Sterbende Sterne KURT BRAND
Ren Dhark Band Nr. 85 Scanner: x kleser:
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Über den Materie-Sender, den Ren Dh...
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Sterbende Sterne KURT BRAND
Ren Dhark Band Nr. 85 Scanner: x kleser:
Version 1.0
Über den Materie-Sender, den Ren Dhark auf dem 1. Planeten der siebten Sonne entdeckt hatte, war die POINT OF nach Erron-3 gesprungen. Dieses phantastische blaßblaue Universum barg das größte Geheimnis der Mysterious, das den Terranern bisher in die Hände gefallen war: das Zentralarchiv! Dhark schluckte einige Mentcaps, ebenso wie die wichtigsten Offiziere und Wissenschaftler der POINT OF. Doch dann nimmt der Commander allen Besatzungsmitgliedern, außer Dan Riker und Miles Congollon, mittels einer weiteren Mentcap die Erinnerung an Erron-3. Er will verhindern, daß diese unermeßliche Macht mißbraucht wird. Während die POINT OF auf dem Rückweg aus dem Blaßblauen in einem der Besatzung völlig unbekannten Gebiet der Milchstraße wieder auftaucht, haben Manu Tschobe, Chris Shanton und Jos Aachten van Haag die Transmitter-Straßen der Mysterious entdeckt. Vier Cyborgs, die mit dem Ringraumer Colonel Larsens zur Sternenbrücke gekommen waren, bekommen den Auftrag, diese TransmitterStraßen zu erforschen.
Personenverzeichnis Ren Dhark Commander der Planeten Dan Riker Kopilot der PO und Freund des Commanders Bert Stranger Starreporter der Terra-News Lati Oshuta, Holger Alsop, Bram Sass, Mark Carell Cyborgs; sie geraten bei der Erforschung der Transmitter-Straßen in eine ausweglose Situation Chris Shanton genialer Techniker Jimmy Shantons Robothund, mit neuem Fell und neuen Eingeweiden, aber frech wie eh und je
Sterbende Sterne KURT BRAND Vier Cyborgs ließen ihre Plastiksäcke mit den Ausrüstungsgegenständen fallen. Sie hörten die gellenden Schreie von zotteligen, riesenhaften Gestalten, die von allen Seiten auf sie zukamen. Das Feuer vor ihnen mit der flachen Schale, die von einem Dreibein über den züngelnden Flammen gehalten wurde, war das einzige Licht in diesem aus unbearbeiteten Quadern erbauten Raum. Mark Carrell, der als erster die Transmitter-Kugel verlassen hatte, sah zwei dunkelbraune Gestalten herankommen, denen die Haare so weit im Gesicht hingen, daß er nur die tückisch glänzenden Augen entdecken konnte. Einer der Riesen hielt eine metallene Keule in der Hand, stieß dabei ununterbrochen unartikulierte Schreie aus und versuchte im blitzschnellen Zuschlagen Mark Carrell den Schädel zu zertrümmern. Der hatte auf sein zweites System geschaltet, kaum daß die wilden Schreie an sein Ohr gedrungen waren. Viel schneller, als der Zottelige zuschlagen konnte, unterlief er dessen ausholenden Händen, packte den breiten Brustkorb, riß den brüllenden Riesen hoch und schleuderte ihn gegen den anderen, der gerade eine kleine Steinpyramide wie eine Kugel stoßen wollte, um Carrell zu Boden zu bringen. Bram Sass und Holger Alsop benutzten ihre Paraschocker, um sich die Wilden vom Leibe zu halten. Lati Oshuta sah als einziger das Netz fallen. “Über uns!” schrie er, aber sein Warnruf ging im Gebrüll der zotteligen Riesen unter. Das mattschimmernde Geflecht traf die anderen drei Cyborgs unerwartet. Die unbearbeiteten Metallklötze, die in unregelmäßigem Abstand daran angebracht waren, rissen alle vier Terraner zu Boden. Alsops Paraschocker flog zur Seite. Bram Sass’ rechte Hand verhedderte sich mit dem Netz, und er war trotz seiner Cyborgkräfte nicht in der Lage, seinen stark verdrehten Arm frei zu machen. Oshutas Kopf wurde von einem Fausthieb getroffen, und ein übelriechender Koloß umschlang ihn. Die teils enge, teils weitmaschige Falle war von tückischer Gefährlichkeit. Je heftiger die Cyborgs sich zu befreien versuchten, um so mehr verwirrten sie sich darin. Nach einer teuflischen Logik mußten die
daran befestigten unbearbeiteten Metallklötze angebracht sein. Holger Alsop fühlte sich hochgehoben, dann wirbelte er herum, zottelige Arme umschlangen ihn, um ihn fortzutragen – eingehüllt in einen Teil des Netzes. Er sah noch den verzweifelten Kampf von Bram Sass, der seinen Paraschocker fallen lassen mußte, und starrte im nächsten Moment in das lodernde Feuer, über dem an einem Dreibein eine gewaltige, roh bearbeitete flache Schale hing, die glühte. Pranken, die mit dunkelbraunen langen Haaren bewachsen waren, griffen ihn überall an. Metallstricke machten aus ihm ein Paket. Er rotierte wie ein Braten, der auf einen Spieß gesteckt worden ist. Einen Augenblick später flog er im hohen Bogen zur Seite. Durch sein zweites System verspürte er keinen Schmerz. Sein Programm-Gehirn nahm ohne seelische Regung auf, daß der Riese, zu dessen Füßen er lag, an jedem Fuß sechs Zehen hatte. Wenig später lag er nicht mehr allein auf dem Boden aus unregelmäßigen grauen Steinplatten. Lati Oshuta leistete ihm, ebenfalls zu einem Paket verschnürt, unfreiwillig Gesellschaft. Wo Bram Sass und Mark Carrell steckten, konnten sie nicht sagen. Das Gebrüll der zotteligen Riesen, von denen jeder mehr als zwei Meter fünfzig groß war, verebbte langsam. Die Cyborgs hörten nackte Füße über die Steinplatten laufen. Gutturale Laute beherrschten die Sprache dieser Rassen, denen vier Terraner in die Hände gefallen waren. Ihr erster Versuch, eine unbekannte Transmitter-Straße zu benutzen, hatte in diesem viereckigen rohen Bau vorerst sein Ende gefunden. Carrell, der erste Cyborg der neuen Serie, stand gefesselt vor einem Zotteligen, von zwei anderen gehalten. Zum erstenmal hatte er Gelegenheit, sich diese Fremden in Ruhe anzusehen. Humanoide, die wie Terras Affen behaart waren und dadurch auf jede Kleidung verzichten konnten. Gleich einem Vorhang, der durch Fett und Schmutz verfilzt war, hingen die langen, dunkelbraunen Haare im Gesicht. Nur wenn der Fremde, der auf einem sarkophagähnlichen Steinklotz mit untergeschlagenen Beinen thronte, ruckartig seinen Kopf bewegte, ließ der dichte Haarvorhang seine menschlich geformte Nase und einen normalen Mund mit einem kräftig gezeichneten Lippenpaar sehen. Im Verhältnis zur Körpergröße waren Arme und Beine ausgebildet, aber wie die Füße sechs Zehen hatten, so besaßen auch die Hände sechs Finger. Einfach einen Finger mehr als ein Terraner. Trotz ihrer Größe sahen die Hände der Zotteligen menschlich aus. Der Brustkorb erinnerte an den eines Athleten; erregt hob und senkte er sich. Von Erregung wurden auch die beiden
Zotteligen geschüttelt, die mit ihren Pranken Mark Carrell festhielten. Er konnte kein Glied rühren. Durch die Schnelligkeit, mit der er gefesselt worden war, hatten sie verraten, daß sie dieses Handwerk erstklassig beherrschten. Da stieß der sitzende Humanoide, dessen Hände im Schoß gelegen hatten, seine Arme zur Decke hinauf. Gutturale Laute in drohendem und dann beschwörendem Ton kamen über seine durch den Haarvorhang verdeckten Lippen. Unmerklich traten aus dem Hintergrund des viereckigen Raumes die anderen heran. Mit seinem überaus empfindlichen Gehör des zweiten Systems hörte Carrell das leichte Tappen nackter Füße und das erregte Atmen der Humanoiden. Die Arme des Riesen waren immer noch zur Decke gestreckt, als vier andere hinter den grauen Stein traten, der als Sitz diente, und rechts und links kindskopfgroße, rundbehauene Steine darauf legten. Drei auf der rechten Seite und fünf auf der anderen. Carrell ließ seinen Blick wandern. Die glühende Schale über dem knisternden Feuer, dessen Rauch durch eine runde Öffnung in der Decke nur unvollkommen abzog, erregte seine Aufmerksamkeit, denn diese Schale war groß genug, um einen Zotteligen aufzunehmen. Der Verdacht drängte sich auf, daß diese Humanoiden Menschenopfern huldigten. Bar jeder Emotion nahm sein Programm-Gehirn diese Möglichkeit zur Kenntnis. Der zottelige Patriarch griff nach den Steinen zu seinen Seiten. Er jonglierte damit, ließ jetzt schon sechs Steine auf und ab steigen, steigerte dabei in einem fort das Tempo, nahm den siebten hinzu, warf die Steine höher und höher – und setzte dann auch den achten und letzten ins Spiel ein. Virtuos beherrschte er diesen Trick. Nicht ein einziges Mal drohte ein Stein seinen geschickten Pranken zu entgleiten. Es war kaum zu fassen, daß er das Tempo noch weiter erhöhte. Bis dicht unter die Decke stiegen die kindskopfgroßen Brocken empor. Plötzlich zählte Mark Carrell nur noch sieben! Wo war der achte geblieben? Er hatte doch auf sein zweites System geschaltet, und dieser unbestechlichen Anlage hätte gar nicht entgehen dürfen, wohin der achte Stein verschwunden war! Da nahm er auch wahr, daß alle Zotteligen unbeweglich standen und nur auf die sich so schnell bewegenden Hände ihres Patriarchen blickten. Als Kulisse war das große, laut knisternde Feuer mit der glühenden Schale ein
wunderbarer, faszinierender Hintergrund. Die Lichtreflexe ließen auf den rohen Quadern Schatten kommen und gehen und gaben allem den Eindruck des Unheimlichen. Mark Carrell mußte die schwache Rückschaltungsphase zu seinem normalen Gehirn aktivieren. Mit dem Wissen des zweiten Systems kam er nicht mehr zurecht. Neun Steinkugeln bewegten sich vor ihm! Eine mehr, als dem Patriarchen zur Verfügung gestellt worden war! Welchen Trick beherrscht er nur? fragte sich Mark Carrell und legte damit die Rückschaltungsphase wieder still, weil ihm sein Normalgehirn diesen Fall auch nicht erklären konnte. Er setzte Infrarot ein! Das half ihm auch nicht weiter! Von einem Moment zum andern tanzten nur noch fünf Steinbrocken in der Luft auf und ab! Wo waren die anderen geblieben? Unerwartet für Carrell kreuzte der Patriarch seine muskulösen Arme vor der behaarten Brust. Vier Steinkugeln krachten gegen die Bodenplatten! Die anderen vier blieben verschwunden! Im gleichen Augenblick hallte der viereckige Raum mit seinen nackten Wänden vom Gebrüll der Zotteligen wider! Die vier Steinkugeln wanderten von Pranke zu Pranke, und jeder drückte sie einmal in einer verzückten Geste an die Brust. Unbeweglich saß der Patriarch mit untergeschlagenen Beinen auf seinem Steinsitz. Er als einziger war in das Gebrüll nicht eingefallen. Seine Augen, die durch den Vorhang zu sehen waren, schauten blicklos in die Ferne – dorthin, wo der Kugel-Transmitter stand, aus dem die vier Cyborgs diesen Raum erreicht hatten. Eine der Steinkugeln flog auf die glühende Schale zu. Wie ein Gong dröhnte es durch den schmucklosen Raum, als sie darin landete. Die zweite, dritte und vierte Kugel fand sich ebenfalls in der Schale ein, und in diesem Augenblick wurden die beiden Zotteligen, die Mark Carrell in seinem gefesselten Zustand daran gehindert hatten, der Länge nach zu Boden zu stürzen, aktiv. Sie lösten die metallenen Stricke. Sie rissen das mattschimmernde Netzwerk mit seinen Metallklötzen ab, aber sie gaben ihm keine Chance, seine Cyborgkräfte einzusetzen. Mit dem Fall des Netzes flog er im hohen Bogen durch die Luft und landete neben den vier Steinkugeln in der
glühenden Schale! Er sollte irgendeinem Gott oder Götzen oder Dämonen geopfert werden! Im Flug phantete Mark Carrell! Er flog durch die Hitzewand und bemerkte sie nicht. Mit dem Rücken landete er auf und zwischen den Steinkugeln. Blitzschnell riß er den Kopf hoch, denn trotz seines zweiten Systems und des Phant-Zustandes lief er Gefahr, sein Gesicht zu verbrennen. Gliedmaßen und Körper wurden durch den M-Raumanzug, dessen Klarsichthelm gefaltet über seinem Rücken lag, geschützt. Er federte hoch, kam trotz der schwankenden Schale sicher auf die Beine, hielt seinen Blaster in der Hand und setzte die Waffe mit ihrer tödlichen Wirkung ein. Dennoch richtete er, von züngelnden Flammen umgeben, in einem glühenden Metallgefäß stehend, kein Blutbad unter den Zotteligen an, denen es offensichtlich unbegreiflich war, wie ein Wesen auf der heißen, schaukelnden Platte stehen konnte. Der Blasterstrahl zischte und schmolz die steinerne Sitzbank des Patriarchen an der linken Seite weg. Bodenplatten lösten sich in Energie und glühende Gaswolken auf. Die ersten Humanoiden stießen Schreckensschreie aus, als Mark Carrell von einem schweren Gegenstand an der Brust getroffen wurde und rücklings niederstürzte! Der Patriarch hatte einen der spurlos verschwundenen, kindskopfgroßen Steine eingesetzt! Aus dem Nichts war diese Steinkugel gekommen und hatte Carrell von den Beinen gerissen! Sein Programm-Gehirn nahm die Tatsache auf, aber seine Logistik konnte diesen Vorgang nicht erklären. Mark Carrell zeigte sein Cyborg-Können – seine Reaktionsschnelligkeit! Der Patriarch, der trotz der Katastrophe an seinem Steinsitz diesen nicht geräumt hatte, reagierte fast genauso schnell. Er setzte zwei weitere Steinkugeln ein die ebenfalls verschwunden gewesen waren, nur sah Carrell sie im Aufspringen von rechts und links jetzt heranfliegen. Ein Roboter konnte nicht besser schießen als er. Im viereckigen Raum, dicht über den Köpfen der Zotteligen, gab es zwei winzige grelle Sonnen. Den Cyborg störte das Licht nicht, da er immer noch auf Infrarot geschaltet hatte. Radikaler als eben setzte er seinen Blaster ein. Er mußte diese Bande Humanoide so schocken, daß
ihm Zeit blieb, Alsop, Oshuta und Sass zu befreien! Warum sollte er die glühende, am Dreibein hängende und schwankende Schale verlassen? Sein M-Anzug schützte Beine und Körper vor den relativ niedrigen Hitzegraden, und seinem ungeschützten Gesiebt machten sie in dieser Höhe auch nichts mehr aus, denn die zuckenden Flammen waren mehr als einen Meter auf allen Seiten von ihm entfernt. Acht, neun Meter betrug, die Entfernung zu dem Zauberkünstler, mit seinen Steinkugeln; über zehn die zu den anderen. Er ließ sie nicht herankommen. Eine glühende Sperre legte er mit dem Blaster zwischen sie und sich. Die Hitze jagte sie zurück. Die grellen Umwandlungen blendeten sie so, daß sie ihre muskulösen Arme hochrissen und die behaarten Finger vor die Augen drückten. Der Steinsitz des Patriarchen verging. Brüllend, gellend schreiend, rannten die ersten davon, ihnen voraus der Zauberkünstler, er von seiner stoischen Ruhe und Selbstherrlichkeit nichts mehr besaß. Mark Carrell sprang von seiner schaukelnden und glühenden Platte herab, und einem fliehenden Zotteligen genau in den Rücken. Der mußte an Geister und Dämonen glauben. Er fiel nicht zu Boden, aber er machte einen so gewaltigen Satz vorwärts, daß er gegen zwei andere Rassengenossen stieß und ihren Trab unwillkürlich beschleunigte. Der Blasterstrahl brannte hinter ihnen. Carrell, mit dem Gehör seines zweiten Systems, hörte das Kreischen und Knacken im Steinboden, der plötzlich zu zittern begann. Fast gleichzeitig entstand ein Riß, und dann donnerte und brüllte es, stiegen Staubwolken in den kahlen Raum, und ein mehr als dreißig Quadratmeter großes Stück Boden verschwand in der Tiefe! Mark Carrell sah die letzten Zotteligen den beiden türlosen Ausgängen zulaufen. Niemand von ihnen wagte es, einen Blick hinter sich zu werfen. Er, das fremde Wesen in der glühenden Schale mit seiner unheimlichen Waffe, war ihnen allem Anschein nach zum Alpdruck geworden. Carrell nutzte die Chance. Alsop und Oshuta wurden von ihm befreit, doch als er zu Bram Sass hinüberlaufen wollte, traf ihn der letzte Stein! Er konnte dem Geschoß nicht mehr ausweichen. Er konnte es auch nicht durch Strahlschuß vernichten. Schwer wurde er an der linken Schulter getroffen, herumgewirbelt und zur Seite geschleudert – auf die Öffnung zu, die er in den Steinboden gebrannt hatte! Lautlos verschwand er in dem dunklen Loch, während der kindskopfgroße Stein gegen ein Bein des Dreifußes krachte, daran
abprallte und dann im lodernden Holzfeuer verschwand. Holger Alsop zerrte Sass die metallenen Stricke und das Netz herunter. Lati Oshuta sicherte und rannte zum Transmitter zurück, wo, unbeachtet von den Zotteligen, ihre Waffen lagen, die ihnen beim unerwarteten Netzüberfall abhanden gekommen waren. Ebenso unangetastet lagen die Plastiksäcke mit den Ausrüstungsgegenständen vor der Anlage. “Sass, die beiden Eingänge sichern!” ordnete Holger Alsop an, dessen Stimme kaum verändert klang, obwohl auch er sein zweites System eingeschaltet hatte. Er warf sich dicht vor dem Loch zu Boden. Laut rief er nach Carrell, der sich aber nicht meldete. Kurz entschlossen sprang er wieder auf, schaltete den Scheinwerfer seines Raumanzuges an und ließ den enggebündelten Strahl in die Tiefe schießen. Sein zweites System ließ keine Gefühlsregungen zu. Sein auf logistischer Basis arbeitendes Programm-Gehirn nahm sachlich alles auf. Es registrierte fremdartig aussehende Maschinen, verkleidete Aggregate und ein Spiegelsystem, das vielfach den Lichtstrahl zurückwarf. Unbeeindruckt durch diese Blendung, die ihm das Sehvermögen nicht einschränkte, schickte Alsop den Strahl an der Anlage entlang, doch soweit das Licht auch reichte, von Mark Carrell war keine Spur zu entdecken. Sass sicherte die beiden Eingänge und warf einen forschenden Blick nach draußen. Am Himmel stand eine dunkelrote Sonne, aber nicht im Morgen oder im Abend, sondern im Zenit. Im Dämmerlicht war das Flußtal mit seinen steilen Hängen nicht gut zu erkennen. Bram Sass schaltete sein Augensystem auch auf Infrarot und sah die Landschaft plötzlich so gut, als ob sie von einer blendend hellen Sonne beleuchtet würde. Von den Zotteligen konnte er keine Spur entdecken, aber viele große Tiere näherten sich dem Fluß oder kamen durch die reißende Strömung von der anderen Seite herüber. Sie waren größer als Kühe, aber kleiner als Elefanten. Zwei ausgeprägte Höcker an den Seiten, die bei jedem Schritt hin und her schwankten, gaben ihnen ein ungewohntes Aussehen. Plötzlich tauchten aus einer kleinen, aber steil abfallenden Senke die ersten Zotteligen auf. Sie eilten die Steigung empor und rannten mit schwingenden Armen durch die Herde, die von ihnen keine Notiz nahm. Ihre Richtung war der Fluß. Sie wateten ins Wasser, und als es den ersten bis an die dicht behaarte Brust reichte, warfen sie sich hinein, um in starken Schwimmstößen das andere Ufer zu erreichen.
Bram Sass konnte zwischen niedrigen Sträuchern nur eine Reihe Löcher im Boden entdecken, die alle von einem niedrigen Stein wall umgeben waren. Selbst sein Programm-Gehirn konnte ihm für diese Löcher keine Erklärung geben, bis er die ersten Humanoiden in diese Löcher verschwinden sah: Sie hatten es mit Höhlenbewohnern dieser unbekannten Welt zu tun. Lati Oshuta schleppte die Plastiksäcke heran und baute sie neben Holger Alsop auf, der den Scheinwerfer seines Raumanzuges abgeschaltet hatte. Er bückte sich nach einem der am Boden liegenden Metallseile, prüfte flüchtig seine Festigkeit und sagte dann mit leidenschaftsloser Stimme: “Oshuta, seilen Sie mich ab!” Alsop hatte die Schlinge um seine Hüften gelegt und hing über der Kante. “Fertig!” sagte Oshuta und ließ das Seil nach. Wenig später hatte Holger Alsop den Boden erreicht. Abermals rief er nach Mark Carrell, und wiederum bekam er von seinem Kameraden keine Antwort. Der Cyborg war und blieb verschwunden. Erneut stach der grelle Strahl des Scheinwerfers durch das Dunkel. Alsop betrachtete die Maschinen in blauer Unitallverkleidung nur flüchtig. Carrells Schicksal war im wichtiger, als herauszufinden, wie einfältige Humanoide dazu gekommen waren, ein grobschlächtiges Gebäude um den Kugel-Transmitter zu errichten. Wahrscheinlich hatte sie das rote Flackern in der Schwärze der Kugel dazu veranlaßt und sie glauben lassen, darin den Sitz einer Gottheit zu vermuten. Aber warum waren sie dann nicht wie Götter verehrt worden, als sie in die Versammlung der Zotteligen hineingeplatzt waren? Er blickte nach oben. Im Widerspiel der Flammen erkannte er Lati Oshuta, der dicht an der Kante stand und zu ihm herabblickte. In jeder Hand hielt der Mann eine Strahlwaffe. “Helmfunk-Verbindung, Oshuta! Sagen Sie auch Sass Bescheid.” Alsop zog den Klarsichthelm über den Kopf, der sofort halbstabil wurde, als er sich automatisch schloß. Dann schaltete er den Helmfunk ein, wollte mit Oshuta einen Probespruch durchführen, als er mit halb geöffnetem Mund auf den Empfang lauschte, der aus dem kleinen Lautsprecher kam. “Kommen Sie schnell! Schnell…” Das war einwandfrei Mark Carrells Stimme, der zu größter Eile drängte. “Ich komme, Carrell!” rief Alsop zurück, “aber wo kann ich Sie denn finden?” “In Höhe des Transmitters. Achten Sie aber auf die energetische Sperre,
sie hat mir Ärger genug gemacht!” Ärger? Sollte Mark Carrell sein zweites System abgeschaltet haben? So leichtsinnig konnte der Mann doch nicht sein. “Ärger?” fragte Alsop ohne Gemütsbewegung. “Und ob! Schalten Sie Ihr zweites System ab, Holger, sonst läßt die Sperre Sie nicht durch. Aber kommen Sie doch endlich!” Alsop mußte Oshuta und Sass Informieren. Während er noch mit ihnen sprach, schaltete er auf normal zurück, aber ganz wohl war ihm dabei nicht. Auch konnte er nicht verstehen, wieso eine energetische Sperre ihn als Mensch passieren ließ, aber einen Cyborg abstoppte. Hastig setzte er sich in Bewegung und lief in die Richtung, die Mark Carrell ihm angegeben hatte. * Unter den Menschen in der POINT OF herrschte eine eigenartige, einmalige Unruhe. Dem letzten war bewußt geworden, daß auch in seiner Erinnerung eine unbekannte Zahl von Stunden fehlte. Einer befragte deswegen den anderen. Niemand konnte darauf eine Antwort geben, und die drei Männer im Raumer, die in der Lage gewesen wären, die Unruhe zu beseitigen, schwiegen. Erron-3 mußte ein Geheimnis bleiben, bis die Menschheit reif war, die Wunder der Mysterious-Technik verantwortungsvoll zu beherrschen. Sie durften niemals die zweiten Grakos werden! Aber schlimmer als allen anderen erging es den Männer, die mehr als eine Mentcap geschluckt hatten. Einige begannen an ihrem Verstand zu zweifeln. Andere behaupteten, durch unerklärbare hypnotische Einwirkungen in den Besitz des neuen Wissens gekommen zu sein. Nur ein paar Mann hatten kaum Zeit, sich darüber Gedanken zu machen: die Experten der astronomischen und astrophysikalischen Abteilung. “Versuchen Sie herauszufinden, wo in der Galaxis wir uns aufhalten! Stellen Sie aber vorher fest, ob wir tatsächlich auch in unserer Milchstraße sind!” Mehr als zwanzig Mann schufteten. Sie beanspruchten den Checkmaster allein für ihre Aufgaben. Die Proteste der Funk-Z und der beiden Waffensteuerungen verhallten ungehört. Diese Teams hatten zu warten, bis die Experten die vom Commander gestellten Aufgaben gelöst hatten.
Das Schiff zog in einem Lichtmonat Abstand an einer Riesensonne vorbei, gegen die Beteigeuze ein Liliput war, und hielt Kurs auf einen Stern, der wahrscheinlich Planeten besaß und in 2,4 Lichtjahren Abstand seine Bahn zog. Seit mehreren Stunden flog der Ringraumer mit 0,89 Licht diesem Ziel zu. Die Offiziere Falluta und Bebir wurden von Dan Riker an der neuen Steuerschalter-Kombination ausgebildet. Sie mußten lernen, das Hy-Kon zu entwickeln. Der Angriff der schwarzen Weißen hatte es zu einer dringenden Notwendigkeit gemacht. “Dhark, woher haben Sie dieses Wissen?” stöhnte Leon Bebir verzweifelt, dem es so schwer fiel, mit diesen vierzehn Steuerschaltern, die bisher nie benutzt werden konnten, zu manipulieren. “Wie soll ich das wissen, Bebir?” erwiderte Dhark fragend. “Erinnern Sie sich, daß sogar der Checkmaster nicht in der Lage ist, zu sagen, was in den letzten Tagen und Stunden mit uns und dem Schiff geschehen ist? Wir müssen mit unserem neuen Wissen eben fertig werden. Fragen nach dem Woher können später immer noch gestellt werden.” “Ja…”, sagte der Zweite mehrdeutig. “Ja, wenn ich so wär’ wie Sie, Dhark. Ich bewundere Sie, weil Sie sich mit den unerklärlichen Tatsachen so einfach abfinden können…” Dan Riker mischte sich ein. “Ende der Unterhaltung. Los, Bebir, Sie sind an der Reihe. Wiederholen Sie die Aufgabe, die Falluta gerade hinter sich gebracht hat!” In der Funk-2 und den beiden Waffensteuerungen ging es nicht viel anders zu. Die Teams wurden gedrillt! Walt Brugg erklärte zum zehntenmal, was Gringer war. “Gringer ist ein Störfeld oder Störraum, der aber nicht auf vierdimensionaler Basis arbeitet, sondern konstantenneutral ist. Dieser Ausdruck bedeutet, daß mit dem Gringer eine Wirkung erzeugt wird, die wohl von der Existenz der Konstanten weiß, aber ihren physikalischen Zwang mißachtet. Die Konstanten-Neutralität schafft im Normalraum bis zu einem Durchmesser von 7,2 Lichtjahren eine anomale Wirklichkeit, in der die Naturgesetze nicht aufgehoben worden sind, aber auch nicht mehr jene unerschütterliche Festigkeit haben. Sie bewirkt, daß die Ortungen keine genauen Werte mehr liefern können; sie stört die direkte wie auch indirekte Sicht. Es hilft auch nichts, einen Umweg über den Hyperspace zu machen und mitten im Störraum einzubrechen. Die Werte, die man mittels des einen wie des anderen Verfahrens erhält, stimmen nicht mehr. Natürlich haben die Anlagen des Schiffes, das den Störraum erzeugt, die
Möglichkeit einwandfrei zu orten, da uns ja die Mißweisungen, wie ich vorhin demonstrierte, bekannt sind…” Brugg sah seine Männer an und atmete dann schwer. Nein, sie hatten Gringer immer noch nicht begriffen, dabei war es doch so leicht zu verstehen. Er holte tief Luft, zwang sich zur Ruhe und sagte weiter: “Als Dhark befahl, Gringer einzusetzen, konnten Sie auf der Bildkugel einen Schleifer beobachten, der sich unwahrscheinlich schnell nach allen Seiten ausbreitete. Die Strahlbahnen der schwarzen Weißen wurden unscharf, und scheinbar verschwanden die Sterne in naher und weiterer Umgebung. Anstelle des Nachtschwarz trat draußen im Raum ein Grau auf. Tatsächlich veränderte sich dort gar nichts. Nur wir sahen es mit unseren Augen so, und die Ortungen der schwarzen Weißen nahmen es ebenfalls so auf. Ihre Schiffe wurden sozusagen auf allen Augen blind…” Während Männer, die immer wieder bewiesen hatten, eine gute Auffassungsgabe zu besitzen, langsam aber sicher verzweifelten, weil sie das Neue nicht verstehen konnten, raste die POINT OF mit gleichbleibender Geschwindigkeit ihrem Ziel zu. Jens Lionel und seine Kollegen arbeiteten wie Besessene, denn sie wollten so schnell wie möglich dem Commander berichten, wo in der Milchstraße sich der Ringraumer befand. Eine Minute nach der anderen war vergangen. Aus Minuten waren Stunden geworden, und noch immer zeichnete sich keine Antwort ab. Nach wie vor war in Frage gestellt, ob sich die POINT OF in der eigenen Sternpopulation aufhielt. Eine Faust krachte auf den Schreibtisch. “Zum Teufel, wie sind wir denn in diese lausige Ecke gekommen?” Ein Astronom hatte seine Beherrschung verloren und wollte seine Arbeit zur Seite fegen. “Nicht doch!” sagte mit betonter Sanftmut ein Kollege und hielt den Arm des anderen fest. “Ja, natürlich…”, wurde gemurmelt, und der Experte, der gerade explodiert war, nahm seine Arbeit wieder auf. Es hatte keinen Sinn, gegen das Schicksal anzurennen. Es hatte nicht einmal Sinn zu fragen, wie das alles geschehen konnte. In der Astrophysik war man etwas ruhiger, wenngleich man dort auch mit neuem Wissen arbeitete, und die Unruhe, die nebenan bei den Astronomen herrschte, ließ man gar nicht erst einmal aufkommen. “Lionel, wir haben Sternenkarten mit astrophysikalischen Werten, die alles bisher Geschaffene in den Schatten stellen. Wie sieht’s bei Ihnen
aus? Sind Sie auch schon so weit, damit wir uns ergänzen können?” Lionel bellte in die Bord Verständigung: “So gut wie Sie haben wir’s nicht, aber wenn Sie mir wenigstens verraten können, was wir auf Grün 56:05,89 vor uns haben…” Der andere wiederholte die Koordinaten, murmelte etwas Unverständliches und sagte dann gemütlich: “In zehn Minuten. Meine Kollegen befassen sich gerade damit. Sieht auch von unserer Sicht nicht besonders einladend aus. Auf was tippen Sie denn, Lionel?” Der hatte es sich längst abgewöhnt, Prognosen zu stellen. Wenn er sich nur daran erinnerte, wie winzig das Wissen der Menschheit um die Galaxis gewesen war, obwohl schon terranische Sternenschiffe mit dem Time-Effekt Kurs auf Planeten ferner Systeme genommen hatten, und die damaligen Erkenntnisse mit ihren heutigen verglich, dann mußte er sich immer wieder sagen, daß sie auch heute noch nicht viel wußten. Darum fiel auch seine Erwiderung so scharf aus. “Ich bin kein Hellseher! Ich bin Astronom. Bitte, reichen Sie mir Ihre Untersuchungsresultate…” Weiter kam er nicht, denn der andere hatte ihn unterbrochen. “Lionel, wir sind so weit, aber… aber…” Er rieb sich sein Kinn, wiegte den Kopf und überflog die Folie in seiner Hand noch einmal mit mißtrauischem Blick. “Hm! Das ist ein Ding! Lionel, Sie werden denken, meine Kollegen seien übergeschnappt, und ich… na, ich glaub’s bald auch. Also, das Ding auf Grün 56:05,89 sind siebzehn Sonnen, die man kurzgeschlossen hat!” “Bitte?!” quälte Jens Lionel sich ab und dachte: Die sind tatsächlich übergeschnappt! Auf einer Viphoscheibe sah er, wie der andere ihm zunickte und dann hörte er ihn sagen: “Dasselbe habe ich gerade auch gedacht! Aber man hat mir soeben eine Folio auf den Schreibtisch gelegt und darauf steht: Wir können es nicht ändern, aber diese siebzehn Sonnen sind kurzgeschlossen worden! Lionel, kann ich was dafür?!” Nein! Denn für diesen Unsinn konnte er seinen Kollegen von der Astrophysik nicht verantwortlich machen! In Lionels Gehirnwindungen gab es Alarm! “Was haben Sie plötzlich, Lionel?” Der dachte an die Sternenbrücke! Der dachte daran, daß acht Sonnen die Energie geliefert hatten, um ein Hy-Kon zu erzeugen. War ihnen in der Sternenbrücke nicht demonstriert worden, daß es sogar Mittel und Wege gab, die Energie von mehreren Sonnen abzurufen und für
eigene Zwecke zu verwenden? Konnte es nicht ebenso möglich sein, den energetischen Haushalt von siebzehn Sonnen kurzzuschließen? Er schwieg immer noch. Zu lange für den Kollegen von der anderen Fakultät. Der drängte und wiederholte dabei seine Frage: “Lionel, was haben Sie auf einmal? Gefallen Ihnen diese siebzehn kurzgeschlossenen Sonnen doch?” Es knallte wie ein Schuß sein Ja! Und dann sprach er von der Sternenbrücke, doch damit konnte er seinen Kollegen nicht zu Begeisterungsstürmen provozieren. “Alles gut und schön, aber Energie abrufen und Sonnen kurzschließen… Lionel, das ist doch ein himmelweiter Unterschied!” “Für uns, ja! Aber auch für die Mysterious? Für die auch?” Der Mann in der Astrophysik wollte sich nicht streiten. “Ich lasse Ihnen unsere Unterlagen hinüberbringen. Vielleicht können Sie etwas damit anfangen. Vergessen Sie aber die Sternenkarten nicht. Wir benötigen sie zwecks Übertragung.” Der Bildschirm der Bordverständigung wurde dunkel. Lionel blieb nachdenklich sitzen. Das Objekt auf Grün 56:05,89 war 47 Lichtjahre entfernt. Ein Katzensprung – eine relativ kurze Transition. Ob er Ren Dhark darauf aufmerksam machen sollte? Er machte ihn darauf aufmerksam. Der sah fragend Dan Riker an. “Siebzehn Sonnen, deren energetischer Haushalt kurzgeschlossen worden ist? Ren, ich kann mir unter einem energetischen Kurzschluß leider nichts Schönes vorstellen.” Das war der verklausulierte Rat, diese winzige Sternballung in 47 Lichtjahren Entfernung nicht anzufliegen. Ren Dhark war hartnäckig. “Schau dir mal die beiden Folien an, Dan!” Der wollte nicht, aber er mußte. Kurz darauf hatte er vergessen, daß er seinem Freund abgeraten hatte, sich den Fall aus der Nähe anzusehen. Die POINT OF ging auf neuen Kurs. Das veränderte Ziel lag auf Grün 56:05,89! Sie flogen siebzehn Sonnen an! Sie flogen auf die Quelle einer starken, aber auch erstaunlich lokalbegrenzten Radioemission zu!
* Jos Aachten van Haag betrachtete schon wieder mißtrauisch sein Gesicht. Was war nur damit los? Woher kamen die nicht sichtbaren Spannungen in der Haut und die partiellen Zonen vollkommener Gefühllosigkeit, die aber nie lange anhielt und so schlagartig wieder verschwand, wie sie aufgetaucht war? Ich müßte einen Arzt aufsuchen, dachte er, und spielte schon mit dem Gedanken, sich die Medo-Station in der A-01 von innen anzusehen, als Chris Shanton eintrat, um seinen wieder komplett hergestellten Jimmy zu präsentieren. Zeit genug dazu hatte er bis jetzt auf Planet 1 des ZwittSystems gehabt. Der Dicke stutzte, als er bemerkte, daß Jos sich hastig von dem Spiegel abwandte und die Hände sinken ließ, mit denen er sein Gesicht abgetastet hatte. “Jos, stimmt etwas mit Ihrem Gesicht nicht?” Der geschulte GSO-Mann ließ sich so einfach nicht zu einer Stellungnahme herausfordern. “Wieso, Shanton? Wie kommen Sie darauf?” “Weil ich mit meinem Gesicht auch nicht mehr zufrieden bin!” Er hatte die gleichen Beschwerden wie Jos Aachten van Haag. Plötzlich dämmerte es den beiden. “Das schwarze Zeug, das wir uns ins Gesicht geschmiert haben, um wie ein schwarzer Weißer auszusehen, Shanton!” Jimmy spitzte die Ohren, weil er den Fluch, den der Herr und Konstrukteur gerade ausgestoßen hatte, noch nicht kannte. “Nein”, sagte Shanton danach, “in die Medo-Station der A-01 gehe ich nicht. Wozu haben wir den Transmitter, Jos? Ab nach Hope, und von dort mit dem nächsten Raumschiff nach Terra, denn mein schönes, ausdrucksvolles Gesicht ist mir viel zu wertvoll, um mit ihm das kleinste Risiko einzugehen.” “Hemmungsloser Angeber!” sagte Jimmy mit seiner blechern klingenden Stimme und stimmte das Lied an: “Opa ist der Schönste, denn Opa ist agil…” Brüllendes Gelächter erschütterte Jos Aachten van Haags Wohnraum. Der Dicke schrie seinen Scotchterrier an und drohte, ihn zu verschrotten, aber Jimmy nahm nicht einmal die verbotenen Kosenamen ernst, wenngleich er sich unter den Schreibtisch in Deckung begeben hatte und
aus der Sicherheit heraus sagte:. “Darf ich denn wirklich keinem Menschen erzählen, daß du dich für einen Adonis hältst?” Überrascht stemmte Chris Shanton seine Pranken gegen die Hüften. “Ich möchte wissen, woher das Miststück diesen Ausdruck hat?” Die Antwort bekam er: “Von dir nicht, denn bei dir bin ich sittlich gefährdet, weil allein schon dein Vorrat an Kraftausdrücken unanständig groß ist.” “Aus!” sagte der Dicke. “Deine Quatscherei mache ich nicht mehr länger mit. Heute abend kannst du nicht mehr sprechen, du Karikatur eines Scotchterriers.” Tatsächlich über Jimmys Bemerkung verärgert, blickte er Jos an. “Kommen Sie mit nach Terra über den Transmitter-Weg nach Hope, Jos?” “Das wird das beste sein, Shanton, aber nun tut mir eines leid: keine Probe von dieser schwarzen Schmiere zu besitzen. Die Ärzte werden herumrätseln. Wäre es nicht richtiger, den kurzen Umweg über den Verteiler zu nehmen und im Beiboot nach der trockengewordenen Schmiere zu suchen?” Sie ahnten nicht, wie sehr sie diesen Entschluß noch bereuen würden. * Die fünf S-Kreuzer unter Colonel Janos Szardak rasten der Transition entgegen. X-Zeit lief von der B-301, aber noch war es nicht soweit, denn die Intervalle, die absolute Transitionsbremse, standen noch, und das undefinierbare Pfeifen kurz vor jedem Transitieren war noch nicht zu hören. Szardaks Pokergesicht gab nicht preis, woran er dachte, während er hin und wieder die Instrumente überprüfte, die zu keiner besonderen Aufmerksamkeit Anlaß gaben. Auf seinen Schiffen lief alles normal. Aber was war nun wirklich mit der EAGLE auf III im CF-456-System geschehen? Ging die Vernichtung des Kugelraumers auch auf das Konto der Unsichtbaren? Und wie kamen Flash in diese riesige Höhle, in der eine unbekannte Lebensform unter eigenartigen Verhältnissen an Fließbändern technische Produkte herstellte? Schade, dachte er, daß wir uns mit diesem Fall nicht intensiver befassen konnten; aber er dachte es ohne Bedauern, denn nun ging es darum, Esmaladan, die Heimatwelt der Utaren, vor dem Zugriff der Unsichtbaren zu schützen. Die Pyramidenraumer unter Mo Mokus Kommando hatten sich
inzwischen schon so weit abgesetzt, daß sie mit ihren Ortungen kaum noch erfaßt werden konnten, und, wie vereinbart, war der Funkkontakt zwischen den beiden Pulks unterbrochen worden. Die Intervalle um die fünf Kreuzer wurden abgeschaltet. Die Transition stand dicht bevor. Utaren und Nogks, diese beiden Rassen, Fremdlinge in dem Spiralarm A/1, waren Freunde der Terraner geworden. Doch während sich zwischen den Nogks und den Menschen ein herzliches Verhältnis entwickelt hatte, zeigten sich die kleinen Utaren mit den Knopfaugen in manchen Punkten unerklärlich zurückhaltend. Es war nicht allein ihre fremdartige Lebensform – denn konnte man sich etwas Fremdartigeres vorstellen als das Leben der Libellenwesen, die vor den Schwankungen des elektromagnetischen Feldes in der Milchstraße fliehen mußten, wenn sie als Rasse nicht elendig umkommen wollten? In der B-301 setzte das undefinierbare Pfeifen ein, das ebenso auf den anderen vier Ringraumern zu hören ! Dann kam der Sprung, diese zeitlose Transition durch den Hyperspace, um Raumschiffe an einer genau vorher berechneten Stelle im, Universum wieder existent werden zu lassen. Der menschliche Organismus reagierte auf diesen Ent- und Rematerialisierungsprozeß nicht; im Gegensatz dazu erzeugte auf Kugelraumern jede Transition ein unbeherrschbares Angstgefühl, das aber nach ein paar Sekunden abklang. Die G0-Sonne mit ihren fünf Planeten tauchte auf. Der zweite Umläufer war die neue Heimatwelt der Utaren, Esmaladan, das sich so lange und erfolgreich gegen Besuche terranischer Raumschiffe gesperrt hatte, bis die BERNHARDTS STAR unter Captain Neep dort eine unfreiwillige Landung vornehmen mußte. Janos Szardak war mit seinem Verband nur noch 3724 Lichtjahre von Terra entfernt, eine Distanz, die nicht nennenswert war, als seine Funk-Z sich meldete. “Colonel, To-Funkspruch vom Stab der TF. Text: Erhöhte Einsatzbereitschaft. Unerklärliche Raum-Zeit-Brüche in unbekannten Regionen der Galaxis festgestellt. Bei Anflug uns unbekannter Doppelkugelraumer sofort aus allen Strahlantennen das Feuer eröffnen. Diese Schiffe werden von einer humanoiden Rasse geflogen, die nur ein Ziel hat: zu vernichten. Diese Warnung ist der Großen Weisheit der Utaren unverzüglich bekanntzugeben. Ende des To-Funkspruches, Colonel.” Der brummte sein Danke.
Was war das denn schon wieder? Eine humanoide Rasse, die Doppelkugelraumer flog und terranische Schiffe allem Anschein nach schon angegriffen haben mußte, sonst hätte der Stab der TF niemals angeordnet, bei Begegnung aus allen Waffen zu schießen. Aber wann und wo waren diese feindlichen Berührungen erfolgt? Janos Szardak konnte sich nicht erinnern, auch nur eine Andeutung darüber gehört zu haben. Er beugte sich zur Verständigung vor. “Funk-Z, rufen Sie verschlüsselt, gerafft und zerhackt die Große Weisheit auf Esmaladan an und teilen Sie ihr den Funkspruch mit. Vollzug melden!” Die werden sich auch den Kopf zerbrochen haben, was hinter diesen Kontinuum-Brüchen steckt. “Das Raum-Zeit-Gefüge bricht? Hm…” Sein Kopilot sah ihn fragend an. Janos Szardak hatte seine Gedanken halblaut ausgesprochen. Ob hinter dieser kaum vorstellbaren Erscheinung die Schiffe der unbekannten Humanoiden steckten, die Doppelkugelraumer flogen? Szardak betrachtete die nachträglich eingebaute Bildschirmanlage. Esmaladan, der zweite Planet des Systems, wurde langsam größer. Auf Blau tauchte der Verband der Pyramidenschiffe auf, die unter Mo Mokus’ Kommando flogen. Dieser Utare war Mitglied der Großen Weisheit, die einflußreicher und mächtiger als die Kleine Weisheit war, aber dennoch der “Weisheit der Exekutive und Legislative” unterstand. Je dreimal achtzehn Mitglieder der Großen Weisheit bildeten den Rat, der die Geschicke dieses menschlichen Volkes lenkte. Obwohl alle Utaren unter einem Meter groß waren, so verkörperte jeder in seiner Person Autorität, und die Menschen hatten schon oft zu spüren bekommen, wie gut diese Rasse mit den dunkelblauen Knopfaugen Distanz zu den Terranern halten konnte. Zwischen Terra und Esmaladan fehlte jener Funke, der rassische Merkmale unwichtig werden läßt, dafür aber zwei Völker zu einer Freundschaft verbindet, die auch die stärkste Belastung aushält. Mom, die Hauptstadt des Planeten, der aus vier großen Kontinenten bestand, tauchte auf einem Bildschirm auf, als die Ortungen in den fünf SKreuzern anschlugen. Drei riesige Verbände der Pyramidenraumer jagten von ihren Häfen in den leeren Raum hinein, dem kleinen Pulk Szardaks entgegen. Gleichzeitig war auf vielen Hyperfunk-Frequenzen lebhafter Verkehr, aber
kein einziger aufgefangener Spruch galt den Ringraumern Terras. “Was mag denn da los sein?” fragte der Kopilot seinen Colonel. Manchmal konnte Szardak mit seinem undurchdringlichen Pokergesicht seine Offiziere zur Verzweiflung bringen. Die Ortungswerte wurden ihm herübergegeben, und an den Zahlenkolonnen konnte er sich ein Bild machen, was sich vor ihm abspielte. Da drehte auch Mo Mokus’ Verband abrupt ab und ging auf Gegenkurs in den freien Raum. “Allem Anschein nach sind wir hier überflüssig geworden!” murmelte Szardak, dem das Vorgehen der Utaren immer unverständlicher wurde. Da wurden die ersten Transitionen angemessen. Riesige Schiffsverbände verschwanden schlagartig. Weitere folgten. Die Anlagen in den fünf Ringraumern waren kaum noch in der Lage, die sich überschneidenden Transitionen auseinanderzuhalten, so zahlreich waren sie. “Immer noch kein Anruf von der Weisheit?” fragte Szardak bei der Funk-Z nach. “Kein Anruf, Colonel!” “Bitte, Verbindung mit den anderen Schiffen!” Die Ringschaltung stand kurz darauf. “Meine Herren”, wandte sich der Colonel an die Kommandanten der einzelnen S-Kreuzer, “wir gehen in den Park-Orbit und warten einen Umlauf lang. Hat sich bis dahin die Weisheit nicht gemeldet, dann fliegen wir zum dritten Planeten im CF-456-System zurück, um die Zerstörung der EAGLE genauer zu untersuchen. Ich hoffe…” Terra rief über To-Funk den Colonel. Kommentarlos schaltete er die Ringschaltung ab. Der Stab der TF hatte eine interessante Meldung durchzugeben. “Drei Flottenverbände der Utaren haben auf Blau 56 und Rot 45:30,00 sechs Schiffe der Unsichtbaren vernichtet und dabei den terranischen Handelsraumer MERCATOR vor der Vernichtung durch die Unsichtbaren bewahrt. Fliegen Sie mit Ihrem Verband sofort die angegebene Position an, und übernehmen Sie die MERCATOR, die nicht mehr in der Lage ist, einen Funkspruch abzugeben. Alarm für alle Medo-Stationen Ihres Verbandes. Ende!” Der große Suprasensor der B-301 arbeitete schon und stellte die Transitionsdaten für den angegebenen Punkt im Weltall fest. “1947 Lichtjahre entfernt…” “X-Zeit beginnt in 2 Minuten 18 Sekunden!”
“Kommandanten der vier S-Kreuzer sind unterrichtet!” “Transitions-Leitung hat B-301 übernommen!” Meldung auf Meldung lief in die Zentrale der B-301 ein. Der kleine Verband schwenkte um 180 Grad und nahm Fahrt auf den Raum auf. Unmerklich jagte der Sle die Schiffe der Lichtmauer zu. Dann lief die X-Zeit. Die Waffensteuerungen waren gefechtsklar. Der Alarm in den Medo-Stationen hatte den letzten Arzt und Sanitäter aus der Freiwache geholt. Auf fünf Kreuzern der TF war man darauf vorbereitet, die Mannschaft der MERCATOR zu übernehmen und das Schiff mittels eines Intervallfeldes nach Cent Field zu schaffen. Da rematerialisierte in weniger als einer Million Kilometern Entfernung ein riesiger Flottenverband der Utaren. Gleichzeitig brach in diesem Bereich die Hölle aus. Ein Gewirr von Strahlbahnen riß die Schwärze des Weltalls auseinander. Winzige Sonnen entstanden und verkündeten mit ihrem grellen Licht den Untergang von Pyramidenschiffen. Doch mitten im Strahlgewirr waren dann zwei Sonnen zu sehen, größer als alle anderen künstlichen zusammen. Janos Szardak hatte kurz entschlossen einen Steuerschalter in die StoppPosition gekippt. X-Zeit lief nicht mehr. Der gewaltige Pyramidenraumer-Verband vor ihnen lag im schweren Kampf mit Schiffen der Unsichtbaren, von denen sie gerade zwei vernichtet hatten. Alle hatten den Weißen Strom eingesetzt, Abermilliarden weißer Materiekugeln, und das Blaue Feld, den hyperenergetischen Magnetstrahl – die beiden durchschlagendsten Waffen der Utaren. “Angriff!” gellte es von der Ortung her. Die Offiziere der Waffensteuerungen hatten gleichzeitig aus allen verfügbaren Antennen das Feuer auf einen unsichtbaren Gegner eröffnet. In den Ringraumern heulten die M-Konverter auf, die Transformer und Speicherbänke. Die Triebwerke waren auf Maximum geschaltet worden, und die nervenzerreißende Spannung im Schiff war kaum noch zu ertragen. Nur ein Mann wirkte so ruhig wie immer: Colonel Janos Szardak, der mit einer Steuerschaltung seine B-301 dem unsichtbaren und mörderischen Gegner entgegenjagte. Von drei Seiten rasten Verbände der wütend angreifenden Utaren heran.
Sie wollten uneigennützig den fünf relativ kleinen Ringraumern der Terraner zu Hilfe kommen. Ihr Einsatz war nicht mehr erforderlich. Die automatisch arbeitenden Blenden der Bildschirme kamen gegen die grelle Lichtflut einer künstlichen Sonne, die sich mit unheimlicher Geschwindigkeit nach allen Seiten aufblähte, nicht mehr an. Szardak, der instinktiv seine Augen zu Schlitzen gekniffen hatte, versuchte, in dieser Orgie aus Licht und freiwerdender Energie etwas zu erkennen. Er sah auch einiges: schattenhafte Umrisse auseinanderfliegender Konstruktionen! Doch die Blitze, die aus dem Zentrum des Zerstörungsprozesses kamen, ließen einfach nicht zu, mehr zu erkennen. “Colonel, unser unteres Intervall ist zusammengebrochen!” rief ihm der Kopilot zu. “Ich weiß!” erwiderte Szardak. “Bauen Sie es wieder auf.” Der andere konnte nur noch nicken. Sein Colonel mit dieser unmenschlichen, ja, unnatürlichen Ruhe, war er wirklich ein Mann aus Fleisch und Blut? Er kam nicht zum Nachdenken, denn Szardak sagte: “Draußen wird es ruhiger und auch wieder dunkler. Unser Freund scheint der letzte gewesen zu sein, der unbedingt zur Hölle fahren mußte. Freunde, Freunde…” Von allen Seiten starrte man ihn an. Ihr Colonel hatte Gemütsbewegungen gezeigt, sogar Haßgefühle. Seine Bemerkung: Freunde, Freunde… war mehr als eine Verwünschung. In ihr war sein Entschluß geboren worden, von jetzt an mitleidlos diese unbekannte mörderische Rasse so lange zu bekämpfen, bis sie entweder vernichtet war oder sich darauf besann, ihre Intelligenz für friedliche Zwecke zu verwenden. Ein To Token, den Szardak nicht kannte, setzte sich mit ihm über Hyperfunk in Verbindung. Ehrlich gab der Utare zu, der die Uniform eines Flottenchefs trug, den Erfolg des kleinen terranischen Verbandes nicht erwartet zu haben, aber er konnte sich die Frage nicht verkneifen: “War die Vernichtung des Schiffes der Unsichtbaren Zufall?” Janos Szardak steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen, drehte sie und inhalierte erst einmal, bevor er erwiderte: “Wir Terraner lieben den Zufallserfolg nicht allzu sehr, To Token. Wir verlassen uns lieber auf unser bescheidenes Können und auf Erfahrung. Darf ich To Token daran erinnern, daß wir zufällig mit den Unsichtbaren die größeren Erfahrungen gemacht haben?”
Versteckt hinter seinem Rücken grinsten ein paar Offiziere. Die Antwort ihres Colonels war nach ihrem Geschmack. Mit gespielter Bescheidenheit und Zurückhaltung hatte er diesem etwas von sich eingenommenen To Token eine Erwiderung vorgesetzt, an der dieser Flottenchef zu kauen hatte, wenn sie in ihrer vollen Bedeutung von ihm richtig verstanden worden war. Und wieso sollte To Token sie nicht verstehen, hatte Janos Szardak ihm doch in utarischer Sprache geantwortet! Ein Hyperfunkspruch aus Mom, vom Planeten Esmaladan, unterbrach die Verbindung mit dem Flaggschiff To Tokens. Die Weisheit der Utaren bedankte sich bei Colonel Szardak für dessen Eingreifen und Erfolg. Er sah in die klugen, dunkelblauen Knopfaugen des so sympathischen Mannes, der in typisch utarischer Geste jetzt noch einmal seinen Dank aussprach. “Szardak, wir werden die Hilfe Terras nie vergessen. Bitte, möge auch Terra nie vergessen, was die Weisheit gerade versichert hat!” Der Bildschirm wurde dunkel, und die Verbindung mit Mom brach ab. Nachdenklich geworden, lehnte sich der Colonel im Pilotsessel zurück. Er sah dem blauen Dunst seiner Zigarette nach, doch in seinen Gedanken beschäftigte er sich mit dem Mitglied der Weisheit. Er konnte sich nicht erinnern, daß einer der bedeutendsten Utaren sich in dieser Form einem Terraner gegenüber geäußert hatte. Aber was verbarg sich hinter den Worten: Bitte, möge auch Terra nie vergessen, was die Weisheit gerade versichert hat? Colonel Janos Szardak beschloß, sein kurzes Gespräch mit einem Mitglied der Weisheit so schnell wie möglich Henner Trawisheim vorzuspielen; vielleicht war Ren Dharks Stellvertreter in der Lage, den versteckten Sinn darin richtig zu deuten. Drei Stunden Norm-Zeit lang kreuzten die fünf S-Kreuzer im Kampfgebiet, dann eilte Szardak dem Flottenchef To Token mit, daß er mit seinen Schiffen Kurs auf die beschädigte MERCATOR nehmen würde. Mit einem stummen Kopfnicken verabschiedete sich To Token. Er hätte ruhig etwas freundlicher sein können, dachte Janos Szardak, der seine B-301 einem Kopiloten abgegeben hatte, kurz vor dem Verlassen der Zentrale noch einmal stehengeblieben war, und dann wortlos durch das Schott das Hauptdeck betrat, um seine Kabine aufzusuchen. Der kleine Pulk aber jagte erneut seinem Transitionspunkt zu, um in Nullzeit 1947 Lichtjahre hinter sich zu bringen.
* Um 22:49 Uhr Norm-Zeit fing die große Hyperfunkstation in Cent Field den Spruch der B-301 auf: Besatzung der MERCATOR übernommen. Siebenundzwanzig Mann der Besatzung befinden sich in ärztlicher Behandlung. Drei Fälle bedenklich. Ladung des Schiffes wird zur Zeit geborgen. Habe mich entschlossen, die MERCATOR nicht nach Terra zu schaffen, sondern für ein Übungsschießen zu verwenden, denn dieser Schrotthaufen ist nicht mehr zu reparieren. Colonel Janos Szardak. Etwas fehlte in dieser Meldung. Die Angabe über die Zahl der Toten, die der Angriff der Unsichtbaren den Handelsraumer gekostet hatte. Von den sechsundneunzig Männern, die ihr Leben lassen mußten, hatte Szardak in seinem To-Funkspruch nicht gesprochen. Aber die Besatzungen der fünf S-Raumer kamen nicht zum Übungsschießen. Die TF war an diesem Wrack interessiert. Strahlgeschütz-Experten hatten beim Stab der TF protestiert und darauf hingewiesen, daß man an den Beschädigungen der MERCATOR vielleicht feststellen könnte, welche energetischen Strahlen von den Unsichtbaren eingesetzt worden waren. Ziemlich deutlich hatten sie des weiteren darauf angespielt, aus den gewonnenen Erkenntnissen eine Defensivtechnik zu entwickeln, die es in absehbarer Zeit den Unsichtbaren schwer machen würde, Abschüsse von Raumern wie bisher zu erzielen. Bei der B-301 lief der kurze To-Funkspruch ein: MERCATOR nach Cent Field schleppen. Stab der TF, gez. Reader, Oberstleutnant. “Okay, schleppen wir!” hatte Szardak darauf zu sagen und gab dann dem Kommandanten der B-304 den Befehl, diese Aufgabe zu übernehmen. “Wenn Sie den Sternensog voll aufdrehen, schaffen Sie es, in anderthalb Tagen über Terra zu stehen!” “Schöne Beschäftigung!” murrte der Kommandant. “Da hat sich der Stab mal wieder etwas Prachtvolles einfallen lassen!” Das konnte ihm Szardak gut nachfühlen, denn er begriff auch nicht, was man mit diesem Schrotthaufen-Raumer auf der Erde noch anstellen wollte. Daß Strahlgeschütz-Experten hinter dieser Order steckten, ahnte auch er nicht. Die nächste Überraschung ließ nicht lange auf sich warten. Man war noch damit beschäftigt, den letzten Rest der noch verwendbaren Ladung zu übernehmen, als der Stab befahl:
S-Kreuzerverband unter Colonel Szardak Terra anfliegen. Gez. Bulton, Marschall. Das Vorhaben, auf dem dritten Planeten im CF-456-System die Zerstörung der EAGLE zu untersuchen, mußte aufgeschoben werden. * Holger Alsop hatte seinen Kollegen Mark Carrell erreicht. Zwei Scheinwerferbahnen beleuchteten einen Knochenberg. Knochen von riesenhaften Menschen! Knochen, die schmutziggrau waren, und Knochen, die schon langsam zu Staub zerfielen. Stumm starrten sie das Furchtbare an, aber auch das andere, um das die Knochen aufgeschichtet waren: die Statue eines goldenen Menschen! Wer auf Terra kannte ihn nicht, den Goldenen Menschen von Mirac? Alle TV-Stationen hatten ihren Zuschauern den Film gezeigt, der vom Planeten Mirac durch den Commander zur Erde gebracht worden war, und niemand hatte diese gigantische Plastik auf dem eindrucksvollen Sockel vergessen, an der der Kopf und teilweise auch die Arme zerstört waren. Im Goldenen Menschen von Mirac sah Terra die Mysterious! Man wollte sie so sehen. Man hatte sich mit fast hypnotischem Zwang eingeredet, so und nicht anders könnten die Geheimnisvollen einmal ausgesehen haben; und auf Mirac hatten sie sich dann selbst ein Denkmal gesetzt. Den Warnungen aller Wissenschaftler zum Trotz war dieser Glaube nicht mehr auszurotten, und nun standen Mark Carrell und Holger Alsop in einem Kellergewölbe auf einem unbekannten Planeten und sahen den Goldenen Menschen zum zweitenmal, umgeben von einem Knochenberg, schimmernd im Licht zweier Scheinwerferstrahlen – mit Armen und mit Kopf! Drei Meter hoch war die Plastik. Ob auch sie auf einem Sockel stand, verbargen die Knochen. Bis zu den Knien war sie verdeckt. Aber alles andere bot sich ihren Blicken dar: Die Arme, die sich zum Himmel emporreckten, und der Kopf, der unmißverständlich zu den Sternen hinaufsah. Aber ein Kopf ohne Gesicht! Ein Gesicht, das leer war; nichts anderes als eine leicht gewölbte Fläche. Nicht die kleinste Andeutung von Augen, einer Nase oder einem Mund. Sogar das Kinn war nicht modelliert. Ein Nichts in menschlicher Gestalt! Dennoch ein eindrucksvolles Nichts. Es wurde nicht allein durch den Goldton ausgelöst, sondern durch
die Haltung, durch die sich emporreckenden Arme und die leicht gebogenen Hände, als wollten diese zweimal fünf Finger einen Stern umfassen. Langsam wanderten Carrell und Alsop um den Knochenberg herum. Wo auch immer sie diese gräßlichen Relikte grausamer Menschenopfer mit dem Fuß berührten, zerfielen sie in Staub, ein Zeichen, daß diese Stätte schon seit vielen Jahrzehnten oder sogar Jahrhunderten nicht mehr benutzt worden war. Unwillkürlich dämpfte Carrell seine Stimme zum Flüstern. “Genau über uns muß sich der Kugel-Transmitter befinden…” Weiter kam er mit seiner Bemerkung nicht, weil Alsop ihn hart angestoßen hatte, und gleichzeitig auf der Stelle herumwirbelte. Der eine wie der andere schaltete auf sein zweites System. Keine Sekunde zu früh! Ihre Scheinwerferstrahlen hatte ihre Bewegungen mitgemacht. Im grellen Lichtkegel standen drei Zottelige, die trotz des Haarvorhanges vor ihren Augen geblendet waren und sich in dieser Lage nicht anders verhielten als Menschen von Terra. Sie hatten die Hände hochgerissen, ihre sechsfingrigen Greifwerkzeuge, und benutzten sie als Schutz gegen die grelle Lichtflut. An ihren Fingern blitzte es auf. Sie trugen Ringe mit großen geschliffenen Steinen! Diese Steine spiegelten das Licht in sattem Grün und weichem Blau wider. Und die Füße der Zotteligen waren nicht nackt! Silbergraue, enganliegende Sandalen, die bis zum Ansatz der Waden reichten, umhüllten sie. Nun ließen die Humanoiden langsam ihre Hände sinken. “Abblenden!” sagte Holger Alsop, und beide schalteten herunter. Die Strahlen blieben, aber ihre Leuchtkraft war auf ein Zehntel der normalen Leistung herabgesetzt worden. Unbeweglich standen die drei fellbedeckten Riesen in dem dunklen Torbogen, dem Ausgang eines unterirdischen Ganges. Zwei Stufen fehlten bis zum Boden, der mit glattgeschliffenen, aber unregelmäßigen Steinplatten ausgelegt war. “Sicherung, Carrell!” Holger Alsop trat zur Seite, um seinem Kollegen das Schußfeld nicht einzuengen, und ging dann langsam auf die Fremden zu. Seine Hände waren waffenlos, und damit sie es auch deutlich sehen konnten, hielt er sie in den Scheinwerferstrahl hinein.
Verstanden die Bewohner dieses Planeten leine Geste? Sein Programm-Gehirn konnte es ihm nicht sagen, aber es lieferte ihm das Wissen, in welcher Form er diesen Humanoiden, die auf niedriger Kulturstufe standen, entgegenzutreten hatte. Er mußte ihr Vertrauen erringen! Unbedingt! Sie reagierten auf seine Geste nicht. Da blieb er stehen, öffnete seinen Klarsichthelm und begann zu sprechen, obwohl ihm klar war, daß sie ihn nicht verstehen konnten. Aber vielleicht nahmen sie den beruhigenden Klang seiner Stimme wahr und verstanden es. Lauschend bewegten die Zotteligen den Kopf. Der in der Mitte stand und einen halben Kopf größer war als seine Begleiter, winkelte den rechten Arm an, danach den linken, griff zum rechten Mittelfinger und streifte seinen grün leuchtenden Ring ab. Er hielt ihn mit Daumen und Zeigefinger, drehte ihn im Lichtstrahl hin und her, knickte ein, und leicht den gewaltigen Körper nach vorn gebeugt, legte er hockend den Ring auf die erste Steinplatte vor den beiden Treppenstufen zum Gang. Ebenso langsam richtete er sich wieder auf, und nun kam Bewegung in alle drei. Rückwärts gehend, zogen sie sich in den unterirdischen Gang zurück, aber nicht weiter als acht oder neun Meter. Dort blieben sie, von rauhen Quadern umgeben, abwartend stehen. Das Geschenk annehmen! sagte Alsops Programm-Gehirn. Er trat vor, bückte sich und nahm den Ring auf. Mit dieser Tätigkeit schaltete er bewußt auf normal zurück, darauf vertrauend, daß Marc Carrell auf dem zweiten System seine Sicherheit garantierte. Ungewollt hielt er den Atem an. Er hielt einen Ring in Händen, der von einem genialen Künstler geschaffen worden war, denn unbeschreiblich war die Fassung des daumennagelgroßen, wunderbar geschliffenen Steines, der eine etwas längliche Form hatte. Winzige schwarze Steine, die auch das Licht reflektierten, umgaben die Fassung in einer doppelten. Reihe. Dahinter wölbte sich in mattem Rosa die ovale Schale, in der alles gebettet lag. Von zwei ziselierte Schenkeln, die allegorische Darstellungen zeigten, wurde sie von beiden Seiten gefaßt. Erstaunlich schwer war dieser Schmuck, der aus einem Material gefertigt war, das Holger Alsop nicht kannte. Prüfend maß er, ob der Ring ihm wenigstens am Daumen passen würde – als er mit den Augenlidern zwinkerte und zugleich den Kopf schüttelte.
Hatte der Ring, als er ihn aufhob, nicht einen bedeutend größeren Durchmesser besessen als nun? Oder hatte es an der diffusen Beleuchtung gelegen, sich so verschätzt zu haben? Langsam streifte er ihn über den rechten Mittelfinger. Der Ring paßte! Aber er durfte nicht passen, denn die Zotteligen hatten gemäß ihrer Körpergröße zweimal stärkere Finger als er! Ist das wichtig zu wissen? hörte er in seinem Kopf. Im gleichen Augenblick hatte er wieder auf sein zweites System geschaltet, um den Schock nicht zum Tragen kommen zu lassen. Mit der nüchternen Seelenlosigkeit seines Programm-Gehirns betrachtete er nun das Schmuckstück an der rechten Hand. Und nun sah er das Emblem einer Galaxis-Spirale rechts und links vor dem Rand der kleinen ovalen Schale, in der Stein und die Doppelkette gebettet lagen. Ein Ring der Mysterious steckte an seinem Finger! Aber war er über diesen Ring in der Lage, sich telepathisch mit den Fremden dieses Planeten zu verständigen? Er warf Mark Carrell einen Blick zu. Dem machte es als Cyborg nichts aus, nur beobachtend und sichernd unbeweglich auf der Stelle zu stehen. Und Holger Alsop schaltete wieder auf normal zurück. Kannst du mich verstehen? dachte er. Ja, aber warum hatte ich gerade keine Verbindung mit dir? hörte er Antwort und Gegenfrage. Ich wollte nicht! wich Holger Alsop aus. Aber wenn ihr keinen Überfall auf uns plant, dann kommt näher! forderte er sie auf. Nein! vernahm er die Antwort. Uns ist untersagt, den Raum der Gebeine und den Tempel des Strahlenden zu betreten, und nur, wer nicht mehr ist, hat das Recht, vor dem Strahlenden liegen zu dürfen. Alsop war sich klar, daß die drei Eingeborenen alle seine Gedanken lasen, solange er den Ring trug, warum aber las er ihre nicht, sondern vernahm nur Antwort oder Frage? “Weil wir damit gelebt haben und leben, du aber kennst noch nicht den Weg, der deine Gedanken zu dir wieder zurückführt und sie anderen nicht mitteilt!” Er mußte Mark Carrell unterrichten. “Wir werden warten!” hörte er in seinem Kopf. “Aber überlege dir noch einmal meine Frage, durch die ich wissen wollte, warum ich keine Verbindung mit dir erhielt.”
Es war höchste Zeit, daß Alsop auf sein zweites System schaltete. Nur in diesem Bereich war er alleiniger Herr seiner Gedanken, und er wollte auch jetzt nicht, daß die Eingeborenen entdeckten, welches Geheimnis sie in sich bargen. Er schloß wieder seinen Klarsichthelm und teilte Carrell über Funk in lapidarer Kürze mit, was er bis jetzt erlebt hatte. Kaum war er zu Ende gekommen, als sich Bram Sass, der die beiden Eingänge oben zu sichern hatte, meldete. “Aus den Löchern auf der anderen Seite des Flusses bekommen wir allem Anschein nach Besuch von mehr als hundert Eingeborenen. Sie ziehen abgedeckte Platten hinter sich her. Was soll getan werden? Sie schocken?” “Wie weit sind sie noch entfernt, Sass?” fragte Alsop zurück. “Vierhundert Meter. Bis sie alle durch den Fluß sind, vergehen noch fünf Minuten Norm-Zeit.” “Die benötigen wir. Wir melden uns gleich wieder.” Er mußte versuchen, über die drei Eingeborenen zu erfahren, was dieser Aufmarsch oben zu bedeuten hatte. Doch bevor er seine Fragen stellte, beantwortete er erst eine andere. “Ich kenne den Weg nicht, der meine Gedanken wieder zurückführt, aber ich kenne einen Weg, der meine Gedanken nicht heraustreten läßt.” Und dann stellte er seine Fragen. Die Antwort erschütterte ihn. Sie, die Terraner, mit ihrer nackten Haut, dem Ebenbild des Goldenen Menschen so ähnlich, waren in den Augen der Blubs die bösen Dämonen, die hinter dem Horizont wohnten und den Sturm erzeugten, die Wasserfluten vom Himmel stürzen ließen und die Carran-Seuche den Virdenen schickten. “… wir aber wissen, daß ihr nicht hinter dem Horizont wohnt, weil uns angezeigt worden ist, über welchen Weg ihr kamt!” Der Eingeborene sprach vom Kugel-Transmitter? “Nein”, wurde Holger Alsop in seinen Gedanken unterbrochen, “wir wissen nur aus der Überlieferung, daß aus dem Schwarzen mit seinem roten Leuchten in der Tiefe einstmals ein Kommen und Gehen war, doch schon seit vielen hundert Umläufen ist das Tor zu den Sternen verschlossen.” Bram Sass meldete sich wieder. “Ich muß angreifen, denn der größte Teil der Eingeborenen hat unser Flußufer erreicht…”
“Sage deinen Freunden, sie sollen in den Tempel des Strahlenden hinabsteigen und uns folgen, denn niemals werden die Blubs es wagen, vor ihn zu treten. Die Wand, die euch hindurchließ, würde sie verbrennen!” Oshuta und Sass zeigten keine Verwunderung über die Nachricht, die Alsop ihnen durchgab. “Wir kommen!” Aber sie waren nicht darüber unterrichtet worden, die Sperre in normalem Zustand zu passieren. Lati Oshuta flog einen Schritt zurück und stürzte dabei. Erst als sie ihr zweites System abgeschaltet hatten, gelang es ihnen, bis zum Goldenen Menschen vorzustoßen, dem die Fremden den Namen ‚Der Strahlende’ gegeben hatten. Bram Sass und Lati Oshuta zeigten gesundes Mißtrauen, als sie von Holger Alsop aufgefordert wurden, den drei Eingeborenen durch den unterirdischen Gang zu folgen. Es blieb ihm keine Zeit, die verblüffende, aber auch zugleich unerklärliche Wirkung des Ringes an seiner Hand zur Sprache zu bringen, der allem Anschein nach erst die telepathische Verständigung ermöglichte. Der Gang, über drei Meter hoch, aber nicht besonders breit, war aus großen, kaum bearbeiteten Quadern errichtet, die man ohne Verbindungsmaterial aufeinandergesetzt hatte. Unter dem Gewicht der schweren Brocken war eine Konstruktion errichtet worden, die Jahrtausende überstand, wenn nicht ein Erdbeben alles zusammenstürzen ließ. Der Gang verlief keineswegs gradlinig, hielt aber dennoch die einmal eingeschlagene Richtung bei. Die drei Eingeborenen drehten sich hin und wieder nach ihren Gästen um und versuchten, sich deren Schrittempo anzupassen. Sie erreichten eine Treppe, die immer breiter wurde, je tiefer sie kamen. Die Dunkelheit, nur durch die Scheinwerferstrahlen aufgehellt, wich allmählich. Blaues Licht strahlte aus den Wänden, und da erst fiel den Terranern ein, daß diese Wände nicht mehr aus aufeinandergeschichteten Quadern bestanden, sondern in Unitallblau leuchteten. “Allmählich werde ich neugierig”, sagte der mißtrauische Bram Sass, der seine ladinische Charaktereigenschaft nicht verbergen konnte und sich bis zum Erreichen der Treppe immer wieder umgedreht hatte, weil er befürchtete, die Blubs könnten ihnen folgen. Die leicht flimmernde energetische Sperre erklärte ihnen dann, weshalb
sie diese Blubs nicht zu fürchten hatten. Ungehindert traten sie hindurch. Außer einem leichten Prickeln verspürten sie nichts, und dann standen alle vier Cyborgs wie angewurzelt. Vor ihnen breitete sich ein kuppelartiger Raum aus, dessen Decke strahlend blaues Licht emittierte. Aber der Blickfang war eine Bildkugel, wie die Cyborgs sie von der POINT OF her kannten, und diese Bildkugel arbeitetet. Sie zeigte den Sternenhimmel um diesen unbekannten Planeten, den sie über eine Transmitter-Straße erreicht hatten. Unwahrscheinlich beeindruckend war das Bild, das die mehr als acht Meter messende Kugel zeigte. Sie schwebte frei im Raum, war weder mit der Kuppeldecke, noch mit dem Boden verbunden, und gab dennoch ihr Geheimnis nicht preis, nach welchem Prinzip sie arbeitete. “Du kennst das Auge der Tiefe?” vernahm Holger Alsop die Frage in seinem Kopf. Von diesem Augenblick an teilte er seinen Kameraden mit, worüber er sich mit den anderen unterhielt. Eine Wand war mit Instrumenten übersät, vor der anderen war ein Schaltpult aufgebaut worden, das die Cyborgs magnetisch anzog. Mark Carrell mußte auf sein zweites System umschalten, denn in seinem normalen Wissen gab es nichts, das ihm diese komplizierte Anlage vertraut machte. Der Schwenksessel federte leicht, als er darin Platz nahm. Er war zu klein für die drei zotteligen Riesen, die, je länger die Terraner mit ihnen zusammen waren, mehr und mehr von ihrem fremdartigen Aussehen verloren. Bram Sass und auch Lati Oshuta hatten umgeschaltet, doch nun zeigte es sich, daß Mark Carrell nicht nur der erste Cyborg einer neuen Serie war, sondern daß auch sein Programm-Gehirn eine höhere Qualitätsstufe aufwies. Es enthielt die letzten Erkenntnisse terranischer Wissenschaft und auch die Unterlagen, die ihn befähigten, nicht nur ein Raumschiff zu fliegen, sondern innerhalb eines Schiffes wichtige Funktionen in leitender Position zu übernehmen. Eine kleine, knapp einen halben Meter durchmessende Bildkugel als Kontrollgerät stand ebenfalls schwebend über dem Schaltpult. Rechts von Mark Carrell hielten sich seine Kameraden auf, während links die drei zotteligen Riesen standen, denen es bis jetzt nicht eingefallen war, einmal ihren Haarvorhang zurückzustreichen.
Carrell brachte die Steuerschalter in andere Positionen. Gleichzeitig wechselte die Wiedergabe der Bildkugel. Die leuchtenden Punktquellen der abertausend Sonnen auf schwarzem Untergrund verschwanden. Ein Planet tauchte auf, eine Welt, die im Dämmerlicht lag und von einer dunkelroten Sonne beschienen wurde. “Das ist unsere Welt!” hörte Holger Alsop sagen, und unverzüglich informierte er Mark Carrell, der seinen ganzen Ehrgeiz darein legte, die nähere Umgebung um den Kugel-Transmitter sichtbar werden zu lassen. Er mußte suchen, denn die Anlage, vor der er saß, unterschied sich stark von der in der POINT OF und in den Flash. Da orgelte ein Schrei durch den Kuppelraum. Die Eingeborenen hatten ihn ausgestoßen und wie Menschen, die sich vor Freude nicht lassen konnten, klatschten sie in ihre mächtigen behaarten Pranken. Auch Bram Sass hatte auf den ersten Blick das Tal mit dem Fluß erkannt, die dunklen Löcher mit den niedrigen Erdwällen zwischen den Sträuchern, und dann sah er die Zotteligen im Halbkreis vor dem quadratischen Bauwerk aus groben Quadern stehen, wo sie unerklärbare Vorbereitungen trafen. “Sie prüfen die Windrichtung, um dann das donnernde Feuer zu entfachen, mit dem sie euch aus dem Tempel treiben wollen!” verstand Holger Alsop. “Ein donnerndes Feuer?” fragte er zurück, erhielt aber auf seine Frage keine Antwort. Mark Carrell zuckte nicht einmal zusammen, als sich eine behaarte Pranke auf seine Schulter legte. Einer der Eingeborenen beugte sich über ihn und betrachtete aufmerksam das Schaltpult. “Carrell, Sie sollen ihm zeigen, welche Positionen die Steuerschalter einnehmen müssen, damit sie die Sterne in der Bildkugel sehen können!” rief Alsop ihm zu. Alle drei Eingeborenen waren von verblüffender Auffassungsgabe. “Laut ihrer Überlieferung war es ihnen bei Todesstrafe untersagt, dieses Schaltpult auch nur zu berühren, und mir scheint, wir haben es bei diesen drei Eingeborenen mit Ketzern zu tun, die mit Recht ihre alten Überlieferungen anzweifelten.” Der angrenzende Raum hinter der Kuppel erklärte endlich, woher diese drei Eingeborenen ihr Wissen bezogen hatten, daß ihr Besuch über eine Transmitter-Straße zu ihnen gekommen war und nicht zu den Dämonen gehörte, die hinter dem Horizont wohnen sollten.
Ein ovaler Bildschirm, über dem das Emblem einer Galaxis-Spirale im Goldton leuchtete, war in Tätigkeit und zeigte nicht nur den Transmitter oben im Tempel, sondern auf der linken Seite eine scharfbegrenzte Leuchtbahn, die zwei Punkte miteinander verband. Die Transmitter-Straße vom Verteiler zu dieser Welt! Die größte Überraschung erwartete sie noch. Die drei Eingeborenen führten sie zu ihrem Volk! Stolz nannten sie sich die Barrans – die Klugen –, und stolz gingen sie den vier Terranern voraus durch ihre unterirdische Stadt, die nur von den Mysterious erbaut worden sein konnte! Unitall, wohin der Blick fiel; aber nicht jenes kalte Unitall, aus dem die POINT OF und die Mammut-Aggregate des Industrie-Doms gebaut worden waren, sondern ein Unitall, das vorgab, lebendig zu sein, wie Bäume und Pflanzen und Holz lebendig sind. Die Barrans auf dem Planeten Sero hatten nicht nur die Stadt der Mysterious in Besitz genommen, sondern sich auch im Laufe der Jahrhunderte mit der Technik darin vertraut gemacht und so ihr Leben, das sie der Überlieferung nach vorher auf der Oberfläche unter einer verlöschenden Sonne geführt hatten, grundlegend verändert. Ihre Zahl gaben sie, mit dreißigtausend an, doch die zehnfache Menge hätte in dem großen Komplex unter der Erde auch noch bequem Platz gefunden. Immer wieder stellte Holger Alsop Fragen nach den Mysterious, in der Hoffnung, die Überlieferung der Barrans könnte präzise Angaben darüber enthalten, aber er fand nicht einmal heraus, vor wieviel Jahrhunderten oder Umläufen, nach denen die Eingeborenen rechneten, die Geheimnisvollen verschwunden waren. Sie sahen Barran-Frauen mit ihren Kindern; sie standen als Ehrengäste vor den Vätern der Stadt, und da entdeckte Bram Sass acht Steinkugeln, die ihn an das Jongleurkunststück des Patriarchen auf der Steinbank erinnerten. “Ihr kennt die Weissagung nicht?” vernahm Holger Alsop die Frage voller Erstaunen. Zum zweitenmal sahen sie das Spiel mit den Steinen, und wieder wurden es mehr, als es sein konnten, und wieder verschwanden drei spurlos. “Wo sind die Steinkugeln geblieben?” wollte Holger Alsop wissen. Mit der Antwort konnte er nichts anfangen. “In der Weissagung! Aber wenn du sie unbedingt wiedersehen willst,
blick nach rechts neben den Punkt der Demut, und du wirst sie aus der Weissagung herauskommen sehen.” Alle vier Cyborgs sahen sie wie aus dem Nichts heraus auftauchen. Sie flogen auf den Platz zu, wo schon fünf Kugeln lagen, und sie rollten keinen Zentimeter weiter, kaum daß sie den Boden berührt hatten. “Nichts gesehen!” sagte Lati Oshuta unzufrieden, der auf sein zweites System geschaltet hatte, um hinter den Trick zu kommen. Sarronala, der Barran, der einen seiner Ringe abgegeben hatte, blieb dicht vor Alsop stehen. “Die Weissagung verspricht euch eine glückliche Heimkehr. Sie wird glücklicher sein als die Heimkehr der beiden anderen, die gleich Dämonen unter den Blubs wüteten und viele davon sterben ließen!” Von seinen drei Kameraden wurde Holger Alsop mit Fragen bestürmt, warum er plötzlich so blaß geworden sei. Endlich hatte er begriffen, warum die Blubs sie mit dieser mörderischen Wut empfangen hatten. Die entarteten Cyborgs Dordig und Mildan waren auf Sero gewesen und mußten unter den Blubs ein Blutbad angerichtet haben. Alsop erholte sich von seinem Schreck. Er hatte eine Zusatzfrage zu stellen: “Warum wird unsere Heimkehr glücklicher sein als die der beiden anderen?” Die Antwort, die er vernahm, ließ ihn beinahe an die Weissagung glauben, denn er hörte in seinem Kopf: “Die Heimkehr der beiden anderen ist doch ihre Heimkehr in den Tod gewesen; auf euch vier aber wartet noch das Leben!” Die Barrans wußten um das Ende der beiden Entarteten! Mark Carrell erinnerte an die goldene Plastik im Kellergewölbe. Während sie um den Schwebetisch saßen, der zu Ehren der Terraner passend zu deren Größen herabgelassen worden war, berichtete Sarronala von dem, den sie den Strahlenden nannten. “Früher einmal stand er auf Sero, dort, wo die Sternenschiffe ankamen und wieder fortflogen. Als das letzte dann verschwunden war und es auf Sero still wurde, und es lange, lange still blieb, wagte es endlich der Große Boridu, in die Stadt der Grauen einzudringen, die sie verlassen hatten. Am Eingang traf er auf den Strahlenden, der schon so viele Barrans getötet hatte, die ihm zu nahe gekommen waren. Denn wisset, die Grauen waren grausamer als unsere Götter, und wenn ihre Schiffe kamen oder wieder davonflogen, durfte kein Barran in der Nähe sein…” “Die Grakos!” stieß Bram Sass aus, der, seitdem er zum erstenmal von
der Überlieferung der Utaren gehört hatte, die Grakos – diese Geißel der Galaxis – nie mehr vergessen konnte. Die Barrans nannten sie die Grauen, aber wie kamen sie zu dem Namen, wenn sie nie einen einzigen Mysterious zu Gesicht bekommen hatten? Sarronala konnte darauf keine Antwort geben. “Unsere Überlieferung erzählt darüber nichts, aber sie berichtet vom Großen Boridu, der den Strahlenden in jene Tiefe brachte, wo ihr ihn aufgefunden habt, und wenn wir auch unsere Toten dort schon lange nicht mehr begraben, so erinnert uns auch heute noch der Strahlende an den Tod.” Zweifelnd sahen sich die Cyborgs an. Was war Wahrheit? Was war Mär? Aber die verlassene Stadt der Mysterious war real. Doch warum war sie auf diesem unbedeutenden Planeten unter einer verlöschenden Sonne angelegt worden? Warum besaß Sero einen Kugel-Transmitter? Was gab dieser Welt diese Bedeutung? Aber die Barrans wußten von keiner technischen Anlage auf ihrer Welt. Sie hatten auch nie Interesse daran gehabt, zu forschen. Nur hatte sie die Angst niemals verlassen, die Grauen könnten eines Tages zurückkehren und ein grausames Strafgericht halten, weil sie ihre Stadt im Besitz anderer fänden. “Sarronala, die Grauen werden nicht wiederkommen, denn wir Terraner suchen sie schon seit vielen Jahren auf vielen Sternen. Wir glauben nicht mehr daran, daß sie noch leben. Ein Volk der Grauen gibt es nicht mehr. Aber kennt ihr den Ausdruck: Grakos?” “Das sind doch die Grauen!” sagte Sarronala ganz ruhig. * Die POINT OF tastete sich langsam vorwärts, seitdem sie den Emissionsbereich der siebzehn Sonnen erreicht hatte, die alle ihrem gemeinsamen Untergang entgegenjagten. Siebzehn Sonnen waren aus ihrer Bahn gebracht worden. Siebzehn Sonnen rasten einem unsichtbaren Mittelpunkt zu; aber bevor sie ihn erreichten, mußten sie sich wie eine Nova aufblähen und zum allesverschlingenden Moloch werden. Falluta hatte die POINT OF übernommen. Ren Dhark und Dan Riker befanden sich in der astrophysikalischen Abteilung, wo größte Aufregung herrschte, denn zwei Hypothesen waren aufeinandergeprallt, und keine der
beiden Parteien wollte einen Schritt von ihrer Annahme abgehen. “Wir haben ein Naturereignis vor uns!” behauptete die eine, aber zahlenmäßig schwächere Gruppe. “Wir sehen hier das Resultat von wahnsinnig gewordenen Intelligenzen, die verbrecherisch mit siebzehn Sonnen gespielt haben!” behauptete die zweite Gruppe. Aber noch konnte weder die eine, noch die andere Hypothese bestätigt oder entkräftet werden. Zu weit vom Schauplatz war der Ringraumer entfernt. Das Schiff hielt Kurs auf die Sonne, die innerhalb der kleinen Ballung noch am weitesten draußen stand – ein B-Typ mit einem 5,6fachen Sonnendurchmesser, von strahlend weißer Farbe und ungewöhnlich heiß. “Künstlich aufgeheizt!” “Quatsch!” wurde dem Astrophysiker zugerufen, der diese mutige Behauptung aufgestellt hatte. “Was wir sehen, ist ein ganz normaler Prozeß, der durch die Schrumpfung der Ballung ausgelöst worden ist. Vielleicht erinnern Sie sich an Brigthons 4. Gesetz, oder denken. Sie an die Kossandriner Formel!” Sie warfen sich gegenseitig Formeln und Fachausdrücke an den Kopf. Niemand wollte nachgeben. Nicht einmal auf den Commander wurde gehört, der die Streithähne zur Ruhe zwingen wollte. Draußen rasten siebzehn Sonnen gemeinsam dem. Verderben zu, und in der POINT OF ließ dieses Ereignis sonst äußerst ruhige Männer zu dummen Jungen werden, die ihren nüchternen Verstand nicht mehr einsetzen konnten. Jens Lionel mußte der Unglücksrabe sein, der zum berühmten Funken im Pulverfaß wurde. Ahnungslos schaltete er zur Astro durch und meldete: “Der B-Typ, den wir anfliegen, hat Planeten, aber die sind alle kaputt!” Das hätte er niemals sagen dürfen! Kaputt! So sprach höchstens der Mann auf der Straße, aber kein Wissenschaftler, und woher wollte Lionel bei dieser Entfernung wissen, daß diese Planeten tatsächlich kaputt waren? “Meine Herren!” Ren Dharks Stimme donnerte. Er war nicht länger bereit, diesen Zirkus zu ertragen. Und er sagte ihnen, wie er über seine Astrophysiker dachte. “Ich verlange etwas mehr Disziplin. Schließlich unternehmen wir keinen Spazierflug, sondern eine Forschungsfahrt, die Ihnen, meine Herren, bis zum Ausbruch Ihrer Streitigkeit seht gelegen kam. Ihren Bericht erwarte ich morgen gegen 8 Uhr Norm-Zeit!” Aber auch am anderen Bordtag gegen 9 Uhr hielt er noch keinen Bericht in Händen. Die astronomische wie die astrophysikalische Abteilung
schwiegen sich aus. Falluta, 1. Offizier der POINT OF, war diesen Experten nicht besonders gut gesonnen. “Ich habe ihn schon dreimal angefordert und wurde beim letztenmal angeschnauzt, nicht dauernd zu stören. Lionel hat sich wieder einmal unmöglich benommen!” Diese ewigen Reibereien zwischen Besatzung und Wissenschaftlern, die nur ihrer Arbeit nachgingen, waren auch auf der POINT OF nicht zu beseitigen. Doch auch an diesem Bordmorgen hörte Dhark darüber hinweg. Streitigkeiten sorgten für Bewegung und frische Luft und gaben der Muffigkeit an Bord keinen Spielraum. Er sah wieder auf das Chrono der Zentrale. Halb zehn! Die Herren ließen sich wirklich Zeit; sie brachten nicht einmal eine Entschuldigung dafür zustande, daß sie sich mit ihrem Bericht verspäteten. Leon Bebir im Cositz drehte sich mitsamt seinem Sessel um. “Für Sie! Die Astro, Dhark.” Auf der POINT OF hieß er Dhark, und war nicht der Commander, wie auch Falluta mit Namen angesprochen wurde, und nicht mit ‚Erster Offizier’. “Ja?” meldete er sich, als er links neben Falluta getreten war und den Bildschirm der Verständigung sehen konnte. “Dhark, wir haben uns bei Lionel entschuldigt. Wir alle. Die drei kümmerlichen Planeten, welche die Sonne vom Typ B besitzt, sind tatsächlich kaputt!” Dieses Wort tat Ren Dhark in den Ohren weh. “Was heißt das denn, kaputt?” “Kaputt! Was denn? Die hat jemand auseinandergebrochen und…” “Darf ich Sie bitten, endlich mit diesem Unsinn aufzuhören?” schnauzte Dhark, der für einen Augenblick die Beherrschung verloren hatte und einen roten Kopf bekam. Der Astrophysiker murmelte eine Entschuldigung. “Dhark, diese drei Planeten sind mutwillig durch Intelligenzen zerstört worden, denn wir haben kontinentalgroße Bruchstücke im Raum treibend gefunden, die bei etwas Phantasie in die Bruchstellen der Umlauf er passen!” Beide Seiten schwiegen. Der Experte wartete, was der Commander zu sagen hätte, während Dhark versuchte, sich vorzustellen, welche Energien erforderlich waren, aus einem Planeten kontinentgroße Stücke herauszubrechen. Nur zögernd stellte Ren Dhark dann seine Frage: “Können Sie jetzt
schon bestimmen, wann dieser Zerstörungsakt stattgefunden hat?” “Leider nicht. Dafür müßten wir bedeutend näher heran, aber wiederum möchten wir empfehlen, erst einmal die POINT OF zu stoppen. Ehrlich gesagt, wir kommen mit diesen siebzehn Sonnen nicht klar, weil wir nicht erkennen, was man mit ihnen angestellt hat.” In der Zentrale horchte auch der letzte Mann auf. “Sie sind überzeugt, daß sich diese Sterne nicht normal verhalten? Daß kein natürlicher Prozeß abläuft?” “Mit hundertprozentiger Sicherheit können wir es nicht behaupten, Dhark, denn was über die Milchstraße kennen wir schon! Aber das Gesamtbild paßt in keine unserer Vorstellungen hinein. Bitte, lassen Sie uns Zeit.” Er nickte und schaltete wortlos ab. Niemand sah ihm an, welche Sorgen er sich plötzlich machte, und daß sich seine Gedanken mit den schwarzen Weißen und ihren Doppelkugelraumern beschäftigten. Hatten sie hier ihre Hand im Spiel gehabt? Vielleicht würde es die Zukunft verraten. * Bert Stranger, der Reporter der Terra-Press, war nicht wiederzuerkennen. Der Mann mit der unglücklichen Figur sah nicht mehr lächerlich aus, und die beiden Robonen, die vor seinen Strahlwaffen standen, hatten offensichtlich Angst vor diesem Mann, der unter fadenscheinigen Gründen ihr Büro betreten hatte. “Ich frage nicht noch einmal!” sagte er warnend. “Ich habe nun lange genug auf eine Antwort gewartet.” Sein Paraschocker war auf minimale Dosis geschaltet. Die Wirkung des Strahls reichte bei weitem nicht aus, die beiden Männer zu paralysieren, aber sie genügte, um ihnen unbeschreibliche Gefühle aufzuzwingen, die eine schauerliche Mischung von Angst, Verzweiflung und Todesfurcht waren. Lässig betätigte er den Kontakt. Lässig schwenkte der Abstrahlpol auf den zweiten zu, der nun auch in seinem Sessel zusammensackte, die Lippen bewegte, aber kein Wort darüber brachte. In Gedanken hatte Bert Stranger jedesmal bis zehn gezählt, und nun ließ sein Finger den Kontakt wieder in die Ausgangsstellung zurückspringen. Ob die erste Probe ausreichte, diesen verstockten Burschen den Mund
zu öffnen? Mitleidlos beobachtete er in ihren Augen die sich darin widerspiegelnden Angstgefühle. Borgin versuchte, die Arme anzuwinkeln, doch nur ein Stöhnen brachte er fertig Marenu starrte inzwischen dumpf vor sich hin. Ihm machte die schwache Dosis mehr zu schaffen als seinem Partner. Borgin & Co, die unscheinbare Firma, die mit Sensoren handelte und es verstanden hatte, die Hobby-Gelüste der Menschen anzusprechen. Trotz ihres unscheinbaren Aushängeschildes betrug der letzte Jahresumsatz der Firma über achtzig Millionen Dollar. Bert Stranger stand mit dem Rücken zur Tür. Von seinem Platz aus konnte er das ganze Büro übersehen und verhinderte gleichzeitig mit seiner Stellung, daß ein unerwünschter Besucher eintreten konnte. “Okay, dann ist die zweite Behandlung fällig!” nuschelte er, und wieder krümmte sich sein Zeigefinger. Sie waren zäher, als er erwartet hatte. Sie krümmten sich unter dem Strahlbeschuß, und ihre Angst war nicht mehr zu beschreiben; dennoch kam kein Wort über ihre blaß gewordenen Lippen. Unwillkürlich drängte sich bei dem Reporter der Verdacht auf, daß sowohl Borgin wie auch Marenu behandelt worden waren. Stimmte seine Vermutung, dann gehörten sie in die Hände von Spezialärzten, die mittels Drogen diese Behandlung aufhoben. Stranger machte die Probe. Er erhöhte die Dosis um einen Grad. Gern tat er es nicht, weil ihm bekannt war, was diese Erhöhung für einen Menschen ausmachte; und er gehörte nicht zu den Typen, die bedenkenlos den Paraschocker einsetzten. Aber in diesem Fall ging es um mehr, als herauszufinden, wer hinter der Aktion Mikrosender steckte. Er hatte im Laufe seiner Nachforschungen erstmals in Nordamerika und dann in Australien von einer Verbindung zwischen nicht umgeschalteten Robonen und schwarzen Weißen gehört. Die letzteren waren ihm kein Begriff gewesen, doch als er dann in den Slums von Melbourne von Doppelkugelraumern reden hörte, hatte er sofort an eine drohende Invasion Terras durch schwarze Weiße gedacht. Es war nicht leicht gewesen, die Verteilerzentrale zu finden, von der aus die Mikrosender weitergeleitet wurden; und es war ihm unmöglich gewesen, herauszufinden, woher diese höllischen Kleinstgeräte kamen. Von diesen schwarzen Weißen, die mit einigen nicht umgeschalteten Robonen in Verbindung stehen sollten? Mit grauem Gesicht, den Schweiß auf der Stirn, mit verkrampften
Händen, hingen Borgin und Marenu hinter ihrem großen Schreibtisch in den Sesseln. Konnten sie wirklich über die Mikrosender nicht sprechen? War die Spezialbehandlung, die sie erhalten hatten, so nachhaltig, daß sie darüber auch trotz ihres Wollens keine Aussage machen konnten? Auf dem Gang hörte Bert Stranger Schritte, die an der Tür, gegen die er gelehnt stand, haltmachten. Jemand versuchte einzutreten und wunderte sich vielleicht, warum sich die Tür nicht öffnen ließ. Der Reporter mußte schnell handeln. Ihm lag nichts daran, in einen Kampf verwickelt zu werden. “Okay!” sagte er, schaltete seinen Paraschocker hoch und paralysierte die beiden Männer hinter dem Schreibtisch. In diesem Moment flog er zur Seite. Der andere, der hineinwollte, hatte die Tür mit aller Kraft aufgestoßen. Er benahm sich nicht besonders vorsichtig, und die Strahlwaffe in seiner Hand ließ Bert Stranger blitzschnell handeln. Wie ein gefällter Baum brach der Fremde zu Boden. Stranger stieß die Tür wieder zu, schloß nun den magnetischen Verschluß und beugte sich über den dritten, der mit weitausgestreckten Armen auf dem dicken Teppich lag. Einen halben Meter weiter lag seine Strahlwaffe. “Was ist denn das für ein Ding?” murmelte der Reporter, der die Waffe an sich genommen hatte und sie von allen Seiten betrachtete. Dieses Modell hatte er noch nie gesehen. Kopfschüttelnd steckte er die superleichte Waffe ein. Kannte er den Mann vielleicht, der mit dem Gesicht auf dem Boden lag? Er drehte ihn um. Komisch fühlt sich sein Fleisch an, dachte er und betrachtete die Halspartie des Unbekannten genauer. Sah er Fleisch oder Fleischplastik? Wie glatt er war, und wie leblos es zu sein schien! Stranger streifte ihm das Hemd über der Brust zurück. “Unendliche Milchstraße!” stieß er aus, als er die schwarze Haut sah. Und dann sagte er gar nichts mehr, als er eine Fleischplastik-Maske in der Hand hielt. Vor ihm lag ein Schwarzer, dessen Gesicht aber keinen negroiden Einschlag hatte! Ein schwarzer Weißer? Stranger wurde abwechselnd kalt und heiß.
Jetzt mußte er die GSO alarmieren, selbst auf die Gefahr hin, daß er anderen durch den Anruf seinen Standort verriet. Er schaltete sein Vipho ein. Hauptfrequenz der GSO. Mit Alamo Gordo wollte er sprechen, nicht mit dem Büro in Melbourne. Am liebsten mit Bernd Eylers. Ich werde verrückt, dachte der abgebrühte Reporter. Ein Neger, der kein Neger ist! In Melbourne! Auf Terra! Er hatte unverschämtes Glück; auf der kleinen Bildscheibe erkannte er Bernd Eylers. Bert Stranger liebte das Effektvolle! “Eylers, sehen Sie sich den an!” und richtete sein Vipho auf den schwarzen Mann am Boden, doch dabei verlor er keine Sekunde, weil ein ungutes Gefühl in ihm stärker und stärker wurde. Hastig gab er durch, wo in Melbourne er sich befand. “Borgin & Co.! Aber auch Co. mit Namen Marenu scheint behandelt worden zu sein. Beide konnten, obwohl Sie wollten, keine Aussage machen…” Bernd Eylers in Alamo Gordo, in der Zentrale der GSO, redete dazwischen. “Ich habe Großalarm ausgelöst, Stranger. In ein paar Minuten…” Er verstummte. Auch Bert Stranger sagte kein Wort. In den Büros der Firma Borgin & Co. war der Teufel los! * Ren Dhark war nervös, obwohl er sich alle Mühe gab, sie nicht zu zeigen; aber seinem Freund Dan konnte er nichts vormachen. Der beobachtete ihn immer wieder. Und Dhark kontrollierte alle wichtigen Einsatzstellen seines Schiffes. “Clifton, haben Sie Ihr Team auf Mix gedrillt?” Der Mann mit dem Kindergesicht hob seine Rechte wie zum Schwur. “Dhark, meine Leute träumen schon davon!” Jean Rochard, Chef der WS-Ost, sagte: “Wir spielen inzwischen mit allen Mix-Sorten wie vorher mit Dust-, Nadel- und Strich-Punktstrahlen.” Das hörte sich gut an. Dhark wandte sich von der Bordverständigung ab und trat auf Grappa zu. Der behauptete: “Wenn uns die schwarzen Weißen mit ihren Kähnen nicht direkt vor der Nase aus der Transition kommen, werde ich dafür
sorgen, daß sie einen heißen Empfang bekommen. Meine Verbindungen zu den beiden WS stehen!” “Grappa, halten Sie die Ohren steif!” – Mehr sagte der Commander nicht. Er trat hinter Dan Riker, legte ihm die Hand auf die Schulter und hatte für ihn nur ein Wort übrig: “Aufpassen!” Dann verließ er die Zentrale und suchte die Funk-2 auf. Glenn Morris und Elis Yogan machten Dienst mit ihren beiden Teams. Walt Brugg und seine Männer nahmen eine Handvoll Schlaf. “Wie sieht es mit dem Gringer aus, Yogan?” Der grinste gemütlich. “Dhark, wir haben es durchgepaukt, bis wir das Wort Gringer nicht mehr hören konnten, aber wenn uns nur ein Mensch sagen könnte, wieso wir plötzlich etwas über Gringer wissen! Heiliger Strohsack, mit der Funk-Z angreifen können… keiner von uns kapiert es!” Ren Dhark wich einer direkten Antwort aus. “Ergeht es nicht vielen im Schiff so, Yogan?” Unwillkürlich war er damit wieder an Erron-3 erinnert worden. Erron-3, das Hauptarchiv der Mysterious, in einem blaßblauen Universum versteckt, und dort auf einem Planeten so abgesichert, daß kein Unbefugter das Archiv betreten konnte. Aber wieso waren sie, die Terraner, keine Unbefugten gewesen? Im Pilotsessel nahm er wieder Platz. Der Ringraumer hatte sich dem am weitesten draußen stehenden Stern bis auf eine Lichtstunde genähert. Die drei zum Teil zerstörten Planeten waren deutlich in der Bildkugel zu sehen. Der größte davon zeigte starke Beschädigungen, aber auch zwei der gewaltigen kontinentalen Brocken, die gleich eckigen Monden um diesen Umläufer kreisten! “Das ist alles halb so schlimm”, sagte er halblaut. “Es wird dann unvorstellbar, wenn sich herausstellt, daß man diese siebzehn Sonnen verschoben hat, um sie mit ihrem energetischen Haushalt kurzzuschließen!” Dan Riker hatte ihn verstanden. “Ich habe Angst, daß es stimmt, Ren!” “Ich auch. Aber wer besitzt diese unvorstellbaren Mittel, um Sonnen aus ihren Bahnen zu reißen?” Rikers Gesicht drückte Mißbehagen aus. “Die Grakos! Diese Teufelei würde zu ihnen gut passen!” Ren Dhark war ihm dankbar, daß er in den Grakos nicht auch die Mysterious sah, aber seine Erleichterung erhielt im nächsten Augenblick
einen gewaltigen Stoß. Mearn, ein junger Astrophysiker, der es fertiggebracht hatte, mit vierundzwanzig Jahren sein Examen zu machen, rief durch. “Dhark, wir haben die erste Altersbestimmung vorliegen, nicht genau, aber in ihrem Wert richtig. Diese drei Planeten wurden vor rund tausend Jahren beschädigt. Der Spuk mit den siebzehn Sonnen hat um die gleiche Zeit eingesetzt. Wir haben nur eine Erklärung: Damals muß irgendwer mit der Raum-Zeit-Struktur manipuliert haben. Aber wer war es?” Mit 0,3 Licht näherte sich die POINT OF der äußeren Umlaufbahn des größten der drei Planeten. Der mächtigste kontinentale Brocken von der Größe Nordamerikas und dem Aussehen einer gigantischen Warze, stand in 654.000 Kilometern Abstand darüber. Die beiden kleineren waren auf Rot 23 zu sehen und sahen auf den ersten Blick wie Zwillinge aus. Die Meere auf der zerstörten Welt waren verdampft, die Reste der Atmosphäre eine angeheizte Gasmischung, deren radioaktive Verseuchung schon vor tausend Jahren die letzte Zelle vernichtet haben mußte. Neben Dhark flackerte eine Alarm-Kontrolle auf. Tino Grappa hatte Alarm ausgelöst, meldete sich aber nicht mit neuen Ortungswerten. Und das war erregend. Unwillkürlich legte Ren Dhark seine Fingerspitzen auf die Steuerschalter, bereit, in jedem Moment den Sle hochzuschalten, oder von Sle auf Sternensog zu gehen. “Dan, Abdeckung der Intervalle klar?” “Ja!” sagte dieser, und dachte: Nanu, was ist denn heute bloß in Ren gefahren, der ist ja das reinste Nervenbündel geworden?! Der Commander beobachtete die Instrumente, über die ihm Grappa seine erfaßten Werte herübergab. Sie zeigten nichts Besonderes. Er überprüfte sie noch einmal und stutzte. Im Bereich des Mittelpunktes, um den sich alle siebzehn Sonnen bewegten, gab es einen unscharfen Sektor. Ein Gravitationszentrum von unvorstellbarer Stärke? Eine energetische Ballung, die selbst mit den tastenden Hyperstrahlen fertig wurde und sie verfälschte? Dhark bereitete sich auf alles Mögliche vor, doch eine Möglichkeit übersah er. Eine Strukturerschütterung dicht hinter dem größten, stark beschädigten Planeten löst Alarm in der POINT OF aus! Im gleichen Moment gab es im Mittelpunkt der siebzehn Sonnen diesen
unscharfen Sektor nicht mehr. Bevor die Offiziere im Leitstand erfaßten, was tatsächlich geschehen war, wurde das obere Intervallfeld des Ringraumers durch einen Strahlvolltreffer zum Zusammenbruch gebracht. Belastung des unteren Intervalles: 98,2 Prozent! “Abdeckung!” schrie Ren Dhark auf, während seine Finger ein halbes Dutzend Steuerschalter in andere Positionen brachte. Beide WS schossen aus allen verfügbaren Antennen. Automatisch hatte die Funk-Z Gringer eingesetzt! Das Aussehen der Bildkugel veränderte sich. Die POINT OF hatte sich eingetarnt! Dennoch raste ein Blitz in die Zentrale und blendete auch den letzten Mann! Niemand mehr sah den Strahl, der nur ein paar Kilometer an dem Ringraumer vorbei in den Leerraum raste. Instinktiv hatte Dhark auf Sternensog geschaltet, als die Blendung ihn nichts mehr sehen ließ. Abrupt der Übergang auf Überlicht! Wie ein Ungeheuer der Urzeit brüllte das Triebwerk des Ringraumers auf. Titanische Kräfte, durch den Brennpunkt erzeugt, schleuderten die POINT OF über Grün 4:7,503 seitlich an der Ballung vorbei. Für Sekunden wurden die Andruckausgleicher weit über ihre maximale Belastung beansprucht. Nur der Technik der Mysterious war es zu verdanken, daß sie nicht zusammenbrachen und damit den Tod über alle Menschen kommen ließen. Siebzehn Sonnen, zu einem kleinen Haufen zusammengefaßt, schienen an der POINT OF vorbeizurasen und immer schneller in die Raumtiefe zu stürzen. Sekunden, die voll unerträglicher Spannung waren, vergingen unendlich langsam. Ebenso langsam ließ die Blendung der Männer nach. Qualvolles Stöhnen wurde durch das Brüllen, Donnern und Heulen der Aggregate übertönt. Viele wischten sich das Wasser aus den Augen; viele standen gekrümmt, die Hände gegen die Augen gepreßt, und bogen sich unter Schmerzen. Dhark gehörte zu den letzten, die wieder sehen konnten. Er hatte auf die Bildkugel geschaut, als der Lichtblitz in die Zentrale jagte. “Commander…! Commander…!” Wann hatte Tino Grappa ihn schon einmal mit seinem Titel angesprochen, und wann einmal hatte seine Stimme wie die eines hilflosen, verzweifelten Kindes geklungen? “Commander, man hat über eine Hyperfrequenz eine der Sonnen
angezapft und mit Gry 275 hoch 35 versucht, uns in die Hölle zu jagen!” Nicht in die Ballung einfliegen! Der Checkmaster hatte zu allen gesprochen, das rätselhafte Bordgehirn der POINT OF! Nicht in die Ballung einfliegen – sie lag schon weit hinter ihnen. Der Sternensog jagte das Schiff mit mehr als tausendfacher Lichtgeschwindigkeit tiefer ins Sternenmeer hinein. Angriff aus Rot! Und aus der gleichen Richtung eine Gefüge-Erschütterung, die kein Ende nehmen wollte. Der Gegner hatte sie in einer Transition eingeholt, stand weit vor ihnen und eröffnete aus dieser Entfernung, die mit jeder Sekunde kleiner wurde, sein Vernichtungsfeuer! Die POINT OF schlug zurück. Bud Cliftons Kindergesicht war verzerrt. Er sah sie über seine Zielsteuerung, diese winzigen Punkte, die sich so scharf gegenüber der Schwärze des Weltalls abhoben. Er wurde nicht vom Vernichtungswillen beherrscht, sondern allein von dem menschlichen Impuls, zu überleben. Was das erforderte, zählte im Moment bei ihm nicht. Du oder ich! dachte er nur und drückte alle Kontakte. Die in der Unitallhaut liegenden Antennen, die man als grafisch gezeichnete Spiralbahnen erkennen konnte, waren wie freistehende Antennen von jeder WS aus durch Veränderung ihrer molekularen Struktur zu verändern. Einundzwanzig Antennen konnte Bud Clifton einsetzen gegen mehr als vierzig Schiffe, die der POINT OF feuernd entgegenrasten. Mix! Die neue Waffe – und auch wiederum nicht. Die POINT OF hatte sie schon immer besessen, nur war den Menschen nichts darüber bekannt gewesen. Mix, das die Schirmfelder der Doppelkugelraumer zerfetzte und dabei die fremde Abschirmenergie verwendete, um das erfaßte Schiff zu einer Atombombe zu machen. Mix – überlichtschnell – traf gleich dreimal. Der Weltraum hatte vorübergehend drei neue Sonnen, die aber schnell wieder erloschen. Sechzehn Antennen fielen aus. Ren Dhark beanspruchte sie. Abermals setzte er das Hy-Kon ein, die furchtbarste Waffe, über die sein Schiff verfügte.
Hy-Kon, das er zum erstenmal auf dem Planeten Zwitt kennengelernt hatte, als Hypnogewalten ihn zum Checkmaster der Zentrale im Mittelpunkt dieser rätselhaften Welt werden ließen. Das opalisierende Licht tauchte wieder auf und jener Ring, der sechsfach unterteilt war und den geschlossenen Verband der Angreifer umhüllte. Drei schwache Struktur-Erschütterungen verrieten, daß der Gegner die riesengroße Gefahr erkannt hatte, in der er sich plötzlich wieder befand. Doch nur diesen paar Raumern gelang die Flucht. Das Hy-Kon schlug zu! Es verschlang das Opalisierende und mehr als vierzig Raumer, die die POINT OF vernichten wollten. Der Weltraum wurde aufgerissen, und dieser Abgrund, aus dem es wahrscheinlich keine Rückkehr mehr gab, verschlang eine Flotte der schwarzen Weißen. “Ob ihnen endlich dieser Denkzettel den Verstand wiederbringt?” stellte Dan Riker die berechtigte Frage. “Du Optimist!” warf ihm Ren Dhark hin, der wieder von Sternensog auf Sle schaltete und seinen Ringraumer auf Gegenkurs nahm. “Jetzt werden sie erst recht alles versuchen, uns den Garaus zu machen; und es wird ihnen gelingen, wenn wir ihnen noch einmal die Möglichkeit geben, die Energie einer Sonne anzuzapfen. Dan, hast du dir schon einmal ausgerechnet, wieviel Gry 275 hoch 35 ist?” “Bin ich ein Suprasensor, Ren?” Er erhielt keine Antwort, denn Dhark war an den Checkmaster getreten und wollte einige Auskünfte haben. Nacheinander bekam er drei Antworten. Grappas Behauptung, die POINT OF sei mit der energetischen Leistung einer Sonne angegriffen worden, stimmte! Die Warnung, nicht in den kleinen Sternhaufen einzufliegen, bestand nach wie vor. Warum? Die dritte Antwort war durch Dharks Frage ausgelöst worden. Die stabilen Bahnen der siebzehn Sonnen sind gestört worden, und es läßt sich nicht mehr rechnerisch erfassen, wann die erste zu einer Nova wird und mit ihrem Ausbruch alle anderen Sterne vernichtet! Der Checkmaster hatte von sterbenden Sternen gesprochen, aber klang durch seine Antwort nicht auch, daß ihm diese Siebzehner-Konstellation bekannt war? Die beiden Offiziere sahen ihm über die Schulter. Sie verstanden,
welche vierte Frage er stellte. Der Checkmaster zeigte ununterbrochen Grün, dann, nach mehr als einer Minute, schob er auf einem Streifen die Antwort heraus. Verblüfft las der Commander: Die Siebzehner-Konstellation ist als Energie-Zentrale für den Sektor 3512 bekannt, aber es ist nicht nur unmöglich, weitere Auskünfte über die Energie-Zentrale zu liefern, sondern auch Sektor 35/2 kann nicht erklärt werden. Koordinaten über die Position der Siebzehner-Konstellation liegen ebenfalls nicht vor. Schweigend gab Dan Riker den Streifen wieder zurück. Er hatte es aufgegeben, sich darüber noch Gedanken zu machen. Aber Ren Dhark ging diese Auskunft nicht aus dem Kopf. “Demnach müßten diese siebzehn Sonnen von den Mysterious auf neue, aber stabile Bahnen gebracht worden sein. Doch nach ihrem Verschwinden aus der Milchstraße haben andere diese Konstruktion so gestört, daß man nun mit einem blitzartigen Untergang rechnen muß. Schön! Aber was heißt Sektor 35/2? Gibt es vielleicht auch die EnergieZentrale 35/1 und damit insgesamt siebzig solcher Anlagen in der Galaxis?” Dan Riker zuckte die Schultern. “Ren, ich denke an etwas anderes. Erinnerst du dich noch, daß unsere POINT OF in der ersten Zeit, als wir kaum in der Lage waren, den Ringraumer richtig zu fliegen, von allen Intelligenzen immer wieder angegriffen wurde? Erst durch die Utaren hörten wir von den Grakos. Und nun haben wir diesen ständigen Ärger mit den schwarzen Weißen! Drängt sich nicht der Verdacht auf, daß auch sie uns für Grakos halten, jene Teufel im Sternenmeer, die ganze Planeten entvölkerten und eine intelligente Rasse nach der anderen verschwinden ließen?” Ren Dhark winkte ab. Wie oft hatte er schon darüber nachgedacht – und wie oft war er schon bereit gewesen, in den Mysterious auch die Grakos zu sehen; doch dann hatte es hier und da Kleinigkeiten gegeben, die ihn zwangen, mit seinem Urteil zurückzuhalten. Erron-3! Riker und er hatten nur einen winzigen Teil des dort gespeicherten Wissens in sich aufnehmen können, aber wenn sie nicht alles täuschte, dann barg Erron-3 auch all das, was ausreichte, Sonnen neue Bahnen zu geben oder Sonnen gegen andere Sonnen prallen zu lassen! Genau wie auf Hope und wie in dieser kleinen Ballung, so war auch Erron-3 vor rund tausend Jahren angelegt worden – versteckt in dem
blaßblauen Universum. Was konnte damals passiert sein, das die Mysterious gezwungen hatte, alles aufzugeben, alles zu verlassen, um es nie mehr zu betreten? Würden die Menschen dieses größte aller Rätsel einmal lösen, oder wenigstens auf einem Planeten die naturgetreue Abbildung eines Geheimnisvollen entdecken? Abrupt ließ Ren Dhark den Streifen sinken. Ruckartig drehte er den Kopf zu Riker. “Ich zweifele die Aussage des Checkmasters an. Uns hat er gewarnt, in den kleinen Sternhaufen einzufliegen, aber sind die Schiffe der schwarzen Weißen nicht aus der Ballung gekommen, nachdem wir uns abgesetzt hatten?” “Ich wußte es!” Dan kannte seinen Freund gut. Die POINT OF nahm wieder Kurs auf die sterbenden Sterne! * Holger Alsops schmales, markantes Gesicht zeigte über der Nasenwurzel zwei tiefe Furchen. Mehrmals strich er über sein graues, nach hinten gekämmtes Haar, während Sarronala neben ihm stand und ihn durch den Haarvorhang beobachtete. Unmißverständlich, bar jeder Lüge, war ihre Unterhaltung über die Ringe, von denen der Zottelige wie auch der Cyborg einen trug. Die Barrans hatten sie in einem Gebäude gefunden, nachdem sie die Stadt der Grauen in Besitz genommen hatten, und mehr aus Spielerei, denn aus praktischen Erwägungen benutzt, bis Richter ihre wunderbare Eigenschaft entdeckten und mit ihnen Verdächtigen ein Geständnis abzwangen, oder ihre Unschuld nachwiesen. Nur noch wenige Ringe waren in privatem Besitz. Sarronala gehört zu den Glücklichen, der sie von seinen Ahnen geerbt hatte. Über einen A-Grav waren sie nach oben gefahren. Oben war ein Hügel, von dessen Spitze aus man den Tempel der Blubs sehen konnte. Ihn betrachtete Holger Alsop unzufrieden. Er sah die Blubs, und er hörte das donnernde Feuer: gelblichrot gefärbte Wolken, die dicht über dem Boden herkrochen und wie schaumig geschlagener Schleim sich träge vom Wind auf den Tempel zutreiben ließen. Doch das Erregende daran waren die krachenden Donnerschläge, die aus den Wolken kamen und an irdische Gewitter erinnerten. Mit jedem
Krachen schoben sich diese Wolken sprungartig vorwärts, und die ersten hatten den Tempel aus grauen Quadern erreicht. “Bald werden sie den Strahlenden sehen”, hörte Alsop seinen Begleiter sagen, “und ich weiß nicht, was dann geschehen wird.” Noch dachte sich der Cyborg nichts dabei, erst etwas später erinnerte er sich dieser Bemerkung wieder. Über eine Stunde lang beobachtete er, wie die Blubs ihren Tempel mit dem Kugel-Transmitter ausräucherten. Es war verblüffend, wie geschickt sie mit dem donnernden Feuer umzugehen verstanden. Sie lenkten es von allen Seiten, und: er sah die gelblichrot gefärbten Wolken durch die beiden Eingänge verschwinden. “Warum jagt ihr die Blubs nicht aus dem Kellergewölbe wieder hinaus?” fragte Alsop. “Warum sollen wir mehr tun als die Wand aus Licht?” hörte er die Gegenfrage des Barran. “Und dennoch fürchtet ihr um den Strahlenden?” “Wissen wir, wie er handeln kann? Wir wissen nur um seine tödlichen Strafen, die jeden Barran traf, der in seine Nähe kam!” Er sprach wieder von den uralten Überlieferungen, in denen die Grauen die wahren Herren dieses Planeten waren. “Wo ist denn das donnernde Feuer geblieben?” fragte Alsop unsicher, als er den letzten Blub im Tempel verschwinden sah. “Fort, denn es hat seine Aufgabe erfüllt!” Darunter konnte sich der Cyborg nichts vorstellen. Eine Stunde später traf er wieder auf Bram Sass, Lati Oshuta und Mark Carrell. Die drängten darauf, über den Kugel-Transmitter wieder zu verschwinden. “Mehr als hundert Blubs haben den Tempel besetzt, und die Barrans fürchten nun um die Plastik ihres Strahlenden…” “… den wir eigentlich mitnehmen sollten!” schlug Carrell vor. “Nein!” Holger Alsop war mit seinen einsvierundachtzig der größte unter ihnen. Nun, nach seinem endgültigen Nein, schien er noch größer als sonst zu sein. “Wir dürfen eine Plastik, die von den Barrans verehrt wird, nicht stehlen!” Seine Entscheidung wurde akzeptiert, aber auf seinen Vorschlag, einen Tag verstreichen zu lassen, bis sich die Blubs wieder beruhigt hatten, gingen die anderen nicht ein. Fünf Barrans begleiteten sie. Die Cyborgs kehrten auf dem Weg zurück, auf dem sie die Stadt erreicht hatten. Als sie die Treppe hinaufgestiegen waren und den Gang erreichten,
schalteten Carrell und Sass auf ihr zweites System. Wie angewurzelt blieben sie stehen. Ihre superempfindsamen Ohren vernahmen Schreien, Brüllen und Heulen. Im Tempel des Strahlenden mußte sich eine Katastrophe abspielen. Die Barrans zögerten. Klipp und klar erklärten sie, an einer Begegnung mit den Blubs nicht interessiert zu sein. Dabei nannten sie sie zum erstenmal die Unreinen, weil sie einen unangenehmen Geruch verbreiten sollten. “Wir gehen allein weiter!” teilte Alsop dem Barran Sarronala mit. “Wir würden uns alle freuen, euch bald wieder begrüßen zu können!” Vier Cyborgs stürmten davon, an der Spitze Mark Carrell, der seinen Scheinwerfer am Raumanzug voll aufgedreht hatte. Das Heulen und Brüllen wurde mit jedem Schritt lauter. Plötzlich standen sie im Dunkeln. Carrell hatte seinen Scheinwerfer ausgeschaltet, doch im nächsten Moment sahen sie zuckendes, dunkelrotes Licht, das von kurzen, grellen Blitzen aufgehellt wurde. Lautlos tasteten sich die vier Männer näher, in jeder Hand eine Strahlwaffe. Der Gang war breit genug, daß sie in einer Reihe gehen konnten. Wie auf ein Kommando blieben sie dann stehen. Der Strahlende, der Goldene Mensch, dessen gigantische Ausgabe auf dem Planeten Mirac als Torso zu sehen war, mordete! Sein nicht modelliertes Gesicht, diese leichte Wölbung ohne die Andeutung eines Kinns, war nichts anderes als ein Abstrahlpol; und über diesen Abstrahlpol verschickte er Blitze, die unter den brüllenden, verzweifelt heulenden Blubs, die flach auf dem Boden lagen, mit tödlicher Kraft einschlugen. Im Raum stank es nach verbranntem Fleisch und versengten Haaren. Die vier Cyborgs, die auf ihrem zweiten System keine Emotionen kannten, nahmen das Grausame des Geschehens dennoch auf. Die Zotteligen in ihrer Primitivität hatten diese entsetzliche Strafe nicht verdient, und in ihrer grenzenlosen Hilflosigkeit, die sie zu Boden gezwungen hatte, boten sie einen mitleidsvollen Anblick. Der Goldene Mensch war ein Mörder! Holger Alsop riß seinen überschweren Blaster hoch, zielte auf den Hinterkopf der Plastik und sah den hochenergetischen Strahl darauf einschlagen! Er begriff nicht, was er tat! Noch weniger begriff er, daß etwas Ähnliches auf einem anderen Planeten schon, einmal getan worden war! Auch er zerfetzte einer in Goldton schimmernden Plastik den Kopf und
brannte die zur Decke ausgestreckten Arme bis zu den Ellbogen ab, weil auch sie tödliche Strahlen emittierten! Dann konnte der Goldene Mensch nicht mehr morden! Langsam ließ Alsop seinen Blaster sinken. Neben ihm sagte Bram Sass nur ein Wort: “Mirac!” Sie sahen sich an. In jedem Programm-Gehirn bewegte sich die gleiche Frage: War der Goldene Mensch auf Mirac auch ein Mörder gewesen, der anfliegende Raumschiffe vernichtete? Hatte die gigantische Plastik auf jener Welt auch die Aufgabe gehabt, gnadenlos zu zerstören, und war sie schließlich deswegen zum Torso geworden, damit sie nicht länger sinnlos vernichten konnte? War der zerstörte Ringraumer, der heute noch in der Nähe der riesigen Statue lag, ein Opfer des Goldenen Menschen geworden? Sein letztes Opfer vielleicht? Die Mysterious – die Grauen und – die Grakos?! Drei verschiedene Namen und doch nur eine Rasse? Oder? Die Blubs starrten zu ihnen herüber, aber auch zum Torso. Begriffen sie, wem sie zu verdanken hatten, nicht auch wie andere vernichtet worden zu sein? Die Riesen sprangen nach einem gellenden Schrei auf. Alle starrten Holger Alsop an, und der Cyborg entdeckte, daß er nicht nur auf normal zurückgeschaltet hatte, sondern daß die Blubs auch seine Gedanken empfangen mußten. Er trug doch noch den Ring, den er von Sarronala bekommen hatte! Panik brach unter den Blubs aus; die Riesen rannten an den verkleideten Aggregaten vorbei und verschwanden in der Dunkelheit. Zurück blieben der Torso, eine dunkelrot flammende, dicht vor dem Zusammenbruch stehende energetische Sperre und vier Cyborgs – und die Leichen der Blubs! Viele. Mehr als dreißig! “Ich habe alles im Kasten!” sagte Bram Sass und schaltete sein BildTongerät ab. Seine Aufnahmen würden den Experten auf Terra manches Rätsel zu lösen geben. “Nehmen wir den Moloch doch mit?” stellte Lati Oshuta die Frage. “Sass und Oshuta, sichern!” schnarrte Mark Carrell, der sich mit Holger Alsop durch einen Blick verständigt hatte.
Sie machten sich daran, festzustellen, welcher Zusammenhang zwischen der inzwischen völlig zusammengebrochenen Sperre und dem Goldenen Menschen bestand. Sie mußten ihre Klarsichthelme schließen, denn der Knochenberg sollte beseitigt werden, damit der Sockel sichtbar wurde, auf dem die Plastik stand. Zwei Blaster wurden mit den sterblichen Überresten von Barrans schnell fertig. Im weichen Goldton schimmerte der flach und kaum einen Meter lange Sockel. Ihm ging Alsop zu Leibe. Er schmolz die rechte Ecke ab, und was man auf Mirac im Sockel der großen Plastik nicht entdeckt hatte, fand man hier. Eine Zielsteuerung, wie man sie von der POINT OF her kannte! Mark Carrell war nicht damit zufrieden. Er suchte weiter. Seinen Blaster handhabte er wie ein Chirurg früher einmal sein Skalpell. Behutsam legte er die Verkleidung noch weiter frei, dann richtete er sich keineswegs überrascht auf und deutete auf den kleinen Taster. “So hatte ich es mir auch vorgestellt, und es stimmt nun auch mit dem überein, was die Überlieferungen der Barrans sagen. Über diesen Taster stellte sich die Plastik automatisch auf jede energetische Sperre in ihrer Nähe ein. Die zum Eingang der unterirdischen Stadt bestehende Sperre wurde wahrscheinlich abgeschaltet, als die Mysterious sie verließen, und ausgerechnet in diesem Raum unter dem Kugel-Transmitter, in dem noch zwei energetische Sperren existierten, schafften die Barrans die Plastik. Tausend Jahre stand das Ungeheuer und rührte sich nicht. Heute mußten die rachedurstigen Blubs gleich in Massen hier eindringen und die erste Sperre so hoch belasten, daß der Taster des Strahlenden reagierte; und dann ging das Gemetzel los! Na, ich bin wirklich nicht mehr in der Lage, zu sagen, die Mysterious wären mir noch sympathisch. Pfui Teufel, so eine Mordmaschine hätte ich ihnen nicht zugetraut!” Ungehindert erreichten sie den Transmitter-Raum. Das rote Flackern in der Kugel zog sie magnetisch an. Mark Carrell kontrollierte die Einstellung. Von dieser Anlage aus führte der Weg weiter. Niemand von ihnen dachte daran, zu jener Welt zurückzukehren, auf der der Verteiler stand; waren sie doch erst ein kleines Stück über die Transmitter-Straßen der Geheimnisvollen gewandert. Sie packten die Plastiksäcke mit ihrer Ausrüstung, sie schlossen den Klarsichthelm und schalteten den Funk ein. Dann gingen sie gleichzeitig auf die schwarze Kugel zu, in der es rot flackerte.
Vier Cyborgs schritten weiter über eine Transmitter-Straße! * Mehr als zweihundert Polizei-Jetts der Stadt Melbourne gingen plötzlich auf neuen Kurs. In mehr als zweihundert Jetts heulte der Alarm. Die Zentralsteuerung hatte die Fahrzeuge übernommen. Dazwischen rasten ein paar vorbei, die kein Abzeichen trugen, aber mit ihrer hohen Fahrt verrieten, daß sie nicht zum Vergnügen unterwegs waren. “23. Bezirk hermetisch absperren! Keinen Jett ein- oder ausfliegen lassen! Achtung! Achtung! Reporter Bert Stranger befindet sich im Haus 345/4 des 8. Quadrats in höchster Lebensgefahr! Stranger ist über Vipho nicht mehr zu erreichen. Prägen Sie sich Strangers Konterfei ein…” Im 3/102 der GSO saßen Bullander, Ukasi und Gemry. Sie hatten sich zufällig über dem 23. Bezirk befunden, als sie der Alarm der GSO erreichte. “Runter!” stieß Bullander aus, und ihr Jett kippte wie ein Stein in die Tiefe. Da? Landedach schien ihnen entgegenzurasen, und dann sah es nach einem tödlichen Unfall aus, doch ein paar Meter über der stabilen Plastikfläche fing Bullander den Spezial-Jett ab und setzte ihn dann weich auf. Borgin & Co. 18. Stock, 2306 bis 2314! Das war drei tragen unter dem Landedach. “Verdammter A-Grav!” knurrte Ukasi, dem es zu langsam in die Tiefe ging. Gemry und Bullander machten alles klar. Der schlitzäugige Gemry zeigte das eingefrorene Lächeln seiner ehrenwerten Ahnen. Der athletisch gebaute Bullander spielte mit einer Lichtbombe, deren Zünder klar war. Neben ihnen zappelte Ukasi, der an seinem Spezial-Vipho lauschte. Er riß die Augen weit auf. Gerade hörte er, daß drei Ringraumer sich im Anflug auf Melbourne befanden. Und das alles wegen einem lausigen Reporter?! 18. Stockwerk! Rechts mußten die Räume 2306 bis 2314 liegen. Der Lärm, der ihnen entgegenkam, war der sicherste Wegweiser. Drei durchtrainierte GSO-Männer spurteten los. Eine aufgedonnerte Tagesschöne machte mit Bullanders Ellbogen Bekanntschaft. Eine Woche später hatte sie immer noch einen blauen Fleck.
Eine solide verarbeitete Tür flog auf den Gang, dahinter stand eine häßliche Strahlbahn. “Blasterfeuer!” stieß Gemry aus, und auf seinem Gesicht gab es kein eingefrorenes Lächeln mehr. Ein Mann stürzte aus dem Türloch, sah die drei Beamten heranrasen und schoß aus seiner Waffe. Trotz seiner unglaublichen Reaktionsschnelligkeit kam er um den Bruchteil einer Sekunde zu spät. “Ferkel!” knurrte Ukasi und senkte seinen Schocker wieder, um den halben Schritt zu seinen Kollegen aufzuholen. Irgendwo flogen Möbelstücke durch die Luft. Eine Plastikscheibe klirrte wie eine verstimmte Baßgeige. Der Schrei eines Mannes war zu hören, und im gleichen Moment rasten zwei Männer auf den Gang. Sie liefen in Bullanders Schockerfeuer hinein und gingen zu Boden. Bullander riskierte nichts. Auch er wußte, daß bei einem Blastertreffer der beste Arzt nichts mehr reparieren konnte. Die kleine schwarze Kugel mit dem Aufschlagzünder flog davon, durch die Türöffnung in den Raum, aus dem der Lärm kam. Diese drei von der GSO verstanden ihr Handwerk. Als letzter wirbelte Bullander herum, den Kopf gegen die Wand gedrückt und beide Unterarme gegen seine Augen gepreßt. Dennoch trieb auch ihnen der Lichtblitz das Wasser in die Augen. Spraydose heraus! Spray-Spülung der Augen. Für einen Augenblick brannte es tückisch, aber dann gab es keine Blendwirkung mehr. Sie konnten wieder sehen. Wie Torpedos schossen sie in das erste Büro von Borgin & Co. Lautlos sprachen ihre Para-Schocker. Das leichte Zischen ging in Stöhnen und wildem Fluchen unter. Vier Mann hielten sich die Augen zu und tappten wie Blinde umher. Nacheinander fielen sie um. Bullander war schon an der nächsten Tür. Sie führte auf einen Gang hinaus, und den raste er entlang. Die dritte Tür war verschlossen. Er öffnete sie mit seiner Schulter und seinem Körpergewicht. Besonders stabil war in diesem Block nicht gebaut worden, denn die Tür riß aus den Angeln und begrub einen Mann unter sich, der gerade auf Bullander aus einem Blaster schießen wollte. “Nicht!” brüllte der Athlet auf, der seine Linke zu einer Geraden machte und seine Faust gegen ein gut modelliertes Kinn krachen ließ, während ein anderer auf ihm schießen wollte. Im letzten Moment senkte Bert Stranger seine Waffe, und seine gerade
noch wutfunkelnden Augen bekamen wieder Jenes babyhafte Staunen, das schon so viele Menschen zur Verzweiflung getrieben hatte. “Sie sind aber schnell gekommen!” Er sagte es so, als ob er genau das Gegenteil ausdrücken wollte. Bullander sah rot. Dieser Reporter schien sich so wichtig zu nehmen, daß er eine Abfuhr verdiente, um mit beiden Beinen wieder auf die Erde zu kommen. “Wir hätten uns eigentlich ein bißchen Zeit lassen sollen, weil es Zeilenschmierern noch nie geschadet hat, hin und wieder mal Prügel zu beziehen.” So, diese Witzfigur wußte jetzt, wie er über ihn dachte. Da sah er ein Gerät in der Hand des Reporters, das er nicht kannte, ihm jedoch unheimlich vorkam. “Was haben Sie da?” schnarrte er Stranger an. Eiskalt erwiderte der: “Dreimal dürfen Sie raten…” Hinter Bullander tauchten Ukasi und Gemry auf. Sie hatten in den anderen Büros der Firma Borgin & Co. ganze Arbeit geleistet. Gemry konnte seinen linken Arm nicht bewegen. Damit hatte er einen kleinen Suprasensor aufgehalten, der eigentlich für seinen Kopf bestimmt gewesen war. Ihre Spezial-Viphos schlugen Alarm. Ukasi meldete sich und riß dabei die Augen auf. Der Chef war auf der Phase – Bernd Eylers! “Ja, ist hier…” “Geben Sie ihm Ihr Vipho. Ich muß ihn sprechen. Bitte!” Das klang, als ob der GSO-Chef in Alamo Gordo auf einer Atombombe säße. Wer um alles in der Welt ist denn dieser Stranger? fragte sich Ukasi in Gedanken und reichte dem Reporter sein Spezial-Vipho, das er laut unterzeichneter Dienstvorschrift unter keinen Umständen aus der Hand geben sollte. “Eylers, Sie haben mir erstklassige Männer geschickt. Besonders so ein Halbathlet hat mir gefallen. – Ja, natürlich ist der noch hier. Der andere schläft noch. Ich glaube, die übrigen auch. Sie wollen den Gruppenleiter sprechen? Okay! – Wer von Ihnen ist es denn?” Es war Bullander, dem langsam aufging, wer dieser Reporter war; und ihm wurde plötzlich siedendheiß. Seine Karriere bei der GSO konnte zu Ende sein – sie war zu Ende, wenn Bert Stranger von seiner rotzigen Bemerkung Gebrauch machte und seinen patzigen Hinweis als Aufhänger benutzte.
“Ja!” sagte er viermal hintereinander. “Nein!” sagte er zum Schluß und gab seinem Kollegen Ukasi das Spezial-Vipho zurück. Zum erstenmal betrachtete er den Schwarzen, der geschockt am Boden lag. Das sollte kein Mensch sein? Der sollte gar nicht von der Erde stammen? Er und seine beiden Kollegen sollten sich genau nach Strangers Direktiven richten! Und er sollte Stranger mitteilen, daß der S-Kreuzer C-089 gleich in Melbourne landen würde, um den Reporter und die gesamte Firma Borgin & Co. mitsamt dem schwarzen Weißen nach Alamo Gordo zu bringen! Zwei Stunden später saß Stranger dem Chef der GSO gegenüber. Neben ihnen saßen drei Ärzte, Spezialisten, und ausgebreitet auf dem Schreibtisch lagen Aufnahmen des Kleinen- und Großen-GehirnstromMusters. Man hätte Stranger auch ruhig erzählen können, das seien Entwürfe für neue Hundertdollarnoten, denn diese Muster sagten ihm nichts. “Also verändert?” vergewisserte sich Eylers noch einmal. “Ja. Ob Robone oder Terraner, alle sind verändert. Wenn es ein Einzelfall wäre, könnte man an eine Mutation glauben, an eine Entartung…” Eylers sprang auf, und Bert Stranger war auch nicht sitzen geblieben. “Was haben Sie gesagt, Doktor? Eine Entartung des Gehirns…?” Der erschrak über diese impulsiven Gesten und schaltete auf Rückzug. “Ich habe einen nicht medizinischen Ausdruck benutzt.” “Aber Sie haben von Entartung gesprochen, nicht? Ja oder nein?” “Ja”, sagte der Arzt, der vor Verlegenheit von einem Bein auf das andere trat und sich nicht besonders wohl in seiner Haut fühlte. Bernd Eylers saß wieder am Schreibtisch vor seinem Stand-Vipho. Verbindung mit dem Brana-Tal. “Ich muß Echri Ezbal sprechen, aber sofort!” Wunder dauerten auch in der Cyborg-Station etwas länger. Endlich tauchte das durchgeistigte Gesicht Echri Ezbals auf der Scheibe auf. “Ich habe interessante Neuigkeiten für Sie, Ezbal”, begann Bernd Eylers, während Stranger immer noch sein Aufnahmegerät laufen ließ, um jede Geste, jedes Worte zu fixieren. “Wir verfügen über sechzehn entartete Terraner und Robonen, und über einen humanoiden schwarzen Weißen, dessen Heimat irgendwo in der Galaxis liegt.” Ezbal sah ihn starr an. Trotz Bart war zu erkennen, wie stark seine Lippen zitterten. “Eylers, Sie haben von Entarteten in Verbindung mit einem schwarzen Weißen gesprochen,
der aus der Galaxis stammt?” “Ja, Ezbal!” “Dann bin ich in zehn Minuten über Transmitter bei Ihnen. Großer Himmel, das könnte endlich den Fall mit den beiden entarteten Cyborgs erklären!” * Die POINT OF flog den kleinen Sternhaufen dieses Mal aus der entgegengesetzten Richtung an, nachdem sie eine kurze Transition durchgeführt hatte. Die Ortung in der Zentrale war durch drei Mann besetzt, und im gesamten Schiff bestand erhöhte Bereitschaft. Das Gebiet um diese siebzehn sterbenden Sonnen war selbst Commander Dhark unheimlich geworden. Ihn störte weniger das Wissen, in einem unbekannten Teil der Milchstraße zu sein, als die Erkenntnis, daß in diesem Sektor die Heimatwelt der schwarzen Weißen liegen mußte oder sich ein wichtiger Stützpunkt befand. Die Astrophysiker hatten endlich ihren ersten Bericht fertiggestellt. Er war eine einzige Warnung, die Ballung zu meiden, denn bei elf der siebzehn Sonnen stimmte das Druckgleichgewicht nicht mehr, und der katastrophenartige Zusammenbruch würde nur deswegen aufgehalten, weil die übrigen sechs Sonnen den hohen Energieanforderungen gerecht wurden und ununterbrochen an die elf labilen Sterne Energie lieferten. Die Experten hatten von einem einmaligen Zusammenspiel gesprochen, das leider vor rund tausend Jahren durch schwere Bahnstörungen aus dem Konzept gebracht worden sei und nun den Untergang der Ballung über kurz oder lang herbeiführen müsse. Doch wann die Katastrophe einsetzen würde, konnten sie nicht sagen. Zu viele Momente spielten eine Rolle, und die Astrophysiker gaben unumwunden zu, daß ihnen auf diesem Gebiet die Erfahrungen fehlten. Mearn, der Ren Dhark in den letzten Tagen schon mehrfach angenehm aufgefallen war, sprach von einem ehemaligen energetischen Wechselspiel, das den Bestand dieser Ballung bis zum Ende des Universums garantiert hätte, wenn nicht durch Manipulationen nun drei der siebzehn Sonnen ihre Energie an Sterne abgäben, die sie gar nicht benötigten, während vier andere danach hungerten und mit ihrem Druckgleichgewicht immer tiefer in den Minusbereich gerieten. Daran dachte der Commander, während sich sein Ringraumer wieder vorsichtig diesen sterbenden Sonnen näherte, die übrigens gar nicht anders
aussahen als die anderen Sterne ringsum. Nur ein Fachmann konnte auf Grund seiner Untersuchungen erkennen, daß mit dieser kleinen Ballung etwas Ungeheuerliches geschehen war. Vor rund tausend Jahren! Innerhalb der Zeit, in der die Mysterious aus der Milchstraße verschwanden! Harten sie ihr eigenes Werk zerstört? Oder waren andere Intelligenzen die Zerstörer eines Denkmals geworden, das siebzehnfaches Sonnenformat besessen hatte? Eine weitere Frage war weder von den Astronomen noch Astrophysikern beantwortet worden. Sie konnten nicht erklären, wie man die Kraft einer Sonne anzapfte und von ihr einen gelenkten Strahl auf ein Raumschiff abschoß. Nur das eine stand fest, daß die POINT OF um Haaresbreite einem Energiestrahl entgangen war, der einen Durchmesser von mehr als dreihundert Kilometern gehabt hatte. War es ein Trost zu hören, daß man Strahlen von diesen gigantischen Dimensionen nur in einer Ballung erzeugen könne, in der es wie hier diese extremen Verhältnisse gab? Ren Dhark hatte eine Vorsichtsmaßnahme getroffen, die man bisher sehr selten in der POINT OF erlebt hatte: Der Checkmaster war durch eine Hauptphase direkt mit der Steuerung verbunden. In seinem Machtbereich lag es, ob er in Dharks Handeln eingreifen würde oder nicht. Die Astros meldeten sich wieder. Ihre Koordinaten wurden gleichzeitig dem Bordgehirn gegeben, und es berechnete schon für alle Fälle den eventuell neuen Kurs. “Die tiefgelbe Sonne vom Typ dK ist interessant. Nicht nur, weil sie eine der stabilsten Sterne in dem Haufen ist, sondern auch, weil sie sechs Planeten hat. Wir möchten sie als Ziel empfehlen.” Der Sonnendurchmesser dieses Sterns betrug 0,3, doch seine Masse, in Sonnenmassen berechnet, ergab den phantastischen Wert von 37,4! Ein hübscher Zwerg mit beachtlicher Schwerkraft. Es gehörte zu den seltenen Ausnahmen, daß Sonnen dieser Spektralklasse Planeten besaßen. Das Schiff ging auf den neuen Kurs. Der Sternensog löste den Sle ab, und mit ununterbrochen steigender Beschleunigung raste der Ringraumer im Überlichtbereich auf den tiefgelben Zwerg zu. Die Bereitschaft im Raumer wurde durch Alarmstufe 1 abgelöst. In der Funk-Z zuckte Walt Brugg an der Echo-Kontrolle zusammen. Drei ferne Hypersender, die betriebsbereit waren, hatte er mit seinem
Taster-Aggregat erfaßt. Glenn Morris mußte ihm helfen. Die beiden Männer hörten nicht mehr, was um sie herum gesagt wurde. Lichtjahrwerte wurden ausgeworfen, und dann lagen die Positionen der unbekannten Sender fest. “Das muß Dhark erfahren!” bestimmte Brugg. Der Commander lauschte aufmerksam. “Achtzehn Lichtjahre, die eine Station auf Grün, und die beiden anderen, eine auf Rot, die andere auf Blau, sind 26 Lichtjahre entfernt. Danke, ich werde es nicht vergessen.” Dan Riker rauchte hastig seine Zigarette. “Ziemlich nah!” sagte er zwischen zwei Zügen. “Sehr nah, und ich glaube, daß man auf diesen Welten längst unsere kurze Transition festgestellt hat.” Er drehte sich nach den Ortungen um. “Grappa, bei diesem Einsatz hängt alles von Ihrem Können ab!” Der verstand, was der Commander meinte. “Ich werde tun, was ich kann!” Der Brennpunkt des Sternensogs schleuderte das Schiff auf sein Ziel zu. In der Bildkugel wurde die Sternkonstellation immer deutlicher. In 2,2 Lichtjahren Abstand passierte die POINT OF eine gelbrote gM-Sonne, die ein Zwilling von Scheat im Pegasus hätte sein können. “Distanz noch 11 Lichtstunden!” meldete Grappa. Dreißig Minuten später ging Ren Dhark auf negative Beschleunigung. An diesem Punkt steckten sie schon vier Lichtjahre tief in der SiebzehnerKonstellation. Knacken in der Bordverständigung! Durchruf aus der Astro-Abteilung! “Commander, die elektromagnetischen Werte jagen plötzlich wieder in die Höhe. Wir fliegen in einen Magnetorkan hinein, wie wir ihn noch nie erlebt haben!” “Danke!” Dan Riker schluckte, denn er verstand Dharks Verhalten nicht mehr, weil dieser auf die Alarmmeldung der Astrophysiker nicht einging. Der bemerkte den kritisierenden Blick. “Dan, diesmal verlasse ich mich ausschließlich auf den Checkmaster. Solange er die Kontrolle über das Schiff nicht an sich reißt, haben wir nichts zu befürchten…” Er hätte mit dieser letzten Behauptung noch ein wenig warten sollen. Mitten im Bereich der sterbenden Sonnen maß Tino Grappa eine Erschütterung des Raum-Zeit-Gefüges an. “Rund zwanzig Raumschiffe sind transitiert!” In der Zentrale wurde es still. Von allen Seiten gingen die Blicke zur
Ortung hinüber, doch von dort kam keine weitere Meldung mehr. Hatten sie es wieder mit Doppelkugelraumern der schwarzen Weißen zu tun? Dachten sich diese Humanoiden schon wieder eine neue Teufelei aus, mit der sie die POINT OF vernichten wollten? Achtundzwanzig Minuten nach der ersten Meldung gab Grappa durch: “Der unbekannte Raumerverband hat die Ballung in einer Transition wieder verlassen. Die Möglichkeit steht noch offen, daß ein Schiff die Transition nicht mitgemacht hat. Leider kann das Zentrum des Sternhaufens nicht exakt abgetastet werden!” Der Sle löste den Sternensog ab, und der Ringraumer flog mit 0,89 Licht in das System der tiefgelben dK-Sonne ein, die tatsächlich sechs Planeten besaß, von denen vier Jupiterformat hatten, während die beiden Umläufer auf der dritten und vierten Bahn Terra glichen. Nur mit ihren Bravoswerten von 1,2 lagen sie etwas hoch. “Vier ist eine Sauerstoffwelt…” Vier wurde angeflogen, eine im satten Blau schimmernde Kugel, die unter einer dichten Wolkendecke lag. Infrarot riß sie auf. Meere wurden sichtbar, Kontinente, Inseln – eine Welt, die zum Besuch einlud. “Energie-Ortung spricht an!” In den beiden WS reckten sich die Chefs und machten sich auf einen Strahl gefaßt. “POINT OF liegt in Fremd-Ortung, aber sie kommt nicht von dem Planeten unter uns… Großer Himmel, der Umläufer hat ja drei Monde!” Aber künstliche! Es waren gigantische Raumstationen von mehr als fünfzehn Kilometer Durchmesser! Dan Riker stieß einen Pfiff aus. Ren Dhark kaute an seiner Unterlippe. Beide stellten sich das gleiche vor: Die Feuerkraft dieser drei Satelliten! Die Bildkugel wurde umgeschaltet. Sie griff nach der rechten Station und erfaßte sie mit maximaler Vergrößerung. Eine im matten Silberton schimmernde Kugel drehte sich im Raum. Ihr Abstand zum Planeten betrug 128.000 Kilometer. Weder ein Antennenmast, noch die Andeutung einer Schleuse war zu sehen. Langsam rotierte sie während ihres Umlaufes. Die Offiziere in der Zentrale glaubten an eine Sinnestäuschung. Ein schwarzer Schatten tauchte auf der Silberkugel auf! Sie hatten sich nicht getäuscht. Dieses Wunderwerk einer unbekannten Technik war schwer beschädigt.
Das Loch darin, das sie zuerst nur als Schatten erkannt hatten, war über drei Quadratkilometer groß. Jetzt fielen die ersten Strahlen der dK-Sonne hinein, doch danach vergingen noch zehn Minuten, bis man Einzelheiten im Innern erkennen konnte. Sie blickten auf die Zerstörung. Eine atomare Explosion hatte dort einmal gehaust und mehrere Kilometer tief alles vernichtet, zerfetzt, geschmolzen und zerrissen. Aber dennoch war die POINT OF von diesem Torso geortet worden! Dennoch arbeitete die fünfzehn Kilometer große Kugel, dieser künstliche Mond eines erdähnlichen Planeten auf diesem Sektor! In der Funk-Z stieß Walter Brugg einen Fluch aus. “Die zerbeulte Döse hat einen Hyperfunk-Impuls abgestrahlt! Himmel noch mal, und da werden auch schon die drei großen Stationen lebendig! Morris, passen Sie auf!” Dem jungen Funk-Spezialisten, der in der Hope-Zeit von Ren Dhark so stark gefördert worden war, weil er ihn als erstklassigen Könner entdeckt hatte, entging kein Blip. Wie ein sensorisch gesteuertes Aggregat arbeitete die Besatzung Hand in Hand. Energie-Ortung auf dem vierten Planeten! Starker Funkverkehr um die Sternenballung herum! Transitionen in relativer Nähe durch starke, unbekannte Raumerverbände! Auf der Welt unter ihnen liefen immer mehr Energie-Erzeuger an. Doch von diesem Planeten ging kein einziger Spruch in den Raum. Auch schien zwischen ihm und seinen drei Satelliten kein Kontakt zu bestehen. “Angriff…!” schrie Ren Dhark auf, als er in der Bildkugel vier gewaltige, grellgrüne Strahlbahnen erkannte, die aber nicht seinem Schiff galten. Alle drei Strahlbahnen schlugen in der zum Teil zerstörten Station 128.000 Kilometer über dem Planeten ein! Eine Welt griff ihre Monde an! Hinter seinen Ortungen rief Grappa verzweifelt: “Ich werde aus diesem Ortungs-Salat nicht mehr klug! Jetzt hat uns auch der Planet von fünf Stellen erfaßt!” Aber der Angriff auf die POINT OF blieb aus! Die Raumstation schlug zurück! An acht Stellen eröffnete sie aus unsichtbaren Strahlantennen das Feuer
auf den Planeten! Doch der Planet war wie ein Wesen aus Fleisch und Blut auf der Hut. Mit einem einzigen Feuerschlag aus all seinen planetarischen Forts ging er zum Gegenangriff vor. In der Raumschwärze, von einem Gitterwerk teuflisch glühender Energiebahnen aufgerissen, explodierte ein fünfzehn Kilometer messendes Wunderwerk! Für Minuten hatte der vierte Planet einer tiefgelb leuchtenden dK-Sonne eine zweite, dann verblaßte die Lichtorgie mehr und mehr, und der Planet jagte keine Strahlbahnen mehr in den Raum. “Grappa, was war nun wirklich los?” verlangte Ren Dhark zu wissen, der mit starrem Blick dieses unverständliche Geschehen über die Bildkugel verfolgt hatte. “Sie meinen, was noch los ist? Dhark, es war zuviel. Nur noch der Checkmaster kann dieses Durcheinander entwirren. Bitte, einen Moment Geduld, die Auswertung muß gleich kommen!” “Stimmt!” brummte Riker, der über seine Instrumente die Hauptwerte der Ortung abgelesen hatte. “So etwas habe ich noch nicht erlebt, und so exakt wie eben ist unser Standort noch nie verraten worden. Ren, mach dich auf vieles gefaßt, wenn du es nicht vorziehst, aus diesem Bereich zu verschwinden!” Dhark stellte keine Fragen mehr. Er wartete auf das Resultat des Checkmasters. Immerhin gab ihm die Zerstörung der Raumstation zu denken. “Dhark!” rief Brugg aufgeregt über die Verständigung. “Wir sollen über einen Peiler landen! Hören Sie sich das einmal an!” Und er hörte! Er war der einzige, der diese Worte einer unbekannten Sprache verstand. Ihm war sie seit Zwitt nicht mehr unbekannt. Er beherrschte die Sprache der Mysterious! Landequadrat 67/32c ist frei! Landequadrat 67/32c ist frei! Ununterbrochen strahlte ein Sender auf dem Planeten diesen Ruf ab! Ununterbrochen stand sein Peilstrahl, über den die POINT OF das Landequadrat finden konnte! “Du willst landen, Ren?” fragte Riker besorgt. “Wie damals auf Zwitt. Müssen wir nicht? Werden wir noch einmal eine Gelegenheit finden wie diese?” “Und an die verräterischen Sprüche der vernichteten Station denkst du gar nicht?”
“Doch, aber auch daran, daß wir das Hy-Kon haben!” “Ja, das haben wir, und jetzt sage ich es dir, Ren: Ich bin gar nicht glücklich darüber, weil es mir zu unheimlich und auch zu unmenschlich ist.” “Wir verdanken ihm jedoch unser Leben, und die POINT OF existiert noch, mein Lieber!” “Um welchen Preis. Um den höchsten. Bis auf den Jüngsten Tag hin werden die schwarzen Weißen unsere Feinde sein. Würdest du mit einem Gegner verhandeln, der dir gleich Hunderte von Raumschiffen vernichtet hat – sie in ein Hyper-Kontinuum schleuderte?” “Wir haben den Kampf nicht begonnen…” “Stimmt, aber wir sind den schwarzen Weißen in die Quere gekommen, die nichts anderes in der Sternenbrücke getan hatten, als wir auf Hope: die zurückgelassenen Schätze der Mysterious in ihren Besitz zu bringen. Und jeder verteidigt seinen Besitz…” “Menschlich, ja, Dan!” Ren Dharks Stimme war scharf geworden. Er liebte keine Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit, noch weniger im Leitstand seines Schiffes. Streitigkeiten, Meinungsverschiedenheiten waren kein Mittel, Nerven zu beruhigen. “Doch leider habe ich die schwarzen Weißen in der Sternenbrücke nur von der unmenschlichen Seite kennengelernt. Nicht in einer einzigen Reaktion zeigten sie Verhandlungsbereitschaft.” Der Checkmaster hatte das Durcheinander in den Ortungs-Daten entwirrt. Im Bereich der sterbenden Sterne sammelten sich drei große Schiffsverbände! Die vernichtete Raumstation hatte bis auf die Sekunde genau den Standort der POINT OF jenen drei fernen Hyperfunk-Stationen mitgeteilt! Der Planet unter ihnen hatte den Ringraumer identifiziert und seine Landung genehmigt! Dharks Entschluß stand fest. Die POINT OF stieß zum Planeten hinunter. Noch einmal warnte Dan Riker. Heftig wurde er von seinem Freund unterbrochen. “Darauf können wir es ankommen lassen, denn du hast wohl vergessen, daß wir noch ein Mittel einsetzen können – die Zeit-Verschiebung! Wir haben es gar nicht nötig, jeden Angriff auf unser Schiff mit einem Gegenangriff durch das Hy-Kon zu beantworten!” “Tue, was du willst!” knurrte Dan Riker erbost und kreuzte
demonstrativ die Arme vor der Brust. Dhark reagierte mit außerordentlicher Schärfe. Sein Ruf hallte durch die Kommandozentrale. “Falluta, lösen Sie Riker als Kopilot sofort ab!” Er hielt den eisigen Blick aus den Augen seines Freundes aus. Er antwortete auch nicht auf Rikers Bemerkung, der gesagt hatte: “Eines Tages – irgendwann einmal – hast du den Bogen überspannt!” Mit stampfendem Schritt verließ er den Leitstand. Sein Platz wurde vom Ersten Offizier der POINT OF, Falluta, eingenommen. Die Bremskräfte des negativ geschalteten Sie stoppten den Ringraumer ab, als er in die oberen Luftschichten der unbekannten Welt einbrach. Grappa meldete von der Ortung: “Die drei erfaßten unbekannten Verbände beschleunigen und scheinen ihrem Transitionspunkt entgegenzurasen!” Ren Dhark hatte nur ein Nicken dafür übrig. Mit schlafwandlerischer Sicherheit betätigte er die verschiedenen Steuerschalter, während sein Blick die Wiedergabe der Bildkugel nicht losließ. Unter ihnen, am Rand einer kleinen Hochebene, und auf der anderen Seite von einer ausgedehnten Stadt begrenzt, war der versandete Raumhafen zu erkennen. An einer Stelle gab es kein Erdreich – dort, wo ein rotes, rhythmisch aufleuchtendes Licht das Landequadrat 67/32c kenntlich machte. * Chris Shanton war mit Jimmy zum Beiboot der schwarzen Weißen gegangen, um nach der eingetrockneten Schmiere zu suchen, die nun ihm und Jos im Gesicht diese Unpäßlichkeiten bereitete. In der Zwischenzeit langweilte sich Jos Aachten van Haag im Verteiler unter der Landepiste und drehte eine Runde nach der anderen um den schwarzen KugelTransmitter in der großen Grube. Hin und wieder warf er den ihm nichts sagenden Instrumenten und dem Schaltpult oberflächliche Blicke zu und war überzeugt, diese Technik auch in zehn Jahren nicht zu beherrschen. Plötzlich stutzte er. Unwillkürlich blieb er stehen. Hastig begann er zu zählen. Neun Instrumente, die alle Null angezeigt hatten, leuchteten auf und zeigten hohe Werte an, die sich aber ständig veränderten. “Zum Teufel, ich habe doch nirgendwo dran gedreht!” stieß er aus und sah sich unwillkürlich um, ob er sich immer noch allein im Verteiler aufhielt.
Da hörte er den Dicken zurückkommen. Jimmy, der robotische Scotchterrier, sauste in großen Sprüngen heran. Zwischen den Zähnen hielt er das, was einmal eine schwarze Maske gewesen war, die aus jenem undefinierbaren Material bestand, das sie in dem Schiff der schwarzen Weißen gefunden hatten. Schnaufend kam der Diplom-Ingenieur die breite Straße zur Grube hinunter. In einem fort wischte er sich den Schweiß von der Glatze und stöhnte, als er Jos’ ansichtig wurde: “Mann, ist das draußen eine Hitze. Sie dürfen sich glücklich…” Da hatte er die neun in Betrieb befindlichen Instrumente gesehen, und übergangslos fragte er verblüfft: “Was ist das denn? Haben Sie hier herumgespielt, Jos?” Der andere verneinte energisch. “… plötzlich waren die Dinger aktiv. Haben Sie auch keine Ahnung, was das zu bedeuten hat?” “Leider heiße ich nicht Tschobe!” gab Shanton unfreundlich zur Antwort, schob den GSO-Mann zur Seite und studierte den Fall. “Sie haben wirklich nirgendwo gedreht, Jos?” “Nein! Wie oft soll ich es Ihnen noch sagen?” fauchte ihn van Haag an. Der Dicke hörte den gereizten Unterton nicht. “Hm…”, brummte er, strich über seinen Backenbart und brummte noch einmal. “Das könnte…” Er schwieg unvermittelt, streckte seine Hand aus, zögerte etwas und brachte dann einen Steuerschalter in eine andere Position. Ein Bildschirm flammte auf, nun ein zweiter. Ihnen war wieder einmal ein Blick in unbekannte Sternenregionen gegönnt. Nur konnte Shanton damit herzlich wenig anfangen. “Wenn Sie wenigstens ein bißchen von Astronomie verstünden, Jos!” Sollte das ein Vorwurf sein? “Aber…” Seit den letzten drei Minuten sprach er kaum noch einen vollständigen Satz, ein Zeichen, wie unsicher er sich fühlte. “Da müssen wir wohl…” “Was müssen wir?” unterbrach ihn Jos erregt, der ahnte; welchen Plan der Dicke verfolgte. “Was schon? Dieselbe Strecke aktivieren, in die Kugel steigen, um zu sehen, was am anderen Ende der Transmitter-Straße los ist.” “Sie sind verrückt geworden, Shanton!” Der Dicke grinste ihn gutmütig an. “Das haben vor Ihnen schon andere behauptet, aber noch nie den Beweis erbringen können. Wenn Sie nicht wollen, können Sie allein zum Transmitter im Dschungel wandern. Jimmy und ich sehen aber nach. Nicht wahr, du prachtvoller Mistköter?”
“Klar, du Dickwanst mit einer trockenen Leber!” erwiderte der Scotch, dessen neues Synthetikfell glänzte, als ob er gerade einem Hundebad entstiegen sei. Doch vorsichtig, wie ihn sein sensorisches Innenleben hatte werden lassen, verzog er sich gleichzeitig aus der Reichweite der Pranken seines Herrn, der es noch nie gern gehört hatte, ihm eine trockene Leber zuzumuten. Jos Aachten van Haag verzog über das kurze Zwischenspiel keine Miene. “Okay, ich schlage mich schon bis zum Transmitter im Dschungel durch.” Gelassen blickte Shanton. “Dann bis später. Komm, Jimmy, der ist für uns gestorben!” Die Grobheit des Diplom-Ingenieurs war manchmal einsame Spitzenklasse, aber es gab erstaunlich wenige Menschen, die sie ihm übel nahmen. Auch Jos gehörte zu dem Gros. Er schmunzelte sogar, als er erwiderte: “Das könnte Ihnen passen, auf mich eine Grabrede zu halten. Geben Sie sich keinen falschen Hoffnungen hin. Ich mache Ihren Ausflug mit. Einer muß schließlich die Augen offenhalten, damit Ihrem Speckbauch nichts passiert. Vergessen Sie aber nicht, daß wir nichts zu trinken und keine Lebensmittel bei uns haben.” “Glauben Sie denn, ich wollte die Galaxis umrunden?” knurrte Shanton, der seine Erleichterung verbarg, daß Jos Aachten van Haag ihn nicht im Stich ließ. “Und jetzt lassen Sie mich gefälligst zufrieden!” Kurz darauf war er sicher, die richtige Einstellung vorgenommen zu haben. “Shanton, warum gehen Sie dieses Risiko ein?” “Weil noch mehr als nur etwas auf der anderen Seite nicht stimmt! Heiliger Strohsack, und Sie sind bei der GSO?” Nebeneinander betraten sie mit Jimmy die schwarze Kugel, und nebeneinander verließen sie irgendwo eine Gegenstation. Wortlos blieben sie stehen. Die Ortungen des Robothundes liefen. Ununterbrochen gab er bekannt, was sein kleiner leistungsfähiger Suprasensor ausgewertet hatte. “Ruhe, du quasselnde Witzfigur!” fauchte Shanton sein Erzeugnis an, das beleidigt verstummte. “Sehen Sie einen Cyborg?” fragte er flüsternd den neben ihm erstarrten Jos Aachten van Haag. “Shanton, in welche Hexenküche haben Sie mich gebracht?” flüsterte der GSO-Mann fassungslos zurück. Sie standen in schwindelnder Höhe auf einer Galerie. Hinter ihnen befand sich die schwarze Transmitter-Kugel. Vor ihnen aber breitete sich
ein gewaltiges Rührwerk aus, das einige hunderttausend Tonnen einer undefinierbaren Flüssigkeit nicht zur Ruhe kommen ließ. Und diese riesengroße Pfanne aus Unitall lag unter blauem Himmel und war nur durch eine energetische Kuppel geschützt. Mehr als dreißig Meter breit war der waagerecht verlaufende Rand, auf dem sich robotische Konstruktionen bewegten, die von einem verkleideten Gerät zum andern fuhren, neue Einstellungen daran vornahmen und von den beiden Wesen auf der hohen Galerie keine Notiz nahmen. “Shanton, was haben Sie im Verteiler eingeschaltet? Ich frage Sie noch einmal…” Er führte es nicht durch. Gleichzeitig sahen sie einen Steinwurf weit einen Para-Schocker liegen. “Schön, ja?” grinste Shanton den GSO-Mann böse an. “Sind Sie jetzt zufrieden?” Dessen berufliches Mißtrauen wurde wach, “Kann die Waffe nicht auch Mildan oder Dordig verloren haben?” Stumm deutete Shanton auf die Serien-Nummer. Sie beantwortete Jos’ Frage: Die Strahlwaffe, die der Dicke in der Hand hielt, gehörte einem der vier Cyborgs. Sie blickten sich um. Am Ende der Galerie, die mehr als zweihundert Meter über der Pfanne lag, direkt vor einer grob bearbeiteten Felswand, stand der Kugel-Transmitter. Der Diplom-Ingenieur kontrollierte die Einstellung am Pult. “Schade, daß Sie noch weniger davon verstehen als ich, aber wie einer der Cyborgs dazu gekommen ist, diesen Steuerschalter zu betätigen… Der Narr hat damit die Transmitter-Straße auf Einbahnverkehr geschaltet. Frei für alle vom Verteiler nach hier. Gesperrt für jeden, der von hier weg wollte… Was ist denn?” Jos deutete schweigend nach rechts. Beide hatten das Tor in der Felswand übersehen. Im hohen Torbogen standen drei Wesen, die sie nur zu gut kannten. “Giants!” flüsterte Chris Shanton hilflos, und gleichzeitig schoß ihm ein wahnsinniger Verdacht durch den Kopf. Aber er wollte nicht wahrhaben, was er vermutete. Die riesige Pfanne mit der grau-braunen Flüssigkeit durfte damit nichts zu tun haben! Das war doch Irrsinn! Und was er sah, war auch nicht real. Höchstens eine Bildprojektion! Mit diesen drei Giants wollte man ihm und Jos einen Schrecken einjagen! Jimmys sensorisches Innenleben war nicht zu erschrecken.
Seine Ortungen meldeten ihm die Gefahr. Er öffnete sein Maul und schob seine Zunge mit dem Abstrahlpol auf der Spitze heraus. Dann schoß er so kaltblütig, wie es ihm sein Suprasensor befohlen hatte, nachdem Rückfrage beim Programm erfolgt war. Zwei Giants brachte er zu Boden. Den dritten nicht mehr. Zwischen ihm und ihnen stand plötzlich eine absichernde energetische Wand, an der Jimmys Strahl abprallte. Einen Augenblick später streckten Shanton und Jos die Waffen. Die Zunge des Scotch war nicht mehr zu sehen. Ein blaues Feld hatte sie eingehüllt und gab ihnen keine Bewegungsfreiheit mehr. Aber sie konnten alles sehen, was, sich um sie herum abspielte. Durch das Tor im Felsen kamen Giants heran, um sie abzuholen. Sie krümmten ihnen kein Haar. Von Jimmy nahmen sie keine Notiz. Der Hund schien für sie nicht vorhanden zu sein. * Die POINT OF stand auf dem Landequadrat 67/32c. Der Sle arbeitete im Nullbereich; ein Kommandoimpuls war nur erforderlich, um die A-Gravkräfte des Ringraumers auf hundert Prozent Leistung kommen zu lassen. Ununterbrochen suchten die Ortungen des Schiffes den Bereich der sterbenden Sterne ab. Die drei fremden Raumschiffpulks, die zunächst einem gemeinsamen Transitionspunkt zugejagt waren, hatten sich wieder getrennt und auf verschiedenen Routen Ziel auf drei der siebzehn Sonnen genommen. Die Astrophysiker warnten den Commander. “Wir können nur ahnen, was man vorhat Dhark, aber wenn unsere Ahnungen richtig sind, dann besteht für die gesamte Ballung höchste Gefahr…” “Mearn, reden Sie nicht um den Brei herum. Heraus mit der Sprache! Was befürchten Sie?” “Daß es zu einer Sternkatastrophe kommt, die künstlich ausgelöst ist!” “Es ist unmöglich, daß Sterne verenden, ohne sichtbar zu protestieren!” hielt der Commander dem jungen Experten vor. “Einige protestieren schon ziemlich deutlich, Dhark! Wenn man plötzlich das Druckgleichgewicht zusammenbrechen läßt, dann tritt die Katastrophe binnen einer Sekunde ein. Dann haben wir es mit einer siebzehnfachen Nova zu tun.”
“Das habe ich schon einmal gehört, Mearn, aber ich habe noch nicht gehört, warum Sie diese Katastrophe gerade jetzt befürchten.” “Der Kurs der Raumschiffverbände läßt es uns ahnen, Commander. Sie fliegen auf jene Sonnen zu, die von anderen Sternen mit Energie versorgt werden müssen, wenn sie nicht zusammenbrechen wollen.” Dhark liebte kurze Erklärungen. “Angenommen, Ihre Hypothese stimmt, wieviel Zeit haben wir dann noch? Oder anders gefragt: Wann müssen wir aus diesem Sternhaufen verschwinden?” “Im gleichen Moment, in dem sich die fremden Pulks durch Transition absetzen.” “Andere Beobachtungsmöglichkeiten haben wir nicht?” “Keine! Wenn die zusammenbrechenden Sonnen ihre frei werdenden Energien emittieren, benutzen leider gut dreißig Prozent den Hyperspace, und wenn man sich vor Augen hält, daß die in einer Sekunde freiwerdende Energiemenge gleich dem Energiebetrag ist, der in 1000 Millionen Jahren in einer Sonne frei wird, begreift man, daß diese siebzehn Sterne in einer Sekunde alle untergehen müssen. Bei all unserem Wissen können wir in diesem Fall nicht sagen, ob eine Nova oder eine Supernova entstehen wird.” “Danke, Mearn.” Er ging zum Leitstand zurück und teilte seinen Offizieren mit, was er bei den Astros gehört hatte. “Es kommt auf die Sekunde an, aber in erster Linie auf unsere Ortungen. Die POINT OF hat unverzüglich zu starten, wenn die Anzeichen dafür sprechen, daß der Verdacht unserer Wissenschaftler sich bestätigen könnte. Im extremen Fall ist die Zeitverschiebung zu benutzen, die aber nicht über vierundzwanzig Stunden hinausgeben soll.” Je länger Ren Dhark sprach, um so unruhiger wurden seine Männer. Deutete der Commander nicht an, daß er die POINT OF verlassen wollte? Kurz darauf erfuhren sie die komplette Wahrheit. “Mit drei Flash werden wir versuchen, uns ein Bild von dieser Welt zu machen. Funkverkehr mit dem Ringraumer wird nicht bestehen, wohl aber wird bei den Flash der Empfang eingeschaltet sein. Im Notfall sind wir also sofort zu erreichen. Falluta, Sie übernehmen das Schiff!” Knapp eine Viertelstunde später flogen drei Flash aus. Die erfahrensten Piloten hatte Dhark für diesen Einsatz ausgesucht. Aber auch die beiden Experten Jektow und Kranil waren nicht im unklaren gelassen worden. Noch kurz vor dem Start hatte er sie auf die großen Gefahren aufmerksam gemacht und unter anderem gesagt: “Es kann der Fall eintreten, daß wir zu spät das Signal von der POINT
OF hören und in diesem Desaster untergehen. Doch ebensogut ist es möglich, daß dieses Signal nicht kommt. Noch haben Sie Zeit, Ihre Entscheidung rückgängig zu machen.” Sie dachten nicht daran. Dhark flog mit Wonzeff, Mike Doraner beförderte Jektow, und Kranil war Rul Warrens Kopilot. Die POINT OF blieb hinter ihnen zurück, der versandete Raumhafen und die verlassene Stadt. All das interessierte sie nicht. Sie wollten jene gewaltige Anlage besichtigen, die sie auf dem Landekurs in rund 5000 Kilometern Entfernung bemerkt hatten. In Keilformation jagten die Blitze mit fünffacher Schallgeschwindigkeit über einen langgestreckten Kontinent, überquerten Flüsse, Gebirge und Ebenen. Ununterbrochen lief der Empfang, aber aus dem Ringraumer kam kein Funkspruch. Immer wieder sah Ren Dhark zur Bildprojektion über seinem Kopf hoch. Diese wunderbare Welt und ihre Schönheiten nahm er in sich auf. Einmal dachte er an Dan Riker, aber kein Vorwurf wurde in ihm wach. Zu gut kannte er ihn und seinen lauteren Charakter. Nicht um sich wichtig zu machen, nicht um Unruhe unter den leitenden Offizieren zu erzeugen, sondern aus berechtigter Sorge waren seine Vorhaltungen gekommen. Hatte er sie nicht überhören müssen? War es nicht auch für alle Terraner zum zwingenden Muß geworden zu erfahren, warum die Mysterious ein Sternenreich von einem Tag zum anderen aufgegeben hatten? Freiwillig oder gezwungen? Und wenn das letztere der Fall gewesen war; dann mußte Terra wissen, wie diese Gefahr ausgesehen hatte, die vor tausend Jahren eine Rasse mit einer schier unvorstellbaren Hochtechnik vernichten konnte. Waren es die Grakos gewesen? Mit Gewalt schüttelte Dhark diese Gedanken ab. Immer häufiger verband sich seine Vorstellung über die Grakos mit den Mysterious; er identifizierte sie damit! Überrascht legte er den Kopf noch weiter in den Nacken. “Stoppen, Wonzeff!” Der Brennkreis unter dem plumpen Flashkörper wurde auf negative Beschleunigung geschaltet. Der Andruckausgleicher des Blitzes eliminierte die anstürmenden Kräfte. Für einen Moment war im kleinen Flash das Geräusch stark arbeitender Aggregate durchgekommen, dann herrschte wieder die gewohnte Ruhe. Doraner und Warren hatten bemerkt, daß der Commander mit seinem
Blitz zurückgeblieben war. Mit einer engen Kurve ließen sie ihn aufschließen. Unter ihnen breitete sich ein Ruinenmeer aus! Bäume und Sträucher wuchsen zwischen den Trümmern. Der Flugsand vieler Jahrhunderte hatte ganze Straßenzüge verschüttet, und Wind und Wetter waren die zerstörerischen Kräfte gewesen, die hohe Bauwerke zum Einsturz gebracht hatten. Dharks Flash zeigte mit der stumpfen Nase nach unten. Sechs spinnbeindünne Ausleger wurden ausgefahren, als er dicht über dem Boden war. Neben ihm landeten Warren und Doraner. Alle stiegen aus, nur Warren blieb bei seinem Flash. Er hatte den Empfang unter Kontrolle zu halten. “Nein”, sagte Wonzeff nach ein paar Minuten, als sie nach einem kurzen Gang wieder ihre Blitze erreichten, “das ist niemals eine Stadt der Mysterious gewesen. Hier müssen andere Intelligenzen gehaust haben.” Um seinen Beinen zusätzlich etwas Bewegung zu verschaffen, trat er hier und da einen kleinen Stein fort. Plötzlich blinkte und blitzte es vor ihm. Ahnungslos bückte er sich. Mit den Fingern, die im M-Anzug steckten, kratzte er die weiche Erde zur Seite. “Was haben Sie da gefunden?” fragte Ken Dhark. Stumm zeigte ihm Pjetr Wonzeff eine im Goldton schimmernde Plastik von knapp zehn Zentimeter Länge. Eine Nachbildung des Goldenen Menschen auf Mirac. “Hier? Zwischen diesen Ruinen?” Die Plastik wanderte von Hand zu Hand. Jeder wunderte sich, daß das Gesicht nicht modelliert war, sondern sich nur als glatte, leicht vorspringende Wölbung zeigte. Nicht einmal das Kinn war angedeutet. “Vielleicht sind diese Ruinen aufschlußreicher als die technische Großanlage, die wir besichtigen wollten”, sagte Dhark in Gedanken. Sie schalteten ihre Spezial-Viphos auf höchste Lautstärke, damit sie unter keinen Umständen Rul Warrens Alarm überhören konnten. Warren sah ihnen etwas neidisch nach. Er langweilte sich bei seinem Flash, wenngleich ihm seine qualmende Stummelpfeife, ohne die man ihn selten sah, wunderbar schmeckte. In dieser frischen Luft kam die Würze seines guten Tabaks voll zur Wirkung. Dhark und seine Begleiter näherten sich einer Ruine, die noch vier Stockwerke besaß. Die gemauerte Hausfront war glatt, ohne Fensteröffnungen, aber ungewöhnlich breit und hoch das Tor, das ins
Haus führte. Im Halbdunkel schaltete der Commander seinen Scheinwerfer an. Unbeweglich blieb der Lichtkegel auf der Wand stehen. Fünf Menschen betrachteten ein Wandgemälde, das in grünen und gelben Farben gehalten war. Drei Figuren, halb Affe, halb Schildkröte, kämpften mit einer Schlange, die sechs Beinpaare hatte und auf dem Schädel zwei Hörner trug, die in Nadelspitzen ausliefen. Zwei der Figuren hielten sich mit ihren langen Affenarmen an diesen Hörnern fest und versuchten das Ungetüm zu Boden zu reißen, die dritte Figur jedoch hielt etwas in den Händen, das wie eine Strahlwaffe aussah! Kranil machte seine Aufnahmen von diesem einzigartigen Dokument einer unbekannten intelligenten Rasse, die gleich den Schildkröten einen gepanzerten Rücken besaß, auch mit ihrem Kopf an diese terranische Spezies erinnerte, mit dem übrigen Teil des Körperbaus jedoch unwillkürlich an Affen denken ließ. Auffallend die kräftigen Beine, die langen Arme und der leicht geringelte Schwanz. Anstelle eines Fells zeigte bei einer Figur die Brustpartie eine leichtgeschuppte Oberfläche, die einem Panzerkleid aus dem Mittelalter ähnelte. Je tiefer sie kamen, um so glatter wurde der Boden. Plötzlich fiel von oben her Licht ein. Dhark und seine Männer betraten einen großen geschlossenen Hof, und als sie nun in die Höhe blickten, sahen sie eine Fensterreihe nach der anderen, und außen an der Mauer die Reste einer Treppe. Jektow, der etwas zurückgeblieben war, meldete sich durch einen lauten Ruf. Sein Scheinwerferstrahl stieß durch eine Fensteröffnung in einen Raum hinein. Schweigend betrachteten fünf Terraner die Skelette mit dem Panzerschild auf dem Rücken. Sie standen vor Wesen, die ermordet worden waren. Zertrümmerte Schädel, gespaltene Panzerbuckel, gebrochene Gliedmaßen redeten eine unmißverständliche Sprache. “Steigen wir hinein, denn allzuweit dürfen wir uns von den Flash nicht entfernen”, schlug Dhark vor. Dieses Gebäude, das eindeutig Wohnzwecken gedient hatte und nur Fenster zum Innenhof hin hatte, war ein Leichenhaus. In jedem Raum stießen sie auf Skelette, auf zerstörtes Mobiliar und Plunder, dessen Zweck sie nicht verstanden. “Kinder!” stieß Wonzeff bestürzt aus, und er begann haltlos zu fluchen, als Licht diese furchtbare Szene deutlicher machte.
Zwei junge Wesen, jetzt nur noch zertrümmerte Skelette, zeigten in ihrer Haltung, daß sie in ihrer Todesangst beim anderen Schutz gesucht hatten, doch auch sie hatten vor ihren Mördern keine Gnade gefunden. Die Treppe in den Keller entdeckte Mike Doraner. “Aber dabei belassen wir es!” bestimmte Dhark, der von einer unerklärlichen Unruhe befallen worden war. Der Zugang zum Keller mußte erst in den letzten Jahrzehnten wieder erkennbar geworden sein; morsches, teilweise verfaultes Holz ließ darauf schließen. Vorsichtig stiegen die Männer, über Steinstufen in die modrig riechende Tiefe. Hier trafen sie auf unzerstörte metallene Behälter, die verschlossen waren und dem einfachen Versuch widerstanden, sie aufzubrechen. “Schauen wir uns erst um, bevor wir uns mit einem Blaster an die Arbeit machen.” Eine abgesperrte Tür hielt sie auf. Verfaultes Holz lag in einem Haufen davor. Ren Dhark nahm seinen Blaster und schmolz in Höhe der Sperre ein Loch hinein. Pjetr Wonzeff trat sie auf. Knirschend in rostigen Angeln schwang sie zurück. Im Lichtkegel sahen sie schon wieder Skelette. Acht Stück. Aber diese zeigten keine Beschädigungen. Sie lagen der Reihe nach am Boden. Vier breite Lagerstätten, deren Bespannung bei der leisesten Berührung zerfiel, drei schrankähnliche Gebilde, deren Türen weit geöffnet waren, neben Dingen des Alltags, die zum größten Teil für die Nahrungsaufnahme bestimmt waren; das war die karge Einrichtung. Schon wollte man sich abwenden, als Ren Dhark etwas unter dem Skelett liegen sah, das dazu nicht paßte. Was er hervorzog, war ein Foliant, dessen Seiten aus einer Metallegierung bestanden. Ahnungslos blätterte er darin herum, während Wonzeff seinen Lichtstrahl auf das graue Werk gerichtet hielt. Zuerst erkannte Dhark die Zeichnungen kaum, weil sie nur in die glatten Flächen eingeritzt waren, doch als er den Band etwas schräg hielt, konnte er jede Einzelheit ausmachen. Der Untergang der Stadt, in deren Ruinen sie sich aufhielten, war hier aufgezeichnet worden. Eine Invasion aus dem Raum hatte stattgefunden; anders war die allegorische Darstellung eines Blitzes nicht zu deuten. Fremde Wesen, als Ungeheuer dargestellt, jagten durch die Straßen der Stadt, trieben in Massen die Einwohner vor sich her oder schlugen sie mit
bizarren Waffen nieder. Dann mußten unsichtbare Kräfte am Werk gewesen sein, die ganze Straßenzüge in Ruinen verwandelten. Von einem Bild zum anderen verlor diese große Ansiedlung ihr freundliches Gesicht. Plötzlich, kaum daß Dhark wiederum eine Seite umgeblättert hatte, ließ er den schweren Band aus Metallseiten sinken. “Nein!” stieß er aus. “Nein!” Beinahe flehend sah er seine Begleiter an. Dann nahm er den Folianten langsam wieder hoch und zeigte seinen Begleitern, was ihm diesen starken Schock versetzt hatte. Niemand sprach. Die Zeichnung war ein einziger Aufschrei! Die Zeichnung war der Fluch eines Verzweifelten! Eine gequälte, intelligente Kreatur verdammte die Zerstörer ihrer Stadt und die Mörder der Bewohner! Die Zeichnung zeigte den Sklavenhalter der Galaxis – den Goldenen Menschen! Er war als Ungeheuer dargestellt worden, das die Wesen mit dem Rückenpanzer und den Affenarmen zertrat, dabei aber seine Arme zum Himmel ausstreckte und in seinen Händen eine Sonne hielt. Die flehentlichen Gesten der gemarterten Kreaturen berührten den Goldenen Menschen nicht, der übrigens auch auf dieser Zeichnung kein Gesicht hatte. Wilde Striche quer durch die Zeichnung sprachen noch von der seelischen Erregung, die hier den Stichel geführt hatte. Aus ihren Viphos sprang Rul Warrens alarmierender Schrei: “Das Signal von der POINT OF! Das Signal von der POINT OF!” Fünf Männer rasten die Kellertreppe hinauf, sprangen durch ein Fenster, jagten über den Gang auf die verwehte Straße und hetzten auf ihre Flash zu. Dhark schleuderte den Folianten hinein, folgte ihm in einem Satz und schloß den Einstieg. Aus dem Empfang tönte es ununterbrochen: “Wir starten! Sle und A-Grav auf Maximum geschaltet! Die drei Raumschiffverbände haben…” Da schlug eine Technik, die vor rund tausend Jahren von ihren Erbauern zurückgelassen worden war, noch einmal zu. Während die Ausleger dreier Flash’ eingefahren wurden und die Blitze mit steigender Geschwindigkeit Kurs auf die geortete POINT OF nahmen, fauchten und brüllten die planetarischen Forts dieser Welt auf und stießen
ihre titanischen Srahlbahnen in den Himmel hinein. Aber diese Welt war es nicht allein, die Zugriff. Die beiden Raumstationen waren zu Ungeheuern geworden, und die Energiebahnen, die sie emittierten, lagen in der gleichen Richtung. “Unsere Energie-Ortung spielt verrückt, Dhark!” brüllte Pjetr Wonzeff verzweifelt. Hastig beugte der Commander sich vor, schaltete an seinem Pult und vergaß für Sekunden, was alles auf dem Spiel stand. Die Planeten im Bereich der sterbenden Sterne waren wach geworden! Viele Planeten! Gemeinsam mußten sie zur gleichen Zeit ihre intakten Strahlgeschützstellungen aktiviert und auch erkannt haben, aus welchen Richtungen ihnen Gefahr drohte! “Wonzeff, ich muß die POINT OF haben. Versuchen Sie durchzukommen!” herrschte Dhark seinen Piloten an, weil ihm plötzlich klargeworden war, weshalb man drei Planeten jener Sonne, die am weitesten außerhalb des Haufens lag, zerstört hatte. “Hier POINT OF!” hörte er endlich Glenn Morris markante Stimme. “Die Ortung!” bellte der Commander, der sich seiner ungestümen Erregung nicht bewußt wurde. “Ja?” Das war. Tino Grappas Stimme. “Stimmen die Energiebahnen mit dem letzten Aufenthaltsort der Raumerpulks überein?” “Nein, Dhark! Das haben wir zuerst auch gedacht.” Wütend unterbrach er Grappa. “Was passiert denn im Moment?” “Das wissen wir nicht. Wir können nicht erkennen, was unter Beschuß genommen wird. Mehr als zwanzig Planeten spielen verrückt, und da, wohin sie schießen, gibt es nichts…” “Wirklich nicht? Grappa, zeigen Sie, was Sie können! Dort, wo die Strahlen einschlagen, muß es doch etwas geben. Ich bleibe in der Sendung!” Grappa dachte nicht an seine neue Aufgabe. “Dhark, kommen Sie schnell! Schnell, sonst ist es zu spät! Falluta benutzt die Zeit-Verschiebung. Wir springen um eine Stunde zurück!” Pjetr Wonzeff und die beiden anderen Flashpiloten hatten mitgehört. Noch schneller als sie handelte Dhark. “Gedanken-Steuerung meines Flash übernimmt!” Er mußte sich konzentrieren und durfte jetzt keine einzige Sekunde mehr verlieren. Bevor die POINT OF die ZV benutzte, hatten alle drei Flash in den Depots des Schiffes zu liegen.
Das schützende Intervall fiel weg! Die Gedanken-Steuerung hatte eingegriffen. Das Pfeifen war zu hören! Kamen sie tatsächlich noch rechtzeitig zurück, oder war der Ringraumer schon verschwunden, wenn ihre Flash transitierten? “Dhark, in drei Sekunden ist es so weit…” Da sprangen die Blitze! Nur die Gedanken-Steuerung konnte einen Sprung mit dieser Millimeter-Präzision ausführen! Da riß das Universum auseinander! Da kam das Nichts von allen Seiten hinein! Unerträgliche Last fiel über die Menschen und schien sie zerdrücken zu wollen. Noch einmal stöhnten sie auf, dann nahm sie die barmherzige Bewußtlosigkeit in ihren Schutz. * Zeit-Verschiebung! Eingriff in den Ablauf der Zeit! Der Eingriff in den Ablauf der Zeit kann nie über die Lebensspanne des einzelnen Individuums hinausgehen und ist nur in Richtung auf die Vergangenheit möglich! Ren Dhark wurde aus seiner Bewußtlosigkeit wieder wach und rieb sich stöhnend den schmerzenden Kopf. Neben ihm lagen Wonzeff, Jektow, Doraner und Kranil. Zwischen den beiden vorderen rechten Auslegern schien Rul Warren zu schlafen. Der Commander sah auf sein Chrono. Vor wenigen Augenblicken hatte Wonzeff die kleine Plastik des Goldenen Menschen gefunden und sie herumgereicht. Aber das stimmte laut Angabe seines Chronos nicht. Vierzehn Minuten lang hatte er bewußtlos gelegen. Vor vierzehn Minuten waren sie mit allen drei Flash in den Depots der POINT OF durch Transition gelandet. In derselben Sekunde mußte der Ringraumer eine Zeit-Verschiebung um eine Stunde vorgenommen haben, und sie waren kraft der Gesetze der ZV wieder hier angekommen. Er raffte sich auf. Allein stürmte er los. Jede Minute war jetzt kostbar, aber auch unersetzlich jener Foliant, der in dem Keller mit den acht Skeletten lag. Ihn mußte er bergen. Erst dann konnten sie zur POINT OF
zurückrasen. Jeder Schritt wurde ihm zur Qual. Nur nicht daran denken, daß du schon einmal hier gewesen bist! befahl er sich in Gedanken. Nicht daran denken, daß Falluta die Gesetze der ZV immer noch nicht verstanden hatte, sonst hätte er das Schiff um wenigstens zehn Stunden in der Zeit versetzt. So aber befand es sich ein zweites Mal auf dem Landeplatz 67/32c. Er schmolz mit dem Blaster die von ihnen versperrte Tür zum Kellerraum auf, riß den Folianten unter dem Skelett hervor, klemmte ihn sich unter den Arm und rannte mit keuchenden Lungen zurück. Niemand war in der Zwischenzeit erwacht. Er rüttelte Wonzeff. Er schlug ihm ins Gesicht. Endlich öffnete der Mann die Augen. Zu Mike Doraner. Der benötigte keine Backpfeifen – jene uralte Methode der Mediziner, einen Menschen schneller aus der Betäubung zu holen. Aber Warren hatte sie in doppelter Zahl nötig. Er schleppte Jektow zum Flash, den anderen übernahm Pjetr Wonzeff, der dann Dhark halb belustigt bestätigte, daß er keine schlechte Handschrift habe. Einstieg schließen! Drei Flash rasten zu ihrem Mutterschiff zurück. Als Ren Dhark in die Zentrale stürmte, sah er seine Offiziere auf dem Boden liegen und die beiden Piloten in ihren Sesseln hängen. Falluta mußte seinen Platz räumen. Dhark schaltete das Triebwerk hoch. Sle kam, und zugleich A-Grav. Der Ringraumer hob ab und fuhr seine Teleskopstützen ein. Brüllend wurden die dichten Luftmassen zur Seite gestoßen. Immer größer wurde die Beschleunigung des Schiffes. Intervalle einschalten! Kurs aus dem kleinen Sternhaufen! Ein Blick aufs Chrono der Zentrale. Vor einunddreißig Minuten hatte die ZV um eine Stunde stattgefunden. Neunundzwanzig Minuten verblieben noch, um seinem Schiff und der Besatzung eine günstigere Ausgangsposition zu verschaffen. Denn was in neunundzwanzig Minuten passieren würde, hatte er doch schon einmal erlebt. Er verließ den Pilotensitz, trat an den Checkmaster und verlangte die Sprungdaten für eine Kurztransition, die das Schiff um rund zwanzig
Lichtjahre versetzen sollte. Routinemäßig lief alles ab. Die Intervalle verschwanden, das Pfeifen setzte ein und der Sprung erfolgte. Die Bildkugel arbeitete wieder, und die siebzehn Sonnen standen tief im schwarzen All. Die ersten Männer wurden wieder wach. “Sie? Gott sei Dank!” Sie vermochten kaum einen klaren Gedanken zu fassen, aber sie waren erleichtert, ihren Commander in der Zentrale zu wissen. In neun Minuten war die Zeit-Verschiebung zu Ende. Hinter seinem Sessel richtete sich Falluta auf. An den Ortungen stöhnte Tino Grappa. Dan Riker kam wankend in den Leitstand. Ihm folgte Rul Warren, der den Folianten brachte. Niemand legte dem Werk einer unbekannten Zivilisation Bedeutung bei, denn woher sollten sie auch wissen, daß darin der Goldene Mensch als Ungeheuer entlarvt wurde? Die Energie-Ortung der POINT OF schlug an. Im Bereich der sterbenden Sterne griffen zahlreiche Planeten in einer gemeinsamen Aktion drei nicht erkennbare Ziele an, während sie drei große Raumerverbände ungehindert ihrem Transitionspunkt zurasen ließen. “Dhark, ich kann auch jetzt nicht feststellen, worauf die planetarischen Forts schießen!” erklärte Grappa, der mit der Energie- und Massen-Ortung manipulierte und verzweifelte, weil er jene unter Strahlfeuer genommenen Ziele nicht erfassen konnte. Aber die aus allen Geschützen schießenden Planeten feuerten doch nicht ins Leere hinein. “Raumschiffe der Fremden sind in Transition gegangen!” In Richtung der siebzehn Sonnen wurde es fürchterlich hell. Eine Helligkeit, die sich blitzartig nach allen Seiten ausbreitete und in ihrer Lichtflut Sterne verschwinden ließ. “Energie-Ortung abgeschaltet!” stieß Grappa über seine blassen Lippen. Die Blenden der Bildkugel waren beinahe geschlossen, dennoch ließen sie noch zuviel Licht durch. “Hyperbereich abschalten?” fragte Leon Bebir im Kositz. “Dann können wir den Werdegang einer Supernova nicht mehr verfolgen”, widersprach Dhark mit seiner Erklärung. “Eine Supernova?” “Ja! Die ungewöhnliche Lichtflut beim Ausbruch hat es verraten. Eine Sonne brach eben zusammen und riß sechzehn weitere Sterne mit sich.
Sehen Sie sich diese Lichthölle an, die mehr als 10000mal heller ist als das Aufleuchten einer Nova. Aber warum das alles? Nur um den Versuch zu unternehmen, uns zu vernichten? Oder sind wir mit unserem Erscheinen nur die Initialzündung zu einem lange geplanten Vorhaben gewesen?” “Von wem reden Sie, Commander?” “Von den Nachfolgern der Grakos. Von den schwarzen Weißen, die eine Bastion der Mysterious untergehen ließen. Wenn wir nicht aufpassen, dann erlebt die Sternenbrücke über kurz oder lang, das gleiche Schicksal – und Terra wird dabei auch an die Reihe kommen. Terra…” Er lauschte dem Wort nach und stellte sich die blaue Erde vor, die er so manchmal bewundert hatte, wenn er aus dem Raum kommend, sie wieder anflog. Terra! Wo im Sternenmeer lag Terra? –ENDE–