Kurt Brand Ren Dhark Heft Nr. 83
Transmitter-Straßen V1.0 scanned by ichnein kleser: John Furrer
Personenverzeichnis ...
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Kurt Brand Ren Dhark Heft Nr. 83
Transmitter-Straßen V1.0 scanned by ichnein kleser: John Furrer
Personenverzeichnis Anja Riker .................
Expertin der Mysterious-Mathematik, will um jeden Preis ihren vermißten Mann suchen Henner Trawisheim.... Stellvertreter Ren Dharks auf Terra Chris Shanton Jos Aachten van Haag Manu Tschobe............ Sie entdecken die Transmitter-Straßen der Mysterious Ren Dhark................... Commander der Planeten, wagte den Sprung nach Erron-3 Dan Riker.................... Kopilot der POINT OF und Freund des Commanders Miles Congolon……... Triebwerksingenieur der POINT OF Arc Doorn.................... Chef-Techniker, soll am Materiesender den Rückweg der POINT OF freihalten
Transmitter-Straßen Kurt Brand Die Nogks, von Huxley und Szardak begleitet, stoßen 300.000 Lichtjahre vom Rand unserer Galaxis entfernt auf ein einsames Sonnensystem, das ihnen zur neuen Heimat werden soll. Szardak und Huxley kehren nach Terra zurück, um über das Unternehmen zu berichten. Währenddessen hat Ren Dhark in der Sonnenbrücke auf dem 1. Planeten der siebten Sonne einen Materie-Sender entdeckt, der ihn nach dem geheimnisvollen Erron-3 führen soll. Diese Spur der Geheimnisvollen fand der Commander in der Kabine des Mysterious Ma Soor, der wahrscheinlich der Kommandant von Zwitt gewesen war. Ren Dhark wagt mit der POINT OF den Sprung ins Ungewisse nach Erron-3. Nur Arc Doorn bleibt mit einigen Männern zurück, um den Materie-Sender in Betrieb zu halten und der POINT OF den Rückweg ins Einstein-Kontinuum offenzuhalten.
Eine junge, attraktive Frau verließ den Transmitter-Raum des Regierungsgebäudes in Alamo Gordo. Den Kopf etwas in den Nacken gelegt, so daß ihre gute Figur noch stärker zur Geltung kam, ging sie über den breiten Gang und sah dabei weder nach rechts noch nach links. Anja Riker, die Supermathematikerin Terras, war auf dem Weg zu Henner Trawisheim, dem Stellvertreter von Ren Dhark. Auf ihrem Gebiet war sie immer noch einsame Spitzenklasse. Es gab keinen zweiten Menschen, der die Hochmathematik der Mysterious so beherrschte wie sie. Tagtäglich wurde sie aus allen Regionen der Erde von Experten um Hilfe angerufen. Spezialisten kamen plötzlich in ihren Berechnungen nicht mehr weiter, und stets hieß es dann: Anja Riker kann helfen! Aber jetzt war sie hilflos. Sie war verzweifelt! Sie hielt die Ungewißheit um ihren Mann nicht mehr aus. Jetzt hatte ihr Henner Trawisheim zu helfen! Marschall Bulton begegnete ihr. Er traute seinen Augen nicht, denn Anja Riker war nach ihrer Heirat mit Dan Riker höchst selten im Regierungsgebäude zu sehen gewesen war. Öfters traf man sie im unterirdischen Komplex des Forschungslabors an, wo sie Wissenschaftlern mit ihrem mathematischen Können aus der Verlegenheit half. »Guten Morgen«, sagte Bulton. Er erhielt keine Antwort. Er war auch nicht böse darum, denn er hatte auf einen Blick erkannt, daß sich Anja Riker mit ihren Gedanken in anderen Regionen bewegte. Die Sensor-Kontrolle in Henner Trawisheims Vorzimmer identifizierte sie und gab ihr den Weg frei. Wenig später saß sie Ren Dharks Stellvertreter gegenüber. »Trawisheim, es muß etwas geschehen, weil ich mich nicht länger mit langatmigen Erklärungen abspeisen lasse. Haben Sie doch endlich den Mut, mir zu sagen, daß die POINT OF verschollen ist.«
Die superblonde Frau mit der Stupsnase, die einmal Chefmathematikerin der GALAXIS gewesen war und mit dem Komplex nicht fertig wurde, sich stets vom männlichen Geschlecht angegriffen zu fühlen, hatte durch die Heirat mit Dan Riker nichts von ihrem Temperament verloren. »Anja, wir können nichts tun, als warten.« Erregt warf sie den Kopf in den Nacken, sprang auf, und ihre Augen blitzten ihn an. »Ich kann aber nicht länger warten. Ich will nicht mehr, Trawisheim. Ich will, daß endlich etwas getan wird. Es ist doch bekannt, in welcher Richtung der Milchstraße die POINT OF verschwunden ist.« Sie stützte sich auf Trawisheims Schreibtisch ab. Leicht drohend sagte sie: »Ich werde Terra zusammenschreien, wenn bis morgen mittag nichts getan worden ist. Ich werde die Menschen aufschrecken und ihnen bekanntgeben, daß man in Alamo Gordo nichts tut, um den Commander zu suchen.« Ihr Herz sprach, denn sie liebte ihren Mann, wie sie vorher noch nie einen Menschen geliebt hatte, und sie zitterte am ganzen Körper, als sie Trawisheim durchdringend ansah und auf seine Antwort wartete. Besänftigend sagte er: »Vor wenigen Minuten habe ich noch mit Bulton über den Commander gesprochen. Anja, auch wir machen uns Sorgen, aber viel weiter kommen wir damit nicht. Ich will Ihnen die Wahrheit nicht verheimlichen: Wir wissen nicht, in welchem Sektor der Milchstraße wir die POINT OF suchen sollen. Wir haben seit vielen Tagen keinen Funkruf des Schiffes mehr aufgefangen, obwohl die Hyperfunkstation in Cent Field zusätzlich mit Experten besetzt worden ist, die nichts anderes zu tun haben, als Tag und Nacht die Frequenzen abzutasten, auf der das Flaggschiff eventuell senden könnte.« Hatte sie ihm überhaupt zugehört? Mit der Rechten machte sie eine Bewegung, als ob sie das alles zur Seite schleudern wollte. »Trawisheim, geben Sie mir einen Ringraumer! Geben Sie mir die Vollmachten, dem Kommandanten Kursanweisungen geben zu können. Geben Sie sie mir auf der Stelle.« Bestürzt sah er die schlanke Frau mit der aufregenden Figur an. Ihre Augen blickten eiskalt. Diesen Ausdruck hatte er bei Anja Riker niemals zu sehen erwartet. Er war ihr Feind geworden! Sie wollte ihn zur Kapitulation zwingen. Ihre vollen Lippen waren nicht mehr als ein etwas breiter Strich, so stark preßte sie sie zusammen. Ihre Nasenflügel bebten, aber sonst war sie die Ruhe selbst. Das Standvipho meldete sich. Auf dem Bildschirm tauchte das Gesicht eines Funkoffiziers auf. Cent Field verlangte Trawisheim zu sprechen. »Wir haben auf einer extremen Hyperfunk-Frequenz einen Stoßimpuls aufgefangen, der nach Auswertung durch den Supra-Sensor keinen Komprispruch darstellen kann.« Kurz pendelte Trawisheims Blick von der Bildscheibe zu Anja Riker. Sie war nur noch Lauschen. In ihrer Verzweiflung klammerte sie sich an diese nichtssagende Nachricht. »Wann wurde die Erscheinung beobachtet?« fragte Dharks Stellvertreter. »Sie wurde zunächst übersehen«, kam die Entschuldigung durch. »Erst durch die routinemäßige Durchmusterung der Speicherung entdeckte man den Stoßimpuls. Er wurde
vor 10:42 Stunden Norm-Zeit aufgefangen. Im Augenblick versucht man den Ausgangspunkt zu fixieren.« Henner Trawisheim betrachtete nicht mehr allein die Bildscheibe seines Standviphos. Dicht neben ihm befand sich Anja Riker. Bevor er auf die Durchsage des Spezialoffiziers etwas sagen konnte, verkündete sie: »Richten Sie Ihren Experten aus, daß ich in zehn Minuten im Auswertungsraum bin, Ende.« Sie war und blieb temperamentvoll. Sie gab sich über ihr Handeln keine Rechenschaft ab. Anja Riker hatte Henner Trawisheims Standvipho abgeschaltet. Hastig kehrte sie ihm den Rücken. Er durfte ihr nachsehen, wie schnell sie seinen Arbeitsraum verließ. Sie eilte über den breiten Gang zum Transmitter-Raum zurück. Ihre Identifizierung durch die Sensor-Kontrolle nahm sie kaum wahr. Den Transmitter schaltete sie auf die große Hyperfunkstation von Cent Field, dann trat sie durch den grauen Ring der Antenne und in Cent Field aus der Gegenanlage wieder heraus. Anja Riker achtete nicht darauf, daß alle Köpfe sich nach ihr umdrehten, als sie auf den großen Suprasensor zuging, vor dem fünf Experten standen und das Rechengehirn mit Daten fütterten. »Darf ich einmal sehen?« Sie, die keine offiziellen Funktionen innehatte, abgesehen davon, daß sie mit ihrer Beherrschung der Supermathematik der Mysterious auf einsamer Höhe stand, wurde plötzlich um Jahre in ihrem Leben zurückversetzt. Sie glaubte auf dem Kolonistenraumer GALAXIS zu sein. Dort hatte sie die Position eines Chefmathematikers bekleidet. Ihr Ton war hier im Auswertungsraum der gleiche wie seinerzeit auf dem damals stolzesten Schiff Terras, das sich auf seinem ersten Flug in der Galaxis verirrt hatte, um nach vielen Tagen auf Hope im System der Doppelsonnen Col zu landen. Oberleutnant Kliss trat nicht zurück. Er übernahm die Aufgabe, Anja Riker Erklärungen abzugeben. »Wir versuchen unter anderem im Augenblick aus der Kraft des Stoßimpulses zu berechnen, wie hoch die energetische Leistung beim Abstrahlen war und ...« »Was wollen Sie damit erreichen?« unterbrach ihn Anja Riker. »Bitte, rufen Sie alle Daten noch einmal ab, die Sie bisher dem Suprasensor eingegeben haben.« Sie übersah den erstaunten Blick von Oberleutnant Kliss. Zögernd drückte er auf den Knopf. Die Speicherung spie alle Daten aus, Anja nahm den Streifen in die Hand und studierte die Angaben. Das Flüstern hinter ihrem Rücken hörte sie nicht. Experten fragten sich, ob sie überhaupt in der Lage war, mit diesen Zahlengruppen etwas anfangen zu können. Eine Minute später verging ihnen jede Lust, darüber noch ein Wort zu verlieren. Anja Riker betätigte den Suprasensor. Keiner der Wissenschaftler war kurz darauf noch in der Lage, ihr zu folgen. Sie setzte ihr ganzes Können ein, ihr gesamtes Wissen über die Supermathematik der Mysterious. Sie arbeitete mit den Vikill-Sätzen und Narritischen Gleichungen. Innerhalb Terras gab es keine drei Menschen, die mit ihnen arbeiten konnten. Aber auch sie hatte Schwierigkeiten, wenn sie sie einsetzen mußte.
Anja Riker schien in diesen Minuten den Begriff Schwierigkeiten nicht zu kennen. Der Suprasensor lief. »Bitte, Oberleutnant, geben Sie mir eine Zigarette«, bat sie. Ihre Nasenflügel bebten. Feine, glitzernde Schweißtropfen standen auf ihrer hohen Stirn. Tief inhalierte sie den Rauch wie nach einer extrem schweren körperlichen Leistung. Langsam verlor ihr ausdrucksvolles Gesicht seine frische Farbe. Mit müdem Schritt ging sie auf den Sessel zu und ließ sich darin nieder. Mit ihr warteten die Experten auf die Auswertung des Suprasensors. Der große Bildschirm flammte auf. Neue Daten über den unverständlichen Stoßimpuls kamen herein. Auch Anja Riker las sie. Die Hand, die die Zigarette hielt, zitterte leicht. Sie aktivierte alle Energien, denn niemand sollte erkennen, wie es in ihr aussah. Sie, die Supermathematikerin? Sie war nichts anderes als eine liebende Frau, die um das Leben ihres Mannes bangte! Sie war sich ihres Könnens noch nie so unsicher gewesen wie bei der Aufstellung dieser Berechnungen. Hätte sie den 7/2-Satz des Vikill überhaupt benutzen dürfen? Wäre in diesem Fall nicht der Rhonsche Kul richtiger am Platz gewesen? Die Grünkontrollen des Suprasensors wurden nicht durch rot abgelöst. Wie hypnotisiert starrte sie das Rechengehirn an, das zu den knapp hundert Aggregaten gehörte, die mit mathematischem Mysterious-Wissen beschickt worden waren. Die achte Minute war vorbei. Dann lief die zehnte Minute aus, und der Suprasensor kaute noch an der gestellten Aufgabe herum. Auf dem großen Bildschirm waren immer noch die neuesten Daten zu lesen. Auch das machte Anja Riker unsicher. War sie nicht zu selbstherrlich aufgetreten? Hätte sie nicht den gesamten Berechnungsvorgang abstoppen müssen, um die neuen Werte in das Problem auch hineinzubauen? Da flog sie aus dem Sessel. Fünf Suprasensor-Spezialisten zuckten zusammen. Das Rechengehirn hatte das Endzeichen gegeben. Die Berechnungen waren durchgeführt. Der Stanzstreifen lag in Anja Rikers Hand. Und ihre Hand zitterte jetzt unübersehbar. Sie las Koordinaten, ungewöhnliche Koordinaten. Ihr schwindelte. Großer Himmel, dachte sie verzweifelt, wo im Weltall liegt dieser Punkt, von dem der Stoßimpuls ausgegangen ist? Und renne ich keinem Hirngespinst nach, mich daran zu klammern, daß sich an diesem Punkt die POINT OF befindet? Sie gab die Folie weiter. Neben ihr murmelten und flüsterten Experten. »Das ist ein Fall für unsere Astronomen.« Über Vipho wurden ihnen die Koordinaten durchgegeben. Die Antwort kam sofort. »Kliss, das kann ich Ihnen auf den ersten Blick sagen: Dieser Punkt liegt in einem Sektor unserer Milchstraße, den kein Mensch kennt. Wir haben über dieses Gebiet nicht einmal die erbärmlichsten Sternenkarten. Was hat es mit diesen Koordinaten auf sich?« Niemand im Auswertungsraum beobachtete, wie Anja Riker ihn verließ.
Unerwartet für Trawisheim stand sie wieder vor ihm und seinem Schreibtisch. »Stellen Sie mir einen der Beute-Ringraumer zur Verfügung. Geben Sie mir Ralf Larsen als Kommandanten, Trawisheim.« Henner Trawisheim konnte nicht ohne Rücksprache mit Marschall Bulton über ein Schiff der TF verfügen, und er wollte auch den Einsatz eines S-Kreuzers nicht veranlassen, denn was sich Anja Riker vormachte, war Unsinn. Nur weil es einen Punkt in der Galaxis gab, der Ausgangsort eines ungeklärten Stoßimpulses war, sollte ein Ringraumer diese Koordinaten anfliegen? Sie bemerkte sein Zögern. Ihr Gesicht versteinerte, und ihre Lippen preßten sich wieder zusammen. »Trawisheim, wenn ich kein Schiff bekomme, dann haben wir uns zum letzten Male gesprochen. Ich bitte Sie, mich nicht bis zum Äußersten zu treiben.« Er war dankbar, daß der Bildschirm stabil wurde. Das Forschungszentrum meldete sich. Einer der vielen tausend Spezialisten, die unter der Hauptstadt Terras Tag und Nacht den Geheimnissen des Universums auf der Spur blieben. »Wir haben diesen Stoßimpuls untersucht, soweit es uns möglich war. Dabei sind wir auf ein Phänomen gestoßen. Dieser Impuls muß einen örtlich begrenzten Bruch des Kontinuums ausgelöst haben, denn Impuls und Bruch fallen beinahe zusammen. Aber das ist noch nicht alles. Beide kamen aus der gleichen Richtung. Warum die Strukturerschütterung des Einsteinraumes jedoch rund achtzehn Sekunden kürzer ist, das heißt, acht Sekunden nach dem Impuls einsetzte und zehn Sekunden vor Ende des Impulses verschwand, können wir nicht erklären. Es liegt aber fest, daß die beiden Phänomene im Zusammenhang stehen.« Trawisheim, ein Cyborg auf geistiger Basis, der niemals etwas vergaß, was er gehört hatte, erinnerte sich der physikalisch noch geklärten Vorgänge bei den Zusammenstößen mit dem Nor-ex. »Seit wann sind wir denn in der Lage, Bruch der Raum-Zeitstruktur, die in aber Tausenden Lichtjahren Entfernung erfolgt ist, derartig genau anzumessen?« Auch ein Stellvertreter des Commanders mußte es sich hin und wieder gefallen lassen, unterbrochen zu werden; »Wir haben es mit einem Bruch des Raumgefüges zu tun, wie wir es noch nie in dieser Stärke beobachtet haben. Einige Kollegen behaupten, deren Ansicht ich mich aber noch nicht anschließen kann, daß im Bereich der uns inzwischen bekannten Koordinaten ganze Sternsysteme verschwunden sein könnten. Wir haben mit Blick auf diese Hypothese eine Wahrscheinlichkeitsrechnung durchführen lassen, und eigenartigerweise behauptet das Endresultat, daß an dieser Strukturerschütterung des Raumgefüges wenigstens fünf bis acht Sonnen beteiligt gewesen wären. Man kann diese Aussage dahingehend auslegen, daß fünf bis acht Sonnensysteme in ein anderes Kontinuum gerissen wurden.« Atemlos hatte Anja Riker gelauscht, immer aufmerksamer wurde Henner Trawisheim. Als er Dan Rikers Frau dann wieder ansah, brannte ihr Blick auf ihn. Sie forderte ihm ab: Gib mir einen S-Kreuzer! Gib mir Ralf Larsen als Kommandant des S-Kreuzers mit! Ich muß meinen Mann im Sternenmeer suchen! Ich muß, Henner Trawisheim!
Unwillkürlich ballte er die Hände. Was konnte die POINT OF mit dieser Naturerscheinung zu tun haben? Nichts! Denn der Ringraumer mit seinen Energievorräten war nicht einmal in der Lage, einen Liliputmond in ein anderes Kontinuum zu jagen. Schon wollte er sagen: Ich werde Bulton nicht bitten, Ihnen ein Schiff zur Verfügung zu stellen, als die Verbindung mit der großen Hyperfunkstation in Cent Field abermals bestand. »Wir haben gerade einen zweiten, aber bedeutend schwächeren Stoßimpuls aufgefangen, der aus dem Bereich der uns inzwischen bekannten Koordinaten kommt. Verbunden mit diesem Impuls war abermals der Bruch der Raum-Zeitstruktur!« Trawisheim war hellwach geworden. »In welchem Verhältnis steht die zweite Erscheinung zur ersten?« Tiefes Atmen war zu hören, dann kam zögernd die Antwort. »Das ist ohne Suprasensor kaum zu sagen. Wenn ich mich mit meiner Schätzung nicht festlegen muß, könnte das Verhältnis zehn Milliarden zu eins sein!« Ein unwahrscheinliches Verhältnis! Trawisheim tastete aus. Anja Rikers so zwingender Blick brachte es fertig, ihn als Mensch zu irritieren, dennoch widerstand sein hoher I.Q. ihrer Ausstrahlungskraft. »Ich kann den Einsatz eines S-Kreuzers nicht befürworten, weil das Unternehmen nicht zu verantworten ist, Anja. Sie haben selbst gehört, welche physikalischen Vorgänge im Bereich der ermittelten Koordinaten zur Zeit ablaufen, und Sie sind erfahren genug, um sich zu sagen, daß die POINT OF niemals in der Lage ist, derartige Vorgänge auszulösen.« »Nein!« Ihre Stimme klirrte. Sie beugte sich etwas vor und starrte ihn an. »Haben Sie vergessen, was die POINT OF fertigbrachte, als sie im Kampf mit dem Nor-ex stand?« »Sie war mehr oder weniger nur Katalysator.« »Mit ihrer Energie! Mit ihrem Einsatz! Und kann das gleiche im vergrößerten Rahmen jetzt nicht wieder der Fall sein?« Ihre Hartnäckigkeit beeindruckte Dharks Stellvertreter. Ihre beiden Einwürfe auch. Und ihre Forderung hatte eins für sich: Ralf Larsen als Kommandant in diesem Unternehmen war die Person, die die höchste Gewähr lieferte, daß der S-Kreuzer wieder zur Erde zurückkam. »Anja, ich rufe Bulton an.« Die halbe Entscheidung war gefallen. Marschall Bulton sagte zu. »Die A-01 käme da in Frage.« Anja Riker saß erschöpft im Sessel, aber im Bereich ihres Denkvermögens war sie nicht müde. »Ich benötige mehr als ein S-Schiff, Trawisheim. Geben Sie mir Cyborgs der neuen Serie und ein paar Männer aus der alten mit.« »Sie schrauben Ihre Forderungen unentwegt höher.« Mit einer zweiten Handbewegung, die alles zur Seite zu wischen schien, unterbrach sie ihn. »Ich will nur deswegen ein Maximum haben, um mit einem Minimum an Chancen hoffen
zu können, Terra wiederzusehen.« Sprachlos starrte Henner Trawisheim sie an. Im stillen bewunderte er diese Frau. Sie hatte jetzt nicht ihre Gefühle sprechen lassen, sondern mit dem nüchternen Resultat einer logischen Berechnung die Wirklichkeit in den Vordergrund gestellt. Damit setzte sie alles aufs Spiel. Er nickte. Was würde sie in einem unbekannten Sektor der Milchstraße erwarten, in der die RaumZeitstruktur innerhalb weniger Stunden zum zweitenmal zusammengebrochen war und in dem es vielleicht ein paar Sonnensysteme weniger gab, die nun in einem Kontinuum schwebten, das jenseits aller menschlichen Vorstellungen lag? Dann sprach Trawisheim mit Echri Ezbal im Brana-Tal. »Mark Carrell, Lati Oshuta, Bram Sass und Holger Alsop kämen dafür in Frage. Wann soll die A-01 starten, Trawisheim?« Anja Riker lehnte sich müde zurück und schloß die Augen. Ich habe es geschaft, dachte sie, aber sie konnte sich über ihren Erfolg nicht freuen. Die Sorgen um ihren Mann und die Sorge um alle Menschen in der POINT OF überschatteten alles. Würde sie nicht zu spät eintreffen? Und würde sie im Bereich der Koordinaten wirklich den Ringraumer antreffen oder wenigstens eine Spur von seiner Anwesenheit entdecken? »Anja!« schreckte sie Trawisheim mit seinem lauten Anruf auf, der sie zum drittenmal angesprochen hatte, ohne Antwort von ihr zu erhalten. Sie öffnete die Augen und war wieder in der Gegenwart. »Bitte«, Trawisheim deutete auf sein Standvipho. »Colonel Larsen will Sie sprechen.« Der Kommandant der A-01. * Der entartete Cyborg Dordig schaltete das Triebwerk des Beibootes ab, dessen Mutterschiff er durch die Kettenexplosion der Konverter zu einer Sonne hatte werden lassen. Das große Raumschiff der schwarzen Weißen sah seinen Heimatplaneten nie mehr wieder, und wenn die Besatzung von ihren Entdeckungen auf diesem Planeten nichts nach Hause gefunkt hatte, dann war das Geheimnis der Mysterious nach wie vor in den Händen der Menschen. Und Dordig fühlte sich als Mensch. Er begriff nicht, daß er krank war, daß sein Gehirn sich verändert hatte, besonders in den letzten Stunden. Die Plattform, von der die Roboter der schwarzen Weißen zu ihrem Raumschiff hochgeflogen waren, war leer. Die Dünung des Ozeans, der den gesamten Planeten zu umspannen schien, wiegte sich schwach. Der Wind aus Osten warf, niedrige Wellen an den Strand und die fremdartigen Gräser bewegten sich wie die Halme auf der Erde. Langsam drehte Dordig sich um. Sein Mißtrauen ließ ihn zum Schocker greifen. Hinter seinem Steuersitz lagen Manu Tschobe, Jos Aachten van Haag und Chris Shanton mit seinem Schrott-Jimmy in Paralyse.
Zufrieden grinste der Mann, der sie mit seiner Energiewaffe niedergestreckt hatte. Er dachte an die Reise, die er mit ihnen unternehmen wollte. Und er kannte doch so viele schöne Reisewege. Lässig erhob er sich, stieg über Chris Shanton hinweg und ging auf die kleine Schleuse zu. Er sah die beiden Pranken nicht, die Schrott-Jimmy umfaßten, anhoben und ihn dann auf die Reise schickten. Fast lautlos flog Shantons zerstörtes kleines Spielzeug hinter Dordig her. Kilos trafen ihn am Kopf. Laut gellte der Schrei des Cyborgs auf, der nicht auf sein zweites System geschaltet hatte. Seine Arme flogen hoch und seine Hände suchten Halt. Sie griffen daneben. Er fiel nach vorn, prallte mit dem Kopf gegen die Schleusenkante, und als er dann zu Boden stürzte, ahnte der Diplom-Ingenieur, was mit seinem Gegner geschehen war. Schwerfällig erhob sich der Dicke, der kaum seine Glieder bewegen konnte. Er hatte unwahrscheinliches Glück gehabt, als Dordig ihnen gesagt hatte: Wir werden gemeinsam eine kleine Reise unternehmen. Schade, daß Mildan nicht hier ist. Denn er war der letzte gewesen, der geschockt wurde, aus einem Paraschocker, dessen Energieladung mit dem letzten Schuß zu Ende gegangen war. So hatte ihn nur noch ein Teil der zugedachten Dosis erwischt und sein paralysierter Zustand hatte nach seiner Schätzung weniger als eine halbe Stunde gedauert. Nun kniete der Dicke mit seinem Backenbart und der herrlichen Glatze neben Dordig, räumte Schrott-Jimmy zur Seite und drehte den Cyborg vorsichtig auf den Rücken. Er hätte ruhig rauher mit ihm umgehen können. Der zweite entartete Cyborg war auch tot. Kein Mensch konnte ihm mehr helfen. Chris Shanton fühlte kein Bedauern, als er Dordig unter Schnaufen und Schwitzen zur Seite zog und die Schleuse freimachte. Dann kroch er bis zur Öffnung, atmete die frische Luft tief ein, und halb im Schneidersitz hockend, wartete er ab, bis die letzten Nachwirkungen des Schocks mehr und mehr abklangen. Sein Magen knurrte. Hungergefühl trieb ihn hoch. Schwerfällig stieg er über Jos hinweg und begann die Einrichtung des Beibootes zu inspizieren. Ihm gefiel es, wie die einzelnen Ablagen angebracht waren. Dann knobelte er daran herum, wie die Fächer zu öffnen waren. Das beruhigende Rauschen der Brandung und das gleichmäßige Säuseln des Windes schufen eine Atmosphäre, die ihn vergessen ließ, daß er sich auf einem fremden Planeten aufhielt. Wenn nur nicht der Hunger gewesen wäre. »Nanu!« stieß er aus, als eine Lade unerwartet aufflog und gegen seinen Bauch stieß. Das Werkzeug darin interessierte ihn vorerst nicht. Wichtiger war ihm zu erfahren, wie er die Lade geöffnet hatte! Seine Pranken, die trotz ihrer Größe in der Lage waren, winzige Sensorelemente miteinander zu verbinden, tasteten die Flächen ab. »Nichts!« knurrte er und wurde immer unzufriedener, weil er nichts finden konnte. Wütend stieß er die Lade zu. An der, die darüber lag, drückte er. Vielleicht gab es einen Mechanismus, der auf Druck
ansprach. Auch sie stieß gegen seinen Prachtbauch. In diesem Moment schöpfte er Verdacht. Sein nächster Versuch bestätigte ihn. Die einzelnen Laden öffneten sich, wenn er eine Hand gegen die Fläche legte und die Körpertemperatur wirksam wurde. Erst als er die rechte Seite mehr als zur Hälfte kontrolliert hatte, stieß er auf Lebensmittel der schwarzen Weißen. »Heiliger Strohsack, was mag das für ein Fraß sein?« Trotz seines Hungers betrachtete er mißtrauisch den großen Tablettenvorrat, der in Klarsichtverpackungen vor seinen Augen lag. Früchte unbekannter Art waren auf den Verschlüssen abgebildet, oder Gerichte, die ihm nichts sagten. Noch weniger gefiel ihm, daß er diese schneeweißen Tabletten von kaum einem halben Zentimeter Durchmesser trocken schlucken sollte. Woher sollte er denn auch wissen, ob eine Tablette für eine Person reichte oder für acht oder zehn schwärze Weiße bestimmt war? Er griff hinein. Aber weiter ging es nicht. Die Packung ließ sich nicht herausnehmen. Sie saß fest. »Verdammt!« fluchte er und versuchte es noch einmal. Doch seine Fingerkuppen glitten an den winzigen Kanten ab, und die Plastikverpackung blieb da, wo sie sich befand. Dafür hatte sich aber rechts eine bisher nicht zu sehende Klappe geöffnet, und ein Mittelding zwischen Becher und Suppentasse schob sich heraus. Shanton griff zu, verzog sein Gesicht und rieb sich die Handfläche am Hosenbein. »Verflucht heiß! Haben die schwarzen Weißen denn anstelle von normalen Speiseröhren vielleicht Plastikorgane, die hitzeempfindlich sind?« Schnell vergaß er die Brandstellen an der rechten Hand. Appetitlich zog ihm der Duft in die Nase. Er schnupperte immer intensiver, bis er plötzlich Mundwasser bekam und dann das tat, was jeder andere Mensch auch tun wird, dem die vorgesetzte Speise zu heiß ist: Er blies sie kalt! Das konnte er sich erlauben, denn praktisch war er doch allein, und weder Jos noch Tschobe sahen, daß er auch die schlechten Eßmanieren erstklassig beherrschte. Gut ein halber Liter betrug der Inhalt der graugrünen, leicht dickflüssigen Speise, die immer aufreizender duftete, je kühler sie wurde. »Bomben und Soliden, hab' ich einen Kohldampf!« stöhnte er, und dann, auch auf das Risiko, sich noch einmal die Finger zu verbrennen, griff er zu, nahm das Gefäß aus der blitzenden Halterung und führte es an die Lippen. Nach der ersten Geschmacksprobe lief Strahlen über sein Gesicht. Die schwarzen Weißen verstanden zu kochen, und das Gericht tat seiner Zunge und ihren feinen Geschmacksnerven gut. Genußvoll, mangels eines Eßbestecks, schlürfte er das Gefäß leer. Wohin damit? Eine Spüle war im Beiboot nicht zu sehen. Er wußte sich keinen anderen Rat und schob das Gefäß wieder in die Halterung. Im nächsten Moment verschwand es, die Klappe fiel herunter, und er sah nur noch den Tabletteninhalt in der Lade, der sich nicht herausnehmen ließ.
»Gut«, stellte er fest – satt und zufrieden, »nicht ganz so modern wie in der Kantine der Ringraumerhöhle, aber immerhin . . .« Dann machte er sich auf langes Warten gefaßt. Tschobe und Jos hatten die volle Dosis abbekommen, als sie von Dordig geschockt wurden, und es konnten Stunden vergehen, bis sie wieder bei Bewußtsein waren. Er sah seinen lieben Jimmy, der nur noch Schrottwert hatte, und der Dicke dachte an den Vorrat unbekannter Werkzeuge der schwarzen Weißen. Vielleicht... Als er sich erhob, um sich das Werkzeug genauer anzusehen, glaubte er fest daran, Jimmy wieder einsatzfähig machen zu können. Es mußte klappen, denn mit einem aktionsfähigen Robothund wären sie niemals in diese miese Lage geraten, in der sie sich befunden hatten, nachdem ihnen die Flucht aus dem Schiff der schwarzen Weißen gelungen war. Chris Shanton, der dicke Zwei-Zentner-Mann erhob sich und pfiff dabei. Nicht schön, aber laut. Aber das spielte keine Rolle, denn er war doch allein. Die beiden Bewußtlosen hörten ihn nicht. Doch einen Augenblick später war er sich nicht mehr sicher, ob er tatsächlich allein war. Er stand mitten im Beiboot und drehte sich zur Schleuse um. * Der Weltraum, in dem sich die POINT OF befand, war blaßblau. Der Weltraum war angefüllt mit zuckenden, gigantischen Spiralen, die sich überschnitten, unterliefen, senkrecht nach unten stießen oder aus der Tiefe hochjagten. Spiralbahnen unvorstellbarer Ausmaße! Spiralbahnen, die ein komplettes Universum ausfüllten! Und verloren darin, mit ausgefahrenen Teleskopstützen, das Flaggschiff der TF, die POINT OF! Die Ortungen waren ausgefallen. Tino Grappa kam sich hilflos wie ein Kind vor. Die Männer in dem Ringraumer glaubten an keine Rückkehr mehr. Auch nicht, die einmal im Karmin gewesen waren. Bei dem Nor-ex, mit dem Ren Dhark einen Vertrag geschlossen hatte, sich gegenseitig nicht mehr zu stören. »Und das ist Erron-3?« fragte Dan Riker im Kopilotensitz und hatte seine Stimme zum Flüstern gedämpft. Und das ist Erron-3, dachte Ren Dhark, und sein Blick versuchte vergeblich, einen einzigen Stern zu finden. Befanden sie sich in einem Labyrinth, das aus Spiralbahnen bestand? Aber wo war dann der Ausgang aus diesem Irrgarten an zuckenden, schwingenden Bahnen? Dhark schaltete zum Triebwerk durch. Miles Congollons melancholische Augen blickten ihn fragend an. Dann bewegte der Chefingenieur seine Lippen. »Ich suche immer noch den Materie-Sender, der uns hier ausgespuckt hat, Dhark.« Die Triebwerksanlage des Flaggschiffes war okay. Sie hatte den Transport in ein anderes
Universum unbeschadet überstanden. Aber Congollon hatte mit seiner Frage nach der Gegenstation des Materie-Senders auf Planet I ein Thema angeschnitten, das zum Ende geführt werden mußte. Vorläufig war daran aber nicht zu denken. Solange die Ortungen aussetzten, konnte nicht einmal bestimmt werden, ob sich der Ringraumer im freien Fall bewegte oder mit hoher Geschwindigkeit durch das fremde Universum jagte. Was selten geschah, passierte im Kopilotensessel: Dan Riker kaute an seinen Fingernägeln herum. Sein Blick hatte sich an der Bildkugel festgebrannt. Die Instrumente beachtete er nicht mehr. Sie standen auf 0 mit Ausnahme der Geräte, die die Funktionen im Schiff anzeigten. Hier wie bei der Ortung war alles tot. Und in der Funk-Z auch. Glenn Morris gab es gerade durch. Nicht besonders erregt. Seitdem sie die Sternenbrücke zu Gesicht bekommen hatten, war es ja nicht zum erstenmal der Fall gewesen. »Hast du nicht behauptet, der kontinuale Riß beim Durchbruch nach Erron-3 würde stabil bleiben, Ren?« »Solange der Materiesender auf Planet l arbeitet!« »Und woran erkennt man, daß er arbeitet, Ren?« Dan Riker konnte wie ein Inquisitor fragen. Der Commander blieb die Antwort schuldigEr griff in die Tasche und entnahm ihr ein handspannenlanges, mehr als einen Zentimeter dickes und dreieinhalb Zentimeter breites Etui, das dunkelblau aussah und sich samtartig anfühlte. »Was ist das?« Dan Riker hatte ausgesprochenes Pech mit seinen Fragen, denn auch diese blieb unbeantwortet. Dann interessierte ihn die Antwort auch nicht mehr. Er sah, wie sich das Etui von selbst öffnete. Eine winzige, blitzende Kugelantenne auf einem flexiblen, noch dünneren Stab, der knapp einen halben Meter lang war, fuhr aus und veränderte sofort ihre Stellung, kaum daß sie mit dem Etui eine Linie bildete. Worte in unbekannter Sprache klangen durch die Zentrale der POINT OF. Selbst die beiden Offiziere auf der Galerie horchten auf, traten vor und blickten zum Commander hinunter. Grappa hatte sich hinter seiner Ortungsanlage erhoben. Der Commander sprach auch in einer Sprache, die niemand kannte! Er unterhielt sich mit dem Etui in seiner Hand! Dan Riker glaubte zu träumen, seinen Ohren traute er nicht mehr. »Hallo, Dhark, sind Sie es, der so komisch spricht?« Arc Doorns unverkennbare Stimme war im Leitstand zu vernehmen! Zwischen der POINT OF und dem Planeten l des Zwitt-Systems bestand Funkverbindung über das kleine dunkelblaue Gerät in der Hand des Commanders. Ihn hat's jetzt selbst umgehauen, stellte Riker in Gedanken fest und beobachtete seinen Freund scharf, der verwundert die drei kleinen Instrumente betrachtete, die in Zahlensymbolen der Mysterious Werte angaben. »Hallo, Dhark, hören Sie mich nicht?« Doorn auf Planet l in der Schaltanlage drängte auf Antwort. »Doorn, stören Sie mich nicht!« sagte Dhark nur knapp, wandte sich dann Riker zu und gab ihm Koordinaten durch. »Den Kurs darauf einstellen.« Dann schaltete er wieder zum Triebwerksraum. »Congollon, ich gebe Ihnen jetzt präzise Werte durch. Schalten Sie so
schnell wie möglich um und benachrichtigen Sie mich nach erfolgter Doppelkontrolle. Denken Sie daran, daß jetzt nichts schiefgehen darf.« Miles Congollons Frage, um was es sich denn handeln würde, wurde durch die Angaben des Commanders unterbrochen. Eine Zahlenkolonne nach der anderen gab er an. Von Congollon war hin und wieder Grunzen zu hören. Einmal stieß er aus: »Allmächtiger!« Im Leitstand gab es keinen Offizier, der die Anweisungen des Commanders begriff. Man konnte sich nicht vorstellen, um was es ich überhaupt handelte. »Die Intervalle brauchen wir hier nicht. Schalten Sie alle Flächenprojektoren ab und blockieren Sie sie, Congollon!« »Schon getan, Dhark. Noch etwas?« Solche Gespräche gab es nur auf dem Flaggschiff der TF. Auf allen anderen Kähnen herrschte militärische Etikette, und jeder Ranghöhere achtete darauf, daß der Dienstvorschrift auch Genüge getan wurde und der Vorgesetzte mit seinem Dienstrang angesprochen wurde. »Ich warte auf Durchführung der Doppelkontrolle!« »Junge, Junge, hat der aber heute Dampf drauf.« In der Zentrale lachten ein paar Offiziere schallend. Congollons Bemerkung sollte gewiß nicht vom Commander gehört werden, aber die erstklassige Mysterious-Automatik hatte beim Flüstern des Chefingenieurs sofort hochgeschaltet, damit keine Silbe verloren ging. Lachen kann er noch, stellte Dan erleichtert fest, der bis jetzt auch nicht wußte, warum er auf diese verdrehten Koordinaten den Kurs der POINT OF hatte einstellen müssen. Und welch ein Teufelsding hielt Ren in der Hand? Wieso konnte er sich damit unterhalten und zugleich auch noch Funkkontakt mit Doorn auf Planet l aufnehmen? »Doppelkontrolle durchgeführt. Aber darf ich mal fragen, was diese blödsinnige Einstellung soll, Dhark?« Er durfte. »Congollon, wir schaffen damit eine negative Stabilitätszone!« »Eine was?« bellte der über die Verständigung. »Dhark, soll das ein Witz sein?« Dan Riker zweifelte am Verstand seines Freundes. Eine Stabilitätszone war etwas stabiles, aber bei diesem Begriff gab es doch weder etwas Positives noch Negatives. Eine negative Stabilitätszone war physikalischer Unsinn! Gelassen fragte Dhark zurück: »Congollon, besagen Ihnen die Einstellungswerte etwas, die ich Ihnen eben durchgab?« »Das ist es ja! Ich verstehe Sie nicht.« »Dann überlassen Sie mir die volle Verantwortung für Ihren Triebwerksraum – und glauben Sie mir auch, daß es in diesem blaßblauen Bereich positive wie negative Stabilitätszonen gibt. Nur mittels der negativen sind wir in der Lage, unser Schiff zu bewegen oder auf Fahrt zu bringen. Wir erzeugen mit unseren umgeschalteten Triebwerken einen Bereich, der sich zum umgebenden Raum negativ verhält. Mit anderen Worten, wir werden gemäß unserer Triebwerkseinstellung in die von uns gewünschte Richtung angezogen.« »Hoffentlich stimmt das!«
Miles Congollon war am Boden zerstört. Er kam nicht mehr mit. Noch weniger konnte er begreifen, wie man mit seinem Triebwerk, das er doch zu kennen glaubte wie kein zweiter Mensch, eine negative Stabilitätszone schaffen konnte. »Congollon, es stimmt, was der Commander gesagt hat!« Auch wortkarge Menschen können hin und wieder unaufgefordert reden. Das beste Beispiel war der Sibirier Arc Doorn auf dem Planeten l im Zwitt-System. Er hatte über den Wegweiser in Dharks Hand mitgehört, und – er mußte begriffen haben, was Dhark mit seiner Triebwerkseinstellung bezwecken wollte. Dhark sah seinen Freund im Kopilotensessel kurz an. »Dan, hochschalten!« Der zögerte. »Auf Fahrt gehen? Auf Sle oder Sternensog, Ren?« »Auf Fahrt gehen, denn es gibt jetzt weder Sle noch Sternensog, mein Lieber.« Er stellte das Etui mit der knapp halben Meter langen Kugelantenne auf das langgestreckte Instrumentenpult. Weit beugte er sich vor, um die Werte an den drei kleinen eingebauten Instrumenten ablesen zu können. Daß dieses winzige Aggregat zugleich auch Sender und Empfänger war, hatte ihn ebenso überrascht wie alle anderen. Dan Riker schaltete. »Fahr auch die Teleskopbeine ein, Dan.« In der Zentrale wurde es still. Jeder erwartete ein Ereignis, aber niemand konnte präzise sagen, was erwartet wurde. Einer der Offiziere am Checkmaster riß die Augen weit auf. Mit krächzender Stimme rief er dem Commander zu: »Checkmaster hat abgeschaltet.« Das war ihm nichts Neues. Als sein Etui vorhin in der Sprache der Mysterious geredet hatte, war er darauf vorbereitet worden. Grappa glaubte auch, sich melden zu müssen. Seine Ortungen lagen nach wie vor brach. Nur die Funk-Z rührte sich nicht. Dort hatte man es sogar aufgegeben, mit der EchoKontrolle zu arbeiten. Sie erbrachte ebensowenig wie alle anderen Versuche. Im Blaßblauen gab es weder Normalempfang noch ein einziges Geräusch auf all den aber tausend Hyperfunkfrequenzen. »Ein Funkfriedhof!« hatte Walt Brugg gesagt, und die anderen hatten es ihm geglaubt. Doch dann wurden sie nicht mit der Tatsache fertig, daß Ren Dhark sich mit Doorn unterhalten konnte, sie aber nicht einmal in der Lage gewesen waren, einen Ton aufzuschnappen. Als ob die POINT OF in ihrer Unitallhaut gar keine Antenne mehr besitzen würde. Unbeweglich saß Dhark vor seinem Wegweiser. Unbeweglich saß Riker im Kopilotensessel. Je mehr Zeit verrann, seitdem er auf Fahrt gegangen war, um so fester glaubte er, daß sein Freund einem Irrtum zum Opfer gefallen war. Mit dem Flaggschiff war keine Veränderung vor sich gegangen, denn die zuckenden, gigantischen Spiralen, die aus den Raumtiefen kamen um in Raumtiefen wieder zu verschwinden, hatten sich so wenig verändert wie die Spiralbahn vor ihnen. Dicht vor ihnen? Weit vor ihnen? Niemand vermochte es zu sagen. In diesem Universum gab es keine Vergleichs-
möglichkeiten. Aus diesem Grund zögerte Riker mit der Behauptung, die POINT OF würde sich höchstens im freien Fall bewegen, obwohl die Instrumente, die sich sonst so lebhaft zeigten, wenn das Schiff beschleunigte, nach wie vor auf Null standen. Nur nicht die komische Antenne am kleinen dunkelblauen Etui. Woher hatte Dhark es? Aus der Station im Innern des Planeten Zwitt? Unmerklich bewegte sich die Antenne. »Grün 2 Minuten und 18 Sekunden mehr, Dan!« Automatisch handelte Riker, doch das Bild, das die Kugel lieferte, veränderte sich nach der vorgenommenen Kursregulierung abermals nicht. »Und auf Rot 8 Minuten und l Sekunde heruntergehen!« Die Bordverständigung knackte. Miles Congollons Stimme klang nicht begeistert. »Dhark, können Sie mir erklären, warum wir Energie aufnehmen, obwohl das Triebwerk bei mir ganz hübsch rauscht?« Gelassen erwiderte Ren Dhark: »Um eine negative Stabilitätszone erzeugen zu können, muß man dem umgebenden Raum seinen positiven Charakter nehmen. Was Sie im Triebwerk rauschen hören, ist der gleiche Vorgang, den man akustisch an einem arbeitenden Transformer vernimmt.« Das war der Augenblick, in dem Dan Riker mit sich selbst unzufrieden war. Warum hatte er es versäumt, das Archiv mit seinen Mentcaps, im Mittelpunkt des Planeten Zwitt aufzusuchen? Nur aus Mentcapwissen konnte Ren seine Erfahrungen gewonnen haben. Und es war für ihn, Riker, bestürzend, mit welcher Sicherheit sein Freund sich in diesem Blaßblauen benahm. Die zuckenden, gigantischen Spiralbahnen mit ihrem schwachen Leuchten, das alle Primärfarben enthielt, hatten nach dem ersten überwältigenden Eindruck alles Faszinierende für ihn verloren, während alle anderen im Leitstand dieses Wunder immer wieder teils begeistert, teils mißtrauisch beobachteten. Die Zeit verrann. Der Raum um sie veränderte sich nicht. Spiralbahnen kamen zuckend und vergingen zuckend. Neue traten an ihre Stelle. An dieselbe Stelle. Warum gab es in diesem Universum keinen Kreisbogen? Warum kein Strahlengitterwerk? Und warum hatte sich die astronomische Abteilung nicht gemeldet, seitdem sie sich im blaßblauen Fremdraum aufhielt? Riker ahnte nicht, was sich dort abgespielt hatte. Die Wissenschaftler waren verzweifelt, weil auch ihre Geräte und Apparaturen versagten. Nur die Bildkugel stand ihnen zur Verfügung, aber sie konnte ihnen nicht das liefern, was sie wissen wollten. Jens Lionel hatte eine kluge Entscheidung getroffen. »Dhark wird erst dann angerufen, wenn er sich mit uns in Verbindung setzt.« Aber Dhark rief sie nicht an. Auch nach Stunden Bordzeit nicht. Er saß gebückt im Pilotensessel und beobachtete ununterbrochen die drei kleinen Instrumente seines Wegweisers. Er glaubte an Erron-3, aber auch er konnte sich nicht vorstellen, was Erron-3 war. Ein paarmal hatte er schon gelauscht. Ein paarmal hatte er gedacht, sich geirrt zu haben, aber als er das feine Singen abermals aus dem Etui dringen hörte, war er sich seiner Sache sicher. Ein Peilton, der schnell lauter wurde. Bald war er nicht mehr zu ertragen. Ein Mann nach dem anderen schloß seinen Klarsichthelm. Verständigung war nur noch
über Helmfunk möglich. »Dan, auf halbe Fahrt gehen!« Das hieß doch, daß sie kurz vor dem Ziel standen, aber wo um alles in der Welt, war es denn? Der Raum mit seinem blaßblauen Leuchten und seinen Spiralbahnen sah unverändert aus, ebenso die unendliche Tiefe. Warum gab es in diesem Kontinuum keinen einzigen Stern, oder sollten diese zuckenden Bahnen die Stelle von Sternen eingenommen haben? Aber Bahnen, die in einem Aufzucken vergingen? »Dan, auf minus 10 schalten!« Verwirrt starrte er seinen Freund an. Abbremsen? Die POINT OF abbremsen? In diesem Universum war doch alles auf den Kopf gestellt! Dagegen war das Karmin noch ein Erholungsparadies gewesen! »Auf minus 10 schalten!« Dharks Stimme klang scharf, obwohl er sich vorstellen konnte, wie sehr Dan verwirrt war. Aber er hatte jetzt keine Zeit, ihm zu erklären, daß der Ringraumer nur mittels einer übersättigten positiven Stabilitätszone abgebremst wurde. Sie befanden sich doch dicht vor dem Ziel. Vor Erron-3! Das Schiff wurde atompisch ! Er hatte die Mysteriousvokabel nicht anders übersetzen können. Sie war und blieb ein Fremdwort in der terranischen Sprache wie der Ausdruck ertobit ! Da veränderte sich alles. Die POINT OF wurde von einer Spiralbahn erfaßt! Die Bildkugel in der Zentrale und ihre Ableger in den übrigen wichtigen Haupträumen wurden beinahe blind. Sie zeigte nur noch das Blaßblaue! »Auf minus 100 gehen, Dan! Schnell! Schnell!« Der schaltete auf maximale negative Beschleunigung. Sein Blick huschte über die vielen Instrumente, aber nach wie vor standen sie auf Null. Doch neben ihm veränderte sich etwas. Die Antenne fuhr sich ein! Der Kugelkopf verschwand im Etui. Ren Dhark nahm endlich nach Stunden wieder eine normale Haltung ein. Sein Kreuz schmerzte, und ein paarmal tief atmend bog er es durch und streckte sich dabei. Dann klappte er seinen Klarsichthelm wieder zurück. Im gleichen Moment klang Arc Doorns Stimme aus dem winzigen Gerät auf dem Instrumentenpult. »Heiliger Strohsack, habt ihr ein Tempo drauf.« »Sonst alles okay, Doorn?« »Alles, Dhark, der Riß im Raum-Zeitgefüge ist unverändert stabil.« »Doorn, Sie wissen, was von seiner Stabilität abhängt – was für uns davon abhängt.« »Ich weiß!« Und der wortkarge Mann meinte damit mal wieder alles gesagt zu haben. Riker legte seinem Freund die Hand auf die Schulter. »Ren, willst du uns nicht allmählich Aufklärung geben?« »Warum nicht? Wir haben etwas Zeit. Wenn wir stellar-eins erreicht haben, werden wir wohl wieder alle Hände voll zu tun bekommen. Im Augenblick befinden wir uns auf der Bahn von Erron-3. Nur was man sich darunter vorzustellen hat, kann ich nicht sagen. Wir
sind zur Zeit schneller, und die POINT OF wird mittels einer übersättigten positiven Stabilitätszone abgebremst. Sobald wir uns atompisch angepaßt haben, bewegen wir uns auch in stellar-eins. Bitte, warten Sie ab, und stellen Sie keine Zusatzfragen. Ich bin auch nicht über alles informiert. Aus meinem Gespräch mit Arc Doorn haben Sie entnehmen können, daß es in seiner Hand liegt, ob wir den Rückweg finden. Ich glaube, darüber brauchen wir uns die allerwenigsten Sorgen zu machen.« Dan Riker überging Dharks Bitte, keine weiteren Fragen zu stellen. »Doorn wunderte sich über unsere hohe Geschwindigkeit, Ren. Wieso kann er die Geschwindigkeit der POINT OF feststellen, während wir, bis auf den Eintritt in eine Spiralbahn nicht das geringste feststellen konnten?« Nachdenklich sah Ren Dhark seinen Freund an. »Diese Frage hatte ich erwartet. Dan, hast du schon einmal freigewordene Atompartikel beobachtet?« Seitdem die Technik der Mysterious auf Terra eingezogen war, war dieses faszinierende Schauspiel schon ein paar tausendmal über die Bildschirme gegangen. »Warum fragst du?« »Weil niemand an Bord begriffen hat, daß die zuckenden Spiralbahnen nichts anderes waren oder sind, als vorbeirasende Sonnensysteme! Wir befinden uns mitten im Sternendschungel einer fremden Raum-Zeitstruktur. Sie unterscheidet sich von unserem Kontinuum darin, daß hier die Zeit aber millionenfach schneller abläuft als bei uns. Und sie unterscheidet sich weiterhin, daß es hier einige physikalische Gesetze, die bei uns unveränderlich sind, nicht gibt. Welcher Ersatz hier an die Stelle getreten ist, weiß ich nicht.« Dan Riker umklammerte die Lehnen seines Sessels. Zum größten Teil hatte er verstanden, was Dhark gesagt hatte. Sonnensysteme waren an ihnen vorbeigerast, und sie hatten diese Systeme als zuckende Spiralbahnen gesehen, die aus Raumtiefen kamen, um wieder darin zu verschwinden. Das bedeutete, daß sich die Sterne in diesem Kontinuum anders bewegten als im heimatlichen! Und hier sollte die Zeit abermillionenfach schneller ablaufen als in ihrem Universum? Demnach war die POINT OF nicht nur ein Fremdkörper, sondern sie war mit ihrer Eigenzeit in dieses fremde Universum gedrungen. Erst mit Erreichen der Sterngeschwindigkeiten hatte es sich der hier alles beherrschenden Zeit-Konstanten angepaßt. Dan Riker fiel es schwer, innerhalb dieses Komplexes folgerichtig seine Gedanken zu entwickeln. Fremdkörper – Eigenzeit – Sterngeschwindigkeit – Zeitkonstante! Und plötzlich tauchte ein furchtbarer Verdacht in ihm auf. Wenn in diesem Universum alles millionenfach schneller ablief als in ihrem eigenen, dann wurden sie ja auch millionenfach rascher alt! Dann gab es keinen Weg nach Terra mehr! Dann gab es nur noch einen Sarg, der POINT OF hieß, der über kurz oder lang zerbröckeln würde, denn Unitall hatte auch nicht Ewigkeitsbestand! Er beugte sich vor und flüsterte. Beruhigend legte ihm Dhark die Hand auf die Schulter. »Wenn wir stellar-eins erreicht haben, spielt es für uns keine Rolle mehr, welche Form in
diesem Universum die Zeit-Konstante hat, aber wir haben erst mit stellar-eins den Eintritt in diesen Weltraum endgültig geschafft. Im Augenblick liegen wir noch im Wirkungsbereich des Materie-Senders auf Planet l im Zwitt-System.« Riker war nicht der einzige, der ihn verständnislos ansah. Er hielt sich den Kopf. »Warum mußte ich denn die POINT OF abbremsen? Das ist doch ein Widerspruch.« »In unserem Kontinuum. Nicht in diesem. In diesem ist Raumfahrt nur mittels der negativen Stabilitätszone möglich, die anderen physikalischen Gesetzen unterliegt. Damit wird die Physik aber nicht auf den Kopf gestellt. Wir haben in diesem Bereich nur zu vergessen, welche Gesetze in unserem Kontinuum herrschen. Das ist alles, und es ist alles viel einfacher zu verstehen, wenn man diesen Weltraum mit den ihm eigenen Natürlichkeiten betrachtet.« »Du hast gut reden!« stieß Riker aus. »Ich mußte mit dem neuen Wissen auch erst fertig werden.« Dieser einfache Satz erstickte jede Diskussion. Ich mußte mit dem neuen Wissen auch erst fertig werden! Commander Dhark hatte seine Offiziere beschämt. Er hatte ihnen den Rat gegeben, ihren eigenen Verstand zu benutzen und sich mit den hier angefallenen Problemen zu befassen. Aber er hatte es auch in einer Art und Weise gesagt, die ihnen klarwerden ließ, welch ein Mensch dieser junge Mann war, der trotz allen Rückschlägen sein Ziel nicht aufgegeben hatte, den Menschen den Weg ins Weltall zu zeigen – um ihnen die Spur zu treten, damit sie auch zu den fernsten Sternen kamen. Das Blaßblaue, in das die POINT OF eingehüllt war, reichte nicht mehr bis in die Ewigkeit. Überall hatte es seine Grenzen, und in seinen Grenzbereichen verlor es seinen blauen Farbton. Ob die Mysterious aus diesem Universum ihre Vorliebe für die Farbe Blau bezogen hätten? Abrupt war der Übergang! Auch Ren Dhark hatte ihn zu diesem Zeitpunkt nicht erwartet. Das Blaßblaue um sie herum riß auf, verschwand wie ein Blitz. Sie hatten stellar-eins erreicht! Sie waren endgültig in einem fremden Universum angekommen. Sie waren eins geworden mit der hier herrschenden Zeit-Konstanten. Aber was sie sahen, riß selbst die abgebrühten Männer in der Zentrale von ihren Plätzen! Die Bildkugel warf ihnen ein unwahrscheinliches Bild in den Leitstand! Sie schauten in einen schwarzen Trichter, dessen Drehbewegungen deutlich erkennbar waren. Ein Trichter, der sich mit jeder Windung nach unten hin verjüngte. Aber dieser Trichter stand auf einem Planeten. Ein Teil seiner Oberfläche war zu sehen. Wurde dieser Teil wiederum von Wolken stellenweise verdeckt? »Meine Herren, auf die Plätze!« Ren Dhark hatte sich als erster von der Überraschung wieder gefaßt. Ein Blick über die Instrumente hatte ihm gezeigt, daß sie wieder arbeiteten. Die Ortungen liefen, als befände sich das Flaggschiff aus einem anderen Universum nicht in einem fremdartigen Weltraum. Der Checkmaster hatte sich wieder eingeschaltet. Ob er auch auf dieses Raum-Zeit-Kontinuum programmiert war?
Nur in der Funk-Z -hatte sich wenig geändert. Normal- und Hyperfunk lagen nach wie vor still. Einzig die Echo-Kontrolle arbeitete, aber weder Glenn Morris, noch Walt Brugg oder Elis Yogan konnten mit den erhaltenen Werten etwas anfangen. »Ist die Echo-Kontrolle gar keine mehr?« Yogans Frage blieb unbeantwortet im Raum hängen. Commander Dhark hatte die Führung des Schiffes wieder übernommen. Seine POINT OF wollte er nicht in diesen Trichter hineinjagen. Noch nicht. Er schaltete vom übersättigten positiven Stabilitätsbereich auf den negativen um. Die Geschwindigkeit des Schiffes blieb nach wenigen Sekunden konstant. Nun erging es ihm nicht anders als vorhin seinem Freund Dan. Ungewollt stellte er sich in Gedanken die Frage: Sind hier Sekunden tatsächlich Sekunden? »Unsinn!« murmelte er und schüttelte diese nutzlosen Gedanken ab. Er drehte knapp den Kopf und rief seinen Offizieren am Checkmaster zu: »Anfrage: Was ist Erron-3?« Ein Planet, hätte Dan Riker um Haaresbreite gesagt, aber im letzten Moment hatte er erkannt, wie dumm diese Bemerkung war. Nach langer Zeit meldete sich der Checkmaster wieder in allen Gehirnen. Erron-3 ist Erron-3! Riker stieß einen Fluch aus. »Ob der mit der alten sibyllinischen Hexe verwandt ist?« Der Überlieferung nach hatte die Sibylle von Cumae ebensolche Antworten gegeben. Aber Dhark sagte diese unklare Antwort mehr als allen anderen. Sein Mentcapwissen aus der Station im Zentrum des Planeten Zwitt kam ihm zur Hilfe – ein Wissen, das aber leider nicht komplett war. Erron-3 ist Erron-3! In Gedanken sprach er sich diese Auskunft ein paarmal vor, und je öfter er es tat, um so mehr Gewicht erhielt diese Auskunft. Erron-3 ist Erron-3! Unwillkürlich wurde er an Mones Rat erinnert: Vergiß aber die siebte Sonne nicht ! In 180.000 Kilometern Höhe stoppte er die POINT OF. Über dem schwarzen Riesentrichter stand das Schiff im freien Fall. Rundspruch an alle Menschen im Ringraumer. »Wir haben unser Ziel fast erreicht. Unter uns ein Planet, auf dem sich Erron-3 befindet. Was wir uns darunter vorzustellen haben, ist noch unbekannt. Anweisung an alle wissenschaftlichen Stationen, sofort mit den üblichen Untersuchungen zu beginnen. Schiff bleibt bis zur letzten Auswertung im freien Fall. Ende.« Kürzer ging es wirklich nicht. »Ren, du hättest den Männern ruhig ein paar Sätze mehr schenken sollen«, hielt Riker ihm mit Recht vor. »Ich habe Angst, daß du sie eines Tages mit deinen spärlichen Informationen überforderst. Manchmal habe ich dich im Verdacht, du würdest Doorn nachahmen.« Doorn! Er versuchte mit Hilfe des Etuis mit Doorn zu sprechen.
Es gab keine Funkverbindung zum Planeten im Zwitt-System mehr. »Mein Gott«, flüsterte Dhark, und das andere dachte er dann. Der Materie-Sender auf l wird doch nicht abgeschaltet worden sein? Er war abgeschaltet worden! Aber nicht von Doorn. * Arc Doorn konnte es nicht fassen, aber er begriff, was dadurch ausgelöst worden war. Commander Dhark und seinem Schiff war der Rückweg ins heimatliche Universum verschlossen! Terra hatte jetzt nur noch eine Aufgabe, ihm und seinen Männern ein unvergängliches Denkmal zu setzen. Seine Mitarbeiter starrten ihn an. Hilflos wie er. Noch hilfloser, denn sie waren nur in der Lage, nach seinen Angaben zu arbeiten. Und in ihrem hilflosen Blick entdeckte er die zweite Wahrheit. Sie hatten keine Möglichkeit, Terra über Funk zu erreichen. Die Sternenbrücke ließ auch keinen To-Funkspruch hinaus! Die Flash? »Machen Sie einmal Platz.« Er wollte den letzten Versuch unternehmen, um den Materie-Sender wieder einzuschalten. Aber den letzten Versuch unternahm er nicht. Schon der erste nach dem Abschalten war sinnlos gewesen. Ren Dhark hatte es ihm erklärt und von Eigenbewegungen unterschiedlicher Universen gesprochen. »Wir haben uns dabei vorzustellen, daß sich der Begriff Bewegung nicht allein auf die Rotation beschränkt. Er hat auch alles andere zum Inhalt, zum Beispiel den Unterschied in den Konstanten der einzelnen Räume. Und was bei diesem Unterschied allein eine einzige Sekunde ausmacht, können Sie sich vielleicht vorstellen, Doorn.« Er konnte es! Selbst wenn er mit dem Materie-Sender erneut einen Riß zum anderen Universum schuf, dann war jedes Bemühen umsonst, weil Ren Dharks Wegweiser nicht in der Lage war, diesen Riß zu finden! Doorn starrte die Meßinstrumente an und fragte sich zum hundertstenmal: Wer hat den Materie-Sender abgeschaltet? Wer nur? Von draußen kam ein Schrei, laut und deutlich: »Die POINT OF ist wieder zurück! Die POINT OF ist wieder zurück!« Doch nach dieser alarmierenden Nachricht wurde es draußen auffallend still. Verwundert nahm Arc Doorn sein Spezialvipho hoch und sprach hinein: »Was ist denn nun wirklich draußen los?« Die Antwort, die er hörte, klang so unglaublich, daß er sich selbst auf den Weg machte, um sich zu überzeugen, ob man ihm einen Bären aufgebunden hatte. *
Gladys Bulton, Marschall Bultons Gattin, überfiel ihn mit ihren Fragen, als er etwas abgespannt seinen Bungalow betrat. »Nein«, wehrte er ungehalten ab, »in der Sache der Minisender hat die GSO noch keine Fortschritte gemacht. Nur einer war etwas schneller als dieser Haufen, der sich so wichtig nimmt: Bert Stranger. Dieser Reporter hat heimlich das Krankenhaus verlassen und scheint wieder auf einer heißen Spur zu sein.« Das Wort Reporter war für Gladys Bulton so etwas wie ein rotes Tuch. Sie glaubten ihre häuslichen Meckergespräche mit ihrem Mann schon im Wortlaut in der Nachrichtensendung der Terra-Press zu hören, und was würden die Männer der TF von Marschall Bulton denken, wenn sie erfuhren, daß sie ihn einen cholerischen Brüller genannt hatten, der auch seiner Frau auf die Nerven fiel und ihr immer zu wenig Haushaltsgeld geben würde!? »Großer Himmel, dieser Reporter.« Bulton bremste ihren Redefluß und benutzte ein hinterlistiges Mittel, weil er wahrscheinlich in Zukunft nie eine bessere Gelegenheit bekommen würde. »Gladys, rede nicht so viel und so unkontrolliert! Auch in unseren vier Wänden nicht. Wissen wir denn, ob ich nicht schon wieder einen Minisender mit mir herumschleppe, der alles überträgt, was zwischen uns gesprochen wird?« Diese Vorstellung jagte ihr Entsetzen ein, aber es war auch entsetzlich, daß sie in Zukunft sich nie mehr frei äußern konnte, und ihren Mann mußte sie doch hin und wieder zurechtweisen! Bulton suchte sein Arbeitszimmer auf. Er wollte die Probe aufs Exempel machen, griff zur Flasche und schenkte sich einen doppelten Kognak ein. Gladys stand hinter ihm und rang mit sich selbst, denn am liebsten hätte sie ihm wieder Vorhaltungen gemacht, an den Ratschlag des Arztes erinnert und ihm so gern gesagt, daß Alkohol auch in kleinsten Mengen ungesund sei. Er schenkte sich den zweiten ein. Ich werde Eylers unterrichten müssen, dachte er, während er seine Frau heimlich beobachtete, die von einem Fuß auf den anderen trat, weil ihr Mann vor dem Abendessen trank. Auf nüchternen Magen! Und das war doch so ungesund! Selbst wenn die Mikrosender-Geschichte geklärt ist, darf Gladys es noch lange nicht erfahren, dachte Bulton schmunzelnd. Es ist herrlich, wie prachtvoll sie den Mund halten kann! Er trank mit Genuß, aber der zweite Kognak wurde ihm nicht vollständig gegönnt. Sein Standvipho auf dem Schreibtisch meldete sich. Bernd Eylers Alltagsgesicht war auf dem Bildschirm zu sehen. »Bulton, wir haben Nachricht von dem durchgebrannten Stranger. Darf ich vorschlagen, daß Sie sich zuerst einmal hinsetzen. So... Und jetzt hören Sie, was ich zur Stunde selbst noch nicht glauben kann: Stranger hält sich irgendwo in Australien auf. Wo genau, weiß kein Mensch. Und von Australien her behauptet er, daß Robonen hinter diesem Mikrosender-Fall stecken. Ausdrücklich hat Stranger die nicht umgeschalteten Robonen als Drahtzieher bezeichnet. Und nun kommt das Unglaubliche: Er behauptet dazu, diese nicht umgeschalteten Robonen hätten auf irgendeinem Planeten Kontakt mit einer schwarzen, humanoiden Rasse gefunden, die uns Terranern bis auf die Hautfarbe ähnelten.«
Bulton hatte den Wortlaut der Nachricht nicht vollständig erfaßt. »Was? Diese Kerle haben mit Robotern Kontakt? Mit ähnlichen Ausführungen, die Ren Dhark auf dem Planeten Hidplace getroffen hat und die...« Heftig winkte Eylers ab. »Nicht von Robotern ist die Rede, Bulton, sondern von Humanoiden! Von einer uns unbekannten Rasse, die schwarzhäutig ist, aber uns Terranern sonst völlig gleicht.« »Reporterlatein!« »Ja, wenn dieser Reporter nicht Stranger heißen würde. Bulton, schalten Sie schneller! Denken Sie an unsere beiden entarteten Cyborgs. Denken Sie daran, daß sich auch Echri Ezbal nicht erklären konnte, wieso man Dordig und Mildan zu Entarteten machen konnte! Und plötzlich steht der Verdacht in der Welt, daß nicht umgeschaltete Robonen Kontakt mit einer intelligenten humanoiden Rasse haben. Ist das nicht ein roter Faden, der sich durch den für uns bisher unlösbaren Fall zieht?« »Und welche Rolle spielen darin diese verteufelten Mikrosender, Eylers?« »Diese Frage ist schnell beantwortet. Wir haben eine Prüfung der Sender-Träger vorgenommen. Die meisten hatten wichtige Schlüsselpositionen inne. Man wollte aus erster Hand über unsere Pläne unterrichtet sein, und ich glaube, wenn diese kleinen Handlanger nicht plötzlich daraus ein Erpressergeschäft gemacht hätten, wäre die Geschichte auch in zehn Jahren nicht entdeckt worden!« Gladys fiel es unwahrscheinlich schwer, den Mund zu halten. Sie rang die Hände und stöhnte: »Ted, das ist ja entsetzlich.« Er warf ihr einen verärgerten Blick zu, mit dem er seine Ehehälfte aus dem Arbeitszimmer jagte. »Eylers, was werden Sie tun?« »Erst einmal Stranger finden und ihn ausquetschen, woher er diese bestürzenden Informationen hat, und dann das Wild jagen. Ich habe Trawisheim schon unterrichtet. Er wird sich gleich mit Ihnen in Verbindung setzen. Ich glaube, Terra sieht unruhigen Zeiten entgegen.« Das war deutlich. »Malen Sie den Teufel nicht an die Wand, Eylers. Ein Angriff aus dem Raum auf unser System, das hätte uns gerade noch gefehlt.« »Und den befürchtet Trawisheim, mein lieber Bulton.« Der cholerische Marschall war so leicht nicht zu beeindrucken. »Dieses Mal verlasse ich mich auf mein Gefühl, Eylers. Ich glaube an keinen bevorstehenden Angriff auf Terra, aber wenn Trawisheim anderer Ansicht ist, bin ich gern bereit, der TF Alarm zu geben. Viel kommt dabei aber nicht heraus, und meine Männer werden denken, wir hätten mal wieder eine neue Beschäftigungstherapie entdeckt. Oh, ich glaube, da ruft Trawisheim an. Ende.« Er hatte seinen Kognak vergessen und wartete nun, daß er Trawisheim auf dem Schirm sehen konnte. Der meldete sich. Entgegen Eylers Ankündigung ließ sich Trawisheim überzeugen, daß der Alarmzustand der TF nicht viel ändern würde. »Wir machen Terra damit nur nervös, Trawisheim. Ein Alarm der Flotte läßt sich nicht verheimlichen. Und wie wollen Sie den Menschen erklären, daß trotz des Alarms keine
Gefahr besteht? Das nimmt Ihnen keiner ab.« »Wie sieht es bei einer erhöhten Bereitschaft aus, Bulton? Könnte sie Folgen haben?« »Wenn sie sich nicht über Wochen hinzieht. Aber noch harmloser sind plötzlich angesetzte Manöver. Na, das kostet mich und meinen Stab mal wieder diese schöne Nacht. Gut, ich fliege zum Stab der TF zurück und bereite mit meinen Herren alles vor. Morgen um acht Uhr Norm-Zeit beginnen die Manöver. Liegt sonst noch etwas vor?« »Reicht es Ihnen nicht, Bulton?« fragte Trawisheim mit leichtem Spott in der Stimme. »Und ob!« sagte dieser aus vollem Herzen und hatte seinen Kognak restlos vergessen, als er aus dem Arbeitszimmer ging, um seiner Frau zu sagen, daß er wieder in den Stab müsse. Sie nickte nur. Sie sagte tatsächlich kein Wort, und sie erinnerte ihn auch nicht daran, in der Nacht nicht zu viel Kaffee zu trinken und an seine Nerven zu denken. Sie gab ihm einen Ehekuß und drückte ihn an sich. Als er seinen Schweber bestieg, dachte er: Gladys ist eine treue Seele, wenn sie nicht so viel spricht. Und dieser Bert Stranger, mit dem er doch schon öfter aneinandergeraten war, wurde ihm etwas sympathischer. Ihm hatte er es zu verdanken, Gladys in die Kur nehmen zu können. Hoffentlich dauerte sie auch so lange, daß diese Radikalkur bei seiner Frau Dauererfolg hatte. Doch als er sich daran erinnerte, daß nicht umgeschaltete Robonen Kontakt mit einer unbekannten menschlichen Rasse aufgenommen haben könnten, fühlte er sich nicht besonders wohl. * Chris Shanton war der perfekteste Babysitter. Jos Aachten van Haag und Manu Tschobe konnten sich über schlechte Behandlung nicht beklagen. Mit wahrem Heißhunger schlürften sie aus dem Gefäß die gedickte Speise, die ihnen ebenso schmeckte, wie sie vorher dem Dicken gemundet hatte. Aber das Knurren hatte der Diplom-Ingenieur nicht verlernt. »Jos, das nächstemal, wenn Sie der Ansicht sind, meinem Jimmy wieder ans Fell gehen zu müssen, dann schießen Sie ihm mit Ihrem verdammten Blaster nicht gleich drei QuitexKreise kaputt. Einer hätte auch genügt. Himmel noch mal, haben Sie mir Arbeit mit dem Schuß gemacht.« Beide, Tschobe wie Jos, waren noch etwas mitgenommen, aber sie verstanden trotzdem, was Shanton ihnen gerade verraten hatte. Der Afrikaner richtete sich etwas auf, drehte suchend den Kopf und nickte zufrieden, als er feststellte, daß der Dicke sein robotisches Spielzeug wieder fit gemacht hatte. Offen zeigte er seine Bewunderung über Shantons Können, aber er begriff nicht, wie der andere diese komplizierte Reparatur hatte durchführen können. »Damit!« sagte der Diplom-Ingenieur lakonisch und deutete auf die Werkzeuge der schwarzen Weißen, die im Schott auf dem Boden verstreut herumlagen. »Leider habe ich Jimmy nicht richtig durchprüfen können. Wir müssen also darauf vorbereitet sein, daß er hier und da mal anders reagiert als wir erwarten.«
»Wenn er uns der Reihe nach nicht wieder schockt, soll es mir egal sein«, sagte Jos Aachten van Haag etwas leichtsinnig. Eine Stunde später, als die fremde Sonne, über dem unbekannten Planeten langsam hinter dem Horizont verschwinden wollte, verließen drei Männer und etwas, das nach einem Spottbild von Hund aussah und seinen Metallkörper zeigte, das Beiboot. Sie betraten die große Fläche dicht am Strand und waren sich darin einig, auf einer Piste zu stehen, die irgendwann einmal, für Raumschiffe gebaut worden war. »Zurück nach Hope, in den Industrie-Dom?« fragte Manu Tschobe. »Für heute zu spät!« widersprach Jos Aachten van. Haag, der keine Lust hatte, sich durch den Dschungel zum Transmitter vorzuarbeiten und sich dabei mit den unheimlichen Gefahren darin auseinanderzusetzen. Ihm reichte die Baumsorte, die in starken Strahlen Säure verspritzte und damit andere Baumarten auflöste. »Ich bin derselben Meinung, aber mal eine Frage: Warum steht dieser Transmitter in einem Dschungel und befindet sich nicht in der unterseeischen Werftanlage? Hat sich jemand schon Gedanken darüber gemacht? Ich hatte Zeit genug, als ich Jimmy reparierte ...« Shanton stockte, drehte sich, um und suchte sein Spielzeug. Jimmy war verschwunden. Auf das Steuergerät sprach der Hund auch nicht an. Shantons Fluchen half ebenfalls nicht weiter. »Zum Teufel, habe ich bei der Reparatur etwas falsch geschaltet?« machte er sich Vorwürfe. »Und ich fühlte mich ausgesprochen sicher!« gab Manu Tschobe zu. Das Gefühl, den Robotköter bei uns zu haben, wirkte beruhigend. Shanton ließ seine beiden Kameraden stehen, setzte seine zwei Zentner in Bewegung und lief bis zum Rand der Piste. Acht bis zehn Meter tief war es bis zum Boden. Für sein Spielzeug kein Kunststück, hinunterzuspringen. Für den Dicken eine lebensgefährliche Höhe, bei der er sich sämtliche Knochen brach, wenn er den Sprung wagte. Er schaltete sein Steuergerät auf höchste Leistung. Impulse riefen seine Robotkonstruktion zurück. Aber der Robot auf vier Beinen tauchte nicht wieder auf. »Der ist weg!« sagte .Shanton betroffen und schüttelte nachdenklich den Kopf. Noch einmal durchdachte er, welche Kontrolle er nach der Reparatur vorgenommen hatte, und er begriff nicht, daß die Robotkonstruktion auf seine Funkimpulse nicht reagierte und zurückkam. Tschobe und Jos holten ihn ein. Auch sie blickten, mißmutig in die Tiefe, dann zur fremden Sonne hinüber, die hinter dem fernen Horizont versank. »Verbringen wir die Nacht im Beiboot, oder was machen wir?« fragte Jos drängend. »Ich habe wenig Lust, mir stundenlang die Sterne anzusehen.« Die Arme vor der Brust gekreuzt und zu Boden starrend, meinte der Dicke. »Wenn Jimmy nicht verschwunden wäre, würde ich vorschlagen...« Er machte den Vorschlag nie. Aus der Tiefe schoß Jimmy hoch. Er schaffte mehr als acht Meter Höhenunterschied. Daß er kein Fell mehr besaß, spielte bei dieser Leistung keine Rolle. »Diese Piste besitzt einen Hohlraum«, sagte er mit seiner Blechstimme, bevor, ihn. Shanton andonnern konnte, um zu erfahren, wo er gesteckt hatte. »In dem Hohlraum befindet sich ein großes Aggregat.« Die Kunst zu sprechen hatte das technische Monstrum nicht verloren Seinen eckigen Metallkopf, der keine Ähnlichkeit mehr mit einem Scotchterrier hatte, legte er wie früher
etwas schief und blickte die drei Männer über seine Kunstaugen hundetreu an. »Wie kommen wir in den Hohlraum, Jimmy?« fragte Shanton, der über das ganze Gesicht strahlte und unentwegt seinen Backenbart streichelte. »Neben euch ist doch der Eingang!« behauptete die Konstruktion lässig. Jimmys Ortungsanlage mußte wieder ausgezeichnet arbeiten, aber so intensiv die Männer auch suchten, sie fanden auf dem glatten Boden der Landefläche keine Spur einer Öffnung. Das Ganze war aus einem Guß. »Wo denn?« fragte Shanton ungeduldig, weil es zusehends dunkler wurde. »Zeig uns doch endlich die Stelle, wo es nach unten geht!« Da sagte das Brikett auf vier Beinen: »Du stehst doch drauf!« In diesem Moment schoß es Tschobe durch den Kopf: Gedankensteuerung! Er setzte sie ein, konzentrierte seine Gedanken nur auf diesen Punkt, und der Erfolg zeigte sich in einem Schrei, den der Dicke ausstieß, als der Boden unter seinen Füßen nachgab und er in die Tiefe schwebte. Ein A-Gravschacht war sichtbar geworden, eine Röhre von knapp zwei Metern Durchmesser! Jimmy sprang seinem Erbauer nach. Ihm folgten Manu Tschobe und Jos Aachten van Haag. Die glatten Wände, an denen sie langsam tiefer schwebten, strahlten weiches Blaulicht aus, das ihren Augen guttat, sie aber auch an die Mysterious erinnerte, die diesem Licht vor jedem anderen den Vorzug gegeben hatten. Wenige Sekunden dauerte der Transport im Schacht. Als Jos als letzter den Boden erreichte, schloß sich die Röhre wieder, und nicht die geringste Spur war noch davon zu sehen. »Seht euch das an!« stieß Manu Tschobe aus und deutete auf die irisierende Kugel, die zur Hälfte in einer Grube stand, zu der eine mehr als fünf Meter breite Straße führte. Eine Kugel, deren Durchmesser über dreißig Meter betrug! Zwei halbkugelige Schalen, die oben und unten das Irisierende festhielten, hatten gleichzeitig Kontakt mit Boden und Decke. Sie standen vor einem Kugeltransmitter einer Größenordnung, die ihnen noch nie begegnet war. In der Mitte des flimmernden Energieballes flackerte es rot, als wolle es jeden Augenblick die Kugel sprengen und sich in den Raum stürzen. Langsam traten die Männer an die Grube heran, die selbst eine Halbkugel war und oben über vierzig Meter Durchmesser aufwies. Die gebogene Wandung war in Meterhöhe ein einziges Instrumentenband, das hier und da durch Steuerschalter und Bildschirme unterbrochen wurde. »Na«, sagte Shanton und kratzte sich seine Halbglatze. »Toll!« meinte Manu Tschobe. »Die Mysterious haben es verstanden, für Überraschungen zu sorgen. Großer Himmel, welche Leistung muß dieser Transmitter aufweisen, wenn ich mir überlege, daß uns die Anlage im Industrie-Dom wahrscheinlich ein paar hundert Lichtjahre weit durch den Raum transportiert hat.« »Und das da, meine Herren? Ist das nichts?« Shanton drehte sich, und seine Hand beschrieb einen Kreis. Seine Hand deutete auf MKonverter, diese kugelförmigen, nahtlosen Tanks, die es in viel kleinerem Maßstab auch
auf der POINT OF zu sehen gab. Eine Konverter-Kette stand rechts und links. So weit das Auge reichte. So lang die Piste war, und so breit sie war. Alle vier Seiten waren mit diesen Energie-Erzeugern ausgefüllt. Sie standen dicht neben dicht. Es gab zwischen den nahtlosen Körpern keinen Zwischenraum. »Ein paar hundert«, stellte Manu Tschobe fest und schüttelte den Kopf. »Ich verstehe wieder etwas nicht. Wieso konnten die Mysterious diese Anlage hier unterbringen, denn bei einem Angriff aus dem Raum werden seit Äonen zuerst die Strahlstellungen und die Landeplätze vernichtet! Diese Plastikdecke über uns dürfte kaum einen Sekundenschutz bei einem hochenergetischen Angriff gewähren. Im Gegensatz dazu wurde die Werft auf den Grund des Ozeans angelegt. Und erinnern wir uns, wo auf Hope die Geheimnisvollen ihr Industriezentrum aufgebaut haben.« Schulterzucken. Jimmy stand neben seinem Herrn und lauschte, sagte aber kein Wort. »Vielleicht stammt diese Transmitter-Anlage aus einer anderen Zeit. Vielleicht hatten die Geheimnisvollen in jenem Zeitabschnitt keine Angriffe aus dem Raum zu befürchten«, warf Jos Aachten van Haag ein. »Reden bringt uns nicht weiter. Gehen wir bis zum Straßenanfang zurück«, schlug Tschobe vor, den es reizte, sich die Anlage aus der Nähe anzusehen. Mißtrauisch blickte der Dicke auf. Mit orgelndem Baß fragte er: »Spielen Sie schon wieder mit dem Gedanken, eine kleine Reise zu unternehmen?« Im gleichen Moment hatte sein Gesicht einen törichten Ausdruck angenommen. Er schlug sich klatschend vor die Stirn. »Das war es, was Dordig meinte!« rief er erregt aus, »als er uns sagte: Wir werden gemeinsam eine kleine Reise unternehmen! Himmel noch mal, er hat diese Anlage gekannt.« »Und muß sie mit Mildan auch ausprobiert haben!« warf Tschobe seinen Begleitern den Köder hin. Nur konnte er damit einen Chris Shanton nicht fangen. »Ohne mich, Tschobe!« sagte er grinsend. »Mich zieht es wieder nach Mutter Erde. Mein Bedarf an Transmitter-Reisen ist für die nächsten zehn Jahre gedeckt.« Tschobe dachte nicht daran, aufzugeben. »Sehen wir uns die Sache an.« Und sie sah gut aus. Die Straße führte mit schwachem Gefalle bis zur irisierenden Kugel. Der Abstand zwischen Wand und Kugel betrug gleichbleibend fünf Meter. Genug Platz also, sich weit genug von dem Irisierenden fern zu halten. Tschobe, der die einzelnen Schaltpulte studierte, schwärmte in Superlativen. Zurückhaltender in ihren Emotionen folgten ihm Shanton und Jos. Beide waren sich durch einen Blick einig geworden, diesen Transmitter nicht zu benutzen. Über einem Schaltpult flammte ein Bildschirm auf. Schwarz war die Fläche, aber darauf befand sich ein grell leuchtender Punkt, der von winzigen Körpern langsam umlaufen wurde. Schirm um Schirm schaltete der Afrikaner ein. Unbekannte Sternbilder waren zu sehen, einzelne Sonnen, die aber alle Planeten besaßen, aber in keinem Fall war zu erkennen, wo in der Galaxis sich diese Sterne befanden.
»Schade, daß die Mysterious keine Gegenanlage auf Terra aufgebaut hatten, Tschobe. Den Weg würde ich benutzen, aber nur den!« orgelte Chris Shanton. Der andere gab keine Antwort. Er schaltete den zehnten oder zwölften Schirm ein, dabei hatten sie erst ein knappes Fünftel der irisierenden Kugel umrundet. Wieder flammte es auf. Drei Männer hielten den Atem an. Sie sahen neun Sonnen! Neun Sterne, die im weitgezogenen Halbkreis bei gleichmäßigem Abstand zueinander im Raum schwebten. Und das alles wurde durch ein schwachleuchtendes Band verbunden. »Ein Band?« zweifelte Shanton, dessen Interesse plötzlich wach geworden war. »Ein Band oder ein Hohlschlauch? So etwas!« Manu Tschobe hatte auf die Worte des Dicken nicht geachtet. Ihm war aufgefallen, daß dieses Schaltpult sich durch seine vielen Steuerschalter von den bisher gesehenen unterschied. Er studierte aufmerksam die Zahlensymbole der Mysterious. Der Wert Sieben war auffallend stark angebracht. Langsam betätigte er den Schalter, kippte Ihn von einer Position in die andere, und bei jedem Positionswechsel tauchte in der natürlichen Folge eine Sonne nach der anderen allein auf dem Bildschirm auf. Schalterstellung sieben! »Das ist doch keine Sonne!« stieß Tschobe überrascht aus. »Ein Planet?« In Shantons Stimme lag Zweifel. Er begriff nicht, warum die siebte Sonne nicht zu sehen war. Er beugte sich höllisch interessiert vor, musterte den Bildschirm, und dann deutete sein Zeigefinger nacheinander auf drei weitere Punkte. »Insgesamt vier Planeten! Vier Planeten ohne Sonne? Tschobe, schalten Sie doch noch einmal das Gesamtbild ein.« Neun Sterne waren wieder zu sehen, aber nur der siebte interessierte sie noch. »F-Typ, wenn mich meine kümmerlichen Astrokenntnisse nicht im Stich lassen«, murmelte der Dicke. »Hm, Tschobe, können Sie mir diese Ausnahme erklären, warum die siebte nicht in Einzeldarstellung zu sehen ist? Oder sollte sie nach der Sicht auf die Planeten zu sehen sein? Los, machen wir die Probe.« Jos Aachten van Haag, der beste GSO-Mann, den die Erde besaß, kam sich wieder einmal überflüssig vor. Sterne und Planeten waren nicht sein Fall. Sie konnte er nicht jagen. Sein Arbeitsgebiet betraf die Sicherheit der Menschen, und seine Aufgabe lag darin, mit seinem gesamten Können die Menschen vor Verbrechern und verbrecherischen Machenschaften zu schützen. Aber Sterne? Und wie schnell Christ Shanton seinem Vorsatz untreu geworden war. Eben hatte er noch mit Stentorstimme behauptet, so schnell wie möglich nach Terra zurück zu wollen, und nun wollte er unbedingt wissen, warum man diese siebte Sonne nicht sehen konnte. In gewisser Hinsicht waren seine beiden Begleiter wie Kinder, die hinter jedem Fragezeichen ein neues Abenteuer sahen. Tschobe schaltete. Vier Planeten tauchten auf und verschwanden, als der Schalter die nächste Position erreicht hatte. »Das ist die achte Sonne!« knurrte Shanton unzufrieden.
Tschobe barst fast vor Neugier. Noch einmal flog sein Blick über das Schaltpult. Die oberste Reihe der Schalter hatte er noch gar nicht betätigt. Zurück zu den Planeten. »Warum das?« fragte Shanton. Der Afrikaners Arzt und Hyperfunk-Experte, hatte keine Zeit, ihm zu antworten. Er probierte die Schalterreihe durch. Beim ersten: nichts! Beim zweiten, das gleiche Resultat. Aber beim dritten! Der Bildschirm schien auseinanderzufliegen. Sie sahen den kleinen Teil der Oberfläche eines unbekannten Planeten. Da drängte sich auch Jos Aachten van Haag vor. Drei Männer starrten den Bildschirm an und wagten nicht mehr zu atmen. Ein Trugbild narrte sie! Sie wurden auf einem unbekannten Planeten, der im Licht seiner blauweißen Sonne lebte, verhöhnt! Sie sahen die POINT OF! Auf dem Bildschirm! »Nein«, flüsterte Shanton. »Nein.« Tschobe nickte. Er konnte es auch nicht glauben, was er sah. Die POINT OF? »Nein, das ist nicht die POINT OF! Wer kann auf dem Ringrumpf einen einzigen Buchstaben sehen?« Scharf hatte Tschobe seine Frage gestellt. »Wir haben es mit einem Schiff der Mysterious zu tun. Da! Seht ihr an der ausgefahrenen Rampe nicht die Bewegung? Geht da nicht ein Wesen die Rampe hinunter? Shanton, können Sie es nicht erkennen? Und Sie, Jos, auch nicht, was?« »Machen Sie uns nicht total verrückt«, hauchte der Dicke. »Natürlich habe ich ja Augen im Kopf, um damit zu sehen. Großer Himmel, die Mysterious! Die Geheimnisvollen! Sie leben also doch! Tschobe, können Sie die Vergrößerung nicht höher schalten? Geht es wirklich nicht weiter?« Es ging nicht weiter, so viel Tschobe auch mit schweißnassen Händen schaltete. Sie sahen die Mysterious über unbekannte Lichtjahrdistanzen hinweg! Sie, denen Terra und die Menschheit so unendlich viel zu verdanken hatten! Die Geheimnisvollen! Wesen, die den Menschen glichen! Wesen, die ihre Ringraumer flogen! Shantons Pranken krallten sich um Tschobes Schultern. »Ist der Transmitter auf dieses Ziel justiert?« »Natürlich!« »Warum warten wir dann noch? Große Milchstraße, ich möchte endlich einem Mysterious die Hand schütteln. Aber wer bleibt hier zurück?« Niemand! Manu Tschobe überprüfte noch einmal die drei leuchtenden Kontrollinstrumente. Seine Erfahrungen, die er am Kugel-Transmitter im Industrie-Dom gemacht hatte, kamen ihm Zugute. Fein-Justierung!
Als ob er daran ausgebildet worden sei, so gelassen und sicher nahm er sie vor. Das Bild auf dem Schirm wurde dadurch nicht schärfer. Nach wie vor zeigte es einen Ringraumer vom Typ der POINT OF, der auf seinen Teleskopbeinen stand und die breite Rampe ausgefahren hatte. »Fein-Justierung steht!« »Dann los!« drängte Chris Shanton, warf seinem Jimmy einen Blick zu und knurrte ihn freundlich an: »Daß du mir nicht das Bein hochnimmst und so tust als ob, wenn ich dem ersten Mysterious die Hand gebe, du Miststück.« Aber Tschobe machte den Anfang. Er ging als erster in die riesige irisierende Kugel hinein und auf das unruhige rote Flackern im Mittelpunkt zu. Shanton und Jos sahen ihn kleiner und kleiner werden. Mit jedem Schritt, den der Afrikaner tat, verlor er für die beiden Zurückgebliebenen an Größe. Das unregelmäßige Flackern des Rotlichts im Zentrum der energetischen Kugel bekam etwas Gespenstisches. Da schoß, grelles, ultrablaues Licht aus dem Mittelpunkt der Kugel in den Raum unter der Piste. Es war ein einmaliges, kurzes Aufleuchten. Dann gab es wieder den flackernden Rotpunkt im irisierenden Gebilde zu sehen, aber keine Spur mehr von dem Afrikaner Manu Tschobe. Der Kugel-Transmitter hatte ihn im zeltlosen Ablauf zur Gegenstation befördert. »Los, Jos, wir sind dran! Gehen wir zusammen rein?« Schulter an Schulter betraten sie die Anlage. Ihnen voraus lief die Robotkonstruktion. Ihr Ziel war das flackernde rote Leuchten. Das Herz der Männer klopfte so ruhig wie bisher, nur wenn sie an die bevorstehende Begegnung mit den Mysterious dachten, begann es schneller zu schlagen. Wieder schoß ultrablaues Licht aus der Kugel in den Raum. Und wieder war es nur ein kurzer Vorgang. Abermals hatte diese Anlage zwei Menschen und eine Robotkonstruktion zur Gegenstation auf einem anderen unbekannten Planeten befördert. Es gab in diesem Raum niemanden mehr, der beobachtete, wie die Automatik am Schaltpult alle Einstellungen löschte und nur den Wartebereich unangetastet ließ. * Auch Dan Riker wußte, was geschehen war. Zum heimatlichen Kontinuum gab es keine Verbindung mehr. Der Riß zwischen zwei Universen, diese unbeschreibbare Brücke, hatte aufgehört zu existieren. »Erron-3«, murmelte Riker und hätte die Bildkugel, die ihnen den schwarzen Trichter und einen Teil der unbekannten Planetenoberfläche zeigte, am liebsten in Stücke gerissen. Abermals schaltete Dhark die Verständigung auf Rundspruch. Jetzt war es erforderlich, daß er auch den letzten Mann über ihre Lage aufklärte. Er schloß seine Ausführungen mit den Worten: »Wir brauchen alles Glück, das jemals Menschen haben können. Wir müssen unserem Verstand die höchsten Leistungen abzwingen. Wir haben in diesem Kontinuum aber nur in der Hinsicht umzudenken, soweit dieses Denken die anders gelagerten physikalischen Verhältnisse anbetrifft. Wenn wir uns das vor Augen halten, dann ist unsere Lage noch
lange nicht hoffnungslos. Ich betreibe damit keine Schönfärberei. Der Begriff sehr gefährliche Situation wird der Wirklichkeit gerechter. Mehr hätte ich im Augenblick nicht zu sagen. Im übrigen warte ich auf die Endwerte aus den einzelnen wissenschaftlichen Abteilungen. Doch – noch etwas. Ich bin jederzeit für jeden zu sprechen. Niemand soll das Gefühl haben, nur ein unwichtiges Mitglied der Besatzung zu sein. Es kommt auf den letzten Mann an, wenn wir unser Universum wiedersehen wollen. Das wäre es. Ende.« Riker konnte noch schmunzeln. Leise sagte er zu seinem Freund: »Du unverbesserlicher Optimist, und am liebsten möchte ich dir sagen: Du dreimal raffinierter Bursche, Ren! So wie eben habe ich dich noch nie reden hören. Mit extremem Pessimismus ein Übermaß an Optimismus zu erzeugen, verdammt noch mal, das zu können, muß ich auch noch lernen.« »Danke«, erwiderte Ren Dhark, dem die offenen Worte seines Freundes guttaten, »aber mir ist ganz und gar nicht optimistisch zumute. Ich kann nicht einmal die Frage beantworten, wie wir landen können. Die POINT OF in diesen Trichter hineinjagen, kommt nicht in Frage. Die Flash fallen aus, weil ich nicht weiß, wie man ihr Triebwerk umzuschalten hat. Zur Zeit sind wir von Erron-3 so weit entfernt wie in dem Augenblick, als wir auf Planet l im Zwitt-System lagen. Gib du mir einen Rat, Dan!« »Dieser Trichter ...« Dan verstummte. Sein Blick brannte sich an der Bildkugel fest. »Er macht die Umdrehung des Planeten mit. Er verändert seine Stellung zu uns nicht.« »Was man als Aufforderung betrachten könnte, in ihn hineinzufliegen. Aber da habe ich im Zentrum von Zwitt, im Archiv, durch eine Mentcap Bruchwissen erhalten. Eine dürftige Information, die noch nicht einmal eindeutig klar ist. Sie gab nur an, daß auf Erron-3 keine atompische Wirkung erzielt werden könnte. Und nun erkläre du mir, was ich darunter zu verstehen habe.« »Warum ziehst du nicht Arc Doorn ...« Dan Riker schüttelte über sich selber den Kopf. Doorn befand sich auf Planet 1. Diese Tatsache war ihm entfallen. Der letzte Strohhalm, an den er sich bildlich geklammert hatte. Abrupt erhob sich der Commander. Der Checkmaster mußte helfen. Er, der gesagt hatte, daß Erron-3, Erron-3 sei. Sein den Menschen nach wie vor unerklärliches Wissen mußte auch Informationen über diese Welt im blaßblauen Universum enthalten. Die Offiziere machten Dhark Platz. Unwillkürlich schloß er die Augen. Das Wissen, das er durch die Mentcaps im Mittelpunkt von Zwitt erhalten hatte, war noch frisch. Bisher hatte es ihm an Zeit gemangelt, sich intensiv damit zu beschäftigen, um es für die Dauer seines Lebens auch zu behalten. Nichts wußte er über Erron-3! Nichts über die Funktionsweise des Wegweisers! Und doch verfügte er über Informationen, die diese Welt betreffen mußten, denn es gab zuviel in seiner frischen Erinnerung, das sich nicht in den Bereich des heimatlichen Universums einfügen ließ. Er wurde sich nicht bewußt, daß er in der Sprache der Mysterious dachte. Er wurde sich nicht bewußt, wie er am Checkmaster stand: die Augen geschlossen, den Kopf tief gesenkt. Mit beiden Händen hielt er sich am Herzstück der POINT OF fest.
Es gelang ihm, alles Nebensächliche abzuschalten. Er hatte vergessen, daß er in der Zentrale seines Flaggschiffes stand und daß sie sich in einem fremden Universum befanden. Sein Bewußtsein nahm nicht wahr, wie er sein Bruchstückwissen und jene Informationen, die im eigenen Raum-Zeit-Kontinuum keinen Sinn ergaben, dem Checkmaster übermittelte. Die drei Offiziere, die bewegungslos neben ihm standen, rissen ihre Augen unnatürlich weit auf. Sie, Experten am Checkmaster, konnten nicht begreifen, daß es einen Menschen gab, der mit dieser Schnelligkeit seine Fragen an das Bordgehirn geben konnte. Sie waren kaum noch in der Lage zu verfolgen, wie schnell sich Dharks Finger bewegten, und sie konnten nicht fassen, daß er kein einziges Mal den Rückruf betätigte, weil er sich geirrt hatte. Auf Dharks Stirn tauchten die ersten Schweißperlen auf. Seine gesunde Gesichtsfarbe verblaßte. Scharfe Falten tauchten um seinen Mund herum auf. Seine Nasenflügel bebten. Dazu strahlte er ein Fluidum aus, das auch die beiden Offiziere auf der Galerie zwang, ihren Platz nicht zu verlassen. Bebir und Falluta kreuzten die Blicke. Sie, in deren Hände auf Zwitt und Planet l das Schicksal der Besatzung gelegen hatte, ahnten, welche physischen Anstrengungen jetzt der Commander auf sich genommen hatte. Es ging um Sein oder Nichtsein der POINT OF und ihrer Besatzung! Da trat Dhark vom Checkmaster zurück. Er schwankte auf den Pilotensessel zu, fiel hinein, und den Kopf auf die Brust gesenkt, apathisch sitzend, schloß er die Augen. Sein Brustkorb hob und senkte sich, als habe er die Arbeit des Herkules vollbracht. Dan sah an der linken Schläfe des Freundes den Puls arbeiten. Er sah aber auch, wie grau Dharks Gesicht war. Ein Mann, der dicht vor dem Zusammenbruch stand. Ein Mann, der sich in knapp fünf Minuten erschöpft hatte. Wie unter einem hypnotischen Zwang drehte sich Riker mit dem Sessel nach dem Checkmaster um. Die Grün-Kontrollen standen! Unbewußt steckte er sich eine Zigarette zwischen die Lippen, drehte sie und begann zu rauchen. Dann drückte er den Zigarettenrest aus und setzte die nächste in Brand. Noch immer arbeitete das Wundergehirn der POINT OF. Nach wie vor standen die Grün-Kontrollen. Die zwanzigste Minute war zu Ende. Grün stand! Ren Dhark saß apathisch im Steuersitz, den Kopf tief auf der Brust. Den Puls an der linken Schläfe konnte Riker immer noch deutlich arbeiten sehen. Eine halbe Stunde war vorüber! Grün stand! Die Bordverständigung knackte. Riker blockierte sie. Kein Anruf sollte den Freund stören. In der fünfundzwanzig mal fünfundzwanzig Meter großen Zentrale flüsterten die Offiziere miteinander. Auf Zehenspitzen bewegten sie sich. Die Grün-Kontrollen des Checkmaster zwangen sie zu diesem Verhalten. Noch nie hatten sie erlebt, daß das Bordgehirn sich so lange mit einer einzigen Aufgabe beschäftigt hatte. Für die Experten aber war es unvorstellbar, daß ein einziger Mann in knapp fünf Minuten dem Checkmaster diese
Mammutaufgaben hatte stellen können? Was wollte der Commander vom Bordgehirn erfahren? Er ahnte nicht, daß er den Männern, mit denen er seit Jahr und Tag zusammen war, unheimlich wurde. Sie wußten, daß er aus dem Archiv im Zentrum von Zwitt Wissen durch die Einnahme von Mentcaps erworben hatte, aber gab es einen Menschen, der dieses Unmaß an neuem Wissen überhaupt behalten konnte? Das Resultat kam. Nach der achtunddreißigsten Minute! Dhark stand wieder am Checkmaster. Er nahm den Streifen an sich, ging zum Pilotensitz zurück, nahm Platz und studierte dann die Auskunft. Dan Riker hatte sich zu ihm hinübergebeugt, um mitzulesen. Er konnte nichts entziffern, bis auf ein paar Zahlensymbole, die ihm aber, weil sie aus dem Zusammenhang gerissen waren, gar nichts sagten. Und diese Sprache? Diese Schriftzeichen? Schriftzeichen der Mysterious! Die Hände, die den Streifen gehalten hatten, fielen in den Schoß. Langsam drehte sich Ren Dhark zu seinen Männern im Leitstand um. Erschreckend schmal war sein Gesicht geworden. »Wir können, wie ich es befürchtet habe, mit der POINT OF auf Erron-3 nicht landen. Der Checkmaster hält nur einen Ausweg für erfolgreich. Im Einzeleinsatz kann versucht werden, durch den Trichter nach unten zu kommen. Das heißt: Auf das Schicksal blind vertrauen und sich im Raumanzug in die Tiefe stürzen! Der Trichter selbst soll stellenweise A-Gravfunktionen haben. Die Überlebenschancen bei diesem Einsatz sind mit achtunddreißig Prozent angegeben!« Achtunddreißig Prozent! In der Zentrale war wieder das Schweigen zu Hause. Ren Dhark durchbrach die Stille. »Die Rückkehr zum Schiff soll durch Verwendung von Traktorstrahlen möglich sein, wenn es uns gelingt, sie auf die physikalischen Verhältnisse dieses Universums umzustellen. Das dürfte meines Wissens aber die kleinste Schwierigkeit sein.« »Ren, und über Erron-3 nichts? Keine Angaben?« »Keine! Das ist das Schlimmste. Auch ich kann nicht sagen, ob sich das alles gelohnt hat, was wir bisher wagten. Noch weniger weiß ich, ob ich den Einsatz von Menschenleben verantworten kann.« Alles war umsonst? Und die Rückkehr ins heimatliche Universum so gut wie ausgeschlossen? Riker machte seiner immer größer werdenden Unruhe Luft. »Ich verstelle nicht, warum sich bis jetzt keine einzige unserer wissenschaftlichen Abteilungen gemeldet hat? Die Herren dürften allmählich mal mit ihren Auswertungen kommen.« Er sah nicht das wissende Lächeln um den Mund seines erschöpften Freundes. Riker hob die Blockierung der Bordverständigung auf und schaltete zu den wissenschaftlichen Abteilungen durch. Er vernahm eine Fehlanzeige nach der anderen.
Die Experten wagten nicht, sich auf ihre Meßgeräte zu verlassen. Die Männer, die für die Erstellung der Luftanalyse zuständig waren, erklärten: »Wir vermuten, daß Erron-3 eine Sauerstoffatmosphäre hat, weil wir unsere Beobachtungen mit der astronomischen Abteilung abgestimmt haben, aber wir können es nicht behaupten. Wenn sogar die Spektralanalyse nicht mehr einzusetzen ist, mit welchen Hilfsmitteln sollen wir dann noch arbeiten?« Unerwartet mischte sich Ren Dhark ein. »Erron-3 hat eine Sauerstoffatmosphäre. Hier, Dan!« Er hielt seinen Wegweiser in der Hand und deutete auf das kleine, mittlere Instrument. »Erkennst du die Werte? Einwandfrei atembare Luft, nur mit einen erstaunlich hohen Prozentsatz an Argon und Xenon, der aber trotzdem nicht ins Gewicht fällt.« »Eigenartig! Wir kommen mit den Mitteln, über die die POINT OF verfügt, keinen Schritt weiter, und dieses kleine Ding analysiert die Luftzusammensetzung.« »Der Wegweiser nach Erron-3, den der letzte Kommandant der Station in Zwitt, Ma-Soor, in seiner Kabine liegen ließ.« Diese Bemerkung glich einem starken Impuls. Dhark erinnerte sich der vier Sternkarten in Ma-Soors Kabine, die Doorn an sich genommen und sie ihm später gegeben hatte. Er zog sie hastig hervor und studierte sie nochmals. Sie stellte keine Sternkarte mehr dar! »Dan, sieh dir das einmal an!« forderte er verblüfft seinen Freund auf. Ahnungslos nahm dieser die Folie an sich, bewegte ruckartig den Kopf und meinte erstaunt: »Das ist doch die Skizze eines ziemlich großen Bauwerks.« »Ja! Auf einmal! In Zwitt sah ich diese Folie noch als Sternenkarte. Wieso konnte sie allein sich verändern? Warum die anderen nicht auch?« Es gab darauf keine Antwort, es hatte auch keinen Sinn, sich noch länger mit den Folien zu beschäftigen. Auf anderem Gebiet hatte eine Entscheidung zu fallen. Wurde der Einsatz gewagt, über den schwarzen Trichter Erron-3 zu erreichen, oder sollten alle Kräfte zusammengefaßt werden, um den Rückweg ins heimatliche Kontinuum zu finden? Dhark winkte seinen Ersten Offizier Falluta heran. »Übernehmen Sie das Schiff. Freien Fall beibehalten. Bei besonderen Vorkommnissen lassen Sie mich wecken.« Leon Bebir, der Zweite der POINT OF, nahm Dan Rikers Sitz ein, dann verließen der Commander und sein Freund den Leitstand. Jeder von ihnen wollte versuchen, ein paar Stunden zu schlafen. Danach mußte die Entscheidung fallen, was getan werden sollte. * Man hatte Arc Doorn keinen Bären aufgebunden. Er selbst glaubte auch im ersten Augenblick die POINT OF zu sehen, aber als er auf dem Ringrumpf den Namen nicht fand, vermutete er, daß ein S-Kreuzer gelandet war. »Aber wie, zum Teufel, kommt das Schiff so mir nichts dir nichts nach Planet l?« brummte er und verzichtete darauf, sich begleiten zu lassen. Mit großen Schritten stampfte der untersetzte, bullige Sibirier auf den Ringraumer zu, der gerade die Rampe ausfuhr, deren Ende sich krachend über einen Meter tief in den Boden schob, so daß Erdreich nach allen Seiten zwischen den mächtigen Teleskopbeinen
davonflog. Er konnte das Rätsel nicht lösen, wieso man sie von Terra aus hier aufgespürt hatte. Diese Tatsache ging über seinen Verstand, und sie stimmte ihn nicht besser. Dazu durfte er sich nicht daran erinnern, daß der Riß zwischen den beiden Kontinua nicht mehr bestand, weil der Materie-Sender sich selbst abgeschaltet hatte. Er hatte sich dem Ringraumer bis auf zweihundert Meter genähert, als sein Spezial-Vipho sich meldete. Nur die Tonphase wurde benutzt. »Doorn, machen Sie sich keine Gedanken«, hörte er sagen. »Sie haben die A-01 vor sich, Colonel Larsens Kommandoschiff.« Ralf Larsen! Doorns Stimmung verbesserte sich jetzt doch. Mein Gott, dachte er, was haben wir damals alles durchgestanden, damals, als uns dieser größenwahnsinnige Rocco quer durch die Höhlen von Deluge jagte und sich damit selbst das Grab schaufelte. Das äußere Schott der großen Schleuse sprang auf. Zwei Personen in M-Raumanzügen, aber mit zurückgeklapptem Klarsichthelm, kamen die Rampe herunter. Doorn bewegte sich schneller, kniff die Augen zusammen und musterte die Person, die links neben dem knapp ein Meter siebzig großen Ralf Larsen ging, der auch im letzten Jahr seinen leichten Bauchansatz nicht verloren hatte und nicht daran dachte, sich auf kosmetischem Weg seine Glatze beseitigen zu lassen. Es paßte zum Colonel, daß auch sein Raumanzug wieder zwei Nummern zu groß war. Abgesehen von der Kadettenzeit, die schon mehr als zwei Jahrzehnte zurücklag, hatte niemand sagen können, ihn ein einziges Mal in gut sitzender Uniform gesehen zu haben. Manchmal sah er darin ausgesprochen schlampig aus, aber selbst Marschall Bulton hütete sich, diese Tatsache zu bemängeln, denn Larsen war mit Janos Szardak der beste Raumschiffkommandant, den die TF besaß. Dazu kam noch der Umstand, daß Larsen über eine ungewöhnliche Spürnase verfügte, die ihn oft ahnen ließ, daß bedrohliche Situationen auf ihn zukamen. Doch in einem Punkt war er ein krasser Gegensatz zu dem Draufgänger Szardak großen Risiken ging er gern aus dem Weg. Plötzlich blieb Doorn wie angewurzelt stehen. Er hatte Larsens Begleiter erkannt. »Großer Himmel!« stieß er aus. »Daß mir das passieren muß!« Anja Riker hatte sich von Larsens Seite gelöst, lief den letzten Teil der Rampe herunter, zwischen den Teleskopstützen hindurch auf Arc Doorn zu. »Doorn, wo ist mein Mann? Wo ist Ren? Wo ist die POINT OF?« Genau das hatte der Sibirier erwartet. Um sein Glück vollständig zu machen, fehlte nur noch, daß sich auch seine Frau an Bord der A-01 befand! Anja Riker stand vor ihm, und ihr superblondes, langes Haar flatterte wie eine Fahne im leichten Wind. Fest sah er ihr in die Augen. Aber wie sollte er sie anreden? Anja? Oder Anja Riker? Oder mit der altmodischen Anrede? Oder gar nicht mit Namen? Er entschied sich für das letztere.
»Die POINT OF ist nach Erron-3 unterwegs. Schade, die A-01 ist etwas zu spät gekommen.« Da war endlich Ralf Larsen auch heran. Ihn zu begrüßen, fiel ihm leichter, aber damit war auch das Gespräch zwischen ihnen wieder zu Ende. Anja Riker nahm den Sibirier in Beschlag. Er hatte ihr Rede und Antwort zu stehen. Immer wieder fragte sie: »Warum hat die POINT OF denn nicht wenigstens einen Spruch nach Terra abgesetzt?« Und immer wieder hatte er ihr antworten müssen: »Weil die Sternenbrücke keinen Spruch nach Terra hinausließ. Die Funk-Z der A-01 erhielt den Befehl, sich sofort mit Cent Field in Verbindung zu setzen.« »Na, was habe ich gesagt?« fragte Doorn, als die Funk-Z meldete, mit Terra keine Verbindung zu bekommen. Dann kam eine unheimlich schwere Aufgabe auf Arc Doorn zu. Er hatte Anja Riker und Ralf Larsen Bericht zu erstatten. Diese staunten, als die Rede auf die schwarzen Weißen kam. Sie hörten vom Planeten Zwitt und blickten unwillkürlich zur F-Sonne empor. Dieser Stern sollte keine Sonne sein, sondern nur eine Kugelhülle, in deren Mittelpunkt sich der Planet Zwitt befand? Doorns Bericht war eine Meisterleistung an Kürze, aber dennoch lieferte er seinen beiden gespannt lauschenden Zuhörern ein anschauliches Bild. »Aber nun möchte ich wissen, Larsen, wieso Sie uns auf Anhieb finden konnten?« Er hörte von den beiden Strukturerschütterungen. »Gleich zwei?« fragte er mißtrauisch. »Himmel, ja! Einmal, als Ren Dhark durch das HyKon die Flotten der schwarzen Weißen in ein anderes Universum jagte, und danach, als der Materie-Sender einen Riß zwischen zwei Kontinua entstehen ließ. Leider gibt es ihn nicht mehr.« In Doorns Kopf gellte der Alarm. »Larsen, können Sie mir sagen, wann die A-01 die letzte Transition machte?« Die Zentrale seines Schiffes gab ihm die Zeit durch. Doorn verglich. Nun verstand er alles. Der Materie-Sender hatte sich abgeschaltet, als sie A-01 durch Transition in die Sternenbrücke einbrach. Im gleichen Moment. Anja Riker war blaß geworden. Sie hatte begriffen! Wenn sie nicht darauf bestanden hätte, diesem unbekannten Sektor der Galaxis einen Besuch abzustatten, um nach ihrem Mann zu suchen, dann würde der Materie-Sender nach wie vor noch arbeite! und der Riß existent sein! Im Nebenraum wurde es laut. Ein Schrei war zu hören. Das halb geöffnete Schot öffnete sich vollends. Drei Männer und ein komisches Etwa auf vier Beinen trat ein, gefolgt von einem Wissenschaftler, der Doorn zur Hand gehen sollte. Eine baßtiefe Stimme orgelte: »Da glaubt man endlich, den Mysterious guten Tag sagen zu können, und wem begegnet man? Immer denselben langweiligen Gesichtern.« Shanton, Jos Aachten van Haag und Manu Tschobe standen vor ihnen! Doorn hatte keine Ahnung, daß diese drei Männer im Industrie-Dom vermißt wurden. Ihn
wunderte nur, woher sie kamen. Larsen wunderte sich noch mehr. Und sein Wundern steigerte sich, je länger Manu Tschobe berichtete. Sein Referat gipfelte in der Behauptung: »Wir haben die Transmitter-Straßen der Mysterious entdeckt! Wir sind von einem Verteiler im Nonstop hier durch das altmodische Modell mit der Ringantenne getreten.« Besonders höflich war er auch nicht, das bewies er, sich jetzt erst danach zu erkundigen, wieso auch Anja Riker vor ihm saß. Colonel Larsen ließ kein privates Gespräch aufkommen. Ihn hatte bestürzt, daß Terras Position durch die beiden entarteten Cyborgs an die schwarzen Weißen verraten worden war. Er drängte zum Rückflug nach Terra. »Nein, Colonel.« Eine Frau widersprach mit aller Energie. »Ich werde zurückfliegen, Anja!« »Sie werden nicht, Larsen! Sie haben meine Vollmachten vergessen, die mir das Recht geben, Ihnen Kursanweisungen zu erteilen.« Larsens graue Augen blitzten. Er versuchte Anja Riker zur Vernunft zu bringen. »Bedenken Sie, was auf dem Spiel steht! Halten Sie sich vor Augen, was in der Sternenbrücke entdeckt wurde und welche Bedeutung nicht allein die Werft im Ozean, sondern auch die Transmitter-Straßen bedeuten. Die POINT OF ist nicht da. Wir verschwenden unsere Zeit, wenn wir auf diesem Planeten auf die Rückkehr des Schiffes warten. Sie wissen jetzt, daß Ihr Mann bis zum Abflug des Flaggschiffes noch wohlauf war. Was wollen Sie noch mehr, Anja?« »Hier warten, Colonel!« Sie war förmlich geworden und sprach den Mann, mit dem sie auf Hope durch dick und dünn gegangen war, mit seinem militärischen Rang an. »Wenn Sie mich zwingen, erteile ich Ihnen den Befehl dazu.« Ein Mann, der bisher den Mund nicht aufgetan hatte, mischte sich ein. »Wenn Sie Kurs Terra starten wollen, Colonel, starten Sie. Sollte Anja Riker versuchen, Ihnen Schwierigkeiten zu machen, werde ich eingreifen müssen.« Er blickte sie scharf an. In seinem Gesicht war keine Spur mehr davon zu sehen, welch ein berüchtigter Schürzenjäger er war. »Ich bin Mitglied der GSO, Anja Riker, und diese Abkürzung heißt: Galaktische Sicherheits-Organisation. Kraft meiner Vollmachten setze ich Sie fest, wenn Sie noch einmal versuchen sollten, dem Colonel Schwierigkeiten zu machen. Bitte, lassen Sie mich ausreden! Kommen Sie mir nicht damit, Dan Rikers Frau zu sein. An meiner Stelle würde er Sie auch einsperren. Jetzt können Sie wählen. Bitte! Sie kennen meinen Standpunkt.« Nee, dachte Chris Shanton, ist dieser Planet l eine ungemütliche Welt, und warum gibt es immer Ärger, wenn ein langhaariges Wesen eine gemütlich Männerrunde stört? So konnte nur ein eingefleischter Junggeselle denken, der noch nie die Vorzüge einer Frau erlebt hatte. Der mit seiner Doris glückliche Arc Doorn bewertete diesen Mißton von seiner Sicht. Er konnte, was selten vorkam, zu Hause auch nicht jedesmal auf den Tisch schlagen, wenn seine Doris ihm etwas sagte oder etwas tat, das ihm ganz und gar nicht paßte. Er mußte dann auf diplomatischem Weg sehen, den Stein des Anstoßes aus der Welt zu schaffen.
Aber wie dieser Jos Aachten van Haag vorgegangen war, stellte eine Unmöglichkeit dar. »Jos, Sie hätten es auch anders sagen können.« Der GSO-Mann verstand keinen Humor mehr, auch für Abschwächungsversuche war er nicht mehr zu haben. »Dann hätte Anja Riker Gelegenheit gefunden, mich mißzuverstehen. Colonel, wollen Sie sofort mit Ihrem Schiff nach Terra zurück?« »Ja«, sagte Larsen ruhig, »aber ich möchte nicht allein zurückkommen. Tschobe, darf ich Sie bitten?« Der winkte ab. »Ich gehöre zur POINT OF. Den Boden des Schiffes möchte ich so schnell wie möglich wieder unter meinen Füßen haben.« Wem sagte er das? Larsen war mit dem Ringraumer sozusagen groß geworden. Er und Janos Szardak hatten Heimweh nach diesem Schiff und seiner Besatzung. Jahrelang hatten sie doch auch dazugehört! Ralf Larsen deutete mit ausgestrecktem Zeigefinger auf Chris Shanton. »Sie kommen mit, Shanton! Ihr Platz als Verantwortlicher ist in unserem System! Sie ...« Der Dicke wurde zum Verräter an Manu Tschobe. Genüßlich strich er seinen Backenbart und unterbrach den Colonel mit der Bemerkung: »Leider ist Manu Tschobe der einzige Spezialist, der sich an diesen Kugel-Transmittern auskennt. Nicht wahr, Jos?« Vom Boden her ertönte eine blechern klingende Stimme, und ein metallenes Monstrum, das nach einem Hund aussehen sollte, aber höchstens die Karikatur eines Hundes war, sagte deutlich: »Dicker, du wirst nie ein feiner Mensch! Tschobe so in die Pfanne zu hauen, ist unanständig.« Die Männer brachen in schallendes Gelächter aus, nur Anja Riker, die mit versteinertem Gesicht zwischen ihnen saß, verzog keine Miene. Niemand hielt sie zurück, als sie sich erhob und den Raum verließ. Eine Stunde später verabschiedete sich Ralf Larsen von Doorn, Jos und Shanton. Tschobe hatte sich nach längerem Verhandeln doch bereit erklärt, mit der A-01 nach Terra zurückzufliegen. Aber dann startete der Ringraumer doch nicht. Der Haupt-Suprasensor im Leitstand versagte, und das Ersatzgerät im Depot war nutzlos. Als man dann auch noch die Speicherteile des Funk- und Ortungs-Suprasensors überprüfte und auch hier im Bereich der Koordinaten die Löschungen feststellte, richtete sich der Verdacht nur noch gegen eine Person. Larsen ging zornbebend in der Zentrale auf und ab. Als Anja Riker von zwei Männern begleitet hereingeführt wurde, blickte sie ihn eisig an. »Anja, haben Sie . . .« Sie unterbrach ihn. Es störte sie nicht, daß alle Offiziere zuhörten. »Ich hatte Ihnen den Befehl gegeben, auf diesem Planeten auf die Rückkehr der POINT OF zu warten. Sie glaubten sich über meinen Befehl hinwegsetzen zu können. Da mußte ich handeln. Ja, ich habe die Löschungen vorgenommen. Allein! Wenn ich auch keine Suprasensor-Expertin bin, so habe ich jedoch als Mysterious-Mathematikerin einen kleinen Teil dazu beigetragen, daß unsere Rechengehirne heute diese Leistungen aufweisen können. Dieser Arbeit verdanke ich es, bestimmte Speicherabschnitte zu
löschen. Möchten Sie sonst noch etwas wissen, Colonel?« Er stand vor ihr. Sie kannten sich seit dem Tag, an dem die GALAXIS auf Terra abhob, um die 50 000 Kolonisten zum Planeten Dorado zu bringen, den das Schiff aber nie erreichte, weil der Time-Effekt unterwegs nicht mehr einwandfrei arbeitete. Bis auf Frozzeleien hatte es nie eine Unstimmigkeit zwischen ihnen gegeben, und jetzt standen sie sich als Gegner gegenüber. Spielte sie die Tatsache aus, Dan Rikers Frau zu sein? Sollte sie vergessen haben, daß Jos Aachten van Haags Warnung kein leeres Gerede gewesen war? Schweigend sah er sie an. Und sie ihn. Keiner wich dem Blick des anderen aus. Plötzlich trat nachdenkliches Staunen in Larsens Blick. »Sie sollen Ihren Willen haben. Ich kenne Ihre Vollmachten. Aber Ihre Vollmachten reichen nicht aus, der A-01 einen neuen Kommandanten zu geben. Ich verlasse das Schiff. Auch ohne die A-01 komme ich zur Erde zurück. Ich darf Ihnen nur noch wünschen, daß Ihnen die Zeit auf Planet l nicht zu lang wird. Anja Riker, Sie können die Zentrale wieder verlassen!« Sie hatte nur einen halben Sieg errungen. Das kümmerte sie nicht. Ralf Larsens leidenschaftslose Worte hatten sie getroffen, und erst in diesem Augenblick hatte sie erkannt, einen ehrlichen Freund verloren zu haben. Sie war zu weit gegangen! Sie war blind geworden in der Sorge um ihren Mann. Er und die anderen hatten recht gehabt, als sie ihr vorhielten, daß ihr Warten auf dieser Welt Zeitverschwendung sei. Da verließ Ralf Larsen vor ihr den Leitstand der A-01. »Bitter und Suriha, bitte, kommen Sie mit.« Sein Erster und Zweiter Offizier folgten ihm. In seiner Kabine bat er sie, Platz zu nehmen. Er überraschte sie mit Tatsachen, von denen er auch erst in den letzten Stunden erfahren hatte. »Ich kehre über Transmitter-Straßen nach Hope zurück. Von dort aus benutze ich einen Raumer, um Terra zu erreichen. Die A-01 ist bis zu meiner Rückkehr ohne Kommandant. Mit anderen Worten: Die A-01 bleibt auf Planet l! Es gibt an Bord niemanden, der einen Startbefehl erteilen kann, mit der einen Ausnahme eines Katastrophenfalles oder bei einem Angriff. Haben wir uns verstanden?« Seine Offiziere erkundigten sich, wie sie sich Anja Riker gegenüber zu verhalten hätten. Sein Gesicht wurde hart. »Ihre Bewegungsfreiheit ist auf ihre Kabine zu beschränken. Will sie das Schiff verlassen oder wieder betreten, muß sie von zwei Mann eskortiert werden. Das Essen ist ihr in die Kabine zu bringen. Untersagen Sie der Mannschaft, sich mit ihr zu unterhalten. Ich glaube, damit wäre alles Erforderliche besprochen. « Auf Deck stand Anja Riker. Sie machte einen halben Schritt auf ihn zu. Dann verließ sie der Mut. Larsen hatte sie mit eisigem Blick gestreift. Und dann sah sie ihn zum A-Gravschacht gehen und darin verschwinden.
* Manu Tschobe und Ralf Larsen benutzten nicht allein die Transmitter-Straße zum Verteiler auf dem Planeten, der auf dem Grund seines Ozeans eine Raumschiffwerft der Mysterious besaß. Gerade noch rechtzeitig genug hatten die vier Cyborgs vom Entschluß des Colonels erfahren. »Wir sind nicht eingesetzt worden, um auf diesem Planeten von morgens bis abends zu pokern!« hatte Holger Alsop ihm vorgehalten. Larsen war ein Mann, der schnell seine Entschlüsse traf. »Okay, ich bin einverstanden.« Er wandte sich an den Afrikaner, der neben ihm stand. »Dauert es lange, unsere Cyborgs mit dem Schaltsystem vertraut zu machen?« Der wölbte seine ausgeprägten Wulstlippen. »Eine Stunde. Wenn es hochkommt, zwei, vorausgesetzt, man kennt sich am Transmittermodell mit der grauen Ringantenne aus.« »Ist bekannt!« stellte Bram Sass lakonisch fest. Colonel Larsen überprüfte noch einmal die Ausrüstung der Cyborgs. Es gab daran nichts auszusetzen. Die Männer verfügten nicht nur über ihre Standardausrüstung, sondern hatten für den vorgesehenen und nun nicht zu realisierenden Spezialfall weitere Hilfsmittel mitgenommen. In drei schweren Plastikbeuteln schleppte jeder mehr als einen Zentner mit sich. Der Abschied von Arc Doorn war kurz. Der Sibirier war gar nicht unglücklich darüber. Er wollte mit seinen Sorgen allein sein, und nur er wußte, was für Ren Dhark und die POINT OF auf dem Spiel stand, denn die vollständige Wahrheit hatte er nicht gesagt, weil Anja Riker dabeigewesen war. Diese Frau, die er schon auf der GALAXIS ob ihres Könnens bewundert hatte, verstand er irgendwie doch. Sie liebte ihren Mann, und um ihres Mannes willen war sie bereit, alles zu tun. Mußte man ihr nicht verzeihen, dabei weit über das Ziel hinausgeschossen zu haben? Im Transmitter-Raum stand Tschobe vor der Schalttafel. »Kommen wir auch bestimmt an der richtigen Stelle an?« vergewisserte sich Larsen, dem diese Mysterious-Anlagen von Anfang an unheimlich gewesen waren. »Wir kommen!« erwiderte Tschobe nur knapp. »Und ich mache den Anfang.« Die Cyborgs schulterten ihr Gepäck, stellten sich lässig bereit, während der Colonel leicht verkrampft stand. Dann durchschritt Manu Tschobe die graue Ringantenne und verschwand in der Kreisfläche. Bram Sass folgte ihm, dann Alsop, Carrell und Oshuta. Als letzter trat Colonel Larsen die Reise an. Ein einziger Wissenschaftler, der zu Arc Doorns Team gehörte, hatte das Verschwinden der Männer beobachtet. Er meldete es dem Sibirier. »Ist gut!« sagte er. Aber mit seinen Gedanken war er bei dem Commander und der POINT OF. Das Schiff, das sich in einem anderen Universum befand und dem der Rückweg ins heimatliche Kontinuum abgeschnitten worden war – weil die A-01 im Bereich der Sternenbrücke transistiert hatte!
* Die Entscheidung war gefallen! Vierzehn Freiwillige hatten sich zum Einsatz für Erron-3 gemeldet. Dan Riker war zurückgewiesen worden. Er hatte die POINT OF zu übernehmen. Er hatte den Auftrag, alles zu versuchen, den Rückweg zu finden, wenn das Unternehmen mit einem Fehlschlag endete. Und in diesem Fall bedeutete ein Fehlschlag zugleich den Untergang der Expedition. Vier junge Wissenschaftler gehörten zu der fünfzehnköpfigen Gruppe, der Rest rekrutierte sich aus der Besatzung des Flaggschiffes. Gruppe eins bestand nur aus drei Mann: Ren Dhark, Sigi Angers und One Ona. Gruppe zwei wurde von Leon Bebir geführt, dem sechs Mann unterstanden. Sie sollte erst eingesetzt werden, wenn einwandfrei bewiesen war, daß Dhark mit seinen Männern gesund die Oberfläche von Erron-3 erreicht hatte. Um unter allen Umständen darüber eine Nachricht abgeben zu können, hatte Sigi Angers in seinem zweiten Plastiksack eine Pergan-Folie, die ausgebreitet mehr als dreihundert Quadratmeter groß war und als Spiegel dienen sollte, mit dem zur POINT OF gemorst wurde, wenn Funk unmöglich war. Sie standen in Schleuse l, die rechts von der Zentrale lag, und warteten darauf, daß die Grün-Kontrolle aufleuchtete, die ihnen verriet, daß die Luft abgesaugt worden war. Noch arbeitete der Helmfunk. Warum er im Schiff nicht versagte, draußen aber aussetzen sollte, darüber gab es keine Erklärung. »Noch einmal: Ich springe zuerst. Sie, Angers, verfolgen meinen Sprung, bis ich wenigstens Zweidrittel des Trichters zurückgelegt habe. Die Technik gibt Ihnen durch, wenn der Druckstrahl mich entläßt. Stellen Sie dann fest, ob mein Sturz tatsächlich wie erwartet abgebremst wird, folgen Sie mir dann, während Ona sich so verhält, wie ich es gerade mit Ihnen noch einmal durchgesprochen habe. Noch Fragen?« Beide schüttelten unter ihrem Klarsichthelm den Kopf. Dhark bestätigte die Steuerung. Die Schleuse eins sprang auf, und zum erstenmal blickten drei Menschen direkt in das blaßblaue Universum hinein, aber auch in einen schwarzen Trichter, der an einen sich ständig verjüngenden Wasserstrudel erinnerte und auf der Oberfläche eines unbekannten Planeten endete, der das Geheimnis Erron-3 trug. Dhark trat bis an den Rand der Schleuse. Das Herz klopfte ihm bis zum Hals. Er vergewisserte sich noch einmal, den Wegweiser in der Tasche des M-Anzuges zu haben, dann tat er den entscheidenden Schritt. 180.000 Kilometer tief war der Abgrund. 180.000 Kilometer weit war er von Erron-3 entfernt! Er trieb langsam ab. Das störte ihn nicht. Er wußte, daß es ein paar Minuten dauern konnte, bis ihn der Druckstrahl erfaßte und in die Tiefe seinem Ziel zujagte. Oder seinem Untergang? Er sah auf sein Chrono. Die sechste Minute ging zu Ende, als er die unsichtbare Kraft spürte, die ihn ergriff. Er wurde herumgewirbelt. Er sah sein Schiff, dann wieder den Trichter, und dann wieder das Blaßblaue. Wie schnell er in die Tiefe stürzte, konnte er nur daran abschätzen, wie
schnell seine POINT OF kleiner wurde. Allmählich ließ die Drehbewegung seines Körpers nach. Er versuchte im Druckstrahl seine Lage so zu verändern, daß er mühelos in den gigantischen Trichter sehen konnte. Gab es wirklich in seinem Bereich ein Feld, das ihn wie in einem A-Gravschacht nach Erron-3 hinunterbrachte? Er erinnerte sich, welches Resultat die Wahrscheinlichkeitsrechnung erbracht hatte: Achtunddreißig Prozent! Mehr Chancen hatte ihnen der Checkmaster für diesen Einsatz nicht gegeben. Abschalten, befahl Ren Dhark sich in Gedanken. Er durfte jetzt nicht Subjekt, sondern nur noch Objekt sein. Er war das Versuchskaninchen. Von ihm hing es ab, ob noch weitere Männer in diesen Einsatz gingen. Der Helmfunk stand auf der Frequenz der POINT OF. . . Er rief das Schilf, doch während er unter seinem halbstabilen Klarsichthelm sprach, wußte er, daß er aus der Funk-Z keine Antwort erhalten würde. Der Empfang lag still. Nicht einmal das Rauschen des Hyperfunks war zu hören. Umschalten auf normale Frequenz! Weiterschalten und dann bis auf UKW herunter. Stille! Keine Antwort von der POINT OF. Keine Antwort von Sigi Angers und One Ona, die in der Schleuse l standen und seinen Sturz beobachteten. * Sigi Anders stand hinter dem Televis und hatte One Ona so weit Platz gemacht, daß dieser auch die Bildscheibe einsehen konnte. Die Zielerfassung ließ den Commander nicht aus den Fängen. Stufenlos schaltete sich die Vergrößerung weiter, je tiefer und schneller der Sturz Dharks wurde. Auf der Bildscheibe veränderte sich sein Aussehen nicht, auch nicht seine Größe. »Rund zwanzigtausend Kilometer tief ist er inzwischen gestürzt«, murmelte Sigi Anders, der einen Blick auf sein Chrono geworfen hatte und die abgelaufene Zeit mit der Kraft des Pressorstrahls zu einer Rechenaufgabe zusammengefaßt hatte. »Bald müßte er die Trichteröffnung erreicht haben.« Er fürchtete sich vor diesem Trichter mit seinen dunklen, kreisenden Massen, die man nicht hatte identifizieren können. Dennoch hatte er sich spontan freiwillig zu diesem Einsatz gemeldet. Trotz seiner dreiundzwanzig Jahre! One Ona gab ihm einen Stoß. »Rufe den Commander doch endlich einmal an, Sigi.« Der schaltete seinen Helmfunk auf die abgesprochene Frequenz. Er schaltete immer weiter durch, und als es auch auf UKW still blieb, fluchte er wütend. »Genauso, wie man es vermutete. Kein Funkverkehr möglich. Der Teufel soll dieses Universum holen!« One Ona war nicht so impulsiv wie sein Kamerad Anders. »Dann hat er uns auch. Nee, danke, denn Terra möchte ich doch noch einmal wiedersehen. Hoffentlich werden wir keine Greise, wenn uns die Rückkehr doch noch gelingt.« Damit hatte er die geheime Angst, die durch die POINT OF lief in Worte gefaßt. Trotz aller Raumerfahrung konnten die wenigsten sich vorstellen, was in Wirklichkeit eine dem heimatlichen Universum gegenüber veränderte Zeit-Konstante bedeutete. Die meisten wußten nur, daß die POINT OF mittels einer neuen Methode, die erst durch Umschaltung
des Triebwerks möglich gewesen war, auf eine unvorstellbare Geschwindigkeit gebracht worden war, um jenes ominöse stellar-eins zu erreichen. Wissenschaftler hatten vom Null-Wert des blaßblauen Universums gesprochen, aber keiner von ihnen war in der Lage gewesen, den Laien unter der Besatzung diesen NullWert verständlich zu machen. Sie versteckten sich hinter der Aussage: »Wir haben uns damit den physikalischen Verhältnissen dieses Raum-Zeit-Gefüges angepaßt.« Die Bildscheibe zeigte, daß die Drehbewegungen des Commanders zum Stillstand gekommen waren. Er bewegte weder seine Beine noch die Arme. Dicht neben ihm, an Plastikleinen, schwebten die beiden Säcke, in denen er seine Ausrüstung untergebracht hatte. Sein Gesicht war nicht zu erkennen, denn es zeigte in Richtung der oberen gigantischen Trichteröffnung, die einen Durchmesser von mehr als fünfzigtausend Kilometern hatte, während er am Ende des Trichters nur noch auf dreitausend Kilometer geschätzt wurde. Die dunklen, wurstförmigen Gas- oder Partikelmassen, die ihn bildeten, sollten sich mit einer Geschwindigkeit von 140.000 Kilometern pro Sekunde bewegen und dabei langsam zum Planeten abfallen. Doch alle diese Werte waren fraglich, weil die Experten an Bord bisher keine Möglichkeit gefunden hatten, ihre Meßinstrumente auf dieses Universum einzustellen. Der Versuch, die Umstellungen mit Hilfe des Checkmaster zu bewerkstelligen, war gescheitert. Die Technik meldete sich bei den Männern in der Schleuse 1. Auch sie benutzten ein Televis, ein auf dotischer Frequenzbasis arbeitendes Fernrohr, das der Technik der Mysterious entstammte und in seiner Arbeitsweise den Terranern noch manches Rätsel offengelassen hatte. »Unsere Zielerfassung beginnt ungenau zu arbeiten. Wie sieht es damit bei Ihnen aus?« Sigi Anders wurde aus seinen Gedanken gerissen. Erschreckt stellte er fest, daß die Wiedergabe auf dem Bildschirm Unschärfen aufzeigte. »Hier genauso. Jetzt wandert der Commander aus dem Bild! Mein Gott, wir können ihn nicht mehr sehen.« Er fühlte, daß sich One Ona an ihm festhielt. Nur noch die Beine Ren Dharks waren zu erkennen und einer der beiden Säcke mit der Ausrüstung, aber auch diese verschwanden langsam über die rechte Seite des Bildschirms. Der Helmfunk übertrug den beiden Männern die erregte Auseinandersetzung in der Technik. »Versuch abbrechen ...« »Das hieße doch, den Commander im Stich lassen...« »Pressor muß weg.« »Nein, wir können weder das eine noch das andere tun! Verdammt noch mal, warum kriegen wir ihn nicht wieder auf den Schirm? Miko, Sie sind doch Televis-Experte.« »Aber nicht in diesem blaßblauen Universum. Ich ...« »Ruhe, die Zentrale fragt an!« Und Sigi Anders und One Ona hörten Dan Rikers Anfrage: »Warum wurde die Durchgabe der Meldungen unterbrochen?« Riker erfuhr die volle Wahrheit, die er nicht glauben wollte.
»Dann schalten Sie doch wenigstens den Pressorstrahl ab!« »Können wir nicht, Riker!« wurde ihm widersprochen. »Damit würden wir das Leben des Commanders nur unnütz, verlängern.« Der traute seinen Ohren nicht. »Was?« schnaubte er über die Verständigung. »Damit würden Sie das Leben des Commanders nur unnütz verlängern? Darf ich Sie bitten, mir Ihre Bemerkung zu erklären?« Kurz war die Pause, dann kam ein ruhiges Ja. »Unsere beiden Televis erfassen Dhark nicht mehr. Wir wissen nicht, wo er sich im Augenblick befindet. Sein Einsatz führt unweigerlich zu seinem Tod. Stellen wir jetzt den Pressorstrahl ab, dann verlängern wir Ren Dharks Sterbezeit. Dann sind wir es, die ihn über zwei, drei Stunden dem unausweichlichen Ende zutreiben lassen.« »Sind Sie in der Technik denn alle verrückt geworden?« brüllte Dan Riker über die Verständigung. »Der Commander lebt noch, und Sie Narren sprechen von seinem Tod, als sei er unausweichlich? Ich erteile Ihnen den Befehl, den Pressorstrahl sofort abzuschalten und ...« In der POINT OF gab es eine klare Befehlsverweigerung. »Riker, wir können Ihrer Anordnung nicht Folge leisten. Der Commander ist kurz vor dem Einsatz noch einmal hier in der Technik gewesen und hat ausdrücklich darauf bestanden, daß wir alles wie abgesprochen durchlaufen lassen und auch dann keine Unterbrechung oder Änderung vorzunehmen, wenn sich während seines Einsatzes Außergewöhnliches ereignen sollte. Die einzige Ausnahme wäre möglich, wenn der Commander über Funk uns neue Anweisungen erteilen würde.« »Aber der Funk liegt doch still!« brüllte Riker dazwischen, der um seinen Freund in größter Sorge war und sich nicht eingestehen wollte, daß keine Macht mehr in der Lage war, an Dharks Schicksal etwas zu ändern. War dieser Mann in der Technik, der Riker Antwort gab, ein seelenloser Automat? Mit beinahe aufreizender Ruhe erwiderte er: »Auch dieser Punkt ist mit dem Commander abgesprochen worden, Riker. Wir haben den Versuch über die angesetzte Zeit laufen zu lassen! Wir befinden uns jetzt in der 46. Minute. Er wird noch hundertsieben Minuten weiterlaufen.« »Ich sperre Ihnen die Energiezufuhr!« herrschte Riker den Auskunftgeber an. »Riker, das können Sie nicht. Der Commander bestand darauf, daß wir einen autonomen Energiekreis aufbauten, der von jeder Bordschaltung unabhängig ist. Bitte, machen Sie uns die Aufgabe nicht noch schwerer, Riker. Wir möchten ja auch am liebsten abschalten, aber wir sind an die Order des Commanders gebunden.« Aus dem Leitstand kam keine Bemerkung mehr. Im Helmfunk der beiden Männer, die in der geöffneten Schleuse l standen, wurde es belastend still. Sigi Anders und One Ona sahen sich vielsagend an. Beide hatten den Schweiß auf der Stirn stehen. Beide dachten in diesem Moment die gleichen Gedanken. .Sie fragten sich ratlos: Warum habe ich mich zu diesem Einsatz gemeldet? Freiwillig gemeldet! Mit freiem Auge sahen sie in der Tiefe den gigantischen dunklen Trichter, der einem schmutzigen Wasserstrudel glich, der seine Massen mit wahnsinniger Geschwindigkeit nach unten riß. In diesem Gebilde befand sich der Commander, und ein Pressorstrahl von
der POINT OF jagte ihn mit steigender Geschwindigkeit dem dichten Luftmantel der Welt zu, die unter dem engen Durchlaß am Ende des Trichters stand. In diesen Luftschichten würde Ren Dhark trotz seines M-Raumanzuges verglühen, und dann würde es nur noch einen aufgeblähten Raumanzug geben, in dem sich Asche und Metallteile bewegten. * Ren Dhark blickte wieder einmal auf sein Chrono. Seit einer Stunde und achtzehn Minuten befand er sich im Leerraum des blaßblauen Universums und seit knapp einer Stunde im Bereich des Trichters, in den er mit immer höher steigender Geschwindigkeit hinabjagte. Vom Druck des Pressorstrahls hatte er nur einmal etwas festgestellt, als er von ihm erfaßt worden war. Es war gleich einem Angriff von allen Seiten gewesen, doch Sekunden später hatte es dieses Gefühl nicht mehr gegeben. Über lange Zeit hinaus konnte er nicht einmal sagen, ob er im freien Fall quer durch den Raum trieb oder sich dem Planeten Erron-3 näherte, bis er entdeckte, daß die Trichteröffnung scheinbar größer geworden war. Erst im Trichter verfügte er wieder über Vergleichsmöglichkeiten. An den dunklen, beinahe kompakt aussehenden rotierenden Massen um einen unsichtbaren Mittelpunkt herum, mit dem unveränderlichen Bestreben, dabei tiefer zu stürzen, konnte er abschätzen, daß er mit steigender Beschleunigung seinem Ziel entgegenraste. Erron-3! Der Begriff verfügte über magische Kraft. Erron-3 – ein neues Geheimnis der Mysterious! Aber dann kam die kreatürliche Angst. Sie war stärker als die magische Kraft. Sie packte nach Dhark, und bevor er begriff, was geschehen war, schüttelte er sich vor Grauen. Er sah den Tod auf sich zukommen. Er hörte sein qualvolles Atmen unter dem Klarsichthelm. Kälteschauer jagten durch seinen Körper und wurden von Schweißausbrüchen abgelöst. Den Trichter sah er als sein Grab. Die Stille im Helmfunk ließ seine Angst noch größer werden. Er hatte sich in ein wahnsinniges Unternehmen gestürzt. Warum war er nicht voller Mißtrauen gewesen? Wieso hatte er vergessen, wie oft er sich schon die Frage gestellt hatte, ob die Mysterious nicht auch die Grakos waren, die Geißel der Galaxis? »Ich rufe die POINT OF! POINT OF, bitte kommen! Ich rufe die POINT OF! POINT OF, bitte kommen!« Er krächzte es. Immer wieder. Er lauschte. Aber es war so totenstill. Er lauschte mit angehaltenem Atem. Nichts! Er war allein! Er stürzte ins Nichts! In sein Verderben! »Dhark ruft POINT OF! POINT OF, bitte kommen!« Sie meldete sich nicht. Sie hörte den Verzweiflungsruf eines Mannes nicht, der seinem
Ende entgegenjagte. »POINT OF...« Mitten im Durchruf verstummte er. Er hatte seine Hände unter dem filmdünnen, transparenten Schutz seines Anzuges gesehen. Fäuste! Verkrampfte Hände mit schneeweißen Knöcheln! Fäuste, die sich in Ohnmacht gegen das Schicksal stemmen wollten. Und dieses ohnmächtige Aufbegehren brachte ihn wieder zu sich, riß ihn aus der Gewalt der Angst, die von ihm und seinen Sinnen Besitz ergriffen hatte. Unwillkürlich streckte er sich. Dabei machte sein Körper durch die abrupte Bewegung eine Drehung. Er sah aus dem Trichter hinein in den freien, blaßblauen Raum. Er sah nur diesen farbigen Schimmer. Keinen einzigen Stern! Keine einzige Strahlbahn, die zuckte, die kam und verging. Auch nicht seine POINT OF. Er sah in die Ewigkeit eines fremden Weltraums hinein, und dieser Blick ins Unendliche hatte tröstende Kräfte. Er gab ihm Kraft. Und in diesem Moment hörte er sich lachen! Ein befreiendes Lachen. Das Lachen eines Mannes, der seine eigene Angst überwunden hatte. Ungewollt blickte er auf sein Chrono. Verwundert schüttelte er den Kopf. Seit einer Stunde und neunzehn Minuten befand er sich im Leerraum des blaßblauen Universums! Eine einzige Minute davon war voller Angst gewesen. Eine Minute, die die Dauer einer halben Ewigkeit besessen hatte. »Nein!« hörte er sich energisch sagen. »Das passiert mir nicht noch einmal. Das war grauenhaft.« Aber er schämte sich nicht, Angst gehabt zu haben. Die Erkenntnis hatte sogar etwas Beruhigendes an sich. Sie hatte ihn erkennen lassen, daß er kein Supermensch war. Wieder betrachtete er die dunklen, schnell rotierenden Windungen. Er stürzte immer schneller. Mehr als den halben Weg mußte er schon zurückgelegt haben. Achtunddreißig Prozent hoch waren seine Erfolgsaussichten! »Ist das nicht viel?« hörte er sich fragen. Doch gab es wirklich im Bereich dieses Trichters einen Abschnitt, in dem A-Gravkräfte ihn erfaßten? Neue Zweifel griffen ihn von allen Seiten an. Ren Dharks Kampf gegen die Angst begann erneut! * Drei Stunden hatten sich Colonel Ralf Larsen und Manu Tschobe im Verteiler auf dem unbekannten Planeten unter einer weißblauen Sonne aufgehalten und während dieser drei Stunden den Cyborgs Unterricht an den Schaltpulten gegeben. Der Afrikaner hatte ihnen auch genau erklärt, wo sie den Transmitter fanden, dessen Gegenstation in einem
Mammut des Industrie-Doms stand. Kurz verabschiedeten sie sich. Tschobe und Larsen machten sich auf den Weg, den Dschungel aufzusuchen, um über den dort befindlichen Transmitter Hope zu erreichen. Kurz bevor sie im A-Grav nach oben verschwanden, rief der Afrikaner den Cyborgs zu: »Vergessen Sie nicht, was Professor Acker und ich mit Robotern der Mysterious erlebten, als wir die erste Transmitter-Reise unternahmen.« Dann hatten sie im Dschungel nur drei gefährliche Situationen zu bestehen, in denen Ralf Larsen bewies, daß ihn der Dienst auf Raumschiffen nicht hatte alt oder reaktionsmüde werden lassen. Dennoch beschlich ihn das Grauen, als er Tschobe im Aggregat verschwinden sah. Er konnte seine Abneigung gegenüber Transmitter einfach nicht überwinden. Doch dann tat er die entscheidenden Schritte und traf im Raum der Gegenstation wieder auf Tschobe, der auf ihn gewartet hatte. Besonders das Auftauchen des Afrikaners löste im Höhlen-System Sensation aus, doch kein Mensch kam auf seine Kosten. »Später! Später!« vertröstete sie Manu Tschobe, und dann atmeten beide erleichtert auf, als sich die Schleuse der BYRD, eines 200-Meter-Kugelraumers, hinter ihnen schloß. Der letzte Schritt nach Terra lag vor ihnen. In ein paar Stunden standen sie vor der Regierung, um Bericht zu erstatten. Larsen wie Tschobe waren sich klar darüber, daß die Folgen aus diesem Bericht in die Geschichte eingehen würden. Aber besonders glücklich waren alle beide nicht, denn automatisch wurden sie dadurch ins Rampenlicht der ewig neugierigen Öffentlichkeit gerückt und liefen damit Gefahr, den letzten Rest ihres kümmerlichen Privatlebens zu verlieren. Während der Kugelraumer mit seinen auf maximale Leistung geschalteten As-Onentriebwerken das Doppelsonnen-System Col verließ und immer tiefer in den freien Raum jagte und sich dem Transitionspunkt näherte, saßen Ralf Larsen und Manu Tschobe in der Doppelkabine und sprachen über die Cyborgs, die im Verteiler zurückgeblieben waren. Tschobe, dem es meistens schwerfiel, seinen Gesprächspartner in die Augen zu sehen, meinte: »Ich beneide die Cyborgs nicht.. Larsen. Für die nächsten Jahre ist mein Bedarf, Transmitter-Straßen aufzuspüren, gedeckt, aber ich glaube, was diese vier Männer noch erkunden werden, können wir uns jetzt noch gar nicht vorstellen.« »Ja«, sagte Larsen und rieb sein Kinn, »die Mysterious haben uns schon manche Überraschung serviert. Ob wir sie jemals treffen werden?« * One Ona schrie gellend auf. Sein Versuch, Sigi Anders zurückzuhalten, scheiterte. Der andere war bis zur Schleusenkante gelaufen und hatte sich mit einem mächtigen Satz in den freien Raum gestürzt. »Ich kann Ren Dhark doch nicht allein lassen! Ich habe doch die Pergan-Folie! Nur damit kann man zur POINT OF...« Damit brach sein Durchruf über Helmfunk ab. Die physikalischen Kräfte des fremden Universums waren wirksam geworden. Sigi Anders wirbelte, langsam abtreibend, in die Tiefe. One Ona sah ihm mit weit aufgerissenen Augen nach, bis er seinen Kameraden nicht mehr erkennen konnte. Erst dann
fiel ihm ein, was er versäumt hatte: der Zentrale von Anders' eigenmächtiger Entscheidung Nachricht zu geben. »Auch das noch!« sagte Riker, und dann folgte sein müdes Danke. »Unterrichten Sie auch die Technik, Ona. Nein, das hätte ich Anders nie zugetraut. Was kann sich der Mann nur dabei gedacht haben?« * Erron-3! Langsam streifte Ren Dhark seinen Klarsichthelm zurück und atmete tief die Luft einer fremden Welt in einem fremden Universum ein. Langsam legte er den Kopf in den Nacken und sah zum grüngetönten wolkenlosen Himmel empor. Gleich einer unbeschreiblichen Drohung war der schwarze, rotierende Trichter zu sehen. »Trichter!« sagte er und schüttelte den Kopf, denn sein Verstand wollte nicht fassen, was er erlebt und erkannt hatte. Dieser Trichter mit seiner Drehung war nichts anderes als eine raffinierte Tarnung. Er sollte abschrecken. Er sollte verwirren, aber keine Fremde anlocken. »Ja«, sagte Ren Dhark leise, »das habt ihr wieder einmal vollkommen gemacht. Ein Transmitter im freien Raum? Über der Luftschicht? Am Ende des Trichters? Ein Transmitter so groß, daß Raumschiffe von Kilometer Durchmesser ihn nicht sprengen können?« Langsam drehte er sich um, stieß mit dem Fuß gegen einen der beiden Plastiksäcke und schaute sich die Gegenstation an, die ihn ausgespuckt und durch ein unsichtbares AGravfeld zu Boden gebracht hatte. »Aber was ist Erron-3?« Er zuckte mit den Schultern, setzte sich auf einen Sack, schob sich eine Zigarette zwischen die Lippen, drehte sie und inhalierte tief den Rauch. Seine Gedanken schweiften ab. Er hatte einen Fehler gemacht und dem Wegweiser mehr vertrauen sollen. Durch ihn waren sie bis an den Trichter herangebracht worden. Die POINT OF hätte in ihn hineinfliegen sollen und wäre automatisch durch den Transmitter am Ende des Trichters auf diese Welt gebracht worden. Noch einmal erlebte er, wie der Pressor-Strahl plötzlich keine Wirkung mehr hatte, er mehrfach herumgewirbelt wurde, um dann im gleichen Moment dicht über dieser Welt zu sein. Er zog den Wegweiser hervor. Wieder fuhr das Gerät mit den drei eingebauten kleinen Instrumenten seine Antenne mit dem Kugelkopf aus, und abermals justierte sie sich. Fast waagerecht mit dem Boden zeigte sie scharf nach links. Dharks Blick lief in diese Richtung, aber außer der weichen gelblichen Grasebene gab es nur in der Ferne einen Anhaltspunkt. Ein einsam aufragender, dunkelblau schimmernder Berg. Er war enttäuscht, denn er hatte etwas Grandioses, Einmaliges erwartet. Dieser Berg, der so weit entfernt war, konnte doch nicht das Ziel sein, auf das die Antenne wies? 0,89 Gravos las er ab. Die Welten, auf denen die Mysterious ihre Spuren hinterlassen hatten, wiesen alle ohne Ausnahme normale Gravoswerte auf, und sie waren Sauerstoffwelten. Dhark sah auf die Uhr. Vor zwei bis drei Stunden hatte er mit der Ankunft von Sigi
Anders nicht zu rechnen, wenn er überhaupt eintraf. Und was tue ich dann? fragte sich der Commander, der den Zigarettenrest austrat. Er konnte sich darauf keine Antwort geben, legte vorsichtig den Wegweiser zur Seite, rutschte vom Plastiksack herunter und benutzte ihn als Kreuzstütze. Abermals sah er zum Himmel hoch und vermißte jetzt erst eine Sonne! . Er brauchte lange, bis er begriff, daß auch die Experten im Schiff einem Irrtum zum Opfer gefallen waren. Die zuckenden Spiralbahnen, die dieses fremde Universum belebten, waren keine vorbeirasenden Sternsysteme gewesen, sondern nur Planeten. Und diese Planeten benötigten keine Sonne! Das blaßblaue Universum war ihre Sonne! Es war der Lebensspender und Lebenserhalter! Es, in seiner Gesamtheit! Das Blaßblaue. Es hatte nicht die lebensfeindliche Dunkelheit des heimatlichen Kontinuums. Es verlangte nicht, daß erst Sonnen entstehen mußten, um Leben werden zu lassen. Es war das Leben! Das ganze, unendliche und doch wiederum begrenzte Blaßblaue! Und im Blaßblauen lag Erron-3. Ren Dhark vergaß Zeit und Raum. Er vergaß, daß er allein und hilflos auf diesem fremden Planeten war, und abermals wurde ihm nicht bewußt, daß er in der Sprache der Mysterious dachte. »Hallo, Dhark!« Der laute Zuruf riß ihn aus seinen Gedanken. Mit einem Satz stand er auf den Beinen, drehte sich um und sah Sigi Anders mit seiner Ausrüstung grinsend herankommen. Mit wenigen Worten hatte Anders erklärt, warum er früher als erwartet nachgekommen war. Dhark tadelte die Eigenmächtigkeit des jungen Mannes nicht. Gemeinsam breiteten sie die Pergan-Folie aus, die sich selbsttätig straffte und an keiner Stelle eine Falte oder Delle zeigte. Während Dhark noch einmal die gesamte Fläche kontrollierte, klemmte Anders den Minikonverter an das Perr-Gerät und diese Einheit dann an den Folienanschluß. »Wir können!« »Ja, aber vorher den Plastikhelm schließen und die Blende einschalten, Anders, sonst laufen wir Gefahr, blind zu werden.« Dhark kniete auf dem gelblichen Grasteppich und drückte die Taste, wie vor vielen, vielen Jahrzehnten es einmal ein Mann namens Morse getan hatte. Kurz – lang – lang – kurz. Ren Dhark morste die POINT OF an. Man mußte die grellen Lichtblitze von unterschiedlicher Dauer sehen, die die Pergan-Folie abstrahlte. POINT OF in den Trichter fliegen; vor Trichterende befindet sich ein Transmitter, der das Schiff nach Erron-3 befördert. Zehnmal morste Ren Dhark diese Order, dann ließ er sich von Anders ablösen, und zum Schluß jagte er diese Zeichen noch einmal zum Blaßblauen hoch. Das Warten begann. Sigi Anders erlebte zum ersten Male, welch ein natürlicher Mensch der Commander war. Plötzlich raste ein gewaltiger Schatten über sie hinweg. Die POINT OF war aus der flimmernden Mauer gekommen und wurde von unsichtbaren Kräften sanft auf dem Boden abgesetzt!
Langsam gingen Dhark und Anders auf das Schiff zu, dessen Schleusen l und 2 sich öffneten.« Damit, mein Lieber, ist unser Einsatz zu Ende, Anders. Ich habe Ihnen zu danken.« Der wehrte den Dank ab. »Commander, die POINT OF hätte Sie nie im Stich gelassen. Niemals! Ich könnte mir wenigstens nicht vorstellen, daß es einen Mann an Bord geben würde, der nicht den Einsatz des Ringraumers gefordert hätte, um Sie zu retten.« »Schon gut, Anders«, unterbrach Dhark, dem es dennoch eigenartig ums Herz war, den jungen Mann so sprechen gehört zu haben. Dhark unterschlug auch seinem Freund sein Erlebnis. Der sah ihn kopfschüttelnd an, zog ihn zur Seite, damit die Offiziere im Leitstand nicht erfuhren, was er ihm zu sagen hatte. »Ren, hast du mir nicht erklärt, auf diesem Planeten könnte keine atompische Wirkung erzielt werden? Und wenn ich auch nur ahnen kann, was unter atompisch zu verstehen ist, dann bedeutet es, daß die POINT OF nun bis zum Jüngsten Tag hier festliegt.« Dhark legte ihm die Hand auf die Schulter. »Festliegen würde, wenn es diese TransmitterAnlage nicht gäbe! Ich bin gewiß, daß wir hier keine atompische Wirkung erzeugen können, aber im Trichter wieder, dicht hinter der Gegenstation.« Er wechselte das Thema. »Sind die Vorbereitungen für unsere Expedition bald abgeschlossen?« »Die Männer warten schon auf uns, aber wenn dieser ferne Berg unser Ziel ist, dann laufen wir uns hübsche Blasen. Ich begreife nicht, weshalb sogar unsere A-Gravplatten hier versagen, während uns einwandfrei ein A-Gravfeld nach Passieren des Transmitters butterweich auf den Boden gesetzt hat.« Dhark winkte ab. »Auf Erron-3 müssen wir es uns abgewöhnen, Fragen zu stellen. Ich gebe dir einen Tip, Dan: Schau mal bei den Astronomen und Astrophysikern hinein. Ich hatte ihnen vorher einiges zu erzählen und behauptete dabei, das gesamte blaßblaue Universum sei die einzige Sonne dieses fremden Weltalls.« »Eine Sonne, Ren?« platzte Dan Riker mit der Frage heraus. »Natürlich nicht eine Sonne von der Art, wie wir sie in unserer Galaxis haben. Na, mein Lieber, habe ich dir damit auch einige Probleme zum Durchdenken gegeben?« Trotz seiner Verblüffung grinste Dan Riker. »Und da gibst du mir noch den Rat, mich bei den Astros sehen zu lassen? Nee, danke, Ren, die lasse ich mit ihren Sorgen doch lieber ungestört. Großer Himmel, ein Weltall soll die Zentralsonne für alle darin befindlichen Planeten sein?« Es gab keine Antwort darauf. Die Männer warteten auf Ren Dhark und Dan Riker. Falluta hatte die POINT OF übernommen, war aber über sein Kommando nicht glücklich, und recht unzufrieden mit dem Schicksal saß Leon Bebir im Kopilotensitz. * Arc Doorn verzweifelte. Er sah keinen Ausweg mehr. Er war ratlos wie noch nie in seinem Leben. Er, der doch schon so oft bewiesen hatte, Kontakt mit einer ihm völlig unbekannten Technik zu bekommen, war hilflos, wenn er sich zwei Universen vorstellen wollte.
Ein Riß, der beide miteinander verband? Ein Riß an einer alokalen Stelle, der sich trotz der Eigenbewegungen zweier Raum-ZeitStrukturen nicht bewegte, solange er existent war? Ein Riß, der aber im alokalen Bereich nie wieder ein zweites Mal zwei Universen an den gleichen Stellen miteinander verbinden konnte? Er war allein im Raum mit seinem Materie-Sender. Er war schon ein halbes dutzendmal aufgesprungen, um hinauszurennen, und doch jedesmal wieder umgekehrt, um die Sache noch einmal zu durchdenken. Denn es mußte doch einen Ausweg geben! Die POINT OF konnte doch nicht bis an ihr Ende in einem irgendwo liegenden fremden Weltall kreisen! Er raufte sich die Haare. »Ich komme noch ins Irrenhaus.« »Warum denn, Doorn?« fragte eine Frauenstimme vom Schott her. Anja Riker war eingetreten. Die hat mir gerade noch gefehlt, dachte Arc Doorn und wollte der Antwort ausweichen, nur hatte er nicht mit ihrer Hartnäckigkeit gerechnet. Eine halbe Stunde später wußte sie die volle Wahrheit. Verblüfft musterte er sie. Sie war nicht blaß geworden. Sie hatte auch nicht gesagt: Jetzt ist alles verloren, oder etwas ähnliches. Sie hatte gesagt: »Dann will ich mich einmal der Sache annehmen, Arc.« Und seit diesem Moment war er Zuschauer geworden, durfte nur hin und wieder die Funkverbindung zur A-01 herstellen, wenn Anja Riker den großen Suprasensor des Schiffes voll in Anspruch nahm. Dann wurde ihm schwindelig. Sie setzte die höchste Mysterious-Mathematik ein, und er verstand nicht einmal eine Formel oder Gleichung. Er konnte nicht einmal das Chinesisch verstehen, mit dem sie ihren Formeln und Gleichungen Namen gegeben hatte. Rot gab der Suprasensor zum dreißigsten- oder vierzigstenmal ab. Sie ließ sich nicht entmutigen. Für drei Stunden verschwand sie in der A-01, um den Suprasensor zu programmieren. »Das ist ja ein ausgewachsener Stümper!« hatte sie ein einziges Mal unkontrolliert ausgerufen und das Bordgehirn der A-01 gemeint. Jetzt saß er wieder neben ihr und durfte zusehen und ab und zu einen Handgriff erledigen. »Wir kommen langsam der Sache naher, Arc.« Er hatte es zu glauben, weil er nichts verstand. Und sie hatte es aufgegeben, ihm ihre Arbeit zu erklären, weil er ihr nicht folgen konnte. Als die Nacht über Planet l hereinbrach, war sie noch frisch, er aber total erschöpft wie ein Kuli nach zwanzig Stunden Sklavenarbeit. »Morgen machen wir weiter, Arc. Ich hoffe, in einer Woche die Aufgabe gelöst zu haben.« »In einer Woche erst, Anja?« Inzwischen sprach er sie doch mit Namen an, mit ihrem Vornamen, wie damals auf der GALAXIS.
»Hoffentlich, denn zuerst glaubte ich, vor einem Monat damit nicht fertig zu werden.« Doorn bewunderte sie. Nicht allein wegen ihres überragenden Könnens, sondern wegen ihrer unmenschlichen Energie und Beherrschung, denn nicht mit einem Wort hatte sie ihren Mann erwähnt, sondern nur noch von der POINT OF gesprochen. Am Schott hielt sie ihn zurück. »Mir fällt gerade ein Widerspruch auf, Arc. Sollte der Materie-Sender nicht automatisch abschalten, wenn die POINT OF im anderen Universum stellar-eins erreicht hatte?« »Das ist leider kein Widerspruch, Anja, sondern nur schlecht formuliert gewesen«, gab Doorn unumwunden zu. »Nach Dharks Kenntnissen blieb die POINT OF im Wirkungsbereich des Materie-Senders, solange das Schiff stellar-eins nicht erreicht hatte. Trat dieser Faktor ein, dann sollte sich das Aggregat automatisch abschalten, aber nur so weit, um den Ringraumer zu entlassen und nur noch den Riß konstant zu halten. Aber das ist ja durch die Transition der A-01 in der Sternenbrücke ...« »Ich weiß, und darum muß ich dafür sorgen, daß dieses Unglück wieder rückgängig gemacht wird. Doorn«, und sie, die in diesen Stunden Trost gebraucht hätte, legte ihren Arm um die Schultern des bulligen, oft so wortkargen Mannes und zog ihn an sich. »Doorn, und wir beide werden es rückgängig machen. Verlassen Sie sich darauf.« Sie ging zur A-01 zurück. Arc Doorn sah ihr in der hereingebrochenen Dämmerung nach. Als er sie aus den Augen verloren hatte, kehrte er um. In seinen Gedanken beschäftigte er sich mit Jos Aachten van Haag. »Der soll nur noch einmal unfreundlich über Anja sprechen, dann kriegt er es mit mir zu tun, und den Krach zwischen ihr und Larsen, den reparier' ich auch noch.« Ruhiger als bisher suchte er seine Unterkunft auf und legte sich nieder. Aber der Schlaf kam nicht. »Kohldampf hab' ich. Donnerwetter, was knurrt mein Magen!« Und dann aß er mit einem Appetit wie schon lange nicht mehr. Sie schafft es, dachte er, während er mit Genuß aß. Sie schafft es bestimmt! * Der Wegweiser führte sie nach Erron-3! Ohne ihn hätten sie es nie gefunden. Das kleine Etui mit der ausgefahrenen Kugelantenne war der Schlüssel. Die vierundachtzig Männer waren waffenlos. Sie hatten darauf verzichtet, denn was sollten sie mit Strahlwaffen, die auf diesem Planeten nicht funktionierten? Auch Funkgeräte befanden sich nicht unter ihrer Ausrüstung, auch keine einzige tragbare Ortungsanlage. Sie hatten sich immer mehr von der POINT OF entfernt. Bald war das Schweigen unter den Männern ausgebrochen. Sie hielten nicht einmal den Schritt an, als sie in der dunstigen Ferne große Schatten über die Ebene jagen sahen. Es waren Schatten gewesen, die sich lange Strecken dicht am Boden bewegten, um dann plötzlich senkrecht in die Höhe zu steigen und vom Gipfelpunkt ihrer Bahn aus im langgestreckten Gleitflug wieder zu Boden segelten. Jedoch war niemand in der Lage gewesen zu beschreiben, welche Form diese Schatten hatten.
Ren Dhark ging zwischen Dan Riker und Miles Congollon. Sein Blick war auf den Kugelkopf der Antenne gerichtet. Sie zeigte die Richtung an, in der sie sich zu bewegen hatten. Dabei schien es keine Rolle zu spielen, daß Dhark hin und wieder die Hand bewegte, denn die Antenne reagierte nicht darauf. Beinahe unmerklich veränderte sie ihre Winkelstellung. Und sie bog sich durch! Sie bildete immer deutlicher einen Halbbogen, so daß der Kugelpol mehr und mehr zu Boden wies. »Ich bin gespannt, was daraus wird«, flüsterte Riker, der mit wachsender Aufmerksamkeit diesen Vorgang beobachtete. Ren Dhark hielt das langgestreckte Etui vor die Augen und las an den drei kleinen Instrumenten die sich ununterbrochen verändernden Werte ab. In den letzten Minuten näherten sich alle Koordinatenangaben dem Null-Wert. Sollte das heißen, daß sie kurz vor dem Ziel waren? Aber wo war denn Erron-3? Außer den weiten gelblichen Ebenen und dem einsamen Berg in der Ferne gab es gar nichts zu sehen. Ein Peilton schwoll an, wie man ihn in der Zentrale der POINT OF schon oft einmal gehört hatte. Es war kein Kommando erforderlich, die Raumhelme zu schließen, denn das durchdringende Pfeifen war für menschliche Ohren unerträglich. Dhark und alle anderen schalteten das Außenmikrofon herunter, trotzdem löste der gedämpfte Dauerton Mißbehagen aus. Der Riß im Grasboden wurde zu einem Abgrund. Drei Meter vor Dhark, Congollon und Riker begann er und endete erst mehr als hundert Meter weiter. Erron-3 tat sich auf. Eine gewaltige, im Boden eingelassene Doppeltür schwenkte ihre Flügel nach oben. »Wie damals, Dhark! Wie in den alten Höhlen auf der Flucht vor Roccos Männern!« stieß der Chefingenieur der POINT OF aus, aber die anderen konnten seinen Ausruf unter dem Helm nicht hören. Achtzehn Meter war jeder Flügel breit, mehr als dreißig Meter die Plastikstraße, die mit schwachem Gefalle in die dunkle Tiefe führte. War die Tiefe dunkel? Ren Dhark hielt Congollon und Riker zurück, dann öffnete er wieder den Klarsichthelm, weil das Peilzeichen verstummt war. In der Tiefe leuchtete es im Goldton! Es nahm an Intensität zu. Es erhielt Umrisse. Und das, was sie dann alle sahen, besagte ihnen alles: Das Emblem einer Galaxisspirale! Vierundachtzig Männer standen auf der Stelle. Senkrecht ragten plastikverkleidete Wände nach oben. Über ihnen wölbte sich der grüne Himmel, doch vor ihnen, irgendwo im Dunkeln, leuchtete es im strahlenden Goldton! Das Emblem der Mysterious! »Der goldene Mensch von Mirac?« Aus den hinteren Reihen war diese Frage gekommen. Etwas wie Andacht hatte die Männer erfaßt, sie mußten sich daraus lösen, als Ren Dhark sich wieder in Bewegung setzte. Dann lag das Doppeltor hinter ihnen, und Blaulicht sprang nun aus den Wänden. Langsam verblaßte das Emblem vor ihnen. Unmerklich, bis es nicht mehr zu sehen war.
Der Schritt von vierundachtzig Männern begann zu hallen. Der Tunnel, den man durchschritt, war so hoch wie breit. Nicht ein Staubkorn lag auf dem grauen Boden. Die Luft roch würzig. Der Tunnel schien endlos zu sein. Da prallte Ren Dhark gegen eine unsichtbare energetische Sperre. Er besaß den Schlüssel zu Erron-3! Sein Wegweiser stieß Peiltöne in arhythmischer Folge aus. Die Sperre verschwand. Der Tunnel verengte sich. Von rechts und links kamen die Wände näher und die Decke herunter. Sie erreichten die Stelle, an der Dan Riker und Miles Congollon hinter Dhark hergehen mußten. Der Gang ließ nur noch einen Mann durch. Und dann hielt das Emblem, das blitzartig wieder zu sehen war, auch Ren Dhark auf. Er stand vor einer massiven Wand. Der Wegweiser in seiner Hand gab keinen Ton ab. Die Antenne fuhr langsam ein. War das alles? fragte sich Dhark. Sein Blick brannte sich am Emblem fest, von dem man immer noch nicht wußte, ob es ein heiliges Zeichen war oder nur profane Bedeutung hatte. Ren Dhark konzentrierte seine Gedanken: Öffne dich! Öffne dich! Er ballte die Hände. Er winkelte die Arme, als wolle er noch mehr Kraft in seine Gedanken legen, als sich die massive Sperre bewegte und langsam hochfuhr, um in der Decke zu verschwinden. Einen einzigen Schritt trat er vor. Erron-3! Erron-3! Erron-3! rief eine Stimme in seinem Kopf. Eine Stimme mit beschwörendem Klang, als wolle sie warnen oder als wolle sie ein Unglück verhüten! Erron-3! Erron-3! Nur das! Langsam drehte sich Ren Dhark um und blickte fragend seinen Freund an, doch der schien die Stimme in seinem Kopf nicht zu hören. »Dan, warte hier. Geh keinen Schritt weiter! Warte, bis ich zurückkomme!« Riker konnte nicht viel mehr sehen, als Dhark gesehen hatte: ein sich verbreitender Gang, der im Vordergrund von einer blauen, dann einer grünen und zum Schluß von einer roten Strahlenflut, die eng gebündelt war, unterteilt wurde. Was dahinter lag, war nicht zu erkennen. »Ren!« Riker hielt den Freund fest, und sein Blick hatte beschwörende Kraft. »Ren, hör dieses Mal auf mich. Geh nicht allein. Tu es nicht!« Lag es am Ton? Lag es am Blick? Einfach sagte er: »Komm, Dan!« Congollon nickte. Er hatte alles gehört. Auf ihn war der Auftrag übergegangen, keinen Schritt vorwärts zu tun. Immer noch den Wegweiser in der Hand, gingen Ren Dhark und Dan Riker auf das grelle Blaulicht zu, das gleich einer Wand den Raum zu sperren schien. Dabei tönte ununterbrochen in ihrem Kopf: Erron-3! Erron-3!
Sie passierten die Blauwand, dann die grüne und durchschritten nun die rote. Im gleichen Moment verstummte die Stimme in ihrem Kopf. Und ihr Schritt blieb aus! Sie hatten Erron-3 erreicht! Sie erkannten es auf den ersten Blick! Ren Dhark ließ die Hand mit dem Wegweiser sinken und steckte ihn ein. Er hatte seine Aufgabe erfüllt. Nun lag es an den Menschen, was sie mit Erron-3 anfingen. Flüsternd, beinahe ängstlich, diese Stille nicht zu stören, fragte Dan seinen Freund: »Was muß hier verborgen sein, wenn die Mysterious diese gigantischen Anstrengungen unternahmen, um in einem anderen Weltraum ihr Archiv zu verstecken?« Kreisförmig war der Saal, Ringform war die Unitallwand, in der sich das Blaulicht widerspiegelte. Wie groß war er? Sechzig, oder siebzig oder sogar achtzig Meter im Durchmesser? Ren Dhark trat vor. Langsam ging er auf die Ausgabe zu, die einzige, die er bisher entdeckt hatte. Riker hatte seinen Platz nicht verlassen. Neidlos überließ er dem Freund den Vortritt. Der aktivierte seine Alpha-Rhythmus-Frequenz. Eine halbe Minute später schluckte er die erste Mentcap. Die Magensäure löste sie auf. Aus dem Magen stieg neues Wissen in sein Gehirn. Ruckartig drehte er sich und kam zu Riker zurück. »Dan, sage Congollon, daß er mit den Männern zum Schiff zurückkehren soll!« Der stellte keine Frage, denn in Dharks Augen hatte etwas Unbeschreibliches gelegen. Dann waren diese beiden Männer allein in Erron-3. Sie blieben lange. Acht Stunden, behauptete man in der POINT OF. Ruhig betraten sie ihr Schiff. Niemand wunderte sich, daß alle aufgefordert wurden, nach Plan in der Medostation zu erscheinen, um eine Mentcap einzunehmen. Mit wenigen Ausnahmen bekam jeder nur eine weiße Kugel zu schlucken. Für Miles Congollon lagen acht Stück bereit, für die beiden Chefs der Waffensteuerungen je sechs, während sich die Chefs der anderen Abteilungen mit nur drei Mentcaps begnügen mußten. Kurz darauf sprach kein Mensch mehr von Erron-3, und niemand wunderte sich, in einem blaßblauen Universum zu sein. Warum auch? Weder das eine noch das andere hatte es je gegeben. In ihrer Erinnerung gab es darüber nichts. Auch die Tatsache fehlte darin, daß sie durch einen Materie-Sender auf Planet l eine Reise ins Unendliche angetreten hatten. Allein Dhark, Riker und Congollon bildeten die Ausnahme. Die Bordverständigung gab den Start des Schiffes für 13:50 Uhr Norm-Zeit bekannt. Auf die Minute genau hob der Ringraumer ab. Aus eigener Kraft, denn die Flächenprojektoren erzeugten atompische Wirkung. Hinter der POINT OF blieb der dunkle, rotierende Trichter mit seinem Planeten immer weiter zurück. Um 14:23 Uhr Norm-Zeit fiel die Geschwindigkeit des Flaggschiffes unter stellar-eins. Wenig später waren die ersten zuckenden Spiralbahnen wieder zu sehen. Die POINT OF versuchte ihr heimatliches Kontinuum wieder zu erreichen.
»Nur wo wir herauskommen werden, macht mir noch Sorgen«, sagte Ren Dhark zu Riker. »Ja.« Im Haupt-Archiv auf Erron-3 hatte es keine Mentcap gegeben, die ihnen über den Rückweg ins eigene Raum-Zeit-Gefüge klare Anweisungen hatte vermitteln können. Statt dessen waren sie darauf vorbereitet worden, bis zu 40.000 bis 60.000 Lichtjahren entfernt vom vorgesehenen Ziel das Heimatkontinuum wieder zu erreichen. Nur Ren Dhark und Dan Riker vernahmen die Stimme in ihrem Kopf: Alle Daten über das blaßblaue Universum und Erron-3 sind gelöscht! Gerade hatte Dhark beabsichtigt, zum Checkmaster zu gehen und diese Daten zu löschen, als diese Stimme sich gemeldet hatte. Die beiden Männer sahen sich sprachlos an und schüttelten den Kopf. Auch das HauptArchiv hatte das Geheimnis ihres Bordgehirns nicht preisgegeben, aber war es von großer Bedeutung, wenn man sich vor Augen hielt, daß Erron-3 beinahe ausnahmslos das gesamte technische Wissen der Mysterious in sich barg? * In der Ortungszentrale des Raumhafens Cent Field herrschte die gewohnte Ruhe. Solange die weit im Raum treibenden vorgeschobenen Stationen, die ausnahmslos unbemannt waren, keine Alarmimpulse abstrahlten, lief hier ein Tag wie der andere ab. Zur Routine erstarrt war die Kontrolle der aus- und einfliegenden Schiffe und ihre Identifizierung. Selten kamen Pannen vor, und wer von einem aufregenden Dienst sprach, wurde schnell als Aufschneider erkannt, weil auch Terras Bevölkerung durch eine Reihe populärwissenschaftlicher Sendungen über die Arbeitsweise der Ortungszentrale informiert worden war. Leutnant Chulla griff zum Plastikbecher, um einen Schluck Feek zu trinken, als ihm das Ding aus der Hand fiel und der Inhalt sich über den Boden ergoß. Der Strukt-Os war durchgeschlagen! Im nächsten Moment rastete schon die Alarmtaste ein. In dieser Zeit hatte die Strukt-Os-Automatik den Schaden schon wieder behoben und die defekten Sicherungen gegen neue ausgetauscht. Chullas Standvipho leuchtete auf. Die globale Ringschaltung stand. Kapstadt meldete sich zuerst. Dort hatte man den gleichen Schaden zu melden. Aber Singapur nicht. »Wir geben die Daten durch. Achtung: Durchgabe erfolgt.« Hinter Chulla standen schon drei Experten, die durch den Alarm aufgeschreckt worden waren. Der große Suprasensor wurde gesperrt und stand nur noch für diesen einen Fall zur Verfügung. Südpol II gab auch seine Daten durch. Alle anderen Stationen Terras konnten nichts melden. Ihnen war es nicht besser ergangen als der großen Anlage in Cent Field. Das Rechengehirn arbeitete, und Leutnant Chulla hatte genügend Zeit, seinen Bericht abzugeben. Viel konnte er nicht sagen.
Mehr sagte das Auswertungsresultat. Die Experten zeigten offen ihre Ratlosigkeit. »Haben wir nicht vor ein paar Tagen etwas Ähnliches beobachtet? Zwei kurz hintereinander erfolgende Strukturerschütterungen?« »Aber nicht von dieser Stärke, Kollege!« kam der energische Widerspruch. »Sehen Sie sich doch nur einmal den Peugon-Wert an. Der kann doch nie und nimmer stimmen. 180 hoch 17!« Der junge Wissenschaftler mit den krankhaft glänzenden Augen blieb bei seiner Behauptung. »Damals, wurde vermutet, ein halbes Dutzend Sonnen-Systeme seien verschwunden. Inzwischen wissen wir, daß der Commander auf einem Planeten Zwitt das Hy-Kon eingesetzt hat. Was ein Hy-Kon ist, muß er uns noch verraten, aber dieses HyKon bezog seine Energie aus acht Sonnen. In diesem Fall aber scheinen gleich achtzig Sonnen Energielieferant gespielt zu haben!« »Utopisch!« Der Experte mit den glänzenden Augen fragte anzüglich: »Was heißt heute noch utopisch? Und was ist morgen schon veraltet? Ich habe mir abgewöhnt, diesen Ausdruck zu benutzen.« »Dennoch reden Sie Unsinn, Kollege, weil Sie versäumt haben, sich die Koordinaten anzusehen! Der Bruch des Zeit-Raum-Gefüges liegt rund 31.000 Lichtjahre hinter dem Zentrum unserer Galaxis. Wagen Sie zu behaupten, daß sich der Commander zur Zeit dort aufhält?« Glänzende Augen sahen sich im Kreis um. »Habe ich denn behauptet, Commander Dhark habe diesen Strukturbruch ausgelöst? Ich wüßte nicht. Aber warten wir doch ab. Vielleicht bekommen wir bald Gelegenheit und können ihn wegen dieses Falles befragen.« Damit ging er. Für ihn war dieser Fall weit hinter dem Zentrum der Milchstraße vorläufig abgeschlossen. Befand sich der Commander mal wieder auf Terra, dann konnte die Sache noch einmal aufgerollt werden, falls sie durch neue Ereignisse nicht in Vergessenheit geraten war. * Der Bruch des Raum-Zeitgefüges hatte sich ebenso schnell wieder geschlossen, wie er entstanden war. Aber Tausende Sonnen funkelten in die Kommandozentrale der POINT OF hinein. Blaue Riesen dominierten, aber auch die weißen Zwerge waren gerade nicht spärlich vertreten, und unsichtbare Radiosterne gab es auf tausend Lichtjahre im Umkreis ein paar Zehntausend zuviel. Ren Dhark hatte es ebenfalls die Sprache verschlagen. Hier sollten sie zu Hause sein? In diesem Gewimmel sollte das Sol-System seine Bahn ziehen? »Checkmaster befragen!« Der streikte. »Wie damals, als wir von Hope aus Terra suchten!« murmelte Riker, der keineswegs besorgt war und gerade den ersten Zug aus einer Zigarette tat.
»Hoffentlich!« hatte Dhark zu sagen und schaltete die Vergrößerung der Bildkugel herunter. Das Gesamtbild des Sternenhimmels wurde dadurch noch imposanter. Acht Kugelsternhaufen und drei offene Haufen sahen sie und im oberen Polbereich der Bildkugel eine Nova, die höchstens ein paar Wochen alt sein konnte. Über die Bordverständigung meldete sich Bordastronom Jens Lionel. »Dhark, wie kommen wir eigentlich in diese Gegend?« Riker blinzelte seinem Freund zu. Lionel hatte als erster an Bord gemerkt, daß er eine Erinnerungslücke besaß. Die anderen würden bald auch darauf kommen, und Dhark, Congollon und Riker blieb dann nichts anderes übrig, als ebenfalls zu behaupten, einen Bruch in ihrer Erinnerung zu besitzen. Ruhig erwiderte der Commander: »Die gleiche Frage haben Riker und ich uns gerade auch gestellt. Haben Sie keine Erklärung, Lionel, was passiert sein kann?« »Aber wir waren doch eben noch auf Planet l in der Sternenbrücke! Großer Himmel!« Lionel sagte nichts mehr. Die kleine Bildscheibe rechts neben Dhark zeigte einen völlig verwirrten Experten der Astronomie. Lionel hielt mit beiden Händen seinen Kopf fest. »Woher weiß ich das alles? Woher bloß?« übertrug die Bordverständigung sein verzweifelt klingendes Murmeln. »Seit wann weiß ich, wie man die Schwerkraft weißer Zwerge überwinden kann?« »Was sagten Sie?« fragte Dhark, den Ahnungslosen spielend, um Lionel auf andere Gedanken zu bringen, denn er konnte ihm doch schlecht sagen, daß er sein neues Wissen aus drei Mentcaps bezogen hatte, während ihm die vierte jede Erinnerung an Erron-3 und alles, was damit im Zusammenhang stand, genommen hatte. Grappa hatte auch drei Mentcaps zusätzlich geschluckt, die natürlich ein anderes Wissen enthalten hatten als diejenigen, die Lionel zu sich genommen hatte. »Dhark, auf Grün 34 fremde Raumschiffe im Anflug. Geschwindigkeit 0,9 Licht.« Lionel war vergessen. Dhark wunderte sich über die unpräzisen Angaben seines Ortungsspezialisten, doch bevor er ihn darauf ansprechen konnte, kam von ihm schon die Erklärung. »In diesem Sektor muß vor relativ kurzer Zeit ein Bruch des Raum-Zeit-Gefüges stattgefunden haben. Die Spannung des Hyperspace ist dadurch instabil geworden und pendelt sich erst wieder ein. Daher die Fehlleistung der Ortung!« Er wunderte sich nicht einmal über das, was er gesagt hatte! Vor ein paar Stunden noch hätte er gefragt: Was hat man sich unter der Spannung des Hyperspace vorzustellen? Und jetzt sprach er darüber, als hätte er gerade den Aufgang der Sonne geschildert. Ren Dhark stellte keine Gegenfrage, die diesen Punkt betraf. »Wie weit sind die Raumschiffe noch entfernt? Und können Sie nicht ihre Zahl schätzen?« »Noch nicht, weil... Vorbei! Die Schiffe sind in Transition gegangen!« Zwei Worte richtete der Commander an Riker: »Dan, übernehme.« Bordverständigung zum Triebwerksraum und zu den WS. »Wir haben mit der Möglichkeit eines Angriffes zu rechnen. Congollon, schalten Sie sofort um. Das gleiche gilt für die beiden Waffensteuerungen.«
Im stillen gratulierte sich Dhark, daß er Jean Rochard und Bud Clifton mit je sechs Mentcaps versorgt hatte. Wenn die beiden sich gleich wunderten, woher sie ihr phänomenales Wissen hatten, würden sie automatisch darauf kommen, daß auch ihnen in ihrer Erinnerung eine Reihe von Stunden fehlten. Eine grelle Strahlbahn zerriß das Bild in der Kugel. »Schiffe der schwarzen Weißen!« gellte Grappas Stimme durch die Zentrale. In der POINT OF riß der Vibrationsalarm auch den Mann, der im tiefsten Schlaf lag, aus dem Bett. Aus drei verschiedenen Richtungen flogen die Doppelkugeln der schwarzen Weißen die einsame POINT OF an. Dreiundsiebzig Schiffe der Siebenhundert-Meter-Klasse! gab der Checkmaster bekannt. Nur noch auf Rot gab es eine freie Schneise. Riker schaltete den Sle auf Maximum. Die Flächenprojektoren spien ihre Energie zum Brennkreis aus. Der Ringraumer wurde in Richtung der Koordinate Rot aus dem Kurs gerissen und hatte bei diesem Manöver Glück, denn Strahlbahnen von einer Mächtigkeit, wie Terraner sie nur noch gewaltiger auf Zwitt beobachtet hatten, zischten kaum ein paar Kilometer unter dem Schiff in den Raum hinein. »Mix einsetzen!« Dieser Befehl galt den beiden Waffen-Steuerungen. Die Offiziere in der Zentrale begriffen nichts. Was bedeutete Mix? Die Antennen in der Unitallhaut des Flaggschiffes schwenkten in andere Positionen. Im Raumer wurden auf Deck 3 Aggregate aktiv, die seit dem Jungfernflug der POINT OF noch nie in Betrieb gesetzt worden waren, weil man nicht wußte, wie man es machen sollte. Bud Clifton hinter der Zielsteuerung kniff das linke Auge zu. Diese Freunde in den mächtigen Doppelkugelraumern kannte er noch von Zwitt her. Der Pulk auf Grün war noch zu weit entfernt, aber der Verband auf Gelb, der aus allen Antennen feuerte und sich immer besser auf die relativ kleine POINT OF einschoß, hatte die richtige Distanz. Achtzehn Antennen des Ringraumers spien Mix aus. Mix war überlichtschnell, erzeugte jedoch dabei ein sekundäres Fluid, das den dunklen Weltraum in ein geisterhaftes Licht tauchte, das man weder als weiß noch als schmutziggrau bezeichnen konnte. Vier Volltreffer trafen das obere Intervallfeld, das für einen Moment zu glühen schien, doch dann war die Leuchtkraft der nach allen Seiten verspritzenden Energiekaskaden stärker. Zufrieden nickte Dan Riker. Die Belastung hatte keine zwanzig Prozent ausgeworfen. Jean Rochard in der anderen Waffensteuerung erwischte mit drei Mixbahnen einen Einzelgänger der schwarzen Weißen. Geblendet schloß er die Augen. »Zur Hölle, steckt da ein Dampf dahinter!« murmelte er verblüfft, kam aber nicht dazu, noch länger über Mix nachzudenken. Miles Congollon saß im Triebwerksraum vor seiner Hauptkontrolle und ließ die Meßinstrumente nicht aus den Augen.
Er hatte sich nicht gewundert, daß seine Anzeigegeräte Werte auswarfen, wie er sie früher noch nie gesehen hatte. Wer war es noch gewesen, der einmal fragend bemerkt hatte: Kennt ihr eure POINT OF überhaupt? Brüllen tobte durch den Ringraumer. Das untere Intervall war zusammengegebrochen, und das Flaggschiff der TF flog plötzlich nur noch mit fünfzigprozentigem Schutz. Entgeistert starrten die Offiziere zum Commander hinüber. Der hatte die Führung des Schiffes immer noch nicht wieder übernommen, sondern saß seelenruhig im Pilotensitz und beobachtete die Instrumente auf dem langgestreckten Pult. »Haben gleich Licht erreicht!“, warf Riker lakonisch seinem Freund zu. In diesem Augenblick hatten sich mehr als zwanzig Schiffe auf die POINT OF eingeschossen. Etwas zu spät, denn die kurze Pause war von Riker benutzt worden, das untere Intervall wieder aufzubauen. Die Belastung unter den Volltreffern jagte dem Maximum zu. Die Bildkugel, auf stärkste Vergrößerung geschaltet, zeigte den Ringraumer, wie er von drei Seiten unter Feuer genommen wurde. Die beiden Intervallfelder waren eine einzige lodernde Energiefläche und hellten den nachtdunklen Raum so stark auf, daß blendendes Licht in die Zentrale fiel. »Funk-Z, ist Gringer klar?« »Seit Angriff, Dhark!« bellte Walt Brugg zurück. »Einsetzen!« Wieder einmal flogen die Köpfe der Offiziere im Leitstand in Richtung Commander. Gringer? Was war denn Gringer? Und seit wann konnte die Funk-Z in eine Raumschlacht eingreifen? Ein Schleier zog sich über die Bildkugel. Strahlbahnen, die in allen Regenbogenfarben leuchteten, wurden unscharf. Die nahen und fernen Sterne verschwanden. Grau begann zu dominieren. »Gringer läuft!« Dhark und Riker nickten. Selbst sie hatten diese Wirkung nicht erwartet. »WS auf Mix-2 umschalten!« Im Leitstand schluckten ein paar Offiziere. Im Triebwerk vor der Haupt-Kontrolle rieb sich Miles Congollon die Hände. Mix-2 wurde eingesetzt! Die schwarzen Weißen würden gleich ihr blaues Wunder erleben! Grappa bewegte hastig seine Augenlider und beugte sich noch weiter vor. Dann war er sich seiner Sache sicher. »Wir haben es mit Robotschiffen zu tun.« Riker grunzte, und Dhark brummte vor sich hin: »Darauf habe ich gewartet. Hallo, WS: Ich übernehme.« Vierzehn Steuerschalter, die bei allen vorausgegangenen Versuchen bisher noch nie einen Impuls weitergegeben hatten, wurden durch Ren Dharks virtuoses Können aus der NullLage heraus in andere Positionen gebracht. Blitzartig hob im Schiff ein infernalisches Brüllen an, als wolle jedes Deck sich aus seiner
Verstrebung lösen und gesondert in den Raum fliegen. Vierfünftel aller POINT OF-Antennen wurden zu Flächenprojektoren! Nur noch mit dem letzten Fünftel konnte der Ringraumer den übermächtigen Gegner abwehren. Von einem Gegenangriff war nicht mehr die Rede. »Intervalle sind abgedeckt!« rief Riker dem Commander zu. Der nickte. Er hatte Maximum noch nicht erreicht. Das war beruhigend, denn nur 4,32 Prozent mehr, und er hätte den zweiten Angriff auch noch starten müssen. Fein-Justierung war durchgeführt. Alle drei Pulks der schwarzen Weißen lagen genau im Koordinaten-Mittel. Die letzte Zeiteinheit lief gerade ab. Er griff mit dem Hy-Kon der POINT OF an! Opalisierendes Licht überflutete das Undefinierbare des Gringers. Über jeden Pulk war es zu sehen. Es hielt die Geschwindigkeit der vorwärtsjagenden Doppelkugelraumer genau mit. Das Licht bildete sich zu einem Ring, der alle Schiffe des Verbandes umschloß. Sechs dunkle, schmale Bahnen unterteilten ihn siebenfach. Sieben – ein heiliges Symbol der Mysterious? »Ortung wird ja schon wieder unklar!« tobte Grappa hinter seinem Heiligtum. »Dauert aber lange.« Dan Riker hatte sich etwas zu früh beschwert. Die drei opalisierenden Ringe mit ihren dunklen Unterteilungen hatten sich dicht um die drei Pulks gelegt. Die Schiffe der schwarzen Weißen nahmen ein wunderbar anzusehendes Leuchten an. Drei von vierzehn Steuerschaltern hatten andere Positionen einzunehmen. Herrlich, wie die Doppelkugelraumer des Gegners glänzten! Da blähten sich die sechs dunklen Unterabteilungen in den drei Ringen auf. Sie verschlangen das Opalisierende. Sie verschlangen das Leuchten auf den Doppelkugeln der schwarzen Weißen. Und dann war der Raum leer. Nur noch die Sterne gab es darin. Und die POINT OF! Das Hyper-Kontinuum hatte die Schiffe der schwarzen Weißen verschlungen! Vierzehn Steuerschalter nahmen wieder die Null-Stellung ein. »So etwas!«, kam es von den Ortungen Lässig drehte Ren Dhark sich um. Um seinen Mund lag leichtes Schmunzeln. »Was, Grappa?« »Ich habe alles begriffen, Dhark. Auch wenn Sie gleich nein sagen sollten, so bleib ich dabei, daß Sie das Hy-Kon eingesetzt haben. Sie müssen es eingesetzt haben, denn nur dadurch ist die Strukturerschütterung des Raum-Zeit-Gefüges zu erklären. Aber wie konnten Sie das Hy-Kon einsetzen?« Dharks Antwort war nicht überzeugend »Aufgrund meiner Erfahrung in der Station im Planeten Zwitt. Dort habe ich viel gelernt, als ich unter Hypno-Zwang zum Checkmaster der Station wurde. Dort habe ich sehr viel gelernt.«
Tino Grappa glaubte seinem Kommandanten zum erstenmal kein Wort. »Ich habe auch viel gelernt. Wenn ich nur wüßte, wie und wann. Ich habe vorhin von der Spannung des Hyperspace gesprochen, die sich erst wieder einpendeln müsse. Wie komme ich dazu? Woher weiß ich, daß der Hyperspace eine Spannung hat? Und wieso greift auf einmal die Funk-Z mit einem Ginscher oder Schincher oder wie das Ding heißt, in Kämpfe ein? Was hat man sich unter einem abgedeckten Intervall vorzustellen? Und dann Mix, Commander? Mix? Warum sagen Sie nichts, Dhark?« Er log. Er mußte zur Notlüge greifen. Niemand, bis auf ein paar Auserwählte, durften etwas von Erron-3 im blaßblauen Universum wissen. Niemals durfte diese Ballung an technischem Können einem Menschen in die Hand fallen, der Machtgelüste besaß. Erron-3 konnte der Untergang der ganzen Menschheit sein. Erron-3 konnte aber auch der Galaxis den Untergang bringen. Ja, in diesem Moment, in dem ihn Tino Grappa auffordernd und bittend zugleich ansah, kämpfte Ren Dhark einen ganz anderen Kampf in seinen Gedanken. Wieder wühlte die Frage in ihm: Sind die Mysterious auch die Grakos der Milchstraße gewesen? Die Antwort pendelte zum Ja hin! Erron-3 war der Beweis! Auch in Erron-3 hatte es keine Mentcap gegeben, die ihm und Riker vermittelten, wie die Mysterious ausgesehen hatten. Aber wer verbirgt denn sein Gesicht? Doch nur ein Verbrecher! Oder – wenn er ein Grako ist! –ENDE–
REN DHARK Colonel Janos Szardak, gerade von der Nogk-Expedition zurück, erhält von Monty Bell, Chef des Forschungszentrums Alamo Gordo, den Auftrag, das Spannungsfeld der Galaxis, das sog. Expekt, zu untersuchen. Doch auf dem Flug zum Rand der Galaxis erreicht ihn ein Notruf der Utaren, die von den unheimlichen schwarzen Schiffen angegriffen werden, die auch schon den Nogks so schwere Verluste zugefügt haften. In der Nähe von Esmaladan, der Heimatwelt der Utaren, ist der terranische Kugelraumer EAGLE auf einem Methanplaneten notgelandet. Die Mannschaft entdeckt auf diesem Planeten eine riesige Höhle, die eine wahre Hölle beherbergt. Doch die Männer der EAGLE kämpfen sich durch alle Widrigkeiten hindurch und finden in der Höhle zur Überraschung aller – neun Flash, Beiboote der Mysterious ! Lesen Sie in 14 Tagen Ren Dhark Band 84
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