Meine Zukunft bist du Ann Christy Bianca 529 12/1 1987
gescannt von suzi_kay korrigiert von Joy
1.KAPITEL Cathy beugt...
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Meine Zukunft bist du Ann Christy Bianca 529 12/1 1987
gescannt von suzi_kay korrigiert von Joy
1.KAPITEL Cathy beugte sich über Roberts Bett. Er schlief. Sie küßte ihn auf die Wange. Seit seiner Operation waren zwei Monate vergangen, und bald konnte er nach Hause gehen. Er würde wieder sprechen und wieder gehen können. Cathy sah ihn mitfühlend an. Zumindest würde er jeden Tag ein paar Schritte mehr in seinem Rollengestell machen können. Die Ärzte hatten ihr versichert, daß er seine ursprüngliche Gesundheit wiedererlangen würde. Auch sein Amt und seine Kandidatur als Senator des Staates New York würde er wiederaufnehmen können. Für Cathy würde es wieder dieselbe Hölle bedeuten, die ihre Ehe mit Robert vor seinem folgenschweren Unfall gewesen war. Nein, das durfte nicht sein! Während Cathy still dasaß und den Schlafenden beobachtete, schwor sie sich, nie wieder wie ein Aschenputtel zu leben, wie sie es noch vor fünf Monaten getan hatte, bevor Robert und fünf seiner Freunde mit dem Flugzeug abgestürzt waren. Sie waren auf dem Weg nach Durra gewesen, dem Wohnsitz seines Vaters in Maryland. Der Ort war nach einem winzigen Nest in Irland benannt worden, aus dem Roberts Urgroßvater stammte. Eine der Düsen des Learjets hatte ausgesetzt, und die Maschine hatte bei der Landung mit einer Flügelspitze den
Boden berührt und sich überschlagen. Der Pilot war bei dem Unfall ums Leben gekommen. Robert hatte sich einen Halswirbel gebrochen, und sein Rückenmark war geschädigt. Die Folge war eine vollständige Querschnittlähmung. Außerdem hatte er noch eine schwere Kopfwunde erlitten, als er durch die Kabine geschleudert worden war. Seine Stimmbänder waren ebenfalls beschädigt worden, aber die Ärzte waren zuversichtlich, daß er die Stimme wiedererlangen würde. Was das Rückgrat anging, waren sie am Anfang sehr viel weniger optimistisch gewesen. Nachdem Dr. Kellman Cathy dann darüber informiert hatte, daß er eine gewisse Möglichkeit sah, eine Strahlenbehandlung anzuwenden, die er kürzlich erfolgreich durchgeführt hatte, konnte sie hoffen, daß Robert wieder geheilt werden würde. "Das Rückenmark muß verschmolzen werden, und zwar hier... hier und hier." Dr. Kellman wies auf die kaum sichtbaren Flecken, die das Röntgenbild zeigte. "Zugegeben, je mehr Verletzungen, desto größer das Risiko." Er sah sie ernst an. "Aber ich habe das Gefühl, daß er eine gute Chance hat. Natürlich wird eine lange physiologische Therapie notwendig sein. Und die Sprachtherapie ..." Der Chirurg legte mit einer entschlossenen Geste den Zeigestock auf den Tisch. "Wenn wir jedoch dieses Verfahren anwenden, haben wir zumindest eine Chance, ihn von der totalen Lähmung zu befreien. Ja, ich glaube, wir werden Erfolg haben." Cathy war aufgestanden und hatte ihm die Hand gereicht. "Danke, Doktor. Lassen Sie mir bitte noch etwas Zeit, ich muß in Ruhe über alles nachdenken. Und natürlich möchte ich noch andere Spezialisten um Rat fragen." Ihre Erkundigungen hatten die Meinung Dr. Kellmans voll bestätigt. Diese Methode hatte bereits einige Erfolge erzielen können. Aber sie befand sich noch in der Experimentierphase und galt als radikale Lösung. Wenn so viele Stellen des Rückenmarks betroffen waren, war es besonders riskant. Da
Robert bisher jedoch auf keine der angewandten Therapien angesprochen hatte, war es eindeutig, daß er nur noch eine einzige Hoffnung hatte, nämlich die neue Laseroperation, die Dr. Kellman vorgeschlagen hatte. Cathy bemerkte, die unruhigen Bewegungen seiner Hände, als Robert erwachte. Er blickte mit verständnislosen Augen um sich, und sie mußte an die langen Tage auf der Intensivstation denken. Seine Augen waren das einzige gewesen, das sich an seinem kraftvollen Körper bewegt hatte. Es tat ihr noch immer weh, daran zu denken. Sie erinnerte sich auch noch in allen Einzelheiten jenes Tages, an dem sie ihm mitgeteilt hatte, daß sie die Operation durchführen lassen wolle, obwohl sein Vater dagegen sei. "Emmett ist außer sich, weil ich eine so radikale Operationstechnik an dir zulassen will," Sie hob seine schlaffe Hand an ihre Lippen. "Ja, ich weiß, er hat Angst um dein Leben." Sie küßte seine Finger. "Er würde dich lieber in diesem Zustand lassen, als dein Leben aufs Spiel zu setzen." Der durchdringende Blick seiner kobaltblauen Augen hatte sich tief in ihr Gedächtnis gegraben. "O ja. Ich weiß, wie du darüber denkst. Ich werde es nicht zulassen, daß irgendjemand Dr. Kellman von einer Maßnahme abhält, die dir helfen könnte." Cathy hatte das Gefühl, daß er mit den Augen zu ihr sprach, anstatt nur mit den Lidern zu zwinkern, um sich zu verständigen. "Ach ja, der Gouverneur hat heute Morgen angerufen und sich erkundigt, ob ich mich nicht für deine Wahl einsetzen würde, bis du wieder dazu in der Lage sein wirst." Sie hob seine leblose Hand an ihre Wange. "Ich habe ihm gesagt, daß ich es mit all meiner Kraft versuchen werde." Vor seine m Unfall hatten Robert und sie sich schon seit fast fünf Jahren auseinandergelebt. Sie lebten zwar unter einem Dach, aber beinahe wie Fremde. Diese allmähliche Entfremdung hatte mit Cathys Abneigung gegen einige Freunde ihres
Schwiegervaters begonnen. In ihren Augen waren diese Leute Schmarotzer, die Robert die Kraft für seine anspruchsvollen Ziele nahmen. Sie dachten und handelten nur nach einem Schema, und das war das große Geld. Robert hatte die Kumpane seines Vaters verteidigt und behauptet, er müsse sich um die Forderungen dieser Leute kümmern. Seine blinde Parteinahme für solche Geschäftemacher während der vielen Diskussionen, die Cathy mit ihm führte, hatte sie schließlich resignieren lassen. Sie hatte einsehen müssen, daß er sich von den Partnern seines Vaters beeinflussen ließ. Deshalb war sie sehr verbittert gewesen. Immer häufiger war Robert allein zu Partys gegangen, insbesondere zu jenen, die sein Vater in Durra zu veranstalten pflegte. Anfangs hatte er sie zwar noch hin und wieder gebeten, an diesem Treffen teilzunehmen, aber sie hatte abgelehnt. Zum Teil war dafür ihre Abneigung gegen Emmett Densmore, Roberts Vater, schuld. Er war nicht bereit, Cathy als Schwiegertochter anzuerkennen. Aber diese Partys in Durra waren noch aus einem anderen Grund ein wunder Punkt in Cathys Leben. Das Schlimmste war nicht einmal der Skandal, den Robert ausgelöst hatte, als bekannt geworden war, daß er als junger Kongreßabgeordneter zu seinen Partys nicht nur Männer aus Politik und Gesellschaft geladen hatte, sondern auch eine ganze Schar hübscher Mädchen, die als Callgirls bekannt waren. Schließlich hatte sich diese Episode zu einer Zeit abgespielt, zu der Cathy ihren zukünftigen Ehemann noch nicht einmal kennengelernt hatte. Aber daß Robert diese Begebenheit mit keinem Wort erwähnte und auch noch so tat, als würden ihn diese angeblich rein politischen Treffen im Landhaus seines Vaters zu Tode langweilen, das störte Cathy. Besonders wenn er sie mit unschuldiger Miene drängte mitzukommen. Andererseits hatte er sich bereit erklärt, selbst nicht mehr hinzufahren. Aber
Cathy wollte davon nichts hören, weil sie zwischen Vater und Sohn keine Mißstimmigkeiten verursachen wollte. Andererseits fragte sie sich aber, ob sein beharrliches Schweigen über den damaligen Skandal nicht bedeutete, daß er weiterhin an den Festen teilnahm, die man vermutlich wohl eher als Orgien bezeichnen mußte. Bestimmt hatte Robert das wilde Playboyleben noch nicht vergessen, das er vor seiner Ehe geführt hatte. Zweideutige Bemerkungen von Bruno Trabold Emmett Densmores innigstem Vertrauten und Geschäftsführer nährten Cathys Verdacht. Aber ihr Stolz und auch ihre Liebe zu Robert hinderten sie daran, ihn über die Partys in Durra zur Rede zu stellen. Die Zeit verging. Robert verbrachte immer mehr Zeit auf dem Landsitz seines Vaters, so daß, sich Cathy eine andere Beschäftigung für die einsamen Stunden suchte. Sie schrieb sich an der Universität von Georgetown ein, um ihr Examen in Archäologie zu machen. Bei diesem Vorhaben wurde sie von einem Kollegen ihres Mannes ermutigt, von Rob Ardmore, einem jungen Kongreßabgeordneten aus Iowa. Er riet ihr auch, mit allen Mitteln gegen den seiner Ansicht nach schlechten Einfluß anzugehen, den die zweifelhaften Figuren um Roberts Vater auf den Sohn ausübten. Aber Robert stellte sich allen Argumenten gegenüber taub. Während sie studierte, ging er zu seinen Partys. Die Kluft zwischen ihnen wurde immer größer. "Dir wäre es wohl lieber, wenn ich nicht in diesem Raum schliefe?" hatte er sie eines Tages gefragt, als er unerwartet das Schlafzimmer betrat, und Cathy sich überrascht ein Nachthemd vor den nackten Körper hielt. "Das mußt du wissen", hatte sie kühl erwidert. Am nächsten Tag war er in ein anderes Zimmer gezogen. Cathy brach es das Herz, aber sie sagte kein Wort.
Seitdem hatte sie ständig in der Erwartung gelebt, daß Robert die Scheidung einreichen würde. Die Tage vergingen, manchmal bekam sie ihn gar nicht zu sehen. Sie machte einen Besuch bei ihrem Vater, der in Ithaka lebte, einer Universitätsstadt im Staat New York. Dort hatte sie auch der Anruf erreicht, der sie über den Unfall informierte. "Es hat Robert erwischt." Emmett war nicht sehr schonend gewesen. "Die Maschine ist auf dem Flug nach Durra abgestürzt. Er lebt noch, aber es sieht nicht gut aus. Komm sofort her!" Dann hatte er den Hörer aufgelegt. Cathy hatte das Gefühl, innerlich zerbrochen zu sein. Sie erinnerte sich nur noch an den Flug nach Washington, und wie sie gebetet hatte, Robert möge nicht sterben. Sie hätte alles gegeben, um sein Leben zu retten. Cathy beobachtete, wie Robert allmählich vollständig erwachte. "Hallo! Du hast tief und fest geschlafen." Unter seinem prüfenden Blick versiegte ihr fröhliches Lächeln. "Hallo", sagte er schließlich mit seiner rauhen Stimme. Die Ärzte waren davon überzeugt, daß sie sich noch normalisieren würde. "Wenn ich aufwache, denke ich immer noch, ich könne nicht sprechen. Himmel, war das furchtbar, mit den Augen zwinkern zu müssen, wenn man etwas sagen wollte." Er lächelte ein wenig. "Manchmal hast du wohl eher meine Gedanken gelesen als das Geblinzel meiner Augenlider." Er mußte husten und nickte dankbar, als Cathy ihm das Wasserglas mit dem gebogenen Strohhalm reichte. Robert nahm ein paar tiefe Züge und lehnte sich dann seufzend in die Kissen zurück. "Ich werde den Flug mit dem Hubschrauber hierher nie vergessen. Ich wollte entweder gesund werden oder aber auf dem Operationstisch sterben." Cathy spürte Tränen aufsteigen. "Ich weiß, was du empfunden hast."
Langsam drehte Robert den Kopf auf dem Kissen zur Seite. "Ich wußte, daß du es gespürt hast. Und ich bewundere deine Standhaftigkeit meinem Vater gegenüber, der die Operation verhindern wollte. Ich konnte zwar meine Zustimmung zwinkern, aber die Operation wäre ohne deine Unterschrift nicht genehmigt worden. Und Vater hätte all seinen Einfluß geltend gemacht, um sie zu verhindern, hätte er davon erfahren, bevor ich auf dem Operationstisch lag." Noch immer bekam Cathy eine Gänsehaut, wenn sie an den Wutausbruch ihres Schwiegervaters dachte, als er erführ, daß sein Sohn bereits mitten in der riskanten Operation steckte. "Emmett war ziemlich böse auf mich", sagte sie leise. Jetzt wirkte er nicht mehr ganz so blaß. "Und ich kann mir auch vorstellen, wie du dich in dem Moment gefühlt haben mußtest, in dem deine Brüder dich besuchen kamen, eine Stunde bevor der Hubschrauber dich abholen sollte." Sie erinnerte sich noch gut daran, wie die Zwillinge - seine Brüder - in die Klinik gestürmt gekommen waren, in der Robert damals gelegen hatte. In ihrer Angst hatte sie die beiden angefahren: "Was macht ihr denn hier? Ich dachte, ihr seid heute Morgen schon hier gewesen?" "Das ist ja ein netter Empfang, Cathy", sagte Gareth, der aufgeschlossenere der Zwillingsbrüder. Er ging zum Bett hinüber und griff nach Roberts leblosem Arm. "Na, alter Junge. Du hast wohl auch nicht erwartet, mich zweimal an einem Tag zu sehen?" Dann wandte sich der riesenhafte junge Mann wieder zu Cathy um. "Gavin hatte in der Nähe zu tun, und da beschloß ich, nachher mit ihm noch einmal vorbeizuschaue n. Bist du nun zufrieden, Schwägerin? Dann lach doch mal wieder!" "Hey, Gareth, laß sie in Ruhe! Cathy ist sicher nur müde von der vielen Arbeit in Roberts Büro", sagte der etwas kleinere Riese Gavin mit schüchternem Lächeln. Dann ging auch er zu Robert und drückte ihm in seiner etwas unbeholfenen Art einen Kuß auf die, Wange.
Cathy hatte die Zwillinge gern, obwohl besonders Gareth manchmal etwas zu lebhaft und zu direkt sein konnte. Aber jedenfalls kamen sie manchmal ihren Bruder besuchen, und das machte sie in Cathys Augen schon sympathisch. Doch wie sollte sie sie jetzt nur loswerden? Etwas verlegen räusperte sie sich. "Ja, ich... es ist... es tut mir leid, das sagen zu müssen, aber das ist jetzt meine Besuchszeit." Sie sah Gareth fest an. Er zog die Brauen hoch. "Seht euch nur die kleine Cathy an! Dieses honigblonde Haar und die hübsche n blauen Augen. Du überraschst mich wie immer. Warum willst du, daß wir gehen? Du scheinst hier ständig gegen irgendetwas zu kämpfen. Dabei siehst du so zerbrechlich aus wie feines Porzellan. Was geht hinter deiner reizenden Stirn vor sich, Cathy?" Sein sonst so unbekümmerter Blick war mißtrauisch und prüfend geworden. Sein Bruder sah von Roberts Bett auf und bemerkte verwundert, daß jegliche Farbe aus Cathys Gesicht gewichen war. "Was ist daran so verwunderlich, daß ich die für mich bestimmte Stunde mit me inem Mann allein verbringen möchte? Es war ja nicht meine Idee, die Besuchszeiten einzuteilen. Emmett und Bruno wollten ihre Zeit für sich haben." Sie biß sich auf die Unterlippe, weil sie merkte, daß sich ihre Stimme zu sehr gehoben hatte. Sie mußte um jeden Preis die Ruhe bewahren. Roberts Transport in die Spezialklinik und die Operation durften auf keinen Fall gefährdet werden. Es hing alles von dem genau vorgegebenen Zeitplan ab, den sie mit Dr. Kellman vereinbart hatte. Wenn Roberts Vater auch nur den geringsten Verdacht schöpfte, würde er alles vereiteln. Graf ließ ein tiefes Knurren vernehmen und gab Cathy damit Rückendeckung. Sie war jetzt froh, daß Robert sie durch Blinkzeichen gebeten hatte, den schokoladenbraunen Dobermann mitzubringen. Und auch der Pfleger, Albert Trock,
hielt es für gut, daß Robert seinen geliebten Hund bei sich haben konnte. Gareth und Gavin blickten gleichzeitig zu dem großen Tier hinüber, das ausgestreckt neben dem Bett seines Herrn lag. "Wozu bringst du nur immer den Hund mit, Cathy?" fragte Gareth mit einem gezwungenen Lächeln. "Graf scheint doch außer euch beiden niemanden zu mögen." "Ich mag ihn", verkündete Gavin. Er ging zu dem Dobermann, wagte jedoch nicht, ihn zu berühren. "Er hat etwas Würdevolles an sich." Erleichtert lachte Cathy auf, weil das Thema endlich gewechselt hatte. "Ja, Dobermänner haben etwas Vornehmes an sich. Deshalb habe ich ihn auch Graf genannt. Er ist an sich sehr gutmütig, aber er beschützt Robert immer, deswegen ist er hier etwas abweisend." Sie sah den Hund einige Sekunden lang beinahe zärtlich an. "Das heißt, das ist nicht ganz richtig. Hier ist ein Pfleger, er heißt Trock. Den scheint Graf zu mögen. Trock ist aber auch besonders nett zu Robert, sie spielen sogar Schach zusammen. Dabei blinzelt ihm Robert immer zu, welchen Zug er spielen möchte." Sehr glücklich war sie nicht darüber, daß sie den Zwillingen verschweigen mußte, was mit Robert noch heute geschehen würde. Aber sie konnte es nicht riskieren, daß sich Bruno Trabold oder Emmett Densmore einmischten. Sie würde es ihnen erst mitteilen, nachdem die Operation begonnen hatte. Zum Glück erinnerte Gavin seinen Bruder an das Flurfest in ihrem Studentenheim, das am Abend stattfinden sollte. Sie erzählten ihrem gelähmten Bruder schnell noch, was sie für aufregende Ereignisse erwarteten. Dann machten sie sich fröhlich auf den Weg und versprachen, am nächsten Tag wiederzukommen. Ihre Schuldgefühle wegen der Geheimniskrämerei den Zwillingen gegenüber überwand Cathy erst bei Dr. Kellmans Anruf.
"Wir sind hier mit den Vorbereitungen fertig, Cathy. Wie sieht es bei Ihnen aus?" "Soweit ist alles in Ordnung. Eine der Schwestern sagte mir gerade, daß der Hubschrauber bereits stünde. Bisher hat noch niemand Verdacht geschöpft, weil ich erzählt habe, daß ich zu einer dringenden Sitzung müsse und deshalb den Hubschrauber brauche." Cathys Hände begannen zu zittern. "Dr. Kellman, ich habe Angst. Ich weiß, daß ich das Richtige tue. Für Robert muß es die Hölle sein, in seinem eigenen Körper gefangen zu sein, aber ich habe trotzdem Angst, ihn zu verlieren." Sie sah hinüber zu Robert, dessen Blick auf sie geheftet war. "Natürlich werde ich nicht aufgeben, aber ich habe Angst." Sie erinnerte sich daran, daß sie damals nach diesem Gespräch zu Robert gegangen war, um mit ihm zu reden. "Jetzt kann es nicht mehr lange dauern. Ich muß nur noch den Schichtwechsel abwarten. Wir gehen, wenn die Ärzte von der Frühschicht weg sind, und die von der Spätschicht ihre Visite im anderen Flügel machen." Sie lächelte ihn ah. "Ich fühle mich wie in einem Spionagefilm." Dann hatte sie auf dem Stuhl neben seinem Bett Platz genommen und hatte seine leblose Hand an sich gedrückt. Erst viel Später an jenem Tag, während sie vor dem Operationssaal auf einen neuen Zwischenbericht wartete, hatte sie den Mut aufgebracht, mit Emmett Densmore zu sprechen. Mit Bruno Trabold im Schlepptau war er über den langen Korridor auf sie zugestürmt. "Du hast mich betrogen", schrie er schon von weitem. "Und du hast diesen Trock dazu gebracht, mich anzulügen, damit ich nicht erfahren konnte, daß Robert nach hier gebracht werden sollte, bevor es zu spät war." Seine Augen sprühten vor Zorn. "Wenn mein Sohn stirbt", zischte er böse, "hast du seinen Tod nur dir allein zuzuschreiben." Cathy schloß eine Sekunde lang die Augen, dann begegnete sie mutig seinem Blick. "Ich tue nur, was Robert will", stellte sie ruhig fest. "Was wir beide wollen. Es tut mir leid, daß diese
Maßnahmen nötig waren. Aber der Wunsch meines Mannes geht vor. Es ist schließlich sein Leben." "Und sein Tod wird auf deinem Gewissen lasten", rief ihr Schwiegervater in dramatischem Ton. "Er wird nicht sterben! Und er wird auch nicht wie eine Pflanze weiter dahinvegetieren! Die Operation wird erfolgreich verlaufen, und im November kann Robert wieder seinen Sit z im Senat einnehmen." Cathys Worte klangen mehr wie ein Gebet als eine sichere Behauptung. "Wird er das?" fragte Bruno Trabold spöttisch. "Und was ist, wenn er im November nicht im Senat ist? Dann werden Sie wohl für seinen Sitz kandidieren, nicht wahr?" Cathy begegnete seinem Blick gelassen. Sie wußte, wie verärgert Bruno darüber gewesen war, daß der Gouverneur sie nach Roberts Unfall zur stellvertretenden Senatorin ernannt hatte. Für Bruno war das ein schwerer Schlag gewesen, weil er selbst gehofft hatte, mit Emmets Hilfe in diese Position gelangen zu können. Der Gouverneur hatte ihr von diesen Bestrebungen berichtet und auch von Roberts Wunsch, seiner Frau die Vertretung zu übertragen. Darüber war sie damals sehr glücklich gewesen und hatte diesen Vertrauensbeweis als Zeichen dafür gewertet, daß Robert sie noch liebte. Immerhin war sie gerade erst dreißig Jahre alt gewesen, was dem Mindestalter eines Senators entsprach. Sie hatte zwar politische Wissenschaften an der Hochschule studiert, besaß jedoch keinerlei Erfahrungen in einem öffentlichen Amt. So war Roberts Wunsch, daß sie seine Aufgaben übernehmen sollte, solange er nicht dazu in der Lage war, ein Beweis seiner Liebe. So glaubte sie, wenigstens damals. Aber dann, nachdem sie die Angelegenheit kritisch durchdacht hatte, war sie darauf gekommen, daß Robert nur den Namen Densmore im Bewußtsein der Wähler erhalten wollte, für den Fall, daß er wieder genesen und sich einer Wahl stellen
würde. Er war sicher, daß sie ihn mit mehr Einsatz vertreten würde als Bruno Trabold, der sich nur von seinem Ehrgeiz leiten ließ und nicht von seiner Zuneigung zu Robert. "Cathy, du bist so nachdenklich. Komm wieder in die Wirklichkeit zurück. Der ganze Ärger liegt doch weit hinter dir. Dad und Bruno können dir ja nicht mehr böse sein." "Das glaubst du", sagte sie leise. Robert lachte nur darüber, aber für sie war jedes Geräusch, das er von sich gab, ein Geschenk, nach all den Monaten des Schweigens. "Ich habe Albert Trock für dich eingestellt. Er wird sich um dich kümmern und dir helfen, wenn dein Übungsprogramm beginnt." Robert nickte erfreut. "Ich mag ihn, Cathy. Obwohl er hier in der Klinik nicht viel mit mir gesprochen hat. Er ist sehr stark. Er hebt mich auf wie einen Sack Mehl und trägt mich herum, als hätte ich gar kein Gewicht." "Graf mag ihn sogar auch. Das war einer der Gründe, warum ich ihn engagiert habe. Und weil dein Vater ihn damals aus der anderen Klinik hinauswerfen ließ." Er verzog das Gesicht. "Emmet konnte sein Verhalten nicht hinnehmen." Sekundenlang sah er sie nachdenklich an. "Ohne Zweifel würde er dich auch am liebsten entlassen." "Mag sein." Cathy sah auf ihre verkrampften Hände hinab. "Aber das wird er hoffentlich dir überlassen." "Dann kann er aber lange warten." Sie mußte über seinen spöttischen To n plötzlich lachen. "So ist es besser", stellte er zufrieden fest. "Ich befürchtete schon, du würdest mich nie wieder anlachen." All ihre unterdrückten Sorgen machten sich jetzt in einem befreienden Lachen Luft. "Glaubst du denn, es sei leicht gewesen, dich während der ganzen Zeit so ansehen zu müssen? Wie du dagelegen hast und lieber gestorben wärest, als so weiterleben zu müssen? Glaubst du, es ist..." Sie rang nach Luft und stand auf. Mit schnellen Schritten ging sie im
Krankenzimmer auf und ab. "Denkst du, es sei leicht gewesen, auf dem Flur vor deinem Zimmer hin- und herzugehen und die eigenen Schritte zu zählen, um die Tränen zurückzuhalten? Kannst du dir vorstellen, wie es ist, wenn der Arzt herauskommt und dir mitteilt, ob dein Mann tot ist oder..." "Cathy, komm bitte her." Robert streckte ihr die Arme entgegen. Sie preßte eine Hand auf den Mund und ging zu ihm. "Oh, Robert, verzeih mir. Ich weiß, daß du durch die Hölle gegangen bist. Wie konnte ich dir so etwas sagen?" Sanft zog er sie näher zu sich heran. "Danke, Cathy, Ich danke dir dafür, daß du mir das Leben wiedergegeben hast." Ein Glücksgefühl durchströmte sie. Es war wunderbar in seinen Armen. Am liebsten wäre sie immer so bei ihm geblieben. "Ist es nicht ein Wunder, Robert? Du lebst wieder. Du bist wirklich wieder am Leben, und du brauchst all diese schrecklichen Kanülen und Schläuche in deinem Körper nicht mehr." Zustimmend nickte er und drückte sein Gesicht in ihr Haar. Sie hörten, wie sich die Tür öffnete, und sahen gleichzeitig auf. "Wir sollten uns die Besuchszeiten einteilen", beklagte sich Emmet mit einem schiefen Blick auf Cathy. "Das geht nicht, Dad. Ich möchte Cathy so oft wie möglich bei mir haben. Darauf muß sich die übrige Familie schon einstellen." Emmet und Bruno blickten von einem zum anderen. "Du kannst aber von mir oder von Bruno keine Dankbarkeit erwarten, daß deine Frau uns im Dunkeln gelassen hat. Das hat uns nicht sehr gefallen." Er warf Cathy einen weiteren bösen Blick zu. Aber Robert zuckte nur mit den Schultern und hielt Cathys Hand in seiner.
In der Klinik hatte man viel Verständnis für Cathys häufige Besuche zu jeder nur erdenklichen Tageszeit. Und Robert machte beachtliche Fortschritte. Der Flügel, in dem er untergebracht war, lag etwas abseits und hatte einen separaten Eingang. Seit Cathy die Erlaubnis erhalten hatte, diesen Eingang zu benutzen, verbrachte sie jede freie Minute bei ihrem Mann. So manche Nacht saß sie nur neben seinem Bett und sah ihn an. Sie wußte, daß er aufwachen und sich wieder bewegen würde, daß er wieder lachen und sprechen konnte. In diesen stillen Stunden wurde sie Sich ihrer unerschütterlichen Liebe zu ihm bewußt. Sie liebte ihn seit dem ersten Tag, und ihre Liebe hatte auch nicht aufgehört, als sie sich auseinandergelebt hatten. Während seiner Krankheit war sie nur zu noch stärkerer Glut entfacht. Cathy war bewußt geworden, daß es für sie kein Leben ohne Robert mehr geben konnte. Manchmal, wenn sie auf sein Erwachen wartete, sprach sie laut zu ihm und berichtete ihm von den Ereignissen im Senat. Wenn sie ihn ansah, ob er nun wach war oder schlief, sah sie in ihm den vitalen Mann, der er vor dem Unfall gewesen war. Sie sah den großen Mann in Bewegung, seine breiten Schultern im Seidenanzug, in dem er elegant, in ihren Augen aber auch viel zu sexy aussah. Robert hatte das schwarze Haar seiner irischen Mutter geerbt, während die anderen Densmore-Nachkommen Emmets sandfarbenes Haar besaßen. Robert hatte gewelltes Haar, und eine Locke fiel ihm immer in die Stirn, was Cathy ständig in Versuchung führte, sie zurückzustreichen. Zu seinem, kräftigen Körper hatte ihm die Natur schmale Hände mit langen feingliedrigen Fingern gegeben. Cathy hatte ihn in den ersten Tagen ihrer Ehe oft damit geneckt, daß er mit solchen Händen eigentlich Pianist hätte werden sollen. Das hatte sie auf ihrer Hochzeitsreise zu ihm gesagt, und er war zu dem Piano in der Hotelhalle gegangen, hatte sich hingesetzt und ihr ein Liebeslied gespielt. Dazu hatte er in einem
kräftigen Bariton eine Liebeserklärung gesungen. Wenn er diese Worte doch nur ernst gemeint hätte!
2. KAPITEL Roberts Familie erschien auf der Bildfläche, nachdem die Nachricht von seiner überraschenden Genesung an die Öffentlichkeit gelangt war. Sogar die Kabelprogramme brachten die Sensation. Robert bestand auch weiterhin darauf, daß Cathy ihm die Zeitungsberichte vorlas, wie sie es täglich getan hatte. Sie besuchte ihn nach wie vor täglich zur selben Zeit, aber jetzt traf sie meistens auf irgendein Familienmitglied. In der Gesellschaft der Zwillinge fühlte sie sich wohl, weil diese ihren Bruder offensichtlich sehr liebten und glücklich über die fortschreitende Genesung waren. "Du hättest uns trotzdem einweihen können, Cathy", warf ihr Gareth vor. "Es hätte uns eine Menge Spaß gemacht, Bruno Trabold zu ärgern. Unser alter Herr vertraut ihm zu sehr, wenn man mich fragt." Gavin, der ruhigere, nickte zustimmend. Eines Nachmittags, Cathy hatte einen besonders harten Tag im Senat hinter sich und wollte Robert gerade davon berichten, kamen seine Schwestern durch die Tür geschwebt. Mit jedem Zoll waren sie die reichen Töchter aus Marylands feiner Gesellschaft. "Mein lieber Robert", rief Aileen und warf Cathy ein flüchtiges Lächeln zu. "Ich habe mich gerade mit unserem Freund Hugo Billings unterhalten. Du weißt schon, wen ich meine, nicht wahr? Er war mit Dave in Harvard, ein
außerordentlich erfolgreicher Chirurg. Er meinte, die Operation, die ich ihm geschildert habe, sei sehr revolutionär und keineswegs ungefährlich." Sie wandte sich an Cathy. "Ich kann Vaters Zurückhaltung sehr gut verstehen. Es war doch ein wenig eigenmächtig und unbedacht von dir, Cathy." "Eigenmächtig und unbedacht", echote Aveen und schob die Schriftstücke auf dem Nachttisch zur Seite, die Cathy ihrem Mann gerade gebracht hatte. Dann stellte sie einen Blumenstrauß in einer Wedgewoodvase dahin. "Ich bin entzückt, daß ihr euch so sehr freut, mich wieder unter den Lebenden zu sehen", bemerkte Robert ironisch, was die beiden Schwestern jedoch nicht bemerkten. "Deine Gesundheit steht hier nicht zur Debatte", erklärte Aileen mit einem Seitenblick. "Versuch nicht mit deinem Zustand vom Thema abzulenken." Sie lächelte ungnädig. "Ich werde mich beherrschen", versicherte Robert spöttisch. "Gut", stellte Aileen fest und zog die Stirn kraus, als müsse sie überlegen, wen sie gerade getadelt hatte und weshalb. Aveen wandte sich mit einem gequälten Gesichtsausdruck an Cathy. "Meine Liebe, du solltest nicht ständig mit offenem Mund dasitzen. Das ist declasse, findest du nicht? Ich staune, daß Robert dir das noch nie gesagt hat." Sie warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. "Die Leute wissen doch bestimmt, daß wir verwandt sind. Du solltest ihr das ruhig sagen." "Cathy, mach eine Notiz, daß ich dir sagen soll, nicht mehr mit offenem Mund dazusitzen, egal was meine Schwestern auch sagen." Er lächelte seine Schwestern unschuldig an, die jedoch keinen Sinn für seinen Humor zeigten. Nachdem ihre Schwägerinnen gegangen waren, seufzte Cathy erleichtert auf. Dabei traute sie sich nicht, Robert anzusehen, weil sie sonst hätte lachen müssen. Als sie ihn aber lachen hörte, konnte sie sich auch nicht mehr beherrschen.
"O Lord! Es ist nicht zu fassen! Cathy, ich gebe dir hiermit die Erlaubnis, mich auf der Stelle zu erschießen, wenn ich jemals so affektiert werde wie meine Schwestern." Cathy lachte noch immer. "Ich werde dich gar nicht um Erlaubnis bitten. Ich werde es einfach tun." Nur allmählich verebbte Roberts Lachen. "Während ich hier gelähmt im Bett lag, habe ich mehr über meine Familie gelernt als in der ganzen Zeit, in der wir noch in einem Haus lebten. Sag mal, Cathy, haben sie dich schon immer so behandelt, als hättest du kein bißchen Verstand? Wissen sie etwa nicht, was du für eine großartige Leistung im Senat vollbracht hast?" Sein Ausdruck wurde sehr ernst. "War ich denn vollkommen blind, daß ich nie erkannt habe, wie sehr sie dich von oben herab behandelten? Verdammt, Cathy, warum hast du mir denn nie gesagt, was ich für ein Idiot bin?" Sie fühlte sich erleichtert und hätte gern noch einmal die abwertende Behandlung seiner Schwestern über sich ergehen lassen, wenn sie nur mit Roberts Verständnis rechnen konnte. Sie lachte wieder vor sich hin. "Laß mich mitlachen!" "Ich habe nur gerade gedacht, wie sehr ich mich verändert habe. Als wir heirateten, hatte ich einen solchen Respekt vor deinen Schwestern. Sie waren so beeindruckend und so gebieterisch. Aber jetzt..." "Was ist jetzt, Cathy?" "Manchmal fürchte ich, daß ich ihnen ins Gesicht lachen muß." "Nur manchmal? " Robert warf ihr einen übermütigen Blick zu, den sie so sehr an ihm liebte. Sie lachten noch immer, als Bruno das Krankenzimmer betrat. "Ihr Vater unterstützt den Kongreßabgeordneten Sykes, aber ich soll Ihnen trotzdem diese Unterlagen bringen, die von den Greeley-Leuten erarbeitet wurden - bezüglich des Kernreaktors."
Bruno nickte Cathy nur flüchtig zu und reichte Robert einen Aktenordner. "Noch einen Plan, unseren Planeten zu zerstören, Bruno?" fragte Cathy, worauf Robert breit lächelte. Bruno sah sie mit einem eiskalten Blick an. "Nein, ein Plan, unser Land reicher zu machen." "Das Land?" empörte sich Cathy. "Oder nur einige skrupellose Investoren, die hinter den Kulissen zufällig von Mr. Greeley geleitet werden?" "Sie reden ja schon wie dieser linke Kongreßmann Ardmore. Er ist ja auch Ihr spezieller Freund, Cathy." Bruno entblößte die Zähne wie ein Haifisch. Als Lächeln konnte man das jedenfalls nicht bezeichnen. Cathy lief es kalt über den Rücken. "Was sagen Sie da, Bruno?" fragte Robert mit tonloser Stimme. "Nichts." Bruno zog ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche, warf dann einen bösen Blick auf das Rauchverbotsschild und steckte es wieder ein. "Wir haben alle gedacht, daß sich Cathy so häufig mit Rod Ardmore trifft, weil sie sich beide für Archäologie interessieren." Er wagte es nicht, Cathy dabei anzusehen. "Jetzt begreife ich, daß sie mehr zu... besprechen hatten. Kein Wunder, daß Sie ihn so oft besucht haben, Cathy." Mit einem süffisanten Gesichtsausdruck verließ er den Raum. Cathy konnte die veränderte Atmosphäre förmlich spüren. Die vertrauliche Stimmung war plötzlich verflogen. Ihr letzter Hoffnungsschimmer zerplatzte wie ein Luftballon, als sie sich umwandte und in das kalkweiße Gesicht ihres Mannes blickte. Seine Augen funkelten in kaltem Blau. Robert blieb länger als erwartet in der Klinik, weil er unter der Aufsicht seiner Ärzte und Physiotherapeuten in sein Regenerationsprogramm eingewiesen werden mußte. Nach diesen Behandlungen war er stets erschöpft und fiel nach der Rückkehr in sein Zimmer meistens in tiefen Schlaf.
Cathy hatte den Eindruck, daß ihre Beziehung immer gespannter wurde. Sie hatte versucht, mit ihm über Rod Ardmore zu reden, daß er ihr geholfen hatte, ihre Probleme zu überwinden. Aber sie brachte es nicht fertig, Robert zu gestehen, wie einsam sie sich vor und nach seinem Unfall gefühlt hatte. Wie sehr sie einen Freund gebraucht hatte und ein wenig Ablenkung, um ihren gesunden Menschenverstand zu bewahren. Sie hatte das Studium der Archäologie auf Ardmores Rat hin aufgenommen, nachdem sie sich über ihre Studienzeit unterhalten hatten. "Mit deiner wissenschaftlichen Bildung würden dir die Vorlesungen bestimmt gefallen, die ich zur Zeit höre", hatte er ihr eines Tages erzählt. "Warum kommst du nicht einmal mit?" Die Kurse waren für Cathy dann zum Lebensinhalt geworden. Dadurch hatte sie erst wieder zu einem normalen Leben zurückgefunden. Sie riß sich aus ihren Gedanken und blickte auf ihren schlafenden Mann. Im Schlaf sah er wie ein kleiner Junge aus. All die harten Linien waren geglättet, die sich wegen der erlittenen Schmerzen um seinen Mund herum eingegraben hatten. Und vielleicht auch wegen seines Ärgers über Cathy. Sie sah ihn an und versuchte, sich dieses Bild einzuprägen, für den Fall, daß sie eines Tages gezwungen werden' sollte, sich von ihm zu trennen. "Du hast nie gewußt, wie sehr ich dich liebe, nicht wahr, Robert? Für dich war ich immer nur das kleine Schulmädchen, das du zufällig geheiratet hast. Aber das war ich schön damals, vor zwölf Jahren, nicht mehr! Ich habe dich geliebt." Sie hatte leise vor sich hin gesprochen und sah ihn jetzt besorgt an, weil sie ihn vielleicht geweckt hatte. Aber der tiefe Schlaf hielt ihn noch immer gefangen. Ihrem aufmerksamen Blick war nicht entgangen, daß er trotz der anstrengenden und oft schmerzhaften Therapie zugenommen hatte. Robert war ein Kämpfer, das hatte sie schon immer
gewußt. Daß sie selbst auch kämpfen konnte, das hatte sie erst nach seinem Unfall erfahren. Jetzt spürte sie den langen Tag im Senat in ihrem müden Körper. Sie wollte jedoch nicht einschlafen, da sie nur wenig Zeit mit Robert verbringen konnte. Aber vielleicht konnte sie eine Minute die Augen schließen, dann würde sie frisch und munter sein, wenn er aufwachte. Nachdem sie in einen leichten Halbschlaf verfallen war, kamen ihre Erinnerungen an alte Zeiten zurück. Sie war Cathleen Dyan Nesbitt, achtzehn Jahre alt und Studentin im ersten Semester in Cornell. Und sie war verliebt in Todd Leacock, einen zweiundzwanzigjährigen Kommilitonen. Zumindest hatte sie geglaubt, verliebt zu sein, bis sie eines Tages in das Zimmer ihrer besten Freundin gestürmt war und Todd dort mit Marina im Bett überrascht hatte. Er hatte sie nur ausgelacht und ihr geraten, endlich erwachsen zu werden. Kleine schockierte Jungfrauen seien nicht mehr in Mode. Stumm hatte sie den Raum verlassen und war wie in Trance über den Campus gewandelt bis zu dem Haus, das sie mit ihrem Vater bewohnte, einem Professor der politischen Wissenschaften. Sie hatte Stimmen im Wohnzimmer gehört, war aber in ihr Zimmer hinaufgegangen und hatte sich weinend aufs Bett geworfen. "Du wirst daran nicht sterben, Cathy", hatte sie sich selbst immer wieder gesagt. "Es fühlt sich nur so an, als würde man daran sterben." Sie hatte den Kopf ins Kissen gegraben. So hatte sie nicht gehört, daß die Zimmertür geöffnet wurde. "Ihr Vater meinte, Sie seien nach Hause gekommen. Und da die Haushälterin zum Einkaufen ist, bat er mich, hinaufzugehen, um Sie zu holen." Seine Baritonstimme war rauh wie Sandpapier und ließ einen starken Raucher vermuten. "Soll ich ihm ausrichten, daß Sie eine Weile in Ihrem Zimmer bleiben möchten?"
Cathy drehte sich um und setzte sich auf. Sie wollte ihm sagen, daß sie bis zum Essen in ihrem Zimmer bleiben wolle, aber die Tränen erstickten ihre Stimme. Sie konnte von dem Mann auch nur vage Umrisse erkennen. Dann spürte sie an der Bewegung des Bettes, daß er sich neben sie gesetzt hatte. Er war ein großer Mann. Instinktiv machte sie ihm Platz. "Weinen Sie doch nicht. So schlimm kann es ja nicht sein. Haben Sie eine schlechte Note bekommen? Das ist mir auch schon passiert. Oft sogar, aber ich habe es überlebt. Sie werden es auch überleben." Sie hatte keine Ahnung, wie es dazu gekommen war, aber plötzlich wurde sie an einen seidenweichen Anzug gedrückt, der nach einem würzigen Rasierwasser duftete. "Es sind nicht meine Noten", schluchzte sie. "Es ist mein Freund Todd. Ich dachte, er liebe mich. Jedenfalls hat er das gesagt." Sie hob den Kopf. "Kein Wunder, daß er immer mit mir schlafen wollte, er brauchte nur einen weiteren Skalp an seinem Totempfahl. Und da er meinen nicht bekam, nahm er den meiner Freundin." Ihre Augen glitzerten wie Amethyste, als sie zu dem Mann aufsah. "Sie haben ihn mit einer anderen Frau überrascht." Er drückte ihren Kopf wieder an seine Brust. "Das tun Männer manchmal. Frauen auch. Aber nicht jeder Mann, der Ihnen begegnen wird, ist so." "Würden Sie so sein?" Cathy nahm das Taschentuch, das er ihr reichte, und wischte sich die Augen. "Ich werde es waschen und Ihnen zurückschicken." Sie schob das Tuch in den Ärmel ihres Pullis. "Danke, das ist nicht nötig. Sie können es ruhig behalten." Er lächelte sie an. "Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet." Sie versuchte, sich aufzurichten, aber er hielt sie an seinen Körper gedrückt. "Nein, habe ich nicht. Ich wollte sie überhören, weil ich die Antwort nicht weiß."
Bei der Erinnerung an jene Szene verkrampfte sich Cathy jedesmal innerlich. Robert hatte sie schon damals gewarnt, und sie hatte diese Warnung nicht beachtet. Mit welchem Recht konnte sie ihm jetzt die Partys verübeln, zu denen er allein ging? "Ich glaube schon, daß ich einer Frau treu sein könnte, die ich liebe und respektiere. Aber ich weiß es nicht." Er lachte sie herausfordernd an und gab ihr einen kleinen Stups auf die Nase. "Hätte ich ein Mädchen wie Sie, würde ich nicht riskieren, es zu verlieren. Andererseits bin ich aber alt genug, um meine Erfahrungen mit Frauen zu haben. Und ich möchte nicht darauf verzichten." Er sah sie forschend an. "Habe ich Sie jetzt schockiert, mein Engel?" "Nein. Wie alt sind Sie?" "Neunundzwanzig." Cathy nickte. "Und was machen Sie? Waren Sie hier an der Uni und haben bei meinem Vater studiert?" "Richtig. Dann war ich eine Zeit in der Armee. Danach habe ich in Washington studiert und bin jetzt Kongreßabgeordneter." "Oh, gefällt Ihnen das?" "Sehr gut! Ich werde sogar für den Senat kandidieren." "Wirklich? Dann werde ich Ihnen bei Ihrer Kampagne helfen." Cathy wischte sich die letzten Tränen aus dem Gesicht. "Das würde mir Spaß machen. Mein Hauptfach ist nämlich politische Wissenschaft, das Fach meines Vaters. Vielleicht könnte ich Ihnen nützlich sein." "Vielleicht könnten Sie mir zuerst behilflich sein, eine Frau zu finden. Meine Berater sagen, eine Ehefrau mache einen guten Eindruck." "Okay, das kann ich für Sie versuchen." Cathy mußte lachen. "Sie meinen, meine Frau zu werden? " Er beugte sich zu ihr hinunter und strich ihr mit einem Finger über die Wange. Sie versuchte cool zu bleiben. "Natürlich, falls Sie das wollen. Ich kann sehr damenhaft sein, wenn ich will." Sie
versuchte, seinem Blick standzuhalten, aber ihr Herz begann heftig zu schlagen, und sie mußte den Blick senken. "Ich sage Ihnen, was wir tun werden. Wir werden hinuntergehen und mit Ihrem Vater essen. Dann werden wir uns ein bißchen unterhalten. Aber lassen Sie uns noch einen Moment hierbleiben. Ich möchte Sie ein wenig kennenlernen, kleine Lady." Dann hatten sie sich lange unterhalten. Das Gespräch war unbemerkt von einem Thema zum anderen gewechselt, wie bei alten Bekannten. Zum Schluß erzählte Robert, wie ungeschickt er sich anfangs als Kongreßmann benommen habe. Sie amüsierten sich beide köstlich darüber, dann beugte, er sich zu ihr und nahm ihre Hand. "Wir sind schon eine ganze Weile hier oben, und Ihr Vater fragt sich sicher, was mich so lange aufhält." Er lächelte sie an. "Es macht Spaß, sich mit Ihnen zu unterhalten." "Danke." Cathy lächelte zurück. Plötzlich fühlte sie sich irgendwie sehr stark. Robert blickte auf ihre kleine Hand hinunter, die in seiner fast verschwand. Sein Ausdruck wurde ernst. "Ihre Herbstferien beginnen bald, richtig? Vielleicht hätten Sie und Ihr Vater Lust, mit mir nach Santo Thomas Island zu fahren. Ich habe dort ein Haus, in dem ich mich nach der Wahl ausruhen werde. Möchten Sie nicht auch Ihre Ferien dort verbringen?" "Ja", erwiderte Cathy spontan. Dann nahm sie ihn bei der Hand und führte ihn nach unten. Das Essen war sehr unterhaltsam gewesen. Cathy hatte nicht erwartet, daß sich Robert an der Uni so gut auskannte. Immer wenn sie von einem der Streiche berichtete, die sie mit ihren Kommilitonen ausgeheckt hatte, bot er ihnen eine viel aufregendere Geschichte, die er seinerzeit mit seinen Freunden vollbracht hatte. Sogar ihr zerstreuter Vater mußte, darüber lachen.
Nach dem Essen waren sie spazierengegangen und erst gegen Mitternacht zurückgekehrt. Cathy war es vorgekommen, als hätte sie den Kongreßabgeordneten Robert Densmore schon immer gekannt. Im dunklen Wohnzimmer des alten Hauses hatte Cathy zum Lichtschalter gegriffen. "Nein, schalten Sie es nicht an! Die Glut im Kamin gibt genug Licht." Dann hatte er sie auf seinen Schoß gezoge n. "Du bist so zart und viel zu jung", hatte er an ihrem Hals geflüstert. "Ich weiß nicht, was mit mir los ist." Seine Hände wanderten verführerisch über ihre Schultern und Brüste. "Streichelt Todd dich auch so?" fragte er und drückte sie nach hinten in die Polster. "Manchmal." Cathy verriet ihm nicht, daß Todd ihr niemals das Gefühl gegeben hatte, ihr Körper würde glühen. "Laß es nicht zu." Sein Griff wurde hart. "Ich muß morgen früh gehen, bevor du aufstehst, Cathy. Und wenn du klug bist, schickst du mich jetzt in mein Zimmer." Seine Hände glitten unter ihren Pulli. "Himmel! Du solltest einen BH tragen, aber ich bin froh, daß du keinen anhast." Als er den Pullover nach oben schob und sich seine Lippen auf die harten Knospen legten, stöhnte Cathy auf. Ihr Körper reagierte wild auf seine Liebkosungen. "Ruhig, Darling", flüsterte er heiser. "Sonst verliere ich die Kontrolle." "Das ist mir egal", hauchte Cathy und zog ihn an sich. Sie wollte ihm gehören. "Cathy..." Sein Mund preßte sich hart auf ihren. Seine Hände streichelten sie, erregten sie, setzten sie in Brand. Als Robert plötzlich aufsprang, blieb sie regungslos im Sessel liegen und sah entgeistert zu, wie er ihren Pullover herunterzog. Seine Hände zitterten dabei. "Geh jetzt sofort ins Bett", stieß er rauh hervor. "Ich rufe dich an."
"Robert!" "Cathy, du gehst jetzt ins Bett." Sie hatte ihren Wecker gestellt, damit sie ihn in der Frühe noch sehen konnte. Aber als sie um sechs Uhr die Treppe hinuntergestürmt war, war er schon gegangen. "Heute findet eine entscheidende Wahl im Repräsentantenhaus statt", informierte ihr Vater sie in seiner ruhigen Art, während die Haushälterin den Kaffee einschenkte. "Robert ist ein guter Mann. Er war auch ein guter Student." Professor Nesbitt schlürfte seinen Kaffee. "Ah, das ist gut. Er müßte eigentlich nicht so viel arbeiten, aber er tut es." "Sind die Densmores reich, Vater?" "Ja. Roberts Vater ist im Bankgeschäft. Der alte Emmett Densmore ist ein seltsamer und strenger Mann. Er regiert seine Familie und seine Geschäfte mit eiserner Hand. Robert hat zwei Schwestern und Zwillingsbrüder. Er ist der älteste." Cathy traute sich nicht, ihren Vater noch weiter über Robert auszufragen. Er war zwar etwas zerstreut, aber er war kein Dummkopf, und er sollte nicht merken, welche Wirkung der Kongreßmann auf sie ausgeübt hatte. Nach einer Woche wurde Cathy klar, daß Robert nicht anrufen würde. Sie stürzte sich in ihre Arbeit und versuchte, auf diese Weise seine blauen Augen und sein dunkles Haar zu vergessen. Eines Nachmittags ging sie mit gesenktem Kopf über das Schulgelände. Um sie herum fielen die welken Blätter von den Bäumen. Plötzlich wurde sie am Arm festgehalten. Sie drehte sich um und hätte dabei fast ihre Bücher fallen lassen. "Hallo, Cathy." Robert griff nach den Büchern und klemmte sie sich unter den Arm. Mit dem anderen hakte er Cathy unter. "Ob wir hier noch eine Tasse Kaffee bekommen?" fragte er und schob sie durch die Tür der Cafeteria.
Das laute Geschrei und das Lachen um sie herum bemerkte Cathy kaum, als sich Robert mit einer Tasse in der Hand zu ihr an den Tisch setzte. "Was machen Sie hier?" fragte sie ihn. Dann nahm sie einen großen Schluck Kaffee und verschluckte sich prompt daran. "Hast du mich vermißt?" fragte er mit einem schiefen Grinsen. "Ich habe dich vermißt. Leider kann ich nur ein paar Minuten bleiben, dann muß ich wieder zu meinen Wählern." Er warf einen Blick auf seine goldene Armbanduhr. "Das Flugzeug wartet schon auf mich." Dann sah er ihr in die Augen und griff nach ihrer Hand. "Kleine Lady, du hast mir gefehlt. Ich habe schon alles arrangiert, daß du und dein Vater nach der Wahl mit mir nach Santo Thomas kommt. Du wirst also entweder mit mir trauern oder feiern müssen." "Du wirst gewinnen, ich weiß es." Als er ihr beim Hinausgehen ihre Daunenweste um die Schultern legte, drückte er Cathy kurz an sich. Einige Leute sprachen mit Cathy, und sie antwortete ihnen auch, aber später hätte sie nicht sagen können, wer es gewesen war. Draußen pfiff der Herbstwind um sie herum, und Robert nahm sie In die Arme. Am Straßenrand sah sie seinen Mercedes mit dem Chauffeur am Steuer warten. Er schob sie zum Wagen und half ihr hinein. Dann nannte er dem Fahrer ihre Adresse. Er legte den Arm um ihre Schultern und küßte sie. Sie wehrte sich nicht. Ihre geöffneten Lippen hießen ihn willkommen, als hätte sie ihr ganzes Leben nur auf ihn gewartet. "O Lord! Cathy, hast du inzwischen geübt?" Seine Stimme klang wieder rauh. Sie schüttelte den Kopf. "Bei dir kommt das ganz von allein." "Hoffentlich nur bei mir", murmelte er und öffnete ihre Weste. "Wenn diese Wahl nur nicht wäre."
Der Wagen hielt, und Robert sah Cathy lange an. "Wir werden uns bis Thomas Island nicht mehr sehen können. Vergiß mich nicht." Erneut schüttelte sie den Kopf und stieg aus. Ein kurzer heftiger Abschiedskuß, dann brauste Robert davon. An diesem Abend rief Todd sie an. "Wie wäre es mit einem Glas Bier im Klub?" Cathy zögerte keine Sekunde. "Ich habe zu tun." "Ach, wohl mit dem alten Burschen, mit dem ich dich heute Nachmittag gesehen habe?" "Laß mich doch in Ruhe!" Sie knallte den Hörer auf den Apparat. Robert hatte die Wahl gewonnen. Es war zwar kein Erdrutschsieg, aber immerhin eine große Mehrheit. Nach der erwartungsvollen Fahrt nach New York hatte Cathy zunächst die enttäuschende Nachricht bekommen, daß sich Robert erst etwas später in Santo Thomas zu ihnen gesellen würde. Sie sollten zunächst allein hinfahren. Ihr erster Tag dort war ein Tag wie im Paradies. Der Strand war strahlend weiß, die See blau. Es war eine private Insel, und Roberts Haus schien das einzige zu sein. Während ihr Vater las, ging sie schwimmen, obwohl sie sehnsüchtig Roberts Ankunft erwartete. Bei seinem Eintreffen am nächsten Tag war Cathy völlig verunsichert und wünschte sich, nicht hergekommen zu sein. Sie wagte kaum, ihn anzusehen. Robert hatte einen Mann mitgebracht, den er als Bruno Trabold vorstellte, den Assistenten seines Vaters, der ihm bei der Wahl unschätzbare Dienste geleistet hatte. Robert klopfte ihm freundschaftlich auf den Rücken, während sich Bruno ungeniert in Cathys Anb lick vertieft hatte, die einen rosa Bikini trug.
Dann hatte Robert sie an die Hand genommen und sie hinter sich her nach oben in sein Schlafzimmer gezogen. "Bevor sich dein Gewissen regt, weil du hier mit mir allein bist, will ich dir verraten, daß ich mich nur duschen und umziehen will. Du sollst lediglich in meiner Nähe auf mich warten." Bevor er ins Badezimmer ging, zog er sie in die Arme. "Du hast mir gefehlt, Engelchen." "Herzlichen Glückwunsch", brachte Cathy nur hervor, obwohl sich ihr Unbehagen in seinen Armen allmählich verflüchtigte. "Ich bin gern bei dir. Du hast mir auch gefehlt." Robert setzte sie auf das Bett und streckte sich neben ihr aus. "Mir kommt es ganz selbstverständlich vor, hier mit dir zu liegen." Seine Stimme war ganz dicht an ihrem Ohr, dann näherten sich seine Lippen ihrem Mund. "Küß mich, Cathy!" Ihre Lippen blühten auf unter seinem Kuß, sie klammerte sich an ihn. Ihr Körper wand sich unter seinen Händen, die sich unter ihr Bikini-Oberteil schoben. Auf einmal rollte er sich von ihr weg und setzte sich auf. Sein Atem ging heftig. "Ich muß jetzt duschen. Rühr dich nicht vom Fleck!" "Robert." Cathy streckte ihm die Arme entgegen. "Nein." Er ging zum Badezimmer und drehte sich erst an der Tür zu ihr um. "Warte hier auf mich, Cathy. Ich brauche keine zehn Minuten. Ich möchte dich etwas fragen, aber so kann ich mich nicht konzentrieren." Sein Lächeln wirkte kühl, aber der Blick, den er über ihren Körper gleiten ließ, keineswegs. "Das war ein neuer Rekord im Duschen", rief Cathy lachend, als er ein paar Minuten später wieder erschien. Er trug eine Trainingshose und ein weiches Hemd und frottierte sich das Haar. "Du hast schönes Haar, die Sonne glitzert darin." Er beugte sich zu ihr hinunter und rieb seine Nase an ihrer Wange. "Ich hatte Angst, du würdest wieder hinuntergehen, wenn ich mich nicht beeilt hätte. Und ich habe dir etwas zu sagen."
Cathys Herz begann zu pochen. Seine. Augen waren so nahe, daß sie die feinen goldenen Punkte in der Iris sehen konnte. "Was ist es?" "Heirate mich!" Sein Mund verhinderte eine Antwort. Seine Zunge spielte auf ihren Lippen. "Heirate mich, Enge lchen. Ich brauche dich." Er drückte sie unter sich in die Kissen. "Du bist zu jung, das ist mir klar. Aber ich kann nicht auf dich warten, ich will dich jetzt." Sie zog ihn auf sich herab, ihr Körper glühte. Es war wie im Traum. Sie hatte so oft über ihr erstes Gespräch nachgedacht, daß sie jetzt wirklich zu träumen glaubte. Damals hatte er nur gescherzt, als er gefragt hatte, ob sie seine Frau werden wolle. War es jetzt auch ein Scherz? "Meinst du das ernst?" fragte sie. Robert richtete sich auf. Seine Wangenmuskeln arbeiteten. "O ja, es ist mein Ernst. Bin ich zu alt für dich?" "Nein, Robert, du bist genau richtig für mich. Ich liebe dich." Er sah sie nur einen Mome nt lang mit seinen kobaltblauen Augen an. "Eines Tages wirst du vielleicht deine Meinung ändern, Cathy. Du bist eigentlich noch viel zu jung, um die Frau eines Politikers zu werden. Du solltest zu Studentenpartys oder in Discos gehen, aber ich kann einfach nicht von dir lassen. Hoffentlich wirst du mich später nicht dafür hassen und mich deshalb eines Tages verlassen." "Ich werde dich niemals verlassen. Willst du mich nicht küssen?" Sie lachte ihn an und hatte das Gefühl über Wolkenkratzer springen zu könne n. Sein Kuß war zuerst zart, aber als ihr Körper sich unter ihm leidenschaftlich bewegte, wurde er heftiger. Seine Hände erforschten jeden Zentimeter ihrer Haut. Cathy fühlte die Anspannung in seinem Körper, als er sich zu beherrschen versuchte. Sie hatte dagegen keinerlei Hemmungen und ließ es ihn spüren. Es gab ihr ein Gefühl der Macht, als er sich ah sie drängte, und sie seinen Widerstand erlahmen fühlte.
"Hey, Robert, sind Sie hier? Ich glaube, der Professor macht sich Sorgen wegen seiner Tochter." Robert sah sie an, dann blickte er um sich, als wäre er soeben aus dem Meer der Leidenschaft aufgetaucht. "Okay, Bruno. Wir kommen." Er holte tief Luft und sah sie wieder an. Mit einer Hand strich er die feuchten Locken aus ihrer Stirn zurück. "Vom Klopfen an der Tür gerettet", sagte er leichthin. "Es ist gut, daß Bruno gerade in diesem Moment kam. Sonst hätte ich dich jetzt und hier genommen." "Und ich denke, Bruno ist ein aufdringlicher Mensch. Er sollte sich lieber um seihe eigenen Angelegenheiten kümmern." Robert lachte und hob ihre Hand an seine Lippen. "Laß uns hinuntergehen und deinem Vater sagen, daß wir keine lange Verlobungszeit wollen. Ich kann und will nicht lange warten." "Ich auch nicht", sagte Cathy leise und zog sich die Träger des Bikinis zurecht. Sie gingen in die Halle hinunter. "Hast du nicht etwas zum Überziehen? Ich möchte nicht einmal, daß dein Vater dich in diesem rosa Bikini sieht." Ihr Lachen klang durch das Haus. Sie freute sich über seine Eifersucht. Bevor sie zu ihrem Vater ins Wohnzimmer gingen, legte sie sich ihre rosa Strandjacke um. "Ganz zufrieden bin ich ja nicht, denn deine langen Beine sind aufregend, und sie sind zu sehen. Aber es ist schon besser als vorher." Er küßte sie hoch einmal zärtlich. Sie legte die Arme um seinen Hals, drängte sich an ihn und ließ ihre Zunge spielen. "Cathy, Engelchen, laß das!" stöhnte Robert. Er schob sie von sieh und hielt ihre Arme fest. "Sonst schleppe ich dich sofort wieder die Treppe hinauf." Er zog sie schnell weiter und öffnete die Tür zur Bibliothek. Bruno reichte dem Professor gerade einen Drink.
"Würden Sie uns ein paar Minuten allein lassen, Bruno?" Robert lächelte ihn freundlich an und wandte sich dann an Cathys Vater. "Professor Nesbitt, könnte ich Sie einen Moment sprechen?" Er drückte Cathys Hand, als sich ihr Vater die Brille auf der Nase zurechtrückte und die beiden prüfend ansah. "Ich habe Cathy gebeten, mich zu heiraten, und sie hat ja gesagt, Sir. Ich möchte Sie um Ihren Segen und um Zustimmung bitten." Für Cathy hatten seine Worte sehr förmlich geklungen. Ihr Vater erhob sich. "Cathy?" Er sah sie sehr lange und sehr ernst an. Sie löste ihre Hand aus Roberts und umarmte ihren Vater. "Ich liebe Robert und möchte ihn heiraten. Bitte sag, daß es dich freut." "Und was wird mit deinem Studium?" Ihr Vater drückte sie an sich und streichelte ihr Haar. "Ich habe darüber nachgedacht, Sir", meldete sich Robert. "Sie könnte ihr Studium in Georgetown oder in Washington fortsetzen. Sie hat nur noch zwei Jahre nach..." Er schwieg und sah ihren Vater an. Cathy bemerkte, daß sich eine leichte Rötung in seinem Gesicht ausbreitete. "Aha." Professor Nesbitts Ausdruck war nicht unfreundlich. "Ich sehe, daß Sie sich darüber Gedanken gemacht haben." "Es ist mir schwergefallen, an etwas anderes zu denken als an Cathy, seit ich sie getroffen habe." "Und Sie mußten sich sehr zusammenreißen, um die Wahl durchführen zu können", bemerkte er leicht ironisch und mit einem Seitenblick auf seine Tochter. "Ja, ich mußte mich auf die Wahl konzentrieren." Robert wirkte plötzlich verunsichert. "Bitte, Vater. Ich möchte ihn heiraten. Ohne Robert kann ich nicht glücklich werden", bettelte Cathy. Sie bemerkte nicht den traurigen Ausdruck in den Augen ihres Vaters.
"Ja, ich merke, daß du verliebt bist, mein Kind." Professor Nesbitt nahm seine Tochter in die Arme. "Ich möchte, daß du glücklich wirst."
3. KAPITEL Die Hochzeit sollte in kleinem Rahmen gefeiert werden. Robert und Cathy waren sich einig gewesen, nach der Zeremonie in der Cornell-Kapelle nur ein kleines Festessen mit den engsten Verwandten zu geben. Emmett Densmore war dagegen gewesen. Er hatte darauf gedrängt, die Trauung in der St.-Patricks-Kathedrale in New York stattfinden zu lassen. Aber Cathy hatte sich dagegen gesträubt, und ihr Vater mußte Emmett mitteilen, daß die Trauung in der Kapelle vollzogen werden würde. Robert hatte sich auf die Seite des Professors gestellt. Der alte Densmore war außer sich gewesen, als er sich um seine Pläne gebracht sah. Und er veranstaltete einen Empfang nach der offiziellen Trauung, zu dem er eine Menge Leute eingeladen hatte. "Mach dir keine Sorgen, Darling", hatte Robert Cathy zugeflüstert. "Wir werden früh verschwinden und kümmern uns gar nicht um sie." "Aber was ist mit meinem armen Vater?" Er reichte ihr ein Glas Champagner. "Wenn ich ihn richtig einschätze, wird er nach einer gewissen Zeit sowieso verschwinden und nach Hause gehen." Robert führte Cathy lachend zur Tanzfläche im Country Club, den Emmett Densmore gemietet hatte. Hierher hatte er alle Gäste geladen,
die nicht an dem kleinen Festmahl teilgenommen hatten, das von Cathys Vater gegeben worden war. Cathy hatte sich unter den vielen Menschen im Country Club etwas verloren gefühlt und war dankbar gewesen, daß Robert stets an ihrer Seite geblieben war. Er hatte keine Miene verzogen, als sie sich der riesigen Schlange von Gratulanten stellen mußten. Sein Vater hatte auf diesem förmlichen Empfang bestanden. "Es nützt nichts", waren seine Worte gewesen. "Als Politiker muß man sein Image pflegen." Ich setze voraus, daß das kleine Schulmädchen, das du zur Frau nimmst, weiß, was ein Politiker ist. Eine Frau wie Lee Terris hätte damit keine Probleme gehabt. Du bist ja lange genug mit ihr gegangen." Robert hatte Cathy an seiner Seite noch fester an sich gedrückt. "Cathy weiß sehr gut, wie ich lebe, und sie hat viel Verständnis dafür", erklärte er mit Bestimmtheit. "Und ich lasse sie von niemandem erniedrigen. Von niemandem, hast du mich verstanden?" Vater und Sohn hatten sich angesehen. Zwischen ihnen war eine Mauer entstanden. "Du mußt deine Frau nicht vor einem Densmore verteidigen, Junge. Sie ist ja jetzt selber eine." Emmetts Stimme hatte freundlich geklungen, aber seine Augen waren kalt wie Eis gewesen. Die Flitterwochen waren paradiesisch gewesen. Als Bruno eines abends anrief, teilte Robert mit, daß sie in drei Wochen von Santo Thomas zurückkehren würden und daß sie bis dahin nicht mehr gestört werden wollten. Danach hatten sie eine Flasche Champagner geöffnet und sich zwischen jedem Schluck geküßt. "Eigentlich habe ich schon immer auf dich gewartet, Cathy, mein Schatz." Er hatte ihr Haar gelöst, das sie in einem Knoten trug, weil sie damit erwachsener aussah. "Du darfst doch diesen Sonnenschein nicht zusammenschnüren." Dann hatte er ihr die Bluse von den Schultern gestreift.
Cathy hatte gelacht, sie fühlte sich nicht mehr unsicher, nur noch erregt. Sie war, wo sie hingehörte: in den Armen des Mannes, der sie liebte und den sie liebte. Ihre Hände machten sich ebenfalls auf die Suche. Sie öffnete sein Hemd und spielte im weichen Haar auf seiner Brust. "Cathy, Darling, ich will jeden Zentimeter deiner Haut küssen." Dabei versuchte er, den Reißverschluß ihres Rockes zu öffnen. "Du hast doch keine Angst, mein Engelchen?" "Nein, ich fühle mich wunderbar." Sie strich mit den Lippen über sein Kinn. Seine frisch rasierte Haut entzückte sie. "Hoffentlich wird es dir nichts ausmachen, drei Wochen im Bett zu verbringen", sagte Robert etwas undeutlich, da er mit den Lippen eine ihrer Knospen ergriffen hatte. Mit einer Hand streichelte er ihre andere Brust. "Wie hast du nur so schnell meine Kleider hinuntergekriegt?" fragte Cathy atemlos. "Ich habe schon in Gedanken geübt, seit ich dich zum ersten Mal gesehen habe", murmelte er aus dem Tal zwischen ihren festen Brüsten. Ihr Körper lag jetzt unverhüllt unter ihm. "Zieh mich aus, Liebes!" Sie tat es schnell, denn sie wollte Robert nahe sein, ihm gehören. Nichts und niemand würde sie jemals wieder trennen können. "Ich hätte nie gedacht, daß ein Mann einen so schönen Körper haben kann", hauchte sie und streichelte seine Schultern. Robert hob sie auf die Arme und trug sie die Treppe hinauf, immer zwei Stufen auf einmal nehmend. "Ich bin froh, daß dir mein Körper gefällt, denn ich liebe deinen." Er küßte sie. "Ich möchte, daß du immer bei mir bleibst, Cathy." "Ich werde dich nie verlassen, es sei denn, du schickst mich weg." Er schob sich über sie, und Cathy erwartete ihn sehnsüchtig. Der plötzliche Schmerz überraschte sie, aber bevor sie ihn richtig wahrgenommen hatte, war er in dem zärtlichen Rhythmus von Roberts Bewegungen untergegangen. Ihre Empfindungen setzten ihre Haut in Brand, sie klammerte sich an
ihn, und ihr Körper zerschmolz wie Lava. Wie aus der Ferne hörte sie sich seinen Namen rufen. "Darling, ich kann mich nicht länger zurückhalten", rief er. Aber sie hörte ihn nicht. Ekstatische Leidenschaft hatte auch sie ergriffen und führte sie zum Höhepunkt. So war es drei Wochen lang gewesen. Sie hatten sich geliebt, wo sie gerade zufällig waren. Am Strand, im Wohnzimmer, im Wasser. Es war idyllisch gewesen, ein Traum. Wo war dieser Traum geblieben? Was hatte sie entzweit? Es konnte nicht nur an den Anzüglichkeiten von Bruno und Emmett gelegen haben, obwohl diese sicher den Bruch in ihrer Ehe vergrößert hatten. Aber was war das wirkliche Gift gewesen, das ihre Ehe zerstört hatte? Cathy wachte wie aus einem Alptraum aus ihren Gedanken auf. Sie blickte in die eiskalten Augen ihres Mannes und bekam Angst. Nach etlichen Wochen intensiver Schulung und Therapie wurde Robert für fit genug befund en, nach Hause entlassen zu werden. Die physiologische Therapie sollte von dem Pfleger Trock fortgeführt werden. Er hatte schon kurz nach der Operation seine Stellung angetreten. Es hätte alles perfekt sein können, dachte Cathy, wenn Robert nicht immer noch diesen kalten Blick in den Augen hätte, sobald sie mit ihm allein war. Zu seiner Ehre mußte sie allerdings zugeben, daß er sie in Gegenwart anderer nett behandelte und sie sogar gegenüber seiner Familie in Schutz nahm. Cathy rechnete bereits mit der Sche idung, aber die Initiative dazu würde ganz sicher nicht von ihr ausgehen. Es tat besonders weh, daß all ihre Bemühungen, Robert wieder in ein normales Leben zurückzuholen, damit enden sollten, daß sie ihn verlor. Dieser brennende Schmerz schwelte eine Woche lang in ihr, nachdem Robert nach Hause gekommen war. Dann hatte sich der Schmerz in Ärger verwandelt. Zum Teufel damit! Ich werde
Robert nicht kampflos aufgeben! Und ich werde meine Gefühle nicht zur Schau stellen! Sie bemerkte Roberts Verwunderung über ihr neues Verhalten. Ihre entspannte Haltung bereitete ihm zunächst Kopfzerbrechen, aber dann schien er selbst befreit aufzuatmen. Er begann, sie genauso ungezwungen zu behandeln. Cathy spürte noch immer die Entfremdung zwischen ihnen, doch jetzt herrschte eine lockere Atmosphäre vor, in der jeder vorsichtig das Verständnis des anderen suchte. Die uneingeschränkte Unterstützung, die Robert ihr gegenüber seiner Familie gewährte, gab Cathy neuen Mut. Es war offensichtlich, daß sein Vater ihr die Verheimlichung der Operation noch nicht verziehen hatte. Emmett Densmore hatte ein gutes Gedächtnis. Er würde nie vergessen, daß Cathy ihn hintergangen hatte. Auch wenn sein Sohn gesund geworden war. Nachdem Robert schon einige Wochen aus dem Krankenhaus war und bereits mit zwei Krücken etwas laufen konnte, kam Emmett in seiner üblichen Art wie ein Wirbelsturm hereingeplatzt. Bruno hinter ihm her. Cathy sah gerade im Garten zu, wie Trock Robert in ein kompliziertes Trainingsgerät hineinhob, das hier für ihn aufgestellt worden war. Sie hatte keine Zeit mehr, sich zu entfernen. "Warum schafft ihr nicht endlich diesen gefährlichen Hund ab?" schimpfte Emmett los, als Graf, der braune Dobermann, knurrend aufgesprungen war. "Er könnte Robert verletzen." "Er liebt Robert." Emmett fixierte Cathy wütend. "Wie willst du das wissen?" zischte er. "Hast du jemals gewußt, was für meinen Sohn gut ist? Der Himmel allein weiß, daß du nicht die richtige Frau für ihn bist. Er braucht eine starke Frau wie Lee Terris, nicht so ein Sahnehäubchen wie dich." Er spuckte seine Worte aus, als hätte er Galle im Mund. Cathy wich das Blut aus dem Gesicht, aber sie beachtete Brunos Gelächter nicht. "Als Robert krank war",
erwiderte sie mit tonloser Stimme, "war ihm Grafs Gesellschaft sehr angenehm. Der Hund will ihn beschützen. Er ist nie weit weg von ihm." "Da ist noch etwas." Emmett biß das Ende seiner Zigarre ab und ließ sich von Bruno Feuer geben. "Dieser Pfleger. Trock. Was weißt du überhaupt über ihn? Wieso hast du ihn hier einziehen lassen? Ich traue ihm nicht über den Weg. Und ich kann ihm nicht vergessen, daß er mich und das ganze Klinikpersonal zum Narren gehalten hat, als er erzählte, mein Sohn sei zu einer speziellen Behandlung, während er in Wahrheit bereits unter dem Messer lag. Natürlich ha st du dir diese Geschichte ausgedacht." Er streckte den Kopf vor. "Das werde ich nicht vergessen, Cathy." Cathy zwang sich zur Ruhe und blickte zur Seite, wo Robert langsam, aber ohne Hilfe auf sie zukam. Er hatte sogar die Krücken weggeworfen und bewegte sich ohne Hilfe. Einige Schritte entfernt blieb Robert stehen, um Atem zu schöpfen. Sein Blick wanderte von Cathy zu seinem Vater. "Was hast du zu meiner Frau gesagt, Dad?" Seine Stimme klang beinahe wieder so voll wie vor dem Unfall. "Es gefällt mir nicht, daß sie jedesmal blaß wird, wenn du in der Nähe bist." Emmett zuckte zusammen. "Was erwartest du eigentlich von mir, nachdem sie mich so zum Narren gehalten hat? Du weißt doch, was sie getan hat." Ohne Cathy weiter zu beachten, ging er zu seinem Sohn und klopfte ihm auf den Rücken. Er ignorierte auch Trock, der neben Robert stand und den Hund festhielt. "Ja, ich weiß genau, was Cathy für mich getan hat. Sie hat mir das Leben gerettet. Und sie hat alles getan, um meine Wünsche zu erfüllen." Er blickte Cathy an. "Ich möchte nicht, daß sie in irgendeiner Weise gekränkt wird." Diese Warnung hatte er an ihrem Hochzeitstag schon einmal ausgesprochen.
"Sei kein Dummkopf, mein Sohn", sagte Emmett, als sich Robert hinsetzte und der Hund sofort neben ihm Platz nahm. "Gib diesen Hund weg. Laß ihn töten, er ist gefährlich." Robert streichelte das seidige Fell am kräftigen Hals des Tieres. "Das könnte ich nie tun. Er ist mein Freund." Robert lächelte, als der Hund seine Schnauze an seiner Hand rieb. "Cathy hat ihn in der Nähe unseres Sommerhauses gefunden. Er war halb verhungert." Der Dobermann wedelte mit dem Stummelschwanz, als wüßte er, von wem die Rede war. "Jetzt ist er eine richtige Schönheit geworden, findest du nicht?" Er sah seinen Vater an, der sich gerade eine n Liegestuhl herangezogen hatte. "Du hast etwas im Sinn, Dad. Was ist es?" "Da du dich jetzt wieder um deinen Beruf kümmerst und bald mit deiner Wahlkampagne beginnen wirst, möchte ich, daß du etwas für den Kernreaktor tust, an dem Greeley so interessiert ist." Er schnippte die Asche seiner Zigarre auf den gefliesten Terrassenboden. "Es tut mir leid, Dad, aber Cathy hat mir gezeigt, wie gefährlich das für die Umgebung wäre. Sie hat das Projekt ausführlich untersucht, und ich zweifele nicht an ihren Ergebnissen. Die Antwort ist also nein." "Wie bitte? " Emmett sprang auf und warf die Zigarre weg. "Ich habe Greeley gesagt, er könne mit deiner Unterstützung rechnen." "Dann sag ihm, daß du dich geirrt hast. Vor meinem Unfall war ich noch nicht unbedingt dagegen, aber da hatte ich noch keine Gelegenheit, mich mit den Fakten vertraut zu machen. Cathy hat das inzwischen getan. Neben der drohenden Gefahr hat sie mir auch die Auswirkungen auf die Natur, auf unseren Wild- und Fischbestand aufgezeigt. Ich werde das Projekt nicht befürworten." "Du wirst doch wohl nicht auf ein naseweises Mädchen hören, das keine Ahnung hat", ereiferte sich Emmett.
"Cathy ist eine dreißigjährige Frau, und sie hat viel für den Staat New York getan." Roberts Stimme klang sehr bestimmt. "Du willst dich also gegen diejenigen wenden, die dich gewählt haben?" schrie Emmett und brachte damit Graf auf die Beine. "Und du hältst mir diesen verdammten Hund vom Leibe, sonst bringe ich ein Gewehr mit und knalle ihn bei der nächsten Gelegenheit ab! Komm, Bruno, wir verschwinden hier, bevor ich mich gehen lasse." Die beiden waren schon fast hinter dem Haus verschwunden, als Robert ihnen nachrief: "Cathy gibt doch am Sonnabend ihre Grillparty. Ich hoffe, ihr seid dabei." "Ja, ich werde kommen, und sei es nur, um zu verhindern, daß deine intrigante Frau dich völlig beherrscht." Wütend stampfte Emmett zu seinem gelben Rolls-Royce, dessen Tür Bruno ihm aufhielt. "Sie sollten noch zwanzig Armbeugen machen, Senator", bemerkte Trock ungerührt und reichte Robert zwei Gewichte. "Ich habe für heute genug", wehrte Robert ab und gab dem Pfleger die Gewichte zurück. "Sie machen das noch", beharrte Trock. Er streichelte Grafs Hals. "Keine Ausreden!" rief Cathy lachend und schob Robert auf das Gymnastikgerät zu. "Trock wird doch nicht nachgeben, das weißt du ja." "Trock, wenn ich wieder stark genug bin, kette ich Sie an dieses Gerät hier und lasse sie daran verhungern." "In Ordnung, Senator. Aber jetzt gehen Sie wieder an die Arbeit." Ruhig wartete er, bis sich Robert in Bewegung setzte. Zufrieden sah Cathy zu, Wie er sich an dem Gestänge hochzog. Robert brauchte keinen Rollstuhl mehr, und manchmal verzichtete er sogar schon für eine Weile auf die Krücken. An den kommenden Sonnabend und an die vielen Leute dachte sie nur ungern. Sie sehnte sich nach der Einsamkeit ihres Sommerhauses. Die Menschen, die in dessen Umgebung lebten,
ließen sich von einem Senator nicht beeindrucken, und deshalb fühlte sich Cathy dort stets frei und ungezwungen. "Cathy?" Robert mußte lächeln, weil sie sofort aufsprang. "Ich wollte dich nicht stören, wollte dir nur sagen, daß mir bewußt ist, wie schwer du es mit meiner Familie hast. Und daß ich dich bewundere, wie du damit zurechtkommst." Trock reichte ihm ein Glas eisgekühlte Limonade. Robert nahm es mit dankbarem Lächeln entgegen und trank durstig. Er sah Cathy an und blickte in die Ferne. "Es muß für dich die Hölle gewesen sein, all die Zeit über. Du hast in meinem Büro hart gearbeitet und bist mich dennoch jeden Tag besuchen gekommen. Du hast nicht einen Tag ausgelassen." "Stopp! Sag nichts mehr, Robert! Ich wollte ..." "Ich muß es aussprechen, Cathy. Selbst wenn ich hundert Jahre alt werden würde, könnte ich dir nicht für alles danken, was du für mich getan hast." Er schwieg einen Augenblick. "Egal was aus uns beiden wird, ich werde nicht zulassen, daß irgendjemand, und das schließt auch meine Familie ein, dir weh tut. Du wirst nie wieder Grund haben, dich über mich als Ehemann zu beklagen." Er lächelte schwach. "Ich werde alles tun, um dich glücklich zu machen." Cathy sah ihn schweigend an und fragte sich, ob er wohl ahnte, daß sie über jene Partys in Durra Bescheid wußte. Am Sonnabend überraschte Robert Cathy damit, daß er sich anbot, sich um die Zubereitung der verschiedenen Würstchen zu kümmern, die sie extra aus Bochester hatten kommen lassen. "Ich freue mich schon auf die heißen Würstchen", rief Cathy. "Die anderen können ruhig die Steaks, die Rippchen und die Hähnchen essen, ich liebe die Würstchen." Sie lachte. "Einige unserer Gäste werden mit unserem Angebot heute nicht zufrieden sein. Hätte ich vielleicht nebenbei noch Beluga-Kaviar servieren lassen sollen?" Robert lachte nur, und beruhigt gab sie ihm eine Schürze. Sie reichte auch Trock eine, der gerade das Grillgut brachte. Sie sah
ihm in Gedanken versunken zu, wie er sich die Schürze umband, und dann zu den beiden Bars hinüberging, die man draußen aufgestellt hatte. "Cathy? Woran denkst du?" Robert hielt seine Schürze noch in der Hand und stellte sich vor sie. "Denkst du an deinen Vater?" Sie lächelte nur unbestimmt. "Ich weiß, der Professor fehlt dir. Du möchtest gern nach Hause fahren." Er beugte sich zu ihr hinab und hauchte einen Kuß auf ihre Lippen. "Als ich am Donnerstag mit ihm telefonierte, habe ich ihm gesagt, daß wir nach Hause kämen, sobald der Senat Ferien mache." Mit großen Augen sah sie ihn an. "Und wir bleiben nicht zu den Gesellschaften, die dein Vater arrangiert hat?" "Nein." Er lachte. "Ich denke, wir können zu Hause in unserem Wahlkreis mehr erreichen. Meine Berater sind der Meinung, wir sollten früh mit der Kampagne beginnen, weil Salters, mein Gegner, aufgeholt hat." Er strich sich über das Kinn. "Aber ich mache mir irgendwie keine Sorgen. Du hast gute Arbeit geleistet, Mrs. Densmore. Das haben die Untersuchungen ergeben. Ich habe dir noch gar nicht gesagt, wie sehr..." Bevor er ausreden konnte, ertönte eine schrille Stimme hinter Cathy. Ohne sich umzudrehen, wußte sie schon, daß es Lee Terris sein mußte, die Frau, die Robert hätte heiraten sollen. Statt dessen hatte Lee einen Senator aus Ohio geheiratet und war bereits wieder geschieden. Danach hatte sie wieder ihren Mädchennamen angenommen - und auch ihre aufreizende Art. "Aber, aber, Darling. Du vernachlässigst deine Gäste." Lee war groß und hatte ebenholzfarbenes Haar. Sie trug eine schwarze Hose und dazu passende Bluse, beides in leichtem Samt, und sie war eine sehr selbstbewußte Frau mit dem Gebaren, das man vor allem durch Reichtum erwirbt. Sie ergriff sofort Roberts Arm und grub ihm ihre langen Fingernägel in den
Nacken, als sie seinen Kopf zu sich herunterzog, um ihn zu küssen. Cathy ballte ihre Hände zu Fäusten. Aber anstatt wegzugehen, wie sie es früher bei ähnlichen Gelegenheiten getan hatte, verteidigte sie heute ihr Terrain. Sie sah den beiden zu und versuchte, ein gleichmütiges Gesicht zu machen. Als Robert endlich den Kopf hob, griff er nach Cathys Hand. "Ich glaube, du kennst meine Frau, Lee. Cathy, du erinnerst dich an Lee Terris?" Cathy nickte. "Ja, wir kennen uns. Wie geht es Ihnen?" Lee hing besitzergreifend an Roberts Arm, und als sie fortfuhr, Cathy zu ignorieren, fügte Cathy von obenherab hinzu: "Könnten Sie liebenswürdigerweise ein bißchen mehr Abstand von meinem Mann halten? Er muß von einem schweren Parfüm immer niesen." "Wirklich?" Lee sah Robert hingebungsvoll an. "Mein Duft hat ihn nie gestört." "Seit seinem Unfall hat sich sein Geschmack verfeinert." Cathy lächelte Lee honigsüß an und freute sich über deren bösen Ausdruck. Dann wandte sie sich an Robert. "Wollen wir die anderen Gäste begrüßen ge hen? Trock wird sich um das Feuer kümmern." Cathy war sich nicht sicher, ob sich in Roberts Geste eine Spur Ironie zeigte, als er sich vor Lee verbeugte und sich entschuldigte. "Mir scheint, dein Mäuschen hat gerade gebrüllt, Darling", rief Lee hinter den beiden her. "Sie möchte wohl ihre Aushilfsrolle in deinem Büro auf Dauer behalten." Obwohl Robert weiterdrängte, machte sich Cathy von seinem Griff frei und rief zurück: "Miß Terris, mein Mann ist der Senator von New York, und das wird er auch bleiben. Wir werden hart dafür kämpfen, und wir werden wieder gewinnen. Falls Sie noch weitere Fragen haben, die Sie mir stellen wollen, tun Sie es nur. Ich will sie Ihnen gern beantworten!" Dann nahm Cathy wieder Roberts Arm und ließ sich zu einer Gruppe von Gästen führen, die gerade aus dem Haus kamen.
4. KAPITEL Das Grillfest war ein voller Erfolg. Cathy freute sich besonders, daß so viele von Roberts Freunden aus der Regierung gekommen waren. Sie war überrascht, daß die meisten von ihnen und ihren Fraue n im Laufe des Abends zu ihr kamen, um mit ihr zu plaudern. Es war ein schönes Gefühl, zu spüren, daß man anerkannt wurde. "Ich fürchte, jetzt werden wir nicht mehr gemeinsam essen gehen", sagte Rod Ardmore hinter ihr. "Mir hat es immer Spaß gemacht." Er lachte, als sich Cathy zu ihm umdrehte und ihm die Hand reichte. "Ja, den Unterricht in politischer Strategie habe ich wohl nicht mehr nötig", bestätigte Cathy ihm ebenfalls lachend. "Sie war froh, daß er gekommen war. Er war ein guter Freund geworden. Mehr als einmal hatte er ihr bei einem Problem geholfen. "Schön, dich zu sehen, Rod. Wenigstens ein guter Freund in dieser Menge." Er ließ ihre Hand nicht sofort wieder los. "Ich bin dein Freund, Cathy. Und dein Bewunderer. Du hast dich für einen kranken Mann aufgeopfert." Er sah sie mit seinen dunklen Augen intensiv an. "Aber Robert ist wieder gesund, und du mußt an dein eigenes Leben denken. Du hast mir einmal erzählt, daß sich Robert hätte scheiden lassen, wenn der Unfall nicht passiert wäre." Er drückte ihr die Hand. "Nein, schau mich an, Cathy!
Ich habe nie davon gesprochen, solange Robert krank war. Du solltest nicht noch ein Problem zu lösen haben. Aber jetzt ist er gesund, und ich möchte, daß du in mir mehr siehst als nur einen guten Freund." "Ich hätte nie mit dir über Robert reden dürfen", sagte Cathy mit bitterem Selbstvorwurf. "Mit wem sollst du denn sonst reden? Mit seinem Vater vielleicht? Oder mit Bruno Trabold? Dein Vater war zu weit weg. Cathy, du hast mich gebraucht, und mir hat das gefallen. Jetzt brauche ich dich." "Rod, ich bin verheiratet. Und Robert ist noch nicht ganz gesund. Außerdem hat er nichts von einer Scheidung gesagt." "Dann warte nicht, bis er es tut, Cathy. Sag du es ihm", drängte Rod. Sie blickte zur Seite - begegnete dem Blick aus den stahlblauen Augen ihres Mannes. "Ich muß jetzt gehen, Rod. Ich habe Gäste." Sie entzog ihm ihre Hand, ging zu einer der Bars hinüber und ließ sich ein Glas Soda mit Zitrone geben. "Ja, ja. Unsere kleine Eisprinzessin scheint sich zu entwickeln", meinte Bruno Trabold neben ihr in spöttischem Ton. "Erst haben Sie den Senat so beeindruckt, daß man schon munkelt, Sie wollten selbst Senatorin werden, und jetzt scheinen Sie es mit einem neuen Mann versuchen zu wollen." Er prostete ihr zu. Aus seinem offene n Hemdkragen quoll eine dichte Matte schwarzer Brusthaare. "Sie sollten mich auch in Betracht ziehen, Cathy. Ich habe Sie schon immer sehr anziehend gefunden. Auch wenn der Alte das nicht tut." "Danke!" Cathy lächelte kühl und hakte ihren Zeigefinger in den Ausschnitt seines Hemdes. Amüsiert beobachtete sie den erstaunten Ausdruck in seinem Gesicht, als sie den Inhalt ihres Glases in seinen Ausschnitt leerte. "Weiterhin viel Spaß, Bruno", wünschte sie ihm nach seinem halblauten Fluch.
Ungerührt ging sie zu der anderen Bar hinüber und bestellte sich ein neues Glas Soda, das sie jetzt mit Genuß austrank. "Ich habe es beobachtet", Robert legte einen Arm um ihre Taille und lächelte einem Paar zu, das ihnen zuwinkte. "Warum hast du es getan?" Sie zuckte mit den Schultern. "Dieser Kerl hat sich mir angeboten. Er scheint zu glauben, ich befände mich auf Männerfang." "Und bist du es nicht?" Sein Griff um ihre Hüfte wurde fester. "Ich habe Rod Ardmore bei dir gesehen. Er ist in dich verliebt. Ich habe dir damals gesagt, daß ich dich gehen lassen würde, wenn du es möchtest." "Das hast du gesagt, stimmt." Cathy atmete tief ein, damit ihre Stimme nicht zitterte. "Vielleicht sollten wir uns jetzt aber erst mal um unsere Gäste kümmern und uns dieses Gespräch für später aufheben." Noch immer hielt er sie fest. "Bist du in ihn verliebt, Cathy?" Sein schmales Gesicht, noch blaß vom langen Krankenhausaufenthalt, wirkte wie aus Stein gemeißelt. Cathy wollte ihm eine kurze, abweisende Antwort geben, als sie jedoch zu ihm aufsah, erkannte sie die Erschöpfung in seinem Gesicht. "Du bist müde. Das alles heute war zuviel für dich." Sie schob einen Arm unter seinen. "Warum legst du dich nicht ein bißchen hin und ruhst dich aus?" "Kommst du mit mir?" Robert ließ seine Hand über ihren Körper gleiten und zog seine Frau eng an sich heran. "Wenn du es möchtest." "Ich möchte schon gern", sagte er mit einem dünnen Lächeln. "Verdammt höflich von dir, Cathy, hier herumzustehen und deine Gäste sich selbst zu überlassen", ließ sich Emmett vernehmen. Er kam über den Rasen auf sie zu und warf einen abfälligen Blick auf die verschränkten Hände der beiden. "Bruno sagt, du wärst so ungeschickt gewesen, ihm ein Glas Wasser über das Hemd zu gießen. Jetzt mußte er sich umziehen gehen."
Wütend biß er auf seine Zigarre, als er bemerkte, wie Robert seine Frau nur noch näher an sich zog. "Du kannst Bruno bestellen, daß ich, wenn ich ihn noch einmal in der Nähe meiner Frau erwische, ihm das Kinn einschlage." Roberts Stimme war gefährlich leise. "Was, zum Teufel, willst du damit sagen, Junge? Bruno läuft nicht hinter Weibern her." "Du solltest auf deine Wortwahl achten, Dad", erwiderte Robert in energischem Ton. "Wie?" Mit offenem Mund starrte Emmett seinen ältesten Sohn an. "Ich meinte das nicht persönlich. Sei nur nicht so empfindlich, mein Lieber!" "Gut, dann entschuldige dich bitte bei meiner Frau." "Ich? Na, gut. Ich entschuldige mich für das falsche Wort." Er zerbrach die Zigarre, ließ die Reste fallen, machte eine Wende und stampfte davon. "Du hättest ihn meinetwegen nicht so aufbringen sollen, Robert." So entschieden hatte er sie noch nie gegen seinen Vater verteidigt. Er hatte sie zwar schon in Schutz genommen, aber eine gewisse Ehrfurcht vor dem Vater hatte seinen Worten immer die Schärfe genommen. "Doch, das mußte sein." Robert drückte einen Kuß auf ihr Haar. "Mir ist nie bewußt geworden, daß er dich ständig angreift. Bis ich im Krankenhaus war. Kein Wunder, daß du versuchst, ihm aus dem Weg zu gehen." Er sah zu Trock hinüber, der ihm winkte. "Keine Zeit me hr für eine Ruhepause. Das Feuer ist fertig. Komm mit, Lady, du kannst mir zusehen." "Ich laß dich ein bißchen grillen, wenn du mir versprichst, daß du dich dabei auf einen Barhocker setzt." Robert lachte nur, und Cathy schob energisch das Kinn vor. "Ich meine es tatsächlich noch ernst, Robert. Du darfst dich nicht überanstrengen. Der Arzt sagt, du machtest gute Forschritte, aber du darfst dich nicht überschätzen."
"Mein Engelchen hat sich also in einen Tyrannen verwandelt?" Er nahm eine der Krücken, die sie ihm reichte. Die andere ließ er stehen. "In Ordnung, Chefin. Ich werde mich auf den Stuhl setzen, wenn du bei mir bleibst. Abgemacht?" "Abgemacht." Cathy lachte fröhlich und umarmte ihn. Das Grillen klappte hervorragend. Als Trock meinte, Robert habe genug getan, ernannte er sich selber zum Koch und verdrängte ihn vom Grill. "Dieser Mann ist genauso herrisch wie du", meinte Robert zu Cathy. Quer über den Rasen kam Graf auf sie zugelaufen. "Wie bist du denn herausgekommen, Junge?" Robert kraulte ihn zwischen den Ohren. Lächelnd sah er seine Frau an. "Ich weiß noch, wie du ihn angebracht hast. Jetzt sieht er nicht mehr wie ein verängstigtes Schoßhündchen aus." "Nein." Cathy beugte sich zu dem samtbraunen Hund hinunter. "Wäre ich an dem Tag nicht am Strand spazierengegangen, hätte er sicher nicht überlebt. Er konnte sich nicht aus dem kalten Wasser auf das glatte Eis hinaufziehen." "Wie?" fuhr Robert auf. "Du hast mir nicht gesagt, daß du seinetwegen auf das Eis hinausgegangen bist. Du hast doch gesagt, du habest ihn am Strand gefunden." "Ach ja, nein, das habe ich dir wohl nicht gesagt, aber ich war vorsichtig. Ich habe mir eine Leiter aus dem Bootshaus geholt und sie vor mir aufs Eis gelegt. Daran hat sich Graf dann hochgezogen. Er war sogar so klug, auf der Leiter stehenzubleiben. Ich habe, sie dann zu mir gezogen und bin auf dem Bauch zum Ufer gerobbt." Robert legte die Hände auf ihre Schultern. "Verdammt, Cathy, du hättest dort draußen sterben können! Du weißt doch, wie gefährlich dieser See ist, wenn das Eis schmilzt." Er schloß die Augen und stöhnte leise. "Wenn du eingebrochen wärst, hätte dich niemand gefunden. Du hättest sterben können. Du darfst nie wieder eine solche Dummheit machen."
Der Hund gab ein kurzes Winseln von sich, das sie beide auf ihn sehen ließ. "Keine Sorge, mein Junge. Ich tue deinem Frauchen nichts. Obwohl ich ihr gern den Po versohlen möchte." "Du bist noch nicht stark genug, Senator. Also paß auf, was du sagst. Es könnte sein, daß ich den Spieß umdrehe." "Du drohst mir?" meinte er und schob seine Hand in Cathys Ärmel, wo ihr Unterarm am empfindlichsten war. Sie hätte fast losgelacht, weil es so kitzelte. "Genau." Sie hob die Faust und hielt sie ihm unter die Nase. "Laß uns hineingehen. Wir machen einen Ringkampf. Wer die beiden besten Würfe macht, hat gewonnen." "Aber Cathy! Sie sollten Ihren Mann wirklich nicht vor so vielen Leuten zu verführen versuchen." Es war Lee Terris, auf deren Bemerkung Emmett und Bruno laut lachten. "Dann gehen Sie doch! Ich brauche keine Zuschauer für meine Verführungskünste." Cathy hätte ihr am liebsten ihre hochhackigen Schuhe auf den Kopf gehauen. Robert lachte über die drei betroffenen Gesichter. "Sei vorsichtig Lee! Sie bringt es fertig und schmeißt dich raus." Er nahm seine Frau am Arm. "Alle scheinen etwas zu essen zu haben. Komm, wir holen uns auch etwas." Sie ließen die anderen einfach stehen. Daß Robert nach dem Essen bei ihr blieb und sie sogar in seine Unterhaltung mit anderen Abgeordneten einbezog, erstaunte Cathy. Oft fragte er sie nach ihrer Meinung und hörte ihr dann aufmerksam zu. Dennoch wurden sie von Zeit zu Zeit getrennt, und dann erschien Rod Ardmore wieder an ihrer Seite. "Cathy, ich muß dir gratulieren, du läßt Robert heute richtig gut aussehen." "Er macht von selbst einen guten Eindruck. Die Leute vertrauen ihm, weil sie seine Stärke spüren."
"So spricht die Frau eines Politikers." Er sah sie mit unverhohlener Bewunderung an. "Wenn du einmal Probleme haben solltest, Cathy, ich bin immer für dich da." Er hob ihre Hand an die Lippen. In diesem Augenblick tauchte Robert hinter ihnen auf. "Sehr nett von Ihnen, daß Sie um meine Frau so besorgt sind, aber ich kann mich selbst um sie kümmern. Jetzt zum Beispiel." Hastig versuchte Cathy die Lage zu klären. "Rod hat mir sehr geholfen, Robert. Er hat mich auch mit einflußreichen Leuten bekannt gemacht." Nur mit Mühe hielt sie Roberts eiskaltem Blick stand. "Emmett und Bruno haben mich ständig kritisiert. Ohne Rods Hilfe hätte ich es nie geschafft. Ich habe schließlich noch nicht deine Erfahrung, Robert." "Stimmt", bestätigte er knapp. Dann sah er Rod an. "Meine Frau wird Ihre Unterstützung in Zukunft nicht mehr brauchen." Cathy holte tief Luft. "Robert, du hast nicht das Recht, mir meine Freunde zu verbieten. Ich würde mir nie anmaßen, das von dir zu verlangen. Also solltest du es auch nicht tun." "Ich verstehe", erklärte er. "Entschuldigt mich bitte!" Traurig blickte Cathy ihm nach. Sie waren vorher so glücklich gewesen und schienen sich näher gekommen zu sein. "Cathy, schau nicht so betrübt drein", meinte Rod. "So hat bestimmt noch niemand mit, Robert gesprochen, das sind die Densmores nicht gewohnt." Er trat näher an sie heran. "Cathy, hast du etwas?" "Was hast du gesagt?" Sie sah zu ihm auf. Seine Worte waren nur undeutlich in ihr Bewußtsein gedrungen. "Nein, nein, mir geht es gut. Mach dir um mich keine Sorgen." "Aber ich sorge mich um dich, Cathy", sagte er und wandte sich zum Gehen. "Dagegen kann ich nichts machen." Cathy reichte ihm die Hand. "Mach's gut, Rod. Nett, daß du gekommen bist." "Ruf mich an, wenn du mich brauchst. Versprich es mir."
"Okay, wann immer ich einen Freund brauche, rufe ich dich an." Allmählich gingen auch die anderen Gäste. Bis die letzten weg waren, hatte Cathy Robert über zwei Stunden lang nicht mehr gesehen. Zuletzt hatte er mit Bruno, Emmett und Lee Terris gesprochen, aber die drei waren gegangen, ohne sich von ihr zu verabschieden. Es wurde bereits dunkel, während Cathy noch den Abbau der Einrichtung überwachte. Als sie ins Haus ging, teilte Trock ihr mit, daß Robert in der Sauna sei. "Danke, Trock. Sagen Sie ihm von mir gute Nacht, und vergessen Sie nicht, ihm den Rücken zu massieren!" "Natürlich nicht." Sein Blick drückte aus, daß er so etwas nie vergessen würde. Sie legte die Hand auf seinen Arm. "Gute Nacht, Trock. Und danke für alles." Sie kam, in ein Badetuch gehüllt, aus dem Badezimmer und blieb erschrocken stehen. Auf ihrem Bett lag Robert, nur mit einem blauen Handtuch um die Hüften. "Hallo, ich denke, wir haben noch etwas zu erledigen." Seine Miene drückte Entschlossenheit aus, obwohl er lächelte. Cathy hielt ihr Badetuch wie einen Schild vor sich. "Du solltest schlafen gehen. Du brauchst Ruhe." "Du bist nicht mein Arzt", stellte er sachlich fest und schwang die Füße aus dem Bett. Noch schwankte Cathy zwischen Rückzug und Verteidigung, doch Robert war schon bei ihr und zog sie an sich. "Nein, bitte laß mich los!" rief sie in einer Mischung aus Ärger und dem Erwachen ihrer Sinnlichkeit. "Ich bin nicht deine Konkubine. Auch nicht deine Sklavin." Sie versuchte, sich seinem Griff zu entziehen. "Nein, das bist du nicht. Aber du bist meine Frau, und ich will meine Frau heute." Er drückte ihr die Arme an die Seite. "Also benimm dich."
"Nein, ich benehme mich, wie ich will! Wenn du eine Frau brauchst, dann kauf dir eine." Er warf sie aufs Bett und hielt sie mit der einen Hand unten, während er sich mit der anderen seines Handtuchs entledigte. Cathy hörte auf sich zu wehren, da sie an seinem Gesicht sah, welche Anstrengung ihn das kostete. "Du solltest ins Bett gehen, schließlich hattest du heute einen langen Tag", flüsterte sie, als er sich zu ihr legte. "Das habe ich doch bereits gesagt." Er legte den Kopf auf ihr loses Haar und ließ die Hände über ihren Körper gleiten. "Sag nicht, du wolltest mich heute nicht, Cathy. Ich bin todmüde, aber ich will dich lieben. Es ist so lange her." Er schloß die Augen. "Und wenn es die ganze Nacht dauert, ich werde dich dazu bringen, daß du mich willst." Sie vergaß alles um sich herum. Zärtlich strich sie über sein Gesicht und glättete die tiefen Furchen, die der Schmerz auf seinen Wangen hinterlassen hatte. "Ich glaube nicht, daß es so lange dauern wird", wisperte sie. Robert stöhnte leise und beugte sich über sie. Seine Zunge fuhr suchend über ihre Lippen. Cathy wurde zusehends unruhiger und drängte sich fester an ihn. Sein Körper war wie ein Teil ihrer selbst; und sie vergaß, daß es schon Monate her war, seit sie sich geliebt hätten. Sein Mund löste sich von ihrem und preßte sich auf Cathys flachen Bauch. "Ich kann mich nicht mehr beherrschen", stöhnte er. "Ich weiß nicht wie lange... O Cathy, Cathy..." Ihr Körper stand in Flammen. Lust und Verlangen wurden übermächtig in ihr. Sie spürte sein Bemühen, sich zurückzuhalten, um ihr Zeit zu lassen. Aber sie wurde ungeduldig. Merkte er denn nic ht, daß sie sich nach ihm sehnte? Mit ihren zärtlichen Händen schürte sie die Leidenschaft in seinem Körper. "Du... Cathy, ich kann nicht mehr warten." Er schob sich über sie, glücklich über ihre Reaktion. Seine Bewegungen wurden
heftiger und erregend. Ihre Vereinigung war überwältigend, und Cathy stieß kleine spitze Schreie der Lust aus. Robert murmelte etwas, doch Cathy konnte nichts verstehen. Sie war nur sicher, daß er sie nicht von sich lassen wollte. Fast augenblicklich war er eingeschlafen. Obwohl sie müde und erschöpft war, fand sie keinen Schlaf. Es gab so vieles zu überlegen, ein ganzes Leben zu planen. Robert und sie verzichteten seit langem auf jegliche Verhütungsmaßnahmen, seit dem fünften Jahr ihrer Ehe. Damals hatten sie eine Familie gründen wollen, und als nach einem Jahr kein Nachwuchs in Sicht war, waren sie beide zu ihren Ärzten gegangen. Es gab keinen erkennbaren Grund, aber Cathy wurde dennoch nicht schwanger. Sie gab sich oft dafür die Schuld und fragte sich, ob Robert wohl auch so darunter leide. In den folgenden Jahren hatten sie sich nur sehr unregelmäßig geliebt, und schließlich hatte Cathy es aufgegeben, ihre fruchtbaren Tage zu berechnen. Nach Roberts Unfall hatte sie schon gar nicht mehr an eine Schwangerschaft gedacht. Sie war vollauf mit ihm und den therapeutischen Maßnahmen sowie mit ihrer Arbeit im Senat beschäftigt gewesen. Jetzt schmiegte sie sich zärtlich an ihn. Was wäre, wenn sie jetzt empfangen haben sollte? Auf jeden Fall würde sie dieses kleine Wunder nicht als Druckmittel benutzen. Sollte er die Scheidung wollen, konnte er sie haben. Sie würde das Kind allein großziehen. Roberts Kind! Wie wunderbar das wäre! Mit einem seligen Lächeln auf den Lippen schloß sie die Augen. Am Morgen war Robert gegangen. Nur der Abdruck auf dem Kopfkissen bewies Cathy, daß alles nicht nur ein schöner Traum gewesen war. Beim Aufstehen spürte sie jene matte Zufriedenheit, die in der ersten Zeit ihrer Ehe etwas Alltägliches für sie gewesen war.
Sie sah auf die Uhr und beeilte sich, ins Badezimmer zu kommen. Unter der Dusche begann sie zu singen und verspürte plötzlich einen kalten Luftzug. Sie wischte sich das Shampoo aus den Augen, um zu sehen, was los war, da legte sich eine warme Hand auf ihren Rücken. "Eigentlich hättest du nach all meinen Lektionen wenigstens die richtige Tonart treffen können", lästerte Robert, während er sie mit einem großen Schwamm einseifte. "Ach, diese winzige Abweichung? Das werde ich schon noch hinkriegen." "Winzige Abweichung sagst du?" Er zog sie mit dem Rücken an sich und begann, ihre Vorderseite zu waschen. "Vor dem Tor wartet eine ganze Meute von Katzen, die glauben, ihre erste Stimme für das Konzert heute nacht gefunden zu haben." "Ein Katzenkonzert?" Sie versuchte, ihm den Schwamm aus der Hand zu reißen. Aber der Versuch, sich aus Roberts Umklammerung zu befreien, mißlang. "Du glaubst wohl, du könntest mich immer noch unterkriegen, was?" Er preßte seine Lippen auf ihren Mund. Cathy schnappte nach Luft und gab auf. "Du darfst mich nicht so festhalten, du bist noch viel zu schwach." "Merkst du eigentlich, was du für einen Unsinn redest?" fragte er und knabberte an ihrem Ohr. "Oder willst du mich überlisten? " "Vielleicht." Cathy biß ihn ins Kinn. "Willst du mich auffressen, du Katze?" "Vielleicht. Stört es dich etwa?" Er sah sie von oben bis unten forschend an. "Nein, mich stört überhaupt nichts." Cathy empfand eine Art Triumph, weil er vom Liebesspiel genauso erregt war wie sie. Vielleicht würde sie ihn nicht für immer halten können, aber solange es möglich war, wollte sie jede Gelegenheit nutzen, sich von ihm lieben zu lassen.
Robert öffnete die Duschtür und griff nach einem Handtuch. Cathy verzog das Gesicht, als er sie losließ, um es sich um die Hüfte zu wickeln. Er lachte leise. "Du siehst jetzt aus wie ein Teenager, so jung." Er strich ihr mit einem Finger über die Lippen. "Schneide keine Grimassen, sonst nehme ic h dich hier auf dem Fußboden." "Willst du mir den ganzen Tag nur drohen?" "Nein!" stieß er hervor und riß sie in die Arme. "Wir gehen jetzt wieder ins Bett." Als sie zusammen auf das Bett sanken, meldete sich die Sprechanlage. "Der Teufel soll sie holen", brummte Robert, aber er nahm den Hörer ab. "Was? Wann? Sagen Sie Bruno, er solle sie hinhalten. Ich komme gleich." Er knallte den Hörer auf den Apparat. "Es war Sam Davis aus dem Büro. Offenbar hat dieser Greeley, der Freund meines Vaters, etwas gegen die Umweltschützer ausgeheckt." Robert lächelte bedauernd. "Ich muß an die Arbeit." "Ja, natürlich." Cathy rollte von ihm weg. "Möchtest du, daß ich mitkomme?" "Ja, ich hätte dich gern bei mir, aber noch lieber wäre ich hier mit dir zusammen." Er zog sie wieder an sich. "Sie können noch ein paar Minuten warten. Bruno macht das schon." Dann begann er, sich ausführlich mit ihrem Nabel zu beschäftigen. "Wenn ich mich einmal aus dem öffentlichen Leben zurückziehe, gehen wir beide auf eine einsame Insel." "Ich hätte nichts dagegen", erwiderte Cathy mit vor Erregung bebender Stimme. Dann gab es keine Worte mehr, nur noch Empfindungen und Gefühle, wie Wellen, die gegen den Strand branden. Danach mochte sich Cathy kaum von Robert lösen. Sie wollte nicht wieder in die Wirklichkeit zurückkehren, in der er anderen Leuten gehörte.
Er rollte sich an den Bettrand und setzte sich auf. Sein zufriedener Blick ruhte auf ihrem Körper. "Du warst schon zierlich, als ich dich geheiratet habe, aber jetzt bist du noch zierlicher." Er stand auf und zog sie hinter sich her ins Badezimmer. Sie wollte ihm sagen, wie sehr seine Aufmerksamkeit sie freute, aber dann ging sie ohne ein Wort in die Duschkabine. Der kräftige kühle Strahl erfrischte sie, ohne die Erinnerung an Roberts heiße Hände auf ihrer Haut zu nehmen. Als sie hinaustrat und sich das Badetuch umlegte, war er bereits rasiert. Sein bewundernder Blick ließ ihren Puls höher schlagen. "Von all deinen Kleidern steht dir dieses am besten", stellte er fest. Eilig verließ sie das Bad, denn noch ein Wort von Robert, und sie hätte das Handtuch fallen lassen und ihn wieder zum Bett gezogen. Aber sie wollte sich nicht so von ihm beherrschen lassen. Was sollte sie tun, wenn er sie nicht mehr wollte? Sie war schließlich kein kleines Mädchen mehr, sondern eine dreißigjährige Frau. Sie betrachtete sich im Spiegel. Mit ihrem Abstecher in die Politik hatte sie beachtlichen Erfolg erzielt, das hatte ihr auch Rod Ardmore bestätigt. Vielleicht konnte sie sogar selbst Senatorin werden? Warum machte sie sich nur solche Gedanken? Schließlich wollte sie ja einmal Archäologin werden, und dieser Weg war ihr immer noch offen. Sie nickte sich selbst im Spiegel zu, zufrieden mit ihren Argumenten. Dann suchte sie sich ihren hellen Seidenanzug und eine orchideenfarbene Bluse heraus. Die Schuhe waren champagnerfarben wie ihre Handtasche. Das lange Haar ließ sie frei auf die Schultern fallen. "Aha, so zieht sich also eine stellvertretende Senatorin an?" Robert stand in der Tür und hatte die Hände in die Hüften gestemmt. "Gefällt es dir?" fragte sie etwas atemlos.
"Sehr. Es ist die aufregendste Arbeitskleidung, die ich je gesehen habe." Er reichte ihr den Arm, um sie hinunterzuführen. Auf dem Weg zur Terrasse, wo eine leichte Mahlzeit für sie bereitstand, fragte Cathy, was im Senat eigentlich los sei. "Ein paar Repräsentanten der chemischen Industrie und die Atomleute wollen, daß ich mich aus der Diskussion über den Kernreaktor heraushalte. Ich soll zu all den Argumenten schweigen und die Anträge nicht mehr unterstützen, die meine Frau so mühsam erarbeitet hat." Er sah sie mit grimmigem Ausdruck an. "Sie haben Bruno Trabold auf ihrer Seite." "Und die Umwelt?" Cathy hatte selbst gespürt, welchem Druck man sich aussetzte, wenn man sich gegen die Industrie für die Natur einsetzte. Robert beugte sich vor. "Du weißt, Cathy, daß mein Gehör von dem Unfall nicht betroffen war. Ich habe dir sehr aufmerksam zugehört, als du über die, Dinge sprachst, die im Namen des Fortschritts in unserem Land geschehen. Ich habe sehr viel von dir gelernt." Der Ernst in seiner Stimme machte sie ein wenig verlegen. Es tat ihr wohl, ein Kompliment von ihm zu hören und zu wissen, daß er ihrer Meinung eine solche Bedeutung beimaß. Nun konnte sie sogar der Sitzung im Capitol ruhig entgegensehen.
5. KAPITEL Das Capitol glänzte im Sonnenlicht. Wie üblich säumten die Touristen die Stufen entlang der Constitution Avenue. Der Anblick begeisterte Cathy immer wieder. Robert schien ihre Gedanken erraten zu haben, denn er bat den Chauffeur, langsamer zu fahren. Die Leute blickten neugierig dem Wagen nach. Robert winkte einigen Kindern zu. Sie winkten zurück, und die Eltern beugten sich zu ihnen herunter und erklärten ihnen etwas. Robert ließ den Wagen anhalten. Cathy wußte, daß sich Robert besonders für Kinder interessierte. Es tat ihr weh, daß sie ganz am Anfang ihrer Ehe beschlossen hatten, vorläufig noch keine Kinder zu bekommen. Vielleicht hätte sie mit achtzehn Jahren leichter empfangen können. Und vielleicht wäre es mit Kindern nie zu dem Bruch zwischen ihnen gekommen. Mit unerschöpflicher Geduld beantwortete Robert die Fragen der Leute. Schließlich ging es weiter, und sie fuhren zum Hintereingang des Gebäudes. Mit dem Fahrstuhl fuhren sie zum Büro hinauf, in dem Cathy viele Monate lang gearbeitet hatte. Schon von draußen konnten sie Brunos Stimme hören. Als sie die Tür öffneten, kam er gleich mit erhobenen Armen auf sie zu. "Robert!" sagte er und beugte sich dann flüsternd zu ihm. "Du mußt etwas tun. Diese Jungs bedeuten für dich einen großen
Haufen Wahlzettel." Er Warf Cathy einen flüchtigen Blick zu, beachtete sie aber nicht weiter. Robert tauchte förmlich in der Gruppe von Männern unter. Er redete und lachte mit ihnen. Einen Moment lang dachte Cathy, er würde dem Druck der politischen Freunde seines Vaters nachgeben. Aber dann hörte sie Greeleys Stimme. "Hören Sie zu, Robert!' Sie sollten lieber nachgeben. Wenn ich meinen Leuten erzähle, daß sie nicht mitmachen..." Er breitete resigniert die Arme aus. "Dann werden Sie genug Stimmen verlieren und können sich einen anderen Job suchen." Die anderen pflichteten ihm bei. "Ich werde nicht zurückstecken", verkündete Robert. Er nahm sich gelassen eine bleistiftdünne Zigarre aus der Kiste. "Ich werde nicht die Gesundheit meiner Wähler aufs Spiel setzen, nur weil Sie einen billigen Weg suchen, Chemikalien zu produzieren, Gentleman. Meine Frau hat eine ausführliche Studie über das Thema ausgearbeitet, und ich bin gegen die Methoden, die Sie im Sinn haben." "Dann können Sie sich schon jetzt begraben lassen", drohte Greeley. Cathy trat an die Seite ihres Mannes. "Und die Frauen im Verein zum Schutz der Kinder werden über Sie einiges zu hören bekommen, Mr. Greeley. Wir werden durch das ganze Land ziehen und allen Müttern und Vätern erzählen, daß Sie Ihre Kinder umbringen wollen. Und zwar auf eine sehr tückische und schmerzhafte Weise." Sie sah ihn herausfordernd an. "Wir werden nicht zulassen, daß Leute wie Sie unser Land zerstören. Wenn Sie meinen Mann angreifen, dürfen Sie sich nicht wundern, daß wir zurückschlagen... und zwar hart!" Cathy brauchte alle Beherrschung, um ihre Erregung zu verbergen. "Sie sind eine furchtbare Frau. Emmett hat recht gehabt, als er sagte, daß Sie Schwierigkeiten machen würden." Robert trat vor und bohrte seinen Zeigefinger in Greeleys umfangreichen Bauch. "Wenn Sie noch einmal meine Frau so
nennen, landet meine Faust dort, wo mein Finger jetzt ist." Er lächelte dabei freundlich und trat dann zurück. "Ich brauche es Ihnen wohl nicht zu bestätigen, daß ich hinter dem, was Cathy gerade gesagt hat, stehe. Wenn Sie den Kampf wünschen, sollen Sie ihn bekommen." Er trat hinter seinen Schreibtisch. "Und jetzt gehen Sie bitte!" Unter heftigem Gemurmel verließen die Männer den Raum. Bruno blieb an der offenen Tür stehen. "Es war ein Fehler, ihnen so in den Rücken zu fallen, Robert. Emmett wird das gar nicht gefallen. Und Ihre Position in der Partei wird auch geschwächt." "Lassen Sie den Blödsinn, Bruno!" Roberts Stimme war nicht gerade leise. "Es ist mir egal, was Sie und mein Vater denken. Meine politische Anschauung war noch nie von Leuten wie Greeley abhängig. Ich unterschätze ihn nicht, aber ich habe auch keine Angst vor ihm." "Verdammt, Robert, ich habe Sie für klüger gehalten!" Bruno schrie beinahe. "Greeley weiß zuviel von Ihnen... von den alten Zeiten, den Partys. Wissen Sie noch, welchen Ärger Sie damals hatten?" Bruno warf Cathy einen schiefen Blick zu; Sie sah ihren Mann an, der mit versteinertem Gesicht dastand, sagte dann: "Wenn Sie die Party in Durra meinen, die der jüngste Kongreßabgeordnete mit seinen Kollegen und einigen Callgirls gefeiert hat, wenn Sie auf das Gekritzel in einer Zeitung anspielen, demzufolge sich jener junge Mann im Swimmingpool seines Vaters mit einer nackten Blondine vergnügt hat... wenn Sie das meinen, Bruno, dann sprechen Sie es nur ruhig aus! Machen Sie sich keine Sorgen, ich kenne die meisten Details." Wütend fletschte Bruno die Zähne. "Ausgezeichnet, Cathy, dann wissen Sie ja auch, wie man Roberts Wiederwahl vereiteln kann. Wollen Sie wirklich die Zukunft Ihres Mannes zerstören, während er mit einem bißchen Kooperation gewinnen könnte?"
"Seien Sie still, Bruno. Versuchen Sie nicht, Cathy zu beeinflussen! Wenn Greeley diese alten Geschichten aufwärmen will, werde ich verlauten lassen, daß er es selbst war, der die Mädchen nach Durra gerufen hat. Ich werde der ganzen Welt verkünden, daß dies die Art ist, wie Greeley seine Geschäfte macht. Glauben Sie, es würde für Emmetts Ruf gut sein, daß sein Freund Greeley Verbindungen zu einem Callgirl- Ring hat?" "Sie wissen ja nicht, was Sie reden." Bruno winkte ab. Cathy entging nicht, daß Robert drauf und dran war, Bruno an der Krawatte zu packen. Dann aber sah er sie fragend an. "Woher, zum Teufel, weißt du überhaupt soviel von der Geschichte?" Sie lächelte bitter. "Es gibt genügend Leute, die mir mit viel Genuß über die wilden Tage meines Mannes nach seiner ersten Wahl berichtet haben. Die meisten von ihnen nehmen das übrigens nicht so ernst. Du seist eben ein richtiger Densmore begabt, aber eben ein bißchen wild." "Cathy, bitte..." begann Robert, doch sie hob die Hand, und er schwieg. "Mir war auch klar, daß du zu einer dieser Partys unterwegs warst, als das Flugzeug abstürzte. Ich kann dir nicht sagen, wie viele Leute glaubten, mir beibringen zu müssen, welchen Frauenhelden ich geheiratet hatte." "Cathy, ich schwöre dir..." Sie unterbrach ihn wieder. "Um Himmels willen, keinen Meineid, Robert." "Hör mich an..." Diesmal wurde er von Bruno unterbrochen. "Ihre Frau können Sie nicht täuschen, Robert." Er lachte süffisant. Er hatte noch nicht ausgesprochen, da wirbelte Robert herum. Seine Faust traf genau Brunos Kinnspitze. Es gab ein häßliches Geräusch.
Bruno war kräftig und schwer, aber er taumelte zurück bis an die Wand. "Was? Sie..." Er hob beide Fäuste wie ein Boxer und wollte auf Robert losgehen. "Kommen Sie, Bruno. Ich werde Sie auseinandernehmen." Roberts Körper war gespannt wie eine Feder. Er hatte seine noch nicht ganz wiederhergestellte Gesundheit offenbar völlig vergessen. "Ihr könnt ja von mir aus hierbleiben und euch schlagen", erklärte Cathy mit durchdringender Stimme. "Aber laßt mich bitte hinaus!" "Cathy, warte! Wir müssen miteinander reden." Robert wandte sich ihr zu. "Das ist nicht nötig. Ich gehe." Ohne Bruno eines Blickes zu würdigen, verließ sie den Raum. Sie hörte ihren Mann noch etwas zu Bruno sagen, aber sie war schon auf dem Weg zum Fahrstuhl. Die Tür stand offen, und sie betrat die Kabine. Vor dem Gebäude stoppte gerade ein Taxi mit Fahrgästen. Als es frei war, stieg Cathy ein. Während der Fahrt lehnte sich Cathy in die Polster zurück und preßte die Hände auf ihre Augen. Warum hatte sie all das nur gesagt? Welche Ironie, daß sie sich nur richtig mit Robert unterhalten hatte, als er hilflos im Bett lag und sich nicht wehren konnte. Sie bezahlte das Taxi und ließ den Blick über die Fassade ihres Hauses hinaufgleiten. Sie mochte es wegen seiner Größe, aber plötzlich sehnte sie sich nach der stillen Gemütlichkeit ihrer Wohnung bei New York. Sie wollte ihren Vater wiedersehen, sehnte sich nach seinen geistreichen Sprüchen und seinem feinen Humor. Von einem Augenblick zum anderen entschloß sie sich. Sie würde nach Hause fahren. Instinktiv fühlte sie, daß Robert sie nicht zurückhalten würde. Aber gefallen würde es ihm nicht. Er mochte es nicht, wenn sie
ohne ihn für längere Zeit einen Trip unternahm. Er selbst konnte im ganzen Land herumreisen, aber nachdem sie einmal mit einer Freundin nach New York gefahren war, um sich ein Musical anzusehen, hatte er tagelang nicht mit ihr gesprochen. Sie begrüßte den Dobermann, der wild um sie herumsprang. Trock kam ihr auch entgegen. "Haben Sie alles wieder in Ordnung gebracht, Mrs. Densmore?" "Der Senator wird es schon schaffen, aber es dürfte ein schwerer Kampf werden." "Wenn Sie ihm beistehen, Mrs. Densmore, wird er sie alle schlagen." Forschend sah sie ihn an und fragte sich, ob sich der sonst so schweigsame Mann einen Scherz erlaubte. "Sie sind doch sein rechter Arm, Mrs. Densmore." Verständnislos schüttelte Cathy den Kopf. "Glauben Sie es mir, Mrs. Densmore. Er hat sonst niemanden." Er blickte auf den Hund. "Außer Graf natürlich... und mir." "Trock, der Senator hat hier in Virginia eine große Familie. Außerdem Cousins in Te xas und Florida. Und er versteht sich gut mit seinen Geschwistern." "Aber sie sich nicht mit ihm. Ich habe in der Klinik viel gesehen, Mrs. Densmore. Sie sind ja jeden Tag zu ihm gekommen, die anderen höchstens ein- oder zweimal die Woche." Ungläubig starrte sie Trock an. "Wollen Sie damit sagen, daß sie sich nicht an den Zeitplan gehalten haben, den Emmett aufgestellt hat, damit die Familie ungestört mit Robert Zusammensein konnte? Wollen Sie sagen, daß er, nachdem ich gegangen war, allein geblieben ist?" "Ja, Madam. Deshalb haben wir doch angefangen, Schach zu spielen. Er war ein schlauer Fuchs."
"Und ich wäre so gern bei ihm geblieben." Cathy kämpfte gegen die Tränen an. "Danke, Trock, daß Sie sich um ihn gekümmert haben. Hätte ich das nur gewußt!" "Ich weiß zwar nicht, worum es jetzt geht, aber ich bin davon überzeugt, daß er Ihre Hilfe braucht, Mrs. Densmore. Übrigens werden Sie und der Senator heute abend zu Hause essen?" "Wie? Essen? Ach ja, ich denke, das wäre besser für ihn, er wird erschöpft sein." Cathy war etwas verwirrt. "Das ist gut. Wenn ich erst einmal mit der Therapie fertig bin, wird Ihr Mann stärker sein, als er es vorher war." Cathy legte ihre Hand auf Trocks Arm. "Ich hoffe, daß Sie auch dann bei uns bleiben werden. Es ist natürlich Ihre Entscheidung, aber Sie sollen wissen, daß Sie immer einen Platz in unserem Hause haben werden." Er schluckte trocken, dann nickte er nur kurz und wandte sich zum Haus. Grafs Betteln zog Cathys Aufmerksamkeit auf sich. "Ja, ja, mein Junge." Sie klopfte ihm nachdenklich auf den Rücken und ging dann zögernd auf die Terrassentür zu. "Wir gehen gleich schwimmen", sagte sie zu dem Hund, der ihr die Treppe hinauf folgte. Wenige Minuten später hatte Cathy ihren Einteiler angezogen, sich ein Handtuch geschnappt lind eilte wieder die Treppe hinunter. Der Pool hatte fünfundzwanzig Meter im Quadrat und war beheizbar. Als begeisterte Schwimmerin benutzte Cathy ihn fast jeden Tag. Robert hatte Graf beigebracht, in den Swimmingpool zu springen, nachdem er das Krankenhaus verlassen hatte. Und dem Hund machte es großen Spaß. Nach der dreißigsten Bahn war Cathy gut aufgewärmt. Plötzlich spürte sie an der Bewegung des Wassers, daß jemand außer ihr im Pool sein mußte. Sie unterbrach ihre Bahn und strich sich die Haare aus den Augen, um sehen zu können, wer
es sein mochte. Da berührte etwas leicht ihren Bauch, und bevor sie reagieren konnte, wurde sie unter Wasser gezogen. Dort erkannte sie Roberts grinsendes Gesicht vor sich. Er zog sie an sich, indem er sie mit den Beinen umklammerte. Dann versuchte er, sie zu küssen. So stiegen sie an die Oberfläche. Cathy schnappte nach Luft. "Du hast wohl einen eingebauten Reservetank in der Lunge?" keuchte sie. "Bist du mir böse? Cathy, ich habe immer darauf gewartet, daß du von dem Skandal in Durra erfährst, habe allerdings gehofft, es würde nicht passieren." Er gab sie frei und ließ sie mit seiner Hand unter ihr auf dem Rücken treiben. "Ich bedauerte das alles sehr und mochte nicht mit dir darüber reden. Du solltest doch stolz auf mich sein." "Ich war sehr stolz auf dich, als wir geheiratet haben, Robert." "Aber nicht mehr so sehr, nachdem du von Durra gehört hattest? Cathy, ich will mich da nicht hinausreden." Sie bespritzte ihn mit Wasser und schwamm zum Beckenrand. "Cathy, warte! Laß uns darüber reden." "Da gibt es nichts zu reden, Robert. Bruno hat lediglich Tatsachen erwähnt, die mir schon bekannt waren." Sie drehte sich um und sah ihn an. "Du warst lange unabhängig, bevor du mich trafst, bist um die ganze Welt gereist und hast mit allen möglichen Leuten verkehrt. Ich wußte das, und trotzdem war ich so dumm zu glauben, daß ich dir genügen würde." "Du genügtest mir auch, Cathy", erwiderte er gepreßt. "Und du tust es jetzt noch." Sie schüttelte den Kopf. "Nein, Robert. Du glaubst doch nicht an das Märchen vom Glück, das du während deiner Wahlkampagne verbreitet hast?" "Cathy, ich bin dir treu gewesen." Er strich ihr nasses Haar zurück.
"Bist du? An dem Tag, an dem das Flugzeug abstürzte, warst du auf dem Weg nach Durra. Bruno und Emmett haben es mir erzählt, als ich im Krankenhaus auf die Nachricht wartete, daß du nicht mehr lebst." "Hast du dir gewünscht, daß ich sterbe?" Bitternis schwang in Roberts Stimme mit. "Glaubst du das wirklich?" Cathy stieg aus dem Becken und wandte sich wütend an ihn. "Ich kann deine Meinung nicht ändern, aber denk bitte daran, daß ich viele lange Stunden habe arbeiten müssen, um dir deinen Sitz zu bewahren." "Verzeih mir bitte, Cathy. Bitte! Es war dumm von mir, so etwas zu sagen. Ich habe es nicht so gemeint." Er holte tief Luft. "Cathy, wenn du zu mir als Ehemann auch kein Vertrauen hast, kannst du wenigstens an mich als Senator glauben und mir helfen, unsere Pläne zu verwirklichen? Ich brauche deine Hilfe für die nächste Wahl." "Das weiß ich." Sie versuchte den Schmerz zu verbergen, den seine Worte ihr bereiteten. Sie wollte ihn anschreien, ihn durchschütteln und ihn zwingen, sie als Frau zu begehren, nicht nur als die Frau des Senators. "Wirst du mir helfen, Cathy?" "Ich will dir helfen, deine Ziele zu erreichen, weil ich auch an sie glaube. Aber ich werde nicht..." Robert legte ihr den Finger an die Lippen. "Sag nichts mehr. Wir müssen das nehmen, was wir bekommen können." Ein flüchtiges Lächeln huschte über seine Lippen. "Wir werden ihnen einen heißen Wahlkampf bieten!" Cathy war überrascht, wie viele Menschen sie in Roberts Wahlbezirk kannten. Noch erstaunlicher für sie war es, daß es ihr Spaß machte, ihren Mann zu begleiten und mit den Leuten zu reden. Sie hatte sich nie für so extrovertiert gehalten, aber all die Monate öffentlicher Arbeit in Roberts Büro hatten ihr die größte Schüchternheit genommen.
Eines Abends versuchte sie, diese Verwandlung ihrem Vater zu erklären. Robert war mit einigen Wahlstrategen zum Essen gegangen, und sie nutzte die Gelegenheit zu einem kleinen Besuch bei dem Professor. "Es ist unglaublich, Dad, wirklich!" Sie lachte über seinen nachdenklichen Blick. "All die Jahre in der Schule habe ich bei jedem Bericht und bei jeder Prüfung gezittert wie Espenlaub. Und jetzt rede ich mit hundert Leuten zugleich, und es gefällt mir. Ist das nicht seltsam?" "Seltsam", bestätigte Professor Nesbitt trocken. Er klopfte seine Pfeife am linken Handballen aus, ohne seine Augen von Cathy zu wenden. "Aber du hast bisher sorgsam vermieden, über deine privaten Angelegenheiten zu reden, mein liebes Kind", bemerkte er. Mit langsamen Bewegungen stopfte er eine zweite Pfeife. "Ich begrüße zwar die politischen Ziele meines Schwiegersohnes, aber im Augenblick möchte ich etwas mehr über dich erfahren. Du hast Ränder unter den Augen, Cathy. Was ist los mit dir?" "Nichts, Dad." Sie schluckte und versuchte zu lächeln. "Die Kampagne ist anstrengend, deshalb bin ich ein wenig abgespannt." "Das ist es nicht nur. Dünn bist du auch, doch das kommt von Roberts Unfall. Durchaus verständlich. Aber die Gefahr ist vorüber, was quält dich jetzt? Cathy, ich sehe den Schmerz in deinen Augen, und das gefällt mir gar nicht. Willst du nicht darüber reden?" Seine Stimme war sanft wie immer, aber Cathy spürte die Entschlossenheit dahinter. "Ich habe stets gewußt, daß du leiden würdest", fuhr er fort. "Mit einem Mann wie Robert. Aber du hast ihn sehr geliebt." "Ich liebe ihn immer noch." Sie hätte gern mit ihrem Vater geredet, aber sie brachte es nicht fertig, ihm zu sagen, daß Robert sie nicht liebte. Und daß er vielleicht schon bald die Scheidung einreichen werde. "Ich will dir nichts verheimlichen,
Dad. Es ist nur, daß das Reden über die Probleme zwischen Robert und mir mich so traurig macht." "Dann gibst du also zu, daß es Probleme gibt?" "In jeder Ehe gibt es Probleme, das weißt du auch." Cathy brachte ein gequältes Lächeln zustande. "Ja, mein Kind. Aber versprich mir, daß du zu mir kommst, wenn es zu schlimm wird." "Gut, dann erzähl mir jetzt mal von dieser GreeleyGeschichte. Wie hat sich Robert da durchgebissen?" "Wie ein Löwe, Vater! Bruno hat den großen Fehler gemacht, ihn in die Ecke zu drängen. Aber er hat ihn unterschätzt und sein Blatt überreizt. Als es sich herausstellte, daß Greeley Robert erpressen wollte, ist Robert wie eine wütende Katze aus seiner Ecke gesprungen." "Da du gerade von Tieren sprichst. Ich habe in der Zeitung gelesen, daß sich meine Tochter einer Gruppe des Tierschutzvereins angeschlossen hat, die sich für das Verbot von Hundekämpfen einsetzt." Cathy lehnte sich entrüstet vor. "Dad, du solltest einmal sehen, was mit diesen armen Hunden geschieht, wenn sie in solchen Kampf geschickt werden. Sie reißen sich gegenseitig förmlich in Stücke. Und genauso wie Robert die GreeleyFraktion weggefegt hat, werde ich dafür sorgen, daß dieser so genannte Sport aus unserem Staat verschwindet." Professor Nesbitts ernstes Gesicht wurde sanfter. Er zwinkerte Cathy zu. "Also, ich würde jedenfalls weglaufen, wenn du mit deinem funkelnden Blick auf mich losgingest. Du hast dich zu einer Löwin entwickelt, Cathy." In diesem Moment betrat Robert das Zimmer. In dem blauen Nadelstreifenanzug sah er genauso frisch aus wie am Morgen. "Da hast du die Wahrheit gesprochen, Thomas", rief er lachend. Er blieb stehen und löste seine Krawatte. "Du hast deine Tochter noch nicht in der politischen Arena gesehen. Komm doch einmal mit, wenn sie eine Rede hält. Als ich zum
erstenmal dabei war, habe ich kaum gehört, was sie sagte, weil ich so davon begeistert war, wie sie das ganze Publikum um den Finger gewickelt hat. Sie ist einmalig." Robert hatte sie auf den Wahlveranstaltungen schon oft gelobt, aber es war ihr nie so nahe gegangen wie jetzt. "Hoffentlich falle ich nicht bald einmal auf die Nase." "Nur keine falsche Bescheidenheit. Sogar dem Martin, mein Wahlmanager, meinte, du seist meine stärkste Waffe." Jetzt beugte er sich zu ihr hinunter und gab ihr einen Kuß. Diese Geste war für ihn schon zur Gewohnheit geworden, aber Cathy freute sich über jede kleine Zärtlichkeit. "Na gut, ich werde zur nächsten Veranstaltung kommen", sagte der Professor nachdenklich. "Habt ihr morgen eine?" "Ja, Thomas. Ich werde dir ein Flugzeug schicken. Dann bleibst du über Nacht bei uns und fliegst am nächsten Morgen zurück." "O ja, Dad. Bitte! Es würde mein Selbstvertrauen stärken." "Ich dachte, das täte ich schon", bemerkte Robert verwundert. "Sicher tust du das, aber ich möchte Dad auch dabei haben." "Natürlich." Er erhob sich. "Wir müssen gehen, Thomas. Es sind fünfzehn Meilen bis nach Hause, und wir müssen morgen früh aufstehen." "Warum bleibt ihr dann nicht hier? Es ist doch viel einfacher, wenn ich morgen gleich mit euch in die Stadt komme. Dann brauchst du mir nicht extra das Flugzeug zu schicken." Er studierte aufmerksam seine Pfeife, als wäre darin etwas Interessantes verborgen. "Ach nein, Dad", rief Cathy erschrocken. "Meine Sachen! Ich muß ein neues Kleid anziehen, und ..." "Unsinn, Kind. Du hast noch Kleider hier. Und du hast deine Rede in der Tasche." Er blickte sie über den Rand seiner Brille an. "Du solltest ein gutes Beispiel für Energiesparen geben und nicht zwei Flüge anordnen, wenn nur einer nötig ist."
Robert stimmte ihm zu. "Dein Vater hat recht. Cathy, wir bleiben über Nacht." Bei dem Blick, den sie ihm zuwarf, hob er nur eine Braue. "Ich bin reif für eine Dusche und das Bett." Er drehte sich um und ging hinaus. Seine Schritte hallten durch die Stille, die er zurückließ. "Dad, ich..." begann Cathy zögernd. "Cathy, ich möchte mich nicht in deine Angelegenheiten mischen, aber laß dir eins gesagt sein. Wenn du deinen Mann behalten und deine Ehe retten willst, dann mußt du dir einen Ruck geben und dafür kämpfen. Falls dir nichts daran liegt, dann vergiß bitte, was ich gesagt habe." Er stand auf und streckte sich. "Ich werde auch ins Bett gehen. Gute Nacht, Kind." "Gute Nacht, Dad. Ich mache mir eine heiße Zitrone mit Honig. Das beruhigt." Sie stand am Herd und wartete darauf, daß das Wasser heiß wurde. Dabei argumentierte sie im Geiste mit sich selbst. Großartig, jetzt schläfst du mit deinem Mann. Es ist das erste Mal, seit er von New York zurückgekommen ist. Na und? fragte sie sich. Geh ins Bett und denk nicht darüber nach. Robert wird wahrscheinlich schon schlafen. Wieso komme ich überhaupt darauf, daß er sich meinetwegen Gedanken macht? Er wartet doch sicher nur den richtigen Zeitpunkt für die Scheidung ab. Nachdem sie das heiße Getränk ausgetrunken hatte, ging sie nach oben. Während sie die Treppe hinaufstieg, nahm sie die Atmosphäre des alten Hauses in sich auf. Sie konnte fast wieder ihr Lachen hören, als sie damals mit ihrer Freundin das Treppengeländer heruntergerutscht war. Dann ging sie in das Badezimmer, das auf der anderen Seite in ihr ehemaliges Kinderzimmer führte. Robert lag wohl schon in dem französischen Bett mit Baldachin, in dem sie bis zu ihrer Ehe geschlafen hatte. Nur mit BH und Höschen bekleidet, tappte sie im Dunkeln in das Zimmer. Sie fand sich aber noch gut zurecht und suchte sich
aus dem Schrank ein Nachthemd heraus. Das erste, das sie in die Hand bekam, war ein hochgeschlossenes langärmeliges Flanellhemd aus ihrer Studentenzeit. Sie zog sich die Unterwäsche aus und streifte es über. Bestimmt würde sie sich wie eingeschnürt vorkommen. Sie glitt vorsichtig ins Bett und blieb steif wie ein Brett auf ihrer Seite liegen. Gerade als sie sich zu entspannen begann, spürte sie an den Bewegungen des Bettes, daß sich Robert zu ihr herumdrehte. Er legte den Arm um sie. "Tut mir leid, wenn ich dich enttäusche, Cathy, aber ich bin noch wach. Und ich möchte dich im Arm halten." "Es ist schon spät", murmelte sie. Es war schön, seinen Arm um sie zu spüren, doch das wollte sie ihm nicht zeigen. "Cathy, Liebling, es ist nie zu spät für das, was ich vorhabe." Er küßte zärtlich ihren Hals. "Du bist so ein süßes, verlockendes Dessert, ich kann dir nicht widerstehen." "Du bist verrückt, man kann Menschen nicht essen." "Für mich bist du Ambrosia." Seine Stimme war tief und guttural. "Seit wann trägst du denn Pferdedecken im Bett?" rief er plötzlich und richtete sich auf. Im fahlen Licht des Mondes, der durch die Vorhänge schien, sah er sie an. Langsam zog er ihr das Nachthemd aus. "Du hast immer noch denselben perfekten Körper wie vor Jahren. Wie kannst du immer noch so hübsch sein?" Er streichelte und küßte ihren ganzen Körper. "Ich liebe dich, Darling." Ihr Körper reagierte ohne ihren Willen, er bog sich seinen Händen entgegen. Cathy vergaß alle Ausflüchte, deretwegen sie sich nicht berühren lassen wollte. In ihrem Kopf war nur noch Platz für ihre unüberwindbare Sehnsucht nach Robert. Das Gefühl seiner warmen Haut unter ihren Händen machte sie schwindelig. Die warnende Stimme in ihrem Inneren verstummte. Ihr Verlangen erstickte jede Vernunft. Sie liebten sich dann so leidenschaftlich wie das letzte Mal nach dem Grillfest.
6. KAPITEL Am nächsten Morgen fühlte sich Cathy ihrem Mann gegenüber befangen. Sie sah ihn kaum an, wenn sie sich mit ihm unterhielt, aber sie spürte seine glühenden Blicke. Es waren Blicke wie in den ersten Tagen ihrer Ehe, bevor Mißverständnisse und Streitigkeiten alles zwischen ihnen verändert hatten. Zum Frühstück machte sie sich mit großer Sorgfalt zurecht. Sie zog ein leichtes Kostüm mit hüftlanger Jacke an. Dazu schwarze italienische Schuhe und eine kleine passende Handtasche. In ihrer seidenen Bluse waren feine Streifen eingewebt. Bevor sie zu der Veranstaltung aufbrechen mußten, die in einem Hotel in Monroe County stattfinden sollte, schloß sie sich in ihrem Zimmer ein und übte noch einmal ihre Rede. Geschrieben hatte sie sie selbst. Sie ließ niemanden ihre Reden schreiben, sondern lediglich von einem der Wahlhelfer prüfen. Erst das zweite Klopfen an der Tür drang in ihr Bewußtsein. "Ja? Was gibt es?" "Fertig, Cathy?" Robert stand in seiner üblichen Haltung vor der Tür, die Hände in den Taschen. "Ich bin ein bißchen nervös. Wie alle intelligenten Leute vor einer Rede", entschuldigte er sich lächelnd. "Und sag jetzt nicht, ich sei nicht intelligent."
"Das würde ich nie behaupten. Ich behaupte nur, daß dein Selbstbewußtsein so groß ist wie ein Heißluftballon." Ihr war dabei klar, daß er sie nur zu entspannen versuchte. "Wirklich, Mrs. Densmore? Das ist aber eine sehr unkollegiale Bemerkung." Sie blickte auf die Tür. "Wir verspäten uns." Bevor Cathy reagieren konnte, hatte er sie in die Arme geschlossen. "Ich bin also eingebildet, wie?" "Furchtbar", bestätigte Cathy und drückte ihn. "Es ist ein schweres Vergehen, seinen Mann zu beleidigen, Lady. Du bist in Schwierigkeiten." Er wühlte sein Gesicht in ihr Haar. "Und außerdem duftest du immer so schön." Sie seufzte wohlig an seiner Brust. "Cathy, Robert, seid ihr da?" rief Professor Nesbitt. "Bruno Trabold ist hier und meint, ihr solltet euch beeilen." Robert sah seine Frau lange an. Dann wurde sein Ausdruck hart. Er wandte sich zur Tür. Ohne Cathy loszulassen, rief er hinaus: "Was zum Teufe l will er denn hier? Egal, ich komme, Thomas." Er sah Cathy wieder an. "Bruno macht sich wohl einen Sport daraus, uns zu stören. Das Gefühl hab' ich jedenfalls." "Ich habe Bruno schon immer für eine Plage gehalten, seit ich ihn kenne." "Besonders seit er in Santo Thomas an meine Schlafzimmertür klopfte, stimmt's?" Er beugte sich vor und gab ihr schnell einen Kuß. "Ich hätte dich an dem Tag gern geliebt, Cathy. Ich sehnte mich so sehr danach, daß es mich fast zerrissen hätte. Aber ich wollte beim ersten Mal allein und ungestört mit dir sein." Er schob ihr eine Haarsträhne aus der Stirn. "Und es ist eigenartig, ich begehre dich immer noch wie an jenem Tag." Er drehte sich um und ging. Cathy stand da wie festgenagelt. Hatte Robert gesagt, daß er sie liebe? Wenn man jemanden so lange begehrt, liebt man ihn doch! Wenn sie ihn doch nur objektiv hätte sehen können! Dann
würde sie bestimmt mehr über seine Gefühle wissen. So kam er ihr vor wie ein Wesen von einem anderen Stern. Sie schnappte sich die Handtasche und rannte die Treppe hinunter, wo sie auf Bruno stieß. "Wo ist Robert?" fragte sie ihn. "Bei Ihrem Vater." Bruno bewegte kaum die Lippen. Er ließ nur seinen abfälligen Blick an ihrem Körper entlangwandern. Sie stellte sich vor ihn hin und begegnete seinem Blick voller Verachtung. Dann hob sie den Zeigefinger und stach ihn in den dicken Bauch. "Sie sollten wirklich etwas dagegen tun abnehmen oder einziehen. Jedenfalls würden Sie dann besser aussehen." Ohne auf eine Erwiderung zu warten, ging sie in die Küche, um ihre Erregung niederzuzwingen. Bisher war sie noch nie so direkt zu Bruno gewesen. Erst goß sie ihm auf dem Gartenfest den Inhalt ihres Glases ins Hemd, und jetzt beleidigte sie ihn auch noch. War sie denn dabei, sich völlig zu verändern? Nun, wenn es so sein sollte, ihr gefiel es! Auf keinen Fall wollte sie sich die Laune verdrießen lassen. Die Küchentür schwang auf. Robert kam auf Cathy zu und wollte etwas sagen, dann Zog er die Brauen zusammen, "Was ist passiert? Du siehst so aufgeregt aus. Geht es dir gut? Wenn dich das alles krank macht, dann brauchst du es nicht tun, Cathy." Er musterte sie besorgt. Sie hob entschlossen das Kinn an. "Niemand wird mich um meine Rede bringen! Ich würde notfalls mit einem Löwen kämpfen, wenn es sein müßte... Ach, lieber nicht." Mit einem schelmischen Lächeln streckte sie die Hand aus und verschloß mit zwei Fingern seinen Mund. Ihr Vater kam gerade aus der Bibliothek. Sie ergriff seinen Arm. "Kommen Sie, Professor Nesbitt. Ich führe Sie zum Hubschrauber."
"Sie sehen sehr zufrieden aus, junge Dame. Wie ein Kätzchen, das die Sahne vernascht hat." "Ich habe nur eine kleine Hürde genommen", antwortete sie im Reiterjargon. Auf Wunsch ihres Vaters hatte sie als Kind reiten gelernt. Sie liebte Pferde, war auch eine recht gute Springreiterin, aber für den Wettkampf hatte es nie gereicht. "Ich verstehe. Könnte es sein, daß der feine Herr Trabold damit zu tun hat?" "Ja, das könnte sein, aber mehr erzähle ich dir nicht." Unter den wirbelnden Rotorblättern des Helikopters gesellte sich Robert zu ihnen. Auf dem Flug und auch gleich danach, bei der Begrüßung seiner Helfer, hatte Robert keine Gelegenheit mehr, mit Cathy zu reden. Danach mußten sie auch schon zum Flugzeug, das sie nach Monroe County bringen sollte. Während der Fahrt zum Flughafen spürte Cathy des öfteren Roberts Blicke auf sich ruhen, aber sie tat so, als wäre sie in ihre Rede vertieft. Während des Fluges war es genauso. Das sonderbarste war, daß sich Cathy überhaupt keine Sorgen wegen des Wahlergebnisses machte. Sie fühlte sich ruhig und voller Vertrauen. Sie würde Robert nicht im Stich lassen. Neugierige bedrängten sie, sobald sie aus dem Flugzeug gestiegen waren. Roberts phänomenales Gedächtnis half Cathy, durch das übliche Begrüßungszeremoniell mit den Offiziellen zu kommen. Mindestens fünfzig Leute fragten sie, ob sie sich an sie erinnere. Sie nickte dann, lächelte freundlich, und fast immer konnte Robert ihr dann den richtigen Namen zuflüstern. Er hielt ihre Hand fest, auch wenn jemand es bemerkte, und wenn Cathy sie wegziehen wollte. Mehrmals beugte er sich zu ihr und küßte sie auf die Wange. Beim Anblick des bis zum Bersten gefüllten Festsaales blieb sie einen Moment in der offenen Tür stehen. Dann spürte sie Roberts beruhigend warme Hand in ihrem Rücken und ließ sich weiterführen. Wie auf Kommando standen die Besucher von
ihren festlich gedeckten Tafeln auf und begrüßten sie mit Applaus. Natürlich wußte Cathy, daß die meisten Gäste in Roberts Partei waren und seine Kandidatur unterstützten. Dennoch war es ein gutes Gefühl, den Applaus anschwellen zu hören. Laute Rufe erschollen: "Robert, Robert!" Und dann - fast traute sie ihren Ohren nicht -, hörte sie einige rufen: "Cathy, Cathy." Robert zog sie an seine Seite. "Sie lieben dich, Darling. Und ich nehme es ihnen nicht übel." Glücklich sah sie zu ihm auf, aber er blickte in die Menge, lachte und winkte. Das Essen war das übliche Pappgericht wie auf allen Wahlveranstaltungen. Aber Cathy nahm es hin, weil sie auf dem Podium dicht an Robert gedrängt wurde. Er unterhielt sich nach allen Seiten gleichzeitig und ließ keine Gelegenheit vergehen, einen Arm um ihre Schultern zu legen. Wenn er sich zur anderen Seite beugen mußte, hielt er zumindest ihre Hand unter dem Tisch fest. Lächelnd winkte sie zu ihrem Vater hinunter, der einen Platz direkt in ihrer Blickrichtung bekommen hatte. Cathy war glücklich. Sie fühlte sich glücklich, bis das Essen dem Ende zuging. Dann näherte sich der Zeitpunkt ihrer Rede, und sie bekam das schon bekannte Flattern in der Magengegend. Es war wie in ihrer Schulzeit. Als sich der Vorsitzende erhob, um einige einleitende Worte zu sagen, versuchte Cathy, ihren Magen abwechselnd mit Kaffee und Sodawasser zu beruhigen. Dann war Robert an der Reihe, seine Frau vorzustellen. Bevor er zum Podium ging, flüsterte er in ihr Ohr: "Cathy, ich bin stolz auf dich." Seine kurze Rede war einprägsam und lebendig. Er griff seine politischen Gegner nicht an, sondern stellte nur die Errungenschaften unter seiner Führung heraus.
Cathy hatte ihren Mann schon oft reden hören, aber es beeindruckte sie immer wieder, wie er das Publikum zu fesseln vermochte. Dann begann er von ihr zu sprechen, sprach davon, welches Glück er habe, mit einer solchen Frau verheiratet zu sein. Ihr schoß doch ein wenig das Blut ins Gesicht. Er lobte die Arbeit, die sie für ihn während seiner Krankheit getan hatte, und beendete seine Rede mit den Worten: "Ich bin stolz, Ihnen meine Frau vorstellen zu können: Cathy Densmore! Komm her, Darling!" Cathy war nicht sicher, ob sonst noch jemand seine letzten Worte gehört hatte, weil der Applaus so laut gewesen war. Aber ihr gaben sie jedenfalls neuen Mut. Sie ging zum Mikrofon, küßte Robert kurz auf den Mund und wandte sich dann an die Zuhörer. Robert war schon auf dem Weg zu seinem Sitzplatz, kehrte jedoch um und bog Cathy das Mikrofon herunter. "Manchmal vergesse ich, wie klein sie wirklich ist", erklärte er. Die Leute lachten. Auch Cathy mußte lachen und begann ihre Rede. Sie sprach von den Maßnahmen, für die sie während Roberts Krankenhausaufenthalt gekämpft hatte. Nachdem sie mit dem vorbereiteten Text fertig war, spürte sie die Sympathie des Publikums. Es gab ihr ein Gefühl der Sicherheit. Eigentlich hätte sie zum Schluß kommen müssen, doch sie schob das Manuskript beiseite und blickte über die Versammlung. "Ich habe Ihnen über unsere Ziele berichtet und über das, was wir schon erreicht haben. Sicherlich können Sie sich vorstellen, was mein Mann durchgemacht hat, als er von seiner Lähmung ans Bett gefesselt war. Wer von Ihnen hat ihn da liegen sehen damals, als er nichts außer seinen Augen bewegen konnte? Augen, in denen sich Energie widerspiegelte, sein ungebrochener Wille, der ihn nicht aufgeben ließ und ihn nicht sterben ließ."
Nicht der kleinste Laut war im Saal zu hören. Alle starrten sie ergriffen an. "Es hat Zeiten gegeben, in denen ich aufgeben wollte. Aber das Feuer in seinen Augen ließ es nicht zu", fuhr Cathy mit belegter Stimme fort. "Daher weiß ich, daß Robert Densmore niemals aufgeben wird, daß er seine Pflicht diesem Land gegenüber niemals vernachlässigen wird. Er hat einen unbeugsamen Willen, und er wird für uns und unsere Ziele kämpfen. Ich danke Ihnen." Cathy wandte sich vom Mikrofon ab und suchte den Blick ihres Mannes. Er saß bewegungslos da und erhob sich nicht einmal, um ihr den Stuhl zurechtzuschieben. Das Scharren ihres Stuhles war das einzige Geräusch im Saal. Es war wie ein Signal. Lautstarker Applaus erklang plötzlich. Die Leute sprangen auf und schrien durcheinander. "Robert, Robert!" und "Cathy, Cathy!" Da der Beifall nicht enden wollte, erhob sich Robert. Er nahm Cathy an der Hand und winkte der Menge zu. Nachdem sie sich schließlich einen Weg durch die begeisterten Menschenmassen gebahnt hatten, konnten sie in den Wagen steigen, der sie zum Flughafen bringen sollte. "Das war geschickt gemacht, Cathy", stellte Bruno fest. "Immer ein bißchen auf die Tränendrüsen drücken. Das kommt in jedem Fall an." Er grinste sie vom Notsitz des großen Wagens an. Robert beugte sich vor. "Bruno, es wäre besser, wenn Sie von jetzt an nur mit meinem Vater zusammenarbeiten. Ich kann auf Ihre weitere Hilfe verzichten." "Halt, Robert! Das würde Emmet bestimmt nicht gefallen", ereiferte sich Bruno, wobei er die Zigarre in seiner Hand zerbrach. "Dann eben nicht", stellte Robert ruhig fest. "Sie buchen jedenfalls noch heute einen Rückflug nach Washington. Aus meiner Wahlkampagne sind Sie ab sofort heraus. Wenn Sie
nicht heute noch abfliegen, können Sie von mir aus zu Fuß gehen." Damit lehnte er sich zurück und fragte Cathys Vater, ob er einen Drink haben möchte. Auf einen Knopfdruck öffnete sich die eingebaute Bar. Robert amüsierte sich über den erstaunten Gesichtsausdruck des Professors, ohne auf die bösen Blicke zu achten, mit denen Bruno ihn bedachte. Natürlich bemerkte es Cathy und zuckte zusammen. Bruno Trabold war der erklärte Feind Roberts. Daran gab es keinen Zweifel. Cathy war erleichtert, als Bruno sie auf dem Flughafengelände verließ. Sie verabschiedete sich von ihrem Vater. "Robert hat hier in der Gegend noch einige Wahlkundgebungen. Danach gehen wir für ein paar Tage nach New York. Vorher kommen wir jedoch nach Hause." "Es war eine sehr schöne Rede", lobte ihr Vater sie. "Du hast eine Kämpfernatur, mein Kind! Wie deine Mutter auch." Er sah zu Robert hinüber, der etwas abseits bei seinen Leuten stand und geduldig darauf wartete, daß sich Cathy verabschiedete. "Es gibt eine Seite an ihm, die ich nie zuvor bemerkt habe, Cathy. Mir ist bewußt geworden, daß er ein sehr einsamer Mensch ist. Ich beobachtete ihn, während du von ihm sprachst. Er hatte jenen hungrigen und verzweifelten Ausdruck im Gesicht, den nur sehr einsame Menschen haben." Cathy hätte gelacht, wäre ihr Vater nicht so ernst gewesen. Dieser Robert mit seiner großen Familie, mit seinem großen Freundeskreis sollte einsam sein? "Dad, du irrst dich, da bin ich ganz sicher. Robert ist einer der geselligsten Menschen überhaupt. Die Leute fühlen sich von ihm angezogen." "Sicher hast du recht. Du solltest deinen Mann am besten kennen", gab der Professor zu. Er winkte noch einmal und ging zu der kleinen Privatmaschine, die ihn nach Hause bringen sollte.
Die Worte ihres Vaters gingen Cathy auf der ganzen Fahrt bis zu ihrem Hotel nicht aus dem Kopf. Hatte Trock nicht damals im Garten das gleiche gesagt? Beim Betreten der Hotelhalle wurden sie wieder von Gratulanten und Autogrammjägern bestürmt. Cathy gefiel es, wie Robert geduldig Fragen beantwortete und eine Reihe von Zeitschriften signierte, in denen Artikel von ihm veröffentlicht waren. Jemand zupfte zaghaft an Cathys Ärmel. Sie drehte sich um und sah direkt in die Augen einer Frau. Sie war größer als Cathy und etwas älter. Ihr Haar zeigte bereits silbrige Strähnen, die Augen wirkten müde, drückten jedoch Wärme aus. "Mrs. Densmore, ich weiß, daß Sie eine vielbeschäftigte Frau sind, aber ich muß einfach mit Ihnen sprechen. Ich habe Ihren Artikel über die Hundekämpfe gelesen. Meinen Sie das wirklich ernst? Sind Sie gegen die grausame Quälerei von Hunden?" "Ja, ich bin sogar sehr dagegen." Die Frau blickte nervös um sich auf die vielen Menschen. "Ich mag hier nicht reden, aber ich müßte Sie sprechen." Cathy sah zu Robert hinüber, der in ein intensives Gespräch mit einem jungen Mann vertieft war. Sie sprach einen der Helfer an. "Würden Sie dem Senator ausrichten, daß ich schon nach oben gegangen bin?" Dann begleitete sie die Frau zum Aufzug. Keiner von ihnen sprach ein Wort, bis sie die Suite erreicht hatten. Cathy führte sie in das Zimmer mit der großen Terrassentür, bestellte Kaffee und setzte sich zu der Frau auf die Couch. "Nun, Mrs. ..." "Mein Name ist Proctor, Ruth Proctor. Ich bin Witwe." Ihr Blick ging an Cathy vorbei. "Mein Mann war ein wunderbarer Mensch, Mrs. Densmore. Als er bei einem Arbeitsunfall getötet wurde, war ich plötzlich gezwungen, mir eine Arbeit zu suchen. Glücklicherweise fand ich auch eine gute Stelle in der Polizeiverwaltung. Ich habe einen Sohn, der mir nie Schwierigkeiten gemacht hat. Aber mein Schwager bereitet mir
großen Kummer. Ich mußte ihn bitten, sich von meinem Sohn und mir fernzuhalten, und das hat er auch getan. Bis vor zwei Monaten. Er kam zu uns, entschuldigte sich für alles und brachte sogar einen Hund als Geschenk für meinen Sohn mit. Einen echten Bullterrier mit Stammbaum. Zuerst hatte ich Angst, das Tier würde mir zuviel Arbeit machen, aber Max - so heißt der Hund -, erwies sich als sehr sauber und klug. Er war ein guter Kamerad für meinen Sohn. Jerry und ich lieben ihn sehr. Vor ungefähr einem Monat kam Ted, mein Schwager, wieder zu uns und lieh sich den Hund für eine Nacht aus, weil er angeblich Wertsachen in der Wohnung hatte. Mir gefiel das nicht, obwohl Max ein guter Wachhund ist, aber ich konnte es schlecht ablehnen, da Ted uns das Tier gebracht hatte. Als wir Max am kommenden Sonntag zurückbekamen, hatte er mehrere tiefe Wunden. Ted sagte, jemand habe versucht, einzubrechen. Ich glaubte ihm nicht, weil Ted schon oft gelogen hat, schwieg jedoch. Noch zweimal hat er sich den Hund ausgeliehen. Beim letztenmal hat er ihn nicht wiedergebracht." Ruth, Proctor schluchzte. "Vielleicht ist Max tot. Jerry will, daß ich die Polizei benachrichtige, aber ich will meinem Schwager keine Schwierigkeiten bereiten, wenn er nichts Ungesetzliches getan hat. Er ist nämlich vorbestraft. Ich weiß nicht, was ich tun soll." Sie fuhr sich über die Augen, in denen Tränen schimmerten. "Mrs. Densmore, mein Sohn ist sehr unglücklich." "Wo lebt Ihr Schwager, Mrs. Proctor? Ich werde morgen mit Ihnen zu ihm gehen und ihn fragen, wo der Hund ist." Cathy war sich im Klaren darüber, daß sie sich zu sehr engagierte, und daß Robert darüber böse sein würde. Aber im Moment sah sie nur das traurige Gesicht eines Jungen vor sich, dem sein Hund fehlte. Sie nahm sich vor, Robert vorher davon zu berichten, aber irgendwie ergab sich kein "günstiger Augenblick, mit ihm darüber zu reden. Am Abend hatten sie noch eine offizielle
Sitzung und danach waren sie beide so müde, daß sie erschöpft ins Bett fielen. Am nächsten Morgen fand Cathy einen Zettel von Robert, daß er sie nicht hatte wecken wollen und zu einer Konferenz ins Büro gefahren sei. Cathy hinterließ ihm auch eine Nachricht, wohin sie fahre und weshalb. Dann rief sie die Rezeption an und bestellte einen Mietwagen. Vorsichtshalber gab sie noch die Adresse an, wo sie und Mrs. Proctor den Hund zu finden hofften. "Mein Schwager ist ein Draufgänger, Mrs. Densmore, aber er will mit dem Gesetz nicht in Konflikt kommen. Er ist vor ein paar Jahren im Gefängnis gewesen und das hat ihn fast umgebracht." Ruth Proctor und Cathy saßen im Auto in einer ziemlich schäbigen Wohngegend. "Dieses Haus hat meiner Schwiegermutter gehört. Damals war hier alles noch ordentlich. Aber auch Straßen ändern sich. Manche Leute kümmern sich nicht um die Häuser." Mrs. Proctor hörte auf zu reden, als ein Auto vorfuhr und einige Männer ausstiegen. Sie gingen um die Garage herum zur Rückseite des Grundstückes. "Da ist ein alter Schuppen hinter dem Haus", flüsterte Ruth. "Das Grundstück erstreckt sich bis zur nächsten Straße. Mrs. Densmore, ich habe meine Meinung geändert. Es war keine gute Idee, da hineingehen zu wollen. Wir sollten doch lieber die Polizei rufen." Cathy nickte. "Vielleicht. Aber wir können jetzt nicht wegfahren. Erst müssen wir einen Blick in den Schuppen werfen. Wenn sie dort Kampfhunde halten, gehen wir einfach ins Haus und rufen von dort die Polizei an." Entsetzt bückte Ruth Proctor sie an. "Sagten Sie nicht, daß es da einen Weg gebe, der nicht sehr häufig benutzt wird", fragte Cathy. "Dort wird uns bestimmt niemand sehen."
"Ja, über Mr. Schulers Hof. Mein Mann und ich haben ihn früher manchmal benutzt. Es gibt ein Loch im Zaun. Dahinter ist ein Weg, der direkt zum Schuppen führt. Aber das ist Jahre her..." "Wir versuchen es. Vielleicht finden wir Max dort." Ruth biß die Zähne zusammen und nickte. Sie fuhren um den Block herum und bogen dann auf ein großes leeres Grundstück ein. Eine alte Fahrspur war zu erkennen. Cathy fuhr bis an einen hohen Maschendrahtzaun heran. Nach einigen Minuten hatten sie das Loch im Zaun gefunden. Cathy war froh, daß sie Jeans angezogen hatte, denn überall gab es Dornen und Reste verrosteten Stacheldrahts. Es war nicht weit bis zu dem Schuppen. Cathy berührte die Tür, sie ließ sich ein kleines Stück öffnen. Sie lauschten hinein. Man hörte einige Männer lachen. Dann ertönte ein schreckliches Geknurre und Gekläff, unterbrochen von lautem Jaulen und Winseln. Cathys Magen drehte sich um, als sie sich die armen gequälten Tiere vorstellte. Sie beugte sich vor. "Gehen Sie ins Haus und rufen Sie die Polizei. Die Hunde werden hier ja umgebracht. Beeilen Sie sich!" flüsterte sie. Ruth Proctor nickte nur kurz und verschwand. Cathy schlängelte sich durch die schmale Öffnung und blieb mit dem Ärmel ihres Pullovers an dem gesplitterten Holz hängen. Nur langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit. Beißender Geruch von Blut und Exkrementen sprang sie förmlich an. Allmählich erkannte sie Verschlage neben sich, in denen sich drei Hunde befanden. Einer lag schwer atmend auf der Seite und blutete. Die Tiere rührten sich bei ihrem Eintreten zunächst nicht. Dann erhob sich einer, der größte von ihnen, und lehnte sich gegen den Draht. Zaghaft wedelte er mit seinem kurzen Schwanz.
"Ja, mein Junge. Ich tue dir nichts", flüsterte Cathy. Sie sah in seine traurigen Augen, die mit, verkrusteten Narben umgeben waren. "Ich werde dich befreien." Der Käfig war nicht verschlossen. Cathy ließ die drei Hunde hinaus. Einer folgte ihr auf dem Weg nach vorn, wo das Geschrei der Männer und das Knurren der Hunde jetzt anschwollen. Cathy schob einen alten Vorhang zurück und konnte jetzt die Männer und die Kampfhunde sehen. Einer der Männer schrie: "Kill ihn, Blanco! Kill ihn!" Das Grauen ließ Cathy für einen Augenblick erstarren, dann begann sie, nach einer Möglichkeit zu suchen, den Kampf zu unterbrechen. Sie sah einen dicken Wasserschlauch auf dem Boden liegen, der angeschlossen war. Ohne eine Sekunde zu zögern, drehte Cathy den Hahn auf. Sie hörte das Wasser rauschen und packte den Schlauch, bevor sich die Männer zu ihr umdrehten. In diesem Augenblick schoß der Wasserstrahl aus de? Düse. Cathy kam sich vor wie auf dem Rücken eines Wildpferdes. Sie zielte auf die Männer, aber der Schlauch hatte seinen eigenen Willen, das Wasser spritzte in alle Richtungen. Verbissen klammerte sie sich an die zuckende Riesenschlange in ihrer Hand. Lange konnte sie ihn nicht halten, das spürte sie. Das nächste, das in ihr Bewußtsein drang, war ein triefend nasser und sehr wütender Mann, der sich über sie beugte. Sie lag in dem übel riechenden Matsch auf dem Boden. Ihr Blick fiel in die Arena, in der zwei Hunde gekämpft hatten. Sie hechelten keuchend. "Wer, zum Teufel, sind Sie? Und was machen Sie in meinem Schuppen?" Der Mann war, wie Cathy vermutete, Ted Proctor. Cathy schluckte mehrmals und nahm ihren ganzen Mut zusammen. Sie hoffte nur, daß Ruth die Polizei erreicht hatte. Dieser Hund dort gehört mir. Er ist mir gestohlen worden." Sie sah nach dem großen Hund, der sich noch immer im
Hintergrund hielt. "Die Polizei ist schon benachrichtigt worden, und Sie werden eingesperrt." Einer der anderen Männer kam heran. Auch er war triefend naß. "Verdammt, Ted, ich will keinen Ärger mit den Bullen. Und von Weibern war auch nicht die Rede. Ich hau ab! Otis, kommst du mit?" "Klar, Harry, ich komme, will nur meine Jacke auswringen. Ich hätte nicht übel Lust, die Kleine zu vertrimmen." Cathy hörte Schritte näher kommen. "Keinen Schritt weiter! Sie werden hier niemanden vertrimmen!" Roberts Stimme war schneidend. Er kam von der Vorderseite in den Schuppen. Cathy erkannte die beiden Männer hinter Robert als seine Wahlhelfer. Mit großen Augen starrte sie ihren Mann an. Seine Augen sprühten Feuer. Cathy konnte kaum den Blick von ihm wenden. Er mußte ihre Nachricht gelesen haben. Und wie schnell er gekommen war! Hoffentlich war er vorsichtig. "Was geht hier vor sich, Ted?" fragte ein weiterer Mann. "Mir gefallen all die Leute hier nicht. Du hast gesagt, nur ein paar Freunde seien hier." "Halt den Mund Frankie", schnaubte Ted. "Die haben kein Recht, auf meinem Grund und Boden zu sein." Er fuchtelte mit einem Schraubenschlüssel über Cathys Kopf herum und schrie Robert an: "Wenn das hier Ihre Braut ist, dann schaffen Sie sie hier raus"' solange Sie noch gehen können." Robert sah von Cathy zu dem schweren Schlüssel. "Komm her, Cathy." Mühsam erhob sie sich. "Wir müssen Max mitnehmen, Robert." "Halt! Warten Sie!" Ted legte den Schraubenschlüssel auf Cathys Arm. "Was soll das mit..." Mit einem Satz war Robert heran und stürzte sich auf Ted. Der versuchte, den Schraubenschlüssel zu seinem Schutz hochzureißen, aber Cathy schlug ihn auf den Arm. Roberts
Faustschlag traf Ted gegen die Brust und schickte ihn in den Dreck. Cathy ging mit ihm zu Boden. Sie sah gerade noch, wie der andere Mann, den sie Frankie nannten, Ted zu Hilfe eilen wollte, nahm eine Handvoll Schlamm und warf ihn ihm ins Gesicht. Wütend schrie Frankie auf. "Dieses verdammte Weib!" Es war beim besten Willen nicht möglich, Freund und Feind zu unterscheiden. Plötzlich tauchten Polizisten auf. Ruth Proctor schrie lautstark nach Cathy. "Mrs. Densmore, wo sind Sie? Oh, Hilfe! Hilfe! Wir müssen Mrs. Densmore finden!" Cathy kam gar nicht dazu, ihr zu antworten, so laut war das Geschrei. Als sie wieder auf die Füße kam, sah sie Frankie in Richtung Hinterausgang davonkriechen. Ohne auch nur eine Sekunde nachzudenken, warf sie sich auf den Rücken des Mannes. Der große Bullterrier kam ihr dabei zu Hilfe. Knurrend und zähnefletschend stellte er sich über Frankies Kopf und hinderte ihn an jeder Bewegung. "Verdammt, Lady, lassen Sie mich los! Ich habe Dreck in den Mund gekriegt." Einer der beiden Polizisten, die Robert bisher festgehalten hatten, beugte sich jetzt zu Cathy herunter. "Ist gut, Madame. Ich werde mich jetzt um diesen Gentleman kümmern, und Sie bleiben schön hier sitzen." Er sprach zwar ruhig, aber sein Gesichtsausdruck ließ keinen Widerspruch zu. Er zog Frankie hoch. Kurze Zeit später hatte die Polizei die Ordnung wiederhergestellt. Ted und zwei seiner Freunde wurden in Handschellen zu den Streifenwagen gebracht. Cathy klopfte dem Hund auf den Rücken, der sich zutraulich an sie schmiegte. Inzwischen war es Robert gelungen, die Polizei von seiner Identität zu überzeugen. Er half Cathy auf die Beine, während die Beamten fassungslos zusahen. Cathy bat sie, mit Ted
sprechen zu dürfen. Bis er wieder herbeigeschafft wurde, kümmerte sie sich um die weinende Ruth Proctor. "Wo ist Max geblieben?" fragte sie Ted dann. "Haben Sie ihn umgebracht?" "Hey, reden Sie doch keinen Quatsch!" regte er sich auf. "Achten Sie gefälligst auf Ihre Worte, wenn Sie mit meiner Frau reden!" stutzte ihn Robert zurecht. "Also ... wo ist dieser Max?" Bevor Ted antworten konnte, stieß Ruth einen klagenden Schrei aus und kniete sich neben die beiden Hunde. Vorsichtig hob sie den einen hoch und drückte das verdreckte, blutende Tier an ihre Brust. "Du kannst stolz auf ihn sein, Ruth. Er ist der beste Kämpfer, den ich je hatte", meinte Ted. Ruth legte den Kopf des Hundes auf ihre Jacke, dann stand sie langsam auf und ging auf ihren Schwager zu. "Komm du nie wieder in meine Nähe, Ted Proctor!" Sie hob den Arm und gab ihm eine schallende Ohrfeige. "Und in die Nähe meines Hundes auch nicht." Robert bot sich an, für Max einen guten Tierarzt zu besorgen. Die anderen Hunde sollten in ein Tierheim gebracht werden, bis sich ihre Besitzer ausfindig machen lassen würden. Dann nahm Cathy Roberts Arm, und sie gingen zum Wagen. "Du hättest das nicht tun dürfen - mit dem Mann kämpfen, meine ich", sagte sie leise und mußte schlucken. "Dein Rücken... die Operation..." Sie biß sich auf die Unterlippe. "Ich konnte nicht wissen, daß es zu einem Kampf kommt." "Unsinn!" Robert beugte sich vor und küßte sie. "Ich habe schon schlimmere Prügeleien mit den Zwillingen gehabt. Mach dir keine Gedanken." Er blickte an ihr .vorbei zu dem Hund hinunter, der Cathy ergeben folgte. "Was willst du mit ihm machen?" fragte er, während Cathy versuchte, sich einigermaßen das Gesicht zu säubern. "Hoffentlich ist dir klar, daß wir gleich einer Meute von Reportern gegenübertreten
müssen, wenn wir ins Hotel zurückkommen." Er lachte. "Und Sie sehen nicht sehr vorteilhaft aus, Mrs. Densmore." "Sie sehen auch nicht besonders aus, Senator." Cathy drückte seine Hand. "Wird die Geschichte deinem Wahlkampf schaden, Robert?" "Das bezweifle ich -, es könnte sogar helfen. Es ist in letzter Zeit viel über solche illegale Hundekämpfe berichtet worden, und die Empörung ist groß im Land. Mach dir also keine Gedanken, Liebes. Ich tue es ja auch nicht." "Dann will ich dir deine Frage nach dem Hund beantworten. Ich möchte ihn behalten. Wenn seih alter Besitzer gefunden wird, gebe ich ihn natürlich zurück. Aber die Polizei meint, diese Hunde sind wahrscheinlich schon als Welpen gestohlen worden. Oder die Männer, die man heute abgeführt hat, haben sie gekauft, würden natürlich nie zugeben, daß sie ihnen gehören, weil sie sie zu einer illegalen Handlung benutzt haben." Cathy lachte den Hund an, der jetzt brav im Auto auf dem Boden saß. "Ich werde ihn Hobo nennen." Die Fahrt zum Hotel schien keine Minute gedauert zu haben. Als Cathy die vielen Kameras sah, war sie froh, daß die Polizei Ruth Proctor nach Hause gefahren hatte, sie war zu aufgeregt gewesen. Robert versprach den Reportern, jede ihrer Fragen zu beantworten, wenn sie ihnen nur vorher die Gelegenheit geben würden, sich zu waschen und umzuziehen. Eine Pressekonferenz wurde anberaumt, und Cathy hatte wieder einen öffentlichen Auftritt vor sich.
7. KAPITEL Cathy hatte bisher geglaubt, sich nie an das blendende Licht bei Fernsehaufnahmen gewöhnen zu können. Sie beneidete Robert um die Gelassenheit, mit der er die Pressekonferenz meisterte. Plötzlich spürte Cathy aller Augen auf sich gerichtet. Da sie ihren Mann beobachtet hatte, war ihr' die Frage entgangen. Sie warf Robert einen verzweifelten Blick zu, und er wiederholte leise die Frage. "Wie ich das herausgefunden habe? Nun, es gibt viele aufrechte Bürger, die mit Informationen zu uns kommen, besonders zu meinem Mann, Sie wissen, daß der Senator ein Mann mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn ist..." "Ja, Mrs. Densmore, wir alle kennen Ihre Meinung über Ihren Mann." Alle lachten bei dieser Bemerkung einer blonden Reporterin, Robert eingeschlossen. "Aber die Frau kam zu Ihnen. Spielen Sie nicht eine wichtige Rolle im Wahlkampf Ihres Mannes und in seinem politischen Leben?" "Die Frage möchte ich beantworten, Cathy, wenn du gestattest", unterbrach Robert mit einem gewinnenden Lächeln. "Meine Frau Cathy ist der wichtigste Faktor in meinem politischen und meinem privaten Leben. Ihre Integrität und ihre natürliche Aufrichtigkeit sind die wichtigsten Grundlagen für alles, was ich tue. Ich bin sehr stolz auf sie." Vom Rest der Konferenz bekam Cathy nicht mehr viel mit. Sie war zu sehr mit Roberts Lobeshymne beschäftigt. Immer
wieder hörte sie seine Worte in Gedanken noch einmal. Es war ein wundervolles Gefühl. Robert hatte sie anerkannt! Und sie würde die Anerkennung in Liebe umwandeln. Robert schloß die Sitzung mit dem Versprechen, sich für die Bekämpfung des Unrechtes und für den Schutz der Schwachen einzusetzen, gleichgültig ob es sich um Tiere, Kinder oder alte Menschen handelte. Zurück in ihrer Suite, dachte Cathy, er würde sich ein bißchen ausruhen wollen. Zu ihrer Überraschung folgte Robert ihr jedoch in ihr Zimmer. "Wir brauchen beide nach so einem wilden Tage Ruhe, aber ich möchte mit dir reden, Cathy. Wenn du nichts dagegen hast, lege ich mich auf dein Bett." Er löste die Krawatte und ließ sich rückwärts auf das große Bett fallen. "Ich wäre froh, wenn diese Kampagne vorüber wäre, dann könnte ich endlich Sporthemden tragen." Als sie sich zu ihm auf die Bettkante setzte, zog er ihr den Pullover über den Kopf und löste den Reißverschluß ihres Rockes. "Du kannst dich unmöglich entspannen, eingezwängt wie du bist. Soll ich dir auch die Strumpfhose ausziehen?" Er lachte, weil Cathy rot wurde, dann zog er sie zu sich unter die Decke. "Um auf deine Heldentat zurückzukommen, du darfst dich nie wieder in solche Gefahr bringen. Ich habe fast einen Herzinfarkt bekommen, als ich diesen Ted Proctor drohend über dir stehen sah. Cathy, du weißt, daß ich dir immer helfen werde, aber ich möchte dich nie wieder in solcher Gefahr sehen. Ist das klar?" "Klar, aber ich konnte Ruth Proctor doch nicht einfach abweisen. Sie ist nicht nur eine nette Frau, das Leben war auch nicht leicht für sie." "Das kann ich verstehen, mein Engel. Deshalb möchte ich ihrem Sohn ein Stipendium geben. Seine Mutter meint, er interessiere sich sehr für die Technik. Wenn er aus der Schule
kommt und Lust dazu hat, wird er auf jede Ingenieurschule in diesem Land gehen können." "O Robert!" Cathys Augen füllten sich mit Tränen. "Du bist so ein guter Mensch." "Gut genug für dich, meine Liebe?" "Robert, du bist dumm! Natürlich. Habe ich dir das nicht bewiesen, als du krank warst?" Sie streichelte sein Kinn. Es war schön, die kleinen rauhen Bartstoppeln zu fühlen. "Ich will nicht dein Mitleid, Cathy. Ich möchte mehr." "Du hast mich doch ganz- Was möchtest du denn noch?" "Gehörst du wirklich ganz mir? Das ist es, was ich von Herzen möchte, Cathy. Dich ganz und für immer. Mit weniger kann ich nicht glücklich sein. Mein Verlangen wird von Tag zu Tag stärker." "Meins auch", hauchte sie, als sie sich zu ihm herumdrehte und sich an ihn schmiegte. "Darling, du fühlst dich so schön warm an. Ich habe das Gefühl, als müßte ich nie wieder frieren, wenn du in meiner Nähe bist." Sie spürte seinen Atem auf ihrer Haut. Sein Körper spannte sich in wachsendem Verlangen. Auch ihr Körper reagierte, als sie seine vertrauten Liebkosungen fühlte. "Mein Liebling, ich brauche dich so sehr. Und ich habe Sehnsucht nach dir." Er ließ seinen Mund über ihre Brüste gleiten und entfachte ihre Gefühle für ihn. Die Leidenschaft steigerte sich zwischen ihnen zu unerträglichen Höhen. Cathy glaubte, die Erde würde explodieren und alle Sterne der Galaxis auf die Erde stürzen. Nur sie und Robert schwebten hinaus in den Raum. Danach hielten sie sich eng umschlungen. "Robert", flüsterte Cathy nach einer Weile, "es ist für mich jetzt schöner als jemals zuvor. Für dich auch?" Er hob das Gesicht nicht aus ihrem duftenden Haar. "Cathy, es liegt an dir. Du wirst immer schöner." Dann beugte er sich
zurück, um sie ansehen zu können. "Im Krankenhaus habe ich dich immer angeschaut und innerlich geweint, weil ich dachte, ich würde dich nie wieder lieben können. Das war die größte Qual für mich. Ich habe mich so nach dir gesehnt und konnte nicht den Arm ausstrecken, um dich zu berühren. Ich mußte zusehen, wie du meine Hand hobst und sie küßtest. Aber ich habe nichts gespürt. Das hat mich fast zerrissen." "O Robert, es war die Hölle, als du gelähmt warst. Ich wußte, was du empfinden mußtest. Deshalb bestand ich ja auf dieser Operation." Sie legte die Arme um seinen Kopf und küßte ihn sanft und zart auf die Lippen, so, als wollte sie ihn vergessen lassen, was er in jenen schrecklichen Tagen durchgemacht hatte. "Wenn du so weitermachst, mein Liebling, werden wir dieses Bett nie mehr verlassen." Der glückliche Ausdruck in seinem Gesicht machte sie selig. "Weißt du noch? In den Flitterwochen haben wir es getan, sind einfach im Bett geblieben. Könntest du Ray nicht sagen, daß wir zu müde seien, um..." Sie fühlte sich emporgehoben und zur Seite gelegt. Robert griff zum Telefon. Nach wenigen Worten war das Gespräch beendet, und er wandte sich ihr wieder zu. "Das war's. Und wo waren wir stehen geblieben?" Am folgenden Tag fuhren Cathy und Robert in ihr Landhaus, wo sie ein Picknick für einige wichtige und einflußreiche Leute geben wollten. Die Gäste erschienen am frühen Nachmittag, und Cathy war wieder einmal überrascht, wie viele von ihnen ihre Arbeit in Washington lobten. "Du bist wirklich eine große Hilfe für Robert, mein Kind", meinte ihr Vater, der sich die Glückwünsche der Gäste angehört hatte. Stolz ging er mit seiner Tochter durch den Garten und beobachtete, wie sie sich mit den Leuten unterhielt.
"Es macht mich glücklich, ihm helfen zu können", erwiderte sie und suchte Robert mit den Augen. Nachdem sie ihn entdeckt hatte, winkte sie ihm lachend zu. Sie nahm den Arm ihres Vaters und drückte ihn strahlend. "Robert sieht wunderbar aus, findest du nicht?" Ihr Vater folgte ihrem Blick. Er sah Robert eine Weile zu, wie er sich mit einem Bierkrug in der Hand mit einigen Männern unterhielt. Seine andere Hand hatte er in seiner charakteristischen Haltung in die Hüfte gestützt. "Er hat noch nie so gut ausgesehen", bestätigte der Professor. Dann runzelte er die Stirn. Er blickte einem Mann entgegen, der auf sie zukam. "Cathy, ist das nicht Sie wandte den Kopf. Der mittelgroße Mann mit schütterem sandfarbenem Haar kam ihr bekannt vor. Ja, Todd Leacock! Wie hatte sie den nur jemals attraktiv finden können? Doch was hatte der bei einem politischen Picknick ihres Mannes zu suchen? Sie konnte sich nicht erinnern, daß er jemals sein Interesse für die Politik bekundet hätte. Vielleicht hatte er sich geändert. Aber sie konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, wie armselig er neben ihrem Mann aussah. Trotzdem begrüßte sie ihn, wie es sich für die Frau eines Politikers geziemt, mit einem freundlichen Lächeln. "Hallo, Cathy! Professor Nesbitt." Todds Lächeln verriet die Gewißheit, daß er sich für einen höchst willkommenen Gast hielt. Cathy betrachtete seine schwindende Haarpracht und den Ansatz eines Bauches. "Todd Leacock. Wie geht es dir? Ich hatte schon fast vergessen, daß du auch in diesem Staat lebst." Sie gab sich Mühe, freundlich zu bleiben, obwohl sie innerlich über sich selbst lachen mußte, weil" sie sich mit achtzehn Jahren in diesen Mann unsterblich verliebt hatte. Nun, immerhin hatte Todd einen guten Zweck erfüllt. Wenn sie sich damals nicht so über ihn geärgert hätte, wäre Robert nie in ihr Zimmer gekommen, um sie zu trösten.
Sein selbstgefälliger Gesichtsausdruck ärgerte sie. Auch ihr Vater hatte Todd nie richtig gemocht, deshalb war sie jetzt nicht erstaunt, daß er sich entschuldigte und sich zu der Gruppe gesellte, die bei Robert stand. "Nun, Cathy, erzähl mir doch etwas von dir." Todd legte einen Arm um ihre Hüfte. Sofort machte sie sich recht energisch von ihm frei. "Mir geht es gut. Ich bin glücklich verheiratet, wie du siehst. Wie geht es dir?" "Ich bin glücklich geschieden", sagte er augenzwinkernd, als wollte er ihr einen Wink geben. "Eine Zeitlang habe ich in einem Geschäft für Kamerazubehör in der Stadt gearbeitet und dann selbst eins eröffnet. Es läuft gut, und ich bin mein eigener Herr." Er musterte sie lange aufmerksam. "Ich fotografiere natürlich auch selbst. Für einige Kollegen deines Mannes habe ich schon Bilder geschossen. Es hat mir viel Spaß gemacht." "Das hört sich gut an." Cathy unterdrückte ein Gähnen. Es war ein langer Tag gewesen. "Ich würde gern ein paar Fotos von dir machen, Cathy." Todd holte eine Kleinbildkamera hervor. "Wozu?" "Nun, manchmal schreibe ich einen Artikel für die Sonntagsbeilagen. Ich könnte ihnen ein paar Fotos verkaufen. Du weißt schon, Frau eines Senators und so weiter..." "Ja, aber meiner Meinung nach haben die Zeitungen schon genügend Fotos von mir." Dennoch lächelte sie geduldig in die Kamera. Als sich Todd jedoch auf den Boden kniete und sie aus dieser Perspektive zu fotografieren begann, machte sie Schluß. "Nur ein paar, Cathy. So ..." "Keins mehr, Todd. Du hast bestimmt schon dreißig Stück gemacht, Keine Zeitung braucht so viele. Außerdem muß ich meine Runde machen." "Ich komme mit dir", bot er sich an. Ihren Wink hatte er entweder nicht begriffen oder ignorierte ihn einfach.
Eine ganze Stunde lang klebte er an ihrer Seite und machte noch einige Fotos von ihr. Cathys Unbehagen wuchs von Minute zu Minute. Bevor es ihr jedoch zuviel wurde, verschwand er. Das Picknick war wieder einmal gelungen gewesen, aber nachdem die .Gäste schließlich gegangen waren, fühlte sich Cathy erschöpft. Sie versuchte noch, ihren Vater zum Bleiben zu überreden, aber er hatte am nächsten Morgen eine Vorlesung und wollte eilig nach Hause. Robert war sehr schweigsam, während er mit ihr durch den Garten ging und herumliegendes Papier einsammelte. Die Reinigungsarbeiten würde der Hausgehilfe erst morgen durchführen. "Stimm etwas nicht, Robert?" "Warum hast du mir nicht erzählt, daß du deinen früheren Freund zu unserem Picknick eingeladen hast?" Robert zerdrückte einen Plastikbecher in der Hand und warf ihn in den Müllsack. "Weil ich ihn nicht eingeladen habe. Er hat früher einmal hier in der Nahe gewohnt. Vielleicht hat er hier Verwandte besucht. Aber wen interessiert das schon?" "Dich etwa nicht? Thomas hat mir erzählt, daß du mit ihm gegangen seist, bevor ich dich kennenlernte." Er sah sie durchdringend an. "Ja, und er hat für mich auch etwas Gutes getan." "Und was war das?" "Nun, hätte er mich nicht so schockiert, als er mit Marina im Bett lag, wäre ich nicht nach Hause gekommen. Dann hätte ein gewisser Kongreßmann mich nicht in meinem Zimmer aufgesucht und getröstet." Sie lachte Robert an. "Ich werde ihm ein Dankschreiben schicken", sagte er in grimmigem Ton. Aber in seinen Augen war wieder ein freundliches Funkeln. "Wir sollten jetzt das Schlafzimmer aufräumen, es wird bestimmt wüst aussehen."
"Da war doch niemand drin." Er nahm sie in die Arme. "Bist du mir böse, weil ich so eifersüchtig bin?" Cathy streichelte seine Wange. "Zweimal darfst du es noch sein, dann bin ich dir allerdings ernsthaft böse." "Du hast es schon schwer, Kleines, was?" Seine Hand glitt über ihre Brust und drückte sie zart. "Ich bin die reinste Märtyrerin", hauchte Cathy. Sie wand sich unter seiner erregenden Liebkosung. "Senator, wir werden die Nachbarn schockieren, falls einer vorbeikommt." "Das ist wahr." Er drehte sie herum, hielt sie aber von hinten umfangen. So gingen sie auf das Haus zu. "Nach der Wahl werden wir uns eine schöne Zeit zu zweit in Washington machen. Dann kannst du drei Tage mit deinem Mann im Bett verbringen'." "Was? Und ich dachte, du würdest mir Burt Reynolds gönnen." Cathy lachte und stieß ihn von sich. Sie rannte, so schnell sie konnte, auf das Haus zu, sicher, daß sie Robert weglaufen könnte. Aber schon nach wenigen Metern wurde sie an der Hüfte ergriffen und zu Boden gerissen. Sie mußte so sehr lachen, daß sie sich kaum, zur Wehr setzte. Robert zog sie auf sich. "Wie hast du mich einholen können? Du bist ja in einer viel besseren Form, als man es erwarten sollte." Sie lagen zwischen hohen Büschen und waren vom Haus nicht zu sehen. Cathy blieb ausgestreckt auf seinem Körper liegen. "Zieh dich aus, Cathy", bat er mit rauher Stimme. "Das geht doch nicht. Nicht hier. Du wirst dich erkälten." "Wir sind hier windgeschützt, und die Erde ist noch warm von der Sonne." Robert zog ihren Pulli hinauf, um ihre Brüste mit den Lippen liebkosen zu können. "Hab ich dir schon gesagt, daß ich deine Brüste liebe?" "Das kann schon sein." Sie schmiegte sich wohlig an seine nackte Brust.
Nachdem sie sich gegenseitig entkleidet hatten, bedeckte er sie schützend mit seinem Körper. Cathy fühlte sich sicher und geborgen. Nur die Bewegungen ihrer Hände waren noch ein wenig zögernd, als sie suchend und erweckend über seinen Körper glitten. Dann glühte die Leidenschaft auf und schwemmte die letzten Hemmungen weg. Cathy kam sich wild und leidenschaftlich vor und zugleich ergeben und zärtlich, liebend und verlangend. Sie verloren sich im Sturm ihrer Leidenschaft und trieben unaufhaltsam dem Höhepunkt zu. Robert war wiedergewählt! Die Feier war beinahe schon ein Volksfest. Cathy hatte viel Spaß. Robert hatte aber verdient gewonnen. Für sie war er einfach der beste Mann im Staate New York, und es freute sie, daß auch andere Leute dieser Meinung waren. In Washington gab ihnen ihre Mannschaft eine kleine Empfangsparty. Die Wochen nach der Rückkehr brachten für beide viel Arbeit. Cathy fühlte sich von der wachsenden Innigkeit ihrer Beziehung angespornt. Ihre Ehe war also doch noch in Ordnung, es schien so, als habe der Wahlkampf sie gefestigt. Eines Nachmittags ging sie durch den Garten ihres Hauses in Virginia und pflückte die letzten Rosen. Es war Ende November, und es war schon recht kühl. Cathy hatte gerade eine noch fast geschlossene Knospe abgeschnitten, da trat Trock mit einem Päckchen in der Hand zu ihr. Sie unterbrach ihre Tätigkeit und blickte ihm entgegen. Die beiden Hunde an ihrer Seite wedelten freudig mit dem Schwanz. "Sie haben gerade Hobo für sich gewonnen, Trock." Cathy nahm das Päckchen entgegen, ohne es anzusehen. "Hätten Sie gedacht, daß die beiden so gute Freunde werden?" Sie blickte auf den Bullterrier neben dem Dobermann.
Die beiden Hunde bildeten einen ziemlichen Gegensatz. Der Bullterrier war jetzt schneeweiß, die Narben waren fast vollständig verheilt. Seine schrägen Augen blickten intelligent. Cathy hatte über die Rasse in Erfahrung gebracht, daß sie trotz ihrer Bereitschaft, bis zum Tode zu kämpfen, auch gutmütige Tiere waren, die sich sogar für Kinder eigneten. Am Anfang hatten die beiden Rüden einen großen Bogen umeinander gemacht. Lauernde Wachsamkeit hatte zwischen ihnen geherrscht, besonders von Seiten des Dobermanns, der sich gegen den Eindringling in sein Revier stellte. Aber mit der Zeit war die zögernde Duldung in respektvolle Kameradschaft umgeschwenkt. Trock beobachtete die Hunde eine Weile schweigend. Dann zeigte sich die Andeutung eines Lächelns auf seinem Gesicht, und er beugte sich herunter, um die Rücken der Tiere zu streicheln. Er zeigte auf das Päckchen in Cathys Hand. "Es kam per Eilboten." Dann sah er sie kopfschüttelnd an. "Es ist kalt. Ich werde mit den Hunden noch ein bißchen spazieren, und Sie sollten wieder hineingehen." Cathy betrachtete das in braunes Papier gewickelte Päckchen, es trug keinen Absender. Sie legte es zu den Rosen in ihren Korb, steckte die Schere ein und kehrte ins Haus zurück. Das Päckchen legte sie ungeöffnet auf Roberts Schreibtisch, die Rosen übergab sie der Haushälterin. Später wollte sie sie in der Bibliothek in die Vase stellen. In aller Ruhe duschte sie und wusch sich die Haare. Sie dachte an das gemütliche Abendessen mit Robert. Es sollte Bouillabaisse geben, eins seiner Lieblingsgerichte, dazu Champagner und das französische Stangenbrot, das er sehr mochte. Sie zog sich sorgfältig an. Dabei dachte sie vor allem an Roberts Geschmack und wählte ein seidenweiches Wollkleid aus, das gut zur Farbe ihrer Augen paßte. Dann fielen ihr die
Rosen ein, die die Haushälterin in die Bibliothek gebracht hatte, und sie eilte hinunter. Die Blumen lagen neben dem Päckchen auf einem Tisch. Cathy stellte sie in die Vase. Das Päckchen war schwierig zu öffnen, aber schließlich gelang es ihr, es auszuwickeln. Sie knüllte das Packpapier zusammen und betrachtete dabei verwundert die unbeschriftete Schachtel, die zum Vorschein gekommen war. Was mochte wohl für eine Überraschung darin sein? Sie nahm den Deckel ab und erstarrte. Sie konnte buchstäblich das Blut ins Gesicht schießen fühlen. Ihre Hände wurden eiskalt. Fassungslos blickte sie auf das Nacktfoto von sich selbst. Den Kopf zurückgeworfen und in einer provozierenden Pose war sie dargestellt. Sie hob das Bild hoch und fand ein zweites darunter. Cathy schloß völlig entsetzt die Augen. Das mußte eine Halluzination sein. Ein ganzer Stapel solcher Fotos kam zum Vorschein. Wenn die ersten fünf Bilder schon schlimm waren, die folgenden waren schockierend. Auf ihne n war sie mit... Cathy fühlte, daß ihr Magen zu revoltieren begann. Sie rannte in das kleine Bad bei der Bibliothek. Mit zitternden Händen wusch sie sich dann das Gesicht und starrte in den Spiegel. Wie war so etwas möglich? Wie konnte es Bilder von Rod Ardmore und ihr in solch schamlosen Stellungen geben? Langsam, fast widerwillig ging sie zurück. Die armen Rosen beachtete sie nicht. Da waren noch mehr Fotos von Rod und ... Cathy wäre fast in Ohnmacht gefallen. Da waren auch Bilder von ihr mit Todd Leacock! Was ging da nur vor sich? Mit zitternden Fingern hob sie ein Stück Papier auf, das zu Boden gefallen war. Es war mit Schreibmaschine beschrieben. Mrs. Densmore, Sie sollten sich schämen! Diese Fotos werden zu einer Illustrierten geschickt. Die Leute sollen wissen, wie Sie leben. Sie werden heute abend um sieben Uhr einen Anruf bekommen.
Verständnislos starrte Cathy auf den Zettel. Als das Telefon rieben ihr klingelte, fuhr sie erschrocken zusammen. "Cathy, Liebling, ich bin es. Ich habe heute abend noch einen Termin. Es sieht so aus, als könnte es spät werden. Es tut mir leid. Cathy?" "Ja... natürlich, Robert. Ich verstehe." "Engelchen, hast du etwas?" "Nein... bis später!" Sie spürte Roberts Zögern, legte den Hörer auf und barg das Gesicht in den Händen. Wer konnte das nur getan haben? Und warum? Regungslos saß Cathy in der dunkel werdenden Bibliothek und hielt die Schachtel mit den Fotos an sich gedrückt., Als das Telefon um sieben Uhr klingelte, nahm sie den Hörer so vorsichtig ab, als wäre er explosiv. "Ja, hier ist Cathy Densmore." "Erkennst du meine Stimme, Cathy? Hier spricht Todd Leacock." Sie strich sich über das Haar. "Warum rufst du an?" "Komm, Cathy, du warst doch immer ein kluges Mädchen. Prüde, aber klug." Er lachte schmierig. "Also hast du die Bilder geschickt." Ihre Stimme bebte. "Du mußt zugeben, daß du gut aussiehst, Cathy." Sie sah förmlich seinen gierigen Blick vor sich. "Ich habe nie für solche Bilder posiert. Dafür wirst du ins Gefängnis kommen." "Ich kann mich sehr gut daran erinnern, daß du dafür posiert hast, Cathy. Ich weiß auch noch, wie ich dich mit Kongreßmann Ardmore fotografiert habe. Es hat dir nie etwas ausgemacht, dich nackt abbilden zu lassen." "Du Lügner!" Cathy biß sich vor Wut auf die Unterlippe. "Dein Wort steht gegen meins, meine Liebe. Ich habe nichts zu verlieren, wenn diese Bilder veröffentlich werden. Du schon."
"Was sagst du da?" "Ich sagte, mir mache es nichts aus, wenn die Bilder an die Öffentlichkeit gelangen. Falls es dir aber etwas ausmacht, dann solltest dm dich bereit erklären, für die Energiepolitik dieses Landes einiges zu tun. Es gibt da ein paar Sachen, die wir durchführen möchten, und dein Mann stellt sich quer. Wenn du ihn aber überreden könntest..., nun, dann könntest du die Bilder und die Negative bekommen." "Es gibt noch Gesetze in diesem Lande!" "Du solltest mir nicht drohen, Cathy", warnte er sie, "Ich mag das nicht." "Du bist verrückt. Es sind Fotomontagen, und du hast sie angefertigt. Warum tust du das?" "Das habe ich dir gerade erklärt. Ein paar Le ute und ich, wir möchten, daß dein Mann seine Haltung in der Umweltfrage ändert. Das ist alles, Cathy. Du kannst es erreichen. Schließlich geht es auch um neue Arbeitsplätze in diesem Land." "Und um mehr Geld, das sich Leute wie Greeley in die Taschen stopfen können", fauchte Cathy erbost. "Ich habe keine Namen genannt, Cathy." "Das war auch nicht nötig, Todd. Es ist ein Verbrechen, laß die Finger davon, solange du..." "Du willst mir etwas von Verbrechen erzählen? Du mit deinem ganzen Densmore-Geld? Warum habt ihr denn soviel und ich so wenig? Glaubst du etwa, der alte Emmett Densmore habe sein Geld ehrlich verdient? Du weißt verdammt genau, daß es nicht so ist. Warum sollte ich denn nicht auch einmal in den Honigtopf langen?" "Du weißt, daß es nicht richtig ist. Todd, hör mir..." "Nein, hör du mir zu, Cathy! Bring deinen Mann dazu, daß er seinen Standpunkt ändert, sonst werden die Bilder veröffentlicht. Ich mache keinen Scherz!" Damit legte er auf. Cathy hielt den Hörer noch in der Hand und legte ihn erst nach Minuten auf. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und
blieb so sitzen. Die Panik, die sie ergriffen hatte, lahmte sie förmlich. Wäre Robert in diesem Moment nach Hause gekommen, hätte sie ihm die ganze Geschichte erzählt und sich damit von ihren Ängsten befreien können. Aber sie war allein. Beinahe unbewußt nahm sie den Telefonhörer ab und wählte eine Nummer. Rod Ardmore meldete sich. Sie mußte ihm berichten, daß er in diese Sache verwickelt war. Bereits zweimal hatte er seinen Namen genannt, bevor sie sich meldete "Hier ist Cathy, Rod. Ich bin in schrecklichen Schwierigkeiten." Sie hatte Probleme, die richtigen Worte zu finden, aber irgendwie gelang es ihr dann doch, ihm eine Schilderung dessen, was passiert war, zu geben. "Cathy, hör mit bitte zu! Du darfst nicht aufgeben. Ich komme sofort zu dir. Es gibt immer einen Weg, solche Sachen zu regeln." Unruhig ging sie in der Bibliothek auf und ab, während sie auf. Rod wartete. Schreckliche Visionen tauchten vor ihrem geistigen Auge auf. Was würde auf sie zukommen? Und auf Robert? Als sie endlich den Wagen vorfahren hörte, ging sie selbst zur Tür. Sie sah Rod Ardmore betroffen entgegen und war nicht in der Lage, das Zittern ihrer Hände zu unterdrücken. Rod nahm ihren Arm und ging mit ihr in die Bibliothek. Erst hier begann er zu sprechen. "Cathy, schau mich nicht so an!" Er legte den Arm um ihre Schultern. "Wir kriegen das wieder hin." "Wie?" Resigniert schüttelte sie den Kopf. "Du hast die Bilder nicht gesehen. Sie sind scheußlich. Ich schäme mich, sie dir zu zeigen." Er führte sie zu einem Stuhl. Dann blickte er sich suchend nach den Fotos um, entdeckte die Schachtel auf dem Tisch und öffnete sie. In beklemmendem Schweigen nahm er sie einzeln in die Hand.
Sein Gesicht war blaß geworden. "Wer immer sie gemacht hat, ist kein Amateur." Er stieß die Worte heftig hervor. "Du mußt einsehen, daß wir keinerlei Forderungen nachgeben dürfen. Das würde zu endlosen Erpressungen führen. Das verstehst du, Cathy, nicht wahr?" Ergeben nickte sie. "Was können wir denn tun?" Rod sah sie eine Weile an, dann winkte er ab. "Ich muß darüber nachdenken", gab er zu. "Zuerst brauchen wir eine vertrauenswürdige Person, die diesen Leacock überwacht. Wir müssen herausfinden, für wen er arbeitet." Er überlegte einen Moment lang. "Ich kenne ein paar Leute, die davon profitieren würden, wenn ich abtreten müßte. Wer könnte etwas davon haben, wenn Robert erledigt wird?" "Greeley", antwortete Cathy prompt. "Und ich kenne jemanden, dem ich vertrauen kann." Sie erhob sich, ging entschlossen zur Tür und drückte auf die Klingel. Trock erschien wenige Augenblicke später. Cathy zeigte ihm zwar nicht die Bilder, aber sie erzählte ihm von Todds Anruf und von Rods Vorschlag. Trock sah sie starr an. Sein Gesicht wirkte wie aus Stein gemeißelt, nur in seinen Augen glomm ein fremdartiges Feuer., "Ich werde ihn beschatten, Mr. Densmore. Er wird nicht atmen können, ohne daß ich es erfahre. Machen Sie sich keine Sorgen." Er wandte sich zum Gehen, drehte sich an der Tür aber noch einmal um. "Soll der Senator es nicht erfahren?" Cathy schüttelte unsicher den Kopf. "Ich weiß nicht..." "Wir wollen erst einmal sehen, was wir drei erreichen", schlug Rod vor. Trock nickte und verließ den Raum. Ein paar Minuten später verabschiedete sich auch Rod. Cathy lehnte sich gegen die alte Eichentür, in ihrem Kopf hämmerte es. Sie mußte sich zusammenreißen, um die Treppe hinaufzugehen.
Plötzlich sprang die Hintertür auf. Cathy fuhr erschrocken herum. Wie ein kampfbereiter Boxer stand Robert in der Tür. "Verdammt, Cathy, was zum Teufel geht hier vor?" Seine Hände schlössen und öffneten sich krampfhaft. "Ich habe Ardmores Wagen aus unserer Einfahrt kommen sehen, als ich die Straße heraufkam." All ihre Angst, ihr Schmerz und ihre Verwirrung machen sich jäh Luft. "Wag es nicht, so mit mir zu reden! Was bildest du dir ein? Du hast am allerwenigsten Grund, den moralischen Ehemann zu spielen", schrie sie ihn an. "Ich bin dein Mann!" brüllte Robert und nahm eine drohende Haltung ein. "Daran erinnerst du dich nur, wenn es dir gerade paßt. Wie kannst du es wagen, mir zu mißtrauen?" Cathy schrie ihre ganze Frustration heraus. "Das muß ich mir von einem Schürzenjäger wie dir nicht sagen lassen." Im selben Augenblick wußte sie, wie unfair ihre Äußerung war. Robert atmete tief ein. Seine Stimme klirrte metallisch. " Schürzenjäger? Das ist also deine Meinung von mir! Du verlangst Vertrauen von mir, aber selbst kannst du nicht vertrauen."' "Worauf soll ich denn vertrauen? Vielleicht darauf, daß du bei der erstbesten Gelegenheit wieder eine Party für deine Freunde in Durra arrangierst?" "Du hast mir nie die Gelegenheit gegeben, die Sache in Durra zu erklären. Und jetzt verrätst du mir besser, was Rod Ardmore in meinem Haus während meiner Abwesenheit zu suchen hat. Er trat auf sie zu. "Ich werde dir gar nichts erzählen!" Sie rannte an ihm vorbei die Treppe hinauf. Auf halber Höhe drehte sie sich um. "Gar nichts! Hast du mich verstanden? Und komm bitte nicht mehr in meine Nähe. Nie wieder." Die letzten Stufen stolperte sie hinauf und schlug ihre Zimmertür hinter sich zu.
Sie gab sich nicht die Mühe, das Licht zu löschen, zog sich aus, warf sich auf das Bett und ließ den brennenden Tränen freien Lauf! Später lag sie mit offenen Augen da, und nichts und niemand konnte ihren Schmerz lindern. Mit der ersten Morgenröte kam dann endlich der Schlaf, aber die Alpträume blieben.
8. KAPITEL Am nächsten Morgen stand Cathy um sieben Uhr auf. Kaum zwei Stunden hatte sie geschlafen. Sie hörte Robert im Schlafzimmer, aber sie wartete, bis er gegangen war. Sie duschte lange, das löschte zwar nicht alle Spuren aus ihrem Gesicht, aber es erfrischte wenigstens und klärte ihr Denken. Sie war gerade bei ihrer zweiten Tasse Kaffee - Toast und Eier hatte sie nicht angerührt -, da erschien Trock mit den beiden Hunden in der Tür. "Ich werde fast den ganzen Tag weg sein und nehme Graf mit", verkündete er. "Was werden Sie unternehmen?" Cathy mußte sich zum Sprechen zwingen. "Es gibt noch keinen bestimmten Plan." Er wandte sich zum Gehen, nachdem er Hobo zu bleiben befohlen hatte. Mit dem Rücken zu Cathy fügte er hinzu: "Keine Sorge." "Danke, Trock." Cathy fühlte sich etwas besser. Sie rief Hobo zu sich und ging mit ihm hinaus, um nachzudenken. Wieder und wieder ging sie in Gedanken Todds Worte durch. Wie war Greeley an Todd Leacock herangekommen? Was hatte Todd erzählt? Daß er schon für Roberts Kollegen gearbeitet habe? Plötzlich blieb sie wie vom Blitz getroffen stehen. Bruno! Würde er das wagen? Aber Emmett würde doch bestimmt alles verhindern, was der Karriere seines Sohnes schädlich sein
konnte. Trotzdem war Cathy aus unerklärlichen Gründen von ihrem Verdacht überzeugt. Nachdenklich ging sie weiter. Emmett würde zwar keinen Finger für sie rühren, aber solange sie Roberts Frau war, mußte er auf ihren guten Ruf bedacht sein. Also konnte er nicht die Finger in diesem schmutzigen Spiel haben. Konnte Bruno so etwas allein angezettelt haben? Cathy nickte. Er hatte die eisernen Nerven eines Pokerspielers. Würde er es jedoch wagen, sich dermaßen gegen Emmett zu stellen? Geistesabwesend streichelte Cathy den Bullterrier, der sie unruhig mit der Nase anstieß. Ja, es ging schließlich bei dem Kernkraftprojekt um eine Menge Geld, und Greeley wollte das Umweltschutzgesetz begraben, bevor es überhaupt vor den Senat kam. "Wie soll ich das beweisen, Hobo? Was kann ich gegen solche Machenschaften tun? Wenn ich nachgebe, werden sie all unsere Pläne untergraben, für die Robert und ich hart gekämpft haben." Sie blieb wieder stehen. Im Geiste sah sie schon Robert zerbrochen und erledigt vor sich. "Nein!" rief sie laut, worauf der Hund erschrocken losbellte. Sie klopfte ihm beruhigend den Rücken. "Ich werde das nicht zulassen, Hobo. Sie würden Robert in Stücke reißen, wie du im Kampf zerfleischt werden solltest. Aber noch bin ich da und werde nicht zulassen, daß Roberts Ideale zerstört werden!" In Gedanken versunken spazierte sie über die Wiesen in der Umgebung. "Stacy! Stacy Lande. Ich muß mit ihr reden!" Cathy fühlte sich bei dieser Idee plötzlich erleichtert. Stacy war Roberts Sekretärin, die auf eigenen Wunsch von Bruno zu ihnen gekommen war. Zuerst war Cathy mißtrauisch gewesen, weil sie befürchtete, sie könnte in Brunos Auftrag spionieren. Aber allmählich hatte sie ihr zu vertrauen gelernt und glaubte ihr die Erklärung, daß Stacy nicht mehr länger für den skrupellosen Bruno arbeiten
konnte. Die beiden Frauen waren sich näher gekommen, und Cathy betrachtete Stacy als eine gute Freundin. Eilig kehrte sie ins Haus zurück und rief in Roberts Büro an. "Stacy? Hier ist Cathy Densmore. Ja, es ist schon lange her..." Cathy holte tief Luft. "Stacy, ich möchte Sie um einen großen Gefallen bitten. Sie müssen mir mehr über die Partys in Durra erzählen. Ja, ich weiß, daß das alte Geschichten sind, aber ich muß jetzt einiges wissen. Ich kann am Telefon nicht darüber reden. Stacy, ich habe den begründeten Verdacht, daß es ein ganz niederträchtiges Komplott gegen meinen Mann gibt. Wollen Sie mir bei der Aufklärung helfen?" Sie verabredeten sich für Montag um neun Uhr. Den Rest des Vormittags machte sich Cathy Notizen über alle Leute, die sie vielleicht während ihrer Tätigkeit verärgert haben mochte. Die Liste wurde lang, sie hätte vorher nie gedacht, daß es so viele Namen sein würden. Bei seiner Rückkehr zeigte Trock Cathy eine Kamera. "Ich war mal Fotograf bei der Marine. Da habe ich einiges gelernt. Leacock scheint eine Menge Leute zu kennen." Er deutete auf den Hund. "Aber Graf hat seinen Feind erkannt: Bruno Trabold. Sie haben sich auf einem Feldweg getroffen. Ich konnte nicht zu nahe rankommen, Trabold aber haben wir aber beide erkannt." Er tätschelte den Hund. "Es war nicht schwer, Todd Leacock zu folgen, er scheint nicht damit zu rechnen, daß es jemand tun könnte. Ich habe ein paar gute Fotos von ihm und Trabold und werde sie bis morgen selbst entwickeln. Sie werden mich nicht oft zu sehen bekommen, Mrs. Densmore, bis ich weitere Informationen habe." "Danke, Trock." "Die werden damit nicht durchkommen, Mrs. Densmore." Es klang wie ein Versprechen. Robert rief an und hinterließ die Nachricht bei der Haushälterin, daß er bis spät arbeiten müsse. Cathy war einerseits erleichtert, ihm nach der gestrigen Szene nicht
begegnen zu müssen, andererseits hatte sie jedoch Angst, er könnte seinen Ärger mit einem hübschen Mädchen vertreiben wollen. All ihr Kummer aus der Zeit vor seinem Unfall war wieder erwacht. Schon um sich abzulenken, stürzte sie sich in ihre Arbeit. Sie würde sich nicht wieder vor Kummer einspinnen wie eine Seidenraupe. Nein! sagte sie sich. Cathy Nesbitt Densmore, du bist eine Kämpfernatur! Du wirst nicht nachgeben! Robert hat auch nicht aufgegeben. Ich werde es diesem Todd Leacock und diesem Bruno Trabold schon zeigen! In diesem Augenblick klingelte das Telefon. "Ja?" Es war Todd Leacock. "Hast du schon getan, was wir verlangen, Cathy?" "Ich brauche eine gewisse Zeit dafür. Robert würde nur Verdacht schöpfen, wenn ich ihm so plötzlich damit käme. Ich muß äußerst vorsichtig vorgehen, sonst merkt er sofort, daß etwas nicht stimmt." "In Ordnung, Cathy." Er klang sehr selbstsicher. "Aber du hast nicht mehr viel Zeit. Mein Partner meint, daß sich schon ein paar Abgeordnete für die Umweltschutzgeschichte interessieren. Es wird Zeit, etwas zu unternehmen, Cathy." Und wer außer Bruno hat dir erzählen können, du Ratte, dachte Cathy. Aber sie beherrschte sich. "Okay, ich werde ihn bearbeiten." Nach diesem Gespräch zitterten ihre Hände. Sie hätte nie geglaubt, daß man einen Menschen so hassen könnte. Das Telefon kungelte wieder. Sie sprang erschrocken auf. Es war Rod, der sich aufgeregt meldete. "Cathy, mir scheint, ich habe da ins Wespennest gegriffen. Greeley scheint große Sorgen zu haben. Er hat eine Menge seines und seiner Freunde Geld in das Projekt investiert. Er hat auch schon versucht, auf
Emmett Druck auszuüben, um das Umweltschutzgesetz zu verhindern. Bruno Trabold scheint auf seiner Seite zu sein." Cathy berichtete ihm, was sie von Trock erfahren hatte und von ihrem Gespräch mit Todd. "Oh, das ist gut, damit können wir sie packen." Er hörte sich sehr zuversichtlich an. "Wenn Robert davon erfahren und deine Ehe unter dieser Geschichte leiden sollte, denk daran, daß ich immer für dich da bin. Ich liebe dich, Cathy. Und vielleicht magst du mich auch ein bißchen." "Natürlich mag ich dich, Rod, aber..." Cathy wurde unterbrochen, weil die Zimmertür aufging. Ihr Mann stand da, seine Augen sprühten Funken. "Rod, ich muß auflegen." "Ist es Robert? Ist er da? Cathy, wirst du zurechtkommen?" "Ja, ja, natürlich." Sie wandte den Blick nicht von Robert, als sie den Hörer auflegte. "Es ist nicht so, wie du denkst." "Und was denke ich?" Wie Pistolenschüsse hallten seine Worte durch den Raum. "Ich habe dir einmal gesagt, daß ich dich nicht aufhalten würde, falls du einmal gehen willst. Aber ich habe meine Meinung geändert. Du bist meine Frau, und du sollst mit deinem Liebhaber eher..." Cathy knallte die lederne Schreibunterlage vor sich auf den Tisch und sprang auf. "Ich habe keinen Liebhaber!" "... zur Hölle fahren. Du wirst also von Rod Ardmore fernbleiben, oder ich gehe in sein Büro und nehme ihn vor allen Abgeordneten auseinander." "Du... du Rowdy! Du wagst es, einem Kongreßmann zu drohen? Für wen hältst du dich eigentlich?" "Ich bin dein Mann!" schrie Robert. "Auf einmal erinnerst du dich daran!" schrie Cathy zurück. "Und als du mich allein ließest, um zu deinen verdammten Partys zu gehen... was warst du da? Der liebende Ehemann?" "Du hast mich allein zu den Partys gehen lassen, wolltest mich ja nicht begleiten. Was hätte ich denn tun sollen?"
"Jedenfalls habe ich nicht erwartet, daß du dich wie ein Pascha aufführst und von einem Bett ins andere hüpfst." Cathys Stimme überschlug sich vor Wut. "Cathy." Seine Stimme wurde sonderbar ruhig. "Wie kannst du es wagen, mir so etwas vorzuhalten? Ich habe dich nie betrogen." "Lügner!" Im selben Augenblick hätte sich Cathy die Zunge abbeißen können wegen dieses bösen Wortes. "Ich habe dich nie belogen." Robert war bleich geworden, er drehte sich um und verließ das Zimmer. "Robert... o Robert, geh nicht", flüsterte Cathy erschüttert, aber er rannte schon die Treppe hinauf, immer zwei Stufe n auf einmal nehmend. Cathy verbrachte eine weitere Nacht ohne Schlaf. Zweimal stand sie auf, um zu Robert zu gehen und ihm zu erzählen, was geschehen war. Zweimal stand sie unschlüssig vor der Verbindungstür und konnte sich doch nicht überwinden, es zu tun. Am Morgen fühlte sie sich, als hätte sie an einem Marathonlauf teilgenommen und schleppte sich unter die Dusche. Erst als ihre Lippen unter dem kalten Wasserstrahl blau zu werden begannen, hörte sie auf und trocknete sich ab. Sie hoffte, heute etwas von Trock zu erfahren. In der Tür zum Frühstückszimmer blieb sie wie angewurzelt stehen. Robert saß noch am Tisch, eine Zeitung in der Hand, und schenkte ihr eine Tasse Kaffee ein. Dann stand er auf und hielt ihr mit unbewegter Miene den Stuhl. "Setz dich, Cathy!" "Ich dachte, du seist schon gegangen." "Nein." Er nahm wieder die Zeitung und trank einen Schluck Kaffee. "Wir sind heute abend beide in Durra eingeladen." Er hob beschwichtigend die Hand, weil sie aufbegehrte. "Nur die Familie. Es ist kein politisches Treffen. Mein Vater hat bemerkt,
daß wir seit meiner Genesung nicht mehr dort gewesen sind. Er meint, es sei an der Zeit, wieder einmal gemeinsam zu essen." "Ich verstehe." Cathy wollte einen Schluck Kaffee nehmen, verbrannte sich aber die Zunge. "Und wird Bruno dabeisein?" "Das weiß ich nicht. Vielleicht." Er winkte ab. "Du solltest dich nicht von ihm stören lassen. Wir haben nichts mehr mit ihm zu tun. Ignoriere ihn einfach." "Bruno ist sehr schwer zu ignorieren", widersprach sie leise. Sie hätte Robert gern erzählt, wie schwer alles für sie war. Aber sie hatte einen Horror davor, ihrem Mann die Bilder zu zeigen, die sie in ihrem Schrank verschlossen hatte. Robert schob seinen Teller beiseite. Er hatte kaum etwas gegessen. Als er sich ein Zigarillo anzündete, zog Cathy die Brauen zusammen. "Trock gefällt es nicht, daß du die rauchst." "Trock? Ich habe ihn seit Tagen nicht mehr gesehen. Wo ist er? Heute morgen hab' ich ihn gesucht. Gestern abend auch schon." Sie spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht stieg. "Ich nehme an, er möchte auch ein Privatleben haben." Robert sah sie durch eine Rauchwolke hindurch prüfend an. "Kann sein. Ich habe auch Graf nicht gesehen. Hat er ihn mitgenommen?" Er blickte zu Hobo hinunter, der schlafend zu seinen Füßen lag. So bekam er nicht mit, wie verlegen Cathy wurde. "Ja ... wahrscheinlich. Graf fährt gern Auto." "Das glaube ich auch." Er zerdrückte das halbgerauchte Zigarillo im Aschenbecher. Dann stand er auf. "Also fahren wir heute abend nach Durra?" "Ja." "Gut, dann ... eine n schönen Tag noch." Er blieb neben ihr stehen. Cathy sah aus dem Fenster, sie traute sich nicht, ihn anzusehen, weil sie sonst in Tränen ausgebrochen wäre. "Ich wünsche .dir auch einen schönen Tag", flüsterte sie.
Robert seufzte tief auf und verließ grußlos das Zimmer. An diesem Abend zog sich Cathy wie eine Schlafwandlerin an. Auch eine kalte Dusche hatte ihre Lebensgeister nicht wecken können. Am Nachmittag hatte Todd wieder angerufen. Diesmal war er wesentlich nachdrücklicher gewesen. Er hatte verlangt, daß sich Robert für höhere Rüstungsausgaben einsetze. Cathy hatte das Spiel schnell durchschaut, da sie wußte, daß Emmett und Bruno und auch ihr Freund Greeley an Rüstungsbetrieben beteiligt waren. Sie schaffte es irgendwie, Leacock das nicht ins Gesicht zu sagen. Und es gelang ihr auch, ihn wieder zu vertrösten. Robert kam erst spät am Abend nach Hause, ließ sich aber nicht blicken. Cathy litt darunter, aber sie sagte sich, daß, je weniger sie ihn sah, desto weniger Schuldgefühle sie wegen der Bilder und ihrer Geheimniskrämerei ihm gegenüber zu haben brauchte. Sie ging in die Bibliothek. Dort öffnete sie das Barfach und schenkte sich ein Glas Riesling ein. Wie verabredet klingelte das Telefon. "Cathy? Ich hoffe, es ist nicht allzu ungelegen, aber ich habe etwas herausgefunden, das uns helfen könnte." "Einen Moment, Rod." Sie legte den Hörer ab und schloß die Zimmertür. "So. Ich kann nicht lange reden. Robert wird gleich hier sein. Was ist es?" "Der Mann, den ich mit Nachforschungen beauftragt habe, kam heute mit einer interessanten Geschichte, die auch unseren Wählern zu denken geben wird. Demnach ist unser Freund Bruno Trabold Teilhaber eines großen Areals am Hudson River, und zwar mit einem gewissen Silas Greeley - unserem Greeley. Die beiden würden ein Riesengeschäft machen, würde dort ein Kraftwerk gebaut werden. Diese Ratte! Dieser Judas! Ich frage mich nur, ob Emmett weiß, daß sich sein Liebling selbständig macht." "Ich habe meinen Mann ausdrücklich danach gefragt, aber der sieht keine Verbindung zwischen den beiden."
Rod schien in Papieren zu blättern. "Cathy, wenn du sie nur noch ein paar Tage hinhalten könntest, werden wir in der Lage sein, die ganze Bande hochgehen zu lassen. Mit etwas Glück sogar ohne die verdammten Fotos." "Das hoffe ich, Rod. Ich danke dir alles. Ich weiß nicht, was ich ohne dich hätte machen sollen." Sie legte auf, gleich darauf stieß Robert die Tür auf. Sein Gesicht war eine weiße Maske der Wut. "Du sagst Ardmore von mir, daß ich ihm das Genick breche, falls er noch einmal hier anruft. Und du bleibst von ihm weg!" Cathy hoffte inständig, daß er ihr nicht ansah, wie elend ihr zumute war. "Rod ist ein guter Freund von mir. Nichts anderes! Und wenn es dir nicht paßt, daß meine Freunde mich in deinem Haus anrufen..." "Es ist auch dein Haus!" unterbrach Robert sie kurz angebunden. "... dann muß ich irgendwohin ziehen, wo meine Freunde mich anrufen können." "Sag nie wieder so etwas! Du wirst mich nicht verlassen." Ihre Erleichterung hätte sie fast verraten, aber sie wollte ihn nicht merken lassen, wie glücklich sie darüber war, daß er sie nicht gehen lassen wollte. Energisch hob sie das Kinn. "Dann schreib mir nicht vor, mit wem ich reden darf und mit wem nicht. Ich schreibe es dir auch nicht vor." "Und würde es dir gefallen, wenn hier Frauen anriefen?" "Wieso wenn? Sie haben ja angerufen." "Das ist eine verdammte Lüge! Keine Frau hat mich hier jemals angerufen, seit wir verheiratet sind." "Das ist gelogen", entgegnete Cathy. "Lee Terris hat mehr als einmal angerufen und nach dir verlangt." Kopfschüttelnd sah er sie an. "Warum hätte Lee anrufen sollen? Ich habe sie außer bei meinem Vater in Durra nie gesehen."
"Ach nein, in Durra! Im berühmten Partyhaus. Dann ist ja klar, daß du sie dort getroffen hast." "Zum Teufel, Cathy! Natürlich habe ci h sie dort getroffen, wenn ich meinen Vater besuchte, jedoch nicht bei einer Party." "Versuche um Himmels willen nicht, mir die Geschichten in Durra zu erklären. Dazu ist mein Verstand nicht verworren genug." Sie trank mit einem Zug ihr Glas leer. Robert zog die Brauen hoch. "Du trinkst doch sonst nichts." "Du und deine Familie werdet mich bestimmt noch zur Alkoholikerin machen. Hoffentlich gibt es genug Wein, damit ich den Abend mit deiner Familie ertragen kann. Wollen wir gehen?" Damit drehte sie ihm den Rücken zu und wandte sich zur Haustür. Wortlos folgte er ihr, hielt ihr die Tür auf, reichte ihr höflich den. Arm und führte sie zum Wagen. Zu jeder anderen Zeit hätte Cathy die Fahrt durch das grüne Maryland begeistert. Aber jetzt brachte allein schon der Gedanke an Durra ihren Magen zum Meutern. "Cathy, soll ich vielleicht irgendwo anhalten und dir etwas zu essen besorgen, damit dein Magen aufhört zu knurren?" Sein heiterer Ton ärgerte sie. "Verzeihung." Sie preßte die Hand auf den Bauch. "Das hilft auch nichts." Lachend beugte er sich zu ihr hinüber und schob ihre Hand beiseite. Er begann, die zarte Wölbung ihres Bauches zu massieren. Zuerst war sie noch verkrampft und wollte seine Hand wegschieben. Aber bald hörte das Rumoren auf und wurde durch ganz andere Gefühle ersetzt. Sie preßte die Lippen aufeinander. Sie konnte ihn ja schlecht bitten anzuhalten und sie hier direkt an der Straße lieben. Robert ließ seine Hand während der Fahrt auf ihrem Bauch liegen. Seine Wärme strahlte durch ihren ganzen Körper. Er nahm sie erst fort, als sie durch die Pforte auf den Weg einbogen, der zu dem säulengeschmückten Haus führte. Es stand
inmitten der Felder und Wiesen auf einem Hügel. An diesem Tag waren nur wenige Pferde zu sehen, aber Cathy beugte sich interessiert vor. "Würdest du nach dem Essen gern reiten, Cathy?" "Wie lange wollen wir denn bleiben?" fragte sie erstaunt. "Wer weiß? Wenn es langweilig wird, können wir auch gleich nach dem Essen zurückfahren." "Das würdest du tun?" "Würde ich." Robert parkte den Wage n auf der Auffahrt vor dem Haus. Erst dann sah er Cathy an. "Ich werde es nicht dulden, daß meine Familie dich schikaniert. Habe ich dir das nicht versprochen?" "Das hast du. Danke, Robert." Sie wandte sich ab, damit er die Tränen in ihren Augen nicht sehe n sollte. "Cathy, warte." Er legte die Hand auf ihre Schulter. "Liebling, können wir es nicht noch einmal miteinander versuchen?" "Deine Familie wird schon warten, Robert." Sie konnte ihm nicht antworten. So eifersüchtig wie er jetzt schon auf Rod Ardmore war, wie würde er erst reagieren, wenn er die Bilder sah? Wie sollte sie ihn glauben machen, daß es nur geschickte Fotomontagen waren.
9. KAPITEL Bevor sie die Tür erreicht hatten, wurde sie von Samson geöffnet. Er war in seinen jungen Jahren Berufsboxer gewesen, sein richtiger Name war Kieron O'Malley. Er übte den Sport seit vielen Jahren nicht mehr aus, aber sein Spitzname war geblieben. Samson war einer der ganz wenigen Leute in Durra, in deren Gegenwart sich Cathy nicht unwohl fühlte. "Lady Cathleen, wie geht es Ihnen? Kommen Sie herein! Und wenn das nicht unser Robert ist. Euer Lordschaft, wie geht es Ihnen?" Samson lachte dröhnend und quetschte Roberts Hand in seiner Pranke. Es war vorauszusehen, daß Robert gegen diese schaufelgroßen Hände nichts einzusetzen hatte, aber zu Cathys Verwunderung hielt er so lange stand, bis Samson einen roten Kopf vor Anstrengung bekam. "Alle Achtung", dröhnte der Riese. "Sie sind stark geworden, das ist sicher." Er sah Cathy an. Bevor er seine übliche Frage stellen konnte, sagte sie: "Nein, ich bin nicht in anderen Umständen." "Sind Sie da so sicher, junge Dame? Sie sehen so anders aus, ich hätte es schwören können." Samson lachte, als Cathy errötete. Robert lachte nicht. Er sah Cathy nur an, als würde er in ihre Seele blicken. Er wollte gerade eine Bemerkung machen, da zog eine laute Stimme von der Treppe die Aufmerksamkeit auf sich.
"Hey, ihr zwei! Es wurde aber auch Zeit, daß ihr kommt, ich bin schon halb verhungert." Gareth kam die Stufen herunter und fiel seinem großen Bruder in die Arme. Er versuchte, ihn niederzuringen, aber bevor er einen Griff ansetzen konnte, hatte Cathy ihn am Ohr gepackt. "Hey, Cathy. Was soll denn das?" "Händedrücken mit Samson ist eine Sache, aber ein Ringkampf ist eine andere. Er ist noch nicht stark genug, und ich werde nicht tatenlos zusehen, wie all die Mühe zunichte gemacht wird, weil ihr nicht vorsichtig seid." Gareth kratzte sich betroffen hinter dem Ohr und sah Robert an. "Du hast eine Tigerin geheiratet, Bruder. Paß nur gut auf. Wenn sie einmal gegen dich ist, reißt sie dich in Stücke." "Das einzige, was ich gegen Robert habe, ist, daß er sich nicht genug um seine Gesundheit kümmert", bemerkte Cathy sachlich. Gareth hob die Nase in den Himmel, um sie nachzuahmen. Cathy griff wieder nach seinem Ohr, aber er tauchte unter ihrem Arm hinweg, und Robert fing sie auf. "Du wirst meinen kleinen Bruder verunstalten, Liebling." Er beugte sich über sie und gab ihr einen Kuß auf die Wange. "Cathy hat aber recht." Gavin trat zu ihnen. Er gab sich gesetzter als sein quirliger Zwillingsbruder. "Roberts Gesundheit geht vor. Du bist und bleibst ein Rüpel, Gareth." Er lachte nur, als sein Bruder wie ein gereizter Stier auf ihn losging. Er war zwar etwas schlanker, dafür jedoch schneller und überlegter. Sie rangelten durch die ganze Empfangshalle, bis ihr Vater auf der geschwungenen Treppe erschien. "Hört ihr jetzt auf, ihr beiden?" wies er vergnügt seine Söhne zurecht, die sich keuchend und stöhnend bekämpften. "Robert, mein Junge, wie steht es?" "Mir geht es gut. Meiner Frau auch." Er nahm die Hand seines Vaters und hielt mit dem anderen Arm Cathy umschlungen.
"Ja? Das ist schön." Er betrachtete Cathy mit gerunzelter Stirn. "Lee Terris ist hier. Du freust dich sicher darüber, Robert." "Es ist dein Haus, du kannst einladen, wen du willst." Bevor sein Vater darauf antworten konnte, erschien Bruno. Emmett wandte sich lächelnd an ihn. "Und du bleibst auch, nicht wahr, Bruno?" "Es ist doch ein Familientreffen, ich werde also nicht bleiben." Er erwiderte das Lächeln, aber sein verstohlener Blick glitt über die Anwesenden. "Du gehörst auch zur Familie", erklärte Emmet herzlich. "Zu meiner nicht", stellte Gareth in seiner offenen Art fest. "Zu meiner auch nicht", bestätigte Gavin. "Wo bleibt eure Erziehung?" Emmett starrte die Zwillinge böse an. Aber er begleitete Bruno zum Wagen. Weder Cathy noch Robert hatten ein Wort mit Bruno gewechselt. Aus einem der hinteren Räume kam Lee Terris gerade rechtzeitig herbei, um ihr Bedauern auszudrücken, daß Bruno nicht bleiben wollte. Er sei ja so ein guter Unterhalter. Achselzuckend wandte sie sich an Robert, aber Gareth trat schnell dazwischen und entführte sie fast schon mit Gewalt in den ballsaalgroßen Hauptraum des Gebäudes, wo Aileen und Aveen mit ihren Ehemännern und den Kindern warteten. Samson servierte Drinks. Zur Begrüßung wurden die üblichen Liebenswürdigkeiten ausgetauscht. Bevor es jedoch zu ernsthaften Streitereien kommen konnte, meldete Samson, daß serviert sei. Sie alle folgten Emmett in den anschließenden geräumigen Speisesaal. Nachdem alle saßen, erhob sich Robert mit dem Weinglas in der Hand und verkündete den erstaunten Familienmitgliedern, daß er einen Toast aussprechen wolle. "Auf meine Frau Cathy, die allen Widrigkeiten des Lebens die Stirn bietet und immer siegreich bleiben möge." Er prostete ihr
mit einem rätselhaften Lächeln zu und leerte dann sein Glas mit einem Zug. Ihre Schwager Dave und Harrison sowie die Zwillinge sprangen auf, riefen "Auf Cathy!" und tranken die Gläser aus. Dann sahen sie ihre Schwestern und Emmett fragend an. Emmett bewegte kaum die Lippen, doch er hob sein Glas und murmelte: "Auf Cathy!" Aileen und Aveen mußten zunächst tief Luft holen, sie warfen ihren Männern giftige Blicke zu, um dann mit kalter Stimme ihr "Auf Cathy!" zu wiederholen. Lee Terris schloß sich ihnen zögernd an. Die Konversation bei Tisch verlief nicht wie üblich. Cathy machte kaum einmal eine Bemerkung. Ständig fühlte sie die Augen ihres Mannes auf sich gerichtet, und das brachte sie völlig durcheinander. Sie war davon überzeugt, daß er jederzeit ihre Gedanken lesen konnte, wenn er nur wollte. Den Nachtisch rührte sie nicht an, nahm nur ein paar Weintrauben von der Käseplatte. Ihr Magen begann wieder zu revoltieren, und sie fühlte sich absolut nicht wohl. Plötzlich richtete sie sich kerzengerade auf ihrem Stuhl auf. Sie hatte schon eine ganze Weile keine Menstruation gehabt. Auch wenn man ihren gewohnt unregelmäßigen Zyklus bedachte, war sie längst überfällig. Was hatte Samson zur Begrüßung gesagt? Sie sehe verändert aus? Konnte es möglich sein, daß er etwas bemerkt hatte, was ihr nicht einmal im Traum eingefallen wäre? "Meine liebe Cathy, Sie sehen ja richtig grün aus im Gesicht. Hoffentlich geben Sie nicht der Küche die Schuld." Lee Terris nippte affektiert an ihrem Weinglas. "Aber es scheint Sie nicht zu stören, die Densmores zu verletzen." Ihre Stimme war seidenweich und leise. Roberts Haltung spannte sich, als er Fragmente ihrer Bemerkung aufschnappte. Er war zu weit entfernt, um alles zu hören, aber sein grimmiger Blick sagte genug.
Lee warf ihm ein gekünsteltes Lächeln zu. "Ich denke, diese törichte Unterhaltung ist weit genug gegangen. Aileen, erzähl mir doch von der Weihnachtsfeier, die du geplant hast." "Vergeßt nicht die Weihnachtsfeier, die ich hier geben werde", rief Emmett dazwischen. "Lee wird mir dabei helfen. Und ich hoffe, daß ihr alle daran teilnehmt." Der Abend wurde nicht lang. Cathy hatte das Gefühl, daß sie nicht die einzige war, die sich auf ein zeitiges Ende freute. Auf der Fahrt nach Hause herrschte Schweigen zwischen ihr und Robert. Nach ihrer Ankunft ging sie schnurstracks in ihr Zimmer, ohne zu warten, bis er ins Haus kam. Sie war erleichtert, sich ausziehen zu können, und freute sich schon auf ein heißes Bad. Im Badezimmer betrachtete sie erst einmal ihre Figur ganz genau im Spiegel. Sie konnte keine Veränderung entdecken, gleichzeitig spürte sie aber, daß etwas an ihr anders war. Plötzlich fiel ihr die erste Nacht ein, in der sie sich geliebt hatten, nachdem Robert aus der Klinik gekommen war. In der Nacht hatte sie schon an eine Empfängnis gedacht, und danach war so viel auf sie eingestürmt, daß sie den Gedanken nicht weiterverfolgte. Sie stieg in die runde Wanne mit warmem duftendem Wasser, in der bequem vier Personen Platz gehabt hätten. Wenn sie nur nicht ihr Problem mit Todd Leacock und den Fotos gehabt hätte, dann hätte sie jetzt das glückliche Gefühl einer werdenden Mutter genießen können, denn auf einmal hatte sie keinen Zweifel mehr daran, daß sie ein Kind bekommen würden. Robert würde sich bestimmt darüber freuen. Er liebte Kinder. Daß sie bisher noch keine bekommen hatten, war für ihn eine größere Enttäuschung gewesen als für Cathy. Aber wenn er von diesen Fotos erfahren würde? Cathy ließ sich bis zum Kinn in das Schaumbad sinken. Nichts würde ihr bleiben, erführe er es. Nichts! Sie setzte sich mit einer heftigen Bewegung auf, die die Wanne zum
Überschwappen brachte. Zum Teufel! Sie würde nicht kampflos untergehen. Mit diesem Entschluß legte sie sich ins Bett und versank in einen unruhigen Schlaf. Robert hat mir nicht gute Nacht gewünscht, war ihr letzter Gedanke, bevor ihr die Augen zufielen. Robert war bereits fort, als Cathy am nächsten Morgen aufstand. Sie war froh darüber, weil ihr plötzlich unwohl wurde und sie eilig ins Bad mußte. An ein Frühstück mochte sie danach nicht denken. Trock kam, um ihr zu berichten, daß er Greeley und Leacock zusammen in einem Restaurant beobachtet habe. Er habe sie fotografiert und es sogar fertiggebracht, ein Mikrofon, eine "Wanze", in Leacocks Wagen zu verstecken. "Sie essen nicht", bemerkte er vorwurfsvoll. "Ich habe Ihnen doch gesagt, daß Sie sich keine Sorgen machen sollen." Nachdem er gegangen war, schob Cathy die Toastscheibe auf dem Teller hin und her. Sie dachte an ihre Verabredung zum Mittagessen mit Stacy Lande. Um fünf Minuten vor ein Uhr parkte sie ihren Sportwagen vor dem französischen Restaurant. Es bestand die Gefahr, daß sie von Leuten gesehen wurde, vielleicht sogar von Bruno, aber da Stacy und sie schon lange befreundet waren, war es nicht weiter verdächtig. Die beiden Frauen hatten sich natürlich zuerst eine Menge zu erzählen über die Leute, mit denen zusammen sie gearbeitet hatten. Erst nachdem sie beim Kaffee angelangt waren, setzte Stacy ein ernstes Gesicht auf. "Ich nehme an, daß Sie mich nicht zum Essen eingeladen haben, um den neuesten Büroklatsch zu hören." "Das ist richtig." Cathy tupfte sich mit der Serviette den Mund ab. "Stacy, ich will ganz offen mit Ihnen reden, weil ich sicher bin, daß ich Ihnen vertrauen kann." "Können Sie."
"Ich werde erpreßt. Ich bin sicher, daß Bruno dahintersteckt. Würden Sie ihm das zutrauen?" Stacy senkte den Kopf und ließ ihr volles blondes Haar nach vorn fallen. "Ja. Und noch mehr. Ich weiß, daß er es schon mit anderen getan hat. Das war der Grund, weshalb ich damals von ihm weggegangen bin. Wir müssen zwar alle gewisse Kompromisse eingehen, aber für Bruno zu arbeiten, war zuviel." Sie sah sich in dem vornehmen Restaurant um. "Übrigens kann ich mir nicht vorstellen, daß Emmett das ganze Ausmaß von Brunos Machenschaften kennt. Bruno Trabold ist einer der hinterlistigsten Menschen, die ich je kennen gelernt habe. Ich traue dem Halunken nicht über den Weg." "So denke ich auch über ihn. Und was ist mit Silas Greeley? Sie haben mir erzählt, er habe die Partys in Durra arrangiert." "Nicht nur in Durra. Greeley und Bruno haben solche Sachen bei vielen Gelegenheiten inszeniert. Auf diese Art haben sie sich Macht über viele Politiker verschafft. Ich glaube nicht, daß Ihr Mann wußte, wer hinter dem Skandal gesteckt hat. Ich habe einmal einen Blick in Brunos kleines schwarzes Buch werfen können und mir Fotokopien von einigen Seiten gemacht, für den Fall, daß er einmal etwas gegen mich unternehmen will. Zum Glück habe ich sie bisher noch nicht anwenden müssen. Falls Sie sie brauchen, ich habe sie mitgebracht." Sie mußte über Cathys verblüfften Gesichtsausdruck lachen. "Sie sind ja sagenhaft, Stacy. Ich danke Ihnen." "Lassen Sie nur. Ich habe gesehen, was Sie für Robert getan haben, als er hilflos war. Und Robert ist immer gut zu mir gewesen. Ich habe es erlebt, wie sein eigener Vater versucht hat, ihn zu beeinflussen. Bruno hat ihn ständig bearbeitet, aber sie haben ihn nicht herumgekriegt. Er ist stark und kämpft für seine Überzeugung. Ich weiß, wie sehr er sich wegen des Skandals in Durra geschämt hat, aber er hat nie versucht, sich herauszureden. Seitdem gibt es auch keine Tändeleien mehr für
ihn. Schon lange, bevor Sie ihn kennenlernten, nicht mehr, Cathy. Er ist ein ehrlicher, gerader Abgeordneter." Wie erstarrt saß Cathy da. "Sie meinen, er ist nicht wieder zu diesen Treffen mit den Callgirls in Durra gewesen?" Stacy schüttelte den Kopf. "Es hat keine mehr gegeben. Weder Emmett noch Robert hätten das erlaubt. Ja, Bruno versuchte, Robert woanders in verfängliche Situationen zu bringen, aber Ihr Mann ist nie wieder darauf hereingefallen. Wenn eine Cocktailparty ihm nicht völlig korrekt erschien, ist er sofort wieder gegangen. Und er läßt sich von seinem Vater auch nicht diese Lee Terris anhängen. Das alles wollte ich Ihnen schon erzählen, als ich für Robert zu arbeiten begann. Aber Sie wollten ja nie etwas hören. Ich schulde Robert und Ihnen eine Menge und möchte Sie glücklich sehen." "Danke, Stacy." Cathy blickte wie durch einen Schleier. Sie hatte Bruno geglaubt und ihren Mann einen Lügner genannt. Aber Robert hatte sie nicht angelogen. "Und, Stacy, nochmals danke für die Kopien. Damit werde ich Bruno Trabold erledigen." Sie hoben die Gläser und stießen an. "Auf die Gerechtigkeit!" Cathy rief Dr. Kellman an und bat ihn, ihr einen guten Spezialisten zu nennen. Er empfahl ihr einen gewissen Dr. Green. Sie ging zu ihm und war zunächst von dessen jugendlicher Erscheinung überrascht. Ein paar Minuten später bekam sie von ihm eine absolut sichere Diagnose: positiv. Auf dem Nachhauseweg strömte sie förmlich über vor guten Vorsätzen. Ihre Handtasche war vollgestopft mit Vitaminpräparaten, und vor ihrem geistigen Auge sah sie einen kleinen dunkelhaarigen Jungen mit blauen Augen. Das Telefon klingelte gerade, als sie die Halle betrat. Fröhlich nahm sie ab. "Du klingst ja sehr lustig heute. Hast du erreicht, was wir wollten?" Todds Stimme brachte sie mit einem Schlag auf die Erde zurück.
"Ich habe doch gesagt, Robert ließe sich nicht überfahren." "Keine Spielereien mehr, Cathy. Ich rufe dich heute abend wieder an, und dann will ich die feste Zusage, wann dein Mann gegen das Umweltschutzgesetz eintreten wird, und daß er in einigen anderen Angelegenheiten mit uns zusammenarbeitet." Plötzlich lachte er zynisch. "Schau mal in den Briefkasten, Cathy, da ist ein Päckchen für dich." Zuerst wollte Cathy das Päckchen nicht öffnen, dann tat sie es aber doch. Es enthielt neue Bilder von ihr. Bedrückt öffnete sie ihren Schrank und legte sie zu den anderen. An diesem Abend schien sich Robert in ihrer Gesellschaft sehr wohl zu fühlen, aber Cathy war zerstreut. Sie brauchte Ruhe, um nachdenken zu können. "Ich trinke den Kaffee in der Bibliothek", sagte sie und stand auf. "Gut, ich leiste dir Gesellschaft." Robert lächelte und griff nach dem Silbertablett. "Das mach ich doch", sagte sie schnell. Ihr Plan, mit Trock zu sprechen, wurde dadurch ziemlich unmöglich gemacht. Er sollte ihr später in der Bibliothek Bericht über den neuesten Stand seiner Nachforschung erstatten. "Laß mich nur", meinte Robert und ließ Cathy zuvorkommend an sich vorbei. Cathy setzte sich in einen der behäbigen Polstersessel vor dem Kamin und sah zu, wie Robert den Kaffee einschenkte. Schweigend saßen sie da, jeder von ihnen in seine eigenen Gedanken tief versunken. Als Robert seine Tasse absetzte und sich vor den Kamin kniete, um ein qualmendes Holzscheit zurechtzurücken, ging die Tür auf, und Trock kam herein. Cathy wußte sofort, daß er den knienden Robert nicht sehen konnte. Nur Graf lief los, um seinen Herrn zu begrüßen.
"Mrs. Densmore, ich habe die Fotos und auch die Bandaufnahmen von..." Er stutzte über ihre starre Miene und brach ab. Robert erhob sich verwundert, und Trock machte einen erschrockenen Schritt rückwärts. "Bleiben Sie hier, Trock!" sagte Robert und blickte ihn neugierig an. "Wovon reden Sie?" Trock schluckte nur stumm. Cathy starrte Robert an. In diesem Augenblick sah sie ihr ganzes Leben in einem Abgrund versinken. "Trock wird dir nicht antworten, weil ich ihn gebeten habe, nicht mit dir darüber zu sprechen." "Und worüber soll er mit mir nicht reden, bitte?" "Daß man mich erpreßt." Cathy stieß die Worte hervor wie giftige Brocken. Robert atmete tief durch. "Das ist es also." Er wandte sich an Trock. "Kommen Sie herein, und schließen Sie die Tür." Er hielt die Hand auf. "Geben Sie es mir!" Einen Moment lang zögerte Trock in innerem Konflikt. Da Cathy jedoch nickte, gab er nach. Tödliches Schweigen herrschte, während Robert die Sachen durchsah. Dann nahm er die Kassette heraus, ging zum Recorder hinüber und legte sie ein. Brunos und Todds Stimmen waren klar zu erkennen. Sie sprachen nicht viel, aber die Bedeutung war unmißverständlich. Nachdem das Band abgelaufen war, sah Robert erst Trock, dann Cathy ins Gesicht. Dabei streichelte er den Dobermann. "Ich bin keineswegs so überrascht, wie du vielleicht denkst, Cathy. Ich hege schon seit geraumer Zeit einen Verdacht gegen Bruno." Er wirkte völlig entspannt, nahm sich eins der dünnen Zigarillos und bot Trock einen Kaffee an. Der schüttelte den Kopf. "Da sind Bilder..." Cathy biß sich auf die Unterlippe. "Damit wollten sie mich zwingen, dich dazu zu bringen, gegen das Umweltschutzgesetz einzutreten."
"Sie?" Robert sah sie durch eine dichte Rauchwolke an. "Bruno ... Todd Leacock... wahrscheinlich Greeley..." Sie starrte nervös auf den kalten Kaffee in ihrer Tasse. Robert rollte das Zigarillo zwischen den Fingern, dann wandte er sich an Trock. "Machen Sie weiter wie bisher, aber von jetzt an berichten Sie mir genauso wie meiner Frau." Trock nickte und ging hinaus. Robert schnippte die Asche ab. "Ich nehme an, es sind schlimme Bilder." "Schrecklich." Cathy verschluckte sich fast. "Heute kamen wieder welche." Ihre Tasse klirrte beim Absetzen. Robert sah sie wieder lange schweigend an. "Hole sie." "Nein." "Cathy, hol die Bilder!" Wie in Trance erhob sie sieh, ging zum Schrank, schloß ihn auf, nahm die beiden Schachteln heraus und hielt sie in der Hand. Sie starrte sie an, als würden sie ihr Leben beenden. Mit zwei Schritten war Robert an ihrer Seite und führte sie sanft zu ihrem Sessel zurück. Vorsichtig nahm er ihr die Schachteln aus der Hand, öffnete sie und betrachtete die Bilder der Reihe nach. Danach legte er sie zurück und blickte zu Cathy hinüber. "Diese Frau hat eine ziemlich gute Figur, aber sie ist nichts gegen deine. Außerdem hätte der Fotograf sich die Mühe machen müssen, ein Modell mit einem Muttermal unter der rechten Brustspitze zu suchen." Er sah sie immer noch unbewegt an. Cathy begann Hoffnung zu schöpfen. "Rod meinte, wir sollten erst versuchen, allein damit fertig zu werden, bevor wir es dir erzählen, um dich nicht damit zu belasten." "Du hast es ihm erzählt? Du hast ihm auch noch diese Bilder gezeigt?" Seine Miene verhärtete sich. "Ja. Ich habe ihn angerufen ... weil... weil ich Angst hatte." Sie wollte Robert nicht sagen, daß sie Angst hatte, ihn zu verlieren.
"Ist nicht dein Mann dafür da?" "Ja." Cathy fühlte sich elend. Er holte tief Luft. "Ich könnte Bruno und seine Konsorten umbringen für das, was sie dir angetan haben." Er sagte es in so sachlichem Ton, daß Cathy nicht sicher war" wie er es meinte. Bevor sie aber danach fragen konnte, läutete das Telefon. Sie nahm den Hörer ab. Es war Rod. "Rod, hör zu. Ich habe gerade mit Robert darüber gesprochen. Er weiß alles." Sie sah zu Robert hinüber, der ihr Zeichen machte, ihm den Hörer zu geben. "Einen Moment, Rod." Wie durch Watte hörte sie Robert sprechen. Er diskutierte die Möglichkeiten mit Rod, Informationen über Bruno beschaffen zu können. Da fiel ihr auf einmal ein, was Stacy ihr mitgegeben hatte. Schnell stand sie auf und holte den Umschlag aus ihrem Fach. Nachdem Robert aufgelegt hatte, reichte sie ihn ihm ohne Kommentar. Er öffnete die Leinenhülle, nahm einen dünnen Stapel Blätter heraus und begann aufmerksam zu lesen. Gebannt ruhte ihr Blick auf ihm. Regungslos wartete sie auf seine Reaktion. Es arbeitete in seinem Gesicht. Wütend zerknüllte er die Bögen zwischen seinen zu Fäusten geballten Händen. Doch auf einmal schien er sich bewußt zu werden, was er da gerade tat. Er legte die Blätter vor sic h auf den Tisch und strich sie glatt. "Nun, Cathy. Wahrscheinlich hast du jetzt gemerkt, was für ein Dummkopf dein Mann war... ist." "Wirst du dich wegen der Bilder von mir scheiden lassen? Sie könnten deine Karriere beenden", fragte Cathy schüchtern. "Himmel, nein! Ich werde es nicht einmal zulassen, daß sie deinen Ruf auch nur ankratzen. Sie könnten meiner Karriere auch nicht schaden, Cathy. Ich werde das alles an die Öffentlichkeit bringen und Greeley mit seiner Bande bloßstellen. Du hast keinerlei Grund, dich zu schämen, Liebling." Seine Augen funkelten vor Zorn. "Niemand wird
ungeschoren davonkommen, der dich beleidigt hat. Das verspreche ich dir." "Robert..." Sie wurde wieder vom Telefon unterbrochen. Diesmal war es für ihren Mann. Cathy hatte den Eindruck, daß das Gespräch lange dauern würde. Sie fühlte sich müde und ausgelaugt, deshalb gab sie Robert ein Zeichen, daß sie ins Bett gehen wollte. Sie verzichtete sogar auf die Dusche, wusch sich nur schnell und fiel danach gleich in tiefen Schlaf. Am Morgen kam das Erwachen wie durch Berge schwarzer Seide. Cathys Augen schienen verriegelt zu sein. "Öffne die Augen, mein Schatz", flüsterte Robert. "Ich habe hier Saft für dich. Eiskalten Saft, wie du ihn magst." Mühsam hob sie die Lider, als ihr Magen sich zu drehen begann. Robert setzte sich zu ihr auf die Bettkante und hielt ihr das Glas hin. "Nimm es weg", flehte sie kraftlos. Sie mußte die Hand auf den Mund pressen. "O Robert, mach schnell!" Robert sah sie verständnislos an, als sie versuchte, ihn wegzustoßen. "Er stellte das Tablett ab und hob Cathy mit einem Schwung aus dem Bett. Auf dem Weg zum Badezimmer stöhnte Cathy: "Laß mich runter, mir ist übel." "Schon gut, Liebling!" Er setzte sie vorsichtig ab und stützte sie, während er den Wasserhahn über der Wanne aufdrehte. Schließlich zog er ihr behutsam das Nachthemd aus und setzte sie vorsichtig in die Wanne. Dann glitt er neben ihr hinein und hielt sie im Arm, während das warme Wasser langsam stieg. "Hattest du eigentlich die Absicht, mir zu sagen, daß du schwanger bist, oder wolltest du abwarten, bis ich merken würde, daß du rundlich wirst?" Er lachte sie an und wischte ihr mit einem weichen Tuch über das Gesicht.
"Mir ist schlecht", stöhnte Cathy schwach, dankbar für seine liebevolle Unterstützung. "Wie bist du denn so schnell aus deinen Kleidern gekommen?" fragte sie benommen. "Übungssache", erklärte er mit ernster Miene, während er ihr mit sanften Bewegungen den Körper wusch. "Danke", hauchte Cathy an seinem Ohr. "Wofür, Liebes?" "Daß du dich um mich kümmerst." "Das ist die wichtigste Aufgabe in meinem Leben. Wußtest du das nicht?" "Schön", seufzte sie immer wieder, als er sie aus der Wanne hob, sie abtrocknete und sie dann zum Bett zurücktrug. "Ich kann jetzt aufstehen, Robert. Wirklich. Ich ziehe mich an, und dann frühstücke ich mit dir." "Nein!" Er verließ das Zimmer. Bevor sich Cathy verlassen fühlen konnte, war er schon mit einem Tablett zurück. In seinem Gefolge erschien die Haushälterin Mrs. Lacey mit der Teekanne und einem Korb voll warmer Plätzchen. "Das kann ich nicht alles essen", rief Cathy und sah entsetzt auf das Tablett, daß Robert auf dem Bett abstellte. Mrs. Lacey zog einen Tisch ans Bett und stellte den Tee und den Korb darauf ab. "Sie dürfen die Übelkeit am Morgen gar nicht beachten, Ma'am. Das geht bald vorüber." Sie nickte ihr aufmunternd zu und ließ sie mit Robert allein. Er zog seinen Morgenrock aus und schlüpfte neben ihr unter die Decke. "Du sollst auch nicht alles aufessen. Etwas ist auch für mich da, Schatz." Er küßte sie auf die Nasenspitze und goß ihr ein neues Glas Saft ein. "Und was ist damit?" Sie zeigte auf das Glas Saft, das er vorhin auf den Nachttisch gestellt hatte. "Das werde ich trinken. Schließlich bleiben wir noch eine Weile hier."
"Du mußt doch ins Büro." Sie probierte den kalten Saft. Er tat ihrem Magen gut. "Nichts da! Ich habe schon angerufen, daß ich heute nicht käme." Darauf stieß er fröhlich mit ihr an. Robert bestrich ein Stück Teegebäck mit Marmelade und fütterte sie damit. Er lachte, weil sie ein bißchen davon an die Nase bekam, und leckte sie ihr schnell ab. Cathy fühlte sich überglücklich. "Wenn du nicht möchtest, mußt du auch zu der Weihnachtsfeier meines Vaters nicht mitkommen", bot er ihr an. "Ich werde aber hingehen. Ich möchte, daß du dort Bruno und Greeley entlarvst." Sie kuschelte sich genüßlich an ihren Mann, der sie weiter mit Gebäck fütterte. Wie könnte man nur Todd dahinlocken?" "Stacy soll ihn anrufen und ihm sagen, daß Bruno ihn dort zum Fotografieren braucht." "Hast du keine Angst, daß Bruno die Fotos vorher veröffentlicht?" Robert drückte sie noch enger an sich und gab ihr einen Kuß auf die Stirn. "Du traust deinem Mann wohl nichts zu? Meine Leute haben sich an einige Politiker gewandt und ihnen berichtet, was wir vorhaben. Als wir erwähnten, daß wir hofften, einige Frauen zu finden, die uns ihre Köpfe für die gleichen Fotomontagen zur Verfügung stellen würden, wie du sie erhalten hast, wurden wir von Freiwilligen regelrecht überschwemmt." Er sah ihr in die erstaunten Augen. "Ich mache keinen Scherz. Wir hatten so viele Angebote, daß wir uns die besten aussuchen konnten; Wenn Bruno also die Bilder veröffentlichen sollte, dann tun wir das auch und beweisen damit, daß es Fälschungen sind. Einige Leute meinen sogar, wir sollten sie auch so veröffentlichen, um Bruno von vornherein den Wind aus den Segeln zu nehmen. Ich habe noch nicht entschieden, was ich machen werde." "Ich kann das noch gar nicht glauben. Du meinst also, der ganze Alptraum sei vorbei?"
"Fast. Den ,coup de grace' werden wir in Durra liefern. Emmett wird nicht gerade begeistert sein, wenn er erfährt, was für ein Gauner sein Schützling ist." "Deine Schwestern werden aber entsetzt sein." Sie wurde von seinem Lachen durchgeschüttelt. "Meine Schwestern werden den Mund halten, oder meine Schwäger werden es ihnen befehlen. Ich habe mit beiden gesprochen, sie sind auf meiner Seite." "Robert, ich kann es noch nicht fassen. Es ist, als habe man einen schweren Stein von meiner Brust genommen." Sie seufzte, ihr Glück machte sie übermütig, und sie küßte seine bloße' Brust. "Cathy, Liebling, laß das", murmelte er in ihr Haar. "Ich darf dich nicht lieben, also ..." Sie beugte sich weit zurück und sah ihn an. "Wer hat dir denn das Märchen erzählt? Mein Arzt sagt, daß alle normalen Aktivitäten erlaubt seien. Natürlich darf ich nicht Fallschirmspringen, aber..." Sie kuschelte sich wieder an ihn. "Soll ich das so verstehen, Mrs. Densmore, daß du die Liebe für eine normale Aktivität hältst?" Sein Mund glitt an ihrem Körper hinab und wieder hinauf zum Hals, "Auf jeden Fall ist es besser als Jogging", behauptete sie lachend. Robert küßte ihren Bauch und betrachtete die Stelle dann ganz genau. "Es wird ein kleines honigblondes Mädchen mit violetten Augen, ich weiß es. Himmel, wird sie hübsch aussehen!" "Der Arzt hat aber nichts von Zwillingen' erzählt, und da ich schon einen kleinen Jungen mit schokoladenbraunem Haar bestellt habe..." "Mädchen!" Er kniff mit den Lippen sanft in ihre Brust, und ihr Widerspruch erstickte in einem genußvollen Stöhnen. "Habe ich dir schon gesagt, wie schön du bist? Ich freue mich bereits darauf, deine Schwangerschaft fortschreiten zu sehen."
"Du wirst mich nicht mögen", klagte Cathy. "Ich werde aussehen wie ein Ballon." "Du wirst perfekt aussehen." Und er fuhr fort, ihr zu zeigen, wie perfekt sie aussehen würde, bis sie vor Wonne aufstöhnte. Ihr Liebesspiel steigerte sich, bis nur noch Seufzer der Erfüllung zu hören waren. "Robert... Robert, was für ein wunderschönes Gefühl", raunte sie selig. Seine Antwort verlor sich in der Ekstase ihrer Leidenschaft. Nicht nur einmal brachte Robert sie zu jener Schwelle des Glücks, die sie nur mit ihm erreichen konnte. Robert war ihre Liebe und der Ursprung ihres Glückes. "Wollen wir wirklich den ganzen Tag im Bett bleiben?" fragte Cathy, nachdem die Wellen der Leidenschaft abgeklungen waren. "Unter einer Bedingung können wir aufstehen: Wir gehen hinunter, schwimmen ein bißchen im Pool, gehen in die Sauna, dann ruhen wir uns wieder aus." "Und dann ist Dinnerzeit!" Cathy lachte. Plötzlich wurde Robert ernst. "Das war das erste Lachen, das ich seit Tagen von dir gehört habe." Er beugte sich zu ihr und küßte ihr Kinn. "Ich höre dich gern lachen. Du sollst die fröhlichste Schwangerschaft auf der ganzen Welt haben." "Bei unserem ersten, meinst du?" Er fuhr bei ihren Worten hoch. "Oh? Werden wir noch mehr bekommen?" "Das hört sich nicht schlecht an." "Abgemacht." Er stand auf, holte sich ein Handtuch, das er sich um die Hüfte wickelte, und ging auf die Tür zu. "Du hast unsere Badeanzüge vergessen, Robert", stellte Cathy lächelnd fest. "Nein, das habe ich nicht." Er erwiderte ihr Lächeln. "Wir brauchen heute keine."
"Das können wir nicht machen!" Sie ließ sich von ihm die Treppe hinunterziehen. "Und wenn Mrs. Lacey oder Trock zum Swimmingpool kommen?" flüsterte sie, als sie an der Küche vorbeikamen. "Mrs. Lacey, wir möchten am Pool nicht gestört werden", rief Robert in die Küche hinein. "Keine Anrufe, keine Besucher. Heben Sie alles auf, bis ich Ihnen Bescheid sage." Sie tollten über eine Stunde lang wie die Kinder im Wasser herum. .Cathy hatte das Gefühl, mit Robert allein auf der Welt zu sein. Dann saßen sie einen kurzen Moment in der Sauna. Zum Schluß bestand Robert darauf, sie zu massieren. Cathy fühlte sich rundherum behütet und umsorgt. Am Abend aßen sie frisch gekochte Krebse. Mrs. Lacey hörte Robert geduldig zu, als er erklärte, wie wichtig gehaltvolle Mahlzeiten für seine Frau seien.
10. KAPITEL Die Tage verflogen in einer Euphorie, die Cathy fast den Atem nahm. Sie lächelte ständig und war stets guter Laune. Viele fröhliche Stunden verbrachte sie mit Weihnachtseinkäufen, nachdem die morgendliche Übelkeit vorüber war. Am Tag der Weihnachtsfeier bei Emmett hatte sich ihre ursprüngliche Nervosität durch Roberts Zuversicht schon fast gegeben. Als er am Abend nach Hause kam, lag sie gerade in der Wanne und genoß eine exotische Essenz, die er ihr geschenkt hatte. Danach schlüpfte sie in den Bademantel, wickelte sich ein Handtuch wie einen Turban um den Kopf, um die Haare länger feucht zu halten, und ging noch einmal in Gedanken ihre Garderobe für den großen Abend durch. Trotz der großen Auswahl blieb ihr für diesen Anlaß nur ein bestimmtes Kleid, das in Frage kam, auch wenn ihre Vernunft sie davor warnte. Sie nahm die schokoladenbraune Abendgarderobe aus dem Schrank und hielt sie sich an den Körper. Es war aus moirierter Seide, ohne Träger und mit einer Stola aus demselben Stoff. Um den Saum und das Dekollete waren violette Blüten gestickt, mit kleinen Herzen in der Mitte. Es war ein sehr extravagantes Kleid, das nichts mit Weihnachten zu tun hatte. Und obendrein hatte Emmet ein ungeschriebenes Gesetz geschaffen, daß die
Damen bei seinen Weihnachtsfeiern nur Rot oder Grün zu tragen hatten. Die gesamte Dekoration war auch in diesen Farben gehalten. Cathy rieb sich den gesamten Körper mit duftender Körperlotion ein, bevor sie in das winzige braune Höschen schlüpfte, das die einzige Unterwäsche sein sollte, die sie unter dem hautengen Kleid zu tragen beabsichtigte. Das Haar ließ sie locker auf die Schultern fallen. Als Schmuck wählte sie nur eine dünne goldene Halskette. Die Stola wollte sie tragen, obwohl Emmet stets sehr einheizen ließ. Energiesparen war für ihn ein Wort, über das sich andere Gedanken machen sollten. Sie drehte sich gerade vor dem dreiseitigen Spiegel, um sich von hinten anzusehen, als Robert aus dem anschließenden Badezimmer kam. Sein Oberhemd war noch nicht zugeknöpft, und in der Hand hielt er zwei Päckchen. "Ich hätte mir ja denken können, daß du dieses Kleid wählen würdest; du Rebellin", sagte er mit einem anerkennenden Lächeln. Er reichte ihr die größere der beiden Schachteln. Cathy nahm einen winzigen Strauß purpurner Orchideen heraus und stieß einen Entzückensruf aus. Robert ließ seinen Blick bewundernd über ihre Gestalt wandern. "Wo willst du sie tragen, Liebling. Es ist eine ganze Menge von dir zu sehen." Sein Zeigefinger glitt dabei über ihren Hals. "Du bist schön." "Ich hefte sie mir an die Taille", entschied sie, von seinem Blick etwas irritiert. "Meinst du?" Sein Finger glitt langsam in ihren Ausschnitt. "Am liebsten würde ich hierbleiben und mit dir überlegen, wo die Blumen hingehören." Cathy drehte sich vor ihm. "Das können wir nicht machen. Dein Vater erwartet uns und meiner wird auch kommen. Er dürfte bald hier sein."
Er schnippte mit den Fingern. "Das habe ich dir noch sagen wollen, du bist aber auch zu verwirrend! Dein Vater ist schon hier. Ich wußte, wann sein Flugzeug landen sollte und habe ihn gleich abgeholt. Er zieht sich gerade um." "Robert, so etwas mußt du mir doch gleich berichten." Sie küßte ihn zur Strafe auf die Wange. "Ja", gestand er abwesend ein. Seine Aufmerksamkeit galt ihrem Ohr. "Und das war das andere, was ich dir zeigen wollte." Er strich ihr das Haar hinter das Ohr zurück. "Ich konnte mich nicht entsinnen, daß du für dieses Kleid passenden Schmuck hast. Darum habe ich bei Cartier angerufen..." Er strahlte wie ein kleiner Junge und öffnete die kleine Schachtel. Cathy starrte auf die tropfenförmigen Ohrringe, die wie aus Spitzen gemacht aussahen, Spitzen aus Amethyst. Eine Halskette aus demselben Material war auch dabei. Sie griff nach ihrer Goldkette, aber Robert war schneller. Er legte ihr die neue Kette um und wartete, bis sie die Ohrringe angelegt hatte. Sie sah sich zuerst an, dann bemerkte sie seinen erwartungsvollen Bück im Spiegel. "Sie gefallen mir himmlisch." "Sie passen zu deinen Augen." Robert umarmte sie und preßte die Lippen auf ihren Nacken. "Wir müssen jetzt wohl gehen, Liebling. Aber ich sage dir, wenn wir heute nicht Bruno das Fell über die Ohren ziehen wollen, wäre ich mit dir hiergeblieben." Er gab ihr noch einen wehmütigen Klaps auf das Hinterteil und ging zu seinem eigenen Zimmer. Er rief noch zurück, sie sollte nicht vergessen, ihrem .Vater einen Drink zu geben, bevor sie abfahren würden. Trock hatte sich inzwischen schon um alles gekümmert, und ihr Vater hielt ein Glas Wein in der Hand, als Cathy hereinkam. Er sprach gerade mit den Hunden, die vor ihm auf dem Boden ausgestreckt lagen. "Na, was hältst du jetzt von den beiden?" Sie ließ sich von ihm umarmen.
"Man würde keinen von beiden wiedererkennen, wenn man sie in ihrem erbärmlichen Zustand vorher gesehen hat." Robert betrat den Raum und rief nach Trock. Er sah vital und kräftig aus und schien sehr gut gelaunt. "Ich möchte, daß Sie uns heute begleiten und die Hunde mitnehmen", sagte er zu Trock. Sein Schwiegervater hob die Brauen. "Das kannst du nicht machen", rief Cathy. "Emmett haßt Hunde. Und Greeley genauso." Robert lächelte hintergründig. "So ist es. Und Greeley genauso." Durra war ein Weihnachtsmärchen aus Grün und Rot. Grüne und rote Lichter schmückten die Bäume, die Hecken, die Türen und die Fenster. Eine riesige Tanne vor der Auffahrt war ganz in Weiß, Grün und Rot geschmückt, alle anderen Dekorationen waren nur grün oder rot. "Du wirst die Königin sein, Liebling", flüsterte Robert ihr zu, als Cathy vor der fächerförmigen Treppe zögerte. Seine Hand in ihrem Rücken gab ihr Mut. Sie betraten das Foyer. Auch hier war alles grün und rot. Ihr Vater trat zuerst vor und gab Emmett zur Begrüßung die Hand. Höflich beugte er sich dann über Lee Terris' Hand. Die Zwillinge begrüßten ihn ausgelassen. Dann wandte sich Emmett an Cathy und starrte sie sprachlos an. Bevor er seine Sprache wiederfand, nahm sie seine Hand und schüttelte sie. "Danke für die Einladung." Dann wandte sie sich an Lee. Eminent stand noch immer mit offenem Mund da, als sein Sohn ihm die schlaffe Hand drückte. "Meine liebe Cathy", brachte er schließlich mühsam hervor. Lee setzte ein verwundertes Gesicht auf. "Hat Ihnen denn nie jemand gesagt, daß wir in Durra Grün und Rot tragen?" Sie war in roten Samt gekleidet. .
"Hat Ihnen nie jemand gesagt, wie langweilig das aussieht?" konterte Cathy mit einem überfreundlichen Lächeln. Sie begrüßte Roberts Brüder, die sich kaum das Lachen verkneifen konnten. Inzwischen hörte sie Emmett hinter sich herumbrüllen. Betont langsam drehte sie sich um. "Nein, verdammt noch einmal, Robert! Du kannst doch diese Viecher nicht ins Haus bringen. Und was macht der hier?" Sein vor Wut gerötetes Gesic ht paßte gut zur Dekoration. "Von welcher Überraschung redest du denn? Was werde ich später schon begreifen? Mir gefällt das alles nicht. Wehe, wenn diese Viecher meine Gäste anfallen!" Er wußte nicht, wem er die böseren Blicke zuwerfen sollte, Cathy oder den beiden Hunden. Bei der Länge der Gästeliste war dieses Treffen naturgemäß eher ein Volksfest als eine Feier. Emmett wurde schnell von den Hunden abgelenkt. Eine zehnköpfige Band sorgte für Musik, obwohl die meisten Gäste erst nach dem Festmahl tanzen würden. Dennoch hatten sich einige Leute schon mit Cocktails versorgt und wiegten sich im Wintergarten im Takt der Musik. "Wollen wir, Mrs. Densmore?" Robert küßte ihr Ohr. "Ich dachte, du möchtest erst mit deinen Freunden reden..." Er zog sie einfach hinter sich her auf die Tanzfläche. Ihr Herz pochte laut, als er ihr leise ins Ohr sang: "Everything I Have Is Yours." Alles was ich habe, ist dein. Plötzlich hielt er inne und sah ihr besorgt ins Gesicht. "Ich habe es völlig vergessen! Ist es eigentlich in Ordnung, daß wir so schnell tanzen?" "Natürlich." Cathy wirbelte um ihn herum. "Tanzen ist gutes Training." "Aber hör auf, so herumzuwirbeln. Deine Beine sind ja bis zum Slip zu sehen." Da die Musik eine Pause machte, zog er sie schnell an sich. Es verging eine ganze Weile, bis alle unter viel Lärm und Gedränge an den runden Zehnertischen Platz gefunden hatten.
Der große Ballsaal war zum Bersten gefüllt. Auf der Mitte der Tische waren Gestecke aus Tannengrün und roten Nelken. Einige mit roten Kerzen, einige mit weißen. Cathy saß an einem Tisch mit Rob Ardmore, einige Tische weiter saß Todd Leacock und beobachtete sie grinsend. Cathy mußte sich zusammennehmen, um ihm nicht eine Ohrfeige zu verpassen. "Dort ist Leacock", sagte sie zu Robert, als würde sie ihm einen Witz erzählen. "Der mit dem preiselbeerfarbenen Dinnerjackett." Er lächelte und hob sein Glas, um zu zeigen, daß er verstanden hatte. "Bruno ist noch nicht da. Hoffentlich kommt er bald." "Er wird bestimmt kommen." Cathy trug mehr Zuversicht zur Schau, als sie besaß. Später, beim Kaffee, hielt Emmett seine Rede. Cathy konnte sich nicht helfen, aber ihr Schwiegervater kam ihr vor wie einer der Pfauen, die draußen auf dem Rasen herumstolzierten. Auch Greeley mit seinem dicken Bauch voller Krümel war eher eine Witzfigur. Sie fühlte sich jetzt wesentlich ruhiger, aber auf Brunos Erscheinen war sie doch nicht vorbereitet. "Komm her und setz dich, Bruno", brüllte Emmett durch den Saal und winkte wie wild. Bruno lehnte sich an den Türpfosten und sah einem Geier im Abendanzug ähnlich. "Ich will nicht stören, ihr seid ja mit dem Dinner so gut wie fertig." Damit ging er wieder hinaus offensichtlich in den Wintergarten. Erleichtert atmete Cathy auf. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie verspannt sie gewesen war. Nach und nach erhoben sich die Gäste und begaben sich in kleinen Gruppen hinaus zur Tanzfläche. Suchend sah sich Cathy nach Robert um. Er stand mit einigen Leuten zusammen und winkte ihr zu, machte aber keine Anstalten zu ihr zu kommen.
Er war offensichtlich bemüht, die Gruppe, in der sich auch sein Vater befand, in die Bibliothek zu lotsen. "Robert will, daß du in die Bibliothek kommst." Gavin beugte sich flüsternd zu ihr hinunter. "Gareth holt Leacock." Als Gavin ihr die Tür öffnete, hörte sie gerade, wie sic h Emmett beschwerte, er müsse sich um seine Gäste kümmern. Brunos Gesicht war verkniffen. Dann kam Trock mit den beiden Hunden herein und gab ihnen leise Befehle, worauf sie an der Tür stehenblieben. "Was zur Hölle, soll das?" Bruno regte sich auf. "Nehmen Sie diese Hunde da weg. Emmett, du wirst doch nicht zulassen, daß diese Biester..." "Robert!" brüllte Emmett prompt los. "Was habe ich dir wegen der Hunde gesagt?" "Beruhige dich, Dad! Graf hört auf meine Befehle." Er wartete ruhig ab, bis Todd Leacock, von Gareth begleitet, den Raum betreten hatte. Gareth schloß hinter sich die Tür. "Nun sind wir, glaube ich, alle versammelt." Robert warf einen bedeutsamen Blick zu seinen Kollegen und deren Frauen hinüber. "In der Tat sind nicht alle Freiwilligen zu unserem kleinen Treffen hier erschienen", begann Robert seine Ansprache. "Es gab einfach zu viele! Aber ich glaube, jeder hier kennt Senator Jack Van Orden und seine Frau, Senator Bill Darien nebst Frau, die Kongreßabgeordnete Gerda Reeves und ihren Mann, Senatorin Mary Lake und den Kongreßabgeordneten Rod Ardmore. Ich habe noch eine lange Liste mit Namen..." "Robert, was wird hier eigentlich veranstaltet?" rief Emmett dazwischen. "Ich komme schon dazu, Dad. Aber zuerst möchte ich, daß Sie sich alle ein paar Fotos ansehen. Gavin, bring bitte die Korktafel her, die dort in der Ecke steht."
Graf knurrte, als Bruno zur Tür wollte. Auch Todd Leacock versuchte, sich davonzustehlen, aber Trock gab dem Bullterrier einen kurzen Befehl, und schon stand der mit gebleckten Zähnen vor Leacock. Nachdem die Tafel zu dem Publikum herumgedreht worden war, ging ein Raunen durch den Raum. Cathy schloß die Augen. Sie wollte sich nicht in diesen unsittlichen Posen ansehen, auch wenn die anderen Prominentenfrauen neben ihr zu sehen waren. "Wirklich, Cathy, Sie hätten an den Ruf der Familie denken müssen", glaubte Lee bemerken zu müssen. "Sei still, Lee", sagte Robert in ruhigem Ton. "Was Sie hier alle sehen, ist der schändliche Versuch einer Erpressung. Ein Versuch von... nun, lassen Sie es mich zunächst so sagen: Ein Versuch von Kriminellen, auf meine Frau Druck auszuüben, damit sie ihrerseits Druck auf mich ausüben sollte, um mich von dem Umweltschutzgesetz abzubringen, das für unser Land gut ist." Robert wandte sich wieder an Gareth. "Bring Greeley hierher, wenn es sein muß, sollen dir Dave und Harrison dabei helfen." Emmetts Gesicht war rot angelaufen, die Augen fielen ihm beinahe aus dem Kopf. "Warum rufst du Greeley her? Er wird sich nicht für so etwas interessieren." "Und du? Hast du erkannt, was für eine hinterhältige Machenschaft das hier ist?" Robert zündete sich ein Zigarillo an. Dann zeigte er auf Professor Nesbitt, der schweigend an der Seite stand. "Nur dieser Mann und ich wissen, daß ein Foto von Cathy auch ein sehr reizendes Muttermal zeigen müßte." "Robert!" rief Cathy empört. "Entschuldige, Liebling." Greeley kam in diesem Augenblick herein. Seine glänzende Glatze hatte einen rosa Schimmer von der roten Dekoration im Raum. Die Zigarre in seinem Mund wippte beim Anblick der Versammlung auf und ab. Seine kleinen Schweinsaugen
wanderten unruhig hin und her. Gareth schob ihn recht unsanft in die Mitte des Raumes. Sein Blick blieb auf der Korktafel hängen. "Ich will meinen Anwalt sprechen", verkündete er mit einem schiefen Blick auf Bruno. "Ich wollte das nicht, Robert. Es war die Idee dieses Verdammten Idioten. Er meinte, er könnte Sie in die Tasche stecken." Bruno knurrte und wollte zur Tür, aber dort wartete der Dobermann in Angriffsstellung. Robert rief den Hund zurück und sprang gleichzeitig vor. "Zurück, Graf! Ich will ihn für mich!" Als Bruno das hörte, fuhr er herum und warf sich auf Robert. Die Hunde knurrten und winselten, weil sie ihrem Herrn nicht helfen durften. Emmett fiel fast in Ohnmacht, als ein kleines Tischche n mit seinem kostbaren chinesischen Porzellan zu Bruch ging. Lee Terris räumte schnell ein paar andere wertvolle Stücke aus dem Weg. Cathy hätte Rod Ardmore umbringen können, als dieser Robert zurief: "Gib es ihm mit der Linken!" "Robert, sei vorsichtig!" schrie sie in Panik. Unter lautem Gebrüll feuerten die Zwillinge ihren großen Bruder an. Die Männer formten einen Ring um die Kämpfer. Einen Moment lang konnte Cathy nichts sehen, nicht einmal auf Zehenspitzen. Schließlich kletterte sie auf einen von Emmetts feinen Sheraton-Stühlen. Graf sprang aufgeregt vor ihr herum. Was sie sah, ließ ihre Knie weich werden. "Dad, du mußt sie stoppen, bitte tu etwas!" Dabei war sie sicher, daß ihr Vater sie gar nicht hören konnte. Plötzlich war der Kampf vorüber. Robert stand schwankend da und drückte die Hand an die Lippen. Cathy sprang vom Stuhl und bahnte sich den Weg durch die Zuschauer. Bruno wurde gerade wieder auf die Beine gestellt.
Eine Sekunde lang blieb Cathy stehen, dann umarmte sie ihren Mann. "Bist du verletzt?" Sie fuhr mit dem Finger über die Schwellung unter seinem linken Auge. Sie versuchte nicht erst, ihre Tränen zu verbergen. "O Robert, dein Gesicht! Dieses Monster hat dein Gesicht zerschlagen." Sie fuhr herum und stellte sich vor den benommenen Bruno. "Sie... Sie... Sie Untier!" Sie hob die Hand und versetzte ihm eine kräftige Ohrfeige. "Ruhig, Kleines", sagte Robert leise, "Der Kampf ist für heute vorüber, und alles ist gut." Und jetzt ertönte Emmetts wütendes Gebrüll: "Du Giftschlange! Meinen Jungen wolltest du kaputtmachen? Das hast du versucht? Dafür werde ich dich für tausend Jahre aus dem Verkehr ziehen!" Gerade als Bruno und Todd von Emmetts Wachleuten abgeführt wurden, kamen Aveen und Aileen, um zu sehen, warum sich ihr Vater nicht um die Gäste kümmerte. Sie hatten nur eine Ahnung von dem, was vorgefallen war. Mit blassen Gesichtern starrten sie Bruno an. "Und wir haben dem vertraut", bemerkte Aileen vorwurfsvoll. "Was zeigt, wie töricht sogar du manchmal sein kannst, Darling", bemerkte Dave vorsichtig und legte den Arm um die Schultern seiner Frau. Aileen nickte nachdenklich. "Und nicht nur in diesem Fall." Sie schmiegte sich an ihn. "Ich hätte nie gedacht, daß Cathy so brutal sein kann", flüsterte Aveen Harrison zu. "Das ist doch Unsinn. Sie ist mehr eine Lady als jede andere Frau, die ich kenne... außer dir natürlich." Er drückte seiner Frau die Hand, aber ihr Lächeln wirkte gekünstelt. Emmett geleitete seine Gäste aus der Bibliothek und schwor jedem einzelnen, dafür zu sorgen, daß Bruno und seine Kumpane ihre Strafe bekommen würden.
Gavin kam grinsend zu Cathy. "Wenn ich jetzt noch ein Mädchen wie dich finde, werde ich zufrieden sein bis an mein Ende." "Und ich auch", stimmte Gareth ihm zu. Er umarmte Cathy und hob sie hoch in die Luft. "Hey, sei vorsichtig mit ihr." Robert eilte herbei, nahm Cathy in die Arme und drückte sie an die Brust, wobei er über ihren erstaunten Blick lachte. "Sie bekommt nämlich ein Baby." Die Zwillinge gaben ein wahres Indianergeheul von sich, worauf alle wieder herbeieilten. Dave und Harrison gaben Cathy einen Kuß. Aveen und Aileen küßten Robert. Dann schüttelten Cathy und Robert allen die Hand. Thomas Nesbitt beobachtete gerührt Tochter und Schwiegersohn. Ein glückliches Lächeln lag auf seinem Gesicht. Am Tag nach Weihnachten flogen Robert und Cathy nach Santo Thomas Island. Robert hatte Order gegeben, daß sie nicht gestört zu werden wünschten, es sei denn, die ganze Nation sei in Gefahr. Cathy betrachtete ihren leicht gewölbten Bauch über dem Höschen und streckte ihrem Spiegelbild die Zunge heraus. Robert kam herein. Er trug eine knappe Badehose. "Teufel, Mädchen, du machst mich wild vor Verlangen." Ungläubig starrte sie ihn an. Sie dachte, er wollte sich nur über sie lustig machen. Bis sie seine Erregung bemerkte, die er nicht einmal zu verbergen suchte. Er lachte sie an. "Was soll nur werden, wenn ich neunzig bin und deinen Ururenkeln erklären muß, daß ihre Ururgroßmutter mich immer noch erregt? Schämst du dich denn nicht deswegen?" "Nein." Sie streckte ihm die Arme entgegen. Er hob sie hoch und trug sie zum Strand. "Du trägst mich immer, bist du denn sicher, daß es dir nicht schadet?"
"Ja. Außerdem kann ich einfach nicht die Finger von dir lassen." Er legte sie auf die Decke im weißen Sand. "Wie wollen wir schwimmen, Lady, nackt?" Cathy blickte sich um. Niemand war zu sehen. "Das können wir doch nicht tun. Oder doch?" "Natürlich können wir das, wir sind ganz allein." "Aber sehe ich nicht schrecklich aus?" Robert blieb der Mund offen stehen. "Schrecklich? Großer Gott, Cathy, du bist das hübscheste Ding, das ich jemals gesehen habe." Er legte die Hand auf ihren Bauch. "Und den liebe ich am meisten. Komm, schwimm mit mir!" Cathy konnte den Blick nicht von ihrem nackten Mann wenden, als er sie ins Wasser führte. Das unbeschwerte Schwimmen im Ozean ohne Badekleid ung war ein so befreiendes Gefühl, daß sie vor Freude jubelte. Wie die Kinder tobten sie in den Wellen herum. Als Robert sie aus dem Wasser trug, hielt er nicht bei der Decke an, sondern ging weiter bis ins Haus und bis ins Schlafzimmer. "Du hast zuviel Sonne gehabt", erklärte er ihr und legte sich neben sie. "Außerdem habe ich dir etwas zu sagen." Er stützte sich über ihrem Körper auf die Ellbogen. "Ich hätte es nie gesagt, wenn ich nicht wüßte, daß du mich liebst, Cathy. Du hast es mir schon vor unserer Hochzeit gesagt, und es hat mich glücklich gemacht. Aber ich konnte nicht ganz sicher sein, schließlich warst du ja erst achtzehn Jahre alt, als ich dich heiratete." Er legte die Hände um ihr Gesicht. "Ich liebte dich schon an dem allerersten Tag, und seitdem wurde meine Liebe immer größer. Aber nach ein paar Jahren hatte ich den Eindruck, daß du meiner überdrüssig wurdest." "Bruno hat mir immer solche Sachen von dir erzählt. Von Durra... und von Mädchen." "Das weiß ich jetzt. Damals habe ich es nicht gewußt. Ich ließ dich in Ruhe, in der Hoffnung, daß du mich nicht verlassen würdest, wenn du nur genügend Freiheit hättest. Aber das sollst
du wissen, Cathy, ich habe mich nach dir gesehnt, jede Minute des Tages. Ich liebe dich so sehr, daß ich es dir in tausend Jahren nicht erzählen könnte." "Und ich dich auch." Cathy spürte eine Träne auf der Wange. Er hatte es endlich ausgesprochen und ihr Lebensbündnis, neu bestätigt. "Du bist alles, was ich je gewollt habe und je wünschen werde." Er legte sich an ihre Seite und zog sie an sich, bis die Leidenschaft sie beide überwältigte und sie mit sich fortriß. Sechs Monate später wurde Robert Nesbitt Densmore geboren. Mit seinem dichten dunklen Haarschopf und den blauen Knopfaugen machte er Cathy zur glücklichsten Mutter der Welt. Nach der Geburt drückte ihr Mann das Gesicht an ihre Brust und flüsterte immer und immer wieder: "Ich liebe dich, Cathy. Ich liebe dich." Und der Glanz in seinen Augen sagte ihr, daß nichts und niemand sie auseinanderbringen konnte.
-ENDE-