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PARKER sorgt für leere Halfter Günter Dönges »Was ist denn, Mister Parker?« fragte Agatha Simpson ungehalten, als de...
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PARKER sorgt für leere Halfter Günter Dönges »Was ist denn, Mister Parker?« fragte Agatha Simpson ungehalten, als der Butler plötzlich und ohne jede Vorwarnung bremste. Die ältere Dame, die das sechzigste Lebensjahr zwar bereits überschritten hatte, jedoch noch ungemein rüstig und dynamisch war, wurde aus den bequemen Polstern nach vorn katapultiert und konnte sich im letzten Moment gerade noch abfangen. »Ein Hindernis, Mylady, das meine Wenigkeit als ausgesprochen seltsam bezeichnen muß«, beantwortet der Butler die Frage. »Mylady haben es mit einer Postkutsche zu tun, wie man sie eigentlich nur noch in sogenannten Western-Filmen zu sehen bekommt.« »Aha.« Sie schien nicht recht hingehört zu haben und rückte sich wieder zurecht. »Und deshalb diese Notbremsung, Mister Parker?« »Nur so war ein Zusammenstoß zu vermei…« »Eine Postkutsche?« Sie begriff erst jetzt, wovon Josuah Parker vorn am Steuer des Wagens gesprochen hatte und schob sich diesmal freiwillig und wesentlich langsamer nach vom. Dann entfaltete sie ihre Stielbrille und betrachtete durch diese Lorgnette die nächtliche Szene. Die Hauptpersonen: Harry Catford ist der seltsame Bürgermeister einer WesternFan-Stadt. Ron Lavers sorgt als Freizeit-Sheriff für Recht und Ordnung. Norman Tooting lebt als Sonderling in einer verrückten Traumwelt. Richter Amshurst urteilt nach seltsamen Gesichtspunkten. Lester Goole zeigt sich ebenfall als Sheriff und greift hart durch. Lady Agatha Simpson betätigt sich als Westem-Girl. Butler Parker zeigt sich als Meisterschütze mit dem Colt. Josuah Parker hatte keineswegs schamlos übertrieben. Lady Agatha, groß, füllig, majestätisch anzusehen, bemerkte jetzt
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ebenfalls diese Postkutsche, die die schmale Seitenstraße völlig versperrte. Pferde konnte die passionierte Detektivin zwar nicht ausmachen, doch dafür drei Cowboys, die gerade in das Licht der voll aufgedrehten Scheinwerfer traten. »Was soll dieser Humbug?« grollte die ältere Dame und langte nach ihrem perlenbestickten Pompadour, der neben ihr auf dem Sitz lag. In diesem kleinen Handbeutel, wie ihn die Damen um die Jahrhundertwende zu tragen pflegten, befand sich ihr sogenannter Glücksbringer, ein echtes Hufeisen, mit dem sie gut umzugehen wußte. »Man scheint in der Tat einen mehr als derben Scherz auf die Spitze treiben zu wollen, Mylady«, urteilte Josuah Parker, der nach wie vor stocksteif, als habe er einen Ladestock verschluckt, am Steuer seines hochbeinigen Monstrums saß. »Darf man darauf verweisen, Mylady, daß die drei Cowboys, die übrigens stilvoll gekleidet sind, gerade ihre Colts ziehen?« »Das ist eine Frechheit, Mister Parker«, grollte die ältere Dame bereits wesentlich intensiver, »das ist Wegelagerei!« »Eine treffliche Bemerkung, Mylady, wenn meiner Wenigkeit diese Bemerkung erlaubt ist.« Parker drückte die Fahrertür auf und stieg aus seinem Privatwagen. Es handelte sich um ein ehemaliges Londoner Taxi recht alter Bauart, wie man es im Straßenverkehr nur noch selten sah. Äußerlich machte dieses Fahrzeug einen betagten Eindruck, doch technisch war es auf dem neuesten Stand. Parker hatte diesen Wagen nach seinen sehr eigenwilligen Vorstellungen völlig neu herrichten lassen. So war eine Trickkiste auf Rädern entstanden, die gut für jede Überraschung war. Josuah Parker, etwas über mittelgroß, fast schlank, trug einen schwarzen Covercoat über dem schwarzen Zweireiher. Dazu gehörte dann noch eine schwarze Melone und ein altväterlich gebundener Regenschirm. Parker griff an den Rand seines Bowlers und lüftete höflich die Kopfbedeckung in Richtung der Cowboys, die nun breitbeinig auf den Wagen zukamen. Sie hatten inzwischen ihre Colts gezogen. Die Gesichter waren nicht zu erkennen. Die Männer benutzten ihre Halstücher als Gesichtsmasken. »Ich möchte Ihnen einen nächtlichen Gruß entbieten, meine Herren«, sagte Josuah Parker, »besteht die Hoffnung, daß Sie dieses recht ungewöhnliche Hindernis in absehbarer Zeit aus dem
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Weg räumen?« »Schnauze«, reagierte der größte der drei Cowboys barsch, »du rollst über privates Weideland, Fremder.« »Sie bestürzen meine bescheidene Wenigkeit«, antwortete der Butler, der sich durch nichts aus der Ruhe bringen ließ und das ausdruckslose Gesicht eines Pokerspielers zeigte, »gibt es eine Möglichkeit, diesen unverschuldeten Fehler vergessen zu machen?« »Wassergeld«, sagte der zweite Cowboy knapp und richtete den Lauf seines echt aussehenden Colts auf den Butler. »Meine Wenigkeit möchte keineswegs widersprechen«, erwiderte Parker, »aber ich kann Ihnen versichern, daß Ihre Wasserrechte nicht tangiert wurden.« »Was war das?« wollte der dritte Cowboy wissen und sah den Wortführer irritiert an. »Halt die Klappe, Junge«, sagte der größte der drei Männer, um sich dann Parker zuzuwenden, »pro Person hundert Dollar, in bar oder Sachwerten.« »Mylady führt keine fremden Sorten mit sich«, gab der Butler gemessen zurück, »nehmen Sie auch englische Währung?« Die Cowboys standen im Halbkreis vor Parker. Die Entfernung zwischen ihm und den drei Männern betrug etwa anderthalb Meter. Der Butler war erstaunt, wie echt die Kleidung war. Sie stimmte bis ins letzte Detail, war getragen und zeigte an, daß die Kerle im Sattel saßen. Der Geruch nach Pferdeschweiß und Rindvieh war unverkennbar, die Hemden waren durchschwitzt, die Hüte staubbedeckt. »Los, Mann, raus mit dem Wassergeld«, forderte der Wortführer ungeduldig, »wo steckt diese Lady? Die hat doch bestimmt Klunker und Glitzerkram bei sich, oder?« »Und du hast doch auch ‘ne Uhr, wie?« fragte der Maskierte, der mit dem Ausdruck »tangieren« nichts anzufangen wußte. »Ein Familienerbstück«, sagte Josuah Parker, »wenn Sie gestatten, werde ich sie Ihnen umgehend zeigen! Vielleicht entspricht sie Ihrem Geschmack…« Ohne die Erlaubnis abzuwarten, öffnete Parker die Knöpfe des Covercoats und des Zweireihers darunter, um nach einer seiner vielen Westentaschen zu greifen. Man sah tatsächlich eine mittelschwere, offensichtlich goldene Uhrkette. Die drei Maskierten schauten beifällig hin und hatten die Läufe
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ihrer Waffen längst gesenkt. Parkers schwarz behandschuhte Finger glitten über die Goldkette hinweg und zogen, verdeckt durch die Handaußenfläche, einen Kugelschreiber aus der oberen Westentasche, was Folgen haben sollte… * Parker richtete die Spitze des Kugelschreibers auf die drei Männer, die dies nicht mitbekamen. Dann drückte er auf den Halteclip und löste damit einen Lichtblitz aus, der die Nacht zum Tag werden ließ. Der Butler hatte seine Augen fest geschlossen, dennoch wurde auch er geblendet. Er nahm dies aber gern in Kauf, denn er wußte, wie dieser ungemein grelle Lichtblitz erst auf die drei unvorbereiteten Männer wirkte. Er hörte ihr Stöhnen, öffnete versuchsweise die Augen und sah die Cowboys schemenhaft vor sich. Sie hatten sich verkrümmt, die Hände hochgerissen und bedeckten ihre schmerzenden Augen. Josuah Parker, der sich den Bambusgriff seines Regenschirms über den angewinkelten linken Unterarm gehängt hatte, stieß seinen Unterarm ruckartig hoch und ließ den Regenschirm senkrecht nach oben in die Luft steigen. Er griff genau im richtigen Moment zielsicher zu, umspannte mit den Fingern seiner linken Hand das Endstück des Schirmes und konnte das Regendach sofort als Waffe einsetzen. Da der Bambusgriff mit Blei ausgegossen war, konnte man sich kaum eine wirkungsvollere Schlagwaffe vorstellen. Und er setzte sie gründlich ein! Der Wortführer der Cowboys, der inzwischen wohl wieder etwas sah, wollte sich auf den Butler stürzen, doch er nahm davon Abstand, nachdem Josuah Parker ihm den Bambusgriff auf die Stirn gesetzt hatte. Der Mann stöhnte und nahm anschließend auf dem Asphalt der schmalen Straße Platz. Der zweite Cowboy bückte sich nach seinem Colt, den er verloren hatte. Parker unterband das Aufheben durch einen weiteren Schlag mit seinem Schirm. Er setzte den schweren Bambusgriff auf den Handrücken des Mannes, der daraufhin brüllte, sich zurückwarf und dabei über den dritten Cowboy stolperte, der sich gerade absetzen wollte. Die beiden Männer fielen zu Boden, rafften sich wieder auf und ergriffen dann
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gemeinsam die Flucht. Nach wenigen Augenblicken waren sie hinter der alten Postkutsche verschwunden. »Erfahre ich endlich, was hier geschieht?« war die entrüstete Stimme der Lady Agatha in diesem Augenblick zu vernehmen. Sie hatte Parkers hochbeinigen Wagen verlassen und machte einen unternehmungslustigen Eindruck, denn der Pompadour in ihrer rechten Hand befand sich bereits in kräftigen Schwingungen. »Man erkühnte sich, von Mylady ein sogenanntes Wassergeld zu verlangen«, erwiderte Josuah Parker. »Dummes Zeug«, sagte sie fast amüsiert, »ich befinde mich im Süden von Groß-London, Mr. Parker, oder?« »In der Tat, Mylady«, bestätigte der Butler, »man scheint hier schlechte Sitten aus der Zeit der Besiedlung des Westens der USA kopieren zu wollen.« »Man bedrohte mich, Mr. Parker?« »Diesem Eindruck konnte man sich kaum entziehen, Mylady«, lautete Parker höfliche Antwort. »Ich werde diesen Lümmel gleich verhören«, meinte die ältere Dame erfreut, »er wird bald wissen, wer Lady Simpson ist!« »Dies wird für den Betreffenden zu einem sicher nachhaltigen Erlebnis werden, Mylady«, versicherte Josuah Parker, »könnten Mylady möglicherweise den Lichtkreis der Scheinwerfer verlassen? Scharfe Schüsse sollte man keineswegs ausschließen.« Er hatte seinen Satz gerade beendet, als die scharfen Schüsse, von denen gerade gesprochen wurde, tatsächlich fielen. Lady Agatha fuhr zusammen und kam dem Vorschlag ihres Butlers erstaunlich schnell nach. Sie hüpfte förmlich zurück ins Dunkel und brachte sich hinter der geöffneten Wagentür erst mal in Sicherheit. Josuah Parker bückte sich und schien überhaupt keine Mühe zu haben, den immer noch bewußtlosen Wortführer der drei Kuhhirten hochzuheben. Er nahm hinter diesem Mann Deckung und spürte unmittelbar darauf, daß er von einem Geschoß getroffen wurde. Der Mann in seinen Händen erhielt einen mächtigen, unsichtbaren Schlag und wurde noch schwerer. Parker schleifte ihn zum Wagen, ließ ihn zu Boden gleiten und langte dann nach einem weiteren Kugelschreiber, verdrehte die beiden Hälften dieses Schreibgeräts gegeneinander und warf den Kugelschreiber in Richtung Postkutsche. Unmittelbar darauf schoß eine Nebelwolke hoch, die sich schnell ausbreitete und alles in Dunst setzte. Parker ging um den Wagen
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herum und bat seine Herrin, Platz zu nehmen. »Es empfiehlt sich, Mylady, vorerst der rohen und nackten Gewalt zu weichen«, sagte er. »Ich denke nicht daran«, widersprach Agatha Simpson, doch sie befand sich im Wagen, bevor sie weiter protestieren konnte. Parker schloß die Tür, schritt ohne falsche Hast erneut um sein Gefährt und setzte sich ans Steuer. Er legte den Rückwärtsgang ein und lenkte sein hochbeiniges Monstrum in die Dunkelheit zurück, aus der sie gekommen waren. Zur Sicht nach hinten benutzte er ausschließlich die beiden Außenspiegel. Er hielt es für unter seiner Würde, sich umzuwenden, obwohl er ungemein schnell fuhr. * »Haben Sie mich eben in den Wagen zurückgestoßen, Mr. Parker?« erkundigte sich Lady Agatha, als Parker hielt. Ihre Stimme klang sehr ungnädig. »Keineswegs und mitnichten, Mylady«, erwiderte Parker in seiner höflichen Art, »es ging meiner Wenigkeit darum, Mylady in den Wagen zu helfen.« »Dann muß ich mich wohl geirrt haben«, sagte sie, »oder doch nicht? Ich hatte das Gefühl, geschoben zu werden.« »Meine Wenigkeit würde sich nie erdreisten, Mylady zu Dingen zu zwingen, die Mylady nicht wünschen«, behauptete der Butler, »haben Mylady im Augenblick spezielle Wünsche?« »Auf mich ist doch geschossen worden, nicht wahr?« »Dieses Eindrucks, Mylady, konnte man sich nicht erwehren.« »Eine ausgemachte Flegelei«, urteilte sie, »selbstverständlich werden wir jetzt sofort zurückfahren und diese Subjekte zur Rede stellen.« »Mylady denken nicht daran, die zuständigen Behörden zu informieren?« »Unsinn, Mr. Parker. Das hier ist mein sehr persönlicher Fall. Schließlich hat man mir aufgelauert und wollte mich berauben. Oder sehen Sie das etwa anders?« »Der Ausdruck Wassergeld, Mylady, klang mehr als ungewöhnlich. Es erhebt sich die Frage, ob man es speziell auf Mylady abgesehen hatte.«
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Butler Parker war ausgestiegen und horchte in die Nacht. Er rechnete nicht mit einer Verfolgung, doch er wollte kein Risiko eingehen. Das hochbeinige Monstrum stand auf einem Feldweg, der in ein Waldstück führte. Rechts von diesem Wald, dessen Größe sich nicht abschätzen ließ, gab es weite Wiesen und Felder. Häuser waren nicht auszumachen. Es herrschte absolute Dunkelheit, zumal Parker die Lichter des Wagens abgeschaltet hatte. »Natürlich hat man es nur auf mich abgesehen«, sagte die Detektivin, »davon lasse ich mich nicht abbringen, Mr. Parker. Man muß mich schon seit Stunden beobachtet haben.« »Eine Vermutung, Mylady, der meine Wenigkeit nicht widersprechen möchte«, lautete die Antwort, »man sollte allerdings darauf verweisen, daß der Weg, den Mylady dann wählten, unmöglich bekannt gewesen sein konnte.« »Spalten Sie keine Haare, Mr. Parker«, gab sie streng zurück, »ich möchte sofort zurück zu dieser Kutsche fahren… Ich fühle mich beleidigt und belästigt. So etwas kann eine Lady Simpson auf keinen Fall hinnehmen!« »Wie Mylady wünschen.« Parker setzte sich zurück in den Wagen und schaltete das Standlicht ein und brachte sein hochbeiniges Monstrum zurück auf die schmale, asphaltierte Straße. Natürlich machte er sich seine Gedanken, was diesen mehr als seltsamen Überfall betraf, doch er glaubte nicht, daß man es auf seine Herrin speziell abgesehen hatte. Hier schien seiner Ansicht nach der Zufall eine gewichtige Rolle gespielt zu haben. Der Zwischenfall war mehr als irreal gewesen. Waschecht aussehende Cowboys hatten mit einer echt wirkenden Postkutsche die schmale Straße gesperrt und Wegegeld verlangt. Dies alles war auf einer Strecke passiert, die aus der ländlichen Region von Croydon nach London führte. Dazu war noch scharf geschossen worden, wie sich gezeigt hatte. Josuah Parker dachte an den Wortführer der Westmänner, der eindeutig getroffen worden war. »Wo ist die Postkutsche?« fragte die ältere Dame aufgebracht, als Parker die bewußte Stelle erreicht hatte und hielt. »Ich habe doch nicht geträumt, Mr. Parker, oder?« »Keineswegs, Mylady«, versicherte der Butler, »man dürfte die erwähnte Kutsche inzwischen weggeschafft haben.«
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»Eine Frechheit«, sagte sie ärgerlich. »Mr. Parker, Sie hätten nicht sofort die Flucht ergreifen sollen.« »Meine Wenigkeit sorgte sich um Myladys Gesundheit«, erklärte Josuah Parker. Er hatte eine Taschenlampe aus dem Handschuhfach seines Wagens geholt, schaltete sie ein und leuchtete den Straßenbelag ab. Er entdeckte deutliche Spuren von eisenbeschlagenen Wagenreifen, dann sogar einige Tropfen Blut. »Ich werde diesen Spuren folgen«, entschied die Detektivin, nachdem Parker auf den Straßenbelag gezeigt hatte, »ich werde dieses Nest ausheben, Mr. Parker.« »Man könnte Mylady eine Falle gestellt haben«, meinte der Butler. »Hoffentlich«, entgegnete sie animiert, »lassen Sie sich etwas einfallen, Mr. Parker, wie ich diese Falle für mich nutzen kann. Sie wissen doch, daß ich mich mit unwichtigen Kleinigkeiten nie abgebe!« * »So etwas hatte ich mir vorgestellt«, behauptete Agatha Simpson eine halbe Stunde später. Sie stand neben dem hochbeinigen Monstrum und blickte durch ein Fernglas, das Parker ihr zur Verfügung gestellt hatte. In der lichtstarken Optik machte die ältere Dame einen kleinen Ort aus, der in einer weiten, bewaldeten Talsenke lag. »Eine Western-Stadt, Mylady«, urteilte Parker, »ein Irrtum dürfte kaum möglich sein.« »Wie in einem Wildwestfilm«, erwiderte Agatha Simpson, »dort unten scheint man kein elektrisches Licht zu kennen.« »Man dürfte sich in der Tat noch alter Petroleumlampen bedienen«, entgegnete Josuah Parker, »haben Mylady die Absicht, dieser Western-Stadt einen Besuch abzustatten?« »Wie können Sie überhaupt fragen?« wunderte sie sich. »Führen die Wagenspuren dort hinunter oder nicht?« »Daran ist kaum zu zweifeln, Mylady.« »Dann werde ich mir diese Stadt aus der Nähe ansehen«, entschied Agatha Simpson, »sagen Sie, Mr. Parker, habe ich eben nicht einige Waffen erbeutet?«
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»Zwei Colts, Mylady, die scharfgeladen sind.« »Ausgezeichnet!« Sie nickte wohlgefällig. »Eines dieser Schießwerkzeuge wird mir reichen, denke ich. Damit werde ich diesen Strauchdieben zeigen, daß man sich mit einer Agatha Simpson nicht ungestraft anlegen darf! Kommen Sie, Mr. Parker! Sie werden wieder mal viel lernen können. Und das aus nächster Nähe.« Josuah Parker enthielt sich eines Kommentars. Er wußte aus einschlägiger Erfahrung, daß Lady Agatha nicht zu bremsen war, wenn sie sich mal etwas in den Kopf gesetzt hatte. Sie entwickelte dann die Dynamik eines auf Hochtouren gebrachten Bulldozers. »Ich denke, ich werde wie der Blitz zwischen dieses Gesindel fahren«, entschied die ältere Dame, »haben Sie bereits dort unten Einzelheiten ausmachen können?« »Es handelt sich um eine Art Straßendorf«, erwiderte der Butler, »im Mittelpunkt der Western-Stadt steht ein sogenannter Saloon.« »Ich kenne das aus einschlägigen Filmen, die ich im Fernsehen genossen habe«, gab die Lady munter zurück. Sie hatte sich von Josuah Parker einen der beiden erbeuteten Colts geben lassen und wog ihn fachmännisch in der rechten Hand. Dann nickte sie Parker zu und stieg nach hinten in den Fond des Wagens. Parker setzte sich ans Steuer und ließ sein hochbeiniges Monstrum ohne Motorantrieb hügelabwärts rollen. Es ging ihm darum, daß man seine Herrin und ihn nicht zu früh bemerkte. Er rechnete mit einigem Ärger und stellte sich insgeheim darauf ein. Er dachte an den scharfen Schuß, den man abgefeuert und der einen der drei Cowboys getroffen hatte. Mit Freunden einer amüsanten Freizeitgestaltung schien man es auf keinen Fall zu tun zu haben. »Sie sind hoffentlich meiner Meinung, daß man es mit einer Gangsterbande zu tun hat, die sich nur geschickt getarnt hat, Mr. Parker«, sagte die Detektivin, während Parker den Wagen über einen geschotterten Weg ins Tal rollen ließ. »Erstaunlich und befremdend, Mylady, daß die zuständigen Behörden bisher nicht einschritten«, erwiderte der Butler. »Ich wiederhole, daß man es ausschließlich auf mich abgesehen hat«, behauptete die ältere Dame zum zweitenmal. »Mylady unterstellen, daß die Cowboys von Myladys Plänen
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wußten, Brighton einen Besuch abzustatten?« »Man dürfte mich seit meiner Abfahrt aus London ununterbrochen beschattet haben«, vermutete Agatha Simpson, »erstaunlich, Mr. Parker, daß Ihnen das nicht aufgefallen ist.« »Meine bescheidene Wenigkeit wiegte sich möglicherweise in einem falschen Gefühl der Sicherheit«, bekannte Josuah Parker höflich wie stets. »Man muß allzeit bereit sein, Mr. Parker«, mahnte sie »nehmen Sie sich an mir ein Beispiel!« »Mylady sind in der Tat stets ein leuchtendes Vorbild«, lautete Parkers Antwort. Er hatte das weite Tal fast erreicht und ließ endlich den Motor anspringen, der unter der eckigen Motorhaube sich vorerst allerdings nur diskret zu Wort meldete. Parker bog in die Hauptstraße der kleinen Western-Stadt und hielt auf den Saloon zu, einen zweistöckigen Holzbau, der einen kleinen Platz beherrschte. An einem Querbalken rechts vom Eingang standen Pferde, die man dort angebunden hatte. Die Musik einer kleinen Kapelle war zu vernehmen, sie spielte muntere WesternMelodien. »Eine Unverschämtheit, daß man mich übersieht«, räsonierte Lady Agatha, »was halte ich davon, Mr. Parker?« »Die Bewohner dieser kleinen Nostalgie-Stadt, Mylady, dürften sich in der Mehrzahl im Saloon aufhalten.« »Wie ich gerade sagte.« Sie nickte zustimmend. »In wenigen Minuten, Mr. Parker, wird Lady Simpson zum Tanz aufspielen! Ich glaube, daß ich sehr in Stimmung bin!« * Parker hatte die zweiflügelige Pendeltür aufgestoßen und betrat den Saloon. Er hielt einen Flügel fest und wartete, bis seine Herrin nachgekommen war. Dann überschaute er die Szene mit einem Blick und gestattete sich den Luxus, sich ein wenig zu wundern. Der Saloon war menschenleer. Vor dem überlangen Tresen stand kein Mensch, sämtliche Tische waren unbesetzt. Die Stühle auf einer Empore, auf der die Musiker sitzen mußten waren ebenfalls unbesetzt. Es roch nach Tabakqualm, nach Bier und Schweiß. In einigen Aschenbechern
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schwelten Zigarren und Zigaretten. »Mr. Parker, ich wundere mich doch sehr«, sagte Lady Simpson fast enttäuscht. »Falls Mylady gestatten, möchte meine Wenigkeit sich Myladys Empfindung anschließen«, erwiderte der Butler. »Woher kommt die Musik, Mr. Parker?« Sie schaute sich grimmig um. »Sie stammt offensichtlich von einem Tonband, Mylady«, gab Parker zurück, »es handelt sich dabei eindeutig um einen Stilbruch, wenn diese Bemerkung erlaubt ist.« »Ich habe andere Sorgen«, gab sie bissig zurück, »wo sind diese Wegelagerer, Mr. Parker?« »Man scheint das geräumt zu haben, Mylady, was man gemeinhin Feld zu nennen pflegt.« »Eine Unverschämtheit«, fand die ältere Dame, »das ist eine Mißachtung meiner Person, oder?« »Möglicherweise fürchtet man auch Mylady.« »Das wäre allerdings möglich.« Sie nickte wohlwollend. »Ich werde selbstverständlich warten, bis man sich zurücktraut.« »Erlauben Mylady, daß meine Wenigkeit die allgemeine Lage sondiert?« »Ich werde natürlich mitkommen«, erwiderte sie umgehend. »Sie brauchen vielleicht Rückendeckung, Mr. Parker.« »Mylady sehen mich glücklich«, behauptete der Butler. In seinem Gesicht regte sich kein Muskel. Er schritt zur Tür links vom Bartresen und stieß sie mit der Spitze seines UniversalRegenschirmes auf. »Das sieht nach Flucht aus«, stellte die Detektivin grimmig fest, »sehen Sie doch, Mr. Parker, das Essen steht noch auf dem Tisch.« »Und der Kaffee weist noch eine gewisse Temperatur auf«, kommentierte der Butler. Er hatte seine rechte, schwarz behandschuhte Hand auf den Bauch einer Blechkanne gelegt. »Seltsam«, wunderte sich Lady Simpson, »ich bin mir noch nicht ganz sicher, ob ich mich ärgern soll.« »Mylady werden sich bestimmt noch entscheiden«, vermutete Josuah Parker und warf den Blick in einen zweiten Raum, der ebenfalls leer war. Anschließend stieg er über eine breite Treppe ins Obergeschoß und inspizierte hier einige Gästezimmer. Alles deutete darauf hin, daß sie benutzt worden waren.
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»Sehen wir uns die Häuser an der Straße an«, verlangte die ältere Dame, »man kann doch unmöglich die ganze Stadt geräumt haben.« Parker und seine Herrin verließen den Saloon und überquerten den kleinen Platz. Sie gingen zum Büro des Sheriffs, das ebenfalls leer war. Die Gittertüren zu zwei Zellen waren weit geöffnet. In einem kleinen gußeisernen Ofen brannte Feuer. »Hören Sie doch, Mr. Parker!« Agatha Simpson riß die Tür des Büros auf und deutete nach draußen. »Man scheint die Pferde gerade entfernt zu haben«, sagte Parker, der neben der Lady auftauchte. »Das sagte ich ja gerade«, meinte sie, »von den Pferden ist nichts mehr zu sehen! Ich denke, ich werde einen Entschluß fassen.« »Sehr wohl, Mylady.« Parker deutete eine knappe Verbeugung an und sah Agatha Simpson abwartend an. »Ich werde hier in der Stadt bleiben«, sagte sie energisch, »mich kann man nicht vergraulen.« »Ein Vorschlag, Mylady, den man nur als bestechend bezeichnen kann«, erwiderte Josuah Parker, »wenn es gestattet ist, wird man für Mylady Quartier machen.« Er hatte den Satz noch nicht ganz beendet, als dicht neben ihm ein Pfeil ins Holz jagte und vibrierend steckenblieb. Agatha Simpson, die nichts mitbekommen hatte, schaute verwundert auf Parker, der den Pfeil nun aus dem Holz zog und einen Zettel aufrollte, den man um den langen Schaft befestigt hatte. »Woher kommt denn das?« staunte sie. »Hat man etwa versucht, auf mich zu schießen?« »Indirekt, Mylady«, bestätigte Parker, »man übermittelt Mylady eine Botschaft, falls meine Sinne mich nicht trügen.« * »Und? Handelte es sich um eine Botschaft?« fragte Mike Rander anderthalb Stunden später. Er hatte sich zusammen mit Kathy Porter den Bericht bis zu diesem Punkt aufmerksam angehört. Man hielt sich im großen Wohnzimmer des altehrwürdigen Fachwerkhauses der Lady Simpson in Shepherd’s Market auf. Hier im Herzen von London bewohnte die ältere Dame ein Haus, das
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auf den Gewölben einer alten Abtei errichtet worden war. Shepherd’s Market, nicht weit entfernt von Hyde Park, schien sich in einer Oase der Ruhe und des Friedens zu befinden. Vom geschäftigen Leben und Treiben der Millionenstadt war hier nichts zu spüren. »Man forderte Lady Simpson auf, die Western-Stadt unverzüglich zu verlassen«, beantwortete Parker die Frage des Anwalts. »Ich bin nur widerstrebend gegangen«, schaltete Lady Agatha sich ein, »aber nach einem dritten Pfeil fühlte ich mich für Mr. Parker verantwortlich.« »Ich denke, Mylady, daß Sie durchaus richtig gehandelt haben«, entgegnete Mike Rander, der einem bekannten James-BondDarsteller ähnlich sah. Der etwa vierzigjährige Anwalt gab sich aber wohl noch lässiger und selbstsicherer. Er stand neben Kathy Porter, der Gesellschafterin und Sekretärin der Lady Simpson. Sie war etwas über mittelgroß, schlank und rund achtundzwanzig Jahre alt. Kathy Porter, eine Schönheit mit mandelförmig geschnittenen Augen, hatte kastanienbraunes Haar mit leichtem Rotstich und machte einen zurückhaltenden Eindruck. In Sekundenschnelle aber konnte sie sich in eine Pantherkatze verwandeln und bewies damit, daß sie in fast allen Künsten fernöstlicher Selbstverteidigung bestens ausgebildet war. »Sie haben sich ja nicht vertreiben lassen, Mylady«, sagte sie. »Sie werden doch selbstverständlich zurückkehren.« »Das ist richtig, Kindchen«, meinte sie wohlwollend, »ich werde diesen Dingen auf den Grund gehen.« »Und diese Western-Stadt war tatsächlich leer?« wunderte sich Mike Rander. »Wie leergefegt, mein Junge«, antwortete die ältere Dame, »wie gesagt, ich war strikt gegen ein Verlassen der Stadt, aber Mr. Parker hatte wieder mal Bedenken.« »Die Bewohner der gerade erwähnten Stadt, Mylady, dürften inzwischen annehmen, daß Mylady von Furcht ergriffen ist.« »Solch ein Eindruck hätte erst gar nicht aufkommen dürfen«, gab sie grollend zurück. »Diesen Eindruck können Sie doch jederzeit korrigieren, Mylady«, warf Anwalt Rander lächelnd ein, »und inzwischen sollte man feststellen, wer die Stadt bewohnt. So schwer kann das doch
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wohl nicht sein, oder, Mr. Parker?« »Mike, sollten nicht Sie und ich nach Croydon fahren?« schlug Kathy Porter vor. »Eine sehr gute Idee«, schnappte die ältere Dame sofort zu. »Sie könnten als Liebes- oder Ehepaar auftreten. Wenn Sie sich etwas anstrengen, wird man Ihnen das ohne weiteres abnehmen.« Sie witterte eine weitere Möglichkeit, Mike und Kathy zusammenzubringen. Lady Agatha träumte davon, die beiden miteinander zu verheiraten. Sie tat alles, um dies zu fördern. Und hier bot sich eine weitere Möglichkeit zur legalisierten Zweisamkeit. »Okay«, sagte Rander lächelnd, der die Bestrebungen kannte, »fahren wir also raus aufs Land, Kathy, einverstanden?« »Ich bin sofort dabei«, erwiderte Kathy Porter, »vielleicht kann man sich da draußen Pferde mieten, Mike.« »Ich werde ein paar Vierbeiner auftreiben«, versprach der Anwalt. »Können Sie eventuell ein passendes Haus für Mylady mieten?« fragte der Butler. »Es sollte, wenn möglich, taktisch günstig liegen.« »So als eine Art Hauptquartier, wie?« »Dies schwebt meiner bescheidenen Wenigkeit in der Tat vor, Sir.« »Geht in Ordnung, Parker«, sagte der Anwalt, »brauchen auch Sie Pferde?« »Selbstverständlich«, schaltete Lady Agatha sich sofort ein und nickte. Sie machte einen begeisterten Eindruck, »man muß seinen Gegner mit den ihm eigenen Waffen schlagen. Und dazu gehören in diesem Fall Pferde, nicht wahr, Mr. Parker?« »Wie Mylady wünschen«, lautete die Antwort des Butlers. Er wußte, daß es sinnlos war, Agatha Simpson davon abzuraten. Sie sah sich ja bereits als Western-Girl auf einem Vierbeiner und schwang möglicherweise bereits das Lasso. Parker wußte mit letzter Sicherheit, daß da wieder einige hübsche Überraschungen auf ihn warteten… *
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Die Detektivin machte einen frischen und ausgeruhten Eindruck, als sie am anderen Morgen schon erstaunlich früh im kleinen Salon ihres Hauses erschien, um das Frühstück einzunehmen. Sie trug einen wallenden Morgenmantel und gab ihrem Butler zu verstehen, sie werde sich gleich nach dem Imbiß für die Expedition in den Wilden Westen einkleiden. Parker servierte die gewünschten Kleinigkeiten. Das Frühstück bestand aus Rührei mit kroß gebratenem Speck, einigen gebackenen Nierchen, Lachs und kaltem Braten. Dazu servierte Parker verschiedene Brotsorten, gesalzene Butter, rohen Schinken und eine warme Fleischpastete. Anschließend bot er Lady Agatha eine Käseplatte an, danach warmen Apfelkuchen. Im Gegensatz zu ihren Landsleuten trank die ältere Dame Kaffee. Aus Tee machte sie sich nicht besonders viel. Dafür liebte sie aber einen alten französischen Kognak, den sie zur Belebung ihres Kreislaufs benötigte. »Ich glaube kaum, daß ich meine Diät überschritten habe«, meinte sie, nachdem sie die diversen Platten gründlich abgeräumt hatte. »Mylady hielten sich in der Tat erstaunlich zurück«, behauptete Josuah Parker. »Man muß sich eben beherrschen können, Mr. Parker«, sagte sie, »haben Sie bereits Erkundigungen über die Western-Stadt eingezogen?« »In der Tat, Mylady«, antwortete der Butler höflich, »meine Wenigkeit war so frei, mit der Verwaltung von Croydon zu sprechen. Die erwähnte Stadt, Mylady, befindet sich in der Nähe der Ortschaft Addins. Sie ist den Behörden durchaus bekannt und wird von, wie man sich auszudrücken beliebte, Western-Fans bewohnt. Dabei handelt es sich um Bürger der umliegenden Ortschaften, die sich in ihrer Freizeit dem Leben und Treiben der Cowboys verschrieben haben.« »Wie kann man sich nur mit dem Leben und Treiben dieser abtrünnigen Kolonisten abgeben«, wunderte sich Lady Agatha und spielte damit auf den Unabhängigkeitskrieg der Staaten an, den sie nicht vergessen wollte und konnte, »aber über Geschmack soll man ja bekanntlich nicht streiten. Fahren Sie fort, Mr. Parker!« »Diese Freizeit-Cowboys, Mylady, um den Ausdruck zu verwenden, gelten als durchaus honorige Bürger, die keinen
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Grund zu irgendwelchen Klagen gaben. Polizeilich traten sie bisher nicht in Erscheinung.« »Wie paßt das zu diesem Überfall und zu den Schüssen?« fragte sie ironisch. »Dieser Frage werden Mylady nachgehen«, erinnerte der Butler, »in diesem Zusammenhang möchte meine Wenigkeit darauf verweisen, daß bereits einige Pferde gemietet werden konnten.« »Sehr gut, Mr. Parker.« Sie nickte huldvoll. »Sie stammen von einem nahe gelegenen Pferdehof, Mylady, der einem kleinen Urlaubshotel und einem Ferienzentrum angeschlossen ist.« »Das klingt ja alles sehr erfreulich.« Sie nippte an ihrem Kreislaufbeschleuniger, den Parker serviert hatte. »Sind die Kinder bereits unterwegs?« »Miß Porter und Mr. Rander haben die Stadt vor anderthalb Stunden verlassen«, antwortete der Butler, »meine Wenigkeit konnte die Herrschaften noch auf das erwähnte Ferienzentrum verweisen. Man dürfte sich dort einmieten.« »Gab es bisher Überfälle irgendwelcher Art?« fragte die Detektivin weiter. »Die Polizeiberichte sagen nichts darüber aus«, entgegnete Josuah Parker, der sich wirklich bereits umfassend informiert hatte, »meine Wenigkeit ging bereits die Zeitungssammelbände durch, die in der Bibliothek ausliegen.« »Na, bitte, Mr. Parker!« Sie sah ihn triumphierend an. »Es geht wieder mal um mich allein. Die Unterwelt versucht jetzt mit neuen Methoden, mich aus dem Weg zu räumen.« »Ein Eindruck, Mylady, der sich unter Umständen förmlich aufdrängen könnte«, meinte Parker. Er verzichtete aus guten Gründen darauf, dieses Thema zu vertiefen, zumal er völlig anderer Meinung war. »Mein Instinkt hat mit noch nie getrogen, Mr. Parker.« Sie stand auf und reckte sich. »Mylady pflegen stets den Kern der Dinge zu treffen«, behauptete Josuah Parker. Sein Gesicht blieb glatt und ausdruckslos. »Ich weiß«, meinte sie leutselig, »aber hin und wieder möchte man gern eine Bestätigung haben. Ich denke, ich werde in etwa einer Stunde in dieses Western-Nest fahren, Mr. Parker. Haben Sie sich nach dem Zustand der Pferde erkundigt?« »Mylady brauchen nur zu wählen«, gab der Butler zurück.
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»Mylady sind eine gute Reiterin, wie man wohl unterstellen muß.« »Wie? Ach so, ja, natürlich.« Sie nickte. »Ich werde mich für ein rassiges und temperamentvolles Pferd entscheiden, Mr. Parker. Sollten Sie mit solch einem Vierbeiner nicht zurechtkommen, so halten Sie sich an mich. Ich werde Ihnen zeigen, wie man einem Pferd seinen Willen aufzwingt. Ich wuchs auf dem Land auf und saß schon als Kind im Sattel.« »Mylady werden sicher neue Zeichen der Reitkunst setzen«, vermutete Josuah Parker in seiner höflichen Art. »Natürlich«, gab sie zurück, »ich denke, daß kein Hindernis zu hoch für mich sein wird.« * Das Telefon läutete. Butler Parker begab sich gemessen an den Apparat, hob ab und meldete sich. »Hier spricht der Sheriff«, sagte eine schleppende, nasale Stimme, »sperren Sie jetzt mal Ihre Ohren auf, Mann!« »Wie Sie wünschen«, erwiderte Parker und drückte auf den Knopf des angeschlossenen Tonbandgerätes, um das Gespräch aufzuzeichnen. »Sie sind sicher, die richtige Nummer gewählt zu haben?« »Und ob!« Der Mann, der sich Sheriff nannte, lachte. »Sie haben vergessen, Ihr Wassergeld zu zahlen…« »Ein bedauerliches Versehen«, entschuldigte sich Parker. »Der Preis ist gestiegen«, redete der Sheriff schleppend weiter, »pro Person sind jetzt tausend Dollar fällig. Ist das klar?« »Ein ansehnlicher Betrag, wenn man so sagen darf.« »Die Lady hat genug Zaster, Mann, das weiß ich inzwischen.« »Und auf welche Art soll Mylady den gewünschten Betrag zahlen?« »Ich hab’ zwei Männer losgeschickt, die gleich kassieren werden«, antwortete der Sheriff, »es werden auch englische Pfund angenommen, aber dann eben tausend Pfund. Ist das klar?« »Soll das Geld bar übergeben werden?« »Mann, wollen Sie mich verarschen?« regte der Sheriff sich auf. »Den Zaster gibt’s bar auf die Hand!«
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»Und was geschieht, falls Mylady eine Zahlung verweigert?« »Dann werde ich euch so lange einlochen, bis ihr spuckt. Aber das wird dann erheblich teurer werden.« »Mylady könnte sich möglicherweise an die Polizei wenden.« »Dann unterschreibt sie ihr Todesurteil! Dann wird sie gehängt, Mann, und Sie ebenfalls! Ist das klar?« »Sie erschrecken meine bescheidene Wenigkeit.« »Es passiert überhaupt nichts, wenn ihr zahlt, klar? Und laßt euch nie wieder in meiner Stadt blicken, Leute, sonst passiert was!« Auf der Gegenseite wurde aufgelegt, bevor Parker weitere Fragen stellen konnte. Er schaltete das Tonbandgerät ab und beschloß, seine Herrin nicht zu informieren. Er kannte ihr manchmal cholerisches Temperament und wollte so verhindern, daß sie vorschnell reagierte. Parker wunderte sich über die Naivität des Anrufers, der sich schlicht und einfach als Sheriff vorgestellt hatte. Mit der Unterwelt konnte dieser Mann wirklich nichts zu tun haben, sonst hätte er gewußt, wer Lady Simpson war, nämlich eine durchaus bekannte und auch gefürchtete Amateur-Kriminalistin, mit der man sich nicht gerade gern anlegte. Oder sollte diese Naivität dazu dienen, etwaige Spuren zu verschleiern? Hatte man es doch mit der Unterwelt zu tun, die einen aufkommenden Verdacht auf harmlose Western-Fans richten wollte? Parker hütete sich, bereits jetzt eine Entscheidung zu treffen. Er wußte einfach noch zuwenig von diesen WesternFans. Er setzte auf die beiden Männer, die der Sheriff schicken wollte. Aus ihnen war vielleicht mehr herauszuholen, wenn man die richtigen Fragen mit dem nötigen Nachdruck stellte. Würden die beiden Männer aber tatsächlich kommen? Seiner Ansicht nach grenzte es bereits an Dummheit, solch schlechte Karten auszuspielen. Der Sheriff mußte doch davon ausgehen, daß man seine Boten abfing. Oder verließ er sich auf seine Drohung? Parker durchschritt die große Wohnhalle nach vorn zum völlig verglasten Vorflur und öffnete rechts davon einen kleinen Wandschrank. Er schaltete die Fernsehkamera ein, die sich unter dem überdachten Eingang befand, und brauchte nur eine Sekunde zu warten, bis der Kontroll-Monitor das Bild des weiten Vorplatzes zeigte. Durch Fernbedienung richtete er die Optik auf
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die übrigen Fachwerkhäuser, die diesen kleinen Platz umstanden, suchte die nahe Durchgangsstraße ab und wartete dann geduldig auf das Erscheinen der beiden angekündigten Boten. Zu seiner Überraschung zeigten sie sich bereits nach wenigen Minuten. Zwei Cowboys in Originalkleidung betraten den Platz und hielten auf das Haus zu, in dem er sich befand. Sie bewegten sich mit der Selbstsicherheit von Westmännern in einschlägigen Filmen. Parker nahm sich die Freiheit, ein wenig verwundert zu sein… * Der Butler betätigte den elektrischen Türöffner und blieb hinter dem verglasten Vorflur stehen. Falls man auf ihn schoß, würde das Panzerglas jeden körperlichen Schaden fernhalten. Die beiden Cowboys hatten inzwischen schwungvoll die schwere Haustür geöffnet und traten ein. Sie bauten sich breitbeinig vor Parker auf und musterten ihn kühl. Sie trugen tief hängende Gurte und Halfter. Die Kolben von schweren Revolvern waren deutlich zu erkennen. »Ich entbiete Ihnen einen hoffentlich guten Morgen«, sagte Parker über die Sprechanlage in den Vorflur. »Sie sind, wie man vermuten darf, in einer ganz bestimmten Absicht gekommen?« »Wir sollen hier ein Päckchen abholen, Mann«, sagte einer der beiden Kuhhirten, »hoffentlich haben Sie’s parat.« »Sie werden sich noch einen Moment gedulden müssen«, sagte Josuah Parker, der nicht recht wußte, was er von den beiden Männern halten sollte. Gewiß, sie sahen ungemein echt aus, doch dies erstreckte sich nur auf die Kleidung. Die Männer selbst wirkten in ihrem Auftreten aufgesetzt, sogar ein wenig befangen. »Beeilen Sie sich, Mann«, sagte der zweite Cowboy und ließ die Arme sinken. Die Hände spreizten sich und schwebten über den Griffstücken seiner tief hängenden Waffen. »Ihre Wünsche werden umgehend erfüllt«, kündigte der Butler höflich an und trat dann auf ein ganz bestimmtes Brett im Parkett der Wohnhalle. Nach dem Einschalten der Fernsehkamera hatte er dieses Brett quasi >entriegelt< und war so in der Lage, seinen Besuchern eine Überraschung zu bieten. Unter ihren Füßen öffnete sich urplötzlich und ohne jede
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Vorankündigung der Fußboden. Er klappte falltürartig auseinander und brachte die beiden Cowboys um ihre Standfestigkeit. Sie schrien überrascht auf, warfen Arme und Hände haltsuchend in die Luft und sausten nach unten. Einen Moment später hoben sich die beiden Hälften der Falltür wieder und wurden zu festem Boden. Josuah Parker ging gemessen hinüber zum kleinen Wandschrank und tippte auf eine der vielen Tasten auf dem Steuerpult. Auf dem Monitor erschien umgehend ein anderes Bild. Es zeigte die beiden Cowboys, die federnd in einer Menge Schaumstoffstreifen lagen und wie die Fische auf dem Trockenen zappelten. Sie hatten sich von ihrer Überraschung noch immer nicht erholt, suchten nach einem festen Halt und brauchten fast eine ganze Minute, bis sie sich einigermaßen aufrichten konnten. »Was war das?« fragte der erste Cowboy und blickte sich irritiert um in dem Schacht, dessen glatte Wände es unmöglich machten, hinauf zur Falltür zu gelangen. »Davon hat man uns aber nichts gesagt«, antwortete der zweite Cowboy wütend. »Ich hab’ gleich gewußt, daß da was nicht stimmt.« »Und warum hast du nichts gesagt? Wir hätten diesen Job ja nicht anzunehmen brauchen.« »Natürlich nicht, wir brauchten ja auch kein Geld.« »Wie kommen wir hier raus?« »Mann, reiß dich zusammen«, sagte der Partner leise und eindringlich, »wahrscheinlich werden wir bereits gefilmt. Komm schon, immer nur lächeln. Wir dürfen uns nicht blamieren…« Sie bemühten sich um innere Haltung, lächelten aufgesetzt und stiegen dann durch die federnden, nachgiebigen Schaumstoffstreifen, die ihren Fall nach unten abgefangen hatten. Sie suchten nach einem verborgenen Ausgang, den sie allerdings nicht ausmachen konnten. Die Wände dieser überdimensional großen Fallgrube bestanden aus Sichtbeton. Die Abdrücke der Schalbretter waren deutlich zu sehen. Sie tarnten eine schmale Tür, die es tatsächlich gab. Butler Parker schaltete um auf die Fernsehkamera über der Haustür. Er betätigte den Zoom und suchte das Ende des Vorplatzes genau ab. Auf dem Monitor erschien ein japanischer Geländewagen mit übergroßen Reifen, die an die eines Lastwagens erinnerten. Dieser Geländewagen wurde vom Fahrer
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so abgestellt, daß er ungehindert das Haus der Lady Agatha beobachten konnte. Den Fahrer konnte Parker nur in Umrissen ausmachen. Es schien sich aber um einen Mann zu handeln, der eine Sonnenbrille trug. Das Kennzeichen dieses Wagens ließ sich leider nicht feststellen. Der Geländewagen blieb nur einen Moment stehen und nutzte dann die Deckung eines entgegenkommenden Lastwagens, um anzufahren. Wenige Sekunden später war der Wagen schon nicht mehr zu sehen. Parker schaltete die Außenkamera ab und warf einen Blick in die Fallgrube. Die beiden Cowboys saßen inzwischen in den Schaumstoffstreifen und machten einen entnervten Eindruck. Parker hatte das Gefühl, daß sie inzwischen mehr als bereit waren, einige Fragen zu beantworten. Er begab sich also in die Kellerräume, die noch über den alten Gewölben der ehemaligen Abtei lagen. * Sie kamen zögernd aus der Fallgrube und entdeckten Parker, der in einem schmalen Korridor auf sie wartete. Keiner der beiden Cowboys kam auf die Idee, nach den Colts zu greifen, obwohl Parker sich als Ziel förmlich anbot. Sie konnten unmöglich gesehen haben, daß sich zwischen ihnen und Parker eine schußsichere Glaswand befand. »Darf man sich höflichst nach Ihrem werten Befinden erkundigen?« fragte Josuah Parker. »Hören Sie, das war nicht ausgemacht«, entgegnete der größere der beiden Kuhhirten, »wir hätten uns glatt alle Knochen brechen können.« »Würden Sie freundlicherweise Ihre Waffen ablegen«, bat der Butler. »Waffen? Das sind doch Attrappen«, meinte der erste Cowboy, »hören Sie, ist das alles aufgenommen worden?« »Könnten Sie sich unter Umständen etwas deutlicher ausdrücken?« fragte Josuah Parker. »Ich fürchte, daß ich Ihnen gedanklich nicht recht zu folgen vermag.« »Das sollte doch ein Gag sein, oder?« »Für die Sendung mit der versteckten Kamera«, hakte der andere Kuhhirte nach.
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»Von wem, wenn man fragen darf, wurden Sie engagiert?« fragte der Butler. »Vom Aufnahmeleiter der Fernsehanstalt«, lautete die Antwort des Wortführers, »sagen Sie bloß, daß Sie nichts davon wissen!« »Im Augenblick muß meine Wenigkeit noch bedauern. Und wen, bitte, sollten Sie hier besuchen?« »Roger Willis, diesen Stuntman aus den Staaten, der die ganzen Tricks für die Stars hinzaubert«, meinte der Cowboy, »er sollte hier plötzlich zwei Cowboys gegenüberstehen.« »Welchem Beruf gehen Sie nach, um auch diese Frage noch stellen zu dürfen?« »Wir sind Schauspieler«, erwiderte der zweite Cowboy, »und extra engagiert worden, um diese Show abzuziehen.« »Hoffentlich wurden Sie im voraus entlohnt, meine Herren«, erwiderte der Butler. »Das ja, aber von der Falltür hatte man uns nichts gesagt«, beschwerte sich der Wortführer, »können wir jetzt weitergehen? Oder gibt’s hier noch weitere Fallen?« »Sie sollten Ihre Waffengurte ablegen«, erinnerte Parker erneut. »Ihnen steht ein Mann gegenüber, der Waffen als ausgesprochen bedrohend empfindet.« »Schön, wenn Sie darauf bestehen.« Der Wortführer schnallte ab und ließ den Waffengurt zu Boden fallen. Sein Begleiter folgte dem Beispiel. Danach schritten die beiden Kuhhirten, die keine waren, langsam auf den Butler zu und prallten fast gegen die Scheibe, die sie erst im letzten Moment sahen. Parker öffnete die Glastür und deutete eine knappe Verbeugung an. Er war und blieb äußerst wachsam, rechnete mit Überraschungen. Gewiß, die beiden Männer hatten ihm eine interessante Geschichte aufgetischt, doch sie mußte ja nicht wahr sein. Sie erwies sich als wahr! Die beiden Cowboys atmeten erleichtert auf, als Parker sie in den großen Wohnraum führte. Und sie blickten neugierigbeeindruckt auf Lady Agatha, die gerade die Freitreppe herunterkam und sie durch ihre Lorgnette betrachtete. »Ich habe Besuch, Mr. Parker?« fragte sie dann mit ihrer sonoren Stimme, die die Wohnhalle füllte. »Zwei Cowboys, Mylady, die ein gewisses Wassergeld abholen sollten.«
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»Eine ausgemachte Frechheit«, stellte die ältere Dame erfreut fest, »ich werde mir beiden Flegel sofort vernehmen, Mr. Parker.« »Es wurde bereits eine Art Geständnis abgelegt, Mylady.« »Das ich vertiefen werde, Mr. Parker«, gab sie zurück, »selbstverständlich wird man Sie nach Strich und Faden belogen haben. Ich weiß doch, wie leichtgläubig Sie sind.« »Moment mal, wir haben die Wahrheit gesagt«, sagte der größere der beiden Kuhhirten aufgebracht, »wir sind reingelegt worden! Rufen Sie doch an, fragen Sie doch nach, wer wir sind! Wir sollten hier nur eine Show für die versteckte Kamera durchziehen.« »Ich glaube Ihnen kein Wort, Sie Lümmel«, entschied die ältere Dame grimmig. »Sie gehören zu diesen Wegelagerern, die mich ausplündern wollten.« Sie hatte die beiden Cowboys erreicht und baute sich vor ihnen auf. Die Männer spürten wohl, in welcher Gefahr sie sich befanden, und zogen sich schleunigst zurück. Der Wortführer hob abwehrend die Hände und schluckte vor Aufregung. »Darf meine Wenigkeit anregen, daß Mylady sich erst mal die Version der beiden Besucher anhört?« fragte der Butler vermittelnd. »Danach können Mylady sich ja immer noch entscheiden und geeignete Maßnahmen ergreifen.« »Ich bin nur schwer zu überzeugen«, meinte sie und maß die beiden Cowboys mit eisigem Blick, »ich hoffe, Sie bieten mir eine sehr gute Geschichte, sonst werden Sie was erleben, das verspreche ich Ihnen.« * »Man sah diesen beiden Kümmerlingen ja auf den ersten Blick an, daß sie die Wahrheit sagten«, meinte Agatha Simpson eine Stunde später. Sie saß im Fond von Parkers hochbeinigem Wagen und ließ sich in den Süden von Groß-London bringen. »Myladys Scharfblick war wieder mal bestechend«, antwortete der Butler höflich und mit einer Stimme, die kein Staunen darüber verriet, daß Lady Agatha die Tatsachen kühn auf den Kopf stellte. »Natürlich lasse ich mich grundsätzlich nicht täuschen«, fügte sie an. »Sie hätten den Agenten der beiden Kleindarsteller gar
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nicht erst anzurufen brauchen. Diese angeblichen Cowboys haben mit meinem Fall überhaupt nichts zu tun.« »Der selbsternannte Sheriff, Mylady, dürfte nicht wissen, wer Mylady sind.« Parker wechselte das Thema. »Aha!« Sie nickte zwar, wußte aber nicht so recht, was Parker gerade gemeint hatte. »Reden Sie nur weiter, ich werde Ihnen später sagen, ob Sie meine Gedanken erraten haben.« »Der bereits erwähnte Sheriff, Mylady, verlangte nur tausend Pfund Wassergeld pro Person.« »Nur, Mr. Parker, nur?« Ihre Stimme nahm einen tragischen Unterton an. »Das ist doch ein Vermögen! Ein heller Wahnsinn, so etwas zu verlangen! Dieses Subjekt will mich ausplündern und ruinieren.« »Der Sheriff, Mylady, hätte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit höhere Beträge verlangt, wenn ihm bekannt gewesen wäre, wie vermögend Mylady sind.« »Vermögend?« Sie verschluckte sich fast. »Das sind doch maßlose Übertreibungen, Mr. Parker. Ich habe gerade mein Auskommen. Nun ja, vielleicht noch etwas mehr, aber das ist doch kaum der Rede wert.« »Da dieser Sheriff Mylady gesellschaftlich und finanziell nicht einzuordnen weiß, dürfte der nächtliche Überfall daher auch kaum gezielt ausgeführt worden sein.« »Habe ich je etwas anderes behauptet?« Sie schüttelte den Kopf. »Mylady deuteten an, man habe Mylady gezielt überfallen.« »Dann müssen Sie mich völlig mißverstanden haben«, gab sie zurück, »nicht im Traum würde mir so etwas einfallen, Mr. Parker. Vielleicht sollten Sie in Zukunft etwas, besser hinhören. Aber ich will dieses Thema nicht vertiefen, ich kann verzeihen.« »Mylady machen meine Wenigkeit überglücklich.« »Gern geschehen.« Sie ließ sich wieder in die bequemen Polster zurücksinken. »Wie werde ich nachher in dieser Western-Stadt vorgehen? Habe ich da besondere Pläne, Mr. Parker?« »Mylady werden gewiß die Absicht haben, sich mit dem Sheriff in Verbindung zu setzen, zumal es dort solch einen gibt, wie man mir telefonisch versicherte.« »Richtig, Sie haben sich ja über die Western-Stadt erkundigt«, meinte sie wohlwollend, »gut, ich werde mir diesen Sheriff kaufen, Mr. Parker.«
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»Der natürlich alles abstreiten dürfte, was Mylady ihm vorwerfen wird.« »Darauf bin ich gefaßt«, erwiderte sie animiert, »ich und meine Schuhspitze. Ich habe mir extra breite und bequeme Schuhe angezogen. Ich möchte meinen Worten Nachdruck verleihen können.« Parker kannte ihre Vorliebe, fremde Schienbeine mit ihren Schuhen zu bearbeiten, wenn sie sich angegriffen oder beleidigt fühlte. Lady Agatha benahm sich stets überraschend und unkonventionell. Obwohl sie mit dem Blut- und Geldadel der Insel verschwistert und verschwägert war, verzichtete sie auf damenhafte Würde, wenn es sein mußte. Und ihrer Ansicht nach mußte es oft sein! Parker war selbst gespannt, als was dieser nächtliche Überfall sich entpuppen würde. Er glaubte vorerst noch an einen Streich, der in Alkohollaune verübt worden war. Selbst der Schuß schien damit zusammenzuhängen. Der Treffer mußte demnach nichts als ein bedauerlicher Unglücksfall gewesen sein. Parker blickte in den Rückspiegel. Mylady hatte die Augen geschlossen und meditierte, wie sie ihren Schlaf zu umschreiben pflegte. Sie schnarchte kurz danach ungeniert und hielt mit beiden Händen ihren perlenbestickten Pompadour, in dem sich ihr sogenannter Glücksbringer befand, nämlich ein veritables Pferdehufeisen, dessen Größe beachtlich und wohl für ein mächtiges Brauereipferd gedacht war. Ein erstaunlicherweise sanftes Lächeln umspielte dann ihre Lippen. Agatha Simpson träumte mit Sicherheit von ihrer Unterhaltung mit einem Mann, der sich Sheriff nannte und die Dummheit begangen hatte, sich mit ihr anzulegen. * »Falls wieder alle Besucher verschwunden sein sollten, Mr. Parker, werde ich wohl ein Haus anzünden«, sagte die Lady. Sie war inzwischen wach geworden und blickte in die Talsenke. Parker lenkte sein hochbeiniges Monstrum über den schmalen, geschotterten Weg nach unten in die Western-Stadt. »Mylady können nach Lage der Dinge auf ein Feuer verzichten«, antwortete Parker, »aus einigen Essen steigt eindeutig Rauch.
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Daraus könnte man schließen, daß Mylady Besucher antreffen werden.« »Ich möchte sofort den Sheriff sehen«, sagte sie, »und anschließend werde ich den Saloon besuchen. Ich fürchte, mein Kreislauf hat ein wenig gelitten.« »Sehr wohl, Mylady.« Parker hatte die ersten Holzhäuser erreicht und war überrascht, wie stilecht alles errichtet worden war. Nach typischer Westernart waren die Fassaden wesentlich größer und imposanter als die eigentlichen Häuser. Auf der unbefestigten Hauptstraße machte er tiefe Reifenspuren aus. Unter einer Remise arbeitete ein Hufschmied und schwang seinen Hammer. Auf den hölzernen Gehwegen waren Männer und Frauen zu sehen, die Parkers hochbeinigen Wagen ignorierten. Die Frauen trugen Häubchen und lange Kleider, die Männer gestreifte Hosen, Westen oder cutähnliche Sakkos. An den Querbalken einiger Geschäfte langweilten sich Pferde. Aus einer kurzen Seitenstraße, die Parker in der Nacht nicht hatte ausmachen können, kam ein Arbeitswagen, der von zwei Maultieren gezogen wurde. Auf dem Kutschbock saßen zwei Farmarbeiter. »Sehr interessant«, fand Lady Agatha Simpson, »was halte ich davon, Mr. Parker?« »Man scheint die Zeit zurückgedreht zu haben, Mylady.« »Ich kenne das alles aus diesen Western-Filmen«, erwiderte Lady Agatha, die nun doch ein wenig irritiert war, »mich scheint man übrigens nicht zu sehen, aber das dürfte ein Trick sein.« »Davon sollte man in der Tat ausgehen, Mylady«, antwortete Josuah Parker, »man könnte allerdings auch unterstellen, daß man Besucher hier recht häufig trifft und sie absichtlich übersieht.« »Das wird sich, was mich angeht, sehr schnell ändern«, antwortete Agatha Simpson, »da ist ja bereits das Büro des Sheriffs.« Parker ließ sein hochbeiniges Monstrum ausrollen und hielt. Er stieg aus, ging um den Wagen herum und öffnete den hinteren Schlag. Lady Agatha stieg ebenfalls aus und schritt dann majestätisch über die Holztreppe zur überdachten Veranda des Hauses, das aus Ziegelsteinen errichtet worden war. Parker überholte sie und drückte die Tür zum Büro auf. »Man erlaubt sich, einen guten Tag zu wünschen«, sagte er zu einem untersetzten, breitschultrigen Mann, der etwa fünfzig sein
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mochte. Er saß hinter einem Schreibtisch, trug einen Stetson und eine Weste über dem karierten Hemd. Der Sheriffstern auf der Brust war nicht zu übersehen. »Tag«, gab der Sheriff knapp zurück und nahm den Kopf hoch, »was liegt an, Leute?« »Lady Simpson gibt sich die Ehre, Ihrer Stadt eine Visite abzustatten«, meinte Parker. Er hatte sich die Stimme des Sheriffs genau angehört. Sie klang weder schleppend noch nasal. »Sehen Sie sich um, Lady«, meinte der Sheriff und musterte die ältere Dame eingehend, »und halten Sie sich an die Gesetze.« »Wie soll ich das verstehen?« Lady Agathas Stimme grollte verhalten. »Wir haben hier viele Fremde tagsüber«, redete der Sheriff weiter, stand auf und passierte einen Gewehrständer, in dem einige Winchester angekettet waren. Der Hüter des Gesetzes blieb vor einer Gittertür aus starken Eisenstäben stehen. Dahinter lag ein kleiner Korridor, von dem aus man drei Zellen sehen konnte. »Sie verfügen über Polizeigewalt, Sir?« erkundigte sich Parker in seiner höflichen Art. »Nicht im juristischen Sinn«, antwortete der Sheriff lächelnd, »aber das ist ja auch klar. Sehen Sie, wir sind Western-Fans und leben das nach, was seinerzeit im Westen der Staaten passierte. Die Strafen, die ich verhänge, sind mehr symbolisch gemeint.« »Betrifft dies auch ein sogenanntes Wassergeld?« erkundigte sich Parker weiter, während seine Herrin die Waffensammlung durch ihre Lorgnette musterte. »Auch das Wassergeld«, bestätigte der Sheriff lächelnd, »und auch das Geld für die Weiderechte.« »Tausend Pfund pro Person, junger Mann?« Lady Agatha wandte sich wieder dem Sheriff zu. »Tausend Pfund?« Der Sheriff runzelte die Stirn. »Wie kommen Sie auf tausend Pfund, Lady? Es geht um einen symbolischen Dollar. Sie können unsere englische Währung in der Bank eintauschen. Wir haben nämlich auch eine echte Bank hier in der Stadt.« »Tausend Pfund«, wiederholte die ältere Dame, »man hat mich in der vergangenen Nacht überfallen und wollte pro Person hundert Pfund haben. Inzwischen wurde dieser Betrag schamlos erhöht.«
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»Sie wurden überfallen?« Der Sheriff schüttelte ungläubig den Kopf. »Hier in unserer Stadt?« »Vor den Toren der Stadt, wenn man so sagen darf«, schaltete der Butler sich ein, »der von Mylady erwähnte Überfall ereignete sich auf einer schmalen Umgehungsstraße, die von einer Postkutsche blockiert wurde.« »Und als ich mich in dieser Stadt beschweren wollte, war weit und breit kein Mensch zu sehen«, ärgerte Agatha Simpson sich noch mal nachträglich, »ich hatte das Gefühl, daß sämtliche Einwohner sich plötzlich abgesetzt hatten.« »Ich verstehe überhaupt nichts«, behauptete der Sheriff. »Man sollte vielleicht noch anfügen, Sir, daß scharf geschossen wurde«, ließ Josuah Parker vernehmen, »einer der Wegelagerer wurde eindeutig getroffen und daher auch verletzt.« »Und das alles soll sich hier in der Nähe zugetragen haben?« wunderte der Sheriff sich erneut. »Sie können aber bestätigen, daß die Stadt gestern menschenleer war?« »Aber nein.« Der Sheriff schüttelte den Kopf. »Ich wohne doch hier, ich hätte das bemerkt. Hier lief alles wie gewohnt. Wir hatten eine Versammlung in der Town-Hall, die sich bis nach Mitternacht hinzog. Sie müssen nämlich wissen, daß wir einen neuen Bürgermeister wählten.« »Dann können Sie selbstverständlich auch nichts von einem Indianerpfeil wissen, den man auf Mylady abgeschossen hat«, meinte Parker. »Hier soll ein Pfeil auf Sie abgeschossen worden sein?« Der Sheriff lächelte mild, »sind Sie sicher, daß Sie diese Stadt meinen? Noch mal, hier leben nur Liebhaber der Western-Zeit, alles gesittete und normale Menschen. Keiner von ihnen käme je auf den Gedanken, Besucher zu belästigen. Und wenn sie es dennoch täten, würde ich als Sheriff einschreiten.« »Und eine symbolische Strafe verhängen?« fragte Agatha Simpson ein wenig giftig. »Für die Bewohner hier sind meine Anordnungen und auch Strafen bindend«, meinte der Sheriff, »wer sich ihnen nicht unterwirft, muß unsere Stadt verlassen. Aber wollen Sie sich nicht davon überzeugen, wie friedlich hier alles zugeht? Sehen Sie sich um und bilden Sie sich Ihr Urteil! Sie werden bald merken, daß hier Zucht und Ordnung herrschen. Sie ahnen ja nicht, wie viele
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Personen auf unserer Warteliste stehen, alles Menschen, die Bürger unserer Stadt werden wollen.« »Was, zum Teufel, bieten Sie denn?« wollte die Lady grollend wissen. »Wer möchte schon den lieben langen Tag über in dieser altmodischen Kleidung umherlaufen und in einem Museum leben?« »Wir bieten Sicherheit und Ordnung«, verkündete der Sheriff, »wo finden Sie das noch außerhalb unserer Stadt, Lady? Aber jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich muß meinen Kontrollgang machen. Fühlen Sie sich bitte wohl bei uns, und beachten Sie bitte, daß jedes Detail stilecht nachgebaut worden ist.« »Ich weiß, ich weiß, junger Mann«, schnappte die ältere Dame grimmig zu, »ich brauche nur an einen ganz bestimmten Indianerpfeil zu denken!« * »Ich habe die ganze Zeit darauf gewartet, ihm gegen das Schienbein treten zu können, Mr. Parker«, beschwerte sich Agatha Simpson, »aber dieser Sheriff ist glatt wie ein Aal.« »Er scheint nicht zu wissen, Mylady, was sich in seiner Stadt tatsächlich abspielt«, antwortete der Butler. Er ging zusammen mit seiner Herrin die Straße hinunter und betrachtete alles sehr gründlich. Ihm fiel erneut auf, daß die Bürger dieser WesternStadt Mylady und ihn völlig übersahen. Man schien für sie wirklich nicht zu existieren. »Sehen Sie doch, ein Hutmachergeschäft«, sagte Agatha Simpson plötzlich, »kommen Sie, Mr. Parker, ich werde mir einige Modelle zeigen lassen. Vielleicht nimmt man mich dann zur Kenntnis.« Sie überquerte die Straße und steuerte auf das besagte Geschäft zu. Als sie energisch die Tür aufstieß, war ein melodisches Glockenspiel zu vernehmen. Eine ältliche Frau in langem Rock und Spitzenbluse blickte von einer sehr alten Kasse hoch und lächelte Mylady erwartungsvoll an. »Sie sehen mich?« wunderte sich die Kundin. »Aber selbstverständlich, Lady«, erwiderte die Inhaberin, »warum sollte ich Sie nicht sehen?« »Draußen auf der Straße tut man so, als wäre ich überhaupt
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nicht existent. Geschieht das absichtlich?« »Aber ja«, lautete die höfliche Antwort, »hätten Sie sonst den Eindruck, einen Blick in die Vergangenheit zu tun?« »Sie waren gestern nacht in der Town-Hall, meine Liebe?« Lady Agatha hatte sich entschieden, freundlich zu sein. »Wir wählten den neuen Bürgermeister«, sagte sie und nickte, »es ist der alte, wenn Sie mich verstehen. Harry Catford ist bei allen beliebt.« »Wurde, wenn man fragen darf, diese Versammlung überraschend einberufen?« schaltete Josuah Parker sich ein. »Wie meinen Sie das?« antwortete die Putzmacherin mit einer Gegenfrage. »Mylady und meine Wenigkeit entdeckten im Saloon noch rauchende Tabakwaren.« »Ach so, das!« Sie nickte und lächelte. »Während der Stimmenauszählung gab es eine Pause. Und die nutzte man natürlich, um im Saloon einen Schluck zu trinken. Aber dann ging die Stimmauszählung doch schneller vonstatten, als wir alle dachten. Ja, und dann liefen wir schleunigst zurück in die TownHall.« »Eine treffliche Erklärung«, fand Josuah Parker, »wo, bitte, kann Mylady eine Kutsche mieten?« »Unsere Postkutsche ist leider ausgefallen«, erwiderte die Putzmacherin, »sie ist beim Stellmacher, ich glaube, zwei Räder sind gebrochen. Aber fragen Sie doch den Bürgermeister, Mr. Catford. Er hat sein Büro neben der Bank.« »Ich möchte einige Hüte sehen«, warf Agatha Simpson grollend ein. Sie war mit dem Verlauf der Unterhaltung nicht zufrieden. »O bitte, bedienen Sie sich, probieren Sie auf, was immer Sie wollen, Lady!« Die Putzmacherin deutete auf ein langes Regal, auf dem kecke und seriöse Hüte aller Art zu sehen waren. Doch Agatha Simpson schien daran plötzlich jedes Interesse verloren zu haben. Sie nickte nur, orientierte sich kurz und verließ den Laden. »Was denke ich, Mr. Parker?« fragte sie mißmutig, als Parker die Tür hinter ihr geschlossen hatte. »Mylady haben sicher das Gefühl, wohlvorbereitete Antworten zu hören«, erwiderte der Butler. »Das kann man wohl sagen, Mr. Parker. Man will mich an der Nase herumführen. Ja, ich glaube sogar, daß man sich über mich
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amüsiert.« »Vielleicht sollten Mylady den Kreislauf ein wenig anregen?« »Eine gute Idee, Mr. Parker, ich werde mir noch mal diesen Saloon ansehen. Hoffentlich gibt es eine hübsche Schießerei.« »Einen kleinen Zwischenfall würde auch meine bescheidene Wenigkeit sich durchaus wünschen«, erwiderte Josuah Parker, »es ist allerdings damit zu rechnen, daß er leider ausbleiben wird.« »Dann werde ich solch einen Zwischenfall eben provozieren«, erklärte die ältere Dame, »falls man nicht sehr aufpaßt, werde ich mich schon bald beleidigt fühlen!« * »Ich bin tief enttäuscht«, sagte die Detektivin nach einer Stunde, als sie zusammen mit Parker den Saloon verließ, »ich habe doch nun wirklich falsch gespielt, nicht wahr?« »Es war in der Tat nicht zu übersehen, Mylady«, erwiderte Josuah Parker in seiner höflichen Art, »als Mylady ein fünftes As aus dem Ärmel zogen, hätten die Mitspieler wirklich protestieren müssen.« »Sie haben es aber nicht getan«, ärgerte sie sich weiter, »sie taten doch so, als hätten sie nichts gemerkt. Und sie ließen mich noch ohne weiteres sechshundert Dollar gewinnen.« »Man scheint in dieser Western-Town überaus höflich zu sein, Mylady.« »Das kann man wohl sagen«, entrüstete sie sich weiter, »was tat dieser Lümmel, dem ich einen doppelten Whisky ins Gesicht schüttete? Er lächelte und entschuldigte sich sogar noch.« »Man scheint einer Auseinandersetzung mit Mylady um jeden Preis aus dem Weg gehen zu wollen.« »Was wird passieren, wenn ich die Bank überfalle?« fragte sich Agatha Simpson halblaut. »Mylady würden sicher vor fast leeren Kassen stehen.« »Das fürchte ich allerdings auch, man würde noch nicht mal mit der Wimper zucken, Mr. Parker. Ob ich vielleicht doch ein Haus anzünden soll?« »Man würde Mylady ein bedauerliches Versehen unterstellen.« »Ich platze«, kündigte die ältere Dame grollend an, »man will
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mich ins Leere laufen lassen, wie?« »Meine Wenigkeit hätte es auf keinen Fall besser ausdrücken können.« »Natürlich nicht«, sagte sie spitz, »lassen Sie sich etwas einfallen, Mr. Parker, wie ich diese Mauer der Höflichkeit durchbrechen kann. Und warten Sie nicht zu lange damit.« »Man sollte vorerst vielleicht diese mehr als gastliche Stadt verlassen, Mylady.« »Genau das wollte ich gerade vorschlagen«, meinte sie umgehend, »es kann ja sein, daß ich von diesen Cowboys noch einmal überfallen werde, nicht wahr?« »Man soll die Hoffnung nie aufgeben, Mylady.« Parker lenkte seine Schritte auf das hochbeinige Monstrum zu. Erneut passierte man Bewohner der Western-Stadt, die über Mylady und Parker förmlich hinwegsahen. Drei Reiter kamen dem Duo aus London entgegen, doch sie machten einen weiten Bogen um sie. »Immerhin habe ich sechshundert Dollar gewonnen«, freute sich Agatha Simpson, als man Parkers Wagen erreichte, »das ist doch schon was!« »Man läßt sich das Wohlwollen Myladys einiges kosten.« Parker öffnete den hinteren Wagenschlag. »Ob ich noch mal zurückgehe und mich wieder an den Pokertisch setze?« fragte sie halblaut, »schneller kann man sein Geld wirklich nicht verdienen.« »Mylady dürften mit einiger Sicherheit keine Mitspieler mehr antreffen«, sagte der Butler. »Nun gut.« Sie stieg in den Wagen. »Ich setze auf einen netten Überfall, Mr. Parker. Man wird doch sicher versuchen, mir das Geld wieder abzunehmen.« Parker verzichtete auf eine Antwort, schloß die Tür und setzte sich dann ans Steuer. Er fuhr langsam an und hatte die Absicht, die Straße in Richtung der Town-Hall zu nehmen. »Man hat mir noch nicht mal diesen symbolischen Dollar abgenommen«, beschwerte sich Agatha Simpson. »Es könnte durchaus sein, Mylady, daß man inzwischen weiß, wer Mylady sind«, erwiderte der Butler. »Dann fürchtet man mich natürlich.« Sie nickte. »Das war eine recht kluge Bemerkung, Mr. Parker. Ob ich mich mit dem Bürgermeister unterhalten sollte?« »Mylady dürfte kaum neue Erkenntnisse dabei gewinnen.«
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»Richtig.« Sie nickte. »Sie nehmen mir das Wort von den Lippen, Mr. Parker. Wir fahren in dieses Ferienzentrum. Werde ich dort wohnen?« »Nicht direkt, Mylady«, erwiderte der Butler, »vor Antritt der Fahrt hierher in die Western-Stadt konnte meine Wenigkeit allerdings ein kleines Landhaus in der Nähe des Pferdehofes mieten.« »Das klingt ja recht hübsch.« Sie entspannte sich. »Inzwischen dürften die Kinder im Ferienzentrum eingetroffen sein, wie?« »Miß Porter und Mr. Rander werden dort bereits die ersten Erkundigungen über die Western-Stadt eingezogen haben, Mylady.« »Moment noch, Mr. Parker! Was ist das!?« Sie beugte sich vor, ihre Augen funkelten. »Es dürfte sich um eine Straßensperre handeln, Mylady.« Parker hatte die Planwagen längst gesehen, die die Straße abriegelten. Vor diesen hohen und plump aussehenden Wagen standen zwei Cowboys, Winchester in den Händen. »Endlich«, seufzte die ältere Dame erleichtert. »Ich habe es doch gewußt! Man läßt die Maske fallen und legt sich mit mir an. Man will mir selbstverständlich das schwer erspielte Geld wieder abnehmen. Aber daraus wird nichts! Diese Lümmel werden jetzt merken, mit wem sie es zu tun haben!« * »Sie konnten sich ausarbeiten, Mylady?« fragte Mike Rander amüsiert. Kathy Porter und er hatten sich mit Lady Simpson und Butler Parker vor einem kleinen Waldstück getroffen. Parker hatte diesen Treff per Telefon arrangiert und das junge Paar im Ferienzentrum angerufen. »Eben nicht, mein Junge«, erwiderte die ältere Dame fast müde, »stellen Sie sich vor, man forderte zwar den symbolischen Dollar, doch als ich nicht zahlen wollte, ließ man mich ohne weiteres passieren.« »Wie enttäuschend, Mylady«, warf Kathy Porter ein. »Ich wäre beinahe aus der Haut gefahren«, redete Lady Agatha weiter, »aber man ließ mich nicht.« »Die beiden Cowboys befleißigten sich allergrößter Höflichkeit«,
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fügte Josuah Parker hinzu, »man überreichte Mylady sogar noch eine Erinnerungsmünze.« »Wir haben auch nur Gutes über die Westernleute gehört«, meinte Anwalt Rander, »diese Stadt ist bestens bekannt. An Samstagen und Sonntagen kommen viele Besucher, um sie sich anzusehen. Besonders beliebt muß das Essen dort sein.« »Tatsächlich?« Agatha Simpson stutzte. »Und was reicht man dort, mein Junge?« »Keine Ahnung«, redete Mike Rander weiter, »kriminelle Handlungen sind bisher nicht bekanntgeworden. Das gesamte Gelände wurde vor knapp einem Jahr aufgekauft. Der Verkäufer heißt Norman Tooting und ist Unternehmer. Er ist am Reiterhof und auch am Ferienhotel beteiligt. Unter seiner Regie wurde auch das Ferienzentrum errichtet, das noch weiter ausgebaut werden soll.« »Sagt Ihnen der Name Tooting etwas, Mr. Parker?« fragte die Detektivin ihren Butler. »Meine Wenigkeit muß leider verneinen, Mylady.« »Dieser Tooting kommt mir verdächtig vor«, mutmaßte die ältere Dame erfreut, »er könnte der Lümmel sein, der mich ausplündern will.« »Möglich ist alles«, warf Mike Rander lächelnd ein, »aber wir sollten uns nicht vorzeitig festlegen, Mylady.« »Mr. Parker, ich werde mich um diesen Mr. Tooting kümmern«, sagte die ältere Dame, »kümmern Sie sich um die Details.« »Sehr wohl, Mylady.« Parker deutete eine knappe Verbeugung an. »Ich werde selbstverständlich in die Western-Stadt zurückkehren«, redete Agatha Simpson weiter, »aber jetzt möchte ich mir erst mal meinen Wohnsitz ansehen.« »Ich glaube, wir bekommen Besuch«, warf Kathy Porter ein, »sehen Sie doch, eine Postkutsche!« »Postkutsche?« Lady Agatha wirkte wie elektrisiert und blickte in die Richtung, in die Kathy Porter zeigte. Aus einer Bodenwelle erschien tatsächlich eine Postkutsche, die von vier Pferden gezogen wurde. Es handelte sich um ein Gefährt, wie es in der Zeit der Besiedlung des amerikanischen Westens benutzt worden war. »Dies ist sie, Mr. Parker«, behauptete Lady Agatha, »das ist die Kutsche, die mir den Weg versperrte.«
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»Eine gewisse Ähnlichkeit ist nicht zu leugnen, Mylady.« »Ich habe diese Kutsche bereits gesehen«, äußerte Mike Rander, »sie stand auf dem Hof des Urlaubshotels, denke ich.« »Auf dem Kutschbock sitzen zwei Cowboys«, stellte Parker fest. »Zwei Wegelagerer, Mr. Parker«, korrigierte die ältere Dame umgehend, »wahrscheinlich plant man einen Überfall auf mich. Vermutlich will man jetzt das Wassergeld eintreiben.« Nun, sie sollte sich getäuscht haben… Die Postkutsche rollte nicht weit entfernt von ihr über den schmalen Feldweg. Die angeblichen Wegelagerer auf dem Kutschbock winkten und schwenkten fröhlich ihre breitkrempigen Hüte. Im Wagen selbst saßen fröhlich-aufgekratzte Urlauber, die diese Ausfahrt in der alten Kutsche offensichtlich genossen. »Mr. Parker, ich bestehe darauf, daß sich bald etwas ändert«, verlangte Agatha Simpson nach einer Weile, während die Kutsche davonschwankte, »ich merke ganz deutlich, daß man mich veralbert.« »Meine Wenigkeit wird sich intensiv darum bemühen, Mylady, daß die Dinge eine jähe Wendung erfahren«, gab Josuah Parker zurück, während Kathy Porter und Mike Rander einen amüsierten Blick tauschten. »Ich verspreche mir einiges von der kommenden Nacht«, ließ der Anwalt sich dann tröstend vernehmen. »Schnickschnack, mein Junge, so lange kann und will ich nicht warten«, entgegnete die ältere Dame kriegerisch, »ich werde einen Ausritt unternehmen.« »Einen Ausritt, Mylady?« Kathy Porters Stimme drückte Besorgnis aus. »Ich werde mich als Köder anbieten.« Agatha Simpson hatte sich entschieden, wie man deutlich erkennen konnte. »Und ich weiß bereits jetzt, daß dieser Sheriff den Fehdehandschuh aufgreifen wird. Was meine Sie, Mr. Parker?« »Das Leben, Mylady, soll angeblich eine einzige Überraschung sein«, lautete Parkers Antwort. »Myladys Erscheinen im Gelände zu Pferd wird in jedem Fall Aufsehen erregen!« * Der Stallmeister, der Agatha Simpson eingehend betrachtet und
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eingeschätzt hatte, führte ein Pferd aus dem langen Stallgebäude, das sich eindeutig durch Robustheit und starken Knochenbau auszeichnete. Das Pferd stutzte, als es die Lady erblickte und ahnte, was da geplant war. Es stemmte sich mit den Vorderbeinen gegen das Pflaster vor dem Stall und weigerte sich, auch nur einen einzigen Schritt weiterzugehen. Der Stallmeister redete dem Vierbeiner gut zu, doch das Pferd war nicht gewillt, freiwillig eine Last auf sich zu nehmen, die immens aussah. Lady Agatha war schließlich durchaus eine Frau, die man als füllig und majestätisch bezeichnen konnte. Ein Leichtgewicht war sie auf keinen Fall. Der Stallmeister versuchte es inzwischen mit Strenge, um das Pferd zum Weitergehen zu veranlassen, doch der Vierbeiner scheute und zeigte seine gelblich eingefärbten Zähne. »Sie können nicht mit Tieren umgehen«, stellte Agatha Simpson fest und schritt auf das Pferd zu, das die Augen verengte und deutlich stöhnte. »Die Mary ist doch lammfromm«, erklärte der Stallmeister, »ich weiß nicht, was mit dem Tier los ist. Komm schon, Mädchen, los! Es passiert dir ja nichts!« »Ein Pferd braucht eine starke Hand«, meinte die ältere Dame und blieb irritiert stehen, als der Vierbeiner sich tatsächlich auf die Hinterbeine setzte. Lady Agatha sah überzeugend aus. Sie trug einen weiten, wallenden Reitrock, der bis zu den Fußknöcheln reichte. Ihr Oberkörper steckte in einer Art MännerSakko, auf dem Kopf saß ein schwarzer Zylinder. Das Pferd produzierte jetzt seltsame Töne, und Mike Rander hätte jeden Eid geschworen, daß der Vierbeiner lachte. Die Dame mit der starken Hand hatte das Pferd erreicht und knuffte es ohne jede Vorwarnung in die Weichteile. Daraufhin stand der Vierbeiner überrascht auf und schnaubte. Die langen Ohren drehten sich fast wie die Rotoren eines Hubschraubers. »Na also«, sagte die ältere Dame und nickte dem Stallmeister zu, »ein Pferd muß wissen, wer die Herrin ist. Helfen Sie mir in den Sattel, junger Mann!« Josuah Parker hielt es für angebracht, seine Hilfe noch zusätzlich anzubieten. Das Pferd hatte die Ohren angelegt und schielte nach hinten. Es wartete eindeutig ab, was sich tun würde. Der Stallmeister und der Butler hievten die ältere Dame
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vorsichtig an und stemmten sie dann hoch. Nach einem letzten Kraftakt saß Agatha Simpson im Damensitz und schwang ihr Bein um das Horn. Dadurch verschaffte sie sich einen festen Sitz und beugte einem Absturz vor. Erst mit einiger Verspätung spürte das Pferd die Last auf dem Rücken und knickte fast in den Gelenken ein. Es atmete scharf durch und keuchte. Als Lady Agatha sich zurechtrückte, kam der Vierbeiner zu dem Schluß, daß er diese Last so schnell wie möglich wieder abschütteln mußte. Das Pferd machte einen Katzenbuckel und besann sich auf jüngere Tage, als es noch stürmisch war. »Vorsicht, Mylady«, rief der Stallmeister, »es will Sie abwerfen!« »Das möchte ich erleben, junger Mann!« Agatha Simpson lachte triumphierend. »Ich saß bereits im Sattel, als Sie noch gar nicht geboren waren…« Das Pferd sprang gleichzeitig mit allen vier Beinen hoch und hoffte, so die Last loszuwerden, doch die ältere Dame saß wie angeklebt im Sattel. Parker war einige Schritte zurückgetreten und sorgte sich. Mike Rander und Kathy Porter hatten sich an ein Gatter zurückgezogen, um sich rechtzeitig in Sicherheit bringen zu können. Der Vierbeiner war ein wenig überrascht, daß seine Reiterin noch im Sattel saß. Er versuchte es noch mal mit einem Katzenbuckel, stellte sich dann auf die Hinterbeine und wollte die Lady über die Kruppe zu Boden gleiten lassen. Doch er hatte nicht mit der Hartnäckigkeit und der Energie der älteren Dame gerechnet. Sie hielt sich im Sattel, wenn auch ein wenig mühsam. Dabei verrutschte der Zylinder auf ihrem Kopf und nahm ihr leicht die Sicht. Agatha Simpson reagierte darauf verärgert und klopfte mit der Faust auf den Kopf des Tieres. Das Pferd schnaubte beeindruckt und entschloß sich zu einem wilden Ritt durchs Gelände. Aus dem Stand setzte es sich in Bewegung und galoppierte auf das Gatter zu, vor dem Kathy und Mike standen. Sie konnten sich gerade noch in Sicherheit bringen, sprangen zur Seite und ließen den Vierbeiner passieren, der es nicht riskierte, mit dieser Last über das Gatter zu springen. Mit der Brust durchbrach das Pferd das an sich leichte Hindernis und streckte sich dann. Mit erstaunlicher Geschwindigkeit jagte es anschließend auf eine weite Wiese, die sich bis zu einer
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Bodensenke erstreckte. »Sie wird sich den Hals brechen«, vermutete der Stallmeister und meinte keineswegs das Pferd, sondern Lady Simpson. »Wenn Sie erlauben, möchte meine Wenigkeit dem widersprechen«, antwortete Josuah Parker und stieg in den Sattel seines Pferdes, um die Verfolgung aufzunehmen. »Mylady ist gegen Gefahren dieser banalen Art gefeit, wenn man so sagen darf.« Parker lüftete seine schwarze Melone in Richtung Kathy und Mike, setzte sein Pferd in Bewegung und nahm gemessen und würdevoll die Verfolgung auf. * »Nichts wie nach«, sagte Mike Rander, »kommen Sie, Kathy, wir sollten nichts verpassen.« Sie eilten zu ihren bereits gesattelten Pferden hinüber, saßen auf und beeilten sich, die beiden Sportreiter zu verfolgen, die schon längst nicht mehr zu sehen waren. Kathy Porter und Mike Rander waren ausgezeichnete Reiter und hatten keine Probleme mit ihren Pferden oder Hindernissen, die sich ihnen in den Weg stellten. Sie übersprangen ohne Mühe Gatter, Steinwälle und Gräben. Nach einer Weile hielten sie an und sahen sich irritiert an. »Weit und breit nichts zu sehen«, sagte Rander kopfschüttelnd, »hoffentlich ist nichts passiert, Kathy.« »Ich denke, Mr. Parker dürfte ein vorzüglicher Reiter sein«, antwortete Kathy, »aber im Fall Lady Simpsons weiß ich das nicht.« »Moment mal, Kathy, da wird doch gewinkt… Da muß was passiert sein!« Rander stellte sich in die Steigbügel, um besser sehen zu können. »Klar, da winkt man uns, rechts von der Hecke, Kathy, haben Sie’s?« Er wartete ihre Antwort nicht ab, sondern setzte sein Pferd in Bewegung, trabte einige Meter und galoppierte dann los. Erst danach wandte er sich zu seiner Begleiterin um. Kathy Porter war bereits dicht hinter ihm. Mike Rander machte sich echte Sorgen um Lady Agatha. Er konnte sich nicht vorstellen, daß sie sich über längere Zeit in
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einem Sattel halten würde. Gewiß, sie mochte vor vielen Jahren mal mit Pferden groß geworden sein, doch inzwischen war Lady Agatha zu einer älteren Dame geworden, die zumindest in eine Kutsche gehörte. Er ließ sein Pferd schneller werden und hielt auf den Mann zu, der neben einer hohen Hecke stand und noch immer winkte. Dieser Mann trug, wie Ränder inzwischen deutlich erkennen konnte, einen langen Staubmantel, der fast bis zu den Knöcheln reichte. Als er den Winkenden erreicht hatte, parierte Rander sein Pferd und sprang aus dem Sattel. Bei dieser Gelegenheit zeigte sich deutlich, wie gut durchtrainiert er war. »Was ist passiert?« rief er dem Mann zu, der hinter die Hecke deutete. »Ein schrecklicher Sturz«, antwortete der Mann, »hoffentlich ist da noch was zu machen.« Kathy Porter stand ebenfalls schon neben ihrem Pferd, überholte den Anwalt und lief um die dichte, langgestreckte Hecke herum. Dazu mußte sie über einen kleinen Wall aus aufeinandergeschichteten Feldsteinen springen. Noch im Sprung rief sie Mike Rander ein lautes, warnendes »Achtung!« zu. Als sie landete, sah sie sich einem Cowboy gegenüber, der ebenfalls einen langen Staubmantel trug und einen Colt in der rechten Hand hielt. Mike Rander, der den Warnruf natürlich gehört hatte, wandte sich blitzschnell zu dem Mann um, der von einem schrecklichen Sturz gesprochen hatte. Der Anwalt blickte auf einen Colt, dessen Lauf auf ihn gerichtet war. »Okay, dieser Punkt geht an Sie«, sagte Rander, »muß ich jetzt die Hände heben?« »Sie müssen nur Ärger machen, wenn Sie scharf auf ‘nen Treffer sind«, antwortete der Mann und knöpfte mit der linken Hand den Staubmantel auf. Darunter war stilechte Cowboykleidung zu sehen. »Los, steigen Sie über die Mauer, Mann, damit wir euch besser unter Kontrolle haben!« Kathy Porter blickte den Anwalt an. Mike Rander schaute sich prüfend nach allen Seiten um und schien erleichtert. Von Lady Simpson und Butler Parker war nichts zu sehen, demnach konnte ihnen also nichts zugestoßen sein. Gewiß, man hatte Kathy und ihn geschickt in eine Falle gelockt, doch darauf kam es im Augenblick wohl nicht an. »Und was ist jetzt?« fragte Rander die beiden Cowboys. »Gehört dieser Überfall zum Kundendienst?«
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»Halt die Klappe, Mann«, sagte der kleinere der beiden Männer barsch, »das hier is’ kein Witz, klar? Eine falsche Reaktion, Mann, und du bist hin!« »Haben Sie mit der Western-Stadt zu tun?« erkundigte sich Kathy Porter. »Abwarten, Süße«, meinte der Kleine, »die Überraschungen fangen für euch doch gerade erst an. Wir gehen jetzt runter zur Scheune. Und dann werdet ihr langsam kapieren, was anliegt.« Er zeigte mit der freien Hand auf die verrostete Wellblechdecke einer Feldscheune, die von einer Baumgruppe am Ende des Wiesenhangs fast verdeckt wurde. Und dann setzten Kathy und Mike sich gehorsam in Bewegung. Sie hatten das sichere Gefühl, bald einem Mann gegenüberzustehen, der sich als »Sheriff« bezeichnete… * »Nahmen Mylady möglicherweise Schaden?« fragte Josuah Parker und stieg gemessen aus dem Sattel. Er ging seiner Herrin entgegen, die ohne Pferd war und einen gereizten Eindruck machte. »Wieso sollte ich Schaden genommen haben?« fragte sie grollend. »Mylady sind eindeutig ohne Pferd.« »Dieser Vierbeiner steht dort hinter dem Gebüsch«, erwiderte sie fast verächtlich, »er hat sich geweigert, weiterzugehen.« »Geweigert, Mylady, wenn man verwundert fragen darf?« »Der müde Klepper brach ja fast unter mir zusammen«, gab sie unwirsch Auskunft, »sehen Sie sich diesen Schinder doch an! Was haben Sie sich nur für ein Pferd für mich geben lassen? Ich bin mir fast sicher, daß Sie mir einen Streich spielen wollten, Mr. Parker.« »Dies, Mylady, würde meine Wenigkeit sich nie erlauben«, betonte der Butler überaus höflich. Er ging um das Gebüsch herum und entdeckte das wirklich stämmige Pferd, das es sich auf dem Rasen gemütlich gemacht hatte. Es lag auf der Seite, hatte die Beine ausgestreckt und schnaubte nervös, als es Schritte hörte. »Ich werde selbstverständlich Schadenersatz und
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Schmerzensgeld fordern«, erklärte die Detektivin, die dem Butler gefolgt war, »sehen Sie sich doch diese Mähre an!« Das Pferd hörte die Stimme seiner Reiterin und reagierte panisch. Es richtete sich auf, strampelte mit den stämmigen Beinen in der Luft herum und stand dann hastig auf. Dabei bleckte es die Zähne, hustete und schleppte sich davon. Es war eindeutig nicht gut auf den Beinen. »Kam es zu einem Zwischenfall, Mylady?« erkundigte sich der Butler. »Dieser Schinder wollte plötzlich nicht weiter«, empörte sich die ältere Dame, »er brach förmlich unter mir zusammen. Und ich bin doch nun wahrlich kein Schwergewicht, oder?« »Mylady sind fast als schlank zu bezeichnen.« »Eben!« Sie nickte zufrieden. »Gut, ich mag ein klein wenig Übergewicht haben, aber wer hat das nicht? Dieses Pferd sah es wohl anders und legte sich plötzlich einfach ins Gras.« Der Vierbeiner hatte sich respektvoll zurückgezogen, wartete erst mal an einem Baum, ließ die ältere Dame nicht aus den Augen und war nicht gesonnen, sie noch mal aufsteigen zu lassen. »Ich werde Ihr Pferd nehmen, Mr. Parker«, verkündete Lady Agatha, »ich wette, daß Sie sich bestens bedient haben.« Parker deutete eine knappe Verbeugung an und ging zurück, um sein Pferd zu holen, doch dieses kluge Tier schien etwas von der menschlichen Sprache zu verstehen. Die Aussicht, Mylady tragen zu müssen, löste eine deutliche Verstimmung aus. Das Pferd tänzelte nervös, je näher Parker kam. Dann, als der Butler es von einem Zweig losbinden wollte, scheute es und steilte hoch. Es schlug mit den Vorderbeinen nach dem Butler, der sich gezwungen sah, einen Schritt zur Seite zu treten. »Da sieht man wieder, Mr. Parker, wie wenig Sie von Pferden verstehen«, räsonierte die ältere Dame, »lassen Sie mich mal machen! Im Umgang mit Vierbeinern braucht man Pferdeverstand!« Verstand hatte das Tier durchaus, wie sich sofort zeigte. Ais Lady Agatha die Hand nach dem Zügel ausstreckte, riß das Pferd sich vom Zweig los und galoppierte in wilder Hast auf die weite Wiese. Dann beschrieb es einen Bogen, näherte sich dem mächtigen Brauereipferd, das Mylady geritten hatte, und schnaubte unternehmungslustig. Daraufhin riskierte das mächtige
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Tier einen leichten Trab und folgte seinem wesentlich schlankeren Artgenossen. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis beide Tiere hinter einem Steinwall verschwunden waren. »Sie haben selbstverständlich wieder mal alles verdorben, Mr. Parker«, stellte Agatha Simpson kopfschüttelnd fest. »Mylady sollten meiner Wenigkeit ausnahmsweise noch mal verzeihen«, antwortete Parker. Sein Gesicht blieb undurchdringlich. »Und wie komme ich jetzt weiter?« fragte sie. »Wären Mylady eventuell an einem kleinen Spaziergang interessiert? Eine Verbindungsstraße kann nicht weit sein.« »Und was wird daraus, mich als Köder anzubieten?« fragte sie unmutig. »Wie sollen diese Wegelagerer mich denn jetzt überhaupt noch finden, Mr. Parker?« »Auch die Western-Stadt dürfte nicht sehr weit sein, Mylady.« Parker ging auf die Frage seiner Herrin nicht ein. »Ich hasse Fußmärsche«, erwiderte Agatha Simpson, »ich werde hier warten, während Sie einen fahrbaren Untersatz auftreiben.« »Sehr wohl, Mylady.« Parker lüftete zustimmend die schwarze Melone und blickte dann über die Schulter der Lady ins freie Gelände. »Die Rettung, um es mal so auszudrücken, Mylady, dürfte nicht mehr fern sein.« »Das möchte ich mir aber auch ausgebeten haben! Wieso Rettung?« Sie wandte sich um und nickte dann zufrieden. »Diese Urlauberkutsche kommt ja wie bestellt, Mr. Parker. Winken Sie sie heran!« »Es könnte sich möglicherweise um die falsche Postkutsche handeln, Mylady.« »Papperlapapp, Mr. Parker«, sagte sie hartnäckig, »ich sehe doch auf den ersten Blick, um welche Kutsche es sich handelt. Verlassen Sie sich auf meine Augen. Ich weiß genau zu unterscheiden.« * »Tut mir leid, Kathy, daß ich Sie in diese verdammte Lage gebracht habe«, sagte Mike Rander, als die Tür sich hinter ihnen geschlossen hatte. »Jetzt sitzen wir erst mal fest.«
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»Und wie!« Kathy Porter schaute sich prüfend in dem kleinen Raum um, in den man sie eingesperrt hatte. Die Wände bestanden aus Ziegeln, die Tür aus dicken Bohlen. Ein Fenster gab es nicht. Von der Decke baumelte eine Leitung, an deren Ende eine nackte Glühbirne angeschlossen war. Es roch nach frischem Mörtel und nach Feuchtigkeit. Es gab an den Längswänden zwei schmale Bänke, die wohl auch als Betten dienen sollten. »Ich glaube, diese Burschen hätten scharf geschossen«, redete Mike Rander weiter. »Eindeutig, Mike.« Sie nickte. »Ich glaube auch, daß wir es nicht mit Leuten aus der Western-Stadt zu tun haben.« »Ich weiß nicht recht.« Mike Rander zog ein skeptisches Gesicht. »Diese Knaben, die sich als Cowboys aufspielen, sehen sich alle ähnlich. Ich frage mich nur, warum man uns gekidnappt hat. Sieht nach einem deftigen Lösegeld aus, wie?« »Wassergeld, Mike, Wassergeld«, korrigierte Kathy Porter lächelnd. »Schön, also Wasser- und Weidegeld«, redete der Anwalt weiter, »und hinter allem steht dieser komische Sheriff, der so komisch natürlich gar nicht sein kann.« »Werden wir hier aus eigener Kraft wieder herauskommen, Mike?« »Uns wird schon was einfallen, Kathy.« Er ließ sich auf einer schmalen Bank nieder. »Ich setze natürlich auf Parker.« »Und wenn man auch ihn und Lady Simpson in eine Falle gelockt hat?« »Kann ich mir bei Parker gar nicht vorstellen«, meinte der Anwalt und lächelte, »er ist doch fuchsschlau.« »Und an die leider etwas spontane Lady Simpson gebunden, Mike.« »Dennoch, Kathy, Parker wird frühzeitig Lunte riechen. Hauptsache, er findet heraus, wo wir stecken.« »Wissen denn wir es wenigstens?« »Keinen blassen Schimmer, Kathy.« Rander zuckte die Achseln. »Man hat uns schließlich Kapuzen über die Köpfe gezogen. Haben Sie was ausmachen können? Ich habe nichts gesehen.« »Ich ebenfalls nicht.« Die junge Dame schüttelte den Kopf. »Lange hat der Ritt allerdings nicht gedauert. Vielleicht hat man uns in die Western-Stadt gebracht…«
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»Eben waren Sie doch der Meinung, die Cowboys hier hätten mit den Leuten aus der Western-Stadt nichts zu tun«, erinnerte sie der Anwalt und lächelte. »Und wenn man diese Stadt als Kulisse mißbraucht, Mike?« »Das wäre natürlich eine Möglichkeit.« Er nickte langsam. »Aber warten wir doch erst mal ab, Kathy. Bald muß sich ja was tun, denke ich. Und dann können wir… Moment mal, da regt sich bereits was…« »Schritte, Mike«, flüsterte Kathy, »wollen wir es auf einen Überraschungscoup ankommen lassen?« »Hier wird scharf geschossen«, warnte der Anwalt, »verzichten wir lieber vorerst mal auf jedes Risiko. Später sehen wir weiter. Aha, man schließt auf, gleich werden wir diesen Sheriff sehen, wetten?« Die Tür wurde tatsächlich geöffnet. Mike Rander und Kathy Porter waren zurück an die Stirnwand der engen Zelle getreten und trauten ihren Augen nicht, als Lady Agatha und Butler Parker durch die Tür traten. Hinter ihnen waren drei Cowboys zu sehen, die Winchester im Hüftanschlag. »Man erlaubt sich, den Herrschaften einen relativ guten Tag zu wünschen«, grüßte der Butler und lüftete höflich die schwarze Melone, »darf man sich darüber hinaus nach dem werten Befinden erkundigen?« »Wie geht’s denn selbst?« fragte Mike Rander, während die Tür hinter den Neuankömmlingen zugeschlagen wurde. Man hörte deutlich, wie schwere Riegel vorgeschoben wurden. »Ich bin sehr verärgert«, antwortete die ältere Dame und maß ihren Butler mit vorwurfsvollem Blick, »er ließ sich wieder mal düpieren und hielt die Gangsterkutsche für einen Wagen der Western-Stadt. Ich begreife einfach nicht, wie so etwas passieren kann! Ich sah auf den ersten Blick, daß man dieser Kutsche nicht trauen durfte.« »Mylady sehen meine bescheidene Wenigkeit völlig zerknirscht«, behauptete der Butler in seiner höflichen Art. Kathy Porter und Mike Rander wußten sofort, daß die ältere Dame wieder mal die Wahrheit auf ihre Art korrigiert hatte. *
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»Ich habe nicht die Absicht, den Rest des Tages hier zu verbringen«, sagte Agatha Simpson nach einer Weile. »Mr. Parker, lassen Sie sich also etwas einfallen.« »Meine Wenigkeit beschäftigt sich bereits mit dem anstehenden Problem, Mylady«, versicherte der Butler, »leider weiß man nicht, wo man sich befindet. Die Benutzer der erwähnten Kutsche zwangen Mylady und meine Wenigkeit, Kapuzen tragen zu müssen.« »Wie bei Miß Porter und mir.« Rander nickte. »Ich wäre beinahe erstickt«, beschwerte sich die ältere Dame, »und ich wollte mich natürlich wehren, aber Mr. Parker überredete mich, friedlich zu bleiben.« »Was wohl auch angebracht war, Mylady«, äußerte Kathy Porter, »ich glaube, man wartet nur darauf, scharf schießen zu können.« »Papperlapapp, Kindchen!« Agatha Simpson winkte besserwissend ab. »So etwas wird man nicht wagen!« »Ich möchte es nicht darauf ankommen lassen«, entgegnete Mike Rander warnend, »wie beurteilen Sie unsere Chancen, Parker?« »Man wird sich inzwischen entschlossen haben, ein größeres Lösegeld zu erpressen, Sir. Bedenklich ist die Tatsache, daß die sogenannten Cowboys im Gegensatz zum ersten Kontakt darauf verzichteten, Gesichtsmasken zu tragen.« »Und was folgere ich daraus, Mr, Parker?« Lady Agatha sah ihren Butler ein wenig herablassend-wissend an. »Man scheint offenbar keine Hemmungen mehr zu haben, sich zu zeigen, Mylady«, antwortete der Butler, »man könnte daraus den Schluß ziehen, daß man eine spätere Identifikation nicht fürchtet.« »Aha!« Sie nickte. »Und was bedeutet das?« »Ich fürchte, Mylady, man hat die Absicht, uns später umzubringen«, schaltete Kathy Porter sich ein. »Das wird man nicht wagen, Kindchen«, beruhigte die ältere Dame. »Bisher hat man bereits eine ganze Menge gewagt«, sagte Mike Rander, »man hat immerhin vier Menschen gekidnappt, und wahrscheinlich will man dazu noch ein saftiges Lösegeld erpressen. Der Sheriff wird doch wissen, was darauf steht. Falls man ihn erwischen sollte, wird er für den Rest seines Lebens im
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Zuchthaus sitzen.« »Es ist erstaunlich, wie schnell die Dinge eskalierten, Sir«, ließ Josuah Parker sich vernehmen, »aus einem an sich harmlosen Wassergeld ist plötzlich ein brisanter Kriminalfall geworden.« »Was ich ja vorausgesagt hatte«, erinnerte Agatha Simpson schnell. »Wie Mylady meinen.« Parker verbeugte sich andeutungsweise. »Man weiß inzwischen sehr genau, daß Mylady eine vermögende Dame ist. Ein gewisser Informationsrückstand dürfte aufgeholt worden sein.« »Man war von Beginn an allein hinter meiner Person her«, redete Agatha Simpson fast stolz weiter, »daraus hat sich alles entwickelt, nicht wahr? Der sogenannte Sheriff ist nichts anderes als ein Gangster aus London, der mir seine Rechnung präsentieren will.« »Ich glaube mehr an einen Zufall, Mylady«, widersprach Mike Rander, »wir redeten ja bereits darüber. Wer wußte von Ihrem Ausflug nach Brighton? Wer konnte wissen, welchen Rückweg Sie nehmen würden? Ich denke da an Amateure, die plötzlich das Geschäft ihres Lebens wittern und bereit sind, dafür jedes Risiko in Kauf zu nehmen.« »Ich werde diese Western-Stadt ausräuchern«, verkündete Lady Agatha optimistisch, »die Details überlasse ich natürlich Mr. Parker. Unwichtige Kleinigkeiten interessieren mich nicht.« »Im Moment gibt es nur ein einziges Detail, Mylady, nämlich diese verdammte Tür«, entgegnete Mike Rander lächelnd und deutete auf die Bohlen im Rahmen, »glauben Sie, Parker, daß Sie diese Tür schaffen werden?« »Theoretisch durchaus, Sir, doch die Zelle ist recht eng, falls man diese Bemerkung machen darf. Bei gewaltsamem Öffnen dürften sich große Hitze und viel Rauch entfalten.« »Ich bin nicht empfindlich, Mr. Parker«, ließ Agatha Simpson sich vernehmen, »auf mich braucht man keine Rücksicht zu nehmen. Ich möchte nur so schnell wie möglich heraus aus diesem Loch.« »Da schließe ich mich an«, sagte Kathy Porter. »Versuchen Sie Ihr Glück, Mr. Parker«, schlug Mike Rander vor, »ich will mich endlich mit diesen größenwahnsinnigen Knaben befassen, bevor sie völlig durchdrehen.« »Im Augenblick, Sir, scheint man sich mit uns befassen zu
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wollen«, sagte Josuah Parker, der nahe an der Tür stand, »meine Wenigkeit hört, falls sie keinem Irrtum erliegt, Schritte. Mit einem baldigen Besuch ist demnach wohl fest zu rechnen.« Er unterlag keinem Irrtum! * Selbst die Detektivin sah ein, daß Gegenwehr sinnlos war. Sie schnaubte vor Zorn, als man ihr Handschellen anlegte, doch sie ließ die Prozedur über sich ergehen. Parker, Kathy Porter und Mike Rander schienen sich in ihr Schicksal gefügt zu haben und übersahen absichtlich die Bewaffnung der Cowboys, die sich im Hintergrund hielten und das Anlegen der Handschellen überwachten. Dies besorgte ein vierter Mann, der ein wenig nervös wirkte. Es war vor allen Dingen die deutlich spür- und sichtbare Nervosität der vier Cowboys, die Parker zur Vorsicht mahnte. Er kam nun zu dem Schluß, daß man es mit Kriminellen zu tun hatte, die sich hier auf einem Gebiet bewegten, das sie noch nicht so recht kannten. Hinzu kam die an sich erfreuliche Tatsache, daß man Parker den Universal-Regenschirm beließ, ja, daß man ihm dieses harmlos aussehende Regendach sogar noch nachdrücklich über den linken Unterarm legte. Um den perlenbestickten Pompadour der älteren Dame kümmerte man sich überhaupt nicht. »Könnten Mylady unter Umständen erfahren, was man mit dieser Fesselung beabsichtigt?« erkundigte sich Parker, als die Cowboys ihre Gefangenen durch einen langen, schmalen Korridor führten. »Gerichtsverhandlung«, sagte der Wortführer der Männer, der kleine, drahtige Cowboy, auf den Kathy und Mike bereits draußen im Gelände aufmerksam geworden waren. »Was soll dieser Humbug?« grollte die Lady umgehend. »Das kann doch nur eine Farce sein.« »Sie werden sich wundern«, meinte der Kleine und lachte nervös. »Wird man Mylady einen Verteidiger stellen?« Parker ging auf das Thema der Gerichtsverhandlung ein.
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»Ihr habt doch einen Rechtsverdreher bei euch«, sagte der Kleine und deutete auf Mike Rander, »er muß schon verdammt gut sein, wenn er euch rauspauken will.« »Was wirft man uns denn vor?« fragte der Anwalt umgehend. »Vergehen gegen das Wassergesetz«, lautete die Antwort, »und Widerstand gegen die Staatsgewalt.« »Aus welcher Heilanstalt sind Sie entsprungen, junger Mann?« fragte Lady Agatha bissig. »Klappe, Alte, halt den Rand«, entgegnete der Kleine gereizt. »Sie haben gleich Gelegenheit, was zu sagen. Ich rate Ihnen aber, verdammt höflich zu sein. Unser Richter ist knochenhart.« »Wird man das Vergnügen haben, den mehrfach erwähnten Sheriff zu sehen?« schaltete der Butler sich ein. »Er vertritt die Anklage«, lautete die Antwort, »und der Mann ist gut.« Während dieser munteren Unterhaltung hatte man den langen Korridor hinter sich gebracht. Über eine schmale, steile Holztreppe ging es nach oben. Nachdem eine Tür geöffnet worden war, stand man in einem saalartigen Raum, über dessen Eingangstür sich eine kleine Empore erhob. Links und rechts von einem Mittelgang standen einfache Bänke. Sie waren unbesetzt. Zu dieser obskuren Gerichtsverhandlung schien man keine Zuhörer eingeladen zu haben. Parker musterte den Richtertisch an der Stirnseite des Raumes, die beiden Stehpulte, die wohl für den Ankläger und für den Verteidiger gedacht waren, und betrachtete die schmalen, hohen Fenster. Sie waren von innen mit Holzblenden gesichert. Ein Blick nach draußen war nicht möglich. Befand man sich wirklich in der Western-Stadt? Falls ja, mußten sämtliche Western-Fans unter einer Decke stecken. Unter den Augen unbeteiligter Bewohner dieser Kleinstadt war doch solch eine Gerichtsverhandlung nicht durchzuführen… Parker, Lady Agatha, Kathy Porter und Mike Rander mußten auf einer Querbank Platz nehmen. Rechts und links von ihnen bauten sich je zwei Cowboys auf. Es dauerte nur einen Augenblick, bis eine Seitentür sich öffnete. Ein großer, hagerer Mann mit Sheriffstern auf der Brust trat ein und warf einen kalten, abschätzenden Blick auf die vier Angeklagten. »Aufstehen!« herrschte der Sheriff die Gefesselten an. »Richter
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Amshurst…!« »Los, hoch!« Einer der Cowboys neben Agatha Simpson beging den Fehler, die ältere Dame mit dem Kolben seiner Winchester in die Seite zu knuffen. Eine Sekunde später jaulte er auf wie ein getretener Hund, denn Lady Agatha hatte automatisch geantwortet, und zwar auf ihre Art. Sie hatte mit ihrer linken Schuhspitze zugelangt und das Schienbein des Mannes voll getroffen. »Richter Amshurst!« rief der hagere, knochig aussehende Sheriff noch mal, diesmal aber laut. Seine Stimme klang schleppend und nasal, »weitere Störungen werden mit Haft geahndet. Aufstehen!« »Wie Sie zu wünschen belieben«, ließ Josuah Parker sich vernehmen und erhob sich. Er war gespannt, wer sich jetzt zeigen würde. * Der Untersetzte war rundlich und hatte ein rosiges Gesicht mit einer beachtlichen Stirnglatze. Er trug einen Gehrock und gestreifte Hosen. Das war Richter Amshurst, wie angekündigt. Dieser Mann mit den kleinen, verschlagenen Augen setzte sich einen Zwicker auf und musterte die vier Angeklagten, die sich ostentativ nicht erhoben hatten. Richter Amshurst griff nach einem kleinen Holzhammer, holte aus und schlug damit auf die Tischplatte seines Pults. »Zwei Tage Haft für jeden Angeklagten«, sagte er dann mit einer erstaunlich fröhlichen Stimme, »zwei Tage Haft wegen ungebührlichen Benehmens! Sie können jetzt sitzen bleiben. Sheriff, die Anklage!« »Was soll dieser Humbug?« grollte die ältere Dame. »Ich glaube, daß ich gleich ärgerlich sein werde. Wer sind Sie überhaupt? Ich verlange, daß man mir die Handschellen abnimmt…« »Hundert Dollar Geldstrafe wegen Verfahrensstörung«, verkündete Richter Amshurst und schlug zur Bekräftigung mit dem Holzhammer auf die Tischplatte. »Sie sind verrückt«, stellte Lady Agatha Simpson fest. »Sie können mich… nicht beeindrucken, Sie Lümmel!«
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»Fünfhundert Dollar Geldstrafe wegen Beleidigung des Richters.« Der Holzhammer schlug zu, die Stimme des Richters klang erstaunlich fröhlich. »Wollen Sie jetzt endlich den Mund halten, oder wollen Sie ein Vermögen opfern?« fragte der hagere Sheriff sachlich und blickte die ältere Dame abwartend an. »Sie werden von mir keinen einzigen Penny erhalten«, erwiderte Agatha Simpson. »Sie werden so lange in Beugehaft genommen, bis sie alles bezahlt haben werden«, schaltete der freundliche Richter sich ein. »Sie scheinen sich über den Ernst Ihrer Lage nicht im klaren zu sein.« »Ist es erlaubt, Euer Gnaden, eine Frage zu stellen?« Parker hatte sich erhoben und blickte den Richter an. »Stattgegeben«, antwortete Amshurst, »und für Sie noch mal fünfhundert Dollar wegen Renitenz.« »Meine Frage, Euer Gnaden, lautet: Nach welchem Recht wollen Sie diese Verhandlung führen?« äußerte Parker so schnell, daß seine Herrin nicht mehr antworten konnte. »Nach welchem Recht?« Richter Amshurst stutzte. »Ja, nach welchem Recht?« schaltete Mike Rander sich ein. »Ihre Geldstrafen sind mehr als ungewöhnlich und willkürlich. Sie sind in keinem Gesetzbuch festgeschrieben worden. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf eine Entscheidung des Staates Texas, wonach Geldstrafen nur dann verhängt werden dürfen, wenn ungebührliches Benehmen evident ist und nicht ad hoc provoziert wurde.« »Aha!« Amshurst räusperte sich und nahm seinen Zwicker ab. Er ließ Mike Randers Ausführungen eindeutig in sich nachklingen und wußte noch nicht, was er darauf antworten sollte. Was ohnehin schwierig war, denn der Anwalt hatte aus guten Gründen etwas zitiert, das es gar nicht gab. »Hier wird Recht nach dem Gesetz unserer freien Stadt gesprochen«, schaltete der Sheriff sich ein. »Richtig«, pflichtete der rosige Richter ihm erleichtert bei, »und ich verhänge sofort tausend Dollar Geldstrafe wegen Störung der Verhandlung.« Freudig ließ er seinen Holzhammer auf die Tischplatte nieder sausen und rückte sich bequem zurecht. Dann nickte er dem Sheriff zu. »Ich kann’s kurz machen, Euer Gnaden«, begann der Sheriff,
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»die vier Angeklagten haben wiederholt gegen die Wasser- und Weiderechte verstoßen, und zwar vorsätzlich. Sie wollten die Zahlung der entsprechenden Nutzungsgelder umgehen. Ich beantrage daher, ein Exempel zu statuieren, und fordere pro Person eine Geldstrafe von fünftausend Dollar, zahlbar sofort.« »Dieser Mann ist verrückt«, stellte Agatha Simpson empört fest und schaute sich nach einem passenden Schienbein um, doch die beiden Cowboys auf ihrer Seite hatten sich sicherheitshalber bereits zurückgezogen und waren für Lady Simpson unerreichbar. »Wollen Sie sich verteidigen?« fragte Richter Amshurst und blickte seine Angeklagten freundlich an. »Das werde ich übernehmen«, antwortete Mike Rander und stand auf, »die Anschuldigungen entbehren jeder Grundlage. Lady Simpson und die übrigen Angeklagten wußten nichts von diesen Wasser- und Weiderechten, sie waren durch nichts gekennzeichnet. Ihr Sheriff, Richter Amshurst, verstieß gegen geltendes Recht, als er…« »Das reicht dann«, meinte Richter Amshurst und griff nach seinem Hammer, »ich habe Ihre Verteidigung zur Kenntnis genommen und komme zu folgendem Urteil: Pro Person zehntausend Dollar! Die Angeklagten bleiben in Haft, bis die Summe hinterlegt worden ist.« »Mr. Parker, sagen Sie mir, daß ich träume«, reagierte Lady Agatha und schnaufte erregt. »Dies, Mylady, würde keineswegs den Tatsachen entsprechen«, erwiderte Josuah Parker höflich, »der Gedanke an einen Alptraum allerdings, Mylady, könnte jetzt und hier durchaus aufkommen, wenn man so sagen darf.« * »In einer halben Stunde sollen wir in Einzelzellen verlegt werden«, erinnerte Mike Rander und blickte auf die Uhr. »Ich werde mich dagegen wehren«, versprach die ältere Dame grimmig. »Das wird wenig Sinn haben, Mylady«, meinte Mike Rander eindringlich, »diese Westler sitzen am längeren Hebel. Und sie meinen es ernst!« »Ich könnte das verlangte Geld zahlen, mein Junge«, erklärte
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die ältere Dame zögernd, »es wird mich zwar völlig ruinieren, aber ich fühle mich verantwortlich für das, was vielleicht noch geschehen kann.« »Vierzigtausend Dollar, Mylady«, ließ Kathy Porter sich vernehmen. »Ich darf gar nicht daran denken«, seufzte die Detektivin tragisch. »Vielleicht bietet sich eine andere Möglichkeit, Mylady«, sagte der Butler. »Strengen Sie sich nicht unnötig an, Mr. Parker«, antwortete Agatha Simpson fast verzeihend, »ich weiß seit der Verhandlung, daß Ihnen die Felle weggeschwommen sind. Ihnen fällt nichts mehr ein. Oder doch?« »Es geht um die Tür, Parker«, warf Mike Rander ein, »und es geht um den Posten davor. Sie haben ja mitbekommen, daß die Tür scharf bewacht wird. Wie wollen Sie diese beiden Hindernisse schaffen?« »Wenn es erlaubt ist, wird meine Wenigkeit die Tür prüfen, Sir.« Butler Parker wartete die Erlaubnis selbstverständlich nicht ab, sondern schob sich an der Fülle seiner Herrin vorbei und baute sich vor der schmalen Bohlentür auf, die bereits optisch anzeigte, wie solide sie war. Parker suchte nach einem Spalt zwischen den Bohlen und nickte andeutungsweise, als er etwas gefunden hatte. Er brachte sein rechtes Auge an diesen Spalt und spähte nach draußen in den Korridor. Auf einer umgestülpten Kiste saß ein Cowboy und blätterte in einer Zeitung. Seine Winchester hatte er an die Wand gelehnt. Der Mann machte einen entspannten Eindruck, was wohl auch nicht weiter verwunderlich war, denn für ihn war diese schwere Tür unüberwindlich. »Nun, wie würde ich die Chancen beurteilen, Mr. Parker?« fragte Agatha Simpson neugierig, als Parker sich wieder zu ihr umwandte. »Man muß sie durchaus als erfreulich bezeichnen, Mylady«, antwortete der Butler, »das oft zitierte Moment der Überraschung befindet sich eindeutig auf Myladys Seite.« »Ich wußte es«, sagte sie und nickte wohlwollend, »lassen Sie sich jetzt nicht weiter stören, Mr. Parker. Ich denke, meine guten Wünsche sollten Sie begleiten.« »Wenn es erlaubt ist, wird meine Wenigkeit sich erst mal eine
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gewisse Handlungsfreiheit verschaffen«, sagte Parker und nahm auf einer der beiden Bänke Platz. Er schob den linken Fuß vor und knickte ihn dann ein wenig zur Seite, damit die gefesselten Hände an den Absatz herankamen. Mit einer Schnelligkeit, die an die eines Taschenspielers erinnerte, schob er den Absatz zur Seite und langte in die Höhlung des Schuhs. Kurz danach präsentierte er Mike Rander einen seltsam geformten kleinen Metallhaken. »Damit müßten die Handfesseln zu lösen sein«, meinte Parker, der seinen Schuh bereits wieder in Ordnung gebracht hatte. Er streckte seine Hände vor, und Mike Rander schob den kleinen Haken in die Schlüsselöffnung der Handschelle. Es knackte leicht, und schon konnte Parker die Handschelle von den Gelenken lösen. »Ich muß mich doch sehr wundern, Mr. Parker«, grollte Agatha Simpson umgehend, »warum haben Sie das nicht schon früher getan? Ich hätte es dann den Subjekten ganz anders zeigen können.« »Wahrscheinlich wollte Parker ein Blutbad verhindern«, warf Mike Rander ein und beschäftigte sich mit den Handschellen der älteren Dame. Nach wenigen Augenblicken war auch sie wieder frei. Anschließend halfen sich Mike Rander und Kathy Porter wechselseitig aus ihren engen Stahlbindungen. Lady Agatha ließ versuchsweise ihren perlenbestickten Pompadom kreisen und fühlte sich animiert. Ihre Wangen hatten sich rosa gefärbt, ihre Augen funkelten vor Unternehmungslust. Butler Parker hatte bereits einen seiner vielen Patentkugelschreiber aus der Westentasche geholt und überprüfte dessen Funktionsfähigkeit. »Wollen Sie diesem Knaben da draußen eine Miniaturladung verpassen?« fragte der Anwalt, der um einige Geheimnisse dieser Kugelschreiber wußte, die tatsächlich. wie echte Schreibgeräte aussahen. »Es handelt sich hier um eine Neuentwicklung, Sir«, antwortete Josuah Parker höflich und gemessen, »eine gewisse Flüssigkeit steht unter recht hohem Druck und kann vorn durch die Spitze verschossen werden.« »Sie wollen wohl wie ein Lama spucken, wie?« Rander lächelte amüsiert. »Ein Vergleich, Sir, der in der Tat angebracht ist«, antwortete Josuah Parker, »der Wahrheit die Ehre: Das gezielte Spucken des
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erwähnten Lamas über relativ weite Entfernungen regte meine Wenigkeit zu dieser Konstruktion an.« »Hören Sie nur nicht auf, sich anregen zu lassen, Parker«, entgegnete der Anwalt lächelnd, »und überraschen Sie mich jetzt! Sie können mir ja später immer noch erklären, was es mit dieser Flüssigkeit auf sich hat!« * Der Cowboy hörte plötzlich einen Ruf von der Tür her und ließ die Zeitung sinken, die sein Gesicht verdeckt hatte. Im gleichen Moment klatschte ein dicker Tropfen Feuchtigkeit auf seine Nasenwurzel. Er fuhr zusammen, beging den Fehler, die Feuchtigkeit mit dem Handrücken zu verreiben, und spürte sofort ein Brennen in den Augen. Er sprang auf, blickte zur Decke des Korridors und suchte dort nach einer feuchten Stelle. Dadurch konnte die Feuchtigkeit noch intensiver in seine Augen dringen und die Schleimhäute erreichen. Als er den Kopf wieder senkte, landete ein zweiter Tropfen in seinem Gesicht, und zwar auf der Oberlippe. Erneut wischte der Cowboy mit dem Handrücken darüber und spürte die Feuchtigkeit auf den Lippen. Aber er spürte noch mehr. Eine unbezwingbare Müdigkeit breitete sich in seinem Körper aus, die von Herzschlag zu Herzschlag intensiver wurde. Hinzu kam eine gewisse heitere Gelassenheit, die ihn veranlaßte, wieder auf der Kiste Platz zu nehmen. Er lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand, lächelte versonnen, stierte auf die schwere Bohlentür und roch plötzlich etwas Scharfes, das nur von einem Feuer stammen konnte. Der Cowboy schlug allerdings nicht Alarm, sondern blieb heiter und entspannt. Er sah eine weiße Rauchwolke, die von der Türangel herkam und sich ausbreitete. Hinter ihr glomm ein Feuerpunkt auf, der sich fast weiß färbte. Dann tropfte glühendes Eisen zu Boden und kollerte als leicht abgekühlte Tropfen den Gang hinunter. Einige Augenblicke später zerschmolz auch die obere Türangel vor seinen Augen. Der Cowboy war fasziniert und belustigt zugleich. Er schmunzelte, schloß die Augen, gähnte, riß die Augen wieder auf und sah dann, wie durch dichte Nebelschleier die Tür aufgedrückt wurde. Das Schloß übernahm aber jetzt die Aufgabe der
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Türangeln und bewegte sich knirschend im Rahmen, als die schwere Bohlentür von den geschmolzenen Angeln in den Korridor gedrückt wurde. »Sagenhaft, Parker«, hörte der Cowboy noch, bevor er vollends einschlief. »Recht begabt«, urteilte die ältere Dame, die aus der Gemeinschaftszelle kam. »Mylady beschämen meine Wenigkeit«, gab Josuah Parker zurück. »War das Thermit, Mr. Parker?« erkundigte sich Kathy Porter und wies auf die Metallperlen am Boden. Dann betrachtete sie die einfach weggeschmolzenen Türangeln oben und unten am Türblatt. »Thermit, Miß Porter«, antwortete der Butler, »ist eine Metallmischung auf Aluminiumbasis, die eine immens hohe Hitze entwickelt. Diese Temperatur reichte völlig aus, die beiden eisernen Türangeln schmelzen zu lassen.« »Und was ist mit dem Mann hier?« Sie zeigte auf den Cowboy, der inzwischen wohlig schnarchte. »Ein rapid wirkendes Einschlafmittel wird für einen tiefen, traumlosen Schlaf sorgen«, beantwortete der Butler auch diese Frage, »gesundheitliche Schäden sind mit Sicherheit nicht zu erwarten.« »Schon gut, Kindchen, wir wollen uns jetzt nicht in Einzelheiten verlieren«, unterbrach die ältere Dame das Zwiegespräch, »es gibt wichtigere Dinge zu tun. Ich werde jetzt dieses Banditennest ausheben.« »Ich denke, ich werde die Führung übernehmen«, machte sich Mike Rander bemerkbar, der die Winchester bereits in Händen hielt. Bevor Lady Agatha wirksam protestieren konnte, setzte er sich bereits in Bewegung und eilte durch den Korridor zur schmalen, steilen Treppe. Lady Agatha folgte mit einiger Verspätung und ließ ihren perlenbestickten Pompadour kreisen. Sie freute sich bereits darauf, ihren sogenannten Glücksbringer einsetzen zu können. Sie dachte in diesem Zusammenhang an den selbsternannten Sheriff und an Richter Amshurst, wie er sich nannte. Sie hatte die feste Absicht, den beiden Subjekten den Glücksbringer um die Ohren zu schlagen. Josuah Parker folgte gemessen und würdevoll wie stets. Von unnötiger Hast hielt er überhaupt nichts. Seiner Ansicht nach
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beschleunigten oder verlangsamten die Dinge sich aus ihrer eigenen Natur heraus. Durch menschliches Zutun war da nichts zu beeinflussen. Kathy Porter überholte ihn und blieb dicht hinter der Lady, die mit ihrer Fülle den schmalen Korridor sperrte. Wenig später – Mike Rander war bereits auf der Treppe – fielen die ersten Schüsse. Rander schien Kontakt mit den Westmännern aufgenommen zu haben… * »Ich begreife das alles nicht«, sagte Bürgermeister Harry Catford und schaute sich neugierig im Gerichtssaal um. Er zählte etwa fünfundvierzig Jahre, war groß, schlank und hatte schwarzes Haar. Catford war ein gutaussehender Mann, selbstsicher und liebenswürdig. Jetzt aber runzelte er die Stirn und holte tief Luft. »Ich stehe vor einem Rätsel«, meinte er zu Lady Agatha, »diesen Saal habe ich vorher noch nie gesehen. Ich denke, daß auch Sheriff Goole überrascht sein wird.« »Ist Ihnen möglicherweise bekannt, Mr. Catford, wem dieses Farmhaus gehört?« erkundigte sich Butler Parker in seiner höflichen Art. »Ich nehme an, daß Norman Tooting das ist«, erwiderte Bürgermeister Catford, »ihm gehört doch alles hier.« »Wer ist Norman Tooting?« fuhr die ältere Dame dazwischen. »Der Unternehmer, der den Freunden des Wilden Westens das Grundstück verkauft hat, auf dem die Western-Stadt steht«, gab Parker Auskunft. »Richtig«, bestätigte Agatha Simpson, »ich wollte es nur noch mal hören. Und wo finde ich diesen Norman Tooting, junger Mann?« »Er wohnt in einem Landsitz jenseits des Waldstücks, Mylady«, antwortete Bürgermeister Catford, »aber ohne vorherige Anmeldung werden Sie ihn kaum erreichen. Er lebt ziemlich zurückgezogen.« »Er wird sich hüten, mich nicht zu empfangen«, versicherte Lady Agatha. »Mr. Parker, informieren Sie diesen Mann und teilen Sie ihm mit, wann ich ihn zu sehen wünsche.«
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»Sehr wohl, Mylady.« Parker verbeugte sich andeutungsweise. »Im Augenblick dürfte Bürgermeister Catford sich vielleicht für die Zelle im Keller des Hauses interessieren.« »Natürlich, natürlich.« Harry Catford ließ sich von Parker über die steile, schmale Treppe nach unten führen, blieb beeindruckt vor der Tür stehen und untersuchte anschließend die durchgeschweißten Türangeln. »Wie haben Sie denn das geschafft?« wollte er dann wissen. »Ein glücklicher Umstand war meiner Wenigkeit behilflich«, antwortete Josuah Parker ausweichend, »könnte man ein wenig mehr über den eben erwähnten Mr. Norman Tooting erfahren, Sir?« »Ich habe ihn nur einige Male gesehen«, sagte Bürgermeister Catford achselzuckend, »ich weiß, daß auch er ein Western-Fan ist, sonst hätte er uns das Tal sicher nicht verkauft. Tooting ist ein scheuer Mensch, möchte ich annehmen. Er redete so gut wie gar nichts, als wir ihn sahen.« »Bei welcher Gelegenheit hatten Sie den Vorzug, Mr. Tooting zu begegnen, Sir?« »Bei der Einweihung der Western-Stadt. Und danach vielleicht noch zweimal, aber legen Sie mich da nicht fest.« »Man bezeichnet Mr. Tooting als einen Unternehmer, Sir?« »Er ist Bauunternehmer, um genau zu sein. Aber was er im einzelnen treibt, kann ich wirklich nicht sagen. Ich habe gehört, daß der Siedlungsbau eine große Nummer sein soll.« »Und aufweiche Art, Sir, verdienen Sie Ihr Geld, wenn man höflich fragen darf?« »Ich verstehe Ihre Frage nicht, Mr. Parker.« »Sie sind, wenn man so sagen darf, ein Freizeit-Sheriff, oder sieht meine Wenigkeit das falsch?« »Ich werde von den Bewohnern unserer Western-Stadt bezahlt«, lautete die erstaunliche Antwort, »sie gehen ja alle einer echten Beschäftigung nach und verkaufen an die Besucher. Sehen Sie, Mr. Parker, wir alle verbinden Hobby mit Beruf. Sie haben übrigens großes Glück gehabt, was diese Zelle betrifft.« »Im Augenblick vermag meine Wenigkeit Ihren Worten nicht zu folgen.« »Wie wären Sie rausgekommen, wenn man die Tür bewacht hätte?« »Eine Frage, die man nur als gut bezeichnen kann«, entgegnete
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Josuah Parker, beließ es bei der Feststellung und begab sich zurück zur Treppe. »Es hat eine Schießerei gegeben, nicht wahr?« fragte Bürgermeister Catford, als man wieder oben im Haus war. Lady Agatha, Kathy Porter und Mike Rander hatten den Saal verlassen und befanden sich vor dem Haus. »Man versuchte, Mr. Rander zu töten«, antwortete Parker, »an solch einer Absicht kann überhaupt nicht gezweifelt werden, Sir.« »Und weiter?« drängte der Bürgermeister. »Mr. Rander schoß verständlicherweise zurück«, berichtete der Butler gemessen weiter, »er geht davon aus, daß er in zwei Fällen getroffen haben muß.« »Und wo sind die Verletzten?« Harry Catford zeigte großes Interesse. »Die Cowboys samt Sheriff und Richter konnten das sprichwörtliche Weite suchen«, gab Parker Auskunft. »Wen suchten sie?« Bürgermeister Catford hatte nicht recht verstanden. »Die erwähnten Personen ergriffen die Flucht, Sir, und konnten unerkannt entkommen«, übersetzte Parker, »was dieses >unerkannt< betrifft, so bezieht sich dies nur auf die Namen der Cowboys. Sie werden sicher Verständnis dafür aufbringen, daß meine Wenigkeit aus Gründen der Ermittlung auf weitere Hinweise verzichten muß.« »Klar, das verstehe ich«, sagte Catford, »aber Sie glauben, daß Sie diese Kerle wiedererkennen würden?« »Möglicherweise und unter gewissen Umständen«, antwortete der Butler, »aber dieser Hinweis, Sir, sollte vertraulich behandelt werden.« »Auf mich können Sie sich verlassen, Mr. Parker.« Bürgermeister Harry Catford nickte nachdrücklich. * »Nun, Mr. Parker, welchen Eindruck habe ich von diesem Bürgermeister?« wollte die Detektivin in Erfahrung bringen. Sie blickte der kleinen vierrädrigen Kutsche nach, die Harry Catford benutzte und in der er zur Western-Stadt zurückfuhr. »Mylady wollen sich noch nicht festlegen«, meinte Josuah
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Parker, »Mylady können einen gewissen Verdacht allerdings nicht verhehlen.« »Das will ich meinen.« Die ältere Dame nickte. »Natürlich hat er diese Farm erkannt. Was denken Sie, Mike? Kathy ich möchte auch Ihre Ansicht hören.« »Falls dieser Bürgermeister etwas mit den Kriminellen zu tun hat, Mylady, wird er wissen, daß sich einer der Cowboys in Myladys Hand befindet«, sagte Kathy Porter. »Genau«, warf Mike Rander ein, »aber so oder so, Mylady, wir dürften bald Ärger bekommen. Man wird uns diesen Kronzeugen wieder abjagen wollen.« »Hoffentlich«, sagte Agatha Simpson, »aber das wird mich nicht daran hindern, dieses Subjekt zu verhören. Wann wird es vernehmungsfähig sein, Mr. Parker?« »Innerhalb der nächsten zehn Minuten, Mylady«, erwiderte Josuah Parker. Er stand zusammen mit Lady Agatha, Kathy und Mike auf dem Hof der Farm, die einen abbruchreifen Eindruck machte. Das eigentliche Farmhaus zeigte nur noch Teile eines Daches, das obere Stockwerk war nicht mehr bewohnbar. Die angrenzenden Ställe waren stellenweise bereits eingerissen worden, die Scheune war bis auf das Dach ausgeschlachtet worden und bestand nur noch aus Stützbalken. Unter dem Farmhaus befanden sich die Kellerräume und jene Zelle, in der man das Quartett aus London festgehalten hatte. Der Gerichtssaal war erst vor kurzer Zeit errichtet worden, wie Parker inzwischen festgestellt hatte. Dazu hatte man zwei größere Räume im Erdgeschoß des Farmhauses miteinander verbunden. Die Wände des Saals bestanden aus rohen, ungehobelten Brettern, die Fenster waren zugemauert worden, um dann von innen verschalt zu werden. Mike Rander war dem Butler gefolgt, der sich gerade diesen eigenartigen Gerichtssaal noch mal ansah. »Ausgeschlossen, daß er für uns gebaut wurde«, meinte der Anwalt. »Wenn Sie erlauben, Sir, möchte ich mich dieser Auffassung durchaus anschließen«, antwortete der Butler, »möglicherweise plante man hier eine ganze Serie von sogenannten Gerichtsverhandlungen.« »Wir werden an diesem Bauunternehmer Tooting nicht vorbeikommen«, äußerte Mike Rander, »es wird höchste Zeit, daß
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wir uns diesen Knaben mal aus der Nähe ansehen. Sagen Sie, wie reagierte denn dieser Bürgermeister, als Sie in der Western-Stadt antrabten?« »Mr. Harry Catford war nicht in der Lage, sein übergroßes Erstaunen zu zähmen, Sir. Nach Hinweisen, die meine Wenigkeit ihm lieferte, kam er sofort mit.« »Ohne seinen Sheriff zu verständigen?« wunderte sich der Anwalt. »Sheriff Lester Goole, Sir, wie sein Name lautet, befand sich angeblich nicht in der Western-Stadt. Meine Wenigkeit schlug dem Bürgermeister vor, ein Aufgebot um sich zu versammeln, Freiwillige, die ihn begleiten, doch Mr. Catford hielt dies für nicht nötig.« »Wahrscheinlich hat dieser Bursche Dreck am Stecken«, sagte Mike Rander und lächelte ironisch, »kaum zu glauben, daß man in der Western-Stadt nichts von den Aktivitäten hier auf der Farm gewußt haben will.« »Sie ist immerhin sorgfältig verdrahtet und eingezäunt, Sir.« »Dennoch, Parker! Es muß doch auffallen, wenn hier Leute mit Hammer und Säge arbeiten. Das alles sieht nach Nebeneinkünften für einige Typen aus, die da drüben in der FanStadt wohnen.« Die beiden Männer verließen den provisorischen Gerichtssaal und gingen wieder ins Freie. Lady Agatha und Kathy Porter kamen gerade aus den Stallgebäuden. »Ich habe noch mal nach Spuren gesucht«, sagte die ältere Dame, »sicher ist sicher, Mr. Parker! Ich weiß schließlich, wie leichtsinnig Sie sein können.« »Wurden Mylady fündig, wenn dieser saloppe Ausdruck erlaubt ist?« »Noch nicht«, gab Agatha Simpson zurück, »ich habe jetzt andere Sorgen. Schaffen Sie diesen Langschläfer herbei, ich möchte mit meinem Verhör beginnen. Und gnade ihm Gott, wenn dieses Subjekt glaubt, mich belügen zu können!« * »Sie können sich völlig frei entscheiden«, schickte die Lady fast liebenswürdig voraus, »entweder beantworten Sie meine Fragen,
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junger Mann, oder aber Sie werden mit einigen Ohrfeigen rechnen müssen.« Der Cowboy aus dem Korridor des Kellers wirkte zwar noch ein wenig schläfrig und benommen, doch er hatte gut verstanden, was die ältere Dame ihm gerade gesagt hatte. Er blickte auf ihre Hände, die alles andere als klein waren. Butler Parker hatte den Cowboy aus dem Obergeschoß des Farmhauses geholt, wo er ihn untergebracht hatte. Der Cowboy blickte nervös die einzelnen Mitglieder dieses Quartetts aus London an und nagte dann ausgiebig an seiner Unterlippe. »Haben Sie sich entschieden junger Mann?« fragte Agatha Simpson. »Ich weiß doch von nichts«, gab er zurück, »und überhaupt, wieso komm’ ich dazu, fremden Leuten zu antworten, ich habe…« Er röhrte betroffen, als Lady Agatha ihre rechte Innenhand auf seine Wange legte. Dann kippte er mit einiger Verspätung zur Seite und fiel gegen die Wand des Farmhauses. »Das geschah aus medizinischen Gründen«, sagte die ältere Dame freundlich zu dem Getroffenen, »ich habe den Eindruck, daß Ihr Kreislauf in sich zusammengebrochen ist.« »Aufhören, aufhören«, keuchte der Cowboy, dem die Tränen in die Augen traten, »hören Sie bloß auf, Lady! Sie reißen mir ja glatt den Kopf ab.« »Papperlapapp, junger Mann!« Agatha Simpson lächelte kühl. »Das war ja erst ein Vorgeschmack. Also, wollen Sie jetzt antworten? Wer ist der Sheriff, und wo finde ich ihn? Und wo kann ich mir diesen Richter kaufen?« »Ich hab’ wirklich keine Ahnung«, sagte der Cowboy und starrte Agatha Simpson furchtsam an, »die beiden hab’ ich erst vor einigen Tagen gesehen.« »Wo, junger Mann, wo?« lautete die nächste Frage der Lady. »Hier in Addins.« Der Mann zeigte ins Gelände. »Einige Freunde und ich sind angeheuert worden. Un’ da drüben in Addins haben wir uns dann mit dem Sheriff und dem Richter besprochen.« »Worüber haben Sie gesprochen?« »Über den Job hier«, redete der Cowboy weiter, »wir sollten als Cowboys arbeiten.« »Sie können reiten?« wunderte sich Agatha Simpson. »Klar doch, Lady«, meinte der Cowboy eifrig, »meine Freunde und ich haben ja in Rennställen und auf Rennplätzen gearbeitet.
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Im Inserat stand ja, daß man mit Pferden umgehen muß.« »Seit wann arbeiten Sie für den Sheriff und den Richter?« »Seit einer Woche. Wirklich, das is’ die Wahrheit.« »Und wo wohnen Sie?« »Da drüben in der Western-Stadt. Wir sind in ‘ner Pension untergebracht, und unsere Gäule stehen im Mietstall.« »Mr. Parker, was sage ich dazu?« Agatha Simpson wirkte ein wenig ratlos. Diese präzisen Angaben schienen ihr überhaupt nicht zu gefallen. Sie maß den Cowboy mit drohendem Blick und trat einen Schritt zurück. »Sie waren an dem nächtlichen Überfall auf Mylady und meine Person beteiligt«, schickte Parker wie selbstverständlich voraus. »Sie und einige andere Cowboys wurden eindeutig erkannt. Doch darauf kommt es Mylady nicht an. Mylady möchte nur wissen, wie Sie und Ihre Freunde auf die scharfen Schüsse reagierten, die eindeutig abgefeuert wurden.« »Das hat später einen Riesenkrach gegeben«, antwortete der Cowboy eifrig, »von scharfen Schüssen war nämlich vorher nie die Rede. Mein Wort darauf! Wir sind hierher zur Farm geritten und haben dann auf den Tisch gehauen.« »Mit welchem Ergebnis?« stellte Mike Rander seine nächste Frage. »Na ja, der Sheriff und der Richter haben von ‘nem Versehen gesprochen«, gab der Cowboy zurück, »und dann schafften sie den Mann ja auch zu ‘nem Arzt. Besonders viel war nicht passiert.« »Ihr Zeuge, Mr. Parker«, sagte Mike Rander und deutete eine Verbeugung in Richtung Josuah Parker an. Er bediente sich einer Redewendung, wie sie im Gerichtssaal üblich ist. »Nur noch einige wenige Fragen«, schickte der Butler voraus, »sie sollen nur dazu dienen, das Bild ein wenig abzurunden. Wie erklärte man Ihnen Ihren nächtlichen Einsatz, als Sie Mylady und meine Wenigkeit auf der nächtlichen Straße stoppten?« »Der Richter hat gesagt, wir müßten für die Besucher ‘ne Show abziehen und als Sheriffs auftreten«, erwiderte der Cowboy, »wir alle bekamen einen Stern. Na ja, uns kam’s ziemlich blöd vor, aber wir haben natürlich mitgemacht, weil nicht schlecht gezahlt wurde.« »Wer leitete die diversen Einsätze?« fragte Parker weiter, »wer erteilte die Befehle? Der Sheriff oder der Richter?«
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»Der Richter«, lautete die Antwort, »ganz klar, es war der Richter!« »Der wie heißt?« »Amshurst«, sagte der Cowboy, »und der Sheriff nennt sich Ron Lavers. Ob das aber die richtigen Namen sind, weiß ich nicht.« »Man hat mich nach Strich und Faden belogen, nicht wahr?« Agatha Simpson trat wieder näher und lächelte den Cowboy gefährlich freundlich an. »Ich glaube kaum«, schaltete Mike Rander sich ein. »Was sagen Sie, Mr. Parker?« »Man müßte vielleicht noch die Frage anfügen, Sir, wo man Sheriff Lavers und Richter Amshurst finden kann«, antwortete der Butler, der sich, während er sprach, zu dem Cowboy umdrehte. »Die wohnen in der Fan-Stadt«, gab der Cowboy zurück, »ich weiß genau, daß die im Hotel ihre Zimmer haben. Das kann ich beschwören.« »Mylady erlaubt Ihnen, sich zu entfernen«, sagte Parker zu dem Mann, der vor Glück und Freude fast schluchzte. »Was erlaube ich?« fragte die Detektivin entrüstet. »Mylady wollen nicht weiter insistieren«, erwiderte Josuah Parker, »Mylady wollen sich von allem Ballast befreien, um wieder freie Hand zu haben.« »Das ist allerdings richtig«, sagte sie nachdenklich und blickte den Cowboy scharf an, »verschwinden Sie, Sie Lümmel, bevor ich es mir noch anders überlege! Und richten Sie dem Richter und diesem Sheriff aus, daß ich ihnen auf den Fersen bleibe!« Der Cowboy nickte hastig und setzte sich ab. Je weiter er sich von Lady Agatha entfernte, desto schneller wurde er. Schließlich rannte er auf das nächste Gatter zu und entwickelte dabei sportlichen Ehrgeiz. Es dauerte nur wenige Minuten, bis er in einer Bodensenke verschwand. »Hoffentlich habe ich jetzt keinen Fehler begangen«, dachte Lady Agatha laut nach und sah den Butler an. »Sie wissen doch, daß Sie mich überrumpelt haben, nicht wahr?« »Mylady hätten keine weisere Entscheidung treffen können«, sagte Josuah Parker. »Mylady können nun tatsächlich ohne jegliche Behinderung weiter an diesem mysteriösen Fall arbeiten.« »Das ist richtig.« Sie nickte wohlwollend. »Ich hatte tatsächlich vor, dieses Subjekt in die Western-Stadt zurückzuschicken. Was
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soll ich mit solchen Statisten? Ich brauche die wirklichen Drahtzieher! Mr. Parker, sorgen Sie dafür, daß ich sie so schnell wie möglich finde.« * Norman Tootings Landsitz glich einer Festung. Auf der Krone einer fast zwei Meter hohen Steinmauer war Stacheldraht befestigt, über den üppiges Grün wucherte. Das Tor zum Wohnhaus, das man inmitten eines kleinen Waldstücks nur erahnen konnte, bestand aus starken Eisenstäben. Hinter dem Tor tummelten sich einige Doggen, die einen aggressiven Eindruck machten und nur darauf warteten, sich mit ungebetenen Eindringlingen beschäftigen zu können. Josuah Parker saß am Steuer seines hochbeinigen Monstrums und wandte sich erwartungsvoll zu Lady Agatha um, die im Fond des Wagens saß. Es war inzwischen fast Abend geworden, die Sonne stand bereits tief. Nach den Ereignissen auf der verlassenen Farm war das Quartett zum Urlaubshotel zurückgefahren und hatte sich hier erfrischt. Nun wollte die ältere Dame unbedingt den Besitzer der verlassenen Farm sprechen und sich einen Eindruck von ihm verschaffen. »Haben Sie mich angemeldet, Mr. Parker?« fragte Agatha Simpson. »Vor etwa anderthalb Stunden, Mylady«, versicherte Josuah Parker. »Mylady sind durchaus in der Zeit.« »Will man mich etwa warten lassen?« entrüstete sie sich. »Es gibt eine Torsprechanlage, Mylady.« Parker stieg aus und begab sich zum rechten Torpfosten, drückte auf den Klingelknopf und hörte unmittelbar darauf ein Knacken im Lautsprecher der Wechselsprechanlage. »Lady Simpson«, kündigte der Butler an. »Einen Moment«, kam die Antwort, »das Tor wird sofort geöffnet. Fahren Sie langsam bis zum Haus, aber steigen Sie unterwegs nicht aus. Mr. Tooting könnte sonst für nichts haften.« Parker bestätigte das, was er gehört hatte, setzte sich wieder ans Steuer und beobachtete dann, wie das schwere Tor elektrisch geöffnet wurde. Die beiden Flügel schwangen fast geräuschlos auf, und die vier Doggen, die zurückgelaufen waren, nahmen auf
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dem Kiesweg erwartungsvoll Platz. Als Parker sein hochbeiniges Monstrum in Bewegung setzte, standen die Hunde fast widerwillig auf und schafften Platz für die Durchfahrt. »Dieser Tooting scheint ja ein superängstlicher Mensch zu sein«, urteilte die Detektivin abfällig. »Oder nur sehr vorsichtig, Mylady«, gab Josuah Parker zurück. »Ängstlich«, sagte sie erneut, »ich weiß, was ich sage! Hören Sie, Mr. Parker, diese Doggen gefallen mir aber überhaupt nicht!« »Es handelt sich um ausgesuchte Exemplare, Mylady.« »So empfängt man keine Besucher oder Gäste«, entrüstete sich die ältere Dame weiter, »ich werde diesem Mr. Tooting einiges dazu sagen, darauf können Sie sich verlassen. Und ich werde… du lieber Himmel, was ist denn das?« Parker stoppte sein hochbeiniges Monstrum und blickte auf den seltsamen Reiter, der auf einem riesigen Pferd saß. Dieser Reiter war eindeutig ein Liliputaner, dessen Gesicht ungewöhnlich gutgeschnitten und harmonisch aussah. Der Reiter trug eine schwarze Cowboykleidung, weiße Stiefel und einen Waffengurt, der mit Silbernägeln beschlagen war. Der Mann lenkte sein Pferd hinüber zum Kiesweg und parierte es hier. Dann hob der Reiter grüßend und durchaus lässig die Hand. Parker hielt selbstverständlich und öffnete die Wagentür. Plötzlich waren die vier Doggen da und bildeten einen Halbkreis. Parker ignorierte die Hunde und deutete in Richtung Reiter eine knappe Verbeugung an. Dazu lüftete er die schwarze Melone. »Haben Mylady die Ehre mit Mr. Norman Tooting?« fragte der Butler. »Mann, gehen Sie zurück in den Wagen! Die Hunde!« Die Stimme des zwergenhaften kleinen Reiters klang besorgt. »Meine Wenigkeit geht davon aus, daß die Tiere Ihnen bedingungslos gehorchen«, erwiderte Parker. »Sie sind Mr. Tooting?« »Norman Tooting.« Der Reiter nickte und lächelte. »Sie haben keine Angst vor Tieren, wie?« »Mr. Tooting?« Lady Agatha war aus dem Wagen gestiegen und näherte sich dem kleinen Reiter. Auch sie schien die Doggen nicht zu sehen. Eines der vier Tiere musterte die majestätische Fülle der älteren Dame ganz besonders und näherte sich vorsichtig Agatha Simpson. Dabei stieß der Hund ein heiseres Knurren aus. »Vorsicht, bitte!« rief der Reiter hastig. »King, zurück! Sofort
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zurück! King! Zurück!« Die Dogge, die King hieß, überhörte den Befehl und näherte sich Lady Agatha bis auf einen halben Meter. Das Tier zeigte blutunterlaufene Augen und dann einen mächtigen Fang. Das Knurren wurde noch eindringlicher und furchterregender. Lady Agathas Pompadour geriet in leichte Schwingung, und die Dogge ließ sich sofort ablenken. Sie musterte den perlenbestickten Handbeutel und schnappte lustvoll zu. Eine Sekunde später röchelte das Tier dann allerdings und löste den herzhaften Biß. Die Dogge setzte sich auf die Hinterläufe und fuhr sich mit dem linken Vorderlauf über die schmerzende Schnauze. Die Fangzähne hatten einen innigen Kontakt mit dem Glücksbringer hergestellt und in das Pferdehufeisen gebissen. Dabei war es eindeutig zu Zahnschmerzen gekommen, wie sich zeigte. Die Dogge winselte, maß Lady Agatha mit scheuem Blick und trollte sich. Die drei anderen Tiere folgten, zogen aber dabei ihre Schwänze ein. Der kleine Reiter im Spezialsattel lachte herzlich und schallend, glitt behend vom Tier und kam dann auf Lady Simpson und Josuah Parker zu. Der Mann war höchstens hundertzwanzig Zentimeter groß. »Sie gefallen mir«, sagte er und reichte Lady Agatha seine kleine, feine Hand, »herzlich willkommen!« »Ich denke, daß auch Sie mir gefallen«, erwiderte die ältere Dame ungewöhnlich freundlich, »aber genau wird sich das erst noch zeigen.« »Mr. Parker, nicht wahr?« Norman Tooting blickte den Butler an. »Parker mein Name, Josuah Parker«, stellte er sich vor. »Sie verfügen über ein ungewöhnliches Anwesen, Sir.« »Ich hasse neugierige Menschen, aber das wird Sie ja wohl kaum wundern«, antwortete Norman Tooting, »ich weiche ziemlich stark von der Norm ab, nicht wahr?« »Ich hasse unnötige Höflichkeiten«, ließ die ältere Dame sich vernehmen, »aber was ist schon die Norm, junger Mann? Wer bestimmt sie? Sie sind ein Liebhaber der kolonialen Lebensweise?« »Wie war das, Lady Simpson?« Norman Tooting lächelte. »Ich meine damit die Abtrünnigen in der Kolonie«, erwiderte die Detektivin grollend, »ein dunkles Kapitel in Englands Geschichte.
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Man hätte diesen Aufständischen damals nach der Bostoner Teaparty Manieren beibringen müssen.« »Sie sind nachtragend, Mylady«, sagte Norman Tooting ironisch, »aber was mich betrifft, so haben Sie durchaus recht: Ich liebe den Westen der USA. Sehen Sie mich an, ich versuche, die Zeit zurückzudrehen.« »Sind das echte Waffen?« fragte die ältere Dame ungeniert und deutete auf die beiden Colts, die mit Sicherheit eine Spezialanfertigung waren. Sie waren klein und paßten in die zierlichen Hände des Reiters. »Sehen Sie den Tannenzapfen dort am Ast?« fragte Norman Tooting. »Den treffen Sie nie, junger Mann, machen Sie sich nichts vor!« Norman Tooting traf! Er riß blitzschnell die Colts aus den Halftern und fetzte den Tannenzapfen vom Ast. Dann waren die beiden Waffen auch schon wieder in den Halftern, als wäre nichts geschehen. »Recht nett«, sagte die Lady, die sich grundsätzlich nicht beeindrucken ließ, »eine gewisse Begabung kann man Ihnen nicht absprechen.« Norman Tooting lächelte höflich. * »Ich habe dieses ganze Bauimperium von meinem Vater geerbt«, sagte Norman Tooting eine Viertelstunde später. Er stand am Tresen eines Western-Saloons und befand sich, was sein Gesicht betraf, in gleicher Höhe mit seinen beiden Gästen. Josuah Parker und Lady Agatha Simpson standen in einer durchlaufenden Vertiefung vor diesem Tresen, Tooting hingegen befand sich auf normalem Bodenniveau. Jetzt wirkte er normal, was die Maßstäbe betraf, seine Gäste aber schienen geschrumpft zu sein. »Ein Bauimperium?« fragte Agatha Simpson, die ein Glas in der Hand hielt und ihren Kreislauf stärkte. »Meine Firmen finden Sie überall auf der Welt«, antwortete Norman Tooting, »meinen Namen aber werden Sie mit Sicherheit nicht finden können. Dieses Imperium ist sehr geschickt verschachtelt und trägt die klangvollen Namen jener Firmen, die
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ich im Lauf der Zeit aufgekauft habe.« »Sie leiten dieses Imperium hier von Ihrem Landsitz aus, Sir?« erkundigte sich der Butler höflich. »Hier ist die Schaltzentrale, Mr. Parker«, bestätigte Norman Tooting, »mein Kommunikationssystem ist Weltweit. Ich kann innerhalb weniger Minuten mit jeder meiner Firmen sprechen, wo immer auch ihr Sitz sein mag.« »Sie scheuen die Öffentlichkeit?« fragte Agatha Simpson in ihrer unverblümten Art. »Soll ich mich in der Öffentlichkeit begaffen lassen, Mylady?« fragte Norman Tooting lächelnd, »nicht, daß ich mich schäme, das ist es nicht, aber ich habe einfach keine Lust, bestaunt zu werden. Ich habe mich hierher zurückgezogen und fühle mich wohl.« »Empfinden Sie möglicherweise hin und wieder mal Phasen der Einsamkeit, Sir?« wollte Josuah Parker wissen. »Ich kann mir jeden nur denkbaren Wunsch erfüllen«, meinte Tooting etwas zu schnell und zu nachdrücklich, »mit Geld kann man fast alles haben.« »Auch eine hübsche Western-Stadt, wenn meine Wenigkeit so sagen darf, Sir?« »Auch das.« Norman Tooting lächelte amüsiert. »Diese Leute traten an mich heran, und ich verkaufte ihnen dieses Gelände. Sollen sie doch dort ihre Träume leben. Ich habe Verständnis dafür.« »Sie kennen diese Stadt?« fragte Agatha Simpson. »Ich war einige Male dort, natürlich während der Nacht«, lautete die Antwort, »nun, die Spezialisten von Disney hätten das alles perfekter hingekriegt, aber diese Leute haben das mit ihren eigenen Händen gebaut und sind stolz darauf. Das ist sicher mehr wert als letzte Perfektion.« »In der Stadt tut sich einiges, was nicht ganz sauber ist, Mr. Tooting«, schickte die ältere Dame voraus. »Mr. Parker, liefern Sie die Tatsachen. Ich hoffe, Mr. Tooting, Sie zeigen sich beeindruckt.« »Was immer auch passieren mag, Mylady, ich habe damit nichts zu tun«, warf Norman Tooting gutgelaunt ein, »ich sagte bereits, daß ich diesen Fans nur das Gelände verkauft habe. Das war und ist der einzige Kontakt mit ihnen.« »Mylady wurde vor einigen Stunden von einigen Cowboys
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überfallen«, berichtete Parker, um dann die Einzelheiten aufzuzählen, die Tooting wissen mußte. Der Liliputaner hörte aufmerksam zu. »Kidnapping?« sagte er dann erstaunt, »scharfe Schüsse? Eine obskure Gerichtsverhandlung und Geldstrafen? Glauben Sie, daß die Bewohner der Stadt dafür verantwortlich sind?« »Einige von ihnen bestimmt«, erwiderte die ältere Dame grimmig, »und festgehalten wurde ich auf einer Farm, die Ihnen gehört. Sie befindet sich ganz in der Nähe.« »Ich brauche Ihnen wohl nicht zu versichern, daß ich damit nichts zu tun habe, Mylady«, erwiderte Norman Tooting, »ich will die Dinge gewiß nicht herunterspielen, aber das alles wirkt auf mich wie ein leicht überzogener Gag.« »Mit einem sehr realen Hintergrund, Sir, wenn man so sagen darf«, fügte Josuah Parker hinzu. »Zehntausend Dollar pro Person«, grollte die ältere Dame, »und dann noch die zusätzlichen Geldstrafen! Das ist Gangstertum, Mr. Tooting, von einem überzogenen Gag kann da keine Rede mehr sein.« »Sie haben sich bereits mit der Polizei in Verbindung gesetzt?« »Natürlich nicht«, meinte die Detektivin, »solche Affären erledige ich ohne die Behörden. Sie sind für mich eine Herausforderung. Ich lasse mich grundsätzlich nie nötigen oder beleidigen.« »Rechnen Sie damit, noch mal überfallen zu werden, Mylady?« »Das möchte ich mir ausgebeten haben«, erwiderte die ältere Dame, »ich setze fest darauf.« »Sie können selbstverständlich hier wohnen. Hier sind Sie absolut sicher«, meinte Norman Tooting. »Sie können kommen und gehen, wie immer Sie wollen. Aber wie gesagt, hier wären Sie völlig sicher. Ich möchte den Cowboy sehen, der hier eindringt.« »Sie schätzen das Leben eines Cowboys, Sir?« Parker wechselte das Thema. »Das sieht man doch, oder?« Tooting lächelte amüsiert. »Man sehnt sich wahrscheinlich immer nach dem, was man nicht haben kann. Und ein Leben als Cowboy kann ich mir nun mal nicht kaufen. Die Gründe dürften Ihnen ja inzwischen bekannt sein.« »Sie haben sich nur diesen Westernsaloon nachbauen lassen, Sir?«
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»Andere Leute haben ihre normale Bar im Haus, ich hingegen liebe einen Westernsaloon.« Tooting rutschte von seinem kleinen Hocker, auf den er gestiegen war. »Ich habe auch noch ein echtes Hotelzimmer und sogar ein Sheriffbüro. Möchten Sie das alles sehen?« »Ein Sheriffbüro?« Agatha Simpson runzelte die Stirn. »Mit authentischen Möbeln«, führte Norman Tooting weiter aus, »es war gar nicht leicht, dieses antike Mobiliar zu beschaffen. Einige Spezialisten waren monatelang für mich unterwegs, bis sie alles beisammenhatten. Gerade auf das Sheriffbüro bin ich besonders stolz.« »Ich sollte es mir ansehen«, meinte die ältere Dame, »aber nur, falls ich nicht länger störe.« »Sie stören überhaupt nicht«, versicherte Tooting, »schön, daß Sie gekommen sind. Was halten Sie denn von einem kleinen Poker, Mylady?« »Ich spiele scheußlich schlecht«, behauptete die Detektivin. »Das macht doch nichts«, redete Tooting weiter, »ich habe auch nicht gerade eine glückliche Hand. Nein, vorerst lasse ich Sie einfach nicht weg. Wie wäre es mit einem kleinen Imbiß?« »Überredet, Mr. Tooting«, sagte Lady Agatha spontan, »da kann ich einfach nicht widerstehen. Aber vorher möchte ich mir Ihr Sheriffbüro ansehen. Sie haben mich neugierig gemacht.« »Es ist nicht weit.« Tooting, der die Führung übernahm, durchquerte den Saloon und hielt auf eine Seitentür zu, die sich wie durch Zauberei öffnete, als er sie fast erreicht hatte. Die Tür sprang geräuschlos auf und gab den Ruck frei auf einen Raum, dessen Wände aus nackten Ziegeln bestanden. Unter der Decke baumelte eine Petroleumlampe, die schummriges Licht verbreitete. In einem Kanonenofen brannte Feuer. Die Gittertür zu einem Zellentrakt stand weit offen. Man konnte vom Schreibtisch des Sheriffs aus auf zwei kleine Gitterzellen blicken. »Jeder Ziegel stammt aus New Mexico«, sagte Tooting stolz, »auch die Gitterstäbe! Von den Waffen will ich erst gar nicht reden.« »Ihre Angestellten werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit viel zu tun haben, um dies alles zu pflegen«, vermutete Josuah Parker. »Meine Angestellten haben hier in diesem Trakt überhaupt nichts verloren«, antwortete der kleine Bauunternehmer fast
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barsch, »diese Zone ist tabu für sie. Ich würde jeden feuern, der es wagte, diesen Seitentrakt zu betreten.« »Und wohin führt, wenn man überhaupt fragen darf, diese Tür?« lautete Parkers nächste Frage. Er wies mit der rechten Hand auf eine verrostete Tür aus Eisenblech. »Dahinter liegt der Mietstall«, sagte Tooting abweisend, »aber bitte, nehmen wir einen kleinen Imbiß zu uns. Nein, wirklich, Sie dürfen noch nicht gehen. Am liebsten würde ich Sie hier für immer festhalten.« * »Was dann nicht der Fall war«, sagte Mike Rander einige Stunden später. Er war zusammen mit Kathy Porter in das kleine, von Parker gemietete Landhaus gekommen, das sich neben einem Ferienzentrum befand. Das Haus war nicht sonderlich groß, lag am Rand einer Wiese und hatte vier geräumige Zimmer und eine gut eingerichtete Küche. »Dieser Tooting ist ein interessanter Mensch«, schwärmte die ältere Dame, »ein wunderbar männlich geschnittenes Gesicht auf dem leider nur sehr kleinen Körper. Aber das vergißt man tatsächlich schon nach wenigen Minuten.« »Sie halten Norman Tooting für unschuldig, was die Cowboys betrifft?« »Aber selbstverständlich, mein Junge«, versicherte die Detektivin, »warum und wieso sollte solch ein reicher Mann Wasser- und Weidegeld eintreiben wollen? Lächerlich! Nein, nein, Tooting hat mit meinem Fall überhaupt nichts zu tun. Nicht wahr, Mr. Parker?« »Wie Mylady wünschen.« Der Butler deutete eine knappe Verbeugung an. »Er ist also auch ein Western-Fan«, schaltete Kathy Porter sich ein, »ein erstaunliches Hobby für einen Mann, der ein Firmenimperium leitet.« »Dieser arme Teufel braucht eben etwas für seine Träume«, sagte Agatha Simpson verständnisvoll, »in der Öffentlichkeit will er sich nicht zeigen, was ich verstehen kann, also schafft er sich eine Welt, in der es keine neugierigen und indiskreten Blicke gibt. Mr. Parker, ich hoffe, auch Sie sind dieser Ansicht!«
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»Sehr wohl, Mylady«, antwortete der Butler in seiner höflichen Art. »Es gab ein exquisites Essen«, erinnerte sich die ältere Dame, »Buchweizenpfannekuchen nach Western-Art, dazu Ahorn-Sirup, Steaks und anschließend warmen Apfelkuchen.« »Dieses exquisite Essen wurde wie durch Zauberhand serviert«, berichtete Josuah Parker, »es dauerte nur wenige Augenblicke, bis es auf dem Tisch stand.« »Es gibt also doch Personal«, wunderte sich Kathy Porter. »Nicht direkt, Kindchen«, meinte Lady Agatha, »es wurde in dem Western-Saloon abgestellt. Nein, es stand bereits dort, als wir zurückkehrten. War es nicht so, Mr. Parker?« »In der Tat, Mylady! Möglicherweise war es vorbereitet und wurde per Mikrowelle erhitzt!« »Wie auch immer.« Agatha Simpson wollte sich ihre Illusionen nicht rauben lassen. »Anschließend haben wir gepokert, und ich gewann weit über zweihundert Dollar. Silberdollar, um genau zu sein.« »Tooting wird diesen Verlust sicher verschmerzen«, meinte der Anwalt. »Mogelte er?« »Aber mein Junge!« Sie sah ihn vorwurfsvoll an. »Das hätte ich doch sofort gemerkt und entsprechend geantwortet. Nein, auch ich habe mich an die Spielregeln gehalten. Oder sagen wir mal, fast! Ich möchte mir ja nicht nachsagen lassen, daß ich geschummelt hätte. Oder hat man etwas davon gemerkt, Mr. Parker?« »Kaum, Mylady«, entgegnete Parker, »und falls Mr. Tooting dennoch etwas gemerkt haben sollte, übersah er dies souverän.« »Was, bitte, hätte er denn bemerken können?« Die Lady sah ihren Butler fast kriegerisch an. »Beim Austeilen der Karten zogen Mylady die Blätter stets ein wenig über die Lorgnette ab«, gab Parker zurück, »die Karten werte müßten meiner bescheidenen Ansicht nach im Glas der erwähnten Lorgnette zu sehen gewesen sein.« »Unsinn, Mr. Parker«, sagte sie, »das war reiner Zufall. Sie glauben doch wohl nicht, daß ich das absichtlich getan habe, oder?« »Solch eine Unterstellung, Mylady, würde nie über meine bescheidenen Lippen kommen«, entgegnete Josuah Parker. Er blieb höflich wie stets.
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»Ich bin sehr enttäuscht, Mr. Parker«, bekannte Agatha Simpson am anderen Morgen, als sie sich am Frühstückstisch einfand, »wo blieben die Cowboys? Warum hat man nicht versucht, mich anzugreifen?« »Der Tag ist noch lang, Mylady, wenn meine Wenigkeit sich solch einer an sich banalen Hinweis erlauben darf.« »Sie rechnen mit einem Angriff?« Sie blickte ihn hoffnungsfroh an und nahm am reich gedeckten Tisch Platz. Parker servierte das obligate Rührei mit Speck, gebackene Nieren, etwas Lachs und dazu einige Brotsorten mit gesalzener Butter. Dazu versorgte er seine Herrin mit einem starken Kaffee. Er hatte alles in einer Kühlbox mitgebracht, um für den ersten Tag von Einkäufen unabhängig zu sein. Um Kathy Porter und Mike Rander brauchte er sich nicht zu kümmern. Sie hatten ihre Zimmer im Urlaubshotel. »Ich habe selbstverständlich kaum ein Auge zugetan, Mr. Parker«, behauptete Lady Agatha, während sie kräftig zulangte, »ich habe ununterbrochen an diesen Liliputaner gedacht.« Sie hatte sogar fest geschlafen, wie der Butler gehört hatte. Ihre Schnarchtöne konnte man kaum ignorieren, doch Parker verzichtete aus guten Gründen auf eine Richtigstellung. »Mylady kamen zu einem Ergebnis dieses Denkprozesses?« fragte er. »Dieser Liliputaner ist ein bemerkenswerter Mensch, Mr. Parker.« »Eine Feststellung, der nichts hinzuzufügen wäre, Mylady.« »Ein Mensch, der sehr einsam sein dürfte.« »Dem kann man auf keinen Fall widersprechen.« »Vielleicht werde ich seine Einladung annehmen.« »Myladys Bewegungsfreiheit würden dadurch allerdings eingeschränkt.« »Ich kann doch kommen und gehen, wie ich will.« »Aber Mr. Tooting wüßte in jedem Fall, was Mylady zu unternehmen gedenken.« »Sie halten Mr. Tooting für verdächtig?« Sie sah ihren Butler entrüstet an. »Meine Wenigkeit möchte Mr. Tooting auf keinen Fall aus dem Kreis der verdächtigen Personen entlassen, Mylady.« »Was reden Sie sich da nur wieder ein?« Sie schüttelte den Kopf. »Sie sind ein schlechter Psychologe, Mr. Parker.«
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»Jeder muß mit seinen Fehlern leben und sich zu ihnen bekennen«, schickte Josuah Parker voraus, »aber da Mr. Tooting sehr allein lebt, könnte er auf den Gedanken gekommen sein, seine Traumwelt mit realen Menschen anzureichern.« »Wie war das?« Sie blickte etwas irritiert. »Mr. Tooting reitet als Cowboy und Sheriff hinter den Mauern seines Parks, Mylady«, meinte Parker, »es dürfte ihm aber an Gegenspielern fehlen, die sein Können herausfordern.« »Reden Sie nur weiter, ich höre genau zu.« »Mr. Tooting könnte auf den Gedanken gekommen sein, sich seine Gegenspieler zu verschaffen, Mylady.« »Daran denke ich schon die ganze Zeit«, behauptete sie umgehend. »Man weiß nicht, was sich in jenen Räumen des Seitentraktes abspielt, die Mr. Tooting uns nicht zeigte.« »Man sollte keinem Menschen trauen.« Sie nickte nachdrücklich. »Und mein Mißtrauen ist stets wach, Mr Parker.« »Mylady wäre für Mr. Tooting eine Gegenspielerin, an der seine Phantasie sich entzünden kann.« »Das möchte ich mir aber auch ausgebeten haben.« Sie machte einen durchaus erfreuten Eindruck und erhob sich. »Ich spürte ja gleich, daß dieser Mann doppelbödig ist, Mr. Parker. Und das im Gegensatz zu Ihnen…« »Mylady sind eben doch die bessere Psychologin«, meinte Josuah Parker, ohne eine Miene zu verziehen. »Ich weiß.« Sie lächelte wohlwollend. »Ich werde mich also noch einmal einladen lassen, Mr. Parker. Dann wird man ja sehen. Ich scheue keine Herausforderung. Aber vorher möchte ich noch einiges unternehmen. Wozu hatte ich mich noch entschlossen?« »Mylady hatten vor, der Western-Stadt einen weiteren Besuch abzustatten.« »Richtig, Mr. Parker. Aber ich denke, ich werde diesmal den Wagen nehmen. Ich habe keine Lust, die schrecklichen Pferde hier zuzureiten. In einer halben Stunde könnte ich fahren.« Sie nickte hoheitsvoll und begab sich zurück in ihr Zimmer, um sich ausgehfertig zu machen. Parker räumte den Tisch ab und setzte sich dann mit Kathy Porter und Mike Rander in Verbindung. Er rief im Hotel an. »Was liegt denn für heute an, Parker?« erkundigte sich der
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Anwalt. »Mylady gedenkt, die Western-Stadt mit ihrem Besuch zu beehren«, antwortete Josuah Parker. »Mylady befindet sich auf einer sogenannten heißen Spur, die das Geheimnis der CowboyGangster aufdecken wird.« »Dann werden wir uns ja in der Fan-Stadt treffen«, meinte der Anwalt. »Miß Porter und ich werden ebenfalls dort sein. Sie können uns dann ja sagen, was Sie inzwischen herausgefunden haben.« Nach dem Austausch einiger Höflichkeiten legte Josuah Parker auf, um sofort wieder abzuheben, als das Telefon unmittelbar darauf läutete. »Hier spricht der Sheriff«, sagte eine nasal-schleppende Stimme, die dem Butler nur zu bekannt war. »Sie sind ganz schön munter, Parker, mein Kompliment. Aber langsam stören Sie mich. Ich habe beschlossen, Sie und diese Lady aus dem Verkehr zu ziehen, falls Sie nicht umgehend abhauen und nach London zurückkehren.« »Sie verzichten auf Ihre erhobenen Geldforderungen?« fragte Josuah Parker. »Wie kommen Sie denn darauf?« Der selbsternannte Sheriff am anderen Ende der Leitung lachte spöttisch. »Pro Person fünfzigtausend Dollar, und zwar bis Mittag. Danach können Sie unbehelligt abziehen. Einzelheiten werden Sie noch rechtzeitig erfahren. Ab sofort werden Sie von meinem Aufgebot beobachtet. Noch mal wird es Ihnen nicht gelingen, mir mit einem Trick zu kommen. Ich bin gewarnt.« * »Warum haben Sie diesen Cowboy nicht mitgebracht?« fragte Bürgermeister Catford vorwurfsvoll, »wir haben, hier keinen Richter Amshurst, wie dieser Mann behauptet.« »Und auch keinen Sheriff, der sich Ron Lavers nennt«, schaltete Sheriff Lester Goole sich ein. Der untersetzte, breitschultrige Mann schüttelte den Kopf, »diesen Namen habe ich noch nie gehört.« »Mylady wußte sofort, daß hier Personen agieren, die mit Ihrer Stadt nichts zu tun haben«, erwiderte Josuah Parker.
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»Vom ersten Moment an wußte ich das«, fügte die Detektivin sofort hinzu, »dieser angebliche Richter und auch der vermeintliche Sheriff sind Gangster, die hier ihr Schäfchen ins trockene bringen wollen.« »Das alles schadet aber unserer Stadt«, sorgte sich Lester Goole, »wir haben schließlich einen Ruf zu verlieren, Catford. Wir müssen etwas dagegen unternehmen.« »Und was?« fragte der Bürgermeister der Fan-Stadt ratlos. »Machen wir uns doch nichts vor, Goole, wir haben keine Polizeigewalt! Ich denke, wir sollten uns mit der Polizei in Verbindung setzen, damit dieser verrückte Spuk beendet wird.« »Ich werde diesen Spuk beenden«, verkündete die ältere Dame, »verlassen Sie sich auf meine Erfahrung! Inzwischen habe ich bereits Kontakt mit Mr. Norman Tooting aufgenommen. Er wird mir behilflich sein.« »Sie waren bei Tooting?« staunte Lester Goole, der gewählte Sheriff der Western-Stadt. »Darauf können Sie sich was einbilden«, fügte Catford hinzu. »Mr. Tooting lebt sehr zurückgezogen, er läßt sich so gut wie überhaupt nicht blicken.« »Aber Sie hatten bereits den Vorzug, ihn zu sehen, meine Herren?« schaltete Josuah Parker sich ein. »Er war einige Male hier, aber immer nur dann, wenn es bereits dunkel war«, erzählte der Sheriff. Erneut fiel auf, wie nasal und schleppend seine Stimme war. Sie glich der des Sheriffs, der während der ominösen Gerichtsverhandlung die Anklage vertreten hatte. »Man kann ja verstehen, daß er sich nicht gern zeigt«, meinte Bürgermeister Catford, »der Mann ist ein Liliputaner…« »…aber ein Freund des Westens«, sagte Sheriff Goole, »eigentlich ist ja er es sogar gewesen, der die Gründung der Stadt anregte.« »Könnten Sie dazu einige zusätzliche Informationen geben?« bat Josuah Parker höflich. Man befand sich im Büro des Sheriffs und konnte durch die Fenster auf die Hauptstraße blicken. Reiter waren dort zu sehen, Kutschen und Arbeitswagen. Der Stellmacher und Schmied stand vor seinem Amboß und bearbeitete ein glühendes Eisenstück. Aus dem Saloon klang Countrymusik. Man fühlte sich wirklich zurückversetzt in die Zeit des Wilden Westens.
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»Diese Geschichte ist schnell erzählt«, sagte Sheriff Lester Goole. Der untersetzte Mann tauschte einen schnellen Blick mit seinem Bürgermeister. »Wir hatten hier vor gut einem Jahr ein Treffen der Western-Fans. Damals existierte die Stadt noch gar nicht. Während dieses Treffs wurden wir von Tooting angerufen und trafen uns dann in einem Farmhaus, nicht weit von seinem Landsitz entfernt.« »Das war die Farm, in der man Sie festgehalten hatte«, sagte Bürgermeister Catford. »Weiter, weiter, junger Mann«, drängte die ältere Dame. »Tooting machte uns den Vorschlag, hier in der Talsenke eine Western-Stadt zu bauen«, sagte Sheriff Goole, »er stellte uns finanzielle Hilfe in Aussicht, ohne die wir so was wie hier auch nie hätten schaffen können. Er hielt sich an die Zusagen und unterstützt uns auch noch heute. Ich denke, das sollte man ruhig mal sagen. Unsere Bürger könnten niemals das Geld beschaffen, um die Stadt über die Runden zu bringen.« »Mr. Tooting ist also demnach Ihr Gönner«, stellte Agatha fest. »Das kann man wohl sagen«, bestätigte Bürgermeister Catford, »woher hätten wir sonst Kutschen, die Arbeitswagen und auch die vielen Pferde nehmen sollen?« »Nimmt Mr. Tooting Einfluß auf das Leben in Ihrer Fan-Stadt?« fragte Parker. »Nicht die Bohne«, antwortete Lester Goole, »er läßt uns völlig freie Hand.« »Obwohl er pro Person, die hier fest lebt, einen Geldsatz auswirft«, bekannte Catford. »Wer kontrolliert die Einnahmen und Ausgaben, falls diese Frage erlaubt ist?« erkundigte sich Parker weiter. »Ich«, sagte der Bürgermeister, »und der Sheriff kontrolliert meine Buchführung. Wir machen jeden Monat einen Abschluß und reichen ihn bei Mr. Tooting ein. Bisher hat es noch nie Schwierigkeiten gegeben. Wir passen natürlich höllisch auf, daß alles stimmt.« »Reich kann man in dieser Stadt kaum werden, oder?« fragte die ältere Dame. »Das gerade nicht, aber wir können ziemlich sorgenfrei leben«, meinte Catford. »Mit dem erfreulichen Leben scheint es nun allerdings vorbei zu sein«, prophezeite Josuah Parker, »ich verweise in diesem
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Zusammenhang auf die Tatsache, daß es einen zweiten Sheriff und einen selbsternannten Richter gibt, die horrende Geldstrafen fordern oder ersatzweise Haft androhen.« »Da segelt einer unter unserer Flagge«, gab Harry Catford zurück, »wir haben damit nichts zu tun, aber wir können es wohl kaum beweisen, wie?« »Ich biete Ihnen meine Hilfe an«, sagte Lester Goole, »vielleicht kann man das alles intern regeln, nicht wahr? Noch ist ja nicht viel passiert, Mylady.« »Man wollte mich körperlich und vor allen Dingen finanziell ruinieren«, antwortete die ältere Dame, »ich werde diese Gerichtsverhandlung für den Rest meines Lebens nicht vergessen, auch nicht diesen scheußlichen Sheriff und den Richter.« »Sie stammen auf keinen Fall hier aus unserer Stadt«, versicherte der Sheriff. »Würden Sie diese beiden Männer wiedererkennen, Mylady?« »Auf den ersten Blick«, entgegnete Agatha Simpson, »ich brauchte keinen Moment nachzudenken.« »Ich könnte mir vorstellen, daß diese Cowboy-Gangster aus Addins kommen«, meinte der Bürgermeister, »weit bis zur Stadt ist es ja nicht. Ob man dort mal nachforscht?« »Ihr Fall liegt bei mir in bester Hand«, versicherte die ältere Dame und blickte Parker an, »ich werde die Subjekte finden und vor ein Gericht bringen, nicht wahr, Mr. Parker?« »Mit letzter Sicherheit, Mylady«, gab Josuah Parker zurück, »im Grund sind zumindest der falsche Sheriff und auch der selbsternannte Richter bereits gefaßt.« * Als Lady Agatha und Butler Parker das Büro des Sheriffs verließen, schien ein kleiner Junge von etwa zehn Jahren nur auf sie gewartet zu haben. Er trug knielange Hosen, ein Hemd und einen breitrandigen Hut. Er streckte die rechte Hand vor und winkte mit einem Brief. »Soll das für mich sein, junger Mann?« fragte Lady Agatha. »Für Sie, Lady«, erwiderte der Junge, »ich soll das abgeben.« »Und für wen?« Agatha Simpson nahm den Brief entgegen. »Für einen Cowboy, Lady, er war drüben vor dem Saloon.«
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Parker griff in eine seiner Westentaschen und reichte dem Jungen eine Münze. Dann wandte er sich seiner Herrin zu, die den Umschlag bereits aufriß. Sie machte einen gespannten Eindruck. »Eine Unverschämtheit«, sagte sie, nachdem sie die wenigen Zeilen überflogen hatte. »Eine weitere Forderung des sogenannten Sheriffs, Mylady?« fragte Josuah Parker. »Er erwartet noch hier in der Stadt die Übergabe des Wegegeldes«, erwiderte Lady Agatha, »fünfzigtausend Dollar pro Person. Ich soll das Geld von der hiesigen Bank abheben.« »Zweihunderttausend Dollar«, addierte der Butler, »die Ordnungsstrafen nicht gerechnet.« »Selbstverständlich werde ich nicht zahlen, Mr. Parker.« »Kann man davon ausgehen, Mylady, daß in solch einem Fall eine körperliche Strafe angedroht wird?« erkundigte sich Parker. »Mein Tod«, sagte sie knapp. »Ihrer übrigens auch… Aber ich lasse mich natürlich nicht erpressen.« »Man möchte Mylady augenscheinlich daran hindern, die Stadt zu verlassen«, vermutete Parker. Er nahm den Brief entgegen, den Agatha Simpson ihm reichte, und überflog die knappe Botschaft. Die Lady hatte den Inhalt genau wiedergegeben. »Das ist eine Möglichkeit, diese Subjekte herauszufordern«, sagte die ältere Dame durchaus munter, »endlich kann ich mich als Köder anbieten.« »Es gibt nur zwei schmale Straßen, Mylady, um die Fan-Stadt zu erreichen oder zu verlassen.« »Und beide Straßen dürften von diesem Sheriff blockiert werden, nicht wahr?« »Davon sollte man in der Tat ausgehen, Mylady.« »Dann werden Sie eben über das flache Land fahren, Mr. Parker. Werden Sie das mit Ihrem Wagen schaffen?« »Technisch dürfte es kein Problem darstellen, Mylady. Erwägen Mylady die Möglichkeit, den hiesigen Sheriff oder gar die echten Behörden zu verständigen?« »Aber nein, Mr. Parker.« Sie schüttelte verächtlich den Kopf. »Das hier ist und bleibt mein Fall! Wer sonst sollte ihn auch lösen können? Nein, ich werde diese Lümmel auf ein Terrain locken, auf dem die Vorteile dann bei mir liegen werden. Habe ich weitreichende Waffen bei mir?« »Im Kofferraum befindet sich Myladys Sportbogen.«
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»Wird das reichen?« Sie vibrierte inzwischen vor Tatendrang. »Eine Winchester könnte nicht schaden, Mylady, doch solch eine Waffe wird man hier kaum erstehen können.« »Und wie ist das mit dem Sheriff? In Gooles Büro stehen doch genug Waffen herum.« »Sheriff Goole und Bürgermeister Catford haben das Büro soeben verlassen«, meldete Parker, der etwas günstiger stand und die Tür beobachten konnte. »Worauf warten Sie denn noch?« wollte die Detektivin wissen. »Leihen Sie für mich eine hübsche Winchester aus, Mr. Parker! Und vergessen Sie ja nicht die Munition!« Parker lüftete seine schwarze Melone und wartete, bis der Sheriff und der Bürgermeister im Saloon verschwunden waren. Dann begab er sich zurück zur Tür des Büros und zog unterwegs sein Spezialbesteck aus einer der vielen Westentaschen. Er hatte vor, damit das einfache Türschloß zu überreden, sich ohne Schwierigkeiten zu öffnen. * Butler Parker saß am Steuer des hochbeinigen Monstrums und steuerte den Wagen am Mietstall vorbei ins Gelände. Im Fond saß seine Herrin, die sich bereits intensiv mit der Winchester befaßte, die Josuah Parker aus dem Büro des Sheriffs geholt hatte. Agatha Simpson hatte die Waffe aufgeladen und verfügte über einen beträchtlichen Vorrat an Munition. Sie machte einen ungemein zufriedenen Eindruck. Die Reifen des hochbeinigen Monstrums bewegten sich bereits über die Grasnarbe. Der Untergrund war uneben, doch das machte diesem seltsamen Gefährt überhaupt nichts aus. Ein spezieller Geländewagen hätte sich kaum schneller fortbewegen können. Lady Agatha blickte immer wieder durch das Rückfenster und wartete auf die Verfolger, mit denen sie fest rechnete. Noch aber war weit und breit nichts zu sehen, was wohl mit der Nähe der Stadt zusammenhing. Die Holzhäuser an der Peripherie waren noch deutlich zu sehen. »Habe ich Ihnen schon gesagt, daß ich Catford und Sheriff Goole nicht traue?« fragte sie nach vorn in Richtung Parker. »Mylady haben Gründe für diese Annahme?«
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»Ich wurde sofort hellhörig, als ich von den monatlichen Abrechnungen hörte«, redete Lady Agatha weiter. »Bürgermeister Catford besorgt diese Abrechnung, Sheriff Goole kontrolliert sie. Lächerlich! Wenn sie sich zusammentun, können sie nach Strich und Faden betrügen.« »Ein Hinweis, Mylady, der beachtenswert ist.« »Ich weiß.« Sie nickte zufrieden. »Man muß eben ein Ohr für Nuancen haben, Mr. Parker. Ich gehe davon aus, daß Catford und Goole betrügen und jetzt mit einem Defizit zu rechnen haben. Darum wollen sie mich erpressen.« »Mylady haben möglicherweise bereits des Rätsels Lösung gefunden«, meinte der Butler, »man sollte aber durchaus mit einer anderen Möglichkeit rechnen.« »Und die wäre? Jetzt bin ich aber doch sehr gespannt, was Sie sich da zusammengereimt haben, Mr. Parker.« »Im nahen Addins, Mylady, könnten Kriminelle auf den Gedanken gekommen sein, die Freizeit-Cowboys zu imitieren.« »Daran dachte ich allerdings auch bereits.« »Mylady halten Mr. Tooting nicht mehr für verdächtig?« »Habe ich das je getan? Falls Sie diesen Eindruck hatten, Mr. Parker, müssen Sie mich total mißverstanden haben. Mr. Tooting ist über jeden Zweifel erhaben.« Parker wollte antworten, doch in diesem Augenblick entdeckte er links vom Wagen eine Reitergruppe. Sie stand neben einem Wäldchen und bestand aus sechs Reitern. Er machte seine Herrin auf diese Gruppe aufmerksam. »Endlich«, seufzte sie erleichtert, »ich habe erst vor wenigen Tagen einen John Wayne-Film gesehen. Am liebsten würde ich mich auf das Wagendach legen und von dort aus das Feuer eröffnen. Er machte das in diesem Streifen sehr gut.« »Erfreulicherweise brauchen Mylady niemals zu kopieren«, meinte Josuah Parker vorsichtshalber. »Das ist allerdings richtig.« Sie war sofort überredet. »Ich werde hier vom Sitz aus schießen. Sehen Sie doch! Die Reiter setzen sich in Bewegung! Man will mich stoppen und vielleicht sogar töten…« Parker hatte die hinteren Wagenfenster zentral nach unten abgesenkt, damit Agatha Simpson sich ihren Schießkünsten hingeben konnte. Noch bestand wegen der Distanz zwischen dem Wagen und den Reitern keine Gefahr, daß etwas passierte.
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Zudem hatte Parker seiner Herrin sicherheitshalber Platzpatronen aus dem Büro des Sheriffs mitgebracht, ihr davon allerdings nichts gesagt. Der Butler verfügte allerdings auch über scharfe Munition, die aus dem kleinen Tresor im Büro stammte. Sie befand sich in seiner linken Manteltasche. Die sechs Reiter waren ausgeschwärmt und kamen den leichten Hang herab. Das alles sah sehr echt aus. Parker hatte fast den Eindruck, einen Western-Film zu betrachten. Er war sich übrigens noch nicht sicher, wie er die sechs Cowboys einordnen sollte. Waren sie von dem selbsternannten Richter Amshurst auf den Weg geschickt worden? Wurden sie von dem knochigen Sheriff Ron Lavers angeführt, der während der seltsamen Gerichtsverhandlung den Ankläger gespielt hatte? Lady Agatha fühlte sich allerdings bereits bedroht und hatte die Winchester in Anschlag genommen. Sie lud mit dem Unterhebel durch und feuerte Schuß auf Schuß auf die Cowboys ab, die sich verständlicherweise wenig beeindruckt zeigten… * »Ich verstehe das nicht«, grollte Agatha Simpson, als keiner der von ihr anvisierten Cowboys aus dem Sattel flog, »das Visier muß nicht in Ordnung sein.« »Ein weiterer Schußwechsel dürfte wenig erbringen«, antwortete der Butler. »Mylady werden sicher bereits bemerkt haben, daß die Cowboys Platzpatronen benutzen.« »Natürlich!« Sie stutzte einen Moment. »Man kann nicht daran interessiert sein, Mylady zu töten«, redete Parker weiter, während die Cowboys um den stehenden Wagen ritten und ihn einkreisten. »Mylady stellen immerhin den Schlüssel zu einem kleinen Vermögen dar.« »Das die Subjekte nie bekommen werden.« Sie feuerte die Winchester in die freie Wagenecke. »Offensichtlich will man Mylady erneut entführen«, deutete der Butler das Einkreisen, »wahrscheinlich hat man einen neuen Gefängnistrakt bereitgestellt.« »Ist das nicht der Sheriff aus der Gerichtsverhandlung?« gab sie zurück und beugte sich näher an das Fenster heran. Parker hatte die Scheiben bereits wieder von vorn aus geschlossen. Das
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Panzerglas wartete nur darauf, etwaigen Geschossen widerstehen zu können. »Mr. Ron Lavers, Mylady«, bestätigte der Butler, der den großen, hageren Mann ebenfalls erkannt hatte. Er benutzte den Namen, den der Cowboy aus dem Kellergebäude genannt hatte. »Ich hoffe, Mr. Parker, Sie tun endlich was«, verlangte die ältere Dame grimmig, »sagen Sie, muß man die Schüsse nicht hinter uns in der Western-Stadt gehört haben?« »Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, Mylady.« »Und wo ist dieser Sheriff Goole? Wo bleibt Bürgermeister Catford, Mr. Parker?« »Man wird die beiden Herren zu einem späteren Zeitpunkt befragen können und müssen«, entgegnete Josuah Parker und beobachtete den hageren Sheriff, der sich nun aus dem Kreis der Reiter löste und langsam auf den Wagen zuritt. Er rauchte eine Zigarre und hielt ein seltsam geformtes Bündel in der linken Hand. »Dynamit«, sagte Josuah Parker plötzlich. »Wie war das?« Agatha Simpsons Stimme klang hocherfreut. »Sheriff Lavers scheint die Absicht zu haben, Mylady, mit einem Bündel von Dynamitstäben zu beglücken.« »Das ist eine ausgemachte Flegelei, tun Sie etwas dagegen, Mr. Parker! Dieses Subjekt soll nicht glauben, daß es sich alles erlauben kann. Auch für meine sprichwörtliche Geduld gibt es Grenzen.« Parker hatte bereits den ersten Gang eingelegt, trat aber noch die Kupplung. Ron Lavers hatte die Zigarre aus dem Mund genommen und zündete mit der Glut die kurze Zündschnur. Als ein kleiner, sprühender Funkenregen zu sehen war, warf er das tödliche Bündel in Richtung Wagen. Josuah Parker ließ sofort die Kupplung kommen, und das hochbeinige Monstrum tat förmlich einen Riesensatz nach vorn, und zwar in Richtung auf den Sheriff, dessen Pferd sofort scheute und sich auf die Hinterbeine stellte. Parker brauste an Lavers vorüber, der aus dem Sattel gerutscht war, und steuerte sein hochbeiniges Monstrum weg von dem tödlichen Bündel. Einige Sekunden später war ein leichter, hoher Knall zu vernehmen. Parker blickte in den Rückspiegel und sah eine harmlose weiße Rauchwolke, die vom Gras hochstieg. Der Sheriff hatte eine kleine Übungsladung verwendet, das
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stand jetzt eindeutig fest. Ihm war es wohl nur darauf angekommen, die Insassen des Wagens in Angst und Schrecken zu versetzen. Parker legte bereits den Rückwärtsgang ein, gab Gas und jagte sein hochbeiniges Monstrum zurück in Richtung Sheriff, der gerade aufstand und zu seinem Pferd rannte, das etwa zehn Meter entfernt von ihm nervös wartete. Parker schnitt dem Sheriff den Weg ab, hupte und erreichte damit, daß das wartende Pferd scheute und davonjagte. Sheriff Lavers hatte erkannt, daß er nicht entkommen konnte. Er baute sich breitbeinig auf und rückte die gefüllten Halfter am Waffengurt zurecht. Josuah Parker wußte, daß dieser Mann scharf geladene Waffen besaß. »Rammen Sie dieses Subjekt«, verlangte die ältere Dame gereizt, »solch eine Gelegenheit kommt nie wieder, Mr. Parker.« »Mylady sind dann wohl kaum noch in der Lage, den Sheriff ausführlich zu vernehmen«, erwiderte Josuah Parker, »es gibt vielleicht eine andere Möglichkeit, den Sheriff außer Gefecht zu setzen.« Parker streckte die linke Hand aus und ließ sie einen Moment über dem reichhaltig ausgestatteten Armaturenbrett schweben. Dann entschied er sich für einen ganz bestimmten Kipphebel und legte ihn um. Im gleichen Moment schoß unter dem Wagenheck, das sich auf den Sheriff zubewegte, eine scharf gebündelte, weiße Rauchwolke hervor, die den Sheriff voll traf und einhüllte. Parker stoppte den Wagen und schaltete das Außenmikrofon ein. Sofort danach war ein ungemein quälendes Husten zu vernehmen. Sheriff Ron Lavers, der Ankläger während der dubiosen Gerichtsverhandlung, röchelte sich dann förmlich die Seele aus dem Leib… * »Ich bin Ihnen sehr verbunden«, sagte Norman Tooting zu Lady Agatha, »das ging ja schneller, als ich dachte.« »Mr. Parker brauchte sich nur an meine Anweisungen zu halten, Mr. Tooting, und schon war dieses Subjekt außer Gefecht gesetzt«, meinte die Detektivin, »sehen Sie sich dieses Häufchen Elend nur an! Nichts mehr von der Großspurigkeit wie im Gerichtssaal!«
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»Was werfen Sie mir denn vor?« fragte Ron Lavers. Der große, hagere Mann hüstelte noch immer. »Habe ich auf Sie geschossen? War das Dynamit etwa echt? Das alles war doch nur Show.« »Die von wem veranlaßt wurde?« schaltete Norman Tooting sich ein. Der kleine Mann saß hinter dem Schreibtisch in seinem stilgetreuen Büro und leitete die Verhandlung. Sheriff Ron Lavers kam gar nicht auf den Gedanken, sich über den Liliputaner zu belustigen oder gar aufmokieren. Tooting wirkte überzeugend in seiner Westernkleidung. Der Sheriffstern auf der Brust, im richtigen Maßstab verkleinert, strahlte Autorität aus. »Diese Show haben Catford und Goole veranlaßt«, antwortete der falsche Sheriff umgehend, »wir sollten nur für etwas Stimmung sorgen, das war alles!« »Und wer befahl die Gerichtsverhandlung, an die Sie sich wohl noch zu erinnern vermögen?« fragte Josuah Parker. »Catford und Goole«, sagte der falsche Sheriff, »ich wiederhole, das alles war nur Show, um den Gästen etwas zu bieten.« »Sie verlangten eine Art Lösegeld«, sagte Tooting kühl. »Das Geld hätten Catford und Sheriff Goole doch wieder zurückgegeben«, behauptete Ron Lavers, der tatsächlich so hieß, wie sich inzwischen herausgestellt hatte, »so hat man mir wenigstens gesagt.« »Und wo befindet sich dieser Richter Amshurst?« wollte Agatha Simpson nun wissen. »In der Western-Stadt«, erwiderte Lavers, »vielleicht aber auch schon im Gerichtssaal. Sie kennen diesen Laden ja! Den haben wir für Catford und Goole gebaut.« »Mr. Parker, schaffen Sie diesen Mann in die Zelle«, forderte Tooting und deutete auf den Gefängnistrakt. Parker lüftete die schwarze Melone und brachte Ron Lavers in eine der beiden Gitterzellen. Lavers leistete keinen Widerstand. »Haben Sie je mit den Herren Catford und Goole gesprochen?« fragte der Butler, als er die Zellentür verschloß. »Nee, das hat immer Amshurst besorgt«, lautete die Antwort. »Amshurst war der Verbindungsmann. Hören Sie, Parker, wie soll das hier weitergehen? Ich spiel’ nur mit, weil’s zu dem ganzen Theater paßt, aber ich will nicht…« »Lassen Sie sich möglichst überraschen, Mr. Lavers«, meinte Josuah Parker und kehrte nach vorn ins Büro zurück. Lady Agatha
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setzte dem Liliputaner gerade auseinander, was sie von Catford und Goole aus der Western-Stadt hielt. »Ich habe da so meine bestimmte Theorie«, sagte sie eindringlich, »der Bürgermeister und dieser Sheriff Goole haben Sie, Mr. Tooting, nach Strich und Faden belogen und bestohlen. Denken Sie an die monatlichen Abrechnungen und auch an die Zuschüsse, die Sie an die Stadt zahlen. Man hat Sie ausgenommen wie eine Weihnachtsgans.« »Das hätte ich Catford und Goole nie zugetraut«, erwiderte Tooting verärgert, »aber dafür werde ich sie zur Verantwortung ziehen. Ich würde am liebsten sofort in die Stadt reiten.« »Könnte man die beiden Herren nicht hierher zu Ihnen beordern, Mr. Tooting?« tippte der Butler in seiner höflichen Art an. »Eine gute Idee!« Tooting nickte. »Hinter Ihrem Rücken wollten die Subjekte ein Privatgeschäft aufziehen«, stichelte die ältere Dame, »wenn ich nicht gekommen wäre, mein lieber Tooting, hätten Sie ein kleines Vermögen verloren.« »Das also ist der Dank für meine Großzügigkeit«, sagte der Liliputaner ärgerlich, »ich werde die beiden Kerle der Polizei überstellen, sobald sie ein Geständnis abgelegt haben.« Tooting verließ sein Büro, um anzurufen. Lady Agatha baute sich vor der Zellentür auf und musterte Sheriff Ron Lavers durch ihre Lorgnette. »Das kommt davon, wenn man sich mit einer Lady Simpson einläßt«, sagte sie dann schadenfroh, »wieso stoppten Sie eigentlich mich? Sie wissen, worauf ich anspiele.« »Das mit Ihnen war reiner Zufall«, antwortete Ron Lavers, »wir hatten von ‘nem Wagen auf der Umgehung gehört und wollten zum erstenmal so einen Überfall proben. Pech, daß Sie im Wagen waren, gebe ich ohne weiteres zu, aber ich sag’ auch, daß das alles nur Show war.« »Auch der scharfe Schuß, Sie Lümmel?« »Den hatte Amshurst abgefeuert«, gestand Sheriff Lavers umgehend, »aber das war wirklich nur ein Unfall, der war nicht geplant. Catford und Goole hatten uns extra eingeschärft, keine Gewalt anzuwenden.« »Catford und Goole«, wiederholte die ältere Dame, »ich wußte doch vom ersten Moment an, wer die wahren Schuldigen sind!«
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* »Nehmen Sie die Hände hoch«, sagte Richter Amshurst, der die Tür geöffnet hatte. Er hielt zwei Colts in den Händen, deren Läufe auf Lady Simpson und Butler Parker gerichtet waren. »Sind Sie verrückt?« Agatha Simpson dachte nicht daran, dieser barschen Aufforderung Folge zu leisten, doch Amshurst schoß augenblicklich und jagte das Projektil haarscharf an ihrem Hut vorbei in die Wand. »Mylady sollten dieser nachdrücklichen Aufforderung vielleicht doch entsprechen«, schaltete der Butler sich ein. Und um seiner Herrin ein Beispiel zu geben, hob er beide Arme samt UniversalRegenschirm. »Schon besser«, sagte Amshurst und war sofort wieder ungemein freundlich, »wir wollen doch erst gar keine Zweifel aufkommen lassen, nicht wahr?« »Was soll das?« fragte die ältere Dame ärgerlich und hob zögernd die Arme. »Es ist Zeit, Flagge zu zeigen«, meinte Amshurst, »und gewisse Dinge sollen jetzt endlich über die Bühne gehen.« »Wo befindet sich Mr. Tooting, wenn man fragen darf?« Parkers Stimme klang höflich wie immer. »Der Sheriff zieht sich um«, erwiderte Amshurst, der freundliche Richter. »Mann, Amshurst, holen Sie mich hier raus«, rief Ron Lavers aus seiner Zelle. »Sie bleiben, Lavers«, antwortete der Richter lächelnd, ohne den Kopf zu wenden. »Sie werden noch für den Showdown gebraucht.« »Für was?« fragte Ron Lavers bestürzt und hüstelte. »Für die große Schlußschau«, übersetzte der Richter freundlich, »der Sheriff wird sich mit Ihnen schießen.« »Wie war das? Er will sich mit mir schießen? Wer ist der Sheriff? Dieser Goole aus der Western-Stadt?« »Mr. Tooting«, ließ Josuah Parker sich in diesem Augenblick vernehmen. »Richtig«, bestätigte der Richter freundlich und lachte leise, »auch Sie werden Ihre Chance bekommen, Parker. Und auch
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Lady Simpson!« »Mr. Tooting ist der Sheriff?« Lady Agatha schnappte nach Luft. »Der geheimnisvolle Sheriff«, bestätigte der Richter noch mal, »er steuert das alles hier. Kommen Sie, Lady, gehen Sie rüber in die Zelle. Das gilt auch für Sie, Parker. Und keine Mätzchen, ich werde sonst scharf schießen!« »Mylady sollten sich in ihr Schicksal fügen«, sagte der Butler und ging voraus. Der perlenbestickte Pompadour an ihrem rechten Handgelenk pendelte. »Darf man fragen, was die Herren Catford und Goole mit allem zu tun heben?« erkundigte sich der Butler gemessen. »Sie haben mit der eigentlichen Sache überhaupt nichts zu tun«, antwortete Richter Amshurst, »sie sind die Aushängeschilder für die Western-Stadt.« »Sie sind für die kriminellen Cowboys nicht verantwortlich zu machen?« »Aber überhaupt nicht, das hat nur Lavers sich so gedacht, weil ich die Namen von Catford und Goole vorschob. Sie sehen, dieser Trick hat bestens funktioniert.« »Und welche Rolle, Mr. Amshurst, spielen Sie?« fragte der Butler, der sich inzwischen mit seiner Herrin in der zweiten Zelle befand. »Ich bin Mr. Tootings rechte Hand«, lautete die Antwort des freundlichen Richters, »sein verlängerter Arm. Sie wissen doch, wie ungern Mr. Tooting sich in der Öffentlichkeit zeigt.« Der freundliche Richter zog die schwere Zellentür zu und schloß dann sorgfältig ab. »Es geht also, wenn man so sagen darf, keineswegs um Geld«, tippte der Butler an. Er hatte längst gemerkt, wie gern und ausführlich dieser selbsternannte Richter antwortete. »Geld spielt überhaupt keine Rolle«, bestätigte der Mann wegwerfend, »diese Forderungen sollten doch nur ablenken. Es geht einzig und allein um Gegner, mit denen der Sheriff sich messen kann.« »Sie reden jetzt, wenn meine Wenigkeit dies richtig interpretiert, von Mr. Norman Tooting?« »Von Mr. Tooting«, sagte der Richter, »und Sie haben den Vorzug, sich zum erstenmal mit ihm messen zu können. Mr. Tooting, oder besser gesagt, der Sheriff, wird damit eine Tradition begründen.«
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»Tooting ist verrückt, ich wußte es vom ersten Moment an«, schaltete die ältere Dame sich genußvoll ein. »Mr. Tooting möchte eine Tradition begründen?« fragte Parker schnell, bevor die Lady noch beleidigender werden konnte. »Ich werde ab sofort für Duellgegner sorgen«, meinte Amshurst und strahlte den Butler an. »Sie wollten doch wissen, was sich hinter der Tür aus Stahlblech befindet, nicht wahr? Nun, Sie werden es sehr bald sehen!« * »Falls Sie zu früh ziehen, Mr. Parker, werde ich Sie niederschießen«, sagte Richter Amshurst eindringlich, »schnallen Sie jetzt den Waffengurt um, und prüfen Sie den Sitz der Halfter. Und wie gesagt, falls Sie ziehen, werde ich Sie niederschießen…« »Wann wird Mr. Tooting erscheinen?« »Der Sheriff wird rechtzeitig dort um den Saloon kommen«, sagte Amshurst, »was halten Sie von dieser Dekoration?« Parker wußte inzwischen genau, was sich hinter der Tür aus Eisenblech befand. Es war kein Mietstall, wie Tooting behauptet hatte, sondern der Nachbau einer Hauptstraße, wie man sie von Western-Filmen her kannte. Parker schnallte sich den Gurt, um und prüfte den Sitz des Colts in den Halfter. Er blickte zum Saloon hinüber, wo der Sheriff auftauchen würde. »Warum das alles, Mr. Amshurst?« fragte Parker, »es kann sich doch nicht nur um einen Minderwertigkeitskomplex handelt.« »Die Gründe interessieren mich nicht«, antwortete Amshurst, »ich werde dafür bezahlt, daß ich Duellgegner herbeischaffe.« »Mr. Tooting ist ein guter Schütze«, schickte Parker voraus, »man dürfte gegen ihn kaum eine echte Chance haben.« »Sie müssen sich eben anstrengen«, entgegnete Amshurst lächelnd. »Sie müssen an sich glauben. Um übrigens einem Mißverständnis vorzubeugen: Die Patronen in der Trommel sind echt! Der Sheriff geht absichtlich ein volles Risiko ein…« »Er dürfte dennoch zu einem Massenmörder werden. Er ist trainiert, wir hingegen überhaupt nicht.« »Nun stellen Sie Ihr Licht mal nur nicht unter den Scheffel«, schickte Amshurst ironisch voraus, »der Sheriff weiß inzwischen,
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wer Sie sind, ich habe ihm die Tatsachen verschafft.« »Es war wirklich nur ein Zufall, daß Sie Lady Simpson und meine Wenigkeit stoppten?« »Reiner Zufall, Parker, aber spielt das jetzt überhaupt noch eine Rolle? So, jetzt sollten Sie sich bereitmachen, der Sheriff kann jeden Augenblick um den Saloon kommen.« »Ab wann kann und muß man feuern?« fragte Parker. »Sobald der Sheriff die Mitte der Straße erreicht hat, Parker. Danach müssen Sie allein entscheiden, wie Sie sich verhalten wollen.« »Und wenn meine Wenigkeit einem Kugelwechsel aus dem Weg geht und nicht zieht?« »Dann wird der Sheriff Sie Treffer für Treffer auseinandernehmen und sich dabei viel Zeit lassen. Ich rate Ihnen, sich Ihrer Haut zu wehren, Parker. Achtung, der Sheriff!« Amshurst verschwand hinter einem Kistenstapel, der vor der Front eines Eisenwarenladens stand. Parker konzentrierte sich auf den Sheriff, wie der Liliputaner sich nannte. Der kleine Mann trug einen rabenschwarzen Anzug, der Sheriffstern blitzte. Es sah ein wenig grotesk aus, als Norman Tooting bewußt breitbeinig auf Butler Parker zuging. Seine Hände schwebten über den kleinen, aber sicher auch tödlichen Colts. »Sie dürften die Grenze zwischen Illusion und Realität überschritten haben!« rief Josuah Parker. »Zerbrechen Sie sich nicht meinen Kopf, Parker«, antwortete Tooting, »nutzen Sie Ihre Chance, ziehen Sie!« »Nach Ihnen, Mr. Tooting!« Parker deutete eine leichte Verbeugung an, »meine Wenigkeit möchte Ihnen nicht vorgreifen.« »Möchten Sie sofort sterben, Parker?« fragte der Sheriff. »Sie bieten meiner Wenigkeit eine gewisse Alternative an?« »Ich könnte zuerst Ihr rechtes Bein treffen, dann die Hüfte. Wie entscheiden Sie sich?« »Haben auch Sie vielleicht besondere Wünsche, Mr. Tooting?« »Nennen Sie mich nicht Tooting, ich bin der Sheriff.« »Und bleiben Norman Tooting, was immer Sie auch anstellen werden«, antwortete der Butler, »meine Wenigkeit verzichtet übrigens auf die angedeutete Alternative.« Der Mann, der sich für einen Sheriff hielt, zog. Blitzschnell stieß er seine Hände nach unten und riß die Colts aus der Halfter.
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Butler Parker reagierte und zog seinerseits. * »Wo haben Sie das gelernt?« fragte Tooting mühsam und mit leiser Stimme. Er lag auf dem Boden vor den Kisten und atmete flach. »Meine Wenigkeit hatte den Vorzug, den Westen besuchen zu dürfen«, antwortete der Butler, »dort übte ich mich in der Technik des schnellen Ziehens.« »Sie sind mir über, Parker. Wie sieht’s mit mir aus?« »Sie müßten so schnell wie möglich zu einem Arzt. Ihre Hüftwunde bedarf der Versorgung.« »Das hat Zeit. Ich werde jetzt sogar viel Zeit haben, Parker. Sie werden mich anzeigen, nicht wahr?« »Sie sollten Mylady danach fragen, Mr. Tooting, mir steht solch eine Entscheidung nicht zu.« »Unsinn, Parker, Sie sind doch der Mann, der die Fälle löst«, wußte Tooting und rang sich ein Lächeln ab. »Sie trauten mir nicht, wie?« »Sie ritten zu intensiv Ihr Steckenpferd«, erwiderte Josuah Parker, »meiner bescheidenen Ansicht nach muß in Ihnen eines Tages der Wunsch geweckt worden sein, eine Realität zu schaffen, die es allerdings so nicht geben darf.« »Wie geht es Amshurst?« »Meine Wenigkeit sah sich gezwungen, auch ihn zu verletzen«, entgegnete Josuah Parker. »Mr. Amshurst wollte aus der Deckung heraus schießen, als ich einen Treffer anbringen konnte.« »Sie waren unwahrscheinlich schnell«, sagte Tooting leise, »so etwas habe ich noch nie gesehen. Rufen Sie jetzt die Polizei, ich will einen Schlußstrich ziehen. Dort hinter dem Laden des Büchsenmachers finden Sie ein normales Telefon.« Parker richtete sich auf und schritt davon. Er hielt seine schwarze Melone in der linken Hand und blickte in den kleinen Spiegel, der in der Wölbung angebracht war. Er sah eine schnelle Bewegung und warf sich herum. Gleichzeitig schoß Parker erneut. Tooting, der eine dritte Waffe gezogen hatte, brüllte heiser auf. »Dies war der Schlußstrich, was Sie betrifft«, sagte Josuah Parker. »Mylady dürfte keine Rücksicht üben, wie ich Ihnen
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versichern darf, Mr. Tooting.« »Ich wollte mich selbst erschießen«, beteuerte Tooting. »Möglicherweise«, antwortete Parker, »aber als sicher sollte man dies wohl nicht unterstellen. Weitere Erklärungen richten Sie freundlicherweise an die zuständigen Behörden.« Parker setzte seine schwarze Melone auf und nahm sich die Zeit, Lady Agatha aus der Zelle zu holen. »Wann kann ich mich mit diesem Subjekt messen?« fragte sie sofort unternehmungslustig. »Meine Wenigkeit, Mylady, sorgte bereits für leere Halfter«, lautete Parkers höfliche Antwort. * Einige Tage später reagierte Josuah Parker ein wenig zu nachdrücklich. Er war mit Mike Rander unterwegs und sah sich auf der Rolltreppe, die zu einer Untergrundstation führte, plötzlich vier Cowboys gegenüber, die unten an der Treppe standen und ihn erwartet zu haben schienen. »Eine Duplizität der Ereignisse, Sir«, vermutete der Butler, »wenn Sie erlauben, wird meine Wenigkeit den Anfängen wehren, um es mal so auszudrücken.« Parker warf einen seiner Patentkugelschreiber nach unten und sorgte erst mal für eine Nebelwand. Dann tauchte er in diesen Nebel und setzte den bleigefüllten Bambusgriff seines UniversalRegenschirms ungemein zielsicher ein. Als der Nebel sich leicht senkte und verwehte, hingen die vier Cowboys wie nasse Lappen über den Handläufen der Rolltreppe, oder aber sie lagerten sich am Boden ab. Das alles war innerhalb weniger Sekunden geschehen, und Mike Rander war wieder mal sehr beeindruckt. Er war nachgekommen und musterte die vier Cowboys. Dann bückte er sich und lachte leise. »Sir?« fragte Parker gedehnt. »Sehen Sie sich das mal an, Parker«, antwortete der Anwalt und hob ein kleines Plakat auf, das an einer Stange befestigt war, »das hier müssen Sie völlig übersehen haben.« »Meine Wenigkeit ist in der Tat überrascht und auch ein wenig beschämt«, räumte der Butler ein, nachdem er die Aufschrift auf dem Plakat überflogen hatte, »man konnte wohl nicht ahnen, daß
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die vier Männer Reklame für die Grillrippchen einer Schnellimbißkette machen. Sir, Sie sehen meine Wenigkeit ein wenig ratlos.« »Hauen wir ab«, schlug der Anwalt vor, »und lassen wir ein Schmerzensgeld zurück.« »Sehr wohl, Sir.« Der Butler war sofort einverstanden. »Da wäre noch etwas.« »Nämlich, Parker?« »Mylady braucht von diesem Intermezzo gewiß nichts zu erfahren!« »Ich werde mich hüten, Parker, auch nur eine Andeutung zu machen. Sonst würden Sie ja Ihres Lebens nicht mehr froh!« »Sie werden mich ewig dankbar finden, Sir«, gab Josuah Parker zurück. »Sie können davon ausgehen, daß dies keine leere Versprechung ist…!«
-ENDENächste Woche erscheint BUTLER PARKER Auslese Band 254 Günter Dönges
PARKER stört die »Totengräber«
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