das neue buch Herausgegeben von Jürgen Manthey
Renate Rasp Chinchilla Leitfaden zur praktischen Ausübung
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das neue buch Herausgegeben von Jürgen Manthey
Renate Rasp Chinchilla Leitfaden zur praktischen Ausübung
Erstausgabe Veröffentlicht im Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg, September 1973 1.- 5. Tausend September 1973 6.-15. Tausend November 1973 16.-24. Tausend Januar 1974 © Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg, 1973 Alle Rechte vorbehalten Umschlagentwurf Christian Chruxin und Hans-Gert Winter Gesetzt aus der Linotype-Garamond-Antiqua Gesamtherstellung Clausen & Bosse, Leck/Schleswig Printed in Germany ISBN 3 499 25039 X
Dieser zweite längere Prosatext der Autorin, die bereits mit ihrem ersten -«Ein ungeratener Sohn» (1967) – beträchtliche Resonanz fand, bietet nichts weniger als einen Leitfaden der Prostitution. Einer Gesellschaft, die Liebesbeziehungen weitgehend in Tauschbeziehungen verwandelt hat, aber nur deren indirekten Ausdruck in der Form des (freiwilligen) Geschenks gelten läßt, wird hier ihr entsprechendes Lehrbuch bereitgestellt. Es ordnet die Kasuistik des offenen Liebesmarktes in gedrängter und präziser Kürze an: Faustregeln für Körperpflege, Wohnungsausstattung, Kundenbehandlung, Altersvorsorge und genaue Aufgaben- und Arbeitsplatzbeschreibungen (Standortwahl, Regeln bei der Aufnahme von Geschäftsbeziehungen, Perversionen etc.) – kurz: ironisch ausgebeutete «Lernprozesse», in denen etwas vom kalten «Liebesblick der Ware» (Horkheimer) widerscheint, auf die hin Sexualität hier trainiert wird. Der Leitfaden, nach Schwierigkeitsgraden in aufsteigender Linie geordnet, ist komplett und gebrauchsfertig! Renate Rasp, geboren 1935 in Berlin, besuchte die Berliner «Hochschule für bildende Künste» und die Münchner «Akademie der bildenden Künste», arbeitete als Schriftgraphikerin für das Bayerische Fernsehen und als Werkstudentin bei Siemens. Erste Veröffentlichung: die Erzählung «Der Spaziergang nach St. Heinrich» in der Sammlung «Wochenende» (1967). Es folgten der Roman «Ein ungeratener Sohn» (1967) und der Gedichtband «Eine Rennstrecke» (1969). [Rückentext]
Für Inge und Ernst Augustin
[7] Ein Lehrbuch über Prostitution ist, soviel ich weiß, kein gewöhnliches Unternehmen, und manche Dame wird verlegen sein und nicht wissen, wie sie es zu beurteilen habe. Denjenigen, welche sich dieses Buches bedienen wollen, möchte ich hier kurz die Absichten erklären, die ich mit dieser Niederschrift zu erreichen hoffe. Wer mein Buch über einen fehlgeleiteten Erziehungsversuch kennt, wird vielleicht erwarten, es handle sich hier um eine ähnliche, ins Groteske verzogene Geschichte. Sie werden meinen Anweisungen nicht trauen, denken, daß ich Sie, schon halb gewonnen, vielleicht mit einer versteckten Pointe sitzenlasse. Ich kann Ihnen nur versichern, daß hier nichts geschrieben wurde, was nicht mehrfach erprobt worden ist. Aus Unkenntnis, Angst oder einfach, weil sie nicht weiß, wie man so etwas anfangen soll, wird manches Mädchen, das für den Beruf der Prostituierten die geeigneten Qualitäten hätte, an einem anderen Platz verkümmern. Um eine Dame zu frisieren, benötigt sie eine Lehrzeit von drei Jahren. Erst dann weiß sie, wie man mit den verschiedenen Haaren umgehn muß. Sie lernt einen Haufen Dinge, die ihr anfangs unverständlich sind. Es gibt die Schule, eigens ausgebildete Lehrer, Prüfungen. Der Weg ist genau festgelegt. Ein Mädchen, welches vorhat, ihren Körper zu verkaufen, das heißt, den Beruf gewählt hat, welcher als der älteste der Welt bekannt ist, findet keine staatlichen Schulen, ihre Lehrzeit spielt sich auf der Straße ab. Die Lehrer sind Betrüger. Schläge lehren sie, selbst zuzuschlagen, oder besser, Schlägen zu entgehn. Ein weiteres Handicap ist zweifellos noch immer die gesellschaftliche Diskriminierung, der Umstand, daß das öffentliche Ausüben des Berufes unter Strafe steht. Die indirekte und von der Gesellschaft honorierte Form der Prostitution (die Geschenke) erfordert andre Spielregeln und soll hier nur gestreift werden als eine der Verfasserin durchaus bekannte Praktik. Der Lohn wird hier nicht der Dame selbst ausgezahlt, sondern läuft über Mittelsmänner, wie den Juwelier, den Couturier etc. Ein weiteres Vorurteil besteht in der Annahme, die Prostituierte sei bequem, arbeitsscheu oder, weil sie nichts anderes gelernt hat, gezwungen, diesem Beruf nachzugehn. Wünschen Sie sich ein bequemes Leben, so ist jeder andere Beruf mehr geeignet als dieser, um sich auszuruhn. Wählen Sie gar den Beruf, um Ihre eigenen sexuellen Wünsche zu befriedigen, werden Sie nicht weit kommen. Gehen Sie mit Ihren Kräften sparsam um. Eine Hure ist nicht geil, noch findet sie Gefallen an jener Ausweitung der sexuellen Lust, die ich hier unter dem Kapitel
[8] der Perversionen kurz umreißen werde. Denken Sie daran, daß Sie einen Ruf zu verlieren haben. Die Gesellschaft, in die Sie vorhaben einzudringen, unterscheidet sich nicht von der, die Sie bereits kennen. Wenn Sie nicht wünschen, daß man mit dem Finger auf Sie zeigt, Sie weiterempfiehlt als diejenige welche... so zeigen Sie ein entsprechendes Verhalten. Ihre Befriedigung bedeutet Geld, die Lust, wenn Sie eine solche empfinden, wird mittels eines Scheckbuchs gestillt, was Sie nicht hindern soll, dem Freier ein Empfinden vorzuspiegeln, allein aus Höflichkeit. Es ist unnötig und sicher der verkehrte Weg, Hals über Kopf das Leben, das Sie bisher, mit mehr oder weniger Erfolg gekrönt, geführt haben, aufzugeben: Ihren Ehemann (falls Sie über einen solchen verfügen), den Beruf, die Freundinnen, in ähnlichen Verhältnissen wie Sie selber. Stoßen Sie nur ab, was Ihrem neuen Beruf schädigend ist. Werfen Sie den Leuten, die nach Ihrem privaten Leben fragen, ein paar Brocken hin. Dazu gehört auch, daß Sie nicht völlig aus ihrem Gesichtskreis verschwinden, ganz im Gegenteil: Zeigen Sie sich der Gesellschaft, nicht zu oft, es genügt dies einmal im halben Jahr: Sie müssen sich darüber im klaren sein, daß Sie von nun an jeder Tag, an dem Sie nicht arbeiten, etwas kostet. Ich gebe zu bedenken, daß der Beruf einer Schriftstellerin in diesem Fall einmalige Vorteile bietet: die Erklärung für eine gewisse Zurückgezogenheit (sogar Menschenscheu), die Arbeit in den Abendstunden (jeder Schriftsteller darf nach seinem Belieben eine bestimmte Tagesoder Nachtzeit für seine Einfälle in Anspruch nehmen), die ein gesellschaftliches Leben mit Einladungen, allem, was dazugehört, unmöglich macht. Sobald Sie einige Praxis haben, werden Sie merken, daß sich Ihr neuer Beruf mit Ihren Lebensumständen ganz gut vereinbaren läßt. Die Schule hat Sie gelehrt, daß nur bestraft wird, was auf ungeschickte Weise ans Licht kommt – also werden Sie einsehn, daß, was einst Ihrer jugendlichen Empfindung hart und bitter ungerecht dünkte, bereits ein wesentlicher Teil, wenn nicht die Grundlage zu Ihrer Ausbildung war. Dennoch haben Sie einige Ergänzungen vorzunehmen, [die] Sie in Ihrer Schule nicht gelernt, bisher als unnütz, vielleicht sogar als verächtlich abgetan haben. Dem abzuhelfen ist eine der Aufgaben, die sich dieses Buch gestellt hat. Ich halte es für wichtig, darauf hinzuweisen, daß die Gesundheit Ihres
[9] Körpers das A und O Ihres neu gewählten Berufes ist. Eine entzündete Stelle an der Haut kann Ihr Freier als erstes Zeichen einer ansteckenden Krankheit deuten. Pflegen Sie nicht nur, was nach außen hin sichtbar ist: Ihre Hände, das Gesicht. Ihre Zähne sollten ebenso in Ordnung sein, wie dies von dem Körperteil erwartet wird, welchen Sie für den Verkauf freigeben. Jedes Ihrer Glieder sollte stets derart beschaffen sein, daß, falls Sie einem Fetischisten begegnen, Sie demselben auch mit Ihren Fußnägeln Genüge tun. Sie selbst sind Ihre beste Reklame, das Aushängeschild für Ihr Geschäft. Vermeiden Sie, was Ihrer Gesundheit schaden könnte. Dazu gehören in erster Linie Alkohol und Zigaretten. Ersterer wird nicht unumgänglich sein. Die Vorstellung eines Mannes, der für Liebesdienste bares Geld bezahlt, ist mit Weingenuß verknüpft, einem Sektkorken, der an die Decke knallt. Trinken Sie ein Gläschen mit, doch nicht mehr! Von Ihrer Raffinesse hängt es ab, daß er Ihre Enthaltsamkeit nicht merkt. Übernehmen Sie das Ausschenken, sorgen Sie dafür, daß sein Glas nicht leer bleibt. Denken Sie daran, daß es erst Nachmittag ist, Sie noch den zweiten oder gar den dritten Mann erwarten. Notfalls stellen Sie für sich eine Flasche Selterwasser auf den Tisch, wo die Getränke stehen. Wenn Sie am nächsten Morgen mit einem schweren Kopf erwachen, keine Lust zur Arbeit haben, hat jener Freier Sie Geld gekostet. Sie werden merken, daß Sie jetzt mit Ihren Kräften haushalten müssen. Vermeiden Sie unnützen Kraftverschleiß. Ruhn Sie an den Feiertagen aus. Einmal in der Woche braucht der Mensch eine Pause. Ostern, Pfingsten, Weihnachten sollten Sie der Straße fernbleiben. Leben Sie in dieser Zeit nur von Ihrem Stamm. Wenn Sie eine Reise machen wollen, legen Sie sie in die Weihnachtszeit. Der Dezember eignet sich wie jeder andre Monat zur Erholung (Teneriffa). Da Sie nicht registriert sind, also keiner offiziellen Kontrolle vom Gesundheitsamt unterstehn, ist es ratsam, zweimal im Monat einen Arzt aufzusuchen. Wählen Sie den Arzt, der die Funktion hat, Sie während der nächsten Jahre zu betreuen, nach bestimmten Gesichtspunkten aus. Ihr Hausarzt hat den Überweisungsschein ausgeschrieben. Konsultieren Sie ihn wegen einer Flechte. Bevor Sie ihn über den eigentlichen Zweck Ihres Besuches informieren (seiner Schweigepflicht können Sie versichert sein), prüfen Sie, ob er bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Vor allem achten Sie darauf, ob sich das Labor im Haus befindet, es genügt ein Mikroskop, an dem der Arzt die Kontrolle selbst vornehmen kann. Eine Untersuchung im auswärts gelegenen Labor kostet
[10] Zeit, während der Sie von der Arbeit ausgeschaltet sind. So darf zum Beispiel die Behandlung einer Gonorrhöe nicht länger als zehn Tage dauern. Selbstverständlich werden Sie das Honorar aus Ihren Einnahmen bestreiten. Sie sind am Anfang Ihrer Laufbahn. Er wird Sie nach Ihrer Kleidung taxieren, eine Summe vorschlagen, welche Ihnen zu entrichten nicht allzu schwerfallen wird. Seine Praxis sollte nicht zu weit von Ihrer Wohnung entfernt liegen, möglichst im gleichen Viertel, damit Sie nicht etwa aus Bequemlichkeit diesen so notwendigen Besuch unterlassen. Ich setze voraus, daß Sie noch in einem Alter sind, wo man an die Verhütung einer Schwangerschaft denken muß. Das Präservativ (auf den Gebrauch desselben wird hier noch ausführlich eingegangen werden) ist hier nur als Schutz vor Ansteckung gedacht, als Sicherung vor einer Schwangerschaft jedoch nicht ausreichend. Ich muß nicht betonen, daß eine solche nicht in Frage kommt, Sie nicht, statt mit einer sechsstelligen Kontozahl, mit einer sechsköpfigen Kinderschar aus dem Unternehmen hervorgehen dürfen.
1. Wie fange ich an? – Angenommen, Sie besitzen keinen Wagen, noch ein eigenes Appartement, wohin Sie Ihre Freier führen können, Ihre Garderobe besteht aus Blusen und Pullovern, Hosen, die Sie mehr oder weniger vorteilhaft zur Geltung bringen, so werden Sie bald merken, daß Sie Ihre Ansprüche auf das unterste Niveau zurückschrauben müssen. Kaufen Sie nicht irgendein Kleidungsstück, Ihre Garderobe zu ergänzen – es wird mit Sicherheit das Verkehrte sein –, sondern wählen Sie einen Anzug, in dem Sie schon auf einer Party gut herausgekommen sind. Die sexuelle Reizschwelle hat andere Gesetze, als die Mode dies vorschreibt oder Ihr persönlicher Geschmack sich einbildet. (Im Kapitel «Kleidung» wird dieser Punkt ausführlich zu behandeln sein.) Ungenügend ausgerüstet, mit dem festen Willen, auf den männlichen Beschützer zu verzichten, bleiben Ihnen für den Anfang nur ein paar Straßenzüge, Parks und Plätze, die von Profis nicht besetzt sind. Ein ungeschultes Auge wird die Frau, welche hier Ihrem Geschäft nachgeht, kaum von der unterscheiden, die mal schnell zum Briefkasten eilt oder an der Bushaltestelle wartet. Es wird hier ein fester Preis gezahlt – wieviel, das werden Sie nach spätestens zehn Versuchen ausfindig machen. Als Platz haben Sie nur die Wahl zwischen dem Auto Ihres Freiers oder seiner Wohnung, falls ihm eine solche zur Verfügung steht. Vielleicht erleichtert es die Situation, wenn Sie diesen ersten Schritt in Gesellschaft tun. Eine Begleitung (es kann dies ein Mann sein oder eine Frau) wird Sie zwingen, nicht unverrichteter Sache wieder abzuziehn. Da Sie noch keine Person kennen, die mit jenem für Sie unbekannten Berufszweig in Verbindung steht, noch einen Ihrer ehemaligen Liebhaber bitten wollen, so werden Sie in Verlegenheit sein, wem diese Rolle zufallen soll. Es werden sich Ihnen während der Zeit, da Sie den Entschluß gefaßt haben, verschiedene Damen oder Herren als zu diesem Dienst geeignet vorstellen, der darin besteht, Sie von Ihrer Wohnung zu dem Ort zu bringen, den Sie als günstigen Ausgangspunkt herausgefunden haben. Eine Bankangestellte wird dem Direktor den Vorzug geben, der umgehend die Gelegenheit ergreifen wird, die gewünschte Hilfestellung in der Form zu leisten, wie Sie es hier beschrieben finden. In Ihrem besonderen Fall wird es der Verleger sein, der einen Geschäftsbesuch in der Stadt dazu benutzt, den persönlichen Kontakt mit einem Autor zu pflegen. Er wird pünktlich sein, in einem taubenfarbe-
[12] nen Mantel, an dem kein Stäubchen ist. Indem Sie Ihren Willen auf eine andere Person übertragen, die ausführt, was Sie vorgeschlagen haben, mit unaufhaltsamer Festigkeit zum Aufbruch drängt, sind Sie der eigenen Verantwortung enthoben. Sie können sich sogar leisten, einem Angstgefühl Platz zu geben, wünschen, daß er umkehren soll... Er wird unbeirrbar geradeaus schreiten, auf den Platz zu, welchen Sie bestimmt haben. Sie können sogar Ihren Weg unterbrechen, sich mit einem Gläschen Schnaps Mut antrinken, falls dies nötig ist – Ihr Begleiter wird schon darauf achten, daß Sie sich nicht zu lange aufhalten. Ich habe bereits einen Vorteil der Begleitperson erwähnt, nämlich, ohne dieselbe vielleicht umzukehren. Ein weiterer Vorteil liegt darin, daß sie Ihnen hilft, Ihr erstes Unternehmen in der richtigen Weise anzupacken. Da jemand auf Sie wartet, werden Sie nicht mehr Zeit als nötig bei jenem ersten Freier verschwenden. Sie werden einen angemessenen Preis verlangen, da der berechtigte Stolz auf dieses erste Geld Sie drängen wird, den Schein herzuzeigen. Schließlich, da kein Mensch es erträgt, eine Sache nur um ihrer selbst willen zu machen, sondern das Bedürfnis hat zu erzählen, werden Sie schon um der Geschichte willen Ihre Rolle gut zu Ende bringen. Diese besteht vorerst darin, die unterste Stufe jener Leiter wahrzunehmen, die zu erklimmen Sie sich vorgenommen haben. Es ist jener Lohn von 30 oder 50 Mark, den ein Mädchen ohne eigenes Zimmer dafür erhält, daß sie einem Freier in seinem Auto ihren Körper zur Verfügung stellt. Die Enge des Raumes, die Unbequemlichkeit der Sitze, die Unmöglichkeit einer Kontaktaufnahme über den Geschlechtsakt hinaus verkürzen von selbst den Vorgang auf ein zeitliches Minimum. Dazu kommt die mangelnde Hygiene, nur eines der Argumente, das gegen die Ausübung der Arbeit auf solche Art und Weise spricht. Für Sie gilt es, diesen Zeitraum abzukürzen, wenn nicht zu überspringen. Sollte Ihnen dies aus irgendeinem Grund unmöglich sein, so versuchen Sie, wenigstens das Risiko möglichst gering zu halten, das da heißen kann: Überraschung durch die Polizei oder solche, die ohne zu bezahlen neben dem Fenster auftauchen, sich das Schauspiel betrachten, welches Sie da auf den Polstern bieten, nicht zuletzt die Gefahr durch Ihren Freier selbst, der, allein mit Ihnen, in freier Natur, vielleicht auf andere Gedanken kommen könnte, als dies in der Stadt, unter der Helligkeit der Straßenbeleuchtung, verabredet war. Scheuen Sie nicht die Mühe, sich nach einem Parkplatz umzusehen, wo Sie sich in dem Wagen Ihres Freiers sicher fühlen. Empfehlenswert sind Plätze in der Nähe eines Polizeireviers, auf keinen Fall die Parks, wel-
[13] che von der Konkurrenz frequentiert werden. Sobald Sie Ihre erste Scheu verloren haben, werden Sie merken, daß belebte Parkplätze mitten in der Stadt die günstigsten Voraussetzungen für Ihre Arbeit bieten. Sie sollten viele solcher Plätze kennen, sich nicht auf einem einmal für günstig befundenen Ort als Ihrem Stammplatz niederlassen. Innerhalb von vierundzwanzig Stunden kann viel passieren: Eine andre hat die gleiche Idee gehabt, vielleicht sind Sie trotz aller Aufmerksamkeit beobachtet worden ... Bedenken Sie, daß der Freier leicht die Lust verlieren kann: Der Platz muß innerhalb von zehn Minuten zu erreichen sein. Prägen Sie sich den Weg ein, damit Sie den Freier leiten können. Nicht umgekehrt! Seien Sie wachsam! Steigen Sie nie in einen Wagen ein, den Sie nicht zuvor einer Prüfung unterzogen haben. Die Marke des Wagens, seine äußere Beschaffenheit lassen Rückschlüsse auf den Besitzer zu. Ein Blick durch die Scheibe, es bleiben Ihnen dazu einige Sekunden, kann dem geübten Auge ähnliche Aufschlüsse geben wie ein Blick durch die Fensterscheibe eines Wohnzimmers. Sie nehmen mehr auf, als Sie wissen. Selbst wenn es Ihnen nach der geringen Zeitspanne nicht möglich wäre, eine Beschreibung der Details abzugeben – die Beschaffenheit der Schonbezüge, Radio, Fotos, persönliche Gebrauchsgegenstände auf den Rücksitzen –, haben Sie doch all dies wahrgenommen, einschließlich der Person, von der allein der Kopf zu sehen ist. Selbst die Dellen an den Kotflügeln können Aufschlüsse geben. Verlassen Sie sich auf Ihr Gefühl. In dem Maße, als Ihnen die Person samt der Umgebung anziehend erscheinen mag, kann ein Wagen ebenso die gegenteilige Wirkung auslösen. Sie haben keine Zeit, darüber nachzudenken, warum Sie jemand abstößt, noch Gelegenheit, festzustellen, ob Sie Ihr Gefühl getäuscht hat, etwa eine plötzlich aufkommende Angst, Ihre allgemeine Situation betreffend, Sie irreleitet. Machen Sie nie die Probe aufs Exempel! Ihr Revier besteht am Anfang nur aus einer einzigen Straße. Sie ist etwa 500 Meter lang, doch nur auf den ersten 200 Metern haben Sie den Mut, Ihre Chance wahrzunehmen, weil der restliche Teil Ihnen als von Konkurrenz besetzt zu gefährlich erscheint. Universitätsgebäude auf der einen Seite, auf der andren kleinere Geschäfte, deren Umsatz grade das Existenzminimum zu decken scheint, bestimmen auch den Preis, den Sie verlangen können. Das Fehlen eines Amüsierbetriebs hat den Vorteil, daß sie zwar am Anfang weniger verdienen, Ihre ersten Erfahrungen jedoch nicht gleich unter den härtesten Bedingungen machen müssen. Sie beginnen Ihren Weg bei den ersten Häuserreihen, um
[14] schon bei der nächsten Ecke in die Querstraße einzubiegen. Es sind etwa 50 Meter, welche Sie auf diese Weise umgehen, um von einer andren Seite wieder auf die gleiche Straße zu kommen, wo sie weniger beleuchtet ist. Ein Park bietet Schutz, zugleich aber auch das Risiko, dort auf andre zu treffen, welche ebenfalls die allzu helle Straßenbeleuchtung meiden. Sie werden besser tun, sich an die stillgelegte Villa zu halten, von da aus jetzt die Straße in entgegengesetzter Richtung zu begehen. Selbstverständlich werden Sie beim Laufen nicht die Handtasche schwenken, noch, die eine Hand in die Hüfte gestützt, einen Vorübergehenden als »Kleinen« begrüßen, wie es Ihnen von den Filmklischees geläufig ist. Haben Sie keine Angst, ein Freier könnte Sie übersehen: Es genügt, daß sich eine Frau zu einer unpassenden Zeit (10 Uhr abends) langsam auf der Straße bewegt. Ein Freier mit geübtem Blick weiß sehr wohl zu unterscheiden, ob Sie sich die ausgehängte Speisekarte vor dem Lokal betrachten, weil Sie die Absicht haben, dort hineinzugehen, oder ob Sie nur dort stehen, um vor den Blicken unbeteiligter Passanten einen Grund zum Aufenthalt zu haben. Sollte er dennoch zweifeln, so wird er spätestens in fünf Minuten, wenn er wieder vorbeifährt, den Fall geklärt haben. Abgesehen von den Schaufensterauslagen werden Sie auf Ihren ersten Rundgängen die verschiedenartigsten Ziele anpeilen. Schutz bieten Zigarettenautomaten, vor denen man sich überlegen kann, welche Marke man bevorzugt. Neben einer Bushaltestelle kann man bis zu einer Viertelstunde warten, oder Sie gehen stracks auf eine Telefonzelle los. Solche Anhaltspunkte können Ihnen helfen, zumindest in den ersten Wochen, das Revier zu erforschen, ohne selbst allzusehr in Erscheinung zu treten. Erst wenn Sie an Sicherheit gewonnen haben, werden Sie es wagen, sich von einem Freier in Ihre Straße zurückfahren zu lassen, den Appeal auszunutzen, welchen eine Frau für Männer hat, die soeben von einem anderen kommt. Langsam werden Sie die Parallelstraße dazugewinnen. Sie wissen, wohin man ausweicht, wenn der Betrieb allzu heftig wird, erkennen den Vorteil einer stillen Einbahnstraße. Laufen Sie in Fahrtrichtung. Der Freier hat auf diese Weise Gelegenheit, im Schrittempo neben Ihnen herzufahren, bis durch Blicke, Winken eine erste Verständigung erzielt worden ist. Am Tage sehen die Signale anders aus. Sie sollten mit der dunklen Farbe einer Bluse, dem glitzernden Schatten über Ihrem Augenlid (siehe auch später Kapitel «Kleidung») Ihrer Erscheinung etwas geben, was
[15] den Freier dezent an eine andre Tageszeit erinnert. Nach dem ersten Blickwechsel bleibt die Möglichkeit, daß der Freier annehmen könnte, es handle sich um einen Flirt. In diesem Augenblick sollten Sie auf seine vorsichtige Frage, wohin man sich zu wenden habe, sofort das Appartement erwähnen können. Sicher wird es der Anfängerin passieren, daß sie dieser Faustregel zum Trotz einen Mann erwischt, der gar nicht daran denkt zu bezahlen. Lassen Sie sich nicht verwirren! Erst bei fortgeschrittener Praxis lernen Sie, den Freier unter den Passanten auszumachen, welcher gar nicht erst auf die Idee kommt, daß eine Frau flirten könnte, ohne bei näherer Bekanntschaft etwas zu verlangen. Ihre Rundgänge werden größer. Sie werden wissen, was hinter Ihrem Rücken vorgeht, ohne sich umdrehn zu müssen, es sei denn, daß Sie durch einen gezielten Blick den Freier ermutigen wollten, sich an Ihre Fersen zu heften. Es sind die Schaufensterspiegel in belebten Geschäftsstraßen, die einen Blick nach rückwärts leichter möglich machen. Auf den breiten, dreispurig befahrbaren Alleen dienen andre Tricks: Nutzen Sie das rote Licht, das Sie hindert, eine Straße zu überqueren, dazu, weit in dieselbe hineinzusehen: Ist es ein Polizeiwagen, der sich anschickt, in eine andre Richtung einzubiegen, oder eine einzelne Person im vielversprechenden Wagen? Der Freier wird von selbst Ihre Augen suchen. Durch die andren haben Sie hindurchzusehen. Werden Sie nicht einseitig! Es ist wichtig (gerade für Ihren Beruf), daß Sie wahrnehmen, was sich außerhalb desselben abspielt. Stellen Sie den Fernseher an. Es gibt Sendungen (Fußball, Durbridge), die die Stadt leerfegen bis auf einzelne Passanten, Außenseiter, die sich nicht um allgemeine Interessen scheren. Um sich selbst den Rundgang, der nichts einbringt, Sie nur auffällig macht, zu ersparen, sollten Sie den Blick in die Tageszeitung nicht scheuen. Eine halbe Stunde später ist das Stadtbild schon wie umgewandelt, wenn Sie vielleicht ermüdet aufgegeben haben. Sie werden einige Erfahrung brauchen, bis Sie in der Lage sind, pauschale Verhaltensweisen wahrzunehmen und daraus Ihre Konsequenz zu ziehen. Der VW richtet sich nach dem Verhalten des Mercedes. Tritt zum Beispiel der Fall ein, daß Sie mit dem Mercedes nicht ins Geschäft kommen, a) weil Sie zuviel verlangen, b) weil der Mercedes-Fahrer sich nur nach dem Preis erkundigen wollte, müssen Sie damit rechnen, daß der VW-Fahrer ebenfalls ablehnen wird. Deshalb ist es nie verkehrt, sich den Mann im Mercedes genauer anzusehen. Manchmal kann es klüger sein, sich sogleich dem VW-Fahrer zuzuwenden.
[16] Im Gespräch werden Sie bald auf die ersten Formeln stoßen, welche sich, je nach der Gegend, in der Sie die Bekanntschaft machen, gleichen, wie von einer einzigen Person gesprochen: «Haben Sie was vor?» – «Was soll es kosten?» – «Was wird denn geboten?» In der billigen Gegend (50 bis 100 Mark) sagt man, was man denkt. Eine Zusage hat die gleiche unverblümte Form wie die Ablehnung, daß Sie für sein Portemonnaie zu teuer sind. Bittet Sie ein Mann vor einem eleganten Modegeschäft, nachdem der Preis etc. eingehend besprochen, um einen kleinen Aufschub, weil er im Moment noch eine Verabredung habe – ca. eine halbe Stunde, er nennt das Weinlokal, verstehen Sie dies als eine höflich formulierte Absage, selbst wenn diese mit einem Kompliment, Ihre Figur betreffend, serviert wird. Jegliches Warten in der Hoffnung, das Geschäft könnte noch zustande kommen, bedeutet verlorene Zeit. Sie werden dieser Warnung zum Trotz Ihre eigene Erfahrung machen müssen, um durch die Wiederholung eines solchen Vorfalls die Sprache zu unterscheiden lernen. Vielleicht verhilft Ihnen ein ertragloser Abend zu der Einsicht, daß Sie einer raffinierteren Ausdrucksweise noch längst nicht gewachsen sind. Die Technik beginnt mit dem ersten Satz, der wiederum davon abhängt, in welcher Gegend Sie sich gerade befinden. Arbeiten Sie in einer Straße, wo die Höchstgrenze etwa um 100 Mark liegt, so wird als erste Frage der Preis zu klären sein. Die nächste Frage wird sich darauf beziehen, was der Freier für sein Geld bekommt. Hat er spezielle Wünsche, so wird er sie an dieser Stelle äußern, Ihre Reaktion abwarten – davon hängt es ab, ob das Geschäft zustande kommt. Erwartet er das Angebot von Ihnen, sollten Sie jetzt nicht mit Worten sparen, ihm Ihr Können anzupreisen. Bedienen Sie sich einer wohlgesetzten Ausdrucksform, um plötzlich ein Kraftwort anzubringen, sein Genital betreffend, das ihn reizt, er wird mit einem andren Wort erwidern – Sie können den Vorhang sogleich wieder zuziehn, seine Handbewegung nach Ihrem Körper erwidern Sie mit einem leichten Schlag: Sie bestimmen, wann dies zu geschehen hat, wo und wie lange. Sie brauchen Ihre Rede beim nächsten Freier nicht zu variieren. Machen
[17] Sie sich lediglich die Mühe, Ihren Worten aus Höflichkeit jene Spontaneität zu geben, daß es so klingt, als priesen Sie nur für ihn dergleichen Genüsse an.
Faustregeln für die allererste Zeit zu gebrauchen: a) Verlassen Sie mit einem unbekannten Freier nicht die Stadt, egal, wieviel er Ihnen bietet. b) Verzichten Sie niemals auf den Gebrauch des Präservativs. c) Verlangen Sie Ihr Geld, bevor Sie Ihrem Freier eine Zärtlichkeit erlauben. d) Vertrauen Sie auf das Gefühl des ersten Augenblicks. e) Planen Sie niemals über vierundzwanzig Stunden hinaus.
2. Sie haben die ersten Erfahrungen ohne größeren Schaden hinter sich gebracht. Der Schritt auf die nächsthöhere Stufe erfordert, daß Sie über einen Raum verfügen, in dem die Arbeit konzentrierter vorgenommen werden kann. Angenommen, Sie haben das geeignete Objekt gefunden: ein EinZimmer-Appartement mitten in der Stadt. Ein Fahrstuhl hilft, Ihre älteren Besucher in den vierten Stock zu befördern, wo Sie neben Familien oder Junggesellen, je nachdem, wer die anderen Räume bewohnt, Quartier beziehen. Sie mieten die Wohnung am Tage, um eine Zeit, da sich die Straße vielleicht als eine belebte Geschäftsgegend präsentiert. Sind Sie fremd in der Stadt, mit den Örtlichkeiten noch nicht hinreichend vertraut, versäumen Sie nicht, sich die Straße in der Nacht anzusehen. Mag sein, daß sie ab 10 Uhr abends ihr Gesicht verändert und sich als ein Vergnügungsviertel billigster Sorte entfaltet. Achten Sie darauf, daß der Besitzer nicht im Haus wohnt, Sie es unbemerkt verlassen können: Der Portier hat seine Wohnung im sechsten Stock – ein Umstand, der längst bevor Sie selber auf die Idee gekommen sind, ein Mädchen verführt haben wird, dort einer ähnlichen Beschäftigung nachzugehen, wie Sie es vorhaben. Sie hören es vom Hauswirt selbst (oder von seinem Vertreter), was Sie vermeiden müssen, wenn Sie diese Wohnung behalten wollen: Nehmen Sie nie Kontakt mit einem Mann in dieser Gegend auf: Er kann im gleichen Hause wohnen. Gestalten Sie Ihr Fenster nicht zum Schaufenster. Vermeiden Sie Feste, laute Musik und eben jene Aufmachung, die nach außen hin ein Abzeichen jener Mädchen ist, die sich ein paar Häuser entfernt von seinem eigenen Haus in einer stadtbekannten öffentlichen Unterkunft auf der Straße zeigen. Es hat keinen Lärm zu geben, keinen Ärger mit der Polizei. Es gibt einige Berufe, die bei einer Frau den häufigen Besuch von Männern unumgänglich machen. Es heißt dann sogar: Je mehr Besucher, desto besser ist sie in ihrem Beruf. Eine Steuerberaterin zum Beispiel. Niemand wird hinter einem solchen Geschäft ein anderes vermuten. Selbstverständlich wird sich eine Schriftstellerin als eine solche ausweisen. Mit geübtem Schriftzug schreibt sie eine Widmung in das Buch, das sie als ihr erstes vorlegt. Mit einigem Witz wird es ihr nicht schwerfallen, für ihre häufigen Besucher eine plausible Erklärung zu finden.
[20] Sobald der Hauswirt das Gespräch über jenes andre (ungeschickte) Mädchen beendet hat, setzen Sie vorsichtig an: Auch bei Ihnen wird es Besuche geben. Ihre Kleidung ist von einem dezenten Dunkelblau, das Gesicht kaum geschminkt, die Haare vom Friseur geglättet. Sie sprechen von Ihrem zweiten Buch. Wählen Sie ein gängiges Thema, das zur Zeit in jeder Illustrierten, die auf sich hält, behandelt wird: die Emanzipation der Frau. Ein beifälliges Staunen wird das Gesicht des Hauswirts erhellen. Für einen solchen Zweck nimmt er es gern in Kauf, wenn ihm zu Ohren kommen sollte, daß dort Männer Ihre Schwelle überschritten haben, in weit größerer Anzahl, als man dies bei einer Dame erwartet. Sie sprechen von den Interviews, die Sie dort ungestört zu absolvieren hoffen. Es liegt in der Natur der Sache, daß Sie ihm nicht in vollem Maße zu verstehen geben können, welche Perle er tatsächlich gefunden hat. Sie gehören nicht zu jenen Leuten, welche gleich am Anfang fragen, wer für Reparaturen zuständig ist. Sie sind sensibel, werden bei einer Mieterhöhung keine Schwierigkeiten machen. Im Gegenteil! Sie wären sogar bereit, ihm eine solche Erhöhung von sich aus anzubieten, wenn dies nicht gegen die Regel verstoßen würde. Alles, was der Hauswirt vorschreibt, verstehen Sie auf die richtige Weise. Es wird keine Überschwemmung im Badezimmer geben. Keinesfalls gehören Sie zu jenen Mietern, die mit Ihrem Hauswirt nur durch eingeschriebene Briefe verkehren. Ihr Ausdruck repräsentiert die ideale Mieterin schlechthin. Ihre Sektflaschen werden nicht den Müllschlucker verstopfen. Sie beschweren sich nicht wegen einer defekten Fernsehantenne. Als Mieterin sind Sie sogar jeder älteren Dame vorzuziehen. Aus dem Gesagten geht hervor, daß Sie zum Beispiel den Vermieter in keinem Fall als Vermittler anzusehen haben, wie überhaupt die Dienste von Vermittlern nicht ohne weiteres in Anspruch zu nehmen sind, da der Vermittler Sie nicht empfehlen wird, wenn er Sie nicht zuvor einer Prüfung unterzogen hat. Der Typ des Vermittlers, Wirt oder Taxichauffeur, unterscheidet sich insofern vom Zuhälter, als er für seinen Dienst kein bares Geld verlangen wird. Entweder er kennt das Gesetz
[21] und will seine Lizenz nicht riskieren, oder er hat moralische Bedenken gegen den Stand. Sein Interesse gilt dem eigenen Geschäft, dem Zuwachs, den er durch Ihre Bekanntschaft erwartet. Der Beruf des Wirtes ist dem Ihrigen verwandt. Ihre Tätigkeit bildet die Ergänzung zu dem eigenen Geschäft, ohne daß Sie ihm Konkurrenz machen. Ist er klug, betrachtet er Sie als gleichgestellte Partnerin und gestattet, daß Sie sich in seinen Räumen entfalten. Anders sieht es aus, wenn er als Gegenleistung verlangen sollte, daß Sie seine Gäste zum Trinken animieren, und Sie erst verdienen dürfen, wenn auch er auf seine Kosten kam. Beziehungen solcher Art führen leicht zu Streitigkeiten. Eine indirekte Gebühr, sei dies nun in Form von Liebesdiensten oder einer zusätzlichen Tätigkeit als Animierdame, ist wesentlich unangenehmer zu entrichten, als ein Betrag in barem Geld. Stellen Sie von Anfang an das Verhältnis klar. Sollten Sie zum Beispiel die Dienste eines Taxifahrers in Anspruch nehmen, haben Sie ihn seiner Stellung gemäß als Chauffeur zu behandeln. Wahren Sie Distanz, selbst wenn sich eine Fahrt auf die Länge einer Stunde ausdehnt, die Langeweile eine Komplicenhaftigkeit im Ton aufkommen läßt. Setzen Sie sich in den Fond. Gestatten Sie dem Fahrer, der über das Ziel der Fahrt Bescheid weiß, nicht die geringste Vertraulichkeit. Jede Anspielung auf den Zweck der Reise weisen Sie sofort zurück. Lassen Sie sich über die finanzielle Lage Ihres zukünftigen Freiers unterrichten. Jede detaillierte Beschreibung andrer Eigenheiten lehnen Sie ab. Dies soll nicht heißen, daß Sie gegen dienstbare Geister unfreundlich sind. Im Gegenteil. Sie sollten nur wissen, wenn Sie ungeübt im Umgang sind, bezahlte Dienstleistungen mit Freundschaft verwechseln, daß die kleinste Entgleisung Ihrerseits dem anderen sofort das Recht zu einer Unverschämtheit gibt. Wenn Sie mir bis zu diesem Punkt gefolgt sind, werden Sie sagen, daß ein Zuhälter in Ihrem Geschäft nichts zu suchen hat. Damit haben Sie recht. Für Sie kommt er nicht in Frage und soll deshalb hier nur kurz gestreift werden, der Vollständigkeit halber. Wenn Sie am Anfang noch gefürchtet hatten, durch Warnungen, haarsträubende Geschichten irregemacht, einem solchen in die Hände zu fallen, so hat sich diese Furcht als unbegründet erwiesen. Der Zuhälter wird die Begegnung mit Ihnen eher vermeiden. Denjenigen, welcher es trotzdem versucht, Sie vor seinen Wagen zu spannen, werden Sie als Anfänger entlarven, oder als von auswärts kommend, und mit einigen
[22] stereotypen Redensarten (daß Sie bereits versorgt wären – notfalls mit einem starken Mann) zum Verstummen bringen. Der Zuhälter oder Freund, welcher seine Existenz legitimiert, indem er sich als Beschützer aufspielt oder als Vermittler, ist überflüssig. Sie haben gelernt, sich selber zu beschützen. Ihre Person bringen Sie allein besser an den Mann. Sie brauchen keinen, der Sie abends aus dem Haus treibt. Nach einem schweren Arbeitstag zeigen Sie sich lieber selbst das Geld. Mit weit größerem Vergnügen legen Sie dasselbe in den Kleiderschrank, statt in die Hände eines Mannes, der es für seinen eigenen Zweck verwenden wird.
3. Denken Sie daran, daß Sie ein Geschäft begonnen haben. Angenommen, Sie gehen selbst in ein Geschäft, um einzukaufen, so werden Ihre Gedanken um das Kleid kreisen: wie es Ihnen steht, der Preis wird Sie beschäftigen ... Erst wenn Sie ein eigenes Geschäft aufmachen, werden Sie einen Blick für die Umgebung entwickeln, wo Sie das betreffende Kleidungsstück kaufen. Ich will damit nur sagen, daß der Raum, den Sie sich einrichten werden, als ein Geschäftsraum zu betrachten ist, nicht als ein Ort, um es sich dort gemütlich zu machen. Dies soll nicht heißen, daß der Faktor Gemütlichkeit nicht eine wesentliche Rolle spielt, aber in einem andren Sinn, als Sie dies bisher gehandhabt haben. Ich nehme an, Sie verfügen am Anfang Ihrer Laufbahn nicht über jene fünfstellige Zahl, die nötig wäre, den Raum, den Sie gemietet haben, so auszustatten, wie es ein Freier erwartet, der für eine Stunde 200 Mark bezahlen soll. Sie sind gezwungen, das Mobiliar aus Ihrem jeweiligen Verdienst zu bestreiten. Die Methode, «eine Sache aus sich selbst zu entwickeln», bietet den Vorteil, daß Sie nicht unter psychologischer Belastung arbeiten müssen. Aus irgendeinem Grund (Krankheit, Kündigung) könnten Sie gezwungen sein, Ihre Sache aufzugeben, wenigstens zeitweilig. Wie dann, wenn Sie ein Vermögen bereits investiert haben? Am Anfang werden Sie die ersten Gegenstände beim Trödler günstig kaufen, doch selbst wenn Sie bei dieser Gelegenheit entdecken sollten, daß Sie einen Hang dazu verspüren, alte Sachen auszugraben, so ist Ihr Arbeitsraum nicht der rechte Ort, eine Liebhaberei wie diese zu kultivieren. Sobald Sie das Nötigste zusammen haben, sollten Sie beim Kauf der nächsten Stücke so tun, als ob Sie über jene größere Summe bereits verfügen. In Ihrem Beruf nutzt man jede Gelegenheit, um zu zeigen, was man hat. Die Qualität Ihrer Einrichtung bietet eine solche Möglichkeit. Der Luxus, mit dem Sie sich nach und nach umgeben lernen, hilft, den Freier für eine Stunde jener Welt zu entrücken, wo die Miete fällig ist, die Steuererklärung ... Nichts berührt unangenehmer als eine Hure in Not. In solchem Fall kommt die Forderung nach Geld einer moralischen Erpressung gleich. (Auch die Hure in Not hat ihre Freier.) Sie sollten es drauf anlegen, sich von dieser Stufe möglichst weit entfernt zu zeigen.
[24]
Das Licht Anders als die Leselampe, welche Sie bei sich zu Haus benutzen, dient das Licht in Ihrem Arbeitsraum hauptsächlich zu dem Zweck, Ihren und den Körper des Freiers vorteilhaft zur Geltung zu bringen. Ihr Raum ist groß, Sie haben die Möglichkeit, verschiedene Lichtquellen an verschiedenen Orten anzubringen. Nicht auf einmal! Dazu wäre die Investition zu hoch, lassen Sie sich Zeit. Versuchen Sie, eine mit einem altrosa Schirm zu finden. Wie schön, wenn der kunstverständige Freier in dem Fuß eine Jugendstilarbeit erkennen kann. Der Freier will sich in Ihrer Wohnung sicher fühlen. Er wünscht, mit Gegenständen umgeben zu werden, die er kennt und ohne nachzudenken als «geschmackvoll» akzeptieren kann. Eingeführte Stilarten wie Barock, Empire, auf den ersten Blick als solche zu erkennen, nehmen sich besonders günstig aus.
Temperatur Sorgen Sie dafür, daß Ihr Freier niemals friert, sobald er Ihren Raum betreten hat, was nicht heißen soll, daß er ins Schwitzen kommen muß. Mittels eines zusätzlichen Heizgerätes sollten Sie die Temperatur regulieren, so daß man sich unbekleidet jederzeit bewegen kann.
Der Teppich Es sollte möglich sein, an jeder Stelle Ihres Appartements der Arbeit nachzugehen. Sie haben alsdann keinen toten Punkt im Raum. Wählen Sie am besten einen Teppichboden, welcher durch Farbe und Struktur einlädt, sich dort niederzulassen. Das wichtigste Möbelstück ist
Das Bett Der Platz, welchen Sie wählen, um es aufzustellen, sollte in jedem Fall ein hervorragender sein. Zwängen Sie es nicht in eine eigens dafür angebrachte Nische. Auch wenn der Freier seinen Platz auf der Couch nicht verlassen will oder eine andere Idee verfolgt, ist das Bett als Möglichkeit immer gegenwärtig. Der Anblick sollte ein verführerischer sein, breit genug, zu zweit dort die Nacht zu verbringen (auch wenn Sie aus Gründen der Sicherheit nicht die Absicht haben). Bitten Sie Ihre Freundin, den Trick zu zeigen, wie man Kissen so dra-
[25] piert, daß sie in der Decke eine gleichmäßige Erhebung bilden. Sie wird Ihnen bei der Auswahl Ihrer Wäsche zur Seite stehn. Ihr Bett sollte stets unangetastet erscheinen, gleich, ob Sie demselben gerade erst entstiegen sind. Überhaupt werden Sie merken, daß der Faktor Ordnung mit den ersten Möbeln, die Sie in Ihren Besitz gebracht haben, eng verbunden ist. Gefüllte Aschenbecher, Fußabdrücke, leere Flaschen, ein zerwühltes Kissen deuten auf die Spuren eines vorhergehenden Freiers hin. Umgekehrt verrät eine Staubschicht auf der Tischplatte, daß Sie wenig fleißig waren. Ein Freier wünscht seine Nebenbuhler nicht zur Kenntnis zu nehmen. Umgekehrt möchte ein Freier der Preisklasse, auf die Sie sich zunächst beschränken, nicht Ihr einziger Liebhaber sein.
Der Stuhl Angenommen, Ihr Stuhl stammt noch aus der Zeit, da Sie beim Trödler kauften. Seine Beine sind ausnehmend hoch. Die geschnitzte Rose an der Lehne drückt auf wenig angenehme Art in den Rücken, er hat keine Armlehnen. Geben Sie ihn nicht zurück, auch wenn Sie sich längst einen Sessel leisten können. Abgesehen davon, daß Sie ihn auf Grund seines antiken Wertes, falls er einen solchen hat, als schmückendes Inventar in eine Ecke placieren können, wird er Ihnen bei der Bestrafung dieses oder jenes Schülers von Nutzen sein. Was Ihnen im Gebrauch bisher wenig vorteilhaft dünkte, die hohen Beine, das Fehlen einer Armlehne, wird, wenn Sie Ihren Schüler auffordern, rittlings mit entblößtem Gesäß darauf Platz zu nehmen, genau das Passende sein. Die Höhe der Sitzfläche macht es Ihnen möglich, die Züchtigung in aufrechter Haltung vorzunehmen. Die Lehne, nun, da sie nicht mehr dazu dient, ein angestrengtes Rückgrat zu stützen, sondern den Armen Halt gibt, die darum geklammert sind, scheint sogar wie eigens zu diesem Zweck angefertigt.
Der Tisch Bald werden Sie feststellen müssen, daß Sie Ihren Freier nicht bewirten können, solange Sie gezwungen sind, sein Glas auf den Boden zu stellen. Der Freier ist nicht Ihr Freund! Er wird nicht zahlen, wo er sich bücken muß, um seine Zigarettenasche abzustreifen. Suchen Sie in einem Spezialgeschäft für englische Möbel. In jeder größeren Stadt wer-
[26] den Sie ein solches finden, zumal es sich hier um einen Butlertisch handelt, welcher nachgearbeitet ist. Wer ihn nicht kennt, wird das Oval der Platte bewundern, sich von Ihnen zeigen lassen, wie man durch Hochklappen der Kanten ein Tablett herstellen kann, um es an eigens dafür eingefügten Griffen herunterzunehmen. Selbst wenn Sie diese Möglichkeit nicht ad oculos demonstrieren werden, so ergibt sich doch zumindest eine winzige Geschichte über die Herkunft des Tisches, den besonderen Gebrauch.
Gerüche Ich habe bereits auf die besondere Bedeutung hingewiesen, welche die Ordnung innerhalb Ihres Berufes hat, nämlich, daß sie dazu dient, jenes Wohlbehagen zu verstärken, welches der Freier innerhalb Ihrer Räumlichkeiten empfinden soll. Ebenso wie das Licht die Sinne Ihres Freiers beruhigt oder verwirrt, können Sie mit den verschiedenartigsten Düften, welche jener im einzelnen gar nicht wahrzunehmen im Stande sein muß, ein anderes Zentrum ansprechen. Ihrer Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Hingegen soll nur angeführt werden, welche Gerüche Sie nicht anwenden sollen! a) Der Geruch nach scharfen Putzmitteln. (Säubern Sie nicht unmittelbar, bevor Ihr Freier Sie besucht, die Wohnung, es sei denn, dies geschehe auf besonderen Wunsch.) b) Jede Art von Essensdunst. Ihr Freier braucht nicht zu wissen, wann und wie Sie Ihre Mahlzeiten zu sich nehmen. c) Zigarettenrauch (das gleiche gilt für Tabak oder Pfeife). d) Der Geruch nach Alkohol. e) Der Geruch von nassen Kleidern. Über all dem sollten Sie die
Musik nicht vergessen. Ihre Plattensammlung sollte möglichst vielfältig und das Arrangement jedesmal ein anderes sein. Machen Sie nicht den Fehler, Ihrem Freier die Musik vorzuführen, welche Sie bevorzugen, wenn Sie allein sind. Musik sollte angenehme Gefühle wecken, zum Beispiel beim betagten Freier die Erinnerung an die Zeit vor zehn Jahren, an den letzten Modetanz, den er mitgemacht hat... Sehen Sie ihn die Bewegung andeuten, so war es die richtige Wahl. Versuchen Sie nicht, Ihren Freier zu belehren, indem Sie darauf bestehen, daß er eine Platte bis
[27] zum Ende anhört, die ihm Unbehagen bereitet. Treffen Sie nicht seinen Geschmack, so lassen Sie ihn selber wählen. Stellen Sie plötzlich fest, daß ein Gespräch einen allzu ernsthaften Verlauf zu nehmen droht, überlegen Sie zuerst, ob es am ‹Brandenburgischen Konzert› liegen könnte. Korrigieren Sie sofort! Die Musik soll Ihnen die Arbeit erleichtern helfen, angefangen von der Begrüßung des Freiers bis zu jenem Punkt, da Sie sich mit gehobenem Weinglas in einem Bauchtanz versuchen. Da Sie darauf zielen, Ihren Freier zu gesteigerter Liebeslust anzuregen, haben Sie keine Angst, die falsche Bewegung zu machen, und keine Hemmung. Merken Sie sich, wenn ein Freier die Musik im Hintergrund nicht wünscht, um ihn beim nächsten Treffen in jener Stille zu empfangen, wo allein das gesprochene Wort Gewicht hat. Auf die Technik eines ersten Gesprächs werde ich an anderer Stelle zurückkommen. Wundern Sie sich nicht, wenn Sie auf Freier treffen, die gar nicht wissen wollen, wie Sie heißen. Stellen Sie sich nur mit Ihrem Namen vor, wenn dies gewünscht wird. Es gibt Freier, welche Sie nur aufsuchen, um das Erlebnis alsbald zu vergessen. In einem solchen Fall kommt die Antwort ohne Frage einer Belästigung gleich. Häufiger wird sich die Frage nach Ihrem Alter stellen. Ihr Instinkt wird Ihnen bereits eingegeben haben, daß hier Ehrlichkeit nicht am Platze ist. Eine Hure ist nicht älter als vierundzwanzig. Aus Ihrem Jahrgang resultiert, daß Sie bestimmte Vorgänge geschichtlicher Natur nur vom Hörensagen kennen: den letzten Weltkrieg, die Währungsreform. Bis zu Ihrem vierzigsten Lebensjahr können Sie sich in diesem Lebensalter erhalten. Das Erwähnen Ihres fünfundzwanzigsten Geburtstags bringt den Freier nur auf den Gedanken, daß Ihre Jugend der Vergänglichkeit ausgesetzt sei. In den Augen des normal empfindenden Mannes hat Ihr Beruf keine Zukunft. Eine alternde Prostituierte, das heißt eine Frau, der man ihre sechzig Jahre ansieht, ist dem allgemeinen Spott ausgesetzt, tatsächlich aber hat sie ihren festen Kundenkreis. Obgleich Ihnen eine solche Existenz durchaus respektabel erscheinen mag – dem Gros der Männer wird sie weniger behagen, schon gar nicht im Zusammenhang mit der Person, die Sie für sie darstellen. Antworten Sie auf die Frage nach der Zukunft nur, wie man es schon gehört hat: daß Sie heiraten werden, ein Geschäft aufmachen u.a. Der ahnungslose «Freund» oder «Verlobte», der von Ihrem Beruf nichts weiß, wird Ihnen zur Seite stehn. Er sichert Ihre Zukunft auf die ge-
[28] wohnte Weise. Sie brauchen ihn auch, um Ihr Verhältnis zum Freier abzugrenzen. Hüten Sie sich, Hoffnungen zu wecken, die Sie nicht bereit sind zu erfüllen, falls Sie Männer treffen, welche die Lebensgefährtin suchen. Außerdem dient Ihr Verlobter zu dem Zweck, die Erzählungen von Wochenendausflügen vor den Augen Ihres Freiers fröhlicher erscheinen zu lassen: Sie sind nicht allein gewesen. Ihr Leben ist beneidenswert. Nichts erscheint in einem trüben oder seltsamen Licht. Ihr Verlobter sollte Ihrem eigenen Alter entsprechen (vierundzwanzig). Er darf auch um ein Jahr jünger oder älter sein. Wählen Sie sich einen jungen Mann aus Ihrem Bekanntenkreis. Es wird Ihnen helfen, Ihrem Freier eine anschauliche Schilderung zu geben. Lassen Sie ihn studieren. Sein Studium in Verbindung mit Ihren Ersparnissen öffnet einen glücklichen Ausblick auf das Ende Ihres Berufes. Falls dies noch nicht genug ist, geben Sie mit ein paar Worten das Besondere seiner Erscheinung preis: Kleidung, Haarschnitt. Oder verfügt er über eine künstlerische Begabung? Sie können durch einen Vergleich mit ihm die Vorzüge Ihrer eigenen Figur zur Geltung bringen. Zeigen Sie ihn entblößt, mit den langen Beinen und den schöngeformten Zehen, Ihre Schultern daneben, um ihn gleich wieder zu bedecken. Falls Sie merken, daß die Figur zu glanzvoll geraten ist, sollten Sie die Schwäche verraten: Es kann dies sogar ein körperliches Gebrechen sein, die Augen betreffend. Eine andre Frage, welche meistens dazu dient, die Fahrt vom Treffpunkt bis zu Ihrer Wohnung zu überbrücken, betrifft den Geburtsort. Wählen Sie als solchen eine Stadt, sollten Sie zumindest einige Straßenzüge etwas genauer kennen. Sie müssen damit rechnen, daß Ihr Freier ebenfalls über Kenntnisse verfügt, vielleicht bessere. Um eine Verbindung herzustellen, kann es sein, daß er nach profilierten Plätzen fragt. Es gibt Großstädte, deren Name Ihren Preis bestimmen kann. Ihr Freier wird der Versicherung, daß Sie daselbst nur Ihre Schulzeit absolviert haben, keinen Glauben schenken, sondern meinen, Ihr Revier daselbst sei abgegrast. Nach dem Personalausweis fragt nur die Polizei. Ganz nach Laune wird Ihr Freier sich mit einem Taufnamen vorstellen, wie er ihn für passend hält, auch um zu zeigen, daß er Ihren eigenen Namen als angenommen erkennt. Probieren Sie einige Namen an sich aus. Der Name hängt vom Ort und der jeweiligen Modeströmung ab. In einer Zeit, da französische Filme den Geschmack bestimmen, nennen Sie sich Madelaine. Sie heißen Peggy, wenn der Wind aus England weht. Immer werden Sie einen Namen wählen, der Ihnen steht, zur Haarfarbe passend, die
[29] Sie selber ausgesucht haben, blond oder schwarz, einen Namen, den man leicht behalten kann, weil eine Verbindung zu einer Person oder einem Ding besteht, das eine Assoziation ermöglicht. Ein Name kann dunkle Augen heller erscheinen lassen. Er ist das Markenzeichen. Eine Hure hat den Instinkt, zu wählen, was den Verkauf der Ware, die sie anbietet, leichter macht. Vorschlag: Nennen Sie sich nach dem Pelz, der so manches Frauenherz – auch Ihr eigenes – höher schlagen läßt. Wie, wenn Sie in einer Bar den Arm um einen Freier legen und auf die Frage nach Ihrem Namen antworten: «Ich heiße Chinchilla.»
4. Sie möchten gerne Lehrerin werden. Die Vorstellung, Ihr Leben in eine feste Bahn zu bringen, befriedigt Ihr Bedürfnis nach Sicherheit. Es wird für Sie gesorgt. Das Gehalt überfordert nicht die normale Erfindungsgabe. Vor allem ist es die Ordnung der Verhältnisse, die den Reiz ausmacht: daß Sie früh am Morgen anfangen, innerhalb einer genau festgelegten Zeit einen Stundenplan zu absolvieren haben. Sie sind sogar bereit, Ihr Privatleben jener musterhaften Lebensweise anzupassen, wie man sie sich von einem Lehrer heutzutage gar nicht mehr getraut zu erwarten. Ihre Ehe ist intakt. Nie werden Sie durch eine ausgefallene Meinung, einen suspekten Freundeskreis Ihre Stellung riskieren. In einer eigens ausgewählten Kleidung wären Sie die Unantastbarkeit in Person. Vielleicht ist Ihnen dieser Lebenskreis zu eng. Der Besuch bei Ihrem Hausarzt hat Sie mit Neid erfüllt, in Ihrem Herzen ist ein melancholisches Gefühl zurückgeblieben. Es war keine Stimmung, auch nicht Ihre eigene Situation, an der sich Ihre Phantasie entzündete. Sie erlebten, wie ein Patient nach dem andren ins Sprechzimmer abberufen wurde. Wie beruhigend, dachten Sie, derart eingebettet zu sein, im weißen Kittel zwischen Instrumenten seinen Platz zu haben, mit dem Ärger, allem, was mit einer Praxis zusammenhing... Trotzdem werden Sie nicht studieren. Nicht etwa, weil Sie ein Studium scheuen, die Examen, im Gegenteil! Wie hätten Sie sich auf den Stoff gestürzt, das Wissenswerte in sich eingesogen. Sie tun es nicht. Die Vorstellung, ein Studium durchzuführen, verknüpft sich stets mit anderen Personen: Frauen, die Sie auf Reisen treffen, Damen aus Ihrem Bekanntenkreis. Sie lassen die Jahre verstreichen, ohne daß sich etwas verändert, bis die Nachricht von der Altersbegrenzung an den Universitäten zu Ihnen durchdringt. Sie überlegen, wie alt Sie noch werden dürfen... Kaufen Sie nicht die Krokotasche für 700 Mark. Es sei hier geraten, sich nicht vor Beginn Ihrer Laufbahn einzukleiden. Was Sie für den Anfang brauchen, finden Sie in Ihrem Kleiderschrank. Ich habe bereits an andrer Stelle darauf hingewiesen, daß nun Ihr Anzug anderen Gesetzen unterliegt, jedenfalls nicht denen der gerade gängigen Mode. Zögern Sie nicht, Ihren Kilt anzuziehen, nur aus dem Grund, weil Ihre Kolleginnen auf der Straße ihn zur Zeit nicht tragen, oder weil ihn im Moment überhaupt niemand trägt. Die Erinnerung an die Sekretärin
[32] vor sechs Jahren, welche dieses Kleidungsstück bevorzugt hat, wird den Freier Ihre Gesellschaft wählen lassen. Ein Kleidungsstück wie dieses verheißt: eine bestimmte Musik, die er in Ihrer Wohnung hören wird, eine Whiskysorte, die er kennt, er muß nicht mit unliebsamen Überraschungen in Ihrer Einrichtung oder der falschen Tageszeitung rechnen. Wohl sollte Ihr Anzug (in welcher Gegend Sie sich auch bewegen) auf mehr oder weniger diskrete Art die Blicke solcher Männer auf sich ziehen, die bereit sind, für die Liebe Geld auszugeben – auf keinen Fall darf entblößt sein, wofür Sie in Ihrem Appartement Geld verlangen. Findet sich in Ihrem Schrank eine durchsichtige Bluse, denken Sie daran, daß der Kellner im Lokal ebenfalls zu sehen kriegt, wofür der andere später zahlt. Die Nacht kann eine Farbe verändern. Was sich bei Tageslicht harmlos ausnimmt, kann unter einer anderen Beleuchtung auf geheimnisvolle Weise schillern. Nehmen wir einmal an, Sie wählen Weiß als Grundfarbe, Pulli, Halstuch, wie es sich aus der bereits vorhandenen Garderobe ergibt: Weiß als Untergrund für das Schottenmuster: Sie brauchen nur noch zu ergänzen: weiße Stiefel. Als Manschetten blitzen weiße Hüllen über Ihren Händen auf. Innerhalb Ihres Berufes signalisiert die weiße Farbe Sauberkeit und Jugendfrische. Vorsicht, daß die weiße Bluse nicht zum Krankenkittel wird! Es liegt bei Ihnen, ganz nach Stimmung oder Jahreszeit das Weiß zurückzudrängen: Lassen Sie sich von dem Rot Ihrer Fingernägel anregen, eine Bluse in der gleichen Farbe zu wählen, um beim nächsten Turnus mit einem kräftigen Gelb aufzuwarten. Bedenken Sie, daß Sie sich Ihrer Kleidung bis zu dreimal am Tag entledigen müssen. Denken Sie an Ihre Frisur! Kleider, deren Anlegen die Hilfe anderer erfordert, sollten Sie sich für den Opernbesuch in späteren Jahren zurückhängen. Den Familienschmuck lassen Sie im Safe. Der Glanz echten Goldes könnte Blicke auf sich ziehen und Begierden wecken, denen Sie besser ausweichen. Keiner Ihrer Freier wird erwarten, daß es sich bei jenen Steinen, die in einer doppelten Reihe Ihren Gürtel zieren, um etwas anderes handelt als geschliffenes Glas. Mit einer metallisch glänzenden Sandale können Sie den Anschein erwecken, als wären selbst die Zehen noch mit Ringen geschmückt. Dagegen ist es nicht angebracht, am rechten Mittelfinger einen Ring zu tragen, der die Assoziation an einen bestimmten Geber weckt (Verlobter). Die Brosche Ihrer Großtante, andernorts wegen der hübschen Form bewundert, löst innerhalb Ihres Berufszweiges, wo man Schmuck als Zahlungsmittel in Empfang nimmt, höchstens das Gefühl von Rührung aus.
[33] Sie sollten sich vergegenwärtigen, daß der Freier Ihrer Wäsche ebenso ansichtig wird wie des Mantels, Sie vielleicht auf Wunsch angetan mit Ihrem Strumpfhaltergürtel mehr Zeit mit ihm verbringen werden als in Ihrem Faltenrock. Die Auswahl Ihrer Dessous bedarf einer besonderen Sorgfalt. Sie sollten sich darin wie in einem Anzug bekleidet bewegen können, welchen abzulegen für den Freier wiederum ein Reiz bedeutet, den Sie sich nach Vereinbarung bezahlen lassen. Je kostbarer die verschiedenen Schalen sind, aus denen Sie Ihren Körper – der als der gleiche angesehen werden kann, den eine Mädchen an andrer Stelle für einen Zwanzigmarkschein anbietet – langsam enthüllen, desto höher ist der Preis, den Sie erzielen. Materialien, welche zu empfehlen sind: Seidenstoffe, alles, was den Charakter eines Seidenstoffes hat, Samt, Spitzen, Brokat, Chiffon, Pelz, Wildleder, für den Spezialgebrauch Leder (schwarz), Kroko, Lackleder. Materialien, welche zu vermeiden sind: Loden, grobe Wolle, Cordsamt, Tweed, Popeline. Der Chinchilla zu 72 000 Mark, was immer auch der Anlaß gewesen sein mag, diesen, Ihren Weg zu beschreiten – Sie sollten Ihren Pelz nie aus den Augen verlieren. Er hilft Ihnen sparen. Sie lernen 50 Mark auf 50 Mark zu legen. Betrachten Sie ihn als Ihr Meisterstück. Jeder Schein bedeutet einen Schritt zum Ziel. Wenn Sie Dinge in den Schaufenstern sehen, die Sie gern besitzen würden, denken Sie daran, daß es Leute gibt, die Ihnen das Erreichte wieder abjagen. Versuchen Sie, dieselben zu umgehn. Nach dem ersten halben Jahr rechnen Sie sich aus, daß Sie den ersten Ärmel zusammen haben, der weit geschnitten war, Sie haben schon den zweiten angefangen, arbeiten am Kragen... Vielleicht müssen Sie den ersten wieder hergeben? Brauchen Sie das Auto? Bringt es ein, was Sie dafür aufgewendet haben? Werden Sie den dritten Winter immer noch in Ihrem alten Mantel überstehn? Bringt der neue Mantel andre Freier? Halten Sie fest, was Sie in Händen haben! Es ist ein ewig langes Stück von der Schulter bis zum Boden, ganz zu schweigen von den Vorderteilen.
[34] Sie werden erleben, wie nach dem ersten Jahr der Sensationsgehalt Ihrer Tätigkeit abgeflaut ist: Sie fahren zu Ihrer Arbeitsstätte wie in ein Büro, manchmal auch verdrossen. Vielleicht haben Sie Urlaub nötig. Sie sind Ihre eigene Chefin, brauchen keinem Rechenschaft abzulegen. Fragen Sie Ihre Freundin. Es ist die Gelegenheit, sich zu freuen: Wie weit haben Sie es doch gebracht! öffnen Sie den Kleiderschrank. Lassen Sie sie auf die Reihe wohlgepflegter Stiefel blicken. Zeigen Sie ihr an sich selber, wie Ihnen die Farbe einer Bluse steht, lassen Sie sie ebenfalls probieren. Sie werden noch ein anderes Vergnügen erfahren, das Sie kennen, und als einen alten Freund willkommen heißen, Ihnen zu helfen, jenes Geld, Ihre Jagdtrophäen, auch zu sparen. Erinnern Sie sich nur! Als Kind hatten Sie ein Gefühl von freudiger Erregung durch die Anhäufung abgefahrener Fahrscheine erlebt, genau wie Sie es jetzt empfinden, wenn das Bündel Geldscheine in dem Kasten, den Sie als Versteck ausersehen haben, stärker wird, unter Ihren Händen anwächst, Sie können damit spielen, die Scheine ordnen – manchmal müssen Sie nachzählen, weil Sie vergessen haben, wieviel Sie schon haben... Sie irren sich, müssen die Zählung wiederholen – die Hunderter haben Sie extra aufbewahrt: Es sind drei Häufchen, einer dient zur Begleichung Ihrer ständigen Ausgaben, der zweite ist für Anschaffungen ausersehen: Möbel oder Kleidung. Erst was auf dem dritten zusammenkommt, legen Sie zurück. Einmal im Monat gehen Sie auf die Bank. Sicher wird die Betrachtung der Zahlenreihe in einem Sparkassenbuch Ihre Sinne weniger reizen als die Beschäftigung mit dem baren Geld. Seien Sie vernünftig! Ihr Vergnügen an den Scheinen darf Sie nicht verleiten, auf den Zinssatz zu verzichten. Außerdem bedeutet das Forttragen, auf der Bank warten, schließlich die Übergabe an eine andere Person ein neues Spiel: Sie sehen den Kassierer nachzählen, was Sie zuvor geprüft haben, können am Schalter auf die Rückgabe Ihres Sparbuchs warten ... um mit Ihrem ersten neu verdienten Schein von vorn anzufangen. Es gehört zu Ihrem Handwerk, die verschiedenen Währungen innerhalb Europas zu kennen. Jedes Kind weiß, wie der Dollar steht. Aber kennen Sie den Stand des belgischen Franc? Wissen Sie, wieviel deutsche Mark Sie für 1000 Lire bekommen, wenn Sie letztes Jahr nicht in Italien waren? Ob die Währung noch die gleiche ist? Informieren Sie sich beizeiten, damit Sie keine böse Überraschung erleben, wenn Sie stolzgeschwellt auf der Bank die Scheine einzahlen.
[35] Auch wenn es Ihnen im Moment so erscheint, als hätten Sie durch die veränderte Tapete einen Schritt nach vorn gemacht, so wird Ihnen bald klarwerden, daß Sie nur die mindesten Voraussetzungen erfüllen. Sie bewegen sich immer noch zu Fuß auf jenen Straßen, welche Sie als besonders erfolgreich eruiert haben. Auf Ihren Spaziergängen sind Sie den Unbilden jeder Witterung ausgesetzt. Sie werden selbst merken, daß Ihr Geschäft – im umgekehrten Verhältnis zum Pelzhändler – in Jahreszeiten wie Frühjahr oder Sommer besser floriert als im Winter, wo Sie hauptsächlich von den Einkünften jener Freier leben werden, die Sie in der warmen Jahreszeit erworben haben. Waren Sie im Sommer fleißig, kommt Ihnen dies im Winter zugute. Eine Möglichkeit, sich trotz Kälte oder Schnee auf der Straße zu bewegen, ohne daß Sie mit erstorbenen Händen, roter Nase für ein entsprechend geringes Entgelt Ihren Geschäften nachgehen müssen, bietet das Auto. Wenn es Ihnen bis dahin nicht notwendig erschien, den Führerschein zu machen, sollten Sie dies nachholen, gleich, wie alt Sie sind. Selbst wenn es ein Jahr dauert, bis Ihr Auto sich geschäftlich rentiert, scheun Sie nicht die Anstrengung. Betrachten Sie das Auto, welches Sie sich kaufen, als den Firmenwagen. Ihrer Firma entsprechend sollte es ohne Fehler sein, sauber, mit einladenden Fellen für Sie selbst und den Freier ausgestattet. Sie werden die Zahlen auf dem Kilometerzähler mit dem gleichen Vergnügen anwachsen sehen, wie Sie Ihr gespartes Geld zählen. Vielleicht bringen Sie die Zahlen in Beziehung, fahren Ihren Kontozahlen nach, mit dem entfernten Ziel, den Verkehr so weit zu überblicken, daß Sie auch im dicksten Gewühl Ihren Geschäften nachgehn können. Sie müssen einem Auto folgen können, gleich, wie schnell es fährt, umgekehrt, werden Sie den Freier ins Schlepptau nehmen müssen, ohne ihn, falls er sich nicht auskennt, zu verlieren. Um einen Freier vom Auto aus zu gewinnen, benötigen Sie Kenntnisse, welche über den Lehrplan Ihrer Fahrschule hinausgehen. Die ersten Überlegungen werden Ihre Aufmachung betreffen. Anders als zu Fuß auf der Straße, wo der Mann Ihre ganze Figur ins Auge fassen kann, sieht er im vorbeifahrenden Auto nur mehr Ihren Kopf, die Schultern, allenfalls die Hände. Die Signale, die Sie mittels Gang und Kleidung aussenden, müssen Sie im Auto durch andre ersetzen. Sie werden aus eigener Anschauung wissen, daß es vor allem die Haare sind, die hinter einer Scheibe stark ins Auge fallen. Sie sollten nie von einem Tuch bedeckt sein. Wenn Sie eine Kopfbedeckung wählen, so nur eine schmückende. Am besten ist es, wenn die Haare selbst den Schmuck darstellen,
[36] an Struktur und Farbe möglichst ebenmäßig, wie gemeißelt erscheinen. Bestehen Sie darauf, Ihr eigenes Haar zu zeigen, so frisieren Sie dasselbe wie eine Perücke. Die Frisur bietet jenen Blickfang, die den Freier, welcher hinter Ihnen fährt, kurz das Fernlicht antippen läßt, als Erkennungszeichen. Führen Sie ihn zu einem Platz, wo die Möglichkeit besteht, zwei Wagen hintereinander zu parken. Es ist der Freier, der den seinen verlassen wird, um vor Ihre Scheibe hinzutreten. Setzen Sie den Preis entsprechend höher an. Selbst in einer billigen Gegend wird ein Mann, der einer Frau im Auto folgt, jene nicht mit einem Fünfzigmarkschein veranschlagen. Der Freier wünscht bei Ihnen sicher zu sein. Er will, daß Sie Ihr Handwerk beherrschen. In der Art, wie Sie vor ihm herfahren, auf ein Überholmanöver reagieren, haben Sie die Möglichkeit zu zeigen, daß er auch in gute Hände kommt. Um einen Freier zu Fuß aufzunehmen, müssen Sie einen Halteplatz am Bordstein anvisieren, der es Ihnen möglich macht, die Schlange der Autos neben sich vorbeizulassen, während der Freier sich entscheidet, ob er zu Ihnen einsteigt oder seinen Weg in einer andren Richtung nimmt. Da Sie unter allen Umständen vermeiden müssen aufzufallen, empfiehlt es sich, zuvor Kontakt aufzunehmen. Fahren Sie einmal um den Block herum. Bei Ihrem zweiten Auftauchen wird der Freier bereits erwartungsvoll die vorbeifahrenden Autos mustern, vielleicht hat er sich auch bereits am Bordstein aufgestellt, Ihre Schwierigkeiten erkennend.
5. Das Präservativ gehört zu Ihrem Handwerkszeug wie die Schere zum Schneider. Es ist ebenso wichtig wie die Puderdose oder Ihr Notizbuch. Bevor Sie abends losgehen, sollten Sie sich mit einem Blick in die Handtasche vergewissern, ob Ihr Vorrat für den Abend ausreicht. (Welche Marke Sie bevorzugen, bleibt Ihnen überlassen.) Wichtig für die Anfängerin ist die richtige Handhabung. Ihr erster Freier braucht nicht unbedingt zu merken, daß Sie es zum erstenmal tun. Vielleicht wird er versuchen, Sie im Preis zu drücken, oder Sie gar überreden, von dem Gebrauch des Verhütungsmittels abzusehn. Das Ungewohnte der Situation sollten Sie sich dadurch erleichtern, daß Sie Handgriffe wie das Überziehen des Gummis und das Abstreifen beherrschen, ohne nachzudenken. Empfehlung: Üben Sie für sich allein das Öffnen der Schachtel. Sie wissen es bereits von einer Zigarettenschachtel, daß sich beim Öffnen Verzögerungen ergeben können. In Ihrem besonderen Fall kann eine Verzögerung, ein ungeschickter Handgriff die Arbeit von einer Viertelstunde zunichte machen. Betrachten Sie die Hüllen: Wie sieht so ein Gummi aus. Versuchen Sie, ihn über einen Gegenstand zu streifen, der die Größe eines Penis hat, merken Sie, von welcher Seite, opfern Sie die ganze Schachtel. Der Freier ist es gewöhnt, daß Sie den kleinen Dienst, der ja zu Ihrem Schutz dient, selber tun. Ebenso flink sollten Sie den Gummi wieder abnehmen, ohne dem Freier einen Schmerz zuzufügen, in der andren Hand das Kleenextuch griffbereit. Bei Männern, die das vierzigste Jahr überschritten haben, können sich weibliche Symptome zeigen. Stellen Sie zum Beispiel eine hochgradige Empfindlichkeit der Brustwarzen fest, werden Sie damit rechnen müssen, daß der Betreffende auch an anderen Öffnungen reizbar ist. Zum Beispiel ist sein Penis nicht allein auf die Reibung in der Scheide aus. Am erfolgreichsten erweist sich in diesem Fall die orale Behandlung, bei der die Zunge jene Rolle spielt, die dem männlichen Glied vorbehalten ist. Betrachten Sie die Spitze des Gliedes, die eine leichte Vertiefung zeigt, als eine Vagina, indem Sie den Anschein wecken, als stießen Sie die Zunge hinein, während Ihre Lippen, zu einem Schlauch zusammengezogen, an dem übrigen Fleisch jene Reibung vollziehen, wie Sie das Eindringen in die Scheidenöffnung verursacht, nur intensiver, da die Muskulatur Ihrer Wangen sich als beweglicher erweist. Gewöhnen Sie sich daran, mit den Händen etwas anderes zu tun
[38] als mit dem Mund, dabei Ihre Brust einzusetzen, so daß möglichst viele Reizmomente zur gleichen Zeit entstehen. Der Gedanke an Kot wird Ihnen am Anfang Ihrer Laufbahn eine Hemmung bereiten, sogar Ekel einflößen. Nicht zu Unrecht. Vergessen Sie nie, daß Sie nur für bestimmte Liebesdienste Geld erhalten, also nicht verpflichtet sind, jedem Wunsch Ihres Freiers entgegenzukommen. (Siehe auch Kapitel «Moral».) Die fortgeschrittene Technik erfordert, daß Sie alle erogenen Stellen eines Körpers kennen. Die Bewegung einer feuchten Fingerspitze über dem After kann einen starken Reiz auslösen, ist jedoch, wenn überhaupt, nie am Anfang anzuwenden, sondern erst gegen Ende der Behandlung. Wechseln Sie ab mit einer intensiven Behandlung der Hoden, während der Sie die Fingerspitze gegen den After gedrückt halten. Vergessen Sie nie, daß Ihr Besucher eine Arbeitsleistung erfordert. Es erhöht Ihren Reiz, daß er sich nur eine bestimmte Zeit bei Ihnen aufhalten darf. Sollten Sie die Situation verkennen, indem Sie selbst Gefallen an der Sache finden, mindern Sie Ihren Wert. Der Schein, den Sie entgegengenommen haben, hat die Beziehung bestimmt. Ihre Kunst besteht darin, die Zeit, die Sie mit ihm zu verbringen haben, möglichst kurz zu halten, ohne daß Ihr Freier sich betrogen fühlt. Versuchen Sie, Ihrer Emotionen Herr zu werden. Aggressionen gegen einen Freier sind Ihrem Geschäft ebenso schädlich wie das Gegenteil. Betrachten Sie sich, als verkauften Sie Schuhe. Eine gute Verkäuferin wird es sich kaum leisten können, Sympathien zu verteilen. Mit der Zeit werden Sie entdecken, daß Ihre Gefühle wechselhaft bald den einen oder andren mit Beschlag belegen. Allzu große Sympathie wirkt auf einen Mann abstoßend, welcher Sie gewählt hat, um unbelastet von Gefühlen die Gesellschaft einer Frau zu genießen. Sie werden auch dahinterkommen, daß eine innere Beteiligung am Geschlechtsakt gar nicht so erwünscht ist, wie Sie noch am Anfang dachten. Vielleicht kommen Sie erst durch einen Zufall drauf. Eine Erfahrung, die Sie mit dem Stammfreier machen: Ein unvorhergesehenes Ereignis (Unfall, Sie haben eine schlechte Nachricht erhalten) lenkt Ihre Gedanken während der Zusammenkunft auf etwas ganz Bestimmtes hin. Trotzdem agieren Sie, wie er es gewohnt ist: Legen eine Platte auf, die er noch nicht gehört hat, schieben den Teewagen mit den Gläsern zum Bett. Während Sie nur scheinbar bei der Sache sind, nur darauf ausgerichtet, daß der Handlungsablauf möglichst reibungslos vor sich gehe, werden Sie nicht nur feststellen, daß Ihr Freier keinen Unterschied zu Ihrem bisherigen Verhalten merkt, im Gegenteil! Wahr-
[39] scheinlich wird er Ihnen an diesem Tage seine besondere Befriedigung ausdrücken. Die wenigsten Freier wünschen die Gemeinsamkeit einer sexuellen Lusterfahrung. Ihr Orgasmus, wenn gewünscht, sollte immer ein gespielter sein. Es bleibt Ihrem Fingerspitzengefühl überlassen, auf welche Weise Sie Ihrem Gefühl Ausdruck geben, sei es mit einem leichten Seufzen, dem Schlagen Ihrer Schenkel oder einem Zittern, welches Ihren ganzen Körper zu erfassen scheint. Sie können auch durch Laute, ein gezieltes Aaaah, die Erregung Ihres Freiers steigern. Unsensiblen Naturen sollten Sie einen Hinweis erteilen, um sich eine Wiederholung zu ersparen. Es wird sich bald die Situation ergeben, daß ein Freier Worte zu hören wünscht, welche Sie wohl kennen, aber bisher sorgfältig vermieden haben. Nicht genug! Er wünscht, daß Sie dies außerdem mit einer Verve tun, als würden Sie sich stets in dieser Weise ausdrücken. Da Sie dieses Ansinnen weder ablehnen können (der Gebrauch der Sprache gehört ebenso zu Ihrem Handwerk wie der richtige Einsatz Ihrer Finger) noch mit zaghafter Stimme diesem Wunsch nachkommen dürfen, sei hier folgendes empfohlen: Sobald Sie sich allein befinden, sprechen Sie jene Worte, welche Ihnen Schwierigkeiten bereiten, laut vor sich hin. Es sind dies Vulgärausdrücke, das männliche sowohl als auch das weibliche Genital betreffend, die verschiedenen Worte, welche den Vorgang einer sexuellen Vereinigung bezeichnen, das Wort für Selbstbefriedigung u. a. m. Bilden Sie mit diesen Worten Sätze. Sie sind allein, kein Mensch ist in der Nähe. Geben Sie Ihrer Stimme einen verheißungsvollen, dunklen Ton. Auf die gleiche Weise sollten Sie lernen, einige Beschimpfungen zu beherrschen. Ein Ungar kann eine Stunde lang fluchen, ohne sich zu wiederholen. Schlägt man diese Worte im Wörterbuch nach, findet man sie jeweils mit L. mich am A. übersetzt. Deshalb sollten Sie sich wenigstens ein bescheidenes Repertoire an Kraftworten zulegen, die sich, gemäß unserem Sprachgebrauch, meistens auf die Sauberkeit beziehn. (Der Deutsche wird weder die Potenz anzweifeln noch Familienbeziehungen in Frage stellen: motherfucker.) Ebenso werden Sie lernen, daß es Worte gibt, die Sie vermeiden müssen. Worte wie «Freier» sollten aus Ihrem Vokabular gestrichen sein, ebenso Bezeichnungen wie «Gäste», «Kunden». Dieses Buch bedient sich jenes ersteren nur zur Verständigung. Im Umgang sollten Sie es niemals anwenden. Sprechen Sie von Ihren Freunden.
[40] Ebenfalls tabu sind Worte wie «Krankheit», «Unfall». Sie haben keine «Grippe». Ihr Wagen ist intakt, auch wenn er mit verbeulter Motorhaube dastehn sollte. Sie «schwitzen» nicht, noch ist jemand «ermordet» worden. Bei Ihnen wird nicht «gestohlen». Sie haben keinen «Hunger», sondern höchstens Appetit. Statt «müde» zu sein, verspüren Sie ein Lustgefühl. Man hat Sie nicht «gelinkt»! «Geld» sollte nur sichtbar sein (in Form von Scheinen oder Schecks), niemals in Zusammenhang mit Ihrer Person erwähnt werden. Es gibt keinen «Schmutz». Sie haben keine «Schwiegermutter». Es gibt keine «Prostitution».
6. Dank Ihrer Geschicklichkeit wird keiner Ihrer Freier den andren jemals zu Gesicht bekommen, es sei denn, einer vermittelt Ihnen seinen Freund. Sie sind verschwiegen, werden also nicht durch unvorsichtiges Reden den Namen einer allgemein bekannten Persönlichkeit preisgeben. Dennoch sollten Ihre Freier zueinander passen. Stellen Sie sich vor, wenn Sie eine Bekanntschaft machen, Sie laden den Betreffenden zu einer Party ein. Freier hinterlassen Spuren – nicht nur auf dem Teppichboden, sondern auch in Form von mitgebrachter Schokolade oder Alkohol, den in den Müllschlucker zu werfen Sie vielleicht nicht die Geistesgegenwart haben. Der Bequemlichkeit halber werden Sie gewisse Heftchen liegenlassen, deren Anblick dem einen Freier mehr bedeutet als Ihr Repertoire an Geschichten, einem kultivierten Geschmack dagegen nur Gewohnheiten enthüllen, welche mit einem Fünfzigmarkschein gerade ausreichend entlohnt sind. Selbstverständlich werden Sie erst wenn Sie sich dieses leisten können (gemäß dem Beispiel eines Arztes, der die Kassen erst abstoßen wird, wenn er genug Privatpatienten hat), Freier verabschieden. Lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn ein Privatpatient Ihrer Praxis fernbleibt, die Kassen Ihnen das Haus stürmen. Zwei Fünfzigmarkscheine machen auch einen Hunderter, mal drei so viel, wie Sie gerade schaffen können.
Der Käufer Grundsätzlich ist der «Kauf», nämlich das Überreichen des Geldes, um etwas dafür in Empfang zu nehmen, ein Akt, der keinem Ihrer Freier erspart bleibt. Jeder Freier entledigt sich dieses Teil der Handlung auf seine besondere Weise. Es gibt den Freier, der beim Zahlen ein peinliches Gefühl überwinden zu müssen glaubt, den spielerischen Typ, auf dessen Einfälle bei anderer Gelegenheit eingegangen werden soll. Der Freier ohne Phantasie auf dem Gebiet ist froh, wenn er diesen Akt möglichst ohne Schwierigkeiten hinter sich gebracht hat. Nicht der Käufer! Sobald Sie ihn als solchen erkannt haben, geben Sie ihm den geringsten Zeitraum an, so viel, als gerade nötig ist, sein Bedürfnis zu befriedigen. Sollten sich noch dergleichen Begriffe wie Fairness – Rudimente eines Geschäftsgebarens, das es nicht mehr gibt – in Ihrem Kopf befinden, so wird der Käufer bei Ihnen nicht auf seine Kosten kommen. Im günstigsten Fall hält er Sie für ungeschickt. Sie erkennen den Käufer daran, daß er (je nach der Preisklasse) einen Betrag auf den
[42] Tisch legt und mit scheuer Stimme fragt, was er dafür bekommt. Sie legen von Ihrer Kleidung nur den Mantel ab. Je kürzer Sie die Zeit bemessen, die er bei Ihnen verbringen darf, desto größer wird der Wunsch sein wiederzukommen, mit dem doppelten Betrag die Viertelstunde zu verlängern. Geben Sie ihm zu verstehen, daß auch dies nicht ausreicht, alles kostet extra, Sie sind ein Geschäft im Geschäft. Die Erlaubnis, Ihren Körper zu berühren, seine ungelenken Finger dorthin zu bewegen, wo er gerne möchte, was, wie er sich vorstellt, Ihnen ebenfalls Vergnügen machen könnte, erteilen Sie ihm nur, wenn er zuvor ins Portemonnaie gegriffen hat. Sie werden staunen, was er noch daraus zutage fördert. Ich muß nicht betonen, daß hier Mitleid nicht am Platze ist. Sie sind nicht die Samariterin. Weder seine Klagen um die zahlreiche Familie, die Sie um den Weihnachtsbraten bringen, noch die Vorstellung, daß er die Scheine in der Seitentasche für einen Kunden braucht, werden Sie von Ihrem Vorsatz abbringen, wenigstens einen Teil des Ganzen in Ihre Tasche zu bringen. Sie lassen mit sich handeln, nennen eine Summe, für die Sie sich bereit erklären, Ihre Stiefel abzulegen. Mit einem Blick auf die Uhr geben Sie ihm zu verstehen, daß er sich entscheiden muß zwischen einem weiteren Griff ins Portemonnaie oder ... Es wird sein Vergnügen steigern, daß er sich beeilen muß.
Der Sparsame Der mit dem festen Gehalt ist verheiratet, um die sechzig, gibt regelmäßig eine bestimmte Summe für die Liebe aus. Gelingt es ihm, den Preis zu drücken, so kann er sich dreimal im Monat das Vergnügen leisten. Der Sparsame kann sehr vermögend sein, er kennt den Strich seit Jahren. Zahlt er die verlangte Summe, so versucht er, mehr zu kriegen, das heißt, er schindet Zeit, will ein zweites Mal ohne Gummi... Der Sparsame muß nicht unbedingt geizig sein. Oft geht es ihm nur darum, vor den Kollegen am nächsten Morgen im Büro zu prahlen: Wie er es geschafft hat, daß ... Der Sparsame stellt Ansprüche. Er will etwas für sein Geld geboten haben (Pornobilder, eine Filmvorführung, den Pudel, der den Voyeur macht). Wenn Sie über keines der genannten Dinge verfügen, wird er Ihnen zu verstehen geben, daß Sie Ihr Geld zu leicht verdienen. Er versucht, Sie zu schädigen: nimmt von Ihrem Toilettenwasser – selbst eine geschnorrte Zigarette betrachtet er als einen Gewinn. Versuchen Sie, ihn so schnell wie möglich loszuwerden. Der Sparsame wird immer glauben, daß es zuwenig war, was er bekommen hat. Da er
[43] nichts in Händen hält, wenn er Sie verläßt, wird er sich übervorteilt glauben. Der Sparsame wird nie zum Stammfreier. Immer auf der Suche nach einer Möglichkeit, alles noch billiger zu bekommen, wenn nicht gar umsonst, wird er es das nächste Mal bei einer anderen probieren.
Der Miesmacher Er hat Sie ausgesucht, um Sie schlecht zu finden. Er wird bereits im Hausflur die Architektur bemängeln, mit einem Ausruf des Bedauerns für sich selbst, wohin er hier geraten sei. Der Fahrstuhl ist ihm zu eng. Er zögert einzusteigen. Ein ergebener Seufzer wird andeuten, daß er beschlossen hat, sich in sein Schicksal zu fügen. Er wird noch einen Blick auf die Haustür werfen, auf die Armbanduhr, die Bewegung zum Rückzug machen und feststellen, daß es schon zu spät sei, sich nach einer andren umzusehn. Hoffen Sie nicht darauf, daß auch nur ein Stück von Ihrer Einrichtung vor seinen Augen Gnade finden wird. Er hat schon im voraus beschlossen, sofort den Mangel rauszufinden, und wird Ihr gesamtes Mobiliar unter diesem Aspekt betrachten. Sein Gesicht erschlafft, sein Nicken deutet an, daß er die schlimme Ahnung von der Treppe her bestätigt findet. Setzen Sie keine Hoffnung auf die Lampe, die besondere Verwendungsmöglichkeit Ihres Tisches. Er wird Ihnen nur bedeuten, daß man heutzutage anders wohnt. Selbst an Ihren Liebeskünsten wird er etwas auszusetzen finden. Entgegen seiner Erektion spricht er Ihnen, jegliches Können ab. Spätestens in diesem Moment sollten Sie es aufgegeben haben, Ihren Freier eines Besseren zu belehren. Lachen Sie ihm ins Gesicht, in Gedenken an den Schein, den Sie bereits in der Tasche haben. Lassen Sie Ihr Programm abrollen, ohne sich besonders anzustrengen. Es ist sein eigener Schaden, wenn er nicht bereit ist, Ihrer Geschichte Glauben zu schenken, versucht, Ihr Alter zu schätzen, in einem Jahrgang, der das Ausüben Ihres Berufes fragwürdig macht. Jede seiner Handlungen ist darauf abgezielt, Ihnen eine Kränkung wiederfahren zu lassen. Legen Sie keine Platte auf. Sparen Sie den Cognac. Sie wissen vorher, daß er möglichst schnell in seine Hose schlüpfen wird, in dem Bestreben, seinem Weggehen etwas Fluchtartiges zu geben.
[44]
Die Spendierhose Sie ist ein Kleidungsstück, in dem sich bares Geld nicht lange hält. Es gibt Männer, die sie niemals tragen, aber Vorsicht! Wer sie einmal trägt, hat sie vielleicht beim nächstenmal nicht wieder an. Ebenso wie ein Frack die Bewegung verändert, wird der Träger der Spendierhose schon am Gang erkennbar sein. Er geht mit nach außen gestellten Beinen, wie ein Seemann, seine Arme pendeln nach den Geschäften hin. Falls er keinen findet, der diesen Wunsch, etwas auszugeben, in vernünftige Bahnen lenkt, gibt er sein Geld für sich selber aus. Wichtig ist für ihn, daß er Zuschauer hat – den Kellner, der auf die Bestellung wartet, Fremde am Nebentisch, die Verkäuferin, sie alle sind das Publikum für ein Schauspiel: Hier gibt ein (reicher) Mann sein Geld aus. Die Spendierhose ist ein seltsames Kleidungsstück: Sie scheint zu drücken, macht das Ausgeben zu einer Notwendigkeit. Andrerseits wünscht Ihr Freier nicht ganz ohne dieselbe nach Hause zu kommen, ausgezogen bis aufs Hemd. Die Kunst der Behandlung besteht darin, ihm gerade so viel zu lassen, daß er ohne sich schämen zu müssen nach Hause kommt. Es gibt Freier, welche diese Hose niemals ablegen, genauso, wie es Leute geben soll, die aus ihrer Lederhose nicht herauskommen. Für diesen ist das Spendieren ein alltäglicher Vorgang. Er spendiert das Eis, die Suppe vor dem Mittagessen, die Getränke, fast ist er enttäuscht, daß Ihr Bauch so wenig faßt, Ihnen nichts mehr einfällt, seine Hose immer noch drückt: Da wäre noch ein Schein gewesen, die Rechnung ist für diesen Tag nicht hoch genug. Wehe, wenn sie zu hoch gewesen! Ebenso hemmungslos, wie er sein Geld verschleudert, treibt er es wieder ein. Die Spendierfreudigkeit ist erloschen – es ist nur noch das Gefühl da, daß es zuviel war. Der Abend war zu teuer. Diese Erkenntnis trifft ihn wie ein Schock. Plötzlich taucht ein anderes, imaginäres Publikum auf – die Kollegen im Büro, die Sekretärin: War er nicht ein dummer Kerl gewesen? Vielleicht kommt eine andre Rechnung dazu – mehrere, es schlägt über ihm zusammen. Sie verkörpern nicht mehr ein Objekt, an dem er seine Gebefreudigkeit erproben konnte, sondern sind die Ursache eines Verlustes, Warum haben Sie ihn nicht gebremst? Sie kennen ihn, hätten das Debakel im voraus ahnen sollen.
[45] Einmal entblößt, hat er sein Schamgefühl verloren – daß jeder Vorwand ihm recht ist, das Gegebene zurückzufordern, wenigstens einen Teil: um das Taxi zu bezahlen... Oder er fragt, ob Sie sich an einer Rechnung beteiligen wollen.
Der Stammfreier Er wird Sie ein- bis zweimal im Monat aufsuchen, der Jahreszeit entsprechend, häufiger im Frühjahr. Er hat seinen festen Wochentag, eine bestimmte Uhrzeit, von der er nicht abweicht. Er will stets auf die gleiche Art empfangen sein: In einem durchsichtigen Gewand – das Getränk, welches er bevorzugt, soll bereitstehn, eisgekühlt oder der Zimmertemperatur angepaßt – Sie kennen seine Lieblingsblumen, die Musik, die er am liebsten hört. Er hat nicht versäumt, Sie über seine häuslichen Verhältnisse zu unterrichten, Sie kennen seinen Beruf, die Schwierigkeiten, er braucht nur anzutippen. Er sucht keine Perversionen, die Sensation findet er im Detail des normalen Geschlechtsakts. Innerhalb desselben wünscht er eine Variation, kleine Veränderungen – es genügt ihm, wenn der gleiche Vorgang jeweils an einem andren Platz stattfindet: auf der Couch, im Stehen vor dem Spiegel. Stellen Sie mit ihm lebende Bilder zur beiderseitigen Betrachtung, bieten Sie als Lager den Teppich an. Er braucht das Gefühl, daß die Veränderungen der spontanen Liebeslust entspringen, sich aus jenem sich über Jahre wiederholenden Rhythmus entwickeln. Der Stammfreier ist treu. Er meldet sich ab, wenn er auf Reisen geht, und wird Sie ebensowenig verlassen, wie er seine Frau verlassen wird, vorausgesetzt, Sie halten jene Spannung, die eine endlose Erwartung verspricht. Er ist der Anspruchsvollste, erfordert ein reifliches Maß an Überlegung. Er selbst wird kaum einen Vorschlag machen, Sie genießen sein volles Vertrauen, daß Ihre Einfälle seine Lust vollauf befriedigen. Sie sind kompetent in einem Fach, von dem er nichts versteht, folglich haben Sie den Verlauf der Handlung zu bestimmen. Er vertraut Ihnen sogar über Jahre hinaus, daß nämlich Sie es sind, die ihn, wenn es an der Zeit ist, die Beziehung zu erschlaffen droht, mit einer annehmbaren Geschichte verlassen, damit er sich nach einer andren Frau umsehn kann.
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Der Provinzler Er kommt einmal im Monat aus einer kleineren Stadt in eine größere, die für ihn die Großstadt bedeutet. Er trägt modische Kleidung aus dem eleganten Herrengeschäft. (Ein Hinweis für Sie: Jemand, an dem andre offensichtlich Geld verdienen, ist auch für Ihr eigenes Konto interessant.) Sein Gang ist nicht auf ein bestimmtes Ziel gerichtet – er läuft quer über die Straße, darauf wartend, daß ein andrer ihm ein Ziel setzen möge. Der Provinzler gibt sich informiert. Man erkennt ihn an den vielen Fragen: «Gehen Sie hier immer? Ist das Ihr Revier? Verkehren Sie auch im...?»- Er nennt das Lokal. Er denkt laut. Entschuldigt sich wegen seines Anzugs, ob er zu leger sei? Freier, offener Blick: Er trägt das Herz auf der Zunge. Lassen Sie sich nicht irritieren, wenn er mit Lokalen aufwarten sollte, deren Namen Sie nicht einmal kennen. Er läßt es sich zur Ehre gereichen, der bessere Großstädter zu sein. Der Provinzler zahlt mehr, als er ausgeben würde, wenn er die gleiche Unternehmung in seinem Heimatort vornehmen würde, wo sie etwas Alltägliches ist. Er will in der Stadt sein Geld loswerden. Wichtig ist für ihn, daß es etwas gekostet hat. Das ist sein Abenteuer. Nicht das Wie. Es gehört dazu, mit leerem Portemonnaie in den Heimatort zurückzukommen, plötzlich eine Entbehrung zu spüren: keinen Kaffee unterwegs, ihm bleibt gerade noch die Rückfahrkarte. Der Provinzler blickt gewöhnlich auf schlechte Erfahrungen zurück, die ihn, je nach seinem Charakter, ängstlich werden lassen oder – im nachhinein betrachtet – ein Stimulans ausmachen. Es sind dies Begegnungen mit Zuhältern, Diebstahl, Krankheiten. Die Erwartung einer außerordentlichen Begebenheit, die meist erst am nächsten Morgen befriedigt ist, wenn ihm zum Bewußtsein kommt: Man hat mich geschröpft. Die Höhe der Summe, die er für nichts und wieder nichts eingebüßt hat, läßt ihn sein Vermögen erfahren oder gibt ihm das Gefühl, eins zu haben. Es gibt den Provinzler unterster Kategorie, der den rüden Ton der Damen aus der Kleinstadt gewohnt ist, ebenso wie den Provinzler erster Klasse. Sie sind überall in der Stadt zu treffen, am späten Nachmittag oder in den Abendstunden. Hat jene, die ihn trifft, das Auge, die Brieftasche zu prüfen, durch den gutgeschnittenen Anzug hindurch, so hat sie einen guten Fang gemacht.
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Der Schweizer Angenommen, Sie können Schweizer nicht leiden. Es ist der. Tonfall, der Ihnen Kopfschmerzen macht. Sie glauben einen gewissen Ausdruck wahrzunehmen, wie man ihn angeblich auf den Gesichtern mancher Leute findet, welche nie aus ihrem Tal herausgekommen sind. Eine Liebeserklärung in Schwyzerdütsch läßt Sie vor Wut erstarren. Trotzdem geben Sie ein Liebeswort zurück. Da Ihre Erfahrung, wie man sich als verliebte Frau benimmt, was man sagt, wann man den ersten Kuß gestattet, weit in Ihre Teenagerzeit zurückreicht, es die Situation verbietet, sich wie ein Teenager zu benehmen (immerhin haben Sie das Geld von dem Geschäftsfreund jenes Mannes dafür kassiert, daß der Klient zufriedengestellt wird, indem er von Ihrer beruflichen Tätigkeit nur die angenehme Seite wahrnimmt), sind Sie in Verlegenheit, wie Sie Ihre Sache zur Zufriedenheit aller Beteiligten zu Ende führen. Er wird Ihnen in einem eleganten Speiserestaurant zugeführt, wo Sie durch Blicke, Tonfall, eine bestimmte Art, scheinbar unauffällig mit dem Handrücken gegen seine Hand zu streichen, zu verstehen geben, daß dieser Mann Ihr besonderes Wohlgefallen findet. Sie werden nicht wie gewohnt, wenn er neben Ihnen auf der Couch sitzt, um den Arbeitsvorgang abzukürzen, sofort die Hand auf jene Stellen Ihres Besuchers legen, die Sie als empfindlich herausgefunden haben. Ihr Gesicht zeigt eher ein Erstaunen über Ihre eigene Kühnheit, wenn Sie ihm beim Tanzen allzu nahe kommen. Am besten, Sie orientieren Ihr Verhalten an dem Benehmen Ihres «Verlobten»: seiner Zielstrebigkeit, mit der er seinen Körper unter Ihre Gürtellinie drückt, der Triumph, die siegessichere Miene, welche er zur Schau trägt, weil es ihm gelingt, Sie wieder herumzukriegen, sein Erfindungsreichtum, der ihn seinen Mund von Ihrem Hals hinauf zu Ihren Lippen führen läßt. All dies wenden Sie bei Ihrem Schweizer an. Ihr Verlobter führt den Körper in der bekannten rhythmischen Bewegung gegen Ihren – machen Sie ihm nach, wie er sich entfernt und, weil er die Trennung nicht ertragen kann, wieder auf Sie zukommt... Spätestens in diesem Augenblick gebietet es die Höflichkeit, für Ihren Schweizer Redensarten parat zu haben, die es mit der gleichen Geläufigkeit anzuwenden gilt, wie Sie Schimpfwörter gebrauchen. «Ich liebe dich.» – «Du bist wunderbar.» – «Welch ein Mann.» – «Herrlich.» – «Fabelhaft.» Sie geraten in Entzücken über die Figur, die jetzt entblößt ist, über seine scheue Geste betreffs eines Mangels (Bauch, die Narbe etc.) gehen
[48] Sie mit der entschlossenen Handbewegung hinweg, hin zu einer andren Stelle. Für den Fall, daß er Sie schon besucht hat und Sie ihn zum zweiten- oder drittenmal betreuen, empfiehlt es sich, Vorwürfe zu machen, die ein sehnsüchtiges Gefühl verraten. «Du hast mich vergessen.» «Warum hast du niemals angerufen?» «Du liebst mich nicht.» Wenn Ihr Schweizer seinerseits den ersten Zug macht, mit der Versicherung, Sie zu lieben, so genügt es nicht, daß ein freudiges Lächeln Ihr Gesicht erhellt. Antworten Sie vielmehr, daß Sie ihm nicht glauben, fordern Sie zur Bekräftigung, daß er seine Worte wiederholt oder den Beweis in andrer Form antritt. Einem Schweizer können Sie ausnahmsweise gestatten, das Präservativ wegzulassen. Verziehen Sie aber nicht das Gesicht in böse Falten, wenn er verlangen sollte, daß Sie einen gut gespielten Orgasmus noch einmal wiederholen. Er tut es nicht aus Bosheit oder weil er Sie ärgern wollte, sondern aus Unkenntnis der Lage. Da die Zeit, welche Sie mit ihm verbringen, von der Summe bestimmt wird, welche Sie erhalten haben, so erfordert es einiges Geschick, die Stunde in der Weise abzukürzen, daß Sie keine Zeit verlieren, andrerseits den Besucher nicht befremden, etwa durch den beziehungsvollen Blick auf die Uhr oder die entsprechende Bemerkung, daß Sie noch Besuch erwarten. (Eins der gröberen Mittel, Freier loszuwerden.) Da Sie es sind, die den Ablauf dieses Abends bestimmen, halten Sie sich bei keiner Phase der Zusammenkunft zu lange auf. Wenn Sie am Anfang durch ein Gespräch, welches von der Sache ablenkt, Zeit verloren haben sollten, die Sie später durch ein zu rasches Ankleiden aufzuholen wünschen, so wird Ihr Schweizer die unerwartete Schnelligkeit, mit der Sie in die Hose schlüpfen, als eine wenig liebenswürdige Geste in Erinnerung behalten. Er ist verschreckt, weiß nicht, wie er die plötzliche Veränderung deuten soll. Seine Gedanken werden vielleicht eine Richtung nehmen, die der Wirklichkeit nicht entspricht, doch ihm Anlaß gibt, Ihren Charakter in einem seltsamen Licht zu sehen. Gelingt es Ihnen dagegen, den Rhythmus einer höheren Geschwindigkeit gleichmäßig von Anfang an durchzuhalten, so wird er dies als Ausdruck Ihres Temperaments werten.
[49] Es gibt Persönlichkeiten, welche sich jeder Kategorie entziehen. Sie werden einen solchen Mann sofort als für Ihr Geschäft ungeeignet erkennen und mit keiner Miene versuchen, ihn zu verführen. Der Nichtfreier ist nicht einzuordnen: Weder in der Kleidung noch im Gang paßt er in das Schema. Ihre Antennen, die Sie aufgerichtet haben, signalisieren Ungewißheit. Sie haben zuviel zu verlieren, als daß Sie sich bereit erklären dürfen, einen Unsicherheitsfaktor in Kauf zu nehmen. Ihr Geschäft ist geordnet. Die Schablone läßt sich schnell und mühelos überziehn, zum Verständnis beider Seiten: Ein Freier ergänzt den anderen. Da, wo Ihre Kenntnisse aufhören, sind Sie vorsichtig. Dies soll nicht etwa heißen, daß der Mann, der kein Freier ist, nie und nimmermehr für eine Frau bezahlt. Aus irgendeinem Grund, weil sich gerade die Gelegenheit bietet, Sie zufällig des Wegs kommen, er noch keine Lust hat, gleich nach Hause zu gehn, wählt er Ihre Gesellschaft. Wenn er Sie bezahlt, so wird er dies aus Anstand tun, weil er weiß, daß Sie auf diese Art Ihr Geld verdienen, er ist selbst Geschäftsmann. Das Geld, welches Sie von ihm bekommen, ist ein Unkostenbeitrag, Sie hätten die gleiche Summe in derselben Zeit auch mit einem anderen verdienen können. Für ihn wird die Begegnung mit Ihrer Person einen andren Stellenwert bekommen. Vielleicht tut er dies in seinem Leben nur ein einziges Mal. Es ist die Geschichte, wie er, fremd in einer Stadt, beschlossen hat, die Nacht in einem Hotel zu verbringen. Er sieht, fast mit den Augen eines Liebhabers, kleine Besonderheiten Ihres Charakters, hat Sie wegen dieser ausgewählt. Der Nichtfreier ist nicht zu behandeln. Da die Anwendung Ihrer Technik, angefangen von dem Gebrauch des Präservativs, für ihn den Erfahrungswert ausmachen, sind Sie für ihn neu und überraschend. Er ist neugierig. Die genaue Kenntnis eines Körpers und seiner Reaktionen, welche Sie eifrig bestrebt sind, an den Tag zu legen, das Beherrschen der verschiedenen Grundregeln erfreut und interessiert ihn. Trotzdem wird er Sie nicht wieder aufsuchen, noch die gleiche Unternehmung in einer andren Stadt mit einer andren Frau wiederholen. Ein andrer Typus, welcher nicht für Sie in Frage kommt, ist der, dem eine gewisse Beschränktheit des Geistes sowohl als auch der finanziellen Mittel, den Weg zu Ihnen verbaut. Sein Charakter ist so gradlinig angelegt, daß er gar nicht erst auf den Gedanken kommt, eine Frau könnte aus ihrem Körper Kapital schlagen, noch die Möglichkeit ins Auge faßt, jemals einer solchen zu begegnen, die das tut. Prostitution ist für ihn nur eine Sache, über die er in der Zeitung liest, welche in bestimmten Lokalen vor sich geht, die er nie aufsuchen würde. Sein Ge-
[50] sicht spiegelt Rechtschaffenheit von Jugend auf. Von einer Dame, welche nachmittags im Wagen an ihm vorbeifährt, einen Mann im Schlepptau, wird er nur wahrnehmen, daß er da zwei Autos auszuweichen hat. Sie werden der Unschuld seines Blickes nicht mit jenem Augenzwinkern begegnen, das sonst erfolgreich angewendet werden kann. Lassen Sie ihn besser ungeschoren. Sie werden ihm nur einen Schreck einjagen, wenn Sie sich zu erkennen geben. Es gibt Männer, welche nicht die Absicht haben, zu bezahlen, noch daran interessiert sind, die Genüsse wahrzunehmen, welche Sie gelernt haben, wortreich anzupreisen. Geben Sie sich keine Mühe! Es handelt sich um jene Spezies, welche den Genuß allein daher bezieht, die Nähe einer Frau zu spüren, welche viel mit Männern umgeht. Er stellt Fragen nach den andren Mädchen, versucht, seine eigenen Kenntnisse anzubringen. Konkreten Vorschlägen weicht er aus, indem er ein reges Interesse an Ihrem Geschäft bekundet. Er weckt Hoffnungen, um sie sogleich zurückzunehmen. Die fadenscheinigste Begründung ist ihm gerade recht. Zögernd blickt er auf die Uhr. Er fragt: «Was meinen Sie, soll ich zu Ihnen kommen ... oder lieber nicht ...?», um dann doch lieber sein Bedauern auszudrücken. Sie werden längst gemerkt haben, daß hier jedes weitere Wort verschwendet ist. Lenkt sich sein Wagen nach den ersten zehn Minuten der Bekanntschaft nicht in der Richtung Ihrer Wohnung, sollten Sie sogleich Anstalten machen auszusteigen. Es kann sein, daß diese an sich harmlose Art eine Variante ins Sadistische nimmt. Das Vergnügen eines Mannes kann darin bestehen, daß er Ihnen das Geschäft verdirbt. Dieser taucht als dritter Mann auf, wo er sieht, daß sich bereits zwei andre bemühen. Im Gebaren ist er von den beiden anderen nicht zu unterscheiden. Sie haben ihn gewählt. Er zeigt sich mit dem Preis einverstanden (vielleicht um eine Spur zu schnell), um erst vor Ihrer Haustür erkennen zu lassen, daß er seine Befriedigung bereits gefunden hat. Ein Gewitterregen, der Ihnen die Frisur verdirbt, wird sein Vergnügen steigern, wenn er ohne Gruß davonfährt. Ihr Beruf weckt Aggressionen! Sie müssen darauf gefaßt sein, daß Sie nicht nur Freunde haben. Die wenigsten Freier realisieren, daß es sich
[51] bei Ihrem Geschäft um eine Arbeit handelt. Mancher wird der Meinung sein, Sie verdienen Ihr Geld zu leicht. Da es das Gesetz der Höflichkeit verbietet, jenen über seinen Irrtum aufzuklären, dürfen Sie nicht verwundert sein, wenn Männer versuchen werden, Sie reinzulegen. Ein Freier zum Beispiel, der über das gezahlte Honorar hinaus eine Versprechung macht, tut dies nicht von vornherein mit der Absicht, Sie zu täuschen. Er rechnet mit Ihrer Erfahrung, daß Sie mehr wissen als er, der im Moment vielleicht Ihnen wirklich etwas schenken will – nämlich, daß Sie das Versprochene nie erhalten. Selbstverständlich sollten Sie ihm dies nicht zu verstehen geben – was er dafür erhofft, ist jenes Mehr an Freundlichkeit, welche Sie ihm, je nach dem bereits gezahlten Honorar, gewähren können... Gehen Sie auf das Versprechen ein. Nicht jeder macht das gleiche Geschenk. Es gibt Männer, die groß einsteigen mit der Frage, ob sie bei der Einrichtung behilflich sein dürfen. Der mitgebrachte Wein verspricht die beste Qualität. Solche verleiten nur die Anfängerin, in der Hoffnung auf ein größeres Glück, kein Geld zu nehmen. Ein andrer, der Sie bittet, seine Frau zu werden, wird bestimmt nicht einer andren ein paar Schuhe anbieten. Es ist dies seine Spezialität, die er schon erfolgreich angewendet haben mag. Nicht bei Ihnen. Der Wunsch, das Vergnügen, welches Sie ihm bieten, vielleicht jede Nacht zu wiederholen, ohne daß er dafür bezahlen muß, gibt ihm diese Vorstellung ein. Ganz gewiß hat er am nächsten Morgen mit einem kühlen Kopf nicht mehr die Absicht, Sie zu heiraten, das heißt die Figur, die Sie ihm vorspiegeln –: Mitte Zwanzig, vor dem Hintergrund des Raumes, den Sie für dieselbe eingerichtet haben –, zum Altar zu führen. Seine Absicht ist vielmehr, Hoffnungen zu wecken, die am Ende des Besuches den Kopf jener Person (Chinchilla oder wie auch immer Sie sie genannt haben) derart ausfüllen, daß der Gedanke an Geld daraus verschwunden ist. Ein Betrüger dagegen kann sich unerwartet entpuppen – jederzeit – als Freier, den Sie bereits kennen und der Ihnen die vereinbarte Summe in einen Hunderter gefaltet zusteckt, mit der kleinen Geste, die besagt, daß der Betreffende diesen Akt der Handlung möglichst unauffällig hinter sich gebracht haben will. Gehen Sie auf die Bewegung, die darauf abgezielt ist, daß Sie dieses Geld unbesehen in die Tasche schieben (geblendet von dem Hundertmarkschein, der vielleicht, wer weiß, ei-
[52] nen zweiten Hunderter enthält – der Herr war großzügig!) nicht ein. Versuchen Sie, mit Ihren Händen zu sehen: Das Gefühl von zwei zusammengefalteten Scheinen ... Wie dick fühlt sich ein Bündel mit fünf Scheinen an, von denen jeder 10 Mark wert ist, 50 Mark dagegen... Gebrauchen Sie die Augen zur Kontrolle: Mit dem Blick, der darüber hinstreift, um den Weg zur Tasche auszumachen, nehmen Sie die Zahlen auf – Sie erkennen Scheine an der Farbe: Grün, Braun, Blau, reklamieren Sie sofort! Ich habe bereits an andrer Stelle darauf hingewisen, welche besondere Bedeutung die Gesundheit innerhalb Ihres Berufes hat, und die Notwendigkeit, sich dieselbe zu erhalten. Eine weitere Voraussetzung, ebenso wichtig wie das annehmbare Äußere, ist ein gutes Gedächtnis. Ein Gedächtnis läßt sich trainieren. Sie wissen es vom Schauspieler, der gezwungen ist, die verschiedenartigsten Figuren zu reproduzieren, daß er jede noch so geringfügig scheinende Kleinigkeit im Gedächtnis behält. Situationen, welche Sie längst vergessen haben, wird er mit einer Schärfe rekapitulieren, die Sie in Erstaunen setzt. Für Sie gilt es nicht nur, die Lieblingsgeschichten Ihrer Freier jederzeit parat zu haben, ebenso sollten Ihnen kleine Gewohnheiten ständig gegenwärtig sein. So erübrigt es sich ganz von selbst, auf den «geschäftlichen Teil» der Angelegenheit hinzuweisen, wenn der Freier die Eigenheit hat, den Schein unter die bereitgestellte Cognacflasche zu schieben, am Spiegel festzumachen, oder er legt den Schein in ein Buch. Von einem andren wissen Sie, daß Sie das Geld im Lauf des Abends in Etappen erhalten werden, er sich nicht von zwei Hundertern auf einmal trennt: Es bedarf noch einer Anstrengung von beiden Seiten, bis das festgelegte Honorar in Ihrer Tasche ist. Einer wünscht ein Abonnement, um das Gefühl zu haben, daß er Sie besuchen darf, ohne zu bezahlen. Erklären Sie sich jedoch bereit, einem Freier den zu zahlenden Betrag zu stunden, können Sie ihn gleich von Ihrer Liste streichen. Sie werden Geld und Freier niemals wiedersehn. Solange Sie noch die einzelnen Stimmen am Telefon erkennen, es sich um einen kleineren Kreis handelt, werden Sie ohne besondere Mühe die verschiedenen Gewohnheiten Ihrer Freier auseinanderhalten. Wenn Sie unsicher sind, unterlassen Sie besser eine Anspielung, als daß Ihr Freier
[53] auf die Idee kommen könnte, Sie verwechseln ihn mit einem anderen. Sollte sich der Kreis Ihrer Freier so erweitern, daß Sie in Gefahr sind, den Überblick zu verlieren, ist es ratsam, ein Büchlein anzulegen, um vor einem Wiedersehn das Gedächtnis aufzufrischen.
Faustregeln a) Versuchen Sie nicht, durch Reden Ihren Freier von einer vorgefaßten Meinung abzubringen. b) Lassen Sie sich nicht verleiten, Dienste zu übernehmen, die der Ehefrau vorbehalten sind (Kochen, Nähen, jede Art von karitativer Hilfeleistung). c) Nehmen Sie nichts persönlich. d) Ein Ehemann wünscht nie, von seiner Frau auf das Ausüben Ihres Handwerks hingewiesen zu werden. Vorsicht, wenn Sie eine Ehefrau in Ihr Geheimnis einweihen. e) Bitten Sie einen Freier nie um Rat, auch wenn es den Anschein hat, als ob Sie mit ihm befreundet wären. f) Verpflichten Sie sich Ihre Freundin durch Geschenke. g) Nehmen Sie nicht jedes Geschenk an, was man Ihnen bringt, h) Nehmen Sie keine Rücksicht, wenn es darum geht, einen unliebsamen Freier abzuhängen, i) Ihr Freier ist stets der beste. Der Polizist, als Freier getarnt, geistert in Erzählungen Ihrer Freier gleichwohl wie in den Berichten von Kolleginnen. Eine wird Ihnen den Zettel mit den Autonummern geben, die gefährlich sind. Sie werden versuchen, diese Nummern auswendig zu lernen, auch wenn sich diese über eine ganze Schreibmaschinenseite hinziehen sollten. Für den Freier bedeutet die Nähe der Gefahr, in der Sie sich dem Anschein nach befinden, einen zusätzlichen Reiz: Wer weiß, vielleicht wird er es sein, der den Weg zum Polizeipräsidium einschlägt. Lassen Sie sich nicht einschüchtern, auch wenn der Betreffende Redewendungen gebraucht, welche für ein ungeschultes Ohr dem Polizeijargon entlehnt scheinen: «Nun mal raus mit der Sprache!» «Wollen wir mal nachsehen, was in Ihrer Handtasche ist?» Sie werden dem getarnten Polizisten nie begegnen. Desto häufiger werden Sie auf einen Freier treffen, welcher sich als Polizist ausgibt. Seine Verantwortlichkeit geht so weit, daß er vor Ihren Augen ein Auto stoppt – mit einer Geste, die besagt, daß er das Recht hätte zu kassie-
[54] ren. Er hat ebenfalls das Recht, großzügig zu sein, auf das Bußgeld zu verzichten. Den Dank des Fahrers nimmt er mit jenem Einverständnis entgegen, wie zwischen Sünder und einem Organ der Gerechtigkeit üblich ist. Er öffnet das Handschuhfach, Sie auf das eingebaute Telefon hinzuweisen. Mit eisernem Griff hält er Sie zurück, wenn Sie beim nächsten Rotlicht versuchen werden, aus dem Wagen zu kommen. Eingeschüchtert verzichten Sie auf das ausgemachte Honorar. Dafür zeigt er Ihnen andre Polizisten, eine Vorübergehende erkennt er als die Frau eines Amtskollegen... Sie erkennen spätestens, als er Ihnen vorschlägt, ein gemeinsames Geschäft zu machen, daß es sich um einen Polizisten handelt, der sich selbst befördert hat. Höhere Dienstgrade geben sich, der Stellung entsprechend, zurückhaltend. Einer, welcher vorgibt, bei der Kriminalpolizei beschäftigt zu sein – seine Dienstjacke ist aus einem dunkelblauen Perlonstoff –, wird über seinen Einsatz striktes Schweigen wahren, noch Ihnen eine Probe seiner Fähigkeiten vor Augen führen, Einzelheiten preisgeben, das Präsidium betreffend. Im Lauf der Stunde, die Sie (unbezahlt) mit ihm verbringen, wird er in seiner Position steigen, bis hinauf zum Kommissar, der zwischen den verschiedenen Städten reist, in Angelegenheiten, über deren Inhalt er sich nur in vagen Andeutungen ergehen darf. Ihre Liebesdienste nimmt er in Anspruch als eine Huldigung, seiner Stellung angemessen. Weit gefährlicher ist jener, der sich als ein Polizeispitzel vorstellt und vorgibt, gegen eine Prämie (er wird eine Summe nennen, sie Sie zufällig in der Tasche haben) Mädchen, die mit einer Geldforderung ihren Beruf preisgegeben haben, im nächsten Polizeirevier abzuliefern. Die Angst, daß es unmöglich erscheint, den Mann von seinem Vorsatz abzubringen, nämlich auf die Anzeige zu verzichten, wird augenblicklich Ihre Pläne auf jenen Augenblick zusammenschrumpfen lassen, wo Sie vor einem Schreibtisch Bekenntnisse ablegen müssen, deren Inhalt gegen Ihre Person ausgelegt werden wird. Sie sind noch zu unerfahren, Ihrerseits eine Spazierfahrt zum nächsten Revier vorzuschlagen, um Anzeige wegen Erpressung zu erstatten. Die selbsternannte Polizei weiß genau Bescheid, wer sich, wo und wie lange auf der Straße bewegt. Frauen, welche bereits über einschlägige Erfahrungen verfügen, bleiben unbehelligt. Falls ein solcher Polizist sich diesen nähert, wird er höchstens mit dem beziehungsvollen Tippen an die Stirn begrüßt. Nur die Anfängerin, daran gewöhnt, für bare Münze zu nehmen, was man ihr in einer Welt erzählt, wo dem Besitzer
[55] einer Apotheke diese auch tatsächlich zu gehören hat, wird ihm aufsitzen. Wie aber sieht ein echter Polizeibeamter wirklich aus, und was passiert Ihnen, wenn Sie tatsächlich das Pech haben sollten, einem solchen nicht nur durch eine Nachlässigkeit im Straßenverkehr aufzufallen? Zu Ihrem Trost sei hier gesagt, daß dieser Fall nicht eintreten wird. Sie werden ihm nie begegnen, es sei denn, Sie gehen selbst ins Präsidium und stellen einem der für Ihren Berufsstand zuständigen Beamten etwa folgende Fragen, wie in diesem Fall geschehn. 1. Frage: Ist Prostitution verboten? Antwort: In Deutschland ist Prostitution grundsätzlich verboten. 2. Frage: Wem untersteht die Reglementierung? Antwort: Der Polizei. 3. Frage: Nach welchen Gesichtspunkten wird die Prostitution reglementiert? Antwort: a) Jugendgefängnis, b) Erregung öffentlichen Ärgernisses, c) Konzentration von Kriminalität. 4. Frage: In welcher Weise können Beschränkungen auferlegt werden? Antwort: a) Nach Tageszeiten, b) nach Bereichen. 5. Frage: Was bedeutet die Unterscheidung zwischen einem inneren und äußeren Sperrkreis? Antwort: Im inneren Sperrkreis ist jedes Ausüben des Gewerbes untersagt. Im äußeren Sperrkreis nur die Straßenprostitution. (Zur genaueren Bezeichnung sollten Sie einen Stadtplan vorlegen, auf dem der Beamte die betreffenden Gebiete mit einem Stift umreißen kann.) 6. Frage: Wie sehen die Polizeibeamten aus? Uniformiert? In grünen Streifenwagen mit Gitter ... (Sollte der Beamte an diesem Punkt der Unterredung selbst zu einer Frage ansetzen, empfiehlt es sich, unverzüglich fortzufahren:) ... oder etwa in Privatautos, die nach außen hin nicht kenntlich sind? Antwort: Die Überwachung liegt ausschließlich in Händen Uniformierter. 7. Frage: Was passiert einem Mädchen, das im Sperrgebiet von einem Polizisten aufgegriffen wird?
[56] Antwort: Sie wird ins Präsidium gefahren, wo sie die Nacht verbringen muß, um am nächsten Morgen dem Schnellrichter vorgeführt zu werden. 8. Frage: Wie hoch ist die Strafe? Antwort: Sie wird laut §361 bestraft, das heißt mit einer Geldbuße bis zu 150 Mark. Im Wiederholungsfall muß sie mit sechs Wochen Gefängnis rechnen. 9. Frage: Wie oft muß sich eine Prostituierte beim Gesundheitsamt zur ärztlichen Untersuchung melden? Antwort: Alle vierzehn Tage. 10. Frage: Hat eine Prostituierte Schwierigkeiten, in einen bürgerlichen Beruf zurückzukehren? Kann sie zum Beispiel noch Polizeibeamtin werden? Antwort: Ein solcher Fall ist nicht bekannt... Sicherlich wird nicht jener Mann Ihnen an die Gurgel gehen, welcher sich Ihnen als Verdächtiger Nr. 1 vorstellt, in Anspielung auf den jüngsten Mordfall in der Stadt – Sie haben es gelesen, sitzen vor Entsetzen starr neben dem Bett, auf dem er sich ausgestreckt hat. Sein Vergnügen wird sich darauf beschränken, Ihnen Angst einzujagen: Er verweist auf seine Ähnlichkeit mit der Beschreibung des mutmaßlichen Täters: Gehbehinderung, die Größe, Alter. Er zieht ein Lustgefühl aus Ihrer Reglosigkeit, läßt eine detaillierte Beschreibung des Falles folgen, so, wie es nicht in der Zeitung stand. Jeder Mörder hat seine Handschrift, wie es in Kriminalromanen beschrieben wird. Eine Anspielung auf Haarmann – ebenso in bürgerlichen Verhältnissen lebend wie er, und dahinter doch, o Gott! – bringt Sie vollends um den Verstand. Sie wähnen bereits Ihr letztes Stündlein gekommen ... Nein, noch lange nicht! Dieser Mann will Sie nur erschrecken. Ihre Naivität macht ihm Spaß. Trotzdem sollten Sie es nicht drauf ankommen lassen. Schonen Sie Ihre Nerven. Sie sind nicht ausgezogen, um interessante Erlebnisse zu sammeln. Brechen Sie kurzerhand die Beziehung ab. Ein Hinweis auf Ihren Verlobten wird Ihnen jede weitere Erklärung sparen. Hauptsächlich in der allerersten Zeit wird Sie die Frage nach dem Mann beschäftigen, dessen Lust mit Ihrem Tod zusammenhängt. Hinter jedem Steuer sehen Sie Ihren Mörder sitzen. Ein Streicheln in der Gegend Ihres Halses spannt Ihre Muskeln an. In einem Stotterer meinen Sie einen steckbrieflich Gesuchten zu erkennen. Später wird die Frage auftauchen, ob sich der Mörder, als harmloses
[57] Schaf verkleidet, unter die Herde Ihrer Stammfreier eingeschlichen hat. Sie lassen sie der Reihe nach Revue passieren: den Freier aus Brasilien, den Sklavenhalter, den mit den Hosenträgern, den aus Ebersfeld. Die Gewohnheit mancher Freier, unangemeldet Ihren Klingelknopf zu drücken, läßt Ihr Herz erschauern... Vielleicht wartet einer auf die passende Gelegenheit, wenn sich keiner im Treppenhaus befindet – es ist dies die Mittagszeit, da die Hausbewohner ihrer Arbeit nachgehen und die Gänge wie ausgestorben sind. Vergessen Sie es. Geben Sie solchen Vorstellungen keinen Raum. Auch dann nicht, wenn sich einmal Langeweile einschleichen sollte, ein Päckchen Rasierklingen, von dem Freier auf den Tisch gebracht, Ihnen zur Aufbewahrung übergeben, plötzlich wieder eine Spannung aufkommen läßt, die Sie vielleicht schon vermißt haben.
Warnsignale a) Ein extrem hoher Preis, in einer als dafür bekannten «billigen Gegend». b) Ein Unbehagen, welches Sie beim Anblick des Wagens befällt. c) Die Weigerung des Freiers, Sie in Ihre Wohnung zu begleiten. d) Geschichten über schlechte Erfahrungen mit Zuhältern. e) Ungewöhnliches Verhalten wie: Überreichen einer Visitenkarte. f) Ein allzu rasches Eingehen auf Ihre Forderung von Seiten eines Mannes, der eigentlich um den Preis feilschen müßte. g) Ein junges Gesicht in einem teuren Sportwagen.
7. Nachdem Ihnen die verschiedenen Sorten der Freier vorgestellt wurden, nämlich Ihre Kunden, nun zur Konkurrenz: Prügel sind auf keinen Fall hinzunehmen, schon wegen der Spuren: Sollte Ihre erste Begegnung mit der Konkurrenz zu Ihren Ungunsten ausgefallen sein, werden Sie alles daransetzen, um beim nächstenmal besser abzuschneiden. Es ist nicht ratsam, eine Waffe mit sich herumzutragen: Abgesehen von dem Gewicht in Ihrer Handtasche, dürfte die Handhabung etwa eines Messers – von einer Schußwaffe ganz zu schweigen – Ihnen Schwierigkeiten bereiten. Eine andre Möglichkeit, nämlich von drei (bezahlten) Männern eskortiert sich den Platz zu erobern, ist ebenfalls problematisch und nicht gerade vorteilhaft, wenn Sie befürchten müssen, daß sich Ihrem kleinen Heer auf der andren Seite zehn solcher Männer gegenüberstellen. Statt solchen aufwendigen Plänen nachzuhängen, treten Sie in eine Sportschule ein. In jeder Großstadt gibt es Institute, wo eine Methode der Verteidigung gelehrt wird, welche einem Polizeibeamten ebenso geläufig sein dürfte wie dem Filmhelden. Sie sind nicht unsportlich. Doch an der Schreibmaschine haben Sie verlernt, was Sie als Kind sehr wohl beherrschten, nämlich zuzuschlagen, wenn es nötig war, auch kräftig gegen ein Schienbein zu treten. Ihre Beine sind aus der Übung. Vielleicht finden Sie es komisch, in einem schwarzen Anzug, der Ihnen nicht besonders steht, die Verbeugung vor dem Trainer zu machen, zur Begrüßung einige Sekunden in Schweigen zu verharren. Barfuß, ohne Ihre Stiefel, angetan mit einem Gürtel, dessen Farbe den Grad Ihrer Fähigkeiten verrät, sind Sie keine brillante Erscheinung. Denken Sie allein an den Zweck. Seien Sie nicht enttäuscht, wenn Sie am Anfang statt geschickter Griffe, wie Sie sie schon gesehen haben, angehalten werden, Kniebeugen zu machen. Ihre Muskeln sind noch schlapp, die Arme gar nicht in der Lage, jene Stöße auszuführen, welche einen Gegner zu Boden schleudern, Ihre Hände sind weich. Haben Sie Geduld, auch wenn Sie nach drei Wochen immer noch die gleichen Schritte üben. Vergessen Sie den Gegner auf der Straße. Lernen Sie erst mal, Ihre eigenen Kräfte richtig einzuschätzen. Sie werden einen Körper von einer andren Seite begreifen als durch Ihre tägliche Arbeit. Wenn es bisher darum ging, durch Berühren jene Teile auszumachen, welche reizbar sind, handelt es sich hier darum, wie man mittels Druck ein Gelenk so weit verdreht, bis ein Schmerz entsteht, der Ihrem Gegner gegen seinen Willen die Hand öff-
[60] nen läßt. Nicht nur, daß Sie lernen, ihn mit einem vorgetäuschten Schlag aus dem Konzept zu bringen, man zeigt Ihnen jene Stellen, wo ein Schlag möglichst wirkungsvoll anzubringen ist. Die Gelenke hatten bisher für Sie nur die Funktion, einen Körper zu bewegen: Daß man einen Gegner unschädlich machen kann, indem man sich dieser Gelenke bemächtigt und sie in einer Weise verdreht, wie die Natur es nicht gestattet, erscheint Ihnen neu und überraschend. Wenn Sie einen Daumen – Ihren, eigenen – zusammenpressen, werden Sie merken, daß Sie mit geringer Kraft einen Schmerz verursachen. Das gleiche merken Sie bei Ihrem Handgelenk. Der Trainer zeigt Ihnen die Übung. Vertrauen Sie dem Lehrplan! Langsam lernen Sie, wie man zwei Hände von dem eigenen Hals entfernt. Einem Fußtritt können Sie fortan mit geballter Faust begegnen, einem Schlag gegen die Halsschlagader. Ausnahme: Einen Pfählungsversuch können Sie abwenden, indem Sie Ihrerseits den Freier von rückwärts angehen. Ein Druck Ihrer Daumenwurzel gegen seine Halsschlagader wird genügen, daß er Ihnen wie ein nasser Sack vor die Füße fällt. Falls Sie selber in Gefahr sind, mit dem Rückgrat auf dem Boden aufzuschlagen, haben Sie gelernt, mit ausgestreckten Armen Ihren Körper abzufangen. Vor dem Brotmesser, das der Freier wie von ungefähr aus der Aktentasche zieht, werden Sie keinen Respekt mehr haben, sondern dieses unverzüglich mittels eines Schlages auf das Handgelenk, einer Drehung, die Sie einen Augenblick Rücken an Rücken zu Ihrem Angreifer stehen läßt, der gelernten Gegendrehung, in Ihre Gewalt bringen. Die Frage ist nur, was Sie unternehmen, wenn Sie selbst das Messer in der Hand haben. Sie wollen Ihr Appartement nicht verlieren, denken an Ihren Teppich. Wir verstehen uns, diese Möglichkeiten kommen selbstverständlich nicht auf Sie zu. Sie fragen sich aber
Was mache ich, wenn ich mich verliebe? Gesetzt den Fall, Sie fassen eine Zuneigung zu jenem Mann, dem allein die Aufgabe zufällt, Ihnen die Methode beizubringen, sich eventueller Angreifer zu erwehren. Sie träumen von einer Begegnung außerhalb Ihres Berufes. Der Raum, in dem Sie Ihre Freier empfangen, gestaltet sich in Ihren Träumen zu einer Liebeslaube, jener Sport, den Sie nebenbei betreiben sollen, nur im Hinblick auf Ihr Geschäft, beansprucht Ihr
[61] Hauptinteresse. Die Wochentage Dienstag und Freitag sind nicht mehr Tage, die sich als geschäftlich besonders lohnend erweisen, sondern bieten jene Stunden, während der Sie seiner ansichtig werden. Sie müssen sich das Herz nicht aus der Brust schneiden! Erhalten Sie sich den Flirt. Lenken Sie das Interesse Ihrer Freundin auf seine Vorzüge. Preisen Sie sein Aussehn, die Figur, wie er sie beim Training zur Geltung bringt. Helfen Sie, mit Ihrer Erscheinung seine Aufmerksamkeit zu gewinnen. Es genügt das kleine Lachen, der verständnisvolle Blick, den Sie gewohnheitsgemäß auf einen vielversprechenden Freier richten. Vorsicht! Nicht für Sie! Das übrige wird Ihre Freundin selber tun. Die Belohnung bleibt nicht aus. Ihre Freundin wird Sie über die Entwicklung auf dem laufenden halten. Im nachhinein dürfen Sie das erste gemeinsame Abendessen miterleben: Wo es stattgefunden hat... Sie hören es in allen Einzelheiten, angefangen von der Farbe des Pullovers bis zu dem Gericht, das er bestellt hat. Sie lernen ihn genauer kennen: Welche Getränke er bevorzugt, die Musik – lassen Sie sich die Platte auflegen... Ihre Freundin knipst das Licht an. Halten Sie mit Ihrer Meinung nicht zurück: Wie Sie die Lampe finden – Ihre Freundin wird es an ihn weitergeben. Sie haben ihm den Namen «Eins» gegeben, nach der Zahl, die, mit einem dumpfen Heulton ausgestoßen, das Signal bedeutet, die Beine in bestimmten Abstand vom Boden zu halten. Einen Griff um Ihre Taille geben Sie eine andere Bedeutung, auch der Tatsache, daß Sie nach einem Training zu erschöpft sind, um noch Ihrem Beruf nachzugehen. Wenn Sie jetzt nicht Ihren Vorstellungen Zügel anlegen, kommt für Sie doch eine traurige Geschichte heraus, so, wie Sie die Sache angelegt haben. Wird Ihre Freundin mit dem Liebhaber in die Ferien fahren, bleiben Sie auf jeden Fall zurück. Sie können höchstens davon träumen, daß die beiden in Italien die geeignete Kulisse für ihre Romanze finden. Macht sie dagegen einen Fehler, verliert ihn, geht er Ihnen ebenfalls verloren. Die Quelle der Geschichten versiegt. Ihre einzige Genugtuung: daß Sie die bessere Liebhaberin abgeben würden, mit den Kenntnissen, über die Sie jetzt verfügen... um so schlimmer, wenn Sie ihm das nicht beweisen können. Was nützt es, daß Sie schon im voraus wüßten, was Sie ihm ins Ohr flüstern sollten... Zum Beispiel der Film, von dem er Ihrer Freundin berichtet. Sie haben ihn auch gesehen, geben Ihrer Freundin Hinweise: So stellt er sich die Liebe vor: tödlich, leidenschaftlich. Stirbt die Dame nicht am Ende?
[62] Da ist jene Geste, gleich am Anfang, wie sie ihm den Wagenschlüssel reicht. Frauen, die verliebt sind, geben immer gleich den Wagenschlüssel. Oder jener Streit, der fast ein Bruch ist. Welche Möglichkeit, sich wieder zu versöhnen! Hoffen Sie denn immer noch? Ihre Freundin wird schon dafür Sorge tragen, daß sich die Beziehung in angemessenen Grenzen hält, sein Interesse mit einigen gezielten Sätzen, die sie Ihnen in den Mund legt, dämpfen. Sorgen Sie dafür, daß dies erst gar nicht nötig ist. Endlich die Auflösung der Beziehung: Sie warten mit der Freundin auf den Anruf, leiden darunter, daß das Essen kalt wird, die Informationen spärlicher werden. Dabei fühlen Sie, wie Ihr eigenes Interesse langsam schwindet und sich wieder Personen zuwendet, die Sie gerade im Begriff waren zu vernachlässigen.
8. Eine Krise kann ausgelöst werden a) Durch einen Fehler von Ihrer Seite. Beispiel: Sie erliegen zum x-tenmal der Versuchung des «leichten Geldverdienens», indem Sie einem Freier aus Ihrer Anfangszeit gestatten, das Präservativ wegzulassen. Folge: erneute Ansteckung, Behandlung. Ihr Körper ist geschwächt. b) Freier, die nicht zur verabredeten Zeit erscheinen. Folge: Sie warten umsonst, verlieren Zeit und Geld. c) Eine Häufung von notwendigen Investitionen. Die Rechnung für den Teppichboden, die Mahnung Ihrer Sportschule, die Stromrechnung geben Ihnen das Gefühl, auf der Stelle zu treten. Sie dürfen ungeniert die sentimentale Seite Ihres Berufes auskosten. Wenn es für Sie eine Erleichterung bedeutet, sich in den Armen Ihrer Freundin auszuweinen, tun Sie dieses. Ihre Schulter bietet Platz. Sie können sich getrost dem Schmerz überlassen. Ein kräftiger Druck von ihrer Hand wird Ihnen zu verstehen geben, daß Sie in Ihrem Kummer nicht verlassen sind. Ihre Freundin wird alsbald Ihre Tränen zum Versiegen bringen, mit dem Hinweis, daß von Ihrer Seite eine neue Kraftanstrengung zu erfolgen hat. Oder sind Sie für den Beruf ungeeignet? Sollte die gemeinsame Arbeit umsonst gewesen sein? Sie haben längst Ihren Kopf gehoben, reißen sich zusammen. Mit aller Kraft werden Sie es ihr beweisen, daß kein Mißgeschick groß genug ist, Sie kleinzukriegen. Sie holen den versäumten Gang zum Zahnarzt nach, lassen Ihren Reisepaß verlängern, planen eine neue Lampe für den Flur. Ihre Freundin hat sich angeboten, die Tapete anzustreichen. Gemeinsam suchen Sie die Farbe aus: einen zarten Elfenbeinton, zum Teppich passend. Vielleicht werden Sie es sein, die umgekehrt beim nächsten Treffen ihre Arme ausbreitet. Sie werden Ihre Einnahmen steigern wollen. Der Fünfzig- oder Hundertmarkschein, der Ihnen anfangs noch als gutes Geld erschien, ist weniger geworden (Inflation). Um in Regionen vorzustoßen, wo der Preis eine vierstellige Zahl erreichen kann, müssen Sie unter Ihren Freiern eine strengere Auswahl treffen. Wenn Sie noch unsicher sind, sollten Sie einen Kellner zu Rate ziehen. Führen Sie den Freier in ein elegantes Speiserestaurant. Kellner sind durch lange Erfahrung darin geübt, mit einem Blick die Brieftasche ih-
[64] rer Gäste richtig einzuschätzen. Achten Sie darauf, auf welche Weise der Ober Ihrem Begleiter die Karte reicht, ob er kleine Extrawünsche (die Karaffe mit dem Wasser) gleich erfüllt oder ob Ihr Begleiter länger als nötig auf die Zigarre warten, notfalls reklamieren muß. Auch das Gefühl für Qualität läßt sich erlernen. Suchen Sie in Ihrer freien Zeit die eleganten Geschäfte auf. Es gibt nichts, was Sie nicht interessieren sollte, die Zahnprothese ebenso wie die Brille. Prüfen Sie auf Ihrer eigenen Nase den Unterschied zwischen jener, die die Kasse bezahlt, und der, für die eine Verkäuferin ein Monatsgehalt auf den Tisch legen müßte. Erst bei fortgeschrittener Praxis werden Sie imstande sein, die Aura des Besitzes wahrzunehmen, wo sie sich nicht unbedingt in jenen Utensilien aus den teuersten Geschäften offenbart. Ein Mann trägt immer alles, was er hat, mit sich herum, den Reitstall ebenso wie den Kramladen. Hinter einem Mantel aus dem Kaufhaus kann ein Konto stehen, dessen Zahlen dort enden, wo es Ihnen noch schwindlig wird. Sie sehen nicht mehr, daß ein Alter auf Sie zukommt, dessen Rückgrat eine leichte Verkrümmung zeigt, sondern ein Betrieb, ein Kaufhaus. Selbstverständlich wird es Ihnen Ihr Instinkt verbieten, den Freier nach dem Beruf auszufragen, eine Probe aufs Exempel zu machen. Im Notfall verlassen Sie sich darauf, was Sie während Ihrer Spaziergänge durch die Geschäfte gelernt haben. Manchmal ist es nur ein Stück: der Kaschmirschal, welcher der Erscheinung jenen Glanz verleiht. Achten Sie auf das Etikett etwa eines Mantels und quittieren Sie mit einem leichten Überraschungslaut die Herkunft, falls sie eine bemerkenswerte ist. Ihr Freier wird Ihre Kenntnisse zu schätzen wissen und entsprechend honorieren. Doch nicht jeder Mann, der Geld hat, ist bereit, es für Frauen auszugeben. Der Kaufhausbesitzer kann sich in seiner Eigenschaft als Freier als sein eigener Lehrling entpuppen, oder umgekehrt. Den Sinn, ob das Geld des Freiers Ihnen offensteht, werden Sie erst entwickeln, wenn Sie auch imstande sind, richtig zuzugreifen. Bescheidenheit gilt als eine gute Eigenschaft. Als Kind hat man Sie dazu erzogen, nie die Hand nach einem Ding auszustrecken außerhalb der Reichweite des elterlichen Portemonnaies. Ihre Wünsche hatten sich stets in einem Rahmen gehalten, den man als erschwinglich bezeichnen kann. Der Beruf, den Sie sich jetzt gewählt haben, erfordert auch in dieser Hinsicht eine Umstellung. So dürfen Sie nicht davon ausgehen, daß Sie durch eine hohe Rechnung in einem Speiserestaurant Ihrem Freier einen Schaden zufügen. Das Gegenteil ist der Fall. Selbst
[65] wenn Ihr persönlicher Geschmack sich mehr den einfachen Gerichten zuneigt, ein Schinkenbrot und ein Glas Bier vollauf genügen würden, Ihre Eßlust zu befriedigen, sollten Sie diese Art von Appetit bei sich zu Hause stillen. Für den Freier bedeutet die Zusammenstellung des Menüs einen Vorgeschmack auf die Genüsse, welche ihn danach erwarten werden. Entscheidend ist die Auswahl des Lokals, die sie nur dem Freier überlassen sollten, wenn es Ihnen auch bekannt ist. Zumindest müssen Sie im Stande sein, einige Lokale selbst vorzuschlagen. Vielleicht ist es nötig, darauf hinzuweisen, daß der Ablauf reibungslos vonstatten gehen muß: Sie fahren keinen Umweg, finden einen Parkplatz an der richtigen Stelle. Im Lokal wissen Sie, wo sich die Garderobe befindet. Der Kellner begrüßt Sie mit Zuvorkommenheit. Sie kennen die Speisekarte. Entsprechen Sie der Vorstellung Ihres Freiers, daß sich eine Dame Ihres Berufsstandes von Kaviar und Hummern ernährt. Sie sollten für solche Gelegenheiten einen großen Magen haben. Seine Kapazität ist durch eine geeignete Auswahl von Aperitifs wesentlich zu erhöhen. Wenn das Mädchen mit den langstieligen Rosen erwartungsvoll an Ihrem Tisch stehenbleibt, vermeiden Sie, den erschrockenen Ausdruck Ihrer Ehejahre anzunehmen. Auf diese Weise deuten Sie an, daß Sie mit seinem Geld etwas anzufangen wissen. Sollten Sie sich bisher nicht für die Tagespolitik interessiert haben, so ist spätestens hier der Augenblick, Ihnen zu raten, das Versäumte schleunigst nachzuholen. Davon abgesehen, daß Ihr Freier auch ganz gerne bei Gelegenheit ein Wörtchen über diesen Punkt mit Ihnen wechseln wird, kann die politische Entwicklung für Sie zu einer Existenzfrage werden. Versäumen Sie nie, zur Wahl zu gehen. Eine Hure wählt konservativ. Im Sozialismus ist ihre Chance gleich Null. Wie sieht nun der kostspielige Tageslauf aus, den Sie Ihrem Freier erzählen können? Der Freier erwartet, daß Sie ein Leben fortgesetzten Müßiggangs führen, und Sie werden merken, welche Schwierigkeiten Sie haben, diesem Wunsch zu entsprechen, da er nicht so erzählt wird, wie er sich tatsächlich abspielt. Lassen Sie Ihren Freier an dem Vergnügen teilhaben, daß Ihr Tag beginnt, während andere ihre Mittagspause machen. Sie können gleich nach dem Aufstehn Ihr Frühstück einnehmen, oder Sie
[66] beginnen mit dem Bad. Merken Sie sich, daß Sie nicht ins Wasser gehen, um sich zu reinigen, sondern nur des Wohlbefindens halber. Sie gebrauchen eine Essenz. Um eins erwarten Sie den Masseur, der selbstverständlich blind ist. Auf besondren Wunsch des Freiers sollten Sie imstande sein, an seinem Körper den einen oder andren Griff zu wiederholen. Wie jeder normale Mensch werden Sie danach ein Frühstück zu sich nehmen – oder vorher, nach der Reihenfolge –, nur mit dem Unterschied, daß Ihr Frühstück aus einer einzigen Tasse Kaffee besteht, oder besser Schokolade, welche, von unsichtbarer Hand zubereitet, im Bett eingenommen wird. Ihre Nahrung besteht nicht aus Mahlzeiten wie etwa einem Mittagessen mit drei Gängen, sondern Sie ernähren sich ausschließlich von Süßigkeiten und solchen Delikatessen, von denen man sich eine aphrodisierende Wirkung verspricht. So können Sie zum Beispiel Ihren Freier damit überraschen, daß Sie einen echten Trüffel im Hause haben. Vor einem solchen Beweisstück wird selbst die bescheidene Cognacbohne noch zu einem Elixier, in welches man besondere Erwartungen setzt. Von der Bonbonniere, die der Freier zum Geschenk mitgebracht hat, werden Sie entzückt probieren und, obwohl Sie bereits eine ähnlich große Menge – gleich, wie spät es ist – verzehrt haben, sich mit unvermindertem Appetit auf seine Schachtel stürzen. Erdbeeren essen Sie nur im Januar. Kein Freier wird es wagen, Ihnen solche Früchte anzubieten, wenn sie an jeder Ecke für ein geringes Geld zu kaufen sind. Auf eine bayerische Weißwurst haben Sie höchstens Appetit, wenn Sie gerade den Äquator überfliegen. Da Sie keinen Wecker kennen, mangelt Ihnen selbstverständlich jedes Zeitgefühl. Um so interessanter wird es sein, wenn Sie Punkt zwei in einem bestimmten Café aufkreuzen, um daselbst eine Bouillabaisse zu sich zu nehmen, die nur dort in einer Weise zubereitet wird, die Ihren Ansprüchen genügt. Am frühen Nachmittag pflegen Sie Einkäufe zu erledigen. Im allgemeinen verbindet sich mit dem Wort «Einkauf» die Vorstellung von Gestalten, welche hinter einer Kasse warten, großen, schwarzen Taschen, deren Inhalt sich bei näherer Betrachtung aus Zucker, Brot und Kohl zusammensetzt. Nicht Ihre Tasche. In der Gegend, wo Sie sich bewegen, kauft man keine Lebensmittel, außer in Form von Badesalzen oder Hautöl. Vergessen Sie nicht, daß Sie nur die großen Flaschen kaufen. Eine Hautcreme wählen Sie der Dose wegen oder um sie Ihrer Freundin mitzubringen. Ihren täglichen Bedarf an Dessous und Gürtelschnallen decken Sie in einigen Geschäften, wo Sie bekannt sind und mit äußerster Zuvorkom-
[67] menheit bedient werden. Keiner wird ungeduldig, wenn Sie sich nicht sogleich entschließen können. Noch nie ist es vorgekommen, daß Sie das Geschäft verlassen haben, ohne nicht wenigstens eine der rotlackierten Tüten oder Rollen mitzunehmen, deren Inhalt Sie jedem Freier, der hier Ihren Weg kreuzt, ohne erröten zu müssen präsentieren können. Ich nehme an, daß Sie durch die vorausgegangenen Lektionen genug gefestigt sind, um nicht der Versuchung zu erliegen, den beschriebenen Tageslauf zu Ihrem wirklichen zu machen. Mittlerweile dürfte die Anzahl der Päckchen derart angewachsen sein, daß Sie einen Träger brauchen. Erinnern Sie sich Ihres Verlobten, welchen Sie um diese Zeit vor einer Buchhandlung treffen. Er sucht für Sie die Kuchen aus, die Sie nachmittags bei Ihrer Freundin verzehren. Ihre Freundin ist nicht etwa Malerin oder gar die Frau eines Mannes in gehobener Position, sondern sie übt den gleichen Beruf aus wie Sie selber. Da Ihre Freundin um diese Zeit noch zu schlafen pflegt, wird Ihr Verlobter vor der Tür im Auto warten. Als engste Vertraute verfügen Sie über einen Wohnungsschlüssel – das Klingelzeichen dient lediglich zu dem Zweck, Ihren Besuch anzukündigen. Der Erwartung entsprechend finden Sie sie noch im Bett vor. Sie geben sich gegenseitig einen kurzen Überblick, die Erlebnisse betreffend, welche Sie einander für beachtenswert halten. Auf Wunsch des Freiers können Sie an diesem Punkt der Schilderung länger verweilen, die körperlichen Vorzüge Ihrer Freundin ins rechte Licht rücken oder die Erzählung in ein pikantes Erlebnis Ihrer Freundin münden lassen ... Sollte das Interesse Ihres Freiers der Versuchung zum Trotz bei Ihrer eigenen Person geblieben sein, fahren Sie fort... Die Erscheinung Ihres Verlobten bietet abermals die Möglichkeit, vom Thema abzuweichen, einen Wunsch, den Sie Ihrem Feier auch verweigern können. Führen Sie ihn statt dessen ins Café – nicht um 4 Uhr nachmittags, wenn die Damen von außerhalb die Plätze besetzt halten, sondern zwischen sechs und acht. Sie trinken hier nicht Tee, der von einer mürrischen Bedienung der späten Stunde wegen lustlos aufgetragen wird. Ungefragt wird der Kellner Ihnen eins der sektglasförmigen Gefäße servieren, das, mit rosafarbener Flüssigkeit gefüllt, Schalentiere einer allgemein bekannten Art enthält. Überlassen Sie es Ihrem Freier, die Speise als Cocktail a la ... zu identifizieren. Sollte der Wissensdurst Ihres Freiers immer noch nicht gestillt sein – vielleicht haben Sie es gar mit einem Forscher zu tun, der unter der Maske des Freiers Ihre Lebensgewohnheiten zu erkunden sucht –, las-
[68] sen Sie ihn ins Schwimmbad im Bayerischen Hof folgen. Sie begeben sich nicht dorthin, um im Wasser Ihre Runden zu drehen, sondern weil Sie es gewohnt sind, dort um diese Zeit Ihren ersten Drink zu sich zu nehmen. Wohl kennt der Freier Ihre feste Arbeitszeit, weiß aus Erfahrung, daß Sie den ganzen Tag im Dienst sind, trotzdem wünscht er nicht, wenn er nach Ihrem Tageslauf fragt, mit einem Arbeitsplan konfrontiert zu werden. Da Ihr Leben aus einer Kette fortgesetzter Vergnügungen besteht, sind Sie da zu treffen, wo man Feste feiert. Informieren Sie sich aus der Tageszeitung, wo in Ihrer Stadt öffentliche Veranstaltungen abgehalten werden. Es gibt so viele Vergnügungen, wie es Tage gibt: Selbst die Politik bietet in der Wahlnacht Festlichkeiten. Arbeiten Sie in einer Gegend, wo Hopfen angebaut wird, so trifft man Sie im Biergarten, gleich, ob der Freier Sie in einer Gegend angetroffen hat, wo man das Bier in kleinen Gläsern zum Mittagessen serviert. Nur im Fasching, wenn die Festlichkeiten aus den Räumen herausgetragen werden, trifft man Sie auf der Straße. Sollten Sie noch Lust haben, die Nacht mit einem Souper zu beschließen, so wissen Sie einen Ort, wo man um 3 Uhr in der Früh ein Essen mit fünf Gängen serviert. (Ungeachtet der Tatsache, daß Sie um diese Zeit längst in festem Schlaf liegen.) Dem unermüdlichen Hörer können Sie noch zum Abschluß eine Schilderung der Stadt geben, wie sie morgens früh um fünf aussieht.
9. Für die Hure ist der Schriftsteller kein Freier, um den sie sich besonders bemüht: Er wird nicht viel ausgeben, seine finanziellen Möglichkeiten sind begrenzt, dem Einmannbetrieb entsprechend. Umgekehrt hat eine Hure, die zusätzlich Schriftstellerin ist, für Männer in gehobenen Positionen eine gewisse Attraktion, die allerdings nichts ist, gemessen an der, welche eine Ärztin oder Rechtsanwältin in dieser Situation haben würde. Einer Künstlerin wird immer das Odium von Bohemetum anhaften. Die Berufe sind in der Meinung der Allgemeinheit zu eng beieinanderliegend, ohne Überraschungseffekt. Eine Juristin dagegen würde mit ihrem Sinn für Systematik der Hure eine weitere Nuance geben. Der Autorität einer Staatsanwältin zum Beispiel, welche die Technik einer Hure beherrscht, kommt so leicht nichts gleich. Mit dem schwarzen Strumpfhaltergürtel unter ihrer Robe ist sie die Höchstbezahlte. Ich will hier nicht von Ihnen verlangen, daß Sie, neidisch geworden, von dem Blick auf jene, sich der Mühe unterziehen sollten, Paragraphen auswendig zu lernen. Ein Studium würde zuviel Zeit in Anspruch nehmen. So ernsthaft haben wir die Sache nicht gemeint. Schließlich haben Sie als Schriftstellerin ja auch ein Werk vorzuweisen, wenn auch nur ein kleines. Außerdem haben Sie den Beruf vorerst noch zu einem andren Zweck gebraucht. Zur Aufrechterhaltung Ihres Berufes (nach außen hin ein Schutz gegen eventuelle Nachfragen der Polizei) dienen einige Institutionen, deren Sie sich getrost bedienen sollten. Schlagen Sie die Wahl in den PEN-Club nicht aus! Ihren Zwecken noch dienlicher ist die Mitgliedschaft im Schriftstellerverband. Für einen Jahresbeitrag von 50 Mark erhalten Sie einen Ausweis, mit dem Sie sich bei einer Polizeikontrolle jederzeit als Schriftstellerin ausweisen können. Mit Ihrer Unterschrift zeigen Sie, daß Sie sich mit den Zielen des Verbandes einverstanden erklären. Als Jahrgang 35 zählen Sie hier noch zur jüngeren Generation. Orientieren Sie sich an der Meinung Ihrer gleichaltrigen Kollegen. Besuchen Sie die angesetzte Veranstaltung. Vergessen Sie nicht, hinterher über den Ablauf zu schimpfen, der tödlich langweilig und eines Schriftstellers nicht würdig sei. Nutzen Sie dabei die Gelegenheit, eingeschlafene Kontakte mit alten Freunden wiederaufzunehmen. Sicher denken Sie, die Art, wie Sie Ihr Geheimnis verbergen, sei besonders geschickt. Sie haben sogar ein Gefühl von Überlegenheit, wenn Sie
[70] in die Runde der bekannten Gesichter sehen, kaum geschminkt: Die Hose ist genau die gleiche, wie sie Frauen während eines Stadtbummels tragen, Ihre Stiefel sind aus einem wohlbekannten Schuhgeschäft. Selbst ein Blick in Ihre Handtasche würde einem neugierigen Auge kaum etwas andres enthüllen als die Utensilien einer Dame, wie sie nun mal sind ... Wähnen Sie sich nicht allzu sicher. Sie haben keinen Grund, überheblich zu sein. Die Familie, der Sie noch immer eine interessierte Literatin vorspielen, weiß längst Bescheid, daß sich hinter Ihrer ehrbaren Fassade eine andere Person verborgen hält. Sind Sie enttäuscht? Hatten Sie mit einer anderen Reaktion gerechnet, einem Empörungsschrei? Geben Sie es zu. Die Gleichmütigkeit, mit der man Ihre Story aufnimmt, bringt Sie aus der Fassung. Wo, in welcher Zeit leben Sie? Hat man es nicht überall lesen können, daß Tabus zum alten Eisen zählen? Oder haben Sie sich etwa die Vorurteile Ihrer Freier selbst zu eigen gemacht, die ihre Töchter bestimmt nicht gerne an Ihrer Stelle sehen würden. Angenommen, die Tochter jener Dame, welche Ihnen das Gedeck aufgelegt hat, würde ihrer Mutter die Eröffnung machen, daß ihr eine berufliche Karriere vorschwebt ähnlich wie der Ihren...
10. Sie haben es zu einer eigenen Wohnung gebracht, einem Auto, das es Ihnen möglich macht, Freier in der Wohnung aufzusuchen. Bei fortgeschrittener Praxis werden Sie darum gebeten werden, Ihren Freiern eine zweite Frau zuzuführen. Es ist ein verständlicher Wunsch, in den meisten Fällen noch nicht realisiert. Der Freier hat Sie als reife Frau erkannt; selbst wenn er Ihnen das vorgegebene Alter glaubt, wünscht er sich, über Sie an etwas heranzukommen, was gemeinhin verboten ist: das Mädchen unter sechzehn. In den Köpfen älterer Männer ein Wunschtraum, durch Gesetz und Konvention unerreichbar. Mit einigem Witz können Sie auf das Drängen Ihres Freiers, wann Sie ihm endlich das versprochene Mädchen zuführen, neben Ihrem Bett die Gestalt der Kindlichen Hure erstehen lassen, ohne selbst mit Paragraphen in Konflikt zu kommen. Ersparen Sie Ihrem Freier eine Reise in den Orient. Die zarten Oberschenkel einer Orientalin dürften Ihrer Zunge ebenso geläufig sein wie der Schamhügel ohne Haare, die scheinbar schüchterne Bewegung, mit der das Mädchen ihre Blöße zu bedecken sucht, Sie haben sie entkleidet, bieten sie dem Freier zur Besichtigung, nackt jetzt, Ihrer Anweisung zufolge spreizt sie ihre Beine... Er wird Ihnen helfen, wenn er sich dort unsicher fühlt, schnell zurück ans heimische Gestade zu gelangen, wo ein Schulmädchen mit blödem Lachen ihre bloßen Beine ungeschickt bewegt. Nichts verbietet Ihnen, jene Kleine auszuwählen, die noch von der Mutter behütet – Sie sind zaghaft, wagen den Gedanken selber kaum –, weil sie eigentlich noch viel zu jung ist, ohne Brüste, oder wenigstens den Ansatz ... Er bringt Sie dazu, sich zu erinnern. Von dieser Seite hatten Sie die Kleine noch nicht angesehn. Haben Sie nur Mut: Sie ist wie alle Kinder, ohne Hüften, und der Körper ganz aus einem Stück. Wie, wenn sie nun schon berührt (Sie fragen leise), die nächtlichen Besuche bei ihrem Vater einen anderen Sinn gehabt hätten als den Austausch rein verwandtschaftlicher Zärtlichkeit? Folgt der Freier, oder schiebt die Erinnerung an seine eigene Tochter einen Riegel vor? Oder dünkt ihm das Vorgeschlagene zu sehr entfernt, nicht realisierbar ...? Er fühlt sich betrogen, fällt plötzlich ab: Daraus wird nichts! Sie sind wendig, haben sogleich ein andres Mädchen zur Hand, da ist keine, die sich Ihrer Zunge verschließt. — Lassen Sie den Freier jetzt mit einer
[72] vorliebnehmen, die sofort bereit ist, nennen Sie getrost den nächsten Wochentag. Er wird wissen wollen, wie diejenige beschaffen ist, die Sie ihm so sicher anbieten, als käme sie im nächsten Moment schon durch die Tür. Sicher werden Sie über eine Anzahl von Frauen verfügen, deren Bekanntschaft vielleicht noch aus Ihrer Studienzeit herrührt. Wählen Sie am besten eine, die sich ständig in Ihrem gegenwärtigen Lebenskreis bewegt. Zum Beispiel haben Sie Gelegenheit, in der Garderobe Ihrer Sportschule die verschiedenartigsten Körper wahrzunehmen. Nennen Sie den Beruf des Mädchens – wenn Ihr Freier partout von der Jugendlichkeit nicht abzubringen ist, die Lehrstelle. Besser, wenn dies eine Tätigkeit ist, die bereits eine erotische Vorstellung impliziert: Die Schuhverkäuferin kniet vor dem Kunden, muß sich bücken, nach hochgelagerten Kartons sich strecken. Sie kennen ihren Körper halb entkleidet, können nähere Auskünfte geben. Ihr die letzten Hüllen wegzunehmen, auf dem Bett, für ihn, dies, sagen Sie ihm, würde auch Sie selber reizen. Machen Sie ihm Lust auf ein Fleisch, das wild in alle Richtungen schießt, dumm und ungezügelt, mit den Einkerbungen, die gewisse Wäschestücke auf der Haut zurücklassen. Sie sehen es an seinen Augen, der Bewegung seines Gliedes, endlich dem Gesicht, das frei von Mißmut zu den Zügen der Ausgewählten zu passen hat, ob Sie die Richtige gefunden haben. Jedes weitere Detail wird ihm gefallen: ihre rotgeschminkten Lippen, die sich ständig in Bewegung halten: Wiederholen Sie gewisse Redewendungen. Sie hat nicht gelernt, daß man etwas verschweigt. Wenn Sie sie so plastisch geschildert haben, daß der Freier sie im Raum zu haben meint, können Sie mit einer Kritik der Gestalt noch mehr Plastizität geben: Fragen Sie ihn, ob ihm das Gerede nicht auf die Nerven fällt. Sie machen Miene, sie hinauszuschicken. Es liegt an ihm, ob er Ihnen Einhalt gebietet, oder ob Ihr Beruf als Schriftstellerin Sie dazu verführt, über die zweckgebundene Spanne hinaus die Geschichte auszuwalzen.
Eine Vergewaltigung durchzuspielen, bedeutet, daß Sie über das gewohnte Maß Ihre körperlichen Kräfte einsetzen müssen, dem Freier jenen Widerstand zu bieten, den zu brechen Lust erzeugt. Ihre Frisur wird unter diesem Kampf zu leiden haben, Sie verlieren die Kontrolle, wenn der Freier sich als stärker erweist, Ihnen tatsächlich in die Haare greift, um sie als Schopf in der Hand zu haben. Lassen Sie sich nicht an
[73] diesem durch das Zimmer schleifen, zu dem Bett hin, wo der Kampf sich wiederholen wird. Diesmal in der Form, die eindeutig den Soldaten verrät, der sich nach längerer Enthaltsamkeit einer Frau bemächtigt. Das Ziel besteht bereits in dem gewaltsamen Auseinanderbrechen der Beine, welches jener mittels Schenkeldruck erreichen wird, endlich des — in diesem Fall — Hineinzwängens des Genitals in die Öffnung, die sich immer noch zu verschließen hat. Ich brauche nicht darauf hinzuweisen, daß eine solche Szene nicht in Ihr Boudoir gehört, sondern eher in die Bauernhütte einer russischen Familie. Lassen Sie den Freier erzählen. Er wird seinem Tonfall eine Färbung geben, die Bedauern ausdrückt. Sie sind nicht die Richterin. Jeder Mann hat seine Lieblingsgeschichte. Es gehört zu Ihren Aufgaben, diese herauszufinden und sich zu gegebener Zeit zu erinnern. Der Freier wird Sie mit seiner Frage von selbst in das gewünschte Gleis bringen: der Beschreibung überdimensional geformter Penes. Fangen Sie mit dem Glied eines Italieners an, das Sie kennen: Sprechen Sie von seiner dunklen Färbung, daß es über die normale Größe hinausgewachsen ist. Sie merken an der Frage Ihres Freiers, ob er eine Übersteigerung wünscht. Sollte dies der Fall sein, halten Sie nicht zurück, Formulierungen wie «von der Stärke eines Unterarmes» zu gebrauchen. Ein begieriges Stöhnen wird Sie ermutigen, das betreffende Glied als das eines Hengstes zu beschreiben, vor dem Sie in die Arme Ihres Freiers flüchten. Sie sind ängstlich. Der Freier hält an dem Bild, das ihm den stärksten Reiz vermittelt, fest, stellt eine Frage, die Sie zwingt, das Gesagte noch einmal zu wiederholen, bis er neben fünf imaginären Gliedern seinen eigenen Orgasmus hat. Beim nächstenmal werden Sie das Bild variieren, bei der Beschreibung verweilen, wie Sie mit starkem Arm den Hengst von sich entfernt halten – es sind eigentlich fünf Männer, Ihre Freier, auf Ihr Geheiß gebrauchen sie die Hände, um sich zu befriedigen, abgewiesen – dies ist seine Stunde. Bestimmen Sie durch die andren, wann er seinen Orgasmus hat. Die Geschichte besteht nur aus einzelnen Fetzen, Worten, die Sie beliebig wiederholen können, um dann abzubrechen ... Der Griff nach der Zigarettenschachtel ist zugleich die Handbewegung, die die Männer verschwinden läßt.
[74] Es schließt sich aus, Ihre andren Freier zu bereden: Berufe preiszugeben, besondere Neigungen. Wenn Sie dies dennoch tun, muß Ihr Freier annehmen, Sie bereden ihn auf die gleiche Weise. Erlaubt sind Berichte über Verhaltensweisen allgemeiner Art. Zum Beispiel, wie Sie ein gutes Geschäft gemacht haben, ohne sich besonders anzustrengen: die Geschichte, daß ein Freier für zwei Stunden bezahlt und dank Ihrer Künste eine Stunde von seiner Zeit verschlafen hat. Wie Sie dies gemacht haben? Einer besonderen Beliebtheit erfreut sich auch die Darstellung einer Situation zu dritt. Hier gilt es einen Unterschied zu machen, zwischen der Geschichte, wie sie sich tatsächlich abspielen soll, und der, die Sie dem Freier anbieten. Wenn Sie die Absicht haben, einen Ehemann zu verführen, so tun Sie dies nur außerhalb der ehelichen Wohnung. Für den Freier soll die Ehefrau möglichst in der Nähe sein, wenn nicht gar im gleichen Raum beteiligt. Mit der Zeit werden Sie feststellen, daß bestimmte Geschichten weniger gefragt sind, andere dafür sich häufiger wiederholen lassen. Eine oft gewünschte ist die Defloration. In der Vorstellung vieler Männer hat sie einen besonderen Stellenwert. Vielleicht durch Erziehung – gleichviel, es soll hier nicht untersucht werden, warum dies so sein mag, noch ist es von Bedeutung, wie sich dieser Vorgang bei Ihnen selbst tatsächlich abgespielt hat. Der Freier, der Sie danach fragt, will die beste Geschichte hören. Holen Sie hier getrost länger aus, etwa: Es war an einem heißen Junitag, kurz vor Beginn der großen Ferien. Sie erinnern sich – haben die Geschichte nicht sogleich parat, abspulbar, es klingt (dies sollte für all Ihre Geschichten gelten), als erzählten Sie zum erstenmal –, daß die Schulstunden ausgefallen sind, Sie schon während des Musikunterrichts in Gedanken bei dem Rendezvous waren. Die Erwähnung Ihrer Freundinnen weckt in dem Mann die Vorstellung von jungen Mädchen, wie man sie jeden Mittag auf der Straße sieht, in Gruppen mit den Büchertaschen unter dem Arm, lachend – eine sind Sie selbst gewesen, die sich gerade aus dem Pulk löst und den Heimweg antritt, der Ihr Schulweg war – Sie kannten jede Bank, die Treppen, die zum Park hinunterführten... Wo denn dies gewesen sei? Nennen Sie die Stadt, die Sie sich als Geburtsort ausgesucht haben. Vielleicht kennt er die Gegend, die Hauptstraße von dem Viertel, kann Ihnen durch den Park folgen, mit Ihnen um die Ecke biegen. Von dort sind es noch zehn Minuten. Lassen Sie sich Zeit mit der Beschreibung des Hauses, zögern Sie im Entree: Sollten Sie lieber umkehren? Wird
[75] der Freier ungeduldig, lassen Sie Ihre Bedenken fallen, führen ihn ohne Umschweife zum Dachgarten hinauf. Finden Sie heraus, in welcher Aufmachung Sie von Ihrem Liebhaber empfangen werden sollen: im Bademantel, der mit einer leichten Bewegung der Schulter abzuwerfen ist, oder unbekleidet, weil die Mittagssonne ihm den Vorwand gab, sich auszuziehen. Für den Freier, der es ganz genau wissen möchte, sollten Sie den Beruf parat haben. War es der Mathematik-Nachhilfelehrer, der sich auf normalen Schulen nicht recht halten konnte, oder der am nächsten Tag nach Uruguay aufbrechende Professor? Verweilen Sie bei der Beschreibung seines Körpers. Bedenken Sie: Sie sind vierzehn Jahre alt gewesen, und es war das erste Mal, daß Sie eines Mannes ohne Kleidung ansichtig wurden, sich mit ihm allein befanden, auf dem Dach. Schildern Sie die Beschaffenheit seines Gliedes – das ist es, was der Freier hören will, warum er Ihnen gefolgt ist. Enttäuschen Sie ihn nicht mit der Darstellung Ihres mädchenhaften Schamgefühls, das Ihnen damals verbot, Einzelheiten wahrzunehmen. Versuchen Sie sich zu erinnern, wie Sie jetzt die Sache ansehn würden. Sie schützten einen Grund vor, sich nicht selber auszuziehen (die Sonne, Ihre Haut), saßen aufgerichtet neben Ihrer Schultasche, in einer angemessenen Entfernung, er mußte seinen Arm ausstrecken. Vermitteln Sie dem Freier die erste Berührung: wie er Ihre Hand nahm, um die ausgestreckte Innenfläche sachte über seine Haut zu führen, um die Schenkel, oh, wie waren Sie gelehrig! Mit einem Satz könnten Sie hier Ihre Geschichte beschließen, sagen, daß der Mann Sie samt den Kleidern über sich gehoben hat. Bringen Sie den Freier nicht um jenen Höhepunkt, wo der nunmehr ausführlich beschriebene Penis erstmalig in den Hohlraum eindringt, welchen Sie von diesem Augenblick an erst als einen solchen wahrgenommen haben. Finden Sie Worte, ihm die Schwierigkeit darzustellen, dieses Fleisch zu durchstoßen. Zur Anschauung können Sie mit Daumen und Zeigefinger eine Öffnung bilden, die sein eigenes Glied allzu fest umschließt. Sparen Sie die Schilderung des Schmerzes aus, ebenso den Fleck auf dem weißen Bademantel. Auf seine Frage nach der Kleidung bedecken Sie den nackten Oberschenkel rasch noch einmal mit einem kurzen Faltenrock. Sie sind vierzehn Jahre alt und verschreckt, und das größte Erlebnis Ihres Lebens liegt hinter Ihnen. Für den Freier, der es eilig hat, sollten Sie von der Geschichte eine Kurzfassung bringen.
11. Nicht jeder Anruf bedeutet, daß Ihr Freier eine Verabredung wünscht. Es gibt Männer, die sich von Ihnen Mut zusprechen lassen, wenn sie zum Zahnarzt gehen, oder Sie verständigen, wenn eine Herzklappe zu erneuern ist. Ein Kranker oder Krüppel, der schon mal gestorben war, nur durch die Entwicklung der Medizin noch in seinem Körper festgehalten, wird alles von der Krankheit gezeichnet sehen. Sein Schlafraum ist ein Krankenzimmer, wo auch immer es sich befinden mag, erster oder dritter Klasse – je nach der Vermögenslage. Der Wein, den er mäßig trinkt, bedeutet Medizin, er ißt Krankenkost, die Stille, die um ihn geschaffen, ist von jener Lautlosigkeit der Krankenhäuser. Er erwartet Ihren Besuch, wie er der Visite eines Arztes entgegensieht. Ihre Tasche mit den Pornoheften, dem Lederriemen, welche Sie auf seinen Wunsch mit sich führen, ist gleichbedeutend mit dem Instrumentenkasten, von dem er sich Erleichterung verspricht. Auch der Arzt wird nicht alle mitgeführten Geräte in Anwendung bringen, es genügt der bloße Anblick. Je mehr Sie ihm davon zeigen können, desto größer wird seine Zuversicht. Denken Sie daran, daß Sie einen weißen Kittel anziehen, wenn Sie sich entkleiden. Seine Augen, durch die Beschäftigung mit seiner eigenen Krankheit geschärft, werden den kleinsten Makel als Symptom von Schwäche zu deuten wissen. Ein leichtes Knacken der Gelenke wird er mit Entzündung assoziieren und nicht unerwähnt vorbeigehn lassen. Sein Vergnügen ist das Suchen nach dem Fehler. Gönnen Sie ihm die Befriedigung, daß er Unvollkommenheiten auch bei andren findet. Der Krüppel hat die Möglichkeit, seinen Makel durch Vermögen und gesellschaftliche Position auszugleichen. Im günstigsten Fall kann er die Krankheit in einen Vorteil verwandeln. Helfen Sie ihm dabei. Verfallen Sie nicht in den Fehler, ihm zu zeigen, daß Sie sich um vieles besser bewegen. Seine Rache wird sein, daß er Ihnen Ihre eigene Krankheit offenbart, selbst wenn diese Krankheit nur Ihr Alter ist. Krüppel können boshaft sein. Als Freier ist er den andren gleichgestellt, sogar besser, wenn er mehr bezahlt. Es steht bei Ihnen, seine steife Hand zu vergolden.
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Die Behandlung Der Kranke wird von selbst eine Methode nennen, die bereits erfolgversprechend angewendet worden ist. Beim nächsten Besuch verordnen Sie die gleiche Anwendung. Lassen Sie ihn ein Bad vorher nehmen. Sie werden ihm helfen, jene Körperteile zu reinigen, die für ihn schwierig zu erreichen sind. Anschließend massieren Sie den Rücken mit Alkohol – er liegt vor Ihnen entkleidet auf dem Bauch, prüfen Sie das Genital auf seine Erektionsfähigkeit, den After – für letzteres sollten Sie ein Gerät zur Verfügung haben, es kann dies ein Fieberthermometer sein oder sonst ein Gegenstand, der mit Alkohol zu reinigen ist –, Sie prüfen seine Hoden. Zu Beginn der Behandlung haben Sie ein Tuch unter seinem Bauch ausgebreitet. Machen Sie mit ihm einige Versuche: Prüfen Sie zum Beispiel, ob die Anwendung der Rute erfolgreich ist. Sprechen Sie dabei zu ihm mit einer kühlen, klaren Stimme. Auf seinen Wunsch erklären Sie ihm den Gebrauch der anderen Geräte, die Anwendung der Stricke oder was Sie sonst mit sich führen. Ihr Programm steht fest. Für einen Vorschlag, der nicht ankommt, haben Sie sogleich einen anderen bereit. Für Ihr sonstiges Verhalten gelten die gleichen Regeln wie bei dem normalen Hausbesuch. Einen großen Teil Ihrer Einkünfte verdanken Sie der Schnelligkeit Ihrer Reaktion. Voraussetzung: Sie sollten jederzeit bereit sein, innerhalb der nächsten zehn Minuten das Haus zu verlassen. Legen Sie Ihre Kleidung vorher zurecht, damit Sie nicht die Zeit mit Suchen verschwenden. Ein paar Striche sollten genügen, Ihr Make-up als vollkommen erscheinen zu lassen. Verzichten Sie nie darauf: Der Freier erwartet jenen geringen Aufwand, der für Sie die Maske bedeutet. Die Uhrzeit: Seien Sie pünktlich. Richten Sie es ein, daß Sie niemals zu früh, aber auch nicht zu spät kommen. Wenn Ihr Freier die Gewohnheit hat, am Fenster auf Ihr Erscheinen zu warten, lassen Sie ihm dies Vergnügen, es gehört dazu, warten Sie, falls Sie früher eintreffen sollten, eine Querstraße vor dem Haus in sicherer Entfernung. Die Wohnung: Sie werden hier mit Einrichtungsgegenständen konfrontiert, die nicht immer Ihren Beifall finden werden. Es enthüllt sich vor Ihren Augen eine Lebensgeschichte, vielleicht die Geschichte noch der Eltern, in Kronleuchtern, Spiegeln, Instrumenten... An der Wahl des Schreibtischs können Sie erkennen, wie der Freier vor sich selbst erscheinen will. Gewohnheiten sind abzulesen: Am Geruch einer scharfen Salbe, der im Zimmer hängt, erahnen Sie ein Leiden. Sie werden in
[79] Krankenhäuser gerufen, in Kirchen oder Schiffe. Oder Sie betreten eine Wohnung, wo die Ausstattung einem Innenarchitekten überlassen war... All dies ist für Sie nur in Hinblick auf den Preis, welchen Sie verlangen werden, interessant. Der Ablauf: Vergessen Sie nie, daß Sie für Ihre Zeit bezahlt werden und zu einem bestimmten Zweck gerufen sind. Das heißt, Sie sollten lernen, sich genau im richtigen Moment zu verabschieden. Auch wenn Sie selbst den Wunsch haben, nach getaner Arbeit eine Zigarette zu rauchen, tun Sie dies nicht im Wohnzimmer Ihres Freiers, auf seiner Couch, wo er vielleicht gezwungen ist, nach dem Aschenbecher zu suchen. Jede überzählige Minute zählt wie eine Stunde. Wenn Ihr Freier einen schlechten Zahn entdeckt, den Sie sorgfältig unter der Oberlippe verborgen halten, so haben Sie einmal zuviel gelacht. Die Zeit, die Sie bei ihm verbringen sollten, ist überschritten. Ihr Wunsch, sich dort für einen Augenblick gemütlich einzurichten, hat dem Freier das Auge geschärft. Ruhen Sie sich niemals aus. Sie sind nicht müde. Bevor Sie sich zum Gehen anschicken, sollten Sie sich vergewissern, ob Sie nichts von Ihren Kleidungsstücken oder sonstigen Utensilien dort zurücklassen. Von Ihrem Besuch soll der Freier nur die Erinnerung zurückbehalten, nicht den Regenschirm. Grundsätzlich ist am Anfang vom Übernehmen Perverser abzuraten. Sie verfügen weder über das notwendige Gerät, noch beherrschen Sie die Sprache, die wieder eine andere ist als jene, von der Sie gerade die ersten Grundbegriffe kennen. Ihre Urteilskraft ist noch nicht gefestigt. Sie brauchen die Bestätigung von Kolleginnen, daß der Betreffende als harmlos gilt. Sollten Sie diesem wohlgemeinten Rat zum Trotz dennoch den Versuch wagen, so werden Sie schon nach den ersten zehn Minuten erkennen, daß Sie der Sache nicht gewachsen sind. Der Freier wird ein zweites Mal nicht wiederkommen. Höflich grüßend fährt er bei der nächsten Begegnung vorbei. Solche Mißerfolge können leicht entmutigen. Sie meinen, daß Sie nicht das Zeug hätten, eine gute Herrin abzugeben. Haben Sie Geduld! Es kommt der Tag, an dem Sie über jenes Schränkchen verfügen werden, dessen bloßer Anblick Ihren Sklaven jenen lustvollen Schauer der Angst empfinden läßt, um dessentwillen er Sie aufsuchen wird. Das chinesische Schränkchen hat zwei Fächer, von denen Sie nicht jedes mit Geschirr füllen werden. Dem Freier, wie er bisher beschrieben, wird der Anblick der Türen nur das Gefühl vermitteln, sich ein Kunstwerk zu betrachten: Die Blüten und Vögel, welche sich auf einem
[80] schwarzen Untergrund zu einem Kreis zusammenschließen, verbergen ein Kaffeeservice, das bei passender Gelegenheit auf den Tisch gebracht werden wird. Bei genauem Hinsehn wird er die eingelegten Edelsteine als Felsen erkennen, die Grenze zwischen Fluß und Erde auf dem schwarzen Lack. Nur jener, welcher die Schläge auf dem Rücken bereits gefühlt hat, wird darüber anders denken. Ihre Requisiten: Eine Peitsche, Lederriemen, frische Gertenruten mit Knospen oder kleinen Ästen, die freiwillig oder auf besondere Anweisung von den Sklaven oder Schülern mitgebracht werden. Stricke von verschiedener Stärke (günstig beim Seiler zu kaufen), Seidenstrümpfe. Ferner benötigen Sie Kerzen, Zigaretten, Wäscheklammern. Ihre Kleidung: Stiefel, Strumpfhaltergürtel, Strümpfe (Spitze), Büstenhalter. Bevorzugte Farbe: schwarz oder rot. Nach Belieben können Sie diesen Anzug ergänzen, durch Handschuhe, Ketten, Armreifen, Ohrgehänge. Ihre Einstellung: Je harmloser Sie die besonderen Anforderungen an Ihre Kunstfertigkeit (hier der Verständlichkeit halber als Perversionen bezeichnet) gestalten können, desto größer ist Ihre eigene Chance, unbeschädigt aus dem Unternehmen herauszukommen. Im Gegensatz zur Schriftstellerin, die gerne dazu neigt, ihre Geschichten ins Extrem zu treiben, sollten Sie die Ihren möglichst zahm halten. Die gängigste Form ist die des Sklaven oder Schülers. In der Behandlung dieser beiden Gruppen gilt es feine Unterschiede zu beachten. Es kann auch sein, daß sich in einem Fall die Bedürfnisse überschneiden, der Sklave zum Schüler wird. Von solchen Differenzierungen abgesehen, gibt es Charaktere, denen schon mit einer einfachen Tracht Prügel geholfen ist. Für Sie selbst gelten auch in diesen Fällen jene Regeln, welche eingangs ausführlich behandelt worden sind, worauf ich am Ende noch einmal zurückkommen werde: Es handelt sich vornehmlich darum, jene Zurückhaltung zu wahren, welche Sie bei Ihren andren Freiern ebenfalls üben. Der Freier bezahlt Sie nicht, damit Sie Ihren eigenen Gelüsten frönen, Sie vielleicht tatsächlich in Wut geraten und Ihr Strafgericht wesentlich härter ausfällt, als es der Betreffende ertragen kann. Wie schlage ich richtig zu? Es gibt jene Art des Zuschlagens, die sich damit genug sein läßt, das Gesäß des Betreffenden einfach durchzu-
[81] bleuen. Vielfach wird solche undifferenzierte Bestrafung sogar gewünscht. Es geht dabei nur um die Hiebe, mit einer gewissen Kraftanwendung ausgeteilt, die dem anderen jenes brennende Schmerzgefühle vermitteln, um dessentwillen er die Prozedur ausführen läßt. Ich selbst neige dazu, diese Art der Behandlung als grobschlächtig abzutun, und halte die Anwendung nur für undifferenzierte Charaktere geeignet. Machen Sie Ihrem Schüler (wenn es sich in diesem Fall um einen solchen handelt) klar, daß es hier einen bestimmten Ritus einzuhalten gilt. Die Entblößung. Der Schüler hat nur sein Gesäß zu entblößen. Sie können dies auch selbst vornehmen oder jenem die Anweisung erteilen, daß er sich alsbald über einen eigens zur Bestrafung hingestellten Stuhl lege. Es eignet sich hierfür am besten Ihr hochbeiniger Wiener Barockstuhl ohne Armlehne. Erhöhen Sie die Sitzfläche mittels eines Sofakissens, Ihrer eigenen Bequemlichkeit halber, damit Sie bei der Prozedur nicht gebückt stehen. Teilen Sie, bevor Sie zur Bestrafung ansetzen, jenem die Höhe seiner Strafe mit, die Anzahl der Schläge, lassen Sie ihn mitzählen. Bevor Sie das Fleisch mit der Gerte in Berührung kommen lassen, fahren Sie noch einmal mit der Hand darüber hin, als ob Sie ihn streicheln würden, um dann unvermittelt heftig Ihren ersten Hieb zu placieren. Der Ästhetik halber sollten Sie versuchen, ein Muster zu schlagen, jeder Hieb wirft sofort einen roten Striemen auf. Schlagen Sie ein Gitter oder einen Zaun, als Gütezeichen, daß er sich zu Hause im Spiegel betrachten kann.
Verschärfungen Das Abbinden der Hoden sowohl als auch des Gliedes erfolge mittels eines Bindfadens von einem Meter Länge. Sie schlingen ihn einmal um Hoden und Glied, behalten dabei die Enden in der Hand, so daß Sie, wie bei einem Knoten, die Schnur zusammenziehen und wieder lockern können. Wenn Sie den Körper auf die Seite drehen, können Sie mit Ihrer linken Hand Hoden und Glied abschnüren, während Ihre rechte mit der Rute die Lenden bearbeiten kann. Lockern Sie den Knoten immer wieder, damit die Erleichterung zwischen einem Schmerz das nächste Anziehen wie einen Stoß empfinden läßt.
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Über das Ansengen der Haut Man nehme dazu eine brennende Zigarette, streife zuvor die Asche ab, damit sie nicht das Laken beschmutze. (Bedenken Sie, daß jede Wäsche den Etat zusätzlich belastet, von Ihrem Honorar abgerechnet wird.) Mit der Glut streifen Sie die Haut des Gliedes, ohne jedoch demselben allzu nahe zu kommen. Versuchen Sie, den Schmerz langsam zu steigern. Das Wiedererkennen des Schmerzes, das Bewußtsein, was da vor sich gehe, läßt die Glieder des Mannes beben, noch bevor die Glut das Fleisch verletzen kann. Beide hören Sie das Knistern der Haare, und dann plötzlich hält der Mann den Atem an, macht sich für den Schmerz bereit: Sie tippen an die Hoden. Wieder ist die Erwartung einer schmerzhaften Erfahrung größer als die, welche Sie ihm bereiten konnten – er zuckt viel zu sehr. Sie treiben dieses Spiel so lange, bis das Beben nachläßt: So schlimm ist das gar nicht. Er erwartet Sie mit einem süchtigen Fleisch, und der Körper zuckt jetzt in der Tat, das ist nicht mehr bloß die Angst, windet sich, Sie bleiben jetzt am Fleisch, mit dem glühenden Stäbchen, steigern vorsichtig ... den Grad der Schmerzen, den er zu ertragen imstande ist, genau ermessend. Das Umgehen mit Wachs ist zwar weniger schmerzhaft, erfordert jedoch die gleiche Sensibilität in der Anwendung, abgesehen von den Vorkehrungen, die Spuren betreffend. Als Unterlage diene eine Plastikfolie, die sich zu mehreren Zwecken verwenden läßt. Wachs hat die Eigenschaft (Sie wissen dies aus Ihrer Kindheit, von den weihnachtlichen Spielen, haben selbst die heißen Tropfen auf der Haut gespürt), schnell zu erkalten und sich dann als Schutz auf die betreffenden Stellen zu legen. Einen Schmerz verursacht nur der erste Tropfen. Halten Sie die brennende Kerze in geringer Entfernung über dem Glied. Die empfindlichste Stelle ist die Eichel. Wünschen Sie die Prozedur zu verlängern, so entfernen Sie die harten Tropfen. Einen weitaus größeren Effekt erzielen Sie, wenn Sie vor dieser Behandlung eine Geißelung vorgenommen haben und das Wachs in die rot bezeichneten Stellen fällt. Sie können zwischen der Behandlung mit Wachs oder jener mit der offenen Glut wählen oder beide Methoden nacheinander anwenden, nur beachten Sie, daß auf einen starken Reiz nicht unmittelbar darauf ein schwächerer folgt.
[83] Die Kunst, einen Sklaven seiner Natur entsprechend zu behandeln, läßt sich erlernen. Es gibt über dieses Thema eine weitläufige Literatur. Sie werden dort vielleicht Anregungen zu Geschichten finden – die Erfahrung kann Ihnen nur durch die Praxis vermittelt werden-. Da Sie auf diesem Sektor noch unerfahren sind, mit der Behandlung von Sklaven nicht vertraut, unsicher, Ihre Phantasie läßt Sie im Stich – begeben Sie sich selbst zu einem Sklavenhalter. Während der Zeit, die Sie in seinem Dienst zubringen, haben Sie hinreichend Gelegenheit, sich seine Verhaltensweise anzueignen. Wenn Sie Glück haben, kommen Sie zu einem gerechten Herrn. Nehmen Sie die Striemen oder zarten Kratzer in Kauf, als Lehrgeld, das Sie eigentlich an ihn zu zahlen hätten, um dann später jene Male selbst weiterzugeben. (Die verletzte Haut sollte mit einem Make-up vor den Blicken Ihrer übrigen Freier verdeckt werden.) Der Sklavenhalter unterscheidet sich in seinem Äußeren nicht von andren Männern: Korrekt gekleidet, mager oder beleibt, können Sie ihn überall treffen. Er wird sich Ihnen schon im Auto nach der ersten oberflächlichen Begrüßung zu erkennen geben. Die Formel «Ob du auch gehorchen kannst», mit bedeutungsvollem Ton gesprochen, ist auch für den Laien nicht zu überhören. Ihr Dienst beginnt sogleich, nachdem Sie Ihre Zustimmung erteilt haben. Es war dies Ihre letzte Entscheidung. Dem Gesetz zufolge, das die Sklavin ihrem Herrn als Eigentum zuschreibt, haben Sie von jetzt an keinen eigenen Willen mehr. Falls Sie dies nicht wußten: Eine Sklavin hat kein Eigentum. Selbst die Kleidung, die sie trägt, gehört ihrem Herrn. Seinem sozialen Status entsprechend wird ihr Anzug prächtig oder bescheiden sein. Das gleiche gilt für Ihre Wohnung. Es gibt keine Schublade, wo er nicht hineinsehen darf. Sollten Sie ihm dieses Recht verweigern, gilt dies als ein «schweres Vergehen». Sein Verfügungsrecht über Ihren Körper geht so weit, daß er Sie an einen Freund verschenken kann. (In Ihrem besonderen Fall auf der Basis eines angemessenen Honorars.) Als schwere Vergehen gelten: a) Das Erzählen einer langweiligen Geschichte. b) Innerhalb einer dafür festgelegten Zeit seinen Anzug nicht zu schaffen. c) Eine Nachlässigkeit der Garderobe. d) Eine eigenmächtige Handlung auszuführen, ohne vorher um Erlaubnis zu fragen.
[84] Als geringfügige Vergehen gelten: a) Das Vergessen einer Anrede (mein Herr). b) Das Vergessen einer Dankbarkeitsbezeugung für die erlassene Strafe. c) Jedes Vergehen, welches aus einer Unkenntnis Ihrer Lage resultiert. Geringfügige Vergehen können entsprechend härter bestraft werden, wenn der gleiche Fehler zweimal hintereinander passiert. Da Sie den Stock selber nicht gebrauchen können, überlassen Sie ihn dem Herrn. Er wird es Ihnen, allerdings auf Ihrem eigenen Rücken, zeigen. Achten Sie auf die Bedingungen, die er Ihnen stellt. Eine Nachlässigkeit bringt dem Sklaven eine Strafe ein. Sie wird zuvor festgelegt: einzeln aufgezählte Schläge aufs Gesäß, bzw. Fußsohlen. Achten Sie auf seine Haltung: Er liegt nackt ausgestreckt auf dem Bett, in der rechten Hand die Gerte. Ein Handtuch, als roter Teppich zu seinen Füßen ausgebreitet, bezeichnet die besondere Position. Oder er sitzt im Türkensitz. Die Sklavin hat sich dem Herrn nur auf den Knien zu nähern. Wehe, wenn sie vorneüberfällt! Der Herr wird sie zu größerer Eile antreiben, ihre Ergebenheit auf die Probe zu stellen. Erschwerung der Aufgabe: Dem Wunsch der Sklavin, sich ein Kissen unter die Knie legen zu dürfen, wird nur nachgegeben, wenn die Sklavin auf den Knien zum Sofa rutscht, die Hände auf dem Rücken wie zusammengebunden. (Vorsicht! Lassen Sie es niemals zu, daß man Ihnen wirklich Fesseln anlegt, in Form von mitgeführten Seidenstrümpfen, von denen vielleicht einer übrigbleibt...) Vergessen Sie nicht, daß die Sklavin das Kissen im Mund zu tragen hat. Sie bedankt sich, wenn der Herr es ihr gestattet, sich neben ihn auf das Bett zu legen, bäuchlings, ihre Hände immer noch gefesselt, mit den Hacken über dem Gesäß. Irgendwann macht sie den Fehler. Es genügt, wenn sie die Beine bloß um eine Handbreit senkt. Der Sklavenhalter zeigt sich unnachgiebig. Er legt eine Strafe fest. Frage: «Ob du das verdient hast?» Antwort: «Ja, mein Herr, ich habe es verdient.» Die Sklavin hat sich ihrer Schuhe zu entledigen. Es liegt in seinem Ermessen, ob er ihr die Strafe erläßt. Um Ihr Repertoire an Strafen und Geboten zu erneuern, sollten Sie sich diese Beziehung erhalten, auch wenn Sie selbst der Ansicht sind,
[85] Sie hätten ausgelernt, Ihre Dienstzeit sei abgelaufen. Die Einfälle eines Sklavenhalters werden unerschöpflich sein. Er hat einen Maßstab gesetzt. Bei Ihren eigenen Versuchen mit Sklaven oder Schülern wird er als Ihr erster Lehrmeister immer gegenwärtig sein. Anders als der Sklave ist der Gefangene ein Mann, der wegen irgendeines Deliktes, sei es zu Recht oder Unrecht (dies festzustellen ist nicht Ihre Sache) ins Gefängnis kam. Wenn Sie aufhören, ihn als so gebrandmarkt zu betrachten, werden Sie erleben, daß er versucht ist, den Spieß umzudrehn. Kommen Sie den Wünschen, die ein Gefangener äußert, nicht nach. Er wird bitten, um Gnade winseln, endlich versuchen, Sie zu reizen. Vergessen Sie nicht, daß er der Geringste ist, sich selbst als ekelhaft empfindet. Lassen Sie ihn Ihren Abscheu fühlen: vor den Wünschen, die er äußert, seiner Gestalt. Wenn Sie keinen Helfer zur Verfügung haben, übernehmen Sie die Rolle des Folterknechtes selbst, der ihm gegen eine entsprechende Entlohnung eine Dirne ins Gefängnis holt: die gemeinste, die er auf treiben konnte.
Qualen, einem Gefangenen zuzufügen Nach dem sachgemäßen Fesseln der Hände und Beine (hierzu diene ein Strick, etwa drei bis vier Meter lang) beginnen Sie. Denken Sie an die Plastikfolie: Ihr Gefangener soll es auf Ihrem Bett so ungemütlich als möglich haben. Seine Hände sollten derart gebunden sein, daß der Delinquent mit seinen Händen nicht sein Glied erreichen kann – am besten, Sie behandeln ihn wie ein Paket. Die Stricke liegen auf den Ellenbogen, um die Hüften, Knie, als Schlingen um den durchgezogenen Strick geknotet, daß sie nicht verrutschen, wenn der Körper sich bewegt. Diese Art der Verschnürung erlaubt nur eine schlängelnde Bewegung, eine Erfahrung, die dem Opfer das Gefühl absoluter Hilflosigkeit vermitteln soll. Fangen Sie langsam an, ihn zu reizen: Manipulieren Sie an seinem Glied, um es sogleich wieder loszulassen, zwei-, dreimal, zeigen Sie ihm Ihre Kunstfertigkeit – aufs äußerste erregt lassen Sie ihn liegen. Auf seine flehentlichen Bitten, auf diese Weise fortzufahren, reagieren Sie mit höhnischem Gelächter. Ja doch, gleich. Sie haben auch sein Glied
[86] gefaßt. Ihre Brüste über ihn gehängt, sitzen Sie auf seinen Schenkeln, taub gegen die Bitten. Er bietet Ihnen Geld. Wenn es 10 Mark sind, fordern Sie nicht mehr. Es ist das Äußerste, was er zu bieten hat. (Als Freier hat er bereits im voraus einen hohen Preis gezahlt.) Bieten Sie ihm, was Sie für 10 Mark als angemessen halten. Gewähren Sie ihm eine Pause von fünf Minuten. Für Sie selbst gilt auch hier, daß Sie nicht ausruhn, wenn der Freier einen Augenblick entspannt. Treffen Sie Vorbereitungen für die nächste halbe Stunde. Für einen Knebel, ihm in den Mund zu stopfen, genügen zwei Tücher von der Größe eines Herrentaschentuchs, von denen eins zum Pfropfen gedreht, zwischen Daumen und Zeigefinger placiert, das andre in der Länge gefaltet, über zwei Ecken, auf die Lippen gepreßt und am Hinterkopf verknotet wird. Diese Handgriffe sollten wenig Zeit in Anspruch nehmen. Legen Sie die Tücher vorher griffbereit. Es steigert die Angst, wenn Sie diese Handgriffe mit geübten Fingern abwickeln können. Prüfen Sie die Verläßlichkeit Ihrer Vorkehrungen, indem Sie durch einen Nadelstich oder sonst ein Gerät Ihrem Opfer einen Schrei entlocken, der nur als ein leichtes Gurgeln an Ihr Ohr dringen darf... Sie haben eine Platte aufgelegt, um selbst die Laute noch zu übertönen, der Nachbarn wegen. Fangen Sie bei den Fußsohlen an. Zuvor sprechen Sie aus, was den Mann erwartet, damit die Angst sein Gefühl bis zur Grenze des Erträglichen steigern hilft: das «Zu-Tode-Kitzeln». Sie konzentrieren sich auf Ihre Fingerspitzen: Es sind Käfer, spinnenfüßige Insekten, die sich da auf seiner Haut bewegen, von den Füßen her kommend, zwischen seinen Zehen, plötzlich auch an seiner Hüfte kitzeln, eine Zeitlang an der gleichen Stelle kriechend, auf sein Glied zuhaltend, nisten sie sich zwischen seinen Hoden ein. An der Reaktion Ihres Gefangenen merken Sie, wann es den Reiz zu steigern gilt: Sie biegen ihm die Schenkel auseinander, kreisen mit den Fingerspitzen jetzt über den Hinterbacken, an der Öffnung seines Darmes, als ob Sie dort eindringen wollten: spitz und schwarz, mit kleinen, behaarten Füßen, oder mit der Schnauze einer Ratte... Vergessen Sie bei dieser Prozedur nicht, daß dem Mann nur der Mund verstopft ist. Mit einer gezielten Rede können Sie die Wirkung Ihrer Hände unterstreichen. Drohen Sie ihm, daß Sie ihn so liegenlassen werden, stundenlang, weit über die verabredete Zeit hinaus. Lachen Sie ihn aus: Wie dumm von ihm, sich in dieser Weise Ihnen auszuliefern. Prüfen Sie die Fesseln, seinen Knebel, treffen Sie Anstalten, den Raum zu verlassen. Sie merken es an seiner Bewegung, dem hilflosen Versuch,
[87] sich verständlich zu machen, daß er jetzt reif ist für die Erpressung. Nennen Sie die Summe. Er wird sich weigern. Lassen Sie ihn einige Minuten allein. Wenn Sie wiederkommen, stellen Sie ihm noch einmal seine Lage dar: daß keiner weiß, wo er sich befindet. Sie werden ihn verhungern lassen, da Sie sich hüten werden, ihm den Knebel aus dem Mund zu ziehen. Zeigen Sie ihm die Uhr: Die Zeit, die er bei Ihnen verbringen wollte, ist überschritten – Sie selbst zum Ausgehn bereit. Nickt er? Werden Sie die Fesseln lösen? Oder ist er noch nicht reif? Es folgt eine letzte Prozedur – die ihn «zu Tode ekeln» wird. Mit dieser Art der Folter sollten Sie vorsichtig sein. Sie ist nicht jedesmal anzuwenden, damit die Wirkung sich nicht abnutzt. Nehmen Sie aus dem Mülleimer ein gebrauchtes Präservativ, entfernen Sie den Knebel, lassen jenes über seinem Kopf pendeln, in geringer Höhe, so daß es die Lippen fast berührt... An dem Zurückweichen seines Kopfes, der sich tief nach unten in das Kissen drückt, dem Würgen, merken Sie den Grad des Ekels, lassen Sie nicht nach, streifen Sie mit dem Gummi über seine Lippen, während Sie ihm deutlich Ihren Abscheu zu verstehen geben, darüber, daß ein Mann solche Wünsche hat, nur auf diese Weise eine sexuelle Befriedigung findet. Lösen Sie die Fesseln an den Händen, damit er sich selbst befriedigt: Ihr Abscheu ist zu groß, um ihn noch einmal zu berühren. Am Ende dieser Sitzung rechnen Sie mit ihm ab. Schlagen Sie einen neutralen Ton an, wenn Sie ihm das Geld für die Erpressung extra berechnen. Ein Gefangener verträgt keine Freundlichkeit: Denken Sie daran, wenn Sie ihm zum Abschied ein Glas Bier einschenken.
12. Moral Sollten Sie selbst jene Beispiele, hier unter Perversionen angeführt, als harmlos empfinden, Ihr eigener Trieb Sie zu größerer Zerstörung antreiben, so verkneifen Sie sich derlei Gelüste. Es werden Freier auf Sie zukommen, welche ihre Todeslust in einem weitaus stärkeren Nervenkitzel erfahren wollen, als dies hier unter dem Beispiel des «Zu-Tode-Kitzelns» beschrieben worden ist. In jedem ausführlichen Werk über Sexualkunde werden Sie Beispiele finden können, welche etwa jenen Vorschlägen entsprechen, welche Ihnen bei fleißiger Arbeit in Abständen angetragen werden. Stechen Sie niemals zu, auch wenn der Betreffende sich bereit erklärt hat, einen Abschiedsbrief zu verfassen, in welchem er erklären will, daß sein Tod auf einen Selbstmord zurückzuführen sei. Lassen Sie sich nicht durch die Aussicht auf ein Testament zu Ihren Gunsten verführen. Sie können sich nicht darauf verlassen, daß seine Hand das Messer aufhält, noch können Sie die eigene Zerstörungslust ermessen, die, einmal aufgereizt, sich vielleicht nicht damit zufriedengeben will, den Körper nur leicht geritzt zu haben. Sie kennen nicht den Anblick einer offenen Wunde, die Sie selbst verursacht haben, die Wirkung frischen Blutes auf Ihr Gemüt. Üben Sie von Anfang an Zurückhaltung, indem Sie Wünsche, welche über ein gewisses Maß hinausgehen, gleich zurückweisen. Das Tabu beginnt bei Ihrem Körper. Es gibt Zonen, welche nicht berührt werden sollten. Klären Sie diesen Punkt von Anfang an. Sie werden erleben, daß Männer aus einer sentimentalen Erregung, weil sie denken, daß es dazugehöre, oder ihre Ehefrauen dieses wünschen, ihren Mund auf Ihre Lippen pressen werden. Geben Sie denselben höflich zu verstehen, daß es Ihnen lästig ist. Das gleiche gilt für den analen Bereich. Haben Sie keine Angst, einen Freier zu verlieren! Sollte sich einmal eine Hand dorthin verirren, drücken Sie dieselbe mit einer energischen Bewegung zur Seite. Der Freier wird es nicht zum zweitenmal versuchen. Haben Sie an Ihrem Körper diese Grenzen unveränderlich fest gesteckt, wird es Ihnen leichter fallen, die Tabus auch innerhalb Ihrer Handlungsweise zu beachten. Die Verbote werden bei jeder Ihrer Entscheidungen gegenwärtig sein. Die Moralbegriffe, Ihren Beruf betreffend, sind anderer Natur, als Sie dies in der Schule gelernt haben. Zum Beispiel ist es nicht unmoralisch, den Preis zu steigern, doch es ist unmoralisch, ihn zu unterbieten, Ihren
[89] Freier eine halbe Stunde länger bei sich in der Wohnung zu behalten. Ebenfalls unmoralisch ist, in einem wenig fortgeschrittenen Stadium an teuren Treffpunkten aufzukreuzen. In manchen Gegenden wird die Natur (drei Konkurrentinnen in je einem Mercedes) die Sache selbst regeln, und zwar mit einer kräftigen Tracht Prügel. Völlig zu Recht! Kein Gasthof würde dulden, daß sich an seiner Seite eine Würstchenbude auftut. Lernen Sie, ein Standesbewußtsein zu entwickeln, der Stufe entsprechend, auf der Sie sich gerade befinden. Dazu gehört es, daß Sie Ihre jeweilige Situation genau erkennen. Stiehlt eine Frau einem Mann das Portemonnaie, so wird dies gemeinhin als Diebstahl bezeichnet. Tut eine Dame, deren Bekanntschaft der Freier in einem exquisiten Hotel gemacht hat, ebendieses, wird er annehmen, es gehöre zu den Gepflogenheiten jener Preisklasse, und läßt die Angelegenheit auf sich beruhn. Stiehlt eine Hure einen Zehnmarkschein, wird dies als Beischlafdiebstahl wenig Verständnis vor dem Richter finden und entsprechend höher bestraft. Lassen Sie sich durch geringschätzige Bemerkungen von Seiten übelwollender Passanten nicht verschrecken. Es gilt das Recht der freien Meinungsäußerung. Vergessen Sie nicht, daß dergleichen Herabsetzungen für Sie selber bares Kapital bedeuten. Es gibt Männer, welche Ihre Existenz mißverstehen und aus der vermeintlichen Minderwertigkeit Ihrer Person einen Reiz ziehen. Schlechte Erfahrungen sollten Sie niemals verleiten, Ihren eigenen Stand geringzuschätzen. Ihre Arbeit für die Volksmoral und gesundheit ist von nicht geringer Bedeutung. Die Erhaltung Ihres Selbstgefühls ist eine der Hauptbedingungen, diesen Beruf zu einem erfolgreichen Ende zu führen (Chinchilla). Auf dem allgemeinen Markt verkaufen Sie das Beste.