Pulver und Schüttgüter
Dietmar Schulze
Pulver und Schüttgüter Fließeigenschaften und Handhabung 2., bearbeitete Auflage
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Professor Dr.-Ing. Dietmar Schulze Institut für Recycling Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel Robert-Koch-Platz 8a 38440 Wolfsburg
[email protected]
ISBN 978-3-540-88448-4
e-ISBN 978-3-540-88449-1
DOI 10.1007/978-3-540-88449-1 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2009, 2006 Springer-Verlag Berlin Heidelberg Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Sollte in diesem Werk direkt oder indirekt auf Gesetze, Vorschriften oder Richtlinien (z. B. DIN, VDI, VDE) Bezug genommen oder aus ihnen zitiert worden sein, so kann der Verlag keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität übernehmen. Es empfiehlt sich, gegebenenfalls für die eigenen Arbeiten die vollständigen Vorschriften oder Richtlinien in der jeweils gültigen Fassung hinzuziehen. Satz: Digitale Druckvorlage des Autors Herstellung: le-tex publishing services oHG, Leipzig Einbandgestaltung: WMXDesign, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier 987654321 springer.de
Geleitwort
Die Handhabung von Pulvern und Schüttgütern wird im Ingenieurwesen als Schüttguttechnik bezeichnet, die ihrerseits ein Bestandteil der Mechanischen Verfahrenstechnik ist. Unter Verfahrenstechnik versteht man die Wandlung von Stoffeigenschaften. Werden dazu mechanische Verfahren angewandt, spricht man von Mechanischer Verfahrenstechnik. Die bekanntesten Grundoperationen der Mechanischen Verfahrenstechnik sind das Zerkleinern, das Agglomerieren, das Mischen und das Trennen. Dabei erhalten die Partikel als Einzelpartikel oder im Kollektiv durch die mechanische Behandlung eine Wertsteigerung. Um von dieser Wertsteigerung zu profitieren, wird in Forschung und Entwicklung investiert, sowohl in der Industrie als auch in den Hochschulen. Bei der Handhabung von Schüttgütern, dem Fördern, Lagern und Dosieren, entfällt dagegen eine Wertsteigerung, da die Stoffeigenschaften ja nicht verändert werden. Was man erreichen kann, ist „höchstens“ eine Problembeseitigung, die für Entwickler und Forscher wenig attraktiv ist, vergleicht man sie mit der patentfähigen Entwicklung neuer Produkte und Verfahren. Ein Silo, in dem Schüttgut zwischengelagert wird, stellt häufig nur ein einzelnes, unbedeutend erscheinendes Element zur Verwirklichung eines größeren Prozesses dar. In ihm wird kontinuierlich oder diskontinuierlich Schüttgut eingefüllt, das dann zu bestimmten Zeiten in vorgegebenen Mengen wieder abgezogen werden soll. Das geht nicht immer problemlos. Die bekannten Vorgänge der Brücken- oder Schachtbildung können zu unregelmäßigem Austrag führen oder diesen ganz zum Erliegen kommen lassen. Der Hammer, der neben dem Silo liegt, ist ein bekanntes Hilfsmittel, das häufig bei einer ungenügenden Silodimensionierung nachträglich herangezogen wird. Vor knapp vierzig Jahren bezeichnete der Autor dieses Geleitwortes in einer Monographie die Schüttgutlagerung in Silos als zu den Stiefkindern der Technik gehörend und resümierte, dass es oft so ist, dass ein Problem durch sein häufiges Auftreten gerne als gegeben hingenommen wird. Ist das heute besser geworden? Die Charakterisierung und Handhabung von Schüttgütern ist heute fast überall fester Bestandteil in der verfahrenstechnischen Ausbildung an Universitäten, Fachhochschulen und Ingenieurschulen. Seit über zwanzig Jahren werden Seminare und Hochschulkurse angeboten, die über die Grund-
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lagen und Anwendungsmöglichkeiten der Schüttguttechnik informieren. Die wesentlichen theoretischen Grundlagen sind bekannt, auf denen aufbauend eine gesicherte Silodimensionierung erfolgen kann. Die nötigen Informationen liegen vor, werden aber häufig nicht beachtet oder auch nicht verstanden. Erst vermeidbare Fehlschläge, unnötige Mehrarbeit und Produktionsausfall sind häufig die Ursache für ein Umdenken bezüglich einer besseren, dem Schüttgut angepassten Silogestaltung. Bei der verfahrenstechnischen Auslegung eines Silos ist ähnlich vorzugehen wie bei der Auslegung eines Wärmetauschers. Die Stoffdaten der am Wärmeaustausch beteiligten Fluide und die Wärmeströme müssen bekannt sein, um den Wärmeaustauscher, insbesondere die Wärmeübertragungsflächen, auszulegen. Die Vorgehensweise ist Stand der Technik. Die benötigten Daten liefern der VDI-Wärmeatlas oder Laborversuche. Ähnlich ist bei der Siloauslegung vorzugehen. Hierzu gibt es eine Theorie, nur leider keinen „VDI-Schüttgutatlas“. Desto wichtiger ist die Ermittlung der relevanten Schüttguteigenschaften. Sind diese bekannt, wird die Silogeometrie den gemessenen Schüttguteigenschaften angepasst, so dass ein sicherer Silobetrieb erreicht wird. Voraussetzung ist, dass die in Laborversuchen gemessenen Schüttguteigenschaften repräsentativ sind. Aber auch das gilt für den Wärmetauscher. Wenn es dort zum Fouling an den Wärmeübertragungsflächen kommt, haben sich die Parameter verändert und der Wärmetauscher erfüllt nicht mehr die an ihn gestellten Anforderungen, so wie ein gesicherter Silobetrieb bei einer Produktabweichung eventuell nicht mehr gewährleistet ist. Einen „VDI-Schüttgutatlas“, dem sich quantitative Schüttgutdaten entnehmen lassen, wird es nie geben. Ein Fluid, dessen Zusammensetzung bekannt ist, hat immer dieselben Stoffdaten. Dies gilt für ein Schüttgut nur selten. Neben der chemischen Zusammensetzung, die zur Charakterisierung eines Fluids ausreicht, haben weitere Größen Einfluss auf die Schüttguteigenschaften, die durch die disperse Natur des Schüttgutes bedingt sind. Von Einfluss sind Partikelgröße, Partikelgrößenverteilung, Partikelform, Porosität und Feuchtigkeit, um nur einige zu nennen. Wollte man den Einfluss aller dieser Größen auf die für die Silodimensionierung relevanten Schüttguteigenschaften ermitteln, wären sehr viele Messungen nötig. Es ist deshalb sinnvoller, die relevanten Schüttguteigenschaften an repräsentativen Proben direkt zu messen. Dazu werden Schergeräte eingesetzt. Aber nur, wenn die Scherversuche korrekt durchgeführt werden, ist mit Daten zu rechnen, auf denen aufbauend eine gesicherte Silodimensionierung ermöglicht wird. Die Erfahrung zeigt, dass diese Voraussetzung häufig nicht erfüllt ist, woraus dann allzu schnell geschlossen wird, dass Scherversuche nur bedingt einsetzbar sind.
Geleitwort
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Ich würde die Schüttgutlagerung in Silos heute nicht mehr als Stiefkind der Technik bezeichnen. Die wesentlichen Grundlagen sind bekannt und es gibt eine ausreichende Bestätigung dafür, dass Silos, die gemäß dem heutigen Stand der Technik auf der Basis von Scherversuchen dimensioniert wurden, die gestellten Anforderungen erfüllen. Was noch als stiefmütterlich und damit verbesserungsfähig bezeichnet werden kann, ist die breite Anwendung, das Vertrauen in die Methode und die Notwendigkeit, sie anzuwenden. Das ist um so erstaunlicher, da der Anteil von Schüttgütern in der stoffverarbeitenden Industrie enorm hoch ist. So bezifferte vor einigen Jahren der Präsident der EFCE (European Federation of Chemical Engineering) den Anteil von Schüttgütern auf 60 % aller in der chemischen Industrie Europas hergestellten Produkte. Bei weiteren 20 % waren Schüttgüter bei der Herstellung beteiligt. Das von Dietmar Schulze vorgelegte Buch wird helfen, das Schüttgutverständnis einem breiteren Publikum verständlich näher zu bringen. Seit seinem Studium an der Technischen Universität Braunschweig hat er sich kontinuierlich mit allen Aspekten der Schüttgutcharakterisierung, der Anwendung gemessener Schüttguteigenschaften auf die Silodimensionierung und den theoretischen Grundlagen der Schüttguttechnik befasst und zu allen Teilbereichen wertvolle Beiträge geliefert, die in einer großen Zahl von Veröffentlichungen dokumentiert sind. Besonders intensiv hat er sich mit der Ermittlung der relevanten Schüttguteigenschaften befasst, was u. a. zur Entwicklung eines Ringschergerätes führte, das heute als „Schulze Ring Shear Tester“ bekannt und weltweit im Einsatz ist. Schergeräten wird fälschlicherweise häufig nachgesagt, dass sie für viele Anwendungsfälle zu kompliziert und zeitaufwendig seien. Das ist nicht richtig. Je nach Aufgabenstellung und Problem lassen sich auch mit wenigen, aber dem Problem angepassten Versuchen Ergebnisse erzielen, die verlässlicher sind als solche, die aus empirischen Vergleichsversuchen oder aus der Anwendung sogenannter „simple tester“ resultieren. Möge das Buch helfen, das Verständnis für Schüttgüter und durch sie verursachte Probleme zu verbessern. Das Buch äußert sich praktisch zu allen Problemen, die in der technischen Anwendung beim Lagern und Fließen von Schüttgütern auftreten können. Das breite Wissen basiert auf eigener Erfahrung bei der Messung von Schüttguteigenschaften, der Durchführung von Siloversuchen an selbst konzipierten Technikumsanlagen, der Beratung von Firmen beim Lösen existierender Probleme und der Planung neuer Siloanlagen und einem kontinuierlich und breit angelegten Literaturstudium. Jörg Schwedes
Braunschweig, im Juli 2006
Vorwort zur zweiten Auflage
Nachdem die erste Auflage des vorliegenden Fachbuchs erfreulich gut angenommen wurde, ist nun nach nur zwei Jahren eine Neuauflage notwendig. Dies bietet die Gelegenheit, Druckfehler zu berichtigen und Korrekturen vorzunehmen. Dazu kommen einige kleinere Ergänzungen, die sich insbesondere bei der Erstellung der inzwischen erschienenen englischen Fassung „Powders and Bulk Solids“ als sinnvoll herausgestellt hatten. Dies betrifft vor allem die Auslegung von Kernflusssilos für den Füllzustand, die nun sowohl im Kap. 10 als auch in den Beispielaufgaben eingehender erläutert wird. Außerdem wird nun im Kap. 7 der Einfluss von Agglomeraten, die sich in feinkörnigen Schüttgütern allein aufgrund der Bewegung des Schüttgutes bilden können, behandelt. Mein Dank gilt dem Springer-Verlag für die erneut angenehme und unkomplizierte Zusammenarbeit und die rasche Entscheidung zur Herausgabe der zweiten Auflage.
Wolfenbüttel, im August 2008
Dietmar Schulze
Vorwort
Das vorliegende Buch gibt einen Einblick in die Schüttguttechnik, angefangen von den Fließeigenschaften bis hin zum Fließen von Pulvern und Schüttgütern in Trichtern, Behältern und Silos. Neben den Grundlagen werden dem Leser neuere Erkenntnisse zum Verhalten der Schüttgüter vermittelt, wobei häufige Fragen, die dem Verfasser von Anwenderseite gestellt wurden, berücksichtigt werden. Das angestrebte Niveau ist so, dass es einem breiten Kreis von interessierten Lesern eine verständliche Einführung in das Thema gibt. Der Inhalt baut zu einem großen Teil auf Beiträgen zu Seminaren, z.B. dem aktuellen GVC-Hochschulkurs „Vom Schüttgut zum Silo“ und Veranstaltungen zur Schüttguttechnik im Haus der Technik e.V., auf Tagungsbeiträgen und auf Vorlesungen an der Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel auf. Hinsichtlich der Themen „Messen von Fließeigenschaften“ und „Siloauslegung“ folgt der Inhalt vor allem den Arbeiten Jenikes, der vor über 45 Jahren eine heute noch angewendete Theorie zum Schüttgutfluss in Silos und mit dem Jenike-Schergerät die Grundlage für die quantitative Messung von Fließeigenschaften geschaffen hat. Ausgehend von diesen Arbeiten wurde einige Jahrzehnte an vielen Orten intensiv im Bereich der Schüttguttechnik geforscht, so dass hierzu einiges Wissen vorliegt. Leider ist zuweilen zu beobachten, dass die zum Teil weit über zwanzig Jahre alten Arbeiten zur Schüttguttechnik nicht bekannt sind oder nicht beachtet werden. Daher ist ein weiteres Ziel dieses Buches, einen Teil des bestehenden Wissens zu verbreiten und zu konservieren. Hier wie im Titel des Buches werden bewusst die Worte „Pulver“ und „Schüttgut“ nebeneinander gesetzt, da in manchen Bereichen, z.B. in der Pharmazie, das Wort „Pulver“ geläufig ist, während man bei Schüttgut an Materialien wie Steinkohle oder Sand denkt. Zur Vereinfachung wird im Verlauf dieses Buches aber das Wort „Schüttgut“ verwendet, da es von seiner Definition her alle aus einzelnen Partikeln bestehenden Materialien umfasst, vom feinen Pulver über Granulate bis hin zu grobstückigen Schüttgütern. Der erste Teil des Buches befasst sich mit dem Fließverhalten von Schüttgütern. Die Kenntnis der Fließeigenschaften eines Schüttgutes ist notwendig, um Trichter, Silos und andere schüttguttechnische Apparate
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Vorwort
und Vorrichtungen so auszulegen, dass keine Fließprobleme (Fließstörungen, Entmischung, ...) auftreten. Aber auch beim Handhaben von Schüttgütern im kleinen Maßstab, z.B. beim Füllen der Matrizen einer Tablettenpresse oder beim Dosieren kleiner Mengen, kommt es auf ein hinreichend gutes Fließverhalten an. Außerdem werden in zunehmendem Maße Angaben zur Beurteilung der Fließfähigkeit eines Produktes benötigt, u.a. im Rahmen von Vergleichsmessungen (z.B. Aussagen zur Auswirkung von Fließhilfsmitteln oder anderer Beimengungen auf das Fließverhalten), Produktentwicklung, Produktüberwachung und Qualitätssicherung. Zur Messung verwendet man in der Schüttguttechnik vor allem Schergeräte, die man als die Standardmessgeräte der Schüttguttechnik bezeichnen kann. Der Erläuterung ihres Messprinzips wird in diesem Buch breiter Raum eingeräumt, denn Funktion und theoretischer Hintergrund von Schergeräten wird von Außenstehenden manchmal als kompliziert empfunden. Im zweiten Teil wird das Schüttgut beim Fließen und während der Lagerung in Trichtern, Silos etc. betrachtet. Dazu gehört vor allem die Vorgehensweise zur Auslegung von Behältern, um Probleme wie z.B. Fließstörungen oder Entmischung zu vermeiden. Zusätzlich werden Möglichkeiten zur Silogestaltung, Spannungen in Schüttgütern, Austraggeräte und Austraghilfen behandelt, um Planern, Konstrukteuren und Betreibern von schüttguttechnischen Anlagen Hilfestellung zu geben. Mein besonderer Dank gilt all denen, die mich beim Sammeln von Erkenntnissen und damit letztendlich bei der Erstellung dieses Buches unterstützt haben. Vor etwa zwanzig Jahren begann ich als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Mechanische Verfahrenstechnik der TU Braunschweig, wo ich dank Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft und unter Anleitung von Herrn Prof. Jörg Schwedes Eingang in die Welt der Schüttguttechnik fand. Die Erkenntnisse konnte ich anschließend in unserem gemeinsamen Ingenieurbüro „Schwedes + Schulze Schüttguttechnik“ sowie bei der Entwicklung eines neuen Ringschergerätes nutzen und vertiefen. Auch im Rahmen meiner Tätigkeit an der Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel konnte ich, unterstützt u.a. durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Niedersächsische Arbeitsgemeinschaft Innovative Projekte (AGIP) und die Fachhochschule selbst, durch weitere Forschungsarbeiten Erkenntnisse sammeln. Dem Springer-Verlag gilt mein Dank für die angenehme und unkomplizierte Zusammenarbeit.
Wolfenbüttel, im Juli 2006
Dietmar Schulze
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis ................................................................................ XIII 1. Einführung ............................................................................................. 1 1.1 Häufig auftretende Probleme mit Schüttgütern ............................... 1 1.2 Meilensteine der Schüttguttechnik .................................................. 4 2 Grundlagen............................................................................................. 9 2.1 Partikel oder Kontinuum?................................................................ 9 2.2 Kräfte und Spannungen ................................................................. 10 2.3 Spannungsverhältnisse in Schüttgütern ......................................... 12 2.3.1 Einführung des Mohrschen Spannungskreises ....................... 13 2.3.2 Berechnungen zum Mohrschen Spannungskreis .................... 16 2.4 Schüttgutdichte .............................................................................. 20 2.5 Elastische und plastische Verformung........................................... 22 2.6 Haftkräfte....................................................................................... 24 2.7 Einfluss der Partikelgröße auf das Verhalten des Schüttgutes....... 32 3 Fließeigenschaften von Schüttgütern ................................................. 35 3.1 Einachsiger Druckversuch als Modell ........................................... 35 3.1.1 Verfestigung von Schüttgütern ............................................... 35 3.1.2 Zeitverfestigung...................................................................... 38 3.1.3 Darstellung mit Spannungskreisen ......................................... 39 3.1.4 Kennzahlen zur Charakterisierung der Fließfähigkeit ............ 42 3.2 Prinzip der Messung mit Schergeräten .......................................... 48 3.2.1 Messprozedur ......................................................................... 48 3.2.2 Fließort und Fließeigenschaften ............................................. 56 3.2.3 Zeitverfestigung (Caking)....................................................... 67 3.3 Wandreibung ................................................................................. 71 3.3.1 Messprozedur für Wandfließorte............................................ 71 3.3.2 Wandfließort und Wandreibungswinkel (kinematisch).......... 73 3.3.3 Zeitwandfließort, statische Wandreibung............................... 75
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4 Praktisches Messen von Fließeigenschaften ...................................... 79 4.1 Messungen mit Schergeräten......................................................... 79 4.1.1 Messung von Fließorten mit dem Jenike-Schergerät.............. 80 4.1.2 Messung von Fließorten mit dem Ringschergerät .................. 88 4.1.3 Messung der Zeitverfestigung ................................................ 92 4.1.4 Messung der kinematischen Wandreibung............................. 94 4.1.5 Messung der statischen Wandreibung .................................... 97 4.1.6 Abriebmessung ....................................................................... 98 4.1.7 Messung der Verdichtbarkeit................................................ 101 4.2 Festlegen der Spannungen ........................................................... 103 4.2.1 Fließorte (Fließfähigkeit)...................................................... 103 4.2.2 Zeitfließorte (Fließfähigkeit bei Zeitverfestigung)............... 112 4.2.3 Wandfließorte (Wandreibung).............................................. 113 4.3 Anwendungsbezogene Messung von Fließeigenschaften............ 114 4.3.1 Vergleichsmessungen ........................................................... 114 4.3.2 Verfahrenstechnische Siloauslegung .................................... 115 5 Anmerkungen zum realen Verhalten von Schüttgütern ................ 117 5.1 Anisotropie und Einfluss der Verformung .................................. 117 5.1.1 Spannungen .......................................................................... 119 5.1.2 Schüttgutdichte ..................................................................... 129 5.1.3 Druckfestigkeit (Schüttgutfestigkeit) ................................... 130 5.2 Scherverformung, Scherzonen, Lokalisation............................... 133 5.2.1 Idealisierung: Einfaches Scheren und reines Scheren .......... 133 5.2.2 Scherzonen und Scherbänder................................................ 136 5.2.3 Dilatanz................................................................................. 144 5.2.4 Stationäres Fließen und Dilatanz beim Messen von Fließeigenschaften .......................................................................... 148 5.3 Fließorte....................................................................................... 151 5.3.1 Anscherpunkt, Abscherpunkte und Spannungskreise........... 152 5.3.2 Zugfestigkeit und Kohäsion.................................................. 155 5.3.3 Verhalten bei sehr kleinen Spannungen ............................... 160 5.4 Einfluss der Geschwindigkeit ...................................................... 165 6 Überblick über Messverfahren und Messgeräte............................. 167 6.1 Einflüsse auf das Messergebnis ................................................... 167 6.1.1 Prozedur und Hauptspannungen........................................... 167 6.1.2 Spannungen in der Messebene ............................................. 171 6.2 Anforderungen an Messgeräte für Fließeigenschaften ................ 172 6.3 Messverfahren (Übersicht) .......................................................... 173 6.3.1 Trichter ................................................................................. 175 6.3.2 Böschungswinkel.................................................................. 176
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6.3.3 Lawinenbildung (Avalanching) ............................................ 178 6.3.4 Imse-Test .............................................................................. 179 6.3.5 Fließfähigkeitsindex nach Carr............................................. 180 6.3.6 Rührer ................................................................................... 181 6.3.7 Verdichtbarkeitsmessung...................................................... 182 6.3.8 Cohesion Tester, Flowability Test........................................ 183 6.3.9 Penetration Test .................................................................... 185 6.3.10 Einachsiger Druckversuch .................................................. 185 6.3.11 Monoaxial Shear Test......................................................... 186 6.3.12 Powder Bed Tester mit Zugfestigkeitsmessung ................. 187 6.3.13 Einachsige Zugfestigkeitsmessung..................................... 188 6.3.14 Zugfestigkeitsmessung mit Gasströmung........................... 189 6.3.15 Johanson Hang-up Indicizer™, ähnliche Messprinzipien .. 190 6.3.16 Quality Control Tester ........................................................ 192 6.3.17 Zweiachsiger Druckversuch (Biaxial compression test) .... 193 6.3.18 Jenike-Schergerät................................................................ 194 6.3.19 Torsionsschergeräte ............................................................ 195 6.3.20 Ringschergeräte .................................................................. 196 6.4 Bemerkungen zu Aussagekraft und Genauigkeit......................... 197 6.5 Messung von Haftkräften ............................................................ 200 6.6 Zusammenfassung ....................................................................... 202 7 Spezielle Eigenschaften und Einflüsse auf das Fließverhalten ...... 203 7.1 Effekte beim Fließen von Schüttgütern ....................................... 203 7.1.1 Slip-Stick-Effekt durch Zeit- und Geschwindigkeitsabhängigkeit....................................................... 203 7.1.2 Wegabhängigkeit der Wandreibung ..................................... 213 7.2 Einflüsse auf das Fließverhalten .................................................. 215 7.2.1 Partikelgrößenverteilung ...................................................... 215 7.2.2 Fließhilfsmittel ..................................................................... 215 7.2.3 Flüssigkeit, Feuchtigkeit....................................................... 220 7.2.4 Gasströmung......................................................................... 223 7.2.5 Partikelform .......................................................................... 227 7.2.6 Agglomeratbildung............................................................... 235 8 Beispiele gemessener Fließeigenschaften ......................................... 239 8.1 Fließhilfsmittel............................................................................. 239 8.2 Feuchtigkeit ................................................................................. 241 8.3 Temperatur................................................................................... 243 8.4 Zeitverfestigung........................................................................... 244 8.5 Feinheit ........................................................................................ 246 8.6 Abrieb .......................................................................................... 248
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8.7 Schüttgutdichte ............................................................................ 249 8.8 Spannungsabhängigkeit des Wandreibungswinkels .................... 251 8.9 Wandreibungswinkel in Abhängigkeit vom Wandmaterial......... 253 9 Spannungen im Schüttgut ................................................................. 257 9.1 Spannungsverhältnisse bei der Lagerung in Silos ....................... 257 9.1.1 Horizontallastverhältnis........................................................ 257 9.1.2 Spannungsverläufe ............................................................... 260 9.2 Berechnungsverfahren (Übersicht).............................................. 266 9.2.1 Berechnung der Spannungen im Siloschaft.......................... 268 9.2.2 Weitere Anwendungen der Janssen-Gleichung .................... 270 9.2.3 Schüttguteigenschaften zur Spannungsberechnung.............. 275 9.2.4 Abschätzung der Spannungen an der Auslauföffnung ......... 278 9.2.5 Spannungsberechnung für das Gesamtsystem...................... 279 9.3 Belastung von Austraggeräten..................................................... 280 9.3.1 Vertikalspannung an der Auslauföffnung............................. 280 9.3.2 Abschätzen von Abzugskräften ............................................ 283 9.4 Einflüsse auf die Spannungsverteilung........................................ 286 9.4.1 Lokale Querschnittsänderungen ........................................... 287 9.4.2 Exzentrisches Fließen ........................................................... 293 10 Verfahrenstechnische Siloauslegung.............................................. 299 10.1 Fließprofile: Massenfluss und Kernfluss ................................... 299 10.2 Probleme beim Lagern von Schüttgütern in Silos ..................... 301 10.3 Das Auslegungsverfahren von Jenike........................................ 303 10.3.1 Auslegung von Massenflusssilos........................................ 304 10.3.2 Auslegung von Kernflusssilos ............................................ 315 10.4 Anwendungen der Ergebnisse der Siloauslegung...................... 321 10.5 Diagramme zur Siloauslegung................................................... 322 11 Silogestaltung ................................................................................... 327 11.1 Einfluss der Fließeigenschaften auf die Silogestaltung ............. 327 11.2 Trichtergestaltung...................................................................... 328 11.2.1 Trichterformen.................................................................... 328 11.2.2 Übergänge und Wandgestaltung......................................... 331 11.2.3 Mehrere Auslauföffnungen................................................. 334 11.2.4 Sonderfälle: Unterschiedliche Wandneigungswinkel......... 335 11.3 Einbauten ................................................................................... 337 11.3.1 Verdrängende Einbauten .................................................... 337 11.3.2 Trichterförmige Einbauten ................................................. 340 11.3.3 Rohrförmige Einbauten ...................................................... 341
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12 Schüttgutaustrag.............................................................................. 347 12.1 Freier Auslauf und maximaler Massenstrom............................. 347 12.1.1 Abschätzung des Auslaufmassenstroms grobkörniger Schüttgüter...................................................................................... 349 12.1.2 Auslaufmassenstrom feinkörniger Schüttgüter................... 350 12.2 Austraghilfen ............................................................................. 355 12.2.1 Pneumatische Austraghilfen ............................................... 355 12.2.2 Mechanische Austraghilfen ................................................ 358 12.2.3 Einsatz von Austraghilfen .................................................. 360 12.3 Austraggeräte............................................................................. 361 12.3.1 Regeln zur Gestaltung hinsichtlich Massenfluss ................ 362 12.3.2 Übersicht............................................................................. 365 12.4 Einsatz von Austraghilfen und Austraggeräten ......................... 385 13 Entmischung..................................................................................... 391 13.1 Entmischungsmechanismen....................................................... 391 13.1.1 Siebeffekt und andere Entmischungsmechanismen auf Böschungen .................................................................................... 392 13.1.2 Perkolation bei Verformung des Schüttgutes ..................... 394 13.1.3 Flugbahn und Gasströmung................................................ 396 13.2 Reduzieren der Entmischung beim Lagern von Schüttgütern ... 400 13.2.1 Veränderung des Schüttgutes ............................................. 401 13.2.2 Optimieren von Einfüllprozessen ....................................... 402 13.2.3 Zusammenführen des entmischten Schüttgutes.................. 407 13.3 Probenahme ............................................................................... 414 13.4 Schlussfolgerungen.................................................................... 414 14 Erschütterungen und Schwingungen in Silos................................ 417 14.1 Phänomen .................................................................................. 417 14.2 Erschütterungen als Ergebnis schlagartig bewegter Schüttgutmassen ................................................................................. 418 14.3 Schlagartiges und pulsierendes Fließen durch Slip-Stick......... 421 14.4 Scherzonen im Silo .................................................................... 421 14.5 Erschütterungen durch Slip-Stick-Reibung ............................... 425 14.5.1 Scherzonen im fließenden Schüttgut .................................. 425 14.5.2 Veränderliche tote Zonen (Kernfluss) ................................ 431 14.5.3 Fließen an der Silowand ..................................................... 435 14.5.4 Kombinationen verschiedener Mechanismen..................... 441 14.6 Erschütterungen durch andere Ursachen ................................... 441 14.6.1 Große Massenströme bei kleinen Auslauföffnungen.......... 441 14.6.2 Zyklische Anregung durch das Austraggerät ..................... 442 14.6.3 Zusammenbrechende Brücken und Schächte ..................... 442
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14.7 Maßnahmen zur Reduzierung von Silobeben und Silohupen.... 443 14.7.1 Verringerung der beschleunigten Masse ............................ 444 14.7.2 Regelmäßiges Auslösen von kleinen Erschütterungen....... 446 14.7.3 Erhöhung der Wandrauhigkeit im Siloschaft ..................... 447 14.7.4 Vergleichmäßigung des Fließprofils .................................. 448 14.7.5 Umwandeln von Kernfluss in Massenfluss ........................ 449 15 Beispielaufgaben mit Lösungen...................................................... 451 15.1 Allgemeine Hinweise zu den Aufgaben .................................... 451 15.2 Aufgaben und Lösungen............................................................ 451 Aufgabe 1: Spannungen im Siloschaft ........................................... 451 Aufgabe 2: Maximale Spannung im Massenflusssilo (Abrieb)...... 453 Aufgabe 3: Entleerungsrohr............................................................ 454 Aufgabe 4: Abzugskraft ................................................................. 456 Aufgabe 5: Presse ........................................................................... 457 Aufgabe 6: Spannungen bei Kombination von Behältern .............. 459 Aufgabe 7: Spannungen in BigBags und gestapelten Säcken ........ 461 Aufgabe 8: Auslaufmassenstrom.................................................... 462 Aufgabe 9: Auswahl eines Wandmaterials für Massenfluss .......... 463 Aufgabe 10: Auslegung eines Massenflusssilos............................. 464 Aufgabe 11: Auslegung eines Kernflusssilos ................................. 468 Aufgabe 12: Auslegung eines Silos bei Zeitverfestigung............... 473 Symbolverzeichnis ................................................................................. 479 Literaturverzeichnis .............................................................................. 483 Sachverzeichnis ...................................................................................... 513
1. Einführung
Pulver und Schüttgüter treten in allen fast allen Industriezweigen auf, von der Pulverlackierung bis hin zu Lebensmitteln, von Nanopulvern und pharmazeutischen Stoffen bis hin zu Massengütern wie Zement, Kohle und Erz, von trockenen Stoffen wie Filterasche bis zu feuchten Schüttgütern wie Filterkuchen, Lehm und Ton. All diese Stoffe müssen transportiert, gelagert, dosiert oder anderweitig gehandhabt werden. Dabei spielt die Charakterisierung von Pulvern und Schüttgütern hinsichtlich der Fließeigenschaften eine wichtige Rolle u.a. im Rahmen der Produktentwicklung, der Kundenunterstützung und der Behandlung von Reklamationen. Speziell beim Austragen von Pulvern und Schüttgütern aus Silos, Zuführtrichtern, Transportbehältern etc. können größere Probleme auftreten, z.B. durch Fließstörungen, Entmischung, Erschütterungen oder unregelmäßigen Fluss. Um diese Probleme zu vermeiden, sind Lösungen unter Berücksichtigung der Eigenschaften des Schüttgutes zu finden.
1.1 Häufig auftretende Probleme mit Schüttgütern Silos, Zuführtrichter und andere Schüttgutbehälter sind häufig nicht der Schwerpunkt bei der Planung einer Anlage, da diese in der Regel wenig zur Wertschöpfung durch Veredelung oder Erzeugung eines Produktes beitragen. Andererseits können sie aber bei nicht sachgerechter Auslegung Anlagendurchsatz oder Produktqualität negativ beeinflussen. Trotzdem werden viele Schüttgutbehälter ohne Rücksicht auf das Verhalten des zu lagernden Schüttgutes gebaut. Dies führt zu den bekannten Effekten, z.B. zu Fließproblemen, die häufig an den Spuren von Hammerschlägen am Trichter zu erkennen sind (Abb. 1.1). Auch bei der Handhabung von Schüttgütern im kleinen Maßstab (z.B. Dosieren) treten ähnliche Probleme auf wie die, die nachfolgend anhand von Silos dargelegt werden, denn die grundlegenden Gesetzmäßigkeiten sind in beiden Fällen gleich. Abbildung 1.2 zeigt eine Reihe von Problemen, die beim Betrieb von Silos auftreten können. Ist die Auslauföffnung zu klein, kann sich ein sta-
2
1. Einführung
biles Gewölbe (Brücke) bilden, so dass der Schüttgutfluss zum Erliegen kommt (Abb. 1.2.a). Sind die Partikel groß im Verhältnis zur Auslauföffnung, liegt dies am Verkeilen der Partikel. Bei feinen Schüttgütern ist die Ursache die Festigkeit des Schüttgutes aufgrund von Haftkräften zwischen den Partikeln.
Abb. 1.1. Spuren von Hammerschlägen am Trichter – Zeichen für Fließprobleme
Ein weiteres Problem kann Kernfluss sein (Abb. 1.2.b). Kernfluss tritt z.B. dann auf, wenn die Trichterwände nicht steil oder glatt genug sind. In diesem Fall kann das Schüttgut im gefüllten Silo nicht unmittelbar auf den Trichterwänden nach unten gleiten. Es bilden sich tote Zonen, und nur in einer Fließzone, die sich von der Auslauföffnung nach oben hin erstreckt, bewegt sich das Schüttgut nach unten. Wird der Silo als Puffer betrieben, bleibt das Schüttgut sehr lange in den toten Zonen und kann seine Eigenschaften verändern (z.B. verderben). Außerdem kann sich das Schüttgut in den toten Zonen so sehr verfestigen, dass es nicht mehr allein aufgrund der Schwerkraft ausfließen kann. Erkennbar ist dies an einem von der Auslauföffnung nach oben reichenden leeren „Schacht“ (Abb. 1.2.c). Kernfluss kann auch dazu führen, dass Teile des Produktes extrem kurze Verweilzeiten haben (Abb. 1.2.d), so dass frisch eingefülltes Produkt sofort wieder abgezogen wird. Ein leicht mit Luft fluidisierbares Schüttgut
1.1 Häufig auftretende Probleme mit Schüttgütern
3
(z.B. Mehl, Feinkalk) hat dadurch nicht die Zeit, sich zu entlüften, und wird dadurch wie eine Flüssigkeit ungebremst aus der Auslauföffnung schießen. Möglich ist dadurch eine erhöhte Staubbelastung der Umgebung bis hin zum Überfluten des Austraggerätes.
Abb. 1.2. Mögliche Probleme beim Betreiben von Silos; a. Brückenbildung; b. Kernfluss mit breiter Verweilzeitverteilung und Verschlechterung der Produktqualität, c. Schachtbildung; d. Schießen; e. Entmischung, f. Einseitiger Abzug durch Austraggerät, g. Beulen aufgrund von einseitigem Schüttgutfluss, h. Erschütterungen (Silobeben und Silohupen)
Kernfluss kann auch zur Verschlechterung der Produktqualität durch Entmischung führen (Abb. 1.2.e). Beim Füllen eines Silos muss man stets damit rechnen, dass sich das Produkt über dem Siloquerschnitt entmischt. Bei zentrischer Befüllung findet man meist die kleineren Partikel in der Siloachse und die größeren Partikel am Rand. Herrscht im Silo Kernfluss, wird zunächst das Produkt aus der Mitte (Feingut) ausfließen, während das gröbere Produkt vom Rand erst später folgt. Dadurch entsteht am Auslauf ein zeitlich entmischter Schüttgutstrom, was nicht nur beim Befüllen von
4
1. Einführung
kleinen Gebinden eine Qualitätsminderung darstellt, sondern auch den stationären Betrieb nachfolgender Prozesse unmöglich machen kann. Austraggeräte können bei ungünstiger Gestaltung zum einseitigen Schüttgutabzug und damit zu Kernfluss führen. Der in Abb. 1.2.f gezeigte Schneckenförderer füllt sich bereits am hinteren Ende mit Schüttgut, so dass weiter vorn kein weiteres Schüttgut abgezogen werden kann. Einseitiger Schüttgutabzug kann auch andere Ursachen haben, z.B. die Benutzung nur einer von mehreren Auslauföffnungen (Abb. 1.2.g). Einseitiger Schüttgutfluss führt zu einer ungünstigen unsymmetrischen Belastung der Silostruktur. Damit vergrößert sich bei dünnwandigen Metallsilos die Gefahr des Beulens der Silowand. Beim Fließen des Schüttgutes im Silo kann es aufgrund verschiedener Ursachen zu Erschütterungen kommen (Abb. 1.2.h). Bei niedriger Frequenz spricht man von Silobeben, bei hörbaren Frequenzen von Silohupen. Die beschriebenen Probleme resultieren zum einen aus apparativen Gegebenheiten (z.B. Form des Austraggerätes), zum anderen aus den Eigenschaften des Schüttgutes (Festigkeit, Reibung). Bei der Gestaltung von Silos, Zuführtrichtern, Behältern etc. oder bei der Optimierung von Pulvern und Schüttgütern ist also zuerst das Verhalten des Schüttgutes zu bestimmen. Dieses führt dann über die Anwendung fundierter Auslegungsverfahren zu einer geometrischen Form (Trichter, Auslaufgröße). Daher beschäftigt sich dieses Buch sowohl mit den Fließeigenschaften von Schüttgütern und ihrer Messung als auch mit Auslegungsverfahren (z.B. Spannungen, Vermeiden von Fließproblemen) und der konstruktiven Gestaltung (z.B. Trichterformen, Schüttgutaustrag).
1.2 Meilensteine der Schüttguttechnik So wie die Gleichung von Bernoulli ein Meilenstein der Strömungsmechanik ist, so gibt es auch in der Schüttguttechnik zwei Namen, die erwähnt werden müssen und im Verlauf dieses Buches immer wieder auftauchen werden: Janssen und Jenike. Janssen war Ende des 19. Jahrhunderts als Ingenieur in Bremen tätig, als immer größere Mengen Getreide aus Übersee importiert wurden und somit gelagert werden mussten. Aus den Vereinigten Staaten war die Lagerung von Getreide in Silos bekannt (Getreide war das erste in großen Mengen gelagerte Schüttgut, um 1900 folgten Zement und Mehl [1.1]). Die verfügbaren Bauhandbücher enthielten aber keine Bemessungsgrundlagen für Silos. Aus der Literatur [1.2,1.3] wusste Janssen, dass die Spannungen in Silos wegen der Schüttgutreibung nicht wie in einer Flüssigkeit linear
1.2 Meilensteine der Schüttguttechnik
5
ansteigen, sondern dass sich im Silo ab einer bestimmten Füllhöhe die Spannung am Boden nicht weiter erhöht. Um den Anstieg der Spannungen mit der Füllhöhe genauer zu untersuchen, erstellte Janssen den in Abb. 1.3 gezeigten Versuchsaufbau [1.4]. Silomodelle aus Holz mit quadratischen Querschnitten unterschiedlicher Seitenlänge wurden über einer Dezimalwaage aufgebaut. Bei verschiedenen Füllhöhen wurde die auf die Waage wirkende Kraft (und damit die Vertikalspannung) gemessen. Es bestätigte sich, dass die Vertikalspannung nicht proportional zur Füllmenge bzw. zum Füllstand war (Abb. 1.4). Das Schüttgut zeigte also nicht den für Flüssigkeiten typischen linearen Anstieg des Druckes mit der Füllhöhe.
Abb. 1.3. Janssens Versuchsaufbau zur Messung der Vertikalspannung (Abb. entnommen aus [1.4])
Janssen erkannte, dass sich das Schüttgut über Reibung an der Silowand abstützt. Zur Messung des Reibungskoeffizienten zwischen Wand und Schüttgut verwendete er den in Abb. 1.5 gezeigten Aufbau, bei dem eine Platte des Silowandmaterials (Holz) unter verschiedenen Auflasten über das Schüttgut gezogen und die dazu erforderliche Kraft F gemessen wird. Außerdem entwickelte Janssen aus dem Kräftegleichgewicht an einer Schüttgutscheibe im Siloschaft eine Gleichung, mit der der Spannungsverlauf im Siloschaft berechnet werden kann. Diese „Janssen-Gleichung“
6
1. Einführung
wird auch heute noch verwendet und liegt vielen Normen zur Ermittlung der Lasten in Silos zugrunde, z.B. der alten deutschen Norm DIN 1055 Teil 6 [1.5] und der neuen „europäischen“ Norm DIN 1055-6:2005-03 [1.6]. Die Gleichung wird im Abschnitt 9.2.1 näher betrachtet.
Abb. 1.4. Messergebnisse: Bodendruck (Vertikalspannung) in Abhängigkeit von der Menge des eingefüllten Getreides (Abb. entnommen aus [1.4])
Abb. 1.5. Aufbau zur Messung der Reibung zwischen Schüttgut und dem Material der Silowand (Abb. entnommen aus [1.4])
Dr. Andrew W. Jenike absolvierte 1939 ein Maschinenbaustudium in Warschau. Nach dem Zweiten Weltkrieg promovierte er 1949 in England, wanderte nach Kanada und später vor dort in die USA aus. In den Fünfziger Jahren, nahe dem 40. Lebensjahr, war er auf der Suche nach einem Gebiet, auf dem man einen einzigartigen und herausragenden ingenieurwissenschaftlichen Beitrag leisten konnte. Er verbrachte ein Jahr, um etwa vierzig Forschungsgebiete zu untersuchen. Jenike entschied sich schließlich für die Schüttguttechnik, denn dort fand er ein besonders niedriges technisches Niveau vor. Mit Unterstützung von Forschungsgeldern baute er an der University of Utah in Salt Lake City ein „Bulk solids flow laboratory“ auf [1.7]. Aufbauend auf den Grundlagen der Bodenmechanik beschrieb Jenike das Verhalten von Schüttgütern mit Hilfe des Fließortes (engl.: yield locus). Außerdem erarbeitete er eine Theorie zur Beschreibung der Span-
1.2 Meilensteine der Schüttguttechnik
7
nungen im Silo, insbesondere im Trichter [1.8,1.9]. Jenike prägte die Begriffe Massenfluss und Kernfluss [1.10], die das wohl wichtigste Beurteilungskriterium für den Schüttgutfluss im Silo darstellen. Bei Kernfluss ist während des Schüttgutabzugs nur ein Teil der Schüttgutfüllung in Bewegung, während der Rest unbeweglich verharrt und „tote Zonen“ bildet (Abb. 1.6.a). Bei Massenfluss kommt dagegen beim Schüttgutabzug sämtliches Schüttgut im Silo in Bewegung (Abb. 1.6.b).
Abb. 1.6. Kernfluss (a) und Massenfluss (b)
Auf der Grundlage seiner Berechnungen entwickelte Jenike ein theoretisch fundiertes Verfahren, mit dem Silos für störungsfreien Schüttgutfluss ausgelegt werden konnten (s. Kap. 10). Von nun an war es möglich, die Wandneigung eines Trichters zu berechnen, die Massenfluss (Abb. 1.6.b) ermöglichte, und die Auslaufabmessungen vorherzusagen, die zur Vermeidung von Brückenbildung (Abb. 1.2.a) oder Schachtbildung (Abb. 1.2.c) notwendig sind. Außerdem beschäftigte sich Jenike mit der praktischen Gestaltung von Silos, z.B. hinsichtlich des Zusammenwirkens von Austraggerät und Silo (s. Abb. 1.2.f). Zur Bestimmung der Fließeigenschaften, deren Kenntnis Voraussetzung zur Anwendung des Auslegungsverfahrens ist, entwickelte er ein Messgerät, das weithin als Jenike-Schergerät bekannt ist. Bis heute ist das Jenike-Verfahren das weltweit am meisten benutzte Auslegungsverfahren für Silos, obwohl in der Zwischenzeit auch andere Ansätze publiziert wurden. Jenikes Arbeiten, insbesondere seine wichtigste Publikation, das Bulletin 123 „Storage and flow of solids“ [1.9], werden immer noch als grundlegende Literatur zum Thema Silo zitiert. Mit der Beschreibung der Fließeigenschaften durch den Fließort und der Vorstellung eines geeigneten Messgerätes schuf Jenike die Grundlagen für die quantitative Ermittlung des Fließverhaltens (z.B. Fließfähigkeit), was weit über archaische, vergleichsweise ungenaue Methoden wie z.B. die Messung von Böschungswinkeln hinausgeht (s. Kap. 3 und 6).
2 Grundlagen
2.1 Partikel oder Kontinuum? Ein Schüttgut setzt sich aus einzelnen Partikeln zusammen. Grundsätzlich besteht daher die Möglichkeit, zur Beschreibung des Schüttgutverhaltens die Kräfte zwischen den einzelnen Partikeln zu betrachten. Wie man leicht nachvollziehen kann, ist dies aber ein schwieriges und aufwendiges Unterfangen, denn die Zahl der in einem technischen System zu betrachtenden Partikel ist in der Regel sehr groß (z.B. sind ca. 109 Partikel mit dem Durchmesser 10 µm in einem cm3 enthalten), jedes Partikel hat eine andere Form, und die Haftkräfte zwischen einzelnen Partikeln sind kaum genau wiederzugeben. Auch wenn seit einigen Jahren zunehmend entsprechende Berechnungen (Diskrete Elemente Methode) durchgeführt werden, sind diese aufgrund der verfügbaren Rechenleistung hinsichtlich der Anzahl der Partikel und der Komplexität und Vielfalt der Partikelform begrenzt. Die andere Betrachtungsweise ist die, das Schüttgut als ein Kontinuum anzusehen. Man betrachtet dazu nicht die Kräfte an den einzelnen Partikeln des Schüttgutes, sondern die Kräfte auf die Begrenzungsflächen einzelner Volumenelemente und die daraus folgenden Verformungen, ähnlich wie auch in der Strömungsmechanik oder der Festigkeitslehre. Kräfte zwischen einzelnen Partikeln werden dabei nur integral betrachtet. Die Volumenelemente werden hinreichend groß gegenüber den einzelnen Partikeln gewählt, so dass lokale Vorgänge an einzelnen Partikelkontakten nicht berücksichtigt werden müssen. Die letztgenannte Betrachtungsweise, also die Anwendung der Methoden der Kontinuumsmechanik, ist die klassische Vorgehensweise in der Schüttgutmechanik, die in diesem Buch dargelegt wird. Dies gilt sowohl für die Messung von Fließeigenschaften, bei der üblicherweise Kräfte und Verformungen an einem definierten Schüttgutvolumen untersucht werden, als auch für Berechnungsverfahren.
10
2 Grundlagen
2.2 Kräfte und Spannungen Der Belastungszustand eines Schüttgutes wird wie in der Kontinuumsmechanik beschrieben, d.h. man betrachtet nicht die Kräfte an den einzelnen Partikeln des Schüttgutes, sondern die Kräfte auf die Begrenzungsflächen einzelner Volumenelemente. Eine auf eine Begrenzungsfläche A wirkende Kraft F (Abb. 2.1) beliebiger Richtung teilt man auf in: • die Normalkraft FN: Kraft senkrecht („normal“) zur Fläche A. • die Schubkraft FS: Kraft parallel zur Fläche A.
Abb. 2.1. a. Angreifende Kraft; b. Zerlegung in Komponenten; Spannungen
Um die Belastung des Schüttgutes unabhängig von der Größe der gerade betrachteten Fläche beschreiben zu können, berechnet man Spannungen. Eine Spannung ist wie ein Druck durch das Verhältnis von Kraft zu Fläche definiert. Bezieht man also die oben beschriebenen Kräfte FS und FN auf die Fläche A, so erhält man • die Normalspannung σ = FN/A : Spannung senkrecht („normal“) zur Fläche A; • die Schubspannung τ = FS /A : Spannung parallel zur Fläche A. Kann man die auf eine Fläche A wirkende Belastung in Normalkraft und Schubkraft aufteilen, lassen sich Normal- und Schubspannung wie oben beschrieben berechnen. In der Schüttguttechnik haben Schubspannungen immer etwas mit Reibung zu tun: Befindet sich ein Schüttgut z.B. auf einer horizontalen Ebene (Abb. 2.2.a) und ist nur der senkrecht zur Ebene wirkenden Schwerkraft unterworfen, so wirkt (im Mittel) keine Schubspannung zwischen Ebene und Schüttgut. Das Schüttgut bleibt in Ruhe liegen. Wird die Ebene um einen Winkel α zur Horizontalen geneigt, wird das Schüttgut herabrutschen, wenn die Neigung der Ebene zur Horizontalen hinreichend groß ist (Abb. 2.2.c). Bei flacherer Neigung (Abb. 2.2.b) wird
2.2 Kräfte und Spannungen
11
das Schüttgut dagegen nicht rutschen. In beiden Fällen wirkt eine Schubspannung τ zwischen Schüttgut und geneigter Ebene, und zwar auf das Schüttgut in Richtung der in Abb. 2.2 eingezeichneten Pfeile. Ist die durch die Schubspannung übertragene Kraft mindestens so groß wie die Kraft, die das Schüttgut zum Herunterrutschen bringen will (Hangabtriebskraft), bleibt das Schüttgut liegen. Ist die übertragbare Schubspannung zu klein, rutscht das Schüttgut. Die Größe der übertragbaren Schubspannung hängt mit der Reibung zwischen Schüttgut und Ebene zusammen: Eine Ebene mit rauer Oberfläche wird in der Lage sein, größere Schubspannungen zu übertragen als eine glattere Ebene, d.h. bei einer rauen Ebene würde das Schüttgut erst bei einer größeren Neigung α abrutschen als bei einer glatteren Ebene. Wäre die geneigte Ebene reibungsfrei („ideal glatt“), so würde das Schüttgut bei jeder Neigung α > 0° herabrutschen, da die Ebene keine Schubspannungen übertragen könnte.
Abb. 2.2. Beispiele für Schubspannungen
In der Schüttguttechnik hat man es meistens mit Druckspannungen zu tun, z.B. bei Lagerung eines Schüttgutes in einem Behälter. Das heißt, dass auf beliebige Flächenelemente innerhalb des Schüttgutes Normalkräfte ähnlich wie in Abb. 2.1 „drücken“. Zugkräfte treten in der Schüttguttechnik dagegen kaum auf. Daher definiert man in der Schüttguttechnik (im Gegensatz zur Technischen Mechanik, aber analog zum Druck in der Fluidmechanik) Druckkräfte als positive Kräfte und damit Druckspannungen als positive Normalspannungen σ. Zugkräfte und Zugspannungen sind mit einem negativen Vorzeichen zu versehen. Für die Richtung der Schubspannungen gibt es ebenfalls Regeln, die hier aber nicht benötigt werden (Näheres s. [2.1, 2.2,2.3]).
12
2 Grundlagen
Die für die Spannungen verwendete Einheit ist Pa (Pascal). 1 Pa ist gleich einem Newton pro Quadratmeter (1 N/m2). 100 000 Pascal sind gleich einem bar.
2.3 Spannungsverhältnisse in Schüttgütern Abbildung 2.3 zeigt ein Schüttgutelement in einem mit Schüttgut gefüllten Behälter (Tiefe unendlich, Innenwände als reibungsfrei angenommen). In vertikaler Richtung wirkt auf das Schüttgutelement die positive Normalspannung σv > 0 (Druckspannung). sv sh
sh
sv Abb. 2.3. Schüttgutelement
Verhielte sich das Schüttgut wie eine ruhende Newtonsche Flüssigkeit, würde in der horizontalen Richtung eine gleich große Spannung wie in der vertikalen Richtung (und allen anderen Richtungen) wirken. Tatsächlich verhält sich ein Schüttgut aber in vielen Beziehungen völlig anders als eine Flüssigkeit, so dass Analogiebetrachtungen zwischen Schüttgut und Flüssigkeit häufig zu völlig falschen Rückschlüssen führen. Im Schüttgut stellt sich aufgrund der vertikalen Belastung in der horizontalen Richtung eine Spannung σh ein, die kleiner ist als die Vertikalspannung σv. Das Verhältnis der Spannungen σh und σv ist als Horizontallastverhältnis λ (auch „Horizontalspannungsverhältnis“; international auch mit K bezeichnet) definiert:
σ λ= h σv
(2.1)
Typische Werte von λ liegen im Bereich von 0,3 bis 0,6 [2.4]. Sind σh und σv Hauptspannungen, verwendet man auch die Bezeichnung λ0.
2.3 Spannungsverhältnisse in Schüttgütern
13
2.3.1 Einführung des Mohrschen Spannungskreises Man sieht am Beispiel von Abb. 2.3, dass ein Schüttgut offensichtlich wie ein Festkörper in der Lage ist, auch in Ruhe in unterschiedlichen Richtungen unterschiedliche Spannungen aufzuweisen. Es ist nun zu klären, welche Spannungen sich in anderen Schnittebenen als in der vertikalen und der horizontalen Schnittebene einstellen. Dies soll anhand eines einfachen Kräftegleichgewichts untersucht werden. Auf die Ober- und Unterseite des Schüttgutes in Abb. 2.3 werden keine Schubspannungen ausgeübt, d.h. die Schubspannung τ ist dort gleich Null. Auch an den Wänden des Behälters wirken keine Schubspannungen, da die Seitenwände als reibungsfrei angenommen wurden. Daher wirken auf das Schüttgut von außen nur die eingezeichneten Normalspannungen. Anhand eines einfachen Kräftegleichgewichtes an einem Volumenelement mit dreieckigem Querschnitt, das aus dem in Abb. 2.3 gezeigten Schüttgutelement herausgeschnitten wurde (Abb. 2.4), lassen sich die Normalspannung σα und die Schubspannung τα in einer um den beliebigen Winkel α geneigten Schnittebene berechnen. Nach einigen Umformungen (z.B. [2.1]), die im folgenden Kapitel gezeigt werden, erhält man als Ergebnis: σ + σh σv − σh + σα = v cos(2α ) 2 2
(2.2)
σ − σh τα = v sin (2α ) 2
(2.3)
Die Wertepaare (σα, τα), die nach den Gln. (2.2) und (2.3) für alle möglichen Winkel α zu berechnen sind, lassen sich in ein σ,τ-Diagramm (Normalspannungs-Schubspannungs-Diagramm) einzeichnen, s. Abb. 2.4. Alle berechneten Wertepaare von Normalspannung und Schubspannung bilden einen Kreis im σ,τ-Diagramm. Der so berechnete Kreis heißt „Mohrscher Spannungskreis“. Sein Mittelpunkt liegt bei σ = σm = (σv+σh)/2 und τ = 0. Der Radius des Kreises ist σr = (σv-σh)/2. Der Mohrsche Spannungskreis repräsentiert die Spannungen in allen um beliebige Winkel α geneigten Schnittflächen, also in allen denkbaren Schnittebenen innerhalb eines Schüttgutelementes. Da der Mittelpunkt des Mohrschen Spannungskreises immer auf der σAchse liegt, hat jeder Mohrsche Spannungskreis zwei Schnittpunkte mit der σ-Achse. Man bezeichnet die dort wirkenden Normalspannungen als Hauptspannungen, wobei die größere Hauptspannung mit σ1 und die kleinere Hauptspannung mit σ2 bezeichnet wird (Vereinbarung; in der Mechanik wird die kleinste Hauptspannung gewöhnlich mit σ3 bezeichnet). Durch
14
2 Grundlagen
Angabe der beiden Hauptspannungen ist die Lage eines Mohrschen Spannungskreises eindeutig definiert. y A
ta
X x
a
A sv
ta sh
sa Schüttgutelement
2a
t
s1= sv
a
s2 = sh s2 = sh
0
Y
Y
2a
s(90°+ a) sm
sa
s1 = sv
X
s
sr - ta
Abb. 2.4. Kräftegleichgewicht am Schüttgutelement, Mohrscher Spannungskreis
Im Beispiel von Abb. 2.4 sind die horizontale und die vertikale Ebene schubspannungsfrei (τ = 0) und damit sogenannte Hauptspannungsebenen. Die Vertikalspannung σv ist in diesem Fall wegen σv > σh der Hauptspannung σ1 und die Horizontalspannung σh der Hauptspannung σ2 gleichzusetzen. Den Winkel α findet man ebenfalls im Mohrschen Spannungskreis (s. Abb. 2.4). Um ausgehend von einer Schnittebene die Spannungen in einer um den Winkel α zur ersten Schnittebene geneigten zweiten Schnittebene zu finden, bewegt man sich im Spannungskreis vom Wertepaar der Normal- und Schubspannung der ersten Schnittebene in umgekehrter Drehrichtung um den Winkel 2α. So sind z.B. zwei senkrecht aufeinander stehende Schnittebenen wie die horizontale und die vertikale Schnittebene (X und Y) in Abb. 2.4 um α = 90° zueinander verdreht. Im Spannungskreis findet man die Punkte, die die Spannungen in den Schnittebenen X und Y wiedergeben, dagegen um 2α = 180° zueinander gedreht vor. Aus den vorangegangenen Erläuterungen ist zu entnehmen, dass der Spannungszustand in einem Schüttgut nicht durch nur einen einzigen Zahlenwert exakt beschrieben werden kann. Ein Spannungskreis kann je nach Belastung eines Schüttgutelementes bei gleichem Mittelpunkt einen kleineren oder größeren Radius haben und damit auch unterschiedliche Hauptspannungen σ1 und σ2. Oder bei einer gegebenen größten Hauptspannung σ1 sind Spannungskreise mit unterschiedlichen Werten für die kleinste Hauptspannung σ2 denkbar. Eine eindeutige Definition ist also nur möglich, wenn wenigstens zwei Zahlenwerte gegeben sind, z.B. σ1 und σ2.
2.3 Spannungsverhältnisse in Schüttgütern
15
Zusätzlich werden die Verhältnisse dadurch kompliziert, dass in der Realität räumliche Spannungszustände existieren, d.h. es gibt nicht nur einen Spannungskreis in einer Raumebene wie in Abb. 2.4. Auch in den beiden zu der dort betrachteten Raumebene senkrechten Raumebenen findet man jeweils einen Spannungskreis [2.1,2.3,2.5,2.6]. Es existieren daher drei aufeinander senkrecht stehende Hauptspannungen, die den räumlichen Spannungszustand eindeutig beschreiben. In Abb. 2.5 ist ein Materialelement so ausgeschnitten, dass auf seine Seiten jeweils eine Hauptspannung wirkt, d.h. die Flächen des Würfels sind parallel zu den Hauptspannungsebenen. Für jede Hauptspannungsebene ist im σ,τ-Diagramm der zugehörige Mohrsche Spannungskreis gezeichnet. Den größten Kreis erhält man für die Schnittebene, deren Normale die mittlere Hauptspannung σ3 ist, denn in dieser Schnittebene wirken die kleinste und die größte Hauptspannung, also σ2 und σ1. Für viele Anwendungen in der Schüttguttechnik reicht die Betrachtung einer Ebene aus, man spricht dann von einem ebenen Spannungszustand. In der Regel wird die Ebene betrachtet, in der die größte und die kleinste der drei Hauptspannungen wirken, da hier die größten Schubspannungen auftreten [2.1,2.5,2.6]. Schubspannungen sind insofern besonders wichtig, da sie für das Abgleiten von Partikeln aufeinander, also für das Fließen des Schüttgutes, verantwortlich sind.
Abb. 2.5. Würfelförmiges Materialelement mit den drei aufeinander senkrecht stehenden Hauptspannungen, Spannungskreise für die drei Hauptspannungsebenen.
Da aber auch die Angabe von zwei Hauptspannungen zur Kennzeichnung des Spannungszustands häufig noch zu kompliziert erscheint, ist es üblich, als Näherung nur die größte Hauptspannung σ1 zu nennen. Demzufolge würde man den Spannungszustand in Abb. 2.4 durch die größte Hauptspannung σ1, die dort gleich der aufgebrachten Vertikalspannung σv ist, kennzeichnen. Vereinfacht ausgedrückt: Man nimmt vereinfachend an,
16
2 Grundlagen
dass die größte aller in unterschiedlichen Richtungen auf ein Schüttgutelement einwirkenden Normalspannungen die maßgebliche Spannung für den Schüttgutzustand ist. Dies benutzt man z.B. beim Belasten einer Schüttgutprobe mit einer bestimmten Vertikalspannung, z.B. durch das Auflegen von Gewichten der Masse m (Abb. 2.6). Dabei gibt man in der Regel die größte Hauptspannung σ1 an, die sich in diesem Fall aus der Gewichtskraft (mg) der Gewichte dividiert durch die Auflagefläche A ergibt, und bezeichnet diese als Verfestigungsspannung σ1. sv = s1 =
mg A
Masse m (Gewichtsstücke) Fläche A
Abb. 2.6. Verfestigungsspannung σ1 am Beispiel der einachsigen Verdichtung in einem Hohlzylinder mit reibungsfreien Wänden
2.3.2 Berechnungen zum Mohrschen Spannungskreis Dieses Kapitel zeigt zur Ergänzung den mathematischen Weg vom Kräftegleichgewicht am Volumenelement zu den Gln.(2.2) und (2.3) und den Beweis für die Existenz von zwei aufeinander senkrecht stehenden Hauptspannungsebenen. Das Kräftegleichgewicht in x- und y-Richtung am dreieckigen Schüttgutelement in Abb. 2.4 (Ausdehnung des Schüttgutelementes senkrecht zur Zeichenebene gleich 1) führt zu:
∑ Fx
= σ v l cos α − σ α l cos α − τ α l sin α = 0
(2.4)
∑ Fy
= σ α l sin α − τ α l cos α − σ h l sin α = 0
(2.5)
Hieraus folgt:
τα =
σ v cos α − σ α cos α sin α
(2.6)
2.3 Spannungsverhältnisse in Schüttgütern
τ cos α + σ h sin α σα = α sin α
17
(2.7)
Einsetzen von Gl.(2.6) in Gl.(2.7) und Eliminieren von τα führt zu:
σα =
σ v (cos α )2 − σ α (cos α )2
(sin α )2
(cosα )2 ⇒ σ α 1 + (sinα )2
(
+σh.
2 = σ (cosα ) + σ v h (sinα )2
)
(2.8)
(sin α )2 + (cos α )2 = 1
(2.9)
σ α = σ v (cos α )2 + σ h (sin α )2 .
(2.10)
⇒ σ α (sin α )2 + (cos α )2 = σ v (cos α )2 + σ h (sin α )2 Wegen
wird hieraus:
Mit den bekannten mathematischen Zusammenhängen
(sin α )2 = 1 (1 − cos 2α )
(2.11)
(cos α )2 = 1 (1 + cos 2α )
(2.12)
2
2
folgt aus Gl.(2.10) entsprechend Gl.(2.2): 1 2
1 2
σ α = σ v (1 + cos 2α ) + σ h (1 − cos 2α ) σ +σh σv −σh ⇒ σα = v + cos 2α 2 2 Setzt man σα aus Gl.(2.10) in Gl.(2.6) ein, folgt:
σ v cos α − σ v (cos α )3 − σ h (sin α )2 cos α τα = sin α
(2.13)
18
2 Grundlagen
⇒τα =
(
)
σ v cos α 1 − (cos α )2 − σ h (sin α )2 cos α sin α
⇒τα =
σ v cos α (sin α )2 − σ h (sin α )2 cos α sin α
⇒ τ α = (σ v − σ h ) cos α sin α
(2.14)
Nach Einsetzen des bekannten Zusammenhangs cos α sin α =
1 sin 2α 2
(2.15)
folgt schließlich aus Gl.(2.14) entsprechend Gl.(2.3):
τα =
σv −σh 2
sin 2α .
(2.16)
Der in Abb. 2.4 gezeigte Belastungsfall setzt bereits voraus, dass in zwei zueinander senkrechten Richtungen keine Schubspannungen wirken. Man kann auch ohne diese Vorgabe zum Mohrschen Spannungskreis gelangen. Das infinitesimale Schüttgutvolumenelement in Abb. 2.7.a wird im allgemeinen Belastungsfall durch die (positiven) Druckspannungen σx und σy sowie die Schubspannungen τxy und τyx beansprucht. Für die Richtungen der Schubspannungen wird vorgegeben, dass man eine positive Schubspannung in einer Schnittfläche erhält, indem man die (vom Volumenelement nach außen weisende) Normale der Schnittfläche um 90° im Uhrzeigersinn dreht. Aus einem Momentengleichgewicht um den Mittelpunkt des Schüttgutelementes folgt, dass die Schubspannungen τxy und τyx den gleichen Betrag, aber ein umgekehrtes Vorzeichen haben:
τ xy = −τ yx
(2.17)
Mit Gl.(2.17) lassen sich die Schubspannungen wie in Abb. 2.7.b einzeichnen. Legt man einen Schnitt wie z.B. in Abb. 2.8 durch das Volumenelement, werden in der Schnittfläche A je nach Richtung des Schnittes andere Normal- und Schubspannungen wirken. Um diese Spannungen in allgemeiner Form berechnen zu können, werden die Kräftegleichgewichte in x- und y-Richtung aufgestellt. Gesucht sind die Spannungen σα und τα, die auf die um den Winkel α gegen die x-Achse geneigte Schnittfläche A wirken und in positiver Richtung entsprechend den oben getroffenen Vereinbarungen eingezeichnet sind. Die Tiefe des Schüttgutelementes beträgt
2.3 Spannungsverhältnisse in Schüttgütern
19
1, die Schnittfläche A hat die Kantenlänge 1. Aus den Kräftegleichgewichten in den Richtungen von σα und τα folgt:
σ α = σ y (cos α )2 + σ x (sin α )2 + 2τ xy cos α sin α
(2.18)
τ α = σ y sin α cos α − σ x sin α cos α − τ xy (cos α )2 + τ xy (sin α )2
(2.19)
Abb. 2.7. Volumenelement (ebener Spannungszustand)
Abb. 2.8. Kräftegleichgewicht am dreieckigen Schüttgutelement
Nach einigen Umformungen ähnlich der Vorgehensweise bei den Gln. (2.4) bis (2.16) ergibt sich:
σα =
σ y +σx 2
τα =
+
σ y −σ x
σ y −σ x 2
2
cos 2α + τ xy sin 2α
sin 2α − τ xy cos 2α
(2.20)
(2.21)
20
2 Grundlagen
Man kann nun zeigen, dass es eine um den Winkel α = α’ geneigte Fläche gibt, auf der die Schubspannung τα’ gleich Null ist. Den Winkel α’ erhält man aus Gl.(2.21) für τα’ = 0:
tan 2α ' =
2τ xy
σ y −σ x
(2.22)
Da die Tangens-Funktion π-periodisch ist, ist auch tan(2α’+π) eine Lösung. Damit gibt es zwei zueinander senkrechte Schnittebenen, die schubspannungsfrei sind. Dies sind die Hauptspannungsebenen, auf die jeweils eine der Hauptspannungen σ1 und σ2 wirkt. Eine entsprechende Ableitung ist auch für den dreidimensionalen Spannungszustand möglich. Dies ist für Schüttgüter ausführlich bei Molerus [2.1] erläutert.
2.4 Schüttgutdichte Die Schüttgutdichte wird mit ρb bezeichnet. Ihre Einheit ist kg/m3. Die Schüttgutdichte ρb erhält man, wenn man die Masse m einer Schüttgutmenge durch das von ihr eingenommene Volumen V teilt. Befindet sich also ein Schüttgut in einem Behälter bekannten Volumens V, so kann man nach Wiegen des Behälterinhaltes die Schüttgutdichte ρb berechnen. Die Schüttgutdichte ρb ist nicht mit der Feststoffdichte ρs zu verwechseln. Die Feststoffdichte beschreibt die Dichte des Materials, aus dem die Partikel bestehen. Die Schüttgutdichte ρb ist stets kleiner als die Feststoffdichte ρs, da zwischen den Partikeln eines Schüttgutes Zwischenräume sind, die in die Berechnung der Schüttgutdichte eingehen. Auch innerhalb der Partikel können Hohlräume sein. Den Zusammenhang zwischen Schüttgutdichte ρb und Feststoffdichte ρs liefert die Porosität ε, die das Verhältnis der Volumina der Hohlräume VZwischenräume zwischen den Partikeln und der inneren Hohlräume VInnere Hohlräume zum gesamten von der Partikelschüttung (inklusive den Zwischenräumen) eingenommenen Volumen V beschreibt:
ε=
V Zwischenräume + V Innere Hohlräume V
(2.23)
Die Schüttgutdichte ρb berechnet sich aus der Feststoffdichte ρs und der Dichte ρf des Fluids in den Hohlräumen:
ρ b = (1 − ε ) ⋅ ρ s + ε ⋅ ρ f
(2.24)
2.4 Schüttgutdichte
21
Ist das Fluid in den Hohlräumen ein Gas, kann der zweite Term in Gl.(2.24) meist vernachlässigt werden. Sind die Hohlräume zum Teil mit Flüssigkeit, zum Teil mit Gas gefüllt, benutzt man den Sättigungsgrad S, der das Verhältnis des Flüssigkeitsvolumens zum Volumen der Hohlräume beschreibt:
S=
V Flüssigkeit
ε ⋅V
(2.25)
Unter Vernachlässigung der Dichte des Gases gilt dann für die Schüttgutdichte eines feuchten Schüttgutes:
ρ b = (1 − ε ) ⋅ ρ s + S ⋅ ε ⋅ ρ f
(2.26)
Bei der Messung von Schüttguteigenschaften, z.B. mit einem Schergerät, wird die Schüttgutdichte ρb in der Regel aus dem Volumen und der Masse der Schüttgutprobe bestimmt. Die Schüttgutdichte hängt davon ab, wie stark das Schüttgut verdichtet (zusammengedrückt) wird, d.h. wie groß die auf das Schüttgut einwirkende Verfestigungsspannung ist. Mit zunehmender Verfestigungsspannung erhält man zunehmende Schüttgutdichten ρb und abnehmende Porositäten ε, denn bei der Verdichtung eines Schüttgutes verringern sich in der Regel die Volumina der Hohlräume zwischen den Partikeln, nicht jedoch die Volumina der einzelnen Partikel. Bei feinkörnigen Schüttgütern kann die Schüttgutdichte sehr stark von der Verfestigungsspannung abhängen. Es gibt Schüttgüter mit Porositäten ε weit über 0,9 (mehr als 90% des Gesamtvolumens sind Hohlräume), bei hinreichender Verfestigung (z.B. Tablettierung, Brikettierung) erreicht man aber auch Porositäten ε unter 0,1 [2.7]. Ein typischer Wert für die Porosität eines nicht zu feinkörnigen (> 1 mm), trockenen Schüttgutes, dessen Partikelform nicht zu sehr von der Kugelform abweicht, ist ε = 0,4 (z.B. Quarzsand, Getreide). Mit Gl.(2.24) kann die Porosität eines Schüttgutes bei bekannter Feststoffdichte und mit der z.B. in einem Schergerät gemessenen Schüttgutdichte berechnet werden. Beispiel: Kalkstein hat eine Feststoffdichte ρs von etwa 2700 kg/m3. Ein trockenes feinkörniges Kalksteinmehl liefert bei der Untersuchung im Schergerät eine Schüttgutdichte von 1050 kg/m3. Die Porosität kann nun aus Gl.(2.24) berechnet werden: ε = 1 - ρb/ρs = 0,61. Somit bestehen 61% des Volumens der Schüttung aus Hohlräumen. Bei feuchten Schüttgütern ist zu beachten, dass eine Verdichtung oder Auflockerung zu einer Änderung des Sättigungsgrades S führt, wenn die Flüssigkeitsmenge im Schüttgut konstant bleibt. Dies liegt daran, dass hierbei das Hohlraumvolumen, das in Gl.(2.25) im Nenner steht, verändert
22
2 Grundlagen
wird. Besonders bei Überschreiten der Grenze zur Sättigung (S = 1) verändert das Schüttgut seine Eigenschaften stark, da es vom Schüttgut in eine Suspension übergeht (s. Abschnitt 7.2.3). Ein Beispiel hierfür ist feuchter Sand am Strand, der durch Verdichtung (z.B. durch andauerndes Erschüttern durch Auftreten mit dem Fuß) in den gesättigten Zustand überführt werden kann und dadurch die Eigenschaften eines Schlamms (Suspension) einnimmt.
2.5 Elastische und plastische Verformung
Spannung
Spannung
Elastische Verformung bedeutet, dass die Dehnung eines Werkstücks proportional zur angelegten Spannung ist (Abb. 2.9.a). Nach Wegnahme der Belastung verschwindet die elastische Verformung wieder vollständig. Typische Beispiele für elastische Verformung sind Federn (z.B. Schraubenfedern).
0
a.
0
0
Dehnung
b.
0
Dehnung
Abb. 2.9. Spannungs-Dehnungs-Verläufe für elastische (a) und plastische (b) Verformung fester Werkstoffe
Bei den meisten Anwendungen der Schüttguttechnik spielen die elastischen Verformungen eine untergeordnete Rolle. Von großer Bedeutung sind dagegen die plastischen Verformungen, die sich der elastischen Verformung überlagern. Die Dehnung ist dabei nicht proportional zur anliegenden Spannung (Abb. 2.9.b). Nach Wegnahme der Belastung erfolgt eine elastische Rückdehnung. Dabei bleibt der Anteil der Dehnung erhalten, der auf plastischer Verformung beruht. Bei Schüttgütern meint man mit plastischer Verformung vor allem die Verformung eines Schüttgutelementes durch Verschiebung von Partikeln gegeneinander, wobei die verhältnismäßig geringe plastische Verformung an den Kontakten einzelner Partikel wenig Einfluss auf die Verformung des Schüttgutelementes hat. Man spricht beim Schüttgut anstelle von plas-
2.5 Elastische und plastische Verformung
23
tischer Verformung meist von Fließen. Beim Fließen kann das Volumen eines Schüttgutelementes entweder zunehmen, abnehmen oder gleich bleiben, so dass auch die Schüttgutdichte zunehmen, abnehmen oder unverändert bleiben kann. Es ist nun zu klären, wann sich welcher Vorgang einstellt. Dazu werden die folgenden Beispiele betrachtet:
• Verdichtung von Schüttgut (z.B. Tablettieren): Lockeres Pulver wird in einer Form zusammengepresst und dadurch plastisch verformt (Abb. 2.10): es fließt unter Zunahme der Schüttgutdichte. Dabei wird es zunehmend steifer, so dass der Verlauf der auf das Schüttgut wirkenden Vertikalspannung σv in Abhängigkeit der Höhenänderung ∆h zunehmend steiler wird. Nach Wegnahme der Belastung bleibt die Form der Schüttgutprobe bis auf eine geringe elastische Rückdehnung erhalten. Das Schüttgut wird hier also bleibend plastisch verformt, indem sein Volumen verringert und seine Schüttgutdichte vergrößert wird. Auch die elastische Rückdehnung bei der Entlastung zeigt keinen linearen Verlauf, da die Steifigkeit des Schüttgutes (nicht die des Feststoffs, aus dem die Partikel bestehen) bei der Entlastung abnimmt [2.1]. • Auflockern von Boden: Verdichtete Erde (Erde ist auch ein Schüttgut) wird durch mechanische Einwirkungen (z.B. durch einen Pflug) aufgelockert, also zum plastischen Fließen gebracht. Nach dem Auflockern ist das Volumen des Bodens größer und daher die Schüttgutdichte geringer. sv A
Belastung Entlastung
sV
Dh
Fläche A
0
0
Dh
Abb. 2.10. Verdichtung eines Schüttgutes und zugehöriger Verlauf von Vertikalspannung σv in Abhängigkeit von der Höhenänderung ∆h bei Be- und Entlastung
Ob die Schüttgutdichte zunimmt, abnimmt oder gleich bleibt, hängt vom Verdichtungszustand des Schüttgutes vor der plastischen Verformung und von der Belastung während der plastischen Verformung ab. Ein leicht verdichtetes Schüttgut wird sich unter einer großen Belastung verdichten (s.o.: Beispiel Verdichtung). Ein verfestigtes Schüttgut wird sich dagegen unter
24
2 Grundlagen
Belastungen, die ein Fließen unter geringeren Spannungen als der Verfestigungsspannung erzwingen (s.o.: Beispiel Pflug), auflockern.
2.6 Haftkräfte Das Verhalten eines feinkörnigen Schüttgutes wird von den Haftkräften zwischen den einzelnen Partikeln bestimmt. Haftkräfte bewirken zwar unerwünschte Effekte wie schlechte Fließfähigkeit oder Anbackungen, werden aber auch genutzt, z.B. zur Agglomeration (Tablettierung, Brikettierung), zur Pulverlackierung und als Haftmechanismus für Tafelkreide oder kosmetische Puder. Haftkräfte können auf verschiedenen Mechanismen beruhen. Bei feinkörnigen, trockenen Schüttgütern spielen vor allem Adhäsionskräfte aufgrund von van-der-Waals-Wechselwirkungen und elektrostatischen Kräften eine wesentliche Rolle. Die van-der-Waals-Kräfte beruhen auf elektrischen Dipolmomenten von Atomen und Molekülen. Ihre Stärke hängt neben Partikelgröße und -abstand von der Stoffkombination der sich berührenden Oberflächen ab, was mit der Lifschitz-van-der-Waals-Konstante berücksichtigt wird. Elektrostatische Kräfte beruhen auf unterschiedlichen elektrischen Potentialen, die sich zwischen Partikeloberflächen ausbilden können. Dabei ist zwischen Leitern und Isolatoren (Nichtleitern) zu unterscheiden, da sich die Ladungen auf beiden unterschiedlich verteilen.
Abb. 2.11. Prinzip der Flüssigkeitsbrücke mit niedrigviskoser Flüssigkeit (α: Brückenwinkel)
Bei feuchten Schüttgütern sind vor allem Flüssigkeitsbrücken zwischen den Partikeln maßgeblich (Abb. 2.11). Flüssigkeitsbrücken nennt man Ansammlungen von Flüssigkeit niedriger Viskosität im Kontaktbereich der Partikel (Bei zu hoher Viskosität wäre die Flüssigkeit nicht in der Lage, sich im Kontaktbereich ähnlich wie in einer Kapillaren anzusammeln). Aufgrund der Oberflächenspannung der Flüssigkeit werden die Partikel angezogen. Zusätzlich stellt sich in der Flüssigkeit ein Kapillardruck ein. Ist dieser kleiner als der Umgebungsdruck (kapillarer Unterdruck), so er-
2.6 Haftkräfte
25
gibt sich hieraus eine zusätzliche Haftkraft. Umfangreiche Berechnungen hierzu findet man bei Schubert [2.8]. Alle genannten Haftkräfte sind vom Abstand zwischen den Haftpartnern abhängig. Dies zeigen berechnete Haftkräfte FH zwischen einer Kugel und einer Wand (Abb. 2.12). Die van-der-Waals-Kraft (Kurve 4) ist bei sehr kleinen Abständen a sehr groß, nimmt aber schon im Nahbereich unter 1 µm (10-3 mm) stark mit zunehmendem Abstand ab. Das heißt, dass vander-Waals-Kräfte vor allem dann eine Rolle spielen, wenn die Haftpartner Kontakt zueinander haben. Um so mehr man die Haftpartner aneinander drückt (z.B. beim Tablettieren), was mit Umlagerungen und plastischen Verformungen im Kontaktbereich einhergeht, desto größer werden die Haftkräfte.
Abb. 2.12. Haftkraft FH (berechnet) zwischen Partikel (Kugel, Durchmesser x = 10 µm) und Wand in Abhängigkeit vom Abstand a [2.10,2.11]; (1) Flüssigkeitsbrücke (Brückenwinkel α = 20°, Oberflächenspannung der Flüssigkeit γ = 7,2·10-2 N/m, Randwinkel δ = 0°); (2) elektrostatische Kraft für Leiter (Kontaktpotential U = 0,5 V); (3) elektrostatische Kraft für Isolator (Flächenladungsdichte σ = 102 e/µm2 = 1,6·10-17 As/µm2; 3a. Kugel-Halbraum; 3b. Kugel-Ladungsfleck); (4) van-der-Waals-Kraft (Lifschitz-van-der-Waals-Konstante hω = 8·10-19 J)
Die Haftkräfte durch Flüssigkeitsbrücken (Kurve 1) sind ebenfalls im Nahbereich sehr groß, nehmen aber mit zunehmendem Abstand weniger stark ab. Bei zu großem Abstand reißt die Flüssigkeit ab und die Haftkraft verschwindet. Für die elektrostatischen Kräfte (Kurven 2 und 3) gilt, dass diese im Nahbereich deutlich kleiner sind als die van-der-Waals- und Flüssigkeitsbrückenkräfte, aber weniger stark mit zunehmendem Abstand abneh-
26
2 Grundlagen
men. Daher sind diese Haftkräfte bei größeren Entfernungen stärker als die anderen Haftkräfte. Die Betrachtung der Haftkräfte zeigt, dass das Fließen von Schüttgütern, wobei die Partikel in engem Kontakt zueinander sind, vor allem von den Auswirkungen der van-der-Waals- und Flüssigkeitsbrückenkräfte bestimmt wird. Hierbei gilt, dass die Flüssigkeitsbrücken nur in Gegenwart von niedrigviskoser Flüssigkeit entstehen. Somit sind die van-der-WaalsKräfte bei trockenen, feinkörnigen Schüttgütern dominierend. Elektrostatische Kräfte spielen bei kleinen Abständen praktisch keine Rolle, da die anderen auftretenden Kräfte um ein Vielfaches größer sind. Bei Flüssigkeitsbrücken hängt die Haftkraft stark von der Flüssigkeitsmenge ab. Abbildung 2.13 zeigt die auf das Produkt von Oberflächenspannung γ und Partikeldurchmesser x bezogene Haftkraft FH in Abhängigkeit vom Verhältnis aus Abstand und Partikeldurchmesser (a/x). Da sich bei kleinen Flüssigkeitsmengen (kleine Werte des Flüssigkeitsanteils φ, s. Abb. 2.13) naturgemäß eine stärkere Änderung der Form der Flüssigkeitsbrücke ergibt, ist hier auch die Abnahme der Haftkraft mit zunehmendem Abstand deutlicher und die Brücke reißt schon bei kleineren Abständen ab. 3
FH / (g x)
Vs
Vl
x
j=
Vl 2 Vs
a 2 j = 0,1 0,05
1 0,01 10-4 0
0
0,05
0,005
10-3 0,10
0,15
0,20
a/x
Abb. 2.13. Bezogene Haftkraft FH/(γ·x) einer Flüssigkeitsbrücke zwischen zwei Partikeln (Kugeln, Durchmesser x) in Abhängigkeit vom auf den Partikeldurchmesser bezogenen Abstand a/x (Randwinkel δ = 0°) [2.9,2.12]
Den Einfluss der Partikelgröße zeigt vereinfacht Abb. 2.14 für ideale Bedingungen (Kugel und Wand ideal glatt) [2.10,2.11]. Man sieht auch hier wie schon in Abb. 2.12 deutlich, dass bei kleinen Abständen (hier: a0 = 4·10-4 µm) die Flüssigkeitsbrückenkräfte am größten sind, gefolgt von den van-der-Waals-Kräften. Die elektrostatischen Kräfte sind deutlich kleiner.
2.6 Haftkräfte
27
Ebenfalls eingezeichnet ist die Gewichtskraft, die proportional zur dritten Potenz des Durchmessers ist und daher sehr viel stärker mit der Partikelgröße ansteigt als die eingezeichneten Haftkräfte. Dadurch wird die Gewichtskraft ab einer bestimmten Partikelgröße dominant. Dies ist der Grund dafür, dass kleine Partikel („Staub“) an einer Wand haften können, große Partikel aber nicht.
ro st
R
Ge
el ek t
10-2
wic hts kra ft
10-1
ke üc r -B ls s. aa üs l W F r de na v
Le ite r)
100
.(
FH [10-6N]
101
10-3 0,1
1
10
a0=4.10-4µm
100
x=2R [µm]
Abb. 2.14. Einfluss der Partikelgröße x auf die Haftkraft FH zwischen Partikel (Kugel) und Wand (entnommen aus [2.10,2.11]; Randbedingungen für Berechnungen s. dort)
Bei Abb. 2.14 ist zu beachten, dass die Berechnungen aufgrund der Idealisierung größere Haftkräfte ergeben, als in der Realität zu erwarten sind. Die Ursache sind u.a. die tatsächlich auftretenden Rauigkeiten an den Partikel- und Wandoberflächen, die zu einer Abstandsvergrößerung und damit zu einer Abnahme der Haftkräfte (Abb. 2.12) führen. Den Einfluss von Rauigkeiten zeigt Abb. 2.15. In den Diagrammen sind berechnete Haftkräfte FH aufgetragen, die sich zwischen einem kugelförmigen Partikel (Radius R) und einer Wand ergeben, wenn das Partikel mit einer hier als Halbkugel (Radius r) angenommenen Rauigkeit versehen ist. Da der Abstand zwischen der Wand und der Spitze der Rauigkeit konstant ist, ist ein Partikel um so weiter von der Wand entfernt, desto größer der Radius r der Rauigkeit ist. Bei den van-der-Waals-Kräften (Abb. 2.15.a) führt dies bei kleinen Werten von r zu einer Abnahme der Haftkraft FH mit zunehmendem Rauigkeitsradius r. Die Haftkräfte sind für drei verschiedene Partikelgrößen von 0,5 µm bis 50 µm eingezeichnet. Man erkennt im linken Teil des Diagramms die Proportionalität zwischen Haftkraft und Partikeldurchmesser (s. Abb. 2.14). Im rechten Teil des Diagramms, also bei größeren Werten des Radius der Rauigkeit r, steigt
28
2 Grundlagen
die berechnete Haftkraft wieder an. Hier macht sich zunehmend die Haftkraft zwischen der Wand und der Rauigkeit selbst bemerkbar.
Abb. 2.15. Einfluss des Radius r einer Rauigkeit auf die Haftkraft FH zwischen Partikel (Kugel) und Wand bei konstantem Kontaktabstand a0; a. van-der-WaalsKraft; b. Flüssigkeitsbrücke und elektrostatische Kraft (entnommen aus [2.10, 2.11]; Randbedingungen für Berechnungen s. dort)
Das Diagramm in Abb. 2.15.b zeigt den Einfluss der Rauigkeit beispielhaft für Flüssigkeitsbrücken und elektrostatische Kräfte. Bei den Flüssigkeitsbrücken ist der sogenannte Brückenwinkel α variiert (2,5° und 20°), um den Einfluss der Flüssigkeitsmenge zu zeigen. Für beide Fälle ist der Einfluss der Rauigkeit geringer als bei den van-der-Waals-Kräften, wobei der Einfluss bei der größeren Flüssigkeitsmenge (α = 20°) noch geringer ist, da sich hier die Veränderung der Geometrie weniger stark auf die Form der Flüssigkeit auswirkt. Bei hinreichender Flüssigkeitsmenge ist die Rauigkeit von der Flüssigkeit umgeben (wie am Partikel in Abb. 2.15.b skizziert). Reicht die Flüssigkeitsmenge hierzu nicht aus, so bildet sich die Flüssigkeitsbrücke zwischen Rauigkeit und Wand. Dabei wirkt sich der zunehmende Rauigkeitsradius r wie eine zunehmende Partikelgröße aus (vgl. Abb. 2.14): Die Haftkraft steigt proportional zu r an. Die elektrostatische Kraft des Isolators gegenüber der Wand (Abb. 2.15.b) ist näherungsweise unabhängig von der Rauigkeit (wie auch vom Abstand; s. Kurve 3a in Abb. 2.12). Die elektrostatischen Kräfte können bei nicht zu kleinen Partikeln und bestimmten Rauigkeiten auch die vander-Waals-Kraft übersteigen (z.B. ist die elektrostatische Haftkraft eines Partikels mit R = 50 µm bzw. x = 100 µm eine Zehnerpotenz größer als die eingezeichnete elektrostatische Kraft für Partikel mit R = 5 µm bzw. x = 10 µm. Damit übersteigt sie in Teilbereichen die entsprechende van-derWaals-Kraft).
2.6 Haftkräfte
29
Die Haftkraft des elektrischen Leiters nimmt zunächst mit zunehmender Rauigkeit ab (Einfluss des zunehmenden Abstandes zwischen dem kugelförmigen Partikel und der Wand, analog Abb. 2.12), dann wieder zu (Einfluss der mit der größer werdenden Rauigkeit zunehmenden Haftkraft dieser Rauigkeit selbst, analog zum Einfluss der Partikelgröße in Abb. 2.14). Bei den vorangegangenen Betrachtungen wurden die Adsorptionsschichten, die sich je nach Umgebungsbedingungen auf der Partikeloberfläche bilden, nicht berücksichtigt. An der (feuchten) Atmosphäre können sich Adsorptionsschichten auf hydrophilen Festkörperoberflächen schon bei relativen Luftfeuchten weit unterhalb von 60% bilden. Bei sehr kleinen relativen Luftfeuchten hat man es zunächst mit einmolekularen Adsorbatschichten zu tun (Abb. 2.16), bei weiterer Steigerung der relativen Luftfeuchte bilden sich auch mehrmolekulare Schichten (Spezialität des Wassers: Wasserstoffbrückenbindungen), und oberhalb ca. 60% bis 85% relativer Luftfeuchte beginnt die Kapillarkondensation. Dabei bilden sich durch die Berührung gegenüberliegender Adsorptionsschichten an den Wänden von kleinen Poren (2 bis 100 nm [2.13]) oder an entsprechend dicht aneinanderliegenden Partikeloberflächen (Berührpunkte) Flüssigkeitsansammlungen, deren Oberflächen Menisken ausbilden [2.14]. Über den konkav gekrümmten Menisken tritt Kondensation auf, was auf den unmittelbar über diesen Menisken erniedrigten Sättigungsdampfdruck zurückzuführen ist [2.13]. einmolekulare Schicht mehrmolekulare Schicht
Wassergehalt
Kapillarkondensation
0
0
relative Luftfeuchte
1
Abb. 2.16. Prinzipieller Verlauf einer Wasser-Adsorptionsisotherme [2.14]
Der Einfluss der Adsorptionsschichten auf die Haftkräfte ist komplex und nicht allgemein zu beschreiben [2.11]. Berühren sich Partikel, auf denen sich Adsorptionsschichten befinden, so berühren sich nicht mehr die Partikel selbst, d.h. die Adhäsionspartner sind nun Feststoff und adsorbierte Flüssigkeit (Adsorptionsschichtbindungen [2.15]). Dies führt zu anderen (größeren oder kleineren) van-der-Waals-Kräften, die von stoffabhängigen
30
2 Grundlagen
Konstanten (z.B. Lifschitz-van-der-Waals-Konstante) bestimmt werden. Bei sich überlappenden wässrigen Adsorptionsschichten ist aber „mit großer Wahrscheinlichkeit“ [2.11] von einer Haftkrafterhöhung gegenüber einem Partikelkontakt ohne Adsorptionsschichten auszugehen. Bei relativen Luftfeuchten, die zur Kapillarkondensation führen, ist von der Bildung von Flüssigkeitsbrücken an den Kontaktpunkten der Partikel auszugehen, die dann zu den oben beschriebenen Haftkräften durch Flüssigkeitsbrücken führen. Die durch Adsorption erreichten Wassergehalte sind aber klein gegenüber Restwassergehalten aus vorher ablaufenden verfahrenstechnischen Prozessen [2.15]. Manche Schüttgüter verfestigen sich zunehmend, wenn sie längere Zeit ohne Bewegung unter einer Druckspannung gelagert werden. Diesen Effekt nennt man Zeitverfestigung. Zeitverfestigung beruht ebenfalls auf Haftkräften. Mögliche Mechanismen sind:
• Viskoplastisches Fließen an den Partikelkontakten, das zu einer Erhöhung der Haftkräfte durch Annäherung der Partikel und Vergrößerung der Kontaktflächen führt. • Festkörperbrücken infolge von aus Lösungen auskristallisierenden Feststoffen beim Trocknen von Schüttgütern [2.1] (z.B. Sand und salzhaltiges Seewasser). • Festkörperbrücken aus dem Partikelmaterial selbst, z.B. nach dem Anlösen an den Kontaktstellen infolge von Feuchte (z.B. durch Adsorption aus der Atmosphäre aufgenommen) und anschließender Entfeuchtung z.B. durch Diffusion der Feuchte in das Partikelinnere [2.1,2.15] (z.B. Kristallzucker mit geringer Feuchtigkeit, Salz). • Sinterbrücken bei Lagerung bei Temperaturen nicht weit unter dem Schmelzpunkt [2.1,2.11] (kann z.B. bei Kunststoffen mit niedrigem Schmelzpunkt schon bei Umgebungstemperatur auftreten). • Chemische Prozesse (chemische Reaktionen an den Partikelkontakten). • Biologische Prozesse (z.B. Pilzwachstum bei biologisch aktiven Inhaltsstoffen führt zu einer Vernetzung der Partikel). Ob ein Schüttgut gut oder schlecht fließt, hängt vom Verhältnis der Haftkräfte zu den übrigen auf das Schüttgut einwirkenden Kräften ab. Man kann zeigen, dass sich die Haftkräfte um so stärker auf das Fließverhalten auswirken, desto kleiner die Partikel sind (s. Kap. 2.7). Daher fließt ein Schüttgut mit abnehmender Partikelgröße in der Regel immer schlechter. Man nennt feinkörnige Schüttgüter mit durch Haftkräfte bedingtem, mäßigen oder schlechten Fließverhalten auch kohäsive Schüttgüter. Drückt man Partikel durch äußere Kräfte gegeneinander, nimmt die zwischen den Partikeln wirkende Druckkraft zu. Die Partikel nähern sich an-
2.6 Haftkräfte
31
einander an und verformen sich im Kontaktbereich u.U. auch plastisch, so dass sich die Kontaktflächen vergrößern. Durch beide Mechanismen nehmen die Haftkräfte zu. Man erreicht also durch eine von außen auf die Partikel wirkende Druckkraft eine Erhöhung der Haftkräfte. Dies nutzt man z.B. beim Herstellen von Tabletten oder Briketts aus. Die Beeinflussung der Haftkräfte zwischen den Partikeln durch von außen einwirkende Kräfte ist ein wesentliches Kennzeichen der kohäsiven Schüttgüter. Das Verhalten dieser Schüttgüter muss also stets in Abhängigkeit von der vorangegangenen Belastung dieser Schüttgüter – der sogenannten Vorgeschichte – betrachtet werden. Eine solche Vorgeschichte ist z.B. die einem Schüttgut aufgeprägte Verfestigungsspannung, die zu bestimmten Haftkräften und damit zu einer bestimmten Festigkeit des Schüttgutes führt (z.B. bestimmt die Spannung, mit der eine Tablette gepresst wurde, deren Festigkeit). Die hier dargebotene einfache Betrachtung sei ausreichend für den Zweck, einfache Zusammenhänge zu erläutern. Tatsächlich gibt es weitere wichtige physikalisch-chemische Einflussfaktoren, die zu berücksichtigen sind (weiterführende Literatur hierzu s. [2.1,2.8,2.11,2.16,2.17]). Haftkraftmessungen mit Zentrifugen oder Rasterkraftmikroskopen (AFM) zeigen selbst bei gleich großen Partikeln eine große Spannweite der Messwerte, die je nach Oberflächenbeschaffenheit der Haftpartner etwa ein bis zwei Zehnerpotenzen ausmachen kann (Messverfahren und Beispiel für Ergebnisse s. Kap. 6.5). Thematisch passt zum Thema „Haftkräfte“ auch der seit einiger Zeit viel diskutierte Lotuseffekt [2.18]. Den Namen gab die „Heilige Lotusblume“, deren Blätter nicht verschmutzen. Die Ursache liegt darin, dass die Oberfläche der Blätter zum einen aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung hydrophob, also schlecht mit Wasser benetzbar, ist, zum anderen durch die Mikrorauigkeit der Oberfläche diese Hydrophobie noch gesteigert wird. Ein Wassertropfen hat auf der mikrostrukturierten Oberfläche nur Kontakt mit den Spitzen der Rauigkeiten, während unterhalb des Wassertropfens Luft verbleibt (Abb. 2.17). Die Adhäsionskräfte zwischen Wassertropfen und Blattoberfläche sind aufgrund der sehr kleinen Kontaktfläche nur sehr klein. Somit behält der Tropfen aufgrund seiner gegenüber den Adhäsionskräften dominierenden Oberflächenspannung weitgehend Kugelform. Der Lotuseffekt ist also die Steigerung der Hydrophobizität einer hydrophoben Oberfläche durch Mikrorauigkeit. Lagert sich Schmutz in Form feiner Partikel auf einer solchen Oberfläche ab, sind durch die Funktion der Mikrorauigkeiten als Abstandhalter die van-der-Waals-Kräfte, die bei trockenen Systemen dominieren, zwischen Schmutzpartikel und Oberfläche relativ klein (s. Abb. 2.15: bei kleinen Rauhigkeiten nehmen die van-der-Waals-Kräfte mit zunehmendem Ab-
32
2 Grundlagen
stand ab). Kommt Feuchtigkeit hinzu, bildet diese wegen der schlecht benetzbaren Oberfläche Tropfen (Abb. 2.18). Schon bei kleiner Neigung der Oberfläche kommt es zum Abrollen die Tropfen. Trifft ein abrollender Tropfen auf ein auf der Oberfläche liegendes Partikel, wird das Partikel vom Wassertropfen aufgenommen und wegtransportiert. Hydrophile Partikel bewegen sich in das Innere des Wassertropfens, hydrophobe Partikel bleiben außen am Wassertropfen haften, d.h. sie haften – obwohl hydrophob – stärker am Wassertropfen als an der Blattoberfläche [2.18]. Die technische Anwendung des Lotuseffekts (inzwischen als Lotus-Effect registriert) konzentriert sich auf die Reinhaltung von Oberflächen, z.B. bei Fassadenanstrichen und Sanitärobjekten.
Abb. 2.17. Wassertropfen auf einer mikrorauen hydrophoben Oberfläche [2.18]
Abb. 2.18. Prinzip der Reinigungswirkung beim Lotuseffekt: Aufnehmen von Partikeln (Verschmutzung) von der Oberfläche; links hydrophile Partikel, rechts hydrophobe Partikel [2.18]
2.7 Einfluss der Partikelgröße auf das Verhalten des Schüttgutes Die Haftkräfte zwischen den Partikeln sind maßgeblich für das Fließverhalten eines Pulvers oder Schüttgutes verantwortlich. Anhand von Abb. 2.14 wurde die Zunahme der Haftkraft mit der Partikelgröße zwischen einem kugelförmigen Partikel und einer Wand für drei unterschiedliche Haftmechanismen gezeigt. Dabei sind für das Fließverhalten eines Schüttgutes vor allem die Haftkraft durch Flüssigkeitsbrücken (bei Anwesenheit von Feuchtigkeit) sowie die van-der-Waals-Kraft (dominierende Kraft bei trockenen, feinkörnigen Schüttgütern) von Bedeutung. Beide Kräfte sind
2.7 Einfluss der Partikelgröße auf das Verhalten des Schüttgutes
33
in Abb. 2.14 proportional zur Partikelgröße x. Ähnliche Abhängigkeiten findet man auch für die Haftkräfte zwischen Partikeln. Bei Schüttgütern besteht die Erfahrung, dass feinere Produkte schlechter fließen als gröbere. Die Ursache hierfür ist die Haftkraft, auch wenn nach Abb. 2.14 mit abnehmender Partikelgröße geringere Haftkräfte zu erwarten sind. Zur Veranschaulichung wird die Zugfestigkeit eines Schüttgutes betrachtet. Die Zugfestigkeit spielt zwar bei der praktischen Handhabung von Schüttgütern keine wichtige Rolle, da in Schüttgütern in der Regel Druckspannungen herrschen, aber sie lässt sich anschaulich mit der Haftkraft verknüpfen. Zum Messen der Zugfestigkeit wird eine an der Unterseite mit einem Kleber beschichtete Platte mit einer Kraft FV auf eine Pulverprobe gedrückt (Abb. 2.19). Anschließend wird die Platte nach oben gezogen. Aus der beim Abreißen (Bruch) wirkenden maximalen Kraft berechnet man die Zugfestigkeit σt, indem der Haftkraftanteil FZ der gemessenen Kraft durch die Fläche A dividiert wird (Näheres zum Messprinzip s. Kap. 6.3.13, weitere Bemerkungen s. Kap. 5.3.2). FV
Platte (Fläche A)
FZ
Abb. 2.19. Messen der Zugfestigkeit
Die Zugfestigkeit σt setzt sich aus den Kräften an vielen Partikelkontakten zusammen. Dies wird nun anhand der van-der-Waals-Kraft betrachtet: Für die Haftkraft FH aufgrund der van-der-Waals-Kraft zwischen zwei kugelförmigen Partikeln mit dem Durchmesser d gilt bei konstantem Abstand:
FH ∝ d
(2.27)
Die Zugfestigkeit σt ist der Haftkraftanteil der Zugkraft FZ pro Fläche A (s. Abb. 2.19):
σt =
FZ A
(2.28)
Die Kraft FZ setzt sich vereinfachend aus den Haftkräften der einzelnen Partikelkontakte, deren Zahl mit n angenommen wird, zusammen:
FZ = n ⋅ FH
(2.29)
Die Zahl der Partikelkontakte n ist proportional zur Fläche A und umgekehrt proportional zum Quadrat der Partikelgröße d, denn um so kleiner
34
2 Grundlagen
die Partikel sind, desto mehr finden sich auf einer bestimmten Fläche (Abb. 2.20):
n∝
A
(2.30)
d2
Setzt man die Gln.(2.27), (2.29) und (2.30) in Gl.(2.28) ein, so folgt für die Zugfestigkeit:
F n ⋅ FH 1 d ∝ ∝ σt = Z ∝ 2 2 d A n⋅d d
(2.31)
Fläche A
Durchmesser d
Durchmesser d
Abb. 2.20. Partikel pro Fläche
Damit ist gezeigt, dass Festigkeiten wie die Zugfestigkeit umgekehrt proportional zur Partikelgröße sind. Entsprechendes gilt qualitativ auch für die Druckfestigkeit σc eines Schüttgutes, die im nächsten Kapitel beschrieben wird. Grundsätzlich lässt sich also feststellen, dass ein Schüttgut um so fester ist und damit um so schlechter fließt, desto feiner die Partikel sind. Es ist aber der Vollständigkeit halber hinzuzufügen, dass es Ausnahmen von dieser Regel gibt, z.B. wenn man einem feinkörnigen Schüttgut ein noch feinkörnigeres Fließhilfsmittel zumischt, was gleichzeitig zu einer geringeren mittleren Partikelgröße und zu einer geringeren Festigkeit führt (s. Kap. 7.2.2). Ein Beispiel aus der Natur ist der Gecko, dessen Füße mit Millionen feinster Härchen (sog. Spatulae) versehen sind. Anstelle weniger Kontakte mit großem Durchmesser gibt es eine große Zahl von Kontakten mit sehr kleinem Durchmesser, die sich zwischen den Füßen des Geckos und der Oberfläche einer Wand bilden. Aufgrund der oben erläuterten Zunahme der Zugfestigkeit durch Verkleinerung der Partikelgröße (entsprechend dem kleinen Durchmesser der Härchen) können die Füße des Geckos theoretisch das Mehrfache seiner Gewichtskraft übertragen, was ihn in die Lage versetzt, an vertikalen Wänden nach oben zu klettern [2.19].
3 Fließeigenschaften von Schüttgütern
Die Fließeigenschaften von Schüttgütern hängen von vielen Parametern ab. Einige mögliche Einflussgrößen sind: • • • • •
Partikelgrößenverteilung, Partikelform, chemische Zusammensetzung der Partikel, Feuchtigkeit, Temperatur.
Es ist nicht möglich, das Fließverhalten von Schüttgütern in Abhängigkeit all dieser Größen theoretisch und allgemeingültig zu beschreiben. Selbst wenn dies möglich wäre, wäre der Aufwand zur Bestimmung aller Parameter, die von Einfluss sind, sehr groß. Daher ist es notwendig, aber auch einfacher, die Fließeigenschaften mit dazu geeigneten Messgeräten zu ermitteln. Zum Einstieg in das Thema wird der besonders einfache einachsige Druckversuch herangezogen. Später werden Messungen mit Schergeräten behandelt, wobei hier auf den Arbeiten Jenikes [3.1] aufgebaut wird.
3.1 Einachsiger Druckversuch als Modell 3.1.1 Verfestigung von Schüttgütern Mit dem Begriff „gutes Fließverhalten“ wird ausgedrückt, dass ein Schüttgut ohne Aufwand zum Fließen zu bringen ist, z.B. wenn es sich nicht verfestigt und allein aufgrund der Schwerkraft aus einem Silo oder Trichter ausfließt. Als „schlecht fließend“ werden Produkte bezeichnet, die zu Auslaufstörungen neigen oder sich während Lagerung und Transport verfestigen. Eine quantitative Aussage zur Fließfähigkeit ist erst dann möglich, wenn man einen objektiven Kennwert benutzt, der diejenigen physikalischen Eigenschaften des Schüttgutes beinhaltet, die für das Fließverhalten verantwortlich sind.
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3 Fließeigenschaften von Schüttgütern
Fließen bedeutet, dass sich ein Schüttgut aufgrund einer wirkenden Belastung plastisch verformt (z.B. beim Bruch einer vorher verfestigten Schüttgutprobe). Die Größe der zum Fließen notwendigen Belastung ist ein Maß für die Fließfähigkeit. Dies wird zunächst am sogenannten einachsigen Druckversuch verdeutlicht. Abbildung 3.1 zeigt einen mit einem feinkörnigen Schüttgut gefüllten Hohlzylinder (Querschnittsfläche A; Innenwand des Hohlzylinders als reibungsfrei angenommen). Das Schüttgut wird durch die Spannung σ1 – die Verfestigungsspannung bzw. größte Hauptspannung – in vertikaler Richtung belastet. Dabei nimmt das Volumen der Schüttgutprobe etwas ab, und zwar um so mehr, desto verdichtbarer das Schüttgut ist. Bei einem gut fließenden, trockenen Schüttgut mit groben, harten Partikeln (z.B. Weizenkörner oder Glaskugeln) wird die Schüttgutdichte kaum merklich zunehmen. Bei einem feinen und/oder feuchten Schüttgut (z.B. Mehl, feuchter Sand) wird man dagegen eine spürbare Zunahme der Schüttgutdichte feststellen. Neben der Dichtezunahme wird die Verfestigungsspannung auch eine Zunahme der Festigkeit der Schüttgutprobe bewirken. Die Schüttgutprobe wird also durch die Wirkung der Verfestigungsspannung sowohl verdichtet als auch verfestigt.
Abb. 3.1. Einachsiger Druckversuch
Nach der Verfestigung wird die Verfestigungsspannung weggenommen, danach wird der Hohlzylinder entfernt. Setzt man die verfestigte zylindrische Schüttgutprobe anschließend einer zunehmenden vertikalen Druckspannung aus, so wird es bei einer bestimmten Spannung zum Bruch der Probe kommen. Diese zum Erzielen des Bruchs notwendige Spannung heißt Schüttgutfestigkeit bzw. Druckfestigkeit σc (ein anderes gebräuchliches, auch von Jenike [3.1] benutztes Symbol ist fc). Den Bruchvorgang bezeichnet man in der Schüttguttechnik als „beginnendes Fließen“, denn eine zunächst feste Probe wird zum Fließen gebracht. Im Bereich der Bruchfläche lockert sich das Schüttgut dabei auf, da sich die Abstände zwischen einzelnen Partikeln vergrößern. Beim begin-
3.1 Einachsiger Druckversuch als Modell
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nenden Fließen handelt es sich also um plastisches Fließen unter Dichteabnahme (s. Kap. 2.5). Da der Bruch erst bei einer bestimmten Vertikalspannung, die gleich der Druckfestigkeit ist, eintritt, existiert also eine schüttgutspezifische Fließgrenze. Erst wenn diese Fließgrenze erreicht wird, beginnt das Schüttgut zu fließen. Die Fließgrenzen von vielen (z.B. metallischen) Werkstoffen sind stoffabhängig und können aus Tabellen entnommen werden. Die Fließgrenze eines Schüttgutes ist dagegen auch von seiner „Vorgeschichte“, der vorangegangenen Verfestigung, abhängig: Um so größer die Verfestigungsspannung σ1 ist, desto größer sind Schüttgutdichte ρb und Druckfestigkeit σc.
Abb. 3.2. Schüttgutdichte ρb und Druckfestigkeit σc in Abhängigkeit von der Verfestigungsspannung σ1
Mehrere Messungen entsprechend dem Versuch von Abb. 3.1 bei unterschiedlichen Verfestigungsspannungen σ1 ergeben mehrere Wertepaare (σc, σ1) und (ρb, σ1). Trägt man diese Punkte in jeweils ein Diagramm ein und zeichnet in jedem Diagramm einen Kurvenzug durch die Messpunkte, so findet man in der Regel Kurvenverläufe wie für Produkt A in Abb. 3.2. Es ergibt sich also meistens ein typischer Anstieg von Schüttgutdichte ρb und Druckfestigkeit σc mit der Verfestigungsspannung σ1. Selten, meist nur in einem begrenzten Spannungsbereich, wird ein progressiv steigender Verlauf σc(σ1) entsprechend Kurve B beobachtet. Der Kurvenverlauf σc(σ1) heißt Fließfunktion.
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3 Fließeigenschaften von Schüttgütern
3.1.2 Zeitverfestigung Manche Schüttgüter neigen dazu, sich zu verfestigen, wenn sie längere Zeit in Ruhe unter Druckspannungen (z.B. in einem Silo oder Transportbehälter) gelagert werden. Diesen Effekt bezeichnet man als Zeitverfestigung, andere Bezeichnungen sind Verklumpung oder Caking. Die Zeitverfestigung entsteht durch allmähliches Anwachsen der Haftkräfte zwischen benachbarten Partikeln, was auf verschiedenen Mechanismen beruhen kann (s. Kap. 2.6). Bewegt man die Partikel gegeneinander, verschwinden diese Haftkräfte wieder und bilden sich bei weiterer Lagerung in Ruhe neu. Auch die Zeitverfestigung lässt sich mit Hilfe des Versuchs von Abb. 3.1 bestimmen, indem man die Verhältnisse bei der Langzeitlagerung simuliert. Dazu lässt man die Verfestigungsspannung σ1 nicht nur kurzzeitig, sondern über eine definierte Zeitspanne t auf die Schüttgutprobe einwirken. Erst danach bestimmt man die Druckfestigkeit nach dem oben erläuterten Prinzip (rechte Seite von Abb. 3.1). In Abb. 3.3 sind für das Schüttgut A neben der Fließfunktion σc(σ1) aus Abb. 3.2 (Werte ohne Zeitverfestigung, also für Lagerzeit 0) beispielhafte Kurvenverläufe σc(σ1) für Lagerzeiten t > 0 eingetragen (Kurven A1, A2). Die für Lagerzeiten t > 0 gezeichneten Kurven σc(σ1) heißen Zeitfließfunktionen. Auch hier entsteht jede Kurve aus der Verbindung mehrerer Wertepaare (σc, σ1), die bei jeweils gleicher Lagerzeit t, aber unterschiedlichen Verfestigungsspannungen σ1 gemessen wurden.
Abb. 3.3. Fließfunktion und Zeitfließfunktionen
Für das Beispiel des Schüttgutes A ergeben sich mit zunehmender Lagerzeit immer größere Druckfestigkeiten σc. Dies muss nicht grundsätzlich immer so sein. Es gibt Schüttgüter, die keine oder nur eine sehr geringe Zeitverfestigung aufweisen, d.h. σc nimmt mit zunehmender Lagerzeit
3.1 Einachsiger Druckversuch als Modell
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nicht nennenswert zu (z.B. trockener Quarzsand). Andere Schüttgüter zeigen schon nach Lagerzeiten von wenigen Stunden einen großen Anstieg der Druckfestigkeit, bei längeren Lagerzeiten aber keine weitere Zunahme der Druckfestigkeit mehr. Diese Unterschiede beruhen auf den unterschiedlichen physikalischen, chemischen oder biologischen Effekten, die die Zeitverfestigung bewirken, z.B. chemische Prozesse, Kristallbildung zwischen den Partikeln, Vergrößerung der Kontaktflächen durch plastisches Fließen der Partikel, Kapillarkondensation oder biologische Prozesse wie z.B. Pilzwachstum (s. Kap. 2.6). Bei der Messung der Zeitverfestigung ist kein „Zeitraffer“ möglich, d.h. man muss eine Schüttgutprobe über genau die Zeitspanne, über die man eine Aussage erhalten möchte, unter der Verfestigungsspannung σ1 lagern, da die genannten Prozesse wie z.B. das Kristallisieren Zeit benötigen. Ohne eine entsprechende Messung kann keine Aussage zur Zeitverfestigung gemacht werden. 3.1.3 Darstellung mit Spannungskreisen Der in Abb. 3.1 gezeigte einachsige Druckversuch wird nun in einem σ,τDiagramm (Abb. 3.4) betrachtet. Vernachlässigt man die Gewichtskraft des Schüttgutes und geht davon aus, dass zwischen der Wand des Hohlzylinders und dem Schüttgut keine Reibung herrscht, sind sowohl die Vertikalspannungen als auch die Horizontalspannungen in der gesamten Schüttgutprobe konstant. Damit liegt in der Schüttgutprobe an jeder Stelle der gleiche Spannungszustand vor, der mit einem Mohrschen Spannungskreis beschrieben werden kann. Während der Verfestigung wirkt von oben die Normalspannung σ1 auf die Schüttgutprobe. Senkrecht zu dieser Spannung stellt sich eine kleinere Horizontalspannung σ2 entsprechend des Horizontallastverhältnisses λ ein (s. Kap. 2.3). Da weder an der Ober- und Unterseite der Probe noch an der als reibungsfrei angenommenen Wand des Hohlzylinders Schubspannungen wirken (τ = 0), sind die Vertikal- und Horizontalspannung Hauptspannungen (s. Kap. 2.2). Die Wertepaare (σ,τ) für vertikale und horizontale Schnittebenen der Schüttgutprobe sind im σ,τ-Diagramm eingetragen (Abb. 3.4). Beide Punkte liegen wegen τ = 0 auf der σ-Achse. Damit ist der Spannungskreis, der die Spannungen in der Schüttgutprobe bei der Verfestigung beschreibt, eindeutig bestimmt (denn jeder Spannungskreis hat genau zwei Schnittpunkte mit der σ-Achse, und dies sind die Hauptspannungen). Der für die Verfestigung maßgebliche Spannungskreis ist in Abb. 3.4 eingezeichnet (Spannungskreis A).
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3 Fließeigenschaften von Schüttgütern
Abb. 3.4. Messung der Druckfestigkeit im σ,τ-Diagramm
Im zweiten Teil des in Abb. 3.1 dargestellten Versuchs wird die Schüttgutprobe nach der Wegnahme der Verfestigungsspannung und dem Entfernen des Hohlzylinders mit einer ansteigenden Vertikalspannung belastet. Auch hier sind die Horizontal- und Vertikalspannung wie beim Verfestigen Hauptspannungen. Während der ansteigenden vertikalen Belastung der Schüttgutprobe werden Spannungskreise mit zunehmendem Durchmesser durchlaufen (Spannungskreise B1, B2, B3 in Abb. 3.4). Die kleinere Hauptspannung, die gleich der Horizontalspannung ist, ist bei allen Spannungskreisen jeweils gleich Null, da die Seitenwände der Probe unbedeckt und unbelastet sind. Zum Zeitpunkt des Bruchs wirkt in der Schüttgutprobe der Spannungskreis B3. Da die Belastung der Probe entsprechend dieses Spannungskreises zum Fließen führt, muss in irgendeiner Schnittebene im Schüttgut die Fließgrenze erreicht worden sein. Der Spannungskreis B3 muss demnach die Fließgrenze berühren. In Abb. 3.4 ist eine mögliche Fließgrenze eingezeichnet. Die Fließgrenze gibt für jede Normalspannung σ die Schubspannung τ an, die zum Fließen, also zum Verschieben der Partikel gegeneinander, notwendig ist. Die Spannungskreise B1 und B2, die unterhalb der Fließgrenze liegen, bewirken nur eine elastische Verformung der Schüttgutprobe, aber keinen Bruch bzw. kein Fließen. Spannungskreise, die größer als Spannungskreis B3 sind und damit zum Teil oberhalb der Fließgrenze liegen, sind nicht
3.1 Einachsiger Druckversuch als Modell
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möglich: Die Probe würde bereits bei Erreichen der Fließgrenze fließen (brechen), so dass keine größere Belastung auf die Probe aufgebracht werden könnte. Abbildung 3.5 zeigt den Zusammenhang zwischen dem Spannungskreis und dem Verlauf des Bruchs. Der Berührpunkt des Spannungskreises B3 mit der Fließgrenze definiert das Wertepaar von Schubspannung τ und Normalspannung σ, das zum Fließen des Schüttgutes führt. Diese Spannungen werden aber nicht in jeder beliebigen Schnittebene durch das Schüttgut erreicht, sondern bei einer zweidimensionalen Betrachtung nur in zwei Ebenen. Die eine dieser Ebenen findet man ausgehend von der horizontalen Schnittebene, in der die Vertikalspannung σv, die hier die größte Hauptspannung ist, aufgebracht wird. Um von den in dieser Ebene wirkenden Spannungen zu den Spannungen im Berührpunkt des Spannungskreises mit der Fließgrenze zu kommen, ist eine Drehung um 2α entgegen dem Uhrzeigersinn notwendig (Abb. 3.5). Die entsprechende Ebene findet man im Schüttgutelement, indem man ausgehend von der horizontalen Ebene um den halben Winkel, also α, in der entgegengesetzten Richtung dreht (s. Kap. 2.2). Das heißt, dass der Bruch in Ebenen stattfindet, in der Schub- und Normalspannung einen Punkt der Fließgrenze bilden. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass man eine zweite Richtung von Bruchebenen findet, wenn man die Fließgrenze an der σ-Achse spiegelt und den dadurch entstehenden Berührpunkt in der in Abb. 3.5 nicht gezeigten unteren Hälfte des Spannungskreises betrachtet. Die Richtung dieser Bruchebenen ist spiegelbildlich zur in der Schüttgutprobe eingezeichneten Richtung.
Abb. 3.5. Zusammenhang zwischen Spannungskreis, Fließgrenze und Bruchebene im Schüttgut
Würde man während des zweiten Teils des in Abb. 3.1 gezeigten Experimentes (Messung der Druckfestigkeit) außer der Vertikalspannung auch
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3 Fließeigenschaften von Schüttgütern
eine Horizontalspannung größer Null (also σ2 > 0) auf die Probe aufprägen, so würde man ebenfalls Spannungskreise finden, die den Bruch der Probe hervorrufen und die Fließgrenze tangieren (z.B. Spannungskreis C und zugehörigen Versuchsaufbau in Abb. 3.4). Die Fließgrenze ist Einhüllende aller Spannungskreise, die zum Fließen einer Schüttgutprobe führen. 3.1.4 Kennzahlen zur Charakterisierung der Fließfähigkeit Die Fließfähigkeit eines Schüttgutes wird durch die Druckfestigkeit σc in Abhängigkeit von der Verfestigungsspannung σ1 und gegebenenfalls von der Lagerzeit gekennzeichnet. Als charakteristische Kennzahl der Fließfähigkeit wird üblicherweise das Verhältnis ffc von Verfestigungsspannung σ1 zu Druckfestigkeit σc benutzt:
ff c =
σ1 σc
(3.1)
Um so größer ffc ist, d.h. um so kleiner die Druckfestigkeit im Verhältnis zur Verfestigungsspannung ist, desto besser fließt ein Schüttgut. In Erweiterung der Einteilung von Jenike [3.1] kann man das Fließverhalten wie folgt mit Worten charakterisieren:
• • • • •
ffc < 1 1 < ffc < 2 2 < ffc < 4 4 < ffc < 10 10 < ffc
nicht fließend sehr kohäsiv kohäsiv leicht fließend frei fließend
In Abb. 3.6 sind die Fließfunktion A aus dem σc,σ1-Diagramm von Abb. 3.2 sowie die Grenzen der Bereiche eingezeichnet, die sich aus der oben angegebenen Einteilung nach ffc-Werten ergeben. Wie man Abb. 3.6 entnimmt, ändert sich das Verhältnis ffc mit steigender Verfestigungsspannung σ1 (in den meisten Fällen nimmt es zu wie bei Schüttgut A). Je nachdem, bei welcher Verfestigungsspannung σ1 die Druckfestigkeit σc und damit das Verhältnis ffc bestimmt wurde, ergibt sich eine andere Beurteilung der Fließfähigkeit: Die Fließfähigkeit eines Schüttgutes ist demnach vom Spannungsniveau abhängig, und zwar wird sie bei den meisten Schüttgütern mit zunehmender Verfestigungsspannung größer (besser). Für fast jedes Schüttgut wird man eine (unter Umständen extrem kleine) Verfestigungsspannung finden, bei der es schlecht fließt. Wegen der geschilderten Abhängigkeit der Fließfähigkeit von der Verfestigungsspan-
3.1 Einachsiger Druckversuch als Modell
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nung ist es leider nicht möglich, die Fließfähigkeit eines Schüttgutes allein durch einen Zahlenwert zu beschreiben.
Abb. 3.6. Bereiche unterschiedlicher Fließfähigkeit
Die Zunahme der Fließfähigkeit mit der Verfestigungsspannung wird manchmal auf den ersten Blick als widersprüchlich empfunden, da die Druckfestigkeit σc ja mit zunehmender Verfestigungsspannung σ1 ansteigt, d.h. das Schüttgut wird zunehmend fester. Wie kann es da besser fließen? Die Antwort liegt in der Definition der Fließfähigkeit (Gl.(3.1)): Die Fließfähigkeit beschreibt das Verhältnis der Verfestigungsspannung zur Druckfestigkeit, und dieses Verhältnis wird bei den weitaus meisten Schüttgütern (z.B. Kurvenverlauf A in Abb. 3.2) in Richtung zunehmender Verfestigungsspannung immer größer. Das folgende Beispiel zeigt, dass die Spannungsabhängigkeit der Fließfähigkeit durchaus sinnvoll ist: In Abb. 3.7 ist der untere Teil eines mit Schüttgut gefüllten Trichters gezeigt. In einem Trichter nimmt die größte Hauptspannung σ1 (Verfestigungsspannung) zur Trichterspitze hin ab (s. Kap. 9.1.2). Die Diagramme in Abb. 3.7 zeigen neben der Verfestigungsspannung σ1 auch die Druckfestigkeit σc und die sich daraus ergebende Fließfähigkeit ffc des Schüttgutes. Schlechte Fließfähigkeit des Schüttgutes im Trichter bedeutet, dass es zu Auslaufstörungen aufgrund von Brückenbildung kommt. Die Erfahrung zeigt, dass Auslaufstörungen vermieden werden können, wenn die Auslauföffnung hinreichend groß ist. Diese Erkenntnis zeigt sich auch in Abb. 3.7: Im unteren Trichterbereich ist die Fließfähigkeit ffc nahe bei 1, das Schüttgut hat dort also ein ungünstiges Fließverhalten. Weiter oben im Trichter wird die Fließfähigkeit zunehmend größer, so dass es dort nicht zu Auslaufstörungen kommt. Führt man die Auslauföffnung also hinreichend groß aus, ist die Fließfähigkeit des Schüttgutes im gesamten Trichter groß genug, um Auslaufschwierigkeiten zu vermeiden.
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3 Fließeigenschaften von Schüttgütern
Soll Schüttgut aus der Ruhe heraus in Bewegung – zum Fließen – gebracht werden, muss die Fließgrenze überschritten werden. Dazu stehen häufig nur Spannungen der gleichen Größenordnung zur Verfügung, mit denen das Schüttgut vorher verfestigt wurde. Im obengenannten Beispiel (Schüttgut im Trichter, Abb. 3.7) soll das Schüttgut ausfließen, nachdem die Auslauföffnung geöffnet wird. Nach dem Öffnen der Auslauföffnung wirken auf das Schüttgut etwa die gleichen Spannungen wie vorher. Das Schüttgut kann nur dann ausfließen, wenn die auf das Schüttgut einwirkende Spannung hinreichend größer ist als die Festigkeit des Schüttgutes (Druckfestigkeit σc). Man kann auch sagen, dass das Schüttgut um so leichter ausfließen wird, desto größer das Verhältnis der auf das Schüttgut ausgeübten Spannung zur Druckfestigkeit ist. Genau dieses Verhältnis wird durch die Fließfähigkeit ffc entsprechend Gl.(3.1) angegeben. Die Fließfähigkeit ffc als Verhältnis von Verfestigungsspannung σ1 und Druckfestigkeit σc ist also in vielen Fällen maßgebend dafür, ob ein Schüttgut in einer bestimmten Situation fließt oder nicht.
Abb. 3.7. Verfestigungsspannung σ1, Druckfestigkeit σc und Fließfähigkeit ffc des Schüttgutes im Trichter
Auch aus den Ergebnissen von Zeitverfestigungsmessungen lassen sich Fließfähigkeiten nach Gl.(3.1) ermitteln. Dazu setzt man für die Druckfestigkeit denjenigen Wert σc ein, der sich nach der entsprechenden Lagerzeit ergeben hat. Wenn das Schüttgut Zeitverfestigung zeigt, wird man mit zunehmender Lagerzeit immer größere Druckfestigkeiten σc messen, so dass sich aus Gl.(3.1) immer kleinere Fließfähigkeiten ffc ergeben. Dies ist auch plausibel: Wenn ein Schüttgut um so fester wird, desto länger es unter einer Verfestigungsspannung gelagert wird, so wird es auch immer schlechter zum Fließen zu bringen sein, d.h. seine Fließfähigkeit verringert sich zunehmend.
3.1 Einachsiger Druckversuch als Modell
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In Abb. 3.3 (Kap. 3.1.1) sind eine Fließfunktion und zwei Zeitfließfunktionen gezeigt. Die Fließfunktion ist die Abhängigkeit der Druckfestigkeit σc von der Verfestigungsspannung σ1 ohne Zeiteinfluss, also für die Lagerzeit t = 0. Eine Zeitfließfunktion gibt die Druckfestigkeit σc an, die sich nach Lagerung unter der Verfestigungsspannung σ1 über eine Zeitspanne t ergibt (s. Kap. 3.1.1). Die Fließfunktion und Zeitfließfunktionen aus Abb. 3.3 sind in Abb. 3.8.a zusammen mit den Grenzen der Bereiche eingezeichnet, die sich aus der oben angegebenen Einteilung nach ffc-Werten ergeben. An den Kurven ist zu erkennen, wie z.B. die Fließfähigkeiten ffc, die bei der gleichen Verfestigungsspannung σ1, aber unterschiedlichen Verfestigungszeiten t gemessen wurden, mit zunehmender Lagerzeit t immer mehr abnehmen. Für die als Beispiel gewählte Verfestigungsspannung σBeispiel in Abb. 3.8 erhält man mit zunehmender Lagerzeit t Messpunkte in Bereichen immer schlechterer Fließfähigkeit (s. eingezeichneten Pfeil). Den prinzipiellen Verlauf der Fließfähigkeit ffc mit zunehmender Lagerzeit zeigt Abb. 3.8.b.
Abb. 3.8. Änderung der Fließfähigkeit durch Zeitverfestigung
Aus der Abhängigkeit der Fließfähigkeit ffc von der Verfestigungsspannung σ1 folgt, dass man das Fließverhalten mehrerer Schüttgüter anhand von ffc nur dann quantitativ vergleichen kann, wenn alle Messungen bei der gleichen Verfestigungsspannung durchgeführt werden. Anderenfalls kann es zu völlig anderen (falschen) Aussagen kommen. Dies zeigt das Beispiel von Abb. 3.9, in dem die Fließfunktionen von zwei Schüttgütern A und B gezeichnet sind. Die Fließfähigkeit ffc des besser fließenden Schüttgutes A wurde bei einer sehr kleinen Verfestigungsspannung σ1 gemessen, so dass sich eine relativ geringe Fließfähigkeit ergab. Die Fließfähigkeit ffc des schlechter fließenden Schüttgutes B wurde aber bei einer deutlich größeren Verfestigungsspannung σ1 gemessen, wo dieses Schüttgut eine bessere Fließfähigkeit ffc aufweist als das besser fließende Schüttgut A bei der kleineren Verfestigungsspannung. Ein Vergleich der ffc-
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3 Fließeigenschaften von Schüttgütern
Werte würde hier also eine Fehlbeurteilung nach sich ziehen. Hätte man dagegen die Fließfähigkeiten bei jeweils der gleichen Verfestigungsspannung gemessen, hätte man auch Fließfähigkeiten ffc ermittelt, die die Verhältnisse richtig wiedergeben.
Abb. 3.9. Zum Einfluss der Verfestigungsspannung
Werden Werte der Fließfähigkeit ffc genannt und weitergegeben, so muss auch stets die Verfestigungsspannung σ1 genannt werden, bei der die Fließfähigkeit gemessen wurde. Ansonsten ist die Angabe für eine weitere Verwendung nutzlos, denn man kann je nach Wahl der Verfestigungsspannung sehr verschiedene Fließfähigkeiten für ein Produkt messen. Auch die Zeitverfestigung unterschiedlicher Schüttgüter lässt sich nur bei identischer Verfestigungsspannung und identischer Verfestigungszeit vergleichen. Hier muss man also zu einem ffc-Wert zusätzlich zur Verfestigungsspannung auch die Verfestigungszeit nennen. Verfestigungsspannung und Verfestigungszeit sollten dem zu untersuchenden Problem angepasst werden, d.h. es ist nach Möglichkeit bei den Verfestigungsspannungen und Lagerzeiten zu messen, die bei der aktuellen Problemstellung auftreten (z.B. Schüttgutspannungen und Lagerzeit bei Lagerung in Säcken auf Paletten, Schüttgutspannungen in Nähe der Auslauföffnung eines Silos, s. Kap. 4.2). Dies ist der sicherste Weg, eine möglichst realistische Aussage zu erzielen. Da die Reihenfolge der Fließfähigkeiten mehrerer Schüttgüter in vielen Fällen weitgehend unabhängig vom Spannungsniveau ist (Beispiel: Abb. 3.9: Produkt A fließt im gesamten Bereich der Verfestigungsspannung besser als Produkt B), reicht oft auch eine sehr grobe Annäherung der bei der Messung angewendeten Verfestigungsspannungen an die beim praktischen Problem anzutreffenden Spannungen für eine hinreichende Aussage aus. Sehr viel wichtiger als die absolute Größe der Verfestigungsspannung ist bei Vergleichsmessungen,
3.1 Einachsiger Druckversuch als Modell
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dass alle Produkte bei derselben Verfestigungsspannung untersucht werden. Hierauf wurde oben bereits hingewiesen. In Ausnahmefällen kann sich je nach Spannungsniveau (σ1) auch eine unterschiedliche Beurteilung, welches von zwei Produkten besser fließt, ergeben. Dies sieht man anhand der Fließfunktionen der Produkte A und B in Abb. 3.2. Durch die Überschneidung der Fließfunktionen gibt es Bereiche, wo die Fließfunktion von A oberhalb der von Produkt B liegt und damit Produkt B besser fließt, aber auch solche Bereiche, wo Produkt A besser fließt. Bei manchen Anwendungen wird das Schüttgut durch die Wirkung der Schwerkraft zum Fließen gebracht, z.B. beim Ausfließen des Schüttgutes aus einem Behälter oder Silo. Zwei Schüttgüter, die die gleiche Fließfähigkeit ffc, aber eine unterschiedliche Schüttgutdichte haben, werden auch unterschiedlich gut ausfließen: Das Schüttgut mit der größeren Schüttgutdichte hat eine größere Gewichtskraft, d.h. es steht eine größere Kraft zur Verfügung, um das Schüttgut aus der Auslauföffnung z.B. eines Silos ausfließen zu lassen. Aufgrund der größeren Gewichtskraft kann somit die Festigkeit des Schüttgutes bei gleicher Fließfähigkeit leichter überwunden werden. Bei Vergleichsmessungen an ähnlichen Proben eines Produktes unterscheiden sich die einzelnen Proben häufig nur wenig in ihrer Schüttgutdichte, so dass der Einfluss der Schüttgutdichte vernachlässigt werden kann. Die Fließfähigkeit ffc liefert dann eine hinreichend genaue Aussage. Manchmal findet man aber sehr starke Unterschiede zwischen den Schüttgutdichten der zu vergleichenden Proben, insbesondere bei sehr feinkörnigen Produkten. Hier ist die Schüttgutdichte unbedingt für eine Beurteilung der Fließfähigkeit bei Schwerkraftfluss hinzuziehen. Es bietet sich an, hierfür das Produkt aus Fließfähigkeit ffc und Schüttgutdichte ρb zu betrachten:
ρ ff ρ = ff c ⋅ b
ρw
(3.2)
mit: ρw = 1000 kg/m3 (flüssiges Wasser bei 0°C, 1 bar). Damit sich ein dimensionsloser Term ergibt, wird die Schüttgutdichte ρb auf die Dichte von flüssigem Wasser (ρw = 1000 kg/m3 bei 0°C und 1 bar, gerundet) bezogen. Dies ist nicht physikalisch sinnvoll, da die Dichte des Wassers keine Rolle für das Fließen des Schüttgutes spielt, führt aber zu der für Vergleiche nutzbaren dimensionslosen Größe ffρ, die als „dichtegewichtete Fließfähigkeit“ bezeichnet wird.
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3 Fließeigenschaften von Schüttgütern
3.2 Prinzip der Messung mit Schergeräten Die Anwendung des einachsigen Druckversuchs für feinkörnige Schüttgüter ist nicht unproblematisch, da man systembedingt zu kleine Druckfestigkeiten misst (Kap. 5) [3.2–3.6] und ein großer präparativer Aufwand notwendig ist, um eine nahezu reibungsfreie Innenwand des Hohlzylinders zu erhalten. Außerdem lassen sich weitere für die Schüttguttechnik wichtige Größen nicht ermitteln (z.B. die innere Reibung des Schüttgutes oder die Wandreibung). Daher werden in der Schüttguttechnik Schergeräte benutzt. Das erste speziell für Schüttgüter konstruierte Schergerät ist das von Jenike um 1960 vorgestellte Translationsschergerät (Jenike-Schergerät) [3.1]. Wenige Jahre später folgten erste Ausführungen eines Ringschergerätes für Schüttgüter [3.7]. Hier wird zunächst unabhängig vom Schergerät die Messprozedur, die man als Scherversuch (engl.: shear test) bezeichnet, geschildert. Die Umsetzung der Prozedur mit Schergeräten folgt in Kap. 4. 3.2.1 Messprozedur Die im folgenden beschriebene Messprozedur entspricht der von Jenike für das Translationsschergerät vorgeschlagenen Vorgehensweise [3.1,3.8– 3.12]. Die Messung erfolgt wie der einachsige Druckversuch in zwei Schritten: Zuerst wird die Schüttgutprobe verfestigt, was man als „Anscheren“ bezeichnet. Anschließend wird ein Punkt der Fließgrenze gemessen. Dieser Schritt heißt „Abscheren“.
Abb. 3.10. a. Erstbelastung der Schüttgutprobe mit der vertikalen Normalspannung σ; b. Scherverformung (idealisiert)
Da das Prinzip der Messung mit einem Schergerät häufig als schwer verständlich empfunden wird, erfolgen vorab einige vereinfachte Betrachtungen. Das Prinzip einer Scherverformung zeigt Abb. 3.10. Die Schüttgutprobe der Querschnittsfläche A wird zunächst durch eine Normalspannung σ in vertikaler Richtung belastet (Abb. 3.10.a). Dann wird die Schüttgut-
3.2 Prinzip der Messung mit Schergeräten
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probe einer Scherverformung unterworfen, indem Ober- und Unterseite der Schüttgutprobe mit der Geschwindigkeit v horizontal gegeneinander verschoben werden (Abb. 3.10.b). Die dabei aufgrund der inneren Reibung des Schüttgutes auftretende Schubspannung τ wird gemessen. Wird eine zunächst sehr lockere Schüttgutprobe wie in Abb. 3.10.a mit einer Normalspannung σ belastet, wird sie sich bereits etwas verdichten, d.h. die Schüttgutdichte ρb steigt an. Bei einer anschließenden Scherverformung werden Partikel gegeneinander bewegt, was zu der in Abb. 3.10.b eingezeichneten Schubspannung τ führt. Die Verläufe von Schubspannung und Schüttgutdichte über der Zeit sind in Abb. 3.11.a gezeigt. Da die Partikel am Anfang aufgrund der lockeren Packung noch nicht sehr dicht aneinander liegen und somit die Haftkräfte wegen der großen Abstände zwischen den Partikeln gering sind, wird die Reibung zwischen den Partikeln zunächst noch klein sein. Die Schüttgutprobe lässt sich daher zunächst noch mit geringen Schubspannungen verformen. Mit zunehmender Scherverformung verdichtet und verfestigt sich das Schüttgut aber immer mehr, so dass die Haftkräfte und die Reibungskräfte zwischen den Partikeln zunehmen. Die Schubspannung τ und die Schüttgutdichte ρb werden daher beim weiteren Scheren zunehmen. Es handelt sich hier also um eine plastische Verformung mit Zunahme der Schüttgutdichte. Die plastische Verformung des Schüttgutes ist eine bleibende Verformung, die nach der Wegnahme der Belastung nicht wieder verschwindet. Wird eine Schüttgutprobe wie hier bei der folgenden Verformung verdichtet, bezeichnet man sie als unterverfestigte Probe.
Abb. 3.11. Schubspannung τ und Schüttgutdichte ρb bei unterverfestigten (a) und überverfestigten (b) Proben beim Scheren mit jeweils gleicher Normalspannung σ
Die zunehmende Verfestigung des Schüttgutes beim Scheren erklärt sich auch daraus, dass die Gesamtbelastung des Schüttgutes, repräsentiert durch
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3 Fließeigenschaften von Schüttgütern
die resultierende Kraft FR in Abb. 3.10, mit steigender Schubspannung zunimmt. Mit der Zeit wird der Anstieg der Schubspannung τ (und damit auch der Anstieg der Gesamtbelastung FR) immer flacher, bis die Schubspannung schließlich trotz weiterer Scherverformung nicht mehr weiter ansteigt (s. Abb. 3.11.a). Die Reibung zwischen den Partikeln ist nun voll mobilisiert, d.h. es wirkt die maximal mögliche Reibungskraft. Nach Erreichen der konstanten Schubspannung findet keine weitere Zunahme der Schüttgutdichte ρb und der Festigkeit mehr statt. Die Probe wird also bei konstanter Normalspannung σ, konstanter Schubspannung τ und konstanter Schüttgutdichte ρb geschert. Damit liegt hier plastisches Fließen (plastische Verformung, s. Kap. 2.5) bei konstanter Schüttgutdichte vor. Das Fließen bei konstanten Spannungen und konstanter Schüttgutdichte, das beim Scheren schließlich erreicht wird, bezeichnet man als stationäres Fließen. Man bezeichnet eine Schüttgutprobe, die bis zum Erreichen des stationären Fließens geschert wurde, auch als kritisch verfestigt bezüglich der Normalspannung σ [3.1,3.12]. Um so größer die Normalspannung σ gewählt wird, desto größere Werte von Schüttgutdichte und Schubspannung stellen sich bis zum Erreichen des stationären Fließens ein. Nun wird der in Abb. 3.10 gezeigte Vorgang noch einmal betrachtet, wobei aber keine lockere (unterverfestigte) Schüttgutprobe geschert wird, sondern eine vorher sehr stark verfestigte (überverfestigte) Probe. Auf die Probe wird die gleiche Normalspannung σ aufgeprägt wie bei der vorangegangenen Betrachtung auf die unterverfestigte Probe, nur diesmal wurde das Schüttgut vorher stark verfestigt, z.B. indem es vorher mit einer sehr viel größeren Normalspannung belastet und geschert wurde. Durch die vorangegangene Verfestigung sind die Partikel dicht aneinandergedrückt, was sich in einer entsprechend großen Schüttgutdichte ρb und in großen Haftkräften niederschlägt. Schert man dieses stark verfestigte Schüttgut, so wird das Schüttgut erst dann fließen, wenn die Schubspannung stark genug ist, um die aneinander haftenden Partikel gegeneinander zu verschieben: Die Fließgrenze muss erreicht werden. Der Verlauf der Schubspannung in Abb. 3.11.b illustriert dies: Zu Beginn des Scherens wird die Schubspannung τ zunehmen und zunächst nur eine elastische Verformung des Schüttgutes – kein Fließen – hervorrufen. Erst bei hinreichend großer Schubspannung wird ein Bruch im Schüttgut entstehen, d.h. erst dann bewegen sich die Partikel gegeneinander (beginnendes Fließen) und die Fließgrenze ist erreicht. In der Regel wird sich der Bruch auf eine Zone geringer Dicke, die sogenannte Scherzone, beschränken (mehr zur Bildung von Scherzonen s. Abschnitt 5.2). Die Schubspannung fällt nach dem Bruch ab. Sobald der Bruch eingetreten ist, bewegen sich die Partikel im Bereich des Bruchs (Scherzone) gegeneinander, wobei sich die Abstände zwischen
3.2 Prinzip der Messung mit Schergeräten
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den Partikeln vergrößern. Die Schüttgutdichte nimmt daher im Bereich der Scherzone ab. Mit der Vergrößerung der Abstände geht eine Verringerung der Haftkräfte einher, d.h. auch die Festigkeit des Schüttgutes und damit die auf das Schüttgut aufzuprägende Schubspannung nehmen ab. Die Auflockerung des Schüttgutes in der Bruchfläche ist plastisches Fließen unter Dichteabnahme (Abb. 3.11.b). Schert man das Schüttgut nach dem Eintreten des Bruchs weiter, so lockert sich das Schüttgut immer mehr auf, bis schließlich wieder stationäres Fließen erreicht wird. Beim stationären Fließen stellen sich in der Scherzone die gleiche konstante Schubspannung und die gleiche Schüttgutdichte ein, die man auch beim Scheren einer locker eingefüllten Probe unter der gleichen Normalspannung σ erhalten hätte. Da sich die Scherverformung hier aber nur auf eine relativ schmale Scherzone begrenzt, gilt diese Aussage auch nur für diese. Eine Probe, bei der beim Scheren Schüttgutdichte und Festigkeit abnehmen, bezeichnet man in der Schüttguttechnik als überverfestigte Probe. Wie man an dem oben beschriebenen Beispiel erkennt, erreicht man durch hinreichend langes Scheren auch dann stationäres Fließen, wenn die Probe zuvor überverfestigt war. In der Scherzone ist die Schüttgutdichte dann genauso groß wie die Schüttgutdichte, die sich beim stationären Fließen einer zuvor unterverfestigten Probe einstellt. Das stationäre Fließen ist damit ein Prozess, der das Schüttgut in einen reproduzierbaren, definierten Zustand hinsichtlich Schüttgutdichte und Festigkeit bringt. Daher benutzt man das stationäre Fließen zur definierten Verfestigung bei der Messung von Schüttguteigenschaften. Man beginnt eine Messung aber immer mit einer unterverfestigten Schüttgutprobe, um durch das Anscheren eine homogenere Probe zu erhalten. Bei Beginn mit einer überverfestigten Schüttgutprobe erhielte man das stationäre Fließen und die damit verbundenen Schüttguteigenschaften nur im begrenzten Bereich des Bruchs, während die restliche Schüttgutprobe die ursprüngliche größere Schüttgutdichte aufwiese. Nach diesen Vorbemerkungen wird nun die Messprozedur eines Schergerätes betrachtet. Den vorangegangenen Ausführungen folgend beginnt man mit einer unterverfestigten Schüttgutprobe. Zum Verfestigen (Anscheren) wird die Schüttgutprobe durch die Anschernormalspannung σ = σan in vertikaler Richtung belastet und anschließend einer Scherverformung unterworfen (Abb. 3.12.a). Die zur Verformung notwendige Schubspannung τ wird gemessen. Während des Anscherens steigt die gemessene Schubspannung τ mit der Zeit zunächst an (Abb. 3.12.c), wie es oben anhand von Abb. 3.11.a gezeigt wurde. Allmählich wird der zeitliche Anstieg der Schubspannung τ immer flacher, bis die Schubspannung schließlich trotz weiterer Scherver-
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3 Fließeigenschaften von Schüttgütern
formung nicht mehr weiter ansteigt. Nun ist das oben erläuterte stationäre Fließen erreicht, bei dem keine weitere Festigkeitszunahme und Verdichtung der Probe mehr stattfindet. Die Probe wird also bei konstanter Normalspannung σ, konstanter Schubspannung τ und konstanter Schüttgutdichte ρb geschert. Die Schüttgutprobe ist nun kritisch verfestigt bezüglich der Normalspannung σan [3.1,3.12].
Abb. 3.12. Verlauf von Schubspannung τ und Schüttgutdichte ρb beim An- und Abscheren
Die beim stationären Fließen erreichte Schüttgutdichte ρb und die Schubspannung beim stationären Fließen, die als Anscherschubspannung τan bezeichnet wird, sind charakteristisch für die aufgebrachte Normalspannung σan. Im Prinzip lässt sich mit Proben des gleichen Schüttgutes bei jeweils gleicher Normalspannung σan immer wieder der gleiche Verfestigungszustand erreichen, der durch die immer wieder gleiche Schüttgutdichte ρb und Schubspannung τan gekennzeichnet ist.
3.2 Prinzip der Messung mit Schergeräten
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Durch das Anscheren bis zum Erreichen des stationären Fließens wird das Schüttgut in einen definierten und reproduzierbar erreichbaren Verfestigungszustand, den sogenannten kritischen Zustand, gebracht. Das Anscheren dient wie die Verfestigung beim einachsigen Druckversuch (Abb. 3.1) zum Erreichen eines definierten Verfestigungszustandes, hat jedoch Vorteile [3.2,3.5,3.6]. Ein Vorteil ist, dass beim Anscheren über den gemessenen Verlauf der Schubspannung kontrolliert werden kann, ob der gewünschte Verfestigungszustand schon erreicht ist (erkennbar an konstanter Schubspannung = stationäres Fließen). Wurde die Schüttgutprobe z.B. ungleichmäßig eingefüllt, so dass in der Probe Inhomogenitäten (Hohlräume, Bereiche geringerer Dichte) vorliegen, wird man dies bei der einachsigen Verdichtung nicht merken. Beim Anscheren hingegen ist zu erwarten, dass Inhomogenitäten aufgrund der Scherverformung in größerem Maße ausgeglichen werden, und dass die gemessene Schubspannung erst dann konstant ist, wenn die Schüttgutprobe hinreichend homogen ist. Nachdem die Schüttgutprobe durch das Anscheren verfestigt wurde, wird die Probe von der Schubspannung entlastet, d.h. die Schubspannung τ sinkt auf Null ab (Abb. 3.12.c). Das Wertepaar von Normal- und Schubspannung beim stationären Fließen (σan, τan) wird für die Auswertung der Messung notiert und in einem Normalspannungs-Schubspannungs-Diagramm (σ,τ-Diagramm) aufgetragen (Abb. 3.13.a). Der durch das Wertepaar (σan, τan) festgelegte Punkt heißt Anscherpunkt. Nach dem Anscheren liegt eine definiert verfestigte Schüttgutprobe vor. Die die Verfestigung charakterisierende Spannung wird später betrachtet. Nun folgt der zweite Schritt der Messung: das Abscheren. Zum Abscheren wird zunächst die vertikal auf die Schüttgutprobe wirkende Normalspannung auf die Abschernormalspannung σab < σan verringert, d.h. die Schüttgutprobe wird dann unter einer geringeren Normalspannung σab < σan als beim Anscheren geschert (Abb. 3.12.b). Dies entspricht dem Scheren einer überverfestigten Probe, wie es in Abb. 3.11.b beschrieben wurde. Hätte man die Schüttgutprobe nicht bei σan, sondern bei der jetzt wirkenden kleineren Normalspannung σab angeschert, hätte die Schüttgutprobe eine geringere Schüttgutdichte und eine geringere Festigkeit. Da die Schüttgutprobe aber vorher unter der größeren Normalspannung σan angeschert wurde, ist sie stärker verfestigt, als es durch Anscheren unter der kleineren Normalspannung σab möglich wäre. Es handelt sich also um eine bezüglich der jetzt wirkenden Normalspannung σab überverfestigte Probe. Beim Scheren ist ein Verlauf der Schubspannung zu erwarten, wie er in Abb. 3.11.b dargestellt ist. Beim Abscheren unter der Normalspannung σab < σan kommt es bei einer bestimmten Schubspannung τ zum Bruch der Probe. Die Schüttgutprobe beginnt zu fließen, was mit einer „Entfestigung“ (Dichteabnahme, Auf-
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3 Fließeigenschaften von Schüttgütern
lockerung) und entsprechender Abnahme der Schubspannung verbunden ist (Abb. 3.12.c). Das Maximum im Schubspannungsverlauf (Abscherschubspannung) kennzeichnet den Beginn des Fließens. Das zugehörige Wertepaar (σab, τab) von Normalspannung σab und maximaler Schubspannung τab ist ein Punkt der Fließgrenze im σ,τ-Diagramm (Abb. 3.13.a). Man bezeichnet einen solchen Punkt als Abscherpunkt.
Abb. 3.13. Anscherpunkt und Abscherpunkt im σ,τ-Diagramm für kohäsives (a) und kohäsionsloses (b) Schüttgut
Bisher wurden in diesem Kapitel Schüttgüter betrachtet, deren Festigkeit sich durch Aufbringen einer Verfestigungsspannung vergrößert. Die Haftkräfte beeinflussen bei diesen Schüttgütern maßgeblich die Lage der Fließgrenze. Um so stärker die Haftkräfte wirken, desto höher liegt der in Abb. 3.13.a gezeigte Abscherpunkt. Haben die Haftkräfte dagegen gar keinen Einfluss, spricht man von einem kohäsionslosen Schüttgut. Ein kohäsionsloses Schüttgut lässt sich nicht verfestigen, so dass man beim Abscheren kein Maximum im Schubspannungsverlauf beobachtet. Die Fließgrenze ist in diesem Fall eine Gerade durch den Ursprung, auf der Anscherpunkt und Abscherpunkt liegen (Abb. 3.13.b). Um den Verlauf einer Fließgrenze zu messen, müssen mehrere der oben geschilderten Messungen durchgeführt werden, wobei Schüttgutproben jeweils bei identischer Normalspannung σan zuerst verfestigt werden (Anscheren), aber unter verschiedenen Normalspannungen σab < σan abgeschert werden. Wie oben dargelegt, erhält man durch das Anscheren bei identischer Normalspannung σan immer wieder den gleichen Verfestigungszustand. In Abb. 3.14 sind die Verläufe der Schubspannung über der Zeit für mehrere Messungen bei jeweils gleicher Anschernormalspannung σan aufgezeichnet. Jede Messung liefert den gleichen Anscherpunkt (σan, τan) und jeweils einen Abscherpunkt (σab, τab). Es wäre nicht sinnvoll, nach einmaligem Anscheren hintereinander mehrere Abscherpunkte zu messen, da schon nach dem ersten Abscheren der Zustand der Probe ein anderer ist als vor dem Abscheren, denn die Probe lockert sich beim Abscheren auf (s.
3.2 Prinzip der Messung mit Schergeräten
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Verlauf der Schüttgutdichte in Abb. 3.12). Mehrfaches Abscheren ohne zwischenzeitiges Anscheren würde daher zu zu geringen Schubspannungen beim Abscheren und damit zu falschen Messwerten führen (weitere Bemerkungen hierzu s. Kap. 6.1.1). Die Fließgrenze des Schüttgutes ergibt sich im σ,τ-Diagramm aus einer Kurve durch alle gemessenen Abscherpunkte (Abb. 3.14). Extrapoliert man die Fließgrenze nach rechts, liegt sie in der Regel oberhalb des Anscherpunktes, nur bei kohäsionslosen Schüttgütern kann sie auch auf dem Anscherpunkt liegen (s. Abb. 3.13.b).
Abb. 3.14. Ermitteln der Fließgrenze aus den gemessenen Schubspannungen
Abb. 3.15. Verlauf der Schubspannung beim Messen mehrerer Punkte der Fließgrenze mit einer Schüttgutprobe
Steht für die Messung ein hinreichend langer Verformungsweg zur Verfügung, muss nicht wie in Abb. 3.14 für jeden Messpunkt eine neue Schüttgutprobe benutzt werden, sondern man kann mit einer Schüttgutprobe mehrere Punkte der Fließgrenze messen. Den Verlauf der Schubspannungen bei dieser Messprozedur zeigt Abb. 3.15. Die Schüttgutprobe wird zu-
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3 Fließeigenschaften von Schüttgütern
nächst nach Aufgeben der Normalspannung σan angeschert (verfestigt) und danach unter einer kleineren Normalspannung σab < σan abgeschert. Anschließend wird die gleiche Probe erneut angeschert usw. 3.2.2 Fließort und Fließeigenschaften Die Fließgrenze heißt bei Schüttgütern Fließort (engl.: yield locus [3.1]). Ein Fließort gilt für genau eine Normalspannung beim Anscheren σan, also für einen genau definierten, durch das Anscheren bis zum stationären Fließen eingestellten Verfestigungszustand. Wählt man eine andere Normalspannung zum Anscheren, so wird man einen anderen Fließort erhalten. Da man unendlich viele unterschiedliche Normalspannungen beim Anscheren vorgeben kann, gibt es auch unendlich viele Fließorte. Ein Fließort ist üblicherweise leicht konvex, also nach außen gekrümmt. Die Krümmung nimmt zu kleinen Normalspannungen hin zu. Bei frei fließenden Schüttgütern erhält man auch nahezu geradlinige Fließorte. Ein Fließort gilt für genau eine Schüttgutdichte, nämlich diejenige Schüttgutdichte, die sich beim Anscheren bis zum Erreichen des stationären Fließens einstellt. Aus einem Fließort lassen sich die Größen bestimmen, die man als Schüttguteigenschaften bezeichnet. Dies sind u.a. die schon erläuterten Größen Verfestigungsspannung, Druckfestigkeit und Fließfähigkeit, aber auch weitere Größen wie z.B. die innere Reibung des Schüttgutes. 3.2.2.1 Verfestigungsspannung und Druckfestigkeit
Um die Verfestigungsspannung und die Druckfestigkeit zu ermitteln, bedient man sich des Mohrschen Spannungskreises (s. Kap. 2.3 sowie [3.1, 3.8,3.9]). Jeder Punkt eines Mohrschen Spannungskreises gibt die in einer bestimmten Schnittebene einer Schüttgutprobe wirkenden Normal- und Schubspannungen dar. Aus der Herleitung des Mohrschen Spannungskreises ergibt sich außerdem, dass der Mittelpunkt des Spannungskreises stets auf der σ-Achse liegt. Zu jedem Fließort wird ein Mohrscher Spannungskreis eingezeichnet, der die Spannungsverhältnisse in der Schüttgutprobe beim Verfestigen der Probe kennzeichnet. Das Verfestigen erfolgt durch Anscheren bis zum Erreichen des stationären Fließens. Es ist also der Spannungskreis zu finden, der die Spannungsverhältnisse beim stationären Fließen wiedergibt. Aus der Messung erhält man für das stationäre Fließen das Wertepaar (σan, τan), das im σ,τ-Diagramm den Anscherpunkt bildet. In einer Schnittebene im Schüttgut, nämlich in der horizontalen Schnittebene, wirken
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beim stationären Fließen diese Normal- und Schubspannung. Der Punkt (σan, τan) muss also auf dem Mohrschen Spannungskreis liegen, der die Spannungen beim stationären Fließen beschreibt. Damit ist ein Punkt des Spannungskreises bekannt. Um die Lage des Spannungskreises eindeutig beschreiben zu können, wird aber noch eine weitere Information benötigt. Man nimmt dazu an, dass der Mohrsche Spannungskreis den Fließort bei einer Normalspannung σ ≤ σan tangiert. Der Tangentialpunkt (Berührpunkt) ist also links vom Anscherpunkt, selten liegen Anscherpunkt und Tangentialpunkt aufeinander. Diese Vorgehensweise ist nur eine Näherung, führt aber zu praktisch brauchbaren Ergebnissen (s. auch Kap. 5.3). Der theoretische Hintergrund ist z.B. in [3.1,3.8–3.10] beschrieben. Unter den Bedingungen, dass
• der Mittelpunkt des Mohrschen Spannungskreises (immer) auf der σAchse liegt, • der Anscherpunkt ein Punkt des Spannungskreises ist, und • der Spannungskreis den Fließort bei σ ≤ σan tangiert, kann der Mohrsche Spannungskreis für das stationäre Fließen eindeutig im σ,τ-Diagramm konstruiert werden (Abb. 3.16). Meistens ist dazu der Fließort etwas zu größeren Normalspannungen hin zu extrapolieren (gestrichelt in Abb. 3.16), da der Berührpunkt des Mohrschen Spannungskreises für das stationäre Fließen in der Regel (aber nicht immer) rechts von den gemessenen Abscherpunkten liegt. Der Berührpunkt ist als der Endpunkt des Fließortes definiert (Punkt e in Abb. 3.16). Die größte Hauptspannung σ1 des Spannungskreises ist am rechten Schnittpunkt des Spannungskreises mit der σ-Achse, die kleinste Hauptspannung σ2 am linken Schnittpunkt. Die größte Hauptspannung σ1 des Spannungskreises ist die größte der in allen Schnittebenen der Schüttgutprobe beim Anscheren (stationäres Fließen) wirkenden Normalspannungen σ (s. Kap. 2.3). Sie wird als maßgebliche Verfestigungsspannung für den Fließort betrachtet. Sie entspricht der Verfestigungsspannung σ1 beim einachsigen Druckversuch: Auch dort ist σ1 die größte bei der Verfestigung wirkende Normalspannung. Die übrigen Fließeigenschaften (z.B. Schüttgutdichte ρb) werden in Abhängigkeit der Verfestigungsspannung σ1 angegeben. Die Angabe der Fließeigenschaften in Abhängigkeit der beim Anscheren aufliegenden Normalspannung σan ist nicht üblich. Die Druckfestigkeit wurde im Kap. 3.1 anhand des einachsigen Druckversuchs erläutert und definiert: σc ist die Druckfestigkeit des Schüttgutes, die bei einachsiger Druckbelastung gemessen wird. Eine solche Belastung ist beim Scherversuch nicht möglich. Also muss ein Weg gefunden wer-
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3 Fließeigenschaften von Schüttgütern
den, aus den Ergebnissen des Scherversuchs die Druckfestigkeit zu bestimmen. Diesen Weg liefert der Mohrsche Spannungskreis. Er zeigt die Spannungen in einem Schüttgutelement, die bei einer bestimmten Belastung in verschiedenen Ebenen wirken (Kap. 2.3.1). Betrachtet man die Messung der Druckfestigkeit beim einachsigen Druckversuch (Abb. 3.16 unten), so sieht man, dass im Moment des beginnenden Fließens (Bruch) auf die Oberseite der Schüttgutprobe nur eine Normalspannung σ wirkt, während die Schubspannung τ dort gleich Null ist, und auf die Seiten der Schüttgutprobe keine Spannungen wirken (σ = 0, τ = 0).
Abb. 3.16. Fließort und Spannungskreise für die Druckfestigkeit σc und die Verfestigungsspannung σ1, Analogie zum einachsigen Druckversuch
Stellt man diesen Spannungszustand als Mohrschen Spannungskreis dar, so verläuft dieser Spannungskreis durch den Ursprung des σ,τ-Diagramms (σ = 0, τ = 0). Der zweite Schnittpunkt des Spannungskreises mit der σAchse ist bei der Normalspannung σ = σc. Wenn eine verfestigte Schüttgutprobe zum Fließen gebracht wird, muss in der Schüttgutprobe die Fließgrenze erreicht werden. Dies ist der Fall, wenn der Spannungskreis, der die Belastung der Schüttgutprobe kennzeichnet, den Fließort berührt. Damit ist der Zusammenhang zwischen der Druckfestigkeit σc und dem Fließort gegeben: Die Druckfestigkeit σc kann aus einem Fließort ermittelt
3.2 Prinzip der Messung mit Schergeräten
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werden, indem man einen Spannungskreis einzeichnet, der folgende Bedingungen erfüllt:
• der Mittelpunkt des Mohrschen Spannungskreises liegt auf der σ-Achse, • der Ursprung (σ = 0, τ = 0) ist ein Punkt des Spannungskreises, • und der Spannungskreis tangiert den Fließort. In Abb. 3.16 ist der Spannungskreis für σc entsprechend diesen Regeln eingezeichnet. Nachdem die Verfestigungsspannung σ1 und die Druckfestigkeit σc bestimmt sind, kann daraus die Fließfähigkeit ffc entsprechend der Definition im Kap. 3.1.4 berechnet werden. Im unteren Teil von Abb. 3.16 sind die Verfestigungs- und die Messprozedur des einachsigen Druckversuchs eingezeichnet, um zu verdeutlichen, dass die mit Hilfe des Fließortes gefundenen Parameter Verfestigungsspannung σ1 der Druckfestigkeit σc den entsprechenden Größen beim einachsigen Druckversuch vom Prinzip her entsprechen. Somit ist der Zusammenhang zwischen Scherversuch und einachsigem Druckversuch ersichtlich. Der Vollständigkeit halber sei aber erwähnt, dass die beiden Messverfahren bei gleicher Verfestigungsspannung unterschiedliche Spannungskreise sowohl für die Verfestigung als auch für die Druckfestigkeiten ergeben (s. Kap. 5.1). Zum Abschluss dieses Kapitels soll noch einmal auf den Unterschied zwischen Fließfunktion und Fließort hingewiesen werden:
• Ein Fließort ist die Fließgrenze eines Schüttgutes im σ,τ-Diagramm. Ein Fließort gilt für eine Verfestigungsspannung σ1, d.h. für jede Verfestigungsspannung σ1 findet man einen Fließort. Der Fließort liefert u.a. einen Wert für die Druckfestigkeit σc. Damit liegt ein Wertepaar (σc,σ1) vor, also ein Punkt der Fließfunktion. • Die Fließfunktion ist die Druckfestigkeit σc in Abhängigkeit von der Verfestigungsspannung σ1. Um den Verlauf der Fließfunktion zu kennen, müssen mehrere Fließorte gemessen werden. 3.2.2.2 Darstellung des An- und Abscherens mit Spannungskreisen
Nachdem der Fließort und die zugehörigen Spannungskreise beschrieben wurden, sollen nun noch einmal die Vorgänge beim An- und Abscheren anhand von Spannungskreisen betrachtet werden. In Abb. 3.17 ist ein σ,τDiagramm u.a. mit einem Fließort und dem Spannungskreis für das stationäre Fließen gezeigt. Daneben sieht man eine Schüttgutprobe, die zum Anscheren zunächst mit der Normalspannung σan beaufschlagt und anschließend einer Scherverformung unterzogen wird.
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3 Fließeigenschaften von Schüttgütern
Beim Belasten der Schüttgutprobe nur mit der Normalspannung σan (Erstbelastung) ist diese Normalspannung gleich der größten Hauptspannung in der Schüttgutprobe. Senkrecht zu dieser Spannung wird sich eine kleinere Spannung einstellen, die meist in der Größenordnung von 40% bis 50% der aufgegebenen Normalspannung σan ist (s. Kap. 2.3). Der zugehörige Spannungskreis ist in Abb. 3.17 eingezeichnet. Wird die Schüttgutprobe wie in Abb. 3.17 einer Scherverformung unterzogen, steigt die Schubspannung in der horizontalen Schnittebene an. Die Vertikalspannung σan kann nun keine Hauptspannung mehr sein, da in der horizontalen Schnittebene eine Schubspannung wirkt. Zwei mögliche Spannungskreise, die bei in Pfeilrichtung ansteigender Schubspannung durchlaufen werden, sind in Abb. 3.17 eingezeichnet. Mit zunehmender Schubspannung τ ergibt sich hierbei zwangsläufig eine Zunahme der größten Hauptspannung der Spannungskreise (größte Hauptspannung ist jeweils am rechten Schnittpunkt des Spannungskreises mit der σ-Achse). Schließlich wird beim weiteren Scheren der Schüttgutprobe stationäres Fließen erreicht, und die größte Hauptspannung nimmt nicht weiter zu. Die schließlich erreichte größte Hauptspannung σ1 ist gleich der maßgeblichen Verfestigungsspannung für den Fließort. Die Konstruktion des Spannungskreises für das stationäre Fließen unter den Annahmen Jenikes wurde im vorangegangenen Kapitel erläutert.
Abb. 3.17. Fließort und Spannungskreise beim Anscheren
Schon bei der Herleitung des Mohrschen Spannungskreises im Kap. 2.3 und bei der Betrachtung der Spannungen beim einachsigen Druckversuch im Kap. 3.1.3 wurde der Zusammenhang zwischen dem Mohrschen Spannungskreis und den Spannungen in verschiedenen Schnittebenen der Schüttgutprobe betrachtet. Dies soll auch hier für das stationäre Fließen geschehen. Abbildung 3.18 zeigt den Spannungskreis für das stationäre Fließen und einen Lageplan der Schüttgutprobe.
3.2 Prinzip der Messung mit Schergeräten
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In der horizontalen Ebene wirken die aufgegebene Normalspannung σan und die Schubspannung τan, die im σ,τ-Diagramm den Anscherpunkt bilden. Um im Spannungskreis vom Anscherpunkt zur größten Hauptspannung zu kommen, ist eine Drehung um den Mittelpunkt des Spannungskreises um den Winkel (2α) im Uhrzeigersinn notwendig. Im Lageplan findet man dann die Hauptspannungsebene, indem man die Messebene um den Winkel α gegen den Uhrzeigersinn dreht. Da der Anscherpunkt (bei Konstruktion der Spannungskreise nach dem Vorschlag von Jenike) meistens etwas links vom Zenit des Spannungskreises für das stationäre Fließen liegt, ergeben sich in der Regel Winkel (2α), die nicht viel größer sind als 90°. Daraus folgt, dass in der Schüttgutprobe die Richtung der größten Hauptspannung beim stationären Fließen um einen Winkel α von etwas mehr als 45° gegenüber der Vertikalen gedreht ist (s. Lageplan in Abb. 3.18).
Abb. 3.18. Messebene und Hauptspannungsebene beim stationären Fließen
Das Abscheren einer verfestigten Schüttgutprobe ist in Abb. 3.19 gezeigt. Zu Beginn des Abscherens wird auf die zuvor verfestigte Schüttgutprobe (Verfestigung durch Scheren bis zum stationären Fließen) die vertikale Normalspannung σab aufgegeben. Der zugehörige Spannungskreis ist in Abb. 3.19 eingezeichnet. Die Normalspannung σab ist in diesem Moment die größte Hauptspannung in der Schüttgutprobe. Wird die Probe nun einer Scherverformung unterworfen, steigt die Schubspannung in der horizontalen Schnittebene an. Die Vertikalspannung σab kann nun keine Hauptspannung mehr sein, da in der horizontalen Schnittebene eine Schubspannung wirkt. Zwei mögliche Spannungskreise, die bei in Pfeilrichtung ansteigender Schubspannung durchlaufen werden, sind in Abb. 3.19 eingezeichnet. Mit zunehmender Schubspannung τ nimmt die größte Hauptspannung der Spannungskreise immer weiter zu. Schließlich berührt der Spannungskreis den Fließort, was zum beginnenden Fließen (Bruch) der Schüttgutprobe führt. Im Anschluss lockert sich das Schüttgut auf und die Schubspannung sinkt (nicht in Abb. 3.19 dargestellt).
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3 Fließeigenschaften von Schüttgütern
Abb. 3.19. Fließort und Spannungskreise beim Abscheren
Bei der Auswertung nach Jenike nimmt man an, dass das Fließen in der horizontalen Schnittebene, die senkrecht zu σab steht, einsetzt. In diesem Fall ist das beim Maximum der Schubspannung gemessene Wertepaar (σab, τab) ein Punkt des Fließortes, der als Abscherpunkt bezeichnet wird. In der Literatur ist dies als „Annahme der durch das Schergerät vorgegebenen Scherebene als statische Gleitlinie“ bekannt [3.11,3.13,3.14] (Einzelheiten hierzu s. Kap. 5.3). 3.2.2.3 Weitere Fließeigenschaften
Für Anwendungen, die über die Bestimmung der Fließfähigkeit hinausgehen, lassen sich neben der Verfestigungsspannung und der Druckfestigkeit weitere Größen aus dem Fließort bestimmen.
• • • •
Steigungswinkel des linearisierten Fließortes φlin effektiver Reibungswinkel φe (Steigung des effektiven Fließortes) innerer Reibungswinkel beim stationären Fließen φsf Schüttgutdichte ρb
Der innere Reibungswinkel φi beim beginnenden Fließen (= Schüttgut kommt aus der Ruhe in Bewegung) ist als die örtliche Neigung des Fließortes gegen die σ-Achse (Abszisse) definiert. Da ein Fließort in der Regel gekrümmt ist, variiert der innere Reibungswinkel entlang des Fließortes. Für viele Anwendungen ist es ausreichend, einen einzigen Wert für den inneren Reibungswinkel anzugeben. Der innere Reibungswinkel wird dann durch die Neigung φlin des linearisierten Fließortes gegen die σ-Achse ersetzt (s. Abb. 3.20). Der linearisierte Fließort ergibt sich aus der gemeinsamen Tangente an die beiden eingezeichneten Mohrschen Spannungskreise.
3.2 Prinzip der Messung mit Schergeräten
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Abb. 3.20. Definition weiterer Fließeigenschaften
Es ist zu beachten, dass der sogenannte innere Reibungswinkel φi beim beginnenden Fließen bzw. der Winkel φlin keine Reibungswinkel im eigentlichen Sinn sind. Ein Reibungswinkel errechnet sich üblicherweise aus dem Arcustangens des Verhältnisses von Schubspannung zu Normalspannung, d.h. ein Reibungswinkel ist wie ein Reibungskoeffizient ein Maß für das Verhältnis von Schubspannung zu Normalspannung (oder Schubkraft zu Normalkraft auf einer Fläche). Wie man aus Abb. 3.20 sofort sieht, wird ein Verhältnis von Schubspannung zu Normalspannung weder von der örtlichen Steigung des Fließortes noch von φlin angegeben. Um zu berechnen, welche Schubspannung bei einer gegebenen Normalspannung nötig ist, um ein vorher verfestigtes Schüttgut zum Fließen zu bringen, müsste man folgendermaßen vorgehen: Man zeichnet den der Verfestigung des Schüttgutes entsprechenden Fließort auf. Dann liest man die Schubspannung τ bei der auf das Schüttgut wirkenden Normalspannung σ ab. Aus dem Arcustangens des Verhältnisses von τ zu σ errechnet sich dann der tatsächliche innere Reibungswinkel beim beginnenden Fließen, der natürlich von der Normalspannung σ abhängig ist. Die Tangente an den größten Mohrschen Spannungskreis, die durch den Koordinatenursprung verläuft, heißt effektiver Fließort und schließt mit der σ-Achse den effektiven Reibungswinkel φe ein (Abb. 3.20). Da der größte Mohrsche Spannungskreis den Prozess des stationären Fließens darstellt, ist φe ein Maß zur Beurteilung der inneren Reibung beim stationären Fließen. Der effektive Reibungswinkel legt das Verhältnis der größten zur kleinsten Hauptspannung des Mohrschen Spannungskreises für stationäres Fließen fest. Der mathematische Zusammenhang lautet:
64
3 Fließeigenschaften von Schüttgütern
σ − σ2 sin ϕ e = 1 σ1 + σ 2
(3.3)
σ 2 1 − sin ϕ e = σ 1 1 + sin ϕ e
(3.4)
Der innere Reibungswinkel beim stationären Fließen φsf folgt aus dem Verhältnis von Schubspannung τan und Normalspannung σan beim stationären Fließen:
τ an σ an
ϕ sf = arctan
(3.5)
Man ermittelt φsf, indem man eine Gerade durch den Koordinatenursprung und den Anscherpunkt (τan, σan) zeichnet (Abb. 3.20). φsf ist der Winkel, den diese Gerade mit der σ-Achse einschließt. φsf kennzeichnet beim stationären Fließen die innere Reibung in der Ebene, in der das Schüttgut geschert wird, also in Abb. 3.10 die horizontale Ebene. Hinweise zur Anwendung von φsf s. Kap. 9.3.2 und [3.15]. Die Schüttgutdichte ρb erhält man aus der Masse und dem Volumen der Schüttgutprobe. Da sich die Fließeigenschaften und der Fließort stets auf den Verfestigungszustand beziehen, der durch die Verfestigungsspannung σ1 beschrieben wird, muss auch die Schüttgutdichte der verfestigten Schüttgutprobe ermittelt werden. Aus dem Verlauf des Fließortes bei sehr kleinen und negativen Normalspannungen lassen sich zwei weitere Größen bestimmen (s. Abb. 3.20):
• Kohäsion τc: Wert der Schubspannung am Schnittpunkt des Fließortes mit der Schubspannungsachse, also bei der Normalspannung σ = 0. • Einachsige Zugfestigkeit σt: Sie markiert den linken Endpunkt eines Fließortes [3.9,3.11,3.16]. Allerdings ist der Fließort im Bereich sehr kleiner Spannungen und negativer Spannungen nur schwierig zu messen (s. Kap. 5.3.2). Da in schüttguttechnischen Anwendungen fast ausschließlich Druckspannungen auftreten, ist die Kenntnis von Kohäsion und Zugfestigkeit nur in Ausnahmefällen von Interesse und wird hier nicht weiter behandelt. Bedeutend wichtiger ist dagegen die Druckfestigkeit σc, die sich mit dem in den vorangegangenen Kapiteln präsentierten Messverfahren einfacher und genauer bestimmen lässt.
3.2 Prinzip der Messung mit Schergeräten
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3.2.2.4 Fließeigenschaften in Abhängigkeit von der Verfestigungsspannung
Für unterschiedliche Anschernormalspannungen σan erhält man unterschiedliche Fließorte mit unterschiedlichen Verfestigungsspannungen σ1. Abbildung 3.21 zeigt beispielhaft drei Fließorte mit unterschiedlichen Verfestigungsspannungen σ1. Um so größer die Verfestigungsspannung ist, zu desto größeren Schubspannungen ist der Fließort verschoben. Das ist plausibel: Um so stärker das Schüttgut verfestigt wurde, desto größer ist die Schubspannung τ, die aufgebracht werden muss, um das Schüttgut zum Fließen zu bringen. Jedem Fließort ist eine größte Hauptspannung σ1 (= Verfestigungsspannung) zuzuordnen. Zu dieser Verfestigungsspannung erhält man eine dazugehörige Schüttgutdichte ρb, eine Druckfestigkeit σc, und die Reibungswinkel φlin, φe und φsf. In Abb. 3.21 sind σ1 und der Spannungskreis für σc nur für den kleinsten Fließort eingezeichnet. Für jeden Fließort findet man einen effektiven Fließort. Der effektive Reibungswinkel φe nimmt üblicherweise mit zunehmender Verfestigungsspannung σ1 ab. Manchmal wird der effektive Fließort mit dem stationären Fließort [3.1] verwechselt. Der stationäre Fließort ist die gemeinsame Tangente an alle Mohrschen Spannungskreise für das stationäre Fließen bei unterschiedlichen Spannungsniveaus. Der stationäre Fließort ist bei kohäsionslosen Schüttgütern näherungsweise eine Gerade. Bei kohäsiven Schüttgütern gilt dies nur bei größeren Spannungen, denn in Nähe des Ursprungs neigt sich der der stationäre Fließort zunehmend nach unten (s. Abb. 3.21) [3.17,3.18].
Abb. 3.21. Drei Fließorte eines Schüttgutes, effektive Fließorte und stationärer Fließort
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3 Fließeigenschaften von Schüttgütern
Für frei fließende Schüttgüter ist der effektive Reibungswinkel φe von der Verfestigungsspannung unabhängig. Damit fallen alle effektiven Fließorte mit dem stationären Fließort zusammen und verlaufen durch den Ursprung. Bei kohäsiven (nicht frei fließenden) Schüttgütern steigt φe dagegen mit abnehmender Verfestigungsspannung an. Daher schneidet der zu kleinen Spannungen hin extrapolierte stationäre Fließort als gemeinsame Tangente an alle Mohrschen Spannungskreise für stationäres Fließen die τAchse bei τ > 0 (Abb. 3.21). Neuere Messungen bei sehr kleinen Spannungen deuten allerdings darauf hin, dass der stationäre Fließort wie in Abb. 3.21 zu kleinen Spannungen hin nach unten gekrümmt ist und nicht oder kaum nach links über die τ-Achse hinausgeht [3.17] (s. Kap. 5.3.3). Abbildung 3.22 zeigt typische qualitative Abhängigkeiten der aus den Fließorten bestimmten Fließeigenschaften von der Verfestigungsspannung σ1. Die Verläufe der Druckfestigkeit σc (Fließfunktion) und der Schüttgutdichte ρb wurden bereits im Zusammenhang mit dem einachsigen Druckversuch behandelt (Kap. 3.1). Die Schüttgutdichte ρb und die Druckfestigkeit σc nehmen immer mit der Verfestigungsspannung zu, wobei die Druckfestigkeit σc in der Regel einen mit zunehmender Verfestigungsspannung σ1 immer weniger stark ansteigenden Verlauf zeigt. In seltenen Fällen kann sich in Teilbereichen aber auch ein progressiver Verlauf einstellen (s. Abschnitt 7.2.6). Zu sehr kleinen Spannungen hin überschreitet die Fließfunktion nicht (oder nur sehr wenig) die Gerade σc = σ1 nach oben [3.17,3.18], d.h. das Verhältnis ffc = σ1/σc (Fließfähigkeit) erreicht zur Verfestigungsspannung σ1 = 0 hin Werte in der Nähe von 1. Dies kann bei kohäsiven Schüttgütern schon im Bereich einiger 100 oder 1000 Pa geschehen, was anhand von Messungen nachgewiesen werden konnte [3.17,3.18]. Bei frei fließenden Schüttgütern ist dies erst bei Verfestigungsspannungen sehr nah an Null zu erwarten. Die Reibungswinkel φsf und φe nehmen in der Regel mit zunehmender Verfestigungsspannung ab, da sie maßgeblich von den Haft- und Reibungskräften zwischen den Partikeln abhängen. Die Wirkung der Haftkräfte im Verhältnis zu den Reibungskräften nimmt mit größeren Spannungen immer mehr ab, da sich die Haftkräfte bei zunehmenden Spannungen nicht in dem Maße vergrößern wie die Reibungskräfte. Der Neigungswinkel des linearisierten Fließortes φlin nimmt häufig leicht mit der Verfestigungsspannung zu, denn mit zunehmender Verfestigungsspannung σ1 steigt die Druckfestigkeit σc in der Regel immer weniger stark an. Dadurch wird der Mohrsche Spannungskreis für die Druckfestigkeit σc immer kleiner gegenüber dem Spannungskreis für das stationäre Fließen. Die Steigung des Fließortes wird damit größer. Manchmal, insbesondere bei starker Abnahme von φsf mit der Verfestigungsspannung, kann auch eine Abnahme von φlin beobachtet werden (gestrichelter Verlauf).
3.2 Prinzip der Messung mit Schergeräten
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Abb. 3.22. Fließeigenschaften in Abhängigkeit von der Verfestigungsspannung (kohäsives Schüttgut, qualitativ)
3.2.3 Zeitverfestigung (Caking) Der Effekt der Zeitverfestigung wurde bereits im Kap. 3.1.2 erläutert. Zur Messung der Zeitverfestigung bei einer bestimmten Verfestigungsspannung ist es erforderlich, vorher einen Fließort bei der gleichen Verfestigungsspannung gemessen zu haben.
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3 Fließeigenschaften von Schüttgütern
Die Messung der Zeitverfestigung mit dem Schergerät erfolgt ähnlich wie die Messung von Fließorten. Zuerst wird die Schüttgutprobe angeschert. Nach dem Anscheren wird die Schüttgutprobe bei der Zeitverfestigungsmessung aber in der Scherzelle für eine bestimmte Zeitspanne t unter einer vertikal wirkenden Normalspannung σ gelagert. Es ist üblich, als Normalspannung σ während der Lagerung die Verfestigungsspannung σ1 des zugehörigen Fließortes zu benutzen (Abb. 3.23). Diese Vorgehensweise stellt sicher, dass während der Verfestigungszeit die gleiche größte Hauptspannung (= Verfestigungsspannung σ1) auf die Schüttgutprobe wie beim Anscheren wirkt. Ihre Richtung ist jedoch gegenüber der größten Hauptspannung beim Anscheren um etwa 45° gedreht (vgl. Abb. 3.18).
Abb. 3.23. Prinzip der Zeitverfestigungsmessung mit dem Schergerät
Der Grund für diese Vorgehensweise liegt darin, dass die Schüttgutprobe zum Verfestigen geschert wird, so dass nach Erreichen des stationären Fließens eine konstante Schubspannung τan in der Scherebene wirkt, während bei der Lagerung der Schüttgutprobe während der Verfestigungszeit keine Scherverformung stattfindet. Aus der beim Anscheren wirkenden Schubspannung τan und der gleichzeitig in der Scherebene wirkenden Anschernormalspannung σan ergibt sich ein Spannungskreis, der eine größte Hauptspannung (= Verfestigungsspannung) σ1 hat (s. Abb. 3.23 und Kap. 3.2.2). Diese größte Hauptspannung σ1 ist deutlich größer als σan. Da bei der Lagerung der Schüttgutprobe während der Verfestigungszeit aber keine Schubspannung von außen auf die Schüttgutprobe aufgeprägt wird, ist die größte Hauptspannung in der Probe dabei gleich der auf die Probe ausgeübten Normalspannung. Würde man die Schüttgutprobe bei der Lage-
3.2 Prinzip der Messung mit Schergeräten
69
rung nur mit der Anschernormalspannung σan belasten, wäre die Belastung des Schüttgutes wesentlich geringer als beim Anscheren, da die Anschernormalspannung σan deutlich kleiner ist als die beim Anscheren wirkende größte Hauptspannung bzw. Verfestigungsspannung σ1. Also muss man bei der Lagerung eine vertikale Normalspannung auf die Schüttgutprobe einwirken lassen, die gleich der beim Anscheren wirkenden Verfestigungsspannung σ1 ist. Nach Verstreichen der gewählten Lagerzeit t wird die Schüttgutprobe abgeschert, wozu eine Normalspannung σab < σ1 eingestellt wird (Abb. 3.23). Wie beim Abscheren ohne Zeitverfestigung auch wird man beim Abscheren ein Maximum τab im Schubspannungsverlauf messen (Abb. 3.24). Unterliegt das untersuchte Schüttgut tatsächlich einer Zeitverfestigung, so wird dieses Maximum nach einer Lagerzeit t eine größere maximale Schubspannung τab aufweisen als bei der Fließortmessung ohne Lagerzeit. Die maximale Schubspannung τab ist ein Punkt der Fließgrenze, die bei der Zeitverfestigungsmessung als Zeitfließort bezeichnet wird. Man kann durch mehrere Messungen mit jeweils identischer Verfestigungsspannung und identischer Lagerzeit, aber unterschiedlichen Normalspannungen beim Abscheren (σab) mehrere Punkte des Zeitfließortes messen. Abbildung 3.25 zeigt zwei Zeitfließorte für zwei Lagerzeiten t1 und t2 und den dazugehörigen Fließort.
Abb. 3.24. Schubspannungsverlauf beim Abscheren ohne (a) und mit (b) Zeitverfestigung
Mit diesen Messwerten kann man analog zum Fließort einen sogenannten Zeitfließort konstruieren, der – sofern das Schüttgut einer Zeitverfestigung unterliegt – gegenüber dem Fließort zu größeren Schubspannungen τ verschoben ist und demnach eine größere Druckfestigkeit σc liefert. Die Druckfestigkeit σc wird genauso wie beim Fließort durch einen Spannungskreis ermittelt. In Abb. 3.25 sind die aus den Zeitfließorten gewonnenen
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3 Fließeigenschaften von Schüttgütern
Druckfestigkeiten σc(t1) und σc(t2) eingezeichnet. Sie werden auch mit σct bezeichnet, um auf die Lagerzeit hinzuweisen. Zeitfließorte kann man bei unterschiedlichen Lagerzeiten messen. Jeder Zeitfließort gilt genau für eine Lagerzeit und eine Verfestigungsspannung. Nimmt die Druckfestigkeit mit der Lagerzeit immer weiter zu, sind die Zeitfließorte um so weiter nach oben verschoben, desto länger die Lagerzeit t ist (s. Abb. 3.25, t2 > t1). Auch aus jedem Zeitfließort erhält man eine Fließfähigkeit ffc, indem man die Verfestigungsspannung σ1, die man aus dem zugehörigen Fließort erhält, durch die zum jeweiligen Zeitfließort gehörige Druckfestigkeit σc (z.B. σc(t1)) dividiert. Da die Druckfestigkeit in der Regel mit der Lagerzeit zunimmt, erhält man mit zunehmender Lagerzeit abnehmende Fließfähigkeiten ffc (s. Abb. 3.8).
Abb. 3.25. Fließort und Zeitfließorte
Der sogenannte innere Reibungswinkel φt beim beginnenden Fließen (das Schüttgut kommt aus der Ruhe in Bewegung) nach einer bestimmten Lagerzeit ist als die örtliche Neigung des Zeitfließortes gegen die σ-Achse definiert. Da auch ein Zeitfließort gekrümmt sein kann, variiert der innere Reibungswinkel entlang des Zeitfließortes. Für φt ist die Neigung des Zeitfließortes an dessen Berührpunkt mit dem zugehörigen Spannungskreis für die Druckfestigkeit zu benutzen [3.12]. Für viele Anwendungen ist es ausreichend, einen einzigen Wert für den inneren Reibungswinkel anzugeben. Der innere Reibungswinkel φt wird dann als Steigungswinkel des als Gerade angenäherten Zeitfließortes bestimmt (Abb. 3.26). Es ist zu beachten, dass der sogenannte innere Reibungswinkel φt wie auch der Steigungswinkel des Fließortes φi (bzw. der Winkel φlin) kein Reibungswinkel im eigentlichen Sinn ist. Die Begründung wurde für φi und φlin im Kap. 3.2.2.3 gegeben.
3.3 Wandreibung
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Da die Messung der Zeitverfestigung aufwendig ist, geht man häufig so vor, dass man nur einen Punkt jedes Zeitfließortes misst. Der Zeitfließort wird dann als Parallele zum linearisierten Fließort durch den gemessenen Abscherpunkt angenommen. Dabei haben die Zeitfließorte die gleiche Steigung wie der linearisierte Fließort. Der innere Reibungswinkel φt beim beginnenden Fließen nach Zeitverfestigung ist dann gleich dem Steigungswinkel des linearisierten Fließortes φlin. Bei einer solchen Vereinfachung ist sicherzustellen, dass die Ergebnisse für quantitative Anwendungen (z.B. Siloauslegung) auf der sicheren Seite liegen.
Abb. 3.26. Steigungswinkel des Zeitfließortes (hier: Zeitfließort als Gerade angenähert)
3.3 Wandreibung Mit Wandreibung beschreibt man die Reibung zwischen einem Schüttgut und einem Festkörper (z.B. Wand eines Silos oder Behälters). Die Kenntnis der Wandreibung ist z.B. nötig, um zu entscheiden, ob ein Schüttgut an einer Wand in Bewegung kommt oder nicht. Die Kenntnis der Wandreibung ist außerdem für die verfahrenstechnische und die festigkeitsmäßige Siloauslegung nötig. 3.3.1 Messprozedur für Wandfließorte Die Messprozedur wird hier vereinfacht dargestellt. Sie entspricht im Prinzip der von Jenike für das Translationsschergerät vorgeschlagenen Vorgehensweise [3.1,3.8–3.12].
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3 Fließeigenschaften von Schüttgütern
Den prinzipiellen Messaufbau zeigt Abb. 3.27. Die Schüttgutprobe wird durch eine definierte Normalspannung in vertikaler Richtung belastet. Die zwischen Schüttgut und Wandprobe wirkende Normalspannung bezeichnet man als Wandnormalspannung σw. Um die Wandreibung zu messen, wird das Schüttgut mit einer Geschwindigkeit v horizontal über die Wandoberfläche geschoben. Man spricht auch hier vom Scheren. Während des Scherens steigt die Wandschubspannung τw an der Wandprobe mit der Zeit zunächst an (Abb. 3.28). Mit der Zeit wird der Anstieg der gemessenen Wandschubspannung τw immer flacher, bis sie schließlich konstant bleibt. Man erreicht hier wie auch beim Anscheren einer Schüttgutprobe stationäres Fließen. Die konstante Wandschubspannung τw ist charakteristisch für die aufgebrachte Wandnormalspannung σw.
Abb. 3.27: Aufbau zum Messen der Wandreibung
Abb. 3.28. Verlauf der Wandschubspannung bei der Wandreibungsmessung, Wandfließort im σw,τw-Diagramm
Das Wertepaar aus Wandnormalspannung und konstanter Wandschubspannung (σw,τw) wird für die Auswertung der Messung notiert. Damit ist die Messung an sich beendet. In der Regel möchte man aber die Wandreibung bei unterschiedlichen Wandnormalspannungen σw messen, da die Wandreibung häufig von der Wandnormalspannung abhängig ist. Hierzu wird die Normalspannung schrittweise verändert und jeweils solange geschert, bis sich eine konstante Wandschubspannung einstellt. Durch
3.3 Wandreibung
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schrittweise Veränderung der Wandnormalspannung kann man so mehrere Punkte stationärer Wandreibung messen. Die so ermittelten Wertepaare von Wandnormal- und Wandschubspannung werden in einem σw,τw-Diagramm aufgetragen (Abb. 3.28). Durch die Messpunkte wird eine Kurve gelegt. Häufig findet man eine gute Anpassung der Messpunkte durch eine Gerade. Die so gefundene Kurve im σw,τw-Diagramm heißt Wandfließort. 3.3.2 Wandfließort und Wandreibungswinkel (kinematisch) Der Wandfließort ist wie der Fließort eine Fließgrenze. Der Wandfließort beschreibt, welche Wandschubspannung τw notwendig ist, um ein Schüttgut unter einer vorgegebenen Wandnormalspannung σw auf einer Wandoberfläche zu verschieben. Da die Wandschubspannung τw bei der hier gezeigten Messprozedur für das stationäre Gleiten des Schüttgutes auf der Wandprobe gemessen wurde, beschreibt der Wandfließort die Gleitreibung des Schüttgutes auf der Wandprobe. Daher muss man strenggenommen vom kinematischen Wandfließort (engl.: kinematic wall yield locus [3.12]) sprechen. Für schüttguttechnische Anwendungen benutzt man den Wandreibungswinkel φx oder den Wandreibungskoeffizienten µ zur zahlenmäßigen Beschreibung der Wandreibung. Um so größer Wandreibungswinkel oder Wandreibungskoeffizient sind, desto größer ist die Wandreibung. Der Wandreibungskoeffizient µ ist als Verhältnis von Wandschubspannung τw zu Wandnormalspannung σw für einen Punkt des Wandfließortes definiert:
τ µ= w σw
(3.6)
Der Wandreibungswinkel φx ist der Winkel, den eine Gerade durch den Koordinatenursprung und einen Punkt des Wandfließortes mit der σwAchse einschließt:
τw σw
ϕ x = arctan
(3.7)
In Abb. 3.29 sind zwei Wandfließorte gezeigt. Ist der Wandfließort eine Gerade durch den Koordinatenursprung (Abb. 3.29.a), ist das Verhältnis von Wandschubspannung τw zu Wandnormalspannung σw für jeden Punkt des Wandfließortes gleich. Damit ergibt sich für jeden Punkt des Wandfließortes der gleiche Wandreibungskoeffizient µ bzw. der gleiche Wandreibungswinkel φx.
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3 Fließeigenschaften von Schüttgütern
Abb. 3.29. Wandfließorte; a. konstanter Wandreibungswinkel φx; b. Wandreibungswinkel φx abhängig von der Wandnormalspannung σw
Der Wandfließort in Abb. 3.29.b ist keine Ursprungsgerade. Er ist gekrümmt und verläuft nicht durch den Koordinatenursprung. In diesem Fall findet man für unterschiedliche Punkte des Wandfließortes unterschiedliche Wandreibungswinkel bzw. Wandreibungskoeffizienten gemäß den Gln.(3.6) und (3.7). Wandreibungskoeffizient und Wandreibungswinkel sind also in diesem Fall von der Wandnormalspannung σw abhängig. Dies sieht man in Abb. 3.29 unten an den unterschiedlichen Wandreibungswinkeln φx1 und φx2, die sich für die Wandnormalspannungen σw1 und σw2 ergeben. Der Wandreibungswinkel ist in diesem Fall nicht gleich dem (örtlichen) Steigungswinkel des Wandfließortes. Für Anwendungen, bei denen der Wandreibungswinkel (oder Wandreibungskoeffizient) benötigt wird, muss im Falle der Spannungsabhängigkeit der Wandreibungswinkel benutzt werden, der bei der für die Anwendung relevanten Wandnormalspannung σw wirkt. Man muss also zuerst die Wandnormalspannung abschätzen, und dann aus dem Wandfließort den Wandreibungswinkel bei der entsprechenden Spannung ablesen. Den Schnittpunkt des Wandfließortes mit der τ-Achse nennt man auch Adhäsion τad (Abb. 3.29.b). Dieser Wert kennzeichnet die Schubspannung, die übertragen werden kann, wenn die Wandnormalspannung gleich Null ist. Werte τad > 0 findet man bei Schüttgütern, die aufgrund großer Haft-
3.3 Wandreibung
75
kräfte an vertikalen Wänden anbacken (z. B. feuchter Lehm, bei dem Haftkräfte aufgrund von Flüssigkeitsbrücken maßgeblich sind). Es ist aber zu beachten, dass die hier gemessene Adhäsion eine „kinematische Adhäsion“ ist, denn sie gilt wie der kinematische Wandreibungswinkel für den Fall, dass das Schüttgut gegenüber der Wand verschoben wird. 3.3.3 Zeitwandfließort, statische Wandreibung Während der Wandfließort die kinematische Wandreibung beschreibt, repräsentiert der Zeitwandfließort die statische Wandreibung („Haftreibung“), die sich nach einem ruhenden Kontakt des Schüttgutes mit einem Wandmaterial unter einer bestimmten Normalspannung ergibt [3.12]. Die Zeitspanne des ruhenden Kontaktes kann nahezu Null betragen, aber auch deutlich größer sein. Ähnlich wie bei der Zeitverfestigung innerhalb eines ruhenden Schüttgutes kann auch die statische Wandreibung durch zeitliche Vergrößerung der Haftkräfte zwischen Schüttgut und angrenzenden Festkörperoberflächen mit der Laherzeit anwachsen. Man spricht hier in Analogie zum Zeitfließort vom Zeitwandfließort. Zeitwandfließorte werden selten gemessen, da die meisten Anwendungen (z.B. Siloauslegung) den kinematischen Wandreibungswinkel benötigen, der aus dem Wandfließort folgt. Der Messaufbau ist gleich dem zur Messung von Wandfließorten (Abb. 3.26). Zunächst wird die Wandnormalspannung σw festgelegt, bei der die statische Wandreibung gemessen werden soll. Zusätzlich wird zum Vorbereiten der Messung eine etwas größere Wandnormalspannung σw,vorb ausgewählt, die etwa 10% bis 20% größer sein sollte als die Wandnormalspannung σw für die eigentliche Messung. Zuerst wird die Schüttgutprobe zur Vorbereitung unter der Wandnormalspannung σw,vorb über das Wandmaterial geschoben. Dabei steigt die Wandschubspannung τw an der Wandprobe mit der Zeit zunächst an und erreicht schließlich einen konstanten Wert τw,vorb (Abb. 3.30). Anschließend wird die (kleinere) Wandnormalspannung σw eingestellt und erneut geschert, bis stationäre Wandreibung erreicht ist (Abb. 3.30). Das Wertepaar aus Wandnormalspannung σw und konstanter Wandschubspannung τw,an entspricht einem Punkt eines (kinematischen) Wandfließortes. Der beschriebene Vorgang wird hier analog zur Messung eines Fließortes als Anscheren bezeichnet. Nach dem Anscheren wird die Schüttgutprobe von der Schubspannung entlastet. Dann erfolgt die Lagerung über eine vorgegebene Zeit. Auch während dieser Lagerung wirkt die schon zum Anscheren benutzte Wandnormalspannung σw auf die Probe.
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3 Fließeigenschaften von Schüttgütern
Abb. 3.30. Verlauf der Wandschubspannung τw bei der Messung eines Punktes eines Zeitwandfließortes
Nach Ende der Lagerzeit wird die Probe wieder bei immer noch gleicher Wandnormalspannung σw geschert, was hier analog zur Fließortmessung als Abscheren bezeichnet wird. Dabei beobachtet man häufig ein Maximum im Verlauf der Schubspannung. Die gemessene maximale Schubspannung τw,ab bildet mit der Wandnormalspannung σw einen Punkt eines Zeitwandfließortes im σw,τw-Diagramm (Abb. 3.31). Mehrere Punkte eines Zeitwandfließortes erhält man durch Wiederholung der Messung mit einer neuen Schüttgutprobe bei einer anderen Wandnormalspannung σw, aber gleicher Wandmaterialprobe und gleicher Lagerzeit. Der Zeitwandfließort beschreibt die statische Wandreibung nach einer bestimmten Lagerzeit t.
Abb. 3.31. Wandfließort und Zeitwandfließort im σw,τw-Diagramm
Der Zeitwandfließort beschreibt, welche Wandschubspannung τw notwendig ist, um ein Schüttgut unter einer vorgegebenen Wandnormalspannung σw auf einer Wandoberfläche aus der Ruhe heraus zu verschieben, nachdem es dort für eine gegebene Zeit unter Last gelagert wurde. Aus einem Zeitwandfließort lassen sich analog zum Wandfließort Wandreibungswin-
3.3 Wandreibung
77
kel bestimmen, wobei es sich hier nicht um kinematische, sondern um statische, von der Lagerzeit abhängige Wandreibungswinkel (φx,st) handelt. Die Vorgehensweise zur Berechnung des statischen Wandreibungswinkels φx,st ist wie in Abb. 3.29 für den Wandfließort beschrieben. In der Regel wird ein Zeitwandfließort keine Ursprungsgerade sein, so dass sich ein von der Wandnormalspannung σw abhängiger statischer Wandreibungswinkel ergibt. Der Schnittpunkt des Zeitwandfließortes mit der Schubspannungsachse ergibt analog zur kinematischen Adhäsion beim kinematischen Wandfließort eine in Abb. 3.31 nicht eingezeichnete statische Adhäsion τad,st, also die Schubspannung, die zwischen einer Wand und einem auf dieser ruhenden Schüttgut übertragen werden kann, wenn die Normalspannung gleich Null ist.
4 Praktisches Messen von Fließeigenschaften
4.1 Messungen mit Schergeräten Um einem Schüttgut eine Scherverformung aufzuprägen, verschiebt man Ober- und Unterseite einer durch eine vertikale Normalspannung σ belasteten Schüttgutprobe horizontal gegeneinander (Abb. 4.1). Die zum Verformen erforderliche Schubspannung τ wird gemessen. Ist die Relativbewegung geradlinig (translatorisch), spricht man von Translationsschergeräten. Das später näher zu beschreibende Jenike-Schergerät ist in der Schüttguttechnik der wichtigste Vertreter dieser Geräte.
Abb. 4.1. Prinzip der Scherverformung in einem Translationsschergerät
Schergeräte, bei denen die Relativbewegung durch eine Rotation von Schüttgutbereichen gegeneinander erreicht wird, nennt man Rotationsschergeräte. In Abb. 4.2.a wird eine kreisförmige Schüttgutprobe von einer rauen, kreisförmigen Platte mit einer Normalkraft FN belastet, die im Schüttgut eine vertikale Normalspannung σ erzeugt. Der Schüttgutprobe wird außerdem durch die Rotationsbewegung der kreisförmigen Platte einer Scherverformung aufgeprägt. Gemessen wird das dazu notwendige Drehmoment M, das sich aus der im Schüttgut wirkenden Schubspannung τ ergibt. Schergeräte, die nach diesem Prinzip arbeiten, nennt man Torsionsschergeräte. Allerdings ist hier die Scherverformung über der Fläche stark unterschiedlich, denn genau im Zentrum findet streng genommen keine Scherverformung statt. Nach außen hin nimmt die Verformung linear mit dem Radius zu.
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4 Praktisches Messen von Fließeigenschaften
Abb. 4.2. Prinzipien von Rotationsschergeräten: a. Torsionsschergerät; b. Ringschergerät
Bei Ringschergeräten wird gegenüber Torsionsschergeräten der innere Bereich des Kreisquerschnittes weggelassen (Abb. 4.2.b). Dadurch ist die Verformung der Schüttgutprobe über dem Querschnitt gleichmäßiger, aber immer noch unterschiedlich. Wissenschaftliche Untersuchungen von Ringschergeräten mit verschiedenen Verhältnissen von Innen- zu Außendurchmesser ergaben aber, dass man bei entsprechender Versuchsdurchführung sowie bei Verhältnissen des Innendurchmessers zum Außendurchmesser von mindestens 0,5 vergleichbare Ergebnisse zum Jenike-Schergerät erhält [4.1–4.4]. Nachfolgend wird am Beispiel von zwei gebräuchlichen Schergeräten, dem Jenike-Schergerät und dem Ringschergerät, die Vorgehensweise bei der Messung beschrieben. Diese beiden Gerätetypen gehören zu den Schergeräten, zu denen es die meisten wissenschaftlichen Untersuchungen gibt. Geräte dieser Typen wurden an diversen Hochschulinstituten in vielen Ländern gebaut, u.a. um die Spannungsverteilung in den Schüttgutproben und den Einfluss z.B. der Geometrie der Schüttgutproben zu untersuchen. Daher weiß man relativ viel über die Vorgänge in diesem Geräten. Auch das Torsionsschergerät wird vielerorts eingesetzt, wobei eine von den Vorschlägen Jenikes abweichende Versuchsprozedur und Auswertung benutzt wird [4.5–4.7]. 4.1.1 Messung von Fließorten mit dem Jenike-Schergerät Das Jenike-Schergerät wurde von Jenike um 1960 zusammen mit der von ihm erarbeiteten Theorie zur Auslegung von Silos vorgestellt [4.8,4.9] (Kap. 1.2). Sein Einsatzgebiet war zunächst vor allem die Siloauslegung. Es stammt von damals bereits existierenden Schergeräten der Bodenmechanik ab (Rahmenschergerät [4.10]), die jedoch nicht unmittelbar auf feinkörnige Schüttgüter und den für die Siloauslegung relevanten Spannungsbereich anzuwenden waren.
4.1 Messungen mit Schergeräten
81
Abb. 4.3. Prinzip der Scherzelle des Jenike-Schergerätes
Abbildung 4.3 zeigt die Scherzelle des Schergerätes nach Jenike. Der auf seiner Unterseite geschlossene Bodenring ist auf einem feststehenden Sockel des Schergerätes fixiert. Der obere Ring befindet sich über dem Bodenring. Bodenring und oberer Ring enthalten das zu untersuchende Schüttgut. Auf der Schüttgutprobe liegt der Scherdeckel. Die Schüttgutprobe wird über den Scherdeckel mittig mit einer Normalkraft FN belastet, die mittels Gewichtsstücken und Hänger (Gestell, das auf die zentrische Spitze des Scherdeckels gesetzt wird und am unteren Ende die Gewichtsstücke aufnimmt) erzeugt wird. In Abb. 4.3 sind die Standardabmessungen der Scherzelle gezeigt; daneben sind aber auch kleinere oder größere Abmessungen möglich, z.B. um mit einer kleineren Probenmenge auszukommen, oder um auch grobkörnigere Schüttgüter untersuchen zu können. Letzteres folgt aus der Notwendigkeit, dass stets genügend Partikel in einer Scherzelle sein müssen, damit sich die Schüttgutprobe wie ein Kontinuum verhält. Bei einer zu geringen Anzahl von Partikeln schwankt die gemessene Scherkraft, da die aufgeprägten Kräfte über wenige, sich dauernd verändernde Kraftlinien übertragen werden (Kraftlinien s. Kap. 5.1.1). Außerdem misst man dabei tendenziell zu große Scherkräfte [4.11,4.12]. Für die Abmessungen in Abb. 4.3 kann man Schüttgüter mit maximalen Partikelgrößen bis etwa 2 mm bei engen Partikelgrößenverteilungen und bis etwa 5 mm bei sehr breiten Partikelgrößenverteilungen untersuchen. Für harten, kantige Partikeln gelten etwas geringere Obergrenzen. Um die Scherverformung im Schüttgut zu erzeugen, wird der obere Bereich der Scherzelle (Scherdeckel und oberer Ring) horizontal verschoben (in Abb. 4.3 nach rechts), indem der Scherstift mit konstanter Geschwindigkeit (üblicherweise 1 bis 2 mm/min) gegen den am Scherdeckel befestigten Bügel drückt und dabei die Scherkraft FS überträgt, die gemessen und aufgezeichnet wird. Die Scherkraft FS wird zum Teil über den Bügel
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4 Praktisches Messen von Fließeigenschaften
auf den Scherdeckel und zum Teil über einen in den Bügel eingesetzten Stift auf den oberen Ring übertragen. Die Prozedur einer Messung mit dem Jenike-Schergerät wird hier entsprechend der Vorgehensweise in der „Standard Shear Testing Technique“ [4.13], einem auf internationaler Ebene erarbeiteten Standard zur Messung mit dem Jenike-Schergerät, beschrieben. Dieser Vorschrift folgt auch der ASTM-Standard D6128 [4.14]. Zur Vorbereitung einer Messung werden der Bodenring und der obere Ring auf den Sockel des Schergerätes gesetzt (Abb. 4.4). Auf den oberen Ring wird zusätzlich der Füllring gesetzt. Oberer Ring und Füllring werden gegen Anschläge gedrückt, die so eingestellt sind, dass oberer Ring und Füllring um eine Wandstärke zum Bodenring versetzt sind. Nach dem Füllen wird überstehendes Schüttgut entlang der Oberkante des Füllrings vorsichtig mit einem Spachtel abgestreift, so dass sich eine ebene Schüttgutoberfläche ergibt.
Abb. 4.4. Scherzelle in Anfangsposition: Der obere Ring ist gegenüber dem unteren Ring um eine Wandstärke entgegen der späteren Scherrichtung verschoben. Nach dem Füllen wird das überstehende Schüttgut mit einem Spachtel abgestrichen.
Beim Jenike-Schergerät ist der Scherweg auf die doppelte Wandstärke der Scherzelle, also etwa 6 bis 8 mm (je nach Ausführung), beschränkt. Deshalb muss stationäres Fließen auf einem sehr kurzen Scherweg erreicht werden. Dies ist nur möglich, wenn die Probe schon vor dem Anscheren nahezu hinreichend verfestigt ist, denn dann ist nur noch ein relativ kurzer Scherweg bis zum Erreichen des stationären Fließens nötig. Zur Vorverfestigung der Schüttgutprobe dient das „Twisten“. Zum Twisten wird der Twistdeckel auf die Schüttgutoberfläche aufgesetzt. Mit dem Hänger und darauf liegenden Gewichtsstücken wird die
4.1 Messungen mit Schergeräten
83
Schüttgutprobe mit derjenigen Normalkraft FN belastet, die auch beim Anscheren verwendet werden soll. Dann wird die Twistvorrichtung auf die vertikalen Bolzen am Twistdeckel geschoben. Abbildung 4.5 zeigt den Aufbau im Schnitt. Über die mit einem Handhebel verbundene Twistvorrichtung wird der Twistdeckel abwechselnd links- und rechtsherum gedreht. Hierbei wirken die durch die Reibung zwischen Schüttgut und Twistdeckel erzeugten Schubspannungen in Umfangsrichtung und verdichten das Schüttgut zusammen mit der durch die Normalkraft FN erzeugten Normalspannung.
Abb. 4.5. Scherzelle während der Vorverfestigung durch „Twisten“
Die erforderliche Anzahl der Twistbewegungen ist von Schüttgut zu Schüttgut unterschiedlich und kann auch von Fließort zu Fließort variieren. Sie ist im Rahmen von Vorversuchen zu ermitteln. Bei sehr kompressiblen Schüttgütern kann es vorkommen, dass das Schüttgut bereits beim vorsichtigen Aufsetzen des mit Gewichtsstücken belasteten Hängers so stark verdichtet wird, dass der Twistdeckel weit einsackt. In diesem Fall müssen der Hänger und der Twistdeckel wieder entfernt und die Scherzelle nachgefüllt werden. Dies muss so oft wiederholt werden, bis hinreichend viel Schüttgut in der Scherzelle ist, so dass auch nach dem Twisten die Schüttgutoberfläche oberhalb der Oberkante des oberen Ringes ist. Nach dem Twisten sollte nicht mehr nachgefüllt werden. Im Anschluss an das Twisten werden die Twistvorrichtung und der Hänger entfernt. Dann wird zunächst vorsichtig der Füllring und dann mit einer drehenden Bewegung der Twistdeckel abgehoben. Anschließend streift man das überstehende Schüttgut mit einem Spachtel in Höhe der Oberkante des oberen Ringes ab (ähnlich Abb. 4.4, jedoch ohne Füllring).
84
4 Praktisches Messen von Fließeigenschaften
Dabei ist darauf zu achten, dass die durch das Twisten vorverfestigte Probe nicht aufgelockert wird, z.B. indem der obere Ring gegenüber dem Bodenring verschoben wird. Im letzten Schritt der Probenvorbereitung wird der Scherdeckel zentrisch auf die Schüttgutoberfläche gelegt (Abb. 4.3) und dabei so positioniert, dass zwischen Stift und oberem Ring ein Spalt von 0,1 bis 0,2 mm verbleibt. Dann wird der Hänger mit den Gewichtsstücken, die auch schon während des Twistens benutzt wurden, auf den Scherdeckel gelegt, um die Normalkraft FN einzustellen. Um zu vermeiden, dass der obere Ring Normal- oder Schubspannungen auf den Bodenring überträgt, hebt man den oberen Ring bei gleichzeitigem leichten Drehen um seine vertikale Achse um ca. 0,2 mm an. In der Schüttgutprobe wirkt in Höhe der Unterkante des oberen Rings nun die Anschernormalspannung σan, die neben der von außen auf den Scherdeckel wirkenden Normalkraft FN (Gewichtsstücke und Hänger) aus den Gewichten der sonstigen oberhalb dieser Ebene befindlichen Teile (Scherdeckel, oberer Ring) und des Schüttgutes innerhalb des oberen Ringes resultiert. Damit ist die Scherzelle fertig vorbereitet zum Anscheren. Zum Anscheren wird der Vorschubmotor eingeschaltet, der den Scherstift (Abb. 4.3) mit konstanter Geschwindigkeit in Richtung zur Scherzelle bewegt. Die Position der Scherzelle muss dabei so sein, dass der Scherstift genau in Höhe der Trennebene zwischen oberem Ring und Bodenring am Bügel angreift. Nur so übt die Scherkraft kein Moment auf die Trennebene aus, was sich leicht an einem Kräfte- und Momentengleichgewicht am oberen Teil der Scherzelle (Scherdeckel und oberer Ring mit darin befindlichem Schüttgut) zeigen lässt [4.15]. Die gemessene Scherkraft FS wird registriert (Linienschreiber, Messdatenerfassung). Der Verlauf der Scherkraft FS beim Anscheren sollte derart sein, dass die Scherkraft zunächst stark, dann immer weniger stark ansteigt und schließlich einen konstanten Wert erreicht (Abb. 4.6). Damit ist das stationäre Fließen erreicht. Der Scherstift wird nun zurückgefahren, bis die Scherkraft FS auf Null abgefallen ist. Vor dem Abscheren der Probe wird die Normalkraft FN reduziert, indem Gewichtsstücke vom Hänger abgenommen werden, um die Abschernormalspannung σab für den ersten Messpunkt einzustellen. Dabei sollte der Hänger nicht vom Scherdeckel abgehoben werden, weil die Probe nicht vollständig entlastet werden soll. Anschließend wird der Scherstift wieder in Höhe der Trennebene zwischen oberem Ring und Bodenring gegen den Bügel des Scherdeckels gefahren. Der Anstieg der Scherkraft bis zum Maximum erfolgt bei feinkörnigen, wenig elastischen Schüttgütern sehr schnell. Die Probe beginnt bei Erreichen der Fließgrenze zu fließen, danach fällt die Scherkraft FS bzw. Schubspannung τ wieder ab (Abb. 4.6).
4.1 Messungen mit Schergeräten
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Hat man das Maximum im Schubspannungsverlauf eindeutig erkannt, wird der Scherstift wieder zurückgefahren. Zum Abschluss der Messung wird die gesamte Scherzelle mit Schüttgut gewogen, um daraus mit Hilfe von Scherzellenmasse und Probenvolumen die Schüttgutdichte zu berechnen. Da als Probenvolumen aus dem vollständigen Innenvolumen von Bodenring und oberem Ring berechnet wird, ist die so ermittelte Schüttgutdichte gleich der mittleren Schüttgutdichte unmittelbar nach dem Twisten. Die Messung des ersten Abscherpunktes des Fließortes ist damit beendet. Anschließend werden weitere Punkte des Fließortes durch Wiederholung der beschriebenen Prozedur gemessen. Dabei wird vorzugsweise Schüttgut benutzt, das noch nicht für einen Scherversuch verwendet wurde oder vor Wiederverwendung gut aufgelockert wurde, sofern davon ausgegangen werden kann, dass sich die Partikel bei der Messung nicht verändert haben (z.B. durch Partikelzerstörung bei empfindlichen Schüttgütern). Aus mehreren Abscherpunkten lässt sich dann der Fließort mit seinen Parametern bestimmen (Abb. 4.6).
Abb. 4.6. Messung eines Punktes eines Fließortes durch An- und Abscheren
Bei der beschriebenen Prozedur ist besonderes Augenmerk auf den Verlauf der Scherkraft FS bzw. der dazu proportionalen Schubspannnung τ zu legen. Anhand des Verlaufs der Schubspannung kann beurteilt werden, ob die Vorverfestigung (Twisten) die gewünschte Verfestigung der Probe gebracht hat. Liegt ein Verlauf wie in Abb. 4.7.a vor, wurde am Ende des Anscherens stationäres Fließen ausgehend von einer unterverfestigten Probe erreicht: Die Schüttgutdichte hat sich während des Anscherens erhöht, und die maximale Schubspannung wird mit dem stationären Fließen erreicht. Hat sich ein Verlauf wie in Abb. 4.7.b ergeben, ist die Probe bei der Vorverfestigung bereits überverfestigt worden: Die Schubspannnung τ durchläuft ein Maximum, das größer als die Schubspannung beim stationä-
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ren Fließen ist. Das Maximum, das auch weniger stark ausgeprägt sein kann als in Abb. 4.7, kennzeichnet beginnendes Fließen bzw. einen Bruch in der Schüttgutprobe. Beim weiteren Scheren der überverfestigten Probe stellt sich zwar auch stationäres Fließen ein, aber dieser Prozess beschränkt sich auf eine Scherzone im Bereich der Bruchfläche. Das heißt, dass nur der Bereich der Scherzone die zum stationären Fließen gehörigen Eigenschaften hat. Der Rest der Schüttgutprobe behält die ursprünglichen Eigenschaften der überverfestigten Probe. Man ermittelt daher eine zu große Schüttgutdichte, und die Probe ist inhomogen.
Abb. 4.7. Verlauf der Schubspannung über der Zeit beim Anscheren einer unterverfestigten (a.) und einer überverfestigten Probe (b.)
Eine überverfestigte Probe eignet sich wegen der Inhomogenität nicht zum Abscheren und ist daher zu verwerfen [4.13]. Bei der Wiederholung der Messung muss die Anzahl der Twistbewegungen vermindert werden. So sind je nach Schüttgut mehrere Versuche notwendig, bis die geeignete Anzahl von Twistbewegungen bestimmt ist. Auch bei nicht überverfestigten Proben kann es zu einem Schubspannungsmaximum kommen, wenn man das Scheren nach dem Erreichen des Schubspannungsplateaus weiter fortsetzt. Dieses Maximum ist aber weniger stark ausgeprägt und basiert auf Umordnung von Partikeln und der Konzentration der Scherzone (s. Kap. 5.2.2) bzw. bei groben Schüttgütern auf der Ausdehnung der Schüttgutprobe beim Anscheren (Kap. 5.2.3). Manchmal besteht das Problem auch darin, dass die ausgeführte Zahl von Twistbewegungen nicht ausreicht, um entlang des zur Verfügung stehenden Verformungsweges (zwei Wandstärken des oberen Ringes) stationäres Fließen zu erreichen, d.h. die gemessene Scherkraft steigt bis zum Ende des Verformungsweges immer noch an. Dann ist die Zahl der Twistbewegungen zu erhöhen. Reicht diese Maßnahme nicht aus, kann auch die Normallast beim Twisten erhöht werden. Hier ist aber größte Vorsicht ge-
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boten, da die Gefahr besteht, dass die Schüttgutprobe überverfestigt wird, man dieses aber aufgrund des begrenzten Scherweges nicht bemerkt. Gerade bei sehr feinen Schüttgütern (feucht oder trocken) kann das Überverfestigen zu einem langgestreckten Maximum im Schubspannungsverlauf wie in Abb. 4.8 führen. Ist gleichzeitig der Scherweg lang, so wird sich der Bediener des Schergerätes bei Erkennen eines zeitlich nicht mehr ansteigenden Spannungsverlaufs (scheinbares stationäres Fließen) freuen, nun endlich stationäres Fließen innerhalb des zur Verfügung stehenden Scherweges erreicht zu haben. Er wird die Probe durch Zurückfahren des Scherstiftes entlasten und anschließend abscheren. Wie man in Abb. 4.8 aber sieht, würde es bei längerer Scherverformung entlang des gestrichelten Verlaufes zu einer Abnahme der Schubspannung kommen, denn das Spannungsniveau des stationären Fließens ist tatsächlich niedriger als angenommen. Wegen des begrenzten Scherwegs beim Jenike-Schergerät besteht in diesem Fall meistens nicht die Möglichkeit, den gestrichelten Verlauf der Schubspannung auch tatsächlich zu messen. Dies erschwert die Beurteilung hinsichtlich der Überverfestigung.
Abb. 4.8. Möglicher Verlauf der Schubspannung bei einer überverfestigten Probe bei großer erforderlicher Scherverformung
Die zur Messung eines Fließortes benötigte Zeit ist schwer anzugeben, da sie von Schüttgut zu Schüttgut variiert und von der Anzahl der Vorversuche, der Zahl der Messpunkte sowie vom Bediener abhängt. Geht man davon aus, dass Punkte des Fließortes wenigstens bei drei verschiedenen Abschernormalspannungen gemessen werden, und jeder Punkt wegen der beim Jenike-Schergerät auftretenden Streuungen der Messwerte wenigstens zweimal gemessen wird, so ist ein Zeitbedarf von ein bis zwei Stunden pro Fließort realistisch.
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4 Praktisches Messen von Fließeigenschaften
4.1.2 Messung von Fließorten mit dem Ringschergerät Der grundsätzliche Vorteil von Rotationssschergeräten ist, dass der Scherweg nicht apparativ begrenzt ist wie z.B. beim Jenike-Schergerät. Das Prinzip des Ringschergerätes wurde von Hvorslev [4.16] in den Dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts zur Untersuchung von Böden entwickelt. Da in der Bodenmechanik Messungen naturgemäß bei großen Spannungen stattfinden müssen, war das Gerät entsprechend schwer. Das erste Ringschergerät speziell für Schüttgüter stellte Walker in den Sechziger Jahren vor [4.17]. Weitere Geräte wurden später vor allem in Hochschulen für Forschungszwecke gebaut [4.3,4.4,4.18–4.23] und nur sporadisch industriell eingesetzt. Hier wird eine vom Verfasser in den frühen Neunziger Jahren entwickelte modifizierte Bauart beschrieben [4.15,4.24,4.25] (Abb. 4.9), die in Industrie und Forschung eingesetzt wird. Sie unterscheidet sich von den früheren Geräten durch eine leichtere Bauweise, eine mit Deckel und Schüttgutprobe entnehmbare Scherzelle, die Möglichkeit der Wandreibungsmessung und kleinere erreichbare Spannungen. Mit der rechnergesteuerten Version dieses Ringschergerätes können Messungen automatisch durchgeführt und ausgewertet werden.
Abb. 4.9. Scherzelle eines Ringschergerätes [4.15,4.24,4.25]
4.1 Messungen mit Schergeräten
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Das Unterteil der Scherzelle des Ringschergerätes (Abb. 4.9) [4.15,4.24, 4.25] bildet der Bodenring, der die Schüttgutprobe enthält. Auf dem Schüttgut ruht der ebenfalls ringförmige Scherdeckel. Der Scherdeckel ist mit einem Querträger verbunden, der wiederum über zwei gelenkig gelagerte, parallele Zugstangen mit zwei Kraftaufnehmern verbunden ist. Zum Scheren der Schüttgutprobe wird der Bodenring langsam in Richtung der Winkelgeschwindigkeit ω gedreht, während der Scherdeckel durch zwei Zugstangen am Mitdrehen gehindert wird. Damit die Scherverformung innerhalb des Schüttgutes und nicht zwischen Schüttgut und Scherdeckel oder Schüttgut und Boden abläuft, sind der Scherdeckel auf seiner Unterseite und der Boden des Bodenrings „rau“. Dies wird z.B. durch in das Schüttgut ragende Stege (Mitnehmer) erreicht. Die Summe der in den Zugstangen wirkenden Kräfte F1 und F2 ist die Scherkraft. Sie wird während der Messung aufgezeichnet und in die Schubspannung, die in der horizontalen Messebene im Schüttgut wirkt, umgerechnet. Die beiden Zugstangen fixieren zusammen mit den zwei seitlichen Führungsrollen die horizontale Position des Scherdeckels. Daher ist eine weitere Lagerung des Deckels wie bei früheren Ringschergeräten hier nicht erforderlich. Dies hat den Vorteil, dass der Deckel bei nicht völlig homogener Füllung der Scherzelle (wie auch beim Jenike-Schergerät) etwas aus der horizontalen Lage kippen kann, was zu einer gleichmäßigeren Belastung der Schüttgutprobe führt. Außerdem erlaubt diese Konstruktion wie beim Jenike-Schergerät die Entnahme der gefüllten Scherzelle mit Deckel, z.B. im Rahmen von Zeitverfestigungsmessungen. Die vertikal nach unten gerichtete Normalkraft FN wird auf den mit dem Deckel verbundenen Querträger aufgebracht. Dies kann wie beim JenikeSchergerät mit Gewichtsstücken geschehen, die auf einem am Querträger angehängten Hänger liegen. Bei automatischen Geräten ist eine entsprechende Vorrichtung zur Einstellung der Normalkraft vorzusehen. Die Gewichtskräfte von Scherdeckel, Hänger, Querträger und Zugstangen lassen sich kompensieren, indem eine z.B. durch ein Gegengewicht erzeugte, nach oben gerichtete Ausgleichskraft FA am Querträger angreift. Der Sinn der Ausgleichskraft ist, den Gewichtskräften der genannten Teile entgegenzuwirken, damit auch Normalkräfte erzeugt werden können, die kleiner als die Gewichtskräfte der auf der Schüttgutprobe liegenden Teile sind. Im Prinzip lassen sich so Normalspannungen unter 100 Pa bis hin zu negativen Normalspannungen erzeugen [4.26,4.27]. Die gemessene Scherkraft wird über der Zeit aufgezeichnet (Linienschreiber, Messwerterfassungsanlage). Auch die vertikale Position des Scherdeckels wird beim Ringschergerät gemessen. Aus dem somit bekannten Probenvolumen und der Masse des eingefüllten Schüttgutes wird die mittlere Schüttgutdichte ρb berechnet. Für die Auswertung des Fließortes
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ist die Schüttgutdichte nach dem Anscheren wichtig, die der beim stationären Fließen wirkenden Verfestigungsspannung σ1 zuzuordnen ist. Wie beim Jenike-Schergerät begrenzt die Größe der Scherzelle die Partikelgröße des zu untersuchenden Schüttgutes. Nach den Erfahrungen des Verfassers können mit einer Scherzelle mit 200 mm Außendurchmesser und 900 cm3 Probenvolumen Schüttgüter mit Partikeln bis zu etwa 5 mm bei sehr engen Partikelgrößenverteilungen (monodispers, z.B. Kunststoffgranulat) und bis 10 mm bei breiten Verteilungen (z.B. Steinkohle von 0 mm bis 10 mm) untersucht werden. Werden sehr feinkörnige Schüttgüter untersucht (z.B. < 250 µm), können auch deutlich kleinere Scherzellen eingesetzt werden, was dann auch entsprechend kleinere Messgeräte nach sich zieht (z.B. Probenvolumina im Bereich von 9 cm3 bis 70 cm3 [4.28]). Genaue Obergrenzen lassen sich aber nicht angeben, da u.a. auch die Partikelform und die Härte der Partikel eine Rolle spielen. Die Versuchsprozedur für die hier beschriebenen Ringschergeräte ist ausführlich in einem ASTM-Standard [4.29] beschrieben. Sie wird hier am Beispiel des oben beschriebenen Ringschergerätes in handbedienter Ausführung geschildert. Zur Versuchsvorbereitung wird die Scherzelle, deren Masse bekannt ist, bis zur Oberkante mit Schüttgut gefüllt. Überschüssiges Schüttgut wird mit einem Spachtel in Höhe der Oberkante abgestreift, so dass sich eine ebene Schüttgutoberfläche ergibt (ähnlich wie in Abb. 4.4 für das JenikeSchergerät gezeigt). Anschließend wird die Masse der gefüllten Scherzelle ermittelt, die später zur Berechnung der Schüttgutdichte benötigt wird. Da beim Ringschergerät im Prinzip ein unendlich langer Scherweg zur Verfügung steht, ist keine aufwendige Vorverfestigung und damit auch keine Ermittlung der richtigen Vorverfestigung wie beim Jenike-Schergerät erforderlich. Die gefüllte Scherzelle wird auf das Ringschergerät aufgesetzt. Danach wird der Scherdeckel, der die Normal- und Scherbelastung auf das Schüttgut überträgt, auf die Schüttgutprobe gelegt. Vor dem Anscheren werden Hänger und Gegengewicht (Kraft FA, Abb. 4.9) sowie die Zugstangen mit dem am Scherdeckel befestigten Querträger verbunden. Auf den Hänger werden Gewichtsstücke zum Erzeugen der gewünschten Normalkraft FN gelegt. Damit ist die Scherzelle fertig vorbereitet, um die Messung zu beginnen. Zum Anscheren dreht sich der Bodenring der Scherzelle im Uhrzeigersinn (von oben betrachtet), während die Zugstangen den Scherdeckel am Mitdrehen hindern. Die Schubspannung τ erhält man aus den mit den Kraftaufnehmern gemessenen Kräften in den Zugstangen (Kräfte F1 und F2 in Abb. 4.9). Beim Anscheren steigt die Schubspannung mit der Zeit zunächst an (Abb. 4.10), während die Höhe der Schüttgutprobe aufgrund der in der Regel eintretenden Verdichtung abnimmt (typischer Verlauf der
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Schüttgutdichte beim Anscheren s. Abb. 3.12); bei kohäsionslosen, nicht verdichtbaren Schüttgütern kann es hierbei auch zu einer geringen Zunahme der Probenhöhe kommen (s. Kap. 5.2.3).
Abb. 4.10. Messung eines Fließortes durch An- und Abscheren mit dem Ringschergerät bei Messung mehrerer Abscherpunkte mit einer Schüttgutprobe
Nach Erreichen des stationären Fließens, das man anhand der nicht weiter ansteigenden Schubspannung erkennt, wird die Scherzelle zurückgefahren, bis die Schubspannung wieder auf Null abgesunken ist. Danach wird nach dem Einstellen der ersten Abschernormalspannung (Reduzieren der Gewichtsstücke auf dem Hänger) abgeschert, bis das Maximum im Verlauf der Schubspannung zu erkennen ist. Das Maximum wird wie beim JenikeSchergerät als Punkt des Fließortes angesehen. In der Regel kann die Probe anschließend sofort wieder durch Anscheren zum stationären Fließen gebracht werden und danach wieder abgeschert werden usw., bis alle gewählten Punkte des Fließortes bestimmt sind (Abb. 4.10). Somit lassen sich bei Schüttgütern, die nicht durch die Scherbeanspruchung verändert werden (und dies sind fast alle), sämtliche Messpunkte eines Fließortes mit einer Probe aufnehmen. Dies führt zu einer beträchtlichen Verringerung des Zeitaufwandes für die Schüttgutuntersuchung [4.30]. Da das Ringschergerät mit einer Schüttgutprobe einen ganzen Fließort messen kann, bietet sich die Automatisierung der Messung an [4.31]. Hierzu wird eine zusätzliche Vorrichtung benötigt, mit der die Normalkraft FN rechnergesteuert eingestellt wird, so dass das manuelle Auflegen von Gewichtsstücken auf den Hänger entfällt. Dies hat auch den Vorteil, dass der Benutzer unmittelbar Normalspannungen vorgeben kann, die unter Berücksichtigung der Abmessungen der verwendeten Scherzelle vom Rechner in die entsprechenden Normalkräfte FN umgerechnet werden. Die
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Steuerung des Scherzellenantriebs und die Messdatenaufnahme erfolgen dann ebenfalls durch einen Rechner, der in der Lage sein muss, das stationäre Fließen und das beginnende Fließen jeweils zu erkennen und dann eigenständig zum nächsten Schritt der Messung überzugehen. Die gesamte Steuerung, die Messung und die Auswertung erfolgen somit durch einen Rechner. Dadurch reduziert sich der Bedienungsaufwand gegenüber dem handbedienten Gerät deutlich auf etwa fünf Minuten pro Fließort [4.31]. Das Ringschergerät wird in der beschriebenen Form zunehmend als Alternative zum Jenike-Schergerät eingesetzt. Insbesondere bei der Untersuchung von Schüttgütern, die sich mit dem Jenike-Schergerät wegen des begrenzten Scherweges kaum oder nicht untersuchen lassen, ist das Ringschergerät vorzuziehen, z.B. bei der Untersuchung elastischer (z.B. Kunststoffpulver, Gummigranulat) [4.10] oder stark plastisch verformbarer Schüttgüter (Klärschlamm, Filterkuchen, Lehm). Außerdem erlaubt das Ringschergerät Untersuchungen bei kleinen Spannungen, die mit dem Jenike-Schergerät nicht erreichbar sind [4.15]. Auch die bessere Reproduzierbarkeit [4.32], der deutlich geringere Bedienereinfluss vor allem bei automatisierter Ausführung und der deutlich geringere Zeitaufwand [4.31] sprechen für das Ringschergerät. Letzteres führt zu einem zunehmenden Einsatz des Gerätes auch in Bereichen, wo zwar keine Silos ausgelegt werden, aber Vergleichsmessungen mit guter Reproduzierbarkeit und Genauigkeit benötigt werden. 4.1.3 Messung der Zeitverfestigung Die Vorgehensweise bei der Zeitverfestigungsmessung ist beim JenikeSchergerät und beim Ringschergerät ähnlich und wird hier für beide Geräte beschrieben. Bei den Messungen zur Zeitverfestigung wird die Probe genauso vorbereitet und angeschert wie bei der Fließortmessung. Nach dem Anscheren und dem anschließenden Entlasten wird die Probe jedoch nicht gleich abgeschert wie bei der Fließortmessung (Abb. 4.11.a), sondern für eine vorgegebene Zeit unter Last gelagert (Abb. 4.11.b). Dies kann im Schergerät selbst erfolgen, wobei dieses dann während der Lagerzeit nicht für weitere Messungen benutzt werden kann, oder aber in speziellen Vorrichtungen, die man als Zeitverfestigungsbank (Abb. 4.12) oder Zeitverfestigungsständer bezeichnet. In diesen Vorrichtungen wird die Probe durch Gewichte mit einer Normallast belastet, die der vorhergehenden Beanspruchung beim Anscheren entspricht. Dazu wird die Normallast so berechnet, dass eine Vertikalspannung in der Schüttgutprobe eingestellt wird, die gleich der Verfestigungsspannung σ1 bei der Fließortmessung ist.
4.1 Messungen mit Schergeräten
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Abb. 4.11. Verlauf der Schubspannung τ über der Zeit bei einer Fließortmessung (a) und bei der Messung eines Punktes eines Zeitfließortes (b)
Abb. 4.12. Zeitverfestigungsbank mit Abdeckhauben (hier: Jenike-Schergerät)
Zum Schutz vor Umwelteinflüssen, insbesondere um Feuchtigkeitsänderungen der Probe weitgehend auszuschließen, kann die gesamte Scherzelle mit einer Haube abgedeckt werden. Manchmal ist aber auch die Lagerung der Schüttgutprobe unter einer definierten Atmosphäre, die mittels Klimakammer erzeugt wird, gewünscht. In diesem Fall wird man die Schüttgutprobe ohne Abdeckung lagern. Unter allen Umständen ist auf einen vibrationsfreien Untergrund und die Vermeidung unterwünschter Temperaturänderungen (Sonneneinstrahlung, Heizkörper) zu achten.
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Auf die beschriebene Weise werden mehrere Proben vorbereitet, gelagert und nach bestimmten Zeiten abgeschert. Ergibt sich beim Abscheren ein Maximum für die Scherkraft bzw. Schubspannung τ, das nicht höher ist als ohne zwischenzeitige Lagerung, zeigt die Schüttgutprobe keine Zeitverfestigung. Ist das Schubspannungsmaximum dagegen höher (Abb. 4.11.b im Vergleich zu Abb. 4.11.a), liegt Zeitverfestigung vor. Da Proben nach verschiedenen Zeiten t abgeschert werden, ergeben sich für diese Zeiten unterschiedliche Punkte im σ,τ-Diagramm. Häufig ist es ausreichend, die Zeitverfestigung nur für einen Punkt des Fließortes, d.h. bei nur einer Abschernormalspannung, zu ermitteln. Die Zeitfließorte werden dann durch Parallelen zum Fließort durch die für die verschiedenen Zeiten ermittelten Messpunkte angenähert, s. Abb. 4.13. Die Druckfestigkeiten σc für die verschiedenen Lagerzeiten ergeben sich aus der größeren Hauptspannung der Mohrschen Spannungskreise, die durch den Ursprung gehen (kleinste Hauptspannung σ2 = 0) und die jeweiligen Zeitfließorte tangieren. Wird von jedem Zeitfließort nur ein Punkt gemessen, sollten die Messpunkte in der Nähe bzw. etwas rechts vom jeweiligen Berührpunkt von Zeitfließort und Spannungskreis für σc liegen. Ist dies nicht der Fall, muss weiter extrapoliert werden, was Ungenauigkeiten nach sich ziehen kann.
Abb. 4.13. Fließort mit als Parallelen angenäherten Zeitfließorten
4.1.4 Messung der kinematischen Wandreibung Die Vorgehensweise bei der Wandreibungsmessung ist beim JenikeSchergerät und beim Ringschergerät ähnlich. Daher wird sie hier für beide Geräte in einem Kapitel beschrieben.
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Zur Messung der Wandreibung mit dem Jenike-Schergerät wird der Bodenring der Scherzelle durch eine Probe des zu untersuchenden Wandmaterials (Wandprobe) ersetzt (Abb. 4.14). Die Wandprobe wird mittels einer geeigneten Vorrichtung auf dem Gestell des Jenike-Schergerätes befestigt.
Abb. 4.14. Aufbau zur Messung der Wandreibung mit dem Jenike-Schergerät
Die Scherzelle wird wie bei der Vorbereitung einer Fließortmessung mit Hilfe des Füllrings befüllt (Kap. 4.1.1). Da die Wandreibung kaum von der Schüttgutdichte abhängig ist, kann die aufwendige Versuchsprozedur mit der Bestimmung der richtigen Vorverfestigung, wie sie bei der Messung von Fließorten mit dem Jenike-Schergerät notwendig ist, entfallen. Trotzdem sollte auch hier mit einigen Twistbewegungen verfestigt werden, um eine homogenere Schüttgutprobe zu erhalten und ein zu starkes Einsinken des Scherdeckels bei späterer Belastung zu verhindern. Zur Messung wird die Schüttgutprobe unter verschiedenen Wandnormalspannungen über die Wandprobe geschoben. Dies ist möglich, da die Schüttgutdichte die Messung kaum beeinflusst und daher nicht für jede Spannung eine gesonderte Probe vorzubereiten ist. Da die Wandreibung in der Regel kleiner als die innere Reibung des Schüttgutes ist, wird sich die gesamte Schüttgutprobe relativ zur Wandprobe bewegen. Es ist üblich, die Messung mit der größten Wandnormalspannung σw zu beginnen und diese dann jeweils nach Erreichen einer konstanten Wandschubspannung stufenweise zu verringern. Die Schüttgutprobe wird also zunächst mit der größten Wandnormalspannung σw bzw. Normalkraft FN belastet. Beim Jenike-Schergerät werden dazu entsprechende Gewichtsstücke auf den Hänger gelegt. Dann wird geschert, indem der Scherstift, der gegen den Bügel am Scherdeckel drückt, vorgefahren wird. Die gemessene Scherkraft FS (entsprechend der Wandschubspannung τw) steigt an und erreicht schließlich einen konstanten Wert (s. Abb. 4.15). Sobald dies geschehen ist, wird die Wandnormalspannung verringert, indem die auf dem Hänger aufliegenden Gewichtsstücke reduziert werden. Nachdem erneut
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4 Praktisches Messen von Fließeigenschaften
ein konstanter Wert der Scherkraft erreicht wurde, wird die Wandnormalspannung erneut reduziert usw., bis schließlich bei allen Wandnormalspannungen σw ein konstanter Wert der Scherkraft gemessen wurde. Damit ist die Messung beendet. Aus den Wertepaaren der Wandnormalspannung σw und der Wandschubspannung τw erhält man den Wandfließort und daraus den Wandreibungswinkel.
Abb. 4.15. Wandreibungsmessung: Verlauf der Schubspannung über der Zeit und Wandfließort
Beim Ringschergerät wird eine ringförmige Wandmaterialprobe in eine Wandscherzelle eingelegt (Abb. 4.16). Das Schüttgut ist oberhalb der Wandprobe und wird vom Scherdeckel mit der Normalkraft FN vertikal belastet, wodurch die Wandnormalspannung σw zwischen Schüttgut und Wand eingestellt wird. Zum Messen dreht sich die Scherzelle in Richtung der Winkelgeschwindigkeit ω. Der Deckel, der von den Zugstangen am Drehen gehindert wird, hält das Schüttgut fest, so dass sich eine Relativbewegung zwischen dem ruhenden Schüttgut und der rotierenden Wandmaterialprobe ergibt. Aus den gemessenen Kräften F1 und F2 wird dann die Wandschubspannung τw berechnet. Die Messprozedur läuft genauso ab wie oben für das Jenike-Schergerät geschildert (Abb. 4.15). Vergleicht man die Wandreibungsmessung mit dem Jenike-Schergerät und dem Ringschergerät, so zeichnet sich das Jenike-Schergerät dadurch aus, dass als Wandprobe lediglich eine rechteckige Platte hinreichender Größe benötigt wird, während beim Ringschergerät ein Ring aus dem Wandmaterial angefertigt werden muss. Daher ist die Wandreibungsmessung bei häufig wechselnden Wandmaterialien mit dem Jenike-Schergerät weniger aufwendig. Auch die Richtungsabhängigkeit der Wandreibung, z.B. bei Riefen im Wandmaterial, ist mit der Translationsbewegung des Jenike-Schergerätes messbar, während beim Ringschergerät alle Richtungen gleichzeitig gemessen werden, so dass man einen Mittelwert der
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Wandreibung für alle Richtungen erhält. Auf der anderen Seite kann beim Ringschergerät aufgrund des unbegrenzten Scherweges auch das Langzeitverhalten der Wandreibung untersucht werden, z.B. bei Schüttgütern, die einen Film auf dem Wandmaterial bilden, oder die die Oberfläche des Wandmaterials durch Verschleiß verändern (s. Kap. 7.1.2). Auch bei Kombinationen von Schüttgut und Wandmaterial, die sehr lange Verformungswege erfordern, erleichtert das Ringschergerät die Messung, da die Schüttgutprobe nicht immer wieder von Hand zurückgeschoben werden muss.
Abb. 4.16. Messung der Wandreibung mit dem Ringschergerät [4.33]
4.1.5 Messung der statischen Wandreibung Im Kap. 3.3.3. wurde der Zeitwandfließort beschrieben, der eine Aussage zum statischen Wandreibungswinkel, gegebenenfalls nach längerer Lagerzeit in Ruhe, liefert. Diese Messung wird nach Erfahrung des Verfassers nur sehr selten benötigt und soll deshalb hier nur kurz behandelt werden.
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4 Praktisches Messen von Fließeigenschaften
Die Vorbereitung zur Messung von Punkte eines Zeitwandfließortes läuft ähnlich ab wie die zur Messung eines Punktes eines Wandfließortes. Der wesentliche Unterschied ist, dass die Probe nach Erreichen der stationären Wandreibung bei einer vorgegebenen Normalspannung von der Schubspannung entlastet wird und unter weiterhin konstanter Normalspannung auf der Wandprobe gelagert wird. Dies kann im Schergerät geschehen, wobei dieses dann aber durch die Probe für weitere Messungen blockiert ist. Daher bietet sich hier wie bei der Zeitverfestigungsmessung (Kap. 4.1.3) die Verwendung einer Zeitverfestigungsbank (Abb. 4.12) oder eines Zeitverfestigungsständers an, um die Scherzelle mit Wandmaterialprobe unter Last zu lagern. Nach der Lagerzeit wird die Probe wieder auf das Schergerät gesetzt und erneut unter der gleichen Wandnormalspannung, unter der schon vorher gemessen wurde und unter der die Probe gelagert wurde, geschert. Das Schubspannungsmaximum ergibt einen Punkt des Zeitwandfließortes (weitere Einzelheiten s. Kap. 3.3.3). 4.1.6 Abriebmessung Zur Beurteilung der Feinguterzeugung durch Abrieb (z.B. Abbrechen von Ecken und Kanten) und/oder Kornzerstörung beim Lagern oder Fließen eines Schüttgutes unter Druckspannungen (wie z.B. beim Fließen in einem Silo) lassen sich Abriebmessungen durchführen. Mit Hilfe dieser Messungen lassen sich Produkte hinsichtlich ihrer Abriebempfindlichkeit vergleichen, oder es lässt sich festlegen, welche Spannungen bei der Lagerung eines Produktes in einem Silo nicht überschritten werden dürfen [4.34,4.35]. Das Spannungsniveau der Messung kann der später geplanten Handhabung des Produktes angepasst werden. Feingut entsteht durch die Beanspruchung der Partikel, wobei die Beanspruchung nur durch eine Normalspannung (statische Beanspruchung) von einer Beanspruchung durch eine Normalspannung bei gleichzeitiger Scherverformung (kinematische Beanspruchung) zu unterscheiden ist. In der Regel – und nicht unerwartet – entsteht bei der kinematischen Beanspruchung deutlich mehr Feingut. Für Abriebmessungen mit kinematischer Beanspruchung ist ein Gerät zu benutzen, das unter einer vorzugebenden Spannung große Scherverformungen erzeugen kann. Hierzu bieten sich Rotationsschergeräte wie das Ringschergerät an [4.34–4.37], während bei Translationsschergeräten wie dem Jenike-Schergerät nur vergleichsweise kleine Verformungen der Schüttgutprobe zu erreichen sind. Der Ablauf einer Abriebmessung mit einem Ringschergerät ist wie folgt (bei anderen Schergeräten ist die Prozedur entsprechend anzupassen): Alle Partikel unterhalb einer bestimmten Größe werden durch Siebung auf ei-
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nem entsprechend gewählten Sieb entfernt (z.B. bei Untersuchung eines Granulates mit Partikelgrößen von 2 bis 5 mm könnte man mit einem Sieb mit 1 mm Maschenweite alle Partikel oder Bruchstücke etc., die kleiner als 1 mm sind, entfernen). Die so vorbereitete Schüttgutprobe wird in die Scherzelle (Abb. 4.9) eingefüllt und über den Scherdeckel mit der vorher gewählten Normalspannung σ bzw. Normalkraft FN belastet. Nun wird zur kinematischen Beanspruchung des Schüttgutes die Probe zusätzlich einer Scherverformung ausgesetzt. Dazu wird die Schüttgutprobe wie beim Anscheren geschert, und zwar für eine definierte Zeit bei einer definierten Schergeschwindigkeit. Dies ergibt einen bestimmten mittleren Scherweg als Relativbewegung zwischen Scherdeckel und Bodenring, der in Umfangsrichtung am mittleren Radius der Schüttgutprobe gemessen wird. Nach der Beanspruchung (kinematisch) wird die Probe wieder gesiebt, und zwar mit einem Sieb, dessen Maschenweite kleiner oder gleich der Maschenweite des zur Vorbereitung der Probe benutzten Siebes. Wenn Abrieb entstanden ist, der kleiner als die Maschenweite dieses Siebes ist, so wird man eine bestimmte Menge der untersuchten Probe als Siebdurchgang erhalten. Der Siebdurchgang ist ein Maß für die Entstehung von Abrieb bei der vorangegangenen Beanspruchung. Es ist sinnvoll, die Masse des Siebdurchgangs auf die Masse der in der Scherzelle beanspruchten Probe zu beziehen. Alternativ zur geschilderten Methode der Vorbereitung und Analyse der Schüttgutprobe kann man auch vor der Messung die Partikelgrößenverteilung der Gesamtprobe ermitteln, z.B. mit Hilfe einer Analysensiebung. Nach der Beanspruchung wird erneut die Partikelgrößenverteilung gemessen. Durch Vergleich der Partikelgrößenverteilungen erhält man einen genaueren Überblick über Abrieb oder Kornzerstörung. Die beschriebenen Abriebmessungen sind nur qualitativ zu bewerten. Dies liegt u.a. daran, dass bei der kinematischen Beanspruchung vor allem das Schüttgut in der Scherzone beansprucht wird. Die genaue Ausdehnung der Scherzone ist aber nicht bekannt; sie liegt bei nicht zu feinen Schüttgütern in der Größenordnung von fünf bis zwanzig Partikeldurchmessern (s. Kap. 5.2.2). Allerdings wäre auch eine quantitative Aussage kaum von Nutzen, da man nicht in der Lage ist, die Scherverformung eines Schüttgutes beim Fließen im Silo vorauszuberechnen, denn auch dort konzentriert sich das Fließen auf Scherzonen. Abbildung 4.17 zeigt qualitativ, wie sich der Feingutanteil während einer Abriebmessung mit zunehmender Scherverformung entwickelt. Dabei wird um so schneller Feingut gebildet, desto größer die Normalspannung σ ist. Nach einer hinreichenden Scherverformung wird sich ein weitgehend konstanter Feingutanteil einstellen, da unter den herrschenden Bedingun-
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gen keine weitere Zerkleinerung (Abrieb, Kornzerstörung) mehr stattfindet. Dies wurde in Abb. 4.17 bei den größeren Spannungen σB und σC bereits erreicht. Um so größer die Normalspannung σ ist, desto größer ist der zu erwartende Feingutanteil, da das Schüttgut einer größeren Beanspruchung unterliegt. Im Bereich sehr großer Spannungen, die sämtlich zur völligen Zerstörung der Partikel führen, kann der nach großer Scherverformung erreichte Feingutanteil auch spannungsunabhängig sein.
Abb. 4.17. Feinanteil in Abhängigkeit von Spannung und Scherverformung bei der Abriebmessung (qualitativ)
Es ist zu empfehlen, mit Vorversuchen die erforderliche Scherverformung zu ermitteln. Ist die Scherverformung zu klein, besteht die Gefahr, dass eine zu geringe Menge Feingut erzeugt wird, die nicht hinreichend genau gemessen werden kann. Ist die Scherverformung zu groß, besteht die Gefahr, dass sämtliches Schüttgut in der Scherzone völlig zerkleinert ist, so dass man keine Unterschiede z.B. zwischen unterschiedlichen Proben eines Schüttgutes feststellen kann. Im Rahmen der Vorversuche sollten daher mehrere (identische) Proben eines Schüttgutes verschiedenen Scherverformungen ausgesetzt werden. Die Ergebnisse (Feingutanteile nach der Beanspruchung) sollten zumindest in einem begrenzten Bereich der verwendeten Scherverformungen einen messbaren Feinanteil und eine Zunahme des Feingutanteils mit der Scherverformung zeigen. So ein Bereich ist im Beispiel von Abb. 4.17 markiert. Für die dann durchzuführenden Messungen wird eine Scherverformung gewählt, die in diesem Bereich liegt. So stellt man sicher, dass zum einen eine messbare Feingutmenge erzeugt wird, zum anderen aber noch nicht eine derart große Scherverformung benutzt wird, bei der sämtliche Partikel im Bereich der Scherzone völlig zerstört werden und eine Differenzierung zwischen unterschiedlichen Proben nicht möglich ist.
4.1 Messungen mit Schergeräten
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4.1.7 Messung der Verdichtbarkeit Die Verdichtbarkeit eines Schüttgutes bezeichnet die Zunahme der Schüttgutdichte mit der Spannung (s. Beispiel in Abb. 4.18). Um so stärker die Schüttgutdichte mit der Spannung zunimmt, desto verdichtbarer ist das Schüttgut. Für manche Anwendungen ist ein Kennwert für die Verdichtbarkeit von Interesse, andere Anwendungen erfordern die Kenntnis der Schüttgutdichte in Abhängigkeit von der Spannung (z.B. die Vorausberechnung der Schüttgutmasse in einem Silo).
Abb. 4.18. Beispiel: Schüttgutdichte ρb einer Steinkohleprobe mit 12 % Feuchte in Abhängigkeit von der Verfestigungsspannung σ1 [4.38]
Die Verdichtbarkeit lässt sich in einfacher Weise messen, indem eine locker in einen Behälter eingefüllte Schüttgutprobe über eine Druckplatte der Fläche A mit einer zunehmenden Kraft F belastet wird (Abb. 4.19). Hierdurch entsteht in der Schüttgutprobe eine Vertikalspannung, die zumindest in der Behälterachse gleich der größten Hauptspannung σ1 ist. Aus der Höhe h, die sich jeweils einstellt, und der Masse der Schüttgutfüllung lässt sich dann die Schüttgutdichte berechnen. Störend ist die Reibung zwischen Behälterwand und Schüttgut. Diese führt zu einer Abnahme der Vertikalspannung nach unten hin, so dass das Schüttgut nach unten hin immer weniger stark verdichtet wird. Daher empfiehlt es sich, für eine einfache Messung wie in Abb. 4.19 einen Behälter mit glatten Wänden und kleinem Verhältnis von Höhe zu Durchmesser zu benutzen (z.B. < 0,3). Durch Schmierung der Wände (Wände mit Schmiermittel beschichten und mit dünner Folie abdecken) lässt sich der Wandeinfluss weiter verringern.
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4 Praktisches Messen von Fließeigenschaften
Abb. 4.19. Einfache Messung der Verdichtbarkeit
Auch bei der Messung von Fließorten erhält man Werte der Schüttgutdichte ρb in Abhängigkeit von der Verfestigungsspannung σ1. Man kann also den Zusammenhang zwischen Schüttgutdichte ρb und Verfestigungsspannung σ1 auch durch das Messen von Fließorten im relevanten Spannungsbereich ermitteln. Hierbei erhält man bei gleicher Verfestigungsspannung im Vergleich zur einachsigen Verdichtung etwas größere Werte für die Schüttgutdichte (s. Kap. 5.1.2). Eine Kennzahl für die Verdichtbarkeit wird man dann benötigen, wenn die Verdichtbarkeit eine wichtige Kenngröße für einen Prozess ist und laufend überprüft werden soll. Auch im Rahmen von Vergleichsuntersuchungen kann die Verdichtbarkeit ein wichtiger Parameter sein. Eine Kennzahl für die Verdichtbarkeit erhält man, indem man die Schüttgutdichte ρb bei zwei unterschiedlichen Spannungsniveaus A und B misst. Die Verfestigungsspannungen bei diesen Spannungsniveaus werden im folgenden σ1,A und σ1,B genannt, wobei σ1,A die kleinere der beiden Verfestigungsspannungen σ1,A und σ1,B sei. Bei beiden Verfestigungsspannungen wird die Schüttgutdichte bestimmt, entweder durch den in Abb. 4.19 gezeigten Aufbau oder durch Messung je eines Fließortes. Aus den Schüttgutdichten ρA und ρB, die zu den beiden Fließorten gehören, wird als Kennzahl für die Verdichtbarkeit der Quotient ρB/ρA gebildet. Um so größer dieses Verhältnis ist, desto größer ist der gemittelte Anstieg der Schüttgutdichte im Bereich der beiden Verfestigungsspannungen σ1,A und σ1,B. Um die Werte der Verdichtbarkeit, die an unterschiedlichen Schüttgutproben gemessen wurde, vergleichen zu können, ist es wichtig, dass immer die gleichen Verfestigungsspannungen σ1,A und σ1,B verwendet werden. Der Vorteil dieser Vorgehensweise gegenüber dem häufig benutzten Vergleich zwischen der Schüttgutdichte einer lockeren Schüttung (genannt Schüttdichte) und der Stampfdichte ist, dass beim Scherversuch beide Schüttgutdichten durch definierte Belastungen erzeugt werden, während z.B. die lockere Schüttdichte von der Erzeugung der lockeren Schüttung abhängt (s. Kap. 6.3.7). Ist die Schüttgutdichte in Abhängigkeit von der Verfestigungsspannung von Interesse, müssen im interessierenden Spannungsbereich mehrere
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Wertepaare aus Schüttgutdichte und Verfestigungsspannung gemessen werden. Die Ergebnisse sollten dann in Form einer an die Messpunkte angepassten Gleichung angegeben werden, die die Schüttgutdichte als Funktion der Verfestigungsspannung angibt. Einen Überblick über sinnvolle Gleichungstypen findet man in [4.39]. Eine einfach anzupassende Funktion, mit der sich der Verlauf der Schüttgutdichte in begrenzten Spannungsbereichen meist hinreichend gut beschreiben lässt, ist:
σ ρb = ρ0 + a ⋅ ln Pa
(4.1)
Hier sind ρ0 und a die anzupassenden Werte, die beide die Dimension der Schüttgutdichte haben.
4.2 Festlegen der Spannungen 4.2.1 Fließorte (Fließfähigkeit) 4.2.1.1 Auswahl des Spannungsniveaus
Vor der Messung sind die Normalspannungen festzulegen, unter denen die Schüttgutprobe an- und abgeschert wird. Es ist sinnvoll, bei solchen Spannungen zu messen, die auch bei der geplanten Anwendung oder Handhabung der Schüttgüter eine Rolle spielen. Dies kann in einem Silo die maximale Spannung oder die Spannung in Auslaufnähe sein, die Spannung bei Lagerung von Säcken auf Paletten, die Spannung in einem kleinen Gebinde (z.B. Tonne, Eimer, Fass) oder die Spannungen bei der Dosierung kleiner Mengen. Sollen anhand der Messergebnisse ähnliche Stoffe miteinander verglichen werden, so hat das Spannungsniveau meistens keinen Einfluss auf die qualitative Aussage, wie verschiedene Produkte hinsichtlich ihrer Fließfähigkeit relativ zueinander einzuordnen sind. Meistens wird es daher ausreichend sein, die Spannungen der Anwendung bei der Messung nur grob einzustellen, zumal da sich die tatsächlich auftretenden Spannungen manchmal kaum berechnen lassen. Maß für das Spannungsniveau ist die Verfestigungsspannung σ1, von der die Fließeigenschaften abhängen. Mit dem entsprechenden Hintergrundwissen lassen sich die Spannungen, die bei den zu betrachtenden Anwendungen herrschen, berechnen (s. Kap. 9). In der Regel wird man aber vor allem bei Vergleichsmessungen mit einer Abschätzung der maßgeblichen Verfestigungsspannungen hinreichend aussagekräftige Messergebnisse be-
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4 Praktisches Messen von Fließeigenschaften
kommen. Hilfestellung zur Abschätzung der Spannungen bieten geeignete Rechnerprogramme (z.B. [4.40]). Zur vereinfachten Abschätzung der Verfestigungsspannung σ1 zeigt Tabelle 4.1 Werte der Verfestigungsspannung, die für bestimmte Anwendungen typisch sind bzw. dort auftreten können. Da die Spannungen in einer Schüttung meistens durch die Schwerkraft erzeugt werden, spielt die Schüttgutdichte ρb eine wichtige Rolle. Um so größer die Schüttgutdichte ist, desto größer ist auch die auf das Schüttgut wirkende Spannung (Verfestigungsspannung). Außerdem nehmen die Verfestigungsspannungen mit der Größe der Anwendung zu: In kleinen Behältern oder Gebinden wirken kleinere Spannungen als in großen Silos. Bei Silos und Trichtern ist zu bedenken, dass Auslaufprobleme in Nähe der Auslauföffnung entstehen, wo die Spannungen im Entleerungszustand relativ klein sind und nicht von der Silogröße abhängen (s. Kap. 9.1.2; Abschätzung nach Kap. 9.2.4). Daher ist es meistens nicht sinnvoll, die Fließeigenschaften bei der maximalen Spannung im Siloschaft zu messen. Tabelle 4.1. Verfestigungsspannung σ1 in Abhängigkeit von der Anwendung und der Schüttgutdichte ρb (grobe Anhaltswerte zur Abschätzung der Verfestigungsspannung) Anwendung
Schüttgutdichte ρb [kg/m3] von ... bis 0 ... 150 ... 300 ... 600 ... 1200 ... 50 300 600 1200 2500 400 Pa 800 Pa 1600 Pa 2500 Pa 4 kPa
Gebinde bis 20 Liter, Dosieren kleiner Mengen Gebinde bis 100 Liter, 800 Pa 1500 Pa 2500 Pa 5 kPa 10 kPa Fässer BigBags, Säcke auf Paletten 1500 Pa 2500 Pa 5 kPa 10 kPa 20 kPa geschichtet, Transportbehälter mittlere und große Silos Spannung abhängig von den Siloabmessungen; zur (Spannung im Siloschaft) Abschätzung s. Gleichungen in Kap. 9.2.1. Auslauföffnung von Silos Spannung abhängig von der Auslaufgröße; zur Aboder Trichtern schätzung s. Gleichungen in Kap. 9.2.4.
Bei der Wahl der Verfestigungsspannungen ist zu bedenken, dass je nach verwendetem Schergerät nicht beliebig kleine Spannungen eingestellt werden können. Eine Untergrenze beim Jenike-Schergerät ist eine Verfestigungsspannung von etwa 3 kPa, während beim Ringschergerät auch Messungen bei kleineren Spannungen möglich sind. Je nach den Möglichkeiten des verwendeten Messgerätes sind die Richtlinien in Tabelle 4.1 entsprechend zu variieren.
4.2 Festlegen der Spannungen
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Natürlich kann man kaum eine Anwendung durch eine einzige Verfestigungsspannung charakterisieren. Z.B. in einem Silo gibt es je nach der betrachteten Stelle sehr unterschiedliche Spannungen. Auch hängen bei einem Behälter die Spannungen stark von der Form (Höhe/DurchmesserVerhältnis) und anderen Parametern (z.B. Wandrauhigkeit) ab. In diesem Kapitel geht es aber lediglich darum, dem Anwender eine grobe Richtlinie zu geben, bei welchen Spannungen er für eine bestimmte Anwendung die Messungen mit dem Schergerät durchführt. In der Praxis kann auch der Fall auftreten, dass die Fließeigenschaften von Schüttgutproben nur „allgemein“, also ohne Berücksichtigung einer konkreten Anwendung, bestimmt werden sollen. Manchmal sind die Spannungen in der Anwendung nicht bekannt und können auch nicht abgeschätzt werden. In diesen Fällen empfiehlt es sich, die Verfestigungsspannung im Bereich von z.B. 4 oder 8 kPa zu wählen. Dies ist ein Spannungsbereich, der in vielen Anwendungen auftritt, wobei die Spannungen groß genug sind, um dort mit jedem Schergerät messen zu können. Nach Festlegung der Verfestigungsspannung σ1 sind die Normalspannungen zum An- und Abscheren zu bestimmen. 4.2.1.2 Normalspannungen beim An- und Abscheren
Misst man einen Fließort, so ergibt sich die maßgebliche Verfestigungsspannung σ1 (= größte Hauptspannung beim Anscheren) erst beim Konstruieren des Fließortes, also nach der Messung. Im Gegensatz zur Normalspannung beim Anscheren σan kann die Verfestigungsspannung σ1 also nicht genau vorherbestimmt werden (möglich ist nur eine Vorabmessung oder die Annäherung während der Messung gemäß Kap. 4.2.1.3). Die Verfestigungsspannungen weichen bei ähnlichen Schüttgütern, die mit identischer Normalspannung σan angeschert werden, aber in der Regel nur wenig voneinander ab. Außerdem wirken sich geringfügig unterschiedliche Spannungen meistens nur wenig auf den Wert der Fließfähigkeit aus. Daher ist es häufig ausreichend, für Vergleichsmessungen jeweils die gleiche Normalspannung σan beim Anscheren einzustellen und auf völlige Gleichheit der Verfestigungsspannung σ1 zu verzichten. Der genaue Zusammenhang zwischen σ1 und σan ist für jedes Schüttgut und jedes Spannungsniveau anders. Daher gibt es keine allgemeingültige Rechenvorschrift, mit der man vor der Messung die erforderliche Normalspannung beim Anscheren σan zum Erzielen einer gewünschten Verfestigungsspannung σ1 genau berechnen könnte. Als grobe Abschätzung kann folgende Gleichung benutzt werden:
σ an = k ⋅ σ1
(4.2)
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4 Praktisches Messen von Fließeigenschaften
mit k = 0,3 .. 0,7 (meistens). Ein sinnvoller Wert zum groben Abschätzen ist k = 0,5. Liegt die Normalspannung beim Anscheren σan (Anschernormalspannung) fest, werden die Normalspannungen zum Abscheren σab,i (Abschernormalspannungen) gewählt. Eine Abschernormalspannung σab,i sollte nicht mehr als etwa 80% der Anschernormalspannung σan betragen. Die minimal einstellbare Abschernormalspannung ist durch die apparativen Gegebenheiten des verwendeten Schergerätes festgelegt, z.B. beim JenikeSchergerät durch die Massen des Schüttgutes und aller anderen Teile oberhalb der Scherebene. Allerdings sollten die Abscherpunkte nach Möglichkeit nicht links vom Punkt B liegen, wo der Fließort den Spannungskreis für die Druckfestigkeit σc berührt (Abb. 4.20). Aber der unterste Abscherpunkt sollte auch nicht zu weit rechts vom Berührpunkt des Fließortes mit dem Spannungskreis liegen, da sonst der Fließort weit nach links extrapoliert werden müsste, um den Spannungskreis für die Druckfestigkeit konstruieren zu können. Letzteres würde die Bestimmung der Druckfestigkeit σc ungenauer machen. Abbildung 4.20 zeigt den anzustrebenden Bereich für die Abschernormalspannungen σab,i.
Abb. 4.20. Anzustrebender Bereich der Abschernormalspannungen σab,i
Die Regel, dass keine Messpunkte links vom Berührpunkt B des Fließortes mit dem Spannungskreis für σc verwendet werden sollen, geht auf Hinweise zur Benutzung des Jenike-Schergerätes zurück [4.8,4.13]. Man beobachtet bei manchen Schüttgütern links des Berührpunktes, d.h. bei großen Verhältnissen von Schubspannung zu Normalspannung, ein verstärktes Abfallen der Abscherpunkte zu kleineren Schubspannungen hin (Abb. 4.21), und zwar um so stärker, desto mehr der Messpunkt vom Punkt B entfernt ist. Dies liegt u.a. daran, dass alle Spannungskreise, die den Fließort links von Punkt B berühren, teilweise im Bereich negativer Normalspannungen σ (Zugspannungen) liegen, Schüttgüter aber meist nur kleine
4.2 Festlegen der Spannungen
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Zugspannungen übertragen können. Außerdem weicht links vom Berührpunkt B die Richtung der größten Hauptspannung beim Abscheren zunehmend von deren Richtung beim Anscheren ab, was aufgrund des anisotropen Verhaltens der Schüttgüter ebenfalls eine Verringerung der gemessenen Schubspannung erwarten lässt [4.26] (Näheres hierzu s. Kap. 5.3). Eine weitere Ursache sind die konstruktiven Gegebenheiten des Jenike-Schergerätes, die bei sehr großen Verhältnissen von Schubspannung zu Normalspannung zum Kippen des Scherdeckels führen können [4.15].
Abb. 4.21. Fließort mit Messpunkten und zugehörigen Spannungskreisen links vom Berührpunkt B des Fließortes mit dem Spannungskreis für σc
Die Wahl der Normalspannungen der Abscherpunkte (Abschernormalspannungen) beeinflusst etwas die Ergebnisse der Auswertung des Fließortes, insbesondere den Wert der Druckfestigkeit σc [4.41]. Die Ursache liegt darin, dass ein Fließort in der Regel gekrümmt ist [4.42,4.43], und zwar insbesondere im Bereich links vom Berührpunkt B (s. oben). Durch das Messen nur einiger Punkte des Fließortes, was aus praktischen Gründen die Regel ist, erhält man lediglich eine Annäherung an den tatsächlichen Fließort. Befindet sich einer der Messpunkte deutlich links vom Berührpunkt B und ist deutlich nach unten verschoben (wie in Abb. 4.21), so würde man einen im linken Bereich nach unten verschobenen Fließort erhalten. Dadurch ergäbe sich eine kleinere Druckfestigkeit σc. Um dies zu vermeiden, sind derartige Messpunkte zu verwerfen [4.13]. Noch besser ist es, von vorneherein geeignete Abschernormalspannungen auszuwählen. Diese Regeln wird man vor allem dann beachten, wenn die Messungen mit dem Ziel einer Siloauslegung unternommen werden, denn hier würde eine zu kleine gemessene Druckfestigkeit zu einer Unterdimensionierung der Auslauföffnung führen. Die praktische Erfahrung zeigt, dass Abscherpunkte links vom Punkt B durchaus toleriert werden können, solange der Fließort durch sie noch nicht zu sehr nach unten gekrümmt wird.
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4 Praktisches Messen von Fließeigenschaften
Bei Vergleichsmessungen kommt es darauf an, auch feine Unterschiede im Fließverhalten der untersuchten Proben festzustellen. Hierzu hat es sich bewährt, für alle im Rahmen einer Vergleichsuntersuchung zu messenden Fließorte die gleichen Abschernormalspannungen σab zu wählen [4.44]. Diese sollten den anzustrebenden Bereich der Abschernormalspannungen gemäß Abb. 4.20 abdecken, um eine zu starke Extrapolation nach links zu vermeiden, die erfahrungsgemäß die Genauigkeit der Bestimmung der Druckfestigkeit verringert. Punkte links vom Berührpunkt B können bei Vergleichsmessungen mit jeweils gleichen Abschernormalspannungen toleriert werden, da sie keinen Einfluss auf die relativen Unterschiede der Fließfähigkeiten der untersuchten Proben haben. Vor einer Messung ist nicht bekannt, wie groß σc ist und bei welcher Normalspannung σ sich der Berührpunkt B des Spannungskreises für σc mit dem Fließort befindet. Wie Abb. 4.22 zeigt, ist dies von den Fließeigenschaften des Schüttgutes abhängig. Daher wird man vor der Messung eine untere Grenze für die Normalspannung beim Abscheren σab abschätzen, wobei Tabelle 4.2 als Leitlinie dienen kann. Tabelle 4.2. Anhaltswerte zur Abschätzung der unteren Grenze für die Normalspannung beim Abscheren; Beispiele gelten grob für Anschernormalspannungen im Bereich von etwa 2 bis 10 kPa. erwartetes Fließverhalten untere Grenze für σab Beispiele (< 0,10) σan frei fließend trockener Sand, Kristallzucker, Kunststoffgranulat, Tafelsalz (0,10 ... 0,25) σan gut fließend bis Braunkohlenstaub, Waschpulleicht kohäsiv ver, Fertigmörtel (0,25 ... 0,4) σan kohäsiv feuchte Steinkohle 0 – 5 mm, Weizenmehl, Puderzucker (> 0,4) σan feuchter REA-Gips, Zinkoxid, schwer fließend feuchter Klärschlamm, TiO2
Man entnimmt Tabelle 4.2, dass man bei frei fließenden Produkten, bei denen der Mohrsche Spannungskreis für die Druckfestigkeit σc sehr klein ist, die Abschernormalspannung σab kleiner als 10% der Anschernormalspannung σan wählen sollte. Bei schwer fließenden Produkten kann auch eine untere Grenze von 40% und mehr sinnvoll sein. Ist keine Abschätzung des Fließverhaltens möglich, ist zu empfehlen, eine Vorabmessung durchzuführen oder die kleinste Abschernormalspannung σab,1 zu etwa 20% der Anschernormalspannung zu wählen.
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Abb. 4.22. Lage des Berührpunktes B bei unterschiedlichem Fließverhalten.
Die Abschernormalspannungen σab,i sind gleichmäßig im vorzugebenden Bereich zu verteilen. Um einerseits den Aufwand gering zu halten, andererseits aber eine hinreichend genaue Wiedergabe des Fließortes zu erzielen, hat sich die Wahl von drei unterschiedlichen Abschernormalspannungen bewährt. Hierfür wird die kleinste Abschernormalspannung σab,1 gleich der unteren Grenze für die Abschernormalspannungen gesetzt, die größte Abschernormalspannung σab,3 wird zu 80% der Anschernormalspannung σan gewählt. Die mittlere Abschernormalspannung σab,2 legt man genau in die Mitte zwischen σab,1 und σab,3. Sollen mehr als drei Abschernormalspannungen benutzt werden, verfährt man entsprechend. Sinnvoll ist stets eine gleichmäßige Verteilung der Abscherpunkte im gewählten Spannungsbereich. 4.2.1.3 Automatische Wahl der An- und Abschernormalspannungen
Im vorangegangenen Kapitel wurde erläutert, dass die Wahl der An- und Abscherpunkte bestimmten Regeln folgen sollte. Besonders wichtig ist die Lage der Abscherpunkte, für die in Abb. 4.20 ein Bereich definiert wurde. Nachfolgend wird am Beispiel des im Kap. 4.1.2 behandelten Ringschergerätes eine Prozedur beschrieben, mit dem An- und Abschernormalspannungen während der Messung automatisch bestimmt werden können [4.45, 4.46]. Die Prozedur beinhaltet zwei Teile:
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4 Praktisches Messen von Fließeigenschaften
• automatische Auswahl der Anschernormalspannung in Abhängigkeit von einer vorgegebenen Verfestigungsspannung, • automatische Auswahl der Abschernormalspannungen. Bei der automatischen Auswahl der Anschernormalspannung schätzt das Rechnerprogramm, das das Ringschergerät steuert [4.45], während des Anscherens die voraussichtliche Lage des Mohrschen Spannungskreises für das stationäre Fließen ab. Außerdem trifft es Annahmen zur voraussichtlichen Lage des Anscherpunktes, der in der Regel etwas links vom Scheitelpunkt des Spannungskreises liegt. Abbildung 4.23 zeigt die Vorgehensweise: Zu Beginn des Anscherens wird die Normalspannung σstart eingestellt. Sie wird etwas kleiner als die gewünschte Verfestigungsspannung σ1 gewählt. Steigt die Schubspannung τ beim Anscheren so sehr an, dass sich bei der vorgewählten Normalspannung σstart und der voraussichtlichen Lage des Anscherpunktes auf dem Spannungskreis eine größere größte Hauptspannung σ1 ergeben würde als gewünscht, wird die Normalspannung reduziert. Der gestrichelte Spannungspfad in Abb. 4.23 gibt an, wie sich Schubspannung und Normalspannung während des Anscherens ändern. Nach Erreichen des stationären Fließens ist schließlich die Anschernormalspannung σan eingestellt, die unter den getroffenen Annahmen zur gewünschten größten Hauptspannung σ1 führt. In Abb. 4.23 sind weitere Spannungskreise gestrichelt eingezeichnet, die sich für das stationäre Fließen ergeben würden, wenn das stationäre Fließen bei kleineren Schubspannungen stattfinden würde (bei Schüttgütern mit geringerer innerer Reibung als dem hier betrachteten Schüttgut). Mit zunehmender Schubspannung beim Anscheren wird also eine immer kleinere Normalspannung eingestellt.
Abb. 4.23. Bestimmung der Anschernormalspannung σan während des Anscherens.
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Abb. 4.24. Bestimmung der kleinsten Abschernormalspannung σab,1 während des Abscherens.
Bei der automatischen Wahl der Abschernormalspannungen wird nach dem ersten Anscheren der Schüttgutprobe zunächst eine sehr kleine Normalspannung σstart eingestellt (Abb. 4.24). Diese Minimalspannung ergibt sich u.a. aus der unteren Grenze der vom Schergerät noch sinnvoll einstellbaren Normalspannungen. Während des Abscherens wird dann die mögliche Lage des Abscherpunktes bezüglich des Mohrschen Spannungskreises, der die Druckfestigkeit σc definiert, mittels einer einfachen geometrischen Betrachtung abgeschätzt. Der Abscherpunkt sollte nicht links vom Berührpunkt B dieses Spannungskreises mit dem Fließort liegen (s. Abb. 4.20 und Bemerkungen im vorangegangenen Kapitel), aber auch nicht zu weit rechts von diesem, um eine zu weite Extrapolation des Fließortes nach links zu vermeiden. Dies würde die Genauigkeit bei der Bestimmung der Druckfestigkeit verringern. Daher wird die Abschernormalspannung mit steigender Schubspannung erhöht, bis es zum beginnenden Fließen kommt. Der gestrichelte Spannungspfad in Abb. 4.24 macht deutlich, wie sich Schubspannung und Normalspannung während des Abscherens ändern. Die zum Zeitpunkt des beginnenden Fließens eingestellte Normalspannung wird dann als die kleinste Abschernormalspannung σab,1 des Fließortes festgelegt. Die übrigen Abschernormalspannungen werden dann gleichmäßig zwischen diesem Punkt und der maximalen Abschernormalspannung, die gleich 80% der Anschernormalspannung gesetzt wird (s. vorangegangenes Kapitel), verteilt. Mit Hilfe der in diesem Kapitel dargelegten Prozeduren lässt sich ein Fließort allein durch Vorgabe der angestrebten größten Hauptspannung messen, ohne dass sich der Bediener Gedanken über die Auswahl von Anund Abschernormalspannungen machen muss.
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4 Praktisches Messen von Fließeigenschaften
4.2.2 Zeitfließorte (Fließfähigkeit bei Zeitverfestigung) 4.2.2.1 Auswahl des Spannungsniveaus
Die Auswahl des Spannungsniveaus erfolgt analog zur Fließortmessung (s. Kap. 4.2.1.1). 4.2.2.2 Normalspannungen beim An- und Abscheren
Da vor einer Zeitverfestigungsmessung ein Fließort gemessen werden muss, benutzt man die Anschernormalspannung σan des Fließortes. Zum Abscheren nach der Lagerung bietet es sich an, eine Abschernormalspannung σab benutzen, mit der auch ein Punkt des zugehörigen Fließortes gemessen wurde. Wie bei der Fließortmessung sollte der Abscherpunkt nicht links vom Berührpunkt des Zeitfließortes mit dem Spannungskreis für die Druckfestigkeit σc dieses Zeitfließortes liegen, aber auch nicht zu weit von diesem entfernt sein, um eine zu weite Extrapolation zu vermeiden. Eine gut gewählte Lage der Messpunkte zeigt Abb. 4.13. Bei Messung des Fließortes mit drei Punkten (drei unterschiedliche Abschernormalspannungen σab,1 < σab,2 < σab,3, s. Kap. 4.2.1.2) bietet es sich an, bei der mittleren Abschernormalspannung σab,2 zu messen, wenn man die Größe der Zeitverfestigung nicht vorher abschätzen kann. Rechnet man mit sehr geringer Zeitverfestigung, kann der Abscherpunkt auch bei kleineren Normalspannungen liegen, d.h. man kann bei der Abschernormalspannung σab,1 abscheren. Bei starker Zeitverfestigung empfiehlt sich das Abscheren bei der größeren Abschernormalspannung σab,3 oder auch bei noch größeren Spannungen. Grundsätzlich sollten mehrere Schüttgutproben pro Lagerzeit bei gleicher Verfestigungsspannung angesetzt werden, um die Abschernormalspannung variieren zu können. 4.2.2.3 Automatische Wahl der Abschernormalspannung
Wie bei der Fließortmessung (Kap. 4.2.1.3) kann auch bei der Zeitverfestigungsmessung die optimale Abschernormalspannung während der Messung bestimmt werden, indem eine Abschernormalspannung σab angestrebt wird, die etwas größer als die Normalspannung am Berührpunkt von Zeitfließort und Spannungskreis für die Druckfestigkeit σc ist. Beim Abscheren der Schüttgutprobe wird zunächst eine sehr kleine Normalspannung σstart eingestellt (Abb. 4.25), die dann mit zunehmender Schubspannung im Verlauf der Messung erhöht wird, bis es schließlich zum beginnenden Fließen kommt. Zur Abschätzung der Position des Abscherpunktes bezüglich des Mohrschen Spannungskreises, der die Druckfestig-
4.2 Festlegen der Spannungen
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keit σc definiert, wird die Steigung des linearisierten Fließortes zugrunde gelegt, die hier gleich der Steigung des Zeitfließortes gesetzt wird.
Abb. 4.25. Bestimmung der Abschernormalspannung σab während des Abscherens bei der Zeitverfestigungsmessung
4.2.3 Wandfließorte (Wandreibung) 4.2.3.1 Festlegen der Spannungen
Auch die Wandreibung sollte bei Spannungen gemessen werden, die bei der geplanten Anwendung oder Handhabung der Schüttgüter eine Rolle spielen. Wird im Rahmen einer Vergleichsuntersuchung neben der Wandreibung auch ein Fließort gemessen, so sollte die größte Wandnormalspannung des Wandfließortes (σW,1 in Abb. 4.15) etwa gleich der Verfestigungsspannung σ1 des gemessenen Fließortes sein. Nur für den Fall, dass keine Fließorte, sondern nur Wandfließorte gemessen werden, muss vor der Messung des Wandfließortes das relevante Spannungsniveau abgeschätzt werden, d.h. die größte Wandnormalspannung des Wandfließortes ist festzulegen. Dies kann auf gleiche Weise wie die Festlegung der Verfestigungsspannung σ1 geschehen, indem zunächst mit der Tabelle im Kapitel 4.2.1.1 ein für die Anwendung zutreffender Wert σ1 bestimmt wird. Man setzt dann die größte Wandnormalspannung gleich diesem Wert σ1. Soll die Wandreibung ohne Berücksichtigung einer konkreten Anwendung bestimmt werden, oder sind die Spannungen in der Anwendung nicht bekannt und können auch nicht abgeschätzt werden, empfiehlt sich die Wahl einer größten Wandnormalspannung im Bereich von 4 bis 8 kPa. Dies ist ein Spannungsbereich, der in vielen Anwendungen auftritt.
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4 Praktisches Messen von Fließeigenschaften
Wegen der häufig auftretenden Spannungsabhängigkeit des Wandreibungswinkels sollten mehrere Punkte eines Wandfließortes gemessen werden. Üblicherweise misst man bei sechs verschiedenen Normalspannungen. Nach der Festlegung der größten Wandnormalspannung wählt man die kleinste Wandnormalspannung zu etwa 5% bis 10% der größten Wandnormalspannung, wobei der Messbereich des verwendeten Schergerätes zu berücksichtigen ist. Die übrigen Wandnormalspannungen werden gleichmäßig zwischen der größten und der kleinsten Wandnormalspannung verteilt. Der bei der größten Wandnormalspannung zuerst gemessene Messpunkt ist zu ignorieren [4.13].
4.3 Anwendungsbezogene Messung von Fließeigenschaften 4.3.1 Vergleichsmessungen Vergleichsmessungen werden benötigt, um z.B. die Qualität eines Produktes laufend zu überprüfen oder Produkte hinsichtlich ihrer Fließeigenschaften zu optimieren. Je nach Anwendung sind hier unterschiedliche Messgrößen sinnvoll: • Die Fließfähigkeit ffc, die man aus einem Fließort erhält, sagt etwas über das Verhalten des Schüttgutes aus, also über das Verhalten ohne längere vorangegangene Lagerung in Ruhe. • Die Fließfähigkeit ffc, die man aus einer Zeitverfestigungsmessung (Caking-Test) erhält, sagt etwas zum Verfestigungsverhalten nach längerer Lagerung in Ruhe aus. Hiermit kann auch der Einfluss der Lagerbedingungen ermittelt werden, indem die Schüttgutprobe in einer Zeitverfestigungsbank unter bestimmten Umgebungsbedingungen (z.B. Klimaschrank) gelagert wird. • Der Wandreibungswinkel φx sagt etwas darüber aus, wie gut sich ein Schüttgut über eine bestimmte Wandoberfläche bewegen lässt. Wandreibung wird bei Vergleichsmessungen seltener gemessen, kann aber auch eine wichtige Aussage bieten, z.B. darüber, ob sich ein bestimmtes Schüttgut entlang einer Trichterwand oder Schurre bewegen wird oder nicht. Bei der Wahl der Spannungen sind die Hinweise im Kap. 4.2 zu beachten.
4.3 Anwendungsbezogene Messung von Fließeigenschaften
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4.3.2 Verfahrenstechnische Siloauslegung Neben der Bestimmung der Fließfähigkeit im Rahmen von Vergleichsmessungen ist die häufigste Anwendung von Schergeräten sicherlich die verfahrenstechnische Siloauslegung nach der Theorie von Jenike [4.8] (s. Kap. 10). Hierfür benötigt man die Fließeigenschaften des Schüttgutes in Abhängigkeit von der Verfestigungsspannung σ1. Diese Daten erhält man nur durch Messen mehrerer Fließorte im relevanten Spannungsbereich. Es ist üblich, für die Siloauslegung drei oder vier Fließorte bei unterschiedlichen Verfestigungsspannungen zu messen [4.8,4.13]. Die Verfestigungsspannungen, bei denen die Fließorte gemessen werden, wählt man so, dass die Spannungsverhältnisse in der Trichterspitze abgedeckt werden. Diese Spannungen sind proportional zur Schüttgutdichte ρb. Tabelle 4.3 gibt Anhaltswerte zur Wahl der Verfestigungsspannung σ1 für den Fließort mit der kleinsten Verfestigungsspannung. Die Verfestigungsspannung dieses Fließortes wird σ1,min genannt. Die Werte in Tabelle 4.3 lehnen sich an die Empfehlungen für das Jenike-Schergerät [4.13] an. Tabelle 4.3. Verfestigungsspannungen σ1,min des Fließortes mit der kleinsten Verfestigungsspannung [4.13] Schüttgutdichte ρb [kg/m3] von ... bis Kleinste Verfestigungsspannung σ1,min [kPa]
< 300 ca. 1,5
300 ... 800 ... 1600 ... > 2400 800 1600 2400 ca. 2 ca. 2,5 ca. 3 ca. 4
Die Verfestigungsspannungen σ1 der übrigen zwei oder drei Fließorte sind dann etwa zwei-, vier- und achtmal so groß wie die aus Tabelle 4.3 entnommene kleinste Verfestigungsspannung zu wählen. Bei gut fließenden Schüttgütern kann in der Regel auf den vierten Fließort verzichtet werden. Bei sehr schlecht fließenden Schüttgütern wird der erste Fließort meistens nicht benötigt. Dies ergibt sich aus der Methode zur Siloauslegung nach Jenike [4.8] (Kap. 10). Ist auch die Messung der Zeitverfestigung erforderlich, werden zu einzelnen Fließorten die zugehörigen Zeitfließorte für die zu untersuchenden Lagerzeiten gemessen. Die für die Siloauslegung wichtige Wandreibung misst man gemäß Kap. 4.1.4. Als größte Wandnormalspannung wird die Verfestigungsspannung des Fließortes mit der zweitkleinsten Verfestigungsspannung gewählt [4.13].
5 Anmerkungen zum realen Verhalten von Schüttgütern
In den vorangegangenen Kapiteln wurden an einigen Stellen Annahmen und Vereinfachungen zum Verhalten des Schüttgutes eingeführt. Dies ist für die praktische Messung von Fließeigenschaften mit Schergeräten in der Regel ausreichend. Zur Beurteilung des Schüttgutverhaltens in Anlagen oder Messgeräten ist aber zuweilen ein weitergehendes Verständnis der Vorgänge im Schüttgut erwünscht, wofür es aber leider noch keine allgemeingültigen Theorien oder Gesetze gibt. Daher wird hier das Verhalten des Schüttgutes anhand von experimentellen Befunden, auch aus Bereichen außerhalb der Schüttguttechnik, und einfachen Modellen gedeutet.
5.1 Anisotropie und Einfluss der Verformung Bei Schüttgütern ist die Art einer Verformung (z.B. einachsige Verdichtung) neben der Größe der aufgebrachten Spannung ein wesentlicher Parameter für das Verhalten des Schüttgutes nach dieser Verformung. Auch die Geschwindigkeit einer Verformung spielt eine Rolle [5.1], was aber bei den üblicherweise in der Schüttguttechnik auftretenden kleinen Fließgeschwindigkeiten meist vernachlässigt werden kann. Den Einfluss der Verformung kann man nur mit einem Messgerät untersuchen, das unterschiedliche Verformungen einer Schüttgutprobe ermöglicht. Hierzu ist die Zweiaxialbox geeignet. In der in Abb. 5.1 gezeigten Ausführung einer Zweiaxialbox [5.2,5.3] ist die quaderförmige Schüttgutprobe in x- und y-Richtung von vier Begrenzungsflächen umgeben, die in x- und y-Richtung unabhängig voneinander vor- und zurückgefahren werden können. Damit kann die Probe in x- und y-Richtung verformt werden, während der Abstand der Begrenzungsflächen in z-Richtung konstant ist. Die Begrenzungsflächen sind mit einem Schmiermittel und einer darüber gespannten Gummifolie bedeckt. Hierdurch wirken auf die Begrenzungsflächen keine Schubspannungen, so dass die Normalspannungen Hauptspannungen sind. Durch (in Abb. 5.1 nicht dargestellte) Spannungsmesszellen in den Begrenzungsflächen lassen sich die Spannungen in der Probe
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5 Anmerkungen zum realen Verhalten von Schüttgütern
in x-, y- und z-Richtung erfassen. Eine andere Bauart der Zweiaxialbox begrenzt die Schüttgutprobe nicht mit steifen Wänden, sondern mit Gummifolien, auf deren Rückseite ein Gasüberdruck aufgebaut wird [5.4–5.6]. Die Verformung der Gummifolien wird dabei über Kontakte detektiert. Beult sich eine Gummifolie z.B. etwas nach außen aus, wird der Gasdruck hinter der Folie erhöht, bis die Folie wieder die gewünschte Lage einnimmt. Einen Überblick über verschiedene Geräte findet man in [5.7].
Abb. 5.1. Zweiaxialbox [5.3]
Abbildung 5.2 zeigt grundlegende Möglichkeiten, eine Schüttgutprobe in der Zweiaxialbox zu verformen. Ausgehend von einer Schüttgutprobe, die nach dem Einfüllen gleiche Abmessungen in x- und y-Richtung hat, ist z.B. einachsige Verdichtung nur in x-Richtung (Prozedur I) oder nur in yRichtung (Prozedur III) möglich. Bei Prozedur II wird in x- und yRichtung gleichmäßig verdichtet. Prozedur IV ist die Verformung der Schüttgutprobe unter konstantem Volumen, indem die Begrenzungsflächen in x-Richtung aufeinander zu gefahren werden, während sie in y-Richtung voneinander weg bewegt werden. Beim Fließen unter konstantem Volumen stellen sich im Idealfall konstante Spannungen ein, was als stationäres Fließen bezeichnet wird.
5.1 Anisotropie und Einfluss der Verformung
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Abb. 5.2. Beispiele für Prozeduren zur Verformung einer Schüttgutprobe in der Zweiaxialbox [5.2,5.3]; gestrichelte Linien zeigen die Kontur der Probe vor der Verformung.
5.1.1 Spannungen Der Einfluss der Verformung auf die Spannungen wird mit Hilfe der Ergebnisse zweier beispielhafter Messungen mit der Zweiaxialbox [5.8] erläutert. Dabei werden die Spannungen in x- und y-Richtung (σx und σy) betrachtet, die in der Zweiaxialbox stets Hauptspannungen sind. Die in zRichtung gemessene Spannung σz ist ebenfalls Hauptspannung, wird hier aber zunächst nicht weiter beachtet, da sie meistens zwischen den beiden anderen Hauptspannungen liegt und dann nur eine untergeordnete Rolle spielt (eine Betrachtung der Hauptspannungen in z-Richtung bei unterschiedlichen Deformationen findet man in [5.5]). Je nach Verformungsrichtung der Schüttgutprobe ist entweder σx oder σy die größte Hauptspannung. Die Ergebnisse einer Verdichtung in zwei Richtungen nacheinander zeigt Abb. 5.3 anhand eines Quadrupeldiagramms. Das Quadrupeldiagramm hat vier unterschiedliche Achsen und beinhaltet daher vier Diagramme. Die Achsen zeigen die Dehnungen ε und Normalspannungen σ
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5 Anmerkungen zum realen Verhalten von Schüttgütern
jeweils in x- und y-Richtung. Den Verlauf der Dehnungen im III. Quadranten nennt man Dehnungspfad, den Verlauf der Spannungen im I. Quadranten Spannungspfad.
Abb. 5.3. Dehnungen und Spannungen einer in x- und y-Richtung verformten Schüttgutprobe (Kalksteinmehl) im Quadrupeldiagramm. Vorgegebener Dehnungspfad: Zuerst einachsige Verdichtung in x-Richtung entsprechend Prozedur I in Abb. 5.2, anschließend einachsige Verdichtung in y-Richtung entsprechend Prozedur III (Druckspannungen und Stauchungen sind positiv; Pfeile zeigen die Deformationsrichtung; konstante Dehnungsgeschwindigkeit 0,1 %/min; römische Zahlen im Diagramm dienen zur Kennzeichnung der Quadranten) [5.8].
Im Fall von Abb. 5.3 wurde die Schüttgutgutprobe (Kalksteinmehl) mit der Zweiaxialbox ausgehend von einem Anfangszustand (kleine Spannungen, σx = σy = ca. 1,3 kPa) zuerst in x-Richtung, dann in y-Richtung verdichtet. Die Dehnungen εx und εy sind im III. Quadranten des Quadrupeldiagramms gezeigt. Es handelt sich um einachsige Verdichtung in x-, anschließend in y-Richtung entsprechend Prozedur I in Abb. 5.2 gefolgt von Prozedur III. Die Spannungen σx und σy sind bei Verdichtung in x-Richtung etwa proportional zueinander, wobei σx die größte Hauptspannung σ1 ist. Das Verhältnis σy/σx entspricht dem Horizontallastverhältnis λ0, das sich bei ein-
5.1 Anisotropie und Einfluss der Verformung
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achsiger Verdichtung eines zunächst lockeren Schüttgutes einstellt und einen Stoffwert darstellt (s. Kap. 2.3). Das Verhältnis σy/σx beträgt kurz vor Änderung der Deformationsrichtung (vor dem Knick im Dehnungspfad) etwa 0,44 (Werte aus Daten in [5.8]). Nach dem Knick wird die Probe nur in y-Richtung verdichtet. Daraufhin ist nach einer Übergangsphase die Spannung σy die größte Hauptspannung σ1. Außerdem stellt sich ein etwa linearer Zusammenhang zwischen den Spannungen σy und σx ein, aber keine Proportionalität. Das Verhältnis der kleineren zur größeren Hauptspannung σx/σy nimmt dabei ab und beträgt am Ende der Messung etwa 0,54. Bei Messungen mit einachsiger Verdichtung ohne Änderung der Deformationsrichtung wurden bei gleichem Spannungsniveau Verhältnisse der kleinsten zur größten Hauptspannung von 0,46 erreicht. Diesem Wert nähert sich das Spannungsverhältnis bei der Messung in Abb. 5.3 asymptotisch an [5.8–5.11]. Aus der gezeigten Messung lässt sich eine Reihe von qualitativen Zusammenhängen hinsichtlich des Verhaltens von Schüttgütern ableiten: • Bei einachsiger Verdichtung eines lockeren Schüttgutes erreicht man ein konstantes Verhältnis der kleinsten zur größten Hauptspannung. Dies ist das bekannte Horizontallastverhältnis λ0 (Kap. 2.3). • Das Verhältnis der Hauptspannungen ist von der Vorgeschichte abhängig, d.h. das Schüttgut hat ein „Gedächtnis“. Verdichtet man eine Schüttgutprobe einachsig, die vorher bereits in einer anderen Richtung verdichtet wurde, kommt es zu einer zunächst starken, dann schwächeren Änderung des Verhältnisses der kleinsten zur größten Hauptspannung (s. Spannungspfad hinter dem Knick im I. Quadranten von Abb. 5.3). Es bedarf also einer gewissen Verformung, um die Spannungsverhältnisse zu verändern. Eine zweite Messung ist in Abb. 5.4 gezeigt. Wie bei der oben betrachteten Messung wird die Schüttgutprobe zunächst in x-Richtung einachsig verdichtet (entsprechend Prozedur I in Abb. 5.2). Ab dem Knick im Verformungspfad erfolgt die Verdichtung in y-Richtung, während sich die Probe gleichzeitig in x-Richtung in gleichem Maße ausdehnen kann (εx nimmt ab, εy nimmt zu). Dies ist eine Verformung nach Prozedur IV in Abb. 5.2 unter konstantem Volumen wie beim stationären Fließen. Man erkennt, dass die Spannung in x-Richtung unmittelbar nach dem Knick sehr schnell mit abnehmendem εx sinkt (s. IV. Quadrant in Abb. 5.4) und schließlich einen etwa konstanten Wert einnimmt. Das Verhältnis von kleinster zu größter Hauptspannung σx/σy beträgt am Ende der Messung etwa 0,09. Auch andere Messungen mit anderen vorangegangenen Verformungen (Vorgeschichten) zeigten ähnliche Spannungsverhältnisse beim Fließen unter konstantem Volumen [5.8]. Daraus lässt sich ableiten, dass die Spannungen beim
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stationären Fließen weniger abhängig von der Vorgeschichte einer Schüttgutprobe sind als die Spannungen bei einachsiger Verdichtung.
Abb. 5.4. Dehnungen und Spannungen einer in x- und y-Richtung verformten Schüttgutprobe (Kalksteinmehl) im Quadrupeldiagramm. Vorgegebener Dehnungspfad: Zuerst einachsige Verdichtung in x-Richtung, anschließend Verformung bei konstantem Volumen durch Verdichtung in y-Richtung bei gleichzeitiger Ausdehnung in x-Richtung (Druckspannungen und Stauchungen sind positiv; Pfeile zeigen die Deformationsrichtung. Die Dehnungsgeschwindigkeit ist konstant und beträgt 0,1 %/min) [5.8].
Die unterschiedlichen Verhältnisse von kleinster zu größter Hauptspannung bei unterschiedlichen Verformungen findet man für jedes Schüttgut in mehr oder weniger ausgeprägter Form. Wichtig für eine Reihe von Anwendungen, z.B. die Berechnung der Spannungen im Schaft und im Trichter eines Silos, ist die Unterscheidung der beiden Prozeduren „einachsige Verdichtung“ (liegt z.B. im Schaft eines Silos vor) und „stationäres Fließen“ (näherungsweise beim Fließen des Schüttgutes in einem Massenflusstrichter). Die gefundenen Unterschiede im Spannungsverhältnis zeigt Abb. 5.5 anhand von Spannungskreisen qualitativ. So liegt der zur einachsigen Verdichtung gehörige Spannungskreis bei gleicher größter Hauptspannung σ1 immer unterhalb des Spannungskreises für stationäres Fließen, der definitionsgemäß vom effektiven Fließort tangiert wird (s. Kap. 3.2.3.3). Das
5.1 Anisotropie und Einfluss der Verformung
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Verhältnis von kleinster zu größter Hauptspannung σ2/σ1 bei einachsiger Verdichtung (σ2B/σ1 in Abb. 5.5), das Horizontallastverhältnis λ0, ist daher immer größer als das Verhältnis σ2/σ1 beim stationären Fließen (σ2A/σ1 in Abb. 5.5).
Abb. 5.5. Mohrsche Spannungskreise in der x,y-Ebene für einachsige Verdichtung und stationäres Fließen (qualitativ)
Die übliche Betrachtung des Schüttgutes als Kontinuum erschwert das Verständnis der Ursachen für das oben beschriebene Verhalten. Betrachtet man dagegen Wechselwirkungen zwischen einzelnen Partikeln, erhält man zumindest ein einfaches qualitatives Modell, das hilft, das Verhalten des Schüttgutes bei Verformung zu verstehen. Kräfte zwischen Partikeln wurden sowohl experimentell als auch theoretisch untersucht. Experimentelle Methoden sind vor allem spannungsoptische Methoden [5.12,5.13], während für theoretische Berechnungen die Diskrete-Elemente-Methode (DEM) geeignet ist (z.B. [5.14–5.17]). Diese Messungen und Untersuchungen erlauben einen Einblick in das Schüttgut und zeigen Größe und Richtung interpartikulärer Kräfte. Aufbauend auf den Erkenntnissen der genannten und ähnlicher Arbeiten folgt eine vereinfachte Interpretation des in den Abb. 5.3 und 5.4 gezeigten Schüttgutverhaltens anhand der Wechselwirkungen zwischen einzelnen Partikeln (Abb. 5.6). Wird ein Schüttgut belastet, wird die belastende Kraft im Schüttgut über einzelne Partikelkontakte, die Normal- und Reibungskräfte übertragen können, weitergeleitet. Bei kontinuumsmechanischer Betrachtung nimmt man an, dass die Zahl der Kontakte in einem betrachteten Volumenelement so groß ist, dass einzelne Kontakte keine Rolle spielen. Dies führt zur Annahme der gleichmäßig über einer Fläche verteilten Spannung. Tatsächlich sind die Partikel im Schüttgut aber zufällig angeordnet, so dass es Partikel
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5 Anmerkungen zum realen Verhalten von Schüttgütern
gibt, die sich in Kraftrichtung einander nahe sind, während an anderen Stellen Partikel in Kraftrichtung größere Abstände voneinander haben. Eine mögliche Anfangssituation eines noch unbelasteten Schüttgutes aus kugelförmigen Partikeln zeigt Abb. 5.6.a in Form einer Schnittebene. In der Realität liegt natürlich eine dreidimensionale Verteilung der Partikel vor, die hier aber der Einfachheit halber auf eine zweidimensionale Darstellung reduziert wird. Die Abstände zwischen den Partikeln ergeben sich durch Auswirkungen der Partikel vor und hinter der gezeichneten Ebene. Insbesondere bei feinen oder feuchten Schüttgütern können sich aufgrund des Einflusses der Haftkräfte Strukturen mit weit größeren Hohlräumen als in Abb. 5.6 bilden.
Abb. 5.6. Vereinfachte Darstellung der Kraftübertragung im Schüttgut bei unterschiedlicher Verformung; durchgezogene Linienzüge markieren mögliche Kraftlinien; gestrichelt gezeichnete Linienzüge verbinden die Partikel entlang von Kraftlinien einer vorangegangenen Verformung. F: Kraft in Verdichtungsrichtung; v: Geschwindigkeit der voneinander weg bewegten Seitenwände; a. lockere Schüttung; b. einachsige Verdichtung in x-Richtung; c. einachsige Verdichtung in yRichtung nach Verdichtung in x-Richtung; d. Verdichtung in y-Richtung und Ausdehnung in x-Richtung bei konstantem Volumen nach vorangegangener Verdichtung in x-Richtung.
Abbildung 5.6.b zeigt die Schüttgutprobe bei einachsiger Verdichtung in xRichtung. Dies entspricht dem ersten Verformungsschritt in Abb. 5.3 (vor dem Knick). Bei der Verdichtung nähern sich die Partikel einander an, wobei dieses aufgrund der Verformungsrichtung bevorzugt in x-Richtung und weniger stark in y-Richtung geschieht. Die zur Verformung auf das Schüttgut aufzuprägende Kraft F bzw. Spannung σx wird im Schüttgut entlang der Berührstellen der Partikel auf sogenannten Kraftlinien (auch: Spannungslinien, englisch: force chains, stress chains) durch das Schüttgut geleitet. Wegen der vorangegangenen Verformung verlaufen diese in Abb. 5.6.b bevorzugt in x-Richtung, haben aber Komponenten in y-Richtung, die für die quer zur Belastungsrichtung wirkende Spannung σy verantwortlich sind (s. Spannung σx und kleinere Spannung σy in Abb. 5.3 vor dem
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Knick). Die Normalenvektoren an den Berührstellen der Partikel konzentrieren sich in Richtung der größten Hauptspannung [5.12], so dass die Partikel säulenartige Anordnungen ausbilden [5.18]. Bei nicht kugelförmigen Partikeln ist außerdem zu erwarten, dass sich diese während der Verdichtung in einer bevorzugten Richtung anordnen. Beim zweiten Verformungsschritt in Abb. 5.3 (einachsige Verdichtung in y-Richtung nach vorangegangener Verdichtung in x-Richtung) zeigt sich ein anderes Verhältnis der kleinsten zur größten Hauptspannung als beim ersten Verformungsschritt (einachsige Verdichtung einer lockeren Schüttung). Der zweite Verformungsschritt ist in Abb. 5.6.c gezeigt. Aufgrund der Verdichtung in y-Richtung bilden sich Kraftlinien bevorzugt in yRichtung. Da die Partikelanordnung durch die vorangegangene Verdichtung in x-Richtung beeinflusst ist (s. gestrichelt eingezeichnete Verbindungslinien der Partikel auf ehemaligen Kraftlinien), gibt es gegenüber Abb. 5.6.b mehr Partikelkontakte quer zur Verdichtungsrichtung, wodurch die Richtungen der Kraftlinien einen etwas größeren Anteil von Komponenten quer zur Belastungsrichtung haben. Mit zunehmender Verformung im zweiten Verdichtungsschritt und der damit einhergehenden Verschiebung von Partikeln verschwindet der Einfluss des ersten Verformungsschrittes: Das Verhältnis der kleineren zur größeren Hauptspannung nähert sich dem Wert an, der bei einachsiger Verdichtung einer vorher lockeren Schüttgutprobe erreicht wird. Genau dies lässt sich in Abb. 5.3 beobachten. Anders ist es, wenn das Schüttgut wie in Abb. 5.4 nach vorangegangener einachsiger Verdichtung in x-Richtung im zweiten Schritt unter konstantem Volumen bei Verdichtung in y-Richtung und Ausdehnung in xRichtung verformt wird. Aufgrund der Ausdehnung quer zur Verdichtungsrichtung werden ehemalige, aus dem ersten Verformungsschritt resultierende Kraftlinien aufgetrennt, indem sich die Partikel voneinander lösen (Abb. 5.6.d). Gleichzeitig wird die Entstehung neuer Partikelkontakte in Verdichtungsrichtung (y-Richtung) erleichtert. Dadurch werden die durch die vorangegangene Verformung entstandenen Strukturen schneller aufgelöst, d.h. die Schüttgutprobe „vergisst“ ihre Vorgeschichte schneller. Dies zeigt sich in Abb. 5.4 durch die schnelle Änderung der Spannungen nach dem Knick, bei dem das Fließen unter konstantem Volumen beginnt. Außerdem führt das Fließen unter konstantem Volumen nach hinreichender Verformung zu einer noch stärkeren Ausrichtung der Kraftlinien in Verdichtungsrichtung, was mit einem Verhältnis der kleinsten zur größten Hauptspannung (hier: σx/σy) einhergeht, das deutlich kleiner ist als das bei einachsiger Verdichtung erreichte Hauptspannungsverhältnis. Das Fließen unter konstantem Volumen und konstanten Spannungen, so wie es am Ende der Messung in Abb. 5.4 erreicht wird, bezeichnet man in
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5 Anmerkungen zum realen Verhalten von Schüttgütern
der Schüttguttechnik als stationäres Fließen. Beim Messen von Fließorten verfestigt man das Schüttgut durch Scheren bis zum Erreichen des stationären Fließens in definierter Weise (s. Kap. 3.2.1). Die Betrachtungen im vorangegangenen Absatz zeigen, dass dies sinnvoll ist: Durch das Auflösen von vorher im Schüttgut vorhandenen Strukturen wird z.B. der Einfluss des Befüllens reduziert oder gar aufgehoben. Außerdem kann das Schüttgut in Hauptverformungsrichtung ausgerichtete Kraftlinien aufbauen. Durch die Eigenschaft des Schüttgutes, bei Verformung Kraftlinien aufzubauen, erhält die Schüttgutprobe durch eine anisotrope Verformung (ungleiche Verformung in unterschiedlichen Richtungen) anisotrope Eigenschaften. In Verdichtungsrichtung ist die Schüttgutprobe aufgrund der Ausrichtung der Kraftlinien steifer und fester als quer zu dieser Richtung, denn sie hat in Verdichtungsrichtung die größere Normalspannung (größte Hauptspannung) aufgenommen. Um so mehr die bei der Verformung in verschiedenen Richtungen wirkenden Spannungen voneinander abweichen, desto stärker wird die Anisotropie der Schüttgutprobe. Das stationäre Fließen führt also zu einer stärker anisotropen Probe als die einachsige Verdichtung [5.5]. Besteht das Schüttgut aus von der Kugelform abweichenden Partikeln, ist davon auszugehen, dass sich die Partikel aufgrund der Verformung vorzugsweise in einer bestimmen Richtung anordnen, was ebenfalls zu einer Zunahme der anisotropen Eigenschaften führt [5.18]. Die durch die Verformung herbeigeführte Anisotropie wird als induzierte Anisotropie (engl.: induced anisotropy) bezeichnet [5.13,5.19]. Im theoretisch denkbaren Fall einer isotropen Verformung muss man die Schüttgutprobe dagegen von allen Seiten gleichmäßig verdichten (Dies wäre mit der in Abb. 5.1 gezeigten Zweiaxialbox aber nicht möglich, da diese keine Verdichtung in z-Richtung erlaubt. Man bräuchte hierzu eine Dreiaxialbox [5.20,5.21] oder ein Triaxialgerät [5.22–5.24]). Geht man davon aus, dass die Schüttgutprobe vor der Verformung isotrop war (also keine bevorzugte Ausrichtung von Kraftlinien oder Partikeln), wirkt bei isotroper Verformung in allen Richtungen die gleiche Normalspannung, und die drei Spannungskreise, die die Spannungen in den drei Raumebenen repräsentieren, sind Punkte. Eine bevorzugte Richtung der Kraftlinien ist nicht zu erwarten. Es ist anzumerken, dass das Herstellen einer isotropen Schüttgutprobe kaum möglich ist, denn allein schon beim Einfüllen eines Schüttgutes in einen Behälter werden sich die Partikel aufgrund der Schwerkraft in einer bestimmten Weise anordnen und, wenn es sich nicht um Kugeln handelt, auch ausrichten [5.18,5.19]. Dies veranschaulichen Messungen an einer als Lambdameter bezeichneten Messvorrichtung (Abb. 5.7) [5.25,5.26]. Das Lambdameter dient zur einfachen Bestimmung des Horizontallastverhält-
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nisses λ, das zur Beschreibung des Verhältnisses von Horizontalspannung zu Vertikalspannung im Schaft eines Silos benutzt wird (s. Kap. 2.3 und 9.1.1). Die zylindrische Schüttgutprobe wird in vertikaler Richtung über einen Deckel durch eine Kraft F belastet, wodurch im Schüttgut die Vertikalspannung σv entsteht. Die quer zur Belastung wirkende Horizontalspannung σh wird mit Hilfe von Dehnungsmessstreifen an der Seitenwand gemessen (weitere Details s. [5.25,5.26]).
Abb. 5.7. Aufbau des Lambdameters nach Schulze [5.25,5.26]
Abb. 5.8. Lambdameter nach Befüllung mit unterschiedlichen Prozeduren: Die Linien im Schüttgut kennzeichnen die prinzipielle Form der Schüttgutoberfläche während des Füllens [5.26]. a. zentrisches Füllen; b. Füllen am Umfang; c. Füllen in kleinen Portionen; d. gleichmäßiges Füllen durch Sieb (horizontale Oberfläche)
Das Lambdameter wurde auf unterschiedliche Weise gefüllt. Anschließend wurde die Schüttgutoberfläche glatt abgestrichen und mit dem Deckel belastet. Je nachdem, wie gefüllt wurde, bildeten sich während des Füllens
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5 Anmerkungen zum realen Verhalten von Schüttgütern
verschiedene Schüttgutoberflächen, deren Formen in Abb. 5.8 angedeutet sind: • Bei zentrischer Befüllung durch einen über dem Lambdameter angebrachten Trichter bildete sich ein Schüttgutkegel, auf dessen Oberfläche das Schüttgut abrutschte (Abb. 5.8.a). • Bei Befüllung entlang des Umfangs bildete sich eine ringförmige Schüttguthalde am Rand mit geneigter Oberfläche (Abb. 5.8.b). • Bei Füllung in kleinen Portionen bildeten sich lokal kleine Schüttgutkegel (Abb. 5.8.c). • Beim Einsieben des Schüttgutes gleichmäßig über der Fläche des Lambdameters war die Schüttgutoberfläche stets horizontal (Abb. 5.8.d). Tabelle 5.1. Mit dem Lambdameter bei unterschiedlichen Füllmethoden nach Abb. 5.8 gemessene Verhältnisse von Horizontalspannung zu Vertikalspannung bei einer Vertikalspannung von 35 kPa (aus [5.26]) Gemessene Verhältnisse σh/σv für Glaskugeln Kalksteingrieß Kalksteinmehl (1 mm) (0,1 mm … 0,5 mm) (x50 = 4,7 µm) zentrisch (Abb. 5.8.a) 0,555 0,379 0,457 Umfang (Abb. 5.8.b) 0,590 0,407 0,486 Portionen (Abb. 5.8.c) 0,573 0,345 0,477 gleichmäßig (Abb. 5.8.d) 0,460 0,301 0,470 Füllprozedur
Die bei den unterschiedlichen Prozeduren gemessenen Verhältnisse aus Horizontalspannung und Vertikalspannung unterscheiden sich zum Teil deutlich (Tabelle 5.1). Bei den grobkörnigeren Produkten (Glaskugeln, Kalksteingrieß) führt das gleichmäßige Einfüllen zu den geringsten Werten, während sich nach dem Füllen vom Umfang her die größten Werte ergeben. Bereits durch das Füllverfahren werden die Struktur des Schüttgutes und damit die Richtungen der Kraftlinien beeinflusst, z.B. durch die unterschiedlichen Formen der beim Füllen entstehenden Schüttgutoberflächen (Abb. 5.8), auf denen später eingefülltes Schüttgut herabrutscht. Die so erzeugte Schüttgutstruktur macht sich bei der anschließenden Belastung durch unterschiedliche Horizontalspannungen bemerkbar. Dies gilt selbst für die Glaskugeln, bei denen ein Effekt durch die Ausrichtung der einzelnen Partikel (z.B. in Richtung der Längsachse bei länglichen Partikeln) ausgeschlossen werden kann. Erwähnenswert ist die vergleichsmäßig geringe Abhängigkeit des Spannungsverhältnisses von der Füllprozedur beim kohäsiven Kalksteinmehl. Das Kalksteinmehl bildet beim Füllen aufgrund des Einflusses der interpartikulären Haftkräfte eine lockere Struktur mit großem Hohlraumanteil aus. Bei der Belastung wird es im Gegensatz zu den beiden anderen Schüttgütern stark verdichtet. Durch die damit verbun-
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dene Umlagerung der Partikel wird die Bildung neuer Kraftlinien erleichtert und die Vorgeschichte „Füllen“ hat weniger Einfluss. Aus den in Abhängigkeit vom Füllverfahren gefundenen unterschiedlichen Spannungsverhältnissen (Tabelle 5.1) ist zu folgern, dass auch eine lockere, unverdichtete Schüttgutprobe schon eine durch das Herstellen dieser Probe induzierte Anisotropie besitzt, die sich auf die Spannungsverhältnisse bei anschließender Verformung (z.B. Verdichtung) der Probe auswirkt. Diese Anisotropie, die vor der Verformung der Schüttgutprobe vorliegt, wird auch als inhärente Anisotropie bezeichnet (engl.: inherent anisotropy) [5.13,5.19]. 5.1.2 Schüttgutdichte Die Schüttgutdichte, die sich bei der Verdichtung einer Schüttgutprobe einstellt, ist nicht allein von der größten Hauptspannung σ1 abhängig, sondern auch von der Art der Verdichtung bzw. von den anderen Hauptspannungen. Abbildung 5.9 zeigt Messergebnisse einer Zweiaxialbox, bei der die Schüttgutprobe in x- und y-Richtung nicht mit steifen Wänden wie in Abb. 5.1 umgeben ist, sondern mit Gummifolien, auf deren Rückseite ein Gasüberdruck aufgebaut wird [5.5,5.6]. Die Achsen des Diagramms zeigen die in x- und y-Richtung wirkenden Spannungen σx und σy, die Hauptspannungen sind. Die Spannung in z-Richtung wird nicht betrachtet. Im Diagramm sind die Verhältnisse der Hauptspannungen beim stationären Fließen als gestrichelte Kurven eingezeichnet. Sie grenzen den Bereich der möglichen Hauptspannungsverhältnisse am Ende der Verdichtung einer Schüttgutprobe ein. In diesem Bereich sind Kurven konstanter Schüttgutdichte ρb eingezeichnet. Abbildung 5.9 zeigt, dass man bei gleichmäßiger Verdichtung in x- und y-Richtung (σx = σy) deutlich größere Spannungen benötigt, um eine bestimmte Schüttgutdichte zu erreichen, als bei einachsiger Verdichtung (gepunktete Kurven) oder gar bei Verdichtung mit abschließendem stationären Fließen (gestrichelte Kurven). Folgt man dem einfachen Partikelmodell im vorangegangenen Kapitel, lässt sich dieser Befund folgendermaßen deuten: Mit zunehmendem Unterschied der Hauptspannungen bzw. der sie hervorrufenden Verformungen in x- und y-Richtung steigt die Bewegungsmöglichkeit der Partikel während der Verdichtung. Es kommt so zu einer stärkeren Umordnung der Partikel, was sich an der Entwicklung der Kraftlinien zeigt (Abb. 5.6). Dadurch haben die Partikel die Möglichkeit, eine dichtere Packung zu bilden.
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5 Anmerkungen zum realen Verhalten von Schüttgütern
Abb. 5.9. Schüttgutdichte ρb in Abhängigkeit von den beim Verdichten in x- und y-Richtung aufgebrachten Hauptspannungen (nach [5.5,5.6]). Qualitativ zu betrachtende Kurven für einachsige Verdichtung (gepunktet) nachträglich vom Verfasser hinzugefügt (nach Messwerten aus einachsigem Druckversuch in [5.5]).
5.1.3 Druckfestigkeit (Schüttgutfestigkeit) Da die Art der vorangegangenen Verformung die Anordnung der Partikel beeinflusst, ist zu erwarten, dass auch die Druckfestigkeit, die auf den zwischen den Partikeln wirkenden Haftkräften beruht, hiervon beeinflusst wird und richtungsabhängig ist. Hierzu gibt es eine Reihe von experimentellen Untersuchungen [5.2,5.3,5.5,5.6,5.22,5.27–5.30], von denen hier stellvertretend Ergebnisse von Saraber et al. [5.30] und Harder [5.2,5.3] vorgestellt werden. Saraber et al. [5.30] untersuchten die Richtungsabhängigkeit der Druckfestigkeit ähnlich zu früheren Messungen von Molerus [5.27] mit einem Jenike-Schergerät. Dazu wurde der Scherdeckel nach dem Anscheren um einen Winkel α gedreht und dann in dieser Richtung abgeschert. In Abb. 5.10 ist dies für einen Winkel α = 180° gezeigt. Das Diagramm in Abb. 5.11 zeigt die aus den in verschiedenen Richtungen gemessenen Fließorten bestimmten Druckfestigkeiten σc. Ab etwa α = 30° fällt die gemessene Druckfestigkeit deutlich ab. Nimmt man vereinfachend an, dass die größ-
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ten Hauptspannungen beim Anscheren und Abscheren um ca. 45° gegen die Vertikale geneigt sind (diese Annahmen werden in den Kap. 5.2.1 und 5.3.1 erläutert), kann der Winkel β zwischen den Hauptspannungsrichtungen beim An- und Abscheren in Abhängigkeit von α abgeschätzt werden [5.31]. Der Verlauf der Druckfestigkeit in Abhängigkeit von β (Abb. 5.11) zeigt, dass bei dem untersuchten Schüttgut bis zu einem Winkel von etwa β = 25° mit keinem wesentlichen Abfallen der Schubspannungen beim Abscheren (τab) zu rechnen ist. Ab etwa β = 60° findet keine weitere Verringerung der gemessenen Schubspannungen beim Abscheren mehr statt.
Abb. 5.10. Anscheren (a) und Abscheren (b) mit der Jenike-Scherzelle in um den Winkel α unterschiedlichen Richtungen (in Abb. b ist α = 180°). β ist der Winkel zwischen den beim Anscheren und Abscheren wirkenden größten Hauptspannungen σ1,an und σ1,ab. Die Schubspannungen τab und τan geben auch Richtungen der aufgeprägten Scherverformung beim An- und Abscheren an.
Abb. 5.11. Gemessene Druckfestigkeiten von Kalksteinmehl in Abhängigkeit des Winkels α zwischen den Scherrichtungen [5.30] bzw. des Winkels β zwischen den beim Anscheren und Abscheren wirkenden größten Hauptspannungen [5.31].
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5 Anmerkungen zum realen Verhalten von Schüttgütern
Harder [5.3] untersuchte den Einfluss der Verfestigungsprozedur auf die Druckfestigkeit mit der in Abb. 5.1 gezeigten Zweiaxialbox. Ausgehend von Schüttgutproben mit identischen Abmessungen und Schüttgutdichten (Abb. 5.2, Anfangszustand) wurde mit vier unterschiedlichen Prozeduren verdichtet, um schließlich jeweils das gleiche Endvolumen bzw. die gleiche Schüttgutdichte zu erhalten. Bei Prozedur I wird einachsig in x-Richtung verdichtet, bei Prozedur II gleichmäßig in x- und y-Richtung und bei Prozedur III einachsig in y-Richtung. Prozedur IV führt bis zum stationären Fließen der Schüttgutprobe, indem die Probe in x-Richtung verdichtet wird, während sie sich in y-Richtung ausdehnen kann. Die größte Hauptspannung σ1 beim Verdichten ist gleich σx bei den Prozeduren I und IV, σx und σy bei Prozedur II sowie σy bei Prozedur III. Nach erfolgter Verdichtung wird die Probe entlastet. Um einen Spannungskreis für beginnendes Fließen der verfestigten Probe zu messen, wird die Spannung in y-Richtung auf einen vorgegebenen Wert eingestellt und konstant gehalten, während die Begrenzungsflächen in x-Richtung zusammengefahren werden, bis die Spannung in x-Richtung σx ein Maximum überschreitet. Die zum Zeitpunkt des Maximums der Spannung σx gemessenen Spannungen σx und σy (Hauptspannungen) liefern einen Mohrschen Spannungskreis im σ,τ-Diagramm, wobei σx stets die größte Hauptspannung ist. Führt man diese Messungen bei jeweils identischer Probenvorbereitung, aber unterschiedlichen Spannungen σy nach dem Entlasten durch, erhält man als Einhüllende aller Mohrschen Spannungskreise den Fließort. Aus dem Fließort folgt die Druckfestigkeit σc.
Abb. 5.12. Mit verschiedenen Prozeduren gemessene Druckfestigkeit σc von Kalksteinmehl in Abhängigkeit von der größten Hauptspannung σ1 [5.2,5.3]
5.2 Scherverformung, Scherzonen, Lokalisation
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Abbildung 5.12 zeigt die ermittelten Druckfestigkeiten σc in Abhängigkeit von der größten Hauptspannung σ1 beim Verfestigen der Probe. Die wichtigsten Befunde sind: • Sind die Richtungen der größten Hauptspannung beim Verfestigen und beim Messen der Festigkeit identisch (Prozeduren I, II und IV), erreicht man bei jeweils gleicher Verfestigungsspannung σ1 mit stationärem Fließen (Prozedur IV) die größte Druckfestigkeit. Kleinere Festigkeiten liefert die einachsige Verdichtung (Prozedur I), und die geringsten Festigkeiten erhält man bei gleichmäßiger Verdichtung in x- und yRichtung (Prozedur II). Dieses Ergebnis passt zu den Messwerten der Schüttgutdichte (Abb. 5.9) und zu der Modellvorstellung in Abb. 5.6: Um so mehr sich die Hauptspannungen bzw. die zugehörigen Dehnungen beim Verdichten voneinander unterscheiden, desto dichter ordnen sich die Partikel an und desto mehr sind die Kraftlinien in Richtung der größten Hauptspannung ausgerichtet. Wegen der Abstandsabhängigkeit der Haftkräfte führt die dichtere Packung zu höheren Haftkräften. • Der Vergleich der Prozeduren I und III, die sich nur durch die Richtung der beim Verdichten aufgebrachten Hauptspannungen unterscheiden, zeigt, dass sich eine verfestigte Schüttgutprobe auch hinsichtlich ihrer Festigkeit anisotrop (richtungsabhängig) verhält. Die größere Druckfestigkeit ergibt sich in Richtung der beim Verdichten wirkenden größten Hauptspannung. Folgt man dem Partikelmodell (Abb. 5.6.b), ist die Ursache hierfür, dass sich bevorzugt Kraftlinien in Verdichtungsrichtung bilden, indem sich die Partikel in dieser Richtung dichter aneinander lagern als quer dazu. Dieser Befund entspricht den Ergebnissen von Saraber et al. [5.30] bzw. Molerus [5.27].
5.2 Scherverformung, Scherzonen, Lokalisation 5.2.1 Idealisierung: Einfaches Scheren und reines Scheren Das stationäre Fließen, wie es im Kap. 5.1 anhand der Zweiaxialbox erläutert wurde, ist definiert als Fließen unter konstantem Volumen und konstanten Spannungen. Dies wurde erreicht, indem eine Probe wie in Abb. 5.13.a in x-Richtung verdichtet wurde, während sie sich in y-Richtung ausdehnen konnte. Diese Art der Verformung bezeichnet man als reine Scherung (engl.: pure shear). Die momentanen Verformungen sind hier durch die Dehnungsgeschwindigkeiten ε& repräsentiert.
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5 Anmerkungen zum realen Verhalten von Schüttgütern
Abb. 5.13. Scherverformung bei konstantem Volumen (Draufsicht auf Schnitt in der x,y-Ebene); die Buchstaben a, b, A und B bezeichnen Materialebenen; die jeweils unteren Abbildungen zeigen die Richtungen der Hauptspannungen unter Annahme von Isotropie; a. reine Scherung (pure shear); b. einfache Scherung (simple shear)
Für die praktische Messung von Fließeigenschaften werden Schergeräte eingesetzt (s. Kap. 3 und 4). Auch hier wird eine Schüttgutprobe verfestigt, indem sie einer Scherverformung unterworfen wird, bis das stationäre Fließen erreicht ist. Dazu werden Boden und Deckel der das Schüttgut umgebenden Scherzelle gegeneinander verschoben. Im Idealfall wird das Schüttgut beim stationären Fließen einer einfachen Scherung (engl.: simple shear) unterworfen, bei der in x- und y-Richtung keine Dehnung stattfindet (Abb. 5.13.b). Die momentane Scherverformung wird durch die Winkeländerungsgeschwindigkeit γ& / 2 repräsentiert. Setzt man isotropes Materialverhalten voraus (eine Idealisierung, was die Betrachtungen in den vorangegangenen Kapiteln zeigen), lassen sich die Hauptdehnungsrichtungen mit den Hauptspannungsrichtungen gleichsetzen. Eine Hauptdehnungsrichtung ist die Normale einer Ebene, entlang der keine Scherverformung erfolgt, analog zur Hauptspannungsebene, in der die Schubspannung gleich Null ist. Für die reine Scherung in Abb. 5.13.a findet man wegen der Volumenkonstanz, dass die momentanen Dehnungen in x- und y-Richtung den gleichen Betrag, aber umgekehrtes
5.2 Scherverformung, Scherzonen, Lokalisation
135
Vorzeichen haben müssen. Daraus ergibt sich der in Abb. 5.14.a gezeigte Dehnungsgeschwindigkeitskreis, dessen Mittelpunkt wegen der Volumenkonstanz im Ursprung liegt [5.32]. Die Schnittpunkte mit der ε& -Achse repräsentieren die Dehnungsgeschwindigkeiten in x- und y-Richtung (Bitte beachten: Die Vereinbarungen aus Kap. 2 hinsichtlich der Winkel im Mohrschen Kreis und im Original gelten auch für den Dehnungsgeschwindigkeitskreis). Da stationäres Fließen vorliegt, berühren die Mohrschen Spannungskreise den effektiven Fließort. Die größte Hauptspannung σ1 hat bei Annahme von Isotropie die gleiche Richtung wie die Dehnung in x-Richtung. Die Ebenen größter Schubspannungen τa und τb, die auch die Ebenen der größten Winkeländerungsgeschwindigkeit ( γ& /2)a und ( γ& /2)b sind, findet man im Mohrschen Spannungskreis um 90° zur Hauptspannungsebene gedreht, also im Original um 45° zur x-Richtung gedreht (Ebenen a und b in Abb. 5.13.a).
Abb. 5.14. Mohrsche Dehnungsgeschwindigkeitskreise und Spannungskreise für reine Scherung (a) und einfache Scherung (b) gemäß Abb. 5.13
Bei der einfachen Scherung (Abb. 5.13.b) erhält man den gleichen Dehnungsgeschwindigkeitskreis wie bei der reinen Scherung, nur sind hier die
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5 Anmerkungen zum realen Verhalten von Schüttgütern
Dehnungen in x- und y-Richtung gleich Null (Abb. 5.14.b). Damit repräsentieren die Schnittpunkte des Kreises mit der γ& / 2 -Achse die Verhältnisse in x- und y-Richtung. Die größte Scherverformung bzw. Winkeländerungsgeschwindigkeit herrscht demnach in Ebenen, deren Flächennormale von der x- und y-Achse gebildet werden (das sind horizontale und vertikale Ebenen in Abb. 5.13.b). Der unter Annahme der Isotropie gezeichnete zugehörige Spannungskreis zeigt, dass in diesen Ebenen die größten Schubspannungen herrschen, und dass die Normalspannungen in x- und yRichtung gleich sind. Die Hauptdehnungs- und Hauptspannungsebenen A und B sind um 45° (im Mohrkreis 90°) zu den x- und y-Achsen gedreht, wobei senkrecht zur Ebene B die positive Hauptdehnung ε&B und die größte Hauptspannung σ1 = σB wirken (s. Abb. 5.13.b unten) [5.33,5.34]. Der Vergleich der reinen Scherung (Zweiaxialbox) mit der einfachen Scherung (Schergerät) zeigt, dass in beiden Fällen stationäres Fließen vorliegt, wobei das Schüttgut in einer Richtung verdichtet wird und sich senkrecht zu dieser Richtung ausdehnt (s. Verformung des Kreises in Abb. 5.13). Unterschiede bestehen hinsichtlich der Drehung der Materialachsen. Bei reiner Scherung bleiben die Materialachsen in den Hauptdehnungsrichtungen erhalten, alle anderen Materialachsen rotieren. Somit rotiert das Schüttgut bezüglich der Ebene größter Scherverformung bzw. größter Schubspannung. Bei einfacher Scherung bleiben nur die Materialachsen in Richtung der aufgebrachten Scherverformung (y-Richtung in Abb. 5.13.b) erhalten. Das Schüttgut rotiert hier also nicht bezüglich der Ebene mit der größten Scherverformung bzw. Schubspannung. Es ist anzumerken, dass die Scherverformung von realen Schüttgütern in realen Umgebungen (Schergerät, Zweiaxialbox) von den idealen Vorgaben der „reinen Scherung“ oder „einfachen Scherung“ abweichen kann (z.B. [5.13,5.33,5.35,5.36]). Eine Ursache hierfür ist die Konzentration der Scherverformung auf begrenzte Bereiche durch die Bildung von Scherbändern, was im nächsten Kapitel behandelt wird. 5.2.2 Scherzonen und Scherbänder Zur Untersuchung der Scherverformung in Schergeräten gibt es neben neueren Simulationen mit der Diskrete-Elemente-Methode (z.B.[5.15,5.16, 5.37]) eine Reihe von experimentellen Arbeiten. In [5.32] wurden Scherzonen (das sind die Bereiche, in denen die Scherverformung auftritt) in der Scherzelle des Jenike-Schergerätes anhand von Röntgenaufnahmen sichtbar gemacht (Abb. 5.15). Beim Anscheren einer unterverfestigten Probe zeigt sich die Scherverformung des Schüttgutes in einem etwa linsenförmigen Bereich, der nahezu die gesamte Höhe der Scherzelle umfasst. Die
5.2 Scherverformung, Scherzonen, Lokalisation
137
Linsenform folgt daraus, dass in den Ecken aus geometrischen Gründen keine Scherverformung eintritt. Die große Höhe der Scherzone ergibt sich daraus, dass die unterverfestigte Schüttgutprobe durch das Scheren verfestigt wird und die Schubspannung τ bis zum Erreichen des stationären Fließens steigt (Abb. 5.15.a). Wäre die Scherzone zunächst weniger hoch, würde das Schüttgut in der Scherzone verfestigt, darüber und darunter aber nicht. Das nicht verfestigte Schüttgut wäre aber nicht in der Lage, die steigende Schubspannung zu ertragen, so dass es dort ebenfalls zu einer Scherverformung käme. Generell lässt sich sagen, dass eine mit der Scherverformung zunehmende Schubspannung zu einer Vergrößerung der Scherzone führt [5.38].
Abb. 5.15. Bereiche der Scherverformung (Scherzone) in der Scherzelle des Jenike-Schergerätes nach dem Scheren einer unterverfestigten Probe (a) und einer überverfestigten Probe (b) [5.32]. Die Scherzone wurde hier aus der gesamten Scherverformung zwischen Anfang und Ende der Messung bestimmt, ist also keine momentane, sondern eine integrale Scherzone.
Beim Scheren einer überverfestigten Schüttgutprobe, was dem Abscheren bei der Fließortmessung entspricht (Kap. 3.2), beginnt das Schüttgut erst nach Erreichen einer hinreichend großen Schubspannung zu fließen (Abb. 5.15.b). Das beginnende Fließen einer überverfestigten Probe ist mit der Auflockerung des Schüttgutes und der Abnahme der Schubspannung verbunden. Die Scherverformung konzentriert sich hierbei auf einen vor allem zum Rand der Scherzelle hin sehr flachen Bereich. Sobald nämlich in einem noch so dünnen Bereich Fließen eintritt, nimmt die Schubspannung ab und reicht nicht aus, um auch das nach wie vor verfestigte Schüttgut außerhalb dieses Bereiches zum Fließen zu bringen. Die Scherzone wird sich
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5 Anmerkungen zum realen Verhalten von Schüttgütern
analog zum „schwächsten Glied der Kette, das zuerst bricht“ dort bilden, wo aufgrund der lokalen Festigkeit des Schüttgutes und der Spannungsverteilung im Schüttgut die Fließgrenze zuerst erreicht wird. Verallgemeinernd lässt sich sagen, dass eine mit der Scherverformung abnehmende Schubspannung zu einer Konzentration der Scherzone führt [5.38]. Beim Jenike-Schergerät ist die Scherverformung begrenzt, denn der obere Ring kann nur um das Zweifache seiner Wandstärke horizontal verschoben werden. Daher wird sich der Bereich der Scherverformung beim Anscheren in der Regel ähnlich wie in Abb. 5.14.a ausbilden. Unterwirft man die Schüttgutprobe aber einer größeren Scherverformung, die man z.B. mit einem Ringschergerät erreichen kann, beobachtet man mit zunehmender Scherverformung eine Konzentration der momentanen Scherzone auf einen immer kleineren Bereich. Diese Konzentration wird hier in Anlehnung an die englische Bezeichnung „shear localisation“ mit „Lokalisation der Scherzone“ benannt. Abbildung 5.16 zeigt die Entwicklung der Scherzone anhand einer markierten vertikalen Schüttgutschicht. Die anfangs noch gleichmäßig über der Höhe verteilte lokale Verformung konzentriert sich zunehmend in einer dünnen horizontalen Schicht, einem sogenannten Scherband, unterhalb des Deckels. Die Position nahe am Deckel ergibt sich u.a. dadurch, dass die Normalspannung im Schüttgut aufgrund der Schwerkraft nach unten hin zunimmt. Dies führt dazu, dass das Schüttgut in der Nähe des Deckels etwas geringere Schubspannungen zur Verformung benötigt als weiter unten. Die Bildung eines Scherbandes im Verlauf des Anscherens ist keine gerätespezifische Eigenschaft und auch nicht auf Scherverformungen ähnlich dem einfachen Scheren (Abb. 5.13.b) begrenzt, sondern tritt beim Fließen von Schüttgut in vielen Situationen auf. So bildet Schüttgut, das im Trichter eines Silos fließt, Scherbänder aus, zwischen denen sich momentan in sich unverformte Schüttgutblöcke befinden (s. Kap. 14.4). Auch in einem der Zweiaxialbox in Abb. 5.1 ähnlichen Messgerät wurden bei Verformung entsprechend Prozedur IV (Abb. 5.2) bzw. bei reinem Scheren entsprechend Abb. 5.13 Scherbänder beobachtet [5.13,5.18]. Das gleiche gilt auch für entsprechende Verformungen im Triaxialgerät (z.B. [5.35]). Die Dicke von Scherbändern bzw. Scherzonen wird in der Literatur mit Werten zwischen dem Fünf- und dem Zwanzigfachen der mittleren Partikelgröße angegeben (z.B. [5.13,5.18,5.36,5.41–5.43]), wobei hier in der Regel nicht zu feine Schüttgüter mit Partikelgrößen von einigen 100 µm und mehr betrachtet wurden. Für ein kohäsives Kalksteinmehl (Medianwert x50,3 = 3 µm) wurden Scherzonen mit der Dicke des Zweihundertfachen des Medianwertes gefunden [5.39].
5.2 Scherverformung, Scherzonen, Lokalisation
139
Abb. 5.16. Ursprünglich unterverfestigte Probe nach unterschiedlich großer aufgeprägter Scherverformung in der Scherzelle eines Ringschergerätes nach Ergebnissen in [5.39,5.40] (Verformung nimmt von links nach rechts zu). v ist die Relativgeschwindigkeit des Deckels der Scherzelle gegenüber dem Boden, ∆x die Relativverschiebung und h die momentane Höhe der Schüttgutprobe. Die Probe wird von oben durch die konstante Normalspannung σ belastet. Die zum Scheren erforderliche Schubspannung ist τ.
Aus den genannten Befunden wird klar, dass ein Schüttgut bei Scherverformung unter konstanter Spannung (z.B. konstante Normalspannung beim Anscheren einer Schüttgutprobe) nicht dauerhaft eine die gesamte Probenhöhe umfassende Scherzone ausbildet, in der das Schüttgut stationär fließt. Vielmehr kommt es mit zunehmender Scherverformung zur Konzentration der Scherverformung auf einen begrenzten Bereich (Lokalisation). Die Lokalisation ist mit einer Abnahme von Spannungen verbunden. Typische Verläufe der Schubspannung für eine Scherverformung entsprechend Abb. 5.16 zeigt Abb. 5.17 für ein feinkörniges, kohäsives Schüttgut (Kalksteinmehl) und ein frei fließendes, wenig verdichtbares Schüttgut (Sand). In beiden Fällen steigt die Schubspannung zunächst an, um nach Überwinden eines mehr oder weniger ausgeprägten Maximums wieder abzufallen. Nach einer gewissen Relativverschiebung ∆x wird eine konstante Schubspannung erreicht. Auch wenn das Schüttgut nach Erreichen des Schubspannungsmaximums offensichtlich nicht beliebig lange unter konstanten Spannungen fließt, soll hier der Begriff „stationäres Fließen“ für den Fließvorgang einer zunächst unterverfestigten Probe nach Erreichen des Schubspannungsmaximums benutzt werden. Eine weitere Diskussion dieses Begriffs folgt im Kap. 5.2.4. Die Abnahme der Schubspannung nach dem Maximum und die Lokalisation bedingen sich gegenseitig. Beeler [5.38] formuliert für den Fall einer Scherverformung ähnlich Abb. 5.16 die Änderung der Schubspannung (dτ) in Abhängigkeit der Änderung der Höhe der Scherzone (dhS) als Gleichung:
140
5 Anmerkungen zum realen Verhalten von Schüttgütern
Abb. 5.17. Schubspannung τ und Änderung ∆h der Probenhöhe bei sehr großen Relativverschiebungen ∆x zwischen Deckel und Boden der Scherzelle eines Ringschergerätes. In beiden Fällen wird die zunächst lockere (unterverfestigte) Schüttgutprobe entsprechend Abb. 5.16 bei einer Normalspannung σ = 5000 Pa geschert (Anfangsprobenhöhe: 12 mm).
dτ = −
1 ∂τ ∂τ v + ∆x 2 ∂γ& ∂γ hS
dhS
(5.1)
Dabei kennzeichnet der Term ∂τ / ∂γ& die Abhängigkeit der Schubspannung von der Winkeländerungsgeschwindigkeit (s. Abb. 5.13.b), während der Term δτ/δγ die Abhängigkeit der Schubspannung von der Scherverformung repräsentiert. hS ist die Höhe der Scherzone, v die Relativgeschwindigkeit und ∆x die Relativverschiebung zwischen Ober- und Unterkante der Schüttgutprobe (Abb. 5.16). Nach dem Prinzip der minimalen Energie („Jedes System strebt einen Zustand minimaler Energie an“) wird sich die Scherzone so ausbilden, dass die Schubspannung möglichst klein wird, also die Änderung der Schubspannung dτ negativ wird. Sind die Terme ∂τ / ∂γ& und δτ/δγ kleiner als Null, verringert sich die Schubspannung τ mit abnehmender Höhe der Scherzone hS. Dieser Fall trifft beim Scheren einer überverfestigten Probe zu: Da sich die Schüttgutprobe nach dem Beginn des Fließens auflockert, ist δτ/δγ < 0. Vernachlässigt man den Einfluss der Schergeschwindigkeit, kann die Schubspannung nur minimiert werden, wenn dhS < 0 ist, also die Dicke der Scherzone abnimmt. Dies entspricht der dünnen Scherzone in Abb. 5.15.b. Auch die beim stationären Fließen beobachtete Lokalisation (Abb. 5.16) lässt sich anhand von Gl.(5.1) deuten: Viele Schüttgüter zeigen bei kleinen Schergeschwindigkeiten negative Werte ∂τ / ∂γ& , wobei deren Betrag im Vergleich zu einer Newtonschen Flüssigkeit sehr klein ist [5.1,5.44] (s. Kap. 7.1.1). Nimmt die Höhe der Scherzone bei so einem Schüttgut ab, führt dies bei konstanter von außen aufgegebener Relativgeschwindigkeit v
5.2 Scherverformung, Scherzonen, Lokalisation
141
zu einer Erhöhung der Winkeländerungsgeschwindigkeit γ& in der Scherzone, worauf die Schubspannung sinkt. Auch für δτ/δγ sind negative Werte denkbar, etwa durch Umlagerung von Partikeln hin zu „glatteren“ Scherflächen, entlang derer der Scherwiderstand geringer ist als in anderen Schnittebenen des Schüttgutes [5.33]. So konnte bei Messungen mit Sand eine bevorzugte Orientierung der Partikel im Bereich der Scherzone festgestellt werden [5.13,5.18,5.45]. Beim stationären Fließen kann also die Klammer in Gl.(5.1) negativ werden, so dass zur Minimierung der Schubspannung die Höhe der Scherzone abnimmt (dhS < 0). Beim Scheren einer unterverfestigten Probe (z.B. beim Anscheren einer Schüttgutprobe vor Ereichen des stationären Fließens) wurde gemäß Abb. 5.15.a eine große Scherzone beobachtet. Hierbei nimmt der Scherwiderstand mit der Scherverformung zu, also δτ/δγ > 0. Vernachlässigt man den Einfluss der Schergeschwindigkeit, kann die Schubspannung bzw. ihr Anstieg nur minimiert werden, wenn dhS > 0 ist, also die Dicke der Scherzone zunimmt. Dies entspricht Abb. 5.15.a. Untersuchungen der Vorgänge bei großer Scherverformung gibt es im Bereich der Geologie (z.B. [5.38,5.46,5.47]). Abbildung 5.18 zeigt eine zusammenfassende Darstellung von Schubspannungsverlauf und Scherzonenbildung in Partikelschichten innerhalb einer geologischen Bruchzone, die aus Laborversuchen zur Simulation der Fließvorgänge gewonnen wurden [5.46]. Auch hier ist das „Schüttgut“ einer einfachen Scherung unterworfen und der Schubspannungsverlauf ähnelt denen in Abb. 5.17. Aufgrund der Ähnlichkeit der Schubspannungsverläufe ist davon auszugehen, dass bei der Scherverformung eines Schüttgutes ähnliche Mechanismen ablaufen [5.47]. Vor Erreichen des Schubspannungsmaximums (Punkt A) findet die Scherverformung verteilt in der gesamten Schicht statt. Dies entspricht der Erkenntnis aus Gl.(5.1): Links von Punkt A nimmt die Schubspannung zu, daher wird die Scherzone versuchen, sich zu vergrößern (dhS > 0), um den Anstieg der Schubspannung zu begrenzen. Nach Erreichen des Schubspannungsmaximums (A) beginnt die Lokalisation der Scherverformung. Entsprechend Gl.(5.1) wird die Schubspannung durch die Konzentration der Scherverformung (dhS < 0) minimiert. Es bilden sich zunächst erste geneigte Scherbänder (Riedel shears [5.48]), die ab B in der gesamten Schicht zu finden sind. Ab C werden auch Scherbänder unmittelbar an den Begrenzungsflächen beobachtet (boundary shears), und ab D haben sich schließlich horizontale Scherbänder (Y-shears) fertig ausgebildet. Ist dieses Stadium erreicht, bewegen sich zwei in sich starre Schüttgutbereiche übereinander hinweg. Zwischen ihnen befindet sich ein horizontales Scherband, in dem die Scherverformung konzentriert ist.
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5 Anmerkungen zum realen Verhalten von Schüttgütern
Abb. 5.18. Prinzipieller Verlauf der Schubspannung τ in Abhängigkeit der Relativverschiebung ∆x zwischen Oberseite und Unterseite einer Partikelschicht (kohäsionslos) in einer simulierten geologischen Bruchzone [5.46]. Der schraffierte Bereich kennzeichnet den Bereich von Schubspannungsverläufen mehrerer Messungen bei unterschiedlichen Schüttgütern und unterschiedlicher Anfangsverfestigung (durch vorsichtigeres Einfüllen erhaltene lockere Packungen erzeugen weniger starke Schubspannungsmaxima). Die Scherverformung ist oberhalb des Diagramms anhand der Verformung von schwarz eingefärbten, vor der Messung vertikalen Schichten gezeigt.
Die Entstehung der „Riedel shears“ ab Punkt A in Abb. 5.18 zeigt Abb. 5.19. Geht man davon aus, dass am Punkt A stationäres Fließen mit dem eingezeichneten effektiven Fließort A erreicht wird (analog Abb. 5.13.b und 5.14.b), kann das Schüttgut in den Ebenen fließen, in denen das Wertepaar von Schubspannung und Normalspannung den effektiven Fließort berührt. Dies sind die durch die Punkte R1 und R2 bezeichneten Ebenen. Diese sind im Schüttgut zur Ebene, auf die die größte Hauptspannung σ1 wirkt, um ±(45°+ φe/2) geneigt. Im weiteren Verlauf der Scherverformung kommt es ab Punkt D in Abb. 5.18 schließlich zur Ausbildung von horizontalen Scherbändern (Y-shears). Abbildung 5.20 zeigt hierfür einen möglichen Spannungskreis (D), der bei gleicher Vertikalspannung σx gegenüber den am Punkt A vorliegenden Spannungen eine kleinere Schubspannung τD < τA ergibt. Folgt man der Annahme Mandls [5.33], dass die horizontale Ebene glatter ist als andere Materialebenen („horizontal plane of weakness“), kann der am Punkt D herrschende Spannungskreis stellenweise oberhalb der Fließgrenze für die horizontale Gleitebene liegen. Das Schüttgut hat in diesem Zustand durch die große Scherverformung und die Bildung von Gleitlinien anisotrope Eigenschaften erhalten.
5.2 Scherverformung, Scherzonen, Lokalisation
143
Abb. 5.19. Verformung eines Schüttgutelements (gezeigt ist der Schnitt in der x,yEbene) durch einfache Scherung und dazugehöriger Spannungskreis (Zustand ab Punkt A in Abb. 5.18); R1 und R2 sind „Riedel shears“ [5.33,5.48,5.49]
Abb. 5.20. Möglicher Spannungskreis (D) nach großer Scherverformung ab Punkt D in Abb. 5.18 unter Annahme anisotropen Verhaltens aufgrund einer im Verhältnis zu anderen Richtungen geschwächten, reibungsärmeren horizontalen Gleitebene (nach Mandl [5.33]). Zum Vergleich Spannungskreis A aus Abb. 5.19.
Es stellt sich die Frage, inwieweit die Befunde aus der Geologie (Abb. 5.18 bis 5.20) auch auf die Schüttguttechnik anzuwenden sind. Dafür sprechen neben der grundsätzlichen Ähnlichkeit der Vorgänge sowohl die bei der Scherverformung von Schüttgütern beobachteten Schubspannungsverläufe (Abb. 5.17) als auch die Scherzonenbildung (Abb. 5.16), zumindest was die zuerst auftretende gleichmäßige Scherverformung (Bereich links von A in Abb. 5.18) und die schließlich erreichte schmale horizontale Scherzone (ab D in Abb. 5.18) betrifft.
144
5 Anmerkungen zum realen Verhalten von Schüttgütern
5.2.3 Dilatanz Das beim Anscheren kohäsionsloser Schüttgüter auftretende Schubspannungsmaximum lässt sich zu einem großen Teil auf die Ausdehnung (Dilatanz) des Schüttgutes während der Scherverformung zurückführen, die beim Sand in Abb. 5.17 zu erkennen ist (∆h > 0). Während beim Scheren einer lockeren Probe eines kohäsiven, verdichtbaren Schüttgutes die Höhe der Schüttgutschicht während der Scherverformung abnimmt (s. Abb. 5.17: Kalksteinmehl), nehmen kohäsionslose Schüttgüter wie trockener Sand bereits beim lockeren Einfüllen eine verhältnismäßig dichte Packung ein, da die Partikel aufgrund nur geringer Wirkung von Haftkräften gut beweglich sind. Bei einer Scherverformung entsprechend Abb. 5.13.b oder 5.16 kommt es daher zu einer vertikalen Ausdehnung, die bei sehr lockeren Packungen einer geringen anfänglichen Verdichtung aufgrund der Zunahme der Belastung folgt (s. negatives ∆h beim Sand in Abb. 5.17).
Abb. 5.21. Modell zur Scherverformung eines grobkörnigen Schüttgutes: Durch die Relativverschiebung ∆x zwischen Ober- und Unterseite (a) kommt es lokal zur Drehung (b) der die Kraftlinien bildenden Partikelketten (als Beispiel dunkel eingefärbte Partikel) und dadurch zu einer Höhenzunahme ∆h. Bei weiterer Scherverformung gleiten Partikel aufeinander ab (s. Bereich A in Bildteil c) [5.45,5.50]
Die Ursache für die Ausdehnung ist, dass bei der Scherverformung Partikel andere Partikel überqueren müssen, d.h. sie müssen aus ihrer dicht gepackten Lage (Bild 5.21.a) etwas nach oben bewegt werden. Bildet sich z.B. lokal eine Kraftlinie wie in Abb. 5.21.a, richtet sich die die Kraftlinie bildende Partikelkette mit zunehmender Scherverformung immer steiler auf (s. Drehbewegung in Abb. 5.21.b), wodurch sich die Höhe der Schüttgutprobe vergrößert, bis es schließlich zum Abgleiten zwischen einzelnen Partikeln kommt (Abb. 5.21.c) [5.45,5.50]. Damit wird die Kraftlinie unwirksam. Im Schüttgut bilden sich während der Scherverformung an vielen Stellen immer wieder neue Kraftlinien, andernorts verformen sich Kraftlinien und versagen. Um so größer die Partikel sind, desto größer ist die ver-
5.2 Scherverformung, Scherzonen, Lokalisation
145
tikale Ausdehnung, da bei größeren Partikeln eine stärkere Anhebung der Partikel zum Überqueren anderer Partikel notwendig ist, und die Dicke der Scherzone ein Mehrfaches der Partikelgröße beträgt. Daher ergibt sich aus geometrischen Gründen ein größere Höhenzunahme ∆h. Hat sich das Schüttgut hinreichend ausgedehnt, bleibt diese Ausdehnung während der weiteren Scherverformung erhalten (s. Abb. 5.17: Sand). Entlastet man die Schüttgutprobe von der Schubspannung, kommt es zu einer leichten Verformung entgegen der bisher aufgeprägten Scherverformung, wobei die Probenhöhe etwas abnimmt. Anhand des Modells der Partikelketten in Abb. 5.21 lässt sich dies so interpretieren, dass sich die steiler aufgestellten Partikelketten nach Entlastung wieder in Richtung ihrer anfänglichen Lage zurückdrehen. Abbildung 5.22 zeigt eine Messung von Mandl et al. [5.33], bei der die Probe (Sand) vor der Messung etwas vorverdichtet wurde und daher eine deutlichere Ausdehnung zeigt. Neben der gemessenen Schubspannung τ und der Höhenänderung ∆h zeigt das Diagramm den Anteil τd, der für die vertikale Ausdehnung des Schüttgutes aufgebracht werden muss. Dieser Anteil lässt sich anhand der folgenden Energiebilanz unter Benutzung des Dilatanzwinkels abschätzen [5.33,5.51].
Abb. 5.22. Schubspannungen τ und Änderung ∆h der Probenhöhe in Abhängigkeit der Relativverschiebung ∆x zwischen Deckel und Boden der Scherzelle eines Ringschergerätes nach Mandl et al. [5.33]. τd ist der aus einer Energiebilanz berechnete Schubspannungsanteil, der durch die Ausdehnung der Schüttgutprobe entsteht. τf ist die Differenz (τ - τd). (Normalspannung beim Scheren σ = 9,2·105 Pa; Anfangsprobenhöhe 12 mm; Probe vor dem Scheren mit einer Normalspannung σ = 1·106 Pa belastet).
Der Dilatanzwinkel ν lässt sich aus der Deformation eines Schüttgutelements ableiten (Abb. 5.23) [5.13,5.39,5.52]. Die Relativverschiebung zwischen Ober- und Unterseite des zunächst rechteckigen Schüttgutelements
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5 Anmerkungen zum realen Verhalten von Schüttgütern
im Zeitraum ∆t ist ∆y. Gleichzeitig dehnt sich das Schüttgutelement der Höhe h um ∆h in vertikaler Richtung aus. In y-Richtung findet keine Dehnung statt. Der Dilatanzwinkel ν beschreibt die mit der Scherverformung verbundene momentane Ausdehnung (Dilatanz), indem er die momentane Bewegungsrichtung der Oberseite des Schüttgutelements gegenüber der Horizontalen (y-Achse) angibt:
∆h ∆h = lim ∆y →0 ∆y ∆γ →0 ∆γ xy ⋅ h
tan ν = lim
∆h / h dh / h = dγ xy ∆γ →0 ∆γ xy
= lim =−
(5.2)
dε x ε& =− x dγ xy γ& xy
Abb. 5.23. Definition des Dilatanzwinkels ν am verformten, zunächst rechteckigen Schüttgutelement (vertikaler Schnitt in der x,y-Ebene vor und nach Verformung) [5.39,5.52]
Das Minuszeichen vor der Dehnung dεx ergibt sich aus der Definition, dass ε bei Kompression (analog zur Druckspannung) positiv ist. Eine Höhenzunahme des Schüttgutes (Dilatation) ergibt also positive dh und positive Winkel ν, aber eine negative Dehnung dεx. Kommt es während der Scherverformung zur vertikalen Ausdehnung des Schüttgutes, wird Arbeit verrichtet, indem die Vertikalspannung um ∆h entgegen ihrer Wirkungsrichtung verschoben wird. Diese Arbeit entspricht der in der Thermodynamik bekannten Volumenänderungsarbeit und beträgt (Kraft · Weg):
∆WVd = A ⋅ σ x ⋅ ∆h
(5.3)
Hierbei ist A die Querschnittsfläche der Schüttgutprobe, auf die die Vertikalspannung σx wirkt. Die einzige Möglichkeit, dem Schüttgut diese Arbeit
5.2 Scherverformung, Scherzonen, Lokalisation
147
zuzuführen, ist die Scherverformung. Daher wird sich die Schubspannung erhöhen. Die zusätzliche Schubspannung τd erfordert die zusätzlich zuzuführende Arbeit
∆WVs = A ⋅ τ d ⋅ ∆y .
(5.4)
Die momentane zusätzliche Schubspannung τd erhält man durch Gleichsetzen der Arbeiten und den Grenzübergang ∆y → 0 :
τ d = lim σ x ∆y →0
ε& ∆h = σ x tan ν = −σ x x & ∆y γ xy
(5.5)
Die insgesamt beim Scheren der Schüttgutprobe aufgebrachte Schubspannung τ lässt sich damit in einen Anteil τd zum Verschieben der Normalspannung aufgrund der Ausdehnung und einen auf der Reibung des Schüttgutes beruhenden Anteil τf aufteilen [5.33,5.51,5.53]:
τ =τ f +τ d
(5.6)
Bei dieser einfachen Energiebilanz wird wie in [5.33] vernachlässigt, dass bei der Ausdehnung auch Energie durch zusätzliche Reibung im Schüttgut dissipiert werden kann (z.B. durch Umlagerung von Partikeln) [5.13,5.51]. In Abb. 5.22 sind die Schubspannungsanteile τd und τf gestrichelt eingezeichnet. Es ist deutlich zu sehen, dass das Maximum im Verlauf der gemessenen Schubspannung τ zu einem großen Teil auf der Ausdehnung der Schüttgutprobe während des Scherens beruht. Nach dem Ende der Ausdehnung fällt die Schubspannung aber weiter ab, woraus zu schließen ist, dass weitere Mechanismen für die Schubspannungsabnahme verantwortlich sind. Auch beim feinkörnigen, kohäsiven Kalksteinmehl (Abb. 5.17), bei dem eine Abnahme der Probenhöhe aufgrund der zunehmenden Verdichtung festzustellen ist, kann das Maximum im Schubspannungsverlauf nicht aus einer Ausdehnung des Schüttgutes resultieren, sondern ergibt sich aus den im Kap. 5.2.2 im Zusammenhang mit der Lokalisation diskutierten Effekten. Auch beim Scheren einer verfestigten Schüttgutprobe, z.B. beim Abscheren im Verlauf der Messung eines Fließortes, kommt es zur Ausdehnung. Prinzipielle Verläufe von Schubspannung und Probenhöhe beim Anscheren und anschließendem Abscheren eines kohäsiven Schüttgutes zeigt Abb. 5.24. Man erkennt am Ende des Anscherens die erwähnte leichte Abnahme der Probenhöhe beim Entlasten der Schüttgutprobe von der Scherkraft. Beim Abscheren, also bei der Scherverformung einer überverfestigten Schüttgutprobe, kommt es zur Ausdehnung und Zunahme der Probenhöhe (Abb. 5.24). Die Ausdehnung ist mit der Entfestigung (Auflo-
148
5 Anmerkungen zum realen Verhalten von Schüttgütern
ckerung) des Schüttgutes in der Scherzone verbunden, da das Schüttgut (im Bereich der sich beim Abscheren bildenden Scherzone) beim Fließen unter einer kleineren Spannung auch eine kleinere Schüttgutdichte einnimmt. Ein Teil der Ausdehnung resultiert aber auch daraus, dass sich beim Abscheren – wie oben anhand von Abb. 5.21 für das Anscheren beschrieben – Partikel übereinander hinweg bewegen müssen und dafür Raum benötigen. Dieser Anteil dürfte etwa der Höhenabnahme bei der Entlastung von der Schubspannung am Ende des Anscherens entsprechen.
Abb. 5.24. Prinzipieller Verlauf von Schubspannung τ und Probenhöhe h über der Zeit t beim An- und Abscheren eines kohäsiven Schüttgutes
Bei frei fließenden Schüttgütern, die weitgehend inkompressibel sind und daher auch eine kaum von der Normalspannung abhängige Schüttgutdichte aufweisen (z.B. Glaskugeln), beruht die Ausdehnung beim Abscheren wesentlich auf dem in Abb. 5.21 erläuterten Effekt des zur Scherverformung erforderlichen Raumbedarfs. Aufgrund der Ausdehnung enthält die maximale Schubspannung beim Abscheren einer Schüttgutprobe einen Schubspannungsanteil τd entsprechend Gl.(5.5). Dies gilt sowohl für frei fließende als auch für kohäsive Schüttgüter. Zusammenfassend lässt sich daher feststellen: Generell gilt für Schüttgüter, dass der Beginn eines Fließvorgangs, der nicht zu einer Erhöhung der Schüttgutdichte führt, immer mit Ausdehnung verbunden ist (s. Modell in Abb. 5.21). Der Übergang vom Fließen zum Ruhezustand führt dagegen zu einer Volumenverringerung [5.39]. 5.2.4 Stationäres Fließen und Dilatanz beim Messen von Fließeigenschaften In der Schüttguttechnik ist die Standardmessmethode zum Ermitteln von Fließeigenschaften der Scherversuch (Kap. 3.2). Um eine definierte Probe
5.2 Scherverformung, Scherzonen, Lokalisation
149
zu erhalten, wird diese aus einem unterverfestigten Zustand heraus angeschert, bis sich stationäres Fließen einstellt [5.54,5.55]. Auch der Zustand des Schüttgutes beim Fließen im Trichter wird näherungsweise als stationäres Fließen beschrieben [5.54,5.56]. Die vorangegangenen Kapitel zeigen, dass stationäres Fließen ein idealisierter Fließprozess ist, der nicht dauerhaft aufrechtzuerhalten ist. Bei einfacher Scherung eines kohäsiven Schüttgutes (z.B. Kalksteinmehl in Abb. 5.17) wird ein Punkt erreicht, ab dem die Schubspannung nicht mehr weiter zunimmt, die Probe sich also nicht weiter verfestigt. In diesem Moment findet der Fließprozess in einem großen Bereich der Schüttgutprobe statt. Unmittelbar nach Erreichen des Schubspannungsmaximums beginnt aber die Lokalisation, die je nach Schüttgut zu einer unterschiedlich schnellen und unterschiedlich starken Abnahme der Schubspannung führt. Daher ist der Fließprozess nicht stationär im Sinne von konstanten Spannungen. Allerdings kann die Schubspannung (vor allem bei feinkörnigen, kohäsiven Schüttgütern) eine Zeit lang näherungsweise auf dem Niveau des Schubspannungsmaximums verharren und eine Art Schubspannungsplateau bilden, bevor es zur Abnahme der Schubspannung kommt (Abb. 5.25). Somit entspricht das Plateau weitgehend der Idee des stationären Fließens.
Abb. 5.25. Schubspannungsplateau (Beispiel) beim Anscheren eines kohäsiven Schüttgutes
Das Anscheren eines Schüttgutes bei der Fließortmessung wird man beenden, sobald das beschriebene Plateau erreicht ist und die Schubspannung nicht mehr weiter ansteigt [5.54,5.55]. Beim Jenike-Schergerät hat man wegen der begrenzten Relativverschiebung oft gar nicht die Möglichkeit, den Schubspannungsverlauf bei großer Scherverformung zu beobachten, sondern ist in der Regel froh, wenn man im Bereich der zur Verfügung stehenden Relativverschiebung die konstante Schubspannung erreicht hat. Man wird das Anscheren dann beenden und zum Abscheren übergehen (Kap. 4.1.1). Damit wird klar, dass im Zusammenhang mit dem Anscheren beim Jenike-Schergerät der Begriff „stationäres Fließen“ den Fließprozess im Bereich des Schubspannungsplateaus meint und diesen gut annähert, da
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5 Anmerkungen zum realen Verhalten von Schüttgütern
die Scherzone hier noch relativ groß ist (Abb. 5.15.a) und die Lokalisation erst beginnt. Ein großer Vorteil des Anscherens bis zum Erreichen des stationären Fließens ist, dass die nicht weiter ansteigende Schubspannung erst dann erreicht werden kann, wenn die Schüttgutprobe an jeder Stelle hinreichend verfestigt ist. Es besteht somit über den Schubspannungsverlauf eine Kontrolle über den Verfestigungszustand. Die Befunde und Interpretationen in den vorangegangenen Kapiteln sollen keinen Anlass dazu geben, das Anscheren bis zum stationären Fließen als Verfestigungsprozedur zu kritisieren. Die dargelegten Vorgänge sollen vielmehr helfen, die Vorgänge im Schüttgut bei größerer Scherverformung zu verstehen, so dass daraus bezüglich der Durchführung und Interpretation von Messungen mit Schergeräten die richtigen Schlussfolgerungen gezogen werden können. Eine wichtige Folgerung ist, dass das Anscheren beendet werden sollte, solange sich die Schubspannung nicht (oder wenigstens nicht zu sehr) von ihrem Maximalwert entfernt hat und die Lokalisation nicht zu sehr fortgeschritten ist. Wie oben dargelegt wurde, ist dies wegen der begrenzten Scherverformung die normale Vorgehensweise beim Jenike-Schergerät. Bei Rotationsschergeräten mit unbegrenztem Scherweg (Ringschergerät, Torsionsschergerät) sollte in gleicher Weise verfahren werden, wenn das stationäre Fließen in ähnlicher Weise wie mit dem Jenike-Schergerät erreicht werden soll, und wenn zum Jenike-Schergerät vergleichbare Ergebnisse erzielt werden sollen. Manchmal ist zu beobachten, dass der unbegrenzte Scherweg dazu verleitet, das Anscheren so lange fortzusetzen, bis der Bereich der Y-shears (s. D in Abb. 5.18) mit konstanter Schubspannung erreicht ist. Begründet wird diese Vorgehensweise mit dem Hinweis auf die Literatur [5.54,5.55], die besagt, dass beim Anscheren stationäres Fließen und damit eine konstante Schubspannung zu erreichen ist. Das überfahrene Maximum im Schubspannungsverlauf (Plateau, Abb. 5.25) wird dabei entsprechend [5.54,5.55] zuweilen als Zeichen für eine überverfestigte Schüttgutprobe interpretiert. Die Regeln hinsichtlich konstanter Schubspannung und Überverfestigung sind aber nur unter Bezug auf das Jenike-Schergerät anzuwenden, da dort der Scherweg begrenzt ist und die Probe vor dem Anscheren manuell vorverfestigt wird. Da aber bei Rotationsschergeräten keine Vorverfestigung des Schüttgutes erfolgt, sondern die Probe vor dem Anscheren locker in die Scherzelle eingefüllt wird, kann keine Überverfestigung vorliegen. Das Maximum im Schubspannungsverlauf entsteht vielmehr aufgrund der im Kap. 5.2.2. behandelten Lokalisation, die beim Jenike-Schergerät aufgrund des begrenzten Scherwegs in der Regel nicht erreicht wird. Mit der Lokalisation einher geht die lokale Schwächung der Schüttgutprobe (Abnahme des Scherwiderstandes,
5.3 Fließorte
151
„horizontal plane of weakness“, s. Kap. 5.2.2). Daher erhält man bei zu großer Scherverformung eine im Verhältnis zum Jenike-Schergerät zu kleine Schubspannung beim Anscheren, und auch die Schubspannung beim Abscheren verringert sich, was Untersuchungen am Ring- und Torsionsschergerät zeigen [5.57,5.58]. Während man den Darlegungen in den vorangegangenen Absätzen zufolge mit einem kohäsiven Schüttgut das Anscheren auf dem Schubspannungsplateau beendet und damit dem stationären Fließen sehr nahe kommt, ist bei frei fließenden, grobkörnigen Schüttgütern der Einfluss der beim Anscheren möglichen Ausdehnung (Dilatation) auf den Schubspannungsverlauf zu beachten (Kap. 5.2.3). Das Schubspannungsmaximum geht bei diesen Schüttgütern mit der Ausdehnung der Probe einher und hält weniger lange an als bei kohäsiven Schüttgütern. Trotzdem wird man auch hier so anscheren, wie es beim Jenike-Schergerät üblich ist [5.54,5.55], nämlich bis die Schubspannung nicht mehr weiter ansteigt. Da die gemessene Schubspannung in diesem Moment den auf die Probenausdehnung zurückzuführenden Anteil τd (s. Abb. 5.22) beinhaltet, überschätzt man so die Schubspannung beim stationären Fließen etwas. Durch besonders lockeres Einfüllen der Schüttgutprobe und Vermeidung jeglicher Vorverfestigung (z.B. durch Erschütterungen) lassen sich die Ausdehnung beim Anscheren und damit das Schubspannungsmaximum minimieren. Misst man beim Anscheren auch die vertikale Ausdehnung der Schüttgutprobe, könnte man während der Messung den auf die Ausdehnung entfallenden Anteil τd berechnen und von der gemessenen Schubspannung τ abziehen [5.51]. Ergebnis wäre die Schubspannung τf entsprechend Abb. 5.22, auf deren Plateau das Anscheren zu beenden wäre. Gemäß Kap. 5.2.3 enthält auch das Schubspannungsmaximum beim Abscheren einen Anteil, der auf die Ausdehnung der Schüttgutprobe zurückzuführen ist. Das bedeutet, dass ein Fließort diesen Spannungsanteil beinhaltet. Dies erscheint vernünftig, da immer, wenn ein Schüttgut aus der Ruhe zum Fließen gebracht wird, im Bereich der Scherzone eine Ausdehnung gegen die Richtung der dort wirkenden Normalspannung erfolgen muss.
5.3 Fließorte Die von Jenike vorgeschlagene und weithin angewendete Methode zur Konstruktion von Fließorten, die im Kap. 3 dargelegt wurde, basiert auf Annahmen und ist als Näherung zu verstehen. Dies ist kein Nachteil, denn die Methode hat sich bewährt, was sich nicht zuletzt dadurch zeigt, dass
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5 Anmerkungen zum realen Verhalten von Schüttgütern
man physikalisch definierte Größen erhält, mit denen z.B. Aussagen zur Gestaltung funktionierender Silos möglich sind. Trotzdem sollen einige der Näherungen betrachtet werden, um dem daran interessierten Leser mehr Informationen zur Interpretation von Messungen zu geben. Weitere Betrachtungen zur Interpretation der Messwerte findet man in den Veröffentlichungen von Jenike [5.54,5.59] sowie bei Schwedes [5.32,5.60] und Molerus [5.27]. 5.3.1 Anscherpunkt, Abscherpunkte und Spannungskreise Folgt man den Vorgaben Jenikes, sind die Abscherpunkte Punkte eines Fließortes [5.54,5.55], und der Spannungskreis, der das stationäre Fließen repräsentiert, berührt den Fließort (s. Abb. 3.16). Die Lage der Abscherpunkte basiert dabei auf der Vorstellung, dass die Gleitebenen, auf denen das beginnende Fließen eintritt, horizontal und damit parallel zur aufgebrachten Schubspannung sind. Nur dann sind die aufgebrachte Normalspannung und die gemessene Schubspannung Punkte des Fließortes. Da ein Schergerät wie das Jenike- oder Ringschergerät neben dem Abscherpunkt keine Informationen zu den Spannungen in anderen Richtungen liefert, ist der zum Abscherpunkt gehörige Spannungskreis nicht eindeutig festgelegt [5.27,5.32,5.56]. Ein Versuch, mehr Informationen in die Auswertung einfließen zu lassen, ist die Einbeziehung der Verformung der Schüttgutprobe. Die Lage der Gleitebenen, auf denen das beginnende Fließen eintritt, wird dabei unter der Annahme, dass die Hauptdehnungsrichtungen mit den Hauptspannungsrichtungen übereinstimmen (Koaxialität), ermittelt [5.32,5.39,5.52]. Dazu werden die momentane Ausdehnung ∆h und die Relativverschiebung ∆y (Abb. 5.23) der Schüttgutprobe beim Durchlaufen des Maximums im Schubspannungsverlauf beim Abscheren gemessen. Die Dehnung in yRichtung ist gleich Null. Der Dilatanzwinkel ν wird nach Gl.(5.2) ermittelt, mit dem sich der Dehnungsgeschwindigkeitskreis zeichnen lässt (Abb. 5.26). Der Punkt ( ε&x , γ& xy / 2 ) des Dehnungsgeschwindigkeitskreises repräsentiert die Verhältnisse in horizontalen Ebenen der Schüttgutprobe. Dieser Punkt ist im Dehnungsgeschwindigkeitskreis um (90°+ ν) zur größten Hauptdehnung ε&1 gedreht. Um den gleichen Winkel muss unter Annahme der Koaxialität auch die größte Hauptspannung im zugehörigen Spannungskreis gegenüber der auf die horizontalen Ebenen wirkenden Normalspannung σx gedreht sein. Mit dieser Information kann der Spannungskreis für das beginnende Fließen durch den Messpunkt (σx, τxy) gezeichnet werden (Abb. 5.26).
5.3 Fließorte
153
Abb. 5.26. Ermittlung der Lage des Messpunktes auf dem Mohrschen Spannungskreis beim Abscheren unter Annahme der Koaxialität von Hauptdehnungen und Hauptspannungen [5.32,5.39,5.52]
Misst man Abscherpunkte bei verschiedenen Abschernormalspannungen, wird man einen um so größeren Dilatanzwinkel ν erhalten, desto kleiner die Normalspannung beim Abscheren im Verhältnis zur Normalspannung beim Anscheren ist [5.31,5.39]. Aus diesen Informationen erhält man für jeden Abscherpunkt den zugehörigen Mohrschen Spannungskreis. Der Spannungskreis für das stationäre Fließen wird entsprechend Abb. 5.14.b konstruiert, indem das gemessene Wertepaar aus Schubspannung und Normalspannung den Scheitelpunkt des Spannungskreises bildet. Das entspricht der Konstruktion entsprechend Abb. 5.26 für ν = 0 (stationäres Fließen = Fließen unter Volumenkonstanz). Der Fließort wird als Kurve eingezeichnet, die die Spannungskreise für das beginnende Fließen einhüllt. Ein Beispiel zeigt Abb. 5.27 [5.39]. Man sieht, dass der so bestimmte Fließort oberhalb der Abscherpunkte liegt. Die Auswertung unter Berücksichtigung der Verformung der Schüttgutprobe führt je nach Schüttguteigenschaften zu ähnlichen bis größeren Werten für den effektiven Reibungswinkel φe sowie zu größeren Werten für die Druckfestigkeit σc [5.32,5.39,5.52]. Das Verfahren hat sich aber nicht allgemein durchgesetzt. Zum einen ist es aufwendig und schwierig, Dilatanzwinkel genau zu bestimmen, u.a. weil die Verformungsverhältnisse in Schergeräten nicht hinreichend homogen sind [5.32,5.52] und z.B. das Jenike-Schergerät hierzu normalerweise keine Messeinrichtung bietet. Zum anderen wird bei diesem Auswerteverfahren eine Überschätzung der Druckfestigkeit nicht ausgeschlossen [5.32,5.39], insbesondere im Zusammenhang mit der Siloauslegung, die bei der üblichen Auswertung der Messungen mit dem Jenike-Schergerät zu sicheren Aussagen (z.B. hinreichende Auslaufdurchmesser zur Vermeidung von Brückenbildung) führt. Für andere Anwendungen wie z.B. Vergleichsmessungen führt die übliche Auswertemethode ebenso zu verwertbaren Resultaten, so dass der Mehr-
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5 Anmerkungen zum realen Verhalten von Schüttgütern
aufwand zur Bestimmung des Dilatanzwinkels als nicht notwendig erscheint.
Abb. 5.27. Beispiel eines Fließortes, der unter Annahme der Koaxialität von Hauptdehnungen und Hauptspannungen konstruiert wurde [5.39]. Die gestrichelt gezeichneten Spannungskreise gelten für das beginnende Fließen, der durchgezogene Spannungskreis für das stationäre Fließen. Zum Abscheren wurden Normalspannungen bis zur Anschernormalspannung σan verwendet.
Bei der Konstruktion des Fließortes gemäß den Vorgaben Jenikes wird der Mohrsche Spannungskreis für das stationäre Fließen so konstruiert, dass er durch den Anscherpunkt verläuft und den Fließort links vom Anscherpunkt tangiert (Abb. 3.16) [5.54,5.55]. Der Tangentialpunkt ist als Endpunkt e des Fließortes definiert. Die Bedingung, dass der Mohrschen Spannungskreis des stationären Fließens den Fließort tangiert, ist eine Näherung, die benötigt wird, um hinreichend viele Bedingungen zur eindeutigen Festlegung dieses Spannungskreises zu erhalten. An sich wäre zu erwarten, dass der Mohrsche Spannungskreis für das stationäre Fließen, der das fließende Schüttgut beschreibt, etwas unterhalb des zugehörigen Fließortes liegt, der für das beginnende Fließen aus der Ruhe heraus gilt. Beim Fließen ist die Schüttgutdichte in der Scherzone stets kleiner als in Ruhe, und es muss schon aufgrund der Ausdehnung beim Übergang von der Ruhe zum Fließen eine zusätzliche Schubspannung aufgebracht werden (s. Bemerkungen zur Dilatanz und zur Zusammensetzung der Schubspannung in den Kap. 5.2.3 und 5.2.4). Außerdem ist im Ruhezustand wegen der geringeren Abstände zwischen den Partikeln mit größeren Haftkräften als beim Fließen zu rechnen. Somit findet man beim Abscheren einer zuvor unter einer Normalspannung σan angescherten Schüttgutprobe auch Maxima im Schubspannungsverlauf, wenn man Abschernormalspannungen σab im Bereich rechts des
5.3 Fließorte
155
Endpunktes e (Endpunkt e s. Abb. 3.16) verwendet. Selbst beim Abscheren unter einer Normalspannung σab = σan ergibt sich in der Regel eine Schubspannung, die größer ist als die Schubspannung beim stationären Fließen [5.39,5.61]. Entsprechende Messpunkte sind in Abb. 5.28 (wie auch schon in Abb. 5.27) gezeigt.
Abb. 5.28. Fließort aus den in Abb. 5.27 gezeigten Messpunkten nach Auswertung entsprechend den Vorgaben Jenikes [5.39].
Die Messung in Abb. 5.28, die identisch zu der in Abb. 5.27 ist, wurde hier nach den Vorgaben Jenikes [5.54,5.55] ausgewertet. Der Endpunkt e ist dann definitionsgemäß der Endpunkt des Fließortes, aber entsprechend der Begründung im vorangegangenen Absatz kann man auch für Abscherpunkte rechts vom Punkt e Schubspannungsmaxima messen, die zur Ermittlung des Fließortes verwendet werden können [5.39,5.61]. Insofern ist der angenommene Endpunkt nicht der tatsächliche Endpunkt des messbaren Fließortes. Trotz der Näherung, den Spannungskreis für das stationäre Fließen tangential an den Fließort zu legen, erscheint das Auswerteverfahren von Jenike auch hinsichtlich der Konstruktion des Spannungskreises für das stationäre Fließen aufgrund der bereits oben beschriebenen positiven Erfahrungen mit der Anwendbarkeit der Messwerte als hinreichend genau. 5.3.2 Zugfestigkeit und Kohäsion Der Endpunkt des Fließortes bei negativen Normalspannungen markiert die Zugfestigkeit σt. Der Schnittpunkt des Fließortes mit der Schubspannungsachse ist die Kohäsion τc (s. Kap. 3.2.3.3). Die meisten Schergeräte erlauben die Messung von Abscherpunkten bei sehr kleinen positiven Normalspannungen oder negativen Normalspannungen nicht, weil diese
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5 Anmerkungen zum realen Verhalten von Schüttgütern
Spannungen nicht einstellbar oder anderweitig konstruktiv begrenzt sind. Z.B. beim Jenike-Schergerät liegt die untere Grenze je nach Schüttgutdichte und Ausführungsform im Bereich einiger 100 Pa [5.62]. In diesem Fall muss die Kohäsion durch Extrapolation des Fließortes zu kleinen Spannungen hin ermittelt werden. Da Fließorte aber gerade in Nähe der Schubspannungsachse zunehmend gekrümmt sind, ist der so ermittelte Wert der Kohäsion fehlerbehaftet und im Vergleich zur Druckfestigkeit σc deutlich ungenauer. Daher sollte bei Vergleichsmessungen hinsichtlich der Fließfähigkeit die Druckfestigkeit der Kohäsion vorgezogen werden. Bei Ringschergeräten besteht die Möglichkeit, die auf die Schüttgutprobe wirkende Vertikalkraft mit Hilfe einer Vorrichtung, die auf den Scherdeckel eine nach oben gerichtete konstante Kraft ausübt, zu reduzieren (s. Kraft FA in Abb. 4.9). Damit lassen sich Punkte des Fließortes bis herab zu einigen 10 Pa und darunter messen (abhängig von Bauart des Messgerätes und Schüttgutdichte) [5.31,5.62], was die Bestimmung der Kohäsion vereinfacht. Die zu den Messwerten bei sehr kleinen Normalspannungen gehörigen Spannungskreise sind bereits zum Teil im Zugspannungsbereich (Abb. 5.29). Da Schüttgüter im Vergleich zur Druckfestigkeit nur eine geringe Zugfestigkeit haben, fällt der Fließort zu kleinen Normalspannungen hin immer stärker nach unten ab.
Abb. 5.29. Fließort mit Messpunkten; zu den Messpunkten bei kleinen Normalspannungen sind die zugehörigen Spannungskreise gezeichnet, die zum Teil im Bereich negativer Normalspannungen liegen (Auswertung nach Jenike [5.54,5.55])
Durch spezielle Gestaltung oder adhäsive Beschichtung der Unterseite des Scherdeckels konnten mit einem Ringschergerät auch negative Normalspannungen (Zugspannungen) auf die Schüttgutprobe aufgebracht werden [5.31,5.63,5.64]. Abbildung 5.30 zeigt einen Fließort mit Messpunkten auch im Bereich von Zugspannungen. Die Zugfestigkeit σt wurde gemes-
5.3 Fließorte
157
sen, indem das Schüttgut in der Scherzelle angeschert und anschließend der Scherdeckel ohne weitere Scherverformung nach oben gezogen wurde. Damit wurde die Probe zur Messung der Zugfestigkeit in gleicher Weise verfestigt wie zur Messung der Punkte des Fließortes, so dass der Messpunkt der Zugfestigkeit mit dem Fließort kombiniert werden darf. Wäre die Probe vor Messung der Zugfestigkeit auf andere Weise, z.B. durch einachsige Verdichtung wie im Messaufbau nach Abb. 2.19 (Kap. 2.7), verfestigt worden, wäre die Kombination mit dem Fließort wegen der unterschiedlichen Verfestigungsprozedur nicht sinnvoll (s. auch Kap. 5.1.3 zum Einfluss der Verfestigungsprozedur).
Abb. 5.30. Messpunkte eines Fließortes und zugehörige Dilatanzwinkel ν bei Zugund Druckspannungen; außerdem Messpunkt der Zugfestigkeit σt (Kalksteinmehl) [5.31]
Beim Abscheren der Schüttgutprobe bei negativer Normalspannung zeigt der Schubspannungsverlauf zunächst ein Maximum, wie man es auch beim Abscheren bei positiven Normalspannungen feststellt (Abb. 5.31). Im weiteren Verlauf des Abscherens sinkt die Schubspannung aber immer weiter ab, während sich das Schüttgut in der Scherzone zunehmend auflockert. Schließlich reicht die Festigkeit des Schüttgutes nicht mehr aus, um der anliegenden Zugspannung das Gleichgewicht zu halten, so dass sich der Scherdeckel mit dem daran anhaftendem Schüttgut von der übrigen Schüttgutprobe trennt. Dies zeigt sich in Abb. 5.31 an der schlagartigen Zunahme der Probenhöhe h [5.31].
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5 Anmerkungen zum realen Verhalten von Schüttgütern
Abb. 5.31. Schubspannung τ und Probenhöhe h beim An- und Abscheren in Abhängigkeit der Zeit t. Beim Abscheren wurde eine Zugspannung (negative Normalspannung) von 20 Pa eingestellt. Nach dem Erreichen des beginnenden Fließens und dem damit verbundenen Schubspannungsmaximum lockert sich das Schüttgut immer weiter auf, bis es zum Abheben des Scherdeckels kommt (Messwert h der Probenhöhe steigt schnell an) [5.31].
Abbildung 5.30 zeigt außerdem die für die einzelnen Abscherpunkte gemessenen Dilatanzwinkel ν, die gemäß Gl.(5.2) bestimmt wurden. Bei der Messung der Zugfestigkeit beträgt der Dilatanzwinkel 90°, denn es gilt ∆h > 0 und ∆y = 0 (Abb. 5.23, Gl.(5.2)). Wie bereits im Kap. 5.3.1 erwähnt, nimmt der Dilatanzwinkel mit abnehmendem Verhältnis von Abschernormalspannung zu Anschernormalspannung zu. Besonders stark ist der Anstieg des Dilatanzwinkels im Bereich negativer Normalspannungen bis hin zur Zugfestigkeitsmessung mit ν = 90°. Unter der Annahme isotropen Materialverhaltens mit der Koaxialität von Hauptspannungen und Hauptdehnungen (Kap. 5.3.1) lässt sich wie in Abb. 5.26 die Richtung der größten Hauptspannung in Abhängigkeit des Dilatanzwinkels abschätzen (Abb. 5.32). Beim stationären Fließen ist ν = 0°, so dass das Wertepaar aus beim Anscheren aufgebrachter Normalspannung und gemessener Schubspannung den Scheitelpunkt des Spannungskreises bildet (wie bei einfacher Scherung in Abb. 5.14.b). Die größte Hauptspannung schließt mit dem Messpunkt im Spannungskreis den Winkel 90° ein, im Schüttgut die Hälfte dieses Winkels, also 45°. Beim Abscheren beträgt der Winkel zwischen größter Hauptspannung und Abscherpunkt im Spannungskreis (90° + ν) und im Schüttgut (45° + ν/2). Die Hauptspannungen beim An- und Abscheren schließen daher den Winkel ν/2 ein (Abb. 5.32.b).
5.3 Fließorte
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Abb. 5.32. a. Spannungskreis mit Abscherpunkt unter Annahme der Koaxialität von Hauptspannungen und Hauptdehnungen (s. auch Abb. 5.26); b. Schüttgutelement (vertikaler Schnitt) mit Richtungen der größten Hauptspannung beim Anscheren (σ1,an) und Abscheren (σ1,ab). Ebene A repräsentiert die horizontale Ebene, in der die gemessene Schubspannung τxy wirkt.
Im Kap. 5.1.3 wurde gezeigt, dass man kleinere Druckfestigkeiten misst, wenn die Richtungen der Hauptspannungen beim An- und Abscheren zu sehr voneinander abweichen (Bei Kalksteinmehl entsprechend Abb. 5.11 um mehr als 25°). Daher ist damit zu rechnen, dass die Messpunkte des Fließortes im Bereich negativer Normalspannungen hiervon beeinflusst werden, insbesondere der Messpunkt der Zugfestigkeit, bei dem die Hauptspannungen beim Anscheren und bei der Messung um etwa 45° voneinander abweichen. Das Messen von Punkten im Bereich negativer Normalspannungen erscheint daher nicht sinnvoll, zumal das Aufbringen von Zugspannungen beim Schergerät mit einem großen experimentellen Aufwand verbunden und nur für nicht zu große Zugspannungen möglich ist [5.31]. Beim Abscheren bei positiven Normalspannungen sind die Dilatanzwinkel dagegen kleiner, so dass die Hauptspannungen beim An- und Abscheren je nach Schüttgut um nicht mehr als ν/2 = (10° … 20°) voneinander abweichen. Legt man die Messungen an Kalksteinmehl zur Untersuchung des Richtungseinflusses zugrunde (Abb. 5.11), ist bei Winkeln ν/2 im Bereich bis 20° noch keine wesentliche Beeinflussung der Messwerte zu erwarten [5.28,5.30]. Leider gibt es hierzu keine detaillierteren Untersuchungen, so dass man bei der üblichen Messung von Fließorten (wobei die Kohäsion gewöhnlich nicht von Interesse ist) Messpunkte dicht an der Schubspannungsachse vermeiden sollte. Die Auswahl der Messpunkte wird im Kap. 4.2.1 näher behandelt. In der Literatur findet man Vorschläge zur direkten Messung von Kohäsion oder Zugfestigkeit in speziell dazu gestalteten Messvorrichtungen (s. Kap. 6.3.8, 6.3.12 und 6.3.13). Bei diesen Vorrichtungen wird das Schütt-
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5 Anmerkungen zum realen Verhalten von Schüttgütern
gut in der Regel einachsig verdichtet, was tendenziell geringere Festigkeiten und größere Streuungen der Ergebnisse als bei Vorbereitung durch stationäres Fließen ergibt. Weitere Einzelheiten zu diesen Messverfahren findet man in den genannten Kapiteln. Insgesamt lässt sich feststellen, dass Messungen im Bereich sehr kleiner und negativer Normalspannungen schwieriger und aufwendiger sind als im üblichen Spannungsbereich und nur mit wenigen, zum Teil speziell dazu gestalteten Schergeräten durchgeführt werden können. Da die Kohäsion und die Zugfestigkeit bei der Handhabung von Schüttgütern keine wichtige Rolle spielen (insbesondere Zugspannungen treten bei der Handhabung von Schüttgütern kaum auf) und z.B. für die Auslegung von Behältern nicht benötigt werden, besteht in der Regel keine Veranlassung, diese Größen zu messen. 5.3.3 Verhalten bei sehr kleinen Spannungen Manchmal müssen Schüttgüter bei sehr kleinen Spannungen deutlich unter 100 Pa fließen, z.B. beim Befüllen von kleinen Behältnissen oder Matrizen von Tablettenpressen. Dies führt dann zu der Frage nach den Fließeigenschaften in diesem Spannungsbereich. Bei den meisten Messverfahren treten schon prinzipbedingt größere Spannungen auf, da z.B. bereits beim Einfüllen mehrere Millimeter hohe Schüttgutschichten entstehen, unter denen je nach Schüttgutdichte bereits Spannungen von mehr als 100 Pa herrschen können. Dazu kommen Gewichtskräfte von Teilen, die das Schüttgut belasten (z.B. Scherdeckel beim Jenike-Schergerät). Die Untergrenze für die Normalspannung liegt z.B. beim Jenike-Schergerät konstruktionsbedingt bei einigen 100 Pa, d.h. die kleinste Verfestigungsspannung σ1 eines Fließortes beträgt dadurch einige 1000 Pa [5.62]. Aufgrund fehlender Messwerte werden Fließeigenschaften häufig in den Bereich sehr kleiner Spannungen extrapoliert. Dabei werden meist lineare Verläufe von Fließorten, Fließfunktionen und stationären Fließorten angenommen und aufbauend auf den Wechselwirkungen zwischen Einzelpartikeln begründet [5.65,5.66]. Dies erscheint für den Bereich großer Spannungen sinnvoll, führt jedoch bei kleinen Spannungen besonders bei kohäsiven Schüttgütern zu Fehleinschätzungen. was Untersuchungen des Fließverhaltens bei sehr kleinen Spannungen mit einem speziell angepassten Ringschergerät gezeigt haben [5.31,5.63,5.64]. Dies wird nachfolgend anhand der Fließfunktion und des stationären Fließortes verdeutlicht. Die Fließfunktion gibt die Druckfestigkeit σc in Abhängigkeit von der Verfestigungsspannung σ1 wieder. Ein Beispiel für eine Fließfunktion eines kohäsiven Kalksteinmehls bei sehr kleinen Spannungen zeigt Abb.
5.3 Fließorte
161
5.33. Die bei großen Spannungen mit geringer Steigung verlaufende Fließfunktion fällt zu kleinen Spannungen hin deutlich ab und bleibt dicht an der Geraden für ffc = σc/σ1 = 1. Würde man hier nur Punkte der Fließfunktion bei Verfestigungsspannungen von z.B. 1000 Pa und mehr messen, würde eine Extrapolation nach links zu einer deutlichen Überschätzung der Druckfestigkeit führen.
Abb. 5.33. Fließfunktion von Kalksteinmehl (x50,3 = 4,7 µm) bei sehr kleinen Spannungen [5.31,5.63,5.64]
Den zum untersten Messpunkt in Abb. 5.33 gehörigen Fließort zeigt Abb. 5.34. Die Auswertung der Messpunkte nach der Methode von Jenike (Abscherpunkte sind Punkte des Fließortes) führt hier zu einer Druckfestigkeit, die nur geringfügig größer ist als die Verfestigungsspannung, sowie zu einem Mohrschen Spannungskreis für das stationäre Fließen, der teilweise im Zugspannungsbereich liegt (σ2 < 0). Ein ähnliches Aussehen zeigen alle mit dem Kalksteinmehl für Verfestigungsspannungen unter 500 Pa gemessenen Fließorte. Offensichtlich kann die Druckfestigkeit hier nicht deutlich größer werden als die Verfestigungsspannung, was den Verlauf der Fließfunktion dicht an der Geraden für ffc = 1 begründet. Es muss erwähnt werde, dass der Fließort in Abb. 5.34 nicht exakt den Definitionen Jenikes entspricht. Gemäß Jenike ist der Endpunkt des Fließortes der Punkt, wo der Fließort den Mohrschen Spannungskreis für das stationäre Fließen berührt (Punkt e in Abb. 3.16). Der Mohrsche Spannungskreis für die Schüttgutfestigkeit σc in Abb. 5.34 berührt den Fließort aber rechts von Punkt e, d.h. an einer Stelle, wo der Fließort gemäß Jenike nicht definiert ist. Außerdem ist es wegen der beim stationären Fließen negativen kleinsten Hauptspannung σ2 nicht möglich, einen effektiven Fließort (Linie durch den Ursprung, die den Mohrschen Spannungskreis für das stationäre Fließen tangiert) zu konstruieren und damit den effektiven Reibungswinkel φe zu bestimmen (Abb. 5.34). Nichtsdestotrotz findet man bei
162
5 Anmerkungen zum realen Verhalten von Schüttgütern
der praktischen Messung von Fließorten hin und wieder Fließorte wie in Abb. 5.34 (auch bei größeren Verfestigungsspannungen als in Abb. 5.34). Berücksichtigt man, dass man mit Schergeräten auch Punkte für beginnendes Fließen (gekennzeichnet durch Versagen der Probe und Abnahme der Schüttgutdichte) auch rechts von Punkt e findet (z.B. in Abb. 5.28), und dass die Bestimmung des Fließortes auf gewissen Annahmen beruht (Kap. 5.3.1), erscheint es akzeptabel, auch solche Fließorte auszuwerten, bei denen σ2 < 0 und σ1 < σc ist.
Abb. 5.34. Fließort von Kalksteinmehl (x50,3 = 4,7 µm) bei sehr kleiner Verfestigungsspannung [5.31,5.63,5.64]
Der stationäre Fließort ist die gemeinsame Einhüllende aller Spannungskreise für stationäres Fließen und wird häufig basierend auf den Partikelwechselwirkungen als Gerade angenommen, die sogar bis in den Bereich negativer Normalspannungen extrapoliert wird [5.27,5.65,5.66]. Die Annahme des geradlinigen Verlaufs lässt sich anhand von Messergebnissen im Bereich üblicher Verfestigungsspannungen (= mit üblichen Schergeräten messbar, also oberhalb einiger kPa) verifizieren. Abbildung 5.35.a zeigt einen mit dem bereits in den vorangegangenen Abbildungen betrachteten Kalksteinmehl ermittelten stationären Fließort, der in Form einer Geraden die bei größeren Spannungen gemessenen Spannungskreise (auch solche bei noch größeren Spannungen als in Abb. 5.35.a) einhüllt. Unterhalb einer größten Hauptspannung (Verfestigungsspannung) von 0,5 kPa weichen die Spannungskreise aber zunehmend vom als Gerade angenäherten stationären Fließort ab.
5.3 Fließorte
163
Abb. 5.35. a. Spannungskreise für stationäres Fließen bei unterschiedlichen Verfestigungsspannungen, stationärer Fließort als Gerade angenähert (Kalksteinmehl mit x50,3 = 4,7 µm); b. kleinste Hauptspannung in Abhängigkeit der größten Hauptspannung beim stationären Fließen [5.31, 5.63,5.64]
Auch wenn die Messergebnisse der in der Literatur zu findenden Annahme des geradlinigen stationären Fließortes [5.27,5.65,5.66] widersprechen, erscheint das Verhalten doch plausibel. Würde der angenommene geradlinige Verlauf des stationäres Fließort bis in den Bereich negativer Normalspannungen fortgeführt, so müsste es Spannungskreise für das stationäre Fließen geben, die zu einem beträchtlichen Teil oder gar vollständig im Bereich negativer Normalspannungen (Zugspannungen) liegen. Demnach müsste es möglich sein, ein Schüttgut in einem Schergerät unter einer von außen aufgebrachten vertikalen Zugspannung zum stationären Fließen zu bringen. Dem widerspricht Abb. 5.35, denn dort unterschreitet die kleinste Hauptspannung (linker Schnittpunkt der Spannungskreise mit der σ-Achse) kaum nennenswert die Spannung σ = 0 (Abb. 5.35.b). Ein weiterer Widerspruch ist der Befund von Abb. 5.31, wo es im Verlauf des Abscherens nicht zum stationären Fließen unter der aufgebrachten Zugspannung, sondern zum Abheben des Scherdeckels aufgrund des sich immer weiter auflockernden Schüttgutes kam. Die bei kleinen Spannungen festzustellenden Abweichungen vom geradlinigen Verlauf des stationären Fließens scheinen also auch hier ähnlich wie beim Messen von Punkten des Fließortes bei kleinen Spannungen (Kap. 5.3.2) darauf zu beruhen, dass ein Schüttgut keinen nennenswerten Zugspannungen standhalten kann. Die Empfindlichkeit gegenüber Zugspannungen beim stationären Fließen zeigt folgende vereinfachte Betrachtung: Wenn eine Schüttgutprobe einer Zugspannung unterworfen ist und dabei geschert wird (Abb. 5.36.a), ist die größte Hauptspannung σ1 negativ und gegenüber der Vertikalen geneigt. Abbildung 5.36.b zeigt als einfaches Modell zwei Partikelschichten im Bereich der Scherzone. Da das Schüttgut elastisch ist, können die
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5 Anmerkungen zum realen Verhalten von Schüttgütern
Wechselwirkungen mit den ober- und unterhalb der betrachteten Schichten befindlichen Partikeln durch Zugfedern ersetzt werden, die die negative Hauptspannung simulieren. Bei der Scherverformung bewegen sich die Partikel relativ zueinander. Dabei werden Partikelkontakte durch andere Partikelkontakte ersetzt. Aufgrund der Zugspannungen nimmt dabei aber die Zahl und auch die übertragbare Haftkraft pro Kontakt ab, denn sobald der Kontakt zwischen zwei Partikeln abreißt, werden die Partikel aufgrund der Wirkung der „Federn“ voneinander weggezogen. Dadurch nehmen die Abstände zwischen den Partikeln immer weiter zu, was zum einen die Anzahl der Kontakte mit der Zeit verringert, und zum anderen zu geringeren Haftkräften bei neu gebildeten Kontakten führt. Damit sinkt allmählich die vom Schüttgut übertragbare Zugspannung ab und schließlich kommt es zum Versagen (z.B. Abheben des Scherdeckels beim Scheren unter negativer Normalspannung, s. Abb. 5.31).
Abb. 5.36. a. Spannungen beim Scheren unter Zugspannungen ; b. Federmodell
Das Modell zeigt, dass stationäres Fließen unter nennenswerten Zugspannungen nicht möglich ist, weil es immer zu einer mit der Scherverformung zunehmenden Schwächung des Schüttgutes kommt. Aufgrund dieses Verhaltens sind keine Spannungskreise für stationäres Fließen, die vollständig oder zu einem größeren Teil im Bereich negativer Normalspannungen liegen, möglich. Dies zeigen die Spannungskreise im linken Teil von Abb. 5.35.a, und der Verlauf der kleinsten Hauptspannung σ2 (Abb. 5.35.b) bei kleinen Werten der größten Hauptspannung σ1: Wenn die größte Hauptspannung sinkt, verbleiben die kleinsten Hauptspannungen nahe Null bzw. unterschreiten den Wert Null kaum. Die wiederum hat zur Folge, dass der stationäre Fließort im Bereich kleiner Spannungen nicht linear, sondern nach unten hin gekrümmt ist (s. Kap. 3.2.3.3). Die Messergebnisse bei sehr kleinen Spannungen zeigen, dass die Extrapolation der Fließeigenschaften in den Bereich kleiner Spannungen prob-
5.4 Einfluss der Geschwindigkeit
165
lematisch ist. Anderseits ist die Messung bei sehr kleinen Spannungen, zumal wenn man den Anspruch genauer Messergebnisse hat, schwierig und aufwendig [5.31], so dass dies als Routinemessung für praktische Anwendungen derzeit nicht sinnvoll erscheint.
5.4 Einfluss der Geschwindigkeit Beim Messen von Fließeigenschaften mit Schergeräten verwendet man Schergeschwindigkeiten (Relativgeschwindigkeit zwischen Ober- und Unterseite der Schüttgutprobe bei Höhen der Schüttgutprobe im Bereich einiger cm) in der Größenordnung von 1 bis 2 mm/min. Da Fließgrenzen gemessen werden, interessiert vor allem der Übergang von der Ruhe zum Fließen, der sich bei diesen geringen Geschwindigkeiten gut messen lässt, da genügend Zeit zum Beobachten der Messwerte zur Verfügung steht und Trägheitskräfte noch keine Rolle spielen. Auch in der Praxis fließt Schüttgut in Behältern, Trichtern etc. mit geringen Geschwindigkeiten, die in der Regel deutlich unterhalb von 1 m/s liegen. Der Einfluss der Geschwindigkeit ist bei Schüttgütern viel kleiner als bei Fluiden und kann daher üblicherweise beim langsamen Fließen von Schüttgütern vernachlässigt werden. Dagegen spielt bei Fluiden der Druck nur eine untergeordnete Rolle, der bei Schüttgütern als „Normalspannung“ von großem Einfluss auf die Schubspannung ist. Da sich bei der Schüttgutreibung Festkörper gegeneinander bewegen, zeigen sich eher Parallelen zur Festkörperreibung, bei der u.a. mikroskopische Verformungen an den Partikelkontakten das Reibungsverhalten beeinflussen. Dabei kann die Schubspannung je nach Materialverhalten mit der Geschwindigkeit zuoder abnehmen. Gemessen wurden Änderungen der Schubspannung in der Größenordnung weniger Prozent bei Verzehnfachung der Schergeschwindigkeit. Deutliche Auswirkungen auf den Schubspannungsverlauf zeigen dagegen schlagartige Geschwindigkeitsänderungen, die daher beim Messen von Fließeigenschaften zu vermeiden sind. Der Einfluss der Geschwindigkeit ist im Kap. 7.1.1 im Zusammenhang mit der Slip-StickReibung beschrieben. Für das schnelle Fließen von Schüttgütern bei Schergeschwindigkeiten in der Größenordnung einiger m/s bestehen andere Gesetzmäßigkeiten, die hier nicht behandelt werden. Bei diesen Geschwindigkeiten nimmt die Schubspannung mit der Schergeschwindigkeit aufgrund von Kollisionen der Partikeln zu [5.43].
6 Überblick über Messverfahren und Messgeräte
Schergeräte sind die Standardmessgeräte der Schüttguttechnik. Auch wenn man bei ihrer Anwendung mit Vereinfachungen arbeitet, z.B. bei der Auswertung von Fließorten (Kap. 5.3), weiß man aufgrund von zahlreichen Untersuchungen, die in Hunderten von Publikationen beschrieben sind, relativ viel über die Vorgänge in der untersuchten Schüttgutprobe. Schließlich trifft man aufgrund der Messergebnisse Entscheidungen zur Gestaltung von Trichtern und Silos, also über große Investitionssummen. Werden Ergebnisse vor allem zum Vergleich von Schüttgutproben und nicht zur Auslegung von Anlagenteilen benötigt, besteht oft der Wunsch nach möglichst einfachen Messmethoden. Auch ist manchmal festzustellen, dass eine gewisse Scheu vor Schergeräten besteht, da die Darstellung der Ergebnisse mit Fließorten und Spannungskreisen auf den ersten Blick als kompliziert empfunden wird. Daher werden zur Beurteilung der Fließfähigkeit auch andere Messgeräte und -verfahren eingesetzt, die zum Teil auf anderen Messprinzipien beruhen und andere physikalische Größen erfassen. Wegen des Anspruchs dieser Geräte, Fließeigenschaften oder zumindest die Fließfähigkeit von Schüttgütern messen zu können, muss es erlaubt sein, sie hinsichtlich der gleichen Kriterien wie auch Schergeräte zu beurteilen, was in diesem Kapitel geschieht.
6.1 Einflüsse auf das Messergebnis 6.1.1 Prozedur und Hauptspannungen Aufgrund der vielfältigen Einflüsse auf das Messergebnis sollte stets angestrebt werden, ein Messverfahren mit definierten Bedingungen einzusetzen. Aus den im Kap. 5 beschriebenen Befunden lassen sich Grundregeln für das Messen von Fließeigenschaften, wozu insbesondere die für die Siloauslegung und die Fließfähigkeitsbestimmung wichtige Druckfestigkeit bzw. Schüttgutfestigkeit σc gehört, ableiten: • Die Verfestigungsprozedur sollte mit dem stationären Fließen enden, denn durch das stationäre Fließen wird der Einfluss der Vorgeschichte
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6 Überblick über Messverfahren und Messgeräte
(Füllen, vorangegangene Verformung) weitgehend eliminiert, und man erhält bei gegebener Verfestigungsspannung die größte Festigkeit (größer als bei ein- oder zweiachsiger Verdichtung). Außerdem stellt sich stationäres Fließen erst ein, wenn die Schüttgutprobe überall hinreichend verdichtet ist, so dass durch die Beobachtung der Spannungen während der Verdichtung der Verfestigungszustand überwacht werden kann. • Stationäres Fließen bedeutet hier, dass die Spannungen (beim Schergerät: Schubspannung) im Verlauf des Anscherens nicht weiter ansteigen. Die Probe sollte nicht so lange verformt werden, bis die Spannungen aufgrund der Lokalisation auf niedrigem Niveau konstant bleiben. Dies würde zu zu kleinen Schubspannungen beim Abscheren und damit zu zu kleinen Werten der Druckfestigkeit σc führen. • Bei der Verfestigung (Anscheren) und bei der Messung der Festigkeit (Abscheren) sollten die größten Hauptspannungen in die gleiche Richtung weisen. • Während der Messung darf die Verformungsgeschwindigkeit (z.B. die Schergeschwindigkeit bei Schergeräten) nicht schlagartig verändert werden. Diese Bedingungen lassen sich mit Schergeräten weitgehend erfüllen. Die Hauptspannungen haben beim An- und Abscheren nur wenig voneinander abweichende Richtungen, wenn nicht zu kleine Spannungen für das Abscheren gewählt werden (s. Kap. 5.3.2). Betrachtet man als Beispiel die Scherzelle des Jenike-Schergerätes (Abb. 6.1), so ist beim Anscheren die größte Hauptspannung um einen Winkel von etwa 45° gegen die Vertikale geneigt (σ1,an), beim Abscheren um etwas größere Winkel (σ1,ab). Bei kleinen Abweichungen der Richtungen der Hauptspannungen ist der Einfluss aber klein und kann daher vernachlässigt werden. Die Bedingung „Verfestigung bis zum stationären Fließen“ lässt sich bei richtiger Durchführung der Messung ebenfalls erfüllen. Anders sieht dies beim einachsigen Druckversuch (Kap. 3.1, Abb. 3.1) aus. Auch hier ist zwar die Richtung der größten Hauptspannung beim Verfestigen und beim Messen der Festigkeit gleich, nämlich vertikal, aber beim Verfestigen wird nur einachsig verdichtet. Die Verfestigung entspricht somit der im Kap. 5.1 diskutierten Prozedur I der Zweiaxialbox und lässt gegenüber einer Verfestigungsprozedur, bei der stationäres Fließen erreicht wird, geringere Werte für die gemessene Druckfestigkeit σc erwarten.
6.1 Einflüsse auf das Messergebnis
169
Abb. 6.1. Prinzipielle Richtungen der Hauptspannung beim Anscheren (σ1,an) und Abscheren (σ1,ab) am Beispiel der Scherzelle des Jenike-Schergerätes (qualitativ)
Ein weiterer Vorteil der Verfestigung durch Scheren bis zum Erreichen des stationären Fließens gegenüber der einachsigen Verdichtung ist die zu erwartende geringere Streuung der Messwerte: Da beim Anscheren eine Probe so lange geschert wird, bis die gemessene Schubspannung konstant ist, besteht eine indirekte Kontrolle über den aktuellen Verfestigungszustand. Solange es in der Schüttgutprobe noch nicht hinreichend verfestigte Bereiche gibt, wird die Schubspannung noch weiter ansteigen. Inhomogenitäten (z.B. kleine Hohlräume), die durch das Einfüllen des Schüttgutes entstehen können, werden in gewissem Umfang durch die der Schüttgutprobe aufgeprägte Verformung, die eine Relativbewegung der Partikel innerhalb der Schüttgutprobe ermöglicht, beim Anschervorgang ausgeglichen. Die Bedingung der definiert verfestigten Schüttgutprobe beinhaltet auch, dass die Schüttgutprobe nach dem Messen der Festigkeit (z.B. durch das Abscheren) erst wieder erneut definiert verfestigt werden muss, bevor ihre Festigkeit erneut gemessen wird. Aus diesem Grund wird beim Messen eines Fließortes mit einem Schergerät vor jedem Abscheren der Probe zunächst angeschert (s. Prozedur in Abb. 3.14). In der Literatur findet man vereinzelt Vorschläge zu Prozeduren, die dieser Bedingung nicht folgen. Enstad et al. [6.1] beschreiben eine Prozedur, bei der eine Probe mit dem Jenike-Schergerät nur einmal angeschert und dann hintereinander bei verschiedenen Normalspannungen abgeschert wird, ohne zwischendurch wieder angeschert zu werden (Abb. 6.2.a). Da das Maximum beim Abscheren aber als Bruch zu interpretieren ist und mit einer Auflockerung des Schüttgutes einhergeht, ist das Schüttgut nach dem ersten Abscheren nicht mehr im gleichen Zustand wie davor. Man wird daher außer beim ersten Abscheren tendenziell zu kleine Abscherschubspannungen messen, d.h. der Fließort verschiebt sich zu kleineren Schubspannungen.
170
6 Überblick über Messverfahren und Messgeräte
Ähnlich ist das in [6.2,6.3] verwendete Verfahren zu bewerten, bei dem mit einem Translationsschergerät (mit einer Scherzelle ähnlich der des Jenike-Schergerätes) zunächst angeschert wird, nach Erreichen des stationären Fließens die Normalspannung aber kontinuierlich verringert wird (Abb. 6.2.b). Ziel ist es, auf dem Fließort in Richtung abnehmender Normalspannungen entlangzufahren. Betrachtet man das beginnende Fließen als Bruch, so würde dies bedeuten, dass das Schüttgut im Zustand des Bruchs über längere Zeit konserviert wird. Dies ist aber nicht zu erwarten, denn es kommt zu einer dauernden Ausdehnung des Schüttgutes während des Abschervorgangs, so dass sich der Zustand der Schüttgutprobe immer mehr von dem ursprünglichen, nach dem Anscheren bestehenden Verfestigungszustand entfernt und der Fließort zu kleineren Schubspannungen hin verschoben wird [6.4–6.7].
Abb. 6.2. a. Verlauf der Schubspannung über der Zeit beim Messen mehrerer Abscherpunkte ohne zwischenzeitiges Anscheren nach [6.1]; b. Spannungspfad (Richtung s. Pfeile) im σ-τ-Diagramm beim Messen eines Fließortes nach [6.2,6.3]. Nach dem Erreichen des stationären Fließens im Anscherpunkt wird die Normalspannung reduziert, worauf sich die Probe ausdehnt und die Schubspannung sinkt.
Unter Hinweis auf die Problematik der Messung nach Abb. 6.2.b modifizierten Haaker et al. [6.6,6.7] eine Scherzelle (ähnlich der Scherzelle des Jenike-Schergerätes) so, dass das Volumen während des Abscherens konstant gehalten werden kann. Dadurch wird die Auflockerung des Schüttgutes während des Abscherens verhindert, d.h. die Probe behält näherungsweise die Eigenschaften, die sie nach der Verfestigung hatte. Die Messwerte zeigen eine gute Übereinstimmung mit Fließorten, die auf übliche Weise gemessen wurden. Der gerätetechnische Aufwand ist jedoch im Vergleich zu einem Jenike-Schergerät groß, so dass sich das Messverfahren nicht allgemein durchgesetzt hat. Daher ist bei Schergeräten die auf Jenike zurückgehende Prozedur zu bevorzugen, bei der die Schüttgutprobe
6.1 Einflüsse auf das Messergebnis
171
vor jedem Abscheren durch Anscheren bis zum Erreichen des stationären Fließens vorbereitet wird. 6.1.2 Spannungen in der Messebene Für eine quantitative Aussage ist es notwendig, dass die Spannungen in der Messebene bekannt sind. Beim Schergerät nach Jenike (Abb. 6.1) ist die Messebene die Trennfläche zwischen dem oberen Ring und dem Bodenring. Durch leichtes Anheben des oberen Ringes vor Beginn der Messung erreicht man, dass sich oberer Ring und Bodenring nicht berühren. Damit wird sichergestellt, dass die gemessene Scherkraft auch in der Messebene wirkt und nicht durch Reibung zwischen den beiden Ringen verfälscht wird. Entsprechendes gilt für die Normalkraft [6.8]. Mit dieser Maßnahme sind zumindest die mittlere Normalspannung und die mittlere Schubspannung in der Messebene eindeutig bekannt. Weiterhin ist anzustreben, dass die Spannungen an jeder Stelle der Messebene gleich groß sind (homogene Spannungsverteilung). Ist dieses nicht der Fall und liegen unterschiedliche Spannungen vor, so wird das Schüttgut beim Verfestigen (Anscheren) an unterschiedlichen Stellen unterschiedlich stark verfestigt, und man misst anschließend (Abscheren) die mittlere Festigkeit der unterschiedlich stark verfestigten Bereiche des Schüttgutes. Im Schergerät nach Jenike findet man unmittelbar an den Wänden der die Schüttgutprobe umgebenden Ringe – vor allem in Scherrichtung gesehen vorn und hinten – Inhomogenitäten der Spannungsverteilungen [6.9]. Da sich diese Inhomogenitäten aber auf kleine Bereiche erstrecken, erhält man mit dem Schergerät nach Jenike hinreichend verlässliche Ergebnisse, was nicht zuletzt Vergleichsmessungen mit sehr viel aufwendigeren Messgeräten [6.6,6.10–6.15] gezeigt haben. Die Problematik von Messgeräten mit nicht genau bekannten Spannungen lässt sich am einachsigen Druckversuch (s. Kap. 3.1, Abb. 3.1) zeigen. Bei reibungsbehafteter Wand ergibt sich bei der Verfestigung der Schüttgutprobe innerhalb des Hohlzylinders (Abb. 6.3) ein Absinken der Vertikalspannung σv (= Verfestigungsspannung σ1) nach unten hin, und zwar je nach Schüttguteigenschaften (Horizontallastverhältnis, Wandreibungswinkel) mehr oder weniger, d.h. weder der Spannungsverlauf noch der Mittelwert der Spannungen in der Schüttgutprobe sind eindeutig bekannt. Die berechneten Spannungsverläufe in Abb. 6.3 (zur Berechnung von Spannungen im Schüttgut s. Kap. 9.2) zeigen, dass die relative Abnahme der Vertikalspannung σV nach unten hin um so stärker ist, desto größer die aufgebrachte Verfestigungsspannung ist. Ebenfalls wird deutlich, dass die
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6 Überblick über Messverfahren und Messgeräte
Vertikalspannung von oben her zunächst sehr stark abnimmt. Das heißt, dass nur in unmittelbarer Nähe der Oberkante in etwa die aufgegebene Spannung erreicht wird. Beim anschließenden Messen der Druckfestigkeit wird der Bruch bevorzugt im weniger verfestigten unteren Teil der Schüttgutprobe eintreten, so dass man die Festigkeit des Schüttgutes unterschätzt.
Abb. 6.3. Spannungsverlauf bei einachsiger Verdichtung in einem Hohlzylinder mit reibungsbehafteten Wänden (Probendurchmesser 5 cm, Probenhöhe 10 cm, Wandreibungswinkel φx = 30°, Horizontallastverhältnis λ = 0,4, Schüttgutdichte ρb = 1000 kg/m3)
6.2 Anforderungen an Messgeräte für Fließeigenschaften Um eine quantitative Aussage über die Fließfähigkeit und andere Fließeigenschaften eines Schüttgutes, wie sie im Kap. 3 beschrieben wurden, zu erhalten, ist die definierte Messung der Druckfestigkeit einer zuvor definiert verfestigten Probe erforderlich. Nur so ist eine Vergleichbarkeit der Messergebnisse weitgehend unabhängig vom Messgerät möglich, und nur so sind quantitative Aussagen, z.B. zur Auslegung von Silos oder Trichtern, erzielbar. Verzichtet man auf die quantitative Aussage, sind im Prinzip alle Messungen denkbar, bei denen eine Probe in irgendeiner Art verfestigt wird, und anschließend in irgendeiner Art deren Festigkeit bestimmt wird. Aber, wie in den vorangegangenen Kapiteln gezeigt wurde, kann es dabei aufgrund von weiteren Einflüssen (z.B. Wandreibung, Anisotropie) zu einer Verminderung der Aussagefähigkeit kommen. Weitere sinnvolle Fähigkeiten eines Messgerätes sind:
6.3 Messverfahren (Übersicht)
173
• Möglichkeit, das Niveau der Verfestigungsspannung zu variieren. So kann die Messung den Spannungen angepasst werden, bei denen das Schüttgut gehandhabt oder gelagert wird. Damit ist die Messung noch aussagekräftiger, vor allem, wenn die Messergebnisse für weitere Berechnungen verwendet werden sollen. • Möglichkeit, die Zeitverfestigung zu messen. Häufig entstehen Probleme dann, wenn das Schüttgut längere Zeit in Ruhe lagert, z.B. im Silo, BigBag oder auch einem kleineren Behälter. Die Probleme äußern sich insofern, dass das Schüttgut nach längerer Zeit nicht ausfließt oder Klumpen bildet. Die Zeitverfestigung kann nicht aus dem Verhalten des Schüttgutes ohne Zeiteinfluss geschätzt werden. Fasst man diese Fähigkeiten mit den Anforderungen gemäß Kap. 6.1 zusammen, kann man Kriterien für ein Messgerät formulieren, das eine quantitative Information über die im Kap. 3 definierte Fließfähigkeit und weitere Fließeigenschaften geben soll. Die letzten beiden Kriterien (6 und 7) sind wünschenswerte Eigenschaften, die allein für eine Fließfähigkeitsbestimmung nicht unbedingt erforderlich sind: 1. Verfestigungsprozedur mit anschließender Messung der Festigkeit. 2. Verfestigung der Schüttgutprobe bis zum Erreichen des stationären Fließens. 3. Nicht zu sehr voneinander abweichende Beanspruchungsrichtungen (gleiche Richtungen der größten Hauptspannungen) beim Verfestigen und beim Messen der Festigkeit. 4. Reproduzierbare Beanspruchung der Probe bei der Verfestigung (4.a) und beim Messen der Festigkeit (4.b). 5. Bekannte mittlere Spannungen in der Messebene bei möglichst homogener Spannungsverteilung beim Verfestigen (5.a) und beim Messen der Festigkeit (5.b). 6. Möglichkeit zur Variation der Verfestigungsspannung (Anpassung an die Anwendung, für die die Messungen durchgeführt werden). 7. Möglichkeit zur Messung der Zunahme der Druckfestigkeit mit der Zeit (Zeitverfestigung; falls für Anwendung erforderlich).
6.3 Messverfahren (Übersicht) Aufbauend auf einer bereits früher vom Verfasser veröffentlichten Betrachtung [6.16,6.17] werden in diesem Kapitel einige Messverfahren und -geräte zur Beurteilung des Fließverhaltens von Schüttgütern vorgestellt und anhand ihrer Funktion erläutert. Zum Teil werden die Geräte in der
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6 Überblick über Messverfahren und Messgeräte
Praxis eingesetzt, zum Teil sind es Vorschläge aus Veröffentlichungen. Aufwendige Geräte, die vor allem im Rahmen wissenschaftlicher Untersuchungen benutzt werden (z.B. [6.6, 6.11–6.13,6.15,6.18]), werden hier nicht behandelt (Übersichten hierzu s. [6.10,6.19,6.20]). Die hier gezeigten Geräte wurden hinsichtlich einer möglichst großen Vielfalt von Messverfahren ausgewählt, um viele Prinzipien erläutern zu können. Die Aufnahme eines bestimmten Gerätes in die folgende Betrachtung bedeutet nicht, dass das Gerät aus schüttgutmechanischer Sicht sinnvoll einzusetzen ist. Ebenso mag es nützliche Geräte geben, die hier nicht aufgeführt sind. Die Messverfahren werden jeweils in einer Tabelle hinsichtlich ihrer Eignung zur Ermittlung der Fließfähigkeit ffc, wie sie im Kap. 3 definiert wurde, anhand der im Kap. 6.2 beschriebenen Kriterien bewertet. Es sind auch Messverfahren enthalten, die das Fließverhalten oder damit verwandte Größen auf andere Art als in Kap. 3 beschrieben ermitteln. Dies mag für Anwendungen, die dem betreffenden Messverfahren gleichen, nützlich sein, aber hinsichtlich der hier angewendeten Kriterien schneiden diese Geräte naturgemäß schlecht ab. Es muss eingeräumt werden, dass eine schematische Einordnung der Vielfalt der Messverfahren sicherlich nicht in allen Punkten gerecht wird. Eine vor dem strengen Hintergrund der quantitativen Anwendung ungünstig erscheinende Bewertung schließt die Eignung der Geräte für spezielle Zwecke nicht aus. Die Hinweise sollten also niemanden davon abhalten, ein hier behandeltes Messverfahren anzuschaffen oder zu benutzen. Dringend anzuraten ist aber, vor der Beschaffung eines neuen Messgerätes zu überdenken, was gemessen werden soll und ob ein bestimmtes Messgerät die Verhältnisse in der Anwendung (z.B. Spannungsniveau, Zustand des Schüttgutes, Lagerzeit) wiedergeben kann. Sinnvoll sind in diesem Zusammenhang Vorversuche mit unterschiedlichen Messgeräten. Die Erläuterung der Messverfahren erfolgt in vereinfachter Form mit schematisierten Angaben der für die Messung wichtigen Größen. Der Index „V“ kennzeichnet eine Verfestigung der Schüttgutprobe vor der Messung, der Index „M“ die gemessene Größe (m: Masse, F: Kraft, M: Moment, p: Druck, α: Winkel, d: Durchmesser, t: Zeit). FN ist eine konstante Normalkraft, die während der Messung auf die Schüttgutprobe wirkt. Nach einer Beschreibung des Messprinzips und Bemerkungen hinsichtlich spezieller Eigenheiten folgt die Einordnung anhand der Erfüllung der Kriterien 1 bis 7 aus Kap. 6.2. Falls eines der Kriterien für ein Messgerät nicht anzuwenden ist, ist an der entsprechenden Stelle „–“ vermerkt. Die Bewertung der Aussagefähigkeit der Messverfahren („Bemerkungen“) erfolgt im Vergleich zu in der Schüttguttechnik als Standardmessgeräte verwendeten Schergeräten, die die im Kap. 6.2 genannten Anforderungen an ein Messverfahren weitgehend erfüllen. Die Verwendung der
6.3 Messverfahren (Übersicht)
175
Bezeichnung „quantitative Aussage“ bedeutet, dass etwa die gleichen Messwerte für die Druckfestigkeit wie z.B. mit dem Jenike-Schergerät erreicht werden können, „eingeschränkt quantitative Aussage“ meint, dass die Messwerte etwas abweichen, weil eines der wichtigen Kriterien 1 bis 5 (Kap. 6.2) nicht oder nicht ganz erfüllt wird. „Qualitative Aussage“ deutet an, dass mindestens zwei dieser Kriterien nicht erfüllt werden, so dass mit Abweichungen (z.B. durch undefinierte Spannungen) oder dem Einfluss weiterer physikalischer Größen (z.B. Durchströmbarkeit) zu rechnen ist. Bewertet werden grundsätzlich nur die prinzipiellen schüttgutmechanischen Gegebenheiten, nicht z.B. die Bedienerfreundlichkeit, die Qualität der Ausführung, mögliche Einflüsse durch Reibung usw. Dies muss im Einzelfall an einem individuellen Gerätetyp geprüft werden. Selbst mit Schergeräten kommt man bei unsachgemäßer Ausführung (z.B. Beeinflussung von Messwerten durch Reibung in Lagern oder im Bereich der Scherzelle, ungenaue Einstellung von Normalspannungen), Versuchsprozedur (z.B. kein hinreichendes Anscheren oder zu lange Scherverformung, s. Kap. 5) oder Anwendung (z.B. durch Nichtbefolgen der Messvorschriften) zu verfälschten Ergebnissen [6.21,6.22]. 6.3.1 Trichter
Abb. 6.4. a. Trichter mit verschiedenen Auslaufdurchmessern, b. Trichter zur Messung der Auslaufzeit; c. wie b., aber mit Rührer als Austraghilfe
Methode: Schüttgut wird in Trichter mit unterschiedlichen Auslaufdurchmessern gegeben (Abb. 6.4.a). Maß für die Fließfähigkeit ist der minimale Auslaufdurchmesser dM, bei dem das Schüttgut noch ausfließt [6.23]. Alternativ: Messen des Auslaufmassenstroms bzw. der Zeit tM, die eine bestimmte Menge Schüttgut benötigt, um aus einem Trichter mit gegebenem Auslaufdurchmesser auszufließen (Abb. 6.4.b). Varianten benutzen Austraghilfen (z.B. Rührer, Abb. 6.4.c), damit auch kohäsive Schüttgüter ausflie-
176
6 Überblick über Messverfahren und Messgeräte
ßen. Eine kürzere Auslaufzeit wird einer besseren Fließfähigkeit zugeordnet [6.24,6.25]. Bemerkungen: Einfacher Vergleichstest ohne quantitative Aussage hinsichtlich Fließfähigkeit und Zeitverfestigung. Die Art des Einfüllens kann das Messergebnis beeinflussen (Bedienereinfluss). Außerdem kann der Auslaufmassenstrom von der Durchströmbarkeit des Schüttgutes beeinflusst werden, da beim Ausfließen aus einem Trichter ein Unterdruck im Schüttgut entsteht, so dass Luft dem Schüttgut vom Auslauf her entgegenströmt [6.26] (s. Kap. 12.1). Aus dem gleichen Grund spielt auch die Füllhöhe eine Rolle, denn bei kleinen Füllhöhen kann Luft auch von oben her in den Trichterbereich strömen. Bei Verwendung von Austraghilfen wird das Ergebnis von deren Betriebsweise (z.B. Rührerdrehzahl) und Ausführungsform abhängen. Tabelle 6.1. Bewertung (Trichter) Kriterium: Erfüllt?
1 nein
2 –
3 –
4a/4b –
5a/5b –
6 –
7 nein
6.3.2 Böschungswinkel
Abb. 6.5. Messen des Böschungswinkels; a. Schüttkegel; b. Restmenge im Behälter; c. dynamischer Böschungswinkel
Methode: Der Böschungswinkel αM des lose aufgeschütteten Schüttkegels wird gemessen [6.27,6.28] (Abb. 6.5.a). Das Aufschütten erfolgt durch einen Trichter, der entweder in festem Abstand oberhalb der Bodenplatte des Kegels angeordnet ist oder während des Aufschüttens nach oben bewegt wird, um eine konstante Fallhöhe des Schüttgutes zu erreichen. Durch einen nach oben stehende Kante am Rand der Bodenplatte wird erreicht, dass der Böschungswinkel nicht von der Beschaffenheit der Oberfläche der
6.3 Messverfahren (Übersicht)
177
Bodenplatte beeinflusst wird [6.24]. Andere Möglichkeit: Böschungswinkel αM der Restmenge, die in einem Behälter mit zentrischer Öffnung und flachem Boden verbleibt [6.29] (Abb. 6.5.b; auch Auslaufwinkel genannt, engl. „drained angle of repose“ [6.26,6.30]). Mit anderen Messanordnungen können auch Kegel oder Längshalden erzeugt werden [6.30], wobei sich je nach Oberflächenform (konvex, konkav, eben) ein anderer Böschungswinkel ergibt. Den dynamischen Böschungswinkel misst man entsprechend Abb. 6.5.c in einer rotierenden Trommel mit horizontaler Achse [6.24,6.30]. Je nach Drehzahl und Schüttgutverhalten erhält man einen mehr oder weniger gleichmäßigen Böschungswinkel über der Böschungslänge [6.30]. Häufig rutscht das Schüttgut nicht kontinuierlich, sondern lawinenartig über die Böschung, was die Messung des dynamischen Böschungswinkels erschwert (s. auch Kap. 6.3.3).
Abb. 6.6. Möglicher Schüttkegel mit variierendem Böschungswinkel eines kohäsiven Schüttgutes [6.30]
Bemerkungen: Einfacher Vergleichstest ohne quantitative Aussage hinsichtlich Fließfähigkeit und Zeitverfestigung. Der Böschungswinkel nach Abb. 6.5.a ergibt sich aufgrund der Eigenschaften eines Schüttgutes unter sehr kleinen Spannungen, wie sie dicht an der Oberfläche des Schüttkegels herrschen, wobei auch die Partikelform von Einfluss ist. Dazu kommen dynamische Effekte, da das Schüttgut an der Oberfläche in Bewegung ist. Zum Verhalten eines Schüttgutes unter Spannungen (z.B. in einem Behälter, Trichter oder Silo) und zur Zeitverfestigung ist keine Aussage möglich. Bei kohäsiven Schüttgütern ist der Böschungswinkel kaum genau zu messen, da er variiert (Abb. 6.6). Bei der Messung nach Abb. 6.5.b wird das Schüttgut vor dem Ausfließen durch die im gefüllten Behälter wirkenden Spannungen verfestigt. Um so größer die Spannungen sind (z.B. durch größere Schüttgutdichte oder größere Füllhöhe), desto steiler wird der gemessene Böschungswinkel sein. Der Böschungswinkel ist von der verwendeten Messmethode (z.B. Art des Aufschüttens) abhängig und daher keine reine Schüttguteigenschaft [6.24]. Dies gilt auch für den dynamischen Böschungswinkel, der zudem von der Drehzahl [6.30], dem Grad der im Schüttgut aufgrund der dauernden Bewegung erreichten Auflockerung und
178
6 Überblick über Messverfahren und Messgeräte
des Verhältnisses von Partikelgröße zu Trommeldurchmesser [6.31] abhängt. Auch eine Beeinflussung der Messung durch fortschreitende Entmischung ist möglich. Tabelle 6.2. Bewertung (Böschungswinkel) Kriterium: Erfüllt?
1 nein
2 –
3 –
4a/4b –
5a/5b –
6 –
7 nein
6.3.3 Lawinenbildung (Avalanching)
Abb. 6.7. Lawinenbildung in der drehenden Trommel
Abb. 6.8. Auftragung der Ergebnisse eines Avalanching-Tests in Form „seltsamer Attraktoren“ (nach [6.32,6.33])
Methode: Beim „Avalanching“-Prinzip in der rotierenden Trommel (Abb. 6.7) beobachtet man, wie das Schüttgut auf der sich aufbauenden Böschung abrutscht, und zwar bilden sich je nach Schüttgut mehr oder weniger große Lawinen. Dieser chaotisch ablaufende Vorgang wird ausgewertet, indem
6.3 Messverfahren (Übersicht)
179
die in der Chaosforschung üblichen „seltsamen Attraktoren“ (engl.: strange attractors) aufgezeichnet werden (Abb. 6.8) [6.34]. Typischerweise wird die Zeit t zwischen jeweils zwei aufeinander folgenden Lawinen gemessen. Diese Zeit ist ein Maß für die Größe (Masse) der Lawinen. Dann wird jeweils tn+1 über tn aufgetragen, wobei n die laufende Nummer der Lawinen ist. Um so mehr die Zeiten tn schwanken, desto größer ist der Bereich im Diagramm, der von den Punkten (tn+1, tn) ausgefüllt wird. Die Verteilung der Punkte im Diagramm (die Größe und der Mittelpunkt des Streubereichs) wird als Maß für die Fließfähigkeit betrachtet. Bemerkungen: Es gelten auch hier die Bemerkungen zum Böschungswinkel. Allerdings ist je nach Schüttgut nicht auszuschließen, dass es aufgrund der dauernden Bewegung zur Auflockerung bis hin zur Fluidisation, zur Entmischung oder Agglomeratbildung kommt. In [6.35] wird berichtet, dass eine Unterscheidung von feinkörnigen, kohäsiven Pulvern, die in einem anderen Messverfahren unterschiedliche Fließfähigkeiten zeigen, anhand der Lawinenbildung schwierig war. Generell stellt sich die Frage, ob ein chaotischer Vorgang eine sinnvolle Grundlage für eine Messung ist. Tabelle 6.3. Bewertung (Lawinenbildung) Kriterium: Erfüllt?
1 nein
2 –
3 –
4a/4b –
5a/5b –
6 –
7 nein
6.3.4 Imse-Test
Abb. 6.9. Prinzip des Imse-Tests
Methode: Das Schüttgut wird in einen auf ein Sieb aufgesetzten Trichter gegeben, dann wird der Trichter langsam angehoben (Abb. 6.9). Anschließend wird
180
6 Überblick über Messverfahren und Messgeräte
das Sieb mit Hilfe eines Rütteltisches in vorgegebener Weise angeregt. Maß für die Fließfähigkeit ist die Menge mM des auf dem Sieb verbleibenden Schüttgutes [6.36]. Bemerkungen: Einfacher Vergleichstest (urspr. für Zement) ohne quantitative Aussage hinsichtlich Fließfähigkeit und Zeitverfestigung. Ähnlich wie beim Trichter-Test ist mit Einflüssen durch den Bediener (Art des Einfüllens der Schüttgutprobe) und durch die Fluidisierbarkeit des Schüttgutes zu rechnen. Zum Verhalten eines Schüttgutes unter größeren Spannungen (z.B. im Silo) ist keine Aussage möglich. Tabelle 6.4. Bewertung (Imse-Test) Kriterium: Erfüllt?
1 nein
2 –
3 –
4a/4b –
5a/5b –
6 –
7 nein
6.3.5 Fließfähigkeitsindex nach Carr
Abb. 6.10. Messprinzipien zur Bestimmung des Fließfähigkeitsindex nach Carr [6.37–6.41]
Methode: Kombination unterschiedlicher Messverfahren; zur Bestimmung der Fließfähigkeit werden folgende Messungen durchgeführt [6.37–6.41]: • Abbildung 6.10.a: Böschungswinkel αM des Schüttgutes, das aus einem vibrierenden Trichter auf eine runde Platte fällt (s. Kap. 6.3.2), sowie Böschungswinkel nach fünfmaliger Erschütterung der Platte mit Hilfe eines Fallgewichtes („Fallwinkel“).
6.3 Messverfahren (Übersicht)
181
• Spatelwinkel (Abb. 6.10.b): Böschungswinkel αM des Schüttgutes auf einem Spatel, der zunächst vom Schüttgut überdeckt wird und anschließend nach oben bewegt wird (ähnlich Auslaufwinkel, Kap. 6.3.2). • Sieben des Schüttgutes mit definierter Anregung über eine festgelegte Zeitspanne auf drei Sieben unterschiedlicher Maschenweite (Abb. 6.10.c), danach Ermitteln der Schüttgutmengen mM auf den Sieben. • Ermitteln von Schüttgutgewicht (Schüttgut lose in Testbehälter eingefüllt) und Stampfgewicht; alternativ (bei gröberen Schüttgütern) die Berechnung eines Kennwertes zur Beschreibung der Breite der Partikelgrößenverteilung. Jeder der genannten vier Punkte liefert als Ergebnis einen Zahlenwert zwischen 0 und 25. Die Summe ist der Fließfähigkeitsindex nach Carr. Bemerkungen: Qualitativer Vergleichstest für feinkörnige Schüttgüter ohne quantitative Aussage hinsichtlich Fließfähigkeit und Zeitverfestigung. Tabelle 6.5. Bewertung (Fließfähigkeitsindex nach Carr) Kriterium: Erfüllt?
1 nein
2 –
3 –
4a/4b –
5a/5b –
6 –
7 nein
6.3.6 Rührer
Abb. 6.11. Rührer im Schüttgut
Methode: Das Schüttgut wird in einen Behälter eingefüllt, in den von oben ein Rührer mit vertikalen oder geneigten Rührerblättern ragt (Abb. 6.11). Die Fließfähigkeit wird anhand des gemessenen Rührerdrehmomentes MM auf den Rührer, u.U. in Abhängigkeit von Drehzahl und Zeit, oder anhand der in das Pulver eingebrachten Energie beurteilt [6.42]. Manchmal wird auch die Vertikalkraft auf den Rührer gemessen.
182
6 Überblick über Messverfahren und Messgeräte
Bemerkungen: Untersucht wird das Schüttgut im bewegten, aufgelockerten Zustand. Die Spannungen in der kompliziert geformten Messebene während der Messung (Drehung des Rührers) sind nicht bekannt. Daher ist keine quantitative Aussage über die Fließfähigkeit oder Zeitverfestigung wie im Kap. 3.1 definiert möglich. Bei manchen Schüttgütern kann es aufgrund der Bewegung zu Fluidisation oder Agglomeratbildung kommen. Tabelle 6.6. Bewertung (Rührer) Kriterium: Erfüllt?
1 nein
2 –
3 –
4a/4b –
5a/5b –
6 –
7 nein
6.3.7 Verdichtbarkeitsmessung
Abb. 6.12. a. Prinzip der Verdichtbarkeitsmessung; b. Bestimmung der Stampfdichte im Stampfvolumeter
Methode: Eine Schüttgutprobe wird unter zunehmender Vertikalspannung (bzw. Kraft FV) verdichtet (Abb. 6.12.a). Aus dem Anstieg der Schüttgutdichte ρb in Abhängigkeit von der Vertikalspannung wird auf das Fließverhalten geschlossen (schlechteres Fließverhalten mit zunehmender Verdichtbarkeit) [6.43]. Ein häufig praktiziertes Verfahren ist die Bestimmung der Verdichtbarkeit aus nur zwei Werten: der Schüttgutdichte ρb des locker in einen Behälter gefüllten, unverdichteten Schüttgutes (der Schüttdichte ρb0) und der Stampfdichte ρt (engl.: tap density). Die Stampfdichte wird mittels Stampfvolumeter (Abb. 6.12.b) bestimmt [6.44–6.46]. Dazu wird eine Schüttgutprobe in einen Messzylinder gefüllt, der alternierend angehoben und fallengelassen wird, so dass das Schüttgut durch Stöße verdichtet wird. Die dabei erreichte Schüttgutdichte ist die Stampfdichte ρt.
6.3 Messverfahren (Übersicht)
183
Aus Schüttdichte und Stampfdichte lassen sich zwei Parameter bestimmen, der Kompressibilitätsindex KI (auch: Verdichtbarkeit, Carr-Index, nicht zu verwechseln mit dem Fließfähigkeitsindex nach Carr im Kap. 6.3.5) und die Hausnerzahl H (engl.: Hausner ratio) [6.24,6.30,6.47]: ρ − ρb 0 KI = t ⋅ 100 % ρt
H=
(6.1)
ρt ρb 0
(6.2)
Ein Kompressibilitätsindex KI = 0 bzw. eine Hausnerzahl H = 1 wird erreicht, wenn sich das Schüttgut nicht verdichten lässt (ρt = ρb0). Dies entspricht der bestmöglichen Fließfähigkeit. Um so größer KI bzw. H gegenüber diesen Werten sind, desto schlechter wird die Fließfähigkeit beurteilt. Bemerkungen: Das Verfahren basiert darauf, dass schlecht fließende Schüttgüter aufgrund der Haftkräfte zwischen den Partikeln im unverdichteten Zustand lockerere Packungen (= größere Hohlräume zwischen den Partikeln) aufbauen als besser fließende Schüttgüter. Daher ist auch zu erwarten, dass sie sich stärker verdichten lassen. Das Messverfahren ist geräteabhängig [6.24,6.46], z.B. spielt der Durchmesser des Messzylinders und die Heftigkeit der Stöße eine Rolle. Die auf das Schüttgut beim Stoß wirkende Beschleunigung hängt auch von der Steifigkeit des Schüttgutes ab. Es handelt sich um eine qualitative Vergleichsmessung für feinkörnige Schüttgüter ohne quantitative Aussage hinsichtlich Fließfähigkeit und Zeitverfestigung entsprechend der Definition im Kap. 3.1. Tabelle 6.7. Bewertung (Verdichtbarkeitsmessung) Kriterium: Erfüllt?
1 nein
2 –
3 –
4a/4b –
5a/5b –
6 –
7 nein
6.3.8 Cohesion Tester, Flowability Test Methode: Beim „Warren Spring Bradford Cohesion Tester“ [6.48,6.49] wird die Schüttgutprobe in einem zylindrischen Behälter vertikal verdichtet (Kraft FV, Abb. 6.13.a). Anschließend wird ein mit radialen Lamellen versehenes Rad in das Schüttgut gedrückt (Pfeil v), so dass es vom Schüttgut bedeckt
184
6 Überblick über Messverfahren und Messgeräte
ist, und gedreht. Das maximale Drehmoment (MM) wird in eine Schubspannung umgerechnet und als Kohäsion (s. Kap. 3.2.3.3) interpretiert. Ähnlich arbeitet der „Flowability Test“ (Abb. 6.13.b) [6.50]: Die Schüttgutprobe wird mit einer Druckplatte in vertikaler Richtung verdichtet (Kraft FV), wobei sich ein in der Behälterachse befindlicher Rührer schon im Schüttgut befindet. Anschließend wird die Druckplatte angehoben und der Rührer wird langsam gedreht, wobei das erforderliche Drehmoment MM über dem Drehwinkel aufgezeichnet wird. Beurteilung der Fließfähigkeit z.B. über das maximale Drehmoment (Überwinden der Fließgrenze des verfestigten Schüttgutes) [6.50].
Abb. 6.13. a. Warren Spring Bradford Cohesion Tester [6.48,6.49]; b. Flowability Test [6.50]
Bemerkungen: Das Schüttgut wird nur einachsig verdichtet, kein stationäres Fließen. Bei der Messung ist die Richtung der größten Hauptspannung um mindestens 45° zur Richtung der größten Hauptspannung beim Verfestigen gedreht. Beim Drehen des Rades bzw. Rührers wird nur lokal über die Lamellen bzw. Rührerflügel Kraft auf das Schüttgut ausgeübt, wobei die Verformung vom Radius abhängt. Die Spannungen in der kompliziert geformten Messebene während der Messung (Drehung des Rührers bzw. Rades) sind nicht bekannt. Daher werden die Messverfahren als qualitative Vergleichsmessungen hinsichtlich eines Wertes ähnlich der Kohäsion bewertet. Tabelle 6.8. Bewertung (Cohesion Tester, Flowability Test) Kriterium: Erfüllt?
1 ja
2 nein
3 nein
4a/4b ja/ja
5a/5b ja/nein
6 ja
7 nein
6.3 Messverfahren (Übersicht)
185
6.3.9 Penetration Test
Abb. 6.14. Penetration Test
Methode: Die Schüttgutprobe wird in vertikaler Richtung verfestigt (Kraft FV, Abb. 6.14). Anschließend wird eine Spitze von oben her in das Schüttgut gedrückt, wobei die dazu notwendige Kraft FM gemessen und aufgezeichnet wird. Bei hinreichender Beanspruchung kommt es zum Bruch entlang gekrümmter Gleitlinien. Aus der zum Zeitpunkt des Bruchs gemessenen Kraft wird unter vereinfachenden Annahmen eine Druckfestigkeit berechnet [6.51]. Bemerkungen: Qualitative Vergleichsmessung hinsichtlich Fließfähigkeit, Messung der Zeitverfestigung (qualitativ) ist möglich, aber keine quantitative Aussage zu Fließfähigkeit und Zeitverfestigung. Die Spannungen in der Messebene (gekrümmte Bruchfläche) sind nicht bekannt. Tabelle 6.9. Bewertung (Penetration Test) Kriterium: Erfüllt?
1 ja
2 nein
3 nein
6.3.10 Einachsiger Druckversuch
Abb. 6.15. Einachsiger Druckversuch
4a/4b ja/ja
5a/5b ja/nein
6 ja
7 ja
186
6 Überblick über Messverfahren und Messgeräte
Methode: Siehe Beschreibung im Kap. 3.1; Anwendungen z.B. [6.12,6.52–6.55]. Um den Einfluss der Reibung zwischen Schüttgut und Behälterwand auszuschließen (s. Abb. 6.3), muss die Behälterwand reibungsfrei sein. Dieses wird erreicht, indem die Behälterwand mit Folien aus Gummi oder Kunststoff belegt wird und Schmiermittel zwischen Folie und Wand eingesetzt werden [6.52,6.56]. Bemerkungen: Eingeschränkt quantitative Aussage hinsichtlich Fließfähigkeit und Zeitverfestigung bei kohäsiven Schüttgütern, da tendenziell zu kleine Druckfestigkeiten wegen Verfestigungsprozedur „einachsige Verdichtung“ (s. Kap. 6.1). Außerdem Gefahr von Inhomogenitäten der Schüttgutprobe (kein Ausgleich wie beim stationären Fließen). Gut einsetzbar zur Messung der Zeitverfestigung grobkörniger Schüttgüter (Wände schmieren!). Tabelle 6.10. Bewertung (Einachsiger Druckversuch) Kriterium: 1 2 3 4a/4b 5a/5b Erfüllt? ja nein ja ja/ja ja*/ja * bei Eliminierung der Wandreibung durch Schmierung
6 ja
7 ja
6.3.11 Monoaxial Shear Test
Abb. 6.16. Prinzip des „Monoaxial Shear Test“
Methode: Messung ähnlich wie einachsiger Druckversuch: Die Schüttgutprobe wird in vertikaler Richtung verfestigt (Kraft FV), dann aber nach Wegnahme der vertikalen Last in horizontaler Richtung beansprucht, indem eine Seitenwand in das Schüttgut hineingedrückt wird (Abb. 6.16). Die zum Zeitpunkt des Bruchs gemessene Kraft FM (Maximum im Kraftverlauf) wird in eine Druckfestigkeit umgerechnet [6.10,6.57]. Bemerkungen: Gegenüber einachsigem Druckversuch zusätzliche Verringerung der gemessenen Druckfestigkeiten durch Anisotropieeffekt wegen der um 90°
6.3 Messverfahren (Übersicht)
187
unterschiedlichen Beanspruchungsrichtungen beim Verfestigen und Messen (s. Prozedur III der Zweiaxialbox, Kap. 5.1.3), daher keine quantitative Aussage hinsichtlich Fließfähigkeit und Zeitverfestigung. Tabelle 6.11. Bewertung (Monoaxial Shear Test) Kriterium: 1 2 3 4a/4b 5a/5b Erfüllt? ja nein nein ja/ja ja*/ja* * bei Eliminierung der Wandreibung durch Schmierung
6 ja
7 ja
6.3.12 Powder Bed Tester mit Zugfestigkeitsmessung
Abb. 6.17. Prinzip des „Powder Bed Tester“ nach [6.58]; a. Zugfestigkeitsmessung; b. Scherbeanspruchung
Methode: Kombination von zwei Messvorrichtungen [6.58,6.59]:
• Ermittlung der Zugfestigkeit (Abb. 6.17.a): Die Schüttgutprobe wird in eine geteilte Probenkammer gefüllt und in vertikaler Richtung verfestigt (Kraft FV). Anschließend wird die Probe nach Wegnahme der Verfestigungslast horizontal auseinandergezogen. Die dazu notwendige Kraft FM wird gemessen und in eine Zugfestigkeit umgerechnet. Dieses Messprinzip entspricht der bereits von Ashton et al. vorgeschlagenen Messung der Zugfestigkeit [6.60,6.61] • Abbildung 6.17.b: Auf eine 3 mm dicke Schüttgutschicht wird ein „Schlitten“ (eine auf der Unterseite raue rechteckige Platte) gelegt. Das Schüttgut unter dem Schlitten wird in vertikaler Richtung verfestigt (Kraft FV), indem Gewichte auf den Schlitten gelegt werden. Anschließend wird der Schlitten unter verringerter Vertikalkraft FN < FV in horizontaler Richtung über die Schüttgutprobe gezogen, wobei die dazu notwendige Kraft FM gemessen wird.
188
6 Überblick über Messverfahren und Messgeräte
Aus den Ergebnissen beider Messungen (zum Teil sind mehrere Messungen notwendig) wird ein Fließort berechnet, mit Hilfe dessen die Fließfähigkeit beurteilt wird. Zur Annäherung des Fließortes wird die WarrenSpring-Gleichung [6.60] benutzt:
τ τc
n
σ = +1 σt
(6.3)
Die Gleichung enthält drei Parameter: Zugfestigkeit σt, Kohäsion τc und den Exponenten n, der Werte zwischen 1 und 2 einnimmt und nach [6.60] die Fließfähigkeit beschreibt. Bemerkungen: Qualitative Aussage hinsichtlich Fließfähigkeit. Wie beim einachsigen Druckversuch wird die Schüttgutprobe einachsig verdichtet (kein stationäres Fließen), dazu kommt eine zusätzliche Verringerung der gemessenen Zugfestigkeit bzw. Schubspannungen durch Anisotropieeffekt wegen der unterschiedlichen Beanspruchungsrichtungen beim Verfestigen und Messen (90° Differenz der Hauptspannungsrichtungen bei der Zugfestigkeitsmessung, ca. 45° beim „Schlitten“) [6.10,6.20,6.62,6.63]. Nach [6.64] Einfluss der Probenhöhe bei der Ermittlung der Zugfestigkeit. Tabelle 6.12. Bewertung (Powder Bed Tester, Zugfestigkeitsmessung) Kriterium: 1 2 3 4a/4b 5a/5b 6 7 Erfüllt? ja nein nein ja/ja ja*/ja ja ja * bei Vernachlässigung der Wandreibung bei der Verfestigung vor der Zugfestigkeitsmessung
6.3.13 Einachsige Zugfestigkeitsmessung Methode: Die Schüttgutprobe wird in eine Probenkammer gefüllt und in vertikaler Richtung mittels einer Platte oder eines Stempels verfestigt (Abb. 6.18, Kraft FV). Anschließend wird die Platte, deren Unterseite am Schüttgut haften muss, nach oben gezogen. Aus der Differenz der dabei zu überwindenden maximalen Kraft FM und der Gewichtskraft der nach oben gezogenen Teile inkl. daran anhaftender Partikel wird die Zugfestigkeit berechnet. Bemerkungen: Qualitative Aussage hinsichtlich Fließfähigkeit. Wie beim einachsigen Druckversuch einachsige Verdichtung (kein stationäres Fließen), aber gegenüber der Zugfestigkeitsmessung im Kap. 6.3.12 (Abb. 6.17.a) gleiche
6.3 Messverfahren (Übersicht)
189
Richtungen der Hauptspannungen bei Verfestigung und Messung der Zugfestigkeit, was größere Messwerte der Zugfestigkeit erwarten lässt [6.65].
Abb. 6.18. Prinzip der einachsigen Zugfestigkeitsmessung [6.65–6.67] Tabelle 6.13. Bewertung (Einachsige Zugfestigkeitsmessung) Kriterium: Erfüllt?
1 ja
2 nein
3 ja
4a/4b ja/ja
5a/5b ja/ja
6 ja
7 ja
6.3.14 Zugfestigkeitsmessung mit Gasströmung
Abb. 6.19. a. Prinzip der Zugfestigkeitsmessung mit Gasströmung; b. Verlauf des Gasdruckes bei der Messung der Zugfestigkeit [6.68–6.70]
Methode: Ein zylindrischer Messbehälter (Abb. 6.19.a), der einen durchströmbaren Boden hat, wird mit einer Schüttgutprobe gefüllt, die feinkörnig und gut fluidisierbar sein muss. Zunächst wird die Probe von unten nach oben mit Gas durchströmt und fluidisiert. Dann wird der Gasstrom umgekehrt (Gasgeschwindigkeit wV). Aufgrund der über der Probe wirkenden Druckdifferenz ∆pV und der Gewichtskraft wird die Probe verfestigt. Zur Messung der Festigkeit wird die Probe wieder von unten mit zunehmender Gasgeschwindigkeit wM durchströmt, bis es zum Erreichen des aus der Wirbelschichttechnik bekannten Lockerungspunktes (s Kap. 7.2.4) bei
190
6 Überblick über Messverfahren und Messgeräte
maximaler Druckdifferenz ∆pM kommt (Abb. 6.19.b). Daraufhin sinkt die Druckdifferenz auf den Wert ρbgh ab. Die Differenz (∆pM - ρbgh) wird als Zugfestigkeit des Schüttgutes interpretiert [6.68–6.70]. Bemerkungen: Qualitative Aussage hinsichtlich Fließfähigkeit. Wie bei der einachsigen Zugfestigkeitsmessung (Kap. 6.3.13) wird die Probe durch einachsige Verdichtung verfestigt (kein stationäres Fließen). Beim Verfestigen wird das Schüttgut einer von oben nach unten ansteigenden Verfestigungsspannung ausgesetzt, wobei auch die Wandreibung einen Einfluss auf die Spannung hat, so dass die Verfestigungsspannung nicht gleich der aufgebrachten Druckdifferenz ist. Dies lässt sich nachvollziehen, wenn man in die Gleichung nach Janssen die Wirkung der Druckdifferenz einarbeitet (s. Kap. 9.2.2). Beim Messen der Zugfestigkeit nimmt die vertikale Zugspannung im Schüttgut von oben nach unten zu (Abb. 9.12). Nur wenn die Wandreibung in Gegenwart der vertikalen Zugspannungen vernachlässigt werden kann (also keine Adhäsionskräfte zwischen Schüttgut und Wand; keine Restspannungen durch die vorangegangenen Verfestigung), ist die Zugfestigkeit am Boden gleich der Differenz (∆pM - ρbgh). Tabelle 6.14. Bewertung (Zugfestigkeitsmessung mit Gasströmung) Kriterium: Erfüllt?
1 ja
2 nein
3 ja
4a/4b ja/ja
5a/5b nein/nein
6 ja
7 nein
6.3.15 Johanson Hang-up Indicizer™, ähnliche Messprinzipien
Abb. 6.20. Prinzip des „Johanson Hang-up Indicizer™” [6.71–6.73]
6.3 Messverfahren (Übersicht)
191
Abb. 6.21. Prinzip des „Compact Strength Tester“ [6.74,6.75]
Methode: Beim automatisierten Johanson Hang-up Indicizer™ (Abb. 6.20) wird eine in einem zylindrischen Behälter befindliche Schüttgutprobe in vertikaler Richtung mit einem zweiteiligen Stempel (Innenteil und Außenring) verfestigt (Kraft FV). Anschließend wird die Probe entlastet, die Bodenplatte weggenommen und die Probe nur mit dem Innenteil des Stempels erneut belastet, bis es zum Bruch kommt. Aus der dabei gemessenen Maximalkraft FM und der Kraft beim Verfestigen (FV) wird die Druckfestigkeit σc bzw. ein Index zur Beschreibung der Fließfähigkeit bzw. der Fähigkeit zur Bildung von Brücken oder Schächten in Silos berechnet [6.71– 6.73]. Die Annahmen zum Spannungszustand und zur Bestimmung der Druckfestigkeit wurden von Johanson nicht publiziert. Bei van der Kraan [6.75] findet man eine Rekonstruktion der Annahmen Johansons. Beim vom Messprinzip her ähnlichen, jedoch nicht automatisierten Compact Strength Tester (Abb. 6.21) [6.74,6.75] läuft die Messung in ähnlicher Weise ab, jedoch ist das Verhältnis des Behälterdurchmessers zur Probenhöhe größer als beim Johanson Hang-up Indicizer™, so dass beim Verfestigen über der Höhe eine gleichmäßigere Verfestigungsspannung wirkt. Ein weiteres Messgerät, das nach diesem Prinzip arbeitet, ist auch als Bates/Ajax Uniaxial Direct Shear Tester bekannt [6.74,6.75]. Bemerkungen: Qualitative Aussage hinsichtlich Fließfähigkeit und Zeitverfestigung. Spannungen beim Verdichten und Messen sind nicht genau bekannt (z.B. wegen Wandreibungseinfluss, der aber beim Verfestigen bei großem Verhältnis von Durchmesser zu Probenhöhe wie in Abb. 6.21 vernachlässigt werden kann) und inhomogen. Beim Verdichten ist mit einem von der Wandreibung abhängigen Spannungsabfall von oben nach unten entsprechend Abb. 6.3 zu rechnen, wobei eine Reduzierung auf ca. 60% der oben aufgegebenen Spannung durchaus möglich ist [6.76], d.h. weder der Spannungsverlauf noch der Mittelwert der Spannungen in der Schüttgutprobe sind eindeutig bekannt. Bei der Messung der Druckfestigkeit nimmt die Vertikalspannung nach unten hin sogar bis auf Null ab, da der untere Stempel hierzu entfernt wird. Daraus folgt, dass die Druckfestigkeit, die mit dem Johanson Hang-up Indicizer™ gemessen wird, ein Mittelwert ist,
192
6 Überblick über Messverfahren und Messgeräte
der sich aus verschiedenen, nicht klar definierten Spannungszuständen beginnenden Fließens ergibt. Außerdem sind Einflüsse durch Anisotropie (unterschiedliche Hauptspannungsrichtungen beim Verfestigen und Messen der Druckfestigkeit) und Verdichtungsprozedur (einachsige Verdichtung) zu erwarten, s. Kap. 6.1. Nach [6.75] Abhängigkeit der Messwerte von der Geometrie (z.B. Verhältnis der Durchmesser von Bodenöffnung und Druckplatte sowie Probenhöhe). Nach Vergleichsmessungen [6.73, 6.77] können die Messwerte des Johanson Hang-up Indicizer™ für die Druckfestigkeit im Vergleich zum Jenike-Schergerät deutlich kleiner sein. Tabelle 6.15. Bewertung (Johanson Hang-up Indicizer™, ähnliche Prinzipien) Kriterium: 1 2 3 4a/4b 5a/5b Erfüllt? ja nein nein ja/ja nein/nein * bei Langzeitbelastung mit Verfestigungsspannung
6 ja
7 ja*
6.3.16 Quality Control Tester
Abb. 6.22. Prinzip des „Quality Control Tester“ [6.78]
Methode: Ein Modellsilo (Abb. 6.22) wird mit Schüttgut gefüllt. Die Auslauföffnung ist mit einer porösen Schieberplatte verschlossen. Die Schüttgutprobe wird zur Verfestigung mit Luft von oben nach unten durchströmt. Die über der Probe wirkende Druckdifferenz ∆pV wird gemessen und als Verfestigungsspannung betrachtet. Um die Festigkeit des Schüttgutes zu messen, wird der Silo nach Öffnen des Schiebers (Auslauföffnung) erneut von oben mit Druckluft beaufschlagt. Dabei wird der Luftstrom langsam gesteigert, bis es zum Ausfließen des Schüttgutes kommt. Die zu diesem Zeitpunkt
6.3 Messverfahren (Übersicht)
193
wirkende Druckdifferenz ∆pM wird der Druckfestigkeit σc gleichgesetzt [6.78]. Bemerkungen: Qualitative Aussage hinsichtlich Fließfähigkeit. Mögliche Einflüsse durch strömende Luft (z.B. Feinguttransport, Feuchteänderung). Spannungen in der Messebene (Auslaufnähe) nicht bekannt. Tabelle 6.16. Bewertung (Quality Control Tester) Kriterium: Erfüllt?
1 ja
2 nein
3 ja
4a/4b ja/ja
5a/5b nein/nein
6 ja
7 nein
6.3.17 Zweiachsiger Druckversuch (Biaxial compression test)
Abb. 6.23. Prinzip des zweiachsigen Druckversuchs [6.79,6.80]
Methode: Das Schüttgut wird durch eine Druckplatte mit rauer Unterseite verfestigt, indem diese in x-Richtung in das Schüttgut gedrückt wird (Abb. 6.23). Dazu wird der Druckstab zunächst so weit in x-Richtung bewegt, bis die gewünschte Verfestigungsspannung in x-Richtung wirkt (Kraft FV im Druckstab). Im weiteren Verlauf wird die Druckplatte in x-Richtung weiter vorwärts bewegt, aber gleichzeitig durch Zurückfahren des Führungsstabs in negative y-Richtung so zurückbewegt, dass die gewünschte Verfestigungsspannung in x-Richtung bzw. die Kraft FV im Druckstab konstant bleibt. Dies entspricht dem stationären Fließen. Ist dieses erreicht, wird das Schüttgut entlastet. Zur Messung der Druckfestigkeit wird der Führungsstab entfernt und die Druckplatte erneut durch den Druckstab in xRichtung belastet, bis es zum Fließen (Bruch) kommt. Aus der gemessenen maximalen Kraft FM im Druckstab ergibt sich die Druckfestigkeit des Schüttgutes [6.79,6.80].
194
6 Überblick über Messverfahren und Messgeräte
Bemerkungen: Quantitative Aussage zur Fließfähigkeit durch Messung der Druckfestigkeit nach vorangegangener Verfestigungsprozedur bis zum Erreichen des stationären Fließens. Setzt man Koaxialität von Hauptspannungsrichtungen und Hauptdehnungsrichtungen voraus, zeigt die größte Hauptspannung beim Verfestigen und beim Messen der Festigkeit in die gleiche Richtung. Verfestigungsspannung und Druckfestigkeit werden hier ohne eine Fließortkonstruktion direkt aufgegeben bzw. gemessen. Tabelle 6.17. Bewertung (Zweiachsiger Druckversuch) Kriterium: Erfüllt?
1 ja
2 ja
3 ja
4a/4b ja/ja
5a/5b ja/ja
6 ja
7 ja
6.3.18 Jenike-Schergerät
Abb. 6.24. Scherzelle des Jenike-Schergerätes
Methode: s. Beschreibung im Kap. 4.1.1 sowie [6.8,6.26,6.81,6.82]. Bemerkungen: Quantitative Aussage zur Fließfähigkeit und Zeitverfestigung. Die Handhabung des Jenike-Schergerätes erfordert Übung, dadurch ist ein Einfluss des Bedieners möglich. Wegen der manuellen Bedienung und der Notwendigkeit der Vorbereitung einer neuen Probe für jeden Messpunkt (s. Kap. 4.1.1) ist für den Bediener mit einem Zeitaufwand von ein bis zwei Stunden pro Fließort zu rechnen. Zur Reduzierung des Zeitaufwandes gibt es eine Reihe von Vorschlägen, die zum Teil aber auf Kosten der Genauigkeit gehen (s. Kap. 6.1.1). Eine weitere Möglichkeit besteht darin, nur einen Punkt des Fließortes zu messen (Einpunktmessung [6.84]). Da die Vorbereitung einer Probe beim Jenike-Schergerät wegen der Vorverfestigungsprozedur aber recht lange dauert, ergibt sich mit diesem Methoden gegenüber automatisierten Rotationsschergeräten kein Zeitvorteil (z.B.[6.4]).
6.3 Messverfahren (Übersicht)
195
Tabelle 6.18. Bewertung (Jenike-Schergerät) Kriterium: Erfüllt?
1 ja
2 ja
3 ja
4a/4b ja/ja
5a/5b ja/ja
6 ja
7 ja
6.3.19 Torsionsschergeräte
Abb. 6.25. a. Scherzelle eines Torsions-Schergerätes [6.85]; b. Torsionsschergerät mit geteilter Scherzelle [6.57,6.86,6.87]
Methode: Das Schüttgut befindet sich in einer zylindrischen Scherzelle (Abb. 6.25.a). Mit einem drehbaren, an der Unterseite rauen Deckel wird dem Schüttgut eine Normalkraft FN aufgegeben. Durch Rotation des Deckels relativ zur Scherzelle wird das Schüttgut einer Scherverformung unterworfen (gemessen wird das Drehmoment MM, aus dem die Schubspannung in der Schüttgutprobe berechnet wird). Bei der Bauart nach Abb. 6.25.b ist die Scherzelle ähnlich wie die Scherzelle des Jenike-Schergerätes horizontal in einen oberen Ring und einen Bodenring geteilt, so dass sich der obere Ring der Scherzelle zusammen mit dem Deckel relativ zum Bodenring drehen kann. Ähnlich wie mit dem Jenike-Schergerät lässt sich eine Schüttgutprobe mit dem Torsionsschergerät an- und abscheren, so dass Fließorte ermittelt werden können. Bemerkungen: Quantitative Aussage zur Fließfähigkeit und Zeitverfestigung, allerdings nimmt die Scherverformung der Schüttgutprobe vom Zentrum (keine Verformung) nach außen zu [6.19,6.85]. Wie Vergleichsmessungen [6.73, 6.85] zeigen, sind vom Jenike-Schergerät abweichende Ergebnisse möglich. Auch die für Torsionsschergeräte nach [6.86] empfohlene Messprozedur kann zu abweichenden Ergebnissen gegenüber Ringschergerät oder Jenike-Schergerät führen [6.22] (zur Messprozedur, die eine große Scherverformung zu Beginn der Messung vorsieht, s. auch Kap. 5.2.4).
196
6 Überblick über Messverfahren und Messgeräte
Tabelle 6.19. Bewertung (Torsionsschergerät) Kriterium: 1 2 3 4a/4b 5a/5b 6 7 Erfüllt? ja ja ja ja/ja ja/ja* ja ja * Mit Einschränkungen wegen der beim Abscheren über dem Radius variierenden Verformung [6.19] und der vorgeschlagenen Messprozedur [6.22].
6.3.20 Ringschergeräte
Abb. 6.26. Scherzelle eines Ringschergerätes (z.B. [6.83–6.85])
Methode: Ähnlich dem Torsionsschergerät, wobei sich die Schüttgutprobe hier in einem Ringkanal befindet und von oben mit einem rauen, ebenfalls ringförmigen Deckel abgedeckt wird. Über den ringförmigen Deckel wird die Normalkraft FN aufgegeben. Das zum Scheren (Verdrehung von Ringkanal und Deckel gegeneinander) erforderliche Drehmoment MM wird gemessen. Wie beim Jenike-Schergerät werden mit dem Ringschergerät Fließorte gemessen. Weiteres s. Beschreibung im Kap. 4.1.2 sowie [6.83–6.85]. Bemerkungen: Quantitative Aussage zur Fließfähigkeit und Zeitverfestigung. Die Scherverformung nimmt von innen nach außen zu, wirkt sich bei hinreichend großem Verhältnis von Innen- zu Außendurchmesser nach Untersuchungen in [6.19,6.85] weniger stark aus als beim Torsionsschergerät und ist dann vernachlässigbar. Bei richtiger Messprozedur sowie entsprechender Gestaltung des Gerätes sind vergleichbare Ergebnisse zu denen des Jenike-Schergerätes möglich [6.21,6.84,6.85], wobei die Reproduzierbarkeit deutlich besser ist [6.48]. Tabelle 6.20. Bewertung (Ringschergerät) Kriterium: 1 2 3 4a/4b 5a/5b 6 7 Erfüllt? ja ja ja ja/ja ja/ja* ja ja *Bei hinreichend großen Verhältnissen von Innen- zu Außendurchmesser und geeigneter Versuchsprozedur vergleichbare Messergebnisse zum Jenike-Schergerät [6.84].
6.4 Bemerkungen zu Aussagekraft und Genauigkeit
197
6.4 Bemerkungen zu Aussagekraft und Genauigkeit Betrachtet man die unterschiedlichen Bauarten von Schergeräten, tritt immer wieder die Frage auf, inwiefern verschiedene Geräte zu den gleichen Resultaten führen. Meist wird das Jenike-Schergerät aufgrund seiner historischen Stellung als Standard betrachtet. Aufgrund der etwas schwierigen Bedienung des Jenike-Schergerätes ist natürlich die Frage zu stellen, ob man ein solches Gerät tatsächlich als Standard benutzen kann. Andererseits gibt es viele Untersuchungen am Jenike-Schergerät, und es gibt Vergleichsmessungen zu aufwendigeren Schergeräten, die zeigen, dass das Jenike-Schergerät bei entsprechender Bedienung durchaus hinreichend richtige Werte liefern kann. Auch die jahrelange erfolgreiche Anwendung des Gerätes für die Siloauslegung unterstreicht dies. Für das Jenike-Schergerät wurden über einige Jahre hinweg in internationaler Zusammenarbeit in mehreren Labors Vergleichsmessungen an einem definierten Versuchsprodukt (Kalksteinmehl CRM-116 mit x50,3 = 4,1 µm) durchgeführt, wobei die Versuchsprozeduren immer wieder diskutiert und gegebenenfalls verbessert wurden. Die letztendlich festgelegte Prozedur wurde als „Standard Shear Testing Technique…“ [6.8] publiziert. Proben des Kalksteinmehls CRM-116 sind mit den Ergebnissen von fünf beteiligten Labors [6.88] beim Europäischen „Institute for Reference Materials and Measurements“ [6.89] erhältlich. Diese „zertifizierten“ Ergebnisse werden weithin als „richtig“ angesehen, so dass jeder die Möglichkeit hat, eigene Messungen mit diesen Werten zu vergleichen. Die Ergebnisse werden in Form von Normal- und Schubspannungen für das Anund Abscheren angegeben, wobei die 95%-Vertrauensbereiche in der Größenordnung von ±7% bis ±12% der jeweiligen Schubspannungswerte liegen. Diese zunächst groß erscheinenden Vertrauensbereiche sind vor allem ein Ergebnis der Unterschiede zwischen den beteiligten Labors; Mehrfachmessungen der einzelnen Labors für sich betrachtet haben engere Vertrauensbereiche [6.48,6.88]. Ergebnisse von Vergleichsmessungen zwischen unterschiedlichen Geräten sind stets kritisch zu betrachten. So hat es z.B. nur Sinn, für Vergleichsmessungen Schüttgüter zu benutzen, die sich auch in allen zu vergleichenden Schergeräten sicher untersuchen lassen (z.B. dürfen die Partikel nicht zu groß für ein Messgerät sein). Werden Fließorte gemessen, so sollten bei allen Schergeräten jeweils identische Normalspannungen für die Anscher- und Abscherpunkte gewählt werden (s. Kap. 4.3.1). In der Literatur finden sich zahlreiche, zum Teil sehr umfangreiche Vergleichsmessungen an den unterschiedlichsten Messgeräten und Messverfahren (z.B. [6.21,6.22,6.48,6.73–6.75,6.85,6.90]). Das Problem dieser
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6 Überblick über Messverfahren und Messgeräte
Vergleichsmessungen ist, dass diese nicht unbedingt als allgemeingültig gewertet werden können. So findet man z.B. beim Vergleich zwischen Jenike-Schergerät und Ringschergerät (Ausführung nach Schulze [6.84]) Messungen, die etwa gleiche Ergebnisse für beide Geräte ergeben [6.21, 6.48,6.84,6.91,6.92], aber bei Verwendung ungeeigneter Messprozeduren oder weniger geeigneter Ausführungen von Ringschergeräten findet man auch Abweichungen in Richtung kleinerer Schubspannungen bzw. kleinerer gemessener Druckfestigkeiten [6.22,6.93]. Für das Torsionsschergerät (Ausführung nach Peschl) [6.86] gibt es Messergebnisse, bei denen dieses kleinere Druckfestigkeiten als das Jenike-Schergerät liefert [6.22,6.73, 6.74], aber auch solche, wo die Unterschiede gering sind [6.48]. In [6.73, 6.77] veröffentlichte Ergebnisse für die Druckfestigkeit, die mit dem Johanson Hang-up Indicizer™ gewonnen wurde, liegen unterhalb der entsprechenden Werte des Jenike-Schergerätes. Auch hinsichtlich der relativen Unterschiede zwischen den Fließfähigkeiten verschiedener Schüttgüter liefern nicht alle Messgeräte zwangsläufig die gleiche Tendenz. Markefka et al. [6.90] stellten Messwerte eines Ringschergerätes (Abb. 6.26) qualitativ Ergebnissen aus anderen Messverfahren (Lawinenbildung, Rührer, Verdichtbarkeit) gegenüber, indem sie Pulvermischungen mit abgestufter Feinheit untersuchten. Dabei lieferte nur das Schergerät für alle Proben eine stetige Abnahme der Fließfähigkeit mit zunehmender Feinheit. Vergleichsmessungen von Margreiter [6.94] zeigen teils sogar gegenläufige Ergebnisse zwischen Schergerät und Rührer in der Beurteilung der Fließfähigkeit. Auch Untersuchungen von Bell et al. [6.74] zeigen, dass mit sogenannten einfachen Messverfahren nicht immer die gleiche Rangfolge in der Fließfähigkeit verschiedener Pulver erkannt wird. Selbst mit einem so aufwendigen Messgerät wie der Zweiaxialbox (s. Kap. 5.1), mit dem eine definierte Beanspruchung des Schüttgutes möglich sein soll, wurden unterschiedliche Fließfunktionen gemessen. Während eine mit Kalksteinmehl CRM-116 von Maltby [6.95] mit einer Zweiaxialbox gemessene Fließfunktion im Bereich der zertifizierten Messwerte des Jenike-Schergerätes [6.48] liegt, fand van der Kraan [6.75] deutlich größere Werte für die Druckfestigkeit. Mit einer anderen Zweiaxialbox (Abb. 5.1) und einem anderen Kalksteinmehl fand Harder [6.11] gute Übereinstimmung zwischen Zweiaxialbox, Jenike-Schergerät und Ringschergerät. Um einen Eindruck über die Situation zu geben, zeigt Abb. 6.27 gemessene Druckfestigkeiten σc bei unterschiedlichen Verfestigungsspannungen σ1 für das oben erwähnte Kalksteinmehl CRM-116. Die Messpunkte für das Jenike-Gerät wurden aus den Mittelwerten der zertifizierten Ergebnisse berechnet. Die übrigen Ergebnisse stammen aus verschiedenen Arbeiten (s. Bildunterschrift), die oben erwähnt wurden. Man erkennt, dass unter-
6.4 Bemerkungen zu Aussagekraft und Genauigkeit
199
schiedliche Geräte sehr wohl zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können. Mögliche Ursachen für die Unterschiede finden sich in den Kapiteln, in denen die entsprechenden Geräte beschrieben werden.
Abb. 6.27. Punkte der Fließfunktion von Kalksteinmehl CRM-116, gemessen mit verschiedenen Messgeräten. Quellen der Messpunkte: 1: [6.84,6.91]; 2: [6.73, 6.74]; 3: [6.95]; 4: [6.48]; 5: [6.75]; die Schraffur zeigt den Bereich um die zertifizierten Ergebnisse des Jenike-Schergerätes, der nach Meinung des Verfassers die Fließeigenschaften von CRM-116 wiedergibt und angestrebt werden sollte. Für Verfestigungsspannungen unter 5 kPa gibt es keine zertifizierten Werte, da der Messbereich des Jenike-Schergerätes zu kleinen Spannungen hin begrenzt ist. Die Messpunkte des Ringschergerätes (1) führen den Verlauf des schraffierten Bereichs nach unten hin fort.
Man sieht an den oben betrachteten Beispielen, dass das Messen von Fließeigenschaften durchaus nicht trivial ist. Die Zahl der Einflüsse auf das Messergebnis ist, wie schon im Kap. 5 beschrieben wurde, groß. Daher sind nicht nur für quantitative Messungen z.B. zur Siloauslegung, sondern auch für Qualitätskontrolle, Produktentwicklung etc. Messgeräte auszuwählen, bei denen die Schüttgutprobe möglichst definiert beansprucht wird. Somit sind die im Kap. 6.2 festgelegten Kriterien generell sinnvoll, um ein Messgerät für Fließeigenschaften von Schüttgütern auszuwählen. Sogenannte Einfachmessverfahren (z.B. Böschungswinkel, Trichter) erfüllen diese Kriterien nicht, weil sie in der Regel im Hinblick auf die Vorgänge im Schüttgut nicht einfach sind (was kann z.B. an einem chaotisch ablaufenden Vorgang einfach sein?), sondern nur auf den ersten Blick einfach erscheinen, weil es zur Beschreibung der Vorgänge keine Theorie gibt, mit der sich der Benutzer konfrontiert sieht. Die Genauigkeit und Reproduzierbarkeit eines Messgerätes ist losgelöst vom Schüttgut kaum zu ermitteln. Manche Schüttgüter sind feinkörnig und
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6 Überblick über Messverfahren und Messgeräte
ergeben bei der Scherverformung glatte Schubspannungsverläufe. Andere Produkte führen zu schwankenden Spannungsverläufen bis hin zu SlipStick-Schwingungen, was das Finden eindeutiger Werte erschwert, so dass sich Genauigkeit der Messung und Reproduzierbarkeit naturgemäß verschlechtern. Spielt beim Messen der Einfluss des Bedieners eine Rolle, so geht auch dies in die Reproduzierbarkeit ein.
6.5 Messung von Haftkräften Da die Fließeigenschaften von Schüttgütern stark von den Haftkräften zwischen den Partikeln beeinflusst werden, bietet es sich an, zur Charakterisierung Haftkräfte direkt zu messen. Hierzu benutzte man früher Zentrifugen (Abb. 6.28). Die Zentrifugalkraft wurde im ersten Schritt dazu genutzt, Partikel mit definierter Kraft (Fliehkraft) auf eine Wand zu drücken. Im zweiten Schritt wurde der Objektträger mit den Partikeln so gedreht, dass die Partikel von der Zentrifugalkraft vom Objektträger abgeschleudert werden konnten.
Abb. 6.28. Haftkraftmessung mit Zentrifuge, links: Anpressen; rechts: Abschleudern [6.96]
Wegen der unterschiedlichen Form und der in der Regel ungleichmäßigen Oberfläche der Partikel erhält man nicht eine einzige Haftkraft für eine bestimmte Partikelgröße, sondern eine Haftkraftverteilung (Abb. 6.29). Für eine statistisch abgesicherte Aussage müssen also sehr viele Partikel untersucht werden. Daher ist die Messung der Fließfähigkeit an einer Schüttgutprobe sehr viel einfacher durchzuführen als Messungen an Einzelpartikeln. Dies gilt besonders dann, wenn bestimmte Randbedingungen z.B. hinsichtlich Feuchte oder Temperatur einzuhalten sind. Die Ergebnisse von Abb. 6.29 lassen sich anhand der Wirkung von Rauigkeiten interpretieren (s. Kap. 2.6): Die größten Haftkräfte erzielt man mit den Kugeln an der glatten Wand, da sich die beteiligten Haftpartner dicht einander nähern können, was zu großen van-der-Waals-Kräften führt. Vergrößert man die Rauhigkeit der Oberfläche eines der Partner, indem man statt Kugeln unregelmäßig geformte Partikel an einer glatten Wand oder
6.5 Messung von Haftkräften
201
die Kugeln an einer rauen Wand haften lässt, ergeben sich aufgrund der größeren Abstände kleinere Haftkräfte.
Abb. 6.29. Ergebnis einer Haftkraftmessung (entnommen aus [6.96])
Seit einigen Jahren wird auch das Rasterkraftmikroskop (engl.: atomic force microscope, AFM) eingesetzt, um Haftkräfte zu messen. Kern dieses Gerätes ist ein Federarm (Abb. 6.30.a), dessen Auslenkung gemessen wird, während seine Spitze mit gewissen Abstand über eine Oberfläche fährt. Dabei wirken vom Abstand der Spitze zur Oberfläche abhängige Kräfte auf den Federarm, die den Federarm auslenken. Aus der Auslenkung wird die Kraft berechnet, und aus dem Kraftverlauf kann dann auf die Oberflächenstruktur geschlossen werden.
Abb. 6.30. Prinzip der Oberflächenmessung (a) und Haftkraftmessung (b) mit dem Rasterkraftmikroskop
Dieses empfindliche System zur Kraftmessung kann auch dazu genutzt werden, Haftkräfte zu messen, indem an die Spitze des Federarms ein Partikel geklebt wird (Abb. 6.30.b) [6.97]. Mittels der empfindlichen Positioniermechanik wird ein Partikel dann gegen eine Oberfläche oder andere Partikel gedrückt und anschließend wieder weggezogen. Die dabei gemessene maximale Kraft ergibt dann die Haftkraft. Auch für dieses Verfahren
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6 Überblick über Messverfahren und Messgeräte
gilt, dass Haftkraftverteilungen gemessen werden, wobei eine Korrelation mit anderweitig gemessenen Festigkeitskennwerten (z.B. Zugfestigkeit [6.70]) besteht. Der Einsatz für Fließfähigkeitsmessungen in der Praxis erscheint wegen des vergleichsweise großen Aufwands aber nicht sinnvoll.
6.6 Zusammenfassung Die Fließfähigkeit von Schüttgütern lässt sich anhand der Abhängigkeit der definierten Größe Druckfestigkeit von der Verfestigungsspannung charakterisieren. Zur Messen dieser Größen gibt es erprobte Messgeräte, insbesondere die in der Schüttguttechnik benutzten Schergeräte. Dass diese Geräte auch physikalisch sinnvolle und belastbare Ergebnisse liefern, wird dadurch gezeigt, dass mit den Ergebnissen auch Silos und andere schüttguttechnische Einrichtungen so ausgelegt werden können, dass diese zuverlässig arbeiten. Ist keine genaue quantitative Aussage nötig (z.B. bei Vergleichsmessungen), so können auch Messverfahren angewandt werden, die nur eine qualitative Aussage liefern, aber einfacher zu bedienen sind. Bei der Auswahl sollte aber darauf geachtet werden, dass das Messergebnis von möglichst keinen weiteren Einflussgrößen abhängt (z.B. Art des Einfüllens der Schüttgutprobe, Wandreibung, Fluidisierung durch Bewegung, Abmessungen des Messgerätes). Außerdem sollte das Messverfahren die für eine Fragestellung wichtigen Randbedingungen abdecken (Spannungsbereich). Hinsichtlich der Erfüllung der im Kap. 6.2 genannten Kriterien schneiden die Schergeräte am günstigsten ab. Da die Messung mit dem JenikeSchergerät viel Übung und Zeit erfordert, wird man automatisierte Schergeräte, die in der Regel Rotationsschergeräte sind, vorziehen. Die Automatisierung der Messgeräte ist hinsichtlich einer möglichst guten Reproduzierbarkeit, aber auch zur Reduzierung des Zeitaufwandes hilfreich. Unter Berücksichtigung der in diesem Buch dargelegten Grundlagen der Schüttguttechnik sollten auch für Vergleichsmessungen Schergeräte eingesetzt werden. Denn das Problem in der Praxis ist nicht, gut fließende Schüttgüter von schlecht fließenden Schüttgütern zu unterscheiden. Vielmehr besteht das Problem gerade darin, kleine Unterschiede im Fließverhalten zu erkennen, z.B. im Rahmen der Produktoptimierung oder beim Einsatz von Fließhilfsmitteln. Hierzu ist eine hohe Reproduzierbarkeit der Messwerte erforderlich, die nur bei definierten Randbedingungen, u.a. hinsichtlich der Spannungen, erreicht werden kann.
7 Spezielle Eigenschaften und Einflüsse auf das Fließverhalten
In diesem Kapitel werden zum einen Effekte beschrieben, die beim Fließen von Schüttgütern zuweilen auftreten. Zum anderen wird anhand von Beispielen erläutert, welche Maßnahmen und Randbedingungen das Fließen von Schüttgütern beeinflussen. Da es sich häufig um stoffspezifische Effekte handelt, können die hier mitgeteilten Regeln nicht verallgemeinert werden, jedoch ist es wichtig, möglichst viele dieser Effekte zu kennen, um das Verhalten von Schüttgütern besser beurteilen zu können.
7.1 Effekte beim Fließen von Schüttgütern 7.1.1 Slip-Stick-Effekt durch Zeit- und Geschwindigkeitsabhängigkeit Der Slip-Stick-Effekt (in der Physik als Stick-Slip-Effekt bezeichnet) ist ein bekannter Vorgang in vielen physikalischen Systemen. Slip-Stick führt zu ruckartigen Bewegungen bis hin zu selbst erregten Schwingungen mit konstanter oder unregelmäßig schwankender Frequenz, z.B. beim Spielen einer Geige, beim Quietschen von Türen oder Bremsen, beim Knirschen mit den Zähnen oder bei Erdbeben durch die ruckartige gegenseitige Verschiebung von Gesteinsplatten. 7.1.1.1 Voraussetzungen für Slip-Stick-Schwingungen
Slip-Stick-Reibung kann zwischen Festkörperoberflächen, aber auch beim Fließen innerhalb eines Schüttgutes (innere Reibung) und beim Fließen eines Schüttgutes entlang einer Festkörperoberfläche (Wandreibung) auftreten. In den Abb. 7.1.a bis c sind für alle drei Fälle Modelle gezeigt, bei denen ein Körper (Masse m in Abb. 7.1, der obere Bereich des Schüttgutes in Abb. 7.1.b, oder das gesamte Schüttgut in Abb. 7.1.c) nach rechts, also in x-Richtung, verschoben wird. Die Geschwindigkeit v des elastisch angekoppelten Antriebs ist konstant. Die Federsteifigkeit c repräsentiert die
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7 Spezielle Eigenschaften und Einflüsse auf das Fließverhalten
Elastizität im System. An der Kontaktfläche herrscht eine Normalspannung σ, die durch die Gewichtskraft oder von außen aufgebrachte Kräfte entsteht. Verschiebt man Festkörper oder Partikel gegeneinander oder gegen eine ebene Festkörperoberfläche, muss dazu eine Schubspannung τ aufgebracht werden, die aus der Reibung zwischen den gegeneinander verschobenen Bereichen entsteht.
Abb. 7.1. Reibung zwischen Festkörpern (a), im Schüttgut (b) und zwischen Schüttgut und Festkörperoberfläche (c). Verläufe von Schubspannung τ, Weg x und Geschwindigkeit dx/dt am bewegten Körper bei Slip-Stick-Reibung (d)
Ursache für den Slip-Stick-Effekt ist, wie das Wort schon sagt, ein Wechsel zwischen Haften (Stick) und Gleiten (Slip) von parallel zueinander bewegten Kontaktflächen. In der Haftphase steigt die Schubspannung τ an, bis die Haftreibung erreicht wird (Abb. 7.1.d, Zeit t1). Nach Überwinden der Haftreibung wirkt die gegenüber der Haftreibung meist geringere Gleitreibung, und die benachbarten Reibflächen beginnen schlagartig aufeinander zu gleiten. Man erkennt in Abb. 7.1.d die schlagartige Abnahme der Schubspannung τ, die mit einer sprungartigen Zunahme des zurückgelegten Weges x und einem kurzzeitigen Maximum im Verlauf der Geschwindigkeit dx/dt der Masse m verbunden ist. Die plötzliche Beschleunigung des Körpers entsteht, da die von außen aufgebrachte Kraft schlagartig nur noch zum Teil für die Überwindung der nun geringeren
7.1 Effekte beim Fließen von Schüttgütern
205
Reibung benötigt wird, und die überschüssige Kraft nun die Beschleunigung herbeiführt. Anders formuliert kann man sagen, dass das System elastisch gespeicherte Energie abgibt, die den Körper beschleunigt. Je nach Randbedingungen des Systems (Dämpfung, Elastizität, Trägheitskräfte; im Fall von Abb. 7.1.b/c auch die Eigenschaften des Schüttgutes…) kommt es nicht nur zu einer im vorangegangenen Absatz beschriebenen einzelnen schlagartigen Beschleunigung, sondern zu periodischen Ereignissen (Schwingungen): Kommt der Probenkörper nach einer kurzen Gleitphase wieder zur Ruhe, haftet er erneut und der beschriebene Zyklus beginnt erneut. Damit ergibt sich der in Abb. 7.1.d gezeigte für Slip-StickSchwingungen typische sägezahnartige Verlauf der Schubspannung τ mit alternierenden Haft- und Gleitphasen. Ein einfaches, experimentell untersuchtes Slip-Stick-System ist der Reibschwinger (Abb. 7.2.a) [7.1]. Eine Masse m liegt (haftet) auf einem bewegten Band und ist mit der Umgebung über eine Feder und einen Dämpfer gekoppelt. Bewegt sich das Band mit der konstanten Geschwindigkeit u, bewegt sich die Masse m zunächst mit dem Band in x-Richtung. Nach einer gewissen Zeit ist die Feder so sehr gespannt, dass die Haftreibungskraft der Federkraft nicht mehr das Gleichgewicht halten kann: Die Masse beginnt sich gegenüber dem Band zu bewegen, d.h. Gleiten mit der Relativgeschwindigkeit vr tritt ein. Ist der Gleitreibungskoeffizient kleiner als der Haftreibungskoeffizient (idealisiertes Reibungsverhalten nach Abb. 7.2.b), ist die Federkraft in diesem Moment größer als die Gleitreibungskraft. Die Differenz von Federkraft und Gleitreibungskraft beschleunigt die Masse in negative x-Richtung, wobei die Feder elastische Energie abgibt. Bei der Bewegung in negative x-Richtung baut sich die Federkraft ab. Durch die Gleitreibung wird die Masse abgebremst und wieder in xRichtung beschleunigt, bis ihre Relativgeschwindigkeit zum Band Null ist und wieder Haftung erreicht ist. Dieser Slip-Stick-Mechanismus tritt nur dann ein, wenn sich die Reibungskraft nach Einsetzen der Bewegung hinreichend verringert, also bei dem hier angenommenen idealisierten Reibungsverhalten (Abb. 7.2.b) die Gleitreibung hinreichend kleiner ist als die Haftreibung. Zusätzlich muss das System Schwingungen erlauben (Systemverhalten, z.B. hinreichend kleine Dämpfung) [7.1–7.3]. Slip-Stick ist also immer eine Funktion von Materialverhalten und Systemverhalten. Beobachtet man also Slip-Stick in einer bestimmten Situation und Anordnung (z.B. in einem Schergerät), muss es nicht zwangsläufig in einer anderen Situation (z.B. in einem anderen Schergerät oder in einem Silo) ebenfalls zu Slip-Stick-Schwingungen kommen. Beobachtet man dagegen keine Slip-Stick-Schwingungen, sind diese allein aus diesem Grund nicht für andere Situationen auszuschließen.
206
7 Spezielle Eigenschaften und Einflüsse auf das Fließverhalten
Abb. 7.2. Reibschwinger (a); Reibungskoeffizient in Abhängigkeit von der Relativgeschwindigkeit vr: µ = const. für vr > 0 (b), µ ≠ const. für vr > 0 (c)
Zur Beschreibung der Reibung zwischen Festkörpern dient der Reibungskoeffizient µ. Für das beim Reibschwinger vorausgesetzte idealisierte Reibungsverhalten (Abb. 7.2.b) lässt sich der Reibungskoeffizient als Funktion der Relativgeschwindigkeit vr zwischen den reibenden Flächen in sehr einfacher Form beschreiben. Tatsächlich treten aber zwischen realen Körpern bereits beim Aufbringen einer Kraft parallel zur Reibfläche sehr kleine Relativbewegungen durch Kriechen an den Kontaktstellen auf, so dass bei der Messung der Haftreibung bereits eine sehr kleine Relativgeschwindigkeit vr > 0 entsteht [7.4]. Außerdem hängt der Haftreibungskoeffizient von der Dauer des unbewegten Kontaktes ab [7.5]. Daher ist der Haftreibungskoeffizient µ0 kein fixer Wert für eine Reibpaarung [7.6]. Bei der (stationären) Gleitreibung bei kleinen Relativgeschwindigkeiten zeigt sich häufig eine Abnahme des Reibungskoeffizienten µ mit zunehmender Relativgeschwindigkeit vr wie in Abb. 7.2.c (z.B. [7.7]). Auch dies allein, d.h. ohne das Auftreten einer erhöhten Haftreibung, kann Slip-Stick hervorrufen, da es z.B. in dem System in Abb. 7.2 ausgehend vom Haften zu einer Zunahme der Relativgeschwindigkeit kommt, wobei sich der Reibungskoeffizient verringert. Als materialspezifische Bedingung für das Entstehen von Slip-Stick muss also eine über die Aussage „Haftreibung > Gleitreibung“ hinausgehende Formulierung verwendet werden, etwa „Abnahme des Reibungskoeffizienten mit zunehmender Relativgeschwindigkeit“.
7.1 Effekte beim Fließen von Schüttgütern
207
Slip-Stick beim Scheren eines Schüttgutes in einem Schergerät führt zu mehr oder weniger regelmäßigen Schwingungen der Schubspannung (Abb. 7.3), wobei sich meist der oben beschriebene sägezahnartige Verlauf mit einem langsameren Anstieg und folgendem plötzlichen Abfall der Schubspannung ergibt. Dies erfolgt mit einer Frequenz, die u.a. von der Schergeschwindigkeit abhängt. Bei üblichen Schergeschwindigkeiten um 1 bis 2 mm/s werden in üblichen Schergeräten häufig Frequenzen im Bereich von etwa 1 bis 10 Hz beobachtet. Der Slip-Stick-Effekt tritt hauptsächlich bei der Wandreibungsmessung auf, seltener bei der Messung von Fließorten (z.B. Zement, Weizenmehl, Stärke, Milchpulver, Reis). Auch beim Fließen des Schüttgutes im Silo oder beim Verdichten (Tablettieren) macht sich der Slip-Stick-Effekt in Form von ruckartigen Bewegungen und Erschütterungen bis hin zu als „Silohupen“ hörbaren Geräuschen bemerkbar (Kap. 14).
Abb. 7.3. Typischer sägezahnartiger Verlauf der Schubspannung τ über der Zeit bei Slip-Stick-Reibung
Die für die Festkörperreibung gefundenen Zusammenhänge in Abb. 7.2 lassen sich auch auf Schüttgüter übertragen. Den Einfluss der Schergeschwindigkeit zeigen Messungen, bei denen Schüttgutproben im Ringschergerät (Kap. 4.1.2, Abb. 4.9) bei konstanter Normalspannung σ = 5000 Pa, aber stufenweise veränderten Schergeschwindigkeiten vs im Bereich von 0,05 mm/min bis 30 mm/min untersucht wurden [7.3]. Dazu wurden die Proben zunächst so lange bei konstanter Normalspannung geschert, bis sich die Schubspannung nicht mehr wesentlich änderte. Erst dann begannen die eigentlichen Messungen mit variierten Geschwindigkeiten. Abbildung 7.4 zeigt für Kalksteinmehl und PE-Pulver typische Verläufe der Schubspannung τ und der Probenhöhe h über der Zeit t. Das PE-Pulver dehnt sich jeweils bei Anstieg der Schergeschwindigkeit vs aus (h nimmt zu) bzw. verdichtet sich bei Geschwindigkeitsverringerung. Beim Kalksteinmehl war dieser Effekt im Rahmen der Auflösung von 1,5 µm nicht messbar. In Abb. 7.5 sind die stationären Schubspannungen τsf verschiedener Schüttgüter über der Schergeschwindigkeit vs aufge-
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7 Spezielle Eigenschaften und Einflüsse auf das Fließverhalten
tragen. Beim Kalksteinmehl nimmt die Schubspannung mit der Schergeschwindigkeit vs ab (ca. 1,5% pro Dekade), beim PE-Pulver ist dagegen im untersuchten Bereich ein Anstieg der Schubspannung festzustellen (ca. 4% pro Dekade).
Abb. 7.4. Schubspannung τ und Probenhöhe h über der Zeit t bei stufenweise veränderter Schergeschwindigkeit vs (Normalspannung σ = 5000 Pa) [7.3]
Abb. 7.5. Stationäre Schubspannungen τsf in Abhängigkeit von der Schergeschwindigkeit vs, Normalspannung 5000 Pa, Messpunkte und Regressionsgeraden
Bei Slip-Stick liegt während der Haftphase (Stick) zwar eine Schubspannung τ > 0 an, aber außer Kriechvorgängen findet keine Relativbewegung
7.1 Effekte beim Fließen von Schüttgütern
209
statt. Um den Einfluss der Zeitdauer der Haftphase auf die anschließend zu überwindende Haftreibung zu untersuchen, wurden Messungen mit zwischenzeitigem Anhalten des Scherzellenantriebs durchgeführt, die man als „Slide-Hold-Slide Tests“ (SHS-Tests) bezeichnet. Hierbei wird das Schüttgut einer Scherverformung unterzogen, bis sich stationäres Fließen bei der Schubspannung τsf einstellt. Dann wird der Antrieb der Scherzelle abgeschaltet und nach einer definierten Zeitspanne – der Haltezeit ∆t – wieder eingeschaltet [7.8,7.9]. Gemessene zeitliche Verläufe von Schubspannung τ und Probenhöhe h zeigt Abb. 7.6.
Abb. 7.6. Schubspannung τ und Probenhöhe h über der Zeit t während eines SHSTests, Normalspannung 5000 Pa, Schergeschwindigkeit vs außerhalb der Haltezeiten 0,05 mm/min (Kalksteinmehl, PE-Pulver) und 1 mm/min (PE-Pulver).
Während der Haltezeit ∆t fällt die Schubspannung degressiv auf einen Wert τmin(∆t) ab (Relaxation). Gleichzeitig nimmt die Höhe h der Schüttgutprobe ab (deutlich sichtbar bei PE-Pulver). Nach der Haltezeit steigt die Schubspannung auf ein höheres Niveau als vor der Haltezeit, bis sich nach einer Übergangszeit wieder die vor der Haltezeit beobachtete Schubspannung einstellt. Das nach der Haltezeit auftretende Schubspannungsmaximum τmax ist um so größer, desto länger die Haltezeit ist (Abb. 7.7). Das Schubspannungsmaximum ist bei Kalksteinmehl und Weizenmehl deutlich
210
7 Spezielle Eigenschaften und Einflüsse auf das Fließverhalten
messbar, bei PE-Pulver dagegen nur sehr schwach. Die Schubspannungsmaxima steigen in etwa linear mit dem Logarithmus der Haltezeit an. Das Maximum τmax entspricht dem oben beschriebenen Haftreibungskoeffizienten. Die Ergebnisse in Abb. 7.7 zeigen die Abhängigkeit der Schubspannungsmaxima, die hier als Haftreibung interpretiert werden, von der Dauer des Kontaktes. Die Haftreibung ist somit kein konstanter Wert.
Abb. 7.7. Relative Schubspannungsdifferenzen (τmax-τsf)/τsf und (τmin-τsf)/τsf in Abhängigkeit von der Haltezeit ∆t
Abbildung 7.8 zeigt als Beispiel für Slip-Stick Messergebnisse von Weizenmehl [7.3]. Bei den Slip-Stick-Schwingungen steigt die Schubspannung τ in etwa linear an (Stick) und fällt anschließend schlagartig ab (Slip). Die Steigung beim Anstieg ergibt sich im vor allem aus der Elastizität des Gesamtsystems (Schüttgut, Schergerät). Dabei führen abnehmende Schergeschwindigkeiten vs zu größeren Amplituden und Schubspannungsmaxima. Eine Ursache dafür ist die mit abnehmender Schergeschwindigkeit größere Dauer der Haftphasen, die ähnlich wie Haltezeiten (s. Abb. 7.7) zu einer Erhöhung der zu überwindenden Haftreibung führen. Um so größer die zu überwindende Haftreibung ist, desto mehr Energie steht nach deren Überwindung zur Beschleunigung während der Gleitphase (Slip-Phase) zur Verfügung, was dann eine größere Bewegung und somit ein stärkeres Abfallen der Schubspannung (kleinere Schubspannungsminima) hervorruft. Die Schubspannungsmaxima sind somit die Haftreibung kennzeichnende Werte und repräsentieren nicht das stationäre Fließen einer Schüttgutpro-
7.1 Effekte beim Fließen von Schüttgütern
211
be. Die Schubspannungsminima sind nicht nur von den Schüttguteigenschaften, sondern auch von der Systemdynamik abhängig und können kleiner oder größer als die Gleitreibung (Schubspannung beim stationären Fließen) sein.
Abb. 7.8. Schubspannung τ und Probenhöhe h über der Zeit t bei Slip-Stick und variierter Schergeschwindigkeit vs (Weizenmehl); die Stufen bei h resultieren aus der Auflösung der Höhenmessung.
Während der in Abb. 7.8 gezeigten Messung nimmt die Probenhöhe h jeweils während der Gleitphase schlagartig ab, um anschließend während des Anstiegs der Schubspannung (Haften) wieder etwa linear auf den vorangegangenen Wert anzusteigen. Die Probenhöhe h verringert sich während der Gleitphase ähnlich wie während der Haltezeit bei den SHS-Tests (Abb. 7.6), denn bei beiden Vorgängen führt die Entlastung von der Schubspannung zu einem Absinken des Scherdeckels bzw. zur Verdichtung des Schüttgutes. Bei Wiederbelastung, was bei Slip-Stick unmittelbar nach der Gleitphase erfolgt, bei den SHS-Tests aber erst nach Ablauf der Haltezeit, kommt es zur Ausdehnung des Schüttgutes. Dies entspricht der im Kap. 5.2.3. beschriebenen Dilatanz, die bei einsetzender Scherverformung zu einer Höhenzunahme und bei Entlastung von der Scherkraft zu einer Höhenabnahme führt. Da bei Höhenzunahme zusätzliche Arbeit zugeführt werden muss, erklärt dies zumindest einen Teil der Schubspannungsanstiege nach jeder Gleitphase in Abb. 7.8 (Kap. 5.2.3). Für praktische Messungen mit dem Schergerät folgt, dass im Hinblick auf die Eigenschaften des Schüttgutes nur die Maximalwerte der Schubspannungen aussagekräftig sind. Sie kennzeichnen das Überwinden der Haftreibung und damit das (plastische) Fließen des Schüttgutes. Die bei den Schwankungen auftretenden Minimalwerte der Schubspannungen ha-
212
7 Spezielle Eigenschaften und Einflüsse auf das Fließverhalten
ben keine Aussagekraft. Sie kennzeichnen nicht die Gleitreibung. Daher sind die Minimalwerte für keine weiteren Auswertungen zu benutzen. 7.1.1.2 Messen von Fließeigenschaften bei Slip-Stick
Tritt Slip-Stick beim Messen von Fließorten mit einem Schergerät auf (Abb. 7.9), ist aufgrund der Schubspannungsschwankungen mit einer Verschlechterung von Reproduzierbarkeit und Messgenauigkeit zu rechnen. Die folgende Vorgehensweise ist sinnvoll, um möglichst aussagekräftige Messwerte zu erhalten:
Abb. 7.9. Verlauf der Scherkraft beim Anscheren und Abscheren bei Slip-StickVerhalten
• Verringern der Schergeschwindigkeit, bis das Messwerterfassungssystem die einzelnen Schwingungen des Messsignals auflöst. Allerdings wird dabei die Amplitude der Schwingungen größer (s. Abb. 7.8). • Beim Anscheren werden die Schwingungen nach hinreichendem Scherweg etwa gleich hohe Maximalwerte zeigen. Dieser Zustand wird als „quasi-stationäres Fließen“ angesehen (s. Abb. 7.9). Als maßgebliche Anscherschubspannung bietet sich die konstante maximale Schubspannung der Schwingungen an. • Das Abscheren erfolgt in üblicher Weise nach dem Anscheren. Auch beim Abscheren kann ein schwingender Verlauf der Scherkraft auftreten, wobei die Maximalwerte der Schwingungen abnehmen können wie in Abb. 7.9, aber auch zuerst zunehmen und dann wieder abnehmen (ohne Bild). Für die Berechnung des Fließortes ist das größte Maximum zu benutzen.
7.1 Effekte beim Fließen von Schüttgütern
213
Da die Amplitude der Schwingungen mit zunehmender Schergeschwindigkeit abnimmt, lassen sich manchmal auch durch maßvolles Erhöhen der Schergeschwindigkeit die Slip-Stick-Schwingungen soweit reduzieren, dass eine Messung in der üblichen Weise möglich ist. Tritt Slip-Stick bei der Wandreibungsmessung auf, ergibt sich bei der üblichen Messprozedur (s. Kap. 4.1.4) der in Abb. 7.10 gezeigte typische Verlauf der Schubspannung τw unter verschiedenen (abnehmenden) Wandnormalspannungen σw. Wie bei der Messung von Fließorten hängt die Frequenz der Schwankungen der Scherkraft von der Schergeschwindigkeit ab.
Abb. 7.10. Verlauf der Scherkraft bei der Wandreibungsmessung bei Slip-StickVerhalten
Um aussagekräftige Werte zu erhalten, geht man in ähnlicher Weise vor wie oben für die Fließortmessung beschrieben. Bei jeder Wandnormalspannung wird sich mit der Zeit ein quasi-stationäres Fließen einstellen, bei dem die aufeinander folgenden Maximalwerte der Schubspannung τw ein konstantes Niveau haben. Für die Berechnung des Wandfließortes für Anwendungen, bei denen es auf die maximale Wandreibung ankommt (z.B. Auslegung für Massenfluss, Kap. 10.1), sind diese Maximalwerte zu benutzen. Die Minimalwerte im Schubspannungsverlauf haben keine Aussagekraft hinsichtlich der Wandreibung (s. Kap. 7.1.1.1.). 7.1.2 Wegabhängigkeit der Wandreibung Bei manchen Kombinationen von Schüttgut und Wandmaterial ändert sich die Wandreibung mit dem Scherweg, also mit zunehmender Relativverschiebung zwischen Schüttgut und Wand. Abbildung 7.11 zeigt Ergebnisse von Messungen mit besonders großen Relativverschiebungen. Der Wandreibungswinkel von Hirse (hier gemessen gegen das Wandmaterial Plexiglas) nimmt mit der Relativverschiebung ab. Nach dem Reinigen der
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7 Spezielle Eigenschaften und Einflüsse auf das Fließverhalten
Wandprobe erhält man wieder den Anfangswert, was darauf hinweist, dass sich hier Ablagerungen auf der Wandprobe gebildet hatten. Ähnliches wurde auch bei Getreide und einzelnen Kunststoffen beobachtet.
Abb. 7.11. Änderung des Wandreibungswinkels mit der Relativverschiebung ∆x (aus [7.10])
Ablagerungen können wie in Abb. 7.11 zu einer Verringerung des Wandreibungswinkels führen, was insbesondere bei anfangs rauen Wandoberflächen gegeben ist (z.B. Beton). Auch Schüttgüter, vor allem kristalline Produkte wie Kristallzucker oder Soda, neigen dazu, beim Gleiten auf einer Wandoberfläche einen sehr dünnen, kaum sichtbaren Belag zu bilden. Der Belag besteht aus sehr feinen Partikeln, die z.B. durch Abrieb entstehen, und führt zuweilen zu einer drastischen Vergrößerung des Wandreibungswinkels. Beim Messen des Wandreibungswinkels von Kristallzucker gegen glatte Oberflächen (z.B. Kunststoffbeschichtungen, kaltgewalzter Edelstahl) wurde vom Verfasser schon ein Anstieg des Wandreibungswinkels von ca. 15° bis 20° am Anfang (Wandoberfläche völlig sauber) auf über 30° (Wandoberfläche mit Belag) beobachtet. Die Wegabhängigkeit des Wandreibungswinkels kann auch auf einer Veränderung der Wandoberfläche beruhen. Der in Abb. 7.11 gezeigte Wandreibungswinkel von Sand gegen Edelstahl vergrößert sich mit der Relativverschiebung und bleibt auch nach dem Reinigen der Wandprobe groß, was auf die Veränderung der Wandoberfläche hinweist. Der gleiche Effekt, der auf der Wandprobe im Schergerät eintritt, ist auch bei einer entsprechenden Anwendung zu erwarten, z.B. auf der Wand eines Trichters oder auf einer Schurre. Daher muss bei der Messung der Wandreibung darauf geachtet werden, ob eine Änderung des Wandreibungswinkels eintritt. Wenn dies der Fall ist, ist zu prüfen, welcher konstante Wandreibungswinkel bei großen Scherwegen erreicht wird. Bei der Anwendung der gemessenen Wandreibungswinkel (z.B. für die Massen-
7.2 Einflüsse auf das Fließverhalten
215
flussauslegung oder die Silostatik) muss in der Regel der gesamte Bereich der gemessenen Wandreibungswinkel berücksichtigt werden, da Funktion bzw. Standfestigkeit sowohl für die neu erstellte Anlage als auch nach längerer Betriebszeit gesichert werden müssen.
7.2 Einflüsse auf das Fließverhalten 7.2.1 Partikelgrößenverteilung Die Haftkräfte zwischen den Partikeln sind maßgeblich für das Fließverhalten eines Pulvers oder Schüttgutes. Dabei sind vor allem die Haftkraft durch Flüssigkeitsbrücken (bei Anwesenheit von Feuchtigkeit) sowie die van-der-Waals-Kraft (dominierende Kraft bei trockenen, feinkörnigen Schüttgütern) von Bedeutung. Beide Kräfte sind proportional zur Partikelgröße (s. Abb. 2.14, Kap. 2.6). Ähnliche Abhängigkeiten wie in Abb. 2.14 findet man auch für die Haftkräfte zwischen Partikeln. Da die Zahl der Partikelkontakte pro Flächeneinheit umgekehrt proportional zum Quadrat der Partikelgröße ist, ist die Festigkeit eines Schüttgutes um so größer und die Fließfähigkeit um so kleiner, desto kleiner die Partikel sind. Dies wurde im Kap. 2.7 anhand der Zugfestigkeit dargelegt. Beispiele für den Partikelgrößeneinfluss sind im Kap. 8.5 gezeigt. Bis jetzt wurde pauschal von „Feinheit“ und „feinkörnig“ gesprochen. Aber nicht nur ein Feinheitskennwert wie z.B. der Medianwert x50 ist hier zu beachten, sondern darüber hinaus auch die Form (z.B. die Breite) der Partikelgrößenverteilung. Leider sind Vorhersagen zur Fließfähigkeit ausgehend von Partikelgrößenverteilungen schwierig, so dass eine genaue Messung unerlässlich ist. In vielen Fällen gilt jedoch, dass breitere Verteilungen bei gleichem Kennwert x50 eine schlechtere Fließfähigkeit haben als engere Verteilungen. Weitere Messungen und Überlegungen zum Einfluss der Feinheit auf die Fließeigenschaften findet man z.B. in [7.11]. 7.2.2 Fließhilfsmittel Fließhilfsmittel haben die Aufgabe, das Fließverhalten zu verbessern. Dies kann nur durch eine Verminderung der zwischen den Partikeln wirkenden Haftkräfte geschehen. Grobkörnige, trockene Produkte mit Partikelgrößen über ca. 100 µm fließen meistens gut, da die Haftkräfte gegenüber den Gewichtskräften von untergeordneter Bedeutung sind. Fließhilfsmittel werden hier vor allem eingesetzt, um das Zusammenbacken (Zeitverfestigung, Verklumpung) zu
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7 Spezielle Eigenschaften und Einflüsse auf das Fließverhalten
vermindern. Fließhilfsmittel sind hier häufig Trennmittel, die verhindern, dass die Partikeloberflächen direkt miteinander in Kontakt kommen. Beispiele sind Bienenwachs als Trennmittel für Gummibärchen, Talkum oder Stealim (feinkörniges Pulver, im wesentlichen Magnesium- und Aluminiumsilicat) als Trennmittel bei melassehaltigen Futterpellets. Bei trockenen feinkörnigen Produkten sind die van-der-Waals-Kräfte Hauptursache für schlechtes Fließverhalten. Hier benutzt man hochdisperse Pulver wie Aerosil® (hochdisperses Siliziumdioxid), aber auch z.B. Magnesiumcarbonat, Magnesiumstearat oder Laktose, um die Haftkräfte zu verringern. Das Fließhilfsmittel wird dem Produkt in kleinen Mengen (typisch: bis 1 Gew. %) zugegeben. Die Partikel des Fließhilfsmittels sollten dann außen an den Partikeln des Produktes haften (Abb. 7.12.b).
Abb. 7.12: Partikel ohne Fließhilfsmittel (a.) und mit hochdispersem Pulver als Fließhilfsmittel (b,c); bei c. ist die Oberfläche dicht belegt.
Die Partikel des Fließhilfsmittels wirken ähnlich wie Rauhigkeiten auf der Oberfläche eines Partikels als Abstandhalter und verringern so die Haftkräfte – der manchmal im Zusammenhang mit Fließhilfsmitteln zu hörende Begriff „Kugellagereffekt“ ist hier also unpassend. Der die Haftkraft vermindernde Einfluss von Rauhigkeiten ist in Kap. 2.6 erläutert (s. Abb. 2.15). Eine Abschätzung der Haftkräfte aufgrund von Partikeln eines Fließhilfsmittels zeigt Abb. 7.13. Die Haftkraft FH ist hier für den Fall berechnet worden, dass sich zwischen einem kugelförmigen Partikel (Radius R) und einer Wand ein kleineres kugelförmiges Partikel (Radius r) des Fließhilfsmittels befindet [7.12]. Da der Abstand zwischen Wand und Fließhilfsmittelpartikel konstant ist, ist das kugelförmige Partikel (Radius R) um so weiter von der Wand entfernt, desto größer der Radius r des Fließhilfsmittelpartikels ist. Gegenüber Abb. 2.15, das mit den gleichen Parametern für eine halbkugelförmige Rauigkeit berechnet ist, ergeben sich hier im linken Teil des Diagramms etwas kleinere Haftkräfte, da der Abstand zur Wand hier um jeweils r/2 größer ist (Abstandshalter ist hier eine Kugel anstatt einer Halbkugel). Eine Berechnung mit einem Ansatz zur Beschreibung der Haftkräfte zwischen kugelförmigen Partikeln mit einem dazwischen befindlichen
7.2 Einflüsse auf das Fließverhalten
217
Fließhilfsmittelpartikel [7.13] stellt gegenüber der Haftung zwischen Partikel und Wand eine realistischere Beschreibung der Verhältnisse im Schüttgut dar. Diese Berechnung liefert etwas kleinere Haftkräfte, führt aber tendenziell zum gleichen Ergebnis (Abb. 7.14).
Abb. 7.13. Einfluss des Radius r eines kugelförmigen Fließhilfsmittelpartikels auf die Haftkraft FH zwischen einem kugelförmigen Partikel (Radius R, Werte 0,5 µm, 5 µm und 50 µm) und einer Wand bei konstantem Kontaktabstand a0 (nach [7.12]; neu berechnet mit Parametern von Abb. 2.15)
Im rechten Teil der Diagramme (Abb. 7.13 und 7.14), also bei größeren Werten des Rauhigkeitsradius r bzw. der Partikelgröße des Fließhilfsmittels, steigt die berechnete Haftkraft wieder an. Hier macht sich zunehmend die Haftkraft zum Fließhilfsmittelpartikel selbst bemerkbar. Man sieht daran, dass Fließhilfsmittel in Pulverform fein genug sein müssen, damit die Haftkräfte der Fließhilfsmittelpartikel selbst hinreichend klein sind. Daher eignen sich als Fließhilfsmittel gemäß den Berechnungen der Abb. 7.13 und 7.14 Produkte mit Partikelgrößen im Bereich von etwa 5 nm bis zu wenigen 100 nm (je nach Partikelgröße des Schüttgutes, dessen Fließverhalten verbessert werden soll). Generelle Aussagen sind aber schwierig. Mit zunehmender Konzentration eines Fließhilfsmittels ist zunächst eine Verbesserung der Fließeigenschaften zu erwarten, da immer mehr Partikel zu einem Teil mit Fließhilfsmittelpartikeln belegt sind und die Wahrscheinlichkeit, dass sich zwei Partikel unmittelbar berühren und nicht von einem Fließhilfsmittelpartikel getrennt werden, abnimmt [7.12–7.15] (s. Abb. 7.12.b). Ist der Bedeckungsgrad so groß, dass sich das Fließhilfsmittel auf nahezu jeden Kontakt auswirkt, ist die bestmögliche Fließfähigkeit erreicht. Eine weitere Erhöhung des Bedeckungsgrades durch Zugabe von
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7 Spezielle Eigenschaften und Einflüsse auf das Fließverhalten
Fließhilfsmittel bis hin zur vollständigen Bedeckung der Partikeloberflächen (Abb. 7.12.c) führt zu keiner Verbesserung des Fließverhaltens, sondern kann im Gegenteil eine Verschlechterung herbeiführen. Die Ursache dafür kann sein, dass die vollständig mit Fließhilfsmittel bedeckten Partikel größere Kontaktflächen ausbilden [7.15].
Abb. 7.14. Einfluss des Radius r eines kugelförmigen Fließhilfsmittelpartikels auf die Haftkraft FH zwischen zwei gleich großen kugelförmigen Partikeln (Radius R, Werte 0,5 µm, 5 µm und 50 µm) bei konstantem Kontaktabstand a0 = 4·10-4 µm (berechnet nach [7.13] mit Parametern von Abb. 2.15)
Gibt man soviel Fließhilfsmittel hinzu, dass es die Poren zwischen den Partikeln des schlecht fließenden Pulvers, dessen Fließfähigkeit verbessert werden soll, vollständig füllt, ist eine deutliche Verschlechterung der Fließfähigkeit zu erwarten. In diesem Fall werden die Fließeigenschaften des Fließhilfsmittels selbst dominant, die wegen der geringen Partikelgröße des Fließhilfsmittels in der Regel ungünstig sind. Fließhilfsmittel mit Primärpartikeln im Nanometerbereich liegen in der Regel nicht als Einzelpartikel vor, sondern als schwer abbaubare Aggregate, die sich wiederum zu weniger festen Agglomeraten verbinden [7.12]. Die Agglomerate können sehr poröse, verzweigte Strukturen haben (Abb. 7.15.a).
7.2 Einflüsse auf das Fließverhalten
219
Abb. 7.15. Modell zum Belegung der Partikeloberflächen mit Fließhilfsmitteln aus Nanopartikeln [7.12]. Am Anfang des Mischvorgangs setzen sich einzelne Agglomerate, die häufig eine verzweigte Struktur aufweisen, auf die Partikeloberfläche (a). Im Verlauf des Mischprozesses werden die Agglomerate zerstört, und kleinere Bruchstücke setzen sich in zunehmender Zahl fest auf die Partikeloberfläche (b).
Einen Einblick in die komplexen Verhältnisse geben Ergebnisse von Untersuchungen an Maisstärke mit verschiedenen Fließhilfsmitteln im Nanometerbereich [7.12–7.15]: Mischt man ein Schüttgut mit einem solchen Fließhilfsmittel, lagern sich zunächst die Agglomerate an den Partikeln an. (Abb. 7.15.a). Aufgrund ihrer lockeren Struktur haften die Agglomerate aber nicht besonders fest an den Partikeln, so dass sie sich durch die Beanspruchung während des Mischens wieder ablösen und/oder in kleinere Bruchstücke (Aggregate oder kleinere Agglomerate) zerfallen. Die Bruchstücke haften stärker an den Partikeloberflächen (Abb. 7.15.b) und bedecken sie während des Mischvorgangs zunehmend. Gleichzeitig verbessert sich die Fließfähigkeit bis zu einem bestimmten Bedeckungsgrad (Anteil der vom Fließhilfsmittel bedeckten Partikeloberfläche). Beim weiteren Mischen verbessert sich die Fließfähigkeit trotz weiter zunehmendem Bedeckungsgrad nicht. Das gleiche wurde für eine zunehmende Fließhilfsmittelkonzentration festgestellt (s. oben). Schließlich kann es nach sehr langen Mischzeiten zur Bildung eines dichten und glatten Überzugs der Partikeloberflächen mit Nanopartikeln und damit zum Verschwinden der Rauigkeiten kommen [7.15]. Dies geht einher mit einer Verschlechterung der Fließfähigkeit. Da die bei den oben beschriebenen Untersuchungen benutzte Maisstärke aus relativ runden und glatten Partikeln besteht, ist die Wirkung der Fließhilfsmittelzugabe deutlich spürbar. Bei weniger glatten Partikeln werden sich die Partikel eines Fließhilfsmittels bevorzugt in Vertiefungen anlagern, so dass ihre Wirkung auf den Partikelabstand und damit auf die Fließfähigkeit geringer ausfallen wird. Auch flüssige Fließhilfsmittel für feinkörnige Produkte sind bekannt, z.B. werden bei der Zementmahlung als „Mahlhilfsmittel“ Triäthanolamin oder Propylenglycol eingesetzt, die die Agglomeration von Partikeln er-
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7 Spezielle Eigenschaften und Einflüsse auf das Fließverhalten
schweren, indem sie die Haftkräfte reduzieren (z.B. durch Bildung von Adsorptionsschichten mit kleineren Lifschitz-van-der-Waals-Konstanten). Damit wirken diese Stoffe als Fließhilfsmittel. Die Wirkung von Fließhilfsmitteln und ihre optimale Konzentration ist kaum vorherzusagen. Daher ist zu empfehlen, zunächst anhand von Messungen mit unterschiedlichen Fließhilfsmitteln und Konzentrationen sowie unter Beachtung der möglichen Einflüsse von Mischverfahren und Mischzeit die Auswirkungen auf die Fließfähigkeit zu bestimmen. 7.2.3 Flüssigkeit, Feuchtigkeit Gibt man zu einem trockenen Schüttgut eine die Partikel benetzende Flüssigkeit hinzu, so bilden sich bei kleinen Flüssigkeitsmengen zunächst Flüssigkeitsbrücken an den Kontaktstellen der Partikel (Abb. 7.16.a). Die Flüssigkeitsbrücken führen aufgrund ihrer Oberflächenspannung sowie eines möglichen kapillaren Unterdrucks zu zusätzlichen Haftkräften (s. Kap. 2.6). Dies bedeutet eine Vergrößerung der Druckfestigkeit und damit eine zunächst starke Abnahme der Fließfähigkeit (Abb. 7.17). Gibt man weiter Flüssigkeit hinzu, bilden sich örtlich gesättigte Bereiche (Abb. 7.16.b) und die Fließfähigkeit nimmt weiter, allerdings meist weniger stark, ab (Abb. 7.17). Schließlich erreicht man die Sättigung des Schüttgutes mit Flüssigkeit (Abb. 7.16.c). Die Hohlräume um die Partikel sind dann vollständig mit Flüssigkeit erfüllt, so dass die Oberflächen mit ihren Oberflächenspannungen verschwinden. Die Fließfähigkeit wird bei Erreichen der Sättigung schlagartig besser. Das feuchte Schüttgut geht in eine Suspension über. In Abb. 7.17 ist der Bereich der Sättigung mit einer gewissen Breite eingezeichnet. Sättigung bedeutet an sich, dass der Sättigungsgrad S nach Gl.(2.25) gleich 1 ist:
S=
V Flüssigkeit V Hohlräume
=
V Flüssigkeit ε ⋅V
=1
(7.1)
Abb. 7.16. Partikel mit unterschiedlichen Flüssigkeitsmengen; a. einzelne Flüssigkeitsbrücken; b. Flüssigkeitsbrücken und lokale Sättigung; c. gesättigt
7.2 Einflüsse auf das Fließverhalten
221
Abb. 7.17. Prinzipielle Abhängigkeit der Fließfähigkeit vom Flüssigkeitsgehalt
Bei Schüttgütern kann sich aber die Schüttgutdichte ändern, was gleichbedeutend mit einer Änderung des Hohlraumvolumenanteils (Porosität ε) ist. Ein sehr feuchtes, aber noch nicht mit Flüssigkeit gesättigtes Schüttgut kann allein durch Verdichten ohne Flüssigkeitszufuhr in den gesättigten Zustand überführt werden. Dies lässt sich zum Beispiel bei eintretender Ebbe an einem eben noch mit Wasser überspülten Strand nachvollziehen, indem man den Sand durch andauerndes Auftreten mit dem Fuß verdichtet, bis die Sättigung erreicht ist und der eben noch feste feuchte Sand zur Suspension wird. Wegen der Dichteabhängigkeit lässt sich der Zustand der Sättigung in Abb. 7.17 nicht durch einen bestimmten Wert der Feuchtigkeit angeben, sondern nur durch einen Bereich, in dem je nach Schüttgutdichte Sättigung erreicht werden kann. Beim Entwässern eines ruhenden Schüttgutes aus dem gesättigten Zustand heraus sind die Kapillardrücke in den verbleibenden Flüssigkeitsbereichen größer als beim Befeuchten, was mit ungünstigeren Fließeigenschaften (z.B. größere Zugfestigkeit) einhergeht [7.11,7.16]. Besonders problematisch bei der Handhabung gesättigten Schüttgutes ist, dass dieses zunächst als gut fließend erscheint, jedoch schon nach geringem Abfluss von Feuchtigkeit in einen Zustand unterhalb der Sättigung gelangt, der mit einer besonders ungünstigen Fließfähigkeit verbunden ist (Abb. 7.17). Beim Einfluss von Feuchtigkeit auf die Fließeigenschaften ist die innere Feuchte, also innerhalb der Partikel gebundene Feuchte, von der äußeren Feuchte zu unterscheiden, da sich vor allem die an der Oberfläche der Partikel befindliche äußere Feuchte auf die Fließeigenschaften auswirkt. Besonders beim Befeuchten eines Schüttgutes, das vorher durch Trocknung eine geringere Feuchte eingenommen hat, ist kritisch zu prüfen, ob die nachträglich zugeführte Feuchte zu den gleichen Verhältnissen im Schüttgut führt. Einige Produkte wie z.B. Braunkohle enthalten viel Feuchtigkeit, die innerhalb der Partikel (Fasern) gespeichert ist. Gibt man nach dem Trocken der Braunkohle Flüssigkeit in der gleichen Menge zu, die zuvor
222
7 Spezielle Eigenschaften und Einflüsse auf das Fließverhalten
durch Trocknen entfernt wurde, wird diese nicht wieder in gleichem Maße von den Partikeln aufgenommen, so dass der Anteil der äußeren Feuchte sehr groß ist (bis hin zur Sättigung). Das Fließverhalten des befeuchteten Produkts ist dann völlig anders als vor der Trocknung. Auch die Reibung zwischen einem Schüttgut und einer festen Wand wird von der Feuchtigkeit beeinflusst. Gleitet ein feuchtes Schüttgut über eine von der Flüssigkeit gut benetzbare Wand (Geschwindigkeit v, Abb. 7.18.a), bilden sich Flüssigkeitsbrücken zwischen Partikeln und Wandoberfläche (Abb. 7.18.b). Dadurch entsteht die Haftkraft FH zwischen Partikel und Wandoberfläche (Abb. 7.18.c). Die Haftkraft FH drückt das Partikel zusätzlich zur Normalkraft FN, die aus der von außen wirkenden Normalspannung σ entsteht, auf die Wandoberfläche. Die Kontaktkraft FK ist somit nicht gleich FN, sondern es gilt FK = FN + FH.
Abb. 7.18. Zum Einfluss der Feuchtigkeit auf die Wandreibung; a. Verschiebung von Schüttgut entlang einer Wandoberfläche; b. Flüssigkeitsbrücke bei benetzender Flüssigkeit zwischen Partikel und Wand; c. Kräfte an einem Partikel; d. Schubspannung τ zum Verschieben des Schüttgutes in Abhängigkeit der von außen aufgeprägten Normalspannung σ.
Um das Schüttgut entlang der Wandoberfläche zu verschieben, müssen die Partikel, die die Wand berühren, auf dieser gleiten. Dazu muss eine hinreichende Tangentialkraft FT an jedem dieser Partikel angreifen, um die Reibungskraft FR zwischen Partikel und Wand zu überwinden. Diese ist gleich dem Produkt aus Kontaktkraft FK und Reibungskoeffizient µ, d.h. auch ohne von außen auf das Schüttgut wirkende Normalspannung σ ist eine Kraft FT > 0 erforderlich, um das Partikel zu verschieben. Trägt man die insgesamt zum Verschieben des Schüttgutes erforderliche Schubspannung τ, die
7.2 Einflüsse auf das Fließverhalten
223
aus den Tangentialkräften an den die Wand berührenden Partikeln folgt, über der von außen angelegten Normalspannung σ auf, ergibt sich unter Annahme eines konstanten Reibungskoeffizienten µ eine Gerade, die die Schubspannungsachse bei Werten τ > 0 schneidet (Abb. 7.18.d). Diese Gerade ist der Wandfließort (Kap.3.3.2), der hier aufgrund der Haftkräfte durch Flüssigkeitsbrücken nicht durch den Ursprung verläuft. Die Schubspannung am Schnittpunkt mit der Schubspannungsachse ist die Adhäsion τad (s. Kap. 3.3.2, Abb. 3.29). Bei benetzbaren Wandmaterialien ist der Einfluss der Feuchtigkeit auf die Wandreibung häufig ähnlich wie auf die Fließfähigkeit (Abb. 7.17). Zunächst steigt die Wandreibung mit zunehmender Feuchtigkeit an, erreicht dann ein Plateau, um bei sehr großer Feuchte nahe der Sättigung wieder abzufallen. Bei von der Porenflüssigkeit nicht oder schlecht benetzbaren Wandmaterialien (z.B. Wasser in Verbindung mit Teflon oder UHMW-PE) entstehen keine haftkraftverstärkenden Flüssigkeitsbrücken. Hier kann sich durch zunehmende Feuchte auch eine Verringerung der Wandreibung einstellen. Beispiele zum Einfluss der Feuchtigkeit auf die Wandreibung sind im Kap. 8.2 gegeben. 7.2.4 Gasströmung Die Durchströmung eines Schüttgutes mit Gas, z.B. Luft, hat Einfluss auf das Verhalten des Schüttgutes. Man muss hier aber zwei Bereiche unterscheiden, nämlich die durchströmte ruhende Schüttung und das fluidisierte Schüttgut. Den Übergang zwischen diesen Bereichen zeigt das Wirbelschichtdiagramm (Abb. 7.19). Wird eine ruhende Schüttung von einem Gas mit zunehmender Geschwindigkeit durchströmt, bleibt die Schüttung zunächst in Ruhe. Der Druckverlust ∆p über der Schüttung steigt dabei kontinuierlich an. Die durch die Druckdifferenz ∆p auf das Schüttgut ausgeübte Kraft wirkt der Schwerkraft entgegen, d.h. die strömende Luft trägt einen zunehmenden Anteil des Schüttgutgewichtes. Bei hinreichend großem Druckverlust ∆p = ∆pL wird der Lockerungspunkt erreicht. An diesem Punkt ist der Druckverlust groß genug, um das gesamte Gewicht der Schüttung zu tragen: Die Schüttung geht in eine Wirbelschicht über, das Schüttgut ist fluidisiert. Am Lockerungspunkt ist ein lokales Maximum im Verlauf von ∆p zu erkennen, das abhängig vom Schüttgut und dessen Verfestigungsgrad mehr oder weniger stark ausgeprägt ist. Das Maximum entsteht dadurch, dass das ruhende Schüttgut zunächst aufgelockert werden muss, wobei Haftkräfte überwunden werden müssen (Beim Reduzieren der Luftgeschwindigkeit
224
7 Spezielle Eigenschaften und Einflüsse auf das Fließverhalten
entsteht das Maximum nicht, da das Schüttgut sich langsam setzt und der Effekt der zu überwindenden Haftkräfte fehlt). Bei weiter steigenden Luftgeschwindigkeiten w > wL im Bereich der Wirbelschicht bleibt der Druckverlust nahezu konstant. Das Schüttgut dehnt sich dabei mit zunehmender Luftgeschwindigkeit immer mehr aus. Die Wirkung der Luftgeschwindigkeit auf den Druckverlust wird in diesem Bereich durch die aufgrund der Ausdehnung verbesserte Durchströmbarkeit des Schüttgutes ausgeglichen. Erst bei sehr viel größeren Luftgeschwindigkeiten werden einzelne Partikel von der Luft mitgerissen. Damit setzt die pneumatische Förderung ein, wobei dann der Druckverlust weiter ansteigt.
Abb. 7.19. Druckverlustverlauf einer homogen fluidisierenden Schicht [7.17,7.18]
Eine Änderung der Schüttguteigenschaften durch die Durchströmung findet erst statt, nachdem der Lockerungspunkt erreicht wurde. Dann ist das Schüttgut fluidisiert und verhält sich wie eine Flüssigkeit, z.B. indem es eine horizontale Oberfläche ausbildet. In diesem Zustand fließt es naturgemäß deutlich besser als im nicht fluidisierten Zustand, so dass es zum Überfluten von Austrag- und Fördergeräten („Schießen“) und zu Dosierproblemen kommen kann. Ausgehend von solchen Erscheinungen hört man in der Praxis Bewertungen des Fließverhaltens mit Worten wie „fließt wie Wasser“. Hier ist aber zu beachten, dass dies nicht die Fließfähigkeit des Schüttgutes (ffc) beschreibt, sondern nur den fluidisierten Zustand. Nach dem Absetzen und Entlüften kann ein solches Schüttgut durchaus sehr schlecht fließen. In einem Schergerät misst man stets den entlüfteten Zustand. Solange das von unten durchströmte Schüttgut als ruhendes Festbett vorliegt (unterhalb des Lockerungspunktes) und somit noch nicht fluidisiert ist, wirkt die Luftdurchströmung der Schwerkraft entgegen und ver-
7.2 Einflüsse auf das Fließverhalten
225
mindert somit die im Schüttgut wirkenden Spannungen, aber nicht die Eigenschaften des Schüttgutes [7.19]. Dadurch kann das Fließen unterstützt werden, was dann äußerlich so erscheint, als verbesserten sich die Fließeigenschaften. Dies wird an den folgenden zwei Beispielen deutlich.
Abb. 7.20. Gasdurchströmtes Schüttgut auf geneigter Fläche und auf das Schüttgut wirkende Kräfte
Beispiel 1: Schüttgut auf geneigter Fläche (Abb. 7.20): Der Druckverlust ∆p über der von unten durchströmten Schüttung (durchströmtes Festbett, nicht fluidisiert) erzeugt eine Kraft Fp, die entgegen dem Anteil der Gewichtskraft FG normal zur Unterlage (hier: poröse Fläche) wirkt. Wegen der dadurch verringerten Normalkraft FN wirkt auch eine kleinere Reibungskraft FR. Der Wandreibungswinkel bleibt aber unverändert, d.h. es gilt
FR = FN ⋅ µ = FN ⋅ tan(ϕ x )
(7.2)
Durch die Luftströmung wird also die Reibungskraft verringert, so dass ein Herabrutschen des Schüttgutes auf der geneigten Fläche schon bei kleineren Neigungswinkeln als ohne Luftdurchströmung möglich ist. Die Schüttguteigenschaften, hier der Wandreibungswinkel φx, bleiben unverändert. Würde man so viel Luft einblasen, dass man die Fluidisierung des Schüttgutes erreicht, würde es wie eine Flüssigkeit entlang der geneigten Fläche nach unten fließen. Dann wären auch die Eigenschaften des Schüttgutes verändert.
226
7 Spezielle Eigenschaften und Einflüsse auf das Fließverhalten
Beispiel 2: Schüttgut im Trichter eines Silos (Abb. 7.21): Durch das Einblasen von Luft erzeugt man eine Luftströmung durch die Auslauföffnung nach unten, denn bei hinreichender Füllhöhe des Silos wird nur eine vernachlässigbare Menge Luft nach oben strömen. Eine Fluidisierung im Sinne einer Wirbelschicht wird in der Regel nicht angestrebt und auch nicht erreicht (auch wenn manchmal hinsichtlich der Wirkung von Lufteinblasvorrichtungen für Silos von „Fluidisieren“ gesprochen wird). Anhand einer Schüttgutbrücke (Abb. 7.21) lässt sich die Wirkung der Luftdurchströmung betrachten: Der Druckverlust ∆p über der von oben durchströmten Brücke bzw. die dadurch erzeugte Kraft Fp wirkt in der gleichen Richtung wie die Gewichtskraft FG der Schüttgutbrücke. Daher erhöht die Luftströmung die Auflagerkräfte FA an der Trichterwand, wo sich die Brücke abstützt. Bei hinreichend starker Durchströmung wird die Schüttgutbrücke im Auflager so stark beansprucht, dass die Festigkeit des Schüttgutes (Druckfestigkeit σc) überwunden und die Brücke zerstört wird.
Abb. 7.21. Luft als Austraghilfe im Trichter
Eine Einteilung von trockenen Schüttgütern hinsichtlich Ihres Verhaltens bei Luftdurchströmung publizierte Geldart [7.20]. Abbildung 7.22 zeigt diese Einteilung mit von Molerus berechneten Grenzen [7.17,7.18]. Die Produktgruppen A bis D, die anhand von Partikelgröße x und Dichtedifferenz ∆ρ zwischen Feststoffdichte und Fluiddichte definiert sind (wobei die Grenzen fließend sind), lassen sich wie folgt charakterisieren: A. Leicht zu fluidisieren, z.T. schon durch Schütteln oder kräftiges Rühren; starke Ausdehnung der Wirbelschicht; großes Lufthaltevermögen, d.h. die Luft entweicht langsam nach Abschalten der Luftzufuhr. Große Neigung zum Schießen. B. Schwieriger zu fluidisieren als A, Wirbelschicht dehnt sich nur wenig aus; geringes Lufthaltevermögen, daher kaum Neigung zum Schießen. C. Aufgrund der geringen Partikelgrößen ist das Verhalten kohäsiv. Die Haftkräfte zwischen den Partikeln sind so groß, dass das Produkt kaum
7.2 Einflüsse auf das Fließverhalten
227
ohne weitere Maßnahmen (z.B. Rühren) fluidisiert werden kann. Die Luftströmung erzeugt Kanäle im Schüttgut, dazwischen bleibt das Schüttgut in Ruhe (Festbett). Geringe Neigung zum Schießen. D. Grobe Partikel, zur Fluidisierung sind große Luftgeschwindigkeiten notwendig. Wegen des geringen Durchströmungswiderstandes haben diese Produkte praktisch kein Lufthaltevermögen, daher kein Schießen.
Abb. 7.22. Geldart-Diagramm: Einteilung von Schüttgütern nach ihrem Verhalten bei Durchströmung mit den Bereichsgrenzen nach Molerus [7.17,7.18]
Diese Betrachtung zeigt, dass man mit Luft vor allem das Verhalten der Produkte der Gruppe A beeinflussen kann. Dies sind feinkörnige, aber nicht zu feine Schüttgüter, z.B. mit Partikelgrößen etwa zwischen 20 µm und 100 µm bei Feststoffdichten im Bereich von 2000 kg/m3 bis 3000 kg/m3. Für die Gruppe B lässt sich Luft ebenfalls anwenden, aber aufgrund des größeren Luftbedarfs ist eine Anwendung hier oft nicht ökonomisch sinnvoll. Dies gilt erst recht für Gruppe D. Sind die Partikel dagegen zu klein (C), bilden sich Kanäle, die eine homogene Durchströmung verhindern. Daher würden die in den Abb. 7.20 und 7.21 gezeigten Mechanismen mit diesen Produkten nicht oder nur schlecht funktionieren. 7.2.5 Partikelform Die Partikelform beeinflusst die Fließeigenschaften, aber es ist kaum möglich, diesbezüglich generelle Aussagen zu treffen. Bei groben Produkten (z.B. über 0,5 mm) ist es einfacher, glatte, runde Partikel zum Fließen zu bringen als rauere und von der Kugelform stärker abweichende Partikel. Bei kohäsiven Schüttgütern ist dies nicht so einfach zu sagen, da die Haftkräfte die wesentliche Rolle spielen. Hier können Rauhigkeiten dazu führen, dass sich die Partikel nicht so nahe kommen wie entsprechend große
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7 Spezielle Eigenschaften und Einflüsse auf das Fließverhalten
glatte Partikel, so dass sich bei den raueren Partikeln insgesamt ein besseres Fließverhalten zeigt (s. Kap. 2.6, Wirkung von Fließhilfsmitteln, Kap. 7.2.2, und Kap. 6.5, Abb. 6.29). Während mit den gängigen Messverfahren alle typischen Schüttgüter charakterisiert werden können, ist dies für nicht zu feine (grober Anhaltswert: größer/länger als ca. 1 bis 2 mm) faserige oder plättchenförmige Partikel geringer Dicke ungleich schwieriger. Diese Produkte bereiten große Probleme bei der Handhabung. Typische Beispiele aus dem Bereich des Recyclings sind zerkleinerte Altreifen (hoher Faser- und Drahtanteil) oder Folienschnitzel (plättchenförmige Partikel geringer Dicke). Aber auch in vielen anderen Bereichen treten Fasern und Plättchen auf, z.B. bei der Herstellung von faserverstärkten Kunststoffen, Bremsbelägen oder Spanplatten. Da theoretische Grundlagen nicht zur Verfügung stehen, wird das Verhalten dieser Produkte hier anhand beobachteter Phänomene und eines einfachen Modells betrachtet.
Abb. 7.23. Austrag von Schüttgut mit plättchenförmigen Partikeln mittels Kettenförderer, Verpressung; mögliche Richtung der größten Hauptspannung σ1 im Bereich der Verpressung
Zu Problemen beim Fließen von faserigen oder plättchenförmigen Partikeln kommt es häufig dann, wenn größere Spannungen auf das Schüttgut wirken. Ein praktisches Beispiel zeigt Abb. 7.23, wo es beim Austrag mit einem langgestreckten Fördergerät (Kettenförderer) zur Verpressung des Schüttgutes in Auslaufnähe kommt, da sich die Partikel in der gezeigten Form umlagern und nicht mehr beherrschbare Abzugskräfte Fh erfordern. Die Fließeigenschaften dieser Produkte lassen sich mit herkömmlichen Schergeräten nicht messen. Die Ursache hierfür ist, dass diese Produkte in lockerer Schüttung gut fließen, sich aber mit zunehmender Belastung ungünstiger verhalten (s. Abb. 7.23). Die Problematik des Verhaltens wird
7.2 Einflüsse auf das Fließverhalten
229
nachfolgend anhand von Messungen mit einem Drucktopf [7.21] dargelegt. Mit dem Drucktopf wird die Verdichtbarkeit und Elastizität des Schüttgutes gemessen, indem die Schüttgutprobe vertikal zusammengedrückt wird (Abb. 7.24.a). Aus den gemessenen Verläufen von Kraft und Weg wird der Verlauf der Schüttgutdichte in Abhängigkeit der Vertikalspannung σ ermittelt. Da sich beim Verdichten der Schüttgutprobe der elastischen Verformung die plastische Verformung überlagert, wird die Elastizität beim Entlasten der Schüttgutprobe gemessen (elastische Rückdehnung).
Abb. 7.24. Drucktopf: a. Verdichten; b. Messen der Bruchkraft FD (Prinzip)
Die zweite Anwendung des Drucktopfes folgt dem in Abb. 7.24.b gezeigten Prinzip. Eine Schüttgutprobe wird über einen Deckel zunächst mit einer Vertikalspannung σ1 belastet. Anschließend wird am Behälterboden eine vorher verschlossene Öffnung freigegeben, indem die Verschlussplatte abgenommen wird. Der mittlere Teil des Deckels, die Druckplatte, wird dann weiter nach unten gedrückt, bis es zum „Bruch“ oder „Fließen“ des Schüttgutes kommt. Die dazu erforderliche Kraft FD = FD,max (Bruchkraft) wird als Maß für die Festigkeit oder den Fließwiderstand des Schüttgutes angesehen. Das Messverfahren simuliert Verhältnisse, wie sie in ähnlicher Form an der Austragöffnung des in Abb. 7.23 gezeigten Silos vorliegen. Wie im Kap. 6.3.15 dargelegt ist, kann das Messverfahren aber nur qualitative Ergebnisse liefern.
230
7 Spezielle Eigenschaften und Einflüsse auf das Fließverhalten
Untersucht wurden Produkte mit sowohl faserigen als auch plättchenförmigen Partikeln. Zum Vergleich wird Kalksteinmehl als „typisches Schüttgut“ verwendet. Tabelle 7.1 zeigt die wesentlichen Daten einiger Schüttgüter. Zur Messung von Verdichtbarkeit und Elastizität wurde die Schüttgutprobe im Drucktopf zunächst verdichtet, bis die vorgegebene Maximalspannung von etwa 40 kPa erreicht war, und anschließend entlastet. Beispiele für gemessene Spannungs-Dehnungs-Verläufe zeigt Abb. 7.25. Tabelle 7.1. Schüttgüter und Eigenschaften Schüttgut Kalksteinmehl Schweinehaare Hanfschäben Möbelfolie (zerkleinert) Kaffeebecher (zerkleinert) Dachbahn (zerkleinert)
Beschreibung Partikelgröße und Form typisches feinkörni- x50,3 = 4,7 µm, unregelmäßig rund/kubisch ges Schüttgut Naturfaser kurze Schweinehaare, Länge 1 bis 2 mm, Durchmesser < 0,1 mm Naturfaser teilweise zylindrische, zu den Enden spitz zulaufende Partikel, ca. 10 –30 mm lang, Durchmesser ca. 2,5 mm Recyclingprodukt unregelmäßig-polygonförmige ebene Plätt(Schneidmühle) chen, Dicke ca. 0,2 – 0,5 mm, Länge und Breite bis ca. 8 mm (Medianwert ca. 3 mm) Recyclingprodukt unregelmäßig-polygonförmige ebene Plätt(Schneidmühle) chen, Dicke ca. 0,2 mm, Länge und Breite bis ca. 8 mm (Medianwert ca. 2,5 mm) Recyclingprodukt unregelmäßig-polygonförmige ebene Plätt(Schneidmühle) chen, Dicke ca. 1,5 mm, Länge und Breite bis ca. 8 mm (Medianwert ca. 2,9 mm)
Das feinkörnige Kalksteinmehl lässt sich relativ stark verdichten, was an der großen Vertikaldehnung εv bis zum Erreichen der Maximalspannung sichtbar ist. Der typische progressive Anstieg der Spannung mit der Dehnung ergibt sich aus der zunehmenden Schüttgutdichte, die das Schüttgut immer steifer macht bzw. eine weitere Verdichtung zunehmend erschwert. Der nichtlineare Anstieg ist also die Summe aus elastischer Verformung und plastischer Verformung, wobei letztere mit einem Anstieg der Schüttgutdichte einhergeht. Bei der Entlastung und der dadurch hervorgerufenen elastischen Rückdehnung erhält man einen deutlich steileren Kurvenverlauf. Im Verlauf der Entlastung wird der Spannungs-Dehnungs-Verlauf flacher, d.h. die Probe verhält sich weicher.
7.2 Einflüsse auf das Fließverhalten
231
Abb. 7.25. Vertikalspannung σv in Abhängigkeit der Dehnung εv beim Be- und Entlasten im Drucktopf
Die Produkte Dachbahn und Hanfschäben zeigen gegenüber Kalksteinmehl eine deutlich größere elastische Rückdehnung (bis zu 53 % der Gesamtdehnung). Die Ursache des großen Anteils der elastischen Dehnung an der Gesamtdehnung ist in der Partikelform zu sehen: Beide Produkte haben relativ leicht elastisch verformbare, plättchenförmige Partikel, die unter Auflast eine dichtere Packung einnehmen, indem sie sich näher aneinander schmiegen und durch Umlagerung ihre Ausrichtung verändern. Mit zunehmender Entlastung nehmen diese Partikel wieder ihre Anfangsform ein, d.h. die Partikel selbst verformen sich kaum plastisch. Die plastische Verformung der Gesamtprobe im Drucktopf ist demnach auf eine Zunahme der Schüttgutdichte durch Umlagerung von Partikeln und weniger durch plastische Verformung der Partikel selbst zurückzuführen. Die Bruchkraft FD,max wurde in einem Drucktopf ähnlich Abb. 7.24 (Durchmesser 250 mm, Höhe 128 mm; Druckplatte 80 mm Durchmesser, Bodenöffnung 100 mm Durchmesser) entsprechend der oben gegebenen Beschreibung gemessen. Dazu wurde dem Schüttgut zur Verdichtung eine Vertikalspannung von 40 kPa aufgeprägt. Dann wurde die Verschlussplatte entfernt und die Druckplatte in das Schüttgut gedrückt. Abbildung 7.26 zeigt die Kraft-Weg-Verläufe während der Belastung der Druckplatte bei offener Bodenöffnung. Das Kalksteinmehl zeigt einen steilen Anstieg der Druckkraft bis auf etwa FD,max = 60 N (entspricht einer Vertikalspannung unter der Druckplatte von ca. 12 kPa), bis es zum Bruch kommt und die Kraft stark abfällt (Abb. 7.26). Die bei den Hanfschäben auftretende maximale Kraft FD,max von über 3000 N (Vertikalspannung unter der Druckplatte ca. 600 kPa) ist deutlich größer als beim Kalksteinmehl. Außerdem legt die Druckplatte
232
7 Spezielle Eigenschaften und Einflüsse auf das Fließverhalten
bei den Hanfschäben einen erheblichen Weg zurück, bis das Kraftmaximum erreicht ist. Die Partikel der zerkleinerten Dachbahn, die bei der Verdichtung (Abb. 7.25) ein ähnliches Verhalten wie die Hanfschäben zeigten, fielen schon nach dem Öffnen der Verschlussplatte aus dem Behälter, also FD,max = 0.
Abb. 7.26. Verlauf der Druckkraft FD über dem Weg s der Druckplatte bei Kalksteinmehl und Hanfschäben, Durchmesser der Druckplatte 80 mm, Durchmesser der Bodenöffnung 100 mm, Schüttgut vorverdichtet mit σ = 40,7 kPa, Fixierung des Deckels nach dem Verdichten [7.21].
Die Ergebnisse (sowie weitere Messungen [7.21]) zeigen, dass die untersuchten Schüttgüter mit faserigen und plättchenförmigen Partikeln mit hinreichend kleinem Verhältnis von Dicke zu Länge (aber hinreichend großer Länge von mehreren Millimetern) sehr hohe Bruchkräfte aufweisen, die z.T. mehr als das Fünfzigfache der für das kohäsive Kalksteinmehl benötigten Kraft betragen. Die gleichen Produkte zeigen in loser Schüttung aber ein gutes Fließverhalten. Offensichtlich wirkt hier ein Mechanismus, der anders als bei herkömmlichen Schüttgütern zu einer zunehmenden Verfestigung des Schüttgutes bei wachsender Beanspruchung durch die Druckplatte des Drucktopfes führt. Eine Erklärung der Ergebnisse zeigt folgendes einfaches Modell: Die vom Deckel aufgebrachte Belastung sowie die von der Druckplatte bei der Messung der Bruchkraft (Abb. 7.24.b) aufgebrachte Kraft FD erzeugen eine Vertikalspannung im Schüttgut. Da sich langgestreckte Partikel bei Belastung vorzugsweise mit ihrer Längsrichtung quer zur größten Hauptspannung anordnen (Abb. 7.27), werden horizontal ausgerichtete Partikel ihre Position weitgehend beibehalten, während geneigte Partikel tendenziell eine flachere Lage einnehmen werden. Leicht verformbare, plättchenoder faserförmige Partikel können dabei auch gebogen werden, so dass sie nur zum Teil eine in etwa horizontale Position einnehmen (dieser Effekt ist in Abb. 7.27 nicht dargestellt). Insgesamt führt die Verformung zu einer
7.2 Einflüsse auf das Fließverhalten
233
intensiveren gegenseitigen Überlappung von Partikeln und einer Erhöhung der zwischen den Partikeln übertragbaren Reibungskräfte.
Abb. 7.27. Anordnung von plättchenförmigen Partikeln bei Verdichtung (schematisch); a. unbelastet; b. bei Belastung mit Spannung σ
Wenn die Druckplatte zur Messung der Bruchkraft nach unten gedrückt wird, bildet sich eine Scherfläche wie in Abb. 7.24.b aus. Dazu müssen sich die Partikel entlang der Richtung der Scherfläche ausrichten und daher umordnen. Nimmt man an, dass die Partikel zunächst vorrangig horizontal liegen (Abb. 7.28.a), müssen steife Partikel im Bereich der Scherfläche, die in Abb. 7.28 durch zwei mit der Spannung σ belastete Druckplatten hervorgerufen wird, eine andere Lage einnehmen (Abb. 7.28.b). Sind die Partikel hinreichend verformbar, so ist davon auszugehen, dass die Partikel ihre Form der zu bildenden Scherfläche anpassen (Abb. 7.28.c). Bei beiden Mechanismen müssen Partikel aus dem Partikelverband herausgezogen werden, d.h. es ist Reibung an der Partikeloberfläche zu überwinden. Überträgt man das Modell von Abb. 7.28 auf die Verhältnisse im Drucktopf, so ist zu erkennen, dass die Ausrichtung der Partikel zur Bildung einer Scherzone im Drucktopf durch folgende Mechanismen erschwert wird:
• Das Schüttgut kann sich nicht ungehindert (in diesem Fall horizontal, also senkrecht zur Lage der Scherfläche) ausdehnen, um Raum für die Umorientierung der Partikel zu schaffen. • Die aufgebrachte Vertikallast, die die Partikel aufeinanderpresst, erhöht die Reibungskraft zwischen den Partikeln, so dass zur Umorientierung (= Bewegung) der Partikel eine größere Kraft erforderlich ist als bei einer lockeren Schüttung. • Die durch die beiden obengenannten Mechanismen benötigte größere Kraft der Druckplatte bewirkt eine noch stärkere Verdichtung des Schüttgutes, was wiederum noch größere erforderliche Kräfte nach sich zieht usw. Dies führt zu sehr großen Spannungen bzw. Bruchkräften, wie sie bei einigen Schüttgütern im Drucktopf gemessen wurden.
234
7 Spezielle Eigenschaften und Einflüsse auf das Fließverhalten
Abb. 7.28. Ausrichtung der Partikel entlang der Scherfläche im Drucktopf; a. vor der Beanspruchung; b. Ausbildung einer Scherfläche bei steifen Partikeln; c. Ausbildung einer Scherfläche bei verformbaren Partikeln
Dieses Verhalten zeigt ein typisches Schüttgut wie z.B. Kalksteinmehl nicht, da sich die Partikel aufgrund ihrer Form weder in einer bestimmten Lage anordnen noch sich nennenswert gegenseitig überlappen. Daher kommt es bei hinreichender Belastung, wenn die Festigkeit des Schüttgutes überwunden ist, zum Fließen. Bei faser- und plättchenförmigen Partikeln (z.B. Hanfschäben, Kaffeebecher, Möbelfolie, s. Tab. 7.1) bewirkt die zunehmende Normalspannung dagegen eine Zunahme der Reibungskräfte zwischen den Partikeln im Bereich der gegenseitigen Überlappung, d.h. das Schüttgut verfestigt sich durch die Belastung, die es eigentlich zum Fließen bringen soll, noch mehr. Damit dieser Effekt eintritt, ist ein hinreichendes Verhältnis von Partikellänge zu Dicke erforderlich, das bei der zerkleinerten Dachbahn offensichtlich nicht erreicht wurde. Auch ein feinfaseriges Produkt (Schweinehaare, Tab. 7.1) zeigte trotz seines Fasercharakters ein Verhalten ähnlich dem von Kalksteinmehl. Hier erleichtern die kleinen Abmessungen die Umlagerung der Partikel zur Bildung einer Scherzone. Zusammenfassend lässt sich, auch unter Berücksichtigung hier nicht behandelter theoretischer Überlegungen [7.21], hinsichtlich faseriger und plättchenförmiger Partikel feststellen, dass um so mehr Probleme beim Fließen und um so größere Abweichungen vom Verhalten typischer Schüttgüter zu erwarten sind,
• desto größer das Verhältnis von Partikellänge zu Partikeldicke ist; • desto größer der zwischen den Partikeloberflächen wirkende Reibungskoeffizient µ ist, • und desto kleiner die Porosität ε ist.
7.2 Einflüsse auf das Fließverhalten
235
Außerdem zeigen die Beobachtungen aus der Praxis (Abb. 7.23) und aus dem Drucktopf, dass bei faserigen und plättchenförmigen Partikeln hohe Spannungen oder lokale Spannungskonzentrationen beim Fließen und Fördern zu vermeiden sind. Schergeräte und andere Messverfahren wie z.B. der einachsige Druckversuch, bei denen eine Probe zuerst verfestigt wird und nach Entlastung der Probe deren Festigkeit gemessen wird, sollten für Schüttgüter, deren Verhalten durch faserige und plättchenförmige Partikel (wie z.B. bei den Hanfschäben) bestimmt wird, nicht zur Bestimmung der Festigkeit benutzt werden. Bei diesen Messungen wird sich die Schüttgutprobe bei der Entlastung nach der Verfestigung stark elastisch zurückdehnen (vgl. Abb. 7.25), so dass die entlastete Probe andere Eigenschaften hat als noch vor der Entlastung. Die Festigkeit wird dann an einer weniger verfestigten Probe gemessen. In einem Schergerät würde beim Abscheren, das unter einer kleineren Normalspannung als das Anscheren stattfindet (Kap. 3.2), ebenfalls eine weniger verdichtete Probe vorliegen. Die Messung der Wandreibung, bei der nur Schüttgut über einer ebenen Wand verschoben wird, ist dagegen mit Schergeräten möglich. 7.2.6 Agglomeratbildung Eine Möglichkeit zur Verbesserung der Fließeigenschaften ist die Erzeugung von Agglomeraten (Granulate, Pellets, …), die sich wie größere Partikel verhalten und daher besser fließen und einfacher zu handhaben sind. Sehr feinkörnige Schüttgüter, bei denen die interpartikulären Haftkräfte zu einem schlechten Fließverhalten führen, bilden häufig schon von sich aus Agglomerate, wenn sie bewegt werden. Die Agglomerate sind häufig nicht sehr fest, bleiben aber bei begrenzter Beanspruchung stabil. Beispiele hierfür sind Titandioxid (sehr feinkörnig, trocken), bei dem die van-der-WaalsKräfte dominant sind, oder Produkte wie feuchter Lehm (feinkörnig), bei denen die Flüssigkeitsbrücken die wesentliche Haftkraft erzeugen. Misst man die Fließeigenschaften solcher Produkte mit einem Schergerät bei kleinen Spannungen, können sich diese Produkte als relativ gut fließend zeigen, da aufgrund der Agglomerate ein scheinbar grobkörniges Produkt untersucht wird. Benutzt man größere Spannungen, kann es dagegen zur Zerstörung der Agglomerate kommen, so dass man tatsächlich das Fließverhalten des aus einzelnen kleinen Partikeln bestehenden Produktes misst. Dieses ist naturgemäß schlechter als das Fließverhalten der Agglomerate. In Abb. 7.29 sind als Beispiel Fließfunktionen von Kalksteinmehl und Titandioxid gezeigt [7.22,7.23]. Das Titandioxid ist deutlich feinkörniger als das Kalksteinmehl, was ein ungünstigeres Fließverhalten vermu-
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7 Spezielle Eigenschaften und Einflüsse auf das Fließverhalten
ten lässt. Man erkennt aber, dass bei kleinen Spannungen das Fließverhalten des Kalksteinmehls ungünstiger ist (größere Schüttgutfestigkeit σc bzw. kleinere Fließfähigkeit ffc). Hier liegen im Titandioxid die oben beschriebenen Agglomerate vor, die das Fließverhalten verbessern. Bei größeren Spannungen werden die Agglomerate durch den Verfestigungsprozess (Anscheren) zerstört, und das Titandioxid zeigt die erwarteten ungünstigeren Fließeigenschaften.
Abb. 7.29. Fließfunktionen von Titandioxid (x50,3 beträgt etwa 30 nm) und Kalksteinmehl eskal 500 (x50,3 = 5 µm) bei kleinen (a) und großen (b) Spannungen [7.22]; der Zusatz „nach Vorbereitung“ besagt, dass die Schüttgutprobe vor der Messung bei einer Verfestigungsspannung von etwa 25 kPa beansprucht wurde, um Agglomerate zu zerstören.
7.2 Einflüsse auf das Fließverhalten
237
Zerstört man die Agglomerate, indem man das Schüttgut vor der eigentlichen Messung bei hinreichend großen Spannungen beansprucht, zeigen sich auch bei kleineren Spannungen ungünstigere Fließeigenschaften. Im Fall des Beispiels von Abb. 7.29 wurde das Titandioxid bei einer zweiten Messreihe vor der eigentlichen Fließortmessung unter einer Verfestiungsspannung von etwa 25 kPa geschert. Die danach bei kleineren Spannungen gemessenen Fließorte ergaben deutlich größere Schüttgutfestigkeiten (s. gepunktete Kurve „nach Vorbereitung“ in Abb. 7.29.b). Bei der Untersuchung von Produkten mit dem gezeigten Verhalten sollte darauf geachtet werden, dass man nicht unrealistisch gute Fließeigenschaften aufgrund der Tatsache erhält, dass man das Produkt nur bei kleineren Spannungen untersucht hat, bei denen die Agglomerate stabil bleiben. Denn sollte das Produkt in der Anwendung (z.B. im Trichter eines Silos) zunächst höheren Spannungen ausgesetzt worden sein und dann in Bereiche kleinerer Spannungen gelangen, wird es mit großer Wahrscheinlichkeit nicht die günstigen Fließeigenschaften der Agglomerate zeigen.
8 Beispiele gemessener Fließeigenschaften
Die Fließeigenschaften von Pulvern und Schüttgütern sind von vielen Einflussgrößen abhängig, z.B. Feuchtigkeit, Temperatur oder Feinheit. Außerdem gibt es Eigenarten wie z.B. die Spannungsabhängigkeit der Fließeigenschaften oder die Bildung von Abrieb, aber auch Möglichkeiten, die Fließeigenschaften zu beeinflussen (Fließhilfsmittel). In diesem Kapitel werden Beispiele für gemessene Fließeigenschaften gezeigt, wobei zum Teil auch die daraus resultierenden Konsequenzen, z.B. für die Gestaltung von Silos, beschrieben werden. Auch wenn die Beispiele nicht unmittelbar auf andere Schüttgüter übertragen werden können, sollen sie doch deutlich machen, mit welchen Effekten zu rechnen ist und wie man sie mit geeigneten Messgeräten quantifiziert.
8.1 Fließhilfsmittel Fließhilfsmittel werden eingesetzt, um das Fließverhalten zu verbessern (s. Kap. 7.2.2). Ein Beispiel hierzu zeigt Abb. 8.1. Um die optimale Konzentration des Fließhilfsmittels zu finden, wurden Fließorte bei verschiedenen Konzentrationen und Zeitfließorte für die Lagerzeit t = 22 Stunden (t = 22 h) mit einem Schergerät gemessen. Die aus den Fließorten und Zeitfließorten ermittelten Fließfähigkeiten ffc sind in Abb. 8.1 aufgetragen. Sowohl ohne Einfluss der Lagerzeit als auch nach 22 Stunden Lagerzeit ist von den untersuchten Fließhilfsmittelkonzentrationen die Konzentration von etwa 0,55 % am günstigsten, da sie jeweils die größte Fließfähigkeit ergibt. Eine weitere Erhöhung der Konzentration des Fließhilfsmittels bewirkt wieder eine Verschlechterung der Fließeigenschaften. Mit dem Schergerät kann man also quantitativ vorhersagen, wie sich die Fließeigenschaften durch die Zugabe von Fließhilfsmitteln ändern. Dies zeigt auch das Beispiel in Abb. 8.2. Hier wurde auf Speisesalz aufgebrachtes Pfefferextrakt einmal mit Fließhilfsmittel (MgCO3) und einmal ohne Fließhilfsmittel untersucht. Das Produkt ohne Fließhilfsmittel wirkt feuchter und bildet leichter Agglomerate, was auf ein schlechteres Fließverhal-
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8 Beispiele gemessener Fließeigenschaften
ten hindeutet. Dies zeigt sich an den Messergebnissen bei relativ kleiner Verfestigungsspannung (ca. 1000 Pa, Abb. 8.2), wo das Schüttgut mit Fließhilfsmittel eine kleinere Druckfestigkeit σc (Schüttgutfestigkeit) als das Produkt ohne Fließhilfsmittel hat.
Abb. 8.1. Fließfähigkeit ffc eines kristallinen Produkts in Abhängigkeit von der Konzentration des Fließhilfsmittels [8.1]
Abb. 8.2. Druckfestigkeit σc von Pfefferextrakt auf Salz mit und ohne Fließhilfsmittel (MgCO3); Linien konstanter Fließfähigkeit ffc
Bei größerer Verfestigungsspannung σ1 von etwa 4000 Pa (Abb. 8.2) ist dagegen die Fließfähigkeit ohne Fließhilfsmittel etwas besser als mit Fließhilfsmittel. Das heißt, dass das Fließhilfsmittel hier nur bei kleineren Spannungen wirksam ist. Für die Handhabung des Salz/Pfefferextrakt-
8.2 Feuchtigkeit
241
Gemisches bedeuten die in Abb. 8.2 gezeigten Verläufe, dass man besser auf das Fließhilfsmittel verzichten sollte, wenn das Produkt bei größeren Spannungen gehandhabt oder gelagert wird (z.B. in einem größeren Behälter oder Silo), oder dass andere Fließhilfsmittelmengen benötigt werden. Für die Handhabung bei kleinen Spannungen (z.B. in einem kleinen Dosiergerät) führt das Fließhilfsmittel in der untersuchten Konzentration dagegen zu einer Verbesserung.
8.2 Feuchtigkeit Feuchtigkeit führt zur Bildung von Flüssigkeitsbrücken zwischen den Partikeln, die die Haftkräfte vergrößern (Kap. 7.2.3). Dazu kommen je nach Schüttgut spezielle Verhaltensweisen, z.B. chemische Reaktionen oder das Anlösen der Partikel mit anschließender Kristallbildung, was sich vor allem auf die Zeitverfestigung auswirkt.
Abb. 8.3. Druckfestigkeit von REA-Gips unterschiedlicher Feuchte in Abhängigkeit von der Lagerzeit t in Ruhe, Verfestigungsspannung σ1 = 26 kPa [8.2]
Ein Beispiel für ein feuchtes Schüttgut ist Gips aus Rauchgasentschwefelungsanlagen (REA-Gips). Abbildung 8.3 zeigt die Druckfestigkeit σc in Abhängigkeit von der Lagerzeit in Ruhe für verschiedene Feuchtigkeiten. Jeder Messpunkt folgt aus einem Fließort (bei Lagerzeit t = 0) bzw. einem Zeitfließort (Lagerzeiten t > 0). Die Messpunkte bei der Lagerzeit t = 0 zeigen einen Anstieg der Druckfestigkeit σc mit der Feuchtigkeit, was auf den Einfluss der Flüssigkeitsbrücken zurückzuführen ist. Während die Druckfestigkeit der fast trockenen Probe (Feuchte 0,2%) keinen Anstieg mit der Lagerzeit zeigt, nehmen die Druckfestigkeiten bei den größeren
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8 Beispiele gemessener Fließeigenschaften
untersuchten Feuchtigkeiten sehr deutlich zu. Bei der größten untersuchten Feuchtigkeit (10%) zeigte sich bei langen Lagerzeiten aber eine geringere Druckfestigkeit als bei 5% Feuchtigkeit, was darauf hinweist, dass die Zeitverfestigung bei einer weiteren Zunahme der Feuchtigkeit wieder abnimmt, zumindest aber nicht weiter zunimmt. Den Einfluss der Feuchtigkeit auf die Wandreibung zwischen REA-Gips und zwei verschiedenen Wandmaterialien zeigt Abb. 8.4. Aufgetragen ist der Wandreibungswinkel φx bei einer Wandnormalspannung σw = 5 kPa über der Feuchtigkeit. Beim Wandmaterial St37 (Normalstahl mit Walzhaut) steigt der Wandreibungswinkel mit der Feuchtigkeit zunächst an, um dann oberhalb von 5% Feuchte konstant zu bleiben. Die Ursache für den Anstieg ist der mit der Feuchte zunehmende Einfluss der Haftkräfte durch Flüssigkeitsbrücken (s. Kap. 7.2.3). Der verwendete Kunststoff (UHMWPE: ultra high molecular weight polyethylene) ist dagegen schlecht mit Wasser benetzbar. Hier bilden sich keine die Haftkraft vergrößernden Flüssigkeitsbrücken, sondern die Flüssigkeit verringert sogar die Wandreibung, möglicherweise durch den Flüssigkeitsfilm auf den Partikeln. Für die Praxis bedeutet der Unterschied zwischen diesen Wandmaterialien, dass in diesem Fall in einem Trichter aus St37 kaum Massenfluss bei realisierbaren Trichterwandneigungen zu erreichen wäre, mit einer geeigneten Kunststoffauskleidung dagegen schon.
Abb. 8.4. Wandreibungswinkel φx von REA-Gips in Abhängigkeit von der Feuchtigkeit [8.2]
8.3 Temperatur
243
8.3 Temperatur Ein Beispiel für temperaturabhängiges Fließverhalten zeigt Schwefel. In Abb. 8.5 ist ein Freilager zu sehen, in dem Schwefelgranulate (linsenförmige Plättchen) direkt nach der Herstellung aus der Schmelze gelagert werden [8.3]. Aufgrund der hohen Temperatur der Schwefelgranulate bei Einlagerung zeigt sich eine starke Zeitverfestigung, die in Abb. 8.5 anhand der bis zu 14 m hohen vertikalen Wände deutlich wird.
Abb. 8.5. Granulierter Schwefel im Freilager; Höhe der Halde ca. 14 m [8.3]
Ein nach einem anderen Verfahren hergestelltes Schwefelgranulat, dessen Partikel die Form von Kugeln mit einigen Millimetern Durchmesser haben, sollte in einem Silo gelagert werden. Zur Planung des Silos wurden die Fließeigenschaften des Schwefelgranulates gemessen [8.3]. Wichtig war die Messung der Zeitverfestigung, da das Granulat längere Zeit im Silo gelagert werden musste. Abbildung 8.6 zeigt die Druckfestigkeit σc und die Fließfähigkeit ffc des Schwefelgranulates in Abhängigkeit von der Temperatur. Die Proben wurden jeweils 14 Tage lang in einem Ofen unter der Verfestigungsspannung σ1 = 117 kPa gelagert. Die große Verfestigungsspannung wurde gewählt, um den im geplanten sehr großen Silo (10000 t) zu erwartenden Schüttgutdruck zu simulieren. Wie man Abb. 8.6 entnehmen kann, wurde bei Temperaturen bis 40°C keine Zeitverfestigung gemessen, d.h. das Schüttgut verhält sich bei diesen Temperaturen auch nach 14 Tagen Lagerung in Ruhe frei fließend (Druckfestigkeit σc = 0; Fließfähigkeit ffc >> 10). Erst bei 50°C war ein Effekt zu messen, wobei die Fließfähigkeit mit ffc = 7 unproblematisch war. Bei 60°C und mehr wurden sehr ungünstige Fließfähigkeiten ffc in der Nähe
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8 Beispiele gemessener Fließeigenschaften
von 1 festgestellt. Aufgrund der Messergebnisse lässt sich erkennen, dass das Granulat vor der Einlagerung in den Silo auf wenigstens 50°C bis 55°C abzukühlen ist. Dies wurde schließlich nach dem Bau des Silos realisiert. Fließprobleme aufgrund von zu starker Zeitverfestigung treten in dem Silo nicht auf [8.3].
Abb. 8.6. Zeitverfestigung von granuliertem Schwefel [8.3]
8.4 Zeitverfestigung Zeitverfestigung tritt bei vielen Produkten auf und kann je nach Anwendung eine wichtige zu messende Größe sein. Für die Siloauslegung ist ihre Kenntnis wichtig, denn nur dann lässt sich z.B. aussagen, wie groß die Auslauföffnung eines Silos sein muss, damit das Schüttgut auch nach einiger Lagerzeit aus dem Silo ausfließt, ohne Brücken zu bilden. Für die Hersteller von pulverförmigen Produkten spielt die Zeitverfestigung eine Rolle, da bei starker Zeitverfestigung die Entleerung von Gebinden schwierig sein kann und sich Klumpen bilden können („Caking“). Die Zeitverfestigung wird quantitativ als zeitliche Zunahme der Druckfestigkeit σc mit der Verfestigungsspannung σ1 gemessen. Ein Beispiel für den Anstieg der Druckfestigkeit mit der Lagerzeit zeigt Abb. 8.3 anhand von unterschiedlich feuchten REA-Gips-Proben. In dieser Abbildung kann
8.4 Zeitverfestigung
245
man anhand der REA-Gips-Probe mit 0,2% Feuchte sehen, dass es durchaus Schüttgüter gibt, die keine messbare Zeitverfestigung haben. Die bei anderen Feuchten gemessenen Druckfestigkeiten in Abb. 8.3 geben den bei den meisten zur Zeitverfestigung neigenden Schüttgütern zu beobachtenden prinzipiellen Verlauf wieder: Die Druckfestigkeit steigt zunächst steiler, dann immer flacher werdend an und erreicht schließlich einen konstanten Wert. In Abb. 8.7 sind Fließfunktionen und Zeitfließfunktionen von zwei Proben REA-Gips gezeigt (andere Proben als in Abb. 8.3). Die Kurven repräsentieren jeweils die Abhängigkeit der Druckfestigkeit σc von der Verfestigungsspannung σ1. Die Zeitfließfunktionen wurden jeweils für eine Lagerzeit in Ruhe von 5 Tagen bestimmt. Die Zeitfließfunktionen sind hier deutlich steiler als die Fließfunktionen. Dies lässt sich auch bei anderen Schüttgütern beobachten, insbesondere wenn der Zeitverfestigungseffekt sehr ausgeprägt ist. Daraus ist zu schließen, dass die Zeitfließfunktion zumindest bei stärkerer Zeitverfestigung nicht durch Parallelverschiebung der Fließfunktion durch einen Messpunkt der Zeitverfestigung erfolgen darf.
Abb. 8.7. Fließfunktionen und Zeitfließfunktionen von zwei unterschiedlich feinen REA-Gips-Proben [8.2]
Auch die Abb. 8.1 und 8.6 enthalten Beispiele für die Zeitverfestigung. In Abb. 8.1 kann man sehen, dass sich auch die Zeitverfestigung durch ein Fließhilfsmittel beeinflussen lässt. Abbildung 8.6 zeigt die Druckfestigkeit und Fließfähigkeiten von granuliertem Schwefel in Abhängigkeit von der Temperatur.
246
8 Beispiele gemessener Fließeigenschaften
8.5 Feinheit Die Feinheit wirkt sich meistens dahingehend aus, dass feinere Produkte ein schlechteres Fließverhalten zeigen. Allerdings ist hier anhand eines Einzelwertes einer Partikelgrößenverteilung (z.B. Medianwert x50) keine generelle Aussage zu machen, da auch die Breite bzw. Form der Partikelgrößenverteilung eine Rolle spielt. Bei ähnlichen Produkten mit ähnlicher Form der Partikelgrößenverteilung trifft diese Aussage aber meistens zu. Ein Beispiel zum Einfluss der Partikelgrößenverteilung zeigt Abb. 8.7. Die dort gezeigten Fließ- und Zeitfließfunktionen sind für zwei unterschiedlich feine REA-Gips-Proben gemessen worden (B: x50 = 25 µm; C: x50 = 35 µm). Man erkennt, dass nicht nur die Fließfunktion der feineren Probe nach oben, also zu größeren Druckfestigkeiten σc verschoben ist, sondern noch viel deutlicher auch die Zeitfließfunktion. Hier führt also die zunehmende Feinheit zu einer deutlichen Steigerung der Zeitverfestigung.
Abb. 8.8. Fließorte von Mischungen aus grober (A) und feiner (B) Laktose
Ein weiteres Beispiel zum Einfluss der Feinheit zeigt Abb. 8.8. Hier wurden Mischungen aus zwei Laktose-Proben A und B hinsichtlich ihres Fließverhaltens untersucht, indem jeweils ein Fließort mit einem Ringschergerät gemessen wurde. Die feinere Fraktion war Fraktion B. Um so größer der Anteil der Fraktion B an der Mischung ist, desto weiter wandert der Fließort nach oben und desto größer ist die Druckfestigkeit σc (Tab. 8.1 und Spannungskreise für σc in Abb. 8.8). Gleichzeitig nimmt die Fließfähigkeit ffc ab. Es ist also eindeutig festzustellen, dass hier mit zunehmender Feinheit die Fließfähigkeit abnimmt. Man sieht auch, dass sich die Fließ-
8.5 Feinheit
247
fähigkeit über einem Anteil der Komponente B von 40% nicht mehr stark ändert. Die Ursache ist, dass die feinere Komponente ab dieser Konzentration dominiert und daher eine weitere Erhöhung des Anteils keine starke Änderung der Fließfähigkeit mehr bewirkt. Tabelle 8.1. Fließeigenschaften von Mischungen aus grober (A) und feiner (B) Laktose Anteil B 50 % 45 % 40% 35 % 30 % 25 % 20 % 15 % 10 % 5%
σ1 [Pa] 4288 4158 4261 4232 4210 4208 4090 4015 3991 3948
σc [Pa] 1976 1893 1840 1693 1541 1352 1229 1082 914 767
ffc [-] 2,17 2,20 2,32 2,50 2,73 3,1 3,3 3,7 4,4 5,1
Abb. 8.9. Wandreibungswinkel φx von feuchtem REA-Gips unterschiedlicher Feinheit gegen Stahlblech St37 [8.2]
Auch die Wandreibung kann von der Feinheit abhängig sein. Abbildung 8.9 zeigt die Wandreibungswinkel φx der bereits in Abb. 8.7 betrachteten REA-Gips-Proben. Als Wandmaterial wurde bei den Messungen Normalstahl St37 verwendet. Im gesamten Bereich der untersuchten Wandnormalspannungen σw ist der Wandreibungswinkel der feineren Probe B um etwa 3° größer als der der gröberen Probe C. Auch dies ist ein Ergebnis des mit abnehmender Partikelgröße stärker werdenden Einflusses der Haftkräfte.
248
8 Beispiele gemessener Fließeigenschaften
Die in Abb. 8.9 sichtbare Abnahme des Wandreibungswinkels mit zunehmender Wandnormalspannung wird im Kap. 8.8 näher behandelt.
8.6 Abrieb Beim Fließen von empfindlichen Schüttgütern kann Feingut aufgrund von Abrieb an der Partikeloberfläche oder Partikelzerstörung entstehen. Um diese Effekte, die hier unter „Abrieb“ zusammengefasst werden, zu vermeiden, muss das Schüttgut hinreichend wenig beansprucht werden. Beim Fließen in einem Behälter oder Silo dürfen dabei bestimmte Spannungen nicht überschritten werden. Um diese zu ermitteln, kann man mit einem Schergerät Abriebmessungen gemäß Kap. 4.1.6 durchführen.
Abb. 8.10. Abrieb von Zuckergranulat [8.4]
Abbildung 8.10 zeigt für ein Zuckergranulat die Bildung von Abrieb in Abhängigkeit von der Scherverformung und der Normalspannung σ, die während der Beanspruchung auf das Schüttgut in der Scherzelle (hier: Ringschergerät) wirkt. Maß für den Abrieb ist die Menge des erzeugten Feingutes, die mit einem Sieb der Maschenweite 200 µm festgestellt wurde. Nach Abb. 8.10 hat eine rein statische Belastung (ohne Scherverformung) eine nur sehr geringe Menge Feingut erzeugt. Erst mit zunehmendem Scherweg (relative Verschiebung von Deckel und Boden der Scherzelle in Umfangsrichtung) entstehen größere Mengen Abrieb, und zwar insbesondere bei Normalspannungen σ oberhalb von 3 kPa. In diesem Fall wurde ein Silo zur Lagerung des Zuckers so gestaltet, dass das fließende Schüttgut keinen Spannungen von mehr als 3 kPa ausgesetzt ist [8.4]. Ein Beispiel für Abriebmessungen an Schwefelgranulat und die dar-
8.7 Schüttgutdichte
249
aus resultierende Silogestaltung ist in [8.3] beschrieben, ein Rechenbeispiel zur Auslegung ist im Kap. 15 (Aufgaben 2 und 3). Neben der hier gezeigten Auslegung von Silos für empfindliche Produkte lässt sich die Abriebmessung auch im Rahmen von Vergleichsmessungen einsetzen. Eine Anwendung ist z.B. das Optimieren eines Produktes hinsichtlich Abriebfestigkeit. Der Vorteil des hier gezeigten Messverfahrens ist, dass das Schüttgut einer definierten und reproduzierbaren Belastung ausgesetzt ist.
8.7 Schüttgutdichte Die Schüttgutdichte ρb feiner Pulver ist im Gegensatz zur Schüttgutdichte grober, gut fließender Schüttgüter stark von der Verfestigungsspannung σ1 abhängig. Bei feinen Pulvern sind die Haftkräfte im Verhältnis zu den Gewichtskräften der Partikel so groß, dass sie beim lockeren Einfüllen eines Pulvers in einen Behälter relativ lockere Schüttungen mit großer Porosität stabil bilden. Erst mit größeren Spannungen lässt sich die Schüttgutdichte vergrößern, indem die Porosität verringert wird. Abbildung 8.11 zeigt als Beispiel für ein Kalksteinmehl die Abhängigkeit der Schüttgutdichte ρb von der Verfestigungsspannung σ1. Die Werte stammen aus Fließortmessungen mit zwei Ringschergeräten.
Abb. 8.11. Schüttgutdichte ρb von Kalksteinmehl eskal 500 (x50,3 = 5 µm) in Abhängigkeit von der Verfestigungsspannung σ1 [8.5]
Im gezeigten Spannungsbereich von etwa 60 Pa bis 15000 Pa nimmt die Schüttgutdichte von ca. 650 kg/m3 auf 1100 kg/m3 zu. Wegen des degressiven Anstiegs der Schüttgutdichte findet die Hälfte dieses Dichteanstiegs schon im Bereich unterhalb von 1500 Pa statt. Um so größer die Schüttgutdichte wird, desto mehr zusätzliche Spannung ist notwendig, um die Schüttgutdichte weiter zu vergrößern. Würde man die Kurve in Abb. 8.11
250
8 Beispiele gemessener Fließeigenschaften
weiter zu großen Spannungen hin verlängern, käme man schließlich in den Bereich der Pressagglomeration (Tablette, Brikett). In Abb. 8.12 ist der Verlauf der Schüttgutdichte ρb von der Verfestigungsspannung σ1 für feuchte Steinkohle, wie sie z.B. zur Verbrennung in Kraftwerken angeliefert wird, gezeigt. Es ergibt sich das prinzipiell gleiche Bild wie bei Kalksteinmehl, wobei hier ein größerer Spannungsbereich abgedeckt wird.
Abb. 8.12. Schüttgutdichte ρb von feuchter Steinkohle in Abhängigkeit von der Verfestigungsspannung σ1 [8.6]
Die Kenntnis der Abhängigkeit der Schüttgutdichte ρb von der Verfestigungsspannung σ1 ist wichtig, wenn man z.B. den Inhalt eines Behälters abschätzen möchte. Als Beispiel werde ein Silo für Kalksteinmehl (anderes Produkt als in Abb. 8.11) betrachtet [8.6]. Der Silo bestehe der Einfachheit halber nur aus einem Schaft mit 4 m Durchmesser und 20 m Füllhöhe. Kennt man die Fließeigenschaften und die Wandreibung, lassen sich die im Silo wirkenden Spannungen abschätzen, und in Abhängigkeit der Spannung kann dann die Schüttgutdichte an jeder Stelle des Silos bestimmt werden, so dass eine recht realistische Abschätzung der Füllmenge möglich ist. Abbildung 8.13 zeigt die berechnete Füllmenge (Masse) in Abhängigkeit von der Füllhöhe. Zum Vergleich sind Berechnungen mit konstanter Schüttgutdichte durchgeführt worden, einmal mit einem Wert für Kalksteinmehl aus DIN 1055 Teil 6 [8.7], einmal mit der Dichte der lockeren Schüttung („Schüttdichte“). Wie zu erwarten ist, unterschätzt man mit der Dichte der lockeren Schüttgut den Siloinhalt deutlich, und zwar um etwa 30%. Der Wert aus DIN 1055 Teil 6 ergibt eine Unterschätzung um nur etwa 10%. Allerdings ist die Schüttgutdichte von der Partikelgrößenverteilung des Kalksteinmehls abhängig: Feinere Kalksteinmehle ergeben kleinere Schüttgutdichten. Daher ist zu empfehlen, die Schüttgutdichte im Einzelfall zu messen und dann die Spannungsabhängigkeit der Schüttgutdichte in die Berechnung einfließen zu lassen.
8.8 Spannungsabhängigkeit des Wandreibungswinkels
251
Abb. 8.13. Einfluss der angenommenen/gemessenen Schüttgutdichte ρb auf die Abschätzung des Siloinhaltes (Kalksteinmehl) [8.6]
8.8 Spannungsabhängigkeit des Wandreibungswinkels Bei spannungsabhängigen Wandreibungswinkeln nimmt in den meisten Fällen der Wandreibungswinkel mit zunehmender Wandnormalspannung ab. Der Effekt entsteht typischerweise dann, wenn die Haftkräfte zwischen Wand und Schüttgut groß sind. Die Haftkräfte überlagern sich der anliegenden Normalspannung und vergrößern die gemessene Schubspannung merklich (s. Kap. 7.2.3). Der Wandfließort ist dann keine Ursprungsgerade, sondern schneidet die Schubspannungsachse oberhalb des Ursprungs (Abb. 8.14). Mit zunehmender Wandnormalspannung verringern sich die Haftkräfte im Verhältnis zur Wandnormalspannung, so dass ihr Einfluss auf die Schubspannung abnimmt. Damit wird der Wandreibungswinkel φx, der sich für jeden Punkt des Wandfließortes aus dem Verhältnis von Schubspannung zu Wandnormalspannung ergibt, mit zunehmender Wandnormalspannung σw kleiner (s. Kap. 3.3.2). Ein Beispiel dafür zeigt Abb. 8.14 anhand des Wandreibungswinkels von feuchter Steinkohle gegen Stahl-
252
8 Beispiele gemessener Fließeigenschaften
blech (St37). Im untersuchten Bereich nimmt der Wandreibungswinkel von etwa 34° bei σw = 1 kPa auf 24° bei σw = 100 kPa ab. Dieser Unterschied darf bei der Anwendung keinesfalls vernachlässigt werden, auch wenn der Verlauf des Wandfließortes auf den ersten Blick keine starke Spannungsabhängigkeit des Wandreibungswinkels vermuten lässt. Beispielsweise für eine Massenflussauslegung sind die kleinen, im unteren Bereich des Trichters wirkenden Wandnormalspannungen zu benutzen, die meistens kleiner als 10 kPa sind. Dagegen wären für die festigkeitsmäßige Auslegung eines großen Silos die Wandreibungswinkel anzuwenden, die bei den im Schaft herrschenden großen Spannungen wirken.
Abb. 8.14: Wandfließort und Wandreibungswinkel φx von feuchter Steinkohle in Abhängigkeit von der Wandnormalspannung σw [8.6]
Ein ähnliches Verhalten wie die feuchte Steinkohle zeigt der in Abb. 8.9 betrachtete feuchte REA-Gips. Auch viele andere feuchte Schüttgüter zeigen eine Spannungsabhängigkeit des Wandreibungswinkels in ähnlicher Form. Dagegen findet man bei trockenen, nicht zu feinen Schüttgütern in Kombination mit harten Wandmaterialien (Stahl, Aluminium, Beton) weniger häufig eine Spannungsabhängigkeit. Hier sind die Haftkräfte klein und beeinflussen daher den Wandreibungswinkel nur wenig. Aber auch bei trockenen Schüttgütern kann eine Spannungsabhängigkeit vorliegen, wenn
8.9 Wandreibungswinkel in Abhängigkeit vom Wandmaterial
253
das Schüttgut oder die Wand sehr weich bzw. plastisch verformbar ist. Dies tritt bei sehr harten Partikeln und einem Wandmaterial aus Kunststoff (oder mit Farbbeschichtung) zu, wenn sich die Partikel bei größeren Spannungen in das Wandmaterial hineindrücken und so die Reibung vergrößern.
8.9 Wandreibungswinkel in Abhängigkeit vom Wandmaterial Die Reibung zwischen einem Schüttgut und der Oberfläche einer Wand ist von den Eigenschaften beider Partner abhängig. Wichtige Parameter des Wandmaterials sind Oberflächenstruktur (z.B. Rauigkeit, Radius der Rauigkeitsspitzen, Frequenzspektrum der Oberflächenrauigkeit), Härte und stoffliche Zusammensetzung (u.a. Einfluss auf die Benetzbarkeit). Auch durch Umformung (z.B. beim Herstellen eines konischen Trichters) kann sich die Oberfläche eines Wandmaterials so verändern, dass der Wandreibungswinkel ansteigt. Seitens des Schüttgutes sind die Partikelgrößenverteilung, die Oberflächenstruktur der Partikel, die Härte, die Feuchtigkeit und ebenfalls die stoffliche Zusammensetzung von Bedeutung. Untersuchungen mit einer größeren Anzahl von Messungen an unterschiedlichen Kombinationen von Schüttgut und Wandmaterial zeigen, dass zwar zum Teil Tendenzen bezüglich des Einflusses der oben genannten Parameter zu erkennen sind, aber keine allgemeingültigen Abhängigkeiten [8.8–8.11]. Als Beispiel zeigt Abb. 8.15 die Wandreibungswinkel φx von Salz in Abhängigkeit von der Rautiefe Ra des Wandmaterials [8.12,8.13] und die daraus resultierenden maximalen Neigungswinkel Θax für einen konischen Massenflusstrichter (Siloauslegung s. Kap. 10). Die Wandmaterialien sind Stahlbleche verschiedener Oberfläche (warm- und kaltgewalzte Bleche aus Normal- und Edelstahl, Oberflächenbehandlung u.a. durch Schleifen, Polieren, Sandstrahlen). Man erkennt, dass der Wandreibungswinkel im Mittel mit zunehmendem Rauigkeitskennwert Ra steigt, aber man findet für gleiche Rauigkeitskennwerte durchaus unterschiedliche Wandreibungswinkel. Es spielen also weitere Einflussgrößen eine Rolle. Wendet man die gemessenen Wandreibungswinkel auf die Auslegung eines Massenflusstrichters an, spreizen sich die Ergebnisse noch weiter auf, so dass die Auswahl eines Wandmaterials aufgrund eines Rauigkeitskennwertes risikoreich erscheint (z.B. für Ra = 3 µm erhält man aus Abb. 8.15 Trichterneigungswinkel Θax von 6° bis 16°).
254
8 Beispiele gemessener Fließeigenschaften
Abb. 8.15. Wandreibungswinkel φx und Trichterneigungswinkel für Massenfluss Θax von Salz bei Verwendung von Wandmaterialien mit unterschiedlichem Rauigkeitskennwert Ra (Edelstahl und Normalstahl mit verschieden bearbeiteten Oberflächen) [8.12,8.13]
Ein Beispiel für den Einfluss der stofflichen Zusammensetzung des Wandmaterials zeigt Abb. 8.4. Hier wird zwischen dem feuchten REAGips und dem schlecht benetzbaren Wandmaterial UHMW-PE ein deutlich kleinerer Wandreibungswinkel als gegen das gut benetzbare Stahlblech (St37) erzielt. Im Einzelfall ist also zu empfehlen, den Wandreibungswinkel zu messen, da dieser sowohl bezüglich des Schüttgutflusses (z.B. Massenfluss) als auch hinsichtlich der Festigkeit von Silos (Silostatik) von grundlegender Bedeutung ist. Aus den vorliegenden Erfahrungen können hier nur einige Tendenzen genannt werden, die häufig zu beobachten sind, zu denen man aber auch Gegenbeispiele finden kann: • Der Wandreibungswinkel sinkt meistens mit abnehmender Wandrauigkeit [8.9]. • Das Polieren der Wandoberfläche ist nicht immer sinnvoll, denn es kann trotz Verringerung der Wandrauigkeit eine Vergrößerung des Wandreibungswinkels nach sich ziehen [8.10,8.11]. • Schleifen der Wandoberfläche hinterlässt in der Regel Riefen, die eine drastische Vergrößerung des Wandreibungswinkels nach sich ziehen können. Dies wirkt sich besonders bei vorher glatten Wandmaterialien aus (z.B. kaltgewalztes Edelstahlblech)
8.9 Wandreibungswinkel in Abhängigkeit vom Wandmaterial
255
• Bei sehr feinkörnigen, kohäsiven Schüttgütern (z.B. x < 50 µm) ist die Oberflächenrauigkeit von geringerem Einfluss als bei grobkörnigeren Schüttgütern. • Mit zunehmender Feinheit des Schüttgutes nimmt der Wandreibungswinkel meistens zu. • Weiche Wandmaterialien sind nicht für harte, kantige Partikel geeignet, da sich die Partikel in das Wandmaterial drücken können und so durch Formschluss die Wandreibung erhöhen. Dies gilt auch für Beschichtungen. • Bei feuchten, anbackenden Schüttgütern sind schlecht benetzbare Wandmaterialien häufig von Vorteil. • Einige kristalline Produkte (z.B. Kristallzucker) neigen dazu, mit der Zeit eine kaum sichtbare Schicht auf der Wand aufzubauen, die den Wandreibungswinkel drastisch anwachsen lässt.
9 Spannungen im Schüttgut
Die Kenntnis der in einem Schüttgut auftretenden Spannungen ist vor allem hinsichtlich der Lagerung in Silos im Zusammenhang mit den folgenden Themen von Interesse: • Verfahrenstechnische Siloauslegung (z.B. Auslegungsverfahren nach Jenike) • Lastannahmen für die Silostatik (z.B. DIN 1055 Teil 6 [9.1,9.2]) • Belastung von Austraggeräten und Einbauten • Begrenzung der auf ein Schüttgut wirkenden Spannungen (z.B. zum Vermeiden von Produktzerstörung) • Anpassen der Spannungen bei Fließfähigkeitsmessungen an die Verhältnisse in der betreffenden Anwendung. Daneben besteht die Möglichkeit, Spannungen auch für andere Anwendungen zu berechnen, z.B. für das Verdichten von Schüttgut in Matrizen oder für das Verschieben von Schüttgutpfropfen. In diesem Kapitel werden nach einer grundsätzlichen Betrachtung der Spannungsverhältnisse in Schüttgütern Ansätze zur Berechnung und wichtige Einflüsse auf die Spannungen erläutert.
9.1 Spannungsverhältnisse bei der Lagerung in Silos 9.1.1 Horizontallastverhältnis Schon im Abschnitt 2.3 wurde gezeigt, dass im Schüttgut in unterschiedlichen Richtungen unterschiedliche Spannungen wirken können. Der Fall der einachsigen Verdichtung, der z.B. im Schaft eines Silos vorliegt, ist in idealisierter Form in Abb. 9.1.a anhand eines Schüttgutelementes in einem mit Schüttgut gefüllten Zylinder gezeigt. Der Zylinder habe reibungsfreie und ideal steife Wände. In vertikaler Richtung wirkt auf das Schüttgutelement die Vertikalspannung σz = σv. Aufgrund dieser Vertikalspannung stellt sich in der horizontalen Richtung die Horizontalspannung σx = σh ein. Zur Beschreibung des Verhältnisses der Spannungen σv und σh zueinander
258
9 Spannungen im Schüttgut
benutzt man das aus der Bodenmechanik bekannte Horizontallastverhältnis λ, das international und in der neuen Silonorm [9.2] auch mit K (stress ratio) bezeichnet wird. Um auf den hier betrachteten Sonderfall der reibungsfreien Wand hinzuweisen, erhält das Horizontallastverhältnis den Index „0“:
σ λ0 = K 0 = h σv
(9.1)
Abb. 9.1. Schüttgutelement umgeben von reibungsfreien Wänden; a. vertikal verdichtet; b. horizontal verdichtet
Grundsätzlich stellt sich das Verhältnis λ aber immer ein, wenn ein Schüttgut einachsig verdichtet wird, also in einer Richtung zusammengedrückt wird, während in der Richtung senkrecht zur Beanspruchungsrichtung keine Verformung erfolgt. Die Spannung quer zur Beanspruchungsrichtung erhält man dann jeweils durch Multiplikation der aufgegebenen Spannung mit dem Horizontallastverhältnis λ. Es gilt also für die in Abb. 9.1.b gezeigte horizontale Verdichtung (reibungsfreie Wände; Spannungen σx und σz sind Hauptspannungen; Schwerkraft vernachlässigt):
σ λ0 = K 0 = z σx
(9.2)
Das Schüttgut wird hier als Kontinuum betrachtet, was bereits im Kap. 2 erläutert wurde. Betrachtet man unterschiedlich geneigte Schnitte durch ein Schüttgutelement, so zeigt sich, dass dort auch unterschiedliche Schubund Normalspannungen wirken. Hierauf deutet ja schon Abb. 9.1 hin, die zeigt, dass die Spannungen in einem Schüttgut in unterschiedlichen Richtungen unterschiedlich sind. Die Spannungen in unterschiedlichen Schnitten repräsentiert der Mohrsche Spannungskreis (Abb. 9.2). Es gibt jeweils eine Richtung, in der die dort wirkende Normalspannung am größten ist. Diese größte Normalspannung wird als größte Hauptspannung σ1 bezeich-
9.1 Spannungsverhältnisse bei der Lagerung in Silos
259
net. Genau senkrecht zu σ1 wirkt im Schüttgut die kleinste der in den unterschiedlichen Schnitten wirkenden Normalspannungen (kleinste Hauptspannung σ2; Erläuterung des Mohrschen Spannungskreises s. Kap. 2.3.1).
Abb. 9.2. Mohrscher Spannungskreis (obere Hälfte) für einachsige Verdichtung
Die Hauptspannungen wirken im Schüttgut in den Hauptspannungsebenen. Dort sind die Schubspannungen τ gleich Null (Schnittpunkte mit σ-Achse, Abb. 9.2). Auch in Abb. 9.1.a sind die betrachteten Spannungen Hauptspannungen, d.h. die aufgebrachte Spannung σv ist gleich σ1, und die aus der Belastung resultierende Spannung σh ist gleich σ2. Das Horizontallastverhältnis λ0 in Gl.(9.1) ist also das Verhältnis der kleinsten zur größten Hauptspannung. Das Horizontallastverhältnis wird in der Silotechnik zur Beschreibung des Verhältnisses der Wandnormalspannung zur mittleren Vertikalspannung im Siloschaft verwendet. Da das Schüttgut im Siloschaft aufgrund der Schwerkraft vertikal zusammengedrückt wird, während die Dehnung in horizontaler Richtung behindert ist, liegt eine Verformung wie in Abb. 9.1.a vor. Allerdings sind die Wände des Silos nicht reibungsfrei. Daher sind Vertikal- und Horizontalspannung in der Symmetrieachse des Siloschaftes zwar Hauptspannungen, an der Silowand jedoch nicht. Je nach Wandreibung ergeben sich dadurch Werte für das Horizontallastverhältnis λ bzw. K, die sich etwas von λ0 bzw. K0 unterscheiden [9.3,9.4]. Die Größe des Horizontallastverhältnisses ist für jedes Schüttgut unterschiedlich. Während ein ideal steifer, nicht elastischer Festkörper ein Horizontallastverhältnis von Null hat und ein ruhendes Newtonsches Fluid eines von 1, liegen übliche Werte für ruhende Schüttgüter (z.B. im Silo) dazwischen, und zwar meistens im Bereich von 0,3 bis 0,6 [9.3,9.4], selten auch außerhalb dieser Grenzen. Es muss erwähnt werden, dass diese Aussagen für ein Schüttgut gelten, das aus dem lockeren Zustand heraus nur in einer Richtung verdichtet wurde. Verdichtet man ein Schüttgutelement z.B. zunächst in z-Richtung, dann in x-Richtung, wird man beim zweiten Verdichtungsschritt nicht das gleiche Verhältnis zwischen σz und σx erhalten, das sich ohne den ersten Schritt ergeben hätte. Die Ursache ist, dass sich die Partikel bei einer Ver-
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9 Spannungen im Schüttgut
formung des Schüttgutes in besonderer Weise anordnen. Diese Anordnung bleibt je nach folgender Verformung mehr oder weniger erhalten und beeinflusst somit die Spannungsverhältnisse (Kap. 5.1.1). Messungen zum Verformungsverhalten und Möglichkeiten zur Beschreibung des Verhaltens findet man in [9.5,9.6]. 9.1.2 Spannungsverläufe
Abb. 9.3. Qualitative Verläufe von Druck bzw. Spannung in Behältern
Wie bei der Festkörperreibung allgemein gegeben, kann auch ein Schüttgut (im Gegensatz zu einer Newtonschen Flüssigkeit) in Ruhe Schubspannungen übertragen. Während der Druck in einem Flüssigkeitsbehälter linear mit der Tiefe ansteigt (Abb. 9.3), nimmt in einem Schüttgutbehälter die vom Schüttgut auf die Behälterwand ausgeübte Schubspannung – also die Reibung an der Behälterwand – einen Teil des Gewichtes der Schüttgutsäule auf, so dass die Spannung nach unten hin immer weniger ansteigt. Ein Silo besteht in der Regel aus einem Vertikalteil und einem Trichter. Die Verhältnisse im Trichter sind etwas komplizierter. Wird ein leerer Silo gefüllt, ergibt sich ein Spannungsverlauf wie in Abb. 9.4.a [9.7]. Wandnormalspannung σw und mittlere Vertikalspannung σv steigen im Siloschaft nach unten hin an, um schließlich einem Endwert zuzustreben. Das Verhältnis von Wandnormalspannung und mittlerer Vertikalspannung ist gleich dem Horizontallastverhältnis λ (Kap. 9.1). Die Richtung der größten Hauptspannung wird durch die Hauptspannungstrajektorien in Abb. 9.4 qualitativ angegeben. Die größte Hauptspannung σ1 weist in Abb. 9.4.a in die vertikale Richtung. Dies nennt man einen „aktiven Spannungszustand“. Zu den Wänden des Vertikalteils hin weicht die Richtung der größten Hauptspannung zunehmend von der vertikalen Richtung ab, denn wegen
9.1 Spannungsverhältnisse bei der Lagerung in Silos
261
der Wandreibung und der damit verbundenen Wandschubspannung können die Vertikalspannung und die Wandnormalspannung keine Hauptspannungen sein (s. Kap. 2.3.1). Entsprechend richten sich auch Hauptspannungen an der Trichterwand weder parallel noch senkrecht zur Wandoberfläche aus.
Abb. 9.4. Qualitative Verläufe der Normalspannung auf die Silowand σw und der mittleren Vertikalspannung σv (gestrichelt, nur in den Abb. a und c) über der Silohöhe; in den Silos sind die angenommenen Trajektorien der größten Hauptspannung σ1 eingezeichnet; tote Zonen sind schraffiert [9.7,9.8].
Am Übergang zum Trichter liegt eine Unstetigkeitsstelle vor. Im Trichter nehmen beide Spannungen zur gedachten Trichterspritze wieder auf Null ab, wobei sie je nach der Vertikalspannung am Übergang vom Schaft zum Trichter, der Geometrie und den Schüttguteigenschaften nach unten hin zunächst steigen und dann wieder sinken, oder kontinuierlich sinken kön-
262
9 Spannungen im Schüttgut
nen; die in Abb. 9.4.a eingezeichneten Kurven sind als mögliche Verläufe zu betrachten. Generell sind die Spannungen in vertikaler Richtung größer als in horizontaler Richtung. In der Trichterachse ist die größte Hauptspannung vertikal, also herrscht wie im Schaft ein aktiver Spannungszustand. Für die Spannungsverhältnisse im Trichter nach dem Füllen ist auch die Bezeichnung „Füllzustand“ üblich. Bei beginnendem Schüttgutabzug kommt in einem Massenflusssilo das gesamte Schüttgut in Bewegung. Das Fließen des Schüttgutes durch den konvergenten Trichter führt dazu, dass das Schüttgut in horizontaler Richtung „zusammengedrückt“ wird, während es in vertikaler Richtung durch das Fließen nach unten entlastet wird. Daher wirken nun die größeren Spannungen in die horizontale Richtung (größte Hauptspannung in der Trichterachse horizontal). Dies bezeichnet man als „passiven Spannungszustand“ oder „Entleerungszustand“. In Abb. 9.4.b, die die Verhältnisse unmittelbar nach dem Entleerungsbeginn zeigt, liegt der passive Spannungszustand erst im unteren Teil des Trichters vor, in Abb. 9.4.c (etwas später als Abb. 9.4.b) ist er voll ausgebildet. Hier sinken die Spannungen im Trichter nach unten hin stark ab und sind im unteren Trichterbereich nahezu proportional zum Abstand zur gedachten Trichterspitze. Man nennt dies das „radiale Spannungsfeld“. Die Spannungen in Nähe der Auslauföffnung sind im Entleerungszustand (bei hinreichender Höhe des Trichters) unabhängig von der Spannung, die am oberen Ende des Trichters wirkt, und damit auch unabhängig von der Größe des Silos. Die Hauptspannungstrajektorien im Trichter haben im Entleerungszustand die Form von Gewölben oder Brücken (Abb. 9.4.c), daher spricht man in diesem Zusammenhang von der Bildung von Spannungsgewölben (dies sind keine Gewölbe im Sinne der Brückenbildung, die zu Auslaufschwierigkeiten führen). Auch der Übergang vom aktiven zum passiven Spannungsfeld am Übergang von Schaft zum Trichter findet entlang einer gekrümmten Fläche statt. Die Verformung des Schüttgutes beim Fließen im Trichter entspricht näherungsweise dem stationären Fließen (Fließen unter konstanten Spannungen und konstanter Schüttgutdichte, also Verdichtung in einer Richtung und Ausdehnung in der dazu senkrechten Richtung) und kann nicht mit dem Horizontallastverhältnis λ für einachsige Verdichtung beschrieben werden. Abbildung 9.5 zeigt einen beispielhaften Spannungskreis für stationäres Fließen neben dem bereits betrachteten Spannungskreis für einachsige Verdichtung. Man sieht, dass sich beim stationären Fließen bei gleicher größter Hauptspannung σ1 eine kleinere kleinste Hauptspannung σ2 als bei einachsiger Verdichtung einstellt (Weiteres zum Einfluss der Verformung auf die Spannungen s. Kap. 5.1). Das Verhältnis der kleinsten zur
9.1 Spannungsverhältnisse bei der Lagerung in Silos
263
größten Hauptspannung in der Trichterachse ist also ähnlich wie beim stationären Fließen.
σ 2 1 − sin ϕ e = σ 1 1 + sin ϕ e
(9.3)
Im Schaft des Silos bleibt auch beim Entleeren der aktive Spannungszustand erhalten, sofern dort keine örtlichen Konvergenzen (Querschnittsverengungen durch Einbauten, Beulen, etc.) vorhanden sind. Den Übergang vom aktiven zum passiven Spannungsfeld (im Massenflusssilo stets am Übergang Schaft/Trichter) bezeichnet man als „Switch“. Dort entsteht eine lokale Spannungsspitze im Verlauf der Wandnormalspannung (engl.: switch stress peak). Bei einer Unterbrechung des Schüttgutabzuges bleibt im Trichter das passive Spannungsfeld erhalten.
Abb. 9.5. Mohrsche Spannungskreise für stationäres Fließen und einachsige Verdichtung
Wenn ein zuvor leerer Silo gefüllt und anschließend das erste Mal Schüttgut abgezogen wird, entwickelt sich aus dem Füllzustand (Abb. 9.4.a) heraus vom Auslauf her der Entleerungszustand, indem der Bereich des „Switch“ und der Spannungsspitze nach oben wandern (Abb. 9.4.b) und schließlich am Übergang vom Schaft zum Trichter verharren (Abb. 9.4.c). Es muss also eine gewisse Menge Schüttgut (abhängig von den Schüttguteigenschaften und den Trichterabmessungen) abgezogen werden, bevor sich der Entleerungszustand (passiver Spannungszustand) im gesamten Trichter einstellt. Die Ursachen hierfür sind, dass sich das Schüttgut beim Fließen etwas ausdehnt, damit sich die Partikeln übereinander hinweg bewegen können, und dass sich die Spannungen im unteren Trichterbereich beim Übergang zum Entleerungszustand verringern, was zur Abnahme der Schüttgutdichte führt. In einem Kernflusssilo fließt das Schüttgut in einer Fließzone, die von den toten Zonen umgeben ist, nach unten. Trifft die tote Zone wie in Abb. 9.4.d im Bereich des Siloschaftes auf die Wand, bildet sich ebenfalls auf-
264
9 Spannungen im Schüttgut
grund des einsetzenden konvergenten Schüttgutflusses eine Spannungsspitze aus. Die große Wandnormalspannung an der Trichterwand des Kernflusssilos resultiert aus der sehr geringen Wandneigung. Die Spannungsspitze ist bei der festigkeitsmäßigen Auslegung des Silos zu berücksichtigen [9.1]. Bei Kernfluss ist dieses aber schwieriger als bei Massenfluss, denn die Spannungsspitze liegt zum einen im empfindlicheren Siloschaft [9.9], zum anderen kann der (nicht berechenbare) Ort ihres Auftretens über dem Umfang unsymmetrisch und auch zeitlich veränderlich sein, so dass der gesamte Siloschaft entsprechend ausgelegt werden muss [9.1]. In [9.10] sind Siloschäden aufgrund von unerwarteten Spannungsspitzen beschrieben. Einige Schüttgüter (z.B. bei Kristallzucker schon beobachtet) neigen dazu, bei Kernfluss sehr steile Fließzonen auszubilden (z.B. Abb. 9.6.a). Hier trifft die Grenzlinie zwischen Fließzone und toter Zone nicht bzw. erst nahe der Schüttgutoberfläche auf die Silowand, so dass keine Spannungsspitze an der Silowand erzeugt wird.
Abb. 9.6. Wandnormalspannung σw (jeweils an der rechten Silowand) im Silo beim Entleeren; Trajektorien der größten Hauptspannung im fließenden Schüttgut; tote Zonen sind schraffiert; a. Kernfluss mit steiler Fließzone, b. Kernfluss mit einseitigem Schüttgutfluss
Abbildung 9.6.b zeigt einen Silo bei einseitigem Schüttgutfluss (exzentrisches Entleeren, Kap. 9.4.2). Die tote Zone bildet sich nur auf der linken Seite, trotzdem ist an der rechten Silowand eine Spannungsspitze am Übergang vom aktiven zum passiven Spannungsfeld (Switch) zu erwarten [9.10], denn die Hauptspannung ändert über der gesamten Silobreite ihre Richtung. Das gleiche würde gelten, wenn der Silo in Abb. 9.6.b ein Massenflusssilo wäre und sich dort anstelle der toten Zone eine Trichterwand befinden würde. Man sieht daran, dass sich am Übergang vom aktiven zum
9.1 Spannungsverhältnisse bei der Lagerung in Silos
265
passiven Spannungsfeld, dem Switch, bei hinreichender Vertikalspannung erhöhte Wandnormalspannungen bilden. Entscheidend für die Position der Spannungsspitze ist, wo das aktive ins passive Spannungsfeld übergeht. Hierdurch können sich auch Spannungsspitzen an ebenen vertikalen Wänden ohne Gegenwart toter Zonen an diesen Wänden bilden (Abb. 9.6.b). Die Entstehung der Spannungsspitze lässt sich anhand der Hauptspannungsrichtungen erläutern (Abb. 9.7): Vom Schaft her wirkt auf das Schüttgut im Trichter eine relativ große Vertikalspannung, da die größere Hauptspannung σ1 in der Achse des Schaftes in vertikaler Richtung wirkt (aktiver Spannungszustand). Die Hauptspannungen sind in Abb. 9.7 anhand von Pfeilen dargestellt, deren Länge ein Maß für die Größe der jeweiligen Spannung ist. Beim Fließen im Trichter wird das Schüttgut in horizontaler Richtung zusammengedrückt, während es nach unten hin ausweichen kann. Dadurch ist im Trichter die Horizontalspannung größer als die Vertikalspannung. In der Trichterachse zeigt die kleinste Hauptspannung σ2 in die vertikale und die größte Hauptspannung σ1 in die horizontale Richtung. Da am Übergang vom aktiven zum passiven Spannungszustand die Vertikalspannungen von oben den Vertikalspannungen von unten das Gleichgewicht halten müssen, ergibt sich eine sprungartige Zunahme der Horizontalspannung, was man an der Spannungsspitze im Verlauf der Wandnormalspannung (z.B. Abb. 9.4.c) sieht. Auch wenn die Hauptspannungen zur Silowand hin zunehmend gegen die Vertikale bzw. Horizontale geneigt sind, ändert dies nichts an der prinzipiellen Gültigkeit dieser Betrachtung.
Abb. 9.7. Spannungsverhältnisse am Übergang vom Schaft zum Trichter bei Massenfluss
Eine Abschätzung der Größe der Spannungsspitze ist grundsätzlich möglich, so z.B. mit den Methoden von Enstad [9.11], Walters [9.12,9.13] und Jenike [9.14]. Silonormen wie die Deutsche Norm DIN 1005 Teil 6 [9.1,9.2] beinhalten Gleichungen zur Erfassung der Spannungsspitze. Allerdings ist davon auszugehen, dass das Spannungs-Dehnungs-Verhalten des Schüttgutes die Spannungsspitze beeinflusst. Ein hartes, nicht kom-
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9 Spannungen im Schüttgut
pressibles Schüttgut wird eine stärkere lokale Spannungsspitze hervorrufen als ein feinkörniges, kompressibles Schüttgut. Letzteres benötigt zur Umlagerung der Spannungen (aktiv → passiv) eine stärkere Verformung, muss also dazu etwas weiter im Trichter nach unten fließen, bis der passive Spannungszustand voll ausgebildet ist. Die Spannungsspitze wird daher weniger spitz sein und eine kleinere Maximalspannung aufweisen, sich dafür aber stärker vertikal ausdehnen.
9.2 Berechnungsverfahren (Übersicht) Anhand der vorangegangenen Betrachtungen wird deutlich, dass für die Berechnung der Spannungsverläufe in Silos folgende drei Fälle betrachtet werden müssen:
• Spannungen im Vertikalteil (Siloschaft) • Spannungen im Trichter (aktiver Spannungszustand, Füllzustand) • Spannungen im Trichter (passiver Spannungszustand, Entleerungszustand) Spannungen in Silos wurden bereits vor mehr als 100 Jahren experimentell und theoretisch untersucht. Nachdem zunächst die Spannungen im Siloschaft betrachtet wurden (Roberts [9.15,9.16], Janssen [9.17], Koenen [9.18]), folgten später Arbeiten, die auch den Spannungsverlauf im Trichter berücksichtigen. Bekannt sind die Arbeiten von Jenike [9.19,9.20], Walker [9.21,9.22] und Walters [9.12,9.13]. Die ersten theoretischen Ansätze beruhten auf Scheibenelementverfahren, bei denen das Kräftegleichgewicht an einem Scheibenelement infinitesimaler Dicke im Siloschaft [9.12,9.17] bzw. im Trichter [9.13,9.21,9.22] betrachtet wurde. Die von Jenike entwickelte Berechnungsmethode [9.19,9.20] beschreibt die Spannungen, die sich während des Entleerens (Entleerungszustand bzw. passiver Spannungszustand) im Trichter ausbilden, mit Hilfe von Differentialgleichungen, die er mit der Charakteristikenmethode numerisch löste. Seine Berechnungsmethode erlaubt zudem die Auslegung von Silos, indem die für Massenfluss notwendige Trichterwandneigung und die Mindestauslaufgröße zur Vermeidung von Brücken- oder Schachtbildung bestimmt werden. Die Ergebnisse seiner Berechnungen präsentierte Jenike in Form von Diagrammen. Unter den neueren Arbeiten sind die von Enstad [9.11] und Benink [9.23] zu erwähnen, die die Spannungen im Trichter während des Entleerens mit Hilfe von Scheibenelementmethoden berechneten. Zur Berechnung der Spannungen im Füllzustand ist u.a. die Arbeit von Motzkus
9.2 Berechnungsverfahren (Übersicht)
267
[9.24] zu nennen, der die Annahmen von Walker und Walters als unrealistisch erkannte und verbesserte Annahmen einführte. Auch die Methode der finiten Elemente (FEM) wird zur Spannungsberechnung eingesetzt (z.B. [9.6,9.25–9.27]), wobei die Stoffeigenschaften in Form von Stoffmodellen (auch Stoffgesetze genannt) vorgegeben werden. Die verwendeten Stoffmodelle beschreiben die Abhängigkeit von Verformungen und Spannungen in einem Schüttgut. Ihre Parameter sind aber nur mit verhältnismäßig aufwendigen Messungen zu bestimmen, so dass FEM für Schüttgüter in der Praxis als zu aufwendig erscheint. Relativ jung ist die Methode der diskreten Elemente (DEM, z.B. [9.28,9.29,9.30]). Hier wird das Schüttgut nicht mehr als Kontinuum betrachtet, sondern es werden die Wechselwirkungen zwischen einzelnen Partikeln simuliert. Dies erfordert einen hohen Rechenaufwand. Auch die komplexen Formen der Partikel können noch nicht hinreichend angenähert werden. Daher erscheint DEM zur Zeit vor allem geeignet, um Vorgänge zu simulieren, bei denen die Interaktionen einzelner in Form und Größe definierter Partikel wichtig sind und die Zahl der Partikel begrenzt ist (z.B. Kugelmühle). Für die Zukunft sind hier mit zunehmender Rechnerleistung immer mehr Anwendungen zu erwarten. Für praktische Berechnungen werden bis heute vor allem die Scheibenelementmethoden wegen ihrer relativ einfachen Handhabbarkeit benutzt. So basieren mehrere Normen [9.1,9.2,9.31,9.32] zur Berechnung der Belastung von Silos auf der Gleichung Janssens, die durch geeignete Wahl der Parameter an die Verhältnisse im Silo angepasst wird. Für die Berechnung der Spannungen im Trichter im Füllzustand (aktiver Spannungszustand) liefert die Scheibenelementmethode von Motzkus brauchbare Ergebnisse [9.24,9.33], für den Entleerungszustand sind die von Enstad [9.11] hergeleiteten Beziehungen anwendbar (vor allem in der von Arnold und McLean [9.34] präsentierten Form). Im folgenden Kapitel wird die Ermittlung der Spannungen im Siloschaft nach der von Janssen [9.17] hergeleiteten Methode detailliert beschrieben. Außerdem wird die Anwendung der Methode auf andere Aufgabenstellungen (z.B. einachsiges Verdichten von Schüttgut) erläutert. Hinsichtlich der Berechnung der Spannungen im Trichter sei auf die oben genannte Literatur verwiesen (weitere Übersichten s. [9.10,9.24,9.33]). Zur überschlägigen Abschätzung der Spannungen am Auslauf werden einfache Gleichungen angegeben. Eine Abschätzung von Spannungen ist auch mit dem frei erhältlichen Programm „Silo Stress Tool“ des Verfassers möglich [9.35].
268
9 Spannungen im Schüttgut
9.2.1 Berechnung der Spannungen im Siloschaft Die Methode zur Berechnung von Spannungen im Siloschaft (aktiver Spannungszustand) geht auf Janssen [9.17] zurück. Er betrachtete ein scheibenförmiges Volumenelement der infinitesimalen Höhe dz (Abb. 9.8), das den ganzen Siloquerschnitt überspannt. Unter der Annahme einer konstanten Vertikalspannung σv über dem Querschnitt sowie konstanter Schüttgutdichte ρb im Scheibenelement ergibt sich folgendes Kräftegleichgewicht in z-Richtung:
Aσ v + g ρb A dz = A(σ v + dσ v ) + τ wU dz
(9.4)
Nach Einführung des Wandreibungswinkels
tan ϕ x = τ w / σ h
(9.5)
und des Horizontallastverhältnisses
λ = σh / σv
(9.6)
ergibt sich eine gewöhnliche Differentialgleichung für die Vertikalspannung σv:
dσ v U + σ v λ tan ϕ x = gρb A dz
(9.7)
Abb. 9.8. Scheibenelement (Schüttgut) im Siloschaft
Aus der Integration der Differentialgleichung unter Annahme konstanter Parameter ρb, φx und λ sowie der Randbedingung, dass die Vertikalspannung an der Schüttgutoberfläche (bei z=0) gleich σv0 ist, folgt:
9.2 Berechnungsverfahren (Übersicht)
g ρb A g ρb A σv = + σ v0 − ⋅e λ tan ϕ x U λ tan ϕ x U
− λ tan ϕ x U z A
269
(9.8)
Für die Randbedingung, dass die Spannung an der Schüttgutoberfläche gleich Null ist (σv0 = 0 bei z = 0), folgt aus Gl.(9.8): − λ tan ϕ x U z g ρb A A ⋅ 1 − e σv = λ tan ϕ x U
(9.9)
σh und τw erhält man unter Benutzung der Gln. (9.5) und (9.6) aus Gl.(9.8):
g ρb A g ρb A + λ ⋅ σ v0 − σh = ⋅e tan ϕ x U tan ϕ x U g ρb A g ρb A + λ tan ϕ x ⋅ σ v0 − τw = ⋅e U U
− λ tan ϕ x U z A
(9.10)
−λ tan ϕ x U z A
(9.11)
Für große Werte von z strebt die e-Funktion in den Gln.(9.8) bis (9.11) gegen Null. Damit ist der Ausdruck vor der Klammer der Endwert, der bei den gegebenen Werten von Geometrie und Schüttguteigenschaften für z → ∞ erreicht wird. Der Endwert für die Vertikalspannung ist:
σ v∞ = σ v ( z → ∞) =
g ρb A λ tan ϕ x U
(9.12)
Der Endwert der Vertikalspannung σv∞ ist unabhängig von der Silohöhe und der Auflast σv0. Er hängt neben den Schüttguteigenschaften vom Verhältnis A/U ab. In einem zylindrischen Silo ist das Verhältnis A/U = D/4 (D = Silodurchmesser). Das bedeutet, dass die maximal möglichen Spannungen im Siloschaft (Gln.(9.9) bis (9.11)) proportional zum Durchmesser sind. Aus diesem Grund kann man Silos schlank und hoch bauen und trotzdem nicht zu große Spannungen im Silo erhalten, während man Flüssigkeitsbehälter (z.B. Öltanks) wegen des hydrostatischen Druckanstiegs flach und dafür mit großem Durchmesser ausführt. In zahlreichen experimentellen Untersuchungen wurde die prinzipielle Gültigkeit der sogenannten „Janssen-Gleichung“ (9.9) nachgewiesen, z.B. [9.7,9.10,9.36–9.38]. Sie liegt zahlreichen Normen zur Berechnung der Spannungen in Silos zugrunde (z.B. [9.1,9.2,9.31,9.32]). Abbildung 9.9 zeigt gemessene Horizontalspannungen σh (Füllzustand; Schüttgut: Wei-
270
9 Spannungen im Schüttgut
zengrieß [9.37]). Dargestellt sind die obere und untere Grenze des 95%Vertrauensintervalles der Messwerte. Die Abbildung zeigt zum einen den typischen Verlauf der Horizontalspannungen über der Höhe, wie ihn auch Gl. (9.10) vorhersagt, zum anderen wird der Einfluss des Wandreibungswinkels φx deutlich: Die raue Wand (großer Wandreibungswinkel φx) nimmt einen größeren Teil des Schüttgutgewichtes auf als die glatte Wand und bewirkt damit eine geringere maximale Horizontalspannung.
Abb. 9.9. Horizontalspannung im Füllzustand bei unterschiedlich rauen Silowänden (95%-Vertrauensintervall der Messwerte; Schüttgut: Weizengrieß) [9.37]
9.2.2 Weitere Anwendungen der Janssen-Gleichung Die Janssen-Gleichung kann nicht nur für Silos verwendet werden, sondern auch für andere Situationen, bei denen das Schüttgut in einer Richtung durch eine Spannung belastet wird, während es in den dazu senkrechten Richtungen konstante Abmessungen behält. Ein Beispiel ist die einachsige Verdichtung von Schüttgut. In Abb. 9.10 wird Schüttgut in einem Hohlzylinder von oben mit einem Stempel verdichtet. Die Spannung, die der Stempel ausübt, ist die Auflast σv0 in Gl.(9.8). Um die Darstellung zu verallgemeinern, werden die Vertikalspannungen σv und σv0 auf die in unendlicher Tiefe erreichte Vertikalspannung σv∞ bezogen, und die Koordinate z wird auf den Durchmesser D des Schüttgutelements bezogen. Gl.(9.8) wird damit zu:
9.2 Berechnungsverfahren (Übersicht)
271
Abb. 9.10. Einachsige Verdichtung von Schüttgut in vertikaler Richtung und Verlauf der Vertikalspannung σv im Schüttgut über der Tiefe z für verschiedene Auflasten σv0 (dimensionslose Darstellung) z
σ −4 λ tan ϕ x D σv = 1 + v0 − 1 ⋅ e σ v∞ σ v∞
(9.13)
Der Verlauf von σv/σv∞ über z/D ist nur von der Auflast σv0/σv∞ und den Parametern λ und φx abhängig, d.h. für geometrisch ähnliche Behältnisse ergeben sich bei gleichen Werten für λ, φx und σv0/σv∞ dieselben Verläufe. Im Diagramm in Abb. 9.10 ist der gemäß Gl.(9.13) mit typischen Werten von λ und φx berechnete Spannungsverlauf über der Koordinate z für verschiedene Auflasten gezeigt. Da die Exponentialfunktion für große z/D schnell klein wird, sind die Kurven schon ab ca. z/D = 3 recht dicht am Wert σv/σv∞ = 1. Dies gilt sowohl ohne Auflast als auch mit Auflast. Man sieht daran, dass es z.B. wenig Sinn hat, beim Verdichten eines Schüttgutes entsprechend Abb. 9.10 zu große Verhältnisse von Höhe zu Durchmesser zu wählen. Möchte man Schüttgut in einem Bereich mit parallelen vertikalen Wänden nach oben schieben (Abb. 9.11), wirkt die Wandschubspannung auf das Schüttgut entgegen der Bewegungsrichtung, also nach unten. Mit einem Ansatz ähnlich Abb. 9.8 (aber mit nach unten gerichteter Schubspannung) erhält man eine Differentialgleichung wie Gl.(9.7), aber mit negati-
272
9 Spannungen im Schüttgut
vem Vorzeichen vor dem Term mit dem Wandreibungswinkel. Die Lösung der modifizierten Differentialgleichung ist:
g ρb A g ρb A + σ v0 + σv = − ⋅e λ tan ϕ x U λ tan ϕ x U
λ tan ϕ x U z A
(9.14)
Ohne Auflast (σv0 = 0) folgt:
σv =
λ tan ϕ x U z g ρb A A − 1 e λ tan ϕ x U
(9.15)
Für den Schüttgutpfropfen in Abb. 9.11 mit kreisförmigem Querschnitt lässt sich Gl.(9.15) unter Verwendung von σv∞ gemäß Gl.(9.12) dimensionslos darstellen:
4 λ tan ϕ z x σv D = e − 1 σ v∞
(9.16)
Abb. 9.11. Verschieben eines Schüttgutpfropfens der Höhe h in einem Hohlzylinder entgegen der Schwerkraft und dazu erforderliche Vertikalspannung σvK an der Unterseite in Abhängigkeit von der Höhe h des Schüttgutpfropfens (dimensionslose Darstellung)
Wendet man Gl.(9.16) an, um die Vertikalspannung σvK an der Unterseite des Schüttgutpfropfens (z = h) in Abb. 9.11 zu berechnen, erhält man den
9.2 Berechnungsverfahren (Übersicht)
273
dort gezeigten Verlauf in Abhängigkeit vom Höhe/Durchmesser-Verhältnis h/D. Bei einem Wert h/D = 5 wäre schon mehr als das Hundertfache der Vertikalspannung σv∞ nach Gl.(9.12) notwendig, die sich unter einem ruhenden Schüttgutkolben allein aufgrund der Schwerkraft maximal ergeben könnte. Soll zusätzlich zur Schwerkraft die Wirkung einer vertikalen Gasströmung im Schüttgut berücksichtigt werden, muss beim Kräftegleichgewicht am Scheibenelement nach Gl.(9.4) zusätzlich der Druckgradient dp/dz berücksichtigt werden:
( ) dp
Aσ v + g ρb A dz − dz A dz = A(σ v + dσ v ) + τ wU dz
(9.17)
Bei Durchströmung von oben nach unten nimmt der Druck p in z-Richtung ab, also ist der Druckgradient dp/dz < 0 (Abb. 9.12.a). Bei Durchströmung von unten nach oben steigt der Druck dagegen in z-Richtung an (dp/dz > 0, Abb. 9.12.b). Die Durchströmungskraft wirkt dabei der Schwerkraft entgegen. Solange die resultierende Kraft aus Gewichtskraft und Durchströmungskraft nach unten wirkt, wirkt die Schubspannung wie in Abb. 9.8 nach oben. Nimmt man einen konstanten Druckgradienten sowie konstante Schüttguteigenschaften über der Höhe der Schüttgutsäule an, ist die Lösung der Differentialgleichung ohne Auflast entsprechend Gl.(9.9):
σv
(gρ =
)
dp − λ tan ϕ x U z − dz A für g ρ − dp ≥ 0 A ⋅ 1− e b dz λ tan ϕ x U b
)
(
(9.18)
Der Verlauf der Vertikalspannung über der Höhe (Abb. 9.12.a) entspricht dem Verlauf für σv0/σv∞ = 0 in Abb. 9.10. Dabei ist hier der für z → ∞ erreichte Endwert:
σ v∞
(g ρ = σ ( z → ∞) = v
dp
)
(
)
− dz A dp für g ρb − dz ≥ 0 λ tan ϕ x U b
(9.19)
Für den Fall gρb = dp/dz ist die Vertikalspannung in der gesamten Schüttgutsäule gleich Null, denn die Gewichtskraft des Schüttgutes ist gleich der aus der Gasströmung resultierenden Kraft. Sobald die Durchströmungskraft die Schwerkraft etwas übersteigt, wirkt auf das Schüttgut eine resultierende Kraft nach oben, woraufhin sich ein lockeres, kohäsionsloses Schüttgut auszudehnen beginnt, in eine Wirbelschicht übergeht und wegen der zunehmenden Porosität wieder gρb = dp/dz gilt (Lockerungspunkt, Kap. 7.2.4).
274
9 Spannungen im Schüttgut
Abb. 9.12. Prinzipielle Verläufe von Vertikalspannung und Gasdruck bei Durchströmung einer Schüttgutsäule (Festbett, Gasgeschwindigkeit w). a. Durchströmung von oben, b. Durchströmung von unten bei gρb < dp/dz vor dem Erreichen des Lockerungspunktes
Ein kohäsives Schüttgut kann vor Erreichen des Lockerungspunktes aufgrund seiner Zugfestigkeit auch noch bei nennenswerten Druckgradienten dp/dz > gρb, deren Größe vom Verfestigungszustand des Schüttgutes abhängt, als Festbett vorliegen. Dabei erzeugt die Gasströmung im Inneren des Schüttgutes eine negative Vertikalspannung (Zugspannung). Vernachlässigt man mögliche Horizontalspannungen, die nach einer vorangegangenen Verfestigung auch nach der Entlastung bestehen bleiben können (z.B. [9.3,9.4]), ist für dp/dz > gρb die Schubspannung an der Wand gleich Null. Das Kräftegleichgewicht am Scheibenelement nach Abb. 9.8 liefert unter Berücksichtigung des Druckgradienten für τw = 0: dp
Aσ v + g ρb A dz − dz A dz = A(σ v + dσ v ) Daraus folgt der Verlauf der Vertikalspannung:
(
σ v = gρb −
dp dz
) ⋅z
für
(g ρ
b
dp
)
− dz < 0
(9.20)
(9.21)
Die Vertikalspannung ist nach Gl.(9.21) an der Oberseite der Schüttgutsäule gleich Null und fällt nach unten hin linear ab, d.h. im Schüttgut wirkt eine Zugspannung, deren Betrag an der Unterseite am größten ist (Abb. 9.12.b). Reicht die Zugspannung aus, um das Schüttgut zum Fließen zu bringen, wird der Lockerungspunkt (s. Kap. 7.2.4) erreicht und die ruhende Schüttung geht in die Wirbelschicht über (Es ist anzumerken, dass bei kohäsiven Schüttgütern bei einem Aufbau gemäß Abb. 9.12.b auch die gesamte Schüttgutfüllung in Form eines Kolbens aufsteigen kann). Die
9.2 Berechnungsverfahren (Übersicht)
275
Druckdifferenz zum Erreichen des Lockerungspunktes hängt somit von der Fließgrenze und damit vom Verfestigungszustand des Schüttgutes ab. 9.2.3 Schüttguteigenschaften zur Spannungsberechnung Die Janssen-Gleichung benötigt die Werte von Schüttgutdichte ρb, Wandreibungswinkel φx und Horizontallastverhältnis λ. Während man Schüttgutdichte und Wandreibungswinkel leicht mit Schergeräten messen kann, ist die Ermittlung des Horizontallastverhältnisses λ schwieriger. Janssen bestimmte den Wert des Horizontallastverhältnisses durch Anpassung der Gl.(9.9) an die im Modellsilo gemessenen Spannungen. Diese Möglichkeit steht für die Berechnung von Spannungen in der Regel nicht zur Verfügung. Daher werden alternativ andere Methoden verwendet. Koenen [9.18] schlug vor, das Horizontallastverhältnis λ aus dem aktiven Rankineschen Grenzspannungsverhältnis λ0 zu berechnen. Das aktive Rankinesche Grenzspannungsverhältnis ist das Verhältnis der kleinsten zur größten Hauptspannung in einem Schüttgut (daher Index „0“) im aktivplastischen Spannungszustand, was dem stationären Fließen in der Schüttguttechnik entspricht (Abb. 9.5):
λ0 =
σ 2 1 − sin ϕ e = σ 1 1 + sin ϕ e
(9.22)
Die Benutzung von Gl.(9.22) in Verbindung mit der Janssen-Gleichung impliziert die Annahmen, dass die Vertikal- und Horizontalspannungen im Schaft Hauptspannungen sind (was bei einer nicht reibungsfreien Silowand nur in der Symmetrieachse des Silos der Fall ist) und dass sich das Schüttgut im aktiv-plastischen Spannungszustand (stationäres Fließen) befindet. Zur Behebung der erstgenannten nicht zutreffenden Annahme wurden Gleichungen aufgestellt, die bei der Berechnung des Horizontallastverhältnisses die Reibung an der Wand berücksichtigen (z.B. Walters [9.12]). Die Annahme stationären Fließens kann ebenfalls nicht richtig sein, da dieses nur bei hinreichender Ausdehnung des Schüttgutes in horizontale Richtung zu erreichen wäre, was bei den in der Regel wenig nachgiebigen Silowänden nicht gegeben ist [9.10,9.24,9.36]. Im Siloschaft wird das Schüttgut einachsig verdichtet. Dabei stellt sich bei gleicher größter Hauptspannung σ1 eine größere kleinste Hauptspannung σ2 als beim stationären Fließen ein (z.B. [9.3,9.4,9.39]). Daher liegt der in Abb. 9.5 für einachsige Verdichtung (aktiv-elastischer Spannungszustand) eingezeichnete Mohrsche Spannungskreis unterhalb des effektiven Fließortes. Gl.(9.22) sagt also für den Siloschaft ein zu kleines Horizontallastverhältnis vorher.
276
9 Spannungen im Schüttgut
Es gab es eine Reihe von Arbeiten, in denen andere Beziehungen für das Horizontallastverhältnis λ hergeleitet wurden. Übersichten finden sich in [9.5,9.24,9.36,9.40]. Häufig wird eine von Kézdi [9.41] vorgeschlagene Gleichung zur Berechnung des Ruhedruckbeiwertes λ0 in unendlich ausgedehnten Böden benutzt, um das Verhältnis zwischen Horizontalspannung und Vertikalspannung im Siloschaft wiederzugeben:
λ = λ0 = 1 − sin ϕ
(9.23)
φ ist der innere Reibungswinkel des Schüttgutes, für den in der Schüttguttechnik als Näherung häufig der effektive Reibungswinkel φe eingesetzt wird. Der Vorteil der Gl.(9.23) ist die gegenüber Gl.(9.22) bessere Übereinstimmung von berechneten mit gemessenen Horizontallastverhältnissen [9.39]. Eigentlich gilt Gl.(9.23) aber nur für eine in horizontaler Richtung unendlich ausgedehnte Schüttung, d.h. der Wandeinfluss wird wie in Gl.(9.22) vernachlässigt. Gl.(9.23) liegt in leicht veränderter Form auch der DIN 1055, Teil 6 von 1987 [9.1] zugrunde:
λ = 1,2 ⋅ (1 − sin ϕ )
(9.24)
Gl.(9.24) ergibt im oberen Silobereich „fülligere Lastkurven“, d.h. größere Wandnormal- und Schubspannungen, so dass sich für die festigkeitsmäßige Siloauslegung gegenüber Gl.(9.23) eine auf der sicheren Seite liegende Lastannahme ergibt. Für Anwendungen zur Berechnung der Vertikalspannungen (z.B. um die Belastung eines Austraggeräts zu ermitteln) sollte das kleinere λ aus Gl.(9.23) vorgezogen werden, da es gegenüber dem aus Gl.(9.24) zu größeren Vertikalspannungen führt. Für grobe Abschätzungen der Spannungen im Siloschaft wird in [9.42,9.43] der Wert
λ = 0,4
(9.25)
empfohlen. Die nach Gl.(9.24) entsprechend der DIN 1055 Teil 6 von 1987 [9.1] berechneten Werte des Horizontallastverhältnisses sind nicht unbedingt richtig, da das in einem konkreten Silo wirkende Horizontallastverhältnis von weiteren Parametern (z.B. Wandreibungswinkel) abhängt. Ein Schritt, bei der Bestimmung mehr Sicherheit zu gewinnen, ist die Empfehlung in der neuen Europäischen Silonorm (DIN 1005-6:2005-03 [9.2]), das Horizontallastverhältnis aus einem einachsigen Kompressionsversuch in einem abgewandelten Oedometer (Abb. 9.13) zu ermitteln. Bei diesem in einer Arbeit von Lohnes [9.44] benutzten sowie von Nielsen und Kolymbas [9.45] vorgeschlagenen einachsigen Kompressionsversuch wird die Schüttgutprobe in einem Hohlzylinder in axialer Richtung einer Spannung
9.2 Berechnungsverfahren (Übersicht)
277
unterworfen, während die resultierende Horizontalspannung gemessen wird. Mit dieser Messung werden zwar nicht alle, aber wenigstens die Einflussgrößen, die allein auf den Schüttguteigenschaften beruhen, berücksichtigt. Messungen an einer vom Verfasser entworfenen und als „Lambdameter“ bezeichneten Vorrichtung (s. Kap. 5.1.1, Abb. 5.7) [9.3,9.4] zeigen dessen prinzipielle Anwendbarkeit zur Bestimmung des Horizontallastverhältnisses.
Abb. 9.13. Prinzip der direkten Messung des Horizontallastverhältnisses
Abb. 9.14. Horizontallastverhältnis λ: Messwerte gegenüber Berechnungsgleichungen nach Kézdi und DIN 1055 Teil 6 von 1987 (als innerer Reibungswinkel φ wurde hier der effektive Reibungswinkel φe eingesetzt) [9.3,9.4].
In Abb. 9.14 sind mit dem Lambdameter gemessene Horizontallastverhältnisse λ über dem effektiven Reibungswinkel φe aufgetragen. Außerdem sind die Ergebnisse der Berechnungsgleichungen nach Kézdi und DIN 1055 Teil 6 (Gln.(9.23) und (9.24)) als gestrichelte Kurven eingezeichnet. Demnach ergeben sich zum Teil deutliche Abweichungen der gemessenen Werte von den Ergebnissen der Näherungsgleichungen. Insgesamt bewegt sich das Horizontallastverhältnis in einem engeren Wertebereich als die
278
9 Spannungen im Schüttgut
Ergebnisse der Näherungsgleichungen. Für die untersuchten Produkte ist der Mittelwert etwa bei λ = 0,5. Insbesondere Produkte mit einem großen effektiven Reibungswinkel zeigen deutliche Abweichungen. Daher ist die Empfehlung in [9.2], das Horizontallastverhältnis direkt zu messen, sinnvoll. 9.2.4 Abschätzung der Spannungen an der Auslauföffnung Die Berechnung der Spannungen im Trichter ist zu aufwendig, um hier im Detail erläutert zu werden. Außerdem sind zum Teil numerische Lösungen notwendig. Im Kap. 9.2 wird auf geeignete Literatur sowie ein vom Verfasser bereitgestelltes Programm verwiesen. Zur Ermittlung der Vertikalspannungen und der Wandnormalspannungen an der Auslauföffnung findet man Diagramme bei Jenike [9.19] oder Gleichungen in [9.8,9.34]. Eine sehr grobe Abschätzung, die zumindest die Größenordnung der Vertikalspannung σva an der Auslauföffnung eines Massenflusstrichters im Entleerungszustand wiedergibt, ist mit folgenden Gleichungen möglich: Konischer Trichter:
σ va = 0,2 ⋅ g ρb d
(9.26a)
σ va = 0,4 ⋅ g ρb b
(9.26b)
Keilförmiger Trichter:
d und b sind der Auslaufdurchmesser eines konischen bzw. die Auslaufschlitzbreite eines keilförmigen Trichters (s. Kap. 10.3, Abb. 10.4). Die größte Hauptspannung an der Auslauföffnung lässt sich für den Entleerungszustand unter Verwendung von Gl.(9.3) in Verbindung mit den obenstehenden Gleichungen grob abschätzen, indem die Vertikalspannung der kleinsten Hauptspannung gleichgesetzt wird: σ1 =
1 + sin ϕ e ⋅ 0,2 ⋅ g ρb d 1 − sin ϕ e
(9.27a)
σ1 =
1 + sin ϕ e ⋅ 0,4 ⋅ g ρb b 1 − sin ϕ e
(9.27b)
bzw.
Die Spannungen an der Auslauföffnung im Füllzustand hängen von einer Reihe von Einflüssen ab und sind nicht genau zu berechnen. Die Erfahrung aus Messungen (z.B. in [9.33]) ist, dass die Vertikalspannung im Füllzu-
9.2 Berechnungsverfahren (Übersicht)
279
stand (nach vollständiger Füllung eines vorher leeren Silos) durchaus fünfbis zehnmal so groß sein kann wie die Vertikalspannung im Entleerungszustand. Im Füllzustand ist die Vertikalspannung an der Auslauföffnung näherungsweise gleich der größten Hauptspannung. 9.2.5 Spannungsberechnung für das Gesamtsystem Zur Berechnung der Spannungen in einem Silo, wie es beispielhaft in Abb. 9.15 gezeigt ist, werden die einzelnen Abschnitte (Siloschaft, Trichter etc.) nacheinander betrachtet, wobei die Berechnung an der Schüttgutoberfläche beginnt und sich nach unten hin fortsetzt.
Abb. 9.15. Silo, aufgeteilt in Bereiche zur Spannungsberechnung
Zuerst werden die Spannungen im oberen Vertikalteil (Siloschaft) mit der Janssen-Gleichung berechnet. Die Vertikalspannung an der Unterkante des Schaftes erhält die Bezeichnung σv1. Danach erfolgt die Berechnung der Spannungen im Trichter (für Füll- oder Entleerungszustand) unter der Beachtung der Randbedingung, dass auf das Schüttgut im Trichter die am unteren Ende des Siloschaftes wirkende Spannung σv1 lastet. Hierfür eignen sich z.B. die genannten Ansätze von Motzkus [9.24] und Enstad bzw. Arnold und McLean [9.34] (Eine Zusammenfassung der Gleichungen findet man in [9.33]). Die Vertikalspannung an der Trichterunterkante (Bezeichnung σv2, Abb. 9.15) wird wiederum als Auflast für die Berechnung des Spannungsverlaufes in dem unteren Vertikalteil benutzt (Gleichung von
280
9 Spannungen im Schüttgut
Janssen mit Auflast). An der Auslauföffnung wirkt die Vertikalspannung σv3. Die hier genannten Berechnungsverfahren werden im vom Verfasser erstellten, frei erhältlichen PC-Programm „Silo Stress Tool“ [9.35] benutzt. Mit dem Programm lassen sich für einfache Siloformen wie in Abb. 9.15 (runde/rechteckige Vertikalteile, konische/keilförmige Trichter) Spannungen abschätzen; für eine festigkeitsmäßige Auslegung ist das Programm aber nicht geeignet, da hierzu andere Berechnungsgleichungen und Sicherheiten benutzt werden müssten.
9.3 Belastung von Austraggeräten Fast jedes Silo ist mit einem Austraggerät verbunden. Dieses muss in der Lage sein, die Belastung durch das Schüttgut zu ertragen sowie das Schüttgut unter der Auslauföffnung zu bewegen. Nach einer grundsätzlichen Betrachtung der Spannungen am Auslauf eines Silos wird anhand einfacher Beispiele eine grundsätzliche Vorgehensweise zur Abschätzung von Antriebskräften geschildert. 9.3.1 Vertikalspannung an der Auslauföffnung Unmittelbar nach dem Füllen (Füllzustand, aktiver Spannungszustand) ist die Vertikalspannung an der Auslauföffnung größer als im Entleerungszustand [9.19,9.33,9.34,9.42,9.46] (in Experimenten wurden im Füllzustand bis zu zehnmal größere Vertikalspannungen an der Auslauföffnung als im Entleerungszustand gemessen [9.19,9.33]). In Abb. 9.16.a ist das Füllen und Entleeren eines Silos anhand der Füllhöhe hf über der Zeit dargestellt. Sobald nach dem Füllen des leeren Silos das erste Mal Schüttgut abgezogen wird, stellt sich der Entleerungszustand ein, wobei die Vertikalspannung σv an der Auslauföffnung schlagartig absinkt (Abb. 9.16.b). Das Austraggerät muss nach dem Füllen zunächst in der Lage sein, das Schüttgut unter einer großen Vertikalspannung σv zu bewegen und dazu eine entsprechend große Abzugskraft Fh aufzubringen (Abb. 9.16.c). Sobald das Schüttgut in Bewegung gekommen ist, stellt sich im Trichter innerhalb kurzer Zeit der Entleerungszustand mit der niedrigeren Vertikalspannung σv (und damit kleineren Abzugskraft Fh) ein. Die große Abzugskraft im Füllzustand lässt sich durch Reduzierung der Vertikalspannung vermeiden. Dazu geeignete Maßnahmen sind:
9.3 Belastung von Austraggeräten
281
Abb. 9.16. Zeitlicher Verlauf von Füllhöhe hf, Vertikalspannung σv und Abzugskraft Fh beim Füllen und Entleeren eines Silos
• Kontinuierlicher, langsamer Schüttgutabzug während des Füllens führt zu einer Verringerung der Vertikalspannung durch Änderung des Spannungsfelds von aktiv zu passiv [9.46]; alternativ ist auch ein intervallweiser Betrieb des Austraggeräts möglich (vor allem, während der Trichter gefüllt wird!). • Vermeiden, dass der Silo vollständig entleert wird, so dass stets auf bereits im Silo vorhandenes „Schüttgutpolster“ gefüllt wird. Neben der Verringerung der Vertikalspannung hat diese Vorgehensweise die Vorteile, dass das Austraggerät nicht dem Verschleiß durch das nach unten fallende Schüttgut (grobkörnige Schüttgüter) ausgesetzt ist, und dass es nicht zum Überfluten des Austraggeräts durch fluidisiertes Schüttgut (feinkörnige Schüttgüter) kommt [9.46]. • Verwendung von Einbauten zur Entlastung des Austraggeräts [9.47], wobei die Vorgaben der verfahrenstechnischen Siloauslegung (Massenfluss, keine Brückenbildung) berücksichtigt werden müssen.
282
9 Spannungen im Schüttgut
• Ist ein Schieber oberhalb des Austraggerätes, so sollte dieser beim Befüllen des leeren Silos geschlossen werden. Wird er dann geöffnet, fließt das Schüttgut bereits etwas nach unten, so dass sich die Vertikalspannung verringert. Werden keine Maßnahmen zur Verringerung der Vertikalspannung unternommen, so ist auf jeden Fall darauf zu achten, dass sich während des Füllens der Silo nicht in stärkerem Maße nach unten bewegt als das Austraggerät. Dieses kann z.B. dann der Fall sein, wenn der Silo in einem Stahlgerüst hängt und das Austraggerät (z.B. ein Kettenförderer) auf einem Betonfundament befestigt ist: Die Gewichtszunahme des Silos führt dann dazu, dass dieser sich zusammen mit dem Schüttgut nach unten absenkt, während das Austraggerät keine oder nur eine sehr viel kleinere Absenkung ausführt. Dabei kann die auf das Austraggerät wirkende Vertikalspannung schon bei kleinen Absenkungen des Silos (< 1 mm) ein Vielfaches der normalerweise im Füllzustand wirkenden Vertikalspannung betragen [9.33]. In Abb. 9.17 ist qualitativ die Vertikalspannung σvg auf das Austraggerät für den Füllzustand in Abhängigkeit von der Differenz ∆z = za - zs der Absenkungen von Austraggerät (Koordinate za) und Silo (zs) aufgetragen: Positive ∆z bedeuten, dass sich das Austraggerät gegenüber dem Silo nach unten bewegt, wie es bei nachgiebiger Aufhängung des Austraggerätes der Fall ist. Letzteres führt zu der bereits oben beschriebenen Abnahme der Vertikalspannung (Abb. 9.17). Im Gegensatz dazu erhält man für negative Werte ∆z (Abstand zwischen Silo und Austraggerät verringert sich: das Austraggerät senkt sich weniger ab als der Silo) einen starken Anstieg der Vertikalspannung, was vermieden werden sollte.
Abb. 9.17. Qualitative Abhängigkeit der Vertikalspannung σvg am Austraggerät von der Absenkung ∆z des Austraggeräts relativ zum Silo beim Füllen [9.33]
9.3 Belastung von Austraggeräten
283
9.3.2 Abschätzen von Abzugskräften Die Antriebsdrehmomente bzw. Abzugskräfte von Austraggeräten resultieren aus einer Reihe von Mechanismen, z.B. der Reibung im Schüttgut, Trägheitskräften und inneren Reibungskräfte des Austraggerätes (Lager, Ketten, Rollen...). Trägheitskräfte sind bei den üblicherweise geringen Abzugsgeschwindigkeiten vernachlässigbar, innere Reibungskräfte des Austraggerätes sind von dessen Typ und Konstruktion abhängig und lassen sich durch in der Fördertechnik bekannte Kennwerte abschätzen [9.48]. Daher sollten hier nur die Kräfte betrachtet werden, die benötigt werden, um das Schüttgut zu bewegen. Dazu werden die Bewegungs- und Reibungsverhältnisse im Auslaufbereich betrachtet. Als Beispiele für die Berechnung der Abzugskraft sind in den Abb. 9.18 bis 9.20 drei Austraggeräte (Gurtförderer, Plattenband, Trogkettenförderer; Beschreibung s. Kap. 12.3.2) schematisch dargestellt. Die Austraggeräte befinden sich jeweils unterhalb des Auslaufschlitzes eines keilförmigen Trichters. Das Schüttgut im Trichter erzeugt eine Vertikalspannung σva in Höhe der Auslauföffnung. Diese lässt sich mit den im Kap. 9.2 dargelegten Gleichungen abschätzen. Auf das Austraggerät selbst wirken etwas größere Spannungen, da die Schüttgutschicht unterhalb der Auslauföffnung durch ihre Gewichtskraft die Vertikalspannung vergrößert. Dieser Spannungszuwachs kann wegen des in der Regel geringen Verhältnisses von Höhe zu Breite der Schicht unterhalb der Auslauföffnung ohne Berücksichtigung von Wandreibung berechnet werden.
Abb. 9.18. Schüttgutabzug mit Gurtförderer
Abb. 9.19. Schüttgutabzug mit Plattenband
284
9 Spannungen im Schüttgut
Abb. 9.20. Schüttgutabzug mit Trogkettenförderer
Zunächst wird der Gurtförderer (Abb. 9.18) betrachtet. Die maximal vom Gurt auf das Schüttgut übertragbare Kraft ist durch die maximale Reibungskraft zwischen Gurt und Schüttgut bestimmt [9.33], denn die Kraftübertragung zwischen Gurt und Schüttgut erfolgt nicht formschlüssig. Auf den Gurt wirkt die Vertikalspannung σvg. Diese beträgt:
σ vg = σ va + ρb gh
(9.28)
Die maximal mögliche Abzugskraft Fh des Gurtförderers ist die vom Gurt übertragbare Reibungskraft:
Fh = σ vg Lb tan(ϕ x,sg )
(9.29)
Hierbei ist φx,sg der Reibungswinkel zwischen Schüttgut und Gurt. Messungen an einem mit einem Gurtförderer ausgerüsteten Versuchssilo haben gezeigt, dass Gl.(9.29) tatsächlich eine obere Grenze der Abzugskraft darstellt, d.h. in den meisten Fällen liegt die Abzugskraft unterhalb des berechneten Wertes [9.33,9.49]. Abbildung 9.21 zeigt die gemessene maximale Abzugskraft eines Gurtförderers beim Schüttgutabzug aus dem Füllzustand heraus. Die Messpunkte entsprechen dem Maximum im Verlauf der Abzugskraft Fh in Abb. 9.16.c. Variiert wurde bei den Messungen der Trichterneigungswinkel Θ und die Geometrie des Übergangs vom Trichter zum Gurtförderer. Die Gerade in Abb. 9.21 entspricht Gl.(9.29). In der Literatur findet man weitere, zum Teil rein empirische Gleichungen zur Abzugskraft eines Gurtförderers, die aber meist kleinere Abzugskräfte ergeben ([9.42,9.46,9.50,9.51], Übersichten in [9.33,9.49]). Das in Abb. 9.19 gezeigte Plattenband besitzt auf seiner Oberfläche in das Schüttgut ragende Stege. Dadurch wird die Relativbewegung zwischen Plattenband und Schüttgut verhindert. Zur Berechnung der Abzugskraft des Plattenbandes wird daher davon ausgegangen, dass sich die eingezeichnete Schüttgutschicht der Höhe h zusammen mit dem Plattenband bewegt. Damit müssen beim Schüttgutabzug die Reibungskräfte an der Oberseite der Schüttgutschicht (Reibung Schüttgut/Schüttgut) sowie an
9.3 Belastung von Austraggeräten
285
den senkrechten, feststehenden Wänden an der Seite der Schüttgutschicht (Reibung Schüttgut/Wand) überwunden werden.
Abb. 9.21. Gemessene und nach Gl.(9.29) berechnete Abzugskraft Fh beim beginnenden Entleeren (Maximalwert entsprechend Abb. 9.16.c) in Abhängigkeit von der Vertikalkraft auf den Gurt Fvg = σvg · L · b (Kalksteinmehl) [9.33]
Auf die Oberseite der bewegten Schüttgutschicht wirkt die Spannung σva. Für die Berechnung der Spannung auf das Plattenband σvg kann als Näherung (Vernachlässigung der Reibung an der Seitenwand) Gl.(9.28) benutzt werden. Die auf die Seitenwände wirkende Normalspannung ist näherungsweise gleich der mittleren Vertikalspannung im Bereich der Schüttgutschicht multipliziert mit dem Horizontallastverhältnis λ:
σ hm = λ ⋅ Die Abzugskraft ist damit:
σ va + σ vg
( )
(9.30)
2
(
Fh = σ va Lb tan ϕ sf + 2σ hm Lh tan ϕ x,sw
)
(9.31)
Die innere Reibung des Schüttgutes an der Oberseite der bewegten Schüttgutschicht wird hier mit dem inneren Reibungswinkel beim stationären Fließen φsf berücksichtigt. Dieser berücksichtigt das Hinwegschieben von Schüttgutschichten übereinander, so wie es auch beim stationären Fließen in einem Schergerät geschieht. Man könnte auch den effektiven Reibungswinkel φe anstelle von φsf einsetzen, jedoch kann φe bei sehr schwer fließenden Schüttgütern sehr groß sein (z.B. > 70°), was zu unrealistisch großen berechneten Antriebskräften führt. Bei gut fließenden Schüttgütern ist der Unterschied zwischen φe und φsf dagegen recht gering, so dass man beide Werte einsetzen kann. φx,sw ist der Reibungswinkel zwischen Seitenwänden und Schüttgut.
286
9 Spannungen im Schüttgut
Die Abzugskraft eines Trogkettenförderers (Abb. 9.20) berechnet sich ähnlich wie die des Plattenbandes. Da das Schüttgut hier zusätzlich über die feststehende Bodenplatte geschoben wird, ist die dort entstehende Reibung hinzuzufügen. Die Vertikalspannung auf der Bodenplatte ist σvb und wird wie die Spannung auf den Gurtförderer nach Gl.(9.28) berechnet. Die Abzugskraft des Trogkettenförderers ist dann:
( )
(
)
(
Fh = σ va Lb tan ϕ sf + 2σ hm Lh tan ϕ x,sw + σ vb Lb tan ϕ x,sb
)
(9.32)
Die Parameter sind die gleichen wie in Gl.(9.31), hinzu kommt lediglich der Reibungswinkel φx,sb, der die Reibung zwischen Schüttgut und Bodenplatte wiedergibt. Bei der Anwendung der oben gezeigten Gleichungen ist zu beachten, dass diese auf idealen Annahmen beruhen. Je nach den geometrischen Verhältnissen können auch größere Abzugskräfte entstehen, z.B. bei extrem kleiner Schichthöhe oder bei Verengung des für das Schüttgut zur Verfügung stehenden Querschnittes in Förderrichtung. Die Gleichungen lassen sich in entsprechend abgewandelter Form für andere Austraggeräte anwenden, indem man die Verhältnisse am Auslauf sorgfältig beobachtet und mit Hilfe von Gleichungen beschreibt. Bei zu komplizierten Bewegungsabläufen sind hier aber sicherlich Grenzen gesetzt. Für Austraggeräte, auf die die vorgestellten Methoden nicht anwendbar sind, wurden ebenfalls Berechnungsgleichungen veröffentlicht, z.B. für Schneckenförderer [9.52–9.54] und Schwingrinnen [9.55].
9.4 Einflüsse auf die Spannungsverteilung Für die festigkeitsmäßige Auslegung müssen die auf die Silowände wirkenden Spannungen bekannt sein. Dieses sind zum einen die Spannungsverläufe, die sich z.B. nach Janssen (Kap. 9.2.1, Gl.(9.9)) [9.17] ergeben. Je nachdem, wie das Schüttgut im Silo fließt, kann es aber örtliche Abweichungen von den auf der Grundlage idealisierter Betrachtungen berechneten Spannungen geben. Dies kann dramatische Auswirkungen auf die Standfestigkeit eines Silos haben. Einige wichtige Ursachen für ungleichmäßige Spannungsverteilungen werden hier betrachtet.
9.4 Einflüsse auf die Spannungsverteilung
287
9.4.1 Lokale Querschnittsänderungen 9.4.1.1 Imperfektionen
Auch in einem Siloschaft sind örtliche Spannungserhöhungen möglich, wenn dort das Schüttgut aufgrund von Unregelmäßigkeiten (Imperfektionen) der Silowand horizontal zusammengedrückt wird [9.9,9.14,9.56]. Da jedes Silo mehr oder weniger starke Unregelmäßigkeiten ausweist, ist immer mit lokalen Spannungserhöhungen zu rechnen. In den Berechnungsvorschriften einiger Normen werden die Horizontalspannungen im Siloschaft beim Entleeren ermittelt, indem die für den Füllzustand berechneten Horizontalspannungen mit einem Faktor > 1 multipliziert werden [9.1,9.2].
Abb. 9.22. Auswirkungen einer Querschnittsverengung auf die Wandnormalspannung; a. Silo und Messwerte der Wandnormalspannung σw (nach [9.57]); b. angenommene Trajektorien der größten Hauptspannung im Bereich der Querschnittsverengung
Als Beispiel zeigt Abb. 9.22.a Messwerte an einem Silo, in dessen Schaft eine künstliche Querschnittsverengung angebracht wurde [9.57]. An den Messwerten ist zu erkennen, dass die Wandnormalspannung im Bereich der Querschnittsverengung auf mehr als das Vierfache der Horizontalspannung des Füllzustandes ansteigen kann. Die Ursache liegt in der Verformung des Schüttgutes: Damit das Schüttgut im Silo von Abb. 9.22 an der künstlichen Querschnittsverengung vorbeifließen kann, muss es in horizontaler Richtung verdichtet werden. Dies entspricht etwa den Verhältnissen am Übergang vom Schaft zum Trichter in einem Massenflusssilo (s. Kap. 9.1.2, Abb. 9.4). Je stärker sich der Querschnitt verengt und je weniger verdichtbar das Schüttgut ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass der passive Spannungszustand über der gesamten Silobreite erreicht wird. Abbildung 9.22.b zeigt für diesen Fall den möglichen Verlauf der Trajekto-
288
9 Spannungen im Schüttgut
rien der größten Hauptspannungen, die im Bereich der Querschnittsverengung vorwiegend quer zur Siloachse verlaufen. Es ist davon auszugehen, dass bei im Verhältnis zur Silobreite kleinen Querschnittsverengungen und hinreichend stark verdichtbaren Schüttgütern, die die Verformung durch örtliche Dichteerhöhung ausgleichen können, der passive Spannungszustand nur im Bereich der Querschnittsverengung erreicht wird. Kleinere örtliche Konvergenzen, die sich durch Unregelmäßigkeiten der Siloform ergeben, werden demnach zu geringeren örtlichen Spannungserhöhungen führen als Bauteile wie in Abb. 9.22. Diese in das Siloinnere hineinragenden Bauteile (z.B. Füllstandsmelder, Messfühler, Leitern, Düsen) sind dabei auch selbst großen Belastungen ausgesetzt, die aus der örtlichen Veränderung des Spannungszustandes resultieren. Die Kräfte auf solche Bauteile können nicht durch Ermittlung der Vertikalspannung mit der Janssen-Gleichung bestimmt werden, da die Janssen-Gleichung nicht die lokale Spannungserhöhung berücksichtigten kann. 9.4.1.2 Einbauten
Auch Einbauten in Silos erzeugen Querschnittsverengungen. Es gibt nach wie vor keine allgemeingültigen Berechnungsgleichungen für die Lasten auf Einbauten, auch die Silonorm DIN 1055 Teil 6 [9.1,9.2] klammert dies aus. Die Ursache hierfür sind die komplexen Zusammenhänge zwischen dem Schüttgutfluss und den entstehenden Spannungen, die schon Gegenstand mehrerer Untersuchungen waren (z.B. [9.47,9.58,9.59]). Um einige grundlegende Effekte beim Einsatz von Einbauten zu erläutern, werden hier Ergebnisse von Strusch [9.47] beschrieben, der Einbaulasten und Spannungen an einem Modellsilo mit rechteckigem Schaft und keilförmigem Trichter untersuchte. Die Einbauten waren dachförmig und parallel zu den Längsseiten des Silos angeordnet (Abb. 9.23).
Abb. 9.23. Dachförmiger Einbau
9.4 Einflüsse auf die Spannungsverteilung
289
Hinreichend große Einbauten im Siloschaft erzeugen aufgrund der durch sie erzeugten Querschnittsverengungen ähnliche Verhältnisse wie in einem Trichter. Sehr kleine Einbauten, die nur eine sehr geringe Querschnittsverengung herbeiführen, wirken sich dagegen, wie oben anhand der Imperfektionen dargestellt, nur lokal aus. Hier werden große Einbauten betrachtet. Außerdem wird nur Massenfluss behandelt, denn nur dann ist der Bereich, in dem sich das Schüttgut bewegt, genau definiert. Besonders große Belastungen von Einbauten und Silowänden ergaben sich nach Strusch [9.47], wenn die Einbauten im Siloschaft angeordnet waren und wenn der Silo entleert wurde. Lasten und Spannungen im Füllzustand sowie im Trichterbereich sind in den meisten Fällen kleiner. Die Ursache für die hohen Lasten im Schaft liegt auch hier im Übergang vom aktiven zum passiven Spannungsfeld. Abbildung 9.24.a zeigt die Trajektorien der größten Hauptspannung im Schaft eines Silos beim Entleeren, in dem sich der dachförmige Einbau genau in der Symmetrieachse befindet. Zwischen Einbau und Silowand verengt sich der Querschnitt nach unten hin, so dass sich wie in einem Massenflusstrichter ein passives Spannungsfeld zwischen Silowand und Einbau ausbildet. Dies ist mit dem Übergang vom aktiven zum passiven Spannungsfeld verbunden, der zu der vom Trichter her bekannten Spannungsspitze im Verlauf der Wandnormalspannung σw führt (s. Diagramm in Abb. 9.24.a, das die prinzipiellen Verläufe von Wandnormalspannung und Vertikalspannung zeigt). Von oben nach unten bauen sich die Wandnormalspannung und die Vertikalspannung im Bereich des Einbaus ab. Die auf die Seitenwände des Einbaus wirkenden Spannungen werden ähnlich verlaufen wie die Spannungen an der gegenüberliegenden Silowand, d.h. sie sind an der Spitze des Einbaus am größten und nehmen nach unten hin ab [9.47]. Unter dem Einbau geht das Spannungsfeld wieder in das aktive Spannungsfeld über. Befindet sich der Einbau nicht in der Symmetrieachse des Silos, sondern ist seitlich versetzt, werden auch die Belastungen auf Silowände und Einbau unsymmetrisch. Der in Abb. 9.24.b gezeigte Einbau führt bei der Entleerung zu einem ungleichmäßigen Geschwindigkeitsprofil, da die Vertikalspannung in Höhe der Einbauunterkante links des Einbaus aufgrund der größeren Breite größer ist. Durch die größere Spannung von oben fließt das Schüttgut unterhalb der linken Seite schneller. Die von Strusch [9.47] beobachteten ungleichmäßigen Geschwindigkeiten über dem Siloquerschnitt setzen sich auch noch oberhalb des Einbaus fort, bis sie sich schließlich vergleichmäßigt haben. In Abb. 9.24.b ist eine Trennlinie zwischen der langsameren Zone auf der rechten Seite und der schnelleren Zone auf der linken Seite eingezeichnet.
290
9 Spannungen im Schüttgut
Abb. 9.24. Dachförmiger Einbau im rechteckigen Siloschaft; qualitative Verläufe der Normalspannung auf die Silowand σw und der mittleren Vertikalspannung σv (gestrichelt, nur in Abb. a) über der Silohöhe; in den Silos sind die vom Verf. angenommenen Trajektorien der größten Hauptspannung σ1 eingezeichnet (Spannungsverläufe nach [9.47]); a. Einbau in der Symmetrieachse des Silos, b. Einbau seitlich versetzt, Pfeile kennzeichnen qualitativ die Geschwindigkeit des Schüttgutes.
Auf das schnellere Schüttgut auf der linken Seite wirkt die langsamere Zone ähnlich wie eine tote Zone. Es kommt zum konvergenten Schüttgutfluss, also zu einer Annäherung an einen passiven Spannungszustand (s. Trajektorien der größten Hauptspannung in diesem Bereich, Abb. 9.24.b) und zu einer Spannungsspitze im Verlauf der Wandnormalspannung an der linken Wand. In der langsameren Zone auf der rechten Seite findet kein konvergenter Schüttgutfluss statt, daher bleibt es hier vermutlich beim aktiven Spannungszustand. Die Spannungen steigen hier nach unten an, weil sich die schneller fließende Zone (vor allem über Schubspannungen) an der langsamer fließenden Zone abstützt. Erst unterhalb der Oberkante des Einbaus stellt sich auch auf der rechten Seite das passive Spannungsfeld ein. Hier findet man auf der rechten Wand eine deutliche Spannungsspitze. Im Bereich zwischen Einbau und Silowand bauen sich die Spannungen dann stark ab. Wegen der geringeren Spannweite zwischen Einbau und Silowand auf der rechten Seite wird dort die Wandnormalspannung auch auf einen kleineren Wert abgebaut als auf der linken Seite. Entsprechendes gilt für die Vertikalspannung. Die ungleichmäßigen Vertikalspannungen wurden oben als Ursache für das ungleichmäßige Fließprofil bereits genannt. Man sieht an den Spannungsverläufen in Abb. 9.24, dass im Bereich des Einbaus deutlich größere Spannungen auftreten als im Schaft oberhalb des Einbaus, wo die Spannungen mit der Janssen-Gleichung [9.17] beschrieben werden können. Die Berechnung der im Siloschaft erreichbaren maximalen Vertikalspannung σv∞ wurde im Kap. 9.2.1 dargelegt (Gl.(9.12)).
9.4 Einflüsse auf die Spannungsverteilung
291
Zur Beschreibung der Vertikalbelastung eines Einbaus kann man die auf den Einbau wirkende Vertikalkraft FV (Abb. 9.25) auf die Grundfläche des Einbaus beziehen und erhält so die spezifische vertikale Einbaulast σvE,spez mit der Dimension einer Spannung [9.47]: σ vE , spez =
FV bE ⋅ L
(9.33)
Abb. 9.25. Verhältnis σvE,spez/σv∞ in Abhängigkeit vom Verhältnis der Einbaubreite bE zur Silobreite B nach Messwerten von Strusch [9.47] (Einbau im Schaft)
Hier ist bE die Breite des Einbaus und L die Länge von Silo und Einbau (Abb. 9.25). Im Diagramm in Abb. 9.25 ist für das Entleeren und Füllen das für eine bestimmte Versuchsanordnung von Strusch [9.47] gemessene Verhältnis σvE,spez/σv∞ über der auf die Silobreite B bezogenen Einbaubreite bE aufgetragen. Man sieht deutlich, dass die spezifische Einbaulast beim Entleeren mit abnehmender Einbaubreite überproportional zunimmt und im gesamten untersuchten Bereich größer ist als die beim Füllen gemessene Last, die hier nicht weiter diskutiert werden soll (für weitere Informationen s. [9.47]). Die spezifische Einbaulast ist in Abb. 9.25 beim Entleeren bis zu etwa achtmal so groß wie die maximale Vertikalspannung im Schaft σv∞. Dies zeigt deutlich, dass die Berechnung von Einbaulasten auf Grundlage der mit der Janssen-Gleichung ermittelten Spannungen zu einer starken Unterschätzung der tatsächlichen Lasten führen würde. Vor allem kleine Einbauten (kleines Verhältnis bE/B in Abb. 9.25) weisen eine große spezifische Einbaulast auf. Dies liegt daran, dass die Spannungen an der Spitze des Einbaus am größten sind und nach unten hin abnehmen (Abb. 9.24.a). Betrachtet man einen kleinen Einbau als Spitze eines großen Einbaus, wird klar, dass der Mittelwert der auf den kleineren Einbau wirkenden Spannungen größer ist.
292
9 Spannungen im Schüttgut
Abb. 9.26. Winkel δ zwischen der Vertikalen und der auf den Einbau wirkenden Gesamtkraft F in Abhängigkeit vom Verhältnis des Einbauversatzes x zur Silobreite B nach Messwerten von Strusch [9.47] (Einbau im Schaft)
Die Richtung der auf den Einbau wirkenden Kraft ist bei symmetrischen Verhältnissen wie in Abb. 9.25 vertikal bzw. weicht nur wenig von der vertikalen Richtung ab. Letzteres kann z.B. durch einseitiges Befüllen des Silos ausgelöst werden [9.47]. Ist der Einbau aus der Mitte versetzt, so ist er unsymmetrischen Spannungen ausgesetzt. Die Richtung der auf den Einbau wirkenden Gesamtkraft F zeigt Abb. 9.26 in Abhängigkeit vom auf die Silobreite B bezogenen Einbauversatz x. Der Betrag des Winkels δ zwischen der Kraft F und der Vertikalen nimmt mit zunehmendem Abstand des Einbaus von der Symmetrieachse zu. Beim Entleeren ist hier δ kleiner als Null, d.h. die Kraft hat eine von rechts nach links weisende Horizontalkomponente. Ursache ist die Spannungsspitze, die sich auf der rechten Seite des Einbaus ergibt (s. Abb. 9.24.b). Die Horizontalkomponente der Kraft F erreicht sogar größere Werte als die Vertikalkomponente (δ < -45°). Dies zeigt, dass die Horizontallasten auf Einbauten größer sein können als die Vertikallasten [9.47]. Im Füllzustand wird der Winkel δ mit zunehmendem Einbauversatz leicht positiv. Hier wirkt sich aus, dass sich im Füllzustand links des Einbaus aufgrund des größeren Abstandes zur Wand größere Spannungen einstellen als auf der rechten Seite. Auf Einbauten im Trichter wirken in den meisten Fällen geringere Spannungen als im Siloschaft. Dies gilt insbesondere für das Entleeren, denn dabei herrscht im Trichter bereits das passive Spannungsfeld, so dass an der Einbauoberkante kein Switch vorliegt (Abb. 9.27.b). Zwischen Einbau und Trichterwand nehmen die Spannungen aufgrund der verringerten Breite stärker ab als im Trichter ohne Einbau, was der in Abb. 9.27.b eingezeichnete Verlauf der Wandnormalspannung im Trichter ohne Einbau
9.4 Einflüsse auf die Spannungsverteilung
293
zeigt. Unter dem Einbau konvergieren die Spannungen gegen die Spannungen, die dort auch ohne Gegenwart des Einbaus vorliegen würden. Hier liegt wie im Trichter ohne Einbau das radiale Spannungsfeld nach Jenike [9.19] vor, bei dem die Spannungen im Massenflusstrichter proportional zum Abstand von der Trichterspitze sind.
Abb. 9.27. Dachförmiger Einbau im keilförmigen Trichter bei Massenfluss; qualitative Verläufe der Normalspannung auf die Silowand σw und der mittleren Vertikalspannung σv über der Silohöhe; in den Silos sind die vom Verf. angenommenen Trajektorien der größten Hauptspannung σ1 eingezeichnet; a. Füllzustand, b. Entleerungszustand.
Im Füllzustand (Abb. 9.27.a) ergibt sich durch den Einbau ebenfalls eine Reduzierung der Spannungen im Bereich des Einbaus. Das aktive Spannungsfeld bleibt aber erhalten, lediglich die Richtungen der Hauptspannungen ändern sich durch den Einbau etwas. Da die Spannungen im Trichter im Füllzustand von der Auflast abhängen, werden die Spannungen unterhalb des Einbaus noch spürbar gegenüber dem Trichter ohne Einbau verringert. Dies ist vor allem wichtig, wenn die Vertikalspannung am Auslauf durch einen Einbau reduziert werden soll, um z.B. ein Austraggerät zu entlasten. An dem in Abb. 9.27.a eingezeichneten Verlauf der Vertikalspannung für den Trichter ohne Einbau lässt sich qualitativ die Wirkung des Einbaus ablesen. 9.4.2 Exzentrisches Fließen Fließt Schüttgut im Silo einseitig nach unten, spricht man von exzentrischem Fließen oder exzentrischem Entleeren. Die Problematik des exzentrischen Entleerens besteht – neben den bekannten Nachteilen des Kern-
294
9 Spannungen im Schüttgut
flusses – darin, dass sich im Silo eine über dem Umfang ungleichförmige Spannungsverteilung ausbildet, was bei der festigkeitsmäßigen Siloauslegung zu berücksichtigen ist.
Abb. 9.28. Exzentrisches Entleeren (schematisch); a. Siloschaft (Draufsicht), b. Längsschnitt durch den Siloschaft
Zur Erläuterung der Vorgänge bei der exzentrischen Entleerung zeigt Abb. 9.28 schematisch einen Siloschaft (Durchmesser D) mit einer angenommenen Fließzone (Durchmesser df). Das in der Fließzone nach unten fließende Schüttgut übt nicht nur auf die Silowand, sondern auch auf das in Ruhe befindliche Schüttgut (tote Zone) nach unten gerichtete Schubspannungen aus, d.h. die Fließzone trägt einen Teil ihrer Gewichtslast auf die Silowand und das Schüttgut in der toten Zone ab. Die Schubspannungen sind an den jeweiligen Schnittufern in ihrer Wirkungsrichtung dargestellt. Damit kann man die Fließzone als „Silo im Silo“ mit dem Durchmesser df betrachten. Aus der Janssen-Gleichung zur Beschreibung der Vertikalspannungen im Siloschaft (s. Kap. 9.1.2) ist bekannt, dass die in einem Silo maximal erreichbare Vertikalspannung proportional zu seinem Durchmesser ist. Daher herrschen in der Fließzone kleinere Spannungen als in der toten Zone. Die aus dem exzentrischen Entleeren resultierende Verteilung der Wandnormalspannung σw zeigt Abb. 9.29 schematisch (Messergebnisse hierzu s. z.B. [9.60,9.61]). Im Bereich der Fließzone treten deutlich kleinere Wandnormalspannungen auf als im übrigen Bereich. In unmittelbarer Nähe der Fließzone treten dagegen etwas größere Spannungen auf [9.27, 9.62–9.64]. Die Silowand wird im Bereich der Fließzone abgeplattet (größerer Krümmungsradius) und daneben etwas stärker gebogen, was mit Biegemomenten in der Silowand (bezüglich der Vertikalen) unterschiedlicher Vorzeichen einhergeht.
9.4 Einflüsse auf die Spannungsverteilung
295
Abb. 9.29. Schematische Verteilung der Wandnormalspannung σw und Verformung der Silowand bei exzentrischem Schüttgutfluss
Tatsächlich sind die Verhältnisse komplizierter als dies die Abb. 9.28 und 9.29 suggerieren: Die Spannungen in der Fließzone und der Ruhezone beeinflussen sich gegenseitig, die Fließzone kann mit der Höhe ihren Durchmesser (in der Regel wird der Durchmesser nach oben hin zunehmen) und ihre Richtung ändern, und je nach Form der Fließzone können weiter oben im Silo die größeren Spannungen im Bereich der Fließzone wirken [9.60]. Übersichten über experimentelle Arbeiten sowie theoretische Ansätze zur exzentrischen Entleerung geben Hampe [9.10] und Rombach [9.27], Berechnungsansätze findet man z.B. in [9.65–9.67]. Eine Reihe von Silonormen enthält wie die DIN 1055 Teil 6 [9.1,9.2] Ansätze zur Berücksichtung der Lasten bei exzentrischer Entleerung. Ursachen für exzentrisches Entleeren können sein:
• Kernflusssilo mit unsymmetrischer Fließzone, z.B. bei nicht zentrischer Auslauföffnung oder unsymmetrischem Trichter (Abb. 9.30.a) • Silo mit mehreren Auslauföffnungen, von denen nicht alle aktiv sind (Abb. 9.30.b./c.) • Nicht vollständig geöffneter Schieber (Abb. 9.30.d) • Silo mit einem einseitig abziehenden Austraggerät (Abb. 9.30.e)
296
9 Spannungen im Schüttgut
Abb. 9.30. Ursachen für exzentrisches Entleeren
Auch in einem Massenflusssilo können über dem Umfang ungleichmäßige Spannungen auftreten, wenn das Schüttgut nicht gleichmäßig über dem Querschnitt nach unten fließt. Hierbei stützt sich das schnellere Schüttgut auf dem langsameren Schüttgut wie auf einer toten Zone ab. Ein Beispiel zeigt Abb. 9.24.b, wo die unterschiedlichen Fließgeschwindigkeiten durch einen Einbau hervorgerufen werden. Auch ein Austraggerät, das ungleichmäßig abzieht, kann zu unterschiedlichen Spannungen innerhalb des fließenden Schüttgutes führen: Auf Vorderwand und Rückwand des in Abb. 9.31 gezeigten Silos wirken deutlich unterschiedliche Wandnormalspannungen σw, wobei im unteren Bereich des Silos die Spannung im schneller nach unten fließenden Bereich kleiner ist. Die durch das exzentrische Entleeren hervorgerufenen Spannungsverläufe sind vor allem für die Silostatik von Bedeutung. Durch die ungleichförmige Belastung der Silowände werden in diesen Biegemomente und Normalkräfte verursacht, die bei einer gleichförmigen Belastung nicht auftreten würden [9.9]. Bei dünnwandigen Metallsilos vergrößert sich der Krümmungsradius der Zylinderwand im Bereich der Fließzone, d.h. die Wand ist dort weniger stark gekrümmt, wodurch der Widerstand gegen Beulen sinkt. Ändert sich der Ort der Fließzone mit der Zeit, kommt es auch zu einer zeitlichen Änderung der Lastverteilung. Abbildung 9.32 zeigt einen zylindrischen Silo mit Räumschnecke. Beim Schüttgutaustrag rotiert die Räumschnecke um die Siloachse (s. Kap. 12.3.2.10). Das Schüttgut fließt von oben in die Räumschnecke und bildet eine exzentrische Fließzone, deren Ausdehnung und Form von der Schneckengeometrie und den Schüttguteigenschaften abhängen. Aufgrund der exzentrischen Fließzone werden die Silowände ähnlich Abb. 9.29 belastet und verformt. Da die Räumschnecke um die Siloachse rotiert, wandern die Fließzone und die lokalen Belastungen und Verformungen um die Siloachse [9.68]. Die Silowand wird dabei Biegemomenten mit wechselndem Vorzeichen unterworfen.
9.4 Einflüsse auf die Spannungsverteilung
297
Dies ist auch bei anderen Austragprinzipien der Fall, bei denen der Ort des Schüttgutabzugs veränderlich ist. Hierzu gehören die zum Homogenisieren benutzten Zentralkegelsilos aus Stahlbeton (Kap. 12.3.2.8) [9.64,9.69].
Abb. 9.31. Spannungen bei Abzug mit einem Gurtförderer [9.33]
Abb. 9.32. Um die Siloachse rotierende Fließzone beim Abzug mit einer Räumschnecke [9.68]
10 Verfahrenstechnische Siloauslegung
Da schlecht ausgelegte Silos zu Betriebsstörungen und zur Verminderung der Produktqualität, z.B. durch Entmischung oder zu lange Verweilzeiten, führen können, ist die Silogeometrie stets unter Berücksichtigung der Schüttguteigenschaften festzulegen. Wie bei anderen verfahrenstechnischen Anlagenkomponenten ist auch bei Silos die Anwendung geeigneter Berechnungsverfahren möglich. In diesem Kapitel wird die Siloauslegung auf der Basis des bewährten Auslegungsverfahrens von Jenike [10.1,10.2] beschrieben, das die Eigenschaften des zu lagernden Schüttgutes berücksichtigt. Der Aufwand zur Ermittlung der Schüttguteigenschaften zur verfahrenstechnischen Silodimensionierung ist in der Regel klein gegenüber den Kosten, die durch Qualitätseinbußen, Stillstände, Nachrüstungen oder Umbauten des Silos entstehen
10.1 Fließprofile: Massenfluss und Kernfluss Fließt Schüttgut aus einem Silo aus, unterscheidet man zwischen Massenfluss und Kernfluss (Abb. 10.1). Bei Massenfluss ist der ganze Siloinhalt in Bewegung, wenn Schüttgut abgezogen wird. Massenfluss ist nur möglich, wenn die Trichterwände ausreichend steil und/oder glatt sind. Ist die Trichterwand dagegen zu flach oder zu rau, stellt sich Kernfluss ein. Bei Kernfluss (Abb. 10.1.b/c) ist zunächst nur das Schüttgut im Bereich über der Auslauföffnung in Bewegung. Das Schüttgut in den „toten Zonen“, die sich ausgehend von den Trichterwänden im Randbereich des Silos bilden, wird erst bei der völligen Entleerung des Silos ausgetragen. Die toten Zonen können bis zur Schüttgutoberfläche reichen, so dass sich dort ein Fließtrichter ausbildet und der Kernfluss von oben her deutlich als solcher zu erkennen ist (dieses Fließprofil wird in [10.3] als innerer Schlotfluss bezeichnet). Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass die toten Zonen nur im unteren Bereich des Silos sind, so dass sich durch Betrachtung der Schüttgutoberfläche nicht auf das Fließprofil schließen lässt (Abb. 10.1.c; gemischtes Fließen in [10.3]). Außerdem können sich tote Zonen auch unsymmetrisch ausbilden (auch bei zentrischer Auslauföffnung), was
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10 Verfahrenstechnische Siloauslegung
sich ungünstig auf die Belastung der Silowände auswirkt (Abschn. 9.4.2). Ein noch stärker ausgeprägter asymmetrischer Schüttgutfluss liegt vor, wenn sich eine exzentrische Fließzone bildet (exzentrischer Schlotfluss in [10.3], Abb. 10.1.d), z.B. durch eine exzentrische Auslauföffnung in Kombination mit einer zu flachen Trichterwand (mehr Ursachen für exzentrisches Fließen sind in Abb. 9.30 gezeigt).
Abb. 10.1. Fließprofile: a. Massenfluss; b. Kernfluss mit weit nach oben reichenden toten Zonen (innerer Schlotfluss in [10.3]; c. Kernfluss mit toten Zonen im unteren Teil des Silos (gemischtes Fließen in [10.3]); hier sind die toten Zonen asymmetrisch; d. Kernfluss mit exzentrischer Fließzone (exzentrischer Schlotfluss in [10.3])
Massenfluss bedeutet, dass sämtliches Schüttgut im Silo beim Schüttgutabzug in Bewegung ist. Dabei kann es aber über dem Siloquerschnitt zu unterschiedlichen Geschwindigkeiten kommen. Geht man von einer konstanten Geschwindigkeit über der Auslauföffnung aus, kommt es im Trichter zu einer Geschwindigkeitsverteilung derart, dass die Geschwindigkeit in der Siloachse am größten und an der Wand am geringsten ist. Abbildung 10.2 zeigt die Vertikalkomponenten der Geschwindigkeit im Massenflusssilo. Die Geschwindigkeit an der Wand ist um so kleiner, desto rauer oder flacher die Wand ist. Ist die Trichterwand zu rau oder zu flach, bewegt sich das Schüttgut nicht entlang der Wand und bildet tote Zonen (Kernfluss). Die im Trichter zu beobachtende Geschwindigkeitsverteilung ist auch noch im unteren Bereich des Schaftes zu finden, wo sie mit zunehmendem Abstand von der Trichteroberkante in Kolbenfluss übergeht. Die Höhe dieses Übergangsbereichs beträgt etwa das 0,7- bis 1,0-fache des Schaftdurchmessers D. Bei Kernfluss mit toten Zonen nur im unteren Bereich des Silos (Abb. 10.1.c) liegen oberhalb der toten Zonen ähnliche Geschwindigkeitsverteilungen vor wie bei Massenfluss oberhalb des Trichters. Daraus erklärt
10.2 Probleme beim Lagern von Schüttgütern in Silos
301
sich, dass die Betrachtung der Schüttgutoberfläche nicht immer eindeutige Hinweise auf das Fließprofil gibt.
Abb. 10.2. Verteilung der über der Zeit gemittelten Vertikalgeschwindigkeit in einem Massenflusssilo
10.2 Probleme beim Lagern von Schüttgütern in Silos Häufig auftretende Probleme beim Lagern von Schüttgütern in Silos wurden bereits im Kap. 1.1 kurz beschrieben (Abb. 1.2). Die meisten der dort gezeigten Probleme sind mit Kernfluss (Abb. 10.1) verbunden. Daher lassen sich allein durch die Auslegung für Massenfluss eine Reihe der in Abb. 1.2 gezeigten Probleme vermeiden: • Schächte sind verfestigte tote Zonen und können sich daher nur bei Kernfluss bilden (Abb. 1.2.c). • Die Verweilzeitverteilung im Massenflusssilo ist eng („first in – first out“), so dass bei Kernfluss eintretende ungünstig lange und unbekannte Verweilzeiten des Schüttgutes (Abb. 1.2.b) vermieden werden können. • Schießen ist häufig eine Folge nicht hinreichender Entlüftung des Schüttgutes und daher mit zu kurzer Verweilzeit verbunden. Die Verweilzeit frisch eingefüllten Schüttgutes kann aber insbesondere in einem Kernflusssilo sehr kurz sein, wenn während des Füllens abgezogen wird und das eingefüllte Schüttgut durch die tote Zone in kurzer Zeit zur Auslauföffnung gelangt (Abb. 1.2.d). Bei Massenfluss ist die Verweil-
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10 Verfahrenstechnische Siloauslegung
zeit bei gleicher Füllmenge und gleichen Massenströmen dagegen länger (weitere Bemerkungen zum Schießen s. Kap. 12.1) • Beim Füllen eintretende Entmischung über dem Siloquerschnitt wirkt sich bei Kernfluss stark auf die zeitliche Zusammensetzung des abgezogenen Schüttgutes aus (Abb. 1.2.e). Bei Massenfluss tritt dagegen im Trichter eine häufig ausreichende Rückvermischung ein (Maßnahmen zur Reduzierung von Entmischung s. Kap. 13). Bei Massenfluss verbleibt vor allem das Problem der Brückenbildung, bei der sich über der Auslauföffnung ein stabiles Gewölbe bildet, so dass der Schüttgutfluss zum Erliegen kommt. Bei grobkörnigen Schüttgütern kann es zu Brückenbildung aufgrund der Verkeilung von Einzelpartikeln kommen (Abb. 10.3.a). Diese Art der Brückenbildung lässt sich vermeiden, indem die runde Auslauföffnung eines konischen Trichters mindestens sechs- bis zehnmal so groß wie die maximale Partikelgröße xmax ist. Beim keilförmigen Trichter sollte die Auslaufschlitzbreite mindestens drei- bis siebenmal so groß sein wie xmax. Die notwendige Auslaufabmessung hängt von der Partikelgrößenverteilung und der Partikelform ab [10.4]. Eine enge Partikelgrößenverteilung und scharfkantige Partikel vergrößern tendenziell die Wahrscheinlichkeit der Brückenbildung durch Verkeilung. Auch wenn die Auslauföffnung groß genug ist, um Brückenbildung durch Verkeilen zu verhindern, kann es zu einem unregelmäßigen, pulsierenden Ausfließen kommen. Mit den oben angegebenen Maximalwerten wird man aber mit den meisten grobkörnigen Schüttgütern ein zufriedenstellendes Ausflussverhalten erreichen.).
Abb. 10.3. a. Brückenbildung an der Auslauföffnung durch Verkeilung bei grobkörnigen Schüttgütern; b. Brückenbildung durch die Druckfestigkeit des Schüttgutes c. Schachtbildung
Bei feinkörnigen und kohäsiven Schüttgütern ist die Ursache der Brückenbildung die auf den Haftkräften zwischen den einzelnen Partikeln beru-
10.3 Das Auslegungsverfahren von Jenike
303
hende Druckfestigkeit (Schüttgutfestigkeit). Auch hier lässt sich die Brückenbildung durch eine hinreichend große Auslauföffnung vermeiden, deren Berechnung in diesem Kapitel behandelt wird. Entscheidet man sich für Kernfluss, ist mit den oben aufgeführten Problemen zu rechnen, die typisch für Kernfluss sind (z.B. Entmischung, breite Verweilzeitverteilung). Um zumindest einen störungsfreien Schüttgutfluss zu erreichen, muss neben der Brückenbildung auch die Schachtbildung (Abb. 10.3.c) verhindert werden. Ein stabiler Schacht entsteht im Kernflusssilo, indem nur das Schüttgut vertikal über der Auslauföffnung ausfließt. Das übrige Schüttgut – die toten Zonen – bleiben aufgrund der Druckfestigkeit im Silo stehen und bilden die Wände des Schachts. Neigt das Schüttgut zur Zeitverfestigung, kann es sich in den toten Zonen, wo über lange Zeiten keine Schüttgutbewegung vorliegt, immer stärker verfestigen, so dass die Gefahr der Schachtbildung zunimmt. Im Extremfall ist das Schüttgut nur unter größtem Aufwand (bergmännisch) wieder in Bewegung zu bringen. Schachtbildung lässt sich wie Brückenbildung durch eine hinreichend große Auslauföffnung vermeiden, deren Berechnung in diesem Kapitel ebenfalls behandelt wird.
10.3 Das Auslegungsverfahren von Jenike Mit dem von Jenike [10.1] entwickelten Auslegungsverfahren, das seine Anwendbarkeit seit mehr als 40 Jahren bewiesen hat, lassen sich die für Massenfluss erforderliche Trichterneigung und die minimale Größe der Auslauföffnung zur Vermeidung von Brückenbildung festlegen. Für Kernflusssilos lässt sich außerdem die minimale Auslaufgröße zur Vermeidung von Brückenbildung berechnen. Nachdem Jenike seine grundlegenden Arbeiten veröffentlicht hatte, gab es auch Beiträge und Berechnungen anderer Wissenschaftler zur Siloauslegung. Zu nennen wären z.B. Enstad [10.5] oder Molerus [10.6]. Trotzdem ist die von Jenike entwickelte Methode nach wie vor die am meisten angewendete Methode und soll daher hier zugrundegelegt werden. Für die Auslegung werden die Größen benötigt, die das Fließverhalten des zu lagernden Schüttgutes beschreiben (Kap. 3). Das sind im wesentlichen die Schüttgutdichte ρb, der effektive Reibungswinkel φe (ein Maß für die innere Reibung des Schüttgutes), die Druckfestigkeit σc und der Wandreibungswinkel φx. Für die Massenflussauslegung ist der Wandreibungswinkel φx die Haupteinflussgröße, während die bestimmende Größe für die Brückenbildung die Druckfestigkeit σc ist. Es ist zu berücksichtigen, dass alle genannten Schüttguteigenschaften vom Spannungsniveau abhängig
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10 Verfahrenstechnische Siloauslegung
sind, das durch die Verfestigungsspannung σ1 repräsentiert wird (s. Abb. 3.22). Mit Schergeräten lassen sich die genannten Größen für das zu lagernde Schüttgut in Abhängigkeit von der Verfestigungsspannung σ1 messen. 10.3.1 Auslegung von Massenflusssilos Die Arbeiten Jenikes befassen sich vor allem mit den Grundformen „konischer Trichter“ und „keilförmiger Trichter“ (Abb. 10.4). Am Rande werden auch asymmetrisch-keilförmige Trichter behandelt, und zur Auslegung asymmetrisch-konischer Trichter gibt es Hinweise. Beide Formen haben aber hinsichtlich des Schüttgutflusses oder der Raumausnutzung keine Vorteile – aber einige deutliche Nachteile (s. Abschn. 11.2.1) – gegenüber den entsprechenden symmetrischen Trichtern. Ziel der Auslegung ist es, die notwendige Neigung der Trichterwand für Massenfluss zu ermitteln und die Auslaufgröße so festzulegen, dass keine Fließprobleme durch Brücken- oder Schachtbildung entstehen. Für alle keilförmigen Trichter wird vorausgesetzt, dass die Auslaufschlitzlänge L mindestens dreimal so groß ist wie die Auslaufschlitzbreite b (L > 3b), um den Einfluss der Stirnwände vernachlässigen zu können.
Abb. 10.4. Grundformen von Silos: a. konisch; b. keilförmig; c. asymmetrischkeilförmig; d. asymmetrisch-konisch
Ausgangspunkt der Jenike-Methode ist die Berechnung der Spannungen im Trichter eines Silos. Jenike stellte Kräftegleichgewichte für infinitesimale Volumenelemente des Schüttgutes im Trichter auf und erhielt so zwei partielle Differentialgleichungen. Für das fließende Schüttgut wurden Spannungsverhältnisse wie beim stationären Fließen angenommen. Beim
10.3 Das Auslegungsverfahren von Jenike
305
stationären Fließen ist das Verhältnis der größten Hauptspannungen durch den effektiven Reibungswinkel φe bzw. den effektiven Fließort definiert. Das Fließverhalten des Schüttgutes beim beginnenden Fließen (wichtig für die Auslegung gegen Schachtbildung) wurde durch Gleichungen für den linearisierten Fließort berücksichtigt. Mit weiteren vereinfachenden Annahmen gelangte Jenike schließlich zu dem Ansatz, dass die größte Hauptspannung σ1 im unteren Teil des Silotrichters proportional zum Abstand r von der gedachten Trichterspritze ist („radiales Spannungsfeld“) [10.1]:
σ 1 = r ⋅ g ⋅ ρ b ⋅ s (Θ' , Θ, ϕ x , ϕ e ) ⋅ (1 + sin ϕ e )
(10.1)
Die Schüttgutdichte ρb wird hier näherungsweise als konstant betrachtet. Der Winkel Θ' beschreibt zusammen mit r die Position eines Schüttgutelementes im Trichter (Polarkoordinaten; s. Abb. 10.5), während Θ die Neigung der Trichterwand gegen die Vertikale ist. Die Funktion s hängt somit von den Schüttguteigenschaften φe und φx, der Trichterwandneigung Θ und der Winkelkoordinate Θ' ab. Die Lösung des obengenannten Systems aus zwei partiellen Differentialgleichungen ist nur für bestimmte Kombinationen der Parameter Θ, φe und φx möglich. Nur innerhalb des Lösungsbereichs stellt sich Massenfluss ein. Ist die Neigung der Trichterwand gegen die Vertikale dagegen zu groß, ist keine Lösung unter der Bedingung, dass das Schüttgut an der Trichterwand rutschen kann (= Wandreibung mobilisiert), möglich. Dies bedeutet die Existenz einer toten Zone (Kernfluss). Nach Lösung des Differentialgleichungssystems ist auch die Funktion s in Gl.(10.1) bekannt, so dass unter anderen die größte Hauptspannung im Trichter berechnet werden kann.
Abb. 10.5. Polarkoordinaten im Trichter
Die aus den Berechnungen Jenikes [10.1] resultierenden Grenzen zwischen Massenfluss und Kernfluss sind in Abb. 10.6 für den konischen Trichter aufgezeichnet. Es zeigt sich eine gewisse Abhängigkeit der Grenzen vom
306
10 Verfahrenstechnische Siloauslegung
effektiven Reibungswinkel φe, der ein Maß für die innere Reibung des Schüttgutes beim Fließen ist. Abbildung 10.7 zeigt Grenzkurven für den keilförmigen Trichter, in die neben Berechnungen auch Erfahrungswerte Jenikes eingeflossen sind (die tatsächlich für keilförmige Trichter berechneten Grenzen sind weiter nach rechts verschoben, führen jedoch nicht unter allen Bedingungen zu Massenfluss). Aufgetragen ist jeweils der Wandreibungswinkel φx über dem Neigungswinkel Θ der Trichterwand, der gegen die Vertikale gemessen wird (Θax beim konischen, Θeb beim keilförmigen Trichter). Zustände, die innerhalb der Grenzkurven liegen, führen zu Massenfluss, während bei Zuständen außerhalb Kernfluss vorliegt. Sind der Wandreibungswinkel φx und der effektive Reibungswinkel φe bekannt (aufgrund von Messungen mit einem Schergerät), lässt sich mit Hilfe dieses Diagramms der maximale Neigungswinkel Θ der Trichterwand gegen die Vertikale finden, bei dem noch Massenfluss erreicht wird (Beim konischen Trichter sollte man gemäß [10.1] den Trichter 3° bis 5° steiler ausführen, da es sich hier um theoretische, für ideale Bedingungen berechnete Werte handelt; ein Sicherheitsabstand von 2° bis 3° dürfte aber erfahrungsgemäß ausreichen, wenn die Schüttguteigenschaften und das Wandmaterial genau definiert sind, und die maximalen Wandreibungswinkel genau gemessen wurden). Der Verlauf der Grenzkurven ist derart, dass die Trichterwände für Massenfluss um so steiler (Θ kleiner) sein müssen, desto größer der Wandreibungswinkel φx ist.
Abb. 10.6. Massenfluss-Kernfluss-Diagramm (konischer Trichter)
10.3 Das Auslegungsverfahren von Jenike
307
Abb. 10.7. Massenfluss-Kernfluss-Diagramm (keilförmiger Trichter, L > 3b)
Der keilförmige Trichter erlaubt bei gleichen Stoffeigenschaften (φx, φe) größere Neigungswinkel Θ gegen die Vertikale, d.h. ein keilförmiger Massenflusstrichter kann flacher sein (meistens etwa 8° bis 12°) als ein konischer Massenflusstrichter. Dies liegt daran, dass sich der Querschnitt beim konischen Trichter bei gleicher Wandneigung stärker ändert als beim keilförmigen Trichter, und dass der konische Trichter seinen Querschnitt nicht nur in einer Raumrichtung verringert. Noch flacher kann die geneigte Wand eines asymmetrisch-keilförmigen Trichters ausgeführt werden (Abb. 10.4.c, Diagramm s. Kap. 10.5). Die maximale Neigung der Wand des asymmetrisch-konischen Trichters (Abb. 10.4.d) erhält man, indem man den maximalen Neigungswinkel des symmetrischen konischen Trichters Θax mit 1,25 multipliziert [10.1]. Im nächsten Schritt ist die minimale Auslaufgröße zur Vermeidung von Brückenbildung zu ermitteln. Hierzu müssen die Spannungen im Trichter betrachtet werden. Wenn Schüttgut aus einem Massenflusssilo abgezogen wird, bildet sich im Trichter das radiale Spannungsfeld aus (Kap. 9.1.2). Beim radialen Spannungsfeld ist die größte Hauptspannung σ1 im Trichter (zumindest in hinreichendem Abstand vom Siloschaft) proportional zum Abstand r von der Trichterspitze bzw. zum örtlichen Trichterdurchmesser und nimmt zur gedachten Trichterspitze zu Null hin ab (Abb. 10.8). Die größte Hauptspannung σ1 ist hier auch gleichzeitig die maßgebliche Ver-
308
10 Verfahrenstechnische Siloauslegung
festigungsspannung, d.h. sie bestimmt die örtlichen Eigenschaften des Schüttgutes.
Abb. 10.8. Modell zur Ermittlung des minimalen Auslaufdurchmessers dkrit zur Vermeidung von Brückenbildung
Für ein Schüttgut lässt sich für jede Hauptspannung σ1 (= Verfestigungsspannung) die dazugehörige Druckfestigkeit σc messen (Kap. 3); den Zusammenhang σc(σ1) bezeichnet man als Fließfunktion (Abb. 10.9). Die Fließfunktion ist nicht mit dem Fließort zu verwechseln: Ein Fließort liefert ein Wertepaar aus Druckfestigkeit σc und Verfestigungsspannung σ1, also einen Punkt der Fließfunktion. In der Regel ergibt sich ein ansteigender Verlauf der Fließfunktion, d.h. die Druckfestigkeit nimmt mit der Verfestigungsspannung zu. Entsprechend dieser Abhängigkeit ist in Abb. 10.8 für jede Spannung σ1 die dazugehörige Druckfestigkeit σc eingezeichnet.
Abb. 10.9. Fließfunktion und Zeitfließfunktionen
10.3 Das Auslegungsverfahren von Jenike
309
σ1' ist die im Auflager einer Schüttgutbrücke wirkende Spannung, die man sich ähnlich wie die Auflagerspannung eines Brückenbauwerks vorzustellen hat (Abb. 10.8). Jenike berechnete σ1' unter der Annahme, dass sich eine parabelförmige Schüttgutbrücke bildet, die in vertikaler Richtung eine konstante Dicke hat und die nur von ihrem Eigengewicht belastet wird, d.h. die Auflast durch darüber lagerndes Schüttgut wird vernachlässigt. Daraus ergibt sich unter weiteren Annahmen die Brückenauflagerspannung σ1' wie folgt [10.4]: σ1' =
2r ⋅ sin Θ ⋅ g ⋅ ρb 1+ m
(10.2)
m ist der Parameter zur Beschreibung der Trichtergeometrie: m = 0 gilt für keilförmige Trichter, m = 1 für konische Trichter. Der Term (2r · sinΘ) repräsentiert den örtlichen Silodurchmesser d beim konischen Trichter bzw. die örtliche Trichterbreite b beim keilförmigen Trichter (Siloformen s. Abb. 10.4). Die Koordinate r wird wie in Abb. 10.5 ausgehend von der Trichterspitze gemessen, hier aber entlang der Trichterwand (bei Θ' = Θ). Eine stabile Schüttgutbrücke kann sich nur in dem Bereich des Trichters ausbilden, wo die Druckfestigkeit größer ist als die Brückenauflagerspannung (σc > σ1'), also unterhalb des Schnittpunktes der σc-Kurve mit der σ1'Kurve (Abb. 10.8). Oberhalb des Schnittpunktes ist die Druckfestigkeit kleiner als die Brückenauflagerspannung, d.h. die Druckfestigkeit ist in diesem Bereich nicht groß genug, um die Spannung im Auflager einer Schüttgutbrücke auszuhalten, und die Brücke wäre nicht stabil. Der gefundene Schnittpunkt gibt die Stelle im Trichter (Höhe h*, Abb. 10.8) an, wo entweder die Auslauföffnung angebracht werden muss, oder, falls eine kleinere Auslauföffnung gewählt wird, bis wohin ausgehend von der Auslauföffnung Austraghilfen eingesetzt werden müssen. Der bei h* gefundene minimale Auslaufdurchmesser heißt kritischer Auslaufdurchmesser dkrit. Bei einem keilförmigen Trichter erhält man entsprechend die kritische Auslaufbreite bkrit. Um den Einfluss der Stirnwände (Reibung!) beim keilförmigen Trichter vernachlässigen zu können, muss die Länge L des Auslaufschlitzes mindestens dreimal so groß wie die Breite b sein. Manche Schüttgüter neigen dazu, sich unter den im Silo herrschenden Spannungen mit zunehmender Lagerzeit in Ruhe zu verfestigen (Zeitverfestigung, Kap. 3.1.2). Für jede Lagerzeit findet man analog zur Fließfunktion, die die Druckfestigkeit unmittelbar nach der Verfestigung kennzeichnet (Lagerzeit t = 0) eine Zeitfließfunktion σct = σc(σ1,t). In Abb. 10.9 sind zwei Zeitfließfunktionen eingezeichnet, die für die Lagerzeiten t1 und t2 (t2 > t1) gelten. Würde man den Verlauf einer Zeitfließfunktion in Abb. 10.8 übertragen, so ergäbe sich ein Schnittpunkt der Kurven für σ1' und σct,
310
10 Verfahrenstechnische Siloauslegung
der weiter oben (bei h > h*, also einem größeren Trichterdurchmesser) wäre als der bereits erläuterte Schnittpunkt der Kurven für σc und σ1', d.h. mit zunehmender Lagerzeit in Ruhe sind immer größere Auslaufdurchmesser zur Vermeidung von Brückenbildung notwendig. Für die praktische Durchführung der Siloauslegung nutzt man die Erkenntnis, dass σ1' wie σ1 proportional zum Abstand r von der Trichterspitze bzw. zum örtlichen Trichterdurchmesser ist (s. Gln. (10.1) und (10.2)). Daher ist das Verhältnis von σ1 zu σ1', das Fließfaktor ff genannt wird, an der Trichterwand (Θ' = Θ) konstant: 1 + sin ϕ e σ ff = 1 = const = (1 + m) ⋅ s (Θ, ϕ x , ϕ e ) ⋅ σ 1' 2 sin Θ
(10.3)
Der Fließfaktor ff hängt von den Fließeigenschaften (φx, φe) und von der Trichtergeometrie (m, Θ) ab. Er lässt sich unter Kenntnis der Funktion s (Gl.(10.1)) berechnen. Jenike hat zur einfachen Ermittlung des Fließfaktors ff Diagramme erstellt. Sie gelten jeweils für eine Trichtergrundform (z.B. konisch) und einen festen Wert des effektiven Reibungswinkels φe, der von Diagramm zu Diagramm in Schritten von 10° variiert. Zwei dieser Diagramme für konische Trichter zeigen die Abb. 10.10 und 10.11.
Abb. 10.10. Fließfaktor ff für konische Trichter und φe = 40° [10.1]
Die in Abb. 10.10 und 10.11 eingezeichneten Kurven gelten für die dazu angegebenen Werte von ff. Werte zwischen diesen Kurven bzw. zwischen Diagrammen (bei nicht durch 10 teilbaren Werten von φe) lassen sich durch Interpolation bestimmen. Auch die Grenzkurve zwischen Massen-
10.3 Das Auslegungsverfahren von Jenike
311
fluss und Kernfluss ist in den Diagrammen eingezeichnet (s. gestrichelte Kurve). Weitere Diagramme sind im Kap. 10.5, ein vollständiger Satz der Diagramme in Jenikes Originalarbeit [10.1] enthalten. Näherungsgleichungen für ff sowie für die maximale Trichterwandneigung für Massenfluss findet man in [10.7].
Abb. 10.11. Fließfaktor ff für konische Trichter und φe = 50° [10.1]
Um die kritischen Auslaufabmessungen zur Vermeidung von Brückenbildung zu bestimmen, benutzt man ein σc,σ1-Diagramm entsprechend Abb. 10.9. In dieses Diagramm zeichnet man zusätzlich die Brückenauflagerspannung σ1' ein (Abb. 10.12). Dies ist möglich, da gemäß Gl.(10.3) für die Brückenauflagerspannung gilt:
σ σ 1' = 1 ff
(10.4)
Der Fließfaktor ff ist mit Hilfe der gemessenen Fließeigenschaften, des im Zuge der Massenflussauslegung festgelegten Wandneigungswinkels Θ und der Diagramme von Jenike [10.1] (z.B. Abb. 10.10) leicht zu bestimmen. Der Schnittpunkt von Brückenauflagerspannung und Fließfunktion im σc,σ1-Diagramm (Abb. 10.12) entspricht dem Schnittpunkt in Abb. 10.8. Die Koordinaten des Schnittpunktes erhalten den Index „krit“ (Druckfestigkeit σc,krit und Verfestigungsspannung σ1,krit). Nun muss der zugehörige
312
10 Verfahrenstechnische Siloauslegung
örtliche Trichterdurchmesser dkrit aus diesem Schnittpunkt berechnet werden. Dazu stellt man Gl.(10.2) um, setzt für die Brückenauflagerspannung σ1' die am Schnittpunkt gleich große Druckfestigkeit σc,krit ein und erhält wegen d = 2r · sinΘ
(10.5a)
b = 2r · sinΘ
(10.5b)
bzw. die kritische Auslaufgröße bkrit für den keilförmigen Trichter,
bkrit =
σ c,krit
(10.6a)
g ⋅ ρb
bzw. die kritische Auslaufgröße dkrit für den konischen Trichter:
d krit = 2
σ c,krit g ⋅ ρb
.
(10.6b)
Abb. 10.12. Fließfunktion und Zeitfließfunktion; Brückenauflagerspannung σ1'
Eine genauere Berechnung Jenikes führte schließlich zu der Gleichung bkrit = H (Θeb )
bzw.
σ c,krit g ρb,krit
(10.7a)
10.3 Das Auslegungsverfahren von Jenike
d krit = H (Θax )
σ c,krit g ρb,krit
.
313
(10.7b)
Für die Schüttgutdichte ρb wird hier der zu σ1,krit gehörige Wert ρb,krit eingesetzt. Die Funktion H(Θ) berücksichtigt die Trichterform (konisch oder keilförmig; Wandneigung Θax bzw. Θeb) und lässt sich aus dem Diagramm in Abb. 10.13 ablesen (Näherungsgleichung für H(Θ) s. [10.7]).
Abb. 10.13. Funktion H(Θ) [10.1]
Auf die gleiche Weise lassen sich auch Auslaufgrößen zur Vermeidung von Brückenbildung nach längerer Lagerzeit in Ruhe (= Lagerung ohne zwischenzeitigen Schüttgutabzug) berechnen. Dazu wird der Schnittpunkt zwischen der Brückenauflagerspannung und der für eine bestimmte Lagerzeit geltenden Zeitfließfunktion σct = σc(σ1,t) bestimmt (Abb. 10.12). Legt man den Silo für eine bestimmte maximale Lagerzeit in Ruhe aus, muss der Inhalt des Silos jeweils nach dieser Zeit bewegt werden. Dadurch werden die Kontakte zwischen den Partikeln gelöst, wodurch der bis dahin entstandene Zeitverfestigungseffekt aufgehoben wird. Anschließend verhält sich das Schüttgut wieder so wie vor der Lagerzeit. Zum Bewegen des Schüttgutes im Massenflusssilo ist nur der Abzug einer Teilmenge des Inhaltes erforderlich, da ja im Massenflusssilo sämtliches Schüttgut beim Schüttgutabzug bewegt wird. Da für die Auslegung die Spannungen zugrundegelegt wurden, die sich einstellen, nachdem das Schüttgut bereits einmal in Bewegung war (Entleerungszustand), gelten die Berechnungen nicht für den Füllzustand. Der Füllzustand liegt vor, wenn der leere Silo mit Schüttgut gefüllt wurde, aber noch nichts abgezogen wurde. Hierbei wirken im Trichter größere Span-
314
10 Verfahrenstechnische Siloauslegung
nungen (s. Abb. 9.4), die zur stärkeren Verfestigung des Schüttgutes führen. Bei der praktischen Anwendung des Verfahrens zur Siloauslegung ist häufig ein iteratives Vorgehen notwendig. Sowohl die Wandneigung für Massenfluss als auch der Fließfaktor ff hängen vom effektiven Reibungswinkel φe und vom Wandreibungswinkel φx ab. Diese Größen sind aber häufig spannungsabhängig (s. Abb. 3.22 und 3.29). Da man am Anfang der Auslegung noch nicht weiß, bei welcher größten Hauptspannung σ1,krit der Schnittpunkt ist bzw. welche größte Hauptspannung σ1,krit an der Auslauföffnung herrscht, kann man zunächst nur Werte annehmen, die dann nach der Bestimmung des Auslaufdurchmessers überprüft werden müssen. Gegebenenfalls ist dann mit den für die Auslauföffnung gefundenen Werten die Auslegung zu wiederholen, bis Übereinstimmung zwischen angenommenen und bestimmten Werten besteht. Dies gilt auch für jede mit Hilfe einer Zeitfließfunktion bestimmte Auslaufabmessung. Bei spannungsabhängigem Wandreibungswinkel besteht die Notwendigkeit, für σ1,krit den zugehörigen Wandreibungswinkel zu bestimmen. Hierzu betrachtet man die Verhältnisse an der Trichterwand. Die größte Hauptspannung ist um den Winkel α zur Wandnormalspannung σw geneigt (Abb. 10.14.a). Die größte Hauptspannung in Nähe der Auslauföffnung ist σ1 = σ1,krit, deren Bestimmung oben dargelegt wurde. Zu dieser größten Hauptspannung gehört ein effektiver Reibungswinkel φe,krit = φe(σ1,krit), der aus den Fließortmessungen folgt. Da für das Schüttgut im Trichter stationäres Fließen angenommen wird, beschreibt ein Spannungskreis mit der größten Hauptspannung σ1 = σ1,krit, dessen Tangente der effektive Fließort mit dem effektiven Reibungswinkel φe = φe,krit ist, die Spannungen im Schüttgut in Nähe der Auslauföffnung (Abb. 10.14.b).
Abb. 10.14. Ermittlung der Wandnormalspannung; a. Wandnormalspannung σw und größte Hauptspannung σ1 an der Trichterwand; b. Mohrscher Spannungskreis für Verhältnisse an der Wand eines Massenflusstrichters
10.3 Das Auslegungsverfahren von Jenike
315
Zeichnet man den Wandfließort in dasselbe Diagramm ein, ergibt der rechte Schnittpunkt des Spannungskreises mit dem Wandfließort die Wandnormalspannung σw an der Trichterwand (Abb. 10.14.b). Der Wandreibungswinkel φx am Schnittpunkt lässt sich leicht bestimmen. Der rechte Schnittpunkt ist hier deswegen maßgeblich, da im Entleerungszustand die größte Hauptspannung in der Trichterachse horizontal und zur Wand etwas nach unten geneigt ist. Somit weicht die Richtung der größten Hauptspannung nicht sehr von der Richtung der Wandnormalspannung ab. Der Winkel zwischen der Wandnormalspannung und der kleinsten Hauptspannung ist dagegen größer, was am Spannungskreis in Abb. 10.14.b deutlich sichtbar ist. Die Neigung α zwischen Hauptspannung σ1 und Wandnormalspannung σw kann am Spannungskreis abgelesen werden, da dort der doppelte Winkel 2α (gemessen im umgekehrten Drehsinn) zwischen den beiden Spannungen vorliegt (Spannungskreis s. Kap. 2.3.1). Alternativ zum Zeichnen eines Diagramms entsprechend Abb. 10.14.b kann die Wandnormalspannung an der Auslauföffnung auch mit Hilfe von Diagrammen (Jenike [10.1]) bestimmt werden. 10.3.2 Auslegung von Kernflusssilos Wegen der im Kap. 10.2 genannten Probleme bei Kernfluss sollte grundsätzlich Massenfluss angestrebt werden, wenn es sich um Produkte handelt, diese Probleme erwarten lassen. Trotzdem soll hier ein Überblick über die Auslegung des Kernflusssilos hinsichtlich Fließstörungen gegeben werden. Ist eine Restentleerung aufgrund der Schwerkraft gewünscht, sollten bei kohäsiven Schüttgütern die Trichterwände eine Mindeststeilheit ΘEntl (gemessen gegen die Vertikale) haben, die nach Jenike [10.1] wie folgt aus dem Wandreibungswinkel φx zu bestimmen ist:
Θ Entl = 65° − ϕ x
(10.8)
Dies ist ein grober Richtwert für schlecht fließende Schüttgüter. Bei frei fließenden Schüttgütern (z.B. Granulate) sind auch flachere Neigungswinkel möglich (z.B. eine Neigung von ca. φx + 10° gegen die Horizontale). Voraussetzung für die Restentleerung ist, dass sich das Schüttgut nicht so stark verfestigt hat, dass es einen stabilen Schacht bildet. Für die Auslegung eines Kernflusstrichters zur Vermeidung von Schachtbildung werden hier zwei Verfahren behandelt. Der Ansatz entsprechend Jenikes erster Ausgabe des Bulletin 123 von 1964 [10.2] geht davon aus, dass die Spannungen in der Wand eines Schachtes in Auslaufnähe unabhängig vom Füllstand des Silos sind. Dies wird erreicht, wenn
316
10 Verfahrenstechnische Siloauslegung
bereits während des Füllens Schüttgut abgezogen wird und sich innerhalb der Fließzone ein Spannungsfeld ähnlich dem radialen Spannungsfeld (Entleerungszustand, Abb. 9.4.d) aufbaut. Diese Methode wird allgemein so betrachtet, dass sie eine untere Grenze („lower bound“) für den maximalen Durchmesser eines Schachtes angibt [10.14]. Wird aber nicht schon beim Füllen Schüttgut abgezogen, herrschen im Trichter die deutlich größeren Spannungen des Füllzustandes (Abb. 9.4.a), die zu einer stärkeren Verfestigung des Schüttgutes führen. Falls dies der Fall ist, kann die „lower bound“ Methode den Schachtdurchmesser deutlich unterschätzen. Daher hat Jenike in der Ausgabe von 1980 des Bulletin 123 [10.1] ein anderes Berechnungsverfahren präsentiert, das die von der Füllhöhe anhängigen Spannungen im Füllzustand berücksichtigt. Dieser Ansatz ergibt eine obere Grenze („upper bound“) der Schachtabmessung. Die Auslegung eines Kernflusstrichters gegen Schachtbildung entsprechend Jenikes „lower bound“-Methode von 1964 [10.2] basiert auf folgenden Überlegungen: Bildet sich oberhalb der Auslauföffnung des Durchmessers D ein zylindrischer Schacht im Schüttgut (Abb. 10.15), entsteht an der inneren Schachtoberfläche eine in Umfangsrichtung wirkende Druckspannung, die Ringspannung σ1''. Diese wird dadurch verursacht, dass das Schüttgut versucht, von allen Seiten in das Innere des Schachtes zu fließen. Ist die Druckfestigkeit σc des Schüttgutes größer als die Ringspannung σ1'', kann das Schüttgut durch die Ringspannung nicht zum Fließen gebracht werden, d.h. der Schacht ist stabil.
Abb. 10.15. Schacht und Ringspannung σ1''
Die Ringspannung σ1'' lässt sich in Abhängigkeit vom Schachtdurchmesser D folgendermaßen berechnen [10.1,10.4]:
σ 1'' =
D ⋅ g ⋅ ρb f(ϕ i )
(10.9)
Die Funktion f(φi) des inneren Reibungswinkels ist im Diagramm in Abb. 10.16 gezeigt. Der Winkel φi ist die lokale Steigung des Fließortes. Man
10.3 Das Auslegungsverfahren von Jenike
317
nähert ihn mit dem Steigungswinkel des linearisierten Fließortes φlin an. Wie man aus Gl.(10.9) erkennt, ist die Ringspannung σ1'' proportional zum Schachtdurchmesser D.
Abb. 10.16. Funktion f(φi) [10.2]
Um die Ringspannung mit der Druckfestigkeit σc des Schüttgutes vergleichen zu können, muss man zunächst die Verfestigungsspannung σ1 (größte Hauptspannung) an der Schachtoberfläche ermitteln. Mit dieser lässt sich dann aus der Fließfunktion die Druckfestigkeit bestimmen. Betrachtet wird die Schachtwand unmittelbar oberhalb der Auslauföffnung des Durchmessers D, denn bricht der Schacht dort zusammen, sollten die weiter oben liegenden Schüttgutbereiche folgen. Die Berechnung der Verfestigungsspannung über der Auslauföffnung liefert [10.4]:
σ1 =
1 + sin ϕ e ⋅ D ⋅ g ⋅ ρb 4 ⋅ sin ϕ e
(10.10)
Die größte Hauptspannung σ1 ist wie die Ringspannung σ1'' in der Schachtwand proportional zum Schachtdurchmesser D. Das Verhältnis der größten Hauptspannung σ1 zur Ringspannung σ1'' heißt „Fließfaktor der Schachtbildung“ ffp und beträgt: ff p =
σ 1 1 + sin ϕ e = ⋅ f (ϕ i ) σ 1'' 4 ⋅ sin ϕ e
Ergibt sich hieraus ein Wert ffp < 1,7, so ist ffp = 1,7 zu setzen.
(10.11)
318
10 Verfahrenstechnische Siloauslegung
Für die Auslegung eines Silos zur Vermeidung von Schachtbildung bei Kernfluss geht man nun so vor, dass man die Ringspannung σ1'' in ein σc,σ1-Diagramm einträgt (Abb. 10.17). Dazu berechnet man ffp nach Gl.(10.11).
σ 1'' =
σ1 ff p
(10.12)
Die Koordinaten des Schnittpunktes der Ringspannung mit der Druckfestigkeit erhalten den Index „krit“ (Druckfestigkeit σc,krit und Verfestigungsspannung σ1,krit). Nun muss nur noch der zugehörige Auslaufdurchmesser Dkrit aus diesem Schnittpunkt berechnet werden. Dazu stellt man Gl.(10.9) um, setzt für die Ringspannung σ1'' die am Schnittpunkt gleich große Druckfestigkeit σc,krit sowie für die Schüttgutdichte den Wert bei σ1,krit ein: Dkrit = f (ϕ i )
σ c,krit g ⋅ ρb,krit
(10.13)
Aus Schnittpunkten der Ringspannung mit der Zeitfließfunktion erhält man die kritischen Auslaufdurchmesser zur Vermeidung von Schachtbildung nach der entsprechenden Lagerzeit.
Abb. 10.17. Fließfunktion und Zeitfließfunktion; Ringspannung σ1''
Da für die Auslegung die Spannungen zugrundegelegt wurden, die sich einstellen, nachdem das Schüttgut bereits einmal in Bewegung war (Entleerungszustand), gelten die Berechnungen der „lower bound“-Methode
10.3 Das Auslegungsverfahren von Jenike
319
nicht für den Füllzustand. Der Füllzustand liegt vor, wenn der leere Silo mit Schüttgut gefüllt wurde, aber noch kein Schüttgutabzug erfolgte. Hierbei sind die Spannungen in Auslaufnähe größer als im Entleerungszustand, so dass sich auch das Schüttgut in Auslaufnähe stärker verfestigt. Wie oben dargelegt, erlaubt ein zweites Auslegungsverfahren [10.1] die Abschätzung des maximalen Schachtdurchmessers unter Berücksichtigung der im Füllzustand wirkenden Spannungen (upper bound) [10.14]. Dieses Verfahren wird im Folgenden beschrieben. Zunächst wird die maximale Verfestigungsspannung (größte Hauptspannung) für den Füllzustand mit Hilfe der Janssengleichung abgeschätzt [10.8]. Obwohl diese Gleichung nur für Bereiche mit vertikalen Wänden gilt (z.B. Siloschaft), wird sie hier zur Vereinfachung auch zur Abschätzung der Spannungen im Trichter verwendet. Damit erhält man einen Verlauf der Vertikalspannung, wie er qualitativ in Abb. 10.18 gezeigt ist. Da die größte Hauptspannung σ1 im Füllzustand im gesamten Silo mehr oder weniger vertikal ausgerichtet ist (s. Abschn. 9.1.2), ist sie etwa gleich der mittleren Vertikalspannung σv. Damit lässt sich die “kritische Verfestigungsspannung” σ1,crit, also die maximale Verfestigungsspannung am Siloboden (Auslaufnähe), mit Hilfe der Janssengleichung (Gl.(9.9)) for z = hf ermitteln (hf: Füllhöhe, s. Abb. 10.18):
σ 1,krit
− λ tan ϕ x U h f ρ b g A A =σv = ⋅ 1− e λ tan ϕ x U
(10.14)
Die Parameter A, U, λ, φx und ρb repräsentieren die Verhältnisse im Schaft des Silos. Wenn das Horizontallastverhältnis nicht bekannt ist, kann es entsprechend Abschnitt 9.2.3 mit λ = 0,4 oder λ = 0,5 abgeschätzt werden.
Abb. 10.18. Verlauf der Vertikalspannung σv in einem Kernflusssilo im Füllzustand (Spannungen im Trichter angenähert mit der Janssengleichung, Kap. 9.2.1)
320
10 Verfahrenstechnische Siloauslegung
Für die Verfestigungsspannung σ1,krit entsprechend Gl. (10.14) erhält man aus der Fließfunktion (Abb. 10.19), gegebenenfalls auch aus einer Zeitfließfunktion, die zugehörige Druckfestigkeit σc,krit (bzw. σct,krit). Auch die Werte von ρb and φlin sind für σ1,krit zu bestimmen. Schließlich lässt sich die obere Grenze (upper bound) des kritischen Auslaufdurchmessers Dkrit zur Vermeidung von Schachtbildung mit Gl.(10.13) berechnen.
Abb. 10.19. Fließfunktion und Zeitfließfunktion; Anwendung der „upper bound“Methode zur Auslegung gegen Schachtbildung; Vertikalspannung am Auslauf ist gleich σ1,krit gemäß Gl.(10.14). Zum Vergleich sind die Brückenauflagerspannung sowie die Ringspannung im Schacht nach der „lower bound“-Methode (s. Abb. 10.17) hinzugefügt.
Da beim konischen Kernflusstrichter die Auslaufgröße zur Vermeidung von Schachtbildung immer größer ist als diejenige zur Vermeidung von Brückenbildung (Dkrit > dkrit), muss der konische Kernflusstrichter nur hinsichtlich Schachtbildung ausgelegt werden. Beim keilförmigen Auslauftrichter ist Dkrit für die Bemessung der Diagonalen der schlitzförmigen Auslauföffnung maßgeblich. Damit ist aber die Breite b des Auslaufschlitzes nicht selbstverständlich groß genug, um Brückenbildung zu vermeiden. Daher ist beim keilförmigen Kernflusstrichter die Mindestbreite bkrit des Auslaufschlitzes zu ermitteln. Dazu verwendet man die Auslegungsmethode zur Vermeidung von Brückenbildung, wobei mit ff = 1,7 und H(Θ) = 1,15 zu rechnen ist [10.1]. Die vorangegangene Berechnung der kritischen Auslaufgröße zur Vermeidung von Schachtbildung mag den Eindruck erwecken, dass ein Kernflusssilo im Prinzip genauso unproblematisch zu betreiben ist wie ein Massenflusssilo. Dies ist aber wegen der im Kernflusssilo möglichen Probleme
10.4 Anwendungen der Ergebnisse der Siloauslegung
321
(s. Kap. 10.2, z.B. Entmischung) nicht der Fall. Außerdem kann bei Kernfluss nicht wie bei Massenfluss der Zeitverfestigungseffekt durch den Abzug einer Teilmenge des Siloinhaltes aufgehoben werden. Vielmehr kommt beim Schüttgutabzug aus einem Kernflusssilo nur das Schüttgut in der Fließzone in Bewegung, während das Schüttgut in den toten Zonen weiter in Ruhe lagert und sich daher immer weiter verfestigt. Daher gilt: Wird ein Schüttgut mit Zeitverfestigung in einem Kernflusssilo gelagert, muss der Silo jeweils nach der Zeit, für den der Auslauf bemessen wurde, vollständig entleert werden.
10.4 Anwendungen der Ergebnisse der Siloauslegung Die Ergebnisse der Siloauslegung umfassen vor allem die erforderlichen Trichterneigungswinkel für Massenfluss sowie die Auslaufgrößen zur Vermeidung von Brücken- oder Schachtbildung. Abbildung 10.20.a zeigt für ein Schüttgut mit Zeitverfestigung einen möglichen Verlauf der kritischen Auslaufgrößen über der Lagerzeit in Ruhe t. Typischerweise sind die Werte für dkrit (Auslaufdurchmesser eines konischen Trichters) etwa doppelt so groß wie die für bkrit (Breite eines Auslaufschlitzes eines keilförmigen Trichters). Der Durchmesser Dkrit zur Vermeidung von Schachtbildung bei Kernfluss liegt meist deutlich über dkrit. Ebenfalls typisch für viele zur Zeitverfestigung neigende Schüttgüter ist der zunächst starke, dann flacher werdende Anstieg der kritischen Auslaufgrößen. Kennt man für ein Schüttgut die in Abb. 10.20.a gezeigten Abhängigkeiten, ist eine quantitative Aussage darüber möglich, welche Auslaufgröße nach welcher Lagerzeit in Ruhe erforderlich ist. Man kann aber auch für eine vorgegebene Auslaufgröße ablesen, nach welcher maximalen Lagerzeit in Ruhe das Schüttgut in Bewegung gebracht werden muss (z.B. durch die Entnahme einer Teilmenge, die gegebenenfalls wieder oben in den Silo eingefüllt wird). Dadurch wird die Zeitverfestigung aufgehoben und das Schüttgut besitzt wieder die Eigenschaften ohne Zeitverfestigung (Abb. 10.20.b). Dies gelingt aber nur bei Massenfluss, denn bei Kernfluss kommt nur das Schüttgut in der Fließzone, nicht jedoch in den toten Zonen in Bewegung. Einen Kernflusssilo müsste man zur Begrenzung der Zeitverfestigung regelmäßig vollständig entleeren. Neben der Festlegung von Trichterneigung und Auslaufgröße können aufgrund der Messungen mit Schergeräten und der Siloauslegung weit mehr Angaben gemacht werden. Zwei Beispiele sind (weitere Beispiele zur Siloauslegung s. [10.9,10.10]):
322
10 Verfahrenstechnische Siloauslegung
Abb. 10.20. a. Möglicher Verlauf der kritischen Auslaufgrößen über der Lagerzeit in Ruhe t; b. zeitlicher Verlauf des kritischen Auslaufdurchmessers dkrit zur Vermeidung von Brückenbildung bei Massenfluss für den Fall, dass in regelmäßigen Zeitabständen ∆t Schüttgut abgezogen wird. Bei jedem Schüttgutabzug werden die Partikel gegeneinander bewegt, so dass die bis dahin erreichte Zeitverfestigung aufgehoben wird und wieder der kritische Auslaufdurchmesser dkrit(t = 0) gilt. Zum Vergleich ist die Entwicklung des kritischen Auslaufdurchmessers ohne zwischenzeitigen Schüttgutabzug gezeigt (gestrichelte Kurve).
• Angaben der Trichterneigungswinkel und Auslaufgrößen für verschiedene Trichterformen und Wandmaterialien. Damit ist der Vergleich der Herstellungskosten bei unterschiedlichen Trichterformen und Wandmaterialien möglich [10.9,10.11]. Beispielsweise kann ausgesagt werden, ob für eine bestimmte Aufgabenstellung eine Auskleidung der Silowände (z.B. mit kaltgewalztem Edelstahlblech) eine hinsichtlich der Kosten sinnvolle Alternative darstellt. • Bei schwankenden Schüttguteigenschaften (z.B. variierende Feuchtigkeit [10.12,10.13]) ist eine Aussage darüber möglich, welcher Zustand zu den ungünstigsten Fließeigenschaften führt. Der Silo ist dann für diesen ungünstigsten Zustand auszulegen, um die Funktionssicherheit für den gesamten Schwankungsbereich der Schüttguteigenschaften sicherzustellen.
10.5 Diagramme zur Siloauslegung Die für die Siloauslegung benötigten Diagramme wurden von Jenike im Bulletin 123 „Storage and Flow of Solids“ [10.1] veröffentlicht. Die Anschaffung dieser Literatur ist unbedingt zu empfehlen, wenn Silos auszule-
10.5 Diagramme zur Siloauslegung
323
gen sind. Untenstehend finden sich als Ergänzung zu Kap. 10.3.1 einige weitere häufig benötigte Diagramme.
Abb. 10.21. Fließfaktor ff für konische Trichter und φe = 30° [10.1]
Abb. 10.22. Fließfaktor ff für konische Trichter und φe = 60° [10.1]
324
10 Verfahrenstechnische Siloauslegung
Abb. 10.23. Fließfaktor ff für keilförmige Trichter und φe = 30° (L > 3 b) [10.1]. Hier und in den folgenden Abbildungen sind nur die Kurven für den Fließfaktor ff eingezeichnet, die ganz oder teilweise unterhalb der von Jenike vorgeschlagenen Grenzkurve zwischen Massenfluss und Kernfluss (gestrichelt eingezeichnet) liegen.
Abb. 10.24. Fließfaktor ff für keilförmige Trichter und φe = 40° (L > 3 b) [10.1]
10.5 Diagramme zur Siloauslegung
325
Abb. 10.25. Fließfaktor ff für keilförmige Trichter und φe = 50° (L > 3 b) [10.1]
Abb. 10.26. Fließfaktor ff für keilförmige Trichter und φe = 60° (L > 3 b) [10.1]
326
10 Verfahrenstechnische Siloauslegung
Abb. 10.27. Fließfaktor ff für asymmetrisch-keilförmige Trichter; Wandreibungswinkel an der vertikalen Wand φx,v = 30°; φe = 50° (L > 3 b) [10.1]
Abb. 10.28. Massenfluss-Kernfluss-Diagramm für asymmetrisch-keilförmige Trichter; Wandreibung an der vertikalen Wand φx,v; φe = 50° (L > 3 b) [10.1]
11 Silogestaltung
Die verfahrenstechnische Siloauslegung liefert für die grundlegenden Trichterformen die maximalen Trichterneigungswinkel für Massenfluss und die minimalen Auslaufgrößen zur Vermeidung von Brücken- und Schachtbildung. Diese Größen sind auf vielfältige Trichterformen und Einbauten anzuwenden und beeinflussen die Gesamtkonzeption eines Silos einschließlich der Auswahl des Austraggerätes. Für spezielle Aufgaben gibt es eine Reihe von Sonderformen, die sich teils durch besondere Einbauten, teils durch eine besondere Funktionsweise auszeichnen. Anhand ausgewählter Beispiele wird gezeigt, welche Möglichkeiten zur Gestaltung von Silos es gibt, wenn man die schüttgutspezifischen Eigenheiten berücksichtigt.
11.1 Einfluss der Fließeigenschaften auf die Silogestaltung Abbildung 11.1 zeigt in einem Diagramm unterschiedliche Kombinationen aus den bei der Siloauslegung nach Jenike [11.1] berechneten Größen, nämlich aus maximalem Neigungswinkel Θax für Massenfluss (gemessen gegen die Vertikale) und minimalem Auslaufdurchmesser dkrit zur Vermeidung von Brückenbildung in einem konischen Trichter. Je nachdem, welche Kombination aus Θax und dkrit die Siloauslegung liefert, ist eine andere Ausführung des Silos sinnvoll. Das gut fließende Produkt A mit kleinem Wandreibungswinkel (z.B. Kunststoffgranulat) benötigt nur einen flachen Trichterneigungswinkel für Massenfluss und eine kleine Auslauföffnung zur Vermeidung von Brückenbildung, an die beispielsweise eine Zellenradschleuse als Austrag- und Dosiergerät angeschlossen wird. Schüttgut B erfordert bereits mehr Aufwand: Der Trichter ist steiler auszuführen, um Massenfluss zu erreichen, und zur Vermeidung von Brückenbildung ist ein Auslaufdurchmesser von 2000 mm notwendig, der in diesem Beispiel durch Einbau eines Schwingtrichters realisiert wird. Bei Schüttgut C handelt es sich schließlich um ein Produkt mit dermaßen großer Wandreibung, dass in einem Trichter kein
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11 Silogestaltung
Massenfluss zu erzielen wäre (Massenfluss bei Θax = 0°). Daher ist der Silo ohne Trichter auszuführen. An den Siloschaft ist ein Austraggerät anzuschließen, das in der Lage ist, über dem gesamten Siloquerschnitt Schüttgut abzuziehen (z.B. ein Schneckenboden mit parallel angeordneten Austragschnecken).
Abb. 11.1. Silos in Abhängigkeit von den Ergebnissen der verfahrenstechnischen Siloauslegung
11.2 Trichtergestaltung 11.2.1 Trichterformen Das Auslegungsverfahren nach Jenike [11.1] liefert die Auslegungsgrößen für die grundlegenden Trichterformen „keilförmig“ und „konisch“ (Abb. 11.2.a/b.). Damit können beim konischen Trichter die Neigung Θax und der Auslaufdurchmesser d festgelegt werden, beim keilförmigen Trichter die Neigung Θeb und die Auslaufschlitzbreite b. Außerdem findet man für einen eingeschränkten Parameterbereich Richtlinien zur Auslegung eines asymmetrisch-keilförmigen Trichter (Abb. 11.2.c: Neigung Θea, Auslaufschlitzbreite b). Bei den keilförmigen Trichtern wird vorausgesetzt, dass die Länge L der Auslauföffnungen mindestens dreimal so groß ist wie die Breite b, da nur so der Einfluss der Stirnwand in Nähe der Auslauföffnung zu vernachlässigen ist.
11.2 Trichtergestaltung
329
Abb. 11.2. Trichterformen (Grundformen); a. konisch; b. keilförmig; c. asymmetrisch-keilförmig; d. asymmetrisch-konisch
Zum asymmetrisch-konischen Trichter gemäß Abb. 11.2.d gibt es bei Jenike nur den Hinweis, dass die maximale Neigung der Trichterwand nicht mehr als das 1,25-fache des Neigungswinkels Θax betragen darf (Kap. 10.3.1) [11.1]. Die relativ steile Neigung ist erforderlich, da diese Trichterform zu Kernfluss mit einer Fließzone an der steileren Seite des Trichters neigt.
Abb. 11.3. Abgewandelte Trichterformen [11.2]
Die Auslegungsgrößen für die in Abb. 11.2 gezeigten grundlegenden Trichterformen lassen sich auch auf andere Trichterformen anwenden. Abbildung 11.3 zeigt weitere Möglichkeiten der Trichtergestaltung [11.1, 11.2]. Bei der Kombination eines runden Siloschaftes mit einem keilförmigen Trichter bietet sich eine Ausführung entsprechend Abb. 11.3.a oder b an, wobei auch hier die Länge L mindestens dreimal so groß wie die Breite b sein sollte. Bei der Variante von Abb. 11.3.a wird zusätzlich die
330
11 Silogestaltung
Stirnwand eingezogen. An dieser Stirnwand darf der für den konischen Trichter berechnete maximale Neigungswinkel Θax nicht überschritten werden. Der pyramidenförmige Trichter (Abb. 11.3.c) ist ungünstig, da hier Schüttgut in den Schnittkanten der Trichterwände bis zur Auslauföffnung fließen muss und dabei Reibung von zwei Seiten überwinden muss. Um in einem solchen Trichter Massenfluss zu erzielen, sind die Schnittkanten innen großzügig auszurunden, und ihre Neigung gegen die Vertikale darf maximal Θax betragen. Da die Wände eines pyramidenförmigen Trichters immer steiler geneigt sind als ihre Schnittkanten, ist ein für Massenfluss ausgelegter pyramidenförmiger Trichter immer steiler als ein entsprechender axialsymmetrischer Trichter. Die Neigung ΘEcke einer Ecke eines pyramidenförmigen Trichters erhält man aus den Neigungen Θ1 und Θ2 der angrenzenden Wände (alle Neigungen gemessen gegenüber der Vertikalen):
(tan Θ Ecke )2 = (tan Θ1 )2 + (tan Θ2 )2
(11.1)
Ebenfalls steiler als ein konischer Trichter müsste ein Trichter gemäß Abb. 11.3.d sein, der einen Übergang vom Kreisquerschnitt zum quadratischen Auslauf bildet. Hier müssen die ebenen Silowände um mindestens Θax gegen die Vertikale geneigt sein. Vergleicht man die Wandneigungswinkel der einzelnen Trichter, so müssen zum Erzielen von Massenfluss die Varianten c und d in Abb. 11.3 am steilsten ausgeführt werden. Etwas flacher kann der konische Trichter (Abb. 11.2.a) ausgeführt werden, und die flachsten Wandneigungen ergeben sich beim symmetrischen keilförmigen Trichter (Abb. 11.2.b) und dessen Abwandlungen (Abb. 11.3.a/b). In einigen Bereichen der Industrie werden auch heute noch asymmetrische Trichter favorisiert (z.B. pyramidenförmige Trichter mit vier unterschiedlich geneigten Wänden). Aus schüttgutmechanischer Sicht spricht nichts für eine derartige Form. Asymmetrische Trichter sollten daher nur verwendet werden, wenn aus Platzgründen keine Alternative besteht. Soll in einem asymmetrischen Trichter Massenfluss erreicht werden, benötigt er eine größere Bauhöhe als ein entsprechender symmetrischer Trichter [11.3], was schon der Vergleich der Varianten von Abb. 11.2.a und d zeigt. Auch hinsichtlich Brückenbildung ist der asymmetrische Massenflusstrichter nicht von Vorteil, denn im Vergleich zum entsprechenden symmetrischen Trichter fließt das Schüttgut ebenfalls konvergent zur Auslauföffnung, so dass die Hauptspannungstrajektorien (Richtungen der größten Hauptspannung) wie auch die Schüttgutbrücke eine asymmetrische Form annehmen (vg. Abb. 11.4.a./b.).
11.2 Trichtergestaltung
331
Abb. 11.4. Vergleich symmetrischer und asymmetrischer Trichter; a./b. Brückenbildung; c./d. Schachtbildung
Auch bei Kernfluss kann durch die Asymmetrie Schachtbildung nicht vermieden werden (Abb. 11.4.c./d.). Lediglich bei Schüttgütern, die kein zu schlechtes Fließverhalten haben, ist nicht auszuschließen, dass das Schüttgut im asymmetrischen Kernflusstrichter etwas weniger häufig Fließstörungen zeigt als im symmetrischen Kernflusstrichter, da direkt an der Silowand (Abb. 11.4.d) weniger Reibung zu überwinden ist als innerhalb des Schüttgutes (Abb. 11.4.c). Auch kann man beim asymmetrischen Silo von außen leichter mit Austraghilfen (z.B. Hammer) auf die Schachtwand einwirken als bei einem symmetrischen Trichter. Generell wird man aber bei asymmetrischen Kernflusssilos die gleichen Probleme haben wie bei symmetrischen Kernflusssilos (z.B. Entmischung, breite Verweilzeitverteilung, Schachtbildung), so dass der Massenflusssilo die bessere Alternative ist. Außerdem ist beim asymmetrischen Trichter die ungleichförmige Belastung der Silowände zu bedenken (s. Kap. 9.4.2). 11.2.2 Übergänge und Wandgestaltung Die Gestaltung des Trichters zum Erreichen von Massenfluss umfasst auch die Ausführung der Trichterwand und den Übergang zu nachgeschalteten Einrichtungen wie z.B. zu Austraggeräten (zum Einfluss von Austraggeräten auf den Schüttgutfluss s. Kap. 12.3.1). In Abb. 11.5 sind zwei Ausführungen eines Übergangs vom Trichter z.B. zu einem Austraggerät oder einem Fallrohr gezeichnet. Im Fall von Abb. 11.5.a wird der Querschnitt des Siloauslaufs sprungartig auf einen kleineren Querschnitt verringert. Auf der dadurch entstehenden horizontalen Kante bilden sich tote Zonen, und zwar auch dann, wenn die Trichter-
332
11 Silogestaltung
neigung für Massenfluss ausgelegt ist. Auch weniger starke sprungartige Querschnittsreduzierungen als in Abb. 11.5.a können tote Zonen hervorrufen, denn es reicht bereits ein Vorsprung in der Breite weniger Partikeldurchmesser aus, um eine tote Zone entstehen zu lassen. So sind mögliche Ursachen für tote Zonen auch nach innen überstehende Dichtungen, schlecht angepasste Flansche oder ungünstig angeordnete, nach innen vorstehende Schweißnähte. In Abb. 11.5.b ist eine etwas aufwendigere Lösung durch Verwendung eines Zwischenstücks gezeigt. Das Zwischenstück ist wie ein Massenflusstrichter ausgelegt, so dass tote Zonen vermieden werden. Bei Flanschverbindungen ist es immer sinnvoll, wenn der Innendurchmesser des unteren Flansches (bzw. der Anschlussdurchmesser des nach unten folgenden Elements) etwas größer ist als der des oberen Flansches, so dass es im Bereich möglicher Fertigungstoleranzen ausgeschlossen werden kann, dass der untere Flansch nach innen vorsteht.
Abb. 11.5. Übergang vom Trichter zum Austraggerät; a. sprungartige Querschnittsreduzierung führt zu toten Zonen; b. für Massenfluss ausgelegtes Zwischenstück
Wird ein Trichter mit einer Auskleidung versehen, ist darauf zu achten, dass die Auskleidung so angebracht wird, dass sie nicht zur Bildung toter Zonen durch Vorsprünge etc. führt. Sollen sich die zur Auskleidung verwendeten Bleche oder Kunststofftafeln überlappen, sind sie keinesfalls so auszuführen, dass sich in Fließrichtung Vorsprünge ergeben (Abb. 11.6.a), auf denen sich Partikel ablagern und zu toten Zonen führen. Besser ist dachziegelartige Überlappung gemäß Abb. 11.6.b. Werden Bleche nicht überlappend, sondern auf Stoß verlegt und miteinander verschweißt, ist insbesondere bei nicht in Fließrichtung verlaufenden
11.2 Trichtergestaltung
333
Schweißnähten darauf zu achten, dass diese nicht nach innen vorstehen (Abb. 11.6.c), sondern eben mit der Blechoberfläche abschließen (Abb. 11.6.d). Dies wird in der Regel nur durch Schleifen erreicht. Hierbei ist wiederum darauf zu achten, dass nicht die Oberfläche der Auskleidung durch großflächiges Schleifen im Bereich der Schweißnähte so sehr aufgeraut wird, dass aufgrund der erhöhten Wandreibung kein Massenfluss mehr möglich ist. Z.B. ist bei Edelstahlblech häufig die durch Kaltwalzen erreichte Oberflächenqualität hinsichtlich der Wandreibung günstig, so dass solche Bleche als Auskleidung verwendet werden. Durch Schleifen dieser verhältnismäßig glatten Oberflächen wird in den meisten Fällen eine Verschlechterung erreicht.
Abb. 11.6. Befestigung und Anordnung von Auskleidungen [11.12]: a. ungünstig: Überlappung mit Vorsprüngen in Fließrichtung; b. gut: dachziegelartige Überlappung; c. ungünstig: hervorstehende Schweißnaht quer zur Fließrichtung; d. besser: Schweißnaht glatt verschliffen; e. ungünstig: nach innen vorstehende Schraubenköpfe; f. gut: mit der Auskleidung eben abschließende Senkschraube [11.4]; g. gut: Anschweißbolzen auf Silowand mit Spezialmutter, ebener Abschluss mit der Auskleidung [11.4]
334
11 Silogestaltung
Werden Auskleidungen durch Schraubverbindungen befestigt, können nach innen vorstehende Schrauben (Abb. 11.6.e) verhindern, dass sich Massenfluss einstellt. Besser ist die Verwendung von angepassten Befestigungssystemen (z.B. Senkschrauben, Abb. 11.6.f, oder Anschweißbolzen mit Spezialmuttern und Abdeckung aus dem Material der Auskleidung, Abb. 11.6.g [11.4]). 11.2.3 Mehrere Auslauföffnungen Zuweilen besteht der Wunsch nach Silos mit mehreren Auslauföffnungen, um mehrere Fördergeräte oder Anlagen unabhängig voneinander beschicken zu können. Hierzu werden Silos z.B. mit Doppelausläufen (Abb. 11.7.a) oder zusätzlichen seitlichen Ausläufen (Abb. 11.7.b) ausgerüstet. Der Nachteil dieser Anordnungen liegt darin, dass Massenfluss nur dann zu erreichen ist, wenn aus allen Öffnungen gleichzeitig Schüttgut abgezogen wird. Ist dies nicht der Fall, so bilden sich wie in Abb. 11.7 beispielhaft eingezeichnet tote Zonen (Kernfluss). Von mehreren Auslauföffnungen ist daher unbedingt abzuraten, wenn Entmischung vermieden werden soll (s. Kap. 13.2.3), oder wenn die Gefahr der Verfestigung des Schüttgutes besteht und nicht immer aus allen Auslauföffnungen Schüttgut abgezogen wird. Auch hinsichtlich der Silostatik ist der unsymmetrische Schüttgutfluss von Nachteil (s. Kap. 9.4.2). Die bessere Alternative ist in diesem Fall ein Massenflusssilo mit nur einer Auslauföffnung und einer rückwirkungsfreien Aufspaltung der Förderströme hinter der Auslauföffnung.
Abb. 11.7. Silos mit mehreren Ausläufen
11.2 Trichtergestaltung
335
11.2.4 Sonderfälle: Unterschiedliche Wandneigungswinkel Unter bestimmten Voraussetzungen kann es sinnvoll sein, einen Trichter mit über der Höhe unterschiedlichen Wandneigungen einzusetzen. Eine Möglichkeit ist der „Expanded Flow“-Trichter [11.1], der eine Kombination von Kernfluss und Massenflusstrichter ist (Abb. 11.8). Der oben angeordnete Kernflusstrichter erhält einen Auslaufquerschnitt, der groß genug ist, um Schachtbildung zu vermeiden (minimaler Durchmesser zur Vermeidung von Schachtbildung bei Kernfluss: Dkrit). Maßgeblich für die Berechnung von Dkrit ist die maximale Zeitspanne zwischen dem Füllen und der folgenden vollständigen Entleerung des Silos.
Abb. 11.8. Expanded Flow: Kombination von Massenflusstrichter und Kernflusstrichter
Der Massenflusstrichter wird so ausgeführt, dass Brückenbildung vermieden wird (Auslaufdurchmesser zur Vermeidung von Brückenbildung: dkrit). Maßgeblich ist hier nur die Zeitspanne zwischen zwei aufeinander folgenden Schüttgutabzügen. Grundsätzlich ist dkrit < Dkrit. Man wird eine solche Kombination nur dann verwenden, wenn der Wert Dkrit deutlich kleiner ist als der Silodurchmesser. Das wiederum heißt, dass sich das Schüttgut in den toten Zonen während der maximalen Zeitspanne zwischen dem Füllen und dem vollständigen Entleeren des Silos nicht zu stark verfestigt. Wird der Silo kontinuierlich betrieben und nicht zwischendurch entleert, ist Expanded Flow nur dann sinnvoll, wenn die Zeitverfestigung des Schüttgutes relativ gering ist und sich nach einer gewissen Zeit kein weiterer Anstieg der Festigkeit mehr ergibt. Vorteile von Expanded Flow sind:
336
11 Silogestaltung
• geringere Trichterhöhe gegenüber Massenflusstrichter, • Erweiterung des Fließquerschnitts gegenüber reinem Kernflusssilo, • kleinere Auslauföffnung gegenüber reinem Kernflusssilo (dkrit < Dkrit). Bei einem stark von der Wandnormalspannung (Normalspannung zwischen Schüttgut und Wand) abhängigen Wandreibungswinkel kann eine Trichtergestaltung entsprechend Abb. 11.9 sinnvoll sein. Im Massenflusstrichter nimmt im Entleerungszustand die Wandnormalspannung σw im Trichter zur Trichterspitze hin ab. Bei einigen Schüttgütern sinkt der Wandreibungswinkel deutlich mit zunehmender Wandnormalspannung (z.B. feuchte Kohle). Wegen der im Trichter nach unten hin abnehmenden Wandnormalspannung ergeben sich also zur Trichterspitze hin immer größere Wandreibungswinkel φx (s. Diagramm in Abb. 11.9). Größere Wandreibungswinkel erfordern für Massenfluss immer kleinere Trichterneigungswinkel Θ (gemessen gegen die Vertikale), d.h. der Trichter muss in Richtung zur Auslauföffnung immer steiler sein. Ist dieser Effekt stark genug, lohnt sich eine Ausführung des Trichters mit unterschiedlichen Wandneigungen Θ1 > Θ2 > Θ3 (Abb. 11.9). Bei konstanter Neigung müsste für Massenfluss der gesamte Trichter entsprechend Θ3 ausgeführt werden, was eine deutlich größere Bauhöhe ergäbe.
Abb. 11.9. Unterschiedliche Wandneigungen Θ bei spannungsabhängigem Wandreibungswinkel φx
11.3 Einbauten
337
11.3 Einbauten Als Einbauten werden innerhalb eines Silos angeordnete Objekte bezeichnet. Dies können z.B. an der Silowand befestigte Düsen, Füllstandgeber oder Leitern sein. Grundsätzlich ist beim Vorsehen von Einbauten stets daran zu denken, dass die Lasten auf die Einbauten sehr groß sein können (z.B. [11.5] und Kap. 9.4.1.2) und zur Bemessung auch heute noch nicht ausreichende theoretische Grundlagen existieren. Daher sollten Einbauten nur dann eingesetzt werden, wenn es die Aufgabenstellung unbedingt erfordert, z.B.: • Messung von Temperatur, Feuchte, etc., • Veränderung des Fließprofils (z.B. Umwandlung von Kernfluss in Massenfluss, Erweiterung des Fließquerschnitts), • Reduzierung von Entmischung, Abrieb oder Erschütterungen, • Vergrößern des Auslaufmassenstroms, • Zugabe von Gasen oder Flüssigkeiten, • Beeinflussung der Spannungen im Silo, • Mischen und Homogenisieren von Schüttgut.
11.3.1 Verdrängende Einbauten Verdrängende Einbauten werden so bezeichnet, da sie den für das Schüttgut zur Verfügung stehenden Querschnitt verringern. Sie sind meist dachoder kegelförmig (Abb. 11.10). Die geneigten Wände der Einbauten sind ähnlich wie Trichterwände zu betrachten und dementsprechend für Massenfluss auszulegen, damit Fließprobleme vermieden werden. In den folgenden Kapiteln werden einige typische Anwendungen von verdrängenden Einbauten dargelegt.
Abb. 11.10. Verdrängende Einbauten
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11 Silogestaltung
11.3.1.1 Gaszugabe
Zur Beaufschlagung von Schüttgut mit Gas lassen sich die in Abb. 11.10 gezeigten Einbauten benutzen, indem das Gas innerhalb des Einbaus aufgegeben wird (Abb. 11.11.a). Dort verteilt es sich und strömt in das Schüttgut. Entsprechende Einbauten werden z.B. zur Kühlung von Schüttgütern (z.B. Kunststoffgranulat) oder in Aktivkoksadsorbern zur Rauchgasreinigung benutzt.
Abb. 11.11. Anwendung verdrängender Einbauten: a. Beaufschlagung mit Gas; b. Erweiterung des Fließquerschnitts; c. Zentralkegelsilo; d. Räumarmsilo
11.3 Einbauten
339
11.3.1.2 Erweiterung des Fließquerschnitts
Bildet sich in einem Kernflusssilo eine sehr enge Fließzone aus, so kann diese mit Hilfe eines Einbaus vergrößert werden (Abb. 11.11.b) [11.6]. Das Schüttgut muss um den Einbau fließen, so dass sich zwangsläufig eine vergrößerte Fließzone ergibt. Unter bestimmten Umständen und bei sorgfältiger Bemessung des Einbaus kann man durch diese Maßnahme eine Verbesserung der Verhältnisse gegenüber einem Silo ohne Einbau erreichen. So kann unter günstigen Umständen die Entmischung etwas reduziert werden (Annäherung an den Zustand Massenfluss, s. Kap. 13.2.3), und die Neigung zur Schachtbildung wird bei nicht zu ungünstigen Fließeigenschaften durch den größeren Fließquerschnitt reduziert. Es kann aber auch zu zusätzlichen Probleme kommen, z.B. wenn der Spalt zwischen Einbau und Trichterwand zu schmal ist und sich dort Brücken bilden. Grundsätzlich sollte daher der Gestaltung eines Trichters für Massenfluss der Vorzug gegeben werden. Auch der in der Zementindustrie verbreitete Zentralkegelsilo (Abb. 11.11.c) basiert auf einem kegelförmigen Einbau. Hier bilden Silowand und Kegel einen Trichter mit ringförmigem Auslaufschlitz. Dieser ist bei den Zementsilos mit Luftförderrinnen ausgelegt, die das Schüttgut aus dem Bereich des Ringspaltes unter den Kegel fördern, von wo aus das Schüttgut den Silo verlässt (s. Abschn. 12.3.2.8). Durch einen Kegel gebildete Ringspalte werden z.B. auch in Verbindung mit Räumarmen [11.7] oder Räumrädern genutzt (Abschn. 12.3.2.9). Beim Räumarm (Abb. 11.11.d; s. auch Abb. 12.25) rotiert der sichelförmige Räumarm am Siloboden, entnimmt dabei das Schüttgut aus dem Ringspalt und transportiert es zur zentralen Auslauföffnung. Auch hier ist die Neigung des Kegels so zu bemessen, dass Massenfluss eintritt. Der Kegel hat hier die Aufgabe, die am Siloboden wirkende Vertikalkraft und damit das Antriebsdrehmoment für den Räumarm zu reduzieren. Außerdem verhindert der Kegel unkontrolliertes Ausfließen des Schüttgutes. 11.3.1.3 Reduzierung von Spannungen
Im Füllzustand (nach dem Füllen eines leeren Silos) sind die Spannungen im unteren Trichterbereich relativ groß, während sich im Entleerungszustand deutlich geringere Spannungen einstellen (s. Kap. 9.1.2). Die großen Spannungen im Füllzustand sind aus zwei Gründen von Nachteil: • Die Vertikalspannung auf das Austraggerät ist im Füllzustand sehr groß, so dass das Austraggerät für eine entsprechende Antriebskraft ausgelegt werden muss [11.7,11.8].
340
11 Silogestaltung
• Die großen Vertikalspannungen führen zu einer gegenüber dem Entleerungszustand viel stärkeren Verfestigung des Schüttgutes, so dass die Gefahr der Brücken- und Schachtbildung zunimmt. Eine mögliche Maßnahme zur Reduzierung der Spannungen ist neben anderen [11.7] das Anbringen eines Einbaus (z.B. Entlastungsbalken) oberhalb der Auslauföffnung (z.B. wie in Abb. 11.10). Der Einbau reduziert die Auflast auf das unter dem Einbau lagernde Schüttgut, so dass sich im Füllzustand niedrigere Vertikalspannungen σv ergeben. Dies ist im Kap. 9.4.1.2 im Detail erläutert. 11.3.2 Trichterförmige Einbauten
Abb. 11.12. a. Silo mit Innentrichter; b. Pneumatischer Granulatmischer
Eine Lösung zum Erzielen von Massenfluss bei flacheren Trichterneigungen ist der als Binsert® [11.9] bekannte trichterförmige Einbau (Innentrichter, Abb. 11.12.a). Der Innentrichter ist wie ein konischer Trichter zu betrachten. Seine Neigung darf nicht größer sein als der maximale Neigungswinkel für Massenfluss Θax. Um auch im Bereich um den Innen-
11.3 Einbauten
341
trichter herum Massenfluss zu erreichen, darf die Neigung zwischen Innentrichter und Silotrichter ebenfalls nicht größer als Θax sein. Beim Einsatz eines trichterförmigen Einbaus ist neben einer Massenflussauslegung sicherzustellen, dass sich keine Schüttgutbrücken im Einbau bzw. im Ringspalt um den Einbau herum bilden. Daher lässt sich ein trichterförmiger Einbau bei sehr schlecht fließenden, zur Zeitverfestigung neigenden Schüttgütern kaum einsetzen. Der Innentrichter wird so ausgelegt, dass innen und außen etwa die gleiche Fließgeschwindigkeit herrscht. Man kann trichterförmige Einbauten aber auch durch Verändern der Verhältnisse der Querschnittsflächen am oberen und unteren Ende des Einbaus so gestalten, dass gezielt unterschiedliche Fließgeschwindigkeiten innerhalb und außerhalb des Einbaus erreicht werden. Hierdurch erreicht man eine Mischwirkung, die z.B. beim pneumatischen Granulatmischer [11.10] ausgenutzt wird (Abb. 11.12.b), indem Schüttgutbereiche, die oberhalb des Einbaus nebeneinander liegen, nacheinander am unteren Ende des Einbaus erscheinen. Das Schüttgut wird dann durch mehrfaches Rezirkulieren (pneumatische Aufwärtsförderung durch das zentrale Rohr) gemischt. 11.3.3 Rohrförmige Einbauten Rohrförmige Einbauten sind vor allem Entleerungsrohre (Abb. 11.13). Entleerungsrohre werden oberhalb der Auslauföffnung angeordnet und haben seitliche Öffnungen (Seitenöffnungen). Zieht man aus einem Entleerungsrohr Schüttgut mit nicht zu großem Massenstrom ab (Abb. 11.13.a), stellt sich im Entleerungsrohr Kolbenfluss ein. Das Schüttgut innerhalb des Entleerungsrohres kann man näherungsweise wie Schüttgut im Schaft eines Silos betrachten. Die maximal erreichbare Vertikalspannung ist (s. Kap. 9.2.1):
σ v∞ =
g ρ b D Rohr 4 λ tan ϕ x
(11.2)
DRohr ist der Innendurchmesser des Entleerungsrohrs. Die maximale Spannung σv∞ wird in der Regel schon weitgehend in einer Tiefe erreicht, die dem Zwei- bis Dreifachen des Rohrinnendurchmessers DRohr entspricht. Durch die Seitenöffnungen dringt bei Kolbenfluss kein Schüttgut in das Entleerungsrohr ein, obwohl im Silo außerhalb des Entleerungsrohres viel größere Spannungen herrschen. Die Erklärung hierfür liefert Abb. 11.14, in der ein Ausschnitt des Entleerungsrohrs gezeigt ist. Sollte Schüttgut in eine Seitenöffnung fließen, so würde sich außen vor der Seitenöffnung eine Fließzone ausbilden. In dieser würde das Schüttgut wie in einem Trich-
342
11 Silogestaltung
ter konvergent fließen, so dass sich ein passives Spannungsfeld mit den eingezeichneten Trajektorien der größten Hauptspannung ergäbe (ähnlich wie in der Fließzone eines Kernflusssilos, Kap. 9.1.2, Abb. 9.4.d).
Abb. 11.13. Funktionsweise von Entleerungsrohren; a. Kolbenfluss; b. beschleunigter Fluss [11.11]
Abb. 11.14. Verhältnisse an den Seitenöffnungen des Entleerungsrohrs bei Kolbenfluss, Fließzone mit Trajektorien der größten Hauptspannung
Die in Fließrichtung wirkende Spannung (σs in Abb. 11.14) wäre dann sehr klein im Verhältnis zur Vertikalspannung σv innerhalb des Entleerungsrohrs und daher nicht in der Lage, das Schüttgut im Entleerungsrohr zu verdrängen. Daher wird höchstens nach dem Füllen des Silos eine sehr geringe Menge Schüttgut durch alle Seitenöffnungen in das Entleerungsrohr
11.3 Einbauten
343
fließen. Sobald sich aber Verhältnisse wie in Abb. 11.14 eingestellt haben, kommt dieser Schüttgutfluss zum Erliegen. Danach fließt Schüttgut lediglich durch die höchste Seitenöffnung unterhalb des Schüttgutspiegels im Silo nach. Das Schüttgut fließt daher bei der Entleerung in einem Silo mit Entleerungsrohr bei Kolbenfluss nur in Bereichen geringer Spannungen, nämlich an der Schüttgutoberfläche im Silo und innerhalb des Entleerungsrohrs. Dagegen müsste das Schüttgut in demselben Silo ohne Entleerungsrohr unter sehr viel größeren Spannungen fließen. Es ist anzumerken, dass ein Entleerungsrohr Kernfluss erzeugt, wobei die Fließzone durch das Rohr vorgegeben ist. Daher sind Entleerungsrohre für Schüttgüter mit Zeitverfestigung weniger geeignet. Zieht man das Schüttgut schneller ab oder lässt man es ungehindert aus dem Silo ausfließen, reicht der durch die oberste Reihe von schüttgutbedeckten Seitenöffnungen in das Entleerungsrohr tretende Massenstrom nicht aus, um das Entleerungsrohr vollständig zu füllen. Dies führt dazu, dass das Schüttgut auch durch weiter unten gelegene Seitenöffnungen in das Entleerungsrohr fließt und der Kolbenfluss nur im unteren Teil des Entleerungsrohres entsteht. Im Extremfall des völlig ungehinderten Ausflusses fällt das Schüttgut im gesamten Entleerungsrohr nach unten und wird weiter beschleunigt, wodurch sich die Porosität (Anteil des Hohlraumvolumens) deutlich vergrößert. Damit ist Kolbenfluss nicht möglich, und das Schüttgut fließt durch viele oder gar alle seitlichen Öffnungen (abhängig von der Geometrie des Entleerungsrohrs) in das Entleerungsrohr (Abb. 11.13.b). Der Auslaufmassenstrom kann so gegenüber einem Silo ohne Entleerungsrohr bei gleichem Auslaufdurchmesser auf mehr als das Doppelte gesteigert werden [11.11]. Wird das Entleerungsrohr wie in Abb. 11.13.a betrieben (Kolbenfluss), lassen sich folgende Wirkungen erzielen:
• Empfindliche Schüttgüter werden weniger stark beansprucht (Verminderung von Abrieb) • Erschütterungen, die beim Entleeren eines Silos entstehen können, sind häufig proportional zu der bewegten Schüttgutmasse. Durch ein richtig dimensioniertes Entleerungsrohr (richtige Anordnung der Öffnungen) lassen sich diese Erschütterungen reduzieren [11.8,11.13,11.14] (s. Kap. 14.7.1). • Bei manchen Schüttgütern lässt sich mit Hilfe eines Entleerungsrohrs, durch das der Silo sowohl befüllt als auch entleert wird, eine Reduzierung der Entmischung erreichen [11.11] (s. Kap. 13.2.3). • Reduzierung der auf die Silowand wirkenden Spannungen [11.15– 11.17].
344
11 Silogestaltung
Zur Erläuterung des letzten Punktes zeigt Abb. 11.15.a einen Kernflusssilo. Die toten Zonen bilden einen Trichter, an dessen oberen Ende sich die am Übergang vom Siloschaft zum Trichter übliche Spannungsspitze ausbildet. Die Position der Spannungsspitze ist bei Kernflusssilos im Gegensatz zu Massenflusssilos, wo sie stets am Übergang vom Schaft zum Trichter auftritt, nicht vorhersagbar, da die Form der toten Zonen nicht berechenbar ist und außerdem variieren kann. Treten durch die Spannungsspitze Schäden an der Silowand auf, so ist eine Möglichkeit zur Sanierung der Einbau eines Entleerungsrohres, das in diesem Zusammenhang auch als „antidynamisches Rohr“ bezeichnet wird. Fließt das Schüttgut durch das Entleerungsrohr aus, bildet sich keine Spannungsspitze, da das Schüttgut im Schaft in Ruhe lagert und nur an der Oberfläche sowie im Entleerungsrohr in Bewegung ist (Abb. 11.15.b).
Abb. 11.15. a. Spannungsspitze durch tote Zone; b. Entleerungsrohr als „antidynamisches Rohr“ verhindert die Spannungsspitze.
Verschiedene Schwerkraftmischsilos bzw. Homogenisiersilos nutzen modifizierte Entleerungsrohre, um Schüttgut aus unterschiedlichen Bereichen des Silos abzuziehen und am Auslauf zusammenzuführen. Abbildung 11.16.a zeigt ein Mischsilo mit mehreren Entleerungsrohren [11.18,11.19], die unterschiedlich hoch angeordnete Seitenöffnungen haben. Andere Ausführungen haben ein zentral angeordnetes Mischrohr (Abb. 11.16.b), wobei die Seitenöffnungen mit in das Rohrinnere vorstehenden Dächern versehen werden. Hierdurch stört man den Kolbenfluss bzw. reduziert die Vertikalspannung oberhalb der Seitenöffnungen, da sich durch die nach innen vorstehenden Dächer der freie Querschnitt verengt und sich ähnlich
11.3 Einbauten
345
wie in einem Silotrichter lokal das passive Spannungsfeld ausbildet. Somit ist der in Abb. 11.14 gezeigte Mechanismus gestört und das Schüttgut kann durch alle Seitenöffnungen in das Entleerungsrohr fließen.
Abb. 11.16. Schwerkraftmischsilos [11.18,11.19]; a. mehrere Entleerungsrohre; b. zentrales Entleerungsrohr
12 Schüttgutaustrag
Bei einfachen Anwendungen kann es ausreichend sein, das Schüttgut frei aus einem Silo oder Trichter ausfließen zu lassen. Hier ist vor allem der zu erzielende Massenstrom von Interesse. Häufig ist aber eine kontrollierte Entnahme des Schüttgutes notwendig, wozu Austraggeräte eingesetzt werden. Austraggeräte sind entweder Fördergeräte, die für die Anforderungen als Austraggerät modifiziert wurden, oder spezielle Geräte, die das Schüttgut nicht nur austragen, sondern auch zum Fließen innerhalb des Silos anregen. Damit übernehmen sie zum Teil die Aufgabe von Austraghilfen, die vornehmlich dazu dienen, den Schüttgutfluss im Silo anzuregen (z.B. bei Brücken- oder Schachtbildung) oder zu verbessern (z.B. Ändern des Fließprofils von Kernfluss in Massenfluss). Die Abgrenzung zwischen Austraghilfen und Austraggeräten wird hier anhand der überwiegenden Funktion vorgenommen. Zu den Austraghilfen werden im weiteren Sinne auch die Änderung der Fließeigenschaften (z.B. durch Zugabe eines Fließhilfsmittels, Kap. 7.2.2) und Siloeinbauten (z.B. Innentrichter zum Erzielen von Massenfluss, Kap. 11.3) gerechnet. Dieses Kapitel beschränkt sich auf diejenigen Austraghilfen, die am oder im Silo angebracht werden und das Schüttgut unter Energieaufwand in Bewegung bringen.
12.1 Freier Auslauf und maximaler Massenstrom Bei freiem Auslauf eines Schüttgutes aus der Auslauföffnung eines Silos oder Trichters stellt sich ein Massenstrom ein, der von einer Reihe von Parametern abhängt, z.B. von der Auslaufgröße und Auslaufform, von der Trichterneigung bzw. bei Kernfluss von der Form der toten Zonen, und von den Schüttguteigenschaften [12.1,12.2]. Freier Auslauf stellt sich auch bei Verwendung von Austraggeräten ein, wenn diese so betrieben werden, dass der Sollwert des Massenstroms größer ist als der bei freiem Auslauf erzielbare maximale Massenstrom. Bei feinkörnigen Schüttgütern ist der Einfluss der Luftströmung zu beachten [12.3–12.9]. Im Schaft des Silos nimmt die Spannung nach unten
348
12 Schüttgutaustrag
hin zu, so dass das Schüttgut beim Herabfließen (und gleichzeitigem Nachfüllen es Silos) verdichtet wird und ein Gasüberdruck pe > 0 entsteht (Abb. 12.1). Je nach den Randbedingungen (Durchströmungswiderstand des Schüttgutes, Absinkgeschwindigkeit, Nachfüllen des Silos etc.) wird dabei mehr oder weniger Gas durch das Schüttgut nach oben strömen. Da die Spannungen im Trichter nach unten hin abnehmen (s. Abb. 12.1), kommt es zur Auflockerung des nach unten fließenden Schüttgutes (Abnahme der Schüttgutdichte ρb) und damit zu einer Vergrößerung der Hohlräume zwischen den Partikeln (Zunahme der Porosität ε). Das Gas in den Hohlräumen dehnt sich aus, so dass ein Unterdruck entsteht (pe < 0, Abb. 12.1). Der Unterdruck bewirkt eine Gasströmung. Bei hinreichend großen Füllhöhen wird ein Großteil des Gases von der Auslauföffnung her in das Schüttgut im Trichterbereich strömen, da der Durchströmungswiderstand der Schüttgutsäule oberhalb des Trichters deutlich größer ist. Der Druckgradient wirkt im unteren Trichterbereich der Schwerkraft entgegen, so dass es zu einer Verminderung des Auslaufmassenstroms kommt. Häufig ist auch ein pulsierendes Ausfließen ähnlich dem Ausgießen einer mit dem Hals nach unten gehaltenen Flasche zu beobachten. Ebenso ungünstig wie ein Unterdruck im Trichter wirkt sich ein Überdruck unmittelbar unter dem Siloauslauf aus, der z.B. beim Beschicken einer pneumatischen Förderung entstehen kann. Überdruck am Auslauf ist daher unbedingt zu vermeiden, z.B. durch Einsatz von Schleusen (z.B. Zellenradschleusen, Kap. 12.3.2.7).
Abb. 12.1. Qualitative Verläufe von größter Hauptspannung σ1, Schüttgutdichte ρb und Gasüberdruck pe über der Höhenkoordinate z beim Ausfließen eines feinkörnigen Schüttgutes aus einem Massenflusssilo (Annahme: vor Beginn des Schüttgutabzugs herrschte im gesamten Silo Umgebungsdruck, als pe = 0)
12.1 Freier Auslauf und maximaler Massenstrom
349
Welche Schüttgüter als feinkörnig oder grobkörnig im Sinne Ihres Verhaltens beim Ausfließen bezeichnet werden können, kann man grob dem Geldart-Diagramm entnehmen (s. Kap. 7.2.4, Abb. 7.22). Geldart teilte trockene Schüttgüter hinsichtlich Ihres Verhaltens bei Gasdurchströmung in vier Produktgruppen A bis D ein. Durch Gasströmung kann vor allem das Verhalten der Produkte der Gruppe A beeinflusst werden. Dies sind leicht zu fluidisierende, feinkörnige Schüttgüter, die aber noch nicht so feinkörnig sind, dass die Haftkräfte dominieren. 12.1.1 Abschätzung des Auslaufmassenstroms grobkörniger Schüttgüter Die Vielfalt der Einflussgrößen macht es unmöglich, Auslaufmassenströme genau vorherzusagen. In der Literatur gibt es zahlreiche Gleichungen, die teils empirisch, teils dimensionsanalytisch gewonnen wurden [12.1, 12.2,12.10]. Viele Beziehungen basieren auf einer Analogiebetrachtung zum Ausfließen von Flüssigkeiten aus einem oben offenen Behälter der Füllhöhe h unter Schwerkraft. Hier ist die Ausflussgeschwindigkeit w nach der bekannten Gleichung nach Torricelli (reibungsfrei):
w = 2 gh
(12.1)
Beim Schüttgut ist die Spannung („Druck“) an der Auslauföffnung aber nicht proportional zur Füllhöhe h, sondern zum Durchmesser d der Auslauföffnung. Damit ergibt sich für die Ausflussgeschwindigkeit w:
w ∝ gd
(12.2)
Den Massenstrom erhält man durch Multiplikation der Ausflussgeschwindigkeit mit der Querschnittsfläche A des Schüttgutstroms und der Schüttgutdichte ρb: m& = A ⋅ ρb ⋅ w ∝ A ⋅ ρb ⋅ gd ∝ ρb ⋅ g ⋅ d 2,5
(12.3)
Schon 1852 fand Hagen [12.11], dass der Wert d vermindert werden muss, da die Querschnittsfläche des ausfließenden Schüttgutes kleiner als die Fläche der Auslauföffnung ist. Daher wird der Durchmesser d um einen der Partikelgröße x proportionalen Wert kx reduziert:
m& ∝ ρb ⋅ g ⋅ (d − kx )2,5
(12.4)
350
12 Schüttgutaustrag
Dies ist die Grundstruktur vieler Gleichungen zur Abschätzung des Auslaufmassenstroms für hinreichend grobe, kohäsionslose Schüttgüter. Einige bewährte Beziehungen werden nachfolgend erläutert. Beverloo [12.12] fand für kreisrunde Auslauföffnungen und grobkörnige Schüttgüter folgenden Ansatz:
m& = Cρ b g (d − kx )2,5
(12.5)
Darin sind C und k Anpassungsgrößen. Für verschiedene Versuchsgüter ergab sich ein Bereich von etwa C = (0,55 … 0,65) und k = (1,5 … 3,0). Einen ähnlichen Ansatz gibt das British Materials Handling Board [12.13,12.14] für grobkörnige (weniger als 3% < 250 µm), frei fließende Schüttgüter in Massenflusstrichtern an, wobei sowohl runde als auch rechteckige Auslauföffnungen berücksichtigt werden: Runde Auslauföffnungen (Durchmesser d):
m& = 0,58 ρ b g (d − kx )2,5 k Θ
(12.6)
Langgestreckte rechteckige Auslauföffnungen (Breite b, Länge L > 3b):
m& = 1,03ρ b g (L − kx )(b − kx )1,5 k Θ
(12.7)
In den Gln. (12.6) und (12.7) wird k in Abhängigkeit von der Partikelform eingesetzt, und zwar k = 1,6 für runde und k = 2,4 für nicht runde Partikel. Die Trichterneigung Θ wird durch kΘ berücksichtigt: kΘ = (tanΘ)-0,35 für Trichterneigungswinkel Θ < 45° kΘ = 1 für Θ ≥ 45°. Öffnungen in geneigten und vertikalen Wänden erlauben gegenüber Bodenöffnungen nur kleinere Massenströme. Für kreisrunde Öffnungen in dünnen vertikalen Wänden ergibt sich etwa ein Drittel des Massenstroms nach Gl.(12.5) [12.15]. Eine Beziehung zum Abschätzen des Massenstroms unter Berücksichtigung der Fließfähigkeit kohäsiver Schüttgüter publizierte Johanson [12.14, 12.23]. 12.1.2 Auslaufmassenstrom feinkörniger Schüttgüter Bei feinkörnigen Schüttgütern spielt wie oben dargelegt der Druck (Druck bezeichnet hier den Gasdruck; nicht zu verwechseln mit der Spannung im Schüttgut) im Trichter eine große Rolle, so dass die Gln. (12.5) bis (12.7) nicht anwendbar sind. Der Einfluss des Drucks und der durch ihn hervor-
12.1 Freier Auslauf und maximaler Massenstrom
351
gerufenen Gasströmung ist in Nähe des Auslaufs am stärksten, da dort der größte Druckgradient dp/dz herrscht (s. Abb. 12.1) [12.9,12.16]. Bei Unterdruck im Trichter wirkt der Druckgradient der Schwerkraft entgegen (dp/dz < 0) und reduziert so den Auslaufmassenstrom. Der Einfluss des Druckgradienten lässt sich in Gl.(12.5) wie folgt berücksichtigen:
m& = Cρb g +
1 dp
ρb dz
(d − kx )2.5
(12.8)
Der Druckgradient am Auslauf ist kaum vorhersagbar. Man benötigt genaue Angaben zur Porosität und zum Durchströmungswiderstand, die aber wegen der Inhomogenität des Schüttgutes schwer zu ermitteln sind. Gleichwohl findet man in der Literatur Berechnungsgleichungen auf der Basis von Verdichtbarkeit und Durchströmungswiderstand des Schüttgutes (z.B. [12.17–12.19]). Allerdings können sich die Druckverhältnisse im Schüttgut zeitlich ändern (s. weiter unten in diesem Kapitel), was den Massenstrom beeinflusst. Bei freiem Auslauf kohäsiver Schüttgüter können sich je nach den Druckverhältnissen dynamische Brücken bilden, die im Trichter nach oben wandern und dort verharren. Von der Unterseite der Brücke regnen dabei Einzelpartikel nach unten, während sich das Schüttgut oberhalb der Brückenunterseite langsam nach unten schiebt (Abb. 12.2) [12.20,12.21]. Der erreichbare Massenstrom ist dann unabhängig von der tatsächlichen Auslaufgröße. Vom Verfasser wurden auch schon dynamische Brücken beobachtet, die im Trichter nach oben wanderten und dann plötzlich zusammenbrachen. Dabei füllte sich der Hohlraum unterhalb der dynamischen Brücke sehr schnell mit Schüttgut, was dort zu einem großen Gasüberdruck, zur intensiven Belüftung des Schüttgutes und zum Schießen (schnelles, ungebremstes Ausfließen des Schüttgutes) führte.
Abb. 12.2. Dynamische Brücke eines kohäsiven Schüttgutes bei maximalem Auslaufmassenstrom (nach [12.20]; Partikel stark vergrößert dargestellt).
352
12 Schüttgutaustrag
Um den Auslaufmassenstrom auch bei feinkörnigen Schüttgütern zu steigern, muss der Druckgradient am Auslauf reduziert werden. Dies lässt sich erreichen, indem der Auslauf hinreichend vergrößert wird (auf Abmessungen oberhalb der Spannweite der dynamischen Brücke) oder Gas im Trichter zugeführt wird [12.21,12.22]. Beim Vergrößern des Auslaufs nehmen Spannung und Schüttgutdichte zum Auslauf hin weniger stark ab (s. Verlauf der Spannung in Abb. 12.1), so dass sich das Schüttgut weniger ausdehnt und der Gasdruck weniger abnimmt. Ein Beispiel zur Gaszufuhr zeigt Abb. 12.3 [12.21]. Beim Schüttgutabzug aus einem Silo zur Lagerung von Anthrazitstaub zeigte sich, dass ein bestimmter Massenstrom nicht überschritten werden konnte. Das Schüttgut regnete an der Unterseite der Schüttgutfüllung auf den Gurt, was zur Staubentwicklung führte (Abb. 12.3.a). Abhilfe schaffte ein System zur Luftzufuhr innerhalb des Trichters, durch das bei einem Massenstrom von bis zu 3,2 t/h ein Luftvolumenstrom von bis zu 3 dm3/min zugegeben wurde (Abb. 12.3.b). Dies entspricht nur etwa 0,056 m3 Luft pro Tonne Schüttgut und liegt etwa in der Größenordnung der Volumenzunahme des Schüttgutes beim Herabfließen im Trichter.
Abb. 12.3. Silo für Anthrazitstaub vor (a) und nach (b) Einbau eines Systems zur Luftzugabe (nach [12.21]).
Die Zugabe zu großer Gasmengen in den Trichter ist im Beispiel von Abb. 12.3 unbedingt zu vermeiden, da dies einen Gasüberdruck im Schüttgut hervorrufen würde. Damit wäre der Druckgradient dp/dz in Gl.(12.8) grö-
12.1 Freier Auslauf und maximaler Massenstrom
353
ßer als Null und würde den Auslaufmassenstrom vergrößern, wobei es auch zum unkontrollierten Ausfließen des belüfteten Schüttgutes (Schießen) kommen könnte. Lässt sich das unkontrollierte Ausfließen verhindern, z.B. durch eine Zellenradschleuse an der Auslauföffnung, oder ist ein möglichst großer Auslaufmassenstrom erwünscht, kann auch das Zuführen großer Gasmengen im Trichter und das Erzeugen eines Gasüberdrucks im Schüttgut (z.B. Drucksendegefäße bei der pneumatischen Förderung) eine geeignete Maßnahme zur Erzielung hinreichend großer Auslaufmassenströme sein. Gasüberdruck kann im Trichter auch ungewollt entstehen, wenn die Verweilzeit eines feinkörnigen Schüttgutes im Silo zu kurz ist. Nach dem Einfüllen befindet sich das Schüttgut zunächst an der Oberfläche der Silofüllung, wo die Spannungen klein sind. Wird weiteres Schüttgut eingefüllt, wird das darunter lagernde Schüttgut durch die zunehmende Spannung verdichtet, so dass der Gasüberdruck steigt. Die Zeitspanne, in der sich der Gasüberdruck abbauen kann, hängt vor allem von der Durchströmbarkeit des Schüttgutes, dem Massenstrom beim Einfüllen und der Siloform ab. Wird Schüttgut abgezogen, bevor sich der Gasüberdruck hinreichend abgebaut hat, gelangt Schüttgut mit Gasüberdruck bis in den Trichter. Das Gas strömt dann mit dem Schüttgut in Richtung zur Auslauföffnung, was bei hinreichend großen Gasgeschwindigkeiten bis zum Schießen des Schüttgutes führen kann. Besonders ungünstig sind in diesem Zusammenhang Kernflusssilos, da hier das frisch eingefüllte Gut schneller zum Auslauf gelangt als in einem Massenflusssilo gleichen Volumens. Der beschriebene Prozess tritt besonders bei Silos auf, in denen große Mengen feinkörnigen Schüttgutes umgeschlagen werden. Dies soll am Beispiel eines Silos zur Lagerung von Feinerz gezeigt werden, dessen Dimensionen Abb. 12.4.a zeigt [12.3]. Unter dem Auslaufschlitz befindet sich ein nicht dargestelltes Austraggerät. Im Diagramm in Abb. 12.4.b ist der Gasüberdruck im Silo für verschiedene relative Auslaufmassenströme m& rel = m& /m ges gezeigt, und zwar für relative Massenströme entsprechend einem Austrag von 100%, 300% und 600% der Gesamtmasse mges der Silofüllung pro Stunde bei gleichzeitigem Nachfüllen des Silos. Bei einem relativen Massenstrom von 100% nimmt der Gasüberdruck pe im Siloschaft nach unten hin zu, da sich das Schüttgut zunehmend verdichtet. Im Trichter nimmt der Druck wegen der Ausdehnung des Schüttgutes wieder ab und wird sogar leicht negativ (Unterdruck). An der Auslauföffnung herrscht hier ein negativer Druckgradient, d.h. die Luft strömt dem Schüttgut entgegen. Bei den beiden größeren relativen Massenströmen (300%, 600%) entstehen dagegen deutlich größere Gasüberdrücke pe im Schüttgut, da wegen der größeren Absinkgeschwindigkeit bzw. der kürzeren Verweilzeit des
354
12 Schüttgutaustrag
Schüttgutes im Silo nicht genug Zeit zum Entlüften bereitsteht, und da sich das Schüttgut schneller nach unten bewegt als die Luft durch das Schüttgut nach oben strömen kann. Trotz der Ausdehnung des Schüttgutes im Trichter bleibt auch dort ein deutlicher Gasüberdruck bestehen, der zu einem großen positiven Druckgradienten dp/dz und damit zu großen Gasgeschwindigkeiten in Auslaufnähe führt. Erreicht die Gasgeschwindigkeit die Größenordnung der Lockerungsgeschwindigkeit des Schüttgutes, kommt es zum Schießen. Abhilfe ohne Verringerung des Massenstroms könnte man hier dadurch schaffen, dass im Bereich des größten Gasdrucks Luft aus dem Silo abgeführt wird, z.B. durch Einbauten wie in Abb. 12.3.b.
Abb. 12.4. a. Silo für Feinerz; b. Gasüberdruck pe bei unterschiedlichen relativen Massenströmen nach Erreichen stationärer Verhältnisse beim Entleeren mit gleichzeitigem Nachfüllen (nach [12.3]).
Aus den Beispielen für durch das fließende Schüttgut hervorgerufene Gasdrücke wird deutlich, dass beim Ausfließen von feinkörnigen Schüttgütern Probleme sowohl durch Gasunterdruck als auch durch Gasüberdruck entstehen können. Darüber hinaus können sich die Druckverhältnisse in einem Silo auch zeitlich ändern, z.B. durch wechselnde Füllhöhen und veränderliche Befüll- und Entnahmezyklen. Bei sehr feinen und kohäsiven Schüttgütern, die der Gruppe C im Geldart-Diagramm angehören (Kap. 7.2.4, Abb. 7.22), treten mit wachsendem
12.2 Austraghilfen
355
Abstand von Gruppe A Probleme aufgrund von Gasdrücken seltener auf, da diese Schüttgüter bei Gasdurchströmung zur Kanalbildung neigen. Aufgrund der starken Wirkung der Haftkräfte bilden sich relativ stabile zusammenhängende Schüttgutbereiche, zwischen denen das Gas durch Spalten und Risse (Kanäle) schnell abströmen kann. Außerdem benötigen die sehr kohäsiven Produkte der Gruppe C zur Vermeidung von Fließproblemen größere Auslauföffnungen als die besser fließenden Produkte der Gruppe A, was zu geringeren Ausfließgeschwindigkeiten des Schüttgutes und höheren Spannungen (= Schüttgut lockert sich weniger auf) im unteren Trichterbereich führt.
12.2 Austraghilfen Austraghilfen, die das Schüttgut unter Energieeintrag zum Fließen anregen, lassen sich grob in folgende zwei Gruppen unterteilen:
• Pneumatische Austraghilfen (z.B. Einblasen von Luft) • Mechanische Austraghilfen (z.B. Klopfer, Rührwerke, Rüttler) 12.2.1 Pneumatische Austraghilfen Pneumatische Austraghilfen (Abb. 12.5) bringen das Schüttgut durch das Einblasen von Luft in Bewegung. Bei den Systemen in den Abb. 12.5.a bis 12.5.e wird die Luft während des Schüttgutaustrags mit kleinen Geschwindigkeiten kontinuierlich in den Silo eingeblasen. Dies kann wie in Abb. 12.5.a durch poröse Trichterwände geschehen, aber auch durch im Trichter anzuordnende Belüftungselemente wie in den Abb. 12.5.b bis 12.5.e. Bei den Belüftungskästen und Luftauflockerungskissen gelangt die Luft durch eine poröse Fläche aus Tuch oder Sintermaterial in das Schüttgut. Belüftungspfeifen blasen die Luft parallel zur Wand in das Schüttgut, um so einen möglichst großen Bereich um die Belüftungspfeife herum zu aktivieren. Bei den vibrierenden Belüftungsdüsen wird eine flexible Kappe gegen die Silowand gedrückt. Die Luft gelangt zwischen Wand und Kappe in den Silo und bringt die Kappe dadurch zum Schwingen, d.h. das Schüttgut wird zusätzlich zur Luftströmung durch Vibration angeregt. Die in den Silo eingeblasene Luft verursacht örtlich einen Überdruck. Dadurch entsteht eine Gasströmung in Richtung geringeren Druckes, z.B. zur Auslauföffnung oder der Oberfläche der Silofüllung, wo Umgebungsdruck herrscht. Dabei folgt der größte Teil der Luft dem Weg mit dem geringsten Strömungswiderstand. Wenn die Füllhöhe im Silo hinreichend
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12 Schüttgutaustrag
groß ist und die Luft im unteren Trichterbereich eingeblasen wird (was häufig der Fall ist), wird der größte Teil der eingeblasenen Luft zur Auslauföffnung strömen. Damit übt die Gasströmung zusätzliche Kräfte auf das Schüttgut in Richtung zur Auslauföffnung aus, so dass die Wandreibung überwunden sowie Schachtwände und Schüttgutbrücken zerstört werden können. Weiterhin kann die Luftströmung den Schüttgutfluss in Richtung zur Austragöffnung unterstützen, was anhand der Wirkung eines Gasüberdrucks im Trichter im Kap. 12.1.2 erläutert wurde. Diese Art der Belüftung ist vor allem bei Schüttgütern der Gruppe A und angrenzender Bereiche sinnvoll (s. Geldart-Diagramm, Abb. 7.22). Um bei deutlich gröberen Partikeln die gewünschte Wirkung zu erreichen, wären sehr große Luftgeschwindigkeiten und damit unwirtschaftlich große Luftmengen notwendig [12.14]. Aber auch bei sehr kohäsiven Schüttgütern (Gruppe C) kann das Einblasen von Luft problematisch sein, da diese Schüttgüter zur Kanalbildung neigen, d.h. im Schüttgut (z.B. in der Wand eines Schachtes) bilden sich Spalte, durch die die Luft entweicht, während das übrige Schüttgut in Ruhe verharrt.
Abb. 12.5. Pneumatische Austraghilfen (Beispiele); a. Poröser Trichter; b. Belüftungskasten; c. Luftauflockerungskissen: d. Belüftungspfeife; e. Vibrierende Belüftungsdüse; f. Luftkanone
12.2 Austraghilfen
357
Die Wirkung der Luft zur Zerstörung einer Schüttgutbrücke ist im Kap. 7.2.4 erläutert (Abb. 7.21). Durch das Einblasen von Luft erzeugt man eine Luftströmung durch die Auslauföffnung nach unten, die eine zusätzliche Kraft auf eine Schüttgutbrücke ausübt und sie dadurch zerstören kann. Die optimale Position der Lufteinblasstellen (z.B. bei Vorrichtungen gemäß Abb. 12.5.b bis e) ist dicht oberhalb der möglichen Schüttgutbrücke, da so der Durchströmungswiderstand begrenzt wird (Energieaufwand) [12.24].
Abb. 12.6. Zur Wirkung der Luft auf das Fließprofil
Die Wirkung der Luft zur Veränderung des Fließprofils sollte nicht überschätzt werden. In einem Kernflusstrichter, in den Luft weit entfernt von der Auslauföffnung eingeblasen wird (Abb. 12.6), ist die Wirkung der Luft unmittelbar an der Auslauföffnung (Bereich A) sicherlich gegeben, z.B. um dort eine Brücke zerstören und den Schüttgutfluss zu initiieren. Jedoch wird das dort ausgetragene Schüttgut vorzugsweise durch von oben aufgrund der Schwerkraft nachfließendes Schüttgut (Bereich B) ersetzt werden. Möglich erscheint auch eine Vergrößerung der Fließzone (Bereich B) durch von der Lufteinblasstelle durch die tote Zone (Bereich C) in die Fließzone strömende Luft. Dagegen wird es erfahrungsgemäß kaum zu einem Transport von Schüttgut aus dem Bereich C über größere Strecken entlang der Trichterwand kommen, lediglich dicht an der Auslauföffnung wird der Schüttgutfluss an der Trichterwand aktiviert werden. Dies gilt auch bei Verwendung von porösen Trichtern mit zu großem Durchmesser (Abb. 12.5.a): Auch wenn die gesamte Trichterfläche mit Druckluft beaufschlagt wird, strömt der größte Teil der Luft in Auslaufnähe aus, da dort der Durchströmungswiderstand zur Auslauföffnung hin am geringsten ist. Aus diesen Überlegungen folgt, dass es unwahrscheinlich ist, mit Hilfe des Lufteinblasens in einem größeren Kernflusstrichter eine Schüttgutbewegung an der Wand zu erreichen. Außerdem wären die hierzu notwendigen Luftmengen so groß, dass es zum unkontrollierten Ausfließen oder gar
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12 Schüttgutaustrag
zum Fluidisieren des Schüttgutes im Siloschaft kommen kann [12.24]. Eine quantitative Aussage hierzu ist nicht möglich, denn der Effekt hängt vom Schüttgut, von der Luftmenge und der Größe des Trichters ab. Tendenziell wird man in kleinen Trichtern (bei hinreichenden Luftmengen) mehr Erfolg haben. Neben der kontinuierlichen Belüftung des Schüttgutes besteht die Möglichkeit, in einem Druckbehälter komprimierte Luft (Volumen ca. 2 bis 500 Liter; Druck bis ca. 10 bar) schlagartig über Düsen in das Siloinnere einzuleiten. Entsprechende Austraghilfen (Abb. 12.5.f) werden als Luftkanonen oder Luftstoßgeräte bezeichnet (Übersicht und Anwendungen s. [12.25]). Der von der Luftkanone erzeugte Druckstoß erzeugt eine Spannungswelle in der Schüttgutstruktur, die sich schneller ausbreitet als die Luftdruckwelle, die sich in den Poren des Schüttgutes fortsetzt. Schon die Spannungswelle kann zur Zerstörung von Schüttgutbrücken oder Schachtwänden führen [12.26–12.28]. Im Gegensatz zum langsamen Einblasen von Luft können Luftkanonen auch für gröbere Schüttgüter (z.B. bei Fließproblemen aufgrund von Zeitverfestigung) eingesetzt werden, da wegen der schlagartigen Einleitung der Luft auch bei dem geringeren Durchströmungswiderstand grober Schüttgüter noch eine Wirkung zu erzielen ist. Auch bei der Lagerung schwer fließender Schüttgüter in größeren Silos wird man Luftkanonen wählen, da sie eine größere Reichweite als die Vorrichtungen zum langsamen Einblasen von Luft haben. Beim Einsatz von Luftkanonen ist zu bedenken, dass diese bei nicht sachgemäßer Bedienung und Auslegung auch Probleme verursachen können (Staubentwicklung durch große Luftmenge; starke örtliche Beanspruchung der Silowände durch Druckstoß [12.29] vor allem dann, wenn das Schüttgut nicht ausweichen kann; Belastung des Trichters oder Austraggeräts durch plötzliches Herabfallen großer Schüttgutmengen). Ein häufiger Einsatzfall ist die Sanierung von Silos, die Fließprobleme zeigen und bei denen keine anderen Umbaumaßnahmen möglich oder sinnvoll sind. Bei neu zu konzipierenden Silos sind Luftkanonen dann sinnvoll, wenn Schüttgüter mit ausgeprägter Zeitverfestigung zu lagern sind. 12.2.2 Mechanische Austraghilfen Die einfachsten Arten der mechanischen Austraghilfen sind Stocherlöcher, durch die Schüttgutbrücken oder Schächte mittels Lanzen zerstört werden, und das Schlagen mit einem Hammer gegen die Silowand. Die Weiterentwicklung dieser beiden grundlegenden Methoden sind Klopfer und Rührwerke. Abbildung 12.7 zeigt als Beispiel ein oberhalb einer Zellenrad-
12.2 Austraghilfen
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schleuse angebrachtes Rührwerk, das dafür sorgt, dass das Schüttgut über dem ganzen Auslaufquerschnitt in Bewegung gebracht wird. Rührwerke mit horizontaler Achse werden z.B. in Schneckendosierern eingesetzt, damit das häufig kohäsive Schüttgut in den schmalen Schneckentrog fließt. Grundsätzlich gilt, dass der Durchmesser von Rührern begrenzt ist, da das Antriebsdrehmoment überproportional mit dem Durchmesser steigt.
Abb. 12.7. Horizontalzellenradschleuse mit Rührwerk [12.30]
Abb. 12.8. Vibrierender Einbau [12.14]
Auch Rüttler sind mechanische Austraghilfen, da sie wie Klopfer Schwingungen in die Silowand einleiten, aber bei höheren Frequenzen arbeiten. Zu den Rüttlern gehören alle Arten von Schwingungserregern, die die Silowand oder spezielle, meist käfigartige Einbauten (z.B. Abb. 12.8) örtlich zu Schwingungen anregen. Die Schwingungen an der Silowand erleichtern die Überwindung der Wandreibung. Weiterhin helfen die Schwingungen, die Fließgrenze zu erreichen, so dass bei richtiger Dimensionierung Schüttgutbrücken und Schächte zerstört werden. Die Dimensionierung von
360
12 Schüttgutaustrag
an der Trichterwand montierten Rüttlern ist aber schwierig, da die Eigenschaften der Silostruktur berücksichtigt werden müssen (z.B. Wandstärke), und ein Trichter gerade in der Spitze, wo sich bevorzugt Brücken bilden, besonders steif ist. Bei vibrierenden Einbauten ist sicherzustellen, dass diese nicht als Fließhindernis oder Ausgangspunkt für tote Zonen wirken (zumindest, wenn sie nicht eingeschaltet sind). Die Wirkung von Vibrationen ist nach [12.31] bei Frequenzen oberhalb 100 Hz am besten. Dabei ist davon auszugehen, dass die Wirkung mit zunehmender Feinheit und Verdichtbarkeit des Schüttgutes abnimmt, da dies zu einer zunehmenden Dämpfung der eingetragenen Schwingungen führt. 12.2.3 Einsatz von Austraghilfen Für alle Austraghilfen gilt, dass diese nur während des Schüttgutabzugs betätigt werden sollten. Eine Schwingungsanregung des in Ruhe lagernden Schüttgutes kann wie auch Rühren, Klopfen oder fortwährendes Auslösen von Luftkanonen zu einer weiteren Verfestigung und damit zu Auslaufschwierigkeiten führen.
Abb. 12.9. Einsatz von Austraghilfen am Beispiel von Luftkanonen
Die Austraghilfen sind so anzubringen, dass sie ihre Wirkung dort entfalten, wo das Problem entsteht, im Fall von Brückenbildung also im Bereich der Schüttgutbrücken bzw. bei pneumatischen Austraghilfen auch etwas oberhalb dieser. Bei schwerwiegenden Fließproblemen, also bei starker Verfestigung des Schüttgutes mit Bildung von Brücken oder Schächten großer Durchmesser, wird man Austraghilfen in einem größeren Bereich des Trichters benötigen (Abb. 12.9). Außerdem wird man hier wegen ihrer im Vergleich zu anderen Austraghilfen großräumigen Wirkung meist zu Luftkanonen greifen. Hier ist es sinnvoll, diese kurz nacheinander von unten nach oben zu betätigen. Dadurch wird eine Schüttgutbrücke von unten
12.3 Austraggeräte
361
her stückweise zerstört (Abb. 12.9). Dieses hat die Vorteile, dass das Schüttgut in kleinen Mengen nach unten fällt und sich in der Trichterspitze ein Materialpolster bildet, das die Gefahr der Zerstörung des Austraggeräts vermindert. Weiterhin kann das durch die Austraghilfen beanspruchte Schüttgut bei dieser Vorgehensweise leicht nach unten in vorhandene Hohlräume ausweichen. Besteht diese Möglichkeit des Ausweichens nicht, kann sich das Schüttgut in Nähe der Austraghilfen weiter verfestigen. Abgesehen von den Luftkanonen erscheinen Austraghilfen vor allem zur Beseitigung kleinerer Fließprobleme in nicht zu großen Silos oder Trichtern geeignet, denn:
• Belüftungselemente (Abb. 12.5.b bis e) haben nur eine begrenzte Reichweite, so dass man für größere Probleme (z.B. große Schüttgutbrücken) sehr viele Einheiten und sehr viel Luft benötigen würde. Belüftete Trichterwände (Abb. 12.5.a) können nicht beliebig groß ausgeführt werden. • Die Wirkung von an der Silowand befestigten Klopfern und Rüttlern ist vom Schwingungsverhalten der Silostruktur (z.B. Wandmaterial, Wanddicke) und des Schüttgutes (z.B. Dämpfung) abhängig. Damit sind sie vor allem bei kleinen, dünnwandigen Metallsilos anwendbar. • Die Größe von Rührern ist wegen der stark mit dem Durchmesser wachsenden Belastung begrenzt. Die Verwendung von Austraghilfen kann auch Nachteile nach sich ziehen, z.B. unregelmäßigen Schüttgutfluss durch einstürzende Brücken und Schächte, Schießen des Schüttgutes durch eingetragene Luft (pneumatische Austraghilfen), Verfestigung des Schüttgutes bei unsachgemäßer Bedienung der Austraghilfen. Bei Neuanlagen ist daher eine Anpassung des Silos an die Schüttguteigenschaften vorzuziehen, so dass Austraghilfen nicht benötigt werden. Bei starker Zeitverfestigung kann der Einsatz von Austraghilfen aber auch sinnvoll sein, um die Größe des Austraggerätes zu begrenzen (s. Kap. 12.4).
12.3 Austraggeräte Typische Austraggeräte sind bekannte Geräte wie z.B. Gurtförderer, Plattenbänder, Trogkettenförderer, Schwingrinnen, Zellenradschleusen und Schneckenförderer, die unterhalb der Auslauföffnung eines Silos angeordnet werden. Absperrorgane wie z.B. Flach- oder Muschelschieber werden ebenfalls den Austraggeräten zugeordnet, da auch sie eine Regulierung des Auslaufmassenstromes erlauben.
362
12 Schüttgutaustrag
12.3.1 Regeln zur Gestaltung hinsichtlich Massenfluss Um Massenfluss in einem Silo zu erhalten, muss neben einer geeigneten Trichtergestaltung (Kap. 11.2) auch dafür Sorge getragen werden, dass das Schüttgut im Bereich der gesamten Auslauföffnung abgezogen wird. Bei der Gestaltung eines Austraggeräts sind daher folgende Regeln, die anschließend erläutert werden, zu beachten: 1. Jegliche Flächen, deren Neigung nicht steil genug ist, um Massenfluss zu erreichen, und von denen ausgehend sich tote Zonen bilden, sind zu vermeiden. 2. Das Austraggerät muss in der Lage sein, über der gesamten Auslauföffnung Schüttgut abzuziehen. 12.3.1.1 Regel 1
Innerhalb von Austraggeräten sollten sich keine Bereiche befinden, die so flach sind, dass sich dort tote Zonen aufbauen können. Ein Beispiel dafür ist die in Abb. 12.10.a gezeigte Doppelklappe. Jeweils auf der Seite mit der geschlossenen Drehklappe bildet sich dort aufgrund der zu flachen Neigung eine tote Zone aus. Eine Alternative stellt die Ausführung in Abb. 12.10.b dar. Hier findet die Verzweigung mit einer Weiche statt, die unter der als Absperrorgan benutzten Drehklappe angeordnet ist. Die Weiche ist so gestaltet, dass alle Neigungen so steil sind, dass tote Zonen vermieden werden.
Abb. 12.10. a. Doppelklappe mit toter Zone auf geschlossener Seite; b. Drehklappe mit nachgeschalteter Weiche
12.3 Austraggeräte
363
Befinden sich innerhalb eines Austraggeräts Verengungen, wie in Abb. 12.11 am Beispiel einer Zellenradschleuse dargestellt, so muss jeweils die engste Stelle so bemessen sein, dass sich keine Schüttgutbrücke bilden kann. Weiterhin müssen die Wände im Bereich der Verengung steil genug sein, um die Bildung einer toten Zone, die sich bis in Trichter und Schaft des Silos fortsetzen kann, zu verhindern.
Abb. 12.11. Zellenradschleuse mit verengtem Einlauf (z.B. für Granulate)
Abb. 12.12. Bildung toter Zonen durch nur teilweise geöffnete Schieber; a. Flachschieber; b. Muschelschieber
Ein weiteres Beispiel für die Entstehung toter Zonen ist der in Abb. 12.12.a gezeigte Flachschieber, der nicht vollständig geöffnet ist. Ausgehend vom Schieberblech bildet sich eine tote Zone, d.h. im Silo liegt Kernfluss mit allen bekannten Nachteilen (Fließprobleme, Entmischung,...) vor. Das gleiche geschieht bei jeglichen Schiebern (z.B. Muschelschieber, Abb. 12.12.b), wenn diese beim Schüttgutaustrag nicht vollständig geöffnet
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12 Schüttgutaustrag
werden. Daher sind unterhalb von Silos, die als Massenflusssilos konzipiert sind, nur Schieber vorzusehen, die den ganzen Auslaufquerschnitt vollständig freigeben, und diese Schieber sind während des Schüttgutaustrags vollständig zu öffnen. 12.3.1.2 Regel 2
Viele Austraggeräte neigen dazu, das Schüttgut nur aus einem Teilbereich der Austragöffnung abzuziehen. Dies gilt z.B. für Schneckenförderer (Abb. 12.13). Kernstück des Schneckenförderers ist die rotierende Schneckenwelle mit Schneckenwendel, die das Schüttgut im Trog mit kreis- oder U-förmigem Querschnitt transportiert.
Abb. 12.13. Ausführungen von Schneckenförderern [12.32–12.34,12.40]
Der in Abb. 12.13.a gezeigte Schneckenförderer zieht das Schüttgut nur aus dem hinteren Bereich des Auslaufschlitzes ab, so dass sich im vorderen Bereich des Silos – selbst wenn dieser an sich für Massenfluss ausgelegt ist – eine tote Zone (Kernfluss) bildet. Die Ursache für dieses Verhalten ist, dass sich die Schneckenwendel bereits am hinteren Ende des Auslaufschlitzes mit Schüttgut füllt und dieses unter dem Schüttgut im vorderen Bereich hindurchfördert. Dieses Verhalten lässt sich vermeiden, indem man die Schneckenwendel so gestaltet, dass die Förderkapazität in
12.3 Austraggeräte
365
Förderrichtung zunimmt, z.B. durch eine zunehmende Schneckensteigung wie in Abb. 12.13.b gezeigt (Auslegungshinweise s. [12.35]). Dadurch kann die Schnecke über der gesamten Auslaufschlitzlänge Schüttgut aus dem Silo entnehmen. Die Zunahme der Schneckensteigung sollte möglichst kontinuierlich erfolgen, z.B. von Schneckengang zu Schneckengang. Werden zu lange Bereiche mit jeweils konstanter Kapazität aneinandergesetzt (Abb. 12.13.c), können sich in den einzelnen Bereichen tote Zonen bilden [12.32,12.34]. Weitere Möglichkeiten, steigende Kapazität in Förderrichtung zu erhalten, sind die Abnahme des Kerndurchmessers in Förderrichtung (Abb. 12.13.d) oder die Zunahme des Außendurchmessers (Abb. 12.13.e). Letzteres ist aber für die praktische Anwendung ungünstig, da auch die Trogbreite in Förderrichtung abnehmen muss, was wiederum eine entsprechende Anpassung des Trichters erfordert. Bei längeren Auslaufschlitzen ist es sinnvoll, zunächst den Kerndurchmesser bei konstanter Schneckensteigung abnehmen zu lassen, und dann die Schneckensteigung bei konstantem Kerndurchmesser zu vergrößern (Abb. 12.13.f) [12.33]. 12.3.2 Übersicht Im diesem Kapitel werden einige Austraggeräte für unterschiedliche Einsatzzwecke vorgestellt. Schwerpunkt sind aber weniger maschinentechnische Details, sondern der Einfluss der Austraggeräte auf den Schüttgutfluss im Silo, vor allem hinsichtlich des Erreichens von Massenfluss. Wie man sehen wird, lässt sich das oben erläuterte Prinzip der „steigenden Kapazität“ zum Erreichen eines Schüttgutaustrags über der ganzen Auslauföffnung auf eine Reihe von Austraggeräten anwenden. 12.3.2.1 Schneckenförderer
Schneckenförderer (Abb. 12.13) werden besonders für feine und staubförmige Schüttgüter eingesetzt (z.B. Holzmehl, Mais, Zement, Sand, Kohlenstaub). Aufgrund der starken Beanspruchung der Partikel sind Schneckenförderer für verschleißempfindliche Schüttgüter nur bedingt geeignet. Das gleiche gilt für stark abrasive Schüttgüter, die zum Verschleiß des Schneckenförderers führen. Heiße Schüttgüter (bis 800°C) sind mit Hilfe einer hohlen, von innen gekühlten Schneckenwelle förderbar. Bei klebrigen und anbackenden Schüttgütern besteht die Gefahr, dass sich die Schneckenwendel mit dem Schüttgut zusetzt und dieses zusammen mit der Schnecke rotiert, ohne gefördert zu werden. Um dieses zu vermeiden, sollte die Schneckenwendel möglichst glatt (Edelstahl, Be-
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12 Schüttgutaustrag
schichtungen, gegebenenfalls mit schlechter Benetzbarkeit) und der Trog möglichst rau ausgeführt werden. Bei sehr stark anbackenden Schüttgütern werden neben Wendeln (Schnecken ohne Welle) parallele Schnecken verwendet, die ineinander greifen und sich so gegenseitig reinigen. Ein Schneckenförderer kann staub-, gas- und druckdicht gestaltet werden. Austragschnecken haben häufig Durchmesser von einigen 100 mm, möglich sind auch Ausführungen mit mehr als 1000 mm. Übliche Schneckendrehzahlen sind 15 min-1 bis 80 min-1, in Ausnahmefällen auch bis 250 min-1. Die Drehzahl darf nicht zu hoch gewählt werden, da aufgrund der dann auftretenden hohen Fliehkräfte das Schüttgut schlecht in die Schnecke fließen kann. Die Antriebsleistung des Schneckenförderers ist verhältnismäßig hoch. Auslegungsdaten finden sich z.B. in [12.32,12.35, 12.36]. Die Gestaltung von Schneckenförderern für einen gleichmäßigen Schüttgutabzug wurde bereits im Kap. 12.3.1 behandelt. 12.3.2.2 Trogkettenförderer
Beim Trogkettenförderer (Abb. 12.14.a) läuft eine mit quer verlaufenden Mitnehmern bestückte Ein- oder Zweistrangkette in einem geschlossenen Blechtrog um. Üblicherweise befindet sich unterhalb des Siloauslaufs ein Zwischenboden, auf dem das Schüttgut vom oberen Kettenstrang (Obertrum) horizontal abgefördert wird. Anschließend fällt das Schüttgut auf den Boden des Gehäuses, wo es vom unteren Kettenstrang (Untertrum) zum Auslauf transportiert wird. Der Trogkettenförderer ist ein robustes Austraggerät. Die Ketten und Mitnehmer sind in der Regel geschmiedet und gehärtet; das Gehäuse lässt sich mit verschleißfestem Material auskleiden. Er ist für feines und grobkörniges (bis ca. 100 mm Partikelgröße), abrasives, heißes (bis 1000°C) und anbackendes Schüttgut geeignet, nicht dagegen für empfindliche Schüttgüter. Die Gehäuse können druckstoßfest (bis 3,5 bar) und gasdicht ausgeführt werden. Die Mitnehmerbreiten können 100 mm bis 1800 mm betragen. Die Durchsatzregelung sollte über die Kettengeschwindigkeit erfolgen. Ein Trogkettenförderer neigt dazu, das Schüttgut vor allem aus dem in Förderrichtung hinteren Bereich des Austragschlitzes zu entnehmen, da sich dort die Kette mit den Mitnehmern unbeladen in den Auslaufbereich bewegt und sich sofort mit Schüttgut füllt. Im vorderen Bereich kann die beladene Kette kein weiteres Schüttgut aufnehmen, so dass dort eine tote Zone entsteht. Eine Möglichkeit, über dem gesamten Austragschlitz Schüttgut zu entnehmen, sind Leitbleche (Abb. 12.14.b) [12.37]. Diese geneigten Bleche bilden einen sich in Förderrichtung verbreiternden Aus-
12.3 Austraggeräte
367
laufschlitz, so dass der Trogkettenförderer auf einer zunehmenden Breite mit Schüttgut belegt wird, also in Förderrichtung immer mehr Schüttgut fördern kann (steigende Kapazität). Bei der Bemessung der Leitbleche ist darauf zu achten, dass die Schlitzbreite an keiner Stelle kleiner ist als die Mindestbreite zur Vermeidung von Brückenbildung, und dass die Neigung der Leitbleche steil genug zum Erzielen von Massenfluss ist. Alternativ lassen sich bei Trogkettenförderern auch Schichthöhenbegrenzer einsetzen, die im Zusammenhang mit dem Gurtförderer im folgenden Kapitel beschrieben werden.
Abb. 12.14. a. Kernfluss durch Trogkettenförderer; b. Massenfluss durch Einbau von Leitblechen (s. Kreuzschraffur) [12.37]
12.3.2.3 Gurtförderer
Ein Gurtförderer (Abb. 12.15.a und 12.3) besitzt einen endlosen Gummigurt, der zwischen einer Antriebs- und einer Spanntrommel läuft (für spezielle Anforderungen, z.B. hohe Temperaturen, werden auch andere Materialien wie z.B. Drahtgewebe verwendet). Im Bereich zwischen diesen beiden Trommeln wird der Gurt über kleinere Tragrollen abgestützt. Unterhalb der Austragöffnung des Silos ist der Abstand der Tragrollen besonders eng, um die dort auftretenden Vertikalbelastungen aufzufangen. Bei nicht zu großen Belastungen kann der Gurt unterhalb der Austragöffnung auch auf einer glatten Stahlplatte (Rutschplatte, Gleittisch) laufen. Die zum Austrag benutzten Gurte sind häufig flach ausgeführt, d.h. die Gurtoberfläche bildet eine plane Fläche und ist nicht gemuldet. Die Antriebsleistung des Gurtförderers ist im Vergleich zu anderen Austraggeräten eher gering [12.38,12.39]. Die Breite des Gurtes kann für Spezialanwendungen bis über 5 m betragen, meistens findet man aber Gurtbreiten unter 1 m. Die Gurtgeschwindigkeit liegt meistens im Bereich 0,025 m/s bis 0,5 m/s; dabei können Massenströme bis zu einigen tausend
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12 Schüttgutaustrag
Tonnen pro Stunde erzielt werden [12.41]. Das Schüttgut wird vom Gurtförderer schonend transportiert. Für anbackende, aggressive oder heiße (>160°C) Schüttgüter sollte der Gurtförderer nicht eingesetzt werden. Weiterhin ist der manchmal nicht unerhebliche Verschleiß des Gurtes zu berücksichtigen.
Abb. 12.15. Abzug mit Gurtförderer: a. ungleichmäßiger Abzug; bei glattem Gurt und großer Schichthöhe tendenziell Abzug von vorn; bei rauem Gurt Abzug von hinten (gestrichelt); b. Vergleichmäßigung des Schüttgutabzugs durch Anschrägen der Trichterunterkante; c. angeschrägte Trichterunterkante in Verbindung mit vertikalen Schürzen; d. Vergleichmäßigung des Schüttgutabzugs durch Schichthöhenbegrenzer (rauer Gurt)
Gurtförderer neigen dazu, das Schüttgut unter einem Auslaufschlitz vorzugsweise von einem Ende der Auslauföffnung, also ungleichmäßig, abzuziehen. Im Beispiel von Abb. 12.15.a. führt ein glatter Fördergurt und ein weit geöffneter Schieber an der Silovorderseite zu einem Schüttgutaustrag aus dem vorderen Silobereich (durchgezogene Pfeile). Bei einem rauen Fördergurt und/oder einem weniger weit geöffnetem Schieber ist ein Schüttgutaustrag aus dem hinteren Silobereich wahrscheinlich (gestrichelt) [12.38,12.42,12.43]. Weitere Parameter, die das Austragverhalten bestimmen, sind der innere Reibungswinkel des Schüttgutes (großer innerer Reibungswinkel begünstigt Schüttgutaustrag von vorn) und gegebenenfalls der Reibungswinkel an unter dem Trichter angebrachten Schürzen (großer Reibungswinkel an den Schürzen begünstigt Schüttgutaustrag von vorn). Wegen der Zahl der Einflussgrößen auf den Austragvorgang ist eine ge-
12.3 Austraggeräte
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naue Vorhersage, aus welchem Bereich der Austragöffnung welche Menge Schüttgut ausgetragen wird, nicht möglich; lediglich Tendenzen können angegeben werden. Daher bietet es sich auch beim Gurtförderer an, das Prinzip der „steigenden Kapazität“ anzuwenden, um einen Schüttgutaustrag über dem gesamten Auslaufschlitz zu erzielen. Dieses wird erreicht, wenn der Abstand zwischen der Unterkante des Trichters und dem Gurt in Förderrichtung zunimmt, indem die Trichterunterkante angeschrägt wird, Abb. 12.15.b, oder der Gurtförderer gegen die Horizontale geneigt angeordnet wird. Durch diese Maßnahmen kann in Förderrichtung immer mehr Schüttgut vom Gurt mitgenommen werden, d.h. die Beladung und damit die Kapazität des Gurtes nimmt in Förderrichtung zu. In Abb. 12.15.c sind unterhalb eines angeschrägten Trichters Schürzen angebracht, deren Abstand zueinander in Förderrichtung zunimmt [12.43]. Damit wird eine zunehmende Breite der horizontal bewegten Schüttgutschicht in Förderrichtung erreicht. Zusätzlich ist ein Schieber an der Vorderkante des Trichters angebracht, der eine Einstellung des Austragverhaltens erlaubt: Der Schieber ist im Betrieb so einzustellen, dass sich ein möglichst gleichmäßiger Schüttgutaustrag ergibt. Vorsicht ist bei kompressiblen, kohäsiven Schüttgütern geboten, da diese sehr empfindlich auf die Schiebereinstellung reagieren können und sich erst nach einer relativ langen Zeit stabile Geschwindigkeitsverhältnisse im Trichter einstellen [12.38,12.42]. Grundsätzlich gilt, dass zur Regulierung des Massenstroms nicht der Schieber, sondern die Gurtgeschwindigkeit zu benutzen ist, um die einmal gefundene Schiebereinstellung für einen gleichmäßigen Schüttgutaustrag beizubehalten. Eine weitere Möglichkeit zur Vergleichmäßigung des Schüttgutabzugs aus einem langen Austragschlitz, die nicht nur für Gurtförderer, sondern auch für Plattenbänder oder Trogkettenförderer angewandt werden kann, ist das Anbringen von Schichthöhenbegrenzern, die eine in Förderrichtung zunehmende Schichthöhe und damit steigende Kapazität bewirken [12.38,12.42] (Abb. 12.15.d). Die Schichthöhenbegrenzer sind so zu gestalten, dass sich durch sie weder Schüttgutbrücken noch tote Zonen bilden. Voraussetzung für den Erfolg der in Abb. 12.15.b bis d gezeigten Maßnahmen ist, dass das Austraggerät bei einem Siloauslauf gemäß Abb. 12.15.a das Schüttgut von hinten abziehen würde, d.h. der Reibungswinkel zwischen Fördergurt und Schüttgut muss groß genug sein, um das Schüttgut auch aus dem hinteren Bereich des Auslaufschlitzes auszutragen. Anderenfalls würde es auch mit den beschriebenen Maßnahmen zum Abzug nur von vorn (Abb. 15.12.a, durchgezogene Pfeile) kommen.
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12 Schüttgutaustrag
12.3.2.4 Plattenband
Das Plattenband ähnelt in der Abzugsfunktion dem Gurtförderer. Anstelle des Gummigurtes werden einander überlappende Stahlplatten verwendet, die über seitlich an den Platten befestigte Laschenketten verbunden sind. Die Laschenketten dienen gleichzeitig als Zugmittel und werden über Kettensterne angetrieben bzw. umgelenkt. An den Platten oder den Kettengliedern befinden sich in regelmäßigen Abständen Laufrollen, die auf seitlich oder unterhalb der Platten angebrachten Schienen laufen. Die Plattenoberfläche ist eben oder mit nach oben ragenden Stegen versehen. Fast alle Ausführungen besitzen Seitenwangen, wodurch auf einem Plattenband eine größere Schichthöhe erreicht werden kann als auf einem Gurtförderer. Das Plattenband ist gut bei schweren Betriebsbedingungen einsetzbar, also für grobkörnige, stark abrasive und kantige Schüttgüter mit Partikelgrößen bis über 1000 mm und Temperaturen bis zu 1100°C. Außerdem ist es gut für sehr schwer fließende, feuchte, feinkörnige Produkte geeignet, die große Auslaufabmessungen erfordern und eine hohe innere Reibung (große Antriebskraft!) besitzen, z.B. feuchter Lehm, Ton, Filterkuchen. Übliche Längen von Plattenbändern liegen zwischen 2 m und 15 m, die Plattenbreite beträgt bis zu 4 m, die Bandgeschwindigkeit etwa 0,01 m/s bis 0,5 m/s [12.44,12.45]. Der Leistungsbedarf ist deutlich höher als bei Gurtförderern. Um sicherzustellen, dass das Schüttgut über dem ganzen Auslaufschlitz entnommen wird, sind beim Plattenband die gleichen Maßnahmen zu treffen wie beim Gurtförderer. Die Durchsatzregelung sollte wie beim Gurtförderer nicht über die Schichthöhe, sondern über die Bandgeschwindigkeit erfolgen. 12.3.2.5 Schwingrinne
Eine Schwingrinne (Abb. 12.16) besteht aus einem unter der Austragöffnung eines Silos angebrachten Stahltrog, der durch einen Schwingungserreger in gerichtete Schwingungen versetzt wird. Als Erreger werden Unwuchtmotoren und elektromagnetische Vibratoren, seltener Schubkurbelantriebe (Exzenter) benutzt. Die Schwingungsfrequenzen liegen zwischen 5 Hz und 100 Hz [12.46]. Das Schüttgut wird nach dem Mikrowurfprinzip gefördert [12.47]. Der Massenstrom ist abhängig vom Neigungswinkel der Rinne gegen die Horizontale (0° bis 15°), von den Schüttguteigenschaften und der Schichthöhe [12.48]. Durch Verändern von Amplitude (Elektromagnetische Antriebe) und Frequenz (Unwuchtmotoren, Elektromagnetische Antriebe, Schubkurbelantrieb) lässt sich der Massenstrom stufenlos
12.3 Austraggeräte
371
regeln. Die Vorteile des Schwingförderers sind die konstruktive Einfachheit, der geringe Wartungsbedarf und die geringe Antriebsleistung. Schwingrinnen neigen bei zu großer Länge der Siloauslauföffnung dazu, das Schüttgut vor allem aus dem vorderen Bereich der Austragöffnung abzuziehen (Abb. 12.16.a). Ein Schüttgutaustrag über der gesamten Auslauföffnung wird erreicht, indem das Verhältnis von Austragschlitzlänge zu Austragschlitzhöhe nicht mehr als 1 beträgt (Abb. 12.16.b) [12.34,12.49]; ein über der Austragöffnung gleichmäßig schneller Schüttgutaustrag stellt sich bei einem Verhältnis von etwa 0,5 ein [12.50]. Außerdem muss der Antrieb der Schwingrinne hinsichtlich Frequenz und Amplitude so abgestimmt sein, dass sich das Schüttgut im Auslaufbereich des Silos tatsächlich auf der Rinne in Förderrichtung bewegt. Bei ungenügender Abstimmung findet zwar ein Schüttgutaustrag statt, jedoch basiert dieser nur auf einem durch die Schwingungen verringerten Böschungswinkel des Schüttgutes, was zur Förderung nur aus dem vorderen Bereich des Silos führt (Abb. 12.16.c). Das bei Schwingrinnen übliche Verändern von Amplitude und/oder Frequenz des Antriebs zur Regelung des Massenstroms ist hier also stets mit Rücksicht auf das Austragverhalten durchzuführen.
Abb. 12.16. Schwingrinne; a. ungleichmäßiger Abzug; b. gleichmäßiger Abzug durch hinreichend kleine Länge der Auslauföffnung in Förderrichtung; c. Kernfluss durch schlecht abgestimmte Schwingrinne
12.3.2.6 Schwingtrichter
Abbildung 12.17 zeigt Bauarten von Schwingtrichtern (auch Schwingboden), die in gewisser Weise auch als Austraghilfe wirken. Hier wird das Schüttgut durch Vibrationen zum Fließen angeregt (Austraghilfe) und gleichzeitig ausgetragen (Austraggerät). Bei Bauart a vibrieren der axialsymmetrische Trichter und die mit ihm verbundene gewölbte Platte
372
12 Schüttgutaustrag
(Schild) horizontal. Dadurch fließt das Schüttgut durch den Ringspalt zwischen Schild und Trichterwand sowie im schwingenden Trichter, dessen Neigung je nach Hersteller variiert. Auch Bauarten mit flachem Kegel anstelle der gewölbten Platte sowie eckige Ausführungen sind erhältlich. Bei Bauart b, die zur besseren Steuerung zwei frequenzgeregelte Antriebe besitzt, werden mit einem speziell geformten Einbau parallele Austragschlitze gebildet, durch die das Schüttgut aus dem Silo entnommen wird.
Abb. 12.17. Schwingtrichter (vereinfachte Darstellung); a. mit gewölbtem Schild; b. mit Einbau und zusätzlichem Austrag in der Mitte (Typ Silo-Tray [12.51]); c. mit drehbaren Lamellen (Typ Hogan [12.52]); d. mit bewegtem Konus (Typ Matcon [12.53])
Bei Bauart c vibriert ein rechteckiger Rahmen mit verstellbaren Lamellen zusammen mit dem flexibel aufgehängten Trichter, der ebenfalls einen Rechteckquerschnitt hat. Durch die Verstellbarkeit der Lamellen lässt sich der Massenstrom beeinflussen. Bei Version d ist dagegen der Trichter fest, d.h. die flexible Verbindung entfällt. Dies hat Vorteile hinsichtlich der Gefahr von Lecks und der Druckstoßfestigkeit. Der Konus führt eine schwingende Vertikalbewegung aus und gibt so einen Ringspalt frei, durch den
12.3 Austraggeräte
373
das Schüttgut fließt. Durch die Betriebsweise (Amplitude bzw. Position des Konus) lässt sich hier der Massenstrom beeinflussen. Auch bei Schwingtrichtern können tote Zonen entstehen, und zwar dann, wenn dem Schwingtrichter ein weiteres Förder- oder Dosiergerät folgt, dessen Massenstrom kleiner ist als der Massenstrom, den der Schwingtrichter bei den aktuellen Betriebseinstellungen fördern könnte. In Abb. 12.18 ist dies anhand einer dem Schwingtrichter nachgeschalteten Zellenradschleuse gezeigt. Es kommt dann zum Aufstauen des Schüttgutes im Schwingtrichter, dessen Folge ein einseitiger Schüttgutfluss im Schwingtrichter sein kann. Die toten Zonen, die sich dabei im Schwingtrichter bilden, werden durch die dauernde Schwingungsanregung immer weiter verfestigt. Es ist also stets dafür zu sorgen, dass das Schüttgut in der Menge, die der Schwingtrichter austrägt, auch abgefördert wird. Ist dies nicht möglich, muss zwischen Schwingtrichter und dem folgenden Fördergerät zur Entkopplung ein Zwischenpuffer mit Füllstandsüberwachung angeordnet sein. Der Schwingtrichter wird dann nur jeweils zum Nachfüllen des Zwischenpuffers eingeschaltet.
Abb. 12.18. Kernfluss im Schwingtrichter durch nachgeschaltetes Fördergerät (hier: Zellenradschleuse)
12.3.2.7 Zellenradschleuse
Zwei Bauarten von Zellenradschleusen zeigen die Abb. 12.7 und 12.11. Im Fall von Abb. 12.11 hat das Zellenrad eine horizontale Achse. Das Schüttgut fließt von oben aufgrund der Schwerkraft in die Zellen des Zellenrades
374
12 Schüttgutaustrag
und fällt unten wieder heraus. Wegen der vertikalen Schüttgutbewegung in der Zellenradschleuse spricht man hier von Vertikalschleusen. Abbildung 12.7 zeigt dagegen eine Horizontalschleuse [12.30]. Das Zellenrad rotiert hier um die vertikale Achse, Einlauf und Auslauf sind um 180° gegeneinander versetzt. Damit das Schüttgut über dem ganzen Trichterquerschnitt in Bewegung gebracht wird und nicht nur in dem Bereich oberhalb des Einlaufs der Zellenradschleuse, ist ein mit der Antriebswelle des Zellenrades verbundener Rührer direkt oberhalb der Zellenradschleuse angeordnet. Weiter oben können bei Bedarf weitere Rührer als Austraghilfe (s. Kap. 12.2.2) eingesetzt werden. Zellenradschleusen eignen sich zur Überbrückung von Gasdruckdifferenzen, z.B. bei Einspeisung von Schüttgut in Druckräume (z.B. Eintrag in pneumatische Förderanlagen) oder aus Druckräumen (z.B. aus Sichtern), wobei durch entsprechende Maßnahmen zur Abdichtung Druckdifferenzen bis zu ca. 3,5 bar bei nicht zu großen Leckluftraten überwunden werden können [12.54]. Standard-Zellenradschleusen werden für relativ gut fließende, feinkörnige Schüttgüter bei Temperaturen bis 600°C eingesetzt. Der Leistungsbedarf der Zellenradschleusen ist niedrig. Bei Drehzahlen von 5 min-1 bis 90 min-1 und Rotordurchmessern bis über 500 mm lassen sich je nach Bauart Volumenströme bis etwa 1000 m3/h erzielen. Bei Zellenradschleusen mit horizontaler Achse steigt der Massenstrom zunächst näherungsweise linear mit der Drehzahl an [12.55]. Bei höheren Drehzahlen sinkt der Massenstrom wieder ab, weil die Fliehkraft, die der für die Befüllung verantwortlichen Schwerkraft entgegenwirkt, zunimmt, und weil die Zeit, die zur Befüllung der Kammern zur Verfügung steht, immer geringer wird. Bei Zellenradschleusen mit vertikaler Achse hat die Fliehkraft keinen negativen Einfluss auf den Massenstrom, da sie dem in die Kammern fließenden Schüttgut nicht entgegenwirkt [12.57].
Abb. 12.19. Abzug eines gut fließenden Schüttgutes mit einer Zellenradschleuse
12.3 Austraggeräte
375
Ein ungleichmäßiger Schüttgutabzug kann bei Verwendung einer Zellenradschleuse (Abb. 12.19) für sehr gut fließendes Schüttgut entstehen, indem sich die Zellen des Zellenrades mit Schüttgut füllen, sobald sie in den Bereich der Trichterauslauföffnung eintreten. Dadurch wird entsprechend Abb. 12.19 das Schüttgut nur im linken Teil der Auslauföffnung abgezogen. Das Problem lässt sich vermeiden, indem ein geneigtes Blech in den Eintrittskanal der Zellenradschleuse gesetzt wird, s. Abb. 12.11 (Neigungswinkel und Mindestquerschnitte beachten!), oder ein hinreichend hoher Bereich mit vertikalen Wänden direkt über der Zellenradschleuse angeordnet wird, in dem sich der Fließbereich über den ganzen Querschnitt ausdehnen kann (erforderliche Höhe: das Ein- bis Dreifache des Durchmessers; abhängig von den Schüttguteigenschaften). Bei gut fließenden Schüttgütern besteht außerdem die Gefahr, dass sich die Zellen so schnell füllen, dass das Schüttgut über der Zellenradschleuse ruckartig nach unten fließt, was vor allem bei harten, spröden Schüttgütern zu unerwünschten Erschütterungen führen kann. Ein zeitlich gleichmäßigerer Schüttgutabzug lässt sich erreichen, indem eine größere Anzahl von Zellen mit verringertem Volumen bei erhöhter Drehzahl verwendet wird.
Abb. 12.20. Zellenradschleuse mit Leckluftabfuhr
Bei Eintrag eines (feinkörnigen) Schüttgutes in einen Raum erhöhten Gasdruckes mit Hilfe einer Zellenradschleuse (z.B. pneumatische Förderung) ist darauf zu achten, dass möglichst wenig Luft durch die Schleuse nach oben gelangt (kleiner Leckluftstrom), denn die dem Schüttgut entgegenströmende Leckluft verringert den Massenstrom [12.56]. Es kann so zu einer aufwärts gerichteten Gasströmung im Trichter kommen, was den Ausfluss behindert (s. Kap. 12.1.2). Der Leckluftstrom ergibt sich aus der Strömung entlang der Spalte zwischen Zellenrad und Gehäuse sowie aus der in den leeren Kammern des Zellenrades nach oben geförderten Luft
376
12 Schüttgutaustrag
aus dem Druckraum unterhalb der Zellenradschleuse. Eine Minimierung des Leckluftstroms erreicht man durch hinreichende Dichtigkeit der Zellenradschleuse (Wartung!) sowie gegebenenfalls durch eine Leckluftabfuhr (Abb. 12.20). Bei der Leckluftabfuhr wird die in der Zellenradschleuse befindliche unter Überdruck stehende Luft durch eine Rohrleitung abgeführt, z.B. in den Kopfraum des Silos oder über einen Filter in die Umgebung. Leckluftleitungen neigen dazu, sich wegen der geringen Gasgeschwindigkeiten mit Feingut zuzusetzen und sind daher regelmäßig zu kontrollieren. 12.3.2.8 Austrag mit Luftströmung
Feinkörnige Schüttgüter (vor allem aus Gruppe A im Geldart-Diagramm, Abb. 7.22) lassen sich leicht mit einer Gasströmung auflockern und bewegen. Dies wurde bereits in Verbindung mit pneumatischen Austraghilfen behandelt (Kap. 12.2.1). Während die pneumatischen Austraghilfen dazu dienen, den Schwerkraftfluss des Schüttgutes anzuregen und zu unterstützen, basieren die hier behandelten Austraggeräte auf der Idee, das Schüttgut mit Hilfe von Luft (vor allem horizontal) zu fördern. Die Schüttgutförderung mit einer Luftförderrinne zeigt Abb. 12.21. Die Luftförderrinne besteht aus einem von unten mit Druckluft beaufschlagten porösen Material (Sintermaterial aus Metall oder Kunststoff, Textilgurt) [12.58]. Das auf der durchströmten Fläche befindliche Schüttgut wird dadurch mit einer Luftströmung beaufschlagt. Diese kann zu einer Auflockerung oder auch Fluidisierung des Schüttgutes führen, so dass dieses aufgrund der Schwerkraft auf der bis zu 15° gegen die Horizontale nach unten geneigten Luftförderrinne hinunterfließt.
Abb. 12.21. Schüttgutförderung mit Luftförderrinne
Das gezeigte Prinzip wird als Belüftungsrinne auch zum Austrag von Schüttgut aus Silos eingesetzt. Abbildung 12.22 zeigt den Einsatz einer Belüftungsrinne an einem Silo mit relativ kleiner Auslauföffnung. Die Belüftungsrinne ist hier zweigeteilt, um den Bereich 1 unterhalb des Siloauslaufs und den daran anschließenden Bereich 2 getrennt mit Luft beauf-
12.3 Austraggeräte
377
schlagen zu können. Eine Fluidisierung im eigentlichen Sinn wie bei der Luftförderrinne in Abb. 12.21 ist im Bereich 1 unterhalb des Siloauslaufs wegen der darüber befindlichen hohen Schüttgutsäule kaum möglich. Hier wird die eingeblasene Luft in Richtung zum Segmentschieber strömen und aufgrund des Strömungswiderstandes eine in gleicher Richtung wirkende Kraft auf das Schüttgut ausüben. Im Bereich 2 zwischen Siloauslauf und Segmentschieber ist dagegen eine Fluidisierung wegen der begrenzten Schichthöhe möglich. Der Massenstrom des fluidisierten Schüttgutes, das das Verhalten einer Flüssigkeit zeigt, wird durch die Stellung des Absperrorgans (hier: Segmentschieber) vorgegeben.
Abb. 12.22. Schüttgutabzug mit Belüftungsrinne
Luftförderrinnen werden auch in Großsilos (Durchmesser bis 25 m, Höhen bis 50 m) zur Lagerung von z.B. Zement oder Rohmehl eingesetzt. Früher wurden vor allem so genannte Schrägbodensilos gebaut. Diese haben eine oder mehrere (z.B. vier) Auslauföffnungen, um die herum der Siloboden um 10° bis 15° zur Horizontalen geneigt und mit Belüftungsrinnen bestückt ist. Schrägbodensilos werden häufig zum Homogenisieren oder Mischen benutzt, z.B. zur Vergleichmäßigung der Schwankungen in der Zusammensetzung von Zementrohmehl. Dazu sind die Belüftungsböden in Segmente eingeteilt, die getrennt voneinander belüftet werden. Dadurch wird das Schüttgut hintereinander aus verschiedenen Silobereichen ausgetragen, wodurch sich eine Homogenisierung ergibt. Seit ca. 1980 werden vermehrt Homogenisiersilos als Zentralkegelsilo gebaut (Abb. 12.23) [12.59–12.61]. Im Zentrum des Silos befindet sich ein großer Betonkegel, der mit der gegenüberliegenden Silowand einen ringförmigen Trichter bildet. Unten in der Wand des Kegels befinden sich vier oder mehr Durchbrüche, die die Auslauföffnungen bilden, durch die das Schüttgut mittels Belüftungsrinnen aus dem Ringspalt abgezogen wird.
378
12 Schüttgutaustrag
Weitere leicht zur Horizontalen geneigte Belüftungsrinnen sind auf dem Boden des Ringspaltes verteilt und sollen das Schüttgut in Richtung der benachbarten Auslauföffnungen fördern. Wie beim Schrägbodensilo werden zum Erreichen einer Homogenisierung nur die Belüftungsrinnen in einem Teilbereich aktiviert (z.B. nur die Belüftungsrinnen, die einer Auslauföffnung zugeordnet sind). Dabei bildet sich bei der Entleerung eine Fließzone, in der Schichten unterschiedlicher Zusammensetzung ineinander fließen und sich vermischen [12.62]. Die unsymmetrische Lage der Fließzone sowie ihre wechselnde Position ist bei der statischen Bemessung des Silos zu berücksichtigen [12.63,12.64].
Abb. 12.23. Zentralkegelsilo [12.62] im Schnitt sowie in der Draufsicht; rechts unten vergrößert der Bereich um eine Auslauföffnung mit der angestrebten Förderichtung der Belüftungsrinnen. Fließzone beispielhaft angenommen nach [12.63].
Bei schlecht fließenden und zur Zeitverfestigung neigenden Schüttgütern ist auch beim Abzug mit Belüftungsrinnen Massenfluss anzustreben, der nur erreicht werden kann, wenn der Schüttgutabzug entlang der ganzen Belüftungsrinne erfolgt. Beim Abzug von Schüttgut mit in Förderrichtung zu langen Belüftungsrinnen ist aber nicht auszuschließen, dass kein gleich-
12.3 Austraggeräte
379
mäßiger Schüttgutabzug über der Länge der Belüftungsrinne erreicht wird. Vielmehr wird sich je nach Luftstrom ab einer bestimmten Länge der Belüftungsrinne auf der dem Auslauf abgewandten Seite eine tote Zone bilden (Abb. 12.24). Die Ursache ist, dass bei Abzug über der gesamten Länge der Belüftungsrinne eine entsprechend lange Schüttgutschicht unter dem darüber ruhenden Schüttgut bewegt werden müsste. Die dazu erforderlichen Kräfte lassen sich mit sinnvollen Luftmengenströmen und realisierbaren Gasdrücken (Belastung der Silowände durch Spannungen im Schüttgut und Gasdruck!) nicht erzielen. Außerdem wird die Luft aus den Belüftungsrinnen vor allem dort ausströmen, wo der Durchströmungswiderstand zum Auslauf hin am geringsten ist, also in Nähe des Auslaufs. An der dem Auslauf abgewandten Seite ist die Luftströmung demnach geringer. Eine Intensivierung der Luftströmung in diesem Bereich erreicht man mit unterteilten, voneinander unabhängigen Belüftungskästen wie in Abb. 12.24. Auch eine steilere Neigung der Belüftungsrinne innerhalb des Silos sollte die Fließzone vergrößern.
Abb. 12.24. Mögliche tote Zone bei Abzug mit einer langgestreckten Belüftungsrinne
12.3.2.9 Räumarm, Bunkerentleerungswagen
Vor allem für schwer fließende Schüttgüter werden Räumarmaustraggeräte eingesetzt (Abb. 12.25). Der sichelförmig gebogene Räumarm dreht sich dicht oberhalb des Silobodens um die Siloachse und erzwingt den Schüttguttransport in eine Auslauföffnung, die sich in der Mitte des Silobodens unterhalb eines (meist feststehenden, manchmal auch rotierenden [12.65])
380
12 Schüttgutaustrag
Kegels befindet. Der Kegel verhindert das unkontrollierte Ausfließen des Schüttgutes durch die zentrale Auslauföffnung. Außerdem bildet er zusammen mit der Außenwand, die auch geneigt sein kann, einen Ringspalt, der wie ein Trichter wirkt. Der Trichter führt genau wie ein üblicher Silotrichter zu einer Reduzierung der Vertikalspannung am Siloboden. Räumarme werden mit Durchmessern zwischen 1 m und 8,5 m gebaut. Bei geringen Drehzahlen von einigen Umdrehungen pro Minute sind Volumenströme von 0,5 m3/h bis über 6000 m3/h erzielbar. Räumarme gelten als robust und sind für abrasive und sehr schlecht fließende Schüttgüter verwendbar [12.65–12.67]. Hinsichtlich möglicher Brückenbildung ist der engste Querschnitt zu berücksichtigen, also die engste Stelle im Ringspalt zwischen Außenwand und Kegel, die in der Regel wie ein Auslaufschlitz eines keilförmigen Trichters betrachtet werden kann. Die maximale Schlitzbreite beträgt je nach Hersteller und Baugröße des Räumarms bis zu etwa 1,5 m.
Abb. 12.25. Prinzip eines Räumarmaustraggerätes; a. Schnitt; b. Draufsicht
Der Bunkerentleerungswagen (Abb. 12.26) ist ein parallel zum Auslaufschlitz eines Silos (bzs. Bunkers) verfahrbarer Wagen, auf dem ein rotierendes Räumrad angebracht ist (Silos werden in einigen Bereichen wie z.B. der Kraftwerkstechnik auch als Bunker bezeichnet. Im vorliegenden Buch wird aber im Sinne der Vereinheitlichung das heute meist gebrauchte Wort „Silo“ bevorzugt). Das Räumrad besitzt mehrere gebogene Räumarme. Der Räumwagen fährt unterhalb eines dachförmigen Einbaus auf einer Fahrbahn entlang des Austragschlitzes eines Silos hin und her. Das Räumrad greift seitlich in den Austragschlitz und schiebt das Schüttgut auf einen unter dem Räumwagen angeordneten Förderer (meistens Gurtförderer). Bei dem in Abb. 12.26 gezeigten Beispiel greift das Räumrad an beiden Seiten des Räumwagens in das Schüttgut ein. Daneben gibt es aber auch Konstruktionen mit einseitigem Eingriff.
12.3 Austraggeräte
381
Bunkerentleerungswagen werden für große Siloanlagen mit Austragschlitzlängen von mehr als 20 m eingesetzt. Die Räumraddurchmesser liegen gewöhnlich zwischen 2 m und 5 m. Damit sind Massenströme bis über 3000 t/h realisierbar [12.68]. Bunkerentleerungswagen gelten als äußerst robust. Wegen der Möglichkeit der Verfahrbarkeit eignen sie sich besonders für Silos mit sehr großen Längen bzw. Durchmessern (z.B. Kohle für Kraftwerke). Es können neben leicht fließenden Schüttgütern auch grobe (Partikelgrößen bis einige hundert Millimeter) sowie äußerst schlecht fließende und klebrige Schüttgüter ausgetragen werden. Ähnliche Konstruktionen gibt es auch für den Abzug aus Rundsilos mit kegelförmigem Einbau (ähnlich dem Silo mit Räumarm, Abb. 12.25). Dabei läuft unterhalb des Kegels ein Wagengerüst um, auf dem das Räumrad gelagert ist. Das Räumrad greift in den ringförmigen Auslaufschlitz zwischen der Silowand und Kegel ein [12.68,12.69] und gibt das ausgetragene Schüttgut einem um die Siloachse rotierenden Gurtförderer auf.
Abb. 12.26. Prinzip eines Bunkerentleerungswagens bei zweiseitigem Austrag (Schnitt senkrecht zur Verfahrrichtung), Draufsicht auf das Räumrad
Abb. 12.27. Gestaltung von Trichterwand und Räumarm (bzw. Räumrad)
382
12 Schüttgutaustrag
Da bei Räumarmen oder Bunkerentleerungswagen das Schüttgut momentan nur aus einem begrenzten Bereich der Auslauföffnung entnommen wird, erreicht man Massenfluss nur bei integraler Betrachtung einer Räumarmumdrehung bzw. bei Schüttgutabzug über der gesamten Länge des Auslaufschlitzes. Möchte man beim Abzug mit Räumarm oder Bunkerentleerungswagen tote Zonen an der Silowand vermeiden, was vor allem bei schlecht fließenden Schüttgütern und solchen, die zur Zeitverfestigung neigen, wichtig ist, muss darauf geachtet werden, dass das Schüttgut über der ganzen Breite des Austragschlitzes abgezogen wird. Bei der in Abb. 12.27.a gezeigten Anordnung reicht der Räumarm nicht bis zur Trichterwand. Dadurch kann sich an der Trichterwand eine tote Zone und damit Kernfluss ausbilden, was zu Fließproblemen führen kann. Um einen gleichmäßigen Schüttgutaustrag zu erreichen, besteht die Möglichkeit, den Räumarm möglichst dicht an der Außenwand entlangfahren zu lassen und die Außenwand im unteren Bereich vertikal (Abb. 12.27.b) oder mit einer umlaufenden Nut (Unterschneidung, Abb. 12.27.c) auszuführen. 12.3.2.10 Austraggeräte für große Querschnitte
Sehr schwer fließende Schüttgüter können so ungünstige Eigenschaften haben, dass sie zum Vermeiden von Fließproblemen Auslaufdurchmesser von mehreren Metern benötigen oder überhaupt nicht in einem Silo mit Trichter gelagert werden können. Manchmal möchte man auch auf einen Trichter verzichten, um bei einem großvolumigen Silo Bauhöhe zu sparen. In diesen Fällen werden Austraggeräte eingesetzt, die das Schüttgut über sehr große Querschnitte bis hin zum vollen Siloquerschnitt abziehen. Einige Ausführungen solcher Austraggeräte werden im Folgenden gezeigt.
Abb. 12.28. Schneckenboden mit Sammelschnecke [12.70]; a. Draufsicht; b. Seitenansicht im Schnitt
12.3 Austraggeräte
383
Ein Schneckenboden besteht aus parallelen Austragschnecken, die in einem gemeinsamen Gehäuse gelagert sind. In Abb. 12.28 ist eine Ausführungsform des Schneckenbodens für sehr große Austragquerschnitte (bis ca. 6 m Seitenlänge) dargestellt. Die Schnecken fördern das Schüttgut zum Austragschlitz in der Silomitte. Dazu ist jede Schnecke auf der einen Hälfte linksgängig, auf der anderen Hälfte rechtsgängig. Durch Abnahme des Kerndurchmessers in Förderrichtung wird steigende Kapazität in Förderrichtung erreicht (ähnlich wie bei einzelnen Abzugsschnecken, Kap. 12.3.1.2). Oberhalb des Austragschlitzes ist der Querschnitt der Schneckenwelle vergrößert, so dass der Austragschlitz nach oben hin verdeckt ist, damit aus diesem Bereich nicht übermäßig viel Schüttgut abgezogen wird. Neben der Standardversion mit nebeneinander liegenden Abzugsschnecken oberhalb eines flachen Bodens wie in Abb. 12.28 werden ineinander greifende Schnecken verwendet, die sich gegenseitig reinigen und so verhindern, dass sich die Schneckengänge beim Austragen von klebrigem oder anbackendem Schüttgut zusetzen. Ein gemuldeter Boden ermöglicht eine weitgehende Restentleerung des Silos ohne Rückstände, was bei häufigem Produktwechsel sinnvoll ist. Bei kleineren Schneckenböden ist die Sammelschnecke gewöhnlich an einer Stirnseite angeordnet. Schneckenböden eignen sich für kohäsives, schwer fließendes Schüttgut, wobei die maximalen Partikeldurchmesser nicht zu groß sein dürfen. Eine andere Möglichkeit zum Schüttgutabzug über große Querschnitte ist der Drehbalkenboden [12.71] (Abb. 12.29). Der Siloboden wird hier durch drehbare Balken gebildet, die in ihrer Mittelstellung den Silo verschließen (Abb. 12.29.a). Durch gleichsinniges Hin- und Zurückdrehen der Balken um einen bestimmten (einstellbaren) Winkel wird das Schüttgut ausgetragen und fällt in einen unter den Drehbalken angeordneten Sammeltrichter (Abb. 12.29.b). Drehbalkenböden können nicht nur für gut fließende, sondern auch für kohäsive, anbackende Schüttgüter sowie für Produkte wie Folienschnitzel eingesetzt werden, wobei Abmessungen bis etwa 5 m x 6,5 m realisiert wurden [12.71]. Wichtig ist bei schwer fließenden Schüttgütern, dass sich der Sammeltrichter unter den Drehbalken nicht mit Schüttgut füllt und sich dort Fließprobleme ergeben. Neben der dauernden Aktivierung der gesamten Auslauffläche (Drehbalkenboden, Schneckenboden) gibt es Austraggeräte, die zwar innerhalb eines gewissen Zeitraums von jeder Stelle der Auslauffläche Schüttgut abziehen, aber wie die im Kap. 12.3.2.9 vorgestellten Räumarme und Bunkerentleerungswagen momentan nur einen Teilbereich des Silos aktivieren. Hierzu gehören z.B. Räumschnecken (Abb. 12.30), die sich zur Förderung wie andere Schneckenförderer auch um ihre Achse drehen, aber gleichzeitig auch um die Siloachse rotieren. Die Schnecke wandert so um die Silo-
384
12 Schüttgutaustrag
achse herum und entnimmt über einer gewissen Zeitspanne aus jedem Bereich des Silos Schüttgut. Die Antriebe sind meist in der Siloachse angeordnet. Die Räumschnecken sind bei Silodurchmessern von 2 m bis 20 m anwendbar [12.72,12.73].
Abb. 12.29. a. Drehbalkenboden in Ruhestellung; b. Schüttgutaustrag [12.71]
Abb. 12.30. Räumschnecke [12.72]
Die in Abb. 12.30 gezeigte Bauart hat einen belastungsabhängigen Vorschub, indem nicht die Vorschubgeschwindigkeit vorgegeben wird, sondern der Schnecke ein Drehmoment in die gewünschte Rotationsrichtung aufgeprägt wird. Damit vermeidet man zu große Kräfte bzw. Drehmomente und kann die Schnecke auch bei großen Längen verhältnismäßig leicht ausführen. Die Umlaufzeit ist in diesem Fall von den Betriebsbedingungen (z.B. Vertikalspannung, Festigkeit des Schüttgutes) abhängig. Andere Bauarten von Räumschnecken arbeiten weggesteuert [12.34,12.74], also mit vorgegebener Umfangsgeschwindigkeit, was entsprechend stabile Konstruktionen erfordert und die Schneckenlänge begrenzt. Das große Antriebsdrehmoment bei Antrieb von der Siloachse aus lässt sich durch einen mit der Schnecke umlaufenden Antrieb am Siloumfang vermeiden [12.74],
12.4 Einsatz von Austraghilfen und Austraggeräten
385
was aber zu aufwendigeren Konstruktionen für die dabei zu unterschneidende Silowand führt. Die meist kegelförmige Abdeckung von Antrieb und Auslauföffnung im Silozentrum bildet im Prinzip mit der Silowand einen Trichter, was im Zusammenhang mit Räumarm und Zentralkegelsilo diskutiert wurde (Kap. 12.3.2.8 und 12.3.2.9). Bei großen Verhältnissen von Silodurchmesser zu Kegeldurchmesser kann man diesen Effekt vernachlässigen, aber bei kleineren Verhältnissen ist die Möglichkeit der Brückenbildung zu prüfen. Um einen Schüttgutaustrag über der gesamten Schneckenlänge zu unterstützen, sollte die Kapazität in Förderrichtung durch zunehmende Steigung der Schneckenwendel zunehmen [12.74,12.75]. Da die Schnecke aber auch dann immer nur von dort Schüttgut abziehen kann, wo sie sich gerade befindet, liegt momentan stets ein exzentrischer Schüttgutabzug vor. Es entsteht also eine exzentrische Fließzone mit veränderlicher Lage (ähnlich wie beim Zentralkegelsilo, Kap. 12.3.2.8), die zu wechselnden Belastungen der Silowand führt. Dies ist bei der statischen Bemessung des Silos zu berücksichtigen [12.64,12.76] (s. Kap. 9.4.2).
12.4 Einsatz von Austraghilfen und Austraggeräten Um einen funktionssicheren Silo gestalten, ist zunächst eine verfahrenstechnische Siloauslegung auf der Basis der gemessenen Fließeigenschaften auszuführen, die Trichterwandneigungen und Auslaufabmessungen liefert (Kap. 10). Mit den Ergebnissen lassen sich unterschiedliche Konzepte für die Silogeometrie und die Auswahl von Austraggeräten und Austraghilfen verwirklichen.
Abb. 12.31. Minimaler Auslaufdurchmesser dkrit in Abhängigkeit von der Lagerzeit t in Ruhe
386
12 Schüttgutaustrag
Anhand eines axialsymmetrischen Massenflusssilos werden nachfolgend unterschiedliche Konzepte vorgestellt. In Abb. 12.31 ist der auf der Basis von Scherversuchen berechnete minimale Auslaufdurchmesser dkrit zur Vermeidung von Brückenbildung über der Lagerzeit in Ruhe t aufgetragen. Man erkennt die starke Zeitverfestigung (Zunahme der Druckfestigkeit mit der Lagerzeit in Ruhe) des Produktes am zeitlichen Anstieg des minimalen Auslaufdurchmessers dkrit. Die zu erwartende maximale Lagerzeit zur Überbrückung von Reparaturarbeiten oder Feiertagen ist t1.
Abb. 12.32. Konzepte für Massenflusssilos
Konzept 1: Auslegung des Auslaufdurchmessers für die maximale Lagerzeit in Ruhe. Bei dieser Variante wird der Auslaufdurchmesser d so groß gewählt, dass sich nach der im Silobetrieb zu erwartenden maximalen Lagerzeit in Ruhe (z.B. über ein Wochenende oder Betriebsferien) keine Schüttgutbrücke bilden kann. Die maximale Lagerzeit sei in diesem Beispiel die Zeit t1, die den Auslaufdurchmesser dkrit(t1) = d1 erfordert (Abb. 12.31). Die entsprechende Tichterform ist in Abb. 12.32.a gezeigt. An die Auslauföffnung
12.4 Einsatz von Austraghilfen und Austraggeräten
387
ist ein Austraggerät entsprechender Größe (Durchmesser d1) anzuschließen. Die Auswahl des Austraggeräts hängt von der Größe der Auslauföffnung, vom Schüttgut (fein- oder grobkörnig, anbackend, kohäsiv, feucht,..) und von sonstigen Randbedingungen (z.B. Möglichkeit der genauen Dosierung, druckstoßfest) ab. Konzept 2: Wahl eines Auslaufdurchmessers dkrit(t = 0) < d2 < dkrit(t1) Wählt man den Auslaufdurchmesser entsprechend d2 (Abb. 12.32.b), so ist er ausreichend bemessen, um Brückenbildung bis zur Lagerzeit in Ruhe t2 (s. Abb. 12.31) zu vermeiden. Ist aber eine tatsächliche Lagerzeit von bis zu t1 erforderlich, können sich nach Lagerzeiten t > t2 stabile Schüttgutbrücken bilden. Daher sind im Bereich d2 < d < d1 Austraghilfen vorzusehen, die das Schüttgut bei Lagerzeiten t > t2 aus der Ruhe in Bewegung bringen (Abb. 12.32.b). Hier würden sich wegen ihrer großen Reichweite z.B. Luftkanonen anbieten. Zum Anregen des Schüttgutflusses nach Lagerzeiten in Ruhe t < t2 sowie zum Aufrechterhalten des Schüttgutflusses werden die Austraghilfen nicht benötigt, da der Zeitverfestigungseffekt durch das erreichte Fließen verschwindet. Der Grenzfall von Konzept 2 ist die Wahl der Auslauföffnung entsprechend d3 = dkrit(t = 0) (Abb. 12.32.c). In diesem Fall sind die Austraghilfen immer dann zu betätigen, sobald das Schüttgut nach Lagerzeiten t > 0 aus der Ruhe heraus in Bewegung zu bringen ist. Zum Aufrechterhalten des Schüttgutflusses werden die Austraghilfen auch hier nicht benötigt. Konzept 3: Wahl eines Auslaufdurchmessers d4 < dkrit(t = 0) Bei einem Auslaufdurchmesser d4 < dkrit(t = 0) (s. Abb. 12.31 und 12.32.d) ist bereits ohne Zeiteinfluss mit Brückenbildung zu rechnen. Daher müssen Austraghilfen zwischen der Auslauföffnung und dem Durchmesser, der der maximalen Lagerzeit in Ruhe entspricht (d1), eingesetzt werden. Von diesen Austraghilfen sind diejenigen unterhalb des Durchmessers d3 = dkrit(t = 0) während des Entleerens dauernd zu betätigen, während die darüber liegenden Austraghilfen (wie bei Konzept 2) nur gebraucht werden, um das Schüttgut nach einer längeren Lagerzeit 0 < t < t1 in Bewegung zu bringen. Die drei vorgestellten Konzepte setzen voraus, dass im Silo Massenfluss vorliegt. Bei Massenfluss besteht nur die Gefahr der Brückenbildung; Schachtbildung ist nur in Kernflusssilos möglich. Im Massenflusssilo kommt beim Schüttgutabzug der ganze Siloinhalt in Bewegung, so dass die Zeitverfestigung aufgehoben wird. In einem Kernflusssilo bilden sich dagegen tote Zonen, in denen das Schüttgut auch während des Schüttgutabzugs in Ruhe lagert und erst bei einer vollständigen Entleerung des Silos in Bewegung kommt. Daher bleibt das Schüttgut u.U. über eine längere
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12 Schüttgutaustrag
Zeit in den toten Zonen und kann sich immer weiter verfestigen, so dass es schließlich zur Schachtbildung kommt und das Schüttgut nicht mehr allein aufgrund der Schwerkraft aus dem Silo ausfließt. Weiterhin ist beim Vergleich von Kernflusssilo und Massenflusssilo folgendes zu berücksichtigen:
• Der minimale Auslaufdurchmesser zur Vermeidung von Schachtbildung ist in der Regel größer als der minimale Auslaufdurchmesser dkrit zur Vermeidung von Brückenbildung [12.33] (Kap. 10.3.2). Daher muss ein Kernflusssilo entweder eine größere Auslauföffnung erhalten oder der Trichter ist bis zu einer größeren Höhe (= größerer Durchmesser) mit Austraghilfen zu bestücken. • Während bei Massenfluss als maximale Lagerzeit in Ruhe die längste Zeit zwischen zwei aufeinander folgenden Schüttgutabzügen zu berücksichtigen ist, muss in einem Kernflusssilo die Zeit zwischen zwei vollständigen Entleerungen des Silos als maximale Lagerzeit in Ruhe angesehen werden, da das Schüttgut in den toten Zonen bis zur vollständigen Entleerung des Silos ohne Bewegung lagert. Daher müssen in der Regel bei der Auslegung eines Kernflusssilos viel längere (und häufig nicht abzuschätzende) Lagerzeiten zugrunde gelegt werden, was zu größeren Auslauföffnungen bzw. zur Notwendigkeit von Austraghilfen in (gegenüber einem Massenflusstrichter) einem deutlich größeren Bereich des Trichters führt. Aus diesen Gründen sollten Lösungen mit Kernflusssilos nur dann erwogen werden, wenn das zu lagernde Schüttgut keine oder nur eine begrenzte Zeitverfestigung aufweist, und wenn die anderen Nachteile von Kernflusssilos (Entmischung, breite Verweilzeitverteilung, s. Kap. 10.2) in Kauf genommen werden können. Eine Bewertung der vorgestellten Konzepte zur Gestaltung von Massenflusssilos lässt sich nicht in allgemeingültiger Form vornehmen. Konzept 1 ist von der Ausführung und vom Betrieb her am einfachsten, da keine Austraghilfen vorzusehen und zu benutzen sind. Wie im Kap. 12.2 beschrieben wurde, lassen sich Austraghilfen nicht quantitativ auslegen, so dass man auf Erfahrungen zurückgreifen muss. Außerdem kann die Anwendung von Austraghilfen Nachteile wie z.B. unregelmäßigen Schüttgutfluss bewirken. Daher sollte Konzept 1 grundsätzlich zuerst ins Auge gefasst werden. Bei schwer fließenden Schüttgütern mit starker Zeitverfestigung können sich schon nach kurzer Lagerzeit in Ruhe (einige Stunden oder Tage) minimale Auslaufdurchmesser von mehreren Metern ergeben. Möchte man hier auf entsprechend große Austraggeräte verzichten, bietet sich Konzept 2 an: Der Auslaufdurchmesser und das Austraggerät werden groß genug gewählt, um Brückenbildung ohne Zeitverfestigung zu vermeiden, und die
12.4 Einsatz von Austraghilfen und Austraggeräten
389
Austraghilfen sorgen dafür, dass das Schüttgut nach längeren Lagerzeiten in Ruhe in Bewegung gebracht wird. Die Nachteile bei der Anwendung von Austraghilfen (z.B. unregelmäßiger Schüttgutfluss) treten bei Konzept 2 nur jeweils beim Schüttgutabzug nach einer längeren Lagerzeit in Ruhe auf und sind daher in vielen Fällen zu tolerieren. Damit ist Konzept 2 eine mögliche Alternative zu Konzept 1. Bei Konzept 3 muss ein Teil der Austraghilfen (s. Abb. 12.32.d) dauernd während des Schüttgutaustrags betätigt werden. Hierfür eignen sich vor allem kontinuierlich arbeitende Austraghilfen (z.B. Belüftungstrichter und andere Belüftungselemente, Rüttler). Die Anwendung von Austraghilfen, die das Schüttgut nur kurzzeitig anregen (Luftkanonen) würde dagegen zu einem unregelmäßigen Ausfließen des Schüttgutes führen. Konzept 3 ist daher nur für Schüttgüter anzuwenden, die mit kontinuierlich arbeitenden Austraghilfen sicher beherrscht werden können. Für schwer fließende Schüttgüter mit u.U. starker Zeitverfestigung oder zum Schießen neigende Schüttgüter sollte das Konzept 3 nicht eingesetzt werden.
13 Entmischung
Pulver und Schüttgüter neigen zur Entmischung, wenn sich die Partikel z.B. hinsichtlich Partikelgröße, Form oder Dichte unterscheiden. Bei sehr schlecht fließenden, also sehr feinkörnigen und/oder feuchten Schüttgütern, ist die Tendenz zur Entmischung in der Regel gering, da die Beweglichkeit der Partikel durch die zwischen ihnen wirkenden Haftkräfte eingeschränkt ist. Dagegen zeigen frei fließende Schüttgüter, aber auch kohäsive Schüttgüter, die sich leicht durch eine Gasströmung auflockern lassen, häufig eine spürbare Entmischung. In vielen Fällen möchte man Entmischung verhindern oder zumindest begrenzen, da das Schüttgut in nachfolgenden Prozessen mit konstanter Zusammensetzung benötigt wird, z.B. weil ein Produkt in Teilmengen gleicher Zusammensetzung abgefüllt werden soll (z.B. in Verkaufsverpackungen), oder weil ein folgender Prozess (z.B. eine Zerkleinerung oder eine Verbrennung) nur bei konstanter Produktzusammensetzung stationär ablaufen kann. Entmischung kann auch zu schwankender Schüttgutdichte führen, wodurch eine volumetrische Dosierung ungenauer wird.
13.1 Entmischungsmechanismen Die Vorgänge bei der Entmischung sind komplex und nicht quantitativ vorausberechenbar. Schüttgüter entmischen sich vor allem nach der Partikelgröße, der Partikeldichte, der Form und Oberflächenrauhigkeit. Trotzdem ist es zur Interpretation von Entmischungserscheinungen sinnvoll, die wichtigsten Mechanismen zu kennen. Einige beobachtete, zum Teil auch wissenschaftlich untersuchte Effekte werden im folgenden Text erläutert. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Benennung der Effekte und deren Einordnung in der Literatur z.T. unterschiedlich ist [13.1–13.8], und dass häufig mehrere der beschriebenen Effekte gleichzeitig auftreten.
392
13 Entmischung
13.1.1 Siebeffekt und andere Entmischungsmechanismen auf Böschungen Rutschen Partikel auf einer Schüttgutböschung herab, finden kleinere Partikel mit größerer Wahrscheinlichkeit als größere Partikel einen hinreichend großen Hohlraum zwischen den bereits auf der Oberfläche der Böschung liegenden Partikeln. Die feinen Partikel bleiben dann in dem Hohlraum liegen, während die größeren Partikel bevorzugt bis zum Fuß der Böschung rutschen oder rollen (Abb. 13.1). Die Oberfläche der Böschung bildet dabei also eine Art Sieb, durch das die feinen Partikel hindurchfallen [13.1,13.9–13.11]. Daher nennt man diesen Mechanismus Siebeffekt.
Abb. 13.1. Entmischung nach der Partikelgröße auf der Böschung durch den Siebeffekt (hier: Schüttkegel beim Füllen eines Silos)
Der Siebeffekt macht sich um so stärker bemerkbar, desto mehr sich die Partikel in ihrer Größe unterscheiden. Bei sehr kleinem Anteil sehr feiner Partikel werden diese nah am höchsten Punkt der Böschung liegen bleiben. Bei großem Feinanteil werden viele kleine Partikel auch bis zum Fuß der Böschung gelangen. Enthält das Schüttgut einen geringen Anteil verhältnismäßig großer Partikel, so werde sich diese nahezu vollständig am Fuß der Böschung finden. Neben dem Siebeffekt treten auf Schüttgutböschungen weitere Effekte auf. Kann ein Teil der Partikel einen steileren Böschungswinkel bilden als die übrigen Partikel, so ist die Böschung im oberen Bereich steiler als weiter unten (Abb. 13.2). Die Partikel mit dem größeren Böschungswinkel liegen bevorzugt im oberen, steileren Teil der Böschung, während die Partikel mit dem kleineren Böschungswinkel weiter unten lagern [13.1]. Die Ursachen für unterschiedliche Böschungswinkel sind vielfältig, z.B.:
13.1 Entmischungsmechanismen
393
• scharfkantige Partikel bilden einen steileren Böschungswinkel als runde Partikel (Abb. 13.2.a). Runde Partikel, die groß genug gegenüber den anderen Partikeln sind, rollen auf der Böschung nach unten. Um so größer die herabrollenden Partikel sind, desto größer ist ihre kinetische Energie und desto besser können sie Unebenheiten oder Hindernisse überwinden und bis zum Fuß der Böschung gelangen [13.12]. • sehr feines Gut ist aufgrund des starken Einflusses der Haftkräfte schlecht fließend und baut steilere Böschungen auf als gröberes, besser fließendes Schüttgut (Abb. 13.2.b). • feines, leicht fluidisierbares Schüttgut bildet flachere Böschungswinkel aus als gröberes, weniger gut fluidisierbares Schüttgut. Auch der Massenstrom beim Füllen hat einen Einfluss auf die Entmischung entlang der Schüttgutböschung: Um so größer der Massenstrom ist, desto dicker ist die Schicht des auf der Böschung herabrutschenden Schüttgutes, so dass das Feingut längere Wege zurücklegen muss, um sich auf der ruhenden Böschung abzulagern. Damit wird mehr Feingut zum Fuß der Böschung mitgenommen und der Entmischungseffekt ist weniger stark.
Abb. 13.2. Entmischung durch unterschiedliche Böschungswinkel aufgrund der Partikelform (a) und der Feinheit (b)
Bei einer kleinen Konzentration sehr großer oder schwerer Partikel schlagen diese wie Meteoriten auf der Schüttgutoberfläche ein (Abb. 13.3). Sie können dabei Krater erzeugen und darin liegenblieben, was zur Ansammlung dieser Partikel im Zentrum des Schüttkegels führt. Je nach Material-
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13 Entmischung
verhalten (Elastizität, Dämpfung) können Partikel aber auch wieder aus dem Krater herausspringen und sich schließlich am Fuß des Schüttkegels ansammeln [13.2,13.5]. Überall dort, wo Schüttgut auf Böschungen bewegt wird, ist mit der beschriebenen Entmischung zu rechnen. Dies ist z.B. der Fall beim Einfüllen von Schüttgut in Silos, Behälter oder Verpackungen. Aber auch in Mischern mit bewegten Mischbehältern (z.B. rotierende Trommeln) bewegt sich Schüttgut über Böschungen, so dass man oft am Fuß der Böschung eine Häufung von Grobgut beobachten kann.
Abb. 13.3. Ansammlung sehr großer Partikel unter der Einfüllstelle durch Kraterbildung beim Auftreffen
13.1.2 Perkolation bei Verformung des Schüttgutes Bei der Verformung eines Schüttgutes bewegen sich Partikel gegeneinander. Dabei entstehen kleine Hohlräume zwischen einzelnen Partikeln, in die bevorzugt kleine Partikel eindringen können [13.1,13.13]. Da bei den meisten schüttguttechnischen Anwendungen die Schwerkraft die dominierende äußere Kraft ist, werden die kleinen Partikel innerhalb einer in sich bewegten Schüttung nach unten wandern. Auch den oben beschriebenen Siebeffekt kann man der Perkolation zuordnen. Die für die Perkolation notwendige Verformung der Schüttung tritt in unterschiedlichen Situationen auf, z.B.: • Beim vertikalen Schütteln oder Vibrieren eines Schüttgutbehälters bewegen sich Partikel auf und ab. Dabei werden die sich momentan bildenden Hohlräume bevorzugt mit kleineren Partikeln gefüllt, so dass die größeren Partikel von den kleineren Partikeln unterwandert werden. Mit
13.1 Entmischungsmechanismen
395
der Zeit gelangen daher größere Partikel immer weiter nach oben, während sich die kleineren Partikel am Boden des Behälters ansammeln (Abb. 13.4). • Beim Aufschütten eines Schüttkegels kann es zur Bildung von Lawinen kommen, indem sich in der Mitte des Schüttkegels alternierend eine Schüttgutmasse aufbaut, die dann die Böschung herabrutscht (Abb. 13.5.a). Beim Herabrutschen entsteht in der Lawine aufgrund über der Höhe unterschiedlicher Geschwindigkeiten eine Scherverformung, die dazu führt, dass sich aufgrund der Perkolation die feinen Partikel in den unteren Bereich der Lawine begeben (Abb. 13.5.b). Dadurch entsteht ein schichtweiser Aufbau des Schüttkegels, denn jede Lawine erzeugt eine Feingutschicht mit darüber angeordneter Grobgutschicht. Im vertikalen Schnitt durch das Schüttgut zeigt sich die Struktur eines „Tannenbaums“ (Abb. 13.5.a). Dazu kommt die oben beschriebene Entmischung durch den Siebeffekt, d.h. auch hier ist mehr Feingut im Zentrum des Schüttkegels als an der Peripherie. • Im Grenzbereich zwischen toter Zone und Fließzone in einem Kernflusssilo kann Feingut durch Perkolation in tote Zonen (oder langsamer fließende Bereiche) eindringen und sich dort anreichern [13.2].
Abb. 13.4. Entmischung durch Perkolation im vertikal geschüttelten Behälter; Mechanismus: Feine Partikel gelangen in die Hohlräume, die sich unterhalb der groben Partikel bilden, wenn diese durch das Schütteln nach oben bewegt werden. Dadurch wandern die großen Partikel immer weiter nach oben.
Die Auswirkungen von Siebeffekt und Perkolation werden vor allem durch die Partikelgrößenunterschiede bestimmt. Die Partikelform ist bei der Entmischung auf Böschungen, z.B. durch herabrollende Partikel, wichtig. Bereits bei Partikelgrößenverhältnissen von 1:1,3 sind Entmischungseffekte spürbar [13.14], mit zunehmender Breite der Partikelgrößenverteilung wird der Entmischungseffekt stärker. Unterhalb von Partikelgrößen von wenigen 100 µm [13.14,13.15] sowie bei feuchten Schüttgütern wird die Beweglichkeit der Partikel durch Haftkräfte zunehmend reduziert, wodurch sich eine Verringerung der Tendenz zum Entmischen ergibt. Genaue
396
13 Entmischung
Angaben zur Partikelgröße sind hier aber nicht möglich, da auch die Partikelgrößenverteilung und andere Parameter, die die Fließeigenschaften bestimmen, eine Rolle spielen. Entmischung durch Perkolation macht sich besonders stark bemerkbar, wenn der Anteil der kleineren Partikel klein ist.
Abb. 13.5. Entmischung im Schüttkegel durch Perkolation und Siebeffekt; a. Entstehen einer Lawine; das bereits eingefüllte Schüttgut zeigt die Tannenbaumstruktur des Feingutes; b. Geschwindigkeitsgradient und Perkolation in der Lawine.
13.1.3 Flugbahn und Gasströmung Die Geschwindigkeit von Partikeln in einem Gas wird entscheidend vom Strömungswiderstand der Partikel beeinflusst. Mit abnehmender Partikelgröße steigt der Strömungswiderstand im Verhältnis zur Gewichtskraft der Partikel stark an. Die stationäre Sinkgeschwindigkeit von Partikeln im Schwerefeld verringert sich deutlich mit abnehmender Partikelgröße (Tab. 13.1). Der Effekt ist bereits bei Partikelgrößen von 50 bis 100 µm spürbar und wird unter etwa 10 µm besonders stark. Geringe Sinkgeschwindigkeiten bedeuten, dass die Partikel sich nur langsam relativ zur Luftströmung bewegen und daher gut von der Luft transportiert werden können. Tabelle 13.1. Stationäre Sinkgeschwindigkeit kugelförmiger Partikel (Feststoffdichte 2700 kg/m3) im Schwerefeld in trockener Luft bei 20°C Partikeldurchmesser stationäre Sinkgeschwindigkeit d [µm] wg [mm/s] 1 0,082 10 8,2 25 51
13.1 Entmischungsmechanismen
397
Hat ein Partikelstrom z.B. beim Einfüllen des Schüttgutes in einen Behälter eine horizontale Geschwindigkeitskomponente, werden sich je nach Partikelgröße unterschiedliche Flugbahnen einstellen: Große und schwere Partikel werden weniger stark durch die Luft abgebremst als kleinere und leichtere Partikel und fliegen dadurch weiter. Auch unterschiedliche Partikelformen können zu unterschiedlichen Strömungswiderständen führen. Daher ist immer dann, wenn sich ein Schüttgut mit horizontaler Geschwindigkeitskomponente durch ein Gas (in der Regel Luft) bewegt, mit Entmischung durch unterschiedliche Flugbahnen zu rechnen. Falls das Schüttgut einen dichten Partikelstrom bildet, in dem die Luft mitgerissen wird, ist davon auszugehen, dass nur die Flugbahnen der Partikel am Rand des Partikelstroms durch ihren jeweiligen Luftwiderstand beeinflusst werden [13.2]. Abbildung 13.6.a zeigt einen Schüttkegel, der über eine seitlich angeordnete Schurre erzeugt wurde. Die groben Partikel finden sich vermehrt auf der der Schurre abgewandten Seite des Schüttkegels, wobei hier zusätzlich die im Kap. 13.1.1 geschilderte Entmischung durch den Siebeffekt eine Rolle spielt. Wird ein Silo seitlich befüllt (Abb. 13.6.b), kann durch den beschriebenen Effekt im gesamten Silo eine einseitige Verteilung des Grobgutes entstehen. Fließt dieses deutlich besser als das Feingut, kann sich beim Ausfließen ein einseitiger Schüttgutfluss derart ausbilden, dass bevorzugt das Grobgut ausfließt [13.1,13.6].
Abb. 13.6. Entmischung durch unterschiedliche Flugbahnen; a. Aufschütten eines Kegels; b. Befüllen eines Silos
Beim Beladen des Gurtförderers in Abb. 13.7 erzeugt der genannte Effekt eine ungleichmäßige Verteilung der Partikelgröße über der Breite des Gur-
398
13 Entmischung
tes. Die Entmischung wird dadurch verstärkt, dass sich schon auf der Schurre eine Entmischung derart ausbildet, dass sich die kleineren Partikel am Boden der Schurre ansammeln. Da die Partikel am Boden der Schurre langsamer nach unten fließen als die (größeren) Partikel weiter oben, wird die Flugbahn der kleineren Partikel auch hierdurch kürzer sein als die der großen Partikel [13.2,13.5].
Abb. 13.7. Aufgabe von einer Schurre auf einen Gurtförderer
Die Abhängigkeit des Strömungswiderstands von der Partikelgröße macht sich auch bei vertikaler Befüllung eines Silos bemerkbar. Wird z.B. Schüttgut wie in Abb. 13.8 gezeigt von oben mit einer Gasströmung (pneumatische Förderung) in einen Silo eingefüllt, folgen hinreichend große Partikel dem Gasstrom bis zur Schüttgutoberfläche und lagern sich dort ab. Feine Partikel (Anhaltswert: < 50 … 100 µm [13.2,13.10]) werden dagegen vom an der Schüttgutoberfläche umgelenkten Gasstrom zur Seite und zum Teil nach oben getragen. Da die Gasgeschwindigkeit zur Silowand hin aber kleiner wird (größerer durchströmter Querschnitt), lagern sich die feineren Partikel in der Nähe der Silowand ab. Manchmal ist auch zu beobachten, dass sehr feine Partikel unmittelbar an der Silowand haften und dort eine Partikelschicht bilden, die nach Erreichen einer bestimmten Schichtdichte herabfällt. Auch wenn das Schüttgut nicht wie im Abb. 13.8 zusammen mit der Förderluft in den Silo eingeblasen wird, sondern nur aufgrund der Schwerkraft im Silo herabfällt, wird Luft vom Schüttgutstrom nach unten mitgerissen. Die Luft strömt dann außen im Silo wieder nach oben und nimmt dabei sehr feine Partikel mit. Hierdurch entsteht ein ähnlicher Entmischungseffekt wie anhand von Abb. 13.8 erläutert, der wegen der geringeren Luftgeschwindigkeiten aber schwächer ausgeprägt ist. Die genaue Verteilung von Fein- und Grobgut über dem Querschnitt ist nicht vorherzusagen. Sie hängt u.a. von der Füllhöhe des Silos ab. Wird das Schüttgut tangential in den Silo eingeblasen, ist von einem erhöhten
13.1 Entmischungsmechanismen
399
Grobgutanteil am Silorand (ungleichmäßig über dem Umfang) auszugehen, während in der Silomitte mehr Feingut anzutreffen ist. Wird die Förderluft über einen Filter im Silodach abgeführt, der nach unten hin abgereinigt wird, findet man auch unter dem Filter mehr Feingut.
Abb. 13.8. Entmischung durch von der Luft mitgerissenes Feingut (die aufsteigende Luftströmung kann von der bei pneumatischer Befüllung eingetragenen Luft erzeugt werden; bei Füllung durch Schwerkraftfluss kann die Luftströmung aus der mit dem Schüttgutstrom mitgerissenen Luft resultieren)
Abb. 13.9. Entmischung durch eine fluidisierte Schicht im oberen Bereich der Schüttgutfüllung
400
13 Entmischung
Enthält das in den Silo gefüllte Schüttgut große Mengen leicht fluidisierbares Feingut, kann es zu einer fluidisierten Schüttgutschicht an der Oberfläche der Silofüllung kommen (Abb. 13.9) [13.6,13.1]. Der herabfallende Schüttgutstrom trägt Luft mit sich, die nach dem Auftreffen auf der Oberfläche aus dem Schüttgut nach oben entweicht. Außerdem entlüftet das bereits im Silo befindliche Schüttgut durch die mit zunehmender Füllhöhe steigende Belastung, da es mit steigender Füllhöhe aufgrund steigender Spannungen zunehmend verdichtet wird [13.16]. Beides führt zu einer nach oben gerichteten Luftströmung im Schüttgut, die die oberste Schüttgutschicht für eine gewisse Zeit im fluidisierten Zustand halten kann (wie in einer Wirbelschicht). Durch die fluidisierte Schüttgutschicht sinken größere Partikel nach unten, so dass eine Feingutschicht an der Oberfläche der Schüttgutfüllung entsteht. Wird der Silo chargenweise befüllt, entstehen so mehrere Feingutstreifen im Silo. Im Gegensatz zu allen anderen hier behandelten Effekten ergibt sich hier eine vertikale Entmischung und nicht eine Entmischung über dem Querschnitt. Beim Entleeren des Silos wird man am Auslauf einen schwankenden Feingutanteil feststellen.
13.2 Reduzieren der Entmischung beim Lagern von Schüttgütern Die im Kap. 13.1 gezeigten Entmischungsmechanismen treten vor allem immer dann auf, wenn das Schüttgut bewegt wird, insbesondere beim Einfüllen in Behälter, Silos etc. Als Beispiel zeigt Abb. 13.10 einen einfachen Abfüllprozess: Das Schüttgut wird in einem Mischer gemischt, dann in einen Transportbehälter gefüllt, aus dem schließlich Teilmengen abgefüllt werden. Nur dann, wenn das Schüttgut aus dem Auslauf des Zwischenbehälters in der gewünschten Zusammensetzung ausfließt, enthalten auch die einzelnen Teilmengen jeweils die gewünschte Zusammensetzung. Häufig sind Zwischenbehälter wie im Abb. 13.10 aber mit recht flachen Trichtern versehen und führen zu Kernfluss, d.h. das Schüttgut fließt zunächst aus der Mitte des Behälters aus, und erst anschließend folgt das Schüttgut aus den Randbereichen des Behälters. Da die meisten der im Kap. 13.1 erläuterten Entmischungseffekte zu einer Entmischung über dem Querschnitt führen, ändert sich die Zusammensetzung des aus dem Zwischenbehälter ausfließenden Schüttgutes mit der Zeit. Um der Entmischung insbesondere in Behältern zu begegnen, gibt es grundsätzlich drei Strategien, die in den folgenden Kapiteln diskutiert werden:
13.2 Reduzieren der Entmischung beim Lagern von Schüttgütern
401
• Veränderung des Schüttgutes zur Reduzierung der Neigung zur Entmischung • Optimieren von Einfüllprozessen, um Entmischung zu vermeiden • Zusammenführen des durch das Befüllen eines Behälters entmischten Schüttgutes beim Entleeren Bei zur Entmischung neigenden Mischungen aus verschiedenen Komponenten besteht zusätzlich die Möglichkeit, die Komponenten erst unmittelbar vor Einsatz der Mischung zusammenzuführen. Dies bedeutet z.B. für einen Verpackungsprozess, dass für jede Packung eine Mischung hergestellt wird. Dies ist eine Entscheidung der Verfahrensplanung und wird hier nicht weiter behandelt.
Abb. 13.10. Misch- und Abfüllprozess
13.2.1 Veränderung des Schüttgutes Die nachträgliche Veränderung des Schüttgutes ist häufig nicht möglich. Aber bei der Entwicklung von Produkten sollte man bereits die Möglichkeit von Entmischungsproblemen bedenken und das Produkt entsprechend gestalten. Die folgenden Veränderungen am Schüttgut führen zu einer verringerten Neigung zur Entmischung: • Verringern der Differenzen bezüglich Partikelgröße, -form oder -dichte, die die Entmischung verursachen.
402
13 Entmischung
• Verringerung der Fließfähigkeit durch Erhöhen der Haftkräfte: Dies reduziert die Beweglichkeit der Partikel und damit die Möglichkeit der Entmischung. Die Haftkräfte lassen sich vergrößern, indem man dem Schüttgut Flüssigkeit zugibt (Wasser, Öl, …) oder indem man die Partikelgröße verringert (bei Partikelgrößen unter etwa 50 µm wird die Neigung zur Entmischung in der Regel spürbar reduziert), sofern der Prozess und das Endprodukt dies erlauben [13.2,13.7]. Insbesondere ist darauf zu achten, dass die Veränderung keine Fließprobleme nach sich zieht. • Festes Zusammenfügen der Komponenten einer Mischung, z.B. durch Beschichten einer Komponente mit einer anderen. 13.2.2 Optimieren von Einfüllprozessen Um die Entmischung beim Einfüllen in Behälter zu vermeiden, müssen die in Kap. 13.1 beschriebenen Mechanismen vermieden oder reduziert werden. Fließt Schüttgut entlang geneigter Schüttgutoberflächen, kommt es zur Entmischung durch den Siebeffekt. Um diese Entmischung zu vermeiden, müssen geneigte Schüttgutoberflächen vermieden werden, d.h. das Schüttgut muss gleichmäßig über dem Behälterquerschnitt eingefüllt werden. Zur Befüllung von Hochöfen, bei denen eine homogene Befüllung zur Erzielung einer gleichmäßigen Gasdurchströmung wichtig ist, verwendet man gesteuerte Drehschurren mit variablem Abwurfradius (Abb. 13.11.a). Dies dürfte für Silos und andere Lagerbehälter aber zu aufwendig sein. Alternativ kann man das Schüttgut über eine Verteilerplatte einfüllen (Abb. 13.11.b), so dass anstelle eines zentralen vertikalen Schüttgutstromes eine Verteilung über dem Querschnitt erfolgt. Soll diese Maßnahme erfolgreich sein, muss ein homogener, nicht quer zur Förderrichtung entmischter Schüttgutstrom vertikal auf die Verteilerplatte aufgegeben werden, so dass von der Verteilerplatte in alle Richtungen ein gleich zusammengesetztes Schüttgut in den Silo gelangt. Ein Abwurf unmittelbar von einer geneigten Schurre oder einem Gurtförderer auf die Verteilerplatte wäre wegen der Entmischung durch unterschiedliche Flugbahnen ungeeignet, denn das Schüttgut würde über den Siloquerschnitt entmischt eingefüllt (Abb. 13.11.c). Um dies zu vermeiden, könnte man den Schüttgutstrom durch ein Mischrohr in der Art eines statischen Mischers oberhalb der Verteilerplatte zentrieren und in sich vermischen (Abb. 13.11.d). Nachdem das Schüttgut die Verteilerplatte in Abb. 13.11.b verlassen hat, kann es aufgrund der von Partikelgröße, -form und -dichte abhängigen Flugbahnen zur Entmischung über dem Siloradius kommen [13.1,13.2]. Kombiniert man die Verteilerplatte mit einem Zylinder (Abb. 13.11.e),
13.2 Reduzieren der Entmischung beim Lagern von Schüttgütern
403
wird der Schüttgutstrom ringförmig nach unten fallen. Dadurch entfällt weitgehend die Entmischung durch unterschiedliche Flugbahnen, aber der Silo wird nun entlang eines Ringes befüllt. Auf der Schüttgutoberfläche kann sich eine ringförmige Halde bilden, die zur Entmischung durch den Siebeffekt führt: Man wird die kleinen Partikel vermehrt unterhalb der höchsten Stelle der ringförmigen Halde finden, während sich grobe Partikel in der Siloachse und am Rand anreichern.
Abb. 13.11. Methoden zur Verteilung des Schüttgutes über dem Siloquerschnitt; a. Neigbare Drehschurre mit variablem Abwurfradius; b. Verteilerplatte bei Aufgabe vertikal von oben; c. Ungünstig: Verteilerplatte bei Aufgabe durch geneigte Schurre; d. Verteilerplatte mit Mischrohr bei Aufgabe durch geneigte Schurre; e. Verteilerplatte mit Zylinder; f. Mehrere Einfüllöffnungen
Andere Ideen zur Vermeidung oder Reduzierung von geneigten Schüttgutoberflächen beim Füllen sind Lochplatten unter dem Silodach, durch die das Schüttgut an vielen Stellen nach unten fällt, mehrere gleichzeitig benutzte Einfüllöffnungen statt nur einer (Abb. 13.11.f), oder verfahrbare Gurtförderer [13.1,13.2,13.17]. Aber auch hier gilt, dass der Aufwand sehr groß sein kann, und dass nicht immer sichergestellt werden kann, dass tat-
404
13 Entmischung
sächlich über dem gesamten Siloquerschnitt ein Schüttgut gleicher Zusammensetzung eingefüllt wird. Dies gilt vor allem dann, wenn der Schüttgutstrom, der quer zur Förderrichtung entmischt sein kann, aufgeteilt wird. Enthält ein Schüttgut Partikel, die kleiner als etwa 50 bis 100 µm sind, können Gasströmungen zur Entmischung führen (s. Kap. 13.1.3). Diese Art der Entmischung kann reduziert werden, indem die Gasgeschwindigkeiten verringert werden. Führt man eine pneumatische Förderleitung direkt in den Silo (Abb. 13.12.a), ist mit Entmischung über dem Querschnitt aufgrund der unterschiedlichen Strömungswiderstände der einzelnen Partikel zu rechnen. Nach [13.2] ist hier eine Verbesserung zu erreichen, indem man die Förderleitung so im Silo führt, dass das Schüttgut von unten gegen eine im Zentrum des Silodachs befestigte Prallplatte geblasen wird und sich von dort aus über dem Siloquerschnitt verteilt (Abb. 13.12.b). Eine wirksamere Reduzierung der Gasströmung im Silo ergibt sich naturgemäß, wenn mechanische Fördergeräte anstelle der pneumatischen Förderung eingesetzt werden [13.18,13.19], oder wenn die Förderluft schon vor dem Einfüllen des Schüttgutes in den Silo abgeschieden wird, wie es in Abb. 13.12.c anhand eines Zyklons gezeigt ist.
Abb. 13.12. Entmischung durch Luftströmung beim Befüllen mit pneumatischer Förderung; a. Einblasen des Schüttgutes in den Silo und Entmischung über dem Querschnitt; b. Prallplatte am Silodach; c. Abscheiden der Förderluft mittels Zyklon
Entmischung durch die Gasströmung kann auch schon bei kleineren Gasgeschwindigkeiten entstehen als solchen, die sich beim Einblasen des Schüttgutes in den Silo ergeben. Kleinere Gasgeschwindigkeiten beeinflussen vor allem kleinere Partikel (s. Sinkgeschwindigkeiten in Tabelle 13.1, Kap. 13.1.3). Lässt man den Schüttgutstrom z.B. vom Zyklon in
13.2 Reduzieren der Entmischung beim Lagern von Schüttgütern
405
Abb. 13.12.c oder vom Abwurf eines mechanischen Förderers vertikal in den Silo fallen, erzeugt dieser durch die mitgerissene Luft eine Gasströmung nach unten. Die seitlich wieder aufsteigende Luft nimmt Feingut mit und transportiert es in Richtung zur Silowand (s. auch Abb. 13.8). Um die beim Herabfallen des Schüttgutstroms im Silo auftretenden Gasgeschwindigkeiten zu verringern, kann man den vom Förderer bzw. vom Zyklon kommenden Schüttgutstrom auf dem Siloquerschnitt verteilen, indem man das Schüttgut über einen flachen Kegel gleiten lässt (Abb. 13.13.a). Hierbei ist aber Entmischung durch unterschiedliche Flugbahnen wie in der Abbildung angedeutet möglich. Alternativ empfiehlt sich die Verwendung einer Wendelrutsche (Abb. 13.13.b) [13.17,13.19]. Auf dieser gleitet das Gut relativ langsam nach unten, kann dabei gegebenenfalls schon etwas entlüften und wird weniger stark aufgewirbelt. Auch Befüllrohre (Abb. 13.13.c) werden zur Reduzierung von Entmischung eingesetzt. Das Schüttgut fällt durch das Befüllrohr nach unten und verlässt das Rohr durch die Seitenöffnungen, die etwas oberhalb der augenblicklichen Position der Schüttgutoberfläche sind. Der Schüttgutstrom wird durch die Umlenkung beim Austritt aus dem Entleerungsrohr etwas gebremst, so dass die Teilchen im Silo weniger aufgewirbelt werden und hierauf basierende Entmischungseffekte reduziert werden. In [13.20] ist aber ein Fall beschrieben, bei dem der Einbau eines Befüllrohres die Entmischung nicht signifikant reduziert hat (s. Kap. 13.2.3).
Abb. 13.13. Entmischung durch Luftströmung und Methoden zur Verringerung; a. Abscheiden der Förderluft mittels Zyklon, kombiniert mit Verteilerplatte; b. Wendelrutsche; c. Befüllrohr
Im Fall der Entmischung durch eine fluidisierte Schüttgutschicht an der Schüttgutoberfläche (Abb. 13.9) ist dafür zu sorgen, dass das Schüttgut
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13 Entmischung
möglichst entlüftet in den Silo eingetragen wird, also sollte das Schüttgut nicht frei im Silo herabfallen, sondern besser über eine Wendelrutsche (Abb. 13.13.b) in den Silo gleiten. Auch hier ist in der Regel eine mechanische Zuförderung der pneumatischen Förderung vorzuziehen. Nach [13.1] lässt sich die Entmischung auch durch eine Beschleunigung des Entlüftungsprozesses reduzieren, indem eine Vorrichtung mit vertikalen, in das Schüttgut eintauchenden schwingenden Stäben verwendet wird (Abb. 13.14). Durch die in Nähe der schwingenden Stäbe entstehenden Hohlräume kann die Luft schneller entweichen, was die Höhe der fluidisierten Schüttgutschicht verringert. Die genannten Maßnahmen zur Verringerung der Entmischung beim Befüllen sind in ihrer Wirkung nicht quantitativ berechenbar. Im Einzelfall ist daher zu prüfen, ob die eine oder andere Maßnahme geeignet ist, die erforderliche Homogenität des Produktes (die für jeden Anwendungsfall zu definieren ist) sicherzustellen. Die Erfahrung zeigt aber, dass abgesehen von sehr aufwendigen Lösungen wie der Drehschurre mit variablem Abwurfradius durch die gezeigten Maßnahmen allein häufig nicht die gewünschte Produkthomogenität zu erzielen ist. Daher hat es sich als Standardlösung zur Reduzierung von Entmischung etabliert, die Entmischung bei der Befüllung zu akzeptieren, aber die entmischten Komponenten beim Entleeren wieder zusammenzuführen.
Abb. 13.14. Vorrichtung zur Beschleunigung der Entlüftung [13.1]
13.2 Reduzieren der Entmischung beim Lagern von Schüttgütern
407
13.2.3 Zusammenführen des entmischten Schüttgutes Akzeptiert man die Entmischung beim Befüllen eines Behälters, ist der Lagerbehälter so auszulegen, dass beim Ausfließen eine Rückvermischung stattfinden kann. Abgesehen von der schichtweisen Entmischung durch eine fluidisierte Schüttgutschicht (s. Abb. 13.9) entmischt sich das Schüttgut über dem Behälterquerschnitt. Daher muss beim Ausfließen das über dem Behälterquerschnitt verteilte Schüttgut wieder zusammengeführt werden. Dies erreicht man durch Massenfluss (Abb. 13.15.a). Schüttgut aus dem Randbereich und dem Silozentrum gelangt hier gleichzeitig in den Trichter und wird so wieder vereinigt. Bei Kernfluss fließt dagegen zunächst Schüttgut aus, das oberhalb der Auslauföffnung lagert, und erst später das Schüttgut aus dem Randbereich. Jede Entmischung über dem Siloquerschnitt wird sich daher bei Kernfluss durch eine zeitlich schwankende Produktzusammensetzung am Auslauf äußern.
Abb. 13.15. Massenfluss (a) und Kernfluss mit unterschiedlichen toten Zonen (b,c); Feingutanteil (qualitativ) des abgezogenen Schüttgutes während der vollständigen Entleerung (d)
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13 Entmischung
Den prinzipiellen Verlauf der Zusammensetzung des aus den Silos von Abb. 13.15.a bis c. abgezogenen Schüttgutes zeigt das Diagramm in Abb. 13.15.d qualitativ anhand des Feingutanteils. Bei Massenfluss ist wegen der Rückvermischung im Trichter eine relativ gleichmäßige Zusammensetzung des abgezogenen Schüttgutes zu erwarten. Bei Kernfluss wird dagegen zuerst das Gut aus der Siloachse ausfließen, erst später folgen die toten Zonen, die von oben nach unten entleert werden. Je nach der Form der toten Zonen wird man am Auslauf unterschiedliche zeitliche Verläufe der Zusammensetzung des Schüttgutes beobachten. Bei Kernfluss wie in Abb. 13.15.b mit einer engen und steilen Fließzone wird das Schüttgut aus den toten Zonen Schicht für Schicht ausfließen, wobei eine gewisse Rückvermischung über einen längeren Zeitraum stattfinden kann, so dass die Konzentration in diesem Zeitraum nicht allzu stark von der mittleren Konzentration der Silofüllung abweicht. Am Anfang (vor allem Feingut aus dem Bereich der Fließzone über der Auslauföffnung) und am Ende (Schüttgut aus der Nähe der Trichterwand, wo sich beim Füllen viel Grobgut angesammelt hat) der Entleerung wird man aber auch hier größere Abweichungen von der mittleren Konzentration feststellen. Um Massenfluss zu erhalten, muss der Trichter des Silos oder Behälters hinreichend steil sein. Die notwendige Neigung lässt sich mit Hilfe der Theorie von Jenike und den gemessenen Fließeigenschaften des Schüttgutes ermitteln [13.21] (Kap. 10). Aber auch bei Massenfluss ist zu beachten, dass sich beim Entleeren im Trichter und im unteren Bereich des Schaftes ein ungleichmäßigeres Geschwindigkeitsprofil als weiter oben im Schaft, wo nahezu Kolbenfluss vorliegt, ausbildet (Kap. 10.1, Abb. 10.2). Das heißt, dass das Schüttgut aus der Trichterachse etwas schneller nach unten gelangt als das Schüttgut vom Trichterrand. Da durch die Auflast der Schüttgutsäule im Schaft eine Vergleichmäßigung des Geschwindigkeitsprofils im Trichter erzielt wird, wird das Geschwindigkeitsprofil im Trichter gegen Ende der Entleerung, wenn nur noch wenig Schüttgut im Schaft ist, tendenziell ungleichmäßiger. Gegen Ende der Entleerung fließt das Schüttgut im Zentrum schneller aus als das vom Rand. Im Fall der Entmischung von Abb. 13.15 führt das dann zu einem kleineren Feingutanteil am Ende der Entleerung, wenn das Schüttgut aus dem Bereich der Trichterwand ausfließt (Kurve a in Abb. 13.15.d). Wegen des Geschwindigkeitsprofils im Trichter ist hinsichtlich der Vermeidung von Entmischung ein Massenflusssilo mit großem Verhältnis von Höhe H zu Durchmesser D von Vorteil, da dann der Einfluss der unterschiedlichen Geschwindigkeiten im Trichter klein ist. Außerdem sollte man den Silo nicht vollständig entleeren: Die Schüttgutoberfläche sollte möglichst mindestens um das 0,75-fache des Silodurchmessers D oberhalb des Trichters sein [13.5].
13.2 Reduzieren der Entmischung beim Lagern von Schüttgütern
409
Abb. 13.16. Silo mit zwei Auslauföffnungen; a. unsymmetrische Befüllung, symmetrischer Abzug; b. symmetrische Befüllung, unsymmetrischer Abzug
Das Austraggerät sollte das Schüttgut so gleichmäßig wie möglich über der Auslauföffnung abziehen, damit das Schüttgut im Silo möglichst gleichmäßig nach unten fließt. Andernfalls könnte zunächst bevorzugt aus einem Bereich ausgetragen werden, der aufgrund der Entmischung beim Füllen z.B. besonders viel Feingut enthält. Außerdem sollte der Silo nur eine Auslauföffnung besitzen, denn bei Verwendung mehrerer Auslauföffnungen stellt sich immer die Frage, ob wirklich alle Öffnungen die gleiche Schüttgutzusammensetzung erhalten. Dies wäre nur dann zu erreichen, wenn die Befüllung und die daraus resultierende Entmischung völlig symmetrisch bezüglich der Auslauföffnungen wären, und wenn stets alle Auslauföffnungen gleichzeitig mit dem gleichem Massenstrom aktiv wären. Aus Abb. 13.16.a wird unmittelbar deutlich, dass bei nicht symmetrischer Befüllung eine einseitige Entmischung stattfindet, so dass aus beiden Auslauföffnungen auch bei gleichen Auslaufmassenströmen ein unterschiedlich zusammengesetztes Produkt abgezogen wird. Durch unterschiedliche Auslaufmassenströme an den Auslauföffnungen kommt es aber auch bei symmetrischer Befüllung zur Entmischung, denn innerhalb des Silos gleichen sich die unterschiedlichen Fließgeschwindigkeiten aus, indem zur Auslauföffnung mit dem größeren Massenstrom Schüttgut aus ei-
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13 Entmischung
nem größeren Bereich des Silos fließt als zur anderen Auslauföffnung (Abb. 13.16.b). Massenfluss lässt sich auch mit Hilfe eines Trichters im Trichter, dem sogenannten Binsert®, erzielen (Kap. 11.3.2, Abb. 11.12.a) [13.22,13.23]. Hierbei braucht der Silotrichter nicht so steil sein wie ohne Innentrichter. Daher eignet sich der Innentrichter auch gut zur Sanierung von Kernflusssilos, die Entmischungsprobleme zeigen. Ob der Innentrichter in einem speziellen Fall anwendbar ist, kann aufgrund der gemessenen Fließeigenschaften des zu lagernden Schüttgutes entschieden werden. Massenfluss ist die sicherste Variante zum Reduzieren der Entmischung. Wegen der dazu erforderlichen steilen Trichter wird manchmal aus Kosten- oder Platzgründen eine einfachere Lösung zur Beeinflussung des Fließprofils gesucht. Eine häufig versuchte Lösung ist es, die Fließzone in einem konischen Trichter mittels eines konischen Einbaus zu vergrößern (Kap. 11.3.1.2, Abb. 11.11.b). Da das von unten abgezogene Schüttgut um den Einbau herumfließen muss, ist im Kernflusssilo mit Einbau eine größere Fließzone zu erwarten als ohne Einbau. Aufgrund der größeren Fließzone wird Schüttgut aus einem größeren Querschnitt des Silos abgezogen, was zunächst günstigere Bedingungen für die Rückvermischung verspricht. Im weiteren Verlauf der Entleerung wird Schüttgut aus den trotz Einbau verbliebenen toten Zonen nachfließen. Eine allgemeine Bewertung der Wirkung des Einbaus ist nicht möglich, da der Effekt des Einbaus auch von der Verteilung des entmischten Gutes im Silo abhängt. Eine Verbesserung ist vor allem dann spürbar, wenn mit dem Einbau die toten Zonen weitgehend verschwinden (s. Messungen in [13.24]). Ist dies nicht der Fall, kann der Einbau auch weitgehend wirkungslos hinsichtlich der Entmischung sein (s. später in diesem Kapitel) [13.20]. Auch mit Hilfe eines Entleerungsrohres (s. Kap. 11.3.3) kann Entmischung reduziert werden. Ein Entleerungsrohr ist ein Rohr mit Seitenöffnungen, das oberhalb des Siloauslaufs angeordnet ist (Abb. 13.17). Wird das Schüttgut beim Entleeren aus dem Entleerungsrohr abgezogen, fließt es nur an der Oberfläche der Silofüllung und innerhalb des Rohres nach unten. Somit erzeugt das Entleerungsrohr Kernfluss, was an sich ungünstig zur Reduzierung der Entmischung ist. Da die Fließzone hier aber durch das Entleerungsrohr definiert ist, das nur einen sehr kleinen Anteil des Siloquerschnittes umfasst, wird der Silo durch das Entleerungsrohr näherungsweise schichtweise entleert. Messungen an Silos mit Entleerungsrohr [13.24,13.25] haben gezeigt, dass mit Abweichungen von der Sollzusammensetzung vor allem zu Beginn und am Ende der Entleerung eines vollständig gefüllten Silos zu rechnen ist, denn am Anfang wird das Schüttgut aus dem Entleerungsrohr selbst und dem Schüttkegel an der Silooberfläche
13.2 Reduzieren der Entmischung beim Lagern von Schüttgütern
411
entleert (Bereiche A, B), am Ende das Schüttgut aus der Nähe der Trichterwand (Bereich D). Beispielsweise bei Entmischung nach der Partikelgröße derart, dass grobe Partikel vermehrt in Nähe der Silowand lagern, enthalten die Bereiche A und B einen erhöhten Feingutanteil, der Bereich D einen erhöhten Grobgutanteil. Bei Entleerung des Bereichs C erfolgt ein schichtweiser Abbau der Silofüllung von oben nach unten, so dass Grobgut von außen und Feingut von innen vereinigt werden. Allerdings bewegt sich das Schüttgut hierbei jeweils über die geneigte Oberfläche des darunterliegenden ruhenden Schüttgutes, so dass Entmischung durch den Siebeffekt nicht ausgeschlossen werden kann und Feingut im Bereich C immer weiter nach unten wandert.
Abb. 13.17. Kernflusssilo mit Entleerungsrohr; Reihenfolge der Entleerung: A, B, C, D [13.25]
Wird ein Entleerungsrohr zur Reduzierung der Entmischung eingesetzt, sollte das Verhältnis von Silohöhe zu Silodurchmesser möglichst groß und der Durchmesser des Entleerungsrohres im Verhältnis zum Silodurchmesser möglichst klein sein, denn dann sind die Bereiche A, B und D klein gegenüber dem Siloinhalt. Aus einem Vergleich der in diesem Kapitel vorgestellten Maßnahmen folgt, dass ein Massenflusstrichter die beste Reduzierung der Entmischung erwarten lässt. Gut gestaltete Einbauten wie ein Konus zur Vergrößerung
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13 Entmischung
der Fließzone (Abb. 11.11.b ) oder ein Entleerungsrohr können die Entmischung ebenfalls verringern, aber in der Regel nicht mit der gleichen Wirksamkeit. Unzureichend gestaltete Einbauten können auch zu einer nicht hinreichenden Reduzierung der Entmischung führen [13.20,13.24]. Bei einem in [13.20] detailliert beschriebenen Großversuch zur Entmischung eines feinkörnigen Schüttgutes (Putzgips, ca. 30 % > 90 µm) konnte die Wirkung einzelner Maßnahmen zur Verringerung der Entmischung gezeigt werden. Verladesilos (Durchmesser 3200 mm, Schafthöhe 11700 mm), die ursprünglich Kernfluss zeigten, wurden in unterschiedlicher Weise verändert. Abbildung 13.18.a zeigt die ursprüngliche Siloform, Abb. 13.18.b den gleichen Silo mit vergrößerter Auslauföffnung und angesetztem Schwingtrichter. Die vergrößerte Auslauföffnung erweitert die Fließzone ebenso wie der in Abb. 13.18.c gezeigte kegelförmige Einbau. Ein weiterer Silo wurde mit einem Befüllrohr (s. auch Abb. 13.13.c) und einer Luftauflockerung im Trichter ausgestattet (Abb. 13.18.d). Parallel wurden die Fließeigenschaften des Putzgipses gemessen und darauf basierend ein Massenflusstrichter ausgelegt. Da dieser recht steil sein musste, wurde zur Reduzierung der Trichterhöhe ein Austraggerät mit großem Durchmesser gewählt (Schwingtrichter, Abb. 13.18.e).
Abb. 13.18. Untersuchte Varianten eines Putzgipssilos [13.20]; a. Ursprünglicher Silo (Kernfluss); b. Silo mit Schwingtrichter (Kernfluss); c. Silo mit kegelförmigem Einbau (Kernfluss); d. Silo mit Befüllrohr und Luftauflockerung (Kernfluss); e. Silo mit steilerem Trichter (Massenfluss)
13.2 Reduzieren der Entmischung beim Lagern von Schüttgütern
413
Der ursprüngliche Silo (Abb. 13.18.a) wurde zunächst von mittlerer Höhe, danach von oben pneumatisch befüllt. Aufgrund der relativ geringen Partikelgröße war hier die Entmischung durch die Luftströmung entsprechend Abb. 13.8 vorherrschend, bei der sich Feingut vermehrt in Nähe der Wand ablagerte. Abbildung 13.19 zeigt für diesen Silo den typischen Verlauf der Zusammensetzung des ausgetragenen Schüttgutes bei Kernfluss: Zunächst kommt das Gut aus der Silomitte (gröber), später das Schüttgut aus der Nähe der Silowand (feiner). Die Spitze im Kurvenverlauf bei etwa 60 t resultiert aus dem Wechsel der Befüllung von der Silomitte zum Dach. Die Varianten in Abb. 13.18.b bis d ergaben keine hinreichende Verbesserung. Da nach wie vor Kernfluss herrschte, wurde gegen Ende der Entleerung das Schüttgut aus dem Bereich nahe der Silowand ausgetragen. Auch das Befüllrohr konnte das Problem der Anreicherung von Feingut an der Silowand nicht vermeiden. Erst durch Massenfluss (Abb. 13.18.e) wurde schließlich eine hinreichend konstante Zusammensetzung des ausgetragenen Schüttgutes erreicht. Dabei ist am Ende der Entleerung eine Zunahme der Feinheit zu verzeichnen, was durch das Geschwindigkeitsprofil im Trichter (Kap. 10.1, Abb. 10.2) in Verbindung mit der Anreicherung von Feingut an der Silowand hervorgerufen wird. Dieses Geschwindigkeitsprofil ist um so ungleichmäßiger, desto kleiner der Füllstand ist. Daher sollte in Massenflusssilo zur Vermeidung von Entmischung eine Mindestfüllstand eingehalten werden (s. oben).
Abb. 13.19. Ergebnisse von Entmischungsuntersuchungen [13.20]: Anteil > 90 µm über der ausgetragenen Schüttgutmasse (vollständige Entleerung). Hinweis: Der Mittelwert des Siebrückstands auf 90 µm der Gesamtfüllung war bei den einzelnen Messreihen etwas unterschiedlich.
414
13 Entmischung
13.3 Probenahme Wenn Proben genommen werden, um die Zusammensetzung des Schüttgutes zu beurteilen und gegebenenfalls Indizien für Entmischung zu finden, sind die üblichen Regeln der Probenahme zu berücksichtigen [13.26, 13.27]. Besonders wichtig hinsichtlich der Entmischung sind: • Die Probe muss groß genug sein, damit alle Komponenten hinreichend vertreten sind. Nur so ist eine statistisch abgesicherte Aussage möglich. • Muss eine Probemenge zur Analyse verringert werden, so ist eine saubere Probenteilung (z.B. mit einem Drehprobenteiler) erforderlich. Keinesfalls darf zur Analyse eine Teilmenge aus einer Probe an beliebiger Stelle entnommen werden, denn auch im Probenbehälter muss mit Entmischung gerechnet werden. • Wird eine Probe aus einem Materialstrom entnommen, muss immer auch mit Entmischung quer zur Fließrichtung gerechnet werden. Dies wird an Abb. 13.7 deutlich: Würde man nur einen Teilstrom des von der Schurre fließenden Schüttgutstroms als Probe entnehmen, so könnte darin aufgrund der unterschiedlichen Wurfbahnen zuviel Fein- oder Grobgut enthalten sein. Am Abwurf des von der Schurre beaufschlagten Gurtförderers hätte zusätzlich die Entmischung quer zum Gurt einen Einfluss. Daher ist eine Probe stets so zu nehmen, dass der gesamte Schüttgutstrom erfasst wird. • Bei zeitlich schwankender Konzentration ist es wichtig, Proben in hinreichend kurzen Abständen zu nehmen, um nicht Schwankungen höherer Frequenz zu übersehen.
13.4 Schlussfolgerungen Entmischung tritt immer dann auf, wenn Schüttgüter bewegt werden. Besonders deutlich werden die Effekte beim Befüllen von Behältern oder Silos, denn hier kommen größere Schüttgutmengen zusammen, innerhalb derer sich z.B. feine Partikel ungleichmäßig verteilen können. Man kann zwar die Neigung eines Schüttgutes zur Entmischung durch Veränderung des Produktes beeinflussen, jedoch ist dies in der Regel nur beschränkt möglich, ohne die gewünschten Eigenschaften des Produktes zu verändern oder zu hohe Kosten zu verursachen. Auch die Möglichkeiten, bereits beim Einfüllen eines Schüttgutes in einen Behälter die Entmischung zu vermeiden, sind begrenzt, in ihrer Wirkung nicht vorhersehbar oder mit großem Aufwand verbunden. Daher empfiehlt es sich als Stan-
13.4 Schlussfolgerungen
415
dardlösung, einen Behälter oder Silo so auszulegen, dass es beim Entleeren zu einer Rückvermischung der entmischten Komponenten kommt. Die optimale Lösung heißt also in der Regel „Massenfluss“.
14 Erschütterungen und Schwingungen in Silos
14.1 Phänomen Beim Fließen von Schüttgut in Silos kann es zu Erschütterungen und selbsterregten Schwingungen kommen [14.1]. Die Frequenz der durch das Schüttgut ausgelösten Schwingungen kann größer als 1 Hz sein, manchmal sogar im hörbaren Bereich > 20 Hz [14.2,14.3] liegen, wobei aber gewöhnlich kleine Amplituden vorherrschen [14.4]. Werden hörbare Schwingungen erzeugt, spricht man vom „Silohupen“, da das Geräusch vergleichbar mit der Hupe eines Lkw ist. Es können aber auch Erschütterungen mit Periodenzeiten von Sekunden bis Stunden in unregelmäßiger Abfolge auftreten, was als „Silobeben“ oder „Schlagen“ [14.5] bezeichnet wird. Je nach Untergrund können sich die Stoßbelastungen weit in die Umgebung ausbreiten [14.6], so dass Silobeben und Silohupen häufig mit einer Beeinträchtigung der Umwelt verbunden sind (Abb. 14.1), aber auch unangenehm für das Betriebspersonal sowie möglicherweise ungünstig für die Belastung der Silobauwerke sind.
Abb. 14.1. Silobeben und Silohupen
418
14 Erschütterungen und Schwingungen in Silos
Wie unten dargelegt werden wird, ist die Ursache für Silobeben und Silohupen schlagartiges Fließen und Abbremsen des Schüttgutes, daher werden hier alle genannten Effekte unter dem Begriff „Erschütterungen“ zusammengefasst. Wahrscheinlich zeigen viele Silos Erschütterungen in mehr oder weniger ausgeprägter Form. Von Silobeben und Silohupen wird meist erst dann gesprochen, wenn die Erschütterungen vom Menschen deutlich wahrgenommen werden. Aber nicht jedes Schüttgut neigt zu Erschütterungen, die vor allem bei harten, spröden Schüttgütern beobachtet wurden (Mais [14.5, 14.7], Getreide [14.1,14.4,14.5,14.7,14.8], Zementklinker [14.5,14.6,14.9], Steinkohle [14.1,14.4,14.8,14.10–14.13], Eisenerz [14.4,14.14], Rapssaat [14.2], PET-Granulat [14.15–14.18], Sand [14.19,14.20], Salz [14.8]), aber auch bei feinkörnigen Produkten wie Zement [14.18], Flugasche [14.21] oder Stärke [14.18] vorkommen. Das Silohupen kommt in Verbindung mit Erschütterungen vor und wurde bei z.B. PET-Granulat und Stärke beobachtet [14.14–14.18]. Erschütterungen können auf unterschiedlichen Mechanismen beruhen, die noch nicht vollständig erforscht sind. Daher gibt es auch keine Standardlösungen zur Vermeidung der Erschütterungen. In den folgenden Abschnitten werden bekannte Phänomene beschrieben, erläutert und eingeordnet, wobei der Slip-Stick-Effekt (s. Abschnitt 7.1.1) als wesentliche Voraussetzung für Erschütterungen angesehen wird. Letzteres führt in Einzelfällen zu anderen Interpretationen als in den zitierten Literaturstellen.
14.2 Erschütterungen als Ergebnis schlagartig bewegter Schüttgutmassen Erschütterungen entstehen durch Schüttgutbereiche, die plötzlich in Bewegung kommen und dann schlagartig wieder abgebremst werden. In großen Silos können dies Teilbereiche der Schüttgutfüllung sein (Abb. 14.2.a). In schlanken Silos können dies dagegen große Teile der Silofüllung sein, wobei das Schüttgut über dem gesamten Schaftquerschnitt in Bewegung kommt (Abb. 14.2.b). Für die Wirkung auf die Silostruktur bzw. die Umgebung ist vor allem die beim Abbremsen des Schüttgutes in der Regel nach unten wirkende Trägheitskraft verantwortlich. Deren Größe hängt von der Masse des abzubremsenden Schüttgutes und von der Stärke der auftretenden negativen Beschleunigung ab. Grundsätzlich gilt, dass mit zunehmender Füllmenge bzw. Füllhöhe größere Massen in Bewegung kommen und abgebremst werden müssen, d.h. das Auftreten und die Stärke von Silobeben nimmt mit der Silogröße bzw. der Füllhöhe zu (z.B.
14.2 Erschütterungen als Ergebnis schlagartig bewegter Schüttgutmassen
419
[14.1,14.4,14.6,14.14, 14.22]). Besonders bei Silos mit großem Verhältnis von Höhe zu Durchmesser können starke Erschütterungen auftreten, da sich die Schüttgutsäule im Schaft bei der Beschleunigung wie ein Kolben nach unten bewegt und dabei nur die Wandreibung überwinden muss, in sich aber unverformt bleibt. So wird bei der Bewegung nur wenig der zur Verfügung stehenden Energie durch Reibung dissipiert. Die Stärke der Erschütterungen steigt hier nach [14.8] sogar überproportional mit der Füllhöhe an.
Abb. 14.2. Bei Erschütterungen schlagartig nach unten fließende Schüttgutbereiche in Silos mit großem Querschnitt (a) und in schlanken Silos (b)
Abbildung 14.3 zeigt qualitativ einen typischen Verlauf der Auflagerkraft eines Silos während einer Erschütterung. Kommt Schüttgut plötzlich nach unten in Bewegung, erfährt es eine nach oben wirkende Trägheitskraft, so dass die Auflagerkraft des Silos abnimmt. Beim anschließenden Auftreffen des Schüttgutes auf weiter unten liegende Schüttgutschichten wird es schlagartig abgebremst, was große nach unten gerichtete Trägheitskräfte hervorruft. Dies äußert sich in einem deutlichen Maximum im Verlauf der Auflagerkraft. Die Stärke der Verzögerung hängt vereinfacht dargestellt vom Verzögerungsweg des Schüttgutes ab. Um so steifer ein Schüttgut ist (wie z.B. die oben aufgeführten harten Schüttgüter), desto schlagartiger wird das Schüttgut abgebremst, und desto größer sind die auftretenden, nach unten wirkenden Trägheitskräfte. Bei feinkörnigen und verdichtbaren Schüttgütern ist dagegen mit einer weniger starken Verzögerung und daher auch mit geringeren Trägheitskräften zu rechnen. Hierbei ist aber zu berücksichtigten, dass feinkörnige Schüttgüter bei zunehmenden Spannungen zuneh-
420
14 Erschütterungen und Schwingungen in Silos
mend verdichtet werden. Ein unter großen Spannungen gelagertes Schüttgut ist daher weniger verdichtbar und damit steifer als ein lockeres Schüttgut. Somit kann ein feinkörniges Schüttgut wie z.B. Zement in einem großen Silo, in dem große Spannungen herrschen, Erschütterungen zeigen, während es in einem kleinen Silo ohne Erschütterungen fließt.
Abb. 14.3. Qualitativer Verlauf der Auflagerkraft F während einer Erschütterung
Auch das Silohupen, das in hohen, schlanken Silos (Abb. 14.2.b) auftritt, wird durch Erschütterungen im Schüttgut erzeugt. Untersuchungen an einem hupenden Silo zur Lagerung von Kunststoffgranulat [14.16,14.23] zeigten, dass der Silo durch einzelne Erschütterungen im Abstand einiger Sekunden zum Schwingen in seiner Eigenfrequenz von 292 Hz angeregt wurde, was dann als Hupen hörbar war. So einfach der ungleichmäßige Schüttgutfluss als Ursache für die Erschütterungen zu erkennen ist, so schwierig ist es, eindeutige Ursachen dafür zu benennen, dass sich Schüttgutbereiche schlagartig in Bewegung setzen oder pulsierend fließen. Sieht man von am Auslauf z.B. durch ein Austraggerät verursachten Schwingungen ab (s. Kap. 14.6.2), ist in der Regel zu beobachten, dass das Schüttgut im Innern des Silos (Abb. 14.2.a) bzw. im Schaft (Abb. 14.2.b) ungleichmäßig nach unten fließt, während an der Auslauföffnung ein gleichmäßiger Massenstrom vorliegt. Ungleichmäßiges Fließen kann hierbei schlagartiges Fließen mit Pausen zwischen den einzelnen Fließvorgängen (z.B. [14.6]), dauerndes pulsierendes Fließen (z.B. [14.24]) und als Kombination von beidem ein zeitweise pulsierendes Fließen (z.B. [14.16,14.23]) bedeuten. In den folgenden Kapiteln werden einige Erklärungsansätze auf der Grundlage der verfügbaren Literatur und eigener Erfahrungen erläutert (weitere Übersichten s. [14.4,14.25,14.26]).
14.4 Scherzonen im Silo
421
14.3 Schlagartiges und pulsierendes Fließen durch Slip-Stick In der Literatur ist der Slip-Stick-Effekt als Erklärungsansatz für Erschütterungen in Silos in den letzten Jahren in den Vordergrund gerückt. SlipStick bedeutet bei Schüttgütern, dass die Bewegung beim Fließen nicht gleichförmig, sondern ruckartig ist. Ursache für den Slip-Stick-Effekt ist der Wechsel zwischen Haften („stick“) und Gleiten („slip“). Der Vorgang ist im Kap. 7.1.1 erläutert. Dort ist dargelegt, dass zum Auftreten von SlipStick-Schwingungen zwei Bedingungen erfüllt sein müssen [14.27,14.28]: 1. Materialverhalten: Die Reibung nimmt mit zunehmender Relativgeschwindigkeit ab (vereinfacht: Gleitreibung kleiner als Haftreibung) 2. Systemverhalten: Das System muss Schwingungen erlauben (z.B. hinreichend kleine Dämpfung, Möglichkeit zur Speicherung hinreichender elastischer Energie) Wird Slip-Stick-Reibung bereits bei der Messung von Fließeigenschaften mit Schergeräten beobachtet, kann man davon ausgehen, dass das Schüttgut die erste und das System „Schüttgut im Schergerät“ die zweite der genannten Bedingungen erfüllt. Ob sich mit diesem Schüttgut in einem Silo Erschütterungen einstellen, ist daraus nicht zu erkennen, da im System „Schüttgut im Silo“ auch die zweite Bedingung erfüllt sein muss. Stellt sich im Schergerät dagegen keine Slip-Stick-Reibung ein, kann man SlipStick im Silo nicht auszuschließen, denn es besteht die Möglichkeit, dass das System „Schüttgut im Schergerät“ keine Schwingungen erlaubt (zweite Bedingung nicht erfüllt), das System „Schüttgut im Silo“ dagegen doch. Bei Slip-Stick-Reibung innerhalb eines Schüttgutes oder auch zwischen Schüttgut und einer angrenzenden Wand bauen sich Spannungen auf, die bei Überschreiten der Haftreibung zu einer beschleunigten, schlagartigen Bewegung der beteiligten Massen führen. Hierbei sind je nach Randbedingungen sowohl einzelne Erschütterungen als auch periodische Erschütterungen (Schwingungen) möglich. Verschiedene Situationen, bei denen die Slip-Stick-Reibung eine Rolle spielt, werden in den folgenden Kapiteln erläutert.
14.4 Scherzonen im Silo Zum Verständnis der Ursachen für die Erschütterungen ist es wichtig, die Fließvorgänge im Schüttgut näher zu betrachten. Bei Massenfluss und gleichmäßigem Schüttgutabzug über dem Querschnitt der Auslauföffnung
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14 Erschütterungen und Schwingungen in Silos
stellt sich in einem Silo typischerweise das in Abb. 14.4 gezeigte Geschwindigkeitsprofil ein. In hinreichendem Abstand vom Übergang zum Trichter herrscht im Schaft nahezu Kolbenfluss, lediglich dicht an der Wand kann sich je nach Wandrauhigkeit eine mehr oder weniger ausgeprägte Scherzone bilden (z.B. [14.23]), in der die Geschwindigkeit des Schüttgutes zur Wand hin etwas abnimmt. Im Massenflusstrichter fließt das Schüttgut – gemittelt über einen längeren Zeitraum – in der Mitte schneller nach unten als dicht an den geneigten Trichterwänden. Das Geschwindigkeitsprofil ist um so ungleichmäßiger, desto größer die Reibung an den Trichterwänden bzw. desto dichter die Trichterneigung an der Grenze zu Kernfluss ist. Die im Trichter zu beobachtende Geschwindigkeitsverteilung ist auch noch im unteren Bereich des Schaftes zu finden, wo sie mit zunehmendem Abstand von der Trichteroberkante in Kolbenfluss übergeht. Die Höhe dieses Übergangsbereichs beträgt etwa das 0,7- bis 1,0-fache des Schaftdurchmessers D.
Abb. 14.4. Wandnormalspannung σw und Verteilung der über der Zeit gemittelten Vertikalgeschwindigkeit in einem Massenflusssilo
Tatsächlich ist die Schüttgutbewegung in einem Trichter komplexer als dies die gemittelten Geschwindigkeiten in Abb. 14.4 vermuten lassen. Das Schüttgut muss beim Fließen im Trichter aufgrund des nach unten kleiner
14.4 Scherzonen im Silo
423
werdenden Querschnittes seine Form ändern. Dies führt zu Scherverformungen im Schüttgut. Die Scherverformungen werden neben der Trichterneigung von der Wandreibung beeinflusst, da sich bei größerer Wandreibung größere Geschwindigkeitsunterschiede im Schüttgut einstellen, was wiederum eine stärkere Scherverformung im Schüttgut nach sich zieht. Scherverformungen in Schüttgütern konzentrieren sich nach hinreichender Verformung auf begrenzte Bereiche (Lokalisation der Scherzone, z.B. [14.29], s. Kap. 5.2). Dies ist auch im Trichter der Fall und wurde bereits früher experimentell nachgewiesen, indem z.B. Trichter während des Ausfließens mit Röntgenstrahlen durchstrahlt wurden [14.30–14.32]. Dabei zeigten sich Scherzonen, die sich durch geringere Schüttgutdichte (und damit einhergehende geringere Schwächung der Röntgenstrahlen) von den angrenzenden unverformten Bereichen unterschieden (Abb. 14.5.a). Die geringere Schüttgutdichte in den Scherzonen resultiert daraus, dass sich das Schüttgut bei der Scherverformung etwas ausdehnt, wenn sich die Partikel übereinander hinwegbewegen (Kap. 5.2.3). Die Scherzonen wandern mit dem Schüttgut nach unten, die Bereiche zwischen den Scherzonen bewegen sich als Block parallel zur angrenzenden Trichterwand. Die momentanen Geschwindigkeitsvektoren der Blöcke zwischen den Scherzonen, die aus den Bewegungen von in das Schüttgut gegebenen Bleikugeln [14.30] grob abgeschätzt wurden, sind in Abb. 14.5.a mit Pfeilen (v) repräsentiert. Man erkennt, dass die momentanen Geschwindigkeiten im Schüttgut nicht symmetrisch zur Trichterachse sind.
Abb. 14.5. Beispiel für experimentell bestimmte Scherzonen in einem keilförmigen Massenflusstrichter mit 20° Wandneigung gegen die Vertikale (nach Abb. 5.b in [14.30]). Momentane Wandnormalspannungen σw im oberen Bereich des Trichters und Geschwindigkeiten v qualitativ (Pfeillänge) eingetragen. b. Gemessene Wandnormalspannungen σw an der Unterkante des Schaftes in Abhängigkeit von der Zeit t (ähnliche Siloform wie in Abb. 14.5.a, nach Abb. 40 in [14.25])
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14 Erschütterungen und Schwingungen in Silos
Scherzonen können auf dem Weg nach unten inaktiv werden, d.h. eine einmal gebildete Scherzone muss nicht bis zur Auslauföffnung erhalten bleiben [14.32]. Ausgehend vom Übergang vom Schaft zum Trichter bilden sich immer wieder neue bogenförmige Scherzonen, weiten sich in das Siloinnere aus und bewegen sich mit dem Schüttgut nach unten. Messungen haben gezeigt, dass sich die Scherzonen in keilförmigen Trichtern bevorzugt abwechselnd von rechts und links her bilden, wobei die Form der Scherzonen zufälligen Schwankungen unterliegt [14.30]. Die Bildung einer neuen Scherzone am Übergang vom Schaft zum Trichter ist mit einer zeitweiligen Erhöhung der Wandnormalspannung in diesem Bereich verbunden [14.25, 14.30], was man an den in Abb. 14.5.a qualitativ eingezeichneten Wandnormalspannungen σw erkennt. Abbildung 14.5.b zeigt auf beiden Seiten eines anderen Modellsilos [14.25] mit keilförmigem Trichter an der Unterkante des Schaftes gemessene Wandnormalspannungen. Man erkennt, dass die größere Wandnormalspannung beim Entleeren abwechselnd auf der linken und der rechten Seite auftritt. Die Bildungsfrequenz der Scherzonen ist proportional zum Massenstrom [14.25,14.33]. Im weiteren Verlauf des Entleerens wird sich die in Abb. 14.5.a entstehende Scherzone vollständig ausbilden, danach wird die nächste Scherzone wieder ausgehend von der linken Seite entstehen, wobei dann die erläuterten Vorgänge spiegelbildlich ablaufen. Folgt man dieser Argumentation, lässt sich feststellen, dass sich beim Ausfließen des Schüttgutes periodisch Scherzonen bilden, was mit periodischen Schwankungen der Spannungen und der Geschwindigkeiten verbunden ist. Die Muster der Scherzonen können weit komplexer sein als in Abb. 14.5.a (s. [14.30–14.32]), bei konischen Trichtern ist von räumlich gekrümmten Scherzonen auszugehen. Neben den Scherzonen innerhalb des Schüttgutes gibt es im Massenflusssilo die Scherverformung zwischen dem Schüttgut und den Silowänden, die sich bei nicht zu rauen Wänden in der Verschiebung des Schüttgutes entlang der Wand äußert. Diese Bereiche werden hier als Scherzonen an der Wand bezeichnet. Abbildung 14.6.a zeigt die nach diesen Betrachtungen im Massenflusssilo möglichen Scherzonen. Auch bei Kernfluss ist von der Bildung von Scherzonen im Bereich der häufig konvergenten Fließzone auszugehen (Abb. 14.6.b). Zusätzlich gibt es bei Kernfluss eine Scherzone zwischen den toten Zonen und der Fließzone. Treffen die toten Zonen auf die Wand, kann sich bei hinreichender Füllhöhe oberhalb der toten Zonen im Siloschaft Kolbenfluss einstellen. Nur dort liegt bei Kernfluss eine Scherzone an der Wand vor. Allein die Tatsache, dass sich im Schüttgut Scherzonen bilden, führt nicht zu Erschütterungen. Liegen jedoch gleichzeitig die Bedingungen für das Auftreten von Slip-Stick-Reibung vor, so erfolgt die Scherverformung in den Scherzonen nicht ruhig und gleichmäßig, sondern ruckartig mit gro-
14.5 Erschütterungen durch Slip-Stick-Reibung
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ßen Beschleunigungen. Kommen dabei hinreichend große Schüttgutmengen in Bewegung, kommt es zu spürbaren Erschütterungen.
Abb. 14.6. Mögliche Bereiche der Scherzonen im Massenflusssilo (a) und im Kernflusssilo (b); A: Scherzonen innerhalb des fließenden Schüttgutes (Bereich vertikal schraffiert); B: Scherzonen am Rand der toten Zone; C: Scherzonen an der Wand. Die Schraffurmuster geben keine Richtungen von Scherzonen oder Spannungen an.
14.5 Erschütterungen durch Slip-Stick-Reibung 14.5.1 Scherzonen im fließenden Schüttgut Erschütterungen und Schwingungen in Massenflusssilos, deren Ursache in der Scherverformung des Schüttgutes vermutet wird, sind in einer Reihe von Veröffentlichungen dokumentiert [14.1,14.4,14.12,14.13,14.22,14.25]. Scherverformung liegt bei Massenfluss vor allem im Trichter und im unteren Teil des Schaftes vor (Kap. 14.4). Fließt Schüttgut aus einem Massenflusstrichter wie in Abb. 14.6.a aus, fließt das darüber lagernde Schüttgut nach, wobei es die beschriebenen Scherzonen ausbildet (Scherzonen A in Abb. 14.6.a). Liegt Slip-StickReibung vor, muss sich entlang einer Scherzone erst eine größere Spannung aufbauen, bevor es zur weiteren Scherverformung, also zum weiteren Fließen im Bereich der Scherzone, kommt. Da das Schüttgut auch beim
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14 Erschütterungen und Schwingungen in Silos
Auftreten von Erschütterungen kontinuierlich aus dem Siloauslauf ausfließt, entsteht folgende Situation [14.22,14.25]: Unterhalb eines bestimmten Bereichs (z.B. Bereich X in Abb. 14.7.a) fließt das Schüttgut, aber oberhalb dieses Bereichs findet zunächst kein Fließen statt, da im Bereich X eine oder mehrere Scherzonen existieren, in denen die Haftreibung noch nicht überwunden wurde. Dabei wird der nicht fließende Bereich durch den fließenden Bereich von unten her immer weniger stark abgestützt. Die Spannungen im fließenden Schüttgut nehmen dadurch ab. Das ruhende Schüttgut oberhalb muss sich zunehmend an den Trichter- bzw. Silowänden abstützen, wodurch sich die Spannungen dort erhöhen. Schließlich sind die Spannungen ausreichend groß, um die „Haftreibung“ im Schüttgut, also in den Scherzonen, zu überwinden. Es kommt zur schlagartigen Bewegung des Schüttgutes oberhalb des betrachteten Bereichs, indem das Schüttgut schnell nach unten absinkt und von dem darunter befindlichen Schüttgut schlagartig wieder abgebremst wird (Abb. 14.7.b). Das Abbremsen ist dann als Schlag oder Erschütterung zu spüren (s. Kap. 14.2) und führt (auch unterhalb von Bereich X) sowohl zu einer Verdichtung des Schüttgutes als auch zu einer Spannungszunahme. Kommt die Scherverformung in den Scherzonen dadurch wieder zum Stillstand, wiederholt sich der gesamte Zyklus. Die aus dem beschriebenen Zyklus resultierende Erschütterung wird um so größer sein, desto weiter oben im Trichter der Bereich X ist, in dem die Erschütterung ausgelöst wird. Hierfür sprechen folgende Gründe: 1. Die Spannungen nehmen im Trichter nach oben hin zu. Am Übergang vom Schaft zum Trichter existiert zudem eine Spannungsspitze (Abb. 14.4). Dadurch kann beim Überwinden der Haftreibung (beim Slip) im oberen Trichterbereich mehr gespeicherte elastische Energie schlagartig freigesetzt werden und das Schüttgut beschleunigen als im unteren Trichterbereich. 2. Die Schüttgutdichte nimmt wie die Spannung im Trichter nach oben hin zu. Dadurch ist das Schüttgut weiter oben steifer. Das Schüttgut wird daher stärker abgebremst (größere Trägheitskräfte). 3. Weiter oben im Trichter sind die Querschnitte größer, so dass beim Überwinden der Haftreibung größere Schüttgutmassen in Bewegung kommen. 4. Eine schlagartige Bewegung unten im Trichter, die aus den drei vorgenannten Punkten weniger stark ist, löst zunächst Fließbewegungen des Schüttgutes im Trichterbereich aus. Im Trichter muss sich das Schüttgut aber auch horizontal verformen, weswegen es die im Kap. 14.4 erläuterten Scherzonen bildet. Daher ist vorstellbar, dass sich die im unteren Trichterbereich entstehende schlagartige Bewegung nicht
14.5 Erschütterungen durch Slip-Stick-Reibung
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bis in den Schaft fortsetzt bzw. dort nur zu einer Bewegung in abgemilderter Form führt. 5. Reicht eine durch eine Erschütterung im unteren Trichterbereich initiierte Fließbewegung nicht, um in einer weiter höher gelegenen Scherzone die Haftreibung zu überwinden, kann sich die schlagartige Bewegung nicht nach oben fortsetzen. Die Erschütterung umfasst dann nur einen kleinen Schüttgutbereich und ist entsprechend gering. 6. Eine schlagartige Bewegung in einer Scherzone im Bereich des Übergangs vom Schaft zum Trichter ist besonders stark (s. Punkte 1 bis 3) und führt unmittelbar zum schlagartigen Absinken und anschließenden Abbremsen der Schüttgutsäule im Schaft. Daher ist hier mit den stärksten Erschütterungen des Silos zu rechnen.
Abb. 14.7. Modellvorstellung zum Ablauf von Erschütterungen im Massenflusssilo; a. vor der Erschütterung; b. während der Erschütterung
Messungen an einem Modellsilo [14.25] bestätigen, dass starke Erschütterungen jeweils dann entstehen, wenn sie im Bereich des Übergangs vom Schaft zum Trichter ausgelöst werden und die Füllhöhe im Schaft möglichst groß ist. Für diesen Fall zeigt Abb. 14.8 qualitativ, wie sich die Spannungen während eines der beschriebenen Erschütterungszyklen ändern. Unmittelbar nach einer Erschütterung sind die Wandnormalspannungen im Trichter verhältnismäßig groß. Sie nehmen dann im Trichter von unten her mit der Zeit ab. Dies zeigen die zwischen zwei Erschütterungen gemessenen Werte, die unten bereits die gleichen Spannungen wie unmittelbar vor der Erschütterung einnehmen, oben jedoch noch dicht an den
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14 Erschütterungen und Schwingungen in Silos
Werten unmittelbar nach der Erschütterung liegen. Gleichzeitig vergrößert sich die an der Unterkante des Schaftes gemessene Wandnormalspannung etwas. Das Schüttgut wird also immer weniger von unten getragen und stützt sich zunehmend weiter oben an der Silowand ab. Schließlich kommt es zu einer Erschütterung, die durch schlagartiges Überwinden der Haftreibung in einer Scherzone im Bereich des Übergangs vom Schaft zum Trichter ausgelöst wird. Das Schüttgut sinkt schlagartig ab und wird wieder gebremst. Die Spannungen im Trichter nehmen dabei zu, die Spannung an der Schaftwand sinkt etwas.
Abb. 14.8. Wandnormalspannung an der Silowand unmittelbar vor und nach einer Erschütterung sowie nach der halben Zeitspanne zwischen zwei Erschütterungen (entnommen aus Diagrammen in [14.25]; gemessen bei gefülltem Siloschaft).
In der Literatur findet man ähnliche Modellvorstellungen, die den Bereich des Übergangs vom Schaft zum Trichter als Ursache für die Erschütterungen betrachten. In [14.4] wird die Bildung von Bruchflächen als Ursache für periodische Schwankungen angeführt. In [14.1,14.12] wird angenommen, dass das Schüttgut im Schaft durch das Schüttgut im Trichter immer weniger abgestützt wird, bis es schließlich schlagartig nachrutscht und dadurch eine Erschütterung erzeugt. Auch hier ist zu erwarten, dass SlipStick-Reibung die Voraussetzung dafür ist, dass das Schüttgut schlagartig in Bewegung kommt. Messungen [14.25] zeigen, dass die Stärke der Erschütterungen im Massenflusssilo mit abnehmender Füllmenge geringer wird. Aber auch dann, wenn sich nur noch Schüttgut im Trichter befindet, setzen sich die Erschütterungen fort. Dies zeigt, dass grundsätzlich Scherzonen im gesamten Trichterbereich zu Erschütterungen führen können. Allerdings sind die Er-
14.5 Erschütterungen durch Slip-Stick-Reibung
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schütterungen bei kleinen Füllhöhen in der Umgebung kaum noch spürbar. Die Messungen in [14.25] zeigen weiterhin, dass die Verhältnisse im Siloschaft keinen großen Einfluss auf die Erschütterungen haben: Weder eine Vergrößerung der Wandreibung noch Einbauten oberhalb des Trichters konnten die Erschütterungen deutlich vermindern oder gar vermeiden. Daraus ist zu schließen, dass die in diesem Abschnitt behandelten Erschütterungen tatsächlich aus dem Fließen im Trichter resultieren. Beim schlagartigen Fließen des Schüttgutes im Schaft beginnt die Bewegung von unten und setzt sich nach oben fort, indem eine Beschleunigungswelle [14.25] (Entlastungswelle in [14.20]) von unten nach oben durch den Schaft läuft (Abb. 14.9). Dieser folgt eine Verzögerungswelle [14.25] (Verdichtungswelle in [14.20]), wenn das Schüttgut von unten her gebremst wird. Die größeren Beschleunigungen wirken auf das Schüttgut beim Abbremsen und nehmen im Schaft von unten nach oben hin zu [14.20]. Die Ausbreitungsgeschwindigkeiten der Wellen sind u.a. von der Spannung, den Siloabmessungen, der Wandreibung und vom Schüttgut abhängig. Gemessene Größenordnungen sind 75 m/s [14.20] bis 150 m/s [14.25]. Die Aussagen in [14.20] bzw. Abb. 14.9 gelten zwar für den Fall von Erschütterungen aufgrund von Slip-Stick-Reibung an der Schaftwand, s. Kap. 14.5.3.2, das Ergebnis ist aber wie hier die schlagartig nach unten rutschende Schüttgutsäule im Schaft. Daher sind hier ähnliche Verhältnisse zu erwarten.
Abb. 14.9. Beschleunigung a des Schüttgutes während einer Erschütterung; gemessen im Schaft des Modellsilos nach Abb. 14.14.a in zwei verschiedenen Höhen z über dem Boden [14.20]; positive Beschleunigungen wirken in Richtung der Schwerkraft.
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14 Erschütterungen und Schwingungen in Silos
Erschütterungen, die auf den Scherzonen innerhalb des Schüttgutes beruhen, sind um so wahrscheinlicher, desto stärker die Scherverformung des Schüttgutes im Trichter ist. Modellversuche [14.4] haben gezeigt, dass ein Trichter, der aufgrund seiner Wandneigung und Wandreibung auf der Grenze zwischen Massenfluss und Kernfluss liegt, Massenfluss mit einem ausgeprägten Geschwindigkeitsprofil und sehr kleinen Geschwindigkeiten an der Wand zeigte. Bei diesem Trichter waren regelmäßige Erschütterungen zu bemerken. Mit verringerter Wandreibung zeigte der Trichter ein gleichmäßigeres Geschwindigkeitsprofil, was gleichbedeutend mit einer geringeren Scherverformung im Schüttgut ist. Hier zeigten sich keine Erschütterungen. In [14.10] wird von Erschütterungen in einem Silo für Steinkohle berichtet, aus dem das Schüttgut mit einem Trogkettenförderer abgezogen wurde. Die Steinkohle wurde aufgrund der Gestaltung des Trogkettenförderers vor allem an einem Ende des Auslaufschlitzes abgezogen (Abb. 14.10), so dass sich im Silo ein ungleichmäßiges Geschwindigkeitsprofil ergab. Durch die großen Differenzen in der Vertikalgeschwindigkeit v (s. Messwerte in Ebene A) bildete sich eine geneigte Zone starker Scherverformung zwischen dem schneller und dem langsamer nach unten fließenden Schüttgut, die als Ausgangspunkt für die auftretenden Erschütterungen angesehen wurde. Um die Scherverformung zu reduzieren, wurde der Trogkettenförderer für einen gleichmäßigeren Schüttgutabzug umgestaltet. Anschließend waren keine Erschütterungen mehr festzustellen. Offensichtlich war die Ursache für die Erschütterungen der große Geschwindigkeitsgradient im fließenden Schüttgut.
Abb. 14.10. Geschwindigkeitsprofil (Geschwindigkeit v) durch ungleichmäßig abziehendes Austraggerät [14.10]
14.5 Erschütterungen durch Slip-Stick-Reibung
431
Silobeben durch den hier beschriebenen Effekt kann auch bei Kernfluss entstehen. Wenn die Grenzlinie zwischen der toten Zone und der Fließzone im unteren Bereich des Silos auf die Silowand trifft, wie es in Abb. 14.6.b gezeigt ist, bildet sich im Schüttgut der Übergang von zylindrischer zu konvergenter Fließzone. Die Verhältnisse an diesem Übergang sind ähnlich denen am Übergang vom Schaft zum Trichter des Massenflusssilos. Der Kernflusssilo kann dann wie ein „Massenflusssilo aus Schüttgut“ angesehen werden. Im Trichterbereich bilden sich ähnlich wie im Massenflusstrichter Scherzonen (Scherzonen A in Abb. 14.6.b). Zusätzlich gibt es starke Scherverformungen an der Grenze zwischen toter Zone und Fließzone (Scherzonen B in Abb. 14.6.b), die weitere mögliche Quellen für Erschütterungen darstellen. Für die hier sowie im weiteren Verlauf von Kap. 14.5 beschriebenen Erschütterungen gilt, dass ihr zeitlicher Abstand von Ereignis zu Ereignis zwar zufällig schwanken kann, aber ihr (über viele Erschütterungen gemittelter) zeitlicher Abstand häufig umgekehrt proportional zum Auslaufmassenstrom ist (z.B. [14.5,14.6,14.20,14.22,14.25]). Der Zusammenhang erklärt sich daraus, dass die Verformung des Schüttgutes proportional zur abgezogenen Masse ist. Daher ist es sinnvoll, statt eines zeitlichen Abstandes die Masse, die zwischen zwei Erschütterungen aus dem Silo abgezogen wurde, anzugeben [14.25]. Bei sehr großen Auslaufmassenströmen können die Erschütterungen in eine Schwingung des Systems „Silo mit Schüttgut“ übergehen, deren Frequenz vom Auslaufmassenstrom unabhängig ist [14.24,14.25]. 14.5.2 Veränderliche tote Zonen (Kernfluss) Bei Kernfluss bewegt sich nur das Schüttgut in der Fließzone, während das übrige Schüttgut in den toten Zonen in Ruhe verharrt. Typische Ursachen für Kernfluss sind: zu flache oder raue Trichterwände, einseitig abziehende Austraggeräte oder nach innen in den Silo vorstehende Hindernisse, auf denen sich tote Zonen aufbauen können. Die toten Zonen können instabil sein, d.h. es kann vorkommen, dass Schüttgut aus einer bis dahin toten Zone plötzlich in Bewegung kommt und zu einer Erschütterung führt. Dies ist gleichbedeutend damit, dass Scherzonen B (Abb. 14.6.b) schlagartig im Bereich einer toten Zone auftreten können. Auch ein schlagartiges Gleiten auf der Trichterwand ist möglich. Verschiedene Situationen werden in den folgenden Kapiteln beschrieben.
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14 Erschütterungen und Schwingungen in Silos
14.5.2.1 Trichterneigung nur wenig flacher als für Massenfluss erforderlich
In Abb. 14.11 ist ein Kernflusssilo gezeigt, bei dem die Trichterwände nur wenig flacher sind, als es zum Erreichen von Massenfluss notwendig wäre. Wenn nach dem Füllen zum ersten Mal Schüttgut abgezogen wird, bildet sich die Fließzone, in der das Schüttgut nach unten fließt. Abhängig von den Fließeigenschaften des Schüttgutes, aber auch von der Siloform, vom Füllverfahren, der momentanen Füllhöhe und anderen Einflussgrößen, ist die Form der Fließzone mehr oder weniger konvergent.
Abb. 14.11. Erschütterungen durch schlagartiges Fließen der toten Zonen auf der Trichterwand; im Punkt A übt die Fließzone auf die tote Zone die Horizontalspannung σh und die Schubspannung τ aus. Im Punkt B wirkt die Vertikalspannung σv.
Beim Schüttgutabzug bewegt sich das Schüttgut in der Fließzone nach unten und stützt sich über Normal- und Schubspannungen (je nach Form des Fließkanals) an den toten Zonen ab (s. Punkt A in Abb. 14.11). Die Vertikalspannungen σv in der toten Zone können hierdurch zunehmen (z.B. Punkt B in Abb. 14.11). Dagegen sinken die Spannungen, u.a. die Horizontalspannung σh, im Bereich der Fließzone. Damit wird das Schüttgut in den toten Zonen stärker in vertikaler Richtung belastet und weniger in horizontaler Richtung abgestützt, was dazu führen kann, dass das Schüttgut an der Trichterwand herunterrutscht. Ist zudem die Haftreibung an der Wand deutlich größer als die Gleitreibung, wird das Schüttgut in der toten Zone schlagartig in Bewegung kommen (s. Erläuterungen zum schlagartigen Fließen bei Slip-Stick, Kap. 14.3 und 7.1.1). Das Schüttgut im Fließkanal wird dadurch verdichtet, so dass das von den toten Zonen kommende Schüttgut wieder abgebremst wird. Je nach Heftigkeit des Abbremsens und Größe der abgebremsten Schüttgutmasse ergibt sich durch die Trägheitskräfte eine mehr oder weniger starke Erschütterung (Silobeben). Im weite-
14.5 Erschütterungen durch Slip-Stick-Reibung
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ren Verlauf des Entleerens wiederholt sich dieser Zyklus: Zunächst bilden sich wieder tote Zonen, da das verdichtete Schüttgut im Fließkanal stützend wirkt, aber mit zunehmender Spannungsabnahme und Auflockerung im Fließkanal entfällt die Stützwirkung, so dass die toten Zonen erneut in Bewegung kommen usw. [14.1,14.4,14.11,14.13,14.14,14.34]. 14.5.2.2 Formänderung toter Zonen
Erschütterungen durch die plötzliche Änderung des Fließprofils können auch in Kernflusssilos entstehen, bei denen ein direktes Gleiten des Schüttgutes an der Silowand nicht möglich ist, z.B. bei sehr flachen oder sehr rauen Trichterwänden. Da tote Zonen in Kernflusssilos vor allem bei der Lagerung von gut fließenden Schüttgütern nicht unbedingt formstabil sind, kann hier immer mal wieder (periodisch) Schüttgut aus den toten Zonen in den Fließkanal rutschen, wenn die Abstützung von der Fließzone her gemäß Kap. 14.5.2.1 abnimmt. Da hierbei nur Teile der toten Zonen in Bewegung kommen, bilden sich Gleitflächen (Scherzonen) innerhalb des Schüttgutes. Durch das Beschleunigen und anschließende Abbremsen des Schüttgutes kann es auch hier zu Erschütterungen kommen.
Abb. 14.12. Schlagartiges Fließen von Teilen der toten Zonen; a. tote Zone kommt fast vollständig schlagartig in Bewegung; b. nur ein kleiner Teil der toten Zone kommt schlagartig in Bewegung.
Zwei Beispiele sind in Abb. 14.12 gezeigt. Im Fall von Abb. 14.12.a fließt zunächst nur das Schüttgut innerhalb des Fließkanals nach unten. Durch die abnehmende horizontale Abstützung und die zunehmende Vertikalspannung in den toten Zonen (Kap. 14.5.2.1) kommt schließlich fast der gesamte Siloinhalt in Bewegung, indem ein Teil der toten Zone auf einer sich bildenden Gleitfläche (Scherzone) abrutscht. Dadurch wird das
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14 Erschütterungen und Schwingungen in Silos
Schüttgut in der Fließzone verdichtet, so dass das gerade in Bewegung gekommene Schüttgut wieder schlagartig abgebremst wird. Im Fall von Abb. 14.12.b ist nur ein kleiner Bereich der toten Zone instabil. Es ist davon auszugehen, dass die resultierenden Erschütterungen um so stärker sind, desto größer die beschleunigte und anschließend abgebremste Masse ist. Daher wären im Fall von Abb. 14.12.a stärkere Erschütterungen zu erwarten als bei Abb. 14.12.b. Tote Zonen entstehen auch durch in das Siloinnere hervorstehende Teile wie Flansche, Dichtungen, nur teilweise geöffnete Schieber (Abb. 14.13) oder Austraggeräte, die das Schüttgut nicht über dem gesamten Auslaufquerschnitt abziehen (s. Kap. 11.2.2 und 12.3.1). In einer Reihe von Veröffentlichungen [14.4,14.14, 14.34] wird vermutet, dass im unteren Bereich der so entstehenden toten Zonen sehr große Spannungen wirken, die dann mittelbar Ursache für spürbare Erschütterungen sind. Die großen Spannungen entstehen in der toten Zone dadurch, dass sich das Schüttgut in der Fließzone an der toten Zone über Normal- und Schubspannungen abstützt (s. Erläuterungen in Kap. 14.5.2.1 zu Abb. 14.11). Die Fließzone wird dadurch entlastet (kleinere Spannungen).
Abb. 14.13. Unstabile tote Zone bei einem nur teilweise geöffneten Flachschieber
Durch die großen Vertikalspannungen in der toten Zone, die ein Maß für die in diesem Bereich gespeicherte elastische Energie sind, kann Schüttgut aus dem Bereich der toten Zone plötzlich in Richtung der benachbarten Fließzone abrutschen (s. Abb. 14.13). Wie im Kap. 14.5.2.1 beschrieben, wird die Fließzone verdichtet und das abgerutschte Schüttgut dadurch wieder abgebremst. Die beschriebene Sequenz kann nicht nur gelegentlich, sondern auch periodisch auftreten und so zu Vibrationen des Silos führen [14.4,14.14,14.34].
14.5 Erschütterungen durch Slip-Stick-Reibung
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14.5.3 Fließen an der Silowand 14.5.3.1 Trichter
Bei Kernfluss bilden sich tote Zonen auf den Trichterwänden, daher findet dort bei gefülltem Silo kein Fließen statt. Eine Ausnahme ist lediglich der im Kap. 14.5.2.1 beschriebene Effekt. Bei Massenfluss sind Trichter und Schaft meist aus dem gleichen Wandmaterial. Führt die verwendete Kombination von Schüttgut und Wandmaterial zu Slip-Stick-Reibung, so liegt diese sowohl im Trichter als auch im Schaft vor. Da Slip-Stick im Siloschaft an einer Reihe von Silos als Ursache für Erschütterungen beobachtet wurde [14.16,14.19,14.20,14.23, 14.24], ist anzunehmen, dass gleichzeitig im Trichter anzutreffende SlipStick-Reibung von untergeordneter Bedeutung ist. Dies liegt möglicherweise daran, dass aufgrund der komplexen Fließvorgänge im Trichter (Abb. 14.5) der Effekt dort auf einzelne Schüttgutblöcke beschränkt ist. Im Schaft herrscht dagegen Kolbenfluss, so dass dort eine verhältnismäßig große Schüttgutmenge beim „Slip“ in Bewegung kommt und entsprechend große Erschütterungen nach sich zieht (s. folgenden Abschnitt). 14.5.3.2 Schaft
Bei hinreichender Füllhöhe im Schaft oberhalb des Trichters (bzw. oberhalb der toten Zonen bei Kernfluss) herrscht dort näherungsweise Kolbenfluss (Abb. 14.4), d.h. das Schüttgut bewegt sich über dem Querschnitt des Schaftes nahezu gleich schnell nach unten. Damit spielt hier die Relativbewegung zwischen Schüttgut und Schaftwand (Scherzone C im Schaft, Abb. 14.6) die wesentliche Rolle. Fließt Schüttgut aus einem Silo aus, erwartet man ein Absenken des Schüttgutes im Trichter und im Schaft. Herrscht aber an der Schaftwand Slip-Stick-Reibung, kann das Schüttgut im Schaft erst in Bewegung kommen, wenn die Haftreibung überwunden ist, d.h. wenn eine hinreichend große Schubspannung an der Schaftwand erreicht wurde. Solange dies noch nicht geschehen ist, sinkt die Unterstützung der Schüttgutsäule im Schaft durch das Schüttgut im Trichter, das nach unten fließt. Die Gewichtskraft der Schüttgutsäule im Schaft wird daher vermehrt über Reibung (Schubspannung) in die Schaftwand abgetragen. Dadurch steigt die Schubspannung an der Schaftwand an. Nach Überwinden der Haftreibung wirkt die kleinere Gleitreibung, so dass nur noch ein Teil der Gewichtskraft von der Silowand über Schubspannungen getragen werden kann. Die restliche Gewichtskraft führt zur Beschleunigung der Schüttgutsäule, die sich schlagartig nach unten bewegt, dann auf das Schüttgut im Trichter stößt und so wieder schlagartig abgebremst wird (Die Bewegung der
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14 Erschütterungen und Schwingungen in Silos
Schüttgutsäule ist im Kap. 14.5.1 beschrieben und verläuft hier ähnlich). Dies führt zu einer kräftigen Erschütterung, bei der auch das Schüttgut im Trichter verdichtet wird. Es dauert dann wieder eine Weile, bis sich das Schüttgut im Trichter durch weiteres Ausfließen auflockert, die Unterstützung für die Schüttgutsäule im Schaft erneut abnimmt und die nächste Erschütterung stattfindet. Diese Modellvorstellung entspricht der in Kap. 14.5.1, nur dass hier die Slip-Stick-Reibung an der Schaftwand betrachtet wird, dort hingegen Slip-Stick-Reibung im Schüttgut. Die Erklärung im vorangegangenen Absatz basiert auf der Vorstellung, dass Slip-Stick-Reibung an der Schaftwand ohne Einfluss der Vorgänge im Trichter zu Erschütterungen führen kann. Dies belegen Messungen an dem in Abb. 14.14.a gezeigten Modellsilo, bei dem das Schüttgut (Sand) im zylindrischen Schaft aus Plexiglas von einer horizontalen Platte gestützt wurde. Beim langsamen Herunterfahren der Platte kam es im Schüttgut zu starken Erschütterungen [14.19,14.20]. Die Beschleunigung im Schüttgut beim Abbremsen zeigte einen exponentiellen Anstieg mit dem Abstand z von der Unterkante der Schüttgutsäule (Abb. 14.14.b). Der zeitliche Abstand der Erschütterungen (Periodendauer T) war umgekehrt proportional zur Geschwindigkeit der Platte (Abb. 14.14.c) Ähnliche Messergebnisse zeigten sich in einem größeren Versuchssilo, der mit einem Auslauftrichter versehen war [14.20].
Abb. 14.14. a. Versuchsaufbau zur Untersuchung von im Siloschaft ausgelösten Erschütterungen [14.19,14.20]; b. Maximale Beschleunigung a des Schüttgutes beim Abbremsen in Abhängigkeit vom Abstand z von der Unterkante der Schüttgutsäule (Gesamthöhe der Schüttgutsäule ca. 0,8 m) [14.20]; c. Periodendauer T der Erschütterungen in Abhängigkeit von der Absenkgeschwindigkeit v [14.20]
Bei einer anderen Untersuchung [14.24] wurde ein Versuchssilo mit zylindrischem Schaft, flachem Boden und zentrischem Auslauf verwendet, wobei neben dem Material der Schaftwand auch die Steifigkeit des Aufla-
14.5 Erschütterungen durch Slip-Stick-Reibung
437
gers und damit die Eigenfrequenz des Gesamtsystems Silo/Schüttgut variiert werden konnte. Die Untersuchungen zeigten, dass die Frequenz der Erschütterungen je nach Randbedingungen (Eigenfrequenz des Gesamtsystems, Schüttgut, Wandmaterial) gleich der Eigenfrequenz des gefüllten Silos sein kann, aber sich auch von dieser unterscheiden kann, indem der Silo den durch das Schüttgut erzeugten Erschütterungen folgt. Die Erschütterungen bzw. Schwingungen des Schüttgutes beruhen daher nicht zwangsläufig auf Resonanz zwischen Schüttgut und Silostruktur [14.24]. Die Erschütterungen resultierten auch bei dieser Untersuchung auf SlipStick-Reibung an der Silowand, wobei sich aber nicht bei allen Kombinationen von Schüttgut und Wandmaterial Erschütterungen zeigten. Auch Tejchman [14.16,14.23] beobachtete an einem zylindrischen Modellsilo aus Plexiglas Erschütterungen, die nach Erhöhung der Rauhigkeit der Innenwand des Schaftes (Aufbringen von Sandpapier oder anderen Materialien mit grober Oberflächenstruktur) weitgehend reduziert waren. Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass die Ursache für die Erschütterungen in der Slip-Stick-Reibung zwischen Schüttgut und Wand liegt. In [14.16,14.23] beschreibt Tejchman detaillierte Untersuchungen von Erschütterungen und Silohupen in Aluminiumsilos zur Lagerung von PETGranulat (Abb. 14.15.a). Bei einem Auslaufmassenstrom von 12 t/h zeigten sich starke Erschütterungen im Abstand von etwa 7 Sekunden. Die Erschütterungen regten die Silostruktur zu Schwingungen in ihrer Eigenfrequenz von 292 Hz an, woraus sich ein kurzzeitiges, abklingendes Hupgeräusch ergab. Die Füllhöhe hatte keinen Einfluss auf diese Frequenz, allerdings trat das Silohupen nur bei hinreichender Füllhöhe im Siloschaft auf (in einem ähnlichen Silo betrug die Mindestfüllhöhe im Schaft für Silohupen etwa das Zweifache des Schaftdurchmessers, wobei Erschütterungen auch schon bei kleineren Füllhöhen zu spüren waren [14.18]). Aus Messwerten der Vertikaldehnung εv der Schaftwand (Abb. 14.15.b) ist zu erkennen, dass die vertikale Stauchung der Silowand vor jeder Erschütterung langsam zunimmt, um dann bei der Erschütterung schlagartig auf etwa 80% ihres Maximalwertes abzunehmen. Dieser Befund deckt sich mit der Modellvorstellung am Anfang dieses Kapitels: Die nach unten gerichteten Schubspannungen, die das Schüttgut auf die Silowand ausübt, wachsen immer mehr an, bis die Haftreibung erreicht wird. Durch das Anwachsen der Schubspannungen nimmt die Silowand zunehmend Last auf und wird dementsprechend stärker in vertikaler Richtung gestaucht. Nach Überschreiten der Haftreibung wirkt schlagartig die kleinere Gleitreibung, so dass auch schlagartig die Vertikalspannung in der Silowand verringert wird und die vertikale Stauchung der Silowand abnimmt. Beschleunigungsmessungen [14.16,14.23] zeigen sehr starke Beschleunigungen der Silowand nach oben (über 500 g in Ebene A; g = Erdbeschleunigung; nach
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14 Erschütterungen und Schwingungen in Silos
oben hin nehmen diese Beschleunigungen ab), wobei die zurückgelegten Wege 0,02 mm bis 0,04 mm betragen [14.16] (Auch die Überschreitung der Haftreibung nur in einem Teilbereich der Silowand dürfte zu einer Beschleunigung der Silowand nach oben führen, was wie bei einer Kettenreaktion zum Eintreten der kleineren Gleitreibung auch in anderen Regionen der Silowand führt). Gleichzeitig zur Beschleunigung nach oben findet eine Beschleunigung der Silowand nach innen statt (> 50 g in Ebene A). Durch die Beschleunigungen wird die Silowand zum Schwingen angeregt, wobei das Silohupen entsteht. Die Schwingung bzw. das Silohupen klingen innerhalb von etwa 0,15 Sekunden ab.
Abb. 14.15. a. Silo zur Lagerung von PET-Granulat. [14.16,14.23]; angenommener Bereich mit Kolbenfluss; b. Zeitlicher Verlauf der Vertikaldehnung εv der Schaftwand in Ebene A vor der Umgestaltung (Werte aus [14.23], vom Verf. geglättet durch Herausfiltern überlagerter Schwingungen. Negative εv repräsentieren Stauchungen.)
Auch bei den oben beschriebenen Untersuchungen an einem Modellsilo [14.24] wurde Silohupen beobachtet, das aber auf Schwingungen der oberhalb des Schüttgutes befindlichen Luftsäule zurückgeführt wurde. Die Luftsäule wird dabei durch das ruckartige Absinken der Schüttgutoberfläche angeregt. Hierbei entsprach die Frequenz der hörbaren Luftschwingungen der Resonanzfrequenz der Luftsäule oberhalb der Schüttgutober-
14.5 Erschütterungen durch Slip-Stick-Reibung
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fläche und war demnach von der Füllhöhe abhängig. Diese Frequenz entsprach weder der Bewegungsfrequenz des Schüttgutes noch der Eigenfrequenz des Silos. Inwieweit die Luftschwingungen auch bei Silos in technischem Maßstab eine Rolle spielen können, wäre eine in der Zukunft zu prüfende Frage. Denn auch wenn in [14.24] hörbare Schwingungen durch die Luftsäule oberhalb des schwingenden Schüttgutes entstanden, erscheint der anhand von Abb. 14.15 beschriebene Mechanismus aus Sicht des Verfassers das in der Praxis schon mehrfach beobachtete Silohupen plausibel zu erklären. Dem Silo in Abb. 14.15.a ähnliche Aluminiumsilos zeigten bei PETGranulat ebenfalls Erschütterungen im Abstand einiger Sekunden [14.17, 14.18]. In einem der Silos [14.17] traten Silohupen bei 330 Hz und vertikale Beschleunigungen der Silowand über 400 g auf. Auch hier war die Frequenz des Silohupens unabhängig von der Füllhöhe, was der in [14.24] geäußerten Annahme, dass das Silohupen von der Länge der Luftsäule über dem Schüttgut abhängt, widerspricht. Aufgrund der Erkenntnis, dass eine rauere Schaftwand Erschütterungen vermeiden kann (s. oben), wurden die Aluminiumsilos umgestaltet [14.16, 14.23,14.35]. Dazu wurde ein Bereich der Innenwand des Schaftes mit einem Aluminiumblech mit strukturierter Oberfläche (Rauigkeit in der Größenordnung der Partikelgröße) versehen. Dabei reichte es aus, nur den in Abb. 14.16 gekennzeichneten Bereich zu verkleiden. Der Bereich wurde gewählt, weil dort die stärksten Beschleunigungen der Silowand gemessen wurden. Die Erschütterungen und das dadurch angeregte Silohupen konnten damit beseitigt werden. An der Schaftwand bildete sich durch die große Wandrauigkeit eine wahrnehmbare Scherzone mit einer Dicke von 0,15 m bis 0,20 m [14.16,14.23]. Geht man davon aus, dass die Erschütterungen im betrachteten Silo (Abb. 14.15) ähnlich wie in den anderen hier vorgestellten Fällen [14.17, 14.19,14.20,14.24] durch Slip-Stick-Reibung an der Schaftwand verursacht wurden, wirkt sich die vergrößerte Wandrauigkeit im Schaft wie folgt aus: • Der Bereich der Silowand, in dem Slip-Stick-Reibung herrscht, wird verkleinert. • Der Bereich, in dem Kolbenfluss zu erwarten ist, wird verkleinert (Abb. 14.16). Da Kolbenfluss etwas oberhalb des Trichters beginnt (s. Abb. 14.4), ist unter der Annahme von Massenfluss vor dem Umbau mit Kolbenfluss in einem Bereich mit etwa 10 m Höhe zu rechnen (Abb. 14.15.a). Nach dem Umbau erzeugt die raue Wand ebenfalls ein Geschwindigkeitsprofil, so dass Kolbenfluss auch hier erst in einigem Abstand von der Oberkante der Auskleidung erreicht werden dürfte. Somit
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14 Erschütterungen und Schwingungen in Silos
ist Kolbenfluss nach Umgestaltung nur noch in den oberen ca. 5 m der Schüttgutsäule im Schaft zu erwarten. Dort sind Normalspannungen und Wandschubspannungen klein, das Schüttgut ist weniger stark verdichtet.
Abb. 14.16. Silo zur Lagerung von PET-Granulat nach dem Umbau [14.16, 14.23, 14.35]; angenommener Bereich mit Kolbenfluss
• Geht man davon aus, dass die Erschütterungen durch Slip-StickReibung an der Schaftwand im Bereich des Kolbenflusses ausgelöst werden, so wird der Effekt durch die Verringerung des KolbenflussBereichs drastisch reduziert: Die Stärke der Erschütterungen wird kleiner (kleinere beschleunigte Masse, mehr Dämpfung durch geringere Schüttgutdichte, geringeres Spannungsniveau, geringerer absoluter Unterschied zwischen Schubspannungen bei Haft- und Gleitreibung). Die in die Silowand durch Schubspannungen eingeleitete Vertikalkraft (und damit die vertikale Stauchung der Silowand) ändert sich dadurch nur noch um einen Bruchteil der Änderung vor der Umgestaltung. In Ebene A wurden nach Umgestaltung keine signifikanten Vertikalbeschleunigungen mehr gemessen [14.16], d.h. die Schaftwand wurde im unteren Bereich nicht mehr (und weiter oben nur noch stark vermindert) zum Schwingen angeregt. Außerhalb des Silos war kein Silohupen mehr zu hören. Schalldruckmessungen im Siloinneren (oberhalb des Schüttgutes)
14.6 Erschütterungen durch andere Ursachen
441
zeigten nach der Umgestaltung Druckmaxima in ähnlicher Art wie vorher [14.16]. Dies lässt darauf schließen, dass im oberen Bereich weiterhin Erschütterungen stattfanden. Es ist anzumerken, dass Tejchman in [14.23] im Gegensatz zum oben erläuterten Erklärungsmodell davon ausgeht, dass die Erschütterungen nicht auf Slip-Stick-Reibung beruhen, sondern auf Spannungsschwankungen, die am Siloboden erzeugt werden und sich in Form von Spannungswellen nach oben fortsetzen. Bei glatten Wänden übertragen sich diese Schwankungen auf die Silowand, bei rauen Wänden werden sie von der sich bildenden Scherzone gedämpft. 14.5.4 Kombinationen verschiedener Mechanismen In den vorangegangenen Kapiteln wurden die drei in Abb. 14.6 bezeichneten Arten von Scherzonen als Ursache für Erschütterungen jeweils für sich betrachtet. Denkbar ist auch eine Kombination, z.B. in einem Massenflusssilo sowohl Slip-Stick-Reibung im Schüttgut (Trichter) als auch an der Schaftwand. Dabei könnte eine Erschütterung im Trichter auslösendes Moment für das Überwinden der Haftreibung an der Schaftwand und daraus resultierende schwere Erschütterungen und Silohupen sein. Auch veränderliche tote Zonen können zusammen mit Slip-Stick-Reibung an der Schaftwand auftreten. Ebenso möglich sind Erschütterungen im fließenden Schüttgut kombiniert mit veränderlichen toten Zonen und gegebenenfalls auch noch Slip-Stick-Reibung an der Schaftwand.
14.6 Erschütterungen durch andere Ursachen 14.6.1 Große Massenströme bei kleinen Auslauföffnungen Ein Schüttgut fließt bis zu einem bestimmten Auslaufmassenstrom gleichmäßig aus einem Silo aus. Größere Auslaufmassenströme führen dagegen zu einem pulsierenden Ausfließen (Kap. 12.1), und zwar insbesondere dann, wenn die Auslaufgröße nicht viel größer als die minimale Auslaufgröße zur Vermeidung von Brückenbildung ist [14.4]. Die Ursache für das Pulsieren ist die Bildung von (dynamischen) Brücken, die sich bilden und sofort wieder zusammenbrechen. Das Pulsieren kann dann auf das Schüttgut darüber und schließlich auf die Silostruktur übertragen werden. Es ist aber davon auszugehen, dass das Pulsieren mit zunehmendem Abstand von der Auslauföffnung durch die Schüttgutbewegung und Reibung (Dissipation) im Trichter immer mehr gedämpft wird, so dass die entste-
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14 Erschütterungen und Schwingungen in Silos
henden Erschütterungen klein sein werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Auslauföffnung klein ist und das Pulsieren somit auf einen kleinen Bereich im Verhältnis zum gesamten Silo beschränkt ist (ähnlich wie im unteren Trichterbereich ausgelöste Erschütterungen durch Slip-StickReibung im Schüttgut, s. Kap. 14.5.1). Bei feinkörnigen Schüttgütern kann im Trichter Unterdruck entstehen, aufgrund dessen Luft durch die Auslauföffnung in das Schüttgut hineinströmt [14.36]. Dies führt ebenfalls zu einem stark pulsierenden Ausfließen. Allerdings ist bei feinkörnigen Schüttgütern mit einer noch stärkeren Dämpfung zu rechnen. 14.6.2 Zyklische Anregung durch das Austraggerät Ein Austraggerät kann im Silo periodische Änderungen der Geschwindigkeit des Schüttgutes hervorrufen [14.4,14.37]. Dies kann z.B. vorkommen, wenn man mit einer Zellenradschleuse ein frei fließendes Schüttgut abzieht (Kap. 12.3.2.7, Abb. 12.19). Bei nicht zu großer Drehzahl des Zellenrades füllen sich die Kammern des Zellenrades jeweils, sobald die Zelle in den Bereich der Auslauföffnung gelangt. Dadurch fließt das Schüttgut im Trichter schrittweise nach unten, was bei spröden Schüttgütern zu periodischen Erschütterungen im Silo führen kann. Es ist aber anzunehmen, dass auch diese Erschütterungen relativ gering sind, da die Quelle der Erschütterungen im unteren Trichterbereich ist. In [14.4] sind durch das Austraggerät ausgelöste Schwingungen in einem Kohlesilo beschrieben. Die Kohle wurde mit einem Gurtförderer abgezogen, dessen Gurt auch im Abzugsbereich (unter der Siloauslauföffnung) auf Tragrollen gelagert war. Da der Gurt zwischen den Tragrollen durchhing, wurde beim Schüttgutabzug eine periodische Vertikalbewegung erzeugt, die sich auf die Silostruktur übertrug. 14.6.3 Zusammenbrechende Brücken und Schächte Wenn die Auslauföffnung kleiner ist als die kritische Auslaufgröße zur Vermeidung von Brücken- oder Schachtbildung, können sich Brücken oder Schächte bilden. Angeregt z.B. durch Erschütterungen in der Umgebung oder durch Austraghilfen können diese zusammenbrechen [14.4]. Der Impuls des nach unten fallenden Schüttgutes verursacht eine u.U. sehr starke Erschütterung des Silos. Besonders gefährlich erscheint der Fall, dass im unteren Trichterbereich Schüttgut ausgeflossen ist, z.B. aufgrund der Wirkung dort vorhandener Austraghilfen, sich darüber in einigem Abstand von der Auslauföffnung aber eine stabile Brücke aufspannt (Abb.
14.7 Maßnahmen zur Reduzierung von Silobeben und Silohupen
443
14.17.a). Aufgrund der großen Fallhöhen ist hier beim Zusammenbrechen der Brücke mit besonders großen Belastungen zu rechnen. Bilden sich im Silo einseitig große verfestigte Schüttgutbereiche (z.B. ausgehend von unsymmetrischen toten Zonen, Abb. 14.17.b), und kommen diese schlagartig in Bewegung (z.B. ausgelöst durch Erschütterungen oder Austraghilfen), kann die Trägheitskraft auch eine deutliche Horizontalkomponente enthalten, die bis zum Umstürzen eines Silos führen kann.
Abb. 14.17. a. Brücke mit großem Abstand zur Auslauföffnung aufgrund von Austraghilfen (hier: Luftkanonen) nur im unteren Trichterbereich; b. Einseitiger verfestigter Schüttgutbereich (Wächte), der nach Einsetzen des Fließens eine Geschwindigkeit v mit nicht zu vernachlässigender Horizontalkomponente hat.
14.7 Maßnahmen zur Reduzierung von Silobeben und Silohupen Standardlösungen zur Behebung von Problemen mit Erschütterungen gibt es nicht, da die Ursachen zu vielfältig sind. Sinnvoll ist es, vor Einleitung von Maßnahmen möglichst viel über die Ursache zu erfahren. Hier hilft es vor allem, den genauen zeitlichen Ablauf der Erschütterung an unterschiedlichen Stellen des Silos zu messen, denn hieran sieht man bei hinreichender zeitlicher Auflösung, von welcher Stelle die Bewegung ausgegangen ist. Die in den vorangegangenen Kapiteln erläuterten Zusammenhänge zeigen, dass die Stelle der größten Wirkung (z. B. größte Spannungszunahme oder größte Beschleunigung während der Erschütterung) nicht unbedingt die Stelle ist, wo die Erschütterung ausgelöst wurde. Leider ist eine detaillierte Untersuchung aufgrund der Gegebenheiten vor Ort oft sehr aufwendig oder aus Zeitgründen nicht möglich. Bei gleichzeitigem Auftreten mehrerer möglicher Ursachen wird die Analyse weiter erschwert.
444
14 Erschütterungen und Schwingungen in Silos
In der Literatur sind verschiedene Lösungen zum Beheben von Erschütterungen und Silohupen beschrieben [14.1,14.4,14.6,14.9–14.12,14.14, 14.16,14.23], die nachfolgend betrachtet werden. Um die Darstellung zu vereinfachen, werden die Ursachen für Erschütterungen wie folgt benannt: A: Erschütterungen durch Scherzonen im Schüttgut (Kap. 14.5.1) B. Erschütterungen durch veränderliche tote Zonen (Kap. 14.5.2) C: Erschütterungen durch Fließen an der Silowand (Kap. 14.5.3) D: Erschütterungen durch andere Ursachen (Kap. 14.6) Die Ursachen Typ D sind leicht zu erkennen und zu beseitigen, z.B. durch eine größere, dem Auslaufmassenstrom angepasste Auslaufgröße (Kap. 14.6.1), ein gleichmäßiger abziehendes Austraggerät (Kap. 14.6.2) oder einen an das Schüttgutverhalten angepassten Silo bzw. Silobetrieb (Kap. 14.6.3). Komplexer sind die im Kap. 14.5 beschriebenen Ursachen, zu denen in den folgenden Kapiteln Lösungsansätze gezeigt werden. 14.7.1 Verringerung der beschleunigten Masse Eine für alle behandelten Fälle (A,B,C) wirksame Lösung zur Vermeidung oder Reduzierung von Erschütterungen ist das Verringern der Masse, die beschleunigt und abgebremst wird. Dadurch werden nicht nur die Trägheitskräfte kleiner, sondern auch die Spannungen im Schüttgut, die ein Maß für die elastisch gespeicherte Energie sind und das Schüttgutverhalten beeinflussen (s. Kap. 14.2 und 14.3). Die einfachste Methode ist die Verringerung der Füllhöhe im Silo, was aber zu einer häufig nicht akzeptierten Verringerung des Nutzvolumens führt. Alternativ bietet es sich an, die bewegten Massen zu verringern. Hierzu lässt sich bei hinreichend gutem Fließverhalten des Schüttgutes das Prinzip des Entleerungsrohrs nutzen (s. Kap. 11.3.3). Abbildung 14.18.a zeigt einen mit Entleerungsrohr versehenen Silo für Zementklinker, der nach dieser Methode erfolgreich umgestaltet wurde [14.8,14.9]. Ein Entleerungsrohr zieht das Schüttgut durch die obersten Öffnungen unterhalb der Schüttgutoberfläche ab, so dass das Schüttgut nur im Rohr und dicht an der Schüttgutoberfläche im Silo fließt (Abb. 14.18.b). Dadurch bewegt sich im Vergleich zu dem gleichen Silo ohne Entleerungsrohr nur eine geringere Schüttgutmasse, und die Spannungen im fließenden Schüttgut sind deutlich kleiner. Entleerungsrohre lassen sich auch an der Siloaußenwand anbringen, wahlweise an der Innen- oder Außenseite [14.3].
14.7 Maßnahmen zur Reduzierung von Silobeben und Silohupen
445
Abb. 14.18. Silo für Zementklinker mit Entleerungsrohr [14.8,14.9]
Ein Beispiel zur Verringerung der bewegten Masse in einem Großsilo zeigt Abb. 14.19.a [14.1,14.8]. Der Silo zur Lagerung von 6000 t Steinkohle zeigte starke Erschütterungen, wenn das Schüttgut aus allen sieben gleichmäßig über dem Querschnitt verteilten Auslauföffnungen abgezogen wurde. Da über jeder Auslauföffnung ein Massenflusstrichter war, kam bei Abzug aus allen Auslauföffnungen der gesamte Siloinhalt in Bewegung. Die Erschütterungen konnten deutlich verringert werden, indem nicht alle, sondern nur drei in einer Linie durch die Siloachse verlaufende Auslauföffnungen gleichzeitig benutzt wurden. Dabei bildete sich eine keilförmige Fließzone (Abb. 14.19.b). Die Wirkung beruht neben der Verringerung der Masse des bewegten Schüttgutes vermutlich zusätzlich auf folgenden Effekten: • Oberhalb der Trichter herrscht statt Kolbenfluss nun konvergenter Fluss. Dies erschwert die schlagartige Beschleunigung des Schüttgutes. • Die Spannungen im fließenden Schüttgut unmittelbar über den (aktiven) Massenflusstrichtern, wo sich die obersten vom Trichter ausgehenden Scherzonen im Schüttgut bilden (s. Abb. 14.6), werden deutlich kleiner. Dadurch wird weniger elastische Energie gespeichert.
446
14 Erschütterungen und Schwingungen in Silos
Abb. 14.19. Silo für 6000 t Steinkohle [14.1,14.8], Schnitt durch die Siloachse; a. Alle Auslauföffnungen aktiv, Kolbenfluss im Schaft; b. nur Auslauföffnungen in einer Reihe aktiv, dadurch Kernfluss mit konvergenter Fließzone
14.7.2 Regelmäßiges Auslösen von kleinen Erschütterungen Abbildung 14.20 zeigt ein Silo aus einer Batterie von insgesamt sechs Silos zur Lagerung von Steinkohle, in denen bei Füllständen über 50% alle zwei Minuten starke Erschütterungen auftraten [14.11,14.13,14.38]. Die Trichter waren asymmetrisch mit verhältnismäßig steilen Wänden. Massenfluss wurde jedoch nicht erreicht, da sich in den Trichterecken, die bis um 28° gegen die Vertikale geneigt waren, und auf den flacheren Trichterwänden tote Zonen bildeten. Wegen der großen Steilheit lagen aber Verhältnisse „dicht an der Grenze zu Massenfluss“ vor (Kap. 14.5.2.1). Untersuchungen am Silo zeigten, dass sich beim Entstehen einer Erschütterung zuerst Schüttgut im oberen Trichterbereich (Bereich X, Abb. 14.20) bewegte, dem das Schüttgut im Schaft folgte. Mögliche Ursachen für die Erschütterungen waren schlagartiges Fließen der toten Zonen im Bereich X (Ursache B, Kap. 14.5.2.1) oder schlagartiges Fließen entlang von Scherzonen im fließenden Schüttgut (Ursache A, Kap. 14.5.1). Die Erschütterungen waren so stark, dass sie auch in den anderen fünf Silos Erschütterungen auslösten, was eine starke Erschütterung des gesamten Silogebäudes nach sich zog.
14.7 Maßnahmen zur Reduzierung von Silobeben und Silohupen
447
Zur Reduzierung der Erschütterungen wurden im oberen Bereich des Trichters (Bereich X) vier Luftkanonen installiert, die im Abstand einer Minute betätigt wurden. Die Luftkanonen lösten jeweils eine Erschütterung aus, die aber weniger stark war als die vorher beobachteten Erschütterungen, da sich innerhalb der kürzeren Zeit nicht so hohe Spannungen im Schüttgut aufbauen konnten (weniger gespeicherte elastische Energie). Damit konnte auch vermieden werden, dass ein Silo Erschütterungen auch in den anderen Silos initiierte. Später wurden die Silos allerdings durch neue Silos ersetzt.
Abb. 14.20. Silo für Steinkohle; asymmetrischer, teilweise pyramidenförmiger Trichter [14.11,14.38]
14.7.3 Erhöhung der Wandrauhigkeit im Siloschaft Werden Erschütterungen durch plötzliches Herabrutschen des Schüttgutes an der Schaftwand erzeugt (Ursache C, Kap. 14.5.3.2), lässt sich durch eine Erhöhung der Wandrauhigkeit eine Reduzierung der Erschütterungen
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14 Erschütterungen und Schwingungen in Silos
und gegebenenfalls auch die Vermeidung des Silohupens erreichen [14.16, 14.23]. Erschütterungen durch Scherzonen im Trichter (Ursachen A und B) wird man mit der erhöhten Wandrauhigkeit nicht vermeiden können [14.25]. Möglich erscheint lediglich eine – vermutlich geringe – Verringerung der Wirkung, da die Schüttgutsäule im Schaft mehr Reibung erfährt. Dadurch kann sie nicht ganz so schnell nach unten beschleunigt werden, und die am unteren Ende des Siloschaftes wirkenden Vertikalspannungen sind geringer. 14.7.4 Vergleichmäßigung des Fließprofils Entstehen Erschütterungen durch Fließvorgänge im Schüttgut (Ursache A), kann die Verminderung der Scherverformung die Erschütterungen beseitigen. Dies zeigt das Beispiel des Trogkettenförderers (Abb. 14.10), bei dem durch einen gleichmäßigeren Schüttgutabzug die Scherverformung im Schüttgut reduziert wurde.
Abb. 14.21. Silo mit Massenflusstrichter für Steinkohle [14.13]
Liegt in einem Massenflusstrichter die Kombination aus Trichterneigung und Wandreibung dicht an der Grenze zu Kernfluss, ist die Geschwindigkeit des Schüttgutes an der Wand sehr klein und die Scherverformung im
14.7 Maßnahmen zur Reduzierung von Silobeben und Silohupen
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Schüttgut groß. Hier kann durch ein Wandmaterial mit weniger Reibung (z.B. Auskleidung, Beschichtung) ein gleichmäßigeres Fließprofil erreicht werden, das hinreichen kann, um Erschütterungen zu vermeiden [14.4]. Ein Beispiel hierfür sind Massenflusssilos für Steinkohle (Abb. 14.21), die die in Abb. 14.20 gezeigten Silos ersetzten. Nach Inbetriebnahme traten viele Monate lang starke Erschütterungen auf [14.13]. Anschließend verschwanden die Erschütterungen, obwohl zumindest nominell das gleiche Schüttgut gelagert wurde und keine Änderungen am Silo vorgenommen wurden. Aus der Befragung des Betriebspersonals ergab sich, dass in den mit kaltgewalztem Edelstahl verkleideten Trichtern zunächst horizontale und vertikale Schweißnähte in das Innere des Trichters vorstanden. Mit der Zeit glättete die Kohle die Wände und die hervorstehenden Schweißnähte. Offensichtlich vergrößerten die Schweißnähte und die möglicherweise zunächst etwas raueren Bleche die Wandreibung, so dass die Verhältnisse im Trichter dicht an der Grenze zu Kernfluss lagen und ein ungleichmäßiges Geschwindigkeitsprofil vorlag. Durch die mit der Zeit eintretende Glättung der Wände entfernte sich der Zustand von der Massenflussgrenze, das Fließprofil wurde gleichmäßiger und die Erschütterungen traten nicht mehr auf. Das Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, für die Massenflussauslegung Proben des später zu verwendenden Wandmaterials zu benutzen und auf eine saubere Ausführung der Massenflusstrichter zu achten. 14.7.5 Umwandeln von Kernfluss in Massenfluss Wenn in einem Kernflusstrichter die Kombination aus Trichterneigung und Wandreibung dicht an der Grenze zu Massenfluss liegt, und Erschütterungen durch periodisches Fließen der toten Zone entstehen (Ursache B, Kap. 14.5.2.1), kann durch eine Verringerung der Wandreibung Massenfluss und ein Verschwinden der Erschütterungen erreicht werden [14.4]. Grundsätzlich sollten bei der Silogestaltung Trichterneigungen im Kernflussgebiet, die dicht an der Grenze zu Massenfluss liegen, vermieden werden.
15 Beispielaufgaben mit Lösungen
15.1 Allgemeine Hinweise zu den Aufgaben Die meisten hier benutzten Berechnungsverfahren basieren auf Annahmen und sind daher nicht so genau, wie dies die ermittelten Zahlen anhand ihrer Dezimalstellen vermuten lassen. Von einer großzügigen Rundung wurde aber abgesehen, um das Nachrechnen und Vergleichen der Ergebnisse zu erleichtern. Die für einzelne Aufgaben verwendeten Schüttguteigenschaften sind nicht unbedingt Werte realer Schüttgüter. Vielmehr werden vor allem aus didaktischen Überlegungen heraus an einigen Stellen erfundene Werte benutzt, was den Nutzen der Beispiele aber nicht schmälern sollte.
15.2 Aufgaben und Lösungen Aufgabe 1: Spannungen im Siloschaft Ermitteln Sie den Verlauf von Vertikalspannung und Horizontalspannung im Schaft einer Silozelle (Abb. 15.1.a; rechteckiger Querschnitt, Kantenlängen 3 m und 5 m) bei einer Füllhöhe von 20 m. Berechnen Sie dazu die Spannungen 5 m, 10 m, 15 m und 20 m unterhalb der als eben angenommenen Schüttgutoberfläche. Zeichnen Sie die Spannungen über der Höhe auf. Wie groß wäre die Vertikalspannung unter einer unendlich hohen Schüttgutsäule? Gegeben: ρb = 1250 kg/m3, φx = 22°, λ = 0,5 Lösung: Die Spannungen im Siloschaft lassen sich mit der Janssen-Gleichung (ohne Auflast) berechnen (Kap. 9.2.1, Gl.(9.9)):
452
15 Beispielaufgaben mit Lösungen − λ tan ϕ x U z g ρb A A ⋅ 1− e σv = λ tan ϕ x U
(15.1)
Abb. 15.1: a. Siloschaft; b. Spannungen über der Höhe des Silos
Neben den gegebenen Schüttguteigenschaften sind die Querschnittsfläche A = 15 m2 und der Umfang U = 16 m einzusetzen. Für die Koordinate z, die von der Schüttgutoberfläche nach unten hin gemessen wird, werden die Werte 5 m, 10 m, 15 m und 20 m eingesetzt. Für eine unendlich hohe Schüttgutsäule setzt man z → ∞ ein. Hierdurch wird die e-Funktion gleich Null, so dass sich für die Vertikalspannung als Ergebnis der Term vor der Klammer in Gl.(15.1) ergibt (entsprechend σv∞ in Gl.(9.12)). Zur Berechnung der Horizontalspannung σh wird die Vertikalspannung σv mit dem Horizontallastverhältnis λ multipliziert (s. Gl.(9.10)): − λ tan ϕ x U z g ρb A A ⋅ 1− e σ h = λ ⋅σ v = tan ϕ x U
(15.2)
15.2 Aufgaben und Lösungen
453
Die Ergebnisse der Rechnung zeigt Tabelle 15.1. In Abb. 15.1.b sind die Spannungen über der Koordinate z aufgetragen. Man sieht, dass schon in einer Tiefe von 10 m fast 90% der in unendlicher Tiefe (z → ∞) wirkenden Spannungen erreicht werden. Tabelle 15.1. Spannungen im Siloschaft z [m] 0 5 10 15 20 z→∞
σv [Pa] 0 37485 50279 54646 56136 56908
σh [Pa] 0 18743 25140 27323 28068 28454
Aufgabe 2: Maximale Spannung im Massenflusssilo (Abrieb) Ein Produkt soll nicht bei Spannungen über 10 kPa fließen, um Abrieb und Partikelzerstörung zu begrenzen. Wegen der Neigung zur Entmischung ist ein Massenflusssilo vorgesehen. Schätzen Sie den maximalen Durchmesser D des Silos unter Berücksichtigung der Spannungsspitze am Übergang zum Trichter. Gegeben: φx = 30°, φe = 42°, ρb = 760 kg/m3, λ = 0,4 Lösung: Die maximale Spannung in einem zylindrischen Siloschaft ist die Vertikalspannung σv für z → ∞, die sich aus Gl.(9.12) ergibt:
σ v∞ =
gρ b D 4λ tan ϕ x
(15.3)
Am Übergang zum Trichter bildet sich der Switch (Kap. 9.1.2). Dort ändern sich die Richtungen der Hauptspannungen, wobei im Trichter in der Symmetrieachse die kleinere Hauptspannung in die vertikale Richtung und die größte Hauptspannung in die horizontale Richtung zeigt. Nimmt man für das Schüttgut im Trichter stationäres Fließen an, ist dort das Verhältnis der Vertikal- zur Horizontalspannung in der Siloachse gleich dem Verhältnis der kleinsten zur größten Hauptspannung gemäß Gl.(9.3):
σ v σ 2 1 − sin ϕ e = = σ h σ 1 1 + sin ϕ e
(15.4)
454
15 Beispielaufgaben mit Lösungen
Setzt man die Vertikalspannung an der Oberkante des Trichters gleich der maximalen Vertikalspannung im Siloschaft σv∞ nach Glg. (15.3), lässt sich mit Gl.(15.4) die maximale Spannung σh,max, nämlich die Horizontalspannung im Bereich der Spannungsspitze, abschätzen:
σ h,max = σ v∞ ⋅
1 + sin ϕ e 1 − sin ϕ e
(15.5)
Setzt man Gl.(15.3) in Gl.(15.5) ein und löst nach dem Silodurchmesser D auf, erhält man: D=
4λ tan ϕ x 1 − sin ϕ e ⋅ ⋅ σ h,max gρ b 1 + sin ϕ e
(15.6)
Mit den oben angegebenen Werten erhält man den maximalen Silodurchmesser D = 0,246 m. Man sieht an dem sehr kleinen Wert, dass die Lagerung im Massenflusssilo für dieses empfindliche Schüttgut nicht sinnvoll ist. Ein Kernflusssilo wäre aber auch keine Lösung, da dort auch Spannungsspitzen bzw. ähnlich große Spannungen wie bei Massenfluss auftreten können (s. Abb. 9.4). Eine Alternative wird in Aufgabe 3 behandelt. Aufgabe 3: Entleerungsrohr Das Schüttgut aus Aufgabe 2 soll nun in einem Silo mit Entleerungsrohr (Abb. 15.2) gelagert werden, um den Abrieb zu begrenzen. Der Wandreibungswinkel an der Innenwand des Entleerungsrohrs beträgt 25°. Wie groß sind der maximale Durchmesser DRohr des Entleerungsrohrs und der maximale vertikale Abstand a zwischen den Seitenöffnungen? Lösung: Die maximale Spannung im Entleerungsrohr ist die Vertikalspannung in unendlicher Tiefe nach Gl.(11.2):
σ v∞ =
gρ b D Rohr 4λ tan ϕ x
(15.7)
Aufgelöst nach dem Durchmesser des Entleerungsrohrs folgt:
D Rohr =
4λ tan ϕ x ⋅ σ v∞ gρ b
(15.8)
15.2 Aufgaben und Lösungen
455
Abb. 15.2. Entleerungsrohr im Siloschaft
Für die gegebenen Schüttguteigenschaften folgt hieraus DRohr = 1,0 m. Ein Entleerungsrohr dürfte demnach einen Durchmesser von bis zu einem Meter haben, wenn die maximale Spannung von 10 kPa nicht überschritten werden soll. Beim Schüttgutabzug fließt das Schüttgut außerhalb des Entleerungsrohrs unter einer maximalen Schütthöhe entsprechend des Abstandes a in Abb. 15.2. Dieser Fall tritt ein, wenn durch die gerade noch aktiven Seitenöffnungen wegen des absinkenden Schüttgutpegels im Silo kein Schüttgut mehr in das Rohr fließen kann, so dass die nächsten Seitenöffnungen darunter aktiv werden. Da der Abstand a verglichen mit dem Silodurchmesser D klein ist, kann die Vertikalspannung in der Tiefe a ohne Berücksichtigung der Wandreibung abgeschätzt werden (hydrostatischer Spannungsanstieg wie in einer Flüssigkeit). Die Vertikalspannung wird zugrundegelegt, da diese im Siloschaft die größere Spannung ist (Kap. 9.1.2). Die Vertikalspannung beträgt im Abstand a unter der Schüttgutoberfläche näherungsweise:
σ v = gρ b a
(15.9)
456
15 Beispielaufgaben mit Lösungen
Aufgelöst nach dem Abstand a erhält man für die gegebenen Schüttguteigenschaften a = 1,34 m. Damit ist der maximale Abstand zwischen den Seitenöffnungen festgelegt. Aufgabe 4: Abzugskraft Unter der kreisförmigen Auslauföffnung eines Silos ist ein Trogkettenförderer angebracht (Abb. 15.3). Schätzen Sie die Vertikalspannung, die auf den Trogkettenförderer wirkt, für den Füllzustand (nach dem vollständigen Befüllen des vorher leeren Silos) und den Entleerungszustand ab. Wie groß ist die Antriebskraft in beiden Fällen? Die Seitenwandreibung ist zu vernachlässigen. Gegeben: ρb = 1400 kg/m3, φsf = 48° φx,sb = 30° (Reibung Schüttgut/Bodenplatte) d = 1 m (Auslaufdurchmesser, konischer Trichter) a = 250 mm (Abstand zwischen Auslauföffnung und Bodenplatte)
Abb. 15.3. Trichterauslauf und Trogkettenförderer
Lösung: Zur Berechnung der Abzugskraft eines Trogkettenförderers unter einem Auslaufschlitz der Länge L und der Breite b wurde im Kap. 9.3 Gleichung (9.32) hergeleitet. Bei Vernachlässigung der Seitenwandreibung fällt der zweite Term dieser Gleichung weg. Zur Anpassung an die hier betrachtete runde Auslauföffnung wird die Auslauffläche L·b in Gl.(9.32) durch die Kreisfläche d2·π/4 ersetzt. Damit folgt für die Abzugskraft:
( )
(
Fh = σ va π4 d 2 tan ϕ sf + σ vb π4 d 2 tan ϕ x,sb
)
(15.10)
Die Vertikalspannung an der Auslauföffnung wird für den Entleerungszustand und den Füllzustand nach Gl.(9.26a) in Kap. 9.2.4 abgeschätzt:
15.2 Aufgaben und Lösungen
σ va = 0,2 ⋅ g ρ b d
457
(15.11)
Mit den gegebenen Werten ergibt sich für den Entleerungszustand σva = 2747 Pa. Für den Füllzustand ist das Fünf- bis Zehnfache möglich, also bis zu σva = 27470 Pa. Die Vertikalspannung am Bodenblech ist aufgrund der Schüttgutschicht unterhalb der Auslauföffnung etwas größer. Zu ihrer Berechnung wird wegen des kleinen Höhe/Durchmesser-Verhältnisses der Schüttgutschicht hydrostatisch gerechnet. Die Höhe der Schüttgutschicht ist gleich dem Abstand a.
σ vb = σ va + g ρ b a
(15.12)
Nach Einsetzen folgt für den Entleerungszustand σvb = 6180 Pa. Für den Füllzustand kann die Vertikalspannung auf die Bodenplatte σvb bis zu 30900 Pa betragen. Die Abzugskraft Fh wird nach Einsetzen aller nun bekannten Größen gleich 5198 N für den Entleerungszustand und bis zu 37973 N für den Füllzustand. Aufgabe 5: Presse
Abb. 15.4. Presse mit Pressling der Höhe h
In einer Presse soll Schüttgut zu zylinderförmigen Presslingen mit dem Durchmesser D = 8 cm geformt werden (Abb. 15.4). Wie groß muss die Presskraft F sein, damit an jeder Stelle des Presslings mindestens eine Vertikalspannung entsprechend 1,5 MPa erreicht wird? Dies ist für folgende
458
15 Beispielaufgaben mit Lösungen
Werte der Höhe des Presslings h zu berechnen: 4 cm, 8 cm, 16 cm, 32 cm, 64 cm (h: Höhe nach der Verpressung). Was ist aus den Ergebnissen hinsichtlich der Höhe der Presslinge zu folgern? Gegeben: ρb = 600 kg/m3, φx = 23°, λ = 0,4 Lösung: Es handelt sich hier um eine Anwendung, bei der von oben eine Auflast auf das Schüttgut wirkt. Daher ist zur Berechnung der Vertikalspannung im Schüttgut Gl.(9.8) zu benutzen:
g ρb A g ρb A + σ v0 − σv = ⋅e λ tan ϕ x U λ tan ϕ x U
− λ tan ϕ x U z A
(15.13)
Da die aufgebrachte Auflast viel größer ist als die allein durch Schwerkraft erreichbare maximale Vertikalspannung σv∞, ist davon auszugehen, dass die Vertikalspannung in der Schüttgutprobe von oben nach unten abnimmt. Die kleinste Vertikalspannung liegt demnach am Boden der Probe vor, also bei z = h (z ist die Ortskoordinate, die von der Oberkante der Probe nach unten hin ansteigt, s. Abb. 9.8). Zur Bestimmung der notwendigen Auflast σv0 wird Gl.(15.13) nach σv0 aufgelöst, wobei für das Verhältnis von Fläche zu Umfang A/U der zylindrischen Presslinge D/4 eingesetzt wird.
σ v0
g ρb A g ρb A = + σ v − λ tan ϕ x U λ tan ϕ x U
⋅ e
4 λ tan ϕ x h D
(15.14)
Mit den gegebenen Parametern und σvo = 1,5 MPa = 1,5·106 Pa erhält man eine Bestimmungsgleichung für σv0 in Abhängigkeit der Höhe h:
(
)
σ v = 693 Pa + 1,5 ⋅ 10 6 Pa − 693 Pa ⋅ e
8, 49
h m
(15.15)
Die Vertikalkraft F ergibt sich aus dem Produkt der Querschnittsfläche des Presslings und der Auflast σv0:
F = σ v0 ⋅ π4 d 2 = 5,03 ⋅ 10 −3 m 2 ⋅ σ v0
(15.16)
Die Ergebnisse für die zu berechnenden Presslinge zeigt Tabelle 15.2. Aus den Ergebnissen lässt sich schließen, dass es nicht möglich ist, beliebig hohe Presslinge zu erzeugen, da die aufzubringende Kraft unermesslich groß wird (s. hierzu Kap. 9.2.2).
15.2 Aufgaben und Lösungen
459
Tabelle 15.2. Auflast und Vertikalkraft für unterschiedliche Höhen der Presslinge h [m] 0,04 0,08 0,16 0,32 0,64
σv0 [kPa] 2106 2958 5833 22687 343300
F [kN] 10,6 14,9 29,3 114,0 1725,6
Aufgabe 6: Spannungen bei Kombination von Behältern
Abb. 15.5. a. Kombination von zwei zylindrischen Behältern; b. Berechnete Verläufe der Vertikal- und Horizontalspannung
Welche Vertikal- und Horizontalspannungen herrschen nach dem Füllen des Behälters in Abb. 15.5.a am Übergang zwischen den beiden Zylindern und am unteren Ende des unteren Zylinders? Zeichnen Sie die Spannungsverläufe (σh und σv) über der Höhe auf.
460
15 Beispielaufgaben mit Lösungen
Gegeben: ρb = 850 kg/m3, φx = 25°, λ = 0,4 Lösung: Der obere Zylinder wird wie der Schaft eines Silos (ohne Auflast) berechnet. Der untere Zylinder wird von dem Schüttgut im oberen Zylinder belastet, d.h. hier liegt eine Auflast durch das darüberliegende Schüttgut vor. Für den oberen Zylinder wird die Janssen-Gleichung (ohne Auflast) nach Kap. 9.2.1, Gl.(9.9), benutzt, wobei das Verhältnis von Fläche zu Umfang A/U beim Zylinder des Durchmessers d1 gleich d1/4 ist: −4λ tan ϕ x z1 g ρb d1 d1 ⋅ 1 − e σv = 4 λ tan ϕ x
(15.17)
Damit errechnet man die Vertikalspannung am Boden des oberen Zylinders σv(z1 = h1 = 4 m) zu 17,33 kPa. Diese Spannung wirkt auf das Schüttgut im unteren Zylinder als Auflast σv0. Die Horizontalspannung erhält man, indem man die Vertikalspannung mit dem Horizontallastverhältnis λ multipliziert.
σ h = λ ⋅σ v
(15.18)
Es folgt σh(z1 = h1 = 4 m) = 6,93 kPa. Zur Berechnung der Spannungen im unteren Zylinder ist die JanssenGleichung mit Auflast nach Gl.(9.8) zu benutzen. Das Verhältnis von Fläche zu Umfang A/U beim Zylinder des Durchmessers d2 ist gleich d2/4.
g ρb d 2 g ρb d 2 σv = + σ v0 − ⋅e 4 λ tan ϕ x 4 λ tan ϕ x
− 4λ tan ϕ x z2 d2
(15.19)
Da diese Gleichung nur für den unteren Zylinder gilt, ist an der Oberkante des unteren Zylinders z2 = 0. Mit σv0 = 17,33 kPa und den übrigen Parametern ergibt sich die Spannung am Boden des unteren Zylinders zu σv(z2 = h2 = 0,8 m) = 7,36 kPa. Die Horizontalspannung am Boden des unteren Zylinders ist gemäß Gl.(15.18) σh(z2 = h2 = 0,8 m) = 2,94 kPa. Mit den Gln.(15.17) bis (15.19) lassen sich die Verläufe von Vertikalund Horizontalspannung im gesamten Behälter berechnen. In Abb. 15.5.b ist der Verlauf der Spannungen über der Silohöhe gezeigt. Es ist anzumerken, dass bei verdichtbaren Schüttgütern beim Einfüllen eine zunehmende Verdichtung des Schüttguts im unteren Zylinder aufgrund der ansteigenden Spannungen stattfinden wird. Dadurch wird sich
15.2 Aufgaben und Lösungen
461
Schüttgut unmittelbar über dem unteren Zylinder nach unten bewegen, wodurch sich in diesem Bereich Spannungsgewölbe bilden (ähnlich Abb. 9.4.d), die zu einer Verringerung der Vertikalspannung am Übergang führen werden. Aufgabe 7: Spannungen in BigBags und gestapelten Säcken Ein Produkt wird vor dem Versand in BigBags (Flexible Transportbehälter aus Gewebe, allgemeine Bezeichnung: FIBC = Flexible Intermediate Bulk Container) oder in auf Paletten gestapelten Säcken gelagert (Abb. 15.6). Wegen Problemen mit Klumpenbildung während der Lagerung vor allem im unteren Bereich des Bigbags bzw. in den unteren Säcken sollen Zeitverfestigungsmessungen durchgeführt werden, mit denen die Lagerungsbedingungen simuliert werden. Welche Verfestigungsspannung ist bei den Messungen einzustellen? Gegeben: ρb = 980 kg/m3
Abb. 15.6. a. BigBag; b. auf Palette gestapelte Säcke
Lösung: Bei der Lagerung von Schüttgut in flexiblen Behältern, die auf dem Boden stehen, können die Behälterwände keine Vertikalkräfte aufnehmen und somit das Schüttgut nicht abstützen. Daher nimmt die Vertikalspannung, die hier etwa gleich der größten Hauptspannung ist, wie in einer Flüssigkeit linear mit der Tiefe z zu:
σ v = gρ b z
(15.20)
Die maximale Vertikalspannung liegt damit am Boden der Füllung vor. Bei einer Füllhöhe h = 1 m erhält man für die Vertikalspannung am Boden σv = 9,6 kPa.
462
15 Beispielaufgaben mit Lösungen
Für die Lagerung der Säcke auf Palette gilt im Prinzip das gleiche, da die unterste Lage das gesamte Schüttgut darüber trägt. Bei einer Gesamthöhe von 1 m ist also auch hier die größte Vertikalspannung unten in den Säcken der untersten Schicht zu finden. Die größte Vertikalspannung beträgt hier ebenfalls σv = 9,6 kPa. Bei den Zeitverfestigungsmessungen ist also eine Verfestigungsspannung in der Größenordnung von 9,6 kPa anzuwenden. Aufgabe 8: Auslaufmassenstrom Der maximale Auslaufmassenstrom eines grobkörnigen Schüttgutes mit unrunden Partikeln aus einem konischen Massenflusstrichter mit einer Wandneigung von Θax = 20° gegen die Vertikale und einem Auslaufdurchmesser von d = 200 mm ist abzuschätzen. Gegeben: ρb = 1450 kg/m3, Partikelgröße 5 mm (nicht runde Partikel). Lösung: Der Auslaufmassenstrom aus einem Behälter mit kreisförmiger Öffnung ist nach Beverloo entsprechend Gl.(12.5):
m& = Cρ b g (d − kx )2,5
(15.21)
Für eine konservative Abschätzung (Wahl der Parameter so, dass ein eher kleinerer Massenstrom errechnet wird) erhält man mit C = 0,55 und k = 3 einen Auslaufmassenstrom von 36,8 kg/s bzw. 132,4 t/h. Alternativ lässt sich der Auslaufmassenstrom mit Gl.(12.6) berechnen, die auch den Neigungswinkel der Trichterwand einbezieht: m& = 0,58 ρ b g (d − kx )2,5 kΘ
(15.22)
Der Parameter k ist für nicht runde Partikel gleich 2,4 zu setzen. kΘ ergibt sich zu kΘ = (tan Θax)-0,35 = (tan 20°)-0,35 = 1,424. Damit beträgt der Massenstrom 57,5 kg/s bzw. 210 t/h. Man erkennt, dass sich vor allem wegen der Berücksichtung der Trichterwandneigung durch kΘ ein deutlich größerer Wert als nach Gl.(15.21) ergibt.
15.2 Aufgaben und Lösungen
463
Aufgabe 9: Auswahl eines Wandmaterials für Massenfluss Ein Silo mit zylindrischem Schaft und konischem Trichter (Wandneigungswinkel Θax = 20°) zeigt Entmischungserscheinungen aufgrund von Kernfluss. Anhand von Messungen im Labor soll geprüft werden, ob mit einer der Beschichtungen A oder B oder durch Auskleidung des Trichters mit kaltgewalztem Edelstahl Massenfluss erzielt werden kann. Die Wandreibungsmessungen liefern die in Tabelle 15.3 aufgeführten Wandreibungswinkel. Tabelle 15.3. Wandmaterialien und Wandreibungswinkel φx Wandmaterial Beschichtung A Beschichtung B Auskleidung (Edelstahl)
φx 22° 28° 26°
Eine Fließortmessung ergibt einen effektiven Reibungswinkel φe = 35° im relevanten Spannungsbereich. Welche Wandmaterialien sind geeignet, um Massenfluss bei der vorhandenen Trichterwandneigung zu erreichen? Welche Trichterwandneigungen wären bei den einzelnen Wandmaterialien für Massenfluss erforderlich? Lösung: Die Kombinationen von vorhandener Trichterwandneigung Θax = 20° und den für die einzelnen Wandmaterialien (Beschichtungen und Auskleidung) ermittelten Wandreibungswinkeln werden in das Massenfluss-KernflussDiagramm für konische Trichter eingetragen (Abb. 15.7). Es ist zu erkennen, dass nur die Beschichtung A zu Massenfluss führt, während die Beschichtung B und die Auskleidung mit Edelstahl im Kernflussbereich liegen. Zur Ermittlung der maximalen Trichterneigungswinkel für Massenfluss wird ebenfalls das Massenfluss-Kernfluss-Diagramm für konische Trichter (Abb. 15.7) benutzt. Alternativ können auch die Fließfaktor-Diagramme verwendet werden, die jeweils eine Massenfluss-Kernfluss-Grenze für einen Wert des effektiven Reibungswinkels φe enthalten. Zunächst wird der Neigungswinkel Θax auf der Grenzkurve zwischen Massenfluss und Kernfluss abgelesen. Die maßgebliche Grenzkurve ergibt sich aus dem effektiven Reibungswinkel φe. Im vorliegenden Fall ist zwischen den Grenzkurven für φe = 30° und φe = 40° zu interpolieren, was zu den in der zweiten Spalte von Tabelle 15.4 gezeigten Werten führt. Hiervon ist eine Sicherheit von 2° bis 3° abzuziehen, so dass sich für den Trichter die Neigungswinkel in der dritten Spalte der Tabelle 15.4 ergeben.
464
15 Beispielaufgaben mit Lösungen
Tabelle 15.4. Wandmaterialien und maximale Wandneigung für Massenfluss Wandmaterial Beschichtung A Beschichtung B Auskleidung (Edelstahl)
Θax (Grenzkurve) 25° 13° 18°
Θax (abzüglich Sicherheit) 23° 11° 16°
Abb. 15.7. Kombinationen von Trichterneigungswinkel und Wandmaterialien (s. schwarze Punkte für Beschichtungen A und B sowie für die Auskleidung) im Massenfluss-Kernfluss-Diagramm für konische Trichter.
Aufgabe 10: Auslegung eines Massenflusssilos Für eine Siloauslegung wurden die Fließeigenschaften des Schüttgutes mit einem Schergerät ermittelt. Dazu wurden drei Fließorte und ein Wandfließort gemessen. Der Wandreibungswinkel φx ist im untersuchten Spannungsbereich gleich 25°. Die Fließortmessungen ergaben die Werte in Tabelle 15.5. Tabelle 15.5. Fließeigenschaften Fließort Nr. 1 2 3
σ1 [Pa] 4200 8700 14000
σc [Pa] 3100 4350 5760
ρb [kg/m3] 880 935 965
φe [°] 50 50 50
φlin [°] 26 36 39
15.2 Aufgaben und Lösungen
465
Die Siloform liegt noch nicht fest. Ermitteln Sie daher für den konischen Trichter und den keilförmigen Trichter die Neigungswinkel zum Erzielen von Massenfluss und die minimalen Auslaufgrößen zur Vermeidung von Brückenbildung. Lösung: Zuerst sind die Neigungswinkel für Massenfluss zu bestimmen. Da der effektive Reibungswinkel hier im gesamten Spannungsbereich φe = 50° und damit konstant ist, wird hier für beide Trichtertypen das FließfaktorDiagramm für φe = 50° benutzt, das auch die Grenzkurve zwischen Massenfluss und Kernfluss enthält. Abbildung 15.8 zeigt das Diagramm für den konischen Trichter. Für den Wandreibungswinkel φx = 25° findet man an der Grenzkurve zwischen Massenfluss und Kernfluss den Wert Θax = 20,5° (Punkt A). Von diesem Wert sind 2° bis 3° Sicherheit abzuziehen. Gewählt wird daher der Neigungswinkel Θax = 18° (Punkt B). Für den keilförmigen Trichter wird der maximale Neigungswinkel im Fließfaktor-Diagramm auf die gleiche Weise bestimmt. Es ergibt sich Θeb = 26,5° (s. Abb. 15.9, Punkt A). Eine Sicherheit ist hier nicht zu berücksichtigen, da diese in den Grenzkurven des keilförmigen Trichters bereits enthalten ist (s. Kap. 10.3.1).
Abb. 15.8. Fließfaktor-Diagramm für konische Trichter und φe = 50°
466
15 Beispielaufgaben mit Lösungen
Abb. 15.9. Fließfaktor-Diagramm für keilförmige Trichter und φe = 50°
Im nächsten Schritt werden die Auflaufabmessungen zur Vermeidung von Brückenbildung berechnet. Dazu trägt man die Druckfestigkeit σc, die Schüttgutdichte ρb und den effektiven Reibungswinkel φe über der Verfestigungsspannung σ1 auf (Abb. 15.10). Es ist zu empfehlen, die Diagramme wie hier mit jeweils gleichem Maßstab der σ1–Achse übereinander zu zeichnen und für σc und σ1 den gleichen Maßstab zu wählen. Durch die Messpunkte werden Geraden oder Kurven gelegt. In Abb. 15.10 sind die Punkte mit Geradenabschnitten verbunden. Zu kleineren und größeren Spannungen wird mit der Steigung des benachbarten Geradenabschnitts extrapoliert (gestrichelt in Abb. 15.10). Als nächstes wird die Brückenauflagerspannung in das σc,σ1-Diagramm eingezeichnet. Sie gehorcht folgender Gleichung (Kap. 10.3.1):
σ σ 1' = 1 ff
(15.23)
Der Fließfaktor ff wird mit Hilfe der Fließfaktor-Diagramme für die beiden Trichtertypen bestimmt. Dazu betrachtet man die Lage des Auslegungspunktes im Diagramm und ermittelt den dazugehörigen Wert ff anhand der Kurven für ff = const. Hierzu kann man zwischen den Kurven interpolieren. Einfacher ist es, den nächst größeren Wert von ff zu benutzen. Dies ergibt etwas zusätzliche Sicherheit gegenüber Brückenbildung und be-
15.2 Aufgaben und Lösungen
467
wahrt davor, durch fehlerhafte Interpolation einen zu kleinen Wert ff zu ermitteln, was die Auslegung unsicherer machen würde. Man erhält für den konischen Trichter ff = 1,3 (s. Punkt B in Abb. 15.8) und für den keilförmigen Trichter ff = 1,2 (Punkt A in Abb. 15.9). Damit lässt sich die Brückenauflagerspannung gemäß Gl.(15.23) als Ursprungsgerade für beide Trichterformen einzeichnen (Abb. 15.10). Die Brückenauflagerspannung schneidet die (nach links extrapolierte) Fließfunktion. Aus Gründen der Übersichtlichkeit ist der Schnittpunkt als Quadrat nur für den keilförmigen Trichter (ff = 1,2) eingezeichnet. Aus dem Schnittpunkt erhält man die Verfestigungsspannung σ1,krit und die dazugehörigen Werte von Schüttgutfestigkeit σc,krit, Schüttgutdichte ρb,krit und effektivem Reibungswinkel φe,krit. Die mit dem Index „krit“ gezeichneten Parameter repräsentieren die Verfestigungsspannung und die dazugehörigen Schüttguteigenschaften bei der minimalen Auslaufabmessung zur Vermeidung von Brückenbildung. Tabelle 15.6 zeigt die Werte für beide hier behandelten Trichterformen. Tabelle 15.6. „Kritische“ Parameter am Schnittpunkt von Brückenauflagerspannung und Fließfunktion Trichterform konisch keilförmig
σ1,krit [Pa] 3925 3500
σc,krit [Pa] 3025 2900
ρb,krit [kg/m3] 877 872
φe,krit [°] 50 50
Die minimale Auslaufgröße zur Vermeidung von Brückenbildung erhält man aus den für den Schnittpunkt von Brückenauflagerspannung und Fließfunktion ermittelten Werten mit den Gln.(10.7a/b):
d krit = H (Θax )
bkrit = H (Θeb )
σ c,krit gρ b,krit
σ c,krit gρ b,krit
(15.24)
(15.25)
Die Werte für H(Θ) erhält man aus dem Diagramm in Abb.10.13, so dass sich schließlich die minimalen Auslaufgrößen zur Vermeidung von Brückenbildung bestimmen lassen (Tabelle 15.7). Tabelle 15.7. Funktion H(Θ) und Mindestauslaufabmessungen Trichterform konisch keilförmig
H(Θ) 2,30 1,13
dkrit bzw. bkrit [m] 0,81 0,38
468
15 Beispielaufgaben mit Lösungen
Abb. 15.10. Diagramm mit Fließeigenschaften zur Siloauslegung gegen Brückenbildung (Messpunkte sind als Kreise eingezeichnet, Quadrate sind Schnittpunkte)
Aufgabe 11: Auslegung eines Kernflusssilos Für das Schüttgut von Aufgabe 10, für das angenommen wird, dass es keine Zeitverfestigung aufweist, ist ein Kernflusssilo mit konischem Trichter auszulegen. Dazu sollen die untere und obere Grenze (lower bound, upper bound) des Schachtdurchmessers bestimmt werden. Der Silodurchmesser beträgt D = 3 m. Die maximale Füllhöhe im Füllzustand (d.h. bevor nach dem Befüllen des zuvor leeren Silos Schüttgut abgezogen wird) ist hf = 6 m.
15.2 Aufgaben und Lösungen
469
Lösung: Die Trichterneigung wird so steil gewählt, dass die Restentleerung möglich ist. Anzuwenden ist Gl.(10.8):
Θ Entl = 65° − ϕ x
(15.26)
Mit einem Wandreibungswinkel φx von 25° erhält man ΘEntl = 40°. Die Trichterwände müssen also um mindestens 40° gegen die Vertikale geneigt sein, um die Restentleerung sicherzustellen. Die minimale Auslaufgröße zur Vermeidung von Schachtbildung wird mit beiden im Abschnitt 10.3.2 gezeigten Methoden (lower bound, upper bound) bestimmt. Zur Bestimmung der unteren Grenze (lower bound) der minimalen Auslauföffnung zur Vermeidung von Schachtbildung zeichnet man die Ringspannung in der Schachtwand σ1’’ in das σc,σ1-Diagramm ein (Kap. 10.3.2): σ σ 1'' = 1 ff
(15.27)
Hierzu wird der Fließfaktor der Schachtbildung ffp benötigt:
ff p =
1 + sin ϕ e ⋅ f (ϕ i ) 4 ⋅ sin ϕ e
(15.28)
Für φi wird der Steigungswinkel φlin des linearisierten Fließortes eingesetzt. Wie man der Tabelle in Aufgabe 10 entnehmen kann, ist φlin stark von der Verfestigungsspannung abhängig. Es wird daher zunächst ein Wert geschätzt, der hinterher überprüft werden muss. Der Schätzwert ist φlin = 30°. Damit lässt sich f(φi = φlin = 30°) aus Abb. 10.16 ablesen: f(φi) = 2,4. Der Fließfaktor der Schachtbildung wird dann ffp = 1,38. Da ffp mindestens 1,7 betragen soll, gilt hier also ffp = 1,7. Damit lässt sich die Ringspannung gemäß Gl.(15.27) als Ursprungsgerade in das σc,σ1Diagramm einzeichnen (Abb. 15.11). Aus dem Schnittpunkt der Ringspannung mit der Fließfunktion erhält man ähnlich wie bei der Auslegung gegen Brückenbildung eine Verfestigungsspannung σ1,krit. Die zu dieser Verfestigungsspannung gehörigen „kritischen“ Werte Schüttgutfestigkeit σc,krit, Schüttgutdichte ρb,krit, effektiver Reibungswinkel φe,krit und Steigungswinkel des linearisierten Fließortes φlin,krit sind in Abb. 15.11 als Quadrate eingezeichnet (Zahlenwerte s. Tabelle 15.8).
470
15 Beispielaufgaben mit Lösungen
Abb. 15.11. Diagramme mit Fließeigenschaften zur Auslegung gegen Schachtbildung; Methode zur Bestimmung der unteren Grenze (lower bound) der Auslaufabmessung (Messpunkte sind als Kreise eingezeichnet, Quadrate sind Schnittpunkte)
15.2 Aufgaben und Lösungen
471
Tabelle 15.8. „Kritische“ Parameter am Schnittpunkt von Ringspannung und Fließfunktion σ1,krit [Pa] 6200
σc,krit [Pa] 3650
ρb,krit [kg/m3] 910
φe,krit [°] 50
φlin,krit [°] 30
Der Schätzwert für φlin ist gleich dem ermittelten Wert. Wäre dies nicht der Fall, würde man die Berechnung mit dem jetzt bestimmten Wert φlin,krit als Schätzwert wiederholen, bis der Schätzwert gleich dem ermittelten Wert ist (Iteration). Die minimale Auslaufgröße zur Vermeidung von Schachtbildung erhält man aus den für den Schnittpunkt ermittelten Werten mit Gl.(10.13): Dkrit = f (ϕ i )
σ c,krit
(15.29)
g ⋅ ρb,krit
Nach Einsetzen in Gl.(15.29) ergibt sich Dkrit = 0,98 m. Der Wert ist erwartungsgemäß deutlich größer als der minimale Auslaufdurchmesser dkrit zur Vermeidung von Brückenbildung in einem konischen Trichter (Tabelle 15.7). Es ist zu der hier berechneten unteren Grenze von Dkrit (lower bound) aber zu sagen, dass diese auf der Annahme beruht, dass bereits während des Füllens etwas Schüttgut abgezogen wurde (Kap. 10.3.2). Um die obere Grenze (upper bound) des Auslaufdurchmessers zur Vermeidung von Schachtbildung zu berechnen, wird die Vertikalspannung in Auslaufnähe für den Füllzustand mit Hilfe der Janssen-Gleichung abgeschätzt (Kap. 10.3.2):
σ 1,krit
ρb g A = σv = ⋅ 1− e λ tan ϕ x U
− λ tan ϕ x U h f A
(15.30)
Mit der maximalen Füllhöhe im Füllzustand hf = 6 m, dem Verhältnis von Querschnittsfläche zu Umfang A/U = D/4 = 0,75 m, dem Wandreibungswinkel φx = 25°, der maximalen Schüttgutdichte im untersuchten Spannungsbereich ρb = 980 kg/m3 and λ = 0,5 (angenommen; 0,4 oder 0,5 sind typische Werte für λ, siehe Kap. 9.2.3) erhält man die kritische Verfestigungsspannung σ1,krit = 26,14 kPa. Die maximale Schüttgutdichte wurde eingesetzt, da die Spannungen im Füllzustand üblicherweise recht groß sind. Für die Spannung σ1,krit werden die kritischen Werte der Schüttgutfestigkeit (σc,krit), der Schüttgutdichte (ρb,krit) und des Steigungswinkels des linearisierten Fließortes (φlinkcrit; φlin ist Ersatzwert für φi) aus den Funktionen in Abb. 15.12 ermittelt (Quadrate in den Diagrammen; Werte s. Tabelle 15.9).
472
15 Beispielaufgaben mit Lösungen
Fig. 15.12. Diagramme mit Fließeigenschaften zur Auslegung gegen Schachtbildung; Methode zur Bestimmung der oberen Grenze (upper bound) der Auslaufabmessung (Messpunkte sind als Kreise eingezeichnet, Quadrate repräsentieren die kritischen Werte entsprechend der maximalen Verfestigungsspannung im Füllzustand) Tabelle 15.9. “Kritische” Parameter für die Verfestigungsspannung am Siloboden (Füllzustand, Füllhöhe hf = 6 m) σ1,krit [Pa] 26140
σc,krit [Pa] 6900
ρb,krit [kg/m3] 979
φlin,krit [°] 40
Die zur Abschätzung der Verfestigungsspannung σ1,krit benutzte Schüttgutdichte ρb = 980 kg/m3 ist etwa gleich dem kritischen Wert in Tabelle 15.9.
15.2 Aufgaben und Lösungen
473
Da die Schüttgutdichte von oben nach unten wegen der ansteigenden Vertikalspannung zunimmt (Abb. 10.18), überschätzt man mit Gl.(15.30) die Verfestigungsspannung am Siloboden etwas, was aber etwas zusätzliche Sicherheit bei der Bestimmung des Auslaufdurchmessers ergibt. Wäre die zur Abschätzung der Verfestigungsspannung σ1,krit verwendete Schüttgutdichte kleiner gewesen als der kritische Wert gemäß des Schnittpunktes in Abb. 15.12, hätte die Berechnung mit einer größeren Schüttgutdichte wiederholt werden müssen. Die obere Grenze (upper bound) der minimalen Auslaufgröße zur Vermeidung von Schachtbildung wird mit Hilfe der kritischen Werte aus Tabelle 15.9 mit Hilfe von Gl.(15.29) berechnet. Dazu wird der Wert der Funktion f(φi) mit Abb. 10.16 ermittelt: f(φi = φlin = 40°) = 3,6. Schließlich erhält man so die obere Grenze Dkrit = 2,59 m. Dieser Durchmesser ist deutlich größer als die untere Grenze (Dkrit = 0,98 m), was aus der größeren Verfestigungsspannung im Füllzustand resultiert (s. Kap. 10.3.2). Aufgabe 12: Auslegung eines Silos bei Zeitverfestigung Für ein zur Zeitverfestigung neigendes Schüttgut ist ein Massenflusssilo mit konischem Trichter auszulegen, in dem das Schüttgut bis zu drei Tage in Ruhe gelagert werden soll, ohne dass es beim anschließenden Schüttgutabzug zu Brückenbildung kommt. Die mit Hilfe eines Schergerätes gemessenen Fließeigenschaften sind bereits in Diagrammen (Abb. 15.13) eingezeichnet. Der Wandreibungswinkel φx, ist hier von der Wandnormalspannung abhängig, was an dem ebenfalls in einem Diagramm in Abb. 15.13 eingezeichneten Wandfließort deutlich wird, der nicht durch den Ursprung verläuft. Lösung: Zunächst ist der Trichterneigungswinkel für Massenfluss zu bestimmen. Dies ist hier etwas schwieriger als in Aufgabe 10, da sowohl Wandreibungswinkel φx als auch effektiver Reibungswinkel φe von der Spannung abhängen. Maßgeblich für die Massenflussauslegung sind die Fließeigenschaften (φx, φe) bei der an der Auslauföffnung herrschenden Spannung. Diese Spannung ist aber zunächst unbekannt, so dass die Fließeigenschaften geschätzt werden müssen.
474
15 Beispielaufgaben mit Lösungen
Abb. 15.13. Diagramme mit Fließeigenschaften zur Siloauslegung (Messpunkte sind als Kreise eingezeichnet, Quadrate sind Schnittpunkte); die eingezeichneten Schnittpunkte beziehen sich auf die endgültig ermittelten kritischen Größen.
Um einen sinnvollen, möglichst zielgenauen Schätzwert zu erhalten, geht man folgendermaßen vor: Der Fließfaktor ff, der zum Einzeichnen der Brückenauflagerspannung in das σc,σ1-Diagramm benötigt wird, ist meis-
15.2 Aufgaben und Lösungen
475
tens in der Größenordnung von 1,2 bis 1,4. Nun kann man in das σc,σ1Diagramm vorab die Brückenauflagerspannung z.B. mit ff = 1,3 einzeichnen (s. gepunktete Linie in Abb. 15.13). Daraus ergibt sich ein Schnittpunkt mit der (nach links extrapolierten) Fließfunktion bei etwa σ1 = 3 kPa. Dazu findet man den effektiven Reibungswinkel φe = 47°. Da die Wandnormalspannung etwas kleiner als die größte Hauptspannung ist (s. Abb. 10.14), wird die Wandnormalspannung zu etwa 80% der größten Hauptspannung, also etwa 2,4 kPa geschätzt. Bei dieser Wandnormalspannung beträgt der Wandreibungswinkel φx = 26° (ermittelt aus dem Wandfließort gemäß Kap. 3.3.2). Mit den Schätzwerten erhält man den maximalen Trichterneigungswinkel für Massenfluss aus dem Diagramm in Abb. 10.6: Θax = 19°. Abzüglich Sicherheit (empfohlen: 2° bis 3°) ergibt sich Θax = 17°. Den Fließfaktor für diesen Massenflusstrichter und das betrachtete Schüttgut erhält man aus den Fließfaktor-Diagrammen für konische Trichter und die effektiven Reibungswinkel 40° und 50° (Abb. 10.10 und 10.11): ff(φx = 26°, φe = 40°, Θax = 17°) = 1,45 ff(φx = 26°, φe = 50°, Θax = 17°) = 1,28 Durch Interpolation erhält man für φe = 47° den Fließfaktor ff = 1,33. Nach Einzeichnen der Brückenauflagerspannung gemäß Gl.(10.4) mit ff = 1,33 erhält man den Schnittpunkt der Brückenauflagerspannung mit der Fließfunktion bei σ1,krit = 2,9 kPa. Bei dieser Verfestigungsspannung erhält man die kritischen Werte für Druckfestigkeit, Schüttgutdichte und effektiven Reibungswinkel entsprechend Tabelle 15.10. Tabelle 15.10. „Kritische“ Parameter am Schnittpunkt von Brückenauflagerspannung und Fließfunktion σ1,krit [Pa] 2900
σc,krit [Pa] 2200
ρb,krit [kg/m3] 1240
φe,krit [°] 47
φx,krit [°] 26
Zur Ermittlung des maßgeblichen Wandreibungswinkels ist zu beachten, dass die Wandnormalspannung σw nicht die gleiche Richtung wie die größte Hauptspannung hat. Daher wird der Wandreibungswinkel mit einer Konstruktion entsprechend Abb. 10.14 ermittelt: In das WandfließortDiagramm (Abb. 15.13) wird ein effektiver Fließort als Ursprungsgerade mit der Steigung φe,krit = 47° eingezeichnet. Dazu wird ein Spannungskreis konstruiert, dessen größte Hauptspannung gleich σ1,krit ist und der den effektiven Fließort tangiert (σ1,krit wird hier auf der σw-Achse aufgetragen). Dieser Spannungskreis repräsentiert das stationäre Fließen des Schüttgutes
476
15 Beispielaufgaben mit Lösungen
an der Auslauföffnung. Für den rechten Schnittpunkt des Spannungskreises mit dem Wandfließort liest man den Wandreibungswinkel φx,krit ab, der 26° beträgt. Da die ermittelten Werte φe,krit und φx,krit den anfangs gewählten Schätzwerten entsprechen, ist keine erneute Berechnung notwendig. Wäre dies nicht der Fall, müsste man die Berechnung mit den jetzt ermittelten Werten φe,krit und φx,krit als neue Schätzwerte wiederholen (Iteration). Den minimalen Auslaufdurchmesser zur Vermeidung von Brückenbildung erhält man aus den für den Schnittpunkt ermittelten Werten mit Gl.(10.7a):
d krit = H (Θax )
σ c,krit
(15.31)
g ⋅ ρ b,krit
H(Θax = 17°) ist nach Abb.10.13 gleich 2,3. Damit erhält man den minimalen Auslaufdurchmesser zur Vermeidung von Brückenbildung dkrit = 0,4 m. Für die Lagerzeit von drei Tagen wurde eine Zeitfließfunktion σct = σc(σ1,t) ermittelt (Abb. 15.13 und 15.14). Diese liegt oberhalb der Fließfunktion, da das Schüttgut einen deutlichen Anstieg der Druckfestigkeit mit der Lagerzeit zeigt. Der Schnittpunkt mit der Brückenauflagerspannung verschiebt sich daher nach rechts oben. Bestimmt man den Auslaufdurchmesser mit diesem Schnittpunkt, ist zu berücksichtigen, dass dort größere Spannungen vorliegen und damit auch andere Werte der Fließeigenschaften, u.a. ein anderer Wandreibungswinkel und ein anderer effektiver Reibungswinkel. Daher kann sich bei dem größeren Auslaufdurchmesser auch eine andere maximale Trichterwandneigung für Massenfluss ergeben, so dass auch die Massenflussauslegung für die Lagerzeit von drei Tagen zu wiederholen ist. Die Vorgehensweise ist die gleiche, die oben für die Lagerzeit Null beschritten wurde. Daher wird der Ablauf nur stichwortartig mit Zwischenergebnissen angegeben (zugehörige Diagramme s. Abb. 15.14): Schätzen: Angenommener Wert ff = 1,3 (gepunktete Linie) liefert Schnittpunkt bei σ1 = 5 kPa. Hierzu findet man φe = 45° und φx = 22°. Die Massenflussauslegung liefert dazu Θax = 24°, abzüglich Sicherheit folgt Θax = 22°. Der Fließfaktor ergibt sich damit zu ff = 1,40. Die mit ff = 1,40 gefundenen kritischen Werte (Quadrate in Abb. 15.14) zeigt Tabelle 15.11. Tabelle 15.11. „Kritische“ Parameter am Schnittpunkt von Brückenauflagerspannung und Zeitfließfunktion für drei Tage Lagerzeit σ1,krit [Pa] 5800
σct,krit [Pa] 4200
ρb,krit [kg/m3] 1280
φe,krit [°] 44
φx,krit [°] 22
15.2 Aufgaben und Lösungen
477
Abb. 15.14. Diagramme mit Fließeigenschaften zur Siloauslegung; Auslegung für drei Tage Lagerung in Ruhe (Messpunkte sind als Kreise eingezeichnet, Quadrate sind Schnittpunkte); die eingezeichneten Schnittpunkte beziehen sich auf die endgültig ermittelten kritischen Größen.
Die geringe Abweichung des effektiven Reibungswinkels vom Schätzwert ergibt keine wesentliche Änderung, daher wird auf eine Neuberechnung verzichtet.
478
15 Beispielaufgaben mit Lösungen
Mit H(Θax = 22°) = 2,35 folgt der Auslaufdurchmesser zur Vermeidung von Brückenbildung nach drei Tagen Lagerung in Ruhe: dkrit = 0,79 m. In Tabelle 15.12 sind die Ergebnisse zusammengefasst. Tabelle 15.12. Auslaufdurchmesser zur Vermeidung von Brückenbildung und zugehörige maximale Wandneigungswinkel für Massenfluss max. Lagerzeit in Ruhe t [Tage] 0 3
Auslaufdurchmesser dkrit [m] 0,40 0,79
zu dkrit gehörige maximale Wandneigung Θax [°] 17 22
Symbolverzeichnis
a a A b bE bkrit
[m] [m/s2] [m2] [m] [m] [m]
B c d dkrit
[m] [N/m] [m] [m]
df D Dkrit
[m] [m] [m]
fc F FA FD FF FG Fh FK FN Fp FR FS FT Fv FZ ff
[Pa] [N] [N] [N] [N] [N] [N] [N] [N] [N] [N] [N] [N] [N] [N] [-]
Abstand Beschleunigung Fläche Breite Einbaubreite minimale Auslaufschlitzbreite zur Vermeidung von Brückenbildung Breite (des rechteckigen Siloschaftes) Federkonstante Durchmesser, Partikeldurchmesser minimaler Auslaufdurchmesser zur Vermeidung von Brückenbildung Durchmesser der Fließzone Durchmesser; Silodurchmesser minimaler Durchmesser bzw. minimale Länge der Diagonale der Auslauföffnung zur Vermeidung von Schachtbildung Druckfestigkeit, Schüttgutfestigkeit (auch: σc) Kraft Ausgleichskraft (Ringschergerät); Auflagerkraft Druckkraft Fliehkraft Gewichtskraft Abzugskraft Kontaktkraft Normalkraft Durchströmungskraft resultierende Kraft; Reibungskraft Scherkraft Tangentialkraft Vertikalkraft Zugkraft Fließfaktor (abhängig von Schüttguteigenschaften und Trichterform)
480
Symbolverzeichnis
ffc
[-]
ffρ g h H hf hs K KI L m m
[-] [m/s2] [m] [-] [m] [m] [-] [-] [m] [kg] [-]
M m& n p pe r R S t u U v vs V w ws W x
[Nm] [kg/s] [-] [Pa] [Pa] [m] [m] [-] [s] [m/s] [m] [m/s] [m/s] [m3] [m/s] [m/s] [J] [m]
x50
[m]
y z za zs α β δ
[m] [m] [m] [m] [°] [°] [°]
Fließfähigkeit, berechnet aus dem Verhältnis von Verfestigungsspannung σ1 zu Druckfestigkeit σc dichtegewichtete Fließfähigkeit Erdbeschleunigung, g = 9,81 m/s2 Höhe, Schichthöhe Hausnerzahl Füllhöhe Höhe der Scherzone Horizontallastverhältnis (internationale Bezeichnung) Kompressibilitätsindex Länge, Auslaufschlitzlänge Masse; Parameter zur Beschreibung der Trichterform (m = 0: keilförmig; m = 1: konisch) Drehmoment, Biegemoment Massenstrom Anzahl Gasdruck (absolut) Gasüberdruck Radius; Radius einer Rauigkeit; Polarkoordinate Radius; Kugelradius eines Partikels Sättigungsgrad Zeit, Lagerzeit Geschwindigkeit Umfang Geschwindigkeit Schergeschwindigkeit Volumen Gasgeschwindigkeit (Leerrohrgeschwindigkeit) stationäre Sinkgeschwindigkeit Arbeit, Energie Koordinate, horizontaler Versatz des Einbaus aus der Siloachse, Partikelgröße Medianwert der Partikelgrößenverteilung (hier immer Mengenart Masse: x50,3) Koordinate Koordinate Absenkung des Austraggeräts Absenkung des Silos Winkel, Brückenwinkel bei Flüssigkeitsbrücken Winkel Winkel
Symbolverzeichnis
Θ Θax
[°] [1/s] [-] [1/s] [°] [°]
Θea
[°]
Θeb
[°]
ΘEcke
[°]
ΘEntl
[°]
λ λ0
[-] [-]
µ ν ρb ρb0 ρf ρs ρt σ σab σan σα
[-] [°] [kg/m3] [kg/m3] [kg/m3] [kg/m3] [kg/m3] [Pa] [Pa] [Pa] [Pa]
σc σct σh σhm σt σv σva σvE,spez σv∞ σw σ1 σ1’
[Pa] [Pa] [Pa] [Pa] [Pa] [Pa] [Pa] [Pa] [Pa] [Pa] [Pa] [Pa]
γ
γ& / 2 ε
ε&
481
Winkel der Scherverformung Winkeländerungsgeschwindigkeit der Scherverformung Porosität, Hohlraumvolumenanteil Dehnungsgeschwindigkeit Neigung einer Trichterwand gegen die Vertikale Neigung der Trichterwand eines konischen Trichters gegen die Vertikale Neigung der geneigten Wand eines asymmetrischkeilförmigen Trichters gegen die Vertikale Neigung der Trichterwände eines symmetrischen keilförmigen Trichters gegen die Vertikale Neigung einer Ecke eines pyramidenförmigen Trichters gegen die Vertikale Neigung einer Trichterwand gegen die Vertikale, um Restlosentleerung zu erreichen Horizontallastverhältnis Horizontallastverhältnis ohne Einfluss von Wandreibung (Verhältnis der Hauptspannungen) Reibungskoeffizient Dilatanzwinkel Schüttgutdichte Schüttdichte (Dichte des unverdichteten Schüttgutes) Fluiddichte Feststoffdichte Stampfdichte Normalspannung Normalspannung beim Abscheren Normalspannung beim Anscheren Normalspannung in der um den Winkel α geneigten Schnittebene Druckfestigkeit, Schüttgutfestigkeit (auch: fc) Druckfestigkeit nach Zeitverfestigung; entspricht σc(σ1,t) Horizontalspannung mittlere Horizontalspannung Zugfestigkeit Vertikalspannung Vertikalspannung an der Auslauföffnung spezifische Einbaulast Vertikalspannung im Siloschaft in unendlicher Tiefe Wandnormalspannung größte Hauptspannung größte Hauptspannung in einer Schüttgutbrücke
482
Symbolverzeichnis
σ1’’ σ2 σ3 τad
[Pa] [Pa] [Pa] [Pa]
τad,st
[Pa]
τab τan τc
[Pa] [Pa] [Pa]
τsf τw τxy
[Pa] [Pa] [Pa]
φ
[°]
φe φi φlin φsf φt φx φx,st ω
[°] [°] [°] [°] [°] [°] [°] [1/s]
Ringspannung in der Wand eines Schachtes kleinste Hauptspannung mittlere Hauptspannung kinematische Adhäsion (Schnittpunkt des kinematischen Wandfließortes mit der Schubspannungsachse) statische Adhäsion (Schnittpunkt des Zeitwandfließortes mit der Schubspannungsachse) maximale Schubspannung beim Abscheren Schubspannung beim Anscheren (stationäres Fließen) Kohäsion (Schnittpunkt des Fließortes mit der Schubspannungsachse) Schubspannung beim stationären Fließen Wandschubspannung Schubspannung (parallel zur y-Achse, senkrecht zur xAchse) innerer Reibungswinkel; Flüssigkeitsanteil einer Flüssigkeitsbrücke effektiver Reibungswinkel lokale Steigung des Fließortes Steigung des als linearisierten Fließortes innerer Reibungswinkel beim stationären Fließen lokale Steigung des Zeitfließortes kinematischer Wandreibungswinkel statischer Wandreibungswinkel Winkelgeschwindigkeit
Indizes: a ax eb ea ges h krit max min rel v
Auslauföffnung axialsymmetrischer Fließzustand; konischer Trichter ebener Fließzustand; keilförmiger Trichter eben-asymmetrischer Fließzustand; asymmetrisch-keilförmiger Trichter gesamt horizontal kritisch (Verhältnisse bei der minimalen Auslaufgröße zur Vermeidung von Brücken- oder Schachtbildung) maximal minimal relativ vertikal
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Sachverzeichnis
A Abrieb Abriebmessung 98 Beispiel 248, 453, 454 Verminderung 343 Abscheren 48 Spannung auswählen 106 Spannungskreise 59 Abschernormalspannung 53 Auswahl 106 automatische Auswahl 109, 112 Abscherpunkt 54 Annahmen 152 Abscherschubspannung 54 Abzugskraft (Austraggerät) 280 Beispiel 456 Adhäsion 74 Adsorptionsschicht 29 Agglomeratbildung 235 aktiver Spannungszustand 260 Anisotropie 117, 130 induziert 126 inhärent 129 Anscheren 48 Schubspannungsmaximum 149 Spannung auswählen 105 Spannungskreise 59 Anschernormalspannung 51 Auswahl 105 automatische Auswahl 109 Anscherpunkt 53 Annahmen 152 Anscherschubspannung 52 antidynamisches Rohr 344
Ausdehnung Siehe Dilatanz Auslaufmassenstrom 347 Beispiel 462 Erhöhung durch Gaszugabe 352 feinkörniges Schüttgut 350 grobkörniges Schüttgut 349 Auslauföffnung Größe 302, 307, 316 mehrere 334, 409 Auslaufwinkel 177 Austraggerät 361 Abzugskraft 280 Belüftungsrinne 376 Bunkerentleerungswagen 379 Drehbalkenboden 383 Einsatz 385 Gestaltung für Massenfluss 362 gleichmäßiger Schüttgutabzug 364 große Querschnitte 382 Gurtförderer 283, 367 Horizontalschleuse 374 Plattenband 283, 370 Räumarm 338, 379 Räumschnecke 296, 383 Schneckenboden 383 Schneckenförderer 364, 365 Schwingrinne 370 Schwingtrichter 371 steigende Kapazität 365 Trogkettenförderer 283, 366, 456 Ursache für Kernfluss 364 Zellenradschleuse 373 Austraghilfe 355 Einsatz 360, 385 mechanisch 358
514
Sachverzeichnis
pneumatisch 355 Austragorgan Siehe Austraggerät Avalanching 178 B beginnendes Fließen 36, 50 Belüftungsdüse 355 Belüftungselement 355 Belüftungspfeife 355 Belüftungsrinne 376 Beulen 296 Binsert® 340 Böschungswinkel 176 Boundary shears 141 breite Verweilzeitverteilung 3 Brückenauflagerspannung 309 Brückenbildung 3, 302 Auslegung 307 Auslegung (Beispiel) 464, 473 Bunkerentleerungswagen 379 C Caking Siehe Zeitverfestigung Carr-Index 180 Cohesion Tester 183 Compact Strength Tester 190 D Dehnungsgeschwindigkeitskreis 135 Dehnungspfad 120 Dilatanz 144 bei Scherverformung 144 Einfluss auf Messungen 148 Dilatanzwinkel Definition 145 Fließort 158 Fließortmessung 152 Diskrete-Elemente-Methode 136, 267 Drehbalkenboden 383 Druckfestigkeit Anisotropie (Richtungsabhängigkeit) 130
beim Fließort 57 Definition 36 Einfluss der Verfestigungsspannung 37 Einfluss der Verformung 130 dynamischer Böschungswinkel 176 E eccentric discharge 371 eccentric pipe flow 300 Eckneigungswinkel 330 effektiver Fließort 63 effektiver Reibungswinkel 63 einachsige Verdichtung Spannungen 270, 457 Spannungen (Beispiel) 457 Spannungsverhältnis 257 Vorgänge im Schüttgut 124 einachsige Zugfestigkeit Siehe Zugfestigkeit einachsiger Druckversuch 35, 168, 185 Einbauten in Silos 337 Anwendung 337 Belastung 288 Binsert® 340 Einfluss auf Fließzone 339 Einfluss auf Spannungen 288 Entleerungsrohr 341 trichterförmig 340 verdrängend 337 einfaches Scheren 133 einseitiger Schüttgutabzug 3 einseitiger Schüttgutfluss Siehe exzentrisches Entleeren Entleerungsrohr 341 antidynamisches Rohr 344 Reduzieren von Entmischung 410 Spannung (Beispiel) 454 Entleerungszustand (Silo) 262 Entmischung 3, 302, 391 auf Böschungen 392 Einfluss des Fließprofils 407 Flugbahn 396
Sachverzeichnis Gasströmung 396 Mechanismen 391 Perkolation 394 Probenahme 414 Reduzierung 400 Siebeffekt 392 Erschütterungen 417 Reduzierung 343, 443 Schlagen 417 Silobeben 417 Silohupen 417, 437 Slip-Stick 421 Ursachen 418, 441 Expanded Flow 335 exzentrisches Entleeren 293, 378, 385 Spannungen 264, 294 Ursachen 295 F faserige Partikel 228 Feinheit Siehe Partikelgröße Festkörperbrücke 30 Feuchtigkeit 220 Beispiel 241 Fließeigenschaften Agglomeratbildung 235 bei kleinen Spannungen 160 Einfluss der Verfestigungsspannung 66 Einflüsse bei der Messung 167 Einflussgrößen 35 Feuchtigkeit 220, 241 Fließhilfsmittel 239 Gasströmung 223 Partikelform 227 Regeln zur Messung 167 Temperatur 243 Fließfähigkeit bei Zeitverfestigung 44, 70 Definition 42 dichtegewichtete Fließfähigkeit 47 Einfluss der Verfestigungsspannung 43
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Einteilung 42 Fließhilfsmittel 239 Temperatureinfluss 243 Wahl der Verfestigungsspannung 103 Fließfähigkeitsindex nach Carr 180 Fließfaktor 310 Diagramm 310, 323 Fließfunktion 37, 66, 160 Fließgrenze beim Scherversuch 50 Definition 40 Fließort 56 Richtung der Bruchebene 41 Fließhilfsmittel 215 Beispiel 239 hochdisperse Pulver 215 Fließort Annahme von Koaxialität 152 Annahmen 151 Definition 56 Dilatanzwinkel 158 Druckfestigkeit 57 Endpunkt 57, 154 Konstruktion 56 Verfestigungsspannung 56 Wahl der Spannungen 103 Zugspannung 156 Fließprofil 299 Flowability Test 183 Fluidisierbarkeit 226 Fluidisierung 223 Flüssigkeit 220 Füllzustand (Silo) 262 funnel flow eccentric pipe flow 300 G Gasdruck im Silo 348 Gasströmung 223, 273 im Silo 347 Gecko 34 Geldart-Diagramm 226 Geschwindigkeit Einfluss 165, 207
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Sachverzeichnis
Einfluss bei Slip-Stick 210 im Silo 300 größte Hauptspannung 13 beim stationären Fließen 56 Gurtförderer 367 Abzugskraft 283 H Haftkraft 24 Abstand 25 Adsorptionsschicht 29 elektrostatische Kraft 24 Festkörperbrücke 30 Fließhilfsmittel 215 Flüssigkeitsbrücke 24 Messung 200 Partikelgröße 27 Rauigkeit 28 Sinterbrücke 30 van-der-Waals-Kraft 24 Hauptdehnungsrichtung 134 Hauptspannung 13 Hauptspannungsrichtung 134 Hauptspannungsverhältnis Einfluss der Verformung 120 Vorgeschichte 120 Hausnerzahl 183 Homogenisiersilo 344, 377 Horizontallastverhältnis 12, 257, 275 Messung im Lambdameter 127, 277 Horizontalschleuse 359, 374 Horizontalspannungsverhältnis Siehe Horizontallastverhältnis Horizontalzellenradschleuse Siehe Horizontalschleuse I Imperfektion 287 Imse-Test 179 induzierte Anisotropie 126 inhärente Anisotropie 129 innerer Reibungswinkel beim beginnenden Fließen 62
beim stationären Fließen 64 beim Zeitfließort 70 J Janssen 4, 268 Janssen-Gleichung 5, 268 bei Gasdurchströmung 273 Beispiel 451, 457, 459 mit Auflast 270 mit Auflast (Beispiel) 457, 459 Schüttgutpfropfen 271 Jenike 6 Auslegungsverfahren 303 Jenike-Schergerät 80, 194 alternative Prozeduren 169 Messprozedur 80 Scherzelle 81 Twisten 82 Wandreibung 95 Zeitverfestigung 92 Johanson Hang-up Indicizer™ 190 K Kernfluss 2, 299 Auslegung (Beispiel) 468 durch Austraggerät 364 kinematischer Wandreibungswinkel 73 Klopfer 358 Klumpenbildung Siehe Zeitverfestigung Koaxialität von Hauptspannungen und Hauptdehnungen 152 Kohäsion Definition 64 Fließort 64, 155 Kompressibilitätsindex 183 Kraftlinie 124, 144 kritische Auslaufabmessung Brückenbildung 311 Schachtbildung 318
Sachverzeichnis L Lambdameter 126, 277 Lawinenbildung 178 Leckluftabfuhr 375 linearisierter Fließort 62 Lockerungspunkt 223 Lokalisation der Scherzone 138 im Silo 423 Lotuseffekt 31 Luftauflockerungskissen 355 Luftförderrinne 376 Lufthaltevermögen 226 Luftkanone 358 Luftstoßgerät 358 M Massenfluss 7, 299 Auslegung 304 Auslegung (Beispiel) 463, 464, 473 Massenfluss-Kernfluss-Diagramm 306, 326 Massenstrom Siehe Auslaufmassenstrom Messgeräte Siehe Messverfahren Messverfahren 173 Anforderungen 172 Böschungswinkel 176 Cohesion Tester 183 Compact Strength Tester 190 einachsiger Druckversuch 185 Fließfähigkeitsindex nach Carr 180 Flowability Test 183 Genauigkeit 197 Imse-Test 179 Jenike-Schergerät 80, 194 Johanson Hang-up Indicizer™ 190 Lawinenbildung 178 Monoaxial Shear Test 186 Penetration Test 185 Powder Bed Tester 187 Quality Control Tester 192 Ringschergerät 88, 196
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Rührer 181 Torsionsschergerät 195 Trichter 175 Verdichtbarkeitsmessung 182 Zugfestigkeitsmessung 187, 188 Zugfestigkeitsmessung mit Gasströmung 189 Zweiachsiger Druckversuch 193 Mohrscher Spannungskreis Berechnung 16 einachsiger Druckversuch 39 Erläuterung 13 räumlicher Spannungszustand 15 stationäres Fließen 57 Monoaxial Shear Test 186 N non-uniform discharge 371 Normalspannung 10 Vorzeichenregel 11 O Oberflächenrauigkeit 253 P Partikelform 227 Partikelgröße Einfluss auf das Fließverhalten 32, 215, 246 Pascal (Einheit) 12 passiver Spannungszustand 262 Penetration Test 185 plättchenförmige Partikel 228 Plattenband 370 Abzugskraft 283 pneumatischer Granulatmischer 341 Porosität 20 Powder Bed Tester 187 Presse 457 Q Quality Control Tester 192
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Sachverzeichnis
R radiales Spannungsfeld 305 Räumarm 338, 379 Räumschnecke 383 reines Scheren 133 Relaxation 209 Restentleerung Trichterwandneigung 315 Richtungsabhängigkeit 130 Riedel shears 141 Ringschergerät 80, 88, 196 Abriebmessung 98 Messprozedur 88 Scherzelle 89 Wandreibung 96 Zeitverfestigung 92 Ringspannung in der Schachtwand 316 Rotationsschergerät 79 Rührer 181 Rührwerk als Austraghilfe 359 Rüttler 359 S Sättigungsgrad 21, 220 Schachtbildung 3 Auslegung 316 Auslegung (Beispiel) 468 Scherband Siehe Scherzone Schergerät Abscheren 48 Anscheren 48 beginnendes Fließen 50 Hauptspannungsrichtungen 168 Messprozedur 48 stationäres Fließen 50 Scherverformung 133 Scherversuch Siehe Schergerät Scherzelle Jenike-Schergerät 81 Ringschergerät 89 Scherzone 136 Dicke 138 im Silo 421 Lokalisation 138, 148
Schießen 3, 226, 301, 353 Schlagen Siehe Erschütterungen Schneckenboden 383 Schneckenförderer 364, 365 Schrägbodensilo 377 Schubspannung 10 bei Dilatanz 146 bei Lokalisation 139 Einfluss der Schergeschwindigkeit 140 Einfluss der Scherverformung 140 Schüttgutdichte Beispiel 249 Definition 20 Einfluss der Verfestigungsspannung 37 Einfluss der Verformung 129 Schüttgutfestigkeit Siehe Druckfestigkeit Schwerkraftmischsilo 344 Schwingrinne 370 Schwingtrichter 371 Silo Geschwindigkeitsverteilung 300 Hauptspannungen 263 Imperfektion 287 Spannungsspitze 263 Spannungsverlauf 260 Switch 263 Trichterformen 304, 328 Siloauslegung Anwendung der Auslegungsergebnisse 385 Brückenbildung (Beispiel) 464, 473 Kernfluss 315 Kernfluss (Beispiel) 468 Massenfluss 304 Massenfluss (Beispiel) 463, 464, 473 Schachtbildung (Beispiel) 468 Spannungen für Messungen 115 Verfahren nach Jenike 303 Zeitverfestigung (Beispiel) 473 Silobeben Siehe Erschütterungen
Sachverzeichnis Silogestaltung 327, 385 Silohupen Siehe Erschütterungen Siloschaft Spannungsverlauf 260 Sinterbrücke 30 Slide-Hold-Slide Tests 209 Slip-Stick 203 beim Messen 212 Geschwindigkeitseinfluss 210 im Silo 421 Ursachen 203 Spannung Auslauföffnung 278, 280 Auslauföffnung (Beispiel) 456 Austraggerät 280 Berechnung (Silo) 266 Einheit 12 Entleerungsrohr 341 für Messung 103 im BigBag (Beispiel) 461 in gestapelten Säcken (Beispiel) 461 Querschnittsänderung (Siloschaft) 287 sehr kleine Spannungen 160 Silo 260, 279 Siloschaft 268 Siloschaft (Beispiel) 451, 459 Verteilung (Silo) 286 Vorgeschichte 122 Spannungsberechnung 266, 270 Spannungslinie 124 Spannungspfad 120 Spannungsspitze bei Imperfektion 287 im Silo 263 Querschnittsänderung 287 Ursache 265 Stampfdichte 182 Stampfvolumeter 182 stationäre Sinkgeschwindigkeit 396 stationärer Fließort 162 Definition 65 stationäres Fließen 125 Dilatanz 148 im Schergerät 50
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im Silo 262 Lokalisation 138, 148 Richtung der Hauptspannungen 60 Schubspannungsmaximum 149 Zugspannung 163 statische Wandreibung 75 statischer Wandreibungswinkel 77 steigende Kapazität 365 Switch 263, 453 T Temperatureinfluss (Beispiel) 243 Torsionsschergerät 80, 195 tote Zone 299 Translationsschergerät 79 Trichter (Messverfahren) 175 Trichter (Silo) asymmetrisch 330 Formen 304, 328 Gestaltung 331 keilförmig 329 konisch 329 pyramidenförmig 330 Spannungsverlauf 260 unterschiedliche Neigungen 335 Trichterwandneigung Massenfluss 304 Restentleerung 315 Trogkettenförderer 366, 456 Abzugskraft 283 Twisten 82 U überverfestigte Probe 50, 150 unterverfestigte Probe 49 V Verdichtbarkeit Beispiel 249 Messprozedur 101 Verdichtbarkeitsmessung 182 verdrängender Einbau 337
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Sachverzeichnis
verfahrenstechnische Siloauslegung Siehe Siloauslegung Verfestigungsspannung Auswahl 103 Fließort 56 Schätzen 104 Verformung einachsige Verdichtung 124 elastisch 22 isotrop 126 plastisch 22 stationäres Fließen 125 Vergleichsmessung Wahl der Spannungen 108, 114 Verklumpung Siehe Zeitverfestigung Vibrationsrinne Siehe Schwingrinne Volumenänderungsarbeit 146 W Wandfließort Definition 71 kinematisch 73 Messprozedur 71, 94 Wahl der Spannungen 113 Wandmaterial Benetzbarkeit 254 Einfluss auf Wandreibung 253 Rauigkeit 253 Wandreibung Siehe Wandreibungswinkel Wandreibungskoeffizient 73 Wandreibungswinkel Beispiel 247, 251 Definition 73 Einfluss der Lagerzeit 75 Einfluss der Wandnormalspannung 74, 251, 336 Feuchtigkeit 223, 242 kinematisch 73
Messen mit Schergeräten 71, 94 Oberflächenrauigkeit 253 Partikelgröße 247 statisch 75, 77, 97 Wandmaterial 253 Wegabhängigkeit 213 Y Y-shears 141 Z Zeitfließfunktion 38 Zeitfließort Definition 69 Wahl der Spannungen 112 Zeitverfestigung 38 Beispiel 244 Einfluss der Lagerzeit 38 Mechanismen 30 Messen mit Schergeräten 67, 92 Siloauslegung (Beispiel) 473 Zeitverfestigungsbank 92 Zeitverfestigungsständer 92 Zeitwandfließort Definition 75 Messprozedur 75 Zellenradschleuse 373 Leckluft 375 Zentralkegelsilo 338, 377 Zugfestigkeit Einfluss der Partikelgröße 33 Fließort 64, 155 Messung 33 Zugfestigkeitsmessung 187, 188 mit Gasströmung 189 Zugspannung Fließort 156 stationäres Fließen 163 Zweiachsiger Druckversuch 193 Zweiaxialbox 117