Teubner Studienbücher Wirtschaftsmathematik Albrecht Irle, Claas Prelle
Übungsbuch Finanzmathematik
Teubner Studienbücher Wirtschaftsmathematik Herausgegeben von Prof. Dr. Bernd Luderer, Chemnitz
Die Teubner Studienbücher Wirtschaftsmathematik behandeln anschaulich, systematisch und fachlich fundiert Themen aus der Wirtschafts-, Finanz- und Versicherungsmathematik entsprechend dem aktuellen Stand der Wissenschaft. Die Bände der Reihe wenden sich sowohl an Studierende der Wirtschaftsmathematik, der Wirtschaftswissenschaften, der Wirtschaftsinformatik und des Wirtschaftsingenieurwesens an Universitäten, Fachhochschulen und Berufsakademien als auch an Lehrende und Praktiker in den Bereichen Wirtschaft, Finanz- und Versicherungswesen.
Albrecht Irle, Claas Prelle
Übungsbuch Finanzmathematik Leitfaden, Aufgaben und Lösungen zur Derivatbewertung
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
abrufbar. Prof. Dr. rer. nat. Albrecht Irle Geboren 1949 in Hannover. Studium der Mathematik und Physik mit Promotion 1974 und Habilitation 1979 an der Universität Münster in Mathematik. Nach Professuren in Bayreuth und Münster seit 1984 Professor für Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik am Mathematischen Seminar der Universität Kiel. Dipl.-Math. Dipl.-Volksw. Claas Prelle Geboren 1980 in Heidelberg. Studium an der Universität Kiel mit Diplom in Mathematik 2004 und in Volkswirtschaftslehre 2005. Seit 2005 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Mathematischen Seminar der Universität Kiel.
1. Auflage März 2007
Alle Rechte vorbehalten © B.G. Teubner Verlag / GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Ulrich Sandten / Kerstin Hoffmann Der B.G. Teubner Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.teubner.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Ulrike Weigel, www.CorporateDesignGroup.de Druck und buchbinderische Verarbeitung: Strauss Offsetdruck, Mörlenbach Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier. Printed in Germany
ISBN 978-3-8351-0086-2
Vorwort Der Einzug von modernen stochastischen Methoden in die Untersuchung von finanzwirtschaftlichen Problemen hat zu einem ¨außerst fruchtbaren Zusammenwirken von Mathematik und Wirtschaftswissenschaften gef¨ uhrt. Die bahnbrechenden und 1997 durch die Verleihung des Nobelpreises gew¨ urdigten Arbeiten von Black und Scholes (1973) und Merton (1973) zur Preisfestsetzung und Absicherung von Finanzderivaten haben Theorie und Praxis der Finanzm¨arkte entscheidend gepr¨agt. In der letzten Dekade ist eine F¨ ulle von Lehrb¨ uchern zu diesem Themenkreis erschienen. Dazu geh¨ort auch das Lehrbuch Finanzmathematik. Die Bewertung von Derivaten eines der Autoren dieses Textes, dessen aktuelle Aufla¨ ge eine Vielfalt von Ubungsaufgaben enth¨alt, allerdings ohne Hinweise zu ihren L¨osungen. Der vorliegende Text enth¨alt die vollst¨andigen und ausf¨ uhrlichen Musterl¨osungen ¨ zu diesen Ubungsaufgaben. Damit soll dem Leser L¨osungs- und Darstellungskompetenz vermittelt werden f¨ ur Aufgaben sowohl von praktischem als auch von theoretischem Charakter. Das Spektrum reicht von der numerischen Berechnung von Optionspreisen in diskreten Modellen bis hin zur stochastischen Analysis und ihren Anwendungen in allgemeinen Finanzm¨arkten. Bei der Anfertigung dieses Textes haben wir das Ziel verfolgt, daß die L¨osungswege ohne Nachschlagen im erw¨ahnten Referenzlehrbuch oder in weiteren Texten nachvollziehbar sind. Daher enth¨alt der erste Teil unseres Textes einen Leitfaden der wesentlichen Inhalte der Derivattheorie und ihrer stochastischer Grundlagen. Folgend dem Kapitelaufbau im Referenzlehrbuch werden die wichtigsten Fakten und Methoden in zusammengefaßter Weise dargestellt, ohne mathematische Beweisf¨ uhrungen aber unter Beibehaltung einer strukturierten Darstellung. Wir hoffen, daß dieser erste Teil als Kompendium im Sinne eines Nachschlagewerks und einer Ged¨achtnisauffrischung dienen wird.
Kiel, im Februar 2007
A. Irle, C. Prelle
Inhaltsverzeichnis Teil I: Leitfaden und Aufgaben 1 Einfu ¨ hrung in die Preistheorie Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Stochastische Grundlagen diskreter M¨ arkte Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Preistheorie im n-Perioden-Modell Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Amerikanische Claims und optimales Stoppen Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Der Fundamentalsatz der Preistheorie Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Stochastische Grundlagen kontinuierlicher M¨ arkte Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Der Wienerprozeß Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Das Black-Scholes-Modell Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Das stochastische Integral Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Stochastische Integration und Lokalisation Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Quadratische Variation und die Itˆ o-Formel
11 19 22 29 31 38 42 50 53 54 57 60 62 68 71 78 80 85 86 90 92
Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
12 Das Black-Scholes-Modell und stochastische Integration
101
Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 13 M¨ arkte und stochastische Differentialgleichungen
108
Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 14 Anleihenm¨ arkte und Zinsstrukturen
118
Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
Teil II: L¨ osungen zu den Aufgaben Lo ¨sungen zu Kapitel 1
131
L¨ osungen zu Kapitel 2
137
L¨ osungen zu Kapitel 3
143
L¨ osungen zu Kapitel 4
155
L¨ osungen zu Kapitel 5
161
L¨ osungen zu Kapitel 6
167
L¨ osungen zu Kapitel 7
171
L¨ osungen zu Kapitel 8
179
L¨ osungen zu Kapitel 9
187
Lo ¨sungen zu Kapitel 10
191
L¨ osungen zu Kapitel 11
195
L¨ osungen zu Kapitel 12
199
L¨ osungen zu Kapitel 13
204
L¨ osungen zu Kapitel 14
210
Literaturverzeichnis
218
Sachverzeichnis
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Kapitel 1 Einfu ¨ hrung in die Preistheorie 1.1 Finanzm¨ arkte Finanzm¨arkte haben entscheidenden Einfluß auf die globalisierte Weltwirtschaft gewonnen. Seit den bahnbrechenden, 1997 durch die Verleihung des Nobelpreises gew¨ urdigten Arbeiten von Black und Scholes (1973) und Merton (1973) haben die stochastischen Modellierungen von Finanzm¨arkten und die daraus abgeleiteten mathematischen Verfahren zur Preisfestsetzung von auf diesen M¨arkten gehandelten Finanzg¨ utern die Theorie und Praxis der Finanzm¨arkte wesentlich gepr¨agt. Von den verschiedenen Typen von Finanzm¨arkten seien hier angesprochen: Aktienm¨arkte, den Handel mit Aktien regulierend, Rentenm¨arkte, die den Handel mit verzinslichen Wertpapieren betreffen, W¨ahrungsm¨arkte, die den Kauf und Verkauf von W¨ahrungen regulieren, Warenm¨arkte, zum Handel mit Waren ¨ und Gold. wie Ol Die auf diesen M¨arkten gehandelten G¨ uter wollen wir Basisg¨ uter nennen. Seit der Gr¨ undung der Chicago Board Option Exchange am 26.4.1973 hat der Handel mit in die Zukunft reichenden Kontrakten u uter und sich dar¨ber Basisg¨ aus entwickelnd u uter jeder erdenklichen Art enorme Bedeutung ge¨ber Finanzg¨ wonnen. Solche Kontrakte, von denen als wichtige Typen hier Optionen und Futures genannt seien, werden als derivative Finanzg¨uter, Derivate, bezeichnet. Der Handel mit solchen Kontrakten wird auf Futuresm¨arkten und Optionenm¨arkten durchgef¨ uhrt. Als zusammenfassende Bezeichnung sowohl f¨ ur Basisg¨ uter als auch f¨ ur Derivate jeglicher Art werden wir den Begriff des Finanzguts benutzen. 1.2 Forward und Future Forwards und Futures sind Kontrakte, ein Finanzgut zu einem zuk¨ unftigen Erf¨ ullungszeitpunkt T bzw. innerhalb eines zuk¨ unftigen Zeitraums [T, T ′ ] zu einem
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1. Einf¨uhrung in die Preistheorie
vereinbarten Erf¨ ullungspreis F zu verkaufen bzw. zu kaufen. Wir sprechen dabei von einer long position bei Eingehen eines Kaufkontrakts und einer short position bei Eingehen eines Verkaufskontraktes. Futures werden auf den zugeh¨origen Finanzm¨arkten gehandelt, was eine Absicherung zu ihrer Erf¨ ullung beinhaltet. Ein entsprechender Kontrakt zwischen zwei Parteien, der auf individuellen Absprachen ohne Markteinschaltung beruht, wird als Forward bezeichnet. Es stellt sich die Frage nach der Vereinbarung des Erf¨ ullungspreises F bei einem Forward bzw. einem Future. 1.3 Option Eine Call-Option, kurz Call, gibt dem K¨aufer das Recht, ein bestimmtes Finanzgut bis zu einem zuk¨ unftigen Zeitpunkt T zu einem vereinbarten Preis K, dem Aus¨ ubungspreis, zu kaufen. Eine Put-Option, kurz Put, gibt dem K¨aufer entsprechend das Verkaufsrecht. Der Optionskontrakt beinhaltet im Unterschied zum Forward oder Future nicht die Pflicht zu seiner Aus¨ ubung. Ist die Aus¨ ubung der Option nur zum Verfallszeitpunkt T m¨oglich, so sprechen wir von einer europ¨aischen Option. Kann die Option jederzeit bis zum Zeitpunkt T ausge¨ ubt werden, bezeichnen wir sie als amerikanische Option. Dies beschreibt die vier grundlegenden Optionstypen, als Plain Vanilla Options bezeichnet, den europ¨aischen Call und Put sowie den amerikanischen Call und Put. Eine enorme F¨ ulle weiterer Optionstypen stehen auf den Finanzm¨arkten zur Verf¨ ugung. Beim K¨aufer einer Option liegt eine long position vor, beim Verk¨aufer eine short position. Selbstverst¨andlich verlangt der Verk¨aufer einer Option vom K¨aufer einer solchen einen gewissen Preis f¨ ur das im Optionskontrakt verbriefte Recht. Entscheidend ist nun die Frage nach der Festsetzung dieses Preises. Die schon angef¨ uhrten Arbeiten von Black und Scholes und Merton haben eine rationale Theorie dieser Preisfindung ins Leben gerufen und damit Theorie und Praxis des Handelns mit Optionen entscheidend gepr¨agt. 1.4 Arbitrage Der Zugang zur Preistheorie f¨ ur Derivate wird durch den Begriff der Arbitrage gegeben. Als Arbitrage bezeichnen wir einen risikolosen Profit beim Handel mit Finanzg¨ utern, z.B. beim Handel mit Aktien. Als Arbitragem¨oglichkeit verstehen wir die M¨oglichkeit risikolosen Profits, und als Arbitrageur wird ein Marktteilnehmer auf der Suche nach risikolosem Profit bezeichnet. Auch wenn konkrete Finanzm¨arkte kurzzeitig auftretende Arbitrage erm¨oglichen sollten, was in etlichen Studien kontrovers diskutiert wird, so gehen wir bei einem idealisierten Finanzmarkt davon aus, daß durch Transparenz und Effizienz keine Arbitragem¨oglichkeiten existieren. F¨ uhren wir nun in einem solchen idealen Finanzmarkt ein derivatives Finanzgut ein, ist die Preisfestsetzung so durchzuf¨ uhren, daß im durch
13 den Handel mit dem Derivat vergr¨oßerten Finanzmarkt keine Arbitrage entsteht. Wir nehmen dabei stets an, daß der Derivathandel die Preise der Basisg¨ uter nicht ¨ beeinflußt. Uberlegungen dieser Art sind grundlegend f¨ ur die Preistheorie f¨ ur Finanzm¨arkte, und wir wollen dies f¨ ur das folgende festhalten als 1.5 Leitmotiv der Preistheorie Preisfestlegungen f¨ ur Finanzg¨ uter sind so durchzuf¨ uhren, daß keine Arbitrage auftritt. Wir werden dies als No-Arbitrage-Prinzip bezeichnen. 1.6 Preisvereinbarung bei einem Forward und short selling Gesucht wird der Erf¨ ullungspreis F eines Forwardkontrakts mit Erf¨ ullungszeitpunkt T > 0 f¨ ur ein Finanzgut mit Preis S0 zum mit 0 bezeichneten derzeitigen Zeitpunkt. Am Markt liege die kontinuierliche Zinsrate r vor, so daß ein Bankguthaben von einer Einheit im Zeitraum t auf ert w¨achst. Das No-Arbitrage-Prinzip liefert dann f¨ ur den Erf¨ ullungspreis F = S0 erT . Ist z.B. F < S0 erT gehen wir eine long position im Forward und eine short position im Gut ein, d. h. wir leihen das Gut zum Zeitpunkt 0 und verkaufen das Gut zum Preis S0 . Diesen Betrag legen wir verzinslich an. Als risikolosen Gewinn erhalten wir nach Erf¨ ullen der long position im Forward und R¨ uckgabe des ausgeliehenen Guts S0 erT − F > 0. Diese Arbitragestrategie beinhaltet das Eingehen einer short position durch Ausleihen ¨ und anschließenden Ausgleich der Position. Dieses kann die Ubernahme weiterer Verpflichtungen wie Dividendenzahlungen w¨ahrend der Ausleihzeit beinhalten. Diese Art des Ausleihens wird als short selling, Leerverkauf, bezeichnet, wobei in der Praxis zu beachten ist, daß short selling auf unterschiedlichen Finanzm¨arkten auch unterschiedlichen Restriktionen unterliegt. 1.7 Put-Call-Parit¨ at Betrachten wir zwei verschiedene Kombinationen von Finanzg¨ utern, deren Werte V und W zu einem zuk¨ unftigen Zeitpunkt T mit Sicherheit u ¨ bereinstimmen, so liefert das No-Arbitrage-Prinzip, daß die Werte V0 und W0 zum gegenw¨artigen Zeitpunkt ebenfalls u ¨bereinstimmen. Dieses kann auf den europ¨aischen Call und Put angewandt werden. Wir betrachten dazu einen Call und einen Put auf ein Finanzgut mit identischem Aus¨ ubungspreis K und Verfallszeitpunkt T . Ist AT der Preis des Finanzguts zum Zeitpunkt T , so betr¨agt der Wert des Calls zu diesem Zeitpunkt C = (AT − K)+ , denn der Call gibt das Recht, das Finanzgut zum Preis K zu kaufen. Er wird also ausge¨ ubt, falls AT > K vorliegt mit resultierendem Profit AT −K. Im Falle AT ≤ K verf¨allt der Call mit resultierendem Wert 0. Entsprechend ergibt sich der Wert des Puts zum Zeitpunkt T als P = (K − AT )+ , also C − P = AT − K. Unter Anwendung
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1. Einf¨uhrung in die Preistheorie
des No-Arbitrage-Prinzips erhalten wir die Put-Call-Parit¨at A0 + P0 = C0 + Ke−rT . Dabei ist A0 der Preis des Finanzguts zum derzeitigen Zeitpunkt, Ke−rT der diskontierte Wert des Betrags K, und C0 und P0 sind die Preise von Call und Put zum derzeitigen Zeitpunkt. Als Folgerung aus der Put-Call-Parit¨at erhalten wir C0 ≥ max{0, A0 − Ke−rT }, was als europ¨aische Wertuntergrenze bezeichnet wird. In unserer mathematischen Beschreibung von Finanzm¨arkten haben wir nat¨ urlich zu ber¨ ucksichtigen, daß die Preisentwicklung von Finanzg¨ utern im allgemeinen vielf¨altigen zuf¨alligen Gegebenheiten unterliegt. Wir benutzen zur Modellierung die Begriffswelt der Wahrscheinlichkeitstheorie, so daß auf einem grundlegenden Wahrscheinlichkeitsraum Preise von Finanzg¨ utern durch Zufallsgr¨oßen modelliert werden. Wie in der Wahrscheinlichkeitstheorie u ¨ blich identifizieren wir Zufallsgr¨oßen, die mit Wahrscheinlichkeit 1 u ¨bereinstimmen. Wir benutzen daher die folgenden Schreibweisen: 1.8 Schreibweisen X, Y : Ω → IR seien Zufallsgr¨oßen auf einem Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, A, P ). Dann schreiben wir X = Y f¨ ur P (X = Y ) = 1 und X ≥ Y f¨ ur P (X ≥ Y ) = 1. Zur Einf¨ uhrung wird zun¨achst die mathematische Modellierung eines Finanzmarktes mit nur zwei Handelszeitpunkten gegeben, als 0 und 1 bezeichnet. Dabei steht 0 f¨ ur den gegenw¨artigen Zeitpunkt, zu dem die Preise der betrachteten Finanzg¨ uter bekannt sind und das Portfolio, also die Kombination der in der Handelsperiode gehaltenen Finanzg¨ uter, zusammengestellt wird. 1 beschreibt den zuk¨ unftigen Zeitpunkt, in dem sich der Wert des Portfolios aus der zuf¨alligen Preisentwicklung der einzelnen Finanzg¨ uter ergibt. 1.9 Ein-Perioden-Modell und Portfolio Betrachtet werden g Finanzg¨ uter 1, . . . , g mit bekannten, festen Preisen Sj,0 zum Zeitpunkt 0 und zuf¨alligen Preisen Sj,1 zum Zeitpunkt 1, j = 1, . . . , g . Also liegt vor: ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ S1,0 S1,1 ⎥ ⎥ ⎢ ⎢ S0 = ⎣ ... ⎦ ∈ IRg , S1 = ⎣ ... ⎦ : Ω → IRg Sg,0 Sg,1 als Zufallsvariable auf einem Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, A, P ). Ein Portfolio ist ein Vektor x mit Komponenten x1 , . . . , xg , die die St¨ uckzahlen von Gut 1, . . . , g im Bestand angeben. Es besitzt den Wert xT S0 in 0 und den Wert xT S1 in 1.
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Wir nehmen an, daß in unserem Modell eine risikofreie Anlagem¨oglichkeit existiert, die uns bei geeigneter Zusammenstellung des Portfolios im Zeitpunkt 0 einen festen Betrag, der ohne Einschr¨ankung als 1 angenommen sei, zum Zeitpunkt 1 garantiert, also ein Portfolio x mit xT S0 > 0 und xT S1 = 1. Gedacht wird dabei an eine festverzinsliche Anlage. Dabei wird x als risikofreies Portfolio und B1 = xT S0 als Diskontierungsfaktor bezeichnet. 1.10 Arbitrage und Arbitragefreiheit Im Ein-Perioden-Modell wird ein Portfolio x als Arbitrage bezeichnet, falls gilt: xT S0 ≤ 0, xT S1 ≥ 0 mit xT S0 < 0 oder P (xT S1 > 0) > 0. Das Modell heißt arbitragefrei, falls keine Arbitrage existiert. Leicht einzusehen ist: Ein Ein-Perioden-Modell ist arbitragefrei, falls keine Arbitrage x mit xT S0 = 0 existiert. Ferner ist in einem arbitragefreien Modell der Diskontierungsfaktor B1 eindeutig bestimmt. Die folgende stochastische Modellbildung ist von besonders einfacher Struktur und liefert nat¨ urlich nur einen sehr groben Ausschnitt aus der Finanzmarktrealit¨at. Allerdings werden wir sp¨ater sehen, daß aus solchen einfachen Modellen realistischere Approximationen f¨ ur das tats¨achliche Verhalten von Finanzm¨arkten zusammengesetzt werden k¨onnen. 1.11 Festverzinsliche Anlage und Aktie Betrachtet werden eine festverzinsliche Anlage mit Verzinsung ρ und eine Aktie mit bekanntem Kurs A0 in t = 0 und zufallsabh¨angigem Kurs A1 in t = 1, also 1 1+ρ S0 = , S1 = . A0 A1 Dabei sei nur eine Kursbewegung der Form uA0 mit Wahrscheinlichkeit A1 = dA0 mit Wahrscheinlichkeit
p 1−p
mit Konstanten u > d > 0 m¨oglich. Modelliert werden kann dieses durch Ω = {ω1 , ω2 }, P ({ω1}) = p = 1 − P ({ω2}), A1 (ω1 ) = uA0 , A1 (ω2 ) = dA0 . Die festverzinsliche Anlage liefert die risikofreie Anlagem¨oglichkeit mit Diskon1 tierungsfaktor B1 = 1+ρ . Arbitragefreiheit ist ¨aquivalent zu d < 1 + ρ < u.
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1. Einf¨uhrung in die Preistheorie
1.12 Claim und Hedge Der Halter einer Option besitzt einen Anspruch gegen¨ uber dem Verk¨aufer einer Option, dessen H¨ohe im allgemeinen zufallsabh¨angig ist. Ein solcher Finanztitel, also ein Anspruch auf Auszahlung, sei, der pr¨agnanten internationalen Bezeichnung folgend, als Claim bezeichnet. In einem Ein-Perioden-Modell ist also ein Claim eine Zufallsgr¨oße C : Ω → IR und berechtigt den Inhaber zum Erhalt der im allgemeinen zufallsabh¨angigen Auszahlung C zum Zeitpunkt 1. Ein wesentliches Anliegen f¨ ur den Verk¨aufer eines Claims ist die Absicherung gegen¨ uber dem durch den Claim definierten zuf¨alligen Anspruch. Eine solche Absicherung ist gegeben durch ein Portfolio, das, im Zeitpunkt 0 zusammengestellt, mit seinem Wert zum Zeitpunkt 1 den Claim bei beliebiger zufallsabh¨angiger Entwicklung reproduziert. Durch Erwerb dieses Portfolios zum Zeitpunkt 0 besitzt der Verk¨aufer den Gegenwert zum Claim und kann durch Verkauf des Portfolios den Claim erf¨ ullen. Wir kommen damit zur folgenden Begriffsbildung: Ein Claim C heißt absicherbar, falls ein Portfolio x existiert mit C = xT S1 . Ein solches Portfolio x wird als Hedge, absicherndes Portfolio, bezeichnet. 1.13 Vollst¨ andigkeit Von besonderem Interesse sind Finanzmarktmodelle, in denen jeder Claim absicherbar ist. Diese werden als vollst¨andig bezeichnet. Das Ein-Perioden-Modell f¨ ur eine festverzinsliche Anleihe und eine Aktie gem¨aß 1.11 ist vollst¨andig. Bei einem Claim C mit Auszahlung c1 bei steigendem, c2 bei fallendem Kurs ist der Hedge gegeben durch x1 =
uc1 − dc2 c1 − c2 . , x2 = (1 + ρ)(u − d) (u − d)A0
Betrachtet sei ein Ein-Perioden-Modell f¨ ur einen Finanzmarkt und darin ein Claim C, der nun ebenfalls auf diesem Finanzmarkt gehandelt wird. Im Zeitpunkt 1 ist der Preis f¨ ur den Claim notwendigerweise C, da sich andernfalls offensichtliche Arbitragem¨oglichkeiten ergeben. Unter Benutzung der eingef¨ uhrten Begriffe Absicherbarkeit und Hedge k¨onnen wir nun eine Antwort geben auf die zentrale Fragestellung, wie die Preisfestsetzung zum Zeitpunkt 0 f¨ ur einen solchen handelbaren Claim geschehen soll. Aus dem No-Arbitrage-Prinzip folgt: 1.14 Satz zur Preisfestsetzung Es liege ein arbitragefreies Ein-Perioden-Modell vor. C = xT S1 sei ein absicherbarer Claim mit Hedge x. Dann ist das um den Handel mit C erweiterte Modell genau dann arbitragefrei, wenn in t = 0 der Preis des Claims xT S0 ist.
17 1.15 Preisfestsetzung fu ¨ r einen absicherbaren Claim Sei C ein absicherbarer Claim in einem arbitragefreien Ein-Perioden-Modell mit Hedge x, also C = xT S1 . Der arbitragefreie, faire Preis dieses Claims zum Zeitpunkt 0 ist definiert durch s(C) = xT S0 . Zu beachten ist, daß dieser Preis eindeutig bestimmt ist. Ist n¨amlich x˜ ein weiterer Hedge f¨ ur C, so folgt xT S0 = x˜T S0 , da sich anderenfalls eine Arbitragem¨oglichkeit ergeben w¨ urde. Wir werden nun eine wahrscheinlichkeitstheoretische Umformulierung der Arbi¨ tragefreiheit kennenlernen. Die dabei durchgef¨ uhrten Uberlegungen werden sich in den sp¨ateren Kapiteln auf Finanzmarktmodelle mit mehreren Handelsperioden und mit kontinuierlichem Handeln u ¨bertragen lassen und so eine mathematisch einwandfreie Theorie der in der Praxis gebr¨auchlichen Finanzmarktmodelle erm¨oglichen. Dazu werden die folgenden Konzepte aus der Wahrscheinlichkeitstheorie ben¨otigt. 1.16 Absolutstetigkeit und Dichten Sei neben dem Ausgangswahrscheinlichkeitsmaß P ein weiteres Wahrscheinlichkeitsmaß Q betrachtet. Dann definieren wir: Q ≪ P ( Q absolutstetig bzgl. P ), falls gilt: P (N) = 0 ⇒ Q(N) = 0, Q ∼ P ( Q ¨aquivalent zu P ), falls gilt: P (N) = 0 ⇔ Q(N) = 0.
Ist L ≥ 0 eine Zufallsgr¨oße mit LdP = 1, so wird durch LdP f¨ ur alle A ∈ A Q(A) = A
ein Wahrscheinlichkeitsmaß definiert. Dabei ist Q ≪ P , ferner Q ∼ P genau dann, wenn P (L > 0) = 1 vorliegt. Wir bezeichnen L als P -Dichte von Q. Sind L und L′ P -Dichten von Q, so folgt L = L′ im Sinne von P (L = L′ ) = 1, und wir schreiben dQ L= . dP Wir benutzen die Bezeichnungsweise E f¨ ur die Erwartungswertbildung bzgl. des Ausgangswahrscheinlichkeitsmaßes P , ferner EQ f¨ ur die Erwartungswertbildung bzgl. eines weiteren Wahrscheinlichkeitsmaßes Q. Beim Vorliegen einer Dichte gilt die Umrechnungsformel dQ dQ EQ X = XdQ = X dP = E(X ). dP dP
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1. Einf¨uhrung in die Preistheorie
Wir erhalten mit diesen Begriffsbildungen folgendes Resultat. 1.17 Satz zur Charakterisierung der Arbitragefreiheit In einem Ein-Perioden-Modell sind ¨aquivalent: (i) Das Modell ist arbitragefrei. (ii) Es existieren ein zu P ¨aquivalentes Wahrscheinlichkeitsmaß Q und ein B > 0 mit EQ |BS1 | < ∞ und S0 = EQ (BS1 ). 1.18 Risikoneutrales Wahrscheinlichkeitsmaß Ein Wahrscheinlichkeitsmaß Q, das die Bedingungen des vorstehenden Satzes erf¨ ullt, wird als ¨aquivalentes risikoneutrales Wahrscheinlichlichkeitsmaß bezeichnet. Das ¨aquivalente risikoneutrale Wahrscheinlichkeitsmaß ist im allgemeinen nicht eindeutig. F¨ ur B gilt jedoch B = B1 , wobei B1 der eindeutig bestimmte Diskontierungsfaktor im Modell ist. Die Bedeutung des ¨aquivalenten risikoneutralen Wahrscheinlichkeitsmaßes liegt darin, daß es zur Preisbestimmung benutzt werden kann. F¨ ur jedes risikobehaftete Finanzgut ist die bzgl. Q erwartete Rendite EQ Si,1 gleich der Rendite B11 in der risikofreien Anlage, und dies hat zu der BeSi,0 zeichnung von Q als risikoneutral gef¨ uhrt. 1.19 Preisfestsetzung mit dem risikoneutralen Wahrscheinlichkeitsmaß Der faire Preis a f¨ ur einen absicherbaren Claim C = xT S1 in einem arbitragefreien Ein-Perioden-Modell ist gegeben durch s(C) = EQ (B1 C), wobei Q ein ¨aquivalentes risikoneutrales Wahrscheinlichkeitsmaß und B1 der Diskontierungsfaktor ist. Dies ergibt sich sofort aus der G¨ ultigkeit von xT S0 = EQ (B1 C) f¨ ur jedes ¨aquivalente risikoneutrale Q. In dieser Darstellung des fairen Preises tritt die Gestalt des Hedge nicht mehr explizit auf. Liegt ein vollst¨andiges Modell vor, so ist jeder Claim absicherbar und die Preisfestsetzung kann ohne die Bestimmung von absichernden Portfolios durchgef¨ uhrt werden. 1.20 Satz zur Eindeutigkeit Ein arbitragefreies Ein-Perioden-Modell ist genau dann vollst¨andig, wenn das ¨aquivalente risikoneutrale Wahrscheinlichkeitsmaß eindeutig ist.
19 1.21 Zur Bestimmung des risikoneutralen Wahrscheinlichkeitsmaßes Ein ¨aquivalentes risikoneutrales Wahrscheinlichkeitsmaß Q bestimmt sich aus der Gleichung S0 = EQ (B1 S1 ). Betrachten wir einen arbitragefreien Finanzmarkt f¨ ur eine festverzinsliche Anlage und eine Aktie gem¨aß 1.11 mit P (A1 = uA0 ) = p = 1 − P (A1 = dA0 ), so ist das ¨aquivalente risikoneutrale Wahrscheinlichkeitsmaß gegeben durch Q(A1 = uA0 ) = q = 1 − Q(A1 = dA0 ) mit q =
1+ρ−d . u−d
¨ Beim Ubergang von P zu Q ist also lediglich p durch q zu ersetzen.
In diesem Beispiel gibt der Parameter p die Wahrscheinlichkeit f¨ ur einen Anstieg der Aktienkurse an. Die Bulls, also die Optimisten am Finanzmarkt, werden ein großes p erwarten, die pessimistischen Bears werden mit einem kleinen Parameter rechnen. Das von uns in diesen Beispielen bestimmte ¨aquivalente risikoneutrale Wahrscheinlichkeitsmaß Q ist jedoch unabh¨angig von diesem Parameter, dessen Einsch¨atzung Optimisten und Pessimisten separiert. Ebenso ist der faire Preis von Claims unabh¨angig von p und kann von Bulls und Bears gleichermaßen akzeptiert werden.
Aufgaben Aufgabe 1.1 Ein Landwirt z¨ uchtet Ferkel und erzielt gegenw¨artig einen Preis von 20 Euro pro Ferkel. Er bef¨ urchtet, daß bei Abbau von Subventionen der Ferkelpreis im kommenden Jahr auf 60 % des derzeitigen Wertes fallen k¨onnte. Werden die Subventionen nicht gestrichen, so erwartet er eine Steigerung auf 120 %. Der Landwirt hat trotz des geringen Ferkelpreises noch 1.500 Euro zur Verf¨ ugung, die er investieren m¨ochte, um sich in einem Jahr den gleichen Preis pro Ferkel zu sichern. Welches Derivat ist f¨ ur den Landwirt geeignet, und f¨ ur wie viele Ferkel reicht der Investitionsbetrag zur Preisabsicherung, wenn ein Zinssatz von 4 % pro Jahr angenommen wird? Die Bankfiliale in der Kreisstadt bietet ihm dieses Derivat zum Preis s an. Bei welchen Werten von s ergeben sich Arbitragem¨oglichkeiten? Aufgabe 1.2 Betrachtet werde folgendes Ein-Perioden-Modell f¨ ur Aktie und festverzinsliche Anleihe. Der Anfangskurs sei jeweils 1. Die Verzinsung der Anleihe sei ρ = 0,05. Der Endkurs A1 der Aktie sei gegeben durch A1 (ω1 ) = 2 und A1 (ω2 ) = 0,5. Es wird ein Derivat C angeboten mit der Auszahlung C(ω1 ) = 3 , C(ω2 ) = 0,2. ¨ Wie verhalten Sie sich? Uberlegen Sie sich, wie Sie durch ein Portfolio aus Anleihe und Aktie die Auszahlung des Derivats erreichen k¨onnen.
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1. Einf¨uhrung in die Preistheorie
Aufgabe 1.3 Betrachten Sie ein Ein-Perioden-Modell mit festverzinslicher Anlage und einer Aktie mit einem Ausgabepreis von 100 Euro. F¨ ur den Endpreis der Aktie k¨onnen nur die folgenden drei F¨alle auftreten: Der Aktienpreis f¨allt auf 90 Euro, bleibt unver¨andert oder steigt auf 120 Euro. Ein Derivateh¨andler verkaufe 15 Calls mit einem Aus¨ ubungspreis K, 90 ≤ K < 120. Der Zinssatz betrage ρ = 6 %. (a) Zeigen Sie, daß genau ein K existiert, f¨ ur das es einen Hedge gibt. (b) Wie sieht das zugeh¨orige Portfolio aus, und welcher faire Preis pro Call ergibt sich? Aufgabe 1.4 Neuerdings bieten diverse Banken sogenannte Aktienanleihen an. Diese sind charakterisiert durch die Laufzeit t, die zugrundeliegende Aktie mit Preisen A0 , At , den einzuzahlenden Nominalbetrag N, den Basispreis K und die zugesicherte Verzinsung pro Jahr mit Zinssatz ρ. Der K¨aufer zahlt dem Verk¨aufer anfangs den Nominalbetrag. Am Ende der Laufzeit zahlt der Verk¨aufer dem K¨aufer entweder den Nominalbetrag zur¨ uck - im N Falle At > K- oder u Aktien - im Falle At ≤ K. In beiden ¨bertr¨agt ihm n = K F¨allen zahlt der Verk¨aufer die zugesicherte Verzinsung auf den Nominalbetrag an den K¨aufer. (a) Konstruieren Sie einen Hedge aus festverzinslicher Anlage und gew¨ohnlicher“ ” Option f¨ ur eine solche Aktienanleihe. (b) Diskutieren Sie die folgende Information einer deutschen Großbank zum Finanzgut Aktienanleihe Plus. Information einer deutschen Großbank:
Aktienanleihe Plus – hohe Ertragschancen bei reduziertem Risiko Die Idee! Anleger, die in Aktienanleihen investieren, erwarten eine tendenziell seitw¨arts gerichtete oder leicht steigende Aktienmarktentwicklung ohne große Kurseinbr¨ uche und m¨ ochten in diesem Umfeld eine m¨oglichst hohe Rendite erzielen. Die neue Aktienanleihe Plus ist eine Weiterentwicklung der ”klassischen Aktienanleihe”, die Verlustrisiken weiter reduziert und richtet sich insbesondere an diejenigen Anleger, die ein Plus an Sicherheit bei einem im Vergleich zur klassischen Aktienanleihe leicht reduzierten Kupon bevorzugen.
Was ist eine Aktienanleihe? Die Aktienanleihe Plus ist ein mit einem deutlich u ¨ber dem Marktzins liegenden Kupon ausgestattetes Wertpapier, bei dem die R¨ uckzahlungsbedingungen besonders ausgestaltet sind. Entweder zahlt der Emittent das Nominalkapital vollst¨andig in Geld zur¨ uck, oder er
21 nimmt die R¨ uckzahlung in Form einer Aktienlieferung vor. Bei der klassischen Aktienanleihe erfolgt die Tilgung zum Nominalbetrag, falls der Aktienkurs der zugrundeliegenden Aktie am Bewertungstag kurz vor Ende der Laufzeit auf oder oberhalb des sogenannten Basispreises notiert, andernfalls werden Aktien geliefert. Der Basispreis und die Anzahl der gegebenenfalls zu liefernden Aktien, sowie die H¨ohe des Kupons werden im Voraus festgelegt (vorbehaltlich Kapitelmaßnahmen). Bei der Aktienanleihe Plus wird nun im Unterschied zur klassischen Aktienanleihe eine zus¨atzliche Kursschwelle weit unterhalb des Basispreises festgelegt. Das Besondere: Am Ende der Laufzeit wird die Anleihe auch dann zum Nominal getilgt, wenn der Aktienkurs unterhalb des Basispreises notieren sollte. Dies jedoch nur, falls der Aktienkurs w¨ahrend der Laufzeit nicht einmal auf oder unterhalb der Kursschwelle lag. Dieses Sicherheitsplus bezahlt der Anleger mit einem leicht reduzierten Kupon. Ob der Anleger am R¨ uckzahlungstag Geld oder die im Vorhinein festgelegte Anzahl von Aktien erh¨alt, h¨angt somit ausschließlich von der Kursentwicklung der Aktie ab.
¨ Aufgabe 1.5 Oft gibt es starke Schwankungen auf den Aktienm¨arkten. Uberlegen Sie sich, wie man durch ein Portfolio aus Aktie und Option sowohl bei stark wachsenden als auch bei stark fallenden Kursen der Aktie Gewinn erzielen kann. Aufgabe 1.6 Betrachtet werde eine festverzinsliche Anleihe mit Ausgabepreis 1 und Zinssatz ρ > 0 sowie eine Aktie mit festem Anfangspreis A0 und zuf¨alligem Endkurs A1 . Bestimmen Sie in einem geeigneten Modell s¨amtliche risikoneutralen Wahrscheinlichkeitsmaße, falls A1 eine Poissonverteilung oder eine Binomialverteilung besitzt. Aufgabe 1.7 Ein Ein-Perioden-Modell sei gegeben durch eine Anleihe und zwei Aktien mittels der Modellierung Ω = {ω1 , ω2 } × {ω1 , ω2 } und u1 , falls i = 1 u2 , falls j = 1 A1 (ωi , ωj ) = , A2 (ωi , ωj ) = d1 , falls i = 2 d2 , falls j = 2 mit d1 < u1 , d2 < u2 und d1 = d2 , u1 = u2 . Dabei gelte P ({(ωi, ωj )}) > 0 f¨ ur alle i,j=1,2. Alle drei Wertpapiere haben den Anfangspreis 1. Die Endpreise sind gegeben durch 1 + ρ mit ρ > 0, A1 und A2 . (a) Bestimmen Sie alle absicherbaren Claims, d.h. den von (1, A1 , A2 ) erzeugten linearen Raum. ur C1 = (A1 − K1 )+ , C2 = (A2 − K2 )+ mit (b) Ist max{C1 , C2 } absicherbar f¨ K1 , K2 > 0?
Kapitel 2 Stochastische Grundlagen diskreter M¨ arkte Wir betrachten einen Finanzmarkt mit g Finanzg¨ utern, in dem zu endlich vielen Zeitpunkten Handel m¨oglich sei. Diese Zeitpunkte seien mit t = 0, . . . , n durchnumeriert. Ein solches Finanzmarktmodell werden wir als n-Perioden-Modell bezeichnen. Zum einen beschreiben solche Modelle Finanzm¨arkte, in denen Handel nur zu diskreten Zeitpunkten m¨oglich ist, zum anderen lassen sich Finanzm¨arkte mit zeitkontinuierlichem Handeln durch solche Modelle approximieren. Die zeitlich diskrete Struktur in einem solchen n-Perioden-Modell erlaubt den Einsatz rekursiver Berechnungsverfahren, die in der Praxis der Finanzderivate große Bedeutung besitzen. 2.1 n-Perioden-Modell Ein n-Perioden-Modell ist gegeben durch Zufallsvariablen ⎡ ⎤ S1,i ⎢ ⎥ S0 , S1 , . . . , Sn : Ω → IRg mit Si = ⎣ ... ⎦ Sg,i
als dem Vektor der zuf¨alligen Preise Sj,i von Finanzgut j zur Zeit i. Befinden wir uns in einem Zeitpunkt i, i < n, so wird das zuk¨ unftige Verhalten der Preise im betrachteten Modell Si+1 , . . . , Sn vom bisherigen Preisverlauf S0 , . . . , Si und eventuell weiteren bis zum Zeitpunkt i eingetretenen Ereignissen abh¨angen. Wir ben¨otigen daher eine geeignete Modellierung f¨ ur die stochastischen Abh¨angigkeiten, die beim Preisverlauf eintreten - die Modellierung eines Finanzmarkts durch stochastisch unabh¨angige Zufallsvariablen S0 , S1 , . . . , Sn ist nicht
23 sinnvoll. Von zentraler Bedeutung f¨ ur die Untersuchung zeitlich ver¨anderlicher stochastischer Prozesse, wie sie insbesondere bei Finanzm¨arkten auftreten, sind die Begriffe Filtration, adaptierter Prozeß, Stopzeit, bedingter Erwartungswert, die hier erl¨autert werden. 2.2 Filtration und adaptierter Prozeß Bei einem Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, A, P ) beschreibt die σ-Algebra A die Gesamtheit aller beobachtbaren Ereignisse. Zu einem Zeitpunkt i wird die Gesamtheit aller bis i beobachtbaren Ereignisse durch eine Unter-σ-Algebra Ai ⊆ A beschrieben. Da zu einem sp¨ateren Zeitpunkt nicht weniger Informationen vorliegen, wird gefordert ur 0 ≤ i < k ≤ n. Ai ⊆ Ak f¨
Betrachten wir Zufallsvariable (Xi )i=0,...,n , so ist Xi beobachtbar bis zum Zeitpunkt i, falls die Ereignisse {Xi ∈ B} beobachtbar bis zum Zeitpunkt i sind, also Xi Ai-meßbar ist. ¨ Diese Uberlegung f¨ uhrt zu folgenden formalen Definitionen. Sei T ⊆ [0, ∞) eine Menge von Zeitparametern. Im n-Perioden-Modell liegt dabei T = {0, . . . , n} vor. Im weiteren Verlauf dieses Textes werden wir als T zu betrachten haben: T = {0, . . . , n} und T = IN0 = IN ∪ {0}, wobei wir bei F¨allen dieses Typs von diskretem Zeitparameter sprechen werden, ferner T = [0, T ] und T = [0, ∞), von uns als F¨alle kontinuierlichen Zeitparameters bezeichnet. Eine Filtration (At )t∈T ist eine Familie von Unter-σ-Algebren At ⊆ A mit Dabei setzen wir A∞ = σ( Algebra.
As ⊆ At t
f¨ ur s < t.
At ), die von der Gesamtheit aller At erzeugte σ-
Ein stochastischer Prozeß (Xt )t∈T mit Werten in X ist eine Familie von meßbaren Abbildungen Xt : Ω → X . ur jedes t ∈ T ist. (Xt )t∈T heißt adaptiert zu (At )t∈T , falls Xt At -meßbar f¨ 2.3 Informationsverlauf Der Informationsverlauf in einem n-Perioden-Modell ist gegeben durch eine Filtration (Ai )i=0,...,n derart, daß der Preisprozeß adaptiert zu dieser Filtration ist. Betrachten wir als Information zum Zeitpunkt i gerade die bis dahin beobachtbaren Preise S0 , . . . , Si und keine zus¨atzlichen Informationen, so benutzen wir mit d = g(i + 1) Ai = σ(S0 , . . . , Si ) = {(S0 , . . . , Si ) ∈ B : B ⊂ IRd meßbar}.
24
2. Stochastische Grundlagen diskreter M¨arkte
Liegt in einem Finanzmarkt dieser Informationsverlauf vor, so sind die adaptierten reellwertigen Prozesse von der Form Xi = hi (S0 , . . . , Si ) mit meßbaren hi : IRd → IR. 2.4 Anlagestrategie und Stopzeit Eine Anlagestrategie beinhaltet Kauf- bzw. Verkaufsentscheidungen, die zu zuf¨alligen vom Marktverlauf abh¨angigen Zeitpunkten getroffen werden. Eine realisierbare Strategie wird offensichtlich dadurch ausgezeichnet, daß eine Entscheidung zum Zeitpunkt k nur auf bis zu diesem Zeitpunkt beobachtbaren Ereignissen basieren darf. Dieses wird mathematisch formalisiert mit dem Begriff der Stopzeit: Sei T ⊂ [0, ∞) und T ∗ = T , falls T beschr¨ankt ist, und T ∗ = T ∪ {∞}, falls T unbeschr¨ankt ist. Die Hinzunahme von ∞ ber¨ ucksichtigt die M¨oglichkeit, daß in endlicher Zeit keine Entscheidung getroffen wird. Sei (At )t∈T eine Filtration. Eine Abbildung ur alle t ∈ T τ : Ω → T ∗ mit der Eigenschaft {τ ≤ t} ∈ At f¨ wird als Stopzeit bezeichnet. Im Fall diskreten Zeitparameters ist τ eine Stopzeit genau dann, wenn gilt {τ = k} ∈ Ak f¨ ur alle k ∈ T . Es lassen sich leicht oft benutzte Aussagen der folgenden Art herleiten: Sind σ, τ Stopzeiten, so auch σ + τ, min{σ, τ }, max{σ, τ }.
Als Beispiel betrachten wir in einem Finanzmarkt die Verkaufsstrategie Verkaufe Gut 1, sobald der Preis den Wert a ¨ uberschreitet, sp¨atestens zum Zeitpunkt n, formalisiert durch die Stopzeit σ = min{inf{i = 0, . . . , n : S1,i ≥ a}, n} mit der stets benutzten Festsetzung inf ∅ = ∞. Dagegen liefert die folgende sehr w¨ unschenswerte, aber offensichtlich nicht realisierbare Verkaufsstrategie Verkaufe Gut 1 bei Maximalstand des Preises, keine Stopzeit. Die bis zu einem zuf¨alligen Zeitpunkt beobachtbaren Ereignisse werden mathematisch in folgender Weise beschrieben: Ist (At )t∈T Filtration und τ eine Stopzeit, so wird durch Aτ = {A ∈ A : A ∩ {τ ≤ t} ∈ At f¨ ur alle t} eine σ-Algebra definiert, die als σ-Algebra der τ -Vergangenheit bezeichnet wird. Ist (Xt )t∈T ein adaptierter stochastischer Prozeß mit Werten in X , so wird mit einer weiteren, in konkreten F¨allen geeignet zu w¨ahlenden Zufallsgr¨oße X∞ : Ω → X definiert Xτ : Ω → X , Xτ (ω) = Xτ (ω) (ω). Im Fall diskreten Zeitparameters ist Xτ stets Aτ -meßbar, im Fall kontinuierlichen Zeitparameters unter gewissen technischen Voraussetzungen an den stochastischen Prozeß.
25 2.5 Schreibweisen Im folgenden werden wir Filtrationen und stochastische Prozesse oft mit A und ∼ X bezeichnen, also A = (At )t∈T , X = (Xt )t∈T schreiben. ∼ ∼ ∼ Wie in der Wahrscheinlichkeitstheorie u ¨blich identifizieren wir stochastische Prozesse, die mit Wahrscheinlichkeit 1 u ¨ bereinstimmen. Wir benutzen daher die folgenden Schreibweisen: X , Y seien reellwertige stochastische Prozesse auf einem ∼ ∼ Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, A, P ). Dann schreiben wir X = Y f¨ Y ur P (Xt ≥ Yt f¨ ur alle t) = 1, X ur alle t) = 1. ∼ ∼ ur P (Xt = Yt f¨ ∼ ≥ ∼ f¨
Im Fall diskreten Zeitparameters gilt dabei offensichtlich X = Y genau dann, ∼ ∼ wenn Xi = Yi in unserem Sinne von P (Xi = Yi ) = 1 f¨ ur alle i vorliegt. 2.6 Bedingte Erwartungswerte Betrachten wir einen Finanzmarkt zum Zeitpunkt i, so wird die uns zur Verf¨ ugung stehende Information durch Ai beschrieben, im Fall von Ai = σ(S0 , . . . , Si ) also durch den bisherigen Preisverlauf S0 , S1 , . . . , Si . Unsere Einsch¨atzung u ¨ber den zuk¨ unftigen Verlauf der Preisentwicklung h¨angt nat¨ urlich vom bisherigen Stand ab, nimmt zum Beispiel Sj,i einen großen Wert an, so erwarten wir auch im n¨achsten Zeitpunkt i + 1 einen großen Wert von Sj,i+1. Zu formalisieren ist der bedingte erwartete Wert E(Sj,i+1| Stand der Dinge zum Zeitpunkt i), der sich im allgemeinen nat¨ urlich von E(Sj,i+1 ) unterscheidet. Im Falle Ai = σ(S0 , . . . , Si ) und beim Vorliegen von Zufallsvariablen Si , i = 0, . . . , n mit endlichem Wertebereich benutzen wir den elementaren bedingten Erwartungswert, gegeben durch
S dP {S0 =s0 ,...,Si =si } j,i+1 = h(s0 , . . . , si ), E(Sj,i+1 |S0 = s0 , . . . , Si = si ) = P (S0 = s0 , . . . , Si = si ) E(Sj,i+1 |S0 , . . . , Si) = h(S0 , . . . , Si ).
F¨ ur den allgemeinen Fall ben¨otigen wir das Konzept des abstrakten bedingten Erwartungswerts. Sei G ⊂ A eine Unter-σ-Algebra und X : Ω → IR eine Zufallsgr¨oße, deren Erwartungswert existiert. Eine Zufallsgr¨oße Y : Ω → IR mit den Eigenschaften (i) Y ist G-meßbar, (ii) X dP f¨ ur alle G ∈ G Y dP = G
G
heißt bedingter Erwartungswert von X unter G, und wir schreiben Y = E(X|G).
26
2. Stochastische Grundlagen diskreter M¨arkte
Y wird auch als Version des bedingten Erwartungswerts bezeichnet. F¨ ur A ∈ A sei weiter P (A|G) = E(1A |G). Es gilt: E(X|G) existiert und ist fast sicher eindeutig, ur beliebige Versionen Y und Y ′ des letzteres im Sinne von P (Y = Y ′ ) = 1 f¨ bedingten Erwartungswerts. Unter der Voraussetzung der Existenz der Erwartungswerte der auftretenden Zufallsgr¨oßen gilt: (i) E(X|G) ≥ 0 f¨ ur X ≥ 0. (ii) E(αX1 + βX2 |G) = αE(X1 |G) + βE(X2 |G) f¨ur alle α, β ∈ IR. (iii) Ist Z G-meßbar, so folgt E(ZX|G) = ZE(X|G). (iv) Sind X und G stochastisch unabh¨angig, d.h. X und 1G stochastisch unabh¨angig f¨ ur alle G ∈ G, so gilt E(X|G) = EX. (v) F¨ ur G ⊆ F gilt
E(E(X|F )|G) = E(X|G).
2.7 Jensensche Ungleichung Es seien X eine Zufallsgr¨oße mit Werten in (a, b), −∞ ≤ a < b ≤ ∞ und ϕ : (a, b) → IR konvex mit E|X| < ∞, E|ϕ(X)| < ∞. G sei Unter-σ-Algebra. Dann gilt E(ϕ(X)|G) ≥ ϕ(E(X|G)). Eine wichtige Klasse von stochastischen Prozessen wird durch die sogenannten Martingale gebildet. Es handelt sich dabei um solche Prozesse, bei denen die ¨ zuk¨ unftige Anderung zuf¨allig so schwankt, daß sich im Mittel stets wieder der Ausgangswert ergibt, also insbesondere keine positiven oder negativen Trends vorliegen. Eine formale Definition wird unter Benutzung der Begriffsbildung des bedingten Erwartungswerts gegeben. 2.8 Martingal A = (At )t∈T sei eine Filtration. Ein adaptierter reellwertiger stochastischer Pro∼ ur alle t und zeß M = (Mt )t∈T heißt Martingal, falls gilt: E|Mt | < ∞ f¨ ∼ ur alle s < t. E(Mt |As ) = Ms f¨
27 M heißt Supermartingal, bzw. Submartingal, falls gilt: E|Mt | < ∞ f¨ ur alle t und ∼ ur alle s < t, E(Mt |As ) ≤ Ms bzw. ≥ Ms f¨
Im Fall diskreten Zeitparameters ist unter der Annahme der Integrierbarkeit M ∼ Martingal bzw. Super-, Submartingal, falls f¨ ur alle n vorliegt E(Mn+1 |An ) = Mn bzw. E(Mn+1 |An ) ≤ Mn , E(Mn+1 |An ) ≥ Mn . 2.9 Aktienkurs als Martingal Eine Aktie habe den Anfangskurs A0 . Bei einem Kurs An zur Zeit t = n habe sie in t = n + 1 den Kurs uAn mit Wahrscheinlichkeit p, den Kurs dAn mit Wahrscheinlichkeit 1 − p. Zur Modellierung seien Y1 , Y2 , . . . stochastisch unabh¨angige Zufallsgr¨oßen mit P (Yi = u) = p = 1 − P (Yi = d), wobei 0 < d < u, 0 < p < 1. Es ist dann n
An = Yn · · · Y2 Y1 A0 = A0 Yi . i=1
Mit An = σ(Y1 , Y2 , . . . , Yn ) ist E(An+1 |An ) = An (up + d(1 − p)), und wir erhalten ein Martingal bzw. Super-, Submartingal, falls gilt up + d(1 − p) = 1 bzw. up + d(1 − p) < 1, up + d(1 − p) > 1.
Das folgende Resultat liefert ein wesentliches Hilfsmittel f¨ ur Berechnungen mit Martingalen. 2.10 Optional-Sampling-Theorem M Sei A ∼ = (An )n∈IN0 eine Filtration und ∼ = (M n )n∈IN0 ein Martingal. F¨ur jede Stopzeit τ mit P (τ < ∞) = 1, E|Mτ | < ∞ und {τ >n} |Mn | dP n→∞ → 0 gilt EMτ = EM0 ,
insbesondere gilt diese Identit¨at f¨ ur beschr¨ankte Stopzeiten. In den anschließenden Aussagen werden wir darauf verzichten, die zugrundeliegende Filtration explizit aufzuf¨ uhren. 2.11 Doobsche Zerlegung ur alle Sei X = (Xn )n∈IN0 ein adaptierter stochastischer Prozeß mit E|Xn | < ∞ f¨ ∼ n. Wir definieren Mn =
n i=1
(Xi − E(Xi |Ai−1 )) + X0 , An =
mit M0 = X0 , A0 = 0.
n i=1
(E(Xi |Ai−1 ) − Xi−1 )
28
2. Stochastische Grundlagen diskreter M¨arkte
Dann erhalten wir die Doobsche Zerlegung Xn = Mn + An , und eine einfache Rechnung zeigt, daß M = (Mn )n∈IN0 ein Martingal ist. Ist ∼ A = (An )n∈IN0 ein Supermartingal bzw. ein Submartingal, so ist ∼ zus¨atzlich X ∼ monoton fallend bzw. monoton wachsend. Mit dem Optional-Sampling-Theorem ergibt sich daraus das folgende Resultat. 2.12 Optional-Sampling-Theorem – erweiterte Version Seien X = (Xn )n∈IN0 ein Submartingal und σ, τ beschr¨ankte Stopzeiten. Es gelte ∼ σ ≤ τ . Dann folgt Xσ ≤ E(Xτ | Aσ ), insbesondere EXσ ≤ EXτ . Im Supermartingalfall ist ≤ durch ≥ zu ersetzen. Entsprechend zu 2.10 ergibt sich die Formulierung f¨ ur unbeschr¨ankte Stopzeiten. 2.13 Erzeugung von Submartingalen M = (Mt )t∈T sei ein stochastischer Prozeß mit Werten in (a, b), −∞ ≤ a < b ≤ ∼ ∞. ϕ : (a, b) → IR sei konvex mit E|ϕ(Mt )| < ∞ f¨ur alle t. Dann ist (ϕ(Mt ))t∈T ein Submartingal, falls M ein Martingal ist oder M ein Submartingal und ϕ monoton wachsend ist. ∼ ∼ Wir kommen nun zu den wichtigen Ungleichungen von Doob, die das Verhalten des Maximums eines Submartingals mit dem Verhalten seines letzten Glieds in Verbindung setzen. 2.14 Doobsche Ungleichungen (i) X = (Xn )n∈IN0 sei ein Submartingal. Dann gilt f¨ur alle n und γ > 0 ∼ P ( max Xk ≥ γ) ≤ k=0,...,n
1 EXn+ , ferner E( max Xk2 ) ≤ 4EXn2 f¨ur X ∼ ≥ 0. k=0,...,n γ
(ii) M = (Mn )n∈IN0 sei ein Martingal. Dann gilt f¨ur alle n und γ > 0 ∼ P ( max |Mk | ≥ γ) ≤ k=0,...,n
1 EMn2 und E( max Mk2 ) ≤ 4EMn2 . k=0,...,n γ2
29
Aufgaben Aufgabe 2.1 Seien (Ω, A, P ) ein Wahrscheinlichkeitsraum und (An )n∈IN eine Filtration. τ sei Stopzeit. Zeigen Sie: (a) Aτ ist eine σ-Algebra. (b) Aτ = {A ∈ A : A ∩ {τ = n} ∈ An f¨ ur alle n ∈ IN}. (c) Sind σ, τ Stopzeiten mit σ ≤ τ , so gilt Aσ ⊆ Aτ . (d) Eine Zufallsgr¨oße Y ist Aτ -meßbar genau dann, wenn Y 1{τ =n} f¨ ur alle n An -meßbar ist Aufgabe 2.2 X1 , · · · , Xn seien stochastisch unabh¨angige, identisch verteilte Zufallsgr¨oßen, Sn = ni=1 Xi .
ur ein 0 < p < 1. Berechnen Sie (a) Es gelte P (Xi = 1) = p = 1 − P (Xi = 0) f¨ f¨ ur k = 0, 1, . . . , n P (X1 = 1|Sn = k) und E(X1 |Sn = k) .
(b) Berechnen Sie allgemein E(X1 |Sn ) unter der Voraussetzung der Integrierbarkeit der Xi . Aufgabe 2.3 Sei (Ω, A, P ) ein Wahrscheinlichkeitsraum, A′ die Unter-σ-Algebra, die durch eine abz¨ahlbare disjunkte Zerlegung (Bi )i∈I von Mengen Bi ∈ A mit P (Bi ) > 0 erzeugt wird. Zeigen Sie, daß f¨ ur jede integrierbare Zufallsgr¨oße X gilt E(X|Bi )1Bi , E(X|A′) = i∈I
wobei E(X|Bi) = X unter Bi ist.
Bi
XdP/P (Bi) der elementare bedingte Erwartungswert von
Aufgabe 2.4 Es sei Ω = [0, 1), A die Borelsche σ-Algebra auf Ω sowie P das Lebesgue-Maß auf Ω. Ferner sei An = σ({[
k k+1 , ) : 0 ≤ k ≤ 2n − 1}) f¨ ur n ∈ IN. 2n 2n
Bestimmen Sie f¨ ur eine integrierbare Zufallsgr¨oße X den bedingten Erwartungswert unter An f¨ ur alle n. Geben Sie limn→∞ E(X|An ) an, falls X zus¨atzlich stetig ist.
30
2. Stochastische Grundlagen diskreter M¨arkte
Aufgabe 2.5 Seien (Ω, A, P ) ein Wahrscheinlichkeitsraum, X eine integrierbare Zufallsgr¨oße und G eine Unter-σ-Algebra von A. Zeigen Sie, daß f¨ ur jede beschr¨ankte G-meßbare Zufallsgr¨oße Z gilt: ZXdP = ZE(X|G)dP und E(ZX|G) = ZE(X|G). Aufgabe 2.6 Seien X1 , X2 , . . . stochastisch unabh¨angige Zufallsgr¨oßen mit EXi = 0 und EXi2 = c < +∞ f¨ ur i = 1, 2, . . .. Sei die Filtration gegeben durch An = σ(X1 , . . . , Xn ). Zeigen Sie, daß n Xi )2 − nc)n∈IN (( i=1
ein Martingal ist.
Aufgabe 2.7 Seien Xik , i = 1, 2, . . . , k = 1, 2, . . . , stochastisch unabh¨angige, identisch verteilte und integrierbare Zufallsgr¨oßen mit Werten in IN0 . Es sei m = EXik > 0. Definiere den das Wachstum von Populationen beschreibenden GaltonWatson-Prozeß durch Zk−1
Z0 = 1 und Zk =
Xik , k = 1, 2, . . .
i=1
Sei die Filtration gegeben durch An = σ(Z1 , . . . , Zn ). Zeigen Sie: (
Zn )n∈IN0 ist ein Martingal. mn
Aufgabe 2.8 Sie spielen faires Roulette ohne Null, setzen immer auf Rot und verdoppeln nacheinander den Einsatz. Die Spielausg¨ange entsprechen unabh¨angigen Zufallsvariablen X1 , X2 , . . ., und es sei beim i-ten Spiel Xi = 1, falls der i-te Wurf Rot ergibt, und Xi = −1, falls der i-te Wurf Schwarz ergibt. Die Filtration sei gegeben durch An = σ(X1 , . . . , Xn ). Sie erhalten nach dem n-ten Spiel die Auszahlung Yn = 2n−1 Xn , so daß Mn = n i=1 Yi den Gewinnstand nach dem n-ten Spiel angibt. Sie beenden das Spiel, wenn Sie das erste Mal gewonnen haben, also zur Zeit τ = inf{n : Xn = 1}. Zeigen Sie: (a) (Mn )n∈IN ist ein Martingal. (b) Mτ = 1. Wie ist der Zusammenhang mit dem Optional-Sampling-Theorem? (c) Bestimmen Sie im nichtfairen Fall P (Xi = 1) = p = 1 − P (Xi = −1) mit 18 ur p = 37 , p = 12 den Term EMτ ∧n und geben Sie dessen numerischen Wert f¨ n = 10 an.
Kapitel 3 Preistheorie im n-Perioden-Modell In diesem Kapitel werden wir die Preistheorie f¨ ur n-Perioden-Modelle behandeln. Dazu werden die Begriffsbildungen, die wir im Ein-Perioden-Modell kennengelernt haben, auf den Fall endlich vieler Handelszeitpunkte erweitert. 3.1 Modellspezifizierung Betrachtet wird ein n-Perioden-Modell mit Informationsverlauf A ∼ = (Ai )i=0,...,n S = (Si )i=0,...,n , Si : Ω → IRg . Ferner setzen wir und adaptiertem Preisprozeß ∼ voraus, daß zu jedem Handelszeitpunkt eine risikofreie Anlagem¨oglichkeit vorliegt. In unserem Modell existiere also f¨ ur jedes i = 0, . . . , n − 1 ein Ai -meßbares X i : Ω → IRg mit T T P (X i Si > 0) = 1, X i Si+1 = 1. Der Diskontierungsprozeß B = (Bi )i=0,...,n wird definiert durch ∼ B0 = 1, Bi =
i−1
T
X k Sk ,
k=0
der diskontierte Preisprozeß ist (Bi Si )i=0,...,n . Im Fall eines festverzinslichen Bankkontos im Preisvektor S mit Zinssatz ρ benutzen wir Bi = αi mit Diskontierungs1 . faktor α = 1+ρ 3.2 Handelsstrategie Wir wollen nun das Konzept der zu den Handelszeitpunkten durchf¨ uhrbaren Portfolioaktualisierungen modellieren. Dazu sei angenommen, daß im direkten Anschluß an jeden der Zeitpunkte i = 1, . . . , n − 1 ein Portfolio x, basierend auf
32
3. Preistheorie im n-Perioden-Modell
den bis dahin zur Verf¨ ugung stehenden Informationen, zum Preis xT Si gebildet wird. Dieses Portfolio wird bis zum n¨achsten Handelszeitpunkt gehalten und hat dann den Wert xT Si+1 . Formal wird definiert: Eine Handelsstrategie H ist ein ∼ adaptierter Prozeß H = (Hi )i=0,...,n−1 , Hi : Ω → IRg . Dabei ist Hj,i der Anteil ∼ des Finanzgutes j am Portfolio in der Periode (i, i + 1]. Das Portfolio wird im Anschluß an die Informationen zum Zeitpunkt i gebildet und bis i + 1 gehalten. Zus¨atzlich sei Hn = 0 – Terminierung des Handels zum Zeitpunkt n, H−1 = 0 – Handelsbeginn zum Zeitpunkt 0. H−1 ≡ 0 ?
−1
H0 ?
0
H1
H2
?
...
Hn−1
?
1
2
H0T S1
H1T S2
?
...
n−1
Hn ≡ 0 ?
n T Hn−1 Sn
Wir definieren zu H den Entnahmeprozeß δ = δ (H ) durch ∼ ∼ ∼ ∼ T δ = (δi )i=0,...,n , δi = Hi−1 Si − HiT Si . ∼
T Es ist δ0 = −H0T S0 die zur Bildung des Portfolios n¨otige Entnahme, δi = Hi−1 Si − T Hi Si der Wert des Portfolios in i abz¨ uglich des anschließend reinvestierten BeT Sn der Endwert. Eine negative Entnahme ist als Zufuhr von trages, δn = Hn−1 Finanzg¨ utern von außen in das Portfolio zu interpretieren. Der Wertprozeß V ∼= V (H ) wird definiert durch ∼ ∼ T V = (Vi )i=1,...,n , Vi = Hi−1 Si . ∼
3.3 Selbstfinanzierung Bei einer Handelsstrategie liegt Selbstfinanzierung vor, falls nach der Bildung des Anfangsportfolios zu den Handelszeitpunkten i = 1, . . . , n − 1 keine positiven oder negativen Entnahmen stattfinden, also genau der jeweilige Portfoliowert reinvestiert wird. Unter Benutzung des Entnahmeprozesses definieren wir H ∼ als H H ur i = 1, . . . , n − 1. Ist ∼ eine solche selbstfinanzierend, falls gilt δi ( ∼ ) = 0 f¨ selbstfinanzierende Handelsstrategie, so erhalten wir durch Summation unter Benutzung der Selbstfinanzierung f¨ ur den Wertprozeß Vi (H ) = H0T S0 + ∼
i k=1
T Hk−1 (Sk − Sk−1 )
und die entsprechende Darstellung f¨ ur den diskontierten Wertprozeß.
33 In einem n-Perioden-Modell l¨aßt sich der Arbitragebegriff auf unterschiedliche Weisen einf¨ uhren, die sich aber als ¨aquivalent erweisen. 3.4 Arbitrage In Anlehnung an das Ein-Perioden-Modell bezeichnen wir f¨ ur i = 1, . . . , n ein Ai−1 -meßbares Xi−1 : Ω → IRg als Ein-Perioden-Arbitrage in i , falls gilt: T T T T Xi−1 Si−1 ≤ 0, Xi−1 Si ≥ 0 und P (Xi−1 Si > Xi−1 Si−1 ) > 0.
Eine Handelsstrategie H ∼ heißt Handelsarbitrage, falls gilt: H δ H ur mindestens ein i. ∼( ∼ ) ≥ 0 und P (δi ( ∼ ) > 0) > 0 f¨ Wir bezeichnen das Modell als arbitragefrei, falls keine Handelsarbitrage existiert. Da wir nachweisen k¨onnen, daß eine Ein-Perioden-Arbitrage genau dann existiert, wenn eine Handelsarbitrage existiert, kann Arbitragefreiheit ebenso durch die Nichtexistenz von Ein-Perioden-Arbitrage definiert werden. Eine weitere zu Arbitragefreiheit ¨aquivalente Bedingung ist die folgende: F¨ ur i = 1, . . . , n existiert kein Ai−1 -meßbares Xi−1 : Ω → IRg mit T T Xi−1 (Bi Si − Bi−1 Si−1 ) ≥ 0 und P (Xi−1 (Bi Si − Bi−1 Si−1 ) > 0) > 0.
Weiter folgt aus der Arbitragefreiheit, daß der Diskontierungsprozeß eindeutig bestimmt ist. 3.5 Das Cox-Ross-Rubinstein-Modell Betrachtet werden eine festverzinsliche Anlage mit Verzinsung ρ und eine Aktie ur i = mit Anfangskurs A0 zum Zeitpunkt 0 und zufallsabh¨angigen Kursen Ai f¨ 1, . . . , n, also (1 + ρ)i Si = , i = 0, . . . , n. Ai Es seien jeweils nur eine Aufw¨artsbewegung und eine Abw¨artsbewegung m¨oglich gem¨aß Ai = uAi−1 mit Wahrscheinlichkeit p, Ai = dAi−1 mit Wahrscheinlichkeit 1 − p. Das stochastische Modell f¨ ur den Aktienpreisprozeß erhalten wir unter Benutzung einer von A0 stochastisch unabh¨angigen Folge Y1 , Y2 . . . von stochastisch unabh¨angigen, identisch verteilten Zufallsvariablen mit P (Yi = u) = p = 1 − P (Yi = d), indem wir setzen: Ai = A0
i
k=1
Yk = A0 uNi di−Ni
34
3. Preistheorie im n-Perioden-Modell
mit Ni =| {k ≤ i : Yk = u} |, der Anzahl der Aufw¨artsbewegungen bis zum Zeitpunkt i. Nat¨ urlich liegt die festverzinsliche Anlage als risikofreie Anlagem¨oglich1 keit vor mit Diskontierungsprozeß Bi = αi , α = 1+ρ . Arbitragefreiheit des Modells ist ¨aquivalent zu d < 1 + ρ < u. Dieses Modell, bei dem der Informationsverlauf durch Ai = σ(A0 , Y1 , . . . , Yi) gegeben sei, wird als Cox-Ross-RubinsteinModell oder Binomialbaum-Modell bezeichnet; der Kursverlauf kann durch folgende Baumstruktur veranschaulicht werden: u3 1 u2 PP PP 1 q P u2 d u PP PP 1 1 q P 1P udP PP PP 1 P P q P q P ud2 dP PP 1 P q P d2 P PP P q P
.......
d3
3.6 Claim und Hedge Wir betrachten ein n-Perioden-Modell. Ein Claim C = (Ci )i=1,...,n ist ein adap∼ tierter reellwertiger Prozeß. Der Besitz eines solchen Claims liefert dem Inhaber die Auszahlungen Ci zu den Zeitpunkten i = 1, . . . , n. Diese Auszahlungen sind in den praktisch interessanten F¨allen nat¨ urlich als nicht-negativ anzusehen. Zentrales Anliegen des Verk¨aufers ist die Absicherung gegen die durch den Verkauf des Claims eingegangenen Verpflichtungen, deren jeweilige H¨ohe zufallsabh¨angig ist. Dieses wird durch eine Handelsstrategie erbracht, die als Entnahmen gerade die zu leistenden Auszahlungen erbringt. Nach Bildung des Portfolios zum Zeitpunkt 0 gem¨aß dieser Handelsstrategie kann in jedem folgenden Zeitpunkt der Anspruch des Claims durch Entnahme abgedeckt werden und mit dem verbliebenen Wert das Portfolio f¨ ur die n¨achste Periode gebildet werden. Wir bezeichnen daher einen Claim C ∼ als absicherbar, falls eine Handelsstrategie H existiert mit der Eigenschaft ∼ ur i = 1, ..., n. Ci = δi (H ∼ ) f¨
Eine solche Handelsstrategie wird als Hedge bezeichnet. Falls f¨ ur den Claim die Bedingung Ci = 0, i = 1, . . . , n − 1, vorliegt, so ist ein zugeh¨origer Hedge selbstfinanzierend. Der faire Preis f¨ ur einen absicherbaren Claim geschieht wiederum nach dem No-Arbitrage-Prinzip.
35 3.7 Preisfestsetzung fu ¨ r einen absicherbaren Claim Sei in einem arbitragefreien n-Perioden-Modell C ein absicherbarer Claim mit ∼ Hedge H . Dann wird der faire Preis des Claims definiert durch ∼ s(C ) = H0T S0 . ∼
Diese Preisfestsetzung folgt dem No-Arbitrage-Prinzip, denn falls s(C ) = H0T S0 ∼ T ) < H S u hren wir ein vorliegt, so ergibt sich risikoloser Profit. Im Fall s(C 0 f¨ 0 ∼ short selling in der Handelsstrategie durch, kaufen den Claim und investieren die Differenz risikolos. Die vom Claim erzeugten Auszahlungen benutzen wir jeweils zum Ausgleich der short position, d. h. zur Begleichung der zu der Handelsstrategie geh¨origen Entnahmen. Im Fall s(C ) > H0T S0 f¨ uhren wir umgekehrt ein short ∼ selling im Claim durch, benutzen die Handelsstrategie und investieren die resultierende Anfangsdifferenz risikolos. Die zur Handelsstrategie geh¨orenden Entnahmen benutzen wir, um die vom Claim erzeugten Auszahlungen durchzuf¨ uhren. Der so definierte faire Preis ist eindeutig bestimmt. Die Festlegung des fairen H Preises eines absicherbaren Claims C ∼ mit Hedge ∼ zu einem Zeitpunkt k = 1, . . . , n − 1 geschieht durch s(C , k) = HkT Sk . ∼
Dabei ist nur zu beachten, daß nunmehr der Zeitpunkt k die Rolle spielt, die zuvor der Zeitpunkt 0 hatte. Der Begriff des ¨aquivalenten risikoneutralen Wahrscheinlichkeitmaßes wird in folgender Weise auf das n-Periodenmodell u ¨ bertragen. ¨ 3.8 Aquivalentes Martingalmaß Betrachtet sei ein n-Perioden-Modell. B sei Diskontierungsprozeß. Ein zu P ¨aqui∼ valentes Wahrscheinlichkeitsmaß Q mit der Eigenschaft, daß (Bi Si )i=0,...,n ein Martingal bzgl. Q ist, wird als ¨aquivalentes Martingalmaß bzw. ¨aquivalentes risikoneutrales Wahrscheinlichkeitsmaß bezeichnet. Hierbei wird nat¨ urlich die den Informationsverlauf im Modell beschreibende Filtration zugrundegelegt. Wir werden in der Regel, der mathematisch orientierten Literatur folgend, die erstgenannte Bezeichnung benut¨ zen. Wie im Ein-Perioden-Modell bleibt die Aquivalenz von Arbitragefreiheit und der Existenz eines ¨aquivalenten risikoneutralen Wahrscheinlichkeitsmaßes g¨ ultig. Der Beweis dieses Resultats, das auch als Fundamentalsatz der Preistheorie bezeichnet wird, ist allerdings im n-Periodenfall sehr aufwendig. Die Formulierung dieses Satzes, der in Kapitel 5 weiter diskutiert wird, lautet:
36
3. Preistheorie im n-Perioden-Modell
3.9 Fundamentalsatz der Preistheorie Im n-Perioden-Modell sind ¨aquivalent: (i) Das Modell ist arbitragefrei. (ii) Es existiert ein ¨aquivalentes Martingalmaß Q. Wir wollen nun die Preisfestsetzung eines absicherbaren Claims unter Benutzung des ¨aquivalenten Martingalmaßes durchf¨ uhren. Wesentlich dazu ist das folgende Resultat. 3.10 Darstellung des diskontierten Portfoliowerts Betrachtet werde ein arbitragefreies n-Perioden-Modell. Q sei ¨aquivalentes MarT tingalmaß. H ∼ sei eine Handelsstrategie mit der Eigenschaft EQ |Hi−1 Bi−1 Si−1 | < T ∞ und EQ |Hi−1 Bi Si | < ∞ f¨ ur alle i = 1, . . . , n, kurz als integrierbare Handelsstrategie bezeichnet. Dann gilt Bk HkT Sk = EQ (
n
i=k+1
Bi δi |Ak ),
k = 0, . . . , n − 1,
d. h. der diskontierte Portfoliowert zum Zeitpunkt k ist der bzgl. des ¨aquivalenten Martingalmaßes gebildete bedingte Erwartungswert der Summe der zuk¨unftigen abdiskontierten Entnahmen. F¨ ur selbstfinanzierendes H besagt dieses Bk HkT Sk = EQ (Bn δn |Ak ), so daß der ∼ diskontierte Wertprozeß ein Martingal bzgl. Q ist. Im allgemeinen ist in einem nPerioden-Modell das ¨aquivalente Martingalmaß ur Q nicht eindeutig bestimmt. F¨ jede integrierbare Handelsstrategie ist aber ni=k+1 EQ (Bi δi |Ak ) stets unabh¨angig vom speziell betrachteten ¨aquivalenten Martingalmaß. 3.11 Preisfestsetzung mit dem ¨ aquivalenten Martingalmaß Sei in einem arbitragefreien n-Perioden-Modell C ∼ ein absicherbarer Claim mit integrierbarem Hedge H . Q sei ¨aquivalentes Martingalmaß. Dann ist der faire ∼ Preis des Claims gegeben durch s(C ∼) = EQ (
n i=1
Bi Ci |A0 ).
Der faire Preis zu einem Zeitpunkt k = 1, . . . , n − 1 ergibt sich entsprechend als n 1 s(C Bi Ci |Ak ). ∼, k) = Bk EQ ( i=k+1
37 Dieses Resultat ist grundlegend zur Ermittlung der fairen Preise von Finanzderivaten und erlaubt es, die Preisfestsetzung ohne explizite Bestimmung der absichernden Portfolios durchzuf¨ uhren. 3.12 Preisfestsetzung im Cox-Ross-Rubinstein-Modell Betrachtet sei ein arbitragefreies Cox-Ross-Rubinstein-Modell mit Diskontierungsi faktor α und Aktienkurs Ai = A0 k=1 Yk , i = 0, . . . , n. Y1 , . . . , Yn sind dabei stochastisch unabh¨angige, identisch verteilte Zufallsvariablen mit P (Yk = u) = p = 1 − P (Yk = d), und es ist d < 1 + ρ < u. Ein ¨aquivalentes Martingalmaß Q ist dadurch charakterisiert, daß Y1 , ..., Yn weiterhin stochastisch unabh¨angig sind mit 1+ρ−d Q(Yi = u) = 1 − Q(Yi = d) = q = . u−d Also ist bei Berechnungen bzgl. Q lediglich p durch q zu ersetzen. Jeder Claim ist absicherbar. Zum Nachweis gen¨ ugt die Betrachtung von C = n ∼ (k) (k) H ein Hedge f¨ u r C ist, so ist (0, ..., 0, Ck , 0, ..., 0). Falls n¨amlich H k=1 ∼ ∼ ein Hedge f¨ ur (C1 , ..., Cn ). Ein Hedge wird durch eine absteigende Induktion i = k −1, k −2, ..., 0 konstruiert. Zum durch r = (r1 , r2 , ..., ri−1 ) ∈ {u, d}i−1 gegebenen Aktienkurs erhalten wir h1,i−1 (r), h2,i−1(r) aus den schon berechneten Werten durch das L¨osen zweier Gleichungen. Die erste ist i−1
h1,i−1 (r)(1 + ρ)i + h2,i−1 (r) rj uA0 j=1
i−1
= h1,i (r, u)(1 + ρ)i + h2,i (r, u) rj uA0 , i < k, bzw. = Ck (r, u), i = k. j=1
Die zweite Gleichung ergibt sich durch Ersetzen von u durch d. ur i = 1, . . . , n − 1, Der Preis des europ¨aischen Calls Cn = (An − K)+ , Ci = 0 f¨ ist n n i n + n q (1 − q)n−i (ui dn−iA0 − K)+ , EQ (α (An − K) ) = α i i=0
denn Nn = |{i ≤ n : Yi = u}| besitzt bzgl. Q eine Binomialverteilung mit Parametern n und q. 3.13 Anleihen
Betrachtet sei ein arbitragefreies n-Perioden-Modell. Eine Nullkouponanleihe mit F¨alligkeitszeitpunkt k ist ein festverzinsliches Wertpapier, das seinem Inhaber die Auszahlung eines festen Betrags, hier als 1 angenommen, zum Zeitpunkt k
38
3. Preistheorie im n-Perioden-Modell
ohne anderweitige Auszahlungen erbringt. Es handelt sich also um den Claim ur i = k. Wir nehmen an, daß diese Claims absicherbar sind. Ck = 1, Ci = 0 f¨ Unter Benutzung des ¨aquivalenten Martingalmaßes Q erhalten wir den fairen Preis durch s(k) = EQ (Bk | A0 ). Koupontragende Anleihen liefern dem Inhaber die festen Zahlungen ck1 , . . . ckm zu Zeitpunkten k1 , . . . , km . Haben wir allgemein einen Claim C ∼ der Form Ci = ci f¨ ur i = 1, . . . , n, vorliegen, so ergibt sich sein fairer Preis als s(C ) = ∼
n
ci s(i).
i=1
Um diese Feststellungen zu einer tats¨achlichen Preisfestsetzung von festverzinslichen Wertpapieren benutzen zu k¨onnen, sind geeignete Modellierungen f¨ ur die hier als stochastisch anzunehmenden Zinsgr¨oßen zu finden. 3.14 Bewertung von Forwards Betrachtet sei ein arbitragefreies n-Perioden-Modell. Wir wollen unter Benutzung des No-Arbitrage-Prinzips den Erf¨ ullungspreis F eines Forwards auf Finanzgut j mit Erf¨ ullungszeitpunkt k bestimmen. Aus Sicht der long position, d. h. aus der Sicht des Marktteilnehmers, der den Kaufkontrakt eingeht, handelt es sich um ur die einen Claim mit der Auszahlung Sj,k − F zum Zeitpunkt k. Da Forwards f¨ Marktteilnehmer bei Abschluß keine Kosten beinhalten, ist der faire Preis dieses Claims zum Zeitpunkt 0 als Null anzusehen. Mit Heranziehung des a¨quivalenten Martingalmaßes Q folgt 0 = EQ (Bk (Sj,k − F ) | A0 ) = Sj,0 − F EQ (Bk | A0 ), also F =
Sj,0 . s(k)
Aufgaben Aufgabe 3.1 Eine Aktie wird u ¨ber zwei Perioden betrachtet und hat dabei folgenden auf Ω = {ω1 , . . . , ω4 } definierten Preisprozeß: Es sei A0 = 5 und A1 (ω1 ) = A1 (ω2 ) = 8, A1 (ω3 ) = A1 (ω4 ) = 4 , A2 (ω1 ) = 9, A2 (ω2 ) = A2 (ω3 ) = 6, A2 (ω4 ) = 3 . Es gelte P ({ωi}) > 0 f¨ ur i = 1, 2, 3, 4. Weiterhin liegt die risikofreie Anlage (1 + ρ)i , i = 1, 2, ρ ≥ 0 vor.
39 (a) F¨ ur welche Zinss¨atze ρ ist das Modell arbitragefrei? (b) Ist das Modell vollst¨andig? (c) Bestimmen Sie im Fall ρ = 0 einen Hedge f¨ ur einen Call mit Aus¨ ubungspreis K = 7 und bestimmen Sie den Preis dieser Option. Aufgabe 3.2 Betrachtet sei ein n-Perioden-Modell f¨ ur zwei Aktien und eine Anleihe. Dabei seien Y1 , . . . , Yn stochastisch unabh¨angige, {0, 1} × {0, 1}-wertige ur alle i, j = 0, 1, wobei 0 < pij < 1 Zufallsvariablen mit P (Yk = (i, j)) = pij f¨ k gelte. Sei Zk = i=1 Yi , k = 1, . . . , n, mit Z0 = 0.
Der Kurs der Aktien ist definiert durch Z
k−Zk,1
A1k = u1 k,1 d1
Z
k−Zk,2
, A2k = u2 k,2 d2
, k = 0, 1, . . . , n,
wobei 0 < d1 < u1 , 0 < d2 < u2 gelte. Der Kurs der Anleihe ist (1 + ρ)k f¨ ur k = 0, 1, . . . , n. (a) Geben Sie f¨ ur max{d1 , d2 } ≥ 1 + ρ bzw. min{u1, u2 } ≤ 1 + ρ eine Arbitrage an. (b) Geben Sie unter der Voraussetzung max{d1 , d2 } < 1 + ρ < min{u1 , u2 } ein ¨aquivalentes Martingalmaß an. Aufgabe 3.3 Gegeben sei ein Cox-Ross-Rubinstein-Modell mit n Perioden. Ein down-and-out Call mit knockout-Preis b und rebate R ist ein gew¨ohnlicher Call, falls die Aktie den knockout-Preis nicht unterschreitet. Unterschreitet die Aktie zu einem zuf¨alligen Zeitpunkt τ < n den knockout-Preis b, so erh¨alt man zu diesem Zeitpunkt τ die feste Auszahlung R, das rebate. Geben Sie eine mathematische Beschreibung des Claims und berechnen Sie einen Hedge f¨ ur den Fall A0 = 120, n = 3, u = 1,5, d = 0,5, ρ = 0,1, b = 80, R = 2, K = 120 . Aufgabe 3.4 Gegeben sei ein Cox-Ross-Rubinstein-Modell mit n Perioden, Zinsrate ρ, Sprungh¨ohen u, d und risikoneutralem Wahrscheinlichkeitsmaß Q. Sei ferner q = Q(A1 = uA0 ). Ein weiteres Wahrscheinlichkeitsmaß Q′ sei durch die An Q-Dichte (1+ρ) definiert. Zeigen Sie: nA 0 (a) Q′ ist zu Q ¨aquivalent. (b) log Ak = log A0 + Zk log u + (k − Zk ) log d, k = 1, . . . , n, wobei Zk bez¨ uglich u q ist. Q′ eine binomialverteilte Zufallsgr¨oße mit Parametern k und q ′ = 1+ρ
40
3. Preistheorie im n-Perioden-Modell
Aufgabe 3.5 Gegeben sei das folgende n-Perioden-Modell f¨ ur zwei Aktien: Seien Y1 . . . , Yn stochastisch unabh¨a ngige Zufallsgr¨oßen mit P (Yi = 1) = p = ur k = 1, . . . , n, Z0 = 0. Der Kurs 1 − P (Yi = 0), 0 < p < 1. Sei Zk = ki=1 Yi f¨ Zk k−Zk 2 k , wobei 0 < d1 < u1 , , A der Aktien ist gegeben durch A1k = uZ1 k dk−Z 1 k = u 2 d2 0 < d2 < u2 und u1 > u2 vorliege. (a) Geben Sie unter der Voraussetzung d1 ≥ d2 eine Handelsarbitrage an. ur jedes j = 1, . . . , n eine bzgl. (b) Geben Sie unter der Voraussetzung d1 < d2 f¨ Aj = σ(Y1 , . . . , Yj )-meßbare Zufallsvariable Dj mit P (Dj > 0) = 1 und Aij−1 = E(Dj Aij |Aj−1), i = 1, 2, an. (c) Bestimmen f¨ ur j = 0, . . . , n − 1 ein Portfolio Xj , welches Aj -meßbar ist Sie 1 A j+1 und XjT = 1 erf¨ ullt. A2j+1 j−1 T A1k (d) Diskontieren Sie mittels Bj = k=0 Xk und bestimmen Sie dasjeA2k ur i = 1, 2. nige p, so daß (Bj Aij )j=1,...,n ein Martingal ist f¨ Aufgabe 3.6 Gegeben sei ein arbitragefreies n-Perioden-Modell mit g Finanzg¨ utern, Filtration (Ak )k=0,...,n und Diskontierungsprozeß (Bk )k=0,...,n . Eine Bank m¨ochte eine Nullkouponanleihe mit wechselnden Zinss¨atzen in den Markt emittieren. Diese Anleihe entspricht einem Finanzgut mit Preisprozeß R0 = 1 , Rk = Rk−1 (1 + ρk ), k = 1, . . . , n, wobei ρk ≥ 0 eine Ak−1-meßbare Zufallsgr¨oße ist, die den Zinssatz in der k-ten Periode angibt. Zeigen Sie: Das um die Anleihe erweiterte n-Perioden-Modell ist arbitragefrei genau dann, wenn Bk = 1/Rk f¨ ur alle k = 1, . . . , n gilt. Aufgabe 3.7 Sie betrachten ein arbitragefreies n-Perioden-Modell mit zugrundegelegter Filtration (Fk )k=0,...,n und zur Preisfestsetzung verwendetem ¨aquivalentem Martingalmaß Q. Das Modell bestehe aus einer Anleihe mit deterministischem Zinssatz ρ > 0 und einer Aktie mit Preisprozeß (Ak )k=0,...,n . Eine Bank m¨ochte eine Chooser-Option verkaufen. Diese Option gibt dem K¨aufer das Recht, zum festgelegten Zeitpunkt k < n zwischen einem Call mit Aus¨ ubungspreis K, Aus¨ ubungszeitpunkt n und einem Put mit gleichem Aus¨ ubungspreis und gleichem Aus¨ ubungszeitpunkt zu w¨ahlen. Sei Ck = (1 + ρ)k−n EQ ((An − K)+ |Fk ), Pk = (1 + ρ)k−n EQ ((K − An )+ |Fk ) der Preis von Call bzw. Put zum Zeitpunkt k.
41 (a) Zeigen Sie, daß die Chooser-Option durch die Auszahlung C = (An − K)+ 1{Ck ≥Pk } ) + (K − An )+ 1{Ck
Kapitel 4 Amerikanische Claims und optimales Stoppen Finanztitel, bei denen innerhalb eines festgelegten Zeitraums der Besitzer eines solchen Titels den Aus¨ ubungszeitpunkt frei w¨ahlen kann, wollen wir als amerikanische Claims bezeichnen. Da die Entscheidung f¨ ur die Aus¨ ubung zu einem Zeitpunkt i nur von bis dahin am Finanzmarkt zur Verf¨ ugung stehenden Informationen abh¨angen darf, betrachten wir als Strategien des Titelbesitzers zur Wahl des Aus¨ ubungszeitpunkts Stopzeiten. 4.1 Amerikanischer Claim Betrachtet sei ein n-Perioden-Modell. Ein amerikanischer Claim ist gegeben durch einen adaptierten reellwertigen stochastischen Prozeß Z = (Zi )i=0,...,n . Dabei ∼ gibt Zi die Auszahlung an, die der Inhaber bei Aus¨ ubung zum Zeitpunkt i erh¨alt. Aus¨ ubungsstrategien sind Stopzeiten τ : Ω → {0, . . . , n} bzgl. der im Modell vorliegenden Filtration. Zu jeder solchen Strategie τ geh¨ort der Claim Z , τ ) = (Z0 1{τ =0} , Z1 1{τ =1} , . . . , Zn 1{τ =n} ), und ihre Anwendung erbringt f¨ C(∼ ur den Inhaber des amerikanischen Claims als Gesamtauszahlung und diskontierte Gesamtauszahlung Zτ =
n i=0
Zi 1{τ =i} und Bτ Zτ =
n i=0
Bi Zi 1{τ =i} .
4.2 Preisfestsetzung fu ¨ r einen amerikanischen Claim Z sei ein amerikanischer Claim in einem arbitragefreien n-Perioden-Modell. Der ∼ Kauf eines solchen Claims ist ¨aquivalent zum Erwerb der M¨oglichkeit, genau einen Claim aus s¨amtlichen Claims der Form C(Z , τ ) frei w¨ahlen zu k¨onnen. Wir ∼
43 definieren daher den fairen Preis eines amerikanischen Claims als Supremum u ¨ber die fairen Preise aller Claims, die f¨ ur diese Auswahl zur Verf¨ ugung stehen: s(Z ) = sup s(C(Z , τ )). ∼ ∼ τ Z , τ ) angenommen, was in einem Dabei sei die Absicherbarkeit s¨amtlicher C(∼ vollst¨andigen Modell stets erf¨ ullt ist. Zu einem Zeitpunkt k = 1, . . . , n − 1 u ¨bernimmt dieser die Rolle des Zeitpunktes 0, und es sind nun nur noch die Zeitpunkte k, . . . , n zur Aus¨ ubung m¨oglich mit resultierender Preisfestsetzung s(Z , k) = sup s(C(Z , τ )). ∼ ∼ τ ≥k Unter Benutzung eines ¨aquivalenten Martingalmaßes Q erhalten wir 1 Z ) = sup EQ (Bτ Zτ | A0 ) und s(Z , k) = sup s(∼ EQ (Bτ Zτ | Ak ). ∼ B τ τ ≥k k Diese Preisfestsetzung folgt dem No-Arbitrage-Prinzip. Im Fall einer Festsetzung s(Z ) < supτ s(C(Z , τ )) findet der K¨aufer eine Stopzeit τ mit s(Z ) < s(C(Z , τ )) ∼ ∼ ∼ ∼ und h¨atte damit den Claim C(Z , τ ) zum Preis s(Z ) und damit unterhalb seines ∼ ∼ Z ) > supτ s(C(Z , τ )) hat der K¨aufer nur fairen Preises erworben. Im Fall von s(∼ ∼ Z , τ ) zu realisieren. Jeden dieser Claims h¨atte er die Wahl, einen der Claims C(∼ jedoch oberhalb seines fairen Preises erworben. Zu einem amerikanischen Claim k¨onnen wir einen zugeh¨origen europ¨aischen Claim betrachten, der nur zum Zeitpunkt n ausge¨ ubt werden kann, also den Claim C(Z , n) = (0, . . . , 0, Zn ), der zur Stopzeit τ = n geh¨ort. Offensichtlich ist der faire ∼ Preis eines amerikanischen Claims stets gr¨oßer oder gleich dem des zugeh¨origen europ¨aischen Claims. Zur Berechnung des fairen Preises eines amerikanischen Claims ist die folgende Optimierungsaufgabe zu l¨osen: Bestimme sup EQ (Bτ Zτ | A0 ) = sup EQ (Bτ Zτ ) τ
τ
im Falle von A0 = {∅, Ω}, also bei als bekannt und damit fest angesehenen Preisen zum Zeitpunkt 0. Zur L¨osung von Optimierungsproblemen dieser Art liegt die Theorie des optimalen Stoppens vor. 4.3 Probleme des optimalen Stoppens Gegeben seien ein Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, A, P ) und eine Filtration (At )t∈T , T ⊂ [0, ∞). Ferner sei Z = (Zt )t∈T ein adaptierter reellwertiger stochastischer ∼
44
4. Amerikanische Claims und optimales Stoppen
ur alle t. Im unendlichen Fall, d. h. T = IN0 Prozeß, Zt : Ω → IR mit E|Zt | < ∞ f¨ Z bezeichnen wir als Auszahlungsprooder T = [0, ∞), sei Z∞ = lim supt→∞ Zt . ∼ zeß. Es sei S = {τ : τ Stopzeit, EZτ existiert}. Das Problem des optimalen Stoppens ist die Aufgabe, EZτ u ¨ber τ ∈ S zu maximieren, also die Bestimmung von Wert v = sup EZτ und optimaler Stopzeit τ ∗ ∈ S mit EZτ ∗ = sup EZτ . τ ∈S
τ ∈S
Vor der Darstellung des allgemeinen Zugangs zur L¨osung von Problemen des optimalen Stoppens wollen wir ein einfaches, aber f¨ ur die Finanzmarktpraxis interessantes Resultat betrachten. 4.4 Preisgleichheit von amerikanischem und europ¨ aischem Call Betrachtet sei ein arbitragefreies Finanzmarktmodell mit n Handelsperioden, zu dem eine festverzinsliche Anlage geh¨ort. Dann stimmen die fairen Preise des amerikanischen Calls und des europ¨aischen Calls u ¨berein, da die diskontierten CallAuszahlungen ein Submartingal bzgl. jedes ¨aquivalenten Martingalmaßes bilden, und es daher nach dem Optional-Sampling-Theorem 2.12 optimal ist, den Call am letzten Handelszeitpunkt auszu¨ uben. Bemerkenswert ist bei diesem Resultat, daß keine weiteren Annahmen u ber das Verhalten des Preisprozesses zum betrachte¨ ten Finanzgut ben¨otigt werden. Angemerkt sei, daß sich im Gegensatz dazu der faire Preis von amerikanischem und europ¨aischem Put unterscheiden. 4.5 Prinzip der Ru artsinduktion ¨ckw¨ Im folgenden betrachten wir ein allgemeines Stopproblem mit der Zeitparametermenge T = {0, 1, . . . , n}. Befinden wir uns schon im Zeitpunkt n, ohne vorher gestoppt zu haben, so haben wir die Auszahlung Zn zu akzeptieren. Zum Zeitpunkt n − 1 haben wir die Wahl zu stoppen mit resultierender Auszahlung Zn−1 oder aber eine weitere Beobachtung durchzuf¨ uhren, was die zum Zeitpunkt n − 1 noch nicht bekannte Auszahlung Zn liefert. Folgendes Entscheidungskriterum bietet sich an: Stoppe in n − 1 Mache eine weitere Beobachtung
im Falle von im Falle von
Zn−1 ≥ E(Zn | An−1). Zn−1 < E(Zn | An−1 ).
Ein entsprechendes Vorgehen benutzen wir in fr¨ uheren Zeitpunkten i: Stoppe in i, falls Zi gr¨oßer oder gleich dem bedingten Erwartungswert dessen ist, was sich bei optimaler Fortsetzung ergibt. Andernfalls f¨ uhre eine weitere Beobachtung durch.
45 4.6 Satz zur Ru artsinduktion ¨ckw¨ Betrachtet werde ein Stopproblem mit T = {0, 1, . . . , n}. Definiere induktiv Unn = Zn , n Uin = max{Zi , E(Ui+1 | Ai)} f¨ur i = n − 1, .., 0. n Ferner sei f¨ ur i = 0, 1, . . . , n mit der Festsetzung Un+1 = Unn n τin = inf{k ≥ i : Zk = Ukn } = inf{k ≥ i : Zk ≥ E(Uk+1 | Ak )}.
Dann gilt f¨ ur i = 0, .., n E(Zτin | Ai ) = Uin ≥ E(Zτ | Ai) f¨ur alle τ ≥ i, insbesondere folgt: v = EU0n und τ0n ist optimal. 4.7 Minimales dominierendes Supermartingal n Aus der Definition von U uckw¨artsinduktion die ∼ = (Ui )i erhalten wir durch R¨ folgenden Aussagen:
(i) U ≥ Z . ∼ ∼
(ii) U ist ein Supermartingal. ∼
U Y Z Y (iii) Ist Y ∼ ein weiteres Supermartingal mit ∼ ≥ ∼, so folgt ∼ ≥ ∼. U ist minimales dominierendes Diese drei Aussagen werden in der Formulierung ∼ Supermartingal zu Z zusammengefaßt. ∼ 4.8 Absicherung eines amerikanischen Claims Betrachtet werde ein arbitragefreies n-Perioden-Modell mit ¨aquivalentem Martingalmaß Q. Wir bezeichnen Z als absicherbar, falls eine selbstfinanzierende Han∼ delsstrategie H so existiert, daß f¨ ur den Wertprozeß V = V (H ) gilt: ∼ ∼ ∼ ∼ V ≥ Z. ∼ ∼ H heißt dann Hedge zu Z . Dieses besagt, daß der Verk¨aufer eines amerikanischen ∼ ∼ Claims nach Bildung des Portfolios H im Zeitpunkt 0 zum Preis H0T S0 jeden ∼
46
4. Amerikanische Claims und optimales Stoppen
m¨oglichen Anspruch des K¨aufers aus dem durch Anwendung der Handelsstrategie resultierenden Portfolio ohne Zufuhr weiterer Mittel erf¨ ullen kann. Unter Benutzung der vorstehend beschriebenen Theorie des optimalen Stoppens Z zum Anfangsportfol¨aßt sich zeigen, daß wir f¨ ur einen amerikanischen Claim ∼ liopreis H0T S0 = s(Z ) = sup EQ (Bτ Zτ | A0 ) ∼ τ einen selbstfinanzierenden Hedge H ∼ konstruieren k¨onnen und daß gilt ur Z }. s(Z ) = inf{H0T S0 : H selbstfinanzierender Hedge f¨ ∼ ∼ ∼ Das Prinzip der R¨ uckw¨artsinduktion liefert einen algorithmischen Zugang zur Behandlung optimaler Stopprobleme, der bisweilen auch zur expliziten L¨osung genutzt werden kann. F¨ ur eine praktisch besonders bedeutsame Klasse von stochastischen Prozessen l¨aßt sich ebenfalls n¨aheres u ¨ber die Struktur der optimalen Stopzeit aussagen. Es handelt sich dabei um Markovsche Prozesse. Wir sprechen dabei von der Markoveigenschaft eines stochastischen Systems, falls die zuk¨ unftige Entwicklung nur von der Gegenwart, nicht von der weiter zur¨ uckliegenden Vergangenheit abh¨angt. 4.9 Station¨ are Markovfolge X = (Xn )n∈IN0 sei ein stochastischer Prozeß auf einem Wahrscheinlichkeitsraum ∼ (Ω, A, P ) mit Werten in einem meßbaren Raum (E, E) und adaptiert zu einer Filtration A = (An )n∈IN0 . X wird als station¨are Markovfolge bzgl. A mit Anfangs∼ ∼ ∼ zustand z ∈ E bezeichnet, falls X0 = z ist, und eine Abbildung Q : E × E → [0, 1] mit den folgenden Eigenschaften vorliegt: Es ist Q(·, x) Wahrscheinlichkeitsmaß f¨ ur jedes x, Q(B, ·) meßbar f¨ ur jedes B ∈ E, und f¨ ur alle n gilt P (Xn+1 ∈ B | An ) = Q(B, Xn ).
¨ Q wird als Ubergangswahrscheinlichkeit und E als Zustandsraum bezeichnet. Es gilt dabei E(h(Xn+1 ) | An ) = E(h(Xn+1 ) | Xn ), E(h(Xn+1 ) | Xn = x) = h(y)Q(dy, x) f¨ ur meßbares h : E → IR mit existierendem Erwartungswert Eh(Xn+1 ).
Station¨are Markovfolgen entstehen h¨aufig im Rahmen der Betrachtung von Folgen unabh¨angiger und identisch verteilter Zufallsvariablen Y1 , Y2, . . . mit Werten in einem meßbaren Raum Y. Sei ferner (E, E) ein weiterer meßbarer Raum und
47 ur h : E × Y → E meßbar. Zu z ∈ E definieren wir X0 = X0z = z und induktiv f¨ n≥1 z Xn = Xnz = h(Xn−1 , Yn ). Wir erhalten auf diese Weise eine station¨are Markovfolge bzgl. An = σ(Y1 , .., Yn ). ¨ F¨ ur die Ubergangswahrscheinlichkeit ergibt sich Q(B, x) = P (h(x, Y1 ) ∈ B). Als Beispiel betrachten wir das Aktienpreismodell Aan = aY1 · · · Yn mit stochastisch unabh¨angigen identisch verteilten Y1 , Y2, . . . Dann ist Aa0 = a > 0 der Anfangskurs und Aan = h(Aan−1 , Yn ) mit h(x, y) = xy. 4.10 Station¨ ares Markovsystem (Ω, A, P ) sei ein Wahrscheinlichkeitsraum mit Filtration A = (An )n∈IN0 , (E, E) ∼ ein weiterer meßbarer Raum. F¨ ur jedes z ∈ E liege ein adaptierter stochastischer z z Prozeß X = (Xnz )n∈IN0 mit Werten in E so vor, daß X station¨are Markovfolge ∼ ∼ ¨ bzgl. A ∼ mit Anfangszustand z und mit einer von z unabh¨angigen Ubergangswahrscheinlichkeit Q ist. z
Dann heißt (X ∼ )z∈E ein station¨ares Markovsystem. Die Aktienpreisprozesse mit Anfangskurs a > 0 liefern ein Beispiel f¨ ur ein solches Markovsystem. Bei einem station¨aren Markovsystem gilt f¨ ur meßbares, geeignet integrierbares g : E k → IR z z E(g(Xn+1 , . . . , Xn+k ) | An ) = Eg(X1x , . . . , Xkx ) mit x = Xnz .
4.11 Markovsche Stopsituation z
ur i ∈ IN0 seien hi : Betrachtet werde ein station¨ares Markovsystem (X )z∈E . F¨ ∼ z z z ur alle i, z. E → IR meßbar und Zi = hi (Xi ). Es gelte E|Zi | < ∞ f¨
F¨ ur jedes z ∈ E betrachten wir das Problem des optimalen Stoppens von (Ziz )i=0,...,n bzgl. (Ai )i=0,...,n mit Wert v(z). Wir lassen dabei auch den Zeitpunkt 0 als Stopzeitpunkt zu, der die Auszahlung h0 (z) liefert. z Als station¨are Markovfolge verh¨alt sich Xi+1 , . . . , Xnz bei gegebenem Xiz (ω) = x x in seiner stochastischen Entwicklung wie X1x , . . . , Xn−i , entsprechend z x x z hi+1 (Xi+1 ), . . . , hn (Xn ) wie hi+1 (X1 ), . . . , hn (Xn−i ).
Es ist also zu vermuten, daß das Maximale, welches sich durch das Stoppen von z ), . . . , hn (Xnz ) bei gegebenen Xiz (ω) = x erreichen l¨aßt, gerade gleich hi+1 (Xi+1 x dem Maximalen ist, welches durch das Stoppen von hi+1 (X1x ), . . . , hn (Xn−i ) erreicht werden kann.
48
4. Amerikanische Claims und optimales Stoppen
Zur exakten Formulierung wird f¨ ur i = 0, . . . , n − 1, k = 1, . . . , n − i in Abh¨angigkeit von z ∈ E definiert wik (z) =
sup τ ∈S,1≤τ ≤k
Ehi+τ (Xτz ).
4.12 Satz zum optimalen Stoppen in Markovschen Stopsituationen Betrachtet werde eine Markovsche Stopsituation. (i) F¨ ur jedes i = 0, 1, . . . , n − 1 und jedes z ∈ E gilt n E(z Ui+1 | Ai ) = win−i(Xiz ),
wobei z
n | Ai )}, i = 0, . . . , n − 1, Unn = Znz , z Uin = max{Ziz , E(z Ui+1
durch R¨ uckw¨artsinduktion gegeben sind. Insbesondere gilt v(z) = max{h0 (z), w0n (z)}. (ii) Setzen wir Bkn = {x ∈ E : hk (x) ≥ wkn−k (x)}, k = 0, . . . , n − 1, Bnn = E, so ist f¨ ur jedes z ∈ E σ z = inf{k ≥ 0 : Xkz ∈ Bkn } eine optimale Stopzeit , also EZσzz = v(z). 4.13 Rekursive Berechnung Entsprechend der rekursiven Definition der Uin , i = n, . . . , 1 lassen sich die 2 1 , . . . , w0n rekursiv berechnen gem¨aß , wn−2 wn−1
1 wn−1 (x)
=
2 (x) = wn−2
.. . w0n (x)
=
hn (y)Q(dy, x),
1 (y)}Q(dy, x), max{hn−1 (y), wn−1
max{h1 (y), w1n−1(y)}Q(dy, x).
49 Betrachten wir das optimale Stopproblem f¨ ur einen speziellen Anfangszustand z, i (x) f¨ ur die vom Prozeß erreichbaren Zust¨ande so ist es nur n¨otig, die Werte wn−i z x = Xn−i (ω) zu bestimmen. Rekursive Berechnungen dieser Art lassen sich vorteilhaft durchf¨ uhren in Modellen mit Baumstruktur, wie sie z.B. im Cox-RossRubinstein-Modell vorliegt. Probleme des optimalen Stoppens mit endlicher Zeitparametermenge, z.B. f¨ ur T = {0, 1, . . . , n}, lassen sich in der Regel nicht explizit l¨osen, sondern werden einer numerischen L¨osung unter Benutzung von Verfahren, die aus dem Prinzip der R¨ uckw¨artsinduktion abgeleitet werden, zugef¨ uhrt. Bisweilen kann jedoch im entsprechenden unendlichen Problem eine explizite L¨osung gefunden werden. 4.14 Unendliche Stopprobleme In der Finanzmathematik interessieren wir uns haupts¨achlich f¨ ur Probleme des optimalen Stoppens mit beschr¨ankter Zeitparametermenge. Die zugeh¨origen unendlichen Stopprobleme, betreffend fiktive Optionen mit unendlicher Laufzeit, auch als Perpetual Options bezeichnet, liefern aber zumindest Absch¨atzungen f¨ ur die fairen Preise der entsprechenden amerikanischen Optionen mit endlicher Laufzeit. Wir wollen daher kurz einige Tatsachen u ¨ ber Stopprobleme mit Zeitparametermenge T = IN0 darstellen. Als wesentliche Voraussetzung wird dabei E sup Zn+ < ∞ gefordert. Dann kann gezeigt werden: (i) Es existiert das minimale dominierende Supermartingal U zu Z . ∼ ∼
(ii) Die Stopzeit τ ∗ = inf{n : Zn = Un } ist optimal, falls die Bedingung P (τ ∗ < ∞) = 1 erf¨ ullt ist. Deutliche Vereinfachungen ergeben sich beim Vorliegen eines Stopproblems f¨ ur z ur ein h : E → IR der Ausein station¨ares Markov-System (X )z∈E . Sei dabei f¨ ∼ zahlungsprozeß gegeben durch Znz = h(Xnz ). ur alle i, z und E sup(Znz )+ < ∞ f¨ ur alle z. Es gelte E|Ziz | < ∞ f¨ F¨ ur jedes z ∈ E betrachten wir das Problem des optimalen Stoppens von (Ziz )i∈IN0 und definieren w(z) = sup h(Xτz ). τ ∈S, τ ≥1
Dann kann f¨ ur jedes z ∈ E gezeigt werden: (iii) v(z) = max{h(z), w(z)}.
50
4. Amerikanische Claims und optimales Stoppen
(iv) Setzen wir B = {x ∈ E : h(x) ≥ w(x)}, so ist σ z = inf{k ≥ 0 : Xkz ∈ B} ullt ist. eine optimale Stopzeit, falls die Bedingung P (σ z < ∞) = 1 erf¨
Aufgaben Aufgabe 4.1 Sie drehen ein Gl¨ ucksrad mit Feldern von 1 bis 50. Nach Anhalten des Rades k¨onnen Sie zwischen Auszahlung des angezeigten Betrages und nochmaligem Drehen des Gl¨ ucksrades w¨ahlen. Die Anzahl der Versuche ist auf n begrenzt. Formulieren Sie dieses als optimales Stopproblem und geben Sie eine optimale Strategie an. Aufgabe 4.2 Betrachtet sei ein arbitragefreies Cox-Ross-Rubinstein-Modell 1 mit n Perioden, Diskontierungsfaktor α = 1+ρ und Aktienpreisprozeß (Ak )k=0,...,n mit A0 = 1. F¨ ur a > 0 definiert dann (aAk )k=0,...,n den Aktienpreisprozeß mit Anfangskurs a. Sei Q das ¨aquivalente Martingalmaß. F¨ ur k = 0, . . . , n bezeichne v(a, k) den Preis des amerikanischen Puts mit Laufzeit k, Aus¨ ubungspreis K und Anfangskurs a, also v(a, k) =
sup τ ≤k Stopzeit
EQ (ατ (K − aAτ )+ ) .
Sei ferner d(a, k) = v(a, k) − (K − a)+ , βk = sup{a ≤ K : d(a, k) = 0} . ¨ Uberzeugen Sie sich zun¨achst, daß f¨ ur jedes k ein a ∈ (0, K] mit d(a, k) = 0 existiert, und zeigen Sie dann: (a) d(·, k) ist monoton wachsend auf (0, K]. (b) βn ≤ βn−1 ≤ · · · ≤ β0 . ubungsstrategie f¨ ur (c) τ ∗ = min{inf{k : aAk ≤ βn−k }, n} ist eine optimale Aus¨ den Put mit Laufzeit n. Aufgabe 4.3 Geben Sie einen Algorithmus an, mit dessen Hilfe man auf einem Computer den Preis der amerikanischen Putoption im Cox-Ross-RubinsteinModell berechnen kann.
51 Aufgabe 4.4 Seien X1 , . . . , Xn stochastisch unabh¨angige, identisch verteilte Zufallsvariablen mit Werten in einer Menge E, die mit einer σ-Algebra E versehen sei. F¨ ur k = 1, . . . , n sei hk : E k → IR eine beschr¨ankte meßbare Abbildung. Durch Zk = hk (X1 , . . . , Xk ) wird ein Auszahlungsprozeß (Zk )k=1,...,n definiert. Sei Ak = σ(X1 , . . . , Xk ) f¨ ur k = 1, . . . , n. Zu bestimmen ist der Wert des so definierten Problem des optimalen Stoppens. Dazu seien Funktionen vn , . . . , v1 definiert durch vn (x) = hn (x), x ∈ E n , und vk (x) = max{hk (x), Evk+1 (x, Xk+1)}, x ∈ E k , k = n − 1, . . . , 1. Zeigen Sie v = Ev1 (X1 ). Aufgabe 4.5 Betrachtet sei ein arbitragefreies Cox-Ross-Rubinstein-Modell mit Diskontierungsfaktor α und Aktienpreisprozeß (Ak )k=0,...,n . Zu bewerten sei der durch Zk = k1 ki=1 Ai , k = 1, . . . , n, definierte amerikanische Claim. Zum Zeitpunkt k erh¨alt man also den mittleren Wert der bis dahin aufgetretenen Aktienpreise, was als asiatische Option bezeichnet wird. Sei Q ¨aquivalentes Martingalmaß, S die Menge aller Stopzeiten. ur k = 1, . . . , n . (a) Berechnen Sie EQ αk Zk f¨ (b) Entwerfen Sie - unter Benutzung von Aufgabe 4.4 - ein Computerprogramm zur Berechnung von sup EQ ατ Zτ und sup EQ (ατ (Aτ − Zτ )+ ) . τ ∈S
τ ∈S
Aufgabe 4.6 Betrachtet sei ein Stopproblem f¨ ur integrierbare Zufallsgr¨oßen X1 , . . . , Xn . Die Filtration sei gegeben durch Ak = σ(X1 , . . . , Xk ). Sei An = Ω und f¨ ur k = 1, . . . , n − 1 Ak = {Xk ≥ E(Xk+1 |Ak )}. Es gelte Ak ⊆ Ak+1 f¨ ur alle k. Zeigen Sie: (a) Uk′ = Uk 1Ack + Xk 1Ak , k = 1, . . . , n, bildet ein Supermartingal, wobei U1 , . . . , Un das minimal dominierende Supermartingal gem¨aß 4.7 ist.
52
4. Amerikanische Claims und optimales Stoppen
(b) Die Stopzeit σ = min{inf{k : Xk ≥ E(Xk+1|Ak )}, n} ist optimal. Aufgabe 4.7 Seien Y1 , . . . , Yn stochastisch unabh¨angige, identisch verteilte und integrierbare Zufallsgr¨oßen. Seien weiter Mk = max{Y1 , . . . , Yk } und Xk = ur ein c > 0. Mk − ck, k = 1, . . . , n, f¨ Bestimmen Sie unter Benutzung von Aufgabe 4.6 eine optimale Stopzeit in dem Stopproblem f¨ ur X1 , . . . , Xn .
Kapitel 5 Der Fundamentalsatz der Preistheorie Inhalt dieses kurzen Kapitels ist eine Diskussion von theoretischen Aspekten des Fundamentalsatzes der Preistheorie, dessen Aussage wir schon in Kapitel 3 vorgestellt haben und hier wiederholen wollen. Die sich anschließenden Aufgaben beziehen sich auf das Umfeld und Anwendungen dieses Satzes. 5.1 Fundamentalsatz der Preistheorie Im n-Perioden-Modell sind ¨aquivalent: (i) Das Modell ist arbitragefrei. (ii) Es existiert ein ¨aquivalentes Martingalmaß Q. Sehr einfach ist der Nachweis, daß (ii) die G¨ ultigkeit von (i) impliziert. Der mathematische Kern der umgekehrten Implikation steckt im folgenden Resultat, aus dem sich dann der Fundamentalsatz herleiten l¨aßt: 5.2 Hauptsatz zum Beweis des Fundamentalsatzes Sei (Ω, A, P ) ein Wahrscheinlichkeitsraum, S : Ω → IRg eine meßbare Abbildung und F eine Unter-σ-Algebra. Dann sind ¨aquivalent: (i) Es existiert kein beschr¨anktes F -meßbares X : Ω → IRg mit X T S ≥ 0 und P (X T S > 0) > 0. (ii) Es existiert ein beschr¨anktes Z mit P (Z > 0) = 1, EZ|S| < ∞ und E(ZS|F ) = 0.
54
5. Der Fundamentalsatz der Preistheorie
Dabei ist wiederum offensichtlich, daß (i) aus (ii) folgt. S ¨ Zu beweisen ist also, daß (i) aus (ii) folgt. Der Ubergang von S zu S ′ = 1+|S| zeigt, daß es gen¨ ugt, beschr¨anktes S, also insbesondere S mit E|S| < ∞ zu betrachten. Z′ ur S ′ gem¨aß (ii) vor, so erf¨ ullt Z = 1+|S| die Behauptung Liegt n¨amlich ein Z ′ f¨ f¨ ur S. Die Beweise benutzen meist Konzepte aus der Funktionalanalysis. Dazu werden eingef¨ uhrt: L∞ L1 Lg∞ Lg1
= = = =
{Z {Z {Z {Z
: Ω → IR : Z meßbar, beschr¨ankt }, : Ω → IR : Z meßbar, E|Z| < ∞}, : Ω → IRg : Z meßbar, beschr¨ankt }, : Ω → IRg : Z meßbar, E|Z| < ∞},
wobei in u ¨ blicher Weise Funktionen identifiziert werden, die fast sicher u ¨ bereinstimmen. Sei f¨ ur S ∈ Lg1 K = {X T S : X ∈ Lg∞ , X F -meßbar }. Dann kann Bedingung (i) geschrieben werden als + K ∩ L+ 1 = {0} mit L1 = {Z ∈ L1 : Z ≥ 0}.
5.3 Funktionalanalytische Version des Hauptsatzes Sei S ∈ Lg1 . F sei Unter-σ-Algebra. Dann sind ¨aquivalent (i) K ∩ L+ 1 = {0}. + (ii) K − L+ 1 ∩ L1 = {0}.
(iii) Es existiert Z ∈ L∞ mit P (Z > 0) = 1 und E(ZS|F ) = 0.
Aufgaben Aufgabe 5.1 Sei (Xn )n∈IN eine Folge von unabh¨angigen, identisch verteilten Zufallsvariablen auf einem Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, A, P ) mit Werten in einer Menge E, die mit einer σ-Algebra E versehen ist. Sei An = σ(X1 , . . . , Xn ) f¨ ur n ∈ IN. Sei Q ein weiteres Wahrscheinlichkeitsmaß auf (Ω, A) so, daß (Xn )n∈IN ebenfalls unabh¨angig und identisch verteilt ist bez¨ uglich Q. Es gelte P X1 = QX1 .
55 uglich µ Ferner sei µ ein Maß auf E so, daß P X1 und QX1 die Dichten f, g bez¨ besitzen. Schließlich sei f¨ ur n ∈ IN Ln =
n
g(Xi ) . f (Xi ) i=1
Zeigen Sie unter Benutzung der Konvention
c 0
= ∞ f¨ ur c ≥ 0:
(a) lim Ln = ∞ Q − f.s. , lim Ln = 0 P − f.s. n→∞
n→∞
(b) Gilt µ(f = 0) = µ(g = 0) = 0, so ist P |An ¨aquivalent zu Q|An mit Dichte Ln . Aufgabe 5.2 Sei (Xn )n∈IN eine Folge von unabh¨angigen, identisch verteilten Zufallsvariablen auf einem Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, A, P ) mit Werten in einer Menge E, die mit einer σ-Algebra E versehen ist. Sei Q ein weiteres Wahrscheinlichkeitsmaß auf (Ω, A) so, daß (Xn )n∈IN ebenfalls unabh¨angig, identisch verteilt ist bez¨ uglich Q. Ferner gebe es ein B ∈ E mit P (X1 ∈ B) = Q(X1 ∈ B). Zeigen Sie: P und Q sind orthogonal, d.h. es gibt ein A ∈ A mit P (A) = 0 und Q(Ac ) = 0. Aufgabe 5.3 Seien X1 , . . . , XN unabh¨angige, identisch verteilte Zufallsgr¨oßen auf einem Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, A, P ). X1 sei integrierbar, und es gelte P (X1 > 0) > 0, P (X1 < 0) > 0. Bestimmen Sie ein zu P a¨quivalentes Wahrscheinlichkeitsmaß Q so, daß Sn = n Xi , n = 1, . . . , N, ein Martingal bez¨ uglich Q ist. i=1
Aufgabe 5.4 Sei Ω endlich. Es liege ein arbitragefreies n-Perioden-Modell vor. Geben Sie einen Beweis der Existenz eines ¨aquivalenten Martingalmaßes, der mit ¨ einfachen Uberlegungen auskommt. Hinweis: Benutzen Sie den Satz u ¨ber die Existenz einer trennenden Hyperebene in der folgenden Form: Sind Y, Z ⊆ Rm disjunkte, konvexe und abgeschlossene Mengen, von denen eine sogar kompakt ist, so existieren q ∈ Rm , β ∈ R so, daß f¨ ur alle y ∈ Y, z ∈ Z gilt q T y ≤ β < q T z.
Aufgabe 5.5 Gegeben sei ein arbitragefreies Ein-Perioden-Modell mit Diskontierungsfaktor B. Sei M die Menge aller ¨aquivalenten Martingalmaße und H
56
5. Der Fundamentalsatz der Preistheorie
die Menge der hedgebaren Claims. Wir treffen die Konventionen inf ∅ = ∞ und sup ∅ = −∞. F¨ ur einen Claim Y bezeichnet s+ (Y ) = inf{EQ BC : C ≥ Y, C ∈ H} , s− (Y ) = sup{EQ BC : C ≤ Y, C ∈ H} den upper bzw. den lower hedging price, wobei zur Definition ein risikoneutrales Q ∈ M beliebig gew¨ahlt sei. Es gelte S = {EQ BY : Q ∈ M, EQ B|Y | < ∞} = ∅. Zeigen Sie: (a) Die Definition von s+ (Y ) und s− (Y ) ist unabh¨angig vom gew¨ahlten Q ∈ M. (b) Das um Y mit Preis p erweiterte Modell ist genau dann arbitragefrei, wenn p ∈ S ist. (c) Es gilt s+ (Y ) = sup S und s− (Y ) = inf S.
Kapitel 6 Stochastische Grundlagen kontinuierlicher M¨ arkte Die Finanzmarktrealit¨at beschr¨ankt sich nicht auf endlich viele diskrete Handelsperioden, sondern bietet ein Kontinuum von Handelszeitpunkten. Zur wirklichkeitsnahen Modellierung haben wir daher stochastische Prozesse mit kontinuierlichem Zeitparameter zu benutzen. Bei solchem Zeitparameter t ∈ [0, T ], bzw. t ∈ [0, ∞) treten nun eine F¨ ulle von neuartigen Ph¨anomenen auf, die wir zu diskutieren haben, bevor wir eine angemessene Behandlung von Finanzm¨arkten mit kontinuierlichem Zeitparameter, kurz als kontinuierliche Finanzm¨arkte bezeichnet, durchf¨ uhren k¨onnen. Die Darstellung dieser von uns ben¨otigten Begriffsbildungen und Resultate u ¨ber stochastische Prozesse mit kontinuierlicher Zeit sind der Gegenstand dieses und des folgenden Kapitels. Wie schon in der Analyse des n-Perioden-Modells wird auch hier den Begriffen Stopzeit und Martingal eine zentrale Rolle zukommen. Im folgenden behandeln wir die Zeitparametermenge T = [0, ∞). Die Modifikationen f¨ ur den Fall T = [0, T ] sind in der Regel offensichtlich, so daß ihre Darstellung unterbleiben kann. 6.1 Zeitkontinuierlicher stochastischer Prozeß Es sei X ∼ = (Xt )t∈[0,∞) ein stochastischer Prozeß mit Werten in X . Wir k¨onnen ihn betrachten als Abbildung X : [0, ∞) × Ω → X , X(t, ω) = Xt (ω). Die f¨ ur jedes ω ∈ Ω definierten Abbildungen X(·, ω) : [0, ∞) → X mit X(t, ω) = Xt (ω) werden Pfade des stochastischen Prozesses genannt. Betrachten wir nun den g Fall X = IRg . Ein stochastischer Prozeß X ∼ mit Werten in IR wird als stetiger Prozeß bezeichnet, falls s¨amtliche Pfade stetig sind. Entsprechend nennen
58
6. Stochastische Grundlagen kontinuierlicher M¨arkte
wir X rechtsseitig-stetigen bzw. linksseitig-stetigen Prozeß, falls s¨amtliche Pfa∼ de rechtsseitig-stetig, bzw. s¨amtliche Pfade linksseitig-stetig sind. Im Fall von linksseitig- oder rechtsseitig-stetigen Prozessen gilt X = Y genau dann, wenn Xt = Yt f¨ ur alle t ∈ [0, ∞) ∼ ∼ ur alle t ∈ [0, ∞)) = gilt, wobei ersteres gem¨aß unserer Konvention als P (Xt = Yt f¨ 1, letzteres als P (Xt = Yt ) = 1 f¨ ur alle t ∈ [0, ∞) zu verstehen ist. Entsprechendes gilt nat¨ urlich auch im Fall reellwertiger Prozesse f¨ ur die Begriffsbildung X ≥ Y . ∼ ∼ Im Fall kontinuierlichen Zeitparameters erweist sich auch eine Stetigkeitsbedindung f¨ ur Filtrationen als n¨ utzlich: Eine Filtration A heißt rechtsseitig-stetig, falls ∼ f¨ ur alle t gilt At = As . s>t
Definiert man zu einer beliebigen Filtration A die Filtration ∼ + + A = (A+ ) As , t∈[0,∞) , At = t ∼ s>t
+
so ist A ∼ rechtsseitig-stetig. 6.2 Stopzeiten im zeitkontinuierlichen Fall Sei X = (Xt )t∈[0,∞) ein stochastischer Prozeß mit Werten in X . Sei B ⊆ X ∼ meßbar. Wir definieren die Eintrittszeit in B durch τB = inf{t : Xt ∈ B} mit der Festsetzung inf ∅ = ∞.
Im Falle eines adaptierten stochastischen Prozesses mit diskretem Zeitparameter sind Eintrittszeiten offensichtlich stets Stopzeiten. In Fall kontinuierlichen Zeitparameters ist dies eine schwierigere Fragestellung. Leicht einzusehen ist die folgende Aussage: τB ist eine Stopzeit, falls (i) X ∼ ein stetiger adaptierter Prozeß und B eine abgeschlossene Menge ist oder (ii) X ∼ ein rechtsseitig-stetiger adaptierter Prozeß, B eine offene Menge und die zugeh¨orige Filtration rechtsseitig-stetig ist. Ist X ∼ = (Xt )t∈[0,∞) ein adaptierter stochastischer Prozeß und τ eine Stopzeit, so bilden wir Xτ durch Xτ (ω) (ω) = X(τ (ω), ω) mit geeigneter Festlegung von X∞ . Im Fall diskreten Zeitparameters erhalten wir sofort die Aτ -Meßbarkeit von Xτ . Im Fall kontinuierlichen Zeitparameters ist
59 dieses im Fall rechtsseitig-stetiger oder linksseitig-stetiger Prozesse erf¨ ullt. Diese hiermit vorgestellten Resultate sind f¨ ur unsere Zwecke ausreichend. Es sei allerdings erw¨ahnt, daß wesentlich allgemeinere Aussagen m¨oglich sind. Wie im Fall diskreten Zeitparameters wird auch bei der Untersuchung kontinuierlicher Finanzm¨arkte der Martingalbegriff eine wesentliche Rolle spielen. Um mit diesem Begriff erfolgreich umgehen zu k¨onnen, ben¨otigen wir das OptionalSampling-Theorem und die Doobschen Ungleichungen ebenso f¨ ur Martingale mit kontinuierlichem Zeitparameter. Die benutzte Beweismethode f¨ ur das OptionalSampling-Theorem ist einfach beschrieben: Allgemeine Stopzeiten werden durch Stopzeiten mit endlichem Wertebereich approximiert. Auf diese werden die Resultate f¨ ur den Fall diskreten Zeitparameters angewandt, und die gew¨ unschten Aussagen ergeben sich schließlich durch Grenz¨ ubergang. Zur Durchf¨ uhrung dieser Grenz¨ uberg¨ange ben¨otigen wir den Begriff der gleichgradigen Integrierbarkeit. 6.3 Gleichgradige Integrierbarkeit Eine Familie (Zi )i∈I von Zufallsgr¨oßen heißt gleichgradig integrierbar, falls gilt: ur P (A) → 0. sup E|Zi | < ∞, sup |Zi | dP → 0 f¨ i
i
A
Eine wichtige Konsequenz dieser Begriffsbildung ist die folgende Aussage: (Zn )n∈IN sei gleichgradig integrierbar. Es gelte Zn → Z in Wahrscheinlichkeit, was eine schw¨achere Anforderung als die fast sichere Konvergenz ist. Dann folgt E|Zn − Z|n→∞ → 0, insbesondere EZn n→∞ → EZ.
Ein wichtige Beispielklasse f¨ ur gleichgradig integrierbare Familien wird durch folgendes Resultat geliefert: Es sei X eine Zufallsgr¨oße mit E|X| < ∞. (Gi )i∈I sei eine Familie von Unter-σ-Algebren. Dann gilt: (E(X | Gi ))i∈I ist gleichgradig integrierbar. Wir verzichten bei den folgenden Ausagen auf die explizite Nennung der Filtration A = (At )t∈[0,∞) , zu der die betrachteten Prozesse als adaptiert angenommen ∼ werden. 6.4 Optional-Sampling-Theorem – zeitkontinuierlicher Fall Es sei M = (Mt )t∈[0,∞) ein rechtsseitig-stetiges Martingal. ∼
F¨ ur jede Stopzeit τ mit P (τ < ∞) = 1, E|Mτ | < ∞ und {τ >n} |Mn | dP n→∞ → 0 gilt EMτ = EM0 .
Insbesondere gilt diese Identit¨at f¨ ur jede beschr¨ankte Stopzeit.
60
6. Stochastische Grundlagen kontinuierlicher M¨arkte
6.5 Optional-Sampling-Theorem - erweiterte Version Seien X = (Xt )t∈[0,∞) ein rechtseitig-stetiges Submartingal und σ, τ beschr¨ankte ∼ Stopzeiten. Es gelte σ ≤ τ . Dann folgt Xσ ≤ E(Xτ | Aσ ), insbesondere EXσ ≤ EXτ . Im Supermartingal- bzw. Martingalfall ist ≤ durch ≥, bzw. = zu ersetzen. Entsprechend zu 6.4 ergibt sich die Formulierung f¨ur unbeschr¨ankte Stopzeiten. Im diskreten Fall hatten wir die Erweiterung des Optional-Sampling-Theorems unter Benutzung der Doobschen Zerlegung X = M + A eines Submartingals bzw. ∼ ∼ ∼ eines Supermartingals in ein Martingal und einen Prozeß mit wachsenden bzw. fallenden Pfaden erhalten. Im Fall des kontinuierlichen Zeitparameters ist eine solche Zerlegung unter gewissen zus¨atzlichen Voraussetzungen weiterhin g¨ ultig, jedoch nun wesentlich schwieriger nachzuweisen. Sie ist unter dem Namen DoobMeyer-Zerlegung bekannt. 6.6 Doobsche Ungleichungen (i) X = (Xt )t∈[0,∞) sei ein rechtsseitig-stetiges Submartingal. ∼ Dann gilt f¨ ur alle t und γ > 0 P (sup Xs ≥ γ) ≤ s≤t
1 E(Xt+ ), ferner E(sup Xs2 ) ≤ 4E(Xt2 ) f¨ur X ≥ 0. ∼ γ s≤t
(ii) M ∼ = (Mt )t∈[0,∞) sei ein rechtsseitig-stetiges Martingal. Dann gilt f¨ ur alle t und γ > 0 P (sup |Ms | ≥ γ) ≤ s≤t
1 E(Mt2 ) und E(sup Ms2 ) ≤ 4E(Mt2 ). γ2 s≤t
Aufgaben Aufgabe 6.1 Sei M uglich einer Fil∼ ein rechtsseitig-stetiges Martingal bez¨ tration A und τ eine Stopzeit. Zeigen Sie - mit der Bezeichnung s ∧ t = min{s, t}: ur alle A ∈ As , s ≥ 0 . (a) A ∩ {τ > s} ∈ Aτ ∧s f¨ ur alle A ∈ As , t > s ≥ 0 . (b) EMτ ∧t 1A = EMτ ∧s 1A f¨ τ
(c) M = (Mτ ∧t )t∈[0,∞) ist ein Martingal. ∼
61 Aufgabe 6.2 Definiere
Sei M ein stetiges Martingal ≥ 0 und τ = inf{t : Mt = 0}. ∼ ′
M = (Mτ +t 1{τ <∞} )t∈[0,∞) . ∼
Zeigen Sie
′
M = 0. ∼ Aufgabe 6.3 Es sei M ∼ ein stetiges Martingal ≥ 0. Es gelte limt→∞ Mt = 0 fast sicher. Zeigen Sie f¨ ur t ≥ 0, b > 0 unter Benutzung der Stopzeit τ = inf{s ≥ t : Ms = b}: (a) P (sups>t Ms ≥ b|Ft ) =
Mt b
auf {Mt < b}.
(b) P (sups>t Ms ≥ b) = P (Mt ≥ b) + 1b EMt 1{Mt
Sei (Zi )i∈I eine Familie von integrierbaren Zufallsgr¨oßen. Zeigen
(Zi )i∈I ist gleichgradig integrierbar genau dann, wenn gilt sup Zi dP → 0 f¨ ur k → ∞. i∈I
{|Zi |≥k}
Aufgabe 6.5 Sei (Zi )i∈I eine Familie von integrierbaren Zufallsgr¨oßen. Es existiere eine Abbildung f : [0, ∞) → [0, ∞) mit f (x) → ∞ f¨ ur x → ∞ und x supi∈I Ef (|Zi |) < ∞.
Zeigen Sie, daß (Zi )i∈I gleichgradig integrierbar ist.
Aufgabe 6.6 Sei (Zn )n∈IN eine gleichgradig integrierbare Familie von Zufallsgr¨oßen. Es gelte Zn → Z in Wahrscheinlichkeit f¨ ur eine Zufallsgr¨oße Z. Zeigen Sie E|Zn − Z| → 0 f¨ ur n → ∞.
Kapitel 7 Der Wienerprozeß Da wir die Preisentwicklungen an kontinuierlichen Finanzm¨arkten durch stochastische Prozesse mit kontinuierlichem Zeitparameter zu beschreiben haben, stellt sich uns sofort die Frage, wie wir die konkrete Modellierung durchf¨ uhren wollen, d. h. welche stochastischen Prozesse wir zur Modellbildung heranziehen wollen. Die derzeit gebr¨auchlichen Modelle basieren auf dem Wienerprozeß, benannt nach dem Mathematiker Wiener, der oft auch als Brownsche Bewegung nach dem Botaniker Brown bezeichnet wird. Zun¨achst zur Beschreibung physikalischer Ph¨anomene entwickelt, wurde dieser Prozeß schon im Jahre 1900 von Bachelier in seiner Arbeit Th´eorie de la sp´eculation zur Modellierung von Finanzm¨arkten benutzt. Inhalt des Kapitels ist die Beschreibung dieses stochastischen Prozesses und seiner f¨ ur uns wesentlichen Eigenschaften. 7.1 Wienerprozeß Sei A ∼ = (At )t∈[0,∞) eine Filtration. Ein adaptierter, reellwertiger stochastischer Prozeß W = (Wt )t∈[0,∞) mit W0 = 0 wird als Wienerprozeß bzgl. A bezeichnet, ∼ ∼ falls gilt: (i) Wt − Ws ist N(0, t − s)-verteilt f¨ ur alle 0 ≤ s < t, d.h. normalverteilt mit Mittelwert 0 und Varianz t − s. ur alle 0 ≤ s < t. (ii) Wt − Ws ist stochastisch unabh¨angig von As f¨ (iii) W besitzt stetige Pfade. ∼ Es kann gezeigt werden, daß dann die Eigenschaft (ii) auch f¨ ur A+ s vorliegt, + A so daß ein Wienerprozeß bzgl. einer Filtration auch ein solcher bzgl. A ist. ∼ ∼
63 Wir werden oft die explizite Erw¨ahnung der Filtration unterlassen, also kurz von einem Wienerprozeß sprechen. 7.2 Eigenschaften des Wienerprozesses A Es sei W ∼ ein Wienerprozeß bzgl. einer Filtration ∼. (i) Mittels Induktion folgt, daß f¨ ur 0 = t0 < t1 < t2 < . . . < tn die als Zuw¨achse bezeichneten Zufallsgr¨oßen Wt1 − Wt0 , . . . , Wtn − Wtn−1 stochastisch unabh¨angig sind, insgesamt stochastisch unabh¨angig von A0 . Aus Wti = ik=1 (Wtk − Wtk−1 ) erhalten wir dann, daß die Verteilung der Zufallsvariablen (Wt1 , . . . , Wtn ) eine n-dimensionale Normalverteilung ist, die den Mittelwertvektor (0, . . . , 0) und die Kovarianzmatrix (min{ti , tj })i,j besitzt. Ferner ist diese Zufallsvariable stochastisch unabh¨angig von A0 . Entsprechend ergibt sich, daß f¨ ur 0 < s < t1 < t2 < . . . < tn die Zufallsvariable (Wt1 − Ws , . . . , Wtn − Ws ) eine n-dimensionale Normalverteilung besitzt und stochastisch unabh¨angig von As ist. (ii) Folgende Prozesse bilden wieder Wienerprozesse:
(−Wt )t∈[0,∞) ist Wienerprozeß bzgl. A. ∼ −1/2 (c Wct )t∈[0,∞) ist Wienerprozeß bzgl. (Act )t∈[0,∞) f¨ ur jedes c > 0. (Wt+s − Ws )t∈[0,∞) ist Wienerprozeß bzgl. (At+s )t∈[0,∞) f¨ ur jedes s > 0. 7.3 Kanonische Filtration und kanonische Darstellung Betrachten wir allgemein einen stochastischen Prozeß X , so wird seine kanonische ∼ Filtration G definiert durch Gt = σ((Xs )s≤t ).
Offensichtlich ist jeder stochastische Prozeß zu seiner kanonischen Filtration adaptiert. Ist nun W ein Wienerprozeß, so bleibt die Bedingung (iii) offensichtlich ∼ g¨ ultig, wenn wir As durch Gs ersetzen. Also ist jeder Wienerprozeß auch ein solcher bzgl. seiner kanonischen Filtration. F¨ ur ein I ⊆ IRg benutzen wir im folgenden die Bezeichnung C(I) f¨ ur die Menge der stetigen Funktionen f : I → IR. F¨ ur t ∈ I sind die Projektionen πt : C(I) → IR definiert durch πt (f ) = f (t), ferner f¨ ur S ⊆ I entsprechend πS : C(I) → IRS durch πS (f ) = (f (s))s∈S . Wir betrachten C(I) als meßbaren Raum mit der durch die Projektionen induzierten σ-Algebra BC = σ((πt )t∈I ), die gerade die Borelsche σ-Algebra bzgl. der u ¨blichen Metrik auf C(I) ist. Ein Wahrscheinlichkeitsmaß Q auf C(I) ist schon durch seine endlich-dimensionalen Verteilungen QπS eindeutig bestimmt.
64
7. Der Wienerprozeß
Vorliegen m¨oge nun ein stetiger reellwertiger stochastischen Prozeß X . Bezeich∼ nen wir dann die Abbildung, die jedem ω den zugeh¨origen Pfad X(·, ω) zuordnet, ebenfalls mit X , so erhalten wir eine Zufallsvariable ∼
X X : Ω → C([0, ∞)) mit zugeh¨origer Verteilung Q = P ∼ . ∼ Betrachten wir den stochastischen Prozeß π = (πt )t∈[0,∞) auf dem Wahrschein∼ lichkeitsraum (C([0, ∞), BC , Q), so liegt offensichtlich ein Prozeß mit stetigen PfaX π den vor, f¨ ur den gilt P ∼ = Q∼ . π wird auch als kanonische Darstellung zu X ∼ ∼ bezeichnet. Ist W ein Wienerprozeß, so sind die endlich-dimensionalen Verteilun∼ W gen zum Wahrscheinlichkeitsmaß Q = P ∼ eindeutig festgelegt gem¨aß 7.2. Q ist somit eindeutig festgelegt und wird als W ienermaß bezeichnet. 7.4 Der Wienerprozeß und Summen unabh¨ angiger Zufallsgr¨ oßen ¨ Der Wienerprozeß kann als eine Ubertragung des wahrscheinlichkeitstheoretischen Konzepts der Partialsummen von stochastisch unabh¨angigen, identisch verteilten Zufallsvariablen auf den zeitkontinuierlichen Fall angesehen werden. Zur Erl¨auterung seien dazu X1 , X2 , . . . stochastisch unabh¨angige, identisch verteilte 2 Zufallsgr¨oßen mit EX ni = 0, EXi = 1. Wir definieren dazu die Partialsummen durch S0 = 0, Sn = i=1 Xi , n = 1, 2, . . . .
Liegt ein hinreichend großes n vor, so besteht, wie in Simulationsstudien sicht¨ bar gemacht werden kann, große Ahnlichkeit zwischen den Pfaden des stochaS[tn] n n stischen Prozesses (St )t∈[0,1] mit St = √n und linearer Interpolation an den Zwischenpunkten und denjenigen einer physikalisch realisierten Brownschen Bewegung. Die mathematische Formulierung dazu liefert der Satz von Donsker, der besagt: F¨ ur jede beschr¨ankte und bzgl. der Supremumsnorm stetige Funktion h : C[0, 1] → IR gilt Eh((Stn )t∈[0,1] )n→∞ → Eh((Wt )t∈[0,1] ). Resultate dieses Typs werden benutzt, um kontinuierliche Finanzm¨arkte durch Cox-Ross-Rubinstein-Modelle zu approximieren. 7.5 Martingaleigenschaften beim Wienerprozeß Es sei W ein Wienerprozeß bzgl. einer Filtration A. Aus 7.1 ergibt sich sofort, ∼ ∼ daß die folgenden stochastischen Prozesse Martingale sind: 1 2
(Wt )t∈[0,∞) , (Wt2 − t)t∈[0,∞) und (eaWt − 2 a t )t∈[0,∞) . Letzteres wird als Exponentialmartingal bezeichnet. Im Zusammenspiel mit dem Optional-Sampling-Theorem ergeben sich viele interessante Anwendungen. Insbesondere gilt der folgende Satz:
65 Es sei W ein Wienerprozeß. τ sei eine Stopzeit mit Eτ < ∞ . Dann gilt ∼ EWτ = 0. Wir haben beim Wienerprozeß den Startpunkt als W0 = 0 festgelegt. In der folgenden Definition lassen wir diesen Startpunkt variieren. 7.6 Wienersystem und Markoveigenschaft Es sei A eine Filtration. Wir bezeichnen eine Familie von stochastischen Prozes∼x ur jedes x ∈ IR gilt: sen (W )x∈IR als Wienersystem bzgl. A , falls f¨ ∼ ∼ x
W − x ist Wienerprozeß bzgl. A. ∼ ∼ x
ullt die Bedingungen 7.1 (i) − (iii), Jeder der stochastischen Prozesse W erf¨ ∼ besitzt aber nun den Anfangswert W0x = x. Wir bezeichnen ihn als Wienerprozeß mit Startpunkt x. Offensichtlich gilt: Ist W ∼ ein Wienerprozeß, so wird durch die stochastischen Prozesse (Wt + x)t∈[0,∞) ein Wienersystem definiert. Die Markoveigenschaft eines Wienersystems ergibt sich so: Seien t, h1 , . . . , hn > 0. Es folgt f¨ ur beschr¨anktes, geeignet integrierbares g : IRn → IR y y , . . . , Wt+h ) | At ) = Eg(Whx1 , . . . , Whxn ) mit x = Wty . E(g(Wt+h n 1 y Dies l¨aßt die folgende Interpretation zu: Gegeben At verh¨alt sich (Wt+s )s∈[0,∞) stochastisch wie ein Wienerprozeß (Wsx )s∈[0,∞) mit Startpunkt x = Wty (ω).
Die nun definierte Filtration F wird als Standardfiltration bezeichnet. Sprechen ∼ wir von einem Wienerprozeß ohne explizite Angabe der Filtration, so benutzen wir die Standardfiltration. 7.7 Satz zur Standardfiltration fu ¨ r den Wienerprozeß G Es sei W ∼ ein Wienerprozeß, ∼ die kanonische Filtration. Sei N = {A ∈ A : P (A) = 0}. Die Filtration F sei definiert durch ∼ Ft = σ(Gt ∪ N ). Dann ist W Wienerprozeß bzgl. F , und F ist rechtsseitig-stetig. ∼ ∼ ∼ Als Folgerung ergibt sich das sogenannte Blumenthalsche 0-1-Gesetz.
66
7. Der Wienerprozeß
7.8 Blumenthalsches 0-1-Gesetz Es sei W ein Wienerprozeß, G die kanonische Filtration. Dann gilt ∼ ∼ P (A) ∈ {0, 1} f¨ ur jedes A ∈ G0+ .
Ein wichtiges Hilfsmittel zur Berechnung von Wahrscheinlichkeiten beim Wienerprozeß ist durch das Reflexionsprinzip gegeben. 7.9 Reflexionsprinzip fu ¨ r den Wienerprozeß Es seien W ein Wienerprozeß und τ eine Stopzeit. Wir definieren den bei τ ∼ ˆ durch gespiegelten Prozeß W ∼ ˆ t (ω) = Wt (ω) f¨ W ur t ≤ τ (ω), ˆ Wt (ω) = Wτ (ω) − (Wt (ω) − Wτ (ω)) = 2Wτ (ω) − Wt (ω) f¨ ur t > τ (ω). Dann kann das Reflexionsprinzip bewiesen werden. Dieses besagt: ˆ Der gespiegelte Prozeß W ∼ ist ein Wienerprozeß, d.h. ˆ W W P ∼ = P ∼.
ur den reflektierten Prozeß Im Fall der Stopzeit τb = inf{t : Wt = b} gilt f¨ ˆ t (ω) = 2b − Wt (ω) f¨ W ur t > τb (ω), so daß der Wienerprozeß bei Erreichen der horizontalen Geraden der H¨ohe b an dieser reflektiert wird. Eine wichtige Anwendung ist die Berechnung der Verteilung des Maximums bis zum Zeitpunkt t. 7.10 Maximumsverteilung Es sei W ur t ≥ 0 sei Mt = sup{Ws : 0 ≤ s ≤ t}. Dann ∼ ein Wienerprozeß, und f¨ gilt f¨ ur alle t > 0, y > 0 und x ≥ 0 P (Mt ≥ y, Wt < y − x) = P (Wt > y + x) und P (Mt ≥ y) = 2 P (Wt ≥ y). Als Folgerung ergibt sich das starke Gesetz der großen Zahlen f¨ ur den Wienerprozeß. 7.11 Starkes Gesetz der großen Zahlen Es sei W ein Wienerprozeß. Dann gilt ∼ Wt → 0 fast sicher f¨ur t → ∞. t
67 7.12 Starke Markoveigenschaft (Wt+s − Ws )t∈[0,∞) ist ein von As stochastisch unabh¨angiger Wienerprozeß. Die entsprechende Aussage bleibt g¨ ultig, wenn s durch eine Stopzeit σ ersetzt wird. Zur Formalisierung betrachten wir Wσ = (Wσ+t − Wσ )t∈[0,∞) als stochastischen Prozeß auf {σ < ∞}, ∼ Aσ = (Aσ+t |{σ<∞} )t∈[0,∞) als zugeh¨orige Filtration, ∼ P (· | σ < ∞) als Wahrscheinlichkeitsmaß auf {σ < ∞}. Dann kann bewiesen werden: Es seien W ein Wienerprozeß bez¨ uglich einer Filtration A und σ eine Stopzeit. ∼ ∼ Dann ist Wσ unter P ( · | σ < ∞) ein Wienerprozeß bez¨uglich Aσ , der stochastisch ∼ ∼ unabh¨angig von Aσ,0 = Aσ ist.
Nat¨ urlich gilt die vorstehende Aussage entsprechend f¨ ur Wienerprozesse mit Starty A punkt y. Betrachten wir also ein Wienersystem (W ) ∼ y∈IRn bzgl. einer Filtration ∼, so folgt f¨ ur jedes meßbare, geeignet integrierbare g : IR → IR y y E(g(Wσ+t , . . . , Wσ+t )|Fσ ) = Eg(Wtx1 , . . . , Wtxn ) auf {σ < ∞} mit x = Wσy . n 1
Wir bezeichnen diese Eigenschaft als die starke Markoveigenschaft: y Bei gegebenem Aσ verh¨alt sich der Prozeß (Wσ+t )t∈[0,∞) auf {σ < ∞} wie ein y Wienerprozeß mit Startpunkt x = Wσ (ω).
Die starke Markoveigenschaft liefert ein wichtiges Werkzeug zur Untersuchung von Wienerprozessen. Als Anwendung l¨aßt sich z.B. die Wahrscheinlichkeit berechnen, daß ein Wienerprozeß eine ansteigende Gerade erreicht. Sei W ur a, b ∈ IR. F¨ ur a > 0, ∼ ein Wienerprozeß und τa,b = inf{t : Wt = a + bt} f¨ b > 0 gilt dann P (τa,b < ∞) = e−2ab . 7.13 Gaußprozesse Sei X = (Xt )t∈T ein reellwertiger stochastischer Prozeß. F¨ ur jedes endliche I ⊂ T ∼ I (Xt )t∈I ein Wahrscheinlichkeitsmaß auf IR . ist P X heißt Gaußprozeß, falls P (Xt )t∈I f¨ ur alle endlichen I ⊂ T eine Gaußverteilung ∼ ist. Dabei bezeichnen wir ein Wahrscheinlichkeitsmaß Q auf IRn als Gaußverteilung, falls ein c ∈ IRn und eine n × k-Matrix A und stochastisch unabh¨angige, N(0, 1)-verteilte Zufallsgr¨oßen Y1 , . . . , Yk so existieren, daß Q = P AY +c gilt, wobei Y der aus Y1 , . . . , Yk gebildete Spaltenvektor sei. Falls k = n vorliegt und A eine nicht singul¨are n × n-Matrix ist, so ist Q die ndimensionale Normalverteilung N(c, AAT ). Q ist eindeutig bestimmt durch den
68
7. Der Wienerprozeß
Mittelwertvektor c und die Kovarianzmatrix AAT , wobei diese Bezeichnungsweise darin begr¨ undet liegt, daß f¨ ur die Zufallsvariable Z = AY + c EZi = ci und [E((Zi − ci )(Zj − cj ))]i,j = AAT gilt. F¨ ur einen Gaußprozeß sind also die Verteilungen P (Xt )t∈I eindeutig bestimmt durch die Mittelwertfunktion m(t) = EXt und die Kovarianzfunktion K(s, t) = E((Xs − m(s))(Xt − m(t))). N¨ utzliche Resultate sind:
(i) Ist X eine n-dimensionale gaußverteilten Zufallsvariable und B eine m × nMatrix, so zeigt die Definition, daß auch BX eine Gaußverteilung besitzt. (ii) Bildet X1 , X2 , . . . eine Folge von n-dimensionalen gaußverteilten Zufallsvariablen, die in Wahrscheinlichkeit gegen eine Zufallsvariable X konvergieren, so ist X ebenfalls gaußverteilt ist. (iii) Ist X ∼ ein Gaußprozeß mit stetigen Pfaden, so k¨onnen wir einen neuen Prozeß Z bilden durch ∼ Xs ds.
Zt =
[0,t]
Dieser Prozeß ist wiederum ein Gaußprozeß. Besitzt X die Mittelwertfunktion ∼
Z Mittelwertfunktion [0,t] m(s)ds und m und die Kovarianzfunktion K, so hat ∼
Kovarianzfunktion [0,t] [0,s] K(u, v)dudv.
(iv) Ein Wienerprozeß W ist offensichtlich ein Gaußprozeß mit m(t) = 0 und ∼ K(s, t) = min{s, t}. Umgekehrt erhalten wir folgende Charakterisierung: Ein ur den X0 = 0, m(t) = 0 und K(s, t) = Gaußprozeß X mit stetigen Pfaden, f¨ ∼ min{s, t} gelten, ist ein Wienerprozeß bzgl. seiner kanonischen Filtration. Als Anwendung erhalten wir, daß der Prozeß Xt = t W 1 mit X0 = 0 ein Wienerprot zeß ist.
Aufgaben Aufgabe 7.1 Sei W ∼ ein Wienerprozeß bzgl. einer Filtration A. Zeigen Sie unter Angabe geeigneter Filtrationen: ur jedes s ≥ 0. (a) (Ws+t − Ws )t∈[0,∞) ist ein Wienerprozeß f¨ (b) (−Wt )t∈[0,∞) ist ein Wienerprozeß. √ ur jedes c > 0. (c) ( c W t )t∈[0,∞) ist ein Wienerprozeß f¨ c
69 Aufgabe 7.2
Sei W ein Wienerprozeß. Zeigen Sie: ∼
(a) P ({ω : t → Wt (ω) ist monoton auf [0, 1]}) = 0.
Betrachten Sie dazu Ereignisse der Form {W1 ≥ W n−1 ≥ . . . ≥ W 1 ≥ 0}. n
n
(b) P ({ω : Es gibt ein Intervall I mit t → Wt (ω) ist monoton auf I}) = 0. Aufgabe 7.3 Eine Funktion f : [0, ∞) → IR heißt Lipschitz-stetig in s, falls c > 0, δ > 0 existieren mit |f (t) − f (s)| ≤ c|t − s| f¨ ur |t − s| ≤ δ. Sei W ein Wienerprozeß und sei ∼ A = {ω : t → Wt (ω) ist Lipschitz-stetig in s f¨ ur mindestens ein s ∈ [0, ∞)}. Zeigen Sie:
Es existiert eine meßbare Menge N mit P (N) = 0 und A ⊆ N.
Was bedeutet dies f¨ ur die Differenzierbarkeit der Pfade eines Wienerprozesses? Aufgabe 7.4
Sei W ein Wienerprozeß. Sei t > 0. Zeigen Sie ∼ ∞
3
P (|
n=1
n j=1
und damit
Wjt/n3 − W(j−1)t/n3
3
lim
n→∞
n j=1
Wjt/n3 − W(j−1)t/n3
2
2
1 − t| > √ ) < ∞ n
= t fast sicher.
Aufgabe 7.5 Sei W / (−a, b)} f¨ ur ∼ ein Wienerprozeß. Sei τ = inf{t : Wt ∈ a, b > 0. Zeigen Sie: (a) P (τ < ∞) = 1. (b) P (Wτ = −a) =
b a+b
= 1 − P (Wτ = b).
(c) Eτ = ab. 1
n
W , . . . , W seien Wienerprozesse bzgl. einer gemeinsamen Fil∼ ∼ n ur r > 0 sei τ = inf{t : (Wti)2 = r 2 }. tration A. F¨ ∼ i=1
Aufgabe 7.6
Bestimmen Sie Eτ unter Benutzung eines geeigneten Martingals. 1
n
Zeigen Sie außerdem, daß im Falle der Unabh¨angigkeit von W , . . . , W durch ∼ ∼ Gt = σ((Ws1 , . . . , Wsn )s≤t ), t ∈ [0, ∞), eine solche Filtration definiert wird.
70
7. Der Wienerprozeß
Aufgabe 7.7
Sei W ein Wienerprozeß. Sei ∼
√ τ = inf{t : Wt > 0}, σ = inf{t : |Wt | > c t} mit c > 0. Zeigen Sie P (τ = 0) = P (σ = 0) = 1. Aufgabe 7.8 Sei W ur ∼ ein Wienerprozeß. Sei τ0 = 0 und τa = inf{t : Wt = a} f¨ a > 0. Zeigen Sie: (a) P (τa < ∞) = 1. (b) (τa )a ist ein Prozeß mit stochastisch unabh¨angigen und identisch verteilten Zuw¨achsen. Aufgabe 7.9 Sei W ein Wienerprozeß. Der als Brownsche Br¨ ucke bekannte ∼ Prozeß (Bt )t∈[0,1] wird definiert durch Bt = Wt − tW1 , t ∈ [0, 1]. Zeigen Sie, daß dieser Prozeß ein Gaußprozeß ist und bestimmen Sie Mittelwertfunktion und Kovarianzfunktion. Wie k¨onnen Sie die Bezeichnung Br¨ ucke motivieren?
Kapitel 8 Das Black-Scholes-Modell Wir werden in diesem Kapitel das Black-Scholes-Modell behandeln. Aufstellung und Untersuchung dieses Modells f¨ uhrte in den bahnbrechenden Arbeiten von Black und Scholes (1973) und Merton (1973) zur Theorie der Bewertung von Finanzderivaten. Obwohl das Black-Scholes-Modell die realen Verh¨altnisse sicherlich nicht vollst¨andig widerspiegelt, so hat es sich doch in der Praxis der Finanzm¨arkte bew¨ahrt und wird dort mit seinen vielf¨altigen Modifikationen und Weiterentwicklungen als Marktstandard eingesetzt. 8.1 Kontinuierliches Finanzmarktmodell Ein kontinuierliches Finanzmarktmodell mit endlichem Horizont T ist gegeben durch T ∈ [0, ∞), den letzten im Modell ber¨ ucksichtigten Handelszeitpunkt, F ∼= j
(Ft )t∈[0,T ] , die den Informationsverlauf beschreibende Filtration, S = (Stj )t∈[0,T ] , ∼ j = 1, . . . , g, die die Preisentwicklung von Finanzgut j beschreibenden, adaptierj S . Ein kontinuierliches Finanzmarktten reellwertigen stochastischen Prozesse ∼ modell mit unendlichem Horizont wird entsprechend definiert unter Ersetzung des Intervalls [0, T ] durch [0, ∞). 8.2 Black-Scholes-Modell Das Black-Scholes-Modell ist ein kontinuierliches Finanzmarktmodell mit endlichem Horizont T und g = 2 Finanzg¨ utern. Finanzgut 1 ist dabei eine festverzinsliche Anlage mit kontinuierlicher Verzinsung bei vorliegender fester Zinsrate ρ, die wir im folgenden kurz als Bond bezeichnen wollen. Es liegt damit f¨ ur den Preisverlauf des Bonds der deterministische Prozeß St1 = eρt , t ∈ [0, T ], vor. Zur Modellierung des Aktienpreises wird ein Wienerprozeß W ∼ herangezogen, ferner zwei Parameter µ ∈ IR und σ > 0. Dann wird - mit einem Anfangspreis
72
8. Das Black-Scholes-Modell
A0 > 0 - der Aktienpreisprozeß, also der Preisprozeß von Finanzgut 2, definiert durch σ2 σ2 At = A0 eµt eσWt − 2 t = A0 eσWt +(µ− 2 )t , t ∈ [0, T ].
Dabei sprechen wir von einem Aktienpreisprozeß mit Volatilit¨at σ und Trend µ ∈ IR. Als Filtration betrachten wir die Standardfiltration. F¨ ur die im BlackScholes-Modell auftretenden Prozesse f¨ uhren wir die folgenden Bezeichnungen ein. Ein stochastischer Prozeß X wird als Wienerprozeß mit Volatilit¨at σ > 0 und ∼ Drift a ∈ IR bezeichnet, falls der Prozeß ((Xt − at)/σ)t∈[0,∞) ein Wienerprozeß ist. Ist W ein Wienerprozeß, so wird durch Xt = σWt + at ein solcher Wiener∼ prozeß mit Volatilit¨at σ und Drift a definiert. Betrachten k¨onnen wir ihn als Gaußprozeß mit stetigen Pfaden, Startpunkt 0 und mit Mittelwertfunktion at und Kovarianzfunktion σ 2 min{s, t}. Ein Prozeß der Form (eσWt +at )t∈[0,∞) heißt geometrische Brownsche Bewegung mit Volatilit¨at σ und Drift a. Eine geometrische Brownsche Bewegung ist ein Martingal, falls a = −σ 2 /2 gilt. Wir werden im folgenden Wienerprozesse und geometrische Brownsche Bewegungen auf der eingeschr¨ankten Zeitparametermenge [0, T ] zu betrachten haben. Diese Prozesse besitzen die entsprechenden Eigenschaften der auf [0, ∞) definierten Prozesse, allerdings nunmehr nur f¨ ur Zeitparameter in [0, T ]. Die Heranziehung einer geometrischen Brownschen Bewegung zur Modellierung von Aktienpreisen wird dadurch motiviert, daß A L¨osung der folgenden stochastischen Differentialglei∼ chung ist: dAt = At (µdt + σdWt ), siehe 12.1. 8.3 Approximation des Black-Scholes-Modells durch diskrete Modelle Das Black-Scholes-Modell kann als kontinuierliches Analogon zum Cox-Ross-Rubinstein-Modell betrachtet werden. Dies zeigt der folgende Approximationsvorgang, der f¨ ur konkrete Berechnungen im Black-Scholes-Modell Anwendung findet. Wir zerlegen [0, T ] in Intervalle der L¨ange n1 und betrachten Aktienpreise zu den ] Zeitpunkten 0, n1 , n2 , · · · , [nT in einem Cox-Ross-Rubinstein-Modell der Form n (n)
A k = A0 n
(n)
(n)
k
(n)
Yi
= A0 exp(
i=1
k
(n)
log(Yi )),
i=1
(n)
wobei Y1 , Y2 , . . . stochastisch unabh¨angig sind mit P (Yi = un ) = 1 − (n) (n) (n) 2 P (Yi = dn ) = pn . Es sei an = E(log(Yi )), σn = Var(log(Yi )). Dann gelten ¨ im Sinne einer approximativen Ubereinstimmung der Verteilungen (n)
k σW k +a n
A k ≈ A0 e n
n
,
73 √ ur praktische Anwendungen kann z.B. benutzt falls σn n ≈ σ, nan ≈ a vorliegt. F¨ √σ 1 1 n werden un = e , dn = un , pn = 2 (1 + σ√a n ). In unserer Darstellung der Black-Scholes-Theorie w¨ahlen wir den folgenden Zugang: Da die Behandlung von Begriffen wie Absicherbarkeit und Hedge Methoden aus der Theorie der stochastischen Integration ben¨otigt, wird diese erst im Kapitel 12 durchgef¨ uhrt. Hier benutzen wir die Analogie des Black-Scholes-Modells zum Cox-Ross-Rubinstein-Modell und formulieren das zum diskreten Fall analoge Preisfestsetzungsprinzip unter Benutzung eines ¨aquivalenten Martingalmaßes in Form eines sp¨ater mit Arbitrage¨ uberlegungen zu rechtfertigenden Postulats. Als eine Anwendung werden wir schon in diesem Kapitel die bekannte BlackScholes-Formel kennenlernen. Wir beginnen mit der Angabe eines ¨aquivalenten Martingalmaßes, bekannt als Satz von Girsanov. 8.4 Satz von Girsanov beim Wienerprozeß Es sei X ein Wienerprozeß mit Volatilit¨at σ und Drift b. Sei a ∈ IR und T > 0. ∼ Wir definieren a2 − b2 a−b LT = exp XT − T . σ2 2σ 2 Dann wird durch Q(A) = E(LT 1A ) ein zu P ¨aquivalentes Wahrscheinlichkeitsmaß Q so definiert, daß (Xt )t∈[0,T ] Wienerprozeß mit Volatilit¨at σ und Drift a bzgl. Q ist. In der Sprache der Gaußprozesse besagt diese Aussage: (Xt )t∈[0,T ] ist bzgl. Q weiterhin ein Gaußprozeß mit derselben Kovarianzfunktion, jedoch mit der Mittelwertfunktion at, d.h. EXt = bt, EQ Xt = at. 8.5 Das ¨ aquivalente Martingalmaß im Black-Scholes-Modell Wir betrachten ein Black-Scholes-Modell mit Bondpreisprozeß eρt und Aktienσ2 preisprozeß At = A0 eσWt +(µ− 2 )t . Der diskontierte Aktienpreisprozeß ist gegeben σ2 durch e−ρt At = A0 eσWt +(µ−ρ− 2 )t . Definieren wir Q durch (ρ − µ)2 ρ−µ dQ = LT = exp WT − T , dP σ 2σ 2 so ist nach dem Satz von Girsanov e−ρt At , t ∈ [0, T ], ein Martingal bzgl. Q. Der Aktienpreisprozeß verh¨alt sich also gem¨aß At = A0 eσWt +(µ−
σ2 )t 2
bzgl. P, At = A0 eσW t +(ρ−
σ2 )t 2
bzgl. Q,
74
8. Das Black-Scholes-Modell
t)t∈[0,T ] ein Wienerprozeß bzgl. Q ist. Bei Berechnunwobei (W t )t∈[0,T ] = (Wt − ρ−µ σ gen bzgl. des risikoneutralen Q ist also einfach der Trend µ des Ausgangsmodells durch die Zinsrate ρ zu ersetzen. Dies zeigt, daß die Ergebnisse von Berechnungen bzgl. des ¨aquivalenten Martingalmaßes unabh¨angig vom real angenommenen Trend sind. Wir formulieren nun das Preisfestsetzungsprinzip in Analogie zum n-PeriodenModell. 8.6 Preisfestsetzung im Black-Scholes-Modell Betrachtet werde ein Black-Scholes-Modell mit Zinsrate ρ. Q sei das vorstehend bestimmte ¨aquivalente Martingalmaß. Ein Black-Scholes-Claim ist gegeben durch ein FT -meßbares C : Ω → IR. Der faire Preis dieses Claims im Zeitpunkt t = 0 wird festgesetzt als s(C) = EQ e−ρT C unter der Voraussetzung, daß dieser Erwartungswert existiert. Die Berechnung dieses Erwartungswerts f¨ ur einen Call liefert die bekannte Black-Scholes-Formel. Diese Formel und das zugrundeliegende Modell haben die Entwicklung der realen Finanzm¨arkte - und damit des Welthandels - entscheidend gepr¨agt. Ebenso sind sie als konstitutiv f¨ ur die wissenschaftliche Disziplin der Mathematical Finance anzusehen. 8.7 Black-Scholes-Formel Betrachtet werde ein Black-Scholes-Modell mit Zinsrate ρ. Der faire Preis des europ¨aischen Calls im Zeitpunkt t = 0 mit Aus¨ubungspreispreis K und Laufzeit T ist gegeben durch 2 2 log( AK0 ) + (ρ − σ2 )T log( AK0 ) + (ρ + σ2 )T −ρT √ √ −K e Φ , A0 Φ σ T σ T wobei Φ die Verteilungsfunktion der N(0, 1)-Verteilung bezeichnet. Betrachten wir einen sp¨ateren Zeitpunkt s, 0 < s < T , so ist der Preis des europ¨aischen Calls zum Zeitpunkt s gegeben durch 2 σ2 As log( AKs ) + (ρ + σ2 )(T − s) ) + (ρ − )(T − s) log( K 2 √ √ As Φ −K e−ρ(T −s) Φ . σ T −s σ T −s Dabei hat s die Rolle des Zeitpunkts 0 u ¨bernommen, und die verbleibende Laufzeit ist T − s.
75 8.8 Diskussion der Black-Scholes-Formel Die Black-Scholes-Formel gibt uns den fairen Preis p(x, t, K) eines europ¨aischen Calls bei aktuellem Aktienkurs x, verbleibender Laufzeit t und Aus¨ ubungspreis K. Der Preis ist abh¨angig von der Volatilit¨at σ, jedoch unabh¨angig vom Trendparameter µ. Wir stellen leicht folgendes fest: (i) F¨ uhren wir ein log( Kx ) + (ρ + √ h1 (x, t, K) = σ t
σ2 )t 2
√ , h2 (x, t, K) = h1 (x, t, K) − σ t,
so gilt f¨ ur den Preis p(x, t, K) = x Φ(h1 (x, t, K)) − e−ρt K Φ(h2 (x, t, K)). Der Preis der Option entspricht dem Wert eines Portfolios mit Φ(h1 (x, t, K)) Einheiten der Aktie und einer short position von K Φ(h2 (x, t, K)) Bonds mit Wert 1 am Ende der Restlaufzeit. Wir k¨onnen ein Portfolio dieser Zusammensetzung als absicherndes Portfolio auffassen. (ii) p ist strikt wachsend im Aktienpreis x. ∆ = ∂p/∂x = Φ(h1 ) > 0 heißt in der Sprache der Finanzm¨arkte Delta der Option und gibt den Aktienanteil im absichernden Portfolio an. p ist konvex im Aktienpreis x. Γ = ∂ 2 p/∂x2 > 0 heißt Gamma der Option und wird interpretiert als Sensitivit¨at des Aktienanteiles im absichernden Portfolio in Abh¨angigkeit vom Aktienpreis. Der Optionspreis p w¨achst mit der Volatilit¨at σ. Λ = ∂p/∂σ > 0 wird als Lambda der Option bezeichnet. Ferner w¨achst der Optionspreis p mit der verbleibenden Laufzeit, ebenso mit der Zinsrate ρ, und er f¨allt mit dem Aus¨ ubungspreis K. 8.9 Volatilit¨ at und implizite Volatilit¨ at Die Volatilit¨at σ ist der Modellierungsparameter f¨ ur den Aktienpreisprozeß, der in die Black-Scholes-Formel eingeht und daher von großer Bedeutung f¨ ur den Handel mit Finanzderivaten ist. Die Volatilit¨at ist aus dem Marktgeschehen zu sch¨atzen, wobei eine Vielzahl von M¨oglichkeiten vorgeschlagen sind. Aktuelle Werte sind z.B. t¨aglich in den Wirtschaftsteilen von Zeitungen zu finden. Zum einen ist die Sch¨atzung m¨oglich aus historischen Preisdaten, benutzt werden h¨aufig Daten aus den letzten 90-180 Handelstagen, zum andern kann dies durch Ermittlung der impliziten Volatilit¨at geschehen: Der gegenw¨artige Marktpreis einer Option mit verbleibender Laufzeit t und dem Aus¨ ubungspreis K sei gleich p¯. Zu aktuellem Aktienpreis x und aktueller Zinsrate ρ l¨osen wir die Gleichung p(x, t, K; σ) = p¯ in σ. Als L¨osung erhalten wir
76
8. Das Black-Scholes-Modell
die implizite Volatilit¨at σ¯ . Bei diesem Vorgehen tritt ein Ph¨anomen auf, das als Smile-Effekt bekannt ist: Bei festem Aktienkurs x wird zu Call-Optionen mit unterschiedlichem Aus¨ ubungspreis K die jeweilige implizite Volatilit¨at berechnet. W¨ urden die gehandelten Preise tats¨achlich gem¨aß der Black-Scholes-Formel gebildet werden, m¨ ußte die implizite Volatilit¨at in allen F¨allen u ¨bereinstimmen. Tats¨achlich wird oft eine Abh¨angigkeit des folgenden Typs beobachtet, die zu der Namensgebung gef¨ uhrt hat (smile = L¨acheln). Im at the money-Bereich ist die implizite Volatilit¨at geringer, im deep in the money- bzw. deep out of the money-Bereich h¨oher. Dabei heißt eine Option at the money, falls x ungef¨ahr gleich K, in the money, falls x gr¨oßer als K, deep in the money, falls x wesentlich gr¨oßer als K, out of the money, falls x kleiner als K, deep out of the money, falls x wesentlich kleiner als K vorliegt. 8.10 Die Barriere-Option Barriere-Optionen sind solche Optionen, bei denen der Kontrakt verf¨allt, falls der Aktienpreis ein gewisses Niveau, das wir als Barriere bezeichnen, erreicht. Als ubungspreis K Beispiel sei der down-and-out europ¨aische Call mit Laufzeit T , Aus¨ und Barriere B betrachtet. Dieser Call verf¨allt bei Erreichen oder Unterschreiten des Niveaus B durch den Aktienpreis. Er wird beschrieben durch die Auszahlung C = (AT − K)+ 1{ inf At >B} f¨ ur den Halter der Option. Es liegt damit eine 0≤t≤T
pfadabh¨angige, sog. exotische Option vor, bei der die Auszahlung nicht nur von AT sondern vom gesamten Pfad (At )t∈[0,T ] abh¨angt. Zur Berechnung des fairen Preises im Black-Scholes-Modell benutzen wir den folgenden Satz: 8.11 Satz zur Verteilung des Maximums bei Drift
Sei X ein Wienerprozeß mit Volatilit¨at 1 und Drift a. Es sei Zt = sup Xs f¨ur ∼ 0≤s≤t t > 0. Dann gilt f¨ ur z ≥ x: x − 2z − at x − at √ P (Xt ≤ x, Zt < z) = Φ( √ ) − e2az Φ( ). t t 8.12 Fairer Preis der Barriere-Option Betrachtet werde ein Black-Scholes-Modell mit dem ¨aquivalenten Martingalmaß Q und ein down-and-out europ¨aischer Call mit Laufzeit T , Aus¨ubungspreis K und Barriere B, wobei A0 > B, K > B sei. Dann gilt f¨ ur den fairen Preis dieser Barriere-Option EQ e−ρT (AT − K)+ 1{
inf
0≤t≤T
At >B}
= p(A0 , T, K) −
e2aβ p(A0 , T, γK), γ
77 wobei p den Black-Scholes-Preis des europ¨aischen Calls bezeichnet und a=
ρ A0 1 A0 σ − , β = log( ) , γ = ( )2 . 2 σ B σ B
8.13 Amerikanischer Claim Wie im n-Perioden-Modell betrachten wir auch im Black-Scholes-Modell Finanztitel, bei denen innerhalb eines festgelegten Zeitraums der Besitzer eines solchen Titels den Aus¨ ubungszeitpunkt frei w¨ahlen kann. Als Strategien des Titelbesitzers zur Festlegung des Aus¨ ubungszeitpunkts liegen dabei die Stopzeiten in unserem Modell vor. Ein amerikanischer Claim ist gegeben durch einen adaptierten reellwertigen Proubung zeß Z = (Zt )t∈[0,T ] . Dabei gibt Zt die Auszahlung an, die der Inhaber bei Aus¨ ∼ zum Zeitpunkt t erh¨alt. Aus¨ ubungsstrategien sind Stopzeiten τ : Ω → [0, T ]. Zu jeder solchen Strategie τ geh¨ort der Claim C(Z , τ ) = Zτ . ∼ Gem¨aß des No-Arbitrage-Prinzips definieren wir den fairen Preis eines amerikanischen Claims als Supremum u ur die¨ber die fairen Preise aller Claims, die f¨ se Auswahl zur Verf¨ ugung stehen: s(Z ) = supτ s(C(Z , τ )). Mit Benutzung des ∼ ∼ ¨aquivalenten Martingalmaßes Q und unter der Voraussetzung der Existenz der auftretenden Erwartungswerte erhalten wir Z ) = sup EQ e−ρτ Zτ , bzw. s(Z , t) = sup EQ (e−ρ(τ −t) Zτ | Ft ) s(∼ ∼ τ τ ≥t f¨ ur den fairen Preis in einem sp¨ateren Zeitpunkt t. Es zeigt sich, daß die fairen Preise des amerikanischen und des europ¨aischen Calls im Black-Scholes-Modell u ¨bereinstimmen. Im allgemeinen Fall und schon beim amerikanischen Put ist die Situation wesentlich komplizierter. Zu bestimmen ist der Wert sup EQ e−ρτ Zτ , τ
so daß ein Problem des optimalen Stoppens mit kontinuierlichem Zeitparameter vorliegt. Zur Untersuchung von Problemen dieses Typs ist eine entsprechende Theorie wie die schon beschriebene diskrete Theorie entwickelt worden. Allerdings wird ein wesentlich h¨oherer technischer Aufwand n¨otig, da insbesondere im kontinuierlichen Fall die R¨ uckw¨artsinduktion nicht zur Verf¨ ugung steht. Deutliche Vereinfachungen ergeben sich bei Vorliegen von Markovschen Stopsituationen. Zur effektiven Berechnung der fairen Preise werden dann numerische Approximationen eingesetzt. Diese werden zum einen dadurch gewonnen, daß das BlackScholes-Modell durch ein Cox-Ross-Rubinstein-Modell approximiert wird und in diesem dann eine R¨ uckw¨artsinduktion durchgef¨ uhrt wird. Zum anderen k¨onnen Methoden aus der Numerik von Differentialgleichungen eingesetzt werden.
78
8. Das Black-Scholes-Modell
Aufgaben Aufgabe 8.1 Sei W ein Wienerprozeß bzgl. einer Filtration F . Sei Q ein ∼ weiteres Wahrscheinlichkeitsmaß zu einem reellen Parameter θ so, daß f¨ ur jedes t ∈ [0, ∞) gilt 1 Q(A) = exp(θWt − θ2 t)dP f¨ ur alle meßbaren A ∈ Ft . 2 A Zeigen Sie: 1 E exp(θWτ − θ2 τ )1{τ <∞} = 1 2 f¨ ur jede Stopzeit τ mit Q(τ < ∞) = 1. Aufgabe 8.2
Betrachtet sei ein Black-Scholes-Modell. Seien c, K > 0.
(a) Eine Cash-or-Nothing-Option liefert die Auszahlung c1{AT >K}. Berechnen Sie den fairen Preis dieser Option. (b) Eine Gap-Option liefert die Auszahlung (AT − c)1{AT >K}. Berechnen Sie den fairen Preis dieser Option. Aufgabe 8.3 Betrachtet sei ein Black-Scholes-Modell. Ein Lookback-Call liefert die Auszahlung AT − inf 0≤t≤T At . Berechnen Sie den fairen Preis dieser Option.
Aufgabe 8.4 Betrachtet sei ein Black-Scholes-Modell. Konstruieren Sie weitere Barriere-Optionen (vgl. 8.10) und berechnen Sie deren faire Preise. Aufgabe 8.5 Betrachtet sei ein Black-Scholes-Modell. Schreiben Sie ein Computerprogramm, das n¨aherungsweise den Wert eines amerikanischen Puts bestimmt. F¨ uhren Sie hierzu eine Approximation durch ein diskretes Modell durch. Aufgabe 8.6 Wir betrachten ein kontinuierliches Finanzmarktmodell mit Zinsrate ρ > 0 und Aktienpreisprozeß At = eρt exp(σWt − 21 σ 2 t), t ∈ [0, ∞), mit einem zugrundeliegenden Wienerprozeß. Sei S die Menge aller Stopzeiten. Zeigen Sie: (a) Es gibt genau ein α > 0 so, daß Mα (t) = e−ρt A−α ein positives Martingal t definiert. (b) Die Funktion h(x) = xα (K − x)+ ist beschr¨ankt mit eindeutiger Maximalα . stelle m = K 1+α
79 (c) sup E(e−ρτ (K − Aτ )+ ) ≤ (K − K τ ∈S
α α α )(K ) . 1+α 1+α
α α ≤ 1 vorliegt, so gilt f¨ ur τ ∗ = inf{t ≥ 0 : At = K 1+α }: (d) Falls K 1+α ∗
sup E(e−ρτ (K − Aτ )+ ) = E(e−ρτ (K − Aτ ∗ )+ ) τ ∈S
= (K − K
α α α ) (K ) . 1+α 1+α
Kapitel 9 Das stochastische Integral In den folgenden drei Kapiteln werden die Grundbegriffe der stochastischen Integrationstheorie bereitgestellt, deren Kenntnis erst ein vertieftes Verst¨andnis des Black-Scholes-Modells und seiner Verallgemeinerungen erm¨oglicht. Wir beginnen mit einigen Gedanken zur Motivation der sich anschließenden, recht aufwendigen ¨ theoretischen Uberlegungen. 9.1 Elementare Handelsstrategien Betrachtet sei ein kontinuierliches Finanzmarktmodell. In Analogie zum n-PeriodenModell wird der Begriff der elementaren Handelsstrategie eingef¨ uhrt. Eine elemen) ist f¨ u r eine Zerlegung 0 = t0 < t1 < ... < tare Handelsstrategie H = (H t t∈[0,T ] ∼ g tm = T und Fti -meßbare Abbildungen hi : Ω → IR , i = 0, ..., m − 1 gegeben durch Ht = hi f¨ ur ti < t ≤ ti+1 . Das Portfolio der Zusammensetzung hi wird im Anschluß an den Zeitpunkt ti gebildet und bis zum Zeitpunkt ti+1 gehalten. Wir setzen aus formalen Gr¨ unden noch H0 = h0 und erhalten Ht = h0 1{0} (t) +
m−1
hi 1(ti ,ti+1 ] (t).
i=0
Der sich ergebende Gewinn zum vorliegenden Preisprozeß ist dann m−1 i=0
hTi (Sti+1 − Sti ).
Betrachten wir zur Illustration den Fall g = 1, so l¨aßt sich zu jedem ω der Gewinn
Ht (ω)dSt(ω). hi (ω)(Sti+1 (ω) − Sti (ω)) auffassen als Integral
m−1 i=0
[0,T ]
Nat¨ urlich reicht der Begriff der elementaren Handelsstrategie nicht aus, um die an realen Finanzm¨arkten benutzten Strategien zur Portfolioanpassung zu beschreiben, da diese Anpassungen insbesondere den Marktverlauf zu ber¨ ucksichtigen
81 haben und somit im allgemeinen zu zuf¨alligen Zeitpunkten geschehen. Wir stehen also vor der Frage, wie wir den mathematischen Begriff der Handelsstrategie in Einklang mit den realen Verh¨altnissen an Finanzm¨arkten
so ausweiten k¨onnen, ur die uns indaß sich der Gewinn in Form eines geeigneten Integrals Ht dSt f¨ teressierenden Preisprozesse bilden l¨aßt. F¨ ur gewisse Handelsstrategien H ∼ und
S kann das Integral Ht dSt mit den Methoden der elementaren Preisprozesse ∼ S Analysis als pfadweises Integral definiert werden. Besitzt H ∼ stetige Pfade und ∼ Pfade von beschr¨ankter Variation, so k¨onnen wir f¨ ur jedes ω Ht (ω)dSt (ω) = lim H k−1 (ω)(S k (ω) − S k−1 (ω)) n→∞
[0,T ]
n
n
n
k≤nT
als Riemann-Stieltjes-Integral definieren. Bei den uns interessierenden Preisprozessen, wie wir sie schon im Black-Scholes-Modell kennengelernt haben, treten jedoch aus dem Wienerprozeß abgeleitete stochastische Prozesse auf. Es ist nun wohlbekannt, daß die Pfade von Wienerprozessen fast sicher nicht von beschr¨ankter Variation sind. Damit sind auch die Pfade der in den gebr¨auchlichen kontinuierlichen Finanzmarktmodellen benutzten Preisprozesse nicht von beschr¨
ankter Variation. Dies hat zur Folge, daß das uns interessierende Integral Ht dSt nicht elementar eingef¨ uhrt werden kann. Die Aufgabe, solche Integrale zu definieren, wird durch die auf Itˆo zur¨ uckgehende Theorie der stochastischen Integration bew¨altigt. Ihre Grundz¨ uge, soweit sie zur Behandlung von kontinuierlichen Finanzm¨arkten notwendig sind, werden wir im folgenden darstellen. Zugrundegelegt werden dabei ein Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, A, P ) und eine Filtration F ∼ mit den folgenden Eigenschaften: (i) F ∼ ist rechtsseitig-stetig, (ii) {A ∈ A : P (A) = 0} ⊆ F0 .
Als Beispiel einer solchen Filtration haben wir die Standardfiltration eines Wienerprozesses kennengelernt. (i) liefert uns insbesondere, daß wir eine ausreichende Menge von Stopzeiten zur Verf¨ ugung haben. (ii) wird oft f¨ ur folgenden Schluß benutzt: Ist X ein adaptierter stochastischer Prozeß und Y ein weiterer stocha∼ ∼ stischer Prozeß mit P (Xt = Yt ) = 1 f¨ ur alle t, so folgt aus (ii), daß Y ebenfalls ∼ adaptiert ist. Um zu einer geeigneten formalen Begriffsbildung von Handelsstrategien zu ge¨ langen, beginnen wir mit folgender Uberlegung. Sicherlich sollte jede elementare Handelsstrategie unter diese Begriffsbildung fallen. Betrachten wir nun elementare Handelsstrategien als Abbildungen von [0, ∞) × Ω nach IRg gem¨aß 6.1 , so k¨onnen wir die durch alle elementaren Handelsstrategien erzeugte σ-Algebra auf [0, ∞) × Ω betrachten, also die kleinste σ-Algebra, bzgl. der s¨amtliche elementa-
82
9. Das stochastische Integral
ren Handelsstrategien meßbar sind. Als Handelsstrategien k¨onnten wir nun solche IRg -wertigen stochastischen Prozesse betrachten, die bzgl. dieser σ-Algebra meßbar sind und gegebenenfalls noch gewisse Zusatzbedingungen erf¨ ullen. Wie wir im folgenden sehen werden, liefert uns dieses Vorgehen tats¨achlich eine angemessene Begriffsbildung. Begonnen sei mit der formalen Einf¨ uhrung der beschriebenen σ-Algebra. 9.2 Previsible σ-Algebra Das System der previsiblen Rechtecke wird definiert als R = { {0} × F0 : F0 ∈ F0 } ∪ {(s, t] × Fs : Fs ∈ Fs , s, t ∈ [0, ∞) mit s < t}. R ist ∩-stabil. Wir definieren die previsible σ-Algebra durch P = σ(R). Wir bezeichnen ihre Elemente als previsible Mengen, ferner einen stochastischen Prozeß X = (Xt )t∈[0,∞) als previsibel, falls er, betrachtet als Abbildung X auf ∼ [0, ∞) × Ω, meßbar bzgl. P ist. E={
n j=1
αj 1Rj : n ∈ IN, α1 , . . . , αn ∈ IR, R1 , . . . , Rn ∈ R paarweise disjunkt }
sei die Menge der elementaren previsiblen Prozesse. F¨ ur R = (s, t] × Fs definiert 1R den stochastischen Prozeß mit den Pfaden u → 1(s,t] (u)1Fs (ω). Wir merken an, daß ein previsibler Prozeß X adaptiert ist, ferner jeder linksseitig-stetige ad∼ aptierte Prozeß previsibel. 9.3 Stochastische Intervalle σ, τ seien Stopzeiten. Dann werden Mengen der Form [σ, τ ], (σ, τ ], [σ, τ ), (σ, τ ) ⊆ [0, ∞) × Ω als stochastische Intervalle bezeichnet. Dabei ist z.B. [σ, τ ] = {(t, ω) ∈ [0, ∞)×Ω : σ(ω) ≤ t ≤ τ (ω)}. Es folgt leicht: Stochastische Intervalle der Form [0, τ ], (σ, τ ] sind previsibel.
Zur abk¨ urzenden Schreibweise dient folgende Definition: 9.4 Lp -Prozeß Z wird als Lp -Prozeß bezeichSei p ≥ 1. Ein reellwertiger stochastischer Prozeß ∼ p net, falls E|Zt | < ∞ f¨ ur alle t gilt.
83 Damit kommen wir zu einer f¨ ur die stochastische Integrationstheorie n¨ utzlichen Begriffsbildung. 9.5 Dol´ eansmaß Z sei ein L1 -Prozeß. Dann wird eine Abbildung νZ : R → IR definiert durch ∼ νZ ({0} × F0 ) = 0, νZ ((s, t] × Fs ) = E1Fs (Zt − Zs ). Ist M ∼ ein Martingal, so gilt νM = 0. Entsprechend ist νM ≥ 0 bei einem Submartingal. Ferner gilt f¨ ur ein L2 -Martingal νM 2 ((s, t] × Fs ) = E(1Fs (Mt − Ms )2 ). Als Integratoren werden wir zun¨achst rechtsseitig-stetige L2 -Martingale benutzen. Das folgende Resultat ist fundamental f¨ ur den hier gew¨ahlten Zugang zur stochastischen Integration. M sei ein rechtsseitig-stetiges L2 -Martingal. Dann existiert ein eindeutig be∼ stimmtes Maß µM : P → [0, ∞] mit µM |R = νM 2 . µM wird als Dol´eansmaß bezeichnet. F¨ ur das Dol´eansmaß des Wienerprozesses gilt µW = λ ⊗ P. 9.6 Elementares stochastisches Integral Wir beginnen mit der Einf¨ uhrung des stochastischen Integrals f¨ ur elementare previsible Prozesse. Dabei sind keine Voraussetzungen u ¨ ber den Integrator n¨otig. Z ∼ sei ein reellwertiger stochastischer Prozeß. Dann wird definiert:
1{0}×F0 dZ = 0,
1(s,t]×Fs dZ = 1Fs (Zt − Zs ).
ur jedes previsible Rechteck R ∈ R das stochastische Integral
Dies definiert f¨ 1R dZ. Es liegt dabei eine pfadweise Definition im u ¨blichen Sinne der Analysis vor. F¨ ur elementares previsibles X= ∼
n j=1
αj 1Rj wird definiert
XdZ =
n j=1
αj
1Rj dZ.
Man sieht aus der pfadweisen Definition, daß Wohldefiniertheit und Linearit¨at,
also (αX + βY )dZ = α XdZ + β Y dZ, vorliegen.
84
9. Das stochastische Integral
9.7 Die Isometrie-Eigenschaft Es sei M ein rechtsseitig-stetiges L2 -Martingal. Wir definieren die folgenden ∼ R¨aume quadrat-integrierbarer Funktionen: L2 = L2 (Ω, A, P ) und L2 = L2 ([0, ∞) × Ω, P, µM ).
Bei Bedarf schreiben wir auch L2 (M). Mit der u ¨blichen Identifizierung von Funktionen, die bis auf Nullmengen u ¨ bereinstimmen, erhalten wir zwei Hilbertr¨aume und damit zwei vollst¨andige normierte R¨aume, jeweils mit der durch das innere Produkt induzierten, wohlbekannten L2 - bzw. L2 -Norm · 2 . Offensichtlich kann E als linearer Unterraum von L2 aufgefaßt werden. Wir k¨onnen das bisher definierte stochastische Integral also als linearen Operator 2 X I : E → L , I( ) = XdM ∼
betrachten. Damit k¨onnen wir die folgende fundamentale Isometrie-Eigenschaft formulieren: Es sei M ein rechtsseitig-stetiges L2 -Martingal. Dann gilt f¨ur X ∈ E ∼ ∼ X 2 dµM = E(( XdM)2 ), also X2 = I(X)2 , so daß I : E → L2 eine Isometrie ist.
9.8 Hilfsaussagen zur Einfu ¨hrung des stochastischen Integrals Um zur Definition des stochastischen Integrals zu gelangen, ben¨otigen wir: (i) Es seien H1 , H2 vollst¨andige normierte R¨aume, E1 dichter Teilraum von H1 und J : E1 → H2 lineare Isometrie. Dann l¨aßt sich J eindeutig als lineare Isometrie J˜ : H1 → H2 fortsetzen. (ii) Es sei M ein rechtsseitig-stetiges L2 -Martingal. Dann ist E, der Raum der ∼ elementaren previsiblen Prozesse, dicht in L2 . 9.9 Das stochastische Integral Sei also M ein rechtsseitig-stetiges L2 -Martingal. Mit vorstehenden Aussagen l¨aßt ∼ ur X ∈ L2 sich I : E → L2 eindeutig als lineare Isometrie I˜ : L2 → L2 fortsetzen. F¨ ∼ M bezeichnet, und wir schreiben wird I˜ als stochastisches Integral von X bzgl. ∼ ∼ ˜ I(X) = XdM. Gem¨aß seiner Einf¨ uhrung ist das stochastische Integral linear, d.h. es gilt (αX + βY )dM = α XdM + β Y dM.
85
Aufgaben Aufgabe 9.1 Die optionale σ-Algebra O ist diejenige σ-Algebra, die erzeugt wird vom System aller stochastischen Intervalle der Form [τ, ∞), wobei τ die Menge aller Stopzeiten durchl¨auft. Zeigen Sie P ⊆ O.
Aufgabe 9.2 Eine Stopzeit τ wird als previsibel bezeichnet, falls eine monoton wachsende Folge von Stopzeiten (τn )n existiert so, daß gilt lim τn = τ und τn |{τ >0} < τ |{τ >0} .
n→∞
Zeigen Sie, daß die previsible σ-Algebra P erzeugt wird vom System aller stochastischen Intervalle der Form [τ, ∞), wobei τ die Menge aller previsiblen Stopzeiten durchl¨auft. Aufgabe 9.3 Sei W ein Wienerprozeß. Es sei τa = inf{t ≥ 0 : Wt = a} f¨ ur ∼ reelles a. Berechnen Sie µW ([0, τa ∧ τb ]) f¨ ur a < 0 < b sowie µW ([0, τa ]) f¨ ur a = 0.
F Aufgabe 9.4 Zu einem Wienerprozeß W ∼ bzgl. einer Filtration ∼ sei das Mar1 tingal M ∼ mit Mt = exp(Wt − 2 t), t ∈ [0, ∞), betrachtet. Zeigen Sie: ur alle 0 ≤ s < t. (a) E(Mt2 |Fs ) = et−s Ms2 f¨
Mu2 angig von Fs f¨ ur alle 0 ≤ s < t. (b) (s,t] M 2 du ist stochastisch unabh¨ s
(c) E
Mu2 du (s,t] Ms2
Aufgabe 9.5
= et−s − 1 f¨ ur alle 0 ≤ s < t.
Zeigen Sie in der Situation von Aufgabe 9.4:
(a) Das zu M geh¨orige Dol´eansmaß µM ist gegeben durch ∼ 1A Ms2 ds µM (A) = E [0,∞)
f¨ ur jedes A aus der previsiblen σ-Algebra.
(b) (Mt2 − [0,t] Ms2 ds)t∈[0,∞) ist ein Martingal.
Aufgabe 9.6 Sei W ein Wienerprozeß, t > 0. Zeigen Sie durch eine geeignete ∼ Approximation 2 Ws 1[0,t] dWs = Wt2 − t.
Kapitel 10 Stochastische Integration und Lokalisation Wir werden in diesem Kapitel wichtige Eigenschaften des stochastischen Integrals kennenlernen. Die Herleitung dieser Eigenschaften geschieht in der Regel so: F¨ ur elementare previsible Prozesse, f¨ ur die das stochastische Integral pfadweise definiert worden ist, k¨onnen wir die G¨ ultigkeit direkt nachpr¨ ufen. F¨ ur allgemeine Integranden X ∈ L2 benutzen wir die Approximation durch elementare previ∼ sible Prozesse und f¨ uhren einen Grenz¨ ubergang unter Benutzung der IsometrieEigenschaft des stochastischen Integrals aus. Wir werden dieses Vorgehen im folgenden als den ¨ ublichen Erweiterungsprozeß bezeichnen. Eine
x fruchtbare Sichtweise aus der Analysis ist die Betrachtung von Integralen als Funktion der oberen Grenze x. Eine entsprechende Vorgehensweise wollen a wir nun f¨ ur die stochastische Integration kennenlernen. 10.1 Bezeichnungsweisen Es sei X ein reellwertiger stochastischer Prozeß. F¨ ur eine Stopzeit τ wird der ∼ X stochastische Prozeß 1[0,τ ] definiert durch ∼ (1[0,τ ] X)(s, ω) = 1[0,τ ] (s, ω)Xs (ω), der identisch 0 f¨ ur s > τ ist; insbesondere erhalten wir f¨ ur jedes t ≥ 0 den stochaX stischen Prozeß 1[0,t] ∼ mit (1[0,t] X)(s, ω) = 1[0,t] (s)Xs (ω). Ist M ∼ ein rechtsseitig2 2 stetiges L2 -Martingal und gilt X , so folgt offensichtlich 1[0,τ ] X ur ∈ L ∼ ∈ L f¨ ∼ jedes τ , und wir k¨onnen bilden 1(σ,τ ] XdM, 1(s,t] XdM. 1[0,τ ] XdM,
87 Wir wollen noch eine der Abk¨ urzung dienende Bezeichnungsweise f¨ ur die im folgenden h¨aufig auftretende Minimumsbildung einf¨ uhren. F¨ ur s, t ∈ IR benutzen wir s ∧ t = min{s, t} und entsprechend σ ∧ τ = min{σ, τ } f¨ ur Stopzeiten σ, τ . 10.2 Satz zur Martingaleigenschaft 2 2 X Es seien M ∼ ein rechtsseitig-stetiges L -Martingal und ∼ ∈ L . Dann gilt E( XdM | Ft ) = 1[0,t] XdM f¨ur jedes t,
und ( 1[0,t] XdM)t∈[0,∞) ist ein L2 -Martingal. Insbesondere gilt E
XdM = 0.
10.3 Auswahl von Versionen Das stochastische Integral ist als ein Element des L2 definiert worden. Es handelt ¨ sich also im strengen Sinne nicht um eine Zufallsgr¨oße, sondern umeine Aquivalenzklasse von Zufallsgr¨oßen bzgl. der Relation der fast sicheren Gleichheit. Wie u ur ¨blich haben wir bisher auf die Darstellung dieser Unterscheidung verzichtet. F¨ das folgende Resultat ist es jedoch notwendig, den vorliegenden Unterschied zu ber¨ ucksichtigen. Dazu dient die folgende Definition. Es seien Zt ∈ L2 f¨ ur alle t ∈ [0, ∞). Dann heißt ein stochastischer Prozeß Y ∼ ur alle t ∈ [0, ∞) ist, d. h. Version von (Zt )t∈[0,∞) , falls Yt Repr¨asentant von Zt f¨ ¨ ur alle t ∈ [0, ∞) ist, wobei wir Zt exakt als Aquivalenzfalls Yt Element von Zt f¨ klasse, also Menge von Zufallsgr¨ossen betrachten. Es l¨aßt sich folgendes Resultat beweisen.
2 Y Zu X ∼ ∈ L existiert eine Version ∼ von ( 1[0,t] XdM)t∈[0,∞) mit rechtsseitigstetigen Pfaden, die also ein rechtsseitig-stetiges L2 -Martingal bildet. Wir schreiben f¨ ur eine solche rechtsseitig-stetige Version XdM. Yt = [0,t]
Besitzt M stetige Pfade, so erhalten wir durch den vorstehenden Satz sogar ei∼ ne Version mit stetigen Pfaden. Im folgenden werden wir stets, ohne dies noch besonders zu erw¨ahnen, solche rechtsseitig-stetigen Versionen bzw. bei Vorliegen eines stetigen M ∼ stetigen Versionen benutzen.
88
10. Stochastische Integration und Lokalisation
10.4 Zum Umgang mit stochastischen Integralen (i) F¨ ur s < t und alle beschr¨ankten Fs -meßbaren h : Ω → IR gilt h · 1(s,t] XdM = h1(s,t] XdM. (ii) F¨ ur jede endliche Stopzeit τ gilt 1[0,τ ] XdM = XdM, insbesondere 1[0,τ ∧t] dM = Mτ ∧t − M0 f¨ur alle t. [0,τ ]
Wir haben mit ( [0,t] XdM)t∈[0,∞) ein weiteres rechtsseitig-stetiges L2 -Martingal erhalten und k¨onnen dieses als Integrator benutzen. Dann k¨onnen wir beweisen: 10.5 Stochastische Integrale als Integratoren Es seien M ein rechtsseitig-stetiges L2 -Martingal und X ∈ L2 , ferner Y = ∼ ∼ ∼
( [0,t] XdM)t∈[0,∞) . dµY (i) Es gilt X 2 dµM f¨ur alle A ∈ P. = X 2 , d.h. µY (A) = ∼ dµM A (ii) Sei Z ∈ L2 (Y ). Dann ist Z X = (Zt Xt )t∈[0,∞) ∈ L2 , und es gilt ∼ ∼∼ Z dY = ZX dM. Die vorstehende Integralbeziehung bezeichnen wir als Substitutionsprinzip. Wenden wir es auf 1[0,t] Z an, so ergibt sich ∼ ZX dM f¨ ur alle t. Z dY = [0,t]
[0,t]
Die f¨ ur unsere Behandlung kontinuierlicher Finanzm¨arkte benutzte Version des stochastischen Integrals ergibt sich schließlich durch das nun vorgestellte Prinzip der Lokalisation. 10.6 Lokalisation Sei C eine Menge von stochastischen Prozessen. Ein stochastischer Prozeß X ∼ heißt lokaler C-Prozeß, falls eine Folge von Stopzeiten (τn )n∈IN so existiert, daß τ1 ≤ τ2 ≤ . . . ↑ ∞ und f¨ ur alle n ∈ IN gilt X ∼
τn
= (Xτn ∧t )t∈[0,∞) ∈ C.
89 ur X . Im Fall C = {X : X L2 -Martingal} (τn )n∈IN heißt lokalisierende Folge f¨ ∼ ∼ ∼ sprechen wir von lokalen L2 -Martingalen. Von besonderer Bedeutung wird f¨ ur uns der Fall X C = {X ∼ : ∼ Martingal mit beschr¨anktem X0 }
sein. Wir sprechen dann von einem lokalen Martingal. Hat man endlich viele lokale Martingale, so kann man durch Minimumsbildung stets eine gemeinsame lokalisierende Folge von Stopzeiten finden. Die Forderung der Beschr¨anktheit von X0 dient hier nur der Vereinfachung einiger Formulierungen. Es gilt folgendes Resultat:
M sei stetiges lokales Martingal. Dann ist M lokales beschr¨anktes Martingal. ∼ ∼ Ferner besitzen nach unten beschr¨ankte lokale Martingale die Supermartingaleigenschaft. Es gilt n¨amlich: Es sei M ∼ ein rechtsseitig-stetiges lokales Martingal so, daß eine integrierbare Zufallsgr¨oße Y existiert mit der Eigenschaft Mt ≥ Y f¨ur jedes t. Dann gilt f¨ur alle s
90
10. Stochastische Integration und Lokalisation n+k
n
Aus dem Lokalisationslemma folgt, daß Y eine Fortsetzung von Y ist. Außer∼ ∼ halb einer Nullmenge kann dann definiert werden Yt (ω) = limn→∞ Ytn (ω). Dieses liefert uns das stochastische Integral X dM)t∈[0,∞) . (Yt )t∈[0,∞) = ( [0,t]
Mit dem Lokalisationslemma ist leicht einzusehen, daß diese Definition unabh¨angig von der zugrundegelegten lokalisierenden Folge ist. Eigenschaften des stochastischen Integrals f¨ ur L2 -Martingale und Prozesse aus 2 L lassen sich durch Lokalisation auf den allgemeineren Fall leicht u ¨ bertragen. Insbesondere gelten: Es seien M ein rechtsseitig-stetiges lokales L2 -Martingal und X ∈ L, ferner ∼
∼ Y = ( [0,t] XdM)t∈[0,∞) . Sei Z ∈ L(Y ). Dann ist Z X ∈ L, und es gilt ∼ ∼∼ ∼ ZX dM f¨ur alle t. Z dY = [0,t]
[0,t]
X Sei M ∼ ein stetiges lokales Martingal und ∼ ein stetiger Prozeß mit beschr¨anktem X0 . Dann gilt X ∈ L, und ∼ X dM)t∈[0,∞) ist ein stetiges lokales Martingal. ( [0,t]
Aufgaben Aufgabe 10.1 Sei (Mt )t∈[0,∞) ein rechtsseitig-stetiger stochastischer Prozeß und (τn )n∈N eine Folge von Stopzeiten mit τ1 ≤ τ2 ≤ . . . ↑ ∞. Zeigen Sie, daß M ∼ τn ur jedes n ein lokales Martingal genau dann ein lokales Martingal ist, wenn M f¨ ∼ ist. Aufgabe 10.2 Seien M ein rechtsseitig-stetiges L2 -Martingal, σ, τ Stopzeiten ∼ mit σ ≤ τ , sowie h eine beschr¨ankte Fσ -meßbare Zufallsgr¨oße. Zeigen Sie h1(σ,τ ] dM = h(Mτ ∧t − Mσ∧t ) f¨ ur alle t. [0,t]
2 X Aufgabe 10.3 Sei M ∼ ein rechtsseitig-stetiges lokales L -Martingal und ∼ ein lokal beschr¨ankter previsibler Prozeß. Zeigen Sie
X ∈ L(M). ∼
91 Aufgabe 10.4 Sei M ein rechtsseitig-stetiges lokales L2 -Martingal mit lokali∼ 2 sierender Folge (τn )n . Es sei (Mt∧τ ) gleichgradig integrierbar f¨ ur jedes t. n n 2 Zeigen Sie, daß M ∼ ein L -Martingal ist.
Aufgabe 10.5 Betrachten Sie die Situation von 10.7. Zeigen Sie, daß die Definition von (Yt )t unabh¨angig von der lokalisierenden Folge ist.
Kapitel 11 Quadratische Variation und die Itˆ o-Formel In diesem Kapitel werden wir die wichtigste Rechenregel f¨ ur die stochastische Integration bzgl. eines stetigen lokalen Martingals kennenlernen, die als Itˆo-Formel ¨ bekannt ist. Es handelt sich dabei um die Ubertragung der aus der elementaren Analysis wohlbekannten Formel f¨ ur Riemann-Stieltjes- Integrale x f (F (x)) − f (F (a)) = f ′ (F (y))dF (y) a
auf den Fall des stochastischen Integrals, wobei allerdings ein zus¨atzlicher Term auftreten wird. 11.1 Quadratischer Variationsprozeß Es sei M ein stetiges lokales Martingal. Wir definieren den quadratischen Varia∼ tionsprozeß 2 2 M dM. [M] = ([M]t )t∈[0,∞) durch [M]t = Mt − M0 − 2 [0,t]
Der quadratische Variationsprozeß ist ein stetiger stochastischer Prozeß mit Startpunkt [M]0 = 0. F¨ ur t ∈ [0, ∞) bezeichnen wir ein Tupel Z t = (t0 , . . . , tk ) mit 0 = t0 < t1 < . . . < tk = t als Zerlegung von [0, t]. Eine Folge von Zerlegungen (Znt )n mit der Eigenschaft max{|tnj+1 − tnj | : j = 0, . . . , kn − 1}n→∞ → 0 bezeichnen wir als regul¨are Zerlegungsfolge. Damit l¨aßt sich der folgende Satz beweisen, welcher auch die Begr¨ undung daf¨ ur liefert, warum [M] als quadratischer Variationsprozeß bezeichnet wird.
93 Es sei M ein stetiges lokales Martingal. Sei t > 0 und (Znt )n eine regul¨are Zerle∼ gungsfolge. Dann gilt k n −1 j=0
(Mtnj+1 − Mtnj )2 n→∞ → [M]t in Wahrscheinlichkeit .
2 Falls M ∼ zus¨atzlich beschr¨ankt ist, liegt Konvergenz in L vor. Daraus folgt [M]s ≤ [M]t f¨ ur s < t,
und wir k¨onnen ohne Einschr¨ankung annehmen, daß s¨amtliche Pfade des quadratischen Variationsprozesses monoton wachsend sind. F¨ ur einen Wienerprozeß W ∼ ergibt sich [W ]t = t mit der Folgerung 2 W dW = Wt2 − t. [0,t]
11.2 Prozeß von beschr¨ ankter Variation Ein rechtsseitig-stetiger, adaptierter stochastischer Prozeß V mit beschr¨anktem ∼ V0 wird als Prozeß von lokal beschr¨ankter Variation bezeichnet, falls s¨amtliche Pfade t → Vt (ω) von beschr¨ankter Variation auf jedem endlichen Intervall sind. Da monotone Funktionen die angesprochene Eigenschaft der beschr¨ankten Variation besitzen, ist somit [M] ein Prozeß von lokal beschr¨ankter Variation. Ist nun V ein solcher Prozeß, so k¨onnen wir unter geeigneten Voraussetzungen an den ∼ Prozeß X das pfadweise Integral bilden ∼ X(t, ω)dV (t, ω), also die Zufallsgr¨oße X dV. Die folgende Aussage zeigt, daß nur triviale stetige lokale Martingale von lokal beschr¨ankter Variation sind, und ist insbesondere f¨ ur Eindeutigkeitsnachweise n¨ utzlich. Es sei M ein stetiges lokales Martingal von lokal beschr¨ankter Variation mit ∼ M0 = 0. Dann gilt M = 0. ∼ Als Folgerung ergibt sich ′
Es seien M , M stetige lokale Martingale mit M0 = M0′ und V , V ′ Prozesse von ∼ ∼ ∼ ∼ lokal beschr¨ankter Variation. Dann gilt: M′ V ′ V V′ M M′ V Aus M ∼ + ∼ = ∼ + ∼ folgt ∼ = ∼ , ∼ = ∼ .
94
11. Quadratische Variation und die Itˆ o-Formel
11.3 Semimartingal Ein stochastischer Prozeß der Form Z =M +V ∼ ∼ ∼
mit einem stetigen lokalen Martingal M und einem stetigen Prozeß V von lokal ∼ ∼ beschr¨ankter Variation wird als stetiges Semimartingal bezeichnet. Das vorstehende Korollar zeigt, daß mit der Normierungsbedingung M0 = 0 diese Darstellung eindeutig ist. Das stochastische Integral bzgl. eines Semimartingals wird definiert durch X dV, X dM + X dZ = [0,t]
[0,t]
[0,t]
wobei [0,t] X dV das pfadweise gebildete Integral ist. Als quadratischen Variationsprozeß definieren wir [Z] = [M]. 11.4 Satz zum Zusammenhang zwischen Dol´ eansmaß und quadratischem Variationsprozeß
2 M dM)t∈[0,∞) ein Martingal, -Martingal. Dann ist ( ein stetiges L Es sei M [0,t] ∼ E[M]t < ∞ f¨ ur alle t, und es gilt µM (A) = E( 1A d[M]) f¨ur alle A ∈ P. Insbesondere ergibt sich EMt2 − EM02 = E[M]t f¨ur alle t.
Als Folgerung erhalten wir eine einfachere Charakterisierung der previsiblen stochastischen Prozesse, f¨ ur die wir das stochastische Integral definieren konnten. Es sei M ein stetiges lokales Martingal. Dann gilt ∼ X L = {X X 2 d[M] < ∞) = 1 f¨ur alle t }. ∼ : ∼ previsibel, P ( [0,t]
Bilden wir einen stochastischen Integralprozeß, so erhalten wir wiederum ein stetiges lokales Martingal. Die folgende Aussage zeigt die Gestalt des zugeh¨origen quadratischen Variationsprozesses. 11.5 Quadratische Variation von Integralprozessen
X ∈ L. Sei Y = ( [0,t] X dM)t∈[0,∞) . Es sei M ein stetiges lokales Martingal und ∼ ∼ ∼ Dann gilt X 2 d[M])t∈[0,∞) . [Y ] = ( [0,t]
95 Wir kommen nun zu dem zentralen Resultat der stochastischen Integration. 11.6 Itˆ o-Formel V Es sei M ∼ ein stetiges lokales Martingal und ∼ ein stetiger Prozeß von lokal be2 schr¨ankter Variation. Sei f : IR → IR stetig mit stetigen partiellen Ableitungen 2 ∂f ∂f , und ∂∂xf2 . Dann gilt f¨ ur jedes t ∂x ∂y f (Mt , Vt ) − f (M0 , V0 )
=
[0,t]
∂f (M, V ) dM + ∂x
1 ∂f (M, V ) dV + ∂y 2
[0,t]
[0,t]
∂2f (M, V ) d[M]. ∂x2
Die folgenden Aussagen sind f¨ ur die Anwendung der Itˆo-Formel n¨ utzlich. V (i) Die Itˆo-Formel liefert uns die Semimartingaldarstellung von f (M ∼ , ∼) und damit, unter Anwendung des Substitutionsprinzips, das stochastische Integral bzgl. dieses Prozesses als Xd f (M, V ) [0,t]
=
[0,t]
X
∂f (M, V ) dM + ∂x
[0,t]
X
1 ∂f (M, V ) dV + ∂y 2
X
[0,t]
∂2f (M, V ) d[M]. ∂x2
Z = M + V ein stetiges Semimartingal, so zeigt uns die Itˆo-Formel Ist nun ∼ ∼ ∼ f¨ ur zweimal stetig-differenzierbares f : IR → IR 1 f ′ (Z)dZ + f ′′ (Z)d[Z]. f (Zt ) − f (Z0 ) = 2 [0,t] [0,t] (ii) Ist I ⊆ IR2 ein offenes Intervall so, daß (M , V ) nur Werte in I annimmt, ∼ ∼ und besitzt f : I → IR die vorstehenden Differenzierbarkeitseigenschaften, so gilt entsprechend die Itˆo-Formel.
(iii) Oft ist es von Nutzen, die Schreibweise Xs dMs f¨ ur X dM zu benutzen. Mit dieser Notation ergibt sich die Itˆo-Formel als f (Mt , Vt ) − f (M0 , V0 ) =
[0,t]
∂f (Ms , Vs ) dMs + ∂x
[0,t]
∂f 1 (Ms , Vs ) dVs + ∂y 2
[0,t]
∂2f (Ms , Vs ) d[M]s . ∂x2
Sehr n¨ utzlich und h¨aufig gebraucht ist die differentielle Notation df (Mt , Vt ) =
∂f ∂f 1 ∂2f (Mt , Vt ) dMt + (Mt , Vt ) dVt + (Mt , Vt ) d[M]t . ∂x ∂y 2 ∂x2
96
11. Quadratische Variation und die Itˆ o-Formel
Die Itˆo-Formel wird das wesentliche Hilfsmittel f¨ ur viele Berechnungen sein. Es folgen einige Anwendungen: 11.7 Partielle Integration V Es sei M ∼ ein stetiges lokales Martingal und ∼ ein stetiger Prozeß von lokalbeschr¨ankter Variation. Anwendung der Itˆo-Formel auf f (x, y) = x · y ergibt M dV, also d(Mt Vt ) = Vt dMt + Mt dVt . V dM + Mt Vt − M0 V0 = [0,t]
[0,t]
11.8 Aktienkurs im Black-Scholes-Modell Im Black-Scholes-Modell wird der Aktienkurs modelliert durch At = A0 eσWt −(
σ2 −µ)t 2
Anwendung der Itˆo-Formel auf f (x, y) = eσ x−(
.
σ2 −µ)y 2
zeigt dAt = σ At dWt + µ At dt. 11.9 Exponentialprozeß Zu einem stetigen lokalen Martingal M bilden wir den stochastischen Prozeß ∼ E(M, λ) = (eλ Mt −
λ2 [M ]t 2
Anwendung der Itˆo-Formel auf f (x, y) = eλ x− lokales Martingal bildet mit
)t∈[0,∞) .
λ2 y 2
zeigt daß E(M, λ) ein stetiges
dE(M, λ)t = λE(M, λ)t dMt . Diese Prozesse werden als Exponentialprozesse zu M bezeichnet. Ein solcher Ex∼ ponentialprozeß liefert uns ein lokales Martingal ≥ 0. Gem¨aß 10.6 ist dieses ein Supermartingal. Die Betrachtung von Exponentialprozessen liefert einen einfachen Beweis f¨ ur eine auf Levy zur¨ uckgehende Charakterisierung des Wienerprozesses. 11.10 Charakterisierung des Wienerprozesses Es sei M ein stetiges lokales Martingal mit M0 = 0. Gilt [M]t = t f¨ur alle t, so ∼ ist M ein Wienerprozeß. ∼
97 Ziel ist nun die Angabe der mehr-dimensionalen Itˆo-Formel. Dazu wird die folgende Beriffsbildung ben¨otigt: 11.11 Kovariationsprozeß Es seien M , N stetige lokale Martingale. Dann wird der Kovariationsprozeß [M, N] ∼ ∼ definiert durch 1 [M, N] = ([M + N] − [M − N]). 4 Dies definiert einen stetigen stochastischen Prozeß von lokal beschr¨ankter Variation. Es ist MN − [M, N] = 41 ((M + N)2 − [M + N] − ((M − N)2 − [M − N])) N ein lokales Martingal, was die Semimartingaldarstellung von M ∼ ∼ liefert, und [M, M] = [M]. Sind M , N sogar stetige L2 -Martingale, so zeigt 11.4, daß ∼ ∼ EMt Nt − EM0 N0 = E[M, N]t f¨ ur alle t gilt. ′ ′ ′ Sind Z = M + V , Z = M + V stetige Semimartingale, so definieren wir ∼ ∼ ∼ ∼ ∼ ∼ [Z, Z ′] = [M, M ′ ].
Ferner erhalten wir: Sei t > 0 und (Znt )n eine regul¨are Zerlegungsfolge. Dann gilt k n −1
1 (Ztnj+1 − Ztnj )(Zt′nj+1 − Zt′nj )n→∞ → ([Z + Z ′ ]t − [Z − Z ′ ]t ). 4 j=0
Kovariationen von Integralprozessen werden gem¨aß folgender Regel berechnet: ′
N M X Es seien M , N stetige lokale Martingale und X ∼ ∈ L( ∼ ), ∼ ∈ L( ∼ ). Seien
∼ ∼ ′ Y = ( [0,t] XdM)t∈[0,∞) , Y = ( [0,t] X ′ dN)t∈[0,∞) . Dann gilt f¨ur alle t ∼ ∼ ′ XX ′ d[M, N]. [Y, Y ]t = [0,t]
11.12 Mehrdimensionaler Wienerprozeß 1
k
1
k
Sind W , . . . , W stochastisch unabh¨angige Wienerprozesse, so wird (W , . . . , W ) ∼ ∼ ∼ ∼ ur als k-dimensionaler Wienerprozeß bezeichnet. Schon bekannt ist [W i ]t = t. F¨ die Kovariation gilt [W i , W l ]t = 0 f u ¨r i = l.
98
11. Quadratische Variation und die Itˆ o-Formel
11.13 Mehrdimensionale Itˆ o-Formel l
i
Es seien M , i = 1, . . . , m, stetige lokale Martingale und V , l = 1, . . . , n, stetige ∼ ∼ Prozesse von lokal beschr¨ankter Variation. Sei f : IRn+m → IR stetig mit stetigen 2 ∂f f ∂f partiellen Ableitungen ∂x , l = 1, . . . , n. , ∂x∂i ∂x , i, j = 1, . . . , m, ∂y i j l Dann gilt f¨ ur alle t f (Mt1 , . . . , Mtm , Vt1 , . . . , Vtn ) − f (M01 , . . . , M0m , V01 , . . . , V0n )
n m ∂f ∂f 1 n i (M , . . . , V )dM + (M 1 , . . . , V n )dV l = ∂x ∂y i l i=1 l=1 [0,t]
[0,t]
+
m
1 2 i,j=1
∂f (M 1 , . . . , V n )d[M i , M j ]. ∂xi ∂xj
[0,t]
Mit dem Laplace-Operator ∆f = zeß
k
∂2f i=1 ∂x2i
ist beim k-dimensionalen Wienerpro-
f (Wt1 , . . . , Wtk ) − f (0, . . . , 0) k ∂f 1 1 k i = (W , . . . , W )dW + ∆f (Ws1 , . . . , Wsk )ds. ∂x 2 i i=1 [0,t]
[0,t]
Ist f eine harmonische Funktion, d.h. gilt ∆f = 0, so ist f (Wt1 , . . . , Wtk ) ein lokales Martingal. Die folgenden Resultate liefern uns die M¨oglichkeit, in allgemeineren Finanzmarktmodellen ¨aquivalente Martingalmaße aufzufinden, und sind von großer Bedeutung f¨ ur die Finanzmathematik. 11.14 Dichteprozeß Sei T > 0. Q sei ein weiteres Wahrscheinlichkeitsmaß auf FT so, daß P |FT und ur alle t ∈ [0, T ]. Sei Q|FT ¨aquivalent sind, damit auch P |Ft und Q|Ft f¨ LT =
dQ |FT , ferner Lt = E(LT |Ft ) f¨ ur alle t ∈ [0, T ]. dP
Dann ist (Lt )t∈[0,T ] ein Martingal, und es gilt dQ ur alle t ∈ [0, T ]. |Ft = Lt f¨ dP
99 Wir nehmen f¨ ur das folgende an, daß (Lt )t∈[0,T ] rechtsseitig-stetig und stets > 0 ist. Ferner sei L0 =1 angenommen, also P |F0 = Q|F0 . Der stochastische Prozeß (Lt )t∈[0,T ] wird dann als Dichteprozeß bezeichnet. Es ergibt sich leicht, daß (Xt )t∈[0,T ] ein lokales Martingal bzgl. Q genau dann ist, wenn (Lt Xt )t∈[0,T ] lokales Martingal bzgl. P ist. 11.15 Satz von Girsanov Sei angenommen, daß der Dichteprozeß (Lt )t∈[0,T ] ein stetiger Prozeß ist. (Mt )t∈[0,T ] sei ein stetiges lokales Martingal bzgl. P . F¨ ur t ∈ [0, T ] setzen wir 1 Dt = d[L, M]. L [0,t]
Dann ist (Mt − Dt )t∈[0,T ] stetiges lokales Martingal bzgl. Q. 11.16 Satz zur Transformation von Martingalen Es seien M ein stetiges lokales Martingal und Z ∈ L. Sei ∼ ∼ 1 N = ( ZdM)t∈[0,∞) mit Exponentialprozeß L = E(N) = (eNt − 2 [N ]t )t∈[0,∞) . ∼ ∼ [0,t]
dQ Es sei ELT = 1 f¨ ur ein T > 0, Q das durch dP |FT = LT gegebene Wahrscheinlichkeitsmaß auf FT . Dann gilt: (Mt − Zd[M])t∈[0,T ] [0,t]
ist bzgl. Q ein stetiges lokales Martingal mit quadratischem Variationsprozeß
([M]t )t∈[0,T ] . Liegt insbesondere ein Wienerprozeß W vor, so ist (Wt − Zs ds)t∈[0,T ] ∼ [0,t] ein Wienerprozeß bzgl. Q.
Damit wir dieses Resultat fruchtbar anwenden k¨onnen, ben¨otigen wir ein einfach nachpr¨ ufbares Kriterium f¨ ur das Vorliegen von ELT = 1. Dies ist, wie wir wissen, ¨aquivalent dazu, daß (Lt )t∈[0,T ] ein Martingal bildet. Das folgende Resultat liefert ein solches Kriterium, das als Novikovsche Bedingung bekannt ist. 11.17 Novikovsche Bedingung 1
Sei N = (eNt − 2 [N ]t )t∈[0,∞) der zugeh¨orige ∼ ein stetiges lokales Martingal und E(N) 1 Exponentialprozeß. F¨ ur ein T > 0 gelte Ee 2 [N ]T < ∞. Dann folgt EE(N)T = 1 und (E(N)t )t∈[0,T ] ist ein Martingal.
100
11. Quadratische Variation und die Itˆ o-Formel
Aufgaben Aufgabe 11.1 Bestimmen Sie f¨ ur einen Wienerprozeß den zu (Wt2 − t)t∈[0,∞) geh¨origen quadratischen Variationsprozeß und nutzen Sie dies zur Bestimmung von EWt4 . 2 Sei M ∼ ein rechtsseitig-stetiges L -Martingal mit M0 = 0. Zeigen
Aufgabe 11.2 Sie:
EMτ = 0, EMτ2 = E[M]τ f¨ ur jede Stopzeit τ mit E[M]τ < ∞. Sei M ∼ ein stetiges Martingal und ebenfalls ein Gaußprozeß.
Aufgabe 11.3 Zeigen Sie:
(a) M ∼ besitzt unabh¨angige Zuw¨achse.
(b) Der quadratische Variationsprozeß von M ∼ besitzt eine deterministische Version. Sei f eine stetig differenzierbare Funktion, W ∼ ein Wienerprozeß.
Aufgabe 11.4
(a) Bestimmen Sie die Semimartingaldarstellung von (f (t)Wt )t∈[0,∞) . (b) Nutzen Sie diese aus zum Nachweis von E(
T ′
0
2
2
f (s)Ws ds) = f (T ) T − 2f (T )
(c) Berechnen Sie E(
T 0
0
T
f (s)ds +
T
f (s)2 ds.
0
Ws ds)2 .
Sei N ein stetiges lokales Martingal mit Exponentialprozeß ∼ )t∈[0,∞) . F¨ ur ein T > 0 gelte [N]T ≤ K mit einer Konstanten E(N) = (e 1 K > 0. Zeigen Sie direkt, d.h. ohne Anwendung von 11.17, daß (eNt − 2 [N ]t )t∈[0,T ] ein Martingal ist. Aufgabe 11.5
Nt − 21 [N ]t
ur jedes Aufgabe 11.6 Sei M ∼ ein stetiges lokales Martingal. Zeigen Sie, daß f¨ Intervall [a, b] fast sicher gilt: M ist konstant auf [a, b] genau dann, wenn [M] konstant auf [a, b] ist. ∼
Kapitel 12 Das Black-Scholes-Modell und stochastische Integration In diesem Abschnitt geben wir eine vertiefte Darstellung des Black-Scholes-Modells unter Benutzung der Theorie der stochastischen Integration. 12.1 Stochastische Integration bezu ¨ glich des Aktienpreisprozesses A besitzt die SeBetrachtet sei der Aktienkurs in einem Black-Scholes-Modell. ∼ mimartingaldarstellung σAs dWs , also dAt = µAt dt + σAt dWt . µAs ds + At − A0 = [0,t]
[0,t]
Das stochastische Integral bez¨ uglich A ist somit gegeben durch ∼ Xs σAs dWs . Xs µAs ds + Xs dAs = [0,t]
[0,t]
[0,t]
Die Itˆo-Formel besagt mit [A]t =
[0,t]
σ 2 A2s ds
1 df (At , t) = fx (At , t)dAt + ft (At , t)dt + fxx (At , t)σ 2 A2t dt. 2 12.2 Handelsstrategien g , h ) ist ein Paar von previsiblen reellwertigen stochaEine Handelsstrategie (∼ ∼ g = (gt )t∈[0,T ] , h = (ht )t∈[0,T ] , das die folgende Bedingung stischen Prozessen ∼ ∼ technischer Natur erf¨ ullt: |h2t |dt < ∞) = 1. |gt |dt < ∞) = 1 und P ( P( [0,T ]
[0,T ]
102
12. Das Black-Scholes-Modell und stochastische Integration
Dies gew¨ahrleistet, daß die Prozesse ( [0,t] gs dRs )t∈[0,T ] und ( [0,t] hs dAs )t∈[0,T ] definiert sind. Der Wertprozeß V ∼ ist definiert durch Vt = gt Rt + ht At , t ∈ [0, T ]. 12.3 Selbstfinanzierung Unter Benutzung des allgemeinen stochastischen Integrals k¨onnen wir die Begriffsbildung der Selbstfinanzierung f¨ ur allgemeine Handelsstrategien einf¨ uhren. ur alle t ∈ [0, T ] gilt: Eine Handelsstrategie ( g , h ) heißt selbstfinanzierend, falls f¨ ∼ ∼ Vt − V0 = hs dAs , also dVt = gt dRt + ht dAt . gs dRs + [0,t]
[0,t]
Dies bedeutet, daß der Zugewinn stets gleich der Wert¨anderung Vt − V0 ist, also keine Entnahmen oder Zuf¨ uhrungen vorliegen. Bei einer selbstfinanzierenden Handelsstrategie bildet der Wertprozeß V ein stetiges Semimartingal. Sei ∼ g , h ) : ( g , h ) ist selbstfinanzierende Handelsstrategie}. Π = {(∼ ∼ ∼ ∼
12.4 Martingaleigenschaft bei Selbstfinanzierung Betrachtet werde ein Black-Scholes-Modell mit Zinsrate ρ und ¨aquivalentem Martingalmaß Q. Wir erhalten mittels partieller Integration folgende wichtige Aussage: F¨ ur ( g , h ) ∈ Π ist (e−ρt Vt )t∈[0,T ] ein lokales Martingal bez¨uglich Q. ∼ ∼ Im allgemeinen ist der abdiskontierte Wertprozeß bei selbstfinanzierenden Handelsstrategien nur ein lokales Martingal. Einfache Beispiele zeigen, daß dies noch unerw¨ unschte Arbitrageph¨anomene zul¨aßt. Wir definieren daher: Eine Handelsg , h ) ∈ Π wird als regul¨ar bezeichnet, falls der Wertprozeß in folgender strategie (∼ ∼ Weise nach unten beschr¨ankt ist: Es existiert eine bzgl. Q integrierbare Zufallsgr¨oße Y so, daß gilt Vt ≥ Y f¨ ur alle t ∈ [0, T ]. Dann folgt, daß der abdiskontierte Wertprozeß (e−ρt Vt )t∈[0,T ] die Supermartingaleigenschaft bez¨ uglich Q besitzt. 12.5 Arbitrage und Arbitragefreiheit Eine Handelsstrategie ( g , h ) ∈ Π wird als Arbitrage bezeichnet, falls gilt ∼ ∼ V0 ≤ 0, VT ≥ 0 und P (VT − V0 > 0) > 0. Betrachten wir den abdiskontierten Wertprozeß f¨ ur eine Arbitrage, so gilt offen−ρT g h sichtlich EQ e VT > EQ V0 . Ist nun (∼, ∼) ∈ Π eine regul¨are Handelsstrategie, so gilt mit der Supermartingaleigenschaft EQ e−ρT VT ≤ EQ V0 , also liegt keine
103 Arbitrage vor. In diesem Sinne k¨onnen wir das Black-Scholes-Modell als arbitragefrei auffassen, wenn wir folgende Definition einf¨ uhren: Ein kontinuierliches Finanzmarktmodell wird als arbitragefrei bezeichnet, falls keine regul¨are selbstfinanzierende Handelsstrategie existiert, die eine Arbitrage ist. 12.6 Absicherbarkeit Ein Claim C, also eine FT -meßbare Abbildung C : Ω → IR, wird als absicherbar g , h ) ∈ Π existiert mit der Eigenschaft bezeichnet, falls eine Handelsstrategie (∼ ∼ VT = C. Eine solche Handelsstrategie wird als Hedge bezeichnet. 12.7 Preisfestsetzung fu ¨ r einen absicherbaren Claim g , h ). Dann wird der faire Preis des Sei C ein absicherbarer Claim mit Hedge (∼ ∼ Claims definiert durch s(C) = V0 = g0 R0 + h0 A0 . Diese Preisfestsetzung folgt dem No-Arbitrage-Prinzip, denn falls s(C) = V0 vorliegt, so ergibt sich ein risikoloser Profit. Dazu beachten wir zun¨achst, daß Besitz des Claims C sowie Benutzung der Handelsstrategie ( g , h ) mit abschließender ∼ ∼ Liquidation die gleiche Auszahlung im Zeitpunkt T liefert, ferner durch Selbstfinanzierung keine Zufl¨ usse oder Entnahmen f¨ ur t ∈ (0, T ) stattfinden, so daß Portfolio und Claim sich identisch verhalten. Also erhalten wir im Fall s(C) < V0 folgende Arbitragem¨oglichkeit: Wir f¨ uhren ein short selling in der Handelsstrategie durch, kaufen den Claim und investieren die Anfangsdifferenz risikolos. Im Fall s(C) > V0 f¨ uhren wir umgekehrt ein short selling im Claim durch, benutzen die Handelsstrategie und investieren wiederum die resultierende Differenz risikolos. Anzumerken ist, daß der so definierte faire Preis eindeutig bestimmt ist. Entsprechend ergibt sich der faire Preis zu einem sp¨ateren Zeitpunkt t als s(C, t) = Vt = gt Rt + ht At . 12.8 Preisfestsetzung mit dem ¨ aquivalenten Martingalmaß g , h ) ∈ Π. Wir bezeichSei C ein absicherbarer Black-Scholes-Claim mit Hedge (∼ ∼ g , h ) als Martingalhedge, falls der abdiskontierte Wertprozeß (e−ρt Vt )t∈[0,T ] nen (∼ ∼ ein Martingal bzgl. des ¨aquivalenten Martingalmaßes ist. In diesem Fall ergibt sich der faire Preis des Claims als s(C) = V0 = EQ (e−ρT VT ) = EQ (e−ρT C) und entsprechend zu einem sp¨ateren Zeitpunkt t als s(C, t) = Vt = eρt EQ (e−ρT VT | Ft ) = EQ (e−ρ(T −t) C | Ft ).
104
12. Das Black-Scholes-Modell und stochastische Integration
Es stellt sich also die Frage nach der Absicherbarkeit von Claims und der Martingaleigenschaft der zugeh¨origen abdiskontierten Wertprozesse. Zur Beantwortung dieser Frage dient das folgende Resultat, das die Darstellung von Zufallsgr¨oßen als stochastische Integrale zum Inhalt hat. 12.9 Darstellungssatz 2 F Es sei W ∼ ein Wienerprozeß mit Standardfiltration ∼. Sei f ∈ L meßbar bzgl. 2 F∞ . Dann existiert ein eindeutiger previsibler Prozeß X ∼ ∈ L mit der Eigenschaft f = Ef + XdW.
Bilden wir zu F∞ -meßbarem f ∈ L2 ein Martingal durch Mt = E(f | Ft ) und ur alle t liefert X ∼ eine Darstellung gem¨aß des vorstehenden Satzes, so folgt f¨ Mt = E(f | Ft ) = Ef + E( XdW | Ft ) = Ef + XdW. [0,t]
Beachten wir dabei, daß das Martingal ( [0,t] XdW )t∈[0,∞) stetige Pfade besitzt, so erhalten wir unter Benutzung eines Lokalisationsarguments, daß jedes lokale L2 -Martingal bzgl. der Standardfiltration eines Wienerprozesses eine Version mit stetigen Pfaden besitzt. Daraus folgt, daß jedes rechtsseitig-stetige lokale Martingal bzgl. der Standardfiltration eines Wienerprozesses ebenfalls eine Version mit stetigen Pfaden besitzt. Mit einem Lokalisationsargument ergibt sich dann weiter, daß es auch eine Darstellung als stochastisches Integral besitzt. Die entsprechenden Resultate ergeben sich, wenn wir die Zeitparametermenge [0, T ] betrachten. Wir kommen nun zur Anwendung auf die Absicherbarkeit von Claims. 12.10 Absicherung von Claims Aus dem Darstellungssatz k¨onnen wir folgendes Resultat herleiten: Betrachtet werde ein Black-Scholes-Modell mit Zinsrate ρ und ¨aquivalentem Martingalmaß Q. Es sei C ein Claim mit der Eigenschaft EQ C 2 < ∞. Dann gilt: Es existiert ein Martingalhedge ( g , h ) f¨ur C. ∼ ∼
Wir haben damit eine hinreichende Bedingung f¨ ur die Anwendung des Preisfestsetzungsprinzips mittels des ¨aquivalenten Martingalmaßes Q erhalten. Ist C ein ur den fairen Preis Claim mit der Eigenschaft EQ C 2 < ∞, so folgt f¨
s(C) = EQ e−ρT C und entsprechend s(C, t) = EQ (e−ρ(T −t) C | Ft ). Anwendung auf den Call ergibt dann die Black-Scholes-Formel.
105 Mit dem folgenden Satz k¨onnen wir selbstfinanzierende Handelsstrategien erhalten. Dabei bezeichnen wir zur besseren Lesbarkeit die partiellen Ableitungen einer Funktion f (x, t) mit fx , fxx und ft . 12.11 Analytische Bedingung fu ¨ r Selbsfinanzierung Betrachtet werde ein Black-Scholes-Modell mit Zinsrate ρ. g, h : (0, ∞) × [0, T ] → IR seien stetig mit stetigen partiellen Ableitungen gx , gxx , gt , hx , hxx , ht . Eine Han∗ delsstrategie ( g ∗ , h ) sei definiert durch ∼ ∼ g ∗ = (g(At , t))t∈[0,T ] und h ∗ = (h(At , t))t∈[0,T ] . ∼ ∼
Dann gilt: Falls g, h die Differentialgleichungen xhx + eρt gx = 0,
1 2 2 σ x hx + xht + eρt gt = 0 2
g ∗ , h ∗ ) selbstfinanzierend. erf¨ ullen, so ist (∼ ∼ Der folgende Satz er¨offnet den analytischen Zugang zur Bewertung von Claims und zeigt, wie die explizite Gestalt eines Hedges gewonnen werden kann. 12.12 Analytischer Zugang zur Bewertung von Claims Betrachtet werde ein Black-Scholes-Modell mit Zinsrate ρ. f : (0, ∞)×[0, T ] → IR sei stetig mit stetigen partiellen Ableitungen fx , fxx , ft . f erf¨ulle die Differentialgleichung 1 2 2 σ x fxx + ρxfx + ft − ρf = 0. 2 Es sei g = e−ρt (f − xfx ), h = fx . ∗
Dann ist die Handelsstrategie ( g ∗ , h ), definiert durch g(At , t) und h(At , t), selbst∼ ∼ finanzierend mit Wertprozeß Vt = f (At , t), t ∈ [0, T ]. 12.13 Differentialgleichungsmethode zur Preisbestimmung
Die Differentialgleichung 1 2 2 σ x fxx + ρxfx + ft − ρf = 0 2 wird als Black-Scholes-Differentialgleichung bezeichnet. Zur Bestimmung des fairen Preises eines Claims der Form C = c(AT , T ) k¨onnen wir in folgender Weise vorgehen. Wir versuchen, die Black-Scholes-Differentialgleichung mit der Randbedingung f (x, T ) = c(x, T ), x ∈ (0, ∞), zu l¨osen. Gelingt uns dies, so erhalten wir
106
12. Das Black-Scholes-Modell und stochastische Integration
den fairen Preis zum Anfangskurs A0 = x durch f (x, 0) und einen Hedge durch g(At , t), h(At , t) mit g = e−ρt (f − xfx ), h = fx . Wir merken an, daß die BlackScholes-Differentialgleichung durch Variablentransformation auf die W¨armeleitungsgleichung zur¨ uckgef¨ uhrt werden kann. Anwendung auf den Call liefert eine alternative Herleitung der Black-Scholes-Formel.
Aufgaben Aufgabe 12.1 Betrachtet sei ein Black-Scholes-Modell. Ein Portfolio sei gebildet aus einer long position in einem Call mit F¨alligkeitszeitpunkt T und Aus¨ ubungspreis K und einer short position von Φ(h1 (At , T − t, K)) Aktien zu jedem Zeitpunkt t, wobei h1 aus der Black-Scholes-Formel gem¨aß 8.8 resultiert. Zeigen Sie, daß der abdiskontierte Portfoliowert ein Martingal bzgl. des ¨aquivalenten Martingalmaßes bildet. Aufgabe 12.2 betrachtet.
In einem Black-Scholes-Modell sei f¨ ur α > 0 der Claim C = AαT
Bestimmen Sie den fairen Preis dieses Claims und einen Hedge. Aufgabe 12.3 F . Zeigen Sie:
Betrachtet sei ein Wienerprozeß mit seiner Standardfiltration
(a) Jedes rechtsseitig-stetige lokale Martingal bzgl. F besitzt eine Version mit stetigen Pfaden. Benutzen Sie dazu 12.9 und eine geeignete Approximation. (b) Jedes rechtseitig-stetige lokale Martingal bzgl. F besitzt eine Darstellung der Form Y dW, t ∈ [0, ∞), Mt = M0 + [0,t]
mit einem previsiblen Prozeß Y . ∼ Aufgabe 12.4 Betrachtet sei ein Black-Scholes-Modell. Sei ( g , h ) eine selbst∼ ∼ finanzierende Handelsstrategie mit Wertprozeß V ∼. Der Anteil des Werts, der zur Zeit t in der Aktie investiert ist, sei bezeichnet als πt = ht At /Vt . Zeigen Sie, daß f¨ ur den diskontierten Wertprozeß Vt∗ = e−ρt Vt , t ∈ [0, T ], gilt: ˆ t, dVt∗ = Vt∗ πt σdW ˆ Wienerprozeß bzgl. des ¨aquivalenten Martingalmaßes Q ist. wobei W ∼
107 Aufgabe 12.5 Betrachtet sei ein Black-Scholes-Modell. Die Dichte des ¨aquivalenten Martingalmaßes Q bzgl. des Ausgangswahrscheinlichkeitsmaßes P sei bezeichnet mit (Lt )t∈[0,T ] . Sei x > 0. Zeigen Sie unter Benutzung eines LagrangeAnsatzes, daß der Claim x C = eρT LT L¨osung des folgenden Maximierungsproblems ist: Maximiere E log(Y ) unter allen FT -meßbaren Y > 0 mit EQ e−ρT Y ≤ x und E log(Y )− < ∞. Aufgabe 12.6 Betrachtet sei die Situation von Aufgabe 12.5. Bestimmen Sie einen Hedge f¨ ur x . C = eρT LT Aufgabe 12.7 Betrachtet sei die Situation von Aufgabe 12.5. Sei Hx die Menge aller selbstfinanzierenden Handelsstrategien H ∼ , deren Wertprozeß > 0 ist und die ullt. Bedingung V0 (H ∼ ) ≤ x erf¨ Zeigen Sie, daß der Hedge aus Aufgabe 12.6 L¨osung des folgenden Maximierungsproblems ist: Maximiere E log(V (H )T ) unter allen H ∈ Hx mit E log(V (H )T )− < ∞. ∼ ∼ ∼
Kapitel 13 M¨ arkte und stochastische Differentialgleichungen Allgemeine kontinuierliche Finanzm¨arkte werden in Verallgemeinerung des BlackScholes-Modells durch stochastische Prozesse modelliert, die sich als L¨osungen von stochastischen Differentialgleichungen ergeben. Um mit solchen Modellen zu arbeiten, ben¨otigen wir einige Grundkenntnisse u ¨ ber stochastische Differentialgleichungen, die zun¨achst bereitgestellt werden. Im Anschluß daran werden wir die Konzepte aus dem Black-Scholes-Modell auf allgemeinere Modelle u ¨ bertragen. 13.1 Stochastische Differentialgleichungen 1
k
W W Es seien W ∼ = ( ∼ , . . . , ∼ ) ein k-dimensionaler Wienerprozeß bzgl. einer Filtration F und ∼ σ : IRn × (0, ∞) → M(n, k), b : IRn × (0, ∞) → IRn meßbare Abbildungen. Dabei bezeichnet M(n, k) die Menge der n × k-Matrizen. Die Gleichung dXt = b(Xt , t)dt + σ(Xt , t)dWt f¨ ur einen IRn -wertigen stochastischen Prozeß X = (X 1 , . . . X n ) wird als stochasti∼ sche Differentialgleichung bezeichnet. In Komponentenschreibweise liegt also das Gleichungssystem dXti = bi (Xt , t)dt +
k
σij (Xt , t)dWtj , i = 1, . . . , n,
j=1
vor. Dies besagt, daß die stochastischen Integralgleichungen k Xti = X0i + bi (Xs , s)ds + σij (Xs , s)dWsj , i = 1, . . . , n, [0,t]
j=1
[0,t]
109 zu gegebenen Anfangsbedingungen X0i vorliegen, also in der im folgenden benutzten Vektornotation Xt = X 0 + σ(Xs , s)dWs . b(Xs , s)ds + [0,t]
[0,t]
1
n
Ein stochastischer Prozeß X = (X , . . . X ) wird als L¨osung bezeichnet, falls X ∼ ∼ ∼ ∼ adaptiert ist, stetige Pfade besitzt und das stochastische Integralgleichungssystem l¨ost. Unter geeigneten Voraussetzungen kann das aus der Theorie der deterministischen Differentialgleichungen unter dem Namen Picard-Lindel¨of-Iteration wohlbekannte Vorgehen auf den stochastischen Fall u ¨bertragen werden, was die Herleitung von Existenz- und Eindeutigkeitsaussagen erm¨oglicht. 13.2 Annahmen an σ, b Wir stellen die folgenden Bedingungen an σ, b: F¨ ur alle ν, T > 0 existiert γ = γ(ν, T ) < ∞ so, daß gilt |σ(x, t)−σ(y, t)| ≤ γ|x−y|, |b(x, t)−b(y, t)| ≤ γ|x−y| f¨ ur alle |x|, |y| ≤ ν, t ≤ T. F¨ ur alle T > 0 existiert β = β(T ) < ∞ so, daß gilt |σ(x, t)|2 ≤ β(1 + |x|2 ), |
n i=1
xi bi (x, t)| ≤ β(1 + |x|2 ) f¨ ur alle t ≤ T.
Wir bezeichnen dann σ, b als moderat wachsend und lokal gleichm¨aßig Lipschitzstetig. 13.3 Eindeutigkeitssatz Z σ, b seien moderat wachsend und lokal gleichm¨aßig Lipschitz-stetig. Es seien Y ∼, ∼ L¨osungen der stochastischen Differentialgleichung 13.1 mit Y0 = Z0 . Dann gilt Y = Z. ∼ ∼ 13.4 Existenzsatz σ, b seien moderat wachsend und lokal gleichm¨aßig Lipschitz-stetig. ξ : Ω → IR sei F0 -meßbar mit E(ξ 2 ) < ∞. Dann existiert eine L¨osung X der stochastischen Differentialgleichung 13.1 mit ∼ X0 = ξ, und es gilt E(Xt2 ) < ∞ f¨ ur alle t.
110
13. M¨arkte und stochastische Differentialgleichungen
Es gilt dabei: (i) Betrachten wir ein allgemeines F0 -meßbares ξ als Anfangsbedingung, so erhalten wir ebenfalls eine L¨osung der stochastischen Differentialgleichung 13.1, wobei nat¨ urlich im allgemeinen die Eigenschaft E(Xt2 ) < ∞ verloren geht. Dies ergibt sich durch Anwendung des vorstehenden Satzes auf ξ1{|ξ|≤n} f¨ ur jedes n. (ii) σ, b k¨onnen zus¨atzlich von ω abh¨angen, d.h. wir betrachten σ : [0, ∞) × IRn × Ω → M(n, k), b : [0, ∞) × IRn × Ω → IRn . Falls die Bedingungen aus 13.2 gleichm¨aßig in ω vorliegen, so erhalten wir mit unver¨andertem Beweis Existenz- und Eindeutigkeitsaussage. Ebenso wie in der Theorie der deterministischen Differentialgleichungen spielen lineare Gleichungstypen, also in unserem Fall lineare stochastische Differentialgleichungen, eine wichtige Rolle. Der in der Finanzmathematik zur Modellierung von Zinsraten benutzte Ornstein-Uhlenbeck-Prozeß ist L¨osung einer solchen Gleichung. 13.5 Ornstein-Uhlenbeck-Prozeß Der Wienerprozeß wurde als Modell f¨ ur die W¨armebewegung eines kleinen Teilchens in einer Fl¨ ussigkeit benutzt. Da die Pfade des Wienerprozesses nicht differenzierbar sind, erhalten wir damit keine direkte Modellierung f¨ ur die Geschwindigkeit des betrachteten Teilchens. Physikalische Erw¨agungen f¨ uhren dazu, die Geschwindigkeit eines Teilchens in einer Fl¨ ussigkeit als L¨osung der als LangevinGleichung bezeichneten stochastischen Differentialgleichung dXt = −αXt dt + σ dWt mit Parametern α, σ > 0 einzuf¨ uhren. Diese Gleichung besitzt eine eindeutige L¨osung, die zu einer Anfangsbedingung ξ explizit gegeben ist durch −αt −αt eαs dWs , Xt = e ξ + σe [0,t]
als Ornstein-Uhlenbeck-Prozeß bezeichnet. Betrachtet sei ein solcher Prozeß in Abh¨angigkeit von einem Startwert x und in Bezug auf die Standardfiltration des zugrundeliegenden Wienerprozesses. Aus der entsprechenden Eigenschaft des Wienerprozesses erhalten wir die Markoveigenx schaft: Gegeben Ft verh¨alt sich (Xt+s )s wie ein Ornstein-Uhlenbeck-Prozeß mit x Startpunkt y = Xt (ω). Die folgende Aussage zeigt, daß der Ornstein-UhlenbeckProzeß mit Startpunkt y ein Gaußprozeß ist, der die Mittelwertfunktion ye−αt und die Kovarianzfunktion 12 σ 2 e−α(s+t) (e2α(s∧t) − 1) besitzt.
111 Es seien h : [0, ∞) → IR eine stetige Funktion und W ein Wienerprozeß. Der ∼ stochastische Prozeß Z sei definiert durch ∼ h(s)dWs . Zt = [0,t]
Dann ist Z ein Gaußprozeß mit Mittelwertfunktion 0 und Kovarianzfunktion ∼
h(u)2 du. [0,s∧t] Es liegt beim Ornstein-Uhlenbeck-Prozeß der Spezialfall einer homogenen linearen stochastischen Differentialgleichung vor. 13.6 Homogene lineare stochastische Differentialgleichungen Gegeben seien previsible stochastische Prozesse b : [0, ∞) × Ω → M(n, n) und σ l : [0, ∞) × Ω → M(n, n) f¨ ur l = 1, . . . , k. Als homogene lineare stochastische Differentialgleichung bezeichnen wir die Gleichung dXt = b(t)Xt dt + [σ 1 (t)Xt , . . . , σ k (t)Xt ] dWt . k
1
W W Dabei ist W ∼ = ( ∼ , . . . , ∼ ) ein k-dimensionaler Wienerprozeß und die gesuchte n 1 X X L¨osung X ∼ = ( ∼ , . . . , ∼ ) ein adaptierter stetiger n-dimensionaler Prozeß. Zu beachten ist dabei, daß [σ 1 (t)Xt , . . . , σ k (t)Xt ] eine n × k-Matrix ist. In Komponentenschreibweise erhalten wir das stochastische Differentialgleichungssystem dXti
=
n j=1
bij (t)Xtj
k n dt + ( σijl (t)Xtj ) dWtl . l=1 j=1
Nehmen wir nun an, daß die Beschr¨anktheitsbedingungen sup |σ l (t, ω)| < ∞, l = 1, . . . , k, sup |b(t, ω)| < ∞
t≤T,ω
t≤T,ω
f¨ ur alle T > 0 erf¨ ullt sind, so folgt die eindeutige L¨osbarkeit. Die L¨osung X zur ∼ Anfangsbedingung ξ kann dabei unter Anwendung der Itˆo-Formel im Fall n = 1 explizit angegeben werden als k k 1 σ l (s) dWsl − b(s) ds . σ l (s)2 ds + Xt = ξ exp 2 [0,t] [0,t] [0,t] l=1 l=1 Angemerkt sei noch, daß entsprechend zur deterministischen Theorie inhomogene lineare stochastische Differentialgleichungen betrachtet werden, deren L¨osungen dann mittels der L¨osungen der zugeh¨origen homogenen Gleichungen angegeben werden k¨onnen.
112
13. M¨arkte und stochastische Differentialgleichungen
13.7 Ein allgemeines Finanzmarktmodell Betrachtet wird ein kontinuierliches Finanzmarktmodell mit endlichem Horizont T und g + 1 Finanzg¨ utern. Es sei W ein k-dimensionaler Wienerprozeß mit seiner ∼ F Standardfiltration . Der (g +1)-dimensionale Preisprozeß S = (St0 , . . . , Stg )t∈[0,T ] ∼ ∼ gen¨ uge der folgenden Modellierung: dSt0 = r(t)St0 dt, S00 = s0 , k dSti = bi (t)Sti dt + Sti σij (t) dWtj , S0i = si , i = 1, . . . , g. j=1
Dabei seien r, bi , σij : [0, T ] × Ω → IR, i = 1, . . . , g, j = 1, . . . , k, beschr¨ankte previsible stochastische Prozesse. Die explizite Gestalt des Preisprozesses kann damit wie vorstehend angegeben werden. Wir k¨onnen nun etliche Grund¨ uberlegungen aus dem Black-Scholes-Modell auf dieses allgemeine Modell u ¨bertragen. 13.8 Handelsstrategien g 0 Eine Handelsstrategie H ∼ = (Ht , . . . , Ht )t∈[0,T ] ist ein previsibler stochastischer Prozeß der die folgende Bedingung technischer Natur erf¨ ullt: ur i = 1, . . . , g. (Hti )2 dt < ∞) = 1 f¨ |Ht0|dt < ∞) = 1 und P ( P( [0,T ]
[0,T ]
Dies gew¨ahrleistet, daß die im folgenden auftretenden stochastischen Integralpro zesse definiert sind. Der Wertprozeß zu H ist gegeben durch Vt = gi=0 Hti Sti . ∼ Eine Handelsstrategie H heißt selbstfinanzierend, falls f¨ ur alle t ∈ [0, T ] gilt: ∼ g g Vt − V0 = Hri dSri , also dVt = Hti dSti. i=0
[0,t]
i=0
Sei Π = {H : H ist selbstfinanzierende Handelsstrategie}. ∼ ∼ 13.9 Wertprozeß bei Selbstfinanzierung
Es sei H ∈ Π. Wir setzen nun in die Gleichung dVt = gi=0 Hti dSti die in der ∼ Modellierung des Preisprozesses angegebene Gestalt der dSti ein und l¨osen die rei i i sultierende
stochastische Differentialgleichung. Mit ϕt = Ht St , i = 1, . . . , g, und ur den abdiskontierten Wertprozeß einer selbstfi̺(t) = [0,t] r(s) ds ergibt dies f¨ nanzierenden Handelsstrategie g −̺(s) −̺(t) e e Vt = V0 + (bi (s) − r(s))ϕis ds [0,t]
+
[0,t]
e−̺(s)
i=1
g k i=1 j=1
ϕis σij (s) dWsj .
113 Im Black-Scholes-Modell haben wir gesehen, daß bzgl. des ¨aquivalenten Martingalmaßes der abdiskontierte Wertprozeß jeder selbstfinanzierenden Handelsstrategie ein lokales Martingal bildet. Wir werden nun sehen, wie dieses im allgemeinen Modell erreicht werden kann. Wir nehmen dazu an, daß σ(t, ω) stets invertierbar und der resultierende previsible Prozeß σ −1 beschr¨ankt ist. In vektorieller Notation unter Benutzung des Vektors ˜1, dessen s¨amtliche Komponenten 1 sind, gilt dann f¨ ur alle t ∈ [0, T ] −̺(t) ˆs e−̺(s) ϕTs σ(s) dW Vt = V0 + e [0,t]
ˆ t = Wt + mit W
σ −1 (s)(b(s) −r(s)˜1) ds. Ist also Q ein Wahrscheinlichkeitsmaß ˆ = (W ˆ t )t∈[0,T ] ein Wienerprozeß bez¨ auf FT so, daß W uglich Q ist, so ist der ∼ abdiskontierte Wertprozeß jeder selbstfinanzierenden Handelsstrategie ein lokales Martingal bzgl. Q. Zur Angabe eines solchen Q k¨onnen wir die folgende Version ¨ des Satzes von Girsanov benutzen. Der Ubergang von P zu Q wird dabei als Girsanov-Transformation bezeichnet. [0,t]
13.10 Satz von Girsanov Es sei W ein k-dimensionaler Wienerprozeß. Sei T > 0 und β = (βt )t∈[0,T ] ein ∼ ∼ IRk -wertiger previsibler beschr¨ankter stochastischer Prozeß. Sei R
ZT = e
[0,T ]
βsT dWs − 21
R
[0,T ]
|βs |2 ds
Pk
=e
R
i=1 [0,T ]
βsi dWsi − 21
Pk
R
i 2 i=1 [0,T ] (βs )
ds
.
|FT = ZT definierte WahrscheinlichkeitsDann gilt EZT = 1. Ist Q das durch dQ dP maß auf FT , so ist ˆ = (Wt − W βs ds)t∈[0,T ] [0,t]
ein k-dimensionaler Wienerprozeß bez¨ uglich Q. 13.11 Martingaleigenschaft bei Selbstfinanzierung Betrachtet werde ein allgemeines Finanzmarktmodell. Es sei σ(t, ω) stets invertierbar und der Prozeß σ −1 beschr¨ankt. Sei β = (βt )t∈[0,T ] definiert durch ∼ βt = σ −1 (t)(b(t) − r(t)˜1). Sei Q auf FT definiert durch R R 1 2 T dQ |FT = e [0,T ] −βs dWs − 2 [0,T ] |βs| ds . dP
Dann ist Q ¨aquivalentes Martingalmaß zu P , und (e−̺(t) Vt )t∈[0,T ] ist ein lokales Martingal f¨ ur jede selbstfinanzierende Handelsstrategie.
114
13. M¨arkte und stochastische Differentialgleichungen
Es k¨onnen nun in unserem allgemeinen Finanzmarktmodell die entsprechenden ¨ Uberlegungen wie im speziellen Fall des Black-Scholes-Modells durchgef¨ uhrt werden. 13.12 Arbitrage Wir bezeichnen eine Handelsstrategie als Arbitrage, falls f¨ ur den zugeh¨origen Wertprozeß V0 ≤ 0, VT ≥ 0 und P (VT − V0 > 0) > 0 gilt. Liegt eine regul¨are (vgl. 12.4) selbstfinanzierende Handelsstrategie vor, so folgt wie im Black-Scholes-Modell mit der Supermartingaleigenschaft des abdiskontierten Wertprozesses, daß keine Arbitrage vorliegt. In diesem Sinne ist also auch das allgemeine Modell arbitragefrei. 13.13 Bewertung von Claims Ein Claim C ist wiederum eine FT -meßbare Abbildung C : Ω → IR. C heißt V absicherbar, falls eine selbstfinanzierende Handelsstrategie H ∼ mit Wertprozeß ∼ so existiert, daß C = VT gilt. Der faire Preis eines absicherbaren Claims ist wie im Black-Scholes-Modell gegeben durch s(C) = V0 . Bez¨ uglich des ¨aquivalenten Martingalmaßes Q ist (e−̺(t) Vt )t∈[0,T ] ein lokales Martingal bzgl. Q. Falls sogar ein Martingal vorliegt, so folgt s(C) = EQ (e−̺(T ) C|F0) und s(C, t) = EQ (e−(̺(T )−̺(t)) C|Ft). Wie im Black-Scholes-Modell l¨aßt sich zeigen, daß jedes C mit EQ (C 2 ) < ∞ einen Martingalhedge (vgl.12.8) besitzt. Einfache explizite Formeln wie die Black-Scholes-Formel stehen auch in allgemeineren Modellen in einigen F¨allen zur Verf¨ ugung. Einen solchen Fall werden wir jetzt kennenlernen. 13.14 Ein Finanzmarktmodell fu ¨ r zwei korrelierte Aktien Wir betrachten ein kontinuierliches Finanzmarktmodell gem¨aß 13.7 mit endlichem Horizont T f¨ ur drei Finanzg¨ uter - einen Bond und zwei Aktien. Es habe die Form dSt0 = r(t)St0 dt, dSt1 = b1 (t)S1t dt + σ1 St1 dWt1 , √ dSt2 = b2 (t)S2t dt + σ2 St2 (αdWt1 + 1 − α2 dWt2)
115 mit Anfangswerten S00 = s0 , S01 = s1 , S02 = s2 . Dabei seien σ1 , σ2 > 0, 0 < α α < 1 Konstanten und r, b1 , b2 beschr¨ankte previsible Prozesse. W ∼ definiert √ durch Wtα = αWt1 + 1 − α2 Wt2 ist wiederum ein Wienerprozeß, und es gilt Kov(Wtα , Wt1 ) = αt. Wir betrachten damit zwei korrelierte Aktienpreisprozesse bei stochastischer Zinsrate. Durch eine Girsanov-Transformation erhalten wir das ¨aquivalente Martingalmaß Q. Es ergibt sich mit einem 2-dimensionalen Wiener
ˆ prozeß W ∼ bzgl. Q und ̺(t) = [0,t] r(s)ds ˆ
1
St1 = e̺(t) eσ1 Wt −
2 σ1 t 2
h(ST1 , ST2 )
2
ˆ α − σ2 t 2
, St2 = e̺(t) eσ2 Wt
.
−̺(T )
F¨ ur einen Claim der Form ist der Preis EQ e h(ST1 , ST2 ). Dies f¨ uhrt bei deterministischer Zinsrate auf die Berechnung eines Integrals bzgl. einer 2dimensionalen Normalverteilung, was in vielen F¨allen mit numerischen Methoden durchzuf¨ uhren ist. Im folgenden Beispiel ergibt sich bei beliebiger stochastischer Zinsrate eine einfache Formel, ¨ahnlich zu der Black-Scholes-Formel. Betrachtet sei eine Option, die das Recht gibt, Aktie 1 in Aktie 2 zum Zeitpunkt T einzutauschen. Sie wird als Exchange-Option bezeichnet und hat die Auszahlung C = (ST2 − ST1 )+ und den Preis s(C) = EQ e−̺(T ) (ST2 − ST1 )+ . Optionen, bei denen verschiedene Aktien involviert sind, heißen auch RainbowOptionen; die Anzahl der Farben im Regenbogen entspricht der Anzahl der beteiligten verschiedenen Aktien. In unserem Fall liegt damit eine Two-ColourRainbow-Option vor. Der faire Preis ergibt sich mit σˆ 2 = σ12 + σ22 − 2ασ1 σ2 als 2 2 log( ss21 ) − σˆ2 T log( ss21 ) + σˆ2 T √ √ − s1 Φ . s(C) = s2 Φ σ ˆ T σ ˆ T 13.15 Wechsel des Numeraires Ein Preisprozeß, der zur Diskontierung benutzt wird, wird als Numeraire be¨ zeichnet. Bei einer Anderung des Diskontierungsprozesses ¨andert sich ebenfalls das Martingalmaß. Durch eine geschickte Wahl des Numeraire lassen sich in etlichen Fallen explizite Preisformeln gewinnen. Zum Einsatz des Numerairewechsels ben¨otigen wir Kenntnisse u ¨ber das Verhalten der Preisprozesse bzgl. des zum Numeraire geh¨origen Martingalmaßes. Ein oft benutztes Hilfsmittel dazu ist der Satz von Girsanov. Im Zusammenspiel liefern die Techniken von Numerairewechsel und Anwendung des Satzes von Girsanov eine wichtige Methodik zur Bewertung von Derivaten. Der Numerairewechsel kann allgemein im Rahmen des folgenden Resultats beschrieben werden: Betrachtet sei ein kontinuierliches Finanzmarktmodell mit endlichem Horizont A N T. B ∼ sei der vorliegende positive Diskontierungsprozeß. ∼ und ∼ seien positive Preisprozesse. Q sei ein Wahrscheinlichkeitsmaß, f¨ur das die abdiskontierten
116
13. M¨arkte und stochastische Differentialgleichungen
Preisprozesse (Bt At )t∈[0,T ] und (Bt Nt )t∈[0,T ] Martingale sind. Definiere ein Wahrscheinlichkeitsmaß Q′ durch dQ′ BT NT |FT = . dQ B0 N0 Dann ist Q′ ¨aquivalent zu Q, (At /Nt )t∈[0,T ] ist Martingal bzgl. Q′ , und f¨ur jeden FT -meßbaren Claim C mit bzgl. Q integrierbarem BT C gilt Bt−1 EQ (BT C | Ft ) = Nt EQ′ (NT−1 C | Ft ) f¨ur alle t ∈ [0, T ].
Aufgaben 1
2
Aufgabe 13.1 Sei W ein Wienerprozeß. Finden Sie eine L¨osung Y = (Y , Y ) ∼ ∼ ∼ ∼ der stochastischen Differentialgleichung 1 dYt1 = − Yt1 dt − Yt2 dWt , 2 1 2 dYt = − Yt2 dt + Yt1 dWt . 2 Die L¨osung wird als Wienerprozeß auf dem Einheitskreis bezeichnet. Aufgabe 13.2 Betrachtet sei ein Black-Scholes-Modell mit der Verallgemeinerung, daß Drift µ, Zinsrate r und Volatilit¨ at σ als zeitabh¨angig, jedoch determi
nistisch angenommen seien. Es gelte [0,T ] (µ(t) − r(t))2 /σ(t)2 dt < ∞. Berechnen Sie den fairen Preis eines Calls in diesem Modell.
Aufgabe 13.3 Betrachtet sei ein Finanzmarktmodell mit einem Bond und einer Aktie mit endlichem Horizont T . Drift und Zinsrate seien wie in Aufgabe 13.2. Die Volatilit¨at sei nunmehr als zufallsabh¨angig angesehen, und es m¨oge bzgl. 2 1 eines zweidimensionalen Wienerprozesses W = (W , W ) mit deterministischen ∼ ∼ ∼ Funktionen α und β folgendes Modell vorliegen: dσt = α(σt , t)dt + β(σt , t)dWt1 , dAt = At (µ(t)dt + σt dWt2). (a) Bestimmen Sie unter geeignet von Ihnen formulierten Bedingungen ¨aquivalente Martingalmaße in diesem Modell so, daß die Struktur der obigen stochastischen Differentialgleichung bzgl. der resultierenden Wienerprozesse erhalten bleibt. Wie ¨andern sich die Driftterme? Die Volatilit¨at wird hier als nicht-handelbares Gut betrachtet.
117 (b) Bestimmen Sie den Preis eines Calls in Abh¨angigkeit vom gew¨ahlten Martingalmaß. Bedingen Sie dabei bzgl. der Volatilit¨at. Aufgabe 13.4 Sei W ein n-dimensionaler Wienerprozeß. Betrachtet sei ein ∼ Finanzmarktmodell mit n Finanzg¨ utern, gegeben durch dSti = Sti (ρdt + σi dWti), i = 1, . . . , n, mit Konstanten ρ, σ1 , . . . , σn > 0. Zu α = (α1 , . . . , αn ) ∈ IRn sei Mtα = e−ρt
n
(Sti )αi . i=1
Finden Sie die Darstellung des dadurch definierten stochastischen Prozesses als Semimartingal in der Form dMtα = Mtα (h(α, ρ)dt +
n
σi αi dWti).
i=1
Aufgabe 13.5 Betrachtet sei das Finanzmarktmodell 13.14 f¨ ur zwei korrelierte Aktien. Berechnen Sie den Preis der dort eingef¨ uhrten Exchange-Option durch Aufspaltung des zu berechnenden Erwartungswerts und Benutzung von St1 und von St2 als Numeraire. Aufgabe 13.6
Betrachtet sei ein allgemeines Finanzmarktmodell gem¨aß 13.7.
Untersuchen Sie das Problem der Portfoliooptimierung aus den Aufgaben 12.5 – 12.7 in diesem allgemeinen Rahmen.
Kapitel 14 Anleihenm¨ arkte und Zinsstrukturen In diesem Kapitel sollen Finanzg¨ uter mathematisch untersucht werden, deren Auszahlungen und Preise sich im Kontext von Zinsstrukturen bewegen. 14.1 Anleihenmarktmodell Als grundlegende am Markt gehandelte Finanzg¨ uter betrachten wir dabei Nullkouponanleihen, Zero-Coupon-Bonds, die zum F¨alligkeitszeitpunkt T die feste Auszahlung 1 erbringen. Bonit¨atsrisiken werden dabei ausgeschlossen, so daß eine solche Nullkouponanleihe zum Zeitpunkt T den deterministischen Wert 1 besitzt. Es sei p(t, T ) der Preis der Nullkouponanleihe zur Zeit t ≤ T mit p(t, T ) > 0 und p(T, T ) = 1. Damit gibt p(t, T ) den Wert an, den das sichere Versprechen auf 1 Geldeinheit in T zum Zeitpunkt t besitzt. Wir betrachten damit ein kontinuierliches Finanzmarktmodell mit geeignet gew¨ahltem endlichen Horizont T ∗ , wobei f¨ ur jedes T ≤ T ∗ Nullkouponanleihen mit F¨alligkeitszeitpunkt T vorliegen m¨ogen. Wir werden im folgenden eine solche Nullkouponanleihe mit F¨alligkeitszeitpunkt T auch als TBond bezeichnen. Diese seien die Basisg¨ uter in unserem Modell, das wir als Anleihenmarktmodell bezeichnen. Hier haben wir ein Kontinuum von Preisprozessen im Modell, denn f¨ ur jedes T ≤ T ∗ liegt der Preisverlauf des T -Bonds vor. Obwohl beim tats¨achlichen Marktgeschehen nur endlich viele Erf¨ ullungszeitpunkte auftreten, hat es sich als n¨ utzlich erwiesen, den Erf¨ ullungszeitpunkt T als kontinuierlichen Parameter anzusehen. W¨ urde, wie im Black-Scholes-Modell, eine konstante Zinsrate ρ vorliegen, so w¨are p(t, T ) = e−ρ(T −t) . Wir verlassen hier diesen Rahmen und interessieren uns nun f¨ ur die zufallsabh¨angigen Schwankungen von Zinsgr¨oßen. Mathematische Modelle, die solche Zinsgr¨oßen, insbesondere die Preise von T -Bonds, unter dem Ge-
119 sichtspunkt der Abh¨angigkeit vom F¨alligkeitszeitpunkt T beschreiben, werden als Zinsstrukturmodelle, term structure models bezeichnet. Wir werden nun einige Zinsgr¨oßen angeben, die im Modell eines Anleihenmarkts aus den Preisprozessen der T -Bonds hergeleitet werden. 14.2 Verzinsung und LIBOR Wollen wir zum Zeitpunkt t den Betrag 1 festverzinslich bis zum Zeitpunkt T anlegen, so k¨onnen wir dies durch den Kauf von 1/p(t, T ) T-Bonds durchf¨ uhren. Die Verzinsung im betrachteten Anleihenmarktmodell ist daher 1 − 1 mit dem nominalen Zinssatz L(t, T ) = p(t, T )
1 p(t,T )
−1
T −t
.
Ein solcher Zinssatz tritt - mit einer Notierung per anno - im Interbankenhandel auf als LIBOR - London interbank offer rate. 14.3 Forwardrendite Seien Zeitpunkte t ≤ T < T1 gegeben. Zur Zeit t m¨ochte ein Anleger mit einer in diesem Zeitpunkt festgesetzten Zinsrate ρ den Betrag 1 von T bis T1 anlegen. Dies wird beschrieben durch den Zahlungsstrom 0 in t, -1 in T und eρ(T1 −T ) in T1 . Aus dem No-Arbitrage-Prinzip folgt eρ(T1 −T ) =
p(t, T ) . p(t, T1 )
Als Forwardrendite und als Rendite des T -Bonds werden eingef¨ uhrt ρ(t, T, T1 ) = −
log p(t, T1 ) − log p(t, T ) und ρ(t, T ) = ρ(t, t, T ). T1 − T
Es gilt damit p(t, T ) = e−ρ(t,T )(T −t) . 14.4 Forwardrate und Shortrate Wir nehmen hier und auch im weiteren an, daß die Preisprozesse p(t, T ) differenzierbar in T seien. Dann bilden wir die Forwardrate f (t, T ) = −
∂ log p(t, T ) und die Shortrate r(t) = f (t, t), ∂T
letztere auch als Spotrate bezeichnet. Die Shortrate r(t) ist die zum Zeitpunkt t am Markt vorliegende konforme Zinsrate, also die augenblickliche Zinsrate bei kontinuierlicher Verzinsung.
120
14. Anleihenm¨arkte und Zinsstrukturen
Unter Benutzung des No-Arbitrage-Prinzips k¨onnen wir die Bewertung einiger Derivate mittels Nullkouponanleihen durchf¨ uhren. 14.5 Forwardpreise Betrachtet sei ein am Markt gehandeltes Finanzgut mit Preis S zum Zeitpunkt t. Gefragt wird nach dem Erf¨ ullungspreis F eines Forwardkontrakts auf dieses Finanzgut mit Erf¨ ullungszeitpunkt T > t. Dieser Erf¨ ullungspreis, auch als ForwardS preis des Finanzguts bezeichnet, ergibt sich als F = p(t,T , da sich anderenfalls ) offensichtliche Arbitragem¨oglichkeiten ergeben. Handelt es sich beim Finanzgut 1) um einen T1 -Bond, T1 > T , so ergibt sich als Erf¨ ullungspreis F = p(t,T . p(t,T ) 14.6 Swaps Die Bezeichnung Swaps wird f¨ ur solche Kontrakte auf Finanzm¨arkten benutzt, bei denen der Tausch von Finanzg¨ utern zwischen den Vertragspartnern im Vordergrund steht. Hier sei mit Swap ein Kontrakt bezeichnet, bei dem Zahlungen mit festen Betr¨agen gegen Zahlungen mit variablen Betr¨agen, die von zuk¨ unftigen Zinss¨atzen abh¨angen, getauscht werden. Vorliegen m¨ogen Zeitpunkte t = T0 < T1 < . . . < Tn . Betrachten wir zun¨achst eine Anleihe mit den festen Kouponzahlungen der H¨ohe k zu den Zeitpunkten T1 , . . . , Tn und zus¨atzlich der Auszahlung 1 im Zeitpunkt Tn . Der Wert zum Zeitpunkt t ist gegeben durch V = p(t, Tn ) + k ni=1 p(t, Ti ). Betrachtet sei weiter eine Anleihe mit variablen 1 und zufallsabh¨angigen Koupons der H¨ohe L(Ti−1 , Ti )(Ti − Ti−1 ) = p(Ti−1 −1 ,Ti ) zu den Zeitpunkten T1 , . . . , Tn und zus¨atzlich der Auszahlung 1 im Zeitpunkt Tn . Der zufallsabh¨angige Koupon ist gerade die Verzinsung, die sich durch Anlage des Betrags 1 zum Zeitpunkt Ti−1 in den Ti -Bond ergibt, also die Verzinsung bez¨ uglich des nominalen Zinssatzes L(Ti−1 , Ti ). Der Wert W dieser Anleihe zum Zeitpunkt t ist W = 1, wie ein No-ArbitrageArgument zeigt. Bei einem Payer Swap leistet der Halter die festen Zahlungen und erh¨alt die variablen. Der Wert des Swaps zum Zeitpunkt t ist W − V . Bei einem Swapkontrakt ohne Kosten muß dieser Wert gleich 0 sein, was die H¨ohe der festen Auszahlungen als 1 − p(t, Tn ) k = n i=1 p(t, Ti )
festlegt. Dieser Wert von k wird als Swaprendite bezeichnet. 14.7 Optionen an Anleihenm¨ arkten Nat¨ urlich existieren, entsprechend zu den Optionen an Aktienm¨arkten, die vielf¨altigsten Optionskontrakte an Anleihenm¨arkten. Dabei treten als Basisg¨ uter sowohl
121 Anleihen als auch Zinsgr¨oßen auf, und die Optionen k¨onnen vom europ¨aischen oder amerikanischen Typ sein. So hat ein europ¨aischer Call mit Aus¨ ubungspreis K, Laufzeit T auf einen T1 -Bond, T1 > T , als Auszahlung (p(T, T1 ) − K)+ , der entsprechende Put (K − p(T, T1 ))+ . 14.8 Caps und Floors Ein Cap ist eine Option, die zur Absicherung gegen steigende Zinsen dient; entsprechend soll ein Floor gegen fallende Zinsen absichern. Wir betrachten einen speziellen Cap zum Nennwert 1. Es m¨ogen vorliegen Zeitpunkte t = T0 < T1 < . . . < Tn und Zinss¨atze L(Ti−1 , Ti ), i = 1, . . . , n, gem¨aß 14.2., ferner ein fester Vergleichszinssatz L. Auszahlungen des Caps fallen zu den Zeitpunkten Ti , i = 2, . . . , n, an und betragen jeweils Ci = (Ti − Ti−1 )(L(Ti−1 , Ti ) − L)+ . Eine derartige Auszahlung wird als Caplet bezeichnet. Die H¨ohe der Auszahlung zum Zeitpunkt Ti ist schon zum Zeitpunkt Ti−1 bekannt; ihr Wert in Ti−1 betr¨agt p(Ti−1 , Ti )Ci Das Problem der Bewertung eines Caps l¨aßt sich auf dasjenige der Bewertung von Puts auf Nullkouponanleihen zur¨ uckf¨ uhren. Bei einem Floor + ist Ci durch (Ti − Ti−1 )(L − L(Ti−1 , Ti )) zu ersetzen, und es ergibt sich die Zur¨ uckf¨ uhrung auf die entsprechenden Calls. 14.9 Martingalmodellierung und Kalibrierung Wie schon bei den Aktienoptionen ist zur Bewertung von Optionen auf Nullkouponanleihen die stochastische Modellierung der Basisinstrumente, also der Nullkouponanleihen, notwendig. Da wir bei Anlagemarktmodellen in Abh¨angigkeit von T ein Kontinuum von Preisprozessen (p(t, T ))t∈[0,T ] zu ber¨ ucksichtigen haben, ist dies mit gr¨oßeren Schwierigkeiten verbunden als bei einem Finanzmarktmodell mit nur endlich vielen Preisprozessen. So liegt bei Anlagemarktmodellen kein Standardmodell vergleichbar dem Black-Scholes-Modell vor, es gibt vielmehr etliche konkurrierende Modelle. Wir folgen dem gebr¨auchlichen Ansatz der Martingalmodellierung. Dabei wird die Modellierung nicht bzgl. eines real vorliegenden Wahrscheinlichkeitsmaßes durchgef¨ uhrt sondern bzgl. eines als existent vorausgesetzten risikoneutralen Wahrscheinlichkeitsmaßes, also eines Martingalmaßes. Die Existenz ist dabei als mathematisches Kriterium f¨ ur die Arbitragefreiheit des Marktes anzusehen. Preisberechnungen werden dann durchgef¨ uhrt bzgl. eines solchen Martingalmaßes Q = Q(θ), das von modellierungsspezifischen Parametern, zusammengefaßt als θ, abh¨angt. θ kann dabei endlich-dimensional oder unendlich-dimensional sein. Die Anpassung an die realen Gegebenheiten geschieht dadurch, daß am Markt beobachtete Preise, zum Beispiel diejenigen von Nullkouponanleihen, mit den in Abh¨angigkeit von θ berechneten Preisen verglichen werden. Durch geeignete Wahl θ∗ von θ wird eine m¨oglichst gute Anpassung gesucht, und das resultierende Mar-
122
14. Anleihenm¨arkte und Zinsstrukturen
ur die weiteren Preisberechnungen benutzt. Dieses tingalmaß Q(θ∗ ) wird dann f¨ Vorgehen wird als Kalibrierung bezeichnet. 14.10 Martingalmaß und Preisfestsetzung in einem Anleihenmarkt Betrachtet sei ein Anleihenmarktmodell. Das mit der Shortrate kontinuierlich verzinste Anlagekonto liefert den Diskontierungsprozeß gem¨aß Bt = e−̺(t) mit ̺(t) =
r(s)ds. Als Martingalmaß wird ein Wahrscheinlichkeitsmaß Q bezeichnet, f¨ ur [0,t] das gilt: (Bt p(t, T ))t∈[0,T ] ist Martingal f¨ ur alle T ∈ [0, T ∗ ]. Ist C ein FT -meßbarer Claim mit Auszahlung zum Zeitpunkt T , so definieren wir unter Voraussetzung der Integrierbarkeit von BT C seinen Preis bzgl. Q zum Zeitpunkt 0, bzw. t als s(C; Q) = EQ BT C, s(C, t; Q) = Bt−1 EQ (BT C | Ft ). Damit ergibt sich f¨ ur alle 0 ≤ t ≤ T ≤ T ∗ p(t, T ) = Bt−1 EQ (BT |Ft) = EQ (e−(̺(T )−̺(t)) |Ft ). Wir unterscheiden zwischen Modellen, die die Shortrate in Abh¨angigkeit von t modellieren und Zinsstrukturmodellen, die schon bei der Modellierung die beiden Parameter t und T heranziehen. Wir beginnen mit der Behandlung von Shortratemodellen. 14.11 Shortratemodelle Bei einem Shortratemodell betrachten wir ein Modell der Form dr(t) = b(r(t), t)dt +
k
σj (r(t), t)dWtj .
j=1
1
k
W W Dabei ist W ∼ = ( ∼ , . . . , ∼ ) ein k-dimensionaler Wienerprozeß bzgl. der zugrundegelegten Filtration und des zugrundegelegten Wahrscheinlichkeitsmaßes Q. Diese stochastische Differentialgleichung besitze dabei eine eindeutige L¨osung. In einem Shortratemodell definieren wir p(t, T ) = Bt−1 EQ (BT | Ft ) und erhalten aus dieser Definition, daß (Bt p(t, T ))t∈[0,T ] stets ein Martingal und damit Q ein Martingalmaß ist. Liegt ein eindimensionaler Wienerprozeß (Wt )t∈[0,T ] vor, so sprechen wir dabei von einem Ein-Faktor-Modell dr(t) = β(r(t), t)dt + σ(r(t), t)dWt .
123 14.12 Vasicek-Modell Das Ein-Faktor-Modell von Vasicek ist gegeben durch dr(t) = (a−br(t))dt+σdWt zu Parametern a, b, σ > 0. Es zeigt sich, daß Xt = r(t)−c ein Ornstein-UhlenbeckProzeß mit Startwert x = r0 − c und Parametern b, σ ist. Gem¨aß 13.5 ist r(t) normalverteilt mit Mittelwert e−bt r0 + c(1 − e−bt ) und Varianz σ 2 (1 − e−2bt )/2b. F¨ ur t → ∞ strebt der Erwartungswert gegen c, die Varianz gegen σ 2 /2b. In der stochastischen Differentialgleichung f¨ ur r(t) sorgt der Term b(c − r(t)) daf¨ ur, daß r(t) vom Wert c angezogen wird - ein Effekt, der auch als mean reversion bezeichnet wird. Mit der Markoveigenschaft des Ornstein-Uhlenbeck-Prozesses l¨aßt sich berechnen p(t, T ) = e−c(T −t) g(T − t, r(t) − c) 2
σ −bt mit g(t, y) = exp( yb (e−bt − 1) + 4b − e−2bt )), was wir auch in der 3 (2bt − 3 + 4e −A(T −t)−B(T −t)r(t) gebr¨auchlichen Form p(t, T ) = e mit in offensichtlicher Weise anzugebenden deterministischen Funktionen A, B formulieren k¨onnen. Auch der Preis eines Calls kann explizit berechnet werden als Integral bzgl. einer zweidimensionalen Normalverteilung.
Im Vasicekmodell erhalten wir einfache geschlosene Formeln f¨ ur die Preise von Nullkouponanleihen und von den zugeh¨origen Calls und Puts. Dies wird als ein Vorteil des Modells gesehen. Allerdings ergeben sich sofort zwei Kritikpunkte am Vasicek-Modell : Zum einen ist die shortrate normalverteilt, so daß im Modell negative Zinsraten mit positiver Wahrscheinlichkeit auftreten. Zum anderen treten nur die Parameter a, b, σ in der Modellierung auf, und nur diese drei Parameter k¨onnen zur Kalibrierung an die tats¨achlich vorliegenden Preise der Nullkouponanleihen und an weitere Marktgr¨oßen benutzt werden. Dies f¨ uhrt notwendigerweise zu Fehlern in der Anpassung, was von Marktteilnehmern als Schw¨ache des Modells gesehen wird. Das Problem der fehlerbehafteten Anpassung wird im folgenden Ein-FaktorModell von Hull und White behoben. 14.13 Hull-White-Modell Dieses Modell ist gegeben durch die stochastische Differentialgleichung dr(t) = (a(t) − b(t)r(t))dt + σ(t)dWt mit meßbaren, beschr¨ankten Funktionen a, b, σ : [0, T ∗ ] → (0, ∞). Der zur Kalibrierung zur Verf¨ ugung stehende Parameter besteht also aus Funktionen und ist damit unendlich-dimensional. Die mathematischen Methoden zur Behandlung des Hull-White-Modells entsprechen denjenigen im Vasicek-Modell. Zum
124
14. Anleihenm¨arkte und Zinsstrukturen
Anfangswert r0 besitzt die definierende stochastische Differentialgleichung – mit
b(s) β(t) = [0,t] e ds – die L¨osung β(s) −β(t) r(t) = e eβ(s) σ(s)dWs ). e a(s)ds + (r0 + [0,t]
[0,t]
Es handelt sich um einen Gaußprozeß, und es ergibt sich p(t, T ) = e−A(t,T )−B(t,T )r(t) mit 1 A(t, T ) = e−β(u) du) − e2β(s) σ 2 (s)( (eβ(s) a(s)( e−β(u) du)2 )ds, 2 [s,T ] [t,T ] [s,T ] e−β(s) ds. B(t, T ) = eβ(t) [t,T ]
Hier h¨angen A und B von (t, T ) und nicht nur von der Differenz T − t ab, da das Hull-White-Modell nicht zeitlich homogen wie das Vasicek-Modell ist. Der Preis eines Calls auf eine Nullkouponanleihe ergibt sich wiederum als Integral bzgl. einer zweidimensionalen Normalverteilung. Der Vorteil des Hull-White-Modells liegt darin, daß eine perfekte Anpassung der theoretischen Preiskurve p(0, T ), t ∈ [0, T ∗ ], an die real vorliegenden Marktpreise durch geeignete Wahl der als Modellparameter auftretenden Funktionen durchgef¨ uhrt werden kann. Allerdings sind weiterhin negative Zinsraten m¨oglich. Das Ein-Faktor-Modell von Cox, Ingersoll und Ross schließt negative Zinsraten aus. 14.14 Cox-Ingersoll-Ross-Modell Dieses Modell ist gegeben durch die stochastische Differentialgleichung dr(t) = (a − br(t))dt + σ r(t)dWt
mit Parametern a, b, σ > 0. Betrachten wir diese stochastische Differentialglei√ chung f¨ ur r(t), so ist zu bemerken, daß die Funktion r die von uns zur L¨osbarkeit formulierte Bedingung der Lipschitz-Stetigkeit nicht erf¨ ullt. Es stellt sich die Frage, ob u ¨berhaupt eine L¨osung durch einen stochastischen Prozeß mit nichtnegativen Werten existiert. Diese Frage kann positiv beantwortet werden: Es existieren stets L¨osungen, die im Fall 2a ≥ σ 2 positive Pfade besitzen.
Da die Koeffizienten in der stochastischen Differentialgleichung zeitunabh¨angig sind, besitzen die L¨osungen die Markoveigenschaft. Daraus ergibt sich daß die Preise der Nullkouponanleihen die Gestalt p(t, T ) = e−A(T −t)−B(T −t)r(t) besitzen. Tats¨achlich kann die explizite Gestalt der Funktionen A und B ermittelt werden, und Preise von Calls und Puts auf Nullkouponanleihen k¨onnen als Integrale
125 bzgl. nichtzentraler χ2 -Verteilungen angegeben werden. Beim Cox-Ingersoll-RossModell treten wie beim Vasicek-Modell Kalibrierungsfehler auf. Es ist daher na¨ heliegend, einen entsprechenden Ubergang zu zeitabh¨angigen Parametern wie im Hull-White-Modell durchzuf¨ uhren. Solche Modelle sind ebenfalls als Hull-WhiteModelle bekannt, f¨ uhren aber in der Regel nicht zu expliziten Formeln. In den von uns betrachteten Modellen haben die Preise der Nullkouponanleihen die Form p(t, T ) = e−A(t,T )−B(t,T )r(t) , in der Literatur als affine term structure bekannt. Insbesondere sind dabei die Preisprozesse s¨amtlicher Nullkouponanleihen vollst¨andig korreliert. Soll dieser Effekt vermieden werden, so k¨onnen Modelle mit zwei oder mehr Faktoren herangezogen werden. Wir kommen nun zu dem Modell von Heath, Jarrow und Morton, einem echten Zinsstrukturmodell, bei dem die Modellierung in Abh¨angigkeit von t und T geschieht. 14.15 Heath-Jarrow-Morton-Modell In diesem Modell werden die Forwardraten modelliert als σ(s, T )dWs , 0 ≤ t ≤ T ≤ T ∗ . a(s, T )ds + f (t, T ) = f (0, T ) + [0,t]
[0,t]
Dabei seien a, σ : [0, T ∗ ] × [0, T ∗] × Ω → IR meßbare, in s f¨ ur jedes T previsible Prozesse, wobei wir zur Vereinfachung annehmen wollen, daß f¨ ur jedes T die Pfade in s beschr¨ankt sind. Als frei w¨ahlbare Anfangswerte liegen vor die f (0, T ), 0 ≤ T ≤ T ∗ , so daß wir mit diesem Modell eine perfekte Anpassung an die am Markt beobachteten Forwardraten erzielen k¨onnen, indem wir letztere als Anfangswerte w¨ahlen. Es gilt σ(s, t)dWs , a(s, t)ds + r(t) = f (t, t) = f (0, t) + −
R
[0,t]
[0,t]
f (t,u)du
p(t, T ) = e f (0, u)du − = exp − [t,T ]
[t,T ]
[t,T ]
[0,t]
a(s, u)dsdu −
[t,T ]
Vertauschung der Integrationsreihenfolge zeigt α(s, T )ds + f (0, u)du − Bt p(t, T ) = exp − mit α(t, T ) =
[t,T ]
a(t, u)du, γ(t, T ) = −
[t,T ]
[0,t]
[0,t]
[0,t]
[0,T ]
σ(s, u)dWs du .
γ(s, T )dWs .
σ(t, u)du.
Im Modell von Heath, Jarrow und Morton modellieren wir die Forwardraten unter Heranziehung eines Wienerprozesses bzgl. eines zugrundegelegten Wahrscheinlichkeitsmaßes Q. Daraus erhalten wir durch Integration die Darstellung
126
14. Anleihenm¨arkte und Zinsstrukturen
der Preisprozesse der Nullkouponanleihen, weiter dann die Darstellung der diskontierten Preisprozesse. Nat¨ urlich werden diese im allgemeinen keine Martingale bzgl. Q sein. Folgende Ausage an die zur Modellierung benutzten Funktionen a und σ zeigt, wann eine Martingalmodellierung vorliegt. Die diskontierten Preisprozesse sind lokale Martingale bzgl. Q genau dann, wenn gilt: a(t, T ) = σ(t, T ) σ(t, s)ds f¨ur fast alle 0 ≤ t ≤ T ≤ T ∗ , [t,T ]
wobei eine Ausnahmemenge in (t, T ) mit Lebesguemaß 0 vorliegen darf. Diese Bedingung ist als Heath-Jarrow-Morton-Driftbedingung bekannt. Im Heath-Jarrow-Morton-Modell kann der Preis eines Calls explizit berechnet werden. Dabei wird angenommen, daß das zugrundeliegende Maß Martingalmaß ist, also insbesondere die Heath-Jarrow-Morton-Driftbedingung erf¨ ullt ist. 14.16 Preis des Calls im Heath-Jarrow-Morton-Modell Betrachtet sei ein Heath-Jarrow-Morton-Modell mit deterministischen Funktionen a, σ : [0, T ∗] × [0, T ∗ ] → IR. Q sei Martingalmaß f¨ur das Modell. Dann gilt f¨ ur den Preis eines Calls in 0 mit Aus¨ ubungspreis K, Laufzeit T auf einen T1 2 Bond, T1 > T , mit τ = [0,t] (γ(s, T1 ) − γ(s, T ))2ds EQ BT (p(T, T1 ) − K)+ p(0,T1 ) log( Kp(0,T )+ ) = p(0, T1 )Φ τ
τ2 2
− Kp(0, T )Φ
p(0,T1 ) )− log( Kp(0,T )
τ
τ2 2
.
Bei der Herleitung benutzen wir die Technik des Numeraire-Wechsels mit dem Preisprozeß (p(t, T ))t∈[0,T ] als Numeraire. Das resultierende Martingalmaß QT auf FT bezeichnen wir als Forwardmartingalmaß. Diese Bezeichnung ist darin At , t ∈ [0, T ], eines Finanzguts mit begr¨ undet, daß bzgl. QT die Forwardpreise p(t,T ) Preisprozeß (At )t ein Martingal bilden. Forwardmartingalmaße k¨onnen ebenfalls zur Berechnung von Optionspreisen in Shortratemodellen benutzt werden.
127
Aufgaben Aufgabe 14.1 Ein Collar besteht aus einer long position in einem Cap und einer short position in einem Floor. Untersuchen Sie dieses Derivat. Aufgabe 14.2 Betrachtet sei ein Vasicek-Modell. Zeigen Sie, daß die Preisprozesse der Nullkouponanleihen die Darstellung dp(t, T ) = p(t, T )(r(t)dt + σγ(t)dWt ) mit einer deterministischen Funktion γ(t), t ∈ [0, T ], besitzen. Aufgabe 14.3 Betrachtet sei ein Hull-White-Modell. Bestimmen Sie die Preisprozesse der Nullkouponanleihen. Aufgabe 14.4 Betrachtet sei ein Vasicek-Modell. Berechnen Sie den Preis des Calls aus 14.12 auf eine Nullkouponanleihe unter Benutzung von Forwardmartingalmaßen gem¨aß 14.16. Aufgabe 14.5 Seien a, b, σ > 0. Bestimmen Sie ein Heath-Jarrow-MortonModell, in dem f¨ ur die Shortrate gilt dr(t) = (a − br(t))dt + σdWt . Aufgabe 14.6 Sei W ein Wienerprozeß, T > 0. Sei a : [0, T ] × [0, T ] × Ω → IR ∼ meßbar. stetig f¨ ur jedes ω, a(t, ·, ·) previsibel f¨ ur jedes t. Es gelte
a(·, ·, ω) sei E [0,T ] [0,T ] a(t, s)2 dsdt < ∞. Zeigen Sie:
[0,T ]
[0,T ]
a(t, s)dWs dt =
[0,T ]
[0,T ]
a(t, s)dtdWs .
Lo ¨sungen zu Kapitel 1 Hinweis: Verweise in den L¨osungen wie siehe 1.11 oder vgl. 3.5 beziehen sich auf die entsprechenden Stellen im vorstehenden Text. Numerische Werte werden im folgenden stets gerundet angegeben. 1.1 Ein f¨ ur den Landwirt geeignetes Derivat ist eine Put-Option auf Ferkel mit Aus¨ ubungspreis 20 Euro und F¨alligkeit in einem Jahr, da diese ihm wie gew¨ unscht das Recht liefert, ein Ferkel in einem Jahr f¨ ur 20 Euro zu verkaufen, auch wenn der Marktpreis sinken sollte. Zur Bestimmung des arbitragefreien Preises dieser Option formulieren wir die Preisentwicklung der sicheren Anlage und der Ferkel als Ein-Perioden-Modell. Als zugrundeliegenden Wahrscheinlichkeitsraum spezifizieren wir wie in 1.11 Ω = {ω1 , ω2 } mit P ({ωi}) > 0, i = 1, 2. Seien 1 1, 04 , S1 = S0 = 20 A1 mit A1 (ω1 ) = 24, A1 (ω2 ) = 12. Wir befinden uns also in der Situation von 1.11, wobei die Parameterwerte gegeben sind durch ρ = 0, 04, A0 = 20, d = 0, 6 und u = 1, 2. Die Put-Option l¨aßt sich beschreiben als Zufallsgr¨oße C mit C(ω1 ) = 0, C(ω2 ) = 8. Ein Hedge x = [x1 , x2 ]T ergibt sich durch L¨osen von x1 (1 + ρ) + x2 · 20u = 0, x1 (1 + ρ) + x2 · 20d = 8. Es folgt 1,2 · (8 − 0) 1 · = 15,38, 1,04 1,2 − 0,6 (0 − 8) 2 = =− (1,2 − 0,6) · 20 3
x1 = x2
und hieraus ergibt sich gem¨aß 1.14 der faire Preis des Puts xT S0 = x1 + 20x2 = 2,05. Der Bauer kann also x1500 T S = 731, 25 Put-Optionen kaufen. Der Investitionsbetrag 0 reicht somit zur Absicherung von 731 Ferkeln.
132
L¨osungen zu Kapitel 1
1.2 Wir k¨onnen ein zu Aufgabe 1.1 analoges Modell (lediglich mit ver¨anderten Zahlenwerten) zugrundelegen. Ein Hedge x = [x1 , x2 ]T ergibt sich durch L¨osen von x1 · 1,05 + x2 · 2 = 3, x1 · 1,05 + x2 · 0,5 = 0,2. Es folgt 1 2· · 1,05 3 − 0,2 = = 2 − 0,5
x1 = x2
0,2 − 0,5 · 3 = −0,70, 2 − 0,5 28 . 15
Der faire Preis des Derivats ist somit gegeben durch xT S0 = x1 + x2 = 1,17. Ist der tats¨achliche Marktpreis h¨oher als der faire Preis, sollten Sie ein short selling im Derivat durchf¨ uhren und den Hedge kaufen, um sich somit einen risikolosen Gewinn zu sichern. Ist umgekehrt der tats¨achliche Marktpreis niedriger, erhalten Sie eine Arbitrage durch short selling im Hedge und Kauf des Derivats. 1.3 Wir formulieren die in der Aufgabenstellung beschriebene Situation zun¨achst als Ein-Perioden-Modell. Der zugrundeliegende Wahrscheinlichkeitsraum sei Ω = ur i = 1, 2, 3. Des weiteren seien {ω1 , ω2 , ω3 }, dabei gelte P ({ωi}) > 0 f¨ 1 1,04 , S1 = S0 = A1 100 mit A1 (ω1 ) = 120, A1 (ω2 ) = 100, A1 (ω3 ) = 90. Sei K ∈ [90, 120). Die 15 Calls sind in unserem Modell gegeben durch den Claim C mit C(ω1 ) = 15 · (120 − K), C(ω2 ) = 15 · (100 − K)+ , C(ω3 ) = 0. x1 , x2 liefern genau dann einen Hedge zu C, wenn gilt x1 · 1,06 + x2 · 120 = 15 · (120 − K), x1 · 1,06 + x2 · 100 = 15 · (100 − K)+ , x1 · 1,06 + x2 · 90 = 0.
(1) (2) (3)
133 (1) und (3) sind genau dann erf¨ ullt, wenn gilt x1 = −
90 · (120 − K) 1 , x2 = · (120 − K). 2 · 1,06 2
(4)
Einsetzen in (2) zeigt nun, daß genau dann ein Hedge zu C vorliegt, wenn gilt 120 − K = 3 · (100 − K)+ , was (wegen K ∈ [90, 120)) ¨aquivalent ist zu K = 90. Der gesuchte Hedge ist dann gem¨aß (4) gegeben durch x1 = −1273,6, x2 = 15. Als fairer Preis pro Call ergibt sich xT S0 = 15,09 . 15 1.4 (a) Die Aktienanleihe l¨aßt sich (ohne allzu restriktive weitere Annahmen) nicht einfach durch ein Portfolio aus Bond und Aktie absichern, da die Auszahlung jedes solchen Portfolios auch auf {At ≥ K} vom realisierten Wert der Aktie abh¨angt, w¨ahrend dies bei der Aktienanleihe nicht der Fall ist. Es ist also naheliegend, als Bestandteil eines Hedges nicht die Aktie selbst sondern eine Put-Option auf diese mit Aus¨ ubungspreis K zu verwenden, da deren Auszahlung sich f¨ ur At ≥ K mit weiter steigendem At nicht mehr ¨andert. Wir betrachten daher ein Ein-Perioden-Modell mit einem festverzinslichen Wertpapier (Zinsrate r bei diskreter Verzinsung) und einer Put-Option auf die Aktie mit Aus¨ ubungspreis K als Basistiteln. Wir setzen also 1 (1 + r)t , , S1 = S0 = (K − At )+ P0 wobei r, P0 ∈ (0, ∞) und eine Zufallsgr¨oße At > 0 so gew¨ahlt seien, daß dieses Modell arbitragefrei ist. Des weiteren gelte P (At > K) > 0. Die Aktienanleihe beschreiben wir nun als Derivat D = N (1 + ρ)t 1{At >K} + N (
At + (1 + ρ)t − 1) 1{At ≤K} . K
x1 , x2 bilden einen Hedge zu D, wenn gilt x1 (1 + r)t + x2 (K − At )+ = D,
134
L¨osungen zu Kapitel 1 was ¨aquivalent ist zur G¨ ultigkeit von x1 (1 + r)t = N (1 + ρ)t , At x1 (1 + r)t + x2 (K − At ) = N + (1 + ρ)t − 1 K auf {At ≤ K}. Die eindeutige L¨osung dieser Gleichungen und somit der gesuchte Hedge ist gegeben durch t N 1+ρ x1 = N , x2 = − . 1+r K Wird die Put-Option tats¨achlich am Finanzmarkt gehandelt, ergibt sich der faire Preis der Aktienanleihe also als t N 1+ρ − P0 . xT S0 = N 1+r K Der von der Bank verlangte Einzahlungsbetrag N ist somit genau dann arbitragefrei, wenn gilt ρ = (1 + r)(1 +
P0 1 ) t − 1. K
Es ist dabei also ρ > r. b) Aus der Sicht eines Investors lassen sich vor allem zwei Kritikpunkte an der Aktienanleihe Plus“ festhalten: ” 1. Die Bank wirbt mit dem Plus an Sicherheit“, das dem Anleger als ” Ausgleich f¨ ur den im Vergleich zur gew¨ohnlichen Aktienanleihe reduzierten Kupon geboten wird. Jedoch w¨aren die meisten Anleger vor allem an einer Absicherung gegen sehr hohe Kurseinbr¨ uche interessiert, w¨ahrend die hier gebotene Absicherung dagegen nur dann in Kraft tritt, wenn der Kursverlust eher gering ausf¨allt. 2. Da die sich zum Zeitpunkt t ergebende Auszahlung nicht nur vom aktuellen Aktienkurs, sondern vom gesamten, w¨ahrend der Laufzeit realisierten Pfad abh¨angt, ist eine Bewertung der Aktienanleihe Plus“ ” erheblich schwieriger als bei der gew¨ohnlichen Aktienanleihe (vgl. Aufgabenteil (a)). Es ist also auch f¨ ur einen gut informierten Anleger nicht einfach, den von der Bank angebotenen Kupon einzusch¨atzen.
135 1.5 Eine sehr einfache M¨oglichkeit, sowohl bei stark wachsenden als auch bei stark fallenden Kursen einer Aktie Gewinn zu machen, besteht im Kauf eines Portfolios aus einer Aktie und 2 Put-Optionen mit Aus¨ ubungspreis nahe des aktuellen Kurses der Aktie. Zur Formalisierung spezifizieren wir ein Ein-Perioden-Modell durch ⎤ ⎤ ⎡ ⎡ 1 1+ρ ⎦, A1 S0 = ⎣ A0 ⎦ , S1 = ⎣ P0 ((1 + ρ)A0 − A1 )+ wobei ρ, A0 , P0 ∈ (0, ∞) und eine Zufallsgr¨oße A1 > 0 so gew¨ahlt seien, daß dieses Modell arbitragefrei ist. Der Aus¨ ubungspreis der Put-Option ist hier also gerade der verzinste Anfangskurs der Aktie. Wir betrachten nun das Portfolio x = [x1 , x2 , x3 ]T mit x1 = −(A0 + 2P0 ), x2 = 1, x3 = 2. Dieses Portfolio erfordert eine Anfangsinvestition von xT S0 = 0 und erbringt in Periode 1 eine Auszahlung von xT S1 = −(A0 + 2P0 )(1 + ρ) + A1 + 2(A0 (1 + ρ) − A1 )+ A1 = (1 + ρ)(| − A0 | − 2P0 ). 1+ρ Das angegebene Portfolio liefert also genau dann einen Gewinn, wenn der abdiskontierte Aktienkurs in Periode 1 um mehr als das doppelte des Put-Preises vom Ausgangswert des Aktienkurses abweicht. 1.6 Wir behandeln zun¨achst den Fall einer Poissonverteilung. Als zugrundeliegenden Wahrscheinlichkeitsraum betrachten wir N0 mit einer Poissonverteilung mit Parameter λ > 0 als zugeh¨origem Wahrscheinlichkeitsmaß P , d.h. λω P (D) = e−λ ω! ω∈D f¨ ur alle D ⊆ N0 . Die Finanzg¨ uter werden beschrieben durch 1 1+ρ , S1 = , S0 = A0 A1 wobei ρ > 0 und A1 (ω) = ω f¨ ur alle ω ∈ N0 . Der Aktienkurs ist somit wie gefordert Poisson-verteilt. Ein zu P ¨aquivalentes Wahrscheinlichkeitsmaß Q ist
136
L¨osungen zu Kapitel 1
genau dann ein risikoneutrales Wahrscheinlichkeitsmaß, wenn EQ |A1 | endlich ist 1 und 1+ρ EQ (A1 ) = A0 gilt. Somit ist die Menge der ¨aquivalenten risikoneutralen Wahrscheinlichkeitsmaße gegeben durch {Q : Q Wahrscheinlichkeitsmaß auf N0 , Q({ω}) > 0 f¨ ur alle ω ∈ N0 , ω Q({ω}) = A0 (1 + ρ)}. ω∈N0
F¨ ur einen binomialverteilten Aktienkurs l¨aßt sich die obige Argumentation analog durchf¨ uhren, wobei {0, . . . , n} anstelle von N0 als Wahrscheinlichkeitsraum gew¨ahlt wird und das zugeh¨orige Wahrscheinlichkeitsmaß P eine Binomialverteilung ist. Die Menge der ¨aquivalenten risikoneutralen Wahrscheinlichkeitsmaße ist dann gegeben durch {Q : Q Wahrscheinlichkeitsmaß auf {0, . . . , n}, Q({ω}) > 0 ω Q({ω}) = A0 (1 + ρ)}. f¨ ur alle ω = 0, . . . , n, ω∈N0
1.7 (a) Ein Claim C : Ω → R ist genau dann absicherbar, wenn a, b, c ∈ R existieren mit ur i, j = 1, 2. C (ωi , ωj ) = a(1 + ρ) + bA1 (ωi , ωj ) + cA2 (ωi , ωj ) f¨ Dies ist genau dann der Fall, wenn sich der Auszahlungsvektor des Claims schreiben l¨aßt als Linearkombination ⎤ ⎤ ⎤ ⎡ ⎡ ⎤ ⎡ ⎡ C (ω1 , ω1 ) 1+ρ u2 u1 ⎢ C (ω1 , ω2 ) ⎥ ⎢ 1+ρ ⎥ ⎢ d2 ⎥ ⎢ u1 ⎥ ⎥ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎢ ⎣ C (ω2 , ω1 ) ⎦ = a ⎣ 1 + ρ ⎦ + b ⎣ d1 ⎦ + c ⎣ u2 ⎦ . d2 d1 C (ω2 , ω2 ) 1+ρ
Da die drei Vektoren in der Linearkombination linear unabh¨angig sind, ist ein Claim also genau dann absicherbar, wenn die Determinante der aus den vier Vektoren gebildeten Matrix gleich 0 ist. Die konkrete Berechnung der Determinante liefert den Wert (1 + ρ) (u1 − d1 ) (u2 − d2 ) (C (ω1 , ω2 ) + C (ω2 , ω1 ) − C (ω1 , ω1 ) − C (ω2 , ω2 )).
Da die ersten drei Faktoren = 0 sind, ergibt sich die Menge der absicherbaren Claims schließlich als H = {C : Ω → R | C (ω1 , ω1 ) + C (ω2 , ω2) = C (ω1 , ω2 ) + C (ω2 , ω1 )}.
137 (b) Gelte zun¨achst (u1 − K1 )+ ≥ (u2 − K2 )+ . Gem¨aß Aufgabenteil (a) ist max{C1 , C2 } genau dann absicherbar, wenn gilt max {(u1 − K1 )+ , (u2 − K2 )+ } + max {(d1 − K1 )+ , (d2 − K2 )+ } = max {(u1 − K1 )+ , (d2 − K2 )+ } + max {(d1 − K1 )+ , (u2 − K2 )+ }. Wegen d2 < u2 ist dies gleichbedeutend mit max {(d1 − K1 )+ , (d2 − K2 )+ } = max {(d1 − K1 )+ , (u2 − K2 )+ }, was wiederum a¨quivalent ist zu (d1 − K1 )+ ≥ (u2 − K2 )+ . Dies ist genau dann der Fall, wenn max{C1 , C2 } = C1 gilt. Entsprechend ist max{C1 , C2 } im Fall (u1 − K1 )+ < (u2 − K2 )+ genau dann absicherbar, wenn max{C1 , C2 } = C2 gilt. Insgesamt haben wir somit nachgewiesen: max{C1 , C2 } absicherbar ⇔ max{C1 , C2 } = Ci f¨ ur i = 1 oder i = 2. Insbesondere ist max{C1 , C2 } im Fall di < Ki < ui , i = 1, 2, nicht absicherbar.
L¨ osungen zu Kapitel 2 2.1 (a)
ur alle n ∈ N, also Ω ∈ Aτ . (i) Es gilt Ω ∩ {τ ≤ n} = {τ ≤ n} ∈ An f¨ (ii) Ist A ∈ Aτ , so gilt f¨ ur jedes n ∈ N Ac ∩ {τ ≤ n} = (A ∩ {τ ≤ n})c ∩ {τ ≤ n} ∈ An , also Ac ∈ Aτ . (iii) Sind Am ∈ Aτ , m ∈ N, so gilt f¨ ur jedes n ∈ N Am ∩ {τ ≤ n} = (Am ∩ {τ ≤ n}) ∈ An m∈N
und somit
m∈N
m∈N
Am ∈ Aτ .
138
L¨osungen zu Kapitel 2
(b) Nachweis von ⊆: ur jedes n ∈ N Sei A ∈ Aτ . Dann gilt f¨ A ∩ {τ = n} = (A ∩ {τ ≤ n}) ∩ (A ∩ {τ ≤ n − 1})c ∈ An . Nachweis von ⊇: Sei A ∈ A mit A ∩ {τ = n} ∈ An f¨ ur alle n ∈ N. Dann gilt f¨ ur jedes n ∈ N auch n A ∩ {τ ≤ n} = (A ∩ {τ = i}) ∈ An , also A ∈ Aτ . i=0
(c) Seien σ ≤ τ Stopzeiten. Sei A ∈ Aσ . Dann gilt f¨ ur jedes n ∈ N A ∩ {τ ≤ n} = (A ∩ {σ ≤ n}) ∩ {τ ≤ n} ∈ An , also A ∈ Aτ . (d) Seien n ∈ N und B ⊆ R meßbar. Dann gilt Y −1 (B) ∪ {τ = n}c , falls 0 ∈ B, (Y 1{τ =n} )−1 (B) = Y −1 (B) ∩ {τ = n}, falls 0 ∈ B. Unter Beachtung von Y −1 (B) ∪ {τ = n}c = (Y −1 (B) ∩ {τ = n}) ∪ {τ = n}c ergibt sich hieraus (Y 1{τ =n} )−1 (B) ∈ An ⇐⇒ Y −1 (B) ∩ {τ = n} ∈ An . Wir erhalten nun ⇐⇒ ⇐⇒ ⇐⇒ ⇐⇒
Y Aτ -meßbar Y −1 (B) ∈ Aτ f¨ ur alle meßbaren B ⊆ R −1 Y (B) ∩ {τ = n} ∈ An f¨ ur alle meßbaren B ⊆ R, n ∈ N −1 ur alle meßbaren B ⊆ R, n ∈ N (Y 1{τ =n} ) (B) ∈ An f¨ Y 1{τ =n} An -meßbar f¨ ur alle n ∈ N.
2.2 (a) F¨ ur k ≥ 1 gilt P (X1 = 1, Sn = k) P (Sn = k) n−1 k−1 p k−1 p (1 − p)n−k n = pk (1 − p)n−k k k = , n
P (X1 = 1|Sn = k) =
139 was offensichtlich auch f¨ ur k = 0 wahr ist. Damit folgt f¨ ur alle k ∈ N0 E (X1 | Sn = k) = 1 · P (X1 = 1|Sn = k) + 0 · P (X1 = 0|Sn = k) k = . n ur alle i, j = 1, . . . , n (b) Man beachte zun¨achst, daß (Xi , Sn ) und (Xj , Sn ) f¨ dieselbe Verteilung besitzen, denn f¨ ur jede Permutation Ψ auf {1, . . . , n} gilt P (X1 ,...,Xn ) = P X1 ⊗ . . . ⊗ P Xn = P XΨ(1) ⊗ . . . ⊗ P XΨ(n) = P (XΨ(1) ,...,XΨ(n) ) . Also ist auch E (Xi | Sn ) = E (Xj | Sn ),
f¨ ur alle i, j = 1, . . . , n und somit n n Sn = E (Sn | Sn ) = E Xk | S n = E (Xk | Sn ) = nE (X1 | Sn ). k=1
k=1
Nun ergibt sich
E (X1 | Sn ) =
1 Sn . n
2.3 Sei B ∈ A′ . Dann gilt B = j∈J Bj f¨ ur ein J ⊆ I, und es ist XdP = E (X | Bj )P (Bj ) XdP = j∈J
j∈J B j
B
=
j∈J
E (X | Bj )1Bj dP =
B
i∈I
E (X | Bi )1Bi dP,
wobei in der ersten und dritten Gleichheit der Satz von der monotonen Konvergenz (jeweils getrennt f¨ ur Negativ- und Positivteil) angewendet wurde und f¨ ur die letzte Gleichheit 1Bi (ω) = 0 f¨ ur alle ω ∈ B, i ∈ I \ J, zu beachten ist. Mit der Definition des bedingten Erwartungswertes folgt die Behauptung. 2.4 Unter Verwendung von Aufgabe 2.3 ergibt sich E (X | An ) =
n −1 2
k=0
n
2 1[k2−n , (k+1)2−n )
[k2−n ,(k+1)2−n )
X dλ.
140
L¨osungen zu Kapitel 2
Wir zeigen nun, unter der zus¨atzlichen Voraussetzung der Stetigkeit von X, daß f¨ ur die hier angegebene Version von E (X|An) und jedes ω ∈ [0, 1) gilt lim E (X | An )(ω) = X(ω).
n→∞
Sei ε > 0. Da X stetig ist, existiert N ∈ N mit | X(z) − X(ω) | < ε f¨ ur alle z ∈ [ω − 2−N , ω + 2−N ] ∩ [0, 1). F¨ ur alle n ∈ N mit n ≥ N gilt dann | E (X | An)(ω) − X(ω) | n
−1 2 = 2n 1[k2−n , (k+1)2−n ) (ω) k=0
≤
n −1 2
2n 1[k2−n , (k+1)2−n ) (ω)
k=0 n
≤ 2 ε2 = ε.
−n (k+1)2
(X(z) − X(ω)) dz |
k2−n
−n (k+1)2
| X(z) − X(ω) | dz
k2−n
−n
2.5 Haben wir die Gleichheit
ZXdP =
ZE(X|G)dP
gezeigt, so folgt durch Anwendung dieser Gleichheit auf Z ′ = Z1G , G ∈ G, ZXdP = ZE(X|G)dP G
G
und damit also E(ZX|G) = ZE(X|G). Da nach Definition des bedingten Erwartungswertes 1G XdP = 1G E(X|G)dP ur ist, gilt die obige Gleichheit f¨ ur Z = 1G und durch Linearit¨at auch f¨ Z=
n i=1
αi 1Gi .
141 Allgemeines beschr¨anktes Z approximieren wir durch Zn der Form n
Zn =
αin 1Gni
i=1
so, daß Zn gegen Z gleichm¨aßig konvergiert. Die gew¨ unschte Gleichheit folgt nun durch Grenz¨ ubergang: ZXdP = lim Zn E(X|G)dP = ZE(X|G)dP. Zn XdP = lim n→∞
n→∞
2.6 Wir definieren einen adaptierten Prozeß (Mn )n∈N durch Mn = (
n
i=1
Xi )2 − nc.
Da Summen quadratintegrierbarer Zufallsgr¨oßen selbst quadratintegrierbar sind, ist Mn integrierbar. Des weiteren ergibt sich unter Beachtung von 2.6 (Eigenschaft (iii)) E (Mn+1 | An ) = E
n+1
= E
2 (Xn+1
Xi
i=1
+E
− (n + 1)c | An
| An ) + 2E Xn+1
n i=1
= c+2
2
n
Xi
2
=
i=1
Xi
n i=1
Xi E(Xn+1 ) +
n i=1
2
Xi | A n
− (n + 1)c | An)
i=1
n
Xi
2
− (n + 1)c
− nc = Mn .
2.7 Mit Anwendung des Satzes von der monotonen Konvergenz f¨ ur bedingte Erwartungswerte ergibt sich k+1 E Xik+1 1{Zk ≥i} |Ak Xi 1{Zk ≥i} |Ak = E(Zk+1|Ak ) = E =
i∈N
und folglich E
i∈N
1{Zk ≥i} E
Xik+1|Ak
i∈N
=
i∈N
1{Zk ≥i} m = mZk
Zk+1 Ak = mZk = Zk . mk+1 mk+1 mk
142
L¨osungen zu Kapitel 3
2.8 (a) F¨ ur alle n ∈ N gilt E (Mn+1 |An ) = E
n+1 i=1
n 2i−1 Xi An = E 2n Xn+1 + 2i−1 Xi | An i=1
= 2n E (Xn+1 ) +
n
2i−1 Xi =
i=1
n
2i−1 Xi = Mn .
i=1
(b) Es gilt P (τ = ∞) = lim P (τ > n) = lim P ( n→∞
n→∞
n
1 {Xl = −1}) = lim ( )n = 0, n→∞ 2 l=1
also ist Mτ außerhalb einer Nullmenge wohldefiniert. Dabei gilt Mτ =
τ
2i−1 Xi = 2τ −1 Xτ +
i=1
τ −1 i=1
= 2τ −1 − (2τ −1 − 1) = 1.
2i−1 Xi = 2τ −1 −
τ −1
2i−1
i=1
Wir wollen nun noch einmal explizit zeigen, daß die Voraussetzungen des Optional Sampling Theorems nicht erf¨ ullt sind. Offensichtlich ist τ unbeschr¨ankt. Des weiteren gilt n |Mn |dP = |− 2i−1 |dP = (2n − 1) P (τ > n) {τ >n}
{τ >n}
i=1
ur n → ∞. = (2n − 1)2−n = 1 − 2−n −→ 1 f¨
(c) Analog zu den Berechnungen in (b) ergibt sich P (τ > n) = (1 − p)n f¨ ur alle n ∈ N0 . Nun gilt E (Mτ ∧n ) = Mτ dP + Mn dP {τ ≤n}
{τ >n}
= P (τ ≤ n) + P (τ > n) n
F¨ ur p =
18 37
n i=1
= 1 − (1 − p) + (1 − p) (−2n + 1) = 1 − 2n (1 − p)n . und n = 10 gilt konkret E (Mτ ∧n ) = −0,306.
n
(−2i−1 )
143
L¨ osungen zu Kapitel 3 3.1 Der Preisprozeß der Finanzg¨ uter im vorliegenden Modell ist gegeben durch (Sk )k=0,1,2 mit (1 + ρ)k Sk = Ak
Wir setzen Ak = σ({Ai : i ≤ k}) und betrachten (Ak )k=0,1,2 als zugrundeliegende Filtration.
(a) Wir zeigen zun¨achst, daß das Modell f¨ ur ρ < 81 arbitragefrei ist. Seien dazu Ai−1 -meßbare Zufallsvariablen Xi−1 : Ω → R2 mit T ( Xi−1
1 1 Si − Si−1 ) ≥ 0 (1) i (1 + ρ) (1 + ρ)i−1
f¨ ur i = 1, 2 gegeben. Gem¨aß 3.4 gen¨ ugt es zu zeigen, daß T ( Xi−1
1 1 Si − Si−1 ) = 0 (2) i (1 + ρ) (1 + ρ)i−1
f¨ ur i = 1, 2 gilt. Da X0 A0 -meßbar ist, existieren a, b ∈ R mit X0 = (1) liefert die Ungleichungen b(
a b
.
8 4 − 5) ≥ 0, b( − 5) ≥ 0. 1+ρ 1+ρ
ur i = 1. Wegen ρ ∈ [0, 81 ) folgt hieraus b = 0 und somit (2) f¨ Da X1 A1 -meßbar ist, existieren a1 , b1 , a2 , b2 ∈ R mit a2 a1 . und X1 (ω3 ) = X1 (ω4 ) = X1 (ω1 ) = X1 (ω2 ) = b2 b1 (1) liefert die Ungleichungen 9 − 8) ≥ 0, 1+ρ 6 b2 ( − 4) ≥ 0, 1+ρ b1 (
6 − 8) ≥ 0, 1+ρ 3 b2 ( − 4) ≥ 0. 1+ρ b1 (
Wegen ρ ∈ [0, 18 ) folgt hieraus b1 = b2 = 0 und somit (2) f¨ ur i = 2, womit die Arbitragefreiheit des Modells nachgewiesen ist.
144
L¨osungen zu Kapitel 3 Gilt nun andererseits ρ ≥ 81 und w¨ahlen wir X1 wie oben mit der Spezifikation b1 = −1 und a1 = a2 = b2 = 0, so ergibt sich ⎧ ⎨ 1 1 S S − ) = X1T ( 2 1 ⎩ (1 + ρ)2 1+ρ
8 1+ρ 8 1+ρ
− −
9 (1+ρ)2 6 (1+ρ)2
0,
≥ 0, falls > 0, falls falls
ω = ω1 , ω = ω2 , ω = ω3 , ω4 .
Mit 3.4 folgt dann, daß das Modell nicht arbitragefrei ist. Insgesamt haben wir also gezeigt, daß das Modell genau dann arbitragefrei ist, wenn ρ ∈ [0, 18 ) gilt. (b) Sei C = (C1 , C2 ) ein Claim. Wir setzen c = C1 (ω1 ) = C1 (ω2 ), d = C1 (ω3 ) = C1 (ω4 ). Ein adaptierter Prozeß H = (H0 , H1 ) mit H0 =
h1,0 h2,0
,
H1 (ω1 ) = H1 (ω2 ) = H1 (ω3 ) = H1 (ω4 ) =
hu1,1 hu2,1 hd1,1 hd2,1
,
ist genau dann ein Hedge zu C, wenn gilt hu1,1 · (1 + ρ)2 + hu2,1 · 9 = C2 (ω1 ), hu1,1 hd1,1 hd1,1
2
· (1 + ρ) + 2
· (1 + ρ) + 2
hu2,1 hd2,1 hd2,1
· 6 = C2 (ω2 ),
· 6 = C2 (ω3 ),
· (1 + ρ) + · 3 = C2 (ω4 ), h1,0 · (1 + ρ) + h2,0 · 8 = hu1,1 (1 + ρ) + hu2,1 · 8 + c,
h1,0 · (1 + ρ) + h2,0 · 4 = hd1,1 (1 + ρ) + hd2,1 · 4 + d.
(1) (2) (3) (4) (5) (6)
Betrachtet man (1), (2) bzw. (3), (4) als einzelne Gleichungssysteme, so sind diese eindeutig l¨osbar, da die jeweiligen Determinanten = 0 sind. Durch Einsetzen der erhaltenen Werte f¨ ur hu1,1 , hu2,1 , hd1,1 und hd2,1 liefern (5), (6) ein Gleichungssystem f¨ ur die verbleibenden Variablen h1,0 , h2,0 , welches wiederum eindeutig l¨osbar ist. Mit den Gleichungen (1) - (6) l¨aßt sich also zu jedem Claim ein Hedge bestimmen, und somit ist das Modell vollst¨andig.
145 (c) Wir betrachten das Gleichungssystem (1) - (6) mit den Zahlenwerten ρ = 0, C2 (ω1 ) = 2, C2 (ω2 ) = C2 (ω3 ) = C2 (ω4 ) = c = d = 0. Aus (1), (2) folgt 2 hu1,1 = −4, hu2,1 = , 3 (3), (4) liefern hd1,1 = hd2,1 = 0. Durch Einsetzen dieser Werte in (5), (6) ergibt sich das reduzierte System 4 , 3 h1,0 + h2,0 · 4 = 0, h1,0 + h2,0 · 8 =
und somit schließlich 4 1 h1,0 = − , h2,0 = . 3 3 Der gesuchte Hedge H = (H0 , H1 ) ist also gegeben durch 4 −3 , H0 = 1 3 −4 , H1 (ω1 ) = H1 (ω2 ) = 2 3 0 H1 (ω3 ) = H1 (ω4 ) = . 0 Der faire Preis des Calls ist somit 1 1 4 H0T S0 = − · 1 + · 5 = . 3 3 3 3.2 Der Preisprozeß der Finanzg¨ uter (Sk )k=0,...,n ist im vorliegenden Modell gegeben durch ⎡ ⎤ (1 + ρ)k ⎦ A1k Sk = ⎣ 2 Ak
Wir setzen Ak = σ({Yi : i ≤ k}) und betrachten (Ak )k=0,...,n als zugrundeliegende Filtration. Des weiteren seien im folgenden Yk1 , Yk2 die Koordinatenfunktionen von Yk , d.h. Yk = (Yk1 , Yk2 ).
146
L¨osungen zu Kapitel 3
(a) Gelte zun¨achst max{d1 , d2 } ≥ 1 + ρ. Wir k¨onnen ohne Einschr¨ankung d1 ≥ 1 + ρ annehmen. Sei ⎡ ⎤ −1 H0 = ⎣ 1 ⎦ . 0 Dann gilt
H0T S0 = −1 + 1 = 0, −(1 + ρ) + d1 ≥ 0, falls Y11 = 0, H0T S1 = −(1 + ρ) + u1 > 0, falls Y11 = 1. Also ist H0 eine Ein-Perioden-Arbitrage. Gilt min{u1 , u2} ≤ 1 + ρ und ohne Einschr¨ankung sogar u1 ≤ 1 + ρ, so liefert ⎡ ⎤ 1 H0 = ⎣ −1 ⎦ 0 eine Ein-Perioden-Arbitrage, was sich entsprechend verifizieren l¨aßt.
(b) Es gelte nun max{d1 , d2 } < 1+ρ < min{u1 , u2 }. Wir suchen ein Wahrscheinlichkeitsmaß Q, bez¨ uglich welchem Y1 , . . . , Yn stochastisch unabh¨angig und identisch verteilt sind mit Q (Y1 = (i, j)) > 0 f¨ ur alle i, j = 0, 1 und Q (Y1 ∈ {0, 1}2 ) = 1 sowie EQ
1 ur i = 1, 2 und k = 0, . . . , n − 1. Aik+1 Ak = Aik f¨ 1+ρ
Diese Gleichung ist (unter den oben genannten zus¨atzlichen Anforderungen an Q) genau dann erf¨ ullt, wenn gilt 1 Y 1 1−Y 1 u1 1 d1 1 ) = 1, 1+ρ 1 Y 2 1−Y 2 u2 1 d2 1 ) = 1. EQ ( 1+ρ EQ (
Dies ist ¨aquivalent zu Q(Y11 = 1)u1 + Q(Y11 = 0)d1 = 1 + ρ, Q(Y12 = 1)u2 + Q(Y12 = 0)d2 = 1 + ρ, und somit zu (1 + ρ) − d1 = q1 , u 1 − d1 (1 + ρ) − d2 Q(Y12 = 1) = = q2 . u 2 − d2
Q(Y11 = 1) =
147 Zur formalen Konstruktion eines Wahrscheinlichkeitsmaßes mit den angegebenen Eigenschaften setzen wir zun¨achst p1 = P (Y11 = 1), p2 = P (Y12 = 1) und definieren l(r11 , r12, . . . , rn1 , rn2 )
=
|{i:ri1 =1}|
q1
|{i:ri1 =1}|
p1
1
|{i:ri2 =1}|
1
|{i:ri2 =1}|
(1 − q1 )|{i:ri =0}| q2
(1 − p1 )|{i:ri =0}| p2
2
(1 − q2 )|{i:ri =0}| 2
(1 − p2 )|{i:ri =0}|
f¨ ur alle r = (r11 , . . . , rn2 ) ∈ {0, 1}2n . Es sei nun ein Maß Q gegeben durch Q(A) = l(Y11 , . . . , Yn2 )dP A
f¨ ur alle A ∈ A. Q ist ein Wahrscheinlichkeitsmaß, denn es gilt l(Y11 , . . . , Yn2 )dP 2 1 = ldP (Y1 ,...,Yn ) 1 2 |{i:r 1 =1}| |{i:r 2 =1}| q1 i (1 − q1 )|{i:ri =0}| q2 i (1 − q2 )|{i:ri =0}| = 2 )∈{0,1}2n (r11 ,...,rn
= (q1 + (1 − q1 ))n (q2 + (1 − q2 ))n = 1.
Mit analoger Rechnung ergibt sich Q(Y11 = 1) = q1 , Q(Y12 = 1) = q2 . Schließlich gilt (wiederum analog) f¨ ur alle y11, . . . , yn2 ∈ {0, 1} Q(Y11 = y11, . . . , Yn2 = yn2 ) |{i:y 1 =1}|
1
|{i:y 2 =1}|
(1 − q1 )|{i:yi =0}| q2 i = q1 i n
= Q(Yi1 = yi1 ) Q(Yi2 = yi2),
2
(1 − q2 )|{i:yi =0}|
i=1
womit die Q-Unabh¨angigkeit von Y11 , . . . , Yn2 und somit insbesondere die Q-Unabh¨angigkeit von Y1 , . . . Yn gezeigt ist. Also leistet Q das Gew¨ unschte und ist ein a¨quivalentes Martingalmaß. Zu beachten ist hier, daß noch weitere ¨aquivalente Martingalmaße existieren. Hier haben wir ein spezielles angegeben, f¨ ur das zus¨atzlich die Koordinatenfunktionen jeweils stochastisch unabh¨angig sind.
148
L¨osungen zu Kapitel 3
3.3 Sei D = (D1 , . . . , Dn ) der angegebene down-and-out-Call mit rebate. Es gilt Dj = R 1{Aj
= = = =
285, 15, 15, 0,
Das L¨osen dieses Systems liefert 120 = −90, 158, h2,2 (u, u) = 1, 1,13 1 45 h1,2 (u, d) = − = −5, 635, h2,2 (u, d) = . 6 · 1,13 6
h1,2 (u, u) = −
Das Portfolio in der 1. Periode soll die folgenden Gleichungen der Selbstfinanzierung erf¨ ullen: h1,1 (u) · 1,12 + h2,1 (u) · 270 = h1,2 (u, u) · 1,12 + h2,2 (u, u) · 270, h1,1 (u) · 1,12 + h2,1 (u) · 90 = h1,2 (u, d) · 1,12 + h1,2 (u, d) · 90, h1,1 (d) = h2,1 (d) = 0. Nach Einsetzen der bereits oben errechneten Werte liefert das L¨osen dieses Systems 2 −68 11 = −56,349, 1,12 28 h2,1 (u) = = 0,848. 33
h1,1 (u) =
Schließlich soll das Startportfolio die folgenden Gleichungen erf¨ ullen h1,0 · 1,1 + h2,0 · 180 = h1,1 (u) · 1,1 + h2,1 (u) · 180, h1,0 · 1,1 + h2,0 · 60 = 2.
149 Nach Einsetzen der bereits vorhandenen Werte liefert das L¨osen dieses Systems 51270 = −38,520, 1331 5369 h2,0 = = 0,740. 7260 Formal ist der gesuchte Hedge H = (H0 , H1 , H2 ) nun gegeben durch h1,1 (Y1 ) h1,0 h1,1 (Y1 , Y2 ) , H1 = H0 = , H2 = , h2,0 h2,1 (Y1 ) h2,2 (Y1 , Y2 ) h1,0 = −
wobei Y1 , Y2 jene Zufallsgr¨oßen mit Werten u, d sind, die die Auf- bzw. Abw¨artsbewegungen der Aktie in den Perioden 1 und 2 beschreiben, vgl. 3.5. 3.4 Ai (a) Da ( (1+ρ) i )i=0,...,n ein Q-Martingal ist, gilt
EQ (
An ) = 1, (1 + ρ)n A0
also ist Q′ ein Wahrscheinlichkeitsmaß. An > 0) = 1, also ist Q′ gem¨aß 1.16 zu Q Des weiteren gilt Q ( (1+ρ) nA 0 ¨aquivalent. ur k = 1, . . . , n die Darstellung (b) Gem¨aß 3.5 besitzt log Ak f¨ log Ak = log A0 + Zk log u + (k − Zk ) log d, wobei Zk eine bzgl. Q binomialverteilte Zufallsgr¨oße mit Parametern k und q ist. Wir zeigen, daß Zk bzgl. Q′ binomialverteilt ist mit Parametern k und u q. q ′ = 1+ρ ur l = 0, . . . , k gilt Sei Ak = σ(A0 , . . . , Ak ). F¨ An An dQ = |Ak ) dQ Q′ (Zk = l) = EQ ( (1 + ρ)n A0 (1 + ρ)n A0 {Zk =l}
=
{Zk =l}
Ak dQ = (1 + ρ)k A0
{Zk =l}
ul dk−l dQ (1 + ρ)k
{Zk =l}
u l d k−l k l ud q (1 − q)k−l Q(Zk = l) = ( = ) ( ) (1 + ρ)k 1+ρ 1+ρ l k (q ′ )l (1 − q ′ )k−l , = l l k−l
wobei f¨ ur die letzte Gleichheit
d(1−q) 1+ρ
= 1 − q ′ zu beachten ist.
150
L¨osungen zu Kapitel 3
3.5 Der Preisprozeß der Finanzg¨ uter im vorliegenden Modell ist gegeben durch (Sk )k=0,...,n mit 1 Ak Sk = A2k
f¨ ur k = 0, . . . , n. Als zugrundeliegende Filtration betrachten wir (Ak )k=0,...,n mit Ak = σ({Yi : i ≤ k}). (a) Gelte d1 ≥ d2 . Wie man sofort nachrechnet, ist der Prozeß (Hk )k=0,...,n mit 1 Hk = −1 eine Handelsarbitrage. ur j = 1, . . . , n sei (b) Gelte d1 < d2 . F¨ ⎧ u1 −u2 , falls Yj = 0 ⎨ (1−p)(u 1 d2 −d1 u2 ) Dj = d2 −d1 ⎩ , falls Yj = 1. p(u1 d2 −d1 u2 )
Offensichtlich ist Dj Aj -meßbar mit P (Dj > 0) = 1. Außerdem gilt f¨ ur i = 1, 2 E (Dj Aij | Aj−1) Y
1−Yj
= E (Dj Aij−1 ui j di =
Aij−1 E
= Aij−1 = Aij−1.
Y (Dj ui j
pui
| Aj−1)
1−Y di j )
d2 − d1 u1 − u2 + (1 − p) di p(u1d2 − u2 d1 ) (1 − p)(u1 d2 − u2 d1 )
(c) F¨ ur j = 0, . . . , n − 1 sei
⎡
Xj = ⎣
d2 −u2 A1j (u1 d2 −u2 d1 ) u1 −d1 A2j (u1 d2 −u2 d1 )
⎤
⎦.
Offensichtlich ist Xj Aj -meßbar und es gilt ⎧ 1 ⎨ u1 d2 −u2 + u2 u1 −d1 = 1, falls Yj+1 = 1, u1 d2 −u2 d1 u1 d2 −u2 d1 Aj+1 XjT = 2 Aj+1 ⎩ d d2 −u2 + d u1 −d1 = 1, falls Y 1 u1 d2 −u2 d1 2 u1 d2 −u2 d1 j+1 = 0.
151 (d) Wir beachten zun¨achst, daß f¨ ur jedes j = 1, . . . , n gilt Bj =
j−1
k=0 j−1
=
XkT
A1k A2k
(u1 − d1 ) − (u2 − d2 )
k=0
u 1 d2 − u 2 d1
=
(u1 − d1 ) − (u2 − d2 ) u 1 d2 − u 2 d1
j
.
(Bj Aij )j=1,...,n ist f¨ ur gegebenes i = 1, 2 genau dann ein Martingal, wenn f¨ ur alle j = 1, . . . , n gilt E (Bj Aij | Aj−1) = Bj−1 Aij−1 Bj−1 Y 1−Y ⇐⇒ E (ui j di j ) = Bj Bj−1 ⇐⇒ pui + (1 − p)di = Bj ⇐⇒ p =
Bj−1 Bj
− di
u i − di
.
Durch einfache Umformungen ergibt sich hieraus schließlich p=
d2 − d1 . (u1 − d1 ) − (u2 − d2 )
Dieses p leistet also das Gew¨ unschte. 3.6 Ein sehr einfacher Beweis l¨aßt sich unter Verwendung des Fundamentalsatzes der Preistheorie angeben. Das um die Nullkouponanleihe erweiterte Modell ist n¨amlich genau dann arbitragefrei, wenn ein ¨aquivalentes Martingalmaß Q im Ausgangsmodell existiert, welches EQ (Bk Rk |Ak−1) = Bk−1 Rk−1 f¨ ur alle k = 1, . . . , n erf¨ ullt. Diese Gleichung ist aufgrund der Ak−1-Meßbarkeit von Bk Rk aber ¨aquivalent zu Bk Rk = Bk−1 Rk−1 und somit zu Bk Rk = B0 R0 = 1 f¨ ur alle k = 1, . . . , n. Da wegen der unterstellten Arbitragefreiheit stets ein ¨aquivalentes Martingalmaß im Ausgangsmodell existiert, ist die Behauptung bewiesen.
152
L¨osungen zu Kapitel 3
Es soll nun ein elementarer Beweis angegeben werden, der ohne den Fundamentalsatz auskommt. F¨ ur alle i = 0, . . . , n − 1 sei X i die zum Diskontierungsprozeß geh¨orige risikofreie Anlage (vgl. 3.1). Sei (Si )i=0,...,n der Preisprozeß im Ausgangsmodell und (S!i )i=0,...,n mit Si ! Si = Ri
der Preisprozeß im erweiterten Modell. ur alle k = 1, . . . , n. Angenommen, es existierte in dem Gelte zun¨achst Bk = R1k f¨ um die Anleihe erweiterten Modell in einer Periode i eine Ein-Perioden-Arbitrage ⎤ ⎡ Y!1,i−1 ⎥ ⎢ .. Y!i−1 = ⎣ ⎦. . ! Yg+1,i−1 Wir setzen
Yi−1
⎤ Y!1,i−1 ⎥ ⎢ = ⎣ ... ⎦ + Ri Y!g+1,i−1 X i−1 . Y!g,i−1 ⎡
Dann ist Yi−1 Ai−1 -meßbar, und unter Beachtung von T
X i−1 Si−1 =
Ri−1 Bi = Bi−1 Ri
ergibt sich T Yi−1 Si−1 =
=
g
j=1
T Y!j,i−1 Sj,i−1 + Ri Y!g+1,i−1 X i−1 Si−1
g Y!j,i−1 Sj,i−1 + Y!g+1,i−1 Ri−1
j=1
T Yi−1 Si
T = Y!i−1 S!i−1 ,
=
g
j=1
T Y!j,i−1 Sj,i + Ri Y!g+1,i−1X i−1 Si
T S!i . = Y!i−1
Folglich ist Yi−1 eine Ein-Perioden-Arbitrage im Ausgangsmodell, und wir erhalten somit den gew¨ unschten Widerspruch. Das erweiterte Modell ist also arbitragefrei.
153 Gelte nun P (Bi = R1i ) > 0 f¨ ur ein i = 1, . . . , n, wobei i minimal mit dieser Eigenschaft gew¨ahlt sei. Wir betrachten zun¨achst den Fall, daß P (Ri > B1i ) > 0 gilt. Sei
Y!i−1
⎡
−X 1,i−1 B1i .. ⎢ ⎢ . =⎢ ⎢ −X g,i−1 B1 i ⎣ 1
⎤
⎥ ⎥ ⎥1 ⎥ {Ri > B1i } ⎦
Dann ist Y!i−1 Ai−1 -meßbar, und es gilt
1 1 T 1 = 0, )1 X i−1 Si−1 + Ri−1 1{Ri > 1 } = (Ri−1 − Bi Bi Bi−1 {Ri > Bi } 1 T 1 1 , 1 = − X i−1 Si + Ri 1{Ri > 1 } = Ri − Bi Bi Bi {Ri > Bi }
T ! Si−1 = Y!i−1 T ! Y!i−1 Si
−
also ist Y!i−1 eine Ein-Perioden-Arbitrage. Im Falle von P (Ri < B1i ) > 0 erh¨alt man entsprechend eine Ein-PeriodenArbitrage durch ⎡ ⎤ X 1,i−1 B1i .. ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ . ⎢ ! Yi−1 = ⎢ X 1 ⎥ ⎥ 1{Ri < B1i } . ⎣ g,i−1 Bi ⎦ −1
3.7 (a) Wir geben zun¨achst eine informelle Begr¨ undung f¨ ur die in der Aufgabenstellung angegebene Darstellung. Ist zum Zeitpunkt k der Preis des Calls h¨oher als jener des Puts, so entscheidet sich jeder rationale Anleger (unabh¨angig von seinen Pr¨aferenzen und Zukunftserwartungen) f¨ ur die Call-Option, da er im Vergleich zur Wahl der Put-Option durch die folgenden Aktionen in diesem Zeitpunkt in jedem Fall besser gestellt ist: – W¨ahle Call-Option, – verkaufe Call-Option, – kaufe Put-Option, – investiere Differenzbetrag Ck − Pk in die risikofreie Anlage.
154
L¨osungen zu Kapitel 3 Entsprechend entscheidet sich ein Anleger stets f¨ ur die Put-Option, wenn zum Zeitpunkt k der Preis des Puts h¨oher ist als jener des Calls. Sind Callund Put-Preis identisch, so ist jeder rationale Anleger zwischen der Wahl des Puts und des Calls indifferent. Wir k¨onnen daher annehmen, daß in diesem Fall stets der Call gew¨ahlt wird und erhalten somit die gew¨ unschte Darstellung der Auszahlung der Chooser-Option. Wir geben nun ein formaleres Argument an. Die Chooser-Option liefert dem K¨aufer das Recht, einen Claim aus der Menge M = {(An − K)+ 1Mk + (K − An )+ 1Mkc : Mk ∈ Fk }
zu w¨ahlen. Wie in der Aufgabenstellung sei
C = (An − K)+ 1{Ck ≥Pk } + (K − An )+ 1{Ck
= (1 + ρ)−k EQ (Ck 1Mk ∩{Ck ≥Pk } + Ck 1Mk ∩{Ck
≤ (1 + ρ)−k EQ (Ck 1Mk ∩{Ck ≥Pk } + Pk 1Mk ∩{Ck
Da f¨ ur Mk = {Ck ≥ Pk } (also f¨ ur D = C) oben sogar die Gleichheit gilt, folgt die Behauptung. (b) Es gilt (An − K)+ − (K − An )+ = An − K
und somit aus No-Arbitrage-Gr¨ unden auch die Put-Call-Parit¨at (vgl. (1.7)) Ck − Pk = Ak − K(1 + ρ)k−n .
155 Unter Beachtung dieser beiden Gleichungen erhalten wir f¨ ur den fairen Preis s(C) die Darstellung 1 ((An − K)+ 1{Ck ≥Pk } + (K − An )+ 1{Ck
L¨ osungen zu Kapitel 4 4.1 Wir setzen T = {1, . . . , n} und betrachten unabh¨angig und identisch verteilte Zufallsgr¨oßen Z1 , . . . , Zn , wobei P Zi die Laplace-Verteilung auf {1, . . . , 50} sei. Als Filtration legen wir (Ai)i=1,...,n mit Ai = σ(Z1 , . . . , Zi) zugrunde. Das Problem ist die Bestimmung einer optimalen Stopzeit τ ∗ . uckw¨artsinduktion 4.6 Da Z1 , . . . , Zn unabh¨angig sind, ergibt die R¨ Unn = Zn , n Uin = max{Zi , E(Ui+1 )} f¨ ur alle i = 1, . . . , n − 1. Dies liefert die Rekursionsformel n n dP + EUi+1 EUi = n } {Zi ≤EUi+1 n ⌋ ⌊EUi+1
=
j=1
1 n EUi+1 + 50
Zi dP
n } {Zi >EUi+1
50
n ⌋+1 j=⌊EUi+1
1 j 50
1 1 n n n n EUi+1 ⌊EUi+1 ⌋ + (50 − ⌊EUi+1 ⌋)(50 + ⌊EUi+1 ⌋ + 1) 50 2 f¨ ur i = 1, . . . , n − 1, wobei ⌊x⌋ die gr¨oßte ganze Zahl ≤ x bezeichnet. Gem¨aß 4.6 ist eine optimale Stopzeit gegeben durch =
n τ ∗ = inf{k : Zk ≥ EUk+1 }.
156
L¨osungen zu Kapitel 4
Eine konkrete numerische Berechnung zeigt, daß bei noch 5 bzw. 4, 3, 2, 1 ausstehenden Versuchen genau dann erneut gedreht werden sollte, wenn das Gl¨ ucksrad h¨ochstens die Zahl 39 bzw. 37, 35, 31, 25 anzeigt. 4.2 Wir zeigen zun¨achst, daß f¨ ur jedes k = 0, . . . , n ein a ∈ [0, K] mit d(a, k) = 0 existiert. Sei w(a, k) = sup EQ (ατ (K − aAτ )+ ). 1≤τ ≤k
Nach 4.12 gilt
v(a, k) = max{(K − a)+ , w(a, k)}.
Die Abbildung
a → (K − a)+
ist stetig und monoton fallend auf [0, K] mit Wert K in 0 und Wert 0 in K. Die Abbildung a → w(a, k)
ist ebenfalls stetig und monoton fallend auf [0, K] und des weiteren gilt w(0, k) = αK < K sowie w(K, k) ≥ 0. Folglich existiert a ∈ (0, K] mit w(a, k) = (K − a)+ . F¨ ur dieses a gilt auch + + v(a, K) = (K − a) und damit d(a, k) = 0. (a) F¨ ur a1 , a2 ∈ (0, K], a1 < a2 und jede Stopzeit τ ≤ k gilt
(K − a1 Aτ )+ − (K − a2 Aτ )+ ≤ (a2 − a1 ) Aτ .
Unter Beachtung des Optional-Sampling-Theorems ergibt sich nun v (a1 , k) − v (a2 , k) ≤ sup EQ (ατ ((K − a1 Aτ )+ − (K − a2 Aτ )+ )) τ ≤k
≤ sup EQ (ατ (a2 − a1 ) Aτ ) τ ≤k
= a2 − a1 = (K − a1 )+ − (K − a2 )+ , also d (a1, k) ≤ d (a2 , k). (b) F¨ ur k = 1, . . . , n gilt sup EQ (ατ (K − aAτ )+ ) ≥ sup EQ (ατ (K − aAτ )+ ) τ ≤k
τ ≤k−1
und somit d (a, k) ≥ d (a, k − 1). Also impliziert d (a, k) = 0 schon d (a, k − 1) = 0, und es folgt βk ≤ βk−1.
157 (c) Mit den Festlegungen E = (0, ∞), Xkx = xAk f¨ ur alle k = 1, . . . , n, x ∈ E, k ur alle k = 1, . . . , n, x ∈ E, hk (x) = α (K − x)+ f¨ sind wir in der Situation von 4.12; wir verwenden die dortige Notation. Es gilt Bkn = {x > 0 : hk (x) ≥ wkn−k (x)} = {x > 0 : αk (K − x)+ ≥ sup EQ (αk+τ (K − xAτ )+ )} τ ≤n−k
= {x > 0 : d(x, n − k) = 0}.
Mit Teil (a) ergibt sich unter Beachtung des Satzes von Lebesgue {x ∈ (0, K] : d(x, n − k) = 0} = (0, βn−k ], andererseits gilt {x > K : d(x, n − k) = 0} = {x > K : v(x, n − k) = 0} ur alle τ ≤ n − k} = {x > K : Q(xAτ < K) = 0 f¨ K , ∞) , = [ d!n−k
wobei d! die untere Sprungh¨ohe aus dem zugrundegelegten Cox-Ross-RubinsteinModell bezeichnet. Insgesamt ergibt sich somit Bk = (0, βn−k ] ∪ [
K , ∞). n−k ! d
Gem¨aß 4.12 ist eine optimale Stopzeit τ! also gegeben durch τ! = min{inf{k : aAk ∈ (0, βn−k ] ∪ [
Unter Beachtung von ατe(K − aAτe)+ dQ ≤ {τ ∗ =τe}
{aAτe ≥K}
folgt, daß auch τ ∗ optimale Stopzeit ist.
K , ∞)}, n}. d!n−k
ατe(K − aAτe)+ dQ = 0
158
L¨osungen zu Kapitel 4
4.3 Eine Konkretisierung des bereits in 4.13 angegebenen Vorgehens liefert den folgenden Algorithmus zur Bestimmung des fairen Preises eines amerikanischen Puts: for j = 0 to n − 1 1 (j) := qαn (K − a uj+1 dn−1−j )+ + (1 − q)αn (K − a uj dn−j )+ ; wn−1
for i = 2 to n for j = 0 to n − i i−1 i wn−i (j) := q max{αn−i+1 (K − a uj+1 dn−i−j )+ , wn−i+1 (j + 1)} i−1 (j)} ; + (1 − q) max{αn−i+1 (K − a uj dn−i−j+1)+ , wn−i+1
Der faire Preis des amerikanischen Puts ist nun gegeben durch v := max{(K − a)+ , w0n (0)}. 4.4 Gem¨aß 4.6 gen¨ ugt es, vk (X1 , . . . , Xk ) = Ukn f¨ ur alle k = 1, . . . , n zu zeigen. Wir zeigen die Aussage per R¨ uckw¨artsinduktion. Induktionsanfang k = n : Un = hn (X1 , . . . , Xn ) = vn (X1 , . . . , Xn ). Induktionsschluß k + 1 → k : Ukn = = = =
n max{hk (X1 , . . . , Xk ), E (Uk+1 |Ak )} max{hk (X1 , . . . , Xk ), E (vk+1 (X1 , . . . , Xk+1)|Ak )} max{hk (X1 , . . . , Xk ), E (vk+1 (·, Xk+1)) ◦ (X1 , . . . , Xk )} vk (X1 , . . . , Xk ).
Dabei ist f¨ ur die vorletzte Gleichheit zu beachten, daß wegen der Unabh¨angigkeit von X1 , . . . , Xn gilt E (vk+1 (X1 , . . . , Xk+1 ) | X1, . . . , Xk ) = E (vk+1 (·, Xk+1)) ◦ (X1 , . . . , Xk ). 4.5 (a) Es gilt EQ αk Zk =
k k k−1 A0 k−i A0 i A0 1 − αk 1 . EQ αk Ai = α = α = k i=1 k i=1 k i=0 k 1−α
159 (b) Offensichtlich sind jeweils die Voraussetzungen von Aufgabe 4.4 erf¨ ullt. Zur einfachen Bezeichnungsweise sei im folgenden Ak (r1 , . . . , rk ) = A0 u
Pk
j=1 rj
dk−
Pk
j=1 rj
.
Zur Berechnung von v = sup EQ ατ Zτ τ ∈S
ergibt sich der (in dieser Form nur f¨ ur moderates n realisierbare) Algorithmus for (r1 , . . . , rn ) ∈ {0, 1}n vn (r1 , . . . , rn ) := αn n1
n
Ai (r1 , . . . , ri );
i=1
for k = 1 to n − 1 for (r1 , . . . , rn−k ) ∈ {0, 1}n−k n−k " 1 Ai (r1 , . . . , ri ), vn−k (r1 , . . . , rn−k ) := max αn−k n−k i=1
# q vn−k+1(r1 , . . . , rn−k , 1) + (1 − q) vn−k+1(r1 , . . . , rn−k , 0) ;
v := q v1 (1) + (1 − q) v1 (0) ;
Entsprechend ergibt sich zur Berechnung von v = sup EQ (ατ (Aτ − Zτ )+ ) ! τ ∈S
der Algorithmus
for (r1 , . . . , rn ) ∈ {0, 1}n vn (r1 , . . . , rn ) := αn (An (r1 , . . . , rn ) − !
1 n
n
Ai (r1 , . . . , ri ))+ ;
i=1
for k = 1 to n − 1 for (r1 , . . . , rn−k ) ∈ {0, 1}n−k vn−k (r1 , . . . , rn−k ) := ! " max αn−k (An−k (r1 , . . . , rn−k ) −
1 n−k
n−k i=1
Ai (r1 , . . . , ri))+ ,
# q! vn−k+1(r1 , . . . , rn−k , 1) + (1 − q) ! vn−k+1(r1 , . . . , rn−k , 0) ;
v := q v!1 (1) + (1 − q) ! ! v1 (0) ;
160
L¨osungen zu Kapitel 4
4.6 ur k = 1, . . . , n (a) Wir zeigen per R¨ uckw¨artsinduktion, daß Xk 1Ak = Uk 1Ak f¨ ′ gilt, woraus sofort Uk = Uk f¨ ur k = 1, . . . , n und somit die Behauptung folgt. Induktionsanfang k = n: Un′ = Xn = Un . Induktionsschluß k + 1 → k: Es gilt Xk 1Ak ≥ E (Xk+1 |Ak )1Ak = E (Xk+11Ak |Ak ) = E (Xk+1 1Ak+1 1Ak |Ak ) = E (Uk+1 1Ak+1 1Ak |Ak ) = E (Uk+1 1Ak |Ak ) = E (Uk+1 |Ak )1Ak und somit Uk 1Ak = max{Xk 1Ak , E (Uk+1 |Ak )1Ak } = Xk 1Ak . (b) F¨ ur k = 1, . . . , n − 1 gilt Xk < E (Xk+1 |Ak ) ≤ E (Uk+1 |Ak ) ≤ Uk auf Ack und gem¨aß (a) Xk = Uk auf Ak , insgesamt also (bis auf Nullmengen) {Xk = Uk } = Ak = {Xk ≥ E (Xk+1|Ak )}. Gem¨aß 4.6 erhalten wir nun eine optimale Stopzeit σ durch σ = inf{k : Xk = Uk } = min{inf{k : Xk ≥ E(Xk+1 |Ak )}, n}, wobei wir die Konvention inf ∅ = ∞ verwenden. 4.7 Die Abbildung z → E(Y1 − z)+ ist monoton fallend und stetig mit lim E(Y1 − z)+ = 0,
z→∞
lim E(Y1 − z)+ = ∞.
z→−∞
161 Also existiert zu c > 0 ein z ∈ R mit E(Y1 − z)+ = c. Dabei ist z, wie leicht einzusehen ist, eindeutig bestimmt. Sei Ak = σ(Y1 , . . . , Yk ). F¨ ur k = 1, . . . , n − 1 gilt = = = =
{Xk ≥ E (Xk+1 | Ak )} {max {Y1 , . . . , Yk } ≥ E (max {Y1 , . . . , Yk+1} | Ak ) − c} {E ((Yk+1 − max {Y1 , . . . , Yk })+ | Ak ) ≤ c} {E (Yk+1 − ·)+ ◦ max {Y1 , . . . , Yk } ≤ c} {max {Y1 , . . . , Yk } ≥ z},
wobei in der Berechnung des bedingten Erwartungswertes die Unabh¨angigkeit von Y1 , . . . , Yk+1 einging. Nun ergibt sich sofort, daß die Voraussetzungen von Aufgabe 4.6 erf¨ ullt sind. Gem¨aß Aufgabe 4.6 (b) ist folglich (wiederum mit der Konvention inf ∅ = ∞) eine optimale Stopzeit gegeben durch τ ∗ = min {inf {k : max {Y1 , . . . , Yk } ≥ z}, n} = min {inf {k : Yk ≥ z}, n}.
L¨ osungen zu Kapitel 5 5.1 (a) Man beachte zun¨achst 1 = f dµ =
f dµ = P X1 (f > 0),
{f >0}
entsprechend 1 = QX1 (g > 0). Es gilt die elementare Ungleichung log x ≤ x − 1 mit strikter Ungleichheit f¨ ur x = 1. Damit folgt g g(X1 ) g(X1) + ) ≤ EP = f dµ EP (log f (X1 ) f (X1 ) f {f >0} = g dµ ≤ 1. {f >0}
162
L¨osungen zu Kapitel 5 1) Also existiert EP log fg(X (in [−∞, ∞)), und mit entsprechender Absch¨atzung (X1 ) folgt g(X1 ) ≤ g dµ − 1 ≤ 0. EP log f (X1 )
{f >0}
Aus EP log meßbare A
g(X1 ) f (X1 )
1) = 0 erg¨abe sich P ( fg(X = 1) = 1 und damit f¨ ur jedes (X1 )
P (X1 ∈ A) =
g(X1) dP = f (X1 )
X1−1 (A)
g f dµ ≤ Q(X1 ∈ A). f
A∩{f >0}
Ersetzung von A durch Ac zeigte P (X1 ∈ A) ≥ Q(X1 ∈ A) und damit P X1 = QX1 . Da dies nach Voraussetzung ausgeschlossen ist, folgt g(X1) EP log < 0. f (X1 ) Daraus ergibt sich mit dem Gesetz der großen Zahlen n g(Xi ) → −∞ P − f.s., log f (Xi ) i=1 also Ln → 0 P -fast sicher. Vertauschung von P und Q zeigt nun auch Ln → ∞ Q-fast sicher.
(b) Seien B1 , . . . , Bn ∈ E. Dann gilt unter Beachtung von µ(f = 0) = 0 und der Unabh¨angigkeit von X1 , . . . , Xn n g(Xi) dP Ln dP = 1Bi (Xi ) f (Xi) i=1 −1 X1−1 (B1 )∩...∩Xn (Bn )
=
n
1Bi (Xi )
Bi n
g dµ
i=1
g(Xi) dP f (Xi)
n
g = dP X1 f i=1
=
i=1 B
i
=
n
QX1 (Bi )
i=1
=
n
i=1
Q(Xi ∈ Bi )
= Q(X1−1 (B1 ) ∩ . . . ∩ Xn−1 (Bn )).
163 Da {X1−1 (B1 ) ∩ . . . ∩ Xn−1 (Bn ) : B1 , . . . , Bn ∈ E}
ein ∩-stabiles Erzeugendensystem von σ(X1 , . . . , Xn ) ist, folgt dQ|An = Ln . dP |An Unter Beachtung von µ(g = 0) = 0 ist ferner Ln > 0 P -fast sicher und damit dQ|An a¨quivalent zu dP |An. 5.2 Wir setzen
n
1 A = { lim 1{Xi ∈B} = Q(X1 ∈ B)}. n→∞ n i=1
Das starke Gesetz der großen Zahlen liefert Q(A) = 1 und somit auch Q(Ac ) = 0. Andererseits gilt (wiederum mit dem starken Gesetz der großen Zahlen) n
1 1{Xi ∈B} = P (X1 ∈ B)} = 0. P (A) ≤ P ( lim n→∞ n i=1 5.3 Wir setzen E(X1− ) , + P (X1 < 0)E(X1+ ) P (X1 ≥ E(X1+ ) c2 = , P (X1 ≥ 0)E(X1− ) + P (X1 < 0)E(X1+ ) f = c1 1[0,∞) + c2 1(−∞,0) , c1 =
LN =
0)E(X1− )
N
f (Xi )
i=1
und definieren ein Maß Q durch dQ = LN . dP Es gilt LN > 0 und ELN = E
N
i=1
=
f (Xi ) =
N
Ef (Xi )
i=1
N
(c1 P (X1 ≥ 0) + c2 P (X1 < 0)) = 1, i=1
164
L¨osungen zu Kapitel 5
also ist Q ein zu P ¨aquivalentes Wahrscheinlichkeitsmaß. Des weiteren ist EQ (X1 ) = X1 LN dP = E(X1 f (X1 ))
N
E(f (Xi ))
i=2
= c1 E(X1+ ) − c2 E(X1− ) = 0. Schließlich gilt f¨ ur alle B1 , . . . , BN ∈ B Q(X1 ∈ B1 , . . . , XN ∈ BN ) = = =
N i=1
N
i=1 N
i=1
1{Xi ∈Bi } f (Xi )dP 1{X1 ∈Bi } f (X1 )dP
Q(X1 ∈ Bi ).
uglich Q unabh¨angig und Insgesamt haben wir also gezeigt, daß X1 , . . . , XN bez¨ identisch verteilt sind mit EQ (X1 ) = 0. Es folgt die Behauptung. 5.4 Gegeben sei ein arbitragefreies n-Perioden-Modell. Da Ω endlich ist, existieren m ∈ N, ω1 , . . . , ωm ∈ Ω mit {ω ∈ Ω : P (ω) > 0} = {ω1 , . . . , ωm }. Seien X = {Bn δn (H) − δ0 (H) : H selbstfinanzierende Handelsstrategie}, Y = {(X(ω1 ), . . . , X(ωm)) : X ∈ X }, m ur alle i = 1, . . . , m, zi = 1}. Z = {z ∈ Rm : zi ≥ 0 f¨ i=1
Da das Modell arbitragefrei ist, gilt Y ∩ Z = ∅. Die selbstfinanzierenden Handelsstrategien bilden einen linearen Raum. Also ist Y Unterraum des Rn ; ferner ist Z konvex und kompakt. Also existiert eine strikt trennende Hyperebene, d.h. es gibt q ∈ Rm , β ∈ R so, daß f¨ ur alle y ∈ Y, z ∈ Z gilt q T y ≤ β < q T z.
165 ur alle y ∈ Y, und wir k¨onnen β = 0 w¨ahlen. Da Y Unterraum ist, folgt q T y = 0 f¨ Da alle Einheitsvektoren Elemente von Z sind, gilt qi > 0 f¨ ur alle i = 1, . . . , m, m des weiteren k¨onnen wir i=1 qi = 1 annehmen. Wir definieren nun ein Wahrscheinlichkeitsmaß Q durch ur alle i = 1, . . . , m, Q(ωi ) = qi f¨ Q(ω) = 0 f¨ ur alle ω ∈ Ω\{ω1 , . . . , ωm }. Offensichtlich ist Q a¨quivalent zu P , und es gilt EQ (Bn δn (H) − δ0 (H)) = 0 f¨ ur jede selbstfinanzierende Handelsstrategie H. Angenommen, es existierten j ∈ {1, . . . , g} und k ∈ {1, . . . , n} mit EQ (Bk Sj,k |S0 , . . . , Sk−1) = Bk−1 Sj,k−1. Wir k¨onnen ohne Einschr¨ankung annehmen, daß A = {EQ (Bk Sj,k |S0 , . . . , Sk−1) > Bk−1 Sj,k−1} keine Nullmenge w¨are. Es sei nun eine Handelsstrategie H = (H0 , . . . , Hn−1) definiert durch Hi = 0 f¨ ur alle i = 0, . . . , k − 2, Hk−1 = 1A (Bk ej − Bk−1 Sj,k−1X k−1), Bk X i f¨ ur alle i = k, . . . , n − 1, Hi = 1A (Bk Sj,k − Bk−1 Sj,k−1) Bi+1 wobei ej j-ter Einheitsvektor in Rg ist. Man rechnet leicht nach, daß H eine selbstfinanzierende Handelsstrategie mit EQ (Bn δn (H) − δ0 (H)) = EQ (1A Bk (Bk Sj,k − Bk−1 Sj,k−1)) > 0 w¨are. Dies ist ein Widerspruch. Also ist Q ein ¨aquivalentes Martingalmaß. 5.5 (a) F¨ ur alle Q ∈ M, alle C ∈ H und jeden zugeh¨origen Hedge x ∈ Rg gilt EQ BC = EQ BxT S1 = xT EQ BS1 = xT S0 , es folgt die Behauptung.
166
L¨osungen zu Kapitel 6
(b) Das um Y mit Preis p erweiterte Modell ist gem¨aß dem Fundamentalsatz der Preistheorie genau dann arbitragefrei, wenn in diesem ein ¨aquivalentes Martingalmaß existiert. Ein Wahrscheinlichkeitsmaß Q ist aber genau dann ein ¨aquivalentes Martingalmaß im erweiterten Modell, wenn Q ∈ M, EQ B|Y | < ∞ und EQ BY = p gilt, womit die Behauptung nachgewiesen ist. (c) Offensichtlich gilt f¨ ur alle s ∈ S, alle Q ∈ M und alle C1 , C2 ∈ H mit C1 ≥ Y ≥ C2 EQ BC1 ≥ s ≥ EQ BC2 und somit s+ (Y ) ≥ s ≥ s− (Y ), also ist s+ (Y ), bzw. s− (Y ) eine obere, bzw. untere Schranke von S. Daher gen¨ ugt es, (s− (Y ), s+ (Y )) ⊆ S zu zeigen. Sei p ∈ (s− (Y ), s+ (Y )). Angenommen, es w¨are p ∈ S. Dann w¨are gem¨aß Aufgabenteil (b) das um Y mit Preis p erweiterte Modell nicht arbitragefrei. Damit existierte gem¨aß 1.10 ein x˜ x= ∈ Rg+1 xg+1 mit x˜T S0 + xg+1 p = 0, x˜T S1 + xg+1 Y ≥ 0, P (˜ xT S1 + xg+1 Y > 0) > 0. Dabei w¨are xg+1 = 0, da sonst x˜ eine Arbitrage im Ausgangsmodell w¨are. W¨are xg+1 < 0, so folgte (f¨ ur jedes Q ∈ M) x˜T S0 x˜T S1 = EQ B (− ), xg+1 xg+1 x˜T S1 . ≤ − xg+1
p = − Y T
S1 Da der Claim − x˜xg+1 hedgebar ist, erg¨abe sich hieraus der Widerspruch s+ (Y ) ≤ p. Analog folgte aus xg+1 > 0 der Widerspruch s− (Y ) ≥ p. Insgesamt erhalten wir also p ∈ S, was zu zeigen war.
167
L¨ osungen zu Kapitel 6 6.1 ur alle t ≥ 0 gilt (a) Seien s ≥ 0, A ∈ As . F¨ A ∩ {τ > s} ∩ {τ ∧ s ≤ t} =
A ∩ {τ > s} ∈ At falls s ≤ t, ∅ ∈ At , falls s > t,
und somit A ∩ {τ > s} ∈ Aτ ∧s . (b) Sei t > s ≥ 0, A ∈ As . Unter Beachtung von Aufgabenteil (a), 6.13 und der Gleichheit Mτ ∧s = Mτ ∧t auf {τ ≤ s} ergibt sich E Mτ ∧s 1A = Mτ ∧s dP + Mτ ∧s dP A∩{τ >s}
=
A∩{τ ≤s}
E (Mτ ∧t |Aτ ∧s )dP +
A∩{τ >s}
=
Mτ ∧t dP +
A∩{τ >s}
= E Mτ ∧t 1A .
Mτ ∧t dP
A∩{τ ≤s}
Mτ ∧t dP
A∩{τ ≤s}
ur (c) Unter Beachtung von Aufgabenteil (b) ist nur noch zu zeigen, daß Mτ ∧t f¨ jedes t > 0 At -meßbar ist. Gem¨aß 6.2 ist Mτ ∧t aber Aτ ∧t -meßbar und somit auch At -meßbar. 6.2 Sei (At )t∈[0,∞) die zugrundeliegende Filtration. Gem¨aß 6.2 ist τ eine Stopzeit. Sei t ∈ [0, ∞). Gem¨aß 6.5 gilt f¨ ur alle n ∈ N E (M(τ ∧n)+t |Aτ ∧n ) = Mτ ∧n . Aus Aufgabe 6.1 (a) folgt, daß {τ ≤ n} Aτ ∧n -meßbar ist. Da aufgrund der Pfadstetigkeit Mτ = 0 auf {τ < ∞} gilt, ergibt sich unter Beachtung von 6.5 Mτ dP = 0 Mτ ∧n dP = M(τ ∧n)+t dP = {τ ≤n}
{τ ≤n}
{τ ≤n}
und somit P (τ ≤ n, M(τ ∧n)+t > 0) = 0,
168
L¨osungen zu Kapitel 6
also auch P (Mt′ > 0) = lim P (τ ≤ n, M(τ ∧n)+t > 0) = 0. n→∞
Da t beliebig gew¨ahlt war, ergibt sich unter Beachtung der Stetigkeit von M ∼ nun die Behauptung. 6.3 Gem¨aß 6.2 ist τ eine Stopzeit. (a) F¨ ur alle n ∈ N mit n > t sei τn = τ ∧ n. Unter Beachtung von 6.5 gilt 1{Mt n} Mn |Ft ), es folgt 1{Mt
Mt E(1{τ >n} 1{Mt
Mit dem Satz von der monotonen Konvergenz f¨ ur bedingte Erwartungswerte ergibt sich lim 1{Mt
n→∞
= 1{Mt t
Andererseits liefert der Satz von der dominierten Konvergenz f¨ ur bedingte Erwartungswerte unter Benutzung von 0 ≤ 1{τ >n} 1{Mt n} 1{Mt
n→∞
Nun folgt 1{Mt t
Mt . b
(b) Es gilt unter Beachtung von Aufgabenteil (a) und der Stetigkeit von M ∼ P (sup Ms ≥ b) = P (Mt ≥ b) + E(1{Mt t
s>t
1 = P (Mt ≥ b) + E(Mt 1{Mt
169 6.4 Wir setzen zun¨achst voraus, daß (Zi )i∈I gleichgradig integrierbar ist. Dann ist M = sup E |Zi| < ∞. i∈I
F¨ ur jedes i ∈ I und k > 0 gilt
M ≥ E |Zi | ≥
|Zi |dP ≥ kP (|Zi | ≥ k)
{|Zi |≥k}
und somit
M . k Sei ε > 0. Aufgrund der gleichgradigen Integrierbarkeit k¨onnen wir ein δ > 0 so w¨ahlen, daß f¨ ur alle A ∈ A mit P (A) ≤ δ und alle i ∈ I gilt |Zi |dP ≤ ε. P (|Zi | ≥ k) ≤
A
Sei k0 =
M . δ
Es folgt f¨ ur alle k ≥ k0 und alle i ∈ I |Zi |dP ≤ ε. {|Zi |≥k}
Somit ergibt sich das gew¨ unschte Resultat lim sup Zi dP = 0. k→∞ i∈I
{|Zi |≥k}
Wir setzen nun umgekehrt voraus, daß dieses gilt. F¨ ur meßbares A sowie k > 0 und i ∈ I gilt |Zi |dP = |Zi|dP + A
A∩{|Zi |
≤ kP (A) +
A∩{|Zi |≥k}
|Zi |dP.
{|Zi |≥k}
Hieraus folgt schon sup E |Zi | < ∞. i∈I
|Zi |dP
170
L¨osungen zu Kapitel 6
Sei nun ε > 0. W¨ahle k ∗ so groß, daß gilt ε sup |Zi | dP ≤ . 2 i∈I {|Zi |≥k ∗ }
Setze δ =
ε . 2k ∗
Dann gilt f¨ ur alle A ∈ A mit P (A) ≤ δ und alle i ∈ I ε ε |Zi|dP ≤ k ∗ ∗ + = ε, 2k 2 A
somit ist die gleichgradige Integrierbarkeit von (Zi )i∈I nachgewiesen. 6.5 Sei M = sup E f (|Zi|). Wir zeigen, daß die in Aufgabe 6.4 angegebene Charaki∈I
terisierung der gleichgradigen Integrierbarkeit erf¨ ullt ist. = ∞ finden wir ein x > 0 mit Sei ε > 0. Wegen lim f (x) 0 x x→∞
f (x) ≥
xM f¨ ur alle x ≥ x0 . ε
Nun gilt f¨ ur alle k ≥ x0 auch |Zi| dP ≤ sup sup i∈I
i∈I
{|Zi |≥k}
ε f (|Zi |) dP M
{|Zi |≥k}
ε ≤ sup E f (|Zi |) = ε, M i∈I
es folgt die Behauptung. 6.6 Wir zeigen zun¨achst, daß |Z| integrierbar ist. Es gilt sup |Z| dP ≤ 1 + sup |Zn | dP = M < ∞. n∈N {|Zn −Z|≤1}
n∈N
Wegen P (|Zn − Z| ≤ 1) → 1 folgt hieraus f¨ ur jedes k > 0 min{|Z|, k} dP ≤ M und somit auch
|Z| dP ≤ M.
171 Wir zeigen nun die Behauptung. Da f¨ ur alle n ∈ N gilt |Zn − Z| ≤ |Zn | + |Z|, ist auch (Zn − Z)n∈N gleichgradig integrierbar. F¨ ur alle δ, k > 0 und alle n ∈ N gilt E|Zn − Z| = |Zn − Z|dP + |Zn − Z|dP {|Zn −Z|≤δ}
+
{|Zn −Z|∈(δ,k)}
|Zn − Z|dP
{|Zn −Z|≥k}
≤ δ + kP (|Zn − Z| ≥ δ) +
|Zn − Z|dP.
{|Zn −Z|≥k}
Sei ε > 0. Gem¨aß Aufgabe 6.4 gibt es ein k > 0 mit ε sup |Zn − Z|dP ≤ . 3 n∈N {|Zn −Z|≥k}
Setze des weiteren δ = 3ε . Da Zn → Z in Wahrscheinlichkeit vorliegt, gibt es ein ur alle n ≥ N. N ∈ N mit kP (|Zn − Z| ≥ δ) ≤ 3ε f¨ Sei N so gew¨ahlt. Aus der obigen Rechnung folgt nun f¨ ur alle n ≥ N ε ε ε E|Zn − Z| < + + = ε, 3 3 3 womit die Behauptung nachgewiesen ist.
L¨ osungen zu Kapitel 7 7.1 ˆ t = Ws+t − Ws f¨ ur alle t ∈ [0, ∞) und betrachten (a) Sei s ≥ 0. Wir setzen W ˆ adaptiert zu die Filtration (Ft )t∈[0,∞) = (As+t )t∈[0,∞) . Offensichtlich ist W ∼ F , des weiteren gilt ˆ 0 = Ws − Ws = 0. (i) W ˆt − W ˆ r = Ws+t − Ws+r ist N(0, t − r)-verteilt f¨ (ii) W ur alle 0 ≤ r < t. ˆ ˆ (iii) Wt − Wr = Ws+t − Ws+r ist stochastisch unabh¨angig von Fr = As+r f¨ ur alle 0 ≤ r < t. (iv) F¨ ur jedes ω ∈ Ω ist die Abbildung
ˆ t (ω) = Ws+t (ω) − Ws (ω) t → W offensichtlich stetig.
172
L¨osungen zu Kapitel 7
ˆ t = −Wt f¨ ur alle t ∈ [0, ∞) und betrachten die Filtration (b) Wir setzen W ˆ F = A. Offensichtlich ist W ∼ adaptiert zu F , des weiteren gilt ˆ 0 = −W0 = 0. (i) W ˆt − W ˆ s = −(Wt − Ws ) ist N(0, t − s)-verteilt f¨ (ii) W ur alle 0 ≤ s < t. ˆ ˆ (iii) Wt − Ws = −(Wt − Ws ) ist stochastisch unabh¨angig von Fs = As f¨ ur alle 0 ≤ s < t. (iv) F¨ ur jedes ω ∈ Ω ist die Abbildung
ˆ t (ω) = −Wt (ω) t → W offensichtlich stetig. ˆ t = √c W t f¨ (c) Sei c > 0. Wir setzen W ur alle t ∈ [0, ∞) und betrachten die c ˆ Filtration (Ft )t∈[0,∞) = (A ct )t∈[0,∞) . Offensichtlich ist W ∼ adaptiert zu F , des weiteren gilt ˆ 0 = √c W0 = 0. (i) W ˆt − W ˆ s = √c (W t − W s ) ist N(0, c ( t − s )) = N(0, t − s)-verteilt f¨ ur (ii) W c c c c alle 0 ≤ s < t. ˆt − W ˆ s = √c (W t − W s ) ist stochastisch unabh¨angig von Fs = A s (iii) W c c c f¨ ur alle 0 ≤ s < t. (iv) F¨ ur jedes ω ∈ Ω ist die Abbildung
ˆ t (ω) = t → W
√
c W t (ω) c
offensichtlich stetig. 7.2 (a) Es gilt f¨ ur jedes n ∈ N P ({ω : t → Wt (ω) monoton auf [0, 1]}) n n ≤ P {W i+1 − W i ≤ 0} {W i+1 − W i ≥ 0} + P n
n
i=1
n
n
i=1
1 1 1 = ( )n + ( )n = ( )n−1 . 2 2 2
Da dieser Ausdruck f¨ ur n → ∞ gegen 0 konvergiert, folgt die Behauptung.
173 (b) Analog zu Aufgabenteil (a) ergibt sich, daß f¨ ur alle 0 ≤ p < q gilt P ({ω : t → Wt (ω) monoton auf [p, q]}) = 0. Unter Beachtung der Dichtheit von Q in R und der Abz¨ahlbarkeit von Q×Q folgt nun P ({ω : Es gibt ein Intervall I mit t → Wt (ω) monoton auf I}) ≤ P ({ω : t → Wt (ω) monoton auf [p, q]}) p,q∈Q 0≤p
= 0. 7.3 F¨ ur m ∈ N0 und c, δ ∈ (0, ∞) sei Ac,δ,m = {ω : Ex. s ∈ [m, m + 1) mit |Wt (ω) − Ws (ω)| ≤ c|t − s| f¨ ur alle t ∈ Is,δ }, wobei Is,δ = [max{s − δ, 0}, s + δ] gesetzt wurde. Es gilt dann offensichtlich A= Ac,δ,m . Ac,δ,m = m∈N0 c,δ∈Q∩(0,∞)
m∈N0 c,δ∈(0,∞)
Seien nun m ∈ N0 und c, δ ∈ Q ∩ (0, ∞). Wir setzen f¨ ur n ∈ N, i ∈ {1, . . . , n} Bc,δ,m(i, n) = {ω : |Wm+ i+j (ω) − Wm+ i+j−1 (ω)| ≤ n
n
und zeigen, daß f¨ ur alle n ∈ N mit n ≥ Ac,δ,m ⊆
4 δ
n
8c f¨ ur alle j = 1, 2, 3}. n
gilt
Bc,δ,m(i, n).
i=1
Sei ω ∈ Ac,δ,m und ein zugeh¨origes s ∈ [m, m + 1) gew¨ahlt. Des weiteren sei n ∈ N , m + ni ) gilt. Dann ist mit n ≥ 4δ . Wir w¨ahlen i ∈ {1, . . . , n} so, daß s ∈ [m + i−1 n max{|s −
i+j i+j−1 4 |, |s − |} ≤ ≤ δ n n n
f¨ ur j = 1, 2, 3, also |Wm+ i+j (ω) − Wm+ i+j−1 (ω)| n
n
≤ |Wm+ i+j (ω) − Ws (ω)| + |Wm+ i+j−1 (ω) − Ws (ω)| n
4 8c 4 ≤ c +c = . n n n
n
174
L¨osungen zu Kapitel 7
Damit ist die oben angegebene Mengeninklusion gezeigt. Des weiteren gilt unter Beachtung der Unabh¨angigkeit der Zuw¨achse des Wienerprozesses P (Bc,δ,m(i, n)) = P (|W 1 | ≤ n
und somit P also auch
8c 16c 8c 3 ) = P (|W1| ≤ √ )3 ≤ ( √ )3 n n n
n
(16c)3 −→ 0 f¨ ur n → ∞, Bc,δ,m(i, n) ≤ √ n i=1
P(
n
Bc,δ,m(i, n)) = 0.
n∈N,n≥ δ4 i=1
Aus dem bisher Gezeigten folgt nun schließlich, daß N=
n
Bc,δ,m(i, n)
m∈N0 c,δ∈Q∩(0,∞) n∈N,n≥ 4 i=1 δ
die gew¨ unschte Eigenschaft besitzt. Da in s ∈ [0, ∞) differenzierbare Funktionen stets Lipschitz-stetig in s sind (wie man durch Division der Lipschitz-Bedingung durch |t − s| sofort erkennt), ergibt sich als Folgerung: P -fast-sicher sind die Pfade eines Wienerprozesses an keiner Stelle differenzierbar. 7.4 F¨ ur alle n ∈ N sei 3
n " 1 # (W jt − W (j−1)t )2 − t > √ . An = 3 3 n n n j=1
Unter Beachtung der Unabh¨angigkeit der Zuw¨achse des Wienerprozesses und der Berechnung V ar(W12 ) = EW14 − (EW12 )2 = 3 − 1 = 2 ergibt sich 3
E
n j=1
V ar
n3 j=1
W jt3 − W (j−1)t n
n3
(W jt − W (j−1)t ) n3
n3
2 2
= n3
t = t, n3
3
=
n j=1
= n3
$
V ar((
t W1 )2 ) n3
2t2 2t2 = . n6 n3
175 Mit der Tschebyscheffschen Ungleichung folgt nun f¨ ur alle n ∈ N P (An ) ≤ n und somit
∞ n=1
Sei nun B=
"
P (An ) < ∞.
3
lim
n→∞
2t2 2t2 = n3 n2
n j=1
# (W jt − W (j−1)t )2 = t . n3
n3
Offensichtlich gilt B c ⊆ lim sup An . Unter Verwendung des Lemmas von BorelContelli ergibt sich nun P (B c ) ≤ P (lim sup An ) = 0 und damit die Behauptung. 7.5 (a) F¨ ur alle n ∈ N gilt P (τ > n) ≤ P (Wj − Wj−1 ≤ a + b f¨ ur alle j = 1, . . . , n) n = (Φ (a + b)) −→ 0 f¨ ur n → ∞ und somit P (τ < ∞) = limn→∞ P (τ ≤ n) = 1. (b) Wegen E|Wτ | ≤ max{a, b} und
|Wn | dP ≤ max{a, b} P (τ > n) −→ 0
{τ >n}
l¨aßt sich das Optional-Sampling-Theorem anwenden, also gilt 0 = EWτ = −a P (Wτ = −a) + b (1 − P (Wτ = −a)). Hieraus folgt b , a+b a P (Wτ = b) = . a+b
P (Wτ = −a) =
176
L¨osungen zu Kapitel 7
(c) Wir betrachten das Martingal (Wt2 − t)t∈[0,∞) . K¨onnen wir das OptionalSampling-Theorem anwenden, so gilt Eτ = EWτ2 = (−a)2 P (Wτ = −a) + b2 P (Wτ = b) b a + b2 = ab. = a2 a+b a+b Es verbleibt also zu zeigen, daß die Voraussetzungen des Optional-SamplingTheorems erf¨ ullt sind. Die Berechnung aus Aufgabenteil (a) liefert neben P (τ < ∞) = 1 auch Eτ ≤
∞ n=0
P (τ > n) ≤
∞
(Φ(a + b))n =
n=0
1 <∞ 1 − Φ(a + b)
und somit Schließlich gilt
{τ >n}
E|Wτ2 − τ | ≤ max{a2 , b2 } + Eτ < ∞. |Wn2
− n| dP
≤
Wn2 dP + n P (τ > n)
{τ >n}
≤ (max{a, b}2 + n) P (τ > n} −→ 0 f¨ ur n → ∞.
7.6 n
(Wti )2 − nt f¨ ur alle t ∈ [0, ∞). M ist eine Summe von Martingalen ∼ i=1 bzgl. A und somit selbst ein Martingal bzgl. A. Des weiteren gilt Sei Mt =
τ ≤ inf{t : Wt1 ∈ (−r, r)}, also mit Aufgabe 7.5 Eτ < ∞. Die Anwendbarkeit des Optional-SamplingTheorems ist damit wegen E|Mτ | ≤ E|Wτ |2 + nEτ = r 2 + nEτ < ∞ und
|Mm | dP ≤ r 2 P (τ > m) + nm P (τ > m) −→ 0 f¨ ur m → ∞
{τ >m}
gew¨ahrleistet. Also gilt EMτ = 0, und es folgt Enτ = E
n i=1
(Wτi )2 = r 2 ,
177 und somit Eτ =
r2 . n
n
1
1 n W Seien nun W ∼ , . . . , ∼ unabh¨angig und Gt = σ((Ws , . . . , Ws )s≤t ), t ∈ [0, ∞). l ur gegebenes l = 1, . . . , n ein Wienerprozeß bzgl. der so defiWir zeigen, daß W f¨ ∼ G nierten Filtration ∼ ist. Offensichtlich gen¨ ugt hierf¨ ur der Nachweis, daß Wtl − Wsl f¨ ur alle 0 ≤ s < t unabh¨angig von Gs ist. Seien A1 ∈ σ((Wr1 )r≤s ), . . . , An ∈ σ((Wrn )r≤s ) und B ∈ B. Da W 1 , . . . , W n unabh¨angig sind, und da Wtl − Wsl und σ((Wrl )r≤s ) unabh¨angig sind, gilt
P ({Wtl
−
Wsl
∈ B} ∩ A1 ∩ . . . ∩ An ) =
P ({Wtl
−
Wsl
∈ B} ∩ Al ) ·
= P (Wtl − Wsl ∈ B) ·
n
n
P (Ai )
i=1, i =l
P (Ai ).
i=1
Da σ((Wr1 )r≤s ) × . . . × σ((Wrn )r≤s ) ein ∩-stabiles Erzeugendensystem von Gs bildet, folgt mit dem u ¨blichen Erweiterungsprozeß die Behauptung. 7.7 Sei G die kanonische Filtration des Wienerprozesses. ∼ Offensichtlich sind {τ = 0}, {σ = 0} ∈ G0+ . Gem¨aß dem Blumenthalschen 0-1Gesetz gen¨ ugt somit der Nachweis von P (τ = 0) > 0, P (σ = 0) > 0. Es gilt aber P (τ = 0) ≥ P (
{W 1 > 0}) = lim P ( n→∞
k
n∈N k≥n
{W 1 > 0}) ≥ k
k≥n
1 > 0, 2
√ c P (σ = 0) ≥ P ( {|W 1 | > √ }) = lim P ( {| k W 1 | > c}) k k n→∞ k n∈N k≥n k≥n
≥ 2(1 − Φ(c)) > 0.
7.8 (a) Es gilt mit 7.10 P (τa > t)
=
P (sup Ws < a) = 1 − 2 P (Wt ≥ a) s≥t
a 1 − 2 P (W1 ≥ √ ) t −→ 0 f¨ ur t → ∞. =
178
L¨osungen zu Kapitel 7 Damit folgt P (τa < ∞) = 1.
(b) Sei A die zugeh¨orige Filtration zu W . Sei a > 0 und ∼ ∼ ˆ a = Wt+τa − Wτa W t
f¨ ur alle t ∈ [0, ∞). ˆ a ein Wienerprozeß bzgl. (Ft )t∈[0,∞) = (At+τ )t∈[0,∞) , der Gem¨aß 7.12 ist W a ∼ unabh¨angig von Aτa ist. Sei nun b > 0. Unter Beachtung der Stetigkeit der Pfade des Wienerprozesses gilt τa+b = τa + inf{t : Wt+τa − Wτa = b} und somit
ˆ a = b}. τa+b − τa = inf{t : W t
Damit besitzen τa+b − τa und τb dieselbe Verteilung, was die identische Verteilung der Zuw¨achse besagt. Ferner ist τa+b −τa stochastisch unabh¨angig von Aτa und damit f¨ ur beliebige 0 ≤ a1 ≤ . . . ≤ ak ≤ a auch stochastisch unabh¨angig von τa1 , . . . , τak , was die Unabh¨angigkeit der Zuw¨achse ergibt. 7.9 ugt es zu zeigen, daß (Bt )t∈(0,1) ein Gaußprozeß ist. Wegen B0 = B1 = 1 gen¨ Seien dazu 0 = t0 < t1 < . . . < tn < tn+1 = 1. Wir definieren n + 1 stochastisch unabh¨angige N(0, 1)-verteilte Zufallsgr¨oßen Y1 , . . . , Yn+1 durch Wt − Wtj−1 Yj = √j tj − tj−1 f¨ ur alle j = 1, . . . , n + 1 und setzen Y = [Y1 , . . . , Yn+1 ]T . F¨ ur alle i = 1, . . . , n gilt Bti = Wti − ti W1 = (1 − ti ) Wti − ti (W1 − Wti ) i n+1 = (1 − ti ) (Wtj − Wtj−1 ) + (−ti ) (Wtj − Wtj−1 ) =
j=1
j=i+1
i
n+1
j=1
(1 − ti )
tj − tj−1 Yj +
(−ti
j=i+1
tj − tj−1 )Yj .
Ist A die Matrix, die durch die Eintr¨age √ (1 − ti ) tj − tj−1 , falls j ≤ i aij = √ −ti tj − tj−1 , falls j > i
179 f¨ ur alle i = 1, . . . , n, j = 1, . . . , n + 1 definiert wird, so gilt [Bt1 , . . . , Btn ]T = AY. Dies zeigt, daß (Bt )t∈[0,1] ein Gaußprozeß ist. Wir berechnen nun die Mittelwertfunktion m und die Kovarianzfunktion K. Es gilt f¨ ur alle s, t ∈ [0, 1] m(t) = E Bt = E(Wt − t W1 ) = E Wt − t E W1 = 0, K(s, t) = E(Ws − s W1 ) (Wt − t W1 ) = E Ws Wt − s E W1 Wt − t E W1 Ws + s t E W12 = min{s, t} − s t. Die Bezeichnung Br¨ ucke“ l¨aßt sich dadurch motivieren, daß der Startwert des ” Prozesses B0 = 0 und der Endwert B1 = 0 fest vorgegeben sind und die Pfade jeweils Br¨ ucken“ zwischen diesen beiden Punkten bilden. ”
Lo ¨sungen zu Kapitel 8 8.1 Sei τ eine Stopzeit mit Q(τ < ∞) = 1. F¨ ur alle n ∈ N sei τn = τ ∧ n. Dann gilt gem¨aß Optional-Sampling-Theorem 1 2 τn
1 = E(eθWτn − 2 θ
θWn − 21 θ 2 n
= E(e
) 1 2
1{τ >n} ) + E(eθWτ − 2 θ τ 1{τ ≤n} ) 1 2
= Q(τ > n) + E(eθWτ − 2 θ τ 1{τ ≤n} ).
Wegen Q(τ < ∞) = 1 konvergiert der erste Summand f¨ ur n → ∞ gegen 0. Anwendung des Satzes von der monotonen Kovergenz liefert außerdem 1 2
1 2
lim E(eθWτ − 2 θ τ 1{τ ≤n} ) = E(eθWτ − 2 θ τ 1{τ <∞}).
n→∞
8.2 Sei (W t )t∈[0,T ] Wienerprozeß bzgl. des ¨aquivalenten Martingalmaßes Q und seien h1 , h2 wie in 8.8 definiert. (a) Der faire Preis der Cash-or-Nothing-Option ist gegeben durch EQ (e−ρT c1{AT >K}) = ce−ρT Q(AT > K)
1
2
= ce−ρT Q(A0 eρT eσW T − 2 σ T > K) log AK0 − (ρ − 21 σ 2 )T 1 −ρT √ = ce Q √ W T > T σ T = ce−ρT Φ(h2 (A0 , T, K)).
180
L¨osungen zu Kapitel 8
(b) Es gilt (AT − c)1{AT >K} = (AT − K)+ + (K − c)1{AT >K}. Der faire Preis der Gap-Option ist somit gegeben durch A0 Φ(h1 (A0 , T, K)) − Ke−ρT Φ(h2 (A0 , T, K)) + (K − c)e−ρT Φ(h2 (A0 , T, K)) = A0 Φ(h1 (A0 , T, K)) − ce−ρT Φ(h2 (A0 , T, K)).
8.3 Sei (W t )t∈[0,T ] Wienerprozeß bzgl. des ¨aquivalenten Martingalmaßes Q und seien h1 , h2 wie in 8.8 definiert. Der faire Preis eines Lookback-Calls ist gegeben durch 1
2
EQ (e−ρT (AT − inf At )) = A0 − e−ρT EQ ( inf A0 eρt eσW t − 2 σ t ) 0≤t≤T
0≤t≤T
= A0 (1 − e−ρT EQ ( inf e−σXt )) 0≤t≤T
= A0 (1 − e−ρT EQ (e−σMT )), wobei (Xt )t∈[0,T ] bzgl. Q ein Wienerprozeß mit Volatilit¨at 1 und Drift a =
ρ σ − 2 σ
ist und MT = sup Xt gesetzt wurde. 0≤t≤T
Die Verteilungsfunktion von MT l¨aßt sich aus 8.11 ablesen, durch Ableiten ergibt sich hieraus die zugeh¨orige (Lebesgue-)Dichte f als x − aT −x − aT 1 1 ) ) + √ e2ax ϕ( √ f (x) = √ ϕ( √ T T T T −x − aT √ f¨ ur alle x ≥ 0 −2ae2ax Φ T und f (x) = 0 f¨ ur x < 0.
181 Es folgt −σMT
EQ (e
) =
∞
e−σx f (x) dx
0
=
0
x 1 x e f (− ) dx σ σ
0
√ 1 x √ ex ϕ(− √ − a T ) dx σ T σ T
−∞
=
−∞
+
0
√ 2a 1 x √ e(1− σ )x ϕ( √ − a T ) dx σ T σ T
0
√ −2a (1− 2a )x x e σ Φ( √ − a T ) dx. σ σ T
−∞
+
−∞
Unter Benutzung von 1 b b b2 1 − (cx + d)2 + bx = − (−cx − d + )2 − d + 2 2 2 c c 2c f¨ ur beliebige b, c, d ∈ R sowie von 1−
a 1 ρ = + 2, σ 2 σ
1−
2a 2ρ = 2 σ σ
l¨aßt sich das erste Integral berechnen als 0
√ x 1 x− 1 (− √ −a T )2 √ dx e 2 σ T σ 2πT
0
√ x a 2 1 2 2a 1 −1( √ )) −σ T (1− σ √ e 2 σ T (1− σ ) e 2 σ T dx σ 2πT
−∞
=
−∞
0
x − σ 2 T (1 − σa ) 1 √ ϕ √ dx σ T σ T −∞ √ 1 2 2a a σ T (1− ) σ Φ(−σ T (1 − )) = e2 σ = eρT Φ(−h1 (A0 , T, A0 )). = e
1 2 σ T (1− 2a ) 2 σ
182
L¨osungen zu Kapitel 8
Durch Ausmultiplizieren der Terme in den jeweiligen Exponenten l¨aßt sich erkennen, daß der Integrand im zweiten Integral mit jenem im ersten Integral u ¨bereinstimmt, somit ist auch das zweite Integral gleich dem oben erhaltenen Ausdruck. F¨ ur das dritte Integral ergibt sich schließlich mit partieller Integration √ 0 − 2a x (1− 2a )x σ σ √ T )−∞ − a e Φ( 1 − 2a T σ σ 0 √ x − 2a 2a σ √ − e(1− σ )x ϕ √ − a T dx 2a σ T (1 − σ ) σ T −∞
=
√ 1 T) Φ(−a σ 1 − 2a 0 x − σ 2 T (1 − σa ) 1 2 1 σ T (1− 2a ) 2 σ ϕ √ √ − e dx σ ) σ T (1 − 2a σ T −∞
√ √ 1 2 1 a 1 σ T (1− 2a ) 2 σ Φ(−σ T (1 − )) σ Φ(−a T ) − σ e 1 − 2a 1 − 2a σ 2 σ = (1 − )(Φ(h2 (A0 , T, A0 )) − eρT Φ(−h1 (A0 , T, A0 ))). 2ρ
=
Einsetzen der erhaltenen Ergebnisse liefert den fairen Preis des Lookback-Calls als % % A0 1 − e−ρT 2eρT Φ(−h1 (A0 , T, A0 )) && σ2 + (1 − ) Φ(h2 (A0 , T, A0 )) − eρT Φ(−h1 (A0 , T, A0 )) 2ρ % = A0 1 − Φ(−h1 (A0 , T, A0 )) − e−ρT Φ(h2 (A0 , T, A0 )) & σ 2 −ρT e Φ(h2 (A0 , T, A0 )) − Φ(−h1 (A0 , T, A0 )) . + 2ρ
8.4 Wir geben im folgenden weitere Typen von Barriere-Call-Optionen und deren faire Preise an. Es sei angemerkt, daß auf diese Weise auch Barriere-Versionen“ ” von anderen Optionstypen wie etwa Put- oder Cash-or-Nothing-Optionen konstruiert und deren faire Preise berechnet werden k¨onnen. Im folgenden seien die Funktionen p, h1 , h2 wie in 8.8 definiert, und wir setzen wie in 8.12 σ ρ 1 A0 A0 a = − , β = log( ), γ = ( )2 . 2 σ σ B B
183 (a) Ein down-and-in europ¨aischer Call mit Laufzeit T , Aus¨ ubungspreis K und Barriere B ist gegeben durch CDI = (AT − K)+ 1{
inf
0≤t≤T
At ≤B} .
Bezeichnet CDO einen down-and-out Call mit entsprechenden Parameterwerten, so gilt also CDI + CDO = (AT − K)+ . Mit 8.7 und 8.12 ergibt sich nun aus No-Arbitrage-Gr¨ unden der faire Preis der Option im Fall A0 > B, K > B als s(CDI ) = p(A0 , T, K) − s(CDO ) e2aβ p(A0 , T, γK). = γ (b) Ein up-and-out europ¨aischer Call mit Laufzeit T , Aus¨ ubungspreis K und Barriere B ist gegeben durch CU O = (AT − K)+ 1{
sup At
0≤t≤T
Wir bestimmen nun den fairen Preis dieser Option im Fall A0 < B, K < B. Sei dazu (W t )t∈[0,T ] ein Wienerprozeß bzgl. Q. F¨ ur jedes x ∈ (0, B] gilt unter Verwendung von 8.11 Q(AT ≤ x, sup At < B) 0≤t≤T
= Q(A0 eσW T +(ρ−
σ2 )T 2
≤ x, sup A0 eσW t +(ρ−
σ2 )t 2
< B)
0≤t≤T
= Q(W T − aT ≤
log( Ax0 ) σ
, sup (W t − at) < 0≤t≤T
log( AB0 ) σ
0 1 log( Ax0 ) + aT 1 log( xA ) + aT B2 √ √ = Φ σ − e−2aβ Φ σ T T A T ≤ x). = Q(AT ≤ x) − e−2aβ Q( γ
˜ durch Wir definieren nun ein endliches Maß Q ! Q(C) = Q(C ∩ { sup At < B}). 0≤t≤T
Die obigen Berechnungen zeigen, daß auf (0, B] gilt !AT = QAT − e−2aβ Q Q
AT γ
.
)
184
L¨osungen zu Kapitel 8 Mit der Festlegung f (x) = e−ρT (x − K)+ erhalten wir damit EQ e−ρT (AT − K)+ 1{ sup At
= =
! AT 1(0,B] f dQ f (AT ) dQ − e−2aβ
{AT ≤B}
{
AT γ
f(
AT ) dQ γ
≤B}
= EQ (e−ρT (AT − K)+ ) − EQ (e−ρT (AT − K)1{AT >B} ) e−2aβ EQ (e−ρT (AT − γK)+ ) − EQ (e−ρT (AT − γK)1{AT >γB} ) . − γ Die in diesem Ausdruck auftretenden Erwartungswerte sind gerade die fairen Preise von europ¨aischen Call-Optionen bzw. Gap-Optionen. Durch Einsetzen der aus 8.7 bzw. Aufgabe 8.2 (b) ablesbaren Formeln ergibt sich schließlich der faire Preis der up-and-out europ¨aischen Call-Option als % s(CU O ) = A0 Φ(h1 (A0 , T, K)) − Φ(h1 (A0 , T, B)) & e2aβ Φ(h1 (A0 , T, γK)) − Φ(h1 (A0 , T, γB)) − γ % −ρT Φ(h2 (A0 , T, K)) − Φ(h2 (A0 , T, B)) − Ke & 2aβ Φ(h2 (A0 , T, γK)) − Φ(h2 (A0 , T, γB)) . −e (c) Ein up-and-in europ¨aischer Call mit Laufzeit T , Aus¨ ubungspreis K und Barriere B ist gegeben durch CU I = (AT − K)+ 1{
sup At ≥B} .
0≤t≤T
Unter Benutzung von CU O + CU I = (AT − K)+ und von Aufgabenteil (b) erhalten wir analog zur Argumentation in Aufgabenteil (a) den fairen Preis
185
8.5
dieser Option im Falle A0 < B, K < B als % s(CU I ) = A0 Φ(h1 (A0 , T, B)) & e2aβ Φ(h1 (A0 , T, γK)) − Φ(h1 (A0 , T, γB)) + γ % −ρT Φ(h2 (A0 , T, B)) − Ke & 2aβ +e Φ(h2 (A0 , T, γK)) − Φ(h2 (A0 , T, γB)) .
Wir approximieren das zugrundeliegende Black-Scholes-Modell durch ein CoxRoss-Rubinstein-Modell, vgl. 8.3. Zur Berechnung eines N¨aherungswertes f¨ ur den Preis einer amerikanischen Put-Option k¨onnen wir somit z.B. den Algorithmus aus Aufgabe 4.3 verwenden. Dabei haben wir ein geeignet großes n ∈ N zu w¨ahlen, und die weiteren im Algorithmus auftretenden Parameter k¨onnen in Abh¨angigkeit von den Parametern des zugrundegelegten Black-Scholes-Modells festgesetzt werden durch √T 1 u = eσ n , d = , u $ ρ σ 1 T 1 1+( − ) , α= . q = 2 σ 2 n 1 + ρT n 8.6 (a) F¨ ur jedes α > 0 gilt (Mα (t))t∈[0,∞) Martingal ⇐⇒ E(Mα (t)|Fs ) = Mα (s) f¨ ur alle t > s ≥ 0 1
⇐⇒ E(e−ρ(1+α)(t−s) e−ασ(Wt −Ws )+ 2 ασ
2 (t−s)
) = 1 f¨ ur alle t > s ≥ 0
(−ρ(1+α)+ 12 ασ2 + 21 α2 σ2 )r −ασWr − 21 α2 σ2 r
⇐⇒ E(e
e
1 1 ⇐⇒ −ρ(1 + α) + ασ 2 + α2 σ 2 = 0 2$ 2 1 ρ 1 2ρ ρ + ( 2 − )2 . ⇐⇒ α = 2 − + σ 2 σ2 σ 2
) = 1 f¨ ur alle r ≥ 0
(b) Es gilt h(0) = 0 und h(x) = 0 f¨ ur x ≥ K. Auf (0, K) ist h differenzierbar mit h′ (x) = xα−1 (αK − (1 + α)x)
f¨ ur alle x ∈ (0, K). Die eindeutig bestimmte Nullstelle dieser Ableitung ist α m = K 1+α , Berechnung der zweiten Ableitung zeigt, daß m tats¨achlich ein lokales Maximum und somit auch das globale Maximum von h ist.
186
L¨osungen zu Kapitel 9
(c) Aus den Berechnungen in Aufgabenteil (a) l¨aßt sich leicht die Darstellung 1
2 σ2 t
Mα (t) = e−ασWt − 2 α
ablesen. Hieraus folgt mit dem Gesetz der großen Zahlen f¨ ur den Wienerprozeß sofort lim Mα (t) = 0 P -f.s.
t→∞
Außerdem gilt offensichtlich lim e−ρt (K − At )+ = 0 P -f.s.
t→∞
Sei τ ∈ S. Wir setzen aufgrund obiger Konvergenzaussagen e−ρτ (K − Aτ )+ = 0 auf {τ = ∞} und Mα (τ ) = 0 auf {τ = ∞}. Nun ist E(e−ρτ (K − Aτ )+ ) = E(Mα (τ )h(Aτ )1{τ <∞} ) α α α )(K ) . ≤ E(Mα (τ ))(K − K 1+α 1+α Dabei gilt mit dem Lemma von Fatou E(Mα (τ )) = E( lim Mα (τ ∧ n)) ≤ lim inf E(Mα (τ ∧ n)) = 1, n→∞
n→∞
womit die Behauptung gezeigt ist. (d) Man beachte zun¨achst, daß f¨ ur alle n ∈ N gilt Mα (τ ∗ ∧ n) ≤ (K
α −α ) . 1+α
Unter Anwendung des Satzes von Lebesgue ergibt sich nun E(Mα (τ ∗ )) = lim E(Mα (τ ∗ ∧ n)) = 1, n→∞
und es folgt sofort, daß in den Berechnungen von Aufgabenteil (c) u ¨berall die Gleichheit gilt.
187
L¨ osungen zu Kapitel 9 9.1 Offensichtlich gen¨ ugt es, R ⊆ O zu zeigen. Sei R ∈ R. Wir betrachten zun¨achst den Fall, daß R = {0} × F0 mit F0 ∈ F0 ist. Wir definieren eine Stopzeit τ durch 0, falls ω ∈ F0 , τ (ω) = ∞, falls ω ∈ / F0 . F¨ ur jedes n ∈ N ist [τ, n1 ) = [τ, ∞) \ [ n1 , ∞) ∈ O, und es gilt %
τ,
n∈N
% 1 " # 1 " = r, ω : ω ∈ F0 , r ∈ 0, f¨ ur alle n ∈ N} = 0 × F0 = R. n n
Wir betrachten nun den Fall, daß R = (s, t] × Fs mit 0 ≤ s < t und Fs ∈ Fs ist. Wir definieren Stopzeiten (τn )n∈N durch s + n1 , falls ω ∈ Fs , τn (ω) = ∞, falls ω ∈ / Fs . F¨ ur alle k, n ∈ N ist [τn , t + k1 ) = [τn , ∞) \ [t + k1 , ∞) ∈ O, und es gilt
1 1 1 {(r, ω) : ω ∈ Fs , r ∈ [s + , t + )} [τn , t + ) = k n k n∈N k∈N k∈N
n∈N
= (s, t] × Fs = R.
9.2 Offensichtlich sind die in der L¨osung zu Aufgabe 9.1 definierten Stopzeiten τ und τn previsibel, somit gilt P ⊆ σ({[τ, ∞) : τ previsible Stopzeit}). Es verbleibt [τ, ∞) ∈ P f¨ ur jede previsible Stopzeit τ zu zeigen. Es sei dazu (τn )n∈N eine monoton wachsende Folge von Stopzeiten mit lim τn = τ und τn |{τ >0} < τ |{τ >0} .
n→∞
Gem¨aß 9.3 ist (τn , ∞) = [0, τn ]c ∈ P. Es folgt [τ, ∞) = {(r, ω) : τ (ω) ≤ r} = {(0, ω) : τ (ω) = 0} ∪ {(r, ω) : τn (ω) < r f¨ ur alle n ∈ N} = {0} × {τ = 0} ∪ (τn , ∞) ∈ P. n∈N
188
L¨osungen zu Kapitel 9
9.3 ur jede Stopzeit τ Es ist µW = λ ⊗ P , siehe 9.5. Mit dem Satz von Fubini folgt f¨ µW ([0, τ ]) = λ({t : 0 ≤ t ≤ τ (ω)}) P (dω) = τ (ω) P (dω) = Eτ.
Unter Beachtung von Aufgabe 7.5 (c) folgt nun f¨ ur a < 0 < b µW ([0, τa ∧ τb ]) = E (τa ∧ τb ) = −ab. ur a = 0 k¨onnen wir ohne Einschr¨ankung a < 0 Zur Berechnung von µW ([0, τa ]) f¨ annehmen, da auch (−Wt )t∈[0,∞) ein Wienerprozeß ist. Es gilt f¨ ur alle b > 0 [0, τa ] ⊇ [0, τa ∧ τb ], also µW ([0, τa ]) ≥ sup µW ([0, τa ∧ τb ]) = sup(−ab) = ∞. b>0
b>0
9.4 1
(a) Unter Verwendung des Exponentialmartingals (e2Wt − 2 4t )t∈[0,∞) ergibt sich E(Mt2 |Ft ) = = = =
E(e2Wt −t |Ft ) et E(e2Wt −2t |Ft ) et e2Ws −2s et−s Ms2 .
ur jedes s > 0 stochastisch unabh¨angig (b) Gem¨aß 7.2 ist σ((Wu − Ws )u≥s ) f¨ von Fs . Die Zufallsgr¨oße Mu2 du = e2(Wu −Ws)−(u−s) du Ms2 (s,t]
(s,t]
ist als Riemann-Integral punktweiser Limes von Summen der Form n i=1
e2(Wti −Ws)−(ti −s) (ti − ti−1 ),
s = t0 < t1 < . . . < tn = t, also auch meßbar bzgl. σ((Wu − Ws )u≥s ) und damit stochastisch unabh¨angig von Fs .
189 (c) Mit dem Satz von Fubini und Aufgabenteil (a) gilt E
(s,t]
Mu2 du = Ms2
E
(s,t]
Mu2 Ms2
du =
eu−s du = et−s − 1.
(s,t]
9.5 (a) Sei R = (r, t] × Fr f¨ ur gewisse r < t, Fr ∈ Fr . Dann gilt mit Aufgabe 9.4 µM (R) = E (1Fr (Mt2 − Mr2 )) = E (1Fr (E (Mt2 |Fr ) − Mr2 )) Ms2 ds = E (1Fr Mr2 (et−r − 1)) = E 1Fr Mr2 Mr2 (r,t] = E 1Fr Ms2 ds = E 1(r,t]×Fr Ms2 ds (r,t]
= E
[0,∞)
[0,∞)
1R Ms2 ds .
Da die previsiblen Rechtecke ein ∩-stabiles Erzeugendensystem der previsiblen σ-Algebra bilden, folgt mit dem u ¨ blichen Erweiterungsschluß die Behauptung. (b) Es gilt f¨ ur alle r, t > 0 mit r ≤ t unter Benutzung von Aufgabe 9.4 E Mt2 −
Ms2
t−r
ds|Fr ) = e
Mr2
−
[0,t]
Ms2
ds −
= et−r Mr2 − = Mr2 −
(r,t]
[0,r]
Mr2 E
Ms2 ds) Mr2
Ms2 ds − Mr2 (et−r − 1)
[0,r]
Ms2 ds.
[0,r]
9.6 Man beachte zun¨achst, daß f¨ ur festes r ∈ [0, ∞) gilt 1(r,t] Wr dW = Wr (Wt − Wr ).
190
L¨osungen zu Kapitel 9
Dies kann wie folgt eingesehen werden. Ist h eine Linearkombination von Indikatorfunktionen Fr -meßbarer Mengen, so gilt h1(r,t] dW = h · (Wt − Wr ) gem¨aß der pfadweisen Definition des stochastischen Integrals, siehe 9.6. Sei nun (hn )n∈N eine Folge solcher Funktionen mit hn → Wr in L2 . Dann gilt 1(r,t] (hn − Wr )2 dµW = E(hn − Wr )2 (t − r) −→ 0 f¨ ur n → ∞. Mit der Isometrieeigenschaft folgt hn · (Wt − Wr ) = 1(r,t] hn dW −→ 1(r,t] Wr dW in L2 f¨ ur n → ∞. Andererseits gilt aber E(hn · (Wt − Wr ) − Wr (Wt − Wr ))2 = E((hn − Wr )2 (Wt − Wr )2 ) = E(hn − Wr )2 E(Wt − Wr )2 und folglich hn · (Wt − Wr ) −→ Wr (Wt − Wr ) in L2 f¨ ur n → ∞. Somit haben wir die gew¨ unschte Gleichheit nachgewiesen. S der Form Wir betrachten nun einen Prozeß ∼ S(t, ω) =
n
1(ti−1 ,ti ] (t)Wti−1 (ω)
i=1
mit 0 = t0 < t1 < . . . < tn = t. Dann gilt
2
(S − W 1[0,t] ) dµW = =
n i=1
1 2
(ti−1 ,ti ] n i=1
2
E(Wti−1 − Ws ) ds =
(ti − ti−1 )2 ≤
n i=1
(s − ti−1 ) ds
(ti−1 ,ti ]
1 t max (ti − ti−1 ). 2 i=1,...,n
Betrachten wir nun eine Folge von Zerlegungen 0 = tn0 < tn1 < . . . < tnn = t mit maxi=1,...,n (ti − ti−1 ) → 0, so folgt mit den zugeh¨origen Prozessen Sn ∼ (Sn − W 1[0,t] )2 dµW → 0,
191 also mit der Isometrieeigenschaft in L2 n i=1
Wtni−1 (Wtni − Wtni−1 ) =
Sn dW →
1[0,t] W dW.
Wir schreiben nun f¨ ur eine Zerlegung Wt2
=
n
(Wt2i
i=1
−
Wt2i−1 )
=
n i=1
2
(Wti − Wti−1 ) + 2
n i=1
Wti−1 (Wti − Wti−1 ).
Dabei gilt E V ar
n
i=1 n i=1
(Wti − Wti−1 )2 (Wti − Wti−1 )
2
= t, =
n i=1
=
n i=1
=
n i=1
V ar (Wti − Wti−1 )2 V ar (ti − ti−1 )W12
(ti − ti−1 )2 (E(W14 ) − E(W12 )2 ).
F¨ ur eine Zerlegungsfolge wie oben folgt damit n i=1
(Wtni − Wtni−1 )2 → t in L2 ,
und insgesamt ergibt sich die Behauptung.
L¨ osungen zu Kapitel 10 10.1 und sei (σm )m∈N eine zugeh¨orige lokalisieSei zun¨achst M ∼ ein lokalesτ Martingalσm σm M M )τ gem¨aß Aufgabe 6.1 (c) ein Martingal rende Folge. Dann ist ( ) = ( ∼ ∼ τn f¨ ur jede Stopzeit τ und jedes m ∈ N. Insbesondere ist also M f¨ ur jedes n ∈ N ∼ ein lokales Martingal mit lokalisierender Folge (σm )m∈N . τn n ur jedes n und seien (σm )m∈N zugeh¨orige lokaSei nun M ein lokales Martingal f¨ ∼ n lisierende Folgen. F¨ ur jedes n ∈ N finden wir wegen limm→∞ σm = ∞ ein kn ∈ N mit P (σknn < n) ≤ 2−n .
192
L¨osungen zu Kapitel 10
Das Lemma von Borel-Cantelli liefert ur fast alle n ∈ N) = 1. P (σknn ≥ n f¨ ur n → ∞ P -fast sicher und folglich erf¨ ullen die Somit gilt τn′ = σknn ∧ τn → ∞ f¨ ′ Stopzeiten τn′′ = inf m≥n τm τn′′ ↑ ∞ f¨ ur n → ∞ P -fast sicher. τ ′′
τ′
′′
n M n τn ur jedes n ein Mit Aufgabe 6.1 (c) ergibt sich außerdem, daß M ∼ = ( ∼ ) f¨ ′′ Martingal ist. Also ist M ∼ ein lokales Martingal mit lokalisierender Folge (τn )n∈N .
10.2
Unter Beachtung von
h1(σ,τ ] dM =
[0,t]
gen¨ ugt es, die Gleichheit
h1(σ∧t,τ ∧t] dM
h1(σ,τ ] dM = h · (Mτ − Mσ )
f¨ ur alle beschr¨ankten Stopzeiten σ, τ mit σ ≤ τ nachzuweisen. Ist σ konstant, so folgt die gew¨ unschte Gleichheit sofort aus 10.4. Hat σ endlichen Wertebereich, d.h. σ =
n i=1
si 1{σ=si }
f¨ ur gewisse 0 ≤ s1 < . . . < sn < ∞, so gilt unter Beachtung der Fsi -Meßbarkeit von h1{σ=si } und Anwendung des f¨ ur konstantes σ erhaltenen Resultats
h1(σ,τ ] dM =
n i=1
=
n i=1
h1{σ=si } 1(si ,τ ] dM
h1{σ=si } (Mτ − Msi )
= h · (Mτ − Mσ ). Wir zeigen die Aussage nun f¨ ur beliebige beschr¨ankte σ ≤ τ . F¨ ur n ∈ N sei dazu σn = inf{k2−n : σ < k2−n }.
193 ur jedes n Stopzeit mit endlichem Wertebereich, also gilt mit σn ∨τ = Dann ist σn f¨ max{σn , τ } h1(σn ,σn ∨τ ] dM = h · (Mσn ∨τ − Mσn ) → h · (Mτ − Mσ ) P -f.s. Andererseits ergibt sich mit dem Satz von Lebesgue h1(σn ,σn ∨τn ] → h1(σ,τ ] in L2 und somit aufgrund der Isometrieeigenschaft h1(σn ,σn ∨τn ] dM → h1(σ,τ ] dM in L2 . Da sowohl aus L2 -Konvergenz als auch aus fast sicherer Konvergenz insbesondere Konvergenz in Wahrscheinlichkeit folgt, ist die Behauptung bewiesen. 10.3 Seien (σn )n∈N , (ρn )n∈N lokalisierende Folgen von Stopzeiten so, daß X σn ein be∼ schr¨ankter Prozeß und M∼ρn ein rechtsseitig-stetiges L2 -Martingal f¨ ur jedes n ∈ N ist. Wir setzen τn = σn ∧ ρn ∧ n f¨ ur alle n ∈ N. Dann ist (τn )n∈N gemeinsame lokalisierende Folge. Mit cn = sup |Xt (ω)| < ∞ ω, t≤τn
gilt
1[0,τn ] X 2 dµM τn ≤ c2n
1[0,τn ] dµM τn
= c2n µM τn ([0, τn ]) = c2n E( (Mττnn )2 − (M0τn )2 < ∞,
also X ∼ ∈ L(M). 10.4 2 F¨ ur alle t ∈ [0, ∞) gilt Mt2 = lim Mt∧τ und somit gem¨aß 6.3 unter Benutzung n n→∞ der vorausgesetzten gleichgradigen Integrierbarkeit auch
E(|Mτ2n ∧t − Mt2 |) −→ 0 f¨ ur n → ∞.
194
L¨osungen zu Kapitel 11
Damit ist M ein L2 -Prozeß, denn ∼
2 2 E Mt2 = lim E Mt∧τ ≤ sup E Mt∧τ < ∞. n n n→∞
n∈N
Die Jensensche Ungleichung zeigt, daß mit (Mτ2n ∧t )n auch (Mτn ∧t )n gleichgradig integrierbar ist, also gilt f¨ ur jedes meßbare A |E1A Mt − E1A Mτn ∧t |
≤ E|Mt − Mτn ∧t | −→ 0 f¨ ur n → ∞.
Wir zeigen nun die Martingaleigenschaft von M . Seien dazu 0 ≤ s < t und ∼ A ∈ Fs . Mit der Martingaleigenschaft von M τn f¨ ur jedes n ergibt sich ∼ E (1A Mt ) = lim E (1A Mt∧τn ) = lim E (1A Ms∧τn ) = E (1A Ms ). n→∞
n→∞
10.5 Seien (τn )n∈N , (Y n )n∈N und Y wie in 10.7 und (σn )n∈N eine weitere lokalisierende ∼ ∼ Folge mit entsprechend definierten Prozessen (Z n )n∈N und Z . ∼ ∼ Wir k¨onnen ohne Einsch¨ankung σn ≤ τn annehmen, da wir gegebenenfalls zu (σn ∧ τn )n∈N u ¨bergehen und die fast sichere Gleichheit des hieraus resultierenden Prozesses mit den aus (σn )n∈N und (τn )n∈N resultierenden nachweisen k¨onnten. Sei t ∈ [0, ∞). Das Lokalisationslemma liefert f¨ ur gegebenes n ∈ N Ztn = 1[0,σn ] XdM τn , [0,t]
unter Beachtung von 10.4 folgt hieraus n Ztn (ω) = Yt∧σ (ω) n
f¨ ur fast alle ω ∈ Ω. Mit Durchschnittsbildung erhalten wir nun eine Menge Bt mit P (Bt ) = 1 und n Ztn (ω) = Yt∧σ (ω) n f¨ ur alle n ∈ N, ω ∈ Bt . Es folgt n (ω) = lim Ytn (ω) = Yt (ω) Zt (ω) = lim Ztn (ω) = lim Yt∧σ n n→∞
n→∞
n→∞
f¨ ur alle ω ∈ Bt . Da die Prozesse Y , Z gem¨aß 10.3 rechtsseitig stetig sind, folgt ∼ ∼ ' Bq das gew¨ unschte Resultat durch Betrachtung von q∈Q
ur alle t ∈ [0, ∞)) = 1. P (Yt = Zt f¨
195
L¨ osungen zu Kapitel 11 11.1 ur t ∈ [0, ∞). Wegen [W ]t = t gilt Sei Mt = Wt2 − t f¨ Mt = Wt2 − t = 2 Ws dWs . [0,t]
Mit 11.5 und dem Satz von Fubini folgt 2 [M]t = 4 Ws ds und E[M]t = 4 s ds = 2t2 . [0,t]
[0,t]
Nun ergibt sich unter Beachtung von 11.4 E Wt4 = E (Wt2 − t)2 + 2E (t Wt2) − t2 = E Mt2 + t2 = E [M]t + t2 = 2 t2 + t2 = 3t2 . 11.2 Unter Beachtung von 11.4 ergibt sich 1[0,τ ] d [M] = E [M]τ < ∞ 1[0,τ ] dµM = µM ([0, τ ]) = E und somit 1[0,τ ] ∈ L2 (M). Es folgt mit 10.2 EMτ = E 1[0,τ ] dM = 0 und mit der Isometrieeigenschaft 2 2 EMτ = E ( 1[0,τ ] dM) = 1[0,τ ] dµM = E [M]τ . 11.3 (a) Sei (Ft )t∈[0,∞) die zugrundeliegende Filtration. F¨ ur alle 0 ≤ q < r ≤ s < t gilt E (Mt − Ms )(Mr − Mq ) = E ((Mr − Mq ) E (Mt − Ms |Fs )) = 0. Die Zuw¨achse (Mt −Ms ) und (Mr −Mq ) sind also unkorreliert und somit sind aufgrund der vorausgesetzten Gaußverteilung s¨amtliche Zuw¨achse Mt1 − ur 0 ≤ t0 < t1 < . . . < tn stochastisch unabh¨angig. Mt0 , . . . , Mtn − Mtn−1 f¨
196
L¨osungen zu Kapitel 11
(b) Wir zeigen, daß f¨ ur alle t ∈ [0, ∞) gilt [M]t = EMt2 . ¨ Durch Ubergang zu Mt − M0 k¨onnen wir ohne Einschr¨ankung M0 = 0 annehmen. Zun¨achst beachten wir, daß g(t) = EMt2 als Abbildung in t stetig ist. Dies folgt aus der Pfadstetigkeit mit dem Satz von der dominierten Konvergenz und der Doobschen Ungleichung 6.6. Sei nun 0 = t0 < t1 < . . . < tn = t eine Zerlegung. Mit Aufgabenteil (a) folgt n n EMt2j − EMt2j−1 E (Mtj − Mtj−1 )2 = j=1
j=1
= g(t).
Mit einer N(0, 1)-verteilten Zufallsgr¨oße Y ergibt sich unter Beachtung von Aufgabenteil (a), V ar(Mtj − Mtj−1 ) = g(tj ) − g(tj−1) und EY 4 = 3 V ar
n j=1
= =
n
j=1 n
V ar
(Mtj − Mtj−1 )2 (
g(tj ) − g(tj−1) Y
2
3(g(tj ) − g(tj−1))2 − (g(tj ) − g(tj−1))2
j=1 n
= 2
j=1
2 g(tj ) − g(tj−1 ) .
Betrachten wir eine Zerlegungsfolge 0 = tn0 < tn1 < . . . < tnn = t mit maxi=1,...,n (tni − tni−1 ) → 0, so folgt V ar
n j=1
n→∞
(Mtj − Mtj−1 )2 ≤ 2 max |g(tj ) − g(tj−1 )| g(t) −→ 0, i=1,...,n
da g stetig ist. Dies zeigt n j=1
(Mtj − Mtj−1 )2 −→ g(t) in L2 f¨ ur n → ∞,
mit 11.1 also g(t) = [M]t .
197 11.4 (a) Die Itˆo-Formel liefert f¨ ur jedes t ∈ [0, ∞) die Semimartingaldarstellung f (t)Wt = f (s) d Ws + f ′ (s) Ws ds. [0,t]
[0,t]
(b) Mit 11.5 bzw. 11.11 ergibt sich % & f (s)2 ds, f dW t = % W,
Da W und (
[0,t]
f dW
&
t
=
f (s) ds.
[0,t]
f (s) d Ws )t∈[0,∞) stetige L2 -Martingale sind, folgt unter Be-
[0,t]
achtung von Aufgabenteil (a), 11.4 und 11.11 ′ 2 2 E( f (s) Ws ds) = E (f (T ) WT ) − 2f (T ) E WT f (s)d Ws [0,T ]
+E (
[0,T ]
f (s) d Ws)2
[0,T ]
= f (T )2 T − 2f (T )
f (s) ds +
[0,T ]
f (s)2 ds.
[0,T ]
(c) Wir betrachten in Aufgabenteil (b) den Spezialfall f (s) = s und erhalten 1 2 3 Ws ds) = T − 2T s ds + s2 ds = T 3 . E( 3 [0,T ]
[0,T ]
[0,T ]
11.5 Ohne Einschr¨ankung sei N0 = 0. F¨ ur jedes θ ist E(θN ) ein lokales Martingal ≥ 0, also ein Supermartingal mit E(θN )0 = 1. F¨ ur t ≤ T sei Zt = sup Ns . s≤t
198
L¨osungen zu Kapitel 11
Wir beachten nun, daß f¨ ur jedes positive Supermartingal (Xt )t∈[0,T ] die Doobsche Ungleichung 6.6 (i) in der Form 1 P (sup Xs > γ) ≤ E(X0 ) γ s≤t f¨ ur alle γ > 0 gilt, wie durch zeitliche Diskretisierung und Anwendung der Doobschen Zerlegung leicht einzusehen ist. Damit ergibt sich f¨ ur y > 0 P (Zt > y) ≤ P (sup E(θN )s > eθy −
θ2 K 2
)
s≤t
θ2
≤ e−θy+ 2 K . Mit θ =
y K
y2
folgt P (Zt > y) ≤ e− 2K . Damit erhalten wir P (eZt > z) dz EeZt = [0,∞)
= 1+
ez P (Zt > z) dz
[0,∞)
≤ 1+
z2
ez e− 2K dz
[0,∞)
< ∞
und damit
E sup E(N)s ≤ EeZt < ∞. s≤t
Da f¨ ur eine lokalisierende Folge (τn )n∈N und 0 ≤ s < t ≤ T gilt E(E(N)t∧τn |Fs ) = E(N)s∧τn ,
ergibt sich nun mit dem Satz von der dominierten Konvergenz f¨ ur bedingte Erwartungswerte E(E(N)t |Fs ) = E(N)s . Also ist E(N) ein Martingal. 11.6 ¨ Durch Ubergang zu Mt′ = Mt+a − Ma k¨onnen wir ohne Einschr¨ankung a = 0 und M0 = 0 voraussetzen. Des weiteren k¨onnen wir durch Lokalisation ohne Einschr¨ankung davon ausgehen, daß M ∼ ein beschr¨anktes Martingal ist. Es seien {Mt = 0}, A = {M ist konstant auf [0, b]} = ∼ t∈Q∩[0,b]
B = {[M] ist konstant auf [0, b]} = {[M]b = 0}.
199 ugt der Nachweis von Zu zeigen ist P ((A ∩ B) ∪ (Ac ∩ B c )) = 1, d.h. es gen¨ P (A ∩ B c ) = 0 und P (Ac ∩ B) = 0. Sei (Znb )n regul¨are Zerlegungsfolge. Es gilt 0 = 1A
k n −1 j=0
(Mtnj+1 − Mtnj )2 −→ 1A [M]b f¨ ur n → ∞ in Wahrscheinlichkeit,
also 1A [M]b = 0, und somit ist die erste der gew¨ unschten Gleichheiten bewiesen. Zum Nachweis der zweiten Gleichheit sei zun¨achst ein festes t ∈ [0, b] gegeben. Mit 11.4 ergibt sich µM ([0, t] × B) = E(
1[0,t]×B d[M]) = E(1B [M]t ) = 0.
Mit der Isometrieeigenschaft folgt E(1B Mt2 )
= E(
2
1[0,t]×B dM) =
1[0,t]×B dµM = 0,
also P ({Mt = 0} ∩ B) = 0. Insgesamt erhalten wir also P (Ac ∩ B) = P (
({Mt = 0} ∩ B)) = 0.
t∈Q∩[0,b]
L¨ osungen zu Kapitel 12 12.1 F¨ ur alle t ∈ [0, T ) gilt % e−ρt Vt = e−ρt At Φ(h1 (At , T − t, K)) − Ke−ρ(T −t) Φ(h2 (At , T − t, K)) & −At Φ(h1 (At , T − t, K)) = −Ke−ρT Φ(h2 (At , T − t, K)) log( At ) + (ρ − 1 σ 2 )(T − t) K √ 2 = −Ke−ρT Φ σ T −t = −Ke−ρT Q(AT > K|Ft ),
was die Martingaleigenschaft von (e−ρt Vt )t∈[0,T ] zeigt.
200
L¨osungen zu Kapitel 12
12.2 Der faire Preis des Claims zum Zeitpunkt t ∈ [0, T ] ist gegeben durch f (At , t) = EQ (e−ρ(T −t) AαT |Ft )
1
= EQ (e−ρ(T −t) Aαt eα(ρ− 2 σ 1
= e−ρ(T −t)+α(ρ− 2 σ
2 )(T −t)
eασ(W T −W t ) |Ft )
2 )(T −t)+ 1 α2 σ 2 (T −t) 2
−(1−α)( 12 ασ2 +ρ)(T −t)
= e
1
2 σ 2 (T −t)
Aαt EQ (eασ(W T −W t )− 2 α
Aαt .
|Ft )
Zur Bestimmung des Hedges berechnen wir zun¨achst 1
fx (At , t) = αe−(1−α)( 2 ασ
2 +ρ)(T −t)
Aα−1 t
und erhalten somit gem¨aß 12.13 den Hedge (gt , ht )t∈[0,T ] mit 1
gt = e−ρt (e−(1−α)( 2 ασ
2 +ρ)(T −t)
1
= (1 − α)e−(1−α)( 2 ασ 1
ht = αe−(1−α)( 2 ασ
1
Aαt − α At e−(1−α)( 2 ασ
2 +ρ)(T −t)−ρt
2 +ρ)(T −t)
2 +ρ)(T −t)
) Aα−1 t
Aαt ,
Aα−1 . t
12.3 τ
n (a) Sei (τn )n∈N lokalisierende Folge. Es gen¨ ugt zu zeigen, daß M ∼ eine Version mit stetigen Pfaden besitzt. Ohne Einschr¨ankung k¨onnen wir also annehmen, daß M ein Martingal ist. Ferner gen¨ ugt es zu zeigen, daß (Mt )t∈[0,T ] ∼ f¨ ur jedes T > 0 eine Version mit stetigen Pfaden besitzt. Sei f = MT ; also ist f integrierbar und Mt = E(f |Ft), t ≤ T . Wir w¨ahlen eine Folge von beschr¨ankten, FT -meßbaren fn mit E|fn −f | → 0 f¨ ur n → ∞. Sei Mtn = E(fn |Ft )
f¨ ur t ≤ T . Gem¨aß 12.9 besitzt (Mtn )t∈[0,T ] eine Version (Ztn )t∈[0,T ] mit stetigen Pfaden. Es gilt f¨ ur jedes t ∈ [0, T ] E|Mtn − Mt | → 0 f¨ ur n → ∞. Die Doobsche Ungleichung zeigt P ( sup |Ztk − Ztj | ≥ t∈[0,T ]
1 ) ≤ 22m E|fk − fj |. 2m
Wegen E|fn − f | → 0 f¨ ur n → ∞ existieren k1 < k2 < . . . mit der Eigenschaft 1 E|fkm+1 − fkm | ≤ 3m . 2
201 Damit folgt k
P ( sup |Zt m+1 − Ztkm | ≥ t∈[0,T ]
also
∞
m=1
1 1 )< m, 2m 2 1 ) < ∞. 2m
k
P ( sup |Zt m+1 − Ztkm | ≥ t∈[0,T ]
Anwendung des Borel-Cantelli-Lemmas liefert k
P (lim sup{ω : sup |Zt m+1 (ω) − Ztkm (ω)| ≥ m
t∈[0,T ]
1 }) = 0. 2m
Bezeichnen wir mit Ω0 das Komplement dieses mengentheoretischen lim sup, so gilt P (Ω0 ) = 1 und k
Ω0 = {ω : sup |Zt m+1 (ω) − Ztkm (ω)| < t∈[0,T ]
1 f¨ ur fast alle m}. 2m
Sei ω ∈ Ω0 . Dann ist (Ztkm (ω))t∈[0,T ] eine Cauchy-Folge bzgl. der Supremumsnorm. Also existiert f¨ ur jedes t Zt (ω) = lim Ztkm (ω), m→∞
und es liegt gleichm¨aßige Konvergenz vor: sup |Ztkm (ω) − Zt (ω)| → 0.
t∈[0,T ]
Da bei gleichm¨aßiger Konvergenz die Stetigkeit erhalten bleibt, ist die Abbildung t → Zt (ω) stetig. Definieren wir ferner z.B. Zt (ω) = 0 f¨ ur ω ∈ Ωc0 , so ist (Zt )t∈[0,T ] die gew¨ unschte stetige Version von (Mt )t∈[0,T ] . (b) Gem¨aß Aufgabenteil (a) k¨onnen wir M als stetig annehmen. Also ist M ∼ ∼ ur alle n. lokales L2 -Martingal. Sei (τn )n∈N lokalisierende Folge mit τn ≤ n f¨ τn unschten Wir zeigen zun¨achst, daß jedes M eine Darstellung in der gew¨ ∼ Form besitzt. Mit fn = Mτn gilt Mtτn = E(fn |Ft ),
n
2 ur ein geeignetes Y wobei fn ∈ L2 . Mit 12.10 erhalten wir f¨ ∼ ∈L Mtτn = E(fn |Ft ) = Efn + Y n dW
= EM0 +
[0,t]
[0,t]
Y n dW.
202
L¨osungen zu Kapitel 12 ur alle n. Ferner ist f¨ ur m ≤ n Dabei gilt Efn = EM0 f¨ Mττmn = EM0 + Y m dW = EM0 + Y n dW, [0,τm ]
also
[0,τm ]
(Y m − Y n ) dW = 0.
[0,τm ]
Die Isometrieeigenschaft liefert nun Y m = Y n auf [0, τm ] µW -fast-sicher. Definieren wir mit τ0 = 0 1(τn−1 ,τn ] Y n , Y = n∈N
so gilt wie gew¨ unscht Mt = EM0 +
Y dW.
[0,t]
12.4 Mit wiederholter Anwendung der Itˆo-Formel ergibt sich dVt∗ = = = = =
e−ρt dVt + Vt de−ρt e−ρt (gt deρt + ht dAt ) + (gt eρt + ht At ) de−ρt ˆ t ) − ρgt dt − ρht At e−ρt dt ρgt dt + e−ρt ht (ρAt dt + σAt dW ˆt ht σ e−ρt At dW ˆ t. Vt∗ πt σ dW
12.5 Sei M = {Y : Y FT -meßbare Zufallsgr¨oße, Y > 0, E (log Y )− < ∞}. Wir k¨onnen ohne Einschr¨ankung von der restriktiveren Nebenbedingung EQ e−ρT Y = x ausgehen, da Y im Falle <“ z.B. um eine deterministische Komponente erh¨oht ” werden k¨onnte. Wir erhalten nun die Lagrange-Funktion L : M × R → R, (Y, λ) → E(log Y ) + λ(x − EQ e−ρT Y ) = λx + (log(Y ) − λe−ρT LT Y )dP.
203 Wir maximieren zun¨achst L(·, λ) in Y f¨ ur gegebenes λ = 0. Zur punktweisen Maximierung des Integranden erhalten wir durch Nullsetzen der Ableitung die Bedingung erster Ordnung 1 1 eρT −ρT ∗ = λe . L (ω) ⇐⇒ Y (ω) = T λ Yλ∗ (ω) λ LT (ω) Da der Integrand konkav in Y (ω) ist, ist die so definierte Zufallsgr¨oße Yλ∗ eine globale Maximalstelle von L(·, λ). ugt genau dann der Nebenbedingung, wenn gilt Yλ∗ gen¨ 1 1 −ρT ∗ dP = . x = e LT Yλ dP = λ λ Hieraus folgt sofort, daß
x LT L¨osung des gestellten Maximierungsproblems ist. Y 1∗ = eρT x
12.6 Der faire Preis zum Zeitpunkt t des in Aufgabe 12.5 ermittelten Claims ergibt sich unter Benutzung der Martingaleigenschaft von ( L1t )t∈[0,T ] bzgl. Q als Ct = EQ (e−ρ(T −t) C | Ft ) = x
µ−ρ 1 µ−ρ 2 eρt = xe(ρ+ 2 ( σ ) )t+( σ )Wt . Lt
Es ergibt sich also µ−ρ 1 µ−ρ 2 1 µ−ρ 2 ( ) ) dt + dWt + ( ) dt) 2 σ σ 2 σ µ−ρ 2 µ−ρ = Ct ((ρ + ( ) ) dt + dWt ). σ σ
dCt = Ct ((ρ +
Gem¨aß 12.10 finden wir einen Martingalhedge (gt , ht )t∈[0,T ] zu C. Es ist einerseits gt dRt + ht dAt = gt ρeρt dt + ht µAt dt + ht σAt dWt , andererseits gilt gt dRt + ht dAt = dCt und somit ergibt sich durch Vergleich der dW “-Koeffizienten ” t Ct µ − ρ ht = · . At σ2 gt l¨aßt sich nun durch Vergleich der dt“-Koeffizienten oder alternativ unter Ver” wendung der Gleichheit gt Rt + ht At = Ct berechnen, es ergibt sich gt = e−ρt Ct (1 −
µ−ρ ). σ2
204
L¨osungen zu Kapitel 13
12.7 F¨ ur jedes H ∈ Hx ist V (H)T FT -meßbar, es gilt V (H)T > 0 und EQ e−ρT V (H)T = V0 (H) ≤ x. Somit folgt die Behauptung aus den Aufgaben 12.5 und 12.6. Die optimale Handelsstrategie besteht also darin, den in die Aktie investierten Anteil des Gesamtverm¨ogens konstant gleich µ−ρ zu halten. σ2
L¨ osungen zu Kapitel 13 13.1 Zu einem gegebenen Startwert Y0 = (ξ1 , ξ2) ist der Prozeß Y = (Y 1 , Y 2 ) mit ∼ ∼ ∼ Yt1 = ξ1 cos Wt − ξ2 sin Wt , Yt2 = ξ1 sin Wt + ξ2 cos Wt die eindeutig bestimmte L¨osung der angegebenen stochastischen Differentialgleichung, denn die Itˆo-Formel liefert dYt1 = (−ξ1 sin Wt − ξ2 cos Wt ) dWt + dYt2 = (ξ1 cos Wt − ξ2 sin Wt ) dWt + Es gilt f¨ ur alle t ∈ [0, ∞)
1 (−ξ1 cos Wt + ξ2 sin Wt ) dt, 2
1 (−ξ1 sin Wt − ξ2 cos Wt ) dt. 2
|Yt |2 = ξ12 + ξ22 .
Liegt der Startwert des Prozesses auf dem Einheitskreis, so bewegt sich also auch der gesamte Prozeß auf diesem, was die Bezeichnung Wienerprozeß auf dem ” Einheitskreis“ begr¨ undet. 13.2 Der Aktienkurs im angegebenen Modell wird beschrieben durch die Gleichung dAt = µ(t)At dt + σ(t)At dWt . Gem¨aß 13.10, 13.11 wird durch die Festsetzung dQ 1 µ(s) − r(s) µ(s) − r(s) 2 = exp( dWs − ) ds) − ( dP σ(s) 2 σ(s) [0,T ]
[0,T ]
205 ˆ mit ein a¨quivalentes Martingalmaß Q definiert, und W ∼ µ(s) − r(s) ˆ Wt = Wt + ds σ(s) [0,t]
ist ein Wienerprozeß bez¨ uglich Q. Der Aktienkurs gen¨ ugt der Gleichung ˆ t. dAt = r(t)At dt + σ(t)At dW Es ist log(
AT )= A0
ˆs − σ(s) dW
1 2
[0,T ]
σ(s)2 ds +
[0,T ]
r(s) ds,
[0,T ]
also besitzt diese Zufallsgr¨oße bzgl. Q eine N(̺(T ) − 21 s2 (T ), s2(T ))-Verteilung mit r(s) ds, s2 (T ) = ̺(T ) = σ(s)2 ds, [0,T ]
[0,T ]
siehe 13.5. Hieraus folgt, vgl. 8.7, daß der faire Preis eines europ¨aischen Calls mit Aus¨ ubungspreis K und F¨alligkeit T gegeben ist durch A0 Φ(
log( AK0 ) + ̺(T ) − 12 s2 (T ) log( AK0 ) + ̺(T ) + 21 s2 (T ) ) − Ke−̺(T ) Φ( ). s2 (T ) s2 (T )
Der erhaltene Preis ist also gerade der faire Preis eines entsprechenden Calls in einem Black-Scholes-Modell mit Zinsrate ̺= und Volatilit¨at s=
̺(T ) T
$
s2 (T ) . T
13.3 (a) Die Funktionen α, β, µ seien positiv und so gew¨ahlt, daß das in der Aufgabenstellung angegebene System von stochastischen Differentialgleichungen eine eindeutige L¨osung besitzt (vgl. 13.3, 13.4). Des weiteren sei (σt−1 )t∈[0,T ] beschr¨ankt.
206
L¨osungen zu Kapitel 13 Zu jedem beschr¨ankten, previsiblen stochastischen Prozeß (λt )t∈[0,T ] definieren wir ein zu P ¨aquivalentes Wahrscheinlichkeitsmaß Qλ durch dQλ µ(s) − r(s) 1 = exp − dWs − λs dWs2 dP σs [0,T ]
−
1 2
[0,T ]
[0,T ]
µ(s) − r(s) 2 ) + λ2s ds . ( σs
ˆ 1, W ˆ 2 ) mit ˆ = (W Gem¨aß 13.10 ist W ∼ ∼ ∼ 1 1 ˆ Wt = Wt + λs ds, t ∈ [0, T ], [0,t]
ˆ 2 = W2 + W t t
µ(s) − r(s) ds, t ∈ [0, T ], σs
[0,t]
ugen der Aktienkurs und die ein Wienerprozeß bzgl. Qλ . Des weiteren gen¨ Volatilit¨at den Gleichungen ˆ 1, dσt = (α(σt , t) − λt β(σt , t)) dt + β(σt , t) dW t 2 ˆ dAt = r(t)At dt + σt At dWt . Wir setzen ̺(t) = und erhalten
1
e−̺(t) At = A0 e− 2
r(s)ds [0,t] R
[0,t]
σs2 ds +
R
[0,t]
ˆ2 σs dW s
.
F¨ ur jede Wahl von λ ist der abdiskontierte Preisprozeß der Aktie also ein lokales Martingal bzgl. Qλ , und gem¨aß 11.17 ist jedes Qλ mit σs2 ds < ∞ EQλ [0,T ]
sogar ein ¨aquivalentes Martingalmaß. (b) Sei Qλ eines der in Aufgabenteil (a) bestimmten ¨aquivalenten Martingalmaße, wobei wir die zus¨atzliche Annahme treffen, daß der zugeh¨orige Prozeß λ von der Form λt = γ(σt , t) ist. Der sich unter Qλ ergebende faire Preis eines europ¨aischen Calls C mit Aus¨ ubungspreis K und F¨alligkeit T ist sλ (C) = EQλ (e−̺(T ) (AT − K)+ ) = EQλ (EQλ (e−̺(T ) (AT − K)+ |(σt )t∈[0,T ] )).
207 Die in Aufgabenteil (a) ermittelten Darstellungen f¨ ur Volatilit¨at und Aktiˆ t2 )t∈[0,T ] bzgl. Qλ stochaenkurs zeigen, daß die Prozesse (σt )t∈[0,T ] und (W stisch unabh¨angig sind. Somit liefert das in Aufgabe 13.2 erhaltene Resultat EQλ (e−̺(T ) (AT − K)+ |(σt )t∈[0,T ] ) = A0 Φ( wobei
log( AK0 ) + ̺(T ) − 21 s2 (T ) log( AK0 ) + ̺(T ) + 21 s2 (T ) ) − Ke−̺(T ) Φ( ), s2 (T ) s2 (T ) s2 (T ) =
σ(s)2 ds
[0,T ]
gesetzt wurde. Der sich unter Qλ ergebende faire Preis des Calls ist also sλ (C) = EQλ (p(A0 , T, K, ̺, s)), wobei der Ausdruck, u ¨ ber den der Erwartungswert gebildet wird, der Preis eines entsprechenden Calls in einem Black-Scholes-Modell mit Zinsrate ̺= und Volatilit¨at s=
̺(T ) T
$
s2 (T ) T
ist. 13.4 F¨ ur i = 1, . . . , n gilt 1 d log(Sti ) = (ρ − σi2 ) dt + σi dWti. 2 Unter Beachtung von log(Mtα ) = −ρt +
n
αi log(Sti )
i=1
folgt d log(Mtα ) = −ρ dt +
n i=1
αi (ρ −
n 1 2 σi ) dt + αi σi dWti. 2 i=1
208
L¨osungen zu Kapitel 13
Mit der Itˆo-Formel ergibt sich hieraus dMtα = Mtα (−ρ dt +
n i=1
n α
1 + Mt 2 α
i=1
= Mt (−ρ +
αi2 σi2 dt
n
n 1 2 σi ) dt + αi σi dWti ) 2 i=1
αi (ρ −
αi ρ +
i=1
n n 1 αi (αi − 1)σi2 ) dt + αi σi dWti . 2 i=1 i=1
Die in der Aufgabenstellung angegebene Darstellung gilt also mit h(α, ρ) = −ρ(1 −
n
n
αi ) +
i=1
1 αi (αi − 1)σi2 . 2 i=1
13.5 Wir schreiben den fairen Preis der Exchange-Option zun¨achst als s(C) = EQ (e−̺(T ) (ST2 − ST1 )+ ) = EQ (e−̺(T ) ST2 1{ST2 ≥ST1 } ) − EQ (e−̺(T ) ST1 1{ST2 ≥ST1 } ) = s2 Q2 (ST2 ≥ ST1 ) − s1 Q1 (ST2 ≥ ST1 ),
wobei die Wahrscheinlichkeitsmaße Q1 , Q2 durch dQ1 S1 = e−̺(T ) T , dQ s1
S2 dQ2 = e−̺(T ) T dQ s2
definiert seien. Des weiteren definieren wir Prozesse Y = (Yt1 , Yt2 )t∈[0,T ] und Z = ∼ ∼ (Zt1 , Zt2 )t∈[0,T ] durch ˆ 1 − σ1 t, Yt1 = W t ˆ 1 − ασ2 t, Zt1 = W t
ˆ 2, Yt2 = W t √ ˆ 2 − 1 − α2 σ2 t. Zt2 = W t
Gem¨aß 13.10 ist Y ein zweidimensionaler Wienerprozeß bzgl. Q1 und Z ein zwei∼ ∼ dimensionaler Wienerprozeß bzgl. Q2 . Wir setzen schließlich noch σ ˆ 2 = σ12 + σ22 − 2ασ1 σ2 .
209 Nun ergibt sich Q1 (ST2 ≥ ST1 ) √ σ ˆ2 s2 = Q1 (ασ2 − σ1 )YT1 + 1 − α2 σ2 YT2 ≥ − log( ) + T s1 2 σ ˆ2 s2 T, ∞)) = N(0, σ ˆ 2 T ) ( [− log( ) + s1 2 2 log( ss12 ) − σˆ2 T √ , = Φ σ ˆ T Q2 (ST2 ≥ ST1 ) √ σ ˆ2 s2 T = Q2 (ασ2 − σ1 )ZT1 + 1 − α σ2 ZT2 ≥ − log( ) − s1 2 s2 σ ˆ2 = N(0, σ ˆ 2 T ) ( [− log( ) − T, ∞)) s1 2 2 log( ss12 ) + σˆ2 T √ . = Φ σ ˆ T
Insgesamt erhalten wir also
log( s2 ) + s1 √ s(C) = s2 Φ σ ˆ T
σ ˆ2 T 2
log( s2 ) − s1 √ − s1 Φ σ ˆ T
σ ˆ2 T 2
.
13.6 Sei (Lt )t∈[0,T ] die Dichte des ¨aquivalenten Martingalmaßes Q bzgl. des Ausgangswahrscheinlichkeitsmaßes P , siehe 13.11. Wie in Aufgabe 12.5 k¨onnen wir zeigen, daß der Claim x C = e̺(T ) LT L¨osung des Problems ist, E log(Y ) unter allen FT -meßbaren Y > 0 mit EQ e−̺(T ) Y ≤ x und E log(Y )− < ∞ zu maximieren. Der faire Preis dieses Claims ist gegeben durch Ct = EQ (e−(̺(T )−̺(t)) C | Ft) = x
R R 1 2 T e̺(t) = xe̺(t)+ 2 [0,T ] |βs| ds+ [0,T ] βs dWs . Lt
mit βs = σ −1 (t)(b(t) − r(t)˜1), wobei ˜1 der Vektor ist, dessen s¨amtliche Komponenten 1 sind, siehe 13.11. Es ergibt sich also 1 1 |βt |2 ) dt + βtT dWt + |βt |2 dt) 2 2 = Ct ((r(t) + |βt |2 ) dt + βtT dWt ).
dCt = Ct ((r(t) +
210
L¨osungen zu Kapitel 14
ur i = Gem¨aß 13.13 finden wir einen Martingalhedge (Ht0 , . . . , Htg )t∈[0,T ] zu C. F¨ 1, . . . , n setzen wir ϕit = Hti Sti . Es ist einerseits HtT dSt = Ht0 r(t)e̺(t) dt + ϕTt b(t) dt + ϕTt σ(t) dWt , andererseits gilt HtT dSt = dCt und somit durch Vergleich der dWt“-Koeffizienten ” ϕt = Ct (σ T )−1 (t)βt = Ct (σ(t)σ T (t))−1 (b(t) − r(t)˜1),
Wir erhalten also f¨ ur i = 1, . . . , n Ct Hti = i (σ(t)σ T (t))−1 (b(t) − r(t)˜1) i . St
Ht0 l¨aßt sich nun durch Vergleich der dt“-Koeffizienten oder alternativ unter ” Verwendung der Gleichheit HtT St = Ct berechnen, es ergibt sich n Ht0 = e−̺(t) Ct (1 − (σ(t)σ T (t))−1 (b(t) − r(t)˜1) i ). i=1
Wie in Aufgabe 12.7 erhalten wir nun, daß der erhaltene Hedge L¨osung des entsprechenden Optimierungsproblems ist. Die optimale Handelsstrategie besteht also darin, die in die Aktien 1, . . . , n investierten Anteile am Gesamtverm¨ogen Ct konstant gleich (σ(t)σ T (t))−1 (b(t) − r(t)˜1) zu halten.
L¨ osungen zu Kapitel 14 14.1 Es seien Zeitpunkte t = T0 < T1 < . . . < Tn wie in 14.8 gegeben. Ein Collar liefert zum Zeitpunkt Ti , i = 2, . . . , n die Auszahlung (Ti − Ti−1 ) (L(Ti−1 , Ti ) − L)+ − (Ti − Ti−1 ) (L − L(Ti−1 , Ti ))+ = (Ti − Ti−1 ) (L(Ti−1 , Ti ) − L) 1 − 1 − (Ti − Ti−1 )L. = p(Ti−1 , Ti ) Unter Beachtung von 14.10 ergibt sich der faire Preis zum Zeitpunkt t einer solchen Auszahlung bzgl. des benutzten Martingalmaßes Q als 1 Bt−1 EQ (BTi ( − 1 − (Ti − Ti−1 )L) | Ft) p(Ti−1 , Ti ) 1 | FTi−1 ) | Ft) = Bt−1 EQ (EQ (BTi BTi−1 EQ (BTi |FTi−1 ) − (1 + (Ti − Ti−1 )L) p(t, Ti ) = Bt−1 EQ (BTi−1 | Ft ) − (1 + (Ti − Ti−1 )L) p(t, Ti ) = p(t, Ti−1 ) − (1 + (Ti − Ti−1 )L) p(t, Ti ).
211 Der faire Preis des Collars zum Zeitpunkt t ist also gegeben durch n & % p(t, Ti−1 ) − (1 + (Ti − Ti−1 )L) p(t, Ti ) . i=2
14.2 Gem¨aß 14.12 gilt f¨ ur alle 0 ≤ t ≤ T ≤ T ∗ log p(t, T ) = −A(T − t) − B(T − t) r(t), wobei A(t) = ct + B(t) =
σ2 c −bt (e − 1) + 3 (−2bt + 3 − 4e−bt + e−2bt ), b 4b
1 (1 − e−bt ) b
gesetzt wurde, vgl. 14.13. Differentiation liefert A′ (t) = c (1 − e−bt ) −
σ2 σ 2 −bt σ 2 −2bt + e − e 2b2 b2 2b2
1 2 σ B(t)2 , 2 = 1 − bB(t).
= cbB(t) − B ′ (t) = e−bt
Mit der Itˆo-Formel ergibt sich nun d log p(t, T ) = A′ (T − t) dt − B(T − t) dr(t) + r(t)B ′ (T − t) dt = A′ (T − t) + r(t)B ′ (T − t) − b(c − r(t))B(T − t) dt − σB(T − t) dWt 1 = r(t) − σ 2 B(T − t)2 dt − σB(T − t) dWt 2
und folglich
dp(t, T ) = p(t, T ) (r(t) dt − σB(T − t) dWt ). Mit γ(t) = −B(T − t) erhalten wir die in der Aufgabenstellung angegebene Darstellung.
212
L¨osungen zu Kapitel 14
14.3 ur Mit der Itˆo-Formel l¨aßt sich leicht verifizieren, daß zu gegebenem Startwert r0 f¨ alle t ∈ [0, T ∗ ] gilt −β(t)
r(t) = e
r0 +
β(s)
e
a(s) ds +
[0,t]
[0,t]
wobei
β(t) =
eβ(s) σ(s) dWs ,
eb(s) ds
[0,t]
gesetzt wurde, vgl. 14.13. ur alle s ∈ (t, T ] gilt Seien nun 0 ≤ t ≤ T ≤ T ∗ . F¨ −(β(s)−β(t))
r(s) = e
−β(s)
r(t) + e
β(u)
e
a(u) du +
(t,s]
eβ(u) σ(u) dWu
(t,s]
und somit
wobei
R R p(t, T ) = EQ e− (t,T ] r(s) ds |Ft = e−B(t,T )r(t) EQ (e− (t,T ] X(s) ds |Ft ,
B(t, T ) = eβ(t)
e−β(s)ds ,
(t,T ] −β(s)
X(s) = e
β(u)
e
(t,s]
a(u) du +
eβ(u) σ(u) dWu
(t,s]
gesetzt wurde. Gem¨aß 13.5 ist (X(s))s∈[t,T ] ein Gaußprozeß mit Mittelwertfunktion m(s) =
eβ(u)−β(s) a(u) du
[t,s]
und Kovarianzfunktion K(s, v) =
[t,s∧v]
e2β(u)−β(s)−β(v) σ 2 (u) du.
213
Gem¨aß 7.13 ist [t,T ] X(s) ds also N(α, τ 2 )-verteilt, wobei α, τ 2 sich mit dem Satz von Fubini unter Vertauschung der Integrationsreihenfolge berechnen lassen als α = eβ(u)−β(s) a(u) du ds [t,T ] [t,s]
=
eβ(s) a(s)
[t,T ]
τ2 =
[s,T ]
e2β(u)−β(s)−β(v) σ 2 (u) du dv ds
[t,T ] [t,T ] [t,s∧v]
=
=
e2β(s) σ 2 (s)
[t,T ]
e−β(u) du ds,
e−β(u)−β(v) du dv ds
[s,T ] [s,T ] 2β(s) 2
e
σ (s)
[t,T ]
e−β(u) du
[s,T ]
2
ds.
Da f¨ ur eine N(α, τ 2 )-verteilte Zufallsgr¨oße Z gilt 1 2
Ee−Z = e−α+ 2 τ , erhalten wir die Darstellung p(t, T ) = e−A(t,T )−B(t,T )r(t) mit wie oben definiertem B(t, T ) und A(t, T ) =
[t,T ]
β(s) e a(s)
−β(u)
e
1 du − e2β(s) σ 2 (s)( 2
[s,T ]
[s,T ]
e−β(u) du)2 ds.
14.4 Gem¨aß Aufgabe 14.2 ist f¨ ur alle T˜ ∈ [0, T ∗ ] der Preisprozeß des T˜-Bonds gegeben durch 1 2 2 ˜ ˜ p(t, T ) = p(0, T ) exp σγT˜ (s) dWs (r(s) − σ γT˜ (s) ) ds + 2 [0,t]
mit
1 ˜ γT˜ (t) = − (1 − e−b(T −t) ). b
[0,t]
214
L¨osungen zu Kapitel 14
Sind QT1 bzw. QT die zu den Numeraires (p(t, T1 ))t∈[0,T ] bzw. (p(t, T ))t∈[0,T ] geh¨orenden Forwardmartingalmaße auf FT , so gilt also dQT1 dQ
BT p(T, T1 ) p(0, T1 ) 1 2 σ γT1 (s)2 ds , = exp σγT1 (s) dWs − 2 =
[0,T ]
dQT dQ
[0,T ]
BT p(T, T ) = p(0, T ) 1 2 σ γT (s)2 ds . σγT (s) dWs − = exp 2 [0,T ]
[0,T ]
Der faire Preis des Calls ist gegeben durch EQ (BT (p(T, T1 ) − K)+ ) = EQ (BT p(T, T1 )1{p(T,T1 )≥K} ) − K EQ (BT 1{p(T,T1 )≥K} ) = p(0, T1 ) QT1 (p(T, T1 ) ≥ K) − Kp(0, T )QT (p(T, T1 ) ≥ K), wobei f¨ ur letztere Gleichheit p(T, T ) = 1 zu beachten ist. Mit dem Satz von Girsanov ist der durch σγT (s) ds WtT = Wt − [0,t]
definierte Prozeß W ∼
T
ein Wienerprozeß bzgl. QT . Dabei gilt
p(T, T1 ) p(T, T ) p(0, T1 ) exp σ = (γT1 (s) − γT (s)) dWs p(0, T ) [0,T ] 1 2 − σ (γT1 (s)2 − γT (s)2 ) ds 2
p(T, T1 ) =
=
p(0, T1 ) exp σ p(0, T )
[0,T ]
(γT1 (s) − γT (s)) dWsT
[0,T ]
1 − σ2 2
[0,T ]
=
p(0, T1 ) Z e , p(0, T )
(γT1 (s) − γT (s))2 ds
215 wobei Z bzgl. QT gem¨aß 13.5 eine N(− 12 σ 2 τ 2 , σ 2 τ 2 )-verteilte Zufallsgr¨oße ist mit (γT1 (s) − γT (s))2 ds τ2 = [0,T ]
1 −b(T1 −s) (e − e−b(T −s) )2 ds b2 [0,T ] 1 = 2 (e−bT1 − e−bT )2 e2bs ds b =
[0,T ]
=
1 −bT1 (e − e−bT )2 (e2bT − 1). 2b3
Es folgt p(0,T ) log( Kp(0,T1 ) ) − 12 σ 2 τ 2 p(0, T1 ) . ) = Φ QT (p(T, T1 ) ≥ K) = QT − Z ≤ log( Kp(0, T ) στ
Analog l¨aßt sich berechnen
p(0,T ) log( Kp(0,T1 ) ) + 12 σ 2 τ 2 . QT1 (p(T, T1 ) ≥ K) = Φ στ
Insgesamt erhalten wir also den fairen Preis der Call-Option als
p(0,T ) p(0,T ) log( Kp(0,T1 ) ) − 21 σ 2 τ 2 log( Kp(0,T1 ) ) + 21 σ 2 τ 2 p(0, T1 ) Φ − Kp(0, T ) Φ . στ στ
14.5
Man beachte zun¨achst, vgl. 14.12, daß die L¨osung der stochastischen Differentialgleichung drt = (a − br(t)) dt + σ dWt zu einem Anfangswert r0 gegeben ist durch a bt a −bt a −bt bs r(t) = e r0 + (e −1) + σ e dWs = (r0 − )e + + σeb(s−t) dWs . b b b [0,t]
[0,t]
Ein Vergleich mit der in 14.15 angegebenen Darstellung der Shortrate in einem Heath-Jarrow-Morton-Modell zeigt, daß die folgende Spezifikation der dort auftretenden Funktionen das gew¨ unschte Resultat liefert: f (0, t) = (r0 −
a a −bt + , a(s, t) = 0, σ(s, t) = σeb(s−t) . )e b b
216
L¨osungen zu Kapitel 14
14.6 Wir zeigen zun¨achst, daß die stochastischen Integrale, die in der Aufgabenstellung auftreten, wohldefiniert sind.
Die stochastischen Prozesse a(t, ·) und [0,T ] a(t, ·)dt sind previsibel, letzterer als punktweiser Limes Riemann-Summen. Ferner folgt aus der Vor von previsiblen
2 aussetzung E [0,T ] [0,T ] a(t, s) dsdt < ∞ zum einen E
(
a(t, s)dt)2 ds < ∞,
[0,T ] [0,T ]
also
[0,T ]
a(t, ·)dt ∈ L2 , ferner E
a(t, s)2 ds < ∞ f¨ ur λ-fast alle t ∈ [0, T ]
[0,T ]
ur λ-fast alle t ∈ [0, T ]. und damit a(t, ·) ∈ L2 f¨ Wir beachten nun, daß a als Abbildung auf [0, T ] × ([0, T ] × Ω) B ⊗ P-meßbar ist, denn f¨ ur alle x ∈ R gilt aufgrund der Stetigkeit von a(·, ·, ω) {a < x} = {0} × {(s, ω) : a(0, s, ω) < x} & % {(s, ω) : a(t, s, ω) < x} . (r, u] × ∪ n t∈(tn i−1 ,ti ]∩Q
r,u∈[0,T ]∩Q
Außerdem gilt
2
a d(λ ⊗ µW ) = E
[0,T ]×[0,T ]×Ω
a(t, s)2 ds dt < ∞.
[0,T ] [0,T ]
Also existieren Funktionen (an )n∈N von der Form an (t, s, ω) =
n
αin 1Bin (t)1Cin (s, ω)
i=1
mit gewissen α1n , . . . , αnn ∈ R, B1n , . . . , Bnn ∈ B und C1n , . . . , Cnn ∈ P so, daß gilt
[0,T ]×[0,T ]×Ω
(an − a)2 d(λ ⊗ µW ) → 0.
217 F¨ ur alle n ∈ N ist n an (t, s) dWs dt = αin i=1
[0,T ] [0,T ]
=
n
=
αin
1
[0,T ]
αin
i=1
=
1Bin (t)1Cin (s) dWs dt
[0,T ] [0,T ]
i=1
n
Bin
(t) dt
1Cin (s) dWs
[0,T ]
1Bin (t)1Cin (s, ω) dt dWs
[0,T ] [0,T ]
an (t, s) dt dWs.
[0,T ] [0,T ]
Des weiteren ergibt sich mit der Jensenschen Ungleichung, der Isometrie-Eigenschaft und dem Satz von Fubini an (t, s) dWs dt → a(t, s) dWs dt in L2 , [0,T ] [0,T ]
[0,T ] [0,T ]
an (t, s) dt dWs →
[0,T ] [0,T ]
und somit schließlich
[0,T ] [0,T ]
a(t, s) dt dWs in L2 ,
[0,T ] [0,T ]
a(t, s) dWs dt =
[0,T ] [0,T ]
a(t, s) dt dWs .
Literaturverzeichnis
Lehrbu ¨cher Mathematical Finance - eine Auswahl:
Baxter, M. und Rennie, A. (1996): Financial Calculus. An Introduction to Derivative Pricing. Cambridge Univesity Press. Bingham, N.H. und Kiesel, R. (2004): Risk-Neutral Valuation. Pricing and Hedging of Financial Derivatives. 2nd ed. Springer. Bj¨ork, T. (2004): Arbitrage Theory in Continuous Time. 2nd ed. Oxford University Press. Cox, J.C. und Rubinstein, M. (1985): Options Markets. Prentice-Hall. Dothan, M.U. (1990): Prices in Financial Markets. Oxford University Press. Duffie, D. (2001): Dynamic Asset Pricing Theory. 3rd ed. Princeton University Press. Elliott, R.J. und Kopp, E. (2005): Mathematics of Financial Markets. 2nd ed. Springer. Etheridge, A. (2002): A Course in Financial Calculus. Cambridge University Press. F¨ollmer, H. und Schied, A. (2004): Stochastic Finance. An Introduction in Discrete Time. 2nd ed. de Gruyter. Hausmann, W., Diener, K. und K¨asler, J. (2002): Derivate, Arbitrage und PortfolioSelection. Stochastische Finanzmarktmodelle und ihre Anwendungen. Vieweg. Hull, J. (2005): Options, Futures, and Other Derivative Securities. 6th ed. PrenticeHall. Irle, A. (2003): Finanzmathematik. Die Bewertung von Derivaten. 2. Aufl. Teubner. Karatzas, I. (1997): Lectures on the Mathematics of Finance. CRM Monograph Series Vol. 8, American Mathematical Society. Karatzas, I. und Shreve, S. (1998): Methods of Mathematical Finance. Springer. Korn, R. und Korn, E. (2001): Optionsbewertung und Portfoliooptimierung. 2. Aufl. Vieweg. Kwok, Y.-K. (1998): Mathematical Models of Financial Derivatives. Springer.
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Sachverzeichnis
– kanonische 63 – Standardfiltration 65 Floor 121 Forward 11,38 Anleihenmarktmodell 118 Forwardmartingalmaß 126 ¨aquivalentes Martingalmaß 35,73 Forwardpreis 120 Arbitrage 12,33,102 Forwardrate 119 Barriere-Option 76 Forwardrendite 119 bedingter Erwartungswert 25 Fundamentalsatz der Preistheorie 36,53 Black-Scholes-Claim 74 Black-Scholes-Differentialgleichung 105 Future 11 Gaußprozeß 67 Black-Scholes-Modell 71 gleichgradige Integrierbarkeit 59 Black-Scholes-Formel 74 Handelsstrategie 31,101,112 Blumenthalsches 0-1-Gesetz 66 – elementare 80 Brownsche Bewegung 62 – regul¨are 102 – geometrische 72 Handelsarbitrage 33 Call 12 Heath-Jarrow-Morton-Modell 125 – amerikanischer 44,77 Hedge 16,34,103 – europ¨aischer 37,74 Hull-White-Modell 123 Cap 121 Informationsverlauf 23 Claim 16,34 Itˆo-Formel 95 – absicherbarer 16,34,103 – mehrdimensionale 98 – amerikanischer 42,77 Jensensche Ungleichung 26 Cox-Ingersoll-Ross-Modell 124 Kalibrierung 121 Cox-Ross-Rubinstein-Modell 33,37 kontinuierlicher Finanzmarkt 57 Dichteprozeß 98 kontinuierliches Finanzmarktmodell 71 Diskontierungsfaktor 15,31 koupontragende Anleihe 38 Diskontierungsprozeß 31 Kovariation 97 Doobsche Ungleichungen 28,60 LIBOR 119 Doobsche Zerlegung 27 Lokalisation 88 Dol´eansmaß 83 Lokalisationslemma 89 Drift 72 long position 12 Ein-Faktor-Modell 122 Markovsche Stopsituation 47 Ein-Perioden-Arbitrage 33 Martingal 26 Ein-Perioden-Modell 14 – lokales 89 Entnahmeprozeß 32 – L2 -Martingal 82 Exchange-Option 115 Exponentialmartingal 64 Martingalhedge 103 Exponentialprozeß 96 Martingalmodellierung 121 fairer Preis 17,35 n-Perioden-Modell 31 Filtration 23 No-Arbitrage-Prinzip 13 – rechtsseitig-stetige 58 Novikovsche Bedingung 99
221 Nullkouponanleihe 37,118 Numeraire 115 optimales Stoppen 43 Option 11 – amerikanische 12 – europ¨aische 12 Optional-Sampling-Theorem 27 Ornstein-Uhlenbeck-Prozeß 110 partielle Integration 96 Portfolio 14 – risikofreies 15 previsible σ-Algebra 82 Preisprozeß 31 – diskontierter 31 Put 12 Put-Call-Parit¨at 13 quadratische Variation 92 Reflexionsprinzip 66 risikofreie Anlagestrategie 31 risikoneutrales Wahrscheinlichkeitsmaß 18 R¨ uckw¨artsinduktion 44 Satz von Girsanov 73,99 Selbstfinanzierung 32,102,112 Semimartingal 94 short position 12 Shortrate 119 short selling 13 station¨are Markovfolge 46 station¨ares Markovsystem 47 stochastische Differentialgleichung 108 – lineare 111 stochastischer Prozeß 23 – adaptierter 23 – kanonische Darstellung 63 – previsibler 82 – rechtsseitig (linksseitig) stetiger 58 – stetiger 57 – von lokal beschr¨ankter Variation 93 stochastisches Integral 83,84,89 stochastisches Intervall 82
Stopzeit 24 Submartingal 27 Substitutionsprinzip 88 Supermartingal 27 Swap 120 Vasicek-Modell 123 Volatilit¨at 72,75 vollst¨andiges Modell 16 Wertprozeß 32 Wienermaß 64 Wienerprozeß 62,72 – mehrdimensionaler 97 Wienersystem 65 Zinsstrukturmodell 119