Carroll Haak Wirtschaftliche und soziale Risiken auf den Arbeitsmärkten von Künstlern
Carroll Haak
Wirtschaftliche u...
109 downloads
1355 Views
1MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Carroll Haak Wirtschaftliche und soziale Risiken auf den Arbeitsmärkten von Künstlern
Carroll Haak
Wirtschaftliche und soziale Risiken auf den Arbeitsmärkten von Künstlern
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Die Publikation der Dissertation wurde durch den Fonds Darstellende Künste e.V. – mit Mitteln des Bundes – gefördert.
D 188
1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Katrin Emmerich / Sabine Schöller VS Verlag für Sozialwissenschaften ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Krips b.v., Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-16142-6
Für Ivo, Hella und Mette
Inhalt
Abkürzungsverzeichnis................................................................... 9 1
Einleitung..................................................................................... 11
2
Forschungsstand ......................................................................... 15 2.1 2.2 2.3 2.4
3
Empirisch deskriptive Ansätze ......................................................... 16 Empirisch analytische Ansätze......................................................... 23 Theoriegeleitete Ansätze .................................................................. 31 Fazit.................................................................................................. 37
Daten und Methoden .................................................................. 41 3.1 Künstler als Untersuchungsgegenstand............................................ 42 3.2 Datengrundlagen .............................................................................. 46 3.3 Methodische Hinweise ..................................................................... 53
4
Strukturmerkmale und Risiken................................................. 61 4.1 Arbeitsmärkte von Künstlern ........................................................... 62 4.1.1 Die Arbeitsmärkte der Musiker .............................................. 62 4.1.2 Die Arbeitsmärkte der darstellenden Künstler........................ 68 4.1.3 Die Arbeitsmärkte der bildenden Künstler ............................. 72 4.2 Strukturmerkmale ............................................................................. 74 4.2.1 Dynamisches Wachstum und Erwerbsformen ........................ 75 4.2.2 Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung......................... 79 4.2.3 Qualifikation und Bildung ...................................................... 85 4.2.4 Frauen in künstlerischen Berufen ........................................... 97 4.2.5 Altersstruktur ........................................................................ 105 4.2.6 Arbeitszeiten......................................................................... 108 4.2.7 Selbständigkeit oder abhängige Beschäftigung? .................. 113
8
Inhalt
4.3 Wirtschaftliche und soziale Risiken ............................................... 124 4.3.1 Einkommen........................................................................... 126 4.3.2 Arbeitslosigkeit..................................................................... 141 4.3.3 Altersbezüge ......................................................................... 150 4.4 Fazit: Strukturmerkmale und Risiken von Künstlerarbeit .............. 158
5
Institutionelle Arrangements ................................................... 161 5.1 5.2 5.3 5.4
6
Das Künstlersozialversicherungsgesetz.......................................... 161 Das Arbeitslosenversicherungsgesetz ............................................ 172 Das Urheberrecht............................................................................ 178 Fazit: Die Rolle der Institutionen ................................................... 182
Kollektive Arrangements ......................................................... 185 6.1 Berufsverbände für Künstler .......................................................... 187 6.1.1 Bundesverband bildender Künstlerinnen und Künstler e.V. 189 6.1.2 Bundesverband freier Theater e.V........................................ 191 6.1.3 Interessenverband der deutschen Schauspieler e.V. ............. 192 6.1.4 Deutscher Rock & Pop Musikerverband e.V. ...................... 193 6.1.5 GEDOK e.V. ........................................................................ 195 6.2 Künstlergewerkschaften ................................................................. 196 6.2.1 Deutsche Orchestervereinigung e.V. .................................... 197 6.2.2 Vereinigung Deutscher Opernchöre und Bühnentänzer e.V. 199 6.2.3 Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger ................... 201 6.2.4 Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di ....................... 204 6.3 Fazit: Kollektive Arrangements ..................................................... 208
7
Individuelle Strategien.............................................................. 211 7.1 7.2 7.3 7.4
8
Netzwerke und Reputation ............................................................. 211 Haushalte und partnerschaftliche Arrangements............................ 216 Mehrfachbeschäftigung .................................................................. 220 Fazit: Individuelle Strategien ......................................................... 238
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen ........................... 241 Literatur..................................................................................... 247
Abkürzungsverzeichnis
AFK AFMA ALG I ALG II ArbZG BA BBK BUFT DAG DGB DOV DRMV FDZ-RV EStG EStSt FZR GDBA GEDOK GEMA GVL Hartz III IAB IABS
Aus- und Fortbildungskanal Anstalt für musikalische Aufführungsrechte Arbeitslosengeld I Arbeitslosengeld II Arbeitszeitgesetz Bundesagentur für Arbeit Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler e.V. Bundesverband Freier Theater e.V. Deutsche Angestellten Gewerkschaft Deutscher Gewerkschaftsbund Deutsche Orchestervereinigung Deutscher Rock & Pop Musikerverband e.V. Forschungsdatenzentrum der Rentenversicherung Einkommensteuergesetz Einkommenssteuerstatistik Freiwillige Zusatzrentenversicherung Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger Verband der Gemeinschaften der Künstlerinnen und Kunstförderer e.V. Gesellschaft für mechanische Aufführungsrechte Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten Drittes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung IAB Beschäftigtenstichprobe
10
Abkürzungsverzeichnis
IDS KSK KSVG LFS NES NV Bühne o.J. RBBau
Interessenverband Deutscher Schauspieler e.V. Künstlersozialkasse Künstlersozialversicherungsgesetz Labour Force Survey New Earnings Survey Normalvertrag Bühne Ohne Jahresangabe Regelung der Richtlinien für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes
SGB SPIO SUF TVK UrhG UrhWahrnG VdO VG-Wort VG-Wissenschaft ver.di
Sozialgesetzbuch Spitzenorganisation der deutschen Filmwirtschaft Scientific Use File Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern Urheberrechtsgesetz Urheberrechtswahrnehmungsgesetz Vereinigung deutscher Opernchöre und Bühnentänzer e.V. Verwertungsgesellschaft Wort Verwertungsgesellschaft Wissenschaft
ZAV ZBF
Zentrale Auslands- und Fachvermittlung Zentrale Bühnen-, Fernseh- und Filmvermittlung
Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft
1 Einleitung
Auf nahezu keinem anderen Arbeitsmarkt liegen Erfolg und Misserfolg so nahe beieinander wie auf den Künstlerarbeitsmärkten. Während einige Künstler regelmäßig Spitzeneinkünfte erzielen, ist die wirtschaftliche Absicherung für einen Großteil der Künstler immer wieder von Unsicherheiten geprägt. Trotz dieser Risiken verlieren diese Arbeitsmärkte nicht an Attraktivität, sondern ziehen weitere Arbeitskräfte an.1 Das Wachstum der Künstlerarbeitsmärkte hat dazu geführt, dass die finanzielle Absicherung der Künstler in der politischen Debatte zunehmend Berücksichtigung findet. Im Auftrag der Bundesregierung wurde 1973 mit dem Künstlerreport eine erste systematische Untersuchung der wirtschaftlichen und sozialen Situation von Künstlern in Deutschland durchgeführt. Die Ergebnisse des Reports führten nach einer langen politischen Debatte zu der Verabschiedung des Künstlersozialversicherungsgesetzes im Jahr 1983, das zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage vieler Künstler führte. Die dritte Novelle des Künstlersozialversicherungsgesetzes im Juni 2007 beinhaltet ein Maßnahmenpaket zur langfristigen Sicherung dieses Sozialschutzes. Seit der Veröffentlichung des Künstlerreports gab es allerdings keine weitere systematische Untersuchung der Künstlerarbeitsmärkte in Deutschland. Das liegt unter anderem darin begründet, dass es in Deutschland im Gegensatz zu angelsächsischen Ländern keine Forschungstradition auf diesem Gebiet gibt. Die wenigen Studien beschränken sich entweder auf Teilaspekte der Arbeitsmärkte oder auf Untersuchungen einzelner Berufsgruppen. Das Ziel der vorliegenden Studie ist es, die gegenwärtige wirtschaftliche und soziale Situation der Künstler in ihrer Gesamtheit darzustellen. In der Untersuchung geht es zum einen um die Beschreibung der künstlerischen Arbeitsmärkte, nämlich die der Musiker, der darstellenden Künstler und der bildenden Künstler. Dabei werden die spezifischen Strukturmerkmale und Risiken für die einzelnen Berufsgruppen herausgearbeitet. Zum anderen wird die Bedeutung der
1
Die in dieser Arbeit verwendete männliche Sprachform soll die Lesbarkeit des Textes erleichtern und beinhaltet keinerlei diskriminierende Motive.
12
Einleitung
verschiedenen Akteure für die wirtschaftliche und soziale Sicherung dieser Künstlergruppen dargestellt und analysiert. Die Untersuchung differenziert drei Ebenen. Diese umfassen die institutionellen Rahmenbedingungen, die kollektiven Akteure und die Individuen selbst. Die Gewerkschaften und die Berufsverbände sind die zentralen Akteure auf der kollektiven Ebene. Die soziale Sicherung von Künstlern ist in den institutionellen Kontext eingebettet. Dazu gehören das Künstlersozialversicherungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungssystem und das Urheberrecht. Im Umgang mit den wirtschaftlichen und sozialen Risiken auf den Künstlerarbeitsmärkten spielen neben den institutionellen und kollektiven Arrangements auch die individuellen Strategien eine bedeutsame Rolle. Auf der individuellen Ebene geht es sowohl um die Bewältigung der wirtschaftlichen und sozialen Unsicherheiten als auch um die Prävention dieser Risiken. Die drei Akteursebenen sollen im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht nur isoliert voneinander, sondern auch in ihrem Zusammenspiel analysiert werden. Folgende Kernfragen lassen sich aus diesem Forschungsdesign ableiten:
Welche arbeitsmarkt- und sozialpolitischen institutionellen Arrangements beeinflussen das Management sozialer Risiken auf den Arbeitsmärkten von Künstlern? Welche Rolle spielen Gewerkschaften und Berufsverbände bei der Bewältigung sozialer Risiken? Welche individuellen Strategien wenden Künstler zur Prävention und Bewältigung sozialer Risiken an?
Für die Beantwortung dieser Kernfragen muss berücksichtigt werden, dass die institutionellen Arrangements, Strukturmerkmale sowie Arbeitsmarktbedingungen in den unterschiedlichen künstlerischen Berufsgruppen stark differieren, so dass sich eine Einzelbetrachtung mit der jeweiligen Besonderheit der Berufsgruppen anbietet (Eikhof und Haunschild 2004). Die vorliegende Arbeit folgt einer Differenzierung nach unterschiedlichen Künstlergruppen, die sich in der Vergangenheit in verschiedenen Studien bewährt hat und analysiert diese auch im Hinblick auf ihre spezifischen Erwerbsstrukturen und – muster. Der Zielsetzung einer systematischen Darstellung der Besonderheiten auf den einzelnen Arbeitsmärkten wird in der vorliegenden Arbeit durch eine breit angelegte Datengrundlage in Verbindung mit einem Methoden-Mix aus quantitativen und qualitativen Komponenten Rechnung getragen. Die quantitativen Auswertungen basieren auf den Daten der amtlichen Statistik, die zum Teil erstmalig für die Analyse der Künstlerarbeitsmärkte aufbereitet wurden, so z.B. die Ren-
Einleitung
13
die Rentenzugangsstatistik. Um die Ebene der kollektiven Akteure umfassend darstellen zu können, wurden qualitative Interviews mit den Spitzenfunktionären ausgewählter künstlerischer Berufsverbände und aller Künstlergewerkschaften durchgeführt. Nur durch die Verbindung von quantitativen und qualitativen Methoden ist eine umfassende Darstellung und Analyse der Künstlerarbeitsmärkte möglich. Die Arbeit ist wie folgt gegliedert: Der erste Teil (Kapitel 2) gibt den internationalen Forschungsstand wieder, wobei die Ansätze nach ihrer Forschungsmethode unterschieden werden. Dabei handelt es sich um empirisch deskriptive, empirisch analytische und theoretische Ansätze. In einem weiteren Schritt (Kapitel 3) werden die dieser Arbeit zu Grunde gelegten Daten sowie die quantitativen und qualitativen Methoden vorgestellt. Außerdem wird in diesem Kapitel die Untersuchungseinheit abgegrenzt. Das sich daran anschließende Kapitel 4 charakterisiert die Strukturmerkmale der Arbeitsmärkte der Musiker, der darstellenden sowie der bildenden Künstler. Dabei stehen sowohl Veränderungen des Arbeitsangebotes als auch besondere Strukturmerkmale der Erwerbssituation von Künstlern im Zentrum der Betrachtung. Spezifische wirtschaftliche und soziale Risiken sind in diesem Kapitel ebenfalls Gegenstand der Untersuchung. In Kapitel 5 bis einschließlich Kapitel 7 werden die Akteure hinsichtlich ihrer Rolle für die Prävention sowie Bewältigung wirtschaftlicher und sozialer Risiken für die einzelnen künstlerischen Berufsgruppen analysiert. Nach der Darstellung der institutionellen Arrangements in Kapitel 5 erfolgt die Untersuchung der Bedeutung der kollektiven Akteure (Kapitel 6) anhand qualitativer Methoden. Die Analyse der einzelnen Akteursebenen schließt mit der individuellen Ebene ab (Kapitel 7).
2 Forschungsstand
Bei der wissenschaftlichen Bearbeitung der Arbeitsmärkte von Künstlern handelt es sich um ein sehr junges Forschungsgebiet. Seine Ursprünge können auf Baumol und Bowen (1966) zurückgeführt werden. Baumol und Bowen haben in den sechziger Jahren die in ihrem Klassiker ‚Performing Arts – The Economic Dilemma’ als Erste eine zentrale Sparte der Kultur systematisch theoretisch und empirisch mit ökonomischen Methoden analysiert. Ihre umfassenden Untersuchungen behandeln die verbreiteten Schwierigkeiten, Produktivitätssteigerungen am Theater, an der Oper, im Musik- und Tanztheater zu erzielen. Baumol/Bowen sehen die darstellenden Künste in einem ökonomischen Dilemma. Während im Herstellungsprozess von Waren durch technischen Fortschritt Rationalisierungspotenziale stecken, können diese Potenziale im Bereich der darstellenden Künste in der Live-Performance nicht freigesetzt werden. Nach ihrer Meinung ist dies ein zentrales Argument für öffentliche Subventionen in den Sektoren der darstellenden Künste im Live-Bereich. Baumol/Bowen arbeiten die Arbeitsmarktrisiken von darstellenden Künstlern heraus, wie häufige Arbeitslosigkeit und ungünstige Arbeitsbedingungen bei geringem Einkommensniveau (Baumol und Bowen 1966: 99ff). Die Einkommen von darstellenden Künstlern sind im Vergleich zu denen von Erwerbstätigen mit ähnlichem Qualifikationsniveau erheblich geringer, multiple jobholding nimmt zur Sicherung des Einkommens einen zentralen Stellenwert ein (Baumol und Bowen 1966: 99ff).2 Die Kosten im Bereich der darstellenden Künste übersteigen somit sehr schnell die Einnahmen, wodurch staatliche Subventionen in diesen Sektoren gerechtfertigt sind. Erhebliche technische Fortschritte in der Film- und Aufnahmetechnik führten in der Vergangenheit zu einem Anstieg der Publikumszahlen und einer Reduzierung der Probezeiten durch diese Medien. So wird für die Vorbereitung eines Orchesterkonzertes im Fernsehen im Vergleich zu einer Live-Darstellung nur die Hälfte der Arbeitsstunden benötigt, gleichzeitig aber ein Publikum von 20 Millionen Zuschauern erreicht. Dies beinhaltet eine Steigerung der Produktivität in einer Höhe von 400.000 Prozent (Baumol und Bowen 1966: 163). Betrachtet man die ökonomischen Bedingungen darstellender Künst2
Eine ausführliche Analyse über Mehrfachbeschäftigung bei Künstlern erfolgt in Kapitel 7.3.
16
Forschungsstand
ler 30 Jahre nach Erscheinen der zum Klassiker avancierten Analyse, stellt man fest, dass die wirtschaftliche Situation bei den darstellenden Künstlern unverändert geblieben ist (Throsby 1996b). Die nachstehenden Abschnitte wenden sich einem umfassenden Literaturüberblick über die Erwerbsarbeit von Künstlern aus ökonomischer, soziologischer und politologischer Perspektive zu. Die berücksichtigten Arbeiten werden differenziert nach empirisch deskriptiven, empirisch analytischen sowie theoretischen Ansätzen, wobei diese Differenzierung nicht immer trennscharf vorgenommen werden kann. An erster Stelle werden die Untersuchungen mit empirisch-deskriptiven Analysen diskutiert, es folgen die empirisch-analytischen Arbeiten. Kapitel 2.3 schließt mit der Darstellung unterschiedlicher theoriegeleiteter Ansätze ab. 2.1 Empirisch deskriptive Ansätze Snooks (1983) wertete zu Beginn der achtziger Jahre für Australien einen eigenen Survey unter 360 Künstlern aus und schätzte eine Einkommensfunktion für bildende Künstler. Das von ihm geschätzte Modell deutet auf signifikante Zusammenhänge zwischen Beruf, Geschlecht, Arbeitsumfang in Stunden und Familienverantwortung hin. Formale Ausbildung und Erfahrungen am Arbeitsplatz haben, so Snooks, keinen Effekt auf die Höhe der Arbeitseinkommen der bildenden Künstler (Snooks 1983). In Europa gibt es wenige Autoren, die sich mit den Arbeitsmärkten von Künstlern befassen. Zu nennen sind an dieser Stelle die Studien der Finnin Paula Karhunen, die für den Arts Council of Finland eine Vielzahl von Projekten durchführte (Karhunen 1996, 1998, 1999, Karhunen und Rensujeff 2003). Auf der Grundlage eigener Surveys aus den Jahren 1993-1996 steht multiple jobholding im Zentrum ihrer Analysen (Karhunen 1998: 156). Die Auswirkungen des Qualifikationsniveaus auf die Beschäftigungsverhältnisse von Künstlern bilden den Kern ihres Forschungsinteresses. Der nordische kulturelle Arbeitsmarkt ist stark institutionalisiert und auch subventioniert (Karhunen 1999: 6). Somit ermöglicht das finnische System mit seinen ausgeprägten öffentlichen Unterstützungsleistungen einer Vielzahl von Künstlern trotz limitierter Märkte die Ausübung ihrer künstlerischen Arbeit (Karhunen 1998: 159). Heikkinnen/Karhunen untersuchen in einer weiteren empirisch deskriptiven Studie die Relevanz und das Ausmaß dieser staatlichen Förderung von Künstlern in Finnland (Heikkinen und Karhunen 1994). Staatliche Förderung sowie Unterstützung von Künstlern ist elementarer Bestandteil der finnischen Wohlfahrtsstaatsentwicklung. Dies ist
Forschungsstand
17
darauf zurückzuführen, dass der finnische Staat die Unterstützung von Kunst und Kultur als wichtigen Beitrag zur Förderung der finnischen nationalen Identität betrachtet. Die Anzahl der erwerbstätigen Künstler in Finnland stieg von 1970 bis 1985 um 52 Prozent, in den späten achtziger Jahren lag die Anzahl der erwerbstätigen Künstler in Finnland zwischen 11.000 und 15.000, was einem Anteil von 0,5 Prozent der Erwerbstätigen entspricht (Heikkinen und Karhunen 1994: 98). 1997 war die Anzahl der Künstler auf 17.000 Erwerbstätige angestiegen (Heikkinen und Karhunen 1997: 1).3 Die Autoren befürworten das staatliche Subventionierungssystem für Künstler in Finnland. Sie plädieren überdies für weitere flankierende Maßnahmen: die Einrichtung eines spezifischen sozialen Sicherungssystems, einer gezielten berufsgruppenspezifischen Steuerpolitik und eines Copyrightsystems. Die Subventionspolitik spielt aber auch noch eine weitere Rolle: Die staatlichen Subventionen stellen ein Qualitätskriterium für gute künstlerische Arbeit dar und haben damit die Funktion, sich auf die Reputation positive auszuwirken (Heikkinen und Karhunen 1994: 105). Gleichzeitig deuten weitere empirische Untersuchungen darauf hin, dass diese Ausrichtung der finnischen kulturellen Arbeitsmarktpolitik kein Überangebot an Künstlern produziert und die überwiegende Anzahl der Künstler von ihrer Tätigkeit leben kann. Künstler sind in Finnland sogar in einem geringeren Ausmaß von Arbeitslosigkeit betroffen als andere Gruppen von Erwerbspersonen (Karhunen 1999: 33). Der Arts Council of England beauftragte im Jahr 2002 mehrere Forschungsinstitutionen mit der Erarbeitung von Studien über die Arbeitsmärkte von Künstlern (Galloway et al. 2002, McAndrew 2002, Davies und Lindley 2003). Davies/Lindley stellen in einem statistischen Portrait über die Arbeitsmärkte in Großbritannien zentrale Elemente wie Beschäftigungsstatus, multiple jobholding, prekäre Beschäftigungsformen, Unterbeschäftigung, geleistete Arbeitsstunden, Einkommen sowie Elemente der sozialen Sicherung in einer deskriptiven Analyse anhand der Daten des British Labour Force Survey (LFS) dar (Davies und Lindley 2003). Die Studie von Andrew beinhaltet Fallstudien über Australien, Kanada, Dänemark, Deutschland, Irland und die Niederlande. Bestandteile dieser Fallstudien sind der Beschäftigungsstatus von Künstlern und ihre Integration in die länderspezifischen Steuer- und Sozialversicherungssysteme. Die Autorin arbeitet best practice Beispiele heraus und empfiehlt eine bessere Integration der erwerbstätigen Künstler in die Sozialversicherungssysteme, beziehungsweise die Berücksichtigung dieser Professionen als besondere Beschäftigtengruppe, da die Systeme der sozialen Sicherung oft nicht auf die spezifischen Erwerbsformen der darstellenden Künstler ausgerichtet sind (McAndrew 2002: 67). 3
Die Werte für Deutschland sind in Kapitel 4.2.1 ausgewiesen.
18
Forschungsstand
Die bislang umfangreichste empirische Erhebung über die Arbeitsmärkte von Künstlern in Deutschland wurde 1973 durchgeführt und schließlich 1974 in einer umfassenden Monografie, dem Künstler-Report, publiziert (Fohrbeck und Wiesand 1974). Bei dem Künstler-Report handelt es sich um eine mehrstufige empirische Erhebung, die im Auftrag des Deutschen Bundestages erstellt wurde. Es wurden etwa 3000 Künstler über ihre wirtschaftliche, soziale und rechtliche Lage, sowie Aspekte der Selbst- und Fremdeinschätzung der künstlerischen Kernberufe in den Bereichen Musik, Darstellung/Realisation und Bildende Kunst/Design befragt (Fohrbeck und Wiesand 1974: 4). Im Fokus des Interesses stand insbesondere die wirtschaftliche und soziale Situation der Selbständigen und freien Mitarbeiter im künstlerischen Bereich. Ergebnissen zur sozialen Situation der freischaffenden Künstler zufolge besitzen 3/5 der freien Künstler keine soziale Absicherung. Für die Mehrzahl der Versicherten gilt dabei, dass sie wegen der geringen Höhe der entrichteten Beiträge voraussichtlich nur über ein geringes zukünftiges Alterseinkommen verfügen werden. Auch die Öffnung der Rentenversicherung für Selbständige im Jahr 1972 war für die künstlerischen Berufsgruppen wenig attraktiv, da diese aufgrund der unregelmäßigen und geringen Einkünfte nicht in voller Höhe für die Versicherungsbeiträge aufkommen konnten. Gleichzeitig besteht insbesondere bei jungen Künstlern ein geringes Interesse an sozialer Absicherung. Viele Künstler sind über ihre Sozialversicherungspflicht nicht informiert. Die Empfehlungen des Berichts sehen explizit die Einrichtung einer Versorgungskasse vor, die die Versicherungskonten führt und diese gegenüber den Sozialversicherungsträgern abrechnet (Fohrbeck und Wiesand 1974: 375ff). Die Ergebnisse dieser Studie waren Grund- und Ausgangslage für die Verabschiedung des Künstlersozialversicherungsgesetzes (KSVG) im Jahr 1982. Seit dem 1. Januar 1983 sind selbständige Künstler und Publizisten über die Künstlersozialversicherung kranken-, renten- und seit Januar 1995 auch in der gesetzlichen Pflegeversicherung pflichtversichert. Eine Vielzahl von Untersuchungen hat sich in der Vergangenheit mit dem Phänomen der Mehrfachbeschäftigung auf den Künstlerarbeitsmärkten befasst. Christine Panasuk führte hierzu 1974 eine empirische Untersuchung über die Beschäftigungsstrukturen auf den Arbeitsmärkten von darstellenden Künstlern durch und kam zu dem Ergebnis, dass über 75 Prozent der Künstler in einer zweiten Tätigkeit beschäftigt sind. Etwa 50 Prozent aller Musiker und Tänzer arbeiten nebenberuflich als Lehrer (Panasuk 1974). Marianne Felton führte für die Erfassung alternativer Einkommensquellen in den siebziger Jahren eine eigene Untersuchung unter 1560 Komponisten klassischer Musik in den USA durch (Felton 1978). 30 Prozent der Befragten konnten keine Einkünfte aus
Forschungsstand
19
ihren Kompositionen generieren und waren somit von anderen Einkommensquellen abhängig (Felton 1978: 45f). McLain führte 1976 eine empirische Untersuchung unter bildenden Künstlern in New Orleans durch (McLain 1978). Nur etwa 20 Prozent der Befragten erzielten ausschließlich Einkünfte aus ihren künstlerischen Tätigkeiten, während weitere 10 Prozent überhaupt kein Einkommen aufgrund ihrer künstlerischen Leistungen erzielten. Nahezu 60 Prozent der bildenden Künstler verfügten über mehrere Einkommensquellen (McLain 1978: 68).4 Bei dem Artists Training and Career Project (ATC) handelt es sich um eine umfangreiche Untersuchung zu Beginn der neunziger Jahre in den USA über die Ausbildungssituation und Karrieremuster von Schauspielern, bildenden Künstlern und Kunsthandwerkern. Sie erfolgte in 2 Schritten: Zunächst wurden mündliche Interviews durchgeführt, daran schloss sich eine schriftliche Erhebung. Die Ergebnisse geben einen Einblick in eine Vielzahl von Aspekten in der Erwerbsund Einkommenssituation der Untersuchungsgruppen (Jeffri et al. 1991a). Die Erhebung über Maler führten Jeffri et al. zu dem Ergebnis, dass das zentrale Interesse bei Künstlern in der ausschließlichen Beschäftigung mit ihrer originären Arbeit liegt, obwohl die Notwendigkeit, zur Sicherung des Einkommens einer zweiten Erwerbstätigkeit nachzugehen, ganz dringlich ist (Jeffri et al. 1991b: 18). Honey et al. (1997) arbeiten in einer empirischen Analyse die Bedeutung des psychischen Einkommens als Motor der künstlerischen Arbeit heraus. In der Analyse bedienen sich die Autoren der Technik des Tiefeninterviews. Ziel dieser Interviews ist das Aufzeigen von Karrierewegen bildender Künstler in Großbritannien. In den Interviews mit 20 bildenden Künstlern wurden Informationen über Ausbildung, frühe Karriereentwicklung sowie Karriereunterbrechungen mit Phasen von Arbeitslosigkeit, Mehrfachbeschäftigung, den momentanen Erwerbsstatus, die Bedeutung von Teamwork, den Weiterbildungsbedarf sowie die Rolle von Galerien und Ausstellungen erhoben. Die Ergebnisse der Interviews zeigen in folgende Richtungen: Die persönliche Arbeitszufriedenheit spielt in der Tätigkeit der Künstler eine größere Rolle als das durch sie erzielte Einkommen. Es wird in diesem Zusammenhang auf die zentrale Bedeutung des psychischen Einkommens und die Zufriedenheit hingewiesen, die die Künstler aufgrund ihrer Arbeit erfahren. Netzwerkbildung, Flexibilität, Freiheit, Belastbarkeit sowie Ausdauer sind weitere zentrale Bedingungen für eine erfolgreiche Karriereentwicklung. Auch auf die wirtschaftliche Notwendigkeit der Arbeit in multiplen Tätigkeiten wird hingewiesen, bei der auf eine Balance zwischen Erstund Zweittätigkeit zu achten ist. Von weiterer zentraler Bedeutung ist die Mög4
Die Summe der Anteile liegt bei McLain bei unter 100.
20
Forschungsstand
lichkeit, über Ausstellungen Anerkennung zu erlangen und gezielt eine spezifische Käuferschicht zu erreichen. Die am meisten zitierte empirische Arbeit über die Beschäftigung in kulturellen Sektoren in Großbritannien ist die Untersuchung Employment in the arts and cultural industries: an analysis of the 1991 Census von O’Brien und Feist (O'Brien und Feist 1997). Die Arbeit in kulturellen Sektoren wird in Querschnitten über die Zeit betrachtet. Dies wurde erstmals auf der Basis des britischen Mikrozensus durchgeführt. Bei dem britischen Mikrozensus handelt es sich um eine im 10-Jahres-Turnus stattfindende Volkszählung, bei der die Befragten zur Teilnahme gesetzlich verpflichtet sind. Themen und Inhalte betreffen neben demographischen Merkmalen, Wohnsituation, Zusammensetzung des Haushaltes und Gesundheitsaspekten, auch Fragen zu ökonomischen Aktivitäten, Erwerbsmerkmalen sowie Qualifikationen. Die Standardklassifikationen im britischen Mikrozensus ermöglichen eine Identifikation der kulturellen Berufe sowie durch die sektorale Betrachtung auch die Beschäftigung in den Kernsektoren von Kultur. Ähnlich der Befragungssystematik im deutschen Mikrozensus werden Strukturmerkmale von Arbeit wie Vollzeit-, Teilzeitbeschäftigung oder Selbständigkeit erfasst. Die Ermittlung von Beruf und Sektor sowie der Arbeitszeit spielen ebenfalls eine Rolle. Die Beschreibung der Tätigkeiten ermöglicht einen Vergleich zwischen den Strukturmerkmalen einzelner Berufsgruppen, wobei die Grundlage für die Berufsidentifikation das Schema der Standard Occupational Classification (SOC) bildet. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse von O'Brien und Feist (1995: i) ergibt folgendes Gesamtbild: Die Anzahl der erwerbstätigen Künstler in Großbritannien steigt seit Beginn der neunziger Jahre kontinuierlich an, in der Gruppe der Unterhalter, Schauspieler und Bühnenmanager betrug dieser Anstieg in der Periode von 1981 bis 1991 etwa 71 Prozent, die Anteile von Erwerbstätigen in künstlerischen Professionen betrugen 1991 anteilig 1,6 Prozent aller Erwerbstätigen. Der Anstieg ist überwiegend auf den Einstieg von Frauen in diese Professionen zurückzuführen, wobei aber insgesamt immer noch etwa zwei Drittel der Erwerbstätigen Männer sind. Aber auch die Selbständigen verzeichnen mit einer Höhe von 81 Prozent in diesem Zeitraum einen starken Zuwachs (O'Brien und Feist 1995: i), die Anteile der selbständigen Künstler über alle Professionen liegen bei etwa 34 Prozent, die höchsten Anteile Selbständiger fanden die Autoren bei den Musikern mit Anteilen von 68 Prozent. Im Allgemeinen ist das Qualifikationsniveau bei Erwerbstätigen in kulturellen Professionen nicht sehr hoch, die Anteile mit künstlerischem Hochschulabschluss liegen in dieser Erwerbsgruppe lediglich bei 18 Prozent. Darin sehen die Autoren allerdings kein Indiz für ihr geringes Qualifikationsniveau, sondern sie führen dieses Ergebnis auf die Erfassungssystematik im britischen Mikrozensus
Forschungsstand
21
zurück, in dessen Klassifikationsschema diese spezifischen Qualifikationslevel keine Berücksichtigung finden. Grundsätzlich verfügen britische Künstlerinnen über ein höheres Qualifikationsniveau als ihre männlichen Kollegen. So liegen die Anteile derer, die über einen akademischen Abschluss verfügen, sogar doppelt so hoch wie bei den Männern (O'Brien und Feist 1995: iii-iv). In einer weiteren Untersuchung analysieren die Autoren die Beschäftigungsstrukturen im Bereich der Kultur und der Kulturwirtschaft auf der Basis des britischen Labour Force Survey (LFS). Die Daten des LFS werden seit 1992 vierteljährlich durch das Office for National Statistics erhoben. Die Kernpunkte der Befragung betreffen Arbeitsmarktaspekte und mit Arbeitsmarktfragen verwandte Themen. Die Interviews im LFS werden mündlich durchgeführt, während die Fragebögen des nationalen Mikrozensus von den Befragten selbst ausgefüllt werden. O'Brien und Feist (1997: 13) nehmen in der Studie deskriptive Analysen über die Varianz der Arbeitszeiten, die Form der Arbeitsverträge, den gewerkschaftlichen Organisationsgrad, das Qualifikationsniveau der Erwerbstätigen, die Altersstruktur sowie das multiple jobholding vor. Ähnlich der Befragung im deutschen Mikrozensus ist die Frage über das Bestehen einer zweiten Erwerbstätigkeit im Labour Force Survey an das Berichtswochenkonzept gebunden, so dass die ermittelten Anteile der Mehrfachbeschäftigten tendenziell unterschätzt werden (O'Brien und Feist 1997: 13). Der zweite Teil ihrer Studie basiert auf den Daten des New Earning Survey (NES).5 Problematisch an dieser Datenbasis ist die Tatsache, dass es sich um ein Beschäftigtenpanel handelt, in dem die Selbständigen nicht integriert sind. Ein weiterer Nachteil ist das hohe Aggregationsniveau der Berufe, nach dem keine Differenzierung in einzelne Berufsgruppen möglich ist. Die deskriptiven Analysen veranschaulichen einen Vergleich mit anderen Berufsgruppen sowie einen Vergleich der Einkommen von Künstlerinnen und Künstlern (O'Brien und Feist 1997: 51f). Im Auftrag des Arts Council England führten Davies und Lindley (2003) eine Untersuchung über die Arbeitsmarktstrukturen in kulturellen Berufen in Großbritannien durch. Galloway et al. (2002) bearbeiteten eine Studie über das Steuer- und Unterstützungssystem der Künstlerarbeitsmärkte an der University of Warwick in den Jahren 2002 und 2003. Bei der Untersuchung Artists in figures von Davies und Lindley handelt es sich im Wesentlichen um die Erarbeitung eines statistischen Überblicks über die Erwerbsstrukturen auf den Arbeitsmärkten von Künstlern in Großbritannien (Davies und Lindley 2003). Davies und Lindley skizzieren in einer umfangreichen deskriptiven statistischen Analyse 5
Der NES wurde letztmalig im Jahr 2003 veröffentlicht. Er wurde 2004 durch den Annual Survey of Hours and Earnings (ASHE) ersetzt. Inhaltliche sowie methodische Informationen zu ASHE findet man unter http://www.statistics.gov.uk/cci/article.asp?id=985.
22
Forschungsstand
eine Vielzahl soziodemografischer Merkmale von Erwerbstätigen in kulturellen Sektoren. Themengebiete dabei sind das multiple jobholding, prekäre Beschäftigung, Unterbeschäftigung, Arbeitsumfang, Einkommen und Aspekte der sozialen Sicherung. Die Datengrundlage der Untersuchung bildet der National Labour Force Survey (LFS). Zentrale Ergebnisse dieser Studie lauten wie folgt: Die Anzahl der Erwerbstätigen in den kulturellen Sektoren in Großbritannien stieg zwischen 1994 und 2000 von 644.000 auf 743.000 Erwerbstätige an (Davies und Lindley 2003: 7). Die Anteile der Männer mit 63 Prozent liegen im Vergleich zu den nicht kulturellen Berufsfeldern um 10 Prozent höher (Davies und Lindley 2003: 10), mehr als die Hälfte aller Erwerbstätigen verfügt über einen Hochschulabschluss (Davies und Lindley 2003: 12). Ein Viertel der Kulturschaffenden lebt in den inneren und äußeren Stadtbezirken von London (Davies und Lindley 2003: 13).6 Die Anteile der Selbständigen sind in Großbritannien bei den Musikern mit über 75 Prozent am höchsten, gefolgt von den Schauspielern mit etwa 60 Prozent. Dagegen sind unter 48 Prozent der bildenden Künstler selbständig erwerbstätig (Davies und Lindley 2003: 15). Die Anteile der Mehrfachbeschäftigten liegen bei etwa 10 Prozent.7 Auch das Phänomen der Unterbeschäftigung wird analysiert und den Ergebnissen der Referenzgruppe von Erwerbstätigen auf nichtkulturellen Arbeitsmärkten gegenübergestellt. So sind sechs Prozent der Selbständigen im kulturellen Segment bemüht, in einer weiteren Tätigkeit zu arbeiten, während diese Präferenz nur drei Prozent der Selbständigen in nichtkulturellen Sektoren haben. Sechzehn Prozent der Selbständigen in Teilzeit gaben an, unterbeschäftigt zu sein.8 Die Einkommensvariable in dem Survey beruht auf einer Selbstauskunft. Die höchsten Einkünfte bezogen die Schauspieler mit einem Wochenverdienst in Höhe von 484 Pfund, gefolgt von den Architekten mit 471 Pfund und den Schriftstellern mit 464 Pfund. Die geringsten Einkünfte in der Gruppe der Kulturschaffenden bezogen die Musiker mit 219 Pfund. Über die Einkommen der Selbständigen gibt der Labour Force Survey keine Auskünfte. Allerdings sind die Einkünfte aus der zweiten Erwerbstätigkeit ausgewiesen. Die höchsten Einkünfte aus ihrem Nebenerwerb generieren Schriftsteller mit 108 Pfund/Woche, die geringsten Bezüge erhalten die Musiker mit nur 34 Pfund wöchentlich (Davies und Lindley 2003: 39). Die Studie von Galloway et al. (2002) untersucht hingegen die finanzielle Seite der kulturellen Produktion und verdeutlicht die Zusammenhänge zwischen 6
7 8
Dagegen leben nur 10 Prozent der Erwerbstätigen im nicht-kulturellen Segment im Großraum London. In nicht-kulturellen Berufen liegen die Anteile der Mehrfachbeschäftigten bei etwa fünf Prozent. Diese Angabe machten etwa 11 Prozent der Erwerbstätigen in der Referenzgruppe.
Forschungsstand
23
künstlerischer Arbeit, dem Steuersystem sowie dem Modus finanzieller Zuwendungen. Der Ansatz basiert sowohl auf quantitativen als auch auf qualitativen Methoden. Einblicke in die Erwerbsstrukturen auf den Arbeitsmärkten von Künstlern basieren sowohl auf der Datengrundlage des britischen Labour Force Survey als auch auf der des New Earnings Survey (NES). Hier erfolgt eine Darstellung der spezifischen Charakteristika wie der Zunahme an Selbständigen im Zeitverlauf, Unterbeschäftigung, multiple jobholding sowie nicht-permanente Beschäftigung. Diese quantitative Analyse bildet die Grundlage für die daran anschließende qualitative Betrachtung. Das qualitative Datenmaterial wurde auf der Grundlage von Interviews mit Künstlern unterschiedlicher Sparten aus verschiedenen Regionen in Großbritannien generiert. Der Fokus der Interviews lag auf der Wahrnehmung der Künstler bezüglich ihrer sozialen und wirtschaftlichen Situation und ihrer bisherigen Erfahrungen im Künstlerberuf. 2.2 Empirisch analytische Ansätze Die empirischen Arbeiten zu den Künstlerarbeitsmärkten basieren entweder auf Daten der öffentlichen Statistik oder resultieren aus eigenen Erhebungen der Wissenschaftler. Beide Quellen haben ihre Vor- und Nachteile (Filer 1986, 1989, Wassall und Alper 1992, O'Brien und Feist 1997).9 Die ökonomischen Ansätze sind überwiegend empirisch angelegt. Dabei erklärt eine Vielzahl empirischer Studien in der Kulturökonomie die Zusammenhänge zwischen Einkommen und Ausbildungsinvestitionen, den Einfluss von erwartetem Einkommen und anderen Faktoren auf Karriereentscheidungen (Throsby 1994a: 18). Filer (1986) sieht die konventionelle Humankapitaltheorie als maßgebend auch für Künstlerarbeitsmärkte, da diese den gleichen Mechanismen folgen wie andere Arbeitsmärkte. In seiner viel beachteten provokativen Studie The ‚Starving Artist’ – Myth or Reality? Earnings of Artists in the United States über die Einkommensstrukturen auf den Künstlerarbeitsmärkten stellt er entgegen der Ergebnisse anderer empirischer Analysen zu Einkommensverhältnissen fest, dass Künstler im Vergleich zu anderen Erwerbstätigen über ein äquivalentes Einkommen verfügen. So verdient seine Vergleichsgruppe in etwa $750/Jahr mehr als die erwerbstätigen Künstler. Ein weiteres Ergebnis seiner Studie ist die geringere Auswirkung von Ausbildung auf das Einkommen von Künstlern im Unterschied zur Vergleichsgruppe. Filer sieht bei den Künstlern im learning-bydoing größere Erfolgschancen als in der beruflichen Tätigkeit akademisch Aus9
Diese Vor- und Nachteile werden in Kapitel 3.2 diskutiert.
24
Forschungsstand
gebildeter. Defizite im Talent können nach Filer nicht durch Bildungsinvestitionen ausgeglichen werden, ihm zufolge spielt Talent für den Erfolg von Künstlern eine größere Rolle als Bildung (Filer 1986: 70). Die von ihm erzielten Ergebnisse führen ihn zu folgender Schlussfolgerung: „Es erscheint nicht notwendig, irgendein exotisches Modell des Arbeitsmarktes für das Verhalten von Künstlern zu postulieren. Die Fakten ... sind konsistent mit der Annahme normaler, risikoscheuer und einkommensmaximierender Individuen wie der Rest der Welt von uns“ (Filer 1986: 74); Übersetzung durch die Autorin).
Seine Vorgehensweise wurde jedoch aus mehreren Gründen kritisiert und seine Resultate lösten eine Welle wissenschaftlicher Untersuchungen über die Erwerbssituation von Künstlern aus (vgl. hierzu Wassall und Alper 1992). Kritikpunkte an der Untersuchung Filers betreffen beispielsweise die Auswahl seiner Vergleichsgruppe, die aus allen Erwerbstätigen besteht und die sich wesentlich von der Qualifikationsstruktur der Künstler unterscheidet, da sie über ein geringeres Qualifikationsniveau verfügt als die Künstler. Darüber hinaus wurde die Auswahl des Samples beanstandet. Aufgrund der Struktur der Befragung beim US-Census sind Berufszuordnungen, insbesondere im künstlerischen Segment, in seiner Untersuchung nicht eindeutig. In einer weiteren Untersuchung zu den ökonomischen Bedingungen von Künstlern in den USA rechtfertigt Filer sein Vorgehen und seine Ergebnisse (Filer 1989). Hier vergleicht er die Koeffizienten der Varianz der Einkommen zwischen unterschiedlichen Berufsgruppen. Er zieht die Schlussfolgerung, dass die Unterschiede zwischen den einzelnen Berufsgruppen innerhalb der Künstlergruppen größer sind als im Vergleich zu anderen ausgewählten Berufsgruppen, wie beispielsweise Managern, Zahnärzten, Automechanikern etc. Sein Fazit ähnelt dem seiner vorigen Studie, da er keine wesentlichen Unterschiede bezüglich der Einkommen von Künstlern und den Einkommen anderer Erwerbstätiger ausmachen kann. Weiterer Forschungsbedarf besteht nach Filer in der Ermittlung der Ursachen für die Diskontinuitäten in den Beschäftigungsverhältnissen. Liegen diese in der Unvollkommenheit der Arbeitsmärkte oder sind sie auf Entscheidungen des Arbeitsangebotes der Künstler zurückzuführen (Filer 1989: 74)? In einer weiteren Analyse schätzt Filer (1990) die Zusammenhänge zwischen Bildung und Einkommen von Künstlern. Kritisch an dieser Schätzung anzumerken ist die Unmöglichkeit, zwischen unterschiedlichen Einkommensquellen zu unterscheiden. Ferner fasst er die Definition des Künstlers so weit, dass er eine Vielzahl an Berufsuntergruppen in sein Sample integriert. Dies führt insgesamt zu einer Überschätzung der Künstlereinkommen. Filer gelangt zu der Beurteilung, dass Talent ein zentraler Indikator für die Bestimmung der Höhe
Forschungsstand
25
des erzielten Einkommens auf den Künstlerarbeitsmärkten ist. Allerdings ist es schwierig, das Ausmaß des Faktors Talent für das erzielte Einkommen zu bestimmen, da Talent keine messbare Größe ist, so Filer (Filer 1990: 29). Der Begriff des Risikos steht im Mittelpunkt der empirischen Analyse von Waits und McNertney (1980). Das Risiko bei der Wahl eines künstlerischen Berufes ist größer als bei anderen mit ähnlichem Qualifikationsniveau, lautet die Hypothese der Autoren. Das hohe Risiko schlägt sich in großen Einkommensschwankungen nieder und reguliert die Anzahl der Eintritte in diesen Arbeitsmarkt. Die Grundlage der empirischen Analyse bildet der Survey of Income and Education Microdata File, der sie zu einem ähnlichen Ergebnis führte, wie es bereits Santos (1976) in den siebziger Jahren vorlegte. Aus der im Vergleich zu anderen Berufsgruppen viel höheren Varianz im Einkommen von Künstlern ziehen die Wissenschaftler allerdings die umgekehrte Schlussfolgerung: Sie sind diesbezüglich der Ansicht, dass ein höheres Einkommensrisiko ein Hemmnis in der Berufswahlentscheidung darstellt (Waits und McNertney 1984: 204ff). In ihrer 1984 veröffentlichten Studie An Economic Model of Artistic Behavior modellieren die Autoren eine Nutzenfunktion, anhand derer die Künstler zur Nutzenmaximierung für ihre Karriere eine Entscheidung zwischen künstlerischer und nichtkünstlerischer Arbeit treffen (Waits und McNertney 1984). In einer Dokumentation über den Forschungsstand der Einkommen von Künstlern greifen die Autoren den Begriff des Risikos erneut auf. Die hohe Varianz unter den Künstlereinkommen kann nach Waits/McNertney als eine Maßzahl für Risiko verwendet werden (Waits und McNertney 1989: 44f). Von herausragender Bedeutung, insbesondere für die Erkenntnisse der Funktionsweise der Einkommensstrukturen und des multiple jobholding auf den Arbeitsmärkten von Künstlern, sind die Arbeiten von Wassall und Alper (1984, 1985, 1992, 1998, 2004). Die Autoren bestätigen in eigenen Erhebungen über die Einkommensstrukturen von Künstlern in Neuengland die These, dass Künstler mit ihrer Berufswahl ein hohes wirtschaftliches und soziales Risiko eingehen (Wassall und Alper 1992: 193). Auch sie schätzen eine Einkommensfunktion, allerdings auf der Basis ihrer eigens erhobenen Daten, die die Einkommensquellen differenzierter darstellen. Überraschend erscheint zunächst das Ergebnis eines negativen Zusammenhanges von Ausbildungsjahren mit der Höhe des künstlerischen Einkommens. Gleichzeitig fällt die Korrelation zwischen dem insgesamt erzielten Einkommen von Künstlern und Ausbildungszeiten positiv aus (Wassall und Alper 1984: 217). Der Hintergrund dieses Phänomens ist folgender: Auf den Künstlerarbeitsmärkten erzielen häufig diejenigen Künstler ein hohes Einkommen, die über eine große Begabung beziehungsweise nachgefragtes Talent verfügen. Diese Nachfragemuster können sich abhängig von
26
Forschungsstand
Trends oder Moden im Zeitverlauf verändern. Künstlerisches Talent kann nicht erlernt werden und somit können hochbegabte Künstler auch ohne Bildungsinvestitionen hohe Einkünfte erzielen, während Hochqualifizierte, aber weniger talentierte Künstler ein geringeres Einkommen in ihrer künstlerischen Tätigkeit erzielen. Allerdings hat ein hohes Bildungsniveau einen großen Einfluss auf die Höhe des Einkommens in der zweiten Erwerbstätigkeit. Daraus resultieren die positiven Korrelationen des insgesamt erzielten Einkommens mit den Bildungsinvestitionen. Diese zentrale Erkenntnis des Zusammenhangs zwischen Ausbildung und Einkommenshöhe bildet den Ausgangspunkt der weiteren Arbeiten von Wassall und Alper. Die Zusammenfassung aller Einkommensarten, wie dies in dem USCensus der Fall ist, führt zu einem positiven Zusammenhang zwischen Ausbildung und Einkommenshöhe. Ausbildungsjahre korrelieren hier negativ mit dem Einkommen, während Jahre mit Berufserfahrung eine positive Korrelation aufweisen (Wassall und Alper 1992: 195). In ihrem Fazit betonen sie die wichtige Bedeutung der Humankapitaltheorie für die Erklärung von Einkommen auf den Künstlerarbeitsmärkten. Die Autoren vertreten ferner die These, dass Mehrfachbeschäftigung eine zentrale Strategie zur Streuung des Risikos der Künstler ist. Die Mehrfachbeschäftigung findet vor allem in künstlerisch-verwandten oder gar künstlerischen Tätigkeiten statt. Das stereotype Bild des Künstlers, der sich mit kunstfremden Tätigkeiten über Wasser hält, trifft dabei nur teilweise zu, so die Autoren (Wassall und Alper 1984: 214, 1992: 194). Während Filer (1986) in seiner Studie zu den Einkommensstrukturen auf den Arbeitsmärkten von Künstlern argumentiert, dass Künstler aufgrund geringerer Arbeitszeitinvestitionen weniger verdienen als andere Erwerbstätige, halten Wassall/Alper in ihrer Studie diesem Argument Folgendes entgegen (Wassall und Alper 1992: 194): Bei der Ausübung von weiteren Tätigkeiten, zusätzlich zu dem Ersterwerb im künstlerischen Segment handelt es sich in der Regel nicht um eine freiwillige Entscheidung. Künstler sind in der Regel gezwungen, einen Teil ihrer Arbeitszeit in Zweitjobs zu investieren. Wassall/Alper stellen den Zusammenhang zwischen Ausbildung, Einkommen und Mehrfachbeschäftigung auf eindrucksvolle Art dar: Die Arbeit von Künstlern wird auf unterschiedlichen Arbeitsmärkten ausgeübt. Die Ausbildung unterstützt die Künstler in kunstverwandten Tätigkeiten, auf einem so genannten Zweiten Arbeitsmarkt, über den sie ihr Einkommen absichern. Eine gute Ausbildung ermöglicht es ihnen, auf diesem Zweiten Arbeitsmarkt ein höheres Einkommen als ihre weniger gut ausgebildeten Kollegen zu erzielen (Wassall und Alper 1992: 196). Die Schätzung der Einkommensfunktion auf der Basis des US-Census verdeckt diese Tatsache, die aber ein zentrales Moment in dem Zusammenhang zwischen Aus-
Forschungsstand
27
bildung und Einkommen auf den Künstlerarbeitsmärkten darstellt. In einer aktuelleren Arbeit untersuchen Wassall/Alper Berufswechsel (in und aus künstlerischen Tätigkeitsfeldern) anhand des Paneldatensatzes National Survey of College Graduates (Alper und Wassall 1998). In dieser Untersuchung werden Ursachen und Zusammenhänge des Berufswechsels bei Künstlern analysiert, ferner plädieren die Autoren für die Erstellung eines Längsschnittdatensatzes, der explizit Fragen für die Untersuchung von Künstlerarbeitsmärkten beantwortet (Alper und Wassall 1998: 320). Eine aktuelle Studie der Autoren (Alper und Wassall 2004) mit Querschnittsdatensätzen über 60 Jahre untermauert die bereits ermittelten Erkenntnisse der Einkommensungleichheiten, da diese über den gesamten Zeitraum sogar zunahmen. Die im Vergleich zu anderen Erwerbstätigen geringeren Durchschnitts- und Medianeinkommen weisen auf eine Risikotheorie mit Künstlern als Beteiligten auf Winner-Take-All Markets hin. Die Theorie der Superstars dagegen kann das geringe Niveau des Durchschnittseinkommens nicht erklären (Alper und Wassall 2004: 42). Santos (1976) führte eine formale Einkommensanalyse bei Balletttänzern und Opernkünstlern im Bereich der darstellenden Künste in den Vereinigten Staaten unter Verwendung von US-Census Daten durch. Sie zeigte das geringere Einkommen von Künstlern im Vergleich zu Erwerbstätigen mit ähnlichem Qualifikationsniveau auf. Ferner konstatierte sie eine erhebliche Streuung in den Einkommen im Vergleich zu den Referenzgruppen mit ähnlichem Qualifikationsniveau. Diese Varianz in den Einkommen ist für Santos maßgeblich entscheidend für die Attraktivität in der Wahl eines Künstlerberufes, da mögliche hohe Einkommensperspektiven eine Anziehungskraft auf die Berufsanfänger ausüben. Sie attestiert den darstellenden Künstlern in ihrer Berufswahl hohe Risikobereitschaft, mit der sich Künstler aufgrund der geringen Chancen für einen Erfolg finanziellen Restriktionen unterwerfen. Das so genannte psychische Einkommen, die Freude an den Tätigkeiten, stellt eine alternative Maßeinheit für ökonomische Rationalität dar (Santos 1976: 257). Die Arbeiten von David Throsby (1979, 1992, 1994a, 1994b, 1994, 1996a) sind von zentraler Bedeutung für die Erkenntnisse in der Kulturökonomie. Die Monografie The Economics of the Performing Arts gliedert sich in drei Teile (Throsby 1979). Der erste Teil widmet sich der Arbeitsnachfrageseite, den Kulturorganisationen wie Theater, Orchester etc. Im darauf folgenden zweiten Teil des Werkes erfolgt eine Analyse der Konsumnachfrage nach kulturellen Dienstleistungen, während sich der Autor im letzten Abschnitt der Kulturförderung widmet. Von großer Relevanz ist dabei insbesondere der internationale Vergleich der oben genannten Aspekte in den darstellenden Künsten für die Länder Australien, Kanada, Großbritannien, Neuseeland sowie die Vereinigten Staaten.
28
Forschungsstand
Die einzelnen Sparten der darstellenden Künste (Theater, Oper, Ballet) sind in allen Vergleichsländern mit ähnlichen Problemen konfrontiert. So konnte in den untersuchten Ländern ein hoher Anstieg der öffentlichen Ausgaben im Zeitraum zwischen 1969 und 1976 beobachtet werden. Die USA nehmen in ihrer Kulturförderung eine Sonderstellung ein, da dort die Bedeutung privater Kulturinvestitionen besonders ausgeprägt ist. Die Autoren befürworten das hohe Ausmaß der öffentlichen Kulturinvestitionen, da ein großes Angebot von Kunst und Kultur für eine Gesellschaft notwendig ist. Throsbys Folgearbeiten basieren auf eigenen Erhebungen, die in den Jahren 1983, 1987, 1993 und 2002 durchgeführt und durch den Australia Council for the Arts finanziert wurden. Dabei handelt es sich nicht um einen echten Paneldatensatz, da in den einzelnen Erhebungen unterschiedliche Künstler beobachtet wurden. In einer seiner bedeutenden Analysen schätzt er eine Arbeitsangebotsfunktion, die er aus der Standardökonomie ableitet (Throsby 1992). Hierbei nimmt er eine Unterscheidung zwischen Einkommen aus künstlerischer Tätigkeit und anderen Einkommensarten vor. Zentral in diesem Modell ist die Differenzierung der Zweitjobs nach ihrem Tätigkeitsbereich sowie die Annahme, dass Künstler ihren Nutzen nicht aus Freizeit, sondern aus ihrer künstlerischen Tätigkeit ziehen. Die Differenzierung nach Zweitjobs erfolgt nach künstlerischen, künstlerisch verwandten (wie beispielsweise Kunst- oder Musikunterricht) sowie nicht-künstlerischen Tätigkeiten. Aus dieser Schätzung geht sein workpreference-model hervor, das die Funktionsweise des multiple jobholding auf den Künstlerarbeitsmärkten erklärt: Künstler arbeiten in einer zweiten Erwerbstätigkeit bis zu dem Punkt, ab dem sie ein ausreichendes Einkommen erzielen, um sich dann wieder ihrem Haupterwerb, der künstlerischen Tätigkeit, zuzuwenden (Throsby 1992: 205f). An anderer Stelle erweitert Throsby das von ihm 1992 geschätzte Modell (1994a). Dabei unterstellt er in einer klassischen Arbeitsangebotsfunktion die Annahme, dass neben dem Einkommen noch andere Faktoren für das Arbeitsangebot verantwortlich sind. Diese spielen für spezifische Berufsgruppen eine zentrale Rolle. Insbesondere Künstler suchen Befriedigung in ihrer Arbeit, das dabei erzielte Einkommen spielt nur eine untergeordnete Rolle. Das Modell teilt das künstlerische Arbeitsangebot in zwei Kategorien ein. Dabei wird angenommen, dass die Künstler eine klare Präferenz bezüglich der künstlerischen Tätigkeit aufzeigen, während sie die zweite Tätigkeit nur ausüben, um das Einkommensrisiko zu senken. Demnach kombiniert Throsby beide Faktoren, also sowohl eine spezifische Berufung als auch die Notwendigkeit ein Mindesteinkommen zum Überleben zu erzielen. Dem Modell liegt die Annahme zugrunde, dass Künstler ihre Arbeitskraft auf zwei vollkommen verschiedenen Arbeits-
Forschungsstand
29
märkten mit unterschiedlicher Motivation zur Verfügung stellen und zwei verschiedene Arbeitsmärkte mit unterschiedlichen Zielen bedienen (Throsby 1994b: 77). Künstler sind bereit, zusätzliche Arbeitszeit in ihre künstlerische Tätigkeit für geringe Erwerbseinkünfte zu investieren. Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: Je höher die Einkünfte aus originärer künstlerischer Tätigkeit, desto höher ist die Bereitschaft, mehr Zeit in künstlerische Arbeit zu investieren. Allerdings gilt dies nicht analog für die Tätigkeit in künstlerischverwandten oder nichtkünstlerischen Bereichen. Je höher das Einkommen aus der zweiten Erwerbstätigkeit ausfällt, desto mehr üben sie ihre künstlerische Tätigkeit aus. In einer weiteren Studie ermittelt Throsby einen nur schwachen Zusammenhang zwischen Ausbildungsinvestitionen und Einkommen, während es einen größeren positiven Zusammenhang zwischen Einkommen aus künstlerischer Tätigkeit und Erfahrungen gibt (Throsby 1996a: 342). Die Höhe des Einkommens aus dem kreativen Bereich ist von Berufserfahrung und nicht von künstlerischer Ausbildung abhängig. Allerdings sind Berufserfahrung und Ausbildung von zentraler Bedeutung für die Höhe des Einkommens in künstlerischverwandten Tätigkeiten (Throsby 1996b: 233). Einen weiteren bedeutenden Beitrag in der Kulturökonomie und in der Analyse der Strukturen auf den Arbeitsmärkten von Künstlern in Großbritannien leisten die Arbeiten von Ruth Towse (1992b, 1992a, Towse 1993, 1996b, 1996a). Ihre Untersuchung The Earnings of Singers: An Economic Analysis ist die bislang umfassendste Studie über die Berufsgruppe der Sänger. Dabei werden neben einer Arbeitsmarktanalyse auch Ausbildungsfragen behandelt. Towse fasst ferner die theoretischen Erkenntnisse zu Einkommensdifferenzen auf den Künstlerarbeitsmärkten aus ökonomischer Perspektive zusammen. Dabei überprüft sie die Theorien von Smith (1965 (1776)), Rosen (1981, 1986), MacDonald (1988) und Adler (1985) hinsichtlich ihrer Relevanz für die Einkommensunterschiede auf den Arbeitsmärkten von Sängern in Großbritannien.10 Sie schließt sich in ihrer Eingangsargumentation der Linie von Smith an. Demnach weist der Beruf des Sängers die Merkmale einer Lotterie auf, wobei das Überangebot an Sängern für die geringen Durchschnittsgehälter verantwortlich ist (Towse 1992a: 209). Der Fokus der Betrachtung basiert auf der Superstartheorie. Sie geht an dieser Stelle der Frage nach, nach welchen Mustern Stars produziert werden (Towse 1992a). Ein zentraler Hinweis in ihrer Studie bezieht sich auf die bedeutsame Rolle der Information bei der Entstehung von Stars. Die Informationen werden von Vermittlern, den Sängeragenten, beschafft. Die Agenten recherchieren die Informationen über die Auftritte von Sängern in den jeweiligen Häu10
Die theoretischen Ansätze werden in Kapitel 2.3 vorgestellt.
30
Forschungsstand
sern und geben sie an die Musiktheaterbetriebe weiter. Diese Aktivitäten vermindern die Informationskosten für die Musikkonsumenten (Towse 1992a: 212). In ihrer Studie Economics of Training Artists vertritt Towse die These, dass es ein grundsätzliches Überangebot an Künstlern bei gleichzeitigem Mangel an wirklichen Talenten gibt (Towse 1996b). Ein zusätzliches Angebot an Ausbildungsplätzen für Künstler würde zu einer Ausweitung des Angebotes führen und dies sei aus ökonomischer Perspektive unsinnig. Sie gibt unmittelbare Politikempfehlungen, die auf eine Integration der Künstler in die Sozialversicherungssysteme sowie besondere Steuerregelungen abzielen. Solche Maßnahmen würden die Künstler unterstützen. Dabei empfiehlt sie eine gute Etablierung von Eigentumsrechten, Unterstützungen bei Darlehens- und Versicherungsfragen, Rat und Unterstützung in der Vermarktung ihrer Arbeiten (Towse 1996a: 36). In ihren Arbeiten über die Urheberrechte weist sie darauf hin, dass die prinzipielle Verschärfung des Urheberrechtes möglicherweise nicht zu den gewünschten Effekten wie einer Erhöhung des Einkommens bei den Künstlern führt, da die Ergebnisse des Marktes einen erheblichen Einfluss auf die Urheberrechtszahlungen ausüben. Sie weist auf Forschungsbedarf auf diesen Gebieten hin (Towse 1998: 211). Benhamou untersucht in einem französisch-britischen Vergleich die Ursachen des Rückgangs an permanenter Beschäftigung bei gleichzeitiger Zunahme von Teilzeitbeschäftigung und Selbständigkeit im Medienbereich und auf den Arbeitsmärkten für darstellende Künstler (Benhamou 2000). Die Ursachen dieser Entwicklungen basieren auf den länderspezifischen Beschäftigungsstrategien. Während diese Arbeitsmärkte in Frankreich einer spezifischen Regulierung unterlagen, profitierte die Beschäftigung im Kultursektor in England von dem allgemeinen Trend der Flexibilisierung der Arbeitsmärkte seit Beginn der siebziger Jahre. In beiden Fällen externalisierten die Kulturunternehmen ihre Kosten, indem sie unbefristet beschäftigtes künstlerisches Personal durch befristet beschäftigte oder teilzeiterwerbstätige Künstler ersetzten. Im französischen Beispiel führte dies zu einem zunehmend kritisch betrachteten großen Anstieg der Sozialversicherungsleistungen, während das britische Modell eines deregulierten Arbeitsmarktes nach wie vor kontrovers diskutiert wird. Stohs verfolgt einen verhaltenswissenschaftlichen Ansatz und untersucht in einer Längsschnittanalyse die Frequenzen des Arbeitsplatzwechsels von männlichen Künstlern nach Beendigung ihrer Ausbildung. Das Sample von 30 Personen setzt sich aus einer Gruppe ehemaliger Studenten des Art Institute of Chicago zusammen, deren Erwerbsverläufe über einen Zeitraum von 18 Jahren beobachtet wurden. Der Kernpunkt ihrer Untersuchung betrifft die sozioökonomischen Unterschiede zwischen Künstlern mit stabilen Karrieremustern und Künst-
Forschungsstand
31
lern mit unsteten Erwerbsverläufen. Dabei entwickelt sie ein Klassifikationsschema, in dem sie die Künstler nach ihrer Verweildauer in spezifischen Tätigkeiten einordnet. Nur eine Minderheit der Künstler verfügt über unstete Erwerbsbiographien mit einer Vielzahl unterschiedlicher Tätigkeiten oder gar Karrierebrüchen. So entspricht etwa nur ein Drittel in der von ihr untersuchten Gruppe dem stereotypen Bild des Künstlers. Allerdings verfügten Künstler mit instabilem Karriereverlauf über geringere Einkommen und geringere Stabilität in den Familienverhältnissen. Gleichzeitig war diese Gruppe ebenso zufrieden mit ihrer Lebenssituation wie die Vergleichsgruppe. Stohs leitet hieraus einen Beleg für die so genannte intrinsische Motivation ab, die zu einem höheren Niveau an Selbstbestimmung führen kann. Da alle Künstler in der Untersuchung mindestens 75 Prozent ihres Lebens mit künstlerischen Aktivitäten verbrachten, müssen andere Faktoren für die Unterschiede zwischen den identifizierten Gruppen verantwortlich sein. Nach Stohs muss es sich folglich um Persönlichkeitsmerkmale handeln, die diese Differenzen hervorrufen. Der introvertierte begabte Künstler könnte einen Hinweis zur Identifikation zukünftiger armer Künstler liefern (Stohs 1991: 104). Thurn charakterisiert das Gesamtspektrum künstlerischer Tätigkeiten als zweigeteilte Profession aus innerer Berufung und äußerem Beruf (Thurn 1997: 60). An anderer Stelle beschreibt er den daraus entstehenden Rollenkonflikt. Der ökonomische Zwang der Ausübung einer weiteren Tätigkeit steht im Konflikt mit der künstlerischen Tätigkeit, was sich negativ auf Zeit und Kraft für die künstlerische Tätigkeit ausüben kann (Thurn 1973: 25). An anderer Stelle bezeichnet Müller-Jentsch die Künstler als Kunstfiguren, die die Gesellschaft durch eine heroisierende Biographie mit ihren Stereotypen entwickelt. Diese wirken auf das Verhalten der Künstler selbst zurück, sie werden zwangsläufig zu Schauspielern ihrer eigenen Lebensrolle, da sie häufig die ihnen zugeschriebenen sozialen Rollen übernehmen und verinnerlichen (Müller-Jentsch 2005: 160). 2.3 Theoriegeleitete Ansätze Smith widmete sich in seinem Hauptwerk The Wealth of Nations der Erklärung von Einkommensungleichheiten in dem Kapitel Inequalities arising from the Nature of the Employment themselves (Smith 1965 (1776)). Der geringeren Entlohnung bestimmter Gruppen von Erwerbstätigen stehen dabei so genannte ausgleichende Faktoren wie beispielsweise ein besseres Arbeitsumfeld oder eine angenehme Arbeitsatmosphäre gegenüber. In Tätigkeiten, in denen diese Bedingungen nicht gewährleistet sind, erfolgt eine Kompensation über eine höhere
32
Forschungsstand
Entlohnung. Die großen Lohndifferenzen und dabei insbesondere die extrem hohen Einkommen, die von einzelnen Künstlern erzielt werden, können nach Smith auf folgende Ursachen zurückgeführt werden: Talent ist nach Smith ein knappes Gut, während künstlerische Tätigkeiten als Profession kaum Anerkennung finden (Smith 1965 (1776): 107). Gewinnchancen werden generell überschätzt, so vergleicht Smith die Aussicht auf Erfolge in einem künstlerischen Beruf mit den Chancen auf Gewinn in einem Lotteriespiel. Dabei ist die Phase des Übergangs in den Beruf von zentraler Bedeutung, da insbesondere junge Menschen in der Wahl ihres Berufes dazu tendieren, die Risiken zu unterschätzen, während sie ihre Erfolgschancen überschätzen (Smith 1965 (1776): 106f). Die Theory of Equalizing Differences von Sherwin Rosen findet ihren Ursprung bei Adam Smith und beruht auf den Annahmen vollkommener Information und Mobilität. Diese kann einen theoretischen Beitrag für die Erklärung von Berufsentscheidungen auf den Arbeitsmärkten von Künstlern leisten (Rosen 1986). Sie ist gleichzeitig die fundamentale Erklärung für die Gleichgewichte auf Arbeitsmärkten in der Arbeitsmarktökonomie. Sie betrachtet den Lohn als zentrale Größe der Angebotssteuerung von Arbeitskraft. Diese Annahmen untermauern empirische Schätzungen von Einkommensfunktionen und gelangen in den zentralen Blickpunkt moderner Arbeitsmarktökonomik. Bezüglich der Erwartungsunsicherheiten auf den Arbeitsmärkten kann Folgendes postuliert werden: Sind die Aussichten auf Erfolg in einem Arbeitsfeld unsicher, geben die zu erwartenden Durchschnittseinkommen den Ausgleich, so dass risikoaverse Bewerber angezogen werden. Folglich müssen Berufe, die durch Unsicherheiten bezüglich eines zu erwartenden Einkommens determiniert sind, über ein großes durchschnittliches Einkommen verfügen. Rosen entwickelte zu Beginn der achtziger Jahre ein Modell, das die Nachfrage nach künstlerischen Leistungen und die Existenz von Superstars im Bereich der Künste erklärt (Rosen 1981). Der Ausgangspunkt für die Entwicklung seines Modells ist die in allen empirischen Untersuchungen nachgewiesene starke Ungleichheit der Einkommensverteilung unter Künstlern. Rosen integriert den Faktor Talent in sein Superstarmodell. Talent ist kostenlos beobachtbar und die Leistungen aus der Perspektive der Konsumenten sind nur unvollkommen substituierbar. Doch diese Talentunterschiede allein begründen noch nicht die hohen Einkommensdifferenzen. Verstärkend wirken dafür die technischen Eigenschaften der Leistungserbringung. Ein so genannter medialer Hebel führt zu einer weiten Verbreitung künstlerischer Leistungen. So kann die Leistung eines einzelnen Künstlers anhand dieser Vervielfältigungsmethoden ein breites Publikum erreichen, da die Kosten für eine Produktion weitgehend unabhängig von
Forschungsstand
33
der Anzahl der Konsumenten sind. Superstarmärkte sind durch einen hohen Fixkostenanteil gekennzeichnet, die es wenigen Anbietern ermöglicht, das Angebot aufrechtzuerhalten. Von zentraler Bedeutung in diesem Modell ist die Tatsache, dass nur geringe, kaum sichtbare Differenzen zwischen den Talenten zu großen Differenzen im Einkommen der Künstler führen können (Rosen 1981: 845ff). Er erklärt damit einen zentralen Faktor bei der Entstehung von sozialer Ungleichheit bei Künstlern. Towse übt Kritik an diesem Modell. Folgt man ihrer Argumentation, so ist die Bedingung der kostenlosen Beobachtung von Talent durch alle beteiligten ökonomischen Akteure eine unrealistische Annahme. Talentsuche sei durch intensive Suchprozesse gekennzeichnet. Die Investitionen der Angebotseite zur Erhöhung ihres Bekanntheitsgrades sind häufig ebenfalls hoch (Towse 1992a: 212). Während Rosen Erklärungen zu den großen Einkommensunterschieden bei nur minimalen Differenzen in den Talenten liefert, zeigt Moshe Adler, weshalb diese Einkommensdifferenzen existieren, obwohl keine Unterschiede zwischen Talenten bestehen (Adler 1985). Er sieht das Starphänomen durch einen Lernprozess begründet, da Konsum Wissen voraussetzt (Adler 1985: 212). Konsumenten orientieren sich an anderen Verbrauchern, die bereits eine Wahl getroffen haben und minimieren dadurch ihre Suchkosten, da sie Informationen über Stars mit anderen Individuen teilen. Die Marktkräfte führen nicht automatisch zu einer Auswahl des größten Talentes. So können sich auch weniger talentierte Darsteller durchsetzen, da dieser Mechanismus eine Multiplikatorfunktion übernimmt. Adlers Ansatz umgeht auf geschickte Weise das Problem der Definition beziehungsweise der Messung des Faktors Talent. So erzielt Adler seine Ergebnisse unabhängig vom Talent der Künstler. MacDonald greift in seinem Aufsatz The Economics of Rising Stars die Superstartheorie von Rosen auf und findet eine alternative Definition des Faktors Talent: Für ihn ist Talent ein dynamischer Prozess, durch den Stars hervortreten. Im Verlauf ihres Erwerbslebens scheiden einige Künstler aus den Arbeitsmärkten aus. So verbleiben ausschließlich die erfolgreichen Künstler, die dann vor größerem Publikum auftreten und dadurch auch höhere Löhne erzielen können. Der zentrale Unterschied zwischen den Talenten besteht nach ihm dabei in der Fähigkeit eines Künstlers, im entscheidenden Moment eine gute Performance zu leisten. Die Künstler mit einer guten Performance verbleiben in diesem Arbeitsmarkt, da die Wahrscheinlichkeit einer zukünftigen guten Darbietung höher ist als bei unbekannten jungen Kollegen. Somit können diese Künstler auch höhere Gagen fordern (MacDonald 1988). Heilbrun/Gray übertragen das neoklassische Arbeitsmarktmodell auf die Arbeitsmärkte für Künstler und erklären damit, dass das wirtschaftliche Handeln
34
Forschungsstand
der Akteure auf den Künstlerarbeitsmärkten mit dem Handeln der Akteure auf anderen Teilarbeitsmärkten vergleichbar ist (Heilbrun und Gray 1993: 287ff).11 Auf einem Arbeitsmarkt treffen Angebot von und Nachfrage nach Arbeitskräften zusammen. Für ein Produkt würde dabei gelten, dass der Preis des Produktes durch das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage determiniert wird. Gleichzeitig wird hier die in einer Periode abgesetzte Menge bestimmt. Auf einem Künstlerarbeitsmarkt entspricht der Preis dem an den Künstler gezahlten Lohn, die abgesetzte Menge der Anzahl der erwerbstätigen Künstler. Die Prinzipien funktionieren wie folgt: Je größer die Nachfrage oder je geringer das Angebot einer bestimmten Serviceleistung, desto höher ist sein Preis. Umgekehrt gilt: Je geringer die Nachfrage oder je größer das Angebot an Arbeitskräften, desto geringer ist sein Preis. Die Annahmen in dem Modell bezogen auf die Künstlerarbeitsmärkte sind dabei folgende:
Künstler verfügen über perfekte Kenntnisse, d.h. Beschäftigungsmöglichkeiten und Löhne des Marktes. Künstler reagieren rational in Bezug auf Lohndifferenzen und sonstige Vergütungsleistungen. Künstler sind hochmobil, sowohl in Bezug auf den Wechsel zwischen unterschiedlichen Tätigkeiten als auch räumlich. Es gibt keine Gewerkschaften oder sonstige Institutionen, die einen Einfluss auf das Arbeitsangebot ausüben können.
Für den Arbeitgeber wird der Wert eines Künstlers mit zwei Komponenten gemessen. Zunächst ist von Bedeutung, welchen Ertrag der Künstler für den Arbeitgeber erbringt, sozusagen die Grenzproduktivität des Künstlers. Solange dieser Ertrag, das so genannte Wertgrenzprodukt der Arbeit, über dem Lohn des Künstlers liegt, wird er diesen einstellen. Sollten beispielsweise die Einkommen der Konsumenten steigen, hätte dies einen Einfluss auf die Nachfragekurve. Bliebe das Arbeitskräfteangebot dabei konstant, würde dies zu einer Erhöhung des Einkommens der Künstler und zu Neueinstellungen von Künstlern führen. Äquivalente Effekte wären bei Veränderungen in den Konsumgewohnheiten zu beobachten. Ähnliches gilt für die Veränderungen auf der Arbeitsangebotsseite. Die Schwierigkeiten in diesen idealisierten Zusammenhängen liegen auf der Hand: Bildende Künstler, Schauspieler oder Musiker sind nicht voll substituierbar und sie unterscheiden sich in Bezug auf ihr Talent oder ihren Stil. Es herrscht wenig Übereinstimmung hinsichtlich des Werts von künstlerischer Arbeit, somit ist auch wenig bekannt über die Lohnfindung bei Künstlern. Die 11
Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf Heilbrun (1993: 288ff).
Forschungsstand
35
Arbeitgeber sind oft Nonprofitunternehmen, die häufig nicht im Sinne einer Gewinnmaximierung agieren. Außerdem ist eine Vielzahl von darstellenden Künstlern in den Vereinigten Staaten Mitglied in einer Gewerkschaft. Dabei ist es schwer oder gar unmöglich, die Grenzproduktivität der Arbeit von Künstlern zu messen. Weitere Aspekte in ihrer ökonomischen Analyse über das Arbeitsangebot und die –nachfrage betreffen die Auswirkungen gewerkschaftlichen Engagements auf Löhne und Arbeitslosigkeit, die Superstartheorie von Rosen (1981) sowie die Bedeutung von Humankapitalinvestitionen auf Karrierewege. Heilbrun und Gray (1993) schließen ihr Kapitel The arts as a profession: education, training and employment mit der Aussage, dass Künstler zwar über ein geringeres Einkommen verfügen als Erwerbstätige mit ähnlichem Qualifikationsniveau, dass die Unterschiede aber durch nichtmonetäre Anreize ausgeglichen werden. Die wirtschaftlichen Risiken scheinen vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die künstlerischen Karrieren nach wie vor attraktiv sind, nur eine marginale Rolle zu spielen (Heilbrun und Gray 1993: 301). The Winner-Take-All Society von Frank und Cook wurde gar Mitte der neunziger Jahre zum US-amerikanischen Bestseller. Die Autoren greifen die von Rosen entwickelte Superstartheorie auf, übertragen die Idee auf die USamerikanische Gesellschaft, indem sie ihre Monografie mit populären Episoden anreichern (Frank und Cook 1995). Zwei zentrale Merkmale kennzeichnen Winner-Take-All-Markets: Es wird der Erfolg der relativen Leistung honoriert, das heißt, Leistung wird immer im Vergleich mit anderen Wettbewerbern gemessen. Erfolg auf Winner-Take-All-Markets konzentriert sich dabei immer in den Händen von ein paar Top-Darstellern, bei denen kleine Unterschiede in ihrem Talent oder ihrer Leistung zu großen Erfolgsunterschieden und somit zu hohen Einkommensdifferenzen führen (Frank und Cook 1995: 24). Dem Beruf des Künstlers und implizit den damit verbundenen sozialen Risiken widmete sich 1965 König in seinen Soziologischen Orientierungen (König 1973 [1965]). Was sind die Ursachen für das Überangebot von Künstlern trotz der schlechten wirtschaftlichen Chancen? Das ist eine der Kernfragen in seinem Essay Vom Beruf des Künstlers. Nach König gibt es zwei Gruppen von Künstlern, wobei eine Gruppe weder über Begabung verfügt, noch ernsthaft einer künstlerischen Tätigkeit nachgeht. Die andere Gruppe hingegen weist ein durchaus profiliertes Berufsbild auf und kann somit erst im strengeren Sinne überhaupt als Künstler bezeichnet werden (König 1973 [1965]: 226). Die künstlerischen Berufe haben in der Vergangenheit einen Professionalisierungsprozess erfahren, so haben vor allem Musiker ein Studium an einer Kunstakademie oder an einer Hochschule absolviert. Für die Berufsausübung zeichnet sich eine gewisse Normierung ab. Dennoch bleibt nach König das irrationale Moment in der
36
Forschungsstand
Preisbildung erhalten (König 1973 [1965]: 230). Dem wirtschaftlichen Druck müssen die Künstler durch eine permanente Produktion von Kunst begegnen, der Künstler wird somit zum Unternehmer und muss seinen künstlerischen Einsatz aufgrund den veränderten sozialen Position neu definieren (König 1973 [1965]: 232f). Holland (1973) begründet seine theory of vocational choices mit der Annahme, dass die Berufswahl eines Individuums Ausdruck einer spezifischen Persönlichkeit ist. Somit sind innerhalb bestimmter Berufe die Merkmale von Individuen häufig sehr ähnlich. Er differenziert sechs Persönlichkeitstypen, wobei jede dieser Typen ein spezifisches Set an Fähigkeiten und Werten verkörpert. Bei diesen sechs Persönlichkeiten handelt es sich um folgende Typen: Neben einem realistischen Typ, einem investigativen, einem sozialen, einem konventionellen sowie einem geschäftstüchtigen Typ definiert er auch einen künstlerischen Persönlichkeitstyp. Letzterer vermeidet konventionelle Berufe, er betrachtet sich als ausdrucksfähig, ursprünglich, intuitiv, unangepasst, unabhängig und hat eine unsystematische Vorgehensweise (Holland 1973: 15). Hollands Typisierung ermöglicht seiner Ansicht nach die Bestimmung von Präferenzen in der Berufswahl. Passt der Persönlichkeitstyp zu dem gewählten Beruf, so kann sich diese Gruppe Berufstätiger in ihrem Umfeld am besten entfalten. Widersprechen sich dagegen der Persönlichkeitstyp und die Arbeitsumgebung, so entsprechen die Verhaltensmuster der Individuen nicht den Normen ihres Arbeitsumfeldes (Holland 1973: 2ff). Stohs prüft Hollands Theorie in einer empirischen Längsschnittuntersuchung über die Karrieremuster von männlichen Künstlern, sieht erheblichen Korrekturbedarf in Bezug auf die Zusammenhänge zwischen der Persönlichkeit und dem Beruf und der Kontinuität der Karrieren der Künstler, aber dennoch unterstreicht sie die Bedeutung von Hollands Theorie, indem sie Individualmerkmalen im Zusammenhang mit der Berufswahl eine größere Bedeutung beimisst als dem soziokulturellen Umfeld (Stohs 1989: 344). Menger wendet sich aus soziologischer Perspektive in einer Vielzahl von Analysen der Funktionsweise von Künstlerarbeitsmärkten sowie den Karrieren von Künstlern zu (Menger 1994, Menger und Gurgand 1996, Menger 1999, 2001, 2006b). Vollbeschäftigung auf den Künstlerarbeitsmärkten gäbe es nach Menger nur, wenn das Arbeitsangebot homogen wäre und Kritiklosigkeit auf der Nachfrageseite vorherrschen würde. Durch das Überwiegen von kurzfristigen Beschäftigungsverhältnissen partizipieren die Unternehmer in einem nur geringen Ausmaß am sozialen Risikomanagement der Künstler. Die Kulturpolitik übernimmt durch die öffentlichen Unterstützungsleistungen einen Teil dieses Risikomanagements auf den Künstlerarbeitsmärkten. Die Professionalisierung in den künstlerischen Berufen ist nach Menger ursächlich für den Sieg des kreati-
Forschungsstand
37
ven Individualismus verantwortlich, da das Überangebot an Künstlern ein hohes Berufsrisiko mit sich bringt (Menger 1999: 573ff). Stinchcombe (1968: 265-266) sieht eine enge Verknüpfung zwischen Unsicherheit und Talent. Individuen werden oft Eigenschaften wie Talent, Brillianz sowie Genialität zugeordnet. Dies geschieht insbesondere auf solch unsicheren Arbeitsmärkten wie dem der kreativen Künste. Da Anerkennung auf den Künstlerarbeitsmärkten in der Regel mit Unsicherheiten verbunden ist, wird Erfolg über den Faktor Talent erklärt, der nicht messbaren Kriterien unterliegt. Künstlerischer Erfolg ist dabei auf das Talent des Künstlers zurückzuführen. Bleibt der Durchbruch dagegen aus, war der Künstler lediglich kreativ. An anderer Stelle unterscheidet Stinchcombe zwischen Talent als einem Komplement in der Produktion und Talent als einem Zusatzfaktor (Stinchcombe 1986: 54-55). Das erste hat einen elementaren Einfluss und ist von zentraler Bedeutung für das Ergebnis. Hier profitiert der Wert überproportional von den individuellen Fähigkeiten. Im komplementären Fall sind Ungleichheiten in den Einkommen sehr hoch. Die zweite Form des Talents stellt sich im Ergebnis weniger verzerrt dar, wobei Seniorität in der Entlohnung eine größere Bedeutung zugemessen wird und individuelle Performanz einen geringeren Einfluss auf das Gesamtergebnis ausübt (Stinchcombe 1986: 55). Im nächsten Absatz werden die in diesem Kapitel gewonnenen Erkenntnisse zusammengefasst. 2.4 Fazit: Forschungsstand Bei der Bearbeitung von Themen der Kulturökonomie, aber auch der Erforschung von Arbeit auf Künstlerarbeitsmärkten handelt es sich um ein junges Forschungsgebiet mit überwiegend angelsächsischer, aber auch französischer Tradition. Die Veröffentlichung des Klassikers Performing Arts – The Economic Dilemma (Baumol und Bowen 1966) zog eine Veröffentlichungswelle von Forschungsarbeiten auf diesen Gebieten nach sich. Eine Vielzahl der Studien basiert auf empirischen Erhebungen, entweder auf eigenen Surveys oder auf Daten der amtlichen Statistik. Die ökonomischen Arbeiten gehen in ihrer Tradition der Frage nach dem Verhältnis von Arbeitsangebot und –nachfrage nach. Einige Autoren erörtern in ihren spezifischen Arbeiten die Frage nach den Ursachen für die großen Einkommensdifferenzen innerhalb einzelner Berufsgruppen, da dies durch die klassische ökonomische Theorie nicht erklärt werden kann. Die überwiegend deskriptiven internationalen Studien deuten alle in etwa in die gleiche Richtung: Die Anzahl der Erwerbstätigen in den künstlerischen Berufen steigt trotz massiver ökonomischer und sozialer Schwierigkeiten seit einigen
38
Forschungsstand
Jahren kontinuierlich an, was überwiegend auf eine Zunahme der Selbständigkeit in diesen Berufen zurückzuführen ist. Künstler sind in nahezu allen Untersuchungen mit dem Problem der Unterbeschäftigung konfrontiert, dem sie mit der Aufnahme mehrerer Tätigkeiten begegnen. Sie sichern somit ihr Einkommen über die Ausübung eines weiteren Beschäftigungsverhältnisses. Das Künstlereinkommen steht im Fokus des Interesses der empirischanalytischen Ansätze in der Kulturökonomie. Die ökonomischen Ansätze halten an der Humankapitaltheorie für die Erklärung der Einkommenshöhe fest. Neu in den Ansätzen ist eine Differenzierung der Einkommen aus Erst- und Zweiterwerb. Ein höheres Bildungsniveau führt zu einem höheren Einkommen aus der zweiten Erwerbstätigkeit, während die Höhe des Einkommens aus der originären künstlerischen Tätigkeit auf andere, nicht messbare Faktoren zurückzuführen ist. Tabelle 1 stellt die zentralen Ansätze der in diesem Kapitel vorgestellten theoriegeleiteten Ansätze dar.
39
Forschungsstand
Tabelle 1: Theoriegeleitete Ansätze Ansatz
Themen
Autor
Bedeutung
Work preference
Multiple jobholding
David Throsby
Investition in Zweiterwerb erfolgt nur so lange, bis ausreichendes Einkommen erzielt wird.
Kompensation
Einkommensungleichheiten und Berufswahl
Adam Smith
Geringer Entlohnung stehen ausgleichende Faktoren gegenüber.
Equalizing differences
Berufswahl
Sherwin Rosen
Psychisches Einkommen als Motivator.
Superstarmodell
Erfolg
Sherwin Rosen
Medialer Hebel sorgt für die Verbreitung eines Angebots.
Suchkostenminimierung
Talentunterschiede
Moshe Adler
Konsumenten orientieren sich an anderen Verbrauchern, um Informationen über Stars mit anderen zu teilen.
Economics of Rising Stars
Talent als dynamischer Prozess
Glenn MacDonald
Erfolg beruht auf dem Prozess der Erfahrung.
Neoklassisches Arbeitsmarktmodell
Preisbildung durch Angebot und Nachfrage
James Heilbrun
Wirtschaftliches Handeln auf den Künstlerarbeitsmärkten ist mit anderen Teilarbeitsmärkten vergleichbar.
Winner-Take-All
Erklärung von Erfolg
Robert Frank
Vom Beruf des Künstlers
Begabung und Interesse
René König
Es gibt zwei Gruppen von Künstlern: Begabte und Unbegabte, Interessierte und Nichtinteressierte.
Theory of vocational choices
Persönlichkeit
John Holland
Berufswahl hängt mit Persönlichkeitstyp zusammen.
Funktionsweise von Künstlerarbeitsmärkten
Arbeitsmarkt
Pierre-Michel Menger
Vollbeschäftigung kann es nur geben, wenn das Arbeitsangebot homogen und die Konsumenten kritiklos sind.
Erfolg
Talent als nicht messbare Größe
Arthur Stinchcombe
Talent ist die Brücke für Unsicherheit bei Bewertungen. Erfolg wird auf Talent zurückgeführt, Misserfolg auf mangelndes Talent.
Quelle: Eigene Darstellung
Charles Gray
Philip Cook
Relative Leistung wird honoriert, kleine Unterschiede im Talent führen zu großen Einkommensdifferenzen
3 Daten und Methoden
Ziel dieses Kapitels ist die Darstellung der Datengrundlage, die Abgrenzung der Untersuchungseinheit und die dieser Arbeit zugrunde gelegten Methoden. Zunächst werden aber generelle Vor- und Nachteile quantitativer Ansätze für die Bearbeitung struktureller Merkmale auf den Künstlerarbeitsmärkten diskutiert, bevor in einem weiteren Schritt die eigene Herangehensweise vorgestellt wird. Prinzipiell gibt es zwei Varianten für die quantitative empirische Untersuchung der Erwerbsstrukturen von Künstlern. Diese basieren entweder auf Surveydaten oder auf Daten der amtlichen Statistik. Die Vorteile der Nutzung von Daten der amtlichen Statistik liegen auf der Hand: Das Datenmaterial ist im Vergleich zu Surveydaten repräsentativer und umfassender. Ein Vergleich über die Querschnitte im Zeitverlauf ist dabei prinzipiell möglich. Allerdings kann eine Veränderung der Klassifikations- oder Erhebungssystematik zwischen zwei Erhebungszeitpunkten die Vergleichbarkeit von Querschnittserhebungen wesentlich erschweren (Bradshaw 1984). Ein wesentlicher Nachteil in der amtlichen Statistik liegt in der Schwierigkeit, die Untersuchungseinheiten eindeutig zu identifizieren. Außerdem sind die Daten nicht auf künstlerarbeitsmarktspezifische Fragestellungen zugeschnitten. Somit bestehen Schwierigkeiten in der Erfassung des multiple jobholding und anderer künstlerarbeitsmarktspezifischer Merkmale. Die besonderen Erwerbsstrukturen, insbesondere das multiple jobholding, werden allerdings sowohl in dem deutschen Mikrozensus als auch in den internationalen Mikrozensen nicht hinreichend erfasst, es sei denn, eine Erhebung sieht eine spezifische Sonderauswertung vor.12 Dabei handelt es sich bei dem Faktor Mehrfachbeschäftigung um einen entscheidenden Indikator zur Abbildung des Arbeitsmarktverhaltens der Künstler. Der deutsche Mikrozensus bis zum Jahr 2005 sieht zwar die Variable Zweite Erwerbstätigkeit vor, diese ist jedoch an das Berichtswochenkonzept gebunden, so dass der Umfang der Mehrfachbeschäftigung für diese Berufsgruppen stark unterschätzt wird. Die zweite Erwerbstätigkeit muss dabei, um als solche erfasst zu werden, innerhalb der 12
So sah beispielsweise der Current Population Survey (CPS) in den USA für ausgewählte Jahre Zusatzfragen zum multiple jobholding jeweils für den Monat Mai vor. Seit 1994 wird darin der überwiegende Anteil der Fragen zum multiple jobholding monatlich gestellt (Alper 2000: 4).
42
Daten und Methoden
Berichtswoche stattgefunden haben. Die Fallzahlen der Untersuchungsgruppe sind dabei so gering, dass keine detaillierten Analysen möglich sind und damit die Repräsentativität nicht mehr gewährleistet ist.13 Die Alternative zu den Daten der amtlichen Statistik für empirische Analysen über die Erwerbsarbeit von Künstlern stellen Survey-basierte Untersuchungen dar. Diese ermöglichen einen zielgruppenspezifischen Zuschnitt der Fragestellungen (Myers 1957: 1). So wurde bislang eine Vielzahl an Untersuchungen auf der Grundlage eigener Erhebungen durchgeführt (Myers 1957, Felton 1978, McLain 1978, Throsby und Thompson 1994), die aufgrund der Defizite in den amtlichen Mikrozensen stark auf das multiple jobholding abzielten. Die Vorteile dieser Survey-basierten Untersuchungen bestehen darin, dass sie auf die spezifischen Strukturen der Erwerbsgruppen ausgerichtet sind und die Besonderheiten der Untersuchungseinheiten berücksichtigen. Die Nachteile der Survey-basierten Untersuchungen sind vor allem in den geringen Fallzahlen zu sehen. Durch den zielgruppenspezifischen Zuschnitt sind außerdem keine Vergleiche mit anderen Erwerbsgruppen möglich. 3.1 Künstler als Untersuchungsgegenstand Eine der zentralen Aufgaben empirischer Forschung ist die Abgrenzung und Definition der Untersuchungseinheiten. In der Vergangenheit sahen sich viele Sozialwissenschaftler und Ökonomen mit der Aufgabe konfrontiert, die Untersuchungseinheit Künstler mit ihrer spezifischen Fragestellung abzustimmen. Je enger die Definition Künstler gefasst wurde, desto stärker differierten die Künstler im Verhalten ihres Arbeitsangebotes und ihrer Einkommensstrukturen im Vergleich zu anderen Berufsgruppen (Solhjell 1998: 96). Demnach gilt im umgekehrten Fall: Je weiter man die Definition Künstler fasst, desto mehr entsprechen die Mechanismen auf den Arbeitsmärkten von Künstlern denen anderer Teilarbeitsmärkte (Solhjell 1998: 100). Unter Steueraspekten ist die Anerkennung der Künstlereigenschaft für freischaffende Künstler nach § 18 (EStG) Einkommensteuergesetz relevant. Für Akademie- und Kunsthochschulabsolventen erfolgt die Anerkennung durch das Finanzamt in der Regel ohne Probleme, Autodidakten sind dagegen auf Gutachten durch unabhängige Gutachterkommissionen angewiesen, in denen die Künstlereigenschaft bestätigt wird (Helmer-Heichele 2006: 31, Kräuter 2006: 24). 13
Alden/Saha wiesen bereits im Jahr 1971 auf die beträchtlichen Unterschiede im Ausmaß von Mehrfachbeschäftigung in Abhängigkeit von dem Berichtszeitraum hin (Alden und Saha 1978: 640).
Daten und Methoden
43
Die Schwierigkeit, das Phänomen Kunst konzeptionell zu erfassen, besteht ebenso auf Seiten der Künstler. Da es keine allgemeingültige Definition für Künstler gibt, hängt die Entscheidung für bestimmte Auswahlkriterien einerseits von der Fragestellung, andererseits von verfügbaren Datenquellen ab. Während einige Experten den Begriff Künstler nur auf jene Personen anwenden, die maßgeblich an der kulturellen Entwicklung beteiligt sind, sehen andere Kunsttheoretiker in jedem Menschen einen Künstler, so beispielsweise Beuys. Folgt man Beuys in seiner Definition, so entsprächen jegliche Analysen über die Funktionsweise von Künstlerarbeitsmärkten den Analysen des gesamten Arbeitsmarktes und so blieben die spezifischen Strukturen auf diesen Märkten unberücksichtigt (Frey und Pommerehne 1993: 162). König (1973 [1965]) wendet sich dem Beruf des Künstlers aus soziologischer Perspektive zu. Voraussetzung für die Existenz eines derartigen Berufsbildes sollte die Existenz eines Marktes, also sowohl das Angebot als auch die Nachfrage nach künstlerischer Arbeit sein. Die Kunst wird dabei zur Ware, die mit einem am Markt erzielten Preis gehandelt wird, ohne dass damit ihr Kunstwert definiert wird. Unterstützt durch das Bildungssystem entsteht ein Berufsbild, das den Künstler, der kontinuierlich an der Entstehung von Werken arbeitet, als ‚professionellen Berufsmann’ von Dilettanten unterscheidet. 1980 gab die UNESCO bezüglich der gesellschaftlichen Stellung von Künstlern eine Gestaltungsempfehlung an die Mitgliedstaaten heraus (UNESCO 1980). Neben allgemeinen kulturpolitischen Zielen spricht sich die UNESCO für die Garantie der künstlerischen Freiheit sowie der Möglichkeit der Gründung von Gewerkschaften und berufsständischen Organisationen aus, die an der Formulierung kulturpolitischer Ziele und einer berufsgruppenspezifischen Beschäftigungspolitik beteiligt werden können. Ferner könnten diese an der Gestaltung bildungspolitischer Ziele sowie der Festlegung von Arbeitsbedingungen von Künstlern mitwirken. Die UNESCO-Definition für Künstler lautet wie folgt: „Künstler kann jegliche Person sein, die gestalterisch arbeitet oder schöpferische Arbeit zum Ausdruck bringt, künstlerische Arbeit neu erschafft, seine künstlerischen Werke als zentrales Element seines Lebens betrachtet, auf seine Art einen Beitrag zu der Entwicklung von Kunst und Kultur leistet und der als Künstler anerkannt ist beziehungsweise anerkannt werden möchte, unabhängig davon, ob dieser in einem Beschäftigungsverhältnis steht oder einer Vereinigung angehört“ (UNESCO 1980; Übersetzung durch die Autorin).
Frey/Pommerehne beurteilen die Definition durch die UNESCO als zu weit gefasst, da diese Künstler in ihre Definition integriert, die die Einstufung allein ihrer eigenen Einschätzung verdanken (Frey und Pommerehne 1993: 162).
44
Daten und Methoden
Der Vorschlag von Frey (1993: 162) zur Abgrenzung des Begriffs Künstler wurde an unterschiedlicher Stelle aufgenommen (Towse 1996a: 5, Solhjell 1998: 95), auch die vorliegende Arbeit greift auf die Definition von Frey zurück. Maßgeblich für die Identifikation eines Künstlers sind ihm folgend
die für künstlerische Tätigkeiten aufgewendete Zeit die Höhe des aus der Kunst bezogenen Einkommens das Ansehen des Künstlers in der Öffentlichkeit die Anerkennung durch andere Künstler die Qualität des künstlerischen Schaffens die Mitgliedschaft in einer berufsständischen Künstlervereinigung die berufliche Qualifikation die subjektive Selbsteinschätzung als Künstler
In dem vorliegenden Kriterienkatalog werden sowohl objektiv messbare Merkmale als auch subjektive Kriterien integriert. Die von Frey/Pommerehne genannten Künstlereigenschaften werden in unterschiedlicher Gewichtung in dieser Arbeit berücksichtigt.14 So können beispielsweise die objektiv messbaren Kriterien wie das Qualifikationsniveau oder das Erwerbseinkommen über die Daten der amtlichen Statistik quantifiziert werden. Je nachdem, welche Grundlage für die Auswahl der Untersuchungsgruppe gewählt wird, können sich sowohl in quantitativer Hinsicht als auch in Bezug auf die Qualität der beobachteten Daten erhebliche Unterschiede ergeben. Mitchell und Karttunen (1992) haben für Finnland zwei Gruppen von Künstlern auf der Basis unterschiedlicher Auswahlkriterien verglichen: Während die erste auf der Grundlage des Kriteriums der Selbstdefinition ausgewählt wurde, waren alle Künstler in der zweiten Gruppe Mitglieder einer berufsständischen Künstlerorganisation. Dabei ergaben sich sowohl in der Anzahl der für die Erhebung berücksichtigten bildenden Künstler, in deren Zusammensetzung sowie im Jahreseinkommen erhebliche Schwankungen. So haben beispielsweise die Künstler, die über einen größeren Professionalisierungsgrad verfügen, beziehungsweise in einem berufsständischen System verankert sind, ein höheres Jahreseinkommen und beziehen darüber hinaus einen Großteil der Stipendien und Fördergelder, die in Finnland eine zentrale Rolle für die Künstlerförderung spielen (Mitchell und Karttunen 1992: 181). In der folgenden Tabelle sind die von Frey/Pommerhene aufgestellten Kriterien eingesetzt und es wird ihre Anwendbarkeit auf das in dieser Arbeit zur 14
Eine ausführliche Diskussion über die Definition von Frey/Pommerehne im Zusammenhang mit empirischen Analysen findet sich bei Towse (1996a: 5ff).
45
Daten und Methoden
Verfügung stehende Datenmaterial geprüft und verdeutlicht, dass nahezu 50 Prozent der aufgestellten Kriterien anhand des vorliegenden Datenmaterials abgedeckt werden können. Tabelle 2: Definition von Künstlern in Daten der amtlichen Statistik KRITERIEN
Mikrozensus
Rentenzugangsstatistik
Zeitaufwand
Möglich über Variable ‚Normalerweise/tatsächlich geleistete Arbeitszeit’ Monatsnettoeinkommen
Teilzeit unter/über 18 Stunden/Woche15
Künstlerisches Einkommen
das Ansehen des Künstlers Anerkennung durch andere Künstler Künstlerische Qualität Mitgliedschaft in Künstlervereinigung berufliche Qualifikation Selbsteinschätzung als Künstler
IABBeschäftigtenstichprobe Teilzeit unter/über 18 Stunden/Woche
Bruttoentgelt des Beschäftigten im jeweiligen originalen Meldezeitraum nur für abhängig Beschäftigte
Nicht möglich
Bruttojahresverdienst (1,2 oder 3 Jahre vor dem Leistungsfall) , Schätzung des Jahreseinkommens bei KSK versicherten Künstlern Nicht möglich
Nicht möglich
Nicht möglich
Nicht möglich
Nicht möglich
Nicht möglich
Nicht möglich
Nicht möglich
Nicht möglich
Nicht möglich
Schul- und Berufsabschlüsse Erhebung basiert auf Selbsteinschätzung
Ausbildungsniveau
Ausbildungsniveau
Nicht möglich
Nicht möglich
Nicht möglich
Quelle: Eigene Darstellung
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass empirisch orientierte quantitative Forschung auf verschiedene messbare Kriterien zurückgreifen muss, um Künstler zu definieren. In dieser Hinsicht kann sie weniger Aussagen treffen bezüglich ästhetischer Gesichtspunkte, der Motivation, der Selbstreflexion sowie künstlerischer Hingabe (Mitchell und Karttunen 1992: 182ff).
15
Dieses Merkmal ist zwar nicht standardisierter Bestandteil des Scientific Use Files, das FDZ-RV stellt dieses jedoch auf besonderen Wunsch bereit.
46
Daten und Methoden
3.2 Datengrundlagen Eine Besonderheit der vorliegenden Arbeit ist, dass die Analyse von Teilaspekten der Künstlerarbeitsmärkte anhand einer breiten Datenbasis erfolgt. Außerdem werden die erzielten Ergebnisse durch eine qualitative Feldstudie flankiert. Im Folgenden werden die statistischen Datenquellen, auf die sich die vorliegende Untersuchung im Wesentlichen stützt, vorgestellt. Dabei werden die Vor- und Nachteile der einzelnen Stichproben für die Analyse von Künstlerarbeitsmärkten untersucht. Die Vorstellung der qualitativen Feldstudie bildet den Abschluss dieses Absatzes. Mikrozensus 2000 und 2003 der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder16 Der deutsche Mikrozensus wird seit 1957 nach dem Vorbild des USamerikanischen Current Population Survey durchgeführt. Ein Prozent der Bevölkerung wird in dieser Erhebung befragt, dies entspricht etwa 820.000 Personen in 370.000 Haushalten im Jahr 2000 (Lotze und Breiholz 2002: 359). Ein zentraler Vorteil des Mikrozensus ist die Größe der Stichprobe, die auch Analysen für Gruppen mit kleinen Fallzahlen erlaubt. Aufgrund der Auskunftspflicht liegt die Antwortquote bei etwa 97 Prozent (Schimpl-Neimanns 1998: 92). Das Erhebungsprogramm beinhaltet neben Auskünften über soziodemografische Merkmale überwiegend Fragen über die Erwerbsbeteiligung und berufliche Verhältnisse, die Bevölkerung, Haushalte, Familien und Wohnverhältnisse. Bei der Erhebung handelte es sich bislang um ein Stichtagskonzept, auf dessen Basis kaum Bestandszahlen über einen bestimmten Zeitraum ermittelt werden können. So kann anhand dieser Daten keine präzise Aussage über die Arbeitslosigkeit im Jahresdurchschnitt getroffen werden, ebenso wenig können Beschäftigungsschwankungen im Zeitablauf abgebildet werden; Arbeitszeitanalysen benötigen eine flexiblere Datenbasis. Bei der Analyse der Erwerbsstrukturen mit den Daten des Mikrozensus stößt man schnell an Grenzen. So ist beispielsweise die Ausweisung des Nettoerwerbseinkommens als einzige persönliche Einkommensvariable17 im Mikrozensus in Deutschland aus mehreren Gründen problematisch: Zum einen verzerrt 16
17
Der SUF des Mikrozensus 2005 wurde im Juni 2007 freigegeben. Daher konnten die Auswertungen dieses Datensatzes nicht mehr in die vorliegende Arbeit einfließen. Ferner werden die individuellen Nettoeinkommen der Haushaltsmitglieder und das Haushaltsnettoeinkommen ausgewiesen.
Daten und Methoden
47
das Nettoeinkommen insbesondere bei Verheirateten durch die Wahl der Steuerklassen die tatsächlich erzielten Einkünfte. Zum anderen werden alle Einkunftsarten in einer Variablen zusammengefasst, so dass keine Einkommensdifferenzierung nach unterschiedlichen Einkommensquellen möglich ist. Diese Differenzierung ist insbesondere für die Bearbeitung der wirtschaftlichen Strukturen auf den Künstlerarbeitsmärkten unverzichtbar. Aber auch für die Selbständigen ist die Ausweisung des Einkommens in dieser Form mit Schwierigkeiten verbunden. Die Einkommen Selbständiger unterliegen oft erheblichen monatlichen Schwankungen, die Ermittlung des individuellen Betriebsergebnisses erfolgt auf Jahresebene. Eine weitere Schwierigkeit liegt in der Ausweisung der Einkommensvariablen in Einkommensklassen, die darüber hinaus noch rechtszensiert sind.18 Generell liefert der Mikrozensus lediglich eine statische Momentaufnahme, die durch das Berichtswochenkonzept entsteht, was angesichts der Dynamik in Gesellschaft und Arbeitswelt problematisch ist. So sind beispielsweise die Beschäftigungsverhältnisse vieler darstellender Künstler durch kurze Sequenzen von Erwerbs- und Nichterwerbsphasen gekennzeichnet (Lotze und Breiholz 2002: 362). Die berufsgruppenspezifische Ermittlung der Arbeitslosenzahlen ist auf der Basis des Mikrozensus außerdem schwierig, da die Befragungssystematik keine aktuelle Berufsbezeichnung für Arbeitslose vorsieht. Diese werden über früher ausgeübte Berufe ermittelt und in einer 0,45 Prozent-Unterstichprobe erfasst. Die Fallzahlen sind hierbei für eine berufsgruppenspezifische Analyse zu gering. Trotz einer Vielzahl von Einschränkungen wurden in der Vergangenheit mehrere Studien über die Erwerbsstrukturen und die Einkommenssituation von Künstlern auf der Basis von Mikrozensusdaten durchgeführt (so beispielsweise Santos 1976, Waits und McNertney 1980, Bradshaw 1984, Filer 1986, 1989, Haak und Schmid 2001).19 Die Angaben im deutschen Mikrozensus beziehen sich jeweils auf die letzte feiertagsfreie Woche im April beziehungsweise auf die erste feiertagsfreie Woche im Mai. Die Fragen werden durch die Statistischen Landesämter erhoben (Berichtswochenkonzept). Die Befragungen finden überwiegend mündlich statt, zusätzlich werden sie in einem kleineren Umfang schriftlich durchgeführt. Es besteht für alle Beteiligten gemäß der gesetzlichen Regelungen Auskunftspflicht. Nur ein geringer Teil der Fragen ist freiwillig zu beantworten. Bei dem Mikro18
19
Einkommen in einer Höhe von 18.000 Euro und mehr wurden der obersten Einkommensklasse zugeordnet. Eine Diskussion über die Vor- und Nachteile der Nutzung von Mikrozensusdaten bieten Waits (1989), Wassall (1992) sowie Alper (1996: 11)
48
Daten und Methoden
zensus handelt es sich um eine Haushaltsstichprobe. Dies bedeutet, dass alle Personen in einem Haushalt entweder direkt befragt werden oder eine erwachsene Person über die weiteren (alle minderjährigen) Haushaltsmitglieder Auskunft erteilt. Die Daten werden von den Statistischen Landesämtern aufbereitet und beim Statistischen Bundesamt zu einem Datensatz zusammengespielt (Gesellschaft sozialwissenschaftlicher Infrastruktureinrichtungen (Gesis) 2006). Das Berichtswochenkonzept wurde erstmalig im Mikrozensus 2005 aufgehoben und wird durch die Verteilung der Interviews über die Quartale abgelöst. Somit werden auch saisonale Beschäftigungsschwankungen berücksichtigt (Lengerer et al. 2005: 40). Ferner ergibt die unterjährige Erhebung eine größere Aktualität sowie ein größeres Ausmaß an Flexibilität, womit hier der fortschreitenden Dynamik der Arbeitswelt Rechnung getragen wird. Ein zentraler Vorteil des Mikrozensus ist die Erhebung der Daten auf Haushaltsebene. Für die soziale Sicherung bei Künstlern spielt der Haushaltskontext eine zentrale Rolle, da ein hohes Haushaltseinkommen die Künstler in der Ausübung ihres Berufes begünstigen kann. Ein zentraler Vorteil für die Analyse von Künstlerarbeitsmärkten mit dem Mikrozensus ist in der Berufsklassifikation zu sehen. Diese differenziert das Berufsbild des bildenden Künstlers in angewandte Kunst und freie bildende Kunst.20 In der im Folgenden vorgestellten IAB-Beschäftigtenstichprobe 1975-2001 (IABS) sind die beiden Berufsgruppen in einer Ausprägung zusammengefasst. Somit ist die Identifikation der Berufsgruppe bildende Künstler im engeren Sinne in der IABS 1975-2001 nicht möglich. Da diese ohnehin nur sozialversicherungspflichtig Beschäftigte ausweist und die Berufsgruppe der bildenden Künstler in nur sehr geringen Anteilen in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen tätig ist, ist die Berufsgruppe der abhängig beschäftigten bildenden Künstler nicht Gegenstand dieses Untersuchungsteils.
20
Details hierzu folgen in Kapitel 3.3.
Daten und Methoden
49
Erweiterter Regionalfile der IAB-Beschäftigtenstichprobe Seit 1973 führt die Bundesanstalt für Arbeit Angaben aus den Meldeverfahren zur Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung in der Beschäftigtenstatistik der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zusammen. Dieser Datensatz wurde in einer zweiprozentigen Stichprobe für Forschungszwecke anonymisiert. Zunächst war die Beschäftigtenhistorik des IAB die Hauptdatenquelle, die von den Arbeitgebern Meldungen für alle sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmer an die Sozialversicherungsträger verlangt. Dabei werden alle Arbeiter und Angestellte sowie alle Auszubildenden erfasst, seit dem 1. April 1999 auch geringfügig Beschäftigte. Beamte, Selbständige und Studierende sind nicht Bestandteil der Datenbasis. Der Datensatz umfasst die Personen, die in diesem Zeitraum mindestens einmal in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis standen. Es handelt sich um eine geschichtete einstufige Zufallsauswahl aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die im Zeitraum zwischen 1975 und 2001 wenigstens eine Beschäftigungsmeldung hatten. Die Stichprobe umfasst rund 1.300.000 Personen mit über 21.000.000 Beschäftigungsmeldungen. Die Daten der IABS 1975-2001-R01 werden allerdings nicht mehr direkt aus der Beschäftigtenhistorik gezogen und durch die Daten der Leistungshistorik ergänzt, sondern aus der Beschäftigungs- und Leistungsempfängerhistorik (BLH), die bereits bereinigt wurden, generiert (Hamann et al. 2004: 37f). Um den Informationsgehalt der IABS 1975-2001 zu erhöhen, wurde diese um zusätzliche Merkmale über Betriebe und den Bezug von Lohnersatzleistungen ergänzt (Bender et al. 1996: 4ff). Die Daten resultieren aus den Meldungen der Arbeitgeber an die Sozialversicherungsträger sowie den Meldungen der Bundesagentur für Arbeit an die Krankenkassen aufgrund des Bezuges von Arbeitslosengeld, -hilfe oder Unterhaltsgeld der Versicherten. Die Daten der IABS 1975-2001 enthalten neben soziodemografischen Merkmalen Informationen zum Beschäftigungsverhältnis, den tagesgenauen Beginn und das Ende der Beschäftigung, Informationen über das sozialversicherungspflichtige Bruttoentgelt, zum Beruf sowie zur Stellung im Beruf. Ferner beinhalten die Daten Informationen zum Leistungsbezug, zur Art des Leistungsbezuges sowie zu den Anfangs- und Endzeitpunkten des Leistungsbezuges. Außerdem umfasst die Stichprobe eine Vielzahl an Informationen zum Betrieb und zur Zusammensetzung der Belegschaft mit deren Qualifikationen sowie Hinweise zum Wirtschaftszweig (Wübbeke 2005: 159). Die IAB-Beschäftigtenstichprobe kann im Vergleich zu den anderen in dieser Arbeit verwendeten Datensätzen keine Auskünfte zur Selbständigkeit geben.
50
Daten und Methoden
Allerdings liefert sie umfangreiche Informationen über sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse sowie Phasen von Arbeitslosigkeit im Zeitverlauf. Der Scientific Use File der IABS 1975-2001 wurde speziell für diese Fragestellung auf die Dreisteller der künstlerischen Berufe erweitert, um die diese identifizieren zu können. Die Episodenstruktur der Daten der IAB-Beschäftigtenstichprobe ermöglicht die Analyse von Mehrfachbeschäftigung und eine Differenzierung der Erwerbseinkünfte nach unterschiedlichen Einkommensquellen, die mit anderen Daten der amtlichen Statistik nicht möglich sind. Mehrfachbeschäftigung findet allerdings nur zum Teil innerhalb des Arbeitsmarktes sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse statt. Es ist eine Vielzahl unterschiedlicher Kombinationsmöglichkeiten von Erwerbstätigkeiten denkbar, die sich im Graubereich zwischen abhängiger Beschäftigung, Selbständigkeit und der Schattenwirtschaft bewegen. Aus diesem Grund erfasst die IABS 1975-2001 nur einen Bruchteil an Mehrfachbeschäftigungsverhältnissen. Die Informationen über das Bruttoentgelt in der IABS 1975-2001 sind tagesgenau und somit sehr präzise. Sie beruhen auf den amtlichen Meldungen der Arbeitgeber an die Sozialversicherung und sind daher im Vergleich zu den individuellen Einkommensangaben in anderen Individualdatensätzen nur mit geringfügigen Fehlern behaftet (Beblo und Wolf 2003: 562). Bezüglich der Einkommensangaben ist zu berücksichtigen, dass diese bis 1998 unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze abgeschnitten waren. Ein zentraler Nachteil der Entgeltvariablen in der IABS 1975-2001 ist die Zensierung der Einkommensverteilung am rechten Rand. So sind die gemeldeten Löhne jeweils auf die gerade aktuelle Beitragsbemessungsgrenze gesetzt.21 Dies führt insbesondere zu einer Unterschätzung von Einkommen hoch qualifizierter Beschäftigter (Hamann et al. 2004: 50).
21
Näheres hierzu in Abschnitt 3.3
Daten und Methoden
51
Rentenzugangsstatistik der Deutschen Rentenversicherung Bund Die Rentenzugangsstatistik ist der erste Mikrodatensatz, der für die wissenschaftliche Nutzung als Scientific Use File (SUF) im Forschungsdatenzentrum der Rentenversicherung (FDZ-RV) zur Verfügung gestellt wurde.22 Die Rentenzugangsstatistik enthält für einzelne Berichtsjahre zahlreiche Merkmale in Bezug auf demografische und versicherungsrelevante Fragestellungen. Integriert werden die Zugänge, bei denen der Rentenbeginn im Berichtsjahr oder davor lag. Die Daten der Rentenzugangsstatistik werden aus den individuellen Versicherungskonten generiert. Diese beinhalten Merkmale zur Festsetzung der Rente und Rentenzahlung sowie für statistische Zwecke. In der Rentenstatistik lassen sich zwei Erhebungswege unterscheiden: Von höchster Datenqualität sind die Merkmale, die für die Rentenberechnung relevant sind. Für statistische Zwecke erhobene Daten wie beispielsweise die Berufsangaben sind weniger valide, da sie kein Merkmal zur Berechnung des individuellen Rentenanspruchs darstellen (Himmelreicher 2006: 2). Die selbständigen Künstler in den Scientific Use Files des Forschungsdatenzentrums der Deutschen Rentenversicherung Bund (FDZRV) wurden eindeutig als versicherungspflichtig nach KSVG als Künstler identifiziert. Eine Kombination der beiden Merkmale sollte somit zu validen Ergebnissen führen. Werden die Berufsklassenschlüssel der abhängig beschäftigten Künstler über die Arbeitgeber gemeldet, sind sie weniger valide. Prinzipiell handelt es sich bei der Rentenzugangsstatistik nicht um eine Personen-, sondern um eine Fallstatistik. Dies bedeutet, dass der Zugang einer Neurente nicht unmittelbar an eine Person geknüpft ist. Dies tritt beispielsweise auf, wenn eine Rentnerin neben ihrer eigenen Versichertenrente zusätzlich eine Witwenrente erhält. In der Rentenzugangsstatistik bilden die Renten die Untersuchungseinheit und nicht die Rentner. Bezieht ein Rentner eine Einfachrente, so kann dieser Rentnerzugang wie ein Rentenzugang behandelt werden (Himmelreicher und Mai 2007: 25). Für den vorliegenden Untersuchungszweck wurden die Jahrgänge 2000 bis 2004 der Rentenzugangsstatistik gepoolt und wurde eine 25-Prozentstichprobe zur Verfügung gestellt, um eine ausreichende Fallzahl an Künstlern zu erhalten.23 Die Berufsgruppen wurden zum einen über den Berufsgruppenschlüssel (TAT) erzeugt. Die Berufsgruppen Musiker, darstellende Künstler sowie bildende Künstler wurden über die Berufsgruppenschlüssel identifiziert. Zum anderen 22
23
Die folgenden Aussagen beziehen sich, wenn nicht anders gekennzeichnet, auf Himmelreicher (2006). Die Datenanalyse wurde an einem Gastwissenschaftlerarbeitsplatz im Forschungsdatenzentrum der Deutschen Rentenversicherung (FDZ-RV) durchgeführt.
52
Daten und Methoden
bildete das Merkmal des Versicherungsstatus am 31. Dezember des Jahres (Vorjahres und Vorvorjahres) ein Selektionskriterium für die für die Analyse relevanten Berufsgruppen. Dieses Merkmal erlaubt die Erfassung der über die Künstlersozialkasse versicherten Künstler und Publizisten der letzten drei Jahre vor dem Leistungsfall der Rentenzahlungen. Während das Merkmal von höchster Validität ist, handelt es sich bei dem Merkmal Berufsgruppenschlüssel um eine freiwillige statistische Angabe durch die Arbeitgeber, die weniger valide ist. Die Daten im Rentenzugang unterscheiden nicht, ob die versicherte Tätigkeit während der Erwerbsphase eine abhängige Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit war. Diese Unterscheidung ist lediglich für die letzten drei Jahre möglich. Somit ist eine Zuordnung der Rentner zur Künstlersozialversicherung nur mit Einschränkungen möglich, da im Rentenzugang die zuletzt ausgeübte Tätigkeit und letzte Versicherungszugehörigkeit erfasst wird. Erwerbsbiografien können demnach nicht nachgezeichnet werden.24 Die starke Zunahme von Personen, die kurz vor Renteneintritt über die Künstlersozialkasse versichert waren, kann auf den starken Anstieg der Mitgliederzahlen in der Künstlersozialkasse unmittelbar in den Jahren nach ihrer Gründung zurückgeführt werden, wobei ein Teil dieser Mitglieder nun das Rentenalter erreicht hat. Die Fallzahlen verteilen sich dabei über die einzelnen Jahre wie folgt: Tabelle 3: Verteilung der Fallzahlen im gepoolten Datensatz über die Berichtsjahre Berichtsjahr
Musiker
2000 2001 2002 2003 2004 Gesamt
0 52 106 109 114 381
Darstellende Künstler 0 40 85 102 94 321
Bildende Künstler 1 19 55 71 78 224
KSK Versicherte 116 150 164 202 225 857
Gesamt 117 296 529 626 664 2232
Quelle: FDZ-RV – SUFRTZN00-04XXVBB, eigene Berechnungen
Bei dem Merkmal Versicherungsstatus am 31. Dezember des Jahres (Vor- Vorvorjahres) handelt es sich zwar um eine Variable von höchster Validität, es bleibt jedoch im Unklaren, welchen Status die Versicherten vor den drei Jahren 24
Diese Problematik tritt bei allen berufsgruppenspezifischen Analysen mit Daten der amtlichen Statistik auf, wobei eine zukünftige Verbesserung dieses Merkmals in Aussicht gestellt wurde. Der starke Anstieg der Künstlergruppen über die Jahre in dem gepoolten Datensatz könnte ein mögliches Indiz für eine Verbesserung der statistischen Erfassung dieses Merkmals sein.
Daten und Methoden
53
besaßen. Ferner fallen die Personen heraus, die ihre Berufstätigkeit als Künstler bereits früher aufgaben. In Ermangelung eines alternativen Indikators zur Identifikation der beiden Beschäftigtengruppen, werden die Statusgruppen nach diesen Merkmalen differenziert, wobei erste Analysen retrospektiv auf deutliche Unterschiede zwischen beiden Erwerbsgruppen (selbständig/abhängig beschäftigt) hindeuten. Die deskriptiven Analysen der Daten haben ergeben, dass einzelne spezifische Merkmale wie die Verteilung der Geschlechter, Einkommensverhältnisse, Rentenhöhe und Qualifikation darauf hindeuten, dass die Identifikation der Personengruppen als valide betrachtet werden kann. Ferner entsprechen die ermittelten Ergebnisse bezüglich der Rentenhöhe der Versicherten in etwa denen der durch die Künstlersozialkasse in Zusammenarbeit mit der Deutschen Rentenversicherung Bund ermittelten Altersbezüge (Bruns 2004).
Qualitativer Untersuchungsteil In der Forschungsliteratur spielen die kollektiven Akteure für die soziale Sicherung von Künstlern bislang keine Rolle. Die Informationslücken in diesem Bereich können folglich nur über eigene qualitative Erhebungen ermittelt werden. Der Schwerpunkt der empirischen Arbeit auf der kollektiven Ebene liegt dabei auf der Durchführung von Experteninterviews. Um die Rolle der kollektiven Arrangements wie die Verbandsarbeit oder Gewerkschaften für die wirtschaftliche und soziale Sicherung der Künstler näher zu untersuchen, wurde als Methode das leitfadengestützte Interview mit Experten aus den Verbänden und Gewerkschaften durchgeführt. Der qualitative Teil der Arbeit war unter anderem dadurch motiviert, die Einschätzungen der Arbeitsmarktsituation sowie die soziale Lage der Künstlergruppen durch die Interviewpartner zu erarbeiten. Ein Kernziel der Interviews bestand darin, herauszufinden, welchen Einfluss die kollektiven Akteure für das soziale Risikomanagement von Künstlern ausüben. 3.3 Methodische Hinweise Um einen Gesamteindruck über die wirtschaftlichen und sozialen Risiken der Künstler zu erhalten, bietet sich die Generierung von Teilinformationen aus den jeweiligen Datensätzen an. Aufgrund ihrer spezifischen Strukturmerkmale und des unterschiedlichen Erwerbsstatus (selbständig vs. abhängig beschäftigt) werden für die einzelnen Berufsgruppen (Musiker, darstellende Künstler, bildende Künstler) eigenständige Analysen durchgeführt.
54
Daten und Methoden
Die Kriterien zur Identifikation der relevanten Berufsgruppen sind durch die Vorgaben der verfügbaren Datenquellen festgelegt. Die Informationen basieren auf der Grundlage des Mikrozensus auf einer Selbsteinschätzung der Befragten, während die Berufsgruppenschlüssel in der IAB-Beschäftigtenstichprobe und der Rentenzugangsstatistik der Deutschen Rentenversicherung Bund über die Arbeitgeber zugewiesen werden. Die Berufsgruppen können in allen drei Datensätzen über die Berufsschlüssel identifiziert werden. Als Künstler werden in der vorliegenden Arbeit Erwerbstätige ausgewiesen, die nach dem Berufsgruppenschlüssel in den Kategorien 831 für Musiker, 832 für darstellende Künstler sowie 833 für bildende Künstler kodiert sind. Die bildenden Künstler werden seit der Neuordnung der Berufsordnungssystematik von 1992 in zwei Gruppen geteilt. Bei den bildenden Künstlern wird in dieser Arbeit, wenn nicht anders gekennzeichnet, die Berufsgruppe der freien Künstler (Kunstmaler und Restauratoren) berücksichtigt. In die andere Gruppe der bildenden Künstlern, die so genannte angewandte Kunst (Industrie-, Mode- und Grafikdesigner) sind Berufe wie Designer, Grafiker, Industriedesigner, Produktgestalter, Mode-, Textildesigner und –gestalter, Formgestalter, Modelleure, Grafische Zeichner etc. integriert. Diese werden nicht der Gruppe der klassischen Künstler zugeordnet und sind deshalb nicht Gegenstand der Betrachtung. Die Trennung in diese beiden Berufsgruppen ist zwar unscharf, da bildende Künstler oft in beiden Feldern arbeiten, allerdings ermöglicht die statistische Basis keine alternative Differenzierung. Nach dem Erwerbskonzept des Mikrozensus wurden die Personen in die Grundgesamtheit der Untersuchungseinheit in einem Alter zwischen 15 und 65 Jahren integriert. Diese Gruppe bezieht den überwiegenden Anteil ihrer Einkünfte aus Erwerbstätigkeit, dabei ist zunächst gleichgültig, ob sie in abhängiger oder selbständiger Form erfolgt. Die Grundlage für die Definition der relevanten Berufsgruppen in den anderen Stichproben wird durch die Erfassungssystematik der Rentenzugangsstatistik der Deutschen Rentenversicherung und der IABBeschäftigtenstatistik vorgegeben. Der Vorteil der Datenquellen liegt auch in der Möglichkeit der Kombination unterschiedlicher Merkmale. Während die Beschäftigtenstichprobe das tatsächlich erzielte Einkommen aus abhängiger Erwerbstätigkeit angibt, handelt es sich bei den ausgewiesenen Zahlen durch den Mikrozensus um eine freiwillige Angabe, die keiner Überprüfung unterzogen wurde. Die Rentenzugangsstatistik weist dagegen den Bruttojahresverdienst der letzten drei Jahre vor Beginn des Rentenbezuges sowie im Rahmen der Entgeltpunkte des Lebensarbeitseinkommens aus abhängiger Beschäftigung aus. Insbesondere für die Identifikation der
Daten und Methoden
55
sozialen und wirtschaftlichen Risiken sind die Kriterien Einkommen und Zeitaufwand von besonderer Relevanz. Mehrfachbeschäftigte Künstler gehen mindestens einer künstlerischen Erwerbstätigkeit nach, die in Verbindung mit anderen nicht-künstlerischen Tätigkeiten als Ersterwerb definiert wird. Ist der Künstler auch im Nebenerwerb künstlerisch tätig, so erfolgt die Bestimmung des Erst- beziehungsweise Zweitjobs über die Arbeitszeitvariable (Vollzeit/Teilzeit) in der IABS 1975-2001. Vollzeittätigkeiten werden als erste, Teilzeittätigkeiten als zweite Tätigkeit definiert. Ist der Arbeitsumfang für beide Erwerbstätigkeiten identisch, so wird eine zufällige Zuordnung in erste und zweite Tätigkeit getroffen. Von besonderer Bedeutung für die Analyse der Mehrfachbeschäftigung in dieser Arbeit ist die Bedeutung paralleler Spells im Datensatz. Diese wurden für die Analyse beibehalten und als weitere Tätigkeit gesondert ausgewiesen. Das Einkommen wird ferner nach unterschiedlichen Einkommensquellen differenziert. Daraus resultiert für jede Tätigkeit in der Mehrfachbeschäftigung eine Einkommensvariable. Zentrale Schwierigkeiten ergeben sich für die Bildungsanalyse durch die fehlenden oder wenig plausiblen Bildungsangaben sowie durch das bis zur Beitragsbemessungsgrenze zensierte Einkommen in den Daten der IABS 1975-2001 und der Rentenzugangsstatistik. Um dem Problem der fehlenden oder falschen Angaben zum Bildungsniveau zu begegnen, wird die imputierte Bildungsvariable ip1 nach dem Imputationsverfahren von Fitzenberger et al. (2006) für die IABS 1975-2001 verwendet. Die Variable ip1 wurde deshalb gewählt, weil sie das höchste Qualifikationsniveau aufweist. Sie führt nach Fitzenberger et al. zwar möglicherweise zu einer Überschätzung des gesamten Qualifikationsniveaus25, dies ist allerdings in der nachstehenden Abbildung für die hier zu untersuchenden Berufsgruppen nicht zu beobachten. Die Bildungsvariable liegt im Datensatz der IAB-Beschäftigtenstichprobe in sechs Ausprägungen vor. Dabei handelt es sich um kombinierte Schlüssel, in denen sowohl die Schulbildung als auch die abgeschlossene Berufsausbildung der Beschäftigten in einzelnen Ausprägungen zusammengefasst wurden. Die Bereinigung der fehlenden Werte oder inkonsistenten zeitlichen Verläufe der Bildungsvariablen wurden dem Datensatz nach dem durchgeführten Imputationsverfahren nach Fitzenberger et al. (2006) hinzugefügt. Die bereinigten Variablen wurden durch das Forschungsdatenzentrum des IAB zur Verfügung gestellt und dem Datensatz zugespielt. Um die Vergleichbarkeit für diese Analyse zu verbessern, werden die Bildungsvariablen sowohl in der IABBeschäftigtenstichprobe als auch im Mikrozensus 2003 auf drei Bildungsstufen 25
Dies ist auf die spezifische Methode der Generierung der fehlenden Werte zurückzuführen. Für ausführliche Hinweise auf die Methode sei hier verwiesen auf Fitzenberger (2006).
56
Daten und Methoden
aggregiert. Folgende Tabelle illustriert die Aggregation der Variablen bild (IABS 1975-2001) sowie EF568 (Mikrozensus) zu ag_bild. Tabelle 4: Aggregation der Bildungsvariablen in drei Bildungsstufen Original Bildungsvariable AuspräLabel gung IABS 1975-2001 -9 Ausbildung unbekannt 1 ohne Berufsausbildung 2 Haupt-, Realschule mit Berufsausbildung 3 Abitur ohne Berufsausbildung 4 Abitur mit Berufsausbildung 5 Fachhochschulabschluss 6 Hochschulabschluss
Ausprägung 7 1
Label MIKROZENSUS Ohne Angabe
Aggregierte Bildungsvariable AuspräLabel gung -9
Ausbildung unbekannt Geringes Bildungsniveau Mittleres Bildungsniveau
Anlernausbildung/ berufl. Praktikum Lehrausbildung, Meister/Techniker
1
8
kein beruflicher Abschluss
1
Geringes Bildungsniveau
4
Fachschule der DDR
2
Mittleres Bildungsniveau
5
Fachhochschulabschluss Hochschulabschluss
3
Hohes Bildungsniveau Hohes Bildungsniveau
2,3
6
2
3
Quelle: Eigene Darstellung
Die Löhne sind in der IAB-Beschäftigtenstichprobe tagesgenau erfasst. Allerdings werden diese an der Beitragsbemessungsgrenze abgeschnitten, so dass man mit dem Problem rechtszensierter Lohndaten konfrontiert ist. Um allerdings Informationen über die Einkommensverteilungen im oberen Lohnbereich zu erhalten, wurde die Lohnvariable nach dem Imputationsverfahren von Gartner (2005) ergänzt. Hierbei wurde ein Tobit-Modell verwendet, so dass die Parameter, anhand derer die über der Zensierungsgrenze liegenden Einkommen imputiert wurden, geschätzt werden.26 Die Analyse der Institutionen in der vorliegenden Arbeit erfolgt anhand von Dokumenten-, Akten- und Literaturanalysen. Diese werden durch eigene statistische Auswertungen von Daten der Künstlersozialkasse und Zeitreihenanalysen anhand von Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) ergänzt.
26
Die hierbei entstehenden verzerrten Varianzschätzungen werden vernachlässigt.
Daten und Methoden
57
Die Erkenntnisse über die kollektiven Risikostrategien können nicht über Daten der amtlichen Statistik gewonnen werden. Auch das Sozioökonomische Panel (SOEP) kann hier aufgrund der geringen Fallzahlen keine Hinweise liefern. In diesem Zusammenhang sind Experteninterviews ein sinnvolles Instrument, um einen ersten Zugang zu einem bislang nicht erforschten Feld gewinnen zu können. Das Ziel der Interviews lag in der Erzielung von systematischen Informationen mit Hilfe des Erhebungsinstrumentes eines vorformulierten Interviewleitfadens. Die zu erzielenden Ergebnisse waren ferner auf Vergleichbarkeit angelegt (Vogel 1995: 74). In teilstrukturierten Interviews können Themen, die sich aus dem Gespräch ergeben, mit den Experten vertieft werden, da man nicht an ein starres Fragebogenkonzept gebunden ist (Atteslander 2003: 148). Da sich die sozialen und wirtschaftlichen Probleme in den einzelnen Berufsgruppen stark unterscheiden, war eine berufsgruppenspezifische Vertiefung der Thematik in den einzelnen Gesprächen eine logische Konsequenz. Diese Interviewtechnik bot den Befragten darüber hinaus die Möglichkeit, über die Ausführlichkeit ihrer Antworten selbst zu entscheiden (vgl. hierzu auch Hopf 2000). Die Auswahl der Experten erfolgte auf zwei Wegen. Während auf Verbandsseite aufgrund des vielfältigen Angebots an Berufsverbänden eine Auswahl erfolgen musste, konnten von Seite der Arbeitnehmervertretung Spitzenfunktionäre aus allen Gewerkschaften im Kulturbereich gewonnen werden. Die Auswahl der Verbände erfolgte zum einen nach der Mitgliederstärke der Organisation27, zum anderen sollten alle drei Sparten (Musik, darstellende Kunst und bildende Kunst) durch die Interviewpartner vertreten werden. Die für diese Untersuchung relevante Auswahl der Verbände beschränkte sich auf Bundesebene. Es wurden 12 Interviews mit Verantwortlichen aus Verbänden und Gewerkschaften durchgeführt. Die Interviews wurden in der Zeit von Anfang Mai bis Ende Juni 2007 geführt. Folgende Positionen für die Interviews waren repräsentiert:
27
Eine Ausnahme bildet der Interessenverband der deutschen Schauspieler (IDS), der aber aufgrund der Spartenzugehörigkeit zum Bereich Darstellende Kunst ausgewählt wurde.
58
Daten und Methoden
Tabelle 5: Expertenliste Funktion Bundesvorsitzende Sozialreferent Landesvorsitzender, 1. Vorsitzender des Bundesverbandes freier Theater Bundesvorsitzender Präsidentin Bundesfachgruppenleiter der Fachgruppe Musik Bundesfachgruppenleiter der Fachgruppe Darstellende Künste Bundesfachgruppenleiter der Fachgruppe Bildende Künste Präsident Vorsitzender der Berufsgruppe Solo und Landesverband Ost Justiziar Justiziar
Verband/Gewerkschaft Verbände Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler e.V. (BBK) Interessenverband Deutscher Schauspieler (IDS) Bundesverband freier Theater (BUFT) Deutscher Rock & Pop Musikerverband e.V. (DRMV) Verband der Gemeinschaften der Künstlerinnen und Kunstförderer e.V. (GEDOK) Gewerkschaften ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger (GDBA) Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger (GDBA) Deutsche Orchestervereinigung e.V. (DOV) Vereinigung deutscher Opernchöre und Bühnentänzer e.V. (VdO)
Quelle: Eigene Darstellung
Da es primär um den Transfer von Inhalten ging und authentische Aspekte der Kommunikation keine Rolle spielten, wurden die Interviews auf Tonband aufgezeichnet und zusammenfassende Protokolle erstellt. In diesem Zusammenhang wurde auf umfangreiche Transkriptionen verzichtet. Dies war insofern sinnvoll, als das Forschungsinteresse überwiegend inhaltlich-thematischer Natur war, das Ziel der Interviews in der Gewinnung von Informationsmaterial lag und formale Aspekte der Kommunikation sowie Konversation dabei keine Rolle spielten (Mayring 2002: 97, Dittmar 2004: 23). Alle Experten waren mit der Aufzeichnung der Interviews einverstanden. Die Untersuchung der individuellen Strategien basiert auf einer Analyse von Längs- und Querschnittsdaten. Die Diskussion über die Relevanz der Netzwerke für den Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit von Künstlern stützt sich auf die Grundlage von Sekundärliteratur. Die Haushaltsanalyse erfolgt anhand deskriptiver Methoden mit den Daten des Mikrozensus. Das Phänomen des multiple jobholding wird in einem weiteren Schritt bearbeitet und dabei insbesondere die Rolle des Bildungsniveaus für die Arbeit in multiplen Tätigkeiten. Für die
Daten und Methoden
59
Analysen auf der individuellen Ebene werden multivariate Verfahren (im Wesentlichen Regressionsverfahren) verwendet. Das nächste Kapitel liefert neben einem allgemeinen Überblick über die Arbeitsmärkte der Musiker, der darstellenden Künstler und der bildenden Künstler einen differenzierten Einblick in die Strukturmerkmale künstlerischer Erwerbsarbeit. Es schließt mit der Beschreibung und Analyse der zentralen Risiken hinsichtlich ihrer Bedeutung für die künstlerischen Berufsgruppen ab.
4 Strukturmerkmale und Risiken
Typische Charakteristiken von Künstlerarbeit können wie folgt skizziert werden: Künstler verfügen über ein hohes Ausbildungsniveau, sie konzentrieren sich in Großstädten und Ballungszentren, die Anteile der Selbständigen, der Arbeitslosen und der Unterbeschäftigten (unfreiwillige Teilzeitarbeit und diskontinuierliche Arbeit) sind deutlich höher als bei den Erwerbstätigen insgesamt, sie verfügen über ein geringeres Einkommen als Berufsgruppen mit ähnlichem Qualifikationsniveau und sie sind häufig mehrfachbeschäftigt (Wassall und Alper 1992: 187, Throsby 1996b: 227, Towse 1996a, Menger 1999: 545). Auch wenn sich die institutionellen, sozialen und kulturellen Umgebungen zwischen den Ländern maßgeblich voneinander unterscheiden, so haben Beobachtungen über das Verhalten und die Verhältnisse von Künstlern zumindest in Teilen ihre Gültigkeit, insbesondere in einer internationalen Perspektive (Throsby 1996b: 226). Den Einstieg in Kapitel 4.1 bildet die Analyse der Arbeitsmärkte der Musiker, gefolgt von den darstellenden Künstlern. Das Kapitel schließt mit der Beschreibung der Arbeitsmärkte der selbständigen bildenden Künstler ab.28 In diesen Kapiteln werden erste Hinweise auf die wirtschaftliche und soziale Situation der jeweiligen Berufsgruppe gegeben. In Kapitel 4.2 werden die spezifischen Strukturmerkmale von Künstlerarbeit auf der Basis der amtlichen Statistik analysiert und diskutiert. Dabei stehen zunächst die Dynamiken und die Veränderungen des Arbeitsangebotes im Fokus der Betrachtung. Ein zusätzlicher zentraler Stellenwert in diesem Abschnitt wird den außergewöhnlichen Qualifikations- und Bildungsstrukturen bei Künstlern sowie deren besonderen Erwerbsformen und beruflicher Stellung im Beruf beigemessen. In einem weiteren Schritt erfolgen die Untersuchung der Erwerbsbeteiligung von Frauen sowie die Diskussion von Erwerbsmustern ausgewählter Berufsgruppen. Die Altersstruktur sowie die Arbeitszeitmuster der erwerbstätigen Künstler im Vergleich zu den übrigen Erwerbstätigen werden ebenfalls skizziert. Das Kapitel Strukturmerkmale schließt mit der Beantwortung der Frage Selbständig oder abhängig beschäf28
Der Fokus der Analyse in dieser Berufsgruppe liegt auf der Gruppe der Selbständigen, da die geringe Anzahl der abhängigen Beschäftigungsverhältnisse in diesem Segment quantitativ zu vernachlässigen ist.
62
Strukturmerkmale und Risiken
tigt? Hier soll anhand einer logistischen Regression beantwortet werden, welche Faktoren eine entscheidende Rolle für die Erwerbsform spielen. Der dritte Teil des Kapitels (4.3) wendet sich den spezifischen Risiken auf den Künstlerarbeitsmärkten zu. Die Einkommenssituation der verschiedenen Künstlergruppen wird differenziert nach ihrem jeweiligen Erwerbsstatus anhand unterschiedlicher statistischer Quellen diskutiert. Da eine große Gruppe von Künstlern mit dem Risiko der Erwerbslosigkeit konfrontiert ist, wird das Ausmaß dieses Phänomens für die einzelnen Berufsgruppen aufgezeigt. Die Untersuchung der Nacherwerbsphase und das damit oft verbundene Risiko der Altersarmut, insbesondere für die Berufsgruppe der selbständigen Künstler, schließt das Kapitel ab. Die Betrachtung der Altersbezüge in diesen Berufsgruppen wird anhand einer Analyse eines gepoolten Datensatzes der Rentenzugänge 20002004 durchgeführt. Hier werden die Personen betrachtet, die kurz vor Beendigung ihres Erwerbslebens einer künstlerischen Tätigkeit nachgingen. 4.1 Arbeitsmärkte von Künstlern Es gibt eine Vielfalt von Erwerbsformen und Beschäftigungsverhältnissen auf den Künstlerarbeitsmärkten. Eine Differenzierung nach unterschiedlichen Berufsgruppen reduziert diese Komplexität. Jedoch zeigen sich selbst innerhalb spezifischer Berufsgruppen erhebliche Differenzen bezüglich der Funktionsweise und Mechanismen einzelner Arbeitsmärkte. In den nachfolgenden Abschnitten werden die Spezifika der unterschiedlichen künstlerischen Arbeitsmärkte skizziert und dabei wird auf die besonderen sozialen und wirtschaftlichen Problemlagen in den jeweiligen Erwerbsgruppen hingewiesen. Diese Abschnitte basieren auf Literaturanalysen und statistischen Auswertungen. Sie werden durch die Ergebnisse der qualitativen Feldforschung angereichert. 4.1.1 Die Arbeitsmärkte der Musiker Der Musikerarbeitsmarkt ist bezüglich der Erwerbsformen und sozialen Ausgestaltungen der heterogenste unter den Künstlerarbeitsmärkten. Deutschland verfügt über eine große Vielfalt an Kulturorchestern, Musiktheater- und Konzertensembles, aber auch innerhalb der freien Szene unterschiedlicher Genres. So nehmen Pop, Rock, Jazz, Schlager, volkstümliche Musik, Blasmusik, Chanson,
Strukturmerkmale und Risiken
63
HipHop, Rap, Techno und Dance einen zentralen Platz in der Musikwelt ein (Wicke 2006: 83). Durch Sparmaßnahmen der öffentlichen Kulturhaushalte geht die Zahl der Beschäftigten im künstlerischen Sektor in dieser Sparte der Kunst seit 1991 kontinuierlich zurück (Gembris und Langner 2005: 16). So sind beispielsweise die Opernhäuser dazu übergegangen, den Solisten im 13. Vertragsjahr zum 15. Vertragsjahr zu kündigen, um den Status der Unkündbarkeit zu umgehen. Da die kritische Altersgrenze im ohnehin überlaufenen Sopranfach bereits bei 30 bis 32 Jahren liegt, sind hoch qualifizierte ältere Sängerinnen trotz ihres Qualifikationsniveaus häufig nicht mehr vermittelbar. Bei den Männerstimmen liegen die Altersgrenzen mit bis zu 42 Jahren weit darüber (Gembris 2000: 64). Die Arbeitsmarktsituation für die Opernchoristen hat sich seit 1991 verschlechtert. Zwar klagt man in den Opernchören über gravierenden Nachwuchsmangel, gleichzeitig finden aber nur etwa 10 Prozent der Hochschulabsolventen dauerhaft einen Arbeitsplatz als Berufssänger. Somit bleiben in den Opernchören jährlich fortlaufend etwa 80 bis 100 Stellen unbesetzt (Mertens 2002b). Die zukünftigen Rahmenbedingungen des Arbeitsmarktes sind nur schwer einzuschätzen. Der Interviewpartner der Vereinigung deutscher Opernchöre (VdO) schätzt trotz der Einsparungen im kulturellen Bereich und der Zunahme von befristeten Beschäftigungsverhältnissen die Arbeitsmarktsituation für Chorsänger als relativ gut ein. Es gäbe in Europa für Musiker mit guter Qualifikation genügend Arbeitsplätze, eine Voraussetzung sei allerdings hohe Mobilität. An einigen Stellen bestehe sogar Fachkräftemangel. Eine Vielzahl an Stellen bliebe unbesetzt. Ein anderes Bild dagegen zeige sich bei den Tänzern: Die Beschäftigungsverhältnisse sind durch eine hohe Fluktuation gekennzeichnet. Die Tänzer wechseln alle nach ein bis zwei Jahren die Spielstätten. Ab dem 35. Lebensjahr können Bühnentänzer kaum noch eingesetzt werden. Diese Berufsgruppe muss sich somit früh ihre spätere Existenz durch eine Erwerbstätigkeit in anderen Bereichen sichern. Insbesondere Berufsanfänger sind von den sich wandelnden Arbeitsbedingungen auf den Musikerarbeitsmärkten betroffen. Deshalb arbeiten viele Studienabgänger heute in Berufen, die nicht ihren originären Ausbildungen entsprechen. Viele sind auf eine Kombination verschiedener Tätigkeiten angewiesen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können (Pfeffer 2006: 34-35). Während öffentlich geförderte Kultureinrichtungen durch einen kontinuierlichen Arbeitsplatzabbau gekennzeichnet sind, ist in anderen Bereichen, wie beispielsweise bei freien Ensembles, Rock- und Popularmusik sowie Musik im Internet eine Expansion zu beobachten. Die kulturpolitischen und musikkulturellen Ver-
64
Strukturmerkmale und Risiken
änderungen führten insbesondere seit 1991 zu starken Bewegungen innerhalb des Arbeitsmarktes für Musiker und Sänger (Gembris und Langner 2005: 15). Für die große Gruppe der Rock- und Popmusiker zieht der spontane Erfolg ihrer Musik zusätzliche Engagements nach sich. Allerdings ist der Großteil der Musiker in dieser Berufsgruppe auf Dauer nicht erfolgreich, so dass diese Gruppe in der Regel auf Fördermaßnahmen angewiesen ist. Zu den spezifischen Maßnahmen zählen die Organisation von Auftritten, eine Verbesserung der musikalischen Infrastruktur sowie die kostengünstige Bereitstellung von Proberäumen. Aber auch direkte finanzielle Unterstützung und Weiterbildungsmaßnahmen wären wünschenswert. Von zentraler Bedeutung für die Sicherung der Existenz der Rock- und Popmusik ist letztendlich die Akzeptanz der Popularmusik als Teil der Musikkultur. So gibt es bislang noch keine strukturierten und ausreichenden Curricula im schulischen sowie universitären Bereich für die Gebiete der Rock- und Popmusik (Hay 2003: 588 ff).29 Der überwiegende Teil in der Gruppe der Rock- und Popmusiker arbeitet in Selbständigkeit. Abhängige Beschäftigungsverhältnisse kennen diese Arbeitsmärkte nicht, die soziale Absicherung läuft in der Regel über eine Pflichtversicherung bei der Künstlersozialkasse.30 Der Interviewpartner des Deutschen Rock & Pop Musikerverbandes bezeichnet die wirtschaftliche und soziale Situation als wechselhaft. Seiner Einschätzung folgend, können nur etwa 10 Prozent der Musiker von ihrer Musik leben, 30 Prozent bessern ihre Einkünfte durch Nebenjobs auf, 50 Prozent der Rock- und Popmusiker gehen einem anderen Hauptberuf nach, der dann die Musik zur Nebentätigkeit werden lässt. Weitere 10 Prozent der Musiker leben vom Existenzminimum (ALG II). Diese charakterisiert der Interviewpartner des DRMV als Musikliebhaber. Der Interviewpartner von ver.di schätzt die Entwicklung der Arbeitsmarktsituation von Musikern in den letzten Jahren eher pessimistisch ein. Durch die zunehmende Privatisierung und Ausgliederung drängen die Lehrkräfte der Musikschulen auf den freien Markt und werden für die gleiche Tätigkeit mit schlechterer Bezahlung engagiert. Etwa fünf Prozent in dieser Berufsgruppe können von ihrer Arbeit leben. Aufgrund der Heterogenität des Musikerarbeitsmarktes, dessen Gesamtanalyse im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht geleistet werden kann, liegt der weitere Fokus dieses Abschnittes auf der Darstellung des Beschäftigungssystems Orchester. Festzuhalten ist hierbei, dass es unter den Künstlerarbeitsmärkten
29
30
Ausnahmen bilden die Studiengänge Popularmusik an den Hochschulen für Musik und Theater in Hamburg, Köln, Hannover und Stuttgart (Stand 2006). Die Funktionsweise und Bedeutung der Künstlersozialkasse wird in Kapitel 5.1 erläutert.
Strukturmerkmale und Risiken
65
eine Sonderstellung einnimmt und keinesfalls repräsentativen Charakter für andere Erwerbsgruppen im Musikbereich hat. Die deutsche Orchesterlandschaft ist vielfältig. Sie besteht aus vielen Laiengruppen, halbprofessionellen Orchestergruppen und professionellen Orchestern (Hummel 1989: 103). Das deutsche Orchestersystem der Kulturorchester basiert auf vier Säulen: Die 82 Theaterorchester bedienen überwiegend die Sparten Oper, Operette, Musical in den Stadt- und Staatstheatern. Die zweite Säule besteht aus 32 Konzertorchestern, die überwiegend oder ausschließlich im Konzertsaal spielen. An dritter Stelle folgen die sieben Kammerorchester, die in der Regel ohne eigene Bläserbesetzung als reine Streichorchester arbeiten. Die Rundfunkklangkörper der ARD-Anstalten und der Rundfunkorchester bilden die vierte Säule der deutschen Orchesterlandschaft.31 Die hohe Dichte an Symphonieorchestern in Deutschland ist weltweit einzigartig. In der Regel sind die Orchestermitglieder als Angestellte beschäftigt, Beamte gibt es nur noch vereinzelt, da Verbeamtungen seit einigen Jahren nicht mehr stattfinden. Die Finanzierung der Kulturorchester erfolgt überwiegend über die öffentliche Hand. Die Einspielergebnisse sowie Eigeneinnahmen differieren regional stark, sie liegen im Durchschnitt bei etwa 16,4 Prozent des Gesamtetats (Mertens 2002a: 3). Die Beschäftigungsverhältnisse auf dem Orchesterarbeitsmarkt sind noch mehrheitlich durch ein hohes Ausmaß an Beschäftigungssicherheit mit hoher Entlohnung gekennzeichnet. Doch auch der Orchesterarbeitsmarkt in Deutschland unterliegt einem Wandel. Da ähnlich dem Theaterarbeitsmarkt dieser Bereich sehr personalintensiv ist, betragen die Personalkosten etwa 90 Prozent der Gesamtkosten. Die Kürzungen in den öffentlichen Haushalten treffen personalintensive Bereiche, in denen nur eingeschränkte Möglichkeiten der Kosteneinsparungen bestehen, besonders intensiv. Gleichzeitig steht einem immer größeren Angebot an Hochschulabsolventen eine zunehmend geringere Anzahl vakanter Stellen in den Kulturorchestern gegenüber. So nimmt auch die Anzahl der Freelancer im Orchestermusikerbereich in den letzten Jahren kontinuierlich zu. Diese bieten sich für unterschiedliche Projekte an, die oft von Künstlern aus verschiedenen künstlerischen Fachbereichen durchgeführt werden und die bei31
Als Beispiele können hier genannt werden: 1. Säule: Opernhäuser in Berlin, Hamburg, Stuttgart, München, aber auch Lüneburg, Annaberg oder Hildesheim. Die Spitzenposition in der zweiten Säule nehmen die Berliner Philharmoniker ein, gefolgt von den Münchner Philharmonikern sowie der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Das Stuttgarter Kammerorchester, das Württembergische Kammerorchester Heilbronn sowie das Münchner Kammerorchester gehören zu der Gruppe der Kammerorchester (Mertens 2005a: 1). Die Rundfunkklangkörper bilden mit 14 Rundfunk- und Rundfunksinfonieorchestern sowie vier Bigbands und sieben Rundfunkchören die vierte Säule.
66
Strukturmerkmale und Risiken
spielsweise eine Kombination von Musik und Sprache oder Musik und Literatur verlangen können (Schubert-Riese 2003: 12). Der Interviewpartner der Deutschen Orchestervereinigung (DOV) wies darauf hin, dass sich die wirtschaftliche und soziale Situation auch für die Orchestermusiker in den letzten Jahren verschlechtert habe. Dies liege insbesondere an der radikalen Verkleinerung, Schließung oder Fusionierung vieler Spielstätten bei gleichzeitiger Zunahme des Arbeitsangebotes. Bei Neueinstellungen gebe es kaum mehr unbefristete Arbeitverträge. Dennoch bewertete er die soziale Absicherung für die Mehrheit der Orchestermitglieder als gut. Die Beschäftigungsverhältnisse von Musikern in deutschen Kulturorchestern sowie anderen Beschäftigten im Bereich der Musiktheater sind in einem besonderen Ausmaß von dem Wandel der Arbeitswelt im kulturellen Bereich betroffen. Zwar befindet sich noch ein hoher Anteil von Orchestermusikern in einem Normalarbeitsverhältnis32, die Anzahl der befristet beschäftigten Mitarbeiter nimmt aufgrund der Personaleinsparungen kontinuierlich zu. Diese Künstler ersetzen nur mit Stückverträgen beziehungsweise Teilspielverträgen das ehemals größere Ensemble (Deutscher Bundestag 2005: 531). Während die Anzahl der Studierenden im Fach Instrumental-/Orchestermusik seit 1992/93 kontinuierlich ansteigt, wurde die Zahl der ausgewiesenen Musikerplanstellen in Deutschland seit 1992 um 15 Prozent von 12.159 auf 10.445 Stellen im Jahr 2002 reduziert. Die überwiegende Last der Sparmaßnahmen tragen dabei die neuen Bundesländer, da dort etwa 1.400 Stellen abgebaut wurden, während die Stellenreduzierung in den alten Bundesländern nur mit etwa 320 Stellen zu beziffern ist. Gleichzeitig wurden in Gesamtdeutschland in diesem Zeitraum die öffentlich subventionierten Konzert-, Opern-, Kammerund Rundfunkorchester von 168 auf 139 Orchester zu Beginn des Jahres 2002 reduziert (Gembris und Langner 2005). Aufgrund des allgemeinen Trends zum Stellenabbau im Orchesterbereich finden nur wenige Musiker eine neue Orchesterstelle. Im Orchesterbereich gibt es eine ungeschriebene Altersgrenze von 35 Jahren, ab derer sich die Erfolgsaussichten hinsichtlich der Stellensuche erheblich reduzieren. So werden Musiker über 35 Jahren von den Orchestern in der Regel nicht mehr zu Probespielen eingeladen (Mertens 2005b: 18f). Dies ist im Wesentlichen auf zwei Ursachen zurückzuführen: Die Vergütung der Musiker orientiert sich an den Orchestererfahrungen, gleichzeitig ist der Andrang von Hochschulabsolventen aus dem Inund Ausland in die Orchester ungebrochen, wobei die Zahl der Studierenden im Fach Instrumental-/Orchestermusik in dem Zeitraum zwischen 1993 und 2003 um 25 Prozent auf über 8.400 Studierende zugenommen hat. Im selben Zeitraum 32
d.h. in Vollzeit und unbefristet
67
Strukturmerkmale und Risiken
schlossen über 13.000 Musikerinnen und Musiker ihr Studium ab. Das Arbeitskräfteangebot übersteigt bei weitem das Angebot an freien Stellen in den Orchestern (Mertens 2005b: 19). Nach einer Erhebung der Deutschen Orchestervereinigung wurden in den Jahren von 1998 bis 2002 altersbedingt nur etwa 850 Stellen frei – die Tendenz der Rentenzugänge ist in diesen Bereichen rückläufig. Zu Beginn des Jahres 2002 arbeiteten 9.972 Musiker im aktiven Dienst der sinfonischen Kulturorchester (Paternoga 2005a: 107). Nach den Erfahrungen des Künstlerdienstes Düsseldorf der Bundesagentur für Arbeit bewerben sich gegenwärtig zwischen 200 und 300 Musiker um eine feste Orchesterstelle in einem der großen Orchester (Gembris und Langner 2005: 18, Mertens 2005b: 18). Die kleinen regionalen Orchester haben dagegen aufgrund ihrer schlechteren Verdienstmöglichkeiten oft sogar Schwierigkeiten, kompetente Kräfte zu rekrutieren. Die deutschen Orchester sind nach ihrer Besetzung und Planstellenzahl in die Vergütungsgruppen A bis D eingeteilt (§ 22 (Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern; TVK). Die Vergütungsgruppen sind wie folgt geregelt: Tabelle 6: Vergütungsgruppen im TVK Anzahl Planstellen Bis 56 56 bis 65 66 bis 77 78 bis 98 99 bis 129 Ab 130
Vergütungsgruppe D C B B* A A*
* Bei einer bestimmten, im TVK festgelegten Orchesterzusammensetzung wird eine Zulage gezahlt, die über eine Fußnote geregelt ist. Quelle: § 22 (TVK)
Maßgeblich für die Eingruppierung sind die im Haushalts- und Stellenplan ausgewiesenen Planstellen, nicht die tatsächliche personelle Besetzung der Orchester.33 Führt die im Vergleich zu anderen Künstlergruppen hohe Entlohnung und Beschäftigungssicherheit auch zu einer entsprechend hohen Arbeitsplatzzufriedenheit? 33
Diese Eingruppierung liegt der Überlegung zugrunde, dass sich in der Planstellenzahl das Leistungsvermögen der Kulturorchester ausdrückt. Hierzu ist eine zahlenmäßige Festlegung der Planstellen und des Verhältnisses der Instrumente zueinander notwendig, damit das Orchester regelmäßig ohne zusätzliche Aushilfen partiturgerecht spielen kann (Protokollnotiz zu den Absätzen 1 bis 8 TVK).
68
Strukturmerkmale und Risiken
Ergebnisse einer empirischen Untersuchung von Orchestermusikern in drei AOrchestern deuten auf Unzufriedenheit unter den Orchestermitgliedern aufgrund mangelnder Mitgestaltungsmöglichkeiten im Arbeitsalltag hin, wogegen die Mehrheit der Befragten allerdings die geringen Aufstiegsmöglichkeiten in deutschen Kulturorchestern als unproblematisch betrachtet (Olbertz 2004: 12). In US-amerikanischen Kulturorchestern dagegen gibt es zwar kaum interne Karrieren, ein Aufstieg kann aber über den Wechsel in ein anderes, weniger renommiertes Orchester erfolgen. Allerdings wird von Musikern in amerikanischen Orchestern von Beginn an ein gewisses Maß an Mobilitätsbereitschaft erwartet. In einer Orchestermusikerkarriere gibt es einen so genannten idealen Zeitpunkt eines Orchesterwechsels. Wird dieser nicht wahrgenommen, so verschlechtern sich die zukünftigen Karrieremöglichkeiten um ein Vielfaches (Faulkner 1973: 341). Im nächsten Schritt werden die Arbeitsmärkte für die darstellenden Künstler skizziert. 4.1.2 Die Arbeitsmärkte der darstellenden Künstler Die deutsche Theaterlandschaft ist durch zwei Säulen geprägt: Auf der einen Seite gibt es die Theater in öffentlicher Trägerschaft, die durch öffentliche Gelder finanziert werden. Auf der anderen Seite existieren Theater in freier Trägerschaft, die nach über 30 Jahren ihres Bestehen eine zentrale Säule in der künstlerischen und kulturellen Leistungsfähigkeit der deutschen Theaterlandschaft darstellen (Haß 2006). Ursprünglich stellten die freien Theater eine ästhetische und inhaltliche Alternative zu den festen Bühnen dar. Doch seit Beginn der achtziger Jahre beeinflussen sich die etablierten Häuser und die freie Szene gegenseitig, inhaltlich werden die Grenzen immer fließender. Jedoch unterscheiden sich strukturell die beiden Welten maßgeblich voneinander: Während die freien Theater von Projekt zu Projekt planen, arbeiten die Künstler unabhängig von sozialer Sicherheit. Die Gelder fließen nahezu ausschließlich in die künstlerische Arbeit. Die etablierten großen Häuser dagegen investieren einen Großteil der Gelder in die Erhaltung des Betriebes, so dass sich die finanziellen Kürzungen der öffentlichen Gelder unmittelbar auf die wirtschaftliche und soziale Situation der angestellten Künstler auswirken (Wanka 2007: 24-25). Der Interviewpartner aus dem BUFT machte folgende Angaben zur sozialen Situation der freien Theaterschaffenden: Die freien Theater beziehen kaum staatliche Fördermittel. Freie Theater erhalten anteilig an der Förderung der
Strukturmerkmale und Risiken
69
Stadt- und Staatstheater in Baden-Württemberg Landesmittel in Höhe von nur 0,29 Prozent (Stand 2006), obwohl die Anzahl der Zuschauer in den freien Theatern den Zuschauerzahlen in öffentlich geförderten Institutionen in etwa entsprechen. Freie Theaterschaffende sind gezwungen, ihr Einkommen durch Nebentätigkeiten aufzubessern. Insbesondere bei Tänzern ist die soziale Lage problematisch, diese Berufsgruppe wird bei finanziellen Engpässen in der Regel als erste aus dem Theaterbetrieb ausgegliedert. Deshalb strömen viele Tänzerinnen aus dem Drei-Sparten-Bereich auf den Arbeitsmarkt, was zu einem Überangebot von darstellenden Künstlern dieser Sparte führt. In dem Bereich gibt es keine abhängigen Beschäftigungsverhältnisse und somit im Fall von Arbeitslosigkeit auch keine Ansprüche auf Arbeitslosengeld I (ALG I). Die Arbeitgeber für darstellende Künstler sind private Theaterensembles, Theater- und Konzertveranstalter, die Theater- und Opernhäuser und eine Vielzahl an Kleinunternehmen im Wirtschaftszweig Varieté und Kleinkunst (Bolwin 2003). In Deutschland sind dabei drei Theaterbetriebsformen zu unterscheiden: Mehrspartentheater, Einsparten-Schauspieltheater und Einsparten-Musiktheater. Die überwiegende Anzahl dieser Stadttheater sind so genannte Dreispartenhäuser, sie vereinigen sowohl Musik-, Sprech- als auch Tanztheater unter einem Dach. Die meisten heutigen Stadttheater waren zunächst Privattheater, die im 18. und 19. Jahrhundert durch private Initiative, oft durch feudale Mäzene entstanden. So gab es in Deutschland im Jahr 1917 nur 16 Stadttheater in kommunaler Verwaltung, während die Anzahl der Privattheater bei über 360 lag. Die Umwandlung der privaten Theater in öffentlich getragene Stadttheater erfolgte in großem Ausmaß während der Weimarer Republik (Jacobshagen 2005: 2). Im Theaterbereich hat sich, gestützt durch Tarifvereinbarungen, ein System etabliert, das ein hohes Ausmaß an Flexibilität von den Beschäftigten verlangt. Die Künstler stehen vor der Herausforderung, ihre Beschäftigungsfähigkeit dauerhaft zu erhalten. Schauspielern, Sängern und Tänzern bietet sich die Möglichkeit, von der ‚Live-Arbeit’ zur Darstellung am Bildschirm oder den elektronischen Medien zu wechseln. Aufgrund der größeren Publikumsreichweite dieser Medien verdienen die Künstler mehr als im Sprech-, Musik- und Tanztheater oder in der Oper (Baumol und Bowen 1966: 163ff). Im Arbeitsmarkt hat sich eine Doppelstruktur herausgebildet: Eine Gruppe von Künstlern arbeitet überwiegend im Live-Segment, während die andere vorzugsweise für den Medienbereich tätig ist (Throsby 1996b: 234). Throsby hat für diese beiden Gruppen von Künstlern spezifische Charakteristiken herausgearbeitet. So ist die Gruppe der Medienkünstler tendenziell schlechter ausgebildet und unternimmt geringere Weiterbildungsanstrengungen als ihre KollegInnen im Live-Bereich. Somit bleibt den Medienkünstlern mehr Zeit für ihre originären künstlerischen Tätig-
70
Strukturmerkmale und Risiken
keiten, in denen sie, wie bereits erwähnt, auch höhere Einkommen beziehen als die Live Künstler (Throsby 1996b: 235, vgl. auch Caves 2000: 259). Das Fundament der öffentlich getragenen Theater in Deutschland bildet das Ensemble- und Repertoiresystem. Das Theater besteht personell aus stabiler Kernbelegschaft, dem so genannten Ensemble, und freien Mitarbeitern. Ein Ensemble entsteht durch Kontinuität, die Stärken und Schwächen der Ensemblemitglieder sind aufeinander abgestimmt. Diese Kontinuität gibt dem Theater seine Identität und Unverwechselbarkeit für den Zuschauer (von Düffel 2004). Da die Anzahl der erfolgreichen zeitgenössischen Werke im Musiktheater im Vergleich zum Repertoire der Sprechtheater deutlich geringer ist, weist das der Musiktheater eine weitaus höhere Stabilität auf (Jacobshagen 2005: 5-8). Aufgrund der finanziellen Kürzungen vor allem im öffentlichen Bereich werden auch die Ensembles immer kleiner und die Rollen über Stückverträge mit Gästen besetzt (Nellissen 2005: 181). Theater sind personalintensiv, die Personalkosten belaufen sich auf zwischen 75 bis 85 Prozent des gesamten Theaterbudgets (Bolwin 2003, Jacobshagen 2005: 2). Beim Musiktheater handelt es sich um die kostenintensivste Sparte unter den Theatergattungen (Jacobshagen 2005). Das Theater und seine Reputation werden dabei maßgeblich durch den Intendanten bestimmt. Personell setzt sich die Belegschaft eines deutschen Theaters nur zu einem geringen Anteil aus Künstlern zusammen. Den großen Anteil von etwa 90 Prozent des ständig beschäftigten Personals bilden die Techniker, Handwerker und das Verwaltungspersonal (Wüllenweber und Reeg 2006: 118). In der Spielzeit 2003/2004 stehen an deutschen Theatern etwa 18.000 ständig beschäftigte Künstler etwa 21.500 beschäftigten Handwerkern, Technikern sowie Verwaltungsangestellten gegenüber. Die finanzielle Krise der öffentlichen Hand in Deutschland hat erhebliche Auswirkungen auf die Zuschüsse im Kultursektor. Sowohl große und kleine öffentlich getragene Bühnen als auch freie Gruppen und Theaterinitiativen sind von den Kürzungen im öffentlichen Bereich betroffen. Dies schlägt sich auch in erheblichen Kürzungen im personellen Bereich, überwiegend im künstlerischen, aber auch im technischen Bereich nieder. In den öffentlich getragenen Theaterbetrieben wurden von 1995 bis 2001 von etwa 45.000 Arbeitsplätzen etwa 6.000 abgebaut. Da das technische Personal sowie die Orchestermusiker aufgrund von tarifvertraglichen Regelungen nahezu unkündbar sind, finden die Personaleinsparungen überwiegend beim künstlerischen Personal statt (Wüllenweber und Reeg 2006: 121).
Strukturmerkmale und Risiken
71
In Deutschland gab es im Jahr 2002 etwa 32.000 erwerbstätige darstellende Künstler.34 Bei den Beschäftigungsformen zeigt sich eine Doppelstruktur unter den darstellenden Künstlern. Etwa 42 Prozent in dieser Berufsgruppe waren im Jahr 2000 selbständig tätig, während etwa 53 Prozent einer abhängigen Beschäftigung nachgingen.35 Von den Angestellten verfügten etwa 60 Prozent über einen befristeten Arbeitsvertrag, die anderen 40 Prozent waren unbefristet angestellt. Die Anteile der Frauen in dieser Berufsgruppe liegen bei etwa 40 Prozent. Die Beschäftigungsmöglichkeiten für darstellende Künstlerinnen und Künstler liegen im Wesentlichen im Bereich der Schauspielbühnen, der Musiktheater, des Film-/Fernsehbereichs sowie im Segment der Unterhaltung und Werbung. Nach Aussage des Interviewpartners des Interessenverbandes deutscher Schauspieler (IDS) haben sich die Arbeitsmarktsituation sowie die soziale Sicherung für die freien Schauspieler in der Vergangenheit verschlechtert. Die Schauspieler bessern ihr Einkommen durch die Ausübung mehrerer Tätigkeiten auf. In diesem Interview wurde darauf hingewiesen, dass die Schauspieler hinsichtlich ihrer Rechte Defizite aufweisen. Sie hätten arbeitsrechtlich einen schwachen Status, da es für ihre Berufsgruppe keine Tarifverträge oder eine ähnliche Absicherung gäbe. Die wirtschaftliche und soziale Situation der Bühnenschauspieler und freischaffenden Schauspieler ist sehr unterschiedlich. Während Bühnenschauspieler im Fall von Arbeitslosigkeit Anspruch auf Arbeitslosengeld I (ALG I) haben, können die freischaffenden Schauspieler diese Voraussetzungen aufgrund der zweijährigen Rahmenfristen36 in der Regel nicht erfüllen. Die Interviewpartner der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger (GDBA) wiesen darauf hin, dass sich die wirtschaftliche und soziale Situation der deutschen Bühnenkünstler in den letzten Jahren verschlechtert habe, da eine Vielzahl an Beschäftigungsverhältnissen nicht verlängert und die Beschäftigten damit in die Selbständigkeit gedrängt wurden. Dies beinhalte mehrere soziale Risiken für die Künstler gleichzeitig. Zum einen hätten diese, je nach Auftragslage, nur schwankende Einkommen, zum anderen erlösche die Mitgliedschaft, somit auch die Beitragszahlungen in der Bayerischen Versorgungskammer37, 34
35
36
37
Die nachfolgenden Ausführungen basieren auf empirischen Ergebnissen des Mikrozensus 2003 (eigene Berechnungen). Vgl. auch Tabelle 7, S. 74: Entwicklung der Erwerbstätigkeit in Deutschland in ausgewählten Künstlerberufen in den Jahren 1978, 1987, 1995 und 2000. Eine detaillierte Analyse über die Bedeutung der verkürzten Rahmenfristen für die darstellenden Künstler erfolgt in Kapitel 5.2. Die Bayerische Versorgungskammer ist eine berufsständische Versorgungseinrichtung, die neben den kammerfähigen freien Berufen auch die Versorgungseinrichtungen für Beschäftigte an deutschen Theatern (Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen) und für Kulturorchestermusiker (Versorgungsanstalt der deutschen Kulturorchester) verwaltet. Diese ergänzen die Leistungen der
72
Strukturmerkmale und Risiken
was zu einer Reduzierung der Rentenanwartschaften führt. Gleichzeitig verzeichnet die Künstlersozialkasse einen Zustrom von darstellenden Künstlern, da diese als Selbständige der Pflichtversicherung nach KSVG unterliegen. Die Verkürzung der Rahmenfristen für den Bezug von Arbeitslosengeld I trifft in einem besonderen Ausmaß die Beschäftigten in dieser Berufsgruppe mit kurzfristigen Arbeitsverhältnissen. Wichtig und entscheidend für den Erfolg in diesen Berufsgruppen sei die künstlerische Leistung, so die Interviewpartner. Auch der Interviewpartner von ver.di der Fachgruppe darstellende Kunst beurteilt die Lage der darstellenden Künstler als sehr schwierig. So habe sich die Situation der festen Ensembles dramatisch zugespitzt. Wegen der finanziellen Kürzungen wurde fest angestelltes künstlerisches Personal durch freie Mitarbeiter ersetzt, viele Ensemblebetriebe mussten schließen. So gingen in den letzten 20 Jahren etwa 20 Prozent der Arbeitsplätze verloren. Das große Arbeitsangebot führte zur Reduzierung der Löhne von selbständigen Künstlern bis zu 30 Prozent. Allerdings sind die Künstler im Musicalbereich besser abgesichert als an öffentlichen Theatern. Aber auch in diesem Segment haben viele Künstler Schwierigkeiten, die geforderten Beschäftigungszeiten innerhalb der Rahmenfristen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld I (ALG I) zu erfüllen. 4.1.3 Die Arbeitsmärkte der bildenden Künstler Bereits Fohrbeck und Wiesand (1974) wiesen im Künstler-Report darauf hin, dass es sich bei den Kulturberufen um komplexe Berufsbilder handelt. Der überwiegende Teil der Künstler verfüge über ein mehr oder weniger breites Spektrum verschiedener künstlerischer Grundqualifikationen. Demnach betätigen sich viele Maler beispielsweise im Bereich der Objektkunst oder unterrichten als Kunsterzieher. Andere arbeiten als Grafik-Designer (Fohrbeck und Wiesand 1974: 84). Die Karriere von bildenden Künstlern verläuft oft unsteter und unberechenbarer als die Erwerbsverläufe anderer Künstlergruppen. Dies ist auf die mangelnde Kontinuität in dieser Profession zurückzuführen, die auch durch radikale kurzfristige Veränderungen in der Karriere gekennzeichnet sein kann. Ein einzelnes unerwartetes Ereignis führt möglicherweise zu einer Vielzahl von beruflichen Chancen für die bildenden Künstler.
gesetzlichen Rentenversicherung auf den Gebieten der Alters-, Berufsunfähigkeits- beziehungsweise Hinterbliebenenversorgung (Bayerische Versorgungskammer 2006).
Strukturmerkmale und Risiken
73
Hierbei kann es sich beispielsweise um den Ankauf von Bildern durch einen bekannten Kunstsammler oder das Angebot von Ausstellungsmöglichkeiten durch einen Galeristen handeln. Die Künstler sind dabei häufig gezwungen, diese Möglichkeiten auszuschöpfen, so dass bildende Künstler eher eine Karrierematrix als einen Karrierepfad verfolgen (Honey et al. 1997: 101). Obwohl die Begabung ein entscheidender Faktor für den Erfolg in dieser Berufsgruppe darstellt und es in der Regel auch keine an Zertifikate gebundenen Zugangsbarrieren gibt, verfügt der überwiegende Teil der bildenden Künstler über einen Hochschulabschluss (Stange 2000: 25). Viele bildende Künstler leben im wirtschaftlichen Existenzminimum (Mundelius 2006: 324). Die Berufsgruppe der Musiker bildet zusammen mit den bildenden Künstlern in der Statistik der Künstlersozialkasse den unteren Rand in der Einkommensverteilung. Die Interviewpartnerin des Bundesverbandes Bildender Künstlerinnen und Künstler e.V. (BBK) wies darauf hin, dass sich die wirtschaftliche Situation der bildenden Künstler in den letzten Jahren verschlechtert habe. Durch die wirtschaftliche Rezession sei der Markt kleiner geworden, Kunst und Kunstankäufe würden als Luxus betrachtet, der eingespart werden könnte. Einer Umfrage des DIW aus dem Jahr 2005 zufolge haben sich die Verkäufe und Ausstellungsmöglichkeiten der bildenden Künstler in Berlin den letzten vier Jahren dagegen verbessert (Mundelius 2006). Durch die Streichung der 2-Prozent-Regelung Kunst-am-Bau habe sich die wirtschaftliche Situation für bildende Künstler zusätzlich verschärft. Während die gegenwärtige Regelung der Richtlinien für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes (RBBau) vorsieht, dass die Ausgaben für Leistungen bildender Künstler im angemessenen Verhältnis zu den Kosten des Bauwerks stehen müssen, sah die vorangegangene Richtlinie eine 2-Prozent-Obergrenze vor (Deutscher Bundestag Drucksache 15/2275 (neu) 2003: 21). Nach Aussage der Interviewpartnerin des BBK verschärft sich die ohnehin schwierige Situation der bildenden Künstler dadurch, dass Künstler nicht mit Geld umgehen können. Sie wies darauf hin, dass die Künstler über weitere Einkünfte verfügen, die sie über Nebentätigkeiten erwirtschaften. Sie seien aber auch auf Kunstförderungspreise und Stipendien angewiesen. Der Haushaltskontext spiele darüber hinaus eine zentrale Rolle für diese Berufsgruppe. Laut einer BBK Umfrage bei bildenden Künstlerinnen und Künstlern im Jahr 2004 werden diese beim Aufbau einer eigenen Existenz mit Anteilen von über 75 Prozent durch die Familie oder Freunde unterstützt. Eine weitere elementare Rolle für die Existenzgründung spielen bei nahezu 30 Prozent der befragten bildenden Künstler öffentliche Förderprogramme. Aufträge und An-
74
Strukturmerkmale und Risiken
schaffungen der öffentlichen Hand sind immerhin für 20 Prozent der Befragten beim Aufbau der eigenen Existenz von zentraler Bedeutung. Finanziellen Beistand erhalten nahezu 20 Prozent der bildenden Künstler durch Kollegen, gefolgt von Künstlern, die durch Galerien unterstützt werden (Anteile etwa 18 Prozent; Hummel 2005). Von großer Relevanz für bildende Künstler ist die Verfügbarkeit eines gut ausgestatteten Ateliers. Um diese Arbeitsvoraussetzung zu realisieren, existieren diverse Förderprogramme, die das Ziel haben, bildende Künstler bei ihren Atelierkosten finanziell zu unterstützen (Helmer-Heichele 2006: 34). So konnten sich von 1993 bis 2004 bildende Künstler für das Berliner Atelierprogramm bewerben. Ausgewählte Künstler hatten dabei die Möglichkeit, für einen bestimmten Zeitraum subventionierte Ateliers und Atelierwohnungen zu nutzen. Das Verfahren erfolgte in freien Kooperationen zwischen der Stadt Berlin und den Eigentümern und Investoren (Mundelius 2006: 325). Einer aktuellen empirischen Untersuchung zufolge haben sich die durchschnittlichen Mieterhöhungen mit nahezu vier Prozent pro Jahr für die Ateliers in Deutschland zwischen 2001 und 2004 in Grenzen gehalten. Jedoch ist die zukünftige Finanzierung für etwa fünf Prozent der Befragten in Zukunft nicht mehr gewährleistet (Hummel 2005: 29). Stipendien und Preise spielen auf den Arbeitsmärkten der bildenden Künstler in mehrfacher Hinsicht eine entscheidende Rolle für den Karriereerfolg. Zum einen bilden diese ein anerkanntes Qualitätsmerkmal in einer Künstlervita und wirken sich somit reputationserhöhend aus, zum anderen verbessern sie unmittelbar jeweils die finanzielle Situation der Künstler. Dabei spielt die Wertigkeit der auslobenden Institution, der Jury und der Dotation eine zentrale Rolle für die Bewertung der Fördermaßnahme. Im nächsten Schritt werden die Strukturmerkmale von Künstlerarbeit ausführlich analysiert. 4.2 Strukturmerkmale Die künstlerischen Berufsgruppen unterscheiden sich grundlegend in der Funktionsweise ihrer Arbeitsmärkte sowie ihren Beschäftigungsverhältnissen. Eine systematische Unterscheidung zwischen darstellenden Künstlern und so genannten Kreativkünstlern ist bei diesen Berufsgruppen für die Präzisierung des Arbeitsmarktgeschehens sinnvoll. Dieser Unterscheidung wird in der Arbeit gefolgt, es wird damit eine berufsgruppenspezifische Betrachtung der Künstler vorgenommen. Darstellende Künstler wie beispielsweise Schauspieler, Tänzer
Strukturmerkmale und Risiken
75
oder Orchestermusiker befinden sich häufig in temporärer abhängiger Beschäftigung ohne Arbeitsplatzsicherheit. Die Kreativkünstler wie Maler, Schriftsteller oder Komponisten arbeiten in der Regel in Selbständigkeit (Wassall und Alper 1992: 17). Während zwar in der Theorie eine Differenzierung zwischen abhängiger und selbständiger Beschäftigung möglich ist, ist eine konkrete Zuordnung von Künstlern zu einem spezifischen Beschäftigungsstatus in der Empirie oft schwierig (Heikkinen und Karhunen 1997: 6). Im nächsten Absatz werden die Entwicklung der Erwerbstätigkeit und die Verteilung der Erwerbsformen der Künstlergruppen analysiert. 4.2.1 Dynamisches Wachstum und Erwerbsformen Auf den Künstlerarbeitsmärkten in Deutschland findet seit den siebziger Jahren ein stetiges Wachstum statt. Die Anzahl der erwerbstätigen Künstler in den klassischen Künsten stieg zwischen 1993 und 2002 in Deutschland um 35 Prozent (Haak und Schmid 1999).38 Die folgende Abbildung verdeutlicht die zunehmende quantitative Relevanz der erwerbstätigen Künstler gemessen an den Erwerbstätigen insgesamt.
38
Für Definitions- und Abgrenzungsfragen vgl. Kapitel 3.3 Methodische Hinweise
76
Strukturmerkmale und Risiken
Abbildung 1:
Anteile von Künstlern und zugeordneten Berufen an Erwerbstätigen insgesamt (Selbständige und abhängig Beschäftigte)39
1.2
Anteile in Prozent
1 0.8 0.6 0.4 0.2 0 1993
1995
1996
1997
Alle
1998
Frauen
1999
2000
2001
2002
Männer
Quelle: Mikrozensus, verschiedene Jahrgänge, eigene Berechnungen
Hier wird der kontinuierliche Anstieg der Anteile der erwerbstätigen Künstler deutlich. Der relative Anstieg ist dabei auf die Zunahme von erwerbstätigen Künstlern, nicht aber auf einen Rückgang der Erwerbstätigen insgesamt zurückzuführen. Außerdem ist dieses Wachstum zu qualifizieren: So ist es durch den starken Anstieg an selbständigen Künstlern zu erklären, es kann nicht allein auf eine gestiegene Nachfrage nach kulturellen Dienstleistungen zurückgeführt werden. Insgesamt ist dabei über eine Vielzahl von Berufsgruppen ein Trend zur Soloselbständigkeit zu beobachten. So arbeitete im Jahr 2004 mehr als die Hälfte aller Selbständigen ohne bezahlte Arbeitskräfte (Betzelt und Fachinger 2004: 321). Der Anstieg von Erwerbstätigen auf den Künstlerarbeitsmärkten führt zu einem schärferen Wettbewerb und zu größeren Ungleichheiten im Zugang in Beschäftigung. Das Angebot an künstlerischer Arbeit und kultureller Nachfrage differiert immer mehr, so dass eine Vielzahl von Künstlern unterbeschäftigt ist, 39
In der DDR lag der Anteil Erwerbstätiger im kulturellen und künstlerischen Bereich bei etwa einem Prozent. Die Anteile an Selbständigen betrug 11,7 Prozent (Stange 2000).
77
Strukturmerkmale und Risiken
Schwankungen zwischen Erwerbs- und Nichterwerbsphasen erlebt und ihr Einkommen sowohl in künstlerisch-verwandten Gebieten als auch in nichtkünstlerischen Bereichen erwirtschaftet (Menger 2001: 243). Auch für andere Länder zeichnen sich ähnliche Dynamiken ab: So sind nach Throsby und Thompson die Bereiche der Kulturwirtschaft die Sektoren, die das stärkste wirtschaftliche Wachstum in den neunziger Jahren aufweisen (Throsby und Thompson 1994). Die Tendenzen des Wachstums auf den Künstlerarbeitsmärkten sind weltweit seit den achtziger Jahre zu beobachten, obwohl das Beschäftigungssystem ‚kultureller Arbeitsmarkt’ durch Arbeitsverhältnisse mit geringer Beschäftigungssicherheit geprägt ist. In den USA verläuft der relative Anstieg im Zeitverlauf noch steiler: Während die Anteile erwerbstätiger Künstler 1970 bereits bei 0,9 Prozent lagen, stiegen diese bis 1980 auf 1,0 Prozent an und lagen im Jahr 1990 bereits bei 1,4 Prozent aller Erwerbstätigen (Kay und Butcher 1996: 85). Die Anzahl der erwerbstätigen Künstler in den USA stieg in diesem Zeitraum von etwa 750.000 auf 1,7 Millionen an (Kay und Butcher 1996: 85, Galligan und Alper 2000: 175). In Frankreich lagen die Anteile der Künstler an allen Erwerbstätigen im Jahr 1995 bei 1,9 Prozent. Tabelle 7 differenziert das Wachstum auf den Künstlerarbeitsmärkten nach Erwerbsformen und Berufsgruppen: Tabelle 7: Entwicklung der Erwerbstätigkeit in Deutschland in ausgewählten Künstlerberufen in den Jahren 1978, 1987, 1995 und 2000 1978 West Alle Erwerbstätigen Musiker Darstellende Künstler Bildende Künstler40 (freie/angewandte Kunst) Künstlerberufe Gesamt Anteile Selbständige in Prozent Musiker Darstellende Künstler Bildende Künstler (freie/angewandte Kunst)
1987 West
West
1995 Gesamt
2000 Gesamt
18.400 25.500 17.300 20.900
27.000 19.100
34.400 26.300
42.000 34.000
30.900 49.100 66.600 95.500
67.400 113.500
75.300 136.000
108.00041 190.900
18,5 23,7 49,8
45,5 38,8 55,9
39,0 33,2 56,4
48.1 41,3 56,3
27,5 26,3 50,5
Quelle: (Haak und Schmid 1999), Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2000), eigene Berechnungen 40
41
In dieser Gruppe finden sich bildende Künstler in der angewandten Kunst sowie Formgestalterinnen, grafische Zeichnerinnen und Computergrafikerinnen, um nur eine Auswahl zu nennen. Eine Differenzierung nach angewandten und freien bildenden Künstlern wurde vor der Neuordnung der Berufsordnungssystematik von 1992 nicht vorgenommen. Davon 29.000 freie Künstler, 97 Prozent in dieser Berufsgruppe arbeiten als Selbständige.
78
Strukturmerkmale und Risiken
Expansives Wachstum unter den bildenden Künstler ist insbesondere in der Gruppe der angewandten bildenden Künstler zu beobachten, vor allem bei Gebrauchsgrafikern, Industrie- und Modedesignern. Der Anstieg der Anteile der abhängig Beschäftigten und der Selbständigen in dieser Berufsgruppe verlief proportional. Doch ihre Zusammensetzung hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert: Im Jahr 2000 wurden bereits 85.500 erwerbstätige bildende Künstler der Gruppe der angewandten bildenden Künstler zugeordnet, was einem Anteil von über 75 Prozent entspricht. Die Anzahl der erwerbstätigen darstellenden Künstler stieg dagegen im selben Zeitraum nicht so stark an, aber in dieser Berufsgruppe veränderten sich die Anteile der unterschiedlichen Erwerbsformen: Waren im Jahr 1995 etwa 33 Prozent der darstellenden Künstler als Selbständige tätig, so erhöhten sich die Anteile der Selbständigen in dieser Berufsgruppe auf über 42 Prozent im Jahr 2000. Auch in der Berufsgruppe der Musiker ist eine starke Tendenz zu zunehmender Selbständigkeit zu beobachten. Die Anteile der Selbständigen unter den Musikern stiegen zwischen 1995 und 2000 um sieben Prozent auf über 46 Prozent an. Da diese Ergebnisse auf Auswertungen eines Querschnittsdatensatzes beruhen, können diese Daten die Übergänge in und aus Selbständigkeit nicht erklären. Hierzu deuten Ergebnisse einer aktuellen empirischen Untersuchung zu den Übergängen von Künstlern in die Selbständigkeit in folgende Richtungen: Etwa zwei Drittel der befragten darstellenden Künstler befanden sich vor der Selbständigkeit in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis, während nur ein Drittel der Musiker vor der Existenzgründung einer abhängigen Beschäftigung nachging (Dangel und Piorkowsky 2005: 20).42 Der nächste Abschnitt gibt einen Einblick in die Struktur de sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung der Musiker, der darstellenden Künstler und der bildenden Künstler. 4.2.2 Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung Künstlerarbeitsmärkte können mit ihrer Vielzahl von Erwerbsformen als Prototypen eines flexiblen Arbeitsmarktes aufgefasst werden. Bei diesen Erwerbsformen handelt es sich um Teilzeitarbeit, kurz- und mittelfristige Verträge, Mehrfachbeschäftigung oder Selbständigkeit. Es gibt erhebliche Unterschiede in den Erwerbsstrukturen zwischen den einzelnen Gruppen von Künstlern. Während 42
Unklar bleibt allerdings die Profession in dem vorangegangenen abhängigen Beschäftigungsverhältnis.
Strukturmerkmale und Risiken
79
Kreativkünstler in der Regel ein Produkt mit materiellen Eigenschaften erzeugen (beispielsweise ein Kunstwerk oder ein Buch), ist bei darstellenden Künstlern die Arbeit selbst das Produkt. Die Dienste der darstellenden Künstler werden in der Regel über Organisationen wie beispielsweise Theater vertrieben (Towse 1996a: 8). In diesem Abschnitt wird der Fokus auf den Bereich der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung gerichtet. Die folgenden drei Tabellen basieren auf Berechnungen der Beschäftigtenund Arbeitslosenstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA). Sie ermöglichen einen Überblick über ausgewählte Strukturmerkmale der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Musiker, darstellenden Künstler und bildenden Künstler. Tabelle 8 weist eine Vielzahl an beschäftigungsrelevanten Struktur- und Entwicklungsdaten für die Berufsgruppe der Musiker aus:
80
Strukturmerkmale und Risiken
Tabelle 8:
Sozialversicherungspflichtig beschäftigte Musiker43 - 1999 bis 2006
Sozialversicherungspflichtig beschäftigte Musiker (Anzahl) Bestandsentwicklung Index (1999=100) Beschäftigtengruppen (Anteile in %) Frauen Ausländer Unter 25 Jahre 25 bis unter 35 J. 35 bis unter 50 J. 50 Jahre und älter Teilzeit unter 18 h Teilzeit 18 h + Ohne Ausbildung Mit Ausbildung darunter: mit Abitur Fachhochschule Universität Ausbildung unbekannt44
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
20.857
20.815
20.495
20.444
20.401
19.749
18.999
18.717
100
100
98
98
98
95
91
90
30,2 13,1 2,1 25,6 42,9 29,4 13,5 10,9 6,1 32,0 6,8 10,5 33,5 17,9
30,6 12,7 2,1 23,9 44,5 29,6 14,7 10,9 6,3 32,3 6,8 10,2 33,6 17,6
32,1 13,3 1,8 22,8 46,2 29,2 15,5 10,8 5,9 32,2 7,0 10,1 33,5 18,2
31,7 12,4 1,6 21,7 47,3 29,4 16,5 10,6 5,7 32,9 7,1 10,0 33,6 17,8
32,4 12,4 1,6 20,3 48,2 29,8 17,2 10,9 5,8 32,5 7,2 9,9 34,1 17,7
32,3 12,5 1,5 19,4 49,0 30,1 15,3 11,9 5,6 31,8 7,4 9,9 35,3 17,5
32,7 12,8 1,3 18,8 49,8 30,1 13,7 11,9 5,4 31,0 7,2 10,1 36,2 17,2
33,1 13,3 1,2 18,2 49,7 30,9 13,5 12,2 5,3 30,8 7,1 10,1 37,2 16,7
Quelle: IAB (2004, 2005): Berufe im Spiegel der Statistik, Beschäftigten- und Arbeitslosenstatistik der BA
Die Anzahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Musiker geht seit 1999 kontinuierlich zurück. Befanden sich 1999 noch nahezu 21.000 Musiker in sozialversicherungspflichtigen abhängigen Beschäftigungsverhältnissen, so reduzierte sich deren Anzahl bis in das Jahr 2006 um nahezu 10 Prozent auf unter 19.000. Die Anteile der Frauen sind hingegen in diesem Zeitraum leicht gestiegen. Sie sind allerdings mit Anteilen von etwas über 30 Prozent stark unterrepräsentiert. Der Ausländeranteil in der Gruppe der Musiker liegt im Vergleich zu der Gruppe der übrigen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten etwa doppelt so hoch. Die Anteile der Musiker unter 25 Jahren sind sehr gering. Dies kann zu einem Teil auf die langen Ausbildungszeiten zurückgeführt werden. Es ist auch zu beobachten, dass sowohl die Anteile der unter 25jährigen, als 43 44
Auch Komponisten, Dirigenten, Chorleiter, Instrumental-, Orchestermusiker Bei dieser Gruppe handelt es sich um Berufsangehörige, für die von den meldenden Betrieben keine Angaben zum beruflichen Ausbildungsabschluss gemacht wurden.
Strukturmerkmale und Risiken
81
auch die der 25 bis 35jährigen im Zeitverlauf kontinuierlich zurückgehen. Bei den über 35jährigen ist dagegen eine kontinuierliche Zunahme an Erwerbstätigen zu beobachten. Dies geht möglicherweise auf die Einsparungen im Kulturbereich zurück, die dazu führen, dass sozialversicherungspflichtige Beschäftigung abgebaut wird. Viele junge Nachwuchskünstler haben demnach nicht mehr die Möglichkeiten, in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung einzusteigen. Die Teilzeitquote ist bei den Musikern mit über 25 Prozent über den gesamten Zeitraum sehr hoch. Sie liegt sowohl weit über dem Niveau der anderen künstlerischen Berufsgruppen, als auch über den Anteilen der übrigen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (etwa 17 Prozent mit Schwankungen). Diese hohen Anteile lassen sich möglicherweise auf die Gruppe der teilzeitbeschäftigten Lehrkräfte in Musik- und Volkshochschulen zurückführen. Die Anteile der Musiker in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung ohne abgeschlossene Berufsausbildung sind seit 1999 leicht rückläufig, sie sind allerdings mit etwa sechs Prozent stark unterrepräsentiert. Am stärksten ist die Gruppe der Musiker mit Universitätsabschluss mit über 37 Prozent im Jahr 2006 vertreten (Tendenz steigend), gefolgt von den Musikern, die über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen, mit Anteilen von etwa 30 Prozent (Tendenz fallend).
82
Strukturmerkmale und Risiken
Tabelle 9 zeigt die Strukturmerkmale für die sozialversicherungspflichtig beschäftigten darstellenden Künstler auf. Tabelle 9: Sozialversicherungspflichtig beschäftigte darstellende Künstler45 1999 bis 2006 Sozialversicherungspflichtig beschäftigte darstellende Künstler (Anzahl) Bestandsentwicklung Index (1999=100) Beschäftigtengruppen (Anteile in %) Frauen Ausländer Unter 25 Jahre 25 bis unter 35 J. 35 bis unter 50 J. 50 Jahre und älter Teilzeit unter 18 h Teilzeit 18 h + Ohne Ausbildung Mit Ausbildung darunter: mit Abitur Fachhochschule Universität Ausbildung unbekannt
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
21.21 7
22.44 4
21.16 2
21.08 1
20.94 8
20.73 3
20.17 3
19.97 5
100
106
100
99
99
98
95
94
46,4 21,9 7,6 33,7 35,6 23,0 3,6 3,8 3,1 30,4 6,2 6,3 14,9 45,3
46,6 20,8 8,3 32,7 35,9 23,0 3,8 3,3 3,2 33,1 6,0 5,9 14,1 43,7
46,9 22,5 7,7 33,4 37,6 21,3 4,3 3,4 3,2 29,2 6,5 6,0 14,2 47,4
47,0 22,0 7,9 31,9 38,8 21,4 4,8 3,7 3,1 27,8 6,5 6,1 14,1 48,8
47,5 22,0 7,0 31,6 39,8 21,6 4,9 3,9 3,0 27,2 6,4 6,0 14,3 49,6
47,9 21,9 6,7 30,6 40,9 21,7 4,6 4,0 2,6 25,7 6,3 5,8 14,9 51,0
47,4 22,1 6,6 30,6 41,3 21,6 4,0 4,2 2,4 25,8 6,5 5,7 14,9 51,2
48,5 22,3 6,0 29,8 42,4 21,9 3,5 3,6 2,4 25,0 6,2 5,5 15,3 51,9
Quelle: IAB (2004, 2005): Berufe im Spiegel der Statistik, Beschäftigten- und Arbeitslosenstatistik der BA
Die Anzahl sozialversicherungspflichtig beschäftigter darstellender Künstler geht ebenfalls seit 1999 kontinuierlich zurück. Kennzeichnend für die Arbeitsmärkte der darstellenden Künstler sind allerdings die monatlichen Beschäftigungsschwankungen in dieser Berufsgruppe, die in der Jahresstatistik nicht sichtbar werden.46 Die Stichtagserhebungen zum jeweils 30.06. für die Ermittlung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung ergeben somit insbesondere für diese Berufsgruppe ein verzerrtes Bild.
45 46
Auch Bühnenleiter, Regisseure, Sänger, Tänzer, Schauspieler, künstlerische Bühnenhilfsberufe. Eine ausführliche Darstellung der Beschäftigungsschwankungen innerhalb eines Jahres erfolgt in Kapitel 5.2.
Strukturmerkmale und Risiken
83
Die Anteile der Frauen nehmen über den gesamten Beobachtungszeitraum kontinuierlich zu. Die Anteile an Teilzeitarbeit fallen im Vergleich zu allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (etwa 17 Prozent mit Schwankungen) mit etwa sieben Prozent gering aus. Eine weitere bemerkenswerte Tatsache ist die spezifische Altersstruktur unter den darstellenden Künstlern: Die Anteile von nahezu 30 Prozent in der Altersgruppe der 25– bis 35jährigen im Jahr 2004 liegen im Vergleich zu den Musikern (etwa 19 Prozent), aber auch zu den übrigen Erwerbstätigen in dieser Altersgruppe (unter 22 Prozent) sehr hoch. Die Anteile der 35- bis unter 50jährigen mit nur etwa 42 Prozent liegen im Vergleich zu den übrigen Berufsgruppen dagegen weit darunter.47 Im Zeitverlauf ist dabei sowohl in den beiden niedrigen Altersklassen als auch in der hohen Altersklasse ein Rückgang zu verzeichnen, während die mittlere Altersgruppe der 35-bis 50jährigen durch eine kontinuierliche Zunahme an Erwerbstätigen gekennzeichnet ist. Über die Verteilung der einzelnen Qualifikationsstufen kann hier keine Aussage getroffen werden, da die Anteile der Künstler, über die die Arbeitgeber keine Angaben zum Qualifikationsabschluss gemacht haben, bei bis zu über 50 Prozent liegen.48 Die abschließende Tabelle zeigt die beschäftigungsrelevanten Daten für die Berufsgruppe der bildenden Künstler auf.
47 48
Alle Erwerbstätigen: etwa 47 Prozent; Musiker: nahezu 50 Prozent. Bei dem Qualifikationsmerkmal in der Sozialversicherungsmeldung durch die Arbeitgeber handelt es sich nicht um ein Pflichtmerkmal. Dies führt zu geringen oder gar fehlenden Angaben in dem statistischen Material (vgl. Haak 2006).
84
Strukturmerkmale und Risiken
Tabelle 10: Sozialversicherungspflichtig beschäftigte bildende Künstler49 - 1999 bis 2006 1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
Sozialversicherungspflichtig beschäftigte bildende Künstler (Anzahl) Bestandsentwicklung Index (1999=100) Beschäftigtengruppen (Anteile in %) Frauen Ausländer Unter 25 Jahre 25 bis unter 35 J. 35 bis unter 50 J. 50 Jahre und älter
28.707
30.884
32.574
32.390
30.731
30.788
31.949
33.757
100
108
113
113
107
107
111
118
51,5 4,5 5,7 42,3 38,1 13,9
51,1 4,5 6,2 41,8 39,0 13,0
50,9 4,9 6,8 41,5 39,3 12,4
51,6 4,7 7,2 39,9 40,2 12,7
51,9 4,5 7,0 38,5 41,7 12,9
52,2 4,3 6,8 38,5 41,9 12,8
52,7 4,4 6,8 39,3 41,3 12,6
52,4 4,8 7,0 39,8 40,7 12,5
Teilzeit unter 18 h Teilzeit 18 h + Ohne Ausbildung Mit Ausbildung darunter: mit Abitur Fachhochschule Universität Ausbildung unbekannt
1,4 7,2 4,9 55,0 11,5
1,5 6,8 4,5 53,0 11,8
1,6 6,5 4,7 51,0 11,9
1,7 6,5 4,7 50,3 11,8
1,8 6,5 4,5 49,5 12,1
1,8 6,8 4,4 48,5 12,1
1,8 6,6 4,2 47,5 12,2
1,7 6,9 4,1 45,9 12,5
12,0 9,6 18,5
11,3 9,8 21,3
11,1 9,9 23,3
10,9 9,9 24,2
11,2 10,1 24,7
11,0 10,2 26,0
10,8 10,4 27,1
10,8 10,5 28,7
Quelle: IAB (2004, 2005): Berufe im Spiegel der Statistik, Beschäftigten- und Arbeitslosenstatistik der BA
Zu Beginn des Beobachtungszeitraumes erfolgt ein erheblicher Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung in dieser Berufsgruppe von nahezu 29.000 Erwerbstätigen auf über 32.500 Personen im Jahr 2001. Bis in das Jahr 2004 sind die Werte leicht rückläufig, wogegen sie bis in das Jahr 2006 wiederum auf über 33.500 Erwerbstätige ansteigen. Die Frauenanteile liegen über den 49
Die Bundesagentur für Arbeit nimmt in ihrer Berufsklassensystematik keine Differenzierung zwischen freier und angewandter Kunst vor. So werden in der Berufsgruppe mit dem Berufsklassenschlüssel 833 die Berufsgruppen Bildhauer, Kunstmaler, Designer, Layouter, Fotogravurzeichner, Textilmustergestalter, Restauratoren (Bilder) zusammengefasst. Es handelt sich also hier nicht um die in dieser Arbeit zu Grunde gelegte Untersuchungsgruppe der freien bildenden Künstler (vgl. Kapitel 3.3).
Strukturmerkmale und Risiken
85
Zeitraum etwa konstant zwischen 51 und 52 Prozent. Im Vergleich zu den Musikern und darstellenden Künstlern handelt es sich bei den bildenden Künstlern um eine junge Berufsgruppe.50 So lag im Jahr 1999 der Anteil der unter 35jährigen bei nahezu 50 Prozent. In der Tendenz ist allerdings sowohl eine kontinuierliche Zunahme in der Altersgruppe der 35-bis unter 50jährigen als auch in der Gruppe der Berufsanfänger zu beobachten. Die Teilzeitquote bleibt mit geringen Anteilen zwischen acht und neun Prozent über den gesamten Zeitraum nahezu konstant. In diesen Berufsgruppen verfügt die Mehrzahl der Erwerbstätigen über ein mittleres Qualifikationsniveau. Da die Qualifizierungszeiten in diesen Berufsgruppen von geringer Dauer sind, liegt das Berufseintrittsalter unter dem der Musiker, der darstellenden Künstler und der freien bildenden Künstler. Den besonderen Qualifikationsstrukturen von Künstlern wendet sich der nächste Abschnitt zu. 4.2.3 Qualifikation und Bildung Die überwiegende Anzahl ökonomischer Arbeitsmarktstudien über Karrieren und Bildungsinvestitionen basieren auf der Humankapitaltheorie (Becker 1964). Nach dieser nehmen Personen Investitionen in ihr Humankapital vor, um durch Produktivität ihr Einkommen zu erhöhen. Die Anreize, in Bildung zu investieren, reichen bis zu dem Punkt, an dem die Höhe der zu erwartenden persönlichen Bildungsrenditen mindestens der Höhe der Investitionskosten entspricht. Auch wenn Arbeitsmärkte in der Realität nicht perfekt sind, finden sich empirisch dennoch positive signifikante Zusammenhänge zwischen Bildungsinvestitionen und dem Einkommen von Individuen (Towse 1996b: 310). Ein zentrales Individualmerkmal von Künstlern ist das überdurchschnittlich hohe Qualifikationsniveau. Künstler müssen oftmals schon in sehr jungem Alter mit ihrem Studium beginnen. In einer qualitativen Studie über das Karriereende von Ballettänzern in Deutschland wird auf den frühen Beginn des ersten Unterrichts hingewiesen. Bei den Mädchen lag das Durchschnittsalter des Einstiegs in den Balletttanz mit sieben deutlich unter dem der Jungen mit etwa dreizehn Jahren (Langsdorff 2005: 16). Beide Gruppen tanzten im Schnitt etwa zwanzig Jahre ihres Lebens, während die Bühnenlaufbahn bei den Tänzern elf und bei den Tänzerinnen nur etwa siebeneinhalb Jahre andauerte. In einer empirischen Untersuchung von Künstlern in New England wurde für die Berufsgruppe der 50
Dieser Befund ist allerdings auf die in dieser Statistik stark vertretenen jungen Berufsgruppen der angewandten Künstler und dabei insbesondere auf die Gruppe Grafik-Designer zurückzuführen.
86
Strukturmerkmale und Risiken
Musiker nachgewiesen, dass diese ihre Ausbildung im Durchschnitt bereits im Alter von neun Jahren beginnen, Mädchen sogar bereits mit sieben. Heutzutage ist eine hohe künstlerische Leistung schon bei der Eingangsprüfung die Voraussetzung für die Aufnahme in eine Musikhochschule. Bei den schauspielerischen Ausbildungen zeigt sich das gleiche Muster der zeitlichen Differenzen, während Mädchen bereits mit siebzehn Jahren mit ihrer Ausbildung zur Schauspielerin beginnen, treten die männlichen Kollegen im Durchschnitt erst mit Mitte 20 eine formale Ausbildung an (Galligan und Alper 2000: 178). Im Folgenden wird der Frage nach dem Ausbildungsniveau der erwerbstätigen Künstler im Jahr 2002 nachgegangen.51 Wie verteilen sich die unterschiedlichen Bildungsgrade der Musiker und der darstellenden Künstler auf die Erwerbsformen? Die nachstehende Abbildung verdeutlicht das insgesamt höhere Bildungsniveau unter den abhängig beschäftigten Künstlern im Vergleich zu den Selbständigen. Für Deutschland zeigt sich dabei folgendes Bild: Abbildung 2:
Erwerbsformen und Bildungsniveau von Künstlern
100% 80% 60%
7.1 24.9
3.0
12.6 22.8
31.9
28.4
25.7
40% 20%
74.2
60.9
49.2
Abhängig Beschäftigte
Selbständige
37.4
0% Selbständige
Darstellende Künstler Hohes Bildungsniveau
Mittleres Bildungsniveau
Abhängig Beschäftigte Musiker
Geringes Bildungsniveau
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2003
51
Die Zuordnung der Qualifikationsstufen in drei Bildungsniveaus wird in Kapitel 3.3 erläutert.
Strukturmerkmale und Risiken
87
In dieser Abbildung wird das insgesamt sehr hohe Bildungsniveau in den beiden Berufsgruppen deutlich. Bei den Musikern verfügen nahezu 75 Prozent der abhängig Beschäftigten über eine Fachhochschul- beziehungsweise Hochschulausbildung, bei den selbständigen Musikern liegen die Anteile von Hochqualifizierten bei den Selbständigen immer noch nahezu bei 50 Prozent. In der Berufsgruppe der darstellenden Künstler streuen die Anteile der Erwerbstätigen stärker über die unterschiedlichen Bildungsgruppen, dies ist insbesondere bei den selbständigen darstellenden Künstlern zu beobachten. Die Gruppe der Geringqualifizierten ist in beiden Berufsgruppen stärker bei den Selbständigen vertreten. Das höhere Qualifikationsniveau bei den Musikern ist auf die strengen Eingangsvoraussetzungen und höheren Ansprüchen hinsichtlich der Vorspielqualifikationen in den Orchestern und Musikschulen zurückzuführen, die eine Hochschulausbildung voraussetzen. Aber auch von den Schauspielern erwarten die Arbeitgeber ein hohes Ausbildungsniveau und sehen darin die formale Voraussetzung für ein Engagement. Tabelle 11 stellt im Vergleich zu der vorherigen Abbildung eine differenziertere Darstellung der unterschiedlichen Bildungsniveaus dar.
88
Strukturmerkmale und Risiken
Tabelle 11: Ausbildungsniveau von Künstlern im Jahr 200352 Musiker
Männer ohne Ausbildung Lehrausbildung Fachhochschulabschluss Hochschulabschluss Gesamt Frauen ohne Ausbildung Lehrausbildung Fachhochschulabschluss Hochschulabschluss Gesamt
Darstellende Künstler
Bildende Künstler Selbständige
Abhängig Beschäftigte
Selbständige
Abhängig Beschäftigte
Selbständige
12,7 2,8 38,0
25,4 20,6 15,9
25,0 18,2 25,0
32,3 19,3 3,2
23,1 21,5 18,5
46,5 100,0
38,1 100,0
31,8 100,0
45,2 100,0
36,9 100,0
16,7 21,4 19,0
15,0 10,0 30,0
32,0 12,0 24,0
43,5 17,4 13,0
13,6 25,0 22,7
42,8 100,0
45,0 100,0
32,0 100,0
26,1 100,0
38,6 100,0
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2003)
Auch die darstellenden Künstler verfügen über ein hohes Qualifikationsniveau. Bei den Männern unter den selbständigen darstellenden Künstlern liegt das Ausbildungsniveau über dem der selbständigen Frauen, während das Bildungsniveau bei den abhängig beschäftigten darstellenden Künstlerinnen und Künstlern ausgeglichener ist. Das Ausbildungssystem der Schauspieler weist eine Doppelstruktur auf. Ausbildungen können entweder an einer staatlichen oder an einer privaten Ausbildungsstätte absolviert werden. Galt allerdings eine Ausbildung an einer staatlichen Hochschule früher als sichere Eintrittskarte für Vorsprechtermine, so garantiert gegenwärtig ein Ausbildungsabschluss selbst an einer der besten Hochschulen nicht mehr ein sicheres Engagement an hochklassigen Bühnen (Nellissen 2005: 181). Das Ausbildungsniveau der selbständigen bildenden Künstler ähnelt in etwa dem der selbständigen Musiker. Die Anteile der männlichen bildenden Künstler 52
Klassische Künstler beziehungsweise Erwerbstätige in den klassischen Künsten werden hier verstanden als Musiker, darstellende Künstler und bildende Künstler. Bei den bildenden Künstlern wurde die Berufsgruppe der freien Künstler berücksichtigt. Ausgenommen wurde die Gruppe der bildenden Künstler in der angewandten Kunst. Dort sind Berufe wie Designer, Grafiker, Industriedesigner, Produktgestalter, Mode-, Textildesigner und -gestalter, Formgestalter, Modelleure, Grafische Zeichner etc. integriert. Diese werden nicht der Gruppe der klassischen Künstler zugeordnet und sind deshalb nicht Gegenstand der Betrachtung. Bestimmte Ausbildungsformen, die auf den Künstlerarbeitsmärkten nur eine marginale Rolle spielen, wurden in dieser Tabelle vernachlässigt (so z.B. Anlernausbildung, Berufsvorbereitungsjahr).
Strukturmerkmale und Risiken
89
ohne Ausbildung liegen mit über 20 Prozent weit über den Anteilen der Frauen ohne Berufsausbildung (13 Prozent). Eine Sonderauswertung von selbständigen Künstlern in Sachsen-Anhalt, die über die Künstlersozialkasse pflichtversichert sind, ergibt folgendes Bild (Ehrsam und Geyer 2002): Das Bildungsniveau ist vor allem in den Berufsgruppen der Musiker und der bildenden Künstler sehr hoch. Den Beruf der darstellenden Künstler üben 25 Prozent der Männer und 32 Prozent der Frauen ohne Berufsausbildung in abhängiger Beschäftigung aus. Die Anteile an darstellenden selbständigen Künstlern ohne Berufsausbildung sind weit höher. Immerhin über ein Drittel der Männer und etwa 43 Prozent der Frauen üben diese Berufe als Selbständige aus. Gleichzeitig zeigt sich bei den Musikern, dass ein Hochschulabschluss geradezu eine Eintrittskarte in eine abhängige Beschäftigung zu sein scheint. Der Anteil der Fachhochschul- und Hochschulabsolventen erreicht unter den männlichen abhängig beschäftigten Musikern über 80 Prozent. Das Qualifikationsniveau der selbständigen Musikerinnen übersteigt das ihrer männlichen Kollegen. In dieser Gruppe verfügen immerhin mehr als 75 Prozent der Selbständigen mindestens über einen Fachhochschulabschluss, während ihre männlichen Kollegen nur mit Anteilen von 55 Prozent einen Fachhochschul- oder Hochschulabschluss besitzen. Diese Verteilung konnte auch in einer empirisch durchgeführten Studie unter 400 selbständigen Künstlern bestätigt werden. Dangel und Piorkowski weisen sogar 88 Prozent an Hochschulabsolventinnen unter den selbständigen Musikerinnen aus. Bei den männlichen Kollegen liegen die Anteile von Hochschulabsolventen immerhin noch bei 57 Prozent (Dangel und Piokowsky 2006: 19). Diese hohen Anteile resultieren möglicherweise aus dem spezifischen Untersuchungssample. Die Stichprobe der Untersuchungseinheit von Dangel und Piorkowski setzt sich ausschließlich aus Mitgliedern der Gewerkschaft ver.di zusammen. Bei den Mitgliedern der Fachgruppe Musik handelt es sich überwiegend um Musiklehrer, die in der Tat zu einem hohen Prozentsatz über einen Hochschulabschluss verfügen. Insbesondere Orchestermusiker zeichnen sich durch einen hohen Grad an Professionalität aus. Neben einem hohen Ausbildungsniveau verfügen sie über exzellente künstlerische Fähigkeiten und je nach Alter, über langjährige Erfahrungen (Boerner und Krause 2001: 9). Es wird mittlerweile davon abgeraten, sich für die Ausbildung zum Orchestermusiker zu entscheiden, wenn die Person nicht mindestens einmal den Bundespreis bei Jugend musiziert gewonnen hat (Schubert-Riese 2003: 12). Im Wintersemester 2000/2001 waren beispielsweise 992 Studierende im Hauptfach Gesang immatrikuliert. Dem jährlichen Bedarf von etwa 160 Sängern an deutschen Musiktheatern stehen 300 Absolventen der Musikhochschulen und
90
Strukturmerkmale und Risiken
Konservatorien gegenüber. Dennoch bleiben viele Stellen unbesetzt, da es ein Überangebot an hohen Frauenstimmen gibt, jedoch ein Mangel an tiefen Männerstimmen besteht. So gibt es zwar eine Vielzahl sehr gut ausgebildeter Sopranistinnen, die aber kaum vermittelbar sind, da die entsprechenden Stellen fehlen. Von 40 bis 50 guten lyrischen Stimmen vermittelt die Zentrale Bühnen-, Fernseh- und Filmvermittlung (ZBF) beispielsweise nur fünf bis sechs Sängerinnen pro Jahr. Die Sängerinnen, die keine Stelle als Solistin erhalten, bewerben sich als Chorsängerinnen mit der Folge, dass sich das Anspruchsniveau für die Chorstellen erhöht. Auch hier zeigt die Praxis, dass zwischen Hochschulabschluss und Beginn der Erwerbskarriere oft zwei Jahre vergehen. Für die männlichen Absolventen ist das Bild anders: Sowohl im Chor- als auch im Solobereich gibt es seit längerer Zeit Nachwuchsprobleme. Das Anspruchsniveau ist in diesen Segmenten nicht so hoch, so dass hier auch Männer mit einem nur mittleren Gesangsniveau erfolgreich sein können (Gembris 2000: 59 ff). Ausgehend von einem ohnehin sehr hohen Qualifikationsniveau ist unter den Künstlern ein zunehmender Trend zur Höherqualifizierung im Zeitverlauf zu beobachten.53
53
Die Auswertungen der IABS berücksichtigen ausschließlich die Berufsgruppen der Musiker sowie der darstellenden Künstler, da die Systematisierung der Berufsklassifikation keine Differenzierung der Berufe nach freien bildenden Künstlern und angewandten bildenden Künstlern vorsieht und freie bildende Künstler kaum in abhängiger Beschäftigung arbeiten.
91
Strukturmerkmale und Risiken
Entwicklung des Bildungsniveaus von Musikern im Zeitverlauf 54
Abbildung 3: 100%
31.4 80%
33.2 43.9
49.1
53.0 60%
40%
61.4
58.4
43.9
40.6 41.5
20%
0%
7.2
8.4
1975-1980
1981-1985
Geringes Bildungsniveau
12.1 1986-1990
Mittleres Bildungsniveau
10.3
5.5 1991-1995
1996-2001
Hohes Bildungsniveau
Quelle: IABS 1975-2001 (erweitert)
Musiker verfügen traditionell über ein hohes Bildungsniveau. Während die Anteile hoch qualifizierter Musiker in den siebziger Jahren bei etwa 30 Prozent lagen, stiegen diese kontinuierlich bis Mitte der neunziger Jahre auf 53 Prozent an. Zwischen 1996 und 2001 verzeichnen die Anteile der Hochqualifizierten allerdings wieder einen leichten Rückgang auf unter 50 Prozent. Das mittlere Bildungsniveau verliert für diese Berufsgruppe über den gesamten Zeitraum nahezu kontinuierlich an Bedeutung. Die kurzfristige starke Zunahme im oberen Bildungsbereich zwischen den Jahren 1991 und 1995 ist auf die Aufnahme der Künstler aus den neuen Bundesländern in den Datensatz zurückzuführen. Der Künstlerberuf basierte in dem DDR-Ausbildungssystem in der Regel auf einem Hochschulabschluss. Das untere Bildungssegment unterliegt leichten Schwankungen im 10 Prozent Bereich.
54
Die nachstehenden Bildungsanalysen auf der Basis der IABS 1975-2001 erfolgen mit imputierter Bildungsvariablen ip1. Hinweise zum Imputationsverfahren sind in Kapitel 3.3 nachzulesen.
92
Strukturmerkmale und Risiken
Abbildung 4:
Entwicklung des Bildungsniveaus von darstellenden Künstlern im Zeitverlauf 1975 bis 2001
100% 19.4 80%
29.9
34.5
36.6
39.7
60%
40%
65.7
58.0
54.7
42.5
49.6
20%
0%
9.9
8.9
8.2
5.8
5.0
1975-1980
1981-1985
1986-1990
1991-1995
Geringes Bildungsniveau
Mittleres Bildungsniveau
1996-2001
Hohes Bildungsniveau
Quelle: IABS 1975-2001 (erweitert)
Analog zu der Berufsgruppe der Musiker ist auch in der Zeitreihe für die darstellenden Künstler die abnehmende Bedeutung des mittleren Qualifikationsniveaus zu beobachten. Während Mitte der siebziger Jahre noch über 65 Prozent der darstellenden Künstler ihren Beruf auf der Grundlage eines Ausbildungsberufes ausübten, trifft dies im Jahr 2001 nur noch auf etwa 40 Prozent der Erwerbstätigen in diesen Berufsgruppen zu. Gleichzeitig ist allerdings ein kontinuierlicher Anstieg der Bedeutung der Hochschulausbildung in dieser Berufsgruppe zu beobachten, so dass sich die Anteile beider Bildungsgruppen allmählich annähern. Im Vergleich der IAB-Beschäftigtenstichprobe 2001 mit den Daten des Mikrozensus 2003 zeigen sich folgende Verteilungsmuster der unterschiedlichen Bildungsgrade für die Berufsgruppen der Musiker und der darstellenden Künstler im Querschnitt für die Jahre 2001 und 2003.
93
Strukturmerkmale und Risiken
Abbildung 5:
Bildungsniveau von abhängig beschäftigten Künstlern: Mikrozensus 2003 und IABS 1975 bis 2001 im Vergleich
100% 90% 80%
43.6 55.1
70% 60%
60.9
74.2
50% 40% 45.2
30%
34.8 31.9
20% 22.8 10% 0%
3.0 Mikrozensus 2003
7.1
IABS 2001
Mikrozensus 2003
Musiker
Geringes Bildungsniveau
11.2
10.1
IABS 2001
Darstellende Künstler
Mittleres Bildungsniveau
Hohes Bildungsniveau
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2003, IABS 1975-2001 (erweitert), eigene Berechnungen
Die Verteilungen der unterschiedlichen Bildungsniveaus differieren sehr stark über die vorliegenden Stichproben. Die Anteile an Erwerbstätigen im oberen Bildungssegment, also mit Fachhochschul- oder Hochschulabschluss, liegen im Mikrozensus 2003 bei den Musikern bei etwa 19 Prozent, bei den darstellenden Künstlern um 17 Prozent über den ermittelten Werten in der IAB-Beschäftigtenstichprobe.55 Es ist davon auszugehen, dass das Bildungsniveau in der IABS 1975-2001 trotzt imputierter Bildungsvariablen ip1 stark unterschätzt wird. In einem weiteren Schritt wird die Frage verfolgt, ob das hohe Qualifikationsniveau der Künstler bereits auf langer Tradition beruht oder ob es sich um neuere Tendenzen im Anspruch auf Höherqualifizierung handelt. Hierzu erfolgt eine Analyse der Qualifikationsstruktur der Künstler, die in den Jahren 2000 bis 2004 den Renteneintritt vollzogen haben, also die Generation der Jahrgänge
55
Diese großen Differenzen können nicht durch den unterschiedlichen Erhebungszeitpunkt erklärt werden.
94
Strukturmerkmale und Risiken
1926 bis 1944.56 Diese Analyse führt in einem ersten Schritt zu einer kurzen Darstellung des Ausbildungssystems der DDR, da ein nicht unwesentlicher Teil dieser Künstlergeneration dort ausgebildet wurde. Die Datenbasis ist der gepoolte Datensatz Rentenzugang 2000-2004 des Forschungsdatenzentrums der Deutschen Rentenversicherung Bund. Am stärksten sind die Jahrgänge 1935, 1937 und 1939 mit Anteilen von nahezu 45 Prozent vertreten. Die nachstehende Tabelle vermittelt ein Gesamtbild der Verteilung der unterschiedlichen Altersgruppen über die einzelnen Berichtsjahre. Tabelle 12: Geburtsjahre der Versichertenrentenneuzugänge der Jahre 2000 bis 2004 Jahrgänge
Häufigkeiten
Anteile in Prozent
1926 bis 1930 1931 1932 1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 GESAMT
28 55 23 119 71 277 154 363 186 423 221 149 165 69 91 2394
1.17 2.30 0.96 4.97 2.97 11.57 6.43 15.16 7.77 17.67 9.23 6.22 6.89 2.88 3.80 100.00
Kumulierte Häufigkeiten 1.17 3.47 4.43 9.40 12.36 23.93 30.37 45.53 53.30 70.97 80.20 86.42 93.32 96.20 100.00 100.00
Quelle: FDZ-RV – SUFRTZN00-04XXVBB, eigene Berechnungen; nur Altersrenten
Mit dieser Künstlergeneration kann ein Bild über die Bildungssituation der Künstler abgegeben werden, deren Mehrzahl sich von den sechziger bis zu den achtziger Jahren in der Haupterwerbsphase57 befand. Es ist davon auszugehen, dass der überwiegende Teil der Künstler dieser Jahrgänge aus den neuen Bundesländern ihre Ausbildungen und Qualifikationen in dem Bildungssystem der DDR erworben haben. 56
57
Bei den späten Rentenzugängen (Altersgruppe > 65) handelt es sich um Ausnahmefälle, da die Versicherten ab dem Alter von 65 Jahren berechtigt sind, eine Altersrente ohne Abschläge zu beziehen. Das drückt sich auch in den geringen Fallzahlen in dieser Altersgruppe in Tabelle 12 aus. Die Haupterwerbsphase liegt zwischen 30 und 50 Jahren (Bartelheimer 2005: 4).
95
Strukturmerkmale und Risiken
Tabelle 13: Ausbildung von Musikern, darstellenden Künstlern, bildenden Künstlern im Rentenzugang 2000 bis 2004 nach Bundesländern Wohnort
Alte Bundesländer SchleswigHolstein Hamburg Niedersachsen und Bremen NordrheinWestfalen Hessen Rheinland-Pfalz und Saarland BadenWürttemberg Bayern Berlin Neue Bundesländer Brandenburg MecklenburgVorpommern Sachsen Sachsen-Anhalt Thüringen Ausland GESAMT
Ohne Ausbildung
Mit Ausbildung
Abitur ohne Ausbildung
Abitur mit Ausbildung
Fachhochschule
Hochschule
Gesam t
7.14
50.00
3.57
25.00
3.57
10.71
100
0.00 3.03
49.12 80.30
10.53 0.00
21.05 6.06
8.77 4.55
10.53 6.06
100 100
6.43
52.63
1.17
9.36
8.19
22.22
100
3.80 10.42
54.43 45.83
2.53 2.08
20.25 12.50
2.53 12.50
16.46 16.67
100 100
8.66
48.03
1.57
11.02
11.02
19.69
100
5.23 2.27
52.94 42.05
1.96 1.14
15.03 7.95
8.50 4.55
16.34 42.05
100 100
0.00 0.00
35.00 39.13
0.00 0.00
10.00 0.00
12.50 13.04
42.50 47.83
100 100
1.11 0.00 0.00 0.00 4.31
27.78 33.33 28.57 36.36 47.94
0.00 0.00 0.00 9.09 1.82
4.44 18.52 2.86 0.00 11.41
18.89 7.41 14.29 18.18 9.20
47.78 40.74 54.29 36.36 25.31
100 100 100 100 100
Quelle: FDZ-RV – SUFRTZN00-04XXVBB, eigene Berechnungen
Ein hohes Ausbildungsniveau im Kunstbereich besaß in der DDR einen hohen Stellenwert. Die Berufskünstler wurden an staatlichen Hoch- und Fachschulen ausgebildet. Es gab ein mehrstufiges Eignungsprüfungssystem, wobei das Auswahlprocedere nicht nur nach politischen sondern auch nach künstlerischen Kriterien erfolgte (Rehberg 1997: 265). So gab es im Jahr 1988 in der DDR 22 Hoch- und Fachschulen mit künstlerischem oder kulturpolitischem Schwerpunkt. Im Jahr 1988 studierten 6553 Studenten an diesen Hochschulen die Fachrichtung Kunst, darunter gab es 918 Studenten im Bereich darstellende Kunst und 1106 Studenten in der Angewandten Kunst. An der Akademie der Künste studierten
96
Strukturmerkmale und Risiken
1989 etwa 50 Schüler in Meisterklassen (Scholz 1994: 26). Die Zahl der Autodidakten, die in der DDR als Berufskünstler anerkannt wurden und für die Ausübung des Künstlerberufes eine Arbeitsgenehmigung erhielten, war sehr gering (Stange 2000: 36). Diese Gruppe musste sich zur Genehmigung einer künstlerischen Tätigkeit einer Aufnahmeprüfung unterziehen. Die Voraussetzung für die Anerkennung des Berufsstatus selbständiger Künstler war die Mitgliedschaft in einem der Verbände. Über diese Mitgliedschaft gelangte man in den Besitz einer Steuernummer, die zu einer Tätigkeit als freischaffender Künstler berechtigte (Scholz 1994: 16). Eine nach den unterschiedlichen Berufsgruppen differenzierte Analyse ergibt dann folgendes Bild:
Musiker
Darstellende Künstler
Bildende Künstler
Alle Künstler
Abbildung 6:
Bildungsniveau von (ehemals) abhängig beschäftigten Künstlern im Rentenzugang 2000 bis 2004 12,0
Frauen
Frauen
5,0
50,0
2,4
Männer
13,5
4,8
Männer
1,3
Frauen Männer
0%
14,9
12,5
26,9
5,4 5,4 0,0 6,3
73,2
7,9
52,4
1,3
55,3
11,1
34,8
5,4
20%
40%
Ohne Berufsausbildung Abitur mit Berufsausbildung Hochschule
5,5
22,4
7,6 16,3
10,2 23,8
18,4
51,9
16,5 1,8
8,3
75,7
Männer 3,9 Frauen
6,9
60,2
8,9
15,2
40,7
60%
80%
100%
Hauptschule/Mittlere Reife mit Berufsausbildung Fachhochschule
Quelle: FDZ-RV – SUFRTZN00-04XXVBB, eigene Berechnungen
Die größten Anteile an Hochschulabsolventen von über 40 Prozent bilden in den Rentenzugangskohorten 2000-2004 die männlichen Musiker. Sowohl in der Gruppe der Musiker als auch bei den bildenden Künstlern sind starke Unterschiede im Qualifikationsniveau zwischen den Geschlechtern zu erkennen. Das
Strukturmerkmale und Risiken
97
Bildungsniveau der Frauen liegt in diesen beiden Berufsgruppen weit unter dem der männlichen Kollegen. Die stärksten Veränderungen in der Qualifikationsstruktur im Zeitvergleich haben sich in der Berufsgruppe der bildenden Künstler entwickelt. Bei den Männern liegen die Anteile der Akademiker der Versichertenrentenneuzugänge zwischen 2000 und 2004 bei etwa fünf Prozent. Bei den Frauen gibt es in dieser Berufsgruppe so gut wie keine Akademikerinnen. Bei den erwerbstätigen bildenden Künstlern im Jahr 2002 liegen die Anteile zwischen den Geschlechtern etwa gleich verteilt bei ungefähr 38 Prozent. In einem weiteren Schritt wird die Frage beantwortet, wie sich die Geschlechter in den künstlerischen Berufen insgesamt und nach Erwerbsformen verteilen. 4.2.4 Frauen in künstlerischen Berufen Der Einschätzung der Präsidentin des größten Künstlerinnenverbandes in Deutschland (GEDOK) zufolge hat sich die wirtschaftliche Situation für die Künstlerinnen in den letzten Jahren katastrophal verschlechtert. Seit dem Jahr 2003 gehe die Nachfrage kontinuierlich zurück, auch die Kunstankäufe durch die öffentliche Hand wurden stark reduziert. Künstlerinnen verdienen durchschnittlich etwa 1/3 weniger als ihre männlichen Kollegen. Ferner würden Spitzenpositionen beispielsweise in Museen und Hochschulen mit Männern besetzt. Der überwiegende Teil der Künstlerinnen könne nicht von der Kunst leben, sie müssten häufig durch ihre Partner unterstützt werden. Tabelle 14 zeigt die Verteilung der Geschlechter in den künstlerischen Berufsgruppen und den Erwerbsstatus. Hier wird deutlich, dass Männer, aus quantitativer Perspektive betrachtet, dominieren.
98
Strukturmerkmale und Risiken
Tabelle 14: Männer und Frauen in künstlerischen Berufen Selbständige Musiker Darstellende Künstler Bildende Künstler Selbständige Künstler Gesamt Alle Selbständigen Abhängig Beschäftigte58 Musiker Darstellende Künstler Abhängige Künstler Gesamt Alle abhängig Beschäftigten59 Selbständige und abhängig Beschäftigte Musiker Darstellende Künstler Bildende Künstler Alle Künstler Alle Erwerbstätigen
Männer
Frauen
Gesamt
76.5 54.4 57.0 62.9 66,4
23.5 45.6 43.0 37.1 33,6
100 100 100 100 100
65.0 58.2 60.7 53,1
35.0 41.8 39.3 46,9
100 100 100 100
70.3 55.9 56.0 62.0 53,9
29.7 44.1 44.0 38.0 46,1
100 100 100 100 100
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2003); Anteile in Prozent
Mit über 75 Prozent sind Männer in der Gruppe der selbständigen Musiker vertreten. Bei den abhängig beschäftigten Musikern ist die Repräsentanz der Männer geringer, dennoch liegen sie mit Anteilen von über 60 Prozent deutlich über den Anteilen in den anderen Berufsgruppen. Die Verteilung der Geschlechter bei den selbständigen darstellenden und bildenden Künstlern ist sehr ähnlich. In diesen Bereichen ist mit Anteilen von etwa 55 Prozent ein leichter Männerüberschuss vorhanden. Vergleicht man die Verteilung der Geschlechter über den Erwerbsstatus mit den übrigen Erwerbstätigen, so ergibt sich ein differenziertes Bild: Die Anteile der Frauen liegen bei allen Erwerbstätigen mit 46 Prozent im Vergleich zu den Künstlerinnen mit 38 Prozent weit höher. Eine ähnliche Verteilung zeigt sich auch in der Gruppe der abhängig Beschäftigten. Für die Selbständigen ist das Bild allerdings umgekehrt. Die Anteile der selbständigen Künstlerinnen liegen über den Anteilen der übrigen selbständigen Frauen. Eine geschlechterdifferenzierende Analyse (Betzelt und Fachinger 2004) weist im Zeitraum zwischen 1991 und 2000 im Vergleich zu den Männern in künstlerisch-publizistischen Berufen eine stärkere Zunahme bei den Frauen aus. 58
59
Bildende Künstler werden aufgrund der geringen Fallzahlen an dieser Stelle nicht als abhängig Beschäftigte ausgewiesen. Arbeiter und Angestellte
99
Strukturmerkmale und Risiken
Die Zuwachsrate liegt in diesen Berufsgruppen etwa bei 127, bei den Männern hingegen lediglich bei 90 Prozent (Betzelt und Fachinger 2004: 319). Im Vergleich zu anderen Branchen, in denen die Zuwachsraten der Frauen die der Männer um das Dreifache übersteigen, fallen die Zuwächse von Alleindienstleisterinnen im Kultursegment noch relativ gering aus (Betzelt und Fachinger 2004: 316). So kann für diese Bereiche nicht von einem Gründerinnenboom gesprochen werden. Abbildung 7:
Anteile von Frauen an erwerbstätigen Musikern und darstellenden Künstlern in abhängiger Beschäftigung von 1975-2001
54 41 46
40
10
43 37 51 46 38 39
15 15 15 16
9
45
51
44 45
46 47 45 44 41
52
47
13 17 12
24 20 19 22 22
35 33
32 31 34 28 27 18
36 38 34 25
19 75 19 76 19 77 19 78 19 79 19 80 19 81 19 82 19 83 19 84 19 85 19 86 19 87 19 88 19 89 19 90 19 91 19 92 19 93 19 94 19 95 19 96 19 97 19 98 19 99 20 00 20 01
14
42
46 44 49
48 52
Musikerinnen
Darstellende Künstlerinnen
Quelle: IABS 1975-2001 erweitert, eigene Berechnungen; Anteile in Prozent
Für die Gruppe der abhängig beschäftigten Künstlerinnen zeigen sich im Zeitverlauf folgende Veränderungen. Es sind anteilig deutliche Zuwächse bei den Musikerinnen zu beobachten. Während im Segment der darstellenden Künste zwar die Frauenerwerbstätigkeit zunimmt, fällt diese im Vergleich zu den Musikerinnen moderater aus. Jedoch schwanken die Anteile der Frauen in der Berufsgruppe der darstellenden Künstler um den 50-Prozent-Wert und liegen somit mit etwa fünf Prozent höher im Vergleich zu allen Frauen im Bereich der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung (IAB 2008). Darstellende Künstlerinnen
100
Strukturmerkmale und Risiken
sind im Vergleich zu anderen Beschäftigtengruppen häufiger allein stehend und haben oft auch keine Kinder. Welchen Einfluss haben die Kinder auf die Rentensituation von Frauen? Die nachstehenden Box-Plots illustrieren die Summe der Entgeltpunkte von Frauen mit und ohne Kinder. Abbildung 8:
Summe der Entgeltpunkte abhängig beschäftigter Frauen mit/ohne Kinder im Rentenzugang 2000 bis 2004
Quelle: FDZ-RV – SUFRTZN00-04XXVBB, eigene Berechnungen
Hier wird deutlich, dass die Anzahl der erworbenen Entgeltpunkte in der Gruppe der abhängig beschäftigten Frauen im Rentenzugang mit jedem weiteren Kind abnimmt. Sehr anschaulich kann dies am Median abgelesen werden, der bei Frauen ohne Kinder bei nahezu 50 Entgeltpunkten liegt, mit dem ersten Kind auf knapp über 40 Entgeltpunkte sinkt, dann auf etwa 35 Entgeltpunkte zurückgeht. Der Median bei Frauen mit drei oder mehr Kindern erreicht noch einen maximalen Wert von knapp über 20 Entgeltpunkten. Deutlich zu erkennen ist aber auch die starke Streuung über die Entgeltpunkte. So ist die Streuung am geringsten
Strukturmerkmale und Risiken
101
bei Frauen ohne Kinder und bei Frauen ab vier Kindern. Ab dem vierten Kind geht die Streuung nach oben stark zurück. So hat keine der Frauen mit mehr als drei Kindern während ihres Erwerbslebens die maximale Entgeltpunktzahl generiert. Frauen mit fünf oder mehr Kindern streuen nicht mehr so stark über den Entgeltpunktebereich. Sie liegen in der unteren Hälfte recht dicht beisammen. Anders sieht die Verteilung bei den Künstlerinnen aus, die die letzten drei Jahre vor dem Leistungsfall über die Künstlersozialversicherung pflichtversichert waren. Dies wird in Abbildung 9 illustriert. Abbildung 9:
Summe der Entgeltpunkte selbständiger Frauen mit/ohne Kinder im Rentenzugang 2000 bis 2004
Quelle: FDZ-RV – SUFRTZN00-04XXVBB, eigene Berechnungen
Bei den selbständigen Frauen schlägt sich die Anzahl der Kinder in den erworbenen Entgeltpunkten bei weitem nicht so deutlich nieder wie bei den abhängig beschäftigten Künstlerinnen. Insgesamt ist das Rentenniveau deutlich geringer als in der Gruppe der abhängig beschäftigten Künstlerinnen, die maximale Zahl an Entgeltpunkten erreichen in dieser Gruppe nur Frauen ohne Kinder.
102
Strukturmerkmale und Risiken
Die folgende Abbildung illustriert, dass unsichere und hochflexible Erwerbsformen auch schon früher zu Kinderlosigkeit geführt haben. Abbildung 10: Anzahl der Kinder von Frauen im Rentenzugang KSKRentnerinnen und abhängig beschäftigte Künstlerinnen im Vergleich im Rentenzugang 2000 bis 2004 Alle Rentnerninnen im Rentenzugang 2003
8,3
11,7
Selbständige Künstlerinnen
Alle abhängig beschäftigten Künstlerinnen
Bildende Künstlerinnen
33,9
0% kein Kind
30,5
26,4
34,6
23,2
13,0
20%
ein Kind
30%
25,6
34,3
40%
zwei Kinder
50%
17,6
60%
drei Kinder
70%
80%
vier Kinder
0,6
5,2
1,2
3,5 0,0
16,1
31,6
2,4
9,1
11,9
33,3
2,0
3,1
24,2
24,1
20,7
10%
8,2
29,7
27,1
Darstellende Künstlerinnen
Musikerinnen
17,3
4,5 3,8 0,0
8,3
90%
3,7
100%
fünf Kinder
Quelle: FDZ-RV – SUFRTZN00-04XXVBB, eigene Berechnungen
Über 80 Prozent aller Rentnerinnen haben Kinder, ein Drittel aller Rentnerinnen hat zwei Kinder, während immerhin über 25 Prozent drei oder mehr Kinder haben. Bei den Künstlerinnen sieht das Bild anders aus. So haben nahezu 35 Prozent der selbständigen und der darstellenden Künstlerinnen keine Kinder, wobei etwa 30 Prozent der Künstlerinnen in dieser Gruppe ein Kind hat. Auch hier zeigt sich erneut, dass auch in Bezug auf die Kinderzahl die Gruppe der Musikerinnen denen der übrigen Rentnerinnen am stärksten ähnelt. Im Folgenden wird exemplarisch die Frauenerwerbstätigkeit in einzelnen künstlerischen Teilarbeitsmärkten analysiert. Zunächst erfolgt eine Betrachtung des Orchesterarbeitsmarktes, der bis vor einigen Jahrzehnten ausschließlich männlichen Musikern vorbehalten war. Ein weiterer Schwerpunkt in diesem Abschnitt ist der Erwerbsgruppe der bildenden Künstlerinnen gewidmet.
103
Strukturmerkmale und Risiken
Von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert war die Mitgliedschaft in Symphonieorchestern ausschließlich männlichen Musikern vorbehalten. Seit einigen Jahrzehnten nimmt die Anzahl von Frauen in den Symphonieorchestern weltweit kontinuierlich zu. Die kleinen regionalen Orchester weisen international weitaus größere Anteile an Frauen auf als die großen nationalen Orchester mit höherer Reputation. Dieses Phänomen findet man typischerweise in Berufen, die traditionell von Männern dominiert sind. Auch wenn die Anteile der Frauen je nach Instrumentengruppe verschieden sind, verdeutlicht die nachstehende Tabelle die Verteilung der Geschlechter über die Anfänge der neunziger Jahre im internationalen Vergleich. Tabelle 15: Frauen in Symphonieorchestern im Jahr 1990 (Anteile in Prozent) Länder USA Großbritannien Deutschland (Alte Bundesländer) Deutschland (Neue Bundesländer)
Nationale Orchester 24 26 13 13
Regionale Orchester 52 38 22 20
Quelle: Allmendinger et al. (1996)
Bezüglich der Frauenanteile liegen die US-amerikanischen Orchester Anfang der neunziger Jahre mit nahezu paritätischen Anteilen der Geschlechter in den regionalen Orchestern an erster Stelle, gefolgt von den britischen regionalen Orchestern mit Anteilen an Frauen von nahezu 40 Prozent. In Deutschland lagen die Anteile der Musikerinnen in den regionalen Spielstätten zu Beginn der neunziger Jahre bei nur 23 Prozent (Allmendinger et al. 1996: 194, 199).60 Im Rahmen eines Forschungsprojekts an der Musikhochschule Freiburg zur Untersuchung des Berufsbilds ‚Orchestermusiker’ wurde im Jahr 2002 eine geschlechts- sowie instrumentenspezifische Vollerhebung an deutschen Musikhochschulen und Kulturorchestern durchgeführt.61 Die Anteile von Absolventinnen des Faches Orchestermusik lagen im Jahr 2001 bei 51,5 Prozent. Die größten Anteile von Orchestermusikerinnen findet man in der Instrumentengruppe der Streicherinnen (etwa 34 Prozent), die Schlagzeugerinnen mit Antei60
61
Im Vergleich hierzu liegen die Frauenanteile in den nationalen Orchestern in den USA bei 25 Prozent, in Großbritannien bei 24 Prozent. Die nationalen Orchester in Deutschland weisen dagegen Frauenanteile von nur 11 Prozent auf (Allmendinger et al. 1996: 198). Dabei wurden alle über die Deutsche Orchestervereinigung e.V. (DOV) organisierten Orchestermusiker deutscher Kulturorchester (etwa 85 Prozent aller in Orchestern beschäftigten Musiker) sowie alle Studierenden und Absolventen zweiter Semester im Studiengang Orchestermusik an allen Musikhochschulen (SS 2001 und WS 2001/2002) erfasst. Die folgenden Ausführungen beziehen sich im Wesentlichen auf Paternoga (2005b).
104
Strukturmerkmale und Risiken
len von etwa zwei Prozent bilden das Schlusslicht. Harfe (etwa 91 Prozent) und Flöte (etwa 55 Prozent) sind in den Orchestern die einzigen Instrumente, die überwiegend von Frauen gespielt werden. Im Jahr 1988 lagen die Frauenanteile an den Musikhochschulen in Deutschland bei 47 Prozent, der Anteil der Orchestermusikerinnen in den Kulturorchestern dagegen bei nur 12 Prozent. In den Jahren davor konnte dies auf die geringen Anteile der Bewerberinnen zurückgeführt werden. Nur 20 bis 22 Prozent bei Bewerbungen um eine Orchestermusikerstelle zwischen 1980 und 1983 waren Frauen. Ihre Anteile unter den Neueinstellungen lagen zu diesem Zeitpunkt bei etwa 25 Prozent. Die Anteile der Studentinnen in den Studiengängen für Musikberufe an Musikhochschulen, Universitäten und andren Hochschuleinrichtungen steigen seither kontinuierlich an. Diese erhöhten sich beispielsweise in dem Zeitraum zwischen 1996/1997 und 2000/2001 von 53 auf 55 Prozent (Mertens 2002b, Rohlfs 2002).62 Auch in der Personalpolitik der Orchester vollzieht sich seit Beginn der neunziger Jahre ein Wandel. Sowohl der Bewerberinnenanteil als auch der Anteil der engagierten Musikerinnen steigt kontinuierlich an. Mittlerweile werden sogar proportional mehr Frauen eingestellt, als sich bewerben (Broughton 2001: 50). Zu Beginn der neunziger Jahre lagen die Anteile der Bewerberinnen bereits bei 25 Prozent. Diese stiegen unter den Neuanstellungen bis zum Jahr 2001 auf 42,5 Prozent an. Ende der neunziger Jahre lag der Frauenanteil unter den Bewerbern bereits bei 43,8 Prozent, die Anteile unter den Neueinstellungen stiegen auf über 45 Prozent. Diese Tendenzen wiesen auch Allmendinger et al. (1996) nach. Im Jahr 2005 waren die Anteile von Frauen und Männern unter den Bewerbern und Neueinstellungen nahezu ausgeglichen. Diese Veränderungen schlagen sich deutlich in der Altersstruktur in deutschen Orchestern nieder. Daten der Versorgungsanstalt der deutschen Kulturorchester zeigen dabei folgendes Bild: Während der Frauenanteil in der Altersgruppe der 60 bis 65jährigen bei nur 10 Prozent liegt, sind diese in der Gruppe der 35- bis 40jährigen mit 35 Prozent vertreten. In der Gruppe zwischen 30 und 35 Jahren liegen die Anteile bei 44,4 Prozent und im Jahr 2002 waren über die Hälfte (52,8 Prozent) der 20- bis 30jährigen Orchestermusiker Frauen. Differenziert man die Anteile der Frauen nach unterschiedlichen Orchestervergütungskategorien63, so zeigt sich, dass der Anteil der Musikerinnen in den TarifKategorien D bis A kontinuierlich abnimmt (Paternoga 2005b).64 62
63
Die Frauenanteile in anderen Studienrichtungen an Hochschulen liegen insgesamt dagegen im Jahr 2000/2001 bei 46 Prozent (Rohlfs 2002: 16). Die Einstufung eines Orchesters erfolgt nach seiner Planstellenzahl in die Vergütungskategorien A/F1 (mehr als 130 Musiker), A (99-129 Musiker), B (66-98), C (56-65) und D (bis 55 Musiker). Sie ist eine wichtige Kenngröße der künstlerischen Leistungsfähigkeit eines Musikbetriebes. Die
Strukturmerkmale und Risiken
105
Der Einschätzung des Interviewpartners aus der deutschen Orchestervereinigung folgend hat sich die Arbeitssituation für Frauen in den letzten Jahren in den deutschen Kulturorchestern verbessert. Auch er kann bestätigen, dass die Anteile von Frauen in den Orchestern zunehmen. Außerdem hat sich die Situation für erwerbstätige Eltern in den Orchestern verbessert. Fragen der Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie werden offen diskutiert und Strategien zur Lösung organisatorischer Probleme entwickelt. Allerdings gäbe es noch erheblichen Verbesserungsbedarf. Im nächsten Abschnitt wird die Verteilung der Altersgruppen in den Künstlerberufen dargestellt. 4.2.5 Altersstruktur Aufgrund der langen Ausbildungszeiten liegt das Berufseintrittsalter bei den Künstlern höher als bei dem Durchschnitt der übrigen Erwerbstätigen. Dazu kommt, dass darstellende Künstler und insbesondere die Tänzer ihre künstlerische Karriere oftmals bereits mit 35 Jahren beenden (Schneider 2005). Abbildung 11 verdeutlicht die Verteilung der einzelnen künstlerischen Berufsgruppen im Vergleich zu den übrigen Erwerbstätigen über die verschiedenen Altersklassen.
64
Mehrzahl der Theater verfügt über ein B-Orchester, das ohne Aushilfe die Standardwerke des Opernrepertoires spielen kann. Für eine differenzierte Darstellung der Vergütungsgruppen in deutschen Kulturorchestern vgl. Tabelle 25, S. 131
106
Strukturmerkmale und Risiken
Abbildung 11: Altersklassen und künstlerische Berufe im Jahr 2003 (Anteile in Prozent)
14,8 14,7 20,98 17,01 15,6 10,8 9,64
12,5 0,7
18,9
12,0
26 bis 30
Musiker
16,3
10,02
9,45
12,1
13,5
11,4
8,8
8,8
8,8
12,6 25,8
10,9
bis 25
12,4
15,1
10,7 5,2
13,61 19,9
5,0
5,67
13,4
31 bis 35
9,8
9,4 8,51
2,1
16,6
12,7
9,6
7,4
6,6
5,1 5,7 4,4 5,2
36 bis 40
41 bis 45
46 bis 50
51 bis 55
56 bis 60
61 bis 65
Darstellende Künstler
Bildende Künstler
Alle Künstler
Alle Erwerbstätigen
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2003), eigene Berechnungen
In dieser Grafik wird die starke Streuung der Berufsgruppen über die einzelnen Altersklassen deutlich. Die Gruppe der Erwerbstätigen (Alle) ist als Referenzgruppe in die Abbildung integriert. Diese verteilt sich gleichmäßiger über die einzelnen Altersklassen, als dies bei den künstlerischen Berufsgruppen der Fall ist. Die künstlerischen Berufsgruppen sind im Vergleich zu den übrigen Erwerbstätigen vor allem in den mittleren Altersgruppen dominant. Da Künstler in der Regel über ein hohes Qualifikationsniveau verfügen, beginnen viele ihre Karriere erst mit Anfang 30. Am stärksten weichen die Anteile der Künstler von denen der übrigen Erwerbstätigen in der Altersgruppe 30 bis 35 ab. Nahezu ein Fünftel aller erwerbstätigen Künstler ist in dieser Altersgruppe vertreten, während die Anteile der übrigen Erwerbstätigen hier bei unter 15 Prozent liegen. Bei den Musikern befindet sich sogar ein Viertel aller Erwerbstätigen in diesem Alterssegment. Bei den darstellenden Künstlern, aber auch bei den Musikern zeigt sich ab der Altersgruppe der über 40jährigen ein sprunghafter Rückgang in den Erwerbstätigenzahlen. Tänzer beenden ihre künstlerischen Karrieren in der Regel meistens mit 30, spätestens aber mit 35 Jahren (Langsdorff 2005: 11). Die bildenden Künstler sind im Durchschnitt etwas älter als ihre Kollegen in anderen
107
Strukturmerkmale und Risiken
künstlerischen Berufen. Der größte Anteil dieser Berufsgruppe findet sich in der Altersgruppe der 35- bis 40jährigen. Wie verteilen sich nun die einzelnen Altersklassen über den Erwerbsstatus? Abbildung 12 gibt hierauf eine Antwort. Abbildung 12: Altersklassen und Erwerbsstatus im Jahr 2003 (Anteile in Prozent)
17.0
15.2 14.3 9.4
11.2
7.1 8.5
23.9 18.4
10.3
13.1 8.5
10.5
11.2
7.1 8.5 3.6
2.3 bis 25
26 bis 30
31 bis 35
36 bis 40
Selbständige Künstler
41 bis 45
46 bis 50
51 bis 55
56 bis 60
61 bis 65
Abhängig beschäftigte Künstler
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2003), eigene Berechnungen
Die Anteile der Selbständigen variieren erheblich über die Altersklassen, während die Anteile der abhängig beschäftigten Künstler nicht in diesem Ausmaß über die einzelnen Altersklassen streuen. Die Anteile der Selbständigen nehmen in den mittleren Altersklassen zunächst zu, während sie in den oberen Altersgruppen wieder abnehmen. Die größten Anteile an Selbständigen unter den Künstlern finden sich in der Altersgruppe zwischen 30 und 40 Jahren. In der Altersgruppe zwischen 40 und 50 Jahren halten sich die Anteile der selbständigen und der abhängig beschäftigten Künstler nahezu die Waage. In der Altersgruppe der über 60jährigen liegen die Anteile der abhängig beschäftigten Künstler wiederum über denen der selbständigen Künstler. Möglicherweise hat ein nicht unwesentlicher Anteil der Künstler in dieser Phase die selbständige Künstlerkarriere bereits beendet und arbeitet in anderen Berufen. Fachinger et al. ermitteln ansteigende Selbständigenanteile mit zunehmenden Alter. So war im Jahr
108
Strukturmerkmale und Risiken
2000 die Hälfte der Selbständigen älter als 45 Jahre, während nur ein Drittel der abhängig Beschäftigten dieser Altersgruppe zugehörten (Fachinger et al. 2004: S. 149). Die Autoren weisen an anderer Stelle nach, dass die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit vergleichsweise spät und häufig erst nach Beendigung einer vorherigen Beschäftigung aufgenommen wird (Fachinger et al. 2004: 201f). Auch in diesem Punkt unterscheiden sich die Künstler von anderen Erwerbsgruppen, da der Übergang in Selbständigkeit vergleichsweise früh erfolgt. Die besonderen Arbeitszeiten der Künstler stehen im Fokus des nächsten Abschnitts. 4.2.6 Arbeitszeiten Es herrscht ein breiter Konsens darüber, dass die Beschäftigungsverhältnisse von Künstlern ein hohes Ausmaß an Flexibilität verlangen. Die Arbeitszeiten vieler Künstler sind unmittelbar von momentaner Auftragslage abhängig, folglich wechseln Phasen starker Auslastung mit Phasen, die durch Unterbeschäftigung gekennzeichnet sind. Die Nachfrageschwankungen nach künstlerischer Arbeit lassen sich nur begrenzt individuell steuern (Betzelt 2006: 20-21). Die Künstler unterliegen hoher physischer und psychischer Arbeitsbelastung. An den Theatern wird grundsätzlich auch abends und an Sonn- und Feiertagen gearbeitet (Deutscher Bühnenverein 2002: 9). Für die Berufsgruppe der Orchestermusiker ist der Arbeitsumfang im Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) geregelt. Demnach verpflichten sich die Musiker im Durchschnitt, von acht Kalenderwochen beziehungsweise bei Konzertorchestern von 16 Kalenderwochen höchstens acht Dienste zu leisten. 65 Bei schwierigen Aufführungen verkürzt sich die Anzahl der Dienste auf sieben. Die Dauer eines Dienstes beträgt zwischen 2,5 und drei Stunden. Etwa ein Viertel der darstellenden Künstler arbeitet an sechs Tagen die Woche, weitere 20 Prozent sind sogar an sieben Tagen tätig. Ein nicht unwesentlicher Teil der Arbeit von darstellenden Künstlern und Musikern wird in den Abendstunden und am Wochenende ausgeführt.
65
Bei Diensten handelt es sich um die Mitwirkung des Musikers in Aufführungen und die Teilnahme an Proben {Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (§ 15(1) TVK 2002).
109
Strukturmerkmale und Risiken
Abbildung 13: Wochenarbeitszeiten66 von selbständigen Künstlern und anderen Selbständigen im Vergleich 60 52,9 50 42,2 39,2
40
32,4 30
20
10
28,4
26,5
17,0
16,2 15,6 8,6
17,7
19,1 18,5
18,4
13,6
9,8 6,7 6,5 4,9 5,9
0 bis 15 Stunden
16 bis 20 Stunden
Musiker
21 bis 35 Stunden
Darstellende Künstler
36 bis 40 Stunden
Bildende Künstler
über 40 Stunden
Alle Selbständigen
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2003, eigene Berechnungen
In dieser Abbildung zeigen sich klare Unterschiede zwischen den künstlerischen Berufsgruppen und den übrigen Selbständigen: Deutlich zu erkennen ist an dieser Stelle, dass das Arbeitszeitvolumen der Mehrheit der Selbständigen (Alle) einen Umfang zwischen 36 und 40 Wochenstunden aufweist. Nur bei etwa einem Fünftel in dieser Gruppe der Selbständigen beträgt die Wochenarbeitszeit über 40 Stunden. Überraschend erscheint das Ergebnis für die Gruppe der Bildenden Künstler, die mit Anteilen von über 40 Prozent über der Normalarbeitszeit67 pro Woche liegen. Dies ist insofern kontraintuitiv, da es sich bei dieser Erwerbsgruppe um die einkommensschwächste aller drei Künstlergruppen handelt. Die Arbeitszeitvolumina in den Gruppen der selbständigen Musiker und darstellenden Künstler weichen kaum voneinander ab. Aber auch für diese Berufsgruppen ist ein Arbeitszeitvolumen oberhalb der 40 Stunden Woche für 30 Prozent der Musiker und nahezu 40 Prozent der darstellenden Künstler zu beobachten. Aber auch Formen kleiner Selbständigkeit mit Arbeitszeiten unter 15 66 67
Tatsächlich geleistete Arbeitszeit in der Berichtswoche Die wöchentliche Normalarbeitszeit beträgt gemäß § 3 Abs 1 Arbeitszeitgesetz (AZG) 40 Stunden
110
Strukturmerkmale und Risiken
Stunden/Woche weisen nahezu 30 Prozent der Musiker und der darstellenden Künstler auf. Abbildung 14: Wochenarbeitszeiten68 von abhängig beschäftigten Künstlern und allen abhängig Beschäftigten im Vergleich 60 50,8 50
40
30
37,0
35,2
33,0
27,6 20,5
20
20,7
17,6 13,4
10
9,5
8,7 5,5
4,4
9,9
6,4
0 bis 15 Stunden
16 bis 20 Stunden
Musiker
21 bis 35 Stunden
Darstellende Künstler
36 bis 40 Stunden
über 40 Stunden
Alle abhängig Beschäftigten
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2003, eigene Berechnungen
Während nahezu die Hälfte aller abhängig Beschäftigten sich im Rahmen eines Arbeitszeitvolumens zwischen 36 und 40 Stunden bewegt, ist diese Gruppe bei den Musikern und darstellenden Künstlern deutlich kleiner. Auffällig ist bei den darstellenden Künstlern, dass nahezu ein Drittel in der Gruppe der darstellenden Künstler Arbeitszeiten von über 40 Stunden/Woche aufweist. Man hat im Normalvertrag Bühne (NV Bühne) bewusst auf konkrete Vorgaben zur Arbeitszeit für das künstlerische Personal verzichtet, damit die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG) auf 48 Stunden ausgedehnt werden kann. Der Tarifvertrag sieht lediglich Arbeitszeitvorgaben für die Berufsgruppe der Bühnentechniker vor. Allerdings regelt der NV Bühne die Ruhezeiten für die einzelnen Berufsgruppen69. Diese betragen in der Regel 11 Stunden nach dem Ende einer Abendaufführung, wenn erforderlich kann diese Ruhe68 69
Tatsächlich geleistete Arbeitszeit in der Berichtswoche. Solo, Bühnentechniker, Chor und Tanz.
111
Strukturmerkmale und Risiken
zeit um zwei Stunden verkürzt werden (§ 56; NV Bühne). Für die Chöre und die Berufgruppe Tanz sind die Ruhezeiten wesentlich differenzierter ausgewiesen. Für sie sind außer der Nachtruhezeit auch Ruhezeiten zwischen den Proben geregelt (§ 73, § 86; NV Bühne). Die Musiker und die übrigen Erwerbstätigen arbeiten nur etwa mit Anteilen von 20 Prozent oberhalb der 40-Stunden Grenze. Aber auch im Bereich der sehr kleinen Beschäftigungsverhältnisse bis zu 15 Stunden/Woche sind die beiden Künstlergruppen stärker vertreten als die übrigen Erwerbstätigen. Dies kann möglicherweise ein Indiz für Unterbeschäftigung in diesen Berufsgruppen sein. Problematisch an dieser Stelle ist der Bezug auf die Berichtswoche. Hilfreich wäre dafür die Messung der Arbeitszeitvariation im Längsschnitt, damit man Aussagen zur Flexibilität von Arbeitsverhältnissen treffen könnte. Als Querschnittsdatensatz ist dies mit dem Mikrozensus nicht möglich, da keine Frage im Hinblick auf Variation in den Arbeitszeiten gestellt wird.70 Tabelle 16: Besondere Arbeitszeiten bei Künstlern im Jahr 2003 (Anteile in Prozent)
Nachtarbeit (ab 18 Uhr) Samstagsarbeit Sonntagsarbeit
Musiker
Darstellende Künstler
Bildende Künstler
Alle Künstler
Alle Erwerbstätigen
42.33 40.47 41.86
38.31 40.26 38.31
35.34 39.1 33.08
39.24 40.04 38.45
14.98 17.62 9.63
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2003, eigene Berechnungen
Die Analyse der Arbeitszeitmuster bei Künstlern bestätigt das stereotype Bild des Künstlers. Erwartungsgemäß arbeiten viele Künstler außerhalb der regulären Arbeitszeiten. Dieses hohe Ausmaß an Arbeitszeitflexibilität erschwert die Synchronisation von Freizeit mit dem Partner, beziehungsweise der Familie. Je individueller sich die Arbeitszeiten gestalten, desto geringer und weniger planbar sind die Sozialzeiten (Eberling und Henckel 2000: 381). Bei der Betrachtung von Arbeitszeiten bildender Künstler ist zu berücksichtigen, dass der überwiegende Teil der Künstler dieser Berufsgruppe als Selbständige arbeitet. Ein Teil der Künstler in dieser Berufsgruppe kann möglicherweise frei über die Einteilung der Arbeitszeiten verfügen. So finden SamstagsSonntags- Feiertags- und Nachtarbeitszeiten lediglich gelegentlich statt und erfolgen überwiegend eigenverantwortlich. 70
Die anderen zur Verfügung stehenden Datensätze beinhalten keine Arbeitszeitvariable.
112
Strukturmerkmale und Risiken
Der britische Labour Force Survey (LFS) sieht eine Frage zu wechselnden Arbeitszeiten vor. Es ergibt sich für Großbritannien in der Variation der Arbeitszeiten folgendes Bild: Während nahezu 50 Prozent der übrigen Erwerbstätigen innerhalb festgelegter Zeiten arbeiten, unterliegen die Arbeitszeiten von 87 Prozent der Schauspieler und 78 Prozent der Musiker starken Schwankungen. Eine Ursache für die unsteten Arbeitszeiten liegt in den Schwankungen der Nachfrage. Eine Vielzahl kultureller Veranstaltungen wie Theateraufführungen, Ausstellungen, Konzerte finden zu einer bestimmten Zeit statt, an dem die Arbeit abgefragt wird (O'Brien und Feist 1997: 7). In der früheren Studie von O'Brien und Feist (1995) zu den Beschäftigungsstrukturen in kulturellen Professionen in Großbritannien wird deutlich, dass der Umfang der wöchentlichen Arbeitszeit von Künstlern in etwa den übrigen Erwerbstätigen entspricht: 80 Prozent der Männer und nur knapp 70 Prozent der Frauen haben ein Wochenarbeitszeitvolumen von über 30 Stunden (O'Brien und Feist 1995: 35f). Bei einer differenzierteren Betrachtung werden jedoch Unterschiede zwischen den Professionen und möglicherweise auch Formen von Unterbeschäftigung sichtbar: Weniger als 65 Prozent der darstellenden Künstler arbeitet mehr als 31 Stunden in der Woche, sogar ein Viertel aller Musiker weist Arbeitszeiten von weniger als 22 Stunden/Woche auf.71 Die hohen Anteile an selbständigen Musikern weisen auf eine Arbeitsform hin, die sich aus unbezahlter Vorbereitungszeit und bezahlter Arbeit während der künstlerischen Darbietung zusammensetzt. Erwartungsgemäß gibt es Unterschiede bezüglich der Arbeitsintensität zwischen den Geschlechtern. In Abschnitt 4.2.7 werden die Determinanten analysiert, die damit im Zusammenhang stehen, ob Künstler in Selbständigkeit arbeiten oder einer abhängigen Beschäftigung nachgehen.
71
Diese Befunde weisen auch auf ein Problem der Erfassungssystematik des Mikrozensus hin, da die Befragten möglicherweise zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit differenzieren.
Strukturmerkmale und Risiken
113
4.2.7 Selbständigkeit oder abhängige Beschäftigung?72 Die Anzahl der Selbständigen steigt seit Jahren insbesondere bei Künstlern mit Hochschulabschluss stetig an. Jeder zweite Selbständige arbeitet heute ohne Mitarbeiter (Betzelt und Gottschall 2005: 7). Die Motivation für den Wechsel in selbständige Erwerbstätigkeit lässt sich nach zwei Idealtypen differenzieren: Die Ökonomie der Not und die Ökonomie der Selbstverwirklichung. Bei drohender Arbeitslosigkeit oder in Ermangelung von Erwerbsalternativen sind die Pushfaktoren (Ökonomie der Not) von zentraler Bedeutung, während die Pullfaktoren (Ökonomie der Selbstverwirklichung) dem entgegengesetzten Muster folgen (Bögenhold und Staber 1990: 274). Auf den Künstlerarbeitsmärkten wirken beide Faktoren gleichzeitig. Einerseits sind sie durch ein Überangebot von Arbeitskräften gekennzeichnet, was einen Teil der Künstler in die Selbständigkeit drängt. Andererseits suchen viele Künstler in der Selbständigkeit ihre Unabhängigkeit, Freiheit sowie die Selbstverwirklichung (Meager 1992: 87, Granger et al. 1995: 507). Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen auf den Künstlerarbeitsmärkten die individuellen Autonomiegewinne, die die Künstler beim Eintritt in die Selbständigkeit erwarten (Betzelt 2006: 6). Anhand einer logistischen Regression wird in Abschnitt 4.2 folgende Frage beantwortet: Welche Faktoren spielen eine Rolle, ob erwerbstätige Musiker, darstellende Künstler und bildende Künstler einer abhängigen Erwerbstätigkeit nachgehen oder als Selbständige arbeiten? Zu erwarten wäre in diesem Zusammenhang, dass die Humankapitalvariable keinen Einfluss auf den Erwerbsstatus ausübt, da künstlerische Karrieren häufig von einer Vielzahl von Faktoren wie Moden oder Talenten abhängen, die oftmals schwer zu beeinflussen sind (Deutscher Bühnenverein 2002: 42). Vermutlich besteht ein wechselseitiger Einfluss zwischen dem beruflichen Status und der Familiensituation, da der berufliche Status in Bezug auf Stabilität, Einkommenssicherheit und soziale Absicherung eine Schlüsselrolle für die private Planung ausübt. Ferner ist zu erwarten, dass der Zugang in eine abhängige Beschäftigung geschlechtsspezifisch ist. Die Größe des Wohnortes könnte ein weiterer künstlerarbeitsmarktspezifischer Indikator für den Erwerbsstatus sein. Zu vermuten wäre hier, dass die Konzentration von Künstlern in Großstädten zu einem Arbeitskräfteüberschuss führt, so dass die Künstler verstärkt in Selbständigkeit arbeiten. Tabelle 17 stellt die Wohnorte verschiedener Künstlergruppen im Vergleich zur Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter dar.
72
Teile dieses Kapitels wurden bereits in Haak ( 2005) publiziert, an dieser Stelle allerdings aktualisiert und erweitert.
114
Strukturmerkmale und Risiken
Tabelle 17: Wo leben Künstler im Jahr 2000 (Anteile in Prozent)?73 Wohnortgröße
Gemeinde/Stadt unter 20.000 EW Mittelstadt 20.000 bis 100.000 EW Großstadt 100.000 bis 500.000 EW Großstadt über 500.000 EW Gesamt
Musiker
Darstellende Künstler
Bildende Künstler
Künstler Gesamt
Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter
22.8
10.4
28.1
20.5
43.8
19.6
18.8
23.2
20.3
27.1
23.5
19.1
16.2
20.2
14.5
34.1
51.7
32.6
38.9
14.7
100
100
100
100
100
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2000), eigene Berechnungen
Ein Großteil der Künstler lebt in Großstädten mit mehr als 100.000 Einwohnern. Bei den darstellenden Künstlern ist die Konzentration in Großstadträumen am stärksten ausgeprägt: Über 70 Prozent der Künstler dieser Berufsgruppe leben in Städten dieser Größe. Aber auch Musiker leben überwiegend in urbanen Zentren. Bei den bildenden Künstlern findet sich eine nahezu paritätische Verteilung zwischen Groß-, Klein- und Mittelstädten. Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter hingegen lebt nahezu zur Hälfte in Gemeinden und Städten mit weniger als 20.000 Einwohnern. Während bildende Künstler prinzipiell über eine Vielzahl an Optionen bezüglich ihres Wohn- oder Arbeitsortes verfügen, spielen bestimmte Orte eine zentrale Rolle für die Karrieremöglichkeiten von Musikern und darstellenden Künstlern, insbesondere wenn diese im Live Segment und im Bühnenbereich arbeiten (Galligan und Alper 2000: 184). Eine aktuelle Umfrage unter bildenden Künstlern in Deutschland gelangt zu ähnlichen Ergebnissen. Die Vorteile der Großstadt sehen die bildenden Künstler in der Nähe zu Berufskollegen sowie professionellen Vermarktern und Ausbildungseinrichtungen, die Nachteile dagegen bestehen in der Schwierigkeit, Ateliers zu adäquaten Mietpreisen zu finden. Insbesondere die weiblichen jüngeren bildenden Künstler entscheiden sich oft für ein Leben in der Großstadt und mieten sich dort ein kleines Atelier an (Hummel 2005: 28). Auf der Basis der Reichsstatistik gegen Ende des 19. Jahrhunderts waren bereits Urbanisierungstendenzen bei den Künstlern zu erkennen: So lebten damals über 70 Prozent
73
Eine Differenzierung zwischen Arbeitsort und Wohnort kann aufgrund der Datenlage nicht getroffen werden. Deshalb können Pendlerstrukturen nicht berücksichtigt werden.
Strukturmerkmale und Risiken
115
aller bayerischen Maler in München sowie nahezu 30 Prozent aller deutschen Maler in den Städten München und Berlin (Drey 1910: 72). In einem nächsten Schritt werden Einflüsse auf die Wahrscheinlichkeit geschätzt, nach der Künstler einer abhängigen Beschäftigung im Unterschied zur Selbständigkeit nachgehen. Die abhängige Variable in der logistischen Regression ist die Erwerbsform, wobei die abhängige Beschäftigung mit 1 und die Selbständigkeit mit 0 kodiert wurden. In Tabelle 18 sind drei Modellvarianten aufgeführt: Modell 1 weist die Chancen einer abhängigen Beschäftigung von Frauen und Männern aus, während die anderen zwei Modelle die Geschlechter getrennt betrachten, um einen unmittelbaren Modellvergleich zu ermöglichen. Diese Tabelle vermittelt einen ersten Eindruck von den Indikatoren, die einen Einfluss auf das Bestehen einer abhängigen Beschäftigung ausüben.
116
Strukturmerkmale und Risiken
Tabelle 18: Abhängige Beschäftigung und Selbständigkeit74 (Log. Regression) Variable Musiker Bildende Künstler Darstellende Künstler Alleinlebend Mit Familie oder Partner lebend Großstadt über 500.000 Einwohner Gemeinde/Stadt unter 20 Tsd. Einwohner Mittelstadt 20 bis 100 Tsd. Einwohner Wohnortgröße: Großstadt 100bis unter 500 Tsd. Einwohner Geringes Bildungsniveau 75 Hohes Bildungsniveau Weiblich Geschlecht Alter unter 40 Jahren Über 40 Jahren Keine Kinder im Haushalt Kinder im Haushalt Pseudo R² (McFadden’s) Wald F (df) Beobachtungen 2
(1) Männer und Frauen 1 0.028 (7.84)** 1.314 (1.17) 1 2.156 (3.02)** 1 1.461 (1.27) 3.435 (4.08)** 3.165 (3.97)** 1 1.369 (1.45) 1 0.660 (1.86)+ 1 1.037 (0.16) 1 0.895 (0.72) 0,26 92.37 (10)** 529
(2) Männer
(3) Frauen
1 0.009 (4.52)** 1.767 (1.90)+ 1 1.943 (2.04)* 1 1.158 (0.37) 3.077 (2.96)** 2.436 (2.46)* 1 1.656 (1.80)+
1 0.039 (5.65)** 0.882 (0.31) 1 2.345 (1.95)+ 1 1.967 (1.38) 3.977 (2.56)* 4.658 (2.90)** 1 1.061 (0.16)
1 1.734 (1.90)+ 1 1.101 (0.46) 0,29 48.24 (9)**
1 0.396 (2.32)* 1 0.635 (1.70)+ 0,28 43.42 (9)**
328
201
Eigene Berechnungen; Anmerkungen: Werte der z-Statistik in Klammern, Signifikanzangaben für + < 10%; * < 5%; ** < 1% Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2000)
74
75
Zur leichteren Interpretation der Beträge der Koeffizienten wurde die Darstellung als Chancenverhältnisse (odds-ratios) gewählt. Die Werte können nur positiv sein. Bei einem Wert > 1 ist der Einfluss der unabhängigen Variable auf die abhängige Variable positiv, nimmt der Wert dagegen einen Betrag < 1 an, so ist der Einfluss negativ. Für weitere Informationen zu odds-ratios vgl. Kohler (2001: 267f) oder Long (2001: 132ff). Diese Kategorie wurde mit 1 kodiert, wenn mindestens ein Fachhochschulabschluss oder ein höherer Ausbildungsabschluss vorhanden ist.
Strukturmerkmale und Risiken
117
Zunächst hat die Wahl des künstlerischen Berufes eine zentrale Auswirkung auf die Chance, in einer abhängigen Beschäftigung zu arbeiten. Dabei liegen die darstellenden Künstler vor den Musikern und diese wiederum vor den bildenden Künstlern.76 Bei den Frauen zeigt der Trend allerdings in eine andere Richtung: Musikerinnen sind eher in abhängiger Beschäftigung zu finden als darstellende Künstlerinnen, der Effekt ist allerdings nicht signifikant. In dieser Berufsgruppe arbeiten die bildenden Künstler überwiegend als Selbständige. Hier sind die Chancen für eine abhängige Beschäftigung verschwindend gering, dies gilt sowohl für Frauen als auch für die Männer. Ein hohes Bildungsniveau erhöht die Chancen für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nur bei männlichen Künstlern, bei Frauen ist dieser Effekt nicht zu beobachten. Diese Tatsache könnte auf den stark von Männern dominierten Orchesterbereich zurück zu führen sein. Orchestermitglieder befinden sich in der Regel in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen, wobei ein hohes Ausbildungsniveau dafür die Voraussetzung darstellt. So wurde empirisch nachgewiesen, dass zusätzliche Bildungsinvestitionen in Form eines Jugendstudiums oder einer postgradualen Bildung die Wahrscheinlichkeit erhöhen, in ein AOrchester aufgenommen zu werden (Fasang 2003). Dieser Effekt könnte sich in Zukunft abschwächen, da verstärkt gut ausgebildete Frauen in die Orchester einziehen. Für alle drei Berufsgruppen gibt es einen starken Zusammenhang zwischen der Erwerbsform und der privaten Lebensform. So wird deutlich, dass allein lebende Künstler eher in Selbständigkeit arbeiten als Künstler, die mit einem Partner beziehungsweise einer Partnerin zusammenleben. Dieser Tatbestand kann in zwei Richtungen interpretiert werden: Zum einen wäre denkbar, dass ein bestimmter Künstlertyp sowohl sein Privatleben individualistisch führt als auch gleichzeitig eine selbständige Erwerbstätigkeit mit einem im Vergleich zur abhängigen Beschäftigung höheren Grad an Selbstbestimmung bevorzugt (vgl. auch Dangel und Piorkowsky 2005: 20). Ein anderer Erklärungsansatz wäre, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis tendenziell zu höherer ökonomischer und sozialer Sicherheit führt und die Beschäftigten darum eher bereit oder überhaupt in der Lage sind, partnerschaftlich einen gemeinsamen Haushalt zu führen. Selbständige Künstlerinnen sind aber eher bereit, Kinder zu bekommen als abhängig beschäftigte Künstlerinnen. Dieser Effekt kann aber auch in eine andere Richtung weisen: So entscheiden sich möglicherweise Künstlerinnen
76
Diese Rangfolge entspricht der Deskription aus Tabelle 2. (Die Anteile unter den Selbständigen sind dort unter den bildenden Künstlern am höchsten, gefolgt von Musikern mit 46,3 Prozent, während die Anteile der Selbständigen bei den darstellenden Künstlern bei 42,5 Prozent liegen.)
118
Strukturmerkmale und Risiken
nach der Geburt ihrer Kinder eher für eine selbständige Tätigkeit. Bei Männern ist dieser Zusammenhang nicht zu beobachten. Künstlerinnen stehen mit höherer Wahrscheinlichkeit in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis als ihre männlichen Kollegen. Diese Aussage ist allerdings hinsichtlich der Altersgruppen zu qualifizieren: Bei den über 40jährigen zeigt der Effekt in die gegenteilige Richtung, Künstlerinnen über 40 Jahre sind mit höherer Wahrscheinlichkeit als Selbständige tätig. Dieses Ergebnis kann möglicherweise auf die strukturellen Merkmale der Beschäftigungsverhältnisse zurückgeführt werden, auch wenn hier zunächst unklar bleibt, ob es sich bei den abhängigen Beschäftigungsverhältnissen um befristete oder unbefristete Stellen handelt. Der Zusammenhang hängt möglicherweise mit der geringeren Anzahl weiblicher Hauptrollen in Theaterstücken zusammen. Der Arbeitsmarkt für Schauspielerinnen ist kleiner als der ihrer männlichen Kollegen. So erfolgt die Erwerbstätigkeit von Musikerinnen und darstellenden Künstlerinnen oft in unfreiwilliger Selbständigkeit (Dangel und Piorkowsky 2005: 20). Die Größe der Wohnorte der Künstler hat einen zentralen Einfluss auf die Erwerbsform von Künstlern. Die schlechteste Chance für Künstler, in einer abhängigen Beschäftigung tätig zu sein, gibt es generell in Großstädten mit über 500.000 Einwohnern. Für Künstlerinnen stehen die Chancen für eine abhängige Beschäftigung in Großstädten mit einer Einwohnerzahl zwischen 100.000 und 500.000 am besten. Hier besitzen sie den größten Vorsprung vor ihren Kollegen. Aber auch in Städten unter 20.000 Einwohnern sowie im eher ländlichen Bereich liegen sie vor den männlichen Künstlern. So wird bereits eine zentrale Entscheidung mit der Wahl des Wohn- und Arbeitsortes getroffen. In Städten mit einer Einwohnerzahl zwischen 20.000 und 500.000 Einwohnern arbeiten Künstler am ehesten in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen. In Großstädten ab einer Zahl von 500.000 Einwohnern und in Gemeinden und Kleinstädten mit bis zu 20.000 Einwohnern ist die Wahrscheinlichkeit für Künstler, einer selbständigen Tätigkeit nachzugehen, deutlich höher. Auch für diese Effekte sind unterschiedliche Ursachen denkbar. Vorstellbar ist, dass insbesondere Großstädte in Deutschland mit über 500.000 Einwohnern eine starke Anziehungskraft auf Individualisten mit dem Ziel der Selbstverwirklichung ausüben. Zwischen der Wohnortgröße und dem Beschäftigungsstatus gibt es einem U-förmigen Zusammenhang. Die Wahrscheinlichkeit, dass Künstler in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen, kann somit auch graphisch abgebildet werden. Der Verlauf entspricht dabei dem einer inversen U-Kurve. Die Ordinate bildet die Wahrscheinlichkeit (P) ab, mit der Künstler in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis (im Vergleich zur Selbständigkeit) stehen, auf der Abszisse ist die Stadtgröße in Abhängigkeit von der Einwohnerzahl
Strukturmerkmale und Risiken
119
abgebildet. Deutlich wird hier der nichtlineare Zusammenhang zwischen der Wahrscheinlichkeit für Künstler, in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu arbeiten, und der Stadt, in der sie leben. Abbildung 15: Inverse U-Kurve: Stadtgröße und Erwerbsform von Künstlern
Quelle: Eigene Darstellung
Der starke Zustrom von Künstlern in Ballungsräume führt in diesen Segmenten allerdings zu einem Überangebot an Erwerbstätigen, so dass der Weg in die Selbständigkeit eine Alternative zur Arbeitslosigkeit darstellen kann. Dieses Ergebnis untermauert die Hypothese von Honey, die in einer Studie über Karrierewege bildender Künstler in Großbritannien die Auswirkung der Entscheidung, einer künstlerischen Tätigkeit in London nachzugehen, als Glücksspiel bezeichnet, das mit einem hohen Risiko verbunden ist und in dem man entweder gewinnt oder alles verliert (Honey et al. 1997). In anderen Gegenden in Großbritannien ist es dagegen möglich, als Künstler auf einem mittleren Niveau zu leben.
120
Strukturmerkmale und Risiken
In einem nächsten Schritt werden exemplarisch die Wahrscheinlichkeiten für das Bestehen einer abhängigen Beschäftigung für typische Fälle geschätzt.77 So liegt die Chance, dass ein nicht allein stehender Musiker mit hohem Bildungsniveau einer abhängigen Beschäftigung nachgeht, bei nahezu 80 Prozent. Wohnt dieser Musiker darüber hinaus in einer Stadt zwischen 20.000 bis 100.000 Einwohnern, erhöht sich diese Wahrscheinlichkeit auf über 90 Prozent. Bei einer Musikerin mit identischen Merkmalen liegt die Wahrscheinlichkeit mit über 95 Prozent noch höher. Leben diese Musiker dagegen in einer Großstadt mit über 500.000 Einwohnern, so verringert sich die Wahrscheinlichkeit einer abhängigen Beschäftigung bei den Männern auf etwa 70 Prozent, während die Frauen immer noch mit nahezu achtzigprozentiger Wahrscheinlichkeit einer abhängigen Beschäftigung nachgehen. Ein anderes Beispiel: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein darstellender Künstler mit geringem Bildungsniveau in einem Alter von über 40 Jahren, der allein in einer Stadt mit über 500.000 Einwohnern lebt, in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht, liegt in diesem Modell bei etwa 63 Prozent. Erhöht man das Bildungsniveau, so steigen seine Chancen auf abhängige Beschäftigung um sieben Prozentpunkte auf knapp über 70 Prozent. In einem weiteren Schritt wird anhand einer logistischen Regression folgende Frage beantwortet: Welche sozialstrukturellen Merkmale beeinflussen die Wahrscheinlichkeit, einen unbefristeten Arbeitsvertrag zu besitzen? Auch hier wäre zu vermuten, dass die Bildungsvariable keinen Einfluss auf den Erwerbsstatus ausübt, da sich das Humankapital und somit die Beschäftigungsfähigkeit durch eine Rotation zwischen unterschiedlichen Beschäftigungsverhältnissen auf den Künstlerarbeitsmärkten erhöht. Stabile Erwerbsstrukturen sind kein zentraler Bestandteil des Beschäftigungssystems Künstlerarbeitsmarkt. Nahezu 50 Prozent in der Gruppe der abhängig beschäftigten darstellenden Künstler und der Musiker befindet sich in Beschäftigungsverhältnissen im öffentlichen Dienst, wobei ein besonderer Tarifvertrag die Beschäftigungsverhältnisse von darstellenden Künstlern regelt. So wäre ein möglicher Zusammenhang zwischen dem Befristungsrisiko und einem Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst zu erwarten. Weiterhin wäre zu erwarten, dass ältere Beschäftigte im Vergleich zu ihren jüngeren Kollegen eher in unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen anzutreffen sind. Außerdem kann vermutet werden, dass Künstlerinnen einem höheren Befristungsrisiko ausgesetzt sind als ihre männlichen Kollegen. So werden jüngere und ältere Schauspieler vielfach nur für eine Rolle engagiert, wobei insbesondere weibliche Schauspielerinnen an kleinen und mitt77
Es werden nur Wahrscheinlichkeiten des Bestehens von abhängiger Beschäftigung und Selbständigkeit analysiert. Arbeitslose Künstler wurden in diesem Modell nicht berücksichtigt.
121
Strukturmerkmale und Risiken
leren Bühnen anschließend wieder entlassen werden (Fohrbeck und Wiesand 1974). Befristete oder unbefristete Beschäftigung? Die Befristung von Arbeitsverträgen ermöglicht eine flexible Anpassung des Personalbestandes an die Nachfrage im Kultursektor. Der Kultursektor als Nachfrager nach künstlerischem Personal stellt hohe Anforderungen an die Flexibilität der Beschäftigten. Die institutionelle Ausgestaltung des berufsspezifischen Arbeitsmarktes übt einen zentralen Einfluss auf die Beschäftigungsformen aus. Das Befristungsrisiko ist für die verschiedenen Erwerbsgruppen auf den Künstlerarbeitsmärkten sehr unterschiedlich ausgeprägt. Die Wahrscheinlichkeit, eine unbefristete Stelle zu erhalten, ist durch institutionelle Regelungen wie beispielsweise das Tarifvertragsrecht im Bühnenbereich, durch individuelle Merkmale sowie durch eine Reihe arbeitsmarktspezifischer Variablen bestimmt. Tabelle 19 zeigt die Anteile der abhängig beschäftigten Musiker und darstellenden Künstler und ihre Verteilungen auf befristete und unbefristete Stellen. Tabelle 19: Befristete und unbefristete Arbeitsverträge bei Musikern und darstellenden Künstlern im Jahr 2000 (Anteile in Prozent) Musiker Darstellende Künstler Gesamt
Befristete Arbeitsverträge 8,7 62,6
Unbefristete Arbeitsverträge 91,3 37,4
Gesamt 100 100
31,4
68,6
100
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2000), eigene Berechnungen
Der Arbeitsmarkt der darstellenden Künstler ist dabei mehrheitlich durch befristete Engagements gekennzeichnet, während die Befristung von Arbeitsverträgen auf dem Arbeitsmarkt der Musiker tendenziell eine untergeordnete Rolle spielt. In dem folgenden logistischen Regressionsmodell wird den skizzierten Erwartungen nachgegangen.78
78
In dieser Analyse werden nur die beiden Gruppen darstellende Künstler und Musiker untersucht, da aufgrund der geringen Fallzahlen in der Gruppe der abhängig beschäftigten bildenden Künstler die Analyse nicht zu repräsentativen Ergebnissen führt.
122
Strukturmerkmale und Risiken
Tabelle 20: Unbefristeter Arbeitsvertrag und befristete Tätigkeiten (Log. Regression) Kategorie Musiker Darstellende Künstler Hohes Bildungsniveau Geringes Bildungsniveau79 Mittleres Bildungsniveau Beschäftigungsdauer Alter: Unter 40 Jahren Über 40 Jahren Öffentlicher Dienst Weiblich Männlich Pseudo R² (McFadden’s) 2 Wald F (df)
Beobachtungen
(1) Männer und Frauen 1 0.042 (6.79)** 1 1.094 (0.15) 2.562 (1.73)+ 1.213 (4.89)** 1 0.388 (1.87)+ 0.499 (1.48) 1 1.554 (1.02) 0.45 60.00** (7) 217
(2) Männer
(3) Frauen
1 0.042 (5.19)** 1 0.784 (0.32) 2.401 (1.20) 1.153 (3.32)** 1 0.580 (0.81) 0.438 (1.38)
1 0.023 (4.15)** 1 4.870 (1.39) 5.671 (1.67)+ 1.517 (3.24)** 1 0.252 (1.53) 0.666 (0.49)
0.44 36.49** (6)
0.53 20.53* (6)
135
82
Eigene Berechnungen; Anmerkungen: Werte der z-Statistik in Klammern, Signifikanzangaben für + < 10%; * < 5%; ** < 1% Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2000)
Die Beschäftigungsdauer in einem Arbeitsverhältnis ist insbesondere bei den darstellenden Künstlern sehr kurz: So sind nahezu 55 Prozent aller abhängig beschäftigten darstellenden Künstler im Jahr 2000 weniger als vier Jahre ununterbrochen bei einem Arbeitgeber tätig. Bei den Musikern sind es in der Referenzzeit etwa 25 Prozent. Jedes weitere Jahr erhöht die Chance einer Entfristung für abhängig beschäftigte Künstler um das 1,2fache. Für die Frauen fällt dieser Effekt erheblich stärker aus. Ihre Chance auf eine unbefristete Stelle steigt mit jedem Tätigkeitsjahr um mehr als das 1,5fache. Dieser Zusammenhang ist zwar 79
Diese Variable wurde in drei Bildungskategorien kodiert. Keine Ausbildung, eine Anlernausbildung oder ein Berufsvorbereitungsjahr entsprechen einem geringen Bildungsniveau, eine Lehrausbildung, Berufsfachschule, Meisterausbildung, Fachschule der DDR entsprechen dem mittleren Bildungsniveau, während ein Fachhochschul- oder Hochschulabschluss sowie eine Promotion als hohes Bildungsniveau kodiert wurden.
Strukturmerkmale und Risiken
123
stark signifikant, allerdings mit einem nur gering ausfallenden Effekt. Dies liegt darin begründet, dass die Beschäftigungsverhältnisse in der Regel nur von kurzer Dauer sind. Die Chancen, in einer unbefristeten Stelle erwerbstätig zu sein, stehen für darstellende Künstler sehr schlecht: Sie liegen im einstelligen Prozentbereich und fallen im Vergleich zu den Musikern geringer aus. Darstellende Künstlerinnen verfügen über eine Chance von knapp einem Prozent im Vergleich zu ihren Kolleginnen, die als Musikerinnen tätig sind, in einer unbefristeten Stelle zu arbeiten. Die Chance für Künstler in einem Alter von über 40 Jahren, einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis nachzugehen, liegt bei etwa 35 Prozent im Vergleich zu den unter 40jährigen. Dieser unerwartete Effekt weist auf die Besonderheit der Strukturen auf den Künstlerarbeitsmärkten hin, da die Nachfrage nach künstlerischem Personal höheren Alters tendenziell abnimmt. Gleichzeitig scheint hier das Senioritätsprinzip aufgehoben zu sein, das auf anderen Arbeitsmärkten gültig ist: Dort sind insbesondere jüngere Arbeitnehmer vom Befristungsrisiko betroffen (Büchner 2004: 29). Bildungsinvestitionen von einem geringen auf ein mittleres Ausbildungsniveau verringern das Befristungsrisiko, während es bei weiteren Investitionen ausgehend von dem mittleren Bildungsniveau bei den Hochqualifizierten wieder ansteigt. Hier handelt es sich um einen nichtlinearen Zusammenhang, der auch in Untersuchungen über andere Arbeitsmärkte nachgewiesen werden konnte (Giesecke und Groß 2002, OECD 2004). Zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst und einem Befristungsrisiko besteht kein signifikanter Zusammenhang. Das widerspricht den Erwartungen, da öffentlich getragene Bühnen in den Geltungsbereich des Normalvertrags Bühne fallen. Dabei handelt es sich um den Tarifvertrag für Solomitglieder und Bühnentechniker sowie Opernchor- und Tanzgruppenmitglieder, der die Befristung von Beschäftigungsverhältnissen für darstellende Künstler maßgeblich unterstützt (NV Bühne). Für eine weitere Veranschaulichung werden im Folgenden wiederum die Wahrscheinlichkeiten bei typischen Fällen für das Bestehen einer unbefristeten Stelle geschätzt. Beruf und Geschlecht Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Musiker im Angestelltenverhältnis in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis tätig ist, liegt bei über 90 Prozent, ein männlicher Kollege mit Beruf Darstellender Künstler besitzt dagegen ein Befristungsrisiko von etwas unter 50 Prozent. In Bezug auf die Frauen in diesen Berufsgruppen ist
124
Strukturmerkmale und Risiken
eine differenzierte Betrachtung notwendig: für die Musikerinnen stehen die Chancen auf eine unbefristete Stelle mit 93 Prozent besser als für Männer, während die Wahrscheinlichkeit eines unbefristeten Anstellungsverhältnisses bei darstellenden Künstlerinnen bei nur ca. 35 Prozent liegt. Bildungseffekte Sowohl bei den darstellenden Künstlern als auch bei den Musikern sind keine linearen Zusammenhänge bei zusätzlichen Bildungsinvestitionen bezüglich des Befristungsrisikos zu erkennen: So liegt die Wahrscheinlichkeit, eine unbefristete Stelle innezuhaben, bei darstellenden Künstlern mit geringem Bildungsniveau bei etwa 45 Prozent, bei mittlerem Bildungsniveau steigt sie auf etwa 60 Prozent in dieser Berufsgruppe, um dann bei den hoch qualifizierten darstellenden Künstlern auf unter 35 Prozent zu sinken. Bei den Musikern weisen diese Effekte in dieselbe Richtung, nur sind sie im Vergleich zu den darstellenden Künstlern schwächer ausgeprägt: Die Aussichten auf einen unbefristeten Vertrag sind sehr hoch und nahezu unabhängig vom Bildungsniveau (Schwankungen unter fünf Prozent). Der Effekt einer zunehmenden Bildung auf die Wahrscheinlichkeit, dass aus diesen Investitionen ein unbefristeter Vertrag resultiert, schlägt sich bei Frauen stärker nieder und zwar in umgekehrter Weise: Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Musikerin oder darstellende Künstlerin in einem unbefristeten Vertrag arbeitet, erhöht sich zunächst, ausgehend von einem geringen Bildungsniveau, von 81 Prozent auf 88 Prozent, während die Wahrscheinlichkeit eines befristeten Vertrages bei darstellenden Künstlerinnen mit Hochschulabschluss wieder auf unter 80 Prozent zurückgeht. Allerdings ist auch hier ein nichtlinearer Zusammenhang zu beobachten. Im nächsten Kapitel werden die spezifischen Risiken analysiert, mit denen Künstler konfrontiert sind. 4.3 Wirtschaftliche und soziale Risiken Die Ausübung des Künstlerberufes ist mit großen Unsicherheiten verbunden, die in der Regel von den Individuen als Belastung empfunden werden. Während Risiken prinzipiell gemessen werden können, unterliegt das Phänomen Unsicherheit individuellen Wahrnehmungen (Dex et al. 1998: 24). Künstler treffen bereits mit der Wahl des Wohn- und Arbeitsortes eine zentrale Entscheidung. Eine Studie über Karrierewege bildender Künstler in Groß-
Strukturmerkmale und Risiken
125
britannien (Honey et al. 1997) bezeichnet die Entscheidung, der künstlerischen Tätigkeit in London nachzugehen, als Glücksspiel, das mit einem hohen Risiko verbunden ist und in dem man entweder gewinnt oder alles verliert. In anderen Gegenden ist es dagegen möglich, auf einem mittleren Niveau zu leben. Nach Abbing verfügen Künstler über eine gewisse Risikobereitschaft, jedenfalls wählen risikoaverse Erwerbspersonen in der Regel nicht den Beruf des Künstlers (Abbing 2002: 118). Bezüglich der sozialen Absicherung sind zwei Problemgruppen von Künstlern zu unterscheiden: Die selbständigen Künstler sind zwar über die Künstlersozialkasse in Deutschland in die sozialen Sicherungssysteme integriert und damit prinzipiell abgesichert, erwerben jedoch in der Regel Rentenansprüche, die auch nach langjähriger Beitragszahlung nicht zu Leistungen oberhalb des von der Sozialhilfe gewährten Existenzminimums führen (Bundesregierung 2000). Eine weitere Gruppe von Künstlern weist diskontinuierliche Erwerbsverläufe auf oder bewegt sich im Grenzbereich von selbständiger und abhängiger Beschäftigung (zum Beispiel durch Honorarverträge oder Outsourcing). Dies kann auf die Ausprägung ihrer künstlerischen Tätigkeit oder auf kurzfristigen Verträge zurückgeführt werden (Towse 1996a). Insbesondere in den ersten 12 Monaten der Anfangsphase ihrer Karriere sieht sich eine Mehrheit der Künstler mit ernsthaften Schwierigkeiten konfrontiert (Honey et al. 1997: IX). Die diskontinuierlichen Erwerbsverläufe und das im Durchschnitt geringe Lohnniveau der Erwerbstätigen auf den Künstlerarbeitsmärkten deuten auf eine unzureichende soziale Sicherung hin. Auf die prekäre Beschäftigungslage und die damit verbundenen sozialen Risiken von Künstlern wurde vielfach hingewiesen (Filer 1986, Dex und Smith 2000, Haak und Schmid 2001, McAndrew 2002, Ehrsam und Geyer 2002, Davies und Lindley 2003). Aus der Perspektive der Künstler ist das Einkommen nicht der zentrale Indikator für die Messung von Erfolg. Vielmehr nimmt die Produktion von guter Arbeit über einen längeren Zeitraum einen weit größeren Stellenwert in der Bewertung der eigenen Karriere ein. Künstlern wird im Allgemeinen unterstellt, dass sie sich aufgrund eines hohen Grades an Selbstverwirklichungsbestrebungen diesen finanziellen und wirtschaftlichen Risiken aussetzen. Diese Vorstellung von Künstlerarbeit impliziert eine völlig unelastische Angebotskurve, bei der die Einkommen ausschließlich durch die Nachfrage determiniert sind (Menger 2006b: 54f). Bezüglich des Einkommens sind sowohl externe als auch interne Einkommensstreuungen zu beobachten. Die Einkommenshöhe der abhängig beschäftig-
126
Strukturmerkmale und Risiken
ten Künstler in Deutschland liegt kaum über dem Einkommen der gesamten Erwerbsbevölkerung. Sie liegt im Vergleich zu Berufsgruppen eines etwa äquivalenten Ausbildungsniveaus, wie beispielsweise Wissenschaftlern oder höheren Beamten, weit unter deren Einkommensniveau (Wassall und Alper 1992 für Australien, Haak und Schmid 2001 für Deutschland). Doch auch innerhalb einzelner Berufsgruppen in den künstlerischen Segmenten streuen die Einkommen sehr stark. So arbeiten beispielsweise die meisten Sänger als Freelancer und weisen sowohl große Differenzen in der Höhe der Gage als auch in der Anzahl der Auftritte innerhalb eines Jahres auf. Folglich ergeben sich erhebliche Differenzen im Einkommen der einzelnen Sänger (Towse 1993: 125). Aussagen bezüglich der Höhe der Zuwendungen an die freischaffenden Künstler existieren nur in Einzelfällen und sind kaum statistisch erfasst. Möglichkeiten der privaten und staatlichen Förderung für den Einzelnen bestehen theoretisch reichlich. Diese umfassen für Deutschland beispielsweise die Inanspruchnahme von Existenzgründungshilfen, Förderungsprogrammen des Deutschen Musikrates, des Kunstfonds, der Fonds Darstellende Künste und des Deutschen Literaturfonds. Darüber hinaus bestehen vielfältige Möglichkeiten der Subventionierung durch Abnahmegarantien für Kunstwerke, Atelierbeihilfen, Ausbildungsstipendien, Graduiertenförderung, Härtefonds für Künstler, Nachwuchsförderung und Sozialfonds, um nur einige Wege einer Finanzierung aufzuzeigen. Aktuell steht die soziale Sicherung von Künstlern erneut auf der politischen Agenda. So wurde der Antrag vom 1. Juli 2003 (BT-Drs 15/1308) zur Einsetzung einer Enquete-Kommission Kultur in Deutschland im deutschen Bundestag einstimmig angenommen. In ihrem Arbeitsprogramm nimmt die soziale Sicherung von Künstlern einen hohen Stellenwert ein.80 Im nächsten Abschnitt erfolgt eine Einkommensanalyse auf der Basis des zur Verfügung stehenden Datenmaterials. 4.3.1 Einkommen Die Analyse der Einkommenssituation von Künstlern ist mit einigen Problemen behaftet. Insbesondere für die Erwerbsgruppe der Selbständigen gibt es kaum zuverlässiges statistisches Material. Eine zuverlässige Quelle zur Ermittlung des Einkommens Selbständiger bietet die Einkommenssteuerstatistik des Statistischen Bundesamtes (EStSt). Allerdings stehen diese Daten nicht zeitnah zur 80
Am 15. Dezember 2005 hat der Deutsche Bundesstag eine erneute Einsetzung der EnqueteKommission ‚Kultur in Deutschland’ für die 16. Wahlperiode beschlossen.
Strukturmerkmale und Risiken
127
Verfügung, die momentan aktuellste Ausgabe weist die Steuerdaten aus dem Jahr 2001 aus. Außerdem stellen die in dieser Statistik ausgewiesenen Werte ein stark verzerrtes Bild der tatsächlichen Einkommenssituation von Künstlern dar, da es sich um Durchschnittswerte handelt. Da aber die Erwerbseinkünfte von Künstlern durch eine starke Streuung über alle Einkommensgruppen gekennzeichnet sind, können die Einkommen in diesen Berufsgruppen am besten mit Daten auf disaggregierter Basis analysiert werden. Es besteht eine Vielzahl von Problemen hinsichtlich der Validität der Einkommensdaten beim Mikrozensus. Im Mikrozensus wird das gesamte monatliche Nettoeinkommen von Personen und Haushalten erhoben. Die Ausweisung des Nettoerwerbseinkommens als einzige Einkommensvariable im Mikrozensus ist dabei aus mehreren Gründen problematisch: Zum einen verzerrt das Nettoeinkommen insbesondere bei Verheirateten durch das Ehegattensplitting im deutschen Steuerrecht die tatsächlich erzielten Einkünfte. Zum anderen werden alle Einkunftsarten in einer Variablen zusammengefasst, so dass keine Differenzierung nach unterschiedlichen Einkommensquellen möglich ist. Künstler beziehen ihr Einkommen auch aus anderen Quellen, beispielsweise durch Nebentätigkeiten oder Urheberrechtsvergütungen. Diese Unterscheidung nach den Einkommensquellen wäre also insbesondere für die Bearbeitung der wirtschaftlichen Strukturen auf den Künstlerarbeitsmärkten unverzichtbar. Die Daten werden darüber hinaus in Einkommensklassen erfasst, was zu weiteren Ungenauigkeiten führt. Das diesem Datensatz zugrunde gelegte Stichtags- und Berichtswochenkonzept führt zu weiteren Ungenauigkeiten. Insbesondere bei unsteten Erwerbsverläufen mit schwankenden Einkommen verfälscht das zu einem Zeitpunkt ermittelte Einkommen die über das Jahr erzielten Einkünfte. Außerdem bezieht die Variable alle Einkünfte ein, also auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie Renten und Kapitalerträge.81 Jedoch können die Daten des Mikrozensus zumindest einen Eindruck über die Verteilungen der Einkommen zwischen den künstlerischen Berufsgruppen vermitteln und Einkommensdifferenzen zwischen Frauen und Männern aufzeigen. Für die Gruppe der Selbständigen beeinflusst das Steuerrecht die Einkommensdifferenzen zwischen den Geschlechtern dabei nicht. Eine weitere statistische Quelle zur Darstellung des Erwerbseinkommens von selbständigen Künstlern bieten die Daten der Künstlersozialkasse. Allerdings beinhaltet diese Datenquelle eine andere Problematik, da die selbständigen Künstler ihre Einkommen für das nachfolgende Jahr schätzen. Die tatsächlich erzielten Einkommen weichen möglicherweise aber erheblich von diesen Schätzungen ab und somit können die Daten mit Ungenauigkeiten behaftet sein. Um 81
Diese Problematik wurde bereits an anderer Stelle erörtert (vgl. Abschnitt 3.3).
128
Strukturmerkmale und Risiken
Sozialversicherungsbeiträge zu sparen, melden viele Künstler geringere Einkünfte, als sie möglicherweise erzielen können. Dies geschieht allerdings auf Kosten von Rentenanwartschaften. Ein Anreiz der Überschätzung des Einkommens besteht für Künstler mit Niedrigeinkommen, deren Jahresarbeitseinkommen 3.900 Euro unterschreitet (Künstlersozialkasse 2006). In diesem Fall wären sie versicherungsfrei, das bedeutet, dass sie keinen Anspruch auf Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse besitzen und somit höhere Krankenversicherungsbeiträge entrichten müssten. Hier sind Anreize der Meldung eines höheren Einkommens gegeben. Ob sich die Ober- und Unterschätzungen im Mittelwert aufheben, wird allerdings kontrovers diskutiert (Initiative für die Reform des Urheberrechts 2000). Untersuchungen über die Einkommensstrukturen auf den Künstlerarbeitsmärkten haben in der Vergangenheit zwei Tendenzen herausgearbeitet: Zum einen konnte nachgewiesen werden, dass die Durchschnittseinkommen von Künstlern weit unter denen anderer Erwerbstätiger mit vergleichbarem Qualifikationsniveau liegen (Santos 1976, Throsby 1979: 75, Wassall und Alper 1992, Stange 2000: 64). Zum anderen bestehen erhebliche Schwankungen in der Einkommenshöhe sowie Unsicherheiten in der Einkommenskontinuität im Vergleich zu anderen Professionen (Panasuk 1974: 2, Bedau 1999). Doch auch innerhalb einzelner Berufsgruppen in den künstlerischen Segmenten streuen die Einkommen stark. So erhalten beispielsweise Schauspieler als Ensemblemitglied an deutschen Theatern ein festes Gehalt, dessen Höhe sich auf der Grundlage der Berufserfahrung und der Einschätzung der Leistungsfähigkeit durch den Intendanten ergibt. Im Gegensatz zur Oper gibt es an deutschen Theatern selten hoch bezahlte Stars, deren Abendgage gar das Monatsgehalt eines Ensemblemitgliedes erreichen kann. Die Einkommen der Gastschauspieler entsprechen in etwa denen der Ensemblemitglieder (Haunschild 2002: 591). Folglich finden sich erhebliche Einkommensdifferenzen zwischen den einzelnen Sängern (Towse 1993: 125). Generell lässt sich allerdings feststellen, dass vor allem selbständige Kulturberufler zwar über eine hohe berufliche Qualifikation verfügen, dabei aber relativ niedrige und schwankende Einkommen generieren (Betzelt und Gottschall 2005: 7). Die Lohn- und Einkommenssteuerstatistik des Jahres 2001 weist für alle künstlerischen Berufe durchschnittliche Jahreseinkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit in Höhe von 15.301 Euro aus. Die bildenden Künstler sind als Berufsgruppe mit Jahreseinkünften von etwa 13.000 Euro gesondert ausgewiesen (Statistisches Bundesamt 2006: 608). Die folgende Abbildung zeigt die Höhe der Nettostundenlöhne nach Berechnungen aus den Daten des Mikrozensus 2003 differenziert nach einzelnen Künstlerberufen.
129
Strukturmerkmale und Risiken
Abbildung 16: Stundenlöhne (in Euro): Selbständige Künstlerinnen und Künstler im Jahr 2003
34,2
10,9
45,8 30,9
27,6 13,9 34,2
24,7
19,4 bis 5 Euro Musiker
4,0
5,1
bis 10 Euro
bis 15 Euro
Darstellende Künstler
16,0
11,6 10,1
11,6
bis 20 Euro
über 20 Euro
Bildende Künstler
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2003), eigene Berechnungen
Am stärksten ist die Gruppe der selbständigen bildenden Künstler von Einkommensrisiken betroffen. Während nahezu die Hälfte der bildenden Künstler im Niedriglohnbereich von unter 5 Euro/Stunde arbeitet, erwirtschaften nur knapp über neun Prozent der Selbständigen in dieser Berufsgruppe einen Nettostundenlohn von über 15 Euro. Die darstellenden Künstler sind ebenso wie die Musiker am stärksten in den mittleren Einkommensgruppen vertreten. Gleichzeitig erwirtschaften immerhin 16 Prozent der selbständigen darstellenden Künstler Nettostundenlöhne von über 16 Euro. Diese Befunde entsprechen nur zum Teil den Ergebnissen einer aktuellen empirischen Studie über die Einkommenssituation selbständiger Künstler in Deutschland (Dangel und Piokowsky 2006). Die Autoren konstatieren, dass rund 73 Prozent der bildenden Künstler und 55 Prozent der darstellenden Künstler nicht von ihrer Arbeit leben können. Die Musiker sind ihren Ergebnissen zufolge am geringsten von diesen wirtschaftlichen Risi-
130
Strukturmerkmale und Risiken
ken betroffen. Über 55 Prozent dieser Berufsgruppe unter den Selbständigen können von ihrer primären Tätigkeit leben, so die Autoren.82 Wie verteilen sich nun die Einkünfte der Künstler über die Geschlechter? Tabelle 21 veranschaulicht die Einkommensverteilungen der Künstler, differenziert nach Geschlecht. Tabelle 21: Nettostundenlöhne in Euro im Jahr 2003: Selbständige und abhängig Beschäftigte Selbständige Musiker Musikerinnen Darstellende Künstler Darstellende Künstlerinnen Bildende Künstler Bildende Künstlerinnen Alle selbständigen Männer Alle selbständigen Frauen Abhängig Beschäftigte Musiker Musikerinnen Darstellende Künstler Darstellende Künstlerinnen Erwerbstätige (alle Männer) Erwerbstätige (alle Frauen)
Mittelwert
Median
Standardabweichung
10.8 20.5 16.8 13.9 6.3 6.4 9.8 10.1
7.1 8.4 10.8 9.4 7.1 4.0 6.6 6.3
12.4 49.4 17.5 12.1 6.7 6.7 19.5 18.5
15.6 16.4 14.5 10.6 10.8 8.4
13.0 11.7 9.6 8.8 9.2 7.5
11.5 16.4 15.4 9.0 9.4 7.8
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2003); Angaben in Euro
Bei den abhängig beschäftigten Musikern und Musikerinnen liegt das Medianeinkommen über dem Medianeinkommen der Selbständigen. Bei den Musikern liegt die Differenz bei nahezu 6 Euro/Stunde, während die Unterschiede bei den Musikerinnen nur etwa bei 3 Euro/Stunde liegen. Überraschend in diesem Befund ist das insgesamt höhere Medianeinkommen der Musikerinnen im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen. Bei den darstellenden Künstlern (Männer und Frauen) zeigt sich das umgekehrte Bild: In dieser Berufsgruppe liegt das Medianeinkommen der Selbständigen über dem der abhängig Beschäftigten. Diese Differenzen liegen bei etwa einem Euro/Stunde. Erwartungsgemäß liegen 82
Bei den untersuchten Künstlern in dieser Studie handelt es sich ausschließlich um Mitglieder der Gewerkschaft ver.di. Aufgrund der Selektionsverzerrung können in dieser Studie keine repräsentativen Aussagen für alle selbständigen Künstler in Deutschland getroffen werden. Bei dieser Mitgliedergruppe handelt es sich überwiegend um Musikschullehrer, die im Vergleich zu anderen Professionen im Musikgewerbe höhere Einkünfte beziehen.
Strukturmerkmale und Risiken
131
die bildenden Künstler in der Einkommensskala am unteren Rand. Die Männer erwirtschaften mit etwa 7 Euro weit mehr als die Frauen in dieser Berufsgruppe, die mit 4 Euro noch unter dem Nettostundenlohn aller selbständigen Männer und Frauen liegen.83 Auch der Mittelwert relativiert diese Differenzen nicht. Offensichtlich treten die größeren Differenzen der Nettostundenlöhne zwischen den Geschlechtern bei den anderen Erwerbsgruppen auf. Der Median relativiert die Geschlechterdifferenzen etwas. Die selbständigen Künstlerinnen und Künstler können in dieser Analyse deutlich als Problemgruppe klassifiziert werden, da sie trotz hohen Bildungsniveaus nur über ein Einkommen verfügen, das allenfalls dem Durchschnitt der selbständigen Erwerbsbevölkerung entspricht. Dieses ausgesprochen geringe Lohnniveau ist ein spezifisches Merkmal auf den Künstlerarbeitsmärkten, das sich auch in internationalen empirischen Erhebungen über die Merkmale von Erwerbsstrukturen wiederfindet (McLain 1978, Wassall und Alper 1992). Um den Vergleich zwischen den beiden Berufsgruppen zu gewährleisten, werden nur Vollzeitbeschäftigte in der nachstehenden Kreuztabelle berücksichtigt. Die Darstellung erfolgt anhand der Messgrößen der Quartile sowie des Medians, da diese im Gegensatz zu den Durchschnittswerten nicht dem Einfluss der Rechtszensierung unterliegen. Die Quartile verdeutlichen die Streuung der Entgelte. Tabelle 22 weist die Differenzen der Monatsnettogehälter für die Künstlergruppen im Geschlechtervergleich aus. Das Einkommen ist als Summe aller individuellen Einkünfte zu verstehen, also auch Einkommen aus Zweiterwerb.84
83
84
Hier ist das insgesamt geringere Qualifikationsniveau aller Selbständigen im Vergleich zur Untersuchungsgruppe zu beachten, das zu geringeren Einkommen führt. Die Werte wurden über die Klassenmitten der klassierten Angaben des persönlichen Nettoeinkommens ermittelt. Der oberen Einkommensklasse wurde das 1,5fache der unteren Klassengrenze zugewiesen.
132
Strukturmerkmale und Risiken
Tabelle 22: Erwerbsformen und Monatsnettoeinkommen von abhängig beschäftigten Künstlern (Frauen und Männer im Vergleich) im Jahr 2003 Musiker Männer Frauen Darstellende Künstler Männer Frauen Alle Erwerbstätigen Männer Frauen
0,25-Quantil
Median
0,75-Quantil
1400 1400
2150 1600
2900 2450
1200 1200
1600 1400
2450 1850
1400 1000
1850 1200
2450 1600
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2003; Angaben in Euro
Das monatliche Nettoeinkommen der Männer liegt bei allen Erwerbsgruppen wie erwartet über dem der Frauen. Während im unteren Einkommensquantil bei den Künstlern noch keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern sichtbar sind, verstärken sich diese in dem mittleren und oberen Einkommensquantilen. Bei den übrigen Erwerbstätigen sind bereits im unteren Einkommensquantil deutliche Differenzen zwischen den Geschlechtern ersichtlich. Diese differenzieren sich im oberen Bereich noch weiter. Die Differenzen zwischen dem Einkommen der Geschlechter sind allerdings bei den Musikern stärker ausgeprägt als bei den darstellenden Künstlern.85 Eine Untersuchung zur Ungleichheit von Künstlerinnen und Künstlern in Sachsen-Anhalt aus dem Jahr 1996 zeigt bezüglich der Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen in Selbständigkeit und abhängiger Beschäftigung folgende Tendenzen auf (Stange 2000: 66):
85
Diese Differenzen zwischen den Geschlechtern können unter anderem auf die individuelle Steuerklassenwahl zurückgeführt werden, da das Nettoeinkommen der Frauen oft nach der ungünstigen Steuerklasse V berechnet wird und das tatsächliche Einkommensniveau dadurch verzerrt ist. Die Einkommensvergleiche zwischen den Geschlechtern anhand der Daten des Mikrozensus sind deshalb nur bedingt aussagekräftig.
133
Strukturmerkmale und Risiken
Tabelle 23: Erwerbsstatus und Einkommen (in DM) im Jahr 1996 nach Geschlecht Erwerbsstatus Unbefristet angestellt Befristet angestellt Selbständig
Frauen 1880 1440 690
Männer 2010 1800 1350
Quelle: Stange (2000: 67)
Die Einkommensdifferenzen zwischen abhängig beschäftigten Künstlerinnen und Künstlern fallen in dieser Untersuchung deutlich geringer aus als bei den Freischaffenden. Während die Einkommensunterschiede zwischen unbefristet angestellten Künstlerinnen und Künstlern im Mittel lediglich 130 DM betragen, steigt diese Diskrepanz bei den Selbständigen auf das Fünffache an. Bemerkenswert ist an dieser Stelle, dass das Einkommensniveau mit zunehmender Unsicherheit in den Beschäftigungsverhältnissen sinkt. Abbildung 17 weist das Einkommen von bildenden Künstlern in Berlin differenziert nach Altersgruppen aus.
134
Strukturmerkmale und Risiken
Abbildung 17: Einkommen (in Euro) aus künstlerischer Tätigkeit im Jahr 2005 von bildenden Künstlern in Berlin (Anteile in Prozent) 86 40
37.5
35 30.1
30
28.1
26.8 24.3
25
21.9
21.1
20.8
20 15
19.2
25.4
20.8
20.7 17.8
13.9
12.5
13.7
12.3 10.0
10
8.3 8.1
5
3.2 2.7 0.0 0.5
0 bis 1000 Euro
bis 3000 Euro
25 bis 30 Jahre
bis 6000 Euro 30 bis 40 Jahre
bis 11000 Euro
bis 30000 Euro
40 bis 60 Jahre
über 30000 Euro über 60 Jahre
Quelle: Mundelius 2006: 324
Die Abbildung zeigt deutlich, dass in der Berufsgruppe der bildenden Künstler keine altersabhängige Einkommensprogression zu beobachten ist. Zwar ist die Gruppe der über 60jährigen mit Anteilen von 2,7 Prozent in der Einkommensklasse von über 30.000 Euro am stärksten vertreten, jedoch sind diese Anteile zu gering, um von einer altersabhängigen Einkommensprogression zu sprechen. Eine Auswertung der Einkommen von Orchestermitgliedern nach dem Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern führt zu folgenden Einkommensgruppierungen: Zunächst wird das gesamte Orchester auf der Basis der Anzahl der Planstellen in die Vergütungsgruppen A bis D zugeordnet. Dabei werden die Orchester, die nicht mindestens die Voraussetzungen für die Eingruppierung in die Vergütungsgruppe C erfüllen, der Vergütungsgruppe D zugeordnet.
86
Die Datengrundlage dieses Säulendiagramms bildet eine Befragung der Mitglieder des Berliner Verbandes der bildenden Künstler (N = 562).
135
Strukturmerkmale und Risiken
Tabelle 24: TVK: Eingruppierung der Orchester nach TVK Planstellen für Musiker insgesamt Davon Streicher insgesamt Flöten Oboen Klarinetten Fagotte Waldhörner Trompeten Posaunen Tuben
A 99 55 5 5 5 5 8*) 5 4 1
Vergütungsgruppe B C 66 56 36 4 3 4 3 5 3 3 1
30 3 3 3 3 4 3 3 1
* davon vier Hornisten mit Tubenverpflichtung Quelle: Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) 2002: 13
Die Eingruppierung auf der Basis der Planstellenzahl geht auf die Überlegung zurück, dass sich in der Orchestergröße das unterschiedliche Leistungsvermögen der Kulturorchester ausdrückt. So ist die Fähigkeit eines Orchesters bei Erhalt der künstlerischen Leistungsfähigkeit, dauerhaft ohne zusätzliche Aushilfen aus eigener Kraft partiturgerecht zu spielen, durch die zahlenmäßige Stärke des Orchesters und das Verhältnis der Instrumentengruppen zueinander bedingt. Gleichzeitig ist dieses Stufensystem für die Gewinnung qualifizierter Orchestermusiker sowie Dirigenten für große Orchester attraktiv (Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) 2002: 15). Der TVK regelt neben der Grundvergütung auch die Tätigkeitszulagen in einer dreistufigen Gehaltshierarchie. Die Stimmführer der Streichergruppen und die Solisten der Bläser sowie der Pauke und Harfe erhalten die höchste Zulage, wobei Konzertmeister und Solo-Cellisten eine Zulage noch über der Stufe eins des Tarifvertrages aushandeln können. In der zweiten Stufe sind die Vorspieler der ersten Geigen und Celli sowie alle Stellvertreter der Solisten eingruppiert. Die geringste Tätigkeitszulage drei beziehen die Vorspieler der zweiten Geigen, der Bratschen und der Kontrabässe sowie die Wechselbläser und die Bläser mit Nebeninstrument. Die übrigen Orchestermitglieder erhalten die Grundvergütung (Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) 2002: 17-20). Die Positionen mit besonderen Vergütungen sind bislang überwiegend Männern vorbehalten. Dies wird in der nachstehenden Tabelle verdeutlicht. Die Anteile der Männer mit freien Verträgen beziehungsweise Verträgen mit Zulagen liegen bei 57,5 Prozent, während die überwiegende Anzahl der Musikerinnen eine Grundvergütung erhält.
136
Strukturmerkmale und Risiken
Tabelle 25: Vergütungsgruppen deutscher Orchestermitglieder (Stand Ende 2001) nach TVK Vergütung Freie Verträge bzw. Zulagen (1-3) Freie Verträge bzw. Zulagen anteilig an allen Verträgen Grundvergütung Gesamt
Musikerinnen 927
Musiker 3664
39,4
57,5
1427 2354
2707 6371
Gesamt 4591
4134 8725
Quelle: (Paternoga 2005b)
Im Folgenden wird die Einkommenssituation der Künstler diskutiert, die unmittelbar vor ihrem Renteneintritt stehen. Dabei wird eine Differenzierung von abhängig Beschäftigten und selbständigen Künstlern vorgenommen, die vor ihrem Renteneintritt in der Künstlersozialkasse versichert waren. Wie an anderer Stelle bereits gezeigt werden konnte, entwickeln sich Einkommensverläufe bei Künstlern nicht im klassischen Sinne wie bei vielen anderen Berufsgruppen. Das Einkommen in den künstlerischen Berufsgruppen steigt nicht kontinuierlich mit zunehmendem Alter an (vgl. auch Stange 2000: 67, Mundelius 2006). In Abbildung 18 wird die Einkommenshöhe von abhängig beschäftigten männlichen Künstlern illustriert.
137
Strukturmerkmale und Risiken
Abbildung 18: Durchschnittlicher Bruttojahresverdienst (in Euro): Abhängig beschäftigte Musiker, darstellende Künstler und bildende Künstler (nur Männer) in den drei Jahren vor Renteneintritt 100 90 80 70
37.0
60 21.0
50 40 4.9
20
0
4.1
27.5
30
10
21.0
3.7 2.9 7.4
3.7
8.6
8.8
9.9
5.4
5.9
28.7 36.3
18.1 7.9
14.4
22.8
unter 100 Euro bis 10,000 Euro bis 20,000 Euro bis 30,000 Euro bis 40,000 Euro bis 50,000 Euro Alte Bundesländer
Neue Bundesländer
ueber 50,000
Berlin
Quelle: FDZ-RV – SUFRTZN00-04XXVBB, eigene Berechnungen
Hier wird das Einkommensgefälle der Künstler zwischen den einzelnen Bundesländern deutlich. Nur wenige abhängig beschäftigte männliche Künstler in dieser Gruppe beziehen Niedrigeinkommen. In der Berliner Gruppe beziehen sogar über 50 Prozent ein durchschnittliches Erwerbseinkommen von über 50.000 Euro, bei etwas mehr als 20 Prozent der Männer in diesen Berufsgruppen in allen Regionen liegt das Bruttojahreseinkommen sogar über 50.000 Euro/Jahr. Ganz anders stellt sich dagegen die Einkommenssituation von abhängig beschäftigten Künstlerinnen kurz vor dem Renteneintritt dar.
138
Strukturmerkmale und Risiken
Abbildung 19: Durchschnittlicher Bruttojahresverdienst (in Euro): Abhängig beschäftigte Musikerinnen, darstellende Künstlerinnen und bildende Künstlerinnen in den drei Jahren vor Renteneintritt
19,2
23,1 7,7
32,6 15,4
11,5
21,4
3,4 20,2
unter 100
25,8
19,2
11,2 5,6
24,1
bis 10.000
14,0
15,4
13,2
10,5
3,9 2,6
bis 20.000
bis 30.000
bis 40.000
bis 50.000
ueber 50.000
Alte Bundesländer
Neue Bundesländer
Berlin
Quelle: FDZ-RV – SUFRTZN00-04XXVBB, eigene Berechnungen
Nahezu 45 Prozent der westdeutschen Künstlerinnen erwirtschaften ein durchschnittliches Bruttoeinkommen von unter 10.000 Euro/jährlich. Dies kann möglicherweise auf das traditionelle Familienmodell in den alten Bundesländern zurückgeführt werden, in denen den Frauen allenfalls eine Zuverdienerfunktion zukommt. Dagegen beinhaltet Erwerbsarbeit bei Frauen in den neuen Bundesländern eine bedeutendere Funktion. So liegt das Jahresbruttoeinkommen bei über 50 Prozent der Frauen bei über 20.000 Euro. Das Hocheinkommenssegment ist von den Frauen in den neuen Bundesländern allerdings nicht besetzt. Wie sieht nun die wirtschaftliche Lage bei den Künstlern aus, die sich kurz vor Renteneintritt in der Pflichtversicherung der Künstlersozialkasse befinden?
139
Strukturmerkmale und Risiken
Abbildung 20: Durchschnittliches Bruttojahreseinkommen (in Euro): In der Künstlersozialkasse versicherte Männer in den drei Jahren vor Renteneintritt 53,2 48,2 41,6 34,2
33,4 26,5
18,1 12,6 5,1
bis 10.000
bis 20.000
Alte Bundesländer
bis 30.000
6,0
3,8
8,2 5,1 1,2
bis 40.000
Neue Bundesländer
2,5
über 40.000 Berlin
Quelle: FDZ-RV – SUFRTZN00-04XXVBB, eigene Berechnungen
In dieser Abbildung wird die rechtsschiefe Verteilung der Einkommensgruppen von selbständigen männlichen Künstlern kurz vor ihrem Renteneintritt über alle Regionen deutlich. Nahezu 90 Prozent der Berliner Künstler sind in den unteren Einkommensklassen bis 20.000 Euro vertreten. Sowohl bei den Kollegen in den neuen als auch den alten Bundesländern betragen die Anteile in den unteren beiden Einkommensgruppen etwa 75 Prozent. In dieser Statistik kann nicht gezeigt werden, dass sowohl Höchst- als auch Niedrigsteinkommen typische Indikatoren für die Beschreibung der wirtschaftlichen Situation von Künstlern insbesondere in Großstädten darstellen. Diese Zahlen entsprechen somit nicht den bereits an anderer Stelle genannten Erkenntnissen zur Einkommenssituation von Künstlern in Ballungsregionen (vgl. auch Honey et al. 1997). In der nachstehenden Abbildung wird das durchschnittliche Einkommen der in der Künstlersozialkasse versicherten Frauen in den drei Jahren vor dem Leistungsfall betrachtet.
140
Strukturmerkmale und Risiken
Abbildung 21: Durchschnittliches Bruttojahreseinkommen (in Euro): In der Künstlersozialkasse versicherte Frauen in den drei Jahren vor Renteneintritt 87 71,1 63,4
65,7
22,2
23,7
25,7
7,8
5,7
6,6 2,6
0,0 100 bis 10.000 Alte Bundesländer
bis 20.000
bis 30.000 Neue Bundesländer
2,9
über 30.000 Berlin
Quelle: FDZ-RV – SUFRTZN00-04XXVBB, eigene Berechnungen
Hier ist deutlich zu erkennen, dass der überwiegende Anteil aller Künstlerinnen in ihren letzten Erwerbsjahren über ein Jahresbruttoeinkommen zwischen 100 und 10.000 Euro verfügt. Deutliche regionale Unterschiede können hier nicht beobachtet werden. Etwa ein Viertel der selbständigen Künstlerinnen generiert ein Jahresbruttoeinkommen zwischen 10.000 und 20.000 Euro. Auch hier sind keine deutlichen Ost-West-Unterschiede zu beobachten. Nachdem die Einkommensrisiken insbesondere für die selbständigen Künstler aufgezeigt wurden, wendet sich der nächste Abschnitt dem Risiko der Erwerbslosigkeit zu.
87
Aufgrund der geringen Fallzahlen wurden die Alten Bundesländer und Berlin zusammengefasst.
Strukturmerkmale und Risiken
141
4.3.2 Arbeitslosigkeit Die verschiedenen künstlerischen Berufsgruppen sind in einem unterschiedlichen Ausmaß von Arbeitslosigkeit betroffen. Die höchsten Anteile an Arbeitslosen weist die Gruppe der darstellenden Künstler auf, gefolgt von den Musikern, während sie für bildende Künstler, die ohnehin überwiegend einer selbständigen Tätigkeit nachgehen, nur eine untergeordnete Rolle spielt (Frey und Pommerehne 1993: 170). Die Künstler können also sowohl mit möglichen Zeiten der Erwerbslosigkeit während ihrer Erwerbsphase, aber auch mit dem frühzeitigen Ende der Erwerbsfähigkeit konfrontiert werden. Dies betrifft insbesondere die Berufsgruppe der Sänger und der Tänzer. So gilt eine 40jährige Soubrette bei der Zenrale Bühnen-, Fernseh- und Filmvermittlung (ZBF)88 bereits als unvermittelbar. Neben einer freiberuflichen Tätigkeit als Sängerin, bleiben nur wenige Optionen zukünftiger abhängiger Beschäftigungsverhältnisse. Dieses frühe Karriereende trifft hier ganze Berufsgruppen (Gembris 2000: 65).89 Die Arbeitslosenquote bei Sängern/Schauspielern/Tänzern lag im Jahr 1973 bereits bei etwa 11 Prozent, bei den Musikern/bildenden Künstlern/Designern lag sie bei ungefähr fünf Prozent. Bei den übrigen Arbeitslosen lag der Durchschnitt zu Beginn der siebziger Jahre dagegen nur bei 1,2 Prozent (Fohrbeck und Wiesand 1974: 194). Insbesondere die Schauspielerinnen sind mit der Gefahr von Arbeitslosigkeit konfrontiert, da es im Schauspiel viel weniger Frauen- als Männerrollen gibt (Möhrmann 1989: 349). Die Arbeitslosenquote bei den Künstlern unterliegt konjunkturellen Schwankungen. Diese wurde bereits in den sechziger und siebziger Jahren im Künstlerreport nachgewiesen. Die folgende Abbildung verdeutlicht die Konjunkturabhängigkeit der Arbeitslosenquote von Künstlern von 1965 bis 1974.
88
89
Die ZBF war bis 2007 die zuständige Fachvermittlung für Bühnenangehörige sowie Film und Fernsehen der Bundesagentur für Arbeit. Sie wurde mit dem bislang eigenständigen Künstlerdienst zur Künstlervermittlung der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) zusammengefasst. Es gibt über diese Fälle kein gesichertes Datenmaterial, so dass diese Frage bislang noch nicht systematisch untersucht werden konnte.
142
Strukturmerkmale und Risiken
Abbildung 22: Arbeitslose Künstler und offene Stellen 1965 bis 1974
160
152
140
120 Zu-/Abnahme gegenüber 1965
120 100 80 60
69 46
55
40
47 28
20
74
8
34 25 13
8
12
11
0 -20 -40 1965
-17 1966
-9 -23 1967
1968
1969
1970
1971
1972
1973
1974
Zeitraum arbeitslose Künstler
offene Stellen
Reihe 3
Quelle: (Fohrbeck und Wiesand 1974: 198)
So verzeichnete beispielsweise die Arbeitslosenquote in den Rezessionsjahren 1967 und 1968 einen leichten Anstieg. Nach einem leichten Rückgang zu Beginn der siebziger Jahre zu der Wirtschaftskrise 1973/74 stieg sie wiederum sprunghaft an. Für die verschiedenen künstlerischen Berufsgruppen zeigt sich im Zeitverlauf ein unterschiedliches Bild. Traditionell sind darstellende Künstler stärker von Arbeitslosigkeit betroffen als andere künstlerische Berufsgruppen. Die folgende Tabelle zeigt relevante Strukturdaten für die Entwicklung der Arbeitslosigkeit von 1999 bis 2005 für die Berufsgruppe der Musiker auf.
143
Strukturmerkmale und Risiken
Tabelle 26: Arbeitslosigkeit von Musikern 1999 bis 200590 Arbeitslose Musiker (Anzahl) Bestandsentwicklung Index (1999=100) Arbeitslosenquoten in Prozent (*) Männer Frauen insgesamt Arbeitslosengruppen Frauen Ausländer Unter 25 Jahre 25 bis unter 35 Jahre 35 bis unter 50 Jahre 50 Jahre und älter Ohne Ausbildung Mit Ausbildung darunter: mit Abitur Fachhochschule Universität 1 Jahr und länger arbeitslos
1999 2.453
2000 2.300
2001 2337
2002 2.173
2003 2.111
2004 1.939
2005 2.255
100
94
95
89
86
79
92
11,6 8,1 10,5
10,7 8,1 10,0
10,9 8,7 10,2
10,2 8,3 9,6
10,2 7,7 9,4
9,6 7,5 8,9
11,5 8,7 10,6
22,5 33,0 3,0 24,5 44,2 28,3 30,6 34,9 17,2 4,5 30,0 41,3
24,5 33,9 3,2 23,5 45,4 27,9 28,6 35,2 17,2 4,0 32,3 43,3
26,1 32,8 2,4 21,9 44,9 30,8 27,0 34,2 16,9 4,6 34,2 41,7
27,1 33,5 2,6 20,1 45,3 32,0 27,3 30,7 16,2 6,6 35,3 43,4
26,1 34,3 2,3 17,7 47,9 32,1 26,7 31,4 17,2 7,8 34,1 42,7
26,8 35,0 1,8 18,8 47,0 32,3 26,1 30,8 15,9 7,4 35,6 46,3
26,2 36,4 1,6 21,6 44,2 32,6 33,0 28,1 14,5 8,0 30,9 37,2
*Berechnet auf der Basis der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten Quelle: IAB (2004, 2005): Berufe im Spiegel der Statistik
Die Arbeitslosenquote bei den Musikern entwickelt sich entgegen dem allgemeinen Trend. Während die berufsgruppenspezifische Arbeitslosenquote in dem Beobachtungszeitraum von 1999 bis 2004 kontinuierlich (bis auf einen geringen Anstieg im Jahr 2001) zurückging, verzeichnet sie im Jahr 2005 einen sprunghaften Anstieg. Dabei ist eine analoge Entwicklung über die Geschlechter zu beobachten. Am stärksten von Arbeitslosigkeit betroffen ist die Gruppe der 35 bis unter 50jährigen. Dies ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass das Arbeitsangebot in dieser Altersgruppe am höchsten ist. Bei den Musikern unter 25 Jahren sind die Anteile an den Arbeitslosen nur verschwindend gering. Das kann auf die langen Ausbildungszeiten in diesen Berufsgruppen zurückgeführt werden, so dass das Arbeitsangebot von Musikern in dieser Altersgruppe nicht groß ist. Die Langzeitarbeitslosigkeit (ein Jahr und länger) bei den Musikern ist 90
In diese Berufsordnung fallen folgende Berufe: Komponisten, Dirigenten, Chorleiter, Instrumental-, Orchestermusiker.
144
Strukturmerkmale und Risiken
im Vergleich zu den anderen künstlerischen Berufsgruppen, aber auch zu den übrigen Arbeitslosen (etwa 40 Prozent) mit über 45 Prozent im Jahr 2004 recht hoch. Anzumerken bleibt hier ferner, dass die Anteile der Langzeitarbeitslosen über den Zeitverlauf seit 1999 kontinuierlich ansteigen. Insgesamt liegt die Arbeitslosenquote in dieser Berufsgruppe mit unter neun Prozent im Vergleich zu den übrigen Arbeitslosengruppen (14,6 Prozent im Jahr 2004) dabei deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Sie liegt auch unter der berufsgruppenspezifischen Arbeitslosenquote der darstellenden und bildenden Künstler. Auf die hohe Arbeitslosigkeit insbesondere unter den darstellenden Künstlerinnen wurde bereits zu Beginn der siebziger Jahre im Künstler-Report hingewiesen (Fohrbeck und Wiesand 1974: 197). Die nachstehende Tabelle zeigt die Entwicklung der Arbeitslosigkeit für die darstellenden Künstler auf.
145
Strukturmerkmale und Risiken
Tabelle 27: Arbeitslosigkeit bei darstellenden Künstlern 1999 bis 200591 Arbeitslose darstellende Künstler(Anzahl) Bestandsentwicklung Index (1999=100) Arbeitslosenquoten in Prozent (*) Männer Frauen insgesamt Arbeitslosengruppen Frauen Ausländer Unter 25 Jahre 25 bis unter 35 Jahre 35 bis unter 50 Jahre 50 Jahre und älter Ohne Ausbildung Mit Ausbildung darunter: mit Abitur Fachhochschule Universität 1 Jahr und länger arbeitslos
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
5.878
6.047
6376
6.437
6.459
6.294
5647
100
103
108
110
110
107
96
20,3 23,2 21,7
20,0 22,6 21,2
22,2 24,2 23,2
22,1 24,8 23,4
22,8 24,4 23,6
21,9 23,6 22,8
20,4 23,4 21,9
50,6 22,6 3,8 32,6 42,5 21,1 22,5 50,0 22,1 4,6 22,9
50,6 23,3 4,1 30,4 44,4 21,1 22,8 48,0 21,7 4,4 24,8
49,8 22,2 3,4 29,1 46,3 21,2 20,8 48,7 22,8 4,7 25,9
50,8 22,2 3,6 29,3 47,1 20,0 20,1 47,8 21,8 5,9 26,3
49,7 21,0 2,7 28,0 50,0 19,3 19,7 45,9 20,9 7,2 27,2
50,8 20,0 2,9 27,5 49,5 20,1 18,3 46,6 22,1 7,7 27,3
51,8 22,2 3,6 29,3 47,3 19,8 21,9 44,4 20,2 7,3 26,4
26,9
26,9
27,3
28,7
29,6
29,8
28,4
*Berechnet auf der Basis der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten Quelle: IAB (2004, 2005): Berufe im Spiegel der Statistik
Hier zeigt sich ein deutlich anderes Bild als für die Berufsgruppe der Musiker: Die Arbeitslosenquoten sind mit 20 Prozent im Vergleich zu den Musikern über den gesamten Zeitraum mehr als doppelt so hoch. Die Anteile an arbeitslosen darstellenden Künstlerinnen liegen über den gesamten Zeitraum um etwa zwei Prozent über den Arbeitslosenquoten ihrer männlichen Kollegen. Die Anteile der Langzeitarbeitslosen schwanken zwischen 1999 und 2004 zwischen etwa 27 Prozent und höchstens 33 Prozent im Jahr 2003. Darstellende Künstler sind somit nicht so stark von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen. Die geringen Anteile an Langzeitarbeitslosen sind durch die spezifische Struktur des Beschäftigungssystems für diese Berufsgruppen zu erklären. Da die Projekte innerhalb dieses Beschäftigungssystems in der Regel nur von kurzfristiger Dauer sind, gibt es 91
In diese Berufsordnung fallen folgende Berufe: Bühnenleiter, Regisseure, Ballettvorstände, Sänger, Tänzer, Schauspieler, künstlerische Bühnen- und Studiohilfsberufe, Vortragskünstler und andere darstellende Künstler.
146
Strukturmerkmale und Risiken
eine Vielzahl von Beschäftigungsverhältnissen innerhalb dieses Systems, die auf kurzfristigen Verträgen beruhen.92 Dies führt insbesondere auf dem Theaterarbeitsmarkt zu erheblichen saisonalen Schwankungen der Arbeitslosigkeit im Jahresverlauf. Die spezifische Tarifvertragsstruktur mit ihren Nichtverlängerungsklauseln unterstützt den Projektcharakter der Beschäftigungsverhältnisse.93 Welche Faktoren sind für gute Beschäftigungschancen auf den Künstlerarbeitsmärkten verantwortlich? Können zusätzlich zu Talent und Zufall oder Modetrends auch quantitativ messbare Größen wie etwa Bildungsinvestitionen einen Beitrag für den Arbeitsmarkterfolg von Künstlern leisten? Die Arbeitslosenquote bei darstellenden Künstlern mit Hochschulabschluss liegt mit 22 Prozent auf dem gleichen Niveau wie derjenigen ohne abgeschlossene Berufsausbildung. Überdurchschnittlich hoch sind die Anteile von arbeitslosen darstellenden Künstlern mit Hochschulabschluss mit bis zu 35 Prozent in den neuen Bundesländern. Bedeutet dies, dass Bildung keine Relevanz für die Beschäftigungssicherheit in dieser Berufsgruppe hat? Der Beantwortung dieser Frage wird im Folgenden nachgegangen. Die Stabilität von Beschäftigungsverhältnissen kann mit Überlebens- oder Survivorraten berechnet werden. Die Überlebensraten werden unabhängig von ihrem tatsächlichen Anfangsdatum betrachtet, sie können auch als zeitabhängige Verbleibswahrscheinlichkeit in Arbeitslosigkeit interpretiert werden. Aufgrund der Rechtszensierung94 bietet sich das ‚Kaplan-Meier-Verfahren’ für eine Analyse der Verweildauer an. Dieser Schätzer der Überlebensfunktion wird als das Produkt der Wahrscheinlichkeiten, jedes vorangegangene Intervall überlebt zu haben, ermittelt. Die nachstehende ereignisanalytische Verfahrensweise illustriert die Verweildauer in Arbeitslosigkeit nach Geschlecht, in einem weiteren Schritt erfolgt diese Darstellung differenziert nach unterschiedlichen Bildungsniveaus.
92
93
94
Die Stichtagserhebungen zum jeweils 15.06. für die Ermittlung der Arbeitslosendaten ergeben somit insbesondere für diese Berufsgruppe ein verzerrtes Bild. Zu Detailinformationen über die Nichtverlängerungsklauseln im Normalvertrag Bühne vgl. Abschnitt 5.2 Der letzte Datenzeitpunkt ist der 31.12.2001.
Strukturmerkmale und Risiken
147
Abbildung 23: Kaplan-Meier Schätzer: Arbeitslosigkeit nach Beruf & Geschlecht
Quelle: IABS 1975-2001 (erweitert), eigene Berechnungen
Die Abbildung zeigt deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern sowohl in den Abgangsraten aus Arbeitslosigkeit als auch zwischen den künstlerischen Berufsgruppen. So zeigt sich für die Berufsgruppe der Musiker folgendes Bild: Während die Wahrscheinlichkeit des Abgangs aus Arbeitslosigkeit bei den Frauen innerhalb des ersten Jahres bei etwa 75 Prozent liegt, ist die Wahrscheinlichkeit der Verweildauer in Arbeitslosigkeit bei den Männern in dieser Berufsgruppe im ersten Jahr der Arbeitslosigkeit bei nahezu 35 Prozent. Anders verhält sich die Situation aus der Perspektive der Langzeitarbeitslosigkeit. Während die Arbeitslosigkeit ab einer Dauer von 1,5 Jahren bei den Frauen kaum mehr zurückgeht und bei etwa 20 Prozent verharrt, kann bei den Männern ein kontinuierlicher Rückgang nahezu auf die gesamte Population beobachtet werden. In der Gruppe der darstellenden Künstler sind die Unterschiede zwischen den Geschlechtern nicht so signifikant. Die Abgangsraten aus Arbeitslosigkeit bei den Männern liegen über den gesamten Zeitraum von über vier Jahren höher. Somit liegt das Risiko, von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen zu sein, bei den
148
Strukturmerkmale und Risiken
darstellenden Künstlerinnen im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen etwa um fünf Prozent höher. Im Vergleich zu den darstellenden Künstlerinnen liegt die Wahrscheinlichkeit für die Berufsgruppe der Musikerinnen, von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen zu sein, signifikant höher. Bei den Männern sind die Unterschiede zwischen den Berufsgruppen nur in Bezug auf die Arbeitslosigkeit unter einem Jahr zu beobachten. Hier liegen die Chancen auf eine zügige Wiederbeschäftigung bei den darstellenden Künstlern im ersten Jahr der Arbeitslosigkeit höher als bei den Musikern. Zwei weitere Kaplan-Meier Schätzer stellen die Abgangsraten aus Arbeitslosigkeit in Abhängigkeit von unterschiedlichen Bildungsniveaus dar. In der Gruppe der Musiker zeichnen sich klare Unterschiede zwischen den einzelnen Bildungsniveaus ab. Hohe Bildungsinvestitionen sind in diesen Berufsgruppen eine Versicherung gegen Langzeitarbeitslosigkeit, während Effekte auf die Arbeitslosigkeit unter einem Jahr nicht, beziehungsweise nur kaum zu beobachten sind. Für die Gruppe der darstellenden Künstler zeigt sich allerdings ein anderes Bild. Deutlich wird hier erneut die geringe Bedeutung von Langzeitarbeitslosigkeit. Aber auch ein höheres Bildungsniveau übt nur einen geringen Einfluss auf Verbesserungen der Beschäftigungschancen für diese Berufsgruppe aus. Bildungsinvestitionen beinhalten auf den Arbeitsmärkten von darstellenden Künstlern also nicht die Funktion der Risikoprävention.
Strukturmerkmale und Risiken
149
Abbildung 24: Kaplan-Meier Schätzer:: Arbeitslosigkeit nach Beruf & Bildungsniveau
Quelle: IABS 1975-2001 (erweitert), eigene Berechnungen
In einer Studie über die sozioökonomischen Bedingungen auf den Arbeitsmärkten von Theaterschaffenden in Irland konnten ebenfalls keine Zusammenhänge zwischen dem Bildungsniveau und der Dauer von Arbeitslosigkeit festgestellt werden (Hibernian Consulting 2005: 71). Bereits in früheren Studien konnten diese Befunde bestätigt werden (Netzer und Parker 1993, Rensujeff 2003: 129). Im nächsten Abschnitt erfolgt eine empirische Analyse der Altersbezüge von Künstlern.
150
Strukturmerkmale und Risiken
4.3.3 Altersbezüge95 Über die Altersbezüge von Künstlern ist empirisch wenig bekannt. So steht über die Rentenansprüche von selbständigen Künstlern kein ausgewertetes Material zur Verfügung, aber auch Informationen über die Rentensituation von abhängig beschäftigten Künstlern sind rar.96 Sowohl abhängig beschäftigte als auch selbständige Künstler sind in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert. Die Pflichtversicherung der selbständigen Künstler erfolgt über die Künstlersozialkasse. Die Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen und die Versorgungsanstalt der deutschen Kulturorchester sind berufsständische Pflichtversorgungseinrichtungen, die den abhängig Beschäftigten in diesen Institutionen eine zusätzliche Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung gewähren (Bayerische Versorgungskammer 2006). Die Rentenversicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bleibt bestehen. Die Beiträge der abhängig beschäftigten Künstler in den Versorgungswerken werden einkommensabhängig eingezogen und dann sowohl im Umlageverfahren direkt an die Ruheständler weitergeleitet, oder aber auch in Form von Kapitaldeckungsverfahren angelegt. In einer empirischen Untersuchung über die wirtschaftliche und soziale Situation bildender Künstler und Künstlerinnen in Deutschland wird auf den Tatbestand hingewiesen, dass der überwiegende Anteil der Altersbezüge der Künstler nicht auf der Grundlage künstlerischer Tätigkeiten erworben wurde (Hummel 2005). 97 Bei den Künstlerinnen in Rente beziehen gar über 50 Prozent ihre Altersbezüge nicht auf der Grundlage ihrer Tätigkeit als bildende Künstler. Ein Teil der Künstler bezieht einen Großteil seiner Rentenleistungen aus einer früheren abhängigen künstlerischen Erwerbstätigkeit, beispielsweise als angestellte Lehrer (Hummel 2005: 34). Eine Datenerhebung und –auswertung der Künstlersozialkasse in Zusammenarbeit mit der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte98 über den Rentenbestand der vormals in der Künstlersozialkasse versicherten selbständigen
95
96
97 98
Teile dieses Abschnitts wurden bereits in Haak (2007) publiziert, an dieser Stelle aber aktualisiert und erweitert. Zwar sind im Fragenkatalog des Mikrozensus einige Fragen zum Bereich der Alterssicherung enthalten. Die Ergebnisse zeigten sich nach Fachinger et al. (2004) als nicht besonders zuverlässig. Gleichzeitig liegt der Fokus im Mikrozensus auf der Erwerbsphase, so dass die sozioökonomische Situation der Rentner während ihrer Erwerbsphase nicht entnommen werden kann. Es beteiligten sich 1.141 bildende Künstler aller Altersgruppen an der Befragung. Seit der Organisationsreform der gesetzlichen Rentenversicherung: Deutsche Rentenversicherung Bund.
151
Strukturmerkmale und Risiken
Künstler und Publizisten ermöglicht einen groben Überblick über die Rentenzahlungen, differenziert nach folgenden Merkmalen99:
Geschlecht Beruf Kunstbereiche Gesamtrente Rentenanteil auf der Basis von Beiträgen nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) Gesamtversicherungszeiten KSK Versicherungszeiten
Die nachstehende Tabelle ermöglicht einen Einblick in die Alterseinkünfte von Versicherten, differenziert nach den einzelnen Bereichen der Künstlersozialkasse unter Berücksichtigung des durchschnittlichen Rentenanteils auf der Grundlage von Beiträgen nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG). Tabelle 28: Durchschnittliche Rentenhöhe in Euro von KSK Versicherten – Gesamt und KSVG Zeiten im Vergleich100 Bereich
Durchschnittliche Rentenhöhe (Gesamt)
Durchschnittliche Rentenhöhe nach KSVG
Musik Bildende Kunst Darstellende Kunst Gesamt
680,99 670,56 718,10 785,12
79,30 86,27 82,36 91,79
Anteile der Rentenhöhe nach KSVG an Gesamtrente in Prozent 11,6 12,9 11,5 11,7
Quelle: Bruns (2004)
In dieser Tabelle werden die Differenzen zwischen den auf der Grundlage des Künstlersozialversicherungsgesetzes generierten Rentenanwartschaften im Vergleich zu den Rentenansprüchen insgesamt deutlich. Die Anteile der Renten, die über die Beitragszahlungen in der Künstlersozialkasse generiert wurden an den Gesamtrenten schwanken leicht zwischen 11,5 Prozent bei den darstellenden Künstlern bis zu nahezu 13 Prozent bei den bildenden Künstlern, insgesamt 99
100
Ein Ost/West-Vergleich wäre für eine differenzierte Ermittlung der Versicherungszeiten nach KSVG hilfreich gewesen. Da Künstler in den neuen Bundesländern erst seit 1990 Versicherungszeiten nach dem KSVG vorweisen können, liefert die Auswertung nur ein verzerrtes Bild. Falls nicht anders gekennzeichnet, handelt es sich bei den Angaben über das Rentenniveau um die Bruttorente.
152
Strukturmerkmale und Risiken
stellen sie allerdings nur einen Bruchteil der Altersbezüge der selbständigen Künstler dar. Die höchsten Altersbezüge beziehen die Versicherten aus dem Bereich darstellende Kunst, gefolgt von den Musikern. Mit durchschnittlich nur 670 Euro Altersbezügen stehen die bildenden Künstler an letzter Stelle. In dieser Darstellung muss allerdings berücksichtigt werden, dass die Beitragszahlungen in das Rentenversicherungssystem über die Künstlersozialkasse erst seit 1983 stattfinden, so dass die Künstler über vollwertige Beitragszeiten von maximal 21 Jahren (bis zum Erhebungszeitpunkt) verfügen. In einer differenzierteren Betrachtung der monatlichen Rentenhöhen wird allerdings ersichtlich, dass die Höhe der Renten in den verschiedenen Berufsgruppen sehr stark streuen. Es wird deutlich, dass insbesondere die Rentner aus den Bereichen bildende Kunst und Musik trotz des Leistungsbezugs außerhalb der Versicherungszeiten nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz über ein Rentenniveau verfügen, dass kaum über dem Niveau des Arbeitslosengeldes II (ALG II) liegt, wenn man berücksichtigt, dass zusätzlich zum Bezug von ALG II Mietzuschüsse gewährleistet werden. 101 Auch für andere Berufsgruppen wird vermutet, dass diese ihre Rentenanwartschaften über ihre künstlerischen Tätigkeiten hinaus aus anderen Erwerbstätigkeiten erwerben (Bundesregierung 2000: 27). Aufgrund der geringen künstlerischen Arbeitseinkommen ergreifen Künstler während ihrer aktiven Erwerbsphase Maßnahmen zur sozialen Absicherung aus alternativen Quellen. Eine Gruppe der befragten Künstler generiert ihre Rentenansprüche aus einer früheren künstlerisch verwandten Tätigkeit, so beispielsweise als Lehrer. Dabei gaben 25 Prozent der Befragten an, dass der überwiegende Teil ihrer Altersbezüge aus diesen Quellen stammt (Hummel 2005: 34f). Somit wird auch an dieser Stelle deutlich, dass multiple jobholding eine zentrale Strategie zur individuellen sozialen Sicherung von (selbständigen) Künstlern darstellt. In der nachstehenden Abbildung wird die Verteilung der erzielten Entgeltpunkte über die beiden Künstlergruppen (Abhängig Beschäftigte versus Selbständige) aufgezeigt.
101
Die Regelleistungen des ALG II betragen nach § 20 (SGBII) 345.- Euro (West) und 331.- Euro (Ost).
153
Strukturmerkmale und Risiken
Abbildung 25: Entgeltpunkte KSK Versicherte/Abhängig beschäftigte Künstler und Publizisten im Vergleich 60 2,3
50
11,0 40
6,5
25,1
2,4
30
0,4
1,6
4,2
8,4
6,3 2,2
10,5
9,5
5,6
7,1
8,6 2,8
1,3
5,4
6,1
8,4
8,6
5,9
11,1
12,1
34,3
15,8
kt e un
4
tg el tp
bi s6 üb er
65
En
60
bi s5 9
4 50
55
bi s5
9
4
bi s4 45
bi s4
9 bi s3 35
bi s2
bi s3 30
40
4
1,7
9
4 25
bi s2
4
8,6
1,6
1,9
15
bi s1
10 U nt er
1,0
10
0
5,5
8,2
11,0
9,9
9,5
6,0 4,8
6,5
5,7
2,9
7,3
8,2
5,5
3,7
9,5
6,0
9,7
9
10
17,7
20
10,5
bi s1
20
14,0
Abhängige Männer
Abhängige Frauen
KSK Männer
KSK Frauen
Quelle: FDZ-RV – SUFRTZN00-04XXVBB, eigene Berechnungen
Die Entgeltpunkte der abhängig beschäftigten Frauen streuen relativ gleichmäßig über die einzelnen Klassen.102 Während über ein Drittel der Männer in der Gruppe der abhängig Beschäftigten mehr als 65 Entgeltpunkte erzielt, liegen die Anteile der Frauen in dieser Gruppe bei nur etwa sechs Prozent. Deutlich wird dagegen die erheblich geringere Rentenhöhe der KSK-Rentner im Vergleich zu den abhängig Beschäftigten. Dabei sind die Frauen im Niedrigrentensegment anteilig viel stärker vertreten als ihre männlichen Kollegen, in den Entgeltklassen ab 30 Punkten dominieren die KSK-Männer. Da die Frauen sowohl in der Gruppe der abhängig beschäftigten Künstler als auch unter den Selbständigen ein geringeres Entgeltpunkteniveau aufweisen, konnte bereits an anderer Stelle gezeigt werden, dass dies mit der Familienphase zusammenhängt.103 Bezüglich der Einkommen und Renten gibt es bei den Künstlern erhebliche regionale Schwankungen, die im Folgenden diskutiert und analysiert werden. 102
103
Um den ungefähren Rentenzahlbetrag zu ermitteln, müssen die Entgeltpunkte mit dem aktuellen Rentenwert multipliziert werden. Dieser betrug im Jahr 2007 in den alten Bundesländern, 26,27.Euro, in den neuen Bundesländern 23,09.- Euro (Deutsche Rentenversicherung Bund 2007: 210). Vgl. Abschnitt 4.2.4 in dieser Arbeit
154
Strukturmerkmale und Risiken
Insbesondere bezüglich der in der DDR erworbenen Rentenansprüche bedarf es einiger ergänzender Ausführungen. Die typische Erwerbsform von Musikern und darstellenden Künstlern in der DDR war die unbefristete abhängige Beschäftigung. Die Zuteilung in die Orchester erfolgte zentral über eine Kommission, während die Aufnahme der Schauspieler in ein Theaterensemble bereits während der Ausbildung stattfand. Das System der DDR sah für die Altersversicherung der überwiegenden Zahl der Bevölkerung eine Sozialpflichtversicherung vor, die durch etwa 60 unterschiedliche freiwillige Zusatzversorgungssysteme ergänzt werden konnte. Zu den Zielgruppen der Systeme gehörte auch die so genannte Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen.104 Ferner gab es eine zusätzliche Versorgung der künstlerischen Beschäftigten in Theatern, Orchestern und staatlichen Ensembles sowie eine zusätzliche Altersversorgung für freischaffende bildende Künstler.105 Diese Zusatzsysteme ähnelten der betrieblichen Altersvorsorge und der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes in den alten Bundesländern. Über diese Zusatzversorgungssysteme konnten die Mitglieder in den Genuss einer zusätzlichen Altersversorgung, die bis zu 90 Prozent des letzten Nettoerwerbseinkommens betragen konnte, gelangen. Eine Mitgliedschaft in der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) führte zu einer Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze, die üblicherweise bei 7.200 Mark lag, wobei eine Mitgliedschaft nur den Personengruppen vorbehalten war, die über ein Einkommen von über 7.200 Mark verfügten. Die maximale FZR-Beteiligung lag bei deren Schließung im Jahr 1990 bei den Männern bei rund 45 Prozent (Ohsmann und Stolz 2000: 278). In einer Auswertung zum Stichtag am 1.7.1994 wurden die Rentenhöhen vor und nach der Neuberechnung für ausgewählte Zusatzversorgungssysteme berechnet. Für diese Auswertung lagen 1.200 Rentenbescheide von Mitte Mai 1994 bis einschließlich Januar 1996 von künstlerisch Beschäftigten in Theatern, Orchestern und staatlichen Ensembles vor. Die folgende Abbildung zeigt die Verbesserung der Rentenhöhe durch die Zusatzversorgungssysteme nach der Überleitung.
104 105
Eingeführt mit Wirkung vom 12. Juli 1951. Die Versorgung der künstlerisch Beschäftigten wurde mit Wirkung vom 1. Januar 1986 eingeführt, die Altersversorgung der bildenden Künstler am 1. Januar 1989.
155
Strukturmerkmale und Risiken
Tabelle 29: GRV-Anwartschaften vor und nach der Neuberechnung für das Zusatzversorgungssystem von künstlerisch Beschäftigten in Theatern, Orchestern und staatlichen Ensembles
Männer Frauen
Anzahl der ausgewerteten Bescheide 700 500
Durchschnittliche alte Rentenhöhe in DM 1510 1260
Durchschnittliche neue Rentenhöhe in DM 1920 1420
Durchschnittliche Verbesserung in DM 410 160
Steigerung in Prozent 127 113
Quelle: Ohsmann 1996: 108
Die Zusatzversorgungssysteme führen bei diesen Berufsgruppen zu deutlichen Verbesserungen in der Rentenhöhe. Insbesondere bei den Männern liegen die Steigerungen bei nahezu 25 Prozent. Im Vergleich zu anderen Berufsgruppen mit Zusatzversorgungssystemen liegen die Männer in diesen Berufsgruppen mit einer durchschnittlichen Rentenhöhe von 1920 Mark an der Obergrenze des unteren Drittels. Bei den Frauen dagegen verfügen lediglich 30 Prozent mit Zusatzversorgungen über ein höheres Rentenniveau als die in dieser Tabelle dargestellte Berufsgruppe. Aufgrund dieser Zusatzversorgungssysteme ist davon auszugehen, dass die Künstler in den neuen Bundesländern höhere Altersbezüge erhalten als die Künstler in den alten Bundesländern. Ferner befand sich der überwiegende Teil von Musikern und darstellenden Künstlern in der DDR in einem festen Engagement (Stange 2000: 37). Der stetigere Verlauf von Erwerbsbiografien ohne Erwerbsunterbrechungen in der DDR führte somit ebenfalls zu höheren Rentenanwartschaften.
156
Strukturmerkmale und Risiken
Abbildung 26: Rentenniveau von Künstlerinnen und Künstlern im Rentenzugang 2000 bis 2004 – Alte und neue Bundesländer im Vergleich
21,5
2,6
14,0
5,1 24,1
8,4
6,1 7,6
15,4 8,4 0,3 1,6 1,9 2,5 keine Rentenansprüche
26,7
11,9
22,0
16,2
17,0 1,0
0,8
1,5
8,5
6,2
7,0
6,7
6,5
200 bis 400 Euro
Männer (ABL)
5,2 5,0
8,7
7,8 1.000 bis 1.200 Euro
Frauen (ABL)
2,8
15,8 20,4
600 bis 800 Euro
Männer (NBL)
27,4
21,0
22,9
11,5 1.400 bis 1.650 Euro
Frauen (NBL)
Quelle: FDZ-RV – SUFRTZN00-04XXVBB, eigene Berechnungen
In dieser Abbildung wird deutlich, dass Künstlerinnen in der DDR sehr viel stärker in das Erwerbsleben eingebunden waren als ihre Kolleginnen in der ehemaligen Bundesrepublik. Insgesamt liegt das Rentenniveau der Frauen aber sowohl in den neuen als auch in den alten Bundesländern weit unter dem Niveau der Männer. Eine Analyse der Verläufe der versicherten Entgelte im Ost-West-Vergleich verdeutlich, dass sie bei den Frauen in den alten Bundesländern ab dem 15. Lebensjahr langsam ansteigen, so dass diese im Alter von 27 Jahren ein vorläufiges Maximum von rund 75 Prozent des Durchschnittsentgelts erreichen (Ohsmann und Stolz 2000). Im Gegensatz zu der Entwicklung bei den Männern erfolgt danach kein weiterer Anstieg, weshalb die Differenz bei den versicherten Entgelten zwischen Männern und Frauen in den Alten Bundesländern mit dem Alter stetig ansteigt. Bei den Frauen in den Neuen Bundesländern ist zwar ein ähnlicher Entgeltverlauf zu beobachten, allerdings erfolgt dieser auf einem um etwa 10 Prozentpunkte höheren Niveau. Die Männer in den Neuen Bundesländern hingegen
Strukturmerkmale und Risiken
157
verzeichnen einen Bruch in der Entgeltentwicklung im Alter ab Mitte 50. Dieser Tatbestand führt zu geringeren Differenzen in der Höhe der Entgeltpunkte zwischen Männern und Frauen in den Neuen Bundesländern. Deutlich größer sind allerdings die Unterschiede in der Beitragsbeteiligung zwischen den Frauen in den neuen und den alten Bundesländern. In den alten Bundesländern wird die höchste Beitragsbeteiligung mit 62 Prozent im Alter von 19 Jahren erreicht, ab diesem Lebensjahr wirkt sich die Kindererziehung auf die Beitragszeiten sowohl in den neuen als auch in den alten Bundesländern aus. Die Beitragsbeteiligung der westdeutschen Frauen liegt mit 31 Jahren nur noch bei etwa 36 Prozent, diese steigt dann langsam an, übersteigt dabei allerdings den Wert von 50 Prozent nicht mehr. Die Auswirkungen der Kindererziehung auf die Beitragsbeteiligung von Frauen in den neuen Bundesländern fallen wie erwartet geringer aus. Auch die Phase des Beitragsrückgangs ist von geringerer Dauer. So findet diese Phase des Rückgangs zwischen dem 19. und dem 27. Lebensjahr statt und liegt dabei immerhin bei 75 Prozent. Sie steigt auf über 98 Prozent im Alter von 49 und 50 Jahren an (Ohsmann und Stolz 2000: 276ff). Nach § 10a (EStG) können Pflichtversicherte in der gesetzlichen Rentenversicherung Riester-Verträge abschließen. Künstler fallen aufgrund ihrer Versicherungspflicht in der Künstlersozialkasse in diesen Personenkreis. Allerdings wird diese Möglichkeit in der Praxis nur vereinzelt in Anspruch genommen. In einer Umfrage der BBK bei bildenden Künstlerinnen und Künstlern aus dem Jahr 2004 gaben etwa sechs Prozent der Künstler an, bereits einen RiesterVertrag abgeschlossen zu haben (Hummel 2005: 72). Das Interview mit der Expertin des Bundesverbandes Bildender Künstlerinnen und Künstler e.V. ergab, dass der Bundesverband sich in der Vergangenheit intensiv mit der RiesterRente auseinandergesetzt hat. So wurde ein Rahmenvertrag mit der HelvetiasVersicherung abgeschlossen, der spezifische Zahlungsmodalitäten zulässt, die der besonderen Einkommenssituation von bildenden Künstlern Rechnung tragen. Auch die Expertin der GEDOK äußert sich prinzipiell positiv über die Möglichkeiten der Riesterförderung, allerdings können sich viele Künstlerinnen eine zusätzliche private Altersvorsorge finanziell nicht leisten. Der Experte des IDS vermutet die aktuelle Rentenhöhe der freien Schauspieler bei etwa 860 Euro. Die Künstler hätten kein Interesse an der Riester-Rente. Der Experte der Fachgruppe Musik steht der Riester-Rente eher skeptisch gegenüber, da sie für die Künstler eine zusätzliche Belastung bedeute, auch wenn sie nur 30 Euro/monatlich betragen würde. Die Fachgruppe sei dennoch bemüht, die Mitglieder hierfür zu sensibilisieren. Der nächste Abschnitt fasst die wesentlichen Er-
158
Strukturmerkmale und Risiken
kenntnisse dieses Kapitels noch einmal zusammen und zieht eine kurze Zwischenbilanz. 4.4 Fazit: Strukturmerkmale und Risiken von Künstlerarbeit Viele Indikatoren weisen auf die Heterogenität der Erwerbsformen auf den Künstlerarbeitsmärkten hin. Während diese auf den Arbeitsmärkten der Musiker bereits aufgrund der Variationsbreite von Musikrichtungen schwer strukturierbar sind, geht die überwiegende Zahl der bildenden Künstler einer selbständigen Erwerbstätigkeit nach. Die Arbeitsmärkte der darstellenden Künstler sind durch eine Doppelstruktur gekennzeichnet. Eine Gruppe befindet sich in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen, während die anderen Künstler in diesen Berufsgruppen ihr Einkommen über selbständige Tätigkeiten generieren. Man kann allerdings auf allen drei Arbeitsmärkten auch Mischformen entdecken. Am Beispiel des Schauspielers kann dies exemplarisch wie folgt beschrieben werden: Ein kurzfristiges Beschäftigungsverhältnis an einem Theater oder in einer Fernsehproduktion erfolgt in der Regel in abhängiger Beschäftigung, so dass sich diese Berufsgruppe zwischen Erwerbsphasen in abhängiger Beschäftigung, Arbeitslosigkeit und selbständiger Erwerbsarbeit bewegt. Abhängig beschäftigte Künstler generieren ein Einkommen (Mittelwert), das weit über dem Durchschnittseinkommen106 aller Erwerbstätigen liegt, die selbständigen Künstler und Künstlerinnen hingegen verfügen über ein durchschnittliches Einkommen, das gerade über dem der Sicherung des Existenzminimums liegt. Die wirtschaftliche Lage stellt sich bei den selbständigen Künstlern kurz vor dem Renteneintritt ähnlich schlecht dar wie bei den aktiven selbständigen Künstlern. Die Gruppe der Selbständigen auf den Künstlerarbeitsmärkten ist demnach in einem besonderen Ausmaß mit wirtschaftlichen und sozialen Risiken konfrontiert. Ihr Einkommen liegt weit unter dem der übrigen Erwerbstätigen mit ähnlichem Qualifikationsniveau und die Auftragslage ist volatil. Wohl auf nahezu keinem anderen Teilarbeitsmarkt liegen Erfolg- und Misserfolg so nahe beieinander wie auf den Künstlerarbeitsmärkten. Während nur wenige Künstler Spitzeneinkünfte bei großer Nachfrage nach ihrer Arbeit erzielen, befindet sich eine große Gruppe von Künstlern in dauerhafter Unterbeschäftigung bei gleichzeitig geringem Einkommen. 106
Das in der Sozialversicherung zu Grunde gelegte Durchschnittseinkommen im Jahr 2006 beträgt für die Alten Bundesländer 29.304 Euro, für die Neuen Bundesländer 24.602 Euro (Deutsche Rentenversicherung Bund 2006: 175).
Strukturmerkmale und Risiken
159
Darstellende Künstler sind in einem hohen Ausmaß von Arbeitslosigkeit betroffen. Die Angaben in den unterschiedlichen Statistiken unterliegen zwar Schwankungen, allerdings weisen seit Mitte der neunziger Jahre alle eine berufsgruppenspezifische Arbeitslosenquote für die darstellenden Künstler von über 20 Prozent auf. Die Individualrenten selbständiger Künstler betragen im Jahr 2004 durchschnittlich etwa 700 Euro/monatlich. Die Anteile der Rentenanwartschaften nach dem KSVG liegen dabei anteilig bei etwa zehn Prozent. Da die Künstlersozialkasse erst seit 1983 besteht, ist davon auszugehen, dass die über sie generierten Anwartschaften anteilig zunehmen werden. Dies wird allerdings in Zukunft kaum zu höheren Alterseinkünften der Selbständigen führen, da die Beiträge die diese Berufsgruppen in das Sozialversicherungssystem abführen, so gering sind, dass daraus nur geringe Anwartschaften resultieren. Die nachstehende Tabelle fasst die in Kapitel 4 erzielten Befunde in systematischer Form zusammen:
160
Strukturmerkmale und Risiken
Tabelle 30: Strukturmerkmale und Risiken von Künstlerarbeit Musiker
Darstellende Künstler
Bildende Künstler
Selbständigkeit
Selbständigkeit
Strukturmerkmale Erwerbsformen
Selbständigkeit
Abhängige Beschäftigung
Abhängige Beschäftigung
Wachstum
Stark
Stagnierend
Stark
Stagnierend
Moderat
Qualifikationsniveau
Hoch
Sehr hoch
Hoch
Sehr hoch
Sehr hoch
Beschäftigungsentwicklung
Steigend
Stagnierend
Steigend
Stagnierend
Steigend
Arbeitszeiten
Mittlerer Umfang
Mittlerer Umfang
Mittlerer Umfang
Unregelmäßige Zeiten und hoher Umfang
In der Regel selbst bestimmt
Frauenanteile (in Prozent)
24
35
46
42
43
Altersstruktur
Über 50 Prozent dieser Berufsgruppe unter 40 Jahren
Über 50 Prozent dieser Berufsgruppe unter 40 Jahren
Über 50 Prozent dieser Berufsgruppe über 40 Jahre
Einkommen
Geringes Einkommen
Häufig hohes Einkommensniveau
Geringes Einkommen
Mittleres Einkommensniveau
Geringes Einkommensniveau
Arbeitslosigkeit
X
Gering
X
Hoch
X
Alterseinkünfte
Gering
Hoch
Gering
Hoch
Gering
Risiken
Quelle: Eigene Darstellung
Diese Tabelle verdeutlicht das große Einkommensrisiko der Selbständigen trotz hohen Bildungsniveaus. Die abhängig beschäftigten darstellenden Künstler sind wiederum von dem Risiko der Arbeitslosigkeit bedroht. Welche Rolle spielen die zentralen Institutionen in der Prävention und Bewältigung dieser Risiken? Mit der Beantwortung dieser Frage befasst sich Kapitel 5.
5 Institutionelle Arrangements
Nach dem Entstehen eines kollektiven Sicherungssystems durch die bismarckschen Sozialversicherungsgesetze 1883-1889 wurden unterschiedliche Versuche unternommen, diese Instrumente auch in einer überregionalen Organisationsform für die bildenden Künstler zu nutzen. So gründeten 1893 Weimarer Künstler eine Renten- und Pensionsanstalt für ihre Berufsgruppe, einen Versicherungsverein für Alters- und Erwerbsunfähigkeit. Diesem wurde im Jahr 1900 eine Witwen- und Waisenkasse angegliedert. Heute ist die Künstlersozialkasse die zentrale Institution in der sozialen Sicherung von selbständigen Künstlern in Deutschland. Die Funktionsweise und Relevanz der Künstlersozialkasse für die selbständigen Künstler wird in Kapitel 5.1 analysiert. Daran schließt sich Kapitel 5.2 mit einer Erörterung der besonderen Rolle des Arbeitslosenversicherungssystems für die Schauspieler im Theater und im Film- und Fernsehsegment an. Kapitel 5.3 schließt mit der Darstellung des Urheberrechts als weiterem institutionellem Arrangement für die Vergütungsregelungen von schöpferisch tätigen Künstlern. 5.1 Das Künstlersozialversicherungsgesetz Der Sozialschutz ist in Deutschland im Wesentlichen auf abhängig Beschäftigte ausgerichtet. Allerdings gibt es Sondersysteme für spezifische Gruppen Selbständiger, die entweder innerhalb der allgemeinen Sozialversicherung oder über eigenständige berufsständige Versorgungswerke versichert sind (Betzelt und Fachinger 2004: 325). Die Künstlersozialversicherung ist ein Sonderfall im deutschen Wohlfahrtsregime und soll den freiberuflich arbeitenden Künstlern den Zugang zu den sozialen Sicherungssystemen ermöglichen. Künstlerarbeit findet in den letzten Jahren verstärkt in Selbständigkeit statt, so dass sich eine zunehmende Anzahl von Künstlern in der Künstlersozialkasse versichert. Die Situation spitzt sich durch Sparmaßnahmen der öffentlichen Hand im Kultursektor und dem damit verbundenen Abbau von abhängigen Beschäftigungsverhältnissen zu. Nach Aussage des Experten der DOV spielt die Künstlersozialkasse eine
162
Institutionelle Arrangements
eine zunehmende Rolle sogar im Orchestersegment, da die Anzahl freier Orchestermitglieder ansteigt. Bereits Ende der fünfziger Jahre geriet die prekäre wirtschaftliche und soziale Lage der Künstler in der Bundesrepublik Deutschland in den Fokus des politischen Interesses. Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung erteilte 1960 einen Forschungsauftrag an das Forschungsinstitut für Soziologie der Universität zu Köln über die wirtschaftliche und soziale Lage der selbständigen Künstler in der Bundesrepublik (König und Silbermann 1964: 7). In den Jahren von 1972 bis 1974 wurde das bislang umfangreichste Forschungsprojekt über die Arbeitsmärkte von Künstlern, die so genannte ‚Künstler-Enquete’ vom Institut für Projektsstudien/Hamburg (IfP) durchgeführt, ebenfalls im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (Fohrbeck und Wiesand 1974: 3). Diese mehrstufige empirische Untersuchung (Künstlerreport) bildete die Grundlage für die Verabschiedung des Künstlersozialversicherungsgesetzes im Jahr 1983. Selbständige Künstler sind in Deutschland seit dem 1. Januar 1983 durch das Künstlersozialversicherungsgesetz als Pflichtversicherte in den Schutz der gesetzlichen Kranken-, Renten-, seit Januar 1995 auch in die Pflegeversicherung integriert (Bundesregierung 2000: 6). Künstlerisch Tätige, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen, werden von dem Künstlersozialversicherungsgesetz nicht erfasst. Träger der Rentenversicherung für die über die Künstlersozialkasse versicherten Personen ist die Deutsche Rentenversicherung Bund. Die Politik akzeptierte erst nach heftigen Auseinandersetzungen, dass ein öffentliches Interesse besteht, sich am Risikomanagement der Künstlerarbeitsmärkte zu beteiligen. Man ging damals allerdings davon aus, dass maximal 30-40.000 Versicherungsfälle zu erwarten seien. Stattdessen sind mittlerweile über 155.000 Versicherte Mitglied der Kasse (Stichtag 1.1.2007). Abbildung 27 verdeutlicht die Entwicklung des Versichertenbestandes in der Künstlersozialkasse von 1991 bis 2007.
163
Institutionelle Arrangements
Abbildung 27: Entwicklung des Versichertenbestands in der Künstlersozialkasse von 1991 bis 2007
60000 50000 40000 30000 20000 10000
Bildende Kunst
05
31 0 .01 6 . 20 07
20
20
03
02
04 20
20
01
Musik
20
99
00
20
20
19
97
96
95
98 19
19
19
94
93
92
Wort
19
19
19
19
19
91
0
Darstellende Kunst
Quelle: Künstlersozialkasse 2007b, eigene Darstellung
Bis in das Jahr 2006 ist ein kontinuierlicher Anstieg in der Versichertenbestandsentwicklung zu erkennen. Erstmals seit der Gründung der Künstlersozialkasse im Jahr 1983 sind die Versichertenzahlen in allen Bereichen zwischen 2006 und 2007 wieder leicht rückläufig.106 Mit Anteilen von über 37 Prozent unter den Pflichtversicherten sind die bildenden Künstler die größte Gruppe in der Künstlersozialkasse. Dies liegt darin begründet, dass es sich bei der Berufsgruppe um klassische Selbständige handelt, die aufgrund der spezifischen Tätigkeitsmerkmale nur selten in abhängiger Beschäftigung anzutreffen sind. Die kleinste Gruppe in der Künstlersozialkasse ist die Berufsgruppe der darstellenden Künstler. In dieser Berufsgruppe ist die abhängige Beschäftigung die klassische Erwerbsform. Aber auch hier nehmen die Anteile an Selbständigen kontinuierlich zu. Insbesondere die freien Theaterschaffenden bewegen sich häufig im Graubereich zwischen Selbständigkeit und abhängiger Beschäftigung. 106
Ob dies auf strengere Kriterien in der Prüfung der Künstlereigenschaft durch die Künstlersozialkasse, demografische oder wirtschaftliche Ursachen zurückzuführen ist, kann an dieser Stelle nicht geklärt werden.
164
Institutionelle Arrangements
Im Mittelfeld befinden sich die Musiker und die Versichertengruppe im Bereich Wort. Die nachstehende Tabelle illustriert die Mitgliederstruktur in der Künstlersozialkasse, differenziert nach Berufsgruppen, Geschlecht und Alter zum 1.1.2005. Tabelle 31: Versichertenbestand auf Bundesebene nach Berufsgruppen, Geschlecht und Alter zum 1.01.2005 Bereich und Geschlecht WORT Männer Frauen Anteile Frauen BILDENDE KUNST Männer Frauen Anteile Frauen MUSIK Männer Frauen Anteile Frauen DARSTELLENDE KUNST Männer Frauen Anteile Frauen ALLE BEREICHE Männer Frauen Anteile Frauen
Altersklassen Unter 30
30 bis 40
40 bis 50
50 bis 60
Über 60
Insgesamt
349 468 57,3
4.873 5.858 54,6
7.026 7.255 50,8
4.422 3.085 41,1
1.695 809 32,2
18.365 17.485 48,8
614 961 61,0
7.693 8.917 53,7
11.444 9.997 46,6
7.163 3.957 35,6
2.832 1.238 30,4
29746 25.070 45,7
1.173 902 43,5
8.075 5.045 38,5
9.358 5.360 36,4
4.542 1.929 29,8
1.114 473 29,8
24.262 13.709 36,1
399 696 63,6
2.571 3.201 55,4
3.020 3.042 50,2
1.552 1.133 42,2
508 290 36,3
8060 8792 52,2
2.535 3.457 57,7
23.222 23.021 49,8
30.848 25.654 45,4
17.679 10.104 36,4
6.149 2.820 31,4
80.433 65.056 44,7
Quelle: Künstlersozialkasse (2005), eigene Berechnungen.
Die Anteile der in der KSK versicherten Frauen gehen mit zunehmendem Alter zurück. Dies ist in allen künstlerischen Bereichen zu beobachten. Während in der Altersklasse der Versicherten unter 30 Jahren die Frauen mit Anteilen von nahezu 58 Prozent noch stark überrepräsentiert sind, gehen diese mit zunehmendem Alter auf etwa 31 Prozent zurück. Außer im Bereich Musik sind die unter 40jährigen Frauen in den anderen künstlerischen Bereichen in der Mehrheit. Bei Betrachtung der einzelnen Bereiche wird deutlich, dass die höchsten Anteile an
Institutionelle Arrangements
165
Frauen mit über 50 Prozent über alle Altersklassen im Bereich darstellende Kunst versichert sind. An zweiter Stelle stehen die Anteile der versicherten Frauen im Bereich Wort und bildende Kunst, wobei die Musikerinnen bei den Frauenanteilen der Versicherten in der Künstlersozialkasse das Schlusslicht bilden. Diese Rangfolge entspricht der im Mikrozensus 2000 ermittelten Verteilung der Künstlerinnen über die einzelnen Berufsgruppen.107 Möglicherweise zeichnet sich eine durch einen Generationenwechsel bedingte Veränderung ab, die durch eine starke Zunahme an Ein-Personen-Unternehmen in kulturellen Bereichen gekennzeichnet ist, die von Frauen gegründet werden (Leicht 2000: 84). Gleichzeitig wäre aber auch die Kehrseite denkbar: Möglicherweise erfolgt die Selbständigkeit bei den Frauen mit der gleichen Dauerhaftigkeit wie bei ihren männlichen Kollegen. So beendet beispielsweise ein Teil der Frauen ihre Selbständigkeit in der Familienphase. Auch Schulze Buschoff und Schmidt (2006) wiesen nach, dass Selbständigkeit bei Frauen generell dynamischer erfolgt und mit mehr Übergängen verbunden ist als bei Männern. Die Künstlersozialkasse entscheidet über die Versicherungspflicht der Künstler und Publizisten und zieht die Beiträge der Versicherten ein. Voraussetzung ist, dass eine künstlerische oder publizistische Tätigkeit erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend ausgeübt wird. Die gesetzliche Rentenversicherung und die gesetzlichen Krankenkassen als Versicherungsträger führen dagegen die Renten- beziehungsweise Krankenversicherung durch. Die Beitragsbemessungsgrenze für die Rentenversicherungsbeiträge liegt seit 2003 bei 61.200 Euro Einkommensgrenze in den alten und 51.000 Euro in den neuen Bundesländern (mediafon/ver.di 2002). Berufsanfänger fallen nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz unter einen besonderen Schutz. Auch wenn sie das erforderliche Mindesteinkommen (3.900 Euro/Jahr; Stand: September 2007) nicht erzielen, werden sie in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung versichert. Als Berufsanfängerzeit werden die ersten drei Jahre seit Aufnahme der selbständigen künstlerischen oder publizistischen Tätigkeit gerechnet (bei Tätigkeitsaufnahme bis 30.06.2001 die ersten fünf Jahre). Die laufende Zeit kann nach dem KSVG durch Kindererziehungszeiten, Wehr- oder Zivildienst oder durch phasenweise abhängige Beschäftigungsverhältnisse unterbrochen werden. Diese werden nicht auf die Berufsanfängerfristen angerechnet. Die Beiträge für Berufsanfänger, deren Einkommen unter dem des Mindestarbeitsverdienstes liegt, werden nach den jeweiligen aktuellen Mindestwerten berechnet (Künstlersozialkasse 2006). Andere Gruppen dürfen das Mindesteinkommen innerhalb von 6 Jahren zweimal
107
Vgl. Kapitel 4.2.1
166
Institutionelle Arrangements
unterschreiten. Aufgrund der günstigen Krankenversicherungsbeiträge ist eine Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse besonders attraktiv. Die Künstler und Publizisten schätzen ihr voraussichtliches Einkommen, auf dessen Grundlage die Kranken-, Renten- und Pflegeversicherungsbeiträge veranschlagt werden. Aus diesem Grund wurden in den Jahren von 1983 bis 1989 nur vorläufige Beiträge, die dann im Folgejahr auf der Basis der Einkommenssteuererklärung korrigiert wurden, entrichtet. Dieses System wurde 1989 durch das heutige System der Einkommensschätzung ohne Nachkorrektur ersetzt. Die Künstlersozialkasse ist der Landesversicherungsanstalt OldenburgBremen angegliedert (Finke 1996: 12ff) und ist Teil der Sozialversicherung, wobei sie sich von dieser aber durch die spezifische Art der Finanzierung unterscheidet (Bundesregierung 2000: 29). Ähnlich wie im Angestelltenverhältnis müssen die Versicherten nur die Hälfte des gesetzlichen Beitrages entrichten. Der fiktive Arbeitgeberanteil wird über eine Künstlersozialabgabe von den Verwertern mit einem Anteil von 30 Prozent getragen. Die Künstlersozialversicherung geht dabei davon aus, dass sich der Großteil der Künstler und Publizisten in Arbeitsverhältnissen befindet, die mit denen abhängig Beschäftigter vergleichbar sind. Unternehmen, die regelmäßig Werke oder Leistungen selbständiger Künstler oder Publizisten verwerten, werden als so genannte Verwerter verpflichtet, den Arbeitgeberanteil der Sozialversicherungsbeiträge für die Künstler und Publizisten zu finanzieren. Die Unternehmen sind verpflichtet, auf alle gezahlten Honorare Abgaben zu entrichten, auch wenn der Künstler/Publizist nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz nicht versicherungspflichtig ist. Erteilen Unternehmen weniger als drei Aufträge im Jahr an selbständige Künstler oder Publizisten, so fallen sie unter die Geringfügigkeitsgrenze und sind nicht abgabepflichtig nach § 24 Abs. 2 (KSVG). Nach dem 1.1.2000 wurden die unterschiedlichen Abgabesätze der einzelnen Bereiche108 für die Verwerter vereinheitlicht. Dieser Abgabesatz wird jährlich für das aufzubringende Beitragsvolumen ermittelt. Die Entwicklung der Abgabesätze verdeutlicht Abbildung 28.
108
Wort, bildende Kunst, darstellende Kunst und Musik
167
Institutionelle Arrangements
Abbildung 28: Entwicklung der Abgabesätze für die Verwerter 1988 bis 2008109
8 7 6 5 4 3 2 1 0 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008
Wort
Bildende Kunst
Musik
Darstellende Kunst
Quelle: Künstlersozialkasse 2006, eigene Darstellung
Für die Jahre 1983 bis einschließlich 1989 wurde ein einheitlicher Abgabesatz für alle Bereiche in einer Höhe von fünf Prozent festgelegt. Die Anteile, die auf so genannter Selbstvermarktung basieren, werden durch einen Bundeszuschuss gedeckt. Die Künstlersozialabgabe liegt mit 5,8 Prozent im Jahr 2006 deutlich unter den Sozialversicherungsbeiträgen der Unternehmen für abhängig Beschäftigte. Die gemeldeten Honorarsummen der Verwerter haben sich in der Zeit zwischen 1991 und 1998 auf 4,7 Mrd. DM nahezu verdoppelt. Diese betrugen im Bereich bildende Kunst etwa 6,3 Prozent, im Bereich Wort 6,6 Prozent, gefolgt von dem Bereich Musik mit 8,9 Prozent. Die größten Zunahmen in den Honorarsummen verzeichnet der Bereich darstellende Kunst mit Wachstumsraten von über sechzehn Prozent (Bundesregierung 2000: 32). Abbildung 29 zeigt die Entwicklung des Verwerterbestandes in der Künstlersozialkasse auf. Hier ist der stetige Anstieg von abgabepflichtigen Verwertern zu sehen. Bei den Verwertern in den neuen Bundesländern gibt es offensichtlich noch Nachholbedarf in deren Erfassung, da die Anzahl der dort registrierten Verwerter sehr gering ist.
109
Die Angaben für 2008 resultieren aus BMAS Pressemitteilung vom 14.09.2007: Bundesregierung senkt Künstlersozialabgabe
168
Institutionelle Arrangements
Abbildung 29: Entwicklung des Verwerterbestandes in der Künstlersozialkasse von 1983 bis 2005 60000
50000
40000
30000
20000
10000
0 1983 1985 1987 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 Alte Bundesländer
Neue Bundesländer
Quelle: Künstlersozialkasse 2006, eigene Darstellung
§ 24 Abs. 1 Satz 1 (KSVG) listet Unternehmen auf, die zur Künstlersozialabgabe verpflichtet sind. Bei diesen handelt es sich um folgende Unternehmen:
Buch-, Presse- und sonstige Verlage, Presseagenturen (einschließlich Bilderdienste) Theater (ausgenommen Filmtheater), Orchester, Chöre und vergleichbare Unternehmen; Voraussetzung ist, dass ihr Zweck überwiegend darauf gerichtet ist, künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen öffentlich aufzuführen oder darzubieten. Theater-, Konzert- und Gastspieldirektionen sowie sonstige Unternehmen, deren wesentlicher Zweck darauf gerichtet ist, für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen zu sorgen Rundfunk, Fernsehen Herstellung von bespielten Bild- und Tonträgern (ausschließlich alleiniger Vervielfältigung) Galerien, Kunsthandel
169
Institutionelle Arrangements
Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit für Dritte Variete- und Zirkusunternehmen, Museen, Aus- und Fortbildungseinrichtungen für künstlerische oder publizistische Tätigkeiten
Ein weiterer zentraler Baustein des Künstlersozialversicherungsgesetzes ist der Bundeszuschuss, mit dem der Bund einen wesentlichen Beitrag zur sozialen Absicherung der selbständigen Künstler und Publizisten leistet. Von 1988 bis 1999 betrug die Beitragslast des Bundes 25 Prozent der Ausgaben der Künstlersozialkasse (Bundesregierung 2000: 35). Die Entwicklung des Bundeszuschusses seit Ende der achtziger Jahre bis in das Jahr 2006 ist in der folgenden Abbildung abzulesen. Hier wird deutlich, dass sich die Zuschüsse in diesem Zeitraum nahezu verfünffacht haben. Abbildung 30: Entwicklung des Bundeszuschusses von 1989 bis 2006 2006
105.15
2005
100.59
2004
96.29
2003
91.55
2002
84.15 79.95
2001 2000
75.24
1999
89.14 84.18
1998 78.04
1997 57.81
1996
57.53
1995 48.53
1994 39.76
1993 34.28
1992 26.56
1991
25.35
1990
22.87
1989
0
20
40
60
80
100
120
Quelle: Künstlersozialkasse 2007a, eigene Darstellung
Der prozentuale Anteil des Bundeszuschusses wurde seit der Verabschiedung des Künstlersozialversicherungsgesetzes dreimal verändert. Im Jahr 1981 ging die Gesetzgebung von einem Selbstvermarktungsanteil der Künstler von etwa einem Drittel aus. Der Bundeszuschuss wurde zunächst auf eine Höhe von sieb-
170
Institutionelle Arrangements
zehn Prozent der Ausgaben der Künstlersozialkasse festgelegt. Im Jahr 1987 wurde er auf 25 Prozent erhöht, da zu diesem Zeitpunkt ein Selbstvermarktungsanteil von 50 Prozent angenommen wurde. Im Auftrag der Bundesregierung erstellte das IFO-Institut im Jahr 1997 ein Gutachten über die Zusammensetzung des Arbeitseinkommens selbständiger Künstler und Publizisten zur Ermittlung einer soliden Datenbasis für die Ermittlung zukünftiger Verwerterabgabesätze und des Bundeszuschusses. In dieser Untersuchung wurden neben Auswertungen der Daten der Künstlersozialversicherung qualitative Daten unter 3100 Künstlern erhoben. Die Befragung betraf Aspekte zum Einkommen zu den Fremdvermarktungs- sowie Selbstvermarktungsumsätzen (Hummel 1997: 8). Der Bundestag beschloss am 12.11.1999, den Bundeszuschuss von 25 auf 20 % zu senken und wieder einen einheitlichen Abgabesatz für die vier Bereiche Wort, bildende Kunst, Musik und darstellende Kunst einzuführen. Die Ursache für die Änderung des Gesetzes war die Verringerung des Selbstvermarktungsanteiles der Künstler, die in dem von Hummel (1997) erstellten Gutachten ermittelt wurden. Die selbständigen Künstler sind zwar über die Künstlersozialkasse in Deutschland in die sozialen Sicherungssysteme integriert und damit prinzipiell abgesichert, erwerben jedoch in der Regel nur Ansprüche, die auch nach langjähriger Beitragszahlung nicht zu Leistungen oberhalb des von der Sozialhilfe gewährten Existenzminimums führen (Bundesregierung 2000). Im Jahr 2000 war die damals amtierende Bundesregierung der Ansicht, dass die überwiegende Anzahl der in § 24 Abs. 1 Satz 1 (KSVG) angeführten Verwerter mittlerweile durch die Künstlersozialkasse erfasst werden (Bundesregierung 2000: 34). Allerdings wurde am 22.03.2007 die dritte Novelle des KSVG im Deutschen Bundestag verabschiedet, die eine intensivere Überprüfung sowohl der Versicherten als auch der Verwerter vorsieht. Das primäre Ziel dieser Reform ist die finanzielle Stabilisierung des Systems sowie die Beseitigung von Wettbewerbsnachteilen von bereits erfassten Unternehmen. Hier wird zum einen die Stichprobengröße der zu überprüfenden Versicherten von drei auf fünf Prozent erhöht. Zum anderen übernimmt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Erfassung der abgabepflichtigen Verwerter. Dies geschieht über die regelmäßig durchgeführten Überprüfungen aller Unternehmen mit sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Das Ziel dieser Reform ist außerdem, eine Absenkung des Abgabesatzes zu erreichen, wenn sich die Anzahl der gemeldeten Verwerter massiv erhöht hat. Bei der Überprüfung der Versicherten sollen die Abweichungen vom geschätzten zum tatsächlich erzielten Einkommen ermittelt werden (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2007).
Institutionelle Arrangements
171
Die Bundesvorsitzende des Bundesverbandes bildender Künstlerinnen und Künstler befürchtet, dass ein erheblicher Teil der Künstler durch die Novellierung des Künstlersozialversicherungsgesetzes in Schwierigkeiten geraten wird, da sie den notwendigen Schwellenwert für eine Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse unterschreiten. Die bildenden Künstler stehen bezüglich ihrer Einkommen am unteren Rand der Mitglieder in der Künstlersozialkasse. Die Anteile bildender Künstler, die ihr Einkommen höher ansetzen, um die Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse zu sichern, schätzt die Interviewpartnerin des Bundesverbandes höher ein als die Anteile von Künstlern, die ihr Einkommen unterschätzen. In einer Umfrage unter bildenden Künstlern des Berufsverbandes der bildenden Künstler (BBK) wird der Künstlersozialkasse eine überragend positive Bedeutung für die Bewältigung sozialer Risiken beigemessen (Hummel 2005: 37). Die Aussagen des Interviewpartners des BUFT wiesen auf die spezifische Problematik des Systems der Künstlersozialkasse für die freien Theaterschaffenden hin. So findet außerhalb der geringen Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung in der Künstlersozialkasse faktisch keine Altersvorsorge statt. Die Einkünfte der freien Theaterschaffenden sind zwar gering, allerdings sind sie prinzipiell gut über die Künstlersozialkasse abgesichert. Die Künstlersozialkasse folgt allerdings nicht der Funktionsweise des Systems der Künste, insbesondere dem der freien Theaterschaffenden. Das zentrale Problem für die Gruppen liegt in der Erhebung der doppelten Verwerterabgabe, so der Interviewpartner. Dies resultiert aus mehrstufigen Arbeitsverhältnissen, die bei mehrstufigen Auftragsverhältnissen unabhängig voneinander für die Künstlersozialabgabe herangezogen werden. In der Praxis bedeutet dies, dass sowohl der Veranstalter, der ein freies Theater engagiert hat, als auch das freie Theater selbst, zur Verwerterabgabe herangezogen werden. In der Konsequenz werden die angebotenen Leistungen teuerer, bzw. die Einkommen der Künstler geringer. Im Interview mit der Präsidentin der GEDOK wurde ebenfalls auf die Probleme der darstellenden Künstler mit der Künstlersozialkasse hingewiesen. Zwar wären viele Mitglieder über die Künstlersozialkasse versichert, allerdings würden im Bereich darstellende Kunst häufig Künstlerinnen von der KSK abgewiesen. Das Interview mit dem Experten des DRMV ergab, dass viele Musiker auf eine Beitrittsmöglichkeit in die Künstlersozialkasse hoffen. Sie bietet eine zentrale Sicherung für die Künstler in Deutschland. Für eine große Zahl von Musikern kann der Nachweis einer auf Dauer angelegten selbständigen künstlerischen und/oder publizistischen Tätigkeit in erwerbsmäßigem Umfange nicht erbracht, beziehungsweise von der Künstlersozialkasse nicht anerkannt werden. Da viele
172
Institutionelle Arrangements
Musiker auf ein zusätzliches Einkommen aus einer Nebentätigkeit angewiesen seien, meldeten viele von ihnen ein Gewerbe an (beispielsweise Tonstudio, Label, Verlag oder Agentur) als zweites Standbein. Dadurch ist man Gewerbetreibender und nicht mehr Freiberufler. Dies schließt dann in der Konsequenz eine Pflichtversicherung durch die Künstlersozialkasse aus und stellt die Musiker vor erhebliche soziale Probleme. Der Experte der Fachgruppe Musik von ver.di sieht die Probleme seiner Mitglieder mit der Künstlersozialkasse an anderer Stelle. Die Künstlersozialkasse sei zwar eine zentrale Säule in der sozialen Sicherung für selbständige Musiker, aber die die Mehrzahl der Musiker gebe ein höheres Einkommen als die tatsächlich erzielten Erträge an, um der Pflichtversicherung nach dem KSVG zu unterliegen. Die bestehende Rechtsgrundlage des Künstlersozialversicherungsgesetzes sowie die KSV-Entgeltverordnung für die Ermittlung der Künstlersozialabgabe sind für eine Vielzahl von Kunst- und Kulturveranstaltern undurchschaubar. Die Informationen der Künstlersozialkasse bestehen oft aus komplizierten steuerrechtlichen Verweisen, insbesondere bei der Verminderung der beitragspflichtigen Bemessungsgrundlage. Baldauf (2006: 84) kritisiert, dass die Informationspolitik der Künstlersozialkasse unzureichend, nicht aktuell und äußerst verworren ist. Nach Baldauf führt diese Politik zu unnötigen Mehrbelastungen für die Unternehmer. Das Arbeitslosenversicherungssystem bildet hier die zweite Säule in der Betrachtung der Relevanz der Institutionen für die wirtschaftliche und soziale Sicherung von Künstlern. Dieses wird in Abschnitt 5.2 analysiert. 5.2 Das Arbeitslosenversicherungssystem In der heutigen Theaterpraxis hat sich ein segmentierter Arbeitsmarkt herausgebildet. Während die eine Gruppe der Beschäftigten fest in einem Ensemble an einem renommierten Theater integriert ist, sucht die andere in unfreiwilliger Selbständigkeit oder Arbeitslosigkeit nach einem Beschäftigungsverhältnis für eine singuläre Aufführung, ein saisonales Engagement oder eine Beschäftigung an einem freien Theater. Ferner ist das Beschäftigungssystem Theater durch einen hohen Grad an organisationsübergreifender Mobilität geprägt. Ein Intendantenwechsel zieht nach einer Faustregel folgende personalpolitischen Konsequenzen für das künstlerische Personal nach sich: Ein Drittel der Künstler wechselt mit dem Intendanten in das neue Haus, ein Drittel verbleibt im bisherigen Theater, während die Beschäftigungsverhältnisse der verbliebenen Künstler
Institutionelle Arrangements
173
beendet werden (Haunschild 2003: 908). In der Konsequenz beinhaltet diese Praxis, dass Phasen von Arbeitslosigkeit für einen Großteil der darstellenden Künstler einen festen Bestandteil in ihrer Erwerbskarriere einnehmen. Die Mobilität der Beschäftigten ist ein struktureller Bestandteil in den Beschäftigungsverhältnissen an deutschen Theatern, der durch die spezifischen Vertragsstrukturen unterstützt wird. So befindet sich ein großer Anteil von darstellenden Künstlern fortlaufend in befristeten Beschäftigungsverhältnissen, die immer wieder in temporäre Phasen von Arbeitslosigkeit einmünden können. Die Beschäftigung an deutschen Theatern weist einen dynamischen Charakter auf, statische Beschäftigungsformen finden sich in diesen Institutionen kaum. Der deutsche Theaterbetrieb besitzt eine Vielzahl flexibler Beschäftigungsformen, interne Karrieren spielen nur eine geringe, und unbefristete Verträge nur eine untergeordnete Rolle. Temporäre Beschäftigung ist sowohl im Bühnen- als auch im Film- und Fernsehbereich strukturell angelegt und weit verbreitet. Die Beschäftigungsverhältnisse von Schauspielern sind nicht mit denen von Saisonarbeitern zu vergleichen, da sich Anstellungen über das ganze Jahr ergeben können (Action Intermittents 2002). Im Zuge der Sparmaßnahmen der Theaterhaushalte steigt das Risiko des Verlustes eines Engagements – unabhängig vom künstlerischen Leistungsvermögen. Die Jahresverträge gehen zugunsten von kurzfristigen Vertragsformen zurück. Da die Arbeitsverträge der Mehrzahl der Schauspieler befristet sind, stehen sie unter dem starken Druck, sich im Laufe nur einer Spielzeit profilieren zu müssen (Haunschild et al. 2005: 62). Die Beschäftigungsverhältnisse im Bühnenbereich basieren in öffentlichen Theatern auf dem Normalvertrag Bühne (NV Bühne). Für das nichtkünstlerische Personal an Stadt- und Staatstheatern gelten die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes. Der NV Bühne sieht besondere Regelungen für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus Anlass eines Intendantenwechsels bei Solomitgliedern vor (§ 62; NV Bühne). Abhängig von der Beschäftigungsdauer erhält das Solomitglied Abfindungsleistungen zuzüglich von Zuschüssen im Falle von anfallenden Umzugskosten (§ 62(3); NV Bühne). Die Arbeitsverträge des künstlerischen Personals an deutschen Theatern sind auf ihrer vertraglichen Grundlage nicht auf Dauer angelegt. Durch die Aufeinanderfolge befristeter Arbeitsverträge ergibt sich kein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Ein auf mindestens ein Jahr befristeter Arbeitsvertrag verlängert sich um ein Jahr, es sei denn, eine Vertragspartei spricht bis zum 31. Oktober eine so genannte Nichtverlängerungsmitteilung aus (§ 61, § 69, § 83, § 96; NV Bühne).110 110
Bei zunehmender Beschäftigungsdauer erhöhen sich die Mitteilungsfristen für die Nichtverlängerungsmitteilungen.
174
Institutionelle Arrangements
Tabelle 32 verdeutlicht die Vielfältigkeit der Beschäftigungsformen für Schauspieler und die damit verbundenen sozialen Differenzen. In der Praxis ist unter den freien Schauspielern häufig keine eindeutige Typisierung möglich. Es finden sich oft Mischformen, da oft Statuswechsel zwischen den Erwerbsformen stattfinden. Eine sozialrechtliche Zuordnung wird dadurch erschwert (Interessenverband Deutscher Schauspieler 2005). Sie weist innerhalb der verschiedenen Schauspielergruppen wesentliche Unterschiede auf. Tabelle 32: Sozialrechtliche Einordnung von Schauspielern nach ihrem Berufsstatus Berufsstatus
Krankenversicherung
Rentenversicherung
Angestellte Beschäftigte mit kurzen Engagements
Voll Versicherungspflicht nur während der Beschäftigungszeit, ansonsten hohe Beiträge. Kein Anspruch auf Krankengeld Gesetzliche oder Private KV, Pflichtversicherung über die Künstlersozialkasse
Voll Geringe Anrechnungszeiten = Geringe Rentenbeiträge = Minimale Rente
Arbeitslosenversicherung Voll Schwierig, die Anwartschaften innerhalb der Rahmenfristen zu erreichen
Pflichtversicherung über der Künstlersozialkasse
Freiwillige Absicherung gegen das Risikos Arbeitslosigkeit
Selbständige
Quelle: In Anlehnung an Interessenverband Deutscher Schauspieler (www.ids-ev.de)
Der Sozialschutz ist in Deutschland weitgehend auf abhängig Beschäftigte ausgerichtet. Während die Gruppe der abhängig beschäftigten Schauspieler den vollen Sozialversicherungsschutz genießt, sind die anderen Erwerbsformen in diesem Beruf nicht gegen das Risiko Arbeitslosigkeit versichert. Für die selbständigen darstellenden Künstler besteht zwar prinzipiell die Möglichkeit, sich gegen das Risiko Arbeitslosigkeit zu versichern, sie müssen allerdings in den 24 Monaten vor Beginn ihrer Selbstständigkeit mindestens zwölf versicherungspflichtige Monate nachweisen können. Diese Anforderungen können die meisten freien Schauspieler aufgrund der kurzen Engagements nicht erfüllen. Beschäftigte mit kurzen Engagements haben in Nichtbeschäftigungszeiten den Anspruch auf Arbeitslosengeld II (ALG II). Der ursprünglich für die in Fabriken tätigen abhängig Beschäftigten konzipierte gesetzliche Schutz über das Arbeitsrecht und durch den Ausbau der Sozialversicherungssysteme besteht bis heute (Schulze Buschoff 2006). Es gibt in Deutschland keine Sonderregelungen
Institutionelle Arrangements
175
für die darstellenden Künstler.111 Einen Sonderfall stellt das Künstlersozialversicherungsgesetz dar, das die Gruppe der selbständig Erwerbstätigen in die Sozialversicherungssysteme einbindet. Die Arbeitslosenquote bei darstellenden Künstlern lag in der Bundesrepublik im Juni 2005 mit etwa 22 Prozent weit über der Arbeitslosenquote der insgesamt Erwerbslosen (etwa 16 Prozent) (IAB 2007: Berufe im Spiegel der Statistik).112 Diese hohe Arbeitslosenquote gibt zum einen Auskunft über die Strukturen auf den Arbeitsmärkten der darstellenden Künstler, die durch häufige Wechsel zwischen Erwerbs- und Nichterwerbsphasen gekennzeichnet sind, zum anderen zeigt sich hierin möglicherweise ein Überangebot an darstellenden Künstlern auf den Arbeitsmärkten (vgl. auch Throsby 1996b: 231). Die Entscheidung für den Beruf eines darstellenden Künstlers ist somit mit einem hohen Risiko hinsichtlich möglicher Erwerbslosigkeit behaftet. Allerdings liegen die Anteile der Langzeitarbeitslosigkeit mit etwa 27 Prozent fast 10 Prozent unter dem Durchschnitt der Langzeitarbeitslosen insgesamt (Bundesagentur 2004). Auffällig ist der geringe Anteil bei Erwerbstätigen ohne abgeschlossene Berufsausbildung. Eine Grundausbildung scheint demnach eine zentrale Rolle für den Beruf des darstellenden Künstlers zu spielen. Nahezu fünfzig Prozent der Arbeitgebermeldungen weisen für diese Berufsgruppe keine Angabe zur Ausbildungsform auf. Die Ausbildung zum Beruf des Schauspielers ist vom Gesetzgeber nicht normiert und ein Berufsbild Schauspieler bislang nicht konkret definiert (Haak und Schmid 1999: 10). Prinzipiell führen drei unterschiedliche Ausbildungswege zum Beruf des Schauspielers: Die Ausbildung kann an einer staatlichen Schauspiel- oder Kunsthochschule durchgeführt werden, durch eine private, allerdings schulgeldpflichtige Schauspielschule oder privaten Unterricht bei einem Schauspiellehrer erfolgen (Deutscher Bühnenverein 2002: 43). Für große Teile des künstlerischen Personals –mit Ausnahme der Orchestermusiker - sind allerdings befristete Arbeitsverträge als Regelverträge vorgesehen (Bolwin 2003). Somit hat sich ein System etabliert, das den Künstlern einen sozialen Schutz durch Transferzahlungen gewährleistet, wenn sie nach mehreren Spielzeiten aus künstlerischen Gründen nicht mehr beschäftigt werden. Durch den zunehmenden öffentlichen Finanzierungsdruck an den deutschen Theatern, aber auch in der freien Szene steigt allerdings die Zahl unständig beschäftigter Künstler stetig an.
111
112
In Frankreich und in der Schweiz gibt es dagegen Sondersysteme für die Berufsgruppe der darstellenden Künstler. Für Frankreich vgl. (Vulser 2002, Benhamou 2003, Walter 2004). Für die Schweiz vgl. (Bundesamt für Kultur 2007). Vgl. hierzu Abschnitt 3.3.2 in dieser Arbeit
176
Institutionelle Arrangements
Abbildung 31: Arbeitslosigkeit bei darstellenden Künstlern – Saisonale Schwankungen März 2002 bis September 2004
7400 7200 7000 6800 6600 6400 6200 6000 04 Se p
4
4
4 Ju l0
M ai 0
04
03
M rz 0
Ja n
ov N
3
3
3
03 Se p
l0 Ju
M ai 0
03
02
M rz 0
Ja n
02
ov N
2
2 l0
Se p
Ju
M ai 0
M rz 0
2
5800
Bestand an Arbeitslosen
Quelle: Bundesagentur für Arbeit, November 2004, eigene Darstellung
In der vorliegenden Abbildung ist im Kurvenverlauf ein deutliches Muster zu erkennen: Die Anzahl der arbeitslosen darstellenden Künstler steigt jeweils etwa im Jahresmittel, in der Sommerpause sprunghaft an. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Bezug von Arbeitslosengeld hier eine wichtige Rolle für die soziale Absicherung darstellender Künstler in Nichterwerbsphasen spielt. Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts sparten die Schauspieler an den Theatern während der Spielzeiten erwirtschaftete Teile ihrer Gagen an, die sie dann über die Sommermonate in den Spielpausen zum Unterhalt benötigten und auch verbrauchten (Engel Reimers 1911: 603). Der Transfer von Arbeitslosenversicherungsleistungen ist als Teil des Gesamtsystems sozialer Sicherung bei darstellenden Künstlern zu verstehen. Transferzahlungen spielen eine zentrale Rolle für diese Berufsgruppen, insbesondere im Sprechtheater, Musiktheater und im Tanz, also im Bühnenbereich. Die folgende Abbildung verdeutlicht die saisonalen Schwankungen von 2002 bis 2004 über die letzten drei Jahre in der Arbeitslosigkeit bei darstellenden Künstlern.
177
Institutionelle Arrangements
Abbildung 32: Arbeitslosigkeit bei darstellenden Künstlern März 2002 bis Oktober 2004
1000 900 800 700 600 500 400 300 200 100
M
rz 0 Ap 2 r0 M 2 ai 0 Ju 2 n 02 Ju l0 Au 2 g0 Se 2 p 0 O 2 kt N 02 ov 0 D 2 ez 0 Ja 2 n 0 Fe 3 b 0 M 3 rz 0 Ap 3 r0 M 3 ai 0 Ju 3 n 03 Ju l0 Au 3 g0 Se 3 p 0 O 3 kt N 03 ov 0 D 3 ez 0 Ja 3 n 0 Fe 4 b 0 M 4 rz 04 Ap r0 M 4 ai 0 Ju 4 n 04 Ju l0 Au 4 g0 Se 4 p 0 O 4 kt 04
0
Zugänge
Abgänge
Quelle: Bundesagentur für Arbeit (November 2004), eigene Darstellung
Die Zu- (und Abgänge) in und (aus) Arbeitslosigkeit folgen einem eigenen Zyklus, der mit den Spielzeiten zusammenhängt: In den Spielpausen der Sommermonate steigt die Anzahl arbeitsloser Schauspieler an, während sie nach Ende der Spielpausen wieder an ihre Bühnen zurückgehen. Diese Tendenzen werden sich mit zunehmender Haushaltsmittelknappheit verstärken, da flexible Personalanpassungen an die Spielzeiten im Theater zu finanziellen Einsparungen führen. In der obigen Darstellung sind ausschließlich die Leistungsempfänger der Bundesagentur für Arbeit ausgewiesen. Hier wird die Bedeutung von Transferzahlungen in Nichterwerbszeiten zur Sicherung des Einkommens untermauert. Das deutsche Arbeitslosenversicherungssystem berücksichtigt die diskontinuierliche Natur der Beschäftigung im Sektor der darstellenden Kunst nicht. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld war in der Vergangenheit an eine Vorbeschäftigungszeit von 12 Monaten innerhalb der letzten drei Jahre gekoppelt. Im Dritten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz III) wurden diese
178
Institutionelle Arrangements
Rahmenfristen von drei auf zwei Jahre für den Anspruch auf Arbeitslosengeld verkürzt. Viele Schauspieler können die Anspruchsvoraussetzungen für die Erlangung von Arbeitslosengeld nun nicht mehr erfüllen. Dies betrifft insbesondere Künstler an Privattheatern und mittlerweile auch Schauspieler und Bühnendarsteller in öffentlichen Theatern, die häufig nur über kurzfristige Verträge beschäftigt sind (Deutscher Bühnenverein 2004). In diesen Sektoren sind extreme saisonale Schwankungen in der Arbeitslosigkeit zu finden. Das Urheberrecht ist als institutionelles Arrangement bei der Generierung von Einkommen für einige Künstler von zentraler Bedeutung. Die Funktionsweise des Urheberrechts und seine Relevanz für die wirtschaftliche und soziale Absicherung für die Künstler werden im nächsten Abschnitt analysiert. 5.3 Das Urheberrecht Die Nutzung von Urheberrechten sichert den schöpferisch tätigen Künstlern eine zusätzliche Einkommensquelle und bildet somit einen weiteren Baustein im Bereich der wirtschaftlichen Absicherung für einige Künstlergruppen. Seit seiner Verabschiedung im Jahr 1965 wurde das Urheberrecht insbesondere aufgrund des technologischen Fortschritts häufig novelliert. Das Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) berücksichtigt auch verwandte Schutzrechte wie bei den Darbietungen ausübender Künstler, der Gesangs- und Instrumentalmusiker, Dirigenten, Tänzer, Schauspieler und weiterer Interpreten schutzfähiger Werke (§ 73 (UrhG; Hertin 2003). Der Urheberrechtsschutz greift, wenn es sich bei dem zu schützenden Werk um ein Original handelt, das einer individuellen Person zuzuordnenden ist sowie auf die geistig-schöpferische Betätigung eines Urhebers zurückgeht. In § 2 (UrhG) sind exemplarisch eine Reihe von geschützten Werktypen von Kunst über Fotografie sowie Musik und dem Film bis zur angewandten Kunst und Architektur aufgelistet. Die Verbreitung der Informations- und Kommunikationstechnologien führte dabei in der Vergangenheit zu einer ständigen Weiterentwicklung des Werkbegriffes. Das Urheberrechtsgesetz definiert zwei Rechtskategorien:
Institutionelle Arrangements
1. 2.
179
Die Urheberpersönlichkeitsrechte Die Nutzungs- und Verwertungsrechte
Die Grundlagen der Beziehung zwischen Künstler und Werk sind durch die Urheberpersönlichkeitsrechte definiert. Dabei handelt es sich um eine dauerhafte Zuordnung eines Werkes zu einem Schöpfer, beziehungsweise Urheber. Die Schutzfrist erlischt erst 70 Jahre nach dessen Tod; die Rechte werden in dieser Phase von seinen Erben verwaltet. Kunstwerke können nach Ablauf dieser Schutzfrist von jedem in jeder Form genutzt werden (Pfennig 2006). Die Nutzungs- und Verwertungsrechte sind für die Künstler die wichtigen Belange des Urheberrechtsschutzes. Der freie Zugang zu Kunstwerken, die Reproduktion sowie andere Nutzungen wie die Einstellung in das Internet ist in Ausnahmefällen auch ohne das Einverständnis des Werkschöpfers zulässig. So sind beispielsweise die Nutzungen wissenschaftlicher Zitate, Presse- und Fernsehberichterstattungen oder dauerhafter Kunstausstellungen im öffentlichen Raum nicht abgabepflichtig. Das traditionelle Nutzungsrecht im Bereich der bildenden Künste ist das Reproduktionsrecht, das die Vervielfältigung von Kunstwerken in Büchern, Zeitungen, Zeitschriften sowie Kalendern oder Postern regelt. Am 13.09.2003 trat die Reform des Urheberrechtsgesetzes (Korb 1) in Kraft, in der eine Anpassung des Urheberrechts an die Informationsgesellschaft vollzogen wurde (Hofmann 2004: 5). In der Sparte Musik schützt das Urheberrecht die Komponisten und Textdichter vor unerlaubter Nutzung. Das bedeutet, die öffentliche Aufführung, die Vervielfältigung von Noten, die Verbreitung auf CD und in Rundfunksendungen ist ohne ausdrückliche Genehmigung der Urheber untersagt. Dieser Schutz bezieht sich allerdings nur auf die öffentliche Nutzung der Werke. So ist es beispielsweise gestattet, im Musikunterricht geschützte Werke honorarfrei zu benutzen. Auch dürfen beispielsweise Musikstücke im Privatraum nach kopierten Noten gespielt werden (Buchholz 2004: 121-122). In der Sparte Bildende Kunst haben die Ausweitung der Digitaltechnik und die damit verbundenen Vervielfältigungsmöglichkeiten zu einem Rückgang der Erträge aus der Primärvervielfältigung geführt. Die Bildurheber finden in der Vergütung im digitalen Bereich bislang nicht ausreichend Berücksichtigung. Der Gesetzentwurf zur Fortentwicklung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft sah eine Ausweitung der kostenlosen Nutzung von Kunstwerken auf die elektronische Nutzung vor. Im engen Zusammenhang mit dem Urheberrecht stehen die Verwertungsgesellschaften. Auf Bestreben des Komponisten Richard Strauß wurde 1903 mit der Anstalt für musikalische Aufführungsrechte (AFMA) die erste musikalische
180
Institutionelle Arrangements
Verwertungsgesellschaft in Deutschland gegründet. Die rechtliche Grundlage der Verwertungsgesellschaften stellt das Gesetz über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten, das so genannte Urheberrechtswahrnehmungsgesetz (UrhWahrnG) aus dem Jahr 1965 dar. Hier wird neben der Aufgabenbestimmung für die Verwertungsgesellschaften auch deren effektive Regulierung festgelegt (Haller 2005: 53). Die Verwertungsgesellschaften schließen Verträge mit den Nutzern der Werke zu festgelegten Konditionen und schütten die Einnahmen an die Urheber aus. Die Existenz einer Verwertungsgesellschaft ist durch die Einsparung von Transaktionskosten legitimiert, da es für die Urheber nicht möglich ist, jede Verwendung ihrer Werke zu kontrollieren (Haller 2005: 49ff). Bei den wichtigsten Verwertungsgesellschaften handelt es sich um:
Die Gesellschaft für mechanische Aufführungsrechte (GEMA) ist die bedeutendste Verwertungsgesellschaft für den musikalischen Bereich. Konzertveranstalter müssen bei jedem Konzert Gebühren an die GEMA abführen. Diese verwaltet die Rechte der Komponisten und Interpreten selbständig. Die VG Wort ist für die Rechte an Sprachwerken verantwortlich. Sie vertritt dabei die Rechte der Autoren im Bereich Text. Sie versteht sich als Mittler zwischen dem Autor als Lizenzgeber und den Herausgebern und Verlagen als Lizenznehmern. Sie leitet Anfragen der Lizenznehmer an die Autoren weiter. Die VG Wissenschaft betreut die Rechte wissenschaftlicher Autoren. Die bildenden Künstler werden durch die VG Bild-Kunst vertreten (Kutschera 1997). Die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL) nimmt die Rechte der ausübenden Künstler und Tonträgerproduzenten wahr.113
Die Verwertungsgesellschaften verwalten die Rechte der Künstler in unterschiedlicher Art und Weise. Während die GEMA überwiegend Primärrechte von Komponisten und Textdichtern regelt, verwaltet die GVL so genannte Zweitverwertungsrechte. Die der GEMA angeschlossenen Künstler beziehen ihr Einkommen nahezu ausschließlich über GEMA-Einnahmen. Die GVL dagegen nimmt die Rechte der ausübenden Künstler und der Tonträgerhersteller wahr.
113
Bei den ausübenden Künstlern handelt es sich um Musiker, Tänzer, Schauspieler und andere Werkinterpreten, bei den Tonträgerherstellern um Schallplatten- beziehungsweise CD-Firmen und sonstige Tonträger-Produzenten mit eigenem Label (www.gvl.de, Zugriff am 24.09.2007).
181
Institutionelle Arrangements
Wie relevant sind die Urheberrechtsvergütungen für die Verbesserung der Einkommenssituation der Künstler? Die GEMA zieht im Jahr rund 800 Mio. Euro an Vergütungen ein und schüttet diese an ihre etwa 60.000 Wahrnehmungsberechtigten aus. Dies entspricht einem durchschnittlichen Jahresertrag von über 13.000 Euro/Künstler. Fohrbeck (1976) wiesen bereits Mitte der siebziger Jahre darauf hin, dass zwar viele Künstler Berührungspunkte mit dem Urheberrecht hätten, allerdings nur eine kleine Gruppe ein für den Lebensunterhalt ausreichendes Einkommen über die Urheberrechtsvergütungen bezieht. Die GVL hat zuletzt etwa 50 Mio. Euro eingezogen und an die 100.000 Wahrnehmungsberechtigten ausgeschüttet. Dies entspricht einem durchschnittlichen Jahresertrag von 500 Euro/Künstler (Buchholz 2004: 124). Abbildung 33 zeigt die Jahresvergütungen durch die VG Bild-Kunst exemplarisch für die Berufsgruppe der bildenden Künstler. Abbildung 33: Jahresvergütungen der VG Bild-Kunst an bildende Künstler 1600 1400 1200 1000 800 600 400 200
2004
2005
über 50000 €
10001-50000 €
5001-10000 €
2001-5000 €
1001-2000 €
501-1000 €
201-500 €
101-200 €
51-100 €
bis 50 €*
0
2006
* Die Beträge "bis 50€" sind fast immer genau 50 €, da dies ein Mindestbetrag in einer Sammelausschüttung ist. Quelle: Unveröffentlichtes Material der VG Bild-Kunst, eigene Darstellung
Die Abbildung verdeutlicht, dass die bis auf einen geringen Anteil durch die VG Bild-Kunst gezahlten Jahresvergütungen allenfalls einen geringen Zuverdienst darstellen und somit für den Großteil dieser Berufsgruppe die Urheberrechtstantiemen allenfalls eine additive Bedeutung in der Einkommenserzielung haben,
182
Institutionelle Arrangements
aber keine Ausgleichsfunktion gegenüber beruflichen und sozialen Defiziten besitzen (Fohrbeck et al. 1976: 326). Der nachstehende Abschnitt fasst die zentralen Erkenntnisse aus Kapitel 5 noch einmal zusammen. 5.4 Fazit: Die Rolle der Institutionen Die Analyse der institutionellen Arrangements verdeutlichte, dass die institutionelle Ausgestaltung des Systems die künstlerischen Berufsgruppen aufgrund ihrer Heterogenität auf unterschiedliche Art berührt. Das Künstlersozialversicherungsgesetz ist bis heute die bedeutendste sozialpolitische Errungenschaft für die soziale Absicherung selbständiger Künstler. Dieser Sozialversicherungsschutz hat sich insbesondere für die klassischen Selbständigen wie die Berufsgruppe der bildenden Künstler bewährt. Sie treten in der Regel nicht als Verwerter auf, und es gibt nur in Einzelfällen abhängige Beschäftigungsverhältnisse für diese Berufsgruppe, so dass sie aufgrund des nur zur Hälfte zu entrichtenden Anteils der Sozialversicherungsbeiträge in besonderer Weise von den Vorteilen dieses Sozialversicherungsschutzes profitieren. Die Situation stellt sich für die freien Theaterschaffenden allerdings anders dar. Diese sind sowohl als Veranstalter (Engagement einer freien Gruppe), als auch als freie Theatergruppe selbst zur Verwerterabgabe verpflichtet. Das führt in der Praxis zu Doppelzahlungen. Für die Musiker dagegen ist es oft nahe liegend, ihr geringes Einkommen aus künstlerischer Arbeit durch die Gründung eines Gewerbes aufzustocken. Als Gewerbetreibender erlischt allerdings die Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse und die Künstler stehen erneut vor dem Problem der Absicherung ihrer sozialen Risiken. Das Arbeitslosenversicherungssystem spielt sowohl in der Film- und Fernsehproduktion als auch im Theater eine besondere Rolle. In diesen Segmenten hat sich ein System etabliert, in dem die Schauspieler die Nichterwerbszeiten mit Leistungen durch das Arbeitslosenversicherungssystem überbrücken. Den Anspruch auf Arbeitslosengeld I hat derjenige erfüllt, der innerhalb von zwei Jahren mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (§ 123, § 124; SGB III). Im Dritten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt wurden diese Rahmenfristen von drei auf zwei Jahre für den Anspruch auf Arbeitslosengeld verkürzt. Viele Schauspieler können die Voraussetzungen für den Anspruch von Arbeitslosengeld I (ALG I) nun nicht mehr erfüllen. Auch das Urheberrecht ist für die Künstler je nach Berufsgruppe von unterschiedlicher Bedeutung. Während die GEMA eine zentrale Funktion bei der
Institutionelle Arrangements
183
Einkommenserzielung für die Berufsgruppe der Komponisten und Textdichtern einnimmt, sind die Erträge durch die VG-Bild für die Berufsgruppe der bildenden Künstler nur von untergeordneter Bedeutung und führen somit nur zu einem Zusatzeinkommen. Das Urheberrecht wirkt sich allerdings nicht dahingehend aus, dass die prinzipiellen Defizite in der sozialen Sicherung und im arbeitsrechtlichen Schutz ausgeglichen werden (Fohrbeck et al. 1976: 327). Im nächsten Kapitel werden die kollektiven Arrangements bezüglich ihrer Bedeutung für die wirtschaftliche und soziale Sicherung der Künstler dargelegt. Die Grundlage für dieses Kapitel bilden neben der Auswertung von Verbandsund Gewerkschaftsdokumenten sowie Sekundärliteratur die leitfadengestützten Experteninterviews.
6 Kollektive Arrangements
Der weitgehend auf abhängig Beschäftigte ausgerichtete Sozialschutz in Deutschland verstärkt die Bedeutung von Netzwerken und kooperativen Elementen. In dieser Untersuchungsebene wird die Bedeutung der kollektiven Akteure wie gewerkschaftlichen Organisationen, Berufsorganisationen und – verbänden für das soziale Risikomanagement von Künstlern betrachtet. Nach einem kurzen theoretischen Vorspann, in dem die Bedeutung und Aufgaben der Akteure skizziert wird, wird das Spannungsfeld zwischen Individualität und Kollektiv dargelegt. In dem sich daran anschließenden qualitativ empirischen Teil der Arbeit werden ausgewählte Künstlerverbände sowie alle Künstlergewerkschaften vorgestellt und hinsichtlich ihrer Relevanz für die wirtschaftliche und soziale Sicherung von Künstlern überprüft. Zum einen basieren die Ausführungen auf der Analyse von Dokumenten und Veröffentlichungen der Verbände und Gewerkschaften sowie Sekundärliteratur. Zum anderen werden die ermittelten Fakten durch Ergebnisse der Interviews mit den Spitzenfunktionären ergänzt.114 Gewerkschaften und Berufsverbände sind auf Dauer angelegte Organisationen, die im Bereich der Arbeitsbeziehungen als fundamental gelten. Als Organisationen arbeiten sie bewusst auf das Ziel der Aufrechterhaltung und Verbesserung der Arbeitssituation ihrer Mitglieder hin, sie sind arbeitsteilig gegliedert und haben ihre Aktivität auf Dauer eingerichtet (König 1971: 548).115 Sie verfolgen die Intention mit ihren Interessen auf Politik zu wirken bzw. sie gegenüber ihren Kontrahenten durchzusetzen, um von deren Realisierung zu profitieren (Reinhold 1997: 307). An dieser Stelle werden die verschiedenen Interessen innerhalb einer Gesellschaft betont, die mögliche Konfliktpotentiale beinhalten. Organisationen bestehen aus Individuen, die gleiche oder ähnliche Bedürfnisse aufweisen (Sebaldt/ Straßner 2004: 18). Nach von Alemann kann für jedes Individuum – unabhängig einer Organisationszugehörigkeit - eine dreidimensio114
115
Für eine detaillierte Beschreibung der Auswahl der Interviewpartner sowie methodische Hinweise vgl. Abschnitt 3.3 Die nachstehenden Erläuterungen sind, wenn nicht anders gekennzeichnet, aus Haak und Scheier (2008) entnommen.
186
Kollektive Arrangements
nale Interessendifferenzierung zugeordnet werden (von Alemann 1989: 27-29). Eine individuelle Dimension des Interessenbegriffs liegt im Streben des Einzelnen, seine eigenen spezifischen Bedürfnisse zu befriedigen. Eine materielle Dimension wie die gezielte Nutzenmehrung bezieht das Individuum aus der Interaktion mit anderen. Dabei können sich die Austauschverhältnisse zu festen Strukturen stabilisieren. Aufgrund unterschiedlicher Ressourcenausstattung bestehen Machtstrukturen, die einen ungleichen Austausch bedingen können. Um eine höhere Durchsetzungskraft bzw. -macht gegenüber den Tauschpartnern zu erzielen, schließen sich Personen mit gleichen Interessenlagen zusammen. Gemeinsame Interessen werden somit organisiert und finden sich im Gebilde der Organisation wieder. Allerdings gibt es Olsen zufolge auch Interessen, die nicht organisiert werden können. In großen oder latenten Gruppen besteht keine Tendenz, sich freiwillig für gemeinsame Interessen einzusetzen. Dass die gleiche Interessenlage von Individuen jedoch nicht zwingend notwendig zu einem Zusammenschluss führt, zeigt die Theorie des kollektiven Handelns (Olson 1968). Der Theorie liegt die Annahme zugrunde, dass jedes Individuum ein homo oeconomicus ist und damit nutzenmaximierend handelt. Der Beitritt in eine Organisation geschieht in Erwartung eines eigenen Vorteils. Nach Olsen nimmt die Wahrscheinlichkeit einer Gruppenbildung mit Zunahme der Interessentenzahl ab. Grund hierfür ist die Wirkungsweise der Massenorganisation, die nicht nur individuellen Nutzen für ihre Mitglieder, sondern darüber hinaus erhebliche (vor allem nicht teilbare) öffentliche Güter erzeugt (Olson 1968: 13-14). Diese Güter kommen daher nicht nur den Mitgliedern zugute, sondern auch denjenigen, die nicht in der Interessengruppe organisiert sind. Sie können ihnen nicht verwehrt werden. Diese Thematik der kollektiven Güter stellt bei der Ausgangslage vom Streben des Einzelnen nach maximaler Nutzengewinnung für eine Organisation ein logisches Problem dar. Der Anreiz für das einzelne Mitglied, sich einzubringen und einen Mitgliedsbeitrag (materiell und immateriell) zu entrichten, ist demnach gering. Eine rationale Entscheidung resultiert trotz des möglichen Profits in der Nicht-Mitgliedschaft; Olson bezeichnet sie als free-rider (Trittbrettfahrer), die ohne Aufwand von dem Ergebnis Anderer profitieren. Organisationen lösen dieses Problem nach Olson durch eine zweigleisige Strategie: Zum einen wird ein professionelles Führungssystem geschaffen sowie ein Kontrollapparat und ein bürokratischer Organisationsgrad etabliert. Aufstiegschancen richten sich nur an Mitglieder der Organisation, die Trittbrettfahrer nicht nutzen können. Zum anderen fügen Organisationen für spezielle, materielle Anreize – selective incentives – zu den unteilbaren Kollektivgütern hinzu. Diese zusätzlichen Leistungen, die nur für Mitglieder gelten,
Kollektive Arrangements
187
sollen zum Beitritt in die Organisation und zur Einbringung von eigenen Ressourcen motivieren. Neben der Theorie des kollektiven Handelns ist der Aspekt der Individualisierung für den Interessenzusammenschluss von Bedeutung. Als Indikator der Individualisierung lässt sich ein eindeutiger Wandel der Beziehungsvorstellungen von einem traditionell-rollenteiligen zu einem stärker auf sich selbst gestellten Verständnis und Handeln aufzeigen (vgl. u.a. Beck/ Beck-Gernsheim 1990, Buchmann/ Eisner 1997). Dabei ergibt sich auf der einen Seite der Gewinn an individueller Freiheit, auf der anderen Seite allerdings der Verlust sozialer Sicherheit (Simmel 1989, Elias 1991, Beck 1986). Seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts zeichnen sich neue ambivalente Individualisierungstendenzen ab (Schroer 2000:26). Neue Freiheiten, aber auch neue Abhängigkeiten entstehen; Biografische Verläufe erscheinen einerseits als wählbarer, andererseits sind sie durch größere Diskontinuitäten gekennzeichnet. Individualisierung bezieht sich dabei sowohl auf das Privatleben als auch auf das Erwerbsleben. Arbeit wird von Individuen verstärkt zum Instrument der Selbstverwirklichung. In Anlehnung an das vorherrschende Bild vom Künstlerdasein wird Selbstverantwortung, Selbstbestimmung und Selbstkontrolle groß geschrieben. Diese Qualitäten sind allerdings mit hohen Ambivalenzen zwischen Arbeit und Leben sowie zwischen Status – Einkommen – Sicherheit verbunden. Individuen sind trotz bestehender Wahlmöglichkeiten häufig aufgrund bestehender Konstellationen zu einem bestimmten Handeln gezwungen. Den Chancen der Individualisierung stehen damit Gefahren gegenüber, die das Entstehen von isolierten Handlungsund Lebensformen bedingen. Menschen entscheiden sich aufgrund der größeren Wahlfreiheit bewusster für oder gegen das Eingehen und Aufrechterhalten von Beziehungen. Traditionelle Bindungen werden aufgelöst, insbesondere Großorganisationen bekommen diese Bindungsverluste zu spüren (Immerfall 2001: 265). 6.1 Berufsverbände für Künstler Die Vielschichtigkeit des kulturellen Arbeitsmarktes spiegelt sich auch in der Vielfalt der Berufsverbände wider. So bildet die Sparte Musik mit Abstand den größten Anteil der Verbandseinträge, gefolgt von den Verbänden der darstellenden Kunst (Zimmermann und Schulz 2000). Abbildung 35 zeigt die Anteile der einzelnen Sparten der Berufsverbände der Künstler auf.
188
Kollektive Arrangements
Abbildung 34: Sparten der Kulturverbände116 Soziokultur und Spartenübergreifende Verbände 9%
Film/Medien 13% Bildende Kunst 6% Literatur 13% Baukultur 4% Darstellende Kunst 13%
Musik 38% Design 4%
Quelle: (Zimmermann und Schulz 2000)
Die Verbandslandschaft im Segment der bildenden Kunst ist dagegen in einem nur geringen Ausmaß ausgeprägt. Differenziert man die Kulturverbände nach Berufsorganisationen, stellen die Berufsverbände der Künstler mit Anteilen von 17 Prozent den größten Anteil. In den nachstehenden Abschnitten erfolgt jeweils eine inhaltliche sowie organisatorische Darstellung dieser Verbände, die mit der Auswertung des jeweiligen Interviews abschließt. Experten in den Berufsverbänden wurden hierbei nach Lösungsstrategien aus kollektiver Perspektive für die Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Lage der Künstler befragt. Ferner wurden Angebote der Verbände sowie die möglichen Motive der Mitgliedschaft der Künstler in den Berufsverbänden aus Verbandsperspektive erfragt. Der Einstieg in das Kapitel über die Berufsverbände erfolgt über den mitgliederstärksten Künstlerverband, nämlich den Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler e.V.
116
Zusammengefasst sind hier die Kulturverbände, in denen Künstler, Kultureinrichtungen beziehungsweise kulturwirtschaftliche Unternehmen zusammengeschlossen sind. Aber auch jene, die Laienkünstler vertreten oder sich fachwissenschaftlich mit Kunst und Kultur befassen, sind Bestandteil dieser Abbildung (vgl. Zimmermann und Schulz 2000: 17).
Kollektive Arrangements
189
6.1.1 Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler e.V. Im Gegensatz zu anderen künstlerischen Berufsgruppen standen die bildenden Künstler einer Organisationsbildung in der Vergangenheit eher kritisch gegenüber. Nach Drey ist dies auf unterschiedliche Ursachen zurückzuführen: Zum einen fand im 19. Jahrhundert eher ein Zerfall der Künstlerschaft statt als eine Organisationsbildung, wobei diese auch Richtungskämpfe mit dogmatischen Inhalten führte. Außerdem sind der Individualisierungsgedanke und die Unabhängigkeit von Malern tendenziell organisationsfeindlich. Es sei ferner eine Eigenheit einer Vielzahl bildender Künstler, wirtschaftliche Aspekte zu vernachlässigen, da diese aus ihrer Sicht einen profanen Charakter besitzen (Drey 1910). Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhundert wurden jedoch erste Berufsverbände auf die Initiative von Kunstförderern gegründet: 1903 entstand der Deutsche Künstlerbund und 1926 die Gemeinschaft Deutscher und Oesterreichischer Künstlerinnenvereine aller Kunstgattungen (GEDOK). Der Bundesverband der bildenden Künstler (BBK) ist mit mehr als 10.000 Mitgliedern die größte berufsständische Künstlervereinigung in Deutschland.117 Er wurde im Jahr 1971 gegründet.118 Die Ziele des BBK sind wie folgt definiert:
117
118
Förderung der Ausbildung in der bildenden Kunst Erleichterung von Existenzgründungen in der bildenden Kunst Verwirklichung eines kulturfreundlichen Steuerrechts, insbesondere die Einführung eines Steuerfreibetrages für den Ankauf von Objekten lebender Künstler Wahrung der Urheberrechte im künstlerischen Bereich, sowohl national als auch international Beteiligung bildender Künstlerinnen und Künstler an Baumaßnahmen der öffentlichen Hand und Transparenz der Wettbewerbe Verbesserung der sozialen Absicherung der bildenden Künstlerinnen und Künstler durch das Künstlersozialversicherungsgesetz Aufwandsvergütung für Künstlerinnen und Künstler bei Ausstellungen Künstler als Lehrkräfte für den Kunstunterricht Förderung und Intensivierung des internationalen Künstleraustausches
Die nachstehenden Ausführungen sind aus Bundesverband Bildender Künstler (2006: 18-20) entnommen. Der Verband ist dezentral organisiert, er setzt sich aus insgesamt 15 Landesverbänden zusammen. Im Jahr 1990 wurden neue Landesverbände in den neuen Bundesländern gegründet.
190
Kollektive Arrangements
Der Bundesverband ist dezentral organisiert, er vertritt die Landesverbände mit ihren Bezirken auf Bundesebene.119 Die Bundesdelegiertenversammlung tritt alle vier Jahre zusammen und wählt dabei den Bundesvorstand, beschließt das Arbeitsprogramm und den Haushalt. Der Bundesverband besteht aus zwei gleichberechtigten ehrenamtlichen Vorsitzenden sowie fünf stimmberechtigten Beisitzern. Zusammen mit dem Deutschen Künstlerbund und der GEDOK120 bildet der BBK die Dachorganisation der Internationalen Gesellschaft der Bildenden Künste e.V. (IGBK). Hier werden die deutschen Kunstschaffenden in den verschiedenen internationalen künstlerischen Organisationen vertreten und regelmäßige Symposien zu kulturellen und kulturpolitischen Themen organisiert. Eine Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Situation in dieser Berufsgruppe könnte der Interviewpartnerin des BBK folgend durch bessere Aufklärung über das Berufsbild in den Hochschulen herbeigeführt werden. Junge Künstler besitzen häufig idealisierte Vorstellungen über die Erwerbssituation des bildenden Künstlers. Informationen über die tatsächliche Sachlage können Enttäuschungen und Misserfolgen vorbeugen. Auch steuerliche Anreize wie die Absetzbarkeit von Kunstankäufen, aber auch die Beibehaltung des vergünstigten Mehrwertsteuersatzes sind denkbare Instrumente zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage. Als andere öffentliche Maßnahme ist die Ausweitung der öffentlichen Förderung von Museen zu nennen. Die Einführung eines Künstlerhonorars, das bei Ausstellungen fällig wird, wäre ein weiteres Instrument. Bislang erhalten Künstler ausschließlich eine Vergütung durch ihre Kunstverkäufe. Die Motive für eine Mitgliedschaft im BBK können vielfältig sein. So ermöglicht sie eine Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse ohne die aufwändige Überprüfung der Künstlereigenschaft durch die Künstlersozialkasse. Voraussetzung für eine Mitgliedschaft ist entweder a.) ein Abschluss an einer Akademie oder b.) ein bestandenes Aufnahmeverfahren durch eine regionale Aufnahmekommission. Ferner wird nach dem Auswahlverfahren durch eine Fachjury die Beteiligung an Ausstellungen ermöglicht. Die Mitgliedschaft im BBK erhöht auch die Reputation des Künstlers. Ein großer Anreiz ist die zinslose finanzielle Unterstützung für in Not geratene Künstler, die ohne großen bürokratischen Aufwand Hilfe sicherstellt. Die Zeitschriften des BBK Im Bilde sowie KulturPolitik liefern eine Vielzahl von Informationen über 119
120
Die Landesverbände BBK Berlin und BBK Thüringen traten zu Beginn des Jahres 2004 aus dem Bundesverband aus. Oesterreichischer Künstlerinnenvereine aller Kunstgattungen. Zu Detailinformationen über diesen Verband sei auf Abschnitt 6.1.5 in dieser Arbeit verwiesen.
Kollektive Arrangements
191
Ausschreibungen Wettbewerbe Fragen zur Künstlersozialkasse
Die Angebote des Verbandes werden über Zeitungen und Publikationen verbreitet. Die verbandseigenen Internetseiten, Veranstaltungen und Symposien führen dabei zu einer Verbreitung des Bekanntheitsgrades des Verbandes. Dies wird durch die Verteilung von Flyern an Hochschulen und Akademien unterstützt. 6.1.2 Bundesverband Freier Theater e.V. Der Bundesverband Freier Theater e.V. wurde im Jahr 1992 gegründet. Er ist die Dachorganisation der Landesverbände freier Theater. Diese begreifen sich als Interessenvertretungen der professionellen freien Theater in den einzelnen Bundesländern. Die Geschäftsführer in den Landesverbänden arbeiten hauptamtlich, während die Arbeit im Bundesverband ehrenamtlich erfolgt.121 Das Ziel des Verbandes ist die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der freien darstellenden Künstler und ihrer Spielstätten. Eine weitere Intention des Verbandes ist die Vernetzung der freien Theatergruppen in den Landesverbänden. Diese Ziele sollen durch die Anpassung der Rahmenbedingungen sowie die Verbesserung der Förderstrukturen an die realen Erfordernisse der freien Theaterwelt erreicht werden. Als Rahmenbedingungen werden folgende Punkte genannt:
Schaffung von Theaterhäusern Bereitstellung von Raum Bereitstellung von Technik
Die freien Theatergruppen stellen Förderanträge, über deren Genehmigung die Landesverbände entscheiden. Die Qualitätsprüfung der Projekte wird entweder anhand der Förderanträge oder der Theateraufführung entschieden. Die Verbesserung der Förderstrukturen soll zum einen durch eine bessere Koordination der Förderung durch Kommunen, Länder und den Bund erreicht sowie der Zeitraum zwischen Antragstellung und –bewilligung verkürzt werden. Die Förderung ü-
121
Die folgenden Ausführungen sind, wenn nicht anders gekennzeichnet, aus Opitz (2006) entnommen.
192
Kollektive Arrangements
berregionaler Kooperationen und Gastspiele und die Festbetragsfinanzierung122 der Gruppen durch die öffentliche Hand sind weitere erwünschte Maßnahmen. Außerdem wird ein zyklisches Fördersystem benötigt, das sowohl die Nachwuchsförderung, die Projektförderung als auch die Basis- oder Konzeptionsförderung123 umfasst. Die Projektförderung sollte neben den unmittelbaren Kosten auch die mittelbaren Kosten decken, so dass die Finanzierung laufender Kosten gewährleistet ist. Ferner ist eine umfassende Aufführungsförderung aus der Sicht des Verbandes wünschenswert, um den Theatern größere Aufführungszyklen zu ermöglichen. Der Bundesverband Freier Theaterschaffender gibt außerdem die Zeitschrift Off – Zeitschrift für Freie Theater heraus. Der 1. Vorsitzende des Bundesverbandes Freier Theater (BUFT) äußerte in dem Interview, dass die Klärung rechtlicher Fragen ein zentrales Motiv der freien Theaterschaffenden sei, sich an den Verband zu wenden. Viele Künstler suchen aufgrund ihrer schlechten wirtschaftlichen Situation über den Verband Ratschläge. Er bietet seinen Mitgliedern eine Unfall- sowie Haftpflichtversicherung, kostenlose Rechtsberatung, Beratungsleistungen z.B. zum Mutterschaftsgeld sowie Informationen zu anderen relevanten Themen. Den Bundesverband bezeichnet er als ‚Vordenker für die Mitglieder’. Dieser klärt neben der Betreuung und Begleitung der Mitglieder die Öffentlichkeit über die Frage Was ist freies Theater? auf. 6.1.3 Interessenverband der deutschen Schauspieler e.V. Mit nur etwa 300 Mitgliedern ist der Interessenverband der deutschen Schauspieler (IDS) den kleineren Künstlerverbänden in Deutschland zuzuordnen. Er wurde 1978 für die freischaffenden Schauspieler gegründet. Bei einer Vielzahl der Mitglieder im IDS handelt es sich um so genannte Unständig Beschäftigte, die häufig nur tageweise bei Film- oder Fernsehproduktionen beschäftigt werden. Die Ziele des Verbandes definieren sich wie folgt (vgl. Interessenverband Deutscher Schauspieler 1978):
122
123
Um den Gruppen Planungssicherheit zu geben, ist eine Festbetragsfinanzierung anstatt einer Anteils- oder Fehlbedarfsfinanzierung wichtig. Zunehmende Kürzungen erfordern ständige Aktualisierungen der Kostenpläne, die knappe Finanzierung ist ständig gefährdet (Opitz 2006). Bei der Basisförderung bzw. Konzeptionsförderung handelt es sich um ein Modell, das durch eine kontinuierliche Finanzierung gekennzeichnet ist .
Kollektive Arrangements
193
Durchsetzung der sozialen und wirtschaftlichen Interessen seiner Mitglieder Beratung der Schauspieler Aus-, Fort- und Weiterbildung Politische Arbeit, Öffentlichkeitsarbeit (Schaffung eines Problembewusstseins) Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Schauspieler Aufklärung der Öffentlichkeit über die Probleme der Schauspieler
Der IDS ist durch Mitgliedschaft in einer Vielzahl von Institutionen vertreten. Er ist Mitglied im Deutschen Kulturrat, im AFK (Aus- und Fortbildungskanal), im Kontaktkreis Politik, in der Spitzenorganisation der deutschen Filmwirtschaft (SPIO), im Rat für darstellende Künste sowie Fonds Darstellende Künste, um nur eine Auswahl zu nennen. Der Interviewpartner des IDS sah die Möglichkeiten zur Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Situation insbesondere auf der individuellen Seite. Hier sind die Entwicklung von Eigeninitiative zur Selbstvermarktung sowie die Beförderung von Aus- und Weiterbildung auch außerhalb der Kernkompetenz Schauspielkunst zu nennen. Der Verband bietet neben den Beratungsdienstleistungen auch Seminare an, verwaltet eine Online-Agentur für die Mitglieder und betreibt Lobbyarbeit auf Partei- und Regierungsebene. Die Schauspieler wenden sich in der Regel an den Verband wegen Beratungsdienstleistungen zur Vermarktung, sowie um ihn in rechtlichen und vertraglichen Belangen in Anspruch zu nehmen. Da geht es insbesondere um Fragen der Verwertung und der Honorarhöhen. Aber auch Beratungsangebote zu Fragen über die Künstlersozialkasse und zur Sozialversicherung werden in Anspruch genommen. Funktionierende Netzwerke unter den freien Schauspielern gäbe es nur wenige, so der Interviewpartner. Das ausgeprägte Konkurrenzempfinden zerstöre den Netzwerkgedanken, obwohl Netzwerke grundsätzlich von großer Bedeutung für die Akteure im Bereich darstellender Kunst wären. Die Angebote und Leistungen des Verbandes werden beispielsweise über Plakate in den Theatern und Produktionsstätten veröffentlicht. Aber auch Mundpropaganda und Pressearbeit spielen im Kommunikationsgeschehen eine zentrale Rolle. 6.1.4 Deutscher Rock & Pop Musikerverband e.V. Im Jahr 1981 gründete eine Gruppe von Musikern den Verein Arbeitsgruppe Lüneburger Musiker, der sich um örtliche musikalische Angelegenheiten küm-
194
Kollektive Arrangements
merte. Zwei Jahre später wurde der Bundesverband gegründet und somit eine bundeseinheitliche Struktur ins Leben gerufen. Im Jahr 1985 zählte der Verein bereits 100 Mitglieder; es wurde versucht, auf die Großen der Musikszene zuzugehen und auch sie zum Beitritt zu überzeugen. In diesem Zusammenhang kam es zur Umbenennung des Vereins in Deutscher Rock & Pop Musikerverband e.V. (DRMV e.V.). Die Mitglieder setzen sich aus 1680 Musikergruppen, 150 Vereinen und Initiativen, 250 Firmen und zwei Verbänden zusammen. Der DRMV repräsentiert jetzt etwa 20.000 Musiker (Stand Juni 2007). Die zentralen Motive für die Gründung waren die Förderung der Bildung von Netzwerken sowie die Aufklärung der Politiker über die wirtschaftliche und soziale Lage der Rock- und Popkünstler und die Schaffung eines Bewusstseins für deren Situation. Der DRMV definiert seine Ziele wie folgt (Deutscher Rock und Pop Musikerverband e.V. 2007):
Kulturelle Anerkennung der Rock- und Popmusik sowie gleichwertiger Behandlung von populärer und klassischer Musik (Von den kulturellen Trägern in Bund, Ländern, Kommunen und den Urheberrechtsorganisationen) Chancengleichheit deutscher Rock- und Popmusiker, Komponisten und Texter in den Veröffentlichungen der Tonträgerindustrie und Musikverlagen sowie den Musiksendungen der Rundfunk- und TV-Anstalten in Deutschland Verbesserung der Arbeitsbedingungen für alle Rock- und Popmusiker, Komponisten und Texter.
Neben den genannten Zielen verfügt der DRMV über einen Leistungskatalog, der sich von der Rechtsberatung, Adressenkartei für Veranstalter und Produzenten, über Serviceleistungen im Bereich des Songschutzes sowie Preisnachlässen bei Tonaufnahmen erstreckt. Der DRMV vertritt ferner die kulturellen und wirtschaftlichen Interessen gegenüber der Öffentlichkeit und politischen Entscheidungsträgern sowie den zuständigen Institutionen. Er ist Mitglied in künstlerischen Institutionen, die urheberrechtliche Nutzungsrechte sowie Leistungsschutzrechte wahrnehmen und verwerten. Nach Aussagen des Interviewpartners im DRMV wäre eine Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Lage der Musiker durch einen kontinuierlichen Aufbau beziehungsweise eine dauerhafte Förderung denkbar, da eine starke Anschubfinanzierung meist nicht nachhaltig wirkt. Die Förderung von interkulturellen Netzwerken und Informationszentren für Musiker könnte zur Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Situation führen. Ein Bürokratieabbau wäre ebenfalls wünschenswert.
Kollektive Arrangements
195
Den Mitgliedern des Verbandes werden kostenlose Rechtsberatung sowie Empfehlungen von kompetenten Rechtsanwälten angeboten. Vertragsberatungen und Sonderkonditionen von Stromlieferanten bilden ebenfalls Anreize für eine Mitgliedschaft. Auch die kostenlose Weitergabe von relevantem Adressmaterial, Songschutz sowie Namensschutz sind Angebote des DRMV. Ferner ist der Verband Herausgeber eines Labelcodes. Die Angebote des Verbandes werden über das Magazin Musiker, die Internetseite des Verbandes sowie die Internetseite von Musikeronline kommuniziert. 6.1.5 GEDOK e.V.124 Der Verband der Gemeinschaften der Künstlerinnen und Kunstförderer e.V. (GEDOK) wurde 1924 unter dem Namen Gemeinschaft Deutscher und Oesterreichischer Künstlerinnenvereine aller Kunstgattungen durch die Mäzenin Ida Dehmel mit dem Ziel der Förderung künstlerischer Talente von Frauen in Hamburg gegründet. Sie ist heute mit 3.500 Mitgliedern die größte Organisation professionell künstlerisch tätiger Frauen aller Sparten. Die Besonderheit und der Unterschied zu den klassischen Berufsverbänden ist die Zusammensetzung ihrer Mitglieder. Sie setzen sich zu einem Drittel aus Kunstförderern und zwei Dritteln aus Künstlerinnen zusammen. Die Kunstförderer – Männer sowie Frauen – unterstützen die Künstlerinnen ideell und finanziell. Die stärkste Gruppe des Verbandes stellen die bildenden Künstlerinnen mit mehr als 1.000 Mitgliedern dar, gefolgt von der Sparte der angewandten Kunst mit über 500. Die Sparte Musik hat rund 300 Mitglieder, die Literatur etwa 200 Mitglieder und die darstellende Kunst/die Sprechkunst 40 Kunstschaffende. Die Organisation der GEDOK erfolgt über 22 Regionalgruppen sowie eine Gruppe Sektion Österreich in Wien (Konerding 2006: 7). Heute ist das Ziel der GEDOK die Verbesserung der Lebens- und Arbeitssituation von Künstlerinnen. Außerdem setzt sie sich für die geschlechtergerechte Gestaltung aller Bereiche künstlerischen Schaffens ein (Konerding 2006: 7). Diese Ziele versucht die GEDOK über die Organisation und Förderung interdisziplinärer Kunstprojekte, Ausstellungen, Atelierbesuche, Lesungen, Konzerte, Performances, Podiumsdiskussionen sowie internationale Symposien zu erreichen. So leistet die GEDOK beispielsweise Unterstützung durch aktive Mitarbeit
124
Die nachstehenden Ausführungen sind, wenn nicht anders gekennzeichnet, aus GEDOK (2007b: 11-15) entnommen.
196
Kollektive Arrangements
bei allen Veranstaltungen (GEDOK 2007a). Sie gibt auch Kataloge, Dokumentationen, Anthologien sowie Videos und CDs heraus. Die Interviewpartnerin vom Verband gab an, dass die Situation der Frauen durch ein stärkeres Engagement der Museen in der Ausstellung von Kunstwerken von Frauen verbessert werden könnte. Die GEDOK strebt hier eine stärkere Zusammenarbeit mit Museen an. Die Künstlerinnen wenden sich an die GEDOK, wenn sie nicht allein arbeiten, sondern gemeinsam Ausstellungen durchführen wollen. Sie haben Interesse an einem Austausch mit anderen Künstlerinnen und benötigen oft Unterstützung und Hilfe in der Familienphase. Die GEDOK bietet ihren Mitgliedern unterschiedliche Dienstleistungen zur Verbesserung ihrer wirtschaftlichen und sozialen Situation an. Das Angebot umfasse dabei unterschiedliche Kurse, die Entwicklung von Leitfäden zur Durchführung erfolgreicher Ausstellungen und Unterstützung bei dem Abschluss von Verträgen. 6.2 Künstlergewerkschaften Insbesondere in Großbritannien und den USA besitzen Gewerkschaften im Segment der darstellenden Künste einen hohen Stellenwert (Throsby 1994a: 17, Honey et al. 1997: 3). Zu Beginn der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts waren ein Viertel der darstellenden Künstler in den USA Mitglieder in Gewerkschaften (Wassall und Alper 1992: 17). Die bekanntesten US-amerikanischen Gewerkschaften im Kulturbereich sind die Actors’ Equity mit über 45.000 Mitgliedern (Actors' Equity Association 2002)und die American Federation of Musicians. Einer empirischen Schätzung zur Einkommenssituation von Künstlern in den USA folgend erhöht die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft das Einkommen um etwa 55 Prozent (Robinson und Montgomery 2000: 529). In Deutschland ringen vier Gewerkschaften um die Mitgliedschaft der Künstler, dabei resultieren spezifische Zuordnungen aber auch aus der Unterschiedlichkeit der Berufsgruppen. Bei den vier Gewerkschaften handelt es sich um die 1. 2. 3. 4.
Deutsche Orchestervereinigung e.V. (DOV) Vereinigung deutscher Opernchöre und Bühnentänzer (VdO) Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger (GdBA) Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di)
Kollektive Arrangements
197
Für die Beschäftigten an den Theatern in öffentlicher Trägerschaft gelten unterschiedliche Tarifverträge, durch die das einzelne Arbeitsverhältnis bestimmt ist. So bestehen für das künstlerische Personal zwei verschiedene Tarifverträge, der Normalvertrag (NV) Bühne sowie der Tarifvertrag für Musiker in Kulturorchestern (TVK). Der NV Bühne trat 2002 in Kraft und vereinigt den einstigen NV Solo (Solokünstler), den NV Chor/Tanz (Opernchöre und Tanzgruppen), den Bühnentechnikertarifvertrag BTT (technische Angestellte mit künstlerischer oder überwiegend künstlerischer Tätigkeit) sowie den Bühnentechnikertarifvertrag Landesbühne BTTL (technische Angestellte mit künstlerischer oder überwiegend künstlerischer Tätigkeit an den Landesbühnen). Bei den Tarifpartnern handelt es sich auf der Arbeitgeberseite um den Deutschen Bühnenverein, auf der Arbeitnehmerseite um die Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger, die Vereinigung deutscher Opernchöre und Bühnentänzer sowie die Deutsche Orchestervereinigung e.V. (Deutscher Bühnenverein 2002). Analog zu den Ausführungen über die Berufsverbände erfolgt in den nachstehenden Abschnitten eine Beschreibung der Aufgabengebiete sowie inhaltlichen Ausrichtungen der Gewerkschaften. 6.2.1 Deutsche Orchestervereinigung e.V. Die Gründung der Deutschen Orchestervereinigung (DOV) erfolgte auf Initiative von Orchestermusikern im Jahr 1952 in Düsseldorf (Mertens 2002a). Bereits ein Jahr später gliederte sich die DOV der Deutschen Angestellten Gewerkschaft (DAG) und im Jahr 1965 der Gewerkschaft Kunst im DGB kooperativ an, wobei sie als Körperschaft eigenständig blieb. Im Jahr 1984 wandte sie sich erneut der DAG zu. Seit der Verschmelzung der DAG mit weiteren Gewerkschaften im Jahr 2001 kooperiert die DOV mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di (Deutsche Orchestervereinigung 2007b, Gunkel 2007). Die Kernaufgabe der DOV besteht vorrangig in dem Abschluss von Tarifverträgen, um die wirtschaftlichen und sozialen Rahmen- und Arbeitsbedingungen für Musiker in Kulturorchestern, Rundfunkklangkörpern sowie für Rundfunkchorsänger zu sichern und zu verbessern (Deutsche Orchestervereinigung 2005). Einen Durchbruch in ihrer Arbeit erzielten die Gewerkschaftsmitglieder durch den Abschluss des Tarifvertrages vom 6. Oktober 1956, nach dem sich die Vergütungen der Musiker jeweils nach den Gehaltsbewegungen im öffentlichen Dienst richten. Der Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern wurde 15 Jahre darauf abgeschlossen. Dieser ist bis heute der Standard für die Arbeitsbedingungen der Mehrzahl der kommunalen Theater- und Konzertor-
198
Kollektive Arrangements
chester in Deutschland, wobei dieser zwischen 1971 und 2001 durch 19 Änderungstarifverträge den Erfordernissen der Praxis angepasst wurde (Mertens 2002a: 12). Der Tarifvertrag für Musiker in Kulturorchestern findet flächendeckend für die überwiegende Anzahl der Opernorchester und einzelne Konzertorchester Anwendung. Diese Flächentarifregelung für Orchester ist weltweit einzigartig. Während die Rundfunkensembles über besondere Tarifbestimmungen der einzelnen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verfügen, haben viele Konzertorchester individuelle Einzeltarifverträge mit Sonderregelungen unter Bezugnahme auf den TVK. In sechs der sieben Kammerorchester sind die Lohnund Arbeitsbedingungen in den einzelnen Arbeitsverträgen der Musiker geregelt. Tarifpartner für die Rundfunkensembles sind die jeweiligen Rundfunkanstalten und die Deutsche Orchestervereinigung e.V. Flächentarifregelungen sowie Haustarifverträge für die kommunalen sowie staatlichen Orchester werden in der Regel von der DOV mit dem Deutschen Bühnenverein (DBV) abgeschlossen (Mertens 2005a: 3). Der Organisationsgrad aller Kulturorchestermusiker betrug Ende des Jahres 2001 87,5 Prozent (Paternoga 2005a: 107). Als eine der Ursachen für diesen ungewöhnlich hohen Organisationsgrad wird die präzise Zielgruppenorientierung auf klassische Orchestermusiker genannt, die eine Mitgliedschaft attraktiv erscheinen lässt. Gleichzeitig gelang es der DOV, nahezu alle Orchestermusiker in den neuen Bundesländern nach der Wiedervereinigung für eine Mitgliedschaft zu gewinnen (Broughton 2001: 48). Der Tarifvertrag deckt neben allen Aspekten der Arbeitsbedingungen auch die Gagen und Arbeitsstunden für die Orchestermusiker ab. Die Spitzenorchester verfügen über eigene Haustarifverträge, die zwischen der DOV und den jeweiligen Landesregierungen verhandelt werden (Broughton 2001: 47). Die Ziele ihrer Arbeit fasst die DOV wie folgt zusammen (Deutsche Orchestervereinigung 2007a):
Aushandlung von Arbeits- und Vergütungsbedingungen in Tarifverträgen Orchestermanagement und –organisation aus Musikersicht Lobbyarbeit in Politik, Öffentlichkeit und Medien Schutz und Prävention von berufsbedingten gesundheitlichen Schäden Wahrnehmung und Schutz der Urheber- und Leistungsschutzrechte ausübender Künstler
Die DOV versteht sich auch als Berufsverband, da sie neben dem Tarifrecht auch die Interessen ihrer Mitglieder auf anderen Gebieten wahrnimmt, bei-
Kollektive Arrangements
199
spielsweise hinsichtlich von Schutz und Prävention spezifischer Berufserkrankungen. Die wirtschaftliche und soziale Situation ließe sich nach Meinung des Interviewpartners in der Gewerkschaft durch individuelles künstlerisches Marketing verbessern. Nach seiner Ansicht wäre eine bedarfsorientierte Ausbildung anzustreben. Auch eine bessere Aufklärung bezüglich der Arbeitsbedingungen sowie der berufsspezifischen Arbeitsmarktsituation würde den Studierenden einen besseren Einblick in die Chancen und Risiken einer Erwerbskarriere in diesem Beruf vermitteln. Die Motive der Musiker, sich an die DOV zu wenden, sind nach Aussagen des Interviewpartners vielfältig. Viele hätten grundsätzliche Fragen zur Krankenversicherung und zur Künstlersozialkasse. Aber ebenso Beratungsleistungen über die Verkürzung der Rahmenfristen für den Bezug von Arbeitslosengeld I wären von großer Bedeutung für die Orchestermitglieder. Auch Informationen über die Anrechnung von Übungsstunden als Arbeitsstunden wären insbesondere für die Freien in den Orchestern von Relevanz.125 Die DOV bietet ihren Mitgliedern diese Beratungsangebote über eine kostenlose telefonische Hotline an. Die Angebote der DOV umfassen neben den genannten Informationsdienstleistungen auch Rechtsschutz. Außerdem wird den Mitgliedern das Magazin Das Orchester kostenlos zugesandt. Die Vereinigung Deutscher Opernchöre und Bühnentänzer e.V. und ihre Bedeutung für die wirtschaftliche und soziale Sicherung der Künstler wird im nächsten Abschnitt vorgestellt. 6.2.2 Vereinigung Deutscher Opernchöre und Bühnentänzer e.V. Die berufliche Vertretung der Opernchorsänger und Balletttänzer hat eine lange Tradition. Der deutsche Chorsängerverband wurde schon 1884 gegründet, 1917 wurde dieser mit der Ballettunion zum Deutschen Chorsänger- und Ballettverband zusammengelegt. Im Jahr 1935 wurde die Berufsorganisation aufgelöst (Vereinigung deutscher Opernchöre und Bühnentänzer e.V. o.J.). Die Vereinigung Deutscher Opernchöre und Bühnentänzer e.V. (VdO) wurde im Jahr 1959 wieder gegründet. Bereits ein Jahr nach ihrer Neugründung. Im darauf folgenden Jahr trat die VdO der Deutschen Angestellten Gewerkschaft (DAG) korporativ bei. In den sechziger Jahren wurde ein weitreichender Arbeits- und Sozialschutz
125
Für die angestellten Orchestermitglieder ist die Bezahlung der Übungsstunden Bestandteil ihrer Festanstellung und wird nicht gesondert vergütet.
200
Kollektive Arrangements
für die Opernchorsänger durch einen Anpassungstarifvertrag an den öffentlichen Dienst erreicht. Die VdO vertritt die kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder und fördert ihren Nachwuchs. Allerdings sehen nach Ansicht des Interviewpartners insbesondere Nachwuchskünstler häufig keine Vorteile in einer VdO-Mitgliedschaft. Dies schlage sich in zurückgehenden Mitgliederzahlen nieder. Das zentrale Instrument für die Durchsetzung der Interessen der Gewerkschaft ist der Tarifvertrag (§ 2(1); Satzung der VdO). Aufgrund ähnlicher Arbeitsbedingungen mit den Orchestermusikern strebt die VdO in der Satzung eine enge Zusammenarbeit mit der Deutschen Orchestervereinigung an. Die Mitgliedsbeiträge sind abhängig vom Erwerbsstatus gestaffelt. Aktive Mitglieder bezahlen 0,9 Prozent ihrer Gage126, Berufsanfänger im ersten Erwerbsjahr dagegen nur 0,25 Prozent. Mitglieder in Ausbildung sowie passive Mitglieder entrichten einen monatlichen Pauschalbetrag von drei Euro. Mitglieder in Elternzeit oder während einer Arbeitslosigkeit können von ihren Beitragspflichten befreit werden. Die Gewerkschaft gliedert sich in Orts- und Landesverbände. Die Mitglieder der Ortsverbände schließen sich in 10 Landesverbänden zusammen. Die Ortsverbände wählen den Ortsdelegierten, der die Interessen des Ortsverbandes und seiner Mitglieder in der Landesdelegiertenversammlung vertritt. Der Landesvorsitzende wird durch die Landesdelegiertenversammlung gewählt und vertritt die Landesverbände. Er soll engste Kontakte mit den Ortsverbänden seines Landesverbandes pflegen. Die VdO setzt sich aus folgenden zentralen Organen zusammen:
Die Bundesdelegiertenversammlung Der Bundesvorstand Der Geschäftsführer Die Ausschüsse
Bei der Bundesdelegiertenversammlung handelt es sich um das oberste Organ der VdO. Sie setzt sich aus den Landesvorsitzenden zusammen und legt die grundsätzlichen Richtlinien für die Arbeit der Gewerkschaft fest. Der Vorsitzende bildet mit drei weiteren Mitgliedern den Bundesvorstand, der von den Bundesdelegierten gewählt wird. Er repräsentiert die VdO, übt die Aufsicht über den Geschäftsführer aus und führt die Beratung und Überwachung des Etats durch. Der Bundesvorstand arbeitet ehrenamtlich. Die gerichtliche und außergerichtli126
Die Information resultiert aus dem Experteninterview. Die Satzung weist diese Angabe mit einem Prozent aus. Nach Rücksprache wurde die Angabe aus dem Expertengespräch bestätigt.
Kollektive Arrangements
201
che Vertretung der VdO übernimmt der Geschäftsführer, der die Geschäfte der Vereinigung führt. Er ist befugt, an allen Sitzungen der Organe beratend teilzunehmen. Der Tarif- und der Rechtsausschuss werden durch die Bundesdelegiertenversammlung, die auch weitere Ausschüsse bilden kann, gewählt (Vereinigung deutscher Opernchöre und Bühnentänzer e.V. 1964). Die Aufgaben der VdO sieht der Interviewpartner überwiegend in der Tarifarbeit. Allerdings begreife sich die VdO sowohl als Berufsverband als auch als Gewerkschaft. Die Vorteile auf Verbandsseite liegen auf dem ganzheitlichen Anspruch auf das Arbeitsgebiet und den Beruf des Künstlers. Die klassische Gewerkschaftsarbeit hingegen konzentriert sich auf Entgeltstrukturen. Die VdO bietet ihren Mitgliedern Rechtsberatung und Rechtsschutz an. Sie können sich in allen Angelegenheiten an die VdO wenden. Die Kommunikation der Angebote der VdO erfolgt über effizient arbeitende Verbandsstrukturen. Eine Website als zukünftige zusätzliche Informationsplattform befindet sich im Aufbau. Eine weitere bedeutende Künstlergewerkschaft ist die GDBA. Diese wird im folgenden Abschnitt auf ihre Aktivitäten hinsichtlich der wirtschaftlichen und sozialen Sicherung von Künstlern analysiert. 6.2.3
Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger
Die Gründung der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (GDBA) geht auf das Jahr 1891 zurück. Der Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage wurde in der Gründungsphase ein hoher Stellenwert beigemessen. Heute umfasst die Gewerkschaft etwa 7000 Mitglieder aus dem künstlerischen und künstlerisch-technischen Bereich der Theater in Deutschland. Sie gliedert sich regional in sieben Landesverbände127 und vier Zuständigkeitsbereiche, erfasst dabei die spezifischen Berufsprobleme für die vier Berufsbereiche Opernchor, Solo, Tanz sowie Ausstattung, Technik und Verwaltung. Das Ziel der GDBA ist die Wahrung und Förderung der künstlerischen, sozialen, wirtschaftlichen und rechtlichen Belange des deutschen Theaters im Allgemeinen und ihrer Mitglieder im Besonderen. Ein weiteres zentrales Arbeitsfeld der Gewerkschaft ist das Tarifrecht. Der Grundlagenvertrag der Arbeitsverhältnisse an deutschen Theatern geht auf das Jahr 1924 zurück, die Tarifordnung wurde 1970 in einen Tarifvertrag, den Normalvertrag Solo umgewandelt. Rechtlich handelt es sich dabei um einen zeitlich befristeten Individualvertrag (Herdlein 2001: 447). Die Zusammenführung der 127
Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen/Rheinland-Pfalz/Saar, Nordrhein-Westfalen, Nord und Ost.
202
Kollektive Arrangements
Einzeltarifverträge NV Solo (für Solokünstler), NV Chor/Tanz (für Opernchöre und Tanzgruppen) und des Bühnentechnikertarifvertrag BTT (für technische Angestellte mit künstlerischer oder überwiegend künstlerischer Tätigkeit an Landesbühnen) zu dem Normalvertrag Bühne im Jahr 2003 führte zu erheblicher Flexibilisierung im Bereich der Arbeits- und Probenzeit (Deutscher Bühnenverein 2002: 10). Der Tarifvertrag Bühne aus dem Jahr 2003 regelt beispielsweise die Arbeitszeiten, die Ruhezeiten und Pausen, die Vergütung (Mindesteinkommen 1550 Euro), das Urlaubsgeld, die Sozialbezüge, Urlaubszeiten und rechtliche Bedingungen, die an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gebunden sind (Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger 2003). Die soziale Sicherung, insbesondere die Alterssicherung der Mitglieder nimmt in der Satzung einen zentralen Stellenwert ein. In § 2 der Satzung der GDBA sind die Aufgaben zum Erreichen der Ziele definiert:
Die Aufklärung der Mitglieder über ihre soziale Lage und über die Bedeutung ihrer verpflichtenden Aufgaben auf dem Gebiet der Kunst Die Verbesserung der Gehalts- und Arbeitsbedingungen durch Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und sonstige Abkommen Sicherung der Altersversorgung Erteilung von Rechtsberatung und Rechtsschutz bei Streitigkeiten über das Arbeitsverhältnis, der Sozialversicherung sowie der Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen im Rahmen der besonderen Rechtsschutzordnung
Die Mitgliedsbeiträge betragen ein Prozent des Bruttogehaltes, wobei der Mindestbeitrag bei 15.50 Euro liegt. Die Organe der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger bestehen aus
Genossenschaftstag Hauptvorstand Beirat Landesverband Lokalverband Berufsgruppen
Höchstes Organ der GDBA ist der Genossenschaftstag. Dieser setzt sich aus den gewählten Vertretern der Lokalverbände zusammen und beschließt endgültig über alle Angelegenheiten der Organisation. Der Hauptvorstand besteht aus dem hauptamtlichen Vorsitzenden, dem Präsidenten sowie den Vorsitzenden der Berufsgruppen. Er regelt sämtliche Angelegenheiten, die nicht ausdrücklich einem
Kollektive Arrangements
203
anderen Organ der GDBA zugewiesen sind. Der Beirat setzt sich aus sechs Vertretern sowie Stellvertretern zusammen, die auf dem Genossenschaftstag gewählt werden. Diese setzen sich aus den unterschiedlichen Berufssparten zusammen.128 Sie überwachen die Tätigkeit des Hauptvorstandes, beraten und unterstützen ihn. Die Lokalverbände der Länder bilden einen Landesverband. Diese vertreten die Organisation innerhalb eines Landes und überwachen die Durchführung der Tarifverträge. Sie sind an die Weisungen des Hauptvorstandes gebunden. Mindestens sieben Mitglieder der Gewerkschaft an einem Theaterunternehmen bilden einen Lokalverband. Der Lokalverband führt seine Aufgaben nach den Weisungen des Hauptvorstandes beziehungsweise des Lokalverbandsvorstandes durch. Die Berufsgruppen setzen sich innerhalb der GDBA wie folgt zusammen (§ 3 (1) Satzung der GDBA):
Schauspieler, Sänger (Solo, Opernchor), Souffleure, Tänzer Künstlerische Bühnenvorstände (Spielleiter, Dramaturgen, Ballettmeister, Kapellmeister, Chordirektoren, Korrepetitoren, Inspizienten, Souffleure), Technische Bühnenvorstände des Maschinen-, Beleuchtungs-, Ton-, Dekorations- und Kostümwesens und deren Assistenten sowie Bühnenhandwerker, Maskenbildner, Theatermaler und –plastiker, Verwaltungsangestellte
Auch die Berufsgruppen haben die Aufgabe, innerhalb der GDBA im Rahmen der Satzung die sie betreffenden Angelegenheiten eigenverantwortlich im Einvernehmen mit dem Hauptvorstand zu bearbeiten (Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger 1967: 14-25). Laut Aussage der Interviewpartner in der GDBA ist eines der Kerngebiete der Gewerkschaftsarbeit die Mitarbeiterbetreuung. Diese umfasst Rechtsberatung, insbesondere die Beantwortung von Fragen zu Arbeits- und Sozialrechtsfragen und Rechtsschutz. Ferner bietet die Gewerkschaft Informationen über die Bayerische Versorgungskammer der deutschen Bühnen. Die Angebote der GDBA werden über Vorträge an Hochschulen zu Themen wie Tarifverträgen sowie Rechte und Pflichten Bühnenangehöriger an die interessierte Öffentlichkeit sowie über ihren Internetauftritt vermittelt. Außerdem gibt die GDBA die Zeitschrift Bühnengenossenschaft heraus. Den Abschluss des Kapitels über die Gewerkschaften bildet eine Darstellung der Fachgruppen aus dem Bereich Kunst und Kultur von ver.di.
128
Künstlerische Bühnenvorstände, Schauspieler, Sänger, Opernchor, Tanz, Technik und Ausstattung (Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger 1967: 21).
204
Kollektive Arrangements
6.2.4 Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di 129 Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) ist im Verhältnis zu den anderen Gewerkschaften noch relativ jung. Durch den Zusammenschluss von fünf Gewerkschaften – der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG), der Deutschen Postgewerkschaft (DPG), der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV), der Industriegewerkschaft Medien (IG Medien) und der Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) – entstand im Jahr 2001 die weltweit größte Gewerkschaft mit drei Millionen Mitgliedern. Der hohen Mitgliederzahl begegnet ver.di mit einer Struktur aus 13 Fachbereichen auf vier Ebenen (Orts-, Bezirks-, Landes- und Bundesebene), die sich um berufliche sowie berufspolitische Themen kümmern. Im Fachbereich 8 – „Medien, Kunst und Kultur, Druck und Papier, industrielle Dienste und Produktion“ sind circa 20.000 Künstler sowie Angestellte im Kulturbereich Mitglied. Sie sind u.a. tätig als Schriftsteller, Übersetzer, Bildhauer, Filmschaffende, Mitarbeiter an Musicaltheatern und Schauspielbühnen, worunter etwa 30 Prozent in Selbständigkeit arbeiten. Um Zuständigkeiten für die unterschiedlichen beruflichen Felder zu regeln, wurden im Fachbereich noch Fachgruppen gebildet. Der Bereich Kunst und Kultur umfasst die Fachgruppen130 Bildende Kunst, Theater und Künste/Darstellende Künste sowie die Fachgruppe Musik. Auf der unteren Ebene von ver.di können sich Ortsvereine bilden. Der Ortsverein vertritt vor Ort die Interessen der Mitglieder und wählt Delegierte für den Bezirk. Der Bezirksvorstand ist zum Beispiel zuständig für die Unterstützung der Betriebs- und Personalräte, Beratung und Rechtsschutz sowie die Pflege der Mitgliederdaten. Zugleich unterstützt der Bezirk die ehrenamtliche Arbeit, die beispielsweise in den Fachbereichen und deren Fachgruppen geleistet wird. Dann folgen die Landesbezirke mit dem Landesbezirksvorstand und den Landesbezirksfachbereichsvorständen sowie die Landesbezirkskonferenzen, die auf dieser Ebene die Interessen der Mitgliedschaft vertreten. Die höchste Ebene ist die Bundesebene mit dem höchsten beschlussfähigen Organ von ver.di, dem Bundeskongress. Dieser kommt alle vier Jahre nach dem Delegiertenprinzip zusammen. Zwischen den Bundeskongressen ist der Gewerkschaftsrat das höchste Organ. Der Bundesvorstand führt die Geschäfte von ver.di. Der Mitgliedsbeitrag berechnet sich aus einem Prozent vom BruttoMonatseinkommen. Weihnachts- und Urlaubsgeld fließen nicht in die Beitrags129 130
Die nachstehenden Ausführungen sind aus ver.di (2001) entnommen. Es gibt im Bereich Kunst und Kultur insgesamt vier Fachgruppen. In die Untersuchung wurden jedoch nur die für die Arbeit relevanten Fachgruppen einbezogen. Die Fachgruppe Verband deutscher Schriftsteller in ver.di wurde nicht berücksichtigt.
Kollektive Arrangements
205
berechnung ein. Diese Regelung trifft auch für freie Mitarbeiter und Selbständige zu. Im Folgenden werden die künstlerischen Fachgruppen vorgestellt.
Die Fachgruppe Bildende Kunst In der Fachgruppe Bildende Kunst sind 1.700 Künstler organisiert. 131 Voraussetzung für eine Mitgliedschaft in der Fachgruppe Bildende Kunst bei ver.di ist der Nachweis der Professionalität.132 Der Beruf bildender Künstler kann dabei sowohl haupt- als auch nebenberuflich ausgeübt werden. Die Ziele der Fachgruppe Bildende Kunst beinhalten beispielsweise eine rechtlich gesicherte Durchsetzung von Ausstellungshonoraren (ver.di - Fachgruppe Bildende Kunst 2003b) sowie die Entwicklung von Rahmenverträgen und allgemeinen Geschäftsbedingungen (ver.di - Fachgruppe Bildende Kunst 2007). Die Verbesserung der Rahmenbedingungen für künstlerische Arbeit wird ebenso als Ziel genannt. Diese sollen mit Hilfe von Gesetzesinitiativen, beispielsweise der Verbesserung des Künstlersozialversicherungsgesetzes oder des Urheberrechtsgesetzes erreicht werden. Für eine Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Mitglieder wären nach Aussagen des Interviewpartners sowohl kollektive Maßnahmen als auch individuelle Strategien denkbar. An dieser Stelle wurden die Erhöhung des gewerkschaftlichen Organisationsgrades sowie die Nutzung individueller Weiterbildungsangebote genannt. Die Angebote des Fachbereichs an seine Mitglieder umfassen dabei Rechtsberatung sowie Rechtsschutz, aber auch Angebote von Seminaren, beispielsweise zur Vorbereitung der Documenta. Diese Leistungen werden traditionell durch Werbung an Hochschulen sowie durch Seminare kommuniziert. Die Vernetzung unter den Künstlern ist nach Einschätzung des Interviewpartners nur schwach entwickelt, da diese über hohe ausgeprägte Individualität verfügen.
131
132
Die Definition der Bildenden Kunst ist dabei sehr weit gefasst und somit erstrecken sich die Berufsgruppen von der Malerei über die Grafik, Bildhauerei, Design, Objektkunst, Filminstallation, Fotoinstallation, Videoinstallation, Textilkunst, Aktionskunst, Performance bis zur Kulturarbeit (ver.di 2007b). Als Nachweise werden die Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse, ein künstlerisches Studium sowie der Nachweis des fachlichen Könnens durch Ausstellungen, öffentliche Aufträge, Publikationen oder Berichte in den Medien anerkannt (ver.di - Fachgruppe Bildende Kunst 2003a).
206
Kollektive Arrangements
Die Fachgruppe Musik In der Fachgruppe Musik von ver.di sind 6.000 in Musikberufen Tätige vereint. Diese Gruppe umfasst von Lehrkräften an Musikschulen über selbständige Musiklehrer, Musikwissenschaftler, Komponisten, Solisten sowie Ensemblemitglieder von Orchestern, Kapellen und Kurkapellen. Die Fachgruppe Musik von ver.di setzt sich für bessere Arbeits- und Einkommensbedingungen und soziale Bedingungen aller Angehöriger von Musikberufen ein (ver.di - Fachgruppe Musik 2007b). Diese Ziele sollen durch folgende Maßnahmen erreicht werden (ver.di 2007a):
Abschluss von Tarifverträgen und Ausweitung der Mitbestimmungsrechte durch Gesetzesinitiativen, wie beispielsweise des Musikschul- und Urheberrechtsgesetzes Die Forderung nach Reform der Gemeindefinanzierung durch Entwicklung von Musterverträgen für freiberuflich tätige Musikschaffende Politische Lobbyarbeit, Eintreten für die Gleichstellung von Künstlerinnen und Künstlern
Der Interviewpartner der Fachgruppe Musik nannte eine Vielzahl unterschiedlicher Maßnahmen, die nach seiner Einschätzung zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Situation für die Mitglieder führen kann:
Stopp und Rücknahme der Privatisierung der Musikschulen Ausbau von kommunalen Musikschulen Ausbau der staatlichen Förderung sowie Unterstützung künstlerischer Projekte wie Konzertsommer Probenraumförderprogramme Veränderung der Haltung der Politiker zu Kunst und Kultur Ausbau der Künstlersozialkasse Einführung des Goethe-Groschens, um Künstlerfonds zu schaffen
Aber auch auf individueller Ebene sind seiner Ansicht nach Aktivitäten zur Verbesserung der Lage denkbar. Diese umfassen eine stärkere Vernetzung sowie ein größeres gewerkschaftliches Engagement, um eine höhere Durchsetzungskraft zu erreichen. Allerdings gibt er zu bedenken, dass die Musiker stark auf ihre eigenen Bereiche fixiert sind und tendenziell eher Einzelkämpfer sind. Mitglied in der Fachgruppe Musik können Musikschaffende aller Sparten und Genres sowie Studierende an Ausbildungsstätten für Musik werden (ver.di
Kollektive Arrangements
207
2007c).133 Für die Aufnahme als Mitglied in der Fachgruppe Musik ist das Kriterium der Professionalität ausschlaggebend. Die Mitglieder erwarten von der Gewerkschaft, dass sie bei der Verwirklichung künstlerischer Projekte hilft und die Vernetzung mit anderen Musikern ermöglicht. Die Angebote der Fachgruppe umfassen Rechtsberatung- und Rechtsschutz, Weiterbildungs-, Informations- und Professionalisierungsangebote. Die Angebote des Fachbereichs werden über Internet, ver.di Publikationen und Pressemitteilungen kommuniziert.
Die Fachgruppe Darstellende Kunst Die Fachgruppe Theater/Bühnen/Darstellende Kunst hat etwa 13.000 Mitglieder. Das Ziel der Fachgruppe ist die Sicherung und Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen aller Beschäftigten im Bereich Theater und Bühnen/Darstellende Kunst. Diese Ziele sollen durch folgende Aktivitäten erreicht werden:
Die Förderung und Finanzierung von Kunst und Kultur als öffentlicher Pflichtaufgabe Erhalt und Weiterentwicklung der öffentlich getragenen Theater, gezielte Förderung des Theaters für Kinder und Jugendliche, finanzielle Unterstützung freier Theatermacher und Theatergruppen Gezielte Förderung und Unterstützung von Künstlerinnen und Künstlern durch Fonds für Projekte, Hilfseinrichtungen für Notlagen
Der Interviewpartner richtete den Fokus des Interviews verstärkt auf kollektive Lösungsstrategien, die die wirtschaftliche und soziale Lage der Künstler verbessern sollen. Eine denkbare Strategie wäre ein verstärktes politisches Engagement der Künstler. Er misst der Erkenntnis von volkswirtschaftlichen Zusammenhängen zentrale Bedeutung bei, wobei die Künstler auf entscheidende Weichenstellungen des Staates reagieren sollten. Problematisch sei dabei allerdings, dass sich viele Künstler erst an die Gewerkschaft wenden, wenn sich ihre Situation 133
Zu den Musikberufen gehören Musikerzieher und –dozenten, die an Musikschulen oder Ausbildungsstätten für Musikberufe tätig sind; selbständige Musikerzieher, Orchestermusiker, Instrumentalsolisten, Kammermusiker, Sänger, Musiker aus den Bereichen Jazz, Rock, Pop, Improvisierte Musik, Textdichter, Dirigenten, Komponisten, Musikwissenschaftler, die nicht an Universitäten oder Forschungseinrichtungen beschäftigt sind (ver.di - Fachgruppe Musik 2007a: 1).
208
Kollektive Arrangements
bereits zugespitzt hätte. Auch seiner Meinung nach seien Künstler häufig Einzelkämpfer. Der Interviewpartner aus der Fachgruppe darstellende Kunst nannte eine Vielzahl von Aktivitäten sowohl in allgemeiner Hinsicht als auch im Hinblick auf die soziale Sicherung für seine Mitglieder:
Rechtsberatung und Rechtsschutz Unterstützung in der Fähigkeit, selbst aktiv zu werden Seminarangebote Möglichkeiten des Tarifvertragsabschlusses für Selbständige beziehungsweise für arbeitnehmerähnliche Selbständige Tarifpolitik Sicherstellung der ausreichenden öffentlichen Kulturfinanzierung Einfluss auf die Harmonisierung des europäischen Rechts und höherer Instanzen Versuch bei der Mitgestaltung der Künstlersozialkasse, Enquete Kommission Kultur in Deutschland und des Arbeitslosenversicherungssystems (Sonderregelung für Künstler angestrebt).
Das Zwischenfazit in Abschnitt 6.3 fasst die in diesem Kapitel gewonnenen Ergebnisse zusammen. 6.3 Fazit: Kollektive Arrangements In der deutschen Kulturindustrie hat sich ein Mischsystem der Interessenvertretungen etabliert. So wird nahezu jede Gruppe von Beschäftigten an deutschen Theatern durch eine eigene Gewerkschaft mit ihrem jeweiligen Tarifvertrag vertreten. Während sich die DOV für die Privilegien der Orchestermusiker einsetzt, vertritt die VdO die Interessen der Chorsänger und der Bühnentänzer. Die GDBA vertritt die darstellenden Künstler, während die nicht-künstlerisch Beschäftigten von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di vertreten werden. Diese berufsgruppenspezifischen Interessenvertretungen verursachen erhebliche wirtschaftliche und soziale Ungleichheiten der Beschäftigungsverhältnisse an deutschen Theatern, da diese Gruppen unterschiedlichen Tarifverträgen zugeordnet sind. Die Verbände überlassen hingegen die private Vorsorge teilweise den Künstlern, sehen diese aber auch im Aktionsfeld kollektiver Strategien. Den Gewerkschaften wird im Vergleich zu den berufsständisch ausgerichteten Orga-
Kollektive Arrangements
209
nisationen mehr politische Weitsicht bescheinigt (vgl. auch Betzelt 2006: 33). Von Seiten der Individuen werden weder Berufsverbände noch Gewerkschaften als Interessenvertretung wahrgenommen. Die Verantwortung liegt bei ihnen selbst (Betzelt 2006: 44). Dabei erscheint es offenbar notwendig, dass die kollektiven Akteure an der beruflichen Identität sowie den vorhandenen normativen Orientierungen der Individuen ansetzen (Betzelt 2006: 30). Das durch Betzelt/Gottschall (Betzelt 2006: 29) bezeichnete Kennzeichen der Hybridität von sowohl fachverbandlicher als auch gewerkschaftlicher Ausrichtung zeigte sich bei allen künstlerischen Gewerkschaften. Die Verbände verfügen nicht über das Tarifrecht, so dass sie auf diesem Gebiet nicht aktiv werden können. Die Gewerkschaften hingegen verfolgen eine Doppelstrategie: Sie bieten professionelle Dienstleistungen für ihre Mitglieder und nehmen gleichzeitig traditionelle Formen kollektiver Interessen wahr. Somit spielen sowohl in den Verbänden als auch in den Gewerkschaften die Beratungsdienstleistungen auf dem rechtlichen und dem fachspezifischen Sektor eine zentrale Rolle. Sie sind wesentlicher Bestandteil der Legitimation der Organisationen. Nahezu alle Gewerkschaften sehen sich mit Schwierigkeiten in der Mobilisierung von Mitgliedern konfrontiert. Hier ist zum einen das Spannungsfeld zwischen Kollektiv und einem hohen Individualisierungsgrad zu sehen, zum anderen spielt sicherlich der Aspekt des free-riding eine weitere zentrale Rolle für die geringen Mitgliederquoten. Somit betonte etwa die Hälfte der Interviewpartner den hohen Individualitätsgrad der Künstler und ihre geringe Bereitschaft zur Vernetzung, wobei sie aber ein funktionierendes Netzwerk im Prinzip durchaus als einen der zentralen Aspekte für das wirtschaftliche Überleben der Künstler betrachten. Die Mehrheit der Interviewpartner hob die Vorteile einer größeren Flexibilität der Verbände gegenüber der Schwerfälligkeit der Gewerkschaften hervor. Aufgrund der spezifischen Erwerbssituation benötigen die Künstler im Prinzip ein für sie maßgeschneidertes Programm, das die künstlerarbeitsmarktspezifischen Besonderheiten berücksichtigt. Möglicherweise befinden sich hier die Gewerkschaften in einem Dilemma, da sie nicht nur die Interessen der autonomen Künstler vertreten, sondern auch die der Arbeitnehmer in der Kulturindustrie (Berhorst 2005). Nachdem die Schwierigkeiten verdeutlicht wurden, die Künstler in Kollektiven zu mobilisieren, wendet sich Kapitel 7 einer Auswahl individueller Strategien für die Prävention und Bewältigung der wirtschaftlichen Risiken zu.
7 Individuelle Strategien
Insbesondere die Strategien der Diversifikation des Risikos (Peacock und Weir 1975, Menger 1999) spielen für die individuelle Bewältigung sozialer Risiken eine zentrale Rolle. In diesem Kapitel werden die Maßnahmen und Strategien der Individuen zur Bewältigung von Risiken erläutert und bewertet. Dabei werden folgende Fragen beantwortet: Welche Bedeutung haben Netzwerke für eine erfolgreiche Karriere? Welche Rolle spielen die Haushalte für die soziale Sicherung von Künstlern? Welchen Stellenwert besitzen Bildungsinvestitionen für die Arbeit in multiplen Tätigkeiten? In einem ersten Schritt wird die Bedeutung von Netzwerken für den Erfolg von Künstlerkarrieren in den Blick genommen (Kapitel 7.1). Eine Erörterung der Rolle der Haushalte und der partnerschaftlichen Arrangements erfolgt in einem weiteren Schritt (Kapitel 7.2). Im dritten Teil des Kapitels schließt sich eine ausführliche Erörterung der Frage nach der Rolle von Bildungsinvestitionen für die Arbeit in mehreren Tätigkeiten an (Kapitel 7.3). Da sowohl ein hohes Bildungsniveau als auch die Arbeit in mehreren Tätigkeiten typische Charakteristiken für die Arbeit auf Künstlerarbeitsmärkten darstellen, werden diese zueinander in Beziehung gesetzt und auf ihre Relevanz hinsichtlich der Vermeidung von wirtschaftlichen und sozialen Risiken von Künstlern überprüft. 7.1 Netzwerke und Reputation Reputation und Netzwerke sind in ihrer Bedeutung für den Arbeitsmarkterfolg von Künstlern eng miteinander verzahnt. Die Funktion von Reputation weist in zwei Richtungen: Sie beinhaltet zum einen Informationen über die Vergangenheit, die mögliche Rückschlüsse auf die Zukunft ziehen lassen. Ferner liefert die Reputation Hinweise auf berufliche Fähigkeiten. Netzwerke übernehmen dabei eine zentrale Steuerungsfunktion für den Karriereerfolg. Die Marktposition der Individuen bildet sich in den Netzwerken immer wieder neu, wobei Kommunikation, Vertrauen und Reputation diese Netzwerke steuern (Haak und Schmid 2001).
212
Individuelle Strategien
Über einen längeren Zeitraum und durch die wiederholte Zusammenarbeit in Projektnetzwerken bildet sich in ihnen eine relative Stabilität der Beziehungen aus (Windeler et al. 2001: 16). Die Arbeitsmärkte für Künstler sind zwar durch die Struktur der Aushandlung in Netzwerken offener und flexibler, aber gleichzeitig auch risikoreicher als institutionell regulierte Märkte von Arbeit und Dienstleistungen (Betzelt 2006: 28). So haben sich besondere Netzwerkstrukturen herausgebildet, in denen sich der berufsfachliche Marktwert von Künstlern kontinuierlich reproduziert und erweitert (Betzelt und Gottschall 2004: 266). Künstler können ihre Nachfrage durch eine Verbesserung der kommunikativen Infrastruktur erhöhen. Prinzipiell ähneln diese Strategien den Marketingstrategien auf Gütermärkten, da nach einer grundlegenden Analyse der Nachfrageentwicklungen die Kommunikationskanäle für die Verbreitung des veränderten Angebotes an die Nachfrage angepasst werden. Hierzu werden sowohl vertikale als auch horizontale Kommunikationskanäle genutzt. Die vertikale Informationspolitik beinhaltet beispielsweise Expertenkritik sowie Presseempfehlungen, die horizontalen Informationssysteme aktivieren Beziehungsnetzwerke (Menger 2006b: 38). Künstler, aber auch Unternehmer erzielen in diesem Netzwerk viele Ergebnisse, die bei den Künstlern in Reputation und bei den Unternehmen in corporate identity übertragen werden. Karrieren resultieren dabei aus einem Wechselprozess zwischen Künstlern und Unternehmen, da diese jeweils zwischen den einzelnen Anbietern auswählen (Menger 2006a: 773). Von entscheidender Bedeutung ist diese Beziehungspflege auch außerhalb der gemeinsamen Projekte. Ziel dabei ist der Meinungsaustausch über das Branchengeschehen, einzelne laufende Projekte oder zukünftige Projektplanungen (Windeler et al. 1999: 184). Insbesondere die Bereiche Musik und darstellende Kunst sind durch starke Nachfrageschwankungen aufgrund sich verändernder Moden und Trends gekennzeichnet. Auch Reputationen unterliegen starken Schwankungen und sind in den seltensten Fällen konstant. Erfolge sind häufig von kurzer Dauer. Eine der zentralen Voraussetzung für das Bestehen von Reputationsmärkten ist die permanente Erfolgsungewissheit, während Karrieren in Unternehmen tendenziell planbarer sind (Menger 2006b: 47ff). Arthur (1994) entwickelte für diesen Karrieretypus den Begriff der grenzenlosen Karriere (boundaryless career), in der die Bewertung eher über eine marktliche als organisationsinterne Bewertung der Arbeitskräfte erfolgt und in der insbesondere Informationen aus organisationsübergreifenden Netzwerken von Relevanz sind (Haunschild 2002: 586). Aus der Perspektive der Organisationstheorie werden Kooperationen und Wettbewerb gleichermaßen durch Perso-
Individuelle Strategien
213
nalbewegungen in Form von Karriereverhalten des Personals beeinflusst. Die Organisation als solche steht nicht mehr im Fokus der Betrachtung, sondern organisationsübergreifende Prozesse; die Personalbewegungen zwischen den Organisationen sind dabei von zentraler Bedeutung (Arthur 1994: 303). Für einige Berufsgruppen spielt diese Netzwerkpflege eine geringe Rolle. So sind die oben geschilderten Rollenmuster für Orchestermusiker nicht von zentraler Bedeutung. Während die Hochschulabsolventen während ihres Studiums solistische Ideale anstrebten und dabei ihre musikalische Individualität entwickeln konnten, erfordert der Orchesterberuf hohe Anpassungsleistungen und ein hohes Ausmaß an Integrationsfähigkeit (Olbertz 2004: 10). Individualität spielt in diesem Beruf eine untergeordnete Rolle. Einer empirischen Studie zufolge hat die kollegiale Behandlung durch den Dirigenten sowie die Konsequenzen einer guten Aufführung für die persönliche Karriere der Orchestermitglieder nur eine geringe Bedeutung, während den Aspekten, die unmittelbar mit der Tätigkeit des Musizierens zusammenhängen (Freude, Teamgeist, Inspiration, Identifikation mit dem Werk beziehungsweise der Interpretation und die Reaktion des Publikums), eine wesentlich größere Bedeutung beigemessen wird (Boerner und Krause 2001: 10). So sind auch Karrieren innerhalb der Orchester unüblich, eine künstlerische Mitgestaltung für die Orchestermitglieder nur sehr begrenzt möglich (Olbertz 2004: 11). Es finden kaum Personalbewegungen innerhalb sowie zwischen den Orchestern statt. Demnach fällt die durchschnittliche Anzahl vakanter Stellen in deutschen Orchestern entsprechend gering aus. „Der typische Orchestermusiker war im Verlauf seiner Karriere nur bei einem oder zwei Orchestern jenseits seiner jetzigen Anstellung beschäftigt“ (Allmendinger et al. 1996: 206).
Allerdings ist ein großer Teil der Orchestermusiker mit den eingeschränkten Karrieremöglichkeiten unzufrieden (Allmendinger et al. 1996: 201ff). Der Führungsstil von Dirigenten ist in der Regel durch autoritäre Züge gekennzeichnet, wobei die Autorität des Dirigenten durch Kompetenz entsteht. Er tritt als Vermittler zwischen der Komposition und den Musikern auf, wobei es keine objektivierbaren Kriterien für künstlerische Qualität als Führungsstil gibt (Boerner 2000: 74ff), auch Olbertz (2004). In der Arbeitswelt der darstellenden Künstler spielt der projektspezifische Charakter von Beschäftigungsverhältnissen allerdings eine zentrale Rolle. So stehen und fallen beispielsweise Karrieren an Theatern mit der Beteiligung an bestimmten Inszenierungen und durch externe Bewertungen. Karrieren von Schauspielern werden maßgeblich über die Anzahl und die Art ihrer Rollen definiert, Reputation wird über das Spiel auf der Bühne aufgebaut. Dabei ist der Intendant unangefochten die zentrale Figur, die über die Rollenvergabe in Thea-
214
Individuelle Strategien
tern entscheidet. Soziale Kontakte und Freundschaften mit Intendanten, Regisseuren und anderen Schauspielern sind neben guten schauspielerischen Leistungen für viele Schauspieler entscheidend im Hinblick auf die Vergabe von zukünftigen Rollen. Karriere-Beziehungsarbeit, also Netzwerkpflege wird dabei zum zentralen Karriere entscheidenden Element (Haunschild et al. 2005: 63f). Der Erfolg oder Misserfolg eines Künstlers ist von verschiedenen Faktoren abhängig, die nicht alle prognostizierbar sind. So sind beispielsweise die Beteiligten an Theaterprojekten internen sowie externen Bewertungsprozessen ausgesetzt: Schauspieler werden durch Kollegen, Regisseure, Intendanten und Dramaturgen beurteilt, letztere beurteilen wiederum die Regisseure, während Kulturpolitiker über die künstlerischen und wirtschaftlichen Erfolge der Intendanten urteilen. Die Presse bewertet letztendlich das gesamte System Theater. Die Karriere der Schauspieler ist dabei maßgeblich durch die Art und Anzahl ihrer Rollen bestimmt. Persönliche Kontakte und Netzwerkbildung spielen dabei eine entscheidende Rolle (Eikhof und Haunschild 2004: 97). Theaterarbeit ist Teamarbeit, der Beitrag eines Einzelnen zum Gesamterfolg des Projektes ist in der Regel nur schwer messbar. Dennoch bilden die von den Erfolgen oder Misserfolgen ausgehenden Signale eine Informationsbasis für zukünftige Projekte. Weitere karriereentscheidende Kontakte werden in der Regel über Projekte geknüpft. Karriere findet in Theatern dabei nicht innerhalb einer Organisation statt, sondern beispielsweise durch einen Wechsel von B-Häusern zu A-Häusern. Die Theaterwelt ist durch ein komplexes Netzwerk von Theaterhäusern gekennzeichnet, in denen die Reputation der Akteure die entscheidende Rolle für Karrieren innerhalb dieser Netzwerke spielt (Eikhof und Haunschild 2004: 96f). Erfolgreiche Projekte erzeugen eine gute Reputation, die eine stärkere Anziehungskraft auf qualifiziertes Personal ausübt als weniger erfolgreiche. Die Fähigkeiten und Reputationen kumulieren über die Zeit, sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht (Faulkner und Andersond 1987: 881). So ist beispielsweise eine erfolgreiche Karriere in der Filmindustrie durch eine enge Abfolge von Verträgen in temporären Projekten gekennzeichnet. Die Identifikation erfolgt in der Regel nicht über die Organisation, sondern über das Beziehungsnetz. Da formale Zertifizierungen und ein organisationales Beurteilungssystem fehlen, ersetzen funktionale Äquivalente wie die Beurteilung durch Kollegen, Projekterfahrungen, Preise sowie Pressekritiken diese Parameter (Haunschild 2002: 587). Netzwerke übernehmen hier die Rolle des Ausgleichs flexibilitätsund mobilitätsbedingter Unsicherheiten (Eikhof und Haunschild 2004: 110). Die Rotation zwischen unterschiedlichen Beschäftigungsverhältnissen fördert die Netzwerkbildung, wobei eine zunehmende Anzahl unterschiedlicher Arbeitsverträge die Reputation maßgeblich erhöhen kann (Benhamou 2000:
Individuelle Strategien
215
310f). Eine ökonomische Lösung des Problems ist folgende: Die Akteure reduzieren bei der Personalsuche ihre Informationskosten auf ein Minimum. Somit werden beispielsweise bevorzugt Sänger eingestellt, die in der Vergangenheit bereits über ein Arbeitsverhältnis verfügten. Die Informationskosten werden dabei auf den jeweils früheren Arbeitgeber verlagert. Hat ein Sänger erstmals den magischen Zirkel der Erwerbswelt betreten, so ist diese Arbeitserfahrung Bestandteil seiner persönlichen Karriere und führt zu weiteren Beschäftigungsverhältnissen (Towse 1993: 100). Das Humankapital setzt sich auf den Künstlerarbeitsmärkten insbesondere aus Fähigkeiten, Reputation und Netzwerken zusammen. Aber auch für andere Gruppen von Künstlern haben Netzwerke eine zentrale Rolle in der Karriere. So investieren bildende Künstler einen nicht unwesentlichen Teil der Zeit in den Aufbau ihrer Reputation und entwickeln Kontakte zu Kunstvermittlern. Je größer die Anzahl der Kontakte, desto mehr Möglichkeiten ergeben sich für die Künstler (Honey et al. 1997: 99). Unternehmerische Fähigkeiten können die Akquise von Projekten maßgeblich erleichtern und den Aufbau einer eigenen Karriere vorantreiben. In der Ausbildung werden bildende Künstler nicht auf diese Herausforderungen vorbereitet. Eine der Hauptschwierigkeiten, die möglicherweise in einer traditionellen Sichtweise karrierehemmend ist, ist die Indifferenz der bildenden Künstler gegenüber kommerziellen Fragen. Honey stellt die Fähigkeiten zusammen, die für eine erfolgreiche Karriere notwendig sind (Honey et al. 1997: 101):
Networking skills betreffen die Fähigkeit, sich ein persönliches und berufliches Netzwerk aufzubauen und seinen Bekanntheitsgrad bei unterschiedlichen Kunstvermittlern zu erhöhen. Business management skills erleichtern die formale Organisation der eigenen Arbeit, wie beispielsweise Kenntnisse in der Buchführung, Aufstellung von Kostenvoranschlägen sowie weitere betriebswirtschaftliche Kenntnisse. Presentation skills erleichtern die Selbstdarstellung in Präsentationen sowie die Erarbeitung von Bewerbungsmappen. Time management skills können das Zeitmanagement bei der Bearbeitung unterschiedlicher Projekte und Durchführung multipler Tätigkeiten unterstützen.
Insbesondere im Segment der bildenden Künste gibt es traditionell bestimmte Strukturen, nach denen Künstler bewertet werden. Da auf diesen Arbeitsmärkten objektiv messbare Kriterien wie beispielsweise das Bildungsniveau keine Rolle spielen, werden Künstler am Wert ihrer bisherigen Werke beurteilt. Diese Repu-
216
Individuelle Strategien
tationsbewertung ist einem ständigen Konkurrenzdruck ausgesetzt und entsprechende Preise bilden sich stets neu. Die Interviews, die mit den Verantwortlichen aus den Verbänden durchgeführt wurden, deuten in folgende Richtung: Die Notwendigkeit der Kooperation und Vernetzung der Akteure würde zwar grundsätzlich von den Künstlern erkannt, aber die Praxis zeige, dass das Individuelle Vorrang hätte und Netzwerkpflege faktisch nicht betrieben würde. Die Interviewpartnerin des BBK beurteilt die Fähigkeit der bildenden Künstler, sich in Netzwerken zu organisieren, skeptisch. Das Interesse an Vernetzung wäre zwar grundsätzlich vorhanden, die Realität zeige allerdings, dass der Konkurrenzgedanke überwiege und bildende Künstler deshalb weitgehend als Einzelkämpfer arbeiten. Der Bundesvorsitzende des DRMV bestätigte diese Aussage, wobei er eine der Ursachen auf die idealisierte Welt der Musiker zurückführt, in der das soziale Bewusstsein nur auf sie selbst ausgerichtet sei. Etwas nüchterner beurteilt der Vorsitzende der Berufsgruppe Solo und der Landesverband Ost der GDBA die Situation: Leistung sei immer noch wichtig und entscheidend für den Erfolg darstellender Künstler, wobei das Problem der Subjektivität bestehen bliebe. Intendanten hätten unterschiedliche Präferenzen und brächten einen gewissen Stab an Mitarbeitern mit. Der Interviewpartner des IDS erkennt kaum funktionierende Netzwerke in den Arbeitsmärkten der freien Schauspieler. Vielmehr gäbe es Klüngel und Seilschaften unter den Konkurrenten. Die Präsidentin der GEDOK sieht in der mangelnden Kooperation der Künstlerinnen untereinander ein geschlechtsspezifisches Problem, da Frauen sich nicht gegenseitig unterstützen, während Männer eher durch Seilschaften organisiert seien. In mehreren Interviews wurde allerdings auf die große Bedeutung der Haushalte und partnerschaftlichen Arrangements für die wirtschaftliche und soziale Absicherung der Künstler hingewiesen. Welche empirische Bedeutung die Haushalte und Partner spielen, wird in Abschnitt 7.2 erörtert. 7.2 Haushalte und partnerschaftliche Arrangements Empirisch ist über die Bedeutung des Haushaltskontextes von Künstlern wenig bekannt. Es gibt bislang keine systematische Untersuchung über die Relevanz des Haushaltseinkommens für die wirtschaftliche und soziale Absicherung von Künstlern. Bereits Baumol und Bowen (1966) wiesen auf die zentrale Bedeutung der Partner für die Verbesserung der wirtschaftlichen Situation von Künstlern hin. Dies konnte anhand verschiedener aktueller empirischer Studien bestätigt werden (Honey et al. 1997: 90, Dangel und Piokowsky 2006: 30, Mundelius
217
Individuelle Strategien
2006). Bei dem verfügbaren statistischen Material stößt man allerdings auf zentrale Probleme, die in nachstehender Tabelle zusammengefasst sind: Tabelle 33: Haushaltseinkommen in der amtlichen Statistik Kriterien
Mikrozensus 2003
Individualeinkommen
Ausgewiesen als individuelles Nettoeinkommen aus allen Einkommensquellen Ausgewiesen als Netto- Keine Informationen einkommen aller Haushaltsmitglieder aus allen Einkommensquellen 565 Künstler (2003) Etwa 7.000 Künstler mit mindestens einer Beschäftigungsmeldung im Beobachtungszeitraum Befragung Sozialversicherungsmeldung
Haushaltseinkommen Fallzahlen
Erhebungsmethode
IAB-Beschäftigtenstichprobe (1975-2001) Arbeitgebermeldung des Bruttoeinkommens
SUF Rentenzugangsstatistik (2000-2004) Arbeitgebermeldung des Bruttoeinkommens Keine Informationen
2.232 Künstler
Sozialversicherungsmeldung
Quelle: Eigene Darstellung
Die IAB-Beschäftigtenstichprobe 1975-2001 und die Rentenzugangsstatistik beinhalten keine Informationen zum Haushaltskontext. Der Mikrozensus 2003 beinhaltet zwar diese Merkmale, allerdings besteht hier das Problem der Verzerrung der Einkommensvariablen durch die Hinzunahme aller Einkünfte in dieses Merkmal.134 Da allerdings keine andere Datenquelle zur Verfügung steht, wird an dieser Stelle auf die Daten des Mikrozensus 2003 zurückgegriffen. Die nachstehende Tabelle verdeutlicht die Unterschiede zwischen dem Nettoeinkommen und dem Haushaltsnettoeinkommen der Künstler.135
134 135
Für eine ausführliche Diskussion über die Einkommensvariable im Mikrozensus vgl. Kapitel 3.3. Auf die Ermittlung des exakten Nettoäquivalenzeinkommens wird an dieser Stelle verzichtet, da es hier nicht darum geht, einen Einkommensvergleich zwischen Haushalten vorzunehmen. Vielmehr zielt Tabelle 35 auf die zentrale Rolle des Haushaltseinkommens in Haushalten mit mindestens einem erwerbstätigen Künstler ab. Einen Einblick in die Ermittlung des Äquivalenzeinkommens kann bei Faik (1997) nachgelesen werden.
218
Individuelle Strategien
Tabelle 34: Monatliches Nettoeinkommen und Haushaltsnettoeinkommen 2003 Musiker Alleinlebend Männer Frauen Zusammenlebend ohne Kinder Männer Frauen Zusammenlebend mit Kindern Männer Frauen Darstellende Künstler Alleinlebend Männer Frauen Zusammenlebend ohne Kinder Männer Frauen Zusammenlebend mit Kindern Männer Frauen Bildende Künstler Alleinlebend Männer Frauen Zusammenlebend ohne Kinder Männer Frauen Zusammenlebend mit Kindern Männer Frauen
Persönliches Nettoeinkommen
Haushaltsnettoeinkommen
1200 1000 800 800
2600 2000
600 600
1850 1850
1400 1400 1850 1850
3800 5250
2150 1100
4750 2000
1000 700 1000 500
2150 3050
1200 500
1850 1400
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, 2003, eigene Berechnungen
Das ermittelte persönliche durchschnittliche Nettoeinkommen weicht bei allen Berufsgruppen erheblich von dem verfügbaren Haushaltsnettoeinkommen ab. Dies verdeutlicht die Tatsache, dass die Haushalte, beziehungsweise partnerschaftliche Arrangements, einen erheblichen Anteil für die soziale Sicherung beitragen. Es zeigen sich für alle drei Berufsgruppen unterschiedliche Muster. Die geringsten Beiträge zum Haushaltsnettoeinkommen tragen die bildenden Künstlerinnen in kinderlosen Haushalten bei. Für die Gruppe der Männer sind dies in Haushalten ohne Kinder die Musiker, die nur einen geringen Beitrag zum Haushaltseinkommen leisten. Die höchsten Beiträge werden anteilig von den Männern unter den bildenden Künstlern geleistet, mit Anteilen weit über 50 Prozent. Dabei muss allerdings betont werden, dass sich das Haushaltseinkom-
219
Individuelle Strategien
men in dieser Gruppe mit 1850 Euro auf einem geringen Niveau bewegt. Es ist über alle drei Künstlergruppen zu beobachten, dass das Haushaltsnettoeinkommen von Familien mit Kindern im Vergleich zu Paaren ohne Kinder geringer ausfällt. Die privaten Haushaltsformen und partnerschaftlichen Arrangements in diesen Berufsgruppen entsprechen nach Betzelt nicht dem üblichen Rahmen, da das traditionelle Modell des männlichen Haupternährers eher in der Minderheit ist und angesichts der niedrigen Einkünfte gleichberechtigte Partnerschaften mit zwei Verdienern überwiegen. Da jedoch die Mehrzahl der Künstler häufig von Nichterwerbsphasen und somit von Einkommensausfällen betroffen ist, werden Lebenspartner oft zur zentralen Ressource für die Risikoabsicherung (Betzelt und Gottschall 2005: 8). Wie schlägt sich nun die private Lebensform von Künstlern in der Statistik nieder? Tabelle 35 beantwortet diese Frage. Tabelle 35: Beruf und Haushaltstyp im Jahr 2003 (Anteile in Prozent) Erwerbsgruppe
Mit Partner und oder Familie lebend
Alleinlebend
Musiker Darstellende Künstler Bildende Künstler Alle Erwerbstätigen
60,2 51,6 41,1 71,2
39,7 48,4 58,9 28,8
Kinder unter 15 Jahren im Haushalt 37,6 23,3 33,1 33,7
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2003), eigene Berechnungen
Ein Vergleich aller Künstler zeigt, dass die private Lebensform der Musiker dem Konzept der übrigen Erwerbstätigen am stärksten ähnelt. So wiesen auch Dangel/Piorkowski in einer aktuellen empirischen Untersuchung (Dangel und Piokowsky 2006) nach, dass etwa die Hälfte aller Musikerinnen und Musiker mit Kindern in einem gemeinsamen Haushalt leben.136 Sehr deutlich fällt in der obigen deskriptiven Darstellung die geringe Kinderzahl bei den darstellenden Künstlern auf. Mindestens zwei Ursachen kommen zur Erklärung dafür in Frage: Zum einen kann dieses Phänomen auf die individualistisch geprägte Persönlichkeitsstruktur vieler Künstler zurückgeführt werden, gleichzeitig spielen möglicherweise die hohen beruflichen Flexibilitätsanforderungen bei andauernden ökonomischen Risiken eine zentrale Rolle für die Kinderlosigkeit. Das Familienoder Partnermodell ist für alle künstlerischen Berufsgruppen im Vergleich zu der
136
In dieser Untersuchung ist allerdings von einer Selektionsverzerrung auszugehen, da die Untersuchungsgruppe sich ausschließlich aus Gewerkschaftsmitgliedern zusammensetzt.
220
Individuelle Strategien
Referenzgruppe (Alle Erwerbstätigen) nur von geringer Bedeutung.137 Auch andere berufsgruppenspezifische Untersuchungen liefern Hinweise darauf, dass unter Freiberuflern im Kultursektor kinderlose Haushalte überwiegen (Grass 1998: 66). Die Gruppe der selbständigen Künstler steht dabei vor der Herausforderung, eine Balance zwischen den Chancen eines hohen Grades an Selbstbestimmung und den großen materiellen Risiken zu finden. Viele Künstler balancieren ihr finanzielles Risiko durch die Ausübung mehrerer Tätigkeiten aus. Abschnitt 7.3 beinhaltet eine umfassende empirische Analyse der Mehrfachbeschäftigung von Künstlern in Deutschland. 7.3 Mehrfachbeschäftigung138 Während umfassende empirische und theoretische Analysen über das multiple jobholding in der Kulturökonomie einen festen Bestandteil bilden (Wassall und Alper 1992, Throsby 1994a, Honey et al. 1997, Alper 2000), fristet dieses Thema in der Arbeitsmarktökonomik ein Schattendasein. Die empirische Forschung in der Arbeitsökonomik über das multiple jobholding zieht viele Faktoren für die Erklärung dieser Arbeitsform heran. Ein verbreiteter Ansatz in der ökonomischen Theorie zur Erklärung der Mehrfachbeschäftigung ist die Annahme von Arbeitszeitrestriktionen durch vertragliche oder marktliche Bedingungen in der ersten Erwerbstätigkeit (Shishko und Rostker 1976, Schwarze 1991, Alper 2000: 3, Heineck 2003: 134). Dieses neoklassische Standardmodell für die Erklärung von multiple jobholding legt folgende Annahmen zugrunde: Individuen können ihren Arbeitsumfang in ihrer ersten Erwerbstätigkeit nicht erhöhen. Zusätzlich besteht allerdings die Möglichkeit, in einer zweiten Erwerbstätigkeit mit einem geringeren Einkommen arbeiten zu können (Paxson und Sicherman 1994: 12). Diese Annahme integriert den Faktor der Unterbeschäftigung in die Analyse. Unterbeschäftigung (under-employment) ist unter Künstlern stark verbreitet. Künstler sind demnach bereit, für den bestehenden Arbeitslohn mehr Arbeitszeit zu investieren (Towse 1996a: 10). Die Arbeitszeitrestriktionen in der ersten Erwerbstätigkeit beinhalten Anreize, die Einkommen durch die Aufnahme einer zusätzlichen Erwerbstätigkeit zu erhöhen (Alper 2000: 3). Ein weiterer Ansatz stellt einen Zusammenhang zwischen Beschäftigungssicherheit und Mehrfachbeschäftigung her. Die Annahme dabei ist, dass Mehr137
138
Die Haushaltstypen von Soloselbständigen unterscheiden sich dagegen nur unwesentlich von jenen abhängig Beschäftigter (Betzelt 2006: 23). Teile dieses Abschnitts wurden bereits in Haak (2006) publiziert, an dieser Stelle aber aktualisiert und erweitert.
Individuelle Strategien
221
fachbeschäftigung eine Antwort auf die wahrgenommene Beschäftigungsunsicherheit und somit eine potenzielle Absicherung für das Arbeitslosigkeitsrisiko darstelle. Allerdings führten die Ergebnisse zu keinen signifikanten Zusammenhängen (Bell et al. 1997: 17). Für Deutschland hat nach Schwarze der einfache neoklassische Ansatz zur Erklärung von Mehrfachbeschäftigung keine Gültigkeit (Schwarze 1991: 110). In Deutschland spielen für das Arbeitsangebot in Haupt- und Nebenerwerbstätigkeit neben dem verfügbaren Einkommen auch die Einkommensstabilität, die soziale Absicherung sowie die unterschiedliche Arbeitsplatzqualität eine zentrale Bedeutung (Schwarze 1991: 110). Erweitert wurde der theoretische Ansatz erstmals durch Shishko/Rostker (1976), die in einem erweiterten neoklassischen Arbeitsangebotsmodell Einkommenspräferenzen zugrunde legten. Schwarze unterstellt, dass ein wesentlicher Teil der Nebenerwerbstätigkeit im Bereich der Schattenwirtschaft stattfindet. Eine Erhöhung von Steuern und Sozialabgaben führt dabei zu einer Ausweitung des Arbeitskräfteangebotes, also zu mehr Arbeit in der Schattenwirtschaft. Er misst der Haupterwerbstätigkeit sowohl bei der Sicherung des laufenden Lebensunterhalts als auch für die Absicherung sozialer Risiken eine größere Bedeutung zu als der Nebentätigkeit (Schwarze 1991: 91). Das Qualifikationsniveau von erwerbstätigen Künstlern ist im Vergleich zu anderen Gruppen von Erwerbstätigen hoch, dennoch sind Künstler trotz ihres Ausbildungsniveaus erheblichen Arbeitsmarktrisiken ausgesetzt.139 Um beispielsweise Einkommensausfällen und drohender Arbeitslosigkeit zu begegnen, setzen sie traditionell Strategien der Risikodiversifizierung ein. Künstler bilden eine heterogene Gruppe mit spezifischen Erwerbsstrukturen, die die großen wirtschaftlichen und sozialen Risiken oft außerhalb der wohlfahrtsstaatlichen Arrangements bewältigen (Haak 2005). Multiple jobholding ist eine zentrale Strategie zur Risikostreuung und Sicherung des Einkommens (Amirault 1997, Honey et al. 1997, Alper 2000, Davies und Lindley 2003, Deutscher Bundestag 2005: 531, Hummel 2005). Es bedarf dabei einer besonderen Balance, um die unterschiedliche Ökonomie von Kunst und Nebentätigkeit aufeinander abzustimmen. Dies schlägt sich in einer Vielzahl unterschiedlicher individueller Muster in der Verteilung von Haupt- und Nebentätigkeit nieder (Röbke 2000: 171). So wurde in einer Vielzahl von Studien zur Einkommenssituation von Künstlern die Frage aufgeworfen, weshalb Künstler diese großen Investitionen in ihr Humankapital vornehmen, obwohl ihre Einkommen im Vergleich zu den Einkünften von Erwerbstätigen mit vergleichbarem Qualifikationsniveau gering ausfallen (McLain 1978, Waits 1983, Filer 1990, Wassall und Alper 1992, Heilbrun und Gray 1993, Towse 1996b, Robinson und Montgomery 2000). 139
Vgl. Abschnitt 4.2.3 in dieser Arbeit
222
Individuelle Strategien
Throsby gab hierauf als Erster eine Antwort, indem er die Einkommensquellen von Künstlern differenzierte. Ein hohes Qualifikationsniveau führt tendenziell zu einem höheren Einkommen in der zweiten Erwerbstätigkeit. Somit generieren die Künstler mit hohem Ausbildungsniveau Teile ihres Einkommens aus Sektoren außerhalb des Kultursektors (Towse 1996b). Auf das originäre künstlerische Einkommen aus erster Erwerbstätigkeit kann ein hohes Qualifikationsniveau sogar negative Effekte ausüben (Throsby 1996a: 342). Dieses Ergebnis konnte in anderen Studien bestätigt werden (Towse 1992b). Die Mehrzahl der empirischen Studien zur Karrieresituation von Künstlern deutet darauf hin, dass für sie der Verkauf ihrer künstlerischen Arbeitsleistung beziehungsweise ihrer künstlerischen Werke zur Sicherung ihres Lebensstandards nicht hinreichend ist und sie zur Risikominimierung häufig mehrere Erwerbstätigkeiten ausüben müssen (Stohs 1991: 92). Es können drei Ebenen der Risikodiversifikation auf den Künstlerarbeitsmärkten ausgemacht werden, diese können auch miteinander kombiniert werden (Menger und Gurgand 1996: 356):
Unterstützung durch private oder öffentliche Quellen (Familie, Partner, Stipendien, Preise, Existenzgründungshilfen) Arbeit in kooperativen Vereinigungen Multiple jobholding
Multiple jobholding wird auf den Arbeitsmärkten von Künstlern traditionell zur Streuung ihres Risikos und damit zur Einkommenssicherung angewandt. Dabei stellt sich die Frage, in welchem Ausmaß das multiple jobholding tatsächlich zu einer Reduktion des Risikos beitragen kann. Um ihrer künstlerischen Tätigkeit nachgehen zu können, schrecken Künstler nicht davor zurück, in Restaurants zu kellnern, als Pförtner zu arbeiten oder als Reinigungskraft tätig zu sein. Im besten Fall können sie ihren Zweiterwerb auf künstlerisch verwandten Arbeitsgebieten ausüben (Abbing 2003: 437). In einer berufsgruppenspezifischen Untersuchung über die Arbeits- und Berufszufriedenheit im Orchestermusikerberuf wurden etwa 8.800 Orchestermusiker aus Kulturorchestern der Kategorien A bis C befragt. In dieser Erhebung wurde auch die Ausübung einer weiteren Tätigkeit erfragt. Die Befragung ergab, dass der überwiegende Anteil (etwa 85 Prozent) der Orchestermusiker mindestens einer weiteren musikalischen Tätigkeit nachgeht. In dieser Arbeit wurde bereits an mehreren Stellen deutlich, dass multiple jobholding als Instrument für die wirtschaftliche Absicherung von Künstlern von zentraler Bedeutung ist. Multiple jobholding ist somit eine spezifische und effiziente Form der individuellen Risikodiversifikation. Ein Blick in das Portfolio-
Individuelle Strategien
223
Management der Finanzwissenschaft kann den Zielkonflikt zwischen Risiko und Einkommen von Künstlern im Erwerbsleben illustrieren und ein Analyseraster für die Diskussion bieten. Die aktuelle Portfoliotheorie geht auf die Arbeiten des Nobelpreisträgers Harry Markowitz zurück, der bewies, dass das Risiko eines effizienten Portfolios kleiner oder maximal gleich dem durchschnittlichen Risiko der einzelnen Wertpapiere ist (Markowitz 1952). Abbildung 36 verdeutlicht die Abnahme des individuellen wirtschaftlichen und sozialen Risikos und somit des gesamten Risikos durch die Diversifikation des persönlichen Portfolios durch multiple jobholding. Abbildung 35: Risikoreduktion durch Diversifikation von Einkommensquellen
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Pike (1986)
Diese Abbildung veranschaulicht, wie erwerbstätige Künstler ihr wirtschaftliches und soziales Risiko durch Jobdiversifikation reduzieren können. Dabei ist es nicht rational, auf den Arbeitsmärkten von Künstlern das Einkommen aus nur einer Quelle zu generieren, da das Gesamtrisiko bei Ausübung nur einer Tätigkeit recht hoch ist. Dieses Risiko reduziert sich mit zunehmender Anzahl von
224
Individuelle Strategien
Tätigkeiten, nähert sich allerdings asymptotisch dem allgemeinen Arbeitsmarktrisiko in diesen Berufen an. Diversifikationsstrategien können das allgemeine Arbeitsmarktrisiko nicht auflösen. Das bedeutet, dass das wirtschaftliche Risiko im Erwerbsleben von Künstlern nicht gegen Null tendiert, da dieses von externen Faktoren, wie beispielsweise spezifischen Nachfrageverhalten der Konsumenten abhängt. Menger spricht in diesem Zusammenhang von der Diversifikation des Risikos bei Künstlern (Menger 1999). Dex (1998: 15) verwenden im Zusammenhang mit Mehrfachbeschäftigung von Beschäftigten in der Fernsehindustrie den Begriff der Portfolio Diversifikation oder Portfolio Management. Somit setzt sich das Erwerbsrisiko für Künstler im Wesentlichen aus zwei Bestandteilen zusammen: Das Marktrisiko ist für alle Künstler gleich, da es zum einen strukturelle Ursachen der Künstlerarbeitsmärkte betrifft, aber auch beispielsweise durch Nachfrageschwankungen nach künstlerischen Dienstleistungen resultiert. Dieses könnte allenfalls durch eine hohe Mobilitätsbereitschaft der Künstler reduziert werden. Hierbei würde allerdings das Problem der Kompatibilität mit diversen Tätigkeiten resultieren. Die Internationalisierung von Künstlerarbeit könnte das Problem des allgemeinen Marktrisikos reduzieren. Allerdings ist die Globalisierung von Künstlerarbeit in den meisten künstlerischen Berufen schwierig. Darstellende Künstler können ihre Arbeit nicht internationalisieren, da diese dem künstlerischen Produkt entspricht und somit ortsgebunden ist. Ein gewisser Grad an Mobilität ist denkbar, stößt aber relativ schnell an Grenzen. Möglich ist zwar eine Internationalisierung der Diversifikation für die Kreativkünstler, da die Verbreitung des Produktes insbesondere durch den Einsatz elektronischer Medien erheblich gesteigert werden kann. Das individuelle Risiko setzt sich dagegen aus unterschiedlichen soziodemografischen Elementen zusammen und ist somit individuell beeinflussbar. Künstler können durch Elemente der Risikodiversifikation ihr persönliches individuelles Risiko reduzieren.
Empirische Befunde zur Mehrfachbeschäftigung auf den Künstlerarbeitsmärkten Seit April 2003 wird die Aufnahme einer geringfügigen Nebenbeschäftigung in Deutschland durch niedrigere Abgaben wieder begünstigt, so dass insbesondere höher Qualifizierten Anreize zur Aufnahme weiterer Tätigkeiten gegeben werden (Schupp und Birkner 2004: 496). Aktuelle Zahlen aus der Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) deuten auf einen Anstieg der Mehrfachbeschäftigungsquote von 3,4 Prozent auf 4,7 Prozent zwischen Juni 2003
Individuelle Strategien
225
und Juni 2004 hin.140 Dies ist insbesondere auf die starke Zunahme geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse bis zum Jahr 2004 als Nebentätigkeiten zurückzuführen (Hirschenauer und Wießner 2006: 2). Während die Entwicklung der Minijobs seit September 2004 wieder leicht rückläufig ist (Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See 2006), ist diese Entwicklung für die Mehrfachbeschäftigung nicht zu beobachten. Der Trend ist vor allem auf eine Zunahme der Mehrfachbeschäftigungsverhältnisse zurückzuführen, die additiv zu einer sozialversicherungspflichtigen Hauptbeschäftigung ausgeübt werden. Die Gründe, ein Mehrfachbeschäftigungsverhältnis einzugehen, sind allerdings vielfältig. Ergebnisse des Mikrozensus 2003 bezüglich der Anteile der abhängig beschäftigten Künstler, die einer zweiten Erwerbstätigkeit nachgehen, zeigen folgendes Bild: Am höchsten liegen die Anteile von Mehrfachbeschäftigten bei den Musikern mit über sechzehn Prozent. Die in der zweiten Erwerbstätigkeit dominierende Erwerbsform ist die Selbständigkeit. Bei den darstellenden Künstlern dagegen liegen die Anteile bei unter sechs Prozent. Zweitjobs werden in dieser Gruppe überwiegend in abhängiger Beschäftigung ausgeführt. Vergleichsweise gering sind die Anteile der Mehrfachbeschäftigten, die ihre erste Tätigkeit in Selbständigkeit ausüben (Mikrozensus 2003, eigene Berechnungen).141 Unregelmäßige oder kurzfristige Tätigkeiten werden nach dem Berichtswochenkonzept im Mikrozensus eher untererfasst, da nicht zwingend davon ausgegangen werden kann, dass die Berichtswoche ein repräsentatives Bild des gesamten Jahres in Bezug auf unregelmäßige Tätigkeiten widerspiegelt (Fuchs und Söhnlein 2003: 9f). Die Grundlage für die nachfolgende Analyse bildet die IAB-Beschäftigtenstichprobe.142 Dieser Datensatz eignet sich aufgrund der hohen Fallzahlen und der spezifischen Angaben zur Doppelbeschäftigung für die Bearbeitung der Fragestellung.143 Tabelle 36 illustriert die Anzahl der Beschäftigungsverhältnisse 140
141
142 143
Da für das Jahr 2004 erst zwischen 90 und 95 Prozent der Meldungen vorlagen, ist hier von einer Untererfassung der Mehrfachbeschäftigung für das Jahr 2004 auszugehen (Hirschenauer und Wießner 2006: 6). Die Antwortbereitschaft bezüglich der Frage: Wird eine zweite Erwerbstätigkeit ausgeübt? wird im Mikrozensus als relativ gering eingeschätzt, da die Befragung insgesamt amtlichen Pflichtcharakter hat (Schwarze 1992: 537). Vor allem wird eine zweite Erwerbstätigkeit nur erfasst, wenn diese in der Berichtswoche (8. bis 14. Mai 2003) ausgeführt wurde. Erwerbstätigkeiten, die außerhalb dieses Zeitraumes stattfanden, werden aufgrund der Systematik nicht erfasst. Die Frage zur zweiten Erwerbstätigkeit wird zudem in der 0,45 Prozent Unterstichprobe erhoben. Dies führt zu geringen Fallzahlen, so dass die Ergebnisse lediglich eine Orientierung für das Mehrfachbeschäftigungsverhalten der Künstler geben können. Details zum Datensatz sind in Abschnitt 3.2 nachzulesen. In den nachstehenden Analysen werden die Zweitjobs nicht nach Berufen differenziert. Bei einer Differenzierung ergeben sich mit den Daten der IAB-Beschäftigtenstichprobe zu geringe Fall-
226
Individuelle Strategien
von Musikern und darstellenden Künstlern im Vergleich zu anderen Gruppen von Erwerbstätigen im Zeitraum zwischen 1975-2001 anhand der Daten der IABS 1975-2001.144 Tabelle 36: Mehrfachbeschäftigte Musiker und darstellende Künstler 1975-2001 Anzahl der Beschäftigungsverhältnisse 1 Job 2 Jobs 3 Jobs 4 Jobs Gesamt
Musiker 73.39 22.14 3.77 0.70 100
Darstellende Künstler 72.94 23.36 2.89 0.81 100
Alle Erwerbstätigen 80.72 18.31 0.88 0.09 100
Quelle: IABS 1975-2001 (erweitert), eigene Berechnungen
Demnach haben etwa 73 Prozent der Musiker und der darstellenden Künstler in dieser Phase nicht in parallelen Jobs gearbeitet. Wie erwartet liegen die Anteile der Mehrfachbeschäftigten bei Künstlern höher als bei den anderen Erwerbstätigen. Bei den übrigen Erwerbstätigen haben in dem gesamten Zeitraum etwa 18 Prozent mindestens einmal in multiplen Beschäftigungsverhältnissen gearbeitet. Immerhin waren nahezu 23 Prozent der Musiker und darstellenden Künstler mindestens einmal in diesem Zeitraum mehrfach sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Es kann davon ausgegangen werden, dass die tatsächlichen Anteile an Mehrfachbeschäftigungsverhältnissen in Deutschland um ein Vielfaches höher liegen als in diesem Beitrag ermittelt werden konnte, da hier nur eine Kombinationsmöglichkeit im Bereich der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erfasst wird. Welche Gruppe der Künstler arbeitet in mehreren Tätigkeiten? Sind es die Geringqualifizierten oder bessern sich auch die Hochqualifizierten ihr Einkommen über einen Nebenerwerb auf? Tabelle 37 beantwortet diese Fragen:
144
zahlen. Folgt man dem Ansatz des work-preference-Modells, ist eine Differenzierung für das Verständnis des individuellen Risikomanagements von Künstlern von zentraler Bedeutung. Seit 1999 werden geringfügige Beschäftigungsverhältnisse in der IABS 1975-2001 gesondert ausgewiesen. In diesem Beitrag wird aufgrund der Fallzahlenproblematik für die Untersuchungsgruppen keine Differenzierung zwischen regulären sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen und Minijobs vorgenommen.
227
Individuelle Strategien
Tabelle 37: Bildung und Mehrfachbeschäftigungsverhältnisse bei Musikern und darstellenden Künstlern 1975-2001 (Anteile in Prozent) Gering MUSIKER Einfachbeschäftigte Mehrfachbeschäftigte Gesamt DARSTELLENDE KÜNSTLER Einfachbeschäftigte Mehrfachbeschäftigte Gesamt
Bildungsniveau Mittel Hoch
Gesamt
82.7 17.3 100
88.6 11.4 100
89.7 20.3 100
85.1 14.9 100
78.3 21.7 100
86.8 13.2 100
77.7 22.3 100.0
82.2 17.8 100.0
Quelle: IABS 1975-2001 (erweitert), eigene Berechnungen
Die Gruppe mit den geringsten Anteilen an Mehrfachbeschäftigungsverhältnissen sind die Künstler mittleren Bildungsniveaus. Am stärksten verbreitet ist Mehrfachbeschäftigung unter den Hochqualifizierten, bei den darstellenden Künstlern sind es etwa 22 Prozent in der oberen Bildungsgruppe, gefolgt von den Geringqualifizierten, die mit Anteilen von etwas unter 22 Prozent in Mehrfachbeschäftigung arbeiten. Die Gruppe der abhängig Beschäftigten mit mittlerem Bildungsniveau bildet das Schlusslicht der Multijobber. Sie üben nur mit Anteilen von etwa 13 Prozent mehrere abhängige, sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse aus. In welchem Ausmaß trägt nun Mehrfachbeschäftigung zur Lebensstandardsicherung bei? Übersteigt das Gesamteinkommen Mehrfachbeschäftigter das Einkommen von Einfachbeschäftigten? Die nachstehende Tabelle illustriert das jeweilige Gesamteinkommen (Tagesentgelt) der Künstler, differenziert nach der Anzahl der ausgeübten Tätigkeiten. Die Darstellung erfolgt anhand vom 0,25bis zum 0,75-Quantil, da diese nicht dem Einfluss der Rechtszensierung unterliegen.
228
Individuelle Strategien
Tabelle 38: Tagesentgelt in Euro nach der Anzahl der ausgeübten Tätigkeiten 1975-2001 Musiker Ein Job Zwei Jobs Drei Jobs Darstellende Künstler Ein Job Zwei Jobs Drei Jobs
0,25-Quantil
Median
0,75-Quantil
33.70 38.60 34.00
53.90 65.80 90.00
83.80 112.40 124.20
36.30 66.50 78.20
56.20 97.50 147.00
86.90 151.30 200.90
Quelle: IABS 1975-2001(erweitert) mit zensierter Lohnvariablen, eigene Berechnungen über alle Querschnitte gepoolt
Am Median ist deutlich ablesbar, dass das Einkommen mit jeder weiteren Tätigkeit ansteigt. Mehrfachbeschäftigte Künstler verfügen in der Summe über ein höheres Einkommen als Künstler, die sich in einem Einfachbeschäftigungsverhältnis befinden. Eine Ausnahme bildet lediglich die Gruppe der Musiker im Niedrigeinkommensbereich (0,25 Quantil). Hier zeigt sich, dass die Ausübung von drei Beschäftigungsverhältnissen nicht zwangsläufig zu einem höheren Einkommen führt. Dieser Befund - ebenso wie die große Diskrepanz zwischen den Tagesentgelten der Musiker im Gegensatz zu den darstellenden Künstlern deutet darauf hin, dass die Entlohnung auf den Musikerarbeitsmärkten vergleichsweise niedrig ausfällt, so dass das Ausüben von drei Beschäftigungsverhältnissen unter den Musikern nicht mehr Einkommen erbringt als eine Einfachbeschäftigung unter den darstellenden Künstlern. Aus diesem Grund erscheinen Mehrfachbeschäftigungen erforderlich. Wie stabil sind die Mehrfachbeschäftigungsverhältnisse? Ist die Beschäftigung im Zweiterwerb nur von kurzem Bestand oder erfolgt die Einkommenssicherung in dauerhaften Beschäftigungsverhältnissen? Welche Rolle spielt das Bildungsniveau für die Sicherung des Einkommens durch die Kombination mehrerer Tätigkeiten? Dauer von Beschäftigungsepisoden Die Stabilität von Beschäftigungsverhältnissen kann mit Überlebens- oder Survivorraten berechnet werden. Die Überlebensraten werden unabhängig von ihrem tatsächlichen Anfangsdatum betrachtet, sie können auch als zeitabhängige Verbleibswahrscheinlichkeit in einem Betrieb interpretiert werden. Aufgrund der
Individuelle Strategien
229
Rechtszensierung145 bietet sich das Kaplan-Meier-Verfahren für eine Analyse der Verweildauer an. Aufgenommen in die nachstehende deskriptive Verweildaueranalyse sind ausschließlich Mehrfachbeschäftigte. Dabei steht der Einfluss des Bildungsniveaus auf die Verweildauer in Beschäftigung, beziehungsweise das Risiko des Austritts aus Beschäftigung in erster und in zweiter Erwerbstätigkeit im Zentrum der Untersuchung. Abbildung 36: Kaplan-Meier-Kurven: Beruf und Bildungsniveau von Musikern
Quelle: IABS 1975-2001 (erweitert), eigene Berechnungen
145
Der letzte Datenzeitpunkt ist der 31.12.2001 (vgl. auch methodische Hinweise in Kapitel 3.3)
230
Individuelle Strategien
Abbildung 37: Kaplan-Meier-Kurven: Beruf und Bildungsniveau von darstellenden Künstlern
Quelle: IABS 1975-2001 (erweitert), eigene Berechnungen
Bei Betrachtung der Verweildauer sowohl in der ersten als auch in der zweiten Erwerbstätigkeit werden erhebliche Differenzen zwischen den beiden Berufsgruppen, insbesondere in Bezug auf das Bildungsniveau, sichtbar. Die Verweildauer in einer Beschäftigung in der Berufsgruppe der darstellenden Künstler fällt im Vergleich zu der Berufsgruppe der Musiker viel kürzer aus. Dies kann sowohl für die erste als auch für die zweite Erwerbstätigkeit beobachtet werden. Das Bildungsniveau übt nur einen marginalen Effekt auf die Beschäftigungsdauer in der Gruppe der darstellenden Künstler aus. In der Berufsgruppe der Musiker stellt das Bildungsniveau in der ersten Erwerbstätigkeit einen zentralen Einfluss auf das Risiko dar, aus einem Beschäftigungsverhältnis auszuscheiden. Hochqualifizierte Musiker haben eine sehr viel höhere Verbleibswahrscheinlichkeit in Beschäftigung als ihre geringer qualifizierten Kollegen. Ausgehend vom Bildungsniveau sind aber auch in der zweiten Erwerbstätigkeit bei Musikern Effekte auf die Verweildauer in Beschäf-
231
Individuelle Strategien
Erwerbstätigkeit bei Musikern Effekte auf die Verweildauer in Beschäftigung zu beobachten. Auch hier steigt diese mit zunehmendem Bildungsniveau. Die Erwerbsverläufe in den ersten und zweiten Erwerbstätigkeiten zeigen deutliche Unterschiede auf. Während für 25 Prozent der Hochqualifizierten in der Gruppe der Musiker die Wahrscheinlichkeit hoch ist, nach 10 Jahren noch im gleichen Beschäftigungsverhältnis erwerbstätig zu sein, liegt diese Wahrscheinlichkeit in der Gruppe der darstellenden Künstler unabhängig vom Bildungsniveau bei nahezu 10 Prozent. Die Bedeutung des Bildungsniveaus für die Verweildauer in Beschäftigung in der Berufsgruppe der Musiker ist deutlich differenzierter als bei den darstellenden Künstlern. Dies gilt sowohl für die erste als auch für die zweite Erwerbstätigkeit. Die nachstehenden Tabellen illustrieren die Verweildauern zu unterschiedlichen Zeitpunkten in einem Zeitrahmen von 100 Tagen. Tabelle 39: Verweildauer in Tagen im Erst- und Zweitjob bei darstellenden Künstlern Erste Erwerbstätigkeit Dauer 10 Tage 20 Tage 30 Tage 40 Tage 50 Tage 60 Tage 70 Tage 80 Tage 90 Tage 100 Tage
Geringe Bildung 0.93 0.88 0.79 0.74 0.71 0.65 0.61 0.58 0.53 0.52
Mittlere Bildung 0.92 0.88 0.80 0.78 0.75 0.70 0.65 0.63 0.61 0.58
Zweite Erwerbstätigkeit Hohe Bildung 0.86 0.80 0.72 0.69 0.65 0.60 0.58 0.57 0.55 0.52
Geringe Bildung 0.91 0.81 0.69 0.67 0.64 0.60 0.57 0.57 0.49 0.45
Mittlere Bildung 0.74 0.65 0.48 0.45 0.43 0.38 0.35 0.33 0.28 0.26
Hohe Bildung 0.82 0.73 0.60 0.57 0.57 0.51 0.49 0.46 0.44 0.38
Quelle: IABS 1975-2001 (erweitert), eigene Berechnungen
Deutlich wird hier, dass die Beschäftigungsdauer bei 50 Prozent der darstellenden Künstler in der zweiten Tätigkeit etwa nur einen Monat beträgt. Lediglich bei den Hochqualifizierten ist die Verweildauer etwas länger, und so befinden sich nach 30 Tagen in dieser Gruppe noch über 60 Prozent der Mehrfachbeschäftigten in ihrem zweiten Beschäftigungsverhältnis.
232
Individuelle Strategien
Tabelle 40: Verweildauer in Tagen im Erst- und Zweitjob bei Musikern Erste Erwerbstätigkeit Dauer 10 Tage 20 Tage 30 Tage 40 Tage 50 Tage 60 Tage 70 Tage 80 Tage 90 Tage 100 Tage
Geringe Bildung 0.98 0.90 0.79 0.76 0.74 0.70 0.70 0.69 0.68 0.65
Mittlere Bildung 0.96 0.87 0.79 0.79 0.76 0.74 0.71 0.69 0.67 0.65
Zweite Erwerbstätigkeit Hohe Bildung 0.98 0.96 0.93 0.92 0.91 0.90 0.89 0.88 0.88 0.86
Geringe Bildung 0.95 0.87 0.82 0.77 0.68 0.68 0.66 0.66 0.66 0.61
Mittlere Bildung 0.95 0.94 0.89 0.87 0.87 0.83 0.82 0.81 0.80 0.77
Hohe Bildung 0.97 0.95 0.89 0.88 0.87 0.83 0.83 0.83 0.80 0.78
Quelle: IABS 1975-2001 (erweitert), eigene Berechnungen
Vorstehende Tabelle 41 zeigt diese Zusammenhänge für die Berufsgruppe der Musiker auf. Ein detaillierter Blick auf die Beschäftigungsdauer bei Musikern im Ersterwerb deutet in eine andere Richtung als bei den darstellenden Künstlern: In dieser Berufsgruppe liegt das Risiko des Ausscheidens aus Beschäftigung innerhalb des ersten Monats unter 20 Prozent, bei den Hochqualifizierten liegen die Anteile mit nur sieben Prozent noch darunter. Auch im zweiten Beschäftigungsverhältnis sind die Musiker über alle Bildungsstufen länger tätig als die darstellenden Künstler. In einem weiteren Schritt wird nun die Frage verfolgt, ob sich Bildungsinvestitionen bei Künstlern auch im Einkommensniveau widerspiegeln. Hierzu wird in einer multiplen Regressionsanalyse der Einfluss von Bildung auf das Tagesentgelt unter Kontrolle anderer Variablen geschätzt. Die Kernfrage lautet dabei: Hat das Bildungsniveau einen Einfluss auf das Einkommen von mehrfach beschäftigten Künstlern? Multiple jobholding, Qualifikation und Einkommen Differenziert man das Einkommen nach unterschiedlichen Einkommensquellen sowie nach unterschiedlichen Bildungsstufen in den Berufsgruppen der darstellenden Künstler und der Musiker, so ergeben sich folgende Verteilungen146: 146
Bildungsstufe 1: Unteres Bildungsniveau, Bildungsstufe 2: Mittleres Bildungsniveau, Bildungsstufe 3: Oberes Bildungsniveau. Die abhängige Variable ist das Tagesentgelt. Dieses ist differenziert nach 1. Erwerbstätigkeit (1. ET), 2. Erwerbstätigkeit (2. ET) und dem Gesamteinkommen.
Individuelle Strategien
233
Abbildung 38: Einkommen und Bildungsniveau in Mehrfachbeschäftigungsverhältnissen bei Musikern und darstellenden Künstlern
* Um die grafische Aussagekraft der Boxplots zu erhalten, wurden die Teileinkommen bei 400 Euro und das Gesamteinkommen bei 800 Euro zensiert. Diese Zensierung betraf nur wenige Ausreißer Quelle: IABS 1975-2001 (erweitert), eigene Berechnungen
Es sind deutliche Unterschiede in der Höhe des Einkommens in Bezug auf das Bildungsniveau in den beiden Berufsgruppen zu beobachten. Das Einkommensniveau steigt insbesondere in der ersten Erwerbstätigkeit mit zunehmendem Bildungsgrad an. Die Streuung des Tagesentgeltes in der Berufsgruppe der darstellenden Künstler im Ersterwerb fällt innerhalb der einzelnen Bildungsgruppen im Vergleich zum Zweiteinkommen stärker aus, während zwischen den Bildungssegmenten im Ersterwerb ein starker Anstieg des Medianeinkommens zu beobachten ist. Für die zweite Erwerbstätigkeit bei den darstellenden Künstlern streuen die Werte innerhalb der Box kaum. Auch der Median liegt relativ konstant bei 50 Euro Tagesentgelt.
234
Individuelle Strategien
Für die Berufsgruppe der Musiker zeigt sich auch hier ein anderes Bild: Zwar steigt hier der Median vom unteren zum oberen Bildungsniveau in der ersten Erwerbstätigkeit sowie über das Gesamteinkommen. Jedoch fällt das Einkommensniveau für die untere Bildungsgruppe deutlich geringer aus als bei den darstellenden Künstlern. Mit zunehmendem Bildungsniveau steigt auch bei den Musikern das Gesamteinkommen an. Das nachstehende Regressionsmodell soll weitere Erkenntnisse über die Zusammenhänge zwischen Bildungsniveau und Einkommen aus multiplen Tätigkeiten liefern. Das Modell Die Regressionsanalyse erfolgt im Querschnitt. Es wurden 26 Querschnittsdatensätze der Jahre 1975-2001 gebildet und gepoolt, um eine hinreichende Fallzahl zu generieren. Als Humankapitalvariablen werden Ausbildung, Berufserfahrung sowie Alter in das Modell integriert. Die Bildungsvariable wird auf drei Bildungsniveaus aggregiert: Geringes Bildungsniveau, mittleres Bildungsniveau, hohes Bildungsniveau. Diese wurden als Dummy-Variablen in das Modell aufgenommen. Die Berufserfahrung wird approximiert, sie wird berechnet als Lebensalter abzüglich Bildungszeiten (Schulvariable) und abzüglich Schuleintrittsalter.147 Das Alter wird zusätzlich als quadrierte Variable in das Modell integriert. Ferner wird nach Vollzeit/Teilzeit kontrolliert sowie das Geschlecht als Dummy-Variable aufgenommen. Zusätzlich wird das Einkommen aus der jeweilig anderen Tätigkeit in das Modell eingefügt. Für die Berufsgruppen der Musiker sowie der darstellenden Künstler wurden drei multivariate Regressionen für das jeweilige Einkommen aus erster und zweiter Tätigkeit berechnet, wobei zusätzlich eine Schätzung der Bildung auf das Gesamteinkommen erfolgt. Das jeweils erste Modell beinhaltet den Haupteffekt des Bildungsniveaus auf das Einkommen. Im zweiten Modell werden die Humankapitalvariablen hinzugefügt; das dritte Modell kontrolliert um das gesplittete Einkommen und das Geschlecht sowie die Dummy-Variable Vollzeit/Teilzeit in erster und zweiter Tätigkeit.
147
In Anlehnung an Bellmann (1994: 355) werden spezifische Bildungszeiten für die verschiedenen Bildungsstufen angenommen. Erwerbsunterbrechungen werden in diesem Modell nicht berücksichtigt.
235
Individuelle Strategien
Tabelle 41: Effekte der Bildung auf Tagesentgelt bei Musikern Erste Erwerbstätigkeit (1) (2) (3) 1 1 1
Zweite Erwerbstätigkeit (1) (2) (3) 1 1 1
Gesamteinkommen (1) (2) (3) 1 1 1
2.411
1.304
2.439
2.729
(1.00) 1.559
(2.66)** (2.12)* (0.03) 3.014 2.763 1.271
(4.33)** (3.51)** (1.18) 4.340 2.827 1.476
(4.82)** (2.70)** (1.44)
(3.29)** (2.55)* (0.70)
(6.33)** (3.79)** (1.72)+
Alter
1.017 (0.40)
1.048 (1.09)
1.095 (2.49)*
1.053 (1.74)+
1.094 (3.74)**
Quadriertes Alter
1.002 1.001 (3.08)** (1.90)+
0.999 (1.62)
0.999 (1.26)
1.000 (0.63)
1.000 (0.27)
Berufserfahrung Weiblich Männlich
0.862 0.898 (3.42)** (3.20)** 1 1.213 (1.51) 1
1.031 (0.70)
0.959 (1.11) 1 1.002 (0.02) 1 5.149 (13.19)* *
0.943 (1.97)*
0.917 (3.49)** 1 1.199 (1.94)+ 1 2.346 (10.44)* * 2.078 (8.89)**
428 0.14
428 0.44
Geringes Bildungsniveau Mittleres Bildungsniveau Hohes Bildungsniveau
2.400
(2.60)** (2.54)* 5.120 2.947
Teilzeit Vollzeit (2. ET) Vollzeit (1. ET) Einkommen (1. ET). Einkommen. (2. ET) N R-squared
1.051 (1.51)
2.069
1.008
2.289
6.234 (16.20)**
1.261
1.044 (1.02) 1.012
428 0.09
428 0.12
(0.33) 428 0.50
428 0.03
428 0.04
428 0.33
428 0.11
Quelle: IABS 1975-2001 (erweitert); (T-Werte in Klammern), + signifikant auf 10%-Niveau, * signifikant auf 5%-Niveau; ** signifikant auf 1%-Niveau. Tagesentgelt wurde logarithmiert.
Die jeweils ersten beiden Modelle für alle drei Einkommensgruppen in der Berufsgruppe der Musiker weisen stark positive, signifikante Zusammenhänge
236
Individuelle Strategien
zwischen dem mittleren sowie dem oberen Bildungssegment auf das Einkommen auf. Dieser Zusammenhang ist allerdings für das mittlere Einkommensniveau nicht robust, während er für das obere Bildungssegment für das Gesamteinkommen nach Hinzuziehen aller Kontrollvariablen auf dem 90 Prozent Signifikanzniveau erhalten bleibt. Für die zweite Erwerbstätigkeit bleiben die Zusammenhänge nach Hinzuziehen der Kontrollvariablen für beide Bildungsgruppen nicht signifikant. Zusammenfassend kann für die Musiker in multiplen Beschäftigungsverhältnissen festgehalten werden, dass sich Bildungsinvestitionen, insbesondere für den oberen Bereich des Bildungssegments, positiv auf das Gesamteinkommen auswirken. Durch das Hinzuziehen weiterer Kontrollvariablen schwächt sich dieser Zusammenhang ab, die Irrtumswahrscheinlichkeit liegt bei 10 Prozent. Analog zu Tabelle 8 zeigt die nachstehende Tabelle die Zusammenhänge zwischen dem Bildungsniveau von darstellenden Künstlern und dem nach unterschiedlichen Tätigkeiten differenzierten Tagesentgelt auf.
237
Individuelle Strategien
Tabelle 42: Effekte der Bildung auf Tagesentgelt bei darstellenden Künstlern Erste Erwerbstätigkeit
Geringes Bildungsniveau Mittleres Bildungsniveau Hohes Bildungsniveau
(1) 1
(2) 1
(3) 1
Zweite Erwerbstätigkeit (1) (2) (3) 1 1 1
2.035
1.749
1.658
1.417 1.097 0.627
1.809
(2.44)* 4.089
(1.87)+ 3.857
(1.79)+ 3.396
(1.04) (0.27) (1.35) 1.003 0.929 0.541
(3.39)** (2.51)* 2.469 2.362
(4.62)** (3.27)** (3.14)** (0.01) (0.16) (1.31)
Gesamteinkommen (1) 1
(2) 1
(3) 1
1.551
1.208 (1.08) 1.790
(4.93)** (3.56)** (2.48)*
Alter
1.025 (0.43)
1.000 (0.00)
1.032 1.061 (0.49) (0.95)
1.009 (0.27)
1.011 (0.35)
Quadriertes Alter
0.999 (1.06)
0.999 (1.43)
0.999 0.999 (1.49) (1.07)
0.999 (1.33)
1.000 (1.25)
Berufserfahrung
1.044 (0.76)
1.078 (1.39)
1.081 1.022 (1.22) (0.34)
1.048 (1.41)
1.037 (1.14)
Weiblich Männlich
1 0.822 (1.26)
1 1.019 (0.11)
1 0.949 (0.57)
Teilzeit Vollzeit (2. ET) Vollzeit (1. ET)
1
1 2.737 (4.88)**
1 1.501 (3.85)** 1.439 (3.79)**
2.498 (5.58)**
Einkommen (1. ET). Einkommen. (2. ET) N R-squared
0.992 (0.11) 1.030 (0.53) 223 0.11
223 0.14
223 0.25
223 0.02
223 0.07
223 0.17
223 0.11
223 0.18
223 0.28
T-Werte in Klammern, + signifikant auf 10%-Niveau, * signifikant auf 5%-Niveau; ** signifikant auf 1%-Niveau.); Tagesentgelt wurde logarithmiert. Quelle: IABS 1975-2001 erweitert
238
Individuelle Strategien
Ein hohes Bildungsniveau bei den darstellenden Künstlern hat einen stark positiven Effekt auf das Einkommen aus erster Erwerbstätigkeit und auf das insgesamt erzielte Tagesentgelt, das Signifikanzniveau liegt hier bei 99 Prozent. Das mittlere Bildungsniveau zeigt nach Hinzuziehen der Humankapitalvariablen einen Rückgang des Signifikanzniveaus, jedoch besteht bei Modell 3 für die erste Erwerbstätigkeit eine Irrtumswahrscheinlichkeit von 10 Prozent. Das Signifikanzniveau für das obere Bildungssegment in der ersten Erwerbstätigkeit liegt auch nach Kontrolle durch eine Vielzahl von Kovariaten bei 99 Prozent. Allerdings zeigen sich keinerlei Zusammenhänge zwischen dem Bildungsniveau und der Höhe des Erwerbseinkommens aus der zweiten Tätigkeit in der Berufsgruppe der darstellenden Künstler. Für die Berufsgruppe der Musiker kann gefolgert werden, dass ein hohes Bildungsniveau deutlich positive Effekte auf die Höhe des Gesamteinkommens zeigt. 7.4 Fazit: Individuelle Strategien In Berufen, in denen das Normalarbeitsverhältnis nur eine untergeordnete Rolle spielt, und die zudem ein hohes Ausmaß an Flexibilität erfordern, können Netzwerke zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit von Künstlern einen erheblichen Beitrag leisten. Die Reputation, die Künstler aus ihrer Tätigkeit in diesen Netzwerken erzielen, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sich aus diesen auch zukünftige Kooperationen ergeben und sie somit zum Kern des Kooperationsnetzwerkes gehören (Windeler et al. 2001: 13). Insofern beinhalten diese Strategien eine langfristige Wirkung. Um den Nutzen aus diesen Strukturen zu optimieren, sollten die Künstler allerdings über unternehmerische Fähigkeiten verfügen. In den Interviews wurde deutlich, dass die Netzwerkpflege ein wesentlicher Bestandteil für den Erhalt der eigenen Beschäftigungsfähigkeit darstellt. Gleichzeitig erschwert der hohe Individualisierungsgrad vieler Künstler die Fähigkeit, sich in Netzwerken zu organisieren. Hier verbirgt sich möglicherweise ein Dilemma, das für berufliches Scheitern auf diesen Arbeitsmärkten verantwortlich sein könnte. In vielen Künstlerhaushalten wird die Einkommenssicherung über einen Haupteinkommensbezieher erzielt, somit nimmt der Haushaltskontext eine zentrale Rolle im Risikomanagement der Künstler ein. Ein partnerschaftliches Arrangement, in dem einer der Partner den überwiegenden Teil des Einkommens generiert, während der andere einer künstlerischen Erwerbstätigkeit nachgeht, dort aber nur ein marginales Einkommen erzielt, kann auch eine Form der Risikodiversifikation sein. Sowohl zeitliche Engpässe als auch Phasen der Unterbe-
Individuelle Strategien
239
schäftigung, die häufig mit finanziellen Einbußen verbunden sind, werden durch spezifische partnerschaftliche Arrangements abgefedert. Ein großer Teil der Künstler diversifiziert die Risiken über die Ausübung einer zweiten Tätigkeit. Sie verhalten sich dabei wie Kleinunternehmer, wobei die Arbeitsmärkte aus einem Netzwerk von kleinen Unternehmen und ad-hocFirmen bestehen, mit denen sie zu unterschiedlichen Zeitpunkten, aber auch zeitgleich Projekte durchführen. Je vielfältiger dabei ihr Portfolio ausfällt, desto einfacher ist es für die Künstler, ein Projekt durchzuführen (Menger 2006a: 774). Die empirische Analyse in Kapitel 7 verdeutlichte, dass Humankapitalinvesitionen nur einen Teil des Arbeitsmarkterfolges bei Künstlern erklären können. Persönliche Eigenschaften, die Reputation und Talent sind weitere zentrale Faktoren für ein hohes und gesichertes Einkommen. Allerdings deuten die Ergebnisse der Analyse darauf hin, dass Bildungsinvestitionen in Verbindung mit Mehrfachbeschäftigung zur Minimierung des Risikos auf Arbeitsmärkten beitragen können. Dabei können Bildungsinvestitionen sowohl positive Effekte auf die Beschäftigungssicherheit, also die Verweildauer in Beschäftigung, als auch auf die Höhe des Einkommens in multiplen Tätigkeiten ausüben. Die darstellenden Künstler diversifizieren ihr Berufsrisiko über die Ausübung einer zweiten Tätigkeit. Sie können damit als Ausgleicher bezeichnet werden. Die zweite Erwerbstätigkeit bei den Musikern hingegen beinhalt eine additive Funktion, sie können folglich als Aufstocker gekennzeichnet werden. Bildung besitzt auf den Künstlerarbeitsmärkten in Deutschland für den Bereich der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung148 eine präventive Funktion und somit eine direkte Funktion sowohl für die Einkommens- als auch für die Beschäftigungsversicherung. Dies kann sowohl für den Musikerarbeitsmarkt als auch für den Arbeitsmarkt der darstellenden Künstler bestätigt werden. Während der Musikerarbeitsmarkt durch stetige Beschäftigungsverhältnisse gekennzeichnet ist, zeichnet sich der hochflexible Arbeitsmarkt der darstellenden Künstler durch schwankende und unsichere Beschäftigungsverhältnisse aus.149
148 149
Für die Beantwortung dieser Frage für die Selbständigen gibt es weiteren Forschungsbedarf. Einschränkend muss allerdings ergänzt werden, dass es sich bei der vorliegenden Untersuchung um eine Querschnittsanalyse handelt, die zeitinvariante Variablen nicht ausschalten kann und somit unbeobachtete Heterogenität zwischen den Künstlern nicht berücksichtigt. Hier könnte eine weitere Untersuchung im Längsschnitt Forschungslücken füllen.
8 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
Künstlerarbeitsmärkte zeichnen sich durch eine große Variation bezüglich ihrer Arbeitsmarktbedingungen, Karrieren und Akteure aus. Die soziale Lage der Künstler sowie die Instrumente für ihre soziale Sicherung sind vielfältig. Während beispielsweise die überwiegende Mehrheit der Orchestermusiker noch im klassischen Normalarbeitsverhältnis mit hohen Standards sozialer Sicherung arbeitet, bewegen sich Musiker anderer Genres in Selbständigkeit von Engagement zu Engagement ohne Gewissheit über ihre zukünftige Auftragslage. Bei vielen darstellenden Künstlern wechseln sich Phasen von Erwerbs- und Nichterwerbszeiten ab. Das Gros der bildenden Künstler arbeitet in Selbständigkeit, meist am Rande des Existenzminimums. Diese Unterschiedlichkeit zwischen und innerhalb der Berufsgruppen erforderte eine differenzierte berufsgruppenspezifische Analyse, die die Arbeitsmärkte in ihren jeweiligen Besonderheiten und Erwerbsstrukturen berücksichtigt. Im Fokus der Analyse stand die Rolle der Akteure auf der institutionellen, der kollektiven und der individuellen Ebene für die wirtschaftliche und soziale Sicherung der Künstler. Diese auf mehreren Ebenen gelagerte Aufgabe wurde im Rahmen eines Methoden-Mix mit quantitativen statistischen Verfahren und qualitativen Methoden bearbeitet. Auf die Schwierigkeiten, diese Arbeitsmärkte mit den Daten der amtlichen Statistik zu bearbeiten, wurde in der vorliegenden Arbeit hingewiesen. Die selbständigen Künstler aller künstlerischer Berufsgruppen (Musiker, darstellende Künstler, bildende Künstler) sind von erheblichen wirtschaftlichen und sozialen Risiken betroffen, während sich bei den abhängig beschäftigten Künstlern ein differenzierteres Bild zeigt. Dabei konnte bei allen drei Berufsgruppen ein Mix an Risikomanagementstrategien festgestellt werden, wobei die individuellen Maßnahmen zur Prävention und Bewältigung dieser Risiken dominieren. Beziehungsnetzwerke sind zwar wichtig auf den Künstlerarbeitsmärkten, sie werden jedoch von der überwiegenden Zahl der Künstler nicht in Anspruch genommen, da Individualität stark ausgeprägt ist. Der Schwerpunkt der Arbeit der Gewerkschaften liegt für alle Berufsgruppen auf der Verbesserung der institutionellen Rahmenbedingungen für die Künstler, insbesondere im Segment der traditionellen Formen der kollektiven Interessenvertretung. Die Verbände legen den Fokus ihrer Arbeit eher in den Be-
242
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
reich der Bewältigung von Risiken, indem sie professionelle Dienstleistungen für ihre Klientel anbieten. Auch die Gewerkschaften richten ihre Aktivitäten verstärkt auf diese Felder, so dass die Aufgabengebiete der einzelnen Akteure auf der kollektiven Ebene nicht klar voneinander abgegrenzt werden können. Der Musikerarbeitsmarkt ist der heterogenste unter den Künstlerarbeitsmärkten. Die Vielfalt der Musikrichtungen führt zu einem unterschiedlichen Muster von Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsbedingungen sowie Erwerbsformen. Die Musikerarbeitsmärkte weisen einen kontinuierlichen Anstieg von selbständigen Musikern auf, während die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse in den letzten Jahren kontinuierlich zurückging. Die selbständigen Musiker sind in einem großen Ausmaß von Einkommensrisiken betroffen und dürften, wenn keine weiteren Alterseinkünfte hinzukommen, vergleichsweise häufig von Altersarmut betroffen sein. Auf der institutionellen Ebene haben insbesondere die Künstlersozialkasse für die selbständigen Musiker und das Urheberrecht für die schöpferisch arbeitenden Musiker eine große Bedeutung. Für den Großteil der Musiker spielen die Urheberrechtsvergütungen allerdings nur eine marginale Rolle. Die Heterogenität des Musikerarbeitsmarktes führt auf der kollektiven Ebene zu einer zersplitterten Verbandslandschaft. Die Berufsverbände richten ihren Fokus stark auf professionelle Beratungsdienstleistungen für ihre Klientel aus. Die Gewerkschaften bieten ihre Leistungen zielgruppenorientiert an. Die Interessen der Orchestermusiker werden beispielsweise durch die DOV vertreten, während ver.di für die Lehrkräfte an Musikschulen zuständig ist. Die Gewerkschaften sind bemüht, die verschiedenen Künstlergruppen unter ihrem Dach zu vereinen. Jedoch erfordern diese Gruppen eine differenzierte Gewerkschaftsarbeit, die nicht ausschließlich auf den für abhängig Beschäftigte ausgerichteten Sozialschutz ausgerichtet sein sollte. Auf der individuellen Ebene sind ein hohes Bildungsniveau und die Arbeit in mehreren Tätigkeitsgebieten wichtige Maßnahmen, um kontinuierlich ein ausreichendes Einkommen zu generieren. Auf den Musikerarbeitsmärkten ist das Qualifikationsniveau im Vergleich zu den anderen Künstlergruppen am höchsten. Das hohe Bildungsniveau beinhaltet für diese Berufsgruppen sowohl die Funktion einer Beschäftigungsversicherung als auch die Versicherung gegen Langzeitarbeitslosigkeit. So sind die Beschäftigungsverhältnisse von Musikern mit Hochschulabschluss von längerer Dauer als die von Musikern mit einem geringeren Ausbildungsniveau. Umgekehrt sind Musiker mit einem hohen Bildungsniveau in einem geringen Ausmaß von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen als dies bei geringer qualifizierten Kollegen der Fall ist. Somit können Bildungsinvestitionen in der Berufsgruppe der Musiker zumindest partiell Talentdefizite
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
243
ausgleichen. Viele Musiker ergänzen ihr Einkommen durch die Ausübung einer zweiten Tätigkeit. Dabei gilt auch für den Bereich der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, dass ein höheres Bildungsniveau zu einer längeren Beschäftigungsdauer in der zweiten Erwerbstätigkeit führt und somit auch das Zweiteinkommen für einen längeren Zeitraum gesichert ist. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung geht auf den Arbeitsmärkten der darstellenden Künstler seit einigen Jahren zurück. Analog zu den Berufsgruppen der Musiker ist auch hier ein kontinuierlicher Anstieg in der Selbständigkeit zu beobachten. Auch bei den darstellenden Künstlern sind insbesondere die Selbständigen mit wirtschaftlichen und sozialen Risiken konfrontiert. Auf der institutionellen Ebene hat insbesondere die Künstlersozialkasse für die selbständigen darstellenden Künstler eine zentrale Sicherungsfunktion übernommen. Das Arbeitslosenversicherungssystem als weiteres institutionelles Kernelement ist nicht auf die Eigenheiten der Arbeitsmärkte der darstellenden Künstler abgestimmt, da diese eine strukturelle Besonderheit aufweisen. Die Beschäftigungsverhältnisse für darstellende Künstler besitzen projektspezifischen Charakter und sind oft nur von kurzer Dauer. Endet ein Projekt, so enden auch die Beschäftigungsverhältnisse für das künstlerische Personal. An die Erwerbsphasen schließen sich demnach häufig Phasen von Nichterwerbszeiten an, die in der Vergangenheit oft über Transferleistungen des Arbeitslosenversicherungssystems überbrückt wurden. Durch die Verkürzung der Rahmenfristen können viele Künstler die Bedingungen für Ansprüche auf ALG I nicht mehr erfüllen und werden folglich zu ALG II Empfängern. Die darstellenden Künstler in abhängiger Beschäftigung unterliegen zwar dem Schutz durch tarifrechtliche Regelungen und sind durch ihre sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in die sozialen Sicherungssysteme integriert. Durch die Knappheit der Haushaltsmittel kam es in der Vergangenheit allerdings zu massiven Einsparungen insbesondere im Kulturbereich, so dass viele abhängige Beschäftigungsverhältnisse abgebaut wurden. Unterstützt durch die spezifische Tarifvertragsstruktur externalisieren viele öffentliche Theater, aber auch andere Kulturorganisationen und Unternehmen ihr künstlerisches Personal. Die Künstler bieten ihre künstlerischen Leistungen folglich als Selbständige an. Durch diese Maßnahmen können erhebliche Sozialversicherungsbeiträge eingespart werden. Die Sozialversicherungsbeiträge der Unternehmen bei abhängig beschäftigten Künstlern betragen etwa 20 Prozent, während die Verwerterabgabe auf ausgezahlte Honorare mit lediglich 4,9 Prozent (Stand Januar 2008) veranschlagt wird.
244
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
Ein wichtiger Arbeitgeber für die darstellenden Künstler sind die Theater. Die deutsche Theaterlandschaft ist durch zwei Säulen geprägt: Theater in öffentlicher und Theater in freier Trägerschaft. Theater in öffentlicher Trägerschaft werden durch öffentliche Gelder finanziert, während die Finanzierung der Theater in freier Trägerschaft nur zu einem Bruchteil durch öffentliche Mittel gewährleistet wird. Die wirtschaftliche und soziale Lage der freien Theaterschaffenden ist besonders prekär, weil die institutionellen Arrangements nicht auf die Besonderheiten in diesen Berufsgruppen abzielen. Da sie als Selbständige arbeiten oder sich im Graubereich zwischen abhängiger Beschäftigung und Selbständigkeit bewegen, haben sie bei Auftragsmangel nicht den Anspruch auf Lohnersatzleistungen durch das ALG I. Immerhin besteht für diese Erwerbsgruppen die Versicherungspflicht nach dem KSVG. Im Unterschied zu der Berufsgruppe der Musiker beinhalten Bildungsinvestitionen bei den darstellenden Künstlern nicht die Funktion der Beschäftigungsversicherung. In den Analysen konnten keine signifikanten Zusammenhänge zwischen Bildung und einer Erhöhung der Beschäftigungsdauer bzw. der Vermeidung von Arbeitslosigkeit festgestellt werden. Auf den Arbeitsmärkten der darstellenden Künstler spielen folglich nicht messbare Faktoren, beispielsweise Talent oder Trends eine bedeutendere Rolle für die Beschäftigungssicherung. Allerdings ist die Ausbildung an einer Schauspielschule meistens eine unabdingbare Voraussetzung für das Engagement an einer Bühne. Da es für die überwiegende Zahl der darstellenden Künstler keine firmeninternen Karrieren gibt, sind andere Maßstäbe für ihre Erfolgsbewertung notwendig. Diese orientieren sich in der Regel an den Erfolgen der bislang bearbeiteten Projekte. In diesem Fall greift der Faktor der Reputation besonders stark, sie wird durch den Konkurrenzdruck ständig neu bewertet. Nahezu alle bildenden Künstler arbeiten in Selbständigkeit, da es für diese Berufsgruppe kaum abhängige Beschäftigungsverhältnisse gibt. Auch dieser Arbeitsmarkt ist in der Vergangenheit durch ein starkes Wachstum gekennzeichnet. Die zunehmende Akademisierung im Vergleich zu den anderen Künstlergruppen zeigte sich im Zeitverlauf besonders ausgeprägt, obwohl der Arbeitsmarkt der bildenden Künstler keine qualifikatorischen Berufseintrittsbarrieren vorsieht. Die wirtschaftliche und soziale Not ist bei den bildenden Künstlern im Vergleich zu den Musikern und darstellenden Künstlern besonders groß. Diese Berufsgruppe bildet den unteren Rand in der Einkommensskala der Versicherten in der Künstlersozialkasse. Während bei den Musikern und den darstellenden Künstlern das künstlerische Produkt, in der Regel der Künstler selbst bzw. seine künstlerische Darbietung ist, erzeugen bildende Künstler Produkte, über die sie erst durch den Verkauf Einkünfte erzielen. Ausstellungshonorare werden in der
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
245
Regel nicht bezahlt. Die institutionelle Absicherung erfolgt über die Pflichtversicherung in der Künstlersozialkasse. Die bildenden Künstler sind anteilig die größte Gruppe in diesem Versichertenkreis. Im Hinblick auf das Niveau der sozialen Absicherung von selbständigen Künstlern in der Künstlersozialkasse kann von unterschiedlichen Ergebnissen gesprochen werden. Künstler betrachten vor allem den Zugang in eine günstige Krankenversicherung als Vorteil des Künstlersozialversicherungsgesetzes. Problematisch an dieser sozialpolitischen Errungenschaft sind die geringen Rentenanwartschaften, die die selbständigen Künstler aufgrund der für Künstlerarbeitsmärkte typischen unsteten Erwerbskarrieren erwerben. Im bestehenden System der Alterssicherung werden schwankende Einkommensverläufe in der Erwerbsphase nicht ausgeglichen. Somit ist die Künstlersozialkasse ein Beispiel dafür, dass die Einführung einer Pflichtversicherung nicht hinreichend ist, um eine adäquate Altersabsicherung zu gewährleisten. Den Künstlern wäre hierbei anzuraten, einen Mix aus staatlicher, betrieblicher und privater Altersvorsorge zu realisieren. Problematisch ist hierbei allerdings, dass die Künstler aufgrund der geringen Einkünfte bzw. der Einkommensschwankungen häufig keine ausreichende private Altersvorsorge vornehmen können. Die betriebliche Absicherung ist ohnehin nur für den Bereich der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung relevant. Die Strategien und Lösungen für die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage und sozialen Sicherung von Künstlern können Hinweise für Erwerbstätige liefern, die sich in Beschäftigungsverhältnissen fernab vom klassischen Normalarbeitsverhältnis befinden. So ist beispielsweise eine zunehmende Anzahl von Soloselbständigen nur unzureichend in die sozialen Sicherungssysteme integriert. Das bestehende Alterssicherungssystem folgt dem Äquivalenzprinzip und setzt im Grundsatz durchgehende Erwerbs- und Versicherungsverläufe voraus, damit eine hinreichende Absicherung im Alter erreicht werden kann. Die Bedingungen auf den Arbeitsmärkten mit volatiler Auftragslage und den damit verbundenen schwankenden Einkommen der Selbständigen führen zu Unregelmäßigkeiten in den Beitragszahlungen, so dass eine Lebensstandardsicherung im Alter nicht immer gewährleistet ist. Die Dissertation zeigt, dass ein Sondersystem innerhalb des bestehenden Sozialversicherungssystems wie das der Künstlersozialkasse für die soziale Absicherung im Alter unzureichend ist. Ein denkbarer Lösungsansatz ist eine Abkehr von dem an der abhängigen Erwerbsarbeit orientierten Sozialschutz, um eine soziale Absicherung anderer, bislang nicht oder nur unzureichend in die sozialen Sicherungssysteme integrierter Erwerbsgruppen zu gewährleisten.
Literatur
Abbing, Hans (2002): Why Are Artists Poor? Amsterdam: Amsterdam University Press. Abbing, Hans (2003): Support for artists. In: Ruth Towse (Hg.): A handbook of cultural economics. Cheltenham: Edward Elgar. 437-444. Action Intermittents (2002): Eine gerechtere Arbeitslosenversicherung. http://www.theaterschaffende.ch /pdf/allemand.pdf (Zugriff am 2.10.2007). Actors' Equity Association (2002): about equity - A handbook. http://www. actorsequity.org (Zugriff am 2.10.2007). Adler, Moshe (1985): Stardom and Talent. In: The American Economic Review 75(1): 208-212. Alden, J.D. und S.K. Saha (1978): An Analysis of Second Jobholding in the EEC. In: Regional Studies 12: 639-650. Alemann, Ulrich von (1989): Organisierte Interessen in der Bundesrepublik, 2. Auflage, Opladen. Allmendinger, Jutta, J. Richard Hackman und Erin V. Lehman (1996): Life and Work in Symphony Orchestras. In: Musical Quarterly 80.2: 194-219. Alper, Neil O. (1996): Artists in the Work Force: Employment and Earnings, 1970 to 1990. Washington D.C.: Seven Locks Press. Alper, Neil O. (2000): More than once in a blue moon: Multiple jobholdings by American artists. Santa Ana: Seven Locks Press. Alper, Neil O. und Gregory H. Wassall (1998): Artists' Labor Market Experiences: A Preliminary Analysis using Longitudinal Data. In: Heikkinen, Merja und Tuulikki Koskinen (Hg.): Economics of Artists and Arts Policy. Helsinki: The Arts Council of Finland: 9-31. Alper, Neil O. und Gregory H. Wassall (2004): Artists' Careers and their Labor Markets. Paper presented at the Economics of Arts and Culture Conference on 10.12.2004 in Princeton. Amirault, Thomas (1997): Characteristics of multiple jobholders, 1995. In: Monthly Labor Review (March): 9-14. Arthur, Michael (1994): The Boundaryless Career: A New Perspective for Organizational Inquiry. In: Journal of Organizational Behavior 15(4): 295-306. Atteslander, Peter (2003): Methoden der empirischen Sozialforschung. Berlin: Walter de Gruyter. Baldauf, Uwe (2006): Berechnung der Künstlersozialabgabe. In: Kunst und Recht (3): 81-84. Bartelheimer, Peter (2005): Erwerbsbeteiligung in sozioökonomischer Perspektive. Konferenzpapier zum 14. Wissenschaftliches Kolloquium am 28. und 29. April in Wiesbaden. Baumol, William J. und William G. Bowen (1966): Performing Arts - The Economic Dilemma. Hampshire: Gregg Revivals. Bayerische Versorgungskammer (2006): Merkblätter über die Mitgliedschaft, Versicherung und Versorgung bei der Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen. München: Bayerische Versorgungskammer. Beblo, Miriam und Elke Wolf (2003): Sind es die Erwerbsunterbrechungen? Ein Erklärungsbeitrag zum Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern in Deutschland. In: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 36(4): 560-572. Beck, Ulrick (1986): Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Frankfurt am Main: Edition Suhrkamp
248
Literatur
Beck, Ulrich und Elisabeth Beck-Gernsheim (1990): Das ganz normale Chaos der Liebe. Frankfurt am Main: Edition Suhrkamp. Becker, Gary S. (1964): Human Capital. New York: Columbia University Press. Bedau, Klaus-Dietrich (1999): Zur Einkommenslage in den freien Berufen. In: DIW Wochenbericht 2: 51-60. Bell, David, Robert Hart und Robert Wright (1997): Multiple Job-Holding as a 'hedge against unemployment'. C.E.P.R. Discussion Paper No 1626. London: Centre for Economic Policy Research. Bellmann, Lutz (1994): Entlohnung als Risikokompensation. In: Mitteilungen aus der Arbeitsmarktund Berufsforschung 27(4): 351-358. Bender, Stefan, Jürgen Hilzendegen, Götz Rohwer et al. (1996): Die IAB-Beschäftigtenstichprobe 1975-1990. BeitrAB 197. Nürnberg: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Benhamou, Françoise (2000): The Opposition between Two Models of Labour Market Adjustment: The Case of Audiovisual and Performing Arts Activities in France and Great Britain over a Ten Year Period. In: Journal of Cultural Economics 24: 301-319. Benhamou, Françoise (2003): Artists labour markets. In: Ruth Towse (Hg.): A handbook of cultural economics. Cheltenham: Edward Elgar: 69-75. Berhorst, Ralf (2005): Kleinstunternehmer der Kapitalismuskritik. In: Süddeutsche Zeitung vom 19.07.2005. Betzelt, Sigrid (2006): Flexible Wissensarbeit: AlleindienstleisterInnen zwischen Privileg und Prekarität. ZeS-Arbeitspapier 03/2006. Bremen: Zentrum für Sozialpolitik. Betzelt, Sigrid und Uwe Fachinger (2004): Jenseits des "Normalunternehmers". Selbständige Erwerbsformen und ihre soziale Absicherung - Problemaufriss und Handlungsoptionen. In: Zeitschrift für Sozialreform 50(3): 312-343. Betzelt, Sigrid und Karin Gottschall (2004): Publishing and the new media professions as forerunners of pioneer work and life patterns. In: Zollinger Giele, Janet und Elke Holst (Hg.): Changing life patterns in Western Industrial Societies. Amsterdam: Elsevier: 257-280. Betzelt, Sigrid und Karin Gottschall (2005): Frei zu sein bedarf es wenig? In: Impulse aus der Forschung (1): 6-9. BMAS Pressemitteilung vom 14.09.2007: Bundesregierung senkt Künstlersozialabgabe. Boerner, Sabine (2000): Führung und künstlerische Qualität im Musiktheater - Eine Analyse am Beispiel des Opernorchesters. In: Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen (1): 68-78. Boerner, Sabine und Diana E. Krause (2001): Musik als Berufung. In: Das Orchester 11: 8-11. Bögenhold, Dieter und Udo Staber (1990): Makrosoziologische Befunde einer internationalkomparativen Studie. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 42(2): 265279. Bolwin, Rolf (2003): Theater zwischen Reformwahn und Realität. In: Der Städtetag (10): 12-15. Bradshaw, Thomas F. (1984): An Examination of the Comparability of 1970 and 1980 Census Statistics on Artists. In: William S. Hendon, Douglas V. Shaw und Nancy K. Grant (Hg.): Economics of Cultural Industries. Akron: University of Akron: 256-266. Broughton, Andrea (2001): Tarifpolitik mit Pauken und Trompeten. In: Die Mitbestimmung 47(12): 2001. Bruns, Harro (2004): Datenerhebung und -auswertung über Rentenzahlungen an selbständige Künstler und Publizisten. Wilhelmshaven: Künstlersozialkasse (unveröffentlichtes Dokument für die öffentliche Anhörung zum Thema: Wirtschaftliche und soziale Absicherung für Künstlerinnen und Künstler der Enquete Kommission 'Kultur in Deutschland' am 22. November 2004 im Paul Löbe Haus in Berlin). Buchholz, Götz (2004): Ratgeber für Lehrkräfte an Musikschulen. Informationen der Fachgruppe Musik. Berlin: Fata Morgana Verlag.
Literatur
249
Buchmann, Marlis und Manuel Eisner (1997): Selbstbilder und Beziehungsideale im 20. Jahrhundert. Individualisierungsprozesse im Spiegel von Bekanntschafts- und Heiratsinseraten. In: Hradil (Hg.): Differenz und Integration. Die Zukunft moderner Gesellschaften. Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Dresden 1996. Frankfurt am Main/ New York, Campus Verlag: 343-357. Büchner, Annina (2004): Technischer Wandel und seine Auswirkungen auf berufliche Qualifikationen, Soest: Landesinstitut für Schule Nordrhein-Westfalen. Bundesamt für Kultur (2007): Die soziale Sicherheit der Kulturschaffenden in der Schweiz. Berlin: Bundesamt für Kultur. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2007): Entwurf eines III. Gesetzes zur Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes. Bonn: Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Bundesregierung (2000): Bericht der Bundesregierung über die soziale Lage der Künstlerinnen und Künstler in Deutschland. Berlin: Bundesregierung. Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (2006): ProKunsT 4. Bonn: Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien. Caves, Richard (2000): Creative Industries. Cambridge: Harvard University Press. Dangel, Caroline und Michael-Burkhard Piokowsky (2006): Selbständige Künstlerinnen und Künstler in Deutschland - zwischen brotloser Kunst und freiem Unternehmertum? Berlin: Deutscher Kulturrat e.V. Dangel, Caroline und Michael-Burkhard Piorkowsky (2005): Existenzgründung und Selbständigkeit von Künstlern. In: politik und kultur (4): 20. Davies, Rhys und Robert Lindley (2003): Artists in figures. A statistical portrait of cultural occupations. Warwick: University of Warwick. Deutsche Orchestervereinigung (2005): Was tut die DOV? www.dov.org (Zugriff am 25.04.2007). Deutsche Orchestervereinigung (2007a): Leitbild. Berlin: Deutsche Orchestervereinigung. Deutsche Orchestervereinigung (2007b): Zeittafel. www.deutsche-orchestervereinigung.online.de /zeittafel.html am (Zugriff am 25.04.2007). Deutsche Rentenversicherung Bund (2006): Rentenversicherung in Zeitreihen. Berlin: Deutsche Rentenversicherung Bund. Deutsche Rentenversicherung Bund (2007): Rentenversicherung in Zeitreihen. Berlin: Deutsche Rentenversicherung Bund. Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (2006): Aktuelle Entwicklungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung. Essen. Deutscher Bühnenverein (2002): Berufe am Theater. Köln: Bundesverband Deutscher Theater. Deutscher Bühnenverein (2004): Ensemblekünstler sind bei Hartz IV deutlich im Vorteil. Pressemitteilung des Deutschen Bühnenvereins vom 2.09.2004. Deutscher Bundestag (2005): Tätigkeitsbericht der Enquete-Kommission 'Kultur in Deutschland'. Berlin. Deutscher Bundestag Drucksache 15/2275 (neu) (2003): Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Abgeordneten Günter Nooke, Bernd Neumann, Renate Bland, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Hans-Joachim Otto, Daniel Bahr, Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP. Berlin: Deutscher Bundestag. Deutscher Rock und Pop Musikerverband e.V. (2007): Leistungen des Deutschen Rock & Pop Musikerverbandes für seine Mitglieder. Lüneburg: Deutscher Rock & Pop Musikerverband e.V. Dex, Shirley und Colin Smith (2000): Employment experiences of the self employed: the case of television poduction workers. Research Paper No. 2000/1. Cambridge University.
250
Literatur
Dex, Shirley, Janet Willis, Richard Paterson et al. (1998): Worker's Strategies in uncertain labour Markets: Analysis for the effects of casualisation in the television industry, Research Papers in Management Studies. Cambridge: Cambridge University. Dittmar, Norbert (2004): Transkription. Ein Leitfaden für Studenten, Forscher und Laien. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Drey, Paul (1910): Die wirtschaftlichen Grundlagen der Malkunst. Stuttgart und Berlin: J.G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger. Eberling, Matthias und Dietrich Henckel (2000): Zeitpolitik als neues Handlungsfeld. In: Eckart Hildebrandt (Hg.): Reflexive Lebensführung. Berlin: edition sigma: 378-395. Ehrsam, Matthias und Hardy Geyer (2002): Analyse der sozialen und wirtschafltichen Lage von Künstlerinnen und Künstlern in Sachsen-Anhalt. Merseburg: SozialKulturProjekte e.V. Eikhof, Doris und Axel Haunschild (2004): Arbeitskraftunternehmer in der Kulturindustrie. In: Hans Pongratz und Günter Voß (Hg.): Typisch Arbeitskraftunternehmer? Berlin: edition sigma: 93114. Elias, Norbert (1991): Die Gesellschaft der Individuen. Frankfurt am Main/New York: Campus Verlag Engel Reimers, Charlotte (1911): Die deutschen Bühnen und ihre Angehörigen. Leipzig: Duncker & Humblot. Fachinger, Uwe, Angelika Oelschläger und Winfried Schmähl (2004): Alterssicherung von Selbständigen. Münster: Lit Verlag. Faik, Jürgen (1997): Institutionalle Äquivalenzskalen als Basis von Verteilungsanalysen – Eine Modifizierung der Sozialhilfeskala. In: Irene Becker und Richard Hauser (Hg.): Einkommensverteilung und Armut. Deutschland auf dem Weg zur Vierfünftel-Gesellschaft? Frankfurt am Main, Campus Verlag: 7-12. Fasang, Anette (2003): Ausbildungs- und Berufsverläufe von Orchestermusikern. Unveröffentlichte Diplomarbeit am Institut für Soziologie der Ludwig-Maximilians Universität in München. Faulkner, Robert R. (1973): Career concerns and mobility motivations of Orchestra Musicians. In: The Sociological Quarterly 14(Summer): 334-349. Faulkner, Robert R. und Andy B. Anderson (1987): Short-Term Projects and Emergent Careers: Evidence from Hollywood. In: The American Journal of Sociology 92(4): 879-909. Felton, Marianne Victorius (1978): The Economics of the Creative Arts: The Case of the Composer. In: Journal of Cultural Economics (2): 41-61. Filer, Randall K. (1986): The "Starving Artist" - Myth or Reality? Earnings of Artists in the United States. In: Journal of Political Economy 94(2): 56-75. Filer, Randall K. (1989): The Economic Condition of Artists in America. In: Shaw, Douglas V., Hendon, William S. und Virginia Lee Owen (Hg.): Cultural Economics 88: An American Perspective, Akron: Association of Cultural Economics: 63-76. Filer, Randall K. (1990): Arts and academe: the effects of education on earnings of artists. In: Journal of Cultural Economics (2): 15-38. Finke, Hugo (1996): Die Künstler und ihre Rente. Berlin: Bundesversicherungsanstalt für Angestellte. Fitzenberger, Bernd, Aderonke Osikominu und Robert Völter (2006): Imputation Rules to Improve the Education Variable in the IAB Employment Subsample. In: Schmollers Jahrbuch (3): 405436. Fohrbeck, Karla und Andreas Wiesand (1974): Der Künstler-Report. München: Carl Hanser. Fohrbeck, Karla, Johannes Wiesand und Frank Woltereck (1976): Arbeitnehmer oder Unternehmer? Berlin: J. Schweitzer Verlag. Frank, Robert H. und Philip J. Cook (1995): The Winner-Take-All Society. New York: Free Press.
Literatur
251
Frey, Bruno S. und Werner W. Pommerehne (1993): Musen und Märkte - Ansätze einer Ökonomik der Kunst. München: Verlag Vahlen. Fuchs, Johann und Doris Söhnlein (2003): Lassen sich die Erwerbsquoten des Mikrozensus korrigieren? Nürnberg: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Galligan, Ann M. und Neil O. Alper (2000): The Career Matrix. In: Joni Cherbo (Hg.): The Public Life of the Arts in America. New Brunswick, Rutgers University Press: 171-201. Galloway, Sheila, Robert Lindley, Rhys Davies et al. (2002): A balancing act: artists' labour markets and the tax and benefit systems. Warwick: University of Warwick. Gartner, Hermann (2005): The imputation of wages above the contribution limit with the German IAB employment sample. FDZ Methodenreport (2). Nürnberg: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. GEDOK (2007a): GEDOK Verband der Gemeinschaften der Künstlerinnen und Kunstförderer e.V, http://www.gedok.de/index2.htm (Zugriff am 2.10.2007). GEDOK (2007b): GEDOK/Aktivitäten/Ziele. www.gedok.de/Editor%20dateien/GEDOK.doc (Zugriff am 2.10.2007). Gembris, Heiner (2000): " Im Wettgesang müßt ihr bestehn." - Was wird aus ihnen? Sängerinnen und Sänger zwischen Ausbildung und Berufspraxis. In: Bundesverband Deutscher Gesangspädagogen (Hg.): Gesang und Meditation - Von der Gregorianik bis zur Moderne XII. Dokumentation XII. Jahreskongreß des Bundesverband Deutscher Gesangspädagogen. Nürnberg 28.-30. April 2000: 51-80. Gembris, Heiner und Daina Langner (2005): Von der Musikhochschule auf den Arbeitsmarkt. Augsburg: Wißner-Verlag. Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (Hg.) (2003): Normalvertrag Bühne. Hamburg: Bühnenschriften-Vertrieb-GmbH. Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger (1967): Satzung der GDBA. Dresden. Gesellschaft sozialwissenschaftlicher Infrastruktureinrichtungen (Gesis) (2006): Informationen zum Mikrozensus. http://www.gesis.org (Zugriff am 12.10.2007). Giesecke, Johannes und Martin Groß (2002): Externe Arbeitsmarktflexibilisierung und soziale Ungleichheit. Berlin: Humboldt Universität zu Berlin. Granger, Bill, John Stanworth und Celia Stanworth (1995): Self-Employment Career Dynamics: The Case of 'Unemployment Push' in UK Book Publishing. In: Work, Employment & Society 9(3): 499-516. Grass, Bernd (1998): Arbeitsbedingungen freier Journalisten. In: Journalist (11): 65-80. Gunkel, Claudia (2007): Nachhaltige Zeichen setzen. 50 Jahre Deutsche Orchestervereinigung: Geschichte und Fakten. In: Neue Musikzeitung 52: 8. Haak, Carroll (2005): Künstler zwischen selbständiger und abhängiger Erwerbsarbeit. In: Schmollers Jahrbuch (4): 573-595. Haak, Carroll (2006): Mehrfachbeschäftigung, Bildung und Einkommen auf den Arbeitsmärkten von Künstlern, WZB Discussion Paper SP I 2006-123. Berlin: Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Haak, Carroll (2007): Künstler und Publizisten im Rentenzugang: Selbständige und abhängig Beschäftigte im Vergleich. In: Deutsche Rentenversicherung Bund (Hg.): Erfahrungen und Perspektiven - Bericht vom dritten Workshop des Forschungsdatenzentrums der Rentenversicherung (FDZ-RV) vom 26. bis 28. Juni 2006 in Bensheim. Berlin: Deutsche Rentenversicherung Bund. Haak, Carroll und Franziska Scheier (2008): Gewerkschaften und Berufsverbände: Interessenpolitik für Künstler (Arbeitstitel). In: WSI-Mitteilungen (eingereicht zur Begutachtung im Juli 2008).
252
Literatur
Haak, Carroll und Günther Schmid (1999): Arbeitsmärkte für Künstler und Publizisten - Modelle einer zukünftigen Arbeitswelt? Discussion Paper P99-506. Berlin: Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Haak, Carroll und Günther Schmid (2001): Arbeitsmärkte für Künstler und Publizisten: Modelle der künftigen Arbeitswelt? In: Leviathan 29(2): 156-178. Haller, Jochen (2005): Urheberrechtsschutz in der Musikindustrie. Stuttgart: Eul Verlag. Hamann, Silke, Gerhard Krug, Markus Köhler et al. (2004): Die IAB-Regionalstichprobe: IABS-R01. In: ZA-Information (55): 35-59. Haß, Kirsten (2006): Wie viele Säulen tragen die Deutsche Theaterlandschaft? Periodische Bestandsaufnahme des Freien Theaters. In: Kulturpolitische Mitteilungen (2): 69. Haunschild, Axel (2002): Das Beschäftigungssystem Theater - Bretter, die die neue Arbeitswelt bedeuten? In: Zeitschrift für Personalforschung 16(4): 577-598. Haunschild, Axel (2003): Managing employment relationships in flexible labour markets: The case of German theatres. In: human relations 56(8): 899-929. Haunschild, Axel, Holle Behrend, Doris Eikhof et al. (2005): HR-Management für Selbstunternehmer - von den kreativen Berufen lernen. In: Personalführung (2): 58-67. Hay, Werner (2003): Nachwuchsförderung in der Musikwirtschaft. In: Rolf Moser und Andreas Scheuermann (Hg.): Handbuch der Musikwirtschaft. Starnberg: Josef Keller GmbH & Co. Verlags-KG: 583-590. Heikkinen, Merja und Paula Karhunen (1994): The Focus and Functions of Public Support for Artists in Finland. In: The Journal of Arts Management, Law and Society 24: 93-109. Heikkinen, Merja und Paula Karhunen (1997): Social Position of Artists in Finland. Helsinki: Arts Council of Finland. Heikkinen, Merja und Tuulikki Koskinen (Hg.) (1998): Economics of Artists and Arts Policy. Helsinki: The Arts Council of Finland. Heilbrun, James und Charles M. Gray (1993): The Economics of Art and Culture. New York: Cambridge University Press. Heineck, Guido (2003): Do catholic women with non-smoking husbands earn less in a second job? Assorted topics in emprical labor economics. Fakultät für Sozial- und Wirtschaftswissenschaft. Otto Friedrich Universität Bamberg. Helmer-Heichele, Annemarie (2006): Kunst als Beruf - was kommt nach der Kunstakademie? In: Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) (Hg.): ProKunsT 4. Bonn: Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien: 31-36. Herdlein, Hans (Hg.) (2001): Theater im Arbeitslicht. Hamburg: Bühnenschriften-Vertriebs-GmbH. Hertin, Paul (2003): Grundlagen des Musikurheberrechts. In: Rolf Moser und Andreas Scheuermann (Hg.): Handbuch der Musikwirtschaft. Starnberg: Josef Keller GmbH & Co. Verlags-KG: 771803. Hibernian Consulting (2005): Study of the Socio-Economic Conditions of Theatre Practioners in Ireland. Dublin: The Arts Council. Himmelreicher, Ralf (Hg.) (2006): Analysepotenzial des Scientific Use File Versichertenrentenzugang. Forschungsrelevante Daten der Rentenversicherung. Würzburg: DRV-Schriften: 38-92. Himmelreicher, Ralf und Dirk Mai (2007): Retrospektive Querschnitte: Das Analysepotenzial des Scientific Use Files Versichertenrentenzugang 2004 unter besonderer Berücksichtigung der Berechnung von Entgeltpunkten. In: Deutsche Rentenversicherung Bund (Hg.): Erfahrungen und Perspektiven. Bericht vom dritten Workshop des Forschungsdatenzentrums der Rentenversicherung (FDZ-RV) vom 26. bis 28. Juni 2006 in Bensheim. Berlin: Deutsche Rentenversicherung Bund. Hirschenauer, Franziska und Frank Wießner (2006): Ein Job ist nicht genug. IAB Kurzbericht (22). Nürnberg: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).
Literatur
253
Hofmann, Jeanette (2004): Das neue Urheberrecht - Schranke der Wissensgesellschaft im digitalen Zeitalter. Arbeitspapier 85. Düsseldorf: Hans Böckler Stiftung. Holland, John (1973): Making vocational choices: a theory of careers. Englewood Cliffs: PrenticeHall Inc. Honey, Sheila, Paul Heron und Charles Jackson (1997): Career paths of visual artists. London: Arts Council of England. Hopf, Christel (2000): Qualitative Interviews in der Sozialforschung. Ein Überblick. In: Uwe Flick, Ernst von Kardorff und Ines Steinke (Hg.): Qualitative Forschung - Ein Handbuch. Reinbek: Rowohlt Taschenbuch Verlag: 349-359. Hummel, Marlies (1989): Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Urheberrechts. Berlin: Duncker und Humblot. Hummel, Marlies (1997): Höhe und Zusammensetzung des Arbeitseinkommens selbständiger Künstler und Publizisten. München: ifo Institut für Wirtschaftsforschung. Hummel, Marlies (2005): Die wirtschaftliche und soziale Situation bildender Künstlerinnen und Künstler. Schwerpunkt: Die Lage der Künstlerinnen. Expertise im Auftrag des Bundesverbandes Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK). Königswinter. IAB (2008): Berufe im Spiegel der Statistik. www.iab.de (Zugriff am 20.06.2008). Immerfall, Stefan (2001): Gesellschaftsmodelle und Gesellschaftsanalyse. In: Schäfers, Bernhard und Wolfgang Zapf (Hg.): Handwörterbuch zur Gesellschaft Deutschlands. Opladen: Leske + Budrich: 259-270 Initiative für die Reform des Urheberrechts (2000): Stellungnahme der Initiative für die Reform des Urhebervertragsrechts zum Vorschlag für einen Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern. Zweiter Teil: Zur wirtschaftlichen Lage der Urheber und ausübenden Künstler. Berlin. Interessenverband Deutscher Schauspieler (1978): Satzung des IDS. München. Interessenverband Deutscher Schauspieler (2005): Sozialrechtliche Einordnung von Schauspielern nach ihrem Berufsstatus. http://www.ids-ev.de (Zugriff am 30.04.2005). Jacobshagen, Arnold (2005): Musiktheater. www.miz.org (Zugriff am 13.12.2005). Jeffri, Joan, Robert Greenblatt, Zoe Friedman et al. (1991a): The Artists Training and Career Project: Actors. New York: Columbia University in the City of New York. Jeffri, Joan, Robert Greenblatt, Zoe Friedman et al. (1991b): The Artists Training and Career Project: Painters. New York: Columbia University in the City of New York. Karhunen, Paula (1996): The Interaction between Artists' Professional Training and Employment in the Field of Finnish Theatre. In: Journal of Cultural Economics (20): 165-175. Karhunen, Paula (1998): The Labour Market Situation of Graduated Artists. In: Merja Heikkinen und Tuulikki Koskinen (Hg.): Economics of Artists an Arts Policy. Helsinki: Arts Council of Finland: 147-164. Karhunen, Paula (1999): Trained artists at the market place. An overview of the graduate-surveys. Helsinki: The Arts Council of Finland. Karhunen, Paula und Kaija Rensujeff (2003): Preliminary Findings from a Survey on the Economic and Labour Market Situation of Finnish Artists. Helsinki: Arts Council of Finland. Kay, Ann und Stephyn Butcher (1996): Employment and Earnings of Performing Artists, 1970 to 1990. In: Neil O. Alper, Gregory H. Wassall, Joan Jeffri et al. (Hg.): Artists in the Work Force. Santa Ana: National Endowment for the Arts: 85-111. Kirner, Ellen und Volker Meinhardt (2002): Finanzielle Konsequenzen der Einführung eines universellen Alterssicherungssystems. In: DIW Wochenbericht 45. Kohler, Ulrich und Frauke Kreuter (2001): Datenanalyse mit Stata. München: Oldenbourg Verlag. Konerding, Franziska (2006): Die Künstlerinnen-Freundin. In: FrauenRat (4), S. 6-7. König, René (1973 [1965]): Soziologische Orientierungen. Köln: Kiepenheuer & Witsch.
254
Literatur
König, René und Alphons Silbermann (1964): Der unversorgte selbständige Künstler. Köln: Deutscher Ärzte Verlag. König, Rene (Hrsg.) (1971): Organisation. In: Fischer-Lexikon Soziologie. Frankfurt am Main: 234241 Kräuter, Maria (2006): Beruf Künstler. In: Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) (Hg.): ProKunsT 4. Bonn: Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien: 21-30. Künstlersozialkasse (2006): Voraussetzungen der Versicherung. www. kuenstlersozialkasse.de (Zugriff am 13.03.2007). Künstlersozialkasse (2007a): Entwicklung des Bundeszuschusses zum 1.01.2006. www.kuenstlersozialkasse.de (Zugriff am 14.08.2007). Künstlersozialkasse (2007b): Versichertenbestand auf Bundesebene nach Berufsgruppen, Geschlecht und Alter zum 01.01.2007. www.kuenstlersozialkasse.de (Zugriff am 15.09.2007). Kutschera, Karsten (1997): Rechtliche Aspekte elektronischer Veröffentlichungen. http://i31www.ira.uka.de/docs/mm+ep/11_RECHT/node18.html (Zugriff am 5.9.2007). Langsdorff, Maja (2005): Ballett - und dann? Norderstedt: Books on Demand GmbH. Leicht, René (2000): Die 'Neuen Selbständigen' arbeiten alleine. In: Internationales Gewerbearchiv 48: 75-90. Lengerer, Andrea, Jeanette Bohr und Andrea Janßen (2005): Haushalte, Familien und Lebensformen im Mikrozensus - Konzepte und Typisierungen. In: Zuma-Arbeitsbericht (05). Long, Scott J. und Jeremy Freese (2001): Regression Models for Categorial Dependent Variables using STATA, College Station: Stata Press Publication. Lotze, Sabine und Holger Breiholz (2002): Zum neuen Erhebungsdesign des Mikrozensus Teil 2. In: Wirtschaft und Statistik (6): 454-459. MacDonald, Glenn M. (1988): The Economics of Rising Stars. In: The American Economic Review 78(1): 155-166. Markowitz, Harry (1952): Portfolio Selection. In: The Journal of Finance 7(1): 77-91. Mayring, Philipp (2002): Einführung in die qualitative Sozialforschung. Weinheim Basel: Beltz Verlag. McAndrew, Clare (2002): Artists, taxes and benefits. An international review. Research Report 28 London: Arts Council of England. McLain, James (1978): The Income of Visual Artists in New Orleans. In: Journal of Cultural Economics (2): 63-76. Meager, Nigel (1992): Does Unemployment Lead to Self-Employment? In: Small Business Economics 4(2): 87-104. mediafon/ver.di (Hg.) (2002): Newsletter Nr. 16 vom 4. Dezember 2002. Stuttgart: ver.di. Menger, Pierre-Michel (1994): Etre artiste par intermittence. La flexibilité du travail et le risque professionnel dans les arts du spectacle. In: Travail et Emploi 60: 4-22. Menger, Pierre-Michel (1999): Artistic labor markets and careers. In: Annual Review of Sociology 25: 541-574. Menger, Pierre-Michel (2001): Artists as workers: Theoretical and methodological challenges. In: Poetics 28: 241-254. Menger, Pierre-Michel (2006a): Artistic labour markets: contingent work, excess supply and occupational risk management. In: Victor A. Ginsburgh und David Throsby (Hg.): Handbook of the Economics of Art and Culture. Amsterdam: Elsevier Science B.V.: 766-811. Menger, Pierre-Michel (2006b): Kunst und Brot. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft mbH. Menger, Pierre-Michel und Marc Gurgand (1996): Work and Compensated Unemployment in the Performing Arts. Exogenous and Endogenous Uncertainty in Artistic Labour Markets. In: Vic-
Literatur
255
tor A. Ginsburgh und Pierre-Michel Menger (Hg.): Economics of the Arts, Amsterdam: Elsevier Science B.V.: 347-379. Mertens, Gerald (2002a): 50 Jahre DOV. In: Das Orchester (10): 8-27. Mertens, Gerald (2002b): Orchester, Musiktheater, Festivals. In: Andreas Eckhardt, Eckart Rohlfs und Richard Jakoby (Hg.): Musik Almanach 2003/2004. Regensburg: Gustav Bosse Verlag: 45-54. Mertens, Gerald (2005a): Kulturorchester, Rundfunkensembles und Opernchöre. Berlin: Deutscher Musikrat/Deutsches Musikinformationszentrum. Mertens, Gerald (2005b): Philharmonisches Paradies? In: politik und kultur (1): 18-19. Mitchell, Ritva und Sari Karttunen (1992): Why and How to Define an Artist: Types of Definitions and Their Implications for Empirical Research Results. In: Ruth Towse und Abdul Khakee (Hg.): Cultural Economics. Berlin: Springer-Verlag: 175-185. Möhrmann, Renate (1989): Die Schauspielerin - Zur Kulturgeschichte der weiblichen Bühnenkunst. Frankfurt am Main: Insel Verlag. Müller-Jentsch, Walther (2005): Künstler und Künstlergruppen. In: Berliner Journal für Soziologie (2): 159-177. Mundelius, Marco (2006): Bildende Künstler in Berlin. In: DIW Wochenbericht 73: 321-326. Myers, Bernard S. (1957): Problems of the Younger American Artist. New York: The City College Press. Nellissen, Monika (2005): Alle Kellner sind Schauspieler. In: Ulrich Khuon (Hg.): Beruf: Schauspieler. Hamburg: edition Körber-Stiftung: 176-184. Netzer, Dick und Ellen Parker (1993): Dancemakers. Study report for the (US) National Endowment for the Arts. Washington D.C.: U.S. Government Printing Office. O'Brien, Jane und Andy Feist (1995): Employment in the arts and cultural industries: an analysis of the 1991 Census. London: Arts Council of England. O'Brien, Jane und Andy Feist (1997): Employment in the arts and cultural industries: an analysis of the Labour Force Survey and other sources. London: Arts Council of England. OECD (2004): Employment Outlook. Paris: OECD Publications. Ohsmann, Sabine und Ulrich Stolz (1996): Renten mit Leistungen aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der DDR. In: Die Angestelltenversicherung 43(3): 105-115. Ohsmann, Sabine und Ulrich Stolz (2000): Versicherungsverläufe in Ost- und Westdeutschland. In: Die Angestelltenversicherung 47(8): 273-280. Olbertz, Franziska (2004): Zufriedenheit im Orchesterberuf. In: Das Orchester (3): 8-16. Olson, Mancur (1968): Die Logik des kollektiven Handelns. Tübingen. Opitz, Alexander (2006): Vorschläge zur notwendigen Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Freien Theater. www.freie-theater.de (Zugriff am 18.07.2007). Panasuk, Christine (1974): An Analysis of Selected Performing Arts Occupations. Ottawa: Canada Council Information Services. Paternoga, Sabrina (2005a): Arbeits- und Berufszufriedenheit im Orchesterberuf. Berlin: RhombosVerlag. Paternoga, Sabrina (2005b): Orchestermusikerinnen. In: Das Orchester (2): 8-19. Paxson, Christina H. und Nachum Sicherman (1994): The dynamics of dual-job holding and job mobility. Cambridge: National Bureau of Economic Research. Peacock, Alan und Ronald Weir (1975): The Composer in the Market Place. London: Faber Music. Pfeffer, Martin (2006): Ausbildung für Musikberufe. In: Deutscher Musikrat (Hg.): Musik Almanach. Regensburg: Conbrio Verlagsgesellschaft mbH: 25-37. Pfennig, Gerhard (2006): Urheberrecht. In: Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) (Hg.): ProKunsT 4. Bonn: Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien: 54-62.
256
Literatur
Pike, Richard und Richard Dobbins (1986): Investment Decisions and Financial Strategy. Hemel Hempstead: Philip Allan. Rehberg, Karl-Siegbert (1997): Vom Kulturfeudalismus zum Marktchaos. In: Eva Barlösius, Elçin Kürsat-Ahlers und Hans-Peter Waldhoff (Hg.): Distanzierte Verstrickungen. Berlin: Sigma Verlag. Reinhold, Gerd (1997): Interesse. In: ders. (Hg.): Soziologie-Lexikon. München: Oldenbourg Verlag: 307 Rensujeff, Kaija (2003): The Status of the Artist in Finland: Report on Employment and Income Formation in Different Fields of Art (English Summary). Helsinki: Arts Council of Finland. Robinson, Michael D. und Sarah S. Montgomery (2000): The Time Allocation and Earnings of Artists. In: Industrial Relations 39(3): 525-534. Röbke, Thomas (2000): Kunst und Arbeit. Essen: Klartext Verlag. Rohlfs, Eckart (2002): Musikalische Bildung und Ausbildung. In: Andreas Eckhardt, Eckart Rohlfs und Richard Jakoby (Hg.). Musik Almanach 2003/2004. Regensburg: ConBrio Verlagsgesellschaft: 3-20. Rosen, Sherwin (1981): The Economics of Superstars. In: The American Economic Review 71(5): 845-858. Rosen, Sherwin (1986): The Theory of Equalizing Differences. In: Orley Ashenfelter und Richard Layard (Hg.): Handbook of Labor Economics. Amsterdam: North Holland. Rub, Otto (1913): Das Burgtheater. Wien: Verlag Paul Knepler. Santos, F.P. (1976): Risk, Uncertainty and the Performing Artist. In: Mark Blaug (Hg.): The Economics of the Arts. London: Martin Robertson & Company: 243-259. Schimpl-Neimanns, Bernhard (1998): Analysemöglichkeiten des Mikrozensus. In: ZUMA-Nachrichten 22(42): 91-119. Schmitt, Peter (1990): Schauspieler und Theaterbetrieb. Tübingen: Niemeyer Verlag. Schneider, Katja (2005): Der Schmerz der Marionetten. In: Süddeutsche Zeitung vom 7.05.2005. Scholz, Anja (1994): Entwicklungstrends von Kunst, Kultur und Medien in den neuen Bundesländern. Berlin: Duncker & Humblot. Schubert-Riese, Brigitte (2003): Viele Pulte bleiben frei. In: Das Orchester (6): 8-14. Schulze Buschoff, Karin (2006): Die soziale Sicherung von selbständig Erwerbstätigen in Deutschland. WZB Discussion Paper SP I 2006-107. Berlin: Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Schulze Buschoff, Karin und Claudia Schmidt (2006): Own-Account Workers in Europe - Flexible, mobile, and often inadequately insured. WZB Discussion Paper SP I 2006-122. Berlin: Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Schupp, Jürgen und Elisabeth Birkner (2004): Kleine Beschäftigungsverhältnisse: Kein Jobwunder. In: DIW Wochenbericht 71(34). Schroer, Markus (2000): Negative, positive und ambivalente Individualisierung – erwartbare und überraschende Allianzen. In: Thomas Kron (Hg.): Individualisierung und soziologische Theorie. Opladen: Leske + Budrich: 13-44 Schwarze, Johannes (1991): Determinanten der Mehrfachbeschäftigung. In: Konjunkturpolitik, 37(1/2): 87-113. Schwarze, Johannes (1992): Geringfügige Beschäftigung in der Erwerbsstatistik. In: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 25(4): 534-543. Sebaldt, Martin/Straßner, Alexander (2004): Verbände in der Bundesrepublik Deutschland. Eine Einführung. Wiesbaden: VS-Verlag. Shishko, Robert und Bernard Rostker (1976): The Economics of Multiple Job Holding. In: The American Economic Review 66(3): 298-308.
Literatur
257
Simmel, Georg (1989): Die Philosophie des Geldes. Frankfurt am Main. Smith, Adam (1965 (1776)): The Wealth of Nations. New York: Prometheus Books. Snooks, G.D. (1983): Determinants of Earnings Inequality amongst Australian Artists. In: Australian Economic Papers (December): 322-332. Solhjell, Dag (1998): On Defining the Artist for Labour Market Studies. In: Merja Heikkinen und Tuulikki Koskinen (Hg.): Economics of Artists and Arts Policy. Helsinki: The Arts Council of Finland: 95-109. Stange, Constanze (2000): Kunst - Erwerbsarbeit - Geschlecht. Zur Ungleichheit von Künstlerinnen und Künstlern in Sachsen-Anhalt. Halle: Martin-Luther-Universität. Statistisches Bundesamt (2006): Statistisches Jahrbuch 2006. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt. Stinchcombe, Arthur L. (1968): Constructing Social Theories. New York: Harcourt, Brace & World Inc. Stinchcombe, Arthur L. (1986): Stratification and organization. Cambridge: Cambridge University Press. Stohs, Joanne (1989): Factors Affecting the Career Patterns of Male Fine and Applied Artists. In: Journal of Social Behaviour and Personality (4): 327-346. Stohs, Joanne (1991): Young Adult Predictors and Midlife Outcomes of 'Starving Artists' Careers: A Longitudinal Study of Male Fine Artists. In: Journal of Creative Behaviour 25(2): 92-105. Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) (2002). Throsby, David (1979): The Economics of the Performing Arts. Melbourne: Edward Arnold. Throsby, David (1992): Artists as workers. In: Ruth Towse und Abdul Khakee (Hg.): Cultural Economics. Berlin: Springer Verlag: 201-208. Throsby, David (1994a): The production and consumption of the arts. In: Journal of Economic Literature 32: 1-29. Throsby, David (1994b): A Work-Preference Model of Artist Behaviour. In: Alan Peacock (Hg.): Cultural Economics and Cultural Policies. Dordrecht: Kluwer Academic Publishers: 69-80. Throsby, David (1996a): Disaggregated Earnings Functions for Artists. In: Victor A. Ginsburgh und Pierre-Michel Menger (Hg.): Economics of the Arts. Amsterdam: Elsevier Science B.V.: 331346. Throsby, David (1996b): Economic Circumstances of the Performing Artist: Baumol and Bowen Thirty Years On. In: Journal of Cultural Economics (20): 225-240. Throsby, David und Beverley Thompson (1994): But what do You Do for a Living? An New Economic Study of Australian Artists. Sydney: Australia Council for the Arts. Thurn, Hans Peter (1973): Soziologie der Kunst. Stuttgart: W. Kohlhammer. Thurn, Hans Peter (1997): Bildmacht und Sozialanspruch. Opladen: Leske + Budrich. Towse, Ruth (1992a): The Earnings of Singers: An Economic Analysis. In: ders. (Hg.): Cultural Economics. Berlin Heidelberg New York: Springer Verlag. Towse, Ruth (1992b): The Economic and Social Characteristics of Artists in Wales. Cardiff: Welsh Arts Council. Towse, Ruth (1993): Singers in the Marketplace. The Economics of the Singing Profession. Oxford: Clarendon Press. Towse, Ruth (1996a): The economics of artists' labour markets. London: Arts Council of England. Towse, Ruth (1996b): Economics of Training Artists. In: Victor A. Ginsburgh und Pierre-Michel Menger (Hg.): Economics of the Arts. Amsterdam: Elsevier Science B.V.: 303-330. Towse, Ruth (1998): Artists Earnings from Copyright and Related Rights. In: Merja Heikkinen und Tuulikki Koskinen (Hg.): Economics of Artists and Arts Policy. Helsinki: Arts Council of Finland: 203-216. UNESCO (1980): Recommendation concerning the Status of the Artist. http://www.unesco.org (Zugriff am 2.1.2006).
258
Literatur
ver.di - Fachgruppe Bildende Kunst (2003a): Geschäftsordnung der Fachgruppe Bildende Kunst (BGBK/SBK). Berlin: ver.di. ver.di - Fachgruppe Bildende Kunst (2003b): Infobrief Ausstellungsvergütung - Ausstellungshonorar - Angemessene Vergütung. Berlin: ver.di. ver.di - Fachgruppe Bildende Kunst (2007): Die Fachgruppe Bildende Kunst der ver.di. http://kunst.verdi.de/was_wollen_wir (Zugriff am 2.09.2007). ver.di - Fachgruppe Musik (2007a): Geschäftsordnung für die Fachgruppe Musik (DMV/GDMK). Berlin: ver.di. ver.di - Fachgruppe Musik (2007b): Musikerinnen und Musiker. Berlin: ver.di. ver.di (Hg.) (2001): ver.di - Mehr bewegen. Filderstadt: Weinmann Druck + Media. ver.di (2007a): Die Fachgruppe Musik. http://musik.verdi.de/was_wollen_wir. (Zugriff am 16.10.2007). ver.di (Hg.) (2007b): Künstlerinnen und Künstler in ver.di - Fachgruppe Bildende Kunst. Berlin: FATA MORGANA Verlag. ver.di (2007c): werde ver.di Mitglied. Berlin: ver.di. Vereinigung deutscher Opernchöre und Bühnentänzer e.V. Opernchorsänger (o.J.): Eine Berufsinformation der Vereinigung Deutscher Opernchöre und Bühnentänzer e.V. in der DAG. Erfstadt: VdO. Vereinigung deutscher Opernchöre und Bühnentänzer e.V. (1964): Satzung der VdO. Köln: VdO. Vogel, Berthold (1995): Wenn der Eisberg zu schmelzen beginnt. In: Christian Brinkmann, Axel Deeke und Brigitte Völkel (Hg.): Experteninterviews in der Arbeitsmarktforschung. Nürnberg: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit (IAB): 73-84. von Düffel, John (2004): Organisierte Kreativität. Über künstlerische Arbeit im Ensemble- und Repertoiretheater. In: Das Landesbühnenjournal 2005-2006. Vulser, Nicole (2002): Les intermittents battent le rappel. In: Le Monde vom 17. September 2002. Waits, C. Richard (1983): Income Incentives and Selection of Artistic Careers. In: James Shanahan (Hg.): Markets for the Arts. Akron: University of Akron: 118-125. Waits, C. Richard und Edward M. McNertney (1980): Uncertainty and Investment in Human Capital in the Arts. In: William S. Hendon und James Shanahan (Hg.): Economic policy for the arts. Cambridge: Abt Books: 200-207. Waits, C. Richard und Edward M. McNertney (1984): An Economic Model of Artistic Behavior. In: Journal of Cultural Economics 8: 49-60. Waits, C. Richard und Edward M. McNertney (1989): The Incomes of Cultural Providers: a Review of Current Research. In: Douglas V. Shaw, William S. Hendon und Virginia Lee Owen (Hg.): Cultural Economics 88: An American Perspective. Toronto: MacLeanHunter Publications. Walter, Birgit (2004): Künstlerungerechtigkeiten. In: Berliner Zeitung vom 13.07.2004. Wanka, Johanna (2007): Die Verantwortung der Länder für die Förderung des Freien Theaters. In: Fonds Darstellende Künste (Hg.): Freies Theater in Deutschland. Essen: Klartext Verlag. Wassall, Gregory H. und Neil O. Alper (1984): Determinants of Artist's Earnings. In: William S. Hendon, Douglas V. Shaw und Nancy K. Grant (Hg.): Economics of Cultural Industries. Akron: Association for Cultural Economics: 213-230. Wassall, Gregory H. und Neil O. Alper (1985): Occupational Characteristics of Artists: A Statistical Analysis. In: Journal of Cultural Economics 9(1): 13-34. Wassall, Gregory H. und Neil O. Alper (1992): Towards a unified theory of the determinants of the earnings of artists. In: Ruth Towse und Abdul Khakee (Hg.): Cultural Economics. Cheltenham: Edward Elgar: 187-199. Wicke, Peter (2006): Populäre Musik. In: Andreas Eckhardt, Eckart Rohlfs und Richard Jakoby (Hg.): Musik Almanach 2007/08. Regensburg: ConBrio Verlagsgesellschaft: 82-93.
Literatur
259
Windeler, Arnold, Anja Lutz und Carsten Wirth (1999): Netzwerksteuerung durch Selektion - Die Produktion von Fernsehserien in Projektnetzwerken. (Hg.): Steuerung von Netzwerken, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag: 178-205. Windeler, Arnold, Carsten Wirth und Jörg Sydow (2001): Die Gegenwart in der Zukunft erfahren. In: Arbeitsrecht im Betrieb (1): 12-18. Wübbeke, Christina (2005): Der Einfluss betrieblicher Rahmenbedingungen auf Zeitpunkt und Form des Ausscheidens älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus dem Erwerbsleben - Eine Analyse für Westdeutschland auf Basis der IAB-Beschäftigtenstichprobe 1975-1995 mit Ergänzungsteil I. In: Deutsche Rentenversicherung Bund (Hg.): Forschungsrelevante Daten der Rentenversicherung. Berlin: wdv Gesellschaft für Medien und Kommunikation mbH & Co. OHG: 157-174. Wüllenweber, Walter und Andreas Reeg (2006): Absurdes Theater. In: Stern (28). Zimmermann, Olaf und Gabriele Schulz (2000): Verbändealmanach Kultur. Bonn: Deutscher Kulturrat.