
⊡ Abb. 6.3. Diffusionstestung Fallbeispiel 32
Gibt es einen Anhalt für eine Parenchymschädigung, die z. B. auf das Vorliegen einer COPD hinweist?
6
94
Kapitel 6 · Diffusionstestung
Interpretation der Untersuchung
6
Die Kurvenformen sprechen für eine ausreichend gute Mitarbeit des Patienten. Die Exspiration (nach Atemanhaltephase) wurde etwas frühzeitig abgebrochen. Die Heliumdilution zeigt Werte im Normbereich. Ein Hinweis auf eine relevante Restriktion oder Überblähung liegt nicht vor. Der Transferfaktor und der Transferkoeffizient zeigen Werte im hochnormalen Bereich. Zusammenfassend ergibt sich der Befund einer normalen Diffusionstestung mit Werten im oberen Normbereich, passend zu einem Asthma bronchiale. Es ergibt sich kein Anhalt für eine fortgeschrittene COPD. ! Mittels Diffusionstestung kann in unklaren Fällen manchmal die Differenzierung eines Asthma
bronchiale (normale oder leicht erhöhte Werte) von einer (fortgeschrittenen) COPD (erniedrigte Werte) unterstützt werden. Auch bei der Diffusionstestung entscheidet die Mitarbeit ganz grundlegend über das Ergebnis der Untersuchung. Es sollten nur Werte in-
terpretiert werden, die den Anforderungen einer möglichst störungsfreien und korrekt durchgeführten Messung entsprechen. Sollte eine Wiederholung der Untersuchung notwendig werden, ist zu beachten, dass hierzu mindestens 5 min (bei obstruktiven Ventilationsstörungen 10 min) gewartet werden muss, bis das CO wieder abgeatmet ist.
95 6.2 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 33 54 Jahre, männlich, 165 cm, 76 kg Das nächste Beispiel zeigt die Diffusionstestung eines Patienten mit einer leichtgradigen Restriktion in der Bodyplethysmographie/Spirometrie mit folgenden Werten der Voruntersuchung (Angaben in Prozent vom Soll): VC 79%, FEV1/VCIN 92%, TLC 79%, TGV 80%. Der Patient ist Nichtraucher und hat einen aktuellen Hb von 14,1 g/dl.
⊡ Abb. 6.4. Diffusionstest Fallbeispiel 33
Ist die ermittelte restriktive Ventilationsstörung parenchymal oder extraparenchymal bedingt?
6
96
Kapitel 6 · Diffusionstestung
Interpretation der Untersuchung
6
Die Kurvenformen sprechen für eine ausreichend gute Mitarbeit des Patienten. Auffällig ist eine etwas frühzeitig abgebrochene Exspiration (nach Atemanhaltephase). Die Heliumdilution deutet auf eine leichte Restriktion hin. Der Transferfaktor und der Transferkoeffizient sind im Sinne einer leichtgradigen Transferstörung erniedrigt. Zusammenfassend ergibt sich der Befund einer leichtgradigen, parenchymalen Restriktion. Eine weitere Differenzierung sollte u. a. mittels Bildgebung erfolgen. Ergänzend sei angemerkt, dass sich im weiteren Verlauf bei dem Patienten ursächlich eine Lungenfibrose zeigte. ! Die Diffusionstestung ist eine wichtige Untersuchung zur weiteren Differenzierung einer Restriktion und der Unterscheidung einer parenchymalen oder extraparenchymalen Ursache (Übersicht s. Fallbeispiel 7).
Die Schweregradeinteilung der Transferstörung (bzw. Diffusionsstörung) erfolgt mittels TLCO (⊡ Tab. 6.3). Bei vermindertem Alveolarvolumen (VA) ist die zusätzliche Beachtung des Transferkoeffizienten (TLCO/VA) sinnvoll. Da die »Korrektur« des Transferfaktors über das VA komplex und nicht linear ist, ist die Wertigkeit des Transferkoeffizienten jedoch umstritten.
⊡ Tab. 6.3. Schweregradeinteilung der Transferstörung Schweregrad
TLCOa
Leicht
>60
Mittel
40–60
Schwer
<40
aAngegeben
in Prozent vom Soll
97 6.2 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 34 57 Jahre, männlich, 174 cm, 84 kg Nachstehend ist die Untersuchung eines Patienten mit schwergradiger COPD gezeigt. Der Patient ist seit einem Jahr Nichtraucher und hat aktuell einen Hb von 14,8 g/dl. In der vorherigen Bodyplethysmographie/ Spirometrie wurden folgende Werte erhoben (Angaben in Prozent vom Soll): VC 65%, FEV1 35%, sRAWtot 275%, TLC 91%, TGV 132%.
⊡ Abb. 6.5. Diffusionstest Fallbeispiel 34
Lässt sich eine Parenchymschädigung bei dem Patienten nachweisen?
6
98
Kapitel 6 · Diffusionstestung
Interpretation der Untersuchung Die Kurvenformen sprechen für eine ausreichend gute Mitarbeit des Patienten. Die Heliumdilution deutet auf eine leichte relative Überblähung hin. Der Transferfaktor und der Transferkoeffizient sind im Sinne einer leichtgradigen Parenchymschädigung erniedrigt. Zusammenfassend ergibt sich der Befund einer leichtgradigen Transferstörung als Zeichen einer entsprechenden Parenchymschädigung bei COPD.
6
! Die Diffusionstestung ist eine gute Methode, um die strukturellen, parenchymalen Schädigungen bei einer COPD (Emphysemanteil) im Verlauf zu erfassen. Eine im Vergleich zur TGV erniedrigte FRC-He deutet auf das Vorhandensein von thorakalen Gaseinschlüssen (z. B. Bulae) hin. Mit der TGV wird das gesamte Volumen, mit der FRC-He nur das tatsächlich ventilierte Volumen erfasst.
99 6.2 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 35 67 Jahre, weiblich, 168 cm, 89 kg Das nächste Beispiel zeigt die Untersuchung einer Patientin mit grenzwertig verminderten Lungenvolumina (VC 83% und TLC 92% vom Soll) bei schwerer pulmonaler Hypertonie. Der aktuelle Hb betrugt 9,2 g/dl, die letzte Zigarette hatte die Patientin 3 h zuvor geraucht bei einem Konsum von ca. 10 Zigaretten täglich.
⊡ Abb. 6.6. Diffusionstestung Fallbeispiel 35
6
100
Kapitel 6 · Diffusionstestung
Interpretation der Untersuchung
6
Die Mitarbeit kann als gut bewertet werden. Die Heliumdilution deutet auf eine leichte relative Überblähung hin. Der Transferfaktor und der Transferkoeffizient sind schwergradig erniedrigt. Bei vermindertem Hb ergibt sich ein korrigierter TLCO-Sollwert von 6,49 bzw. ein Ist/Soll von 36%. Der Zigarettenraucheinfluss ist bei vergleichsweise geringem Gesamtkonsum in diesem Fall – nach 3 h Abstinenz – vernachlässigbar. Zusammenfassend ergibt sich der Befund einer schwergradigen Transferstörung bei schwerer pulmonaler Hypertonie bei gering verminderten Lungenvolumina. ! Die Hämoglobinbindung ist ein wichtiger Faktor für den CO-Transfer (s. oben). Bei erniedrigtem Hb muss daher der Referenz-Transferfaktor korrigiert werden. Die Korrekturformel (⊡ Tab. 6.4) ergibt den korrigierten Sollwert des Transferfaktors für den jeweiligen Hb-Wert. Für die Referenz wird normalerweise ein Hb von 14,6 g/dl (Männer) bzw. 13,4 g/dl (Frauen) vorausgesetzt.
Die Empfehlung der Anwendung einer bestimmten Transferfaktor-Sollwertformel kann wegen der relativ hohen Variabilität zwischen den Lungenfunktionslaboren gemäß ERS nicht gegeben werden. Jedes Lungenfunktionslabor sollte eine gewisse Anzahl an gesunden Probanden messen und die ermittelten Werte des TLCO mit denen unterschiedlicher Sollwertformeln vergleichen, um die für das jeweilige Labor geeignetste Referenzformel zu finden. Häufige Verwendung findet z. B. die 1993 von Cotes et al. veröffentlichte Formel (⊡ Tab. 6.5).
⊡ Tab. 6.5. TLCO-Sollwertformel Männer
(11,11xKL)–(0,066xA)–6,03±2,32
Frauen
(8,18xKL)–(0,049xA)–2,47±1,92
Körperlänge (KL) in Metern, Alter (A) in Jahren
⊡ Tab. 6.4. Korrigierter Referenz-Transferfaktor Männer (und männliche Jugendliche >15 Jahre)
TLCO Soll (korr.)=TLCO Sollx(1,7xHb/(10,22+Hb))
Frauen (und männliche Kinder <15 Jahre)
TLCO Soll (korr.)=TLCO Sollx(1,7xHb/(9,38+Hb))
Hb in g/dl
7
Mundverschlussdruckmessung
7.1
Einleitung – 102
7.2
Fallbeispiele – 103
7
102
Kapitel 7 · Mundverschlussdruckmessung
7.1
Einleitung
Die Ventilation der Lunge wird durch die Kraft der Atempumpe, die sich aus Atemzentrum, Nerven und Atemmuskulatur zusammensetzt, bewirkt. Mittels Mundverschlussdruckmessungen lassen sich die maximale Atemmuskelkraft sowie die aktuelle Beanspruchung ermitteln. Wie die Skelettmuskulatur auch ist die Inspirationsmuskulatur bei Überbeanspruchung ermüdbar, und es kann zu einem myogenen Pumpversagen kommen. Die Bestimmung der Atemmuskelkraft erfolgt über die Messung des Druckes am Mund bei verschlossenem Atemventil unter verschiedenen Atemmanövern. Zur Messung der aktuellen Beanspruchung wird der Mundverschlussdruck (P0,1) 0,1 s nach Inspirationsbeginn während spontaner Ruheatmung bei (für 120 msec) verschlossenem Ventil ermittelt. Der gemessene Druck ist proportional zum Inspirationsdruck bzw. Pleuradruck. Der Verschluss ist hierbei so kurz, dass die weitere Ruheatmung nicht beeinflusst wird. Die maximale Inspirationskraft (PImax) wird bei forciertem Inspirationsmanöver nach vorheriger Exspiration auf Residualvolumenniveau gegen ein für 2 s ver-
schlossenes Ventil gemessen. Die Bestimmung des maximalen Inspirationsdrucks 0,1 s nach Inspirationsbeginn (P0,1max) ist bei geringer Reproduzierbarkeit und höherer Standardabweichungen von untergeordneter Relevanz. Die Durchführung der Messungen erfordert etwas Erfahrung. Für die P0,1-Messung sollten jeweils mindestens 5–10 Manöver mit dem Patienten durchgeführt werden, um über die Mittelwerte valide Ergebnisse zu erhalten. Bei der PImax-Messung wird der Maximalwert von mindestens 5 Versuchen ausgewählt. Bei relativ stabilen intraindividuellen Ergebnissen ist die Methode gut zur Verlaufsbeurteilung, aber bei größeren interindividuellen Abweichungen (insbesondere bei Patienten älter 60 Jahren) nur bedingt zur Bestimmung allgemeiner Schweregrade geeignet. Mit der Mundverschlussdruckmessung lassen sich Einschränkungen der maximalen Inspirationskraft, sowie eine erhöhte Beanspruchung (Last) der Inspirationsmuskulatur erkennen. Ursächlich sind sowohl chronische Erkrankungen als auch akute Erkrankungen mit verminderter maximaler Inspirationskraft bzw. Überbeanspruchung der Inspirationsmuskulatur durch eine erhöhte Last (⊡ Tab. 7.1).
⊡ Tab. 7.1. Ätiologie der Atemmuskelerschöpfung Erhöhung der Last
Verminderung der Kapazität (Muskelschwäche)
Erkrankungen mit obstruktiver Ventilationsstörung: z. B. Asthma bronchiale, COPD, Trachealstenose, Stimmbandparese, Tubusatmung
Erkrankungen mit muskulärer Funktionseinschränkung: z. B. Muskeldystrophien, Myopathien, Kollagenosen, Sarkoidose, Polymyositis, Dermatomyositis, Hyper-/Hypothyreose, Myopathie bei Elektrolytstörungen, Steroid- und Alkoholmyopathie, M. Addison
Erkrankungen mit restriktiver Ventilationsstörung: z. B. Pneumonie, Lungengerüsterkrankungen, ARDS, pulmonale Stauung, Adipositas
Erkrankungen mit neuraler Funktionseinschränkung: z. B. amyotrophe Lateralsklerose, Spinale Muskelatrophie, Poliomyelitis, Post-Polio-Syndrom, multiple Sklerose, GuillainBarré-Syndrom
Erkrankungen mit Übertragungsstörungen von Kraft in Inspirationsdruck: z. B. Lungenüberblähung, Thoraxdeformitäten, Rippenserienfraktur
Erkrankungen mit neuromuskulärer Funktionseinschränkung: z. B. Myasthenia gravis
103 7.2 · Fallbeispiele
7.2
Fallbeispiele Fallbeispiel 36 32 Jahre, männlich, 190 cm, 94 kg Das Beispiel zeigt die Untersuchung eines Asthmapatienten bei aktueller Beschwerdefreiheit.
⊡ Abb. 7.1. Mundverschlussdruckmessung Fallbeispiel 36
7
104
Kapitel 7 · Mundverschlussdruckmessung
Interpretation der Untersuchung
7
Die Kurven deuten auf eine gute Mitarbeit hin. Die Schwankungsbreite der P0,1-Messwerte (oben) ist relativ groß. Bei ausreichender Anzahl an Wiederholungen (10 Messungen) ergibt sich jedoch ein valider Mittelwert. Die PImax-Manöver (unten) sind sehr homogen (Kurvenform und Messwerte). Die Messung der maximalen Inspirationskraft zeigt ein normales Ergebnis (Kurve und PImaxWert). Der P0,1 kann ebenfalls als normal bewertet werden und hat, mit 3%, ein normales Verhältnis zur maximalen Inspirationskraft (P0,1/PImax) als Ausdruck einer normalen Beanspruchung. Zusammenfassend ergibt sich ein unauffälliger Befund mit normaler Kapazität und aktueller Last der Atempumpe. ! Insbesondere bei schwankenden P0,1Messwerten wird eine ausreichende Anzahl an Wiederholungen (mindestens 7) erforderlich, um über eine Mittelwertbildung valide
Ergebnisse zu erhalten. Der höchste PImax wird häufig erst im 4.–6. Versuch erreicht. Bei guten und homogenen Werten (Abweichung < 20%) sind jeweils auch weniger Wiederholungen akzeptabel. Aufgrund hoher interindividueller Abweichungen des PImax ist die Bewertung der PImax-Messwerte nicht unproblematisch. Die ⊡ Tab. 7.2 gibt einen Anhalt für die Beurteilung. Als intraindividueller Verlaufparameter ist der Wert gut beeignet.
⊡ Tab. 7.2. Maximaler statischer Inspirationsdruck (PImax) Kollektiv <60 Jahre
Frauen
Männer
Mittelwert
8,5
11,5
Unterer Grenzwert
4,0
5,5
Ausschluss relevanter Muskelschwäche
>7,0
>8,0
Werte jeweils in kPa
105 7.2 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 37 40 Jahre, weiblich,160 cm, 66 kg Das nachfolgende Beispiel zeigt die Untersuchung einer Patientin mit langjähriger Anamnese einer Myasthenia gravis mit rezidivierender z. T. schwerer Belastungsdyspnoe. Bei Beginn der Untersuchung ist die Patientin beschwerdefrei.
⊡ Abb. 7.2. Mundverschlussdruckmessung Fallbeispiel 37
Lässt sich bei der Patientin eine Störung der Atempumpe nachweisen?
7
106
Kapitel 7 · Mundverschlussdruckmessung
Interpretation der Untersuchung
7
Die Kurven deuten auf eine gute Mitarbeit hin. Die Messung der P0,1-Werte zeigt homogene Werte im oberen Normbereich. Der PImax-Wert ist mit 1,72 kPa (16% vom Soll) schwerstgradig erniedrigt. Es fällt auf, dass der Peak der einzelnen Versuche zwar um den Zeitpunkt 0,5 s, also recht früh, erreicht wird, der maximale Sog aber nicht über die 2 s gehalten werden kann. Das Verhältnis P0,1/PImax ist mit 13% (768% des Solls) deutlich erhöht und zeigt die schwer erhöhte Beanspruchung der Atemmuskulatur unter Ruheatmung an, was auf eine schwere Einschränkung der Reserve deutet. Bestätigt wird dies zusätzlich durch den erhöhten Quotienten P0,1/MV von 0,03 (127% vom Soll) und P0,1/(VT/ti) von 0,63. Zusammenfassend ergibt sich der Befund einer schwergradig eingeschränkten Kapazität mit schwerer Last der Atempumpe bei neuromuskulärer Grunderkrankung.
! Die Belastung der Atempumpe wird insbesondere durch das Verhältnis P0,1 zu PImax sowie das Verhältnis P0,1 zu MV und P0,1 zu (VT/ti) angezeigt. Die oberen Grenzwerte sind in ⊡ Tab. 7.3 dargestellt. Quotienten oberhalb der Grenzwerte sprechen sicher für eine erhöhte Beanspruchung der Atemmuskulatur. Die Erschöpfungsgrenze der Inspirationsmuskulatur liegt bei einem P0,1/PImax von etwa 20–25%.
⊡ Tab. 7.3. Obere Grenzwerte P0,1/PImax, P0,1/MV, P0,1/(VT/ti) P0,1/PImax
<4,5%
P0,1/MV
<0,025 kPa/min*l
P0,1/(VT/ti)
<0,5 kPa/(l/s)
107 7.2 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 38 57 Jahre, männlich, 174 cm, 84 kg Im nächsten Beispiel ist die Untersuchung eines Patienten mit schwergradiger stabiler COPD gezeigt. Eine vorherige Bodyplethysmographie/Spirometrie ergab folgende Werte (Angaben in Prozent vom Soll): VC 66%, FEV1 36%, TLC 108 %, TGV 142%.
⊡ Abb. 7.3. Mundverschlussdruckmessung Fallbeispiel 38
7
108
Kapitel 7 · Mundverschlussdruckmessung
Interpretation der Untersuchung Den Kurven lässt sich eine gute Mitarbeit entnehmen. Die P0,1-Werte zeigen deutlich erhöhte Werte (0,53 kPa) als Zeichen einer erhöhten Last. Der PImax-Wert ist noch im Normalbereich. Das Verhältnis P0,1/PImax ist mit 6% deutlich erhöht und zeigt die erhöhte Beanspruchung der Atemmuskulatur an. Bestätigt wird dies zusätzlich durch die Quotienten P0,1/MV und P0,1/(VT/ti). Zusammenfassend ergibt sich der Befund einer noch normalen Kapazität mit deutlicher Last der Atempumpe bei vorliegender stabiler COPD mit leichter Überblähung.
7
! Bei Interpretation der Maximaldrücke muss das Lungenvolumen als Index der Länge der Inspirationsmuskulatur berücksichtigt werden. Bei
Patienten mit Lungenüberblähung werden auch ohne das Vorliegen einer eigentlichen Kontraktilitätsstörung geringere Inspirationsdrücke erreicht. Je höher das Lungenvolumen bei Bestimmung PImax ist, desto kürzer ist die Inspirationsmuskulatur und umso geringer ist der maximale Inspirationsdruck. Der Quotient P0,1/
PImax ist jedoch ein hiervon weitestgehend unabhängiger Parameter.
8
Peakflow-Messung
8.1
Einleitung – 110
8.2
Fallbeispiele – 111
8
110
Kapitel 8 · Peakflow-Messung
8.1
Einleitung
Die Peakflow-Messung ist eine einfache Methode, eine Atemflussbehinderung der vornehmlich großen Atemwege zu untersuchen. Hierbei können die Patienten den Verlauf ihrer obstruktiven Atemwegserkrankung selbstständig kontrollieren. Typischerweise werden die Patienten angeleitet, die Messung 2- bis 3-mal täglich durchzuführen und zu protokollieren. Anhand der Tagesschwankung (PEF-Variabilität) der Werte sowie den sich ergebenden Trends können Rückschlüsse sowohl auf den Schweregrad und den Verlauf der Erkrankung als auch auf das Ansprechen einer Therapie gezogen werden. Oft lässt sich auch eine drohende Exazerbation erkennen. Mittels Ampelschema bzw. zuvor definierten Schwellenwerten können Notfallmedikamenteneinnahmen besprochen und
die Therapie für die Patienten nachvollziehbar dargestellt werden. Es sei jedoch angemerkt, dass die einfache Peakflow-Messung nicht die Spirometrie oder andere Lungenfunktionsprüfungen ersetzen kann. Problematisch ist die Mitarbeitsabhängigkeit bzw. -anfälligkeit der Werte. Die Methode ist daher nur für den intraindividuellen Vergleich geeignet und bedarf vor Beginn der sorgfältigen Anleitung des Patienten, der die Messungen in standardisierter Form mit 2 Wiederholungen durchführt, um dann den jeweils besten Wert zu notieren. Es gibt unterschiedliche Modelle von mechanisch arbeitenden Handgeräten bis zu modernen Geräten, die auf elektronischer Basis arbeiten und zusätzlich z. B. die Einsekundenkapazität und die Vitalkapazität messen und die Werte von Wochen speichern können.
111 8.2 · Fallbeispiele
8.2
Fallbeispiele Fallbeispiel 39 45 Jahre, männlich, 178 cm, 65 kg Das folgende Beispiel zeigt das PEF-Protokoll eines Patienten, der mit mittelgradig persistierendem Asthma vorstellig wurde und einen ausgeprägten Bronchodilatatorabusus betrieb. Die Aufzeichnung beginnt 2 Tage nach Beginn einer inhalativen Kortikoidmedikation. Mit dem Patienten wurde vereinbart, dass er einen Hub Salbutamol bei Unterschreiten von 400 l/min inhalieren soll.
⊡ Abb. 8.1. Peakflow-Protokoll Fallbeispiel 39
8
112
Kapitel 8 · Peakflow-Messung
Interpretation des Protokolls Das Protokoll spricht für eine sorgfältige Durchführung der Messungen. Die PEF-Variabilität beträgt 33% (Bestwert 570, geringster morgendlicher Wert 380). Am Morgen des 19.07. unterschreitet der Patient den vereinbarten Schwellenwert und inhaliert einen Hub Salbutamol, woraufhin sich der PEF auf 460 verbessert. Zusammenfassend zeigt das Protokoll eine typische zirkadiane Variabilität (>30%) mit morgendlichen Tiefstwerten (»morning dip«), passend zu einem Asthma bronchiale. Die Compliance konnte verbessert werden. Das Salbutamol wurde in 4 Tagen einmal angewendet – im
PEF-Variabilität =
8
Vergleich zu ca. 10-mal täglich vor Beginn des Protokolls. ! Die zirkadiane PEF-Variabilität, mit typischerweise morgendlichen Tiefstwerten ist ein klassisches Zeichen eines Asthma bronchiale. Die Stärke der Variabilität geht dabei mit dem Schweregrad des Asthmas einher. Ein Wert >20% ist sicher pathologisch.
Die Berechnung der PEF-Variabilität erfolgt über folgende Formel:
(PEF-Tageshöchstwert – PEF-Tagestiefstwert) PEF-Tageshöchstwert
x 100
113 8.2 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 40 31 Jahre, männlich, 189 cm, 88 kg Im nachstehenden Protokoll sind die Werte eines Patienten mit intermittierendem Asthma bronchiale dargestellt. Die Daten wurden über ein elektronisches Gerät erfasst und über eine Computersoftware ausgedruckt.
⊡ Abb. 8.2. Peakflow-Protokoll Fallbeispiel 40
8
114
Kapitel 8 · Peakflow-Messung
8
⊡ Abb. 8.3. Peakflow-Protokoll Fallbeispiel 40
115 8.2 · Fallbeispiele
Interpretation des Protokolls Das Protokoll zeigt die Werte über fünfeinhalb Tage. Die PEF-Variabilität der ersten 3 Tage beträgt durchschnittlich 11%, die der nachfolgenden 2 Tage 4%. Am 22.03. wird um 13:37 eine Messung bei belastungsinduzierter Atemnot durchgeführt. Der Wert von 445 l/min steigt durch Inhalation von Salbutamol auf 519 l/min (um 14%) an. Am Abend des 22.03. wird die Medikation mit einem inhalativen Kortikoid begonnen. Zusammenfassend zeigt das Protokoll einen typischen Verlauf eines intermittierenden Asthmas an. Die PEF-Variabilität liegt <20%. Die Bronchospasmolysereaktion (14%) entspricht einer guten Ansprechbarkeit (formal jedoch nicht signifikanten Reaktion) bei hyperreagiblem Bronchialsystem. Die diskrete Besserung der Mittelwerte sowie die Abnahme der PEF-Variabilität nach Beginn der
8
inhalativen Kortikoidmedikation entspricht ebenfalls einer typischen Reaktion. ! Das Führen eines Peakflow-Protokolls ist ein wichtiges Instrument, das Gefühl des Patienten für die Erkrankung und die Therapie und somit die Compliance zu fördern.
Mit Hilfe eines Peakflow-Protokolls lässt sich das Ansprechen von verschiedenen Therapiemaßnahmen objektivieren. Es lassen sich sowohl Trends der Mittelwerte, der Verlauf der PEF-Variabilität sowie das unmittelbare Ansprechen auf Akutmaßnahmen darstellen.
116
Kapitel 8 · Peakflow-Messung
Fallbeispiel 41 64 Jahre, männlich, 178 cm, 75 kg Das nächste Beispiel zeigt das Protokoll eines Patienten mit COPD (Grad II), der mit einer inhalativen Medikation von lang wirksamem Anticholinergikum und Sympathikomimetikum gut eingestellt ist.
8
⊡ Abb. 8.4. Peakflow-Protokoll Fallbeispiel 41
117 8.2 · Fallbeispiele
Interpretation des Protokolls Das Protokoll zeigt die Werte über eine Woche. Die Werte des 08. und 09.05. zeigen sich auf niedrigem Niveau relativ stabil (PEF-Variabilität <10%). Beginnend am 09.05. zeigen die Werte einen Abwärtstrend von ca. 300 auf 200 l/min an. Hierzu werden entsprechend Symptome einer Exazerbation und ein erhöhter Einsatz an Bedarfsmedikation protokolliert. Am 14.05. scheint eine Besserung der Werte zu beginnen. Zusammenfassend zeigt das Protokoll einen typischen Verlauf einer mittelgradigen COPD. Eine
8
dargestellte Exazerbation wird am 11.05. erkannt und mit einer zusätzlichen Kortikoidmedikation erfolgreich abgefangen. ! Der typische Verlauf bei einer COPD zeigt relativ konstante Werte auf erniedrigtem Niveau. Der Wert der Peakflow-Protokollierung liegt in der Früherkennung von Exazerbationen. Bei einer
COPD und noch besser bei einem Asthma bronchiale lassen sich Exazerbationen häufig noch vor dem Auftreten eindeutiger Symptome am Peakflow-Verlauf erkennen.
9
Blutgasanalyse
9.1
Einleitung – 120
9.2
Fallbeispiele – 121
9
120
Kapitel 9 · Blutgasanalyse
9.1
Einleitung
Aufgabe der Lungenfunktion ist letztlich die Versorgung des Organismus mit Sauerstoff bzw. Elimination des anfallenden Kohlendioxids. Die Blutgasanalyse (BGA) stellt die Methode der Lungenfunktionsdiagnostik dar, in der letztlich das Endergebnis der einzelnen Lungenteilfunktionen erfasst wird, indem die Konstellation der Blutgase (Sauerstoff- und Kohlendioxidpartialdruck) dargestellt wird. Mit ihr kann der Wirkungsgrad der Lunge als Organ des Gasaustausches zwischen Außenwelt und Körper bewertet werden. Hierbei können die Werte jedoch durch pathologische z. T. auch nicht pulmonal bedingte Faktoren beeinflusst werden. Bei der Blutgasanalyse muss zwischen den verschiedenen Abnahmequellen der Blutproben unterschieden werden. Prinzipiell wird zwischen arteriellem, venösem und kapillärem Blut differenziert. Die arterielle BGA stellt hierbei den Goldstandard dar. Zu beachten ist, dass zwischen venösen und arteriellen Blutproben lediglich der pH-Wert eine gute Korrelation zeigt. Venöses Blut ist zur Beurteilung der Lungenfunktion nicht geeignet, da die venösen Blutgase maßgeblich vom Stoff-
wechsel abhängig sind und die Lungenfunktion unzureichend widerspiegeln. Ein Kompromiss zur arteriellen Blutgewinnung ist die Abnahme von arterialisiertem Kapillarblut. Neben dem pH zeigt sich hier eine gute Korrelation zum pO2 und pCO2 bei deutlich geringerer Invasivität der Abnahme. Daher ist die Gewinnung von arterialisiertem Kapillarblut für Routineuntersuchungen meist ausreichend. Ausnahmen stellen etwa Schockzustände mit verminderter peripherer Durchblutung dar. Wichtig für die Validität der BGA ist jedoch auch die korrekte Entnahmetechnik des Blutes. Für alle Proben gilt, dass Luftbeimengungen vermieden werden müssen und dass das Blut umgehend untersucht werden sollte. Bei Entnahme von Kapillarblut wird das Blut aus dem Ohrläppchen gewonnen. Vor Punktion wird das Ohrläppchen hierzu ausreichend lange hyperämisiert (vasodilatatorische Salbe für 10–15 min einwirken lassen). Nach der Punktion wird dann das Blut ohne Drücken und Quetschen des Ohrläppchens aufgefangen. Die wesentlichen Parameter des Wirkungsgrades der Lungenfunktion sind der pO2, pCO2 sowie der pH. Zur Beurteilung des Säure-Basen-Haushaltes werden darüber hinaus noch das Standardbikarbonat und der Basenüberschuss berücksichtigt.
121 9.2 · Fallbeispiele
9.2
Fallbeispiele Fallbeispiel 42 75 Jahre, männlich, 178 cm, 81 kg Das Beispiel zeigt die BGA eines Mannes mit gesicherter beidseitiger zentraler Lungenarterienembolie. Der Patient beklagte Ruhedyspnoe und wurde zum Blutabnahmezeitpunkt mit Sauerstoff (3 l/min) versorgt. Kardiopulmonale Vorerkrankungen bestanden nicht.
⊡ Abb. 9.1. Blutgasanalyse Fallbeispiel 42
9
122
Kapitel 9 · Blutgasanalyse
Interpretation der Untersuchung Die Werte sind plausibel für eine korrekte arterielle Blutentnahme. Der pO2 liegt zwar im Normbereich ist jedoch für die mit Sauerstoff angereicherte Atemluft und den erniedrigten pCO2 viel zu niedrig. Es ergibt sich ein korrigierter pO2 von 47,3 mmHg (unter 3 Liter Sauerstoff/min). Der pCO2 ist erniedrigt und spricht für eine Hyperventilation. Der pH ist entsprechend alkalisch. Der negative BE und das verminderte Standardbikarbonat sprechen für eine metabolische Teilkompensation der respiratorischen Alkalose. Zusammenfassend zeigt die BGA eine schwere Hypoxie mit kompensatorischer Hyperventilation und entsprechend teilkompensierter, respiratorischer Alkalose. Der Befund passt gut zu einer schweren Lungenarterienembolie.
9
! Bei Beurteilung des Sauerstoffpartialdrucks müssen das Alter, die Atemluft (Raumluft, Sauerstoffzufuhr) und die Pumpleistung (pCO2) berücksichtigt werden. Der pO2 sinkt physiologischerweise mit steigendem Alter. Der jeweilige Referenzwert lässt sich mit folgender Formel errechnen:
pO2 (mmHg)=100–(0,26*Alter)
Kompensatorisch wird die Pumpleistung bzw. Ventilation bei Hypoxie gesteigert. Bei erniedrigtem pCO2 muss der pO2 mittels Umrechnungsformel vor der Beurteilung korrigiert werden. Die Umrechnungsformel lautet:
pO2korr=pO2ist–1,66x(40–pCO2) Die respiratorische Alkalose ist ein Ausdruck der alveolären Hyperventilation. Der pO2 kann dabei variabel sein. Mögliche Ursachen sind nachfolgend aufgeführt.
Ursachen der respiratorischen Alkalose/alveolären Hyperventilation ▬ Psychische Störung ▬ Fieber ▬ Hypoxämie ▬ Interstitielle Lungenerkrankung ▬ Lungenarterienembolie ▬ Mechanische Überbeatmung
123 9.2 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 43 58 Jahre, männlich, 172 cm, 89 kg Nachfolgend ist die BGA eines Patienten mit akut exazerbierter, langjährig bekannter COPD gezeigt. Der Patient war schwer dyspnoeisch und leicht bewusstseinsgetrübt. Abnahme der BGA unter O2 2 l/min.
⊡ Abb. 9.2. Blutgasanalyse Fallbeispiel 43
9
124
Kapitel 9 · Blutgasanalyse
Interpretation der Untersuchung
9
wird als respiratorische Globalinsuffizienz bezeichnet und ist Auswirkung einer alveolären Hypoventilation. Mögliche Ursachen einer alveo-
Die gemessenen Werte sind plausibel für eine korrekte arterielle Abnahme. Der pO2 ist schwergradig erniedrigt. Der pCO2 ist schwergradig erhöht. Die Hyperkapnie entspricht einer alveolären Hypoventilation. Der pH ist entsprechend azidotisch. Der BE und das Standardbikarbonat liegen im Normbereich. Zusammenfassend zeigt die BGA eine respiratorische Globalinsuffizienz mit respiratorischer Azidose und (noch) fehlender metabolischer Kompensationsantwort. Dieser Befund passt zu einer akut exazerbierten schweren COPD mit Erschöpfung der Atempumpe und beginnender CO2-Narkose. Die Therapie mit supportiver Sauerstoffzufuhr ist unzureichend.
! Die isolierte Verminderung des pO2 (Hypoxämie) wird als respiratorische Partialinsuffizienz bezeichnet. Eine Hypoxämie, kombiniert mit einem erhöhten pCO2 (Hyperkapnie),
Der zeitliche Verlauf der Kompensationsmechanismen ist unterschiedlich beschaffen: respiratorische Kompensation ca. 1 h, renale metabolische Kompensation >6 h.
lären Hypoventilation sind nachfolgend aufgeführt.
Ursachen einer respiratorischen Azidose/alveolären Hypoventilation ▬ Zentrale Atemregulationsstörung ▬ Versagen der Atemmuskulatur ▬ Schwere Formen von Lungenkrankheiten ▬ Unzureichende mechanische Ventilation
125 9.2 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 44 68 Jahre, männlich, 184 cm, 86 kg Das nächste Beispiel zeigt die BGA eines Patienten, der mit hyperosmolar entgleistem Diabetes mellitus, Exsikkose und Nierenversagen aufgenommen wurde. Der Patient war bis auf Abgeschlagenheit asymptomatisch. Kardiopulmonale Vorerkrankungen waren nicht bekannt.
⊡ Abb. 9.3. Blutgasanalyse Fallbeispiel 44
9
126
Kapitel 9 · Blutgasanalyse
Interpretation der Untersuchung Der pH ist im Sinne einer Azidose erniedrigt. Die Azidose ist metabolisch, da der BE und das Standardbikarbonat ebenfalls erniedrigt sind. Der pO2 ist nicht plausibel, da der Patient keinerlei Zeichen der respiratorischen Insuffizienz zeigt. Die BGA ist venös und (wie sich später bestätigte) fälschlicherweise als arteriell markiert worden. Dies erklärt auch den pCO2, der im Rahmen der Kompensation erniedrigt sein müsste und hier im Normbereich liegt. Da venöse pCO2-Werte im Vergleich zu arteriellen Werten stets höher gemessen werden, ist anzunehmen, dass der arterielle pCO2 tatsächlich erniedrigt ist.
9
Zusammenfassend zeigt die venöse BGA eine metabolische, vermutlich respiratorisch teilkompensierte Azidose. Eine Aussage zur pulmonalen Situation ist mit dieser BGA nicht möglich, in Anbetracht der klinischen Problematik jedoch auch nicht unbedingt nötig. ! Die Interpretation einer BGA sollte immer mit der Überprüfung der Plausibilität der Messwerte beginnen. Die klinischen Umstände sollten immer in die Überlegungen einbezogen werden. Ist eine BGA (oder auch sonstiger Laborbefund) nicht
plausibel, muss sie sofort wiederholt werden, um nicht eine unerwartete und klinisch unauffällige Notfallsituation zu übersehen.
10
Interpretationsstrategie der Lungenfunktionsprüfung
128
Kapitel 10 · Interpretationsstrategie der Lungenfunktionsprüfung
Eine erfolgreiche Lungenfunktionsdiagnostik ist nicht nur von einer guten Interpretation der einzelnen Untersuchung, sondern auch von der richtigen Auswahl des Testes und des Testzeitpunktes, d. h. einer gewissen Strategie, abhängig. Die Spirometrie ist zweifelsohne die meistangewandte Methode der Lungenfunktionsprüfung. Ihr besonderer Wert liegt in der einfachen Durchführbarkeit und der Fähigkeit, Ventilationsstörungen auszuschließen. Der fehlende Nachweis einer Ventilationsstörung darf aber nicht mit dem generellen Ausschluss einer Lungenfunktionsstörung gleichgesetzt werden. Auch muss betont werden, dass es sich lediglich um eine Momentaufnahme der z. T. pathogenetisch bedingt schwankenden Ventilationsfunktion handelt. Von einer internationalen Arbeitsgruppe (ATS/ERS task force: Standardisation of lung function testing) wurde jüngst ein vereinfachter Algorithmus zur Umsetzung der Lungenfunktionsprüfung in die klinische Praxis veröffentlicht (⊡ Abb. 10.1).
Bei Umsetzung des Algorithmus haben wir bewusst den Transferkoeffizienten für den Transferfaktor zur Differenzierung der Restriktion ausgetauscht. Bei komplexer und nicht linearer Beziehung zwischen dem Transferfaktor (TLCO) und dem Alveolarvolumen (VA) ist dieser Punkt international weiterhin umstritten. Wir meinen aber, dass man zur sicheren Differenzierung der Restriktion neben dem Transferfaktor auch den Transferkoeffizienten beachten muss. Nicht integriert in den Algorithmus sind die Blutgasanalyse und die Mundverschlussdruckmessung, die jedoch häufig einen wichtigen Bestandteil der Beurteilung der Lungenfunktionseinschränkung bzw. Klärung der Genese einer Funktionsstörung darstellen. Abschließend sei nochmals erwähnt, dass die Aussagefähigkeit der einzelnen Untersuchungen in hohem Maße von der Durchführung bzw. Mitarbeit der Patienten abhängt und sich durch einen guten Informationsfluss bzgl. der klinischen Umstände, Anamnese und weiterer kardiopulmonaler Untersuchungsergebnisse steigern lässt.
10 FEV1/VC LLN
Ja
Nein
VC LLN Ja
VC LLN Nein TLC LLN
Normal
PV Störungen
Ja TW und NM Störungen
Gemischte Störung
Obstruktion
TLCO/VA LLN Nein
Nein
Ja Restriktion
TLCO LLN Ja
TLC LLN
Ja
Nein Normal
Nein
Ja
Nein ILD Pneumonitis
TLCO LLN Ja Asthma CB
Nein Emphysem
⊡ Abb. 10.1. Vereinfachter Lungenfunktionsalgorithmus für die klinische Praxis [modifiziert nach: Pelligrino R et al. (2005) Interpretative strategies for lung function tests. Eur Respir J 26: 948–968]. LLN »lower limits of normal« (<5. Perzentile), PV pulmonal vaskulär, TW Thoraxwand, NM neuromuskulär, ILD »interstitial lung disease«, CB chronische Bronchitis
11
Gemischter Übungsteil
130
Kapitel 11 · Gemischter Übungsteil
In diesem Kapitel sind die verschiedenen Untersuchungen der Lungenfunktionsprüfung als Kasuistiken in Übungsform nochmals zusammengestellt. Versuchen Sie, die Befunde selbstständig
11
zu erheben, und vergleichen Sie Ihre Ergebnisse anschließend mit den vorgegebenen Interpretationsvorschlägen.
131 Kapitel 11 · Gemischter Übungsteil
Fallbeispiel 45 15 Jahre, männlich, 174 cm, 84 kg Das Beispiel zeigt die Verlaufskontrolle eines Jungen mit bekanntem Asthma bronchiale (Grad II, geringgradig persistierend), unter laufender Medikation.
⊡ Abb. 11.1. Fallbeispiel 45
11
132
Kapitel 11 · Gemischter Übungsteil
Interpretationsvorschlag Gute Mitarbeit. Leichte Obstruktion, leicht verschobene Atemmittellage, passend zum vorbekannten Asthma. Zur weiteren Beurteilung wäre ein PEF-Protokoll wünschenswert. Das PEF-Protokoll zeigte eine PEF-Variabilität von <10% und bestätigte die gute medikamentöse Einstellung.
11
133 Kapitel 11 · Gemischter Übungsteil
11
Fallbeispiel 46 70 Jahre, männlich, 183 cm , 84 kg Der Patient im nachfolgenden Beispiel beklagte eine seit Monaten zunehmende Belastungsdyspnoe. Des Weiteren sind ein langjähriger Nikotinabusus und eine Vormedikation mit Methotrexat bei rheumatoider Arthritis bekannt. Eine angefertigte Thoraxröntgenaufnahme blieb ohne besondere Auffälligkeiten.
⊡ Abb. 11.2. Fallbeispiel 46
134
Kapitel 11 · Gemischter Übungsteil
⊡ Abb. 11.3. Fallbeispiel 46
11
Neben einer guten Mitarbeit wurde von der MTA eine Nikotinkarenz von 10 h sowie ein aktueller Hb von 14,5 g/dl vermerkt.
135 Kapitel 11 · Gemischter Übungsteil
Interpretationsvorschlag Gute Mitarbeit. Leichte Restriktion, leichtgradige Transferstörung als Zeichen einer parenchymalen Ursache. Leichte periphere Flussbehinderung (bei Nikotinabusus). Ein HRCT sollte zum Ausschluss einer (z. B. MTX-induzierten) Fibrose ergänzend durchgeführt werden. Die Medikation mit MTX wurde daraufhin umgestellt.
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136
Kapitel 11 · Gemischter Übungsteil
Fallbeispiel 47 57 Jahre, männlich, 174 cm, 84 kg Im nächsten Beispiel ist die Bodyplethysmographie/Spirometrie eines Patienten mit langjähriger COPD gezeigt. Der Patient war zum Untersuchungszeitpunkt klinisch stabil, und die Messung wurde unter laufender Medikation durchgeführt.
11
⊡ Abb. 11.4. Fallbeispiel 47
137 Kapitel 11 · Gemischter Übungsteil
Interpretationsvorschlag Gute Mitarbeit. Typischer COPD-Aspekt. Schwere Obstruktion. Leicht-mittelgradige Überblähung mit deutlicher Minderung der Reserve (VC). Eine ergänzende Mundverschlussdruckmessung des Patienten ist in Fallbeispiel 38 dargestellt.
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138
Kapitel 11 · Gemischter Übungsteil
Fallbeispiel 48 75 Jahre, weiblich, 164 cm, 71 kg Das Beispiel zeigt die BGA einer Patientin, die mit akutem Myokardinfarkt, exazerbierter COPD und Nierenversagen aufgenommen wurde.
⊡ Abb. 11.5. Fallbeispiel 48
11
139 Kapitel 11 · Gemischter Übungsteil
Interpretationsvorschlag Vorwiegend respiratorische Azidose bei respiratorischer Globalinsuffizienz (im Rahmen einer akut infektexazerbierten COPD), Nierenversagen und Herzinsuffizienz. Das Ergebnis bestätigt die Indikation für die sofortige Einleitung einer zunächst nichtinvasiven Ventilation. Die Patientin starb wenige Stunden später an Multiorganversagen.
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Kapitel 11 · Gemischter Übungsteil
Fallbeispiel 49 36 Jahre, weiblich, 165 cm, 85 kg Nachfolgend ist die Untersuchung einer jungen Patientin mit Belastungsdyspnoe und radiologisch bihilärer Lymphadenopathie dargestellt.
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⊡ Abb. 11.6. Fallbeispiel 49
141 Kapitel 11 · Gemischter Übungsteil
Interpretationsvorschlag Gute Mitarbeit. Leichte Restriktion. Der Verdacht einer Sarkoidose hatte sich im Verlauf bestätigt.
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142
Kapitel 11 · Gemischter Übungsteil
Fallbeispiel 50 38 Jahre, männlich, 187 cm, 92 kg Das nächste Beispiel zeigt die Untersuchung eines jungen Patienten mit vermutetem Asthma bronchiale. Einer unspezifischen Provokation durch Belastung folgt eine inhalative Provokation mit Histamin 0,5% und nachfolgend eine Bronchospasmolyse mit 0,4 mg Salbutamol.
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⊡ Abb. 11.7. Fallbeispiel 50
143 Kapitel 11 · Gemischter Übungsteil
Interpretationsvorschlag Gute Mitarbeit. Leichte peripher betonte Obstruktion in der Leeruntersuchung. Nach Belastung diskrete Zunahme der Obstruktion. Nach Inhalation der Histamin-Lösung deutliche Zunahme, der nun schwermittelschweren Obstruktion, mit Abnahme der FEV1 um 40% und Zunahme der sRAWtot um 695%. Nach
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anschließender Bronchospasmolyse deutliche Teilreversibilität der Obstruktion mit Zunahme der FEV1 um 820 ml bzw. 26%. Der Befund bestätigt den Verdacht des Vorliegens eines Asthma bronchiale bei deutlich hyperreagiblem Bronchialsystem. Der Patient konnte im Weiteren medikamentös gut eingestellt werden.
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Kapitel 11 · Gemischter Übungsteil
Fallbeispiel 51 73 Jahre, männlich, 163 cm, 98 kg Das letzte Beispiel zeigt die Untersuchung eines Patienten, der mit rezidivierender schwere Dyspnoe und schwerer allgemeiner Leistungseinschränkung (mit leichter generalisierter Muskelschwäche) und Tagesmüdigkeit stationär behandelt wurde.
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⊡ Abb. 11.8. Fallbeispiel 51
145 Kapitel 11 · Gemischter Übungsteil
⊡ Abb. 11.9. Fallbeispiel 51
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Kapitel 11 · Gemischter Übungsteil
11 ⊡ Abb. 11.10. Fallbeispiel 51
147 Kapitel 11 · Gemischter Übungsteil
Interpretationsvorschlag Die BGA zeigt eine respiratorische Globalinsuffizienz mit metabolisch vollständig kompensierter Gesamtazidität (pH). In der Bodyplethysmographie/Spirometrie kommt – bei leicht eingeschränkter Beurteilbarkeit – eine schwere restriktive Ventilationsstörung zur Darstellung. Eine Obstruktion oder Überblähung liegt nicht vor. Die Mundverschlussdruckmessung zeigt eine gute Mitarbeit und zusätzlich das Vorliegen einer schweren Atemmuskelschwäche mit drohender
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Erschöpfung der Atempumpe, bei schwerer Überbeanspruchung der Inspirationsmuskulatur während Ruheatmung. Letztlich wurde bei dem Patienten ein adipositasassoziiertes Hypoventilationssyndrom (OHS) mit zusätzlicher leicht-mittelgradiger obstruktiver Schlafapnoe (OSAS) diagnostiziert. Das Vorliegen einer primär neuromuskulären Störung wurde diagnostisch ausgeschlossen. Es zeigte sich eine deutliche Besserung sämtlicher Befunde unter einer eingeleiteten nächtlichen n-BIPAP-Heimbeatmung.
Praxisrelevante Literaturempfehlungen
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Praxisrelevante Literaturempfehlungen
Nachfolgend finden Sie eine kleine Auswahl kürzlich veröffentlichter, praxisrelevanter Literaturquellen, deren Empfehlungen inhaltlich in das vorliegende Buch integriert wurden und die zum Teil weitere ergänzende Informationen bieten. Die Publikationen wurden von Expertenteams erarbeitet und werden in den nächsten Jahren der Goldstandard für die Durchführung und Interpretation der jeweiligen Lungenfunktionstests sein. –
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Criée CP et al. (2006) Lungenfunktion – Spirometrie und Atemmuskelfunktion. Empfehlungen der Deutschen Atemwegsliga, Dustri Gosselink R, Stam H (2005) Lung function testing. Eur Respir Mon 31 Brusasco V, Crapo R, Viegi G (2005) Series: »ATS/ERS Task Force: Standardisation of Lung Function Testing« Number 1–5. Eur Respir J 26
Verzeichnis der Fallbeispiele
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Verzeichnis der Fallbeispiele
Normalbefund Unzureichende Mitarbeit, Normalbefund Hustenartefakt, Normalbefund Leichte obstruktive Ventilationsstörung Small Airways Disease Normalbefund Mäßiggradige restriktive Ventilationsstörung Mittelschwere Obstruktion, leichte VC-Minderung bei mittelgradiger COPD Prä- und postoperativer Normalbefund bei Lungenteilresektion Schwergradige Restriktion bei Lungenfibrose Normalbefund Fixe extrathorakale Stenose bei zervikalem Tumor mit Tracheakompression Schwergradige Restriktion bei Muskelschwäche und bekannter Myasthenia gravis Normalbefund Schwergradige Restriktion bei Pleuramesotheliom Mäßiggradige Obstruktion Mittel-schwergradige Obstruktion und mittelgradige Überblähung bei COPD Leichtgradige obstruktive Ventilationsstörung Schwergradige Obstruktion bei COPD Mittelgradige Restriktion bei Lungenfibrose Normalbefund bei Adipositas Mäßiggradige Restriktion bei kryptogen organisierender Pneumonie Leichtgradige Obstruktion und mäßiggradige Restriktion bei Bronchialkarzinom mit Pleuraerguss Sehr schwere Obstruktion und mittelgradige Überblähung bei COPD Sehr schwere Obstruktion und mittelgradige Überblähung bei COPD Small Airways Obstruction Syndrome Positiver Bronchospasmolysetest bei Asthma bronchiale Positiver Bronchospasmolysetest bei COPD
29 Negativer Bronchospasmolysetest bei COPD 30 Positiver Provokationstest/positiver Bronchospasmolysetest bei Asthma bronchiale 31 Normalbefund 32 Normalbefund bei Asthma bronchiale 33 Leichtgradige Transferstörung bei parenchymaler Restriktion 34 Leichtgradige Transferstörung bei COPD 35 Schwergradige Transferstörung bei schwerer pulmonaler Hypertonie und Anämie 36 Normalbefund 37 Schwergradig eingeschränkte Kapazität, schwere Last der Atempumpe bei Myasthenia gravis 38 Deutliche Last der Atempumpe, normaler Kapazität bei COPD 39 Typische zirkadiane PEF-Variabilität bei Asthma bronchiale 40 Typische zirkadiane PEF-Variabilität bei intermittierendem Asthma bronchiale 41 PEF-Verlauf bei exazerbierter COPD 42 Schwere Hypoxie, respiratorische Alkalose bei Lungenarterienembolie 43 Respiratorische Globalinsuffizienz bei akut exazerbierter COPD 44 Metabolische Azidose bei hyperosmolar entgleistem Diabetes 45 Leichte Obstruktion bei Asthma bronchiale 46 Leichte Obstruktion, leichte Transferstörung bei Nikotinabusus und MTX-Vormedikation 47 Schwere Obstruktion, leicht-mittelgradige Überblähung bei COPD 48 Respiratorische Globalinsuffizienz bei akutem Myokardinfarkt und akut exazerbierter COPD 49 Leichtgradige Restriktion bei Sarkoidose 50 Positiver Provokationstest/positiver Bronchospasmolysetest bei Asthma bronchiale 51 Schwere Restriktion, schwergradig eingeschränkte Kapazität und Last der Atempumpe, respiratorische Globalinsuffizienz bei adipositasassoziiertem Hypoventilationssyndrom
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Quellenhinweis
Für die freundliche Bereitstellung der Abbildungen 2.1–2.3, 3.1–3.5, 3.14–3.16, 4.1–4.4, 4.9, 4.11, 4.12 danken wir der Firma Ganshorn
Medizin Electronic Industriestr. 6–8 97618 Niederlauer
Stichwortverzeichnis
A α1-Antitrypsinmangel 71, 81 Adipositasassoziiertes Hypoventilationssyndrom 147 Alkalose, respiratorische 122 Alveoläre Hypoventilation 124 Alveolarvolumen 8 Asthma bronchiale 15, 20, 24, 78, 88, 93, 111, 113, 131, 142 Atemmuskelerschöpfung 102 Atempumpe 106, 108, 124 Atemstromstärke forcierte exspiratorische 6 maximale exspiratorische 6 Atemwegswiderstand, spezifischer totaler 7 Atemwegswiderstände, Resistance 44 Atemzugvolumen 4 Azidose metabolische 126 respiratorische 124
Bodyplethysmographie Durchführung der Untersuchung 46 Messprinzip 44 Bronchiale Hyperreagibilität 51 Bronchiale Hyperreaktivität 76 Bronchiale Instabilität 83 Bronchialkollaps, exspiratorischer 54 Bronchialsystem, hyperreagibles 15, 20, 115 Bronchospasmolysetestung 76 Reversibilität 79 Bronchospasmolytika 76
C CO2-Narkose 124 COPD (Chronic Obstructive Pulmonary Disease) 24, 30, 53, 54, 58, 59, 68, 69, 70, 81, 82, 97, 107, 116, 123, 136, 138 Schweregrad 59 Schweregradeinteilung 31
B Basenüberschuss 8 Bikarbonat 8 Blutgasanalyse, Entnahmetechnik 120
D Diffusionskapazität 90 Diffusionstestung 90
beeinflussende Faktoren 92 korrigierter ReferenzTransferfaktor 100 Single-Breath-Methode 90 Steady-State-Methode 90
E Einsekundenkapazität, relative 5 Emphysem 98 Erkrankungen, neuromuskuläre 42 Exspiratorischer Bronchialkollaps 54 Exspiratorisches Reservevolumen 4 Exspiratorische Flusslimitierung 59 Exspiratorische Vitalkapazität 4
F FEV1 5, 69 FEV1% 5 Fibrose s. Lungenfibrose 135 Flusslimitierung, exspiratorische 59 Forcierte exspiratorische Atemstromstärke 6
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Stichwortverzeichnis
Forcierte Vitalkapazität 4 Funktionelle Residualkapazität 4, 8
G Gasvolumen, thorakales 4, 44 Globalinsuffizienz, respiratorische 124
H Hustenartefakte 20 Hyperreagibilität, bronchiale 51 Hyperreagibles Bronchialsystem 15, 20, 115 Hyperreaktivität, bronchiale 76 Hypertonie, pulmonale 99 Hyperventilation alveoläre 124 Ursachen 122, 124 Hypoventilationssyndrom, adipositasassoziiertes 147 Hypoxie 122
I Inspirationsdruck, maximaler statischer 104 Inspirationskraft, maximale 102 Inspiratorischer Mundverschlussdruck 8 Inspiratorische Kapazität 4 Inspiratorische Vitalkapazität 4 Instabilität, bronchiale 83
K Kapazität, inspiratorische 4 Kohlendioxidpartialdruck 8
Krogh-Index s. Transferkoeffizient 8, 90 Kryptogen organisierende Pneumonie 65
Mundverschlussdruck 102 inspiratorischer 8 maximaler inspiratorischer 8 Mundverschlussdruckmessungen 102 Myasthenia gravis 105
L Lungenarterienembolie 121 Lungenerkrankung, obstruktive 21 Lungenfibrose 35, 36, 60, 96 Lungenfunktion 2 Lungenfunktionsdiagnostik 2 Befundung 38 Interpretation 38, 128 Lungenfunktionsparameter Allgemeines 4 Atemflussparameter 6 Blutgasanalyseparameter 8 Diffusionsparameter 8 dynamische Volumina 4 Ist-Wert 4 Mundverschlussdruckparameter 8 Regressionsgleichung 29 Regressionsgleichungen 22 Resistance-Parameter 7 Soll-Wert 4 statische Volumina 4 Transferfaktor-Sollwertformel 100 Lungenkapazität, totale 5 Lungenüberblähung 31, 108
M Maximaler inspiratorischer Mundverschlussdruck 8 Maximaler statischer Inspirationsdruck 104 Maximale exspiratorische Atemstromstärke 6 Maximale Inspirationskraft 102 Metabolische Azidose 126
N Neuromuskuläre Erkrankungen 42
O Obstruktion 31, 45, 54, 67, 69, 71, 79, 81, 83 Differenzialdiagnose 24 extrathorakale 27 fixe Stenose 40 intrathorakale 27 Reversibilität 79 Schweregrad 22, 52, 61 Obstruktive Lungenerkrankung 21
P Partialinsuffizienz, respiratorische 124 Peakflow-Messung Ampelschema 110 Früherkennung von Exazerbationen 117 Mitarbeitsabhängigkeit 110 Peakflow-Protokoll 115 Peak Expiratory Flow 6 Peak Inspiratory Flow 6 PEF-Variabilität 110 pH-Wert 8 Pleuramesotheliom 49 Pneumonie, kryptogen organisierende 65
157 Stichwortverzeichnis
Pneumotachograph 10 Präoperativ allgemein 34 Risikostratifikation 34 thoraxchirurgisch 34 Prognosefaktor 69 Provokationstestung 76 Kontraindikationen 77 Kriterien einer positiven 88 Pulmonale Hypertonie 99
R Relative Einsekundenkapazität 5 Reservevolumen exspiratorisches 4 inspiratorisches 4 Residualkapazität, funktionelle 4, 8 Residualvolumen 4, 8 Resistance 44, 52, 61 spezifische 61 Resistanceschleife 44, 48, 54, 56 Respiratorische Alkalose 122 Respiratorische Azidose, Ursachen 124 Respiratorische Globalinsuffizienz 124 Respiratorische Partialinsuffizienz 124 Restriktion 29, 36, 42, 50, 56, 61, 63, 65 Differenzierung 96 extrapulmonale Ursachen 29
pulmonale Ursachen 29 Schweregradeinteilung 36
S Sarkoidose 141 Sauerstoffpartialdruck 8, 122 Sauerstoffsättigung 8 Small airways disease 24 Small Airways Obstruction Syndrome 73 Sollwerte 40 Spezifischer totaler Atemwegswiderstand 7 Spezifische Resistance 61 Spirometrie Durchführung der Untersuchung 12 Indikationen 15 Kontraindikation 15 Messprinzip 10 Mitarbeit 18, 26
T Thorakales Gasvolumen 4, 44 Tidalvolumen 4 Tiffenau-Manöver 12, 18 Atemabhängigkeit 7 Zeitabhängigkeit 7 Totaler Atemwegswiderstand 7
Totale Lungenkapazität 5 Transferfaktor 8, 90 Transferkoeffizient 8, 90 Transferstörung 98 Transferstörung s. Diffusionsstörung, Schweregrad 96
U Überblähung 69, 71, 81 Schweregrad 54
V Variabilität, zirkadiane 112 Ventilationsstörung 12, 29 gemischte 13, 36, 67 obstruktive 13, 22 restriktive 13, 29 Verschlussdruckkurven 46, 48 Verschlussdruckmessung 45, 46 Vitalkapazität exspiratorische 4 forcierte 4 inspiratorische 4
Z Zirkadiane Variabilität 112