Persistenz und Reichweite von Umweltchemikalien
Martin Scheringer
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Persistenz und Reichweite von Umweltchemikalien
Martin Scheringer
WILEY-VCH
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Martin Scheringer Persistenz und Reichweite von Umweltchemikalien
@ W I LEY-VCH
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Martin Scheringer
Persistenz und Reichweite von Umweltchemikalien
@ WILEY-VCH Weinheim New York . Chichester Brisbane . Singapore .Toronto
Dr. Martin Scheringer ETH Zurich Laboratorium fur Technische Chemie ETH-Zentrum CH-8092 Zurich
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahnic Scheringer, Martin: Persistenz und Reichweite von Umweltchemikalicn / Martin Scheringcr. Weinheim ; New York ; Chichester ; Brishane ; Singapore ; Toronto : Wiley-VCH, 1999 ISBN 3-527-29752-0
-
0 WILEY-VCH Verlag GmhH, D-69469 Weinheim (Federal Republic of Germany). 1999 Gcdruckt auf saurefreieni und chlorfrei gehleichtem Papicr Alle Rechte, inshesondere die der Ubersctzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung dcs Verlagcs in irgcndcincr Form - durch Photokopie, Mikroverfilmung odcr irgendein anderes Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbcsondcre von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendhare Sprache uhertragen oder ubersetzt werden. Die Wiedergabe van Warenbezeichnungcn, Handclsnamcn odcr sonstigen Kcnnzeichen in diesem Buch bercchtigt nicht zu der Annahme, dal.3 diese von jedermann frei benutzt werden durfen. Viclmchr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige gesetzlich geschutzte Kennzeichen handeln, wcnn sic nicht eigens als solche markiert sind. All rights reserved (including those of translation into othcr languages). N o part of this book may be reproduced in any form - by photoprinting, microfilm, or any other means - nor transmittcd or translated into a machine language without written permission from the publishers. Registered names, trademarks, etc. used in this book, even when not specifically marked as such, arc not to be considered unprotected by law.
Titelbild nach einem Entwurf von Jurg Schmidli, ETH Zurich Druck: hetz-druck GmhH, D-64291 Darmstadt Bindung: Wilh. Osswald + Co.. D-67433 Ncustadt Printed in the Federal Republic of Germany
Fur Beatrix
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Vorwort
Zur Zeit wird deutlich, da6 die bisherigen Verfahren zur Chemikalienbewertung immer starker auf eine Reihe von Schwierigkeiten sto5en: Sie sind so aufwendig, da5 sie fur die Vielzahl aller Stoffe, die zur Bewertung anstehen, nicht praktikabel sind; sie decken neiie Effekte wie z. B. die hormonahnliche Wirkung verschiedener Chemikalien nicht ab und musseri daher immer wieder erweitert werden: sie fuhren aufgrund der Komplexitat der untersuchten Systeme vielfach zu uneindeutigen Resultaten, die Raum fur verschiedenste Interpretationen lassen. Zum Teil liegeri diese Schwierigkeiten in der Natur des Problems, d. h. in der Komplcxitat der Umwelt und der Vielzahl der Stoffe. Es gibt jedoch zusatzlich ein wissenschaftsmethodisches Grundproblem, das ebenfalls zu den Schwierigkeiten bei der Cheniikalienbewertiing beitragt und bei dem es sich lohnt, nach neueri Ansatzen zu suchen: Dieses Problem liegt im ungeklarten Verhaltnis zwischen ,,ohjektiven" naturwissenschaftlicheri Resultaten einerseits und okononiischen, rechtlichen oder ethischen Bewertungen andererseits. Zusatzliche Verwirrung stiftet die Vermischung dieser beiden Ebeneri in ,,naturwissenschaftlichen Bewertungen", von denen ebenfalls haufig die Rede ist. Eine Ursache dieses methodischen Problems ist das Prinzip der natmwissenschaftlichen ,,Wertfreiheit", welches nach wie vor, auch nach 30 Jahren Umweltforschung, eine umfassende wisseriscliaftliche Bearbeiturig von Umweltproblemeri erschwert. Die Frage, in welchem Sinne das Prinzip der naturwissenschaftlichen Wertfreiheit heute in den Umweltwissenschaften revidiert werden miill, bildet die Motivation und den Rahmen der Untersuchungen, die in diesem Buch vorgestellt werden. Das vorliegende Buch beruht auf der Dissertation, die ich von 1991 bis 1996 an der Abteilung fur Umweltnaturwissenschaften der Eidgenossischen Technischen Hochschule (ETH) Ziirich durchgefuhrt habe, und auf meiner weiteren Beschaftigung rnit dem Problem der Chemikalienbewertung wahrend meiner Tatigkeit in der Griippe ,,Sicherheit und Umweltschutz in der Chemie" am Laboratorium fur Technische Chemie der ETH Zurich. Um das Problem der Wertfreiheit zu diskutieren, habe ich mich auf eine umweltethische Argumentation gestutzt und sie mit der umweltchemischen Untersuchung von Chemikalien verbunden. Daher umfaflt dieses Buch mit Urnweltchemie und Ethik zwei Bereiche, die i. a. getrennt behandelt werden. Neben spezifischen Fragen aus beiden Gebieten steht hier die Frage im Vordergrund, wie sich Umweltchemie iind Ethik, d. h. die naturwissenschaftliche Beschreibung und die ethische Bewertiirig von Cheniikalienexpositionen,miteinander verbinden lassen.
VIII
voT U J Ort
Schori in ,jcdorii cirizelrieii tlcr hciden Gchit:t,c, giht cs heute viricri iiriifmgreicheri Bestand an Litvratiir, und irii R i h i ( : r i eiries cirizc.hitw Biiches ist (1s iiiclit rriiiglich. einen vollst,iiridigeri Uberblick i i t m bcide Grbictc>zii geben. Das Lit,CriItiirverzeichriis hat sorriit kcincn Arispriich auf Vollstiiridigkt,it . soiidern tlic Lit,t.riitllrarigabeii sollen eiricrstits die Quelleii fiir koiikrcte Dateii i i i i d Aiissagen bczc4cliiicn iind andererseits ciricii Eiristieg in &: ;tiigc:sprochericn Thcrrirn cmniigliclitm. so ditB niaii selbst wcitcrc A r k i t e n aufsiiclicri kitIin. Eiri Glossiir am Ende des Biichcs erlRiitert die wichtigst,rm Begriffr: aiis boidcri Teilbereic:hc:ii. Das Buch weridet sich ziiiii viricri ari Natiirwissc.risc,liaftlel.illrlc.II iiritl Naturwissenschaft,lcr. (lie irn Bereicli tlcr Chcrriikalieiit)t.utirt iirig arbeitcii o d t ~sich sonst niit dcr Bcwcrt iirig anthropogcwt~Uiriweltver;liid(.rIlngcli heschiift i g w . Es erithalt. konkrctc I K U ~ Vorschlage ziir CIic~Iiiikalieribew(~rt,iiiig iirid sol1 diiriit)c,r 1iiIiaus ziir Diskussiori i i l m Werturteile iii tlcr Urnweltforschiiiig anregen. Zwoit,cws riclitet es sich an Hiiiriaii- iirid Geisteswisscrischiiftler. tlie sich fiir die koiikrc.t(i Unisctzurig ethischer Kritcrien in dcr Urnwcltforschung iritcwssitmm. In dicstwi Siiiri sol1 dits Buch aiich ziir starkeren Vcrhiiidiiiig zwischeii liii~~iiiIiwis~e~i~Cliitftli(~1it~r i u i d natiirwissensc1iitftlic:licr Uriiweltforsc.liiirig t)c,itragen. Ich rniiclitc ill1 dieser Stellc iillcli nitinen Dank ;liissprt.chcvi. ohnr ( I t ~ ~viclfaltige i i Unterstiit,ziirig diescs Buch iiicht ziist andr gekoiiiiiioii wiirr. Prof. Dr. Irtriidr Hirsch vertlitrike ich wertvollr Bcitriige urid Striiktiirierurigsvorsclilago ziiiii riormativeri Tcil d c s Reichweit,c,ii-Koiizc.ptes sowit. x i i i i i Glossar. Aiisdriicklich dariken niiiclitJcicli Jochen Jiicg(>rfiir dcri 1angjiilirigc.ri iuid friichbaren Aiistiliis(:h urid fur sckiv korikreteri Anrt,giiiigtm. tlie an vittlm St,olltw in dieses Buch eirig(:flosstw sind. hlit KitthriIi Fcnrier. Fabio Woginann iiritl Dr. H(wiiaiiii Held koiirito i d i wertvollc Diskussioiitw i i h r iirriu~eltclic~iiiisc:li(~ RIodellc~iiiitl ilirc. \~eiterc.iit\~i.ickhlllg fiilireii: ich dankc iliiicw fiir Aniii(~rkimg(wziirri Text. i i r i d fiir ihre BcitrRgc. ziiiii Rlodellkapitel. Viele 1iilfrc:ic:lic Korrirri(:iitiir(: i i r i t l Hiriweisv iiiif Litc!rat,iir vcrtl;mko icli Almut Beck. Dr. Bcatc Escher. Dr. hli(*hilclEsfeld, Pctvr Fliickiger. Dr. PiLt,ri(,kHofstetter. Christina .Jaliii. Prof. Dr. Bcriitl Jastorff. Dr. St,('I)liiiliLicmiri. P D Dr. Karin hlathes. Prof. Hiiris Priiriiis. Alinrwiitric Sclicririger. Isahc~lSclir~irigcr.,Jiirg Scliiiiidli. Prof. Dr. Rerii. Schwiirzenhach. P D Dr. Hnrisjiirg Scilcr. Prof. Dr. Gertl \Voi(lmiariri. Dr. Andri. Wc~itlcrihaiiptiiiitl Prof. Dr. Gcrd Wiiit,cr. Fur wiclitigti Anrcguiigeri (litlik(! ich auch dt.ri Tvilrit~liiiierndes s~'l'A<'-~rorksliops Criteriu for Pcrsistence mid Lori,!l-Runge Trurispo*rtof Ch,rrnic:uls , i ~ i ,the Environment (14. 19. .Jiili 1998), iris1)cwritlcre den hlitglicdorii tler Arbcit,sgriippc. ..Persistence %71 hf7dt,i7rrediu Models". Prof. Dr. h1icli:rol Rliittliics. Prof. Dr. To111 hlcKonc~.
Vorwort
IX
Dr. Tom Parkerton, Dr. Richard Purdy, Dr. Dik van de Meent, Dr. Frank Wania, sowie Prof. Dr. Donald Mackay. Ausdrucklicher Dank gebuhrt Dr. Pitt Funck fur seine Hilfe bei der typographischen Gestaltung mit BTEX. Dr. Christina Dyllick und Claudia Gross1 vori WileyVCH danke ich fur ihre Unterstutzung bei der Realisierung dieses Buches. Meiner Frau Dr. Beatrix Falch verdanke ich viele inhaltliche Beitrage zum Reichweiten-Konzept. Ich widme ihr dieses Buch und danke ihr herzlich fur ihre Geduld und Unterstutzung wahrend seiner Fertigstellung.
Martin Scheringer
Zurich, im Januar 1999
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Inhalt Vorwort
VII
1 Eine Verbindung zwischen Umweltchemie und Ethik 1.1 Zu viele Daten zu wenig Daten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Beschreibung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Gliederung und Uberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ~
1 1 4 7
2 Offene Probleme bei der Bewertung von Umweltchemikalien 9 2.1 Fruhe Umweltbelastungen durch chemische Produktion . . . . . . . . 9 2.2 Chlorierte Kohlenwasserstoffe als Universalchemikalien . . . . . . . . 10 14 2.3 Umweltchemikalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Schwierigkeiten bei der Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 3 Uberkornplexitat und normative Unbestirnmtheit von Umweltsystemen 3.1 Zur Entstehung und Funktion von Schadensbegriffen . . . . . . . . . 3.2 Bewertungsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Uberkomplexitat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Umweltsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Technische Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3 Wissenschaftstheoretische und praktische Konsequenzen . . . 3.4 Normative Unbestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.1 Okologie und Ethik? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2 Normative Unbestimmtheit: Begrundungen . . . . . . . . . . 3.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23 23 26 28 28 30 31 34 34 38 43
4 Umweltchemikalien. Reichweite und okologische Gerechtigkeit 45 4.1 Zum Problem des Werturteils in naturwissenschaftlichen Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 4.2 Gerechtigkeitsprinzipien und ihre Anwendung auf Umweltprobleme . 49 4.2.1 Das Operationalisierungs-Problem . . . . . . . . . . . . . . . 50 4.2.2 Korperliche Integritat als Indikator . . . . . . . . . . . . . . . 52 4.2.3 Indikatoren zur Messung einer nachhaltigen Entwicklung . . . 53 4.2.4 Syndrome des Globalen Wandels . . . . . . . . . . . . . . . . 55 4.2.5 Gerechtigkeitsprinzipien und Reichweite . . . . . . . . . . . . 58
4.3
5
Riiiiinliche R.eichweite bei nielircren Eriiitteritcw . . . . . . . . . . . . 62 4.3.1 Korribiriierte riiurrilichc Rcicliwcitc . . . . . . . . . . . . . . . 62 4.3.2 Normativcr Bcziig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
Persistenz und Reichweite als MaBe fur Umweltgefahrdung 5.1 Urriweltgef~~lirdiing iind Uniwc:lt,sc.liiLd(’ii . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Methodische Konseqiicnzeri . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Praveritiori . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Koniplexitatsreduktiou . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.3 Trmniing von Reichweito iind Erriissiorisiric.rigc . . . . . . . . 5.3 Zwischenbilanz iind Diskiissiori . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1 Inhalte und Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.2 Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.3 hlogliche hIiBverstaridnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69 (8
72 72 73 75 77 77 7!) 80
6 Quantitative Bestimmung von Persistenz und Reichweite 83 6.1 Zeitlicher und raurnlicher Koiizeritr~tioi~svt~rlai~f . . . . . . . . . . . . 83 6.1.1 Beskhende Persisteriz-Dt~firiitioncll . . . . . . . . . . . . . . . 83 6.1.2 Riiiimlicher Konzeritrationsvt:rlniif . . . . . . . . . . . . . . . 84 6.1.3 Konzentrat.ion iind Exposition . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 6.2 Eniissionsszenarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 6.3 Definitioneri von Persisteriz mid Rcichwc.itc. . . . . . . . . . . . . . . 88 6.3.1 Verteilungsrriaazalileii . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 6.3.2 Persisteriz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 6.3.3 Raumliche Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 6.3.4 Emissionen aiis rnehrtwn Qiidlcli . . . . . . . . . . . . . . . . 100 6.3.5 Ziisainmenfassiing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
7 Modellrechnungen fur Persistenz und Reichweite 103 7.1 Evaluative Alodclle und Simulatioiisrrioclell~!. . . . . . . . . . . . . . 104 7.2 Evaluative Alodelle ohne Transport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 7.3 Evaliiative hlodelle riiit Transport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 7.3.1 Klimazonenrnodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 7.3.2 Ririgrnodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Halbfliichtige Chlorkohlenwasscrstoff t. Per 7.4 Pollutants . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 7.4.1 Umweltchemische Befiindc iind iirnwcltpolitische Bedeutiing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 7.4.2 hlodellrechniingcn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 7.4.3 Interpretation der Rcwiltatc . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 7.5 Stoffvergleich rriittels Persisteriz urid Reichwrit.c. . . . . . . . . . . . . 132 7.5.1 Graphische Darstellurig dcr Alodcllrc.siiltntc. . . . . . . . . . . 132 7.5.2 Aussagekraft der Resiiltate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 7.6 Raiimliche Reichwcite bei rnelirereri Eiriitt.oiltrri . . . . . . . . . . . . 137
.
inhalt
XI11
8 Folgerungen fur die Bewertung von Umweltchemikalien 141 8.1 Expositionsgestiitzte und wirkungsgestiitzte Chemikalienbewertung . 141 8.1.1 Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 146 8.1.2 Anwendungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Risiko oder Vorsorge? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 8.3 Umweltwissenschaftliche und chemiepolitische Ziele . . . . . . . . . . 151 8.3.1 Umweltchemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 8.3.2 Weitere Verteilungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 8.3.3 Toxikologie und Okotoxikologie . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 8.3.4 Cherriiepolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
A Mathematische Struktur des Ringmodells 159 A . l Ubertritt zwischen den Kompartimenten . . . . . . . . . . . . . . . . 159 A . l . l Diffusive Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 A.1.2 Advektive Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 A.2 Transport in Wasser und Luft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 A.3 Kombination aller Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 A.3.1 Abbau und Transport innerhalb eines Kompartiments . . . . 165 A.3.2 Abbau, Transport und Ubertritt zwischen den Kompartimenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 A.4 Vorgehensweise bei der Berechnung von R und r . . . . . . . . . . . 167 A.4.1 Berechnung der Exposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 A.4.2 Berechnung der Persistenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 A.4.3 Berechnung der Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 B Glossar
171
Literatur
179
Register
205
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Kapitel 1 Eine Verbindung zwischen Umweltchemie und Ethik 1.1
Zu viele Daten
-
zu wenig Daten?
Umweltchemikalien sind seit den 50er Jahren ein wissenschaftliches und umweltpolitisches Thema. Eine breite offentliche Diskussion setzte 1962 mit dem Erscheinen von Rachel Carsons Buch Silent Spring ein (Carson 1962). In Silent Spring hat die Biologin Rachel Carson die schwerwiegenden Wirkungen dargestellt, die neue Pestizide wie DDT nach ihrer groflflachigen Anwendung in den USA bei einer Vielzahl von Lebewesen ausgelost hatten. Mit der Vision des stummen Fruhlings, in dem keine Vogel mehr singen, keine Bienen mehr fliegen und die Pflanzen am Straflenrand braun und welk am Boden liegen, loste Silent Spring starke Reaktionen aus. Unmittelbar nach seinem Erscheinen kam es zu heftigen Kontroversen, und die amerikanische chemische Industrie startete eine regelrechte Kampagne gegen das Buch und auch gegen Carsons Person (Hynes 1989, S. 115ff.). Uber diese erste Debatte hinaus hat das Buch dann wesentlich dazu beigetragen, dafl Ende der 60er Jahre eine Reihe von Pestiziden, am prominentesten davon DDT, in Europa und den USA verboten wurden, dafl in den USA die Environmental Protection Agency, EPA, ins Leben gerufen wurde (Marco et al. 1987, S.XV),und dafl der integrierte Pflanzenschutz, Integrated Pest Management, entwickelt wurde (Van Embden u. Peakall 1996). Weiterhin hat Silent Spring eine bis heute andauernde Auseinandersetzung mit dem Einsatz von Pestiziden ausgelost, die mittlerweile von allen Akteuren, auch der chemischen Industrie, mitgetragen wird.' Auch uber den Bereich der Pestizide hinaus hat sich seit dem Erscheinen von Silent Spring vieles geandert: Fur FCKW wurden Ersatzstoffe eingefuhrt; phosphatfreie und deutlich wirksamere Waschmittel wurden entwickelt; fur Losungsmittel wurden die Riickhaltetechniken z. B. in der chemischen Reinigung stark verbessert; Papier wird chlorfrei gebleicht, und zahlreiche Farben und Lacke werden heute auf Wasserbasis hergestellt, um nur einige Beispiele zu nennen. In vielen Landern und in der EU wurden umfangreiche gesetzliche Regelungen fur die Registrierung von
1. ,,American industry independently and in response to her [R. Carson's] challenge is now engaged in scientific research and development that no one in the 1960s would have reasonably envisaged." (Marco et al. 1987, S. 166).
Cheniikalion cingefiihrt, und in Wisseriscliaft, Vcrwaltung lint1 Indiistric: liabcn sirh standardisierte Verfahreri ziir Choinikalienbewertung etabliert . Aridererseits haben sich n e w Problernfelder eroffriet wie z. B. die horrnoriahnliche Wirkung verschiedener Cliemikalieri, uiid zudern hat bci alleri Verbesserurigen in cinzelnen Bereichen die Vielfalt und Mcnge dcr Stoffe, die in die Umwelt freigesetzt werden, zugenornmt:ri. Glcichzeitig ist der Bestand des naturwissenschaftlichen Wisseris iiber die Auswirkungen von Cheniikalien in der Umwelt selir stark angcwachsen. Die Vielzahl der Cheniikalien, die Vielzahl der bctrofferien Organismen und Okosysteme urid der darin ablaufcnden Prozesse fiihrt zu einer stetigen Zunahme der Befunde. Deririoch fehlen in vit:len Fallen inimer Iioch Daten fur die Beurteilurig voii Chemikalien, so daB man, zugespitzt formuliert. sagen kann: Es bestelit gleichzeitig Dateniiberflui.3nnd Datenmangel. Diese uneindcutige Datenlage fuhrt dazu. dai5 irnmer wieder kontrovers rlaruber diskutiert wird. wie schwerwiegend Umweltbelasturigen durcli Chemikalien eigeritlich cinziisch%t,zensind, worin geeignete Mafinahmon ziir Verminderuiig solcher Umweltbelastiingen bestehen konnen, iind wie dringlich solche Mahiahmen sind. Daran zeigt sich, dafi naturwisserischaftliclie Fakteri allein riiclit fur sich sprecheri und auch keinc hinreichenden Entscheidungsgrundlagen bilden. In dieser Situation ist es das Ziel der vorliegerideri Studie, riaturwisserischaftliche R.esultate und Methoden aus der Umweltchemie mit eirier ethischeri Argumentation zu kornbinieren.' Dadurch sol1 ein starkerer Bezug zwischen der naturwissenschaftliclien Beschreibung von Umweltveriinderiingen einerseits iind ilirer nicht-natiirwissenschaftlichen Bewertung aridererseits hergestellt werden. Ein stiirkerer Bezug zwischen Beschreihung und Bewertung, so die Hauptthese dieses Buches, macht die Beurteilurig von Umweltvctranderungen transpareriter und effizienter? urid er verbessert ihre normative Grundlage. Da das Feld sehr umfangreich ist, ist eine Eingreriziing hinsichtlich der betrachteten Stoffe und Methoden erforderlich. Ursprunglich wurden Umweltproblenie cler Chernie an der Produktion, an den ,,rauclicndeIi Schornsteinen" festgemacht. Das heutige Problem der Umweltchemikalien betrifft jedoch weriiger die cliemische Prodiiktion als die cliemischen Produkte, die wahrend und nach dem Gebrauch in die Umwelt gelangen; sie iibertreffen die Emissionen ails der Produktion bei weitem und werden heute (neben den zu deponierenden Abfallen) als die eigentlichen Emissioneri der chemischen Iridustrie angesehen (Weise 1991; Ballscliniiter 1992, S. 504; Ayres 1998). Es handelt sidi dabei um eine Vielzal-il voii Gebrauclischemikalien wie Losungsmittel; Waschmittelinhaltsstoffe; Textilchemikalieri; Kunststoff-Zusatze wie Antioxidantien, Stabilisatoren und Weichmacher; Medikamente wie z. B. Antibiotika; Anstrichstoffe sowie Diingeniittel niid Pestizide.3
2. Hier steht die ethische Bewertung i r n Vordergrund; ebenso relevant sind aher auch reclitliche und iikononiisclie Bcwcrtungcn. Zur rechtlicl-ien Bewertung vergleiche rnan z. B. Winter (1995). 3 . Von diesen ausgewahlten Stoffgrupperi werden zur Zeit pro Jahr et,wa folgende Mengeri verbraucht: 2 Mio. Torineri aktive Pestizid-Wirkstoffe (1993 weltweit). 3 Mio. Tonnen Liisungs-
1.1
Zu viele Daten
-
zu wenig
Daten?
3
Im folgenden werden hier vor allem unpolare organische Substanzen wie Losungsmittel und halbfliichtige chlorierte Kohlenwasserstoffe wie z. B. polychlorierte Biphenyle (PCB) naher betrachtet. Nicht untersucht werden Dungemittel, oberflachenaktive oder komplexbildende Stoffe, saure Gase wie SO,, NO, und CO2, Schwermetalle und Salze. Diese Einschrankung ist vor allem wegen des in Kapitel7 verwendeten Modells notwendig, das sich nur auf unpolare organische Substanzen anwenden Iaflt. Die grundsatzlichen Uberlegungen zur Bewertuiigsproblematik beziehen sich jedoch auf alle Stoffgruppen und vielfach noch allgemeiner auf ,,arithropogene Umweltveranderungen". Bei den Methoden zur Chemikalienbewertung wird hier vor allem auf die Risikobeurteilung fur neue Stofle mit den Schritten Expositionsanalyse und Wirkungsanalyse Bezug genommen, wie sie u. a. dem Technical Guidance Document ( TG D ) der EU oder der schweizerischen Stoffverordnung zugrundeliegt. Neue Stoffe sind alle Stoffe, die seit dem 18.9.1981 auf den Markt gebracht wurden; ca. 100000 Altstofle waren bereits vor diesem Datum im Gebrauch (aufgelistet im European Inventory of Existing Commercial Chemicals, EINECS) . Eine Auswahl dieser Altstoffe sol1 im Rahmen des EU-Altstoffprogramms beurteilt werden; bisher wurden allerdings mir zehn dieser Bewertungen abgeschlossen (EEA 1998, S. 9). Uber 200 Altstoffe wurden mittlerweile vom Beratergremium fur umweltrelevante Altstoffe der GDCh bewertet (BUA 1986). Als ein umfassenderes Instrument zur Bewertung chemischer Produkte hat auch die Okobilanz oder Lebenswegbilanz (Life Cycle Assessment, LCA) eine zunehmende Bedeuturig erlangt. Die Risikobeurteilung fur einzelne Stoffe ist namlich nur ein erstes Element in der umfassenden Bewertung chemischer Produkte; eine Okobilanz umfaflt uber die toxikologisch orientierte Risikobeurteilung hinaus alle Schritte von der Rohstoffgewinnung iiber die Produktionsprozesse und die Nutzung des Produkts einschliefllich Recycling his zu seiner Entsorgung durch Deponierung oder V e r b r e n n ~ n g .Dabei ~ sind zusatzlich zum betrachteten Produkt selbst auch mittel (nur Westeuropa, 1995), 112 000 Tonnen Textilhilfsstoffe (Produktion in Deutschland 1992), 800 000 Tonnen Farbstoffe (weltweiter Verbrauch, annahernd konstant seit 1974), 1.2 Mio. Tonnen Kunststoffadditive (weltweit 1990), 1 Mio. Tonnen Weichmacher, davon 85% Phthalate (nur Westeuropa), 15 Mio. Tonnen Seifen, Tenside etc. (weltweit), 30 000 Tonnen Antibiotika (weltweit 1994), 5 000 Tonnen Enzyme (weltweit 1990). Alle Angaben nach U11mann, 5. Auflage (1985-1996) und Kirk-Othmer, 4. Auflage (1991-1998). Insgesamt wurde die weltweite Produktion an organischen Chemikalien von 5 Mio. Tonnen im Jahr 1950 auf ca. 250 Mio. Tonnen im Jahr 1985 gesteigert (Korte 1987, S. 6). Erhebliche Anteile dieser Stoffmengen gelangen in die Umwelt, wo sie jedoch nicht mehr ,,verarbeitet" werden konnen: ,,Die globale Allgegenwart vieler anthropogener Chemikalien ist in den letzten 50 Jahren Realitat geworden. (...) Selbst der mikrobiologische Abbau (...) zeigt die Grenzen seiner Moglichkeiten a u f sonst hatten die Weltmeere nicht in wenigen Jahrzehnten leicht nachweisbare Mengen eines komplexen Musters von Xenobiotica akkumulieren konnen." (Ballschmiter 1992, S. 525f.) 4. Zur LcA-Methodik vergleiche man z. B. Consoli et al. (1993), Curran (1993), White u. Shapiro (1993), Nash u. Stoughton (1994), Barnthouse et al. (1997), Hulpke (1998), Hungerbuhler et al. (1998), Hofstetter (1998).
alle weitereri an sctinem Lebenszykliis txtciligten chemisehen Substarizeri sowir: tltx Wasscr-, Energie- urid Materialverbraiich zu bewerten. Bci dar Bewertiing eines solchen vielstufigeri und vielfach ruckgekoppelteri Systcrris ails Stoff- und Energiefliissen niiisseri verschiedene Gesundheitsrisikcn. Umwelthelastungen, Kostenfaktoren etc. bcriicksichtigt, bewertet iind verglichen werden. Irn einzelneri sind die Schritte (1) Zieldefinition (Goal and Scope Definition), ( 2 ) Inventarisierung ( L i f e Cycle Inventory), (3) Wirkurigsbeurteilung (Life Cycle Impact Assessmen,t ) und (4) Interpretation zii uriterscheiden (Consoli et ul. 1993, ISO 1997). Im Schritt Lzfe Cycle Impact Assessment stiitzt sich die Okobilanz auf verscliiedene Verfalireri z i ~ rEinzelstofiewerturig, z. B. fiir die Wirkungskategorien Treibhauswirkung, Ozonabbaupotential, VersaiicriingspoteIitial oder Hurnan- urid Okotoxizitat. Das Life Cycle Impact Assessmen,t ist noch bei weitern riiclit ausgereift (Owens 1997). sonderri karin von Nciiansatzen bei der Stofiewertung erheblicli profitiercn. In diesern Sirine ist das hier entwickelte Reichrveiteri-Korizept aiich als ein Impuls zur Weiterentwicklung der St,ofiewertung in der Okobilanz zu verstehen.
1.2
Beschreibung und Bewertung
Daniit irri folgenderi keine MiBverstaridnissc hinsichtlich der Bedeutung des Begriffs ,,Bewertung” aiiftreten, werderi zuriachst vier versrhiedene Bcwertungsforrneri iiriterschieden, die im Kontext tler Cliemikalienbewertii~igverwendet werden: 1. NutiiriiJissenschaftliche Bewertiiny oder Wertzuweisun.g: Diese erste Form entspricht dern naturwissenschaftlichen Verstbridnis dcs Begriffs ,,Bewertung”. Eiii Stoff wird bewertet, indem ihm Zahlenwerte einer gegehenen physikalischen, chemischen oder toxikologischen MeflgroBe zugeordnet, werden. Verscliiedene Substanzen kiinnen daiiri hinsichtlich dicscr GroDe verglichen werderi. Die NleDgriifk kann, mufl aber riicht auf eirie im Hintergrund stehende ct hischc Norm bezogen sein; so hat z. B. die hiaximale Arbeitsplatz-Konzeritratiori (MAK-Wert) Bezug zur korpcrlichen Integritat als schiitzenswertes Gut, wiikirend der Dampfdruck kcinen solchen norrnativen Beziig besitzt.
2 . ReLewunzeiiisch~tZU7cg:Im Gegensatz zur ersten Frage welcher Wert ciner gcgeberien MeBgrofie ist eirier Substariz zuzuordnen? geht es hier um die Frage, hinsichtlidi ioelcher MeflgroBe eirie Substanz bewertet werden soll. Uber die iinrnittelbare riaturwisscnschaftliche Bedelitling liinaus haben viele MeOgrohn cine wertende Bedeuturig, die jedoch nieisteris implizit ist und bei der Verwendiirig dc:r Illefigriifien als Schadensindika.torer1 niciit arigesprochen wird. Die Relevanz, die ein Indikator fur die Urnweltdebatte hat, hangt u. a. d a w n ah, was er iiber den naturwissenschaftlich zii verstehenden Zahlenwert hinaus besagt. Bei dieser zweiten Bewerturigsforrn wird sorriit die wertende Aussagekraft riaturwisscnschaftlicher Indikatoren wie z. B. Toxizitat, Treibhauspotential oder Persistenz beurteilt. Auf dieser Grundlage kiinnen dann die fur ein bestimmtes Problem relevanten i‘vfef3groReri ausgewahlt werden.
1.2 Beschreibung und Bewertung
5
3. Normatives Urteil: Vor dem Hintergrund eines Werturteils oder einer ethischen Norm wird beurteilt, ob ein Sachverhalt, z. B. eine Chemikalienexposition und ihre Folgen, einen Wert wie z . B . ein Rechtsgut oder einen moralischen oder asthetischen Wert beeintrachtigt oder fordert. Damit zwischen Norm und Sachverhalt eine Beziehung hergestellt werden kann, werden geeignete Indikatoren benotigt. Solche Indikatoren bilden einerseits die Dimensionen, in denen der Sachverhalt beschrieben wird, und andererseits die Kriterien, niit deren Hilfe der Sachverhalt hinsichtlich der Norm beurteilt wird. 4. Umfassende Giiterabwagung: Verschiedene Guter und Giiterbeeintrachtigungen, die ihrerseits bereits im Sinne eines normativen Urteils bewertet wurden, werden gegeneinander abgewogen, z. B. in Form einer Kosten-Nutzen-Kalkulatiori. Dies ist die umfassendste Bedeutung des Begriffs ,,Bewertung". Guterabwagungen bilden die Grundlage fur eine Entscheidung uber Maanahmen. Im folgenden wird der Begriff ,,Bewertung" uberwiegend mit der dritten Bedeutung (normatives Urteil uber Umweltveranderungen) und in einigen Fallen mit der zweiten Bedeutung (Relevanzeinschatzung von Indikatoren) verwendet. Ausgangspunkt fur das hier vorgestellte Konzept zur Chemikalienbewertung ist nun das zu Beginn erwahnte Dilemma aus ungenugendem Wissen einerseits und Datenuberflua andererseits: Obwohl mittlerweile eine Fiille von naturwissenschaftlichen Befunden zur Verfugung steht, scheint bei vielen Umweltproblemen immer noch keine genugende Grundlage fur eine Bewertung zu b e ~ t e h e n . ~ Gleichzeitig ist die Menge der zur Bewertung anstehenden Befunde so umfangreich und uneinheitlich geworden, daB sie nahezu beliebig viele, auch widerspruchliche Folgerungen zulaat und dadurch das Bewertungsverfahren lahmt , was zum sog. ,,Gutachtendilemma" gefiihrt hat (Wandschneider 1989; Hosle 1991, S. 83; Lubbe 1997). Es stellt sich also die Frage, wie der Bedarf fur neue Daten besser definiert werden kann als bisher, und wie die bereits vorhandene Datenmenge sinnvoll strukturiert werden kann. Datenmangel und DatenuberfluB sind zwei Aspekte desselben Problems: Es gibt bislang keine genugend klaren Leitlinien fur die Datenerhebung im Hinblick auf die Bewertung der Daten. Der Ansatz, mit dem dieses Problem hier ein Stuck weit entscharft werden soll, besagt:
Nur wenn die naturwissenschaftliche Beschreibung und die ethische (oder rechtliche) Bewertung von Umweltveranderungen von Beginn an aufeinander 5. ,,Auch in absehbarer Zeit diirfte eine zuverlassige Abschatzung der Folgen samtlicher StoffEintrage in die Umwelt h u m moglich sein - zu gro6 sind die unkalkulierbaren Spriinge, zu komplex die Wechselwirkungen und Riickkoppelungsmechanisrnen. Von einigen Stoffen ist noch nicht einmal die genaue chemische Zusammensetzung bekannt." (Wuppertal-lnstitut 1996, s.43)
bezcyen sind wid g ( : ~ i e i ~ i . i i emvbcitet (~~j' uierden.
m'rd sich die Vaelfalt der natiiruui.sRensch(i~liche71 Fatten c:inerseit.s und der urniueltpolitischen Argumen,te und Po,sitioneti andemrseits fur die Umuieltdebatte fruchtbar machen lassen. 'Il'ic dicwr vxplizit,c>Bcwig zwisclirm Bcsclireiliuiig urid Bewcrtung hergcstcllt wcrden kaiiii. wirtl koiikrct ail t l c i i Iiidikatorcri ..r5iiniliche iind zeitliche Reichweitc" gezeigt. die irii folgcmtlcii riiit R (Raiiiii) und T (Zeit) bezeichnet werden. Dic zeitlichc, Rricliwcitc. T cmtspricht der Persisteiiz oder Lebensdauer voii Uriiwcltche~nikalicn.dic iii der Uiriwc4tc:hcmic~scit C H . 25 Jahren als Bewert ungskriteriuiri verwcridet wirtl. Dic. r;iii~rilic*hc~ Roichwoitx. R wiirde bisher niclit verweridet: sie wirtl hictr IS ErgiLiiniiig tier Pcrsist,cnz fiir die Raiiiiitliitierision eingefiihrt. Sit: bt:schreibt dic Griific>cles Bercichs. iibcr tlcn sich cin Stoff nach seiner Freisetzung in die Uniwelt vctrtcilt. Iridikatorcri wit. R iiritl T 1)ildcii (tin Biritlcglicd zwischeri Beschreibung und Bcwertung: Eiriersvits siiitl sic ri;Ltiirwissorisch;ftliehc hkfigrofieri. in deneri viele Eiiizelbefiiridt: z i i i ~ iUriiweltvc.rli;Lltori von Cheinikalien gebiindelt werderi. Andererseit,s haberi sic einc nrisc1i;Liilichtt Bcclciit,iing. rnit der sie auch aufierhalb der Uinweltchemie vcrweridct wcmlttii. V(:rwc:ridvt wire1 dcr Begriff ..Reichweite", wie in Kapitel 4 ausfiihrlichcr dargcstt:llt~,z. B. in pliilosophisclieii Uberlegungen Zuni Problerri, dafj eincrseits Daiicr i i r i t l Aiisrrlitl< c l ~ i tlic i ,,Reichweite" der Folgeri vori techriis ch m Haiidlurigctri i i r i d aridrrtwc:its der Bereich, den die handelnden Akteure in ihrer Vwaritwortiirig st!hcm, irriiimr stk-kor ,ziiseirianderklaffe~i.Dieses Problerri ist eiri ethisdics Prot)lt!rii> tl(wri os l)ot,rifft die Frage nacli ziilassigen oder unzulassigeri bzw. wiirischciiswerteri odcr zii vc~ririttid(~ridc:11 Handlungen iiiid nacli den Entscheiclungskritericn tlafiir." Denientsy~rcclit~ri~l geht cs koiikrct (larim. (lie Indikatorcn R und T eiricrseits als riRtiirwisseriscliaftliclit. h!lt:f3griif3ori aiisziiarbeiteri. also Verfahren fur ihre Berecliriurig oder hIcssiiiig ariziigc:l)cw urid dic R(wi1tate in iibersichtlicher iind verwcrttxrer Form darziistt,llcri. Aiitlcwrseit,s iriiisseii die Iridikatoreri in Bezug z u bestirriiiit,en ..rioririativeii Priiizipicm" gcwtzt, wc:rdt~i:dies sirid liier vor allem Gereclitigkeits1,ririzipicm. Datliirrh wirtl dicwii Pririzipitw tint) konkrete Interpretation ziigeordiict. Es ist ZII betoiicn. dai) tler 1iir.r vorgcstclltc: Aiisatz cine iniigliche Konkret,isieruiig vcm Gwvclit igkt:it.spririzipi(.II fiir clict Uiriwc!ltdcbat te ist. Dariiber hinaiis ist. es not.wcri~
6. Die Verkriiipfiiiig zwc3ic.r vr~rsctiictleiier~~isseiischaftliclier Bereiche wie Uniweltcherriir i i i i d Ethik ist c.ti;ir;iktc,ristiscli fiir / 1 ~ ~ ~ ~ 1 , s d z s z ~ ,Forschurig. p 1 z ~ r u ~ ~ hlaii vergleiche dazu hlittclstralJ (1993. S. 27): ..hIit 7'r;iiistliszipliiiaritat ist (...) im Sinnr wirklicher Interdiszipliriaritat Forschurig gcriicirit. die. sich iiiis ihreri diszipliriiircii Grcrizcri lost. die ihre Prohlerne disziplineniinabhiingig tlr4iiiic~ti i i i d tliszii)lirioriiiri;tt,h;iiigig lijst ." Ahiilich tieiDt t*s twi .l;iegcsr 11. Scheririgw (1998. S. 24): ..Bei Transdisziplinaritat ist das erkenntnisleiteridr I i i t t t r t w c > iiiiabtiiiiigig voii tiisziplinken Erkeiiritriiszieleri auf die wisserisc11aft.liche Brarhitiirig It,l)c.iiswc,ltlicli~!r Problrnic, aiisgc,rirhtet. Die eirigesetzteri hkthodeii koririeii ricu eritwickelt oder i ~ i i sihrcri iirspriirigliclicri disziplinaren Kontexten herausgelost iind a i i f neiie Fragrri iihertragen w c ~ d c ~ iL);tlJei i. kiiririeri hlethoden niiteinarider korrihiniert werden, die iirspriiriglich fiir w h r iiiitcrschiedlichr Erkeiiritiiisiriteresscri entwickelt worden sind."
7
1.3 Gliederung und Uberblick
dig, die Prinzipien fur andere Indikatoren und Anwendungsfalle ebenfalls konkret zu interpretieren und urnzusetzen.
1.3 Gliederung und Uberblick In Kapitel2 wird am Beispiel der halogenierten Kohlenwasserstoffe beschrieben, wie sich die Probleniatik der Umweltchemikalien seit den 40er Jahren entwickclt hat, und die derzeit verweridete Methodik zur Chemikalienbewertung wird im Hinblick auf das Dilemma von Datenmangel und Datenuberschuil diskutiert. In Kapitel 3 wird grundsatzlicher aiif die Bewertung von Umweltveranderungen eingegangen. Dabei wird zunachst iintersucht, inwieweit die Kategorie des Schadens fur die Bewertung von Uniweltveranderungen geeignet ist. Anschlieilend werden aus Resultaten der okologischen Forschung griindsatzliche Beschrankungen abgeleitet, denen die Beschreibung und die Bewertung von Umweltveranderungen unterliegen. Im Zentrum stcht dabei die Komplexitat von Okosystemen, und die Begriffe ,,Uberkomplexitiit" und ,,normative Unbestimmtheit von Umweltsystemen" werden eingefiihrt . In Kapitel4 wird aus diesen Resultaten der Schlufl gezogen, dail die Aussagekraft naturwissenschaftlicher Befunde in der Umweltdebatte umso groiler ist, je besser die Erhebung der Befunde mit explizit herangezogenen normativen Prinzipien abgestimmt ist. Dies besagt: Die Erhebung und die Bewertung wissenschaftlicher Befunde sollten nicht als zwei isolierte Schritte nacheinander durchgefuhrt werden, sondern bereits 'UOT der Erhebung der Befunde sollten normative Prinzipien beriicksichtigt werden, die fur das betrachtete Umweltproblem relevant sind. Indem diese Prinzipien neben den Eigenschaften des untersuchten Umweltsystems explizit in die Auswahl oder Neuformulierung der Indikatoren einbezogen werden, bestirnmeri sie die Relevanz und Aiissagekraft der erhobenen Befunde mit. Im Sinne dieser These werden hier Gerechtigkeitsprinzipien wie die Goldene Regel und das Verursacherprinzip als norrnativer Bezugspunkt der Indikatoren R und r ~ e r w e n d e t Diese .~ Prinzipien ermoglichen die Bewertung von Chemikalienbelastungen, wenn man sie auf die Frage anwendet, inwiefern Chemikalienemittenten einerseits einen Nutzen aus dem Chemikaliengebrauch ziehen, wahrend andererseits die Nebenfolgen raumlich und zeitlich ausgelagert werden. Persistenz und Reichweite beschreiben die raumliche und zeitliche Ausdehnung von Chemikalienexpositionen und dienen damit dem Zweck, solche Personen oder Parteien zu identifizieren, die von raumlich und zeitlich ausgelagerten Nebenfolgen einer Chemikalienfreisetzung betroffen sind. Nach diesen ethischen und methodischen Uberlegungen bildet Kapitel 5 den Ubergang zur Umweltchemie: Am Beispiel der FCKW, die sehr langlebig sind und ~
~
7. Die Goldene Regel - ,,Was dn nicht willst, das man dir tu', das fiig' auch keinem andern zu" driickt aus, daR man keine Vorteile beanspruchen soll, die man anderen nicht ebenfalls zugesteht, und umgekehrt niemandeni Laster1 aufbiirden soll, die man nicht selbst auch akzeptieren wiirde.
sicii global vortcilrii. wird illustriert . wic, Pvrsist,cwz i i i i d Rc,ic:hweitc i)vst.iiiiiiit werclcn iirid welclio Eigtmsdiafteii sie habc~ i .Ndwii (hwi iiorrnativeir Bcziig ist 1x:i tler Einfiihriing der IiitlikiLt,orcn R iirid 7 dic: Uiitc.rst:ticidiiiig zwischcm Eiiiwirkiirigeri iiritl Auswirkurigw wcwwtlicli. Einwirkiirigcw koiiiiii~:ii diirch Eiiiwirkiiiigsfnktoreri wic Liirm. Hitzc. Driick rind Chcmikaliciii ziistaiitlo. die in die Uriiwc~ltfrcigtwtzt wertlen iind sich in c.li;iriikteristischer W(%o vvrt cdcii. wiihreiirl Aiiswirkiiiigcm die Rcaktionen voii Orgaiiisiricii iirid Okosystcmcm aiif solclie Eiiiwirkiiiigcw sind. Negativ bewertett: Aiiswirkiiiigoii sind St:liii(h. wi-ihrcrid Einwirkiiiigcw ills Gvfahrdiirigrm. d. h. ids (.in(. Vorstufc vori Scliiidcn, Iwwcrtct werdeii kiiiiii(m.s Da die Iidikatoren R iiiitl T stdfspezifischc Griikii siritl. ciio aus der Vt.rt,~~iliiiigstlyii~rriik von Urriweltclieiriik;tlic.ii l)c:rectiriet werderi; sirid sir iiiif der Ebenc. dor Eiiiwirkiirigcn imgesiedelt. Derrir~ritsprt:c:lierltlsind sie hl;tBzithlt~iifiir Urriweltgcfiilirdiiiig~~ii, liefern ,jc.doch kcine Iriforiri;Lt,ioricn iiher Umweltsc.li;icI(w. Die Vortcilt: i i i i d Bcypiiziirigcm titier solcheri St.offl)c.iirtc.iliiiiganhantl voii R i i i i t l T wertleri clrijrtcrt.. In Kapitel 6 wird tl;trgrstellt. welche Bt~r~~t~liiiiiiigsiriet liodeii vcrwwitlr~twcLrden kiitirien. iim R i i i i t l T qiiaiititativ zii hwtiriiiiioii. Kapitel 7 twtlidt viiicii Verglcich verschietlenc~rh1oclt:lle. rriit derieii tlas Uiiiwcdt vrrlialteri voti Cliciiiikalitm abgc.scliiitzt werderi kaiiii. Ditse hlotlelle gehiiroii ziir Griippe tler sog(’iiiiiiiitt~t1UnitWorld-hiodcllc odcr Filgitzitatsmodellt.. Nach t l c w U1)crhlick iiber tlicwii hIotI(\llt,yp wird eiri neueritwickclt,c!s hlodell riaher vorgt~st,c~llt,. mit drsseii Hilfc R i i i i d T fiir cine Griippe voii orgitiiischen Urriweltc1icrriik;tlic:ri 1)c:rcchnet werdcn, so daJ3 diese St,offe riach R iiritl T klassifiziert wcrdeii kiiriiicm. 1iisl)esoiidere wird aiit’li aiif tlas Problerri der Per terit Oryanlc Pol1utarit.s (POI’S. z. B. polychloricrtc. Biphenyle goii. dio zur Zcit Gegtiist,;tricl iiitcriiatioiialer Vt~rlii~iidliiiige~i nritl DDT) einge sirid. Fiir die Beiirtciliiiig voii POPS werdcii vor w l l r m Kriterieri Ixmiitigt. die. die eriz und d c i i wtit,r;iiirnigen Transport d t Sii1)staiizcii ~ erfasscn: tlir.s ist (:in sirid. fur den dic Iiidikiitorcii R uiid T gilt gt~c~igtir~t Iii Kapit.el 8 wird ( I R S Rcicliwcit,en-Korizt:pt, in ( 1 ~ s IiistrurricIitariiiiti 1wst.c~Iir~iitler hlethoden ziir CIic~rriik;t1ittiibewertiiiigeirigcortlnct,. iirid die verschicd(~tic~ii Aiisihe wertlen zu eirierri syst,ctnatischcn Verfahnxi koiiihitiicrt. Schliefi1ic:h wird ciri Aiistdick gegeben, wit. sich (lie C1-iemikalieribewt:rtliilg in Ziikurift ciitwickdii kiiririte iiritl welche Forrricii dvr Clirtrriikalienniitxiiiig illis t l t ~Pcwpckt ivc (1t.s Rc+hweitcnKoiizcpts wiirischciiswtirt~wiiren. Die Quintesseiiz dvr 1iic.r vorgestelltcii Ulwrlcguiigeii kiiriiicw ciligc. Lcwr ails ciicwm EirifiihriiiigskaI)itel iind dern Schliifikapitt~lciitrielinieii. lerii fiir die iioriiiat ivcii. begrifflichen u ~ i dwissc,iisc.li;\ftstliroret Rcichweit.en-KoiizoI,ts iiitcressiert. findet diesc, iii tl (w Kapitelii 2 Iiis 5. Dic Kapitc.1 6 iind 7 eritliitltcm dcn iiriiweltcliemisclicri T d in dcm auch techiiischo Fragen ziir Berecliriurig voii Pcrsisteriz iind Reichweito i i n t l ziir hlodellieriiiig tles Urriwcltverhaltens vori Cliciiiikalicti t di andel t wcrdcri iiiitl t l w claher nicht gariz frei von Iriathematisctieii Aiistlriickcii ist. ~
Kapitel 2 Offene Probleme bei der Bewertung von Umwelt chemikalien 2.1
Friihe Umweltbelastungen durch chemische Produktion
Zur Illustration, wie mit den ersten Umweltbelastungen durch die industrielle Chemikalienproduktion umgegangen wurde, sei hier das Leblanc-Verfahren zur Gewinnung von Soda angefiihrt (dargestellt nach Sieferle (1988, S. 17-21)). Mit Hilfe des 1787 entwickelten Leblanc-Verfahrens war es moglich geworden, pflanzliclie Pottasche ( K 2 C 0 3 ) , die fur zahlreiche Anwendungen z. B. in der Seifen- und Glasindustrie benotigt wurde, durch industriell hergestellte Soda ( Na2CO3 ) zn ersetzen. Das Natriumcarbonat wiirdc ails Kochsalz, Schwefelsaure und Kohle gewonnen, wobei Chlorwasserstoff (HCl) und Calciumsulfid (CaS) anfielen, und aus dem Calciumsulfid wiederum entstanden Schwefelwasserstoff ( H2S ) und Calciumhydroxid ( Ca(OH)z 1. Das Leblanc-Verfahren war zu Beginn des 19. Jahrhunderts in England weit verbreitet, wobei die Abfallprodukte erhebliche Umweltbelastungen bewirkten: Durch die aus dem Chlorwasserstoffgas entstehende Salzsaure starben Baume, Hecken und Getreidefelder ab; durch Abfalle aus Calciumhydroxid, Calciumsulfid und Kohle wurde das Grundwasser verseucht, und der Schwefelwasserstoff fuhrte zu Belastigungen durch Gestank. Durch diese Umweltbelastungen kam es zu Konflikten zwischen Sodafabrikanten und Landwirten, und in der Folge wurden technische Losungen wie hohe Schornsteine und Kondensationsturme fur das HCl-Gas entwickelt. z. T. wurden auch einfach nur die Produktionsanlagen verlagert. 1864 wurde der Alkali Act erlassen, ein Gesetz, das von der Sodaindustrie verlangte, daB mindestens 95% des HC1-Gases zu Salzsaure kondensiert werden muaten. Allerdings wurde damit das Problem auf die Gewiisser verlagert, d a die Salzsaure zu groaen Anteilen in Flusse, Bache und Kanale eingeleitet wurde. Erst als auch die Salzsaure in hochwertiger Form aufgefangen wurde, so daB sie als Ausgangstoff fur weitere Nutzungen geeignet war, konnte das Problem entscharft werden. Wie dieses Beispiel zeigt, fuhrte die technische Losung von Umweltproblemen durch Chemikalien zugleich auch zu neuen Problemen, wodurch sich der Druck, auch fur diese neuen Probleme Losungen zu finden, erhohte. Dadurch wuchs wiederum die technische Kompetenz an, so daB immer wieder neue Losungen entwickelt wurden. Schliealich gelang es, in diesem Prozea von punktuellen Losungen mit
iirikoritrollicrteri Urriwc:lt l)(’liiSt,iirig~~ri (c:rst, Liift-, diiiiI1 G(w c~r\,c~last,llllg (lilr(*ll Salzsiiiirc:) zii iiriifasseiitlercii Liisiirigoii zii koiiirric~ri(Kiippd diikt,ioii v o i i Sotl;i iiritl Salzsiiiire) bei dtric:n die. Nebenprotliikt,c. (~l)(~iifidls gmiitzt w c ~ d c i ikoiintoii. Dieses hliister zicht sich vori der zweittm Hiilftti dtis 19. .Jiilirliiiiid(~rt,s iiii tliirc-11 dic: En h ick lu n g tler c1ic:rriischeri Iritliistric. Da fiir cinoii c~rlic+liclir~iiTvil tlicwr Eiitwicklung die Uriiwoltbolastuiigeri wcitgtt1ic:iid piiiikt iw11 l)licl)cw, scliicmcw sic: diirc.li die Korribiriatiori von teclinischer IririovatioIi i i n d Prol)lcriivc.rlagcriirlg I)(,wiiltigl)i1r. Erst langerfristig zc6g ich. daB die diireli die. t,t:chriisclic. i i i i t l wirtschitftlicho E n , wicklung verlagertcm oder rieugt.scliaff’eiic:ii Prol)lmit. schlicd~liclizii iiiiifasscmdm, nicht rriehr piinktiiell loshareri Uiriwc.ltprot)lerricii fiilirt,cvi. Dicw Eiitwirkliirig wird in den folgc:nden beiden A1)sclinit t,tm skizxicrt,. ~
2.2
Chlorierte Kohlenwasserstoffe als Universalchemikalien
In dcr zweiten Halfte tles 19. J i i hr hi i ~ i d~ ~lxgaiiri rts dvr Aiifscli\viiiig d(>rorgaiiisclichemisehen Syritlieseverfalircii. wodiirch dic, Aliziilil kiinstlich syiit hot isivrtvr. iii ( k r Natiir nicht vorkoirirnmendcr Siibstaiizc,ri stark aiiwiiclis. Einc wichtige S11bstarizkliiss(’ bildcii dabci dic clilorivrtcw Kolil(’iiw;issc’rst,off(~ (CKW):Nachdeni C. \.I.’. Scl i t x~ l1774 ~ das Clilor critdtLckt liiit tv. c.riiffiictt. sicli t,cils durch direkte Clilorieruiig vori Kohl(a1iwiLss(.rstoffcm. tcils diirch wcitcw Uiiisvt ziiiig der Produkte dieser Chlorierurig der Ziigang zii zahlroichoii (’KW: 1,2-Dichlorctli;tii (1795) i i r i d daraus Vinylchlorid (1830): Chloroforiii (.J. Lic4)ig. 1831) i i i i d (liiriiiis Tctrachlorkohlenst,off (1839); Perclilorc%liylm ( h l . Faratlay. 1821) i i i i d Triclilorc~tliylcri (E. Fischcr. 1864); Chlorplienolc (1836) sowie Chlorbc~iixol(~ (ith 1851) i i i i d Chlortoluole (ab 1866). Chloroform wiirdt 1)t:rt:its ill) 1837 tcdiniscli hc~rgcstcllti i i i d itls Narkotikuni verwendet . hlit der Griindorzeit der cheriiischeri Iiidiist,ric. in clcr zwcitcm Hiilft,c des 19. ,Jitlirhiinderts begariii cino technische iirid iikononiischo Eiitwickliirig. diirch clic tlic, erfolgrciclic Nutzariwendiing chcmischer Produktc. irislwsoiiderc aiidi rliloric.rtc>r Kohlenwasserstoffe, iirirner vielfiiltigor wiirdc (vgl. tlxaii z. B. Bayw A(: ( 1988)). Chlor stand fiir diesc Entwicklurig diircli dic Gwiiiiiiiiig voii Natroiilaiigv ails Kochsalz (Chloralkali-Eltktrolvsc) als ein bislaiig iiiil)rniic.lil)~trcsNc1)cmprotliikt zur Verfiigiing. urid die Synthese voii (:KW t.riiffiic.tc, c i i i c , hliiglichkcit. dicsc:s iiberschiissige Chlorgas zii nutzen. Ab derii Begiiin dcs 20. .J~ilirhiindcrtswiirdm erste C K W kornnierziell syrithc+sicrt (vgl. Kirk-0tliiiic.r. Ulliiiaiiii): 0
Clilorbenzol in Eiiglarid at> 1909 i i i i d in dcii
0
Tetrachlorkohleiistoff iii Deutsch1;iild ill) Cit. 1900 Perchlorotliyleii in Deutschland
iiii(1
USA
Eiigliiiid ill) 1910
Trichlorothylcn in Deutschlarid iil) 1920 Viriylchlorid
i l l i d PVC‘ iii
a11 1915
Dt:iits~hli~iid iil) 1912
2.2 Chlonerte Kohlenwasserstoffe als Unzversalchemzkalzen
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Chlorbenzol war mit uber 8000 Tonnen pro Jahr einer der ersten in groBem Umfang industriell hergestellten CKW; im Unterschied zu den ubrigen genannten Substanzen wurde es vor allem als wichtiges Zwischenprodukt eingesetzt, so fur die Phenol- und Anilinproduktion, spater auch in der DDT-Synthese. (Im ersten Weltkrieg spielte das aus Chlorbenzol gewonnene Phenol eine wichtige Rolle als Edukt fur den Sprengstoff Pikrinsaure.) Die ubrigen dieser ersten technisch synthetisierten Chlorkohlenwasserstoffe wurden entsprechend ihren physikalisch-chemischen Eigenschaften als Entfettungs-, Extraktions- und Losungsmittel verwendet, Chloroform weiterhin auch als Narkotikum. Trotz der zunehmenden Verwendung chlorierter Kohlenwasserstoffe blieben Bleichen und Desinfizieren bis zum ersten Weltkrieg die Hauptverwendungszwecke fur das bei der Chloralkali-Elektrolyse anfallende Chlor (Textil- und Papierindustrie, Gesundheitswesen). Ab den 20er Jahren jedoch konnten die Chlormengen, die durch den weiteren Ausbau der Chloralkali-Elektrolyse anfielen, nicht mehr von diesen Bereichen aufgenommen werden (Ullmann, 3. Aufl., Bd. 5, S. 316), wodurch die Synthese und kommerzielle Nutzung chlorierter Kohlenwasserstoffe weiter stimuliert wurde: ~
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1925 entfielen 3% des Chlorverbrauchs der USA (total ca. 160 000 Tonnen pro Jahr) auf die organisch-chemische Synthese, wahrend der Hauptteil zum Bleichen und Desinfizieren verwendet wurde (Ullmann, 2. Aufl., Bd. 3, S. 232). 1940 war der Verbrauch der chemischen Industrie bereits auf 60% und 1947 auf 77% (von total 1.3Mio. Tonnen pro Jahr) gestiegen (Ullmann, 3. Aufl., Bd. 5, S. 317). 1928 suchte man bei General Motors nach neuen Warmeubertragern fur Kuhlschranke und Klimaanlagen. Dabei stiefi man auf CC12F2, das die fur diesen Bedarf geeigneten physikalisch-chemischen Eigenschaften hat und zudern ungiftig und nicht brennbar ist. General Motors und DuPont begannen 1931 nach zweijahriger Entwicklungsarbeit gemeinsam mit der kommerziellen Produktion von CC12F2 (Freon-12) und CC13F (Freon-11). 1933 wurde CClF2 - CClF2 und 1934 CC12F - CClF2 entwickelt (Kirk-Othmer, 2. Aufl., Bd. 9, S. 704).
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1929 wurden die polychlorierten Biphenyle ( P ~ B )als chemisch und physikalisch stabile, nicht brennbare Kuhl- und Isolationsflussigkeiten und als universe11 brauchbare Tragersubstanzen und Materialzusatze entdeckt (Shiu u. Mackay 1986). Man suchte und fand Verwendungszwecke auch fur zunachst unbrauchbare Substaiizen p-Dichlorbenzol, die mit der Synthese anderer Produkte zwangslaufig anfielen: “The rapidly increasing manufacture in this country [i.e. USA] of monochlorobenzene during World War I resulted in by-products of p-dichlorobenzene for which uses had to be found.(...) During the 1930’s its use as a ‘deodorizer’ in the form of small pressed blocks or cakes developed rapidly in the sanitary field. Its vapor pressure and ‘clean’ odor make it highly suitable for this purpose.” (Kirk-Othmer, 1.Aufl., Bd. 3, S. 821). Wahrend der 30er Jahre wurde in Deutschland eine Anlage ziir grofitechnischen Polymerisation von Vinylchlorid entwickelt (Ullmann, 3. Aufl., Bd. 18, S. 87).
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Ab 1938 wiirden Insektizide, Herbizide urid Holzschutzniittel iiiif dt:r Basis chlorierter Phenole patentiert. 1939 entdecktc P. Miiller die insektizide Wirkiing des DDT; die Hexachlorcyclohexan-Isomerc, speziell Lindan, wurden zu Anfang der 40er .Jahre als Insektizide erkannt. Nach den Erfolgeri rriit DDT untl Lindan wiirderi ab 1944 die CKw-Insektizide Chlordan, Heptachlor, Aldrin. Dieldrin, Endrin, Kepone, hlirex, Toxaphen etc. gezielt entwickelt iind in zurielirrieriden Mengen produziert (Ullniann, 5. Aufl., Bd. A14, S. 278ff.; National Research Council 1978). a
1948 erreichte die weltweite .Jahresproduktion an Chlor ungebrochen durcli den zwciteri Weltkrieg eirieri Unifang von 2.6 Mio. Torinen. Zurn Vergleich: 1925 betrug die Produktioriskapazitat in den USA iind Kanada 185000 Tonnen pro Jahr (Ullrnann, 2 . Aufl., Bd. 3, S.232). Die KapazitRten der Chloralkalielektrolysc wiirtleri weiterhiri ausgebaut (Ullniann, 3. Aiifl., Btl. 5. S. 317). ~~
Die hloglichkeiten ziir Prodiiktion iind Niitziirig vori CKW, die sich ails dicser Entwickliirig ergaben. fuhrten ab den 50er Jaliren zii c:ineni exponeritiellen Anstieg der Prodiiktionsnicngeri. Die weltweite Chlorprodiiktion betriig 1994 40 Rlio. Tonnen (Streit 1994) die weltweite Gesarritproduktion an organischen Cherriikalien wiirde von 5 Mio. Tonnen im Jahr 1950 aiif ca. 250 Mio. Tonnen in1 Jahr 1985 gesteigertl (Kortc 1987, S.6). ~
Die Verfahren ziir groBtechnisclien Produktiori von PVC: waren zu Beginri der 50er Jahre ausgereift (Ullniann, 3. Aufl., Btl. 14, S. 201). iind da sich die Eigenschafteri vori PVC durch verschiedene Ziisfftzc in eineni breiten Bereich variieren lassen, wiirde es sclinell zu eineni iiriiversell urid rnassenhaft eirigesetzteri Konstriiktionsmatcrial. Da PVC zu 56 Gewichtsprozent i i i i s Chlor bestelit, wird scin Preis maBgeblich vorri Chlorpreis niit,bestimrnt: Ein niedriger Chlorprcis macht auch PVC billig, urid zudeni wirken sicli OlpreisschwarikungeIi nicht so stark auf den Pvc-Preis aus wie aiif den Preis anderer Kunst,stoffc. Die Entwickliing der industriellen Laridwirtscliaft war maBgeblicli aiif Insektizide grstiitzt, die aiif der Basis von chloriertcn Phenoleri entwickelt wiirderi (z.B. 2,4-D iind 2.4,s-T) urid die bald in1 Umfiing von eiriigen taiisrnd Toririeri pro .Jahr hergestellt urid grofifliichig freigesetzt wurden. 2.4.5-T war z u Beginn der GroBprodiiktion (50cr und friihe 60er Jahre) mit chlorierteri Dioxinen, auch mit 2,3,7,8-Tetraclilordibenzodioxi1i (TCDD), verurireiriigt. Diis im Vietriarnkrieg eirigesetzte Eritlaubiingsniittcl Agent Or.unye bestand ziir Hdfte aus 2,4,5-T iind cnthielt darriit aucli desseri Dioxin-Veriinreinigurigeri (Yoiing 11. R.eggioni 1988). Weitere Chlorkohlenwasserstoff-Irisektizitle( D D T . Lindan. Chlordan, Aldrin, Dieldrin) wiirdcn ab den 50er Jalireri ziir Bekiimpfurig vori Malaria, Fleck-
1. Die mengenmiiflige Aiiswciturig der. Chernikalienproti~~ktiori ist ein Aspekt dcs 50er-JahreSyndrorns, das nach C:. Pfistcr deri Ubergang von dcxr Iridustriegesellschaft in die Konsumgese2lschuft rriarkiert: vgl. d a m Pfister (1994).
2.2 Chlonerte Kohlenwasserstoffe als U~iiuersalchemzkalien
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typhus, Schlafkrankheit u.a. in grofiem Umfang produziert und weltweit eingesetzt; siehe z. B. Carson (1962), Goldberg (1975), Chapin urid Wasserstrom (1981). 0
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Anfang der 60er Jahre erreichte die Produktion vori polychlorierteri Biphenylen (PCB) ilireri Hohepunkt. PCB sind stabil gegen Sauren und Laugeii, hitzebestandig und nicht brennbar uric1 wurden daher in vielfaltiger Weise als Kiihlund Isolatiorisfliissigkeiten, als Hydraulikole, als inerte Tragersubstanzen usw. eingesetzt. Insgesamt wurde weltweit ca. eine Million Tonnen in Urnlauf gebracht, wovon heute noch 40% in Gebrauch sind (Ullmann, 5.Aufl., Bd.A6, S. 355; Tanabe 1988).’ Unter den Losungsmitteln wurde Tetrachlorkohlcnstoff ( CC14 ) wegeri seiner Giftwirkiing inimer starker von Tri- und Perchlorethylen verdrangt. Die Produktionsmengen von Tetrachlorkohlenstoff gingeri dadurch jedoch niclit zuriick, denn Tetrachlorkohlenstoff fand verstarkte Verwendiing als Edukt in der expandierenden Synthese der FCKW CC13F und CCl’FZ (Ullmann, 4. Aufl., Bd. 9, S.416). Diese FCKW waren bis in die 40er Jahrc niir zur Wiirmeiibertragung in Kiihlschranken und Kliniaanlagen verweiidet worden. Ab dem zweiten Weltkrieg wurden sie auch als Treibgasc, Aufschaummittel und Losungsniittel eingesetzt; aiiBerdeni wurden auch Polymere auf der Basis von fluorierteii Kolilenwasserstoffcn entwickelt (z.B. Teflon). Die Produktion der FCKW nahm von den 50er Jahreri an stark zu und erreichte Anfang der 70er Jahre einen Unifang von ca. 1 Mio. Tonnen pro Jahr (weltweit), wobei CC13F, CClzFz, CHCIFz , CClFz - CC12F und CClF2 - CCIF2 95% der Gesanitmenge ausmachtcn (KirkOthmer. 2 . Aiifl., Bd. 9, S. 706f.). Ca. 50-60% der Gesarntmenge dienten als Treibgase in Spraydosen und als Aufschaummittel, ca. 20% zur Warniciibertragung in Kiihlschranken. Tri- und Pcrchlorethylen hingegen wurden in der metallverarbeitcndcn Industrie zur Entfettung, in der Chemie- und Lebensmittelindustrie als Likingsund Extraktionsmittel, z.B. zur Koffeinextraktion aus Kaffee, sowie als Reinigungsmittel in chemischen Reiriigungen eingesetzt.
Die Chemikalienproduktion wurde also von 1920 an hinsichtlich der Vzelfalt tirid ab 1950 auch hinsiclitlich der Menge der produzierten Stoffe stark ausgeweitet. Nach dieser auaerordentlichen Steigerung des Chemikalieneinsatzes begann in den 60er .Jahren auch die Diskussion der Nebenfolgen, die diirch die freigesetzten Chemikalien ausgelost wurden. -
2. Trotz allen ncgativen Erfahrungen mit PCB werden diese Substanzen in RuDlarid auch lieute
noch produziert. d a keine Alternative11 zur Verfiigung stehen, die geniigend billig und praktikabel sind. Dieses Problem ist ein Gegenstand der internationalen Verhandlungen, i n denen zur Zeit der weltweite Verzicht auf P(:B und ahnliche Organochlorverbindungen (sogcnannte POPS, Persistent Organic Pollutants) geregelt werden soll.
2.3
Umweltchemikalien
In den 60er Jahren wiirde bekannt, dafi CKw-Pcrstizitlcwie DDT,Dicldriii, Chlordan 11. a. m. durch dic groBHikhige Anwendiing iu victhi Gcbieten in dic Nahriiiigsketteri golangt waren; die Siibstanzen wurdcri weltwoit in Liift, Wasser mid Biidmi sowie iiri Gewebc vori Tiereii iind Menschen nwligcwicsc?ii. Bei Carson (1962) siiid die Bcfuride aus den 5Ocr Jaliren aiisfiihrlich dokiiitieiitic,rt. Auch verscliicxlctie Sdiweriiietalle wic Arseii iiiitl Qiiecksilber sowic die ails Kcrnwaffentests staiiiiiiciidcn Radionuklide wurdcm als iiimwwtete Ruckstiiiiclc! fcstgcstellt (Kortc 1969, Korte et al. 1970: Joseph et d.1971, S . 19f.). Diese wcitvcr1)rcitct auftreteiidcii antliropogenen Chemikalien wiirdoii ah Um?i)eltchemikalien1)cmic:linct. Fur den Uiiigiiiig init dem nciicn Problem, cltts dio Umweltchcmikalicii diirstcllten, wurde in den 70or Jahren cine wisserischaftlicho Methodik entwickelt, mid irii ZiLsammenhaiig daiiiit wiirden ziinehmend auch Gesctzc iiiid Verordniingm (!rl'lltsscn, die die Risikol,oiirt,oiliiIigiind Znlassung von Chciiiikitlicri regeln. In diesem Abschnitt wird die natiiiwissoiisthiiftliche hIethotlik ziir Bciii-teiliing von Umweltcheiiiikalinn kiirz dargestellt . Es ist liicr nicht der Platz. die historische Entwickliirig (lor Umweltchcmie mid dic? wissoiischaftlicl~e.gcsc:llschaftliche mid politische Diskiission dcr Umweltchcniikalicii sowie die zugeliijrigc Gmctzgebung ailsfuhrlich clarziistellen (vgl. dam z. B. Hartkopf 11. Bohne (1983), Marco et nl. (1987), Fricge 11. Claiis (1988), Held (1988), Hclcl (1991), Stcger (l991), Heriso ling (1992), Fischcr (1 993), Winter (1995)). Ziclsotning dieses Abschiiitts ist lediglich, einigc Schliissclprohleine heraiisziistollcii, dic! h i der Chemikalhibowertung aiiftreten (s.u.. A1)scliiiitt 2.4) iind die dcswogcii fiir den weitcreri Gedmikcngang weseiitlich sind. Fur die Untei-siicliiing der physikalisc:lic!ii. c:lioniisclicn iind bio1ogisc:licw Phiinouienc, die durch Uiiiwc!ltclieniikttlien aiisgdiist wcrtlcn. hat sicli scit ca. 1970 ein niiiltidiszipliniirw Forschiiiigsgebiet ails Uiiiwc!ltaiialytik, Toxikologic, cliciiiischer 6kologie, Hydrologic! iind weiteren Disziplinoii gc!bildet. 1967 und 1972 wiirtleii die l o Chemoqherr: ~j gcgriindot; Zeitschriften Erivimrm~entalScience and l I ? d ~ ~ ~iind irii Editorial ziir c!rston Aiisgabe von Enviro?LrrLcrrtcilScience and TecIino1og.y lieifit es (Morgan 1967): 'Wic joiiriial will publish critically rovicwed rescwch piipors which represent significant. scicmtific and technical coiitrilmtions in all relevmt. iirc!'lltq within the broad field of c!nvirouinentaJ scicwcx?aiul tcdiiiology. The rc?scwc:li pages arc thus devotccl to a11 aspects of eriviroiiIiioiitH1chaiiistry. and c.sptxially watert air, arid waste cliciiiistry. and to significant c!lic:iiiiciilly related research papers from such other fields as biology: cxxdogy, ccoiioiiiics, iiietwrology. climatology, liydrology, gctochemistry. liniiiology, toxicology, 1)iologica.l wgineeriiig, iiitulical scie1ices: iiiwine scicncc, mid soil science." Die erste Ausgal)~voii Chernosphere ciithiiit ciiictn Artikel von F. Kortct iiiit clem dcr iiiit, folgcmden Wortc?nsdilicfit,: .,Fiir die Titel ,,Wassind Uiiiw~?lt,clieini~~ien'~'', Bewertuiig dw Eiiifliisstm clcr vorhandeiicii h w . c!rwztrt.baren KoI~~~iit,rat.ioii(~ii lokalcr und uberregioiialw Uniweltchcmikitlieii aiif dica Uniweltquditiit 1)c:stnlit clic: Notwcndigkeit eiiiw wissciischaftlich korrcktcii Bastiimlsaiifnaliiiic (lor Vc:rLiderung dcr stofflichen Uiiiwctlt iiiitl der Erforscliiiiig dcr (1aTiIiLS resulticrciiclcii Konscqiicii-
2 . 3 Unweltchemikalzen
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Zen fur Mensch, Tier und Pflanzen. Da diese Situation dem heutigeri Menschen erst seit einigen Jaliren bewufit wurde, ist es verstandlich, daO viele der fur eine genugend sichere Bewertung (risk-benefit-equation) notwendigen Parameter noch weitgeherid unbekanrit sind. Fur Originalarbeiten zu diesen Problemstellungen, die dem Bereich der Naturwissenschaften entstammen und irri weiteren Siririe chemische urid biologische Methoden benutzen, sol1 Chemosphxre ein internationales Publikationsorgan sein." (Korte 1972) Das Ziel dieses niiiltidiszip1in;treriForschungsgebiets ist es, das Verteiliingsverhalten vori Urnweltcherriikalien und die Belasturig von Organismen und Okosysternen durch cliese Substarizen zu bestirnnien. Die dabei verfolgte Vorgehensweise umfaBt die beiden Hauptschritte Expositionsanalyse und Wirlcungsanalyse. In der Expositionsanalyse werderi rnit Methoden der Uniweltchemie, Uniweltphysik, Hydrologie etc. die Transport- und Transformationsprozesse untersucht, denen cheniische Substanzen in der Umwelt unterliegen. Die Wirkungsanalyse beschaftigt sich dann mit den tozischen und okotoxischen Wirlcungen, die die Substanzen nach Transport und ggf. Transformation bei den exporiierten Orgariismen urid Okosystemen ausloseri. Zur Bewertung eirier Substanz werden d a m die Resultate beider Schritte zusanimengefuhrt, inderri geniessene oder abgeschatzte Expositionswerte wie die predicted environmental concentration (PEC) niit Wirkungsschwellen, z. B. predicted no effect concentrations (PNEC) verglichen werden. Dieses Verfahren ist mittlerweile ausfuhrlich in der Literatur dokumentiert, marl vergleich z. B. Mackay (1982), Klopffer (1989), Parlar 11. Angerhofer (1995, S. 310ff.), Stiimm (1992, S.468ff.),h1cCarthy u. Mackay (1993), Ahlers et al. (1994), Klopffer (199413):Koch (1995), Mackay et al. (1996). Van Lccuwen et al. (1996), und es hat sich in in verschiedenen Richtlinien und Verordnungen zum Test von Cheniikalien niedergeschlagen, z. B. irn deutschen Chemikaliengesetz, in der EU-Richtlinie 93/67 /EWG, in den EU-Verordnnngen EWG 793/93 und EG 1488194 sowic in der schweizerischen Stoffverordnung. Diese gesetzlich festgelegten Untersuchungsverfahren gehen von der Unterscheidung zwischen alten und neuen Stoffen ails, wobei als alte Stoffe die ca. 100000 Substanzen gelten, die vor dem 18.9.1981 auf dern Markt waren. Fur alle rieuen und fur zur Zeit 4600 als prioritar eingestufte alte Stoffe wird eine Risikobewertung verlangt; vgl. dazu z. B. das Technical Guidance Document der EIJ(EU 1996). Das in den Verordnungen und Richtlinien festgelegte Verfahrcn wird hier nicht irn einzelnen dargestellt, sondern es werden vier Hauptschritte unterschieden, die sich an der Gliederung des Ereignisablaufs in die Stufen von Emission, Exposition und Wirkungen orientieren. Aus dieser Gliederiing des Ereignisablaufs wird auch das in Kapitel 4 urid 5 dargestellte Reichweiten-Konzept entwickelt . 1. Substanzeigenschaften und Emission: Der erste Schritt besteht in der Charakterisierung der Substanzen anhand ihrer physikalischen und cherriischen Eigenschaften (Wasserloslichkeit, Dampfdruck, Henry-Konstante. Oktanol-WasserVerteilungskoeffizient, Geschwindigkeitskoristanten fur Hydrolyse und Photolyse 11.a.). Die Substanzeigenschaften bilden einen minimalen Grundstock fur die Chcmikalieiibcwertung; sie sind in Zusammenstellungen von Vcrschueren
(1983), Rippt!ii (1987): Howard (1991), Howard et al. (1091). klmluty et al. (1995) iind Howard 11. Mcylari (1097) iiiifg(:fiilirt (s. dort fiir Vcrwcise auf xugrundc1ictgc:iiclc Einzolarbciten). Zii cleii i1niwt:ltrelevantcn Stoffcig(~1isc:liaften werden z.B. in (lor sc1iweirtcrischc:n Stoffvcxwdniing oder iin TGD (lor EU auch Angaben zur akiitcn Toxizitat bei Algcn, Daphnicn und Fisc1ic:n gcziihlt. In der hicr verwc:nclctcn Darstcllung werdcn so1t:lic Daten jcdocli iiiitcr Schritt 3: Wirkungen, oingoordiiot. Wenn einc Siibstaiit anhand ihrer pliysihliscli-cliciiiischenEig(?nschaft.cneliarakterisicrt ist iiiiisscn ziisiitzlich die tatslcliliclirin Eniissioncii clitwr Siil)stanz bcschrieben wc.rclc:n. Dies geschieht rnit Hilfci voii Daten zur prodiuiortcn odcr freigesetzten Stoffincngc sowie zum Ga1,rtiiichsnnistcr und Frtiisc.txiiii(ysinustcr (punkt-, linien- oclcr fliichenformig(t Einittaiitcn, stofifdrinige odor kontiimierlichc Emission, Emission in Luft, Wtxssor odor Boden). Szeriarieii iiiicl Daten zur J Stoffemission siiicl z. B. in den Kapiteln 5 iind 7 dos TGD der E ~ xiisaninicngcstcllt. Bei Siil>stiiiitcnwie Pestizidon, clcircm Vcrwcndungszwcck Frcisntmiiig impliziert, uiid Lijsmigsrnitteln. die violfach vollstiindig in die Uiiiwcdt. gclangcn (Bauer 1989). ist die Freisetziiiigsmongc. cmg niit der Prodiikt ionsincngc korreliert . Bei ainlcroii Sihstanzen siiicl dctaillicrtc Angaben ziiiii Frcisctxungsmuster nur schww zii erhaltcn, da sic viclfach dio Frcigabc firniciiiiitc:riicr Daten erfordern wiirtlon. 2. Exposition: Nadi (lor Emission laiifcn zdi1rc:ichc Transport- lint1 Transformationspromsso ah, die sowoh1 durch die ~~1i;ysik;tlisch-chi~li~~ii Eigcnschaften clcr betraclitotcm Siibstaiiz ds auch dimh Urrwieltein,6%e wie Tciiiperatiir, Fcuchtigkeit, An- odcr Ahwesenheit voii Saiicrstoff ii. v. a. in. tmtiiiiiiit, werden. Die Transport- iind Trltlisformatioiisproxassc. 1,cst.ininien dic Konzentrationen, rnit deneii dic: bctrwlitctc Substaiiz in dcr Uniwclt aiiftritt mid clencii Orgaiiismen (Mikroorgaiiismen, Pflanzen, Ticrc!, hlcnschen) und Okosystcinc: ausgcsetzt sind. Dtts Proclukt aus den beidon Faktoren Konzciitrationsliijli~und Einwirkungsdaiior Iilclct die Exposition. Dainit xwischcn kurzfristigcn Einwirkungen durcli holio Konzcntrationen eincrsoits mid langfristigc Eiiiwirkungen diirch nicdrigo Konzentrationen anderersc!its iiiitcrschiederi werdcn hiin, ist cs sinnvoll, den rliirnlichcn iind zeitlichen Vorlaiif dcr Einwirkungsliiiliciclamiistcllen (ExpositiorLsprofil,vgl. z. B. Ott (1985)). Die Exposition wircl iiblicherwcisc niir als dic Voi-stufe. d. 11. als dic! notwcndige Bedingiiiig fiir Wirkungcn tuigctsc~1ic:n.iiiid die cigcnt1ic:lic Bcwertung erfolgt erst clinch den Vergleich voii Expositioiiswerteii wic dcr yrcnlictexL environmental cmcentmtion mit wirkiiiigs1)ozogciien Konzctiitratioiiswcrten wic dem no obaervcd adner.ue egmt level (NOAM,), wobei die lctztereii don ciitschcidungsrelevantcn Boxiigspixnkt biklen. Donigc:g(tniiher wird die liicr bcsonders interessiercndc Frago, ob die Exposition, (la sic das Potential Kir Wirkungen bildct, bereits oinn ezgcnstundige Bewclrt,iiiigsgriimdl~gebilden hiiii (,.cxpositionsgestiitztc Clicmilutlicnbewertiing"), niir vc!rcinzelt angosprochen (Stepheiison 1977, Scliniidt-Blcxk u. Hamanri 1986. Kliipffer 1989).
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2.4 Schwzengkezten bea der Bewertung
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Wirkungen: Die Exposition hat schliefllich verschiederie Wirkungen ziir Folge (im folgenden werden Wirkungen immer als Auswirkungen und Expositionen dementsprechend als Einwirkungen bezeichnet). Die Auswirkungen, mit denen Organismen und Okosysteme auf Chemikalieneinwirkungen reagieren, werden im Rahmen von Toxikologie und Okotoxikologie untersucht. Sie sollen nach Moglichkeit in eine Kaiisalbeziehung zu den einwirkerideri Konzentratiorien und zu den physikalisch-chernischen Substanzeigenschaften gesetzt werden. Zielsetzung ist, Struktur-Aktivitats-Beziehungen (Auer 1988, Hermens u. Opperliuizen 1991, Herrriens u. Verhaar 1996) und Dosis-Wirkungs-Beziehungen aufzustellen, so da8 Schwellenwerte fur das Auftreten von Wirkungen oder NOAEL-Werte oder PNEC-Werte angegeben werden konnen. Im einzelnen ist dabei zu unterscheiden zwischen akuter, subchronisclier und chronischer Toxizitat (unterschiedliche Dauer und Hohe der Einwirkurig) sowie zwischen verschiedenen Wirkebenen: molekular, zellular, organismisch oder okosysternar. Weil die Vielzahl dieser Falle nicht durch die Testverfahren fur Chemikalien abgedeckt werden kann, niiissen Verfahren ziir Extrapolation von einzelrieri Testszenarien auf tiefere Konzentrationen, langere Einwirkiingdauern und andere Wirkebenen entwickelt werden. In diese Extrapolationsverfahren fliei3en cine Vielzahl zusatzlicher Annahmen ein, so z.B. die Annahme, dafl Wirkungsschwellen oder aber Konzentrationen, die keine Wirkungen rnehr aiislosen, mit Hilfc vori ,,Sicherheitsfaktoren" aus Konzentratiorien fur die akute Toxizitat erhalten werden konnen, oder die Annahme, dai3 die Empfindlichkeit eines Okosysterns durch die Empfindlichkeit der empfindlichsten Spezies gegeben ist (Solonion 1996). Prognose: Das auf diese Weise gewonnene Verstandriis von Emission, Transport, Transformation und Wirkungsrnechanismen sol1 dann uber Modellrechnungen auch die Vorhersnge von Exposition und Wirkung hei neuen Chcmikalien ernioglichen.
2.4
Schwierigkeiten bei der Bewertung
Das vorarigchend skizzierte Vorgehen, das von den physikalisch-chemischeri Substanzeigenschaften bis zii komplexen Umweltveranderungen auf Okosystem-Ebene reicht, wirft erhebliche methodische und praktische Schwierigkeiten auf 0
Das Grundproblem besteht darin, daB es fast nicht rrioglich ist, fur verschiedene Untersuchungen einheitliche oder ziimindest vergleichbare Rahmenbedingungen festzulegen. Dieses Problem stellt sich bercits bei der Bestinimung der physikalisch-chemischen Substanzeigenschaften, so dafl sich schon auf dieser Stufe uneinheitliche und unklar zu interpretierende Befunde ergebem3
3. "Numerous conflicting solubility values are given in the literature for many rompourids of interest, arid reliable water solubility data are lacking for many chemicals. One of the factors
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In aggrc!giertt* Grii&m wie die Pcrsist.cmx gchen i i c b l ) t i ~ i dcii SubstHi~c!iW:ii.~hi~i wie tcin iiiicl den niit iliiicii vcirbuncleiieii Unsidicrhcit.cn ~ i i d Umwelt.cinfliissc! Wcttorhwlirigungcii (Tempcratur. Sonnc.iicinstraliliiiiR citc.). Botlc!iil)c.sclittffenheit oder die Anwesciilieit von hIikroorgsnismen eiii:' Die Variabilitiit rler Umudtcirrfliisse crweist sich hierbei ds cli~szentrale Problciii, das die rcprocluzierbare Bestimmung voii Verteilungsprozwsen, Abbimrai&tionen und Wirkungsmcchitnismen erschwort.5 Dieses Pro1)lem kann zugcspitzt so formiilicrt werden, c l d nian die Umwelteinflusse ciiicrsoits iiicht vollst.iiiidig crfassen iirid d d r i i ~ l mdererwits i Artefakte. (1.11. Rtnultate ohiit. Aitssagekraft fiir dic Realitjit. crhiilt. wenn triitii sie ausziischlicikn versiiciit.' Dor Einfliil3 der Uiiiwc!ltbcdinguiig(:c!nwird umso stlrkcr wirksam, jc wciter die iibcr die Untcrsiichung von tlcii phiysikalisch-chcriiischeii Sii1)staiixoigensch~tcii Expositionsandysc: his ziir Wirkiiiigsiwdyse vordriiigt.: Die Toxizitiit ciiicr Substanz hAngt ab voiii Ziclorganisrriiis (z.B. Pflanzeii: Mikroben. Wirbcllosc. Fischc, Saugeticrc. hbisclien)! voii cbr Hiihie uiicl Dtiiicr der Exposition ( i h t, chroxiiscli: hoch. nic!clrig)t von Art iuid Umfang dc!r Rmorptiori durch dcn Orgttnismiis (iibcr Ndiriing, Atmiiiig otlcr (lurch dic Hiiiit). Daher hlciht clic ex-
contrihiting to this sitiiiition is thc lack of iuleqiiatc niethocls for dctermining tho water soluliility of highly iiixoliil~li!organic conipoiiiicls. Many of thc t.crhniqucs typically iiscd have liniitations that restrict thcir widespread application." (llollifioltl 1979). 4. Biologischcr Abbau h i n xcrroh oder anwroli. mit odcr ohno h n p ~ w i t n gder Mikroorganismen,
im I3otlon. in Sdz- odcr SiiUwawer, im S~diinirnt,in Anwuu.iilic*itodcr Abwenenlieit von Licht imd iintcr dem RinHitU viclcr wciterer Faktorc!n stattfindoii. Xiir clcn Schwierigkoitoli bei dcr l3estiinniimg dcr Abbiriiratcn von Chcrriikdion vgl. 2. B. Atrclvrwii et ol. (1991. S.423) und hlaclm11 (1991). Entsprcchcnd unsichrrr sincl die Resultate fiir (:eschwiiidigkc.itskoiiRtanteii d~nbiologischen Alhaiis: "Results of l)ioclcgrHtlability scrcmiiing tests for pyritlinc iising sewnge or iwtivated slucIgc iriocula give mixccl rcniilts ranging froni rapid to 110 clcrgriulation. (...) Soriic~tiniathe s~nc List gives disparate rcsiilts. (...) <)no irivcstigator o1)tiiiiicxl results ranging from 97% drgriulntion in 6 days to no dagrdatioii in :$I) cliiys in 6 diffcnmt st.iindard tests." (Ilcnwrd 1Wl, Vol. I I . S.:jS6). 6. Wnv of the unanswvnd qircntions in ciiviromiciitnl ch.hctiiistry is t h r predict.ion of t tic persisteiicc*of chemicals. 'I'hoiiwnds of diffi:roiit xiihtaiicen c~iii1)c. tlrtect.cxi in t.lie eiivirounient hut the information al)oiit thcir degrat1at)ility is, in genoral. not siifficient for ii c:oinprchensivc! iiiulcrxtanding of their fate. Somc pcmistcnce data iirc irwriliihlc for certrriii compounds in wrioiis conditions; most of them dcal with Iiiodcgradative, I)liotodegriulativc and hydrolytic patterns, md for irny oiic type of dcgriuliition thcy iiro given in different cnvironmentd conditioiis. Pcrsistenrc- clatrr arc often tlilficiilt. if not impoxsil)lc*.t.o compare. This is due to a variety of causes: froni t Iir extreme diffcrciicr in degradativc. iiicrhanisms to the. wry specific enviroiiniental conditions of each phenoiiicwon." (TremolHtlii cl al. 1992, S. 1473). WIS nientionrvl c*iirlior? thc fates of oil spills have b w i i t.hc* siilijc.ct. of many in-di~pt.11investigations. All of thew! stiiclim conclutle thiJ cxact knowlcrlgc o f the quantihtiw disposition of pctrolciim and its clcrgriulwl mmpoiic!nts aftcr an oil spill in a virtually unattainrrldc goal." (Politzcr e l al. 1985, S. 34).
6. *Ax
7. "Envir~innicntalniicrol)iologists must contontl wit.h their ow11 vwsion of the Hc*isiwl)crgCnccrtaiiity Principle: tlic rlcwr a givcii process is c*xaminetl.tliv inorc likely it is that artifacts will be inipowd on iiinmitnviicnts of that prori.li.." (hladsrli l!)!)l. S.1666).
2.4 Schwierigkeiten bei der Bewertung
19
plizite und dabei moglichst allgemeingultige Formulierung von Dosis-WirkungsBeziehurigen ein offenes und kontrovers diskutiertes Problem. Unklar sind dabei u. a. die folgenden Punkte: die Aussagekraft von Einzeltests uber den getesteten Bereich hinitus (Extrapolation aiif tiefere Dosen, langere Expositionszeiten, andere Spezies, andere Wirkebenen (Population, Okosystem)) (Suter 1993a, Mathes 1997, MacKenzie 1998); - die Eigniirig vori Schwelleriwerten wie dem no observed adverse effect level als Beziigspunkt fur die Bewertung (Hoekstra u. Van Ewijk 1993, Laskowski 1995, Chapnian et al. 1996); - die Gultigkeit der klassischen toxikologischen Annahme, da0 toxische Wirkungen erst ab einem Schwellenwert auftreten; diese Annahnie wird bei Umweltchemikalien, die chronisch und in niedrigen Dosen einwirken, zunehrnend in Zweifel gezogen (ES&T 1998, Ashford u. Miller 1998); - der Zusamnienhang zwischen den verschiedeneri Wirkebenen (molekulare und zellulare Ebene, Organe, Organismen, Populationen. Okosysteme) (Kammenga et al. 1996, Calow et al. 1997, Power 11. McCarthy 1997) sowie das Verstaridnis von Wirkungen auf Okosysteni-Ebene;8 - die Mechariismen von Kombinationswirkungen ( Matthiessen 1998). Die vorangehend beschriebenen Schwierigkeiten, die sich im Rahmen von Expositionsanalyse und Wirkungsanalyse ergeben, konnen folgenden Bereichen zugeordnet werden:
1. Unvollstandiglceit des Untersuchungsrasters: Die sehr hohe Komplexitat von Umweltsysterrieri fiihrt dazu, daB der Untersuchungsgegenstand alle zusammenwirkeriden Prozesse - nie vollstandig abgedeckt ist. Die Randbedingungen einer Untersuchung sind zu gewissem Grad nach beliebigen oder zufalligen Kriterien festgelegt, und dies wiederum bedeutet, daB die Resultate verschiedener Untersuchungen i. a. nicht kompatibel sind und daB konkrete Dateri irnnier interpretiert und in den jeweiligen Untersuchungszusammenhang eingeordnet werden niiissen. ~
8. “The task of regulating potentially harmful chemicals in the environment is presently hindered by the lack of appropriate concepts and methods for evaluating the effects of anthropogenic chemicals on ecosystems. Toxicity tests a t the molecular and physiological levels have been used successfully as indicators of adverse effects on test organisms and have been extrapolated to humans to establish a basis for risk assessment. However, laboratory measurements of effects upon individuals do not translate readily into potential effects upon natural populations, in part because natural populations interact with other populations and with the physical environment. Even more difficult to assess are the deleterious impacts of anthropogenic chemicals on ecosystems, because of effects on species interactions, diversity, nutrient cycling, productivity, climatic changes, and other processes.” (Levin u . Kimball 1984, S. 375); vgl. auch Levin et al. (1989, S. 9 35) sowie Schafers u. Nagel (1994).
2 . Uriklurr: Rr:lciinnz der Irid oren: Die Scliwic.rigk(titcri. aiif tlvr cleskriptiven Seite cles Verfahrens die K dcxitat zii rodiizicwii. Iiabeii ilirc. E~it.sprechurig aiif der iiorriiativen Seitc: Vic4fac:li ist nicht klar. iiiwieferii div vcrwciideten Indikatorcm iilmhaupt Schrttlcri wtilcher Art. wt.lcheri Ausrriafics‘! dokunientieren. (1. 11. vs fthlen Wertiirtdc fiir die Fest,lrgiirig dcs riorniativcii Bcsugspunkts und fiir die. Aiiswalil der rt,lcvanten Zielgriifitn
3. U7lklur.e Geuiichtung iier hiedener In,dikatorm: Aiicli fiir drm Fall, claj.3 sirh eirie Uritersiichung auf gewisse. explizit 1ieraiisgcistt:lltc Indikatorctn korizeritriert. z. B. aiif die Toxizitiit ciriiger Leitchemikalicn twziiglich ciriigcr Leitspezies. bleibt iiiiklar. wie dicse Iiidikatoreii relativ ziic.inarider zii gcwichtcw sind odvr wie sic zii cinor Gesttrritgriiik: aggregiert wertlcri kiinnen. Die Brfiiiidc sirid also ..multidirrioiisional” (jeder Indikator entspriclit c4ricr Dimension). ohiie tlaB (,in gemeirisanier Mailstab gegc1)c:n wiirc?.!’ 4. A4un.yd~irlcPruktikabilztiit: Indiistriell hergc>stdlt,wertleri weltwcit ct,wa 100 000 cheniische Siibstarizen, hirizii koninit eirie iiiilxkiiiirit(t Zalil voii V(wiiireinigungen i i r i d Urriwaridlungsprotliikteri (Streit 1994. S. 175). Bci tlitwr Zalil ergibt sic11 ails dcr Diskussion siinitlicher Transport-. Traiiforrnatioris- i i i i d Wirkiingsprozessc’ tine Rlenge von Dctailfragen. die. tlic, Kapazitat, iirid Lrit iingsfahigkeit, aiich des rirnfarigrcic1it:ri iiiodcrncn ri;rtirrwisserischaft.lichti Systems weit. iiberstoigt. Derneritsprcclic~rId sirid ziir Zcit, v k l c tler in groDciii Umfaiig prodiizierteri 1ridustriechernik;ilieri riocli irrirrier riiclit auf ihrc Toxizitiit getestet (Betts 1998). Die voraiistehciitl aufgefulirteii Probleme siiid Griiiitlprobleirie. (lit zii c \ i i i m i crheblichen Teil in der Natur rler St~chc.licgen iind ( I ~ I ( Ytiicht wirklicli gcliist werderi konrieri. 111 dieser Sit,uation ist, os das Ziel tier vorliegeriden Stiidiv, Aiisrttze zuiri
Ein explizitcts Bcispiel fiir diesvs Problem hieteri dic Arhitcw vori Crosby ( 1975) 111idWeher (1977), wo jcweils vier pliysikoctrc‘riiisr~ieGroDen r i n t l ‘I’oxizitatsiiidikat(,rc.ii i i i i f verschiedeiie Weisr zii rtiricr GesamtgrSBc . . / L U I / L ~ ~aggregicrt ~” wcwkw. bVeriri dami i r i e l i r e w Siil,st.anzeii nach t l i c w n Ck,siimtgroRen cliiigc.stuft wcrden. resiiltirrcii jc, iiach Aggregicriiiiasiiitttlo~ieiinterschic.dliclic~Reihenfolgeri ( ~ ~ i i t . z i n gertr al. 1978). Dieses Prot,lcni crgiht sich i n iihrilirher Weise h i d r t i iimicren Rewert,iiiigsiiic>tIioden. niit derieri in tlvr 6kobilanzierung vc~rscliiedcneWirkiirigskiitc.gorici1 Z U ciric-rri ..(:c:s;irritschadeii“ vcrrcchrict. worden (Coedkopp c t (11. 1995, B ~ J W A I , 1 W X ) . Solche hletlioticw siid d a h e r fiir einr Verinitt,liing wisserischaft1iciic:r Resultate nur geeigiict, wetin alle zugruridclic~gc~ridcri Annahmen ~ h i f i i l l soffcrigelcgt wcrclcri, Diese Forderung liiiift ,jc&ch dern eigeiitlicheri Ziel solcher AggrcKicrririgsrnethoden entgclgcm. die Etitsctieidiirigsfiridllllg (lurch eirieii ciiizclnwi Wert ohne vie1 ..thcorctischen Ballast” zri c.rlcirlitern. “Data dr~riwtli r i these ( i x . loiig-tcwn rarcinogen) t)io;iss;iys reflect highly spclcific experimental conditions wliicli are vastly tiiffcrcnt from environmcwtal c’xposures of t h r frt~c~ly roaming. outbred tirimtin. The scientific corniriiinity has rcsporidcd with ii ’collc>ctivc,wisdom’ iipproacti by using cxpt!rt committees to int.c:rprc:t bioassay evidcricc~.‘rhis corriiriittce approach is believed to he siicrossfiil iri protecting l i i i r r i a r i health, but t.ho list of suspected c;irc:iriogciis is growing faster thari t h e expert conirriit.t,cw caii rc*sporiti.” (C:li~ssral al. 1991. S . 169). vgl. mich Sturriiii et al. (1983. S.350)
2.4 Schwierzgkeztm bea d e r Bewertung
21
moglichst systcmatischen Umgang mit den Problemen zu erarbeiten und die bisherigen Methoden zur Chemikalienbewertung auf diese Weise weiterzuentwickeln.
Aus technischen Gründen bleibt diese Seite leer
Kapitel 3 Uberkomplexitat und normative Unbestimmtheit von Umweltsystemen Im vorangehenderi Kapitel wurden mehrere Probleme dargestellt, die die Chemikalienbewertung erschweren, namlich die irreduzible Komplexitat des Untersuchungsgegenstands, das Bewertungs- und Aggregierungsproblem sowie die mangelnde Praktikabilitat des Bewertungsverfahrens. In diesem Kapitel wird genauer untersucht, warum diese Probleme auftreten. Ausgangspunkt ist dabei die Praxis, nach der empirischc Befunde in Naturwissenschaft und Technik wie auch in vielen Bereichen des taglichen Lebens bewertet werden, nanilich der Gebrauch von Schadensbegriffen.
3.1
Zur Entstehung und Funktion von Schadensbegriffen
Im Alltagsgebrauch werden viele Ereignisse wie technische Pannen oder finanzielle Verluste bewertet, indem sie als nutzlich, zweckentsprechend, erwunscht oder aber als schadlich und unerwunscht bezeichnet werden. Das mag zunachst offensichtlich erscheinen, ist hier aber von Bedeutung, weil durch die selbstverstandliche Verwendung gangiger Schadensbegriffe vielschichtige Bewertungen schnell und unkompliziert vollzogen werden konnen. Solche gangigen Schadensbegriffe sind z. B der rechtliche, der okonomische und der technische Schadensbegriff: 0
Der rechtliche, genauer der huftpflichtrechtliche Schadensbegriff ist definiert als ,.die EinbuOe, die an den Rechtsgutern einer Person entstanden ist infolge eines Ereignisses, das eiriem anderen rechtlich zuzurechnen ist" (Meyer 1977). Dabei wird unterschieden zwischen materiellen Schaden an Vermogen und Eigentum und immateriellen Schaden an Leben, Gesundheit oder Ehre. Schaden, auch imniaterielle Schaden, werderi im Haftpflichtrecht ublicherweise finanziell abgegolten (Seiler 1991, S. 05-2f.). Wenn nicht der spezielle haftpflichtrechtliche Schadensbegriff gemeint ist, wird aus rechtlicher Sicht nicht von ,,Schaden", sondern von Rechtsgutverletzung gesprochen (Seiler 1994). Der okonomische Schadensbegriff bezeichnet i. a. einen finanziellen Schaderi (Erdmann 1994, S. 96, 101, 103); unterschieden wird zwischen positivem Vermiigensschaden (Verlust) und negativem Vermogensschaden (entgangener Gewinn).
Der z n ! i / , r t a r , r r 7 - / i ~ ~ , s , ~ c ~ , s ~ ~ ~ ~ , / ~ ~S(:h;icloiisl)c:griff' t ~ ~ ~ ~ / / , - ; t ( , ~ ~bexiclit ~ ~ ~ i ~ ,sidi s ~ } ~aiif , f ~ Funkvoii ciiiaelricn tiorisst~itiiiigc,ii oder Fiiiikt,ioiis;\iisf;tllt. tcdiiiischcr Aiilagcm Gc3riitcm his ziir groBtechiiisc~lit~ii Anlage. Ncl)c>ii dcrii uiigc,stiirtcm Fiiiiktioiisablaiif stc,lit vor alleiii div Siclicrheit voii Pcrsoiicii iiiid Infrastriiktur in der Uing;c~l)iuigciiicr techiiisclitm Aiilage iiri Vortlvrgriiiid (Crow1 11. Loiivar 1990. s.4;P(\t(TS11. hley11a 1985. s. 30).
An dicsor S t d c kiiriiite in Aiialogie xi1 den g(!iiii1i1it('ii Scliadeiis1~c:griff~:ii itiich nacli eirierri ijkolo,qischcn, Schatleiisbcgriff oder c i i i m i Bcgriff des Urruiicltsc~hciderisgcfragt werdcm. wobei sidi (lit: Ycliitdigung voii Orgiiliislririi iind Oko Ausgaiigspinikt aihicten wiirtlc (Ott 1993. S. 32ff. i i . S . 153ff.).' Eiri sol(:hc:r iikologisclicr St~li~i(l~,iisl)egriff ist , j c d o c * h fiir die iiiiifasscwtlc Benwtwig aiithropogeuer Umurolt,vc.rAiitlcriingeri (\iit,gcgc\iider h i Ott vrrt,reterieii ~iachtgecigiitt , i i i i d zwar ails folgt:iid(:rii Griiiicl: Eiii iikologisclier Einschiitziiiig Schaderis1)cgriff riiiifite dic Iiit,t:rc!ssc:ri und Bctliirfiiisst. zalilreiclicir ,rric:li.tnbe7bschl,11cher L t ! l ) t \ w t : ~crfasseri t~ unti schiit xori (dmii t l i t w Lcbewescri siiitl cliircli Umwclteiiigriffc. iiiizwc~if(~l1i;ift lietroffui). i i i i d zwar diircli c,iiicx Norin. dic. 7rirrr.sr:l/,lzr:hc.sHam deln regclii soll. Nichtrrieriscliliclic~Lt>lwwescwstcBlic,ii ,jcdocli iiiit d c w hlciisclirii nicht in einerii Diskiirs. in deiri sic ilirc. Bodiirfiiissc artikiilicmii kijiiiieii. iuid ilirc: Iriteresseii i m l Bctliirfiiisse sind i. a. iiidit misreiclieiicl bt~kaiiiit.Dahcr ist iiieht klar. wie tliese 1iitcrc:ssc:ri iii eirie Norm, (lit: ;~iisschlie~~lic:h riitwsc2iliclies Hwii(lt~1rircgelri soll, cinflieBeri kiiiiiieri. Durch clicsc, bcsoritlereii Scliwic.rigkeiten lRiift viii iikologisclier Sc1iaderisl)cgriff riiclit in glcichc~rWcisc aiif gc~sc~llsc~li~ift,lich breit wirksniiiv Normeii hiriaiis wit. dit. Srh;tdensbcgriff(~ails 6korioinic.. R d i t iind Tccliiiik. dic iirimitttlbar aiif iiit~iisclilic~he Interesscii 1)cnzogeii siiid. Dicwr Piiiikt soll diirc:li clic folgendeii Ubcrlegiiiigcw m r Entstehiiiig i i r i d Fiinktioii voii Srli~~dciisliegriffc~ii vcmleutlicht werdeii. Die Schadoiisbegriffe ails R , d i t , ; (Ikorioinic i i i i d Tcchiiik 1)rzic:litw sidi in ilireiii Kern auf iihwchaiihare Ereigiiisse, die irn alltiiglichi, uriinittc3llxir siiiiilich walirrielirnbar(:ii Erf;tlirungs- uiitl Int,c~rc~ssc~~ibcreicli voii hlriischeri lityyii. Bcitle EleineritE. Wulrrneh7nbrirl;cl;ti i i i d zweitciis Bcdtwt iiiig iiii Siiiiic ciiicls verktzten In,t siiid weseiitlich: Eiii Ereigiiis 111110 waliriichiiil~ar stiri i i i i t l eirieiii Besitzaiispruch oder Niitziiiigsiiitt,resse zuwid(~r1aiifcii~ iiin als S t h l w x i i ge1tr:n. wobti ciicsc: hcitleri Elernento iiiclit unabhangig voiit.iiiaiider siiitl. soiitlcm sich zuriiindcst t,oilwcise - gegeriscitig bodingen. Uin solc:htn Ercigriisse als SeliILlcii bewertcm xii kiiiiiieti. hat die, Gcwllschaft irri Laufe dcr Zvit, Norincn entwickclt die es fiir t l c i i cliiizcliien evielciit, c w h i i i e i i lassen. oh oiii Ercigiiis eirieii Schatic~ricines lxstiiiiiiittw Typs tlarstdlt oder nicht. ~
1. Hinter clicxni Begriff von ,,SchiiIigcuig”steht cin norniatives Leitbild, d m ids gasimdheitliche, Iciirptrliche otlcr organisminche Intqpitdit bexeichnat wcrclon h n n . Zentral an dicwrn Leitbild ist, dd3 CH aiif oincn cinzclnan Organismus bezogcn iwt. Aiich bei der Botrilrhtiing ganzcr Okaystcnic wirtl in der tlci Ott (3993, S. 163ff.) cl;~rgcst.c!lltenSichtwciw clar Bczugspunkt
einea einzt~lncn..jndividuellen Sywtanis hcibchalten; statt von organismischcr lntegritat. konnte man cidinr h i Okosystcmcn vim oinor niirrlog gaiitclitcw Jinikt ionalcn Integritiit” riprechen.
3.1 Zur Entstehung und Funktion won Schadensbegrzffen
25
Die Wahrnehmung des Ereigriisses und seine Identifizierung als Schaden eines bestimmten Typs bildet also den ersten Schritt im Umgang mit eineni Schadenfall. Nach der Wahrnehmung des Ereignisses und seiner Identifizierung als Schaden mufi dieser Schaden eingestuft, zugeordnet und gehandhabt werden. Dies geschieht im Rahmen eines vor dem Hintergriind der jeweiligen Nornien methodisch und institutionell festgelegteri Verfahrens; dabei geht es im einzelnen um die Feststellung der Schadenshohe, der Ursachen, des Verschuldens und nicht zuletzt der Mafinahmen, niit denen ein Schadensereignis so weit wie moglich aufgefangen oder wieder ruckgangig gemacht werden kann, z. B. durch Schadensersatz oder Reparaturen. Die Schadensbegriffe aus Recht, Okonomie und Techriik beziehen sich also auf Ereignisse, die vor dem Hintergrurid gesellschaftlich etablierter Normen relativ einheitlich wahrgenommen und bewertet werden. Sie reprasentieren gesellschaftliche Wertvorstellungen und stellen zugleich eirien unmittelbaren Zusammenhang mit einem rnehr oder weriiger etablierten Verfahren zur Handliabung urid Wiedergutmachung der Schaden her.2 Im Gegensatz zu Ereignissen wie finanziellen Verlusten oder techriischen Pannen sind Umweltveranderungen jedoch lceine uberschaubaren, unmittelbar wahrnehmbaren Ereignisse, die den Interessenbereich bestimmter Personen eindeutig beriihren, sondern sie werden uneinheitlich, widerspriichlich oder iiberhaupt nicht wahrgenommen. Unniittelbar sinnlich wahrgenommen werden konnen immer nur einzelne Aspekte anthropogener Umweltveranderungen wie z. B. Robbensterben, Algenpest, Smog oder Landschaftsveranderungen durch Braunkohletagebau. Neben solchen unmittelbar wahrnehmbaren Ereignissen vollziehen sich jedoch aiich tiefergreifende, larigfristige und groBmaBstabliche Veranderungen, bei denen die sinnliche Wahrnehmung erschwert oder ganz unmoglich ist , wie z. B. Treibhauseffekt und Ozonloch, die allmahliche Umgestaltung von Natur- und Kulturlandschaften zu technoniorphen Lebensraumen, Artensterberi und Bodenverlust oder die Kontamination von Nahrung, Boden, Wasser und Luft mit gering konzentrierten Chemikalien. Die Ursachen fur die erschwerte Wahrnehrnbarkeit sind vielfaltig: Die UrsacheWirkungs-Zusamrnenhange sind vielfach sehr kompliziert , z. B. verastclt oder zirkular, urid sie lassen sich dann nicht in Form eindeutiger Kausalketten rekonstruieren. AuBerdem besteht oft eine grofie raumliche und zeitliche Distariz zwischen auslosender Handlung und resultierender Um~eltveranderung,~ oder die Umweltveranderung ist das Resultat einer Vielzahl fur sich genommen unbedeutender einzelner Handlungen. Die Spurenbelastung durch Chemikalien oder radioaktives Material entzieht sich generell der sinnlichen Wahrnehmung. ~
2. In der Studie Zukunftsfiihiges Deutschland des Wuppertal Institutes wird dieser Zusanimenhang als das ,,klassische menschliche Verhaltensmuster Erkennen Bewerten Handeln“ bezeichnet (Wuppertal-Institut 1996, S. 40). ~
~
3. “The consequences [of water pollution] may not be apparent for some time, arid cause and effect may be difficult t o identify, due to the large distances involved.” (Stumm 1992, S. 466).
Aus dicsciri Griiiitleri konncri vor iillcrn die in i1irc.r Gesanitlicit 1)c:soriders scliwerwiegctiden globa1t:n iiritl langfristigcn Urriwciltvcraridcriirigeri 271 ihrer Vollstiindigkeit nicht sinnlich wahrgenornnien werden, sondern sie werden nur fragrrientiert i i r i d iirivollstandig walirgciiorrirrien. Diesor S:tchvc~rhaltwird hier als das Wahmehmunyspro blem bezeichnct .4 Das ~~hrnoh~riiirigsproblerri ist soniit. cine der UrsacIi(w fiir die Schw+rigkt:iten bei der Bewertung von UmweltvcrRnderunfferi: Da Utnwcltveranderungcri niclit in ihrer Vollstiindigkeit, sondorri Iiur fragrrientiert siririlith wahrgenornnien werden konnen, b e z i e l ~ sich ~ i etablicrte Schittlensbegriffc riiclit, itiif Uniweltvcraritleriirigen als ganze, soiitlcrn irnmer nur aiif tlicjcnigen T e i k ~ ~ p r voii k t ~ Urriwe1tvcr;tiitlcriIrigen: die ihrcni Goltungsbereich dlt:st,t:hcn. welcher wicd(~riinidurch dic siriii1ic:he Wahrnehmbarkcit iriitbestininit wircl.
3.2
Bewertungsprobleme
Aus den Scliwierigkeiten bei dcr sinnlicl-icn WahrIic:lirriiing c>rgebensidi eiitsprcchende Prot)leniri fiir die Bewertinig ant,hropogener Uiriwciltverarideriingcri: Ersteris liefcirn die Schaderisbegriffc ails Recht. 6koiioinio ririd Teclinik iiiir unvollstandige und oftrnals widcrspriicliliclie Einschatzungcn iiinweltveraridrrri(l~~ri Handelns. Eiticrseits identifiziereii sic spc%elle Aspektc von Uniwelt veriiritlcriiiigeii durchaus als Scliiidcn, etwa in Form von Sc1iadensors;ttziitrisprucl~eIibei Gcsiiiidheitsscliadigungcri (Recht), Siinicrilligs- oder Ren~ttiiricruiigskosten (Okoriornie), rriangclnder Sichtbrheit technisclier Arilagen (Tcchnik). Aritlererseits liegon jcclocli vielen Urriwelt,~,ix~griffei~ okonorniscli otlrr technisch p o s i t i , ~bcwertete Zielsttziirigeri oder etablicrt,e Roclitsvorstelluiig~:~i xiigriiiide. z. B. dic Eiiirichtung von hlonokiiltiiren zur Effizic,rizstc,igerung.die Trivittlisierung und Tcchtiisicrung von Landschaftcn durch Aiifbaii voii Verkehrswtigeri 1irir1 Versorgungslcitilrigcri oder eine iiniitlg<'1Ii<:ssene Beweislast,verteilung (SRIJ 1994. S. 219)). Zweitens 1ic:forn die giingigen S ~ ~ l i ~ ~ t l ( ~ i i s bvor e ~ riill<:lIi i f f e eirie Aufziililiirig wrschiederier Eiiizc:lschiiden, die j e nitch dmi ziigruridt:gt:l(:gtoii Scliadensbegriff iils I)(:soriders scliworwiogcmderscheintxi (vgl. niich Beck (1986, S. 40 ff.). Berg et al. (1994, Kapitel 1)):G(,siintllieitsschadigiirlgc.ri bei hfensclitri: LiLr~ii:tot(: Tiere: kriiIik(>illid tote Biiiiinc: nusgcstorbene Art>en:firianzielle Kosttw fiir Haftung. Sanicrinig. Renaturierung: wirtschaftliclie Einbiiihi durch Uriiwclt~~l~i~tzvorsclirifteii 11. v. a . in.
4. Vgl. Beck (1986. S . 3 5 ) : ,,Vide dcr riviiwtigen Risikcrr (nnklcwx>o d c ~chemisclie V gen, Schatlstofk i i i Nahrungsmittelri, Zivilisationskranklicitc:11) twteichen sich vollst unrnittelbarcw nierischlicherr Wahr~ichrri~~iigsverniogen." sowic hl(yr-Abich (1990. S. 20): ,.{JIIIweltprohlenic~siiitf Walirnehmringsprot~l~rri~~ (...). Die 1Jrnwclt tlc,gcncriert oder vcrkorrlrrrt,. wo die Wahrnehrnung. die Verschranknng t l t ~hlcrkens u r i d Wirkciis. nicht gepflegt wird." nnd Schafer (199.1. S.61ff.): ..Unser Rcalitiitssinn scheirit anfs cwgstr, niit diesem Bcziig unfs a 1 1 schaulictr Zugauglictie verbunden ZII scxiu. [!rid doch karrii Iiivriii grirau der I diese Einstc,lliing scl1)st eine Fehleiristc~llinigwin. Das wird gt.radt. R I I der I? scher
"Phiirioriit.tie" drutlich."
3 . 2 Bewertungsprobleme
27
Dabei fehlt ein gemeinsamer Maustab, auf den die unterschiedlichen Einzelschaden bezogen werden konnten, d. h. verschiedene Einzelschaden konnen nicht zii einem Gesarritschaden aggregiert werden. Dieser Sachverhalt wird hier als das Aggregierungsproblem bezeichnet .' Ein drittes Problem ergibt sich, sobald Befunde betrachtet werden, die mit wissenschaftlichen Methoden erhoben wurden: Die naturwissenschaftliche Erfassung anthropogener Umweltveranderungen liefert zahlreiche Resultate, die uberhaupt nicht im Geltungsbereich etablierter Schadensbegriffe liegen und bei denen deswegen nicht klar ist, oh sie uberhaupt Schaden erfassen und welcher Art und welchen Ausmafles diese Schaden sind. Beispiele dafur sind: die toxische, mutagene oder karzinogene Wirkung von Chemikalien, die in Tierversuchen bestimmt wird (Relevanz fur den Menschen ist wegen des unterschiedlichen Metabolismus, wegen anderer Dosen und anderer Einwirkungszeiten nicht klar); die Spurenbelastung der Nahrung mit Chemikalien (Schadlichkeit geringer Dosen ist umstritten); die Veranderungen in Okosystemen oder die Zunahme des atmospharischen Kohlendioxidgehaltes. Hier stellt sich generell die Frage, wie schwerwiegend (und warum? fur wen?) die Umweltveranderungen uberhaupt sind, die anhand solcher Befunde dokumentiert werden. Andersherum ausgedruckt: Im allgemeinen ist nicht klar, anhand welcher Indikatoren anthropogene Umweltveranderungen beschrieben werden mussen, damit sie bewertet werden konnen bzw. welche Indikatoren fur die Beschreibiing anthropogener Umweltveranderungen relevant sind und nach welchen Bewertungskriterien sich diese Relevanz bestimmt. Weil man mit sehr vielen Befunden gleichzeitig konfrontiert ist, ohne daB ein Bezug zu Bewertungskriterien besteht, erscheinen die einzelnen Befunde kontingent.6 In dieser Situation kann in folgendem Sinne von einem Bewertungsproblem gesprochen werden: Fur Umweltveranderungen fehlen gesellschaftlich etablierte Normen und auch die mit solchen Normen korrespondierenden Indikatoren, anhand derer die Umweltveranderungen 1. erfaBt, d. h. als abgegrenztes Ereignis vom Hintergrund unterschieden,
2. gegebenenfalls als Schaden identifiziert, d. h. bewertet und 3. nach ihrem Schweregrad eingestuft werden konnen.
Dieses Bewertungsproblem ist irn Vergleich zum Aggregierungsproblem das umfassendere Problem: Es betrifft die vorrangige Frage, welche Befunde im Hinblick
5. Das Aggregierungsproblem stellt sich immer, wenn eine Reihe von Befunden oder Fakten nicht rein deskriptiv verstanden werden kann, sondern auch bewertet werden mu!3, und es kann nicht in allgemeiner Form ,,gelost" werden: Auch verschiedene Rechtsgiiter konnen nicht in eine eindeutige und allgemein feststehende wechselseitige Beziehung oder Hierarchie gebracht werden, sondern miissen im Rahmen der taglichen Rechtspraxis immer wieder gegeneinander abgewogen werden.
6 . kontingent: zufallig; wirklich, aber nicht (wesens-)notwendig.
welchc Bewcrtiingskrit,c:ri(,iiiiberliwiipt, Sclilidigiiiig 1)ttschxlibcri. Das Aggrvgicriingspro~)lerrih t r i f f t daiiii (lie zwc\it,v, spezicdltw Fragc. wic verschitdeIic. B v fuiide. fiir die eiric. Bt.wcrtiiIig vorgeiioiiiiiicn wiirdv. (1. 11. dic fiir sich gmoiiiiiien als Scliaderi Iwwertet, wiirden, vt:rglicheri, gcwichtet iiiitl aggrcgitlrt wertlrii kiiririeii. Als Fiuit ergibt sich: Auch wcnn Ercignisse wit. ttdiniscliv Parinen o d e r firiniizielle Vvrlilstc, diircli rtablicrto Sc1iarl~:iisl~t:griffebclwcrtet wtwlcii. kaiiii cliese Vorgehenswcise riicht a i i f die Bewcrtiiiig ant 1iropogcw.r Uinwclt vcriinderiiiigen iitwrtragen worden: ScliiL(l(:nsl)~,griffcsetzeri viii vcrlABliclies Er~X:cin7urngsar:r:f(~~iren sowic eiri iiiistrittigos, fiir dcn \)ctt,raclit,c:tttriFall rc~l(~vantes Nolmen,systcrr/, voraiis, die wec1isc:lseitig aiif(4riand(.r it1)gc:stiiilriit siiid. Diosv Voraiiswtzung ist jodoch h i Uinweltvc,raric~eruiig(!iii. a. riic-ht,mfiillt. i u i d cleswogcw st.clit c i i i Begriff tics Urnweltschadens, tlcr in Arialogie zii giiiigigeii S(~liaderis1)t~grifferi gosiicht wcrclcri konntc. iiicht ziir V~rfiigiiiig.~ In der Praxis driickt, sidi t1ic.s z. B. in ( 1 ~ 1 1c.rliebliclicw Schwivrigkeiteii h i der V(:rsic:heriiiig voii Uiriwc4t risikvii i i i i s (Hofiiiaiiii 1995. S . GSff.). Eirie ausfiihrliche Bcgriindiiiig dieses Rcsultats wirtl liirisiclit lich lieitlrr Problciiifclder, Erkt:nnuiigsvcrfalireri uncl Norrricmsystem, iri tlcii folgciiden b c i t h Abschnitten gegchii. Eiri Arisatz. riiit, tl(wi das B ~ ~ w crt uri gsl )rol ~l i i i~~r~i i d das Aggrcgierurigsproblein ziiniintlcst tcilweisc cnitschiirft 1)zw. uiiigangen w-c~rtlcwkoiiii(w. wirtl iii Kapitel 4 dargestc~llt. aiif
3.3 3.3.1
Uberkomplexitat Umweltsysteme
Eiri Bcgriff des Uiiiw~~ltscliatl~~iis. wiv vr iiri vorwiigclierideii Abscliiiitt aiigesproclien wiirtlo. wiirtle crfordern, dafi dcr Ziistand voii UmweItsystemt:iix c:rfaBt iiiitt in Beziehiirig zu eirierri Rcf(!ronzzustaritl gesetzt wcrden kanii. Erst iiiiter dicsc,r Voraussctziing war(. cs rniiglicli. gewissc Ahwcicliiiiigeri voiii Rcfereiizziistand i~ls schadlieh Z I I liewtrtcn. Die Forsc:liiingsresiiltate dcr Okologie sprechen j t ~ l o c hdafiir. clafi es griinds&zlich tritl vori UriiwcltsystcIiic.ii so ziivc~l ig zii crfassen, daB nicht rriiiglicli ist,, t l ( ~ Zu i -
7
Genaiicr ist, daO cs kciricii all~gcmiwi.enBegriff ties Uinwclt.schadeiis g i t L M a n i r i i i f l iiriterscheideri zwisctieri einorri allgeniciri arrweridbartw newertiirrgsverfatircrr~ d a s einen solchen Schadenstxgriff erfordrrri wiirde, irritl dcr Rewortiing eirizc,lrier konkrctc,r Situatiorim: Weriri iri solchm Sitiiatiorieri die Schadigiirig speziellvr Organisrricw. der Verliist spezieller Arten oder eiri spczicller Eingriff in eirie Laridschaft nc,gat,iv bcwcrtc4 wird, k;urri dieses Vvrstiindnis vori ,,SchAdigiirig", ,,Verliist" oder ,,Zorst6rurig" durchaus r i r r c ' Bewert,iirigsgruridlag[, hilden. Eiri umfasscmder. allgrirrein anweridharer Bcwc:rtiirigsm;iOst;Il, laat sich auf diese Weise jedoch nicht gvwirinen. cia uriterschietlliche. sitii;ttiorisspezifiscti(~BewertiiriasrriaBstabc riicht vereiriheitlicht iirid aggrrgiert werdcri kiinricri: ,.Eli[, hisher er;trt)eitetm L3cwcrtungsintrthoden sirid fast ausriahmslos aiif spezifischr Btmiitzcr odcr Belastiirigm der Laridschaft ausgcrichtet (...). Eirie U1)crtragbarkoit ist also rrioist ausgeschlossen (...)." (Riirgiri ct ( ~ 1 .1985, S . 12).
8
Der Begriff ..Umwc~ltsystcrri"sol1 rreben l)vl(~btcriOkosystpmeri a~icliIinheletAc Systeme wici die St,ratusphare iiriifassen.
3.3 Uberkomplexitat
29
er in Beziehung zu einem Refererizzustand gesetzt werden konnte. Dies hat mehrere Griinde:
Okosysteme kiinnen weder zureichend beschrieben noch eindeutig definiert werde71.
..Clearly, an ecosystem is a system created solely on the basis of subjective phenomena and is not an entity defined and delineated by scientific criteria." (Rcrnniert 1991). ,.An ecosystcni consists of so many interacting coniponents that it is impossible ever to be able to examine all these relationships and even if we could, it would not be possible to separate one relationship and examine it carefully to reveal its details (...)." (Jmrgensen 1992, S. 27). ,,Die Definition okologischer Einheiten ist insgesamt eiri sehr urristrittenes und unklares Gebiet, der okologischen Theorie." (Jax 1994). ,,However, the interaction of biotic and abiotic materials within an ecosystem are so complex that they cannot be predicted. Furthermore, ecosystems have derivative properties and functions that cannot be routinely inferred from detailed knowledge of systeni components." (Power 11. McCarthy 1997, mit weit e r m Angaben). Man vergleiche auch die Diskussion dieses Artikels von Power u. McCarthy in Environmental Science and Technology 32 (3): S . 116A-118A (1998).
Die zeitliche Entwicklung von Okosystemen ist unvorhersagbar urid irregular. .,Jedes okologische System ist ein Unikat und als solches nicht wiederholbar. Die Vorgange, die wir his ins einzelne in einem System analysiert haben, konnen im nachsten System, auch wenn dies ganz ahnlich aussieht, gariz anders ablaufen." (Remniert 1992, S. 291), vgl. auch Holling (1973), May (1977). ES ist also nicht moglich, Umweltsysteme rnit wohldefinierten GroBen in ihren wesentlichen Eigenschaften so zu beschreiben, daB anhand dieser GroBen (1) der gegenwartige Zustarid der Systerrie eindeutig charakterisiert, (2) Auswirkungen vorangegangener Umwelteingriffe in Form eindeutiger Ursache- Wirkungs-Beziehungen rekonstruiert und (3) Voraussagen iiber Reaktionen der Systeme auf bestimmte Eingriffe getroffen werden konnen. Daher fiihrt die vertiefte Untersuchung von Umweltsystemen oft zu einer immer grofleren Menge vori kontingent erscheinenden Detailresultaten, ohne dafi ein theoretisches Verstandnis oder eine zureichende Beschreibung der Systeme gewonnen wiirde. Das bedeiitet, daB jede noch so umfangreiche Beschreibung durch immer weitere Befunde erganzt werden mufl und dennoch unvollstandig bleibt.g Ein Bei-
9. Durch diese Uberlegung sol1 die Bedeutung, des heute verfugbaren naturwissenschaftlichen Wissens nicht geringgeschatzt werden. Die Uberlegung besagt vielmehr: Wenri auch die Gesamtheit der heute verfiigbaren, rnit naturwissenschaftlichen Methoden gewonnenen Befunde iiher das Verhalten von Umweltsystcmen nicht ausreicht, Umwcltsysteme zureichend zu beschreiben, liegt dies nicht an der Unzulanglichkeit des naturwissenschaftlichen Wissens, sondern es ist eine grnndsatzliche Eigenschaft von Umweltsystemen, die diese Situation erklart.
spiel dafur sirid (lit: I i r u s t c i i Befiinde ziir toxisclicii Wirkiing gering koiizc,iitricrter Cht?mikalien, Warneck (1988), IPCC (1992), R.odhe (1992), Cii1)asc.h et al. ( 1995). Der diirch die anthropogene Zunahnie tlcr atmospharisclicri Spiircngase moglicherweise eintretcnde Klirnawandcl iriit allcri seinen okologischori (und okonomischen, gesellscliaftlichen etc.) Konscqiic1izc.n kaiin jedoch trotz vidi(1t.r Resultate zum Verhalteri der atmospharischeri Spurerigilse nicht vorausberechiict wcrderi. Die ini Rahnien cles Klirriawandels mogliclierwtrisc: c:iritret.enden Ereigiiissc: sirid so wcnig bekannt, dafi 11iari liier von eirier Situation linter Unbestimrrithr;it spricht (Diirrenberger 1994, Berg u. Scheringer 1995).") Somit ist die Arizalil dcr Griifien, deren Ziis~tirirrierihangin Form allgcmeingultiger Gesetzniai3igkeiteii vrfai3t werden kariri, sowit: die Genauigkeit dicwr Gesctzrriafjigkeiteri stark liriiitiert. ~
3.3.2
Technische Systeme
Einrm zweiten Aliih:rstiindnis des Begriffs U1)crkoiriplexitat" sol1 tliirch ciritm kiirzen Blick auf tcchnische Systenie vorgebeiigt wcrcicn: Es konnte eirigcwcndet werden, jedes ,,Systerri", aiich eine technische AIlliigc, sei iiberkomplex, iirid clcr Begriff sei somit zur spezifischcri Charakterisierurig von Urnweltsystemen riicht gceignct. Technische Systorric: siiitl jedoch im Gegeiisatz m i Urnweltsysterrien ein(1ciitig definiert, d. h. sie sirid sowohl nach a d e n gegcw ihrc Urriwelt (den Hiiitcrgruiid) abgegrenzt als auch iiii Iririeren durcli eiricn Baiiplaii iirid Funktionsziis~~rriiricIiliaIig eindeutig urid vollsthritlig beschrieben. Die Koiriplcxitat dieses Furiktiorisziisarrinienhangs ist begrerizt. uiid er bestirrirrit diis Vcrlialten des Systems ziiriiiridest soweit, daB clas System itri Sinne der nienschlichcii Zwecksetzung nvtzbnr urid damit kontrollierbnr ist. Als Beispiel kanri eiii V[:r~)rcIiriiirigsmotordierim, der wegen seiner definierteri Leistiirig betrieben wird urid h i dern z. B. mit Terriperatiir urid Drehzahl geeigriete Iridikatoren zur Bciirteilurig des Betriebsziistands vrrfiigbar sind. ~~
10. Unbestimmtheit wird gcrriciiisarn mit den Kategoritr~iRisiko und Ungewioheit rintc.r drrn Oherbegriff Unszcherhcit. ziis~iriiriicrigefaBt: s. d a m S. 7 3 i n A1)sclinitt 5.2.2.
3.3 Vberkomplesitat
31
Der zweckgerichtete Funktionszusammenhang legt den Sollzustand eines technischen Systems sowie Abweichungen davon fest. In diesem Punkt liegt der zentrale Unterschied zwischen technischen Systemen und Umweltsystemen. Auch bei technischen Systemen gibt es iiberkomplexe Bereiche. Sie liegen in demjenigen Systemverhalten, das vom Funktionszusammenhang nicht erfaBt wird, wie z. B. Verschleiflerscheinungen, Auftreten von Storfallen etc. sowie in der Wechselwirkung des Systems mit seiner Umgebung, also im Verhalten gekoppelter technischer Systeme sowie im Zusammenwirken der Prozesse in technischen Systemen mit menschlichem Verhalten. Damit ist ein weiterer umfangreicher Problemkreis angesprochen, der iiber den Rahmen dieses Buches hinausfuhrt. Man vergleiche dazu Perrow (1992). 3.3.3
Wissenschaftstheoretische und praktische Konsequenzen
Die Tatsache, daB Umweltsysteme gegenuber analytischer Erfassung uberkomplex sind, fuhrt auf einen grundlegenden Unterschied zwischen Umweltsystemen und Laborsystemen: Laborsysteme werden durch die Wahl der Systemgrenzen iind der Leitgroflen, die das Verhalten der Systeme beschreiben, definiert, d. h. von ihrer Umwelt abgegrenzt. Dadurch wird ein System von begrenzter Komplexitat geschaffen, denn ein Teil der Komplexitat wird in den Hintergrund ausgelagert, der aus Systemumgebung und ,,RauschenLL besteht. Die LeitgroBen, die das Systernverhalten beschreiben, sind relevant, das Rauschen umfaflt alle kontingenten Elernente. Bei Umweltsystemen gelingt genau diese Komplexitatsreduktion durch Auslagern von Komplexitat in den Hintergrund nicht mehr, weil die Unterscheidung zwischen System und Hintergrund nicht eindeutig getroffen werden kann: System und Hintergrund iiberlagern sich in unauflosbarer Weise; der ,,Hintergrund" oder das ,,Rauschen" hat also wesentlichen EinfluB auf das Systemverhalten. l 1 Aus diesem Unterschied zwischen den jeweiligen Untersuchungsgegenstanden wird erkennbar, daB sich Umweltwissenschaften und Laborwissenschaften auch in methodischer Hinsicht wesentlich unterscheiden: l 2 Fur die modernen Laborwissenschaften ist das sogenannte ver~rn-factum-Prinzip~~ zu einem methodischen Grundprinzip geworden (Hosle 1991, S. 53ff.; Ott 1993, S. 95; vgl. auch Esfeld 1995, S. 89ff., insbesondere S. 9Sff.). Dieses Prinzip besagt, daB sichere Erkenntnis nur
11. DaB es bei Okosystemen kein ,,Rauschen" gibt, das wie bei physikalischen Systemen ausgeblendet werden kann, wird ganz ahnlich dargestellt bei Simberloff (1980), zitiert nach Valsangiacomo (1998, S. 270): ,,What physicists view as noise is music to the ecologist; individuality of populations and communities is their most striking, intrinsic, and inspiring characteristic, and the apparent indeterminacy of ecological systems does not make their study a less valid pursuit." 12. Zur Charakterisierung der modernen Naturwissenschaft als ,,Laborwissenschaft" vgl. auch Hoyningen-Huene (1989, S. 48); zu den Schwierigkeiten bei der Anwendung der S y s t e m a n a l y s e , die als eirie theoretische Methode aus der ,,Laborwissenschaft" stammt, auf Umweltsysteme vgl. Muller (1979, insbesondere S. 258ff.). 13. Von G. Vico (1668-1744) als grundlegendes Wahrheitskriterium fur wissenschaftliche Erkenntnis formuliert (Hosle 1990, S. L X X ) , s. auch Vico (1990, 3 331 u. 349).
tlort niiiglieh ist. wo das erktwncmclc, Siil)jvkt tlils Objekt seincr Erkmint iiis sv1l)st gtmiaclit hat (Hosle 1990. S. L X I X ) . Aiif (lit, Niltiir enschaften I)czogc~ll.1)cYlOiltct vs. dafl als riatiirwisseriscliaftlicli~~ Rcwiltatc (.. iiera") iiiir reprodiiaicrl)iLrc. (also rnachtxm~:..fnctn*') Befiindc gcltcm. tlio ill1 gc.zic:lt prRparic)rtcn SystcwivIi gcwoniic~ii wiir&:xi, also iinter kontrollierlm-eri i i i i d gwiclt vcriinderbaren Bet1ingiingr:n. Uniweltsysteirie jedoch entzielieii sich tlcr Priiparation oder veriindcrn ilircm Cliaraktcr tlei Priiparation nach hlethotlcn tler riioderiien Naturwissexiscliuft sowtiit, diLA ihr iirigcstiirter Zustarid riiclit erkcririhar ist: Fiir tlic Unt,ersuchiing von Uniwcltveriiritleriirigeri ist, wie in Kapitel 2 gczcigt wiirdt, die Aiissagekraft von Bcfiindcn, dic an priiparicrten Systemcn crhobcn wcrtlori (Ticmwsiiche irn Labor. Abbaiit,wt,s fiir Chcniikalieri iiriter staritlardisiertcri Bcdingiirigcm). sehr beschriinkt . Dicsc Brfiiride sintl soniit als Artefakte zii bezeiclincw: Sic, siiid zwar ..fuctn". ahcr nicht nic~hr I I ~ T ~ dcnn " . die nicht gcrnachtc Rwlitiit von Urnweltsystenien wird cliirch sic nicht c,rfailt: vgl. Schafer (1994. S. 6Sf.). In d c i i Uiiiweltwisseiiscliaftc.11 kmii dils 1 1 i m ~ 7 r ifacti~v-Prinzip daher nicht iii gltk1ic.r \Veisc>angeweridet werdcn wit. in d m Li~t)orwisscnschaften. fiLi.t,urrt,Einc Konsequeriz aus diesein Resiiltat ist i i n i bci den1 niit dcni ~wrwriPriiizip aiifgenommenen Begriffspaar zii b1ciI)cii . daB in den Urriwelt,wisscrischilftori hiIct,liodcn beniitigt wcrtlcn. iirn wic:clt:r stiirkcr aiif .,Gegebenes" (ini G('g(:nsiLtjx zii ,,Gernachtern") einzugehen iind diesw ,.Goget)ene" als Bestandtcil wissc:rischaft1ic:ht:r R,esiiltate zii verstehen. Dabei kiinncii zwei Aspekte unterscliirdcn wcrdcri:
..
1. Auf der Ebene naturwissrn,sr.hnftl~~~~~t,~~~~ Bqfunde: Das bislarig iibcrwicgcwd vm-folgte natiirwisscnscliaftliclic. Zic.1, diircli Rekonst,ruktiori ka1isiilcr Zilsitrliincnhiirige die Wirkungsniechariisiii(1ii iiiiigliclist, genaii z i i erfasstn. nacli tlrn w anthropogene Umweltverfndrriiiig[~iiih1ailfC.n. ist durch das w r i m -f i Prinzip rnotiviert: Nachvollzogcwc. ~~'irkriic,c:Iiaiiisnieriund daraiis al)gc4citc>t(> ..weiiii-danri-Bezie~iurigeri" gelten iils nat iirwisseiiscliaftlichc Resiiltatc. 1x11 Vergleich zu dieser Rekonstriiktioii von hkchanismen liiBt es sicli als viiic Konzcntrat,ion auf ..Gegeberir:s" arist4irm. w m i i aritliropogenc Uniwclt vc~ii~idtxriingeri iiberhaupt einrnal dokiinicnt,icrt i i n d den aiislosenden Urriwr,ltt,iiigriff(.II ziigtordnet werden (Nachweis ilirw AritliropogenitAt 14). Es geht dahci also i i n i oiric Ziistandsbeschreibiin~.die Dateii ini cigcntlicheri Sinne des Wortw lit,f(wi soll: Trotz aller Schwierigkeitcn, tlic dic: Ubcrkoniplexitiit von Urriwcltsyst,c.iiicri niit sich bririgt. kiiririeri Urnweltvcriinderiirlgeri wie die Ziinalnrie atniosphiirischer Spiirengase, die Koritarninatioii voii Wasser, Boden, Liift i d Nahriiiig init, verschictlerieri chernischen Siibst,anzcn (Schwernietalle: Losurigsrnittel, Agrochrmikalien), der Verlust von Ack[:rfliii(:hcn. dcr Artenschwund. die Fliiclicrivcnicgcliing oder die Deziniieriirig von Fiscli- i l r i d Wildbestiindeii zweifelsfrri kon-
14. Drr Narhweis der Antliropogeriitat crforclcrt 7 1 w h t . (la[$der kausale Zusamrrieiiharig zwisrhtw Urriwelteirigriff und Beohachturigstiateri in Form ciricr rnechanistischeri Beschrcihrirlg rclk(irl-
striiicrt wird.
3.3 Uberkomplezitat
33
statiert werden. l5 Solche Dokumentationen der zur Zeit ablaufenden ant hropogenen Umweltveranderungen stehen mit den jahrlich bzw. zweijahrlich erschoinenden Berichten des World Watch Institute, des World Resources Institute und des Intergovernmental Panel on Climate Change zur Verfiigung (World Resources 1992, Worldwatch 1996, IPCC 1992).16 Ihre eigentliche Aussagekraft gewinrit eine solche naturwisserischaftliche Dokumentation jedoch erst im Ziisammenhang mit der Frage, wie die empirisch festgestellten anthropogenen Umweltveranderungeri durch den Bezug auf normative Prinzipieri bewertet werden konnen. Zusammerigefaflt bedeutet dieses Vorgehen eine Verlagerung von der rein naturwissenschaftlichen Leitfrage, welche Ereignisse nach welchen Mechanismen und aufgrund welcher Ursachen eintreten oder zukiinftig eintreten konnen, zu einer umweltwissenschaftlicheri und umweltpolitischen Leitfrage: Welche Umweltveranderungen konnen nach dem gegenwartigen Stand der Forschung mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, und sind wie diese Umweltveranderungen vor dem Hintergrund heute allgemein akzeptierter normativer Prinzipien zu bewerten? Ein umweltwissenschaftliches Resultat besteht also darin, bereits vorhandene oder auch neu erhobene Daten auf plausible Weise in Beziehung zu einem seinerseits fur die Umweltdebatte relevanten normativen Bezugspiinkt zu setZen. Eine Moglichkeit, dieses Vorgehen umzusetzen, wird in Kapitel 4 und 5 ausfuhrlicher dargestellt. Dabei wird unterschieden zwischen einerseits Umwelt einwirkungen, die durch Agentien wie Chemikalien, Hitze, Larm, Druck oder radioaktive Strahlung zustandekommen, und andererseits Auswirkungen, d. h. den Reaktionen von Organismen und Umweltsystemen auf Umwelteinwirkungen. Einwirkungen konnen in Form von Konzentrations- oder Expositionsdaten dokumentiert werden, ohne daB die Mechanismen, nach denen die gemessene ~
~
15. Um dem Verdacht des ,,naiven Realismus" vorzuheugen: Auch diese Daten sind selhstverstandlich - nicht schlichtweg gegehen, sondern mussen anhand geeigneter MeBverfahren erhohen, auf Signifikanz gepriift und im Hinhlick auf die als Ausloser in R a g e kommenden Umwelteingriffe interpretiert werden. Erst a m Ende eines solchen Prozesses stehen valide Aussagen uher ,,zweifelsfrei konstatierte" anthropogene Umweltveranderungen. ~
16. Aus dem Bericht des World Resources Institute von 1992 (Vorfeld der Konferenz uher Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen in Rio, Juni 1992): ,,Let the facts speak for themselves. That has been the principle guiding the World Resources series from its first volume through this latest edition." Zusatzlich fugen die Autoren an dieser Stelle ein wertendes Votum an: ,,It is time, we believe, for one limited exception. As members of the World Resources Advisory Board, we have supervised a n outpouring of data and information that underscores the alarming degree to which current patterns of human activity are impoverishing and destabilizing the natural environment and undermining the prospects of future generations. (...) The opportunity for action provided by UNCED (...) prompts this special statement. For while the agenda requiring international attention is now widely (...) acknowledged, we are deeply concerned that a sense of urgency is lacking and that the costs of delay are not adequately appreciated by governments.'' ( World Resources 1992, S. xi).
34
Expositioii ziistantle gcikoiiiiiien ist , ( i i i i t l tlicjcwigcm. iiacli clcmcii dicw Exposition rriiiglicherweisc, zii Auswirkiiiigen fiihrt) irri eiiize1ric.n i i i i d miiglichst vollstaridig bckaririt seiri iiiiissen. Eiiiwirkiingsda.teii I)ieteii soiiiit eine Aliigliclikeit. clas eiripirisch Gcgc.l)me anthropogeiier Urriwcltverarideriiiigcii darziistvlIcn. Zudeiii kiiniien UriiwolteiiiwirkiiiIgcrl: so dic, iii Abscliiiitt, 5.1 vertrrtcwr These, aiicli cigenstaiidig, d. h. ohiir: Beziig aiif Aiiswirkiiiigoii. iiri Siniic, (iiic.s riormativw Urteils bewertet werderi.
2. A I L ~ ~ ~ ~ J Z ~gcgcben ~ C ~ ~sind ~ Sschliefilich C ~ U ~ aiich ~ Z sc1ieiril)ar C ~ selbstverst,iiridliche. aber iiii1iiiitergolil)atr.e Gruridl~t~tlirigurigeii fiir iirriweltvcriiiiderrides HRIIdcln: die Eritllichkeit der Erde, die Bcgrcnztlieit a l k r Ressoiirwii iind d a s Aiiftreten iinvorliergeselierier Nchcnfo1gt:Ii h i jedcrri iiiiiweltverariclc.rrlden Haridclri. Wie kanri dic riatiirwissc.riseliaftlie~i(,Uritcrsuchiirig aiif diesc Gcgcbenheit,ctn Beziig iiehrnen? Da es gcratle diese Bcdingungcw sirid. diircli clereii l\Iifiachtiing iiiiiwdtveriiriderndrs Haridelri liciite zu Uiiiweltprobleiiir.ii fiihrt , ist diese letzte Frage zeritral fiir tlio Rolle tier Wisserischafttm in der Urriweltdebatt,c:. I 7 Eirie riiiigliche Vorgeheriswcise, dic: an das urit,t:r 1. Ausgcfiihrte ansclilic4t. geht davon ails. dafi die c:rwahnteri Griindbedingiiiigeii umweltveraiiderritIcii Haiidelris iiiich in handluiigsleitende Norriicm wic z. B. das Vorsorgeprinzip oclcr verschicdciie Gerechtigkc4t)sprinzipicn (.iiiflieBeii: Das Vorsorgc.prinzip zielt aiif die Vcriiicicliing unvorlicrgcsehcricr, m6glicherwoise irreversililer Handliirigsfolgeri at); Gerechtigkeit,spririzipieri lx~zichcnsich iiiif die Endlichkeit natiirlicher Ressoiirecn iiiid Regenerationskapazitiiteri. die dicl gorechtc Vvrteiliing voii Rcssourccn iiiid Verschmiitziirigsrecliteti iibcrhaupt cwt ziim Problmi macht. Wcnn natiirwisscnschaft1ic:lit: Resultate aiif riorrriativc Pririzipieri wic das Vorsorgepririzip, die Pririzipieri vori Verteihirigsgerechtigkcit urid Unpartcilichkeit etc. hezogeri wcrden (s. 0.; 1.) wird sorriit airch ein Btwig zii deii gmarinten GriiridbedingiiiigttIi fiir iimwc.ltvrranderri(les Handelri hergc~stcllt. ~
Dvr soeberi skizzicrte Arisatz, aiif die Ul)c,rkomplexitiit voii Urriwt:lt,systeriit.ii rriit ciricrri verstarkteii Bezug aiif normative Priiizipicii zii reagicren, wird in Kapit,c.l 3 aiisgefiihrt .
3.4 Normative Unbestimmtheit 3.4.1
Okologie und Ethik?
Iiri vorarigehendcii Ahschiiitt ziir Uborkoiriplexitat, giiig cs vor allt:~iiiiin die Frage, iriwieweit Umwelt,systerrie i i h h a i i p t scharf dcfinicrt siiid iind iriwieweit sie deskrip-
17. Vgl. tlazii aiicti Schiifer ( 1 994. S. 74): ,,[Okologische] Problriiic sind erstciis extcrrie Pro1)lririe (...), denri sic t)cdriirigeri uns uriabhiingig davoii, oh sie wisscnschaftlicli aiierkaririt s i i i i l . IJiid os sind p e r s c keine Spezialprol)lenie, siritl sic, doch zii dofiriieren als Effcxkte, in dcricn sich Aiillere Gegetwritiriten diversc>st,rrA r t i i r i i l rrii~iischlichesI I a i i d c ~ l r iiiberlagcv-ri ( . . . ) . I '
3.4 Normative Unbestimmtheit
35
tiv erfaflt werden konnen. Das Ziel einer deskriptiven Erfwsung des Zustands von Umweltsystemen ware der Vergleich dieses tatsachlichen Zustands mit einein ausgezeichrieten Referenzzustand; diirch diesen Vergleich wurde der tatsachliche Zustand bewertet.18 Die Uberkomplexitat von Umweltsystemen bedeutet, daB der Zustand von Uniweltsystenien fur einen solchen Vergleich nicht genugend vollstgndig erfaBt werderi kann, und daB die gesuchte Bewertung deswegen nicht vollzogen werden kann. Hinzu kommt jedoch weiterliin, da8 auch der Referenzzustand selbst i. a. nicht bestininit werden kann: 0
Ein Bezugspunkt, der ,,gesunde" und ,,geschadigte" Zustande von Okosystemen dejiniert, ist nicht tuganglich. Insbesondere stehen keine aussagekraftigen Kriterien fur die Stabilitat yon Okosystemen zur Verfugung. ,,Whatever the nature of the prime concern, the definition of ecosystem health reduces to a fundamental level of perception, that which is usable and appreciated, but often unquantifiable. (...) Constant Change has been the only consistent property of these gigantic inland ecosystems [the Great Lakes, M. S.] over the last 200 years." (Ryder 1990, S. 619). ,.(...) by arbitrarily extending or contracting spatial or temporal boundaries of an ecosystem, or community, one can arrive at radically different conclusions about stress." (Kolasa u. Picket 1992). ,,Depending on one's view, the stress is either present or absent. (...) too great a relativity of the stress makes it irrelevant as a theoretical concept." (Kolasa 1984). ,,The number of stability definitions to be found in the literature is limited only by the time spent on reading it. (...) But, unfortunately, the confusion is far from being just a problem of definitions. Many statements about stability have a simplistic or vague character and therefore are of little use. This unsatisfactory situation arose because of the enormous variety of ecological situations." (Grimm et al. 1992, S. 144) ,,There is no natural basis for making absolute stability statements." (Grimm et al. 1992, S. 150).
Aus dieser Tatsache wird hier die Folgerung gezogen, Umweltsysteme als normativ unbestimmt zu bezeichnen (vgl. Abb. 3.1). Dies scheint dem Zusammenhang zwischen Okologie und Ethik, wie er fur den Umgang mit der okologischen Krise gesucht und auch gefordert wird,lg zu widersprechen: Als ein wichtiges Element dieses Zusammenhangs zwischen Okologie und
18. In der hier angesprochenen ,,okologischen" Bewertung vermischen sich die beiden Aspekte von quantitativer Einstufung und normativem Urteil (s. S. 4): Indem der gesuchte Referenzzustand normativ ausgezeichnet wird, wird der okologischen Charakterisierung eines Umweltsystems zusatzlich die Funktion cines normativen Urteils ubertragen. Inwiefern cine solche Konstruktion problematisch ist, wird in diesem Abschnitt ausgefiihrt. 19. ,,Der entscheidende Schritt einer Naturschutzethik besteht darin, Okosysteme und Landschaften als moral patients einzustufen." (Ott 1993, S. 112).
36
A bbildung 3.1: oberkoriiploxitiitxitat und iiorniativo Unbestirrltiltlioitvon C'niwcltx~st.ciiicri, abgclcitctt aws Bkologixhcn Bcfiiridcm (Berg u. Sclioriiigc!r 1994).
Ethik wird i. a. tlcr irioralische Cliarakter des Vorlidtiiisses zwisc:licm Mcnsc:lioii urid Ticwri oder aiich gerierell zu a r i d t w r i riiclitiiiciiscliliclieii Let)cbwcwm und sogar Laridscliafteri geseliw ( O t t 1993. S.111f.: S. 144ff.). Es ist aii dicwsr St,elle jedoch aiigebruclit . zu priifcii, iriwieferri c i i i v solche Austlr4iiiiirig der irioralischen Sphiirt. tat,sRclilieh moglicli ist: Eiri iiioralisches Verhiiltnis im eigeiitliclieii Siiiric. ist, viii Verliiiltiiis zwischeri Pcrsorieii, (lie sich weclisclsoitig als Sozi;tlpiLrtner rriit Rcditcri uritl Pflicliteri ariw-kew iie~i.Dabci bedeiit,et 33An(,rkenniirigals Sozialpartiic.r", ( I d 3 diese Pcrsoiien init,riiiandrr koriiiriuniziorc.ri iirid liandelrid iriteragiereri kiiiirim. iirid daO dicw Intcraktioii deii Normcn. die fiir ;tllc hlitgliedcr tlvr Sozialgcriit.iiiscliaft geltcii. iiiiterliegt (Tiigendliat, 1993, S. 57E.). Wuin danri ziisiit,zlicli uritc h i d e n wird zwisclieii Subjek:t e n irioralischer Noriiion eirierseits dies sind all0 Sozialpartncr iiiit, Recliteri iind Pfliclit,cm und s n d m w c i t s Objektcn oder Ad7 ntcin. irioralisclicr Norrneri. dic. riiclit s d h t Subjekt,cx (lor hloral siiitl. z . B. Tiere, kwiiii das irioralisclie VerhRltriis auf dicw Adrcssatcii tlvr hloral ausgticlchrit wertleii (Tiigcwlhat 1993. S. 187ff.). Dies(. Aiisdehiiiirig ist, solange siiiiivoll iiiid moglicli, wie c's sicli bci den Adressateri dor Moral urn eirrzclrrc Lebewescii liandelt, tiit. als cigeiistiiritligc. Siihjekte. ziimindcst als Individiien iriit SchmerxernI)firidiing angcsoheri werderi kijririeri, iind rriit dcncri dcr hlensch sich ziirriiridest p:Lrtidl ideritifizic:rcii k m n : z. B. (lurch Einfiihliiiig urid hlitl(.itl. Vgl. dazii i i l i d i Tiigeiidliat (1993. Kapitd I X ) tirid Wolf (1988). Fur das Verliiiltriis vori R1erisc:licn zii einzelricw riiclitmcnscliliclieri Lebewoscw sollte dahvr durchaiis riach eirier iiioralischen Bcst,iiiiiiiurig gwiiclit werderi (wits bereits riiclit unproblcrriatisch ist; vgl. dazu Tugciidhat, (1993, S. 189ff.)): In viclcri Fallen wird Nutz-, Hails- urid Vcrsiichstieren iirizwcifclliaft Lritl ziigefiigt, iiiid die Forderiing, solchc TierrniBharitlliiri~eii zu uiitcr1)iiidcn. wird voii t k r Feststelliirig, Umweltsy-
3.4 Nonnatziie lJnbe,stimmthezt
37
steme seien norrnativ unbestimmt nicht abgeschwacht. Ein moralisches Verhiiltnis zu Tieren liegt wenn auch oftmals implizit dem Tzerschutz zugrundc, iind auch dem Ansatz, Umweltschaden durch die Schadigung eirizelner Organismen iind ihrer Lebensziisammenharige zii beschreiben (Ott 1993, S. 111). Die Fordening von Ott in Anmerkung 19 wurde nun bedeuten. da!3 and1 Okosysterrie, Landscliaften ot-ler Arten als ,,Quasi-Sozialpartner" gelten sollen, iiiid daB sie auf dicser Grinidlagc als Adressaten der Moral in gleicher oder ahnlicher Weisc vor Ubergriffen geschiitzt werden konnen wie Tiere oder wie die cigentlichen Mitglieder der Sozialgemeinschaft. Vgl. dazu Anmerkung 1 auf S. 24 zurn norrnativeri Leitbild der funktionalen Integritat. Im Gegensatz zu dieser Annahme wird hier die These vertreten, daf3 eirie Extrapolation vom Tierschutz auf einen ,,Landschaftsschutz" oder ,,Natiirschutz" iiicht moglich ist, denn das Verhaltnis eines Menschen zu anderen individuellen, nichtmenschlichen Lebewesen unterscheidet sich wesentlich vom Verhaltnis eines Menschen zur ihn umgebenden Natur als Gesamtheit:20 Landschaften, wissenschaftlich erfaote ,,Umweltsysteme" oder gar die Natur als ganze sind lcein individiielles Gegenuber, zu dem das Verhaltnis durch Mitleid oder eirie Moral bestimmt werderi kann, iind aus diesem Grund fallen anthropogene Umweltveranderungen in ihrer Totalitat in einen norrriativ leeren Raum - normativ leer in dem Sinne, dai3 die Suche nach der ,,geschadigten Natur", z. B. ausgehend von toxikologischen Befiintien, die an individuellen Organismen gewonnen wurden, nicht zu Normeri fur uniweltveranderndes Handeln fiihrt, das die ganze Biosphare betrifft.21 Die dieser Uberlegiing zugrundeliegende Feststellung ,,Natiir ist kein Subjekt" wird in der Literatur sowohl aus ethischer als auch aus asthetischer Uberlegung heraus formuliert: ~
~
, , W r gehoren in eirie unifassende Gemeinschaft der leidensfahigen Kreatiir, aber auch der Natiir iiberhaupt. Diese Zusammengehorigkeit ist nicht eirie moralische, aber sie kanri Folgen fur unser Moralverstandnis haben, die nicht bcfriedigerid geklart werden konnen, bevor die Art dieser Zusammengehorigkeit riicht befriedigend geklart wird. Hier stehen wir noch vor einem Ratsel iinseres Selbstverstandnisses." (Tugendhat 1993, S. 191). ,,Die 'Anerkennung' der Natur 'als Subjekt' ist die falsche Anerkennung der Natur. Die volle asthetische Wahrnehmung der Natur ist die eines Bereichs, der
20. Auch wenn die ,,Natur als game" oder die ,,Gesamtheit der Naturzusamnienhange" kcirie konkret faBharen Entitaten sind, ist es hier notwendig, sich auf sie zu beziehen, denn von den heutigen technisch-industriellen Umwelteingriffen sind nicht nur gewisse Organismen oder Gruppen von Organismen betroffen, sondern tatsachlich die ganze Biosphare wird verandert.
21. Toxikologische Befunde sind durchaus relevant fur die Frage, welche eventuell fischgiftigen Substanzen in dcr Nahe einer Forellenzucht gehandhabt werden durfen. Von solcheri eirizelnen, annahernd punktuellen Umwelteingriffen kann jedoch nicht auf groBrnaBstabliche Umweltveranderungen extrapoliert werden. Vgl. Gethmann (1993, s.248): ,,Es ist ein btxmticres ethisches Problem, einen argumentativen Ubergang von den moralischen Rechten von Individuen und Exemplaren zii den von ihnen gebildeten Arten zu erfinden."
weder Siibjekt rioch siibjckthaft iiritl deswegeri fiir die spraclilich als Subjekt leberideri Natiirwesen uriverglcichlich bedeiitsarri ist." (See1 1991, S. 365f.). ~~
~
Die Bezeichriiirig ,,okologische Krise" bezielit sicli also nicht so sehr aiif tlas Verhaltnis des hlenschen zu andereri eirizelncn Lebewesen, soriderri auf das Verh;tltnis des Menschen ziir ihn umgeberideri Natiir als ganzer, also auf seine eiyenen Lebmszusamnierihange.22 Das eigentliche Problem der okologischen Krise wird daher diirch Befunde zur Schadigiing einzelrier weriri aiich sehr viclcr nichtmenschliclier Organismen nicht wirklich erfafit. Daher wird hier die Position vertreten, daR es in praktischer Hinsicht sinnvoller ist, anthropogene Umweltveranderiingen als Eingriffe in die Rechte von Illenschen, also von tatsuchlichen Mitgliedern der Sozialgerrieiriscliaft, zu betrachten, anstatt rieiie Moraladressateri zii konstriiieren: Unter dieseni Aspekt sind anthropogene Umweltveranderungen avieifelsfrei moralisch relevant; sie werdcn dabei von tiornherein als sozialethisclie Problerne verstariden iind nicht als primar okologische Probleme, die anschliefiend ethisch ,.aiifgefangen" werden miissen; vgl. dam Kapitel 4. ~
3.4.2
Normative Unbestimmtheit: Begrundungen
Nach den Ausfiihrurigen des vorangehenden Abschnitts urrifafit die Sprechweise. Umweltsysteme als norrriativ unbestimnit zu bezeichnen, die folgerideri beideri Aussagen: (1) Die Gesamtheit der Naturzusarnmenhange iibersteigt den Geltungsbereich nierisclilicher Normensystenie; ( 2 ) die wissenschaftliche Untersiichung der Natur bringt keirie Normcn zur Regelung des Naturverhaltriisses hervor. Im einzelnen steheri hinter diesen Aussagen zwei ernpirische Feststellurigeri, eiri ethisches sowie ein erkeriritriistheoretisches Argument: 1. Okologisch: Hier geht es vor allem iim den im vorangehenden Abschnitt angefiihrten Bcfiind, daR Umweltsysteme dem menschlichen Beobachter keinen intrinsischen Sollzustand offenbaren, iind dafi LeitgroRen wie Biodiversitat, Stabilitat von Okosystemen etc. bereits rein deskriptiii nicht geeignet sirid, als eirideiitiges Mafi fur Umweltbelastungen zii fiingieren.'"
22. Vgl. Schafer (1994, S. 79): ,,Verursachcrid und erleiderid steht der Mensch als Definiens im Begriff der Krise." 2 3 . "Shannon-Weaver diversity is a dubious index. (...) There are no available criteria for precisely measuring community diversity under natural conditions." (Goodman 1975. S. 260) ,,Auch sollteri Aussageri aufgriind von Diversitatsindices mit a d e r s t e r Sorgfalt und Vorsicht betrachtet werden keinesfalls sollte niit ihnen 'weitergerechnet' werden. Uberbewertungeri haben diese Indices inzwischen weitgeherid in Verruf gebracht, so dal3 in der neuesten Literatur kaum noch mit ihnen gearbeitet wird." (Rernrriert 1992. S. 234) Wahrend die Beurteilung von Umweltveranderungen zwar Ahnlichkeiten zur Frage nach der menschlichen Gesundheit aufweist (Honnefelder 1993. S. 256), stehen fiir die Erkennung vori Umweltbelasturigen also kernr solchen enipirisch gegebenen 1,eitgrofien zur Verfiigung, wie die Abweichung von der Korperternperatur vori 37 OC heirri hlenschen eineri Indikator fur Krankheit bildet. ~
3.4 Normatzve Unbestimmthezt
39
Wenn von okologischeri Bewertungen die Rede ist, sind dies also keine Bewertungen, die auf ,,okologisch gegebenen" Werten beruhen, sondern Bewertungen, die von einem speziellen menschlichen Standpunkt aus, im Sinne eines menschlichen Interesses am Zustand eiiier Landschaft, an der Existenz einer Spezies oder an einem Biotop vorgenommen werden (Plachter 1992, S. Sff.), vgl. unten, Punkt 3. Das dabei vertretene Interesse ist in vielen Fallen durchaiis berechtigt, sollte aber als menschliches Interesse offengelegt und gegenuber konfligierenden Interessen b e g ~ t i n d e twerden ~~ gerade, damit es besser durchgesetzt werdcri kann. Vgl. dazu den Aufsatz vori E. Bierhals (1984) ,,Die falschen Argumente? Naturschutz-Argumente und Naturbeziehung", wo die niangelnde Aussagekraft okologischer Naturschutzargumente untersucht wird. ~
2. Gesellschaftlich: Hier wird die ebenfalls empirische Feststellung von oben, S. 27 (Bewertungsproblem) aufgenommen, dafi sich Normen wie gesellschaftlich etablierte Schadensbegriffe uberwiegend an urimittelbar wahrnehmbaren Ereignissen entwickelt haben und sich deshalb inimer nur auf Teilaspekte von Urnweltveranderungen beziehen, und dafi Normcn fur die umfassende Bewertung von Umweltveranderungen deswegen weitgehend fehlen. Auch wenn umfassendere Normen z. B. in Form von Naturschut~gesetzen~~ formuliert sind, bleiben sie weitgehend wirkungslos, d a sie kaum praxisbezogen und nur ungenugend operationalisiert sind: ,,Generell leidet die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung unter vielen Vollzugsproblemen, wie unbestimmten Rechtsbegriffen, offenen Erhebungs- und Bewertimgsfragen, sowie Bestirnmungsproblemen bei Ausgleichs- und Ersatzmaonahmen. Hier besteht ein erheblicher Bedarf an Verwaltungsvorschriften und Arbeitshilfen zur sachgerechten Auslegung und zum Vollzug der rechtlichen Bestimmungen." (Strauch 1991, S. 24) ,,(...) die Frage darf also nicht blofi lauten: 1st bestehendes Recht verletzt?, sondern: In welchem Ma0 ist bestehendes Recht verletzt? Im weiteren ist eine eindeutige Beantwortung dieser Fragen nur dort moglich, wo konkrete Grenzwerte vorliegen, deren Uberschreitung mit geeigneten Methoden klar feststellbar ist. (...) Die meisten Rechtsnormen finden sich jedoch als verbale Formulierung, welche durchwegs ein mehr oder weniger breites Interpretationsspektrum zulassen." (Burgin et al. 1985, S. 17) ~
~
3. Das ethische Argument dafur, Umweltsysteme als normativ unbestimmt zu bczeichnen, ergibt sich aus der wesensmafiigen Unterscheidung von normativen
24. Damit ist keiri abstrakter und nur theoretisch relevanter Begriindungsanspruch gemeint. Eine Begrundung hat vielmehr die praktische Aufgabe, eine Behauptung auf eine allen Parteien gemeinsame Basis zuriickzufuhren, so daO sie von den Opponenten leichter akzeptiert oder zumindest nachvollzogen werden kann. 25. ,,Dem Aussterben einheimischer Tier- und Pflanzenarten ist durch die Erhaltung geniigend grosser Lebensraume (Biotope) und andere geeignete Massnahmen entgegenzuwirken. (...)" Art. 18, Schweizerisches Bundesgesetz iiber den Natur- und Heimatschutz.
40
dcskript ivcn Aiissagcm: Ails tl(vikriptivc:ii Siit w i i ktjiiiivii rein lugisch kvirie noriiiwt,ivcri Siitzci gofolgert wcwl(m. Aus t l i c w i i i Gnuitl tritt das Prol)lrrii t l ~ snat.~trr~lastischen Fr.)il,sr:ii.llL.~.ses iiilf'. wt:riri gcwisst. Zustiilulo von Uiriwc.lt.systerrieri ohric wciteres als Grurrdlagc, voii Normcii aiigcwlieri wcwlcii. die tiiciisrlil i c k s Hiiiitlt'lii hestiriiriitm solleii: vgl. tlazu z. B. Hoririefeldcr (1993. S. 257) i i i i d Scliiifer (1994. S.166f.). D;il)ci heziclit sich die. Bcwiclitiung ..FclilschluB" auf tl(w ~ g t wuber deir Ziiiin logisclrc~riSiriri uriziil igen Schritt,, aiis dc. st,;trid vori Uriiwelt I I norrrcatiw S;ttze ziir Aiilcitiirig iiriiweltrelcv~LIit,t,I1 Haridehis zii folger LVmn jrc1oc.h deskriptivcn Au ig(w iiber tleii Ziist aiid voii Uiii~~eltsq.sttIiiicii iirir1iittell)ar c i i i norIiiat,ivc,t Gehalt ziigwrdrict wirtl. z. B. iiidcwi holic Biotlivcrsit& als ..irit,ririsisclics" Gilt arigcsc~1ic:iiwird. ist tlvr SchliiB a i i f weitere Nornirii ..U n i w e l t c + $ T e . dic tlic Biodivorsitiit verrriiritlwn. sirid iiiiziil korrekt .27 I i i diesem Fa11 iriiiil ,jotloch dcr rioriiiative Gehalt (lor c:nipirisclirii Praiiiisse Iwgriiridet wordm. uritl tlivs ist wcgcw tles iiorriiativcw Natiirbcgriffs. tlcr dariii tmiiitigt wirtl, i i l m den altvr insbesondcrct die irio(lcriitm Naturwissciiscliaften n,irht verfiigcri i i r i t l iiber tlr:ti mich aiiik~rlidbder N~it,iirwisseiisc~li1Lft,('ri kcitic: Einigkcit bestctlit. riicht oliric~wciiteres iriiiglicli (vgl. d m i i aiich Sthlif(.r (1994. S.166ff.)). Soriiit ist fwtzulialt,eii: Ohne eiiio Bt3griiridiiiig. (lie explizit, aiicli aiif h c i t , s gcilt,endt Norriicm iiritl Wcrtc gest,iit,zt. ist. koriiicii i i i i s Befiuitloii ziini Ziistmd. vori Urriwtilt,sq.sterrieii such w e ' w sit, Abweicliiiiigcri vori c>iii(mReferciizziist arid riiarkicwn wiirtlcii keiiie Noriiioii fiir iiiiiu.t!ltrelevaiitc's Haridelti abgcIritet wertlcii. Der ri,ztiirwisscnscli;ift I i d i erfaBtr. Ziistarid voii Uiriwel als solcher liat keincm iiorriiativeii G(~halt. iiiid
4.
Argurrivrit. fiir (lie iiorIir;tt,ivo Uiil)cst.irrimthcit, voti ieri beziclit sich auf clic. griiridsatzlic,lif Fragc>.01) viii Sollziist,niitl sterrieri iil)(trliairpt erkciiiihar svin k ( m n (iiii Gegcmsatz ziir liiiitrr dcrri et1iisc:htw Argiiiriciit stchendrii Frage. wic Normen fiir iiiiiwe1trelcv;Liitcls Hantleln gtigcmiiber a r i d c w n Persoricm begriinclct, wcmleri ktjriiim). Es h a . g t :
~
26 Allrwlings ist iiicht vhllig k l x . inwicweit dic (iiitrrscheidiiiig zwisckieti rviii tlc3skriptiveit S i i t z r n iintl rein norriiiit ivcw Satxcri wirklich diirchgc~lialtcnwertlcri kann. Sc1irGnl);u rein dehkriptivv E1chtsteIlungcn kiinneri, schori wcil sie iihcrhiiupt getrofferi wr~rrlcnoder diircli die Form, i r i (ler iie getrofferi wcmlcri. aucli cinrw wertendrii Anteil tiat)r:n3 t1r.r nicht olinc, weiteres ,,al)scpariert" wertltw kiiiin. urid ZWIW a i l s folgeridwri Grinid: Die iintcrscliiedliclic~ri Wertsystenirt. die rlas Natiirvcrlililtnis verscIiict1cw:r Personcw odcr gesellsc1i;iftliclier Griippcw he s timnw n. sind zurnindest ziir Zeit bei wrtitorn nicht traiisparent. Fiir c i i i c . s trikte I'iitc~rsclieidurig zwisetim rlcskriptivrri i i r i t l riorrriativeri Sgtzen iiher I!riiweltsysterrici uritl iimwrltrc~lcvaiitcsHandelri wAre iiher den Vcrwcis aiif dcw rtat~iralistiscliciii Fehlschliill t i i i i ; u i s cinc vollstandige ethische iind crkenritriist,heoretische IYZW. Iiaturpliilosophische Rekonstriikt,iori clicw,r Wertsysteinc, erforderlich. woil i i i i r tiariri ernpirisehe Befunclc, i n i d die ..ziigttliiirigen" Wertaiissagcn in ciii kliirrs Verhaltnis gcsctzt werdrm kiiniicri. Bisher w-iirtlrmdie Wertsystcine. die iiiriwc.ltrclevarites Hiinrlclri t)estirnrricm. nicht in tlicscwi AusmaR rekoiistruiert.
27 Insofern stelit. (lit. BezeicIiniing ,,liaturalistisc,hr.r FehlschliiO" wcmigcr fiir vin logisckies Prol)lrwi ids fiir ein inhaltliclies Bcgriiiitliirigsprot,Icrri: vgl. vorarigc~livridt~ Anmerkiing
3.4 Normatave Unbestimmtheat
41
Die Naturzusammenhange bilderi die Bedingung fur die Existenz von Menschen als erkennenden und handelnden Subjekten, und diesen Subjekt,en stehen die Bedingungen, die ihre Entstehung und Existenz bestimmen, weder als transparenter, d. h. vollstandig erfaobarer Erkenntnisgegenstand, noch als Objekt der Verfugungsgewalt oder Gegenstand des Mitleids gegeniiber. Aus dieseni Grund ist der Ziistand vori Urriweltsysterrien prinzipiell nicht erfaBbar, und insbesow dere ist ein Sollziistand nicht einmal denkbar: ,,Von dem, was niehr ist als cr selbst, kann der Mensch nicht wissen, wie es sein soll." Vgl. dazu auch Honncfelder (1993, S. 262). Dieses Argument ist erstens relevant als eine prinzipielle, d. 11. nicht anf ernpirische Befunde gestutzte Begriindung fur die Uberkornplexitat (Naturzusammenhange sirid kein transparenter Erkenntnisgegenstand) und normative Unbestimmtheit (Naturzusammenhange sind kein abgegrenzbares Schutzobjekt) vori Umweltsystemen. Zweitens ist es relevant fur die Frage, ob diirch naturwissenschaftliche Erd. h. fur ein kenntnis Vorgaben fur eiri ,,Global Eniiironmental technisches Management des globalen biogeochemischen Systems, gewonnen werden kijriiien (bei gegebener gesellschaftlicher Einigung, uniweltveranderndes Handeln an solchen Vorgaben zu orientieren). Das Argument bedeutet fur diese Frage, dafi Mechanismen, die das Verhalten des globalen Uniweltsystems bestimmen und deren Kenntnis somit Uniwelteingriffe zur erfolgreichen SteuerungZ9 dieses Systems ernioglichen wiirde, der menschlichen Erkenntriis prinzipiell nicht zuganglich sind. Deswegen wiirden Versuche eines ,,Global Environmental Engineering" grundsatzlich zu unvollstandig voraussehbaren Resultaten fuhren und das bereits ablaiifende ,,Global Environmental Change" zusatzlich verscharfen. Drittens macht das Argument deutlich, da!3 es einerseits fiir den Menschen aufgrund seiner vielfaltigen Eingebundenheit in Umweltsysteme keinesfalls bedeiitungslos ist, in welcheni Zustand sich diese Umweltsysteme tatsachlich befinden (sonst stunden wir nicht in einer okologischen Krise), daB es jedoch andererseits keine aufiere Meolatte gibt, an der abgelesen werden kann, wie diese Umweltsysteme beschaffen sein ~ o l l e nSomit . ~ ~ ist die scheinbar nach auoen orientierte Frage, wie die Umwelt beschaffen sein soll, zugleich cine nach inncn
28. So der Titel einer Stellungnahme in Nature, in der die Moglichkeit erortert wird, das Ozonloch durch Injektion von mehreren tausend Tonnen Propan oder Butan in die Stratosphare zu ,,schlieSen" oder das ozeanische Planktonwachstum durch Zugabe von uber lo5 Tonnen Eisen pro Jahr zu ,,dungen" und so anthropogenes C02 zu binden (Cicerone et al. 1992, Martin et al. 1990). 29. ,,Erfolgreiche Steuerung" bedeutet dabei, daB der intendierte Effekt tatsachlich eintritt und daB umfangreiche Nebenfolgen, die den intendierteri Effekt, auch wenn er eintritt, moglicherweise bei weitem uberkompensieren, ausgeschlossen werden konnen.
30. ,,Auch wenn wir nicht machen konnen, was wir wollen, sagt uns 'die Natur' nicht, was wir tun sollen." (Gethmann 1993, S. 247)
gcrichtctti Fragti, wie jt+s c.iiimlric. Siibjekt lianclc~liiiiiitl wie ihr iimwcltrc.leviliitcs Haiidelri orgariisicwri will
viiic.
G~wll~cliitft
Dicscs ziiletzt angctfiihrte c,rkeniit,iiisthctoretischc Argiirrieiit l)ezielit, sicli vor allciii itiif das spezifischc Problein eirier Zivilisittion. tlereri Nat urvcrstaiidiiis wc.itgeh(~d t,ec~iriiscli-iristriimeiitr:llist i i i i d dic die garize Biosphiirc rnit iliren Uiriweltc,iiigriff(.ii 1)ceinfliiOt. DHS Argiiriient 1)csagt. daij ('s weclt~-miiglich ist . dic Biospliiire o d w (Ir1ieblic:he Teilr: voii ilir als Quasi-SozialI)artrit,r."iri das hloritlsystelri aufziiiiehniori rioch sic: ,,idt:alerwc.isc~"aiic:ti nodl g1eichzt:itig Iiach h~1aflgul)r:t,ediIiischer Norriic.ri zii optiiiiiereri. Hiritcr diescir Au tge stcht folgeride Utxxlcgiing: Bei c1r.r Vorst,ellurig, Okosystemc. Landschaften oder dic Nntiir als ganze kiirmtcii als m o d pnt,ients eiiigestiift werdcn, wertlvn dies(, Systcriic voin eiiizclnen Organisiiius 1ic.r gedi~cht,fiir ( h i os c i i i norrriativcs Leitldd wie die in Arinierkiing 1 auf S. 24 eingc.fiihrtc1 korperliche Iiittyyitiit gibt,. Dieses Leitbiltl wirtl ;tuf griiOere Systwic iiI>crt.riig<:iiund vttrschit+t sich dabci in eiri Loitbiltl tler fiiriktio7i,alr:*nIritcigrit,iit,, deriii griiBcre Syst,tme ersclieiiicri nicht iriit dcrselbcii Evidcriz als iridividiiellc L c h w c w n wic cirizdne Organisinm, sondern sic wcrderi iit)c:rwiegcd wisserisch;Lftlicli, (1. h. irri Hinblick niif ihre fiiiiktioiialcn Ziisnmiiir.iihiiiigc1 erfaBt .32 Dic,ses Leitbild der fiinktiorialen 111tcgritiit maclit jedoch zuglcich auch eiiiv Optiiiiieruiig nacli techrrischen Norrwii tlenkbar und wiiiisc1it)ar; tler iriit,leidsetliisch iriotivitbrtt Ziigang und tlcr ingciiicurwisseiisclinftlichc Ziigaiig Zuni P r o l h n dcr ijkologischcri Krisc: heriiliren sich h e r . Beide gr:heri jcdoch von einor Uiitcrbestirrirnurig der Natur aiis, iridem die Naturziisamiiitriliiingc entweder als Gcgcwstarid des hlitleitls oder als Ol).jekt dcr Verfugiingsgcwalt arigesehcn werdcm. Urn eirieiri hlifiverstandriis vorziibeugeii: D im i t ist nicht gesagt, daB iiiclit g('wisse Aspekte tlcr Nstirrziisariiirieiiliango, in tlic eirie Gesellscliaft, ciiigebunden ist, irii Norinensystem dieser Gosellschaft rcpraseriticrt sttin koiiiim. Es ist irri Gegciitcil iinc.rliifilich fiir iiiiiweltvertraglielies Handclii. dafi die Nat iirzusainiiicriliiirige iiii gosellscliaftliclien Norinensysterri gcgenwiirtig siiid. Obige These 1)csagt lcdiglich, d;tB diesc, Reprasentatiori wtder in Form tcchnischer Norincri iiocli (lurch die A w r ktmnung tler Natur als Suhjckt urid daiiiit als Sozialpartner hewerkstclligt werdcii kann. Aus clieserii Griincl ist es fiir die Bctwiiltigurig der ijkolog hcn Krise voii crhobNalicher Bedeutiirig, inwiewcit rieben deni bisherigen tt~c:linisc.li-iristriiirieritcll~n t,iirverh;tltnis IiioderIier Goscllschaftcn aiich siidere Naturziigiingc gefuridt:n odcr wieder eriiffnc.t wer do~ i . "D ~ a h i gcdit es nicht allviii uiii die wisserischaftliclie Na-
..
~
~
31 . .,Es Iiaridelt sirti [ h i tler iikologisctiori K r k ] i r n r r i c ~u r i i 1 ic*fgreifcvide Stiiriirigeri d r r gesellschaftlirhen N;tturvc.rhaltnisst. i i r i d riiclit citwa von Nat~irziisarn~iic~ritiarig~~rr." ( B r r k e r 1993,
s. 4 3 )
3 2 . Vgl. dazu O t l (1993. S . 153ff.). Absrtiriitt m r ijkokq,schen
/'flthO,ylI07iLZk.
33. Vgl. Becker (11193. S. 44): ,,Kiilturc:llc Regulxtioriet~ der gt~sc~llschaftliclie~i Nxturverhaltnissc~ werdcti durch tcchr1isc.h-wissetiscliaftliche ersctzt. (...) Ich 1eit.c als Zwisrhc~rtergehriis(...) tiic
3.5 Zusammenfassung
43
turerkenntriis und die technische Naturbeherrschung, sondern iim die grundsatzliche Anerkerinung und kulturelle Ausformung der ,,Grenze zwischen Wildnis wid Zi~ilisation".~~ ~
3.5
~
Zusammenfassung
Uberkomplexitat und normative Unbestimmtheit wiirderi in den vorangehenden Abschnitten als zwei Leitbegrzfle eingefuhrt, die die Schwierigkeiten bei der Beschreibung und Bewertung anthropogener Umweltveranderungen benennen sollen. Sie werden Umweltsystemen als Eigenschaften zugeordnet, weil auf diese Weise erkennbar wird, daO die rein wissenschaftliche, empirisch orientierte Untersuchung von Urnweltsystemen fur die Bewertungsfrage in eine Sackgasse fiihrt: Anstelle eines Schadensbegriffs, der den gewiinschten oder unerwunschten Zustand eines Umweltsystems erkennbar werden liefie, stoOt man auf eine nicht mehr strukturierbare Fulle von Befunden und kontroverse Bewertungsfragen, also das Gegentcil dessen, was die wissenschaftliche Untersuchung eigentlich liefern soll. Aus diesem Resultat wird im folgenden Kapitel die Konsequenz gezogen, die auslosenden Handlungen starker in die Betrachtung mit einzubeziehen und die Bewerturig anthropogener Umweltveranderungen auf normative Kriterien zii stutzen, die fur das Verhaltnis zwischen handelnden Personen gelten. Hinter diesem Ansatz steht die Tatsache, daO von (fast) allen anthropogenen Umweltveranderungen immer auch andere Menschen als allein die handelnden Akteme betroffen sind, und daO Uniweltproblerne deswegen auch als sozialet hische Problcme anzusehen sind.
These ah, daO sich in den sogenannten Umweltproblemen die unbewaltigten Folgen von Industrialisierung, Technisierung und Verwissenschaftlichung gesellscliaftlicher Naturverlibltnisse zeigen. "
34. So der Untertitel von H. P. Duerrs Traumzeit (Duerr 1984)
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Kapitel 4 Umwelt chemikalien, Reichweit e und okologische Gerecht igkeit Im vorangehenden Kapitel wurde dargestellt, dafl Nornien fiir die Bewertung und Anleitung umwcltverandernden Handelns nicht an Umweltsystemeri oder an Veranderungen vori Organismen urid Okosystemeri direkt .,abgelesen" werden konnen. Dies bedeutet, tiaB der ~iaturwisseiischaftliel~-ingenieurwisseris~haftlich gepragte Ansatz, einen Schadensbegriff zu siicheii, der sich ausschliefllich auf den geschadigten Gegenstand, d. h. aiif das Objekt menschlicher Handlungen, bezieht . bei der Bewertung anthropogener Umweltveranderungen nicht weiterfuhrt. Daher wird im folgenden versucht, die Bewertung anthropogener Umweltveranderungen starker auf allgemein akzeptierte Grundprinzipien zur Bewertung menschlicher Handliingen wie die Goldene Regel, das Verursacherprinzip oder das Vorsorgeprinzip zii stiitzen: Wahrend der Zustand isoliert betrachteter Uniweltsysteme normativ unbestimmt ist, unterliegen urriweltverandernde Handlungen, wenn man sie als Haridlungen versteht, die imrner auch andere Personen betreffen, ethisch reflektierten Bewertiingskritericn. Dieser Ansatz fuhrt in das Feld der okologischen Gerechtigkeit. Unter diesem Begriff werden nach A. Leist (1996) diejenigen Gerechtigkeitsprobleme zusanimengefaflt, die aufgrund der okologischen Krise entstehen.' Leist (1996, S. 392ff.) fuhrt eine Reihe von Beispielen fur solche Gerechtigkeitsproblenie an, so das Problem, daD viele Entwicklungsliinder heute auf Teclinologien verzichten musseri, deren iikologisches Schadigungspotential durch die Industrieliinder bereits ausgeschopft wurde, z.B. die Niitzung von FCKW. Ein anderes Beispiel ist der Export von Technologieri rnit holier Umweltbelastung aus den Industrielandern mit ihren relativ hohen Umweltstandards in Lander mit tieferen Umwelt- und Sozialstandards. Ein Grundproblem der okologischen Gereclitigkeit besteht darin. dafl die Strategie der Industrielander, Armut durch industrielles Wachstum zu beseitigen, gerade ange-
l. Die Wortwahl ,,okologisch" hat sich im ethischen Sprachgebrauch eingebiirgert; iikolo,+che Gerechtigkeit ist ein Teilbereich der okologischen Ethik (die Bedeutung dcs Begriffs ,,Okologie" ist hier umfasscrider als die rein naturwissenschaftliche Bedeutung, die in Kapitel 3 im
Vordergrund steht). Daneben wird auch die Bezeichnnng ..Umweltethik" verwendet; in1 englischen Sprachgebraucli wird von environmental equity oder environmental justice gesprochen (Harding 11. Holdren 1993, Sachs 1996).
siclits (lor UIiiwrltl)t:lsstuiig(,ii cliirch ziiiic~litrieridc~ 1ritliistri;tlisic.riiIlg iiiclit, weltwcit iirrigesctzt, werdeii kariti. Aus clcin vielschichtigeti Bcwich dicwr Gereclit igkc:itsprol)lc,irie. dic sowohl iikonornisclici Probleiiir,. soziale Prol)lerric ids itiich Uiiiwc~ltprol)l(~iiic~ iimfasscw, wird iiii folgendori ciii Aspckt, lieraiisgtyq-iffen, iiiiirilich Gcrc,c,litigkcit,sI,roblelrlc.tliircli C1ic:triikali~,ric.xpositioti(:ii.die r;tutrilicli untl zeitlicli v d t g e r t wc~clcw. Dabci werden vivlc, der etliisc.lien Griiiidsatzfr~igc,ii.die sic% itri Bervicli der okologischcn Gereclitigkcit stcllm, nicht diskiitiert: t l i i k i i verglrichc dazii Ltist (1996). Das Ziel hcstelit vichriclir dariti, rnit dcm G(:rc,c:litigkcitsyriiizipic:n diqjetiigen ethischen Norriien fiir tlic Bewc>rtling voii Uniwelt vc.r;Liideriiiigtiti herariziizichen. (lit. trotz a l l c ~offeneii Fragen vcrgleichswcisc. iinstrittig sirid2 Bei doiri darnit, itiigestrc>l)t(>iiBruckrwschlag zwisclien r%liischer Noriii iind i i i i i weltclieiriisclierri Sacliverhalt wird die gc~ricwlleFragc. tiacli clcmi Verliiilt iiis zwisc.licw ciiipirischc~nBefiiiiclcw und Wvrtiirteilcii tic~iihrt,:ciiier kiirzcii Eriirttmiiig dicwr Frage ist, daher tlcr crste A l d i r i i t t tlitws Kapitols gcwit1iiit.t.
Zum Problem des Werturteils in nat urwissenschaft lichen Unt ersuchungen
4.1
111 den riioderneii NiLtiirwiss(:iiscliafteti ist es ii1)li~h.die Fc.ststclliing voii Befiiiitkw iind dic>Forriiulioriiiig von R'cirt,iirteiltm als zwci gc.treiintc1 Schrittc aiiziisclien: die Bcstiiriiiiiing natiirwisseiisc1i;~ftlicherBcfiiiide wird als weitgc~licnddeskriptiver uric1 ,,wertfreic~"ProzeB vc:rstaiitlm. Die Trcwiiiing o h genaiic'r: Utitersc.lic.idiirig voii Datetir~rli(~l)iitig i i r i t l Wertiirt,vil ist in d(w Geschichts-. Reclit s- litid Sosi;~lwisseriscliaftetic\lwiifalls voii c,rlir:bliclic.r Bedeiitiirig. Sie wircl dort irii Gegensat,x zii deli N;LtiirU,issc'iisCliafteii m i d i explizit tlieriiatisiert iirid diskiiticrt (,,Wert,iirtcilsstrc,it", vgl. A. Pieper (1994, S. 106, niit wc+cwii A n g a h i ) ) : exmiplariscli aiigefiilirt s c k i div Aiifsiitze voii RI. W c h ~ ziir .,Ol)j(~htiiiitut" soz%nlm nftlirA or u n d s o z I)er 1985ii) iind ziir ., WW schuften (Weber 1985t)), dio Aiisfu1iriiiigc.n v o ~ iE. Agazzi (Agazzi 199.5. S. 155ff.), der historischc Ul)cd)lic.k voii R. Kosc.ll(rk (Koscll(\ck 1977) sowie eiiic jiiristisch Arbeit voii K. H. Liiclcwr (1994). Diest, Diskussioii fklilt iii clcm N;rtiirwisst:nscliaf-~fsic: wircl voii Natiirwisscnsc.liiLft,lc~rrisc4l)st iiiclit gcWirt, was iriit dc:iri c~tischaftlic~lic~ri Scll)stvc,rstaridiiis. generoll iiiir reiii clwkriptiv zii arbci t m , ziisaninic~iiIi;t~ig~~ti cliirfte. In jiirigster Zeit wircl jedoch auch voii Naturwissc.iiscliaftlt.l.11 ziineliiiic~iidartikiiliert daD (lie U7rr~,r'lt7rr~t,u7.nl rschri,jtr~rt, vine aiitlcw Aiifgalw iind Fiirikt,iori liabcm ~
2. Verrjchictlcne Autorciri pliidicroii clafiir, twi iiiiklaren iiiicl kontroverscii Bewertuiigsfragcn 1rnc1 urn noldic handclt cs sich in der IJrriwelttlc1)irtte auf Iiiiiglichst iinstrittige und grundlegencle Nornicn. niimlich (:cr~htigkcitskritericii,xiiriickzugreifc.ii. so Hiiffo ( 1993. S.96,173 u. 259). Schiifcr (1994. S. XWL) iind Birntiwher (1988. S. 269).
4.1 Zzim Problem des Wertzlrtezls in naturwissenschaftlichen Untersuchvngen
47
als herkomrriliche Naturwisserischafteri (Markl 1994, S. 253), und daB sich dies audi auf den Zusammenhang von Faktenerhebung und Bewerturig auswirkt. Diese Auffassung vertrete auch ich hier, und ich rnochte sie noch zusatzlich akzentuieren: Untersuchungsgegenstand der Umwelttiaturwissenschaften sind die Konsequenzen uniweltrelevanten Handelns, d. h. ihre Problemstellungen ergeben sich atis praktisclien Bereichen, riicht aus einem disziplininimanenteri Erkenntnisstreben. Diese praxisbeiogenen Problemstellungen umfassen neben der Erhebiing von Befiinden auch die Bewertung umweltrelevanten Handelns. Umweltnaturwissenschaften sirid verbunden mit politischen, okonomischen und rechtlichen Belangen; sie reicheri in den Bereich des Normativen hinein, und zwar nicht nur mit ihren Resultaten, sondern auch niit ihrer Problernstell~ng.~ Ladeur (1994) betont die Notwendigkeit, diese Erkenntnis in der rechtlichen Praxis starker zu beriicksichtigen: 0
0
,,Risiken unterhalb der traditionellen Gefalirengrenze sind so vielfaltig, dafl auch die Samnilung von Informationen, die riicht ohne weiteres iiber Erfahrung verfugbar sind, in rechtlicher Form prozeduralisiert werden niuB. Ungewiflheit mui3 als normatives Problem akzeptiert und durch Suchverfahrcn striikt,uriert werden, sie kann riicht nur als faktisches Problem der Sachverhaltsermittlung angesehen werden." (Ladeur 1994, S. 13) ,,Die Trennung von Ermittlung, Bewertung und Beriicksichtigiing in der Entscheidung kann, wie sich aus den vorstehenden Uberlegungen ergibt, nicht strikt durchgehalten wcrden." (Ladeur 1994, S. 17)
Diese letzte Forderung gilt jedoch nicht allein fur die rechtliclie Praxis, sondern hat auch Konsequenzen fur die naturwissenschaftliche Praxis. Sie fuhrt dazu, dai3 auch in der naturwissenschaftlichen Methodik der Zusanimenhang zwischen Besclireibung und Bewertung von Umweltveranderungen riicht, wie bisher ublich, als die Abfolge von Beschreibung (moglichst umfassend und wertneutral) und anschlieflender Bewertung angesel-ien werden kann. Vielmehr mu0 umgekehrt der Beschreibung, d. h. der Auswalil von MeflgroBen, ein Werturteil, das die Auswahl der MeBgroBen mitbestimmt, vorangestellt werden. Ansatzweise klingt dies bei H. hlarkl an (Markl 1994, S. 252): ,,Wann immer solche empirischnaturwissenschaftlichcn Erkenntnisse tatsachlich auf Mensch oder Natur angewandt werden sollen, ist dies immoglich, ohne sich zugleich oder eigentlich schon vorher dariiber klar zu werden, welche Schadigungswahrscheinlichkeitenmit welchen Schadigungsfolgen fur hinnehmbar, tragbar, zumutbar, verordnungsfahig oder rechtlich vertretbar zu halten sein sollen (...). (Hervorhebung MS)"
3. Man beachte d a m die Feststellung, die M. Weber 1918 fur die Sozialwissenschaften getroffen hat: ,,Sie [eine Diskussion praktischer Wertungen, MS] befruchtet vielmehr, wenn sie richtig gefiihrt, die empirische Arbeit aiif das Nachhaltigste, indem sie ihr die Fragestellungeri fiir ihre Arbeit liefert." (Weber 1985b, S. 511) Diese Feststellung kann heute in ahnlicher Form auf die Umweltnaturwissenschaften iibertragen werden.
Dicscr bci Mark1 niclit wcitcr aiisgeKihrt,t! Godankc wircl iiii folgciideii explixit verfolgt . Er vcx-laiigt ziiiii cinen. t1a.S nacli wic vor iiiiigliclist k1a.r zwisclicm Wcrtiirtcil mid natiirwissenscliaftlicherUiitersucliiiiig unterschieclen werdeii iiiuS, tlaaiit nicht wissenscliaftliche Kompetcnz iinrcfloktiert iii tlcn Diciist einer Wc1tarist:liaiiung gcstcllt mid ziir Zcnicmtieriiiig diesor Wc1tansc:liaiiimg vt*rwendc%wird (gmule diese Vemiiscliimg soll iHch hI. Wcber rhirch dic Uiit.crst:lic~id\mgliingV ( H ~ Wertnrtcil und Datcnerhcbiing vcrhindert worden). Andcwmcits bcdeutct der bei Mark1 aiigc!sproclinne Getlalike, d d clic Trennung bciclcr Schrittn aufgehol>cn wircl. Hoffe (11)93! S. 257) foriiiiiliert die. sich damit ergehciide Problcmstelhing in folgcndcr Wcisc:
,hhn mu# wielmehr (...) zuiei Element(?.die z m i d u t r?irt.md h e t e p p sind. eiricn Sachnerhalt uiid cine Norm b m . einen W d , in eirre Bezichnq zutueinanrlcr bTiri!gwi." Solrtiig(! sich ciiic. Norni aiif den Ziistand wolildcfiiiicrtcr Ohjcktc bezklit (technische Nornion), ist nichr odcr wcniger offensichtlich, welclic Indikatoren ziir Unisetziing dicscr Norm gctoignet sintl. z. B. sind dies fiir (lie Trinkwasseqiiditat (lit! Indikatoren Keinigc!hrtlt: pH- Wert; 3tiiieralgclialt. insbttsonderc Wassddirte: Sl~iiiiiici~ptiri~.lii~ ter fiir organische Veriiiirc:inigung(!t,n ctc. (Viilkel 1996, vgl. i i d i Soiitlicinier 1986, S. 52f.). Dieser Fall steht liier niclit irii Vort1t:rpund; or fdlt iiiiter die Aiwfuhriiiigen zum Schadensbctgriff, s. S.25. Sohald einc Nomi jwlocli ciii ii1lgcmc:in formiilicrtcs Prinzip zur Bcwcrtung nicnsclilichcr Haiitlliiiigcii clarstcllt (ct.liisc1ic Normen). ist vie1 woniger offcnsichtlic:li, welclic Indihtorcn zu ilircr Unisotzung gccignet siiid. Welclic Indikatoren erfordcrt z. B. das Priirzip der Nachhttlt.igkeit, wwii es aiif die Emissioti von Chemilwlicu angewmdet w d c n soll? Dio Beziehiiiig zwischcn ethischer Norm und iiilt.iirwissciiscliaftlicliomSaclivchalt ist wedcr in den Naturwisscnschaften iioch in dc?r Philosophic ciii traditioncllcr Uiitctrsucliiiiigsgegciistand.Dic deswcgon lciclit. aiiftrctc!ii(lcn hliSvcrsthidnisse besclircibt HGffc (der sc:inc: Uberlcgiingcii iwf die Wissensc.liaftsetliik als Vcriiiitt1ungs:sclx:ne zwisclien Nonii untl Swlivcrhdt, bcAicht) wie folgt ,,In dcr Regel gcht cs der Wisscasc!liaftsct.liik nicht anders als joder aiigcwantltcw Ethik: sic pflegt. zu enttiiiischen. Don *'Praktiker" crittiiusclit sic: weil cr zu wmig Sacliverstand am Werk sicht, aiificrdeni kcinc fertigcn Rmoptc crhiilt, den Philosophcm, m i l iiian auf sciii Intercssc! an Lc!tztbepiindiing iiic:lit eingdit. Beitlc! Sciteii vctrkennen (lie eigcntiimlichc Aiifgabc. (lid3 etww Drittcs gcsiicht wird, niclit ein KoiiiproniiS zwischcn Rrzcpt iitid Lctztlx!griicluiig, soiidorii cine Vt:rtiiitt.luiib~leistiiiig.In cinein urspriinglichen, dcr Prof~:ssiomalisicrungnoc:h vora.iigehendon Sinn lirtndelt cs sich sogar iini cinc! philosophischc Aiifgabe. 01)Philosophcii VOIII Fach sic aiisubcii oclcr ockr hImlrxiiic?l-,spiclt ddur kcille Juristcn, ob Tlicologcii, Nrtt~irwisscnscl~~ftlcr Rolle." (Hoffe 19'33, S. 256) Him wird mi11 ein Vcrsiich iiiitcriioiTitii(1ii. diest. Vcrmitt hiiigsleistmg zwisdicn den Iictcrogencn Elenietiton Nonii und S;tchverhdt. voii tirit.iuwisst!iiscliaftli(~licr Seitc a i ~ szii orhringcn. Der AIIS~L~X, mit tlcm bcrcits inricrhlb der iiaturwisscnschaftlicheri Projcktkonxcptioii tlic! Trciiiiiiiig voii Bcschrc!il)iing uncl Bewcrtmig
4.2 Gerechtigkeitsprinzipien und ihre Anwendung auf Cimweltprobleme
49
aiifgehoben werden kann, unifafit zwei Schritte: Zunachst wird moglichst explizit geklart, welche normativen Prinzipien auf die iintersiichten Umweltverandcrungcn angewendet werden sollen. AnschlieBend werden naturwissenschaftliche Iridikatoren gewahlt oder auch rieu entwickelt, die geeignet sind, diese Prinzipien urriziisetzeri. Zugespitzt formuliert bedeiitet diese Vorgehensweise: Eine urnweltnaturwissenschaftliche Untersuchung wird durchgefiihrt, durnit einer norrnutiuen Position Geltung verschufft werden kunn. Dies sol1 konkret bedeuteten, daB Sachverhalte, die bislang nicht unter die betrachtete Norm gestellt wurden, als Anwendungsfalle fur diese Norm erkannt iirid anerkannt ~ e r d e n . ~
4.2
Gerechtigkeitsprinzipien und ihre Anwendung auf Umweltprobleme
Umweltverandernde Handliingcn sind an Zielen urid Zwecken ausgerichtet; aus ihnen ziehen die jeweiligen Akteure einen intendierten Nutzen. Dem Nutzen, der von den Akteuren beanspriicht wird, stehen die nicht intendierten Nebenfolgen der Handlungen gegenuber: Auch und gerade die nicht intendierten Umweltveranderungen miissen letztendlich handelnden Subjekten ziigewiesen und von diestw verantwortet, d. h. einer Bewertung unterworfen urid ggf. entschadigt oder wiedergiitgemacht werden (Schafcr 1994, S. 55ff.). Es geht also bei dcr Bewertung anthropogener Umweltveranderungen iini die Verteilungsgerechtigkeit von intendiertem Nutzen und Nebenfolgen und urii den gerechten Ausgleich zwischen den von Nutzen und Nebenfolgen unterschiedlich betroffenen Personen oder Parteien. Fur die Verteilung von Nutzen und Neberifolgeri gelten auch in den stark segmentierten modernen Gesellschaften weitgeherid 1111strittige normative Prinzipien wie die Goldene Regel, das Verursacherprinzip imd das Vorsorgeprinzip, iirid im folgenden wird versucht, den Wirkungsbereich tfieser Prinzipien verstarkt auf anthropogene Umweltveranderurigen auszudehneri. Die Relevanz von Gerechtigkeitsprinzipien fiir die Bewertung anthropogener Umweltveranderungen ergibt sich daraus, daB durch urnweltverandernde Haridlurigeri immcr direkt urid indirekt auch Menschen, die am Nutzen, den der Akteiir ails seiner Handlung gewinrit, riicht teilhaben, betroffen sirid, z. B. durch unmittelbare
4. ,,Was mit einer sog. Ethik der Verantwortung mithin gefordert ist, ist keine neue Begriindung fur neuartige Handlungsniaximen, sondern eine (pragmatische) Regelung won Zustiindigkeiten und dre emphatische Betonung von moralisch-praktischen N o r m e n in Handlungskontezten, wo sie bislang keine Rolle spielten sei es, da5 wir sie dort fur entbehrlich oder nicht einschlagig hielten, sei es, weil wir sie dort nicht anzuwenden verstanden." (Schafer 1994, S. 88, Hervorhebung im Original) ~
Einschriinkiing ihrcr eigerieri Niit,ziiiigs- oder Erlc.l)riisiiit,c.rc,ssc.ri an Nat,iir 1)is liiri ziir Gefahrtliirig i1irc.r Le1)e~isgriiritlli~~t~~i." 4.2.1
Das Operationalisierungs-Problem
Die soeben I m i i i t ztc Sprechweiscx. . . t l ( ~ i\17irkurigsbcrcic.li tlcr Prinzipicw wiif Uriiweltverarideriingc.ri aiisziidchricii", 1)c:ziclit sich uiif dic, Dist aiiz zwischeii cthisclier Norm und riat,iirwissenschaftlic.h fostgostellterri Sachv(~r1iiilt.die iiberbriickt, wcwleii muB. Jede Norm rriiif.3 urngesetzt. O p ~ 7 ~ ( L t z o 7 l ~ ~ Z w , ~ zt e~r t~ l m d . ,11. es rriiisscri 1)cobachtbare oder rrieBbare Grofien I,r~,dik(~torendrfiriic.rt, wcrden, die die Art, iind clas Ausrriafi eiiic,r Uniweltveraritleriirig arizeigen iiricl cs cmiiiiglichcn. (lie Noriri aiif die Umwclt vc,riiiidtming anziiwmtl(w. Hier sol1 iiisbtwndere die Wulrlfrr
Bei Urriiiic.ltiicrii~~der2lngenbr:$r.ritc.t d i e Olperr~tiorcc~ r r i q einrr NOIWI, (laher die A ~ L ~ I L Sder S I Besclrrc.ibii7r!l L~L~ i i o n Suc~lii~r.rl~~cl.ltr.rr w ~d,i e Erfordc.rni.s.sc. dieser N07.711.(i Korikret 1)cdciitot tlics. dd.3 die Iritlikatowri. die ziir Boschrribiing ciritr Uiriwvltverandcriirig vc:rwt:ritlet werderi, irri Hiriblick auf dic l)citrac.litctc,Norm, also r~irien wissenscliaftw~xtoriieriIllafistab, iLiisgt'wShlt otler i ~ i i ( ~ 1ri(w i foririuliert werdcii. Hier ist, cs wichtig, ein Il1ifivt:rstiiridriis zii verriieitlori. Die Wahlfreihcit, iri dcr Beschreibiirig iLrithropogcner Uriiwcltvcranderurigeii lwd(>iitctriicht, diiB tlic. Tatsache in Zwcifcl stvht. dafi iiberhnupt arithropogciic. Uiriu~c.ltvcrarideruiigcii iii crlieblicherri AiisriiaB stattfirideii iuid ( I d 5 z. T. 1obt.iis~~ic.litigc. Giiter (lurch d i r w UrriweltverRiitIcriiiigeii beeintrRchtigt wttrden. Diesf Tatsidic wird diircli Bcfiiiidc wie Arterivorliist. Boderiverliist. vvrstiirkte rJv-Eiiistrahliiiig diirch 0 z o i i : h h i i iii der Stratosphiirc~,Aristieg der troI)osph;trisclien C02-Korizc.ritratiori etc. (4iidwtig dokumentiort, ( World Resources 1992). Erst die zwcitc. Fragc, welcl-ic Giit,cxr irri ciiizelnen bwiiit rRcht,igt,werdcri i i i i d wiv dicse Beeintriicht igiiiigcri zii b c w ~ ~ t osiiid. ii
5 . ..Wer ziir I,~rriwt~ltz~~rstiirilrlg beitriigt. grvift in die Reclitc, ;iiitl(mxr c i i r i . " (Hoffe 1993. S.173) Bisher wirtl i i i c1c.r Yrnweltdebatte vic~lfachiiiiterschiitzt. wiex st ark die Relange IJiil)ctc~iligter, die voii gtwxc~ll(wlritcrcsseri ari intaktrr Liriwelt his zii spcszifisclicw Nutzungsanspriirli(~iir e chen, durcli U r r i w c ~ l t v e r ~ n d e r i i i itatsiirlilic:li ~~~ri gcstort werd(w (ScliiifcTr 1994. S.l(i8f.; Bicrhals 1984, S. 121: LIiiffo 1993, S. 176ff.). 6. Dies witltmpricht tivr iiritcr Nntiirwissc.iiscliaftlern giirigigcvi Sirlit wcisc. daO auf ciiicw ( r i i t h r oder wcriigcr) c~iritlcritig geget)cwcw S;ic~livc~ti;tltverschit~clt~ilc~ Norrnen aiigewendct wcwlen konneri. i i i i d claU zwar die U'ahl t l w Norriirn variabc.1 riilcl Ivtztc~ncllichheliebig ist. dic- Beschrcibwrg c l c x s Sacliverhalts j e t l o c l i fkst licigt ( z . B. die voii \ V c k s irrid v. Erribdcri ( 1995) vrrtretene Positioii). Hinter diescr Siclitwvisc steht jedoch viii r i i c l i t iiiigcriiesseiier Natiiralisnius. wie Gctliriiiiriri 11. Rlitt,elstraR ( l W 2 , S. I X ) zcigcii.
4.2 Gerechtigkeitsprinzipien und ihre Anwendung auj Umweltprobleme
51
fuhrt auf die Frage nach einer geeigriet zu wahlenden Beschreibung dieser Umweltveranderungen. Die Operationalisierung bildet die oben erwahnte Vermittliingsleistung zwischen Norm und Sachverhalt und bestimmt die Resultate einer Untersuchung anthropogener Umweltveranderungen wesentlich. Die Bedeutung des OperationalisieriingsSchrittes kann gar nicht hoch genug eingeschatzt werden, da bei Wahl ungeeigneter Indikatoren die normativen Prinzipien, die zur Anwendung kommen sollen, nicht greifen, und andererseits die mit erheblichem zeitlichern und finanziellem Aiifwand erhobenen naturwissenschaftlichen Befunde nicht bewertet werden konnen. Wie Hoffe schreibt iind wie aiich bei Ladeur a n k l i ~ i g t ist , ~ das Operationalisierungsprobleni eiri in dieser Form neues und bisher weitgehend ungelostes Problem: eine Kombination aus Werturteil iind naturwissenschaftlichem Untersuchungsgegenstand, die zu einer umweltnaturwissenschaftlichen Problemstellung fiihrt. Daher ist es hilfreich, Kriterien zum Vergleich und zur Beurteilung verschiedener Operationalisierungs-Ansatze heranzuziehen. Als solche Kriterien dienen hier die folgenden Fragen: 1. Wie anerkannt, wie gut begrundet,8 wie transparent und intuitiv nachvollziehbar sind die zugriindegelegten Normen? 2. Auf welche Dimensionen beziehen sich die verwendeten Indikatoren, und riach welchen Skalen sind ihre Werte eingeteilt? Uber Dimension und Skala kann gepruft werden, welcher Zusammenhang zwischen Norm und Iridikator besteht: Deckt die Dimension den Aussagebereich der Norm ab? Lafit die Skala den Schweregrad einer Umweltbelastung erkennen (Referenzpunkt?), und wie gut ermoglicht sie den Vergleich verschiedener Umweltbelastungen? Neben Dimensionalitat und Skalierung sind die weiteren Bezugsgrojlen, eines Indikators wesentlich: Welcher Zeitranm und welches raumliclie Gebiet, welche Population werden abgedeckt, und mit welcher Auflosung?
3. Sind die Indikatoren empirisdi plausibel, d. h. welche Phanoniene erfasscn sie mit welcher Genauigkeit iind Vollstandigkeit? Wie praktikabel sind die Indikatoren, d. h. welcher mefltechnische Aufwand wird benotigt; welchen Unsicherheiten sind die Resultate unterworfen?
7. .,Hier ist zu beriicksichtigen, da5 Entscheidungen mit und unter UngewiOheitsbedingungen nur moglich sind, wenn eine praktikable Form der Operationalisierung von Bewertungskriterien fur Umwelteinwirkungen gefunden werden kann." (Ladeur 1994, S. 19) Denizufolge sind Bewertungskriterien fur Umwelteinwirkungen gema5 Ladeur bisher n,icht in praktikahler Form operat ionalisiert . 8. Zum Begrundungsproblem bei ethischeri Normen vgl. 2. B. Tugendhat (1993, Erstc Vorlesung). Mit ,,Begrundung" ist hier immer eine praxisbezogene Begrundung gemeint, s. Anmerkung 24 auf S. 39. Auch ohne da5 absolute normative Instanzen zur Verfugung stehen, konnen die in einer Gesellschaft tatsachlich wirksamen ethischen Normen, die es i m m e r gibt, zu einem gewissen Ausma5 begriindet werden. Dabei ist es, so Tugendhat (1993, S. 26ff.) hilfreich, verschiedene Normensysteme hinsichtlich ihrer Begriindbarkeit zu vergleichen (relative Begrundung), anstatt nach einer absoluten Begrundung fur ein spezielles Normensystem zu suchen.
(Ziir verglciclieritlcii Bct,rachtiing voii Risikointlikiitoron vgl. aiicli Fvrners i i r i d .Jiirigerniann (1992a. 199211). wo ,jedoch tler cxplizitc Brwig aiif iioriiiativ(' Pririzipieri iiicht beharidelt wird.) Zurn Vergleich iriit dern Reichweitcn-Konzept , das nidifolgcmd iii Abschiiitt 4.2.5 dargestellt wird, werdeii zuriitchst tlie Arisatzc von L. Schiifer (1994) sowict von G. Pfister iiiid 0.R.enri (1995) untl der Syndroni-Aiisatz dw \iC'isse~isc.li;tftlic.llcn Beirates fiir Globale Urnweltverantlerurige~i(WtlGIJ 1996) lwtraclit,et. (Diese Abschriit te dierien ziir ausfiihrlicheren Darstcllung ties OI~eratioiialisitlriings-Prol~l(:ins iind kiinnen iibersprungen werden, ohne daO datliirdi die Argumeiitatiori iiiiterlmcheri wird.) 4.2.2
Korperliche Integritat als Indikator
L. Schiifer lcgt in sciner Studic ,,Das Bacon Projckt. Von dvr Erkmntnis. Niitziing iind Schoriiirig dcr Natiir" Elcrnentc der praktischen Pliilosophie K m t s fiir dit: Bewertiing antliropogener Umwcltver~rideriirigeriziigrundc (Schiifer 1994. S. 192). Dabei lwtont er neben dcn Pflichten gcgeri ariderc: vor allem iuich die Pflichtcn. die tier hlensch gegeri sich sclbst hat,(1. ti. Pfichten zur Erhaltiirig seiiivr leibliclieii Gesundheit,:.,Gruntllegend ist der Geclarike der SelI)stverpfliditiiiig,itiis ihrii lciteri sich auch die Pflichtcn her. tlie wir gegcri unscre hIitrnenseheii liabeii." (Schifer 1994. S. 194) ,,Ails diescm Particn 1iitlte ich zunRc1ist eiiinial fwt,: daB wir vcrpflichtet sirid, fiir iinsere Gesundheit Sorge zii trageii." (Schafcir 1994. S. 196) Schiifers Vorschlag ziir 0peratioIialisier.iiIig fiilirt. dwori aiisgelicnd aiif Indikatoreii. die die Beeintrachtigung der rriensch1ichc:ri Gesinitlhcit (im weiteskn Sirine) erfasseri (Schafer 1994. Kap. 6.6 his 6.8): ,,Aiifgriintl tles nittabolischeii Eingchssenseins iiiiseres Korpcrs in die Zirkiilatiorisprozesse dcr Nat iir kiirinen wir unscwn Korpor als Scnsoriiim fiir die Vertriiglichkcit der SuBertm Bcdingurigcn. iiiiter doiien wir Icben. hetrackiten." (Schitfctr 1994. S. 225) ,,Unscrt! leibliche IiitegritAt, fiiiigiert gleiclisam als eiii poteritieller Falsifikator fiir tlic Ziil igkrit tecliiiisclic~r Vorfahren." (Schiifer 1994, S. 243) Ziir Indikittorfiiiiktioii des kiirperlichen Ernpfiridens foriiiiilicrt Srhafer iiislwsoiidere clrei Thesen (Schiifcr 1994, S . 237 -242): D ~ korpvrliclic~ s Wolilcrgelicw als Stmsor cirier iritakteri Uiriwclt hctliirfc cmteiis der diagnostisclicu uric1 progiiostischrn Untcrstutziing cliirch tlie hlodizin; awciteris iniissc es diircli statistischv Gcsaiiit,liciten i i i i d Aiiswertiiiigsvcrfa~ir[~ii ergiinzt wcrderi. iind drit,teiis koiiiiv es a i i f Organismen anderc.r Spwies iiiisgcd(:hnt wc~deri. Den Vorschlag von Schiifer iiach d c r i aiif S. 51 ;ingcfiilirteri drei Kritericw aiisfiihrlich zii diskiitiercii. ist liier niclit b(yibsic1itigt: tlici Eriirtcriiiig rniiB sich aiif folgcride Benicrkungen hcschriiiiken: Kriterzen (2) u7i.d (:I); Die Iiidikatoren werdeii h i Sdiafcr iiicht sowcit konkrctisiert, clafi ihre Dirriensioiien i i i i d Skitlm erkcnnbar sind; insoftwi ist nicht offensichtlich. welchcwi Bcfiind wt.lclics Gewiclit gc.gebcii u w d w sol1 (verscliiedcw gesiiiidheitliche BceiritrAclitigiiiigeri h i vcrschicdmen B(.vijlkt.riirigsgriippf~ii).Dcrikbar ist. daR geeigrivt defiiiiertc, Iritliki~toreriirn R.iihmctii cles Gcsurid1ieitssyst.eiiis erlioben wertlcri koiiiien i i n d tlaB sich clamit diircliaiis Aiissagcm ii1x.r die Uiivert,riigliclikeit
4.2 Gerechtigkeitsprinzzpzen und ihre Anwendung auf Umweltprobleme
53
vieler Umweltveranderungen gewinnen lassen; man vergleiche dazu epidemiologische Untersuchungen wie z.B. bei Swain (1991), Neus et al. (1995), Jacobson u. Jacobson (1996). Kritenum (1): Die Hauptfrage zu Schafers Ansatz ist m. E. jedoch, ob ein Recht zur Selbstschadigung nicht zu gewisseni Ausmafl (starker als bei Kant) zugestanden werden mufl. wahrend das Recht zur Schadigung anderer wesentlich groJ3eren Einschrarikiirigen unterliegt als ein solches Recht zur Selbstschadigung. Diese Frage richtet sich darauf, ob die Betonung der PAichtcn, die man gcgen sich selbst hat, von den1 Problern ablenken konnte, daa bei Umweltveranderungen neben der Selbstschadigiirig so gut wie immer auch die Schadigung anderer anzuerkennen und zu bewerten ist, und ob durch Sch6fers Ansatz die Schadigiing anderer geniigerid klar erfaflt wird. Ein weiterer Punkt, der hier festgehalten werden soll, ist, daD auch bei Schafer die Umsetzung normativer Prinzipien nicht auf die in der Umweltdebatte bislang gangigen Indikatoren (Human- und Okotoxizitat, Biodiversitat, Ozonabbau- urid Treibhauspotential, etc.) fuhrt. Dies ist ein Beispiel dafur, dafi andere als die bisher gangigeri naturwisserischaftlich motivierten Indikatoren relevant werden, wenn man explizit von einer normativen Pramisse ausgeht (Hauptthese aus Kapitel I). 4.2.3
Indikatoren zur Messung einer nachhaltigen Entwicklung
111 ihrer Studic ,,Ein Indikatorensystem zur Messung einer nachhaltigen Entwicklung in Baden-Wurttemberg" (Pfister u. Renn 1995) verfolgen Pfister und Renn explizit eine Operationalisierung des Leitbilds der nachhaltigen Entwicklung. Das Leitbild der Nachhaltigkeit bildet eine ,,normative Vorgabe uber die Verteilung von bedurfnisbefriedigenden Ressourcen zwischen den Generationen" (Pfister 11. Renn 1995, S. 4). Allerdings beschranken sich die Autoren auf das okonomasche Verstandriis von Nachhaltigkeit: Das Wohlfahrtsniveau der Gesellschaft soll im Zeitablauf konstant bleiben (Pfister u. Renn 1995, S. 3). Die okonornische Ausformulierung dieser normativen Vorgabe fuhrt auf drei Nutzungsregeln, die ( I ) die Substitution verbrauchten naturlichen Kapitals durch kunstliches Kapital, (2) ein Gleichgcwicht zwischen der Irianspriichriahme erneuerbarer Ressoiircen urid ihrer Regenerationsfahigkeit und (3) einen Ausgleich des Verbraiichs erschopflarer Ressourcen durch erneuerbares naturliches Kapital fordern (Pfister u. Renri 1995, S.8ff.). Aus den Nutzungsregeln werden dann acht ,.Bedingiingen einer riachhaltigen Entwicklung" abgeleitet, die genauer festlegen, in welcher Weise verschiedene naturliche Ressourcen (substituierbare, erneuerbare, erschopfbare etc.) genutzt werden durfen, wenn die Nutzungsregeln eingehalten werderi sollen (Pfister u. Renn 1995, S. 12ff.). Die Bedingiingen einer nachhaltigen Entwicklung sollen schliealich mittels quantitativer Indikatoren empirisch uberpriifbar gemacht werden: ,,Wesentliehe Funktion der Indikatoren ist es, den Erfolg politischer Mafinahmen und wirtschaftlicher Veranderungen nacli Maflgabe der normativen Nutzungsregeln nachvollziehen zu konnen. Dazu niuO die Menge der MeOgrofien, die fur eine vollstandige Abbildung der Nachhaltigkeitssituation benotigt wiirden, so weit reduziert werden, dafl die
hltwung viiicueits Guliigk(~itlj('iirisI,rlicli(.1i. and(w:rseits iil)er dvr Politik iind tlcr Offmtlichkrit wirksilrri vvrniittelt, wcrdcii kariri." (Pfistcr 11. Renii 1995. S. Gf.) Dabei wird urit,orschietlcri zwisdicri cirivr ,,Naclilii~ltigkt~itsheol~~~clitiirig". die dio d(~,ii~rhaft(:n Auswirkungori iirnwrlt h iitlcr Aktivitiitcw vrfasscw soll. i i i i d eiiivr ,,Uiiiwelt,bc~obachtiiiig'.~ dic sich aiif irkungcw beziclit , dit: (lit1 heuti,qc Gciic.ration h(:liist,(:n (Pfister 11. Renn 1995. S. 21f.). Als Ausg;tngspiirikt fiir die Koiistriiktion c4nc:s Systciris ziir Naclili~tltigkcitsbroljitc~ht~lrig wird das Systeni ziir Uiiiwcltjheobachtung tlcr OECI) verwcndct , tlas die KiLt,(?gorit'iiKliniitstabilitiit,. Ozorischicht. Eiitrophimirig. Vvrsaueriiiig. Uiiiweltt,oxizitiit. Arterivic.lfiilt etc. urnfaRt (SRU 1994. S . 94). Diescs System wird 11111 die Kat.egoricw ..kiiiistlichcr Kapit.alstjock", ,.irriportiertt: erscliiipfbare Ressoiircxm" i i i i t l ..importieit(! (lrIie11<:rl)itreRtssoiircen" cmvcitert . so dai3 viric List,(! von ..Nwchliilltigkeitsgiitc:rrli" rcsultiort (Pfist,er 11. R c m 1995, S. 24). Dieseii Nacliliiiltigkcitsgiitcrli wcrdeii sclilic~Blic-li korrtqxmtlicroiidc okoriorriiscli(: iintl iiatiirwisst!Iisc:haft,lielir Ilitlikittorcii zugcordnet. Pfister iirid Rciiii 1ic:fvrri eirie aiisfiihrlirlic, h n i c l i t i i h die. Schwivrigkeitcii. dic sich bei d ~ r wcitcren Aiisarbeitiiiig diosvr Iiitlikittorcri t q y : k m i , tirid i i h inogliche Aiisiitze, iiiit, clicwri Scliwit:rigkt,iteri uiiiz Pfistor 11. Rcwri 1995. S. 25ff.). Der Vorschlwg. Bc~vintriichtigiingcw von Uri c n i c i i iiidirrkt in Form vori Eiiiwirkiiiigrw o(1t.r Iiiiriiissioncm zii (,rfitsseri (Pfist Reriii 1995. S. 28). dvckt sicli riiit d(w Uber1~giiiigeri vori Sc1ir:ririger r:t nl. (1994). Ziir Diskiissioii dcs Aiiswtzcs veil Pfistc3r I u l d Rc'i1ii: K7it('7.2~712[ l ) : Das Nacllliitlt igktit,sleitl)ild ist, cirie politisch h c i t ahgvst iitztc 1iorIlii~tivt~ Vorgiil)c, dic. ilirerscit,s illif dcni Pririzip dcr intc.rgc,rierat,ioriellrri Gereclitigkeit h r u h t ( ~ R u1994, S . 35). Alltwiings iintersiichi Pfister i i i i t l Reiiii die iiorriiativc. Fiindicmng dicw,s Lcitbiltles nicht cxplizit,; eirw cthisclic. Argiirric:iitatiori wird riicht gcfiihrt. Diirch dic: Btwhrarikiiiig aiif tlas Nirc:lilialtigk~~itslcitl~ild 1wst.t:ht (lit. Gefalir. daa die. erlic4)liclitm ,y~~i:!lr:71wU7.tl:gr,?~, UIii\?;eltbelilstiiiigcli unti it vw-biiiitlcrien Vdctziiligeri intrclgc:rieri~tioii~,ller Gorechtigkt:it vcwiachl :rclt~i.Es gibt 111. E. keiricri Griind. die. iritergc,ricratiorir.lle Gcrcchtigkvit st l)t,riicksic,lit,igc,iiitls clic iritrilgrlicrationellt.~Gerechtigkeit . Kriteriwrri (3): Vivle tler aiifgt.fiihrtcri Iiidikatorcw siiitl ziiriiichst crripirisc-h plitlisilwl. Aritlcwrseits wirfi ihre Haiidlial~iingvielr iiic.tliodisclict iiii(1 praktische ProMcriic auf. wie sic, iii Kapittil 2 dr:r vorliegcwlcn Arl)ciit ticw4iriebeii wiirtltw: iiiaiwli(: Iridikatorcii stelieri rioch iilwrhaiipt, riicht ids praktikablc n ' l t 4 g r d h i zur Vvrfiigiirig. vlfalt voii Laritlschfttw iiiid okosystcuicw (Pfistvr 11. R m i i 19!15. S. 32f.). r/, (2): Hier wcrdcn tlir Schwic.rigkeitcw. die, diis Opc'r,ztiorialisieriiii~sProblcrri aiicli boiin Arisatrz vori Pfistcr i i r i t l Rttiiii itufwirft. an1 tlc:ut,lichst,cn. All(. vorgcsclili\g(.ncri iikorioniischcii i i i i t l riatiirwisseiisc.liaftlielic.11 Iiitiiki1toreli crfordcrri 7rormcLtiae Z~scLtzcr,rr,r,nh7rreIr.wie (lit: Aiitoreri solhst korist at iercw: ??Beidicser Vorgc~limsweisc,stellt sich ziirii cineri diLs Prol)lmi. ditB die Aiiswalil i i i i t l hlessiirig ditiscr GroBcri \Yisst:iisc.liaftlic.h (d. 11. iiitersiil)jt.ktiv giiltig) iiiclit bcgriindbar siiid i i i i d bt.sttmfalls auf d m i Verliaridliirigswc~gekoiiscrisiid (.. .) fvst,gelegt, werdcri konricii. W&crc 1iorrria.t.ivc.Elernctntc flic4kw in (lit? Aggrt'gitt ion dvr hlrl3griij3en (diirch die Koiistruktioii voii 1ritlizc.s) tin. Dic Gefahr viner iit)rii1iitiv(>iiBwiiifitissiiiig desscii.
4.2 Gerechtigkeitsprinzipien und ihre Anwendung auf Umweltprobleme
55
was als wohlfahrtserhohend bzw. -erhaltend gelten soll, erscheint deshalb aufierordentlich hoch." (Pfister u. Renn 1995, S. 26) ,,Die verschiedenen Kategorien des zu betrachtenden naturlichen Kapitals werden durch die sektorale Abgrenzung der Nachhaltigkeitsgiiter vorgegeben und stellm insofern eine normativ gesetzte Auswahl dar. Auf eine Aggregation dieser Teilaspekte zu einem Index sollte dennoch verzichtet werden, um den Grad der normativeil Annahmen nicht weiter zii erhohen." (Pfister u. Renn 1995, S. 27) Die riorniativen Hintergrunde dieser Auswahl von Kategorien zur Urnweltbeobachtung werden nicht iintersiicht, sondern bleiben unaufgelost. Hier besteht eine erhebliche Liicke im Ansatz von Pfister und Renn, denn die von ihnen zugrundegelegten OECD-Kategorien haben keinen ausreichenden Bezug zum Na~hhaltigkeitsleitbild.~ Daher liefert der Ansatz von Pfister und Renn auch mit der Erganzung um die genannten zusatzlichen Kategorien keirie wirkliche Operationalisierung des Nachhaltigkeitsleitbildes: Der Zusammenhang zwischen dem Leitbild und den Indikatoren ist nicht stringent, d. h. weder folgen die Indikatoren o h m erhebliche Zusatzannahmen aus den1 Leitbild, noch geben die Indikatoren den normativen Gehalt des Leitbildes wieder. Insbesondere wird der fur das Nachhaltigkeitsleitbild wesentliche Zeztaspekt, d. h. die Dauerhaftigkeit von Umweltveranderungen. nicht explizit in die Indikatorenbildung einbezogen, z. B. in Form einer GroBe wie der Persistenz, die die Dauerhaftigkeit von Umweltbelastungen direkt beschreibt. Der Nachhaltigkeitsaspekt wird im Ansatz von Pfister und Renn also nicht uber den Zeitbezug, sondern ausschliefilich uber okonomisch inspirierte Bilanzen zwischen Ressourcenverbrauch und -erneuerung bzw. -ersatz beriicksichtigt. Fur diese Bilanzen wird angenommen, dafi es einen gewissen ,,nachhaItigen" Wert gibt; daB dieser Wert tatsachlich zuganglich und gar mefiteclinisch faabar ist, wird nicht plausibel gemacht. 4.2.4
Syndrome des Globalen Wandels
,,Syndrome des Globalen Wandels" ist die Bezeichnung fur einen umweltwissenschaftlichen Ansatz, der vom wissenschaftlichen Beirat fur globale Umweltveranderungen der deutschen Bundesregierung entwickelt wurde ( WBGU 1996) urid am Potsdamer Institut fur Klimafolgenforschnng ausgearbeitet wird (Schellnhuber et al. 1997). Das Ziel des Syndrom-Ansatzes ist es, solche Problemtypen zu identifizieren wid zu analysieren, die im Rahmen des globalen Wandels weltweit an verschiedenen Stellen auftreten konnen und die die Lebensqualitat der betroffenen Bevolkerung eindeutig beeintrachtigen, z. B. das ,,Sahel-Syndrom". Damit soll es moglich werden, die Entwicklungen zu verhindern, die zur Ausbildung solcher
9. ,,lm ersteri Entwurf der OECD von Indikatorbereichen sind keine klaren Kriterien oder kcine Systernatik zu erkennen, welche die Auswahl nachvollziehbar rnachen wurde." ,,Auch dern uberarbeiteten OECD-Indikatorensatz liegt noch kein okologisches Model1 zugrunde, sondern lediglich Vereinbarungcn internationaler Experten, welche Urnweltbereiche als wichtig erachtet wcrden." ,,Auch der neue osc'o-Indikatorerisatz genugt nicht den Anforderungen bezuglich Transparenz, Raurn- urid Zielbezug sowie Selektionskriterien." (SKU 1994, S. 95, S. 99, S. 100)
Prohlcmc fiihrcn: ..( ...) a SUC ssfiil "Earth System Ma.nag(!meiit." as cl(:fincd by Agenda 21 presupposc!s iii thct first placc! H solid -Earth Systeni Analysis" (...)" (Schollnhubcr et al. 1997, S . 20). Dic untcrsuchtciii Prol)k:nikoinpl(!xe wcrden in bewiiijt.er Aiilehiiiiig an deli 1110cliziriischen Sprwhgebrmch als Syndrome l>ezeiclinet:,,The torm syndrome is usod here iii a clouble scnsc: on tho one hand ncutrti1l-y: iii tlic sciisc of the literal. ancient Creek ineaiiing as a "flowing togethor of iiiany factors", on the other liand norniative. in thc! sensc of nioclical terniiiiology its "a. coniplctx clinical picture!" ". (Schcllnhubcr et al. 1997, S. 20) Jcdcs Syndroni umfaijt wicclcruni cine Reihe von Symptomen untl die Art ihres Zusanimenwirkeiis: dic! Syliiptonie werclcn als die Grunclelernenteziir Bcschreibuiig dcs g1ol)alcnWaiidels aiigc!sc!lien: ,,The symptoins provide a dynamic and trmsdiscipliiiary lmiguagci to clnscribc Global Change pho nomciia" (Schcllnliuber et al. 1997, S. 21). Beispicile fiir Synipt.onicsind: Vc!rst<erung, zunehmnenclc Bcdcwtiing von Nicht-Ttegieriiiigs-Or(gaiiis;ztioiion,zmichmcmde hlobilitat, zunehniondcr Verl)rt\uch von Eiic!rgie titid Rcu;sourc:w. Aiicli tlic Bezeicliriling ,,Syniptomc"ist iii Anloliiiung aii den medizinisclicii Spnichgc1)raucligebilclat: ..( ...) the t c m i "symptoiri' . although analogous t.o mcclicinc. docs not rc!fc!r explicitly to a value judgenioiit: syniptoiiis arc: not iiccessarily "good" or " b t i c i , tliciy can bc eithcr or 1)oth." (Schclhihubor et d. 1997. S. 21) Dio Syndrome wcrdoii eingcteilt iii die Cruppen ,,Nutziiiig~Syndroinc",,,Elitwicklungs-Syndronic" imd ,,Sciikeii-Syridroiiie".Beispiolc fiir Syndrome a118diesen drei Gruppciii sind das Stthc:l-Syndrom (Uberiiutziiiig voii Bijdoii), dats AralseeSyndrom (Landschaftszcrstiirnng (lurch groflriiumigo Umgostaltiingen) iind das Hohcr-Schornstcin-Syiitlroiki (weitrhimigc Vertc!ilung von Cliemihdien). Die Be zcichnungen bezic!lien sich nit:lt auf oinsehu! Situatioricm wic clie Sdial-Zone und den Aralscx?,soiiclern sirid als Namiu fur typisch: h.iustt:r aiis sozitden. wirtscli;iftlich!ii~ tcchiiischcn Proic!ssen iiiitl deli daniit verl~undemiiUiiiwclteiiigiffcii zu vorstelicn: ..They [syndromes] arc defined as arr:hetypic:d puttemu of ciiM:lizatiorL-nntllre interaction.~,which can be understood from tlic mcthodological point of viow aLso as .sub-dynamics of Global Change." (Schcllnhnbcr ct al. 1097. S . 23: Hcrvorhcbuiigcn ini Original) wid Dict Syndrome werdoii hinsichtlicli der ~ngrimtlcliegiiidenHandl~ings~~iuster Kausalzusainnicnlilinffc! analysicrt und fiir jedes Synclroin wrden zcntralc Fragwkomplcxe horausgoarbcitot, die mehrcre Boreichc wic z. B. Biosphiiro, Atmosphiirc, (jkonomie iirid Wisseiiscli~t/T(!chnologiciimfaswn. Die dis.~iplincnubcrgrcifeii~l~. (1. h. transdisiiplinke Bclzlrboitung clieser Fragciikoniplexe sol1 sicli nach Iritegrationskritcrieii riclitcn. voii denoii einm die kohiirciite systcmtlieorctischc Modellbildiing wid Siniulation dc!r Synclroniprozesso ist. Dtts Zicl ist clabei, die Disposition ciner Gcgciid fur ciii bcstimnitos Syritlroiii zii erfassen. wid clic Expositionsfnktoren zu eruieren, die deli ,,hIwhttnisinus clm Symlroms aktivicren" koniicii (Schellnhiuber et al. 1997, S. 25). Indikatorcn habcn im Syndroiii-Ansatz soiiiit v. ti. die Aufgabe, Disposition iind Expositionsfaktorcii aniuzcigen. Im Hinblick aiif clie normative Beiuteilung voii Umwolteingriffen ist der SyndromAnsatz beachtenswort, wcil or von ,.widciitcnii Prohlciiicm ausgelit . Dies liciflt clafl ~
.
4.2 Gerechtzgkeztspnnzzpzen u n d zhre A n w e n d u n g auf Umweltproblmie
57
nicht auf explizite normative Kriterien Bezug genonimen wird, niit deren Hilfe die Relevanz, die Dringlichkeit und der Schweregrad von Umweltveranderungen beurteilt werden. Schellnhuber et al. (1997) beginnen ihre Aiisfiihrungen vielniehr niit einer Liste von Aspekten des globalen Wandels wie Wasserverschmiitzurig, Bodenverlust , Bevolkerungswachstum und zunehmenden Diskrepanzeri hinsichtlich Ausbildung, Wohlstand und Lebensqualitat. Sie fahren dann fort (S. 19): ,,All this is very real, even though the intensity and criticality of each single phenomenon listed above might be debated. In its totality, however, Global Change is clearly about to transform the operational mode of the planetary ecosystem, thereby generating cascades of significant (and possible irreversible) impacts on a majority of individuals in present and future generations." (Hervorliebung im Original). Weiterhin (S. 20): ,,The group of syndromes is thus limited to evident misdevelopments in the recent history of civilization-nature relations, which in their totality and linkage make up the complex of problems outlined above" (S. 20). ,,Rather than defining sustainable development in a positive manner by listing various desiderata, it may be more practical and useful to qualify, in a negative way, non-sustainable development" (S. 33). Der Syndrom-Ansatz kann somit nicht direkt liinsichtlich der verwendeten Normen und Indikatoren beurteilt werden. Als Alternative zur moglichst expliziten Bewertung, wit: sie bei Schafer (1994) und auch hier mit dem Bezug auf Gerechtigkeitspririzipien angestrebt wird, ist er hilfreich, weil er das Problem gewissermaoen von der Gegenseite angeht. Festzuhalten ist dabei jedoch, daf.3 auch der Bezug aiif ,,evidente" Probleme mehr oder weniger implizite Bewertungen urnfafit: Schellnhuber et al. fiihren NichtNachhaltigkeit und signifikante irreversible Einfliisse auf eine Vielzahl von Personen aus den gegenwartigen und zukiinftigen Generationen als negative Aspekte des globalen Wandels an. Damit werden konkrete menschliche Bediirfriisse und die intergenerationelle Gerechtigkeit als Bewertungskriterien herangezogen. Vor allem die konkreten menschlichen Bediirfnisse sind es, die dann bestinimte Probleme evident erscheinen lassen: Evidenz spiegelt eine iibereinstimmende Wahrriehmung vieler Personen und einen sozialen Konsens iiber die Bedeutung eines Problems wider. Auch Evidenzen sind nicht objektiv gegeben, sondern bilden einen spezifischen ,,Filter", durch den Probleme wahrgenommen und selektiert werden. Die dahinterstehenden Bewertungen bleiben im Einzelfall ausgeblendet; vgl. auch die Ausfuhrungen zum Schadensbegriff aiif S. 24. Zudern fiihrt auch die medizinische Sprechweise von Syndromeri und Symptomen eine iniplizite Bewertung ein; Schellnhuber et al. erwahnen selbst die normative Bedeutung des Syndrom-Begriffs. Es ist jedoch strittig, inwieweit die Vorgehensweise der Medizin bei Diagnose und Therapie auf die Umweltforschung ubertragen werden kann; man vergleiche dazu Bayertz (1988). Da sich der Syndrom-Ansatz nicht explizit auf Normen stiitzt, sind die Indikatoren nicht darauf aiisgelegt , zwischen Norm und Sachverhalt zu vermitteln. Vielmehr beziehen sie sicli auf Schliisselstellen in den Mechanismen, nach denen die Syndrome ablaufen. In dieses Vorgehen flieflen viele Annahnien iiber die Natur der
Syriclrorrici i i n d ihrcii Ablaiif sowit. iiher (lit. Au ,ttwit l-ieorctisclicw hlodcllieriing ein. tlie hier riicht crijrtert, worden kijriiieri. Dcr Syridrorn-Ansatz ist einerscits aiif konkrcttc Typeii von Uriiwcltprot~leriir~ii oricritiert. iind da cr sich aiif tlie ..Evidenz" dieser Problciiic stiitzt, koniriit cr ohiiti eirieri norrriativcri 3,Ubcrl)aii'bails. Aridererseits t)lciben (lit. in der Urtiweltforschiirig uricrlafilicheri Bewertungrm dadiirch wc4tgc:kierid irriplizit . Dies birgt ni. E . zwoi Schwicrigkeitcii in sich: (1) Bci iinhiritr.rfragttiii Evidrwmi bcsteht die. Gefalir. daB sie riiir ein iirivollstaridiges odcr aiich iirizutrdfcndes Bild voti den Problerrirtii liefkrri. ( 2 ) Der g l o t d e Waridel IiSt, sich zwar als cine Aiifgabc fiir die Optirriierung und (Ins hlaiiagerneiit vori Systemcii arisehcii Schr~lliihut~t~r et a1. sprechcri aiif S.33, wcriri aiich rriit Vorbehwlt, vori ~,Eartlt,Systern Manugcment". Aiif jcderi Fall iiriifitilt das ..Systciri". d a s optiniivrt iiritl gcsteiicrt werdcri soll. alxr aiicli Iritrressenkorifliktt, zwischcw verschic~deric~iiAktttiircn. Es liiilt sich fragcw. ob c i i i M;Lriagenicrit-Ansatz, der ohrie explizite Bc.wertiirigcm arkit,et,.gecigriet ist,. iini solche Interessenkonfliktc zii liken. Wvriri tlic. Posit ioiicn vc~rsc~liiedc~iicr Aktcvire. ilirc. Haridlurigeri und dir Folgt!ri, die sic, fiir aridere Aktcwre l i a h i i . riiit explixitcri iiiid begrundettii Kriterien bewutet wcmlcn: diirfte es lrichter sc4ri. zwischeri tlcri widvrstrcitendcri Iritercsscri zii vcrrnittc.lri. Dicwr Puiikt koriritt, tieini Syndrorii-Arisat z ails den Aiigcri gcrateri. ~
4.2.5
Gerechtigkeitsprinzipien und Reichweite
N ad i derri Blick aiif tlie Arisatze vori Scliiifcr, voii Pfist,cr iind Rcriri sowic, auf d ( ~ r i Syiidroni-Arisatz wird r i i i i i tlrr Ziisamrrieiiharig zwischcii Gcrechtigkeitspriiizipicn uiid deri Indikatorori .,riiurriliche iiiitl zeitliche Rcicliweite". riiit dttrtw Hilfc. Cheiiiikalieriexposition~,rirharakterisiert, werdcri sollcn, iintersucht,. D a h i soll vor allcrii gczc4gt werdcri. iriwieferri das Reichweitcn-Konzept die obigcw Kritcrieri ( 1) iind (2) erfiillt, dic sich a i i f (lie Giiltigkeit iiiid Aiissagekraft dcr Norinen iirid aiif den Ziisariirrienhaiig zwisditm Iritlikatoreii uiid Norinen kwzicheii. Fiir das tlrittc Krit,eriiirii (cwipirischc Plausibilitat dtir Indikatoreii) s. Kapitc.1 6 i i n t l 7.
Gerechtigkeitsprinzipien
...
Dic Gerc~chtigkcits~~rinzipit.ii. aiif tlie div Iridikatoreii ..riiumlicli(~ u i i t l zcitlichc. R.eichweite" hier aiisgc:ric;htc>twerdtw, sirid: 0
0
Die Goldene Rqqd: ..LVas tlii iiicht willst. das iiiati tlir tu'. das fiig aiich k c nern aridt:rn zii" (Hoffc 1993, S. 173) iiiitl der kntego7isrh,e Z7r~peratZii:.,Handle so (allcri gegc!niibcr) wic. dii aiis der Prrspektive e i w r lieliebigeii Pcrson wolIcn wiirtlest. tl;iO alle 1i;~ridtlii." (Forriiiilieriiiig iiach Tiigeridhat 1993. S. 83); ziim Ziisamrrieiiharig zwischeii Go1derir.r Regcl i i i i d k;tt,c~goriscIicmIiripcrativ s. Tiigeridhnt (1993. S. 80ff.). Darriit ist aiich tlio Fordt~riirigii;rcli Vertr:il?ingsgcJrechtigkr:zt eingtwhlosscw. deriri willkiirlichc. (1. 11. iiiigtwchtc Bevorziigiingcw von Persorieri sirid nicht irn Eiiiklarig riiit, derri kategorisclien Iiriperativ.
D ie P r i I iz ip ie r i vori Verfahre n s g e re i,qkcit i i i i d Urrpfi,r.teilichkrit (Hijff'c 1993. S. 173,179): Uiipnrteilichkeit ist, iiach Tiigeritlh;~t,(1993. S. 368) fiir jcy$rhe Gtl-
4.2 Gerechtigkeitspnnzipien und zhre Anwendung a u j Umweltprobleme
59
rechtigkeit konstitutiv. ,,Sie bedeutet keineswegs schon Egalitat, Gleichheit, sondern beinhaltet, daf3 nur derjenige ein gerechtes Urteil fallt, der den Fall unparteiisch, d. h. unangesehen der Person entscheidet, und das heiJ3t positiv: ausschliefilich mit Rucksicht auf das, was die Betroffenen auf Grund dessen, was sie getan haben, verdienen." 0
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Das Verursacherprinzip: Das Verursacherprinzip besagt, dafi etwaige (Neben-) Folgen von Umwelteingriffen in den Verantwortungsbereich des Verursachers fallen und nicht von der Allgemeinheit getragen werden.
Das Vorsorgeprinzip: Das Verhaltnis des Vorsorgeprinzips zu den eigentlichen Gerechtigkeitsprinzipien ist nicht ganz klar. lo Das Vorsorgeprinzip verbindet vor allem zwei Elemente: (1) den Anspruch, daf3 ungerechtfertigte Schadigungen zu vermeiden sind (dies ist ein Element der Rechtsethik bzw. folgt aus dem kategorischen Imperativ) und (2) den Blick auf den zulciinftigen Verlauf dieser Schadigungen oder der Faktoren, die Schadigungen auslosen konnten, wie z. B. Chemikalienexpositionen. Seine Bedeutung liegt darin, dafi es vor allem auch irreversible Entwicklungen, also Schadenspotentiale von maximaler Zukunftswirksamkeit, wie sie mit vielen heutigen Umweltveranderungen gegeben sind, einem starken Rechtfertigungsanspruch unterwirft. Praktisch relevant ist das Vorsorgeprinzip deswegen, weil es sich gegenwartig international fur die Gesetzgebung zum Umweltschutz als Leitprinzip etabliert (Cameron u. Abouchar 1991, Nollkaemper 1991). Schlief3lich beruhrt sich das Vorsorgeprinzip durch die Fokussierung auf zukunftige Entwicklungen mit der haufig formulierten, jedoch selbst nicht vollig transparenten Forderung nach Nachhaltigkeit der Umweltnutzung (SRU 1994, S. 45ff.). Ein wesentliches Element nachhaltiger Umweltnutzung ist, dafi die intergenerationelle Gerechtigkeit gewahrleistet wird (SRU 1994, s. 45), d. h. auch die Nachhaltigkeitsforderung ist in einem zentralen Punkt auf Gerechtigkeitsprinzipien begrundet .
Diese Gerechtigkeitsprinzipien decken einen weithin akzeptierten moralischen Fundus ab (Tugendhat 1993, s. 81ff.; Hoffe 1993, s. 173, 259), so daf3 Kriterium (1) von S. 51 als erfullt angesehen werden kann.
... und Reichweite Durch die Kombination mit den Indikatoren ,,Persistenz und Reichweite" sol1 die praktische Wirksamkeit dieser Prinzipien auch bei den schwierigen Bewertungsfragen, die sich in der Umweltdebatte ergeben, genutzt werden. Die Verwendung von Persistenz und Reichweite ist durch die Vorstellung motiviert, daJ3 durch eine zeitliche und raumliche Reichweite, die vom Standpunkt des Akteurs und vom
10. Hoffe (1993, S. 279ff.) spricht in einem ganzen Kapitel von einer ,,Kultur der Rechtzeitigkeit", ohne jedoch das Vorsorgeprinzip zu erwahnen.
Zcitpurikt tler Hiilidliirig a i l s gr~iiictssenwird, tlrr voii tlcr aiisliiscndcm Handluiig bctroffene Brreicli iirid dit. bctroff(w. Zeitspariric. aiigegc4)en w c d e n kiinncn. i i i i d daB i i i i f dies(. FVeisc Iiiforniat ion dariiber erlialteii wird. iiiwie\wit andcrc. Persoiicri als dor Aktoiir selbst von cinor Uiriwcltvcriirideriiiig Mroffen siiid. (Darnit ist riiir eiri Aspekt (lor Vertcilungsfriigr al)gcdcckt. (la dic Verteiliiiig atif vcrschicdcnc Bc:vijlkc,rungsgruppen, (lit: ziir sclben Ztxit. aiii sc4beii Ort 1el)eri. iii(4it erf;tBt wircl.) Der Bcgriff ,:R.eichwctit,e"wirtl h i H. .Jonas r i d G. Picht irielirfacli verwcriclet. w m n dcr Einflufibtrcich rricmschlicheri Hmdelns iuid dairiit aiic.11tler Bc,i-eich. der in dtir Vcraritworturig der Haridelriden litigt, besc*lirieboii wird (.Jonas 1984, S. 9. 15, 22f., 214; Picht 1969, S. 327.334,340). Aiich Hijffe spricht voii der gvstiegericri Reichweitc. licutigcr Naturzcrstoriirig (Hoffc 1993. S. 117, 128). Ini eirizt:lnen siiid bei der Eirifiihrung der Iiidikatorcm R iirid T folgendv Ubcrlogiingeii inaf3gel)lich: 1. Die riiiiniliclic, iind zcitliche Erstreckung ocler Vcrt,c:iliiiig von Ha.iidlungsfolgcii, insbesondere aiich die, Verteihirig tlrr Neborifolgcn von Uriiwelteiiigriffcii. ist ciii weseritlicher Gegeristaiid dcr genaririt,en Gcreclit igkcitsi)riiixipit.II. 2. Diesc riiiimliclie und zeitlichc Erst,rcckiiiig kanri durch iiat.urwissensc:liiiftliclie MIei(griiBen (..R.cichweiten" R uncl T ) hcst,inirrit oder ziiniindcst abgcwhiitzt werdoii.
3. Deswegen wird eiiie Ariwciitlung der Gorecht,igkcitspriiizil~i~iiauf uinweltveranderndes Handelri rniiglich, wcmi die Rcicliwoit,cn der diirch tlicses Handelii ausgcliisten Urriweltvcranderiirigeri cnriittclt wertlm. Diese Utwrleguiig, die Kriteriirni (2) vori S. 51 aufiiiirirrit, wird ini folgendeii ausgofiihrt iirid ziirnindcst ansatxweise begriiiidet. Dahei wird als c.irie vorlaiifigt~ Vercinfachung fiir deri arischaiilichen G(:braucli des Bcgriffs ..Reicliwtxite" ziiiiiichst, riiir eine einzelnw Handlung betmchtet, die aii einttiri Ort ini Raiiin urid zu eiii(:iri Zeitpiinkt (dcn beiden NiilIpuiikt~~~i der Reichwoiten-Sk;tleri) stattfiiidct. Eiii Bcispiel dafur ist die stofifiirniige Fr&ctzuiig ciner clicinisclictn Su1)stanz iii eineii FliiBlaiif, in derri sich dariri uriterhalb (lcr Eirilcitcstelle fur eirie gewissc Daiicr eirw rrirthr ot1c.r wenigcr weit, reichenrle Kontarninat ionsfahlie bildc~t. \Venn sich vkle Chcriiika1ic:rifrc:isetzringen von eiiicr griikren Zahl voii Emittciiten iitm-lagcrii. tretcii zusatzliclie Fragen a i i f (z. B. wo dvr Nullpiinkt licgt; ob irickirere Reichwtit,en iiritctrschiederi wt:rden niiissen, (lit. sicli ggf. aucli iibcrlirgerii). die iin folgenden Abschriitt behandelt werdcii. Unter tler vorlitiifigeii Beschr;tnkurig a i i f eiiizelrie piinkt fijririige Urnwelteirigriffe k a i n folgerider Zusaninieiiha~igxwisdicn derii Begriff ..Reicliwc,ite" urid den normativcm Pririzipieri 1iergestc.llt wcrdcn: 1. V~n~rsache7.?,7.i7i~il): Das V(.riirsac:liorprirlzir, fiihrt auf die, Frage, wo urid wanii durch cineii Urriwelteirigriff iiberhaiipt Uiriwelt,eirifliissc~aiisgeliist werden, die dern Verursaclier ziiziirecliiim sirid. Weriri eine zcitliche iind riiiilnlicho Reichweite der frcigesetztcn Eiiiwirkurigsfaktor~~nangcgeberi wird, wobei dcr Nullpurikt tier seitlidien und riiiimliclitlii Reic1iweitc:ri-Skala heirn Vermsacher d t
~
4.2 Grrechtzgkertsprzntzpzen und zhre Anwendung uuf Uniweltproblmie
61
Uniwelteingriffs liegt, kann als eirie Norm festgelegt werden, daB alle Folgen iririerhalb einer solchen Reichweite dem Verursacher zuzurechrien sind. Ditbei sind allerdings folgende Purikte zu beachten: 0 UmfaBt der von R und 7 abgesteckte Bereich tatsachlich alle Folgen, die dern Eingriff kausal eindeutig zugeordriet werden konnen? Es ist mijglich, daB auch aufierhalb dieses Bereichs Folgen auftreten, die als relevant arigesehen wer den. 0 Die kausale Verantwortung fur Handlungsfolgen ist nicht mit der moralischen Veraritwortung identisch (Leist 1996). Auch wenn die kausale Verantwortung zutreffend erfaflt wird (welche Folgen sind den1 Umwelteingriff kausal zuzurechnen, und wann und wo treten sie auf?), mufl die moralische Verantwortung fur die erfaaten Handlungsfolgen eigens zugewiesen werden. Dabei sollte allerdings in plausibler Weise auf die kausalen Zusanimenhange Beziig genommen werden.
2. Verteilungsgerechtzgkezt: Hier geht ein, daB es gegen den kategorischen Imperativ und die Goldene Regel verstoBt, wenn der NiitznieBer eines Umwelteingriffs die Nebenfolgen verlagert und anderen Betrofferien aufbiirdet, die keine NutznieBer sind (ohne daB zumindest Komperisationen ausgehandelt wurden). Zur Operationalisierung des Grundsatzes, daB bezuglich Niitzen und Nebenfolgen Verteilurigsgerechtigkeit bestehen soll, muB empirisch festgestellt werden, wie Nutzen und Nebenfolgen raumlich, zeitlich und auch zwischen verschiedenen Bevolkeriingsgruppen verteilt sind. Ein Aspekt dieser Frage ist die Auslosung von Nebenfolgen in anderen Gebieten und zu spateren Zeiten. Die Indikatoren raumliche und zeitliche Reichweite sollen im Sinne einer groben Abschatzung erfassen, ob und wie stark Nebenfolgen raumlich urid zeitlich ausgelagert oder ,,verschoberi" werden. Dabei verlangt der Grundsatz der Gleichbehandlung - von dem abzuweichen eigens gerechtfertigt werden miiBte (Tugendhat 1993, S. 374) -, dafl eine gleiche Belastung an verschiedenen Orten urid zii verschiedenen Zeiten gleich gewichtet wird. Wenn sich also eine Urnweltveranderung, z. B. die Kontamination durch eine chernische Substanz, uber ein zeitliches und/oder raumliches Interval1 gleichmai3ig erstreckt, mussen alle Punkte dieses Intervalls mit gleichem Gewicht in das Resultat fiir die Reichweite eingehen. Dies bedeutet, daB der Zahlenwert fur die Reichweite rnehr oder weriiger genau -. die Lange dieses Iritervalls angeben muB; wenn er kleiner ware, wurde die Betroffenheit der Gebiete, die auBerhalb des von der Reichweite markierten Punkts liegen, nicht erfa0t.l' Die Definitionen der MeBgroBen fur die zeitliche und raumliche Reichweite werden in Kapitel 6 so gewahlt, dai3 sie diese Forderung erfiillen, s. S. 97. Offen ist d a m noch die Frage, wie die Verteilung des Nutzens, der aus dem Urriwelteingriff resultiert, mit der so erfaflten Verteilung der Umweltbelastung -
11. Vgl. die Argumentation gegen eine Diskontierung zukiinftiger Umweltbelastungen in Berg et ul. (1995, S. 33). Zur Diskontierungsfrage vergleiche man auch Leist (1996, S. 420ff.).
verglichen werdcn soll, und wit: insbc:sonderc eiri st,iirkcr bcirn Akteur konzcw triertctr. (1. 11. eiii kurzrckhweitiger Niitzcm niit e i i i r ~liliig~rreic~hweitigr~~i Uniweltveranderung nbzuwiigen ist. Diescs ProMeni d t r Gutcrabwiigung wirtl 1iic.r nicht weitctr verfolgt, sollte abcr in Ziikunft vcrst iirkt untcrsucht, werdtm.
3. Vor.sor:qepvi7izip: Erstens liegt bereits in der Beriic-ksichtigung eiiier zoitlichcii Reichweite ein vorsorgcndes Elcment weil auf dicw Weistn der ziikunftige Vcrlauf einer Urnweltbelavtiing erfaRt uritl in die gegeiiwartigc Eritscheidu~igeinbc.zogen wircl. Zweiteris bedciit,et auch die erst ini folgcwle~iKapitel naher tdaiitrrte Vorgehensweise, die zeitlictic tintl riiurriliche Rcichu.c:it,e als Reichweite von Urriwelt einwirkiingen iind iiicht voii Urnwclt nuswirkungeri Z I I tiestirrimen. eine Urnsetaung des Vorsorgepririzips: Einwirkungon sind Aiiswirkiirigcn im Ereignisablauf zeitlicli und logisch bzw. kausal vorgtordnct,. und tlaher konnon, weiiii dic Bewertiing von Urriweltvr~r~nderiiri~eri auf Eiriwirkiiiigen gestiitzt wirtl. MaBnahrricn bercits getroffen werdon, bewor. Aiiswirkiirigcn eintreteii. Dirtsvr Punkt ist iinabtiarigig vori der Tats;iclit~.(la[{die zcitlichc Rcicliweite als sol(-li(~ bereits das Vorsorgepririzip aufninirnt; vgl. die ausfiihrlich Darstelluiig dieses Piinktes in Abschnitt 5.1. Diese crsten Ulm-legiirigeri ziirn Ziisaninionharig xwischen Gcrechtigkeitsprinzipic.ri iirid don Indikatoreri R und T btischriinkcw sich aiif die eiiifachstt. Situation rnit, c411c:ni cxirizelnen Eniittentc:n (untl NutznieBer) der eine in seine Unigebiiiig hineinreichende Chemikalienexposition auslijst. Iiri folgenrlen A l x h n i t t wird nun dit: Situation rnit niehrereri Eniittenten untcrsucht. deren Einissione~isich iibcrlagerii. ~
4.3
Raumliche Reichweite bei mehreren Emittenten
Bei mehreren Eniittcnten ist die Situation deutlich koriiplizic~-ter.Daher wird 1iic.r iiur die raumliche U1)erlagt:rung von Expositiorien ails mehreren C)iiellcn, die mi verschicdeneii Orteii liegen, diskiitiert. Die zeit liclic Abfolge iriehr~rcrE~nission(m tiingegcri wirft Fragcri auf, die uber d m Rahrncw diescr Stlit lie hinausgohrm: Wovon hiingt die Dauerhaftigkoit eirier chcrriischcri techno log it^ und darnit m c h dicl Dauer vori Clieiriikalic~nexpositiorieriin tlcr Uniwelt all? N'cr ist wanii bercit . in die Entwickliing cincr riciien Technologic zii irivestieren iind eiric altc Tcchnologie z u ersetzen'? Wic wird die Verantworturig fiir Schlitlr~iatis ziiriirkliegenden Ernissionen uritcr den Emitteriten aiifgetcilt, w m i i dies(: z u vcrschictleneri Zeiten iind rriit verschicdener Kenntnis uber ~noglicheSchadwirkurigeri der Stoffe akt,iv waren?
4.3.1
Kombinierte raumliche Reichweite
Bei eincni eiriaclnen Emittciiteri beschrc4bt dic rainnliche Rtichwcite die, Vertcilungsdynamik. dcr cine Suhstanz nach der Emission iiriterworfen ist iind die vori chemisrhem und biologischrm Abbau sowie von der hlobilitiit dcr Siibstitiiz un(1
4.3 Raumliche Rezchweite bei mehreren Emittenten
63
ihrer Verteilung durch Wind- urid Wasserstromungen bestimmt wird. Diese Reichweite stellt somit ausschliefllich das Resultat von Prozessen dar, die in der Umwelt, also auflerhalb der Technosphare, ablaufen. Sie wird im folgenden als stoffbezogene Reichweite bezeichnet, d a sie das Stoffverhalten in der Umwelt beschreibt. Bei mehrereri Emittenten uberlagert sich diese Verteilungsdynamik mit der raumlichen Anordnurig der Emittenten, d. h. die Abstande zwischeri den Emitteriten beeinflussen den raumlichen Konzentrationsverlauf ebenfalls. Beispiele dafur sind die Freisetzung von Agrochemikalien an vielen verschiedenen Orten (Goodrich et al. 1991) oder zusammenhangende Grundwasser-Kontaminationen durch CKWLosungsmittel in Industriegebieten (Kinzelbach 1987, S. 2f.). Neben den Abbauund Verteilungsprozessen, die in der Umwelt ablaufen, muD in diesem Fall also auch die Verteilung der Substanzen durch gezielten Transport erfaflt und beurteilt werden. Dadurch uberlagern sich im Resultat fur die Reichweite Aussagen iiber Prozesse in der Umwelt und Aussagen iiber technische Prozesse. Diese raumliche Reichweite wird im folgenden als lcombinaerte raumliche Reichweite bezeichnet. Fur die weitere Ausarbeitung des Indikators ,,raumliche Reichweite" sind somit folgende Fragen relevant: (1) Inwieweit ist es auch in dieser komplizierteren Situation sinnvoll, eine Grolle wie die raumliche Reichweite R zur Charakterisierung von Expositionsfeldern zu verwenden? (2) Wie kann man die Beitrage der beiden Komponenten, Stofftransport in der Umwelt und Stofftransport durch Vertrieb im okonomischen System, unterscheiden? Die Verwendung eines Indikators fur das raumliche AusmaD von Expositionsfeldern mit vielen Emittenten ist deswegen sinnvoll, weil die Grofle von solchen ,,zusammengesetzten" Expositionsfeldern vor allem bei kleineren und mittleren stoffbezogenen Reichweiten unterschatzt wird, wenn allein diese niedrigen stoffbezogenen Reichweiten betrachtet werden. Solche zusammengesetzten Expositionsfelder entstehen i. a. nicht durch die zufallige Nachbarschaft mehrerer Emittenten. Vielmehr besteht durch den Verwendungszweck und den Vertrieb eines Stoffs ein Zusammenhang zwischen mehreren gleichartigen Emittenten, und daher sollte dieser Zusammenhang auch bei der Chemikalienbewertung beriicksichtigt werden. Beziiglich der beiden Komponenten Stofftransport in der Umwelt und Stofftransport durch gezielten Vertrieb lassen sich zwei Extremfalle unterscheiden:
1. Die stoffbezogene Reichweite ist vie1 groDer als der Abstand der Emittenten, so daD fast die gleiche Situation wie bei einem einzigen Emittenten besteht. Dies ist der Fall bei FCKW und COz, wo unabhangig von der Anzahl und Anordnung der Emittenten ein globale raumliche Reichweite resultiert.12 Jeder einzelne Emittent tragt in diesem Fall mit seiner Emissionsmenge zur Hohe der
12. COz gehort nicht zu den hier betrachteten organischen Umweltchemikalien; d a es wie FCKW ein inertes atmospharisches Spurengas ist, betragt seine raumliche Reichweite ebenfalls 40 000 km; zu den Schwierigkeiten bei der Abschatzung seiner zeitlichen Reichweite s. Berg und Scheringer (1995, S. 290ff.).
Exposition bei. Jtdoch iiiclit z i i i1irc.r Rc~ichwr~it(~. Dic Rc~ichwYcitc~ kaiiii diirch Wegfall c.iiizeliic:r Einittcwt,en niclit verriiigert wortl(~ri.
2. Die stoffbczogerir Reichwcite ist, glcicl-i otlrr k1cinc.r als drr Abstwiid dcr Eiiiittcwten: iii dieseiri Fall kmii das Exposit,ioiisfeltl ziiniiiitlrst niihcmingswt.isc iri die Beitrage verschietlerier Erriitteritcm oder Eriiittt.rit,c.iigriiI,pc:n aiifgcliist werderi. iirid seine Reicliweite kaiiri durch Wegfall eiiizc.liic,r Eiiiittr:ritcii oder Eriiitteritcrigruppfri verririgert w d e r i . Weriri eiri Expositioiisfeld riiit mehrcren Eriiitteritcw ariliaiitl cirier kombiiiic.rtcn Reichweite charaktorisiert wird. solltc tliese Rcicliweitc~in das Spektriiiri c3irigeordiiet werdcn, das zwiscl-ion dieseri beiden Extreirifiillen liogt . 4.3.2
Normativer Bezug
Aiich fiir dcri Fall niit rriehrercri Erriittciiteri kariri eiri Bczug zwischeri drrri Iridikator ..riiiiinlichc Reichweite” uritl (lvn Gerc.c.htigk(,itspriIlzipion lir~rgc~stellt wcmleii:
Verursacherfrage Wmri statt r.iiies eiiizigen Eriiitteritcw, tler ziiglckh tl(w Nullpiiiikt ckr ReichwriteiiSkala festlegt rnehrorc Eniitt,enten aiiftretm, ist tlcr Nullpiiiikt drr Reicliwtit,criSkala weniger offeiisic:htlich. Dadurcli ist aiidi die V(:riirsaclic.rfragc koinplizic,rtcr: Wahrend die stoflezogene Reichweitc, aiicli h i rnehrcwri Eiiiit teiitcri jtdeni viiizelneri Emittenten als Veriirsachcr zugcrcchrict wcrdeii kaiin, siiitl fiir tlio kombinierte Reichweite cines grofkren Expositiorisfeldes (otler eiricr gaiiztw Tecliiiologie) riiclit 1ilieBlich einzeliie Eriiittcriteii vcraritwort,licli. I n cinem orsten Schritt kaiiri die koiiibinicrte rauinliche Rcichweitc. clazu vc’rwendet werderi, dit: Langc: oder drn Durchrnessor des ExI,ositiorisfeldes zii hestiirirrien, ohric daB eiri Nullpiinkt festgclegt wird. der die Posit,iori ei1ic.s Vcwirsxhers bczcklinet. Dariiber hiiiaus kiirineri die Emissionsmengcn dcr c.inzeliicm Ernittc,iit,eri. soferri sie hckannt siiid. ziir Klariirig der Veriirsachcrfragc htmrigwogen wcrclen: Dic. Exposition wird den eiiizclnen Erriitteritcn entsprc:chcrid ilirerii Aiiteil iiii der GcxiiritEniissionsnicrige zugerechnct. In Form des Schwerprinkts kimi ails dcri Einissioiismcrigen danii auch oiri Nullpiinkt bestimrnt werderi, der das Zeritriiiii des Expositioiisfeldes iind ggf. auch die Lage dcs HauptcrriitteIit,tn bezcichnet. Dieser Fa11 ist bei FCKW i i i i d COz gegeben: Aufgriiritl des rrierigeiirriRj~igeriUbergcwiclits lic>gtder Nullpiinkt dcr globalrn Reichweite voii FCKW und COn in tleri Iiidiistrielaridern. Die Verursacherfragc rnuB in tlieserri Fall iririerhalb tlcr Iridiistrielarider weitorverfolgt werderi. Schliefllich rniissm in die Diskussiori der V(.riirsaclit.rfragc aiicti aiidere Akteure als allein dic: Emittmteri ci1it)ezogcri werdori, z. B. Gcsctzgebiirig untl Verwaltung, denen ebenfalls einv Verantwortung fiir dic Erit stcliiiiig RroBrcichweitiger Expositionsfelder ziikommt. wenii sic, die Ziilassuiig fiir tlcii weit riiiiinigeri Eiiisatz c.iner Technologic: crteileri.
4.3 Raumliche Reichweite bei mehreren Emittenten
65
Verteilungsgerechtigkeit Die Frage der Verteilungsgerechtigkeit wird bei der Freisetzung von Chemikalien grundsatzlich durch folgende Konstellation aufgeworfen: Eine Gruppe von NutznieBern praktiziert die Nutzung von Chemikalien in so ausgedehnter Weise (und akzeptiert ctwaige Nebenfolgen aufgrund personlicher Praferenzen und/oder Schutzmoglichkeiten), dafl auch Nichtnutzer von der Chemikalienexposition und daraus resultierenden Nebenfolgen betroffen sind. Dabei konnen sich Nutznieaer und Nichtnutzer in verschieden grofler raumlicher Distanz befinden und in verschiedenem Ausmafl von der Exposition betroffen sein: Die starkste Diskrepanz zwischen der Situation der NutznieBer und der Nichtnutzer besteht, wenn sich NutznieBer und Nichtnutzer in grofler raumlicher Distanz befinden und wenn die Nebenfolgen uberwiegend oder sogar vollstandig uber diese Distanz verlagert werden. Ein Beispiel ist der Gebrauch von CKw-Pestiziden in tropischen Gebieten, die sich in Polargebieten akkumulieren, wodurch dort lebende Personen einer hoheren Exposition unterworfen sind als die Personen im Nutzungsgebiet. l 3 Ein weiteres Beispiel ist die Verschmutzung eines Wasserlaufs, bei der die Anlieger unterhalb des Emittenten starker betroffen sind als der Emittent selbst. Solche Falle werden von der stofiezogenen Reichweite erfaat, die den Stofftransport in der Umwelt beschreibt. Wenn die stofiezogene Reichweite hoch ist, besteht der Bezug zur Verteilungsgerechtigkeit auch bei Emissionen aus mehreren Quellen durch diesen Verlagerungseffekt: Das Expositionsfeld reicht dann uber das Gebiet der Emittenten hinaus und betrifft auch unbeteiligte Personen. Ein Beispiel sind die globalen FCKW-Expositionen, die ausschliefllich aus den Industrielandern, dort jedoch von vielen Emittenten, stammen. Der entgegengesetzte Fall ist gegeben, wenn NutznieBer und Nichtnutzer sich im selben Gebiet befinden, z.B. in einer Region. Hier sind die Nichtnutzer der Chemikalieneinwirkung und moglichen Nebenfolgen auch ohne raumliche Verlagerung ausgesetzt, so daB vor allem die Verteilungsgerechtigkeit innerhalb dieses Gebiets betroffen ist. Die Verteilungsgerechtigkeit ist u. a. dann verletzt, wenn das betrachtete Gebiet durch die Emissionen der Nutznieaer uberproportional oder sogar vollstandig exponiert ist (grofle R e i ~ h w e i t e l ~denn ), dann konnen sich die
13. “These compounds (toxaphene and others] have never been used within 1000 miles of the Arctic and have not been used in the United States in the last decade. It is ironic that they may represent more of a threat to arctic Native American populations (through dietary intake) than drinking water, with its burden of widely used modern pesticides, does to those living in the corn belt.” (Richards u. Baker 1990, S. 401) “Clausen and Berg reported that Greenlanders appear to contain higher levels PCBS than individuals from industrialized areas. (...) A tragic feature of this issue is that northern residents who are exposed to these chemicals do not enjoy many of the benefits associated with their use.” (Wania u. Mackay 1993a, S. 17) Allerdings ist die Verlagerung von Nebenfolgen nicht ironisch oder tragisch, sondern sie verstoat vor allem gegeri den Grundsatz von fairness und Verteilungsgerechtigkeit. 14. Die maximale - kombinierte raumliche Reichweite ist in diesem Fall durch die GroBe des betrachteten Gebiets gegeben. ~
Nichtriiitzer clieser Exposition Liidit oclcr iiiir sc:liwer cwtzichen. Wenii Iiiiigcgen die Eriiissiorien aiif eiricri Tril dvs Gvbiets 1)eschrankt b1eil)c~n.I)c,stelit fur tlie Niciitiiiitzcr zuniiridest einc gewisse ICIijglic:hkeit,, aiif den iiicht-(:xpoiiiertc.ri Teil des Gebitts aiiszuwcicheii. Als eiri erstes Bcispicl fiir diestxi Fall kaiin eiri Restaurant dimen, dcsscn Giiste ziir Hiilfte Raucher iiiicl ziir Halfte Nichtraiiclicr sirid. (Bvi dicwni Beispiel gc.ht es nicht iini die Frage, inwiefern Raiic:hcn sc:h&flidi ist, i i i d m c h iiicht iim cine Stigmatisieriing von Rauchrmi. soiiderri urii tlie Fragv. wio clas Iiitercwie voii Nichtraiichern, an eincrri raiichfroien Tiscli zii esseri, gowahrt wc~tleiikariri.) Wenn an jrderri Tisch gerauclit wirtl, ist die Rcicliwcitc iiiaxinial: Nichtraucher kiirineri sich tler Exposition nicht, cmtzichen. Weriri eiri Raucher-Bereich eingericht,et wird, der soweit abgetrmrit ist, tlnO sich drr Raiich nicht iiii ganzen Rauni verteilt, ist die konibiriiert,e Rcichwcite diirch die GroOv dieses Raiichrrbereichs gcgebcn. Die V~~rteiluiigsgereclitigkeit ist solangc. vorletzt,, wit: der R.auchr:rberc.ich nielir als dic Halfte der zur Verfiigiiiig stc:hcndtm Tisclie iirrifafjt,. (Falls dcr Raiiclic~rherc~ich weniger als die Hslfte dcr Tischc iimfa0t7 ist dios untcr der Gerc.clitigkritsI)erspc.ktive weniger schwerwiegcntl. dciiri dor unfroiwillige Vvrziclit dw Raiicher aiif das GeriuOrriittel ist wcnigcr schwerwiegericl als die iirifreiwilligo Exposition (lor Nickit,raucher: Das Gebot. anderc nicht mi schiidigen. hat Vorrarig vor deni Anspriich auf eiii GcriiiRniittel.) Ein groRrriaBst~ihlichrsBrispiel fur cliescii Fall ist tlie Frtisetziirig von Agroclieniikalieri (Diirigernittel iind Pcstixidc): Wichtige Nutz.nic$er sirid iri dicsern Fa11 (die Liste hat keiiieri Aiispriich aiif Voll 0
Prodiizcriten
0
Laridwirtct. dio durch den Eirisatz von Agrochcmiki~lieriihre Ertritgt. st,c,igerri.
0
0
iiiis
dvr chcrnisclien Iiidustrie. tlic dic, Substanzrn vcrtreitmi.
Abiielimcr ails der Nahriirigsiriittcliridiistrie, die dadurch ihre Rohriiaterialien zu iiiedrigen Preiscw bezioheii,
Korisunir:riten, die laiidwirtsCIi;Lftli(:he Prodiikte
zii
nicdrigcri Prcisen 1)c.zielic:n.
Betroffkrie Nichtrrutzer, sind (cbcnfalls ohnc~Ansprucli aiif Vollst,iindigkeit): 0
Laiiclwirtc, diti ohrit: oder rnit gc:ririgc:rt:iri Einsatz von Agrochc~mikiilieriarheiteri wollm.
15. Diews Beispiel wird brtrackittt. wcil durcki dic, Verwcmdurig vori Agrocticmikalien crhebliche Stoffrriengcri in die Uiriwelt gelangen. Fragen tles Natur- iind I,;lndsc:tiaftsschiitzes hlciben tlahei ausgt:klamniert; clas Beispiel kanri iiiid sol1 kcirie dctaillic~rteAnalyso der 1,andwirtachaftsprohlernatik leistcri. Fiir eiricw I:hrblick vgl. z. B. SNI' ( l!)!14, S.J O l f f . ) . S 1 t i l (lY9(;11)~ Wuppertal-Iristitiit (1906, S.236ff.). Entsprecherid ziirii crstcii Beispiel gcht es i r i dicscm Bt .pic1 tiicht primar urn die Frage. wrlche Art der laridwirtsc.haftliclieri I'roduktioii die ..h c w c r c ist. sondcrri i i n i die Frage. i n welctirr Weiw hei (it-r Haiidhabiing vori Chernikalim dic: Tnt,cmweii vtmchiodenc,r Aktcwre t)c,riicksichtigt wrrderl konnc~ri
4.3 Raumlzche Reichweite bea mehreren Emittenten
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Konsumenten, die ggf. auch zu hoheren Preisen Prodiikte erwerben wollen, die ohne den Einsatz von Agrochemikalien hergestellt wurden, ~
Kommunen, die an einer Trinkwasserversorgung ohne Nitrat- und Pestizidgehalte interessiert sind.
Die raumliche Reichweite der Freisetzung von Agrocheniikalien ist hoch, iind zwar nicht primar durch die stoffbezogene Reichweite der Substanzen, sondern weil Agrochemikalien zur Zeit in vielen Industriestaaten weitgehend flachendcckend eingesetzt werden (nur 1% der landwirtschaftlichen Nutzflache der Bundesrepublik Deutschland ist zur Zeit mit okologischem Landbau genutzt (SRU 1994, S. 312); Nitrat- und Pestizidriickstande werden weitraumig im Grundwasser gefunden (Wuppertal-Institut 1996, S. 64f.)). Durch diese hohen Reichweiten sind die Nichtnutzer in folgender Weise eingeschrankt: Landwirten, die ohne den Einsatz von Agrochemikalien arbeiten wollen, wird es erschwert, ruckstandsfreie Produkte herzustellen (Kontaniination aus der Umgebung; indirekt durch okonomische und organisatorische Hindcrnisse). Den Konsumenten wird erschwert, ruckstandsfreie Produkte (einschlieBlic1i Trinkwasser) zu beziehen und sich so der Exposition zu entziehen. Dies wird dadurch belegt, daB die hohen Preise fur Produkte aus okologischern Landbau aus einer Angebotsknappheit resultieren (SRU 1994, s. 312). Den Kommunen und Wasserwerken wird erschwert, ruckstandsfreies Trinkwasser bereitzustellen. Dies zeigt sich daran, daB Wasserwerke Zahliingen an Landwirte leisten, die auf den Einsatz von Agrochemikalien verzichten (WuppertalInstitut 1996, S. 238). Umgekehrt wird die Zunahme des okologischen Landbaus, die Verbesserung der Trinkwasserqualitat etc. moglich, sobald die Emission von Agrocheinikalien mengenmaBig und raumlich verringert wird. Die These, die mit diesem Beispiel gestutzt werden soll, lautet somit: Hohe kombinierte raumliche Reichweiten sind ein Hinweis auf ausgedehnte Nutzungsweisen und damit auch auf mogliche Verletzungen der Verteilungsgerechtigkeit. (Die Verteilungsgerechtigkeit ist verletzt, wenn es den Nichtnutzern dadurch, dafl die Nutzer ihre Interessen verfolgen, erschwert wird, ihrerseits ihre eigenen Interessen wahrzunehmen. 16) Wie das Beispiel der Agrochemikalien zeigt, ist die realistische Situation mehrere Emittenten, deren Emissionen sich iiberlagern - deutlich komplizierter als der Fall eines einzelnen Emittenten, wie er in Abschnitt 4.2 betrachtet wurde. Vor allem ~
~
~
16. Wenn hier von Interessenwahrnehrnung etc. die Rede ist, geht cs immer urn einen Interessenausgleich irn Rahmen normativer ,,Leitplanken", wie sie eben in Form von Gerechtigkeitsprinzipien zur Verfugung stehen. Ohne einen solchen Rahmen fuhrt das Kraftespiel von Interessen zu willkurlichen, ineffizienten und durchaus nicht wunschenswerten Konstellationen (vgl. dam z. B. Scheringer u . Jaeger (1998)).
wird erkeniil);u-, cl;tiS cs iiicht, niir iirii (lit: riiiinili~~lie i i i i d zc4t,liclic, Vwlagcriirig voii Exposit,ioncii gelit. soiiderii daB iinnicr aucli zwischcw versc,liic.tl(iii~.riGriippen iiirierhalt) eines bestiinnitrn Gcbietcs Verteiliirigsfragen iiiid Iiitcrcsseiikoiiflikt(. geliist wc>rdciiiiiusscm. Gruridsatzlich jedoch rcidit das Problt:iiipott.riti~~l voii Chciriiknlicm itl) eiiier gcwissen Langlebigkeit iind hlobilitiit iibcr die iiiiniit telbare Uriige1)iiiig des Gebraiichs hinttiis. Ails dieseni Griirid wird him- dit: Rtichwcite von Chemikalienc~xpositionen btw)ridcrs h t o r i t . hlit, den Uberlcgungen diwes Kapit die gcliefert wertlcn, riiit dcnen die Vcrteiliiiigsfrageri iiritl Gerc:c:litigkeitspro~l(~rn~~ sich irii Ziismimenhang mit, Clieiiiikalic.riexI,ositioiicn c y y l w i i . aiigegnngeii werden koniieii. Es grht tlahci keineswegs dariirii. al)schlicfmid(~ ..Liisiiiigcm" fiir solche Problcnie zii liefvrn; vie1nic.h solleri hnsatzpiiiiktc fiir div Fragc: gt:gcbcii werdcn, wie sich et,tiisclw Kritcrieri iind nat iirwisseIiscliaft l i c k B(~fiinc1okorikret iti Bcziehiing sctzen lasseri. Dariiit sol1 iiiiterst,richw wcrden, daf3 Uinwc,ltprot)leriic, in Ziikiiiift v t w t arkt aiicli als sozia1t:thische Problmie cliskiitivrt wordoii sollteri cinr, Diskiissioii, dic. nodi an ihreiii Anfarig stcht.
Kapitel 5 Persistenz und Reichweite als MaBe fur Umweltgerahrdung In diesem und den folgenden beiden Kapiteln werden Persistenz und Reichweite als naturwissenschaftliche MeBgroBen definiert. Dabei ist es sinnvoll, von bisher verwendeten Definitionen fur die Persistenz auszugehen: .,Persistenz ist die Eigenschaft eines Stoffes, chemisch stabil gegeniiber Einfliissen und Kraften der Umwelt zu sein. Persistenz ist einerseits technologisch erwunscht (Qualititatsnierkrnal Haltbarkeit), andererseits okologisch unerwiinscht, wenn Eintrage in die Umwelt zu einer Anreicherung des Stoffes in den Umweltmedien fuhren. (...) Die Persistenz eines Stoffes kann quantitativ durch seine Halbwertszeit oder im Fall von Gasen durch seine mittlere atmospharische Lebensdauer beschrieben werden." (Rompp 1993, S. 540). Weitere Definitionen sowie Uberlegungen Zuni Stellenwert der Persistenz finderi sich bei Stephenson (1977), IUPAC (1980), Ballschrniter (1985) und Klopffer (1994a). Die Persistenz beschreibt also die Zeitdauer, in der die Menge der betrachteten Substanz bis auf einen bestinirnten Bruchteil chemisch und/oder biologisch abgebaut wird, z. B. die Halbwertszeit mit 50% Abbau. Etwas allgemeiner ausgedruckt, charakterisiert die Persistenz den Verlauf einer Konzentrationskurve in der Zeit, und zwar unabhangig vom absoluten Wert der Konzentration, sondern allein relativ zum Ausgangswert. Analog zu dieser Funktion der Persistenz wird hier die raurnliche Reichweite als einc GroBe eingefuhrt, die den Verlauf einer Konzentrationskurve in1 Raurn charakterisieren soll. In den folgenden Abschnitten wird dargestellt, welche Eigenschaften Persistenz und Reichweite haben, wenn man sie in dieser Weise definiert, wie sic als Indikatoren fiir die Chernikalienbewertung interpretiert werden konnen, und welche MiBverstandnisse bei ihrer Anwendung vermieden werden sollten.
5.1
Umweltgefahrdung und Umweltschaden
Zur Illustration der folgenden Ausfuhrungen wird die Freisetzung von FCKW als Beispiel betrachtet. Wie in Kapitel 2 dargestellt, kann der Ereignisablauf bei ciner Chemikalienemission mit dem allgemeinen Schema von Emission, Exposition und Wirkungen beschrieben werden (vgl. Abb. 5.1): 1. Ebene 1 (Emission): Auf der Ebene des Umwelteingriffs (Handlungen) liegt die Emission. Sie wird charakterisiert diirch die physikalisch-chemischen Ei-
70
Umwelteingriff
Urnweltschaden
Urnweltgefiihrdung
FCKW
in
,phlire
i
Oronabhau in der Strato\phiire
crhohte UV-Strahlunp a u l der Erdoherlliiche
~
erhohre Hiiutkrehwte
' u.3.m. 1 Emission
2
Einwirkungen: Exposition. lminission
3
Auswirkungen: Reaktioncn von Organisrnen, Okosysternen, soiialen Syaternen auf Einwirkungen
A b b i l d u i ~ g5.1: Emission. Eiriwirkiirigcri iind Auswirkungcri als Stuferi i r r i Erc>igriisablauf Init IJrnwclteingriff, Utriweltgefahrtlirng iirid Uriiwcltscliiidcw als normativer Eritsprcchung (nach Schcririgvr et nl. 1994, Berg (I. Sclieririgr~r1994).
genschafttm t l w frrigesetzten Siibstanz. durch dic freigcisetztt hlcrige bzw. die Rate der Freiscttzung (Merigc pro .Jakir), sowic, durch dcn Frcisetzungsort urid -zeitpunkt. FCKW wurtlrri voii den 50er .Jahroii bis iii tliv 70cr .Jalirc iri hlcrigcm voii bis zti 1 hIio. To r i~ i e~pro i .Jahr cmitticrt iind zwar iiahczu aiisschlicfilich aus Quellui ituf dcr niirdlirhen Hemispharc. ~
2 . Eberw 2 (Exposition, Irnrnission oder E?hii~zrki~ri,g): Die Eiiiissioii fiilirt i i k r korriplizicrte Transport- und TrHrisfoririatioIisI>ro7,essc. iri der Umwvlt ziir Exposition..' Dic in die Uiriwclt gelarigerideri Stoffiricngtm kiiiincri niit den Alethodrn tlrr chcwiischen Arialyt,ik dcttektiort w d o i i . so dafi (.in Datensatz von Kori~ent,ratioiisrrieBwcrtr:IIresultictrt. Aiihancl diescsr hIr:Bwerte kann iiiitii sich (:in Bild voii clvr riiiimlichxi Vcrtoilung iind den1 zeitlichen Verlauf dcr Kolizerit,rstiori in tlcr Umwc:lt iriacheri, o h : daB man dic TraiisforIriatioiis- wid Transportproaosse (Pfeilv zwischen Ebcric 1 iiiid E1)enc 2 ) in Form von Kausalziisaiiinic:riliarigen zii keririeri 1)raueht. Irii Fallc der FCKW zeigcw tliv hlcijwertc.. d d j FCKW wit. z. B. CCl:3F (Freon 11) sich in dor Troposphare ariniiht:rtitl gleic:limd5g uritl glo1)al vtdxilcii ( S t a d c y
1. Die Expositiori ist eiri R l a B dafiir, wie s t a r k eiii Orgariisrniis oder (,in ailsgew%hlter Ort einer cheniischeii Subst.anz aiisgesetzt ist. Die Exposition wird tlavori I)c~stiirirnt.wicr larlgc, urid in welcher Korizentratiorr die brtrachtc'te Siilistariz eiriwirkt. Die Dirnension der- Exposition ist tlas Produkt, aus eirier K o n z e r i t r ; ~ t i o n s d i n i ~ ~ ~iirid ~ s i oeirirr n Zcitdimcmsio~i.Vgl. Kapittrl 2 u r i d 6.
5.1 Umweltgefahrdung u n d Umweltschaden
71
u. Hites 1991, S. 6f.). Die raumliche Reichweite R von F-11 betragt damit 40 000 km, was den1 Erdumfang und zugleich dem Maximalwert fur R entspricht ( R kann als Langen- oder Flachenmai3 definiert werden, vgl. Abschnitt 6.1.2). Die Persistenz 7 entspricht der atmospharischen Leberisdauer der FCKW von einigeri Jahrzehnten (Standley u. Hites 1991, S. 8). Die Emissionen aus den 70er Jahreri sind also rioch bis in das nachste Jahrhundert hinein mafigeblich fur die FCKWKonzentrationen in der Stratosphare. 3. Ebene 3 (Wirlcungen): Schliealich treten an von der Exposition betroffenen Orten die verschiedensten Wzrlcungen, genauer Auswirkungen, auf Organismen, Populationen von Organismen, Okosysteme, aber auch abiotische Systeme wie die Stratosphare reagieren auf die Anwesenheit der hinzugekommenen SubstanZen und verandern sich. Unter Auswirkungen sind somit generell die Reaktionen von Organismen und Umweltsystemen auf anthropogene Einwirkungen zu verstehen. Das ubliche Verfahren zur Bewertung von Umweltchemikalien sol1 es erlauben, den Schweregrad der Auswirkungen zu erfassen und anhand dessen die Emission als die auslosende Handlung zu beurteilen. Die Schwierigkeiten, die sich dabei ergeben, wurden in den Kapiteln 2 und 3 allgemein diskutiert, und sie werden auch am Beispiel der FCKW deutlich: Zunachst sind seit dem Beginri der Industrieproduktion von FCKW iiber 25 Jahre vergangen, bis der stratospharische Ozonabbau iiberhaupt vermutet (Molina u. Rowland 1974) und dann auch experimentell bestatigt wurde (Farman et al. 1985). Danach hat sich die Bestimmung des detaillierten Ursache-Wirkungs-Zusammenhangs beim Ozonabbau durch FCKW als kompliziert und langwierig erwiesen; sie ist bis heute nicht abgeschlossen (Kunzi u. Burrows 1996). Die Dokumentation und Beurteilung aller Effekte, die nach dem Ozonabbau durch verstarkte uv-Einstrahlung resultieren, wie z. B. Hautkrebs bei Menschen; Erblindung von Schneehasen in Patagonien; Schadigung der Kleinorganismen im Oberflachenwasser und damit der ganzen Nahrungskette der Weltmeere (Smith et al. 1992) ist uberhaupt nicht mehr moglich.
Bei der Definition der Indikatoren Persistenz und Reichweite wird nun der Ansatz verfolgt, Einwirkungen und Auswirkungen nicht nur als Stufen im Ereignisablauf zu unterscheideri (eine Unterscheidung, die ublich und weitgehend offensichtlich ist), sondern auch getrennt zu bewerten (was bislang nicht praktiziert wird): Auswirkungen werden als Schaden bewertet, sofern sie erfaBt werden konnen und in den Gelturigsbereich einer Norm fallen. Dies ist bei heutigen anthropogenen Uniweltveranderungen vielfach nicht erfullt (Bewertungsproblem, s. Abschnitte 3.2 bis 3.4). Einwirkungen bilden die Vorstufe von Auswirkungen und konnen dementsprechend mit einer normativen Kategorie, die den Schaden logisch vorgeordnet ist, als Umweltgefahrdungen (environmental threat) bewertet werden (Scheringer
r.f d.1993. Borg 11. Sclit1riiigc.r 1!194) .2 Fiir dicw Btwertung wirtl nic.lit gvfragt . oti Scliitlcii m a r i i f ( ~ . s tsiiitl, soiidt!rii 01) iiiicl in wolc:l~tmiAiisiiidj Schiicltw mijgli(.li, siritl. Diose cigeristiintlige Bcwc.rtiirig d r r Eiiiwirkungcw w i d iii Ahchiiitt 8.1 ills r : ~ ~ ~ , ’ o s i t i o 7 1 , , s ,Clic~iiiik~~lieiil)cw(~rtuiiig q~s~~i~~tr~ hczt:ic:hiiet iiiicl iiii Vvrgleich ziir Bowc.rtiing von Aiiswirkuiigeii. die tlcriic’iitsi)reclit.nd wls uiil7.l;,ri7rgsgr,stiifZt b u c k l i rict wircl. diskiitiert,. In welclier Wcisc: aiicli aritlcrc. Uiiiwcltciiigriffe als die Emission vori Chcwiikalieii aiiliwiid tlvr iiilsgcliist(~iiUiiiwcltgefrtlirdiiiigeii bc>wertc.t wertlrri kiiririm. wirtl 1)c.i Jacger (1998) uiitersiicht .
’’
Auf der E b m e t1c.r Gt3fiihrtluiig trit,t, d i ~ sBc.wc.rt uiigsprol)leiii. iiiiirilicli diiD elit,schitdeii wercleii iiiiiR, welche Aiiswirkiiiig ciii Scliaclcw iiiitl soiriit rc.lcvaiit fiir tlic, Bewcrtiiiig (liner Umwt,ltvc!rrtritleriirlg ist. nicht a i i f . dcnii jedr: Uiiiweltt.iriwirkuiig kariii Aiiswirkiingcri aiisliiscm: (lie iiacli uritctrscliiedlichcri Kritcricw u i i d voii 1111terschiecllicliiw Pcworittii negativ 1)ewc.rtet wcwl(.ii kiiiiiivii. Ails tlic.seili Griiiid ist jrtlc Uiiiwelttiiriwirk~iiigals Uiiiwclt,gefiilirdiirig zii bewc\rtcw (riorniwt ivcs Urtcil). Bci rlieser iirnf;isseiitlcri Bewc.rtiiiig ist allcrdiiigs voii zttiitriiler Bedriituiig. chi!, hfaJaah,lrn ziir Vcrfiigiing stehcw iiiit tlc,reri Hilf(, x hen wrschicdeiicn Uiiiwcltgcfiikirdiiiigeri difkrerixiert wertleri kmii (qiiwritit,iit Rcichweite wcrdoii als clii;Lritifizierl);irc 1riclikatorc.n vtvwiidet. die tlitw Diffcwiizieriing zwischeii vcrschietlcmtn Uiiiweltgc.f~lirdiiiigelicmiiijglickm.
5.2 5.2.1
Methodische Konsequenzen Pravention
Das Bcispirl cler FCK w zeigt eiiim wcserit 1ic:licm Vorteil, tier sitli bei tler vorvctr1agc.rten Erfitssiirig voii Uriiweltveraiideriirig(~iiiii Form voii Eiiiwirkiiiigw u11d dcr cbenfiills vorverlagerttm Bt:wcrtiing der Eiiiwirkiiiigen als Gefiilirtliingcw crgibt : Weiin riicht griirir1s;ltzlic:h itt)gewiirtet, wcrtleri iiiufl, bis Schlideii iiiaiiifest gewordeii siritl, soritlerii berrits die Exposit ioiicw lwwc>rt,otwerdcw kiiiincw. kiiiiiieii iiilCh hlal3nilhmen ziir Recliikt,iori clvr Uinwt~ltgeflilirdiing1)ercits friihvr gctroffm wcwkii. z. B. tler Wechsel x i 1 iLiider(II1 Liisurigsrnit telii.‘
2. Bei ~roblciiistclliingcii,die wie tlas Bc.wertiineproblon1!iii uiiliiSbarc Scliwierigkeiteii aufwcrfcn,
bcstcht dit! Methodc (lor Wahl tlitrin, die Vorbedingungcn d i c c r Prohlcmstcllurigen zn untersiichen (HWc 1993,S. 184).
3. Scheiiihar licgt dieser Rage eiri ZirkclschliiB zugrunde: Wie IiiBt sich die Mijglichkcit von Schiidcn bcstimnien, ohne daR die Schiiden selbst b e h n n t sind? Gcfragt wird hicr jedoch nach dcn in der kawabn Ewagni.vabfo1ge vorgeortlneton Bdingiingen dafiir, d& @ter moglachsrw e h e ah Schiidciri bewcrtcte Aiiswirkungcii eiiitreteii. Dicsc Bcdingungen sind unahharigig vom tatsiichlichm spjitcren Eintrcten tlieser Auswirknngeri und von dcr d a m vorgenoinmencn Bcwcrtung. 4. ?.Wegcn dcr Iangcn Rcaktionxzcit von Okosystamen (...) ist es in vielen Fallen siiinvollcr. friihzcitig von GcFahnliiiigcii (...) als von ciiigetroteneii Schjiden itiiszugohcii." (slit: 1994, S. 91)
5.2 Methodzsche Konsequenzen
73
Somit bietet die Bewertung auf der Ebene der Einwirkungen eine wichtige Moglichkeit zur Umsetzung des Vorsorgeprinzips. Dieser Punkt wird in Kapitel 8, Abschnitte 8.2 und 8.3, ausfuhrlicher angesprochen. 5.2.2
Komplexitatsreduktion
Die Beschrankung auf Einwirkungen fuhrt sowohl auf deskriptiver wie auf normativer Seite zu einer systematischen Begrenzung der Fragestellung und damit zu einer Reduktion der Komplexitat, die das Bewertungsverfahren verarbeiten muR5 Mit dieser Beschrankung auf Einwirkungen werden Auswirkungen nicht fur unwesentlich oder harmlos erklart. In allen Fallen, bei denen Auswirkungen deskriptiv und normativ faBbar sind vor allem bei uberschaubaren Umweltveranderungen mit transparentem Ursache-Wirkungs-Zusammenhang und direktem Kontakt zwischen Verursachern und Betroffenen -, ist es selbstverstandlich, die Bewertung auf Auswirkungsbefunde zu stutzen. Wenn jedoch eine Vielzahl von Substanzen und ihre z. T. unbekannten Folgeprodukte in niedrigen Konzentrationen uber lange Zeiten auf eine Vielzahl von Organismen und Spezies einwirken, sind die Auswirkungen nicht faBbar, d. h. ihr Erscheinungsbild ist diffus, sofern sie uberhaupt erkennbar und bekannt sind, und sie sind nicht zurechenbar und von unklarem Schweregrad (Wahrnehmungsproblem, Bewertungsproblem) . Vor allem in diesem Fall, wenn also valide Auswirkungsbefunde (noch) nicht zur Verfugung stehen, bietet die eigenstandige Erfassung und Bewertung der Einwirkungen eine hilfreiche ,,Zwischenebene", auf der Stoffe verglichen und erste Aussagen uber ihr Umweltverhalten getroffen werden konnen. Bereits Einwirkungen sind - unabhangig davon, ob Auswirkungsbefunde verfiigbar sind oder nicht normativ relevant. Weiterhin erlaubt die Beschrankung auf Einwirkungen einen systematischen U m gang mat Unsicherheit: In der Umweltdebatte ist die Frage, wie mit der grundlegenden Unkenntnis zukiinftiger Ereignisse und Entwicklungen umgegangen werden soll, von erheblicher Bedeutung (Wiman 1991, Wynne 1992, Ladeur 1994). Unterschieden werden dabei drei verschieden starke Formen der Unsicherheit: Risiko, Ungewiflheit und Unbestimmtheit (s. Tabelle 5.1). In diesem Sinne bilden nur die wenigsten Umweltveranderungen ein Umwelt risiko oder eine Situation unter Ungewiflheit, wie sie in der Entscheidungstheorie diskutiert wird (Jakubowski et al. 1997, S . 20ff.): Meistens sind die Auswirkungen, die letztendlich aus einem Umwelteingriff resultieren, vollig unbekannt (vgl. die okologischen, okonomischen und politischen Folgen von Treibhauseffekt und Klimawandel), so daf3 Unbestimmtheit als die starkste Form von Unsicherheit besteht ~
~
5. Vgl. z.B. Mackay u. Southwood (1992, S.511): ,,No attempt is made here to translate environmental concentrations into probabilities of adverse effects because this is a much more complex task, but it seems prudent, at least as a first step, to understand and manage or control the concentrations and exposures which are believed to be a primary determinant of these effects.''
Tahelle 5 . I : Vergleich von Risiko. LJrigewii3heit nrid Urihestimmthcit, (Diirrenberger 1994) Risiko
TJngewiBheit,
IJnbestirnnit hei t
Miigliche Ereigriisse
bekaririt
bekaririt
nicht bekaririt
Zugehorige Wahrscheinlichkeiteri
bekannt
riicht hekannt
riicht bekannt
(Jakubowski et al. (1997) spreclien liier aiich von Undeutlir
e i t iind Unkenntlich-
Iceit). Ails diesem Grurid kann das Risiko-Konzept, das iirspriinglidi aus der Entscheiduiigstheorie und den Ingenieurwisseriscliaften stamrnt. auf die meist,en Umweltveriinderungen nicht angewendct werden: Umweltveranderungen sind keine iin Sinne des Risiko-Konzepts kalkulierbaren Umweltrisiken, sondern sir umfassen viele im Vorhinein unbekannt,e Einzelereignisse auf sehr vielen verschiedenen Ebenen (Veranderiingen bei Einzelorganismen inid Populationen bis liin zu wirtschaftlichen iind politischen Folgen). Daher sind Wahrscheinliclikeitsbetrachtiingenauf der Ebene dcr Auswirkiingen i. a. weder niitig nocli rniiglich. Vgl. dazu auch Scheringer et al. (1998). Die Unbestimnitheit vieler Folgen, die ein Uniwelteingriff nacli sich zieht, ist aufgrund der Uberkornplexitat der betroffenen Systenie i r r c ~ d ~ ~ z i bDies e l . lieifit, dafl aiicli bei noch so intensiver Forscliungsarbeit immer Wissenslucken verbleiben, die auch durdi weitere Forschung nicht geschlossen werderi konnen, oder dafi sicli auch trotz neii gewoiinener Befunde iinmer weitere Wissensliicken auftun. Durch den Ubergang auf die Ebene der Einwirkungen kann diese Schwierigkeit ein Stuck weit umgangen werden: Im Vergleich zu den Auswirkungen konnen die vorangehenden Einwirkiingen i. a. einfaclier erfajjt oder ziimindest abgeschatzt werden, und da mit den Einwirkungen eine in sicli konsistente Zwischenebene zur Verfiigiing stelit, schlagen die Unsicherheiten bei der Bestinirriung der Aiiswirkungen riicht auf das Gesamtresultat der Bewertung durch, sondern bleiben auf den zweiten Schritt, die wirkungsgestiitzte Bewertiing, beschrankt. Benierkiing zurri Sprachgebrauch: Der Begriff ,,Gefiihrdung", wie er in Abschnitt 5.1 eingefiihrt wurde, iimfafit alle drei Kategorien von Unsicherheit: Risiken, Ungewiflheit urid Unbestininitheit. Demgegeriiiber beschreibt der Begriff ,,Gefahr" im deutschen Recht eine Situation, iri der ein absehbares Schadensereignis unmittelbar bevorsteht, wahrend der Begriff ,,Risiko" ini Recht Schadensereignisse mit kleiner Eintrittswahrscheinlichkeit und wenig gesicherteni Wissen bezeichnet .G Dieser rechtliche Risikobegriff umfafit sornit auch Aspekte von UngewiBlieit und Unbestimrntheit: wiihrend Gefahr sich konkret auf ein hekanntes und bevorstehendes Schadensereignis bezielit. Der Begriff ,,Gefahrdung". wie er hicr verwendet wird, ist also deiitlich unifassendcr iind weriiger spezifiscli als der rechtlicl-ie Begriff der Gefahr. Weil es jedoch scliwierig ist, bci Uniwelteingriffen so vcrliifiliche Ge-
6. Persiiriliche Mitteilurig von G . Winter, Uriivcrsitiit Bremrn.
75
5 . 2 Methodische Konsequenzen
fahrenprognosen zu stellen, wie der rechtliche Gefahrenbegriff sie verlangt, ist der rechtliche Begriff der Gefahr fur die Bewertung von Umwelteingriffen und ihren Konsequenzen unzureichend (Kloepfer 1998). 5.2.3
Trennung von Reichweite und Emissionsmenge
Wie zii Beginn dicses Kapitels erwahnt, liefert die Persistenz Informationen uber den zeitlichen Korizentrationsverlauf relativ zur anfanglich vorhandeneri Stoffmenge. Dies heiat, die Persistenz beschreibt die Geschwindigkeit der Abbauprozesse, und diese ist in den meisten Fallen unabhangig von der freigesetzten Menge. Bei ansonsten unveranderten Bedingungen hat ein Stoff also dicselbe Persisteriz, wenn ein Gramm und wenn eine Tonne emittiert wird. Dies gilt in analoger Weise auch fur die raumliche Reichweite: Sie beschreibt die Wirksamkeit des Transports in der Umwelt unabhangig von der freigesetzteri Stoffmenge und charakterisiert den raumlichen Konzeritrationsverlauf relativ ziir Konzentration am Freisetzungsort. Aufgrund dieser Eigenschaft sind Persistenz und Reichweite stoffspezifische oder stoffbezogene Gro!3en.7 Nur auf diese Weise konnen sie als Stoffeigenschaften verstanden und Zuni Vergleich und zur Klassifizierung verschiedener Stoffc verwendet werden. Die freigcsetzte Stoffmenge ist demgegeniiber ein zusatzlicher ,,Gewichtungsfaktor", der angibt, welche absolute Konzentrationshohe das Konzentrationsmuster hat, dessen raumliche und zeitliche Ausdehnung von Persistenz und Reichweite beschrieben wird.8
7. Die Bezeichnung ,,stofFbezogen" besagt, daO Persistenz und Reichweite zwar den einzelnen Stoffen und nicht - wie es bei einer mengenabhangigen Definition notwendig ware bestimmteri Freisetzungsereignissen zugeordnet werderi. Sie sirid jedoch keine reinen Stoffeigenschaften, d a ihr Wert durch stoffunabhangige Umwelteiriflusse wie Temperatur, Windgeschwindigkeit, Bodenbeschaffenheit etc. erheblich mitbestimmt wird. Deswegen konnen sie inimer nur in Bezug zu einem spezifischen Kontext bestinimt werden. sei dies eiri spezifisches Freisetzungscreignis wie der Brandunfall vori Schweizerhalle a m 1.11.1986, fur das die Stoffreichweiten im Rhein bestimmt werden konnen, oder ein standardisiertes Szenario, das in eineni Modell berechnet wird. Diese Kontextabhangigkeit besteht jedoch mindestens genauso stark fur auswirkungsbezogene GroDen wie die Toxizitat (chronische oder akute Einwirkung, synergistische Effekte mit anderen Substanzen, Konstitution der betroffenen Organisrnen etc.). ~~
8. Die Freisetzungsnienge fallt bei umweltrelevanten Stoffen, z. B. Pestiziden und Losungsmitteln, vielfach mit der Produktionsmenge zusammen: ,,Es steht auOer Zweifel, daO etwa die gesamte jahrliche Produktion der chlorierten Losungsmittel in die Umwelt eingebracht wird." (Bauer 1989, S.984) "Most of the 17% of acetone produced t h a t is used as solvents will be ultimately released into the environment" (Howard 1991, Vol. 11, S . 10). Diese Menge betragt bei Aceton jahrlich weltweit 400000 Tonnen (Streit 1994, S. 13). Daher erfordert Reduktion der Freisetzungsmenge in solchen Fallen eine Reduktion der Produktionsnienge, sofern niclit sehr wirksame Ruckhaltesysteme entwickelt und eingesetzt werden und die Stoffe nicht auch in geschlossenen Systemen endgultig entsorgt werden. Dieses Ziel ist bei weitein noch riicht erreicht, und die Verniiriderung der Losungsmittelemissionen bleibt eine dringeride Aufgabe (May 1998).
Dicso hIc~rigcni~~i;tbh~~igigk~tit vori R i i n t l T hat. oiiie wirhtigct K o ~ i s o c ~ i ~ ciiri :~~z Hinblick aiif Auswirkiiiigeii: Dcr Beroirh i u i t l tlici Zoittlaiitnr. iri cler (.in Stoff Aiiswirkurigcri aiislost , ist (lurch Konxentratioiis- odor hl~:iigcrisc:liwellcribcygeiixt: scien es Schwc~llciiwcrtt~ fur toxiscdie Wirkurigen oder lediglich Gcriiclisscliwclleii. Diwer Bc:reich iintl diesc Zeittlauer hiirigcn also - irri Gcgensatz xiir Pcmistcriz urid Rcicliwcite c.ines Stoffw von tlvr Frcisctziirigsriicrig~,wb: Bei groBcii Eniissio~ismeiigc~ri wird drr Schwell(!~iwc:rt,in cinc:rii grd3creri Bercicli ii1)ersrhrittcw als twi klcinctrcn Eriiissionsnic~iigeii. Weriri diesctr Brreich. in deni <.in hcsthiintcr St:hwc,llenwtart ('wirk iibersclirittm w i d , diirch cine Distariz D gckc:iirixc.ic~iiit.twirtl. ist (lies(' u.irkiiiigsbexogelic,! Distanz bei kleiiicn Eiriissionsrrit:rigcrl ( Jll in Ablx 5.2) klei1ic.r iiiid h i g r o k n Eriiissioiisnit~rigcrl( ill, in A M . 5.2) griiBer als dic, stoffbezogmr. Reicliwcitr, R . Eiiie solche wirkiiiigsbczogciie odrr nicingcri1,ezogcnc: Distaiiz wild 1iic.r jedorh iiirht vcrwcndet da sic riiclit m i 1 1 St,offvcqleicli gwignct, ist. ~
~
Die durch R iiid T rnarkiertcn Punktr dnd sotilit durch kcine toxikdogiwhe Bmondtcrheit aiirrgczcichnct;Aurrwirkiingeii konimn, jc nwli emittiertcr Mc!ngc, vor oder aiich hiiitcr cliLvJeiiPuiikteii auhroten." Dwm wird dciitlich: Dic!Werte voii R iiiid T dcklaricrcir keiiic! uniiiittclbar wirhrxichnihren Ereigiiirrsc,rsondcrn Pcrsistcm imd Rcichwite siiid S t r e l l ~ j r ~ t ~ t r 1(..pmxg r - I ~ ~~~~c w ~ J u ~ vdie ! . ~wistclk '). ci-
9. Diec gilt
i r i t d fiir idlc tiiwhcr ~wbriirichliclicnUrfiriitioiic:n clcr Perrixkn.: Sic nitgcn riichts iiher dic I h u e r w n Aiirrwirkiingcii i i w . Ucr ft*lilcnclc: direktr Bcriig zirr Auwwirkiiiipebiwc isl idso bei tlcr Pcmintenr riiclit ncu; iir wiirtle jc!cloch Iiinhcr in dcr Literartur riiclit thmnatinicrt.
5 . 3 Zwaschenbalnnz iind Daskussaon
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rier Vielzahl v o ~Einzelbefurideri i zur Exposition und ggf. auch zu den Aiiswirkungen betrachtet werden konrien (Scheringer u. Berg 1994). Durch die Einfiihrung von R und 7 werden also die Aspckte voii hlerige/ Auswirkungen einerseits und Verteilurigsverhalten/Expositiori andererseits entkoppelt. Fur R uiid 7 miissen keine Grenzwerte bestimnit werden, dir ,,schiidliche" harrriloscii" Reichweiten unterscheiden: Je groBer die Reichweite eimr Subvon .~ stanz ist, desto holier ist die Dringlichkeit, mit der die Freisetzungsmerigc rcduziert werdeii sollte; nach Moglichkeit sollten Stoffe mit hoher Reichweite durch solchc rnit geringerer Reichweik ersetzt werden. Vgl. dazu auch Kapitel 8.
5.3
Zwischenbilanz und Diskussion
Bevor in Kapitel 6 Methoden ziir quantititiven Bestinimung vori Persistctnz iind Reichweite eirigefuhrt werden, wird hier eine kiirze Zwischenbilariz zurri bisher vorgestellten Konzept gezogcn: Erstens werden die Irihalte urid Ziele des Konzepts ziisammengefafit, zweitens werden seine Begrerizungen dargestellt, und scliliefilicli werden mogliche MiBverstandnisse angesprochen. 5.3.1
Inhalte und Ziele
Die Frage, wie Nutzen und Nebenfolgen aus dem Cliernikaliengebrauch auf verschiedene Personen iind Gruppen vertcilt sind, ist eine clieiniepolitisclie Griiridfrage und daher auch relevant fur die Cheniikalieribewertung. Insbesonderc geht es aiich darum. ob Chernikalienexpositiorien raunilich und zeitlich verlagert werden. Im Hinblick darauf wurden Persistenz und Reichweite als MeflgriiBen fiir die Ausdehriling urid Dauer von Stoffverteilungen in der Umwelt eingefiihrt. Sie werden auf der Ebene der Umwelteinwirkungen (Expositionen, Immissionen) bestimint und sind als Stoffeigenschaftcn zu verstehen. Umwelteinwirkungen werden als Gcfahrdungen bewertet, so daB Persistenz iind Reichweite als MaBzahlen fur Gefiihrdungen, riicht jedoch fur Schaden interpretiert werden konnen. Die Eigenschaften dieses Konzeptes lasseri sich hinsichtlich deskriptiver iind iiormativcr Seite unterscheiden:
Deslcriptive Seite 0
0
Priivention: Das Konzept ernioglicht eine praventive Stoffbeurteiliing, weil Einwirkungen beurteilt werden konnen, bevor Auswirkungen nianifest werden. AiiBerdem konnen Persistenz und Reichweite noch uor der tatsachlichen Stofffreisetziing aus den Stoffeigenschaften und aus Modellrechnungen ziim Verteilungs- und Abbauverhalten leichter iind damit auch friiher abgeschatzt werden als Auswirkungen. Praktikabilitit, Komplexitiitsreduktion, Umgang rnit Unsicherheit: Die Bestiinmung von Persistenz und Reichweite erfordert einen geringeren Aufwand an Kosten und Zcit als bei die Untersuchung von Auswirkungeri (verschiedene Tierversuche und Okosystemstudieri). Die GroBen R und T konneri leichter aus im
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Labor hestimiiitcn Stoffcigeiischaftcn abgcscliiit,xt wordeii nls Auswirkiiiigshcfiindc. Sie sind weniger iiiisiclior als Answirknngsl)efiisde,weil sich iii dicwn die Urisichcrheitexi aus Expositioiisanalysc iind Wirkimgsanalyse kumulicrcii. Eine StofFbcmtcilmig anhand voii Persisteiiis uiid R.oichwcitc hiin jedarzeit durch gceignete Auswirkuxigshcfiindc, also vor alleiii Toxizit.3ltsdRt.cn.crgilrizt werdm, was oine al>gcstiiftcBeurtcilutig iiiiiglicli mttcht (s. diU11 Kapitctl 8). Sto&lusuifizzenng: Persisterris uiitl Roichwoitc orniiigliclicn cine transpareiite Stoffklwifizicriing (s. clam AbscIinitt 7.5). 111 dicw Klttssifizieriing koniicn vielc vorschiedoiic Stoffe cinbczogcii wcrdeii, da Pcrsistcriz und Reicliweite eiiicn ,,kleinsten genioinsanien Ncniier" aller Stoffc bildcn: Gruiidsatzlicli kaiiii hei j c dcm Stoff hestimmt werden, wic or sich in der Umwctlt vcirteilt, und wic schncll or abgcbaut otlcr . x. B. hei hlctallcn in cine andtw c:licmischc Foriii unigewandclt wird.
Spezifi.wher. Fokas: Parsistcmz niid Reicliweit,ct orfasscii irisbesondere zwei Aspckte von Utlwc.ltvcriindcri~g(!iiclinch Choniihlien, (lie wcnig augonfillig sind: Dies ist crsteiis dia Verdiinniing von St,offcai. dio aufgruiicl dcr Endlichkcit cles globalon Systeiiis kcine Besoitiguiig ist . Sic wird diirch die stoil'bczogctiie Pcrsistenx und Reichwoite dokuincnticrt , iiibcsondcrc~aiicli bc!i uiigiftigm iiiid unbrctnnbaren, schoiiibar harmloson Sii1)stanzeii wic IWKW mid CO2 .") Dor zwcritc Aspekt ist. dcr Zusanimcnliaiig sclictinl>itrlokalcr Expositionen. die iuif ( h e r vc:rl)rc:itc?tcn Vcrwcmhig dorselbon c1icmischc.n Technologie heruhon (A. B. Verwenthaig von ~:KW-Losnti~iiiitt~!~ii). Diesc!r Ziwaninictnhaiig Ii8t sich tlmdi eiiic! konibinicrtc Rcichwcitc! fiir gcisieltoii Transport wid mischlieBonde Vertoilung in (lor Uinwclt erfasscli. Normative Seite Persistciiz i i i i t l Roichwc+w sind hla liloii fiir G(~fi1irtliingcm.iiicht fiir Sdiatlcii. iintl liefkrii clalier wenigcr konkrvte Iiifoririittioiicn iiber dic Folgcii ei1it.r ChcmikaliAileiiciriission, i d s aiiswirkiingsgest,iitztc. 1iitlik;tt~orontlics iiii Eiiizel1;ill vt~riniigc~i. d t r t w c i t s bcsteht bei P t n i s t e n z iintl Rc'ic.liwcitt, eiii st.iirktrcr Bcziig Z I I rior~iiat,ivtw Krit,c,rieri als h i vielw aiiswirkiingsgc:stiitztcri Iiiclikat,ort:ti, weil tliesv Iiidikatorcri illis tler irinrwii Logik Iiatiirwissc:nseliaft lichrr i i n t l t,c&iiischt.r Diszipliiieii i i i i d weriiger ini Hiiil)lick aiif dio Bowtrt,iing vori Handliirigc~iicwtwickelt wiirdoii (vgl. d;tzu SRI: (1Wfja. S. 254)). 10.0 0 2 iind aiich W~Lsscrdanipfsind atniosphiirixchc Spiircwgaw. die. natiirlich vorkoinmeii. Sie sind chemisc:h stadd, in koniplexc! I>iogcwcheinischc*Zyk1c.n cingchiindan iiiid x h r rclcvant fiir clas Erclklirna, uiid sic liaben einc gloldc &?ichwc!ite. Dicw Itciichwcite signulisimt c l a m cine erhc4)lichc I;iiiwcltgcfa~irciung,wenn die tinthropogcnc!n k i t ragc deli atrncmpharischen Celialt erhohcii, wio a ziir &!it bci C0.r dar Fall ist. I)iirch den anthropogcncn Ikitrag ist clcr atniospliiirisclic C!Oz-C:c!lialt in rclativ kiirzer Zeit deut licli angat icgen. imd die duraus rcsultic!renclcn Folgen sind global wirksam. <:riincIsiitxlich gilt. daq Cleiclie fiir Wwserdainpf: Wenn tler atmospharische Ckhalt an Wawxclanipf diircli rnoiischliclie 'I'iit.igkc.it z. I). aiif das Doppcltc tics heiitigen Nivcairs gcsteigc:rt wiircle, wiire clias cin glol)des iind gravierciiidex Ilmweltproblcin.
5 . 3 Zwischenbilanz und Diskussion
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Mit Hilfe von Persistenz und Reichweite kann nach der Beziehung zwischen Verursachern und Betroffenen, Pravention und Verteilungsgerechtigkeit gefragt werden: 0
Wer ist der Urheber einer Cheniikalienexposition? Wie gut ist das Verursacherprinzip anwendbar? Inwieweit ist das Vorsorgeprinzip berucksichtigt? Wird bei der Chemikalienentwicklung und beim Chemikaliengebraucli praventiv gedacht?
0
0
Fur wie lange bleibt eine Einwirkung bestehen, die aus eineni Umwelteingriff resultieren kann? Wer ist von den aus einem Uniwelteingriff resultierenden Einwirkurigen betroffen? Wie sind Nutzen und Umwelteinwirkungen auf NutznieBer urid zusfftzlich Betroffene verteilt?
Diese Frageri beziehen sich auf den Zusarnmenhang zwischen auslosendcm Umwelteingriff und resultierenden Umwelteinwirkungen (Gefahrdungen) und erganzen die bislang bei der Bewertung von Umweltveranderurigen dominierenden Fragen nach Schadensart iind -1iohe. Dadiirch wird die auswirkungsgestutzte Bewertung durch eine zusatzliche Bewertung auf den Ebcnen von Umwelteingriff und Umwelteinwirkungen ergarizt . Anhand solcher Informationen uber Dauer, Ausdehriung iind Hohe von Einwirkungen konrien Ausloser und Betrofferie im Hinblick auf Verteilungsgcrechtigkeit, zureichende Vorsorge etc. uber Ort, Dauer und Umfang von Chemikalienfreisetzmigen verhandeln. Das Bewertungsverfahren ist dann nicht allein auf den Nachweis angewiesen, daB eine Chemikaliencxposition okologisch bedenklich oder unbedenklich ist. Dies ist insofern hilfreich, als diese okologische Bedenklichkeit vielfach erst im Einzelfall uberhaupt definiert werden kann, iind der wissenschaftliche Nachweis i. a. langwierig ist. Gerade wcnn die Beurteilung cines Umwelteingriffs wissenschaftlich strittig ist, hat die Qualitat des Verfahrens, in dem uber den Eingriff entschieden wird, neben der Frage der okologischen Effekte eine crhebliche Bedeutung (Majone 1982).
5.3.2
Grenzen
Eine erste Grenzc des hier vorgestellten Konzepts ist die Beschrankung auf Gcfahrdungen. Die Betrachtung von Gefahrdungen anstelle vori Schiiden bedeutet, daB die betrachteten Umweltveranderungen deskriptiv uberschaubarer werden, aber auch, daB sie in weniger aussagekraftiger Weise bewertet werden: Eine Gefahrdung bedeutet keinen tatsachlichen Schaden bzw. nicht jede Gefahrdung mu6 zii c' mern Schadeii fuhren. Umweltschaden sind allerdings in vielen Fallen nicht bekannt oder nicht einmal definiert, so daB die Betrachtung von Gefahrdungen einer vijlligen Unbestimmtheit vorzuziehen ist. Weiterhin sagen Persistenz und Reichweite nichts uber Wirkungen aus (dies ist, die entsprechende Begrerizung auf deskriptiver Seite). Aus niedriger Persisteiu uiid Reichweite foIgt nicht, daB eine Substanz harmlos ist. Persistenz iind Reichweite
w t d e i i ails ExI~ositioiisdatc,iilwstiiiiiiit : sic1 l)ozic+oii sich allviii aiif clah Vertciliiiigsvt.r~ialt,c,iiiiiitl div Laiiglebigkeit, c4iicr Sul)stanz. iilso itiif ilirc Ariwescwhcit in t l u Uiiiwelt. Uhcr das Auftrcteii voii Auswirkuiigen ist ditiiiit iioch kvirir. Aussage gc$roffm. Es gibt zahlreiclic. Stoffe Init klvineii Rciclivwitm. tlic toxiscli. k m ~ i i n bar odw in iiiidcwr \V&e prohltmiatisc.li siiid. Dies(, Stoffci iiiiisseii iiiihitiid tlicwr Eigciisdiaftcw hciirtcilt werdcn: vgl. ditzu iIiicli Abscliiiittv 8.1 iind 8.2. ns liofcrii Pcrsisteiiz iiricl Reicliweitc: keiiie Iiiforiiiiit,ioii iibcr die Hiilir, cler Exposit ion. Sic iiiiisscii da1ic.r diirch Aiigabcw ziir Eiiiissioiisiiiciiige. ziir Eiiiissioiisdiiiit‘r iiiid ziiiri Eiriissioiisiiiiistcr c:rgiiiizt w c x h . Sehlic~flliclilwst iiriiiit iiolwii d ~ Vt,rtt:iliiiig r iii der Uiiiwdt aiicli dio Aiiznlil i i n d Vtdx-oit,iing dcr Einittcmtcii das Expositioiisiriiister. i i i i d zwar iiiiiso st,iirkt.r. ,jo gcriiigcr die, stof€bcw)gtwc, Rrichwcite ist. Dtwvegcw IiiiiBte t l i r stof€b(:zogciiv Rvicdiwc,it,c:. dic, hicr iiii Vorclc:rgriiiitl stelit. bei vielcii S t o h i diirch vine ,,iikoiiorriisclie Roirhwt,ite” ty+zt w m k i i . Dniiiit kijiirito dic iii A1)scliiiitt 4.3 c,iiigc,fiilirte koiii1)iiiicrto Rcichveit v aiif (:in(. 1)esscw Griiiltllitge gvst t wcwlrii. E i w ..iikoiioriiische Rtichwc.itc” liiflt sidi ,j(docli niclit iiiit rein iiatiirw t~iis~liiIft lic-lien hIetliodeii 1 ~ st,iirinim. soiiderii c.rfordert c.inc TJnttrsiickiiing tior gczicltcw V(.rt d i i i i g voii Stoff’vri vor ~ i i i t lwiilirend t l GchriLiiCliS. ~
’’
5.3.3
Mogliche MiDverstandnisse
Eiiie wichtigc Frage fiir tliv Diskiissioii dcs Rcic,lir~citc,ii-Eoiizcpts1aiitt.t iiiwicwcit iiiitiirwissciisc:haftlicl-lc. hlcf3griiBcm wir. Persisteiiz i i n d Rcichwc~itc~ geeigiiet siiid. noriiiiitivc, Prinzipioii aufiiineliirien iind iri d m eiiipirischi Bt w i di zii ,,vcrl~irigc~rn”. Wcdcii dalwi eiiipirisdier i i r i d iiori~iittivvr Bc:rcic.li riiclit iii iiii~~iigeiri(’ss(~ii(~r Wvise vc.rniischt? Werd(w (lit: noriiiativcn Priiizipieii iiiclit, in zii stiirrcr iVeisc, fixicrt ..c,ingck;tpsclt”? N’ertlcn diircli tlic BoschrRiikiiiig aiif Uiiiwcltc.iiiu.irkiingc.ri sowic a i i f riiiiriilichc uiid zeit lichc Reic-hwcit,c.als Iiidikatoroii riiclit aiicli dit. cwpirisclien Siicllvcrlialtc. zii stark srhc~iiiatisiort. ..ziircc,litgcstiitzt”? Di\zli folgcntl(. Erliiiitcriiiigm: ~
1. G(w~rel1ist (’s das Zicl jede7. 0pc.ratiorialisic.riiiig iioriii;rtivor Priiizipim, divse Priiizipicw zii ..verliirigorri“. damit gepriift wc~dciikaiiii. 01) ( i n m i pi ziist,c,llciitlrr Siich\rt:rhalt, gcgcii ciric cthiscliv Piorill vcwtiif3t. Noriiiat,iver iiiid deskript iver Bcvicli wc~clcnt1;ilx.i iiicht veriiiisclit . soiiclcmi gckopprlt. i u i d zwar voii cincr cxplizit ;iiisgc:wiesc:iicn riorrnat,iveii Griiiidlagt. aiis. Die iioriliiLtivc Interpretation cmpiriscli cmnittc>ltcr Rc~icliweitcmM d e t itlso X.ci711.71 natiiralistisclitm Ft>hlsc:liliifl.
11. Ballschniter (19!J2. S. 509) fiihrt. t h e n 'l'ransporttc!riii ..W'c4thaiideI" niif. Berg (1 !J97) fiilirt konkret cine riiunilicho rtcicliweite fur dilr System clcr glol)aleii ~rdoltransportschiffahrt cin iind I)c.stiinnit sic. anhancl von hiodollrechiiiingc~ii quantitativ. V6gl ct al. (19YJ)bestiinmcn die Vertoilung von Liisungsniittelii durc:h Distribution nncl Vwwcridung in vcrschicxlenc!n I&iiiigsrnittclhaltigen Prodiiktc!n.
5 . 3 Zwischenbzlaru und Diskussaon
81
2. Indem hier Persistenz und Reichweite zur Urrisetzung von Gerechtigkeitsprinzipien verwendet werden, wird durchaus nicht ausgeschlossen, daB diese Gerechtigkeitsprinzipien auch Init Hilfe anderer Indikatoren operationalisiert werden konnen. Eine Moglichkeit sind z. B . epidemiologische Untersuchungen, mit denen Auswirkungen erfaDt werden solleri (vgl. den Arisatz vori L. Schafer in Abschnitt 4.2.2). Insbesondere konnen (und sollten) die Gerechtigkeitsprinzipien in jedern zu behandelnden Eirizelfall explizit auf zusatzliche Befunde, insbesoridere auch aiif geeignete Aiiswirkiingsbefunde, angewendet werden, so daB eine differenzierte Bewerturig des Einzelfalls rnoglich wird. Persistenz und Reichweite sind demgegenuber als allgemein formulierte LeitgroDen gedacht, die eine erste 0rient)ierung geben sollen. Es ist nicht das Ziel des Reichweiten-Konzepts, die umweltpolitische Diskussion zu umgehen und einen ,,KurzschluD" zwischen norrriativen Prinzipien wie dem kategorischen Imperativ und zulassigen und unzulassigen Umwelteingriffen herzustellen. Es geht vielmehr darum, fiir die umweltpolitische Diskussion iind fur partizipative Verfahren zur diskursiven Bewaltigung von Umweltproblemen eirien inhaltlichen Beitrag zu liefern: Partizipative Verfahren bilden einen essentiellen verfuhrensmujligen Rahmen, in dem uber Art, AusmaB und Zulksigkeit von Umwelteingriffen verhandelt werden kann. Allerdings stehen rnit diesen1 Rahmen nicht auch schon die Argumente und Entscheidungskriterien zur Verfugung, die eine solchc Diskussion ebenfalls benotigt. Vor diesem Hintergrurid sol1 das Reichweiten-Konzept eine Argumentationshilfe liefern, mit der die riorniativ und deskriptiv sehr komplexe Probleinatik umweltverandcrnden Haridelns strukturiert werden kann. 3. Mit der Beschrankung auf Einwirkungeri sollen Auswirkungen riicht geringgeschatzt und toxikologische Befunde nicht ignoriert werden. Die Beschrankung auf Einwirkungen ware nicht notig, wenn feststunde, welche Auswirkungen fur die Chemikalienbewerturig relevant sind, iirid wenn die zugehorigen Dosis-Wirkungs-Beziehungen bekannt waren. Urnweltverarideriingen durch arithropogene Chemikalien urnfassen jedoch sehr vie1 mehr Phanomene als riur die Auswirkungen bei eirizelnen Organismeri bestimmter Spezies. Weil uniibersehbar viele Spezies und Okosysteme betrofferi sind. kanri nicht ohne weiteres entschieden werden, welche Auswirkungen relevant sind. Zudem bewirkeri weitrauniige Expositionen niit niedriger Konzentration iiberwiegend chronische, urischarf ausgepragte, sich uberlagernde Auswirkungen. die nicht mehr signifikant erfaBt und kausal zugerechnet werden konneri, auch wenn dies der intuitiv plausiblere Zugang zur Bewertung vori Umweltchemikalien ware (s. Abschnitte 3.3.1 und 3.4.1). Dies sind die Hauptargumente, im Rahmen des Reichweiten-Konzepts eine Argumentation zu entwickeln, die sich nicht auf Auswirkungen stutzt. 4. Was besagt das Reichweiten-Konzept fur einzelne konkrete, oftnials auswirkungsbezogene Problenistellungen, wo z. B. die Fischtoxizitat eines Stoffs in1 Vordergrund steht? Da solchc Probleme oft lokal hegrenzt sind, ergebeii sich
82
fiir sie klcirit: Rcicliweitt:ii, uiid d i t s Koiizcpt sclir+it fiir i hw Bewrtiiiig nidits aiisziisagoii. Bvi vit:len konkrrten Prol)lcriistc,lluiigen ist, (lurch klar c.rkciiiil)art Intorcssen (z. B. x i tlcr Niitziiiig v o ~ iFischl~est,;tndt~ri). (lit. d1irc.h ciiien Uiiiwelteingriff verlctzt werdm, ein BewertlirigsirixBstal, gegc>beii.Soldic: Bt.wertiingsni;ifist~~~)e kijiineii jcdoch incistens iiicht wuf a i i d ~ r cProblemst clliiiigeri iibert rageri wertlcn. d. h. sie licferii kein verallgernciiit.rl)arcs Bewcrtuiigskoiizept . Did3 lokale Effekt c spc>zifisclibctraclitet iiiid hwrteilt w t ~ d c i iiiiusscw hcifit jedoch nndercrseits iiicht,, daB die Ges;trntexI)ositiori thirch antliropogcme Cliemikalien vollstiintlig in lokalc Exposit ionen zerfiillt . xwisclic~ritlcnen kein Zusariiinenhang bestcht. Erstens giht es Siil)st,tiriz(w Iriit erlic~blic.hc.rist~ofllcwgenc:ri R.eichwc~itcri.dic iinahharigig vom Frt,iset,aiiiigsiiiiistt~rlarigreicliwcitige und larigfristigc Exposit,ioncri bewirkeri. Zwoit,ctris werclcn aiich (lurch Siibst ailze11 iiiit gc:ririger st,off%czogcric~r Rcichwite wcitrii,iiiiiige Expositionen aiisgf.liist, weiiii diw Frc,isct.zurigsrriiistctrvielc gest rcutv Emit tcrit.c~iimifafit . Allerclings ist, dio Fragc:, wit: tlas Freisc:txiirigsmiister systcinatisc:h in (lie Stofiriirteilring (binbmogen wcrtlcm kaiiri. wie vrwiihiit nocli wcitgeh(vic1 offm.
Kapitel 6 Quantitative Bestimmung von Persistenz und Reichweite Zeitlicher und raumlicher Konzentrationsverlauf
6.1
Nach den methodischen und ethischen Ausfuhrungen der vorangehenden Kapitel und der ersten Illustration mit dem Beispiel FCKW wird nun die Frage behandelt, wie sich Persistenz und Reichweite aus Konzentrationswerten quantitativ bestimmen lassen. Zu diesem Zweck werden Verfahren benotigt, mit denen der zeitliche und raumliche Konzentrationsverlauf adaquat iind informativ charakterisiert werden kann. Diese Frage ist unabhangig davon, wie diese Konzentrationswerte bestimmt wurden; sie konnen entweder analytisch gemessen oder im Rahmen eines Modells berechnet worden sein. In diesem Kapitel werden daher noch keine Modellrechnungen durchgefuhrt und keine Annahmen zum Mechanismus von Abbau- und Transportprozessen getroffen. Es ist wichtig, zwischen einerseits einzelnen Modellen oder M e h e r f a h e n und andererseits den Indikatoren Persistenz und Reichweite oder anderen Indikatoren, die im Rahmen einer bestimmten Fragestellung zweckmafiig sind zu unterscheiden: Persistenz und Reichweite korinen zwar nicht ohne Riickgriff auf Modelle und/oder Messungen bestimnit werden, aber ihre Relevanz und Aussagekraft ist nicht allein an die Eigenschaften eines spezifischen Modells oder Meherfahrens geknupft . ~
~
6.1.1
Bestehende Persistenz-Definitionen
Bei den gangigen experimentellen Verfahren zur Bestimmung der Persistenz wird eine definierte Ausgangsmenge der betrachteten Substanz verschiedenen Abbauprozessen unterworfen, z. B. aerobem biologischem Abbau wahrend funf Tagen, der den biologischen Sauerstofiedarf (BSB 5 ) liefert, oder chemischem Abbau, der den chemischen Sauerstomedarf (CSB) liefert. Es gibt eine ganze Reihe von Abbautests, die z. T. auch durch die OECD normiert wurden (OECD 1992) und die sich in der experimentellen Anordnung und der Zeitdauer unterscheiden. Wenn man weiterhin annimmt, dal3 der Abbau nach einer Kinetik 1 . Ordnung verlauft, so daO die Stoffmenge oder StoEkonzentration mit einer exponentiell fallenden Funktion c ( t ) = co e-n't abnimmt, kann aus den gemessenen Werten die Geschwindigkeitskonstante oder Abbaurate K und die Halbwertszeit t l l 2 = In 21"
bercclirirtt werdcn. (Eheriso kiiriiieri aiich aiiderc. char~ikterihtiscli(,Zeitcii c1c.s Ahbaus herechnet, wertlcri, z. B. tc15%, .) Ncberi hlefjwc3rteri wie ( l ( ~ rC:SB i uric1 deni B S B ~ werden haufig K iirid t l p zur Angatbe dcr Persisteriz 7 t)enut,zt (Vcrscliiieren 1983, Rippen 1987, Howard et al. 1991, Mackay et al. 1995). Alle dicse GrijBeri charakterisiercri den zeitlichen Konzcntratiorisabfall. wie er in AM). 6.1 dargc.stellt ist. Konzentration
dr)
t
Abbzlduny 6. 1: Exponcntiell at,nehrncride Konzent ration c ( t ) i i r i Verliiuf der Zeit riiit Haltiwertszeit t I l 2 .
Modellc fur das Verteiliings- urid Abbaiiverhalten stiitzcii sich auf solclle Abbauraten K urid bercchntri das Zusainmeiispiel vcrscliicdencr Athtiiprozessc. Auf diese Weise kann dio Persisteriz eines Stoffcs in tirierri idea1isiertt:n hlodellsysterri bercchnct wertlen. s. dazu Abschriittc 6.2 und 6.3.2.
6.1.2
Raumlicher Konzentrationsverlauf
I m Gcgerisatz ziir Persisteriz stehen bislang kcinc, hlcBgriiBen zur Vr.rfiigimg, n i t , denen die ritumliche Konzeritratioiisvertr:iluriRcharaktcrisiert wcrdcii kanii. Diw inag darriit zusaIrirrir:riliarigeri, daD sich dcr raurriliche Korizcntrittiorisverlaiif in tiiiiigeii Piinkten voni zeitliclien unterscheidct : 0
Die Stoffvcrteiliiiig i r i i Rauiii kann in vt~rschic~deric Riclitiingcii erfolgcn. so dal) ent,wc:tler cine koritaniiriiertc Flache otltlr einc korituniriitx-te Distanz bestirnrrit werderi mui3. Weiiri der Stofft,ransport iri alleri Richt iingcw ungefiihr gleicli stark ablauft, harigen Distanz und Fliiclit: dirckt zusarnnioii (Ridills iind Fliiche eines Kreisos): werin dcr Transport in vcmchiedenc~Richt,iingeii verschiedcn stark ist. niui3 hingegen cinc nnrcgelni%fiige Flachc best,iinriit wertlen. Nur wmin eirie einzigc Transpurtrichtungitung doniiniert wie twiin St.offt.raiisport,in einem Flu& Alinrlt die rauniliche Korizeritratiorisverteilung- den1 zcitlic1it:ri Koiizerit,ratioIisverlaiif in Abh. 6.1, s. dazii das Btispitl vori Disulfoton ini Rliciri. das m f S. 97 betrachtrt wird.
6.1 Zeitlicher und raumlacher Konzentrationsverlauf
0
0
85
Die groate Distanz, die zuruckgelegt werden kann, ist der halbe Erdumfang, d. h. die raumliche Reichweite hat einen Maximalwert, wahrend die Persistenz unbeschrankt ist. Auch bei ei~iereinzelnen stoaformigen Emission, die zeitlich immer zu einer abnehmenden Konzentrationskurve fuhrt (es findet nur Stoffabbau statt, keine Stoffvermehrung), ist es moglich, daD ein raumlich ah- und wieder zunehmender Konzentrationsverlauf entsteht oder aber daB die hochste Konzentration gar nicht am Freisetzungsort auftritt. Dies ist z. B. bei einer wandernden Schadstoffwolke dcr Fall, die sich erst in einer gewissen Entfernung von der Quelle absetzt. Man kann also nicht ohne weiteres von einer ,,Halbwerts-Distanz" in Analogie zur Halbwertszeit sprechen, d a eine solche Halbwerts-Distanz nicht fur alle raumlichen Konzentrationsverteilungen bestimmt werden kann (s. Abb. 6.2 und Abschnit t 6.3.3).
Konzentration 'j
Abbzldung 6.2: Beispiel fur einen raumlichen Konzentrationsverlauf (schernatisch), fur den keine eindeutige Halbwertsdistanz bestimnlt werden kann.
Der raumliche Konzentrationsverlauf zeigt somit eine groaere Variabilitat als der zeitliche, und es ist weniger offensichtlich, welche Groaen geeignet sind, um ihn zii charakterisieren. (Allerdings ist auch der tatsachliche zeitliche Konzentrationsverlauf in der Umwelt deutlich vielfaltiger, als einzelne Abbautests vermiiten lassen: Da die Reaktionsbedingungen in der Umwelt stark variieren, setzt sich der Gesamtabbau aus vielen verschiedenen Einzelreaktionen zusammen. Wenn ein Stoff in die Umwelt freigesetzt wird, ist daher i.a. nicht zu erwarten, daB er, wenn man das Abbauverhalten experimentell verfolgt, dieselbe Persistenz aufweist wie in einem Labortest. Tatsachlich miifiten also zahlreiche Abbauraten tci zu einer Gesamtreaktion zusammengefaat werden. Auch diese Gesamtreaktion fuhrt allerdings immer zu einem abnehmenden zeitlichen Konzentrationsverlauf.) Aufierdem ist es nicht moglich, weitraumigen Transport im Labor zu untersuchen, und auch seine Modellierung ist relativ aufwendig (vgl. Abschnitt 7.1). Schliealich wird vielfach angenommen, da!3 das Transportverhalten eines Stoffes bereits an-
haiid scinttr Ptrsisteiiz uritl der ~~hysikalisc:li-clieriiiscli~~ii Eigtwschaften iIbgescliiitzt wertlen kitrin. Diese Arinalinie boriiht darauf, daB ,jcder StofftritIisport Zcit bcniitigt, so (la0 pcrsisterite Stoffe weiter traiisportitlrt wc~derials kiirzlebige. Arich weiiri diese Utm-legtirig griiridsiitzlich zutrifft, ist das rmle Trarisportverlialtclii voii Uniweltcheinikalicn doc11 so koiriplcx. daf.3 cine eigenc Keniizahl fiir div riiuinlichc Stoffvertcilung durchaus iiicht redundant ziir Pcrsist,eriz ist. 6.1.3
Konzentration und Exposition
Die Variabilitiit der Umu,cltbediriguiigen fiilirt wie xiivor cwvahnt. dazii. dai3 div Persistenz von Ort zii Ort stark variicren kann. In glcicher bleiht, aiich die riiiiriilichn Konxentriitiorisverteiliing i. a. riicht w i t licli korist sich. w e m sich die Konzentratiorien iiiifgrtlrid dcr Vertcliluiigs- t i r i d Abl)auprozcssc veriindern. Ziis;ttzlic.li kaiiii sie itiich diidiir(.li flukt,uicrcw. dai5 sich (lie A1)biIii- iirid Transportproxesse sttlhst zcitlich veriinderii, z. B. irn Vcrlauf der .JiLliresxriteii. Die Korizentratiori in tlrr Uriiwelt fliiktiiivrt also sowohl in raunilicher als aiicli in zeitlichcr Hinsicht stark. Diese Fluktiiation 1riuf.j in lxtiden Dinir:iisiorieii eiri Stiick wcit uritcrtlriickt wwderi. werin die Wertc.. tiie fiir Pcrsistenz iind Reichwr.ittx bestirrirnt wcrdeii, von riicht zii violen Fiikt,or(:ii ab1iiiiigr:ri sollen: allc>rtlingsgeht dabei auch dw Bezug zu (,int?r spczifischen Uinwc,lt.sitii;ltioIi vcrlorcm. tenx ist t1ic.s rniiglich, indeiri sie iiicht iiiir fiir Einzcheaktioncm z. B. in tirieni best irnrntcw Botlontyp errriittelt wird, soiidcrn als Gesitliitpersistcriz definiert wird, tlic, die zeitliche A h a h n i e dcr Ge.sr~mt,st~~,ffmr:rrge iri eineni gcwisseii System lxtschrcibt (Vorschlag vori Kliipffer (1993a)). Die Ahiahiiiv diestxr Gcmrntstoffnieiige in cineni Systoin ails Botlc~i,Witsser iirid Liift sot,zt sicli aiis vieleii verschicdencxi Bvitriigcii zusmirriori. derttii HtIt,orogcwitat cliirch tiie Ziisariiirierifassiirig zii tinerri cirizigcn ProzcB jcdoch herausgeniittelt wirc a vs rclativ schwicrig ist,, die. Stoffvcrteiliiiig iiiid -al)riahrrie in grdkrcm Uniwelt cincm experinicmtell iibcr larigere Zeit zii verfolgen, I)ietcw sich fiir dici Bc!stiiriiriiirig c i w r solclien Gesanit,persistoriz hlodellrechiiiinffcri itn. Diescr Ansntz w i d hivr v e r u w d t t : vgl. dam Abschiiitt 6.3.2: wo dic. Persistcnz als Kt~rinzithlder abrit~limeiitlenGrsaiiit.stoffiiieiig(~ dcfniert wird. iind Ahschiiitt 7.3.2, wo chs Rlod(4l 1wsc.hrit.hcn w i d Bei dcr raiiirilichrri Koiizeiitr;Ltioiisvertc.iliing ist es inoglicli. (lit, Koiizeiitratioii an ,jedern Ort ,j ii1)c.r eincw Zcit,raiirii [ t l f~2 ] zii verfolgcw i i i i d aiif dies(. Wcisc. dic ~
t2
En;~wsitl;~m eJ = ,f c , ( t )fit z i i bchrriiiicn. Die Exposition hsc:hrcil)t
iiiir
riocli das
tl
Produkt, itus dcr St,offniorige, (lie i n i Iiitcrvall I t ) ,t 2 ] it111 Ort j vorharideii war, und der Zoitdaiier vori t bis f 2 : sic, liefvrt, 1iingc.geii keiiic, Inforination iibcr dcri Zcitverlaiif dcr Kolix~~I1trittioii. Weiiii iiber sehr larigo Zeitriiiiriic iiitegricrt wird
1. “.4ny rlcygdiition. (.it tier as t i photolytic or a Iiydrolytic prowss. rcwctioli with 0 1 1 radicals or iirry biotransforrriat,i(iri. citri sliorttrii t h e t.irne av;iilablc: for the t ransl)ort of i i rnolc~culc.Cli(:mical stabilit,y. or its it is cnlletl in cnvirorirntmt.al chc~inist,ry.‘persistcncc,’ or ‘rc,sirlencc, time’. is thc, basic rcquircwicmt for spri~itclingi r i the c ~ n v i r o i i i i i ~ ~ n t(Ballsc.Irinit .“ t~ 1991 S.7)
.
87
6.2 Emtsstonsszenarten
bei Modellrechnungen kann iiber das ganze Interval1 [ t l ,co[integriert werden -, ist die resultierende Gesamtexposition ganzlich unabhangig von der Zeit. In Kapitel 7 wird die raumliche Reichweite aus solchen zeitunabhangigen Expositionsverteilungen bestimmt. Dies ist jedoch keine grundsatzliche Festlegung. Wenn man kurzere Zeitintervalle oder die Konzentrationswerte ganz ohne zeitliche Integration zugrundelegt, bezieht sich die raumliche Reichweite auf einen bestimmten Zeitpunkt, und man kann auch ihre zeitliche Veranderung verfolgen. Der Ubergang von der raumlich und zeitlich variablen Konzentration zur Gesamtstoffmenge M ( t ), aus der dann die ortsunabhangige Gesamtpersistenz berechnet wird, filtert also die raumliche Variation der Konzentrationswerte heraus. Analog wird durch die Berechnung der Exposition e J , aus der die zeitunabhangige raumliche Reichweite bestimmt wird, die zeitliche Variation der Konzentrationswerte nivelliert .
6.2
Emissionsszenarien
Bei der Untersuchung des raumlichen und zeitlichen Konzentrationsverlaufs konnen zwei idealisierte Szenarien unterschieden werden: Das eine ist die stofi- oder pulsformige Freisetzung einer gewissen Stoffmenge (hier mit Mo , in kg, bezeichnet), die sich nach der Freisetzung raumlich verteilt und im Lauf der Zeit abgebaut wird und schliefilich verschwindet. Das andere Szenario ist die kontinuierliche Emission einer bestimmten Stoffmenge pro Zeiteinheit (z. B. in kg/Tag), die solange zu einem Anstieg der Konzeritrationen in der Umwelt fiihrt, bis durch die Abbaiiprozesse genauso vie1 Stoff abgebaut wird, wie emittiert wird (Flieflgleichgewicht oder steady
state). In der Realitat uberlagern sich diese beiden Szenarien: Die meisten Stoffe werden in einer komplizierten Abfolge von einzelnen Freisetzungen emittiert, die sich mit zeitlich und ortlich variierenden kontinuierlichen Freisetzungen uberlagern. Fur konzeptionelle Betrachtungen sind beide Szenarien jedoch eine sinnvolle Vereinfachung. die es ermoglicht, das Stoffverhalten konsistent zu modellieren und Groflen wie Persistenz und Reichweite untcr konsistenten und iiberschaubaren Bedingungen zu berechnen. Das Szenario ,,Flieflgleichgewicht" ist fur viele Stoffe, die im Alltagsgebrauch verwendet und freigesetzt werden, das realistischere; das Puls-Szenario beschreibt demgegeniiber, wenn man es realistisch interpretiert, einen Storfall mit einmaliger Stofffreisetzung. Bei der mathematischen Modellierung des Stoffverhaltens sind beide Szenarien jedoch weitgehend aquivalent, und auch die Berechnung von Persistenz und Reichweite kann mit beiden Szenarien erfolgen. Beini Puls-Szenario beschreibt die Persisteriz unmittelbar anschaiilich die Abnahrne der Stoffmenge, die nach der Emission in der Umwelt vorhanden ist, s. Abb. 6.1. Die raumliche Reichweite kann entweder zeituriabhangig aus der raum03
lichen Verteilung der Expositionswerte e j
cj ( t )d t bestimmt werden (dieses
= tl
Iiitogral kariii lwi piilsfiiriiiigctr Freisrtziuig Iierechnc>t w ~ r d o n ) .o d ( ~ sie kaini als zoitiLl)hiingigt: GriiBe ails d ~ riiiimlichc~Ii r Vvrteilung tlvr KolizclitriIt ionrm cJ ( t ) vrrnittelt, werdcn. Btiirn Fliej~glcic.l-igwiclittxsdireibt dici Persistenz iiirlit, dit: Konzt:ntratiorisal)nwhriie. sondorn die mittlrrc Aiifentlidtszcit. dic t l w Stoff in clw Urnwclt hat. Dic. Urriwelt wird dabei als (.in Reservoir I)t:trachtet,. das bis zii (+irr bestirnnitcm Hiihc, der .stend?i-state-Koriz(~iitration,,,gcfiillt" ist uric1 tlas voin St,off in cinctr (haraktcristischen Zeit , der Pcrsistenz, diirchst,riirnt wird. Die rauniliche Reicliwcit,c kaiiri in diesern Szeriario ails der Vert,ciliirig der zvitlicli koristaiitcii steady-stateKo1izeritratioiic.n liestimrnt wtlrden. Div Rcsultat,c>.die auf dicw Weise erhalten wcrclen, sind itlcntisch zu doncn aus tlcr1i Pills-Szeiiario. Irri folgenderi wird hier das Puls-Szonario rnit dcr Emission (lor Stoffnwngc. Mo a11 ctiimm eirizigori O r t betra.t:htet, und Ptwist,enz i i r i t l R.cichweite wcrden fiir t l i t w s Sz(wario defiriiert. Auch die, nIodellreeliiiiirigen in Kapitrl 7 wcrtloii iiberwiogcwd fiir clioses Szcniuio diirchgc~fiihrt. Diesc Einschrankuiig niacht die, Diskiissioii iilwrsicht,licher, ist j d o c h niclit als griindsiitzliche BeschrAiikung zii vcnteheri. Dio Einscliriinkiing auf e i n w einzigeii Eiriit,teriten lwdciitet. daB 1iic.r zuriachst, iiiir die stofhezogcncx Reichweit,c, betraclitct wird. riiclit jcclorh die koin1)inierte Rcirliwcitc: in die rie1)cw der Stoffvc,rteilung ill der Urnwolt wiirh der Abstaiid der Emitttxitcrl cingeht (s. Abschnitt 4.3). E i w Definition fiir dic konhiliicrte Reicliwcitc wird itin Eride tlicscs Kapitcls in Alisdinitt 6.3.4 gt>gc4)en, und in Abschriitt 7.6 wirtl die kornbinierte raurnliclie Reicliwoit,e fur drvi Siilxtarizeri niit uriterschicdlichcr stoffbezogcntr Reichwcit,e herechiict . Schlieillicli ist rioch festziihalten. daij ini folgentlrn diircligiirigig diskrete Expositiorisverteiliirigcri betraclitet werden, t l . 11. tlas Gcsanitsvsteni, iii dcrri die Vt:rt,c+ lungsdynamik vori Uniweltchctrrii~li~~ii ii~it,orsiichtwird, wird nicht, i d s Kontiiiiiinn lioliandelt. soiidcrn in n Tdvoliiniinn, d c r Griifie I!,, zc.rlegt. Rlit, c~~ wird die. Exposition ini Voliinien Iiczctichnet: cJ ( t ) urid 7 n J ( t ) = c:, ( t ) . o J liezeichnon tlic. Korizentration i i i i d die Stoffincnge irri Voliimcn ziiin Zeitpiinkt, f . V = X J , ~ - ) ist das Gesanit,voliimen t k s 1ictrachtrtc:ri Systems, M ( t ) = C , w J( t ) ist clio 1111 Syst,cni enthalt,c~ncGesarritst,offniengc zinn Zeitpunkt, t . Der Indcx ,j , der cliv T ( i volilniina beztichnet . wird g l d i z e i t i g als rizumlichc. Koordinate vt.rwendet . ~
7
)
11)
6.3 6.3.1
Definitionen von Persistenz und Reichweite Verteilungsmarjzahlen
Bt9i der Persistonz ist cs iri gttwisserri Siiiiicb widetit daB G r d h wiv die Halbwwtszeit tiazu gctoigiictt sind, c:incIi Kurveiivclrlaiif wir in Ahb. 6.1 zii c:iiuraktcrisit:rcii. Andcrerseits zcigt tler Blick iiilf raunilic:lw Vorteiliirigc,ii, daf.3 bci r~iiinilicheriVort,ci1111ig(mnicht rnclir oline wcitxws von ciiic.r i i d o g e l i ..H;lll)wrrtsdistwriz'; gesprochm werden kann (s. Abb. 6.2). Daher ist es sinnvoll. vcrschiedenc RI&ahleii, tlic grundsiitzlicli zur Charaktorisierung von Vcrteilurigcri in Fragc' koninien, zii vergleichcn, bcvor Definitiorieii fur Persistcnz und Reicliweite festgolcgt#werderi. Solche Vertc~iliiiigsrria~~zalilcii
6.3 Dejinitionen
71071
Persistenz u n d Reichweite
89
sind LagemaBe wie der Mittelwert, der Median oder der Modus; StreuungsmaBe wie die Standardabweichung sowie MaBe fur die Schiefe oder Asymmetrie und fur die Wolbung oder Steilheit einer Verteilung (Ferschl 1978, Zar 1984). Alle diese MaBzahlen haben verschiedene Eigenschaften, und die Wahl einer geeigneten MaBzahl hangt a b von den Eigenschaften der Verteilung und dem Zweck, dem die Charakterisierung der Verteilung dient.'
Mittelwert und Standardabweichung: Dies sind die ublichsten MaBe, die verwendet werden, um eine Verteilung zu charakterisieren. Der Mittelwert (arithmetisches Mittel, ,,Durchschnitt") ist ein reines LagemaB, das keine Information daruber enthalt, wo die einzelnen Beitrage im Verhaltnis zum Mittelwert liegen. Die Standardabweichung ist das zugehorige Streuungsmafi, das die mittlere Streuung der Einzelwerte relativ zum Mittelwert angibt. Mittelwert und Standardabweichung konnen fur beliebige Verteilungen bestimmt werden, sie sind jedoch nicht robust, d. h. sie werden durch wenige stark abweichende Einzelwerte stark beeinflufit. Quantile und Quantilsdifferenzen: Das q-te Quantil einer Verteilung ist dcfiniert als die Stelle j , , die die Verteilung in zwei Teile mit dem Gewicht q und 1 - q aufteilt (das Gewicht der Verteilung ist die Summe aller Einzelwerte). Dies ist z. B. der Median niit q = 0.5, das 1.Quartil mit q = 0.25 und das 3. Quartil mit q = 0.75.
J
1
2
H '
d
'
3
4
5 .
6
~
8
9
10
11
4
ir
30.26
7
A0.50
j0.'75
Abbzldung 6.3: 1. und 3. Quartil sowie Quartilsdifferenz A < , . ~der O Konzentrationsverteilurig { ~ ~ } ~ = 1 . . . . ,Der 1 ~ . dunkel schraffierte Bereich enthalt 50% des Gewichts der Verteilung. d ist die Breite der raumlichen Abschnitte j ,
2. "All measures of location and dispersion, and of similar properties, are to a large extent arbitrary. This is quite natural, since the properties to be described by such parameters are too vaguely defined to admit of unique measurement by means of a single number. Each measure has advantages and disadvantages of its own, and a measure which renders excellent service in one case may be more or less useless in another." (Cram& 1946, S. 181). Vgl. anch Ferschl (1978, S. 47).
90
Irri Beispiel aus Abb.G.3 cwx5rht die Vcrteiliing { ~ ~ } , ~ = 1 . . . . . 1 1hei j = 5 25% des Gewichts urid hei ,j = 8 75% des Gewichts, so daB das 1. iirid tlas 3. Quartil ( j 0 . 2 , urid j 0 . 7 , ) in diesen beidcn Inttmdlcn liegen. Die Qiimtilr sind also LagemuJe, die arigc:ben, a n wclcher Stello dcr Aritttil q des Gvwic1it.s der Verteilutig vrreicht wird. Strriiungsmuj?e ergebcn sich aus der Differcriz vori zwci Qiiimtileii, z. B. dic: Quartilsdifferenz, clie dcn Bercicl-1 Ao.so angibt. in dem sich die rriit,tlere Hlllfte des Gewichts der Verteilung { ~ ~ } ~ = 1 . . . .I , 1befindet. Je ein Viertel des Gewichts befindtlt sich iinter- und oberlialb cliesvs Bcrcichs A ~ . s.os. Abb. 6.3. Qiiaritile iind Qiiantilsdiffc~rcriz~.rl sirid rotxist: d. 11. sic, werden diirch stark von deri iibrigeri Wertcn abwt~ichendcEinzelwcrte nicht stark heeinflufit. 0
Die Hnlliwert,sbrt:it,r ist tlttfiriic:rt als der Halbwertsbreite rind Aquivalmzb Wert. tiei d u n cine nionoton fa1 V(~teiliingaiif die Halftc. des Aiisgangswerts abgefallen ist. Die Aquivalenzbreito ist dt4iniet-t als dcr Wcrt aiif dcr Abs tiplikation rriit dern Ausgarigswcrt, cias Gewidit dcr gmz(:ii Vcrteilurig lit:f(,rt. Siehe dazu folgenden Abschnitt. wo diese GriiOe fiir dic Definition clrr Prrsistenz verwendet, wird.
Wic in Abschnitt 5.2.3 ausgcfiihrt, siricl Persisteilz und Reidiwcite a1s stoffbezogenv Griiikn zii verstehen. die von dtir frciigcsetzten St,offnicingc Afo iinabhllngig sind. Geriaii dies wird erroicht, indeni R uiid T riicht diirch Ahsolutworte fiir die Stoffrrienge M ( t ) oder dic Exposition { e3 } definiert w c ~ d e n soritlern . tliirch AIafhhlen wie hlittolwert. Staiiditrdabweic~iung:Ha2lhwc:rtsl)reite etc.: clie von der a.bsoliit.en H d i c der Exposition iiriabhangig sind iind iiiir div Forvt. dcr Vertcilungm chiirakterisiereii. 6.3.2
Persistenz
Wic in Abschnitt 6.1.3 angcsprochen. wird dic Pwsistoiiz 1iic.r aus tlerii Zeit\.(.rliiuf der Gesairitstoffniengc: bc>st,ini~rit, die sich nach dttr St,offeniissiori in t1c.r Uiriwelt befindet (tlargestellt durrli die Fiinktion A I ( f ) ). Die ini vorarigelic~iidrnAbsclinitt eingcfuhrte A(l~iiva1ciizhrcitf tr(,,l,vist fiir tliose Fiirikt,ioii M ( f ) in folgwder Woisc defiriiert : T,
t(.(,"i\.. A&)
=
,I' A.cr(t)dt. 0
und die Pcrsistcnz
T
wird
aiif
dicser Griintllage dcfinic.rt:
Die ariscliauliclitt Btdcwtiiiig (lor Aqiiivalc~izl,reit,c~ ist in Abb. 6.1 dargc.stellt: Dic Flache iinter tlcr Kiirve M ( t ) cwtspriclit tlcr Fliiche tlcs Rc~clitecksniit dcn Seiten A10 ilrid T . A10 ist irii R.ahnieIi tl(:r nIodellrc,chiiiillgCii cirie I)<>kiiiiiiteG r i i k ,
6. 3 Definationen von Persistenz und Reichweate
s M ( t ) d t kann aus den Expositionswerten
91
oc)
und das Integral
ej
bestimmt werden
0
(s. Abschnitt A.4.2 in Anhang A). Stoffmenge M(r)
Abbildung 6.4: Persistenz T als Aquivalenzbreite der Gesarntstoffmenge h f ( t ) . Die Flache des Rechtecks T , M ~ und das Integral uber M ( t ) haben denselben Wert.
Fur den speziellen Fall, dafi die Stoffmenge mit einer exponentiell fallenden Funktion M ( t ) = e P K tM0 abnimmt, hat die so definierte Persistenz den Wert T = l/n. Die zur Zeit T vorhandene Stoffmenge M ( T )betragt dann 0.368.Mo, d. h. zur Zeit T sind noch uber 35% der ursprunglichen Stoffmenge vorhanden. Dies ist bei der Interpretation dieser Persistenzwerte zu berucksichtigen. Fur die Wahl dieser Definition von T sprechen folgende Uberlegungen: M ( t ) bildet immer eine streng monoton fallende Funktion mit Anfangswert M ( 0 ) = M0 (freigesetzte Stoffmenge). Wenn der Verlauf einer monoton fallenden Verteilung in Bezug auf einen fest vorgegebenen Anfangswert charakterisiert werden soll, sind Aquivalenzbreite und Halbwertsbreite zwei geeignete Maflzahlen. Fur die Halbwertsbreite muD jedoch der Verlauf der Funktion M ( t ) explizit bekannt sein, damit bestimmt werden kann. Fur die Bestimmung der Zeitpunkt t i mit M ( t ; ) = der Aquivalenzbreite hingegen wird nur das Integral uber den Zeitverlauf M ( t ) benotigt, das aus der Exposition berechnet werden kann. Dies stellt bei den Modellrechnungen eine erhebliche Vereinfachung dar, d a die Exposition einfacher zu berechnen ist als die Konzentrationen c j ( t ), allerdings auch weniger Information liefert . 6.3.3
Wumliche Reichweite
Das Verteilungsverhalten von Umweltchemikalien ist in der Literatur ausfuhrlich dokumentiert . 3 Dabei wird auch die Bedeutung des Verteilungsverhaltens und der
3. Vgl. z. B. Jury et al. (1983), Kinzelbach (1987), Yeh und Tripathi (1991), Poulsen und Kueper (1992) fur den Stofftransport in Boden iind Grundwasser; Schwarzenbach und Imboden (1984),
I\lobilit.at voii Urriwrltc~lic~mikalicri fiir die Cheniiknlieril~c~wertiiiig hctont (Hiitziiiger c t al. 1978, S. 16: Howard 1991, Vol. I, S. xvi); vine xiigehiirige hIcf3griiBc wiv die raumlichc Rcichwcite wird jedoch bisher riicht vclrweridet . Ziir Bestirrimurig der raumlichen Reichwcite wird hior einc. riiuinliclie Vertdiing von Exposit,ionswc:rteri lxtrachtet (ii1inlic:lict Vertt:ilungcw worden z. B. brii Atlits et ul. (1993) und Tanabc (1988) dargestellt, wo Korizeiitratioiismeawerte fur Kolilenwasserstoffe imd polychlorivrte Biphenyle g('gt:n dio geographische Breite aiifgetrageii sirid). Diese Vcrteiliirig spicxgelt wider. wie stark eiii Stoff nacli tler Freisetzurig diirch verschictlone Transportproxosse voni Frtktzungsort, wegverfraclitet wird. Die Transportprozesse fiihron dazu. dafi rieben Clem Freiset,zungsort selbst immer aiich weitcrc: Orte der freigesctzten Substariz aiisgestttxt cxponiert sind. Diesc Ausdchnung der Exposition iiber don Frt+etziingsort hinaiis wird anhand der riinmlichen Rcichweite qiiaiitifiziert. ~
Exposition
4
~
-
r =
.
R-
Abbzldung 6.5: Vertciluiig cxponierter R;turnpuiikte raumlicher Iteichweitr R (schematisch).
I 1 uiii
den Froisetziirigsort j = 0 herum rnit
Darriit die raiiriilichc Reichweite R als hlaBzalil fiir die Brc4tr der Expositionsvcrteiliirig eingefiihrt werderi kann, miissen die Eigcnschaft,en ( h e r Verteiliing riiiher betrachtet werderi. Der Verlaiif der Vertoilung {e3}3=1, . . . , I I kanri je narh hlcrhariismiis und Gescliwindigkeit cies Stofftrarisportts verschiedrme Forrrien haberi. Es ist iriiiglich. daB sich das Haiiptrriaximiirn der Verteiliing. das urspriinglirh bvim Freisctzungsort liegt, vcrschicht, daB das Maxirriiim sich atiflaclit und vc,rbreit,c:rt, rind (la0 sich weitere Maxima ausbilden: 0
0
{ P,? } hat eiri einziges Maximum, das itin Freisetmngsort liegt. Beispiel: Chemikalicn irn Rhein iiach dem Urifall v o ~ iSchwcizerhalle: vgl. dazu Cape1 et ul. (1988) und das Beispiel aiif S. 97. {.,} hat ein cirizigcs hlaxirnuni, aber dieses hlaxiriiiim ist gegeniibcr dem Freisetzurigsort vcrschobcn. Bvispiel: eintt zrisarrirrieiihiirig~~ri~l trarisporticrte SubIJlrich et al. (1994) fiir den Stoffeintrag in S w n ; Holtori (1990). 1Sppel ef. nl. (1991) fur den Stofftrarisport i n der Atniosphiire; Kriap (1990). Kiirtz (1990). Ballschniitrr (1992). Atlas et al. (1993). Wania 11. hlarky (1996) fur die weitraurriige Vertcilung orgatiischer Cheinikalirii.
6.3 Definitionen won Persistenz und Reichweate
93
stanzmenge, die an einem Hindernis ,,hangenbleibt" (saure Gase, die an einem Berghang abgeregnet werden) , 0
a
{e,} besitzt mehrere Maxima, d. h. neben dem Maximum am Freisetzungsort bzw. in der Nahe des Freisetzungsorts bilden sich weitere Maxima aus. z . B . durch Stoffakkumulation in speziellen ,,Nischen" oder diirch unregelmafiige Deposition aus einer wandernden Schadstoffwolke. Wie dieser und der vorangehende Fall zeigen, ist der Wert el (Exposition an1 Freisetzungsort) nicht fest, sondern hangt von der Verteilungsdynamik ab. Weil Anreicherungen fern vom Freisetzungsort moglich sind, die zu lokalen Maxima fiihren, ist die raumliche Verteilung { e j } nicht notwendig monoton fallend. Hierin unterscheidet sich die raumliche Verteilung {e, } von der zeitlichen ist. Verteilung M ( t ), deren Maximum immer der Ausgangswert {ej} besitzt keine Maxima, sondern hat -- annahernd verteilung. Beispiel: FCKW in der Stratosphare.
~
die Form einer Gleich-
Verschiebungen des Hauptmaximums werden im wesentlichen durch Lagemage wie Mittelwert oder Median widergespiegelt; die Verbreiterung der Verteilung gegenuber der urspriinglichen Form bei t = 0 wird durch Streuungsmage (Standardabweichung, Quantilsdifferenzen) angegeben. Zur Charakterisierung der verschiedenen Verlaufsformen von { e j } mussen also geeignete Kombinationen aus Lageund StreuungsmaBen gefunden werden. Dazu werden hier sieben verschiedene Expositionsverteilungen { e j } j = ~ , . . .mit ,~ n = 50 betrachtet, die auf den folgenden Seiten graphisch dargestellt sind. Die Verteilungen wurden per Anschauung ausgewahlt; sie sollen wichtige Typen von Expositionsverlaufen qualitativ reprasentieren. Die Verteilungen erstrecken sich nur auf einer Seite des Freisetzungsorts, der bei j = 1 liegt; alle Werte e3 liegen also bei j 2 1. Doppelseitige Verteilungen werden anschliefiend gesondert diskutiert. Folgende MaBzahlen werden auf diese Verteilungen angewendet 1 a Mittelwert und Standardabweichung: Bestimmt werden der Mittelwert j und die Standardabweichung a ; in Tab. 6.1 sind die Werte r1 = j+ u und 1-2 = j+ 2 u
aufgefuhrt . a
Quantile: Bei der Verwendung von Quantilen ist es sinnvoll, den Verlauf von {ej}I=l,...,nanharid mehrerer Quantile j , zu charakterisieren. Hier werden die Quantile j 5 0 (Median), j,, (drittes Quartil) und j,, berechnet, die in der oberen Halfte der Verteilungen {ej}J=l,...,nliegen. Quantilsdifferenzen werden erst zur Charakterisierung doppelseitiger Verteilungen benotigt, s. u. S. 99.
Halbwertsbreite und Aquivalenzbreite hingegen sind fur die Definition von R ungeeignet, da {ej}j=l,.,,,nnicht notwendig monoton fallend ist oder el sehr klein sein kann. Im ersten Fall ware die Halbwertsbreite nicht eindeutig definiert, und im zweiten Fall ware die Aquivalenzbreite unrealistisch groB.
Graphische Darstellung der Expositionsverteilungen 0
e l ( j ) := exp{ -0.5 ( j - 1) }
0
e , ( j ) := l / j
0.2s 0.2 0.15
0. I 0.05 I
cj
I
0
Q ( j ) :=
fiir j 5 n/2 fiir j > n/2
O.1.c
0.08
0.06
1
n
95
6 . 3 Definitionen von Persistenz und Reichweite
0
e 4 ( j ) := l / n
0.04 0.03
1
0
e s ( j ) := exp{ -0.05 ( j - 1)2 }
e5fJ) 0.15
j
n
+ exp{ -0.05
(j-
2 n ) 2}
t
0.1
0.05 J
1
eG(j) := exp{ -0.05 ( j - ; 3in ) 2}
n
edj) 0.7
0.5 0.3 0.1 -
* .I
Bei diesen siebm T~.st-V~~rteiliingt.ri ergebcn sich folgcmdc Werte fiir dic verschicdeneri MaRzahlcn: 'lhbelle 6.1: Zahlcriwertr versrhiedmer hla0z;tlilen fiir d i c x Testvtxrtciliirigcri
e
,
e2 f':3
f'4
c5 ('fi
f'i
2.54 + 1.98 = 4.52 11.1 12.7 = 23.8 15.3 10.2 = 25.5 25.5 14.4 = 39.9 25.1 16.7 = 41.8 37.5 3.16 = 40.7 49.7 0.50 = 50.2
+ + + + + +
1.45 4.83
6.50 36.5 35.7 54.3
25.0
58.5
9.1.5
43.8 50.7
37.0 49.3
13.8
2.81 15.9 20.6 37.5 :<7.9 39.1 411.7
his e7
5.99 39.8 :<6.3
47.5 41.5 42.2 49.9
Die Resultate zeigeri: 0
0
0
7'1 odcr/urid 7'2 nehmen bei ( ' 4 , cs uric1 e7 Wcrtc ail, dic griiikx- als 71 siritl. Bci e4 und 2' 5 l x d i t dies auf den hoheii Wvrteri von 0 : br,i e7 darauf. dd3 ~7 linksseitig stiirkw als rechtsseitig i i r n j streiit, diese Streuiing irri Wcrt v o ~ ir1 und r2 aber als rechtsseitige St,reuunginterprvtiert wird (links- i i i i d rcrlitsscitigc Streiiiingen werden bei dcr Bcrechriiing von n nicht iinterschiedcn) .
Die vt:rschiederien Qiiantile kiinneri aiif alle Vertcilurigen angewendct wwden: ohne daB Werte griiBer als 71 resiiltiercm. Allerdings liefern dic. Qiiaritile niir den jeweiligen Piinkt j , ; sie crfassen nicht, wie die Vcrteiliingcn irri eirizclneri verlaufen. So unterscheidcn sich die Rcsultnte fiir c': und e~ trotz des stark uriterschiedliclieri Verlaufs beitler Verteiliingeri n i c k wcwnt,lich.
Fiir die Gleichvcrtcdung ( e4 ) ist per Arischauurig iiririiit,telbar plaiisibel, daj3 R den Wert R E n anrichrrieri rriiiR, weriii R die tatsaclilichr, raurriliclic Erstreckiing der Verteilung erfassen soll. Dariiher liinaiis ist (:s irn Siririe dcr Bewertiing hinsiditlicli Vertcilungsgerechtigkeit,?dir anhand von R vorgcmoirirneri werden soll, notwendig, (la6 R bei der Gleirhverteiliing iirigefiihr c h i Wert 71
6 . 3 Definztzonen v o n Perszstenz und Rezchwezte
97
annimmt; anderenfalls wurde die Tatsache, dafi alle Orte in gleicher Weise von der Exposition betroffen sind, nicht erfaBt (vgl. dazu Kapitel4, S. 61). Die Gleichuerteilung legt somit einen absoluten Bezugspunkt auf der Skala fur R fest, und es folgt, dafl Mapzahlen, die fur die Gleichuerteilung Resultate liefern, die groger oder deutlich kleiner als n sind, fur die Bestimmung uon R ungeeignet sind. Dies betrifft vor allem r1 und 1-2, die iiberwiegend durch den EinfluB von 0 zii niedrige oder auch zu hohe Werte liefern. ~
~
Damit ergibt sich aus den Beispielen, daB geeignete MaBzahlen zur Bestimmung von R vor allem Quantile sind. Gewahlt wird hier das Quantil j,, , weil an diesem Punkt die Ausdehnung der Verteilung ej annahernd vollstandig erfafit ist. Diese Wahl ist ein Stuck weit beliebig; es kljnnten auch andere Werte q 2 90% verwendet werden. Quantile j , mit q < 90% hingegen erfiillen das Kriterium, dafl R bei Gleichverteilung die Lange des exponierten Bereichs annahernd erfassen muB, nicht mehr.
Anwendungs beispiel Als Anwendungsbeispiel fur die Bestimmung der raumlichen Reichweite wird die Kontamination des Rheins mit dem Pestizid Disulfoton nach dem Brandunfall von Schweizerhallc am 1.11.1986 betrachtet. Fur Disulfoton wurden an den Orten Karlsruhe, Mainz, Bad Honnef und Lobith (deutsch-niederlandische Grenze) KonzentrationsmeBwerte bestimmt (Deutsche Kommission 1986, S. 69ff.; Capel et al. 1988). Aus diesen Meilwerten wird fur jeden Ort j iiber das relevante Zeitintervall die Exposition e3 ermittelt. Die resultierenden Werte haben die Dimension h.pg/l; sie sind in Tabelle 6.2 zusammengestellt. Zusatzlich sind zwei Schatzwerte fur Anfang und Ende der Verteilung angegeben, dies sind die Orte Schweizerhalle und Rheinmiindung, wo keine Mefiwerte zur Verfugung standen. Tubelle 6.2: Zahlenwerte der Exposition fur Disulfoton im Rhein nach dem Brandunfall von Schweizerhalle. *: Schatzwerte; alle ubrigen Werte sind aus den MeBwerten fur den zeitlichen Konzentrationsverlauf a n den MeBstationen berechnet (Deutsche Kommission 1986, S. 69ff.). Ort j Schweizerhalle (0 km) Karlsruhe (203 km) Mainz (337km) Bad Honnef (481 km) Lobith (706 km) Rheinmiindung (840 km)
1700* 700 415 252 115 90*
Der Expositionsverlauf wurde zwischen diesen sechs Werten interpoliert und an 50 Stiitzpunkten im Abstand von 840 km/50 = 16.8 km gegen die Distanz j aufgetragen (Abb. 6.6).
98
eJ I
0.08
I Abbztdung 6.6: Normicrte Expositionsvrrtriliing voii Disrilfotori ini Rheiri. Sdiwcizcrhallc: j = 1 ; Hheiriniiiritiiing: j = 50.
Fiir dic: so crhalt,enc Expositioiisvcrteiliiiig von Disiilfotoii ini Rhciii livgt d a s Quaiitil j,,? bci 38.9. was einer Distaiiz voii 654 krn ciitspricht (die Unsicherhciit dt:r beiden Schatzwertt: beeirifluf~tden Wcrt von j,, inn ca. *5% ). Diciser Puiikt livgt am Niederrhein vor der deiitsch-iiicderliintliscli(:Ii Grcnzv. Dor diirch ihii markiert,e Bereich ist griiBer als der bis zur Landcsgrc:nzc von NordrlieiIi-Wcstfalcri rcicheride wiirden (hlatthias 1989) Abschnitt, in dem okologisclie Schatligurigcn f(~stgc~ste1lt iind der seinerseits mit einer ,.okologischeri" odcr ,,toxikologischen Reichweitc" t x schrieberi werden kijnnte (vgl. d a m Abschnitt 5 . 2 . 3 ) . Die hier betrachtetc cheniische Reichwcite R = j,, spiegelt d m EinfliiB allcr Verdunnungs- Abbaii- iind Transportprozcsse wider, denen eiiie Substanz ini Rhoiri iinterworfen ist, uiid sie inarkiert den B3ercit:hl irinerlialb t i t w o n 95% der Exposit.ion anfallen. R charakterisicrt eine Substanz, die bci Scliweizt~hallt:in den Rheiri eirigc:tragcn wird, hinsichtlich ihres Expositionspotentials unabhangiy von der Wirkiing auf O r g a n i ~ m e n . ~ Anhand von Modellrocliriiirigeii, wic sie von hlossrnan ct al. ( 1988) diirchgefuhrt wurden. kanri die Expositionsverteiliing und damit auch die eherriischc Rcichwvite auch fur Substanzcm bestininit werdcii, fiir die keine Korizeiit,rationsni[~~w(~rte ziir Verfiigung stelien. Auf diese Weise kiirineri vcrschicdenc Substanzen, die in eirierri Chemikalienlager A I I ~Rhein erithalteri sintl, anliand ihrer riiurrilic1ir:n Reichweite irn Rheiri charaktcrisicrt iind vcrgliclien werden. ~
4. Die Tatsaciic:, da8 die c:hemische Ilrichweite R keirien iikologisch aiiszeic:linetc~nPiinkt markiert, mag aiiriachst unp1ausit)cl erhcheiircm (vgl. a h r dic Diskussiori in Abschnitt 5 . 2 . 3 ) . Sie kaiin diirch den Vergleich rriit den i r i der Chernie vcrweridcteri 0rt)italkonturcn vcrarischaulicht wcrdcri. die c-berifalls olirie Bczng aiif eiiioii ziisatzlichen Rrferrrizpiirikt bestinirrit wcrden: Die iiblichcrweisc graphisch dargestellto Orbitalgroiize iririfa8t den Bereich, in dem die Aufonthaltswahrsclieinlictikeit einrs Elektrons. 1)ereehriet als lP12 (BtAtragsqiiadrat der Wellrrifuriktion P ). 90%) bctragt (Atkitis 1983, S. 75). Iliesc Grerizo ist i r i keirivr Wvise physikalisch ausgezeichiict,, soiiderri dierit eirizig zur Ver;iiisch;iiilichiiiig d o r riiuirilichc~nV(,rtriliiiigsfiiiiktioti/PI2.
99
6.3 Definztionen uon Persistenz und Reachwezte
Doppelseitige Verteilungen Nach der Definition der raumlichen Reichweite fur einseitige Verteilungen werden nun doppelseitige Verteilungen betrachtet, die durch den Stofftransport in zwei Richtungen entstehen. Bei doppelseitigen Verteilungen ergeben sich zusatzliche Anforderungen an die verwendeten Maazahlen, da bei einer doppelseitigen Verteilung linksseitiger und rechtsseitiger Anteil verschieden sein konnen, so daB die Verteilung schief ist. In die Maflzahlen, die auf Mittelwert und Standardabweichung beruhen, gehen linksseitige und rechtsseitige Verschiebungen jedoch in ununterscheidbarer Weise ein, so daB Verteilungen, die eine unterschiedliche Schiefe haben, dieselben Werte fur Mittelwert und Standardabweichung aufweisen konnen (Ferschl 1978, S. 108). Die Schiefe ist jedoch ebenfalls maageblich fur den raumlichen Verlauf einer Verteilung, und daher sind diese - bereits ausgesonderten MaBzahlen auch &usdiesem Grund fur die Definition von R ungeeignet. ~~
Exposition
+
Ort
-5
-4
+
-3
30 025
-2 RI
-1
0
-
1
2
3
R,
4 4
I
5
30 975
Abbildung 6.7: Raumliche Reichweite R als Quantilsdifferenz 4 0 . 9 5 bei einer doppelseitigen Expositionsverteilung mit Freisetzungsort j = 0. Der dunkel schraffierte Bereich enthalt 95% des Gewichts der Verteilung. Rechts- und linksseitiger Anteil werden gesondert erfa0t.
Quantile hingegen erlauben es, den links- und rechtsseitigen Anteil der Verteilung getrennt zu erfassen und so die beiden Komponenten R1 und R, der Reichweite R zu bestimmen (vgl. Abb. 6.7). Zu diesem Zweck kann man vom Median ausgehend links- und rechtsseitig jeweils 47.5% der Exposition aufaddieren; allerdings ist der Median nur bei symmetrischen Verteilungen, wo er mit dem Freisetzungsort ubereinstimmt, ohne weiteres bekannt. Bei schiefen Verteilungen muate der Median erst eigens bestimmt werden, und daher ist es einfacher, von den allperen Enden der beiden Halbkte her jeweils 2.5% der Exposition aufzuaddieren. Die Distanz zwischen den beiden so erhaltenen Punkten ~ ' 0 . 0 2 5 und jo.975 ist die gesuchte Quantilsdifferenz AO.95 = R , die 95% der Verteilung { e j } j = l , , , . , n umfaflt; die Distanzen zwischen jedem der beiden Punkte und dem Nullpunkt sind die links- und rechtsseitige Reichweite Rl und R,. Die Quantilsdifferenz R bezeichnet die Grope des exponierten Gebietes, wahrend Rl und R, seine Lage relativ zum Freisetzungsort angeben. Fur die Expositionsverteilungen, die im folgenden Kapitel mit Hilfe des Modells berechnet werden, wird die raumliche Reichweite nach dieser Methode bestimmt.
6.3.4
Emissionen aus mehreren Quellen
Zusat,zlich xur st,offl)ezogeiieri Rcic:hwoite, dic aiissclilioBlicli die, Verteilung iii der Urnwdt erfaOt kann bei melircrcm Eniitteriteri aiicli c4ne konil)iniert,e Rvicl-iweitc. lmitiriirrit wertlcii (s. Abschnitt 4.3). Mit, dieser GriiBe kanii das Aiisniaii vori Expositiorisfeldcrn qnantifiziert wcrden. die vori rriehr als c4ncni Eniitteiiteri hcrriilirrri (z. B. Griiiidwasserkontaininationcii diirch LGsiirigsrriit,tel oder Agrocheniikalien), was niit dt:r stofbezogeiicn Rcichweite alleiri nicht niiiglicli ist . AuOerdom kann anharid dor konibinitrteri riiiiiiiliclic~nRcichweite die Frage verfolgt werdcn, oh und wie stark die rauiriliche Ausdelinung einw Expositionsfcldes (lurch Wegfall oirizelner Qiiellen vc.rringert wcrtlcn kaiin. Weil die iiisgesarnt emittierte Stoffnienge aiif rnr:hrcrc, verschicden starke Qiiellcm verteilt ist, hiirigt dic komthierte riiuniliche Reichweitc voii der Anzalil. cler rcxlativen Stiirke iind der Anordriurig dcr Erriittenten ab. Sit: ist, sorriit irii Gegeiisat,z zur stoffl)czogmen Reichweite riicht gruiidsiitzlich iinabharigig voii d t Eriiissioiisniciige ~ iiiid vorii ~
Fiir die Definition der koni1)inierten Reichweitc. wcrden liier nielirc.re Eriiittcwteri betrachtet dio alle dieselbe Siibst,anz freisctzeii: dir, eniit t icrt,c h h g e (hzw. bei kontiriuierlicher Eniission die Emissionsrate) kanri dalwi voii Eiiiittmt zii Emitt,ent variieren. Irri einfxlisten Fall rnit zwoi Ernittenten. die sidi irii Abst,and 6 ziieinaridcr befiiideii und die Stoffinerigen h.1; iiiid M i cmitt,ierc:ii, ergibt sich die iii Abb. 6.8 dargostelltc Sit,iiatiori. ~
Exposition 1 CJ
n -* Ort j
Ini Uiiterschicd ziir Sit,iiat,iorirriit niir eiriern Ernit2t,enteii,wo der Nullpunkt, der Skala von R (lurch die Lago des Emitteriten gegebcm ist. rriiii.3 der Nullpunkt, bei niehrcren Erriitjtjenten erst festgelegt werdcn. Hier wird der Sr:hwerpunkt jsrl der Emittenteri als Nullpunkt dcr Reichwciteri-Skala vcrwendtt. tlw bei gleicher Freisetziingsnicngc in dcr Mitte zwischen den beideri Erriitteriteri liegt. Bei iiiir cinein Ernittenten stinimt er iriit dessen Lago iiberein. Er kanri in identisclier Weisc aiicli fiir riiehr als zwei Erriit,teriteri bestimriit, wertlen. Beziiglich tlcs Schwerpunkts j s , werdcn daiin. wie ziivor besclirieben, linksiind rechtsseitige Qiiant ile iind Qiiantilsdiffcrenzen tx.rechrict . Fiir das Bcispicl ails Abb. 6.8 ergibt sich folgmdcs Resiiltat, s. Abb. 6.9 iirid die erste Zeile in Tab. 6.3: R, ist dic stoffbezogeric, Reichweite, die sich fiir jetlm dcr heitlen Eniitteritcn ergibt , werin er e i n z t h bctrac-htct wird; Ro ist rrierigfriuriabliaiigig und dalier fur
6 . 3 Definitionen won Persistenz u n d Reichweite
101
beide Emittenten identisch. R ist die kombinierte Reichweite, in die Ro urid der Abstand 6 eingehen. Da die Emittenten nicht dieselbe Menge emittieren, ist die Verteilung nicht symmetrisch, und R1 und R, sind verschieden. Exposit ion
I
r
1
+
Abbaldung 6.9: Quantilsdiffereriz A 0 . g ~= RI R, als kombiriierte Reichweite R der Exposition, die aus den beiden punktforrnigen Emittenten resultiert ( M i = 2.M; ).
Die so definierte kombinierte raumliche Reichweite ist einerseits wie die stoffbezogene Reichweite von der absoluten Hohe der Expositionswerte e3 unabhangig (wenn beide Emissionsmengeri M i und M i verdoppelt werden, verdoppeln sich auch die Expositionswerte e 3 , aber der Wert von R bleibt unverandert). Wenn jedoch die Gesamtemissionsmenge anders als im Verhaltnis 1:2 aufgeteilt wird, andert sich auch der Wert von R entsprechend. Bei einem Verhaltnis 1 : l O ergeben sich die Werte in der zweiten Zeile von Tab. 6.3; die Exposition ist starker um den grooeren Emittenten konzentriert. In Abschnitt 7.6 wird die Exposition, die bei der Emission aus mehreren Quellen entsteht, fiir drei Substanzen mit stark unterschiedlichen Werten fur die stoffbezogene Reichweite Ro untersucht. ~
~
Tabelle 6.3: Kombinierte raumliche Reichweite bei zwei Emittenten.
1:2 1 : 10
6.3.5
ji
ji
+4.00 5.45
+
6.83 6.53
5.46 4.27
12.3 10.8
7.58 7.58
Zusammenfassung
Die Persistenz T wird hier als Aquivalenzbreite der zeitlichen Verteilung M ( t ) definiert; M ( t ) ist der Zeitverlauf der Gesarntstoffmenge in der Umwelt. Die ranmliche Reichweite R wird als das Quantil j g g der raumlichen Expositionsverteilung { e 3 } definiert, das den Bereich angibt, innerhalb dessen 95% des Gewichts der Verteilung { e j } liegen. Diese Definitionen von R und T erfiillen die Funktion von Abschneidekriterien, die angeben sollen, welcher Bereich und welche Zeitspanne von der Exposition betroffen sind. Sie erfullen zwei Forderungen, die an solche Abschrieidekriterien gestellt werden konnen:
Erstens sollen sic die Lange des betroffenen Bercichs erfassen. Hier wird die Gleichvert,eilurig, dcreii riiurriliche Erstreckiing cindciitig bestininit ist, d s Referenzpiinkt herangezogen, was durch das Argiinient der Verteilurigsgerechtigkeit begriindet ist (vgl. Kap. 4, Abschriitt 4.2.5). Fur die Glcichverteilung liefern sowohl das Quantil j9, als auch die Aquivalenzbreitc die Lange des betrofferien riiiimlichen oder zeitlichen Intervalls. Zweitens solleri die Abschneidekriterien niiiglichst praktikabel und moglichst allgemein anwendbar scin. Sowohl eiri Quantil wie j,, als aiich (lie Aquivalenzbreite konnen fur alle in Frage komrnenden Vcrlaiifsfornien tler betreffenden Verteiluiigen { ~ ~ } ~ = 1 .und ...,M ~ ~( t ) hestimmt werden. Die Definitioneri sind a.n kein spezielles Modell gebunden; bei der Bestimmung des Expositionsverlaiifs konnen Modellrechnungen iind/oder gcmessene Konzentrationswertt? zugrundegelegt werden.
Kapitel 7 Modellrechnungen fur Persistenz und Reichweite Die Abbau- und Transportprozesse, denen Chemikalien in der Umwelt unterworfen sind, sind sehr vielschichtig und kompliziert. Sie reichen von lokalen chemischen Reaktionen, die stark von den jeweiligen Umweltbedingungen abhangen, bis zu globalen Stromungsbewegungen; sie laufen mit sehr verschiedener Geschwindigkeit und in sehr verschiedenen Zeitspannen ab, die von wenigen Stunden bis zu geologischen Zeitskalen reichen. Aus den ursprunglich in die Umwelt freigesetzten Stoffen entstehen eine Vielzahl weiterer chemischer Spezies, von denen die meisten nicht bekannt sind oder zumindest nicht chemisch, physikalisch und toxikologisch charakterisiert sind. Fur genauere Angaben zu dieser Fulle von Prozessen sei verwiesen auf den ausfuhrlichen Ubersichtsartikel von Ballschmiter (1992) sowie auf die umfangreiche Literatur, in der das Verteilungsverhalten verschiedener Substanzen dokumentiert ist: fur PCB, DDT und andere CKW bei Goldberg (1975), Tanabe (1988), Ballschmiter u. Wittlinger (1991a), Oehme (1991), Atlas et al. (1993), Iwata et al. (1993), Wania u. Mackay (1996); fur atmospharische Spurengase wie FCKW bei Junge (1974), Fabian et al. (1981), Levy (1990), Standley u. Hites (1991, S.2ff); fur partikelgebundenen Transport bei Bidleman et al. (1986), Bidleman (1988), Ligocki u. Pankow (1989); fur Pestizide bei Tanabe et al. (1983), Kurtz (1990), Scheunert (1992); fur atmospharische und hydrosparische Stromungsbewegungen bei Okubo (1971), Keeling u. Heimann (1986), Holton (1990), Charlson (1992), Murray (1992); fur weitraumigen Transport verschiedener Stoffe bei Knap (1990). Fur die Modellbildung ist es notwendig, diese Komplexitat gezielt zu vereinfachen. Dies ist moglich, indem man drei Gruppen von ,,Basisprozessen" ins Zentrum stellt: (1) Umwandlungs- und Abbauprozesse, die schlielilich zur Bildung von Wasser und Kohlendioxid sowie Chlorid, Nitrat und anderen Salzen fuhren. Diese Prozesse werden unter chemischem und biologischem Abbau zusammengefafit, und fur die Modellbildung werden Zahlenwerte fur die zugehorigen Abbaugeschwindigkeiten benotigt. (2) Verteilung zwischen den verschiedenen Umweltmedien oder -kompartimenten wie Boden, Flufiwasser, Sediment, Meerwasser, ozeanisches Tiefenwasser, Troposphare, Aerosolpartikel und Stratosphare sowie Lebewesen; (3) Transport mit Luft- und Wasserstromungen. Persistenz und Reichweite eines Stoffs werden vom Zusammenwirken dieser Basisprozesse bestimmt: Der Abbau beeinflulit direkt die Persistenz, und der Transport mit Luft- und Wasserstromungen die raumliche Reichweite. Allerdings stehen nicht nur Abbau und Transport in direkter Konkurrenz, sondern die Situation
wirtl diircli clie stofispezifischt. Vt.rteiliing itiif tlie lJniwc.lt riicdicw wrkoriiplizivrt : Die Uiriweltrnedien sintl iiritersc1iiodlic:h niold. iind in ihnen laiiftxi vcmcliietl(me. unttmchiedlich sclinelle Abkaiiprozessc. ab. Persistenx untl Reichwciite hiingcm tlalier iiicht a k i n von den Abbaii- urid Trarisportprozc.sseii ab. soritlfrii wertleri aiicli voni Verteiliiiigsverlialteri erhe1)lich k)ecinfliiOt. Ails dieseiii Griind kanii nicht uiriittclbar v o ~ der i Persistcriz aiif die Reirhwvitc: tines StoHes gcwhlossm wcrtleri.
7.1
Evaluative Modelle und Simulationsmodelle
Die Koiiip1c.xitiit der Uniwelt fiihrt d a m . tlaB sowohl Fel(lexI)c.riiiit~rit~,. wic sie z. B. ini Rahnien von nlonitoririg-ProgritmIii(~ndiirchgefiihrt werden. als aiich LaborexperimeIit,e iiiir eiri beschriinktcs Bild von den t,atsiichlich ablaiifendtn Prozesseri liefern. In dieser Sitiiatiori bicten Cornputermotlellc eint, hilfreichc Ergariziing. da man niit ihrer Hilfe Konstc:llat,ioiiori iintersiichcri karin. die experiIneritcl1 gar riicht oder niir schwer ziiganglich siiitl, so x. B. dic g l o t d e VertciliirigsdyIianiik clirmischer Substanzen. Alltrdings lic>fcrnaudi Corripiiterillodelle 1)ei aller Lcistiingsf~~higkcit heiitigcr Hard- iirid Softwitrt: niir st,itrk vertGrifachte Bilder voii dcri tatsiichlich ablauferideii Prozesscri. Es gibt stark verschiedene Typcri von Motlvlleri. tlic sicli hinsiditlidi cicr mathernatisckien Formiilieriirig, des R.ec1ieriaiifwaiicles iiritl des Aiissagel~ereiclics1111terscheideri. Die hier relevantcw hlodcllc sollen den zcitlicheii iind rauriilichen Konzciitrationsverlaiif riach cirier Stoffcmissiori crfasscn. Fiir solche hIodclle sirid zwei unt.crschiedliche Ansiitze irn Gcbmiich: Erstcns k m i i die St.offkorizentration in der Urriwelt als Funktion bcider Variablen, Ort :I' i i r i t l Zeit t . t)erechnct werden. In diosern Fall niiissen partielk Di~~~ren,t.lnl~lciChi~7lge7, gclost, werden, in drrien sowohl die Ableitiing tler Korizcmtration nacli dcr Zvit wie aiich Abloitungen riach d m i Ort aiiftretcri. Partielle Differr:ntiitlglr~ichiiiigerisind mat,heni;ttisch scliwicriger zii hehandcln als gewiihnliche Dz~er~7rtial!ileichungc:n: in dcrien iiiir tlie Ableit ling nach eirier Variableii ituftritt. Dies ist der Gruritl fiir deli xweiten riiodellt~ec~inisclieri Aiisatz, bei derii die Urriwclt in Kompartinientt~odc\r .,Boxen" aiifgettilt wird, z . B. Boden, Rksser iiiid Luft o d t r (lie verschiedmeli ~'assersc.liiclitenvines Sew. Fiir jedts Kornpartimtmt wird die Konzentrat,ion lcdiglich AIS Fiinktion dw Zvit 1)c.stirrimt. iind anstcllo eintir partiellen Differentinlgleicliuii~rniiB eiii System itus gewiihnlicheii Differcritialgleichimgen fur j e d w Konipartimcnt c.irie Gleichung - gclost werden. was i. it. eirifaclicr ist,. Die Uritert,eiliirig der Urriwelt, iri Kompartirriente t)edeiitet allcrdings, tlaB die r%uniliche Auflosung tles hIodells gr:ringt:r ist als bei der Verweiidiing eiiier echtcn Ortskoortlinate 5 . tleiiri je(1t.s Kompartirnent ist. innerlich hornogeii, (1. 11. sowolil bei der Stniktur der Urnwelt, als aiich hei dcn rcdtiererideri Konzentrationcm kiirinen niir raiirrilichr Diirchschnittswc.rtr 1)etrachtc.t wcrden. rvlodelle rnit kontiniiierlichcr Ortskoordiriate einerseits iind Box-hlodellc andcrerseits sirid sorriit zwei Typcn vori hlod(:lleri, die fiir (lie Bt,recliiiuiig des Verteilungsverhaltens von Uniweltchernikalieii vcrweiitlet werdrn ktjiiiim. Ditr Uriterscheidung zwischcn dicseri beitlen Typeti hctrifft die rauniliche Aiiflosiing iind clie Genauigkeit der hlodellresultate iind itidhdelii dic rriatlieiiiatisclieii RIet Iiodcn. iiiit clenen ~
7.1 Evaluative Modelle und Ssmulatsonsmodelle
105
im einen Fall die Konzentration c ( 2 ,t ) und im anderen Fall die Konzentrationen cJ ( t ), j = 1,...,n berechnet werden ( nist die Anzahl der Boxen). Eine weitere hilfreiche Unterscheidung zwischen zwei Modelltypen ist diejenige zwischen Simulationsmodellen und evaluativen Modellen. Sie bezieht sich weniger auf die mathematische Methodik, sondern mehr auf den Zweck und die Aussagekraft der Modelle: Unter Simulationsmodellen werden hier Modelle verstanden, die darauf ausgelcgt sind, ,,realistische" Daten zu liefern. Dies heifit, dai3 die Resultate, die man mit Simulationsmodellen erhalt, mehr oder weniger direkt mit Meflwerten aus realen Umweltsystemen verglichen werden konnen. Die meisten Modelle mit kontinuierlicher Ortskoordinate (Typ 1 von oben) sind solche Simulationsmodelle; so z.B. Modelle fur den Stofftransport im Grundwasser, mit denen die Ausbreitung von Kontaminationsfahnen berechnet werden kann und die auch realistische Prognosen zur Frage, wann die Kontamination einen bestimmten Punkt erreicht, liefern sollen (vgl. z. B. Kinzelbach (1987), Vogt (1990), Yeh u. Tripathi (1991)). Andere Beispiele sind Modelle fur den Schadstofftransport in Fliissen (Mossman et at. 1988, Feijtel et al. 1997), fur den atmospharischen Stofftransport wie z.B. die Verfrachtung von NO, und SO, von Mitteleuropa nach Skandinavien (Levy u. Moxim 1989), und auch Klimamodelle zur Berechnung verschiedener atmospharischer Prozesse auf globaler Ebene (Cubasch et al. 1995). Die moglichst realitatsnahc Beschreibung von Transport- und Umwandlungsprozessen in der Umwelt erfordert einen hohen mathematischen Aiifwand bei der Formulierung der Modelle und oft auch einen erheblichen Rechenaufwand bei ihrer Anwendung auf dem Computer. Aber auch Box-Modelle konnen verwendet werden, um Konzentrationen zu berechnen, die die Stoffverteilung in realen Systemen beschreiben. Dies ist umso besser moglich, je besser die Annahme von innerlich durchmischten und gegeneinander abgegrenzten Kompartimenten mit der Realitat ubereinstimmt. Ein Beispiel sind Modelle fur die Stoffverteilung in Seen (Mackay et al. 1983a, Schwarzenbach u. Imboden 1984, Ulrich et al. 1994). Der Begriff ,,Simulation" wird hier also fur Berechnungen verwendet, die den Zweck haben, die Realitat moglichst genau abzubilden. Simulationsmodelle werden im folgenden nicht weiter behandelt. Fur weitere Informationen vergleiche man die Literatur (Kinzelbach 1987, Schwarzenbach et al. 1993, Schnoor 1996, Trapp u. Matthies 1998). Den Simulationsmodellen stehen evaluative Modelle gegenuber (auch als UnitWorld Models, Multimedia Models oder Fugazitatsmodelle bezeichnet), die einem anderen Zweck dienen: Sie liefern nur ein skizzenhaftes Bild, sozusagen eine Karikatur, von der Umwelt und den darin ablaufenden Prozessen, konnen aber mit vergleichsweise einfachen mathematischen und computertechnischen Mitteln erstellt und benutzt werden. AuBerdem konnen sie, d a sie nur wenige Eingabedaten benotigen, auf viele Stoffe angewendet werden. Evaluative Modelle liefern kein realistisches Bild vom Umweltverhalten einzelner Stoffe, sondern ermoglichen den Vergleich vieler Stoffe im Rahmen eines stark vereinfachten Bildes von der Umwelt und den darin ablaufenden Prozessen. Da in Abschnitt 7.3.2 ein evaluatives Model1
t\ritwic:kelt wird, werclwi hier xiinaclist, (lie gt:iierc:ll(:ri EigcIischaft,cn solclirir Modello tlargostellt . Ditt Motivation fiir evaluative Modclle licigt darin, daB die Abbaii- wid Transportprozesse, tleneri Clicvnikalien in der Uinwelt unt,crworfen sind, so koinpliziert sind, daB es aiich iriit sehr aufwcridigcn Sirniil;~tiorisrnodclleii nicht niiiglich ist. diese Prozesso vollstantlig abzubilden. Dcswegcii ist es siiinvoll, Simulatiorismodelle durch eiric konipleinent5re Betraclitung zii cq$irizen. die ciiierscits zwar weniger dctaillierte iirid spezifische Resultate liefert, andcrc:rsc.it,s alwr aiich gcririgereii Aufwand orfordert iind sich daher auf viele Stoffe aiiweiidcn I%& so dafi sich eiri iimfassentleres Bild ergibt,. Die mcisten evaliiativon hlodelle sind regionalc oder glo1);ile Box-Rlodelle, die aus wenigcn (drei bis sechs) Umweltkorripart,imeriteri wie Bodcw. FliiRwasser, Sediment. ozeanisches Oberfliichenwasscr und Troposphare bestcheii, s. Ahb. 7.1, wo tlas in Atisdinitt. 7.3.2 naher bcschricbenc Model1 als eiii Beispiel darpptellt ist. Zwischeti den Komparthentt:n laufen Austausdiprozossc. wie Verdarripfimg iind Deposition ab; iiirierlialb der Kompartirnmte findct, chomisclier iind I,iologisclic,r Ablmii st.att~. Fiir jedes Kompartiment ergcbeii sicli auf dieso VCr.ise Bilanzgleicliiingc~il.dio dit.
6km
Troposphare
Land: 3U%
I
Meer 70%
T-
1Ocm
Boden ozeanisches
Abbzldung 7. 1: Die I 'mwrltkonil,artirricntc' R o t h i . oxcwiisclles Oberfiiichcriwasscr unti Troposphiire dcs iri Ahschriitt 7 . 3 . 2 bcschricbenen evaliiativcii hlodells. Vgl. aiich S.114.
Als Eirigabedatcii fiir die hlodclle wcirderi eiricrseits stoffspezifischc Daten wie dic Henry-Konstaiite iind andertrseits stoffiiiiRbhaiigig(, Traiisportpar~tmetc:r wit dic Depositiorisgeschwiiidi~keit,fiir atrnospharische Aerosolpartikel benlitigt. Der minitrialc stoffspezifische Datensatz iiirifaRt die Henry-Konstaiitc K H (oder statt (lessen Darnpfdriick iind Wasscrloslichkcit), den Oktariol-Wasscr-Verteiliirigskociffzicnteii h;, , ails dern der Vertttiluiigskoc~ffiizit.nt, , B o d ~ : i 1 - ~ ~ ~ ~abgcschat,zt sser" wird, sowie die Gcscliwintligkeitskorista,ritc:n fiir I~iologisrheniirid c4ieiriisclicii Abbaii iii alltm h-
7.1 Evaluative Modelle und Simulationsmodelle
107
trachteten Umweltkompartinienten. Insgesamt sind dies bei drei Umweltkompartimenten also mindestens fiinf Werte pro Substanz, die als Eingabedaten benotigt werden. Mit Hilfe der substarizunabhangigen Modellparameter wie der Regenintensitat oder der Konzentration von Aerosolpartikeln werden die Prozesse spezifiziert, denen eine Substanz im Modell unterworfen ist. J e nach Auslegung des Modells werden verschiedene und verschieden viele solche Parameter benotigt: Wird ein regionales System mit spezifischen Werten fur Windgeschwindigkeit, Regenmerige und Bodenbeschaffenheit abgebildet, oder wird ein globales System betrachtet, fur das globale Durchschnittswerte erforderlich sind? Der Verzicht auf den Anspruch, die Realitat ,,moglichst direkt" abzubilden, fuhrt bei evaluativen Modellen zu der Schwierigkeit, daD sie nicht ohne weiteres validiert werden konnen. Wie erwahnt, wird die hohe Variabilitat der Umweltsysteme hinsichtlich Temperatur, Bodenzusammensetzung, Anwesenheit von Wasser, Sauerstoff und Mikroorganismen etc. bei evaluativen Modelleri ausgeblendet, iridem die komplexen Umweltsysteme durch simple Boxen ohne innere Struktur dargestellt werden. Diejenigen Prozesse, die vom Modell noch abgebildet werden, werden i. a. mit Diirchschnittswerten beschrieben, die fur das ganze vorn Modell abgedeckte Gebiet gelten, z. B. mittlere Regenintensitat, mittlere Geschwindigkeit fur Partikeldeposition iind mittlere Abbauraten. (Vgl. Wania (1996) fur einen Ansatz, mit dem auch differenziertere raumliche Information in die Modelle einbezogen werden kann.) Auch die Eniissionsprozesse sind i. a. drastisch vereirifacht gegenuber den tatsachlichen Ernissionsmustern. Die Auswahl der Prozesse, die im Modell betraclitet werden, sollte sich irn Prinzip auf eine begriindete Unterscheidung zwischen relevanten und vernachlassigbaren Prozessen stutzen. Aufgrund der Uberkomplexitat von Umweltsystemen ist diese Unterscheidung jedoch nicht einfach zu treffen. Z. B. wird generell angenommen, daB die Temperatur die Abbau- und Verteilungsprozesse vieler Stoffe stark beeinflufit, so daD es adaiquat ware, den EinfluD der Temperatur in einem Modell abzubilden. Andererseits heiflt es bei Scheunert (1992, S. 70): ,,However, due to large differences in soil composition at the different geographical sites, the prediction of persistence of pesticides from temperature and humidity for a certain region is questionable." Diese Schwierigkeit gilt es bei jeder Modellbildung und bei der Interpretation von Modellresultaten im Auge zu behalten: Zumindest jeder Einzelfall, moglicherweise aber auch ein genereller Trend kann sich in der Realitat anders verhalten als im Modell. Die Zielgrof3en evaluativer Modelle sind die Stoffmengen und Stomonzentrationen in den Umweltkonipartiinenten sowie verschiedene GroBen, die sich daraus ableiten lassen, so auch Persistenz und Reichweite. Aufgrund der modellinharenten Vereinfachiingeri haben diese Zielgroflen keine direkte Entsprechung in der Realitat. Grundsatzlich sollte es allerdings moglich sein, mit einem evaluativen Modell die GroBenordnung von Konzentrationswerten zu reproduzieren, die fur ein bestimmtes Umweltkompartiment aus Monitoring-Daten bestimmt wurden, denn diese Wertc lassen sich auch mit einfachen Massenbilanzen abschatzen, wie sie in ~
~
cineiri evaluativen hIodoll t1urchgc:fiihrt wc1rclen. W(wi aiif dieser Ebenc allzii hohe Diskrepaiizeii auftreten, laBt diw aiif iinziitreffentl inoclcllic,rte Eiiiissioiisriiengc.ri iind/oder A b h i i - iirid Verteilungsprozessc: schlicReii. Da in dcr Realitst Ort. Zoit iind Urnfang von Eriiissioneri viclfach nicht bekariiit sintl, kiiiineri evaluative hIotlellc dazu verwendot wcrdcri. die hiZasseribi1ariat:i.i zii priiferi untl nacli Liickeri in der StoWiilanz zu siichcn. Bei alleri Schwicrigkcitcn, die eirier ..dirckteri” Valitlieriiiig cines waliiativcri hlodells entgc’geristeheri. sirid folgeritle Sc1iritt)c zur Uborpriifiing des hlodvlls sirinvoll:
Priifurig aiif Korrokthvit iind iririerc Stirnrnigkeit: Sirid die rriodellierten physikalisch-clicrriisclieriProzcsse in plausibler Weisc ausgewahlt . iind siiid tlie Bilanzgleic.liuiigcn korrekt forrnulitlrt (z. B. niiissen itlle itiis ciiierri Koinpartiirient ausgefiihrten Stoffrriengeii in andwen Ko~iipartime~it,c~ii wicder auftreten)? Kalibrieriing x i ausgewiihlteri Siil)starizcn, dereii Uiiiweltvt:rli2ilten bekannt ist und 1x3 dcrieri vorii Model1 verlmgt wird. daf3 cs ihr Vvrhaltcn rc.protliizic,rt. (Das hier verwendc R.irigniodel1 wird anhand tler lwidcii Stoffe Freon 11 i i r i d 1-Butanol kalibriert. s. S. 117.) Sensitivitstsanalyse: Trot z ikircr vorgltkhsweisc c:infacheri Striiktiir ist itiich bei cvaluativeri h1odellc:ii nicht offensic:htlicli, welchrn EiiifluB einzolnc, hIodcllparameter aiif die hIodc>llresiiltatch a h i . Dahw ist (:s not,weiiclig.(IRS Vvrhalt,eri des Modclls aiiszuloten, indem vcrschicdeiie Parameter gezielt variiert werden iirid tlie Rrtaktiorien tler hlodcllresiiltatc verfolgt werticm. Auf tiiese Weisc konnen Parameter rriit bcsonders starkcrii Einfluf$ erniittelt werden, hei clcneri verhesscrte Kalibrieriing oder cine vcrtiefte Uritersiichiing sinnvoll ist. (Eiiie solchc U n t c ~ siichurig wird in Abschriitt 7.4.2 fiir dtw ~lodellparaiiietcr @ tliirchgefiihrt, der tlie an Arrosolpartikrtl adsorbierto Stoffnieiige Ix.schrt:ibt.) Eiiit: Altctrnative, tlie jcdocli lidiereii matheniatisclien Aiifwitnd erfortlert . ist tlie Uiitersiicliiing der Model1eigc:riscliafterl mit analytischen Metliodcri. Dies fiilirt zii traiisparcntcn Ziisarrirrir~iili~trigenzwischeri hIod~tllparnni~~tcrri iind Zielgriifieii. Beini Ubvrgaiig z i i ariclc~rciiSubstarizcn, fiir die d i t s hlodrll nicht kitlibrivrt. wurtle. ist, iniiiier zii priifeii. ob c1erc:n physikaliscli-chciriisches V~~rlialt,cn Iriit den RIodt~llariiiah~:ieriiit,ereiiisti~iirrit.So wird in dtii iiicktcw cvaliiativcri hlotlellcw nicht niit &:r Bildiirig verschiedencx chernisclicr Spczicxs gcrcc1iric.t. z. B. Ioneii o d c ~h1t:tallkomplcxe. Diesf. hIodellc sincl da1ir:r riicht geeignet. i i m clas Uinu~t:ltvt~rhaltr.n vori io1ieiit)ilderitleri Stoff& zii iirit,c:rsiichx.
7.2
Evaluative Modelle ohne Transport
Die Vcrwtmtliing von c’valiiiitivcm hlotlell(m als Iiistruriicmt ziir Clieniikalictihewerturig wiirde vor a l l t m voii D. hlackay seit 1979 propagicrt (hlackay 1979. hlackay u. Patcrsori 1981, hlitcktiy 11. Paterson 1982. hlackay 1991). Bci dcii vori hlaekay eiiigefiilirten Motlellrri werdcn vier St i i f ( ~ i(.. L ~ u d s ” iincli ) ziinc.liineiider Koniplexitst uiiterscliietl(m. Aiif Stiifc? 1 wii d (lits tlic.riiiotlyiixiiiisc.lie Gleicligewicht Awi-
7.2 Eoahatave Modelle ohne Transport
109
schen den betrachteten Umweltkompartimenten vielfach Boden, Wasser, Luft, Sediment und Organismen . berechnet. Das System ist geschlossen (keine Emissionen, kein Stoffaustrag, kein Abbau), und die Verteilungskoeffizieriten K H und KO, bestimrnen, wie sich die betrachtete Substanz auf die Umweltkompartimente verteilt. Der Stoffaustausch zwischen den Umweltkompartimenten wird nicht eigens rnodelliert, d. h. es werden keine Transportparameter benotigt, die die Kariiile und Geschwindigkeiten des Stoffubertritts bestimmen. Das Modell liefert die Konzentrationen und Stoffmengen, mit denen die Substanz in jedem Kompartiment auftritt . Auf Stufe 2 werden Abbauprozesse und Stoffaustrag durch Luft- und Wasscrstromungen in die Bilanzgleichungen aufgenommen, und als zusatzlicher Eingabeparameter wird die Emissionsrate (in kg/s) benotigt. Auf diese Weise kann fur das nun offene System ein Fliefigleichgewicht ( s t e a d y s t a t e ) berechnet werden, das durch die Konzentrationen in den Umweltkompartirnenten und die Lebensdauer oder Persistenz der Substanz charakterisiert wird. In diese Persistenz gehen die einzelnen Abbauraten aller Umweltkompartimente ein, und die Persistenz bezieht sich auf das Gesamtsystem, das wie ein Durchflufireaktor mit einer charakteristischeu Verweilzcit angesehen werden kann. Die Konzentrationswerte entsprechen denen des thermodyriainischen Gleichgewichts, d. h. sie werden wie bei Stufe 1 ausschliealich von den Verteilurigskonstanten K H und KO, bestimmt. Auf Stufe 3 werden zusatzlich auch die verschiedenen Wege des Stoffiibertritts zwischen den Uniweltkorripartimenten modelliert, und berechnet wird der Endzustand ( s t e a d y s t a t e ) , der sich im Grenzfall sehr langer Zeiten ( t + 00) durch diese Ubertrittsprozesse einstellt. Bei den Ubertrittsprozessen ist grundsatzlich zu unterscheiden zwischen diffusivem und advektivem Stofftransport. Diffusiver Stofftransport wie z. B. dcr Ubertritt aus Wasser und Boden in dic Atmosphare durch Verdampfiing lauft ab, solange die Konzentrationen in den Umweltkorripartimenten von den Konzentrationswerten des thermodynamischen Gleichgewichts abweichen. Wenn nur diffusiver Stoffubertritt stattfindet, sind daher die Konzentrationen des steady-state, in dem sich der wechselseitige Stoffubertritt zwischen zwei Kompartimenten ausgleicht, z. B. Verdampfung und Ubertritt aus der Gasphase in die Losung, identisch mit denen des thermodynamischen Gleichgewichts. Demgegenuber ist advektiver Stofftransport wie z. B. nasse Deposition, also die Auswaschung aus der Luft durch Regentropfen, an die Stromung eiries Tragermediums wie Luft oder Wasser gebunden. Die chemische Substanz wird mit einer Luft- oder Wasserstromung verfrachtet , und das Ausmaa dieses Transports hangt a b vori der Konzentration der Substanz in1 Ausgangskompartiment und von der Stromungsgeschwindigkeit. Wenri advektiver Stofftransport die diffusiven Prozesse uberlagert, werden irri steady-state andere Konzentrationen erreicht als die des thermodynamischen Gleichgewichts. Diese steady-state-Konzentrationen, die sich aus diffusiven und advektiven Verteilungsprozesseri ergeben, sind die ZielgroBe der Modellrechnungen auf Stufe 3. Durch die Modellierung der advektiven Prozesse wird ein realistischeres Bild vori der Verteilungsdynamik erzielt; allerdings mussen dafur auch zusatzliche Modell~
~
~
parameter bcstirririit werden. wodurch sich dit: Uiisich.rlicit tlvr hlodellrcsiiltate erhdit AuOerdem 1i;tngrii riiin irri Uriterschicd aii St,ufc 2 tlie str:ndy state Korizeritratiorieri wic aiicli die Persisteiiz voiii Frcisetzurigsort ab: Eiri Stoff wie z. 13. Dioxan wird ini Wasser riiir langsani, in dcr At,rnospliiirc jedocli dmtlich scl-iiic~ll(~r ahgchaut . Boi Emissioii ins wasser ist dalier die Persistcriz uiid aiich die. steadystnte-Konzcntr;ttion irri 1V;Lssc.r liiihcr als bc>iEiiiissiori in dic Liift. Aiif d(.r vierten Stiife schlieBlich wird fiir alle Uriiwelt,korripartiriieriteaiich drr Zoitvc:rlairf cler Korizeritratiorien vor c h i i Errcic:lit!ii dw steady-statr: borec:linc:t>. So karin z . B. d r r Ailstkg der Konxeiitr;Lt,ioiicri aiif dit: stciI,dy-sttLte-\rte verfolgt wcr( h i , naclidcm eirie Emission begonrim hat,, 0dc.r tlas Abkliiigeri drr Konzcmt.ratioIICII riacti dern Eride dcr Emissionen. hfaii erhiilt i i i i s tlori hlodcllrccliriuiigen also eirie Kurvc fiir den Verlauf der Korizcirit,ratioii c, ( t ) fiir jetlcs Korripartiinerit, j . Diw ist, dic uirifarig1ic:hst~cIriforriiatioii, clic sich aiis einoin c:v;iliiat,ivcri Rlocloll gewiriricri
.’
~
liiBt. Vor allerri aiif St,iife 3 wiirden verscliicdmc Variarittu tliesvr hloclell(. eritwickclt. die seit ca. 10 .Jaliren auch voii viclcii Ariwtmdmi in Bcliiirtleri. Iiidustriti i r r i d Hoclischulen briiut at werderi, iiiii tlas Verteiliirigsvr~rhalterivoii C1ieiiiik;tlieri allziiscliiitzrn (Ahlcrs rt nl. 1094, Cowaii et a1. 1995, Rt:nnor 1995. Llsckay c:t (1.1. 1996, Vt:riric+-c: et al. 1997). Es besteht eiri rc1at)iv grolkr Erfaliriingsschatz uiid eiri Koriseris, daB tlie Rlodc4(~eiii wc>rtvollvs Iiistruriicwt siritl. d a s oiiic, korisisteiitc Bcwt eiliirig d r s Uiiiu,c,ltvc,rh;iltciis vielvr Siibstarixxi eriiiiigliclit .
7.3
Evaluative Modelle mit Transport
Eiri wescwtliclic~sAIerkrnal t k r soebtm t)esc.lirit~bciiciitwtlii;it i v m Rlocl(:ll(~ist . &ti3 die Urnwelt koriipartinicntt. kcinc inricrc, St riikt!iir 1ial)cn. soiidtirn horriogtme Voliiriiina siritl. in tlencm sicli jedt:r Stoff sofort glcichniii0ig vc3rtcilt . D i r w Form tlcr Rlodcllc ist viiitwrits c i i i erhcblicher Vortcil, weil sic1 riiicl c+ifachv riiatlitmia Bt:haridliirig erriiogliclit , aridvrerseits a i m aucli eiii Nnclitcil. wcil riiiiriilicli(~Vcrtt+ liiiigsprozessc in d r r Urnwelt riicht vrfaBt wcrdcri kijririeii. Eiiie erstc Rloglichkeit . (.in(. riiiinilichc. Diffcrenzieriirig iii die, hlotlell(~ eiiiziifiilireri. t)cstclit dariii. tlai3 iriaii iric4irt:re Llotlelln inciriaiidor vcmcliaclitc.lt3 (ri,estcd m o d e l s ) . So kariri xiiniichst die riiilic~eUrrigcbiing des Frc.isc.tziirigsortc,s a1)gcI)ildet wcrdcri, lint1 dt,r St,offaustrag aiis dicwiii cmtrri hfodcll wir(I als Eiiiissioiiswert fiir ( i n iiinfi-issrwl(ws regioriales hlodcll vc>rwoiidt+. Auf dicw \Vcise koriiieri die relclvantcm Uriiweltkoriip~rtiriierite (Bocleri. Wassvr. Sediiritmt . Liift,. Lebcwcseri) iiiid
7.3 Evaluative Modelle mit Transport
111
ihre Eigenschaften (Abmessungen, relative GroBe) spezifisch gewahlt werden, und man erhalt abgestufte Konzentrationswerte fur die lokale, regionale uiid ggf. auch weitere Umgebung des Freisetzungsortes. Ein Beispiel fur diesen Modelltyp ist das evaluative Modell, das dem Modell EUSES zugrundeliegt, welches fur die Chemikalienbewertung in der EU vorgesehen ist (Vermeire et al. 1997). Wenn mehrere Sub-Modelle kombiniert werden, konnen sie nicht nnr irieinander geschachtelt, sondern auch aneinandergefugt werden. Auf diese Weise erhalt man eine Kette von Sub-Modellen, die raumlich benachbarte Umweltausschnitte darstellen. Wenn der Stofftransport nur in einer Richtung verlauft wie in einem Flufi, bildet der Stoffaustrag aus dem vorangehenden Modell den Stoffeintrag in das folgende, und man kann die Sub-Modelle nacheinander losen (Mackay et d. 198313). Wenn der Stofftransport in beide Richtungen ablaiift, erhalt man ein System aus wechselseitig gekoppelten Sub-Modellen, die gleichzeitig gelost werden miissen. 7.3.1
Klimazonenmodell
Ein erstes Modell dieser Art, das den globalen Stofftransport beschreibt, ist das von F. Wania und D. Mackay entwickelte globale Klimazonenmodell (Wania u. Mackay 1993b, Mackay u. Wania 1995, Wania 11. Mackay 1995). Dieses Modell umfafit neuri Klimazonen von N-polar iiber N-boreal, N-gemafligt, N-subtropisch, N-tropisch, S-tropisch, S-subtropisch, S-gemafiigt bis S-polar, von denen jede durch ein SubModell mit den Kompartinienten Atmosphare, ozeanisches Oberflachenwasser, Boden, Suflwasser und Sufiwasser-Sediment dargestellt w i d . Jede Klimazone ist durch spezifische Volumina der Kompartimente und durch ihre Temperatur ausgezeichnet: Die tropischen Zonen haben das grofite Volumen (ca. 1.7 Mrd. km3) und weitgehend konstante Temperaturen irn Bereich von 26 C. Die Polarzonen haben ein Volurnen von ca. 0.3 Mrd. km3 und Temperatureri von -24 C bis 5 O C. Die Sub-Modelle, die die einzelnen Klimazonen reprasentieren, sind iiber die Tropospharen- und Ozean-Kompartimente miteinander gekoppelt. Der Stoffaustausch zwischen ihnen wird in Form makroskopischer Diffusion dargestellt (turbulente Luft- und Wasserstromungen, durch die der weitraumige Transport in der Troposphare und im Ozeanwasser stattfindet). Da in den polarcn Klimazonen die Umweltbedingungen wie z. B. die Temperatur und die GroBe der vereisten Flache im Verlauf eines Jahres sehr stark variieren, wird der Zeitverlauf dieser Anderungen und dementsprechend auch der Zeitverlauf der Stofionzentrationen explizit berechnet, d. h. das Modell wird auf Stufe 4 gelost. Dazu werden fur jeden Zeitpunkt die Temperatiiren der einzelnen Klimazonen bestimmt, und fur jede Temperatur werden die zugehorigen Werte von Dampfdruck, Wasserloslichkeit und Henry-Konstante ermittelt. Auf dieser Grundlage kann dann die Stoffverteilung im gesamten System, d. h. fur alle Umweltkompartinierite in allen Klimazonen, berechnet werden. Damit erhalt man schliefllich den zeitlichen Konzentrationsverlauf in allen Umweltkompartimenten und Klimazonen sowie die raumliche Korizentrationsverteilung, aufgelost mit der Breite der Klimazonen. Bei Wania und Mackay (1995) sind Hexachlorbenzol, y-Hexachlorcyclohexan, DDT iind 4-Monochlorbiphenyl als Beispiele dargestellt. Es zeigt sich, daB im Verlauf von O
O
20 Jahreii eiiiv Arireicheriirig in den polarrii Gcl)ic,ttw stattfiiidct (cold i m dcn,safion).was iiiit c,xperirric.iitellcn Defiiiidm filwrviiist iirinit (LViirii:i ti. hlavkay 1993;~,Wania 11. Mackity 1996). Wvil das Klirnazonerimodell vielc Prtranicter iirnfaOt iind fiir c.inigc, dtxr Paraiiicter dic Tmipcrat iiral)harigigk(:it iiiid damit dic Zcit;tbli;trigigkcit erniittelt werdvn iiiii8. ist es relativ koniplex. Gloichzcitig ist dic riiimilichc, Aiiflosiiiig, die durrli dic Brcitrt dtir Kliriiazoiiori gcgelmi ist, iioch nicht schr hocli.
ca.
7.3.2
Ringmodell
Eiri ahnliches Modell, t)ei deni jedodi ~iir:hrGcwiclit aiif d w riiiinilichoii Aiiflosiirig licgt, wahrend die physik;Lliscli-cli(~misc~heii Prozesse iii tlcr Uiiiwclt wciiigcr dctaillicxrt orfaBt wc,rdm. ist das ..Ringriiotlcll". rriit cleiii iiii folgmdrn Abschnitt Pcrsist,enz iintl Reichwcitc: herc:chric:t werdcri (Scliciririger 1996, Sdicririger 1997). Wit. (LLSK1iniazonc:iirriodell sttxllt tliescs hlodcll dcii glo1xtlt:ii Stofft raiisport eiit laiig eiII~S hleridians dar: es besttht jcdoch iiicht aus Iieiiii Kliniiixorit~ii.sondcrri aiis vincr Kcttc, vori 80 SiiI)-Modellen, die ciri kreisforiiiig gesc*hlosscric.sSystciri bildcii (s.
Abb. 7.2).2
Ahbz1~ti~ii,q 7.2: Auftviluiig dcs krrisforririgerr Motlellsysteriis iri n A1)schriittc. tier lJ;trlgc~1,, (hier: = 20 ) . Ilargt~stelltist niir eiri IJiriwcltkorii~)artirrieiitrnit, cleri ziigc~hiirigcriPnranreterii K (Stoffabbaii irirrc~rtiall)ciiws A l d i i i i t t s ) nnd d (St,off;iiistaiisctr zwiseheri ewc,i t)eii;tctibarteri Abschnitb tcm). h i j = 1 firiclct dic. Stofferriissioii sta1.t. 71
Dic, Aiizalil dcr Siih-hlodrllr wird rriit T I Imx3ichiiet: jcdcs Siih-hIod(.ll M d e t c4rieri Ahchiiitt der Liiiige I,, = L/ir . wobei L = 30 000 kin deni Erdimifang erit-
2. Eiri solclies zyklischcs eiiidimc~rrsiorialrsTrarisl,ort-Reitktioris-SS.htt.lli wwrde erstnials vcmvcntirt vori Tiiring (1952). ~irrdzwar ziir Ilritersiichnrig d v r hlorphogrricw i r i eiricrn Systcwi ails ririgforrnig angc~)rdrrctenZelleii. Dic Arirc.gurig, tlic,ses R I o d c , l l frir Liiiwelt prozc'sse ;iiizupitsseii. vcdarike ich 1;.hlull(~r-Hc~rold.
7.3 Evaluative Modelle rnit Transport
113
spricht. Der Index j , j = 1, ..., n , mit dem diese Abschnitte gezahlt werden, bildet die Ortskoordinate des Modells; Aj = 1 entspricht also der Distanz 1,. Das Modell umfafit nur die drei stark unterschiedlich rnobilen Konipartiniente Boden, Oberflachenwasser und Troposphare, vgl. Abb. 7.1, wo der Querschnitt durch ein Sub-Modell (senkrecht zur Transportrichtung) dargestellt ist. Grundwasser, Tiefseewasser, Sediment sowie Lebewesen werden nicht berucksichtigt, da hier weniger die Verteilung einer Substanz auf alle diese Umweltkompartiniente erfaot, sondern das Transport- und Abbauverhalten von Umweltchemikalien in seinen Grundzugen modelliert werden soll. Ein System aus den drei unterschiedlich mobilen Kompartimenten Boden (immobil), Wasser (mittlere Mobilitat) und Luft (hochmobil) ist fur diesen Zweck ausreichend. Das Ringniodell ist somit weniger komplex als das Klimazonenmodell; fur erweiterte Fassungen des Ringmodells, die zur Zeit in unserer Arbeitsgruppe an der ETH Zurich entwickelt werden, ist eiri genauerer Vergleich mit dem Klimazonenniodell geplant.
Modellstruktur Ausgehend von einer stofiformigen Emission an einem oder mehreren Orten berechnet das Modell fur die Kompartimente Boden, Wasser und Luft in jedem Abschnitt 00
j die Exposition
~ , , ~ ( t ) dvgl. t ; Abschnitt 6.1.3. Fur jedes Umweltkompar-
= 0
Hier wird timent ergibt sich so eine raumliche Expositionsverteilung {et,3}J=1,,,,,n. vor allem der Fall rnit einer einzigen Emission betrachtet, die zu eirier raumlichen Expositionsverteilung wie in Abb. 7.3 links fuhrt. Die Verteilung ist symmetrisch und gleichmaBig, weil in allen Abschnitten j dieselben Werte fur die Modellparameter verwendet werden. e*gJ
e*gJ
0.14 0.12 0.1 0.08 0.06 0.04 0.02
0.14 0.12 0.1 0.08 0.06 0.04 0.02
n/2+ 1
I n12
n/2
j
n/2+ 1
n12
n/2
.i
Abbildung 7.3: Raumliche Expositionsverteilurigen,wie man sie mit dem Ringmodell erhalt. Als Beispiel ist die atmospharische Expositionsverteilung von Benzol nach Emission in den Boden dargestellt; links mit einheitlichen Modellparametern (symmetrische Verteilung), rechts mit zufallig variierenden Modellparametern (asymmetrische Verteilung).
Es ist auch moglich, Abbauraten und andere Parameter von Abschnitt zu Abschnitt zu variieren, was dann zu unregelmafiigen Verteilungen fuhrt, s. Abb. 7 . 3 , rechts. Diese Paranietervariation mufite jedoch fur jede Substanz eigens diskutiert und festgelegt werden. Da hier die raumliche Reichweite fur verschiedene Substan-
zeri untcr miiglichst einfacheri i i n t l tr;tnspareritc~iiBedirigiingcm lwrechnet worden soll, werdeii niir s,ymirietrischt~Expositiorisverteiliirlgeii verweiidct . Da die Emission in Boden: Wasser iirid Luft erfolgeri knnn, resiiltieren fiir jcdc Siibstariz drei Eniissionsszenarieii mit ,je drei Expositiorisvertciliirlgeri. voii denen jrtde rriit eirier Reichwoite R, . RI iind Rg c*liarnktcrisit~rt wtwlcn h n n . Aus diesem Spektriim vori rieiiri Vertciliirigeri wirtl hicr vor alltrn die at,mosphiirisc:he Expositionsverteiliing iind die zugchijrige Reichweite R, I)ctraclitct die sich tiei Emission in den Boden ergibt. I. a. gilt bei Emission in don Botleii R, < RI < RE." Die atmosphiirische Reichweito R, licfert, iintor diesen Btdingiingen die nieiste Information iilxr den Utxrt,ritt ails derri Bodcri in die mo1)ilen Konipartirncmtc Wasser urid Luft iind iiber den anschlic:De~iclenTransport in divsen Koinpartimc.nt.e~i.Unter riiiinilicher Rcichweitc ist irn folgeritleri sorriit ..;rtrriosphiirisclie Reichweite twi Erriission in den Bodcrl" zii verstehcn, tind iint,or Pcrsist,eriz .,Pcrsist,enzh i Emission in t l m Boden". ~
Tabelle 7.2: Voliimirin untl Gronzfliicherider Uniwcltkompnrtinicnte Boden, ozeanischcs Oberfliiclienw~sseriind Troposphiire (relative E:inht!iten). Dcr Zahlenwvrt dcs Grcrizfliichc Bodcn/WK.sscr wird f6r die Motlellrtlchriimgen nicht bcnotigt.
Phaucnvoliimon
Zahlciriwert
I
~~iauerigrei~zfl~tie
Zalilenwcrt
Div drci Koirip~trt,iiriciit1:Boden, JVitsscr uiid Liift Iiabtm clic in Tal).7.1 und in Abb. 7.1 dargestt~lltc~n Al)rnessungen. .Jetlcr Alischnitt j 11111fid.3t(.in Luftvoliinieri tlcr Hohe G krii. (.in Wasscrvoliimcii dcr Ticfe 10 r n iiiitl ein Botlenvo1uriic:n cler Tiefc. 10 cni (niLch Kleiri (1985)). Dic Grcmzfliichcm zwischen Botlrn uiid Liift sowk JVassc,r iiiid Liift wertieri so gcwdilt. tlafj sie das r i i i t t l c w Verlidtiiis vun Litntlflach(3 (30%) iind Wasserflzclic (70%) nuf der Ertle rcpriisrnt,icrc,n. (1. h. 30 %, clvr Brcito drs Rings eiit,fallrn aiif ciiicri Strcifeii Lantlfliiche, 70 '% aiif eiiiori Streifm Jf'asserfliichc. Der Botlm cwthiilt L2'assc~zii ciiierri Voliimvnaiiteil von 30% urid Liift x u h e i n Voliiriieriantcil voii 20% (Mackay 11. PiLtclrsotl 1991).
Diffusiver u n d advektiver Stoffaustausch awischen den Kompartimenten Der Stoff;iust,aiisch zwischeii tleri Koriipnrt,iiric.iitt.ii kilnti. wir aiif S. 109 1)esdiric.twn. diirch tliffiisivci Prozcssc wic Vertlanipfurig i i i i d iitlvcktive Prozessc wit: Aiiswaschung cliirch Reg(xi crfolgeti. Dio diffusiven Proxessc wcmlcii irii Model1 diirch die. Ht:riry-KoiistiLiite i i n d dell Okt,,triol-Witsscr-V(,rteiliingskocffizic.rlteIi bcstinirnt: auBvrd(mi g c h w Triinsfi.rRcschR.iii(~igk~~iteii riri. die. deli Utwrtrit,t tliirch
RK x Rl weil I3odcn uiicl WHsser ubcrwiegcnd durch 3. Boi Eiriission in die Luft ist rC, Dcpovitiori t~usdcr Atmoxphiic exponicrt sitid. 111 dicwni Fall spicxeln dle c h i Rcichweitcn vor allcm den atmasphiirischeri 'hiisport widcr. ~
7.3 Evaluative Modelle mit Transport
115
die Grenzflache zwischen zwei Kompartimenten bestimmen. Die Zahlenwerte dieser Parameter sind in Abschnitt A.l.l in Anhang A angegeben; fur Einzelheiten vgl. Mackay u. Paterson (1982), Jury et al. (1983), Mackay u. Paterson (1991, S.431) und Schwarzenbach et al. (1993, Kapitel 10). Auf dieser Grundlage wird die Verdampfung aus Boden und Wasser und der Ubertritt aus der Gasphase in Boden und Wasser niodelliert (GegenprozeB zur Verdampfung) . Boden und W a s e r stehen nicht in direktem Kontakt, so daB zwischen diesen beiden Kompartimenten kein diffusiver Stoffaustausch stattfindet. Im Unterschied zum diffusiven Stoffaustausch, der durch direkten Stoffubertritt an der Grenzflache zwischen zwei Kompartimenten erfolgt, ist der advektive Stoffaustausch an die Stromung eines Tragermediums wie Wasser oder Aerosolpartikel gebunden. Folgende advektiven Prozesse werden modelliert: trockene und nasse Partikeldeposition, Auswaschung durch Regen sowie Abschwemmung von Bodenpartikeln mit Flieogewassern. Die Partikeldeposition betrifft Substanzen, die zu einem gewissen Ausmao an Aerosolpartikel adsorbiert sind; dies sind vor allem Stoffe mit niedrigem Dampfdruck (tiefer als lop3 Pa) wie z. B. DDT oder PCB. Diese Substanzen werden mit den Aerosolpartikeln in den Boden und das Wasser transportiert, da die Partikel durch Regen ausgewaschen werden und auch aufgrund ihres Gewichts zu Boden sinken. Auoerdem werden auch gasformig vorliegende Stoffe mit dem Regen aus der Atmosphare ausgewaschen, wobei das AusmaB dieses Prozesses von ihrer Wasserloslichkeit oder genauer von ihrer Henry-Konstante, die das Verhaltnis von Dampfdruck und Wasserloslichkeit angibt, beschrieben wird. Die relevanten Modellparameter sind Partikel-Depositionsgeschwindigkeitenfur trockene und nasse Deposition, die Regenintensitat sowie die Auswaschungsrate, die das Volumen angibt, das jeder Regentropfen beim Herabfallen ,,durchfiltert". Fur alle diese Parameter werden globale Durchschnittswerte verwendet, die in Tab. A.4 und A.5 in Anhang A aufgefiihrt sind. Fur Einzelheiten vergleichc man Bidleman (1988), Mackay u. Paterson (1991), Schwarzenbach et al. (1993), Scheringer (1996, 1997). Ein weiterer advektiver ProzeB ist die Abschwemmung von gelostem wid an Bodenpartikel adsorbiertem Material durch FlieBgewasser (runofl). Auch fur diese Prozesse werden globale Durchschnittswerte verwendet.
Abbauprozesse innerhalb der Kompartimente In allcn drei Umweltkompartimenten laufen Abbauprozesse ab, durch die sich die ursprungliche Stoffmenge vermindert . Diese Abbauprozesse umfassen biologischen Abbau durch Mikroorganismen in Wasser und Boden sowie Abbau durcli verschiedene chemische Reaktionen: direkter photochemischer Abbau, also durch Sonnenlicht; Reaktion mit Hydroxylradikalen (der wichtigste AbbauprozeB in der Troposphare) ; Reaktion mit Wasser und mit verschiedenen anderen chemischen Agentien. Fur die Modellierung ist es notwendig, daB fur jede Abbaureaktion eine quantitative Angabe wie eine Halbwertszeit, eine Abbaugeschwindigkeit oder ein Wert fur den biologischeri oder chemischen Sauerstofbedarf ziir Verfugung steht. Da die Abbaureaktionen je nach Umweltbedirigungen verschieden ablaufen, sind solche Werte mit erheblichen Unsicherheiten behaftet; fur viele Substanzen fehlen sie
ganz. Hier wcrden vor alleni die W(2rt.e verwrdet.. die. in d(w Ziisarrirn~~iistolli~iigen von P. Howard et (11. aufgefiihrt sind (Howard 1991, Howard et al. 1991). Die Endstufe der Abbaiiprozesse sind stabile Verbiiitlungen wie Kohlendioxid und Wasscr. All(:rdings vorlauferi die Abbmprozcsse oft iiber rnehrere Zwischerist uferi. d. h. aus der Ausgarigssubstariz entstchen hlctabolitcri, die ihrcrseits cbenfalls persistent und such toxisch seiri konnen. urid erst nach Inehrerori Schrittcm werdcri die stabilen Endproduktc erreicht. In den rricisten Fiillcn ist cs bereits relativ schwierig, die c m t e Urriwandliing der Aiisga1igssiit)stanz verlaBlicli zu ch;trakterisieren, so daB Informationen iibcr die mijglichen hletaboliten und ihre weiteren R.eaktiont.n nicht ziir Verfiigung stchen. Die hletaboliten miifiten erst,ens cheiriisch identifizit.rt, werdcn. und dariiber hinaus miiBte ihre R.eaktivitiit in der Uniwelt rnit dem glcichen Prozedcrc, wie 1)c.i der Ausgangssul)stanz 1)c:st.imrritwcrden. so dafi tlcr Aiifwand fiir die Charakterisieruiig eincr ganzen Abbaiikaskadc, die iiber mehrcrti Schrittc verliiiift, sehr hoch ist. Aus dicscrri Grund sind virde Ahbaiiwcgc riicht vollstaridig quant,it>ativorfafit, uncl die hicr verwciid&m A1)baiiratcw oder Halbwertszeiteii hezieheii sich allc nur aiif die erstc Umwandlung der Aiisgangssii~~stariz. Demeritsprecherid ist die hier berechnete Persistene immcr niir dic Persist,eriz dtir Ausg~tiigssubst,;iriz;in vielen Fallen nid3tc sie diirch die Persistciizcn niiiglicher Folgeprotliikte erganzt wcrden. Methoden ziir Bestirnrriung tlicser erweitertm Persist,cnz wcxlcri zur Zcit in iiriserer Arbeitsgruppe erarbeitet. Alle AbbauproLcsse. die im Uniwoltkonipartimeiit i ablaiifcn. wcrtien ziir Geschwindigkeitskonstaiiten n, (in s- ) ziisarririieIigcf;Lit: die cine Reitktiori l . Ordnung beschrcibt. Fiir die hier betracliteteii Stoffe sirid diesr. Geschwiridigkeit,skonstariten in dcii Tabcllcn 7.2: 7.4 untl7.6 aufgc.fiihrt.
’
Stoflransport in Wasser u n d Luft Der weitraiiinige Stofftransport erfolgt durcli die Zirkdatioii dcr Tropospliiirc und dcr Hydrosphiire. Die Troposphare ist das cffektivstc, Tr;tiisportrricdiiirn: dit. Vcrteiliirig innc.rhalb viiier Hcrriisphiirc: crfolgt iniierhalb VOII 1 2 Rloiiaten. iirid die Verteilung iiher beitlc Hernispharen t)eniitigt, iingefiihr ein .Jahr ( 1974; Class 11. Ballschmiter 1987, S. 198; Wittlingcr 11. Balls(-hrriitcr 1990, S. 199: Levv 1990). Der Trarisport diirch hIt:~.resstriirriiing~~ri ist uni ca. 1-2 GriiBeiiortlni~rigeri langsarricr (Ballschiniter 1991, S. 15; Okiibo 1971). Dcr Transport in Troposphiire und Hydrospharc wird irri illode11 als rnakroskopische Diffusion (eddy d z f l u ~ i ~ mdargwtellt ) . Diese riiakroskopische Diffiision beruht, auf dem Ziisarrirrieriwirken xahlreichcr ei1izc:lric:r Strijrriurigsbewegungen, dic verschieden schriell siiid und iri versctiicdene Richtiiiigcri fiihrcri (Schwarzeritmcli et al. 1993). Eiri Beispicl fur die Wirkung dioscr iingcwdnetcii StrorriiingshewcgiIngeri ist die Vergriiikrung cines Oltcppichs niif der Wasserot)erflZchc, der sich in alle Richtiingen gleichzeitig ausdeliiit,. h#lat,hernatischl%Bt sich diesc makroskopische Diffusion analog zur rriolekulnrcn Diffiision durch dic Firkschcw Gesetze niit eincni Diffiisioriskocffizientoii D bcschrciben. Allertliiigs hiirigt diescr Diffusioriskoefizient voin aktur:llt:n AusniaJ3 des 6lflecks ah. dtr sich vc,rgroilert: .Ic g r d h der
7.3 Evaluative Modelle mat Transport
117
Olfleck wird, desto weitraumiger und schneller sind die Stromungsbewegungen, die zu seiner weiteren Vergrooerung beitragen (Schwarzenbach et al. 1993, S. 207). Fur ozeanische Stromungsbewegungen hat man eine Beziehung D C % fcstgestellt, wobei C die GroBe des Bereichs ist, in dem die Diffusion wirkt (Okubo 1971). Fur den weitraumigen Transport, der hier im Vordergrund steht. ist C = 1000 km ein plausiblcr Wert, und der zugehorige Diffusionskoeffizient betragt D1 = l.10scm2/s. Fiir atmospharische Stromungen gelten diese Uberlegungen in ahnlicher Weise. Fur die Mischungsprozesse innerhalb einer Hemisphare betragt der Diffiisionskoeffizient D, = 4.1010cm2/s. Zwischen den beiden Hemispharen liegt die intertropische Konvergenzzone, in der der Diffusionskoeffizient auf 5.10gcm2/s absinkt (Keeling u. Heimann 1986); dementsprechend benotigt die Durchmischung beider Hemispharen ca. ein Jahr. Da im Ringmodell die geographische Breite nicht spezifiziert wird und daher auch die Heniispharen nicht unterschieden werden konnen, wird hier ein durchschriittlicher Wert D, = 2.1010cm2/s verwendet.
-
Test u n d Beispiele Wenn alle drei Gruppen von Basisprozessen Abbau, Verteilung zwischen Boden, Wasser und Luft sowie Transport miteinander gekoppelt werden, erhiilt man fur jedes Umweltkompartiment in jedem Abschnitt auf dem Ring eine Bilanzgleichung, die den Stoffeintrag in das Konipartiment, den Stoffabbau innerhalb des Kompartiments iind den Stoffaustrag aus dem Kompartiment heraus umfaflt. Diese 3 n Gleichiingen bilden ein gekoppeltes System, aus dem die Expositionen ez,3 ermittelt werden konnen (das mathematische Vorgehen dafiir ist in Anhang A dargestellt) . Hier wird in der Regel n = 80 verwendet, so daa ein System aus 240 Gleichungen gelost werden muB. Aus den Expositionswerten werden dann Persistenz und Reichweite berechnet, wie in den Abschnitten 6.3 und A.4 dargestellt. Damit ist beschrieben, wie das Modell konstruiert ist und wie es benutzt werden kann, um Persistenz und Reichweite zu berechnen. Bevor das Modell in den folgenden Abschnitten auf verschiedene Substanzen angewendet wird, wird es anhand zweier Beispielsiibstanzen getestet, deren Persistenz und Reichweite naherungsweise bekannt sind: 1-Butanol mit einer Persistenz von ca. 5 Tagen und einer dementsprechend niedrigen raurnlichen Reichweite, und Freon 11 (F-11, CC13F) mit einer Persistcnz von ca. 100 Jahren und einer globalen raumlichen Reichweite (Standley u. Hites 1991, S. 7). In Tab. 7.2 sind Henry-Konstante, Oktanol-Wasser-Verteilungskoeffizientund die Abbauraten dieser beiden Substanzen aufgelistet. ~
Tabelle 7.2: Abbauraten und Verteilungskoeffizierlten fur CC13F und 1-Butanol (Howard et al. 1991, Howard 1991). Substanz CC13F 1-Butanol
ns
(s-1)
2.93.10-' 2.00,10-6
Kc1
W1)
2.93,10-' 2.00.10-6
% (s-l)
log K O ,
K H (Pa m3/mol)
2.72.10-10 3.99.10W6
2.53 0.88
9.83.103 5.64.10W1
Ah]). 7.4 und 7.5 zeigen dic i ~ t ~ r i ~ s p l i ~ r iExpositioiisvrrtciliiiigeii ~clir~~i iiiit tlvr gehiirigen riiiiinlichc~riReicliwcite.
zii-
e*&j
0.03 0.02
R,
I
0.01
nl !+ 1
“*&j
n 1 2
n/2
I
0.25 -
0.21~
ttmz und R.cic:liweite siiicl in Tab. 7.3 aigegebcri (fiir Die Zah1criwc:rto fur Pe sechs verschit:tloiic Wert,e voii 17 ). Dies(, Resultatr zvigm. daB d i ~ sModell fiir F-l 1 eiiic gleichiiiiiBigt: Expositioiisvt.rteiliiiig iiiit g l o b a l c ~Rcicliweitc. R = 95% u l i d fiir Blitiinol eirrc! dciit~lichcscliiiialcre Vrrtoiliirig rriit R 1l%,licfvrt. Dic Persist,eriz I atiiiosparischen A h h u r a t e K~ h t i n i i r i t ( l / =~117~.Tiillre wirtl t)ci F-11 V ~ I der iiri Vergleich zii 7 = 113 .JaIire), bei Biit,iwol vori (lor Abbaurato iiii Boden ( l / ~ 5.8 Tage irri Vvrgleich zii 7 = 5.6 Tag(>). Fiir F-11 ist dics eiii ziifriedenstellciidcs Resiiltat . (la bcitlc~GriiBen das rcale Vcrhaltcn voii F- 11 ziitrc+f’ciitl widerspicgctln. Bci Biit.aiio1 ist (lie. Pcrsisteriz c>l)oiifalls korrekt, dlertlirigs ist dcr Wert R N 11% sohr liocli, WPIIII i i i m iliii iii die tat,sitchlichc Dist,anz voii ca. 4000 krii iiiiircchnct. B(.zogeii aiif (+it. reale Emission
~
7.3 Evaluative Modelle mit Transport
119
Tabelle 7.3: Raumliche Reichweite (in Prozent des Erdumfangs) und Gesamtpersistenz (in Tagen) fur CC13F und 1-Butanol bei n = 40 bis n = 140; Emission in den Boden. n
Substanz
RI
R,
7
40
CC13F 1-Butanol
79.6 2.38
94.9 2.40
95.0 11.2
4.13.104 5.64
60
CC13F 1-Butanol
79.6 1.58
94.9 1.62
95.0 10.8
80
CC13F 1-Butanol
79.6 1.19
94.9 1.24
95.0 10.6
100
CC13F 1-Butanol
79.6 0.950
94.9 1.31
95.0 10.6
120
CC13F 1-Butanol
79.6 0.792
94.9 1.45
95.0 10.5
140
CC13F 1-Butanol
79.6 0.679
94.9 1.51
95.0 10.5
RS
4.13.104 5.64
von Butanol ist dieser Wert wahrscheinlich zii hoch, auch wenn einzelne Luftpakete innerhalb weniger Tage iiber mehrere 100 km transportiert werden konnen (Whelpdale u. Moody 1990). Das Modell produziert hier ein Artefakt, da der atmospharische Transport an den globalen atmosparischen Luftstromungen mit hoher Geschwindigkeit kalibriert wiirde (s. S. 116f.). Dies bedeutet, bildlich gesprochen, daB im Modell jeder Stoff, sobald er aus dem Boden in die Luft verdampft, sofort in die globale atmospharische Zirkulation eingespeist wird. Die in der Realitat ablaufende langsame VergroBerung der Stoffwolke, die erst nach einer gewissen Zeit in Kontakt mit schnellen und weitreichenden Luftstromungen komrnt, fehlt im Modell. Das Modell ist somit nicht dazu geeignet , das raumliche Verteilungsverhalten von kurzlebigen Stoffen wie Butanol realistisch zii beschreiben. Generell dienen die Zahlenwerte fur kurzreichweitige Substanzen im folgenden Kapitel nur zum relativen Vergleich verschiedener Substanzen am Kontext dieses Modells; zur Simulation des tatsachlichen Verteilungsverhaltens von Umweltchemikalien aiif kleinraumigem Maf.3stab kann und sol1 das Modell nicht verwendet werden. Hier werden andere Modelle benotigt, die die situationsspezifischen lokalen Transportmechanismen enthalten. Diese Limitierung ist jedoch nicht besonders schwerwiegend, da das Modell zur Stofilassifizierung unter Durchschnittsbedingungen und nicht zur Simulation unter realistischen Bedingungen gedacht ist; allerdings ist sie bei der Interpretation samtlicher mit dem Modell berechneter raumlicher Reichweiten zu beachten. SchlieDlich ist zu priifen, wie der Parameter n , der die Anzahl der Abschnitte auf dem Ring angibt, die Resultate beeinflufit. In Tab. 7.3 sind die Modellresultate fur n = 40 bis n = 140 angegeben. Wie sich zeigt, ist die Persistenz von F-11 und Butanol unabhangig von n , was bei der hier verwendeten Modellkonstellation auch notwendig ist: Da in allen Abschnitten j dieselben Abbaurateri K~ verwendet werden, ist es fur den Abbauprozef.3 unerheblich, wieviele Abschnitte es gibt und wie sich der Stoff auf diese Abschnitte verteilt. (Wenn in den einzelnen Abschnitten
verscliicdene Al)l)aurat( ~ verwcxidt.t i wiirdvii was fiir ziikiiiift igc, Vvrsiorieii clcs hIodc4ls geplaiit ist liiitte dit. Aiizahl t l ~ rAbsdiiiit te i i i i t l die Variabilitiit c1c.r Abbauraten durcliaus oiiien EinfliiD aiif tliv Persistcnz.) Die riiumlichc~Reicliwc:it,e ist h i F-l 1 iriit den Iiohen Wvrt,cn voii R eherifalls iinablikrigig voii n . (1. 11. die rfiiiiiilich(~ Aiiflijsiiiig dcs hloclclis ist Iioch gcliiig, uiri die Verteiliing voii F-1 1 ohric. Verzerriiiigcn darziistellm. Bei Biit,;tnol. wo die rauirilichen Reichweiten in der Niihe der riiiinilichrw Aiiflosung des hlodells liegen, beeirifliiijt der Wcrt voii 7 1 die Rcsultatc. stfirkcr. Dic atriiosI)liarisc:lic, Reicliwc,it>e Rg E 11% ist ah n = 80. d. h. ah ei1ic.r A1)schnittsliiiige I,, = 1.25% iind eincm Verhiiltriis Rg/l,,E 10 wcitgelicwl stahil. Die Reichwoit,cm in Wasscr uritl Boderi schliefilich veriindrrii sich dirckt proportional zii 1 / 7 1 . d w sic hc,i 71 5 100 durch tlic Langci c l c ~eiiiittierendcri Absehiiitts gegebori sind: RI E R, E l,, ( RI steigt, bci 71 > 100 leiclit, an uric1 I)leibt d ~ i i i i anniihcirnd korist,ant, was hier jeclocli nicht, weitcr diskiitic.rt wird). D i t w Wvrte sind soniit vollstiindig riiodcllspczifisch. Fiir Stoffc iiiit nicdrigcm Reicliweitrn karin somit iiiir untorsucht wcwlon: al) wckliern Wert voii 71~ dic, Rrichweitti iibcrhaiipt von dcr Abschriit,tslBngc 1,, abwcicht (dics ist, fiir vcwchietlciic, Stoffc h i versc.liic,denen Werten von n dcr Fall). viric. weitcrgchend(~1iitc.rprc.t;rtioti dor Reicliwc3cw ist jedoch nicht iiioglich. Nach diesem crsten Tost dcs Ririgriiodells an zwci Bcispiclsii1)stanxcii werd(:ii iiiiii Persisteriz und Reicliwcitc fur ciiic:ri groijc:rc,n Sat,z von iiriiwt:ltrelevaiiteii Stoffm berechnet. Diw sind crstcws halbfliichtigc cliloriertc> Kohleriwa rst,offc. vor allcm die 12 sogenaririt,en Persistent 0r:qanac Po1lutunt.s. i i n d zwoiteiis eiiiv Reihe von Basischomikalicw iind Liisiingsriiitt,elri. ~
7.4 7.4.1
Halbfluchtige Chlorkohlenwasserstoffe: Persistent Organic Pollutants Umweltchemische Befunde und umweltpolit ische Bedeutung
Halbfliichtige Clilorkohlenwasscrst,off~,( C K W ~ )wie r m 3 . DDT. Chlordaii iiiid ;tiitl(w Pestizide wurdtm in erheblichen Distanzen von ilircw Freisct,ziirigsortc.ii in Luft, und Wasser. vor wllciri abcr iiri Fettgcwdle und in dcr hliitterniilch von Alccwssaiigcrn iirid hIcnscheri gcfiindeii (Klarrier rjt al. 1991, Reiiiivr 199G): iiisbesoiitlcre rc+hrn sie sicli in den Po1argt:l)it:teri aii ( G o l d h g 1975, Wania 11. h1acka-y 1996). Polychloricrte Biphenylt. i i n d verniiit,lich aiich andr:rc. halbfliicditige C K W schadigen das Iriirriunsyst,twi iind dtxi Stof€wc&sel. w m n sic, R I I S clerri Fct,t,gewch freigesrtxt werdcti (Kuehl r : t ol. 1991. TakaYitiria et nl. 1991). Wviterliiii grrifcn sic, in das Reprodiikt,ionssystcrri ein. iiritl sie 1)ceinfliissc:ii die Erit,wickliirig von Eiril)ryoneri imd .Jungticrcn bzw. Sauglingen negativ (Goluh rt ul. 1991). Epidcrriiologisclie Stiiclien fiihren verschiedcne Eritwickliiiigsstiirung~,iih i Kiiid(mi aiif I~<:B-Eiiiwirkuiigeii vor der Gt:l)iirt ziiriick (Swain 1991, .Jacobson 11. .Jacol)sori 199G). N;tcli ihrer groMachigm Vr:rwcndung in den 5Ovr iind GOcr Jalircm wurtlm in den 70er Jahrcri sowohl (lit CKW-Pcstizidc wie auch die pol,vcliloricrt (’11 Biplieiiyle
7.4 HalbfEuchtige Chlorkohlenwasserstoffe: Persistent Organzc Pollutants
121
in den meisten Industrielandern verboten. Allerdings werden DDT, Chlordan und Heptachlor heute noch immer als Pflanzenschutzmittel und zur Malariabekampfung in tropischen Landern eingesetzt. PCB werden aus den Depots, die z. B. in alteren Transformatorenanlagen bestehen, nach wie vor freigesetzt (Tanabe 1988), und in Ruflland werden sie auch noch neu produziert. Bisher sind 12 halbfluchtige CKW als POPS klassifiziert ~ o r d e ndas , ~ heifit, sie sind Gegenstand internationaler Verhandlungen, die den weltweiten Verzicht auf diese Stoffe und den Ubergang zu Alternativen regeln sollen (Renner 1998). Ein zentraler Punkt, der uber das Umweltverhalten der 12 genannten Substanzen hinausgeht, ist dabei die Frage, nach welchen Kriterien weitere Stoffe als Pops-Kandidaten klassifiziert werden sollen und nach welchem Prozedere die pops-Liste dann tatsachlich erweitert wird. Diese primar politischen und wirtschaftlichen Diskussionen haben auch das wissenschaftliche Interesse an den halbfluchtigen CKW, die eigentlich ,,alte" Umweltchemikalien sind, wieder verstarkt, vor allem auch deswegen, weil klare Kriterien, die das problematische Umweltverhalten der POPS ,,auf den Punkt bringen", nicht ohne weiteres gefunden werden konnten. Das Umweltverhalten halbfluchtiger CKW ist somit zur Zeit eine umweltchemisch und umweltpolitisch aktuelle Frage. Es ist deswegen besonders kompliziert, weil halbfliichtige CKW stark an organisches Material wie z.B. Huminsauren, die im Boden und im Sediment enthalten sind, sowie an im Wasser suspendierte Partikel und an Aerosolpartikel adsorbieren. Dadurch wird ihre Reaktivitat beeinflufit, und ihre Verteilung in der Umwelt wird zumindest teilweise an den Transport der Aerosolpartikel gekoppelt . Vor allem die Adsorption an atmospharische Partikel hat einen erheblichen Einflua auf den weitraumigen Transport. Das Verhaltnis des adsorbierten Anteils zum gasforniig vorliegenden Anteil wird daher sowohl experimentell als auch theoretisch ausfuhrlich untersucht (Bidleman et al. 1986, Foreman u. Bidleman 1987, Pankow 1987, Ligocki u. Pankow 1989, Jang et al. 1997, Goss u. Schwarzenbach 1998, Harner 11. Bidleman 1998, Simcik et al. 1998). Gemessen wird das ,,Gas-Partikel-Verhaltnis" oder der adsorbierte Bruchteil @, indem groBe Luftmengen durch einen Filter fur die Aerosolpartikel und anschliefiend durch ein Absorptionsmittel fur den gasformigen Anteil gesaugt werden. Solche Mefiwerte konnen dann mit berechneten Resultaten verglichen werden, wobei zwar z. T. befriedigende Ubereinstimmungen, aber auch Abweichungeri in jede Richtung erhalten werden (Harrad 1998). Dies kann zum einen daran liegen, dafi das Meherfahren systematische Fehler birgt (Bidleman et al. 1986, Harrad 1998); zum anderen ist auch das theoretische Verstandnis der Adsorptionsprozesse noch nicht ausreichend, d a diese Prozesse sehr vielschichtig sind. Wie stark verschiedene Stoffe adsorbiert werden, hangt einerseits von ihren physikalisch-chemischen Eigenschaften ab, vor allem von ihrem Dampfdruck, andererseits aber auch von einer Vielzahl von Umweltfaktoren wie der Teniperatur, ~
~
4. Dies sind Aldrin, Chlordan, DDT, Dieldrin, Endrin, Heptachlor, Hexachlorbenzol, hlirex, r m . polychlorierte Dibenzodioxine und -furane und Toxaphen.
der Liiftfeuchtigkeit sowie tlcr hlenge uritl der Btiscli;Lff[.nhcit,i~i~~it, tlcr vc.rfiigbarcm Partikel (Bidleman 1988. H a r r d 1998). J t , nach d t m Eiiiflufi dieser Faktorcm liegcm die Werte von @ unter 5% oder aiich iiber 80%).Stoffe iriit eiiiern Danipfdriick ii1)c.r lo-" Pa adsorbieren so gut, wie gar nicht, melir an Aerosolpartikel (Jungc. 1977). Insgesamt siiid hlt,chanisrrien und Ausiriafi dcr Adsorption also iiur ansatzweisc> bekannt. Welchen Eirifliifi die Adsorption zuderri auf dic: Reaktivitat, der Stoffe hat, ist vielfach norh weniger klar. Verniiitet wird. dafi dic Reaktivitat ziiniindcst daiiri abnimnit, wenri ein Stoff ins Inner(. der Partikel cingeschlossttn wird oder werin sich i mehrere Schichten auf der P;irtikrilobcrfliic.lie hiltlen. wcil d a m der Einflufi v o ~ OHRadikaltm und Licht schwiicher ist (Pankow 1988, Koester 11. Hitm 1992. Harratl 1998).
7.4.2
Modellrechnungen
hlit Hilfe des R.inginodells wird iiiin t1t.r EinfliiO dcr Part ikvlatlsorpt ioii auf tlcii atrriospliarischeri Abbau iirid aiif dic Dcpositiorisprozc,sse ri;iher iiritersiicht,. Divsor Abschriitt, 7.4.2 enthalt relativ cletaillittrte Aiisfiihriingen iiber tlic. hlotlcllresiiltnte und ihre Interpretation. Wmn man iiicht ausdriicklich am Uiiiweltvt,rlialtcii halbfliichtiger C K W interessiert ist. kariii niari tlieseri Abscliiiitt ii1)cwpriiigen; iii Abschiiitt 7.5 ist dic Darstdlung wicdc3r allgeiiir%ier gchlttm. Ausgarigspiirikt fiir die Modellrc.chniiiigcn ist die Frage. wiv die wiclitigstcn Prozesse. die das Uniweltverhalten halbfliicht iger C K W hccinflilssm. iiii hlodcll dargv stellt wertlen kiinnen: E i w r tior wichtigstcw Abbaiiprozwse fiir gasfiirrnige Substarizen ist die Reaktion niit, OH-Radikal(w (Aridcrsori 11. Hitrs 1996: Howard 1991. S. xviii). Die Gesc.liwiiidigkeitskoiist;tiite fiir diesc Rcaktioii wird hier rriit K:" bezcichriet. Der partikclgebiiiitlt.ne Aiiteil viiies Stoffes ist dicscr Abtxuireakt ion zuniinclcst part,it.ll eritzogcri, was Iwi Siit)st,anzeii init Iiohen Wertvn fur die Abbauratc. h-:" (z. B. Eiidriri. Dieldrin. Aldriri. Chlordari und Hcptxhlor, s. Tab. 7.4) eiric deiitliclie Vorlarigs;i.rriiirigtles ;Ltriiosplillrisclit~ii Ahbaus bcwirkeii tliirftc.." a l l d i n g s sind dic, Einzt.llieitoii ditsrs hlecliilliisniils nicht t,ek;Lriiit.6
5. ''Th(3 lower volatility orgarioc~hlorirrcsare tlist,rit)iitcd het.wcwr thv gaseous arid p:irt,iciiIat,(~ phascs in tho atmosphere a r i d this partitioitirrg affvrts tlivir atriiospheric stabi1it.y. Because these compouiids rri(i:ij be stabzlzzed touiards c~hemzccdr.eactrrJzty w h u i they (ire nssor.Lated uilth p a r t l c l ~ s .wc,t, a i i d dry deposition rriiiy lie it triore iiriportatit loss process." (Bidleiiiiiii et nl. 1990. S. 285. Hervor1icl)ung A l S ) "The half-life of t h e atmospheric rctartiori of vapor phasci cmdosulf;in with photocliernically generated hydroxyl riidicals was est,itriatrti 1.0 tie 1. 3 Iir. Adsorptioii of ciidusulfiiri onto atrnospheric part iculatc. rnattvr will increase t Iris half- 'b." (floward 1991. Btl. 111. S.:330) 6. "Aldrin in thc. atmosphere is expcictcti to tw adsortwd t,o particitlate niatter anti no rat.e can I ) c estirriated f o r the reaction of ;itfsorbcd Aldriri with hydroxyl radicals.'' (Howard 1991 Bd. I l l . S.12) "Thc kinetics o f atrriospherir loss processes rriiist tw better ~~iiderst.o(id for the I i ~ a v yorgariir compounds. a r i d products of such ro;trt,ioris r i c d to I)(. iderit,ifid. P a r t . i c u l a r l , y itnportimt is 1 h c , ~
7.4 Halbjluchtige Chlorlcohlenwasserstoffe: Persistent Organac Pollutants
123
Fur den tatsachlichen atmospharischen Abbau gilt somit eine Geschwindigkeitskonstante K : ~ die , kleiner als K:" ist und neben anderen Faktoren von K:" und @ abhangt. ~
~
Parameterwahl im Modell: Im Modell wird die effektive Abbaurate ,Sff mit dem Ansatz tciff= (1 - @).K:" berechnet (vgl. Abschnitt A.3.2 in Anhang A). Andere Faktoren als der direkte Einfluf.3von @, z. B. die Wirkurig der Temperatur, bleiben dabei ausgeklammert. K:" kann fur viele Substanzen zumindest auf 1-2 Groaenordnungen genau bestimmt werden (Howard et al. 1991; Bidleman et al. 1990, S.28lf.). @ hingegen wird hier aufgrund der ungenauen Kenntnis und der hohen Variabilitat der Adsorptionsprozesse als unabhangiger Parameter uber das ganze Interval1 [0,1] variiert. Auf diese Weise kann untersucht werden, wie sich das Adsorptionsverhalten auf die raumliche Reichweite und Persistenz halbfluchtiger CKW auswirkt, ohne da6 ein bestimmter Wert fur @ festgelegt werden muf.3. 2. Depositionsprozesse: Der partikelgebundene Anteil wird durch trockene und nasse Partikeldeposition aus der Atmosphare ausgetragen. Die Substanzmengen, die dadurch in das Wasser und den Boden uberfuhrt werden, sind dem atmospharischen Transport also zunachst entzogen; sie gelangen dann jedoch durch Verdampfung und erneute Aerosolbildung wieder in die Atmosphare, werden ein Stuck weit transportiert und dann erneut deponiert etc. Bei halbfluchtigen Verbindungen wird der weitraumige Transport also durch eine kleinraumige Zirkulation zwischen Troposphare, Boden und Wasser uberlagert. Parameterwahl am Modell: Im Modell wird die Deposition durch den Term @.(udry+ uWet)repriisentiert. Die beiden Parameter udry = 10.8 m/h und Uwet - 19.4m/h sind globale Durchschnittswerte fur trockene und nasse Partikeldeposition. Die Auswaschung des gasformigen Anteils durch Regen ist i. a. um einige Groaenordnungen schwacher; der zugehorige Modellparameter R*.Tdain/K" liegt fur die hier betrachteten CKW zwischen 1.8.1OP3m/h (HCB) und 0.8m/h (Lindan). 3. Wiedereintrag in die Atmosphare: Ein wichtiger Prozef.3, mit dem die Stoffe nach der Deposition wieder in die Atmosphare eingetragen, werden, ist die Verdampfung, die als ein diffusiver Prozef.3 grundsatzlich in die Modelldynamik eingeht (vgl. S. 115). In welchem Ausmaf.3 die Stoffe daruber hinaus auch mit den Partikeln selbst, also im adsorbierten Zustand, wieder in die Atmosphare eingetragen werden, ist schwer abzuschatzen. Ein signifikanter Eintrag ist nur bei stark kontaminierten Boden oder direkt nach dem Ausbringen von Pestiziden zu erwarten; im globalen Durchschnitt ist der partikelgebundene Eintrag wahrscheinlich nicht signifikant, und er wird daher im Modell nicht berucksichtigt.
study of photolytic and reactiv loss processes for particle-associated compounds." (Bidleman et al. 1990, S . 288)
Als cinc Voriiherlcgung mi don hlotl(:llrecliiiiing(iii 1ARt sich Iwreits jvt.zt fost halt.on: Die Variation voii @ i i h das Inti~rva11[O. 11 l)cdeiitclt, fiir alle Siihstarizcn, daB der atiriospliarisclit: Athau gerriafi = (1 - @).&,OH vorri Wert, = K;'' bis = 0 zuriickgedrarigt wird. Eheriso wird, wenii di dtxi Wcrt 1 auf dcn Wert anninirnt. die Auswaschiing tlcs gasfiirmigon Antcils aiif 0 vt:rrnindt:rt wAhrend die Partikcldepositiori von 0 his auf den hlaxirna1wt:rt ansteigt. Somit sind 1x4 @ = 0 der atxnosphiirische Transport, der atmosphiirische A l h a i i iind die Auswaschiing durcli Regeri konkurrieronde Prozessr. Bci @ = 1 stelit, der at inospharische Transport, der horizontal wirkt, niir niit der vcrtikal ver1auft:ndcri Partikeldcposition in Konkurrenz. Fiir die hlodellrechniingen wcrderi die gleichan siibstarizspc.zifist:heii Einga1)ctlaten tieniitigt wie fiir F-11 und Butanol: sic sind in Tab 7.4 aiifgefiihrt.
&Lff
.LfF
.iff
Tabelle 7.4;Abbaiiraten. (:lc!ichgewichtskoristaiitc:I1 uiitl Darripftlruck lialbfliic~htiger ('KM' (Hm ward 1991, Howard el ul. 1991). Aiifgefuhrt sind alle derzcit deklariertrw 1 ' 0 ~ ssowir Liridari. IIC'B: Hexaclilorbcrizol, 64-13: Hexachlorbil)henyl, 'rcnri: T~~traclilordibenzodioxiri.
,'
Entlri ti
1.33.109.33-10 9 3.50.10-~ 3.78.101.76.101.16.10-~ I .57.10-~ 1.78.10-"
HCB
-
Heptachlor Liridan Mircxh 6-c13' TC'DII''
Toxaphen
4.56 5.31 5.27 3.61 6.89 6.80 6.50 4.80
7.74.10-' 1.32.102
1.55 2.96.10-' i.10.10' 3.00.10'
1.00 (i.10.10-'
a.
log KO,, KFIurrd po nach Mackay et ~ 1 (3985). .
h.
riR iiach Natzonal Resecrwh Coiinczl (1978). K I ails h1acka.y et al. (1985). bei K~ wird der W r r t fur das gleictiermakn stabile Kepone (Howard 1991) verwciidct, d e r den i j h e r t r i t t in die Stratospharv txschreit)t. K H aus p o tirid rRnt bercchriet; log K,,, nach hlackay 1 1 . Patemon (1991).
c.
Datrn atis Mackay 11. Patersori (1991) sowic Shiu 1 1 . hlackay (1986); K~ geschatxt, nach den Angaben fiir hlo~io-his Pr~ntachlorbiphrnyltwi Bidlrrnan et al. (1990).
d. log K,,,,
K H urid
7>0 nach Mackay et nl. (1995), Vol. 11.
K~ iind 1c1 reprasenticren Geschwindigkeitskoristaritc:ii fiir Hydrolyst in Wasser (Lintlan) sowie Halbwertszeiten. dic: in At)bautosts otler a i l s Felddaten fiir Reaktionen in Boden und Wasser tmkinirrit wurden. Die Wcrte fiir K~ beziehen sich h i allen Substanzen auBer bci hlirex auf die Gasphasen-Reaktion niit, OH-Radikdlen. Bei Rilirex ist diese Reaktiori so langsam, daB K~ durch den Ubertritt in die St,ratosphare bestimrrit wird (Mackay et 01. 1985). Bci den hIodel1rt:chniingen orfolgt. die Emission u7ie 1)ereit.sbei den Testsubstanzen CC13F iind l-But,anol in den Boden (vgl. Erlaut,crung auf S. 114). @ wird in
7.4 Halbfluchtige Chlorlcohlenwasserstoffe: Persistent Organic Pollutants
125
Schritten von 0.1 oder 0.05 von 0.0 auf 1.0 erhoht; fur jeden dieser Werte werden R und r berechnet, wie in Abschnitt 6.3 beschrieben. r ist die Persistenz im Gesamtsystem, d. h. T setzt sich fur jeden Stoff in spezifischer Weise aus den Abbauraten fur Boden, Wasser und Luft zusamnien. Von den drei raumlichen Reichweiten, die im Verhaltnis R, < Rl 5 R, stehen, wird hier R, verwendet, urn das Transportverhalten zii beschreiben.
0.04
n
0.03 0.02 0.01 ,
n/i+ 1
I
n/2
ni2
Abbildung 7.6: Atmospharische Expositionsverteilung und raurnliche Reichweite von Hexachlorbenzol bei Emission in den Boden. Qj = 0.1, R, = 83.5%.
In Abbildung 7.6 ist die Expositionsverteilung von Hexachlorbenzol in der Troposphare fur @ = 0.1 dargestellt. Tab. 7.5 zeigt die Zahlenwerte von r in Abhangigkeit von @; in den Abbildurigen 7.7 und 7.8 ist der Verlauf der atmospharischen Reichweite R, in Abhangigkeit von @ fur ausgewalilte Substanzen dargestellt. Tabelle 7.5: Persistenz T (in Tagen) bei funf verschiedenen Werten fur den partikelgebundenen Anteil Q j . Zurn Vergleich rnit den Persistenzwerten ist in der letzten Spalte der Kehrwert der Abbaurate tcs angegeberi. Substanz
p=o.o
T9=0.3
Endrin
1.80.lo2 2.55.10’ 4.34.102 7.24.10’ 8.22.10’ 1.11.103 2.04.103 2.50.103 3.63.103 4.49.103 5.76.103
1.81.10’ 2.55.10’ 4.34.10’ 7.25.10’ 8.24.10’ 1.11.10~ 2.20.10~ 2.66.103 3.67.103 4.49.103 5.76.103
Mirex
6.21.103
6.15.103
Liridan Heptachlor Aldrin TCDD
Dieldrin Chlordan HCB
6-CB Toxaphen DDT
TQI=0.6
6.15.103
@=0.9
T*=l.O
l/Ks
1.83.10’ 2.55.10’ 4.35.lo2 7.26.10’ 8.50,102 1.14.IO3 2.21.10~ 2.77.103 3.86.103 4.53.103 5.80.103
1.83.10’ 2.56.10’ 4.43.10’ 7.26.10’ 9.12,102 1.17.lo3 2.2 I. lo3 2.78. lo3 3.95.103 4.54.103 7.38.103
1.83.10’ 2.60.102 4.42.10’ 7.28.102 9.11.102 1.17.lo3 2.21.103 2.78. lo3 3.95.103 4.63.103 7.37.103
6.15,103
6.15.103
6.43,103
7.4.3
Interpretation der Resultate
Auswertung am Kontext des Modells Bei allen Siibstarizeri aufier Mirex ist die Abbaiirate ini Boden ( n , ) kleincr als diejenige fur die Gasphase ( 6 , ) . Daher wachst die Pcwisteriz 7 bei allen Stoffen auBer Mirex mit zunehmcndeni @ an, deriri der atniosphiirische Abbaii, der bei @ = 0 am starksten zur Stoffcntferriiing ails der Atniosphiire beitragt. wird bei hoheren Werten von @ inirrier weitcr abgcschwiicht und bccinfliiflt 7 schlieijlich uberhaupt nicht mehr. Bei Mirex hirigegen, der einzigen Siibstariz mit 6, < n s , kehrt sich dcr Vcrlauf um: T nimmt rnit ziinehrrienderri @ ab. wcil hlircx diirch vcrstarkte Deposition auch einem verstarktcn Abbau ziigefiihrt wird. Fur alle Substanzen und fiir alle Werte voii @ gilt T 2 0.75.1/nS , d. h. die GroOenordriung der Persistenz T wird aiich d a m durch K , bestinimt, wen11 der atmosparische Abbau voll wirksam ist,. Dies steht Init dern riiedrigcn DaInpfdriick aller Verbindungen in Ubereinstirnrnurig. Werin der atmosphiirische Abbaii bei CP = 1 ganz wegfallt, gilt fur alle Substanzcm = l / n s . Da die Pcrsisteriz also vor allem durch die Abbaurate irn Boden, K , , iind weniger durch die atinospharischen Prozesse bestinirnt wird. fiihrt die Variation voii @ zii kleinc~renUiitersrliiederi in der Persisteriz als bei der raumlicheri Reichweite, die z. T. st.hr erheblich auf die Variation von @ reagiert: Bei der Reichweite lasseri sich ariha~itldes Eckwertes fur @ = 0 , der rnit Rf=" bezcichnet wird, zwei Falle uriterscheideri. Der erstc Fall iinifa0t Stoffe. deren rliiimliche Reichweite bei @ = 0 weniger als 15% betragt iind bei ziinehrrieridem @ aristeigt (Abb. 7.7): dies sind alle Stoffc aus Tab. 7.4 aiiRcr Hr.xachlorbenzo1, Hcxachlorbiphcnyl iind hlirex. Der zw&e Fall urnfafit Stoffe, deren raiirrilickien R.eichweit,ebei CP = 0 mehr als 60% betragt iind bei zunehrriendem @ abnirnmt (Abb. 7.8). Dies ist bei Hexachlorbenzol, Hexachlorbiphenyl iind Mirex der Fall. Zu den beiden Fallen irn einzelnen:
1. Eiri niodrigcr Wert, von R;=" zeigt, daB der atmospharische Abbaii iind/oder die Aiiswascliung tliirch Regeri gegenuber deiri Transport doniinarit sind: Die Stoffe wertlcri schneller deporiiert und abgebaut als in horizontaler Richtiing verfrachtet . Vor alleni bei Aldrin, Clilordan, Dieldrin, Endriri, Heptachlor iiiid Lindan liegt die atrriospliarische Abbaiirate 6:" sehr hocli. aber auch bei DDT: TCDD und Toxaphen ist K:" groBer als 1.10W" sW1, was eirier atmospharischen Halbwertszeit vori weniger als acht Tagen entspricht. Die Reichwcite aller dieser Stoffe nimnit zii, sobald die Abbaiirate n:ff = (1 - @).nF" durch ziiriehmende Partikeladsorption verniindert wirtl, s. Abb. 7.7. Allerdirigs bleiben die Expositioneri auf R, < 20% begrcnzt, solarige CP kleiner als 0.9 ist. Erst werin bei @ > 0.9 der Wert vori K:* = (1 - @).h-FHu r n mehr als einc Grofienordniing vermindert ist , rcsiiltieren signifikant hijhere Reichweiten R, = 30%' (vor allem bei Aldrin, Chlortlan, Dieldrin iind Eridriri).
127
7.4 Halbfiiichtige Chlorlcohlen~assersto~e; Persistent Organic Pollutants
.
40:
.
.
~
.
.
.
f
.
.
.
~
.
.
.
/
.
.
.
'
+DDT ++Toxaphen +Endrin -A-
0
TCDD
0.2
0.4
0.8
0.6
0
1
Abbildung 7.7:Zunehmende raumliche Reichweite R, einiger halbfluchtiger C K W in Abhangigkeit von 9 .Die Reichweite ist in % des Erdumfangs angegeben. Bei Aldrin, Chlordan und Heptachlor verlaufen die Kurven ahnlich.
loo' . . . I . . . ; . . . ! . . . I
.
.
.
I
1sg 80
60 -A
40
20 0
I 1
0.2
.
.
j
l
I
0.4
.
.
0
I
l I
0.6
.
.
,
l
I
0.8
.
.
,
I
Abbildung 7.8; Abnehmende raumliche Reichweite R, von Hexachlorbenzol (HCB) und Hexachlorbiphenyl (6-Cn) in Abhangigkeit von 9 .Die Reichweite ist in % des Erdumfangs angegeben. Bei Mirex verlauft die Kurve ahnlich wie bei Hexachlorbenzol.
2. Wic, der hohe Wcrt voii R;=" zeigt,. ist h i Hex;iclilorl~c~iizol. Hex;~c~lilorbiplierlyl iirid h1irt.x dcr atniosphiirischc Triirisport gegcniiber Abhaii iind Aiiswaschung durch Regen der dorninantc Prozof3. Dim steht in U1)ereiristimrriiirig rriit tlcri niedrigen Abbaiiraten K:" < lo-" s-l iirid dcri hoheii Henry-Konstantoii iT11> 10 Pa m"/mol. Bei zunehnirmdein Qi wc:rdcn die Substarlzeri durch dic st,iirkcrc Part.ikelt1eposition der Atinosphiirc' entzogen. so c h i 3 die Reichwc3,e a b ~ i i i r i n i t . ~ Bei @ = 1 stehen atniosphiirischor Transport iirid maxirnalc Part,ikeldepositiori iri Konkurrenz. wid die Werte 1it:gtxi wio liei d t erstcw ~ Gruppe twi ca. 30%.
'
Beini zweitcri Eckwert der riiiimliclicri R.eicliweite, RE= kornrnt dic stark unterscliiedlichc Abbauratr K:" nicht rriehr ziirn Trageri. Diestr Wert liegt h i den rrieisteri Siibstanzen zwischen 25% und 35%. Bei Lindm iind Heptaclilor ist ('r rriit ca. 20% deutlich niedriger. Bei Linda11 herulit diesc.r nicdrigerc Wert, vor allern auf der erheblich griifieren Wasscrlijslichkeit, die eineri schwiichercn Ul)&rit,t, in die Atniospharc sowio starkcrc Auswaschiing durch Rc.geii h w i r k t , (Lindan hat, die niedrigste Henry-Konstantc aller 1)ctrachteteri Stoffk). Heptachlor hat e1)enfalls cine relativ riiedrige Henry-Konstantv. iind ziideni ist sc.irie Al)tiailritt,e in Wasscr deutlich grijiler als bei deri andcren S t d e r i . ~
Bezug zur Realitat Was besagen diese Resultate irri Hinhlick auf die Rcalitiit? Fur dieso Frage ist der ausfuhrlich belegtc crnpirische Befund inaflgeblicli. dafi sic11 vitlr halbfliichtigc C K W in deli letztcri Jahrzehntcii weltwcit verteilt habeii (Lewis 11. Lee 1976; Tatsiikawa et al. 1990: Kiirtz 11. Atlas 1990; Atlas u. SchaufflcLr 19'30: Puri et al. 1990: Kiiap 11. Birikley 1991, S. 1508; Howard et 01. 1991, Bd. 111, S. 93. S. 269: Ballschniiter 11. Wittliriger 1991; Wania 11. Mackay 1993). Dirse weitraiirnige Verteilurig der C'KW ist in Form vori Korizeiitrationsrrit.Bwerten c ( x , t ) fiir Ozesnwasser uric1 Luft, dokiirricntiert. Die gernessmen Werte spiegeln k c langjahrige Abfolge von Ernissioncn ails rauirilich gcstreiiten Qiielleri widcr. und sic liefcrn dalicr keirie direkteii Vc?rgleichswertc fiir (lie hicr bercchnctc riiurriliche Reichwoitr einor Piinktquelle. Driirioch zeigcn die AIcBwerte. daf3 halbfliichtigc~ CKW sich in der R.ealit;it weitriiuniiger vcrtcilen als kiirzlebige Siibstanzcn wit. die hicr verwendete Refererizsii1)stanz fiir iiiedrigc Reicliwciteri, 1-Biitanol. Da dic riiuniliche Reichwcite voii 1-Biitanol in1 hlodell R, E 10% bctragt, wird 1iir:r dic Bezeichnung ,,weitraumige Verteilung" fur Werte von R 2 20% verweridet. (Dieser Wert R = 20% bildct keine absolute Unterscheiduiig zwischeri iiitdrigeri und hohcri Reichweiten, sondern ist spezifisch fiir tlas liier vorwcndr:tc Modell gcwiihlt.)
7. ,,Partikel-adsorbicrte Verbiridungcn hahcn sowohl aufgriind tlrr trockcmcrl und nasseri Deposition in der Atmosphare als aurh aufgriirid der Sediiiicmtatiori in der Hydrospharc 11r1d drr Bioinkorporation als Nahrurig in der Biosphare deutlich geringere Reichweiten als Vorbindungerr, die molekular verteilt in Luft oder gclost i n Wasscr transportiert werdell." (Ballschmitc,r 1992, S. 512) Dies gilt jedoch n i x linter d v r Voraussetziiiig, daB (lie Stabilitat von gasf6rmigerri urid partikeladsorhierterri Rriteil atirrahcrnrl gleich ist. Dies ist, niir h i Val1 2, nicht jvdoch bci Fall I gegel)en.
7.4 Halbfluchtige Chlorlcohlen~asserstoffetPersistent Organic Pollutants
129
Nachdem in dieser Weise definiert ist, was im Rahmen des Modells unter ,,weitraumigem Transport" zii verstehen ist, wird nun untersucht, unter welchen Bedingungen die raumliche Reichweite der halbfluchtigen CKW 20% und mehr betragt. Dazu werden die Stoffe in einem zweidimensionalen Diagramm mit je einer Achse fur Persistenz und Reichweite eingeordnet (Abb. 7.9).
R,
loo -95 --
90 --
80
--
70 --
I - Hexachlorbenzol 2 - Hexachlorbiphenyl 3 - Mirex 4 - Endrin 5 - DDT 6 - Toxaphen 7 - Chlordan 8 - Dieldrin 9 - TCDD 10 - Aldrin 1 1 - Heptachlor 12 - Lindan
x
F-11
I I
II
13 I
I I I I I
I I I I I
I I
* * *** *
I iii
Abbildung 7.9: Persistenz T (in Tagen) und raumliche Reichweite R, (in % des Erdumfangs) der halbfluchtigen CKW. Die Linien stellen die Intervalle dar, die sich fur R, ergeben, wenn Q, uber das Interval1 [0,1] variiert wird. Gestrichelt sind bei Mirex und 6-CB die Bereiche Q, < 0.5, bei HCB der Bereich @ > 0.1, bei allen anderen Stoffen (Nr. 4-12) der Bereich Q, < 0.9. * bezeichnet bei den Stoffen 4-12 den Wert R f " ' , der sich bei einer verminderten atmospharischen Abbaurate 6 'g -- 3.10-7s-' ergibt. Vgl. die Ausfuhrungen irn Text.
Auf der horizontalen Achse sind die Werte fur r in Tagen auf einer logarithmischen Skala aufgetragen, und auf der vertikalen Achse ist die atmospharische Reichweite R, in % des Erdumfangs dargestellt. Die beiden Referenzsubstanzen
1-Butariol und F-11 sirid rnit dt:n Wcrten aiis Tat).7.3 aiii iinterc~rii i i i d ohereii Endr der Skalcri fur Persistoriz u r i d Rcicliwcite (ingetragen. Fur T sind die Intervallc, die bt:i tien halbfluchtigen C K W (lurch Variation vori @ entstehen, (lurch das aritlimetischc Mittel der Wertc fiir P, = 0 urid fur Q, = 1 (s. Tab. 7.5) reprasenticrt. Fiir R sirid dicsc Intuvalle diirch die Liiiitw zwischeri tlen Purikten ( x ) iind RE=' ( 0 ) wiedergegebcii. Div iintere Grerize fur wcitrauriiigen Transport ist hci R, = 20%) diircli die gestricheltc Liriic: niarkicrt. An dieseni Diagramrri lafit sicli erkmnen: 1. Die Reichweiten voii Hexachlorbenzol, Hexaclilorobiphenyl iirid hlirex liegeri in den Intervallen [36%,93%] (HcB), [34'%,, 62x1 (6-C13) iind [33%.95%] (Mirex) und somit gerierell iiber 20%. Das hfotloll reproduzicrt soniit fiir dicse SubstanzeIi dcn erripirisch festgestcllteri weitriiumigen Transport iiriabhaiigig voni Wert von @. Bei HCB siiid aufgrund sr:ines relativ hohen Dampfclrucks von ca. 2.5.10-" Pa niedrige Werte fiir P, unti darnit, eher Iiohe Wcrte fiir R ariziinehrrien. Dies ist, mit der durchgezogenen Linie iri Abl). 7.9 dargestellt, die dcrn Bereich Q, < 0.1 entspricht . Bei 6-CB iirid klirex hiiigegcri sind wc'gen des nirdrigercii Danipfdrucks von ca. 1.10-" Pa hohcrc Werte fur @ anziiiiehrricii. D a l i t ~sirid r,her dic: iiiedrigcren Reichweiteri R, iri den graphisch dargc:st,ellteri Iiitervalleri plausibel (dargestellt durch die durchgezogenen Linieii in Abt). 7.9. die derii Bereich @ > 0.5 entsprechen).
2. Die Reichweiten vori Aldrin, Chlordari. Dieldrin etc. (Stoffc 4-12 in Abl). 7.9) liegen jc nach d(:m Wert vori @ und darnit, von f i G f f z. T. dciitlicli ririter 20%. Daniit das Model1 auch bei dieseii Siibstanzeri d c r i ernpirisch fcstgestellten weitraumigeri Transport reproduziert, tlarf cler atniospharische Abtmi riiclit zii stark sein. Dies bedeutet lxim hier verweridcten Ansat,z &iff = (1 - @).&,OH , dafi der Paramet,er durch hohe Wertt: des Pararnettw @ konipeiisiert wcrden mufi. Inwiewcit ist diese Annahrrie a i d in der Realitiit plaiisibel'! Wie auf S. 122 aiisgefiihrt, ist die Partikeladsorptioii in der Realitat eiii Faktor, der den atmospharischeri Abbaii stark cinscliriiiiken kann.' Hohe Werte von P, > 0.9 (dam ist um cine Grijfienordriung riiedrigw als fi,"") haben soniit einen realistischeri Hintergrund. Dainit kiinrieri vor ailem dic: raunilicheii Reichweiteri, die fiir die Stoffe 4 12 bt:i P, > 0.9 erhalten wcrden, als plausible hlodellresultate gelten (clurchgcxogene Linieri in Abb. 7.9). ~
&gH
&Lff
8 . .'It is possiblt that t h c x association of ciicrriicals with particles rnay siil>st,antiall,yextend their lifetimes over those expected f o r the same substance iri the gas phase." (Bidleinan e t u1. 1990,
S. 288) "The detection of chlordane in remote atmospheres (Pacific arid Atlantic Oceans; the Arctic) indicates that long range transport occurs. I t has becw estimated that 96% of the airborne reservoir of chlordane exists in the sortled state which may expltliri why its long range transport is possible without chcmical tr;tnsforrriatioii." (Howard 1991. 13d. 111, S.92)
7.4 Halbfluchtige Chlorkohlenwasserstoffe: Persistent Organic Pollutants
131
Allerdings sind in der Realitat bei Substanzen mit vergleichsweise hohem Dampfdruck und schwacher Partikeladsorption (das sind hier Lindan und Aldrin mit einem Dampfdruck uber 5.1OP3Pa) auch andere Faktoren als allein die Partikeladsorption fur die Verringerung des atmospharischen Abbaus verantwortlich. Dies kann z. B. die Temperatur sein, die neben der Partikeladsorption auch Darripfdruck und Henry-Konstante sowie die Kinetik der Abbaureaktionen beeiiifluBt (Wania u. Mackay 1993a, S. 14f.). Wie solche Faktoren die atmospharischen Abbaiiraten im einzelnen beeinflussen, ist jedoch nur iinzureichend bekannt.g Im Model1 ist es als Alternative zum Ansatz Keff - (1- @ ) . K : ~ ebenfalls plausibel, fur die atmospharische Abbaurate einen frei g
wahlbaren Parameter K; zu verwenden, der - unabhangig vom Wert von @ - deutlich niedrigere Werte als 6:" annehmen kann. Annahmen hinsichtlich des Werts von @ sind dann zur Erklarung bzw. Reproduktion des weitraumigen Transports nicht erforderlich. Als Maximalwert fur diese Abbaurate 6; kann die zu hoch liegende Abbaurate K : ~ gelten. Dieser Maximalwert fuhrt bei @ = 0 zur raumlichen Reichweite Rf=', die bei Aldrin etc. in Abb. 7.9 das untere Ende der gestrichelten Linien bildet. Wenn man K; dann kontinuierlich verringert, ninimt dieser Eckwert R;=' kontinuierlich zu. Bei K ; M 5.lOP7s-l ist er bis auf ca. 30% angestiegen, bei noch kleineren Werten liegt er wie bei HCB, 6-CB und Mirex -. hoher als der zweite Eckwert R;" . (Dieser zweite Eckwert ist von der atmospharischen Abbaurate unabhangig und bleibt daher bei Variation von K; konstant.) In Abb.7.9 ist der Wert R : " fur eine Abbaiirate K ; = 3.1OW7s-' mit ,,*" markiert; zurn Vergleich: .fH von 6-CB betragt ca. l.10-7 s - l . Unter diesen Bedingungen zeigen auch Aldrin, Chlordan, Dieldrin etc. bei Variation von @ eine abnehmende raumliche Reichweite mit Werten, die generell uber 20% liegen. Als Resultat aus diesen Uberlegungen lailt sich festhalten, dail K:" bei halbfluchtigen Substanzen wie den hier betrachteten CKW keine geeignete Abschatzung fur die tatsachlich wirksamen atmospharischen Abbauraten ist. Diese Abbauraten liegen in der Realitat vermutlich deutlich tiefer als die Werte von .pOH. Im Hinblick auf die Pops-Debatte ist zu betonen, dail mit Sicherheit nicht als Kriterium fur weitraumigen Transport geeignet ist. Man vergleiche dazu auch SETAC (1999). ~
~2~
9. ,,Fate of dzeldrin in the atmosphere is unknown but monitoring data has demonstrated that it can be carried long distances." (Howard et al. 1991, Bd. 111, S.268, Hervorhebung MS) Vgl. auch die widerspriichlichen Angaben zur tropospharischen Abbaurate von Lindan: ,,In the atmosphere, vapor phase reactions with photochemically produced hydroxyl radicals may be an important fate process." mit einer Angabe von nur 2.3 Tagen fur die atmospharische Halbwertszeit einerseits (Howard 1991, Bd. 111, S. 453) und ,,The global environmental fate (...) of chemically stable semivolatile organohalogens, whzch react little or not at all with OH, 0 3 or H 2 0 , [e. g. 1,2,3,4,5,6-hexachlorocyclohexanes, (...)I, depends mainly on their mobility in the different environmental compartments" andererseits (Ballschmiter u. Wittlinger 1991, S. 1103) (Hervorhebungen MS).
7.5 7.5.1
Stoffvergleich mittels Persistenz und Reichweite Graphische Darstellung der Modellresultate
Ziisftzlicli zu dcri 1ialbfliichtigcIi CKW werderi ~ i i i i ieinige Liisiirigsriiittel u ~ i dBasischemihlicri bet,rachtet: neben F-11 c h i weitcre FCKU' iind IlFCKW: die chloriert e i i Losungsmittel Tetrachlorkohleristoff (Tetra) iind Pcrchlorcthylcri (Per): Oktan, Noiiari urid Decwn als einc: Reihc vori Alkanm; B e n d wid vc:rschiedone Chlorbeiizole sowie Cycloliexan, Dioxan. Aceton iind hlotliyl-tcrtiar-Biitylet~i(,r( RIBTE). Die stoffspezifischeri Eingabtdateii sirid in Tab. 7.6 xiisarriiiierigestcllt. Tuhellr: 7.6: Ahbailraten niid GleichgewichtskoIlst;tllt(,ii versrliietlcner Liisungsmittel unti Basischtwiikalieri (Howard 1'3'31, Ifoward id nl. 1991) Substanx
n,
(s-1)
n,
(s-1)
nR (s-1)
1.55
.ox
1 1 .GO
Chlorberizol 1,4-Dichlorbenzol 1,2.4-Trichlorbenzc~l 4-C'hlortolnol 7.71. 7.71.10-R 7.64.10r7 2.00.10-~ 7.71.10- 8 6.6910 6.69,10-8 6.69.10-y
Xll'BE
0kt an Nonan
Dwxn
a. Abbauratc ng nach Nirrritz
2.83 3.40
:3.023.103
2.8'1 3.52 4.02
:3.49.102 1.52.10' 1 .44.102 4.12.10'
:3.:3:3
Ilioxan Cyclohexan Berizol Aceton
11.
2.5s.103 2.98.103 2.12.10J
-0.27 3.34 2.13 -0.24 1.21
5.18 5.46 5.98
1.51.10"
4.94.10-' 1.95.104 5.50.102 3.72~10" 5.115.10' 3.25.10s fi.24.105
522.10"
Skaggs (1'3112)
Wie bci den halbfluchtigen (:KW wird eirir st,ofifiiriiiige Eiiiissiori in den Bodeii betrachtet. iind Porsisteiiz und atmospliarisclir Reichwcite w t d e n aiis den Expositioriswertthri bereclinet iirid in das R- -r-Diagrairini eiiigetrageii (Abb. 7.10). Da allc diese Stoffr. nicht, ail Aerosolpart,ikel adsorbiereii. ergcbcn sicli keinc Iritervalle wie bei den halbfliichtigen (!KW, soiidern c4rizelnt. ZahleIiwertc. die in Abb. 7.10 mit Punkten dargestdlt sind. F-11, l-Butanol iiiid die halbfliichtigen C K W siiitf ziim Vergleich ebenfalls wiedergege1)eri.
Z u den Rt:siiltatcw fur die einzc:lrien Sii1)staiizgriippeii: 0
Halogeaierte L i i s ~ ~ n y s ~ n i t tFiir e l : all(: halogcwiertcii Losiirigsiriittel wird die Persistenz durch die atrnospharische Abbaiiratr bcstinirnt: T = l / ~ Bei ~ F-11, . F-21, F-22, F-142 b iind Tetra hetragt R, 95%, bci Per ist R, = 68.5%. Die hohen Wwte stirmnen iiiit der g1eidifiirriiigc.n globaltw Vertoiliing vori Tetrachlor-
133
7.5 Stoffvergleich mittels Persistenz u n d Reichwezte
4 100
95
F-2
b
!
90
.
F-lI
I
I
13 I I
80
I I I I
.
Per
70
I I I I
60 50
di-$l-Bz
.
Aceton
.
tri-CI-Bz
40
30
.
CI;Bz
*
* ***
*
Benzol CI-TI
20 0
10
*
f l
I
I
1
I 1 I 1 1 1
if
X
0. A b b i l d u n g 7.10: Persistenz T und atmospharische raumliche Reichweite R, verschiedener Stoffe im Vergleich. Die Abkiirzungen bedeuten: F-21: CHClzF, F-22: CHCIF:! , F-142 b: CHu -CClF2, Per: Perchlorethylen, Tetra: Tetrachlorkohlenstof, C1-Bz: Chlorbenzol, Di-Clbz: 1,4-Dichlorberlzol, Tr-C1-Bz: 1,2,4-Trichlorbenzol, Cl-TI: 4-Chlortoluol, MBTE: Methyl-tertiar-Butylether. Der Maximalwert der raumiichen Reichweite betragt 95%, und wie in Abb. 7.9 ist die Untergrenze fur weitraurnigen Transport bei R, = 20% eingezeichnet.
kohlenstoff und den FCKW und HFCKW iiberein, die experimentell festgestellt wurde. Die niedrigere Reichweite von Per korrespondiert mit der Beobachtung, dafi die Konzentration von Per in der sudlichen Hemisphare ca. um einen Faktor 0.1 niedriger liegt als in der nordlichen Hemisphare (Wiedmann et al. 1994). Die reale Verteilung von Per ahnelt damit der Test-Verteilung e3 auf S. 94, fur die sich dort eine Reichweite von R = 73% ergeben hat. Dieser Wert stimmt weitgehend mit dem Wert iiberein, der sich nun im Ringmodell fur Per ergeben hat.
Chlo7.zerte Benzole: Rg iirid T sind Iwi allrii drei Chlor1)cmzolcri hiihtir als hci Borizol. vor allerii aufgriilid dt,r durchgAngig niedrigereii M'erte fiir K , . tq iiiicl K,.
Chlortoliiol hirigegeii lint eirion hiilicren Wcrt fiir K~ als Berizol und dadurcli eirie niedrigere riiiirnlichc, Reicliweite als Berizol. Aiifgriiiid der t,iefereii HeriryKoristantc iind des 1iohr:rcn KO, wird die Persisteriz T stiirkcr als bei Benzol durch die tiefereri i i e r t e fiir K~ u i i d K I bcstirrirnt: T ist dahcr mit 54 Tageii hoher als 1x3 Berizol (16 Tage). ~
Nichthalogeniertr Losungsmittel: Berizol urid Acvton. dcren atmospharischc Abbaurate IC, uritcr 1.1OP6s - ' liegt, besitzen rdativ hohe Rrichweiteri voii 25%, iind 50%. Aiich dies steht in Ut,ereinstimniurig niit SchatzungeIi aus t i w Literatur.") Die iibrigeri Siibstanzen iiaben wie die l'estsubstanz 1-Butaiiol niccirig
+
~
10. "In tlic atrriosphcrc, aceto~icwill be lost by pl~otolysisarid rwctiorr with photoclierriiciilly produced hydroxyl radicals. Half-life estimates from t h w r conihiiied proresses are 79 and 13 days in Jariuary arid June, respectively, for a n ovcrall aririual avorage of 22 days. Therefore COW siderable dispcrsion sliould occur." (Howard 1991. Bd. 11. S. 1 1 ) "Brrizene is probably widely distributed through the atrriospherr and it appears that resitliies are to be detected i i i air arid water." (Mackay e t d . 1985, S.367)
7.5 Stoffverglezch mzttels Perszstenz und Rezchwezte
135
rige atmospharische Abbauraten und eine so hohe Fluchtigkeit (Henry-Konstante), daB sie fur den atmospharischen Transport zur Verfugung stehen. Insgesamt sind Persistenz und Reichweite zwar miteinander korreliert, sie konnen jedoch nicht eindeutig aufeinander abgebildet werden. 7.5.2
Aussagekraft der R e s u l t a t e
Die Genauigkeit der Resultate fur R und r wird von der Genauigkeit der verschiedenen Modellparameter bestimmt. Bei r sind dies vor allem die Abbauraten K % und die Parameter u , k , die den Ubertritt zwischen den verschiedenen Kompartil/nmin] ~ ~und~ ist, somit im menten beschreiben: r liegt immer im Interval1 [ l / ~ wesentlichen umgekehrt proportional zu den K , . Je starker jedoch die Abbauraten K , differieren, desto starker ist der Einfluil, der Ubertrittsparameter u , k auf 7 . Bei R kommt zudem noch der EinfluB der Diffusionskoeffizienten D1 und D, hinzu. Da diese Parameter jedoch nur mit einer vergleichsweise geringen Unsicherheit von ca. 100% behaftet sind, wird auch die Unsicherheit von R durch die grooere Unsicherheit der 'u& und K , bestimmt, denn diese Parameter beeinflussen, wie stark Boden und Wasser an den atmospharischen Transport angekoppelt sind und welches Gewicht der Transport gegenuber dem Abbau besitzt. Bei kurzreichweitigen Substanzen ( R , < 15%) kommt, wie bereits beiin Test des Modells in Abschnitt 7.3.2 diskutiert, zum Tragen, daB das Modell keine kurzreichweitigen Transportprozesse beschreibt. Dies bedeutet hier, daB die Reichweiten fur sehr kurzlebige und zugleich fluchtige Substanzen (Cyclohexan, 1-Butanol und die Alkane) unrealistisch hoch liegen. Es ist zu vermuten, daO weriig fluchtige Substanzen wie Heptachlor oder Lindan, die hohe Persistenzeu von iiber 100 Tagen besitzen, und kurzlebige fluchtige Substanzen wie 1-Butanol sich starker in R unterscheiden, wenn eine hohere raumliche Auflosung zugrundegelegt und auch kurzreichweitiger Transport modelliert wird. Die Differenzierung zwischen kurzlebigen, fluchtigen Substanzen wie Cyclohexan einerseits und persistenten, wenig fluchtigen Substanzen wie Lindan andererseits, die hier nur auf die Werte von r gestutzt werden kann, konnte dann mit Hilfe genauerer Werte fur R verbessert werden. Die groDte Unsicherheit in der Klassifizierung resultiert aus den Unsicherheiten in den atmospharischen Abbauraten K, und den Geschwindigkeitskonstanten fur den Ubertritt aus Boden und Wasser in die Atmosphare. Fur eine Verbesserung der Klassifizierung ist somit vor allem eine genauere Kenntnis dieser Parameter und ihrer Variabilitat erforderlich. Dies gilt vor allem fur die halbfluchtigen CKW, fur die insbesondere der EinfluB der Partikeladsorption auf Abbauraten und Phasenubertrittskonstanten nur sehr ungenau bekannt ist, und in weniger starkem MaBe auch fur die ubrigen Substanzen. Es muB betont werden, daB alle Werte fur Persistenz und Reichweite als modellabhangige Resultate zu verstehen sind, die nicht direkt auf die Realitat ubertragen werden konnen. Erstens hangt die Qualitat der Resultate wesentlich von der Genauigkeit der Stoffparameter ab. Zudem sind im Modell auch die raumliche und zeitliche Variabilitat der Basisprozesse - Abbau, Ubertritt zwischen den Kompartimenten, Transport -, der EinfluB der Temperatur und viele andere Faktorcn
;uisgeblcridet. Dies(: hlodcllaririahriieri 1)c:schriiiiken dic) Aii iiriabkiiingig voii der Dateriqiialitiit . Deriiioch zcigt (lor Vergleich riiit tleiii in d t Uriiwclt ~ bcohaclit,cteri Vt~r1ialtc:n vori FCKW. IIFCXW. Per. Bcwzol. Acctori iind den POPS. thtB die Pcrsist,cmz i i n d Reichwvite dicser Stoffe niit dern hfodcll abgcschiitzt, w(:rdrn kiiiinen. Was d a s Model1 damit ermiiglicht. ist eiri Stoffvcrgleidi iintw korisistent,ori und plaiisiMen Bcdingiingeri. Es stcllt sorriit eiri Iiistriiiiicnt ziir rclativen Eiristufiing V ~ I I Chemikdieri tlar (Ranking: Sco.r.in,g). Eine solclie Einstufiing vori Umwc~ltcherriikalieri nach aiisgewiihlten Lcitgriikn wk: Pcwistenz iind Reichwcite ist gcratlr wegeri der Urisichcrheit in einzclncn Aspekton ein weseritliches IIistruIricnt dcr Clieniika1ient)owertiiiig.’ Aiif eirirm SETAC:hop zuni Tlierria Chemical R a w king and Scoring: Guidelines for Relatiue r r m r t s of Chemicals wiirde als Hauptzweck solclier Einstiifiingssysterri(i g tlaB sie dic Aiifbercitiirig iirid Vermitt,liing zahlreic1ic.r Einzelbofiinde initerstiitzeri iind 1iiformationr:ri fiir h h iiagerricrit und Entst:lieidiirigsfindiiiig hcrcitstellon sollm (Swansoil 11. Socha 1997. S. Iff.) diesom Zwcck sol1 aiich tlas hicr entwirkelte Syst,eiri diencn. Eiri wichtigcr Punkt ist tlahei, dafi die, Iridikatoren, nach dc~icrivcrschietlciie Chc>rnikalitw klassifiziert, werderi, transparent, sind. Eirie St,offeinstiifurig ist d a m weriig oder gar niclit traiispureiit, wenn rriehrt.re verschietlcnr: Iridikatortm (z. B. LCso BioakkiirriulatioIispotenti;L1, Ha1l)wertsztitcn) zii eiric:ni eirizigen Wcrt vcrrechnct werden. weil dabei tlas Resiiltat crstens nicht n i c h in die eirizchen Beitriigc aiifg;t:srhliisselt werdcri kariri uritl zweiteiis niclit, niir voiri LWrt der virifliefieiideii Grofieii, sondern auch von d r r rrir:isteris willkiirlich gt:wahlt,tm Verrechriurigsriietliotl~~ abhaiigt. Ails tliesciii Griirid werden Pwsistenz und Rckhwcite hirr nicht zii ciiiem einheitlicheri Wcrt, z. B. ziiiii Prodiikt R.r ziis;trriniciigezog(,ii, sondern irn zweidiiriciisiori;tleii R- r-Diagrarrirri dargcstellt . Bei Swanson 11. Socha (1997, S. 31ff.) sind ve hiedrxic. Rr~7/,king-Systeni(.~ I I S R I I I iriengestellt. init deric:n Expositionen cliarakt,erisiert wvrdeii kiinrien. Im cinzelricm stiitzeri sich tliese Systerric, iiiif Pvrsistonz. BiowkkurniilatioiisI,otential, Eriiissiorisnicngcri odcr Prodiikt,iorisvoliirrieri sowic r\/loriitoringtl;Lten ziiiri Vorkomrntw in dcr Urriwelt: tlas riiiimlirli(>Vrrtcilungsverhaltcri wird ,jedoc-hniclit cin1)cw)geri. Das liicr vorgestvllte System: (lessen Quiritesseriz tlic Abhildungcm 7.9 iind 7.10 sind, t q i i r i x t , diese Systemc tlaher. Wie c’s in dss derzvitige Vvrfahrtm zur Cliernika1ienl)cwertiiiig tingefiigt wertltm kann. wirtl im folgendcm Kapitel in h i Abschnittcii 8.1 iind 8.2 ausgefiihrt .
’
.
~
~
1 1. “For rriariy organics. screening is uridcrtakcn for assessrricwt purposrs. or t o check for c o n pliaiicc with assigned guidelines or rccorririicded lirnits. N o such values exist for organics. Consequently. organics scrcwiing is often u s r t l to rank chririicals i r i terms o f their mobilit,y, bioconcentration factors anti so on. Siich rankings piit problviiis into pcrspective. For cxaniplc. often t h e a h o l u t e number is iiriirriportarit, h i i t t h e ranking o f siitxtances o r pathways needs to bc known for risk rcductiori.” (Jones ef al. 1991, S. 326) ,,Der Umweltrat halt. die Errtwicklurig voii 1Jrriweltiridikatoreiisystc.rri als Iristriirrient ziir Beschreibung tier Uiiiweltsitiiation fiir notwciidig. i i i n die hrrrscheiitlc Flut vnn Umweltdattw zu rrlevantrri. politisch urrrsrtzhareri 1riforrii;itioneii zii vcrdiclitcri.” ( S R U 1004, S. 127)
7.6 Raumlzche Reichwezte be2 mehreren Emittenten
7.6
137
Raumliche Reichweite bei mehreren Emittenten
Fur Expositionsfelder, die sich aus den Beitragen mehrerer Emitteriten zusammensetzen, wurde in den Abschnitten 4.3 und 6.3.4 die kombinierte raumliche Reichweite eingefuhrt. Mit Hilfe dieser GroOe lassen sich zwei Falle unterscheiden: (1) Die kornbinierte Reichweite resultiert uberwiegend aus der Verteilung in der Uniwelt, d. h. die kombinierte Reichweite R und die stofiezogene Reichweite Ro sind ungefahr gleich; (2) die kombinierte Reichweite R resultiert vor allem aus der Anordnung der Ernittenten, wahrend die stoflbezogene Reichweite Ro klein ist. Mit Hilfe des Ringmodells wird hier fur eine Gruppe von gleichartigen Emittenten im konstanten Abstand 6 = 5% ermittelt, wie die kombinierte atmospharische Reichweite R, zunimmt, wenn die Anzahl der Emittenten (bezeichnet mit N ) schrittweise von 1 auf 5 erhoht wird. Betrachtet werden F-11 (Rohoch), 1-Butanol (Roniedrig) und Chlorbenzol (Ro im Zwischenbereich). Die atmospharischen Expositionsverteilungen { e g , j } j = l , , , , , ndieser drei Substanzen sind fur den Fall mit funf Emittenten in den Abbildungen 7.1 1 bis 7.13 dargestellt. Die raumlichen Reichweiten sind unverandert in % des Erdumfangs angegeben, und n , die Anzahl der Abschnitte auf dem Ring, hat ebenfalls unverandert den Wert 80. Fur alle drei Substanzen ist der Zusammenhang zwischen der Reichweite und der Ausdehnung des Gebiets, in dem die Emittenten liegen (bezeichnet mit D ) , in Abb. 7.14 dargestellt; die zugehorigen Zahlenwerte sind in Tab. 7.7 angegeben. Tabelle 7.7: Kombinierte raumliche Reichweiten R, von F-11, 1-Butanol und Chlorbenzol in Abhangigkeit von der Anzahl der Emittenten ( N ) und der Grof3e des Emissionsgebiets ( D ) . D und R, in % des Erdumfarigs, n = 80, Emission in den Boden. N
D
R, (F-11)
R, (1-But)
R, (Clbz)
1 2 3 4 5
1 6 11 16 21
95.0 95.0 95.0 95.0 95.0
10.6 13.3 16.9 20.9 25.2
30.6 31.8 33.6 36.0 38.9
Es zeigt sich, daO die raumliche Reichweite unter der Modellannahme, daB die Abbau- und Transportmechanismen raumlich konstant sind, bei allen SubstanZen weitgehend linear von der GroOe des Expositionsgebiets abhangt. Der Ordinatenabschnitt entspricht der Reichweite eines einzelnen Emittenten und damit der stoffspezifischen Reichweite Ro . Damit die Steigungen besser verglichen werden konnen, wurde der Ordinatenabschnitt hier fur die drei Substanzen annahernd gleich gewahlt. Bei 1-Butanol nimmt die Reichweite fast direkt proportional zur Anzahl der Emittenten zii (Steigung ca. 0.8), d. h. jeder weitere Emittent vergroi3ert die Reichweite um ca. 4% von L (Erdumfang). Bei Chlorbenzol betragt die Zunahme nur ca. 2% von L (Steigung 0.4), und bei F-11 hat die Anzahl der Emittenten uberhaupt keinen EinfluB auf R .
138
n12+ 1
n12
1
A h h i l d u n g 7.11: Atmospli;trisrh(, Expositiorisvert,ciliirlg voii 1-13utariol lwi Erriissiori atis fiinf gleich starkcn. urn jvweils 5 = 5% ausciriandrrliegendcri Quelleri. Tkr Schwerpiirikt der Eniittcwten lit@ bei J = 1 , die kombiriiertc Rcichweite twtriigt I t , = 25.2%, , die stofi1)ezogeiie ltcichwcit,c betragt
Ro
=
10.6%.
0.08
1
0.06
1
n12+ I
n12
1
A b b z l d u n g 7.12: Atmospliarischc Expositiorisvertc,ilung voii Chlortwrizol 1x4 Emissiori ails fiirif gleicli starkrri, urn jewcils 6 = 5%1auseiriariderliegcriclcriQwllen. D w Schwerpunkt dcr Einitteiiteii liegt, hei j = 1 , die korribiriiertcx Reichweite betritgt, R, = :38.9%, d i v s t o f h z o g e n e Rcicliweitc betriigt Ro = :30.6%.
0.025
0.02 0.015
0.0 I 0 005 - 1
n12+ 1
1
ni2
A b b z l d u n g 7.13: Atrriospharischc Expositionsvert,cilung von F-11 twi Emission aus fiirif gleich starkrn. uiri jcweils 5 = 5% auscirianderliegenderi Quellcri. Der Srhwcqxinkt d c r Emittc.riteri liegt bei j = 1, dip komhiiiicrte Rcichweite hctritgt l j x = 95%. die stofflwzogene Heichwcitcl hetriigt ebenfalls Ro = 95%.
7.6 Raumliche Reichweite bea mehTeTen Emattenten
139
Kombinierte raumliche Reichweite (Atmosphare)
I 0
, 0
"
~
'
~
"
'
'
~
'
~
'
'
IS GroDe des Emissionsgebiets, D
5
~
'
"
'
20
10
Abbildung 7.14: Raumliche Reichweiten R, von 1-Butanol, Chlorbenzol und F-11 in Abhangigkeit von der GroDe des Emissionsgebiets ( D ) (in % des Erdumfangs). Werte aus Tab. 7.7 fiir F-11 uni 90%, fiir Chlorbenzol um 25% vermindert.
In der Realitat treten diese drei idealisierteri Falle sowie zahlreiche weitere Expositionsmuster auf. Erheblichen Einflua auf die realen Expositionsmiister hat aiich der gezielte Transport von Stoffen vor ihrer Freisetziing in die Urriwelt, der hier nur diirch 6 . den Abstand der Emittenten, widergespiegelt wird. Fur viele Stoffe sind die Transportbewegungen irn immer starker globalisierten Markt so kompliziert, daB sich nicht ohne weiteres bestimmen laat, wo iind wann die Emissionen in die Umwelt stattfinden. Noch komplizierter wird das Expositionsmuster bei beweglichen Quellen wie z. B. Schiffen, aus deren Schutzanstrich Tributylzinn ins Meerwasser freigesctzt wird.12 Dies bedeutet, dafi vor alleni bei Stoffen mit nicht allzu hoher stoffbezogener Reichweite die gezielte Verteilung vor der Freisetzung verstarkt untersucht und 1x3 der Beurteilung der Expositioneri berucksichtigt werden sollte. Wie das Beispiel 1Butanol zeigt, kanri einerseits die Hohe der Exposition geserikt werden, indem die emittierte Menge bei alleri Emittenten gleichmafiig vermindert wird. Andererseits kann aber aiich die Grope des Expositionfeldes beeinfluat werden, indem die Freisetzung nur bei eirizelnen Emittenten vermindert wird. Dies fuhrt auf die Frage, in welchen Fallen die flachendeckende Nutzung von Chemikalieri eingeschrankt werden kann. Diese Frage laat sich jedoch ohrie eine Diskussion des Verwendungszwecks der Stoffe iind der Verteilung des Nutzens (raumlich, zeitlich, auf verschiedene Bevolkerungsgruppen) nicht untersuchen; sie ubersteigt daher den Rahmen dieser ~
~~
12. Trihutylzinn wird u. a. dazu eingesetzt, iini Schiffsrumpfe von Pilzen, Mikroben, Sclmecken und Muscheln freizuhalten. Es ist fur Wasserorganisrrien stark toxisch und hat in vielen Hafen zu erheblichen Umweltproblemen gefuhrt (Fent u . Hunn 1991, Fent u . Miiller 1991).
~
'
Stlitlie. Fcsthaltcw laDt sich iiii Hinblick auf clas Uiiiw~,lt,vt,l.lialteritier St.offe. daB aiisarnrrit.rilian~t~ii[lt~ Expositionsfeldor sich h i niet1rigr:r Ptlrsistcnz iind Rcichweitc a111 ehesttn in tiirizelric Teilbcrtichc aiifloseii lasseii. fiir (lit. d a m jcweils tlic mi t m t e n passentlcri Liisiirigeri gesiicht wcrderi kiinneri.
Kapitel 8 Folgerungen fur die Bewertung von Umwelt chemikalien In den vorangehenderi Kapiteln wurde mit dem Reichweiten-Konzept eiri neiier Ansatz zur Chemikalienbewertung dargestellt. Dieses Konzept wurde vor dem Hintergrund der bestehenden Verfahren ziir Chemikalienbewertung entwickelt und sol1 als Erganzung zu ihnen dienen. In den folgenden Abschnitten wird ausgefuhrt, wie sich das Reichweiten-Konzept mit den bestehenden Verfahren kombinieren laat inid welche Folgerungen sich fiir die Chemikalienbewertung ergeben.
8.1 8.1.1
Expositionsgestutzte und wirkungsgestutzte Chemikalienbewertung Vorgehensweise
Zentral fur das Reichweiten-Korizept ist die konsequente Unterscheidung zwischen Expositionen und Wirkungen, sowohl auf deskriptiver als auch auf normativer Seite. Um das Reichweiten-Konzept in Beziehung zum bisherigen Vorgehen bei der Chemikalienbewertung zii setzen, ist es daher sinnvoll, von dieser Unterscheidung ailszugehen. Bei der Chemikalienbewertung, wie sie in Kapitel 2 geschildert wurde. werden Expositions- und Wirkungsanalyse zwar eberifalls als zwei getrerinte Teilschritte durchgefuhrt, danach werden aber die Konzentrationswerte, die sich ails der Expositionsanalyse ergeben, mit Schwellenwerten wie der Predicted N o Effect Concentration ( P N E C ) verglichen. Diese Wirkungsschwellen sind es, die den entscheidungsrelevanten Bezugspunkt liefern. Die Exposition hingegen wird lediglich als kausale Vorbedingung fur Wirkungen angesehen, nicht jedoch als eigenstandiger Bewert ungsgegenst and. Im Gegensatz zu dieser Sichtweise wird im Reichweiten-Konzept die Stoffbewertung vollstandig auf der Stiife der Exposition durchgefuhrt, d. h. die Untersuchung der physikalisch-chemischen Stoffeigenschaften und des Umweltverhaltens fuhrt zii Endpunkten Persistenz und Reichweite -, die auf der Ebene der Exposition liegen. Mit diesem Ansatz ist es nun moglich, die Chemikalienbewertung in eine expositionsgestutzte und eine wirkungsgestutzte Bewertung zu gliedern, wie es in Abb. 8.1 dargestellt ist. Den drei Ebenen von Emission, Exposition und Wirkungen werden jeweils eigene Endpiirikte ziigeordnet: Die Freisetzungsmenge und das Freisetzungsmuster ~
142
Umwelteingriff
Umweltgefahrdung
Umweltschiden
Emission
Exposition
Wirkungen
I
-
Atrarin im
Atramb Ausbringung a m Ort 1
Primarpriduktion dc\ Phytoplankton5 verinindert Belalung \ o n Fi\chen durch ahkuniulierte\ Atrarin
AtramAu\bringung a m On 2
t?
I
Trinkw;i\\er\ er\iirguiig elnge\chrankt
u.a.m. u.a.m.
Abbildurig 8.1: Exl)ositiorisgt,stutztc. tirid wirktirigsgvst iitzte (‘1irinik;rlic.iit)ewc.I.tiirig rriit c k r Freisct.zung tivs Herbizicis A t r u i n als Ikispic~l. 1)esetliylatraziii ist ciir IJinwaiitiliingsprodtikt vori At r u i n .
dvr Emission; Pvrsistrxiz iind Rcichwcitc der Exposit,iori; Toxizitiltsc:ritlpiiiiktr uiid iikologisclie Eridpiiriktc tleri Wirkurigcm. Arihaiid ditwr Eiidpiiriktt’ tragt j d e dvr tlrei Ebciicri iii spezifischer Woise a i r C1ieiiiik;tlicnbewcrtiiiig h i : d ~ Uiiiwt.lt,einwirkiirig~~ii r Die Eiiiissiorisrricngc bestiirirnt tlic, G7.~~~f:ri,o7d71,~,ri,~i diirch einc bestiirimtc Siibstariz. Bri Silbstiiiizci1. (lit1 wiicli iiatiirlicli vorkoiiiiii(w wie z. B. RIethylchlorid oder C 0 2 , s( t sic (lit: aiit,liropogt.iie Uiiiwrlteiriwirkiirig in Bezieliiing ziirii natiirlichcri Hintcrgriind. Uiiabliiiiigig voii Siil)st,;trizeigc,iiscll;tftcm wit. RcichwcGtc iiiitl Toxizitiit kaiiii jede Sii1)stanz bei g r o h i Eiiiissiorisiiierigt.ri zii erheblichen Uiriwelt\~elast,iirigen fiihren; cs gibt rcirie 1\Icrigciiprobleiiit, durdi ..li;trmlost:“ Siibst wiizcii. z . B. tliirch Fiikalstoffv ails Iiitmsivt ic.rhaltiiiig. Soiiiit kariii iilwr div Eiriissioiismeiig(, die Uiiiweltwirksaiiikcit j(dt.r Siihstanz direkt lwciriflufit, wcwlen. Die Eiiiissiorisiiierigc, ist dahw dic crste ..Stt.llgriiBt.”. iiiit der dio Urriwc,ltbelast,iing tliirch arit,liropogcme Choiiiikalim veriiiiiidert, wcmlcii k m n . Da jetlocli viele Eigcrisrliaftcii iri iiiit~c~rscliic~dlichcri hferigeii Siihstarizcw niit svhr iiiit,c~rscliicdlicli(~ii frvigcset zt wertlm. siiitl fiir (lit, Eiits(.li(idiiiig. 1x3 wc~lcheiiSiibst a i i z m dic Rediik-
8.1 Expositionsgestiitzte und wirkungsgestutzte Chemikalzenbewertung
143
tion der Emissionsmengen Prioritat haben soll,' zusatzliche, substanzspezifische Kriterien notwendig. Dies sind bisher vor allem wirkungsgestiitzte Indikatoren, die im Rahmen von Toxikologie und Okotoxikologie ermittelt werden. Aus dem Bild, das diese Indikatoren von den Umwelteffekten einer Substanz liefern, sollen Konsequenzen fur die Handlungsebene gezogen werden, z. B. indem eiri Stoff im Hinblick auf die bestehende Gesetzgebung zugelassen oder verboten wird, indem neiie Leitlinien zur Stoffhandhabung entwickelt werden, oder indem ganz neue Stoffe entwickelt werden (ausgezogener Pfeil in Abb. 8.1, ,,klassische" wirkungsgestutzte Bewertung). Die Sprechweise von einer ,,expositionsgestiitzten" Bewertung besagt, daB zusatzlich auch expositionsgestutzte Indikatoren wie R und r herangezogen werden, wenn Leitlinien zur Stoffhandhabung aufgestellt werden sollen (gestrichelter Pfeil in Abb. 8.1; bisher nicht ubliche Bewertung). Diese beiden Bewertungsansatze und ihre jeweiligen Endpunkte werden in Tabelle 8.1 nach vier Kriterien rniteinander verglichen: 1. Normatives Leitbild: um welche Schutzgiiter geht es, und aus welchen Grunderi sollen diese Schutzgiiter geschiitzt werden?
2. Mogliche Endpunkte: welche naturwissenschaftlichen hleBgro0en werden zu diesem Zweck bestimmt?
3. Deskriptiver Gegenstand: welcher Sachverhalt wird von den Endpunkten abgebildet? 4. Normativer Gegenstand: in welchem Sinne ist der deskriptive Gegenstand normativ relevant? Welche Bewertung laOt sich an ihm festmachen? Wirkungsgestutzte Endpunkte beziehen sich auf den Wirkungsmechanisnius, wie er im Organismus oder Umweltsystern ablauft, z. B. bei der Auslosung von Tumorwachstum oder beim stratospharischen Ozonabbau. Sie sollen erfassen, ob und wie stark ein Stoff nach diesem Mechanismus wirkt. Das Ziel der Bewertung besteht darin, das Auftreten von Effekten, so weit sie sich mit toxikologischen und okotoxikologischen Tests erfassen lassen, zu minimieren und so die Unversehrtheit vori Organismen und Umweltsystemen so weit wie moglich zu gewahrleisten. Zeitpunkt und Ort des Aiiftretens von Schaden werden nicht erfaOt, und ebensowenig wird eine Beziehung zur auslosenden Chemikalienernission hergestellt.
1. Die Zielsetzung, daD solche Formen der Chemikaliennutzung eingeschrankt werden sollten, die zu erheblichen Emissionen in die Umwelt fiihren. hat nichts mit Technologiefeindliclikeit oder okologischem Fundamentalismus zu tun, sondern ist ein legitimes nnd auch rationales Element in der chemiepolitischen Diskussion. Aus dem Gebrauch chemischer Produkte wird riicht nur Nutzen gezogen, sondern zugleich werden auch andere Guter wie Umweltqualitat und Verteilungsgerechtigkeit durch den Einsatz chemischer Produkte beeintrachtigt. Im Rahnien einer rationalen cheniiepolitischen Entscheidungsfindnng miisscri Nutzengewinn und Beeintrachtigung anderer Guter gegeneinander abgewogen werden.
Zubvlle 8. I : I:xposit.i(,nsgrstiitxt,e un(l wirkuiigsgcstiit ato Bewvrt iiiig ~.
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\i,rgleic.li.
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Wirkiiiigsgrst iit ate Brwt:rt.iing
b;xposit ioiisgcstiitzt (, Bewvrt iirig
Normat,ivt:s I,vi tbild
kijrpcrlirhe Iritcgritat von Organisirioii ; funkt,ioriale 11. strnktiirc,lle Iritcgritiit voii 0kosyst.cwien
Vorsorgepriiixip: V(,rt,eilurigsgc:reclit igkci t Iiiiisichtlicli Nutzrri 11. Nr1)c~rifolgcri
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divcwci 'I'oxiait;ttscnclpiirikte. Okosysternstd1. st rat osphiirisc1ic.r Ozoriitbbau
I'cmistenx iiiid licic+iweitc
Ckgenstand. tioskript.iv
Auswirkurigc,ri 1)ci 0rg;misrrieri 11. Okosystvrrien: Wirkiirigsrnechiiriisiniis
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Expositiorisgc,stiitztc Eridpririkt.t: wiv R u t i t l T 1)ozic:heii sich dcmgcgo1iiiher auf (lit: riiiirti1ic:he u r i t l zeitliche Vvrttdurig vori Cli(mikidim iti tlcr Uiriwdt. Sic. solleri orfiissen, wit. stark eiri Stoff zii virier riiriiiilich i i i i d zoitlich aiisgedeliritcm Expositioii h i tr a g t,, (1. 11. sic, heziehcri sich riiclit a i i f den Mcdiariisiriiis oiricr Cliciriikalienwirkung in tlvr Uiriwelt, sotiderii nuf das AiisniiLB ciiicr Clirriiik;iliericxpositioii.2 D ~ L S Z i d der Bcwertiing bestcht dariri. miigliche Folgeti solclier Expositioiien zii vcrmeidcn odr:r zurriiridr,st eirio ausgc~glichericrc~ gtmxhtcw V(~rt,eilurigcler Folgeri ZII erreicheri. Zeit piirikt iiricl Ort tlvr Expositiowri wrrdtw vrfaBt iiiid r i x h hliigliclik(it i i i Beziehiirig ziir aiisliiscderi Emission gesc Diese t)c.ideri Typeri vori Endpiinktm worcleii tiiiri iii ciriciii awc~istiifigenV(~fa1ire11 z i i r Cheitiikalienl~cwertiitigmitc~iriaiitl(~ikorri1)iriiert . Dabei ist folpiclr U1)orlcguiig iiiai.5geblic:li:Da die wirkiingsgcstiitztc Bewcxtiiiig ~
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2. Ilas Aiisriiafl tlvr Exposition wirtl virierseits vori i1irc.r Dmwr iirid riiiiiiilirhcii Ausdeliiiuiig r i r i d andertwc,its vori tlcr Iliilic, der eiriwirkeiid(w Koriac*iitratioiiI ) w t i i r i i i i t , . Die Koiixentr~tt.ioiisliiihc, ist rriit dcr Err~issionsiriorigekorrc.licrt (cxtensivrr. d. 11. ziir Stoffiiirngt: proportionaler Arltcxil der Kontarriiriation); Llaucr iiiid rauriiliche Aiisdehnurig sinti stoff- urrtl rirnw e lts ~~c z ifis c li~~ Aspektc?, die vori der ISriiissionsrnc,iige ~iiiiil)liiingigsirid (iiit,c.risivcr Aiiteil d r Kontnriiinatiori) ~ (Scheririger 11. I h g 1994).
8.1 Eqosztzonsgestutzte und wzrkungsgestutzte Chemzkalzenbewertung
145
sollte sie nicht fur alle Stoffe durchgefuhrt ~ e r d e n sondern ,~ nur fur ausgewahlte Chemikalien. Diese Vorauswahl kann mit Hilfe der expositionsgestutzten Bewertung erfolgen: Die expositionsgestutzte Bewertung identifiziert Stoffe mit hoher Reichweite und/oder Persistenz, d. h. mit problematischem Expositionsverhalten. Wenn solche Stoffe in der Umwelt zii Wirkungen fuhren, ist dies besonders schwerwiegend, weil die Wirkungen weitraumig und langfristig auftreten. Stoffe mit holier Persistenz iind Reichweite sollten also allein aufgrund dieser Eigenschaften nicht verwendet werden oder durch Altcrnativen mit niedrigerer Reichweite und Persistenz ersetzt werden (der Vergleich der Stoffe kann z.B. in einem Diagramm wie in Abb. 7.10 erfolgen). Diese Leitlinie beruht auf dem von Persistenz und Reichweite aufgenommenen normativen Ziel, (1) Pravention und Fehlerfreundlichkeit (Weizsacker u. Weizsacker 1986) zu er~rioglichen~ sowie (2) die zeitliche und raumliche Verlagerung von Chernikalienexpositionen zu vermeiden. Dabei ist zu betonen, daB die expositionsgestutzte Bewertung in keinem Fall zur Aussage fuhrt, Stoffe mit riiedriger Persistenz und Reichweite seien harmlos - das Wirkungspotential mu0 erst noch abgeschatzt werden. Zu diesem Zweck bildet die wirkungsgestutzte Bewertung den zweiteri Schritt, in dem die Substarizen mit unproblematischem Expositionsverhalten auf ihre toxischeri Eigenschaften hin untersucht werden. Ziel dieser Bewertung ist es, linter den kurzreichweitigen Stoffen diejenigeri rnit dem geringsten Potential fur Wirkiirigen zu identifizieren. Allerdings kann man bei diesem zweistufigen Vorgehen natiirlich riicht darnit rechnen, ausschlieBlich kurzlebige, nicht toxische und zugleicli fur die Anwendungszwecke gut geeignete Substanzen zu finden. Es kann schon bei der expositionsgestutzten Bewertung Zielkonflikte zwischen der Dauerhaftigkeit fur den Gebrauch und der Persistenz in der Umwelt geben, z. B. bei Farbstoffen. Weiterhin konnen Zielkonflikte zwischen niedriger Persistenz, Reichweite und Toxizitat einer Substanz einerseits und hohem Energiebedarf bei ihrer Herstellung oder Verwendung andererseits auftreten, z. B. beim Einsatz von waBrigen Losungsmittel-Systemen (Wolf et al. 1991). Auch konnen manche Stoffe fur gewisse Anwendungen unerlaBlich sein, obwohl sie toxisch oder brennbar sind, und in solchen Fallen mussen Mafinahmen fur genugenden Arbeitsschutz und lokalen Umweltschutz getroffen werden, die mit zusatzlichem Aufwand verbunden sind. Das hier vorgeschlagene Bewertungsverfahren ist also kein Konigsweg zu einer unprobleniatischen Chemie. Sein Beitrag besteht darin, daB es eine Umkehrung der ~
~
3. Wie die Erfahrung mittlerweile zeigt, ist dies wegen des damit verbundenen Aufwandes auch gar nicht moglich: ,,The EC'S existing chemicals programme will take centuries t o work its way through pre-1981 substances and consume vast resources in the process.'' (ENDS 1998a, S. 24); vgl. auch die in Abschnitt 2.4 geschilderten Schwierigkeiten.
4. Eine chemische Technologie kann als fehlerfreundlich angesehen werden, wenn sie keine langfristigen und weitreichenden Expositionen auslost. Dann ist es namlich moglich, zu einer anderen Technologie zu wechseln, ohne daO Expositionen aus der alten Technologie, wie z. B. die langfristige FCKW-Belastung der Stratosphare, fortbestehen.
lxirn C1ieniik;tlienc~iiisat.zliirige Zrit i~ii$+bliclirErnittcnten i~iifallcii.befinden sic11 dic tietciligteri Aktture z. B. Cherriikalienprodiiz~~~iteri. gc.werbliclie iind private Ariwendu. Konsiinienteri von Cliemir:dienst,leistung~~ri iri deiisc~l1)cnkiilturellcn, iikoiioniiscbtn iiiitl rechtlichen Kontextxiri. Datliirch kiiiincii sie leichter riiitcinaiitler iri Kontwkt trc%c:ii und koiisensfiiliigc Liisiingcn ausliantldii i d s bvi glohltw Proljlenwii. die sic11 i i h r viele iind sehr verschiederict kiiltiirclle, rcditliclic., polit,ischc iiiid 6koiioniisc:he Koiitcxte tntreckcii. Ersteiis k m n aiif iristitiitioricllcr El)cwe flcxihler rcagiert werdm. z. B. diirch dic Uriisct,zung riciier hlaihialiinen. tliirch dcn W d i s e l voii Tcdiiiologicm oder diirch Gcsetzgc4)ung. iind ziiclern kiiiiriw die Koiizerit,rat,ioric:iiiind hlengon. riiit dciieri dic Stoffc in der Uniwc.lt auftrcteri. schnellt~rbeviiifiiiflt wcmlcii (Fehlvrfreuridlichkctit). 8.1.2
Anwendungsbereiche
Bcreits in d t i r i 50er i i ~ i d6 0 1 J~a h r t ~ wiirtle i fcstgostcllt. (hi3 IIDT i i i i d arithw CKWPestixitle sowic persistent sirid und sich wcitraiiiiiig vcrt,cileri. Daniit, war t:iiit cwte Grupptx von ..kl. licm" Urriwelt,clicrriik;ilieri idrntifizicrt . iiiid in t l m Indiistrieliiritlerri wiirdm die iivgatiwii Erfaliriirigeri iiiit dicsen Siilistaiizen rclativ 1)idd iiriigesctzt . iriclciri ihr Gehriiiich ciiigescliriiiikt, iiiid dann vrrbotcri wiirdc. Parwllcl d a z i i litit, die. c.licinisc.lie Eiitwickliing bvi rieucroii Pvst izitlcw die sohr nwchtciligtw Expositioiisc:igc:Iiscliii.fteritlcr altorcn Pt:stizitio gezielt. vcrniiotlcri. c~i" sind halogeiiic~tr Eiiir, weitcrv Griippe voii . . k l i ~ ~ s i ~ h Uiii\l;eltc:liernik;ilicri Liisiiiigsiiiittc.1: Chloricrte Liisurigsinittrd wie Tri- iiiid Perc,lilorctliyleri siiid eiiivrsrits t,oxiscli iind kiiririeii xiidern zii lungwiorigeri i i i i d sc-liwer zii besr~it~igencicm Gruritlwwsscrkoi~taIriiiiatioiic.ii fiilircn: F<'KW fiilireii z i i m 0zonabl)wii iii tler St r:itosphlire. Fiir cliloric.rt,e Liisiingsiiiittel wiirdcii vcrhcssertc Riickliiilt,e- u i i d Recyclirigtechnikcri ckigefiihrt. drr Gcl)rancli vori I:<'K\v wiirde iiiit dciii Protokoll von I i I o n t r d eit igt>schriitikt . Allcrdings 1)lieb c l i v Teiidmz, polychloricrtc, Biphciiylo. (*Kw-Pcstizideiind hwlogeriiertc Liisiingsriiittel eritwcder zii vt!riiic,itleii oder iiiit vc>rhssert,cIiTcdiiiologicm z i i hiiiidhab~~ri. iibcrwiegeiitl auf tlic wcst,lichcii 1iitliistrielAridt.r hcschrarikt~:
8.1 Expositionsgestiitzte und wirkungsgestutzte Chemikalaenbewertung
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In Indien, Afrika und Sudamerika wird DDT nach wie vor zur Malariabekampfung eingesetzt (Renner 1998). Alternativen dazu sind zwar moglich (Chapin u. Wasserstrom 1981, WWF 1998), aber teilweise teurer und/oder aufwendiger zu realisieren, vor allem, wenn sie eine Kombination verschiedener Mafinahmen umfassen. Andere CKw-Pestizide werden noch immer als Pflanzenschutzmittel verwendet (Bidleman et al. 1990). In RuBland werden polychlorierte Biphenyle nach wie vor in Transformatoren eingesetzt und auch noch neu hergestellt (Hileman 1998). Auflerdem entweichen sie aus bestehenden Depots in die Umwelt (Tanabe 1988).
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Weitere Substanzen wie Chlorparaffine und polybromierte Biphenyle und Diphenylether haben ein ahnliches Umweltverhalten wie die bisher ausgewiesenen 12 POPS (Kramer u. Ballschmiter 1987, ENDS 1998d), werden jedoch immer noch produziert und eingesetzt. Die Erweiterung der Pops-Liste um solche Stoffe wird kontrovers diskutiert (Renner 1998).
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Auch heute noch werden trotz dem Protokoll von Montreal FCKW hergestellt und emittiert, einerseits in Landern, die das Protokoll nicht unterzeichnet haben, aber auch auf Schwarzmarkten in Landern, die das Protokoll unterzeichnet haben (Holmes u. Ellis 1996, ENDS 1998e). Wie Abb. 7.10 zeigt, besitzen zudem auch die FCKw-Ersatzstoffe (HFCKW) noch immer erhebliche Persistenzen und globale Reichweiten; sie sind z. T. treibhauswirksam und tragen ebenfalls signifikant, wenn auch zu geringerem AusmaB, zum stratospharischen Ozonabbau bei (Wallington et al. 1994, Rose 1994).
Es gibt also noch irnmer durchaus gravierende und dringliche Uniweltprobleme durch ,,klassische" hochreichweitige Substanzen wie FCKW und POPS. Eirierseits werden diese Probleme in den gegenwartigen internationalen Verhandlungen zu den POPS thematisiert. Andererseits ist dies noch keine Garantie, daB die Probleme auch wirklich gelost werden. Fur die Pops-Verhandlungen ist erstens entscheidend, wie die Lander, die nach wie vor D D T und PCB einsetzen, beim Ubergang zu Alternativen finanziell und technologisch unterstutzt werden konnen. Hier sind einerseits die Industrienationen gefordert; andererseits mussen von den Landern, die zur Zeit noch POPS verwenden, effizierite und verlaflliche Wege fur den Einsatz der Mittel und die Realisierung der Alternativen zugesagt werden. Zweitens hangt die Relevanz der Pops-Verhandlungen davon ab, wie flexibel die Protokolle fiir die Aufnahme weiterer Substanzen sind (zur Zeit wird von uber 100 weiteren Kandidaten gesprochen). SchlieBlich zeigen die VerstoBe gegen das Protokoll von Montreal, daB es auf internationaler Ebene sehr schwer ist, wirksame Maanahmen durchzufuhren. Angesichts der mittlerweile gut bekannten Umweltprobleme durch persistente und hochreichweitige Stoffe ist eine umfassende Argumentation fur die Entwicklung von Alternativen -~ wie sie auch durch das Reichweiten-Konzept unterstutzt wird umso wichtiger.
Ziir Zeit kiinnen Pcrsistcwz iind Rcichwcitc: vor all(wi fur < ' K W und E'CKW als besondcrs porsistentc iirid wvitrburnig vcrteiltt: Prot)lmistoffw abgeschiitzt wcrden. Fiir viele weitere Substanzen rnussen R iiritl -r anhand vori Modellrccliriungeii und hIcBprograriinien erst noch ctrmittelt werden. z. B. fiir Chlorparafine. Flamniscliutzmittel, Weichmachcr oder Silikone. Aiif diese Weisr. kann riach und nach bestirrirrit werden, wclche Aiissagekraft die expositiorisgestutztt: B e ~ e r t ~ i i nhat g und wic sie sich in der Praxis rriit einer wirkiirigsgestiitzt,en Bewvrtiing kombiriicren 1aBt.
8.2
Risiko oder Vorsorge?
Bei der Konibination von cxpositioris- idwirkiirigsgestiitzt,cr Bew&ung wcrden nicht nur vcrschiedene Typcri von Intlikatorcii otler Eiitlpunktcri zusariimerigc.fiihrt. sondern auch verschiedene Perspektiven dcs Natur- und Tecliiiikverstaiidriisscs, die zwei cherniepolitische Eckpositioneri darst,ellrn. Die wirkiirigsgestiitzte Bewertung folgt derii .,klassischen" Schema von Problemsuche und Liisung: hlan ni6chte erstcris wissen, welche Schiiden eiritreteri kiiririen wobei die Schaderi aus der Erfahriing bekannt odcr aus (1t.r Kerint,nis mijgliclier und zwritens sollen die hlechanismen Wirkmechanismen dcnkbar sein konnen gekliirt werdcn, nach dern die Schacleri eintrcten. Anliand dcr hlechaiiisriien kiiiirieri d a m auch die Eintrittswahrscheinlichkeiteri solcher Schaderi abgeschbtzt werden, fiir die sie riicht ails der Erfahriing bckannt sirid. Schliefilich sol1 aus den qiiantifizierten Schadenshohen und den Wahrscheinlichkeiten fiir das Eiritret,eri der Schaden das Risiko berechnet werden. das mit verschicdeneri Haridliirigsalteriiutiven vc.rbiinden ist . Das Ziel dicscr Vorgelienswc4sc bestcht dariii. das Risiko kalkiilieren. bcurteilen und im Verhdtnis ziirn Aufwand fiir hlaflnahmen ziir Risikorriintleruiig rriinirriiereri zu konnen. Die zeritrale Anrialime. aiif die sich diests Vorgehen stiitzt. ist. daB allc rclevariteri Sc1i;tdensercigIiissc h k a n n t sind iiritl sich kaiisal aiif ausliiscwdr: Ereigriisse ziiriickfuhrcii lassen. Im Btrcich vori Umw~,ltbelastiingeni11id Umwclt,veraiidcrungen ist diesc Anrialime jedoch nicht erfiillt . und diilicr fiihrt, das risikooricmtierte Vorgehen zii erhehlichen Sehwierigkcit,cn: Einerseits sind sclir langwicrige Untersuchungen niit,ig, clic oftrnals dcnnocli nur iiriklare Result atc liefern: andertweits bestelit imiiic.r die hloglichkrit. dai3 ziisatzliche. uricrwartetv Effekte aiiftrettn wie z. B. die c w t , vor kiirzeni entdeckte eridokririe Wirkurig vieler Cheniikalien. Eine Qiiaiitifizierurig iind kalkiiliorbare Erfassung der R isiken gdingt dahcr nicht . und einc msschlieBlich arri Rkiko-Konzept, orientierte Chciriiepolitik ist Irtztendlicli cine reaktive Politik, die ihr Ziel eine a i i f ein plniisibles iind vollstbndigcs Risikokalkul gestiitzte Clierriikali~~iilian~lliabiing nicht tweicht.5 ~
~
5. A M dicscni G r u n d wird aiich in der europaischcvi Chcinicywlitik ziiiir,hrrierid dic Posit ion vertreten. dal( Stoffe iitialharigig vori ihrer Toxizitiit vor allr~iihirisiclitlich P e r s i s t m z u n d Bioakkiiriiulatiorrspoteritial beurteilt werderi sollten ( ~ : N I ) s199811).
8.2 Raszko oder Vorsorge?
149
Die dazu komplementare Sichtweise besteht darin, dail man die Tatsache, daB das Wissen uber die moglichen Folgen von Umwelteingriffen immer unvollstandig ist, bewuBt in die Strategie der Chemikalienbewertung einbezieht. Das Ziel dieser Sichtweise ist die Vermeidung langfristiger und umfangreicher Umweltveranderungen mit vielen einzelnen Aspekten, die erst bei ihrem Eintritt als S c h d e n spurbar werden, vorher jedoch nicht bekannt und auch nicht vorstellbar waren. Diese Sichtweise ist explizit am Vorsorgegedanken orientiert. Die zentrale Frage ist dabei, wie das AusmaB moglicher Umweltveranderungen beurteilt werden soll, wenn sie (noch) nicht im einzelnen bekannt sind. Dieses Problem, daB vorsorgeorientierte Entscheidungen weniger gut empirisch abgestutzt sind, fuhrt zu erheblichen MiBverstandnissen und Konflikten zwischen einem risikoorientierten und einem vorsorgeorientierten ,,Lager'" und steht im Brennpunkt der Diskussion uber das Vorsorgeprinzip und die Wege zu seiner Umsetzung (Gray 1990, Earl 1992, Ellis 1993, Bewers 1995, Gray u. Bewers 1996). Dabei geht es um die Frage, welche wissenschaftliche Grundlage benotigt wird, damit vorsorgende Maanahmen gerechtfertigt erscheinen, oder aber welche Maonahmen auch ohne wissenschaftlichen Nachweis der moglichen Folgen eines Umwelteingriffs gerechtfertigt sein konnen . haben solche MaBnahmen dann uberhaupt eine vertretbare, nicht-willkurliche Basis? Bringt das Vorsorgeprinzip ein willkurliches Element in den EntscheidungsprozeB, durch den die Bedeutiing wissenschaftlicher Nachweise marginalisiert wird? Diese Fragen nach den Anwendungsformen des Vorsorgeprinzips und nach den Kriterien, mit deren Hilfe im Voraus uber die Zulassigkeit oder Angemessenheit eines Umwelteingriffs entschieden werden soll, ist somit ein chernie- und umweltpolitischer Brennpunkt. Es geht dabei nicht um blinde Ablehnung oder Befurwortung technischer Entwicklungen, sondern um die sehr wesentliche Frage, inwieweit Lernen aus Erfahrungen, das Prinzip trial and error, eine adaquate Strategie zur Beurteilung von Umwelteingriffen ist. Bis zu welchem Schweregrad der Erfahrungen konnen der Lerneffekt und der Nutzen, um dessentwillen man die Erfahrungen iiberhaupt in Kauf genommen hat, iiberhaupt noch gerechtfertigt werden? Ab welchem voraussichtlichen Schweregrad kann man mit keinem politisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich produktiven Lerneffekt mehr rechnen, so dail man auch auf den Nutzen verzichten sollte? Oder anders ausgedriickt: Bei welchen Umwelteingriffen ist es moglich, daB in ihrer Folge die Bewaltigung unvorhergesehener Nebenfolgen zum vordringlichen Problem wird und daD die urspriinglich intendierten Ziele und Zwecke, seien sie nun erfullt oder nicht, in den Hintergrund treten? Inwieweit konnen und mussen diese ,,unvorhergesehenen Nebenfolgen" im Vorhinein abgeschatzt und in die Entscheidung einbezogen werden? Weil die heutigen Industriegesellschaften uber sehr groBe technische Moglichkeiten fur Eingriffe in die Umwelt verfugen, und weil diese technischen Moglichkeiten ~
~
6. So gibt es z. B. in der Okobilanz-Forschung eine ,,Front" zwischen einer less is better-Position (vorsorgeorientiert) und einer vom Risk Assessment her argumentierenden Position (risikoorientiert), vgl. Potting (1998, S. 12).
nicht nwhr in cineri erprobtcn Erfaliriiiigssc.li;tz ciiigebet t,vt sind. solltctn solchc Friigeri intensiv iind brrtit, aucli offentlicfi, diskiitiert, wcrden. Eiii Beispiel fiir eino solche Diskussioii ist die Debattc. die 1997 urid 1998 irri Vorfeltl der scliweizr,rischcii Ahstimrniing iiber die ,,Genschritzinitiative” gcfiihrt wurde. Wie solche Diskussiorien zcigcn, unterschcriden sich die. risikoorientivrtc uric1 die vorsorgeorioiitierte Position in ihrcni Natur- iintl Tecliiiikvcrstaridiiis e r h e b lich. Deririoch ist die Wahl zwischen Risiko iind Vorsorge keinc entweder-oderEntscheidung, soriderri dict beidtri Siclitweisen konncn und sollten miteinandcr kombiniert werden. Grwde fiir cinen praktiscli mid iikonotiiiscli so wichtigeri tint1 zugleich iiniweltrclevanteri Bcrcich wiv die Prodiiktiori und Nutzung vori Cheniikalien ist FS dringend gcboten. (.in ausgewogmcs Vc>rlialtnis zwischcn Risiko und Vorsorge zu errcicheri. Bisher hat in tier C1ic:rniepolitik tiiv risikoorientivrtc Sicht,wcise iiberwogcn, dic jcdoch iriiirier styirker aiif die in den Kapitelri 2 iind 3 dargestc4lten Problenic. stijjjt. Dic Vorsorgeorictritieriirlg war derngegmiiber cther a i i f cirizclne Prol)lernfcl(ler h sc:kirBnkt, so z. B. auf dcn Schutz der h h t r c . wo das Vorsorgeprinzip 1987 explizit als iiiriweltpolitiscli~!Leitlinie herarigezogon wurtlc (Nollhenipc~r1991).7 hIit,tlcrwcil(: wirtl das Vorsorgeprinzip jedocli iilicli fiir die Clicrriiepolitik als ganzo herangczogcn (EEA 1998. S.19ff.). und PS wirtl nach I4‘cgen gt:siicht. furidiertt, I3ewt:rtiiiigskriteri~ii fiir rnogliche, abcr im einzelnon noch iinbekanntc Wirkungcm von Uinweltc1iernik:ilicri zu otablieren. Eine hIiiglichkcit risiko- uritl vorsorgooricnt ictrte Chcmiepolit ik systcmatisch mitciriander z i i korrit)iriier(:Ii, bietet, clas irri voraiigclientlcri Ahschriitt 8.1 bescliriebenc Vcrfalireii von wirkurigsgest,iit,zter iirid expositionsgcstiitztc.r Bewcrtung: Die expositionsgestiitztc Bewcrtung ist vorsorgeorionticrt iind 1iat das Zic.1, daB unvorhcrschbare Ent,wickliingc:n rriit groilmi Schaclcnspotc~ritialvc:rniicdc:n wc?rtlcn. Sie dcckt wvit rauniigc urid larigfristige Exposit ionen al)?clenn wcd die. in dicscwi B(:roich niijglicheii Ereigriisst: iirid ihre Eiritrittswa1irsclieinlic.hkeitcii nicht bekanrit sirid u r i r l aucli niclit eririittelt wcrden kijnnen (vgl. Kapit.el 3 sowic A h c h n i t t 5.2.2). folilt hier die Griiridlagc>fur eiticx kalkiilierbarc. risikoorientiwte Bctrachtiiiig. (Eiiic Iiikaufnalinie voii unwiigl,aren iind irrcversibltw Belast,ungcw hat niit Risikol)ercit,scliaft irn c,igeritlichen Sinn nic1it)smchr z i i t i i r i . ) I m Bcmich liohcr Rt~ichwc~it~cm und Pcrsisteiizen ist somit c$ie vorsorgeoricritiert,(i Clieiiiicpolit ik sirinvoll. d. 11. wciiii (tin Stoff h i dcr c,xpositiorisgestiitzteri Bewert ling einc h o h Persist,onz und Reicliwcitc aiifweist . sollten allciii aiifgruntl dicses Befiindrs Altcriiat ivcn iiiit gc>ririgerer Persistenz und R(:ichweite gesiicht wt:rtleri. Demgcgeniilwr gcht 1’s irri Btwich riicdriger Rcicliwciten i i n t l Persistttrizen dariini, dicx Wirkiirigen tlvr Suhstaiizeri so verlSi5lich wiv iriiiglich zii c1iaraktc.risiercii. so daj3 ~
-
7. In dc3r Erklarurlg tier 2. Iiitcrnatiorialen Kotifcreriz Z I I I I I Sclints rler Nordsee lic>i8tc5: ..Accepting that in order t o protc’ct thc North Sea from possible dam;rgirig c,ff’vcts uf t h v iiiost (larigeroils substarlccs. a precautionary approach is i r c ~ ~ s s a rwhich ,y iri;iy requiro action t o rontrol inputs of snch substances cveii lwfore a causal link is rstat)lislicd 11y atisolutc~lyclear scicwtific evidence." (Erkliirring dvr I,ont~ori-Koriferc~rla von 1987, zit,iort iiacli <;ray 11. I k w e r s ( 1 996)).
8.3 Umweltwissenschaftliche und chemiepolitische Zaele
151
problematische Wirkungen, mogliche SchutzmaDnahmen und der Aufwaxid fur Alternativen mit anderen Stoffen sowie der Nutzen des Chemikalieneinsatzes gegeneinander abgewogen werden konnen. Wie ausgefuhrt, sind kurzreichweitige Stoffe nicht p e r se harmlos, sondern fur den Umgang mit ihren problematischen Eigenschaften wie Toxizitat, Mutagenitat oder Brennbarkeit mufl ein zureichendes Instrumcntarium aus Arbeitsschutz und lokalem Umweltschutz gewahrleistet und ggf. auch entwickelt werden. Auf dieser Grundlage kann im Bereich niedriger Reichweiten und Persistenzen eine risikoorientierte Chemiepolitik betrieben werden, deren Ziel es ist, bekannte und lokal begrerizte Risiken zu handhaben.
8.3
Umweltwissenschaftliche und chemiepolitische Ziele
Aus den vorangehenden Uberlegungen ergibt sich eine starkere und starker wissenschaftlich fundierte Vorsorgeorientieriing und damit im Zusaminenhang eine ,,Chemie der kurzen Reichweiten" als eine mogliche Leitlinie fur die kunftige Entwicklung chemischer Produkte und fur die Chemikalienbewertung. Zum AbschluB und Ausblick werden hier einige umweltwissenschaftliche und chemiepolitische Zielsetzungen aufgefuhrt, die sich aus der Perspektive dieser Leitlinie ergeben. ~
~
8.3.1
Umweltchemie
Eine erste Gruppe von Fragen bezieht sich konkret auf die weitere Ausarbeitung der Indikatoren R und 7 . Die Definitionen aus Kapitel6 und das Modell aus Kapitel 7 sind lediglich ein erster Schritt zur expositionsgestiitzten Chemikalienbewertung, der zu verschiedenen weiteren Fragen fuhrt: Welchen Einflufl haben Prozesse wie die Adsorption an Aerosolpartikel auf R und r ? Inwieweit mussen raumliche und zeitliche Variabilitat von Abbauraten und Transportparametern beriicksichtigt werden? Diese Fragen beziehen sich auf eine adaquate naturwissenschaftliche Erfassung der Prozesse, die den Abbau und das Verteilungsverhalten von Umweltchemikalien bestimmen. Viele Einfluflfaktoren sind zur Zeit noch unbekannt und mussen genauer untersucht werden. Allerdings mu0 dabei sorgfaltig zwischen dem methodischen und technischen Aufwand und dem Datenbedarf einerseits und der erreichbaren Aussagekraft und der notwendigen Transparenz der Resultate andererseits abgewogen werden. Aufgrund der Uberkomplexitat von Umweltsystemen sind detailliertere und umfangreichere Modelle nicht prinzipiell besser, geriauer oder richtiger. Welche Modelle sind fur die Berechnung von R und r geeignet? Neuere Modellrechnungen von Muller-Herold et al. (1997), Bennett et al. (1998) und van Pul et al. (1998) stutzen sich auf andere Annahmen als das hier verwendete Ringmodell und fiihren vor allem fur R zu anderen Resultaten als das hier verwendete Modell. Solche unterschiedlichen Modellannahmen musscn systernatisch verglichen
w v r d c n ) so (hi5die Bwtiiiiiiiiiiig voii Persistmz Griiritllagen gwtiitzt werdcii kann. 0
0
iiiitl
Reicliwvitt: a i i f vt:rlRl5licliert.
\Vie kiinnen aiich Folgeprodiikte. div in dcr Urriwdt aiis ciner ( w i t tiertcm S u b stanz r~ntstehcm,bei cler Bcstirnniiiiig voii R iiiid T crfaBt, worden? Die Dofinition der Persistenz. die I)ci Rijiripp (1993. S. 540f.) gcgebcn wird, I~esagt zwar: %.Furorganischc, Stoffcfr: gilt das Prinzip. daB die Pcrsistenz von Uiiiwandlungsproduktcn Best,andteil ihrer Pcrsisteiiz ist ." Die Erfassung von Umwandliingsprodiiktcw ist jtdoch ziir Zoit, i. a. iiicht iniiglicli. dcwn ersteris siiid dic Umwaridliirigsprodiiktr: s e l h t odcr :her ihrc: Eigcmschaftcii viclfach nicht bekannt , iind zweitens gibt (2s riocli ktine K o ~ i z e p t ~ iim . Uiiiwaridliirigs~~roduktc liei (lor Berccliniing voii R iiiid T cinzusclilieBeii. Wie kiinnen die Resiiltate a i l s Motlcllrechriiirigeri iiiit gciiiwxmw Dateri in Zusamrncmhang gebracht werdtm. und wie kiiiincm R iind 7 aiis hIoiiitoriiig-Dateii geschiitzt wctrden? hlonitoririg-Dat,cri s t d o n Expositioiicm dar. die atis vieleii Quellon starriirien, wobei Stiirke, Ort sowio Zcitpiirikt iintl Zeittlaiier dcr Ernissionen variiorm: nianche Qiicllen sind aiicli iiborhaiipt iiicht 1)c~kaiint.Dalicr ist es nicht ohne wcitcres niiiglich, idealisicrte hlodellszciiarieii wie a i l s Ktipitel 7 mit hIonitoririg-D;tti:Ii in Bvzicliiirig zu sctzen. Wie die. Beitriige voii Glazc (1998). Too Little Data. too M a n y Models. iiiid L a m e (1998), Uninformat7ir: Datci,, zeigeii. liaridelt, c:s sicli liierbei iim eiii draiigcmdes mid rnethodisch schwicriges Probleiri. irian vcrgleiclit. dam aiich Eisenbtirg ct al. (1998).
Eine weitere Kliirung dieser Fragen ist, notwondig, damit R iind T zuriclirriencl vtdaf3licht.re Aiissagen i i h r Daiier iind AusiiiitB voii Exposit iorieri crlaubeii.
8.3.2
Weitere Verteilungsfragen
h t r dicsc. Fragtw liinaiis. die sicli aiif dic: ii;ttiirwissc,iisc:liaft liclie Plausihilit ;tt iind Validitat, tier Iridikatorcw R iintl T l)c:zielieri, gelit t l i r Frt~gc.,inwivwcit sich der gczielte Transport (lurch den hl(msc1icw iind dit, iint,c.Rl)siclitigte Vvrtcilurig iii der Uriiwelt iil)crlagtmi. Bei vicleii Siibstaiizcw, vor alleni I)ei solclicn. dict weriigvr liohr) stofflxzogcw R(~ic1iweitcmhal)c:n als ('KW iiiid FCKW. triigt der gczieltc, Transport er1iel)lidi ziir riiuirilicheri Aiisdehiiiirig deI Expositioii Iwi. z. B. 1)ci Pestizideii. Liisiingsniitteln otler Kiinststoff~iisatxc.ii.Fur solchc St,offt: ist, zii klarcm, in wclcheiii Vcrhaltnis gezieltcr Transport iind Vvrteiliing in dcr Urmwlt stehcii iind wic der gczielte Transport erfaBt iind in die Bvwertiing ointwzogeri w c d e n kann. Daiiiit ist (:in weitc:ror Schritt irn Lclmiszykliis von Stoffcn arigesproclicm, d. 11. iibcr dic uniwc,ltcheiriische Bctrachtiirig hiiiaiis. dicx sich allriri iriit den Prozcsscw nach, d c Che~ rriikalierieiiiissioii bcschiiftigt, wcrden Konzeptr beniitigt. iiiit, derir,ri fruliere Phasen des Lcheriszykliis bcwertet wcrden konneii. Die Frage riach der Stoffvrrt,eilung diirch Giitcrtransport klingt an bei Bnllschniitcr (1992. S. 509): konkretc Aiisatzr. wiirderi voii Berg (1997) fiir dttn Erdiiltransport iintl v o ~ Viigl i et ul. (1999) fiir die Distribution voii Losiingsrriittcln iind liisiingsniittelli~tltigeiiProdiikt,rm erarbeitet . N ~ b e den ~ i Emissionen iind Exposit ioiien, dic: sicli diirch gtLziclteii Stofft,rarisport i i r i t l durcli Vertciliing iri der Urriwelt cqebcii. miiBt,cw weit,cw V(.rt,ciilungsfrageii
8 . 3 Umweltwissenschaftliche und chemtepolitische Zzele
153
sowohl empirisch als auch normativ untersucht und in die Cheniikalienbewertiing einbezogen werden: Wie verteilen sich manifeste Wirkungen - soweit sie bekannt sind - und auch der aus dem Chemikalieneinsatz gezogene Nutzen auf verschiedene Bevolkerungsgruppen, sowohl innerhalb eines bestimmten Gebietes als aucli in raumlich getrennten Gebieten und uber langere Zeitraurne hinweg?' Dies erfordert umfangreiche Studien, die nicht im Rahmen des Routineverfahrens ziir Chemikalienhewertung durchgefiihrt werden konnen. Als hegleitende Forschungsprojekte konnen sie jedoch wertvolle Impulse fur die zukunftige Chemiepolitik liefern. 8.3.3
Toxikologie und Okotoxikologie
Drittens ergeben sich aus der Orientierung am Reichweiten-Konzept und am Vorsorgeprinzip auch fur die Wirkungsforschung in Toxikologie und Okotoxikologie Folgefragen. Wenn die wirkungsgestutzte Bewertung mit einer vorgeschalteten expositionsgestutzten Bewertung kombiniert wird, mussen diese beiden Bewertungsschritte aufeinander abgestimmt werden: In welchen Fallen kiinnen Persistenz und Reichweite als genugend aussagekraftig angesehen werden, und in welchen Fallen werderi Wirkungsbefunde als unerlafllich erachtet? Wie konnen in diesen Fallen die Testorganismen und Testbedingungen starker als bisher den Anwendungsformen einzelner Stoffe angepaflt werden? Zudem gibt es unabhangig von dieser Abstimmung mit der expositionsgestutzten Bewertung in der Wirkungsforschung einen wichtigen Bereich, in dem ebenfalls zur Umsetzung des Vorsorgeprinzips beigetragen werden kann, namlich bei der statistischen Auswertung toxikologischer Tests. Die meisten Tests sind ausschliefllich darauf ausgelegt, daD die Wahrscheinlichkeit a , mit der ein positives Resultat falsch ist (Fehler 1. Art), hinreichend klein ist; meistens wird cr bei der Konzeption eines Tests mit 5% vorgegeben. Mit einem kleineri Wert von Q ist jedoch nichts ausgesagt uber die Wahrscheinlichkeit, mit der
8
Die Frage nach den Folgen, die sich nach langerer Zeit einstellen, und nach dem Nutzen und Schaden, der zukunftigen Generationen aus hcutigen Umwelteingriffen erwachst, ist fur moderne Industriegesellschaften trotz der Debatte uber ,,Nachhaltigkeit" noch immer eirie ungewohnte Frage. Ursprunglich beruhen die modernen Industriegesellschaften auf der Annahme, daB die Lebensbedingungen in der Zukunft durch technischen Fortschritt kontinuierlich besser werden. Ein jungeres Beispiel fur diese Arisicht findet sich im Heidelberger Aufruf, den 425 Wissenschaftler 1992 im unmittelbaren AnschluB an die UN-Konferenz uber Umwelt und Entwicklung in Rio unterzeichnet haben: ,,We stress that (...) progress and development have always involved increasing control over hostile forces, to the benefit of mankind. We therefore consider that scientific ecology is no more than an extension of this continual progress toward the improved life of future generatzons." (zitiert nach Bewers (1995), Hervorhebung MS.) Heute hat sich diese Sichtweise jedoch als unrealistisch erwiesen, und es muB auch damit gerechnet werden, daB die Lebensbedingungen sich verschlechtern, weil es neben dem NutZen immer mehr unerwunschte Nebenfolgen gibt. Es ist daher cine eigene Aufgabe geworden, solche Verschlechterungen durch Vorsorge zu vermeiden.
ein negatives Testergcbnis cine ziitreffendc Aussagc iiber dic Realit iit zuliii3t .'I Dies ist riur moglich, weiin zudeni iiuch die Walirscheinlichkeit, tlnB ein nr.gativtls Testergebriis falschlicherwcise als ziitreffend akzeptiert wird (Fehler 2. Art,). gepriift und als niedrig ausgewiesen wird. Diese Wahrscheinlichkeit wird mit i-l iirid cler Wert, 1 - ,!j als dic Macht tles Tests bezeichnet. [j oder die h/Iacht, des Tests wircl zur Zeit bei der Korizeption vieler Tests iiberhaupt riicht beriicksichtigt (Hayes 1987. Petcrman 1990). Daruber hinaiis zeigt sich bei eirier nachtraglichen Analyse, claf.3vielc Tests eine recht niedrige Macht vori z. B.50% hatien, so d;tB aus negativm Testergebnisseri durchaiis nicht aiif Harrrilosigkcit der grtestetcw Substam gcschlosseri werden kariri (Hayes 1987). Der Bezug zurn Vorsorgeprinzip ticsteht nun in zweifiiehcr Hinsicht (Pcterninri hl'Gonigle 1992): Auch bei negativcri Testergebnissen sind VorsichtsmaB~iiihmeritlanri gcrechtfcrtigt, wen11 die hlacht des Testasso niedrig ist. ditf.3 aus tlem ncgittiveri Ergebnis riicht verlaiBlich iiilf die Abwesenheit von Effekten geschlossen wcrderi kaiin. Divs ist bei vielen Tcsts, wie sic zur Zeit diirchgefiilirt werdcii, der Fit11 ( H a y s 1987). Neben der Wahrscheinlichkeit fiir falsdi positive Ergc.l)nisse ( ck ) sollte auch die Wahrscheiiilichkeit fiir falscli negative Ergebnissc: ( /'? ) von Beginri an iii die Korizeptiori der Tests einbczogeri werden. so dai3 vcrmehrt Tcsts rriit a) bekanritrm uritl 1 ) ) nioglichst riictlrigerri /j durchgefiihrt werden konncri (hIat.lies u. Weitlerriann 1991, S. 89). Niir auf diese Wcise kanri die Harmlosigkeit der getestetcn Subst,arizeri gepriift werden. Diesc Uberlegungeri zeigcri, daB aiich dit: Wirkiiiigsforscliiing wichtige Beitriigc zu eiiier vorsorgeoricntierteri Cheniika1ienl)owerturig beistciiern kann. Inslicsonderc, sollte die Aussagekraft riegativer Resultate verstiirkt wcrtlen. cl. 11. aucli wenri in eiriern erstcn Test keine positiven Resultate erhitlt,en wcrtlen, sollten ziisRtzlicht. und differcnzierterc Tests diirchgcfiihrt wcrden. niit dcricri die Aiissagekraft diestir ersten Ergetmisse verhesscrt, wirtl.
8.3.4 Chemiepolitik SchlieBlidi ist eirie iirrifasscridere Dehatte iiber Risiko u r i d Vorsorgr in cler C1ierriir.politik wiinschenswcrt . Eint: starkerc Vorsorgeoriciit,ieriirlg sollte vori alltw Akteii-
9. Aiis derri Fehlen eiries sigriifikanteri positiveri Ikfiindcs wird oftirials dcr scheintmr riaheliegciide . SchluO g c m q q m . es grbe aiich i i i der Rralitat kc>ineneritsl~rerhc?rid(~ii Effekt: ..This de farto assertion that the assirniption "there is i i o effect" is true, ( v ( : r i thougli results show only t h a t this assumption "there is no effect" has riot, heen falsified, is i i logical jiiirip that. scientists and resource managers often make.'' (nuch Petrririan. 1990. S.4). 10 Risher sklit die Risikobpiirtc.ilurig gc~riaRTr.chnzca1 G'iudunce h c u r n e n t dpr EI. iiiir bei p o sztzven ersten Rcsiiltateii tiet,;iillierterc~IJntersirchrrngcri vor. Da. jcdoch ciii ungerc:ctit,fcrtigter SchlirD von fehlentlrn positivcn Resultaten auf Harnilosigkeit ertieblichc ~~,hleinscti~tzungeri rind Kostcw riach sirh ziehwi kann. sollte diese Schieflagc in tler Pllcsthodik tlcr Risikot)c.urteillr~rg korrigiert werdcri.
8.3 Umweltwissenschuftliche und chemiepolitische Ziele
155
ren, die an der Chemiepolitik beteiligt sind Unternehmen der chemischen Industrie; Unternehmen, die chemische Produkte einsetzen; Verwaltung; Gesetzgebung; Wissenschaft -, diskutiert werden. Diese Akteure haben zwar stark verschiedene Bezugssysteme wie z. B. den internationalen Markt oder die nationale Gesetzgebung, und sie verfolgen verschiedene Zwecke. Dennoch ist die Chemiepolitik ein Bereich, in dem sie in irgendeiner Form kooperieren mussen." Eine starkere Vorsorgeorientierung ist nur moglich, wenn sie von der Mehrzahl der Akteure mitgetragen wird. Sie sollte als Chance verstanden werden, den Gebrauch von Chemikalien zu uberdenken und auch neu zu organisieren. -
Die chemische Industrie durchlauft derzeit einen starken technisch-okonomischen Wandel. Ein Teil dieses Prozesses iiberlagert sich rnit der NachhaltigkeitsDebatte, in der die chemische Industrie ebenfalls engagiert ist. Im Hinblick auf Ressourcenverbrauch und Stoffemissionen ist es dabei ein wichtiges Ziel, daB die Wertschopfung der chemischen Industrie in Zukunft weniger stark an die ausgestooene Stoffmenge gebunden ist (Ayres 1998). Ein moglicher Ansatz dazu ist, daB die chemische Industrie nicht vorwiegend chemische Produkte, sondern ,,Chemie-Dienstleistungen" anbietet, wobei sich unter einer ChemieDienstleistung verstehen laat, daB neben einer chemischen Substanz auch die technische und logistische Unterstutzung bei ihrer Anwendung und Entsorgung angeboten wird.12 Daruber hinaus umfaBt das Leitbild der Nachhaltigkeit aber auch okonomische und gesellschaftliche Belange. Hier ist eine verstarkte Kooperation mit anderen Akteuren - Kunden und Zulieferern, Behorden und Hochschulen, Organisationen des Umwelt- und Konsumentenschutzes etc. erforderlich, so daB mit den betroffenen Gruppen uber Nutzen und Gewinn aus der Chemieproduktion einerseits und Gefahren und Nebenfolgen andererseits diskutiert werden kann. Das Leitbild der ,,kurzreichweitigen Chemie" unterstutzt dieses Ziel, indem es den Bezug zum lokalen Umfeld betont. Fur alle diese Entwicklungen werden neue Methoden zur Stoff- und Technologiebewertung benotigt, und die chemische Industrie kann in der Kooperation mit Behorden, Hochschulen und anderen Akteuren wesentlich zur Ausarbeitung und Validierung solcher Ansatze beitragen. Konkret sind Pilotstudien denkbar, in denen an ausgewahlten Fallbeispielen die Moglichkeiten fur eine ,,Chemie der kurzen Reichweiten" erprobt werden, und in denen der Dialog mit den beteiligten Gruppen gefuhrt wird. Ein Beispiel fur eine solche Diskussion ist die Studie Hoechst Nuchhultig, die in einer -
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11. Sennett (1998, S. 199) vertritt die Position, daO verschiedene Akteure mit unterschiedlichen Zielen gerade in der Auseinandersetzung miteinander eine soziale und politische Gemeinschaft a u b a u e n konnen, und daO eine solche Konfliktkultur ein anstrebenswertes Ziel ist. Gleichzeitig weist er auf die Schwierigkeiten hin, die diesem Ziel in der derzeitigen Form des globalisierten Kapitalismus entgegenstehen.
12. Ein Beispiel ist der sog. Sufetuiner, den die Firma Dow fur die Handhabung von Perchlorethylen in der chemischen Reinigung anbietet.
Ziisamiricnarboit zwischtw der Firina Hoochst i i i i d dem (jkoinstitiit e. V. Freibiirg erstcllt wiirtle (Ewe311 et al. 1997). Aiich die irit,ernatioliale Initiative ,,Veraritwortliches Harideln" (Responsible Care), mit der sich die. cherriische Industrie Leitlinieri fur Umweltschiitz. Aiilagensichc.rheit Arbeitssiclierheit , Transportsicherheit, Produktverantwortung iirid Koniniunikatiori gegeben hat (VCI 1996), ist ein Beitrag zii dieseni Prozeil. I n weitergehenderi Schritten lieBc sich unt,ersuchen, oh die Produktverantwortiirig. die irii ..Ver;tntwortlichen Handelri" angesprochcn wird, riiit Hilfe normativcr Erwiigiingen, wie sie niit deiri ReichwcitenKonzept vorgestellt wurden. konkretcr definiert werderi kauri. Spezifische Protliiktsysteniel3 wie z. B. Farbstoffe, Losiirigsmit t,el in verscliiederien Ariwendiingsfelderri iind Pflanzcnschiitzrnittel koriiicii auf die Persistenz iiiid Reichweite der Stoffe, die in die Umwdt gelaiigen. iintcrsuclit, werden. Die fiir die Anwendung notwendige Lebenszcit der Produktc iiiiiilte gegen dio unerwunschte Persistenz abgewogeri werden, iirid in dcr Produktent,wicklung liefie sich daraiif hinarheiten, (la0 die Stoffe iiritcr Uiriweltbediiigiingeri riocli schncllor abgebaut werderi als hisher iiritl dafi sich dic Anwt.iidungsrrierigen weiter vcrrninderri lassen. Wenn nicht rriehr darnit, gerec:linet werden niiiil, dafi iri Nahrungsniittcln. Gebrauchsgegenstdriden, Wasser. Liift iind Boden zahlreiclit~Chemikalieririickstantle zu firiden sirid. konntt: die c1ic:rriische Iiidustrie der Cheinophobie" (Glaze 1996) andcrs eritgegentreten als bisher.
~.
Gesetzgebung iirid Behiirden koririen einerseits aiif wissciischaftlicher Seit,c die Neuentwicklurig vori Indikatoreri iind Bewertungsverfahreii rioch starker als bisher unterstutzen, indeni sic korikrete Bcdiirfnisse artikulieren urid sich (lurch Beratung iind Finanzieriirig an Projekteri beteiligeii. Antlererseits konneri sie in Zusamrrienarbeit rriit Produzenten iind Anwendern die Urrisetzung rieuer Verfahreri evaluieren. Geeignct wareri dafur die erwahriten Pilotstudieri, die in begreiizteri Bereichcm und fiir begrenzte Daiicr durcligefuhrt, werden iind in denen Erfahrurigen niit neuen Ansatzeri gesanirnelt werden kiirincn, bevor ein rieiies Verfahren defiriitiv eingefiilirt wird. Die Einfuhriing des Reichwc.it,en-Konzcpts in die Clifrriikalierigesetzgebung ist ein niogliches Ziel, fiir das einc solclm Vorbereitungsphaso organisiert werdcri miiiltc.
In der Forschurig ist es notwendig, dail riicht allcin hlechanismeri des Umweltverhaltcns von Chemikalien geklart werderi, sondern daO verstiirkt aucli die weitercn Ziisanirrienharige der Chemikalieriprodiiktion und -nutzung untersiicht iirid bewertet wcrden. Griindsatzlich gcht es uni die Fragc,, wie der Lebeiiszyklus von Chemikalien der Prodiiktion, Vertricb urid Niitziing sowie Entsorgiing und darnit verburitlerie Urriwelteirifliisse umfafit erfailt, beiirteilt und verbessert, werden kanri. Viele Eirizelfrageii aus diesem urrifangreichen Korriplex wurden in den vorangehenden Kapiteln, v. a. Kapitel 4 iind 5, angesprochen; man verglciche dazu auch Hungerbiihler et al. (1998, S. 229ff.). ~
~
Damit sind die eigwltlichen Prodiikte urid weiterr Stoffe, clir am Lot)criszykllls der Produkte heteiligt sind. gerriririt
8.3 Umweltwissenschaftliche und chemzepolztische Ziele
157
Mit einer reinen Liste solcher Fragestellungen ist die Aufgabe der Wissenschaften jedoch noch bei weitem nicht vollstandig benannt, denn gleichzeitig mussen auch die erforderlichen methodischen und institutionellen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Die vielschichtigen Fragen, die bei der Untersuchung und Beurteilung des Lebenszyklus von Chemikalien auftreten, lassen sich namlich nur selten einzelnen Disziplinen zuordnen. Vielfach entsprechen sie nicht den etablierten disziplinaren Traditionen und Erkenntnisinteressen, auch nicht denen der Chemie, und zudem miissen sie mit hlethoden aus verschiedenen wissenschaftlichen Bereichen, z. B. Umweltchemie und Ethik, bearbeitet werden. Unter dem Stichwort Transdisziplinaritat wurden mittlerweile erste Ansatze vorgestellt, die es erlauben, verschiedene Teilbereiche eines Problems im Zusammenhang zu bearbeiten und die Forschung auf lebensweltliche Probleme auszurichten, ohne dai3 dabei notwendigerweise die wissenschaftliche Stimmigkeit und Professionalitat verlorengeht (Jahn u. Wehling 1995, SPPU 1995, Jaeger u. Scheringer 1998). Allerdings stoBt solche transdisziplinare Forschung zur Zeit noch auf zahlreiche institutionelle Hindernisse (Mangel an geeigneten Bewertungskriterien fur die Forschungsprojekte, vor allem auch im Rahmen der Forschungsfinanzierung; Mangel an Moglichkeiten zur wissenschaftlichen Qualifikation mit disziplinenubergreifender Forschung; Mangel an Infrastruktur). Somit stehen die wissenschaftlichen Institutionen vor der Aufgabe, ihre Organisation in ganz konkreten Punkten starker fur die Bearbeitung lebensweltlicher Problemstellungen zu offnen, die sich nicht disziplinar einordnen lassen. Dariiber hinaus ist auch fur die Hochschulen die verstarkte Kooperation mit den anderen Partnern der Chemiepolitik unerlaolich (Beteiligung an Pilotstudien, s. 0.). Mit diesen Uberlegungen ist dargestellt, in welcher Richtung die Chemikalienbewertung und die Chemiepolitik in Zukunft weitergefiihrt werden konnen. Es handelt sich dabei um Ansatzpnnkte, wie sie sich u. a. aus der Perspektive des ReichweitenKonzepts ergeben, und die als AnstoB zur Diskussion dienen sollen. Der wichtigste Punkt ist dabei der Zusammenhang von Beschreibung und Bewertung, der zeigen soll, daB es bei der Chemikalienbewertung nicht allein um toxikologische Tests, Okologie oder Tierschutz geht, sondern auch um grundlegende menschliche Werte und einen kooperativen AushandlungsprozeB zwischen den beteiligten Akteuren.
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Anhang A Mathematische Struktur des Ringmodells A.l
Ubertritt zwischen den Kompartimenten
Die Kinetik der Ubertrittsprozesse zwischen den Umweltkompartimenten Boden (s), Wasser (1) und Luft (g) ist im hier betrachteten Model1 unabhangig vom Ortsabschnitt j . Sie kann daher fur die drei Konzentrationen c s ( t ) , q ( t ) und c g ( t ) ohne den Index j formuliert werden. Wenn diese drei Konzentrationen c s ( t ), q ( t ) und c g ( t ) zum dreielementigen Vektor CSl,(t)
:= ( c s ( t ) ,C I ( t ) ,
cg(t)IT
zusammengefaat werden, gilt fur diesen Vektor die folgende Bewegungsgleichung:
mit der Matrix
u =
Die Elemente u& der Matrix U stellen die Geschwindigkeitskonstanten der verschiedenen Ubertrittsprozesse dar. Berucksichtigt werden
diffusive Prozesse, deren Verlauf u. a. von den stoffspezifischen Verteilungskonstanten Henry-Konstante K H und Oktanol-Wasser-Verteilungskoeffizient KO, bestimmt wird; advektive Prozesse wie trockene und nasse Deposition, Ausregnen (wash o u t ) und Abschwemmung ( r u n o f f ) ,bei denen die betrachtete Substanz mit zirkulierenden Aerosol-Partikeln bzw. Wasserstromungen und Wassertropfen verfrachtet wird. Die einzelnen Elemente der Matrix U haben folgende Bedeutung (die Zahlenwerte der Matrixelemente U i k sind in Tab. A.2 bis Tab. A.5 angegeben):
Tabclle A . 1: Grschwindigkeitskoiistanten fiir tlrri
~
drp
<JThertritt Botlrri
= 1 us,
---*
Wassrr: Abschweminiirig 11. Auswaschiirig
ijtiertritt ~ o ( i r i i Luft: V(mianipfurig
ubg= u(l'ff SE lLlh
=0
keiri direkter Ubcrtritt \Vassc,r
UIR
= up"
[Jbertritt Wasser
llg7
= (Udiff pz
+ uwrLhtl g,
+u;pp. @,
7
). (1 - 9) Luft = s, 1
i
+
+
Boden
Luft: niir diffiisiv (Vcrdairipfung)
Bodt:ii iind Liift
+
Wasser: diffusiver CJbertritt u r i d
Aiiswaschiing des gasforrriigrri Anteils (1 - 9) sowie Deposit ion des p a r t i k r l ~ ~ b i i n d e n Anteils rn @
A.l.l
Diffusive Prozesse
Dit. Bilanzgleichnngen fiir zwei Kompartitnente, die tliirch diffiisiw Prozesse niitcinander in Kontakt stehcn hier Waswr und Luft . lauten:
Der Mechanisrnus des diffusiven Ubertritts durch die Grenzflache zwischen Wasser urid Liift wird iiblicherweise rriit Hilfe des Zwei-Film-hlodells beschrieben (hlackay u. Paterson 1982); eine ausfiihrliche Darstellung findet sich bci Schwarzeribach et al. (1993, Kapitel 10). Dabei wird angenornrnen, dail die Phaserigrerizflache in jeder Richtung von eirier diinneri Schicht ohrie turbulente Mischungsprozesse urngchm ist, iind dail an der Phaserigrenzflache selbst thermodynamischcs Gleichgewicht besteht, daB also cErfl/cfrfl= Kgl gilt (K,I wird a i l s der Henry-Konstante K H ermittelt, s. 11.). Weiterhin wird angenornnien, daB dcr Stofftrarisport zwisclieri dern Inrieren jeder Phase (dort ist cg # cE" und c1 # c:") und der Phasengrenzfliiclie riacli dem 1. Fickschen Gesetz verlauft. : Darrtit erhalt man fur die Geschwindigkcitskonstantcn u$" inid
ufiff
sowie
U I und ugl bezeiclinen die Trunsfergeschiuindiglcezteri auf beiden Seiten der Phaserigrenzflache. Der wesentliche Zusanirrierihang zwisclien u1 und ugl einerseits inid u$" andererseits ist, dail sich der Reziprokwert der Gesamtgeschwindigkeit u$"
A . 1 Ubertritt zwischen d e n Kompartimenten
161
additiv aus den Reziprokwerten der Transfergeschwindigkeiten zusammensetzt. In die Transfergeschwindigkeiten u1 und ugl gehen die molekularen Diffusionskoeffizienten in Wasser und Luft, die Dicke der Schichten zwischen der Phasengrenzflache und den beiden homogenen Phasen sowie die Windgeschwindigkeit ein. Die Transfergeschwindigkeiten werden hier naherungsweise als stoffunabhangig betrachtet; dabei werden folgende Zahlenwerte verwendet: Tabelle A . 2: Transfergeschwindigkeiten a n der Phasengrenzflache Wasser-Luft. Parameter
Zahlenwert (nach Mackay u. Paterson (1991))
u1
0.03 m/h = 0.72 m/d 3 m/h = 72 m/d
ugl (Luft uber Wasser)
Der Stoffaustausch zwischen Boden und Luft ist etwas komplizierter zu formulieren, da sowohl Wasser als auch Luft in den Poren des Bodens eingeschlosssen sind und dementsprechend zwei verschiedene Transfergeschwindigkeiten us, (luftgefullte Poren) und us, (wassergefullte Poren) berucksichtigt werden mussen; fur Details s. Jury et al. (1983, S . 560) und Mackay u. Paterson (1991, S.431). Es ist
und
Die Zahlenwerte fur die Transfergeschwindigkeiten im Boden und in der Luft uber dem Boden sind in Tabelle A.3 angegeben: Tabelle A . 3 : Transfergeschwindigkeiten a n der Phasengrenzflache Boden-Luft. Parameter
Zahlenwert (nach Mackay u. Paterson (1991); Jury et al. (1983))
usl luftgefullte Poren us2 wassergefullte Poren ug2 (Luft uber Boden)
6 . 7 . m/h ~ ~= ~0.16 m/d 2.6.1OP6 m/h = 6.2.1W5 m/d 1 m/h = 24m/d
Die Kompartimente Boden und Wasser stehen im hier betrachteten Model1 nicht in direktem Kontakt, so dafi zwischen ihnen kein diffusiver Stoffaustausch stattfindet. Die beiden Gleichgewichtskonstanten Kgl und K,1 werden in folgender Weise aus der Henry-Konstante K H und dem Oktanol-Wasser-Verteilungskoeffizienten KO, ermittelt:
Henry-Konstante: Tabelliert findet man meistens die dimensionsbehaftete Henry-Konstante K H = psat/csat (in Pa.m3/mol), die das Verhaltnis aus
Arihang A
162
Dampfdruck iiber ctiiier ges;tttigteri wafirigen Liisiirig iirid Satt,igiingskonzeritratiori in der Losung beschreibt. Dic: dirnciisionslose Koristantct Kgl wircl danri bereclinet gemai.3
wobei hier die Werte fiir K H = psat/cYatfiir die mcist,en Siibstanzcn von Howard (1991) ubernommeii werdcn. RA = 8.3144J/(mol-K) ist die Gaskonstante; T = 298 K die als konstarit angeriornmerie Unigcbungstcmperatur. I. a. koriricn die Zahlenwerte, die fur gesattigte Losungeri ermittelt wurderi, als Niiherurigswerte auch fiir verdiinnte L6surig.cn verwendet werden (Schwarzenbach et al. 1993, S. 114). V e r t e i l u n g s k o f ~ a e n tBoden Wasser: Fur unpolare Substanzcri ist der Verteilurigskoefizient Ksl proportional zurn Verteilurigskoefizienteri KO, zwischeri organischem Material und Wasser (Karickhoff 1981): ~
f O c ist der Anteil an organischem Kohleristoff im Boden; hier wird f O c = 2 % verweridet (Mackay ii. Patcrsori 1991). KO,ergibt sich ails dem Oktanol-WasserVerteilungskoeffizienten KO, gems0 folgender Beziehung (Karickhoff 1981):'
KO,= 0.41 KO, A.1.2
Advektive Prozesse
Neben den diffusiven Ubertrittsprozessen, die vori der Abweichung tlcr Korizcntrationen cs(t), q ( t ) und c g ( t ) voii den Gleicligewichtswerten arigetrieben werden, laufen auch advektive, d. h. mit deni Flu0 eines Tragermaterials (Aerosol-Partikel; Regentropfen) verbundene Ubertrittsprozesse ah. Dics sind hicr trockcrie uiid riasse Deposition Auswaschung durch Regeri mid Abscliwenirriung vorn Boden mit. ablaufendem Wasser . Aiifgrurid dieser advektiven Prozesse stellt sicli zwischen den verschiedenen Kompartimenteri ein FlieBgleichgewicht (steady state) ein, bei dern die Stoffkonzeritrationen in den eirizelnen Kompartimentcn nicht den Glcichgewichtskonzentrationeri entsprechen. Die advektiveri Prozesse werden hier in folgender Weise forrriuliert:
1. Diese Relation wurde an einern Satz van fiinf aroniatischcm Kohlenwasserstoffen tmriittelt und durch Vergleich mit K,,,-Meflwerten fiir 42 weitere Substanzen (halogenicrte Kohlenwmserstoffe, Organophosphate, Triazine 11.a. 111.) validiert. Fiir den von Karickhoff verwendeten Datensatz ist bei Schwarzenbach et al. (1993, S. 274f.) eine Regressionsanalyse dargestcllt.
A . 1 Ubertritt twischen d e n Kompurtimenten
163
Trockene und nasse Deposition; Auswaschung durch Regen: Durch diese Prozesse wird an Partikel adsorbiertes sowie in Regentropfen gelostes Material aus der Troposphare in den Boden und das Wasser uberfuhrt. Der an Aerosolpartikel adsorbierte Anteil der atmospharischen Konzentration wird mit @ bezeichnet; in der Bilanzgleichung fur den Ubertritt aus der Luft in den Boden und das Wasser werden trockene und nasse Deposition (Parameter u$') mit dem Faktor Q, gewichtet, Auswaschung durch Regen (Parameter u;'') und diffusiver Ubertritt (Parameter $iff) mit dem Faktor (1-@) (s.o., Tabelle A.l auf S. 160). Im einzelnen resultieren die Geschwindigkeitskonstanten u$?p , und u;yh fur die Depositionsprozesse wie folgt (Tabelle A.4): Tubelle A.4: Geschwindigkeitskonstanten fur trockene und nasse Partikeldeposition sowie Auswaschung durch Regen. Parameter
Zahlenwert (nach Mackay u. Paterson (1991))
u:z~=
(&Y
udeP gl =
(udry
+ uwet 1. (Ags/Vg)
1.51.10-3h-1
+
3.52. 10r3h-
uWet). (Agi/Vg)
uwash gz -
urain/Kgl. ( A g z / V g )
resultiert in Abhangigkeit yon der stoffspezifischen Henry-Konstante Kgl
udrY
rain
10.8m/h = 260m/d 19.4m/h = 465 m/d 9.7,10V5 m/h = 2.33.10W3 m/d, entspricht dem weltweiten mittleren Jahresniederschlag von ca. 5.1017 l/a. 2.105 (Auswaschungsrate: Jeder Regentropfen wiischt beim Herabfallen das Q-fache seines eigenen Volumens aus.)
uwet
=
Urain
Q
Abschwemmung: Der Transport Boden + Wasser durch Abschwemmung von gelostem und an Bodenpartikel adsorbiertem Material wird in der Geschwin: u zusammengefaflt. Fur die Berechnung von ' : u gilt: digkeitskonstanten '
Tubelle A . 5; Geschwindigkeitskonstanten fur Abschwemrnung Boden Parameter U SId e ~ = (u;unoff urunoff I u'""off s
+
Wasser.
Zahlenwert (nach Mackay u. Paterson (1991)) I
uruno I KSI
* ) Av,s,
resultiert in Abhangigkeit vorn Verteilungskoeffizienten K,, 9.4.1OP4 rn/d (water m n o f f ) 5.5.1Or7 rn/d (soil m n o f f )
164
A.2
Transport in Wasser und Luft
Urnweltchomikalien werden global vcrteilt,? inclcrn sic niit tlcr Zirkulation dcr Atmosphiire urid der Hydrosphare verfrachtet wcrden (advektivcr FluD). Dieser Stofftransport beriiht aiif Striirriiirigsbewc?giirigerider Tragermedic~nLiift iind Wasser, die die Siibstanzcn niit sicli fiihren. Fiir die iriathcniatische Beschreibung kiinrieri die Stromurigsbew~.giirigen in eineri Anteil rnit. mittlcrer. konst.ant.er Striiniungsgeschwindigkcit und in einen Anteil Init flukt,uierender Strijniungsgescliwirldigkeit (Tiirbulenz) unterteilt werderi (Schwarzenbach et nl. 1993, S. 200ff.). Die beziiglich Gcschwindigkeit uritl Richturig fluktiiierendon Stroiniiiigsbewegiingeri hewirken cine turbiilente Diffusion (eddy ( t z f l ~ ~ s i o Matlieniatiscli ~). kann der StofffliiB Ft,,,k,, der durch den tiirbulenteri Anteil der Strijmiingsbewegiirlg bewirkt wirtl, als diffiisiver Flufi forniuliert werden: i)C
F,,,,k, = - Dedc'.Y 1. Ficksc1ic.s Gesctz an
und
iPr,
b ( x t ) = DcddY i):? ~
2. Fickschcs Gescta.
(A.4)
(A.5)
Obwohl diireli tlicw mathernatisclic Forniiilieriirig cine Aiialogie ziir ,,eclit,en" (molckularcn) Diffusion bestcht bcrriht die turbulente Diffiision physikalisch auf derri Stofftransport durch verschioden schnclle iind verscliiederi orientierte Strorriungsbewegungt.ri, wid nicht auf mo1t:kiilarw Diffiision (die i i n i rnelirere Groilenordniingeri langsamer ist) . Ini liier bctrachteten Ringinodell wiirde eiiie StroiiiiiIigst)c.wegLing aiisschlic43lich krcisforrnig verlaufen. Im Model1 ist keine dcr beiden moglichen Zirkiilationsrichturigeri vor dcr anderen ausgrzeichnct: der Stofftransport erfolgt also irri Ralirnen dieses Modells in beitle Riclit iingen glcicherrdkri. Ein soldier syinnietrischer Stofftransport wird am cirifachst,cri als rein diffiisiver Transport dargest,(,llt, der vorn Freisc%zungsort in tieide Richturigen fiihrt. Der Modellparameter d, (Einheit s-' ), der in1 ILlodell den diffusivcn Trarisport bcschreibt, rcsultiert gemafi folgendrir Beziehinig ails dem Diffiisionskoeffizioiiteri D:l"y (Eirihc.it em2/s ) : ~
~
d, =
D:'""y - D:.r'lly (40 000 km/n)2 i; .
Der Zahlenwcrt von d , hangt also ah von 7 1 . der Anzahl der Abschnitte, in die der Ring unterteilt wird. Bci 711 = 10 eiitspricht A j = 1 eincr Distanz von I,,, = 4000 km und bei 722 = 20 eiiier Distariz von l,,, = 2000 k m . Wenn man von 711 auf n2 , iibergeht, um eirie hohere raumliche Auflosiing zii erhaltcn. skalivrt d, geniaB
A . 3 Kombanatzon aller Prozesse
A.3 A.3.1
165
Kombination aller Prozesse Abbau und Transport innerhalb eines Kompartiments
Im Model1 wird angenommen, dai3 innerhalb eiries Umweltkompartimentes i (dessen Index i in den folgenden Ausdrucken weggelassen wird) alle Abbauprozesse nach einer Reaktion 1. Ordnung verlaufen, also gemafi der Gleichung i;(t) =
-K.C3(t),
j = 1,. . . , n .
Wenn diese Gleichurig um die Transportprozesse erweitert wird, erhalt man die vollstandige Bilanzgleichung fur die Konzentration c, ( t ) in einem Abschnitt j im betrachteten Umweltkompartiment. Parallel zum Fall mit stoBformiger Emission bei t = 0 (Exposition als ZielgroBe) ist auch der Fall mit kontinuierlicher Emission (stead9 state-Konzentration als Zielgrol3e) dargestellt. Bei stofiformiger Emission zum Zeitpunkt t = 0 gilt:
q t )=d {CJfl(t)
- C:!(t))
+ d {C,-l(t)
-
C,(t)l
- K
c,(t)
und entsprechend bei kontinuierlicher Emission, die durch einen abhangigen Quellterm qj beschrieben wird:
~
(A4 hier zeitun-
~
C,(t) = d{c,+1(t) - C J ( t ) l + d { c , - l ( t ) - c , ( t ) }
- KC,(t)
+q;.
(A.7)
Abgesehen von Abbau- und Quellterm entsprechen diese beiden Gleichungen dem diskretisierten 2 . Fickschen Gesetz (vgl. G1. A.5).
Der n-elementige Vektor Cintern(t)
:= ( c l ( t ) , c 2 ( t ). ,. . >
cn(t)IT
erfullt also die Differentialgleichung cintern
( t )= -T
Cintern ( t )
bzw . Cintern(t)=
-T
+q
cintern(t)
(stoBformige Emission)
(A.8)
(kontinuierliche Emission)
(-4.9)
mit ~ + 2 d -d
T
-d
0
~ + 2 d -d
...
0
-d
0
...
0
=
(A.lO)
-d
0
...
0
-d
~ + 2 d
T wird durch entsprechende Wahl der Parameter K und d fur jedes Kompartiment spezifiziert, so daB die drei Matrizen T, (Boden), T1 (Wasser) und T, (Luft) resultieren.
166
Arihnng A
A.3.2
Abbau, Transport und Ubertritt zwischen den Kompart imenten
Aus den Bilanzgleichimgen fiir die Ubertrittsprozesse (Gl. A. 1) urid die Abbauurid Transportsprozesse (GI. A.6 bzw. G1. A.7) kann jetzt die vollstandige Bilanzgleichung fiir alle Konzentrationeri cs,3( t ), q,? ( t ) iirid c , , , ~( t ) aufgestcllt werden. Der vollstiiridige Korizentrationsvektor
c ( t ) := ( ~ , i ( t .). ,. , c s , , ( t ) , ci,i(t),. . . , ~ i , ~ , ( rt g) ,. i ( t ) ., . . .rg,,(t))T
(A.ll)
umfafit 3 n Elemento; er erfiillt die Bewegungsgleirhiirig
S c ( t ) (stoflfijrmige Emission)
(A.12)
S c ( t )+ q (koritiniiierlirhe Emission).
(A.13)
c(t)=
bzw. c(t)=
-
-
Dabei ist die Matrix S eirie 3nx37r-hlatrix, dereri Struktiir von der frei wahlbaren .. Anordnung der Konzentrationen r s , j ( t ) q J ( t ) imd cp,j(t) im Vektor c ( t ) abhangt. Wenn die obige Anortfniing (Gl. A . l l ) verweiitlet wird. cntsteht das Grundgeriist von S als die direkte Siimme dttr drei Matrizen T, , Ti und T, : ~
~
T,$Tl@T,=
(F x 1. T"1
0
T,
Dieses Grundgerust wird in folgender Weise crganzt: Die Ahtiaurate der Gasphase ( 6,) wird niit deni Faktor (1 - @) multipliziert, so daB dcr partikelgebiindene Antcil der Abbaureaktion in der Gasphase entzogen ist. Auf diese Weise resiiltiert eirie Matrix TF-@),dereri Diagonalelemente die Form ~ ~- @) ( 1 2 d haben (in den Diagonalelementen von T oberi in G1. A.10 fehlt der Faktor (1 - @)). Aukrdern cnthalt S in den Diagonalblocken zusatzlich zii den hlatrizen T, , TI und TF-@)die Geschwindigkeitskoristanteri fur die Ubertrittsprozcsse Boden + Wasser/Luft; Wasser + Boden/Liift sowie Liift + Boden/Wasser; in den AuBerdiagonalblocken stehen die Geschwiridigkeitskonstanten fur die Ubertrittsprozesse in den entgegengesetzten Richtungen. Dies sirid die Parameter aus Tabellc A.1 aiif S. 160. hlit allen diesen Beitragen riimrrit S die folgende Form an:
+
(mit I,,
als n-dirnensionaler Einheitsmatrix)
A.4 Vorgehensweise bei der Berechnung
A.4 A.4.1
won
R und
167
7
Vorgehensweise bei der Berechnung von R und
T
Berechnung der Exposition
Die Bewegungsgleichungen fur die Konzentrationen c , , (~t ) bilden die Systeme (A.12) und (A.13) aus 3 n gekoppelten linearen gewohnlichen Differentialgleichungen. Fur diese Systeme kann die allgemeine Form der Losung c(t) analytisch angegeben werden; die explizite Berechnung des Zeitverlaufs c ~(t), fur ~ alle Ortsabschnitte j = 1 , . . . , n in allen drei Kompartimenten i = s, 1, g mu0 allerdings numerisch erfolgen. Zur Berechnung von R und T ist die explizite Bestimmung der Konzentrationen c , , ~( t )jedoch gar nicht erforderlich, sondern es reicht aus, bei stoaformiger Emission 03
die Expositionen e2,3 = J ~ , , ~ dt ( t und ) bei kontinuierlicher Emission die steady 0
state-Konzentrationen c$ zu berechnen: Im ersten Fall (stoaformige Emission) kann die Losung c ( t ) fur die Bewegungsgleichung C(t) = - sc(t) (A.15) geschrieben werden als:
c(t) = e - s t c(o),
(A.16)
wobei e P s t fur die Potenzreihe der Exponentialfunktion steht, die fur jede quadratische Matrix berechnet werden kann. Damit ergibt sich fur die Exposition e : 00
e
=
J c ( t )dt 0
0
=
s-' . c(0).
(A.17)
Dabei wird vorausgesetzt, daB S diagonalisierbar ist (ohne Beweis) und daB alle Eigenwerte von S positiv sind (mit dem Satz von Gerschgorin (Niemeyer u. Wermuth 1987, S.225) laat sich zeigen, daa fur alle Eigenwerte von S gilt: 03
Ai,j
2 ~i 2 0). Bei positiven Eigenwerten von S existiert das Integral
1 e-"
dt.
0
Im zweiten Fall (kontinuierliche Emission) fuhrt die Bewegungsgleichung C(t) = -
s c ( t )+ q
mit Bedingung fur steady state, C ( t ) = 0 , unmittelbar auf die zu G1. A.17 analoge Gleichung CSt = s-' q. (A.18)
Aritim,q A
168
D~LS lieiilt: Die Expositioii e (bei stofiforriiiger Emission) i i i i d div steudy stateKo~izentratio~i c"' (Iwi korit,iIiiiir:rliclit:r Emission) rcwiltiercii also iii glcichcr Weise ails tier Miiltiplikation der Matrix S- mit dern Emissions-Vektor c(0) h w . q . Soriiit koiiwn R und T fur stoilfoririige und ko~itiniiierliclic~ Emission in glcirlier Weise aus e iirid cSt durcli Inversion der Matrix S Iwrechrirt, werderi.
'
A.4.2
Berechnung der Persistenz
Dic Persidmiz T wirtl bereclirwt als (lie Acliiiva1erizt)rcite tlrr Fiinktiori M ( t ), die den Zeitverlauf der Gcsamtstoffmengt' nadi stoDfoririiger Emission bcschrcibt :
(A.19)
Da die ringfiirmige hlodellwc.lt in 71 glcichgrofk Abscliiiitte aiifgetrilt ist, bcsitzen allc Ahschnitte die gleicheri Volumiria V s / n .v / r c u i i t l V g / u . Die Definition fiir den Fall mit koritinuierlicl-icr Eniission laiitet entsprechcml:
Q lxzeichnct dabei die Qiiellenstiirke des Emittentrxi (in kg s p l oder mol s p l ) in Arialogie ziir stoBf6rmig freigesetzt,on Stoffmengc A f O : A P ist dic Gcsamtstoffmerige. die im steady state in der Urriwelt vorhandcri ist. Berriorkung: r kann in gleichcr Weis<> wie fur tlas Gcsanitsystcm aiich alleiri fiir das Kompartirrirmt z . iii cias dcr Stoff frvigesetzt wird. berechiwt werden:
A.4
Vorgehensweise bei der Berechnung von R und
169
T
Fur die anderen beiden Kompartimente ist Mo = 0 , so daB keine solche kompartimentspezifische Persistenz berechnet werden kann. Im Gegensatz zur Gesamtpersistenz 7 , die ausschliefllich Abbauprozesse beschreibt, reflektiert die kompartimentspezifische Persistenz ri sowohl den Abbau im jeweiligen Kompartiment und den Ubertritt in die anderen Kompartimente. So ist z. B. ist fur die sehr fluchtigen FCKW r, aufgrund der Fluchtigkeit sehr klein, r hingegen sehr grof3. A.4.3
Berechnung der Reichweite
Fur die Berechnung von R wird die Quantilsdifferenz A0.95 verwendet, vgl. Abb. A.l. Dabei gilt fur jeden Halbast der Verteilung { e j } j = l , . . . , n ,daB ein Bruchteil von 2.5% auBerhalb des durch die Reichweite markierten Bereichs liegen soll. Vom Ende jedes Halbastes her, d. h. vom Mittelpunkt des Abschnitts n/2 1 (dieser Abschnitt wird jedem Halbast zur Halfte zugeschlagen), werden solange die Expositionswerte e j aufaddiert, his auf jeder Seite der Wert 2.5% erreicht ist. Im Intervall zwischen diesen beiden Punkten liegen dann 95% des Gewichts der Expositionsverteilung.
+
Exposition e3
I
Abbildung A . l : Expositionsverteilung im Ringmodell rnit n = 1 2 ; Freisetzungsort ist j , = 1. Das von R = A0.95 abgesteckte Intervall (dunkel schraffiert) enthalt 95 % des Gewichts der Verteilung.
Weil das Model1 nicht zur Simulation realistischer Szenarien gedacht ist, wird R nicht in absoluten Einheiten, z. B. in km, angegeben, sondern in % des Erdumfangs L . Auf diese Weise ist der relative Vergleich verschiedener Reichweiten moglich, und zugleich ist erkennbar, daB es sich nicht um reale Distanzen handelt.
Aus technischen Gründen bleibt diese Seite leer
Anhang B Glossar Aggregierungsproblem: bezeichnet hier die Schwierigkeit , daB verschiedenartige Umwelteffekte oder Umweltschaden wie z. B. Gesundheitsschadigungen beim Menschen, Artenverlust und Treibhauseffekt nicht adaquat auf ein gemeinsames Schadensmafl abgebildet werden konnen, z. B. durch Monetarisierung auf einen Geldwert. Dies ware jedoch die notige Voraussetzung, urn die relativen Schadenshohen zu bestimmen und zu einem Gesamtschaden zu aggregieren. Auswirkung: wird hier verwendet als Oberbegriff fur die Reaktionen von Organismen und Umweltsystemen auf Einwirkungen. Bewertung: bedeiitet hier je nach Zusammenhang: (1) Zuweisung eines MeBwertes, (2) Beurteilung der Relevanz von Indikatoren fur ein bestimmtes Problem, (3) normatives Urteil, d. h. Bewertung eines Sachverhalts uiiter einer moralischen Norm, (4) Schaden-Nutzen-Abwagung. Bewertungsproblem: bezeichnet hier die Schwierigkeit, daB Umweltveranderungen uber den Geltungsbereich etablierter Schadensbegriffe hinausgehen und dafl daher kein Konsens daruber besteht, Schaden welcher Art und Hohe sie darstellen. Bioakkumulation: Bioakkumulierende Stoffe treten ails der Umwelt, d. h. ails dem Wasser, aus der Nahriing oder ails der Luft in das Gewebe von Organismen uber und konzentriereri sich dort auf. Das Bioakkumulationspotential fettloslicher Stoffe kann mit Hilfe des Oktanol-Wasser-VerteilungskoeffizientenKO, abgeschatzt werden. Die Akkumiilation kann sich entlang der Nahrungskette fortsetzen und fiihrt dann bei den Arten am oberen Ende der Nahrungskette, z.B. bei Robben oder Seevogeln, zu einer zusatzlich erhohten Konzentration im Gewebe (Biomagnifikation). BSB 5 : Biologischer Sauerstofiedarf (engl. Biological Oxygen Demand, BOD) bei aerobeni Abbau wahrend funf Tagen bei 20°C ohiie Lichteinwirkung. Der BSB wird i. a. in g Sailerstoff pro g Substanz angegeben. Bei biologisch gut abbaubaren Substanzen ist er annahernd so groB wie der chemische Sauerstofiedarf (CSB), bei biologisch schlecht abbaubaren Substanzen deutlich niedriger.
CKW: Chlorkohlenwasserstoffe, die zwei Hauptgruppen umfassen: a) Substanzen wie Tetrachlorkohlenstoff (CCl4 ) mit hohem Dampfdruck, die zu den Volatile Organic
Anhang B
172
Chemicub. VOC:s, gerechnct wcrdcri, iirid b) Vc~rbiiidiingeiiwie DD'I' odcr PCB mit tiefeni Dariipftlriick. die zii den Sem,ivolatilr 0,rgcinic: Chemicals. SOCS. gerechnet werden. CSB: Clirwiischer Sauerstoff'twdarf (engl. CherrLlr:ril 0:cygen D ~ T T L ~CLOTDL ) . ~Sauer. stoffmengc. dic: bei chemischer Oxidation eincs Stoffcs. i. a. riiit deni Oxidationsniittel Kaliurridichromat oder Kaliiirriperniangariat, vvrhraiicht wird (in g Sauerstoff pro g Siibst,anz).
deskrzptzu: twschreibend (irri Uritcnchied zii i1ri;tlyt kch urid (natiir-) wisseiiscliaftlichc. R(\siiltatv letliglich d~trst(~ll(wd.
ZII
iiormativ). d. 11.
E i ~ ~ ~ r k ? ~wird r ~ , hier g : verweridt:t als Oberbogriff fiir Iriirriission unti Exposition.
Em,asszon: St,offfreisetzurig in dir, Urriwelt. stoBfiirriiig (in kg) odcr korit,iiiiiicrlich (in kg/s odcx t,/it). E n d p m k t : Urspriinglich in dt:r Toxikologie verwcndet fiir einc hIcfigriiBe. rnit der eirie toxischc. Wirkiing erfafit wirtl. Dariiberliiliiilis ist f i r i Endpiinkt c.iric definierte Zielgrooe, die cine Aussage iiber tirie Verandcriirig iii der Umwelt cirlaiit)t, (vgl. auch Iridikator) . Persistenz iind R.c:ichweite werden hicr RIS Eridpunkt,e dcr cxpositionsgestiitzteri Chcinikalienbewertiirig verwendct. Exposition: Protliikt ails eiiiwirktder Stoff~oiixt:iitr;ttiori und Eiiiwirkungsdauer, in s.kg/ni" (iLiiRere Exposition). Wenn die Stoffaiifiiahrne diirch eiiieii Organismus erfaf3t wertlori sol1 (innere Exposition), wird die, Exposit.ion i. a. aiif clas Kiirpergewicht (in kg) iirid die Expositioiiszcit (in Tageii) bcxogcm, sie hat d a r i r i dic Einheit nig/( k g d ) . FCKW: Fliiorc.hlorkohleiiwasscrstoff~,. z.B. CCl:
GejUh~d4~ng: Vorbedingung fiir tlcm Eintritt (.iric.s Schadens. Wirtl 1iit.r als wertende Kat.cgorie fiir C1ierriik;ilicrieiliwirkiingt~ii (Iiiiiriissioneri, Exposit.ionen) verwendet . Dimcnsioiien eiiier Gcfiilirdurig s i n d D a i i c ~ riiurriliclies . AusiriaO und Hiihe der Einwirkiing. Gefiihrdurig ist zu iinterscheitlcii vom spezifischoreii Begriff der ,,Gefahr" iiri rcchtlichen Sinnc:. wornit der Fall 1)ozoic:lirict wird: daB ciri konkretes Schaderisercigriis urimitteltxir l)cvorst,eht, iind voiri Begriff dcs Risikos. (lor sich aiif das AusniaB iind die zugeliiirigc ~alirscheinliclik(lit,niiiglicher. twk;triiit,cr Schadcn stutzt.
Glossar
173
Gutachterdilemma: (auch ,,Gutachtendilemma") Dieser Begriff bezeichnet die Situation, daB mehrere wissenschaftliche Stellungnahmen zur selben Frage je nach den zugrundeliegenden Pramisseri und Betrachtungsweisen unterschiedlich oder sogar widersprechend ausfallen konnen. Da bei Fragen der Technikbewertung und Umweltforschung die Sachverhalte sehr vielschichtig sind urid die wissenschaftlichen und aiiBerwissenschaftlichen Grundannahmen viele, auch mit Unsicherheit behaftete Aspekte umfassen, ist das Gutachterdilemma mit einem Appell an die ,,Ehrlichkeit" oder das wissenschaftliche Ethos der Gutachter nicht zu loseri. Immission: Stoflkonzentratiori an einem bestimmten Punkt in der Umwelt. Indilcator: naturwissenschaftliche MeBgroBe, die ein integriertes Bild von einem naturwissenschaftlichen Sachlerhalt liefert (Komplexitatsreduktion) und die Interpretation und Bewertung dieses Sachverhalts erlauht (Vermittlung zwischen Norm und Sachverhalt). Laborsystem: Dieser Begriff bezeichnet hier ein System mit zumindest weitgehend definierten Komponenten, an dem unter kontrollierbaren Bedingungen bestimmte Eingriffe vorgenonimen werden. Laborsysteme dienen deni Zweck, ihre vor eineni Eingriff unbekannte oder hochstens in Form einer Hypothese vermutete Reaktion auf diesen Eingriff systematisch zu untersuchen (Experiment). LOEL: steht fur engl. Lowest Obserued Effect Level und bezeichnet i. a. die niedrigste Konzentration oder Dosis, bei der in einem toxikologischen Test ein Effekt festgestellt wurde. Ein solcher Wert hangt erheblich vom angewendeten Testverfahreri ab.
Modell: Ein naturwissenschaftliches Modell beruht auf einer theoretischen Vorstellung von einem System, das von seiner Umgebung abgegrenzt ist und in dem ausgewahlte, d. h. die fur die jeweilige Betrachtiing relevanten physikalischen, chemischen und biologische Prozesse ablaufen. Der Zustand des Systems wird im Modell durch Zustandsvariablen wie z. B. Stoflkonzentrationen dargestellt, und die verschiedenen Prozesse werden durch mathematische Gesetzmafligkeiten beschrieben, nach denen sich die Zustandsvariablen andern. Im einzelnen werden hier Simulationsniodelle und evaluative Modelle unterschieden. Simulationsmodelle bilderi spezifische Prozesse so genau ab, daB die Modellresultate mit MeBdaten zu diesen Prozessen verglichen werden konnen. Evaluative Modelle liefern demgegenuber ein stark vereinfachtes Bild vom Umweltverhalten chemischer Stoffe, das sich auf durchschnittliche Parameterwerte stutzt. Sie konnen mit relativ geringem Aufwand auf vide Stoffe angewendet werden und ermoglichen damit den Stoffvergleich unter einheitlichen Bedingungen. Nachhaltige Entwicklung: Ubersetzung des englischen Begriffs ,,Sustainable Development"; weitere deutsche Bezeichnungeri sind ,,dauerhaft-umweltgerechte Entwicklung" (Sachverstandigerirat fur Umweltfragen) und ,,Zukunftsfahigkeit"
(Wiippertal-Iristitiit). Drr Begriff wird wit d m i Ersch>iiien dcs BrundtlandBerichtcts ( 1987) in ziiiictlirriendmi hlaA vorwt:iidct, uiii d a s Leithild ciiier gesollsehaftlichcii Naturnutziirig zii 1)c:zc:iclineri. div litiigfristig stabil ist.. wobei dictws Lcithild i. a. iikonorriisctio. gesellscliaft liche riritl uriiwelt Imogene Toilzielc unifatjt . deren Verhiiltriis zueinarider jedoch bisher riicht zurr,ic:lieiid analysiert ist. Aiifgriind seirivr Breite urid geringcii Spezifitiit wird das Lcit,bild dcr riaclihaltigtm Entwicklung von vcwcliicdeneri gosollschaft1ic:hc:ri Griippvii im Hiiildick aiif st:lir iiriterschiedliclie Zielc und Zukiinft,svorstelluiig(~Iiins Fc,ld gefulirt . Wortlich Ieitet sich dic deutschc Bc>zeichriiiiig..Naclili;tttigkeit" voii der nachhaltiger1 Forstwirtschaft her, bei dcr tiern Wald riicht nicihr Holz eiit,riorrirneri wird, als nachwiichst, iirid h i der aucli weitere Fuiikt,ionen t l w Wa1dc.s wic, z. B. Lawiricnschiitz daiierhaft crhalteri bl(it)eri. Die cnglischc Btwichniiiig ..S~~stuiri(~ble Developnient" bezog sich iirspriiiiglieh auf dic gcgenseit igt. Abhiiiigigkrit voii wirt,sc:l-iaftliclic:r Entwickliirig und Urriwc1tsckiut)z in den Erit,u,ic.kliingslRri(~(~rn. 7r~eti~rnlisti.st~hcr Feh1sr:hliLfl: Ableitung voii Nortrim. Soll(.iisvorsctiriftt,ri etc. ails ( 1 ~ skriptiveii Brfiiiidtn, s. B. hIefiwcrt,cri. oliiir. ciiic ziisiitzliclic~Bcgriiiidiing. dio sich ihrttrseits aiif iiorinativc: Grundlagcw stiitzt. NOAEL: stcht, fiir engl. No 0bseriir:d Aducrsc E&ct L f : w l iiiid bcscichnet i. a. dic hijchste Koiizmtratioii ot1t.r Dosis. lwi der i r i oiiici~itoxikologischeii 'Iwt keiii Effvkt fostgestcllt wiirde. Eiii solclier Wert tiiirigt, ctrlic~l~lich vorii i t l i g e w t ~ ~ i d ~Tcstvorte~i fahren all.
Norm: a) ct hische Norrii (aiich ..iioriiiatives Priiizip"): riioraliscli bcgriiridete Haiidliiiigsregclii, die Wcrturtrile iiber Hniid1uIigc:ri i i i i d ihrc Folgcn rcditfwtigeri. Antiarid eiritn Norm uritl geeignetcir Iiidikatorcri, riiit d r ~ i c ~die i Noriii aiif cinzclric Sachverlialt (, arigeweiidot wird, kiiiiiicri wiirisclic,iiswertt.. x. B. gcw:clitc Zust,ihidc ocler schutzwiirdigc Giitrir ideritifizicxrt wertlm. Eiiie Norm kaim i i i folgerider HiIisicht spezifixic,rt iiiitl iriit anclercii Noriiieii vcrglichcii wcwl(~i:Aufgriiiid wclchcr Eigcmscliaft wird (:in Sctiiitzgut/Ziist,n.Iltl als scliiitzwiirdig/wiiiisc~ieiiswcrtangcst:ht:ri (dadurch wird die h h i g o aller scliiit,zwiirdigt!ii Objektc oclcr der wiiiisclieriswr.rtt~ii Ziistaridc: lwst iiiimt). i i i i d wie wirtl tliese Scliiitsffiirdigk(,it hegriiiidvt? 1)) gesc1lsc:li;iftlic~ieNoriri: gesc~llscliaftlich vcwirihartc, Rvgel wir z. B. dio i h r tirikiirift,, h i Rot an oiiictr Aiiip(4 ;iiiziihaltcii. c) techiiischc Norm: Standard, ckr der Vt~rc~inlic~itlicliiiiig dient (V(,rglcichb;lrkrit von Prodiiktcw) urid cldiriiertr Qiialitiiteii gtiwiitirleistcw soll. normntiu: wctrtcnd; rnit, Gclturigswiispriicli, (1cr aiif ckio N O ~ I gestiitzt XI ist.
& d A m z : Verfahrtri ziir umfasstttitleri Uiitwsiiehiing c%ics Prodiiktvs oder ciricr Dicnstleistuiig. das all(?Stufen tlcs Prodiikt-L~~l~r~riswegt~s (Rotistoffgt:wiririurig. Hcrst>cllurig,Vtirtrieb, Gebraiicti, Rc.c:yc*lirigwid Eiitsorgung) iiiiifiifit,iiiid die niit dicscn Stufen vcrhirideneri UIiiwelteffekt,c, Iiilanziert vor allcwi R(.ssourcc,iivt.rl,raueti uiitl Stoffernissioiien. Erigl. Life Cycle As,sessrrir:nt. Eiiic 6kol)ilanz ist iiacli ISO 13040 ~
Glossar
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gegliedert in die Schritte Zieldefinition, Inventarerstellung, Wirkungsbeurteilung und Interpretation. Operationaliszerungsproblem: bezeichnet hier die Schwierigkeit, ein normatives Leitbild wie z. B. das der nachhaltigen Entwicklung durch geeignete Indikatoren zu konkretisieren, die zwischen dem Leit bild und einzelnen Sachverhalten (Anwendungsfallen) vermitteln und so das Leitbild uberhaupt erst umsetzbar rnachen (,,operationalisieren"). Polychlorierte Biphenyle, gehoren zu den halbfluchtigen CKW und den POPS. Insgesamt 209 verschiedene Verbindungen, die in technischer Form, d. h. als Gemische mit bestimmtem Chlorgehalt, u. a. in Transformatoren und Kondensatoren als Dielektrika sowie als Hydraulikole eingesetzt wurden. Sie sind chemisch stabil, nicht brennbar und in der Umwelt persistent. PCB werden seit Ende der 70er Jahre in den USA und Westeuropa nicht mehr produziert, sind jedoch in vieleri technischen Anlagen noch im Gebrauch. In RuBland werden PCB aiich heute noch produziert. PCB:
PEC:steht fiir engl. Predicted Environmental Concentration, d. h. eine Stoffkonzentration in der Umwelt, wie sie z. B. mit evaluativen Modellen bereclinet wird.
Persistenz: MaD fur die Zeitdauer, die fur den biologischen und/oder chemischen Abbau einer Substanz benotigt wird; wird in Tagen oder Jahren angegeben. Die Persistenz wird hier in Verbindung mit der raumlichen Reichweite als Maazahl zur Charakterisierung von Chemikalienexpositionen und als Indikator fur Umweltgefahrdungen verwendet. PNEC:steht fiir engl. Predicted No Eflect Concentration, d. h. eine abgeschatzte Maximalkonzentration, bei der noch keine toxischen Effekte ausgelost werden. Ein PNEC-Wert wird i. a. mit Hilfe von Extrapolationsfaktoren aus Testergebnissen zur akuten oder chronischen Toxizitat ermittelt. POPS:Persistent Organic Pollutants, Oberbegriff fur persistente halbfluchtige Verbindungen, bei denen zur Zeit auf internationaler Ebene uber ihren definitiven Ersatz durch Alternative11 verhandelt wird. Bisher sind 12 halbfluchtige CKW als POPS deklariert worden. Es handelt sich um die Pestizide Aldrin, Chlordan, DDT, Dieldrin, Endrin. Heptachlor, Mirex und Toxaphen sowie um die Industriechemikalien Hexachlorbenzol urid polychlorierte Biphenyle, und schlieBlich die polychlorierten Dibenzodioxine und Dibenzofurane, die als unerwunschte Nebenprodukte z. B. bei Verbrennungsprozessen anfallen.
Reichweite: MaB fur die raumliche Distanz, uber die sich ein Stoff durch Transportprozesse in der Umwelt verteilt (in km). Die raumliche Reichweite wird hier in Verbindung niit der Persistenz als MaBzahl zur Charakterisierung vori Chemikalienexpositionen und als Indikator fur Umweltgefahrdungen verwendet (expositionsgestutzte Chemikalienbewertung).
RisiX:o:in dcr I)rol)abilistisc~lit.I1Risikoandysc wid in tlw Eiitsclic~icliiiigst1it:oric. ( 1 ~ fiiiiclrt als dic Siiirirrie iilwr das Prodiikt, atis Eint rit tsw;~lirsclic~iriliclikeitp , i n i d Aiisrriafj A, jcdcr Konseqiionx ( i ) , dit: tliirrh cinc Haiidliing ausgdiist werdeii kwiiri: T
=
xi p,.A,.
In dt:r clieiriischm Risikol)c,iirteiliing wird das V(>rliiiltnis ails PEC: (eiriwirkcmler Koiizcntratiori) i i n d PNEC: (gcwliatzter ifl‘irkschwcllc) als Risikoqiioticmt bezcichiict (olirie tlirekteri Bcziig auf Wahrscheinlichkeiten). 1111allgenieiiicn Spractige1)r:tiich bezcicliriet Risiko (lit. Situation, tlaB eirie Haritlliing niiiglich(.rwt:ise nr:gativc Folgeri hat die jedocli xiirii Tvil iinbekaiirit, odcr uiiwalirsclieiiili~lisind. Vgl. ( 1 ~ 1 aiirti 1 Unsirherlieit . ~
Sr:haden: riegativ bewertetc, Vcrauderiing an einerii Sdiiit,xgiit. Div iiegative Bcwcrt,iing ist daboi nicht als eiric rtiri iridividiic4e EinschSt,ziing zii vcwt,oheri. soiidcmi i. a. (lurch Noriricw geprsgt. SOW Semivolatile Organic Chernicnb, iinifmsen Stoffgriippcn init cinem Dmipfdnick tiefer als 1 0 Pascal ( atm) wio Chlorkohlciiwttsserstoffo,z. B. DDT, iind polycyclische aromatische Kohlenwassorstoffe (Polycyclic A~wmaticHydrocfirhons, PAH. z. B. Benzo[a]pyren).
Syrtdmrn-Ansatz: Voni Wisscriscliaftliclit!ii Beirat fiir G1ol)ale Uiiiwcltver~iidcriingcn (WBGU) dcr tleutscheri Biiridesregioriirig entwickolt,cr Arisat,x, iriit clern 1 ) c w n dcrs dominant(. Problenifel~lc~r des derwit igen glotxdcii Wandels idmt ifiziert. a n w lysiert urid typisiert werdrii. s. B. das Salit+Syndroiii odcr das Holirr-SchorristcinSyiitlrorri. Der Syiidrom-Aiisatz wird ziir Zcit v. a. i i i i i Potsdariicir Institut fiir Klirriwfolgeriforscliiirig ausgt:arl)c:it,c:t. Trdmisches System: Eiri twhiiisches Systeni wict z. B. ciii eiiizc.lnes terlinisc*lios Gvriit oder ciiic. technischc A d a g e ist cliirch ciricii 1)chriirriteii Zweck iiritl c,iritw aiif diesen Zwock aiisgericht,ctcn Fiirikt,iorisziisariiiii(~iiliari~ ch~tr;tkt,crisiert,.Dicwr tlefinierte Fiiiiktioriszusarriirlctritiang rnaclit, das Syst,cni koritro1licd)wr iind irii Siniie des Verwendiingsswecks niit,xlxir. Dcr Bcgriff wirtl wit ciriigen .Jalirwi vcmwndct. u r n clic. wisProhlcwc zu sc:risrhaftliche Brarbeitung tlisziplineriiil~c,rffrcifcndcr..l~~beiiswelt,liclic~r ch~trakterisiercii.Traiisdis~ii)liriaritat1iif$t sich in folgcwder Wcisc. vori hlult,idiszipliriaritat und 11iterdiszipliii;tritAt ahgrwzc:ii: Bei hlultidisxiplinaritiit wcwlen die Tcilaspektc dvs iil~crgreifenclciiProbleiris aiis disziplinaren Pcrspektivcw 1)carbeitet, i i i i d die Resiilt at,(’wertleri nnch der Untorsiicliiirig xiisarririic!rigcstellt. Bei Interdiszipliiiaritat wcwleri verschicdci ipliniire Perspcikt iven mit>ciiiari(lor kornbiniert. so tlaB sicli iitler die Grcwxcn i ( 3 n tleri Disziplincn hiriweg lime Bogrifflichkeitc~i i i i d Erk(.riritriisintt.rc,sst.ri aiisbiltlcw. Aiich dic, iiiterdiszipliiiiLrc.II Prol)lerristelliirig(~riergeboii sicli zu Begirin jedocli i. iL. aiis den spezifischcn Forscliiirigstraditioricri der Dissiplinen.
Glossar
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Bei Transdisziplinaritat ist das erkenntnisleitende Interesse unabhangig von disziplinaren Erkenntniszielen auf lebensweltliche Probleme ausgerichtet. Die eingesetzten Methoden konnen neu entwickelt oder aus ihren urspriinglichen disziplinaren Kontexten herausgelost und auf neue Fragen ubertragen werden. Dabei konnen Methoden miteinander kombiniert werden, die ursprunglich fur sehr unterschiedliche Erkenntnisinteressen eritwickelt worden sind.
Umweltchemikalien: hier verwendet als Bezeichnung fur alle Stoffe, die durch menschliche Aktivitat in erheblichen Mengen in die Umwelt freigesetzt werden. Die Bezeichnung umfafit sowohl Stoffe, die gezielt freigesetzt werden als auch solche, die unbeabsichtigt freigesetzt werden, sowie Stoffe, die naturlich vorkommen und solche, die nur aus anthropogenen Quellen stammen (Xenobiotika). Bei natiirlich vorkommenden Stoffen bestimmt der natiirliche Hintergrund, welche anthropogenen Mengen als relevant anzusehen sind; bei nicht naturlich vorkommenden Stoffen konnen auch kleine Mengen relevant sein. Umweltsystem: wird hier verwendet als umfassende Bezeichnung fur bestimmte, wissenschaftlich untersuchte Ausschnitte Bus der Biosphare. Umweltsysteme konnen nur einzelne oder auch alle drei Kompartimente Boden, Wasser und Luft sowie Subkompartimente davon umfassen. Sie enthalten im Prinzip eine unbestimmte Anzahl Komponenten und miissen im Einzelfall durch eine bestimmte Auswahl der Komponenten und Prozesse definiert werden. Unbestimmtheit: bezeichnet in der Entscheidungstheorie eine Situation, in der weder das Ausmafi und die Art noch die Eintrittswahrscheinlichkeiten fur mogliche Folgeereignisse einer Handlung bekannt sind. UngewiJlheit: bezeichnet in der Entscheidungstheorie eine Situation, in der zwar Art und Ausmafi moglicher Folgeereignisse einer Handlung bekannt sind, die zugehorigen Eintrittswahrscheinlichkeiten jedoch nicht. Unsicherheit: wird hier verwendet als Oberbegriff fur Risiko, Ungewifiheit iind Unbestimmtheit. Wahrnehmungsproblem: bezeichnet hier die Tatsache, da6 viele Umweltveranderungen gro5rnafistablich und langfristig sowie nach komplexen Wirkmechanismen ablaufen, so dafi sie nicht als spezifische Ereignisse (sinnlich) wahrgenomnien werden konnen. Xenobiotika: Stoffe, fur die es keine naturlichen Quellen gibt und die daher in der Umwelt nur nach der Freisetzung durch den Menschen vorkommen; auch als Fremdstoffe bezeichnet. Xenobiotika sind eine Teilgruppe der Umweltchemikalien.
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Abbau 62, 69, 75, 83ff., 98, 103f., 106ff.., 112f., 115ff., 122ff., 135, 137, 151, 165f., 169 biologischer 18 Abbautest 32, 83, 85, 124 Aceton 132ff., 136 Aquivalenzbreite 90f., 93, 101f., 168 Aggregierungsproblem 23, 27, 43, 171 Agrochemikalien 32, 63, 66f., 100 Aldrin 12, 121f., 124ff., 129ff. Altstoffe 3, 15 Antibiotika 2f. Arsen 14 Artefakt 18, 32, 119 Auswirkung 8, 17, 33f., 54, 62, 70ff., 80, 144. 171 ~
Benzol 113, 132ff., 136 Bewertung 2ff., 39, 43, 45B., 52, 57f., 62, 71ff., 78f., 81, 96, 141ff., 152, 157, 171 okologische 39 Bewertungsproblern 23, 27, 71ff., 171 Bioakkumulation 136, 146, 148, 171 Biodiversitat 38, 40, 53 Biosphare 37, 42, 56 ~
Chemikalienbewertung 2ff., 7, 14f., 63, 69, 77, 81, 92, 108, 111, 136, 141ff., 149, 151ff., 157 expositionsgestutzte 16, 72, 141ff., 148, 150f., 153 - Praktikabilitat 20, 23, 77 wirkurigsgestiitzte 72, 74, 79, 141ff., 148, 150, 153 chemische Industrie If., 10f., 66, 155ff. chemische Produkte 2ff., 10, 80, 143, 151f., 155f. Chlor 1Off. Chlorbenzol 10f., 132ff., 137ff. ~
~
Chlordan 12, 14, 120ff., 124ff., 129ff., 134 chlorierte Kohlenwasserstoffe ( CKW) loff., 120ff., 146ff., 171 Geschichte 10ff. Chlorparaffine 147f. 4-Chlortoluol 10, 132ff. Cyclohexan 132ff.
~
Dampfdruck 4, 15, 106, 111, 115, 121f., 124, 126, 122f., 162 Daten 2, 5, 32, 105ff., 124, 132, 136, 152 D D T 1, 8, 12, 14, 103, 111, 115, 120f., 124ff., 129, 146f. Decan 132f. 1,4-Dichlorbenzol 11, 132f. Dieldrin 12, 14, 121f., 124ff., 129ff. Differentialgleichung gewohnliche 104, 159, 165ff. partielle 104 Diffusion molekulare 160f. turbulente 111, 116f., 164 1,4-Dioxan 110, 132ff. Diskontierung 61 Disulfoton 97 Dosis-Wirkungs-Beziehurig 17, 19, 81 ~
~
~
~
Einwirkung 8, 17, 33f., 54, 62, 70ff., 77, 79ff., 120, 142, 172 Emission 2, 15ff., 48, 62, 65ff., 69ff., 75f., 80, 85, 87f., 90, 100f., 107ff., 112ff., 118f., 124f., 128, 132, 136ff., 141ff., 152, 155, 165ff., 172 Endpunkt 141ff., 172 Endrin 12, 121f., 124ff., 129 Environmental Engineering 41 Enzyme 3 epidemiologische Studien 53, 81, 120 Ethik 6, 35f., 45, 48f., 157
206
Evidcmz 3 2 . 57f. Exposition 15ff.. 34. 62. 64ff.. 69ff.. 77ff.. Sfiff.. 90ff.. 113. 141f.. 144, 152. 167ff.. 172 Expositionsanalyse 3: 15, 19, 78, 141 Exposit,ionsfeld 63ff., 100, 137, 140 Expositiorisverteilung 87f., 92ff., 101, 113f., 118, 125, 134, 137f., 169 Extrapolation 17, 19 F-11 ( C C h F ) 117ff.. 130, 132ff., 137ff. F-21 ( C H C l z F) 132f. F-22 ( CHClFz ) 132f. F-142 t l (CH3CClFz) 132f. I.'('Ku: 1. 7. 11. 13. 45. 63ff.. 69ff.. 78. 93. 1 0 3 , 132f.. 136. 145ff.. 152. 169. 172 Rcichweite 63. 70 Fdilcr. 1. und 2. Art 153f. F[,tilerfrciiiidlichkeit 145 F1arriirisc:liiitzriiittel 147f. F1ir:i~Rlcichgewicht (steady-state) 87f.. 162 Gefiilirdiing 8 , 69ff.. 74, 77ff., 144, 172 Gofahr 74f. Gerecht,igkeit, 45f.. 54, 57ff. Gcwclitigkeitsprinzipien 6f.. 34, 46, 49. 57ff., 62, 64. 67, 81f. Gesiiiidlicit 23. 38. 52 Gkklivcrteilung 93. 96f.. 102 Goldenc Regel 7. 45. 49. 58. 61 Giit.eratlwagung 5. 62. 143 G~itaelitrridilemnia5. 173 Ha1t)wertsbreite 90f.. 93 Halbwertszeit 69, 83ff.,88, 115f., 124, 126, 131, 136 Handhing 6, 43, 45. 48f.. 58ff., 69, 71, 78, 143 Henry-Konstarite 15, 106, 111, 114f., 117. 128. 131, 134f.. 160ff. Heptachlor 12. 121f.. 124ff.. Hrxachlorbenzol 111, 121. 124ff.. 135 Hexachlorcyclohrxari s. Lindan f{I.'('KW 132f., 136. 147. 172 Ininiissiori 54. 70. 77 Iridikator 4. 6. 27. 48ff.. 69. 71f.. 80, 83. 1 3 6 . 148, 156. 173
Aggregieriiiig 20 auswirkungsgestiit zt er 78. 143 exposit ionsgest iit z t er 143 Relevanz 4. 20 Stellvcrtreter- 76 Iridustriegesellschaft 12. 149, 153 Irigeriieurwissenschafteri24, 42. 74 Integritiit fiinktioriale 24, 37, 42. 144 kijrperliche 4, 24. 42, 52, 144 Iiitcresse 24, 39%50, 58ff..66. 82 kategorisclier Iniperativ 58f.. fil 81 Kepoiic 12. 124 Kliiriarriodell 105 Klirriawandel 30. 73 Klimazorierirriodell 11Iff. Kohlcndioxid ( COz ) 30. 50. (i3f.. 142 Reichweite 63. 78 Kombinat ionswirkung 19 Koniplexitiit 19. 31. 103f., 108 Komplexitatsdilernma 30 Koriiplexitatsreduktion 31, 73, 77 Laborsystern 31, 173 Lat)orwissenschafteri 31 Lrbrnszyklus 4. 152. 156 Lct)l;tiic-Verfahrcn 9 Lisp Cycle A s s e s a m e n f 3f.. 174 Liiidari (Hexachlorcyclolicxan) 12. 111. 123ff. 135 Losungsniittel Iff. 16. 63. 72. 75. 78. 80. 100. 120. 132ff.. 1 4 5 f . 152. 15fi hlasseiihilanz 106ff.. 117 Mat,rix 159, 165ff. Mcdiari 89, 93. 99 Mt:tal)oliten 116, 152f. Methyl-tertiar-Biitylether 132f. hlircx 12, 121, 124ff. hlit,leid 36f., 41f. hlittelwert 89f., 93. 99 hlohilitiit 62. 68. 92. 113. 131. 1 X hlodell 8. 55. 75. 83f.. 86. 103ff.. 151, I59ff.. 173 waliiatives 104ff.. 173 Ubcrpriifiing 108. 117ff.. 135ff. ZiPlgrijBeii 107ff. riiiiniliche Auflijsiirig 104. 112. 120. 135
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207
Persistent Organic Pollutants (POPS) 8, 13, 120f., 124ff., 136, 147, 175 Persistenz Berechnung 168f. Definition 90, 175 Eigenschaften 72ff. - Gesamt- 86f., 169 von Metaboliten 116, 152 - normativer Bezug 60ff. Pestizide If., 16, 65ff., 75, 103, 107, 120f., 123, 146f., 152 Phasengrenzflache 160f. PNEC 15, 141, 175 polychlorierte Biphenyle 3, 8, 11, 13, 65, 92, 111, 120f., 124ff., 146f., 175 Pravention 72, 77f., 145 Problem lebensweltliches 157 -- soziales 46 sozialethisches 38, 43, 68 Umwelt- 78, 81, 139, 147 PVC 10, 12
Simulations- 104ff., 119 unit-world 8, 104ff. Modellbildung 56, 103, 107 Modellparameter 106ff., 113ff., 123, 135, 159ff. Modellrechnung 77, 80, 86ff., 90f., 98, 102, 122ff. Monitoring 104, 107, 131, 136, 152 Moral 36ff., 42, 59, 61
~
Nachhaltigkeit 48, 53ff., 57, 59, 153, 155, 173 Natur 37f., 42, 47, 50, 52 Naturalismus 50 naturalistischer Fehlschlua 40, 80, 174 Naturschutz 35, 37, 39 Naturverstandnis 148, 150 Naturzerstorung 60 Neustoffe 3 , 15 Nitrat 67, 103 NOAEL 16f., 19, 174 Nonan 132f. Norm 24f., 27f., 34, 36ff., 45f., 48ff. 57f., 61, 71, 174 ethische 4f., 48, 50, 80 technische 42, 48 normatives Leitbild 24, 37, 42, 53ff., 143f. normatives Prinzip 6f., 33f., 49, 51ff., 60, 80f. normative Unbestimmtheit 34ff., 43, 45 normatives Urteil 5 , 34f., 72
~
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Quantil 89, 93, 96ff., 169 Quecksilber 14
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Rechtsgut 5 , 23 Reichweite Berechnung 169 chemische 98 Definition Slff., 175 Eigenschaften 72ff. kombinierte 62ff., 78, 80, 88, 100f., 137ff. als Kriterium fur Produktentwicklung 155 - normativer Bezug 60ff. okonomische 80 stoffbezogene 63ff., 75f., 78, 80, 137 - toxikologische 98 zeitabhangige 87 Risiko 30, 73f., 146, 148ff., 154, 176 ~
~
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Okobilanz 3f., 20, 149, 174 okologische Krise 35, 38, 41ff., 45 okologischer Landbau 67 okologische Schadigung 98 Okosystem 2, 7f., 16f., 19, 24, 27ff., 31, 35, 37f., 42, 45, 54, 71f., 81, 144 Oktan 132f. Oktanol- Wasser-Verteilungskoeffizient ( K o w )15,106,114,117, 124,132,161f. Operationalisierung 50ff., 55, 61, 80 Operationalisierungsproblem 50ff., 54, 175 PEC 15, 175 Perchlorethylen 10, 13, 132f., 146, 155
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Sauerstomedarf 83, 115, 171 Schaden 8, 23ff., 72, 74, 79, 153, 176 Schadensbegriff 23ff., 39, 43, 45, 48, 57 okologisch 24 okonomisch 23ff. rechtlich 23ff.
~
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208
Regzster
technisch 24ff. Schwclleriwert 19, 30, 76, 141 Silikori 148 Soxialgenieinschaft 36ff., 155 Soxialwissenschaften 46f. Standardabweichung 89f., 93, 99 Syiidrom-Ansatz 52, 55ff., 176
Uniweltsysteni 7, 19. 28ff., 45, 54. 71, 86, 105. 107. 143. 151, 177 Urriweltwisseriscliafteri 31 Unbestiirimtheit 30, 73f.. 79. 177 UIigewiDheit 30, 47. 73f., 177 Unsicherheit 30. 73f., 77, 110, 115, 135f., 177
Technical Guidance Document (TGD) 3, 15f., 154 technisches Systeni 30f., 176 Teniperatur 107, l l l f . , 121, 123. 131, 135 Tetrachlordibenzodioxin (TCIII)) 12, 121, 124ff., 129 Tetrachlorkohleristoff 10, 13, 132f. Tierschutz 37, 157 Tierversucli 32, 77 Toxaphen 12; 65, 121, 124ff.. toxikologische Tests 19, 143, 153f., 157 Toxizitiit 16ff.. 20, 53f., 75, 81. 142, 145, 148, 151 Transdisziplinaritiit 6, 157, 176 Transport 84ff., 98f., 103ff., 1loff., 116f., 119, 121: 123ff., 133, 135, 139, 152, 164ff. Tributylzinn 139 1,2,4-Trichlorberizol 132f. Trichlorethylen 10, 13, 146
Veraritwortiirig 6, 49, 59ff.. 64, 156f. Verteiliirigs~erechtigkeit49, 58, 61, 65ff., 79f., 96, 102, 143f. Verum-Factum-Prinzip 31f. Verursacherprinzip 7, 45. 49, 59f.. 79 Verwaltung 64, 155 Vinylchlorid 1Of. Vorsorge 79. 148ff.,153f. Vorsorgeprinzip 34. 45, 49. 59, 62. 73, 79, 144, 149f., 153f.
~
Uberkomplexitat, 28ff., 34ff., 43. 74, 107, 151 Umweltdebatte 4, 6f., 33f., 46, 50, 53, 59 Uniweltriaturwisseriscliaften 46f., 49, 51 Uniweltschaden 24, 28, 47, 69f.
Wahrriehinbarkeit voii Ereignisscri 24ff., 76 Wahrnehmungsproblem 26, 73, 177 Wahrscheirilichkeit 74, 148, 150, 153f. Waschniittel If. Wasserdanipf. Reichweite 78 Weichrnacher 2f.. 148 Werturteil 5 , 20, 46ff., 51 Wirkiirig 15ff., 27, 69ff., 98, 141f., 145, 150, 153 horriiorihhriliche 2: 146, 148 toxische 19. 30, 76 Wirkiingsarialyse 3 , 15. 19, 78, 141 Wirkiingskategorie 4, 20 ~
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