Peter Hammacher | Ilse Erzigkeit | Sebastian Sage So funktioniert Mediation im Planen + Bauen
Peter Hammacher | Ilse ...
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Peter Hammacher | Ilse Erzigkeit | Sebastian Sage So funktioniert Mediation im Planen + Bauen
Peter Hammacher | Ilse Erzigkeit | Sebastian Sage
So funktioniert Mediation im Planen + Bauen mit Fallbeispielen und Checklisten 2., überarbeitete und ergänzte Auflage PRAXIS
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2008 2., überarbeitete und ergänzte Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © Vieweg+Teubner Verlag |Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Karina Danulat | Sabine Koch Vieweg+Teubner Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.viewegteubner.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Satz/Layout: Annette Prenzer Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8348-1515-6
V
Die Autoren Ilse Erzigkeit Dipl. Ing. Städtebauarchitektin, war über 20 Jahre in der Verwaltung und in Planungsbüros mit der Projektleitung komplexer Planungsvorhaben befasst. Sie ist jetzt vor allem als Mediatorin, Beraterin bei Planverfahren sowie in der Projektabwicklung tätig.
Peter Hammacher Dr. Peter Hammacher, Rechtsanwalt seit 1986, war zwanzig Jahre lang Leiter von Rechtsabteilungen national und international tätiger Unternehmensgruppen der Bau- und Investitionsgüterindustrie (Stahlbau, Anlagenbau, Kraftwerksbau, Brückenbau, Gebäudetechnik). Er ist jetzt vor allem als Rechtsanwalt, Wirtschaftsmediator und Schiedsrichter tätig.
Sebastian Sage Dipl.-Ing. Sebastian Sage ist als Architekt und ö.b.u.v. Sachverständiger für Schäden an Gebäuden tätig; er ist Mitglied der Schlichtungsstelle der Architektenkammer Baden-Württemberg und Mediator.
VII
Inhaltsverzeichnis 1
Vorwort und Einleitung: Konfliktfeld Planen und Bauen ............................................ 1
2
Was ist Mediation? ........................................................................................................... 5 2.1 2.2 2.3
Szenen wie aus einem Drehbuch ............................................................................... 5 Was ist anders? .......................................................................................................... 7 Wesentliche Grundgedanken, wie funktioniert’s? ................................................... 10 2.3.1 Strukturiertes Verfahren – aber keine Prozessordnung ............................. 10 2.3.2 Selbstbestimmung ..................................................................................... 11 2.3.3 Freiwilligkeit............................................................................................. 15 2.3.4 Keine Rechtsbindung bei Einzelschritten ................................................. 16 2.3.5 Mediator ohne Entscheidungsmacht ......................................................... 17 2.3.6 Vertraulichkeit .......................................................................................... 18 2.4 Voraussetzungen für erfolgreiche Mediation, wann lieber nicht?..................................................................................................... 19 2.4.1 Konflikte müssen sich innerhalb des gesetzten Rahmens lösen lassen ..... 19 2.4.2 Konsens-Fähigkeit .................................................................................... 22 2.4.3 Konsens-Wille .......................................................................................... 24 2.4.4 Innere Überzeugung .................................................................................. 26 2.4.5 Richtige Vertreter ..................................................................................... 27 2.4.6 „Stellvertreter-Mediation“, wenn Mediation nicht zustande kommt ........ 28 2.4.7 Der Streitstoff enthält genügend Ansätze für ein Nehmen und Geben ..... 29 2.4.8 Verhandelbare Themen ............................................................................. 30 2.4.9 Das Machtverhältnis ist ausgeglichen bzw. ausgleichbar. ........................ 31
3
Mediation und andere Verfahren der Streitbeilegung................................................. 35 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.8
Mediation – Alternative oder Ergänzung zu anderen Konfliktlösungsmodellen? ... 35 Konfliktvermeidung durch Moderation ................................................................... 38 Konfliktvermeidung durch Zukunftswerkstatt ........................................................ 39 Konfliktvermeidung durch laufende Qualitätsüber-wachung .................................. 39 Konfliktlösung nach Ermessen einer Konfliktpartei ............................................... 40 Konfliktlösung durch Schlichtung ........................................................................... 41 Konfliktlösung durch einen Sachverständigen ........................................................ 42 Konfliktlösung durch Adjudikation ......................................................................... 43 3.8.1 Erst Mediationsversuch, dann Adjudikation? ........................................... 46 3.8.2 Wahl zwischen Adjudikation und Mediation? .......................................... 46 3.8.3 Adjudikation und Mediation in parallelen Verfahren? ............................. 47 3.8.4 Adjudikation und Mediation hintereinander? ........................................... 48 3.8.5 Adjudikation und Mediation in demselben Verfahren? ............................ 49 3.8.6 Fazit Adjudikation und Mediation ............................................................ 50
VIII
Inhaltsverzeichnis 3.9 Konfliktlösung durch Schiedsverfahren .................................................................. 50 3.10 Konfliktlösung durch ordentliche und Verwaltungs-gerichte .................................. 51 3.11 Kosten von Streitbeilegungsverfahren im Vergleich ............................................... 53 3.11.1 Kosten der ordentlichen Gerichtsverfahren............................................... 55 3.11.2 Kosten der Schlichtungsverfahren ............................................................ 55 3.11.3 Kosten der Schiedsgerichtsverfahren ........................................................ 56 3.11.4 Kosten der Mediationsverfahren ............................................................... 56
4
Mediation in förmlichen Verwaltungsverfahren der Raumordnung, Bauleitplanung und Planfeststellung ............................................................................. 59 4.1 4.2 4.3
Interessengegensätze bei städtebaulichen Planvorhaben auf kommunaler Ebene ... 60 Stadtplanung im Spannungsfeld von unterschiedlichen Interessenlagen ................. 62 Mediation als Instrument zum Interessenausgleich in der Stadtplanung ................. 63 4.3.1 Mediation als Präventivmaßnahme ........................................................... 64 4.3.2 Mediation zur Problembearbeitung ........................................................... 65 4.3.3 Mediation zur Konfliktbearbeitung ........................................................... 69 4.4 Auswahl der Teilnehmer an der Mediation ............................................................. 70 4.5 Auswahl des Mediators ........................................................................................... 71 4.6 Vorteile der Konfliktbearbeitung durch einen neutralen Mediator .......................... 72 4.7 Bindungswirkung des Mediationsergebnisses ......................................................... 75 4.8 Implementierung der Mediation in das Verwaltungshandeln .................................. 76 4.9 Mediation bei einer geplanten Industrieerweiterung – Mehrwerte für Kommune und Firma ........................................................................................ 77 4.10 Mediation unterstützt die Verwaltung in der Abwicklung von Planverfahren – Praxisbeispiel....................................................................................................... 80 4.11 Ausblick: Bürgerbeteiligung im Dialog mit den Betroffenen! ................................ 84 5
Mediation zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer .............................................. 89 5.1 5.2
5.3 5.4 5.5 5.6 6
Mediation als Auftrag an das Risiko-Management der Unternehmen ..................... 89 Besondere Herausforderungen in der Baupraxis ..................................................... 92 5.2.1 Die Spielräume der Baubeteiligten während der Auftragsabwicklung sind eingeschränkt ................................................................. 92 5.2.2 Machtgefälle während der Auftragsabwicklung ....................................... 92 Typische Konfliktfelder in einer Mediation zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber........................................................................................................... 93 Erarbeitung der Themenliste in der Mediation ........................................................ 96 Typische Interessen ................................................................................................. 97 Suche nach Optionen ............................................................................................... 98
Mediation bei der Abnahme ......................................................................................... 101 6.1 6.2 6.3 6.4
Rechtsakt und Mediation ....................................................................................... 101 Der Sonderfall der Abnahme einer Eigentumswohnung ....................................... 102 Der Mehrparteienkonflikt ...................................................................................... 104 Das Bedürfnis hinter der Forderung ...................................................................... 104
Inhaltsverzeichnis
IX
6.4.1 Klärung ................................................................................................... 105 6.4.2 Lösung suchen ........................................................................................ 105 6.4.3 Lösung finden ......................................................................................... 106 6.4.4 Lösung vereinbaren................................................................................. 106 6.5 Der Mensch lebt nicht vom Brot allein ................................................................. 106 6.5.1 Nicht nur materielle Bedürfnisse ............................................................ 107 6.5.2 Mittel, Ort und Zeit ................................................................................. 107 6.6 Eskalation von Konflikten ..................................................................................... 108 6.6.1 Das Modell der Eskalationsstufen .......................................................... 109 6.6.2 Von Worten zu Taten .............................................................................. 111 6.7 Reden ist Silber – Schweigen ist Gift .................................................................... 113 6.8 Wer findet die meisten Mängel? ............................................................................ 114 6.9 Schwierige Fälle – Rettung in letzter Minute ........................................................ 116 6.10 Ergebnis ................................................................................................................. 118 7
Mediation zwischen Investor und Mietern ................................................................. 121 7.1
7.2
7.3
Praxisfall: Privatisierung von Privatwohnungen ................................................... 121 7.1.1 Ablauf ..................................................................................................... 122 7.1.2 Telefonische Erörterung mit dem Investor, Auftragsklärung ................. 123 7.1.3 Gespräch der Mediatoren mit der Geschäftsleitung und Führungskräften des Investors ............................................. 125 7.1.4 Strategiegespräch der Mediatoren........................................................... 126 7.1.5 Fernmündliche Absprachen zwischen den Mediatoren und dem Investor .................................................................................... 126 7.1.6 Treffen von Führungskräften des Investors mit den Mediatoren vor Beginn der Mediation ....................................................................... 127 Runder Tisch ......................................................................................................... 127 7.2.1 Setting ..................................................................................................... 127 7.2.2 Einleitung, Themensammlung ................................................................ 127 7.2.3 Einzelthemen .......................................................................................... 128 7.2.4 Optionen ................................................................................................. 129 7.2.5 Vereinbarungen....................................................................................... 130 7.2.6 Einige wesentliche Interventionen während des „Runden Tisches“ ....... 130 7.2.7 Blitzlicht ................................................................................................. 131 7.2.8 Nachbereitung und spätere Beratungen .................................................. 131 Überlegungen zu dem Praxisfall ........................................................................... 132 7.3.1 Runder Tisch – Mediation ...................................................................... 132 7.3.2 Strukturierung ......................................................................................... 132 7.3.3 Umgang mit der Vergangenheit .............................................................. 133 7.3.4 Wechselseitige Problemdefinition .......................................................... 133 7.3.5 Setting ..................................................................................................... 133 7.3.6 Feedback ................................................................................................. 134 7.3.7 Aussichten .............................................................................................. 134
X
Inhaltsverzeichnis
8
Mediation zwischen Architekt und Ingenieur – Fallstudie im Dialog ...................... 135 8.1 8.2 8.3 8.4
9
Mediation in Baugemeinschaften/ Baugruppen ......................................................... 153 9.1 9.2 9.3 9.4
10
Praxisfall: Zoff im Großprojekt ............................................................................. 135 Psychologische Situation und Dynamik ................................................................ 137 Mediationsverlauf .................................................................................................. 137 Interventionsmöglichkeiten, „wenn’s nur ums Geld geht“ .................................... 139 8.4.1 Intervention – Anerkennung der eigenen Leistung ................................. 140 8.4.2 Intervention – Gerechtigkeit als Maßstab der Vergütung ....................... 142 8.4.3 Intervention- – 50/50-Vergleichslösung ....................................................... 147 8.4.4 Intervention – was ist die beste, was ist die schlechteste Alternative zum Aushandeln eines Ergebnisses in der Mediation? (BATNA/WATNA) ................................................................................ 148 8.4.5 Intervention – neutralen Aufteilungsmaßstab finden .............................. 149 8.4.6 Intervention – scheinbare Erweiterung der Möglichkeiten ..................... 150 8.4.7 Intervention – Aufzeigen der Relativität von Verhandlungsgrenzen ...... 150 8.4.8 Intervention – „der eine teilt – der andere wählt“ ................................... 150 8.4.9 Intervention – Klärung anhand der Rechtslage ....................................... 150 8.4.10 Intervention – Wechsel zur Schlichtung oder Entscheidung................... 151
Ausgangsposition .................................................................................................. 153 Chancen der Mediation – Architekt als Mediator? ................................................ 155 Wie lässt sich die Mediation einführen? ................................................................ 156 Voraussetzungen.................................................................................................... 156
Mediation zur Unterstützung des Konfliktmanagements bei komplexen Bauprojekten ................................................................................................................. 157 10.1 Partnering .............................................................................................................. 157 10.2 Alliancing .............................................................................................................. 159 10.3 Einsatz des Mediators ............................................................................................ 160
11
Mediation zwischen Partnern, Gesellschaftern, Mitarbeitern in Architekturoder Ingenieurbüros...................................................................................................... 163 11.1 Ausgangsposition .................................................................................................. 163 11.2 Typische Konfliktfelder ......................................................................................... 163 11.2.1 Arbeit und Geld ...................................................................................... 164 11.2.2 Gesellschafterstellung ............................................................................. 164 11.2.3 Geschäftsführung .................................................................................... 165 11.2.4 Projekt ..................................................................................................... 166 11.3 Exkurs: Reframing................................................................................................. 166 11.4 Feldkompetenz in der Mediation in Architektur- und Ingenieurbüros .................. 167
12
Mediation in WEG-Angelegenheiten ........................................................................... 169 12.1 Ausgangsposition .................................................................................................. 169 12.2 Chancen der Mediation .......................................................................................... 171
Inhaltsverzeichnis
XI
12.3 Wie lässt sich die Mediation einführen?................................................................ 172 12.4 Mediation in WEG-Sachen – eine Aufgabe für Verwalter? .................................. 174 12.5 Praxisfall: Zur Zulässigkeit der Anbringung von Lüftungsgittern für eine Dunstabzugshaube in einer Wohnanlage.............................................................. 176 13
Förderung der Mediation im Planen und Bauen ....................................................... 181 13.1 Rechtsanwälte für Mediation ................................................................................. 181 13.1.1 Mediation ist noch zu wenig bekannt .................................................... 181 13.1.2 Von dem Anwalt wird eine kämpferische Haltung erwartet ................... 182 13.1.3 Der Auftritt vor Gericht prägt noch immer das Image des Anwalts ....... 182 13.1.4 Der Anwalt befürchtet, den Mandanten zu verlieren .............................. 183 13.1.5 Der Anwalt fürchtet, seinen Auftrag nicht richtig auszuüben ................. 183 13.1.6 Der Anwalt wendet selbst mediative Elemente in seiner Praxis an ........ 184 13.1.7 Der Anwalt hat kein Vertrauen in die Konfliktfähigkeit seines Mandanten .............................................................................................. 184 13.1.8 Der Anwalt will die Verhandlungsführung behalten .............................. 185 13.1.9 Die Auswahl des Mediators ist schwierig ............................................... 186 13.1.10 Die Mediation kostet Zeit ....................................................................... 187 13.1.11 Die Mediationergebnisse sind schwerer durchzusetzen als Gerichtsurteile ................................................................................... 188 13.1.12 Die Mediation „lohnt“ sich nicht ............................................................ 189 13.2 Gerichte für Mediation .......................................................................................... 190 13.3 Versicherungen für Mediation ............................................................................... 191 13.4 Universitäten und Hochschulen für Mediation ...................................................... 191 13.5 Sachverständige für Mediation .............................................................................. 192 13.6 Ingenieure und Architekten für Mediation ............................................................ 195
14
Muster mit Kommentierung ........................................................................................ 197 14.1 Mediationsklausel zur Aufnahme in Verträge ....................................................... 197 14.2 Vereinbarung über die Durchführung des Mediationsverfahrens .......................... 200 14.3 Checkliste für eine Abschlussvereinbarung........................................................... 202
15
Literaturverzeichnis ..................................................................................................... 205
16
Sachwortverzeichnis ..................................................................................................... 209
1
1 Vorwort und Einleitung: Konfliktfeld 1 Planen und Bauen Konflikte gehören zu unserem Leben wie Liebe und Geldverdienen: in der Familie, im Beruf, in der Politik: Es kommt nur darauf an, wie wir damit umgehen. Gott sei Dank wird das Meiste noch immer von den Beteiligten untereinander, ohne Hilfe Dritter gelöst. Manchmal gelingt dies aber nicht, z. B. weil die Interessen zu konträr zu sein scheinen, weil es „um zu viel geht“, weil man sich zu sehr über den anderen geärgert hat, weil man „sein Gesicht nicht verlieren“ will, weil interne Machtstrukturen einen Einigungsversuch behindern usw. Es kommt zur Eskalation des Streites. Die Tonart wird verletzend, dem Streitpartner wird jede Kompetenz abgesprochen. Anwälte werden eingeschaltet. Jede Partei sieht nur noch den Gerichtsprozess als Ausweg aus dem Dilemma. Die Beziehungen sind auf dem NullPunkt angelangt; alles was man ursprünglich einmal gemeinsam angehen wollte, ist nicht mehr zu realisieren. Die Kosten des Streits und seiner Folgen wachsen ins Unvernünftige.
Streit ist normal
Dieser Verlauf wiederholt sich ständig – in allen Bereichen und in allen Branchen. Das Baugewerbe stellt einen wichtigen Teil der deutschen Wirtschaft dar, wenn auch die Bedeutung im Vergleich zu dem Dienstleistungssektor und dem produzierenden Gewerbe erkennbar zurückbleibt. Nach einem Boom im Zuge des Wiederaufbaus in den Beitrittländern folgte ein mehrjähriger wirtschaftlicher Einbruch im Baugewerbe, von dem sich die Branche jetzt langsam erholt. Ende Juni 2009 gab es noch 73.944 Betriebe im Baugewerbe (vorbereitende Baustellenarbeiten, Hoch- und Tiefbau) mit 720.613 Beschäftigten und einem Umsatz in 2008 von 85,4 Milliarden EUR.2 Damit ist der Bereich Planen und Bauen und das Konfliktpotenzial aber keineswegs erschöpfend erfasst: Von Baumaßnahmen sind direkt oder indirekt auch die anderen Branchen wie z. B. Handel, Verkehr und verarbeitendes Gewerbe betroffen, sowie die öffentlichen und privaten Dienstleister rund um die Immobilie. Betroffen sind Bürger, die beruflich oder privat mit Bauprojekten in Berührung kommen. Betroffen ist die Allgemeinheit durch Rohstoff-, Landschafts- und sonstige Ressourcen-Nutzung. Die Konfliktkonstellationen sind in der Investitionsgüterindustrie mit Anlagenbau, Maschinenbau, Stahlbau,
1
2
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwendet das Buch statt Ingenieurin/Ingenieur, Architektin/Architekt, Bauherrin/Bauherr etc. nur die männliche Form. Statistisches Bundesamt, Fachserie 4/Reihe 5.1, 2009; 11.Februar 2010
P. Hammacher et al. So funktioniert Mediation im Planen + Bauen, DOI 10.1007/978-3-8348-8124-3_1, © Vieweg+Teubner Verlag |Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
2
1 Vorwort und Einleitung: Konfliktfeld Planen und Bauen Rohrleitungsbau etc. ganz ähnlich und deshalb in die Betrachtung einzubeziehen. Dabei beginnt das Planen und Bauen nicht erst mit der Fertigung des Bauentwurfs, sondern schon viel früher. Bereits mit der Raumordnung und mit der Freigabe und Verteilung von Flächen für die Gewerbeoder Wohnsiedlung oder Infrastrukturmaßnahmen für Kraftwerke oder Industrie werden die unterschiedlichen Interessen berührt. Hier sind vor allem die Planungsbehörden des Staates und der Gemeinden gefordert; hier spielt die Beteiligung des Bürgers an den Vorhaben eine besondere Rolle. Mit anderen Worten: Das Konfliktfeld „Planen und Bauen“ umfasst einen großen Teil des gesellschaftlichen Lebens und der Wirtschaft. So betrachtet ist die erfolgreiche Planung und Durchführung von Bauvorhaben sowie die adäquate Nutzung von Gebäuden und Umwelt für uns Menschen im wahrsten Sinne so wichtig, wie ein Dach über dem Kopf. Es kommt darauf an, mit diesem essenziellen Bedürfnis entsprechend seiner großen Bedeutung achtsam umzugehen. Die Menschen haben dabei unterschiedliche Wahrnehmungen: Für die einen ist der Bau ihr Heim, für die anderen ihr Job. Für die einen ist er Vermögensansammlung für die anderen ein Fass ohne Boden. Er ist Selbstzweck oder Mittel zum Zweck. Er ist Krone der Architektur oder Verschandelung des Stadtbildes, usw.
Planen und Bauen mit hohem Konfliktpotential
Alles, was mit Planen und Bauen zu tun hat, ist wegen der erheblichen Komplexität, wegen der involvierten Vermögenswerte und wegen des hohen Personaleinsatzes mit seiner menschlichen Fehleranfälligkeit besonders konfliktbehaftet. Die Auseinandersetzungen vor, während und nach der Auftragsabwicklung sind dementsprechend zahlreich, heftig und kostspielig. Viele Streitigkeiten landen vor den ordentlichen Gerichten, die am Ende langwieriger und aufreibender Prozesse zu schwer vorhersehbaren Ergebnissen kommen oder einen unbefriedigenden Vergleich vorschlagen. Vor diesem Hintergrund bemühen sich verantwortliche Personen und Organisationen im Bereich Planen und Bauen seit einiger Zeit, alternative Lösungswege3 zu entwickeln, um es gar nicht erst zu Konflikten kommen zu lassen, oder jedenfalls, um Streitigkeiten möglichst schnell und nachhaltig zu beenden.
Handreichung für Baufachleute
Dieses Buch möchte Architekten, Ingenieuren, Planern, Sachverständigen, Mitarbeitern und Entscheidungsträgern in Gemeinden und Behörden, die mit der Vorbereitung und Durchführung von Planverfahren, mit der Planung von Bauinvestitionen, der Durchführung von Bauprojekten oder der Durchsetzung bzw. Abwehr von Ansprüchen im Rahmen von Bauverträgen zu tun haben, das Verfahren der Media3
im englischen Sprachgebrauch: „alternative dispute resolution“, kurz ADR genannt
1 Vorwort und Einleitung: Konfliktfeld Planen und Bauen
3
tion4 erläutern und anhand praktischer Fälle näher bringen. Der Leser soll dazu ermutigt werden, moderne Wege der Konfliktbearbeitung auszuprobieren, um sich und seine Unternehmung, letztlich aber die Allgemeinheit von unnötigen Konflikten und unfruchtbaren Streitigkeiten zu entlasten. Das Buch richtet sich auch an die Rechtsanwälte. Mediation gelingt nur mit ihnen, nicht gegen sie. Die Skepsis vieler Berater gegenüber dem Neuen ist, wie zu zeigen sein wird, unbegründet. Auf der Suche nach dem für den Mandanten besten Weg kommt der Berater an der Mediation nicht vorbei.
Unterstützung für Juristen
Nicht zuletzt ist dieses Buch auch für die zunehmende Zahl von Zivilrichtern bestimmt, die selbst als Mediatoren im Rahmen der Gerichtsmediation tätig werden und jene Zivilrichter, die es in der Hand haben, den Streitparteien eine Mediation zu empfehlen. Die umfangreichen Punktesachen blockieren den Gerichtsbetrieb. Die saubere Aufarbeitung der Streitpunkte und die Klärung durch die Parteien selbst sind dem Gerichtsverfahren vorzuziehen. Es bedarf aber eines entsprechenden Anstoßes durch die Gerichte selbst. Die Autoren – selbst Mediatoren und Praktiker rund um das Planen und Bauen – zeigen, in welchen häufig auftretenden Situationen Mediation eingesetzt werden kann, welches die Voraussetzungen sind, wie das Verfahren abläuft und was dabei in besonderer Weise zu beachten ist. Wer mit Konflikten allgemein – und speziell bei der Planung oder Durchführung von Bauvorhaben – zu tun hat, sei es privat oder beruflich, wird hier viel dazu erfahren, wie Konflikte zustande kommen und wie sie mithilfe der Mediation bewältigt werden können. Dadurch wird das Buch auch zu einer Quelle für alle Mediatoren, die sich mit den besonderen Problemen von Planen und Bauen konfrontiert sehen. Die Einsatzmöglichkeiten für die Mediation werden in diesem Buch anhand konkreter Beispiele aufgezeigt. Dabei profitiert das Buch von dem unterschiedlichen beruflichen Hintergrund der Autoren. Das Kapitel 4, Mediation in förmlichen Verwaltungsverfahren der Raumordnung, Bauleitplanung und Planfeststellung, wurde von Frau Dipl.-Ing. Ilse Erzigkeit bearbeitet, die als Städteplanerin seit Langem die Interessengegensätze zwischen Verwaltung, Bürgern und Investoren betreut. Das Kapitel 6, Mediation bei der Abnahme, hat Herr Dipl.-Ing. Sebastian Sage geschrieben, der sich seit vielen Jahren als öffentlich bestellter und vereidigter Bausachverständiger vor allem mit Mängeln und Schäden und mit den Konflikten zwischen Bauherren und Bauunternehmern beschäftigt. Rechtsanwalt Dr. Peter Hammacher, der viele Jahre in der Bau- und Investitionsgüterindustrie tätig war, erörtert vor allem Kon-
4
Wir verwenden die Begriffe „Mediation“ und „Mediationsverfahren“ synonym, um keine unnötigen Begriffsdiskussionen auszulösen (vgl. auch Geis, S. 18 FN1)
Mediation aus der Praxis für die Praxis
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1 Vorwort und Einleitung: Konfliktfeld Planen und Bauen flikte zwischen Baubeteiligten bei der Projektabwicklung und innerhalb der Organisationen. Mediation lebt nicht zuletzt von dem „Perspektiven-Wechsel“, der es den Medianden ermöglicht, ihren Konflikt auch einmal aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten und sich damit neue Horizonte zur Klärung der Situation und Beilegung der Streitigkeiten zu eröffnen. Dementsprechend beschränkt sich das Buch auch nicht auf die bloße Schilderung. Die Leser werden zu den unterschiedlichen Themenkomplexen auch unterschiedliche Darstellungsformen finden, wie z. B. Interview, Erzählung, Dialog, Fallstudie. Die Autoren verbinden damit die Hoffnung, den Leser auch zu unterhalten und dadurch auf vielfältige Weise die gleiche Botschaft zu verkünden: Streit muss sein – aber bitte fair, sach- und lösungsorientiert!
5
2 Was ist Mediation? Lassen Sie uns mit einem Streit beginnen.
Kennen Sie das?
2.1 Szenen wie aus einem Drehbuch Szene 1: Auf der Baustelle „Mit dem Mann kann man einfach nicht reden!“ Zornig dreht sich Müller auf der Achse um und stürmt an Deloy und Breit vorbei aus dem Baucontainer. Nach 30 Jahren Montage weiß man, wann es genug ist. Von so einem Schnösel wie diesem Deloy, der mit der VOB unterm Arm die Baustelle leiten will, muss man sich so etwas nicht mehr gefallen lassen. Wir haben die Leistungen erbracht und wollen unser Geld! Wir können nichts dafür, wenn die Pläne das nicht hergeben. Deloy steht wie angewurzelt im Baubüro neben seinem Bauleiter. „Ich glaub’ es nicht!.“ „Haben Sie so was schon mal erlebt?“ „Da kommt dieser Zombie, der noch nie eine Uni von innen gesehen hat, und will mir weismachen, dass meine Pläne nicht stimmen.“ „Der sollte erst 'mal die Ausschreibung lesen, bevor er andere Leute anmacht!“ Deloy löst sich aus der erstarrten Haltung und beginnt wie ein Tiger im Baubüro herum zu kreisen. „Ich sag’ Ihnen was, Herr Breit. Bei mir hat der ausgedient.“ Breit schaut Deloy skeptisch an und schweigt. Deloy kann sich noch nicht beruhigen: „Der kriegt keinen Cent auf seine Nachträge. Wenn der nicht in der Lage ist, zu kalkulieren.... Ich lass’ mir jedenfalls nicht die Schuld für die Kostensteigerung in die Schuhe schieben.“ Deloy wendet sich an den Bauleiter. „Sagen Sie, Herr Breit, wann sind die mit der Arbeit fertig? Nächste Woche ist Abnahme? Sehr schön. Wollen wir doch mal sehen, wie die ausgeht! Und auf die Schlussrechnung freue ich mich schon…...“ Szene 2: Fünf Monate später in der Firma. Deloy und Breit sitzen im Besprechungszimmer ihrer Firma und brüten über dem umfangreichen Schriftsatz des Subunternehmers. Aufgetürmt etliche Aktenordner voller Pläne, gewechselter Korrespondenz, interner Stellungnahmen. Den ganzen Vormittag verbringen sie schon damit, sich die Antworten auf die Details zurechtzulegen und nach Unterlagen zu suchen, die ihre Ansicht erhärten sollen.
P. Hammacher et al. So funktioniert Mediation im Planen + Bauen, DOI 10.1007/978-3-8348-8124-3_2, © Vieweg+Teubner Verlag |Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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2 Was ist Mediation? „Frustrierend“, wendet sich Breit an Deloy. „Während mir draußen die Termine bei dem neuen Projekt weglaufen, soll ich hier in den Akten wühlen. Am Liebsten würde ich den ganzen Kram unserem Anwalt schicken, damit der sich damit auseinandersetzt.“ „Nutzt aber nichts“ meint Deloy, „ohne uns ist der Anwalt aufgeschmissen.“ „Das Blöde ist, so ganz unrecht hat der Müller nicht – jedenfalls auf dem Papier“, stöhnt Breit, „aber sprechen wollen die mit uns auch nicht mehr, nicht nach dem ganzen Trouble.“ „Was schlagen Sie vor, Herr Breit? Alles bezahlen, damit wir unsere Ruhe haben?“ Deloy schaut gereizt zu Breit. „Das kann’s ja wohl nicht sein. Nein, nein, da müssen wir jetzt durch. Schließlich geht’s auch ums Prinzip. Für mich steht fest, dass der Sub die Pläne studieren muss, bevor er die Leistungen anbietet. Da gibt’s nur hart bleiben und durch!“ Breit stiert auf den Haufen Akten. „Der Müller ist eigentlich ein guter Montageleiter; mit ihm und seiner Firma habe ich bisher kaum Probleme gehabt. Bei dem neuen Projekt hätte ich ihn gerne wieder dabei gehabt; aber das ging ja jetzt nicht mehr.“ Breit steht auf und blickt durch das Fenster. „Wenn ich mir vorstelle, dass das jetzt noch monatelang so weitergehen kann, falls die tatsächlich Klage einreichen! Beim letzten Prozess musste ich unserem Anwalt zwei Jahre lang die Unterlagen sortieren und ich hätte weiß Gott Wichtigeres zu tun gehabt! Rausgekommen ist auch nichts Tolles: Fifty/Fifty – auf dringendes Anraten des Gerichtes – unser Anwalt hat nur gegrinst.“ Breit wendet sich an Deloy: „Fällt Ihnen nicht was Besseres ein?“ Szene 3: Zwei Monate später. Müller, Breit und Deloy verlassen gemeinsam ein älteres Bürogebäude und gehen ein paar Stufen herab. Sie sehen entspannt aus. „War eine gute Idee von Ihnen, mit der Mediation“, wendet sich Müller an Deloy. „Danke, ja ich bin auch ganz zufrieden. Es ist einfach etwas anderes, ob man alleine verhandelt oder ob man jemanden dabei hat, der Struktur in die ganze Sache bringt. Ich glaube, ohne ihn hätten wir das nicht hingekriegt.“ „Nein, nicht nach Ihrem Auftritt im Container“, grinst Breit und blickt erst Deloy, dann Müller an. „Mir hat die sachliche Atmosphäre gut getan; nicht so ‚psycho’, wie ich befürchtet hatte“, lächelt Müller.
2.2 Was ist anders?
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„Aber auch nicht so gerichtsmäßig, wie damals“, wendet Breit ein und schüttelt sich. „Jedenfalls bin ich froh, Herr Müller, dass die Sache jetzt bereinigt ist und Sie wieder im Boot sind. Federn haben wir alle lassen müssen.“ „Wichtig war auch die Diskussion über die Qualität der Ausschreibungsunterlagen“, bemerkt Deloy nachdenklich. „Da werden wir in der Tat nacharbeiten müssen, damit sich solche Probleme nicht wiederholen. Die Männer gehen gemeinsam zum Parkhaus.
2.2 Was ist anders? Die erste und die zweite Szene kommen Ihnen bestimmt bekannt vor, aber der Schluss? Was ist da in der Mediation passiert, was ist anders?
Was läuft hier anders?
Es begegnen sich nicht zwei Kriegsherren auf dem Schlachtfeld und es kommt nicht der Diener zum Herrn. Man trifft sich auf neutralem Boden auf Einladung eines Dritten. Der Mediator hat großes Augenmerk darauf gelegt, dass die Räumlichkeiten stimmen (es muss ja nicht immer ein Schloss sein, wie in der RTL-Serie „Nachbarschaftsstreit – Kolb greift ein“. Die Zeit, das Licht, der Kaffee, kurz das „Setting“. Der Mediator ist ein freundlicher Mensch, das färbt ab. Die Leute reißen sich zusammen, jedenfalls am Anfang.
Schon die Atmosphäre ist anders
Vielleicht würden Projektleiter, weil sie es von komplexen Bauprojekten so gewohnt sind, auch bei einem zweiseitigen Gespräch zunächst eine Agenda festlegen. Oft werden bilaterale Gespräche allerdings vor allem dazu genutzt, den geballten Zorn auf den Gesprächspartner abzuladen und Diskussionen zu führen, bei denen ein Wort das nächste gibt. Man springt von einer „Baustelle“ zur anderen, ohne die Punkte sauber abzuarbeiten. Das Gespräch ist ineffizient, die Parteien merken es selbst, wissen aber nicht, wie sie das ändern können, und sind frustriert. Sind zwei Parteien alleine, fehlt die ordnende Hand. Hier kann der Mediator den Parteien helfen, die Punkte, um die es ihnen eigentlich geht, herauszuarbeiten. Er wird die Parteien immer wieder auf den Kern zurückführen und fruchtlose Tiraden unterbinden.
Die Struktur des Gesprächs ist anders
Oft ist es so, dass in zweiseitigen Verhandlungen die Auftraggeberseite zugleich die Rolle des Gesprächsleiters übernimmt. Das geschieht mitunter unbewusst: Der Projektleiter des AG muss seinen Standpunkt vertreten, sein Chef lehnt sich scheinbar zurück, hört sich die Sache an, moderiert und tut so, als würde er von einer höheren Warte aus, objektiv entscheiden können. Kann er aber nicht: So ist das Gespräch einmal dadurch belastet, dass die Auftragnehmerseite die Konstellation nicht akzeptiert, zum anderen dadurch, dass der Auftragge-
Die Rolle der Gesprächsteilnehmer ist anders
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2 Was ist Mediation? ber einen Spagat zwischen der Vertretung seiner Interessen und der Berücksichtigung auch der Interessen des Auftragnehmers unternimmt, den er nicht leisten kann. Durch die Einschaltung des allparteilichen Mediators entfällt beides, und oft empfindet es gerade der Mächtigere als echte Entlastung, sich nur auf seine Interessen konzentrieren zu können. Die Gesprächsteilnehmer begegnen sich auf Augenhöhe. Gut, Machtgefälle gibt es immer, ob am Bau oder in der Ehe. Aber der Mediator wird dafür sorgen, dass die Suche nach einer Lösung nicht davon dominiert wird. Zum einen kann in der Mediation deutlich werden, dass der Mächtigere gar nicht so stark ist, wie er glaubt, weil er nämlich auf den anderen angewiesen ist. Zum anderen geht es in der Mediation um eine interessen- und sachorientierte Konfliktlösung. Wer ohnehin nur vorhat, eine Entscheidung mit Gewalt zu erzwingen, ist hier fehl am Platze.
Die Kommunikation ist anders
Wie laufen denn Streitgespräche üblicherweise ab? Die erste Partei sagt etwas, was die andere Partei angreift, oder was die andere Partei als Angriff versteht. Und noch während die erste Partei spricht, beginnt die andere Partei bereits ihre Antwort vorzubereiten. Sie hört nur noch mit halbem Ohr zu, denn ihre ganze Aufmerksamkeit gilt ihrem Gegenangriff. Kaum trägt sie vor, ist die erste Partei schon wieder dabei sich zu rüsten, usw., usw. Wenn Sie Talkshows kennen, wissen Sie, was ich meine. Was für eine Zeit- und RessourcenVerschwendung! Der Mediator hat sein Handwerk gelernt. Er verfügt über einen Koffer mit Kommunikationswerkzeugen, mit denen er die Parteien dazu bringt, aktiv zuzuhören, und zu lernen, den Standpunkt des anderen zu verstehen. Verstehen heißt nicht, dass man den Standpunkt der anderen Seite akzeptieren muss. Aber Verständnis ist die Grundlage jeder Problemanalyse und jeder Suche nach einer Lösung für den Konflikt.
Die Wahrnehmung des Gesprächspartners ist anders
Natürlich gab es auch in dieser Mediation spannende Momente, in denen die unterschiedlichen Standpunkte aufeinanderprallten und in denen die Emotionen Überhand zu gewinnen drohten. Das ist normal. Schließlich geht es um wichtige Dinge: Beide Projektleiter stehen unter dem Druck ihrer Chefs, das Projekt erfolgreich abzuwickeln, sonst drohen ihnen Konsequenzen bis hin zum Verlust des Arbeitsplatzes. Beide Projektleiter haben einen Ruf als gute BaustellenManager zu verlieren. Beide Projektleiter brauchen eine Lösung, die ihnen hilft, das Gesicht zu wahren. Beide Projektleiter wissen, dass sie und ihre Unternehmen künftig wieder miteinander Geschäfte machen möchten. Nanu? Der „gegnerische“ Projektleiter hat dieselben Probleme wie man selbst? Die gleichen Bedürfnisse und Sorgen? Wenn die eigenen Anliegen berechtigt sind und der Projektleiter auf der anderen Seite dieselben Anliegen hat, wie kann man dann dessen Anliegen ignorieren? Man erwartet Respekt und Wertschätzung für die eigenen Anlie-
2.2 Was ist anders?
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gen und möchte fair behandelt werden. Wenn sich der Andere in einer ähnlichen Situation befindet, dann kann man das nur erreichen, wenn man die gleiche Aufmerksamkeit auch dem Anderen zollt! Diese Einsicht kann das Ergebnis der von dem Mediator gesteuerten Verhandlung sein. Damit ändert sich die Wahrnehmung des anderen. Je nachdem wie weit die Eskalation des Konfliktes bereits fortgeschritten war, wird der Gesprächspartner nun nicht mehr als Inbegriff des Bösen angesehen, als „Typen wie diese“, denen eigentlich nur noch „Ding“-Qualität zugesprochen werden kann. Es erscheint der Mensch hinter der Funktion, dem es genauso schwer fällt, die Situation zu meistern, wie man selbst. Deshalb muss man den anderen nicht lieben. Aber es verändert sich der Umgang mit der Person und seinen Worten. Die Diskussion geht weiter, jetzt aber mit mehr Respekt und damit mit neuen Chancen für eine Einigung. Keine Rede von Schlechterfüllung des Vertrages? Von Verletzung von Mitwirkungspflichten, Kooperationspflichten, Prüf- und Hinweispflichten, zusätzlichen Leistungen nach § 2 Nr. 6 VOB/B etc., etc.? Doch, sicher auch! Aber die Schuldzuweisungen stehen hier nicht im Vordergrund. In einer juristisch geführten Auseinandersetzung würde es vor allem darum gehen, festzustellen, ob die eine Seite gegen die andere einen Anspruch hat. Natürlich wird auch in der Mediation keine Partei eine Vereinbarung abschließen, von der sie nicht überzeugt ist, dass es die bessere Alternative zu einem Rechtsstreit ist.5 Deshalb wird und sollte sie sich auch über ihre Rechte informieren. In der Mediation steht aber die gemeinsame Suche nach einer Lösung im Vordergrund. Es soll weitergehen! Dabei muss beiden Parteien klar sein, dass sie dafür auch etwas tun müssen, auch bezahlen. Aber wo kriegt man schon etwas umsonst? Wie die Vereinbarung aber am Ende aussieht, das haben die Parteien selbst in der Hand. Mithilfe des Mediators entwickeln sie Szenarien, wie die gemeinsamen und die unterschiedlichen Interessen bei der Lösungssuche am besten zu berücksichtigen sind. Sie können Risiken und Vorteile von Optionen abwägen, die Auswirkungen auf bestehende und künftige Projekte und ihre persönliche Situation bewerten. Wenn am Schluss eine Vereinbarung zustande gekommen ist, dann, weil die Parteien sie gut überlegt haben und Verantwortung für das Ergebnis des Entscheidungsfindungsprozesses übernehmen. Mediation ist nichts für Menschen, die Entscheidungen über ihr Leben lieber anderen überlassen, zum Beispiel den Juristen.
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sogenanntes BATNA, best alternative to negotiation agreement, nach Fisher/Ury/Patton, Getting to Yes, 1981
Der Fokus der Auseinandersetzung ist anders
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2 Was ist Mediation?
2.3 Wesentliche Grundgedanken, wie funktioniert’s? 2.3.1 Strukturiertes Verfahren – aber keine Prozessordnung Mediation braucht keine Prozessordnung
Das wird Ingenieure und Architekten zunächst wenig berühren. Spätestens aber, wenn sie in einen Rechtsstreit als Partei, Zeuge oder Sachverständige involviert werden, erfahren sie, wie wichtig die Regeln über den Ablauf eines Zivilprozesses in der Gerichtspraxis sind. Prozessordnungen sind unbedingt erforderlich, um in einem streitigen Verfahren für Ausgewogenheit zu sorgen und sicherzustellen, dass alle Parteien die gleichen Rechte und Pflichten haben. Sie stellen sicher, dass die materielle Gerechtigkeit im Prozess obsiegt. Wer sich nicht an die Prozessordnungen hält, nimmt Nachteile in Kauf: Beispiel: § 138 (3) ZPO: Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht. Die Regelung hat zur Folge, dass die Prozessbevollmächtigten stets genau darauf achten müssen, dass sie alle Aussagen der Gegenseite bestreiten, die ihre Partei anders sieht. Im Mediationsverfahren gibt es solche Regelungen nicht. Die Parteien verhandeln frei von Restriktionen miteinander; verbindlich ist nur das, was die Parteien am Ende der Verhandlung als verbindlich bezeichnen. Die Parteien bestimmen selbst, wie und was sie in der Mediation besprechen möchten. Die Mediatoren bieten ihnen dazu den geschützten Raum und halten sie an, die vereinbarten Regeln einzuhalten. Das Fehlen einer Prozessordnung erweitert die Verhandlungsmöglichkeiten erheblich, denn die Parteien können sich freier äußern und bewegen. Prozessanwälte, deren große Stärke in der Beachtung der Prozessordnung liegt und die deren Regeln zum Schutz und zum Vorteil ihres Mandanten anzuwenden wissen, können in der Mediationsverhandlung in den Hintergrund treten. Prozessuales Taktieren ist in der Mediation nicht nur nicht möglich; sie ist vor allem nicht nötig.
Struktur durch Verhandlungsleitung
Das bedeutet aber keinesfalls, dass das Mediationsverfahren weniger gerecht wäre. Die Struktur ist da, folgt aber anderen Prinzipien. Die Parteien müssen akzeptieren, dass der Mediator die Verhandlung leitet. Er ist berechtigt, die Parteien zu unterbrechen, die Redezeit einzuschränken, zur Ruhe zu ermahnen etc., also alles, was notwendig ist, um die Parteien zu einem vernünftigen Miteinander zu bringen.
2.3 Wesentliche Grundgedanken, wie funktioniert’s?
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Die Mediation funktioniert nur, wenn die Parteien es schaffen, sich zuzuhören und die Argumente des anderen (wieder) mit Respekt zu prüfen. Eine Prozessordnung wäre zu starr, um auf versteckte Einigungsangebote, Erweiterungen des Themenfeldes, Ungleichgewichte in der Fähigkeit, sich zu artikulieren etc. zu reagieren. Hier in der Mediation verlieren die Parteien keine Rechte, wenn sie nicht oder nicht rechtzeitig reagieren. Sie bleiben solange Herren des Verfahrens, bis sie sich zu einem Ergebnis durchgerungen haben, zu dem sie dann aber auch stehen müssen. Ob Zwischenvereinbarungen getroffen werden sollen und wie sie umgesetzt werden, liegt einzig in der Entscheidung der Parteien.
2.3.2 Selbstbestimmung Anders als in einem Gerichtsverfahren oder einem Schiedsgerichtsverfahren liegt die Verantwortung für den Ausgang ausschließlich bei den Parteien. Der Mediator ist „nur“ dafür verantwortlich, dass die Parteien die Regeln des Verfahrens einhalten und in den Genuss seiner Vorteile kommen können.
Mediation verlangt selbstverantwortliches Handeln
Für den Bereich Planen und Bauen ist dies alles andere als gewöhnlich und möglicherweise liegt gerade in der herkömmlichen Form, wie man mit Konflikten umgegangen ist, die Ursache, warum Mediation noch immer eher zögerlich empfohlen wird. 2.3.2.1 Öffentliches Baurecht Das öffentliche Baurecht ist in starkem Umfang reglementiert. Bundes-, Landes-, und Gemeinderecht schreiben vor, unter welchen Voraussetzungen, was wie gebaut werden darf. Die Verwaltung hat bei ihrer Entscheidung das Vorliegen der Voraussetzungen zu prüfen, und die privaten und öffentlichen Bedürfnisse und Belange zu berücksichtigen (§ 1 Abs.6 BauGB). Konflikte zwischen Beteiligten und der Verwaltung entstehen, wenn diese Abwägung nach Ansicht der Betroffenen nicht ausreichend oder falsch stattgefunden hat. Beispiel: a) Drittwiderspruch gegen eine dem Nachbarn erteilte Baugenehmigung b) Erlass einer Veränderungssperre gem. § 14 BauGB Traditionell kann sich der Betroffene dabei gegen die Feststellungen und Entscheidungen der Behörde nur im Verwaltungsverfahren (Wi-
Starke Verrechtlichung im öffentlichen Baurecht
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2 Was ist Mediation? derspruch) bzw. im Verwaltungsgerichtsprozess (Anfechtungs-, Verpflichtungs-, Feststellungsklage, Normenkontrollverfahren) wehren.6 Dabei treten sich Staat und Bürger gegenüber, aber nicht – wie im Vertragswesen und im Zivilprozess – auf gleicher Höhe. Während der Bürger im Konflikt „nur“ seine egoistischen Ziele verfolgt, dient die Behörde der Allgemeinheit. Ihr Handeln und hre Entscheidungen gründen auf einer demokratischen Legitimation, die des Bürgers auf seinen Grundrechten, die aber wiederum teilweise durch Gesetze konkretisiert und eingeschränkt werden.7
Hoheitliches Handeln oder Verhandeln?
Vor dem Hintergrund eines solchen tradierten Verwaltungsverständnisses überrascht es nicht, wenn Behördenvertreter ihre Entscheidungen für unumstößlich halten. Sie haben die Macht, zu gestalten und nehmen diese Macht wahr. Sie sind berechtigt, verpflichtet und bereit, die Argumente der Beteiligten in ihren Entscheidungsprozess einfließen zu lassen. Sie lassen darüber aber nicht mit sich verhandeln. Was sie entschieden haben, gilt! Sollten Sie auf dem Weg dahin einen Fehler gemacht haben, werden sie es akzeptieren, wenn man ihre Entscheidung korrigiert oder aufhebt. Das Recht hierzu hat aber nur der Vorgesetzte bzw. die vorgesetzte Dienststelle im Rahmen des Verwaltungsverfahrens oder das Gericht. Ein „Deal“ mit dem Bürger scheidet grundsätzlich aus. Diese Ausgangsposition macht die Entscheidung für eine Mediation in Bausachen, in denen Entscheidungen der Verwaltung Gegenstand der Auseinandersetzungen sind, sehr schwer. Ausgeschlossen ist sie aber nicht: Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens gegen den Verwaltungsakt der Behörde ist es durchaus denkbar, dass sich Antragsteller und Antraggegner auf Maßnahmen irgendwelcher Art einigen, um die Sache zu erledigen. Warum sollte es dann nicht möglich sein, das Widerspruchsverfahren zu vermeiden, in dem man einen Ausgleich zwischen den Betroffenen auf andere Weise sucht? Die Vorschläge mehren sich deshalb, das Widerspruchsverfahren zumindest um ein fakultatives Mediationsverfahrens zu ergänzen, um so der Verwaltung die Möglichkeit zu geben, auf gleicher Ebene mit dem antragstellenden Bürger eine Interessenklärung durchzuführen und nach gemeinsamen Lösungen zu suchen.8 Die Schweiz räumt in § 33b VwGG ihren Behörden das Recht ein, bei streitigen Genehmigungsverfahren das Verfahren auszusetzen und zur Förderung der Einigung eine neutrale und fachkundige natürliche Person einzusetzen und die erzielte Einigung zum Inhalt ihrer Verfügung zu machen. 6 7
8
zum öffentlich-rechtlichen Vertrag später Die plakative Darstellung ist unbefriedigend. Das Verfassungs- und Verwaltungsrecht kann hier jedoch nur insoweit anklingen, als es für das Verständnis des Themas, Mediation im Planen und Bauen, unbedingt erforderlich ist. Nelle/Hacke, ZKM 2001, S. 56 ff; Schäfer NVwZ 2006, S. 36 ff;
2.3 Wesentliche Grundgedanken, wie funktioniert’s?
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Um der Verwaltung die Möglichkeit zu geben, sich in ein Mediationsverfahren zu begeben, muss die Selbstbestimmung der Verwaltung, die ein wesentliches Merkmal der Mediation darstellt, hergestellt werden. Das setzt allerdings voraus: „Das einseitige Festhalten an der ausschließlichen Entscheidungszuständigkeit der Behörde, der rechtlichen Einheit der Verwaltungsentscheidung sowie dem Grundsatz der Verfahrensherrschaft der Verwaltung muss gelockert werden“.9 Dazu muss sich die Behörde auch innerlich und in ihrem Selbstverständnis auf die gleiche Ebene begeben, wie der Antragsteller. Sie muss bereit sein, auch in einem privaten Verfahren, ihre Standpunkte zu überdenken und andere Lösungen zu erarbeiten. Das bedeutet keinesfalls, dass sie damit ihre Pflicht der gesetzmäßigen Verwaltung vernachlässigt oder gar wegschieben könnte. Auch bei der Überprüfung der Interessen und der gesetzlichen Rahmenbedingungen im Rahmen der Optionen wird sie ihr Wissen in die Mediation einbringen – jetzt aber als Ressource und nicht als Machtdemonstration. Um Kommunikationssperren zu überwinden und sich auf den Bürger zu zu bewegen, genügt es möglicherweise schon, wenn sich die Mitarbeiter der Verwaltung immer wieder bewusst machen, dass die Normen, die ihr Handeln und ihre Entscheidung bestimmen, keineswegs immer so eindeutig sind, wie man annehmen möchte.10 Erst der Austausch der Ansichten zwischen den Betroffenen ermöglicht es, den Sachverhalt in seiner Tiefe zu erfassen, die Standpunkte zu begreifen und die Tauglichkeit der Argumente und Gegenargumente zu prüfen. Wenn es darum geht, unbestimmte Rechtsbegriffe der Norm mit Inhalt zu füllen, oder die Interessen aller Betroffenen in eine Ermessensentscheidung, die auch die Zweckmäßigkeit der geplanten Entscheidung zu berücksichtigen hat, einzubeziehen und richtig zu gewichten, kann dies zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Die Urteile der zur Überprüfung aufgerufenen Gerichte belegen dies.
Standpunkte der Streitpartner zu verstehen eröffnet neue Lösungswege
2.3.2.2 Privates Baurecht Um selbstbestimmt handeln zu können, muss man es auch wollen. An diesem Selbstverständnis scheint es indes sowohl auf Auftraggeber-, als auch auf Auftragnehmerseite gelegentlich zu mangeln. Selbstbestimmtes Handeln bedeutet, die Verantwortung für seine Handlungen und Entscheidungen zu übernehmen. Ist das Ergebnis der Mediation eine Vereinbarung, muss jemand für diese Vereinbarung einstehen und sie auch intern vertreten können.
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Gronemeyer BauR 2007, 1 Ortloff, Mediation und Verwaltungsprozess, in Haft/Schlieffen, Handbuch der Mediation, § 29 RN 27 ff
Selbstbestimmtes Handeln setzt den Willen dazu voraus
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2 Was ist Mediation? Beispiel: Eine Stadtverwaltung lässt über ein Architekturbüro Stahlbauarbeiten für den Neubau einer Schule ausschreiben. Das Stahlbauunternehmen, welches den Zuschlag bekommt, macht erhebliche Mehrkosten geltend, die ihm dadurch entstanden sein sollen, dass die von dem Architekturbüro zur Verfügung gestellten Pläne unvollständig waren. In einem Mediationsverfahren würden jetzt zunächst die richtigen Vertreter von Verwaltung, Architekturbüro und Unternehmen identifiziert und sichergestellt, dass sie tatsächlich in der Lage sind, konstruktiv mitzuwirken und eine Entscheidung mit Bindungswirkung für ihre Organisation zu treffen. Sodann würden die Themen festgelegt und die Interessen der Parteien herausgearbeitet. Hierfür würden möglicherweise Informationen aufgrund von Unterlagen, aber auch Schilderungen und Wahrnehmungen der verhandelnden Personen oder Dritter benötigt. Schließlich würden Optionen gesammelt, wie das Problem gelöst werden kann, entsprechend der Kriterien, die die Parteien zuvor erarbeitet haben.
Mediation ist ein Weg zu kreativen Streitlösungen
Das Verfahren endet möglicherweise mit einer Quotelung der zu tragenden Kosten, möglicherweise aber auch mit ursprünglich gar nicht ins Auge gefassten Lösungen, wie die Einbeziehung anderer offenstehender Forderungen oder die Vergabe neuer Teilaufträge etc. Ein Mediationsverfahren wird aber zum Scheitern verurteilt sein, wenn die Parteien oder ihre Vertreter gar nicht bereit oder autorisiert sind, selbstbestimmt an dem Ergebnis mitzuwirken. Diese Haltung findet man häufig in größeren Organisationen, seien es Körperschaften oder Unternehmen. Volkstümlich ausgedrückt: Wer nichts macht, macht auch nichts verkehrt! Eine Vereinbarung abzuschließen, die die eigene Organisation bindet und ihr möglicherweise finanzielle Verpflichtungen auferlegt, setzt die Verantwortlichen der internen und ggf. auch externen Kritik aus. In der Behörde sind dies die vorgesetzten Dienststellen und kontrollierenden Einheiten, wie z. B. Rechnungshof oder Revision. Im Konzern werden die Sanktionen der Muttergesellschaften, ihre Vertreter in den Gesellschafterversammlungen oder Aufsichtsräten, die Controlling-Abteilungen gefürchtet. In der Behörde bedeutet das nicht selten: Wir weichen kein Jota von unserer Linie ab – und wenn, dann nur, wenn wir durch ein Gericht hierzu gezwungen werden. In den Unternehmen: Wenn nicht zuvor alle potenziellen Kritiker eingefangen und an dem potenziell belastenden Ausgang des Verfahrens beteiligt wurden, wird es keine selbstbestimmte Vereinbarung geben. Dann lieber das Urteil eines externen Dritten. Denn wenn der
2.3 Wesentliche Grundgedanken, wie funktioniert’s?
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Vertreter in dem Verfahren sonst alles unternommen hat, um ein negatives Urteil möglichst zu vermeiden, indem er etwa einen angesehenen und teueren Anwalt mit der Wahrnehmung der Unternehmensinteressen beauftragt hat, kann man ihm jedenfalls keinen direkten Vorwurf machen. Beispiel: Oben: Das Bauamt gibt die Streitigkeit an das Revisionsamt weiter. Dieses wiederum muss sich mit allen an dem Projekt beteiligten Ämtern über die weitere Vorgehensweise absprechen. Steht das Projekt unter öffentlicher Beobachtung, z. B. weil die Kosten für den Schulbau sich erheblich erhöht haben oder weil angeblich auch in anderen Projekten das Management der Stadt versagt hat, wird das federführende Amt einer Mediation nicht zustimmen. Der für das Projekt verantwortliche Architekt riskiert bei Beteiligung an der Mediation, dass das Büro, für das er arbeitet, an den Mehrkosten beteiligt wird, also den Gewinn der Partner schmälert. Die Partner werden ihm das nicht vergessen. Der verantwortliche Projektleiter im Stahlbauunternehmen wird möglicherweise die Botschaft mit auf den Weg in die Mediation bekommen, dass er gefälligst sein Projekt wieder auf eine schwarze Null zurückzuführen habe. Noch so einen Reinfall werde er sich nicht leisten können. Das Mediationsverfahren ist deshalb nur dann erfolgreich, wenn die Bereitschaft zur Übernahme der Verantwortung zwischen den Beteiligten auch so weit wie möglich abgesichert ist.
2.3.3 Freiwilligkeit Mit der Selbstbestimmtheit des Verfahrens eng verbunden ist die Freiwilligkeit. Parteien, die zur Teilnahme am Mediationsverfahren gezwungen werden sollen, werden von vorneherein nicht die innere Haltung mitbringen, sich selbstverantwortlich konstruktiv an dem Verfahren zu beteiligen. Beispiel: a) Zwischen den Mitarbeitern eines Ingenieurbüros schwelt ein Konflikt. Die Partner „verdonnern“ die Mitarbeiter zu einem auf die Dauer eines Wochenendes angesetzten Mediationsverfahren.
Selbstverantwortung ist Grundlage einer erfolgreichen Mediation
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2 Was ist Mediation? Beispiel (Fortsetzung): b) In dem Werkvertrag zwischen AG und AN ist eine Mediationsklausel enthalten. Als es zu Spannungen kommt, verlangt AN die Einleitung eines Mediationsverfahrens.
Mediation ist ein freiwilliges Verfahren
In beiden Fällen kann man Zweifel hegen, ob die Teilnahme an der Mediation in dieser Situation noch als „freiwillig“ bezeichnet werden kann. Realistischerweise wird man diese Formen des vertraglich geschaffenen Drucks auf die Betroffenen zulassen müssen. Auch das „gute Zureden“ könnte ab einer gewissen Intensität als Beeinträchtigung der Freiwilligkeit betrachtet werden. Die Grenze wird man dort als überschritten ansehen müssen, wo die Parteien ausdrücklich gegen ihren Willen zu der Teilnahme genötigt werden, womöglich unter Androhung empfindlicher Übel und wo dieser Druck aufgrund der konkreten Situation unangemessen und durch nichts zu rechtfertigen ist (vgl. § 240 StGB). Zur Freiwilligkeit des Verfahrens gehört auch das Recht der Beteiligten, das Mediationsverfahren zu beenden, bzw. bei mehreren Parteien, zu verlassen. Nur wenn die Beteiligten die Chancen einer Einigung in dem Verfahren erkennen, werden sie von dieser Freiheit, etwas nicht zu tun, Gebrauch machen.
2.3.4 Keine Rechtsbindung bei Einzelschritten Definitive Entscheidung am Ende
Um die Handlungsfreiheit zu gewährleisten, muss zwischen den Parteien auch von vorneherein klar sein, dass eine gescheiterte Mediation keine Rechtsbindung entfaltet. Beispiel: Bauherr und Generalunternehmer streiten über eine lange Liste von angeblichen Mängelpunkten bei der Abnahme. Im Laufe des Verfahrens können eine Menge einzelner Punkte geklärt werden. Am Schluss können sich die Parteien dennoch über die Höhe einer von dem Bauherrn verlangten Ausgleichszahlung nicht einigen und beenden das Mediationsverfahren. Verhandeln ist immer von einem Nehmen und Geben geprägt. Würden einzelne Schritte hin zu einem Gesamtergebnis die Parteien bereits verpflichten, bleibt gegen Ende des Verfahrens u. U. für eine Seite nicht mehr genügend Raum, um sich auf eine Gesamtlösung hinzubewegen. Es muss deshalb zwischen den Parteien klar sein, dass eine bindende Vereinbarung erst im beiderseitigen Einverständnis am Ende des Mediationsverfahrens geschlossen werden kann.
2.3 Wesentliche Grundgedanken, wie funktioniert’s?
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Das schließt freilich nicht aus, dass die Parteien auch verbindliche Zwischenvereinbarungen schließen können, wenn sie dies möchten, z. B. um auf diese Weise den verbleibenden Streitstoff zu reduzieren oder um zeitkritische Punkte vorab zu regeln, die unverhältnismäßig hohen Schaden anrichten können. Der Mediator wird dann sicherstellen, dass sich die Parteien der Bedeutung dieser verbindlichen Zwischenschritte bewusst sind.
2.3.5 Mediator ohne Entscheidungsmacht Anders als bei Gericht, Schiedsgericht, Adjudikation oder Schlichtung ist der neutrale Dritte in dem Mediationsverfahren nicht befugt, den zwischen den Parteien herrschenden Streit durch seine Entscheidung zu beenden. Es ist Aufgabe des Mediators, eine Struktur des Streits und eine Verhandlungssituation zu schaffen, in der die Parteien eigenverantwortlich ihren Konflikt lösen. Das verändert das Verhalten der Parteien wesentlich. Es geht nicht darum, den Dritten zu überzeugen, ihn für die eigene Position einzunehmen (auch wenn dies in der Mediation natürlich immer wieder versucht wird, weil jeder Mensch Bestätigung sucht). Es muss nicht jedes Wort darauf geprüft und abgewogen werden, ob es später gegen einen verwendet werden kann. Diese besondere Situation des Mediators ermöglicht es den Parteien, offener mit ihm und der anderen Partei umzugehen, als dies im streitigen Verfahren möglich wäre. Besonders in der „shuttle mediation“ kommt dies zum Ausdruck, wo der Mediator – im Einverständnis mit der einen Partei – Einzelgespräche mit der jeweils anderen Partei führt. Das wäre bei einem Mediator mit Entscheidungsmacht nur schwer vorstellbar. Wenn die Parteien einverstanden sind, können sie dem Mediator natürlich auch Kompetenzen zuordnen oder ihm sogar die Entscheidungsmacht einräumen. Beispiel: a) Im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens gegen eine Baugenehmigung bemüht sich die Widerspruchsbehörde um einen Ausgleich zwischen den durch das Projekt betroffenen Parteien und der Verwaltung. Gelingt es nicht, die Angelegenheit durch Vereinbarung zu beenden, wird die Behörde entscheiden. Die Widerspruchsbehörde kann damit zwar mediative Elemente in ihre Arbeit einfließen lassen, sie kann aber nicht als Mediator tätig sein.11
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Ortloff, Mediation und Verwaltungsprozess, § 29 RN 60, S. 66 ff
Manchmal ist es besser, machtlos zu sein
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2 Was ist Mediation? Beispiel (Fortsetzung): b) Um die Termine bei der Abwicklung eines größeren Bauprojektes nicht zu gefährden, einigen sich AN und AG darauf, alle Fragen, die das Verhältnis der Parteien untereinander betreffen, von einem außergerichtlichen Verfahren unter Leitung eines Schiedsgutachters zu klären.12 Für den Fall, dass sich die Parteien in dem Verfahren nicht einigen können, soll der Schiedsgutachter den Streit vorläufig entscheiden, die unterliegende Partei hat sich dem Schiedsspruch sofort zu unterwerfen. Den Parteien bleibt es unbenommen, ihre Rechte später in einem Schiedsverfahren geltend zu machen.
Es muss nicht immer eine klassische Mediation sein
Beide Beispiele zeigen Anwendungsfälle, in denen keine klassische Mediation vorliegt. Sie zeigen aber auch, dass Kombinationsmöglichkeiten denkbar sind, die den Parteien nützlich sein können.13 Allerdings bedarf ein solcher Wechsel von einem auf den Verhandlungserfolg ausgerichteten Verfahren hin zu einer Streitschlichtung besonderer Absprachen und eines besonderen Vertrauens in die Person des Mediators/Schlichters. Hat sich der Mediator in dem Mediationsverfahren bisher um eine Balance zwischen den Parteien entschieden und Verständnis auch für die (rechtlich) schwächere Seite gezeigt, entscheidet er jetzt zu ihrem Nachteil. Damit ändert sich natürlich auch die Akzeptanz durch diese Partei. Gleichwohl kann eine solche nacheinander geschaltete Kombination14 gerade auch im Bereich Planen und Bauen für die Parteien von Vorteil sein. Der Mediator ist am Ende des Verfahrens mit dem Streitstoff bestens vertraut. Er kennt die Parteien und ihre Interessen besser als ein Richter in einem von vorneherein streitigen Verfahren und genießt ggf. auch das Vertrauen der Parteien eine „gerechte“ Entscheidung zu treffen. Bedenken gegen solche Kombination werden gelegentlich gesehen unter dem Aspekt der Vertraulichkeit.
2.3.6 Vertraulichkeit Der geschützte Raum
Damit die Parteien sich in der Mediation offen über ihre Interessen äußern können und über die Zwänge, denen sie bei der Suche nach 12
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vgl. etwa Dispute Adjudication Board, vgl. Lembcke, NZBau 2007, 273 oder die Bestimmungen in den Internationalen Standardverträgen der FIDIC Fédération Internationale des Ingénieurs Conseils, zu allem Güntzer/Hammacher, Handbuch der Auftragsabwicklung Zu anderen Formen der außergerichtlichen Streitbeilegung siehe unten für diese Form wurde im internationalen Gebrauch der Betriff Medarb gebildet (Mediation-Arbitration)
2.4 Voraussetzungen für erfolgreiche Mediation
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einer Vereinbarung unterliegen, müssen sie die Sicherheit haben, dass alles, was in der Mediation besprochen wird, vertraulich behandelt wird. Um dies sicherzustellen, wird in der Regel bereits bei Abschluss der Mediationsvereinbarung eine entsprechende Passage aufgenommen. Die Mediation findet „im geschützten Raum“ statt, in dem man auch einmal etwas sagen kann, was sonst in der Öffentlichkeit nicht zur Sprache käme. Dies gilt vor allem dann, wenn der Mediator auf die Möglichkeit zurückgreift, mit den Parteien Einzelgespräche zu führen. Informationen, die er in solchen Einzelgesprächen erhält, wird er nur im Einvernehmen mit denjenigen weitergeben, von denen er diese Informationen erhalten hat. In den Fällen der Medarb15 müssen sich die Parteien darauf verlassen dürfen, dass die so anvertrauten Informationen nur in einer Weise in die Entscheidung einfließt, wie sie von den Parteien autorisiert wurde. In der Regel wird dies nur möglich sein, wenn die Informationen zuvor auch der anderen Seite im Mediationsverfahren bekannt gemacht wurden. Sollte die Mediation erfolglos bleiben und sich die Parteien dafür entscheiden, ihren Konflikt vor einem Gericht auszutragen, muss dieser Schutz der Vertraulichkeit auch nachgelagert gewahrt werden. Um sicher gehen zu können, dass der Mediator die Informationen, die ihm in der Mediation anvertraut wurden, nicht später weitergeben kann, werden die Parteien in der Mediationsvereinbarung auch festhalten, dass der Mediator nicht als Zeuge in einem eventuellen Zivilverfahren zwischen den Parteien benannt werden darf und dass er auch nicht verpflichtet werden kann, seine Unterlagen einem solchen Verfahren herauszugeben.16 Hierauf ist vor allem dann zu achten, wenn der Mediator kein Rechtsanwalt oder Steuerberater ist, der von Berufswegen zur Verschwiegenheit verpflichtet ist. Das betrifft also im Bereich Planen und Bauen vor allem Mediatoren, die eine Ausbildung als Architekten, Stadtplaner, Ingenieure etc. haben.
2.4 Voraussetzungen für erfolgreiche Mediation, wann lieber nicht? 2.4 Voraussetzungen für erfolgreiche Mediation
2.4.1 Konflikte müssen sich innerhalb des gesetzten Rahmens lösen lassen Mediation bedeutet die Arbeit mit den Betroffenen an einer von ihnen selbst gefundenen und vertretenen Lösung ihres Konfliktes. Es käme dem Umgang untereinander zugute, wenn diese Arbeit häufig geleistet würde. Das Ergebnis einer Verhandlung ist aber nur dann sinnvoll, 15 16
siehe unter 3.8.4; 8.5.10 siehe Muster einer Mediationsvereinbarung am Ende des Buches
Mediation ist kein Allheil-Mittel
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2 Was ist Mediation? wenn es die Parteien überhaupt in der Hand haben, dieses Ergebnis auch umzusetzen. Nehmen wir aber an, das Pendel würde umschlagen und es würde sich eine extreme Kultur der Konfliktbewältigung entwickeln. An jeder Stelle würden die Interessen der Betroffenen oder vermeintlich Betroffenen eruiert und ein Interessenausgleich versucht. Wäre das eine bessere, zufriedenere Welt? Wie immer, wenn man nur eine Richtung als die allein selig machende anerkennt, ergäben sich sofort auch negative Auswirkungen und Gefahren für die Allgemeinheit und das Individuum:
Verhandlungsrahmen in der Mediation
Gerade, wenn es um Konflikte in bestehenden Organisationen oder Systemen geht, bilden deren Regeln einen Rahmen, der aus der Sicht derjenigen, die in diesen Organisationen oder Systemen leben und arbeiten, nicht verlassen werden kann oder darf. Das können Gesetze sein oder Hierarchien oder andere von allen als notwendig erkannte Regeln. Konfliktbearbeitung durch Mediation bedeutet, diesen Rahmen in der Regel nicht zu verlassen. Zwar wird während des Mediationsverfahrens bewusst auch der Horizont erweitert und der Blick auch auf Umstände gelenkt, die die Parteien – verhaftet in ihrer bisherigen Haltung – so nicht wahrgenommen haben. Werden diese Optionen jedoch bewertet, finden die Parteien – einvernehmlich – schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Können die Parteien aus eigener Kraft den Rahmen nicht verschieben oder erweitern, macht es keinen Sinn, hierüber zu verhandeln. Stattdessen werden Lösungen gesucht, die von den Parteien auch tatsächlich erzielt werden können. Die Gefahr einer solchen rein kurativen Behandlung von Konflikten besteht im Stillstand. Erst, wenn die Organisation oder das System und sein Rahmen selbst in Konflikt mit einem anderen System/Organisation gerät, würde man sich möglicherweise auch über eine Veränderung des Rahmens Gedanken machen müssen, um dann den Konflikt in diesem Verhältnis zu bearbeiten.
Mediation eignet sich dort nicht, wo der von außen gesetzte Rahmen verändert werden muss
Damit würden Schwächen der Organisation/des Systems nicht infrage gestellt. Es bestünde die Gefahr des Zementierens nicht mehr leistungsfähiger Strukturen, Mediation würde zum bloßen „Herumdoktern“ an Symptomen eines kranken Systems, statt den Wurzeln auf den Grund zu gehen. Beispiel: a) Der Interessenausgleich zwischen Gebietskörperschaften in einer Metropolregion über Infrastrukturmaßnahmen findet seine Grenze dort, wo der Länderfinanzausgleich neu geregelt werden müsste.
2.4 Voraussetzungen für erfolgreiche Mediation
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Beispiel (Fortsetzung): b) Eine Mediation über das Einzelhandelskonzept einer Stadt zwischen Bürgern, Verwaltung und Handel kann sich nicht über Denkmalschutzgesetze hinwegsetzen. Diese müssen, falls sie sich als nicht mehr zeitgemäß herausstellen sollten, von den hierzu berufenen legislativen Organen überprüft und geändert werden. c) Zwischen den Gegnern der Großbaustelle Stuttgart 21 einerseits und der Landesregierung von Baden-Württemberg findet eine Mediation darüber statt, ob der Bahnhof gebaut werden soll oder nicht, obwohl das Land BadenWürttemberg gar nicht zuständig ist und das Projekt zuvor sämtliche gesetzliche Hürden und Einspruchsmöglichkeiten genommen hat. Die geeignete Methode, dem Problem auf den Grund zu gehen, besteht deshalb in einer auf eine Veränderung bestehender Verhältnisse gerichteten „Systemintervention“.17 Verändert sich der Rahmen, verändert sich auch der Konflikt. Die Parteien können ihre Interessen neu orientieren, dem Konflikt wird möglicherweise sogar der Boden entzogen. Beispiel: a) zu oben: Der Bundesrat beschließt eine Änderung des Länderfinanzausgleichs. Dadurch kann das an der Infrastrukturmaßnahme besonders interessierte Land einen höheren Anteil an den Kosten übernehmen. b) Durch Änderung des Denkmalschutzgesetzes, oder umgekehrt durch Aufnahme des strittigen Bauwerks in die Liste des Weltkulturerbes der Vereinten Nationen verändern sich die Perspektiven und Chancen einer interessengerechten Planung. Planverfahren müssen stets den gesteckten Rahmen einhalten. Eine konfliktbewusste Planung wird deshalb bereits frühzeitig auch nach Möglichkeiten Ausschau halten, ob und wie dieser Rahmen ggf. verändert werden könnte, ggf. auch durch Dialog und Mediation zwischen den hierfür zuständigen Institutionen. Umgekehrt muss vor Beginn des Mediationsverfahrens klar sein, wie der Rahmen aussieht, 17
Kaiser, Hintergründe, Vorbeugung und Entschärfung von Konflikten in Organisationen des Sozial- und Gesundheitswesens, in Dieter u. a., S. 134 ff, 157
Systemintervention
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2 Was ist Mediation? um zusätzliche Enttäuschungen bei den Betroffenen zu vermeiden und um effektiv zu arbeiten. Spannend stellen wir uns Mediationsverfahren in Organisationen und Systemen vor, die bereit und in der Lage sind, sich selbst immer wieder infrage zu stellen.
2.4.2 Konsens-Fähigkeit Viele können nehmen – aber nicht jeder kann geben
Es gibt Menschen, deren Persönlichkeitsstruktur für eine Mediation ungeeignet ist. Wahrscheinlich hat jeder in seinem Leben schon mit Leuten zu tun gehabt, von denen er vermutet, dass sie gar nicht in der Lage sind, zuzuhören, sich mit den Interessen anderer zu beschäftigen und erst recht nicht bereit sind, etwas zu geben, um etwas zu bekommen. Ob diese Menschen im Bereich von Planen und Bauen besonders häufig anzutreffen sind, lässt sich empirisch nicht belegen. Die Vermutung, dass der Streitpartner völlig mediationsunfähig sei, bekommt man jedenfalls häufig als „K.O.“-Argument genannt, warum eine Mediation keinen Sinn mache. Zwar wird sich diese Vermutung in vielen Fällen als voreilig herausstellen, wenn man sich die Zeit nähme, sich mit den Menschen näher zu befassen. Es scheint auch, dass viele gerne auf die fehlende soziale Kompetenz der anderen weisen, um von der eigenen Unfähigkeit abzulenken. Aber die Erfahrung lehrt, es gibt sie: – Menschen, die in hierarchischen Befehlsstrukturen gewachsen sind und diese verinnerlicht haben, werden tendenziell ihre Probleme lieber durch Anweisung und Druck lösen wollen, als nachhaltig durch Kooperation. – Menschen, die unbedingt „Recht haben“ wollen, nicht weil sie im edlen Wettstreit der Meinungen um die Wahrheit ringen, sondern weil sie sich dadurch die Anerkennung erhoffen, die ihnen vielleicht in anderer Form versagt wird. (Manche Handwerksbetriebe fragen einen neuen Kunden erst einmal nach dem Beruf, bevor sie ein Angebot abgeben.) Mediation ist bei dieser Klientel möglich, sie benötigt aber mehr Zeit und die besondere Aufmerksamkeit des Mediators. – Menschen, die eine kämpferische oder Wettbewerbs-Haltung haben, und die den Mitbewerber, Konkurrenten, Gegner bezwingen und auf jeden Fall „gewinnen“ wollen, wobei sie den Gewinn in der Niederlage des Gegners sehen.
Mediation unterstützt team playing
Ein kompetitives Verhalten wird in einer freien Marktwirtschaft natürlich gefördert und ist auf vielen Ebenen von Unternehmen anzutreffen. Es ist auch erforderlich, um sich gegen den Wettbewerb durchsetzen zu können. Allerdings achten jedenfalls die größeren Unternehmen mit ihren Personalabteilungen und -beratern heute stärker als früher bei ihrer Auswahl auch auf soziale Kompetenz. Es scheint als sei die Einsicht, dass Global Players auch Team Players sein müssen, um langfristig erfolgreich sein zu können, über die Ausbildung in die
2.4 Voraussetzungen für erfolgreiche Mediation
23
Führungsebenen gelangt. Solche kompetitiv eingestellten Menschen sind nicht von vorneherein mediationsuntauglich. Eine rationale Analyse der Situation in der Mediation mit Überlegungen „was kann ich bei der Mediation gewinnen, was kann ich verlieren“ kann auch den Kämpfer zur Überprüfung seiner Standpunkte bringen, ggf. auch die Vereinbarung von Teilergebnissen ermöglichen.18 Problematisch ist der Typ, – der sich „mit den Ellbogen“ durchsetzt und „über Leichen geht“: Auch er wird in bestimmten Situationen gebraucht. Zu mediieren ist er freilich kaum. Da müssen herkömmliche Abwehr- und Angriffs-Mechanismen greifen, wie das Aufzeigen von Grenzen, die Drohung mit Konsequenzen, der offene Schlagaustausch etc. Wählt man diese Form des „Verhandelns“, sollte man früh damit anfangen, denn Kooperationsbereitschaft kann auch als Schwäche missverstanden werden. – der mit Wissen und Wollen anderen Menschen (und vielleicht auch sich selbst) Schaden zufügen möchte. Greift man auf das neun-stufige Eskalationsmodell von Glasl zurück,19 sind hier die drei letzten Stufen der Konflikteskalation angesprochen: – Begrenzte Vernichtungsschläge (Denken in „Dingkategorien“, Gegner hat keine menschliche Qualität mehr, Schädigungsabsicht, begrenzte Vernichtungsschläge als „passende Antwort“, pessimistische Antizipation, Zerstören wird zur Ersatzbefriedigung, Umkehren der Werte ins Gegenteil: Relativ kleiner eigener Schaden wird als Gewinn betrachtet). – Zersplitterung (Paralysieren und Desintegrieren des feindlichen Systems, Abschnüren der Exponenten vom Hinterland, vitale System-Faktoren zerstören, dadurch wird das Gegnersystem unsteuerbar, zerfällt gänzlich, „Ausradieren“, „Endlösung“, abgöttische Begeisterung für Zerstörungsmaschinen, letzte Schwelle: eigenes Überleben sichern. – Gemeinsam in den Abgrund (kein Weg mehr zurück, totale Konfrontation, Vernichtung zum Preis der Selbstvernichtung, Lust am Selbstmord, um noch im Untergang über den Gegner zu triumphieren). Mit einem Selbstmordattentäter kurz vor Auslösen des Sprengsatzes kann man keine Mediation führen. Dass in Wohnungseigentums- oder Mietstreitigkeiten ebenfalls eine solche Eskalationsstufe erreicht werden kann, liest man jeden Tag in Berichten der Polizei und der Lokalpresse.
18 19
Kraus, Mediation im Privaten Baurecht, § 37 RN 24 Glasl, Konfliktmanagement, S. 233
Mediation ist nicht in jedem Fall die richtige Methode
24
2 Was ist Mediation? Aber auch in der Bauwirtschaft trifft man Konstellationen auf der oberen Eskalationsstufe: – Zum Beispiel den Kamikaze-Flieger: Der Unternehmer will auf jeden Fall einen umworbenen Auftrag erhalten, auch wenn er mit Sicherheit weiß, dass er ihn nicht kostendeckend abwickeln kann. Hier kann man dann nur auf eine funktionierende Ordnungspolitik hoffen, z. B. im Rahmen des Vergabeverfahrens. Bekannt sind auch solche Verhaltensmuster: Beispiel: „Und wenn mein Büro den Bach runter geht: Meine Anteile kriegt mein Schwiegersohn/mein Partner/mein Konkurrent nicht.“ oder „Lieber gar keinen Spielplatz in der Wohngegend, als einen auf dem auch die Kinder aus der „Assi“-Siedlung spielen dürfen.“
2.4.3 Konsens-Wille Mediation ist ein freiwilliges Verfahren
Mediation in Planverfahren bewegt sich im politischen Bereich. Die Ansiedlung von Industrie oder Gewerbe, die Nutzung öffentlicher Flächen, die Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit interessieren nicht nur die individuell Betroffenen, sondern auch Menschen und Organisationen, die sich diesen Themen aus grundsätzlicher Überzeugung verschrieben haben. Das kann dazu führen, dass aus grundsätzlichen Erwägungen heraus eine Verhandlung über die relevanten Themen abgelehnt wird. Verweigert eine Partei kategorisch ihre Kooperation, kann keine Mediation stattfinden:
Beispiel: a) Ist das Interesse eines Personenkreises auf die Verhinderung des Projektes gerichtet (z. B. Flughafen Frankfurt), macht eine Mediation mit dem Ziel einer Einigung wenig Sinn.20 b) Befinden sich unter den Beteiligten Personen, die in erster Linie die Öffentlichkeit suchen, um auf ihre Überzeugung (oder sich selbst) aufmerksam zu machen, so besteht für diese wenig Interesse daran, in einem Mediationsverfahren zu einer Konfliktlösung zu kommen.
20
Geis, S. 19
2.4 Voraussetzungen für erfolgreiche Mediation
25
Beispiel (Fortsetzung): c) Das Referat „Stadtentwicklung“ einer Mittelstadt hat ein Konzept zur Förderung des Einzelhandels ausgearbeitet. Um die Akzeptanz des Konzepts zu erhöhen, beauftragt sie Mediatoren, öffentliche Veranstaltungen zu leiten, in denen die Bürger das Konzept kennenlernen und mögliche Befürchtungen abbauen sollen. Hier ist die Aufgabenstellung von vorneherein nicht „ergebnisoffen“.
Fehlt deshalb erkennbar von vorneherein der Einigungswille, ist Mediation möglicherweise (noch) nicht das richtige Verfahren, um in der Sache weiter zu kommen. Das hängt auch von der Aufgabenstellung an das Mediationsverfahren ab: Möglicherweise sind die Parteien ja bereits zufrieden, wenn die Verhandlungen nicht scheitern oder die Folgen des Scheiterns minimiert werden können.21 Allerdings sollte man den Versuch nicht zu früh aufgeben. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass sich im Laufe des Verfahrens die zunächst grundsätzlich ablehnende Haltung ändern kann, wenn die Beteiligten erkennen, dass auch ihre Argumente gehört werden. Geis beschreibt im Zusammenhang mit dem Projekt Flughafen Frankfurt, wie sich trotz fundamentaler Positionen das länger laufende Mediationsverfahren positiv auf die Diskussion ausgewirkt hat und damit – entgegen der Annahme der Projektgegner – auch für diese wertvoll war.22 Sie hat hauptsächlich sich wechselseitig bedingende Wirkungen erkannt: – Erzeugung von Öffentlichkeit – Rationalisierung der Debatte – Institutionalisierung von Akteursbeziehungen, d. h. neue Kommunikationszusammenhänge zwischen bis dahin nicht enger verkoppelten Akteuren, Vernetzung, Ressourcenbündelung auf allen Seiten „Empowerment“, d. h. Wissenserweiterung, Bewusstseinserweiterung über die hohe Komplexität der Vorgänge und insgesamt die Fähigkeit, dass die Beteiligten „besser in die Lage versetzt werden, ihre Interessen, Positionen, Handlungsoptionen rational zu entdecken, zu klären und zu prüfen.“23 Die Teilnehmer an der Schlichtung „Stuttgart 21“ haben das Gleiche berichtet.
21 22 23
Ortloff, Mediation und Verwaltungsprozess, § 29 RN 57 Geis, S.19 Geis, S. 20 unter Bezugnahme auf Saretzki
Auch Verhandlungsbereitschaft kann man aushandeln
26
2 Was ist Mediation?
2.4.4 Innere Überzeugung Skeptiker brauchen Motivation und Anreize
Häufig sind die Parteien von den Aussichten und den Chancen einer Mediation ungleich stark überzeugt. Die eine Partei drängt zur Konfliktbehandlung unter Leitung des neutralen Dritten, die andere Seite wähnt sich in der stärkeren Position und will es darauf ankommen lassen. Oder sie hält es für eine Schwäche, einen Dritten als Vermittler hinzuziehen. Oder sie geht grundsätzlich nicht auf die Vorschläge der anderen Seite ein. Oder sie steht dem Verfahren skeptisch gegenüber, etc., etc. Hier wird es darauf ankommen, dem Mediationsverweigerer Anreize für die Teilnahme an dem Verfahren zu schaffen. Der Mediationsverweigerer muss nicht nur sicher sein können, dass der Versuch einer Mediation ihm keinen Nachteil bringt (z. B. hinsichtlich der Kosten). Er muss auch einen potenziellen Vorteil für sich erkennen können, sonst wird er sich auf das Verfahren nicht einlassen. Im Planen und Bauen kommen solche Konstellationen zwischen allen Beteiligten vor. Beispiel: Streit zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer über die Vergütung von Nachträgen. Der AG meint, die formalen Voraussetzungen für die Vergütung seien nicht erfüllt und rechnet sich gute Chancen in einem Rechtsstreit aus. Da er auf dem Geld sitzt, das der AN erst noch haben möchte, sieht er sich am längeren Hebel. Idealerweise überlässt es der Mediator den Parteien, die Frage der Teilnahme an dem Mediationsverfahren selbst zu klären. Ist dies nicht möglich, wird sich der Mediator anbieten, das Gespräch mit dem Mediationsverweigerer zu führen und ihn über das Verfahren zu informieren. Es bietet sich bei Mediationen mit nur zwei Parteien an, das Einführungsgespräch nach den Regeln der Mediation zu führen, ohne hierfür ein Honorar zu verlangen. Erst wenn die Parteien sich dann für die Fortsetzung des Verfahrens entscheiden, entsteht ein Honoraranspruch. Meist erkennt der skeptische Partner sehr schnell, dass er in diesem Verfahren seine Interessen aktiv vertreten können wird. Ihm gefällt der geschützte Raum und das Verständnis, das auch seinen Sorgen entgegen gebracht wird, sodass die Fortsetzung der Mediation wahrscheinlicher ist, als der endgültige Abbruch zu diesem Zeitpunkt.
2.4 Voraussetzungen für erfolgreiche Mediation Beispiel: Oben: Es wird darauf ankommen, dem AG deutlich zu machen, dass eine außergerichtliche Klärung der Angelegenheit für ihn von Vorteil ist. Dazu gehört zunächst der Hinweis auf die lange Dauer, während deren die Mitarbeiter des AG sich mit der Sache werden beschäftigen müssen; der Hinweis auf bisher vielleicht gute geschäftliche Beziehungen, die durch eine einvernehmliche Klärung eher erhalten bliebe; möglicherweise der Hinweis auf Fakten oder Rechtsprechung, die belegen, dass die Berufung auf eine bloße Formalie noch nicht den Sieg im Rechtsstreit bedeutet. Vielleicht gibt es auch Kontaktpersonen, die bereits positive Erfahrungen mit der Mediation gemacht haben, und die als Referenzen angeboten werden können.
2.4.5 Richtige Vertreter Sind die Parteien Organisationen, handeln sie durch ihre Vertreter. Möglicherweise ist deshalb zwar die Organisation bereit, ein Mediationsverfahren durchzuführen, (vielleicht auch deshalb, weil sich eine entsprechende ADR-Klausel in dem Vertrag befand). Benennt diese Organisation dann aber jemanden, der an einem Einigungsversuch kein Interesse hat, wird auch die Mediation keinen Erfolg haben. Beispiel: In einem Streit zwischen Architektur-Büro und Ingenieur-Büro benennt die Architektenseite ihren (externen) Projektsteuerer als Vertreter, der sich während des strittigen Projektes mit dem Ingenieurbüro ständig in den Haaren hatte. Dieser Projektsteuerer wurde von dem Architektur-Büro nur deshalb eingestellt, weil er auf dem gleichen Arbeitsgebiet wie das IngenieurBüro arbeitet. Es macht auch wenig Sinn, wenn die Vertreter in Wirklichkeit gar keine Verhandlungsmacht besitzen. Gelegentlich wird dies bewusst so gesteuert. Beispiel: Der „Vertreter“ in der Verhandlung offenbart, als es verbindlich werden soll, dass er nur bis zu einem Betrag X Verhandlungsmacht besitzt. Für alles, was darüber liegt, muss er erst seinen Chef fragen. Der befindet sich aber gerade unerreichbar auf Auslandsreise.
27 Geschäftsbeziehungen werden erhalten
28 Vertreter mit Vertretungsmacht
2 Was ist Mediation? Es ist natürlich grundsätzlich Sache der Parteien selbst, wen sie mit ihrer Vertretung beauftragen. Unseres Erachtens gehört es jedoch auch zu den Aufgaben des Mediators, sich bereits in der Vorbereitung des Falles darüber Gedanken zu machen, wie das Verfahren ablaufen wird, wenn bestimmte Parameter eintreten. Ist bereits aus der Schilderung des Konfliktes durch die Parteien erkennbar, dass Störungen zu erwarten sind, wird er auf die Parteien zugehen und die Bedenken ansprechen. Dies kann im Rahmen der Auftragsklärung geschehen, ggf. auch – im Einvernehmen mit den anderen Beteiligten – im Einzelgespräch mit der Organisationsleitung. Der Mediator wird sich bemühen, das Dilemma, in das sich die Partei durch die Wahl des belasteten Vertreters begibt, aber auch des Vertreters selbst und schließlich die Konsequenzen, die diese Wahl für die andere Seite haben muss, aufzuzeigen. Er wird weiter darauf hinweisen, dass das Detail-Wissen dieses Mitarbeiters der Partei verbleibt, wirkt er doch weiter als Berater seiner Partei oder als Wissensgeber aller Parteien im Rahmen der Mediation mit. Sie verliert also nicht, wenn sie einen anderen Entscheidungsträger beauftragt, sie zu vertreten.
Gesetz der Ebenen beachten
Eine Rolle wird schließlich auch das „Gesetz der Ebenen“ spielen: Wie in jeder Verhandlung ist es wichtig, dass sich gegenüberstehenden Vertreter als ebenbürtig anerkennen. Der ranghöhere Vertreter der einen Partei wird den rangniedrigeren der anderen Partei nicht für ernst nehmen, oder sich herabgesetzt fühlen, weil die andere Partei „nur“ diesen entsendet hat. Das schafft zusätzlichen Konfliktstoff, der erst wieder in der Mediation bewältigt werden muss.
2.4.6 „Stellvertreter-Mediation“, wenn Mediation nicht zustande kommt Kommt die Mediation nicht zustande, weil eine Partei die Mediation verweigert, steht der Mediationswillige etwas verloren da. Der Mediator bietet dem Mediationswilligen in dieser Situation dennoch seine Hilfe bei der Klärung der Interessen an. In einer „systemischen Einzel-Mediation“24 oder „Stellvertreter-Mediation“25 besteht die Möglichkeit, dass die kommunikationsbereite Partei sich in einer ähnlich strukturierten Weise mit den Mediatoren unterhält, als wäre die abwesende Partei beteiligt. Auch wenn auf diese Weise selbstverständlich keine eigentliche Konfliktbearbeitung, geschweige denn Konfliktlösung stattfinden kann, hilft dieses strukturierte Verfahren der teilnehmenden Partei die Hintergründe des Konfliktes aus eigener Kraft zu erhellen. Die einsetzende Selbstreflexion und die Überprüfung der 24
25
Kaiser, Hintergründe, Vorbeugung und Entschärfung von Konflikten in Organisationen des Sozial- und Gesundheitswesens, in Dieter u. a., S. 134 ff, 163 Hatlapa/Sander, Mediation in Stellvertretung, Spektrum der Mediation 2007, 15
2.4 Voraussetzungen für erfolgreiche Mediation
29
eigenen Haltung gegenüber der anderen Partei kann bereits zu einer Veränderung führen und Blockaden zu lösen helfen. Die Analyse der Situation führt zu einer Sammlung möglicher Verhaltensweisen der mediationswilligen Partei, um mit der anderen Seite wieder ins Gespräch zu kommen, ohne dass diese einen Gesichtsverlust vermeidet und bisher destruktive Verhaltensweisen in eine konstruktive Vorgehensweise umdreht.
2.4.7 Der Streitstoff enthält genügend Ansätze für ein Nehmen und Geben Es gibt genügend Konflikte, die nur beendet werden können, ohne dabei gelöst worden zu sein. Immer dann, wenn es nur ein JA oder NEIN, ein RICHTIG oder FALSCH gibt (sogenanntes „Nullsummenspiel“), macht jede Form von Verhandlung keinen Sinn. Besteht keine Möglichkeit, den Kuchen zu vergrößern oder zu teilen, muss in der Regel entschieden werden, wer den Kuchen bekommt. Beispiel: a) Ein Bauprojekt wird öffentlich ausgeschrieben und vergeben. In der Regel wird der Auftrag nur an einen Bieter vergeben werden können. Hat sich der AG für die Vergabe entschieden, kann der Unterliegende allenfalls versuchen, gegen die bevorstehende Vergabe gerichtlich vorzugehen; verhandelbar ist die Entscheidung jedoch nicht.26 b) Eine Genehmigung für ein Bauvorhaben kann nur erteilt werden oder nicht erteilt werden. Ob das allerdings so ist, bedarf einer sorgfältigen Klärung, die vielleicht erst in der Mediation selbst geleistet werden kann. Beispiel: a) Oben: Möglicherweise wäre der AG verpflichtet, den Auftrag in Losen zu vergeben zur Förderung des Mittelstandes. Vielleicht wäre er dazu zu bewegen, die Bildung von Bietergemeinschaften zuzulassen, etc. b) Möglicherweise kommt eine Genehmigung unter Auflagen in Betracht. Hierzu sind aber erst einmal die Interessen der durch die Baumaßnahme Betroffenen zu eruieren.
26
Anders erst wieder, wenn es um die Geltendmachung eines Schadenersatzes wegen Nichterteilung des Auftrages geht.
Keine Mediation bei echten Nullsummenspielen
30
2 Was ist Mediation? Viele Fälle, die sich auf den ersten Blick als reine nicht verhandelbare Verteilungsprobleme darstellen, sind bei näherem Hinsehen allerdings sehr viel mehrschichtiger als zunächst angenommen. Gerade Bauvorhaben, öffentliche wie private, zeichnen sich durch eine Komplexität der Vorgänge aus. Es geht um Verträge mit vielen Vertragsbestandteilen, Technik, Projektmanagement, Kosten – und immer wieder um Zeit. Diese Vielfalt macht es den Richtern schwer und empfiehlt sich für die Mediation, in denen die Dinge strukturiert abgearbeitet – aber auch miteinander verknüpft werden können.
2.4.8 Verhandelbare Themen Es gibt auch Dinge, über die man nicht verhandeln sollte
Steht einer Partei das Recht zu, die andere Partei anzuweisen, ist dieses Recht in der Regel nicht verhandelbar. Beispiel: a) Bei der Auftragsabwicklung eines großen Bauprojektes wird es unerwartet erforderlich, eine Wasserhaltungs-Maßnahme durchzuführen, die sehr teuer werden wird. Der AG weist den AN an, diese Leistung auszuführen. Nach § 1 Nr. 4 VOB/B ist der AN verpflichtet, der Weisung nachzukommen, da sie für die Fertigstellung seiner Leistungen erforderlich ist, und zwar auch dann, wenn sich die Parteien noch nicht über eine Anpassung der Vergütung aufgrund der Anweisung des AN geeinigt haben. b) Ein Architekt weist den Mitarbeiter seines Büros an, bestimmte statische Berechnungen anzustellen. Das arbeitsrechtliche Direktionsrecht gibt dem Arbeitgeber das Recht, das Wann, Wo und Wie der Arbeitsleistung seiner Arbeitnehmer festzulegen. Hierüber kann es grundsätzlich keine Verhandlung geben. Es wäre verheerend, wenn sich die Vorstellung breitmachte, mithilfe einer interessenorientierten Verhandlung könne man quasi „jede Anweisung wegdiskutieren“. In jeder Organisation und jedem System muss es Regeln geben, die verbindlich sind, und müssen die Menschen, die ihr angehören, diese Regeln anwenden und befolgen. Ist vertraglich oder gesetzlich bestimmten Personen ein Anweisungsrecht gegenüber anderen Menschen erteilt worden (ganz deutlich bei Polizei oder Militär) steht dieses Anweisungsrecht nicht zur Disposition. Die Alternative wäre das totale Chaos. Konflikte, die daraus resultieren, dass der Weisungsunterworfene die Weisung nicht akzeptiert, sind deshalb nur dann mediationstauglich, wenn sie Interessen des Weisungsunterworfenen berühren, die bereits bei der Anweisung hätten mitberücksichtigt werden müssen.
2.4 Voraussetzungen für erfolgreiche Mediation
31
Beispiel: a) Oben: Sah der Vertrag z. B. vor, dass der AN dem AG im Falle von zusätzlichen Leistungen ein schriftliches bepreistes Angebot zu unterbreiten habe, bevor mit den Leistungen begonnen wird, ändert sich die Sachlage vollständig. Der AG ist dann verpflichtet, das Interesse des AN an einer adäquaten Vergütung zu berücksichtigen und mit ihm einen neuen Preis zu vereinbaren, bevor er ihn zur Ausführung der Arbeiten anweist. b) Stellt sich die konkrete Auftragserteilung als diskriminierendes Verhalten heraus, z. B. weil der Angewiesene aufgrund seiner Stellung in dem Büro seit vielen Jahren keine statischen Berechnungen mehr zu machen hat, berücksichtigt diese Anweisung die Interessen des Arbeitnehmers nicht ausreichend und hätte arbeitsrechtlich keinen Bestand. Gerade das Arbeitsrecht relativiert in vielen Bereichen das Direktionsrecht des Arbeitgebers ganz erheblich. c) Erteilt die Baubehörde eine Baugenehmigung, hat dem eine Klärung der baulichen relevanten Interessen vorauszugehen. Findet keine Interessenabwägung statt, liegt ein Ermessensfehler vor, der den Verwaltungsakt unwirksam werden lässt.
2.4.9 Das Machtverhältnis ist ausgeglichen bzw. ausgleichbar Kann man David und Goliath mediieren? Würde eine RWE AG, Essen, mit einer Elektro Ebert e.K. aus Oberbexbach eine Mediation durchführen? Eine allgemeingültige Antwort kann es darauf nicht geben. Ob ein wirtschaftlich starkes Unternehmen bereit ist, sich auf Augenhöhe mit einem abhängigen Unternehmen zu unterhalten, hängt sehr stark von der Unternehmenskultur des starken Unternehmens ab. Diese wiederum wird maßgeblich von den Persönlichkeiten in den Führungsetagen des Unternehmens geprägt. Unbestreitbar gibt es erhebliche Machtgefälle in der Wirtschaft, nicht nur im Bereich Planen und Bauen.27 Unbestreitbar ist auch, dass derjenige, der die Macht hat, sie nutzen wird, wenn es für ihn günstig ist. Nur wenn es für ihn Gründe gibt, sich anders zu verhalten, wird er auf andere Weise seine Interessen verfolgen.
27
Kraus, § 37 RN 26
Mediation dient nicht der Gleichmacherei
32
2 Was ist Mediation? Für die Beurteilung der Chancen einer Mediation trotz Machtgefälle wird es wichtig sein, zu erfahren, ob es solche Gründe geben könnte, z. B. in Form einer Checkliste: Checkliste
Beurteilung der Chancen einer Mediation
•
Ist bekannt, in welcher Weise der Stärkere üblicherweise Konflikte bearbeitet bzw. löst?
•
Ist bekannt, ob der Stärkere in der Vergangenheit bereits schlechte Erfahrungen mit gerichtlichen Auseinandersetzungen gemacht hat?
•
Gibt es eine Unternehmensphilosophie des Stärkeren, sich generell als Partner (der Industrie und Wirtschaft) zu empfehlen?
•
Wurden Unternehmensleitlinien des Stärkeren über Fairness und Partnerschaft im Umgang mit Lieferanten und Subunternehmern veröffentlicht?
•
Wie lange bestehen die Geschäftsbeziehungen zwischen den Streitparteien?
•
Handelt es sich um relevante Umsatzgrößen?
•
Stehen demnächst neue Aufträge an, bei denen der Schwächere einen Beitrag zur kostengünstigen und erfolgreichen Abwicklung leisten könnte?
•
Ist der Schwächere in einer Region tätig, in der der Stärkere noch akquiriert und um Anerkennung wirbt?
•
Wie ist die Wahrnehmung des Stärkeren in der Öffentlichkeit einschl. Presse?
•
Steht der Stärkere aktuell unter besonderer öffentlicher oder behördlicher Beobachtung?
•
Stehen der Ausübung von Macht Gesetze entgegen (z. B. aus Vergaberecht, Kartellrecht, öffentliches oder privates Baurecht, Unfallverhütungsvorschriften, Sozial- und Arbeitsrecht, Steuerrecht, Strafrecht?)
•
Ist die Lieferung oder Leistung des Schwächeren nachgefragt oder leicht austauschbar?
•
Gibt es persönliche Kontakte zu den maßgebenden handelnden Personen des Stärkeren?
•
Gibt es persönliche Kontakte zu den maßgeblichen Vorgesetzten des Stärkeren?
•
Gibt es Einflussmöglichkeiten auf Gremien des Stärkeren, z. B. Aufsichtsrat, Beirat, Gesellschafter?
2.4 Voraussetzungen für erfolgreiche Mediation •
Gibt es Einflussmöglichkeiten innerhalb von Vereinen oder Verbänden, in denen der Stärkere organisiert ist?
•
Stehen noch Leistungen des Schwächeren aus, deren rechtzeitige Erfüllung für den Stärkeren wichtig sein kann; drohen dem Stärkeren evtl. erhebliche Konsequenzen, wenn sie nicht erfüllt werden?
•
Bestehen Zurückbehaltungsrechte des Schwächeren im Rahmen des strittigen Projektes, z. B. an der Dokumentation?
•
Gibt es Sicherheiten im Rahmen des strittigen Projektes?
•
Gibt es Sicherheiten aus anderen Aufträgen (§ 369 HGB an beweglichen Sachen)?
•
Verfügt der Schwächere über Insider-Wissen aus dem Auftrag, dessen Veröffentlichung dem Stärkeren schaden könnte?
Je nach Fallkonstellation kann sich die Position des Stärkeren sehr schnell als weniger mächtig herausstellen, als zunächst angenommen. Die schiere Größe des Unternehmens schließt eine interessen- und sachorientierte Verhandlung nicht aus. Auch das gerne überhebliche Auftreten von Vertretern größerer Unternehmen sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich dahinter oft nur viel Wind verbirgt. Es ist nicht Aufgabe der Mediatoren, den Schwächeren in die Lage zu versetzen, seine Stärken auszuspielen oder ihn vor dem Stärkeren zu schützen.28 Er ist nicht dessen Berater. Wer verhandelt, muss sich schon selbst Gedanken darüber machen, was er der anderen Seite anbieten kann, damit diese wenigstens teilweise auf seine Interessen eingeht. Werden diese Angebote jedoch unterbreitet, wird der Mediator für eine sach- und erfolgsorientierte Behandlung sorgen. Der Mediator schafft eine Situation, in der alle Parteien gleichmäßig zur Sprache kommen und beide veranlasst werden, sich mit den Argumenten der Gegenseite qualifiziert auseinanderzusetzen und – idealerweise – gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Allein das Verhandeln auf einer Ebene ist bereits ein Machtausgleich durch Mediation.
28
Kessen/Troja, § 16 RN 27
33
Machtausgleich durch den Mediator
35
3 Mediation und andere Verfahren der Streitbeilegung 3.1 Mediation – Alternative oder Ergänzung zu anderen Konfliktlösungsmodellen? 3.1 Mediation – Alternative oder Ergänzung
Ein Ziel dieses Buches ist es, zu zeigen, dass das Besondere der Mediation in der Mobilisierung der eigenen Kräfte der Parteien liegt – auch auf dem scheinbar so nüchternen Gebiet Planen und Bauen! Die Lösung des Konflikts wird von den Parteien selbst erarbeitet und nicht von außen diktiert. Der Mediator stärkt die Parteien dabei, ihre Themen autonom und selbstverantwortlich zu behandeln. Dem Mediationsverfahren liegt damit letztlich das Bild eines aufgeklärten, selbstverantwortlichen und selbstbestimmten Menschen zugrunde, der nur temporär nicht in der Lage ist, seine Verhältnisse selbst zu klären. Der Mediator hilft ihm, diesem Idealbild wieder näher zu kommen. Dies ist ein grundsätzlicher Unterschied zum streitigen Verfahren, bei dem der Mensch sein Schicksal in die Hand eines Dritten legt. Der hohe ethische Anspruch der Mediation führt – jedenfalls in Deutschland – gelegentlich zu dem Bedürfnis, das Mediationsverfahren „zu schützen“, es von den anderen Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung abzugrenzen und Vermischungen zu unterbinden. Das ist insoweit erforderlich, als die Parteien die Wahl haben sollen zwischen unterschiedlichen Formen der Konfliktbewältigung. Dazu benötigen sie eine möglichst genaue Vorstellung, von dem, was sie erwartet. Je unklarer die Konturen, desto schwieriger ist die Entscheidungsfindung für die Parteien.31
Konfliktlösungen selbst erarbeiten oder verordnen lassen?
Beispiel: In dem Konflikt um Stuttgart 21 wurde der Alt-Politik Heiner Geisler, wie schon Ende 2007 in der Auseinandersetzung zwischen der Bahn AG und der Lokführergewerkschaft GdL, als „Mediator“ eingesetzt. Die Verwendung dieses Begriffs in den Medien verhalf der Mediation zu einem erhöhten Bekanntheitsgrad. 31
Allerdings sollte die Präzisierung zuallererst bei der Mediation selbst ansetzen. Zwar gibt es einen gemeinsamen europäischen Code of Ethics und haben sich die großen Mediationsverbände BFMA und BM auf bestimmte gemeinsame Standards in der Ausbildung geeinigt. Noch immer kann sich jedoch jedermann "Mediator" nennen und eine irgendwie geartete Form der Konfliktlösung anbieten.
P. Hammacher et al. So funktioniert Mediation im Planen + Bauen, DOI 10.1007/978-3-8348-8124-3_3, © Vieweg+Teubner Verlag |Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
36
3 Mediation und andere Verfahren der Streitbeilegung Man kann dies aber auch anders sehen: Wenn nicht der Weg das Ziel ist, sondern die Beilegung der Streitigkeit, so ist für die Parteien alles nützlich, was sie diesem Ziel näher bringt. Unter diesem Blickwinkel wecken allzu fundamentalistischen Abgrenzungsbemühungen den Verdacht, dass es eher darum geht, einen noch immer unbekannten Begriff im öffentlichen Bewusstsein durch Abgrenzung gegenüber anderen zu etablieren. Die Verfahren stehen nicht wirklich in Konkurrenz. Alles, was die Parteien einer schnellen und befriedigenden Lösung näher bringt, ist gut. Das können bilaterale Verhandlungen sein, Beweisverfahren, Parteigutachten, Schiedsgutachten, Adjudikation, Schlichtung, Schiedsverfahren, oder eben auch Mediation.
Das richtige Verfahren für die richtige Situation
Die Parteien und ihre Berater sollten überlegen, was ihnen in ihrer konkreten Situation am aussichtsreichsten erscheint, um zu einer nachhaltigen Lösung zu kommen. Die Verfahren sind in einem gewissen Grad auch durchlässig. Das ist am leichtesten an der Rolle des Sachverständigen zu erkennen. Seine Beteiligung an der Konfliktbearbeitung kann in allen Stadien und allen Verfahrensarten zur Klärung der für die Parteien wichtigen technischen Fragen und damit zur Befriedung beitragen.
Mediation ist flexibel
Auch die Mediation ist zu unterschiedlichen Zeitpunkten einsetzbar: in der Planungsphase, wenn die Parteien kontroverse Ideen über das Projekt unter Berücksichtigung der Interessen Dritter (Nachbarn, Anlieger, Naturschutz etc.) in ein tragfähiges Konzept einarbeiten müssen, während der Auftragsabwicklung, wenn Kommunikationsund Abstimmungsprobleme auftreten, die das Projekt zu behindern drohen, oder wenn der Konflikt sich bereits negativ auswirkt und die Parteien eine vorübergehende oder eine endgültige Lösung erarbeiten möchten. Sie kann auch unterstützend im Rahmen anderer Verfahren eingesetzt werden. Beispiel: a) Aussetzung eines gerichtlichen Verfahrens, um Vergleichsgespräche zwischen den Parteien unter Anleitung eines Mediators zuzulassen. b) Ausklammerung eines Teils des Streitstoffs aus einem Schiedsverfahren und Übertragung zur Verhandlung mit Einverständnis der Parteien. c) Mediation parallel zur Bürgerbeteiligung bei Bebauungsplänen. Mediation schließt die anderen Verfahren auch nicht aus: Wenn die Parteien während eines Mediationsverfahrens beschließen, einen Sachverständigen hinzuzuziehen, kann dies eine hilfreiche Förderung
3.1 Mediation – Alternative oder Ergänzung
37
des Lösungsprozesses darstellen. Wenn die Parteien trotz des Mediationsverfahrens nicht zu einer Konfliktlösung gekommen sind, können sie die Entscheidung ganz oder teilweise an einen Dritten delegieren. Entweder wird das Mediationsverfahren dann beendet und möglicherweise getroffene Einigungen in Einzelfragen festgehalten; dann können die Parteien ihren Fall einem Schiedsgericht oder einem ordentlichen Gericht zur Entscheidung vorlegen. Oder die Parteien bitten die Mediatoren, die jetzt über ein gutes Wissen über den Konflikt verfügen, für sie eine verbindliche Entscheidung zu fällen – als Schlichter oder Schiedsrichter („MedArb“). Auf dabei zu beachtende Besonderheiten des Schutzes der Vertraulichkeit etc. soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. Wichtig ist die Erkenntnis, dass Mediation in jeder Phase des Projektes hilfreich für die Parteien sein kann. Die Industrie, insbesondere der international tätige Anlagebau, hat viele Verfahren entwickelt und ausprobiert, wie Konflikte zwischen Streitparteien – innen und außen – positiv genutzt und bearbeitet werden können. Sie laufen unter Schlagworten wie – neutral evaluation – settlement conference – mini-trial – non-binding arbitration – neutral expert fact-finding – adjudication /Adjudikation – arbitration – final offer arbitration – med-arb und andere. Es handelt sich dabei teilweise um Mischformen zwischen Verhandlung, Einsatz von interner oder externer Sachkompetenz und der Übertragung der Entscheidungsgewalt auf einen neutralen Dritten. Alle dienen sie dem Zweck, die Streitigkeiten möglichst schnell, effektiv und gütlich zu beenden.32 Andere Verfahren sind in der Öffentlichkeit bekannt geworden unter Namen wie – Runder Tisch – Konzertierte Aktion – Zukunftswerkstatt33 – Planungszelle 32
33
Im internationalen Sprachgebrauch hat sich die Bezeichnung "ADR Alternative Dispute Resolution" durchgesetzt Von Robert Jungk Anfang der 70er Jahre geprägt, Kurzbeschreibung in Renn, S. 136
Was gibt es sonst noch an außergerichtlichen Konfliktlösungsverfahren?
38
3 Mediation und andere Verfahren der Streitbeilegung – Bürgerforum – Moderation. Unter der Schirmherrschaft der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit wurde ein Verfahren entwickelt, mit dem das für die Parteien passende Verfahren zu finden.34 Es gibt kein Instrument, das für jeden Konflikt geeignet wäre. Aber es gibt für (fast) jeden Konflikt ein geeignetes Instrument der außergerichtlichen Streitbeilegung.35 Im Grunde handelt es sich um eine Mini-Mediation, in der ein neutraler Dritter, hier der Konfliktmanager, den Parteien hilft, ihren Konflikt zu strukturieren und herauszufinden, welche Punkte wie geklärt werden können. Haben sich die Parteien dazu bereit erklärt, werden sie vielleicht gar kein eigenes Verfahren mehr in Gang setzen müssen. Möglicherweise bleiben nur noch Sachfragen übrig, die gemeinsamen Fachausschüssen oder sachverständigen Dritten übertragen werden.
3.2 Konfliktvermeidung durch Moderation Transparenz ist Konfliktprävention
Sind viele Parteien an einem Bauvorhaben beteiligt, kann bereits die möglichst umfassende Information über das Vorhaben, vom Planungsstadium bis zum Abschluss der Bauarbeiten, dazu führen, dass Konflikte vermieden werden können. Beispiel: Zur Vorbereitung eines Planverfahrens organisiert das Amt zusammen mit dem Investor eine Aufklärungskampagne, die sich an alle Anwohner, Gewerbetreibenden, Umweltschutz- und Bürgerorganisationen wendet, um möglichst frühzeitig zu informieren und auf evtl. Sorgen reagieren zu können. Die Organisation und Durchführung eines solchen Beteiligungsverfahrens bedarf einer Diskussionsleitung, die die Betroffenen erreicht. Mit Hilfe von Moderationstechniken, wie z. B. Abfragen, MetaplanWände, Mindmap etc. werden die Betroffenen in den Diskurs eingebunden. Mögliche Interessengegensätze können so frühzeitig erkannt und ggf. von den interessierten Stellen ausgeräumt werden, sodass es gar nicht erst zu einem Konflikt kommt.
34
35
DIS Konfliktmanagementordnung, Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V: Stubbe, Christian, Konfliktmanagement-bedarfsgerechte Streitbeilegungsinstrumente, SchiedsVZ 2009,321,324
3.4 Konfliktvermeidung durch laufende Qualitätsüberwachung Moderation und Mediation verbindet die Stellung des neutralen Dritten als Diskussionsleiter und seine Beachtung kommunikativer Regeln und Techniken. Überschneidungen sind deshalb durchaus möglich.36 Der Anspruch der Mediation geht in der Regel weiter als derjenige der Moderation, soll doch eine nachhaltige Konsolidierung bzw. die Lösung eines bestehenden Konfliktes erreicht werden. Demgegenüber wirkt die Moderation eher oberflächlich, was aber unter bestimmten Umständen genau das geeignete Mittel sein kann.
39 Moderation oder Mediation?
3.3 Konfliktvermeidung durch Zukunftswerkstatt Insbesondere bei Stadtentwicklungsprozessen, wo immer wieder kreative Lösungsansätze gefragt sind, können die Betroffenen in der Zukunftswerkstatt im ersten Schritt ohne Rücksicht auf die „Realität“ auf Visionssuche gehen, ihrer Fantasie freien Lauf lassen. Erst in einer Schlussphase werden Fantasie und Realität zusammengeführt, um konkrete Schritte der Problemlösung zu formulieren. Die Betroffenen werden befähigt, nicht nur ihre Situation zu erfassen, sondern auch Perspektiven zu entwickeln, die eine aktive und zukunftszugewandte Realisierung eröffnen. Zukunftswerkstätten beinhalten zielgerichtetes Vorgehen, methodisch-kreatives Arbeiten in Gruppen, wodurch Probleme gelöst, Fragestellungen beantwortet und Themen durchdacht werden können. Es handelt sich um einen offenen Prozess, der von der jeweiligen Werkstattgruppe ausgefüllt und getragen wird. Mit der Durchführung von Zukunftswerkstätten werden bei städtebaulichen Entwicklungsvorhaben die unterschiedlichen Interessen der Betroffenen frühzeitig erkennbar und können somit in einem Dialog bearbeitet werden.
3.4 Konfliktvermeidung durch laufende Qualitätsüberwachung Idealerweise kommt es während der Abwicklung eines Bauprojektes gar nicht zu Störungen. Bei vorausschauendem Projektmanagement unter Einbeziehung des Know-hows der Beteiligten ist dies durchaus zu erreichen. Unvorhersehbares lässt sich natürlich nicht planen. Die laufende Überwachung der Lieferungen und Leistungen aber auch der Prozesse durch einen Fachmann kann dazu beitragen, frühzeitig Pannen zu entdecken und damit mögliche Konfliktquellen auszuräumen. Allein die Tatsache, dass es eine kompetente Kontrollinstanz gibt, kann bereits zu erhöhten Sorgfaltsanstrengungen führen.
36
siehe hierzu Kapitel 4.6
Interessen frühzeitig erkennen
40
3 Mediation und andere Verfahren der Streitbeilegung Einige Bauträger sind deshalb dazu übergegangen, den Käufern ihr Produkt auch dadurch schmackhaft zu machen, dass sie einen unabhängigen Sachverständigen bereitstellen, der in wesentlichen Bauphasen Kontrollen vornimmt. Dies räumt mögliche technische Probleme, die zwar noch zu diesen Stichpunkten aber später nicht mehr ohne Weiteres festgestellt werden können, aus.37 Vor allem aber schafft es Vertrauen in die Arbeit des Bauträgers und befriedigt damit das Grundbedürfnis der Käufer nach Sicherheit.
3.5 Konfliktlösung nach Ermessen einer Konfliktpartei Keine Konfliktlösung auf Augenhöhe
Die Parteien können bereits zu Beginn ihrer Geschäftsbeziehung vereinbaren, dass im Falle von Streitigkeiten die eine Partei berechtigt sein soll, den Streit vorläufig oder verbindlich auch für die andere Partei zu entscheiden (§ 315 BGB). Darin liegt natürlich für die andere Partei ein besonderes Risiko. Die zur Entscheidung berechtigte Partei darf die Entscheidung nur nach billigem Ermessen treffen. Sofern nichts anderes vereinbart wird, kann diese Entscheidung gerichtlich nachgeprüft werden. Der Auftragnehmer wird sich gegen die Vereinbarung einer solchen Vorgehensweise dann nicht wehren, wenn die Strukturierung des Projektes insgesamt verlässlich erscheint und der Projektablauf eine gute Absprache zwischen den Beteiligten gesichert erscheinen lässt. Da dieses Verfahren jedoch keine Konfliktlösung auf Augenhöhe darstellt, sind Widerstände eher zu erwarten als bei einem konsensualen Verfahren. Es besteht die Gefahr, dass versucht wird, diese Widerstände mit Repressalien durchzusetzen, was den Konflikt eskalieren lässt. Internationale Bauverträge über komplexe Projekte können sich Störungen mit Einfluss auf die Bauzeit nicht leisten. Die im internationalen Bau- und Anlagenbau bekannten Verträge der FIDIC sehen deshalb die Figur des „Engineers“ vor. Es handelt sich um einen von dem Auftraggeber bezahlten, aber dennoch in gewisser Weise verselbstständigten Projektverantwortlichen, dem im Vertrag die Möglichkeit eingeräumt wird, Entscheidungen zulasten des Auftragnehmers aber auch des Auftraggebers zu fällen, die vorläufig verbindlich sind. Diese Entscheidungen sind vor einem Gericht oder Schiedsgericht anfechtbar.
37
vgl. Sichtabnahme in § 4 Nr. 10 VOB/B
3.6 Konfliktlösung durch Schlichtung Beispiel „Engineer“ in FIDIC-Verträgen: Ziff. 3.5 des FIDIC38-Vertragsmusters für ein turnkey-Projekt: Determinations39: „Whenever these Conditions provide that the Engineer shall proceed in accordance with this Sub-Clause 3.5 to agree or determine any matter, the Engineer shall consult with each Party in an endeavour to reach agreement. If agreement is not achieved, the Engineer shall make a fair determination in accordance with the Contract, taking due regard of all relevant circumstances. The Engineer shall give notice to both Parties of each agreement or determination, with supporting particulars. Each Party shall give effect to each agreement or determination unless and until revised under Clause 20 [Claims, Disputes and Arbitration].”
3.6 Konfliktlösung durch Schlichtung Unter Schlichtung werden sowohl Verfahren verstanden, in denen ein von den Parteien benannter neutraler Dritter wie in der Mediation die Parteien dabei unterstützt, selbst eine Lösung ihres Problems zu finden40, als auch solche, in denen der Schlichter einen Schlichtungsvorschlag unterbreitet, der annahmebedürftig ist41, oder weitgehender, in denen der Schlichter einen verbindlichen Schlichterspruch fällt42, der verbindlich wird, wenn nicht eine Partei schriftlich widerspricht. Die Parteien sollten sich deshalb zunächst darauf einigen, mit welcher Zielsetzung sie die Unterstützung eines Dritten suchen. Der Begriff des Schlichters oder „Schlichtungsperson“ wird auch in gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren verwendet, so z. B. in dem baden-württembergischen Schlichtungsgesetz (SchlG BW), das wie in anderen Ländern auch, für Streitigkeiten mit niedrigem Streitwert und in Nachbarschaftssachen, zwingend die Einleitung eines Schlichtungsverfahrens vorsieht, bevor eine Klage vor dem Amtsgericht eingereicht werden darf.43
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siehe oben Fußnote 14 Abgedruckt in Güntzer/Hammacher, Handbuch der Auftragsabwicklung vgl. § 11 DIS-Schlichtungsordnung, der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit vgl. § 10 Abs.2 SOBau Schlichtungs- und Schiedsordnung für Baustreitigkeiten der ARGE Baurecht vgl. § 18 SL-Bau, Streitlösungsordnung für das Bauwesen der Deutschen Gesellschaft für Baurecht Schlichtungsgesetz – SchlG BW vom 28. Juni 2000 (GBl. S. 47=)
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3 Mediation und andere Verfahren der Streitbeilegung
3.7 Konfliktlösung durch einen Sachverständigen Konfliktbearbeitung bei komplizierten technischen Problemen
Ist der Streit rein technischer Natur, macht es Sinn, die Entscheidung einem Dritten zu übertragen, der in dieser Sachfrage über besondere Kompetenz verfügt. Der Auswahl des Sachverständigen kommt hier eine besondere Bedeutung zu. In komplexen Bauprojekten, bei denen besondere technische Prozesse eine Rolle spielen, ist die Schar der infrage kommenden Sachverständigen mitunter nicht sehr groß. Greift sich eine Partei den „Papst“ für ein Privatgutachten oder zur Aufbereitung der eigenen Ansicht, steht dieser später als ein vom Gericht zu bestellender Sachverständiger nicht mehr zur Verfügung, er ist „verbrannt“. Das Verfahren kann weiter dadurch erschwert werden, dass bei den Sachverständigen „Lehrer“ und „Schüler“ aufeinandertreffen, Konkurrenten am Markt oder Vertreter zweier Schulen. Umgekehrt können sich regional tätige Sachverständige kennengelernt haben, die sich den Markt aufteilen („keine Krähe hackt der anderen …“) und dadurch die Kontrolle eines Gutachterergebnisses erschweren. Erfolgt die Auswahl des Sachverständigen durch das Gericht, wie dies beim selbstständigen Beweisverfahren der Fall ist, so ist die Benennung eines Sachverständigen durch eine Partei nur als Anregung zu werten. Haben die Parteien sich jedoch auf einen Sachverständigen geeinigt, hat das Gericht dem Folge zu leisten, § 404 Abs.4 ZPO. Öffentlich bestellte Sachverständige sollen nach § 404, Abs.2 ZPO bevorzugt herangezogen werden. Die Benennung durch eine zuständige Kammer ist nur bedingt hilfreich, da die Kammern alle bei ihr gelisteten Sachverständigen gleichzubehandeln haben.44 Die Angaben zu den Kompetenzen sind nur holzschnittartig. Fortbildung und Aufrechterhaltung der Qualifizierung werden durch die Kammern nur teilweise überwacht. Genießt der Sachverständige das Vertrauen beider Seiten, kann seine Entscheidung zur endgültigen Beilegung des Konfliktes führen. Auch wenn dadurch eine Seite unterliegt, wird diese seine Entscheidung akzeptieren, wenn es ihm gelungen ist, das Vertrauen zu stabilisieren. Seine Entscheidung nimmt den Parteien eine Bürde, die die bisherige Zusammenarbeit belastet hat, und macht den Weg für die Zukunft frei. Ob der Sachverständige diese Akzeptanz findet, wird in großem Maße davon abhängen, wie er den Entscheidungsfindungsprozess betrieben hat, z. B. wie er die Parteien einbezogen hat, ob er transparent gearbeitet und wie er die Entscheidung begründet hat.
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Keldungs/Tilly, Beweissicherung im Bauwesen, S. 45
3.8 Konfliktlösung durch Adjudikation
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3.8 Konfliktlösung durch Adjudikation Für Deutschland noch relativ neu45 ist der Vorschlag zur verbindlichen Einführung eines Adjudikations-Verfahrens nach englischem Vorbild für Bauprojekte, an denen Verbraucher nicht beteiligt sind.46 In welchem Verhältnis steht das Verfahren zur Mediation am Bau? In Großbritannien ist dies seit 1996 gesetzlich vorgeschrieben. Kritisch betrachtet werden vor allem zwei Besonderheiten des Housing, Grants, Construction and Regeneration Act 1996“ (HGCRA) in verschiedenen Fassungen für England, Wales und Schottland. Er enthält keine Regelung, wann nach dem Auftreten eines Disputes der Schiedsgutachter anzurufen ist. Der Gutachter hat jedoch seine Arbeit sieben Tage nach der Anrufung zu beginnen. Das bedeutet, dass die anrufende Partei den Fall oder sogar mehrere Fälle zusammen ausführlich vorbereiten, Beweismaterial sammeln und eine Strategie diskutieren kann, während die beschuldigte Partei nur sieben Tage Zeit hat, eine Verteidigung zu initiieren. Darüber hinaus ist mehrfach die Meinung vertreten worden, dass 28 Tage zur Erstellung eines Schiedsgutachtens bei komplexen Projekten nicht ausreichend seien. Bei komplexen Bauverträgen scheint dies unfair zu sein.47 Gleichwohl ist der Gedanke, Streitigkeiten einem Gremium von Experten zur Entscheidung vorzulegen statt einem Gremium von Richtern, attraktiv. In Großbritannien besteht für Ingenieure, auch für Ingenieure aus anderen Ländern, die Möglichkeit eine besondere Qualifikation als chartered adjudicator zu erwerben. Der Ingenieur erhält eine Grundausbildung in rechtlichen Fragen, die ihn in die Lage versetzen soll, das Verfahren des Dispute Adjudication Boards ohne Verfahrensfehler zu meistern und so eine gerechte Entscheidung sicherzustellen.48 Auch für Deutschland gibt es bereits mehrere Vorschläge für Adjudikations-Ordnungen.49 Im Wesentlichen funktioniert das Verfahren so: 45
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Lembcke, MedAdj-Mediation in Baustreitigkeiten durch Adjudikation?, ZKM 2009,122, Schwatlo,Winfried RICS-Cross Border Adjudikation in 2010 erfolgreich durchgeführt, werner-baurecht Konfliktforum; Jahn,Steffen Chancen und Grenzen der Adjudikation aus der Sicht des Praktikers, werner-baurech online Konfliktforum, 2010; Empfehlungen Deutscher Baugerichtstag 2009, 2010 www.baugerichtstag.de Dominic Helps Partner April 2004, http://www.shadboltlaw.com/documents/Newsletter_aw_2e.pdf Zur Bedeutung von Prozessordnungen siehe Ziff. 2.1.1 Streitlösungsordnung für das Bauwesen – SL Bau – Deutsche Gesellschaft für Baurecht e.V. und beton- und Bautechnik-Verein e.V. ;- 2010; AOBau, Deutscher Baugerichtstag e.V. 2010; Verfahrensordnung für (projektbegleitende) Adjudication (DIS-AVO) und (vorläufig bindende) Schiedsgutachtensordnung (DIS-SchGO) der DIS Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit
Mediation und Schlichtung mit Sachverstand
44
3 Mediation und andere Verfahren der Streitbeilegung Die Parteien einigen sich – möglichst bereits vorab – auf einen Schiedsgutachter, einen Adjudikator. Dieser hat innerhalb kurzer Fristen (hier gibt es unterschiedliche Vorstellungen) die Streitpunkte mit den Parteien aufzuarbeiten und ggf. zu entscheiden. Sein Spruch ist zunächst verbindlich und zu befolgen. Den Parteien ist es aber unbenommen, die Folgen dieser Entscheidung in einem späteren Rechtsstreit einzuklagen. Als Adjudikator kommt in erster Linie ein Bautechniker infrage, der die baulichen Fragen einzuordnen weiß, aber auch über baurechtliche Kenntnisse verfügt. Möglich ist auch umgekehrt ein Baurechtler mit bautechnischer Erfahrung.50 Es wird Wert darauf gelegt, dass der Adjudikator neben technischem, baubetrieblichem und rechtlichem Wissen auch über „soft skills“ verfügt, zu denen auch Kenntnisse in der Mediation zählen.51 Die Vorteile der Adjudikation liegen auf der Hand: 1. Gelingt es, eine Persönlichkeit als Adjudikator zu gewinnen, die aufgrund ihrer hohen fachlichen und sozialen Kompetenz das Vertrauen beider Seiten genießt, ist die Akzeptanz ihres Schiedsspruchs sehr hoch. 2. Es gibt eine – wenn ggf. auch nur vorläufige – Entscheidung, die klare Verhältnisse schafft und das im Idealfall sehr schnell. Insbesondere wenn es sich um eine Entscheidung während eines laufenden Bauprojektes handelt, kann das den Konfliktparteien schon ausreichen. Oft genügt es ihnen, wenn sie wissen, wie sie weiter machen sollen. 3. Die Adjudikation entscheidet nicht nach Kriterien der Macht, sondern der Vernunft. Sie findet nach transparenten Regeln statt und sichert so die formale Gerechtigkeit. Der Rechtsweg gegen die Entscheidung ist nicht ausgeschlossen. Was sich nicht ändert: Ebenso wie bei den staatlichen Gerichten und in der Schiedsgerichtsbarkeit bleibt es die wichtigste Aufgabe des Adjudikators, eine Entscheidung zu fällen. Es wird ihm das Recht 50
51
Der Deutsche Baugerichtstag hat sich in seinem Unterarbeitskreis UK3 über die Voraussetzungen an die Qualifikation von Adjudikatoren intensive Gedanken gemacht. Der Adjudikator soll über eine Meister oder Ingenieurausbildung, oder 2. jur. Staatsexamen verfügen und 10 Jahre praktische Berufserfahrung in der Bauabwicklung haben. Es wird eine Zusatzausbildung zum Adjudikator im Umfang von ca. 240 Stunden für erforderlich gehalten, die mit komplementärem Fachwissen mit inverser Auswahl, Ordnungen, Verfahren und Verhalten, Soft Skills, IT-Skills, Simulation von Praxisfällen im Adjudikationsverfahren. Die Ausbildung soll durch Hochschulen erfolgen. Ähnliche Qualifikationskriterien hat FIDIC für die Adjudikatoren im internationalen Anlagenbau aufgestellt. Empfehlungen des UAK 3 Deutscher Baugerichtstag
3.8 Konfliktlösung durch Adjudikation eingeräumt, die Streitparteien zu einem Dulden oder Handeln zu verurteilen – wenn auch nur vorläufig. Eine nachhaltige Befriedung der Konfliktparteien oder gar eine Stärkung des Vertrauens und der Kooperation der Baubeteiligten untereinander durch Aufklärung, Transparenz und Kommunikation steht auch hier nicht im Vordergrund des Verfahrens. Beispiel Adjudikation: Die Parteien haben sich bereits im Vertrag auf zwei Adjudikatoren geeinigt. Der eine ist Rechtsanwalt mit Kenntnissen im Baurecht, der andere öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger mit Kenntnissen in der Technik, die das Projekt mit sich bringen wird. Beide sind zugleich ausgebildete Mediatoren, worauf die Parteien bei der Auswahl wert gelegt haben. Die Parteien haben sich bereits im Vertrag auf zwei Adjudikatoren geeinigt. Der eine ist Rechtsanwalt mit Kenntnissen im Baurecht, der andere öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger mit Kenntnissen in der Technik, die das Projekt mit sich bringen wird. Beide sind zugleich ausgebildete Mediatoren, worauf die Parteien bei der Auswahl wert gelegt haben. Die mediationserfahrenen Adjudikatoren bringen alle für die Entscheidung wichtigen Personen schnell an einen Tisch. Gemeinsam werden die relevanten Punkte identifiziert und nacheinander in einem Fachgespräch abgearbeitet. Die Fragen und Einschätzungen der Adjudikatoren zur Technik helfen den Parteien nach konstruktiven Lösungen zu suchen; die Analyse der Vertragslage hilft, die vertragliche Risikoverteilung zu beurteilen. Dabei bringen die Adjudikatoren ihr Wissen und ihre Beurteilung der Lage in das Gespräch ein und zeigen ggf. auch auf, wie sie voraussichtlich entscheiden würden, wenn dies erforderlich werden sollte. Da der Sachverständige bereits am Tisch sitzt, wird ein umfangreiches Gutachten entbehrlich. Da das Verfahren transparent und kompetent geführt wurde, haben die Parteien jetzt eine ausreichende Basis, um eine Vereinbarung zu schließen, wie weiter verfahren werden soll. Da keine Partei ein Interesse hat, die Kosten des Projektes durch Bauverzögerungen zusätzlich zu belasten, können sie sich einigen. Die Adjudikatoren helfen ihnen dabei, dies in einer auch juristisch belastbaren Form zu dokumentieren. Die Fälle, in denen es tatsächlich erst zu einer Entscheidung kommen muss, werden die Ausnahme bleiben. Sollte er erforderlich werden, wird er juristischen Anforderungen an einen Schiedsspruch entsprechen.
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46
3 Mediation und andere Verfahren der Streitbeilegung
3.8.1 Erst Mediationsversuch, dann Adjudikation? Wäre es nicht sinnvoll, grundsätzlich erst ein Mediationsverfahren anzustreben, bevor man in eine streitige Auseinandersetzung geht? Dem Mediationsverfahren liegt das Bild aufgeklärter, selbstverantwortlicher und selbstbestimmter Menschen zugrunde, die nur temporär nicht in der Lage sind, ihre Verhältnisse selbst zu ordnen. Der Mediator hilft ihnen dabei, diesem Idealbild wieder näher zu kommen. Gerne möchte man mit dieser Haltung allen Baubeteiligten helfen, ihre Konflikte nachhaltig zu lösen. Es sollte doch möglich sein, Probleme gemeinsam zu identifizieren und nach technisch und wirtschaftlich vernünftigen Lösungen zu suchen. Die Realität lässt leider nicht immer die dafür erforderlichen Freiräume.52 Ausgeschöpfte Budgets, gravierende Machtungleichgewichte, vor allem aber die immer zu kurz bemessene Planungs- und Bauzeit setzen einer Konfliktbearbeitung, die diesen Namen verdient, extrem enge Grenzen. Interne Restriktionen in den Unternehmen/Organisationen engen den Handlungsspielraum der Vertreter in einer Mediation weiter ein. Es macht deshalb keinen Sinn, Mediation als Grundstufe der Konfliktbearbeitung in Baustreitigkeiten vorzuschreiben,53 so gerne wir das als Mediatoren auch sehen würden. Das schließt natürlich nicht aus, dass sich die Baubeteiligten nicht dennoch zu Beginn von Bauprojekten auf diesen Weg verständigen, oder auch später, wenn die Konflikte auftreten. Eine Typologisierung von Baustreitigkeiten, für die Mediation geeignet ist und für welche nicht, lässt sich nicht allgemeingültig bestimmen. Es mag einiges dafür sprechen, Konflikte zwischen Baubeteiligten, die persönlich betroffen sind, für eher geeignet zu halten, z. B. zwischen privatem Bauherr und Handwerker, Bauträger und Käufer, Handwerkern untereinander, Inhabern von Ingenieurbüros etc. Doch wäre dies zu kurz gegriffen, denn auch zwischen Unternehmern und Organisationen ist z. B. die Wirtschaftsmediation erfolgreich. Wichtiger für die Beurteilung scheint mir die Frage zu sein, ob die Interessen der Baubeteiligten in der Mediation durch weitgehend autonom handelnde, verantwortliche Personen vertreten werden können. Der Vertreter eines Amtes tut sich erfahrungsgemäß schwerer, ergebnisoffene Verhandlungen zu führen, als der Inhaber eines Handwerksbetriebes.
3.8.2 Wahl zwischen Adjudikation und Mediation? Wenn also die Mediation nicht grundsätzlich als Eingangsstufe für die außergerichtliche Streitbeilegung anzusehen ist, kommt es darauf an, das richtige Verfahren unter einer Vielzahl von ADR-Verfahren auszuwählen.54 52 53 54
Ulrich/Vogt, Mediation in der Praxis II, DS 2009, 263, 266 Englert/Schalk, Mediation, BauR 2009, 874 siehe oben 3.1
3.8 Konfliktlösung durch Adjudikation
47
Es ist ja nicht so, dass Baubeteiligte sich keine Gedanken darüber machen würden, warum ein Projekt plötzlich in die Schieflage gerät und wie man aus dem Schlamassel wieder herauskommt. Die starke Verrechtlichung des Bauwesens führt aber dazu, dass sich jeder so verhält, dass er möglichst wenig angreifbar wird. Mithilfe des Dritten lassen sich die Hürden offenlegen, leichter gemeinsam Analysen durchführen und Alternativen entwickeln. Im Rahmen der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) wurde deshalb ein „Konflikt-Klärungsverfahren“ entwickelt, das es Streitparteien ermöglichen soll, mithilfe eines neutralen Dritten herauszuarbeiten, worüber eigentlich gestritten wird und mit welchen geeigneten Mitteln Aufklärung und Streitbeilegung betrieben werden soll. Dieses Verfahren ist nicht primär für Baustreitigkeiten gedacht, wäre aber auch dort ohne Weiteres einsetzbar und sinnvoll. Das Konflikt-Klärungsverfahren stellt im Grunde eine Kurzmediation dar, mit definiertem Auftrag. Es lässt sich prognostizieren, dass bereits die Durchführung dieses Konflikt-Klärungsverfahrens Streitigkeiten beenden wird, bevor der nächste Schritt der Konfliktlösung überhaupt gegangen wird.55
3.8.3 Adjudikation und Mediation in parallelen Verfahren? Die – nicht verabschiedete – Adjudikations-Ordnung des Baugerichtstages für Baustreitigkeiten sah in § 1 Nr. 2 Abs.3, S.4 vor, dass auf Vorschlag des Adjudikators oder einer Partei ein Mediationsverfahren angestrengt werden kann, wenn beide Parteien diesem zustimmen. Eine solche Klausel wäre nicht zwingend notwendig, denn die Parteien sind selbstverständlich jederzeit frei, ein anderes Verfahren zu bestimmen. Sie können auch bestimmen, ob das Adjudikationsverfahren als beendet gelten soll, oder ob es ganz oder nur für einen Teil für die Dauer der Mediation ausgesetzt wird. Die entsprechenden Vereinbarungen müssen transparent und sorgfältig formuliert werden, denn ein Wechsel des Verfahrens könnte sich auf die Hemmung der Verjährung auswirken (§ 204 Abs.1 Nr. 4, Nr. 11 BGB). Eine solche Mediations-Klausel ist aber nicht überflüssig. Sie führt den Parteien gerade in der Krise deutlich vor Augen, dass sie jederzeit die Möglichkeit haben, wieder zu strukturierten Verhandlungen zurückzuführen, statt sich der Entscheidung eines Dritten auszuliefern. Wann ist der richtige Zeitpunkt? Die Mediation ist bei Bauprojekten zu unterschiedlichen Zeitpunkten einsetzbar: – In der Planungsphase, wenn die Parteien kontroverse Ideen über das Projekt unter Berücksichtigung der Interessen Dritter (Nach55
Stubbe, Konfliktmanagement-bedarfsgerechte Streitbeilegungsinstrumente, SchiedsVZ 2009,321
Der richtige Moment für Mediation
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3 Mediation und andere Verfahren der Streitbeilegung barn, Anlieger, Naturschutz etc.) in ein tragfähiges Konzept einarbeiten müssen, – während der Auftragsabwicklung, wenn Kommunikations- und Abstimmungsprobleme, aber auch Meinungsverschiedenheiten über den Liefer- und Leistungsumfang, die Rechte und Pflichten der Beteiligten auftreten, die das Projekt zu behindern drohen, oder – wenn der Konflikt sich bereits negativ auswirkt und die Parteien eine vorübergehende oder eine endgültige Lösung erarbeiten möchten. Dementsprechend lässt sich die Mediation auch sehr gut in andere Verfahren integrieren: – Aussetzen eines kontradiktorischen Verfahrens, damit die Parteien mit Unterstützung eines Mediators wieder lösungsorientiert verhandeln können. – Ausklammern eines Teils des Streitstoffs und Übertragen zur Mediation zur vertieften Klärung und ggf. Aufarbeitung von Fragen, die in einem streitigen Verfahren, das sich an Anspruchsgrundlagen orientiert und im Wesentlichen dazu dient, verbindlich „Schuld zuzuweisen“, keine Rolle spielen. Aber auch umgekehrt lassen sich in ein zunächst angestrengtes Mediationsverfahren Elemente anderer Verfahren einbeziehen, ohne dass das Mediationsverfahren hierzu beendet werden muss: Wenn die Parteien während eines Mediationsverfahrens beschließen, einen Sachverständigen hinzuzuziehen, kann dies eine hilfreiche Förderung des Lösungsprozesses darstellen. Adjudikation und Mediation sind sehr gut miteinander zu verbinden, wenn denn die Parteien und vor allem deren Rechtsanwälte bereit sind, dies in Erwägung zu ziehen.56
3.8.4 Adjudikation und Mediation hintereinander? Die Verfahrensordnungen schließen nicht aus, dass der Mediator einen Funktionswechsel vornehmen darf, um den Parteien als Adjudikator zu dienen. Umgekehrt ebenso wenig. Wenn die Parteien trotz des Mediationsverfahrens nicht zu einer Verhandlungslösung kommen, können sie selbst entscheiden, auf welchem Wege sie den Konflikt beenden möchten, z. B. durch Übertragen einzelner oder aller Sachentscheidungen auf einen Schiedsgutachter. Sie können das Mediationsverfahren insgesamt beenden oder möglicherweise getroffene Einigungen in Einzelfragen festhalten. 56
Jost/Neumann, Etablierung der Mediation durch die Anwaltschaft!, ZKM 2009,164; Hammacher, Rechtsanwälte: Widerstand gegen Mediation abbauen, SchiedsVZ 2008,30;
3.8 Konfliktlösung durch Adjudikation Sie können es für sinnvoll halten, ein Adjudikations- oder ein Schiedsverfahren einzuleiten. Oder die Parteien bitten, die Mediatoren, die jetzt über ein gutes Wissen über den Konflikt verfügen, für sie eine vorläufig verbindliche Entscheidung zu fällen – als Adjudikator, Schlichter oder Schiedsrichter („MedArb“) – nach zuvor von ihnen aufgestellten Kriterien oder Rahmenbedingungen. Klarer wäre es, wenn die Verfahren exakt voneinander abgetrennt würden, auch personell. Die ADR-Verfahren sollen aber die Parteien entlasten. Wenn sie jetzt statt eines ordentlichen Gerichtsverfahrens mehrere außergerichtliche Verfahren mit unterschiedlichen „Dritten“ führen sollen, die sie jedes Mal aufs Neue in den Konfliktstoff einführen müssen, wird dieses Ziel kaum erreicht werden können. Hat der Adjudikator deshalb zugleich auch die Kompetenz eines Mediators und umgekehrt, sollte dies kein Problem darstellen. Es versteht sich von selbst, dass dieser Verfahrenswechsel von den Parteien vereinbart werden muss. Der Mediator bzw. der Adjudikator sollte auch deutlich machen, wie sich dieser Rollenwechsel für die Parteien auswirkt. Ist bereits zu Beginn ein solcher Funktionswechsel wahrscheinlich, sollte dieses Thema auch schon zu Beginn des Verfahrens erörtert werden. Es können bei einem solchen Funktionswechsel ähnliche Fragen auftauchen, wie wir sie aus anderen hybriden Verfahren kennen, z. B. bei dem Übergang aus der Mediation in das Schiedsverfahren („MedArb“). Während in der Mediation Einzelgespräche, „Shuttle-Mediation“ ein sinnvoller, manchmal sogar der einzig mögliche Weg sein kann, ist diese Intervention im streitigen Verfahren kaum vorstellbar. Beim Übergang könnten die Parteien Zweifel an der Überparteilichkeit des Dritten bekommen, wenn zuvor zwischen den Parteien vertrauliche Gespräche geführt wurden. Es kann auch schwerfallen, Informationen, die man in einem vertraulichen Gespräch erhalten hat, bei der Festlegung des streitentscheidenden Sachverhaltes auszuklammern. M.E. scheidet deshalb bei für möglich gehaltenen Verfahrenswechseln die Methode des Einzelgesprächs aus.
3.8.5 Adjudikation und Mediation in demselben Verfahren? In Mediationsverfahren hat man gute Erfahrungen mit der CoMediation aus Persönlichkeiten mit unterschiedlichem Hintergrund gemacht: Ingenieur/Jurist; Frau/Mann. Ein Gespann Adjudikator/Mediator passt aber nicht in diese Reihe. Die Grundentscheidung für Adjudikation oder für Mediation bestimmt den Ablauf. Beide Verfahren lassen sich nicht zugleich durchführen. Deshalb wird auch diese Rollenverteilung nicht funktionieren. Das spricht aber keineswegs gegen Doppelbesetzungen. Auch im Adjudikationsverfahren können mehrere Personen bestimmt werden, sodass die Adjudikatoren mit verteilten Schwerpunkten den Parteien
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3 Mediation und andere Verfahren der Streitbeilegung die Aufmerksamkeit zukommen lassen können, die sie benötigen, um ihre Anliegen vorzutragen. Das Idealteam bündelt die eigenen Kräfte: So wie ein bautechnischer Fachmann für die Unterstützung durch einen Bauingenieur dankbar sein kann, mag es den Parteien zugute kommen, wenn der brillante Analytiker einen kommunikationsstarken Partner erhält, der den Parteien hilft, ihre Anliegen so zu artikulieren, dass sie von den anderen Baubeteiligten verstanden werden. Zweier-Teams haben gegenüber dem klassischen Dreigestirn in Schiedsverfahren, bei denen je eine Partei einen Schiedsrichter bestimmt und sich diese beiden ihren Vorsitzenden suchen, auch den Vorteil, dass beide Adjudikatoren von beiden Parteien bestimmt werden sollen, also im Idealfall auch das Vertrauen von beiden haben, während beim Dreier-Schiedsgericht latent immer der Verdacht mitschwingt, der von einer Partei Bestimmte unterhalte ein besonderes Verhältnis zu dieser Partei (was die Schiedsrichter natürlich stets zurückweisen). Ist nur ein Adjudikator zu bestellen, werden die Parteien bei der Auswahl zu berücksichtigen haben, ob er auch die notwendigen Soft Skills verfügt: Seine Entscheidung ist eine vorläufige. Sie muss so klug hergeleitet sein, dass die Parteien jedenfalls vorläufig mit ihr leben können, sonst ist der nächste Streit vorprogrammiert. Eine profunde Mediations-Ausbildung und die Anwendung mediativer Elemente in den Verhandlungen werden es ihm leichter machen.
3.8.6 Fazit Adjudikation und Mediation Kontradiktorische und konsensuale Streitbeilegung stehen nicht wirklich in Konkurrenz. Alles, was die Parteien einer schnellen und befriedigenden Lösung näher bringt, ist gut. Das können bilaterale Verhandlungen sein, Beweisverfahren, Adjudikation, Schlichtung, Schiedsverfahren, Mediation – oder eben eine für den Einzelfall geeignete Kombination. Die Parteien und ihre Berater sollten überlegen, was ihnen in ihrer konkreten Situation am aussichtsreichsten erscheint, um zu einer Lösung zu kommen. Sie sollten die Effektivität des Verfahrens berücksichtigen aber auch die Folgen der Verfahrenswahl für das Projekt und die künftigen Beziehungen der Parteien untereinander: Nachhaltigkeit am Bau beginnt bei den Menschen.
3.9 Konfliktlösung durch Schiedsverfahren Schiedsverfahren haben ihren festen Platz
Schiedsverfahren haben sich in Industrie und Bauwirtschaft als Alternative zum Gericht etabliert. Gegenüber der ordentlichen Gerichtsbarkeit nehmen sie für sich in Anspruch, schneller und kostengünstiger zu sein. Sofern die Baubeteiligten überhaupt für Alternativen zum Rechtsweg offen sind, nehmen sie deshalb in ihren Verträgen zurzeit eher eine Schiedsklausel auf, als eine noch immer eher unbekannte
3.10 Konfliktlösung durch ordentliche und Verwaltungsgerichte Mediationsklausel. Der leider festzustellende Hang nach interner Rückversicherung – in der Verwaltung wie bei größeren Unternehmen – führt dazu, dass die handelnden Personen mit verbindlichen Entscheidungen Dritter oftmals besser umgehen können, als mit Verhandlungsergebnissen, die sie selbst herbeiführen und rechtfertigen müssen. Vorsicht ist geboten, wenn der Vertrag von einer Partei vorformulierte Vertrag bereits eine bestimmte Person als Schiedsrichter bestimmt. Dies wird als unwirksame Klausel angesehen. Die formularmäßig ausbedungene unangemessene Einschränkung des Schiedsrichterernennungsrechts einer Partei führt aber nicht zur Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung.57 Schiedsklauseln mit Verbrauchern müssen nach § 1031 V ZPO in gesonderter Urkunde schriftlich vereinbart sein. Darauf kann sich auch der Unternehmer berufen58 – außer, wenn sich der Bauträger zunächst auf die Schiedsklausel, dann aber im Prozess sich auf ihre Unwirksamkeit beruft.59 Auf eine nähere Darlegung der verschiedenen Schiedsgerichtsordnungen muss hier verzichtet werden.60 Der Ablauf des Schiedsverfahrens ist in hohem Maße von der Persönlichkeit der Schiedsrichter sowie deren rechtlich-kulturellem Hintergrund geprägt. Ist der Schiedsrichter auch als Mediator tätig, wird er die Parteien voraussichtlich mehr ermutigen, das Verfahren für eine selbst verantwortete Lösung zu nutzen, als dies vielleicht von einem Richter oder einem „klassischen“ Rechtsanwalt zu erwarten ist.
3.10 Konfliktlösung durch ordentliche und Verwaltungsgerichte An die Gerichte denkt in Deutschland jeder Rechtssuchende zuerst. Dass sie am Ende dieses Kapitels genannt werden, bedeutet keine Wertung. Ganz im Gegenteil: Wir können uns glücklich schätzen, dass wir über eine Justiz verfügen, mit hervorragend ausgebildeten Juristen, die gut genug bezahlt und persönlich unabhängig sind, und die ein hohes Maß an öffentlicher Wertschätzung genießen. Während 57 58 59 60
BGH, Urteil vom 1. 3. 2007 – III ZR 164/06 NZBau 2007, 298 OLG Hamm, Urteil vom 28. 3. 2006 – 21 U 134/04 NZBau 2007, 311 BGH, NJW-RR 1987, 1194 Die europaweit bekannteste Schiedsgerichtsorganisation ist das Schiedsgericht der Internationalen Handelskammer, ICC, mit Sitz in Paris. Die in Deutschland wichtigste Organisation für Schiedsgerichtsbarkeit ist die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit DIS, http://www.disarb.de. Die ARGE Baurecht des Deutschen Anwaltsvereins hat die SOBau herausgegeben: www.arge-baurecht.de/rechtsuchende/sobau. Auch der Autor, Dr. Peter Hammacher, steht auf der Schiedsrichterliste von DIS und Sobau und hat Schiedsverfahren nach der DIS und ICC durchgeführt.
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3 Mediation und andere Verfahren der Streitbeilegung andere Bereiche von Staat und Gesellschaft mehr und mehr die Bürger enttäuschen, bleibt das Vertrauen in die Gerichte ungebrochen. Diese Justiz gilt es zu erhalten, nicht etwa zu privatisieren. Das gilt schon deshalb, weil eine große Zahl von Rechtsstreitigkeiten im 1.000-Euro-Bereich zu entscheiden sind. Mediatoren, Adjudikatoren oder Schiedsrichter können in diesem Bereich nicht kostendeckend arbeiten. Hier sponsert der Staat gewaltig die Konfliktlösung durch Vorhaltung seiner Gerichte, um sein Machtmonopol zu bewahren.
Die Justiz respektieren und entlasten
Zur Erhaltung der Justiz gehört aber auch, dass sie dort entlastet wird, wo sinnvolle Alternativen zur Verfügung stehen. Seit die Justiz erkannt hat, dass sie auch sparen kann, wenn sie Mediation einsetzt, werden richterliche und gerichtsnahe Mediation auch gefördert. Viele Leser dieses Buches haben bereits einschlägige Erfahrungen mit Bauprozessen gemacht, sind womöglich selbst Richter oder Anwälte. Deshalb überlassen wir die Schilderung und Analyse von Bauprozessen anderen Publikationen. Das Hauptproblem bleibt trotz einiger Anstrengungen der Justiz, die lange Verfahrensdauer. Beispiel Verfahrensdauer im OLG – Bezirk Karlsruhe:61 AG
4,1 Monate
LG 1. Instanz
7,1Monate
LG 2. Instanz /Berufung)
6,0 Monate
OLG KA – Zivilsachen ohne Familiensachen:
9,3 Monate
Dabei handelt es sich um Durchschnittswerte aller Zivilverfahren. Die Bauprozesse gehören zu den komplexesten Verfahren. Dementsprechend muss dort mit deutlich überdurchschnittlicher Verfahrensdauer gerechnet werden. Richter appellieren zur Einigung
Das Gericht ist in jeder Phase des Prozesses gehalten, auf eine Einigung der Parteien hinzuwirken. Das führt leider nicht selten dazu, dass der Richter im Gütetermin erst einmal lang und breit den Parteien erklärt, dass dieser Prozess schrecklich kompliziert sei, lange dauern und ohne einen Sachverständigen sowieso nicht zu lösen sein wird, was das Verfahren nochmals verlängern und verteuern werde. Es folgt der dringende Appell sich zu einigen und – da man ja zu diesem Zeitpunkt nicht ins Detail gehen will – der Vorschlag, dass diese Einigung bei 50/50 liegen sollte, abzüglich eines gewissen Nachlasses auf der Klägerseite, weil diese ja schließlich alles Nötige zu beweisen habe, um den Anspruch durchzusetzen. Dass eine solche Ansprache weder dem Kläger noch seinem Rechtsanwalt gefällt, die beide über viele Stunden mühsam die Klageschrift 61
www.OLG-Karlsruhe.de unter Statistik
3.11 Kosten von Streitbeilegungsverfahren im Vergleich
53
vorbereitet haben, versteht sich von selbst. Dass ein solcher Einigungsvorschlag auch der Sach- und Rechtslage nicht entspricht, weiß auch das Gericht. Aber hilflos, wie es zu diesem Zeitpunkt ist, fällt ihm auch nichts Besseres ein. Wenn sich dem Gericht nicht gerade eklatante prozessuale Versäumnisse aufdrängen (unzuständiges Gericht, falscher Beklagter) oder leicht prüfbare Einreden (Verjährung) wird es in vielen Fällen so laufen, dass die Parteien mit viel Aufwand ihre Schriftsätze nachbessern müssen und dann von dem Gericht ein Sachverständiger beauftragt wird, der die kritischen Fragen beantworten soll. Viele fragen sich dann hinterher, ob sie diese Lösung nicht auch einfacher hätten haben können – um dann trotzdem beim nächsten Mal wieder das Gericht anzurufen. Ob sich die Konfliktparteien lieber den Gerichten oder einem außergerichtlichen Konfliktlösungsverfahren anvertrauen wollen, müssen und können sie selbst entscheiden. Am Ende dieses Buches werden sie hoffentlich eine genauere Vorstellung davon haben, was sie erwartet, wenn sie andere Wege ausprobieren wollen.
3.11 Kosten von Streitbeilegungsverfahren im Vergleich Wer seinem Unternehmen, seiner Behörde, seinem Mandanten eine Entscheidungsgrundlage bieten muss, kommt an der Kostenfrage nicht herum. Das öffentliche Gerichtsverfahren kann zwei Jahre und länger dauern. Das Ergebnis kann so entmutigend ausfallen wie im folgenden Beispiel. Grund genug über alternative Konfliktlösungen nachzudenken. Beispiel Pyrrhus-Sieg: Herr A fordert 10.000,- €, Herr B verweigert die Zahlung. Herr A nimmt die Hilfe eines Rechtsanwalts in Anspruch. Der Rechtsanwalt tut, was seine Profession ist und klagt vor Gericht. Es wird eine Gerichtsgebühr fällig. Der Rechtsanwalt berechnet ein Honorar nach seiner Gebührenordnung. Da die Forderung die Grenzen des Amtsgerichts übersteigt, kommt die Sache zum Landgericht. Vor dem Landgericht herrscht Anwaltszwang. Auch Herr B muss einen Rechtsanwalt beauftragen. Auch dieser Rechtsanwalt berechnet ein Honorar nach seiner Gebührenordnung. Das Gericht verhandelt die Sache, sieht technische Fragen zu klären. Spätestens jetzt übersteigt der Aufwand für das Gericht, zwei Anwälte und den Sachverständigen die ursprüngliche Forderung von 10.000,- €. Wenn Herr A gewinnt, muss Herr B nicht 10.000,- €, sondern 20.000,-
Prozesskosten können den Streitwert übersteigen
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3 Mediation und andere Verfahren der Streitbeilegung € zahlen. Wenn Herr B gewinnt, muss Herr A 10.000,- € zahlen, anstatt 10.000,- € zu bekommen. Und wenn Herr A nur teilweise Recht bekommt oder schließlich ein Vergleich zu Halbe/Halbe zustande kommt, erhält Herr A 5.000,- €, die er eins zu eins an das Gericht, die Anwälte und den Sachverständigen weiterleiten muss, und Herr B zahlt 5.000,- € an Herrn A und weitere 5.000,- € an das Gericht, die Anwälte und den Sachverständigen. Das ernüchternde Ergebnis ist, dass Herrn A nichts bleibt und dass Herr B 10.000,- € zahlt. Bezogen auf die Ausgangsposition haben beide Parteien zu 100% verloren. Bei der Auswahl des richtigen Verfahrens sollten die Berater sich zunächst darüber Gedanken machen, wie die Parteien am Besten ihre Probleme lösen. Die Kosten der Verfahren sollten dabei nicht die vorrangige Rolle spielen. Die Kosten sind aber auch nicht völlig zu vernachlässigen, wie unten gezeigt. Das Verhältnis von Verfahrenskosten zum Streitwert wird dabei immer schlechter, je niedriger die Summe ist, um die es geht. Das gilt für alle Verfahren. Die Kostenverteilung hängt bei einem ordentlichen Verfahren davon ab, in welchem Maße eine Partei unterliegt. Dieses Kriterium wird bei deutschen Schlichtungs- und Schiedsverfahren ebenfalls oft aber nicht immer herangezogen. Bei den anderen Verfahren hängt dies wesentlich von den Bestimmungen der Parteien und dem Verlauf des Verfahrens ab. Wesentlicher für die Kostenbetrachtung sind die internen Kosten der Parteien: Die Mitarbeiter müssen über Jahre mit einer Sache befasst bleiben und sich immer wieder neu einarbeiten, statt sich um neue Aufträge zu kümmern. Hier kommt der Vorteil eines kurzen Verfahrens voll zur Geltung und wiegt möglicherweise etwas höhere Verfahrenskosten bei Weitem wieder auf.
Ist Mediation kostengünstiger gegenüber einem Gerichtsverfahren?
Die pauschale Behauptung, Mediation sei günstiger als das Gericht bedarf der differenzierten Betrachtung, je nachdem, welche Vergütungsabsprachen mit den Mediatoren und den Rechtsanwälten getroffen wurden, welche Art von Kosten man in den Vergleich einbezieht, wie viel Instanzen mit/ohne Vergleich geführt werden, wie hoch der Streitwert ist. Die Tendenz belegt, dass die Kosten der Mediation mit steigendem Wert des Streitgegenstands zunehmend wesentlich geringer sind, als die Kosten des Rechtsstreits.62
62
Ditges, Thomas, Mediation und Rechtsstreit – ein KostenEffizienzvergleich, IDR Journal of International Dispute Resolution 2005,74
3.11 Kosten von Streitbeilegungsverfahren im Vergleich
3.11.1 Kosten der ordentlichen Gerichtsverfahren Für ordentliche Verfahren gibt es Gebührenordnungen für die Kosten der Gerichte, der Sachverständigen und der Anwälte (sofern diese keine höheren Gebühren mit ihren Mandanten vereinbart haben, z. B. Abrechnung nach Stundenaufwand). Es ergeben sich zum Beispiel folgende Gerichts- und Anwaltskosten bei Zugrundelegung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) und des VergütungsVerzeichnisses (VV): Beispiel Verfahrenskosten ordentliches Gericht: Streitwert
Kosten in der 1. Instanz (Gericht, 2 RAe) 2.000,- EURO 1.086,- EURO
weitere Kosten für die 2. Instanz 1.202,- EURO
10.000,- EURO
3.453,- EURO
3.987,- EURO
100.000,- EURO
9.721,- EURO
11.365,- EURO
500.000,- EURO
26.261,- EURO
31.332,- EURO
1.000.000,- EURO
39.491,- EURO
47.076,- EURO
Bei Vernehmung von Zeugen sind diese für die ausgefallene Zeit zu entschädigen. Werden Sachverständige eingeschaltet, sind auch deren Leistungen zu bezahlen. Deren Stundensätze werden zwar durch das ZSEG auf relativ niedrigem Niveau fixiert, in der Praxis jedoch oft durch Parteivereinbarung erhöht, wenn die Parteien auf das Knowhow eines bestimmten Sachverständigen Wert legen. Je nach Komplexität können dabei erhebliche Stundenvolumina anfallen. Die Kosten erhöhen sich weiter, wenn z. B. Laboruntersuchungen etc. vorgenommen werden müssen. Wird ein Vergleich abgeschlossen, reduzieren sich zwar die Gerichtskosten, denn die Richter müssen kein Urteil schreiben. Dafür erhöhen sich die Gebühren der Anwälte um eine Vergleichsgebühr, sodass der Vergleich für die Parteien in der Regel nicht günstiger wird als ein Urteil.
3.11.2 Kosten der Schlichtungsverfahren Die Kosten für Schlichtungsverfahren variieren je nachdem, welche Schlichtungsordnungen Anwendung findet.
55
56
3 Mediation und andere Verfahren der Streitbeilegung Beispiel Schlichtung IHK Karlsruhe63: bis 25.000 EURO
150 EUR/Std.
bis 100.000 EURO
175 EUR/Std.
über 100.000 EURO
200 EUR/Std.
Zum Vergleich: Schlichtungen nach dem Schlichtungsgesetz BadenWürttemberg für vermögensrechtliche Streitigkeiten unter 1.500 EUR und Nachbarschaftsstreitigkeiten werden pauschal für das komplette Verfahren einschließlich Portoauslagen des Schlichters mit nur 80 EUR vergütet, bzw. mit großzügigen 130 EUR, wenn eine Einigung zustande gekommen ist.64
3.11.3 Kosten der Schiedsgerichtsverfahren Die Kosten eines Schiedsverfahrens sind stark davon abhängig, ob nur ein oder drei Schiedsrichter bestimmt werden und ob bzw. welche Schiedsgerichtsordnung Anwendung findet. Beispiel Verfahrenskosten Schiedsgericht: DIS (3 Richter) 65
ICC (3 Richter66 (Mittelwert)
2.000,- EURO
3.871 EURO
4.308 EUR
10.000,- EURO
6.346 EURO
8.616 EUR
100.000,- EURO
16.095 EURO
30.094 EUR
500.000,- EURO
44.495 EURO
79.901 EUR
1.000.000,- EURO
70.095 EURO
121.274 EUR
Streitwert
3.11.4 Kosten der Mediationsverfahren Die Kosten eines erfolgreichen Mediationsverfahrens liegen nach allen Untersuchungen mit Abstand unter denen, die ein Schieds- oder Gerichtsverfahren, verursacht. Dies gilt insbesondere für Gerichtsverfahren, die über zwei Instanzen geführt werden.
63
64 65 66
http://www.karlsruhe.ihk.de/produktmarken/recht/schlichtungundschiedsgericht/Schlichtungsstelle.jsp Schlichtungsgesetz -SchlG BW vom 28.06.2000, § 15 Gebührenrechner, www.dis-arb.de Gebührenrechner ICC http://www.iccwbo.org/court/arbitration/id4097/index.html
3.11 Kosten von Streitbeilegungsverfahren im Vergleich Auch der Mediator arbeitet nicht umsonst. Meistens vereinbaren die Parteien mit ihm ein Honorar auf Stundenbasis. Nach Angaben der ARGE Baurecht liegen die Honorare für baujuristische Beratungen im Schnitt um EUR 250,- pro Stunde zzgl. MwSt. Da die Stundenverrechnungssätze von Architekten, Ingenieuren, Sachverständigen auch sonst niedriger liegen, können auch deren Honorare als Mediatoren unter denen der Anwälte liegen. Die deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) sieht ein Honorar von EUR 300,- pro Stunde zzgl. MwSt. vor. Dieser Satz wird auch für Adjudikatoren nach der DIS-Adjudikationsordnung vereinbart. Selbst wenn also eine Kurz-Mediation ausreichen sollte, um den Konflikt zu klären, wird deutlich, dass die Mediation von Streitigkeiten mit niedrigen Streitwerten im Baubereich unter reinen KostenGesichtspunkten nicht sinnvoll ist. Es mag aber andere gute Gründe geben, warum sich die Parteien entscheiden, diese Themen im geschützten Raum zu besprechen und zu regeln, auch wenn das vielleicht teurer wird.
Quelle: Gesellschaft für Wirtschaftsmediation und Konfliktmanagement e.V.
57 Mediation ist Arbeit
59
4 Mediation in förmlichen Verwaltungsverfahren der Raumordnung, Bauleitplanung und Planfeststellung Mediation im Bereich der Raumordnung und Planfeststellung wird zusammen mit der Umweltmediation auch als „Mediation im öffentlichen Bereich“ bezeichnet.67 Charakteristisch für diese Verfahren ist die große Anzahl von Parteien, die beteiligt werden müssen. Diese kann bei 25 Personen, aber auch bei bis zu 100 Personen liegen (z. B. Großmediationen im Zusammenhang mit dem Ausbau von Flughäfen.68 Die Grenzen zur „bloßen“ Moderation von Bürgerbeteiligungen im Vorfeld sind dabei sicherlich fließend, denn eine massenhafte Interessenerkundung und ein Aushandeln wird nicht in der gleichen Tiefe stattfinden können wie bei einem kleinen Kreis von Streitpartnern.
Mediation ersetzt keine politischen Entscheidungen
Die meisten dieser Verfahren wurden zur Vorbereitung der Entscheidung hierfür berufener Organe durchgeführt; sie endeten überwiegend mit einer Empfehlung, in einigen Fällen auch im Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages. Die Ergebnisse wurden ganz oder zum großen Teil (87 %) in die anstehenden politisch-administrativen Beschlüsse aufgenommen und auch umgesetzt.69 Die Zunahme der Verfahren und ihr Einfluss auf die administrativen Entscheidungen zeigen, dass die ursprünglichen Bedenken gegen den Einsatz der Mediation in Verwaltungsverfahren zurückgegangen sind. Einigkeit besteht wohl darin, dass Mediation in Planungsverfahren zulässig ist. BauGB § 4b bestimmt ausdrücklich, dass die Gemeinde insbesondere zur Beschleunigung des Bauleitplanverfahrens die Vorbereitung und Durchführung von Verfahrensschritten nach den BauGB §§ 2a bis 4a einem Dritten übertragen kann. Das Mediationsverfahren entscheidet nicht. Dies ist den hierzu legitimierten Organen vorbehalten. Die durch das Mediationsverfahren gewonnenen Erkenntnisse können deshalb sehr wohl in die Entscheidungen einfließen, sie können sie jedoch nicht ersetzen. Ist es gelungen – möglichst alle relevanten Gruppen zu beteiligen, – eine hohe Akzeptanz bei den Betroffenen zu schaffen, – die Medien in angemessener Weise einzubeziehen,
67 68
69
Troja/Meurer, S. 219, 224 mwN. bekanntestes Beispiel, der Ausbau des Wiener Flughafens: www.viemediation.at Troja/Meurer, S. 222
P. Hammacher et al. So funktioniert Mediation im Planen + Bauen, DOI 10.1007/978-3-8348-8124-3_4, © Vieweg+Teubner Verlag |Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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4 Mediation in förmlichen Verwaltungsverfahren – den gesetzlichen und ökonomischen Rahmen nicht zu verlassen, und – das Verfahren mit einer nachvollziehbaren Empfehlung abzuschließen, ist zu erwarten, dass sich die Entscheidungsorgane auch an die Empfehlungen aus der Mediation halten werden. Mediation im öffentlichen Bereich ist aber nicht nur bei Großprojekten zielführend, sondern unterstützt die Politik sowie die Verwaltung bei Stadtentwicklungsvorhaben, bei denen Interessengegensätze bestehen.
4.1 Interessengegensätze bei städtebaulichen Planvorhaben auf kommunaler Ebene 4.1 Interessengegensätze bei städtebaulichen Planvorhaben
Schriftliche Abwägung der Einwände verschärft Konfliktsituationen
Entstehende Konfliktsituationen sind frühzeitig zu erkennen
In der Stadtplanung ist der Umgang mit Interessengegensätzen an der Tagesordnung. So ist es Aufgabe der Kommune, im Zuge von planungsrechtlichen Verfahren die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.70 Die Verwaltung, d. h. die Mitarbeiter des Stadtplanungsamtes, erstellen die Grundlagen für eine gerechte Abwägung. Hierzu gehören z. B. Gutachten, Meinungen der Öffentlichkeit durch Beteiligungsverfahren einholen, Stellungnahmen der Behörden anfordern etc. Wie dieser Prozess in der Praxis aussieht, wird am Beispiel eines geplanten Einkaufszentrums veranschaulicht. Beispiel Planverfahren Einkaufszentrum: In der Stadt A wird durch ein beauftragtes Marktforschungsgutachten ein Defizit an Geschäften für die Versorgung des täglichen Bedarfs festgestellt. Die politischen Gremien beschließen einstimmig, diesen Mangel durch die Ansiedlung eines Einkaufszentrums auf ein städtisches Grundstück am Stadtrand zu beheben. Die Politik ist sich einig: „Die derzeit von der Nachbarkommune abgeschöpfte Kaufkraft holen wir in unsere Stadt zurück. Außerdem können die Löcher im Finanzhaushalt mit dem Erlös aus dem Grundstücksverkauf gestopft werden, denn die Bodenpreise für die Ansiedlung von Einkaufsmärkten sind saftig.“ So eine Situation hat es in der Stadt A bisher selten gegeben – Regierungs- und Oppositions-Parteien waren sich einig! Nun ist es Aufgabe der Verwaltung Gespräche mit Investoren und Betreibern zu führen. Nach wenigen Monaten werden die ersten Verträge geschlossen – der Deal scheint perfekt: Die Vorentwürfe zeigen das geplante Einkaufzentrum, zusätzlich er70
BauGB, § 1 Abs. 7
4.1 Interessengegensätze bei städtebaulichen Planvorhaben
61
forderliche Straßenbaumaßnahmen sollen vom Vorhabenträger finanziert werden. Der erzielte Grundstückspreis übertrifft die Erwartungen der Stadt A. Nun muss für das Projekt nur noch ein Bebauungsplanverfahren durchgeführt werden. Bis hier würde das Projekt hinter verschlossenen Türen verhandelt. Die Beteiligung der Öffentlichkeit, Nachbarkommunen und Behörden lassen jedoch noch einige Stolpersteine erkennen. 71 Nachbarkommune: „Der Einkaufsmarkt gefährdet unsere Nahversorgung. Wir werden mit allen uns zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln die Ansiedlung verhindern.“ Einzelhändler der Stadt A: „Der Einkaufsmarkt am Stadtrand führt zur Verödung der Innenstadt und gefährdet die Existenz der Geschäftsinhaber. Kein Einkaufszentrum auf der grünen Wiese!“ Naturschutzbehörden: „Die Flächenversiegelung wirkt sich negativ auf den Klimahaushalt aus und vernichtet den Lebensraum von geschützten Arten.“ Landwirte: „Fruchtbare Böden werden der Landwirtschaft entzogen. Die Existenz des Ortslandwirtes ist gefährdet.“ Angrenzende Bewohner: „Die mit dem zusätzlichen Verkehrsaufkommen verbundenen Lärm- und Schadstoffimmissionen beeinträchtigen die Wohnsituation und führen zu Wertminderungen der Immobilien.“ Bürger aus den Stadtteilen der Stadt A: „Das Einkaufszentrum ist nur mit dem PKW zu erreichen. Die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs der älteren Bürger in den Stadtteilen ist gefährdet. Statt des geplanten Großmarktes sollen kleine Märkte in den Stadtteilen errichtet werden.“ Der Projektleiter im Stadtplanungsamt der Stadt A kann die unterschiedlich vorliegenden Positionen sehr gut nachvollziehen. Er persönlich steht dem geplanten Vorhaben auch sehr kritisch gegenüber. Doch hat er den politischen Auftrag, die planungsrechtliche Grundlage für die Ansiedlung des Einkaufsmarktes zu erstellen. Außerdem ist der Bedarf in einem Gutachten nachgewiesen worden. Die Versorgung der Bevölkerung ist schließlich ein öffentliches Interesse, dem die Kommune Rechnung tragen muss. Dieses öffentliche Interesse ist wohl höherrangig einzustufen als der Lebensraum einiger Arten oder das Interesse Einzelner hinsichtlich der Wohnruhe, denn die gesetzlich vorgegebenen Orientierungswerte werden eingehalten. Die Bedenken der Nachbarkommune werden nicht sonderlich ernst
71
Ilse Erzigkeit, Prozessbegleitende Mediation bei der Ansiedlung eines Einkaufszentrums, in: Spektrum der Mediation Nr. 21
Der Spagat im Verwaltungshandeln
62
4 Mediation in förmlichen Verwaltungsverfahren genommen. Aus dieser Richtung kommen zu geplanten Bauvorhaben immer negative Stellungnahmen. Die schriftlich vorliegenden Bedenken werden vom Projektleiter im Sinne des BauGB 72 gerecht abgewogen. Die politischen Gremien der Stadt A stimmen den vom Projektleiter vorgeschlagenen Abwägungsergebnissen zu. Die Planung des vorgesehenen Einkaufszentrums wird mit geringen Modifizierungen nach den gesetzlichen Vorgaben erneut öffentlich ausgelegt. Die Bürger und die ortsansässigen Einzelhändler sind erbost. Sie fühlen sich nicht erst genommen und schließen sich zu einer Bürgerinitiative zusammen. Die Nachbarkommune beauftragt Gegengutachten und informiert die Presse. In der lokalen Presse beginnt ein Schlagabtausch, auch die Naturschützer schalten sich ein. Die Eskalation nimmt ihren Anfang – am Ende der Prozedur verweigert die Genehmigungsbehörde ihre Zustimmung. Die Gegengutachten der Nachbarkommune spielen wohl das Zünglein an der Waage für die Entscheidung der Behörde. Dumm gelaufen, kann man dazu nur sagen. Am Beispiel dieses Projektverlaufes wird im Folgenden der Spagat des kommunalen Stadtplanungsamtes in Anbetracht der Aufgabe Interessenausgleich herzustellen veranschaulicht und gezeigt, wie Mediation den Interessenausgleich zum Wohle aller Beteiligter unterstützen kann.
4.2 Stadtplanung im Spannungsfeld von unterschiedlichen Interessenlagen Die in 4.1 beschriebenen unterschiedlichen Interessenlagen sind bei komplexen städtebaulichen Planvorhaben meistens anzutreffen. Auch das Eigeninteresse der Kommune, durch finanzielle Unterstützung des Investors die Infrastruktur zu verbessern bzw. Gewinne durch Grundstücksverkäufe zu erzielen, ist gängige Praxis. Gerechte Interessenabwägung ist Aufgabe der Verwaltung
Für den Projektleiter des Stadtplanungsamtes ist es eine äußerst schwierige Aufgabe, alle Interessen gerecht abzuwägen, denn schließlich hat er den politischen Auftrag, dafür zu sorgen, dass die Interessen der Stadt ausreichend Beachtung finden. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf ist es nun seine Aufgabe, die sonstigen Interessen wertfrei unter Berücksichtigung der Rechtslage einer Beurteilung zu unterziehen. Es ist der Auftrag der Stadtplaner, die Entscheidungen für die politischen Gremien vorzubereiten, ob Einwände berücksichtigt oder im Zuge der Abwägung zurückgewiesen werden. Die bereits konkretisierten Planungsabsichten lassen meistens wenig Spielraum, um die 72
BauGB, § 1 Abs. 7
4.3 Mediation als Instrument zum Interessenausgleich
63
artikulierten Bedenken durch Planänderungen zu beachten. Auch wird es dem Stadtplaner schwerfallen, mit den Einwendern kreative Lösungswege zu suchen, denn er hat einen politischen Auftrag „im Nacken“. Wegen eigener ökonomischer und politischer Interessen wird die Verwaltung von den Betroffenen in einem Beziehungs- und Interessengeflecht wahrgenommen, das zu Misstrauen in der Öffentlichkeit und auch bei Verbänden führt. Bereits Anfang der siebziger Jahre haben soziologische Untersuchungen nachgewiesen, dass die Annahme einer objektiven Interessenabwägung durch die Verwaltung nicht aufrecht erhalten werden kann, weil die eigenen und politischen Interessen auf Planungen und Entscheidungen einen nachhaltigen Einfluss ausüben.73 Betrachtet man den Planfall aus der Brille des abwägenden Stadtplaners, so scheint es seine Aufgabe zu sein, Argumente zu finden, die den Bedarf eines Einkaufsmarktes begründen und demgegenüber die Einwendungen als unbedeutend darstellen. Ist es verwunderlich, dass die Betroffenen sich nicht ernst genommen fühlen und auf die Barrikaden gehen? Die Argumente der Stadt können sie absolut nicht verstehen. Die Angst vor Lärmbelästigungen, Geschäftsschließungen in der Innenstadt, mangelnde Versorgung in den Stadtteilen etc. blockiert jegliches Verständnis für das Projekt.
Kann die Verwaltung objektive Interessenabwägungen durchführen?
4.3 Mediation als Instrument zum Interessenausgleich in der Stadtplanung 4.3 Mediation als Instrument zum Interessenausgleich
Bei Stadtplanungsprozessen ist das Mediationsverfahren als Präventivmaßnahme und zur Konfliktbearbeitung einsetzbar. Bei komplexen Vorhaben, z. B. Industrieansiedlung oder Einkaufszentren, sind die unterschiedlichen Interessenlagen meistens schon im Vorfeld zu erkennen. Die Durchführung eines Mediationsverfahrens im Zuge der Vorplanungen und insbesondere vor einem offiziellen Planverfahren verhindert die Entstehung von verhärteten Konfliktsituationen. Sind die Interessengegensätze erst im frühzeitigen Beteiligungsverfahren zu erkennen, kann das Mediationsverfahren die aufgezeigten Probleme mit den Beteiligten einer Lösung zuführen, bevor eine verhärtete Konfliktsituation entsteht. Haben sich die Positionen bereits verhärtet, ist Mediation ein geeignetes Verfahren zur selbstverantwortlichen und nachhaltigen Konfliktlösung.
73
Dienel, Peter, Partizipation an Planungsprozessen als Aufgabe der Verwaltung, in: Die Verwaltung 4, H. 2
Konfliktsituationen sind vorhersehbar
64
4 Mediation in förmlichen Verwaltungsverfahren
4.3.1 Mediation als Präventivmaßnahme Mediation vor dem offiziellen Planverfahren
Sind durch städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen Interessengegensätze zu erwarten, liegt es auf der Hand, mit den vom Projekt Betroffenen vor dem offiziellen Planverfahren zu kommunizieren. Das Verhandeln nach den Prinzipien und Strukturen der Mediation unter Anleitung und Hilfestellung eines Mediators ermöglicht frühzeitig eine neue Qualität des Umgangs und Miteinanders anstelle des bisherigen Gegeneinander. Durch die direkte Kommunikation können sich die Beteiligten auch hinsichtlich der wechselseitigen Vorurteile, wie z. B. das profitorientierte Handeln des Vorhabenträgers, die ideologische Verblendung der Umweltverbände, die Engstirnigkeit der Verwaltung oder die nach dem „St. Florians-Prinzip“74 handelnde Bürgerinitiative, unmittelbar auseinandersetzen. Da in dieser frühzeitigen Planungsphase noch keine verhärteten Konfliktsituationen zwischen den Betroffenen entstanden sind, kann die Verhandlung in einer entspannten Atmosphäre geführt werden. In diesem Verhandlungsklima kann der Austausch von fachlichen, persönlichen und politischen Informationen erfolgen, die wiederum Grundlage für transparente Entscheidungsprozesse sind. Vorhabenträger, Politiker sowie die Verwaltung erhalten mit dem Mediationsverfahren die Gelegenheit, sich in einem strukturierten, transparenten Verfahren mit allen Betroffenen über das Vorhaben auseinanderzusetzen. Sie können gemeinsam Lösungen erarbeiten, die hohe Akzeptanz genießt und dem Vorhabenträger bereits in einem frühen Stadium Planungssicherheit gibt. Die Kenntnis der Beweggründe und die wahren Interessenlagen ermöglichen dem Vorhabenträger eine Optimierung der Planung sowie die Vorbereitung der Planunterlagen für die zu entscheidenden Behörden. Er kann dadurch den grundsätzlich erst im Beteiligungsverfahren vorgetragenen Einwänden gegen die Planungen vorgreifen, wenn er die Planungen nach dem Ergebnis des Mediationsverfahrens aufbereitet.
Planungsrechtliche Verfahren ohne wesentliche Einwendungen
Die Durchführung eines Mediationsverfahrens vor dem offiziellen Planverfahren bedeutet zwar einen zusätzlichen Kosten- und Zeitaufwand, jedoch können aufgrund der umfassenden Interessenklärungen im Vorfeld Neu- und Umplanungen des Projektes vermieden werden. Außerdem steigen mit der Durchführung eines Mediationsverfahrens die Realisierungschancen und die Akzeptanz des Projektes.75 Beteiligung kann nur dann zu einer Integration der Interessen führen, wenn sie so frühzeitig einsetzt, dass der Entscheidungsprozess noch offen
74
75
Antje Kanngießer, Mediation zur Konfliktlösung bei Planfeststellungsverfahren, S. 58 ebenda, S. 34
4.3 Mediation als Instrument zum Interessenausgleich ist in Bezug auf das Ergebnis oder doch zu wesentlichen Aspekten noch Optionen und Alternativen möglich sind.76 Wann wäre denn nun in dem Planfall (4.1) der richtige Zeitpunkt, um über die Einschaltung eines externen Mediators nachzudenken? Denn schließlich waren sich hier im Vorfeld Politik, Verwaltung und Investor einig – und genau hier findet der Mediationsgedanke seinen Platz. Vor Einleitung des planungsrechtlichen Verfahrens kann die Verwaltung meistens aus den Erfahrungen mit Stadtentwicklungsprozessen die zu erwartenden Interessengegensätze erkennen, indem potenzielle Konfliktthemen definiert werden. Mit dem geplanten Einkaufszentrum sind insbesondere die Themen Kaufkraftabzug aus umliegenden Geschäftslagen, erhöhte Immissionen durch Verkehr und Flächenversiegelung verbunden. Die potenziellen Konfliktthemen weisen den Weg zu den Betroffenen. Der Betroffenenkreis ist ein wesentliches Erkennungsmerkmal für die Verwaltung, ob hier eine Konfliktsituation im Zuge des planungsrechtlichen Verfahrens zu erwarten ist. Das dargelegte Planbeispiel ist ein klassischer Fall für Mediation als Präventivmaßnahme, zumal gerade geplanten Einkaufszentren häufig durch Bürgerbegehren oder rechtliches Vorgehen der Nachbarkommunen in der Planungsphase stecken bleiben. In der Stadtentwicklung ist ein Mediationsverfahren als Präventivmaßnahme zu empfehlen, wenn Interessengegensätze zu erwarten sind, z. B.: – Landwirtschaftliche Nutzungen bestehen – Seltene Tierarten beheimatet sind – Hochwertiger Gehölzbestand existiert – Klimatische Auswirkungen zu erwarten sind – Immissionen erhöht werden – Verkehr zunimmt – Angrenzende Nachbarn zusätzlich belastet werden – Gebäudehöhen sich von der Umgebung erheblich unterscheidet
4.3.2 Mediation zur Problembearbeitung Bei Stadtentwicklungsprozessen sind die ersten Anzeichen aufkeimender Konflikte im frühzeitigen Beteiligungsverfahren zu erkennen. Bis zu diesem Zeitpunkt sind schon Vorverhandlungen durchgeführt worden und meistens liegen auch Verträge zwischen der Kommune und den Investoren vor. Die Erwartungen und Vorstellungen der Investoren haben sich verfestigt, sozusagen sind bereits unverrückbare Eckpfeiler für das Projekt gesetzt worden. Der Planungsstand wird der Öffentlichkeit und den zuständigen Behörden vorgestellt, der bis zu 76
Horst Zilleßen (Hrsg.), Mediation – Kooperatives Konfliktmanagement in der Politik, S. 61
65
66
4 Mediation in förmlichen Verwaltungsverfahren dem Zeitpunkt abgelaufene Planungsprozess jedoch bleibt im Verborgenen. Werden in der frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit sowie der Behörden divergierende Positionen deutlich, kann die Durchführung eines Mediationsverfahrens zur Problembehebung und somit zum Ausgleich der Interessen beitragen.
Verwaltung wird nicht als neutrale Instanz wahrgenommen
Da die Verwaltung wegen eigener ökonomischer und politischer Interessen von den Einwendern und Betroffenen in einem Beziehungsund Interessengeflecht mit dem Investor wahrgenommen wird, drängt sich der Einsatz eines Mediators als neutraler Dritter zur Verhandlungsleitung und -unterstützung geradezu auf. Der Einsatz eines neutralen Dritten gewährleistet, dass das Verfahren fair und ohne Bevorzugung bestimmter Interessenvertreter durchgeführt wird und verhindert den in der Praxis häufig thematisierten Vorwurf der Befangenheit der Verwaltung, weil sie eine gleichberechtigte Verhandlungsposition unter den anderen Verhandlungsteilnehmern einnimmt. Die transparente, an der Konfliktlösung orientierte Beteiligung der Betroffenen zu diesem frühzeitigen Termin versetzt die Betroffenen in die Lage, ihre häufig im üblichen Anhörungsverfahren unterlegene fachliche Kompetenz zu verbessern, rechtliche und technische Vorgaben nachzuvollziehen und ihre Vorstellungen vorzubringen. In der Entscheidungsfindung kann eine übergreifende umfassende Konfliktlösung angestrebt werden und nicht wie bei den gesetzlichen Verfahren gesplittert nach den Sachgebieten (z. B. Verkehr, Klima, Lärm). Das Ergebnis der Mediation kann dann in die Planungen einfließen, die Bestandteil des weiteren Planverfahrens (Bebauungsplan) werden. Ist in der Mediation ein Interessenausgleich hergestellt worden, ist das weitere Bebauungsplanverfahren von essenziellen Einwänden der Betroffenen befreit.
Mediation verlangt einen Verhandlungsrahmen
Ein wesentliches Prinzip der Mediation ist die Offenheit der Entscheidungen. Da zum Zeitpunkt der frühzeitigen Beteiligung meistens schon Rahmenbedingungen des Projektes formuliert sind, ist die Möglichkeit für eine „Nulllösung“ nicht immer realistisch. Es gibt sehr häufig gesetzliche, politische und planerische Vorgaben, die eine solche Offenheit einengen und eine reine Win-win-Lösung unterbinden. Gesetzliche Minimalstandards dürfen nicht unterschritten werden. Es ist aber durchaus möglich, dass in Verhandlungen Lösungen vereinbart werden, die über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinausgehen. Es müssen jedoch erhebliche Inhalte und Teilergebnisse der anstehenden Entscheidung noch verhandelbar sein, damit für die Teilnehmer ein Anreiz besteht, an den Verhandlungstisch zu gehen.77
77
Horst Zilleßen (Hrsg.), Mediation – Kooperatives Konfliktmanagement in der Politik, S. 31
4.3 Mediation als Instrument zum Interessenausgleich
67
Bei Stuttgart 2178 ist der richtige Zeitpunkt für eine Mediation verpasst worden, unumkehrbare Entscheidungen lassen keinen Verhandlungsspielraum erkennen. Die Genehmigungen liegen vor, Aufträge sind bereits vergeben. Worüber soll noch verhandelt werden? Hier kann in einem Dialogverfahren nur noch versucht werden, Transparenz herzustellen und Wege für einen politischen Frieden zu finden. Beispiel Mediation Einkaufszentrum: Was wäre wohl aus dem Einkaufszentrum geworden, wenn nach der frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit ein Mediationsverfahren eingeleitet worden wäre? Folgendes könnte geschehen sein: Nach dieser Veranstaltung haben sich der Investor und der Bürgermeister der Kommune in Abstimmung mit den politischen Gremien entschlossen, dass der weitere Planungsprozess durch einen Mediator begleitet werden sollte. Der Bürgermeister wollte kurz vor den bevorstehenden Kommunalwahlen die Veröffentlichung negativer Presseberichte im Zusammenhang mit dem geplanten Einkaufszentrum und dem damit verbundenen Grundstücksverkauf der Stadt an den Investor möglichst vermeiden. Nach der Auftragsklärung und der Problemanalyse werden vom Mediator die Teilnehmer des Mediationsverfahrens vorgeschlagen und zwar folgende: – Vertreter der Stadt A – Vertreter der Nachbarkommune – Vertreter der innerstädtischen Geschäftslagen – Vertreter des angrenzenden Wohngebietes – Vertreter der Naturschutzbehörden – Ortsbeiratsvorsitzende der vier Stadtteile – Ortslandwirt – Investor
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Stuttgart 21 ist ein im Bau befindliches Verkehrs- und Städtebauprojekt zur Neuordnung des Eisenbahnknotens Stuttgart. Kernstück ist die Umwandlung des Stuttgarter Hauptbahnhofs in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof. Die Zulaufstrecken werden in Tunnel verlegt und die freiwerdenden Gleisflächen der Stadtentwicklung zur Verfügung gestellt. Das Projekt ist seit Jahren umstritten. Am Protest gegen Stuttgart 21 beteiligten sich zehntausende Bürger.
Mediation nach frühzeitiger Öffentlichkeitsbeteiligung
68 Lösungen in der Mediation entsprechen den Interessen der Beteiligten
4 Mediation in förmlichen Verwaltungsverfahren Beispiel Mediation Einkaufszentrum (Fortsetzung): Die Mediationsrunde einigt sich auf die Verhandlung folgender Themen: – Kaufkraftbindung in der Stadt A – Sicherung der Nahversorgung in der Nachbarkommune – Belebung des Zentrums der Stadt A – Sicherung der Existenz der innerstädtischen Einzelhandels der Stadt A – Lebensraum geschützter Tierarten – Sicherung der Existenz des Ortslandwirtes – Sicherung der gesunden Wohnverhältnisse Die neutral formulierten Themen werden unter Leitung des Mediators sachlich diskutiert. Als Ergebnis könnten folgende Vereinbarungen getroffen werden: – Die Sortimente im Einkaufzentrum werden zum Schutz der Innenstadt und der Nachbarkommune festgelegt. – Der Investor engagiert sich in der Nachbarkommune mit einem Einzelhandelsprojekt. – Der Investor unterstützt Aktionen zur Belebung der Innenstadt mit einer Summe X. – Die vorhandenen geschützten Tierarten werden auf angrenzenden Flächen umgesiedelt. – Der Ortslandwirt reduziert seinen Betrieb zu einer Nebenerwerbsstelle und erhält einen Teilzeitvertrag auf dem Bauhof der Stadt A. – Zwischen der Wohnnutzung und den Zufahrten werden Lärmschutzmaßnahmen vorgesehen. – Für das direkt angrenzende Wohnhaus wird eine Summe X für Umbaumaßnahmen bereitgestellt. – Die Umsetzung der Ergebnisse wird vertraglich gesichert, natürlich vorbehaltlich der zu erteilenden Baugenehmigung. Die Lösungen in einem Mediationsverfahren sind oft sehr pragmatisch, zugeschnitten auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Betroffenen. Denn hinter den vorgetragenen Einwendungen stehen oft Bedürfnisse, die erst in einem entspannten Gespräch klar formuliert werden können. Mit Unterstützung des neutralen Mediators werden teilweise unkonventionelle Lösungsansätze herausgearbeitet, die den Interessen aller Beteiligten gerecht werden. Gemeinsam werden Ideen entwickelt, die im herkömmlichen, von der Verwaltung durchgeführten Abwägungsprozess nicht zutage kommen können.
4.3 Mediation als Instrument zum Interessenausgleich
69
4.3.3 Mediation zur Konfliktbearbeitung Sind die Anzeichen aufkeimender Konflikte in der frühzeitigen Beteiligungsphase des Bebauungsplanverfahrens nicht erkannt worden, werden sie im Rahmen der öffentlichen Auslegung der Planungen durch umfangreiche Stellungnahmen der Betroffenen deutlich. Seitenlange Schriftsätze von Anwälten, Drohungen der Bürgerinitiative mit einem Bürgerbegehren, zahlreiche Eingaben mit ausführlich formulierten Bedenken sind keine Seltenheit. Nach den gesetzlichen Vorgaben entscheiden die politischen Gremien über die schriftlich vorliegenden Einwendungen. Die Entscheidungsgrundlage wird von der Verwaltung schriftlich vorbereitet. Mit der politischen Entscheidung über die vorliegenden Einwendungen ist die Basis für die Rechtskraft der Planung und somit die Zulässigkeit des geplanten Bauvorhabens gegeben. Vonseiten des Investors, für den die Zeit meisten drängt, ist auf den ersten Blick die politische Entscheidung der schnellste Weg zu der Baugenehmigung und somit zur Verwirklichung des Projektes. Wenn die Betroffenen den gerichtlichen Weg nicht beschreiten, kann er sicherlich kurzfristig die Baugenehmigung erhalten. Wird der juristische Pfad eingeschlagen, können bis zur Entscheidung einige Jahre ins Land gehen.
Mediation unterstützt zeitnahe Konfliktlösung
Entscheiden sich der Investor und die Kommune für Verhandlungen mit den Betroffenen, ist aufgrund der Konfliktsituation zu diesem Zeitpunkt der Einsatz eines neutralen Dritten zu empfehlen bzw. nach dem Modell der Eskalationsstufen von Friedrich Glasl79 dringend geboten. Es ist davon auszugehen, dass bei kontrovers diskutierten Bauvorhaben nach der öffentlichen Planauslegung die Eskalationsstufen 5 (Gesichtsverlust), 6 (Drohstrategien) bzw. sogar 7 (begrenzte Vernichtungsschläge) erreicht sind.80 Auch wenn die Konfliktparteien gut geschulte Konfliktbegleiter sind, ist jegliches Verhandeln ohne einen neutralen Dritten wegen der von den Gegnern zumeist direkt unterstellten Interessenverstrickung problematisch. Im Rahmen der Konfliktanalyse ist zu untersuchen, ob ein Interessenausgleich aufgrund der öffentlich bereits diskutierten und festgelegten Positionen der Konfliktparteien zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch möglich ist. Die Herausarbeitung des Entscheidungsspielraumes auf der Seite der Verwaltung ist hier von wesentlicher Bedeutung.
79 80
Glasl, Friedrich, Selbsthilfe in Konflikten, S. 115 ebenda
Ist Mediation die richtige Methode?
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4 Mediation in förmlichen Verwaltungsverfahren
4.4 Auswahl der Teilnehmer an der Mediation Ist der Konflikt bereits eskaliert, sind die Konfliktparteien nach einer Konfliktanalyse meistens eindeutig zu bestimmen. Für die Durchführung des Verfahrens ist besonders wichtig, dass die Repräsentanten der Konfliktparteien entscheidungsbefugt sind. Die Rückkoppelung zu den Gruppen, insbesondere bei Bürgerinitiativen ist für den Erfolg des Verfahrens von wesentlicher Bedeutung. Hat sich die Konfliktsituation noch nicht eindeutig herauskristallisiert, ist aufgrund der Erfahrungen mit ähnlichen Projekten und der städtebaulichen Situation der Kreis der Betroffenen festzulegen. Relevante Interessengruppen an einem Tisch
Sind die Interessengruppen nicht eindeutig zu definieren, besteht die Möglichkeit, alle Institutionen und Organisationen, deren Interessen durch das Verfahren berührt werden, einzubeziehen. Hierbei ist jedoch die Überschaubarkeit des Teilnehmerkreises zu berücksichtigen. Maßgeblich für ein erfolgreiches Mediationsverfahren ist es nicht, möglichst viele Personen an den Verhandlungstisch zu holen, sondern sicherzustellen, dass sämtliche relevanten Interessen repräsentiert werden. Da ein Mediationsverfahren im Rahmen von planungsrechtlichen Verfahren als Vorbereitung für politische Entscheidungen dient, sind die Rollen der Verwaltung und der politischen Parteien zu definieren. Der Auftrag der Verwaltung ist einerseits durch das Gesetz im Sinne hoheitlicher Distanz geregelt. Es ist aber andererseits offensichtlich, dass die Verwaltung sich nicht im sterilen Raum der reinen Gesetzeserfüllung bewegt, sondern ebenso politische Aufträge erfüllt, bei denen sie politisch wertorientiert und damit parteiisch agiert.
Mediation als Grundlage zur Entscheidungsfindung
Wird die Mediation zur Entscheidungsfindung im Rahmen eines planungsrechtlichen Verfahrens durchgeführt, dürfen sich die demokratisch legitimierten und rechtlich zuständigen Entscheidungsinstanzen vorab nicht so stark binden lassen; denn der Abwägungsprozess findet erst im offiziellen Planverfahren statt. Nehmen die politischen Vertreter aktiv am Mediationsverfahren teil, ist auf die Formulierung der Vereinbarung im Hinblick auf rechtlich unzulässige Vorabbindungen besonders zu achten. Die aktive Teilnahme der politischen Vertreter birgt auch die Gefahr in sich, dass der ohnehin schwierige Prozess des Interessenausgleichs durch parteipolitische Machtspiele jenseits der eigentlich zu verhandelnden Themen zusätzlich erschwert wird. In einem solchen Fall könnte man diesen Personenkreis „als Beobachter“ ohne Rede- und Stimmrecht in die Gespräche einbinden. Die Vorgehensweise der Teilnehmerauswahl ist abhängig vom Einzelfall. Die Ergänzung des Teilnehmerkreises im Laufe des Mediationsprozesses ist in Abstimmung mit allen Beteiligten jederzeit möglich.
4.5 Auswahl des Mediators
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4.5 Auswahl des Mediators Das Vertrauen der Streitparteien zum Mediator ist ein wesentliches Kriterium für den erfolgreichen Mediationsverlauf. Bei nur wenigen Betroffenen, zwei bis vier Teilnehmern, kann eine gemeinsame einvernehmliche Beauftragung erfolgen. Bei öffentlichen Planverfahren ist die Zahl der Betroffenen jedoch meistens viel größer. Die Planungshoheit bei städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen hat die Kommune. Der Impuls zur Einleitung eines Mediationsverfahren kann zwar auch von den Bürgern oder den Behörden kommen, jedoch ist es letztendlich die Entscheidung der Kommune, die gesetzlich vorgegebenen Schritte für ein planungsrechtliches Verfahren durch die Mediation zu ergänzen. Bei den in der Vergangenheit durchgeführten Verfahren hat es sich bewährt, dass die Kommune und der Vorhabenträger einen Mediator auswählen, beauftragen und auch bezahlen. Den Auftrag zur Durchführung der Mediation holt sich der Mediator in der 1. Sitzung mit den Betroffenen. Sollten hier Beteiligte Zweifel an der Allparteilichkeit des Mediators äußern, muss die Auswahl erneut getroffen werden.
Kommune und Vorhabensträger beauftragen Mediator
Die Frage, ob ein Mediator Fachkenntnisse im Themenbereich des Konfliktes, benötigt, ist ein kontrovers diskutiertes Thema. Die Meinungen reichen von „der Mediator benötigt keine Feldkompetenz, sie ist sogar problematisch“ (John Haynes) bis zu „Mediatoren benötigen zwingend Fachkenntnis im Konfliktthema“.81
Wie viel Fachkompetenz braucht der Mediator?
Die Autorin ist der Auffassung, dass bei der Wahl eines Mediators primär dessen mediatorischen Kompetenzen maßgebend sein sollten. Grundlagenkenntnisse im Planungsrecht sowie im Städtebau sollten jedoch vorhanden sein. Zu der Sachkompetenz gehören auch Kenntnisse über die politischen, rechtlichen und administrativen Rahmenbedingungen, unter welchen die Verhandlungen stattfinden. Die Sachkompetenz hilft entscheidend bei der Konfliktanalyse sowie der Strukturierung und sachkundigen Leitung des Mediationsverfahrens. Kenntnisse über die in planungsrechtlichen Verfahren erforderlichen Beteiligungsschritte erleichtern erheblich die Zusammenstellung des Teilnehmerkreises. Bei der Formulierung der Mediationsergebnisse ist auf die Vereinbarung der Lösungen mit den Anforderungen der rechtlich durchzuführende Verfahren zu achten. Hat der Mediator planungsrechtliche Kenntnisse, kann er bereits bei der Lösungsfindung entsprechende Weichen stellen. Der Erfolg des Verfahrens hängt nicht zuletzt auch davon ab, ob der Mediator von den Betroffenen angenommen wird. Ist er „vom Fach“ fällt die Akzeptanz leichter.
81
Horst Zilleßen (Hrsg.), Mediation – Kooperatives Konfliktmanagement in der Politik
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4 Mediation in förmlichen Verwaltungsverfahren
4.6 Vorteile der Konfliktbearbeitung durch einen neutralen Mediator 4.6 Vorteile der Konfliktbearbeitung durch neutralen Mediator
Mediation kann zur transparenten Entscheidungsgrundlage beitragen
Die Planungen von Siedlungsentwicklungsmaßnahmen obliegen der Kommune. Auch ist es ihr gesetzlicher Auftrag, die damit verbundenen privaten und öffentlichen Interessen gerecht abzuwägen. Für den kommunalen Stadtplaner ist der Umgang mit unterschiedlichen Interessen das tägliche Geschäft. Für die Bewältigung dieser Aufgabe hat er jedoch während seiner Hochschulausbildung meistens keine Grundlagen aus der Werkzeugkiste „Kommunikationsverhalten“ erworben. Zur Durchsetzung der politisch vorgegebenen Zielsetzungen stützt er sich auf Verordnungen, Gesetze, Richtlinien oder DIN Normen. Gegenüber Kritikern nimmt er dann schnell die Verteidigungshaltung ein, denn schließlich hat er einen politischen Auftrag. Als kommunaler Stadtplaner hat er gar nicht die Möglichkeit, die Brille des Allparteilichen aufzusetzen und damit die Interessen wertfrei nebeneinanderzustellen, auch, wenn er sich nach Außen darum bemüht.
Was sagt die Stadtplanerin zur Mediation?
In einem Interview mit der Stadtplanungsamtsleiterin Frau K. werden die Vorteile der Mediation bei städtebaulichen Planungen besonders deutlich.
Interview mit Stadtplanungsamtsleiterin Frau K. Frau K., Sie sind seit vielen Jahren Leiterin des Stadtplanungsamtes und haben zur Vorbereitung von Entscheidungen Mediationsverfahren initiiert. Bei welchen Planungsprozessen haben Sie einen externen Mediator eingesetzt? Bei der Ansiedlung eines Industrieunternehmens sind im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens über 100 negative Stellungnahmen von Behörden und Bürgern eingegangen. Eine Bürgerinitiative sorgte in der Öffentlichkeit für erheblichen Wirbel. Zum Glück war ich gerade auf einer Fortbildung zum Thema Mediation gewesen. Ein weiterer Fall ergab sich als ein Investor mit der Idee kam ein Fachmarktzentrum am Stadtrand zu errichten; mir war von vornherein klar „das wird Probleme verursachen“. Ich hörte schon die Beschwerden der Nachbarn zu den Verkehrsbelastungen, die Proteste der Einzelhändler hinsichtlich des Kaufkraftverlustes, die Bedenken des Straßenbauamtes zu den bereits heute schon überlasteten Knotenpunkten. Nachdem die politischen Gremien die Grundzüge der Planungen akzeptiert hatten, habe ich vorgeschlagen, zum Ausgleich der Interessen ein Mediationsverfahren durchzuführen und zwar bevor die Konfliktsituation im Bebauungsplanverfahren eskaliert.
4.6 Vorteile der Konfliktbearbeitung durch neutralen Mediator
Warum haben Sie die Gespräche nicht selbst moderiert, denn schließlich ist es Ihre Aufgabe, die unterschiedlichen Interessen bei Planungen zu berücksichtigen? Ja, das ist richtig, Interessenausgleich ist in der Tat mein tägliches Geschäft. Politiker, Bürger, Behörden Investoren – jeder hat sein gerechtfertigtes Eigeninteresse an Stadtentwicklungsprozessen. Es ist nicht immer einfach, alle unter einem Hut zu bekommen. Trotz meiner umfangreichen Fortbildungsmaßnahmen in Rhetorik und Gesprächsführungstechniken stoße ich bei kontrovers diskutierten Projekten manchmal an meine Grenzen. Inzwischen ist mir auch klar geworden, dass es nicht an meine Fähigkeiten liegt, sondern vor allem an meine Aufgabe politische Aufträge umzusetzen. Da ist es doch kein Wunder, dass Bürger, Naturschutzorganisationen oder sonstige Behördenvertreter misstrauisch sind, wenn es um die Berücksichtigung ihrer Interessen geht. Mit der Unterstützung eines Mediators kann ich die kommunalen Interessen verständlicher darlegen, ohne in der Pflicht zu stehen diese gegenüber den übrigen Interessen abwägen zu müssen. In der Mediation werden zuerst alle Interessen ohne jegliche Wertung nebeneinandergestellt. In einem 2. Schritt werden gemeinsam kreative Lösungen gesucht. Es ist immer wieder erstaunlich, zu welchen Ergebnissen so ein Prozess führt. Dabei ist mir aufgefallen, dass die Betroffenen bei der Lösungssuche nicht nur ihr Interesse berücksichtigen, sondern auch die übrigen Bedürfnisse einfließen lassen. Diese Ideen können wir im Stadtplanungsamt im Zuge der schriftlichen Bearbeitung der Stellungnahmen gar nicht kreieren. Warum haben Sie keinen Moderator mit der Aufgabe betraut? Das ist eine gute Frage. Es hat einige Zeit gebraucht, bis mir diese Differenzen klar wurden. Erst durch meine eigenen Erfahrungen mit einem Mediationsverfahren sind mir die Unterschiede in der Arbeitsweise deutlich geworden. Bei der Moderation von Planungsprozessen geht es im Wesentlichen um die Gesprächsführung, die Inhalte auf den Punkt zu bringen und Transparenz herzustellen. Dem Mediationsverfahren liegen klare Strukturen zugrunde, d. h., es gibt einen Anfang und ein Ende, sodass der Prozessfortschritt sichtbar wird. Auf der Basis vordergründiger Positionen werden mit Unterstützung des Mediators die Interessen und Bedürfnisse der Betroffenen herausgearbeitet. Und genau diese Ebene bietet oft Gemeinsamkeiten, die wiederum bisher verborgene Lösungsansätze sichtbar machen. Ich entscheide immer im Einzelfall, welche Art der externen Mitwirkung sinnvoll ist. Lohnt sich der zusätzliche finanzielle und zeitliche Aufwand für eine Mediation? Sie können die Einwände doch auch im Zuge der Abwägung behandeln, das ist doch viel einfacher und vor allem preiswerter für die Verwaltung. Auf den ersten Blick scheint es preisgünstiger zu sein, sich schriftlich
73 In der Mediation können die kommunalen Interessen klarer herausgestellt werden
Moderation oder Mediation?
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4 Mediation in förmlichen Verwaltungsverfahren
mit den Bedenken auseinander zusetzten. Bei strittigen Planungen jedoch lohnt sich der frühzeitige Einsatz eines Mediators mit Sicherheit, denn ich habe in meiner Berufslaufbahn schon einige Siedlungsentwicklungsplanungen zu Grabe getragen, weil der Gegenwind zu stark war. Dann gibt es nämlich meistens keine politischen Mehrheiten mehr für das Projekt. Das Mediationsverfahren entlastet uns erheblich, insbesondere im Hinblick auf die vielen Telefonate und Einzelgespräche mit den Betroffenen. Hinzu kommen dann noch die Anfragen der Politiker sowie die Diskussionen in den politischen Gremien. Mit Unterstützung eines Mediators kann für strittige Projekte eine frühzeitige Planungssicherheit erreicht werden, die für den Investor und auch für die Kommune sehr wertvoll ist. Ein besonders wichtiger Aspekt ist noch die Nachhaltigkeit der gemeinsamen Lösungen. Es liegt doch auf der Hand, wenn ich an einer Lösungsfindung beteiligt bin, halte ich mich auch daran, denn auch meine Interessen werden damit abgedeckt. Außerdem hat sich herausgestellt, dass die zwischen den Beteiligten entwickelte Gesprächskultur sich auch über das Mediationsverfahren hinaus auswirkt. Sind mit der Projektabwicklung unvorhergesehene Probleme verbunden, wird meistens frühzeitig der direkte Kontakt mit den Betroffenen gesucht, um die Situation zu klären. In dieser Phase ist dann meistens auch kein Mediator erforderlich, denn mit den gelernten Kommunikationswerkzeugen kann das Problem oft gelöst werden. Ich kann mir vorstellen, dass der Bedarf nach juristischen Beratungen geringer ist, eventuell sogar die Klagen in Verbindung mit Terminverzug und Baumängel – es ist nur eine Vermutung – sicherlich eine interessante Untersuchungsaufgabe. Mediation entlastet die Verwaltung
Werden durch das Mediationsverfahren Ihre Entscheidungskompetenzen zur Projektgestaltung eingeschränkt? Nein, ganz im Gegenteil. In dem Verfahren kann ich die kommunalen Interessen konsequent vertreten, ohne die Schere im Kopf haben zu müssen, die übrigen Interessen auch einfließen zu lassen. Außerdem haben die Betroffenen oft sehr gute Ideen, die das Projekt am Ende bereichern.
4.7 Bindungswirkung des Mediationsergebnisses
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4.7 Bindungswirkung des Mediationsergebnisses Die praktische Umsetzung der gefundenen Verhandlungslösungen darf nicht an politischen, rechtlichen oder technischen Hindernissen scheitern. Von besonderer Bedeutung ist dabei auch, dass die Parteien in der Lage sind, sich gegenseitig an das Verhandlungsergebnis zu binden. Erforderlich ist daher ein Instrument, das die Verhandlungspartner einschließlich der Entscheidungsträger an die Verhandlungslösung bindet. Das Mediationsergebnis kann jedoch nicht die Entscheidung der kommunalen Gremien ersetzen. Es kann also keine Art demokratischer Gruppenlegitimation durch die an einem Mediationsverfahren Beteiligten geben. Die in der Mediation erarbeiteten Lösungen können als Entscheidungsgrundlage, d. h. als Beschlussvorschläge für die politischen Gremien dienen. Eine weitere Möglichkeit die Umsetzung des Mediationsergebnisses sicherzustellen, ist die Verfassung eines öffentlich-rechtlichen Vertrages als Ausgangsposition für das noch folgende Planvergabeverfahren.
Mediationsergebnisse vertraglich sichern
Anders als im Privatrecht können die in der Mediation ausgehandelten Konfliktlösungen nicht als Ergebnis einer freien vertraglichen Vereinbarung unmittelbar wirksam werden. Vielmehr ist ein Umsetzungsprozess erforderlich, bei dem die Ergebnisse der Mediation in die gesetzlich vorgesehenen Verwaltungsverfahren eingeführt und durch Verwaltungsakt, verwaltungsrechtlichen Vertrag oder durch Normsetzung mit rechtlicher Wirksamkeit ausgestattet werden. Da die Akteure aufseiten des Staates dabei an Gesetz und Recht gebunden sind, steht die Umsetzung der Mediationsergebnisse gleichsam unter dem Vorbehalt ihrer Vereinbarkeit mit dem Materiellen und dem Verfahrensrecht. Die gesetzlich vorgesehenen Verwaltungsverfahren auf der einen und das Verfahren der Konfliktbearbeitung auf der anderen Seite müssen in einer Wechselbeziehung zueinander gebracht werden: Die nachfolgende Umsetzungserfordernis muss bei Ausgestaltung und Durchführung der Mediation bereits mitbedacht werden, umgekehrt wollen die Mediationsergebnisse ihrerseits bei der Durchführung des nachfolgenden Verwaltungsverfahrens berücksichtigt werden.82 Die Erfahrung hat gezeigt, dass bei einer erfolgreichen Mediation wechselseitiges Vertrauen aufgebaut wurde, sodass oft ein Versprechen reicht, die ausgehandelten Vereinbarungen umzusetzen.83
82
83
Prof. Dr. Holznagel, Prof. Dr. Ramsauer, Mediation im Verwaltungsrecht in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, S. 1124 ff ebenda, S. 1134
Vertrauen unterstützt Umsetzung der Vereinbarung
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4 Mediation in förmlichen Verwaltungsverfahren
4.8 Implementierung der Mediation in das Verwaltungshandeln Nach § 4 BauGB kann die Kommune, insbesondere zur Beschleunigung des Bauleitplanverfahrens, die Vorbereitung und Durchführung von Verfahrensschritten einem Dritten übertragen. Dass zu dem Dritten auch Mediatoren zu rechnen sind, ergibt sich aus der Gesetzesbegründung.84 Dort heißt es unter Verwendung des deutschen Begriffes „Projekt- und Verfahrensmittler“ für das englische Wort Mediator: „Es handelt sich hierbei um eine Klarstellung der bereits nach geltender Rechtslage bestehenden Möglichkeit, einen Projektmittler einzuschalten.“ Als Vorbild der Regelung wird auf das angloamerikanische Recht verwiesen, wo sich der Einsatz von Projekt- und Verfahrensmittlern weitgehend etabliert hat und dort zur Verfahrensbeschleunigung und zur Kostensenkung beiträgt. Im Zuge des Bebauungsplanverfahrens kann die Mediation wie folgt eingesetzt werden.85:
Die Durchführung von Mediationsverfahren zum Ausgleich der unterschiedlichen Interessen bei Stadtentwicklungsprozessen konnte sich bisher noch nicht durchsetzen. Die Kommunen wenden meistens die bekannten Instrumente an, wie Bürgerinformationen, mögliche Einsichtnahme der Pläne, schriftliche Behandlung der Einwände sowie Bürgeranhörungen. Für die Implementierung des Mediationsgedankens in das Verwaltungshandeln sind neben gesetzlichen Vorgaben vor allem Fortbildungsmaßnahmen zum Kennenlernen des Verfahrens dringend notwendig. 84 85
Stüer, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, Rdnr. 557 f Viets, Integration mediativer Elemente in den öffentlichen Prozess der Bauleitplanung, Masterarbeit
4.9 Mediation bei einer geplanten Industrieerweiterung
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4.9 Mediation bei einer geplanten Industrieerweiterung – Mehrwerte für Kommune und Firma 4.9 Mediation bei einer geplanten Industrieerweiterung
Beispiel Erweiterung Industriegebiet: Für Erweiterungsvorhaben eines bestehenden Industriebetriebes ist die Aufstellung eines Bebauungsplanes mit einem Plangebiet von ca. 80 000 qm beschlossen worden. Der Industriebetrieb gehört zu einem weltweit agierenden Konzern und konkurriert somit hinsichtlich der Expansionsabsichten mit international bestehenden ähnlichen Betriebstypen. Mit über 2000 Mitarbeitern ist der Betrieb für die Stadt ein wichtiger Arbeitgeber und Steuerzahler. Die geplante Betriebserweiterung soll zu der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und der damit verbundenen Standortsicherung beitragen. Nach der Bestandsaufnahme hat die Stadtverwaltung festgestellt, dass eine Erweiterung der industriellen Nutzung, die in unmittelbarer Nähe von Wohngebieten liegt, aufgrund der Lärmimmissionen des vorhandenen Werkes eigentlich nicht genehmigungsfähig ist. Die gesetzlich festgelegten Grenzwerte werden bereits durch die bestehenden Betriebseinrichtungen bei Weitem überschritten. Das Gewerbeaufsichtsamt sowie das Regierungspräsidium würden unter den bestehenden Bedingungen einer Betriebserweiterung nicht zustimmen. Was tun? Der Firma eine Erweiterung zu versagen, könnte im schlimmsten Fall zur Werksschließung führen. Die vorliegenden Lärmgutachten stehen der Durchführung eines Bebauungsplanverfahrens, das auch einer gerichtlichen Überprüfung standhalten würde, eindeutig entgegen. Außerdem befürchtet die Stadt Proteste der anliegenden Bewohner, die bereits erheblichen Lärmbelästigungen ausgesetzt sind. Die Stadt reagiert mit „Kopf in den Sand stecken“; d. h., das Planverfahren wird nicht weitergeführt. Gegenüber der Firma wird geäußert, dass die Prüfung der Unterlagen noch einige Zeit in Anspruch nehmen würde. So vergehen ca. 3 Jahre. Der Firma ist das „Dilemma der Stadt“ nicht bekannt. Die Werksleitung ist sehr unzufrieden mit der Situation und beauftragt die Autorin als externe Mediatorin, hier vermittelnd tätig zu sein. Nach den Vorgesprächen bei der Stadt, dem Investor und den Fachbehörden (Auftragsklärung) wird als Ziel des Mediationsprozesses vereinbart, eine einvernehmliche Lösung für die geplante Werkserweiterung herbeizuführen. Obwohl die Ausgangssituation ziemlich hoffnungslos erscheint, sind sich die Beteiligten einig, dass die Existenz des Betriebes gesichert werden muss und damit verbunden auch Erweiterungen erforderlich sind.86
86
Ilse Erzigkeit, Die Bürger sind frühzeitig über die Ziele der Planung zu unterrichten, in von unten – von oben, Hrsg.: Achim Schüssler
Gemeinsames Ziel fördert die Motivation in der Mediation
78 Mediation ist lösungsorientiert auf die Zukunft gerichtet
4 Mediation in förmlichen Verwaltungsverfahren Mehrwert Mediation: Durch die Vorgespräche der Mediatorin wurde ein eindeutiges Ziel formuliert, und zwar ein in die Zukunft gerichtetes Ziel. Der Weg dorthin war vonseiten der Beteiligten mit vielen Fragezeichen und Zweifeln belegt. Aus der Sicht der Beteiligten waren diese Bedenken auch gerechtfertigt. Die inhaltlich nicht involvierte Mediatorin war „Zweifelsfrei“ und konnte somit den Prozess auf die Zukunft und das Ziel ausrichten. Das Ziehen an einem Strang mit einer externen Begleitung hat die nötige Vertrauensbasis in den Prozessbeginn geschaffen. Die Vorgespräche, in denen die Prinzipien der Mediation, Transparenz, Akzeptanz und Vertrauen von wesentlicher Bedeutung waren, bildeten die Grundlage für die hohe Motivation der Beteiligten kreative Lösungen zu suchen, die eine Betriebserweiterung ermöglichen würde. Mediationsphase 1: Die kritischste Situation bezog sich auf die Lärmimmission des Betriebes. In den ersten Gesprächen mit Vertretern der Stadt, den Fachbehörden sowie der Firma wurde die bestehende Lärmsituation dargestellt: Ziel war der Informationsaustausch, sodass alle Beteiligten den gleichen Wissensstand hatten. Die Firmenvertreter hatten vorab erhebliche Bedenken die tatsächlichen Lärmpegel zu nennen, weil sie befürchteten, dass durch behördliche Auflagen der Betrieb in seiner Produktion eingeschränkt werden könnte. Durch vorab geführte Einzelgespräche der Mediatorin mit der Firma und den Fachbehörden konnten diese Bedenken aufgehoben werden. Wichtig war hier auch, dass Inhalte der gemeinsamen Gespräche nicht an die Öffentlichkeit weitergegeben wurden.
Allparteiliche Haltung des Mediators schafft vertraute Arbeitsatmosphäre
Mehrwert Mediation: Die allparteiliche Haltung der Mediatorin ermöglichte durch eine vorab geführte sogenannte „Shuttle Mediation“, die Befürchtungen einer Betriebseinschränkung auszuschließen. Obwohl es hier keine konkreten Vereinbarungen gab, reichte die Aussage der Mediatorin die Bedenken der Firma auszuräumen. Auch hatte die allparteiliche Haltung der Prozessbegleitung einen wesentlichen Einfluss auf das Verständnis der Firma für absolute Transparenz. Mediationsphase 2: Auf der Basis der Bestandsaufnahme wurde deutlich, dass für eindeutige Aussagen zu der bestehenden Lärmsituation noch zusätzliche Erhebungen erforderlich sind. Es wurden dann von einem unabhängigen Gutachter über 500 Lärmquellen auf dem Betriebsgelände dokumentiert. Erst auf der Basis dieser Untersuchungen konnten eindeutige Aussagen zu der bestehenden Situation getroffen werden. Mehrwert Mediation: Während der gutachterlichen Erhebungen wurden die Zwischenergebnisse mit der Stadt und den Fachbehörden über die Mediatorin kommuniziert. Aufflackerndes Misstrauen vonseiten der Fachbehörden hinsichtlich der ermittelten Daten konnte frühzeitig gegengesteuert werden. Gedankenansätze der Werksführung, ob denn wirklich auch die kritischen Lärmquellen im vollen Umfang ermittelt werden müssen, konnten durch Vertrauensinterventionen ins Leere laufen.
4.9 Mediation bei einer geplanten Industrieerweiterung
79
Mediationsphase 3: Aufgrund der erfassten bestehenden Lärmimmissionen des Betriebes wurde sehr bald deutlich, dass die Firma zuerst erheblich in Lärmminderungsmaßnahmen auf dem bestehenden Werksgelände investieren muss, bevor eine Betriebserweiterung zugelassen werden konnte. Jetzt ging es ums Eingemachte, für die Firma vor allem um Investitionen, die keinen wirtschaftlichen Vorteil mit sich brachten. Da es sich um einen internationalen Konzern handelte, mussten diese erforderlichen Investitionen in der Zentrale beantragt werden. Die gesetzlichen Lärmgrenzwerte konnten hier nicht als Maßstab herangezogen werden, weil diese niemals erreicht werden konnten, außer natürlich durch Stilllegung einzelner Betriebsteile. Dieses Vorgehen stand jedoch nicht zur Diskussion. Es mussten somit Kriterien gefunden werden, die als Grenze für erforderliche Maßnahmen zur Minderung des Lärmpegels herangezogen werden konnten. Nach einigen sehr kontroversen Diskussionen bestand Einigkeit darin, den Schnittpunkt der Kosten- und Nutzenkurve als maximal erforderliche Lärmminderung festzulegen; d. h., wenn die finanziellen Mittel für nur geringe Lärmminderungswirkungen unverhältnismäßig sind, ist die Grenze erreicht. Nun war es Aufgabe der Gutachter, einen Katalog für Lärmminderungsmaßnahmen aufzustellen, sowie die damit verbundenen Kosten zu ermitteln. Mehrwert Mediation: In der Lösungsentwicklungsphase war es eine wesentliche Aufgabe, durch Umformulierungen und Fragen das Verständnis für die teilweise sehr komplizierte Materie sicherzustellen. Als Mediatorin konnte ich „dumme“ Fragen stellen, die zur Transparenz und zum Verständnis beigetragen haben. Von wesentlicher Bedeutung waren auch die Grenzen der Möglichkeit vonseiten der Behörden und der Firma klar herauszuarbeiten. Hier war es wichtig die Floskel „.....na, dann wird der Standort nach Polen verlagert“ mit Inhalten zu füllen; d. h., wo ungefähr liegt die Belastungsschwelle. Da die gesetzlich vorgegebenen Lärmgrenzwerte hier nicht erreicht werden konnten, war vonseiten der Genehmigungsbehörden die Schwelle der Verhältnismäßigkeit der Investitionen, die auch bei einer gerichtlichen Prüfung standhalten sollte, zu definieren. Durch den Mediationsprozess konnte die Balance zwischen den Beteiligten hergestellt werden. Mediationsphase 4: Das Verhandlungsergebnis bestand einvernehmlich darin, dass die Firma das Betriebsgelände um ca. 80.000 qm erweitern kann, wenn Lärmminderungen an den bestehenden Betriebsanlagen im Umfang von ca. 2,5 Mio. Euro investiert werden. Für die Erweiterungsfläche sind ebenfalls maximal zulässige Lärmpegel festgelegt worden. Die Endsituation: Das Ergebnis ist den Bürgern in einer Informationsveranstaltung zur Diskussion gestellt worden. Die Resonanz war sehr positiv, auch in der lokalen Presse wurde das Verhandlungsergebnis gelobt. Die Umsetzung der Lärmminderungsmaßnahmen ist in einem städtebaulichen Vertrag zwischen der Stadt und der Firma
Fragen des Mediators führen zum Verständnis
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4 Mediation in förmlichen Verwaltungsverfahren gesichert worden. Erst danach wurde das formelle Auslegungsverfahren des Bebauungsplanes für die geplante Betriebserweiterung durchgeführt. Hier gab es im Verfahren keine wesentlichen Bedenken.
Mediation sichert Firmenstandort
Mehrwert Mediation: Diese Problemlösung konnte nur auf der Basis von Vertrauen, Verständnis der gegenseitigen Interessen, kontinuierlichem Informationsfluss zwischen den Beteiligten und der Motivation hier einen Firmenstandort zu sichern, einvernehmlich erarbeitet werden. Die Mediatorin hatte hier auch die Funktion eines Katalysators, der Befürchtungen, Ängste sowie das gegenseitige Misstrauen transformiert, sodass Eskalationen und Verfahrensstillstand ausgeschlossen werden konnten. Bei der Durchführung des Bebauungsplanverfahrens hat es weder Proteste der Bürger noch Bedenken der Behörden gegeben. Für die Verwaltung somit eine erhebliche Entlastung. Durch die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Fachbehörden und der Firma konnten inzwischen Bauanträge zügig und ohne Auflagen bearbeitet werden. Die angrenzenden Bürger spüren die bereits umgesetzten Lärmminderungsmaßnahmen, sodass hier weder Klagen noch Proteste zu erwarten sind. Das Firmenimage konnte durch den Mediationsprozess erheblich verbessert werden. Der Mediationsprozess hat somit für alle Beteiligte nachhaltige Wirkungen.
4.10 Mediation unterstützt die Verwaltung in der Abwicklung von Planverfahren – Praxisbeispiel 4.10 Mediation unterstützt die Verwaltung
Klärungsgespräche mit Mediatoren
Mediation im öffentlichen Bereich ist nicht nur bei Großprojekten wie Flughafen, Müllverbrennungsanlage oder Bahntrassen zielführend, sondern unterstützt die Verwaltung ebenso bei der täglichen planungsrechtlichen Verfahrensabwicklung. Es muss auch nicht immer die Mediation sein, wie sie im Buche steht; sondern der Dialog mit den Betroffenen geführt von einem Mediator wird die Akzeptanz des Projektes erhöhen und damit die Widerstände gegenüber komplexen Planungsvorhaben erheblich reduzieren. Für den Mediator ist der Konflikt eine Chance Ideen sichtbar zu machen, die bisher im Verborgenen lagen. Hierbei ist er nur „Geburtshelfer“ der Ideen, die von den Streitenden selbst erfasst werden. Wenn entstehende Konfliktsituationen frühzeitig erkannt werden, kann ein Klärungsgespräch mit den Betroffenen unter Leitung eines Mediators dazu beitragen, den reibungslosen Verlauf des weiteren Planungsprozess zu unterstützen. Praxisbeispiel Konkurrierende Flächennutzungen:
Interessen sind ein Weg zu Konfliktlösungen
Die Stadt plante ein Gewerbegebiet auf landwirtschaftlich genutzten Flächen, die sich in ihrem Eigentum befanden, jedoch an zwei ortsansässigen Landwirten verpachtet waren. Die Entwicklung der Gewerbeflächen war für die wirtschaftliche Zu-
4.10 Mediation unterstützt die Verwaltung
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kunft der Stadt bedeutsam. Ein betroffener Landwirt drohte mit gerichtlichen Auseinandersetzungen, weil er durch den Verlust der Wirtschaftsflächen die Existenz seines landwirtschaftlichen Betriebes gefährdet sah. Die Stadt kam nach Prüfung der Rechtslage zu der Auffassung, dass mit der baulichen Inanspruchnahme der landwirtschaftlichen Flächen die Existenz des Betriebes nicht infrage stand. Der betroffene Landwirt inszenierte eine öffentliche emotionale Diskussion, suchte Verbündete im Stadtteil, schaltete die zuständigen Behörden ein und beauftragte einen Rechtsanwalt ihn zu vertreten. Um langjährige juristische Auseinandersetzungen zu vermeiden, einigten sich die Betroffenen auf Klärungsgespräche mit Unterstützung einer Mediatorin, bevor das planungsrechtliche Verfahren durchgeführt werden sollte. Teilnehmer des Klärungsgespräches waren Bürgermeister, Vertreter der Rechtsabteilung, Landwirt mit seinem beauftragten Rechtsanwalt. Die bisher nicht geäußerten Interessen des Landwirtes und des Bürgermeisters waren der Schlüssel zur Einigung. Der Landwirt bewohnte die Hofstätte mit seiner Familie. Er selbst war teilweise erwerbstätig und betrieb Gemüseanbau auf seinen Feldern. Als landwirtschaftlicher Betrieb hatte er erhebliche steuerliche Vorteile, die jedoch mit Reduzierung der Pachtflächen infrage gestellt waren. Auch wenn er derzeit nicht als Vollerwerbslandwirt tätig war, sollte der Status der privilegierten landwirtschaftlichen Nutzung für seinen Sohn auf jeden Fall bestehen bleiben. Der Bürgermeister hatte bei seiner Wiederwahl die Sanierung des städtischen Schwimmbades, das bereits seit zwei Jahren außer Betrieb war, vor der kommenden Saison öffentlich zugesagt. Die finanziellen Mittel hierfür waren aus dem Verkauf der stadteigenen Flächen im zukünftigen Gewerbegebiet vorgesehen. In einem Vertrag zwischen der Stadt und dem Landwirt wurden Vereinbarungen getroffen, die eine privilegierte Nutzung des landwirtschaftlichen Betriebes sicher stellten. Auch konnten mit Unterstützung von einem externen Experten die steuerlichen Gesichtspunkte geklärt werden. Die Beteiligten haben ganz besonderen Wert auf die vertrauliche Behandlung des Klärungsgespräches sowie der Vertragsinhalte gelegt. Das anschließend von der Verwaltung durchgeführte planungsrechtliche Verfahren für ca. 20 ha Gewerbenutzungen konnte ohne wesentliche Einwendungen zügig abgewickelt werden. Die Presseberichte waren sehr positiv zur Freude des Bürgermeisters.
Vertraulichkeit fördert Transparenz
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4 Mediation in förmlichen Verwaltungsverfahren Praxisbeispiel Nutzungskonflikt im Stadtteil: Ein privater Träger beabsichtigte eine kleine Kindertagesstätte in vorhandenen Gebäuden eines reinen Wohngebietes einzurichten. Die dafür notwendige Betriebsgenehmigung war erteilt. Als dann aus dem Möbelwagen die kleinen Stühle und Tische ausgeladen wurden, erhoben sich die Stimmen der Nachbarn: „Wir wollen keine Kindereinrichtung in unserem Viertel!“ „Wir leben in einem reinen Wohngebiet!“ Ein in der Nachbarschaft wohnender Rechtsanwalt stellte fest, dass die Kindertagesstätte planungsrechtlich nicht zulässig war. Der rechtskräftige Bebauungsplan schloss diese Nutzung aus. Die Betreiber der Kindertagesstätte hatten bereits erhebliche finanzielle Mittel investiert und wendeten sich mit ihrem Anliegen an die politischen Gremien. Um der kommunalen Verpflichtung, ausreichend Plätze für Kinder in Tagesbetreuung vorzuhalten, gerecht zu werden, wurde ein Beschluss gefasst, den Bebauungsplan zugunsten von Kindertageseinrichtungen zu ändern. Der Verwaltung war die Brisanz dieses Beschlusses bewusst und initiierte vor der Durchführung des offiziellen Planverfahrens ein Klärungsgespräch unter Leitung einer Mediatorin. Teilnehmer des Klärungsgespräches waren: Bürgermeister, Vertreter des Stadtplanungsamtes, Träger der Kindertagesstätte, 12 Personen aus der unmittelbaren Nachbarschaft der geplanten Kindereinrichtung.
Anerkennung der Bedürfnisse ist ein Weg zu Konfliktlösungen
In einer sehr emotionsunterlegten Diskussion konzentrierten sich die Nachbarn auf die rechtliche Situation, die keinen Spielraum für Kindertagesstätten vorsah. Erst als alle Beteiligten „dieses Recht haben“ anerkannten, konnten sie über weitere Bedürfnisse nachdenken. Die Anerkennung des Ruhebedürfnisses ohne gleich als „Kinderfeindlich“ zu gelten, war ebenfalls ein zentrales Anliegen. Vonseiten des Bürgermeisters wurde sehr klar das Interesse formuliert Kindertagesstätten im gesamten Stadtgebiet anzusiedeln, um die Attraktivität der Stadt für junge Familien zu stärken. In einer Vereinbarung wurden Nutzungsbereiche für die Freiflächen der Kindertagesstätte sowie Abgrenzungsmaßnahmen zu den direkten Nachbargrundstücken festgelegt. Außerdem wurden Ruhezeiten für die Freiflächenbereiche vereinbart. Die anfallenden zusätzlichen Kosten wurden von der Stadt und dem Träger der Kindertagesstätte übernommen. Die Inhalte der Vereinbarung sind teilweise in das zu ändernde Planungsrecht eingeflossen.
4.10 Mediation unterstützt die Verwaltung Durch das Klärungsgespräch ist zwischen dem Träger der Kindereinrichtung und den Nachbarn ein sich gegenseitig wertschätzendes Miteinander entstanden. Es ist davon auszugehen, dass Störungen zukünftig auf dem direkten Gesprächsweg bereinigt werden können. Das Änderungsverfahren zum Bebauungsplan konnte ohne wesentliche Einwände durchgeführt werden.
83 Klärungsgespräche mit Mediatoren fördern selbstverantwortliches Handeln
Praxisbeispiel Politische Entscheidung – Projektentwicklung: Ein Projektentwickler unterbreitete der Stadtverwaltung einen Bebauungsvorschlag für ein ehemals gewerblich genutztes Areal im Stadtzentrum. Die desolaten Lagerhallen des Grundstückes waren der Stadtverwaltung schon seit Langem ein Dorn im Auge. Der Eigentümer ist jedoch bisher nicht bereit gewesen, diese Situation zu verändern. Die Stadtverwaltung möchte die Chance der Siedlungsentwicklung an diesem zentralen Ort der Stadt nutzen und eine kurzfristige Entscheidung durch die politischen Gremien herbeiführen, ..und hier genau ist der Haken,...politische Gremien entscheiden nicht zügig...und schon gar nicht, wenn keine klaren Mehrheiten bestehen. Zum Glück ist der Stadtplanungsamtsleiter von der Mediation überzeugt und organisierte einen „runden Tisch“ unter Leitung einer Mediatorin mit Bürgermeister, Stadtplanungsamtsleiter, Vertretern der sechs politischen Fraktionen, Projektentwickler sowie einem externen Stadtplaner als Berater. Ziel war es, die Interessen der Politik, der Stadtplanung und des Projektentwicklers in Hinblick auf die Stadtentwicklungsziele für das ehemals gewerblich genutzte Grundstück „unter einem Hut“ zu bringen. Die politischen Fraktionen und die Stadtverwaltung hatten sich im Vorfeld intensiv mit dem Bebauungsvorschlag auseinandergesetzt. Die sechs Fraktionsvertreter kamen zum Klärungsgespräch mit politischen Aufträgen in der Tasche, auch die Verwaltung hatte bereits Zielvorstellungen für das Gebiet entwickelt. Nun war die spannende Frage, wo es Übereinstimmungen und Differenzen gab. Als Grundlage für eine strukturierte Auseinandersetzung wurden die Themen Erschließung, Grünflächen, Nutzungen und Dichte der Bebauung vorgegeben. Die Teilnehmer haben ihre Interessen zu den jeweiligen Themen mit kurzen Statements auf Karten an der Pinnwand sichtbar gemacht. Jeder Einzelne hat dann seine Interessen kurz und knapp ohne Rechtfertigungen vorgetragen: Für politische Mandatsträger erforderte diese Vorgehensweise eine sichtbare Überwindung. Die Interessen wurden mit hoher Konzentration kurz dargelegt und ohne Kommentar von den Zuhörern aufgenommen. Der in dieser Phase erforderliche respektvolle Umgang
Respektvoller Umgang ist ein Weg zu Konfliktlösungen
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4 Mediation in förmlichen Verwaltungsverfahren miteinander war eine bedeutende Grundlage für die nachfolgende Klärung der Differenzen. Dabei wurden die ökonomischen Interessen des Projektentwickler ebenso wertschätzend behandelt wie die unterschiedlichen Vorstellungen der politischen Vertreter, die sich als Sprachrohr der Bürger bezeichneten. Zu vier Themen konnte Einigkeit erzielt werden. Bei den Zielvorgaben für die Höhenentwicklungen gab es noch Differenzen von ca. 3,0 m, d. h. der Projektentwickler wünschte eine viergeschossige Bebauung während die politischen Vertreter maximal drei Geschosse für vertretbar hielten. Hierzu wurde vereinbart, die endgültige Entscheidung auf der Grundlage eines städtebaulichen Modells zu treffen.
Planungssicherheit durch Klärungsgespräch mit Mediator
Während des Klärungsgesprächs ist zwischen den Beteiligten, insbesondere zwischen dem Projektentwickler und den politischen Vertretern ein offener, ehrlicher und wertschätzender Umgang gewachsen. Auf dieser Basis wurde die noch ausstehende Einigung zu den Gebäudehöhen einvernehmlich entschieden. Die Ergebnisse des „runden Tisches“ werden in das planungsrechtliche Verfahren aufgenommen. Es ist davon auszugehen, dass hierzu keine politischen Diskussionen erfolgen werden, d. h., für den Projektentwickler besteht eine gewisse Planungssicherheit.
4.11 Ausblick: Bürgerbeteiligung im Dialog mit den Betroffenen! Mehr Ergebnisoffenheit im Planungsrecht
Das Desaster von Stuttgart 21 hatte wenigstens ein Gutes: In Politik und Verwaltung diskutiert man endlich die Vorschläge der Praxis, wie die Bürgerbeteiligung in öffentlichen Planungsverfahren verbessert werden kann. Dabei genügt es nicht, die Bürger frühzeitig besser zu informieren. Beispiel Stadthallen-Anbau: Eine weltberühmte Universitätsstadt in der Kurpfalz möchte ihre Attraktivität erhalten, indem sie die viel zu kleine Stadthalle am Neckar um einen modernen Anbau erweitert um sich so für mittelgroße Kongresse zu empfehlen. Der ArchitektenWettbewerb endet mit einem klaren Votum und einer Gemeinderatsmehrheit. Allerdings regt sich Protest von verschiedener Seite gegen den Eingriff in die Altstadt. Obwohl gesetzlich nicht verpflichtet, erklärt sich der Oberbürgermeister bereit, einen Bürgerentscheid über das Projekt zu akzeptieren. Befürworter und Gegner des Projektes werben in öffentlichen Veranstaltungen für ihre Position. Ergebnis: Die klare Mehrheit der abge-
4.11 Ausblick: Bürgerbeteiligung im Dialog mit den Betroffenen!
85
gebenen Stimmen ist gegen die Stadthallen-Erweiterung. Betretene Gesichter in der Verwaltungsspitze. Der Oberbürgermeister räumt Fehler in der Informationspolitik ein. Wenn die Länder- und Kommunalverwaltungen ihre Kommunikationsprobleme allein damit lösen wollen, dass sie die Bürger zu Beginn der Planverfahren mit Informationsmaterial überhäufen, wird dies die Politikverdrossenheit nur verstärken. Die Bürger sind heute nur noch dann bereit, sich aktiv für Veränderungsprozesse einzusetzen, wenn sie ihre Bedürfnisse und Sorgen in den Meinungsfindungsprozess einbringen und die Projekte tatsächlich mitgestalten und mitbestimmen können. Der frühzeitige Bürger-Dialog unter der Leitung unabhängiger und dafür ausgebildeter Mediations-Profis ist deshalb unerlässlich. Alibi-Großveranstaltungen, auf denen ein Oberbürgermeister den Bürgern seiner Stadt erklären will, was er für sie am Besten hält, werden heute nicht mehr akzeptiert. Die Verwaltung muss bereit sein, auch Ergebnisse zu akzeptieren, die sie im Vorfeld nicht für optimal hielt. Das bedeutet aber auch, dass ihre Planungen nicht quasi abgeschlossen sein dürfen, bevor die Bürgerbeteiligung beginnt. Sicherlich wird die sorgfältige Ermittlung der Fakten und der geografischen, finanziellen, rechtlichen etc. Rahmenbedingungen bestimmte Lösungsvorschläge von vorneherein als nicht möglich erscheinen lassen. Wenn dies aber so ist, wird dies aber auch von den sich beteiligenden Bürgern erkannt werden, sodass man sie nicht von vorneherein ausschließen muss.
Mediatoren fördern frühzeitige konstruktive Dialoge
Wer sich aktiv in ein Planungsvorhaben einbringen will, muss lediglich innerhalb der hierfür vorgesehenen Fristen Einsicht in die Akten nehmen, die offen für ihn ausliegen und seine Eingabe machen, die von der Verwaltung geprüft wird. Wer sich in Interessenverbänden interessiert, hat die Möglichkeit, die Entscheidungsfindung in den hierfür berufenen Gremien in seinem Sinne zu beeinflussen. Davon wird ausgiebig Gebrauch gemacht, so ausgiebig, dass „Lobbyismus“ vielen als Schimpfwort gilt. Wer bereit ist, einen Teil seiner Freizeit der Knochenarbeit in einer politischen Partei zu opfern, kann über diese indirekt oder sogar direkt Meinung bilden und die Entscheidungen in seinem Sinne gestalten. Alles dieses ist möglich und gewünscht. Das Problem ist nur, dass so wenige davon Gebrauch machen. Erst wenn der Meinungsfindungsprozess weitgehend abgeschlossen ist und eine Entscheidung droht, oder, schlimmer noch, erst wenn die Bagger anrollen, scheinen einige Menschen zu erkennen, dass auch sie von der Maßnahme betroffen sind.
Bürgerbeteiligung erleichtern
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4 Mediation in förmlichen Verwaltungsverfahren Beispiel Baustellen-Management: Die Straßenbahn muss neu verlegt werden. Als die Bauarbeiten beginnen, melden sich die Straßenanlieger lautstark und schimpfen über den eingeschränkten Zugang zu den Häusern, die fehlenden Parkplätze, die unzumutbare Verkehrsführung, den Lärm, die Dauer etc., etc.
Mediator kann frühzeitig Bürgerinteressen offen legen
Viele haben bereits darauf reagiert und laden frühzeitig zu Informationsveranstaltungen ein, zu denen aber bekanntlich nicht alle kommen, die tatsächlich betroffen sind. Immerhin kann man den späteren Kritikern einigermaßen erfolgreich entgegenhalten, sie hätten die gebotenen Chancen ja nicht wahrgenommen. Eine echte Interessenerkundung sieht aber anders aus. Manche Verwaltungen ernennen für ihr Bauvorhaben Ombudsleute, die die Beschwerden und Anregungen aufgreifen. Der erste Zorn kann damit erfolgreich aufgefangen werden und manches Problem lässt sich so auf dem kleinen Dienstweg lösen. Sind aber fundamentale Interessen der Betroffenen übersehen oder überspielt worden, sind diese Maßnahmen ungeeignet. Die Identifizierung und Einbeziehung der Betroffenen muss also bereits zu einem frühen Stadium stattfinden und zwar auch derjenigen Betroffenen, die schweigend, passiv und gleichgültig den Geschehnissen gegenüberstehen. Das wiederum lässt sich nur erreichen, wenn wir wieder lernen, dass wir als Bürger nicht nur das (vernachlässigte) Recht, sondern auch die Pflicht haben, uns um das Gemeinwohl zu kümmern. Diese Aufgabe kann allerdings weder das bestehende Planungsrecht noch ein Mediator übernehmen. Immerhin könnte ein frühzeitig eingeschalteter Mediations-Profi die möglichen Personen und Personengruppen nach eigenen Kriterien herausfinden und so einen Gesprächskreis bilden, der Chancen hat, als Katalysator einen möglichst großen Kreis von Betroffenen zu erreichen. Beispiel Innenstadt-Forum: Die Stadtverwaltung macht sich große Sorgen über die Abwanderung von Kaufkraft aus der Innenstadt. Öffentlich werden verschiedene Varianten diskutiert, wie die Attraktivität der Stadt erhöht werden könnte. Gegensätzliche Standpunkte werden in der Presse ausgetragen. Die Verwaltung beschließt ein öffentliches Forum einzurichten, das von externen KommunikationsExperten moderiert werden soll. In der Projektbeschreibung wird den sich bewerbenden Mediatoren bereits eine Liste von Teilnehmern präsentiert, die zu dem Forum einzuladen sind! Manchmal steht sich die Verwaltung eben selbst im Weg.
4.11 Ausblick: Bürgerbeteiligung im Dialog mit den Betroffenen! Verwaltungsakte können in der Regel in einem Widerspruchsverfahren der betroffenen Bürger überprüft werden. Die Widerspruchsbehörde ist aber selbst Bestandteil der Verwaltung. Das Misstrauen der Bürger ist dementsprechend groß. Die Widerspruchsbehörde ist in der Regel mit Juristen besetzt, die das Verfahren gerichtsmäßig durchführen, schon um sich in einem nachfolgenden Verwaltungsgerichtsverfahren keinen Vorwurf anhören zu müssen. Die Anliegen der Widerspruchsführer werden dementsprechend von ihren Anwälten bereits unter juristischen Gesichtspunkten gefiltert. Die wahren Bedürfnisse kommen damit oft nicht mehr in dem erforderlichen Maße zur Sprache.
87 Umgestaltung des Widerspruchsverfahrens im Verwaltungsrecht
Wäre das Widerspruchsverfahren wie ein Mediationsverfahren ausgekleidet – in der Schweiz ist dies möglich – könnte bereits in dieser Phase ein Interessenausgleich zwischen den Parteien versucht werden, der künftige Diskussionen überflüssig macht. Wahrscheinlich ist nicht jedes Widerspruchsverfahren für die Mediation geeignet. Aber die Alternative sollte eingeräumt werden. Und was hindert die Widerspruchsbehörde, das Widerspruchsverfahren mediativ zu gestalten?87 Es gibt Situationen, in denen es eine oder mehrere Seiten von vorneherein auf Konfrontation anlegen. Ziel der Auseinandersetzung ist es gerade nicht, einen Interessenausgleich zu schaffen: Das Projekt soll verhindert werden! Bei der Diskussion um Stuttgart 21 aber auch vielen anderen Großprojekten konnte man als Beobachter diesen Eindruck haben. Entsprechend den Prämissen für die Mediation88 ist bei von vorneherein fehlendem Einigungswillen die Mediation nicht das richtige Verfahren. Will man die Bürgerbeteiligung erweitern, muss man sich dieses Problems bewusst sein. Es steht jedermann frei, „dagegen“ zu sein, gegen was auch immer. Der demokratische Meinungsbildungsprozess kann nicht darauf hinauslaufen, auch diese Personen in das Ergebnis einzubeziehen. Auch ein mediativ geführtes Verfahren wird gegen Ende auf die Mehrheiten schauen müssen. Man kann es nicht allen Betroffenen gleichermaßen Recht machen. Sicherlich wird man niemandem aus dem Verfahren ausschließen, den man von vorneherein für unfähig hält, sich zu einigen (siehe Beispiel soeben). Der Mediator wird jedoch in dem Verfahren mit den Teilnehmern an den streitigen Punkten, den Interessen und Motiven arbeiten. Dabei wird sich sehr schnell herausstellen, ob gute Gründe für die Verweigerungshaltung vorgetragen werden können, oder ob sie lediglich einer destruktiven Grundhaltung entspringen. Der sich hieraus ergebende gruppendynamische Prozess kann fruchtbar für die Meinungsbildung genutzt werden.
87 88
Ortloff, Handbuch Mediation, § 29 RN 71 siehe oben 2.4.4
Und wenn die Einigung verhindert werden soll?
88
4 Mediation in förmlichen Verwaltungsverfahren Beispiel: Als deutlich wird, dass zwei Teilnehmer an dem Forum „aus Prinzip dagegen“ sind, führt dies dazu, dass die anderen Teilnehmer umso mehr an einer konstruktiven Lösung arbeiten, um sich nicht ebenfalls das Etikett „Alles-Verweigerer“ anheften zu lassen. Einer der beiden ändert daraufhin seine Haltung und beginnt ebenfalls – mit allen Vorbehalten – konstruktiv mitzuarbeiten. Der andere Teilnehmer isoliert sich immer mehr selbst. Am Ende des Prozesses steht er mit seiner Haltung alleine. Auch die Gruppe, die er in dem Prozess vertritt, hat während des Verfahrens an Bedeutung verloren. Der respektvolle Umgang miteinander, die vorgelebte Haltung des Mediators und die Offenheit mit der diese Fragen in der Verhandlung angesprochen werden, macht es den Parteien schwierig, auf die üblichen Verhaltensmuster des Streites zurückzugreifen. Indem alles offen besprochen wird, was zwischen den Parteien und einer Einigung steht, überleben auch Vorbehalte, versteckte Vorwürfe und Unterstellungen nicht. Der Verweigerer muss letztlich Farbe bekennen, warum er sich so und nicht anderes verhält, und ob dies authentisch ist.
89
5 Mediation zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer Vieles, was für die Mediation im Bereich von Planen und Bauen prägend ist, wurde bereits gesagt und trifft insbesondere für das Verhältnis von Auftragnehmer zu Auftraggeber zu. Ohne diese zu wiederholen, werden in diesem Kapitel wesentliche Elemente aufgegriffen, um die besondere Art, wie die Mediation mit den genannten Punkten umgeht, deutlich zu machen.
5.1 Mediation als Auftrag an das RisikoManagement der Unternehmen In den letzten Jahren haben sich mehr und mehr Unternehmen verpflichtet, gewisse ethische Standards einzuhalten. Im Zuge der „Compliance“, ausgelöst durch US-amerikanische Börsenregularien, beschäftigen sich jetzt auch in Deutschland viele „Compliance-Officers“ um die Formulierung und Einhaltung von Unternehmensleitlinien, wie von dem Deutschen Corporate Governance Kodex gefordert. Der Gesetzgeber hat ebenfalls durch zahlreiche Maßnahmen auf mehr Transparenz und Risikovorsorge gedrängt, – AktG § 91 Organisation, Buchführung – HGB § 289 I HS 2 und HGB § 317 II 3 Lagebericht – HGB § 321 I 2 Prüfungsbericht Dazu kommen übernommene Verpflichtungen aus den technischen Normen der ISO 9000 ff zum Qualitätsmanagement. Die Zielrichtung der meisten dieser Vorschriften ist darauf gerichtet, die Anteilseigner vor unvorhersehbaren Risiken zu schützen und das Management zu mehr Transparenz und Vorsorge zu verpflichten. Deshalb gilt das besondere Augenmerk der Wirtschaftsprüfer der Frage, ob das Management alles getan hat, um existenzielle Risiken frühzeitig zu erkennen und gegen sie halten zu können. Zu diesen existierenden Risiken gehören auch solche, die sich aus der Zusammenarbeit mit Lieferanten und Subunternehmern ergeben, wie Schlechtleistung, Verzug, Insolvenz und daraus resultierend unkalkulierte Kostensteigerungen, Forderungsausfälle, Rückstellung von gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten im Falle von Rechtsstreitigkeiten. Vor allem im Anlagenbau weiß man: Ein negativer Ausreißer kann den Erfolg von Jahren zunichtemachen.
Risiko-Management = KonfliktManagement
Dies wiederum ist Ansporn für die Rechtsabteilungen, die operativen Einheiten im Unternehmen dabei zu unterstützen, Rechtsstreitigkeiten möglichst zu vermeiden. Dies geschieht herkömmlich durch die BeP. Hammacher et al. So funktioniert Mediation im Planen + Bauen, DOI 10.1007/978-3-8348-8124-3_5, © Vieweg+Teubner Verlag |Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
90
Rechtsabteilungen sind gefordert
Checkliste präventive Vertragsgestaltung
5 Mediation zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer reitstellung von Standardverträgen, Musterschreiben und Schulung der Mitarbeiter89 sowie in der Verfolgung berechtigter oder der Abwehr unberechtigter Forderungen. Risikoprävention muss jedoch zugleich auch Konfliktprävention sein. Es nützt wenig, dass die Rechtsabteilung ein ausgeklügeltes Vertragswerk vorlegt und der schwächere Vertragspartner es vorbehaltlos anerkennt, wenn dieser später nicht in der Lage ist, die Bedingungen auch zu erfüllen. Die Vertragslage mag dann zwar das Unternehmen berechtigen, z. B. den Vertrag zu kündigen und Schadenersatz zu verlangen. Das Bauprojekt ist aber erst einmal massiv gestört. Ob die dadurch einsetzenden Verzüge, Nacherfüllungen etc. durch eigenen Einsatz oder durch Ersatzvornahme aufgeholt werden können, ist keineswegs gesichert. Die entstehenden Kosten sind dann durch etwaige von dem Subunternehmer zu gewährende Erfüllungsbürgschaften möglicherweise nicht mehr abgesichert. Um die Forderung zu realisieren, muss der Auftraggeber versuchen, diese in einem lang dauernden Prozess zu erstreiten. Möglicherweise ist der betroffenen Subunternehmer finanziell gar nicht in der Lage, die Forderung überhaupt zu begleichen und geht in die Insolvenz. Den Kunden interessieren die Probleme mit dem Subunternehmer jedoch überhaupt nicht: Er sieht nur, dass der Auftraggeber seinen Vertragspflichten gegenüber dem Kunden nicht nachgekommen ist. Es folgen auch hier Forderungen und Streitigkeiten, vor allem aber ein Verlust an Vertrauen und Renommé, das möglicherweise erst in Jahren mühsam wieder aufgebaut werden kann. Also ein erhebliches Risiko, das es durch vorausschauende Aktivitäten zu vermeiden gilt. Stellt man sich in dem Unternehmen aber der Aufgabe, nicht nur Risiko-, sondern auch Konfliktprävention zu betreiben, kommt man an der Frage nicht herum, was geschehen muss, um die Abwicklung von Aufträgen spannungsfreier als bisher sicherzustellen. Voraussetzung hierzu wäre – ein Vertragswerk, das nicht nur einseitig die Interessen des Auftraggebers verfolgt, sondern auch die Interessen des Auftragnehmers berücksichtigt90 – auskömmliche Preisgestaltung für den Subunternehmer – Rückkehr zum Aushandeln wesentlicher Vertragsbestimmungen statt bloße Übersendung allgemeiner Geschäftsbedingungen (§ 305 ff BGB) – Um den Einwand zu vermeiden, die den Geschäftspartner belastenden Vertragsklauseln seien allgemeine Geschäftsbedingungen, bietet es sich an, in wichtigen Fällen (sicher nicht in jedem) die 89
90
Siehe Güntzer/Hammacher, Handbuch der Auftragsabwicklung mit Musterverträgen und -schreiben auf CD, vgl. auch Serviceleistungen, www.drhammacher.de Siehe hierzu Kapitel 11, Partnering, Alliancing
5.2 Besondere Herausforderungen in der Baupraxis Leitung der Vertragsverhandlungen nicht dem Einkauf zu übertragen, sondern einem Mediator, der dafür sorgt, dass alle AGBkritischen Vertragsthemen auch tatsächlich zur Sprache kommen, sodass sich die andere Partei nicht später auf die Unwirksamkeit dieser Klauseln berufen kann. – Einrichtung einer Mediationsstelle zur Begleitung des Bauprojektes. Die Mediationsstelle soll bei auftretenden Konflikten schnell zusammentreten können und mit den Beteiligten eine Lösung des Konfliktes erarbeiten. Dabei kann es sich um Probleme zwischen Personen, zwischen Unternehmen, zwischen Bürgern und Unternehmen oder gar zwischen Behörden und Unternehmen handeln. Je nach Gestaltung kann die Mediationsstelle so zusammengesetzt werden, dass sie auch in der Lage ist dabei zu helfen, technische Streitigkeiten aufzuklären – Einrichtung einer Schiedsstelle, die Probleme, die nicht einvernehmlich geklärt werden konnten, im Auftrag der Parteien durch Schiedsspruch beendet, ggf. auch vorläufig. Diese Schiedsstelle kann ggf. auch mit der Mediationsstelle verbunden werden („MedArb“)91 – Förderung der gezielten Kommunikation unter den Baubeteiligten. Langatmige Baubesprechungen, die von dem Projektleiter des Auftraggebers geführt werden, ohne dass viel dabei herumkommt und die nur die Leute vom Arbeiten abhalten, sollten der Vergangenheit angehören. – Sicherstellung, dass die in den Baubesprechungen getroffenen Vereinbarungen von allen gleich verstanden wurden, durch aktive Anwendung entsprechender Fragetechniken – Protokollierung der Vereinbarungen und zügige Versendung, damit die Grundlage für die weitere Zusammenarbeit klar ist (beachte hierzu auch die Regeln über das kaufmännische Bestätigungsschreiben)92 – Schulung der Projektleiter in wertschätzender Kommunikation und sachorientiertem Verhandeln – Einrichtung eines geschützten Systems für Hinweisgeber (sog. „whistleblower“), das es den Mitarbeitern ermöglicht, notfalls auch anonyme Hinweise an eine zur Verschwiegenheit verpflichtete Vertrauensperson zu geben, wenn er Umstände wahrgenommen hat, die dem Unternehmen erhebliche Risiken bereiten könnten.93
91 92 93
Siehe Kapitel 2.3.1 Güntzer/Hammacher, Handbuch der Auftragsabwicklung, § 2.2.3, Seite 23 Transparency International Deutschland, www.transparency.de/hinweisgebersysteme. 60.0.html
91
92
5 Mediation zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer
5.2 Besondere Herausforderungen in der Baupraxis 5.2.1 Die Spielräume der Baubeteiligten während der Auftragsabwicklung sind eingeschränkt. Mediation am Bau ist schwierig aber möglich
Zum einen ist der Zeitplan mit Vertragsabschluss verbindlich und lässt bestenfalls Puffer für Verschiebungen zu, nicht aber die Gefährdung des zeitlichen Gerüstes an sich. Auftragsabwicklung ist ein Kampf gegen die Uhr. Alles, was den zeitgerechten Ablauf zu hemmen droht, muss schnellstens aus dem Weg geräumt werden. Verhandlungen sind deshalb tendenziell unerwünscht. Zum anderen steht das Budget der Baubeteiligten nach Vertragsabschluss fest. Störungen oder Mehrleistung, die dieses Budget strapazieren, führen zu Anpassungsprozessen und können Konflikte infolge unterschiedlicher Interessen nach sich ziehen. Mit Blick auf die Konsequenzen für das Projekt (und für sich selbst) kommen die Akteure von sich aus nicht ohne Weiteres auf die Idee, sich bei der Lösung ihrer Probleme durch einen Mediator unterstützen zu lassen, sondern verfallen stattdessen schnell in atavistische Angriffs- und Verteidigungsmuster. Äußere Zwänge sind aber nichts Ungewöhnliches. Auch in direkten bilateralen Verhandlungen müssen die Parteien sich darauf einstellen. Verhandlungen sind erst dann aussichtslos, wenn es tatsächlich nur ein „Ja“ oder ein „Nein“ gibt, sogenanntes „Nullsummenspiel“, denn dann lässt sich das Problem nur durch eine Entscheidung lösen und sei es auch nur durch eine Zufallsentscheidung, z.B. durch das Los. In der Mediation wird man den bestehenden engen zeitlichen und finanziellen Rahmen transparent machen. Anders als sonst wird aber die kreative Lösungsfindung nicht von vorneherein unter Hinweis auf die jedem bewussten Restriktionen abgeblockt, sondern im Gegenteil werden die Parteien aufgefordert, auch das Unmögliche zu denken. Erst wenn alle Lösungsoptionen am Flipchart stehen, werden die Ideen gemeinsam bewertet und an den realen Bedingungen abgeglichen. So werden gute Ideen gefördert, statt sie gar nicht erst entstehen zu lassen.
5.2.2 Machtgefälle während der Auftragsabwicklung Der Mediator sorgt für Machtausgleich
Eine weitere Herausforderung liegt in der ungleichen Machtverteilung: Bauvorhaben, zumindest größere, sind von Machtgefällen gekennzeichnet. Das Werkvertragsrecht geht von der Vorleistungspflicht des Auftragnehmers aus. Erst, wenn seine Leistung den vereinbarten Anforderungen entspricht, hat er Anspruch auf Abnahme und Vergütung. Auch wenn dies in der Praxis durch Zahlungspläne oder Zwischenabnahmen etwas entschärft werden mag, kann der Auftraggeber seine wirtschaftliche Macht ausspielen. Der Auftragnehmer
5.3 Typische Konfliktfelder in einer Mediation
93
ist kraft Gesetzes tendenziell in der schwächeren Position. Verschärft gilt dies in Zeiten, in denen gute Aufträge schwer zu bekommen sind. Wenn denn schon der Konflikt nicht tatsächlich bewältigt wird, so kann doch zumindest die aktuelle Störung durch Einsatz von Druckmitteln beseitigt werden. Diese will sich der Auftraggeber nicht aus der Hand nehmen lassen. Machtgefälle sind für das Mediationsverfahren dann ein Problem, wenn die stärkere Seite für sich keinen Vorteil in einer konsensualen Lösung sieht. Warum sollte sie sich auf eine für sie ungünstigere Vereinbarung einlassen, wenn sie ihre Interessen ohne Weiteres und ohne negative Folgen durchsetzen kann? Bei näherem Hinschauen ergibt sich allerdings sehr häufig, dass die von der mächtigeren Partei eingenommene Haltung gar nicht so stark ist, wie sie glaubt: Die Rechtslage wird zu optimistisch eingeschätzt oder die Folgen einer einseitigen Machtdemonstration nicht ausreichend berücksichtigt. Das Mediationsverfahren kann der stärkeren Partei helfen, ihre Situation zu überdenken und ihr den Weg zu einer konstruktiven statt machtbetonten Umgangsform öffnen. Die meisten Menschen streben danach von den anderen als „faire“ Partner wahrgenommen zu werden, statt als unausstehliche Machtmenschen.
5.3 Typische Konfliktfelder in einer Mediation zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber 5.3 Typische Konfliktfelder in einer Mediation
Die Möglichkeiten, sich während der Abwicklung von Bauvorhaben zu streiten, sind schier unerschöpflich. Wir gehen davon aus, dass die meisten Leser selbst mit den Störungen in der Auftragsabwicklung vertraut sind. Die Komplexität von Bauvorhaben bringt es mit sich, dass einmal entstandene Streitigkeiten sich selten nur auf einen Punkt beziehen. Das führt zum einen zu einer langen Liste von zu erledigenden Punkten (in Bauprozessen heißen solche Verfahren auch „Punktesache“), zum anderen auch zu einer Chance, die einzelnen Punkte miteinander zu verbinden und ggf. auch Pakete zu schnüren, ohne alles im Einzelnen durch ein Gericht klären lassen zu müssen. Jedes dieser Schlagworte steht für ein Drama, wenn nicht gar eine Tragödie: – Falsches, lückenhaftes, unklares Leistungsverzeichnis – Auftragsabwicklung ohne abgeschlossene Planung – Änderungen der Planung durch den Auftraggeber oder seinen Bauherrn – Anordnungen des Auftraggebers, seiner Erfüllungsgehilfen und Anordnungen anderer am Bauvorhaben Beteiligter, wie Projektsteurer, Architekt, Sonderfachleute, Behörde
„Klassische Themen des privaten Baurecht“
94
5 Mediation zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer – notwendige zusätzliche Leistungen – Abgrenzung Nebenleistungen und Besondere Leistungen nach VOB/A – Auslegung und Anwendung von Stand der Technik, DIN und Hersteller-Richtlinien – Einsatz von Spezialgeräten und -fahrzeugen – Anwendung neuer Technologien – Wegfall oder Änderung der Geschäftsgrundlagen – Schlechtlieferung von gelieferten oder beigestellten Materialien – unzureichende Mitwirkung des Auftraggebers – Behinderung durch den Auftraggeber, andere Auftragnehmer, Dritte – Zahlungsschwierigkeiten – Schlechtleistung – Verzögerungen im Baubeginn, zu geringe Personal- und Materialausstattung (§ 4 VOB/B) – Einhaltung vertraglicher Regelungen über die Anmeldung von Forderungen (Claim-Management) – Neben- und Sorgfaltspflichten, Sicherungspflichten – Hinweispflichten – Gewährung von Sicherheiten – Beschäftigung von Fremdfirmen – Kommunikation und Kooperation am Bau Diese Schlagworte sind bereits nach juristischen Kriterien gebildete Oberbegriffe für Vorfälle auf der Baustelle. Sofern bereits Anwälte mit der Sache befasst waren, wird man diese in der Begründung für die einzelnen Forderungen wiederfinden. Sofern bisher die Parteien-Vertreter alleine streiten, werden diese Punkte möglicherweise anders aussehen, wie z. B.:
Typische Themen der Auftragnehmer
Auftragnehmer: – Die vorgelegte Planung ist eine einzige Katastrophe, LV und Zeichnungen stimmen hinten und vorne nicht überein. – Dass die Statik bei Vertragsunterzeichnung noch nicht vorlag, hat uns nicht gestört – aber was jetzt dabei herausgekommen ist, hat mit dem ursprünglichen Bauwerk nichts mehr zu tun. – Der Auftraggeber weiß nicht, was er will – die ständigen Umänderungen kosten uns viel Geld.
5.3 Typische Konfliktfelder in einer Mediation
95
– Auf der Baustelle laufen lauter Leute rum, die uns sagen, was wir zu tun und zu lassen haben. Wer zahlt uns denn am Schluss die ganzen Änderungen? – Wir erbringen dauernd Leistungen, von denen im Auftrag nicht die Rede war und hören dann, das sei „all inclusive“. – Die Arbeiten führen wir so aus, wie wir das schon immer gemacht haben. – Unter den gegebenen Umständen am Bau kann man nicht nach DIN arbeiten. – Das, was wir angeboten haben und das, was wir jetzt ausführen müssen, hat nichts mehr miteinander zu tun, der Vertrag gilt nicht mehr, wir wollen nach Stunden abrechnen. – Das Material, das uns der Auftraggeber beistellt, taugt nichts, hätte er uns auch mit der Lieferung beauftragt, gäbe es dieses Problem nicht. – Der Auftraggeber braucht endlos lange, bis er die Werkstattzeichnungen freigegeben hat. – Der Bauleiter des Auftraggebers weigert sich, unsere Stundenrapportzettel zu unterschreiben. – Die Baustellenplanung ist ein Chaos, wir können unsere Leistung nicht erstellen, weil die Leistung des Vorunternehmers nicht fertiggestellt ist. – Der Auftraggeber ist fast pleite, er zahlt unsere Abschlagszahlungen nicht mehr. – Der Auftraggeber hat es von vorneherein darauf abgesehen, den Sicherungseinbehalt gar nicht erst auszuzahlen. Auftraggeber: – Wir sind nicht mehr bereit, uns den Murks auf der Baustelle länger anzusehen. – Der Auftragnehmer kommt mit seinen Leuten und der Baustelleneinrichtung nicht in die Hufe. – Ohne schriftliches Angebot gibt's keine Nachträge. – Wenn ich die Leute noch einmal auf dem Baugerüst ohne Geschirr rumturnen sehe, fliegen sie alle von der Baustelle. – Der Auftragnehmer hätte uns auf die Fehler im LV hinweisen müssen; schließlich ist das eine „Fachfirma“. – Die Erfüllungsbürgschaft ist immer noch nicht da, da muss doch etwas faul sein. – Der Auftragnehmer beschäftigt nur ausländische Sub's, das kann doch nicht gut gehen. – Die Auftragnehmer müssen sich gefälligst selbst koordinieren und
Typische Themen der Auftraggeber
96
5 Mediation zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer untereinander abstimmen. So steht es im Vertrag, damit wir die Kosten für die Bauleitung auf ein Minimum beschränken können.
5.4 Erarbeitung der Themenliste in der Mediation Im Folgenden wird gezeigt, wie nach der Auftragsklärung zwischen den Medianden und dem Mediator (Stufe I) durch die Rücksprache mit den Parteien und durch Umformulieren der Forderungen, Vorwürfe und Fakten daraus eine Themenliste bilden lassen könnte (Stufe II), sodann wie die Interessen der Parteien aussehen könnten (Stufe III) und ein Beispiel für eine Option (IV) und die entsprechende Vereinbarung zu dieser Option (V). Der erste Schritt zur sachorientierten Verhandlung in der Mediation besteht darin, die genannten Positionen und Forderungen durch behutsames Hinterfragen und Umformulieren zu einer Themenliste zusammenzufassen. Also etwa so: Checkliste
Checkliste Themenliste in der Mediation
•
Prüfung der planerischen Grundlagen für das gemeinsame Projekt
•
Klärung der Kompetenzen für Nachtragserteilung auf der Baustelle
•
Klärung des Liefer- und Leistungsumfangs
•
Qualität der beigestellten Materialien
•
Festlegung des Prozesses zur Prüfung und Anerkennung von Leistungen
•
Baustellenablauf
•
Finanzieller Status und Sicherheiten
•
Qualität der Arbeit und Termintreue
•
Festlegung des Prozesses zur Prüfung und Anerkennung von Leistungen
•
Sicherheitsbestimmungen
•
Prüfung der planerischen Grundlagen für das gemeinsame Projekt
•
Finanzieller Status und Sicherheiten
•
Baustellenablauf
Die genannten Punkte haben sich damit bereits deutlich reduziert. Es wird erkennbar, dass einige Punkte sowohl aus der Sicht des Auftragnehmers als auch aus der Sicht des Auftraggebers relevant sind. Die
5.5 Typische Interessen
97
Punkte sind neutral bezeichnet, damit wird die jeweilige Vorwurfsund Angriffshaltung aufgegeben und der Weg zu einer sachorientierten Diskussion eröffnet.
5.5 Typische Interessen Nach Auftragsklärung mit den Mediatoren und der Sammlung der Themen arbeiten die Mediatoren zusammen mit den Medianden die Interessen der Parteien heraus. Natürlich sind diese in jedem Einzelfall verschieden, denn sie sind abhängig von den handelnden Personen und dem konkreten Kontext des Streits. Das Geschäftsfeld Bauen bringt es allerdings mit sich, dass sich aus den von Auftraggeber und Auftragnehmer genannten Positionen regelmäßig bestimmte Interessen erkennen lassen. Der Auftraggeber möchte – die adäquate Leistung für seine Zahlung – zum geplanten Zeitpunkt das Projekt übergeben (bzw. selbst nutzen) – sein Budget nicht überschreiten – gegen Störungen und Inanspruchnahme Dritter abgesichert sein – auf die Qualität und Selbstorganisation seiner Auftragnehmer vertrauen Der Auftragnehmer möchte – die Leistungen effizient ausführen – sicher sein, dass er die adäquate Vergütung vertragsgemäß bekommt Die Interessen reflektieren die von den Parteien eingebrachten Themen. Durch Rückfragen und Umformulieren können die geäußerten Positionen auf die dahinter stehenden Bedürfnisse konzentriert werden, denn viele der genannten Themen haben das gleiche Interesse. Auf diese Weise bekommt der Streitstoff eine neue Perspektive. Das Lösen von dem Forderungskatalog ermöglicht es den Parteien zu erkennen, dass beide Parteien im Grunde dieselben Grundbedürfnisse haben, nämlich – vom anderen respektiert zu werden – gegen Unwägbarkeiten abgesichert zu sein – dem anderen vertrauen zu können Diese Erkenntnis wird die Parteien vielleicht überraschen. Wenn sie diese Zwischenfeststellung akzeptieren können, fällt es ihnen auch nicht mehr so schwer, sich mit den Forderungen der anderen Seite auseinanderzusetzen, denn es ist ihnen jetzt klar, dass auch die For-
Oftmals gleiches Interesse auf beiden Seiten
98
5 Mediation zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer derung der anderen Seite eine legitime Ausgangsposition hat – und zwar eigene.
5.6 Suche nach Optionen Die Vorgehensweise ermöglicht es, die bisherige Art der Diskussion zu unterbrechen. Bisher standen sich Forderungslisten gegenüber. In den Verhandlungen wurde jede Forderung für sich auf ihre juristische Begründetheit und prozessuale Beweisbarkeit hin überprüft und zwar immer in Rede und Gegenrede. Diese Kontroverse kann nur Punkt für Punkt durch Nachgeben, Feilschen oder eine Entscheidung gelöst werden, bestenfalls durch eine Gesamtlösung am Ende der Verhandlungen. Zusammenfassen von Forderungen
Die Zusammenfassung von Forderungen und die Neuformulierungen der Interessen erlaubt es hingegen, Parallelen zu sehen, und nach entsprechenden Lösungsoptionen zu suchen94 – wenn beide Parteien respektiert werden wollen, können sie über bessere Kommunikationsstrukturen nachdenken, die es ihnen erlaubt, ihr Know-how zu aufgetretenen technischen Fragen auszutauschen und sich in ihrer jeweiligen Aufgabe zu akzeptieren – oder wenn das Verhältnis schon sehr gestört ist, welche Optionen es gibt, um dieses wieder herzustellen, oder zu beenden, etc. – wenn sich beide Parteien über ihrer Ansicht nach ineffiziente Baustellenabläufe unterhalten, lautet der Fokus jetzt nicht mehr „Wer hat Schuld?“, sondern „Was muss ich tun, damit wir die Probleme in den Griff kriegen?“ – wenn beide Parteien nach Sicherheit streben, können sowohl das Sicherungsbedürfnis des Auftraggebers im Falle von Schlechtleistung oder Inanspruchnahme Dritter, als auch das Sicherungsbedürfnis des Auftragnehmers nach vollständiger und zeitgerechter Zahlung besprochen werden. – wenn beide Parteien bereit sind, für die adäquate Gegenleistung selbst eine adäquate Leistung zu erbringen, wird deutlich, dass sie das Prinzip von Nehmen und Geben für sich als richtig akzeptiert haben, d. h. der Verdacht, die andere Seite wolle einen reinlegen, kann zurückgedrängt werden. Stattdessen findet jetzt die Untersuchung statt, was denn nun die Grundlage der Bemessung von Leistung und Gegenleistung ist. Bei dem Thema Leistung und Vergütung lautet die Frage an die Medianden: „Welche Informationen, ggf. außenstehende Expertise benötigen wir, um unseren gemeinsamen Vertrag zu verstehen?“ Gelingt dieser Schritt, haben die Parteien eine gute Ausgangsbasis, um sich
94
siehe Kapitel 11.4
5.6 Suche nach Optionen
99
auf der Basis von gemeinsam erarbeiteten Kriterien auch eine Lösung zu schaffen. Natürlich läuft dieser Prozess nicht so klinisch rein ab, wie er sich hier liest. Sobald eine Partei bemerkt, dass sie aufgrund der gemeinsam getroffenen Absprachen möglicherweise schlechter abschneidet im Vergleich zu der ursprünglichen Forderung, muss damit gerechnet werden, dass sie wieder in die alten kontroversen Verhaltensmuster fällt. Ohnehin ist der Mediationsprozess ein ständiges Hin und Her auf den verschiedenen Diskussionsstufen (siehe oben I–V) und der Mediator muss fürchterlich aufpassen, dass die Parteien immer wieder in die Struktur des Mediationsverfahrens zurückgeholt werden. Besonders schwierig ist dies, wenn es in der Mediation im Wesentlichen ums Geld geht und andere Aspekte für die Parteien deutlich dahinter zurücktreten. Dann liegt der Fall dicht an einem Nullsummenspiel,95 wenn es nicht gelingt, selbst in diesem Fall die dahinterliegenden Interessen zu identifizieren.96 Auf der Basis der für den Interessenausgleich gesammelten Informationen wird der Mediator die Parteien anhalten, Optionen zu bilden. Gelingt dies, findet im Anschluss eine Bewertung der gefundenen Optionen statt. Die Parteien werden über die Möglichkeiten verhandeln. Gelingt es, alle offenen Punkte zu erledigen, folgt die Vereinbarung (Stufe V): Der Konflikt zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber ist gelöst.
95 96
siehe Kapitel 8.5 siehe Kapitel 2.4.8
Der Mediationsprozess ist ein ständiges Auspendeln
101
6 Mediation bei der Abnahme 6.1 Rechtsakt und Mediation Die Abnahme der Bauleistung ist ein folgenschwerer Rechtsakt. – Die Vergütung wird fällig. – Die Beweislast für Mängel kehrt sich um vom Lieferanten zum Besteller. – Risiko und Gefahr gehen vom Lieferanten auf den Besteller über. – Der Gewährleistungseinbehalt wird geregelt. – Die Verjährungsfrist beginnt. – Die Abnahme ist die letzte Gelegenheit zur Anmeldung von Vertragsstrafen, z. B. wegen Terminverzug. Im Abnahmetermin wird eine Liste derjenigen Mängel erstellt, für die die oben aufgezählten Wirkungen nicht eintreten sollen. Was auf dieser Liste steht, ist von der Abnahme ausgenommen, wird also nicht bezahlt, die Beweislast kehrt sich nicht um, das Risiko geht nicht auf den Besteller über, usw.
Abnahme: die Stunde der Wahrheit
Jeder Posten auf der Liste ist für mindestens eine der Parteien eine so schwerwiegende Belastung, dass die Voraussetzungen für gegenseitige Schönwetterbehandlung schlecht sind. Dazu kommt, dass die Abnahme von beauftragten Profis für Dritte vorgenommen wird. Wer für Dritte handelt, kann keine Zugeständnisse zulasten anderer aushandeln. Wer für Dritte handelt, hat keinen Ermessensspielraum der Gegenseite etwas zu schenken oder zu tauschen. Jeder Mangel muss auf die Liste. Darüber gibt es nichts zu verhandeln. Andernfalls setzt der Beauftragte sich dem Risiko aus, dass sein Auftraggeber Regress von ihm fordert. – Der Bauleiter handelt für den Bauherrn. – Der Architekt handelt für den Bauherrn. – Der Sachverständige handelt für seinen Auftraggeber. – Der Firmenbauleiter handelt für den Auftragnehmer. Die Ausgangssituation ist oft wirtschaftlich angespannt. Der Lieferant braucht die Abnahme, um an sein Geld zu kommen. Im Vorfeld waren die Preise knapp kalkuliert. Über Nachträge und Sonderwünsche versuchte der Lieferant, das Ergebnis aufzubessern. Auf der anderen Seite hat mancher Besteller fest einkalkuliert, mit Mängelrügen seine letzte Rate zu finanzieren. Der Besteller will die Wohnung beziehen. Am Schluss wird abgerechnet. Der Schluss ist die Abnahme. Dabei stehen beide Parteien unter Zeitdruck und unter finanziellem Druck.
P. Hammacher et al. So funktioniert Mediation im Planen + Bauen, DOI 10.1007/978-3-8348-8124-3_6, © Vieweg+Teubner Verlag |Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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6 Mediation bei der Abnahme Wenn in den folgenden Fällen die Leistung nicht ganz fertig ist, und der Auftraggeber die Rechnung nicht ganz bezahlen will, liegen darin zahlreiche Streitpunkte begründet. Die große materielle Bedeutung der Abnahme führt zwangsläufig zu hohem Stress, das heißt einer hohen nervlichen Belastung. Wenn die Nerven blank liegen, nehmen leicht Emotionen überhand. Und wenn Emotionen im Spiel sind, können Verhandlungselemente aus dem Handwerkszeug der Mediation sehr hilfreich sein. Die Beispiele werden den Wunsch nahe legen, dass jeder am Bau Mediation gelernt haben sollte. Zum anderen werden die Beispiele zeigen, dass die Beteiligung eines unabhängigen Dritten auch bei der Abnahme weiter helfen kann. Wobei der unabhängige Dritte sich von der technischen Fachperson zur Fachperson für Beziehungsfragen entwickeln muss.
6.2 Der Sonderfall der Abnahme einer Eigentumswohnung Der Bauträgervertrag zum Erwerb einer Eigentumswohnung unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von anderen Kaufverträgen. Der erste Punkt ist, dass der Bauträger sich zur Lieferung einer Bauleistung nach den „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ verpflichtet. Diese Vereinbarung weicht deutlich ab von der Vereinbarungsgrundlage in anderen Verträgen. Kaufverträge für andere Güter als Bauwerke setzen bei allen Punkten, die nicht ausdrücklich vereinbart sind, eine Beschaffenheit von „mittlerer Art und Güte“ voraus. Oder wie es in § 633 BGB heißt, eine Beschaffenheit, die sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte, sonst für die gewöhnliche Verwendung eignet, und die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Besteller nach der Art des Werks erwarten kann. Die Formulierung führt ins Mittelfeld möglicher Qualitätserwartungen. Das ist die Erwartungshaltung eines Käufers. Theorie und Praxis
Demgegenüber beschreiben die allgemein anerkannten Regeln der Technik das, was in der Fachwelt allgemein bekannt ist, was theoretisch richtig ist und was sich praktisch bewährt hat. Die Formulierung des Reichsgerichts in Leipzig aus dem Jahre 1910 wird in der Praxis so interpretiert, dass das Gebäude nicht einstürzt, nicht gleich abbrennt, dass es nicht reinregnet, und dass die Leitungen nicht einfrieren. Diese Anforderungen gelten auch dann, wenn sie nicht ausdrücklich vereinbart sind. Juristen nennen das die Funktionalitätsvereinbarung. Die Definition der geschuldeten Leistung nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik ist im Bauwesen üblich und in der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen VOB anders als im BGB ausdrücklich so festgelegt. Gemessen werden diese Anforderungen an öffentlich rechtlichen Bauvorschriften und an denjenigen DINund sonstigen Normen, die sich in der Praxis bewährt haben. Kurz gesagt beschreiben die allgemein anerkannten Regeln der Technik das absolute Minimum einer denkbaren Bauleistung. Darunter geht es
6.2 Der Sonderfall der Abnahme einer Eigentumswohnung
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hierzulande nicht. Bauträger neigen dazu, diese Rechtsauslegung sehr wörtlich zu nehmen. So sagt der Kunde: „In dem hohen Preis muss das doch enthalten sein.“ Und der Verkäufer steht auf dem Standpunkt: „Sie kriegen was in der Baubeschreibung steht und genau das. Mehr nicht.“ Beispiel: Der für das Bauen zuständige Minister eines süddeutschen Bundeslandes hielt die Vorschrift für entbehrlich, dass innen liegende fensterlose WCs mechanisch zu entlüften seien. Das würde doch jeder auch ohne Vorschrift so machen, meinte der Minister. Da kannte der Minister keine Bauträger. Fortan wurde in Einzelfällen tatsächlich die nicht länger vorgeschriebene technische Anlage weggelassen. Viele Prozesse später wurde der Fehler korrigiert. Ist die Erwartungshaltung an die Abnahme einer Eigentumswohnung zwischen den Parteien schon verschieden genug, wird die Abnahme nicht leichter durch den Umstand, dass der Kauf einer Eigentumswohnung für viele Menschen die teuerste Anschaffung ihres Lebens ist. Die unterschiedlichen Erwartungshaltungen erklären, warum über einen kleinen Mangel stundenlang verhandelt werden kann. Und die Gegenüberstellung dieses Einmalkäufers mit einem gewerblichen Bauträger erklärt, warum beide zwei Sprachen sprechen, zwischen denen manchmal ein Dritter dolmetschen muss. Sonderfall Einzelne Gerichtsentscheidungen der neueren Zeit – zum Beispiel zum Schallschutz – haben die große Distanz zwischen der Erwartung eines Käufers und den Inhalten einer Baubeschreibung verkleinert, aber nicht aufgehoben. Gerichte verlangen die „Funktionstauglichkeit“ des Bauwerks unabhängig von Verträgen und auch unabhängig von Normen und technischen Regeln. Die Diskrepanz zwischen den allgemein anerkannten Regeln der Technik, DIN-Normen und den Erwartungen der Käufer wird hier besonders deutlich. Der Schallschutz nach der verbindlichen Norm, der noch immer eingeführten Technischen Baubestimmung DIN 4109 (auch definiert als Schallschutzstufe I nach VDI 4100 oder nach DIN 4109-10) kann nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14.06.2007 (VII ZR 45/06) nur die aller unterste stets mindestens bauordnungsrechtlich einzuhaltende Schutzklasse darstellen. Der ohne besondere Vereinbarung geschuldete Schallschutz nach allgemein anerkannten Regeln der Technik ist spätestens seit dem Jahr 2000 der „erhöhte Schallschutz nach DIN“ (Beiblatt 2 zu DIN 4109 bzw. Schallschutzstufe II nach
... und was sagt das Gericht dazu?
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6 Mediation bei der Abnahme VDI 4100 oder nach DIN 4109-10). Schon sprachlich sprengt die Entscheidung den üblichen Rahmen, wenn nach der Formulierung des Gerichts der „erhöhte“ Schallschutz der „Mindest“-Schallschutz ist. Werde ein erhöhter Schallschutz vereinbart, so sei damit Schallschutzstufe III nach VDI 4100 oder nach DIN 4109-10 vereinbart. Diese Entscheidung steht bisher ziemlich allein neben vielen Entscheidungen, die die allgemein anerkannten Regeln der Technik sehr konservativ auslegen.
6.3 Der Mehrparteienkonflikt Jeder bei der Abnahme gerügte Mangel an einer Eigentumswohnung wird vom Bauträger an den Architekten, Ingenieur, Baugrundgutachter und an die ausführenden Handwerker, möglicherweise an deren Subunternehmer weitergereicht. Wenn der Erwerber die Wohnung vermietet, findet ein Streit zum Beispiel zwischen Architekt und Bauunternehmer um die Kosten eines längst beseitigten Mangels teilweise in den Wohnräumen des Mieters statt, der mit der Sache gar nichts zu tun hat. Nur theoretisch finden Konflikte zwischen zwei Parteien statt. Worum wird eigentlich gestritten?
Die zahlreichen Beteiligten streiten sich im einfachsten Fall um eine Sache (zum Beispiel Geld), vielleicht aber auch um ihre Rolle (als Chef, als Architekt, als Unternehmer) oder auch um persönliche Wertvorstellungen. Dahinter stehen immer die menschlichen Beziehungen der Parteien, ihre Autorität, Macht, Rivalität, Konkurrenz, usw.
6.4 Das Bedürfnis hinter der Forderung Praktisch ist nicht immer bedürfnisgerecht!
Beispiel Briefkasten: Ein 30-jähriger Erwerber einer Eigentumswohnung hat mit viel Geschmack und einigem Geld die Bauträgerwohnung durch Sonderwünsche in Küche und Bad zu einem Schmuckstück herausgeputzt. Die Sonderwünsche sind zu seiner Zufriedenheit ausgeführt. Dennoch verweigert er die Abnahme. Nach langer Diskussion stellt sich heraus, dass der Briefkasten an der Haustür der Stein des Anstoßes ist. Der Briefkasten sei nicht wie bestellt frei stehend außerhalb des Gebäudes aufgestellt, sondern in die Haustür integriert. Das ist in der Tat eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit. Hat der Kunde einen Nachteil, wenn er trockenen Fußes seine Post aus dem Kasten holen kann, ohne im Regen zu stehen? Es fallen harte Worte. Es dauert lange, bis sich herausstellt, nein, der Kunde beklagt, dass er sich bücken müsse, um an den Briefkasten zu kommen. Er müsse an später denken. In dieser Wohnung könne er nicht alt werden. Der Briefkasten wird getauscht gegen einen bequemer zu erreichenden und der Kunde ist zufrieden..
6.4 Das Bedürfnis hinter der Forderung Der Ablauf ist ein Musterbeispiel für eine Verhandlungstechnik, die als Harvard-Konzept bekannt geworden ist. Das Konzept einer Verhandlungsausbildung der amerikanischen Autoren Fischer, Ury, Patton ist eine Kommunikationsstrategie in Phasen.
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1. Klärung 2. Lösung suchen 3. Lösung finden 4. Lösung vereinbaren
6.4.1 Klärung Der Beanstandung am Briefkasten konnte leicht abgeholfen werden, als der Kunde sie endlich benannt hatte. Die erste Phase hatte hier insbesondere die Aufgabe, überhaupt herauszufinden, was der Kunde wollte. Diese Information hat er nicht auf dem silbernen Tablett serviert.
Fragen und Verstehen
Der Kunde hat sein eigentliches Bedürfnis lange bedeckt gehalten. Der Weg von der verweigerten Abnahme über den vorgeschobenen frei stehenden Briefkasten bis zur Enthüllung des tatsächlichen Wunsches, sich nicht zu bücken, kam erst nach einem langen Frage-undAntwort-Spiel ans Licht. Wenn der Kunde geahnt hätte, wie leicht sich sein Problem lösen lässt und wie bereitwillig die andere Seite darauf eingeht, hätte er direkt zur Sache kommen können. Der Kunde hat nicht gesagt, was er wirklich wollte. Das musste erst herausgefunden werden. Dann konnte er seine vorgefasste Position aufgeben und sein Bedürfnis konnte befriedigt werden. Warum lehnt der Kunde den Briefkasten ab? Der Schritt von der Position (=verweigerte Abnahme) zum dahinter liegenden Interesse (=dem bequemeren Briefkasten) gelingt erst dann, als der Mediator das dahinterliegende Bedürfnis nach Vorsorge für später freilegt. Es war zu unterscheiden zwischen der Verärgerung des Kunden – der Beziehungsebene – und der technischen Beanstandung – der Sachebene. Die Lösung des Konflikts bestand im Erkennen des eigentlichen Bedürfnisses des Kunden. Eine Welle der Abneigung kann man nicht verhandeln. Einen Briefkasten kann man gut verhandeln.
6.4.2 Lösung suchen Die Pattsituation konnte aufgelöst werden durch neue Vorschläge außerhalb des bisherigen Verhandlungsrahmens: ein ganz anderer Briefkasten. Das nennen die Autoren des Harvard-Konzepts „den Kuchen vergrößern“. Es gibt mehr als einen Briefkasten. Man kann tauschen. Wenn es mehrere Lösungen gibt, kann man wählen. Man kann noch besser den anderen wählen lassen. Es sind objektive Kriterien für den Erfolg der Verhandlung sichtbar.
Alternativen suchen
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6 Mediation bei der Abnahme
6.4.3 Lösung finden Wir sehen hier das klassische Modell der Kreativität am Werk: Erst Ideen produzieren, Varianz vergrößern, dann sortieren, Varianz verkleinern. Vorteil eines solchen Kreismodells ist die beliebig oft mögliche Wiederholung. Die Antwort ist nicht „keine Abnahme“. Nicht: Ich habe die Lösung, sondern: Wie wäre folgender Vorschlag? Provoziert nicht „Nein“, sondern noch eine Runde. Ein „Nein“ ist nicht das Ende der Verhandlung, sondern der Beginn der nächsten Runde. Das Kreativitätsmodell ist den am Bau Beteiligten wohl bekannt. Wie viele Kilometer Skizzenrolle werfen Architekten in den Papierkorb?
6.4.4 Lösung vereinbaren Die Lösung zu finden und die Lösung zu vereinbaren war vor diesem Hintergrund einfach. In schwierigeren Fällen wird die Vereinbarung nicht ohne Hilfe von Rechtsanwälten abgeschlossen werden können. Der Kunde wählt hier den Briefkasten. Der Bauträger erhält seine Kaufpreisrate. In der Terminologie des Harvard-Modells ist das eine Win-win-Situation. Jeder hat gewonnen. Keiner musste einen schmerzhaften Kompromiss eingehen. Das Ergebnis kann von allen Beteiligten als Erfolg gefeiert werden.
6.5 Der Mensch lebt nicht vom Brot allein Beispiel Dusche: Eine Dusche samt Kabine wurde größer als bestellt eingebaut. Die Gesamtgröße des Duschbades entspricht der Vereinbarung. Durch die größere Dusche wurde die Handtuchablage etwas kürzer. Der Kunde versichert auf Rückfrage, dass er den Vorteil der größeren Dusche durchaus zu schätzen wisse, aber er habe nicht erhalten, was er bestellt habe. Den Vorschlag, das Duschbad vertragsgemäß herzustellen, lehnt der Kunde entsetzt ab. Dennoch erwartet er vage eine Entschädigung für die abweichende Leistung. Der Bauträger erläutert dem Kunden, wie ein merkantiler Minderwert zu ermitteln ist, wenn denn der Ausweg der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands vom Kunden verworfen wurde. Der Entschädigung für die kürzere Handtuchablage musste ein Mehrwert für die größere Dusche gegengerechnet werden. Das rechnerische Ergebnis einer Minderung im Wert eines guten Abendessens befriedigte das Bedürfnis des Kunden nicht. Schließlich siegte beim Kunden der Wunsch, die größere Dusche zu behalten.
6.5 Der Mensch lebt nicht vom Brot allein
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6.5.1 Nicht nur materielle Bedürfnisse Der Kunde wollte Geld als Entschädigung und er wollte die größere Dusche behalten. Das englische Sprichwort kannte er wohl: „You cannot eat the cake and keep it.“ Dennoch war er unzufrieden. Die Berechnung des Minderwerts hatte die Bedürfnisse des Kunden nicht erkannt. Seine Wunde war tiefer. Sie lag in der eingangs beschriebenen Diskrepanz zwischen Bauträgervertrag und Kundenerwartung begründet. Die Abstimmung der Ausstattungsliste war zu unpersönlich und zu wenig vertrauensvoll abgelaufen. Der Kunde hatte tatsächlich zu seinem Nachteil von sich aus darauf hingewiesen, dass er auf eine so komfortable Dusche keinen Anspruch habe, und dass er mit der Standardausführung zufrieden sei. Die unbestellte Mehrausstattung wurde dennoch unkorrigiert ausgeführt. Der Kunde hatte ein Wort des Dankes für seine Aufmerksamkeit und seine Hilfe erwartet. Als diese Geste ausblieb, fühlte er sich unverstanden, unbeachtet, war verletzt. Die nicht bestellte Luxusdusche war ihm nicht Geschenk, sondern Stein des Anstoßes. Er forderte Entschädigung. Bauträger und Kunde bewegten sich auf verschiedenen Umlaufbahnen. Die Phase der Klärung musste zunächst die Gesprächsunfähigkeit auflösen. Es klingt sehr psychologisch. Wie im vorangegangenen Beispiel galt es, die Menschen von den Problemen zu trennen. Anders als im vorangegangenen Beispiel hatte die Verletzung der Bedürfnisse ihren Anlass nicht in der Dusche. Menschliche Grundbedürfnisse sind außer Versorgung und Sicherheit auch Anerkennung und Beachtung. Gegenstand von Konflikten ist nicht nur „will haben“ gegen „will nicht geben“. Vielmehr finden wir in diesem Beispiel verschiedene Informationsstände: – Der Kunde als Laie hat bemerkt, was der Profi übersehen hat. – Der Kunde ist in die Aufgabenstellung des Bauleiters geschlüpft. – Der Kunde hatte keine Ressourcen, sein Wissen umzusetzen. – Einer hat seine Kompetenzen vergessen, der andere hat seine Kompetenzen überschritten. – Die vorgesehenen Abläufe wurden nicht eingehalten. – Eine sinnvolle Absprache war nicht zustande gekommen. – Die Gesprächsfähigkeit musste hergestellt werden. Hinter der lautstark vorgetragenen Abnahmeverweigerung steckte vor allem Sprachlosigkeit. Sprachlosigkeit ist Zeichen einer Störung der Beziehung zwischen den Parteien.
6.5.2 Mittel, Ort und Zeit Dieses Gespräch war mit einiger Geduld zu führen. Dabei steuert der Mediator die Vorgehensweise in Bezug auf Mittel, Ort und Zeit.
Worum geht`s im Konflikt?
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6 Mediation bei der Abnahme Der Zeit gehört besondere Aufmerksamkeit. Beim Steuern des Ablaufs wird es häufiger darauf ankommen, zu verlangsamen, Druck heraus zu nehmen, als zu beschleunigen. Insbesondere ist die Geduld der Beteiligten aufrecht zu halten. Dem „ich nehme nicht ab“ soll kein „dann eben nicht“ folgen. Das führt nur vor Gericht, kostet Geld und Zeit, der Erwerber kann nicht einziehen, der Bauträger erhält keine Kaufpreisrate, beide verlieren.
Der Mediator braucht Geduld
Zu den Mitteln gehören Spielregeln wie: „Sind Sie zum Abschluss berechtigt?“ „Nicht unterbrechen“ „Vorläufige Lösungen zulassen“. Der Ort verlangt eine gleichberechtigte Verteilung der Personen im Raum. Wenn einer eine Stufe höher steht, wird er sich auch so aufführen. Selbst wenn er es nicht tut, wird der unten Stehende es vielleicht so empfinden, und das ist genauso ungünstig. Wenn einer einen besseren Stuhl hat, kann das Gefühl der Ungerechtigkeit die Lösung der Sachfrage stören. Verhandlungshilfen wie eine Tasse Kaffee oder zum Beispiel die Visualisierung der Argumente sind nach Bedarf zu organisieren und anzuwenden. Der Mediator wird dem sogenannten „setting“ große Aufmerksamkeit schenken. Die Rückführung von Forderungen auf Urbedürfnisse führt mehr zu einem langen Gespräch als zu einem Geldbetrag. Wie soll ein Bauleiter in seinem engen Zeitplan das unterbringen? Hier schlägt die Stunde des Mediators. Im nächsten Punkt soll erläutert werden, wann der Dritte unverzichtbar wird.
6.6 Eskalation von Konflikten Beispiel Tapete: Der Elektriker hat eine Steckdose vergessen. Der Maler kann nicht fertig tapezieren. Der Kunde beschwert sich. Das ist ein Konflikt, der jeden Tag vorkommt. Die Parteien tragen die Auseinandersetzung etwa wie folgt aus:
Der Kunde: „Warum haben Sie meine Wand nicht fertig tapeziert?“ Statt die Tapete fertig zu kleben, sagt der Maler: „Ich musste das so machen.“ Er stellt eine Rechnung für eine Abschlagszahlung. Der Kunde sagt: „Die Rechnung hätten Sie sich sparen können“ Der Kunde zahlt die Abschlagsrechnung nicht, setzt eine Frist, droht mit Kündigung. Der Maler: „Meine vorige Rechnung haben Sie auch zu spät bezahlt.“ Der Kunde: „Der Nachbar ist auch unzufrieden. Ich habe schon
6.6 Eskalation von Konflikten
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immer gesagt, das wird nichts mit Ihnen.“ Der Maler: „Wenn Sie nicht zahlen, arbeite ich nicht weiter. Das machen wir immer so.“ Der Kunde: „Wenn ich das hier bezahlen soll, dann…“ Der Maler: „Kleben Sie Ihre Tapete doch selber!“ Der Kunde reißt verärgert die Tapete ab. „So kriegen Sie Ihre Tapete (Ihr Geld) nie!"
6.6.1 Das Modell der Eskalationsstufen Die fortschreitende Entfremdung in einem Konflikt wird in der Literatur in Stufen beschrieben. Die Bilder reichen von einfachen Modellen mit 3 Stufen bis zu komplexen Modellen, die eine Vielzahl von Einzelschritten beschreiben. Dabei ist es Konfliktmodellen eigen, dass sie Eskalation als Stufen nach unten beschreiben, von denen die Letzte heißt: Gemeinsam in den Abgrund. Die drei groben Stufen sind erstens Spannungen, die die Parteien selbst verhandeln können, zweitens Konflikte, die ein Dritter verhandeln kann, und drittens Konflikte, die von einer überlegenen Macht beendet werden müssen.
1 2 3 4 5 6 7 8 9
gefordert angeschlagen hilflos Spannung Debatte Zuspitzung Koalitionen Gesichtsverlust Drohung Begrenzte Vernichtung Zersplitterung gemeinsam in den Abgrund Selbsthilfe
Mediation
Autorität
Der Konflikt kommt nicht aus heiterem Himmel
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6 Mediation bei der Abnahme Tabelle 6.1: Eskalationsstufen Eskalationsstufe
Situation
1. Spannung
Das kommt jeden Tag vor. Differenzen, Ärger, Schuldzuweisung, Teamarbeit läuft zäh.
Die Beziehung ist intakt aber gefordert. Selbsthilfe ist möglich.
Mangel, Mangelrüge, Aufforderung zur Nacharbeit.
2. Debatte
Polarisierung, Zynismus, Scheinlösungen
Die Beziehung ist intakt aber gefordert. Selbsthilfe ist möglich.
Fristsetzung, Kündigungsdrohung
3. Taten
Unversöhnliche Standpunkte
Die Beziehung ist intakt aber gefordert. Selbsthilfe ist möglich.
Ersatzvornahme
4. Koalitionen
Bündnisse, Feindbilder, die Arena wird ausgeweitet. Aneinander vorbei reden, Verallgemeinerungen „Gerüchteküche“ und „Flurfunk
Die Beziehung ist angeschlagen. Externe Moderation ist erforderlich.
Behinderung anderer Beteiligter
5. Gesichtsverlust
Gegenpartei wird öffentlich demontiert. Lieferanten, Kunden, Berater einbezogen.
Die Beziehung ist angeschlagen. Externe Moderation ist erforderlich.
Die Geschäftsbeziehung ist für die Zukunft gestört.
6. Drohung
Kündigung, Zahlungsverweigerung
Die Beziehung ist angeschlagen. Externe Moderation ist erforderlich.
Wenn Sie jetzt keine Hilfe suchen, wird es schwierig
7. Begrenzte Vernichtung
Taten statt Worte Ziel: Der Gegenseite schaden
Die Beziehung funktioniert nicht mehr, ist überfordert. Externe Hilfe zwingend
Stillstand der Baustelle
8. Zersplitterung
Boykott, Firmenpleiten. Ziel: Vernichtung um jeden Preis.
Die Beziehung funktioniert nicht mehr, ist überfordert Externe Hilfe zwingend
Zerstörung von Bauleistungen
Bewertung
Bautypisch
6.6 Eskalation von Konflikten
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Weitere Stufen verlassen den Rahmen dieser Darstellung. Es gehört zum Know-how des Mediators, die Stufen unterscheiden zu können. Jede der Stufen kommt im „Tapeten“-Beispiel vor.
6.6.2 Von Worten zu Taten Beispiel Tapete – zweiter Versuch: Die Tapete ist so unfertig wie zuvor. Der Maler trägt dem Kunden das Problem vor, erklärt seinen Mehraufwand durch den Fehler des Elektrikers, vergisst auch nicht darauf hinzuweisen, dass er dringend auf die nächste Abschlagszahlung angewiesen ist. Der Kunde schildert, wie dringend er in die Wohnung einziehen muss. Zahlen will er nicht, ohne dass die Tapete geklebt ist. Die Frage, ob erst Leistung oder erst Zahlung zu erbringen ist, eignet sich gut für einen Kompromiss: Zahlung Zug um Zug nach Leistungsstand. Die Klippe ist umschifft. Der Maler bekommt Geld, kann wieder Material kaufen, wird weiterarbeiten. Der Kunde wird einziehen können. Wenn erst die Kommunikation wieder läuft, wird man auch eine Lösung finden. Hürden wie die Kosten von Abdeckmaßnahmen bei Restarbeiten nach dem Einzug werden genommen werden. Die Arbeit wird vor der Ausführung geplant und die Planung wird gemeinsam zur Ausführung freigegeben. Wenn man nicht einig ist, wann die Vergütung fällig ist, kann man einen Sachverständigen mit der Abnahme beauftragen. Das eröffnet neue Verhandlungsfelder: Wer benennt den Sachverständigen? Jeder einen, losen, die IHK, ein Schiedsgericht? Wer bezahlt den Sachverständigen? Vereinbarung abhängig vom Ausgang machen. Bei guter Leistung des Handwerkers zahlt der Kunde, bei schlechter Leistung zahlt der Handwerker den Sachverständigen. Schließlich bekommt der Kunde wirklich seine Leistung. Und der Handwerker bekommt wirklich sein Geld. Darum ging es doch.
Miteinander reden ist Basis für Lösungen
Ziel der Mediation ist es, die Treppe in den Abgrund Stufe um Stufe zurück zu steigen. Dabei kommt es auf jedes Wort an. Die im ersten Tapeten-Beispiel zitierten Sätze mögen die Stimmung der Sprecher richtig wiedergeben. Sie haben einen Nachteil. Es sind schnöde Machtdemonstrationen, die den Handwerker seinem Geld nicht näher bringen und dem Kunden nicht zu seiner Tapete verhelfen. Diese Sätze führen nicht zum Erfolg, sie bringen die Sprecher ihrem Ziel nicht näher.
Wie steigt man aus der Eskalationsspirale aus?
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6 Mediation bei der Abnahme Eine bessere Kommunikation ist erlernbar. Marshal Rosenberg97 zeigt uns die Technik der gewaltfreien Kommunikation. Wesentlich ist, dass Sachaussagen und Gefühle getrennt voneinander mitgeteilt werden. Im ersten Beispiel war das noch einfach. Es werden getrennt: 1 Warum reden wir miteinander?
Bezugsebene
2 Was ist Sache?
Sachebene
3 Wie geht es mir dabei?
Gefühlsebene
4 Was wünsche ich mir deswegen?
Handlungsaufforderung
So kann man sagen, was man anders nicht sagen kann, ohne zu verletzen. Kein Vorwurf im zweiten Teil. Auf Vorwurf kann der andere nur böse reagieren. Eine Tatsache ist kein Vorwurf. Anschließend steht meine eigene Verletzung im Zentrum der Botschaft. Die negative Wirkung bei mir steht als abgetrennter 3. Satz. Dass ich leide, kann mir niemand ausreden. Die Forderung (4) ist die logische Konsequenz aus meiner Verletzung (3), nicht aus seiner Handlung (2). Klingt wie ein Taschenspielertrick, funktioniert aber. Das kann jeder lernen. Es gibt die Sache mit der Tapete. Die Tapete ist die Sache. Die Tapete tut mir nicht weh, sondern ich bin enttäuscht, dass ich die Wohnung nicht nutzen kann. Mein Gefühl bezieht sich auf die Nutzung der Wohnung. Das kann der Tapezierer akzeptieren, ohne seinerseits ablehnende Gefühle zu entwickeln. Auch der Maler kann sagen: Die Tapete tut mir nicht weh, sondern ich bin enttäuscht, dass ich meinen Lohn nicht bekomme. Mein Gefühl bezieht sich auf das fehlende Geld für die nächste Woche. Das kann der Kunde akzeptieren, ohne seinerseits ablehnende Gefühle zu entwickeln. Übertragen auf den Tapetenfall lauten Beziehungsebene, Sachebene, Gefühlsebene und Handlungsaufforderung etwa wie folgt: Tabelle 6.2
Die Ebenen des Streits Maler
Kunde
1 Beziehungsebene
Wir haben einen Vertrag über Tapete
Wir haben einen Vertrag über Tapete
2 Sachebene
Tapete nicht fertig
Tapete nicht fertig
3 Gefühlsebene
Tut mir leid, dass ich keinen Lohn bekomme
Tut mir leid, dass ich nicht einziehen kann
4 Handlungsaufforderung
Ich brauche den vereinbarten Lohn
Ich will die vereinbarte Leistung
97
Rosenberg, Marshal B., Gewaltfreie Kommunikation, 2005
6.7 Reden ist Silber – Schweigen ist Gift
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Erstaunlicherweise werden Maler und Kunde zwei von vier Statements übereinstimmend sagen können. Das ist – wie das zweite Tapeten-Beispiel zeigt – eine gute Voraussetzung, sich später einigen zu können.
6.7 Reden ist Silber – Schweigen ist Gift Zum Hintergrund des folgenden Beispiels muss man wissen, dass Doppelparker so unfassbar sind wie schwarze Löcher. Sie sind keine Maschinen nach den Vorschriften der Arbeitssicherheit. Sie sind aber auch keine Bauten nach dem Baurecht. Sie nehmen eine Sonderstellung außerhalb jeder Rechtssetzung ein. Ein mageres Merkblatt des TÜV fasst ihre mageren Sicherheitsanforderungen zusammen, die weder den Anforderungen an Maschinen noch den Anforderungen an Gebäude entsprechen. Manche marktgängigen Doppelparker sind für die Mehrzahl der serienmäßig angebotenen Kraftfahrzeuge nicht geeignet. Die einen Autos sind zu lang, andere zu breit, andere zu hoch, andere zu schwer, manche passen zwar als Limousine aber nicht als Kombi auf die Parklifte. Mit den Parkliften werden seitenlange Listen handelsüblicher PKW ausgehändigt, die auf den Plattformen leider keinen Platz finden. Das sind keineswegs Rennwagen oder Luxuslimousinen, sondern durchaus gewöhnliche Allerweltsautos. Kein Wunder, dass es um diese Geräte oft Streit gibt und eine Vielzahl von sich widersprechenden Gerichtsurteilen. Beispiel Doppelparker:98 Ein Kunde moniert bei der Abnahme, dass sein Stellplatz auf dem Garagenlift 10 cm niedriger sei als der des Nachbarn, der denselben Preis bezahlt habe. Nein, er habe keinen Nachteil, nein, er stelle keine Forderung. Nein, er wolle nicht tauschen. Der Kunde hat bereits mit anderen Wohnungserwerbern über die Sache gesprochen. Die Frage ist geeignet, die Wohnungseigentümergemeinschaft zu beunruhigen. . Materielle Forderungen sind nicht genannt. Anders als im Fall mit der Dusche stehen keine Forderungen im Raum, zwischen denen zu vermitteln wäre. Der Bauträger braucht die Abnahme, die niemand anders als der Kunde erklären kann. Der Kunde nutzt seine daraus entstehende Macht, um Dampf abzulassen. Wir stehen vor einer Kommunikationsaufgabe.
98
Auf dem Doppelparker stehen zwei Autos übereinander in einer Garagenbox.
Wo steht dieser Konflikt ?
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6 Mediation bei der Abnahme Wie im Fall mit der Dusche will der Kunde ernst genommen werden. Der Kunde ist verletzt, weil technische Tatbestände unlenkbar wie das Wetter über ihn kommen. Er kann die Tatbestände nicht beeinflussen. Er ist nicht gewohnt, Vorgänge in seiner unmittelbaren Umgebung nicht beeinflussen zu können. Und Technik zählt er nicht zu den Tatbeständen, die wie Gott und Tod sich seiner Beeinflussung entziehen. Seinen Ärger hat der Kunde anderen Erwerbern mitgeteilt.
Heißer oder kalter Konflikt?
Es geht um mehr. Der Konflikt droht zu entgleisen. Der Streit um den Doppelparker enthält Elemente mehrerer Stufen der oben beschriebenen Eskalationsleiter. Der Fall ist weit eskaliert. Die Kunden haben außer dem Bauträger andere Vertragsparteien in ihre Argumentation einbezogen (Stufe 4). Externe Hilfe ist erforderlich. Die Kunden wollen nichts Bestimmtes, aber sie wollen doch etwas. Das ist destruktiv. Es läuft darauf hinaus, den anderen zu schädigen, ohne selbst zu profitieren (Stufe 7). Externe Hilfe ist zwingend erforderlich. Konflikte werden unterteilt in heiße und kalte. Heiß oder hitzig kann laut werden, es kann gebrüllt werden. Heiße Konflikte sind Streit, Eifer, Feindbilder, keine Selbstkritik, Imponiergehabe, gegen Regeln verstoßen, Aggressionen, Ausbrüche, Folgen vernachlässigen. Kalte Konflikte sind Blockieren, Bremsen, Behindern, Frustration, Sarkasmus, Zynismus, Rückzug, Ausweichen, unpersönliche Prozeduren, Selbstbeschuldigungen, Vertagen, Versagen, wichtige Hinweise unterlassen. Der Doppelparkerfall gehört zu den kalten Konflikten. Die Kalten sind die schwierigen. Der Vorschlag des Dritten muss heißen, Abstand und Übersicht zu gewinnen. Hier hat man sich für die Fortsetzung der Abnahme vertagt, um die Sache zu überschlafen. Das war im Moment die beste Lösung. Mit Abstand sieht man klarer. Die Frustration des Kunden steht einer Abnahme entgegen. Die Frustration des Kunden hat mit dem Doppelparker wenig zu tun. Der Bauträger und sein Berater müssen sich fragen, ob sie jetzt die Abnahme erzielen wollen, oder ob sie in der Sache mit dem Parklift recht haben wollen. Solange müssen die Parteien im Gespräch bleiben. Wenn jetzt die Kommunikation abreißt, besteht die Gefahr, Jahre vor Gericht zuzubringen. Der Bauträger muss bei sich selbst Sachfrage und Beziehungsfrage klären. Das wird ihn veranlassen, sowohl sachlich nicht begründbare Zugeständnisse anzubieten, als auch rechtliche Schritte zu erwägen. Der Mediator wird ihn bei Ersterem unterstützen, der Rechtsanwalt beim Zweiten.
6.8 Wer findet die meisten Mängel? Es gibt Sachverständige am Markt, die in Neubaugebieten Zettel verteilen:
6.8 Wer findet die meisten Mängel?
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„Ich finde Ihre Mängel für Sie kostenlos, die Kosten trägt der Bauträger.“ Diese Meister ihres Fachs werden vor allem eine umfangreiche Mängelliste mit vielen Punkten erstellen. Welche Beanstandungen tatsächlich als Mängel zu Nachbesserungen oder zu Minderungen der vereinbarten Vergütung führen, wird sich erst später zeigen. Was steckt hinter der auf den ersten Blick unverständlichen Vorgehensweise? Die Erwerber wollen versuchen, mit einem hohen Ausgangsbetrag für die Kosten der Mangelbeseitigung in die Verhandlung über Preisminderungen zu gehen. Dabei nehmen sie zu Recht an, dass die zuerst genannte Zahl suggestiv den weiteren Verlauf der Verhandlung prägen wird. Dafür nehmen sie in Kauf, dass die Kostenexplosion im Verfahren jede gütliche Einigung vereiteln wird. Da fragt sich der Leser, ob die Parteien diese Gefahr gesehen haben, und ob hier die wirtschaftlichen Interessen der Antragsteller und der ihrer Streithelfer deckungsgleich waren. Wenn dann erst einmal in Bausachen oft 30 oder 60 oder gar 100 Gegenstände auf der Mangelliste stehen, müssen zu allen Punkten entweder Handwerker nacharbeiten oder Sachverständige die mangelfreie Ausführung begründen. Wenn Handwerker die Beanstandung beseitigen können, ist der Frieden wieder hergestellt. Beim Sachverständigenstreit sollten alle Beteiligten gemeinsam dafür Sorge tragen, dass die Gutachten nicht teurer werden als der Zeitwert des streitgegenständlichen Gebäudes. Die Steigerung des Aufwands im Gutachterstreit gilt ja bei manchen Bauherren als Baufinanzierung auf dem Rechtswege. Dieser Finanzierungsform folgt allerdings leider eine Kostenlawine, die nicht nur die Möglichkeit eines Vergleichs unter sich begräbt, sondern auch die Parteien selbst. Beispiel Vater und Sohn: Bei der Abnahme eines Bauwerks vertreten ein Unternehmervater und sein Sohn als Unternehmerlehrling gemeinsam Anträge gegen einen planenden Architekt wegen Versäumnissen bei der Bauleitung. Der Prozess wird in Gutachten und Schriftsätzen mit unerbittlicher Härte geführt. Schließlich zeigt sich erst in der mündlichen Verhandlung vor Gericht, dass der Vater sich zurücklehnt und fröhlich zusieht, wie sein Sohn mit dem harten Kurs letztlich nicht zum Erfolg kommt. Es stellt sich heraus, dass der ganze Streit um Baumängel der Ausbildung des Sohnes durch den erfahrenen Vater dient und viel weniger der Verfolgung von Baumängeln.. Wäre ein Beteiligter ein bisschen kundiger nicht nur in Bausachen, sondern in Streitkultur gewesen, hätte er das früher merken und viel Geld sparen können.
Streit um Mängel als Ausbildung
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6 Mediation bei der Abnahme
6.9 Schwierige Fälle – Rettung in letzter Minute Gemeinsam in den Abgrund!
In der Eskalationsreihe liegen die folgenden Fälle auf direktem Weg der Parteien in den gemeinsamen Abgrund. In beiden Fällen finden die Parteien selbst nicht den Ausgang aus der Falle, seien es Erwerber und Bauträger oder Mieter und Vermieter. Ohne externes Eingreifen geht es nicht weiter. Beispiel Türen: Zwei leitende Angestellte desselben Großunternehmens erwerben beim hauseigenen Bauträger zwei benachbarte Reihenhäuser, um diese jeweils mit ihren Familien zu bewohnen. Wie üblich werden bei der Abnahme kleinere Mängel protokolliert, in beiden Häusern dieselben Mängel an den Haustüren. Die Mangelbeseitigung zieht sich in die Länge. Beide Hauserwerber klagen mit jeweils eigenen Rechtsanwälten und jeweils eigenen Parteigutachtern gegen den Bauträger. Es gibt zwei Verfahren vor dem Landgericht in zwei verschiedenen Kammern. Für Nichtjuristen: Die Zuweisung zu den Kammern erfolgt nach dem Anfangsbuchstaben des Klägernamens. Es werden zwei Gerichtsgutachter ernannt. Die beiden kommen bei gleichem Sachverhalt zu abweichenden Stellungnahmen. Es drohen zwei gegensätzliche Urteile zum gleichen Sachverhalt. Der Vorgesetzte, auch leitender Angestellter der Unternehmensgruppe, zu der auch der Bauträger gehört, zeigt sich pikiert. Zumindest eines der Probleme könnte schneller vom Tisch sein, als den Klägern lieb ist. Der allen Beteiligten gemeinsame Arbeitsplatz könnte verloren gehen. Oder noch trauriger: Beispiel: Ein Mieter und ein Vermieter streiten sich über Schönheitsreparaturen an Türen in der Mietwohnung. Es folgen Klagen bei Gericht, Gerichtsgutachten, Schriftsätze, alles schon da gewesen. Das besondere des Falles ist, dass sowohl Mieter wie Vermieter am Ort tätige Rechtsanwälte sind. Wenn sie vor Gericht erscheinen, fragt der Richter, ob sie heute mal einen Mandanten hätten oder wieder in eigener Sache plädieren würden. Der Fall beginnt die berufliche Reputation der Parteien zu beschädigen.
Rettung in letzter Minute
Der Mediator wird dringend benötigt, als Dritter, der andere im Gespräch anleitet:
6.9 Schwierige Fälle – Rettung in letzter Minute
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– Nicht mit einer Forderung gegen jemanden in eine Verhandlung gehen, sondern mit einer eigenen Interessenlage, die zu erklären ist. – Sachkonflikt vom persönlichen oder Gefühlskonflikt trennen. – Verzicht auf Eskalationen, die in der Sache nicht weiterführen, sondern nur verletzen. – Schaffung einer zuverlässigen neutralen und vertraulichen Gesprächsatmosphäre. Diese Leistung wird der Mediator nicht ohne umfassende Ausbildung erbringen können. Entsprechend muss der Mediator vergütet werden. Übrigens, wenn die Beteiligten sagen, das wird uns zu teuer, wir kommen allein klar, ist das für den Mediator kein Fehlschlag, sondern ein Erfolg. Der Konflikt ist dann beigelegt. Es geht nicht um Sieg oder Niederlage, sondern um die Lösung. Aber wer ruft den Mediator zu Hilfe? In den zwei Beispielen finden die Streitparteien nicht allein den Weg zu einer schnellen Konfliktlösung. Der Arbeitgeber zum Beispiel oder die Kanzleipartner der Anwälte könnten den Anstoß zur Inanspruchnahme fremder Hilfe geben. Beide treten hier als Höhergestellte, Klügere, kurz als überlegene Berater auf. Der Eingriff von oben ist eine sehr erfolgreiche Variante der Hilfe von außen. Streitschlichtung mit Macht von oben bewegt sich dann in Richtung auf die Form eines Urteils zu, fast wie es ein Richter sprechen würde. Bei sehr zugespitzten Konflikten ist ein Machtwort erforderlich, mindestens um die Parteien zur Mediation zu bewegen. Zum Beispiel überweisen Gerichte Fälle zur Mediation, bevor sie im Streit verhandelt. Kennen die Entscheider die Instrumente der Streitschlichtung, insbesondere Mediation? Kennen sie geeignete Ansprechpartner? Kennen sie die Technik der gewaltfreien Kommunikation? Es hilft, die Instrumente der außergerichtlichen Streitbeilegung bereits bei Beginn der Zusammenarbeit in einer Schiedsklausel oder Mediationsklausel vertraglich zu vereinbaren. Das führt zu der interessanten Frage, ob Mediation ein Beruf für Spezialisten ist, oder ob nicht jeder Schüler, jeder Student, jeder Berufstätige, jede Hausfrau, jeder Rentner Mediation lernen sollte. Die Beispiele liefern für beide Sichtweisen gute Argumente. Die professionelle Hilfe ist erforderlich, weil die Parteien den Ausweg allein nicht finden. Und die professionelle Hilfe findet nicht statt, wenn nicht einer der Beteiligten zumindest Grundkenntnisse über Mediation und gewaltfreie Kommunikation und deren Chancen besitzt.
Wie kommt der Mediator zum Konflikt?
118
6 Mediation bei der Abnahme
6.10 Ergebnis Der Bauleiter, Architekt, Sachverständige kann seinen Auftraggeber dahin führen, dass er mit einem weniger konfrontativen Verhandlungsstil seine Verhandlungsziele in der Abnahme besser erreicht. Streitvermeidung ist nicht identisch mit Aufgabe von Rechten und Forderungen. Die Beispiele haben gezeigt, dass Parteien nicht das fordern, was sie brauchen, dass Parteien allein häufig nicht den Weg einschlagen, der zu ihrem Ziel führt, dass das Bedürfnis nach Anerkennung und Beachtung den Sachkonflikt überlagern, ja sogar verdrängen kann, dass Streit in eine Spirale münden kann, aus der die Parteien allein nicht mehr herausfinden, dass dann externe Hilfe erforderlich wird. Beispiel Probewohnen: Ein Bauherr wollte ein älteres Wohnhaus für sich und seine Familie erwerben. Der Bauherr hatte keine ausreichende Vorstellung, in welchem Umfang in diesem Gebäude Instandsetzungsarbeiten notwendig sein würden. Er wollte seine Frau überzeugen, dieses Gebäude ohne weitere Anpassungsarbeiten zu bewohnen. Der Architekt erkannte die Gefahr und schlug ein „Probewohnen“ in dem nicht renovierten Bestandsgebäude vor. Durch die Beratung wurde dem Bauherrn das Problem bewusst, wofür seine Frau sehr dankbar war. Der Umbau hätte die finanziellen Möglichkeiten des Bauherrn gesprengt. Der Architekt hat eine Ehe gerettet und einen Bauauftrag verloren. Wer extern helfen will, braucht professionelle Ausbildung, Erfahrung und Vergütung. Die Ausbildung und Erfahrung nützen nichts, wenn die professionelle Hilfe nicht in Anspruch genommen wird und die Bereitschaft zur Vergütung nicht besteht. Deshalb tut eine breite Information der Bevölkerung über die Chancen der Mediation und der gewaltfreien Kommunikation not. Mediation frühzeitig vertraglich vereinbaren
Um dieses Ziel zu erreichen, ist es hilfreich, wenn das Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung schon am Beginn der Zusammenarbeit im Vertrag vereinbart wird. So selbstverständlich, wie nicht nur das Bauwerk als Ergebnis zu planen ist, ist auch der Weg dahin zu planen. Dazu gehört, den Konflikt vorab zu gestalten, das heißt die Möglichkeit des Scheiterns einzuplanen. Bei Großbauvorhaben hat sich die Einrichtung einer Dauer-Mediation bewährt. Streitpunkte kommen lange vor der Abnahme zur Sprache. Die Abnahme ist dann nicht „Showdown“ wie im Wilden Westen, sondern Schlussakkord einer guten Zusammenarbeit. Gegen ein solches Zukunftsbild sprechen einige der heutigen Usancen am Bau. Dumpingangebote unter Kosten mit dem Ziel, über Streit und
6.10 Ergebnis Nachträge während des Baus zu mehr Geld zu kommen, können vom Auftraggeber nur mit einem Abnahmekrieg beantwortet werden. Die Folgen sind zwangsläufig Leerlauf, Reibereien, Doppelarbeit, Kräfteverschleiß, Mehrkosten, kurz unnötiger Aufwand. Ergebnis ist die Verteilung des Mangels statt die des Wohlstands. Ein Modell der nicht auf Streit, sondern auf Konsens begründeten Zusammenarbeit am Bau beinhaltet die Chance, weniger Leistungen wegen Mängeln zweimal zu erbringen, und dafür bei geringeren Baupreisen mehr Geld zu verdienen und gerne wieder zusammenzuarbeiten, kurz: gemeinsam Erfolg haben. Das heißt sprichwörtlich „leben und leben lassen“, „den andern nicht das Gesicht verlieren lassen“ sagen die Chinesen, „man trifft sich immer zweimal“ sagen die Schwaben. Neudeutsch sagt man Netzwerk. Mediative Verhandlungselemente sind außerhalb eigentlicher Mediationsverfahren hilfreich und erfolgreich.
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7 Mediation zwischen Investor und Mietern Immer wieder versuchen Kommunen, sich von ihren Wohnimmobilien zu trennen, die sie vor langer Zeit in ihren Bestand genommen haben. Meist handelt es sich um Sozialwohnungen, deren Unterhaltung und Verwaltung enorme Haushaltsmittel verschlingen, ohne eine adäquate Miete erwirtschaften zu können. Das Geld fehlt für notwendige Investitionen und Serviceleistungen für die Bürger an anderer Stelle. Der Verkauf solcher Wohnblöcke führt regelmäßig zu Diskussionen in der Öffentlichkeit. Teilweise geht es um das Prinzip, teilweise um das Geld, teilweise um Wohnkultur und Lebensqualität. Der Einsatz von Mediatoren kann den Meinungsfindungsprozess vorbereiten und erheblich erleichtern. Eine aktive Interessenerkundung und die Einbeziehung der Bürger können solche Veränderungen, die die Menschen als einschneidend empfinden, erheblich besser begleiten als Alibi-Großveranstaltungen oder Presseschlachten. Es ist erstaunlich, dass die Kommunalverwaltungen und ihre Immobiliengesellschaften dennoch immer wieder den konfrontativen Weg gehen, oder meinen, man müsse die Betroffenen nur ausführlich genug informieren, dann würden sie schon mit allem einverstanden sein.
Betroffene im Vorfeld zu informieren, genügt nicht
7.1 Praxisfall: Privatisierung von Privatwohnungen Im Folgenden wird ein Fall vorgestellt, bei dem – ebenfalls zu einem viel zu späten Zeitpunkt – durch Einschaltung von Mediatoren wenigstens die letzte Phase der Projektumsetzung mit geringem Aufwand befriedet werden konnte. Man kann darüber streiten, ob dies noch als Mediation im engeren Sinne durchgehen kann. Aber auch hier gilt es zu zeigen, wie mit den Mitteln der Mediation die Bemühungen der Beteiligten bei der Lösung ihrer Konflikte unterstützt werden können. In diesem Fall ging es um den Verkauf der Werkswohnungen eines Groß-Unternehmens, das seit Jahrzehnten die Stadt prägt. Die Themen sind deshalb mit denen vergleichbar, die sich im Zusammenhang mit der Privatisierung kommunaler Wohnungen stellen. Eine Bau- und Vermietungsgesellschaft (im folgenden Investor) erwarb 950 Werkswohnungen eines Unternehmens, mit dem Ziel, die Mietwohnungen zu sanieren, in Wohneigentum umzuwandeln und diese Eigentumswohnungen sozialverträglich an die bisherigen Mieter zu verkaufen. Die Wohnblöcke liegen an verschiedenen Wohnstraßen. Die Sanierungsmaßnahmen sehen insbesondere die Aufstockung der
P. Hammacher et al. So funktioniert Mediation im Planen + Bauen, DOI 10.1007/978-3-8348-8124-3_7, © Vieweg+Teubner Verlag |Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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7 Mediation zwischen Investor und Mietern meist sechsstöckigen Wohngebäude um eine Penthouse – Etage vor, den Anbau von Balkonen, Arbeiten an der Elektrik, in den Treppenhäusern, Fassadensanierungen, Isolationsmaßnahmen. Die Wohnungen konnten zu einem marktgerechten Quadratmeterpreis erworben werden, wobei die Muttergesellschaft des Investors, eine Bank, günstige Hypothekendarlehen zur Verfügung stellte.
Interessenklärung am „runden Tisch“
Während die Sanierung einiger Wohnblöcke unproblematisch vonstattenging, regte sich in einer Straße erheblicher Widerstand. Eine kleine Gruppe von Mietern beschwerte sich zum einen über die Privatisierung als solche, zum anderen über Erschwernisse des Mietverhältnisses bei den Sanierungsarbeiten, sowie schließlich über die mit der Sanierung zusammenhängenden finanziellen Nachteile. Die guten Kontakte zu der Lokalpresse führten zu einer Mobilisierung gegen den Investor und rückten die Stadtverwaltung, die seinerzeit die Baugenehmigung erteilt hatte, in ein schlechtes Licht. Der Mieterbund, dem einige wenige Mieter des Objektes als Mitglieder angehörten, schaltete sich ebenfalls ein. Versuche des Bauträgers, durch Einrichtung eines ständigen Baubüros in dem Objekt mit jederzeit ansprechbaren Mitarbeitern sowie durch Rundschreiben die spannungsgeladene Situation in den Griff zu bekommen, scheiterten. Auf Anraten des Mieterbundes, unterstützt durch die Stadtverwaltung, entschloss sich der Investor zur Durchführung eines „Runden Tisches“ und wandte sich an die Mediatoren. Ziel ihrer Bemühungen sollte es sein, die Emotionen aus der Bauabwicklung herauszubekommen und das Verständnis der Mieter für die Zwänge des Investors zu wecken. 7.1.1 Ablauf Tabelle 7.1
Ablauf „Runder Tisch“
Phase
Zeibedarf
1.
Telefonische Erörterung mit der Geschäftsleitung
1,5 Stunden
2.
Treffen Geschäftsleitung und Führungskräften des Investors mit den Mediatoren
1,0 Stunden
3.
Strategiegespräch der Mediatoren, Analyse, Festlegungen
1,0 Stunden
4.
Fernmündliche Absprachen, mehrfache Telefonkonferenzen mit dem Investor
2,0 Stunden
5.
Treffen Führungskräfte des Investors mit den Mediatoren vor Beginn der Mediation
1,0 Stunden
6.
Runder Tisch
2,5 Stunden
7.
Treffen Investor und Mietervertreter
2,0 Stunden
8.
telefonische und schriftliche Nachbereitung und Beratung des Investors durch die Mediatoren
2,0 Stunden
Gesamt
13 Stunden
7.1 Praxisfall: Privatisierung von Privatwohnungen
123
Das gesamte Verfahren gliederte sich in acht Phasen auf, wobei der eigentliche „Runde Tisch“ lediglich einen Block (6. Phase) ausmachte. 7.1.2 Telefonische Erörterung mit dem Investor, Auftragsklärung In diesem ersten Termin kam es wesentlich darauf an, die Ziele und Erwartungen des Investors zu ermitteln und bereits zu diesem Zeitpunkt abzuklären, ob diese Ziele mit den Mitteln der Mediation Erfolg versprechend verfolgt werden können.
Wie genau lautet der Auftrag an den Mediator?
Der Investor befand sich in einer politisch schwierigen Situation: Einerseits hatte er rechtlich bereits seinen Standpunkt ausreichend abgesichert, Verwaltungsklagen waren erfolglos geblieben. Insofern bestand kein unmittelbarer Zwang, ein Mediationsverfahren einzuleiten. Andererseits war er aufgrund der Öffentlichkeit und der von dem Mieterbund nach einem“ Runden Tisch“ gestellten Forderung in der Situation, sich nicht gegen alle involvierten Parteien wenden zu können und zu wollen. Das streitige Objekt war nicht der letzte Wohnblock, der im Rahmen der Sanierung der übernommenen Werk Wohnungen zu potenziellen Auseinandersetzungen führen würde. Der Investor hatte erkannt, dass seine bis dahin unternommenen Bemühungen, durch Kommunikation mit den betroffenen Kreisen, eine Deeskalation des Konfliktes zu erreichen, gescheitert waren und einer Änderung der Gesprächssituation erforderlich werden würde, wenn das Projekt nicht vollständig in Kritik untergehen sollte. Der Investor war sich der sozialen Problematik seines Auftrages durchaus bewusst, stellte allerdings nicht die wirtschaftlichen Nachteile in den Vordergrund, die sich für verbleibende Mieter ergeben würden, sondern setzte auf den erfolgreichen Verkauf der sanierten Wohnungen an neue Eigentümer. Aus der Sicht des Investors war es deshalb zwar erforderlich, einen „Runden Tisch“ zu organisieren, um dem Wunsch der Interessenvertretungen zu entsprechen, andererseits war ihm weniger daran gelegen, eine Konfliktlösung herbeizuführen, die sich für ihn wirtschaftlich auswirken könnte. Aus seiner Sicht ergaben sich damit folgende Vorgehensweisen: – Organisation einer öffentlichen Massenveranstaltung, auf dem die Teilnehmer über die Vorteile des Objektes informiert werden könnten. – Durchführung einer Veranstaltung mit den Mietern sowie mit den Eigentümern bereits sanierter Einheiten unter Moderation eines unbeteiligten Dritten, bei dem die Vorteile des Sanierungsverfahrens deutlich gemacht werden könnten. – Organisation eines „Runden Tisches“, bei dem nur ausgewählte Vertreter der Mieter sowie der Stadt und des Mieterbundes teil-
Konfliktlösung ohne wirtschaftliche Auswirkungen?
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7 Mediation zwischen Investor und Mietern nehmen würden, um in einer kleinen Runde eine Sachverhaltsklärung herbeizuführen. – Eine Mediation, bei der die Interessen aller Beteiligten artikuliert und in einem strukturierten Verfahren versucht werden könnten, Lösungen für identifizierte Problemfeldern zu finden. Nach Abwägung entschloss sich der Investor für die letzte Möglichkeit. Motiv für diese Entscheidung war unter anderem auch, dass ein erfolgreiches Mediationsverfahren Modellcharakter auch für andere Bauprojekte haben könnte. Die Geschäftsleitung des Investors erwartete sich daraus des Weiteren, dass die Mitarbeiter des Investors ebenfalls eine Gelegenheit bekommen sollten, ihre Interessen und Bedürfnisse gegenüber der Seite der Mieter zu artikulieren. Eine solche offene Darlegung der eigenen Interessen wäre in einem selbst moderierten Verfahren vermutlich schwieriger gewesen. Weitere Problematik der Auftragsklärung lag in der Frage der Allparteilichkeit der Mediatoren. Der Investor war bereit, die Mediatoren für ihre Tätigkeit zu honorieren. Er erwartete jedoch, dass die Veranstaltung in seinem Sinne zu einem Erfolg werden müsse. Im Rahmen der Auftragsklärung konnte erreicht werden, dass der Investor die Vorteile eines ergebnisoffenen Verfahrens auch für seine eigenen Ziele und für seine Mitarbeiter erkannte. Er war nunmehr bereit, eine Mediation auch unter der Voraussetzung durchführen zu lassen und zu finanzieren, dass die Interessenermittlung u. U. auch Probleme ansprechen würde, die bisher nicht öffentlich zutage getreten waren.
Wie viel Öffentlichkeit verträgt der „Runde Tisch“?
Weiteres Problemfeld war die Beteiligung der Öffentlichkeit an dem „Runden Tisch“. Einerseits war es gerade die Lokalpresse, die die Konflikte durch eine einseitige Berichterstattung zur Eskalation gebracht hatte. Unter diesem Aspekt erschien es sinnvoll, die Presse in den „Runden Tisch“ einzubeziehen, um eine Objektivierung der Berichterstattung zu erreichen. Andererseits war zu bedenken, dass offensichtlich intensive Beziehungen zwischen einzelnen Mietern und der Lokalpresse bestanden, und dass sich einzelne Mieter gerne in der Öffentlichkeit produzierten, um ihre Interessen breiter bekannt zu machen. Würde man die Presse hinzuziehen, bestand die Gefahr, dass innerhalb des gesetzten zeitlichen Rahmens keine Chance zur Darstellung aller einzelnen Interessen gegeben sein würde. Andererseits sollte dem Projekt des „Runden Tisches“ nicht der Makel anhaften, eine undemokratische Veranstaltung unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu sein. Im Rahmen der Auftragsklärung entschied man sich auf Anraten der Mediatoren dazu, die Presse nicht einzuladen. Stattdessen wurde als eines der Ziele der Veranstaltung definiert, am Ende des „Runden Tisches“ nach Möglichkeit eine gemeinsame PresseVerlautbarung zwischen Investor und Mietern zu erreichen. Auf Anraten der Mediatoren wurde flankierend die Lokalpresse über das Vorhaben und die Vorgehensweisen informiert, sodass kein Pressevertreter unerwartet an dem Termin erscheinen würde, und er dennoch
7.1 Praxisfall: Privatisierung von Privatwohnungen
125
sicher sein konnte, auch über das Ergebnis der Veranstaltung angemessen informiert zu werden. Schließlich beschäftigte den Investor auch die Frage nach der Qualifikation der Mediatoren. Der Investor stellte sich ursprünglich vor, die Mediation einem oder mehreren Rechtsanwälten zu überlassen, die im Mietrecht als Experten besonders ausgewiesen sind. Das MediatorenTeam sollte in der Lage sein, erwarteten Angriffen des Vertreters des Mieterbundes entgegenzutreten. Auch hier bedurfte es einer Überzeugungsarbeit, um dem Geschäftsführer des Investors die Notwendigkeit allparteilicher Mediatoren zu verdeutlichen, die zwar wissen, wovon sie sprechen, die Argumente in der Sache aber den Parteien der Mediation überlässt. 7.1.3 Gespräch der Mediatoren mit der Geschäftsleitung und Führungskräften des Investors Der kaufmännische Geschäftsführer des Investors wählte eine kleine Gruppe von Mitarbeitern aus, die in besonderer Weise mit dem Bauprojekt zu tun hatte. Es handelte sich hier zum einen um Personen, die in dem zu einem späteren Zeitpunkt eingerichteten Baubüro als Ansprechpartner für alle Mieter dienen sollten, des Weiteren um den Projektleiter den Bereichsleiter sowie eine in dieser Funktion neue Pressereferentin. Die Diskussion mit diesem Teilnehmerkreis war erforderlich, um die Interessen innerhalb des Investors kennenzulernen und zu klären, in wieweit diese Interessen bei dem „Runden Tisch“ zur Sprache kommen sollten bzw. welche zusätzlichen Themen definiert werden müssen. In dem Gespräch wurde sehr schnell deutlich, dass es auch innerhalb dieser Gruppe erhebliche Spannungen gab, die zum einen durch den negativen Verlauf des Bauprojektes verursacht waren, zum anderen aber durch die dominierende Persönlichkeit des Geschäftsführers. Die Mitarbeiter des Investors fühlten sich durch die öffentlichen Attacken der Mieter persönlich beleidigt. Sie gingen davon aus, „einen guten Job“ zu machen, sahen sich aber durch ihren Geschäftsführer nicht ausreichend gegen diese Angriffe geschützt. Ein weiteres Spannungsfeld innerhalb der Partei des Investors ergab sich aufgrund der Aufgabenverteilung: Jene Mitarbeiter, die den sozialen Frieden auf der Baustelle herstellen sollten, erwarteten von dem Investor ein höheres Entgegenkommen, um die Mieter ruhig zustellen. Der Vertreter, der für den Verkauf der sanierten Wohnungen zuständig war, war ebenfalls daran interessiert, Ruhe einkehren zu lassen, gegebenenfalls auch um den Preis erhöhter Kosten für die Herstellung der Eigentumswohnungen. Hingegen war der Projektleiter dafür verantwortlich, dass der Kostenrahmen für die Herstellung des Projektes nicht überschritten wird und dass die Terminpläne nicht durch Störungen der Mieter infrage gestellt werden.
Vorgespräche sind Grundlage für die Auftragsklärung
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7 Mediation zwischen Investor und Mietern Das Gespräch war auch erforderlich, um den Mitarbeitern des Investors die Vorgehensweise und die Bedeutung der Mediation für eine Konfliktbewältigung deutlich zu machen. Schließlich wurden die Rahmenbedingungen für den „Runden Tisch“ besprochen, es wurde das „Setting“ festgelegt, der Personenkreis, der von dem Investor einzuladen war sowie die Rolle der Vertreter und der Mitarbeiter des Investors bei der Mediation. Die Mediatoren legten Wert darauf, dass alle Beteiligten auf der Seite des Investors die Bedeutung der Transparenz und Offenheit für das Verfahren erkannten. 7.1.4 Strategiegespräch der Mediatoren
Rahmen der Konfliktbearbeitung
Die Mediatoren hatten mittlerweile erhebliche Sachverhaltsaufklärung betrieben. Dabei war eine Zusammenstellung der in der Lokalpresse veröffentlichten Artikel sowie Prospekte und Verkaufsmaterial des Investors von großer Wichtigkeit. Aufgrund dieser Informationen entschieden sich in die Mediatoren für ein offenes Verfahren, aber unter Ausschluss der Presse (siehe oben). Die Mediatoren entschieden sich gegen die Einbeziehung weiterer Fragen, etwa aus dem Kreis der Mitarbeiter des Investors oder die Problematik der sich ändernden Eigentümerzusammensetzung durch Verkauf sanierter Wohnungen. Es wurde vereinbart, die Anwesenden zu bitten, jeweils eine für sie wichtige Frage aufzuschreiben, die dann in Themenkomplexen an der Wand zusammengestellt werden sollten. Die Aufgaben zwischen den beiden Mediatoren wurden in zeitlicher Hinsicht verteilt. Da die voraussichtlich anzusprechenden Themen bereits bekannt waren, bildeten die Mediatoren bereits zu diesem Zeitpunkt Problemgruppen und bewerteten sie nach der zur Verfügung stehenden Zeit mit Arbeitseinheiten. Es wurde eine ungefähre Ablaufplanung mit Zuordnung von Themen und Arbeitsschwerpunkten zwischen den Mediatoren vereinbart. 7.1.5 Fernmündliche Absprachen zwischen den Mediatoren und dem Investor Bis zu dem geplanten Termin für den „Runden Tisch“ kam es noch zu einer Vielzahl von Telefongesprächen und Austausch von Korrespondenz zwischen dem Investor und den Mediatoren. Ziel dieser Kommunikation war es, Unsicherheiten bei dem Investor über den Ablauf des Verfahrens und befürchtete Interventionen interessierter Kreisen im Vorfeld abzuklären. Auf der Seite des Investors bestand eine gewisse Tendenz, alles bereits vorher zu planen, so z. B. auch Presseerklärungen bereits fix und fertig zu dem Runden Tisch mitzubringen, in der Erwartung, dass derjenige, der etwas Schriftliches vorlegt, stets die besseren Karten hat. Auch hier bedurfte es weiterer Überzeugungsarbeit, um den Vorteil eines ergebnisoffenen Verfahrens deutlich zu machen. Dem Investor wurden weitere Hilfestellungen in der
7.2 Runder Tisch
127
Formulierung von Schreiben an die Öffentlichkeit, bei der Einladung an die Mieter sowie Stadt und Mieterbund gegeben. Aus den Publikationen sollte deutlich herauskommen, dass die Mediatoren als neutrale Dritte in den Prozess einbezogen werden. 7.1.6 Treffen von Führungskräften des Investors mit den Mediatoren vor Beginn der Mediation An diesem Treffen nahmen weitere Mitarbeiter des Investors teil, die bisher nur indirekt mit dem Projekt zu tun hatten. Gerade diese Mitarbeiter stellten sich auf den Standpunkt, dass es eigentlich gar keine Probleme gebe, sie seien nicht direkt betroffen. Die Diskussion, die sich hieraus ergab, zeigte aber, dass nach Ansicht der anderen Mitarbeiter eine Gesamtbetroffenheit des Investors bestand. Wie sich später während des „Runden Tisches“ herausstellte, waren diese Mitarbeiter aufgrund ihrer Voraussagen gegenüber den Mietern bei anderer Gelegenheit sehr wohl in das Geschehen involviert gewesen. Ihre bei dieser Gelegenheit zur Schau gestellte Distanz zu dem Problem war aufgesetzt.
7.2 Runder Tisch 7.2.1 Setting Zu der Veranstaltung kamen etwa 30 Mieter des betroffenen Objektes, Vertreter des Mieterbundes, der Stadt, sechs Mitarbeiter des Investors.
Setting muss gut überlegt sein
Die Veranstaltung fand in einem nüchternen Saal der örtlichen Kirchengemeinde statt. Es wurde eine große Tischrunde für alle Mieter gebildet, an deren Kopf die Mediatoren Platz nahmen. Daneben hatte sich der Geschäftsführer des Investors, flankiert von seinem Rechtsanwalt, platziert. Die anderen Mitarbeiter des Investors hatten zwischen den Mietern Platz genommen. 7.2.2 Einleitung, Themensammlung Das Verfahren konnte von den Mediatoren wie geplant abgewickelt werden. Die Ausgabe von Karten, auf denen jeder der Anwesenden ein Herzensthema notieren sollte, erwies sich als äußerst hilfreich, um innerhalb etwa einer halben Stunde allen Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu äußern, und die Themen dem gesamten Kreis zur Verfügung zu stellen. Durch die Visualisierung der Themen und die Zuordnung zu Themenkreisen konnte jeder der Betroffenen sicher sein, dass sein Anliegen auch zur Sprache kommen würde. Naturgemäß war es nicht bei allen Mietern leicht, diese dazu zu bringen, nur ein Thema zu nennen und auch nur zu einem Thema in der Runde etwas zu sagen. Viele Betroffene waren mit der Erwartung gekommen, ihrem Herzen Luft und vor einem größeren Kreis ihre Nöte und ihren Frust deutlich zu machen. Es bedurfte teilweise einer rigiden Gesprächsführung, um einzelne Personen zu bremsen und das Verfahren
Visualisieren der Themen heißt: Wir haben Euch gehört
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7 Mediation zwischen Investor und Mietern zu erhalten. Sehr schnell stellte sich heraus, dass es etwa drei bis vier Personen gab, die sich besonders gerne in dem Kreis artikulieren wollten und auch nicht immer bereit waren, die Gesprächsführung zu akzeptieren. In der Runde gab es auch einen Mieter, der zu dem nächsten zu sanierenden Wohnblock gehörte, also nicht Bewohner dieser Straße war. Nach den zuvor vereinbarten Bedingungen hätte dieser Mieter eigentlich nicht an dieser Veranstaltung teilnehmen sollen. Es wurde die Frage an das gesamte Gremium gestellt, ob Einwände gegen die Teilnahme bestanden. Da dies nicht der Fall war, konnte der Mieter in dem Kreis verbleiben. Er erkannte jedoch aufgrund dieser Vorgehensweise, dass auch hinsichtlich der Zusammensetzung des Gesprächskreises Regeln existierten und dass Regelungen nur dann außer Kraft gesetzt werden können, wenn dies im Einvernehmen mit den Beteiligten geschieht. Zu den Teilnehmern gehörten auch zwei Vertreter der Stadt. Den Mediatoren war zwar die Teilnahme dieser Personen bekannt, sie kannten sie jedoch nicht. Dies führte dazu, dass auch deren Stellungnahmen auf Druck der Mediatoren nur sehr kurz ausfallen durften. Sie erfuhren die gleiche strikte Gesprächsführung, wie die Mieter. Dies führte bei dem Geschäftsführer des Investors zu einem Unbehagen, das sich aber nicht während der Veranstaltung äußerte. Für die Vertreter der Stadt war es ebenso ungewohnt, sich nicht in aller Breite zu den aus ihrer Sicht anstehenden Problemen äußern zu können. Sie akzeptierten die Limitierung ihrer Beiträge, wenn auch erkennbar unlustig. Nachdem die Themen identifiziert waren, wurden die Themenkomplexe einzeln abgehandelt. 7.2.3 Einzelthemen
Themenkomplexe zusammenfassen und strukturieren
An erster Stelle stand die von den Mediatoren so genannte „Geschichte des Projektes“. Wie zwischen den Mediatoren vereinbart, sollte dieser Themenkomplex nur eine kurze Zeit in Anspruch nehmen, um sich dann der Zukunft zuwenden zu können. Erwartungsgemäß wollten viele Teilnehmer an diesem Punkt stärker verharren, um ihre Unzufriedenheit mit dem Investor und den Handwerkern in der Vergangenheit deutlich zu machen. Die strikte Gesprächsführung führte hier gelegentlich zu Unmut der Beteiligten; andere hatten jedoch Verständnis dafür, dass innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit nicht die ganze Geschichte des Bauobjektes abgehandelt werden konnte. Hinzu kam – und dies war ein wesentliches Element in dieser Mediation – das dieser „Runde Tisch“ erst zu einem sehr späten Zeitpunkt stattfand. Viele Mieter äußerten deshalb ihre Unzufriedenheit, dass ja „sowieso schon alles gelaufen sei“, weshalb die Mediation zu diesem Zeitpunkt eigentlich auch gar keinen Erfolg mehr haben könne. Tatsächlich waren zu diesem Zeitpunkt bereits die wesentlichen Beton-
7.2 Runder Tisch
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bauarbeiten abgeschlossen. Die sehr starken Lärmbelästigungen während der Phase der Betonsanierung und der Arbeiten am Beton in den Treppenhäusern und an den Balkonen gingen – auch für die Mieter erkennbar – dem Ende entgegen. Wichtig war den Mietern, darzulegen, dass sie kein Vertrauen zu dem Investor und seinen Zusagen hätten, da in der Vergangenheit solche Zusagen nicht eingehalten worden seien. Dies betraf insbesondere eine Aussage des Projektleiters auf einer früheren Veranstaltung sowie Veröffentlichungen des Investors. Dieses Misstrauen zeigte sich als der wesentliche Hemmschuh für die konstruktive Zusammenarbeit zum jetzigen Zeitpunkt. 7.2.4 Optionen In der nächsten Phase der Mediation wurde versucht, anhand konkreter Themen Veränderungen in der Kommunikation zwischen Investor und Mietern zu erreichen. Durch die Fragestellung an die Mieter und die Fokussierung auf die künftige Zusammenarbeit wurde herausgearbeitet, dass sich die Mieter eine klare Informationspolitik wünschten, dass Abläufe und Erschwernisse für die Mieter frühzeitig so mitgeteilt werden, dass jeder Mieter sie wahrnehmen kann und sich darauf einstellen kann. Die Mieter wollten als „Kunden“ wahrgenommen werden.
Was genau soll sich wie ändern?
Den Mitarbeitern des Investors gelang es umgekehrt, bei den Mietern Verständnis dafür zu wecken, dass die Art der Kommunikation, insbesondere auch die Darstellung in der Lokalpresse, ihr Bemühen um eine Verbesserung der Lage für die Mieter nicht genügend würdigte. Einige Mieter erkannten, dass sie in der Vergangenheit möglicherweise übertrieben reagiert hatten und so Verletzungen zugefügt hatten. In dem „Runden Tisch“ wurde nunmehr mehrfach anerkannt, dass gerade die Mitarbeiter in dem Baubüro durchaus versucht hatten, so weit es ging, den Mietern in ihrer schwierigen Lage behilflich zu sein. Umgekehrt erklärten die Mitarbeiter des Investors, dass auch sie sehr stark unter den Belästigungen der Bauarbeiten gelitten hatten, sie hatten ja den ganzen Tag in den Räumen gearbeitet.
Gegenseitiges Verständnis ist die Tür zur Lösungsfindung
In seiner Stellungnahme konnte der Geschäftsführer des Investors ebenfalls deutlich machen, dass er Verständnis für viele der Beschwerden durch die Mieter habe. Er räumte ein, dass in der Kommunikation und bei der frühzeitigen Information Fehler vorgekommen seien. In der ebenfalls von den Mietern angesprochenen Frage einer wirtschaftlichen Kompensation für den erlittenen Verlust des Wohnwertes wurde deutlich, dass der Investor durchaus bereit war, auf die Interessen der Mieter einzugehen. Es wurde allerdings auch deutlich, dass die schlechte Kommunikation eine falsche Erwartungshaltung bei den Mietern herbeigeführt hatte, unterstützt durch Stellungnahmen des Mieterbundes. Es stellte sich heraus, dass der Investor bereits frühzeitig Mietminderungen eingeräumt und diese auch solchen Mietern zugebilligt hatte, die bereits ausgezogen waren. Auch wenn dieses Verfahren nicht ganz der normalen Vorgehensweise entsprach, bei
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7 Mediation zwischen Investor und Mietern der jeweils im Einzelfall und für jeden einzelnen Monat differenziert nach der Höhe der Belastung gefragt und entsprechende Mietminderungen eingeräumt werden, war die Behandlung der Mieter unter diesem Aspekt nicht unbillig. Dies konnten die Mieter in dieser Mediation erfahren, wenn es ihnen auch nicht im Detail möglich war, die Vergünstigungen, die sie bereits seit einigen Monaten erfuhren, wirtschaftlich vollständig richtig einzuordnen. Aus diesem Grunde wurde vereinbart, dass der Investor hierzu weitere detaillierte Informationen zur Verfügung stellt und dass er diese mit dem Vertreter des Mieterbundes abspricht, sodass die Mieter insoweit auch ein Stückchen mehr Vertrauen gewinnen konnten. 7.2.5 Vereinbarungen In dem letzten Teil der Sitzung wurde nach konkreten Lösungsmöglichkeiten gesucht. Zu dem Punkt Kommunikation wurden verschiedene Vorschläge unterbreitet und auch „beschlossen“. Die Teilnehmer kamen überein, dass die Pressereferentin des Investors einen Entwurf für eine Presseerklärung fertigt und diesen mit von den Teilnehmern bestimmten Vertretern abstimmt. 7.2.6 Einige wesentliche Interventionen während des „Runden Tisches“
Unerwartete Ressourcen für die Verständigung erkennen und nutzen
Es meldete sich ein ca. 12-jähriger Junge zu Wort, deutsch-türkischer Abstammung, der die Schwierigkeiten schilderte, die sich für ihn und seine kleine Schwester aufgrund der Lärmbelästigungen ergaben und der eine verlässlichere zeitliche Abstimmung forderte. Der Stellungnahme dieses Teilnehmers räumten die Mediatoren bewusst etwas mehr Zeit ein, da er so außergewöhnlich war und den Respekt aller Beteiligten erhielt. Im Anschluss an einen Beitrag dieses jungen Mannes versuchte der Wortführer der Mietergruppe, die Aufmerksamkeit auf die seiner Ansicht nach lebensgefährliche Behandlung durch Lärmschädigung zu lenken. Der Beginn einer langen polemischen Tirade konnte dadurch verhindert werden, dass ihm gleich zu Beginn das Wort wieder entzogen wurde, um dem jungen Mann Gelegenheit zu geben, seine Ausführungen noch zu ergänzen. Durch diese Intervention musste auch der Vertreter der Gruppe auf dem Boden der Realität verbleiben, um nicht zu sehr von dem allseits akzeptierten Vortrag des jungen Mannes abzufallen. Zu dem damaligen Zeitpunkt war bereits erkennbar, dass die meisten der Anwesenden eine Regelung im Einvernehmen für die verbleibenden Monate anstrebten. Den Mediatoren war es deshalb möglich, die Redezeit durch Hinweis auf die Notwendigkeit einer zukunftsorientierten Argumentation zu begrenzen.
Und wie wird die Körpersprache gedeutet?
Eine Teilnehmerin kritisierte das Lächeln des Geschäftsführers, der sich die Ausführungen aller Teilnehmer bis zum Ende angehört hatte, als arrogant und respektlos. Die Mediatoren wiesen darauf hin, dass es sehr schwer ist, allein aus der Körpersprache eines Menschen auf die Inhalte zu schließen. Dies verschaffte dem offensichtlich irritierten
7.2 Runder Tisch
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Geschäftsführer den notwendigen Freiraum, um zunächst seine Haltung zu dem Verfahren zu erklären und um anschließend seine Interessen und Vorschläge zu artikulieren. Die kritisierende Teilnehmerin wiederum erkannte, dass sie mit einer Unterstellung gearbeitet hatte, und sah von weiteren Angriffen gegen die Person des Vertreters des Investors ab. 7.2.7 Blitzlicht Aufgrund des zu diesem Zeitpunkt bereits fortgeschrittenen Abends schlugen die Mediatoren vor, das Verfahren an diesem Abend nicht mehr weiterzuführen, obwohl noch nicht alle Punkte, die zu Beginn gesammelt worden waren, zur Sprache gekommen waren. Dies war von den Mediatoren auch so vorgeplant und fand die allgemeine Zustimmung der Teilnehmer. Die Mediatoren fragten sodann die Teilnehmer, wie sie die Veranstaltung empfunden hätten. Es gab mehrere Äußerungen. Die Mehrheit der Stellungnahmen war positiv. Herausgestellt wurde, dass es in dem strukturierten Verfahren gelungen sei, die Interessen deutlicher zu machen, als dies bisher der Fall gewesen sei. Es wurde anerkannt, dass auf beiden Seiten berechtigte Interessen existieren und es wurde die Zustimmung mit der Gesprächsführung der Mediatoren artikuliert. Die Mediatoren fassten allerdings auch zusammen, dass nicht alle Meinungsverschiedenheiten an diesem Abend geklärt werden konnten und dass der Ansprache des Problems der Kommunikation und der fehlenden vertrauensvollen Zusammenarbeit noch Taten folgen müssten.
Feedback einholen
7.2.8 Nachbereitung und spätere Beratungen Im Anschluss an die Veranstaltung kam es noch zu mehreren Gesprächen zwischen den Mediatoren und dem Investor, bei denen der Ablauf der Veranstaltung kritisch gewürdigt und Möglichkeiten des Einsatzes der Mediation bei vergleichbaren Projekten diskutiert wurde. Vereinbarungsgemäß trafen sich Vertreter der Mieter mit der Pressereferentin zwei Tage später, um gemeinsam eine Presseerklärung zu formulieren. Den Entwurf der Pressereferentin hatten die Mediatoren vorab zur Würdigung erhalten und Vorschläge zu einer neutraleren Formulierung unterbreitet. Die Diskussion zwischen der Pressereferentin und den Mietervertretern führte zu einer gemeinsamen Erklärung. Dies war das erste Mal, dass der Investor überhaupt eine solche Maßnahme zusammen mit Mietern durchführte. Nach Aussagen der Pressereferentin war die Diskussion anlässlich dieses Gesprächs zwar sehr heftig, doch wirkte der Geist des „Runden Tisches“ nach. Die gemeinsame Presseveröffentlichung wurde auch gedruckt.
Nachbereitung und Nachsorge gehören dazu
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7 Mediation zwischen Investor und Mietern
7.3 Überlegungen zu dem Praxisfall 7.3.1 Runder Tisch – Mediation Mediation? Oder was ist das?
Das Verfahren unterscheidet sich sicherlich in mehrfacher Hinsicht von dem typischen Ablauf einer Mediation. So fehlen insbesondere die mehrfachen Sitzungen mit den gleichen Medianden. Die Mediationsschritte sind auf ein Minimum begrenzt. Das Ergebnis ist innerhalb einer vorgegebenen Zeit zu erreichen oder nicht zu erreichen. Hier stellt sich die Frage, ob Mediation nur dann anzunehmen ist, wenn ein ganz bestimmtes Verfahren eingehalten wurde, oder ob es nicht vielmehr auf die Methode an sich ankommt. Das Bemühen um Abgrenzung der Mediation zu anderen Formen der Konfliktlösung kann aber nur dort sinnvoll sein, wo sich hieraus auch Folgen ergeben. Das wäre etwa der Fall, wenn es um die Festlegung von Zulassungskriterien für den regulierten Beruf eines Mediators ginge; oder dann, wenn dem Kunden Alternativen vorgeschlagen werden, zwischen denen er sich zu entscheiden hätte. Hier bedarf die Frage jedoch keiner Entscheidung, denn die Teilnehmer des Runden Tisches wurden über die Methode und Ziele der Mediation informiert und haben sich zur Teilnahme entschieden; eine Abgrenzung hätte weder für die Mediation selbst noch für die nachträgliche Beurteilung des Verfahrens einen Sinn. Generell bleibt mit Falk/Pruckner99 zu hoffen, dass „weder die Mediation als solche noch ihre Inhalte Opfer einer Verrechtlichung werden. Zu wünschen ist vielmehr der konsequente Erhalt und Ausbau ihrer erfrischenden „korsettlosen“ Eigenständigkeit sowie selbstbewegenden Dynamik als Chance und Potenzial für die Betroffenen.“ 7.3.2 Strukturierung Der gesamte Fall bestand aus acht Phasen, die man auch in drei Phasen zusammenfassen könnte: Prä-mediative Phase (Phasen 1–5) – Hauptphase (Phase 6) – Nachphase (7–8).100
Methode Kartenabfrage
Als außerordentlich hilfreich hat sich der Einstieg in die Sitzung durch die Themenkarten erwiesen. Hierdurch wurde für alle eine gleichberechtigte Möglichkeit geschaffen, sich zu artikulieren. Versuche, sich über die so gesetzten Limits bei der Vorstellung des eigenen Themas hinwegzusetzen, konnten mit Hinweis auf die Regel sanft zurückgewiesen werden. Allerdings bedurfte es einer strikten Gesprächsführung. Die Strukturierung der aufgeworfenen Fragen in Themenkomplexe und deren Visualisierung ermöglichte eine klare Gliederung des Abends und gab den Beteiligten die Sicherheit, dass
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Falk/Pruckner, in Falk u. a. (Hrsg.) Handbuch Mediation und Konfliktmanagement, 2005, S. 113, 126 Falk, in Falk/Pruckner, S. 177, 178
7.3 Überlegungen zu dem Praxisfall
133
kein Thema vergessen wird. Angesichts der Vielzahl der Teilnehmer erscheint eine strikte Gesprächsführung unumgänglich. 7.3.3 Umgang mit der Vergangenheit Der „Runde Tisch“ wurde zu einem Zeitpunkt angeregt, zu dem bereits wesentliche Beeinträchtigungen für die Mieter zu ertragen gewesen waren. Die erlittene Unbill öffentlich vorzutragen war wesentliches Anliegen der Mieter. Im Hinblick auf die Aufgabe der Mediation als zukunftsorientiertes Konfliktlösungsverfahren verbot sich jedoch die ausführliche Auseinandersetzung. Gleichwohl durfte dieses wesentliche Anliegen nicht unbeachtet bleiben.101
Gedanken zur Zukunft sind gefragt
Die Mediatoren wählten die Eingangsrunde mit Themenkarte, um allen die Möglichkeit zu geben, sich auch hierzu zu äußern. Unter der Überschrift „Geschichte des Objekts“ konnten so die vergangenheitsbezogenen Punkte gesammelt werden – sie tauchten nur dort wieder auf, wo sie für die Behandlung der Phase „Umgang miteinander“ wieder von Bedeutung waren, um künftig Fehler zu vermeiden. Ein abschließendes eigenes Ritual war insofern weder erforderlich noch wäre es innerhalb der kurzen Zeit zu realisieren gewesen.102 7.3.4 Wechselseitige Problemdefinition Bereits während des Einsammelns der Karten und der von den Teilnehmern vorgetragenen Themen konnte durch Umformulieren teilweise der Fokus der Einzelnen auf die von ihnen angesprochenen Interessen gelenkt werden. Die Formulierung einer gemeinsamen Problemdefinition, die die unterschiedlichen Sichtweisen des Konfliktes, die beide Parteien haben, aufgreift und miteinander verbindet103 konnte jedoch nicht nach jedem neuen Thema geleistet werden, da die Themen zunächst zufällig gesammelt und abwechselnd vorgetragen wurden. Allerdings gelang dies bei der zusammenfassenden Darstellung der Themenkomplexe und der Strukturierung des Sitzungsverlaufs. Bei einer massenhaften Sammlung von Themen scheint dies als Ausgangsbasis für den folgenden Schritt zu genügen. 7.3.5 Setting Problematisch war die Positionierung des Geschäftsführers des Investors örtlich neben den Mediatoren und zeitlich am Ende der Stellungnahmen. Den Mediatoren war aus den vorherigen Treffen bewusst, dass der Geschäftsführer dazu neigt, umfangreiche Statements abzugeben. So nahm er sich am Ende der Runde auch relativ viel Zeit, um auf die vorgebrachten Themen einzugehen. Er erhielt dadurch eine gegenüber den anderen Teilnehmern herausgehobene Position im 101 102 103
Müller/Schwartz, Vergangenheit in der Mediation, ZMK 2005, S. 165 Müller/Schwarz, a .a. O., S. 166 Bastine/Ripke in Falk u. a., s. o., S. 133, 137
Themen und Bedürfnisse verbinden
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7 Mediation zwischen Investor und Mietern Verfahren. Allerdings erwarteten die Mieter verpflichtende Erklärungen des Investors und wussten, dass sie diese nur von dem Geschäftsführer erhalten konnten. In dem er die vorangegangenen Themen aufgriff und hierfür Verständnis zeigte, wurde er zu dem natürlichen Verhandlungspartner der heterogenen Gruppe der Mieter. Der Zeitpunkt der Mediation lag sehr spät. Im Grunde konnte nur noch „gerettet werden, was noch zu retten ist“, insbesondere das Ziel des Investors erreicht werden, aus den negativen Schlagzeilen herauszukommen und das Ziel der Mieter, den Boden für eine vernünftige Regelung für den Rest der Bauzeit zu bereiten. Das Ziel einiger Mieter, wirtschaftliche Kompensation für die erlittenen Einbußen zu erhalten, konnte nicht abschließend verhandelt werden. Immerhin war es möglich, Transparenz in die Thematik der Minderung zu bringen und Absprachen über deren Bewertung zu treffen. 7.3.6 Feedback Nach Einschätzung des Geschäftsführers des Investors hat der „Runde Tisch“ einen Befriedigungseffekt gehabt. Der Investor ist der Auffassung, dass Privatisierung von Wohneigentum stets zu erheblichen Konflikten führen wird, auch dadurch bedingt, dass die neuen Eigentümer solcher privatisierten Wohnungen oft einer anderen kulturellen Schicht angehören, als die wenigen, die in den sanierten Wohnungen verbleiben. Es bedarf deshalb eines vorsorgenden Prozesses, um die Veränderung in der Wohnbevölkerung – auch demoskopisch bedingt – vorzubereiten unter Einbeziehung aller Betroffenen. Die professionelle Begleitung könne hierzu einen wesentlichen Beitrag leisten. 7.3.7 Aussichten
Bei Mietstreitigkeiten ist Mediation als Konfliktbearbeitungsmethode geeignet
Die Einschaltung von Mediatoren ist bei der Privatisierung von Mietwohnungen in mehrfacher Hinsicht geeignet, damit verbundene Konflikte zu vermeiden. Allerdings wird im Zweifel jeder Investor zunächst versuchen, mit eigenen Mitteln Konflikte wie den hier beschriebenen zu vermeiden, beziehungsweise zu lösen, um nicht zusätzliche Kosten auf sich zu laden. Ebenfalls betroffene Kommunen verfügen in der Regel über keine eigenen Budgets, um Mediationsvorhaben zu finanzieren. So ist es den Mediatoren bei diesem Projekt auch nicht gelungen, eine Zusage des Investors für eine Fortsetzung der Mediation oder für die Mediation an anderen Bauprojekten zu erhalten. Obwohl der „Runde Tisch“ in der Einschätzung auch des Investors als Erfolg gewertet werden kann, ist der Durchbruch zur systematischen Einbeziehung der Mediation in Investor-Projekte diesmal nicht gelungen. Doch bleibt festzuhalten, dass sich die Mediation für die Konfliktlösung zwischen Investoren, Eigentümern und Mietern als geeignet erwiesen hat. Sie würde sich für ähnliche Projekte anbieten.
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8 Mediation zwischen Architekt und Ingenieur – Fallstudie im Dialog 8 Mediation zwischen Architekt und Ingenieur
Ohne in Klischees verfallen zu wollen: Wer im Baubereich tätig ist, kennt die Animositäten zwischen Architekten und Ingenieuren. Von dem Architekten wird ein Entwurf erwartet, der alles Bisherige übertrifft. Kreatives, Künstlerisches, Einmaliges soll die Individualität des Bauherrn herausstellen, seine Seele für alle sichtbar nach außen kehren. Dass die hohen Anforderungen an den Planer dabei gelegentlich an die Grenzen des technisch Machbaren bzw. wirtschaftlich noch Sinnvollen stoßen, kann nicht überraschen. Spätestens, wenn der Ingenieur die Genialität des Entwurfes in die Praxis umzusetzen hat, kommt es zu Überraschungen, die sich sehr schnell auch in Zahlen, und zwar in Budgetüberschreitungen messen lassen.
Mediation als Brücke zwischen den Welten der Architekten und Ingenieure
An einem Praxisfall soll dieser Konflikt nachvollzogen werden. Dabei besteht hier die Besonderheit, dass der Architekt zugleich Generalplaner des Objektes ist, was eine zusätzliche Komponente in den Konflikt einbringt. Der Fall dokumentiert zum einen die Arbeitsweise und den Ablauf einer Mediation. Zugleich beschäftigt er sich mit den Interventionsmöglichkeiten des Mediators, wenn es für die Parteien scheinbar „nur noch ums Geld“ geht; gerade in der Wirtschaftsmediation, in denen die emotionalen Aspekte der Zusammenarbeit zunächst zurücktreten, ein besonders wichtiges Thema.
8.1 Praxisfall: Zoff im Großprojekt Im Rahmen einer internationalen Ausschreibung für die Generalplanung eines bedeutenden Bauwerks erhält ein renommiertes Architektur-Büro den Zuschlag. Die Architekten garantieren dem Bauherrn, dass ihr Entwurf zu einem garantierten Maximalpreis geplant und gebaut wird und zu einem bestimmten Datum bezugsfähig sein wird. In der Angebotsphase haben die Architekten bereits mit Ingenieurbüros als Fachplaner für die wichtigsten Gewerke verhandelt, um diese hinsichtlich Leistung und Preis in einem Boot zu haben. So musste auch das für die Gebäudetechnik verantwortliche Ingenieurbüro (ca. 1/3 des Auftragsvolumens entfällt auf Gebäudetechnik) sein Honorar für die Planung kontinuierlich reduzieren, damit die Architekten im Rennen blieben. Nach Zuschlag entscheiden sich die Architekten einen Projektsteuerer einzusetzen, der einen Teil der Koordinationsaufgaben des Ingenieurbüros übernehmen soll. Dafür wird das Planungshonorar der Ingenieure ein weiteres Mal gesenkt. P. Hammacher et al. So funktioniert Mediation im Planen + Bauen, DOI 10.1007/978-3-8348-8124-3_8, © Vieweg+Teubner Verlag |Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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8 Mediation zwischen Architekt und Ingenieur Architekten und Projektsteuerer sind der Auffassung, dass die Ingenieure die Planung nicht schnell genug an die sich verändernden Vorgaben anpassen und sie die Architekten trotz des engen Terminplans nicht ausreichend unterstützen. Sie meinen, dass vieles, was die Ingenieure eigentlich zu liefern hätten, von dem Projektsteuerer miterledigt worden sei. Sie haben geäußert, dass sie sich am liebsten von den Ingenieuren getrennt hätten, wenn ihnen dies möglich gewesen wäre. Als Abschlagszahlungen fällig werden, verweigern sie über mehrere Monate deren Auszahlung. Da Diskussionen nicht fruchten, wenden sich die Ingenieure an den Bauherrn selbst und beschweren sich bei diesem über die Zahlungspraxis. Aufgrund dessen Intervention zahlen die Architekten bis auf einen Betrag von 300.000 EUR und vereinbaren mit den Ingenieuren, sich hierüber in einer Mediation zu einigen. Parallel kündigen die Architekten an, dass sie wegen des abgegebenen Maximalpreises weitere finanzielle Zugeständnisse von den Ingenieuren erwarten und dass sie bei Nichteinigung auch andere Aufträge außerhalb dieses Projektes künftig nicht mehr an die Ingenieure vergeben können.
Die Welt der Architekten
Die Architekten behaupten, – die bisherige Leistung sei unbefriedigend gewesen, der frühere Projektleiter habe das architektonische Konzept nicht zufriedenstellend vertreten und in der Planung berücksichtigt – die Höhe des Einbehalts entspreche dem Honorar für die zusätzlichen Leistungen, die der Projektsteuerer habe ersatzweise erbringen müssen, um die Defizite auszubügeln – das Vertrauen in die Ingenieure sei durch die mangelhafte Leistung und dadurch, dass die Ingenieure sich direkt an den Kunden gewendet haben, gestört, was die Zusammenarbeit während der nächsten Jahre an dem Bauwerk beeinträchtige
Die Welt der Ingenieure
Die Ingenieure behaupten, – sie hätten ihre Leistungen wie vereinbart erbracht; zugegebene kleinere Koordinationsschwächen seien spätestens nach Auswechslung des eigenen Projektleiters behoben, rechtlich fehle es an „Mängelrügen“ – durch die vereinbarte Preissenkung anlässlich der Einschaltung des Projektsteuerers seien Teile ihres Leistungsspektrums entfallen, weshalb ein weiterer Einbehalt für Leistungen des Generalplaners nicht gerechtfertigt sei; im Übrigen seien dessen Leistungen auch bei weitem nicht in dieser Höhe zu bewerten – das Vertrauen in die Architekten sei dadurch gestört, dass die Architekten anscheinend alles versuchten, um den mit den Ingenieuren vereinbarten Preis weiter zu reduzieren: Die Architekten
8.3 Mediationsverlauf
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hätten noch nie rechnen können und würden jetzt versuchen, bereits erkannte Lücken auf Kosten ihrer Partner zu schließen.
8.2 Psychologische Situation und Dynamik Beide Parteien befürchten, dass ihre künftige Zusammenarbeit bei diesem Projekt sowie ihr internationales Renommee insbesondere bei dem Kunden leiden könnte. Die Parteienvertreter gehen kultiviert miteinander um und zeigen Verständnis für die andere Seite. Das Misstrauen ist jedoch mit Händen zu greifen. Der Empfehlung der Mediatoren, die Zusammensetzung der Vertreter nicht zu verändern, sind die Architekten nicht gefolgt. Es tritt hinzu der Projektsteurer auf der Seite der Architekten. Er ist aber weder mandatiert für die Architekten zu sprechen, noch ist er als objektiver Sachverständiger geeignet, zur Klärung offener Fragen beizutragen. Vielmehr verfolgt er eigene Interessen. Ihm geht es um Profilierung und Abdrängen der Ingenieure, in denen er einen Konkurrenten sieht, da selbst in der Gebäudetechnik tätig.
8.3 Mediationsverlauf In der ersten Mediationssitzung tragen beide Parteien gemeinsam die Fakten vor, und zwar weitgehend widerspruchsfrei. Die Parteien machen ihre Standpunkte klar. In der zweiten Mediationssitzung äußern beide den Wunsch, die Mediation noch am selben Tag zu beenden. Die Mediatoren haben anhand der zuvor gewonnenen Informationen fünf Themen identifiziert; sie werden mit den Medianden abgestimmt und abgearbeitet:
Themen werden von Mediatoren vorgeschlagen
– Kooperation in der Projektabwicklung – Verantwortung – Image – Künftiges Zahlungsverhalten – Vergütung geleisteter Arbeit – Zusammenarbeit mit dem Kunden Die Parteien erkennen die jeweils andere Sicht der Dinge, reflektieren eigene Verhaltensweisen und erkennen Verbesserungsmöglichkeiten. Neben den abwechselnden Redebeiträgen, Fragen, Paraphrasieren und Zusammenfassen durch die Mediatoren führen die Mediatoren auch ein Zwiegespräch in Anwesenheit der Parteien, in dem die aufgewor-
Perspektivwechsel
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8 Mediation zwischen Architekt und Ingenieur fenen Themen dargestellt und die Arbeitshypothesen der Mediatoren offengelegt werden. Dadurch wird die Diskussion erneut angeregt und in etwas andere Bahnen gelenkt. Mit Ausnahme des Vergütungs-Themas werden zu allen Punkten konkrete Schritte vereinbart, die vor allem das Ziel haben, das gegenseitige aus unterschiedlichen Motiven genährte Misstrauen abzubauen: 1. Kooperation in der Projektabwicklung – Partnerschaftliche Projektabwicklung – Aufgabenstellungen sowie Ziele formulieren und abstimmen – Abgrenzung der Aufgaben festlegen und abstimmen – Vorhandene Schnittstellenmatrix überprüfen und abstimmen – Regularien der Abstimmung festlegen – Treffen auf der Projektleiter-Ebene 2. Zahlungsverhalten – Transparente Zahlungsflüsse – Eingegangene Abschlagszahlungen werden an Ingenieure weitergegeben – Faire Honorarverhandlung in der Stufe 1 3. Zusammenarbeit mit dem Bauherrn – Fachlicher Austausch zwischen Bauherr und Ingenieuren beschleunigt Projektablauf – Fachliche Entscheidungen nur in Abstimmung mit Architekten und Projektsteuerung – Ingenieure informieren Architekten vor Kontaktaufnahme mit dem Bauherrn über evtl. Unstimmigkeiten Als der Punkt Vergütung, der ja den Anlass für die Mediation gegeben hatte, verhandelt wird, verbleiben nur noch ca. 90 min bis zum gewünschten Sitzungsende. Die Diskussion führt jedoch wieder auf die Positionsebene zurück. Die Mediatoren führen daraufhin Einzelgespräche, in denen mit den Medianden auch über deren Alternativen zur Mediation gesprochen wird. Eine Einigung auch über diesen Punkt gelingt bis zum vereinbarten Sitzungsende nicht. Die Bewegungen der Parteien zu diesem Punkt lassen sich wie folgt zusammenfassen: Ausgangsfrage: Wie viel sollen die Architekten den Ingenieuren noch zahlen?
8.4 Interventionsmöglichkeiten, „wenn’s nur ums Geld geht“ Ingenieure
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Architekten
Ausgangsposition
T 300
Ausgangsposition
0
1. Vorschlag in der Mediation: T 180 zzgl. T 40 Verzugszinsen
T 220
1. Vorschlag in der Mediation
T 125
2. Vorschlag in der Mediation
T 200
2. Vorschlag in der Mediation
T 150
– Die Parteien gehen mit der Aufgabe auseinander, ihre Standpunkte nochmals zu überdenken. – Die Architekten sind überrascht, dass ihr Einigungsvorschlag nicht angenommen wird. – Die Ingenieure denken darüber nach, ob sie nicht doch zu juristischen Mitteln greifen sollten.
8.4 Interventionsmöglichkeiten, „wenn’s nur ums Geld geht“ Die Mediation gelangt nun an einen Punkt, der für Wirtschaftsmediation und die Mediation im Planen und Bauen insbesondere typisch ist. Zunächst ist es den Mediatoren gelungen, die Parteien von ihrem reinen Positionsdenken wegzuholen, indem sie die Parteien dazu gebracht haben, ihre Interessen zu erkennen und indem sie das Spektrum der zur Lösung erforderlichen Punkte deutlich erweitert haben. Nun aber haben die Parteien konstruktive Lösungen zu den Punkten gefunden und sind wieder an den letzten gerade noch nicht geklärten Punkt zurückgekehrt: die Vergütung. Geht es scheinbar nur um die Frage, ob bzw. wie viel die eine Partei der anderen zu zahlen hat, besteht die Gefahr, dass wieder die alten Positionen eingenommen werden, die eine sachorientierte Einigung bisher gerade verhindert hat. Die Parteien betrachten den Streit hierüber wieder als Nullsummenspiel, d. h. „er-oder-ich“ kann nur gewinnen. Auch in dieser Situation muss der Mediator sich bemühen, Lösungsmöglichkeiten zu eröffnen. Dies kann geschehen, entweder indem es dem Mediator wieder gelingt, den Blick der Parteien hinter die Zahlen zu lenken und sie damit wieder in eine interessenorientierte Verhandlung zu führen. Oder der Mediator hilft den Parteien nach Methoden Ausschau zu halten, wie das Verteilungsproblem ohne Gerichtsentscheid gelöst werden kann, um so dem Interesse der Parteien an einer Beendigung des Streits zu entsprechen. Wie solche Interventionen aussehen könnten, wird hier alternativ im Rahmen des Falles dargestellt. Doch zunächst zurück zum Beginn der nächsten Sitzung:
Tipps, wenn's nur um Verteilung geht
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8 Mediation zwischen Architekt und Ingenieur – Zwischenzeitlich sind keine Verhandlungen über dieses Thema zwischen den Parteien geführt worden, aber Verhandlungen für einen weiteren Teilauftrag bei dem Großprojekt. Bei diesen Verhandlungen versuchen die Architekten massiv, den Preis für die Ingenieure zu drücken. – Eine Präsentation der Ingenieure zur Gebäudetechnik des Projektes vor dem Kunden ist gut verlaufen. Die Ingenieure haben den Kontakt zum Kunden im Hintergrund intensiviert. – Der neue Projektleiter der Ingenieure hat sich eingearbeitet und gewinnt langsam das Vertrauen der Architekten. – Der GF der Architekten hat noch immer Vorbehalte gegenüber den Ingenieuren, insbesondere deren GF. – Der GF der Ingenieure ist noch immer sehr misstrauisch, was das Finanzgebaren der Architekten angeht. Begrüßung und Eingangsfragen des Mediators: M: „Hat sich etwas ereignet, von dem Sie glauben, dass es für den Verlauf der heutigen Sitzung von Bedeutung ist?“ „Wir haben in der vergangenen Sitzung folgende Punkte angesprochen, wobei Sie sich vorbehaltlich einer Gesamtlösung über …. verständigt haben. Haben sich seitdem Ergänzungen ergeben?“ Diskussionsverlauf: „Wir kommen jetzt zu dem noch offenen Punkt: Vergütung für erbrachte Leistungen. Welche Möglichkeiten sehen Sie z. Zt., um in dieser Frage weiter zu kommen?“ A: „Ich weiß auch nicht“. I: „Ich auch nicht.“ An die Ingenieure gewandt: M: „Warum ist es Ihnen so wichtig, dass die Gegenseite eine finanzielle Leistung in dieser Höhe an Sie erbringt?“
8.4.1 Intervention – Anerkennung der eigenen Leistung Anerkennung der eigenen Leistung
I: „Ich will, dass meine Leistung auch bezahlt wird.“ M: „Sie wünschen sich, dass Ihre Leistungen anerkannt werden?“ I: „So ist es.“ M: „Was wäre noch erforderlich, um Ihnen diese Anerkennung zu vermitteln?“ I: „Ich möchte, dass mir das auch einmal jemand sagt, und nicht nur hinter der vorgehaltenen Hand gemeckert wird.“ M: „Sie möchten, dass die Anerkennung verbal zum Ausdruck
8.4 Interventionsmöglichkeiten, „wenn’s nur ums Geld geht“
kommt?“ I: „Das ist eine Grundhaltung. Auch bei den laufenden Verhandlungen zu dem nächsten Teilauftrag wird so getan, als wenn jeder diese Leistung erbringen könnte und zu jedem Preis. Das ist aber nicht der Fall. Gute Leistung hat ihren guten Preis!“ M: „Ich habe gehört, dass es Ihnen generell wichtig ist, als Fachfirma mit dem gebührenden Respekt behandelt zu werden. Sehen Sie andere Möglichkeiten, wie die Architekten ihre Wertschätzung Ihnen gegenüber ausdrücken könnten?“ I: „Was meinen Sie?“ M: „Wie sollte Ihrer Meinung nach die Wertschätzung in die tägliche Zusammenarbeit einfließen?“ I: „Ich möchte, dass wir gegenüber dem Bauherrn als Partner dargestellt werden und nicht nur als kleiner Subunternehmer. Der Projektsteuerer soll sich nicht so aufspielen. Wir haben akzeptiert, dass die Architekten ihn in das Geschehen einbezogen haben. Wir haben sogar akzeptiert, dass unser Leistungsumfang reduziert wird, damit er bezahlt werden kann. Aber damit muss es gut sein. Wir können nicht akzeptieren, dass er sich so aufspielt, als wenn nur er als Einziger von dem Fach eine Ahnung hätte und die Leistungen, die wir zu erbringen haben, selbst erledigt hätte.“ M: „Angenommen die Gegenseite würde Ihnen ihre Anerkennung auf diese Weise aussprechen. Welche Bedeutung hätte dies für die Form der Anerkennung durch finanzielle Zuwendung? ......“
Hier hat die eine Partei erkannt, dass Ihre Vergütung nur der Ausdruck dessen ist, was sie am meisten vermisst: die Anerkennung ihrer Arbeit. Dies eröffnet die Möglichkeit, nach anderen Formen der Anerkennung zu suchen. Gleichzeitig hat die andere Partei die Aussagen gehört. Sie wird verstanden haben, dass es dem Streitpartner um mehr geht, als nur ums Geld, eben um Anerkennung der eigenen Arbeit. Das ist ein Grundbedürfnis, das auch sie aus ihrer beruflichen Praxis allzu gut kennt: Lob ist allemal seltener als Schelte! Sie kann das versteckte Angebot der Gegenseite aufgreifen und ihr Vorschläge machen, die ihr entgegenkommen. ….
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8 Mediation zwischen Architekt und Ingenieur 8.4.2 Intervention – Gerechtigkeit als Maßstab der Vergütung
Gerecht behandelt werden
I: „Ich will, dass meine Leistung auch bezahlt wird.“ M: „Sie wünschen sich, dass Ihre Leistungen anerkannt werden?“ I: „So ist es.“ M: „Was wäre noch erforderlich, um Ihnen diese Anerkennung zu vermitteln?“ I: „Sonst nichts.“ M: „Finanzielle Zuwendungen sind eine Form der Anerkennung. Sie wirken unmittelbar und stellen den Fordernden zufrieden. Allerdings wissen wir alle aus Erfahrung, dass es mit der Nachhaltigkeit oft nicht weit her ist. Denken Sie nur an einen Mitarbeiter, der mehr Lohn verlangt. Die strahlenden Augen und die Übereifrigkeit der ersten Tage nach der Lohnerhöhung nehmen leider rasch ab.“ Können Sie sich vorstellen, dass Ihnen die Gegenseite auch in anderer Form den gebührenden Respekt für die erbrachten Leistungen zollen könnte?“ I: „Aber nicht um den Preis, dass ich auf meine Forderung verzichten soll.“ M: „Nehmen wir an, die Gegenseite hätte Ihre Forderung beglichen. Hätten Sie jetzt das Gefühl, dass die Gegenseite Ihre Leistungen in vollem Umfang anerkannt hat?“ I: „Na ja, das vielleicht nicht, aber ich hätte wenigstens mein Geld.“ M: „Ich habe den Eindruck, dass die Anerkennung Ihrer Leistungen vielleicht doch nicht so im Vordergrund steht, wie wir das eben angenommen haben. Wir müssen uns immer wieder bewusst machen, dass das Wirtschaftsleben im Grunde ein Tauschgeschäft ist. Waren, Leistungen, aber auch Emotionen sind auf dem Markt gegen andere Waren, andere Leistungen und andere Emotionen erhältlich. Geld erleichtert lediglich die Transaktionen. Es ist neutral und steht für die Gegenleistung, mit der die andere Seite ihre unbekannten Bedürfnisse befriedigen will. So gesehen gibt es den Fall, dass einer Geld „nur um des Geldes willen“ haben möchte, eigentlich nicht. Auch Dagobert Duck, der alles getan hat, um in seinem Geld schwimmen zu können, hatte andere Bedürfnisse, die der mit seinem Geld befriedigen wollte (Ehrgeiz, Sicherheitsbedürfnis, Bedürfnis nach Ruhm, oder Ersatzbefriedigung?)“104
104
Der Mediator gibt in diesem Fall mehrfach Statements ab, monologisiert. Das kann im Einzelfall sinnvoll sein. Vorzuziehen wäre es aber, wenn die Parteien mit Hilfe von Fragen, die hier von dem Mediator vorgetragenen Inhalte selbst entwickeln können.
8.4 Interventionsmöglichkeiten, „wenn’s nur ums Geld geht“
M: „Was bedeutet es Ihnen, wenn die Gegenseite Ihre Forderung begleicht?“ I: „Ich will, dass meine Leistung auch bezahlt wird.“ M: „Sie wünschen sich, dass Sie gerecht behandelt werden?“ I: „Jawohl, ich will das, was mir zusteht.“ M: „Woran können Sie festmachen, was Ihnen zusteht?“ I: „Am Vertrag.“ M: „Sie möchten, dass Leistung und Gegenleistung sich an den vertraglichen Absprachen orientieren?“ I: „Dafür sind Verträge doch schließlich da. M an die Architekten gewandt: „Sie haben eben gehört, dass die Ingenieure sich wünschen, gerecht behandelt zu werden. Was meinen Sie dazu?“ A: „Wir behandeln sie doch nicht ungerecht. Die haben Fehler gemacht, also ziehen wir den Schaden von der vertraglichen Vergütung ab. So einfach ist das.“ M: „Sie wünschen sich, dass die Ingenieure Verantwortung übernehmen?“ A: „Ganz richtig. Wenn jemand nicht so gearbeitet hat, wie dies ursprünglich vorgesehen war, dann muss er auch für die Konsequenzen einstehen.“ M: „Ich verstehe Sie so, dass Gerechtigkeit und Verantwortung für Sie zusammengehören, sodass ein gerechtes Ergebnis auch berücksichtigt, ob jemand seiner Verantwortung in vollem Umfang entsprochen hat.“ A: „Ganz genau. Deshalb kann die Vergütung hier nicht so aussehen, dass die Ingenieure den vollen Preis für ihre Leistung erhalten.“ M an beide gewandt: „Meine Herren, wir haben hier gerade erlebt, wie unterschiedlich das Gerechtigkeitsempfinden eines jeden Einzelnen sein kann. Sie beide möchten gerecht handeln und gerecht behandelt werden. Sie, die Ingenieure halten ein Ergebnis für gerecht, das sich an den getroffenen Vereinbarungen orientiert, man nennt das auch „Austauschgerechtigkeit“. Sie, die Architekten, sehen Gerechtigkeit dann hergestellt, wenn die Verantwortung für misslungene Prozesse übernommen und hierfür ein Ausgleich geleistet wird; man könnte dies als „Ausgleichsgerechtigkeit“ bezeichnen (statt „Vergeltungsgerechtigkeit“). Was ich damit sagen möchte: Es gibt nicht die Gerechtigkeit, sondern das Gerechtigkeitsempfinden eines jeden Einzelnen ist sehr subjektiv. Unterschiedliche Gerechtigkeitsvorstellungen können
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8 Mediation zwischen Architekt und Ingenieur
nebeneinander bestehen, sie sind nicht richtig oder falsch. Können Sie für sich akzeptieren, dass es unterschiedliche Gerechtigkeitsvorstellungen gibt und dass die andere Seite sich aus ihrer Sicht ebenfalls bemüht ist, gerecht zu sein? Das heißt nicht, dass Sie die Prinzipien der Gegenseite deswegen übernehmen müssen.“ „Ja“ – „Ja“ M: „Sie haben also beide anerkannt, dass die jeweils andere Seite sich darum bemüht, eine Lösung zu finden, die gerecht ist, auch wenn dies nicht unbedingt Ihren Gerechtigkeitsvorstellungen entspricht. Haben Sie eine Idee, wie man den beidseitigen Wunsch nach einer gerechten Behandlung beider Parteien nutzen könnte, um hier zu einer Einigung zu kommen?“ A: „Wir könnten jeweils auf der Basis der Kriterien des anderen gemeinsam versuchen, den Anspruch zu bewerten. Die Differenz wird dann halbiert.“ I: „Dann verlagern wir die Diskussion doch nur auf die juristische Ebene. Bei Zugrundelegen beider Gerechtigkeitsprinzipien müssten wir doch immer eine genaue Sachverhaltsanalyse vornehmen, mit Soll/Ist-Vergleichen, was aufgrund der unklaren vertraglichen Situation außerordentlich schwierig ist; wir müssten Zeugen befragen usw., usw. Letztlich wäre dann eine Beurteilung davon abhängig, wer was beweisen kann“. A: „Da haben Sie allerdings recht“. M: „Es gibt noch sehr viel mehr unterschiedliche Gerechtigkeitsvorstellungen, z. B. das Prinzip der Verteilungsgerechtigkeit: Der Bauherr hat eine feste Summe für die Planung des Gebäudes zur Verfügung gestellt. Wer bekommt nach welchen Kriterien davon wie viel ab?“ I: „Auf diesen Gerechtigkeitsmaßstab könnte ich mich auch verständigen“. A: „Das kann ich mir denken. Das geht aber an den Realitäten völlig vorbei. Schließlich sind wir der Auftraggeber und Sie der Auftragnehmer. Wie viel wir von dem Bauherrn bekommen, hat Sie nicht zu interessieren. Folglich gibt’s da auch nichts zu verteilen.“ I: „Ganz so ist das nicht. Sie haben uns von Anfang an ins Boot geholt, mit der Aussage, dass nur durch Transparenz und vertrauensvolle Zusammenarbeit diese ungeheure Aufgabe geschafft werden kann. Wir haben alle unsere Karten offen auf den Tisch gelegt und wir haben alle unseren Beitrag geleistet, damit Sie durch den günstigsten Preis zum Zuge kommen konnten. Auch jetzt möchten Sie, dass wir uns an dem finanziellen Ergebnis beteiligen. Warum sollten dann nicht von vorneherein die Leistungsanteile bestimmt und bewertet werden. Im Grunde ist die Diskussion doch nur dadurch zustande gekommen, dass Sie unseren Leistungsanteil redu-
8.4 Interventionsmöglichkeiten, „wenn’s nur ums Geld geht“
ziert und an den Projektsteurer übertragen haben. Der hat dann nach Möglichkeiten gesucht, uns weitere Leistungsanteile abzuschneiden. Da er nicht in der Position war, hierüber zu verhandeln, hat er Mängel behauptet und Unzufriedenheit gestiftet, worauf Sie unsere Vergütung weiter gemindert haben.“ M: „Diese Diskussion haben Sie beide schon früher geführt, ohne dass Sie dies weiter gebracht hätte. Aber nehmen wir einmal an, Sie, die Ingenieure, und Sie, die Architekten, könnten sich in den nächsten Tagen verbindlich über das Leistungsprogramm und die Vergütung für die Ingenieure hinsichtlich der neuen Teilaufträge einigen. Wie könnte dann auf dem Konzept der Verteilungsgerechtigkeit aufbauend, eine Einigung über die Vergütungsanteile für Architekten, Ingenieure und Projektsteurer aussehen?“ I: „Voraussetzung für eine Einigung wäre, dass getroffene Vereinbarungen auch eingehalten werden und nicht durch Änderung der Bedingungen, wie dies z. B. durch Einführung des Projektsteuerers der Fall war, unsere Vergütung infrage gestellt wird.“ A: „Eine Einigung über die jetzt zu erbringenden Leistungen könnte eine Regelung über die ausstehende Summe enthalten. Für uns ist wichtig, dass unsere finanziellen Zusagen an den Bauherrn auf keinen Fall gefährdet werden.“ M an die Architekten: „Welche Sicherheit könnten Sie geben – und ich werde die gleiche Frage auch an die Ingenieure stellen – damit sich die Ingenieure auf die Einhaltung der finanziellen Zusagen verlassen können?“ A: „Die Verhandlungen werden in ca. zwei Wochen abgeschlossen sein. Dann steht das Auftragsvolumen für die Ingenieure fest. Das ist dann ein Festpreis, der nicht mehr verändert wird – nach unten nicht, aber auch nicht nach oben. Vorausgesetzt, die Ingenieure erledigen ihre Arbeit ordentlich – und die letzten Wochen haben mich ermutigt dies zu glauben – wird es keine weiteren Preisanpassungen nach unten mehr geben. Das sage ich hier zu. Allerdings darf es auch keine nach oben geben. Evtl. Mehrarbeiten, die wir jetzt trotz sorgfältiger gemeinsamer Planung nicht vorhergesehen haben, müssen dann die Ingenieure selbst verkraften. Das erwarten wir auch von den anderen Partnern im Boote.“ I: „Dann warten wir die Abschlussrunde noch ab.“ M: „Können wir uns auf eine Vereinbarung verständigen, die den positiven Ausgang Ihrer Gespräche unterstellt? Wir sollten den Prozess abschließen.“ I: „Okay. Für den Fall, dass wir uns bei den Verhandlungen einigen, werden wir uns gegenseitig den Festpreis bestätigen. Wir werden weiter festhalten, dass Änderungen im Leistungsumfang nicht ohne unser Einverständnis und ohne angemessene finanzielle
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8 Mediation zwischen Architekt und Ingenieur
Kompensation möglich sein werden. Kommt die Vereinbarung zustande, bin ich bereit, nochmals auf weitere 25 TEUR zu verzichten, also die bestehende Differenz zwischen unseren letzten Angeboten zu halbieren.“ A: „Dann haben Sie ja doch mehr als die Hälfte gewonnen.“ M: „Bitte berücksichtigen Sie bei Ihren Angeboten auch das, was Sie bereits durch die Zwischenvereinbarungen erreicht haben. Ich habe verstanden, dass es Ihnen geglückt ist, die Stimmung auf der Arbeitsebene deutlich zu verbessern und die Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu schaffen. Das ist ein beachtlicher Erfolg, der nur durch gemeinsame Anstrengungen möglich war. Letztlich sind doch dies die Schritte, die notwendig sind, um das gigantische Projekt erfolgreich abzuschließen.“ A: „Aber warum können wir uns nicht auf die Mitte zwischen unseren Ausgangsforderungen verständigen?“ M: „Ich habe den Eindruck, dass es Ihnen darum geht, zu zeigen, dass niemand gewonnen oder verloren hat oder – wie man auch sagt, dass beide das Gesicht gewahrt haben.“ A: „Stimmt schon. Wir sollten uns nach außen aber auch intern keinen Vorwürfen aussetzen müssen.“ M: „Bedeutet dies, dass Sie internen Grenzen unterliegen, die Sie nicht überschreiten können?“ A: „Ganz so schlimm ist es nicht, schließlich bin ich Geschäftsführer der Gesellschaft. Aber gegenüber den GesellschafterGeschäftsführern muss ich meine Entscheidung schon rechtfertigen.“ I: „Aber wir haben doch deutlich nachgegeben. Rechtlich ist unsere Position, das wissen Sie, deutlich besser und der Bauherr will uns auch dabei haben. Wir haben unseren Projektleiter ausgetauscht und die Kooperation funktioniert. Was wollen Sie denn noch?“ A: „Nun gut! Lassen Sie uns zum Ende kommen. Vorausgesetzt wir einigen uns über die anstehenden Pakete können wir so verfahren.“ M: „Darf ich das so verstehen, dass Sie beide sich über den letzten verbliebenen Punkt geeinigt haben?“ A und I: „ja“ – „ja“
Flexibler Umgang mit Arbeitshypothesen
Zunächst hatte der Mediator die Arbeitshypothese, dass es den Ingenieuren um Anerkennung der erbrachten Leistung geht. Er hat dies ausgetestet und festgestellt, dass ein anderes Grundbedürfnis zugrunde liegt, nämlich gerecht behandelt zu werden. Das Gerechtigkeitsge-
8.4 Interventionsmöglichkeiten, „wenn’s nur ums Geld geht“
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fühl ist eine starke Antriebsfeder, die bekanntlich Revolutionen auslösen kann. Allerdings stimmen die Gerechtigkeitskonzepte keineswegs immer überein. Gelingt es, dies den Parteien begreiflich zu machen, kann sich aus einem „Aha“-Erlebnis möglicherweise ein neues Verständnis der anderen Seite ergeben. Das Problem scheint mir allerdings darin zu liegen, dass Gerechtigkeitsempfindungen zutiefst in der Persönlichkeitsstruktur der einzelnen Menschen verankert sind. Werden die Menschen erstmals damit konfrontiert, dass ihre Sichtweise nicht die allein gültige ist, wird dies bestenfalls zunächst Verblüffung hervorrufen. Um hieraus aber auch Akzeptanz entwickeln zu können, benötigen die Menschen auch Zeit, um die ganze Tragweite einer Umorientierung einschätzen zu können und um ein Gefühl dafür entwickeln zu können, wie sie mit dieser neuen Erkenntnis umgehen. In der Wirtschaftsmediation fehlt diese Ressource jedoch. 8.4.3 Intervention – 50/50-Vergleichslösung M: „Ich möchte verstehen, wie Sie auf diese Ziffern gekommen sind.“ I: „Ich sagte ja bereits: In den Vorgesprächen hatte meine Kollegin bereits signalisiert, sich auf 180 TEUR zzgl. der durch die schleppende Zahlung entstandenen Zinsen einigen können. Wie sie auf diesen Betrag gekommen ist, lässt sich nicht mehr ermitteln. In der letzten Mediationssitzung habe ich dann nochmals um 20 TEUR nachgelassen, um damit zum Ende zu kommen.“ A: „Letztlich haben wir die 150 TEUR als Kompromiss gewählt zwischen den beiden Maximal-Positionen.“ M: „Sie haben also beide Werte gewählt, die nach keinen sachlichen Kriterien gebildet wurden, sondern haben sich bemüht, eine Ziffer zu finden, von der Sie glaubten, dass die andere Seite sie akzeptieren könnte. Worin sehen Sie den Vorteil Ihres Lösungsvorschlages?“ A: „50/50 ist doch der gängige Industrie-Kompromiss. Keine Seite ist Gewinner oder Verlierer.“ I: „Das stimmt so nicht. Wir haben eine ordentliche Leistung erbracht und sollen auf die Hälfte der Vergütung verzichten, mit der die Architekten ihre Löcher stopfen. Subvention ohne Grund. Da gibt es sehr wohl einen Verlierer.“ M: „Worin sehen Sie den Vorteil Ihres Lösungsvorschlags?“ I: „Der Verzicht auf 1/3 unserer Vergütung ist schon schmerzlich genug. Wenn wir aber bei den Verhandlungen zu dem neuen Auftrag fair behandelt werden – und davon gehen wir nach der Vereinbarung bei der letzten Mediationssitzung und auch aus den zwischenzeitlich geführten Verhandlungen aus, sind wir bereit
Gesicht wahren
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8 Mediation zwischen Architekt und Ingenieur
unseren Beitrag zu leisten.“ M: „Gibt es bei diesem Lösungsvorschlag keine Gewinner oder Verlierer?“ A: „Doch schon, Verlierer sind wir dann irgendwie beide.“
8.4.4 Intervention – was ist die beste, was ist die schlechteste Alternative zum Aushandeln eines Ergebnisses in der Mediation? (BATNA/WATNA)105 BATNA/WATNA
Sie haben sich in vielen wichtigen Fragen aufeinander zu bewegt. Sie haben sogar Teilvereinbarungen getroffen und diese auch schon umgesetzt. Nur in der Frage der Vergütung kommen wir bisher nicht recht weiter. Bitte überlegen Sie, ob Sie darüber weiterverhandeln möchten, oder ob es Alternativen gibt, die Ihnen Erfolg versprechender erscheinen. M: 1.) Was wird passieren, wenn Sie sich hier und heute nicht einigen? – Kündigung des Vertrages selbst oder durch den Geschäftspartner – Verzögerungen in der Auftragsabwicklung, weil neue Partner gefunden werden müssen – Bereits entstandene Kosten werden nicht mehr ersetzt werden – Es entstehen neue Kosten durch eine dann folgende Auseinandersetzung 2.) Lassen Sie uns versuchen, diese Konsequenzen zu bewerten und dann stellen wir diese finanziellen Nachteile ins Verhältnis zu den Kosten, die Ihnen beim Nachgeben in dieser Position entstehen. … 3.) Welche alternativen Vorgehensweisen haben Sie in der jetzigen Situation? – Sind alle diese Vorgehensweise realistisch oder entfällt die eine oder andere Alternative bereits aus faktischen Gründen (z. B. keine Genehmigung des Aufsichtsrates zu erhalten)? – Welchen Aufwand müssen Sie betreiben, um auf die jeweilige Weise vorzugehen? – Wie viel Zeit müssen Sie für jede dieser Alternativen investie-
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BATNA = Best Alternative to Negotiation Agreement, WATNA = Worst Alternative to Negotiation Agreement
8.4 Interventionsmöglichkeiten, „wenn’s nur ums Geld geht“
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ren? – Wie wirkt sich die Wahl der alternativen Vorgehensweise auf Ihr Verhältnis zu dem Streitpartner außerhalb des konkreten Streitpunktes aus? – Wie wirkt sich die Wahl auf andere Verhältnisse zu anderen Personen aus? – Vergleichen Sie jetzt bitte die Vor- und Nachteile der Alternativen mit den bekannten Vor- und Nachteilen bei Fortsetzung des Mediationsverfahrens. 4.) Wenn die so herausgearbeiteten Vorteile der Mediation die der anderen Vorgehensweisen nicht wesentlich überwiegen: – Was könnte Sie dazu bewegen, dennoch bei der Mediation zu bleiben? – Was bräuchten Sie, um …
8.4.5 Intervention – neutralen Aufteilungsmaßstab finden Aufteilung zunächst über den Maßstab, dann über die Verteilung. Maßstäbe können z. B. sein: – Alle Referenzfälle suchen und daraus die Richtigkeit einer vertretenen Meinung ableiten. – Den Durchschnitt aller Vorkommnisse ähnlicher Art in einem Referenzzeitraum ermitteln. – Alle Entscheidungen des BGH und der OLG, die die Parteien zur Unterstützung ihrer Rechtsmeinung in einem bestimmten Zeitraum finden werden zunächst daraufhin geprüft, ob sie tatsächlich die Meinung stützen, und sodann zueinander ins Verhältnis gesetzt, also z. B. sieben Fälle stützen die Meinung derjenigen Partei, die etwas fordert, drei Fälle sprechen gegen sie: Dann steht der fordernden Partei 70 % ihrer Forderungen zu. – Kriterium Zufall: Würfeln, Hölzchen ziehen, Viele Vorgänge im Wirtschaftsleben werden als Spiel wahrgenommen. (Wer gewinnt die Ausschreibung? Kann ich den Bewerber ausstechen? Wie entwickeln sich die Börsenkurse? etc.) In einer solchen kompetitiven Gesellschaft können solche Interventionen durchaus Akzeptanz finden, zumal die Belohnung allemal in dem Abschluss einer von allen Seiten als lästig empfundenen Angelegenheit liegt. Mit einem sachorientierten Verhandlungsabschluss hat das allerdings nicht mehr viel zu tun. Der Mediator muss die Parteien deshalb auf einen solchen Vorschlag vorbereiten.
Neue Maßstäbe finden
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8 Mediation zwischen Architekt und Ingenieur 8.4.6 Intervention – scheinbare Erweiterung der Möglichkeiten
Neue Konditionen können den Kuchen vergrößern
Durch Veränderung der Randbedingungen kann es einer Partei möglicherweise erleichtert werden, einen Vorschlag der anderen Seite anzunehmen, der von ihren Erwartungen abweicht. – Einführung von Zahlungsbedingungen – Ratenzahlungen – Zahlungen an Dritte (gemeinnützige Organisation) – Leistung und Gegenleistung in Form von Naturalien statt völlig durch Zahlungen – Einbeziehung steuerlicher Überlegungen (Einnahmen noch in diesem Bilanzjahr?, Abschreibung der Forderung?) 8.4.7 Intervention – Aufzeigen der Relativität von Verhandlungsgrenzen
Relativieren von Verhandlungsgrenzen
Meist haben sich die Parteien interne Grenzen gesetzt, ab denen sie das Ergebnis als Gewinn oder Verlust ansehen. Um einen Gesichtsverlust zu verhindern, kann hinterfragt werden, wie diese internen Grenzen zustande gekommen sind. 8.4.8 Intervention – „der eine teilt – der andere wählt“
Der eine teilt, der andere wählt
Diese Intervention ist anwendbar bei reinen Verteilungen, etwa zwei Gesellschafter, die nicht mehr zusammenarbeiten wollen.106 – Der eine ermittelt mit einem Gutachter den Preis, der andere darf wählen, ob er zu diesem Preis kaufen oder verkaufen will. – Die Parteien würfeln, wem welche Rolle zufällt. 8.4.9 Intervention – Klärung anhand der Rechtslage
Zurück zum Maßstab Recht
Hier geht es um die möglichst realistische Bewertung des Sachverhalts anhand von Vertrag, Gesetz und Rechtsprechung. Dies setzt natürlich eine besonders gute Kenntnis der juristischen Fragestellungen in der Branche voraus. Die Parteien können bestimmen, dass der Streitstoff in Form eines Rechtsgutachtens erarbeitet wird. In Betracht kommt die Ausarbeitung – durch den Mediator – durch einen externen in dieser Materie besonders betrauten Juristen ( einen Richter, das Institut einer rechtswissenschaftlichen Fakultät einer Universität, ein Max-Planck-Institut, etc.) – durch die beiden gegnerischen Rechtsanwälte unter Leitung des Mediators. Dabei müssen die Kriterien für das Gutachten zuvor zwischen den Juristen herausgearbeitet werden. 106
Risse/Wagner, Handbuch der Mediation § 38 RN 82
8.4 Interventionsmöglichkeiten, „wenn’s nur ums Geld geht“
151
Statt eines Rechtsgutachtens kommt natürlich auch eine abgespeckte Form der Darlegung in Betracht, also etwa, wenn der Mediator gebeten wird, lediglich seine Sicht und Einschätzung der Rechtslage zu vermitteln. Verwandt mit dieser Vorgehensweise ist die Prozess-Risikoanalyse, bei der die materiellen und prozessualen Fragen einer Wahrscheinlichkeitsprüfung unterworfen und bewertet werden.107 Mithilfe eines Entscheidungsbaums wird nachvollzogen, an welchen Stellen ein Richter zu unterschiedlichen Beurteilungen eines Teil-Sachverhaltes kommen könnte, wie hoch die Wahrscheinlichkeit für die Entscheidung in dem einen oder dem anderen Sinne ist, und wie sich dies wirtschaftlich auf das Ergebnis auswirkt.
ProzessrisikoAnalyse
Dabei spielt auch die Frage nach den Prozesskosten im Verhältnis zu den Chancen zu obsiegen eine wichtige Rolle. Diese Analyse kann ebenfalls entweder von dem Mediator alleine oder von dem Mediator zusammen mit den Anwälten der Parteien erarbeitet werden. Bei der Diskussion mit den Anwälten besteht natürlich die Gefahr, dass sich die juristischen Grabenkämpfe eher verhärten. Der Mediator wird sich deshalb auch hier Mini-Mediationsinterventionen überlegen müssen, um eine konstruktive Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Hilfreich kann es hierbei sein, wenn die Anwälte gebeten werden, nicht die Stärken der von ihnen vertretenen Positionen, sondern die selbst erkannten Schwachpunkte aufzuzeigen, die Risiko-Einschätzung also nicht aus der Position der Stärke, sondern der Schwäche zu versuchen. 8.4.10 Intervention – Wechsel zur Schlichtung oder Entscheidung Gelingt es trotz aller Bemühungen nicht, die Parteien zu einer selbstbestimmten Verhandlungslösung zu bewegen, kann es sein, dass die Parteien dennoch zum Abschluss kommen möchten, ohne ein völlig neues Verfahren einleiten zu müssen. Entweder ist dieser Fall bereits von Anfang an in den vertraglichen Bestimmungen über die Konfliktlösung enthalten oder der Wunsch nach einer Entscheidung durch Dritte wird gegen Ende der Mediation geäußert. Es wäre schade, wenn den Parteien dann nicht weiter geholfen werden könnte. Allerdings sollte der Mediator dann deutlich machen, dass damit der Weg der Mediation verlassen wird. Er sollte sicherstellen, dass die bisherigen Diskussionen wenigstens insoweit den Boden für eine solche Intervention vorbereitet haben, dass diese bei beiden auch Akzeptanz findet. – Einigungsvorschlag des Mediators auf Bitten der Parteien. Da es sich nur um einen Vorschlag handelt, haben die Parteien bis zu107
Neuenhahn, Hans-Uwe, Erarbeitung der Prozessrisikoanalyse und deren Einsatz in der Mediation, ZKM 2002,245; Eidenmüller, Horst, Prozessrisikoanalyse in der Praxis, ZKM 2007,115
Methodenwechsel
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8 Mediation zwischen Architekt und Ingenieur letzt die Möglichkeit sich anders zu entscheiden. – Schlichtungsvorschlag des Mediators (ggf. Ankündigung in dieser Weise zu entscheiden) mit verbindlicher Wirkung für die Parteien – „Last-Offer“-Entscheidung („Final-Offer-Arbitration“): Der Mediator entscheidet sich nur zwischen den beiden zuletzt von den Parteien genannten Angeboten. Kriterium: Wie hätte der Mediator aufgrund der bestehenden Rechtslage am ehesten entschieden? Wenn dies bereits frühzeitig, oder bereits zu Beginn der Verhandlungen so vereinbart wurde, hat dies auch einen Einfluss auf das Verhalten der Parteien, denn beide wissen, dass nur eine einigermaßen realistische Einschätzung ihrem Angebot den Zuschlag geben würde. – High-Low-Arbitration: Der Mediator darf verbindlich entscheiden. Die Parteien setzen ihm aber einen Entscheidungsrahmen, also Zahlung von höchstens …, mindestens aber … EUR – MedArb: Übergang in ein Schiedsverfahren im Anschluss an die erfolglose Mediation
Mediation ist möglich – auch wenn's „nur“ um Geld geht
Auch wenn es scheinbar nur ums Geld geht, stehen Interventionsmöglichkeiten bereit, die eine sachorientierte einvernehmliche Lösung wahrscheinlich machen.
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9 Mediation in Baugemeinschaften/ Baugruppen 9 Mediation in Baugemeinschaften/Baugruppen
Eine Baugemeinschaft, oder auch Baugruppe genannt, ist eine Gruppe von Menschen, die sich gemeinsam ihr Haus bauen oder eine bereits bestehende Immobilie, z. B. einen Altbau umbauen will, ggf. unter Einbeziehung von Gewerbeflächen.
9.1 Ausgangsposition Die Idee dieses Bauens mit eigener Kreativität und in eigener Verantwortung wird mittlerweile an vielen Orten108 aufgegriffen und könnte eine neue Qualität des urbanen Wohnens mit sich bringen, begleitet von anderen Trends, wie dem Mehr-Generationenhaus, vor allem aber auch dem Wunsch nach ökologisch verträglicher Bauweise. Das Bauen in der Gemeinschaft zieht sich über viele Monate. Es ist ein gemeinsamer Lernprozess. Die Parteien müssen bereit sein, herkömmliche Denkmuster und Rollen zu verlassen und sich viel stärker als üblich in Kommunikation, Koordination und Planung zu üben. Sie müssen sich – oft erstmalig – als Team begreifen, ihre Interessen erkennen und aufeinander abstimmen; sie müssen den Respekt vor dem Know-how der anderen oft erst entwickeln, zu stark ist im Allgemeinen der Blick auf das eigene Tun fokussiert.
Gemeinschaft Lernen
Das renommierte Freiburger Architekturbüro Rolf Amann und Hubert Burdenski hat sich auf die Durchführung von BaugemeinschaftsProjekten spezialisiert. In einem Beitrag fassen sie das Spannungsfeld aus diesem Bereich so anschaulich zusammen, dass ein längeres Zitat gestattet sein soll:109 „Die Suche nach einer allgemeingültigen Definition ist vergeblich. Planer, Techniker, Handwerker, Bauherren und sogar Kommunen, alle haben ihre eigenen Vorstellungen. Die Spannweite ist erheblich, sie reicht von naiven romantischen Vorstellungen bis zu futuristischer Technik, von der „reinen Lehre“ bis zum pragmatischen Projekt. Die Interessen der am Bau beteiligten Akteure sind sehr unterschiedlich und ihre Sichtweise trennt sie voneinander. Die Entwicklung im Bauen verläuft schneller als definitorische „Klimmzüge“. Im Grunde definiert sich nachhaltiges Bauen derzeit an den vielen praktizierten Beispielen der Gruppenprojekte selbst.
108
109
Vergleiche z. B. in Tübingen 2003: http://www.baugemeinschaft.org Berlin: http://www.lebenstraum-johannisthal.de/, Stuttgart: http://www.stuttgart.de/baugemeinschaften Mit freundlicher Genehmigung der Autoren
P. Hammacher et al. So funktioniert Mediation im Planen + Bauen, DOI 10.1007/978-3-8348-8124-3_9, © Vieweg+Teubner Verlag |Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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9 Mediation in Baugemeinschaften/Baugruppen In der Diskussion zwischen den Beteiligten am Baugeschehen nimmt die Debatte über zentrale Orientierungspunkte, weshalb ökologisches Bauen sinnvoll ist, was ökologisches Bauen leisten kann und was es erfordert, zu. Eine gemeinsame Diskussion über Motive, Ziele, Definitionen und Handlungsstrategien entwickelt sich in den Baugruppen immer mehr. Noch ist ökologisches Bauen hauptsächlich ein Thema der Gemeinschaftsprojekte, es finden sich aber immer mehr Nachahmer in der Bauwirtschaft. Ökologisches Bauen wird ein Marktfaktor. Trotzdem muss ökologisches Bauen noch zu oft legitimiert, erklärt, verteidigt werden. Aus dieser Position kann ökologische Baupraxis aber herauskommen, wenn sie sich aktiv und offensiv zum „Normalfall“, zum „normalen“ Standard der Baupraxis erklärt. Gezielte sachliche Aufklärung ist also nach wie vor notwendig. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass sachliche Argumente, umweltpolitische, wirtschaftliche, technische, also Argumente, die ökologisches Bauen als (bautechnische) Antwort auf Umweltprobleme präsentieren, als alleinige Überzeugungskraft nicht ausreicht. Neben sachlicher Information gilt es deshalb auch, ein weiteres Argument anzubieten: Ökologie als Bestandteil von Bauen muss sozial stärker aufgewertet werden. Denn Bauen und Wohnen hat auch immer etwas mit Selbstdarstellung zu tun, mit Identifikation, mit sozialer Anerkennung. Anders ausgedrückt: Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum „Normalfall“ ist dann erreicht, wenn Bauen und Wohnen in der Vorstellung von Menschen nicht nur an die vorzeigbare Küche modernsten Standards gebunden ist, an die aktuelle Couchgarnitur, sondern wenn Modernität und Vorzeigbarkeit sich ebenso auch mit Ökologie verknüpfen. Erst dann, wenn bei der Hausbesichtigung der Gang in den Heizkeller eine ebenso hohe Bedeutung erhält wie die Präsentation der Küche, dann hat das Prinzip Nachhaltigkeit, dann hat die Ökologie gewonnen. Ökologisches Bauen kommt gut voran, wenn Ökologie und Modernität, Ökologie und soziale Anerkennung zusammenkommen, wie zahlreiche Gemeinschaftsprojekte zeigen.“ 110 Berichte aus der Praxis der Baugemeinschaften bestätigen, dass die frühzeitige Einbeziehung und Unterstützung der Beteiligten die Konfliktfähigkeit der Parteien deutlich verbessert und auch nachhaltig wirkt, wenn das Objekt fertiggestellt und die Einheiten bezogen sind. Sie dürfen als gutes Beispiel dafür gelten, wie sich soziale Gemeinschaften bilden können.
110
http://www.amannburdenski.de/fileadmin/pdf/Amann-Burdenski_ Was_ist_eine_Baugruppe.pdf
9.2 Chancen der Mediation – Architekt als Mediator?
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9.2 Chancen der Mediation – Architekt als Mediator? Die Vielfalt der Interessen einerseits und das gemeinsame Ziel, welches die Mitglieder der Baugemeinschaften verbindet, andererseits, sind eine fruchtbare Ausgangsposition, um Streitigkeiten konstruktiv zu lösen. „Intermediäre Instanzen“, „die zwischen den Menschen und ihrer Lebenswelt und den verschienen die Lebenswelt prägenden Organisationen vermitteln und zugleich die Kooperation zwischen diesen vielfältigen Organisationen ermöglichen“,111 haben sich gerade bei der Entwicklung städtischer Quartiere als unabdinglich herausgestellt. Sie hat eine viel größere Bedeutung, als am Anfang der ersten Projekte dieser Art zu erkennen war. Hier gehen allerdings Aufgaben der Moderation des Meinungsfindungsprozesses mit der Konfliktlösung Hand in Hand. Der Planungsprozess und die permanenten Absprachen zwischen den Baubeteiligten während der Bauabwicklung machen einen ständigen Interessenausgleich erforderlich und sensibilisieren die Baubeteiligten für die Bedürfnisse der anderen. Der Moderator der Gespräche – das könnte z. B. das Architekturbüro sein – muss den Prozess so führen, dass unterschiedliche Auffassungen nicht eskalieren, sondern Meinungsverschiedenheiten konstruktiv gelöst werden. Die Techniken der Mediation kann der Architekt/Moderator gut nutzen. Dabei geht es auch „um vernünftiges Zusammenwirken von Experten und Laien, für das es wechselseitige Formen der Übersetzung und Beteiligung geben muss, die gewährleisten, dass die Übersetzung und Beteiligung geben muss, die gewährleisten, dass die eigenen Bedürfnisse, Interessen und Ideen der Menschen in diese Diskurse eingebunden sind und erst genommen werden“.112 Architekt als Mediator – Interessenkonflikt? Allerdings findet die Moderation dann ihre Grenzen, wenn sich die Positionen verhärten und dadurch der Prozess ins Stocken zu geraten droht. Sind Moderator und Architekt identisch, besteht die Gefahr eines Interessenkonflikts, denn der Architekt hat eigene wirtschaftliche Interessen an der zügigen Projektabwicklung. Die emotionale Eskalation von Konflikten erfordert darüber hinaus möglicherweise noch andere Haltungen und Techniken als die Moderation. Es wird nicht immer so sein, dass jemand der sich auf die Moderation von Gesprächen und Diskussionsrunden konzentriert hat, auch über das dann erforderliche Wissen und die Erfahrung im Umgang mit Konflikten verfügt. Haben sich die Parteien dazu entschieden, Konflikte mit Hilfe eines Mediators zu bearbeiten, kann sich der Architekt bzw. der Moderator der Gesprächsrunden aus dem Konfliktstoff heraushalten und sachlich 111
112
Maier in Maier/Michelsen, Was sind und was leisten intermediäre Instanzen?, S. 300, 310 Maier/Michelsen, Nachhaltige Stadtentwicklung als neue Herausforderung von Umweltkommunikation und sozialer Arbeit in Maier/Michelsen
Architekt nicht überfordern
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9 Mediation in Baugemeinschaften/Baugruppen die Runde zu den anderen Themen leiten. Er kann sich emotional und fachlich aus dem Streitthema zurückziehen und setzt so auch seine Autorität und Anerkennung in der Gemeinschaft nicht aufs Spiel. Währenddessen kann der Mediator zielgerichtet den Streitstoff mit den Streitparteien bearbeiten und sie so wieder dem gemeinsamen Vorhaben näher bringen. Wichtig ist hier auch die konzentrierte und erfolgsorientierte Arbeit in der Mediation, denn das gemeinsame Projekt der Baugemeinschaft darf durch die Verwerfungen zwischen einzelnen nicht gefährdet werden. Zeitliche Verschiebungen können zu Finanzierungsproblemen führen und damit eine Spirale in Gang setzen, die das Projekt zum Scheitern bringt.
9.3 Wie lässt sich die Mediation einführen? Mediation vertraglich vereinbaren
Bereits bei der Vorbereitung der vertraglichen Unterlagen sollte deshalb der beratende Rechtsanwalt sich für eine Mediationsklausel entscheiden. Es empfiehlt sich, vorausschauend bereits zu Beginn des Projektes einen Mediator hinzuziehen, eine Rahmenvereinbarung über abrufbare Unterstützungsleistungen mit ihm zu vereinbaren und ihn den Mitgliedern der Baugemeinschaft vorzustellen. Sollte es dann in dem Projekt zu bilateralen oder multilateralen Störungen kommen, steht der Mediator zur Verfügung. Mediation ist gerade bei dieser stark persönlichkeitsbezogenen Form des Bauens allen anderen alternativen und traditionellen Konfliktlösungsmöglichkeiten vorzuziehen.
9.4 Voraussetzungen Auch für die Mediation bei Baugruppen-Projekten gilt: Sie hat nur dann Erfolg, wenn die Auftraggeber an der Mitwirkung der Bürger ernstlich interessiert sind und sie in der Mitwirkung eine wichtige Ressource für den Erfolg des Projektes sehen.113 Die Auftraggeber müssen die Unabhängigkeit der Mediatoren anerkennen. Die gute Zusammenarbeit mit den Wohnungsunternehmen und anderen privaten Trägern ist auf der einen Seite erforderlich. Auf der anderen Seite muss die Auftragsklärung die Mediatoren vor Interessenkonflikten bewahren, um überhaupt das Vertrauen aller Beteiligten in ihre Arbeit und in ihre Person aufbauen zu können.114
113 114
Maier in Maier/Michelsen, S. 319 Stieß in Maier/Michalsen, S. 298
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10 Mediation zur Unterstützung des Konfliktmanagements bei komplexen Bauprojekten 10 Mediation zur Unterstützung des Konfliktmanagements
10.1 Partnering Die am Bau Beteiligten machen immer öfter die Erfahrung, dass die häufig konfliktbelasteten Beziehungen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmern in höchstem Maße kontraproduktiv sind und die Kernziele des Projektes, die Einhaltung der Vorgaben für Kosten, Termine und Qualität, substanziell gefährden. Ausgehend von Kooperationsmodellen, wie sie Anfang der 90er Jahre in der schweren Baurezession in den USA entwickelt wurden,115 werden auch in Europa seit einigen Jahren bei Großprojekten Versuche unternommen, die Baubeteiligten „in ein gemeinsames Boot“ zu holen. Besonders stark hat sich hierzu in Deutschland Hochtief bekannt.116 Die Beteiligten werden bereits in einer sehr frühen Projektphase zielorientiert zusammengeführt, um die dadurch entstehenden Synergieeffekte optimal nutzen zu können. Gemeinsam wird das Bausoll definiert. Konflikte aus der unterschiedlichen Auffassung zum Liefer- und Leistungsumfang werden dadurch vermindert.
Konfliktbelastete Arbeitsbeziehungen stören Projektverlauf
Beispiel: „Prefair“ von Hochtief 117 Partnerschaftliche Modelle sind idealerweise zweigeteilt und bestehen aus einer Planungs- und Optimierungsphase, die in Anlehnung an die HOAI die Phasen 1 bis 4/5 Koordination, Steuerung und Erstellung der gesamten Planungsleistungen umfasst, und anschließend einer Ausführungsphase die die Ausführungsplanung, sowie die schlüsselfertige Ausführung der gesamten Bauleistung umfasst. Die Bauherren entscheiden entsprechend ihren individuellen Bedürfnissen zwischen einem garantierten Maximalpreisvertrag (GMP), einem Cost-plus-Fee-Vertrag oder dem traditionellen Pauschalvertrag.
PartnerschaftsModelle
In der Planungs-Phase wird von dem Generalunternehmer für den Kunden der Planungsprozess koordiniert. Dabei sitzen alle Projektbeteiligten mit am Tisch: Kunde, Baudienstleister und Architekt bzw. Fachplaner. Sie alle können und sollen ihre Vorschläge und ihre
115 116 117
Gollenia/Raberger in Flucher u. a. S. 60 Gralla, IBR 2005, 189 http://www.hochtief-construction.de/construction/41.jhtml
P. Hammacher et al. So funktioniert Mediation im Planen + Bauen, DOI 10.1007/978-3-8348-8124-3_10, © Vieweg+Teubner Verlag |Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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10 Mediation zur Unterstützung des Konfliktmanagements Kompetenz bereits zu diesem Zeitpunkt einbringen und so gemeinsam das Bauvorhaben optimieren. Das Bauunternehmen spielt mit seiner Ausführungskompetenz dabei eine Schlüsselrolle; beispielsweise kann bereits in der Planungsphase über die technische Gebäudeausrüstung nachgedacht werden mit dem Ergebnis, dass ein großer Prozentsatz der Betriebskosten eingespart werden kann. Planungsfehler, Planungslücken und unklares Bausoll entfallen, wenn sie bereits in der Planungsphase integriert sind. Zudem können Änderungswünsche gemeinsam erarbeitet, ausgeschrieben und vergeben werden. Wenn der erste Bagger kommt, ist es für viele Entscheidungen zu spät. Vorher müssen alle, und vor allem das Bauunternehmen, mit am Tisch sitzen – dann können noch 80 % bis 90 % der Kosten beeinflusst werden. Und nicht nur das. Auch die Kostenschätzung ist in der Planungs-Phase wesentlich exakter. Auch danach behält der Kunde immer die Fäden in der Hand: Er kann am Ende der Planungs-Phase die komplette Bauleistung ausschreiben und ohne den Auftragnehmer aus der Planungs-Phase weitermachen. Darüber hinaus beinhaltet die Dokumentation eine detailliert aufgestellte Kalkulation, aus der die einzelnen Komponenten prüfbar und am Markt vergleichbar dargestellt sind – nach dem Prinzip der „Gläsernen Taschen“ oder „open books“, wie es im angloamerikanischen Raum heißt. Die Ausführungs-Phase als zweiter Schritt wird ganz erheblich vereinfacht.
Störfaktoren früh erkennen
Die sonst üblichen Interessengegensätze der Partner werden weitgehend umgeleitet auf das gemeinsame Ziel: das Projekt erfolgreich abzuschließen. Um dies zu erreichen, müssen die Parteien sich in der Planungsphase darum bemühen, mögliche Störfaktoren zu erkennen und auszuschalten. In der Auftragsabwicklung müssen sich die beteiligten Parteien aktiv durch ständige Kontrolle, Vergleich, Auswertung und gemeinsames Mitwirken an der Qualitätsverbesserung bemühen.118 Der rechtliche Berater des Bauherrn sollte „Partnering“- Modelle in Erwägung ziehen. Dabei ist besonders darauf zu achten, dass keine zu große Abhängigkeit zu demjenigen entsteht, der die erste Phase verantwortet. Nur wenn dem Bauherrn auch nach der Planungs-Phase noch ausreichende Wahlmöglichkeiten bleiben, weil die erarbeitete Dokumentation so aufgebaut ist, dass tatsächlich auch andere Unternehmen die erarbeiteten Unterlagen ausführen können, wird sich dies für den Bauherrn auch wirtschaftlich rechnen. Die Konzepte der „gläsernen Taschen“ und des „GMP“-Preises funktionieren nur, wenn auskömmliche Margen erreicht werden und die Schnittstellen und Verantwortlichkeiten exakt beschrieben sind.
118
Gollenia/Raberger in Flucher u. a. S. 61
10.2 Alliancing Die Gedanken des Partnering lassen sich auch für den Bauherrn kleiner Bauprojekte nutzbringend anwenden. Die klassische Trennung zwischen beauftragtem Planer und beauftragtem Unternehmer könnten sich sehr wohl auflösen lassen, indem der Unternehmer bereits in die Planungen einbezogen wird. Die hierfür zu zahlende Vergütung wird sich später durch Wegfall von Nachtragsforderungen kompensieren. Der Bauherr erhält ein frühzeitiges Feedback derjenigen, die das Bauwerk erstellen sollen – in einer Phase, in der noch ohne Zusatzkosten Änderungen möglich sind. Er bekommt ein Gefühl dafür, ob der Architekt außer den guten Ideen auch das Machbare berücksichtigt hat.
10.2 Alliancing Auch dieser Vertragstyp wurde im angelsächsischen Ausland entwickelt.119 Die Zielsetzung beim Partnering wie zum Beispiel die Verbesserung der Qualität durch Nutzung innovativer Bautechniken bei gleichzeitiger Reduzierung der Projektkosten und Projektdauer entspricht der beim Alliancing, die Umsetzung dieser Ziele ist verschieden. Partnering baut auf Maßnahmen zur Verbesserung der Zusammenarbeit und schnelleren Konfliktlösung, die vor oder außerhalb des Bauvertrages vereinbart werden. Alliancing vertieft und verrechtlicht die Kooperation zwischen den Baubeteiligten. – Auftraggeber und die anderen Baubeteiligten bilden eine Projektgesellschaft – Vergütungssystem: Der Auftraggeber ist verpflichtet, alle direkten Kosten der Auftragnehmer zu tragen (Gläserne Taschen) – Offenlegung und Prüfung durch Dritte – Auftragnehmer erhält einen erfolgsabhängigen Bonus, wenn bestimmte vereinbarte Schlüsselziele erreicht werden – Einstimmigkeitsprinzip bei allen Entscheidungen – No claim – no dispute: Rechtsmittelverzicht, keine Nachträge – Streitbeilegung – aber nicht kontradiktorisch, sondern partnerschaftlich – fachbezogen Der Vorteil solcher Vertragskonzepte, die in unterschiedlicher Intensität vorstellbar sind, liegt darin, dass Spannungen von vorneherein aus den Beziehungen herausgenommen werden. Wenn für den Auftragnehmer die Kostendeckung gesichert ist, entfällt der Druck, durch Nachträge die Ausgangsposition zu korrigieren. Die partnerschaftliche 119
Gehle/Wronna, BauR 2007, 2; Chew, Andrew, Relationship-based contracting in public-private partnerships: Better value for money for government
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10 Mediation zur Unterstützung des Konfliktmanagements Einbindung der bauausführenden Firmen bietet Verbesserungs- und Einsparungspotential.
Alliancing für komplexe Bauverträge vorteilhaft
„Alliancing originated in the construction industry, specifically in the North Sea oil and gas projects. One outstanding example is the Andrews Field project, in which British Petroleum formed an alliance of seven planning and execution partners, thus reducing costs by 20 to 30 percent and achieving time savings of six months in total.” „Examples of such alliances in Australia include the Wandoo and East Spar offshore gas projects, Sydney Water’s Northside Storage Tunnel Project and Priority Sewage Project, the Queensland Clean Fuels Project, the National Museum of Australia Project, Western Australian Water Corporation’s Woodman Point and desalination water project and a number of road projects in Queensland and New South Wales.”120 Dieser Grad kooperativer Vertragsgestaltung setzt erhebliches Vertrauen in alle beteiligten Menschen voraus. Der rechtliche Berater sollte deshalb darauf drängen, dass der Kreis der zu beteiligten Personen und Firmen systematisch ausgewählt und verkleinert wird und dass die zukünftigen Partner eine Reihe vertrauensbildender Maßnahmen voranstellen, bevor der Vertrag tatsächlich geschlossen wird. Dieser Prozess muss unbedingt extern gesteuert werden, um die Gleichstufigkeit zwischen Auftraggeber und Auftragnehmern zu erreichen. Das Alliancing-Konzept ist insbesondere für komplexe Bauverträge interessant. Der „Wettbewerbliche Dialog“, § 101 Abs.5 WB, § 6a VgV, wird solche Modelle fördern. Der aufgeschlossene private Bauherr und sein fantasievoller Rechtsberater werden diesem Modell aber auch bei kleineren Bauprojekten etwas abgewinnen können, denn die Chance auf ein konflikt- und nachtragsfreies Bauen ist hoch.
10.3 Einsatz des Mediators Der Mediator als Koordinator
Der Vorteil beider Modelle liegt vor allem in ihrer Grundidee: Konfliktvermeidung und Kompetenzaustausch durch Transparenz und Kommunikation. Das setzt allerdings eine Abstimmung auf Augenhöhe, Respekt und Fairness zwischen den Beteiligten voraus. Hierzu bedarf es eines Koordinators, der unabhängig agieren kann. Ist dieser Koordinator wiederum nur ein Handlanger eines Baubeteiligten, fehlt es an Vertrauen und Akzeptanz. Idealerweise wird diese Aufgabe einem Mediator oder einem Mediatoren-Team übertragen, der zwar – offengelegt – von einer der interessierten Parteien honoriert wird, der
120
Chew, s. o.
10.3 Einsatz des Mediators aber aufgrund seines Auftrages weisungsunabhängig handeln darf und der Verschwiegenheitspflicht unterliegt. Denkbar wäre auch der Einsatz eines Moderationsteams aus dem für den Prozess verantwortlichen Mediator und dem für die Inhalte zuständigen Diskussionsleiter. Man wird freilich darauf achten müssen, dass die gute Idee nicht unter Hinweis auf einen zu hohen Verwaltungs- und Abstimmungsaufwand gar nicht erst zum Einsatz kommt.
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11 Mediation zwischen Partnern, Gesellschaftern, Mitarbeitern in Architekturoder Ingenieurbüros 11.1 Ausgangsposition Im Jahre 2007 waren rund 253.322 Menschen in 19.970 Architekturund Ingenieurbüros tätig. Diese Büros sind zu einem ganz überwiegenden Teil als Einzelunternehmen organisiert. Aber es gibt immerhin ca. 13.000 Büros, die als BGB-Gesellschaften oder GmbH etc. organisiert sind. Wir sprechen hier also über eine erhebliche Zahl von Wirtschaftsunternehmen und ihren Mitarbeitern, die sich im täglichen Kampf um Aufträge, um Vergütung, um Anerkennung, behaupten müssen – nach innen und nach außen. Dabei geht es auch um viel Geld: Die Architektur- und Ingenieurbüros setzen jährlich ca. 30,4 Mrd. Euro um.121 Fast ein Wunder, das man nicht mehr von Missgunst, Neid, Mobbing und Konkurrenzkampf hört. Wahrscheinlich liegt dies daran, dass die Büros im Vergleich zu Industrie- und Wirtschaftsunternehmen recht klein sind. Die Chefs sind meist zugleich die Inhaber der Büros. Kommunikationsund Entscheidungswege sind kurz. Möglicherweise gibt es auch so etwas wie einen kreativen Geist, der in vielen Büros die Idee und den Erfolg der Arbeit über die Unannehmlichkeiten des Arbeitsalltags stellt. Die Partner oder Gesellschafter laufen über lange Phasen des Arbeitslebens synchron. Der gestalterische und finanzielle Erfolg ist das gemeinsame Interesse, das sie zusammenhält, auch wenn sich jeder von ihnen in seiner Persönlichkeit weiter entwickelt und seine Vorlieben und Träume pflegt.
Gestaltung und finanzieller Erfolg als gemeinsames Interesse
11.2 Typische Konfliktfelder Betrachtet man das Konfliktpotenzial der Architektur- und Ingenieurbüros, so lassen sich jene Fälle nennen, die auch sonst für Gesellschafter kleinerer Gesellschaften im Dienstleistungsbereich typisch sind, seien es Arztpraxen, Anwaltskanzleien, Steuerberaterbüros etc. Auch im Hinblick auf bürointerne Konflikte zwischen Mitarbeitern ähneln sich die Konstellationen. Darüber hinaus gibt es Konflikte, die sich aus der besonderen Kreativität der Architektur- und Ingenieurbüros ergeben können.
121
Quelle: Statistisches Bundesamt Fachserie 9, Reihe 2, 15. Juli 2009, (Klassifikation 74.2) Strukturerhebung im Dienstleistungsbereich 2007
P. Hammacher et al. So funktioniert Mediation im Planen + Bauen, DOI 10.1007/978-3-8348-8124-3_11, © Vieweg+Teubner Verlag |Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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11 Mediation zwischen Partner
11.2.1 Arbeit und Geld Typische Konfliktfelder
Die zeitliche Belastung bei den Büros ist meistens sehr hoch. Die in der Industrie im Nicht-Führungsbereich noch anzutreffenden 38,5Std.-Wochen bei bis zu 30 Tagen Urlaub, 13 Feiertagen und 4 Brückentagen, sind in dieser Branche Illusion. Der Termindruck erfordert häufige Wochenendarbeiten und lange Arbeitstage. Andererseits gibt es Phasen der Investitionszurückhaltung der Kunden, in denen Angebote über Angebote geschrieben, aber kein Auftrag ergattert werden kann. Manchmal herrscht frustrierende Leere. All dieses zehrt an den Nervenkostümen. Unter Stress sinkt die Höflichkeits-Schwelle, die das Miteinander erst erträglich macht. Es beginnt das Vergleichen der eigenen Situation mit derjenigen der anderen. Dabei geht es dann meist um Fragen, wie diese: – Warum muss ich soviel arbeiten, und der so wenig? – Warum kriege ich immer die Wochenend-Jobs und der ruht sich aus? – Warum muss ich immer die unangenehmen Arbeiten machen und der die angenehmen?122 – Warum verdient der mehr als ich? – Warum verdient der genauso viel wie ich, obwohl ich doch zum Erfolg des Büros viel mehr beitrage? Dabei handelt es sich um Konfliktfelder, die sowohl im Verhältnis der Gesellschafter untereinander, als auch zwischen Mitarbeitern der Büros vorkommen. Hinter diesen Streitigkeiten steht meist das Interesse, gerecht behandelt zu werden („Verteilungsgerechtigkeit“, siehe oben 9.1.4.3), ein sehr starkes Motiv.
11.2.2 Gesellschafterstellung Andere Fragen betreffen mehr das Verhältnis zwischen den Gesellschaftern. Sie ergeben sich aus dem Gesellschaftsvertrag und dem Zweck der Gesellschaft: – Welche Strategie verfolgen wir langfristig mit dem Unternehmen? – Expandieren wir inhaltlich, regional, größenmäßig? – Erhalten wir den erreichten Status und bleiben bei unseren Leisten? – Reduzieren wir unsere Aktivitäten oder beenden wir unsere gemeinsame Gesellschaft? – Nehmen wir neue Gesellschafter auf?
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Haynes, John, Eine Auseinandersetzung zwischen Geschäftspartnern, die Bagels-Firma in Haynes/Mecke/Bastine/Fong, Mediation – vom Konflikt zur Lösung 2004, S. 46
11.2 Typische Konfliktfelder – Sollten wir unseren Firmennamen ändern? – Ändern wir die Verteilung der Gesellschaftsanteile? – Wie halten wir es mit der Aufnahme unserer Kinder oder anderer Verwandter in die gemeinsame Firma? – Wann und unter welchen Umständen können wir aus der Firma aussteigen? – Wie regeln wir unsere Altersversorgung? – Wie wird die Gesellschaft fortgesetzt bei Ausscheiden oder Versterben eines Gesellschafters? – Müssen die Gesellschaftsanteile von den Mitgesellschaftern übernommen werden? Zu welchem Preis? – Können wir dem Verkauf der Gesellschaftsanteile an Dritte widersprechen? – Räumen wir einzelnen Gesellschaftern, z. B. Gründungsgesellschaftern besondere Privilegien ein? – Haben sich einzelne Gesellschafter im Laufe der Zeit Privilegien geschaffen, die überprüft oder entzogen werden sollen? Hintergrund solcher Fragen können neben der Verteilungsgerechtigkeit existenzielle Grundbedürfnisse nach gesicherten wirtschaftlichen Verhältnissen sein, nach Absicherung der Familie, nach Sicherung des Lebenswerkes usw.
11.2.3 Geschäftsführung Dann gibt es Konfliktfelder, die sich aus der gemeinsamen Geschäftsführung ergeben: – Welche Projekte bieten wir an? – Welche Aufträge nehmen wir zu welchen Konditionen an? – Stellen wir neue Mitarbeiter ein? Nach welchen Kriterien sollen sie ausgesucht werden? Wer soll die Personalführung übernehmen? – Wie sieht unsere Geschäftsethik, unsere Unternehmensrichtlinien aus? – Wie sieht es mit der Finanzierung aus? – Geben wir persönliche Sicherheiten an die Banken? – Ändern wir unser Auftreten nach außen, unser Image? – Brauchen wir andere Büroräumlichkeiten, andere Ausstattungen, Investitionen?
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11 Mediation zwischen Partner
11.2.4 Projekt Und schließlich sind da die Themen, die sich aus der Projektarbeit ergeben können: – Stehen wir gemeinsam hinter diesem Entwurf? – Sind das „unsere“ Materialien, ist das „unsere“ Handschrift? – Ist das technisch vertretbar? – Wie viele Zugeständnisse an den Kunden sind wir bereit, hinzunehmen?
11.3 Exkurs: Reframing Gleiche Themen – verschiedene Bezeichnungen
Geht man diesen keineswegs abschließenden Katalog von Themen durch, fällt auf, dass eigentlich alle Fragen, mit Ausnahme des ersten Blocks, sehr sachlich sind. Man kann sich gut vorstellen, diese Themen mit den Gesellschaftern in aller Ruhe zu bearbeiten, die gemeinsamen Ziele zu definieren, nach Optionen zu suchen, wie man sie erreichen kann, die „Pros“ und „Cons“ gegenüberzustellen und am Ende zu einer Vereinbarung zu kommen. Warum scheint das bei dem ersten Fragenblock nicht so zu sein? Warum springt die Emotionalität so ins Auge und scheint eine sachliche Bearbeitung viel schwerer zu sein? Tatsächlich besteht in dieser Hinsicht zwischen den Themenblöcken gar kein Unterschied. Wir haben lediglich die Fragen in den anderen Themenblöcken anders formuliert. Statt – Warum muss ich soviel arbeiten, und der so wenig? Hätte man formulieren können: – Wie verteilen wir die anfallende Arbeit untereinander? Sofort hätten wir einen anderen Fokus, der es beiden Parteien eher erlaubt, konstruktiv an einer Lösung der bestehenden Probleme mitzuarbeiten. Dies ist eine der Techniken, die der Mediator einsetzt, das „Reframing“. Die von den Parteien genannten Positionen werden von dem Mediator wiederholt und mit Einverständnis der Parteien so umformuliert, dass sich neue Wege für eine konstruktive Debatte öffnen. An diesem Beispiel lässt sich erkennen, dass die Einschaltung eines Mediators für Konflikte zwischen Gesellschaftern oder zwischen Mitarbeitern des Büros sehr nützlich sein kann. Natürlich können sich die Parteien selbst um eine sachliche Diskussion bemühen. Es fällt aber sehr viel leichter, die Gesprächsführung einem neutralen Dritten zu übertragen und sich darauf zu konzentrieren, was einem selbst wichtig ist. Der Mediator hilft dabei, die Überlegungen von den bisher eingenommenen Positionen auf die eigentlichen Interessen zu lenken, die Interessen der anderen Seite zu verstehen und wieder zu einer gemeinsamen Bearbeitung des Problems zurückzukommen.
11.4 Feldkompetenz in der Mediation
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11.4 Feldkompetenz in der Mediation in Architektur- und Ingenieurbüros 11.4 Feldkompetenz in der Mediation
Der Mediator übernimmt die Verantwortung für den Prozess, nicht für die Inhalte der Mediation. Deshalb ist eine besondere Fachkunde es Mediators zu den Themen, die die Parteien behandeln möchten, grundsätzlich nicht erforderlich. Vielfach wird sogar die Auffassung vertreten, dass es der Mediation gut tue, wenn der Mediator gerade keine Ahnung von der Materie hat und sich deshalb vollkommen unbelastet ausschließlich seiner Mediationsrolle widmet. Weiß der Mediator allerdings um die besonderen Probleme in den Architektur- und Ingenieurbüros, versteht er etwas von Abläufen bei Projekten und kann er den Ingenieuren bei einem technischen Einwand folgen, kann dies den Verständigungsprozess fördern. Ein Mediator, der sich mit den Inhalten auskennt, wird möglicherweise andere Fragen stellen, als ein Unkundiger.
Mediator vom Fach?
Bei Themen, die in dem Gesellschafter- bzw. Partnerschaftsverhältnis wurzeln, benötigen die Parteien häufig auch eine Expertise zum Gesellschaftsrecht. Ist der Mediator mit diesen Themen vertraut, kann dies für die Parteien ebenfalls hilfreich sein, denn die Architekten bzw. Ingenieure sind in den dabei zu beachtenden Rahmenbedingungen in der Regel nicht so bewandert. So gesehen wäre der ideale Mediator für diese Personengruppe wohl je nach Themenschwerpunkt das Mediatorenteam aus Ingenieur/Architekt und Rechtsanwalt oder der Rechtsanwalt und Mediator mit baurechtlichem und gesellschaftsrechtlichem Erfahrungshintergrund. Allerdings muss der fachkundige Mediator die Parteien zu Beginn der Mediation und ggf. auch nochmals später darüber aufklären, dass er keine Rechtsberatung betreibt. Das gilt auch für den Rechtsanwalt, der sich in einen Interessenkonflikt bringen könnte, wenn er zwei streitig verhandelnde Parteien gleichzeitig beriete. Der Mediator sollte sein rechtliches Wissen nur dann einbringen, wenn er sich vorher versichert hat, dass die Parteien es gemeinsam wünschen. Bei Gesellschafterauseinandersetzungen ist der steuerrechtliche Aspekt nicht zu unterschätzen. Die Bedeutung der steuerlichen Gestaltung für das „Netto-Ergebnis“ angepeilter Lösungen ist enorm. Geht es um eine optimale Lösung von Verteilungsproblemen zwischen den Gesellschaftern, um die Regelung der Altersversorgung, um Nachfolgegestaltungen, um Trennung zwischen Betriebs- und Privatvermögen usw., werden die Parteien den Rat des Steuerberaters benötigen. Die meisten Unternehmen haben einen Steuerberater ihres Vertrauens, der sie über die Unterstützung bei Umsatz- und Einkommenssteuererklärungen hinaus bereits in vielerlei Hinsicht unterstützt. Dieses externe Know-how können sich die Parteien in der Mediation zunutze machen und den Steuerberater als Experten hinzuziehen. Er kann dann unter der Anleitung des Mediators seine Sicht vortragen und Hilfe leisten
Wo liegt der fachliche Schwerpunkt?
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11 Mediation zwischen Partner bei der Entwicklung angemessener Optionen. Selbstverständlich können die Parteien auch beschließen, einen anderen Steuerberater zu befragen, z. B. wenn eine Partei befürchtet, dass der jetzige Steuerberater ein zu enges Verhältnis zu der anderen Partei pflegt. Gerade wenn das Unternehmen von Gesellschaftern zweier Familien oder zweier Generationen getragen wird, kann sich ein solches Misstrauen bilden. Dies ist auch der Grund, warum dem Steuerberater, genauso wie dem „Hausanwalt“ nicht zu empfehlen ist, sich selbst als Mediator zur Verfügung zu stellen, sondern stattdessen einen neutralen Dritten vorzuschlagen. Der Steuerberater oder Hausanwalt kann sich dann ganz entspannt aus den Querelen heraushalten und sein Wissen einbringen, wenn die Parteien dies gemeinsam wünschen. Liegt der Themenschwerpunkt in der Mediation eher auf Fragen des Miteinanders im Büro, kann es wiederum hilfreich sein, einen Mediator zu finden, der selbst in Organisationen gearbeitet hat, der die Abläufe in arbeitsteiligen Unternehmungen kennt und dem Zwistigkeiten zwischen Arbeitskollegen im Kleinen wie im Großen nicht fremd sind. Möglicherweise stehen auch arbeitsrechtliche Konsequenzen im Raum, sodass dem Mediator zumindest Grundkenntnisse im Arbeitsrecht helfen können, seine Aufgabe zu erfüllen. Betriebsinterne Themen stehen meist nicht isoliert, sondern berühren die Zusammenarbeit und Organisation der Arbeit im Betrieb insgesamt. Sofern deshalb nicht nur einzelne Personen involviert sind, kann es richtig sein, die Mediation auf alle Mitarbeiter einer Abteilung oder des ganzen Büros auszudehnen. Die Mediation in solchen Großgruppen unterscheidet sich von Einzelmediationen. Es wird mehr Interventionen geben, wie sie auch bei Coaching, Organisationsentwicklung, Moderation etc. genutzt werden, z. B. Metaplan-Techniken, Gruppenarbeit, Rollenspiele, Aufstellungen und viele andere mehr. Es kommt darauf an, möglichst alle betroffenen Personen einzubeziehen, sie für die Bedeutung der von ihnen definierten Themen zu sensibilisieren und für die aktive Mitarbeit an Lösungen zu gewinnen. Der Aufwand für das Büro ist deshalb auch anders zu kalkulieren, als bei einer Mediation mit nur zwei bis vier Teilnehmern. Meist wird es sich hier um Tagesveranstaltungen handeln, während die Einzelmediationen kürzer, möglicherweise aber häufiger stattfinden.
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12 Mediation in WEG-Angelegenheiten 12.1 Ausgangsposition Das Wohnungseigentum hat in Deutschland eine lange Tradition (Vorläufer war das Stockwerkseigentum vor 1900) und ist aufgrund der städtischen Besiedelung weit verbreitet. Durch Teilungsvertrag (§ 3 Abs.1 WEG) oder Teilungserklärung (§ 8 Abs. 1 WEG) wird aus einer Bruchteilsgemeinschaft (§ 741 BGB) an einer Immobilie eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Wohnungseigentum ist das Sondereigentum an einer Wohnung in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört (§ 1 Abs. 2 WEG). Nach § 21 Abs. 4 WEG kann jeder Eigentümer eine Verwaltung verlangen, die den Vereinbarungen und Beschlüssen und, soweit solche nicht bestehen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht. Zu einer ordnungsgemäßen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entsprechenden Verwaltung gehört insbesondere die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG). Durch Gesetz und in den meisten Fällen durch Vereinbarung oder Teilungserklärung werden die Rechte und Pflichten zwischen den Wohnungseigentümern untereinander geregelt. Die Wohnungseigentümer sind zu gegenseitiger Rücksichtsnahme und zu gemeinsamen Anstrengungen zum Erhalt der Immobilie verpflichtet. Nutzen und Lasten werden nach festgelegtem Schlüssel aufgeteilt. Beschlüsse, die nicht das Sondereigentum betreffen, werden in Eigentümerversammlungen getroffen, die – sofern bestellt – von einem Verwalter geleitet werden. Das enge Zusammenleben zwischen Menschen unterschiedlichster Herkunft und Lebensart ist eine ständige Herausforderung an die soziale Kompetenz der Bewohner. Ihre Interessen hinsichtlich der Gestaltung des gemeinsamen Wohnumfeldes, der Schaffung und Einhaltung von Regeln, der Erhaltung, Verbesserung und Erweiterung der Immobilie sind in der Regel sehr unterschiedlich. Die finanzielle Ausstattung der einzelnen Parteien spielen eine große Rolle („kann und will ich mir eine Investition leisten?“; „ist die Wohnung selbst genutzt oder vermietet?“; „dient sie der Altersvorsorge, steht sie zum Verkauf, ist sie eine Last?“). Das Alter, der Zustand und die Lage der Immobilie beeinflusst die Meinungsfindung erheblich („Bruchbude“ oder „Objekt in bester Lage“; „Fass ohne Boden“ oder „so gut wie neu und wartungsarm“).
Auf Gedeih und Verderb unter einem Dach
P. Hammacher et al. So funktioniert Mediation im Planen + Bauen, DOI 10.1007/978-3-8348-8124-3_12, © Vieweg+Teubner Verlag |Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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12 Mediation in WEG-Angelegenheiten In WEG-Fällen geht es häufig darum, dass sich einzelne Eigentümer nicht damit abfinden können, in ihren Handlungen durch die Gemeinschaft beschränkt zu sein. Sie haben ein Bedürfnis nach Freiheit, insbesondere nach Freiheit in der Nutzung ihres Eigentums. („Ich kann mit meiner Wohnung machen, was ich will!“) Nicht selten wird versucht, die anderen vor vollendete Tatsachen zu stellen: Der Baum, der der Wohnung in der untersten Etage das Licht wegnimmt, ist über Nacht gefällt; das Loch für die Dunstabzugshaube in der Küche ist in die Außenwand geschlagen (siehe unten 13.5.), ohne vorher die Eigentümerversammlung um Erlaubnis gefragt zu haben. Andere Eigentümer wiederum wachen peinlich darüber, dass sich Einzelne nicht zu weit vor wagen und die von der Gemeinschaft gesetzten Grenzen auf jeden Fall beachten. („Wenn ich hier schon nicht alles machen darf, dann die erst recht nicht!“). Das dahinterstehende Bedürfnis könnte das Bedürfnis nach Gerechtigkeit sein: Alle sollen gleich behandelt werden, niemand soll sich mehr herausnehmen dürfen als andere. Derjenige, der sich nicht an die Gemeinschaftsordnung hält, wird zum sozial unverträglichen Schmarotzer gestempelt und jede noch so kleine Abweichung von der Norm angeprangert und gerügt. („Wehret den Anfängen!“, „Wo kommen wir denn dahin!“) Es überrascht also nicht, dass in vielen Eigentümergemeinschaften Spannungen mit Händen zu greifen sind. Sie äußern sich im täglichen Miteinander, vom Stadium ausgesuchter Höflichkeit bis zur Handgreiflichkeit, vom klärenden Gespräch zwischen Nachbarn bis zur Klage vor dem zuständigen Amtsgericht. Die Spannungen kommen zur vollen Geltung anlässlich der Eigentümerversammlungen, wenn über die vom Verwalter vorgelegten Zahlen abgestimmt wird, Investitionen zu beschließen sind, neue Regeln für die Hausordnung abgestimmt werden müssen oder unter dem Tagesordnungspunkt „Sonstiges“ all das zur Sprache kommt, was man den andern schon immer mal unter die Nase reiben wollte.
Der Hausverwalter kriegt alles ab!
Bei diesen Versammlungen kommt dem Verwalter eine erhebliche Bedeutung zu: Er leitet die Diskussion und führt die Abstimmungen durch. Aber auch während des Jahres ist er häufig Adressat von Beschwerden der Wohnungseigentümer über den Zustand der Immobilie oder über das Verhalten der anderen. Geht er auf die individuellen Wünsche nicht ein, verliert er das Vertrauen derjenigen Partei, die ihn angesprochen hat. Macht er sich zum Sprachrohr einer Partei, verscherzt er es mit der anderen. Obwohl seine Aufgabe nach Gesetz und Verwaltervertrag begrenzt ist und sich auf die Verwaltung der Immobilie entsprechend der von der Eigentümerversammlung getroffenen Beschlüsse reduziert, wird er meist weit darüber hinaus auch in bilaterale oder multilaterale Konflikte hineingezogen. Er wird mit Themen und Aufgaben konfrontiert und belastet, die nicht selten außerhalb seiner Kompetenz als Hausverwalter liegen – und für die er auch nicht bezahlt wird. Sein Interesse an einer Aufarbeitung des Konflikts und der dahinterliegenden Interessen ist dementsprechend gering.
12.2 Chancen der Mediation
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12.2 Chancen der Mediation Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist eine Zwangsgemeinschaft. Die Parteien wissen, dass sie zusammenleben bzw. wenn sie die Wohnung nicht selbst nutzen, zusammen handeln müssen. Sie haben mehr oder weniger auch ein gemeinsames Ziel, nämlich genau dieses Zusammenleben bzw. Zusammenhandeln zu meistern. Eine Alternative hierzu stellt sich nur dann, wenn sie das Eigentum aufgeben wollen, was nur selten wirklich möglich oder sinnvoll sein wird. Dies ist eine „ideale“ Voraussetzung für eine erfolgreiche Mediation, denn trotz aller Gegensätze wissen die Parteien, dass ihnen eigentlich gar nichts anderes übrig bleibt, als sich „zusammenzuraufen“. In den Eigentümerversammlungen werden bestimmte Tagesordnungspunkte abgehandelt. Das wird in der Regel so geschehen, dass die unterschiedlichen Standpunkte in einer Diskussion artikuliert werden. Sofern dann nicht irgendeiner schnell eine Kompromisslösung parat hat, wird über den Antrag abgestimmt und man geht zum nächsten Tagesordnungspunkt über. Die Interessen der Parteien werden dabei nicht herausgearbeitet, ein Interessenausgleich findet nicht statt. Die Folge ist der Frust der unterliegenden Partei, welche die anderen ihren Ärger im täglichen Zusammenleben spüren lassen wird. Die anderen fühlen sich freilich im Recht und werden dagegen halten und schon beginnt der Konflikt zu eskalieren. Mehrheitsabstimmungen sind selbstverständlich notwendig, um eine Vielzahl von Parteien dazu zu bringen, mit einer Stimme zu sprechen. Die Akzeptanz solcher Mehrheitsentscheidungen nimmt aber zu, wenn die unterschiedlichen Interessen zuvor transparent gemacht wurden und die Parteien die jeweils andere Seite zumindest verstanden haben, was ja nicht heißt, dass sie diese Meinung auch teilen müssen. Zeichnen sich Konflikte in der Wohnungseigentümergemeinschaft ab, bietet es sich deshalb gerade zu an, außerhalb der Eigentümerversammlungen Mediationssitzungen durchzuführen. In diesen Veranstaltungen könnten entsprechend der oben beschriebenen Vorgehensweise die Interessen der Parteien identifiziert und gemeinsam nach Lösungen gesucht werden. Kommt es zu einer Vereinbarung, kann diese in der nächsten WEG-Eigentümerversammlung oder im Einvernehmen mit allen Eigentümern auch sofort verbindlich werden. Die Vorteile für die Parteien liegen auf der Hand: Unterschwellige Vorwürfe und Anfeindungen werden transparent und können aufgeklärt werden. Maßnahmen zur Befriedung können versucht oder eingeleitet werden. Die Ideen aller Hauseigentümer aber auch deren individuelle Ressourcen (z. B. Möglichkeiten Einzelner an verbilligtes Material oder günstige Dienstleister für gemeinsame Hausprojekte zu kommen, besondere handwerkliche oder planerische Fähigkeiten, großzügige finanzielle Unterstützung Einzelner etc.) können genutzt werden. Das Zusammenleben wird nicht durch unausgesprochene oder offene Feindseligkeiten belastet. Die Gemeinschaft wird moti-
Eigentümerversammlung ist keine Mediationsrunde
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12 Mediation in WEG-Angelegenheiten viert, sich lieber gemeinsamen Zielen zuzuwenden, als auf vergangenheitsbezogenen Positionen zu beharren. Hinzu kommt, dass Streitigkeiten zwischen einzelnen Parteien auch relativ schnell aufgelöst werden können. Es bedarf keiner langen anwaltlichen Schriftsätze, keiner Fristsetzungen, keiner Gerichtstermine. Vielmehr können sich die Parteien sehr schnell mit dem Mediator zusammensetzen, um ihr Problem zu besprechen. Das ist wichtig, denn viele Streitigkeiten zwischen Wohnungseigentümern und Nachbarn entstehen durch kurzfristige Störungen, z. B. Lärm- oder Geruchsemissionen, Behinderungen beim Parken usw. Der Vorteil der Einschaltung eines Mediators für den Verwalter liegt in seiner erheblichen Entlastung. Er kann sich auf die reine Verwaltung und die Umsetzung der von einer breiteren Mehrheit getragenen Beschlüsse konzentrieren. Er ist nicht mehr Adressat jeder kleiner Störung, sondern kann auf die Mediation verweisen. Der Verwalter kann seine personellen Ressourcen besser und effektiver für die Verwaltung dieses und anderer Objekte einsetzen, er spart Zeit und Geld!
12.3 Wie lässt sich die Mediation einführen? Für die Frage, wie die Parteien zur Mediation geführt werden könnten, sind verschiedene Modelle vorstellbar: Bei Neubauten wäre es denkbar, bereits in dem Teilungsvertrag oder der Teilungserklärung, bzw. dem notariellen Kaufvertrag eine Mediationsklausel aufzunehmen, die die neuen Eigentümer verpflichtet, „sich zu bemühen, alle Streitigkeiten aus diesem Vertrag zunächst im Rahmen einer Mediation zu lösen“. Eine solche einfache Klausel würde allerdings die Vielzahl der Einsatzmöglichkeiten der Mediation nicht abbilden, denn die Mediation tritt dadurch lediglich – vorgelagert – an die Stelle eines streitigen gerichtlichen Verfahrens. Tatsächlich liegen die Konflikte häufig nur vordergründig in der Auslegung des Vertrages oder der juristischen Begründetheit eines geltend gemachten Anspruchs,123 sondern vielmehr in der Kommunikation und der gegenseitigen Wertschätzung. Solche Themen sind nur mittelbar auf den Vertrag zurückzuführen. Weitergehender wäre eine Mediationsvereinbarung, etwa folgenden Wortlauts:
123
Allmeyer-Beck, ADR im Wohnungseigentum, ZKM 2003, S. 260, 261
12.3 Wie lässt sich die Mediation einführen?
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Beispiel: "Die Wohnungseigentümer verpflichten sich, alle künftigen Meinungsverschiedenheiten, die nicht in Gesprächen untereinander gelöst werden können, in einem Mediationsverfahren zu klären. Ist eine Klärung auf diese Weise nicht möglich, entscheidet die Eigentümerversammlung, wenn es sich um ein Thema handelt, für das sie nach dem Gesetz zuständig ist; anderenfalls steht der Rechtsweg offen.“ Damit wäre zugleich bestimmt, dass die Wohnungseigentümerversammlung nicht der richtige Ort ist, um Streitigkeiten zwischen den Parteien auszutragen und dass bestehende Meinungsverschiedenheiten im Vorfeld zu lösen sind. Handelt es sich um den Neubau eines Mehrfamilienhauses, wird es zumeist ein Investor sein, der die Teilungserklärung vornimmt und die notariellen Kaufverträge vorgibt. Er wird auch zunächst den Verwalter für die Immobilie bestimmen. Es wäre deshalb nur konsequent, wenn er auch frühzeitig die Zusammenarbeit mit einem Mediator sucht, der für die Konfliktbearbeitung bereitsteht. Handelt es sich um eine ältere Immobilie, nimmt die Wahrscheinlichkeit von Streitigkeiten zu. Das hängt zum einen damit zusammen, dass sich die Nachbarn mit ihren jeweiligen Eigenarten mit der Zeit auf die Nerven gehen, dass Fluktuation unter den Bewohnern zu Abgrenzungsproblemen führen („Bestandsschutz“ für althergebrachte „Rechte“ für die erste Generation), dass die Eigenarten der „Neuen“ argwöhnisch betrachtet werden, dass sich die Einstellung zu Erhaltung, Renovierung etc. verändert, dass die Lebensplanung und die wirtschaftliche Situation einzelner Wohnungseigentümer die Immobilie in einem anderen Licht erscheinen lassen. Hier wäre es an dem Verwalter, frühzeitig die Idee der Mediation bei den Wohnungseigentümern vorzustellen. Besteht eine Kooperation zwischen dem Verwalter und einem Mediator, könnte sich der Mediator noch zu unkritischer Zeit bei einer Eigentümerversammlung vorstellen und über die Vorteile der Mediation berichten. Dann hätten die anwesenden Eigentümer jedenfalls bereits einmal eine ungefähre Vorstellung davon, was Mediation ist, was sie bei einem solchen Verfahren erwarten würde und was sie von dem Mediator halten. Kommt es dann später tatsächlich zu erheblichen Meinungsverschiedenheiten, hat es der Verwalter leichter, den Mediator wieder ins Spiel zu bringen. Vorbildlich wäre es auch, wenn die großen GrundstückseigentümerVerbände die Kooperation mit Mediatoren suchen würden. Sie könnten so ihren Mitgliedern einen zusätzlichen Service bei Streitigkeiten bieten und durch ihre Verbandspublikationen darauf aufmerksam
Vorausschauende Gestaltung der Teilungserklärung
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12 Mediation in WEG-Angelegenheiten machen. Das Gleiche gilt natürlich auch für Vermieter-/Mieterverbände und deren Klientel.
12.4 Mediation in WEG-Sachen – eine Aufgabe für Verwalter? Professionelle Hausverwalter sind in der Moderation von Eigentümerversammlungen geübt. Sie kennen die Befindlichkeiten „ihrer“ Eigentümer und haben schon so manche emotionsgeladene Versammlung über die Bühne gebracht. Streit zwischen Eigentümern, bzw. zwischen Mitbewohnern sind ihnen alles andere als fremd. Wer sich für diesen Beruf entschieden hat, bringt mehr mit, als kaufmännisches Denken und Kenntnisse im Facility Management. Der Verwalter ist in vielen Fällen eine Respektsperson. Er ist erster Ansprechpartner für die Beteiligten. Seine Meinung wird gehört. Wenn er die Richtung angibt, wird ihm in vielen Fällen gefolgt werden. Verwalter als Mediator?
Um von den Parteien als Mediator oder – da stellt sich die Frage ähnlich – als Schlichter wahrgenommen und akzeptiert zu werden, muss der Verwalter jedoch 100 %-ige Neutralität zwischen allen Beteiligten an den Tag legen. Hat er in der Vergangenheit einmal zugunsten der einen oder anderen Partei Stellung genommen, wird sie ihm dies in aller Regel nachtragen. Unzufriedenheit mit der Nebenkostenabrechnung oder mit dem Wirtschaftsplan, angeblich zu hohe Reparaturkosten, fehlende Durchsetzungsfähigkeit gegen angeblich zu laute Mitbewohner etc. etc. reduzieren die Sympathie für den Verwalter erheblich und mindern seine Akzeptanz bei allen. Die tägliche Arbeit des Verwalters bringt es mit sich, dass jedenfalls nicht alle potenziellen Streitparteien ihm die Führung in der Konfliktlösung anvertrauen werden. Das WEG-Gesetz selbst räumt dem Verwalter auch an keiner Stelle eine entsprechende Kompetenz ein oder lässt sie auch nur anklingen. Der Verwalter würde sich, wenn er sich um diese Aufgabe bemühte, auch keinen Gefallen bereiten. Seine Wahrnehmung als professioneller Sachwalter der Vermögensinteressen der Wohnungseigentümer gerät in Gefahr, wenn er sich auch mit den bilateralen Streitigkeiten einzelner Parteien befasste. Das WEG-Gesetz macht den Verwalter zum Vertreter der Wohnungseigentümergemeinschaft, auch gegenüber einzelnen Eigentümern. Den Parteien wäre es u. U. schwer vermittelbar, wenn er einerseits aus der Funktion der Verwaltung heraus Zwangsmaßnahmen befürworten oder sogar durchsetzen müsste, z. B. um ausstehende Nebenkostenzahlungen eines Wohnungseigentümers einzuklagen oder um Räumungsklage gegen störende Mitbewohner zu führen, andererseits aber als neutraler Mittler die Interessen streitender Parteien erkunden und austarieren müsste.
12.4 Mediation in WEG-Sachen – eine Aufgabe für Verwalter? Sehr persönliche Informationen, die ihm im Rahmen der Mediation anvertraut werden, müsste er strikt von dem Verwaltergeschäft trennen, was u. U. gar nicht möglich ist. Er müsste den Streitparteien zeitlich zur Verfügung stehen, was mit seinem idealerweise straff organisierten Management gar nicht vereinbar wäre. Er müsste einen stets wertschätzenden Umgang mit allen Parteien pflegen, was jedenfalls nicht jedem Verwalter in dieser Konsequenz liegt. Schließlich wird es auch viele Fälle geben, in denen der Verwalter selbst in die Kritik der Wohnungseigentümer gerät, ja vielleicht sogar den Anstoß für den Konflikt gibt. Dann wird der Verwalter selbst zur Partei, der im Rahmen einer Mediation seine eigenen wirtschaftlichen und persönlichen Interessen gegenüber den Miteigentümern vertreten muss. Allein diese Möglichkeit der Befangenheit sollte den Verwalter davon abhalten, sich selbst für die Rolle des Mediators anzubieten. Von der Übernahme der Rolle eines Mediators durch den Verwalter ist deshalb abzuraten. Es bedeutet für ihn aber auch für die anderen Beteiligten eine Entlastung, wenn die Konfliktbearbeitung von einem neutralen Dritten durchgeführt wird, der sich ausschließlich auf diese Aufgabe konzentrieren kann. Idealerweise arbeitet der Verwalter eng mit einem Mediator zusammen. Die gute Kenntnis des Objekts und der handelnden Personen kann dem Mediator seine Aufgabe erleichtern. Er wird dabei schon aus eigenem Interesse dafür sorgen, dass die Nähe zum Verwalter ihn nicht seinerseits in die Abhängigkeit oder den Anschein der Parteilichkeit führt. Das bedeutet freilich nicht, dass der Verwalter bei seiner täglichen Arbeit mit den Parteien, insbesondere bei der Gestaltung der Wohnungseigentümerversammlungen nicht auch mediative Elemente nutzen sollte, um ein vertrauensvolles und verständnisvolles Klima zu schaffen. Grundkenntnisse der Mediation und der Kommunikation gehören deshalb in jeden Studiengang zum Facility Management und zu jeder Ausbildung im professionellen Immobilien-Management.
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12 Mediation in WEG-Angelegenheiten
12.5 Praxisfall: Zur Zulässigkeit der Anbringung von Lüftungsgittern für eine Dunstabzugshaube in einer Wohnanlage 12.5 Praxisfall
Wer jetzt noch immer nicht von den Vorteilen der Mediation in WEGAngelegenheiten überzeugt ist, möge sich den folgenden Rechtsfall ansehen, den das Oberlandesgericht München entschieden hat.124 Beispiel Lüftungsgitter für Dunstabzugshaube: „Die Antragsteller (Ast.) und die Antragsgegner (Ag) sind die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird. In der Eigentümerversammlung vom 27.4.2004 wurde mehrheitlich beschlossen, dass die Eigentümer der Wohnungen Nr. 31 und 36 einen Wanddurchbruch zur Entlüftung der Küche mit einem 10 x 10 cm großen Lüftungsgitter an der Fassade durchführen dürfen. Die Ast. haben beantragt, diesen Beschluss für ungültig zu erklären. Das AG hat mit Beschluss vom 24.11.2004 den Antrag abgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Ast. zu 1 hat das LG München I am 29.4.2005 die Entscheidung des AG aufgehoben und den Eigentümerbeschluss für ungültig erklärt. Hiergegen haben die Ag. sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Mit Ausnahme des Ag. E. haben die Ag. die sofortige weitere Beschwerde zurückgenommen. Das zulässige Rechtsmittel erwies sich als nicht begründet.“ Mit anderen Worten: Über zwei 10x10 cm große Lüftungsgitter in einer Wohnanlage haben drei Gerichte entscheiden müssen: Amtsgericht, Landgericht und Oberlandesgericht! Wie Sie am Ende der Begründung des Beschlusses lesen werden, hat sich das OLG sogar noch darüber Gedanken machen müssen, ob die Sache nicht auch noch dem Bundesgerichtshof vorzulegen ist. „Aus den Gründen: 1. Das LG hat ausgeführt: Die genehmigten Maßnahmen seien bauliche Veränderungen. Die übrigen Wohnungseigentümer würden hierdurch über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt. Das LG hat es letztlich dahingestellt sein lassen, ob eine optische Beeinträchtigung vorliege. Es hat unter Heranziehung des Rechtsgedankens des
124
OLG München, Beschluss vom 2005-07-04, AZ: 32 Wx 43/05, BeckRS 2005 07821
12.5 Praxisfall § 906 III BGB die beschlossenen Maßnahmen für unzulässig erachtet. 2. Die Entscheidung des LG hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand. a) Ob andere Wohnungseigentümer durch eine bauliche Veränderung über das zulässige Maß hinaus beeinträchtigt werden, obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung und ist durch das Rechtsbeschwerdegericht nur beschränkt nachprüfbar (vgl. BayObLG WuM 2004, 733). Ein der Rechtsbeschwerde zugänglicher Rechtsfehler kann im Subsumtionsvorgang liegen, wenn die Entscheidung des Tatrichters eine durch Tatsachen gestützte vollständige Abwägung der beteiligten Interessen vermissen lässt oder der Tatrichter bei der Bewertung relevanter Umstände unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. OLG Hamburg ZMR 2005, 71). Die Generalklausel des § 14 Nr. 1 WEG gibt Raum für eine die betroffenen Grundrechte berücksichtigende Auslegung. Bei sich gegenüberstehenden Grundrechten, hier aus Art. 14 GG, ist eine fallbezogene Abwägung der beiderseits grundrechtlich geschützten Interessen erforderlich (vgl. BVerfG NZM 2005, 182/183). Ob ein unvermeidbarer Nachteil vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. Weitnauer/Lüke WEG 9. Aufl. § 14 Rn. 3). Dabei sind sowohl die örtlichen Gegebenheiten (vgl. MünchKomm/Commichau 4. Aufl. § 14 WEG Rn. 12) als auch Lage und Charakter des Gebäudes zu berücksichtigen. Die maßgeblichen Umstände sind von den Tatsacheninstanzen zu ermitteln (§ 12 FGG). Die Abwägung ist vom LG nicht erschöpfend vorgenommen worden. Der Senat kann jedoch in der Sache selbst entscheiden, da weitere tatsächliche Feststellungen nicht erforderlich sind und der Rechtsstreit zur Entscheidung reif ist (§ 563 III ZPO analog). b) Zutreffend ist der Ausgangspunkt des LG, dass in die Abwägung die gesetzliche Wertung des § 906 III BGB einzubeziehen ist (vgl. BayObLG NZM 2005, 69). Die Bestimmung des § 906 BGB ist im Verhältnis von Wohnungseigentümern zueinander zwar nicht unmittelbar abwendbar, sie kann aber Anhaltspunkte für die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von Einwirkungen geben (vgl. BayObLG NZM 2001, 387). Allerdings ist bei der entsprechenden Anwendung des § 906 III BGB im Rahmen des § 14 Nr. 1 WEG auch zu berücksichtigen, dass Küchengerüche auch bei einer Entlüftung der Küche durch ein Fenster ins Freie gelangen. Wer durch diese Gerüche beeinträchtigt wird, hängt von verschiedenen Faktoren, insbesondere auch von den Witterungsverhältnissen und hier vor allem von der natürlichen Luftbewegung ab. Ob die Gerüche eine Intensität erreichen, die als (unzumutbare) Beeinträchtigung empfunden werden, lässt sich ebenfalls nicht generell fest-
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12 Mediation in WEG-Angelegenheiten stellen, sondern hängt von der Art der Abführung dieser Gerüche ab. Es erscheint zwar nicht unbedingt naheliegend, dass die Entlüftung mittels einer Dunstabzugshaube stärkere Beeinträchtigungen hervorruft als die Entlüftung durch ein Fenster, wenn das Entlüftungsgerät ordnungsgemäß installiert und gewartet wird. Andererseits ist aber, wie die Lebenserfahrung zeigt, auch nicht sichergestellt, dass derartige Geräte über ihre gesamte Lebensdauer hinweg ordnungsgemäß gewartet werden, insbesondere, dass der erforderliche Austausch bzw. die erforderliche Reinigung der Filter in den gebotenen Abständen erfolgt. Das Ausmaß der Beeinträchtigung hängt deshalb im Wesentlichen vom Verhalten des Benutzers der Entlüftungsanlage ab. Generelle Aussagen, wie sie durch ein Sachverständigengutachten erlangt werden könnten, haben deshalb wenig Aussagekraft, sodass die Einholung eines Gutachtens unterbleiben kann. Es ist zumindest die Gefahr gegeben, dass bei einer unsachgemäßen Benutzung durch die Entlüftung stärkere Beeinträchtigungen entstehen als durch eine Entlüftung durch ein Fenster. Bereits diese Gefahr ist im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen und entspricht auch dem Rechtsgedanken des § 906 III BGB. Das LG hat es letztlich dahingestellt sein lassen, ob auch eine nachteilige optische Veränderung vorliegt. Das LG hat sich jedoch mit dieser Frage in den Urteilsgründen auseinandergesetzt und außerdem ergeben die bei den Akten befindlichen Lichtbilder hinreichenden Aufschluss. Eine weitere Sachaufklärung ist deshalb nicht geboten, sodass der Senat diese Frage abschließend beurteilen kann. Der Senat sieht in der Anbringung der Entlüftungsgitter durchaus eine nachteilige optische Veränderung. Dabei kommt dem Umstand, dass sich das Lüftungsgitter in unmittelbarer Nähe des Hausnummernschildes befindet, nicht die Bedeutung zu, dass dadurch die optische Beeinträchtigung verringert würde. Vielmehr ist es im Gegenteil so, dass das Hausnummernschild ein Blickfang ist und das daneben befindliche Lüftungsgitter durchaus störend wirkt. Insofern ist die Situation anders gelagert als in dem vom Bayerischen Obersten Landesgericht (WuM 1997, 186) entschiedenen Fall. Der Senat pflichtet dem LG vor allem aber auch insoweit bei, dass mehrere Lüftungsgitter in ihrer Gesamtheit sich durchaus nachteilig auf den optischen Eindruck der Anlage auswirken können. Die Gefahr der Nachahmung ist jedenfalls ein Zusatzargument für die Unzulässigkeit der Maßnahme nach § 14 Nr. 1 WEG (vgl. BayObLG NZM 1999, 1146/1147). Es wäre unbillig und würde den Frieden innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft stören, einem Teil der Wohnungseigentümer die Anbringung von Entlüftungsgittern zu genehmigen, anderen aber solches bei gleicher Sachlage zu versagen, nur weil bereits eine gewisse Anzahl von Lüftungsgittern vorhanden ist. Es ist deshalb nicht fernliegend, dass bei einer Aufrechterhaltung des gefassten Beschlusses andere Wohnungseigentümer mit dem glei-
12.5 Praxisfall
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chen Begehren an die Gemeinschaft herantreten und dies dann ebenfalls genehmigt wird. Dadurch würde die Störung des optischen Gesamteindrucks verstärkt, zumal die Wohnungseigentümer keinesfalls verpflichtet sind, in jeder Wohnung Lüftungsgitter anzubringen, sodass durch eine unregelmäßige Anordnung der Lüftungsgitter ein unruhiges Bild der Fassade entstehen würde. Gegenüber diesen gewichtigen Gründen gegen eine Genehmigung der beabsichtigten Maßnahmen tritt das Interesse der begünstigten Wohnungseigentümer zurück. Dieses ist relativ geringfügig. Es ist einerseits eine Entlüftung durch das Fenster möglich. Andererseits kann auch eine Umluftentlüftungsanlage ohne Anschluss ins Freie angebracht werden. Eine Vorlage an den BGH im Hinblick auf die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (NZM 2001, 156) ist schon deshalb nicht geboten, weil diese Entscheidung auf den tatsächlichen Feststellungen des dort entschiedenen Falles beruht. Von der rechtlichen Bewertung dieser Entscheidung weicht der Senat nicht ab. 3. Es entspricht der Billigkeit, die unterlegenen Ag. mit den Gerichtskosten zu belasten (§ 47 Satz 1 WEG). Die Gerichtskosten sind bereits vor der Antragsrücknahme durch einen Teil der Rechtsbeschwerdeführer angefallen. Für eine Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten besteht keine Veranlassung (§ 47 Satz 2 WEG). Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 III Satz 1 WEG.“125 Das Gericht hat unter juristischen Gesichtspunkten und Auslegung gesetzlicher Normen eine Abwägung getroffen zwischen den Interessen der Eigentümer: hier die Eigentümer, die in ihrer Küche eine Dunstabzugshaube installieren möchten, dort die Eigentümer, die sich olfaktorisch durch die austretenden Küchendüfte und optisch durch zwei 10x10 große Lüftungsgitter in der Hausfassade gestört fühlen. – Ist es wirklich Sache des Staates, solche läppischen Fragen in teuren Prozessen durch seine hoch qualifizierten Richter entscheiden zu lassen? – Sind wirklich die wahren Interessen der Parteien ermittelt und abgewogen worden oder hat das Gericht nicht lediglich entschieden, welcher geltend gemachte Anspruch gewichtiger ist? – Was meinen Sie: Hat dieser Prozess, der die Wohnungseigentümer 1,5 Jahre beschäftigt hat, den Rechtsfrieden in der Wohnanlage gefördert?
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Unterstreichungen durch den Autor
Ist das eine Aufgabe für die Justiz?
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12 Mediation in WEG-Angelegenheiten – Wie wird sich diese Entscheidung wohl auf das Miteinander in der Wohngemeinschaft auswirken? Sehen Sie die triumphierenden Gewinner und die kleinlauten Verlierer, die sich bei nächster Gelegenheit für ihre Niederlage rächen werden? Was hätte die Mediation anders machen können?
Anderer Zugang durch Mediation
Der Wunsch eines Eigentümers, eine Dunstabzugshaube einzubauen, ist wohl nicht von heute auf morgen entstanden. Was steckt hinter diesem Wunsch und was hinter der Ablehnung durch andere? Ist es wirklich nur der Essensgeruch oder können sich da einige Menschen aus anderen Gründen „nicht riechen“? Angenommen die Eigentümergemeinschaft hätte zur Klärung von Fragen des Miteinanders eine Mediationsstelle eingerichtet: Ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass die dahinterliegenden Bedürfnisse und Interessen der betroffenen Parteien in der Mediation klarer zutage getreten wären? Wie das OLG ausführt, besteht kein wesentlicher Unterschied in der Geruchsemission zwischen einem geöffneten Küchenfenster und einem zusätzlichen Luftaustritt. Trotzdem hat dies jemand als wesentliches Argument gegen die beantragte bauliche Änderung verwendet. Warum? Hat der Antragsteller möglicherweise schon zuvor mit seinem Verhalten gegen Regeln der Gemeinschaft verstoßen und sich den Ärger seiner Mitbewohner zugezogen? Oder sind die Gegner der baulichen Maßnahme vielleicht zuvor mit einem eigenen Antrag gescheitert und verlangen deshalb jetzt Gleichbehandlung, steht also in Wirklichkeit ein Gerechtigkeits-Konflikt zur Lösung an? In der Mediation könnte sich herausgestellt haben, dass es eigentlich um ganz andere Themen geht, als um den Wunsch einer Partei, eine Dunstabzugshaube anbringen zu dürfen. Während das Gericht nur die vorgetragenen Argumente zu den Positionen zu berücksichtigen darf, hätten sich in der Mediation auch andere Lösungsmöglichkeiten ergeben können: Vielleicht hätte der Antragsteller den Antragsgegnern ein Zugeständnis in einem anderen identifizierten Interesse machen können (z. B. seine Fahrräder woanders abstellen, damit der Zugang zu den Mülltonnen besser gewährleistet ist, er also nicht immer die anderen stört?) Oder die Parteien hätten andere technische Lösungen finden können (z. B. Dunstabzugsöffnungen für alle)? Oder der Antragsteller hätte eine Ausgleichszahlung an die gemeinsame Kasse zahlen können usw., usw. Am Schluss der Mediation hätte eine Vereinbarung stehen können, wie das Problem der 10x10 cm großen Lüftungsgitter und möglicher anderer Probleme, die dahinter standen, aber gar nicht im Prozess erörtert wurden, zu lösen sind – immer auch im Hinblick auf die Tatsache, dass die Wohnungseigentümer schließlich auch in Zukunft unter dem gleichen Dach zusammenleben möchten.
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13 Förderung der Mediation im Planen und Bauen Obwohl zahlreiche Gründe für die Nutzung der Mediation im Planen und Bauen sprechen, hält das Mediationsverfahren nur langsam Einzug in Deutschland. Über die Gründe ist in diesem Buch häufiger die Rede gewesen. Ändern wird sich nur etwas, wenn die Einsicht stärker wächst, dass man präventive Maßnahmen fördern muss, um Konflikte gar nicht erst aufkommen zu lassen.
13.1 Rechtsanwälte für Mediation Während die Justizverwaltungen sich für das Verfahren stark machen und sowohl im privaten als auch im öffentlichen Recht durch die Einführung von Richter-Mediatoren für das Verfahren werben, ist die Reaktion der Anwaltschaft verhalten. Nicht, dass es nicht auch viele Rechtsanwälte gäbe, die eine Zusatzausbildung in Mediation absolviert hätten. Der Deutsche Anwaltsverein bietet selbst Fortbildungsveranstaltungen hierzu an, deren Umfang mit 90 Std. allerdings deutlich unter den Anforderungen bleibt. Die Zahl der Mitglieder der ARGE Mediation steigt ständig an. Dennoch bleiben viele Rechtsanwälte skeptisch.126 Es gilt, die Bedenken gegen die Mediation zu kennen und zu prüfen. Vielleicht muss man einigen Anwälten einen Schritt entgegenkommen, um Vertrauen aufzubauen, vielleicht müssen einige Anwälte auch einmal innehalten und ihre Haltung überdenken.
Rechtsanwälte: Widerstände abbauen!
13.1.1 Mediation ist noch zu wenig bekannt Der Anwalt wird nur Verfahren vorschlagen, die ihm selbst geläufig sind und die er seinen Mandanten guten Gewissens empfehlen kann. Deshalb zieht er bekannte Konfliktlösungs-Methoden vor. Es wird noch eine Weile dauern, bis die vollzogene Änderung der Ausbildungsordnungen Rechtsanwälte hervorbringt, für die auch Mediation zu den möglichen Wegen gehört, den man zugunsten seines Mandanten einschlagen kann. Den praktizierenden Anwälten kommt dies nur dann in den Sinn, wenn sie sich mit der Materie befasst haben oder von außen angestoßen werden. Trotz großer Erfolge im Familienrecht, Erbrecht, in Betrieben und Schulen ist die Methode den meisten Anwälten noch immer nicht ausreichend präsent, um sie ernsthaft für die weitere Vorgehensweise in Erwägung zu ziehen. Die
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Jost/Neumann, Etablierung der Mediation durch die Anwaltschaft!, ZKM 2009,164;
P. Hammacher et al. So funktioniert Mediation im Planen + Bauen, DOI 10.1007/978-3-8348-8124-3_13, © Vieweg+Teubner Verlag |Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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13 Förderung der Mediation im Planen und Bauen spärlichen Veröffentlichungen zur Mediation in den juristischen Fachzeitschriften bestätigen dies.127
13.1.2 Von dem Anwalt wird eine kämpferische Haltung erwartet Der Anwalt wird, sofern er nicht ständiger Berater ist, mit dem Konflikt erst konfrontiert, wenn dieser bereits eskaliert ist. Scheinbar bietet sich in dieser Situation nur der Kampf mit allen Mitteln, um dem Mandanten zu seinem Recht zu verhelfen. So ist auch dessen Erwartungshaltung. Gespräche zwischen den Streitparteien sind zu diesem Zeitpunkt bereits geführt und gescheitert. Niemand kann sich vorstellen, dass Verhandlungen zwischen den Parteien selbst noch einen Zweck haben.128 Hier wird der Anwalt zur Waffe des Mandanten; Konfrontation ist erwünscht. Tatsächlich führt Mediation – gerade wenn es hoch hergeht – zur Versachlichung und Abbau von Emotionen (übrigens keineswegs ein Monopol von Familienkonflikten). Indem die Verantwortung für den Prozess einem neutralen Dritten übertragen wird, kann der Anwalt sich viel besser den Interessen seines Mandanten widmen, für diesen die bestmögliche Strategie herausarbeiten und Argumente einbringen. Er kann auf hohem fachlichem Niveau seinem Mandanten beistehen; er ist Berater und nicht Beretta.129
13.1.3 Der Auftritt vor Gericht prägt noch immer das Image des Anwalts Erst die Prozesse mit ihren für den Mandanten unverständlichen eigenen Regeln machen den Anwalt unentbehrlich. Der überwiegend forensisch tätige Anwalt weiß, wie er seinen Mandanten durch hohe See, Klippen und Stromschnellen lotsen kann. Er fühlt sich sicher, auch wenn er das Ergebnis des Prozesses nicht vorhersehen kann. Der Anwalt befürchtet, diese starke Position gegenüber seinem Mandanten zu verlieren, wenn er das Setting ändert. Wesentliches Element des Mediationsverfahrens ist die Transparenz. Die Streitparteien sollen verstehen, was schief gelaufen ist und welche Schritte unternommen werden müssen, um gemeinsam das Boot wieder flottzukriegen. Das Verfahren ist einfach strukturiert; der Mediator verwendet die Sprache der Medianden. Es gibt keine prozessualen Fallen, die nur der Anwalt erkennen könnte. Der Anwalt muss also selbstbewusst genug sein, um seinen ihm von der Prozessordnung verliehenen Mythos zugunsten seines Mandanten 127 128
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Brinkamp/Spillner, BRAK-Mitteilungen 2007, 147 Eskalationsstufe 3 nach dem Phasenmodell von Glasl, Konfliktmanagement 8/2004 Selbstladepistole Beretta der italienischen Fabbrica D’Armi Pietro Beretta S.p.A.
13.1 Rechtsanwälte für Mediation aufzugeben. Dafür bietet das Mediationsverfahren dem Anwalt kreativere Möglichkeiten, seine Kompetenz unter Beweis zu stellen. Der Anwalt wird zum „Coach“ des Mandanten. Je nach Situation in der Mediationssitzung selbst oder im Hintergrund entwickelt er eigene Vorschläge und Ideen für eine Lösung, evaluiert zusammen mit seinem Mandanten die erarbeiteten Optionen, prüft sie auf rechtliche Haltbarkeit und Praktikabilität.
13.1.4 Der Anwalt befürchtet, den Mandanten zu verlieren Der Anwalt, der erkennt, dass dem Mandanten langfristig eher geholfen wäre, wenn er den Streit mit dem Streitpartner in einer Mediation bewältigt, geht u. U. ein hohes Risiko ein, wenn er diesen Weg vorschlägt: Der Mandant könnte von dem Anwalt den Eindruck von Schwäche bekommen: Statt sich für ihn zu schlagen, schlägt er die Vermittlung durch einen Dritten vor! Die Gefahr ist real, wenn der Mandant noch nie zuvor etwas von Mediation gehört hat, schlechte Erfahrungen gemacht hat oder so kämpferisch eingestellt ist, dass er für Alternativen z. Zt. nicht offen scheint. Das sollte den Anwalt aber nicht entmutigen! Man muss diesen Weg ja nicht sogleich vorschlagen. Es ist besser die Entscheidung des Mandanten vorzubereiten, indem die Stolpersteine aufgezeigt und die Vorteile herausgearbeitet werden.
13.1.5 Der Anwalt fürchtet, seinen Auftrag nicht richtig auszuüben Der Anwalt soll seinem Mandanten zu dem sichersten Weg raten, wie dieser sein Ziel erreichen kann.130 In der Mediation werden von ihm erhöhte Anforderungen an die Beurteilung der Situation des Mandanten auch in psychologischer Hinsicht erwartet, der er sich möglicherweise nicht gewachsen fühlt. Auch zeigt die Rechtsprechung zur Haftung des Anwalts bei Vergleichsschluss, dass der Anwalt allen Schwierigkeiten und Unsicherheiten Rechnung zu tragen hat und den Mandanten entsprechend aufzuklären hat. Was, wenn sich der Mandant in der Mediation mit einem Ergebnis einverstanden erklären sollte, das der Anwalt für „objektiv“ ungünstig hält? Bei Lichte betrachtet sind diese Bedenken berechtigt, aber nicht wirklich meditations-spezifisch. Auch im „normalen“ Anwalts-Alltag ergeben sich mitunter schwierige Probleme bei der Beurteilung dessen, was für den Mandanten als Person und in seinem sozialen Kontext gut und richtig ist. Und nicht selten deckt sich die anwaltliche 130
Offermann-Burckart: die Rolle des Anwalts in einem auf Einvernehmen ausgerichteten Verfahren, FPR 2010,431, Borgmann/Jungk/Grams, Anwaltshaftung, 4. Aufl. (2005), § 21 Rdnrn. 131ff.; BGH NJW 2000, 3560; NJW 2007, 2485.
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13 Förderung der Mediation im Planen und Bauen Sicht nicht mit der des Mandanten. Hier wie dort muss der Anwalt dafür sorgen, dass der Mandant, so gut es ihm eben möglich ist, versteht, was passiert, damit er die Tragweite seiner Entscheidungen erfassen kann. Dies ist aber auch das Anliegen des Mediators. Der Anwalt erhält hier in kritischen Situationen also eine Unterstützung, die ihm sonst eher nicht widerfährt.
13.1.6 Der Anwalt wendet selbst mediative Elemente in seiner Praxis an Besteht wenigstens Verhandlungsbereitschaft bei dem eigenen Mandanten, wird der Anwalt zu dessen Fürsprech oder gar Verhandlungsführer. Er ringt mit der gegnerischen Partei oder dessen Anwalt um einen Vergleich. Keine Frage, der Anwalt wird alle rechtlichen und verhandlungstaktischen Register ziehen, um seinem Mandanten zu helfen und ihm schließlich den guten Rat geben, auf den ausgehandelten Kompromiss einzugehen. Der Anwalt sieht deshalb keinen Grund für die Einschaltung eines neutralen Dritten. Er meint, in der Verhandlung im Grunde selbst als Mediator tätig geworden zu sein. Der abgeschlossene Vergleich gebe ihm recht. Tatsächlich ist es etwas völlig anderes, ob die Anwälte als Parteienvertreter miteinander einen Deal aushandeln, oder ob sie zusammen mit ihren Parteien in einem strukturierten Verfahren gemeinsam nach einer für beide Parteien tragfähigen Lösung suchen. Die Parteien sind nicht unmittelbar in die Lösungsfindung eingebunden, sondern verhandeln über ihre Anwälte. So nützlich der dadurch entstehende Filter im Einzelfall auch sein mag, eine Vereinbarung, an der die Parteien selbst mitgewirkt haben, nachdem die zwischen ihnen bestehenden Probleme erhellt, Verständnis für die andere Position geschaffen und die Streitigkeiten relativiert worden sind, hat für die Parteien einen deutlich höheren Stellenwert und wirkt nachhaltiger als ein von den Anwälten ausgehandelter „fauler Kompromiss“.131
13.1.7 Der Anwalt hat kein Vertrauen in die Konfliktfähigkeit seines Mandanten In der Mediation wird von den Streitparteien immer wieder verlangt werden, sich über ihre eigenen Interessen im Klaren zu werden, sich in die Situation der Streitpartei hineinzuversetzen und konstruktiv an einer gemeinsamen Lösung zu arbeiten. Es kann viele Gründe geben, warum die Streitparteien hierzu nicht mehr in der Lage sind und die Realitäten nach ihrer Wahrheit ausrichten und so handeln. Hat der 131
Damit soll natürlich der Wert eines zwischen den Parteienvertretern erarbeiteten Vergleichs in keiner Weise herabgewürdigt werden. Lösungen, die auf dem Verhandlungswege erzielt werden können, sind jeder streitigen Auseinandersetzung vorzuziehen.
13.1 Rechtsanwälte für Mediation Anwalt Zweifel an der Fähigkeit seines Mandanten, seine Haltung zu überdenken und sich für neue Wege zu öffnen, wird er dem Ausgang eines Mediationsverfahrens wenig Chancen einräumen. Die Mediation ist ergebnisoffen. Niemand kann den Verlauf der Gespräche wirklich vorhersehen. Es wird Konstellationen geben, die auch in der Persönlichkeit des Mandanten wurzeln können, in denen die Mediation nur wenig Aussicht auf Erfolg hat. Das ist aber nicht die Regel. Gelingt es, die wahren Interessen der Streitparteien herauszuarbeiten und ihnen Gehör und Verständnis zu verschaffen, sind unerwartete Ergebnisse auch bei solchen Streitparteien zu erreichen, bei denen eine Konsensfähigkeit nicht zu vermuten war.
13.1.8 Der Anwalt will die Verhandlungsführung behalten Der Anwalt tritt die Verhandlungsführung an den Mediator ab, der für eine strukturierte Verhandlung zu sorgen hat, in der die Parteien alle Punkte offen darlegen können, die für sie im Zusammenhang mit dem Konflikt von Bedeutung sind. In zwei ganz unterschiedlichen Konstellationen wird der Anwalt sich hierüber Gedanken machen: a) Anwälte, die es gewohnt sind, starke Parteien zu vertreten, wie etwa die Auftraggeber-Seite in Bauprojekten, oder die Verwaltung in Streitigkeiten mit Bürgern, geben die Verhandlungsführung nicht gerne an einen Dritten ab. Es lässt sich scheinbar leichter verhandeln, wenn man selbst aus der Position der Stärke die Diskussion leitet.132 Tatsächlich kann die Mediation für diesen Anwalt und seinen Mandanten eine Entlastung sein. In solchen Verhandlungen muss der Stärkere stets nicht nur seine eigenen Interessen vertreten. Er muss gleichzeitig zumindest den Anschein erwecken, auch die Argumente der Gegenseite gebührend gewürdigt zu haben, um wenigstens den Eindruck eines fairen Verfahrens sichergestellt zu haben. Würde die stärkere Partei sich diese Mühe nicht machen, hätte dies Auswirkungen nicht nur auf den zu verhandelnden Fall, sondern auf das Image und die Haltung gegenüber dem starken Unternehmen insgesamt, was sich bei nächster Gelegenheit zu dessen Ungunsten auswirken kann.133 In der Mediation ist es Sache des Mediators für ein ausgegli132
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Deshalb kann auch der Finanzbeamte in einem steuerlichen Einspruchsverfahren nicht zugleich Mediator sein, mag er auch noch soviel Vermittlungstechnik gelernt haben. Es gehört schon viel Optimismus dazu in Verfahren und Praxis der Steuerverwaltung meditative Elemente zu erkennen, so aber Boochs, Mediation im Steuerrecht, DStR 2006, 1062 Besonders deutlich wird dies bei Vergabeverfahren oder bei Verhandlungen mit mächtigen Konzernen. In Bauauseinandersetzungen müssen oft Projektsteuerer oder Projektleiter Verhandlungen über Nachträge, Schlechtleistungen etc. leiten, obwohl sie selbst eigentlich Vertreter des Bauherrn sind oder sogar eigene Interessen (Planungsfehler?) verfolgen. Ein neutraler Dritter kann dies entkrampfen.
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13 Förderung der Mediation im Planen und Bauen chenes Verfahren zu sorgen, das beiden Seiten gerecht wird. Der Anwalt der stärkeren Partei kann sich von Verfahrensfragen entlasten und voll der Unterstützung widmen und seine Rolle als Interessenvertreter wahrnehmen. b) Der andere Fall betrifft Streitigkeiten in Personengesellschaften oder Partnerschaften etc. Der Rechtsanwalt oder Steuerberater ist es gewohnt, von den Geschäftsführern, den Gesellschaftern oder deren Familien ins Vertrauen gezogen zu werden. Er ist oft mehr als der zurate gezogene Fachmann, sondern ist der Berater in allen Lebenslagen. Deshalb erscheint zunächst der Berater selbst als der geeignete Mediator, wenn es darum geht, Konflikte zwischen den Gesellschaftern oder deren Familien zu lösen. Auch hier kann die Mediation zu einer spürbaren Entlastung für den Anwalt oder Steuerberater führen: Gerade aufgrund seiner Nähe zu Einzelnen oder allen Handelnden in der Gesellschaft ist es ihm gar nicht möglich, neutral aufzutreten. Er weiß, wie die Entscheidungsträger denken und welche z. T. konträren Interessen sie verfolgen. Er hat zwar Lösungsmöglichkeiten erarbeitet, sieht sich aber aufgrund seiner persönlichen Bindungen nicht in der Lage, zwischen den Interessengruppen neutral zu vermitteln. Überzeugt er die Gesellschafter von der Einschaltung eines Mediators, kann er sich auf seine Berater-Rolle zurückziehen und kompetent das Beste für die Gesellschafter und/oder das Unternehmen vorschlagen. Er wird von dem „Spagat der Allparteilichkeit“ befreit. Im Übrigen ist ein hervorragender Berater nicht automatisch auch ein guter Vermittler.
13.1.9 Die Auswahl des Mediators ist schwierig Von der Persönlichkeit und Erfahrung des Mediators kann der Ausgang des Verfahrens wesentlich abhängen. Der Anwalt kann die Fähigkeiten des Mediators möglicherweise nicht einschätzen. Er befürchtet, dass Themen zur Sprache kommen, die er gar nicht diskutieren möchte, dass der Mediator die Verhandlungen in eine bestimmte Richtung drücken könnte, dass die Mediation ohne Ergebnis endet, und das negative Erlebnis des Mandanten auf ihn zurückfällt. Der Anwalt sorgt aus dem Blickwinkel seines Mandanten dafür, dass in dem Mediationsverfahren nichts passiert, was seinem Mandanten schaden könnte. Er hilft seinem Mandanten, das Verfahren zu verstehen und greift ein, wenn der Mediator den Rahmen seines zuvor definierten Auftrags überschreitet. Bei der Auswahl des Mediators stellt der Anwalt sicher, dass bei dem Mediator ausreichende Methodenkompetenz134 und ggf. erforderliche besondere Fachkompetenz135 vorhanden ist. 134
Ausbildungsstandards wurden mittlerweile von Europa gesetzt. Die beiden größten Mediatorverbände BAFM-Bundesarbeitsgemeinschaft für Familienmediation e.V. (www.bafm-mediation.de) und Bundesverband
13.1 Rechtsanwälte für Mediation Der Mediator muss deshalb in erster Linie Fähigkeiten der Prozesssteuerung, Kommunikation, Einfühlung etc. besitzen; das sind Fähigkeiten, die man teilweise erlernen kann, ohne dabei unbedingt Fachkenntnisse zu dem streitigen Thema haben zu müssen. Es ist allerdings nicht von der Hand zu weisen, dass sich Branchenkenntnis oder Sonderkenntnisse in der zu behandelnden Materie positiv auf die Verhandlungsführung, vor allem auf die Akzeptanz des Mediators auswirken. Die Parteien fühlen sich besser verstanden, wenn ihre Probleme auf Sachverständnis auch der Mediatoren treffen und diese durch die richtige Umformulierung der Fragen auch die andere Partei für das Thema einfangen können. Deshalb sind Ingenieure, Architekten, Sachverständige als Mediatoren in Bausachen gerne gesehen, wenn sie bei einer anerkannten Ausbildungsstätte die entsprechende Ausbildung zum Mediator erfolgreich absolviert haben. Im Bereich Planen und Bauen bietet sich eine Co-Mediation zwischen einem Baurechtler und einem Ingenieur oder Architekten geradezu an, um eine breite Feldkompetenz anbieten zu können und um sicherzustellen, dass alle Parteien in dem strukturierten Verfahren gehört werden. Hilfestellung bei der Auswahl geeigneter Mediatoren in Bausachen bietet u.a. die größte deutsche Berufsorganisation der Mediatoren, der Bundesverband für Mediation e. V. (www.bmev.de).
13.1.10 Die Mediation kostet Zeit Je nach Art des zu bearbeitenden Konfliktes muss sich der Mediator in die Sache einarbeiten, sind mehrere Sitzungen erforderlich, um den Streitstoff aufzubereiten, zu verhandeln und durch eine Vereinbarung abzuschließen.136 Der Anwalt hat zum einen Fristen vor Augen, die nicht versäumt werden dürfen. Zum anderen will er keine Ablenkungsmanöver akzeptieren, die nur darauf hinauslaufen, Zeit zu schinden, etwa wenn die andere Seite erkennbar in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ist.
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Mediation e.V. (www.bmev.de) verlangen mindestens 220 Ausbildungsstunden mit vier selbst durchgeführten Praxisfällen. Mediatoren rekrutieren sich aus den unterschiedlichsten Berufen, was auch zur Stärke dieses Verfahrens zählt. Wer es etwa mit Bau- oder Werkvertragsstreitigkeiten zu tun, sollte sich Mediatoren suchen, die in diesem Bereich als Ingenieure oder spezialisierte Juristen Erfahrung haben. In der Familienmediation sind mehrere Sitzungen erforderlich, selten weniger als 6 Sitzungen à 90 Min. In der Wirtschaftsmediation oder bei Streitigkeiten im Bereich Planen und Bauen sollte das Verfahren in 1 max. 3 Hauptsitzungen abgeschlossen werden, schon wegen der geringen Verfügbarkeit der Entscheidungsträger auf beiden Seiten. Diese Sitzungen können aber den ganzen Tag in Anspruch nehmen.
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13 Förderung der Mediation im Planen und Bauen Mediation darf in der Tat nicht zu taktischen Zwecken missbraucht werden. Erkennt dies der Anwalt, sollte er erwägen, statt einer Mediation gerichtliche Maßnahmen zu ergreifen. Läuft die Mediation bereits, sollte er das Thema offen ansprechen und – wenn sich nichts ändert – die Mediation abbrechen. Die Frage der Hemmung laufender Fristen sollte ggf. ebenso in die Eingangsvereinbarung aufgenommen werden wie die Frage der Aussetzung etwa bereits laufender oder die Einleitung neuer Vollstreckungs- oder Sicherungsmaßnahmen während des Mediationsverfahrens. Die Mediation ist nichts anderes als eine Verhandlung zwischen den Parteien, wenn auch mit Unterstützung eines Dritten. Die Verjährung ist gem. § 203 S.1 BGB gehemmt, wenn zwischen den Parteien Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände schweben.137 Ist der Mediator zugleich gerichtlich als Gütestelle anerkannt, ist in § 794 Abs.1 Nr. 1 ZPO, § 22 AGGVG der Lauf von Fristen durch Rechtsverfolgung gehemmt, § 204 Nr. 4, 1. Alternative BGB. Wenn die Parteien eine sonstige Gütestelle, die Streitbeilegungen betreibt einvernehmlich anrufen, gilt dies auch in diesem Fall, § 204 Nr. 4., 2. Alternative BGB. Mediation und Zeitdruck sind allerdings nicht gut miteinander zu verknüpfen. Zwar kann es mitunter heilsam sein, wenn sich streitende Parteien unter Zeitdruck zu einer Einigung durchringen. Es besteht aber immer die Gefahr, dass sie die Einigung als von außen aufgezwungen empfinden und letztlich nicht hinter dem Ergebnis stehen. Die Parteien sollten sich die Zeit einräumen, die sie für die autonome Lösung ihrer Probleme brauchen. Verlangsamung von eskalierenden Konflikten ist eines der Mittel, mit denen der Mediator die Parteien wieder auf eine sachliche Gesprächsebene zurückführt. Die strukturierte Vorgehensweise und eine auf die Ziele konzentrierte Verhandlungsmethode bringt bereits die nötige Stringenz, um ausufernde Vorträge, Abschweifungen, Eröffnen von Nebenkriegsschauplätzen usw., zu unterbinden und so eine effiziente Verhandlung sicher zu stellen.
13.1.11 Die Mediationergebnisse sind schwerer durchzusetzen als Gerichtsurteile Wird das Ergebnis der Mediation nur mit Handschlag oder einem von den beiden Parteien unterzeichneten Papier „besiegelt“, haben die Parteien aus dieser Vereinbarung einen schuldrechtlichen Anspruch. Wird die Vereinbarung von einer Seite nicht eingehalten, kann die andere Partei hieraus noch nicht vollstrecken, sondern muss erst bei einem ordentlichen Gericht einen „Vollstreckungstitel“ erwirken. Befürchtet der Rechtsanwalt, dass die Ursache des Konflikts wesentlich in finanziellen Schwierigkeiten der anderen Seite zu suchen ist, 137
Grothe, Münchner Kommentar zum BGB 5. Auflage § 203 RN 5 m.w.N.
13.1 Rechtsanwälte für Mediation wird er sich überlegen, ob er seinem Mandanten diesen Weg empfehlen kann: Ein Zahlungsanspruch, der nicht realisiert werden kann, ist nichts wert. Der Referentenentwurf des Mediationsgesetzes sieht vor, dass Mediationsvereinbarungen künftig vom Gericht für vollstreckbar erklärt werden können, sofern beide Parteien damit einverstanden sind.138 Aber auch jetzt lässt sich bereits eine Mediationsvereinbarung vollstrecken: Ist der Rechtsanwalt und Mediator zugleich eine sogenannte gerichtlich anerkannte Gütestelle gem. §§ 797a Abs.1, 794 Abs.1 Nr.1 ZPO, 15a EGZPO, 22 AGGVG wird die Vollstreckungsklausel von dem Amtsgericht erteilt, in dessen Bezirk die Gütestelle ihren Sitz hat. Sind beide Parteien anwaltlich vertreten, kann ein sogenannter Anwaltsvergleich geschlossen werden, der beim Amtsgericht hinterlegt und für vollstreckbar erklärt werden kann, § 796a ZPO. Enthält also die Vereinbarung bestimmte Verpflichtungen, kann die andere Partei, falls die Verpflichtung nicht eingehalten wird, hieraus auch vollstrecken.
13.1.12 Die Mediation „lohnt“ sich nicht Der Blick des Anwalts auch auf sein eigenes Honorar ist legitim. Hat der Anwalt eine Vergütung nach Stundenaufwand vereinbart, wird die Gesamtsumme seiner Vergütung wahrscheinlich deutlich unter dem liegen, was er bei einem über zwei Instanzen geführten Prozess einschließlich der zahlreichen Vorbesprechungen abrechnen könnte. Allerdings ist auch sein Aufwand entsprechend geringer. Rechnet der Anwalt nach RVG ab, handelt es sich um eine außergerichtliche Vertretung, für die die Geschäftsgebühr Nr. 2300-VV GVG anfällt. Diese kann zwischen 0,5 und 2,5 bestimmt werden. Kommt in der Mediation eine Vereinbarung zustande, ist zusätzlich eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 oder 1003 RVG fällig. Da der Streitstoff in der Mediation nicht auf die gegenseitigen Forderungen begrenzt ist und auch andere für die Parteien wichtige Regelungen getroffen werden können, kann es dabei zu einer Streitwerterhöhung kommen.139 Ärgerlich sind allerdings Mediationsverfahren, in denen der Rechtsanwalt – ohne hierfür extra vergütet zu werden – stundenlang warten muss, weil die Gegenseite nicht kommt, oder sich Verhandlungen hinziehen. Hier ist der Mediator – übrigens auch der Richter-Mediator – gefordert, schon aus Fairness-Gesichtspunkten alles zu unternehmen, um den Rechtsanwalt zu entlasten. Die Sorge mancher Anwälte, in der Mediation selbst den Kürzeren zu ziehen, ist aber zumindest teilweise unbegründet. Ganz davon abgese-
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Referentenentwurf Mediationsgesetz, Stand 2010-08-04, § 796d ZPO Neuenhahn, NJW 2005, 218
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13 Förderung der Mediation im Planen und Bauen hen hat der Anwalt natürlich in erster Linie das Wohl seines Mandanten im Auge. Kann er ihm mithilfe des Mediationsverfahrens eine schnelle und kostengünstige Lösung anbieten, hat er seinen Beratungsauftrag optimal erfüllt und ist sich der Anerkennung seines Mandanten sicher(er).
13.2 Gerichte für Mediation Nicht nur RichterMediation
Gesetzesänderungen in den letzten Jahren haben dazu geführt, dass sich die Mediation immer stärker auch innerhalb der „klassischen“ Justiz durchsetzt. Die Mediation durch beauftragte Richter hat nicht nur im Familienrecht Einzug gehalten. Gerade das öffentliche Baurecht eignet sich hervorragend, um komplexe Streitigkeiten – wenn schon vorher – dann aber wenigstens nach Ausbruch des Konfliktes nachhaltig in einer Mediation zu klären. Im privaten Baurecht ist die richterliche Mediation noch nicht sehr weit verbreitet. Dies hängt zum einen damit zusammen, dass auch die Mediation in diesem Bereich Zeit in Anspruch nimmt, die bei den Geschäftsverteilungen in den Gerichten nicht berücksichtigt werden können. Die Richter der Baukammern bräuchten eine Entlastung und nicht eine zusätzliche Belastung durch von ihnen selbst geführte Mediationsverfahren. Die Zivilrichter könnten aber durch geeignete Initiativen in der Öffentlichkeit – ggf. in Zusammenarbeit mit den Rechtsanwälten – dafür sorgen, dass die Parteien schon früher darüber nachdenken, ob sie nicht zunächst den Versuch der Mediation wagen, bevor sie das Gericht anrufen. Der Referentenentwurf des Gesetzes zur Förderung der Mediation140 sieht u.a. vor, dass das Gericht den Parteien künftig von sich aus eine Mediation oder ein anderes Verfahren vorschlagen kann. Entscheiden sich die Parteien hierzu, ordnet das Gericht das Ruhen des Verfahrens an.141 Auch die beabsichtigte neue Regel, dass eine Klageschrift künftig zwingend die Angabe enthalten muss, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist oder warum ein solcher Versuch unterlassen wurde,142 könnte der Förderung der Mediation dienlich sein.
13.3 Versicherungen für Mediation Aktive Förderung erforderlich
Leidtragende der Auseinandersetzungen sind nicht nur die direkt Betroffenen. Mittelbar leiden auch alle diejenigen mit, die durch die
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Referentenentwurf, Bearbeitungsstand 2010-08-04 § 278a Abs.1 ZPO Änderung zu § 253 Abs. 3 ZPO
13.4 Universitäten und Hochschulen für Mediation Störungen in der Projektabwicklung, den Zeitverlust und die Transaktionskosten mitbelastet werden. Das sind nicht zuletzt die Steuerzahler, die einen hohen Aufwand finanzieren müssen, um hoch qualifizierte Juristen auszubilden und einen Justizapparat zu unterhalten, weil sich streitende Parteien nicht anders einigen können. Indirekt betroffen ist auch die Versichertengemeinschaft. Gehen Streitigkeiten vor Gericht, müssen Betriebshaftpflichtversicherung, Berufshaftpflichtversicherung für Architekten und Ingenieure, Rechtsschutzversicherungen das volle Programm finanzieren, um Ansprüche der Gegenseite abzudecken. Dabei wissen die Versicherer genau, dass am Ende doch meist nur ein unbefriedigender Kompromiss herauskommt. Es läge im Interesse der Versicherungsgemeinschaft, alternative Konfliktlösungsmodelle zu unterstützen, um dem zu begegnen. Zum Beispiel haben die Allianz Rechtsschutz143 und ARAG144, ROLAND Rechtsschutz Österreich145 mittlerweile ausdrücklich die Mediation in ihren Rechtsschutz einbezogen. Die ausdrückliche Einbeziehung der Konfliktlösung durch Mediation auch in die Berufshaftpflichtversicherungen ist bislang noch nicht ausreichend. Wenn die Versicherer ihren Versicherungsnehmern nahelegen, zunächst die Chancen der Mediation zu nutzen, bevor man den Rechtsweg beschreitet, könnte dies der Akzeptanz der Mediation neuen Aufschub geben und die Versichertengemeinschaft – und damit auch die Versicherer selbst – von langwierigen Planungs- und Bauprozessen entlasten.
13.4 Universitäten und Hochschulen für Mediation Der Schwerpunkt der Ausbildung von Architekten und Ingenieuren liegt natürlich in den technischen Fächern. Mehr und mehr werden die Curricula auch durch betriebswirtschaftliche Themen ergänzt. Vertragsrecht ist noch immer unterbelichtet, ganz zu schweigen von Kommunikations- und Konflikttheorie und praktischer Übung. Diese Vernachlässigung der Ausbildungsschwerpunkte deckt sich nicht mit der beruflichen Wirklichkeit. Viele Architekten und Ingenieure werden, ob als Selbstständige, in Büros, in Unternehmen oder in der Verwaltung als Projektleiter tätig sein. Auf ihnen wird eine 143
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http://www.forium.de/redaktion/allianz-rechtsschutz-bietet-mediationfuer-firmenkunden/ http://www.arag.de/aktiv-rechtsschutz-komfort/v2/leistungen/index.html http://www.roland-rechtschutz.at/de/roland_rechtsschutz_oesterreich/produkte_rsat/allgemeine_tarifbestimmungen_rsat/Allgemeine_Tarifbestimmungen_1.jsp
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13 Förderung der Mediation im Planen und Bauen große Verantwortung für erfolgreiche Projektabläufe liegen. Sie werden nicht nur technisch, sondern auch kaufmännisch und vertragsrechtlich und – nicht zuletzt – sozialkompetent eine Menge Probleme zu lösen haben. Von ihren Hochschulen erhalten sie derzeit nur wenig Unterstützung; sie werden brutal in die Wirklichkeit gestoßen und müssen selbst Erfahrungen machen. Erfahrungen aber sind in der Regel nichts anderes als „geronnene Fehler“, missglückte Versuche, aus denen man mühsam für die Zukunft lernt. Fehler aber haben immer Opfer, die finanziell dafür geradestehen müssen.
Keine AlibiVeranstaltungen
Einige Hochschulen haben deshalb damit begonnen auch die „soft skills“ zu vermitteln, die die Studierenden später befähigen sollen, mit Konflikten in ihrem Beruf umzugehen. Auch für SpezialStudiengänge wie z. B. „Facility Management“ oder „Immobilienwirtschaft“ ist dies unbedingt erforderlich. Es genügt aber nicht, Verhandlungsführung und Mediation mit ein paar Stunden in den Lehrplan zu schreiben. Die Studierenden werden – wie immer – nur dann bereit sein, sich wirklich intensiv mit der Materie zu beschäftigen, wenn die Lehrinhalte auch in die Bewertung einfließen, denn sie können zu diesem Zeitpunkt noch nicht beurteilen, was sie im Berufsleben erwartet. Freiwillige Zusatzangebote werden – traurige Erfahrung des Autors – nicht ernst genommen und verpuffen, ohne dass die Gesellschaft Hoffnung haben kann, konfliktfähige Manager und Fachkräfte ausgebildet zu haben. Nur wenn die Hochschulen sich selbst aktiv zum Thema bekennen, wird sich dies ändern.
13.5 Sachverständige für Mediation Der Sachverständige ist, wie der Mediator, permanent mit Konflikten befasst. Er erlebt sie hautnah bei den Ortsterminen und fasst sich dabei gelegentlich an den Kopf: Wieso streiten sich die Parteien überhaupt wegen so etwas? Sehen die denn nicht, dass der Aufwand für Streit und Gutachten zu dem möglichen Ergebnis außer Verhältnis steht? Warum erkennen sie nicht, dass die Lösung für eine Einigung doch mit den Händen zu greifen wäre? Manch' einer möchte dann am liebsten die Parteien zusammenrufen, ordentlich die Meinung sagen und ihnen dann seine Lösung präsentieren, damit der Streit schnell zu Ende ist. Das kann gut sein für die Parteien, wenn es denen nur um eine Entscheidung geht und befriedigend für den Sachverständigen, hat aber mit einer nachhaltigen Konfliktbearbeitung durch die Parteien selbst nichts mehr zu tun. MediationsHandwerkszeug einsetzen!
Mitunter wird es aber schon genügen, wenn der Sachverständige mediative Elemente seiner Arbeit einbringt. Wer als Sachverständiger gelernt hat, aktiv zuzuhören, die Interessen hinter den Positionen zu
13.5 Sachverständige für Mediation erforschen und in der Lage ist, mit den Parteien strukturiert die sie berührenden Punkte zu besprechen, wird mehr Erfolg haben.146 Was passiert, wenn der Sachverständige einen substantiellen Beitrag zur Konfliktlösung leisten will, ohne dass die Parteien ihn darum gebeten haben, eine solche Rolle einzunehmen, zeigt eine Entscheidung des OLG Celle147 in einem selbstständigen Beweisverfahren wegen Baumängeln: Beispiel Sachverständige als Konfliktlöser: Der Sachverständige rief den Anwalt des öffentlichen Auftraggebers an und schlug ihm vor, parallel zu seiner Gutachtenerstellung dem Auftragnehmer bereits Gelegenheit zur Mängelbeseitigung zu geben. Das Beweisverfahren diene doch der Mängelbeseitigung und diese liege schließlich auch im Interesse des Auftraggebers. Das wollte der Anwalt jedoch nicht. Es stehe dem Auftraggeber schließlich frei, Drittfirmen mit der Mängelbeseitigung zu beauftragen und den Auftragnehmer auf Schadenersatz in Anspruch zu nehmen. Der Sachverständige schilderte, dass das im schlimmsten Falle die Insolvenz der Prozessbeteiligten bedeuten könne und dass ein öffentlicher Auftraggeber so etwas doch auch berücksichtigen müsse. Der Prozessbevollmächtigte ließ sich nicht von seiner Haltung abbringen. Der Sachverständige reagierte verärgert und beendete kurz angebunden das Telefongespräch. Ergebnis: Befangenheitsantrag des Prozessbevollmächtigten und Beschluss des Gerichts, der Sachverständige habe die Grenzen des ihm vom Gericht erteilten Auftrages erheblich überschritten. Wahrscheinlich gut gemeint – aber das Aus für den Sachverständigen! Im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens sind dem Sachverständigen eben enge Grenzen gesetzt, die er nicht überschreiten darf. Gleiches gilt in einem Schiedsverfahren und im Prinzip auch in der Mediation, wenn die Parteien sich lediglich auf die technische Klärung einer Sachfrage durch den Sachverständigen geeinigt haben.148 Wenn der Sachverständige also über seine Rolle hinaus auch Verantwortung für den Prozess der Konfliktlösung übernehmen will, geht
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Hauck, Ulrich/Andresen, Sabine, Sachverständigentätigkeit und mediative Arbeitsweise – passt das zusammen?, Spektrum der Mediation 382010,18 OLG Celle vom 15.05.2007, DS 2007,389 Hammacher, Zusammenarbeit von Rechtsanwälten mit BauSachverständigen im selbständigen Beweisverfahren, Schiedsverfahren und in der Mediation, in: Der Bausachverständige 2008 Heft 3, 46
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13 Förderung der Mediation im Planen und Bauen dies nur, wenn die Parteien sich darauf verständigt haben. Es kommen in Betracht:
SV als Schiedsrichter
1. Ein Sachverständiger wird von den Parteien im Rahmen eines Schiedsverfahrens zum Schiedsrichter ernannt. Das wird in einer juristisch geprägten Szene eher selten der Fall sein, ist aber keineswegs ausgeschlossen, z. B. in einem mit zwei Personen besetzten Kollegium, in der eine schwerpunktmäßig den rechtlichen und der andere schwerpunktmäßig den technischen Part übernimmt.
SV als Entscheider
2. Dem Sachverständigen wird von den Parteien aufgrund seiner Fachkompetenz partielle Entscheidungsmacht eingeräumt. Das kann geschehen, indem der Sachverständige von den Parteien mit der Erstellung eines Schiedsgutachtens beauftragt wird, dem sie sich unterwerfen. In diese Kategorien gehört auch die Bestellung als Schlichter oder wie jetzt m. E. zu Recht verstärkt diskutiert wird, als Adjudikator.149 Dies kann auch jenseits von Großprojekten für die Konfliktbeilegung fruchtbar sein. Investoren z. B., die die Baubegleitung und Begleitung der Abnahme durch einen neutralen Sachverständigen versprechen, könnten mit den Käufern auch vereinbaren, dass der Sachverständige im Falle von behaupteten Mängeln diese auf ihre Relevanz prüft, ggf. die Nacherfüllung anordnet oder sie bewertet und einen Minderwert zuspricht.
SV als Mediator
3. Ein Sachverständiger wird selbst zum Mediator – alleine oder in einem Mediationsteam, z. B. zusammen mit einem Juristen. Dann muss er sich aber darüber im Klaren sein, dass – anders als bei den streitigen Verfahren – die Parteien die Lösung ihres Konfliktes selbst erarbeiten sollen. Der Mediator ist nicht berufen, Recht zu sprechen oder einen Kompromissvorschlag auf der Basis seiner Bewertung des Streitstoffes zu unterbreiten, es sei denn, die Parteien wünschen dies. Damit bleibt die Verantwortung für die Bewältigung des Streitstoffs bei den Parteien, der Mediator übernimmt die Verantwortung für den Lösungsprozess. Der Mediator muss deshalb in erster Linie Fähigkeiten der Prozesssteuerung, Kommunikation, Einfühlung etc. besitzen; das sind Fähigkeiten, die man z.T. erlernen kann, ohne dabei unbedingt Kenntnisse zu dem streitigen Thema haben zu müssen. Branchenkenntnis oder Sonderkenntnisse in der zu behandelnden Materie wirken sich jedoch positiv auf die Verhandlungsführung, vor allem auf die Akzeptanz des Mediators aus. Die Parteien fühlen sich besser verstanden, wenn ihre Probleme auf Sachverständnis auch der Mediatoren treffen und diese durch die richtige Umformulierung der Fragen auch die andere Partei für das Thema interessieren können. Wenn der Sachverständige sich entsprechend hat ausbilden lassen, kann er deshalb durchaus ein guter Mediator sein, sofern er das Verfahren nicht mit seiner – bei Sachverständigen gelegentlich anzutreffenden – außergewöhnlichen Persönlichkeit, dominiert. Arbeitet der Sachverständige mit einem Co-Mediator im Team, 149
Lembcke, Systematisches Konfliktmanagement durch den Bausachverständigen als Adjudikator, DS 2009,217
13.6 Ingenieure und Architekten für Mediation
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können sich die Mediatoren gegenseitig stützen, kontrollieren und gemeinsam fruchtbare Ideen entwickeln, wie sie die Verhandlungen der Parteien zu einem guten Abschluss führen können.
13.6 Ingenieure und Architekten für Mediation Ingenieure und Architekten – ob in Büros, in Unternehmen oder in der Verwaltung – sind die Leidtragenden einer Streitkultur, die auf Beharren, Bekämpfen und Beschuldigen statt auf gemeinsamer Suche nach Lösungen beruht. Sie müssen ausbaden, dass wir nicht gelernt haben, uns zuzuhören, statt uns anzugreifen, in der Kontroverse die Chance auf Entwicklung zu sehen, statt danach zu streben, den anderen zu besiegen. Versuchen Sie es! Beziehen Sie die Mediation in Ihre Planung mit ein, bei größeren Bauvorhaben, bei Investitionen, bei Planverfahren. Denken Sie an die Mediation, wenn Sie beim nächsten Mal in einen Konflikt einbezogen werden und wagen Sie den Vorschlag einer Mediation, statt gleich Richtung Gericht zu marschieren. Wenden Sie die Grundzüge der Mediation in Ihrer Praxis an! Sie werden sehen: So funktioniert Mediation im Planen + Bauen!
Mehr Erfolg!
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14 Muster mit Kommentierung
14.1 Mediationsklausel zur Aufnahme in Verträge Vorausschauende Vertragsgestaltung berücksichtigt die Möglichkeit, dass es zwischen Vertragsparteien zu Streitigkeiten kommen kann, die sie alleine nicht mehr lösen können. Handelt es sich um Kaufleute, sieht die ZPO die Möglichkeit vor, sich auf ein bestimmtes ordentliches Gericht zu verständigen, von dem der Streit entschieden werden soll. In vielen Bauverträgen finden sich darüber hinaus Klauseln, in denen Schiedsgerichte ordentlichen Gerichten vorgezogen werden. Gelegentlich finden sich auch Schiedsklauseln, in denen bestimmte Themen einem Sachverständigen zur verbindlichen oder zumindest vorläufigen Entscheidung übertragen werden. Hält man wie wir eine Mediation im Bereich Planen und Bauen für sinnvoll, sollte auch diese schon bei Abschluss des Hauptvertrages vereinbart werden. Sie könnte etwa wie folgt lauten: Beispiel: „Die Parteien werden versuchen, alle Meinungsverschiedenheiten, die bei der Durchführung dieses Vertrages auftreten, gütlich durch Verhandlungen zu lösen. Gelingt es den Parteien nicht, ihre Meinungsverschiedenheiten binnen 30 Tagen nach der Aufforderung zur Aufnahme von Verhandlungen gütlich beizulegen, werden sie ein Mediationsverfahren durchführen. Entsprechendes gilt, wenn die Verhandlungen nicht binnen 30 Tagen nach Zugang der Aufforderung aufgenommen werden. Als Mediator werden entweder einzeln oder gemeinsam berufen: …………………………… Durch diese Vereinbarung ist keine Partei gehindert, ein gerichtliches Eilverfahren, insbesondere ein Arrest- oder einstweiliges Verfügungsverfahren durchzuführen. Kommt kein Mediationsverfahren zustande oder führt es nicht zum Erfolg, entscheiden die ordentlichen Gerichte. Zuständiges Gericht ist .................“ Die genannten Fristen sollen die Parteien veranlassen, sich zügig um die Beilegung ihres Streites zu kümmern und die Mediation nicht dazu zu missbrauchen, lediglich Zeit zu schinden. Natürlich sind die Fristen auch verlängerbar. P. Hammacher et al. So funktioniert Mediation im Planen + Bauen, DOI 10.1007/978-3-8348-8124-3_14, © Vieweg+Teubner Verlag |Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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14 Muster mit Kommentierung Es macht auch Sinn, sich bereits in diesem konfliktfreien Stadium auf Personen zu einigen, die das Vertrauen beider Seiten genießen. Vorsicht ist geboten, wenn eine Partei ein Vertragsmuster verwendet, in das sie bereits einseitig Namen einträgt, ohne dass dies später zwischen den Parteien ausgehandelt wird. Hier besteht die Gefahr, dass ein Gericht diese Klausel als allgemeine Geschäftsbedingung wertet und die einseitige Benennung für unwirksam erklärt. Für die einseitige Benennung eines Schiedsrichters in einer Schiedsgerichtsklausel in dem Vertrag zwischen Bauträger und Verbraucher hat dies der BGH so entschieden.150 Die Folge ist zwar nicht, dass die Schiedsklausel insgesamt unwirksam wird, aber die belastete Partei kann beantragen, dass der in der Klausel genannte Schiedsrichter durch ein Gericht ersetzt wird, § 1034 II1 ZPO, was natürlich das Verfahren erheblich kompliziert und in die Länge zeiht.. Für Schiedsvereinbarungen, an denen kein Verbraucher beteiligt ist, gilt dies nicht. Da der Mediator gerade keine Entscheidung zugunsten oder zulasten der Parteien treffen kann, greifen die Überlegungen zur Benennung eines Schiedsrichters m. E. für die Mediationsklausel grundsätzlich nicht. Zwar verliert der Vertragspartner dessen, der die AGB verwendet auch hier jeden Einfluss auf die Auswahl des Mediators. Dies hat für ihn aber nur relativ geringe Auswirkungen. Er kann ggf. nach der ersten Mediationssitzung das Verfahren beenden. Wenn bei Vertragsschluss die Personen noch nicht benannt werden können, lässt sich alternativ auch so formulieren: Beispiel: „Die Parteien vereinbaren, innerhalb von vier Wochen nach Vertragsschluss zwei Mediatoren zu benennen, wobei ein Mediator Jurist und der andere Ingenieur sein soll. Können sich die Parteien nicht einigen, soll der Vorstand des Bundesverbandes Mediation e.V. zwei Mediatoren vorschlagen“ Eine verpflichtende Benennung von Mediatoren durch einen Dritten ist ebenfalls möglich. So wird bei Schiedsverfahren, die aus drei Schiedsrichtern bestehen, oft der Dritte von einem Gericht oder Institution wie z. B. der Deutschen Institution bestimmt, wenn der Vertrag dies so vorsieht. Da die Mediation aber wesentlich auf dem Gedanken der Freiwilligkeit aufbaut, möchten wir es bei einem Vorschlag bewenden lassen. Die Passage über das gerichtliche Eilverfahren sollte aufgenommen werden, um hierüber keine unnötigen Diskussionen hervorzurufen. 150
BGH, NZBau 2007, 298
14.1 Mediationsklausel zur Aufnahme in Verträge Wird die Klausel als allgemeine Geschäftsbedingung verwendet, muss sie dem Transparenzgebot entsprechen, § 307 Abs.1 S. 2 BGB). Das kann dazu führen, dass ein Gericht die Klausel für nicht ausreichend hält, weil sie z. B. nichts über die Verfahrensregeln und Kosten etc. aussagt.151 Deshalb macht es möglicherweise Sinn, auf eine bereitliegende Verfahrensordnung zu verweisen oder zusätzlich wenigstens etwas über die Kosten des Verfahrens aufzunehmen. Ich neige dazu, die Mediationsklausel offen zu halten, statt den Vertrag wieder mit formal-juristischen Themen zu überfrachten. Entweder die Parteien kommen freiwillig und bereitwillig in die Mediation oder sie lassen es. Die Mediationsklausel sollte deshalb anders als die Schiedsklausel auch nicht als Hinderung für die Einleitung eines Gerichtsverfahrens verstanden und missbraucht werden. Wenn eine Partei der anderen angeboten hat, ein Mediationsverfahren durchzuführen, muss das genügen. Wenn diese dann – aus welchen Gründen auch immer – nicht innerhalb der vereinbarten Frist zustande kommt, muss die Partei frei sein, ein Gericht anzurufen. Die andere Partei kann sich dann nicht darauf berufen, dass das vereinbarte Mediationsverfahren vorrangig sei und noch nicht stattgefunden habe. Für den Fall, dass die Mediation nicht zustande kommt oder scheitert, können die Parteien auch ein Schiedsgericht vorsehen. Wenn die Parteien dies wünschen, kommen auch die Mediatoren als Schiedsrichter in Betracht. Diese Klausel könnte etwa so lauten:152 Beispiel: „Kommt kein Mediationsverfahren zustande oder führt es nicht zum Erfolg, werden alle Streitigkeiten, die sich im Zusammenhang mit dem Vertrag (... Bezeichnung des Vertrages ...) oder über seine Gültigkeit ergeben, werden nach der Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e. V. (DIS) unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges endgültig entschieden. Der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens ist … Die Mediatoren werden zu Schiedsrichtern des Schiedsverfahrens benannt. Das anwendbare materielle Recht ist … Die Sprache des schiedsrichterlichen Verfahrens ist …“
151 152
LG Heilbronn 2010-09-10, Az. 4 O 259/09, nach DAV-Depesche Nr. 45 Vgl. Schiedsklausel der DIS http://www.dis-arb.de/
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200
14 Muster mit Kommentierung
14.2 Vereinbarung über die Durchführung des Mediationsverfahrens Zu Beginn des Mediationsverfahrens sollten sich die Parteien auf bestimmte Regeln, die es einzuhalten gilt, verständigen. Der Abschluss der Vereinbarung, auch „Arbeitsbündnis“, um die juristische Terminologie zu vermeiden, ist bereits ein erster Schritt hin zu einer Verständigung, denn es ist der erste Ausdruck des Willens der Parteien, gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten. Soll dieses Arbeitsbündnis erst nach der Auftragsklärung geschlossen werden, macht es Sinn, die Ziele der Parteien bereits in das Papier aufzunehmen. Beispiel: „Arbeitsbündnis zwischen …… und ……. Die Medianden haben sich entschlossen, ein Mediationsverfahren unter Leitung der Mediatoren Frau ……………. und Herrn …………… durchzuführen. Die Medianden möchten folgende gemeinsame Ziele erreichen: 1. ……………. 2. ……………. Die Medianden verpflichten sich, – absolute Vertraulichkeit über die Inhalte des Mediationsverfahrens gegenüber jedwedem Dritten zu wahren. Dies gilt über die Beendigung des Verfahrens hinaus. Informationen über Sitzungsinhalte und Ergebnisse werden nur im gegenseitigen Einverständnis weitergegeben, – sich um einen fairen und offenen Umgang zu bemühen, was bedeutet: sich gegenseitig ausreden zu lassen, dem anderen zuzuhören und auf abwertende Äußerungen und Zwischengespräche zugunsten einer sachlichen Diskussion zu verzichten, – zuzustimmen, dass die Mediatoren die Gesprächsleitung haben. Die Beteiligten haben verstanden, dass die Mediatoren die Suche nach selbst verantworteten und für alle akzeptablen Lösungen unterstützen und keine rechtliche oder fachlich beratende Funktion haben, es sei denn, dass alle Medianden dies wünschen, – alle Informationen, die für die Lösung des Konflikts relevant sind, den anderen Beteiligten und den Mediatoren ohne Einschränkung offen zu legen,
14.2 Vereinbarung über die Durchführung des Mediationsverfahrens – zuzustimmen, dass keine Einigung zu einem Thema verbindlich ist, bevor nicht insgesamt alle Probleme geklärt sind und eine Vereinbarung getroffen ist, – jeden Schritt außerhalb der Mediation daraufhin zu überprüfen, ob er geeignet ist, die gemeinsamen Ziele zu fördern, – die Mediatoren in einem eventuellen späteren Schiedsgerichts- oder Gerichtsverfahren weder als Zeugen noch als Sachverständige zu benennen, noch von ihnen Dokumente herauszuverlangen, – den Mediatoren gemeinsam ein Honorar in Höhe von EUR …….,-/Std. zzgl. MwSt. zu schulden, wobei die Kosten bis zum Abschluss einer anderslautenden Vereinbarung im Innenverhältnis von jedem Medianden zu ….. % getragen werden sollen. Abgerechnet wird pro angefangene Stunde, pro Sitzung oder pro Erstellung von Protokollen, Klärung der Rechtslage, Erstellung von Gutachten oder Vertragsentwürfen etc., wenn die Mediatoren hiermit ausdrücklich beauftragt werden, – die Mediatoren spätestens 48 Stunden zuvor zu unterrichten, sollte einer der Beteiligten einen vereinbarten Termin nicht einhalten können. Gleiches gilt umgekehrt für die Mediatoren, – dass die Teilnahme an der Mediation ist freiwillig. Alle Beteiligten, auch die Mediatoren, können jederzeit das Mediationsverfahren ohne Angaben beenden; der Schriftform bedarf es nicht, doch sollen die Mediatoren den Parteien das Datum der Beendigung des Verfahrens schriftlich bestätigen. ………., den ………….. „ Zu 1–2, Die Regeln über Vertraulichkeit und Umgang miteinander 4,10 sind selbst erklärend. Zu 3
Die Frage, welche Aufgabe die Mediatoren übernehmen sollen, ist Gegenstand der Auftragsklärung. Es kann sein, dass die Parteien eine aktive Rolle des Mediators bevorzugen, in der er auch Einigungsvorschläge unterbreitet. Das mag insbesondere dann der Fall sein, wenn der Mediator über besondere Sachkenntnis verfügt.
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Die Problematik von Zwischenvereinbarungen ist oben angesprochen.
Zu 6
Eine Regel, die einem Appell sehr nahe kommt, macht dort Sinn, wo die Parteien in ständigem Kontakt stehen und die
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202
14 Muster mit Kommentierung Gefahr besteht, dass sich der Streit auch auf die übrigen Beziehungen auswirkt. Zu 7
Die Klausel schützt vor allem Mediatoren, die keine Anwälte sind und die deshalb nicht der beruflichen Verschwiegenheit unterliegen.
Zu 8
Selbstverständlich sind auch andere Vergütungsvereinbarungen möglich. Wichtig ist auch hier die Transparenz der Vereinbarung.
Zu 10
Der abschließende Hinweis auf die Freiwilligkeit der Mediation erinnert nochmals an den Charakter des Verfahrens. Gleichzeitig ermöglicht er den Mediatoren die Beendigung des Verfahrens ohne Begründung. Mögliche sich aus §§ 620, 626, 627 BGB ergebende Schwierigkeiten bei der Kündigung des Dienstvertrages sollen dadurch vermieden werden. Ist das Mediationsverfahren zugleich ein Schlichtungsverfahren, wird damit zugleich gesetzlichen Regeln Rechnung getragen.153 Das Datum hat ggf. auch Auswirkungen auf das Ende gehemmter Fristen, § 204 BGB.
14.3 Checkliste für eine Abschlussvereinbarung Die getroffene Vereinbarung ändert die bisherige Rechtslage. Die Vereinbarung ist die Basis für die künftige Zusammenarbeit und Handlungsanweisung für die Vertragsparteien. Die Vereinbarung darf deshalb keine neuen Unklarheiten schaffen. Jeder Fall ist anders, deshalb wäre ein Beispiel hier nur bedingt nützlich. Stattdessen soll die folgende Checkliste dabei helfen zu überprüfen, ob alle wichtigen Punkte in die Abschlussvereinbarung eingeflossen sind:
Checkliste
Checkliste 14.1 Abschlussvereinbarung
•
Ort und Zeitpunkt der Mediationssitzung an der die Vereinbarung getroffen wurde
•
Wie heißen die Parteien?
•
Ist die Rechtsform der Parteien richtig bezeichnet (sonst ggf. Verwechslungsgefahr)?
•
Sind die Parteienvertreter aufgeführt und richtig bezeichnet?
•
Sind ggf. auch die Rechtsanwälte aufgeführt und richtig bezeichnet?
153
Vgl. § 11 SchlG BW
14.3 Checkliste für eine Abschlussvereinbarung •
Welche Streitigkeit wurde beigelegt?
Beispielformulierungen: „Die Parteien streiten sich über Forderungen der A…. gegen die B …. aus dem Bauprojekt“ „Die Parteien haben sich in der Mediation über folgende Punkte geeinigt:“ • „Nicht Gegenstand dieser Vereinbarung ist …...“ „Die Parteien sind sich darüber einig, dass ….. durch den Abschluss der Vereinbarung unberührt bleiben.“ •
Nur kurze und einfache Sätze formulieren, Schachtelsätze vermeiden.
•
Wenn außer einer deutschen auch eine fremdsprachliche Version angefertigt werden soll: Welche der Vereinbarungen soll verbindlich sein? Wer übersetzt?
•
Nur Begriffe verwenden, die allen Parteien bekannt sind und keiner Erklärung oder Auslegung durch Dritte bedürfen.
•
Ist alles enthalten, worüber die Parteien eine Vereinbarung getroffen haben?
•
Haben die Parteien darüber gesprochen, wie die Vereinbarung umgesetzt werden soll?
•
Ist vereinbart worden, wie die Einhaltung der Vereinbarung überwacht wird?
•
Gibt es Termine, zu denen bestimmte Eckpunkte der Vereinbarung eingehalten sein müssen, etwa einen Terminplan? Ist er in die Vereinbarung aufgenommen, bzw. wird in der Vereinbarung auf den Terminplan verwiesen und ist er als Anlage beziffert und beigefügt?
•
Wurde eine bestimmte Erklärung in einem bestimmten Wortlaut vereinbart? Ist sie in die Vereinbarung aufgenommen, bzw. wird in der Vereinbarung auf den sie verwiesen und ist sie als Anlage beziffert und beigefügt?
•
Soll die Vereinbarung bestimmten Personen zugesandt werden?
•
Soll die Vereinbarung rechtskräftig werden oder soll sie noch von jemandem genehmigt werden, z. B. der Geschäftsführung, dem Aufsichtsrat etc.?
•
Tritt die Vereinbarung sofort in Kraft oder bedarf es noch auslösender Momente? Beispielformulierung: „Mit Eingang der Zahlung der B auf dem Konto der A treten sämtliche Punkte dieser Vereinbarung in Kraft.“
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14 Muster mit Kommentierung •
Soll mit der Vereinbarung alles abgegolten werden (sogenannte Generalquittung)?
Beispielformulierung: „Mit Inkrafttreten dieser Vereinbarung sind sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus dem o. a. Projekt, mit Ausnahme von … endgültig abgegolten.“ • Sind alle Anlagen richtig bezeichnet? •
Wie viel Original-Exemplare der Vereinbarung werden gefertigt, wie viele Kopien?
•
Sind alle Exemplare unterzeichnet?
•
Wenn die Exemplare im Rundlauf unterzeichnet werden sollen: Wer übernimmt den Versand? In welchem Zeitraster soll die Prozedur abgeschlossen werden?
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15 Literaturverzeichnis Allmeyer-Beck, Max Josef, ADR im Wohnungseigentum, ZKM 2003,260 Amann, Rolf/Burdenski, Hubert, Was ist eine Baugruppe? http://www.amannburdenski.de/fileadmin/pdf/Amann-Burdenski_ Was_ist_eine_Baugruppe.pdf Bastine/Ripke in Falk u. a. (Hrsg.) Handbuch Mediation und Konfliktmanagement, VS Verlag für Sozialwesen, Wiesbaden, 2005, S. 133, 137 Boochs, Mediation im Steuerrecht, DStR 2006, 1062 Chew, Andrew, Relationship-based contracting in public-private partnerships: Better value for money for government, Bilfinger-Berger Award, Sydney, Australia 2007 Dienel, Peter, Partizipation an Planungsprozessen als Aufgabe der Verwaltung, in: Die Verwaltung 4, H.2 Ditges,Thomas, Mediation und Rechtsstreit – ein Kosten-Effizienzver-gleich, IDR Journal of International Dispute Resolution 2005,74 Duve, Christian, Streitregulierung im Bauwesen, Werner Verlag, Köln, 2007 Eidenmüller, Horst, Prozessrisikoanalyse in der Praxis, ZKM 2007,115 Erzigkeit, Ilse, Die Bürger sind frühzeitig über die Ziele der Planung zu unterrichten, in Achim Schüssler (Hrsg.) von unten – von oben, 2005 Erzigkeit, Ilse, Prozessbegleitende Mediation bei der Ansiedlung eines Einkaufszentrums, in: Spektrum der Mediation 21/2006 Erzigkeit, Ilse, Konfliktprävention bei Planungs- und Bauvorhaben, Spektrum der Mediation 30/2008,22 Erzigkeit, Ilse, Stadtentwicklung und Mediation, Spektrum der Mediation 38-2010,35 Falk, Gerhard/Pruckner, Martina, in Falk, Gerhard/Heintel, Peter/Krainz, Ewald (Hrsg.) Handbuch Mediation und Konfliktmanagement, VS Verlag für Sozialwesen, Wiesbaden, 2005, S. 113, 126 Flucher, Thomas/Köchendörfer, Bernd/von Minckwitz, Ursula/Viering, Markus (Hrsg.), Mediation im Bauwesen, Ernst & Sohn, Berlin, 2002 Gehle/Wronna, Der Allianzvertrag – Neue Wege kooperativer Verlagsgestaltung, BauR 2007, 2 Geis, Anna, Regieren mit Mediation, Das Beteiligungsverfahren zur zukünftigen Entwicklung des Frankfurter Flughafens, 2005 Glasl, Friedrich, Selbsthilfe in Konflikten, 4. Aufl., Verlag freies Geistesleben, Berlin/Stuttgart/Wien, 2002 Glasl, Friedrich/Ballreich, Rudi, Mediation im Bewegung, Concadora-Verlag, Stuttgart, 2007 Gollenia, Mirjam C./Raberger, Günther, Mediation aus Sicht der Psychologie in Flucher u. a., S. 59 ff Gralla, Mike, IBR 2005,189 P. Hammacher et al. So funktioniert Mediation im Planen + Bauen, DOI 10.1007/978-3-8348-8124-3, © Vieweg+Teubner Verlag |Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
206
15 Literaturverzeichnis
Gralla, Mike/Sundermeier, Matthias; Außergerichtliche Streitlösung im Expertenverfahren, Der Bausachverständige 3-2008, 59 Gronemeyer, Steffen, Mediation im öffentlichen Bereich – Konkurrenzgerangel? BauR 2007,1 Güntzer, Karl-Heinz/Hammacher, Peter, Handbuch der Auftragsabwicklung 4. Aufl., GHCVerlag, Heidelberg, 2011, www.ghc-verlag.de Gurbisz, Christian, Mediation im Baurecht, Diplomarbeit FH Hessen, 2005 Hammacher, Peter, Sachverständige, DIN und Konfliktprävention, Der Bausachverständige 62007, 34 Hammacher, Peter, Mediation in Bausachen Konflikte am Bau vermeiden und lösen, Der Bausachverständige 1-2008, 48 Hammacher, Peter, Rechtsanwälte: Widerstand gegen Mediation abbauen! Zeitschrift für Schiedsverfahren, SchiedsVZ 2008, 30 Hammacher, Peter, Der Sachverständige im Beweisverfahren im Schiedsverfahren und in der Mediation, Der Bausachverständige 3-2008, 46 ff Hammacher, Peter, Konfliktprävention durch präventive Vertragsgestaltung, Spektrum der Mediation 30/2008, 14 Hammacher, Peter, Jetzt mal Praktisch: Mediation im Bauwesen, Der Sachverständige DS 2010,16 Hammacher, Peter, Zur Vereinbarkeit von Adjudikation und Mediation, Der Bausachverständige 3-2010,46 Hatlapa, Christoph/Sander, Katharina, Mediation in Stellvertretung, Spektrum der Mediation 2007, 15 Hauck, Ulrich/Andresen, Sabine, Sachverständigentätigkeit und mediative Arbeitsweise – passt das zusammen?, Spektrum der Mediation 38- 2010,18 Haynes, John, Eine Auseinandersetzung zwischen Geschäftspartnern, die Bagels-Firma in Haynes/Mecke/Bastine/Fong, Mediation – vom Konflikt zur Lösung, Klett-Cotta, Stuttgart, 2004, S. 46, Holznagel, Bernd/Ramsauer, Ulrich, Mediation im Verwaltungsrecht in Haft/Schlieffen, Handbuch der Mediation, Beck Verlag, München 2002, S. 1124 Jahn,Steffen Chancen und Grenzen der Adjudikation aus der Sicht des Praktikers, wernerbaurech online Konfliktforum, 2010 Kaiser, Hintergründe, Vorbeugung und Entschärfung von Konflikten in Organisationen des Sozial- und Gesundheitswesens, in Dieter u. a., S. 134 ff Kanngießer, Antje, Mediation zur Konfliktlösung bei Planfeststellungsverfahren, KovacVerlag, Hamburg, 2004, S. 58 Keldungs/Tilly, Beweissicherung im Bauwesen, Verlag Vieweg + Teubner, Wiesbaden, 2006 Kessen, Stefan/Troja, Markus, Die Phasen und Schritte der Mediation als Kommunikationsprozess in Haft/Schlieffen, Handbuch der Mediation, München 2002, S. 393ff Kraus, Steffen, Mediation im Privaten Baurecht in Haft/Schlieffen, Handbuch der Mediation, Beck Verlag, München, 2002, S. 967 ff
15 Literaturverzeichnis
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Lembcke, Dispute Adjudication – Vorbild für die Konfliktbewältigung in Deutschland? NZBau 2007, 273 Lembcke, Moritz, Bauprozesse-Wenn der Rechtsstaat zum Problem wird, ZRP 2010,260 Maier, Nachhaltige Stadtentwicklung als neue Herausforderung von Umweltkommunikation und sozialer Arbeit, in Maier, Konrad/Michelsen, Gerd (Hrsg.), Nachhaltige Stadtentwicklung, Vas-Verlag für Akademische Schriften, Bad Homburg, 2003 Müller/Schwartz, Vergangenheit in der Mediation, ZMK 2005,165 Nelle, Andreas/Hacke, Andreas, Obligatorische Mediation: Selbstwiderspruch, in: ZKM 2001, 56 ff Neuenhahn, Hans-Uwe/Neuenhahn, Stefan, Die Begleitung des Menschen durch den Rechtsanwalt in der Mediation – eine neue Dienstleistung des Anwalts, NJW 2005, 1244 Neuenhahn, Hans-Uwe, Erarbeitung der Prozessrisikoanalyse und deren Einsatz in der Mediation, ZKM 2002,245; Jost/Neumann, Etablierung der Mediation durch die Anwaltschaft!, ZKM 2009,164; Niedostadek, André, Praxishandbuch Mediation, Richard Boorberg Verlag, Stuttgart 2010. Ortloff, Karsten-Michael, Europäische Streitkultur und Mediation im deutschen Verwaltungsrecht, NVwZ 2007, 33 Ortloff, Karsten-Michael, Mediation und Verwaltungsprozess, in: Haft/Schlieffen, Handbuch der Mediation, Beck Verlag, München 2002, S. 762 Renn, Ortwin, Kooperative Verfahren zur Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung, in: Fischer, Andreas/Hahn, Gabriela, Vom schwierigen Vergnügen einer Kommunikation über die Idee der Nachhaltigkeit, VAS Verlag für Akademische Schriften, Bad Homburg, 2001, S.122 ff Rosenberg, Marshall B., Gewaltfreie Kommunikation Eine Sprache des Lebens, 6. Aufl., Jungfermann Verlag Paderborn, 2005 Rüssel, Ulrike, Mediation in komplexen Verwaltungsverfahren, Baden-Baden 2004 Schäfer, Lars, Mediation im öffentlichen Bereich braucht gesetzliche Regeln, NVwZ 2006, 39 Schlehe,Volker, Der Bausachverständige als Schiedsgutachter und Mediator, DS 1-2/2010,10 Schwatlo,Winfried RICS-Cross Border Adjudikation in 2010 erfolgreich durchgeführt, werner-baurecht Konfliktforum Stieß, Immanuel, Nachhaltiges Sanieren im Quartier-Wohnungs-unternehmen und intermediäre Akteure, eine zukunftsweisende Allianz, in: Maier/Michelsen (Hrsg.), Nachhaltige Stadtentwicklung, Vas-Verlag für Akademische Schriften, Bad Homburg, 2003 Straube, Roland/Leuschner, Hans/Müller, Petra, Konfliktmanagement für Projektleiter, HaufeVerlag, Freiburg, 2007 Stubbe,Christian, Konfliktmanagement-bedarfsgerechte SchiedsVZ 2009,321
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209
Sachwortverzeichnis A Abnahme 101, 102, 103, 113 – verweigerte 105 Abschlussvereinbarung 202 Adjudikation 36, 43, 50 Adjudikator – Auswahl 45 Allgemein anerkannte Regeln der Technik 102, 103 Alliancing 159 Anerkennung 107 Anhörungsverfahren 66 Arbeitsbündnis 200 Architekt 135, 155, 163, 195 Aufteilungsmaßstab – neutraler 149 Auftraggeber 89, 93, 95, 97 Auftragnehmer 89, 93, 94, 97 Auftragsabwicklung 92 Ausführungs-Phase 158
B BATNA 148 Baubeschreibung 103 Baubeteiligte 92 Baugemeinschaft 153 Baugenehmigung 69 Baugruppe 153 Bauleitplanverfahren 59 Bauträger 103, 104, 116 Bauträgervertrag 102 Bebauungsplanverfahren 61 Bedürfnis 105, 107 – Verletzung 107 Beschaffenheit – mittlerer Art und Güte 102 – vereinbarte 104 Beteiligungsverfahren 65
Beweislast 101 Beziehungsfrage 114 Bezugsebene 112 Bundesverband für Mediation e. V. 187 Bürgerbeteiligung 84 Bürgerinitiative 62
C Checkliste 90, 96, 202 Compliance 89
D Dauer-Mediation 118 Debatte 110 – konstruktive 166 Diskussion – sachorientierte 97 Diskussionsstufe 99 Drohung 110
E Eigentümerversammlung 171 Eigentumswohnung 103, 104 Einfühlung 187 Einigungsvorschlag 151 Einzelthema 128 Element – mediatives 184 Empowerment 25 Engineer 40 Entscheidungsmacht 17 Erörterung – telefonische 123 Erwerber 116 Eskalation 62 Eskalationsleiter 114 Eskalationsspirale 111 Eskalationsstufe 109
P. Hammacher et al. So funktioniert Mediation im Planen + Bauen, DOI 10.1007/978-3-8348-8124-3, © Vieweg+Teubner Verlag |Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Sachwortverzeichnis
Gefahrübergang 101 Gefühlsebene 111, 112 Gefühlskonflikt 117 Geld 139 Gerechtigkeit 10, 44, 142, 170, 180 Gerechtigkeitsgefühl 147 Gerichtsverfahren 51 Geschäftsführung 165 Gesellschafterstellung 164 Gesetz der Ebenen 28 Gesichtsverlust 110 Gewährleistungseinbehalt 101
Kommunikation – gewaltfreie 112, 117 Kommunikationsaufgabe 113 Konflikt – heißer 114 – kalter 114 Konfliktfähigkeit 184 Konfliktfeld – typisches 93, 163 Konfliktmanagement 157 Konfliktmanagementordnung 38 Konfliktprävention 90 Konsens-Fähigkeit 22 Konsens-Wille 24 Koordination 160 Kosten 53, 54, 55, 189 – Mediation 56 – ordentliches Gericht 54 – Schiedsgericht 56 – Schlichtung 55
H
L
Handlungsaufforderung 112 Harvard-Konzept 105 Hauptphase 132 Hausverwalter 169, 174, 175 High-Low-Arbitration 152
Last-Offer 152 Lösung – vorläufige 108 Lösungsoption 98
I
Macht 113 Machtausgleich 33 Machtgefälle 31, 92 Machtverhältnis 31 Mangel 101 Mangelbeseitigung 116 MedArb 37, 91, 152 Mediand 96 Mediation im öffentlichen Bereich 59 Mediationsergebnis – Bindungswirkung 75 Mediationsklausel 197 Mediationssitzung 137
F Feedback 134 Feldkompetenz 167 FIDIC 40, 41 Forderungskatalog 97 Freiwilligkeit 15
G
Implementierung 76 Ingenieur 135, 163, 195 Interesse 105 Interessenausgleich 63 Interessensgegensatz 60 Intervention 140, 142, 148, 149, 150, 151 Interventionsmöglichkeit 135, 139
J Justiz 52, 179
K Koalition 110
M
Sachwortverzeichnis Mediationsverfahren – Auswahl 54 – Vereinbarung 200 Mediationsverlauf 137 Mediationsverweigerung 26 Mediator – Allparteilichkeit 124, 125 – Auswahl 70, 167 – neutraler 72 Mehrparteienkonflikt 104 Mehrwert Mediation 78 Mieter 116 Minderung 106 Minderwert 106, 107 Modell – partnerschaftliches 157 Moderation 38 Nachbereitung 131 Nachtrag 101
N Nachphase 132 Nullsummenspiel 29, 99, 139
O Öffentliches Baurecht 11 Öffentlichkeitsbeteiligung 67 Option 129
P Partnering 157 Phase – prämediative 132 Planungs-Phase 157 Planungssicherheit 64 Planverfahren 64, 80 Planvorhaben – städtebauliches 60 Position 105 Präventivmaßnahme 64 Problembearbeitung 65
211 Problemdefinition 133 – wechselseitige 133 Projektabwicklung 138 Prozessordnung 10 Prozess-Risikoanalyse 151 Prozesssteuerung 187
Q Qualitätserwartung 102 Qualitätsüberwachung 39
R Rechtsabteilung 89 Rechtsanwälte 181 Rechtsbindung 16 Rechtsschutzversicherung 191 Reframing 98, 166 Regress 101 Risiko-Management 89 Risikoprävention 90 Rosenberg, Marshal 112 Runder Tisch 122, 123, 124, 127, 132, 133
S Sachebene 112 Sachfrage 114 Sachkonflikt 117 Sachverständiger 36, 40, 42, 192 – Auswahl 42 Schallschutz 103 Schiedsverfahren 36, 50 Schlichter 41 Schlichtung 36, 41, 43, 152 Schönheitsreparatur 116 Schweiz 12 Selbstbestimmung 11 Setting 108, 127, 133 shuttle mediation 17, 78 Sonderwunsch 104, 101 Spannung 110
212 Stadtentwicklung 65 Stadtplanung 60, 62, 63, 72 Stellvertreter-Mediation 28 Strategiegespräch 126 Streitbeilegung – alternative 35 – außergerichtliche 118 Streitbeilegungsverfahren – alternatives 37 Streitschlichtung 117 Streitstoff 29
T Tat 110 Teilnehmer 69 Teilungserklärung 169, 173 Terminverzug 101 Themenliste 96 Themensammlung 127
V Vereinbarung 130, 189 Verfahren – ergebnisoffenes 85 – planungsrechtliches 60 Vergütung – Fälligkeit 101 Vergütungsvereinbarung 202 Verhaltensmuster – kontroverses 99 Verhandlung – sachorientierte 96 Verhandlungsführung 185 Verhandlungsgrenze 150
Sachwortverzeichnis Verhandlungshilfe 108 Verjährung 101 Verjährungsfrist 101 Vermieter 116 Vernichtung – begrenzte 110 Verschwiegenheit 19 Vertragsstrafe 101 Vertraulichkeit 18, 81 Vertreter 27 Verwaltungsgerichtsprozess 12 Verwaltungsverfahren 59, 76 VOB 102 Vollstreckung 188
W WATNA 148 WEG-Angelegenheit 169, 176 Widerspruch 12, 87 Widerspruchsverfahren 12 Win-Win-Lösung 66 Win-Win-Situation 106 Wohnungseigentümer 169, 175 Wohnungseigentümergemeinschaft 113
Z Zahlungsverhalten 138 Zeit 187 Zeitdruck 101 Zeitpunkt 47 Zersplitterung 110 Zeuge 19 Zukunftswerkstatt 39