Georg Schwedt Zuckersüße Chemie
Zuckersüße Chemie. Georg Schwedt Copyright © 2010 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Wei...
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Georg Schwedt Zuckersüße Chemie
Zuckersüße Chemie. Georg Schwedt Copyright © 2010 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim ISBN: 978-3-527-32786-7
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Georg Schwedt
Zuckersüße Chemie Kohlenhydrate & Co.
Autor Prof. Dr. Georg Schwedt Lärchenstr. 21 53117 Bonn
Alle Bücher von Wiley-VCH werden sorgfältig erarbeitet. Dennoch übernehmen Autoren, Herausgeber und Verlag in keinem Fall, einschließlich des vorliegenden Werkes, für die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlägen sowie für eventuelle Druckfehler irgendeine Haftung. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2010 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Boschstr. 12, 69469 Weinheim, Germany Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form – durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren – reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen oder sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige gesetzlich geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche markiert sind. Printed in the Federal Republic of Germany Gedruckt auf säurefreiem Papier Satz TypoDesign Hecker GmbH, Leimen Druck und Bindung T.J. International Ltd.,
Padtow Cornwall Umschlaggestaltung Formgeber, Eppelheim ISBN: 978-3-527-32786-7
Inhalt
1 Einführung 1 2 Vor dem Zucker süßte man mit Honig 3 2.1 Honig in der Bibel und in vorgeschichtlicher Zeit 3 2.2 Der Honig im Kochbuch des Römers Apicius (mit Rezepten) 7 2.3 Met, der Honigwein der Germanen 12 2.4 Das Honigangebot heute 16 2.5 Vom Nektar zum Honig 20 2.6 Die Inhaltsstoffe des Honigs (mit Experimenten) 21 3 Zucker – eine historische Warenkunde 29 3.1 Zucker im Materialien-Lexikon von 1721 34 3.2 Sala und Marggraf – die Wegbereiter des Rübenzuckers 45 3.3 Über die Beta-Rübe und Achard als Begründer der Rübenzuckerindustrie 51 3.4 Zucker im Volks-Brockhaus von 1841 56 3.5 Aus der Warenkunde der Drogisten im 19. Jahrhundert 58 3.6 Zu Besuch im Zucker-Museum in Berlin 62 3.7 Das Zucker-Sortiment im Supermarkt (mit Experimenten) 66 4 Zucker aus der Fabrik 71 4.1 Ein Zuckerfabrik-Abwasserprozess in Wilhelm Raabes Erzählung »Pfisters Mühle« 71 4.2 Zuckertechnologie – gestern und heute (mit Experimenten) 77 4.3 Zuckerhandel im 21. Jahrhundert 88 4.4 Die Zuckerrüben-Kampagne 90 5 Zucker – Kohlenhydrate als Mono- und Disaccharide 93 5.1 Die ersten Zuckerchemiker (mit Experimenten) 93 5.2 Monosaccharide (mit Experimenten) 99 5.3 Di- und Oligosaccharide (mit Experimenten) 108 5.4 Gelierzucker – zum Gelieren oder Verdicken 113 5.5 Krankheiten durch Zucker – zur Physiologie der Kohlenhydrate 115
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VI
Vor dem Zucker süßte man mit Honig
6 Aus Stärke wird Zucker, aus Zucker Alkohol 119 6.1 Stärkeverzuckerung (mit Experimenten) 119 6.2 Stärkesirupe (mit Experiment) 121 6.3 Andere Sirupe und Karamell, der gebrannte Zucker (mit Experimenten) 124 6.4 Vom Zucker zum Alkohol (mit Experiment) 129 7 Zuckeralkohole und synthetische Süßstoffe 133 7.1 Zuckeralkohole (mit Experimenten) 133 7.2 Süßstoffe und ihre Süßkraft (mit Experimenten) 136 8 Zuckerwaren – von A bis Z (mit Experiment und Rezepten) 143 Literatur 149 Anhang 151 Liste der Experimente 157 Liste der Rezepte 159 Register 161
1 Einführung
Die Chemie der Kohlenhydrate ist wegen der komplizierten Strukturformeln kein einfaches Gebiet der organischen Chemie. Andererseits spielen zahlreiche Kohlenhydrate bzw. kohlenhydratreiche Lebensmittel eine wichtige Rolle in unserer Ernährung. In diesem Buch werden Formeln nur im Anhang dargestellt. Im Mittelpunkt der Experimente stehen die zahlreichen Produkte des Lebensmittelmarktes. Sie haben das Ziel, die wesentlichen Eigenschaften der wichtigsten Kohlenhydrate erkennen zu lassen – zu veranschaulichen. Die Experimente sind so einfach, dass sie überwiegend in der eigenen Küche – oder in einem der Schülerlabore wie der ExperimentierKüche im Deutschen Museum Bonn durchgeführt werden können. Zugleich wird anhand der verwendeten bzw. beschriebenen Lebensmittel eine Einführung in die Warenkunde für diesen Teilbereich vermittelt. Darüber hinaus stehen Darstellungen zur Kulturgeschichte des Zuckers (im weitesten Sinne) und Zitate aus historischen Fach- und Sachbüchern im Zentrum einzelner Kapitel.
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2 Vor dem Zucker süßte man mit Honig
2.1
Honig in der Bibel und in vorgeschichtlicher Zeit
Bereits seit Jahrtausenden nimmt der Honig zur Ernährung, als Süßungsmittel und Heilmittel eine wichtige Stellung ein. Das wohl älteste Zeugnis zur Nutzung des Bienenhonigs stammt aus der sogenannten Spinnenhöhle (Cuvea de la Araña) nordöstlich von Bicorp bei Valencia. Dort ist in Form einer einfachen Strichzeichnung ein Honigräuber dargestellt. Das Alter der Höhlenzeichnung wird von Experten auf 30 000 v. Chr., von anderen auf ca. 10 000 v. Chr. datiert. Honigbienen, als deren Urheimat Zentralasien angesehen wird, sind auf Darstellungen im Alten Ägypten etwa seit 5550 v. Chr. zu erkennen. Honig war nur für die Oberklasse vorgesehen. Bienenkörbe, die auf eine Bienenzucht hinweisen, findet man erst auf Abbildungen, die aus der Zeit um 2500 v. Chr. stammen. Eine regelrechte Bienenzucht ist wahrscheinlich schon 1500 Jahre früher bekannt gewesen. Im alten Rom existierte im 2. Jahrhundert v. Chr. ein besonderer Markt für Imker. Die Römer aßen sogar Fleisch mit Honig gesüßt (siehe auch Abschnitt 2.2). Als Heil- und Schönheitsmittel spielte Honig im alten Ägypten eine große Rolle. Im Berliner Medizinischen Papyrus1) werden Heilmittel mit Honig gegen den Skorpionbiss und gegen Vergiftung durch Leichengift beschrieben. Honig wurde in Tempeln geopfert und auch beim Färben mit Purpur verwendet. Nach frühzeitlichem Glauben war die Biene ein Seelentier, in das sich Seelen verwandeln können. Und der Honig galt deshalb als ein die Dämonen abwehrendes und auch die Fruchtbarkeit förderndes Mittel. Bei den alten Griechen galt Honig mit Wein vermischt als ein Universalheilmittel. Im Buch der Bücher, der Bibel, sind zahlreiche Stellen zum Thema Honig zu finden, von denen hier die bekanntesten zitiert und erläutert werden. Im Zweiten Buch Mose (Exodus), welches den Aufenthalt und den Auszug der Israeliten aus Ägypten beschreibt, heißt es im Abschnitt 3 (Moses Berufung), Vers 7 und 8 – als Verheißung: 1) Papyrus Burgsch – 19. Dynastie: 1306–1186 v. Chr.
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Vor dem Zucker süßte man mit Honig
»Und der Herr sprach: Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen und ihr Geschrei über ihre Bedränger gehört; ich habe ihre Leiden erkannt. Und ich bin hierniedergefahren, daß ich sie errette aus der Ägypter Hand und sie herausführe aus diesem Lande in ein gutes und weites Land, in ein Land, darin Milch und Honig fließt, in das Gebiet der Kanaaniter, Hetiter, Amoriter, Perisiter, Hiwiter und Jebusiter.« Als Kanaan bezeichnet man ursprünglich das Land des Purpurs, d. h. Phönizien, im Alten Testament ist damit das israelitische Siedlungsgebiet im Heiligen Land, das spätere Palästina gemeint. Seit dem 2. Jahrtausend v. Chr. lebte die kanaäische Bevölkerung mit semitischer Sprache (Phöniker, Phönizier) an der syrischlibanesisch-israelischen Mittelmeerküste. Von den wichtigsten Städten wie Byblos (heute Dschubail nördlich von Beirut), Tyrus (heute Sur im Süd-Libanon), Sidon (heute Saida, südlich von Beirut) und dem heutigen Beirut (gegründet im 14. Jahrhundert v. Chr.) unterhielten sie regen Handel mit Ägypten, Zypern und den Bewohnern des Ägäisraumes. Die Hetiter kamen im 2. Jahrtausend v. Chr. aus ihrem Stammland im Inneren Kleinasiens und gründeten ein Reich, das bis nach Damaskus und Babylon reichte. Hetiterland wird auch als eine nach assyrischem Sprachgebrauch übliche Bezeichnung für Syrien (vor allem Nordsyrien) gebraucht. Als Amoriterland bezeichnete man in frühbabylonischer Zeit Palästina und Syrien. Im Alten Testament ist damit auch ein Volksstamm in Mittelpalästina gemeint (als vorisraelitische Bevölkerung). Perisiter, Hiwiter und Jebusiter sind weitere Namen von Volksstämmen, die vor den Israeliten in dieser Region lebten. Der Ausspruch »Das Land, wo Milch und Honig fließen« entspricht unseren Vorstellungen von einem Schlaraffenland. Als einen Schlaraffen bezeichnet man einen »wohllebenden Müßiggänger« (im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm). Im Zusammenhang mit dem in der Literatur des 16. Jahrhunderts nachweisbaren Schlaraffenland werden die Bezeichnungen verheißenes und gelobtes Land, Milchbrunnen und Bäche fließen mit Honig gebraucht (Johann Geiler gen. Keisersberg (1445–1510): Narrenschiff um 1510). Die Geschichte des Märchens vom Schlaraffenland lässt sich noch weiter bis in das 14. Jahrhundert zurück verfolgen, sie taucht auch bei Sebastian Brant (1458–1521) in dessen Narrenschiff (1494) und in früheren altfranzösischen Märchen auf. Alle Fassungen gehen auf Mythen vom verlorenen Paradies zurück. Pieter Bruegel der Ältere (1568–1625)
Honig in der Bibel und in vorgeschichtlicher Zeit
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Abb. 1 Pieter Bruegel: Schlaraffenland (Ausschnitt des Gemäldes)
um 1567.
setzte das Thema in ein Gemälde um und die Brüder Grimm nahmen das (Lügen-)Märchen in ihre Sammlung von Hausmärchen auf. Dort heißt es: »… und ein süßer Honig floß wie Wasser von einem tiefen Tal auf einen hohen Berg…« Im Buch Der Psalter des Alten Testaments finden wir im Psalm 119 (»Die Herrlichkeit des Wortes Gottes« – »Das güldene ABC«) den Vers 103: »Dein Wort ist meinem Munde/süßer als Honig.« Und unter den Sprüchen Salomos (Sprichwörter) heißt es im Kapitel 5 (»Warnung vor der Verführerin«) im Vers 3a: »Denn die Lippen der fremden Frau sind süß wie Honigseim, und ihre Kehle ist glatter als Öl.« Das Hohelied Salomos enthält zwei Stellen, die im Zusammenhang mit der »Sammlung Liebeslieder« den Honig nennen. In Kapitel 4, Vers 11 steht geschrieben: »Von deinen Lippen, meine Braut, träufelt Honigseim. Honig und Milch sind unter deiner Zunge, und der Duft deiner Kleider ist wie der Duft des Libanon.«
6
Vor dem Zucker süßte man mit Honig
Mit dem »Duft des Libanon« sind in einer anderen, heute bekannteren Formulierung die »Wohlgerüche Arabiens« gemeint. Mit Seim bezeichnet man allgemein eine zähe Flüssigkeit; der Seim wird aber auch gleichbedeutend mit Honig verwendet. Im Kapitel 5, Vers 1 ist zu lesen: »Ich bin gekommen, meine Schwester, liebe Braut, in meinen Garten. Ich habe meine Myrrhe samt meinen Gewürzen gepflückt; ich habe meine Wabe samt meinem Honig gegessen; ich habe meinen Wein samt meiner Milch getrunken. Eßt, meine Freunde, und trinkt und werdet trunken von Liebe!« Die »honigsüße Liebe« ist das Thema aller dieser zuletzt angeführten Bibelstellen. Salomo, der Sohn Davids, König von Israel und Juda, lebte um 965 bis 926 v. Chr. Berühmt wurde der von Salomo erbaute Tempel in Jerusalem. Er wurde wegen seiner Weisheit gerühmt. Sein Reich, das er durch friedliche Beziehungen zu den benachbarten Großmächten und rege Handelsbeziehungen absicherte, zerfiel jedoch nach seinem Tode. In den Geschichtsbüchern des Neuen Testamentes, im Evangelium des Matthäus, im Kapitel 3, Vers 4 über Johannes den Täufer heißt es: »Er aber, Johannes, hatte ein Gewand aus Kamelhaaren an und einen ledernen Gürtel um seine Lenden; seine Speise aber waren Heuschrecken und wilder Honig.« Mit »wilder Honig« wird angedeutet, dass Johannes im Unterschied zum Schlaraffenland den Honig unter großen Mühen selbst sammeln musste. Die Schriften des Alten Testaments entstanden im 10. bis 2. Jahrhundert v. Chr. Um 300 bis 130 v. Chr. wird das in hebräischer Sprache verfasste Alte Testament in Ägypten ins Griechische (Septuaginta) übersetzt. Die ältesten erhaltenen hebräischen Handschriften stammen aus dem 2. bis 1. Jahrhundert v. Chr. – gefunden z. B. in Höhlen am Toten Meer – die ältesten erhalten Handschriften der griechischen Übersetzung aus Qumran2). 2) Zwölf-Propheten-Rolle aus der Ruinenstätte am Nordwestufer des
Toten Meeres
Der Honig im Kochbuch des Römers Apicius
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Das älteste erhaltene Bruchstück des Neuen Testaments stammt aus der Zeit um 125 n. Chr. Um 200 stand der Kanon des Neuen Testaments im Wesentlichen fest. 1452–1455 schuf Johann Gutenberg die erste gedruckte lateinische Bibel (42zeilige Bibel). 1534 erscheint Luthers deutsche Bibel in Wittenberg.
2.2
Der Honig im Kochbuch des Römers Apicius (mit Rezepten)
In der Regierungszeit des Kaisers Tiberius (14–37 n. Chr.) lebte in Rom Marcus Gavius Apicius (geb. um 25 v. Chr.). Römische Autoren berichten im 1. Jahrhundert n. Chr. über ihn als Feinschmecker und auch Erfinder extravaganter Gerichte. Seneca berichtet, dass der reiche Apicius sich vergiftet habe – als er nur noch über 10 Millionen Sesterzen verfügte, die ihm zum Leben als zu wenig erschienen. Ein weitaus größeres Vermögen hatte er zuvor in luxuriösen Gastmählern verprasst. Apicius soll mindestens zwei Kochbücher verfasst haben. Die ältesten erhaltenen Handschriften stammen jedoch aus deutschen Klöstern, wo sie erst im 9. Jahrhundert geschrieben wurden. Eine illustrierte Handschrift aus dem Benediktinerkloster Tours an der Loire befindet sich heute in der Vatikanischen Bibliothek in Rom. Sie entstand um 850. Zur Zeit Karls des Großen (742– 812) war Tours mit der philosophisch-theologischen Schule des Alkuin (732–804) und einer bedeutenden Buchmalereischule das Zentrum der karolingischen Renaissance. Alkuin war ein angelsächsischer Gelehrter. Er wurde in York geboren, von Kaiser Karl in das Frankenreich berufen und wirkte als Vermittler des tradierten philosophisch-theologischen Wissens. Er versuchte vor allem, die Artes liberales (die sieben freien Künste: Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik) und die Philosophie in den Dienst der Theologie zu stellen. Es wundert daher nicht, dass dort auch ein Kochbuch des Römers Apicius (ab)geschrieben und illustriert wurde, das damals wohl nicht zu praktischen Zwecken sondern als literarisches Werk genutzt wurde. Infolge zahlreicher Abschriften, bei denen Ergänzungen, d. h. neue Rezepte der jeweiligen Zeit, hinzugefügt wurden, enthalten die überlieferten Werke nach kritischen Untersuchungen von Philologen etwa drei Fünftel aus den ursprünglichen Apicius-Büchern. Geschrieben haben soll sie auch nicht der Feinschmecker Apicius, sondern ein Koch mit dem Namen Caelius. 1709 erschien in Amsterdam eine gedruckte Ausgabe von dem Mediziner Martin Lister in lateinischer Sprache. Erst 1874 brachte die Buchhandlung Carl Winter in Heidelberg auch eine deutsche Übersetzung heraus. Im zwanzigsten Jahr-
8
Vor dem Zucker süßte man mit Honig
hundert erschienen zwei weitere Ausgaben – von Richard Gollmer3) und von Elisabeth Alföldi-Rosenbaum4). Aus diesen Werken stammen die folgenden Informationen zum Honig. Im ersten Buch befindet sich ein Rezept zum Würzhonig. Es lautet (Ausgabe Lister):
Rezept
Würzhonig Ein Weinzusatz, der sich lange hält und besonders von Fussreisenden gebraucht wird. Er besteht aus aufgekochtem, abgeschäumtem und mit gemahlenem Pfeffer vermischtem Honig. Gib diese Würze im Augenblick des Trinkens in den Becher und nimm, je nach der gewünschten Süsse, mehr Honig oder mehr Wein. Setze schon bei der Bereitung der Würze etwas reichlich Wein zu, weil sie sich dann besser auflöst.
Dem folgenden ausführlicheren Rezept liegt eine andere Apicius-Ausgabe zugrunde5):
Rezept
Erlesener Würzwein. Conditum paradoxum Erlesener Würzwein wird auf folgende Weise zubereitet: Mische in einem Kupfergefäß 15 Pfund Honig mit etwas über 1 l Wein, so daß der Wein einkocht, während du den Honig unter ständigem Umrühren über einem kleinen Feuer von trockenem Holz kochen läßt. Überkochen läßt sich durch Zugeben von etwas mehr Wein oder Wegnehmen des Feuers verhindern. Wenn die Mischung sich abgekühlt hat, setze sie nochmals aufs Feuer und wiederhole diese Prozedur ein zweites und ein drittes Mal. Erst dann nimm die Mischung endgültig vom Feuer und schäume sie am folgenden Tage ab. (Dann folgt eine Aufzählung von Gewürzen, die zur Herstellung des Gewürzweines empfohlen wurden – Pfeffer, Safran, Gewürzblätter, aber auch geröstete Dattelkerne samt der Datteln.)
3) Das Apicius-Kochbuch aus der altrömischen
Kaiserzeit, 1909 – Reprint 2. Aufl. 1983 4) Das Kochbuch der Römer. Rezepte aus Apicius, 7. Aufl. 1984
5) J. André, Paris 1965 – Übersetzung bei E. Alföldi-
Rosenbaum
Der Honig im Kochbuch des Römers Apicius
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Abb. 2 Titelseite des Apicius-Kochbuches
(Ausgabe Martin Lister, Amsterdam 1709).
Mulsum – im Römischen Weinkeller zu Trier In anderen Rezepten der Apicius-Kochbücher taucht auch das lateinische Wort mulsum = Honigwein auf. Darüber schreibt E. Alföldi-Rosenbaum in ihrer Einleitung:
»Ein Wort noch über das mulsum, obwohl es in unseren Rezepten nur gelegentlich vorkommt. Aber wir wissen aus anderen Quellen, das dies das Getränk war, das mit den Hors-d’œvres gereicht wurde. Auch hier finden wir bei den antiken Autoren verschiedene Definitionen. Bei Columella [Iunius Moderatus C., röm. Agrarschriftsteller des 1. Jahrhunderts n. Chr.] ist es süßer Most, der mit viel Honig vermischt und dann fermentiert wird; bei Plinius (Naturalis historia) [Gajus P. Secundus 23–79, kam beim Vesuvausbruch ums Leben] lesen wir, dass es besser ist, mulsum aus herbem Wein zu machen, da dieser sich besser mit dem Honig mischt. Plinius betont die Eignung dieses Getränks als Aperitif und erzählt dazu
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Vor dem Zucker süßte man mit Honig
eine Anekdote von Pollio Romilius: Als Augustus ihn fragte, wie es ihm gelang, hundert Jahre alt zu werden, gab Romilius zur Antwort: ›Durch mulsum für das Innere und Öl für das Äußere.‹ Wir können unsere Version des mulsum nur empfehlen. Wir kombinierten Columellas und Plinius‘ Angaben, ließen aber die Mixtur nicht weiter fermentieren. Zu einer Flasche herben Weißwein – man kann billigen Kochwein nehmen – gaben wir etwa zwei Eßlöffel flüssigen Honig; wird dies mit einem gewöhnlichen Schneebesen durchgeführt, löst sich der Honig vollständig auf. Wenn man das Getränk dann noch eine gewisse Zeit in den Eisschrank stellt, erhält man einen sehr erfrischenden Aperitif, der besonders im Sommer empfehlenswert ist. Ob dieses Getränk dem echten mulsum gleicht, möge dahingestellt bleiben.« Die Römer haben offensichtlich drei verschiedene Honiggetränke gekannt: Met (Honigwein; siehe Abschnitt 2.3), oenomeli (Wein mit Honig) und mulsum (Most mit Honig). Welcher Ort könnte geeigneter sein als Trier, um nach altrömischer Art zu tafeln. Die römische Stadt Augusta Treverorum wurde zwischen 16 und 13 v. Chr. von Kaiser Augustus im Gebiet der Treverer gegründet. Sie entwickelte sich rasch zum wirtschaftlichen Mittelpunkt der Region. 275/276 wurde die Stadt von Franken und Alemannen zerstört. Noch heute jedoch sind in Trier bedeutende römische Bauten erhalten, u. a. das Amphitheater (um 100 n. Chr. für 20 000 Zuschauer erbaut), Thermen aus dem 2. und 4. Jahrhundert (Kaiser- und Barbarathermen), die Römerbrücke und die Basilika (um 310 errichtet) sowie das weltweit bekannte Stadttor – die Porta Nigra. Das Nordtor des römischen Trier, aus grauem Sandstein im letzten Viertel des 2. Jahrhunderts n. Chr. erbaut, liegt an der Simeonstraße, die zum Hauptmarkt und zum Dom (der ältesten deutschen Bischofskirche mit einem römischen Kernbau aus der 1. Hälfte des 4. Jahrhunderts) führt. Dort befindet sich das Restaurant Zum Domstein. Den Honigwein der Römer kann man im Römischen Weinkeller dieses Restaurants genießen. Dort wird man auf Wunsch mit Gerichten nach Rezepten aus dem Kochbuch des Apicius bewirtet (wofür es eine spezielle Speisekarte gibt) – und selbstverständlich gehört als Aperitif auch ein Gläschen mulsum dazu. (Der Autor hat sich persönlich von der Köstlichkeit des Getränkes überzeugt und auch die Speisen, die in ihren Gewürzen von der Chefin und Küchenmeisterin unserer Zeit angepasst wurden, mehrmals mit Genuss verspeist.)
Der Honig im Kochbuch des Römers Apicius
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Mulsum wird in dem Büchlein von E. Alföldi-Rosenbaum auch noch für folgende Speisen empfohlen: für gekochte Seebarben, für eine weiße Soße für Schnitzel, für süßsaure Soßen (Alexandrinische Soße genannt) für gegrillten Fisch sowie für gegrillte Muräne (aalartiger Fisch des Mittelmeeres) und auch für Aal selbst. In der Apicius-Ausgabe von Gollmer sind zahlreiche Rezepte mit Honig enthalten – hier nur eine kleine Auswahl:
Rezept
Honig wird für Honiggebäck verwendet – »mische gleichzeitig mit dem Honig Hefe unter das Backmehl – weiterhin um frische Feigen, Äpfel, Pflaumen, Birnen und Kirschen lange zu halten, (…), lege sie in Honig, dass sie sich nicht berühren« Rüben (rote) werden mit Honigessig konserviert, Soßen mit Honig angerührt (als Würzmittel zusammen mit Gewürzen), rote Rüben in Honigwein (s. o.) gekocht, Huhn mit Honig zubereitet, Gurken mit Honig gekocht, auch Endivien-Salat mit einer Soße aus Honig und Essig übergossen, für Sülzen wird ebenfalls Honig verwendet. Es werden Eierkuchen-Rezepte mit Honig beschrieben, auch Zwiebelbrei nach Lucretius6) mit einem Löffel Honig zubereitet.
Im Fünften Buch des Apicius-Kochbuches mit vielen Suppenrezepten finden wir ein auch für unseren Gaumen geeignetes Beispiel:
Rezept
Mit Milch und Brod. Gib in einen neuen Kessel ein Sextarium [entspricht 0,6 Liter] Milch und etwas Wasser und lasse auf langsamem Feuer aufkochen. Dann bröckele 3 trockene Brodscheiben hinein. Giesse, damit der Brei nicht anbrennt, etwas Wasser zu und setze nochmals auf das Feuer, damit er durchkocht wie er sein soll. Nach Geschmack Salz und Öl zusetzen oder Honig und Most.
Auch zur Linsensuppe mit Kastanien wird Honig empfohlen. Eine Erbsensuppe trägt den Namen Vitellius7), zu deren Zubereitung es heißt: »…schmecke die Suppe ab, mildere sie, wenn zu strenge, mit Honig, und trage sie auf.« 6) römischer Dichter, 97–55 v. Chr., verfasste das
Lehrgedicht »Über die Natur der Dinge«, De rerum natura
7) röm. Kaiser, wurde am 02. 01. 69 von den rheini-
schen Legionen in Colonia Agrippinensis (Köln) zum Kaiser ausgerufen
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Vor dem Zucker süßte man mit Honig
Zahlreiche Rezepte für die Zubereitung von Huhn (im sechsten Buch) enthalten ebenfalls Honig als Zutat in der Soße. Zum Abschluss seien noch zwei Rezepte zitiert, die römische Desserts – als Familien-Süssigkeiten bezeichnet – mit Honig darstellen:
Rezept
Apfelmarmelade Gute Mostäpfel reibe, übergiesse sie mit Milch und stelle sie in den Ofen. Sobald sie anfangen etwas trocken zu werden, nimm sie heraus, übergiesse sie mit warmem Honig, verarbeite diesen in die Masse und serviere die Speise mit Pfeffer überstreut. – Den Pfeffer sollte man vielleicht besser weglassen.
Arme Ritter Reibe von Semmeln die Kruste ab, zerpflücke sie in mundrechte Bissen, weiche sie in Milch ein, brate sie in Öl und serviere sie mit Honig übergossen.
2.3
Met, der Honigwein der Germanen
In der Chemie des täglichen Lebens (von James F. W. Johnston, 2. Aufl. in deutscher Sprache 1869) lesen wir: »Honigwein oder Meth soll früher in Deutschland ein sehr beliebtes Getränk gewesen sein und wird noch jetzt in Polen und Rußland ziemlich häufig bereitet. Man siedet den Honig mit Wasser und entfernt durch Abschäumen die eiweißartigen Stoffe, welche größtentheils aus dem Honigmagen der Bienen stammen, um das Sauerwerden des Getränks zu verhüten. Hierauf bringt man die Flüssigkeit mit Hefe zur Gährung und klärt sie noch mehrmals, indem man sie von Zeit zu Zeit durchseihet und auf andere Fässer abzieht, worauf man ihr endlich durch verschiedene Gewürze ein künstliches Aroma ertheilt.« Die Herkunft von Met – des Wortes und des Honigetränks – verrät das Deutsche Wörterbuch der Brüder Grimm. Dort wird Met mit mulsum (siehe Abschnitt 2.2) gleichgesetzt und als das uralte gemeingermanische, nur im gothischen nicht bezeugte wort bezeichnet. Noch im Mittelalter habe man den Met als allgemeines Ge-
Met, der Honigwein der Germanen
13
tränk neben dem Wein genannt und er habe im Range vor dem Bier gestanden. Aus der sprachlichen Herkunft des Wortes lässt sich auf seinen Ursprung bei den Indogermanen schließen. Aufgrund des hohen Zuckergehaltes kann es im mit Wasser verdünnten Honig zu einer spontanen Gärung kommen. Met war daher schon lange vor unserer Zeitrechnung bekannt. Anna Dünnebier, Journalistin und Mitautorin der Kulturgeschichte des Essens und Trinkens (Leere Töpfe, volle Töpfe8),) berichtet über eine Begegnung mit diesem Honiggetränk 1965 in Krakau. Dort habe sie im Schaufenster eines nicht sehr reich bestückten Getränkeladens eine rundliche Flasche mit der Aufschrift mjöd (Met) entdeckt – und auf dem Etikett ihren Namen. Sie kaufte die Flasche und probierte den Inhalt, der ihr wie ein schwacher Honiglikör schmeckte. Eigentlich sei er für einen Liebhaber von Wein und starken Getränken nichts gewesen – sie habe aber »kulinarische Urschritte der Menschheit nachvollzogen«. Nach der Herkunft des Wortes Met gefragt, wird deutlich, dass es sich sowohl um ein in allen indogermanischen Sprachen bekanntes Wort handelt – mit nur geringen Variationen: indogermanisch medhu, althochdeutsch metu, mittelhochdeutsch met(e), niederländisch mede, englisch mead, schwedisch mjöd, verwandt auch mit dem altindischen Wort mádhu, griechisch méthy (Rauschtrank) sowie russisch mlëd. Beim Met handelt es sich um das älteste, uns bekannte alkoholische Getränk. Es wurde wahrscheinlich ursprünglich nur bei kultischen Festen getrunken und seine Bereitung ist auf die Beobachtung der spontanen Gärung von wildem Honig in vielleicht Regenwasser zurückzuführen. In den Lexika und Warenkunden des 19. Jahrhunderts wird noch ausführlich über den Met berichtet – so auch im Brockhaus, dem »Bilder-Conversations-Lexicon für das deutsche Volk. Ein Handbuch zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse und zur Unterhaltung« von 1839: »Meth, Meht oder Honigwein ist ein in Ungarn, Polen und Rußland beliebtes, durch Einkochen von Honig und Wasser und nachherige Gährung bereitetes, weinartiges Getränk, dessen Genuß Neigung zum Schlaf erweckt und abführend, sowie Schweiß und Auswurf befördernd wirkt. Je besserer und reinerer Honig und je klareres, weiches Wasser dazu genommen wird, desto besser fällt auch der Meth aus, dessen Farbe, je nach der des Honigs, bräunlich, röthlich oder weißlich ist. Man nimmt von beiden dem Maße nach gleiche Theile, oder auch bedeutend mehr 8) mit Gert v. Paczensky, 1. Aufl. A. Knaus, München 1994
14
Vor dem Zucker süßte man mit Honig
Wasser und läßt die vorher mit lauem Wasser tüchtig eingerührte Mischung nach Belieben mehr oder weniger stark einkochen, wodurch natürlich die Güte und Kraft des Meths mit bedingt wird. Man füllt ihn noch lau auf Fässer und läßt ihn an einem mäßig warmen Orte, durch Zusatz von Hefen und wenn man will, mit allerhand Obst, Kräutern und Gewürzen gähren, um ihm davon einen Beigeschmack mitzutheilen. Nach beendigter Gährung wird das Faß aufgefüllt und zugespundet, und nach einigen Wochen ist der Meth trinkbar; soll er aber lange aufbewahrt werden, so muß er im ersten Jahr mehrmals von seinem Bodensatz abgezogen werden, bis er weinklar ist, wo er sich dann in Fässern und Flaschen 20 und mehr Jahre mit zunehmender Güte hält.« Im 21. Jahrhundert wird auf jedem historischen Markt Met in Deutschland angeboten. Im 19. Jahrhundert aber war dieses Honiggetränk offensichtlich auf ost-
Abb. 3 Apotheker – auch als Verkäufer
von Spirituosen. Darstellung aus Christoff Weigel: Abbildung der gemein-nützlichen Haupt-Stände…, Regensburg 1698.
Met, der Honigwein der Germanen
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europäische Länder begrenzt, wie auch der folgende Text aus dem Neuesten Waaren-Lexikon für Handel und Industrie von 1870 unter dem Stichwort Honig vermittelt: »… Der Verbrauch des H. ist im Ganzen sehr bedeutend und bildet derselbe daher auch einen großen Handelsartikel. Seine hauptsächliche Verwendung ist die zu süßen Backwaaren und sonst an Stelle von Zucker, und auch in der Liqueurfabrikation ist seine Anwendung wahrscheinlich nicht unbedeutend, da er im gereinigten Zustande den Getränken eine angenehmere Süße giebt als Zucker. Mit der doppelten Menge Wasser gekocht, abgeschäumt und durchgeseiht und noch warm mit Hefe in Fässer gebracht, geht der H. in Gährung und wird zu Honigwein oder Meth, der nach mehrjährigem Lager ein starkes und feuriges, dem Madeirawein ähnliches Getränk wird, das bei uns wenig bekannt, sehr beliebt aber bei den Polen, Russen usw. ist, wo vorzüglich die Juden die Methbrauer und Ausschenker sind.« Zu den honighaltigen alkoholischen Getränken unserer Zeit gehören Honigliköre, Honigwein und Honigschaumwein. • Honigliköre (Likör allgemein als gesüßte Spirituose mit mindestens 100 g l–1 an Zucker und 15 Vol.-% Alkohol). Am bekanntesten ist der deutsche Bärenfang. Unter dem Markennamen Bärenjäger wird von der Bärenfangfabrik Tacke + Koenig in Steinbergen ein Honiglikör mit 35 % Alkohol »Nach der Originalrezeptur der alten Königsberger Bärenfangfabrik« auf den Markt gebracht. • Honigwein (Synonym Met) gehört zu den weinähnlichen Getränken, in der Regel bernsteinfarben, und wird aus einem Gewichtsteil Honig und höchstens zwei Teilen Wasser ohne Zusatz von Zucker oder anderen würzenden Zutaten hergestellt. Zusätzlich können auch Hopfen und Gewürze verwendet werden. Honigwein weist mindestens 5,5 Vol.-% Alkohol, 16 g l–1 an zuckerfreiem Extrakt und höchstens 1,2 g l–1 freie Säuren (als Essigsäure berechnet) auf. Als Bären-Met bezeichnet o. g. Firma einen 15%igen Honigwein – mit dem Hinweis: »Einst Trank der Götter und Germanen ist Met seit Jahrtausenden begehrt.« Für diesen Honigwein »mit der natürlichen Süße« wird »bester Yukatan-Honig« verwendet.
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Vor dem Zucker süßte man mit Honig
• Honigschaumwein wird aus Honigwein mit einem Überdruck von mindestens 3 bar an Kohlenstoffdioxid hergestellt.
2.4
Das Honigangebot heute
Die Definition für Honig nach der Deutschen Honigverordnung (16. 01. 2004) lautet: »Honig ist der natursüße Stoff, der von Bienen der Art Apis mellifera erzeugt wird, indem die Bienen Nektar von Pflanzen oder Absonderungen lebender Pflanzenteile oder sich auf den lebenden Pflanzenteilen befindliche Sekrete von an Pflanzen saugenden Insekten aufnehmen, durch Kombination mit eigenen spezifischen Stoffen umwandeln, einlagern, dehydratisieren und in den Waben des Bienenstockes speichern und reifen lassen.« Das Deutsche Lebensmittelbuch. Leitsätze 2003 über »Verkehrsbezeichnung, Qualität und Zusammensetzung« enthält »Leitsätze für Honig«, von denen für den Verbraucher vor allem die »qualitätshervorhebenden Angaben« von Interesse sind:
Abb. 4 Pieter Bruegel: Die Bienenzüchter (Federzeichnung um 1568).
Met, der Honigwein der Germanen
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1. Zusätzliche Angaben wie »Auslese«, »Auswahl« beziehen sich auf durch besondere Auswahl erzielte überdurchschnittliche äußere Eigenschaften wie Farbe, Aussehen und Konsistenz sowie auf den Geschmack. 2. Angaben wie »kalt geschleudert«, »mit natürlichem Fermentgehalt«, »wabenecht« werden nur bei besonders sorgfältiger Gewinnung, Lagerung und Abfüllung des Honigs verwendet. In diesen Fällen können auch Angaben wie »feinste«, »beste« verwendet werden. Nach der Honigverordnung im deutschen Lebensmittelrecht dürfen diesem Naturprodukt weder Stoffe zugesetzt noch honigeigene Bestandteile entzogen werden. Als naturrein kann Honig jedoch nicht mehr bezeichnet werden, da Rückstände von Bienenarzneimitteln bzw. Pflanzenschutzmitteln auch in den Honig gelangen können.
Honigsorten
• Blütenhonige weisen eine hellgelbe bis braune Farbe auf, sie riechen süß und duftig hocharomatisch. Die Zucker (siehe Abschnitt 2.5) sind in vielen Fällen auskristallisiert (kandiert). • Honigtauhonige werden von sogenannten Wanderimkern erzeugt, die mit ihren Bienenstöcken in die Trachtgebiete gehen – Rapsfelder, Heidegebiete, Wälder. Bienen, die Trachthonige erzeugen, weisen eine Blütenstetigkeit auf, d. h. sie befliegen nur eine Tracht (so lange deren Nahrungsangebot reicht, entsprechend z. B. der Zeit der Rapsblüte). Ein Trachthonig (althochdeutsch zu drahte(a), zu tragen; für eingetragene Nahrung – Nektar, Pollen, Honigtau) kann von einem Fachmann an Geruch, Geschmack, Farbe und Kandierung erkannt werden. Als Honigtau bezeichnet man den von Blattläusen aus den Siebröhren von Pflanzen im Überschuss aufgesogene und unverdaut wieder ausgeschiedene zuckerhaltige Saft. Er befindet sich auf den Blättern in Form klebriger Tröpfchen. Auch eine bestimmte chemische Zusammensetzung (siehe Abschnitt 2.6) sowie das Vorkommen blütentypischer Pollen (unter dem Mikroskop zu erkennen) sind charakteristische Merkmale eines Honigs.
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Vor dem Zucker süßte man mit Honig
Im Folgenden werden einige spezielle Sorten näher beschrieben: • Akazienhonig ist hell, meist schwach gelblich gefärbt, weist ein mildes Aroma auf und kandiert nur langsam. • Heidehonig als Mehrblütenhonig weist eine rötliche bis braune Farbe auf und schmeckt sehr aromatisch. • Kleehonig, ebenfalls ein Mehrblütenhonig, ist hell beige bis weiß gefärbt, von angenehm mildem und zartem Aroma bzw. Geschmack. Er kandiert relativ schnell. • Lindenhonig, ein Trachthonig, zartgelb bis zartgrün (durch Chlorophylle) gefärbt, schmeckt ebenfalls angenehm mild und aromatisch. Er kandiert langsam, wird aber sehr fest. • Rapshonig, hell weißlich gefärbt, schmeckt sehr süß und aromatisch, hat einen ausgeprägten Geruch und kandiert sehr schnell. • Sommerblütenhonig ist dunkelgelb bis dunkelbraun gefärbt, hat ein blütenartiges Aroma und kandiert nur langsam. • Tannenhonig, sowohl als Tracht- als auch Honigtauhonig, ist dunkelgrün bis fast schwarz gefärbt, riecht und schmeckt sehr würzig, kandiert langsam. • Waldhonig als Honigtauhonig und gemischter Trachthonig ist rotbraun gefärbt, schmeckt würzig-herb und kandiert (ausgenommen von der Lärche) langsam. Unterscheidung von Honigen nach der Gewinnungsart: • Schleuderhonig wird vom Imker durch Ausschleudern der Waben gewonnen (die häufigste Art der Gewinnung). • Tropfhonig wird nach dem Zerschneiden der Waben und Austropfen durch ein Sieb ohne weitere Bearbeitung gewonnen. • Presshonig, trüb und herb-mehlig nach Pollen und Bienenwachs schmeckend, erhält man durch Auspressen der Waben – wird zum Beispiel bei Heidehonig angewendet. Die beiden letzteren Verfahren haben im Vergleich zum Schleudern nur eine geringe Bedeutung. • Waben- oder Scheibenhonig ist der natürlichste Honig. Er wird in den noch verdeckelten, brutfreien Waben, meist in Scheiben geschnitten, dem
Met, der Honigwein der Germanen
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Verbraucher angeboten. Als Scheibenhonig kennt man z. B. auch den Heidehonig, der wegen seiner gelartigen Konsistenz aus den Waben nicht herausläuft. Honige werden bevorzugt aus Deutschland angeboten. Eine Kennzeichnung erfolgt z. B. mit »aus EU-Ländern« oder »aus Nicht-EU-Ländern«. Wichtige HonigProduzenten bzw. Herkunftsländern sind Kanada, Argentinien, Mexiko, die USA, Australien und Neuseeland, aber auch China und Russland. Neben den bereits näher charakterisierten Honigarten findet der Verbraucher in den Regalen von Supermärkten ein breites Angebot an Honigsorten – z. B. mit folgenden Bezeichnungen (aus einem Regal eines Supermarktes): Ägäischer Pinienhonig, Akazienhonig mit Frühjahrstracht, Bergblüten Honig, Blüten-Auslesehonig (streichzart oder goldflüssig), Canadischer Raps-Klee Honig, Eichenwald Honig, Gebirgsblüten Honig, Imkerhonig – Sortenauslese duftige Lindenblüte, Landhonig (kalt geschleudert), Lateinamerikanischer Wildblütenhonig, Sommerblüten- mit Akazienhonig, Sonnenblumen Honig, Wald- mit Blüten-Honig, Wildblütenhonig. Aus einigen der Bezeichnungen geht hervor, dass die Honigverarbeiter zueinanderpassende Honigsorten gemischt haben. Dadurch erzielen sie eine gewünschte Konsistenz und einen bestimmten Geschmack. Etwas ganz Besonderes ist das Gelee Royale – z. B. im Supermarkt mit dem Zusatz in Blütenhonig. Als Gelee Royale bezeichnet man den Futtersaft der Ammenbienen zur Aufzucht von Königinnenlarven. Aus ihm entwickelt sich aus dem befruchteten Ei statt einer Arbeitsbiene eine Bienenkönigin. Als Inhaltsstoffe, die diesen geheimnisvoll erscheinenden Vorgang auslösen, werden u. a. der im Vergleich zum Aufzuchtfutter für Arbeitsbienen höhere Gehalt an Neopterin und Biopterin (Pteridine: Gruppenname für bicyclische Stickstoff-Heterocyclen der Grundformel C6H4N4) genannt. Man vermutet auch das Vorkommen gewisser Pheromone (Signalstoffe) und eine aktivierende Wirkung der Pantothensäure (wird dem Vitamin-B-Komplex zugerechnet; hellgelbes, viskoses Öl mit Wuchsstoffcharakter). Dieser gallertartige Futtersaft, auch Königinnen- oder Weiselsaft der Königin genannt, steht nur in geringen Mengen zur Verfügung, ist daher sehr teuer und wird deshalb mit Honig vermischt (gestreckt). Honig wird nicht nur direkt verzehrt, sondern auch zum Süßen (Müsli, Desserts), als Würzmittel (für exotische Gerichte) und zum Backen (Honigkuchen, Bienenstich) verwendet. Auch bei Fruchtgetränken wird eine besondere Geschmacksnote durch den Zusatz von Honig erzielt. Honigbonbons sind Hart- oder
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Vor dem Zucker süßte man mit Honig
Weichkaramellen mit mindestens 5 % Bienenhonig. Honiggebäck ist eine Handelsware, bei der mindestens 50 % der enthaltenen Zuckerarten aus Honig stammt. Honigkuchen sind braune Lebkuchen aus gewürztem Lebkuchenteig, der auf 100 Teile Getreideerzeugnisse mindestens 50 Teile Zuckerarten – und davon die Hälfte an Honig – enthält.
2.5
Vom Nektar zum Honig
Die Entstehung bzw. Herkunft der Inhaltsstoffe von Honig ergibt sich aus der Tätigkeit der Bienen (Apis mellifera, Apis mellifica). Sie sammeln bekanntlich Nektariensäfte oder auch andere an lebenden Pflanzenteilen vorkommende süße Säfte. Diesen werden in der Honigblase der Sammelbiene körpereigene Stoffe hinzugefügt, sie werden von den Arbeitsbienen (Stockbienen) übernommen und schließlich in den Waben gespeichert, wo sie reifen.
Abb. 5 Honigbienen an der Wabe.
Die Inhaltsstoffe des Honigs
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Bis zur Gewinnung des Honigs aus den Waben (siehe Abschnitt 2.4) finden folgende Vorgänge statt: Der Nektar wird eingedickt. Dieses geschieht dadurch, dass die Stockbienen einen Tropfen Nektar über den Rüssel mehrfach abgeben und wieder aufsaugen, wobei Wasser verdunst. Ist ein Wassergehalt von etwa 50 % erreicht, wird der Nektar auf den Wabenzellen ausgebreitet. Durch kräftiges Fächeln mit den Flügeln und infolge der höheren Temperatur im Brutnest verdunstet weiteres Wasser bis zu einem Gehalt von etwa 16–18 %. Dann erst werden die Lagerzellen des Honigs mit einer luftundurchlässigen Wachschicht überzogen (verdeckelt). Saccharose wird nun im eingedickten Honig durch die Säuren der Nektariensäfte und des Bienenkörpers sowie durch Enzyme der Biene in Glucose und Fructose gespalten (Zunahme des sogenannten Invertzuckers). Es findet darüber hinaus eine sogenannte Isomerisierung (Umwandlung) durch Enzyme von Glucose zu Fructose statt. Eiweißstoffe gelangen aus den Pflanzen und der Biene ebenso in den Honig wie Mineralstoffe, Vitamine und Aromastoffe aus dem Futter, von Enzymen aus den Speicheldrüsen und der Honigblase der Biene. Diese vielfältigen chemischen und biochemischen Reaktionen bestimmen die Zusammensetzung und damit die Konsistenz, den Geschmack und das Aroma von Honigen.
2.6
Die Inhaltsstoffe des Honigs (mit Experimenten)
Honig ist eine übersättigte Lösung von vor allem zwei Zuckerarten, von Glucose (Traubenzucker) und Fructose (Fruchtzucker). Infolge des Auskristallisierens der Zucker (zuerst von Fructose) wird Honig mit der Zeit körnig und schließlich fest. Das Naturprodukt Honig besteht zu etwa 80 % aus Kohlenhydraten, zu 18 % aus Wasser – der Rest vor allem aus Mineralstoffen. Die Zusammensetzung von Honigen lässt sich durch folgende Mittelwerte und Schwankungsbreiten angeben (Mittelwerte in Klammern): Wasser 13,4–22,9 % (17,2 %), Fructose 27,3–44,3 % (38,2 %), Glucose 22,0–40,8 % (31,3 %), Saccharose 1,7–3,0 % (2,4 %), Maltose 2,7–16,0 % (7,3 %), Mineralstoffe 0,20–0,24 % (0,22 %) mit vor allem Kalium und Phosphor und einem pH-Wert von 3,4–6,1 (3,9) je nach dem Gehalt an freien Säuren
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Vor dem Zucker süßte man mit Honig
8,7–59,5 mmol kg–1 (29,1 mmol kg–1), bestehend aus Amino- sowie Fruchtsäuren wie z. B. Leucin/Isoleucin, Arginin, Glutaminsäure, Phenylalanin u. a. sowie Milch-, Citronen-, Essig-, Ameisen- und Gluconsäure. Der Wassergehalt sollte unbedingt unter 20 % liegen, da sonst eine unerwünschte Vergärung der Zucker durch Hefen auftreten kann. Der Gehalt an Fructose ist meist höher als der von Glucose – etwa 38 zu 31 %. Darüber hinaus wurden bisher mehr als 20 sogenannte Oligosaccharide (Kohlenhydrate aus mehr als 2 bis etwa 10 einfachen Bausteinen – d. h. Monosacchariden), von denen Maltose mengenmäßig überwiegt. Charakteristisch ist für das Naturprodukt Honig auch das Vorkommen von Enzymen. Die Enzyme der Diastase (α- und β-Amylase) bauen Stärke ab, die Invertase spaltet Saccharose in Glucose und Fructose. Als weitere Enzyme kommen Glucoseoxidase, Phosphatase und Katalase vor. Die Aromastoffe stammen vorwiegend von den Nektarspendern – sie zählen chemisch zu den Gruppen organische Säuren, Aldehyde und Ketone sowie Ester. Von der Biene selbst stammen z. B. Benzylalkohol und Phenylessigsäure, die auch in den Waben vorkommen. Ernährungsphysiologisch entspricht der Honig einem Gemisch an Zuckern – sowohl im Hinblick auf den Brennwert als auch auf die kariogene Wirkung (Verursacher von Zahnkaries). Eine positive Funktion ist jedoch auch auf die speziellen Inhaltsstoffe zurückzuführen: Aufgrund seines Aromas wird Honig zum Süßen sparsamer verwendet als Zucker. Beim Abfüllen müssen zähfließende bzw. kristallisierte Honige häufig erwärmt werden. Die dafür kritische Temperatur liegt bei 40 °C. Darüber erleidet ein Honig wesentliche chemische Veränderungen; vor allem verändert sich das Aroma, die (lebensmittelchemisch nachweisbaren) Honigenzyme werden zerstört und es entsteht aus der Fructose ein spezieller Stoff, das Hydroxymethylfurfural (HMF), der sich ebenfalls lebensmittelchemisch nachweisen lässt. Überhitzter Honig darf nur für spezielle Zwecke, z. B. als Backhonig verwendet werden. Anhand der HMF-Gehalte kann Honig auch von der Invertzuckercreme (früher sogar als Kunsthonig bezeichnet) unterschieden werden. Honig nimmt leicht Fremdgerüche auf und zieht Wasser aufgrund des hohen Zuckergehaltes an. Aromastoffe sind lichtempfindlich, bei höheren Temperaturen finden die genannten Veränderungen beschleunigt statt. Er sollte daher stets dunkel bei Temperaturen zwischen 15 und 20 °C gelagert werden.
Die Inhaltsstoffe des Honigs
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Experiment 1
Zur Temperaturabhängigkeit der Viskosität
Materialien
Heizrührer, kleines Magnetrührstäbchen, Thermometer (Bereich bis etwa 100 °C), Wäscheklammer, 50-ml-Becherglas, verschiedene Honigarten
Durchführung
Im Becherglas wird das Magnetrührstäbchen mit Honig bedeckt. Das Thermometer wird so am Rand des Glases eingetaucht (und befestigt, z. B. mit einer Wäscheklammer), dass es vom Rührstäbchen nicht berührt wird. Dann schaltet man sowohl die Heizung als auch den Rührer ein, dessen Geschwindigkeit man zuvor anhand von Wasser auf einige wenige Umdrehungen pro Sekunde eingestellt hat. Die Temperatur, bei der sich das Rührstäbchen zu bewegen beginnt, wird festgestellt.
Beobachtungen
Je nach Art (Herkunft) des Honigs werden sehr unterschiedliche Temperaturen ermittelt, bei denen die Viskosität so gering ist, dass sich das Rührstäbchen bewegen kann.
Erläuterungen
Die Viskosität der Honige hängt entscheidend vom Wassergehalt bzw. von der Konzentration der einzelnen Zucker ab. Fructose kristallisiert am leichtesten und setzt sich dabei am Boden ab (Entmischung). Glucose reiche (und damit auch zähflüssige bis feste) Honige sind z. B. Raps- und Lärchenhonig, Fructose reiche Honige sind z. B. Akazien- und Heidehonig.
Experiment 2
Nachweis der reduzierenden Zucker
a) Vereinfachte Fehling-Reaktion
Materialien
Kupfersulfat (Xn), Natriumcarbonat (Soda), Reagenzglas mit Reagenzglashalter und Spirituslampe (oder 25-ml-Becherglas und Heizplatte), Spatellöffel
Durchführung
Ein Spatellöffel voll Honig wird in einigen Millilitern Wasser unter Erwärmen gelöst. Dann fügt man eine Spatelspitze Kupfersulfat
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Vor dem Zucker süßte man mit Honig sowie ein bis zwei Spatellöffel Natriumcarbonat hinzu und erhitzt bis zum Sieden.
Beobachtungen
Zunächst zeigt sich ein grünblauer Niederschlag (bzw. eine Trübung). Beim Erhitzen bildet sich langsam ein gelbroter bis roter Niederschlag.
Erläuterungen
Es findet eine Reduktion der Kupfer(II)-Ionen zum Kupfer(I)oxid statt, wobei die reduzierenden Zucker, vor allem Glucose, zur Gluconsäure oxidiert werden. Diese Reaktion ist mit mehreren Namen wie Fehling, Trommer und Benedict verbunden, deren Nachweisreaktionen sich nur in den Reaktionsbedingungen unterscheiden. Die klassische Fehlingsche Lösung enthält Kaliumnatriumtartrat (Seignette-Salz) und Natronlauge, Benedict’s Reagenz Natriumcitrat und Soda und der Trommer-Test verwendet nur Natron- und Kalilauge und Kupfersulfat.
b) Oxidation mit Kaliumpermanganat in sodaalkalischer Lösung
Materialien
Rollrandgläser (30 ml), 1–2%ige Kaliumpermanganat-Lösung, Natriumcarbonat, Honig, Spatellöffel (Vergleich mit Glucose – siehe Abschnitt 5.1)
Durchführung
Ein Spatellöffel voll Honig wird in 5–10 ml Wasser gelöst. Dann tropft man einige, wenige Tropfen der Kaliumpermanganat-Lösung hinzu und beobachtet die Veränderung. Schließlich erhöht man die Anzahl der Tropfen auf das Doppelte, fügt zwei Spatellöffel Natriumcarbonat hinzu und rührt um.
Beobachtungen
Bereits vor der Zugabe von Natriumcarbonat wird ein Teil der rotvioletten Permanganat-Ionen entfärbt, bzw. die Farbintensität der Lösung verringert sich. Nach Zugabe weiterer Tropfen Natriumcarbonat findet dann nochmals eine deutliche Entfärbung bzw. eine Farbänderung von Rotviolett nach Gelb statt.
Erläuterungen
Reine Glucose und auch Fructose (siehe Abschnitt 5.1) werden erst in sodaalkalischer Lösung durch Permanganat-Ionen oxidiert. Aromastoffe des Honigs jedoch haben ebenfalls eine geringe reduzierende Wirkung bereits in der schwach sauren Lösung des Honigs. Nach dem Zusatz von Natriumcarbonat werden auch die Anteile an
Die Inhaltsstoffe des Honigs
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Glucose und Fructose rasch oxidiert. Entscheidend ist hier somit der pH-Wert, bei dem offensichtlich eine Ringöffnung erfolgt, sodass die reduzierend wirkende Aldehydgruppe frei vorliegt.
Experiment 3
Nachweis der Amylase-Aktivität
Materialien
2 Reagenzgläser, Becherglas (Verwendung als Wasserbad für die Reagenzgläser), Honig, »Kunsthonig« (Invertzuckercreme), Speisestärke, Iod-Lösung (z. B. Betaisodona®-Lösung, 1:40 mit dest. Wasser verdünnt), kleiner Spatellöffel, Einmal-Plastikpipetten (5 ml), Thermometer
Durchführung
In die Reagenzgläser werden je 10 ml einer Lösung von Honig bzw. Kunsthonig (je 1 Spatellöffel) und je 1 ml einer Stärke-Suspension (ein halber Spatellöffel in 10 ml Wasser) pipettiert. Dann werden die Lösungen in den Reagenzgläsern im Wasserbad bei ca. 40 °C (etwa Stufe 3 einer Heizplatte) eine Stunde erwärmt. Danach lässt man für 20 Minuten abkühlen und prüft die Lösungen mit einigen Tropfen der Iod-Lösung.
Beobachtungen
Nur die Lösung mit dem Kunsthonig färbt sich blau.
Erläuterungen
Die wichtigsten Enzyme des Honigs sind Amylasen (Diastasen), Invertase und Glucoseoxidase. Die Bestimmung der Aktivität von Amylasen, die Stärke abbauen, wird auch zum Nachweis des unerlaubten Erhitzens von Honig herangezogen. »Kunsthonig«, oder richtiger Invertzuckercreme, wird meist säurehydrolytisch (selten enzymatisch mit Invertase) aus Saccharose-Lösungen gewonnen und enthält somit keine Enzyme.
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Vor dem Zucker süßte man mit Honig
Experiment 4
Nachweis der Aminosäuren
Materialien
Spirituslampe und Reagenzglas mit Reagenzglashalter (oder 25-mlBecherglas und Heizplatte), Ninhydrin (Xn), Honig, Spatel
Durchführung
Dünnflüssiger Honig wird in wenig Wasser unter Erwärmen gelöst. Dann fügt man eine Spatelspitze an Ninhydrin hinzu und erhitzt bis zum Sieden.
Beobachtungen
Je nach Konzentration an Aminosäuren bzw. Proteinen erhält die Lösung einen blauvioletten Farbton.
Erläuterungen
Ninhydrin ist ein Nachweisreagenz für Aminogruppen. Der Proteingehalt im Honig beträgt durchschnittlich 0,4 %.
Experiment 5
Säuren im Honig
Materialien
Kaliumcarbonat (als Pottasche im Lebensmittelhandel), dünnflüssiger Bienenhonig, 25-ml-Becherglas, Esslöffel
Durchführung
Der Boden des Becherglases wird mit Pottasche bedeckt und mit wenig Wasser angefeuchtet (nicht gelöst). Dann fügt man einen Esslöffel voll dünnflüssigem Honig hinzu.
Beobachtungen
Es bilden sich in der Honigschicht kleine, aber deutlich sichtbare Gasblasen.
Erläuterungen
Honig weist als natürliche Inhaltsstoffe vor allem Gluconsäure (durch das Enzym Glucoseoxidase aus Glucose gebildet), auch geringe Mengen an Essig-, Milch-, Citronen-, Bernstein-, Ameisen-, Malein-, Äpfel- und Oxalsäure auf. Die Schwankungsbreite der pHWerte reicht von 3,4 bis 6,1. Infolge des Säuregehaltes wird aus dem Kaliumcarbonat Kohlenstoffdioxid als Gas freigesetzt. Daher wird Pottasche auch als Lockerungsmittel zur Herstellung von Honiggebäck verwendet.
Die Inhaltsstoffe des Honigs
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Experiment 6
Farbstoffe im Honig
Materialien
Dünnflüssiger (gelbbrauner) Honig – z. B. »Waldhonig«, Rollrandgläser mit Deckel, Spatellöffel, Spiritus (F), Reinigungsbenzin (F+), Natriumcarbonat
Durchführung
Jeweils ein kleiner Löffel voll Honig wird (a) mit ca. 5 ml Wasser, (b) mit ca. 5 ml Spiritus bedeckt und im geschlossenen Glas kräftig geschüttelt. Man stellt zunächst die Löslichkeiten fest. Die wässrige Lösung (a) wird auf ca. 10 ml mit Wasser verdünnt und auf zwei Gläser verteilt. Dem einen Glas fügt man dann einen kleinen Spatellöffel Natriumcarbonat hinzu. Dem Glas mit Spiritus (b) wird das gleiche Volumen an Wasser und an Benzin zugegeben. Dann wird nochmals kräftig geschüttelt.
Beobachtungen
In Wasser löst sich der Honig langsam aber vollständig auf. Nach dem Zufügen von Natriumcarbonat tritt eine mehr oder weniger starke Trübung und Gasentwicklung auf. Nachdem die Reaktion abgeklungen ist, stellt man durch Vergleich mit der unbehandelten Probe eine Verstärkung der gelben Farbe in der Lösung fest. In Spiritus lösen sich der Honig bzw. dessen Farbstoffe kaum. Auch findet keine Verteilung in die Benzinphase statt.
Erläuterungen
Farbgebende Stoffe im Honig sind sowohl Flavonoide als auch Oxidationsprodukte polarer aromatischen Substanzen wie Phenolcarbonsäuren. Die Anwesenheit polarer Flavonoide zeigt sich an der verstärkten Gelbfärbung in sodaalkalischer Lösung. Anhand von Flavonoidmustern (mittels HPLC: high performance liquid chromatography = Hochleistungs-Flüssigkeits-Chromatographie) lässt sich auch die Herkunft von Honigen feststellen. Die Ergebnisse der Löslichkeitsversuche zeigen, dass es sich um sehr polare (chinoide) Farbstoffe handelt.
3 Zucker – eine historische Warenkunde
Nach V. Pöschl, Autor einer Warenkunde als Ein Lehr- und Handbuch für Studierende, Kaufleute, Verwaltungs- und Zollbeamte, Volkswirte, Statistiker und Industrielle aus dem Jahr 1924 ist Warenkunde »die logisch und systematisch geordnete sowie auf einfachste Gesichtspunkte und auf den einfachsten Ausdruck zurückgeführte Darstellung aller die Waren betreffenden Kenntnisse.«
Ware und Warenkunde historisch
Seit dem Ende des 13. Jahrhunderts ist im Hochdeutschen das Wort Ware belegt. Seine etymologische Herkunft jedoch ist unsicher. Das Deutsche Wörterbuch der Brüder Grimm führt dazu als wahrscheinlich an, »dasz ware dasselbe wort ist wie mnd. [mittelneudeutsch] Ware ›aufsicht, hut, gewahrsam‹ (…), also ursprünglich ›was man in besitz oder gewahrsam hat‹; (…) schlieszlich besteht die möglichkeit, dasz ware ›handelsgut‹ (…) mit ware, der mnd. Nebenform zu währe ›gewährleistung, sicherstellung‹ (…) identisch ist, da der verkäufer dem käufer für das verkaufte gut sicherheit zu leisten hatte, so konnte ware die bedeutung ›unter gewähr verkauftes gut‹ und überhaupt ›handelsgut‹ annehmen…« Bereits 1752 definierte Carl Günther Ludovici in seinem Vollständigen Kaufmanns-Lexicon die Warenkunde mit den Worten »die Warenkenntnis als Wissenschaft betrachtet«. Und im Kaufmannsroman Soll und Haben (1855) von Gustav Freytag (1816–1895) heißt es: »Herr Jordan gab sich redlich Mühe, den Lehrling in die Geheimnisse der Waarenkunde einzuweihen«. Auch Johann Beckmann (1739–1811, ab 1766 Professor an der Universität Göttingen, Mitbegründer der Technologie als Wissenschaft) schrieb »Waarenkunde« mit zwei »a« – 1793–1796 erschien unter dem Titel »Vorbereitung zur Waarenkunde oder zur Kenntniß der vornehmsten ausländischen Waaren« sein Werk im bis heute bestehenden Verlag Vandenhoeck und Ruprecht in Göttingen. In seiner Vorrede schrieb Beckmann zur Entwicklung der Warenkunde (im Ver-
Zuckersüße Chemie. Georg Schwedt Copyright © 2010 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim ISBN: 978-3-527-32786-7
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Zucker – eine historische Warenkunde
gleich zur Arzneimittelkunde, der Materia medica) u. a. (Schreibweise der Rechtschreibung unserer Zeit angepasst): »Materialien, welche viele Jahrhunderte hindurch genutzt worden (sind), ohne dass bekannt gewesen ist, was sie sind, reizten die Neugierde, veranlassten Nachforschungen, und so ist denn ihre Zahl immer kleiner geworden. Durch die genaue Untersuchung dieser Waren hat selbst die systematische Naturkunde große Ergänzungen gewonnen; durch ihre genaue Bestimmung oder Erklärung ist ihr Gebrauch gesichert und erweitert worden. Man hat statt der kostbaren ausländischen Materialien ähnliche inländische (ge)brauchen gelernt; man hat Kennzeichen der Güte und der Verfälschung entdeckt, und dadurch dem gefährlichen, oder doch schädlichen Betrugs Einhalt getan.« Über die Anforderungen an eine Warenkunde als Wissenschaft führt Beckmann aus: »Zur gründlichen und vollständigen Erklärung der Waren gehört zu viel, als dass solches alles bald, und von einem Manne zusammen gebracht und gelehrt werden könne. Vor allen Dingen muss bestimmt werden, was die Ware, von der die Rede ist, sei; ob sie ein rohes Produkt der Natur, oder ein Werk der Kunst sei. In beiden Fällen muss die Gattung und die Art desjenigen Naturals, von welchem es erhalten wird, oder welches dazu den Stoff liefert, systematisch bestimmt werden, sodass man die Kennzeichen finden könne, wodurch es von allen ähnlichen zu allen Zeiten sicher unterschieden werden kann.« Beckmann fordert wiederholt Kennzeichen der Güte und der Verfälschung, eine Grundregel, die bis heute ihre vorrangige Gültigkeit behalten hat. Beckmanns Waarenkunde wurde 1978 in Leipzig (im damaligen Zentralantiquariat der Deutschen Demokratischen Republik) neu aufgelegt. Im Nachwort schrieb Günter Grundke, selbst Verfasser einer zeitgemäßen Warenkunde, als Begründung für eine Reprint-Ausgabe (nicht ohne einen Bezug auch auf Karl Marx und Das Kapital) u. a.: »… Als materielle Abbilder der praktischen und der geistigen Fähigkeiten der Menschen und speziell ihrer Arbeit sind die Waren ein wichtiger
Ware und Warenkunde historisch
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Abb. 6 Erste Titelseite des aus zwei Bän-
den mit vier bzw. zwei »Stücken« bestehenden Werkes Vorbereitung zur Waarenkunde (1793–1800) von Johann Beckmann.
Bestandteil der Kultur der jeweiligen Epoche. Sie informieren über das Niveau von Produktion, Handel und Konsumtion und lassen zugleich erkennen, wie mit der Erkenntnis von Naturvorgängen die Voraussetzungen für die Entwicklung des Warenangebotes geschaffen wurden…« Und weiter führt Grundke aus: » Das zeitgenössische Wissen über die Waren, das in den Schriften der Warenkunde zum Ausdruck kommt, ist für Fachleute zahlreicher
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Zucker – eine historische Warenkunde Abb. 7 Der Materialist (vergleichbar mit
Drogist und Kolonialwarenhändler ab dem 19. Jahrhundert), in Christoff Weigel: Abbildung der gemein-nützlichen HauptStände… Regensburg 1698 (siehe auch Abb. 3).
Disziplinen von unschätzbarem Wert. Ihr Erschließen ist kein Tribut an eine Nostalgiewelle, sondern ein Beitrag zur Pflege fortschrittlicher Traditionen, zur Nutzung progressiver Schriften für die Gegenwart und zur Förderung des Geschichtsbewußtseins – ganz speziell der jüngeren Generation. Die klassischen Texte zur Warenkunde sollen auf progressive Denkansätze aufmerksam machen, deren Diskussion heute noch immer oder – mit zeitlichem Abstand – wieder lohnt. Sie sollen ferner vergessene Einsichten, Erkenntnisse und Erfahrungen erschließen, Verständnis für die Wissenschaftsentwicklung wecken und – ganz speziell – Anregungen und Impulse für Forschung und Praxis vermitteln.« Auch der Laie wird aus den folgenden Texten historisch interessante Informationen entnehmen können. Und ohne die dialektischen Attribute kann ein Leser im 21. Jahrhundert den zuvor zitierten Argumenten beim Lesen der Texte zur
Ware und Warenkunde historisch
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»Warenkunde des Zuckers« aus Werken des 18. bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts sicher zustimmen. Aus der Bibliothek der Wiener Handels-Acadamie stammt ein antiquarisch erworbenes Exemplar mit dem Titel Neustes Waaren-Lexikon für Industrie und Handel. Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse, namentlich der Kolonial-, Material-, Droguerie- und Farbwaaren, chemisch-technischer und anderer Fabrikate (bearbeitet unter Mitwirkung bewährter Fachmänner von Klemens Merck), erschienen in Leipzig 1870. Lesenswert sind darin, bevor wir uns in Abschnitt 3.1 dem Zucker zuwenden, auch einige Absätze aus dem Vorwort. In auf unsere Zeit übertragbar erweisen sich z. B. Aussagen über die Bedeutung der Warenkunde. Dort heißt es u. a.: »Die Verallgemeinerung nützlicher Kenntnisse und die leichtere Zugänglichmachung der hierzu dienlichen Belehrungsmittel gehört zu den erfreulichen Bestrebungen unserer Zeit. Zu dem Nützlichen und Wissenswerthen ist sicher auch die Waarenkunde zu zählen, und ihre Bedeutung ist in demselben Maße eine zunehmende, wie sich die Beziehungen des Handels und Völkerverkehrs bis zu den entlegensten Ländern der Erde ausbreiten, mehren und fester knüpfen, je mehr neue Werthobjecte der Welthandel uns unter die Hände bringt, je häufiger, fast könnte man jetzt sagen Tag für Tag, Wissenschaft, Erfindungsgeist und Industrie dem Waarenschatze neue, oft hoch interessante und wichtige Bereicherungen zuführen. Die Waarenkunde umfaßt einen guten Theil der allgemeinen Stoffkunde, und wie viele große Erfolge verdanken wir nicht der bessern Kenntniß und Beherrschung des Stoffs! Sie schlägt ein in die Länder-, Völker- und Naturkunde, giebt Einblicke in den Verkehr und die vieltausendfältigen Beziehungen der menschlichen Gesellschaft, und ist hiernach in der That ein Gegenstand, der das Interesse auch des gebildeten Laien in Anspruch nimmt. Ganz nothwendig aber sind literarische Hülfsmittel und werden es immer mehr für Alle, deren ausgeübter oder noch zu ergreifender Beruf irgend welche Kenntniß von Waaren erfordert. Das wachsende Leben und Streben auf dem Gebiete des Handels und Wandels, das Auftauchen immer neuer Waaren am Markte, die durch die Gewerbefreiheit gewährte Leichtigkeit des Uebergangs von einem Fach zum andern geben dem Geschäftsmann vollen Anlaß sich auf
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Zucker – eine historische Warenkunde
dem Laufenden zu erhalten und die Grenzen seines Interesses nicht zu eng zu stecken.« (Man ersetze den Welthandel durch Globalisierung und die Warenkunde ist bei der Vielfalt an Produkten in den Supermärkten mehr denn je von großem Interesse auch für den interessierten Verbraucher.) Bevor Beckmann die »wissenschaftliche Warenkunde« begründete, gab es bereits »Materialien-Lexika«, die vor allem von Apothekern und Medizinern verfasst und genutzt wurden (siehe folgendes Kapitel).
3.1
Zucker im Materialien-Lexikon von 1721
Der französische Apotheker Nicolas Lemery (1645–1715) ist der Verfasser eines Werkes mit dem Titel Vollständiges Materialien-Lexicon – in deutscher Sprache nach der französischen Ausgabe 1721 in Leipzig erschienen. Der Sohn eines protestantischen Parlamentsbevollmächtigten wurde in Rouen geboren, wurde in seiner Geburtsstadt zunächst Lehrling in einer Apotheke und studierte ab 1666 in Paris am Jardin du Roi Chemie. 1670 begann er ein Pharmaziestudium und übernahm 1672 eine Apotheke. In dieser Zeit hielt er in Paris Experimentalvorlesungen, die ihn weit über Frankreich bekannt machten. In Caen erhielt er 1684 den Titel eines Doktors der Medizin (MD). Bis 1685, als das Edikt von Nantes durch König Ludwig XIV. widerrufen wurde und viele Hugenotten nach Brandenburg flohen, praktizierte Lemery in Paris als Apotheker. 1686 trat er zum Katholizismus über und konnte wieder sein Laboratorium übernehmen. Lemery gilt als Begründer der Phytochemie9). Er stellt alphabetisch geordnet die Materialwaren seiner Zeit, also zu Beginn des 18. Jahrhunderts, ausführlich vor. Noch hundert Jahre später gilt für Materialwaren folgende Definition: »Materialwaaren werden alle diejenigen Waaren genannt, welche in dem Zustande, in welchem sie der Handel liefert, zu ihrer letzten Bestimmung noch nicht geschickt sind, vielmehr erst den Stoff (das Material) einer weitern Verarbeitung oder Zubereitung abgeben, z. B. die meisten rohen Produkte des Mineralreichs. Doch beachtet man beim Gebrauche dieses 9) Teilgebiet der Chemie, das sich mit den chemischen Vorgängen in
Pflanzen und der Nutzbarkeit von Pflanzeninhaltsstoffen beschäftigt
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Abb. 8 Portrait des französischen
Apothekers Nicolas Lemery (1645–1715), Autor des Vollständigen MaterialienLexicons von 1721 (siehe Abb. 9).
Wortes die Grenzen seiner eigentlichen Bedeutung meist eben nicht sehr genau, und pflegt in der Regel alle jene Waaren, welche die Hauptartikel unserer gewöhnlichen Kleinhandlungen ausmachen (Colonialwaaren, Gewürze, Früchte, Sämereien usw.) und welche man auch Spezereiwaaren nennt, damit zu bezeichnen.« (Allgemeine Encyclopädie für Kaufleute und Fabrikanten, Leipzig 1838) Zucker finden wir im Vollständigen Materialien-Lexicon von Lemery unter dem lateinischen Namen saccharum – noch heute als »Saccharose« (wiss. Name für Rohrzucker) gebräuchlich. Lemery berichtet zunächst über das Zuckerrohr, aus dem der Zucker damals gewonnen wurde. Der folgende Text wurde der Schreibweise und der Sprache unserer Zeit angepasst:
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Zucker – eine historische Warenkunde Abb. 9 Titelseite der deutschen Überset-
zung des 1707 in französischer Sprache erschienenen Lexikons von Nicolas Lemery (siehe Abb. 8) – Leipzig 1721.
»Saccharum. (…) deutsch, Zucker. Das ist das Hauptstück eines gewissen Rohres oder Schilfes, welches auf lateinisch Arundo Saccarifera, (…), deutsch Zuckerrohr (…) genannt wird und in Indien, an vielen [anderen] Orten, häufig wächst, z. B. in Brasilien, auf den Antilleninseln. Dieses Gewächs treibt aus einem jeden Knoten ein Rohr, zu fünf und sechs Schuh [Fuß; 6 Fuß: ca. 1,50–1,90 m] hoch, das mit langen und schmalen, spitzen und scharfen, grünen Blättern besetzt ist. Wenn dieses Rohr die Hälfte seiner Höhe erlangt hat, so erhebt es sich wie eine Pfeilspitze, die oben eine Blüte wie einen silberweißen Federbusch hervorbringt.«
Zucker im Materialien-Lexikon von 1721
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Nach heutigem Wissen lässt sich der Inhalt dieses historischen Textes wie folgt darstellen: Zuckerrohr (Saccharum officinarum) wurde wahrscheinlich in Neuguinea domestiziert. Es handelt sich um ein mehrjähriges Gras, dessen Halme bis zu 7 m hoch wachsen und einen Durchmesser von 2–5 cm erreichen. Die Knoten (Internodien) sind mit Wachs bedeckt und enthalten ein weiches, zuckerhaltiges Mark mit 13–20 % an Rohrzucker. Die Blätter sind zweizeilig angeordnet und werden 1–2 m lang. Die Blüten bilden eine bis zu 80 cm lange pyramidenförmige Rispe. Zuckerrohr benötigt ganzjährig Temperaturen zwischen 25 und 28 °C und Jahresniederschläge von mindestens 1000 mm und mehr. Der ZuckerrohrAnbau ist daher auf Regionen zwischen dem 35. Grad nördlicher und 30. Grad südlicher Breite beschränkt. Aus dem Mark werden der Rohrzucker und die Zuckerrohr-Melasse (zur Gewinnung von Rum und Arrak) gewonnen, aus den cellulosehaltigen Rückständen bei der Verarbeitung der Halme (Begasse genannt) werden Karton und Papier hergestellt. Lemery berichtet dann über die Gewinnung, vor allem auch über die Reinigung des Zuckersaftes: »Wenn die Zuckerrohre reif sind, werden sie abgeschnitten, die Blätter abgenommen und als unnütz weggeworfen, die Rohre aber werden in die Mühle gebracht und in derselben zwischen zwei Rädern, mit stählernen Schienen belegt, gepresst und zerquetscht, so kommt der Saft heraus, den lassen sie in Kessel laufen, und machen ein kleines Feuer darunter, damit er warm werde, und nur ein wenig aufwallen möge, so stößt er den gröbsten Schaum von sich, der wird mit Löffeln abgenommen. Der dient zu nichts als zum Futter für das Vieh. Nach diesem [Vorgang] wird das Feuer verstärkt, damit er [der Saft] recht aufsieden möge, und wird mit allem Fleiß geschäumt. Damit er sich desto leichter schäume, so schütten sie von Zeit zu Zeit etliche Löffel starke Lauge hinein. Wenn er nun wohl verschäumet hat, so wird er durch ein Tuch gegossen und noch viele Male gereinigt und gesotten, da hinein dann Eiklar mit Kalkwasser geschüttet wird: danach lassen sie ihn durch einen spitzen Seihebeutel laufen und alsdann bis zu genügender Dicke einsieden. Dieser Zucker wird Moscuadegrise, grauer Muscuat, genannt: und soll gewählt werden, wenn er
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Zucker – eine historische Warenkunde
nicht schmierig und soviel es sein kann, trocken ist, weiß-grau aussieht, süß und lieblich schmeckt und nicht brandig ist. (…) Er wird bei Brustbeschwerden gebraucht, und zu Klistieren, zum Lindern und zum Abführen.« Die Bezeichnung Muscovade ist auch noch 150 Jahre später eine synonyme Bezeichnung für den indischen (braunen) Rohrzucker. Die heutigen Verfahren zur Gewinnung von Rohrzucker, der mit dieser speziellen Bezeichnung auch in den Regalen der Supermärkte zu finden ist, werden im Abschnitt 4.1 beschrieben. Der Pharmaziehistoriker Wolfgang Schneider berichtet in seinem Wörterbuch der Pharmazie (Band 4 Geschichte der Pharmazie, Stuttgart 1985), dass Saccharum, gewonnen aus dem Zuckerrohr, von Indien aus durch die Araber um 700 n. Chr. nach Ägypten und von dort in das Abendland gelangt sei und als Arzneimittel große Bedeutung erlangt habe. Er vermerkt auch, dass Rohrzucker in zahlreichen Qualitäten und Formen verwendet worden sei. Lemery fährt dann in seiner Beschreibung der Zuckersorten bzw. auch Reinigungsverfahren wie folgt fort: »Der Kastenzucker, französisch Cossonade oder Castonade ist ein Moscuat, mit Eiklar und Kalkwasser gereinigt. Er soll trocken und körnig sein, sehr weiß aussehen, süß und angenehm, wie nach Veilchen schmecken. Der beste wird aus Brasilien zu uns gebracht. Vermutlich kommt sein Titel im Französischen von dem deutschen Wort Kasten, denn dieses heißt auf französisch Caisse, dieweil er allgemein in Kästen verpackt wird. Der Kastenzucker und der Moscuat ist noch einmal so süß, als wie der Hutzucker, dann er enthält viel mehr fettige oder schleimige Teilchen, die bleiben, wegen ihrer Schleimigkeit, länger in dem Munde, und geben demnach den Nerven des Geschmacks einen viel stärkeren Eindruck. Es kandieren sich auch die Constituten und die Sirupe, welche mit Kastenund Moscuatzucker gemacht worden sind, nicht so leicht, als wie die mit Hutzucker bereitet worden sind, weil eben diese Teilchen es nicht zulassen, dass sie kristallisieren können.« Über den Hutzucker, den wir noch heute kennen, schreibt Lemery: »Der Hutzucker, das Zuckerbrot, französisch Sucre en pain, ist Moscuat mit Eiweiß und Kalkwasser geklärt und durch einen spitzigen Beutel
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gegossen, der wird über dem Feuer gesotten, und in Formen gegossen, die eine pyramidische Figur, und unten einige kleine Löcher haben, die dicht verstopft sind, sie werden aber wieder aufgemacht, wenn der Zucker schier ganz kalt geworden ist, damit der Sirup oder das schleimige Wesen davon laufen möge. Je öfter das klären oder raffinieren wiederholt wird, je weißer wird der Zucker, bis dass der Royalzucker daraus wird, der ist so weiß und rein, als es immer sein kann. Er muss recht schön sein, rein und weiß, schwer zu brechen, inwendig wie Kristalle setzen, wenn er abgebrochen wird, süß und lieblich, ein wenig nach Veilchen schmecken. Gemeiniglich wird dieser schöne Zucker wie kleine Brote oder Hüte in blaues Papier gewickelt. Der Hutzucker und der Kastenzucker sind gut gegen Brustbeschwerden, sie zertreiben den Schleim und machen ihn dünn, befördern den Auswurf. Sie machen aber die Dünste und das Zahnweh ein wenig rege.« Zucker als Zuckerhut (engl. sugar in loaf form) ist ein in traditioneller konischer Form gepresster Zucker (Raffinade). Er wird heute für spezielle Zwecke – für Feuerzangenbowlen und Punsch – verwendet.
Abb. 10 Kupferstich zur Kunst des Zuckergewinnens, 1570 (Philipp Galle in Nova reperta) – mit zahlreichen Zuckerhüten.
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Zucker – eine historische Warenkunde
»Der Syrup, oder der schleimige und leimige Teil, der aus den Zuckerhüten rinnt, wird auf französisch, Melasse genannt, und dieses kommt von mel, Honig, weil er fast so dick ist und auch so schmeckt, wie der Honig. Man lässt ihn fermentieren und destilliert einen guten Branntwein daraus.« Die heute im Handel erhältlichen verschiedenartigen Sirupe werden ausführlich in den Abschnitten 6.2 und 6.3 vorgestellt. In der mittelhochdeutschen Sprache war sirup, syrop die Bezeichnung für einen dickflüssigen, süßen Heiltrank in der Medizin bzw. Pharmazie. Als Quelle gilt das arabische Wort sˇara–b für »Trank«, das in die europäischen Sprachen über das mittellateinische Wort siropus, sirupus gelangte. Im Mittelalter und in den ersten Jahrhunderten der Neuzeit waren Sirupe eine sehr beliebte Arzneiform. Sie enthielten Drogenbestandteile und wiesen einen hohen Zuckergehalt auf. Noch heute werden Hustensirupe verwendet. Als einfacher Sirup (Sirupus simplex) galt eine Lösung von 3 Teilen Rohrzucker in 2 Teilen Wasser. »Der braune Zucker oder Farin, bei den französischen Kaufleuten Chypre genannt, ist eine Gattung Moscuat, und aus dem Sirup bereitet, der aus den Zuckerhüten rinnt, wenn der Zucker in die Formen geschüttet worden ist: den lassen sie so lange stehen, bis er wie Zucker dick wird. Der soll so trocken sein, als es möglich ist, von Farbe rötlich grau, und schier nicht im geringsten brandig riechen: im allgemeinen ist er schleimig und feucht. Er wird zu den Klistieren genommen, zur Abführung und Stillung des Durchfalls.« Als Farinzucker wird auch noch heute der gelb- bis dunkelbraune feinkristalline Zucker bezeichnet, der in den Zuckerraffinerien aus dem Zuckerablaufsirup gewonnen wird. »Der Zuckerkannt, Kandiszucker, lateinisch Saccharum candum, Saccharum candidum, Saccharum crystallinum, Saccharum lucidum, französisch Sucre candi, ist kristallisierter Zucker. Diesen zu verfertigen, lassen sie den Zucker mit Wasser sieden, bis dass ein dicker Sirup daraus wird, hernach schütten sie ihn ganz siedend heiß in ein tönernes Geschirr, in welches sie einen Haufen kleine Stöcklein fein ordentlich gelegt haben: sie stellen danach das Geschirr in eine Stube, welche vierzehn Tage nicht
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gar zu warm gehalten wird, so kristallisiert er, oder legt sich an: so dann nehmen sie ihn heraus, lassen ihn abtropfen und trocken werden. Es gibt zweierlei Kandiszucker, weißen und braunen. Der weiße wird von weißem raffiniertem Zucker, (…), der braune von braunem Moscuat oder Farin gemacht: doch ist der weiße besser und gebräuchlicher. Er muss schön weiß, kristallisiert und durchsichtig sein, trocken und rein, von süßem Geschmack, und langsam in dem Munde zergehen. Er dient für die Brust, lindert, ist gut zu Flüssen und zur Beförderung des Auswurfs. Zu Krankheiten soll man ihn dem gemeinen, schlechten Zucker vorziehen: weil er nicht sobald im Munde schmilzt, deshalb vermag er die Gänge besser anzufeuchten, den Schleim zu lösen, und die Schärfe zu lindern, welche sie sonst auf die Luftröhre und auf die Brust fallen würden. Jedoch ist hierbei wohl zu bemerken, dass diese guten Wirkungen nicht nur dem Ganzen zuzuschreiben sind, sondern auch dem in kleinen Stücken: sonst, wenn man ihn ganz klar zerstoßen, oder wie einen Sirup brauchen wollte, so würde er sofort zergehen, sobald nur etwas Feuchtes dazu käme, und nichts anderes tun, als der wohl gereinigte Zucker tut, denn er würde so geschwind weggehen, wie derselbe. Kandiszucker wird auch heute noch in Form besonders großer Zuckerkristalle durch eine spezielle, vor allem langsame Kristallisation aus reinen Zuckerlösungen gewonnen (siehe Abschnitt 3.7). Mundartlich wird Kandiszucker auch Kandelzucker genannt. Die Bezeichnung Kandis für den an Fäden auskristallisierenden Zucker ist seit dem 18. Jahrhundert gebräuchlich. Aber schon im 16. Jahrhundert sind sprachliche Formen wie Zuckerkandit oder Zuckerkandi nachweisbar. Der Wortteil Kandis kommt aus dem Arabischen von quandi = gezuckert (arabisch auch quand = Zucker) und kam über das Italienische candi, candito in unsere Sprache. Auch das Verb kandieren in der Bedeutung »Früchte einzuckern und dadurch haltbar machen« wurde im 17. Jahrhundert candi (ital. candire = einzuckern) abgeleitet. Daran anschließend berichtet Lemery über die Gewinnung und Verwendung des Puderzuckers: »Der gewundene Zucker, Penidzucker, lateinisch Penidia, Saccharum penidaitum (…), französisch Penides und Epenides, ist Zucker, der mit Gerstenwasser so lange gekocht wird, bis dass er stäubt oder fliegt, danach wird er, weil er noch warm ist, mit einem Nagel oder Haken gewendet.
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Zucker – eine historische Warenkunde
Wenn er gar leicht [auf einfache Weise] gemacht werden soll, so wird er, wenn er genug gekocht wurde, auf einer Marmortafel, mit süßem Mandelöl bestrichen, ausgeschüttet, danach mit den Händen, die man zuvor mit Kraftmehl gerieben hat, wie ein Teig geknetet, damit man sich die Hände nicht verbrenne, so kann man ihn, nach Gefallen, wenden. Er muss trocken und weiß sein, sich leicht brechen lassen, und lieblich süß schmecken. Die ihn bereiten, mischen öfter sehr viel Kraftmehl darunter, damit er schön weiß wird, denn das Kraftmehl ist wohlfeiler als der Zucker. Wenn man ihn kostet, kann man solches gar bald merken, denn das Kraftmehl macht, dass er im Mund wie Teig schmeckt. Der Penidzucker kommt unter allerhand Arzneien. Er dient zu den Flüssen, die Schärfe auf der Brust zu lindern, den Auswurf zu befördern.« In diesem Text wird auch auf eine Verfälschung des teuren Zuckers, nämlich mit Mehl (Kraftmehl im Unterschied zu Stärkemehl = Stärke), hingewiesen. Als eine weitere spezielle Zuckerart beschreibt Lemery dann den Gerstenzucker: »Der Gerstenzucker, lateinisch Saccharum bordeatum, französisch Sucre d’Orge, ist Zucker, der so stark gekocht worden ist, wie der Penidzucker, danach wird er auf eine mit süßem Mandelöl bestrichene Tafel geschüttet, und Hand lange und einen Finger dicke gewundene Stücke oder Stengel daraus gemacht. Der Gerstenzucker muss frisch bereitet sein, trocken, gelb und durchsichtig, wie Agtstein [= Bernstein] von Farbe, brüchig, lieblich und süß im Geschmack, und muss nicht zu geschwind im Mund zergehen. Seinen Namen bekommt er von der Gerste, welche, wie zu dem Penidzucker, sollte kommen [verwendet werden]: allein, die Zuckerbäcker machen so viel Wesens nicht, sie nehmen nur schlechtes Wasser, und bemühen sich bloß, diesen Zucker schön und lieblich im Geschmack zu machen. Einige mischen etwas Safran darunter, damit er eine höhere Farbe bekomme. Er dient gegen Husten, gegen Flüsse auf der Brust, zur Beförderung des Auswurfs, zur Milderung der scharfen Feuchtigkeiten, die auf die Drüsen des Gehirns zu fallen pflegen. Man lässt ein Stückchen im Munde zergehen.«
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Und nun folgen einige Anweisungen zur richtigen Behandlung des Zuckers: »Wenn man Zucker siedet oder kocht, muss man genau Achtung geben, dass nichts Saures darunter kommt. Denn, wenn aus Unvorsichtigkeit etwas hinein geraten würde, auch wenn es noch so wenig wäre, so würde es dennoch verhindern, dass der Zucker zu einer gehörigen Dicke gebracht wird. So kann auch ein ganz kleines Stück Alaun, in einem ganzen großen Kessel voll zerlassenen Zuckers geworfen, die ganze Arbeit verderben, dass man nichts anders als Sirup bekommt.«
Experiment 7
Wirkung von Alaun beim Zuckersieden
Materialien
hohes 25-ml-Becherglas, Haushaltszucker, Kalium-AluminiumSulfat (Alaun), Heizplatte, Holzstab, Spatellöffel
Durchführung
Der Boden des Becherglases wird mit Zucker bedeckt. Dann erwärmt man auf der Heizplatte bis zum Schmelzen. Es soll gerade eine gelb gefärbte Schmelze erreicht sein, dann fügt man mit Hilfe des Löffels einige wenige Alaunkristalle zur Schmelze hinzu. Danach rührt man die Masse mit Hilfe des Holzstabes um.
Beobachtungen
Die Schmelze schäumt nach der Zugabe an Alaunkristallen auf, es entstehen Gasblasen und die Umgebung der Alaunkristalle färbt sich sofort schwarzbraun. Beim Rühren mit dem Holzstab bildet sich ein braun gefärbter Sirup, der beim Erkalten jedoch fest wird.
Erläuterungen
Lemery hat offensichtlich schon die Reaktion gekannt, die wir heute zur Herstellung von Zuckercouleur (siehe Abschnitt 6.3) verwenden. Ein Zusatz relativ geringer Mengen (im Unterschied zu diesem Experiment) an Alaun würde eher zu Karamellsirup als zu kristallinem Zucker führen, sodass wir Lemery´s Aussage im Prinzip bestätigen und nachvollziehen können. Lemery fährt fort: »Wenn der Zucker in großer Menge gesotten wird und sich zu stark erheben will, dass die Sorge besteht, er möchte überlaufen, und Feuer fangen, so ist es nicht genug, dass man, um dem vor-
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Zucker – eine historische Warenkunde zukommen, das Feuer unter dem Kessel auf das Behendeste vermindern will; denn er erhebt sich manchmal so geschwind, dass man sich‘s nicht versehen hätte: daher darf man nur etliche Stücklein frischer Butter hinein werfen, so legt er sich alsbald.« Das Stücklein frischer Butter hat hier die gleiche Funktion wie die Schaumverhütungsmittel unserer Zeit, die meist veresterte Monound Diglyceride von Speisefettsäuren darstellen (E 470–472, E 475 Polyglycerinester von Speisefettsäuren).
Experiment 8
Butter als Schaumverhüter beim Zuckersieden
Materialien
Brauner Zucker, hohes 25-ml-Becherglas, kleines Stückchen Butter, Heizplatte
Durchführung
Der Boden des Becherglases wird mit braunem Zucker bedeckt. Dann fügt man etwa 5 ml Wasser hinzu und erwärmt auf der Heizplatte bis zum Sieden. Man lässt die Lösung langsam eindampfen. Wenn große Blasen auftreten, taucht man eine Messerspitze Butter in die Lösung bis sie sich vom Messer (oder von einem kleinen Löffel) abgelöst hat. Dann erhitz man weiter bis fast zur Trockene.
Beobachtungen
Nach der Zugabe der Butter verringert sich die Größe der Blasen. Die konzentrierte Zuckerlösung lässt sich ohne zu spritzen eindampfen. Ist der Anteil an Butter jedoch zu hoch, wird eher ein Sirup und keine Kristallisation erzielt. Im technischen Maßstab sieht das Ergebnis dann jedoch anderes aus – es entstehen Kristalle.
Erläuterungen
Die Triacylglyceride der Butter wirken als Schaumverhüter, sie verringern die Oberflächenspannung, sodass die Blasen klein bleiben (s. o.).
Zum Abschluss des sich über 5 Spalten des großformatigen Werkes erstreckenden Textes über Zucker nennt Lemery noch andere Quellen als das Zuckerrohr: »Doch ist das Zuckerohr nicht allein ein solches Gewächs, welches Zucker gibt; sondern zu Quebec bekommen sie auch eine große Menge desselben von den Baumwollbäumen, welches starke Bäume sind: und in Canada
Sala und Marggraf – die Wegbereiter des Rübenzuckers
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bekommen sie dessen von einem Baum, den sie Ahorn zu nennen pflegen: es geben ihn sonst noch viele andere Bäume, gleichwie der Sycomorus, der wilde Pomeranzenbaum.« Auch über die Herkunft des Namens finden wir bei Lemery einige Hinweise: »Die Namen des Zuckers sind arabisch. Cannamelle ist ein französisches Wort und aus dem lateinischen Canna und mel zusammengesetzt, als ob es heissen sollte, Honigrohr. Die Alten haben dem Zuckerrohr diesen Namen deswegen gegeben, weil der Zucker einen solchen Geschmack hat wie der Honig. Bevor Amerika entdeckt wurde, war der Zucker eine solche Ware, die nicht sehr bekannt war und von der man nichts Genaues wusste. Doch darf man darum nicht glauben, wie einige der neueren Skribenten tun, dass sie davon gar nichts gewusst hätten. Theophrastus, im Fragment vom Honig, redet davon und beschreibt dreierlei Sorten desselben, einen, der von den Blumen käme, das ist der gemeine Honig; einen andern, der aus der Luft kommt, das ist eine Gattung Manna; und noch einen, welches aus Rohren (…) gezogen würde, und das ist der rechte Zucker. Plinio ist er auch bekannt gewesen, und er redet davon unter dem Titel Sal Indum. Dioscorides und Galenus haben ihn Sacchar genannt. Das ist aber wohl wahr, dass er zu ihrer Zeit sehr rar gewesen ist, und das sie von der Kunst, wie er zu reinigen, hart und weiß, wie jetzt, zu machen, nichts gewusst haben, denn dieses ist eine neue Erfindung.«
3.2
Sala und Marggraf – die Wegbereiter des Rübenzuckers
Der Italiener Angelus Sala (1576–1637) veröffentlichte im Dreißigjährigen Krieg das erste deutsche Zuckerfachbuch unter dem Titel Saccharologia (Zuckerkunde), das 1637 in Rostock erschien. Sala wurde als Sohn eines Seidenwirkers in Vicenza (Venetien) geboren, studierte Medizin in Italien und wirkte ab 1602 als Arzt in Dresden, 1609–1612 beim Grafen von Nassau und bis 1617 in Haag. Von 1617– 1620 war er Leibarzt des Grafen von Oldenburg, dann Arzt in Hamburg und von 1625–1637 Leibarzt des Herzogs von Mecklenburg-Güstrow. In seiner »Zuckerkunde« berichtete er über den »Mel betae« (Rübenhonig) als ausgekochte Mischung aus Honig und dem Pressaft der Weißen Rübe (Beta alba) als Klistier. Im
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Zucker – eine historische Warenkunde Abb. 11 Titelblatt zu Angelus Sala: Saccharologia, Rostock 1637.
ersten Teil des Buches beschrieb er die Natur, Qualität, Nutzbarkeit und den Gebrauch des Zuckers als Medizin. Im zweiten Teil beschrieb er, dass er mit dieser edlen Substanz…experimentieret und sie für die Arzneimittelbereitung verwendet hätte. Er forderte, dass Apotheken in Europa mit viel verzuckerten Medikamenten versehen seyn sollten. Sala beschrieb auch als Erster die Reinigung des Zuckersaftes mit Kalkwasser und Eiweiß. Die Entdeckung des Rübenzuckers lässt sich auf den Sohn des königlichen Hofapothekers und Eigentümers der Apotheke »Zum goldenen Bären« in Berlin, Andreas Sigismund Marggraf (1709–1782) zurückführen. Marggraf erlernte bei seinem Vater die Grundlagen der Pharmazie und Chemie, studierte am Collegium
Sala und Marggraf – die Wegbereiter des Rübenzuckers
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medico-chirurgicum in Berlin, dann in Straßburg Chemie und Physik, in Halle Medizin und abschließend in Freiberg/Sachsen Metallurgie. Auf einer Studienreise durch Deutschland lernte er Berg- und Hüttenwerke kennen und kehrte 1735 nach Berlin in die Apotheke seines Vaters zurück. Bereits 1738, mit 29 Jahren, wurde er Mitglied der Königl. Preuß. Societät der Wissenschaften. Von 1760 bis zu seinem Tod war Marggraf Direktor der Physikalisch-Mathematischen Klasse der inzwischen unbenannten Königlichen Akademie der Wissenschaften. Marggraf beschäftigte sich u. a. mit der Phosphorgewinnung aus Harn, mit der Zinkgewinnung aus dem Mineral Galmei mit Kohlepulver unter Luftabschluss. Er führte das Mikroskop in das chemische Laboratorium als Arbeitsmittel ein, womit er Zuckerkristalle erkennen konnte. 1747 entdeckte er die Möglichkeit, Rohrzucker auch aus der Runkelrübe zu gewinnen. Über seine Tätigkeit insgesamt schrieb Guntwin Bruhns10):
Abb. 12 Laboratorium der Akademie der Wissenschaften in Berlin, Dorotheenstraße 10 – 1752 erbaut (1945 zerstört) – mit Gedenktafeln und Büsten von Marggraf und Achard.
10) in: »250 Jahre Rübenzucker 1747–1997. Was Marggrafs Entdeckung
bewirkte und veränderte«, Zucker-Museum, Berlin 1997
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Zucker – eine historische Warenkunde Abb. 13 Silhouette des Andreas Sigismud Marggraf (einziger überlieferter Kupferstich zu Lebzeiten).
»Die Arbeiten Marggrafs wurden auch von der Wirtschaftspolitik Preußens und den leeren Staatskassen bestimmt. Diese war darauf ausgerichtet, die Einfuhr von Kolonial- und Fertigwaren einzuschränken und das eigene Gewerbe zu fördern. So verbot Friedrich der Große die Einfuhr von Schokolade, dieses ›unnützen Artikels‹, und befahl die Herstellung eines Surrogates aus Lindenblüten und -früchten, das Marggraf auf Anordnung des Königs prüfen musste. Zur Einschränkung des Kaffeekonsums ließ der König durch Marggraf ein Kaffeesurrogat aus Roggen, Gerste, Eicheln, Kastanien und Rüben herstellen. Da dieses Ersatzmittel kein Interesse fand, errichtete er ein staatliches KaffeeMonopol.« Marggrafs Laboratorium der Akademie der Wissenschaften befand sich in der Dorotheenstraße 10 (1945 zerstört). In dem 1752 erbauten Gebäude wohnten auch Marggraf und sein Nachfolger Achard (s. u.). 1754 wurde Marggraf die Leitung des Laboratoriums übertragen. Am 17. November 1747 berichtete Marggraf in einer Sitzung der Akademie der Wissenschaften in lateinischer Sprache über »Experimenta Chymica, rerum Saccharum, e nonnullis in his regionibus crescentibus, plantis, Separandi cas, instituta« (Chymische Versuche, einen wahren Zucker aus verschiedenen Pflanzen, die in unseren Ländern wachsen, zu ziehen).
Sala und Marggraf – die Wegbereiter des Rübenzuckers
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Abb. 14 Erste Seite des lateinischen Manuskripts Experimenta Chymica verum Saccharum… von Marggraf 1747. (Abschrift von J.H.S. Formey).
Die Ergebnisse seiner Untersuchungen hatte Marggraf zunächst in deutscher Sprache abgefasst. Er berichtete, dass er aus Pflanzensäften durch Reinigung, Eindickung und Kristallisation auch Salze wie Salpeter und Weinstein isoliert habe (Abb. 14, Abschnitt 2). Aus Teilen von Pflanzen, die einen süßen Geschmack aufwiesen, habe er gefunden, »daß einige derselben nicht allein etwas Zuckerähnliches, sondern einen wahren vollkommenen, und dem gebräuchlichen bekannten aus dem Zucker-Rohr bereiteten, vollkommen gleichen Zucker ertheilen [ergeben].« (Abb. 14, Abschnitt 3) Er stellte fest, dass Weißer Mangold (Beta alba), die Zuckerwurzel (Sium isarum) und Roter Mangold (Beta rubra) in ihren Wurzeln den meisten Zucker aufwiesen. Und er schreibt, dass die in Scheiben geschnitte-
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Zucker – eine historische Warenkunde
nen Wurzeln getrocknet »nicht allein sehr süß schmecken, sondern auch mit einem Microscopio betrachtet, cristallinische, dem Zucker gleich sehende weiße Theilchen hin und her eingesprengt auf sich sehen lassen.« (Abb. 14, Abschnitt 3). Sein Verfahren zur Gewinnung des Zuckers besteht darin, dass er die getrockneten Wurzeln zunächst in einem Mörser pulverisierte. Dann übergoss er acht Unzen (180 g) des nochmals getrockneten Pulvers in einem enghalsigen Gefäß mit der doppelten Menge an Spiritus und erhitzte im Sandbad bis zum Sieden, worauf das »Mixtum so geschwind als möglich« in einen Beutel geschüttet wurde. Er gewann einen Extrakt durch anschließendes Auspressen, filtrierte ihn in ein wiederum enghalsiges Gefäß und erhielt nach einigen Wochen »ein schönes hartes cristallinisches Salz, welches alle Eigenschaften des Zuckers besaß…« (Abschnitt 5 desselben Dokuments11)) [Zucker wurde wegen seiner kristallinen Eigenschaften damals noch den Salzen zugerechnet.] Durch Wägung ermittelte Marggraf Ausbeuten von 1,56 % bei Weißen Rüben, 1,17 % bei Zuckerwurzeln und 0,97 % bei Roten Rüben (auf die frische Pflanzenmasse bezogen). Das Verfahren, das für lange Zeit das einzige analytische Verfahren für die Bestimmung des Zuckergehaltes blieb, war Marggraf wegen des verwendeten Spiritus zu kostspielig; er hielt »diese Scheidungs-Art (für) zu kostbar« und er »hielt es für das Beste den ordinairen Weg zu erwählen« (Abschnitt 711)). Diese bestand darin, aus zerkleinerten frischen Wurzeln den Saft auszupressen, nach dem Absitzen, Abgießen, Klären mit Eiweiß oder Blut, Abschäumen, Filtrieren und Eindampfen den Rübenzucker zu gewinnen. In Abschnitt 1511) schreibt er, dass er durch Pressen und Trocknen zwischen Löschpapier einen Rohzucker erhalten habe, der »durch neue Auflösung und Zusatz des Kalk-Wassers und durch das Verfahren nach Art des Zucker-Raffineurs zu eben so schöner Weiße und Güte, als der ordinaire aus dem Zucker-Rohr, im menschlichen Leben gebräuchliche Zucker gebracht werden kann«. Marggraf empfahl auch, im Winter Heizmaterial durch Ausfrieren von Zuckersäften zu sparen, und die Pressrückstände in der Landwirtschaft bzw. zur Erzeugung von Alkohol zu verwenden. Für die »armen Bauern« sah er es als einen ökonomischen Nutzen, wenn »er mit Hilfe gewisser nicht viel kostender Maschinen den Saft aus diesen Pflanzentheilen auspreßte, ihn einigermaßen reinigte und alsdann bis zur Konsistenz eines Syrups verdickte; denn dieser würde doch gewiß reiner sein als der ordinaire schwarze Zucker-Syrup [der Siedereien] und es ist kein Zweifel, daß auch das von der Auspressung zurück bleibende, mit Nutzen von dem Landmann angewandt werden könnte« (Abschnitt 2011)). 11) siehe Bildbeschreibung von Abb. 14
Über die Beta-Rübe und Achard als Begründer der Rübenzuckerindustrie
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In der Öffentlichkeit wurde Marggrafs Entdeckung nur allmählich bekannt. 1751 erschien die erste deutsche Übersetzung seines in Latein aufgezeichneten Vortrags im »Hamburgischen Magazin oder gesammelten Schriften zum Unterricht und Vergnügen aus der Naturforschung und den angenehmen Wissenschaften überhaupt«. Infolge des Siebenjährigen Krieges (1756–1763) erschienen Marggrafs »Chymische Schriften« mit der Arbeit über den Rübenzucker erst 1761–1767. In der Einleitung schrieb der Herausgeber L. von Beausobre u. a.: »Es hat sich nun freylich leicht einsehen lassen, daß man durch den Anbau dieser Pflanzen, so stark er auch immer seyn möchte, niemals dahin bringen könnte, den fremden Zucker gänzlich zu entbehren.« Der 1809 als erster ordentlicher Professor für Chemie und Technologie an die neugegründete Universität Berlin berufene Sigismund Friedrich Hermbstädt (1760–1833) stellte fest, dass Marggrafs Entdeckung des Rübenzuckers in seiner Zeit als eine »wissenschaftlichtechnische Merkwürdigkeit angesehen [worden sei], die nur bei den Physikern Aufmerksamkeit erregte, die aber bald wieder in Vergessenheit gerieth, weil man am indischen Zucker durchaus keinen Mangel litt, und derselbe zu wohlfeil war, als daß es der Mühe werth gewesen wäre, sein Augenmerk auf einen inländischen Stellvertreter desselben zu richten.«
3.3
Über die Beta-Rübe und Achard als Begründer der Rübenzuckerindustrie
Franz Carl Achard (1753–1821) war der Sohn eines aus Genf eingewanderten Pfarrers französischer (hugenottischer) Herkunft. Er studierte Physik und Chemie und war bereits mit 23 Jahren Schüler und Mitarbeiter (ab 1776) von Marggraf an der Berliner Akademie der Wissenschaften. 1777 wurde er Professor für Chemie und 1782 nach Marggrafs Tod, dessen Nachfolger. Achard wird von Friedrich dem Großen ernannt. 1780 erhielt er von seinem König den Auftrag, sich mit der Verbesserung der heimischen Tabakkultur zu beschäftigen. Die Erfolge beeindruckten Friedrich den Großen so sehr, dass er ihm eine lebenslange Rente von jährlich 500 Talern aussetzte. Ab 1782 beschäftigte er sich auf seinem kleinen Gut Kaulsdorf bei Berlin auch mit der Kultur zuckerhaltiger Pflanzen. Die sogenannte Zuckerrübe (botanisch Beta vulgaris ssp. vulgaris var. altissima) ist heute eine sortenreiche, zweijährige Kulturform der Gemeinen Runkelrübe. Im ersten Jahr bildet sie an einer gestauchten Achse eine Blattrosette und eine aus der Hauptwurzel gebildete, im Boden steckende Rübe. Im zweiten Jahr entwickelt sich ein reich verzweigter Blütenstamm mit knäuelig angeordneten grü-
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Zucker – eine historische Warenkunde Abb. 15 Porträt von Franz Carl Achard (1753–1821). Lavierte Tuschpinselzeichnung in Sepia von Carl Arnold Kortum (1745–1824) (Original im Deutschen Museum München).
nen Blüten und jeweils vier miteinander verwachsenen Nussfrüchten, die zur Saatgutgewinnung durch Zerschlagen vereinzelt werden. Die sogenannte BetaRübe stellt eine relativ junge Kulturpflanze dar. Den Griechen und Römern war eine an den Küsten des Mittelmeeres beheimatete wildwachsende Unterart von Beta vulgaris L. aus der Familie der Gänsefußgewächse bekannt, von der jedoch die oberirdischen Teile als Blatt- und Stengelgemüse (Mangold) genutzt wurden. Aus der Wurzel stellte der griechische Arzt Hippokrates (460–375 v. Chr.) Saft her, kochte (dickte) ihn ein und verwendete ihn anstelle von Honig als Medizin. Der römische Politiker und Schriftsteller Cato (234–149 v. Chr.) beschrieb den Anbau von Beta vulgaris auf seinen Gütern. Der Anbau von Rüben ist im Mittelalter in der Landgüterverordnung Kaiser Karls des Großen – im Capitulare de villis von 794 – verzeichnet. Im »Lobspruch der Stadt Nürnberg« von 1530 zählte Hans Sachs (1495–1576) die Rübe als eines der Produkte auf, die auf dem Markt reichlich zu kaufen seien: »Wein, Korn, Obst, Salz, Kraut, Ruben und Schmalz«.
Über die Beta-Rübe und Achard als Begründer der Rübenzuckerindustrie
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Abb. 16 Runkelrübe nebst ihrem Kraute nach vollendetem Wachstum
im ersten Sommer, Achard (1809).
Die Zuckerrübe hat als Stammform die Meerstrandrübe, Wilde Rübe (Beta vulgaris ssp. maritima) mit einer kaum verdickten aber langen, stark verzweigten Pfahlwurzel und kleinen Blättern an niederliegenden Sprossen. Aus ihr sind alle BetaRüben von der Futter- oder Runkelrübe, Roten Rübe, Mangold bis zur Zuckerrübe hervorgegangen. Achard berichtete 1809 in seinem Hauptwerk »Die europäische Zuckerfabrikation« über seine Versuche wie folgt: »Das Resultat meiner erstjährigen Arbeiten fiel dahin aus, daß unter den vielen Pflanzen, die ich angebaut hatte, die Runkelrübe meinem Zweck am besten entsprach, indem ihr Anbau im Großen am leichtesten, und am wenigsten kostspielig ist, sie überdem den meisten Zucker enthielt …« Die wichtigsten Stationen von Achards Versuchen zur Gewinnung von Zucker aus Rüben lassen sich wie folgt zusammenfassen (ausführlich in: 250 Jahre Rübenzucker 1747–1997, Zucker-Museum Berlin): 1801 errichtete er in Kunern eine erste Rübenzuckerfabrik, die 1802 4 kg Zucker je 100 kg Rüben erzeugte. Infolge der Kontinentalsperre (durch Napoleon I. gegen Großbritannien, Beginn mit dem Dekret von Berlin am 21.11.1806, das den Handel mit Großbritannien und mit britischen Waren untersagte) steigerte sich die Kapazität der Anlage bis zum Brand im Jahre 1807 auf bis zu 3,5 t Rübenverarbeitung pro Tag. Von 1812–1814 wurde die Zuckerfabrik als Lehranstalt für Zuckergewinnung wieder aufgebaut.
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Zucker – eine historische Warenkunde
Achard beschäftige sich vor allem auch mit der Züchtung der Rübe, wobei er herausfand, dass Kultur, Boden, Düngung und Wahl der Varietät auf den Zuckergehalt einen entscheidenden Einfluss hatten. Bereits am 15. Januar 1799 hatte König Friedrich Wilhelm III. auf ein Gesuch Achards mit Hinweis auf die wirtschaftlichen Vorteile einer Zuckerfabrikation aus Runkelrüben für Preußen (Ausgaben für die Einfuhr von Rohrohrzucker entfallen, Einnahmen des Staates steigen, für die Bevölkerung entsteht ein neuer Erwerbszweig) eine Order erlassen: In allen Provinzen, in denen Zuckersiedereien bestünden, sollten Versuche im Großen mit dem Anbau der Runkelrüben und der Zuckergewinnung beginnen. Im selben Jahr erschien die Schrift eines unbekannten Autors mit dem Titel »Der neueste deutsche Stellvertreter des indischen Zuckers oder der Zucker aus Runkelrüben, die wichtigste und wohlthätigste Entdeckung des 18ten Jahrhunderts«, wodurch viele Landwirte auf den Rübenanbau aufmerksam und interessiert wurden. 1803 veröffentlichte Achard seine »auf allerhöchsten Befehl in Druck gegebene Schrift »Anleitung zum Anbau der zur Zuckerfabrication anwendbaren Runkelrüben und zur vortheilhaften Gewinnung des Zuckers aus denselben«. Die von ihm bevorzugte Sorte war eine spindelförmige Rübe mit weißem Fleisch und weißer Rinde. Auch in Frankreich erließ Napoleon Dekrete zur Ausdehnung der
Abb. 17 Erste Zuckerrübenfabrik in Cunern – nach dem Brand 1807 (1945 zerstört).
Über die Beta-Rübe und Achard als Begründer der Rübenzuckerindustrie
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Rübenanbaufläche und erteilte 334 Lizenzen für Zuckerfabriken, von denen wegen Mangels an Rüben jedoch nur 158 den Betrieb aufnehmen konnten. Von 1811–1813 wurden sogar Teile des kurfürstlichen Schlosses in Bonn als Rübenzuckerfabrik genutzt. Nach dem Sturz Napoleons jedoch führte die nun wieder mögliche Einfuhr von billigem Rohrohrzucker zur Stilllegung der meisten Rübenzuckerfabriken. Erst der Aufschwung der Rübenzuckerindustrie in Frankreich ab 1839 führte auch zu einer Wiederbelebung in Deutschland (siehe auch Abschnitt 3.4). In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahm die Erzeugung von Zucker aus Rübenzucker in allen europäischen Ländern zu. 1885 wurde die letzte Rohrzuckerraffinerie in Hamburg stillgelegt. Die Anbaufläche für Zuckerrüben stieg von 100 000 Hektar um 1871 auf das Vierfache bis zum Ende des Jahrhunderts. Deutschland entwickelte sich zum größten Rübenzuckererzeuger der Welt. 1841 stellte Jakob Christian Rad (Direktor der Datschitzer Zuckerraffinerie in Böhmen) den ersten Würfelzucker her – rot mit Lebensmittelfarbe gefärbt, da seine Frau Juliane sich beim damals üblichen Herausbrechen von Stücken aus einem Zuckerhut verletzt hatte und dadurch ihren Mann zur Entwicklung des rot gefärbten Würfelzuckers angeregt hatte. Rad erfand die Zuckerwürfelpresse. 1929 berichtet M. Mechling in Lassar-Cohn Die Chemie im täglichen Leben. Gemeinverständliche Vorträge über Rübenzucker und über die weitere Entwicklung: »Die Fabrikation des Zuckers aus Rüben ist im Laufe der Jahre auf eine staunenerregende Höhe gelangt, indem sich Wissenschaft und Technik auf diesem Gebiete so vollständig wie möglich ergänzten. Folgende Zahlen zeigen das aufs deutlichste. Zur Gewinnung von 100 Kilogramm Zucker brauchte man: im Jahre 1836: 1800, 1842: 1600, 1871: 1100, 1900: 700, 1910: 660 Kilogramm Rüben. (…) Marggraf hat einst den Gehalt der Rüben am Zucker zu etwas über 6 % gefunden; durch passende Auswahl der Rüben für Samenzucht und geeignete Düngemittel hatte man jedoch den mittleren Zuckergehalt bis zum Jahre 1890 auf rund 14 % gebracht, und bis 1910 ist er weiter bis auf rund 18 % getrieben worden. Man gab aber damals in Deutschland auch schon auf einen Hektar Rübenacker künstliche Düngemittel bis zum Werte von 120 Mark. So sehen wir denn die Rübenzuckerherstellung die des Rohrzuckers bis zum Jahre 1900 stark überflügeln…«
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Zucker – eine historische Warenkunde Abb. 18 Titelblatt der Schrift eines anonymen Autors mit koloriertem Titelkupfer (im Original) einer Runkelrübe (2. Aufl., Berlin 1799).
3.4
Zucker im Volks-Brockhaus von 1841
Als Bilder-Conversations-Lexikon für das deutsche Volk – Ein Handbuch zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse und zur Unterhaltung erschien in Leipzig im Jahre 1841 eine Brockhaus-Ausgabe in vier Bänden. Darin ist unter dem Stichwort Zucker u. a. Folgendes zu lesen: »Zucker oder Zuckerstoff. Man versteht darunter jede süße, durch Gährung in Weingeist und Essig übergehende, trocken verbrennliche, aus Kohlenstoff, Sauerstoff und Wasserstoff zusammengesetzte Materie. Der Zuckerstoff kommt in thierischen Substanzen, wie z. B. der Milchzucker in der Milch, der Honig, der Harnzucker als krankhafte Ausscheidung, am häufigsten in zuckerhaften Pflanzen und Früchten vor. Die bekanntesten derselben sind das Zuckerrohr, die Runkelrübe, der Ahorn, die Getreidearten, Trauben und anderes Obst, Kastanien, wozu neuerlich auch eine Kürbisart (eine in Ungarn gebaute länglichrunde Abart von Cucurbita Pepo mit weißgrüner Schale und orangegelbem Fleische) gekommen ist; allein auch in Schwämmen, Papier, Sägespänen u. dgl. ist Zuckerstoff in ganz geringer Menge und Beschaffenheit vorhanden. Man unterscheidet der Gährung nicht unterworfene Zucker, wohin der Milchzucker und der aus Manna, und gährungsfähigen Zucker, zu welchem die gewöhnlichen Zuckerarten gehören. Der letztere zerfällt in den gemeinen oder krystallisirbaren (Rohr-, Runkelrüben-, Ahornzucker) und krümlichen oder Fruchtzucker aus Kastanien, Trauben u. a. Obst, der
Zucker im Volks-Brockhaus von 1841 Abb. 19 Zuckerrohr und Zuckerrohr12) anpflanzung in Louisiana
zur Bierbrauerei und Branntweinbrennerei häufig verwendete Stärkemehlzucker. Ist Zucker mit seiner Krystallisation hinderlichen Stoffen gemischt und lassen sich diese nicht davon trennen, so kann er blos als Syrup dargestellt werden und heißt häufig Schleimzucker. Der meiste Zucker wird noch immer aus dem Safte des Zuckerrohrs bereitet, welches von allen bekannten Gewächsen daran am reichsten ist. (…)« Zur Geschichte ist zu lesen: »Das Zuckerrohr wächst in Ostindien, Arabien, am Euphrat und die Europäer lernten es zuerst während der Kreuzzüge im 12. Jahrh. kennen, wo es nach dem nördl. Afrika, nach Griechenland, Italien und von da später ins südl. Frankreich, 1420 nach Madeira und den canarischen Inseln verpflanzt worden ist. Zu Anfang des 16. Jahrh. kam es nach Westindien und der Anbau verbreitete sich von da in Südamerika, wo es aber auch ursprünglich einheimisch gewesen sein soll; in Nordamerika fing man erst im 18. Jahrh. an, Zuckerrohr anzu(p)flanzen, während die Zuckerbereitung aus Ahornsaft dort längst betrieben wurde. Nach Einführung des Sklavenhandels gewann der Anbau desselben in Westindien einen solchen Umfang, daß von dort aus beinahe der ganze europ. Bedarf geliefert werden und die Zuckerrohrpflanzungen in Europa nicht mehr daneben bestehen konnten.« 12) (aus: »Johnstons Chemie des täglichen Lebens«, 3. Aufl.,
Stuttgart 1887)
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Zucker – eine historische Warenkunde
Über die Gewinnung des Zuckers aus dem Zuckerrohr berichtet der Brockhaus von 1841 (siehe Abschnitt 3.3) wie folgt: »(…) Die Arbeiter hauen dann das Rohr mit Äxten einige Zoll über dem Boden ab, trennen die Spitzen ab, welche Viehfutter geben und theilen die Halme in drei Fuß lange Stücke, welche von den Blättern gesäubert und zu 20–30 in Bündel gebunden werden. Diese bringt man nach der vom Winde oder einer andern Kraft getriebenen Zuckermühle, und da sich das geschnittene Rohr leicht erhitzt und in Gährung übergeht, so pflegt nicht mehr auf einmal geerntet zu werden, als man in 24 St. in der Mühle auspressen und dann versieden kann. Das Auspressen geschieht zwischen Walzen, durch welche die Rohrstücke wiederholt durchgehen, wobei der Saft (Rohrwein) sich in darunter befindlichen Trögen sammelt, aus denen er durch Röhren und indem er mehre hölzerne Seiher passiren muß, in den größten Kessel des nahen Siedehauses gelangt. Hier wird er fast bis zum Sieden erhitzt, wobei getrocknetes Zuckerrohr als Feuerung dient, und mit Kalk vermischt, welcher die Absonderung der Unreinigkeiten befördert, und nun in das größte der eigentlichen Siedegefäße geschafft, deren meist vier von abnehmendem Umfange sind. Im ersten wird das Einsieden unter beständigem Abschäumen so lange fortgesetzt, bis die Masse grade das nächste kleinere füllt.«
3.5
Aus der Warenkunde der Drogisten im 19. Jahrhundert
Aus dem bereits in Kapitel 3 zitiertem Werk Neuestes Waaren-Lexikon für Handel und Industrie (1870) wird im Folgenden das Kapitel Zucker mit Erläuterungen zitiert – die Schreibweisen sind unserer Zeit angepasst: »Zucker (Saccharum). Von den verschiedenen Zuckerarten, welche im Pflanzenreiche vorkommen, ist der Rohrzucker zwar lange nicht so verbreitet wie der Traubenzucker, aber doch in einer ganzen Reihe von Pflanzen außer dem Zuckerrohr, nämlich in Runkelrüben, im Zuckerahorn, Sorgho, Maisstengeln, Palmen, Johannisbrot usw. als süßer Saft enthalten.«
Aus der Warenkunde der Drogisten im 19. Jahrhundert
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Abb. 20 Drei Zucker liefernde Pflanzen: Zuckerrübe – Zuckerrohr – Zuckerpalme (Quelle: siehe Abb. 19).
Mit Zuckerahorn (Acer saccharum) wird eine im östlichen Nordamerika beheimatet Ahornart bezeichnet. Der Baum wird bis zu 40 m hoch, er trägt handförmige gelappte Blätter – die im Staatswappen Kanadas dargestellt sind –, vor denen die grünlich-gelben Blüten in Doldentrauben stehen. Durch Anschneiden der Rinde gewinnt man im Frühjahr etwa 20–70 l Blutungssaft je Baum, aus dem heute Ahornsirup gewonnen wird. Er enthält hohe Anteile an Zucker, eine Gewinnung daraus ist zwar möglich, aber nicht rentabel. »Die beiden Hauptlieferanten des Zuckers sind seit alten Zeiten das Zuckerrohr und neuerdings namentlich in Deutschland die Runkelrübe, und zwar in einem solchen Umfang, dass das tropische Erzeugnis für uns so gut wie entbehrlich geworden ist. Das Zuckerrohr ist ein Gewächs der heißen Zone, das sich aber noch etwas über deren Grenzen hinaus verpflanzen lässt. Es ist wahrscheinlich im östlichen Asien heimisch, jedenfalls in der Alten Welt, denn in Amerika fand es sich bei dessen Entdeckung nicht, wurde aber sehr bald dahin verpflanzt, und man erntet jetzt in Westindien, Brasilien usw. mehr Zucker als in Ostindien. Das Zuckerrohr (Saccharum officinarum) gehört seiner Natur nach zu den
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Zucker – eine historische Warenkunde
Abb. 21 Zuckerahorn (Quelle siehe Abb. 19).
Gräsern und ist ein sehr stattliches Gras von 8–15, in den fruchtbarsten Gegenden wohl 20 Fuß Höhe und dem Mais einigermaßen ähnlich. Die Vermehrung geschieht durch Stecklinge, die aus den zuckerlosen Gipfeln geschnitten werden. Die Wurzelstöcke treiben eine Reihe von Jahren neue Schößlinge, doch geht der Zuckergehalt, wenn nicht gut gedüngt wird, mit jedem Jahre zurück. Zum Abschlagen reif sind die Rohre, wenn die Blüte sich zeigen will. Sie werden dann entblättert und entgipfelt und sogleich auf Pressen mit eisernen, geriffelten Walzen der Saft ausgepresst, der eine Zuckerlösung mit etwa 18 % Zucker ist, doch sehr unvollständig herausgebracht wird, so dass nahezu die Hälfte verloren geht. Der ausgepresste Rückstand gibt nach dem Trocknen Brennmaterial, die Asche wird den Zuckerfeldern zurück gegeben. Der abgepresste Saft geht infolge seines Gehaltes an eiweißartigen Bestandteilen schon nach 20 Minuten in Gärung über und säuert, muss daher möglichst schnell mit etwas Kalk versetzt und bis 70° C erhitzt werden. Der Kalk bindet die aufgetretene Säure und die Hitze bringt das Eiweiß zum Gerinnen. Das Gerinnsel wird als Schaum abgeschöpft und der hierdurch geklärte Saft abgezogen und möglichst schnell zur Kristallisation eingedampft, bei rationellem Betrieb nicht in offenen Kesseln, sondern unter Luftabschluss im sog. Vakuumapparat, der in Rübenzuckerfabriken nie fehlt. Der eingedickte Saft wird in Fässer mit
Aus der Warenkunde der Drogisten im 19. Jahrhundert
durchlässigem Boden gebracht und erstarrt hier zu braunem Rohzucker (Moscouade), indess Sirup oder Melasse abläuft. Früher wurde der Rohzucker aus den Kolonien sämtlich in diesem Zustand nach Europa gebracht, um hier erst raffiniert zu werden, und es geschieht dieses auch jetzt noch zum größten Teil, doch gibt es nunmehr auch Raffinerien in den Erzeugungsländern. Infolge der Konkurrenz des Rübenzuckers hat aber auch bei uns das Raffinieren von Kolonialzucker seinen Gegenstand (seine Bedeutung) fast ganz verloren und die Anstalten dafür sind mit Ausnahme von Hamburg und Bremen überall eingegangen. Die Rübenzuckerindustrie ist bei uns so riesig angewachsen, dass sie nicht allein den ganzen inländischen Bedarf decken kann, sondern bereits groß(artige) Massen Zucker ausführt. (siehe Kapitel 4.1) Das Vorhandensein kristallisierbaren Zuckers in den Rüben wurde 1747 vom Chemiker Marggraf in Berlin entdeckt, aber erst gegen Ende des Jahrhunderts begannen die Versuche, aus diesem Wissen praktischen Nutzen zu ziehen. Den ersten größeren Aufschwung nahm die Industrie unter der Napoleonischen Kontinentalsperre, aber es war ein künstlicher, der nach dem Aufhören der Ursache wieder zusammenbrach. Es mussten erst noch viele Erfahrungen gemacht und Verbesserungen gefunden werden, denn die Gewinnung des Zuckers aus Rübensaft ist bei weitem schwieriger als aus Zuckerrohr. Erst in den dreißiger Jahren wurde bei uns der Gegenstand mit neuem Eifer ergriffen, nachdem die französischen Fabriken, durch Zolleinrichtungen begünstigt, bereits gut prosperierten. Es bestehen gegenwärtig im Zollverein mindestens 300 Zuckerfabriken (1868: 295), die in der Kampagne 1858/59 nahezu 50 Mill. Zentner verarbeiteten. Bei der Annahme der Steuergesetzgebung, dass 12 1⁄2 Ztr. Rüben 1 Ztr. Zucker ergeben, kommen von dieser fertigen Ware ziemlich nahe 4 Mill. Zentner heraus und wahrscheinlich steigert sich diese Produktion noch dadurch, dass gut situierte Fabriken auch wohl nur 10 Ztr. Rohstoff zu 1 Ztr. Zucker brauchen. Die bessere Ausnutzung der Rüben hat einen mächtigen (An)sporn gehabt an der progressiv wachsenden Rübensteuer, die von 1⁄2 Sgr. (Silbergroschen) anfangend jetzt bis auf 8 Sgr. pro Zentner gebracht ist und doch das Geschäft noch leben und gedeihen lässt. Diese Steuer hat 1869 im Zollverein eingetragen 11 183 362 Thlr. Für exportierten Zucker besteht eine Rückvergütung von 3 Thlr. 4 Sgr. pro Zentner. Im Jahr 1868 wurden schon 800 000 Ztr. Zucker nach England abgesetzt, er muss aber dorthin sehr wohlfeil
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Zucker – eine historische Warenkunde
gegeben werden und dient in den Bierbrauereien als Malzsurrogat. Neben Deutschland besitzt auch Österreich-Ungarn eine ansehnliche Zuckerindustrie; es werden dort 16–20 Mill. Ztr. Rüben versteuert und ertrug die Steuer 1868 4 Mill. Thlr. Es werden von dort ebenfalls große Mengen des Fabrikats nach England geworfen. Im letzteren Lande fängt man nunmehr auch an, sich mit der Zuckerrübenindustrie zu beschäftigen. – Die Basis einer gedeihlichen Fabrikation bilden natürlich gute zuckerreiche Rüben, zu deren Erzeugung ein guter, tiefgründiger lockerer Lehmsandboden gehört. Je nach dem Vorhandensein dieses Rübenbodens, der durch diese Eigenschaft bedeutend wertvoll ist, sind die Fabriken verteilt. Reich an beiden ist die Provinz Sachsen in der Gegend von Magdeburg: es gibt dort 141 Fabriken; Schlesien hat deren 39, ganz Preußen mit den anhaltischen Ländern 256. Die übrigen verteilen sich auf Braunschweig, Sachsen, Thüringen, Bayern, Württemberg, Baden. Im letzteren befindet sich die größte aller Fabriken, die zu Waghäusel, welche beinahe jährlich 1 Mill. Ztr. Rüben verarbeitet. Diese Wurzeln müssen, wenn sie zur Fabrikation tauglich sein sollen, mindestens 12 Proz. Zucker enthalten, was schon einen passenden Boden, gute Kultur und eine gute Rübensorte voraussetzt. Unter den zahlreichen Varietäten gelten die ganz weiße schlesische, birnenförmige und die weiße mehr spindelförmige Rübe mit rötlicher Schale als die besten. Die Rübe hat eine Vegetationsperiode von 6–7 Monaten und wird zeitig im Frühjahr ins Feld gesät oder auch aus Samenbeeten ausgepflanzt. Im Oktober beginnt dann die Arbeit in den Fabriken und dauert bis ins Frühjahr. Die Rüben durch die Betriebszeit gegen Frost, Fäulnis und Keimung zu schützen, hat seine Schwierigkeiten; der Zuckergehalt vermindert sich beim Lagern mehr und mehr.«
3.6
Zu Besuch im Zuckermuseum in Berlin
1904 wurde das Berliner Zuckermuseum als das weltweit erste Fachmuseum dieser Art zusammen mit dem Institut der Zuckerindustrie im Gebäude der Amrumer Straße 12 eröffnet. 1945 kam es in den Besitz der Stadt (des Landes) Berlin, 1978 zur TU Berlin. 1988 wurde es Landesmuseum und seit 1995 gehört es zum Deutschen Technikmuseum Berlin. In Berlin entdeckte 1747 A. S. Marggraf
Zu Besuch im Zuckermuseum in Berlin
Abb. 22 Innenansichten von einer Zuckerraffinerie (1852) – mit Pfannen zur Läuterung des Rohzuckers (oben); Beschaben des Zuckers in der
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Hutform (Mitte links); Vakuum-Verdampf- und Kochapparat (Mitte); Füllen der Zuckerhutformen (Mitte rechts), Reinigung der Beutel (unten).
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Zucker – eine historische Warenkunde
(1709–1782, ab 1760 Direktor der Physikalischen Klasse der Königl. Akademie der Wissenschaften) Zucker (Saccharose) in der Runkelrübe. Sein Nachfolger F. C. Achard (1753–1821) gewann nach Züchtungserfolgen im heutigen BerlinKaulsdorf 1798 den ersten Rübenzucker. 1801 entstand in Kunern/Schlesien die erste Zuckerrübenfabrik der Welt, wo ab 1802 Zucker produziert wurde. Das Zucker-Museum versteht sich als Traditionsträger der »zuckergeschichtlichen Leistungen Preußens, der spezifischen Rolle Berlins als historischem Ursprungsort des Rübenzuckers und des ersten Zuckerinstituts der Welt (1867– 1977).« (H. Olbrich (Hrsg.): Zucker-Museum – anlässlich der Wiedereröffnung am 22. September 1989 – Katalog) Und weiter heißt es: »Das Zucker-Museum besitzt Objekte aus allen Gebieten, die mit Zucker zu tun haben: aus natur- und ernährungswissenschaftlichen, technischen und technologischen Bereichen, aus Landwirtschaft, Botanik, Zoologie, Wirtschaftsgeschichte, Volkskunde und Kunst. Es zeigt die vielfältigen, gewerbegeschichtlichen, kulturhistorischen und kulturpolitischen Querbeziehungen auf.« Zur Geschichte des Hauses gehört auch, dass im großen Laboratorium des Instituts für Zuckerindustrie von 1901–1923 »Damenkurse zur Ausbildung von Zucker-Chemikerinnen« stattfanden, deren erfolgreiche Absolventinnen dann an der TH bzw. an der Landwirtschaftlichen Hochschule einen zweiten Abschluss zur »Zuckerfabrik-Betriebschemikerin« erwerben konnten. Die umfangreiche Sammlung an Exponaten des Zuckermuseums ist in elf Schwerpunktthemen gegliedert: zur Geschichte/Kulturgeschichte des Zuckers (mit dem Honig als ältestem Süßungsmittel beginnend), über das Zuckerrohr, den Kolonialzucker für Europa, die Plantagen- und Sklavenwirtschaft, die Zuckerrübe, den Rübenanbau, die Rübenverarbeitung und Zuckergewinnung, über
Abb. 23 Gebäude des Zuckermuseums in
Berlin.
Zu Besuch im Zuckermuseum in Berlin
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Nebenprodukte und deren Verwertung (»Ohne Zucker kein Alkohol«), zur Frage »Was wäre die Welt ohne Zucker« und schließlich über den Zuckerkonsum. Als Exponate sind nicht nur Bildtafeln, Fotografien, schriftliche Dokumente und Bücher, sondern auch zahlreiche Produkte zu einer umfassenden Warenkunde der Zuckergewinnung und -verarbeitung, Verpackungen und Modelle zur Zuckergewinnung auf einem informativen Rundgang in einem historischen Gebäude zu besichtigen. Neben dem Schwerpunkt Zuckertechnologie und Zuckerchemie werden historische Aspekte, zur Wirtschafts- aber auch besonders zur Sozialgeschichte berücksichtigt. Für den lebensmittelchemisch besonders interessierten Besucher werden Exponate vom Zuckerhut bis zum Streuzucker, ein Lehrmittel-Kasten (um 1925) mit Substanzmusterproben der Rübenzuckerfabrikation, die Ausstellung von Analysengeräten und die Darstellung der Nebenprodukte der Zuckergewinnung (und deren Verwertung) besonders ansprechen. Auch beim letzten Thema erfolgt eine umfassende Information zur Warenkunde, zu den Handelsprodukten vom Rohzucker bis zum Weißzucker, über Melasse und Begasse (= Pressrückstand) mit Inhaltsstoffangaben und zu deren Verwertung. In der entsprechenden Abteilung findet der Besucher eine Produktvielfalt z. B. zum Rübensirup-Angebot in Deutschland, darüber hinaus Produkte aus dem Ausland wie eine Sondermelasse, die seit zwei Jahrhunderten für Küche und Haushalt in Nordamerika angeboten wird. In einem Schaubild und anhand eines Destillierapparates wird die Melasse-Brennerei vorgestellt. Auch das Thema der Gewinnung von Zyklon B aus Melassedickschlempe, aus der durch Pyrolyse von 1941–1943 Blausäure für das Vernichtungslager Auschwitz gewonnen wurde, wird im Themenbereich Nebenprodukte und deren Verwertung behandelt. Das vorletzte Schwerpunktthema mit der Frage »Was wäre die Welt ohne Zucker?« enthält Exponate wie Aktien der Zuckerindustrie, Zuckerkarten aus der Zeit der beiden Weltkriege, Zuckerdosen, Exponate zur Kunst der Zuckerbäcker – und der Hinweis auf Einsteins Dissertation »Eine neue Bestimmung der Moleküldimensionen« mit Berechnungen zum Zuckermolekül. Zuckerhüte, Zucker in allen handelsüblichen Formen bis zu künstlichen Süßstoffen, Informationen zum Zuckerkonsum beschließen den Rundgang durch die Ausstellungsbereiche des sehr empfehlenswerten Berliner-Zuckermuseums13). 13) nach G. Schwedt: In historische Töpfe geschaut – Museen zur
Geschichte der Lebensmittel: Das Zuckermuseum in Berlin, Deutsche Lebensmittel-Rundschau 102 (2006), 72–73)
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Zucker – eine historische Warenkunde
Abb. 24 Zuckergewinnung (aus: Leperollo-Kinderbuch Speise und Trank – Hab´ Acht! Wie´s wird gemacht) – um 1890.
3.7
Das Zucker-Sortiment im Supermarkt (mit Experimenten)
Zucker – d. h. Saccharose und auch Glucose, Fructose sowie Lactose – werden in zahlreichen Sorten angeboten. Im Folgenden werden die am verbreitesten, in der Regel auch in größeren Lebensmittel-Supermärkten erhältlichen Sorten kurz vorgestellt:
Das Zucker-Sortiment im Supermarkt
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• Brauner Zucker wird als Sammelbezeichnung für alle Zucker mit brauner Farbe verwendet. Entweder werden weiße Zuckerkristalle mit braunen Zuckerrohrsirupen gemischt oder man lässt sie aus durch Karamellisierung braun gewordenen Sirupen auskristallisieren. Der anhaftende Sirup verleiht den braunen Zuckern nicht nur die Färbung sondern auch eine klebrige feuchte Konsistenz. • Einmachzucker ist eine grobkörnige Raffinade. Er ist besonders rein, weist eine grobe Struktur auf (gut unter dem Mikroskop zu beobachten) und eignet sich dadurch vor allem zum Einmachen von Obst und Gemüse. • Farin ist ein feiner brauner Zucker, der durch Zusatz von Sirup seine braune Farbe erhalten hat. • Fruchtzucker (Fructose) wird von Diabetikern als Zuckeraustauschstoff verwendet und ist der Hauptzucker in Früchten. • Flüssiger Zucker wird als reine Zuckerlösung in Wasser mit Gehalten bis zu 65 % angeboten. • Gelierzucker ist ein Gemisch aus Zuckern und Geliermitteln oder neuerdings auch Verdickungsmitteln. Als »Express GelierZucker« enthält er beispielsweise »Zucker, Geliermittel Pektin, Verdickungsmittel Xanthan, Säuerungsmittel Citronensäure, Konservierungsstoff Sorbinsäure, Schaumverhüter E 471 [Mono- und Diglyceride von Speisefettsäuren], pflanzliches Fett gehärtet«. Der »Diät Gelier Fruchtzucker« enthält anstelle von Saccharose = Zucker »Fruchtzucker, Geliermittel Pektin, Säuerungsmittel Citronensäure, Konservierungsstoff Sorbinsäure«. Gelierzucker werden zur Herstellung von Konfitüren, Gelees und Marmeladen benötigt. • Glucosesirup wird aus Stärke gewonnen. Er besteht aus Glucose, Maltose und höheren polymeren Kohlenhydraten und ist Bestandteil von z. B. hellem Sirup (Zutaten: Invertzuckersirup, Glukosesirup). • Grümmel-Kandis ist ein klein gebrochener Kandis (siehe Kandis) mit starkem Karamellgeschmack. • Hagelzucker sieht wie kleine Hagelkörner aus und wird zum Verzieren von Gebäck (oder auch als Brotbelag) aus Raffinade durch Agglomerieren hergestellt. • Invertzuckercreme ist nach der Zuckerartenverordnung eine wässrige, auch kristallisierte Lösung von teilweise durch Hydrolyse invertierter Saccharose (mittels des Enzyms Invertase E 1103). Sie muss mindestens 62 % an Trockenmasse und mehr als 50 % an Invertzucker (Gemisch aus etwa gleichen Teilen an Glucose und Fructose) enthalten.
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Zucker – eine historische Warenkunde
• Kandis entsteht durch langsames Auskristallisieren aus einer reinen Zuckerlösung. Der Kandiszucker ist als an Fäden auskristallisierter Zucker seit dem 18. Jahrhundert gebräuchlich. Der Name leitet sich aus dem Arabischen (quandi = gezuckert, ital. candi-to, davon auch Konditor als Zuckerbäcker) ab. Es gibt ihn als weißen und braunen Kandis. Der Letztere wird als grobkristallisierter Zucker aus sehr konzentrierten und erhitzten Lösungen von braunem Zucker gewonnen. • Kluntje Kandis sind besonders große und klare Kristalle. Sie verwendet man vor allem in Ostfriesland zum Süßen von Tee. • Krusten Kandis wird durch Zerkleinern von dicken braunen Kandiskrusten gewonnen. • Milchzucker (Lactose) gewinnt man aus Molke. Er besteht als Disaccharid aus Glucose und Galaktose. • Puderzucker oder Staubzucker ist eine fein gemahlene Raffinade und wird zur Herstellung von Glasuren und zum Bestreuen von Backwaren verwendet. • Raffinade Zucker (feine Körnung) ist der meistgebrauchte weiße Haushaltszucker, der durch Raffination gereinigt wurde und zu 99, 7 % aus Saccharose besteht. (Saccharose = Zucker bestehend aus Glucose und Fructose) • Rohrzucker stammt aus Zuckerrohr. Er wird als brauner, Vollrohr-, oder Rohrohrzucker im Handel angeboten. Er entspricht der Saccharose aus Zuckerrüben, ist also identisch mit dem Rübenzucker, nur anderer Herkunft. Im Herkunftsland wird Rohrzucker meist als Rohzucker vertrieben. In speziellen Zuckerraffinerien wird er dann wieder gelöst und erneut kristallisiert (raffiniert). Der Bedarf des lokalen Marktes bestimmt danach die Art der Sorte, die dem Verbraucher angeboten wird. Vollrohrzucker ist ein eingedickter und getrockneter Zuckerrohrsaft, der zu 95 % aus Saccharose besteht und andere Zuckerarten sowie auch Mineralstoffe und Vitamine enthält. • Traubenzucker (Dextrose) wird aus Stärke gewonnen. • Vanillezucker besteht aus natürlichem Aroma, Zucker, Vanillin-Schoten und Stärke. • Vanillinzucker enthält anstelle von echter Vanille ein Vanillin-Aroma, das mit feinem weißem Zucker gemischt ist. • Würfelzucker (auch als Stückenzucker bezeichnet) wird aus angefeuchteter Raffinade durch Pressen zu Würfeln hergestellt, die anschließend getrocknet werden. • Zucker, Feinster ist eine leichtlösliche Raffinade, welche die Anforderungen der EG-Qualität 1 erfüllt.
Das Zucker-Sortiment im Supermarkt
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• Zuckerhut stellt eine spezielle Form von auskristallisiertem oder gepresstem Zucker in Plattenform, der durch Schleudern (in Formen als Gussware) hergestellt wird. Man verwendet den Hutzucker für die Feuerzangenbowle. • Zuckercouleur stellt eine Lösung aus dunklem, nicht mehr süß schmeckendem Karamell dar und wird zum Färben von Speisen verwendet (siehe auch Abschnitt 6.3). Er wird durch Erhitzen von invertierter Saccharose oder einer Glucoselösung unter Zusatz von Bräunungsbeschleunigern hergestellt. Zuckerstreusel sind gefärbte Zucker und bestehen z. B. aus: Zucker, Pflanzenfett gehärtet, Glucosesirup, Emulgator E 472c (Citronensäureester von Mono- und Diglyceriden von Speisefettsäuren), Farbstoffe E 104 (Chinolingelb), E 110 (Gelborange S), E 120 (Cochenille, Echtes Karmin), E 129 (Allurarot AC), E 131 (Patentblau V), Trennmittel Talkum, Aroma (Vanille). Sie werden zur Verzierung von z. B. Torten und auch als typisch holländischer Brotbelag zum Frühstück verwendet.
Experiment 9
Brauner Rohr-Rohzucker
Materialien
Brauner Rohr-Rohzucker, Rollrandgläser, 0,1%ige Kaliumpermanganat-Lösung
Durchführung
Der Boden eines Rollrandglases wird mit dem braunen Zucker bedeckt. Dann fügt man etwa 2 cm hoch Wasser hinzu, schwenkt um und beobachtet den Lösungsvorgang. In einem zweiten Glas werden zum gleichen Volumen Wasser (wie im Glas 1 mit Zucker) soviel Tropfen der Kaliumpermanganat-Lösung hinzugefügt, dass eine intensiv gefärbte Lösung entsteht. Nach dem Auflösen des braunen Zuckers fügt man die gleiche Zahl an Tropfen der Kaliumpermanganat-Lösung auch dem Glas 1 hinzu.
Beobachtungen
Im Unterschied zur Blindlösung im Glas 2 entsteht nach Zugabe der Kaliumpermanganat-Lösung zur braunen Zuckerlösung eine gelbraune Farbe.
Erläuterungen
Beim Lösen der braunen Kristalle gehen zunächst die offensichtlich oberflächlich anhaftenden Farbstoffe in Lösung, dann erst lösen sich die farblos gewordenen Zuckerkristalle auf.
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Zucker – eine historische Warenkunde Die braunen Farbstoffe (siehe Abschnitt 6.3) enthalten auch einfachere reduzierende Substanzen, durch die Permanganat-Ionen reduziert werden, jedoch keine reduzierenden Zucker, wie die negativ verlaufende Fehlingsche Probe (Experiment 2a in Abschnitt 2.6) zeigt.
Experiment 10 Vanillin-Zucker oder Vanille-Zucker? Materialien
Haushaltszucker, Vanillin-Zucker – Zutaten: Zucker, Aroma (Vanillin); Vanille-Zucker – (Bourbon Vanille-Zucker natürliches Aroma) Zutaten: natürliches Aroma, Zucker, Vanille-Schoten, Stärke; 0,1%ige Kaliumpermanganat-Lösung, 3%ige Iodlösung, Rollrandgläser
Durchführung
Ein Glas wird zur Hälfte mit Wasser gefüllt und darin soviel an Kaliumpermanganat-Lösung hinzugetropft, dass eine deutliche rot gefärbte Lösung entsteht. Diese Lösung wird auf zwei Gläser verteilt. Dem einen Glas fügt man einen kleinen Spatellöffel Haushaltszucker, dem anderen etwa die gleiche Menge an Vanillin-Zucker hinzu und löst durch Umschwenken der Gläser. Im zweiten Teil des Experiments werden sowohl der Vanille-Zucker als auch der Vanillin-Zucker eingesetzt – je ein kleiner Spatellöffel mit einigen Millilitern Wasser versetzt. Auf Stärke wird mit der Iodlösung geprüft (soviel an Lösung zutropfen, bis die Verfärbung der Lösung bestehen bleibt).
Beobachtungen
Nur im Glas mit dem Vanillin-Zucker tritt nach der Zugabe der Permanganat-Lösung sofort ein Farbumschlag nach Gelbbraun auf. Die Iod-Stärke-Reaktion ist nur beim Vanille-Zucker positiv.
Erläuterungen
Vanillin (Hauptbestandteil der Vanille) hat antioxidative Eigenschaften; als 3-Methoxybenzaldehyd wird es durch PermanganatIonen oxidiert (zur 3-Methoxybenzoesäure). Beim Vanille-Zucker hat die Stärke die Funktion als Aromastoff-Träger (Adsorbens).
4 Zucker aus der Fabrik
4.1 Ein Zuckerfabrik-Abwasserprozess in Wilhelm Raabes Erzählung »Pfisters Mühle«
Einen seit dem 29. Dezember 1881 geführten Abwasserprozess der Mühlenbesitzer Müller und Lüderitz aus Bienrode und Wenden (Braunschweig) gegen die Rautheimer Zuckerfabrik hat Raabe als Rahmenhandlung für seine Romanerzählung verwendet, die 1884 zunächst in der Familienzeitschrift »Die Grenzboten« in Fortsetzungen erschien. Zur Zeit der frühen Industrialisierung hat Raabe als bedeutender Vertreter des deutschen Realismus einen Schlüsselroman über einen klassischen und großen Abwasserprozess geschrieben, als »ein klassisches Beispiel dafür, daß auf dem Prozeßwege die Reinhaltung eines Gewässers nicht erreicht werden kann« – schrieb der Braunschweiger Medizinalrat Ludwig Popp 1959, der später noch einmal zitiert wird. Nicht nur Literatur- sondern auch Naturwissenschaftler haben sich deshalb immer wieder mit dieser Erzählung beschäftigt. Der in die Großstadt als Gymnasiallehrer abgewanderte Müllerssohn Eberhard Pfister verlebt zusammen mit seiner jungen Frau vier Wochen Sommerferien in der bereits verkauften Mühle seines Vaters. Vom Ich-Erzähler werden anhand von acht Ferientagen und einem Tag in Berlin die Erinnerungen an die Kindheit und Jugend in der Mühle, an die Geschichte der Mühle in der Nähe einer Stadt inmitten eines Zuckerrübenanbaugebietes wiedergegeben. Denn diese Mühle mit Mühlengarten und Gastwirtschaft, ein beliebter Ausflugsort in der Nähe einer Universitätsstadt, hat der modernen Industrie weichen müssen. Die Abwässer der Zuckerfabrik Krickerode verunreinigen und verpesten den Mühlenbach, sie vertreiben die Gäste und das Mühlenpersonal. Die Mühle wird verkauft, an ihrer Stelle entsteht eine Fabrik, und der Sohn des letzten Müllers, Oberlehrer in Berlin, verlegt kurz vor dem Abbruch der Mühle noch einmal seine Ferien auf dem väterlichen Besitz. Hier erzählt er, sich erinnernd, seine Jugend, seine Erziehung durch den Studenten Asche und die Vorgänge, die zum Untergang der Mühle geführt haben, wie das Mühlenwasser verpestet wurZuckersüße Chemie. Georg Schwedt Copyright © 2010 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim ISBN: 978-3-527-32786-7
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Zucker aus der Fabrik
de, wie Asche die Ursache fand, wie Vater Pfister gegen die Zuckerfabrik prozessierte und gewann, aber die Mühle doch nicht rettete, und schließlich Vater Pfisters Tod. Vom 19. März 1883 bis zum 8. Mai 1884 hat Wilhelm Raabe an seinem Manuskript auf »22 Blättern« gearbeitet. Sein Verleger Georg Westermann lehnte es ab. Der Herausgeber der »Deutschen Rundschau«, Julius Rodenberg, »glaubte den Leser seiner Zeitschrift nicht mit dem faulen Geruch« belästigen zu dürfen, der in Raabes Erzählung einem Mühlenbach entsteigt, den die Abwässer der Rübenzuckerindustrie verschmutzen. Dem Autor wurde verdacht, dass er »eine Tatsache des wirklichen Lebens aufgegriffen und dargestellt hatte, die ihm spätestens im Herbst 1882 auf den donnerstäglichen Spaziergängen von Braunschweig zum ›Grünen Jäger‹, dem Vereinslokal der Männer-›Genossenschaft‹ der ›Kleiderseller‹, beim Anblick der (durch die Zuckerfabrik Rautheim verunreinigten) Wabe aufgefallen war.« (Horst Denkler im Nachwort). Am 10. Juli 1884 übernahm der Herausgeber der »Grenzboten« Zeitschriftenabdruck und Buchausgabe, jedoch wurden in zehn Jahren nur 1500 Exemplare zum Ladenpreis von 4 Mark pro Stück an wenige Liebhaber Raabes abgesetzt. Heute weist die Literaturwissenschaft diesem Spätwerk Raabes einen höheren Stellenwert zu als manchen früheren und erfolgreicheren historischen- oder Gegenwartserzählungen. Die Erzählung schildert am Beispiel der Mühle den Vorgang der Industrialisierung, die seit den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts in Deutschland einsetzte und nach 1870 sich noch steigerte. Ebenso werden die Reaktionen der verschiedenen Personen auf diese Entwicklung beschrieben. Aber sie beschränkt sich dabei nicht auf den Untergang der Mühle und ihr Erliegen vor der modernen Industrie – sie läßt auch deutlich werden, dass das, was an Pfisters Mühle wichtig war und wofür sie steht, auch in der veränderten Umwelt weiterlebt. Raabe schildert sozusagen den Erbgang der Mühle und die Werte, die sie symbolisiert. Und der Erbe ist nicht der Sohn des Müllers, der Oberlehrer Eberhard, sondern Asche, der schließlich ernstlich Chemie studiert. Er verschreibt sich der neuen Industrie und errichtet in Berlin eine große chemische Reinigungsfabrik. Ihm übergibt der sterbende Vater Pfister seine Mülleraxt und bezeichnet ihn damit als seinen eigentlichen Erben. Seine Fabrik ist die wahre Nachfolgerin der Mühle, weil er der Mann ist, das, was an ihr wesentlich war, auch unter veränderten Umständen zu wahren. 1924 hält der Direktor der bis zum Jahr 2007 bestehenden Plöner Hydrobiologischen Anstalt der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (heute Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie) Prof. Dr. August Thienemann in Bremen hydrobiologische
Ein Zuckerfabrik-Abwasserprozess in Wilhelm Raabes Erzählung »Pfisters Mühle«
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Vorlesungen, in denen er auch die Geschichte der noch jungen biologischen Abwasseranalyse behandelt. Nach einer Vorlesung wird er von einem Zuhörer darauf aufmerksam gemacht, dass schon der Dichter Raabe vierzig Jahre zuvor die biologische und chemische Wasseranalyse in eine seiner Erzählungen eingeführt habe. Thienemann geht diesem Hinweis nach und veröffentlicht 1925 eine Arbeit mit dem Titel »Pfisters Mühle. Ein Kapitel aus der Geschichte der Biologischen Wasseranalyse«. Von einer Tochter Raabes erfährt Thienemann, dass Raabe sich bereits 1883 Akten des Prozesses der Müller aus Bienrode und Wenden gegen die Zuckerfabrik Rautheim von dem chemischen Sachverständigen H. Beckurts von der Technischen Hochschule Braunschweig hat geben lassen. Im »Monatsblatt für öffentliche Gesundheitspflege« erschien Beckurts Text des auf der eingangs genannten Tagung in Braunschweig gehaltenen Vortrags »Ueber die Verunreinigung der Flüsse durch Effluvien von Zuckerfabriken«. Ein Separatdruck, der im Stadtarchiv Braunschweig, Raabe-Archiv. H III 10, Nr. 34, aufbewahrt wird, trägt die handschriftliche Widmung: »Herrn W. Raabe in hoher Verehrung vom Verfasser.« Aus diesem Bericht erfahren wir, dass die Zahl der Zuckerfabriken von 145 im Jahre 1840–1841 mit einer Produktion von 250 000 Zentner Zucker aus fünf Millionen Zentner Rüben auf 324 im Jahre 1879 gestiegen sei, in welchem 8,5 Millionen Zentner Zucker aus 93 Millionen Zentner Rüben gewonnen worden seien. – 1996 sind es in Deutschland 52 Millionen Zentner Zucker. Beckurts fährt fort: »Damit stehen im nahen Zusammenhange die Fortschritte in den Fabrikationsmethoden…« und er schränkt zugleich ein: »Auch wir von unserem Standpunkte würden die Erfolge vollkommene nennen können, wenn es gelungen wäre, die mit der erhöhten Production auch gleichmäßig vermehrten, durch organische Substanzen stark verunreinigten Effluvien genannter Fabriken von diesen schädlichen Substanzen zu befreien.« Beckurts berichtet in seinem 1892 gehaltenen Vortrag auch über die durchgeführten Analysen: »Die gelbe Farbe des Abwassers stammt sowohl von einem Pilz als vom Eisen – das er ›leicht durch einen Tropfen Salzsäure und Blutlaugensalz erkennen kann‹«.
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Zucker aus der Fabrik
1924 hat Beckurts (1855–1929), vor dem Ersten Weltkrieg einer der bekanntesten deutschen Pharmazeuten, der inzwischen Inhaber des Lehrstuhls für pharmazeutische Chemie an der Technischen Hochschule Braunschweig und Geheimrat geworden war, Thienemann über den Prozess folgende Auskunft gegeben: »Die Zuckerfabrik Rautheim schickte ihre Abwässern durch die Wabe und die Mittelriede der Schunter zu, an welcher zwei Wassermühlen in Bienrode und Wenden liegen, welche durch Turbinen betrieben wurden. Die Kammern der Turbinen, besonders in der dem Mühlenbesitzer Müller in Bienrode gehörigen Mühle, wuchsen durch Beggiatoren und andere Wasserpilze völlig zu, so daß die Mühle zum Stillstand kam. Die gleichen Pilzwucherungen zeigten sich an den Ufern von Schunter und Wabe sowie an allen in das Wasser eintauchenden Gegenständen, Zweigen von Bäumen, Schilf und dergleichen. Gleichzeitig trat in den Mühlen der Geruch von Schwefelwasserstoff auf. Diese Tatsachen gaben Anlaß zu der Klage und erregten damals berechtigtes Aufsehen, weil eine solche Verunreinigung, die auf den Betrieb einer Zuckerfabrik zurückgeführt werden mußte, in unserer Gegend noch nicht beobachtet war. Auch Wilhelm Raabe, mit dem ich damals im Klub der Kleiderseller gelegentlich verkehrte, interessierte sich für die Verunreinigung, ich mußte ihm davon erzählen und auch die Akten aushändigen…« Der Bericht von Beckurts über das Abwasser der Zuckerfabrik lautet: »Aus der Zuckerfabrik Rautheim ergoß sich ein dunkler Strahl einer heißen, schmutzig gelben Flüssigkeit in den Bach, welcher nun seitens der Fabrik zunächst künstlich über ca. 20 Morgen Wiesenland geleitet wurde, wo die in dem Wasser suspendirten Stoffe sich ablagerten. Beim Wiedereintritt in das Flußbett ist das Wasser stark gefärbt, im hohen Maße übelriechend, es entwickelt viel Schwefelwasserstoff, wohl das Product der reducirenden Wirkung der organischen Stoffe auf die vorhandenen schwefelsauren Salze.« Bei Raabe liest man: »So ist es nicht unerklärlich, daß beim Wiedereintritt des Wässerleins in deines Vaters Mühlwasser, mein Sohn Ebert, das nützliche Element trotz
Ein Zuckerfabrik-Abwasserprozess in Wilhelm Raabes Erzählung »Pfisters Mühle«
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allem, was es auf seinem Überflutungsgebiete ablagerte, stark gefärbt, im hohen Grade übelriechend bleibt. Das, was ihr in Pfisters Mühle dann, laienhaft erbost, als eine Sünde und Schande, eine Satansbrühe, eine ganz infame Suppe aus des Teufels oder seiner Großmutter Küche bezeichnet, nenne ich ruhig und wissenschaftlich das Produkt der reduzierenden Wirkung der organischen Stoffe auf das gegebene Quantum schwefelsauren Salzes«, sagte Adam Asche…« Beckurts nennt in seinem veröffentlichten Vortrag auch die weiteren Analysenverfahren: »Die Menge der organischen Substanzen wurde durch Titration mit übermangansaurem Kalium in saurer Lösung nach der Methode von Kubel ermittelt. Das Chlor14) wurde durch Titration mit 1/10 Normalsilberlösung in neutraler Lösung (….) bestimmt. Die quantitative Bestimmung des Ammoniaks geschah auf colorimetrischem Wege durch Neßlers Reagens…. Die Bestimmung von Schwefelwasserstoff wurde so ausgeführt, daß 100–200 cc der Wasserprobe nach Zusatz von Stärkekleister mit einer verdünnten Jodlösung (1 cc = 0,001 n Jod) bis zur Bläuung versetzt wurden.« Beckurts teilt die Resultate wie folgt mit: »Abflußwasser aus der Fabrik von Rautheim. Dasselbe war ca. 30–40 °C warm, enthielt unorganische Substanzen in großer Menge suspendirt, besaß neutrale Reaction, gelbbraune Farbe, schwachen, nicht unangenehmen Geruch. (…) 100 cbcm der filtrirten Flüssigkeit reducirten 5,12 cbcm 1/100 Kaliumpermanganat… Ferner waren in derselben Quantität Wasser 11,36 Theile Chlor(id) enthalten. 14) gemeint ist Chlorid
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Zucker aus der Fabrik
Ammoniak resp. Ammoniumbasen wurden in erheblicher Menge gefunden (Neßlers Reagens rief in 100 cbcm Wasser sofort einen orangegefärbten Niederschlag hervor).« 1959 griff der Medizinalrat Dr. Ludwig Popp, Lehrbeauftragter an der TH Braunschweig, das Thema »Pfisters Mühle (als) Schlüsselroman zu einem Abwasserprozeß« nochmals auf. Von ihm erfahren wir, »daß er das Urteil der III. Civilkammer beim herzogl. Landgericht zu Braunschweig vom 14.3.1883 (Nieders. Staatsarchiv in Wolfenbüttel L Neu Abt. 37 A 3 Nr. 30) nahezu wortwörtlich wiedergegeben hat«. Der alte Pfister »läßt durch den Rechtsanwalt Riechei (Semler) die Zuckerfabrik Krickerode (Aktienzuckerfabrik Rautheim) flußabwärts von der Mühle an einem Nebenfluß (Wabe) gelegen, verklagen, und der Dr. Asche (Privatdozent D. Beckurts) wird von ihm beauftragt, ein Sachverständigengutachten zu erstatten. Dr. Asche zieht seinerseits den Kollegen Kühl (Professor Ferdinand Cohn in Breslau) als Autorität zu, und dank seinem Gutachten wird der Prozeß gewonnen.« 1959 existierte die Zuckerfabrik Rautheim nicht mehr, sie ist kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges stillgelegt worden, die Mühle gab es jedoch noch, auch die »Schunter fließt wie eh und je, vom Elm kommend, nunmehr schon durch Braunschweigs Vororte hindurch der Mühle von Bienrode zu«. Aus diesem fischreichen Gewässer ist jedoch ein Vorfluter geworden, der selten die Wassergüteklasse III erreicht (1959). Der genannte Sachverständige und Bekannte Raabes, Prof. Beckurts, hat sich bereits als junger Privatdozent 1882 mit den Verunreinigungen der »Flüsse durch Effluvien von Zuckerfabriken« beschäftigt. Der Schriftsteller Wilhelm Raabe hat mit »Pfisters Mühle« einerseits einen Tatsachenbericht menschliche Seite und das verlorengegangene Idyll in den Vordergrund seines »Sommerferienheftes« gestellt. Als seine Erzählung gedruckt wird, ist der Prozess jedoch noch nicht abgeschlossen: Er endet nach einstweiligen Verfügungen und Revisionen mit einem Pyrrhussieg der beiden Müller. Sie erhalten nach der Entscheidung des Reichgerichtes vom 12.5.1885 eine Entschädigung (pauschal 42 100 bzw. 18 000 Mark für den Müller von Bienrode bzw. Wenden) und zwar dafür, dass »die Zuckerfabrik … die Verunreinigung der Schunter fortzusetzen gedenke, beziehungsweise nicht zu verhindern in der La-
Zuckertechnologie – gestern und heute
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ge sei …«– ein Schadenersatz und eine Bestrafung werden nicht rechtens abgelehnt. Unsere Zuckerfabriken heute verwerten die anfallenden Restprodukte fast vollkommen. Die bei der Saftreinigung anfallenden Filterrückstände enthalten Salze, die als Dünger eingesetzt werden können. Der letzte Rest aus den Reinigungsverfahren wird als Melasse verwendet – siehe dazu Abschnitt 4.2.
4.2
Zuckertechnologie – gestern und heute (mit Experimenten)
Über die Technik in der Mitte des 19. Jahrhunderts berichtet der Brockhaus von 1841 sehr ausführlich und anschaulich: »Was die Rübenzuckerbereitung anlangt, so erhält man den Rübensaft hauptsächlich auf dreierlei Wegen: indem man die zu Brei geriebenen Rüben auspreßt, oder die in Stücke zerschnittenen mit kaltem oder warmem Wasser auslaugt, oder endlich die geschnittenen Rüben trocknet und pulvert und dann mit Wasser, Weingeist, Wasserdampf auszieht. Da der Rübensaft sehr leicht säuert, muß er schleunig der Läuterung unterworfen werden, was jetzt meist durch Absieden mit Kalk auf ähnliche Weise wie beim Zuckerrohrsafte geschieht.« Über die Gewinnung des Zuckers aus Zuckerrohr wird zuvor über diesen Verfahrensschritt im Siedehaus wie folgt berichtet: »Hier wird er [der zuckerhaltige Saft] fast bis zum Sieden erhitzt, (…), und mit Kalk vermischt, welcher die Absonderung der Unreinigkeiten befördert, und nun in das größte der eigentlichen Siedegefäße geschafft, deren meist vier von abnehmendem Umfange sind. Im ersten wird das Einsieden unter beständigem Abschäumen so lange fortgesetzt, bis die Masse grade das nächste kleinere füllt. Ebenso geht es im zweiten, dritten und vierten, aus sie dick und rein genug zum Krystallisiren kommt. Hier gerinnt der Zucker in unregelmäßigen Massen und scheidet sich zum Theil vom Syrup, wird dann ins Zubereitungshaus in dort auf eine Art Rost über weiten Trögen stehende Fässer geschüttet, in deren unterm Boden sich Öffnungen befinden, durch welche die flüssigen Theile (Melasse) vollends ablaufen. Wenn das nach 5–6 Wochen geschehen ist,
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Zucker aus der Fabrik
Abb. 25 Schulwandbild Zucker aus Rüben (Leipzig 1937).
enthalten die Fässer Rohzucker, Moscovade oder Puderzucker, eine bräunliche, pulverähnliche Masse, werden vollends gefüllt, geschlossen und was nach Europa bestimmt ist, dahin versendet, wo die völlige Läuterung (Raffination) (…) erfolgt…« Nach einer ausführlichen Beschreibung dieser »Läuterung des Colonialzuckers (…) in den Zuckersiedereien oder Zuckerraffinierien« unter »Auflösung desselben in Kalkwasser, worauf er unter Zusatz von Ochsenblut, Knochenkohle, Eiweiß, bei fleißigem Umrühren gesotten und sorgfältig abgeschäumt wird« (drei bis viermal wiederholt!), werden dann auch kurz die Verfahrensschritte für den Rübenzucker beschrieben: »Der geläuterte Saft wird dann durch Knochenkohle filtrirt, was einen Theil des Farbestoffes und Kalkes vor dem Abdampfen oder Einkochen bis zur Krystallisation entfernt. Das Krystallisirenlassen erfolgt in thönernen oder blechernen Formen, die unten eine Öffnung zum Ablaufen des Syrups haben, der wieder bearbeitet wird und eine zweite Sorte, der Rückstand von dieser eine dritte gibt. Die erste, der eigentliche Rohzucker, wird in den Fabriken raffinirt oder an die Raffinerien verkauft. Die
Zuckertechnologie – gestern und heute
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Abb. 26 Halle mit Läuterungspfannen (Schaumabfüllen – Füllen von Hutformen) – aus Schauplatz der Natur und Künste … Darstellungen für die Jugend, Wien 1773–1783.
trockenen Rückstände der Rüben werden zu Viehfutter, die nicht mehr krystallisirbaren nassen (Melasse) zu Branntwein (Rum) benutzt.« Anschließend an diesen Text werden auch mehrere Werke zur Rübenzuckerbereitung aufgeführt, die bereits zwischen 1834 und 1837 erschienen waren. Wesentlich detaillierter wird die Raffination von Rohrzucker (»Colonialzucker«) beschrieben (s. o.). Den Grund dafür erfahren wir aus dem Text zur wirtschaftlichen Situation der Zuckergewinnung um 1840: »Bei dem jährlich in Europa allein über 10 Mill. Centner steigenden Bedarf von Zucker(wovon der Einzelne durchschnittlich in England 20, in den Niederlanden 15, in Frankreich und den deutschen Zollvereinsstaaten 5, in Österreich und Italien 2, in Rußland 1 Pf. verbraucht), lag der Gedanke nahe, sich nach Mitteln umzusehen, den Colonialzucker durch europ. zu ersetzen, und wie in Nordamerika der Ahorn ist bei uns die Runkelrübe als diejenige Pflanze erkannt worden, welche dazu führen könne. Die um 1762 von dem ausgezeichneten Chemiker und Pharmaceuten And. Sigism.
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Zucker aus der Fabrik
Abb. 27 Zuckerhüte (Zucarum) in Dioscurides Tractatus de herbis (14. Jahrhundert).
Marggraf in Berlin zuerst angestellten Versuche zur Darstellung von Rübenzucker wurden seit Ende des vorig. Jahrh. von Franz Karl Achard, Director der physischen Classe bei der königl. Akademie zu Berlin, vervollkommnet und durch die vom Continentalsystem bewirkte Theuerung des Colonialzuckers entstanden, besonders in Frankreich, aber auch in Deutschland und Rußland, viele Runkelrübenzuckerfabriken.« Zur Herkunft des Colonialzuckers heißt es: »Nach Einführung des Sklavenhandels gewann der Anbau desselben [des Zuckerrohrs, ursprünglich in Indien und am Euphrat beheimatet] in Westindien [der britischen Kolonien im Bereich der Kleinen Antillen wie Jamaika, Trinidad usw.] einen solchen Umfang, daß von dort aus beinahe der ganze europ. Bedarf geliefert werden und die Zuckerrohrpflanzungen in Europa nicht mehr daneben bestehen konnten.«
Zuckertechnologie – gestern und heute
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Unter dem Continentalsystem versteht man die Kontinentalsperre, die 1806 von Napoleon I. gegen England als Wirtschaftsblockade errichtet wurde. Im Gegenzug verbot die Seemacht England allen neutralen Schiffen, französische Häfen anzulaufen. Einige Zweige der Wirtschaft auf dem europäischen Festland konnten
Abb. 28 Das Innere einer Rübenzuckerfabrik – aus Illustrierte Zeitung,
VII. Band, S. 155–156 (Leipzig 1846).
Abb. 29 Zuckerfabrik (Beispiel Kleinwanzleben 1838) – Aquarell nach einer Vorlage des ersten Siedemeisters W. Hohmann.
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Zucker aus der Fabrik
Abb. 30 Kochanlage mit drei Pfannen – Quelle siehe Abb. 26.
zwar gestärkt werden, jedoch konnte Napoleon England dadurch nicht zum Frieden zwingen. Erst mit dem Sturz Napoleons, nach der Niederlage bei Waterloo gegen England und Preußen 1815, wurde die Kontinentalsperre wieder aufgehoben. Im Brockhaus heißt es dann weiter: »Allein mit Aufhebung des Continentalsystems hörte die vortheilhafte Betreibung dieser Zuckerfabrikation auf und hat sich erst durch die seit 15 Jahren fortwährend erfundenen Verbesserungen des Verfahrens wieder da und dort bedeutend gehoben. In Frankreich bestanden 1839 an 370 Fabriken, welche 90 Mill. Kilogramme Zucker lieferten; in Preußen waren 70, im östreich. Kaiserthum 79 und davon 28 in Böhmen; in Würtemberg 3, in Baden 6. Der vervollkommneten Herstellung des Runkelrübenzuckers ungeachtet kommt er aber doch nicht so viel wohlfeiler zu stehen, daß nicht, zumal wenn man in den Colonien die Bereitung des Rohrzuckers sorgfältiger betriebe, die Aufhebung der Einfuhrzölle auf diesen oder die Besteuerung des Rübenzuckers beide Producte einander
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Abb. 31 Sklaven bei der Zuckerrohrernte und – verarbeitung (Th. de Bry: Americae pars quinta, Frankfurt am Main 1595): »Als die Gold- und
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Silbergruben ausgebeutet waren, wurden die Nigriten zum Zuckersieden angehalten.«
mindestens völlig gleich stellte. An Güte steht übrigens sorgfältig bereiteter Rübenzucker dem Rohrzucker gleich, was auch vom Ahornzucker gilt. Das Verfahren bei Herstellung des Rübenzuckers ist zwar ungemein verschieden und manche Fabrikanten halten ihre Methode noch geheim; auch hängt von der passenden Anwendung der einen oder andern zu den örtlichen Verhältnissen und für den größern oder kleinern Betrieb, z. B. als Nebengeschäft der Landwirthschaft, sehr viel in Bezug auf die Einträglichkeit ab. Was den Anbau der Rüben betrifft, so zieht man sie jetzt hauptsächlich aus schles. und schwed. Samen, da erwiesen ist, daß die kältern und höhern Gegenden (bis zu einem gewissen Grade) erzeugten zuckerhaltiger als die aus tiefern und wärmern sind.«
Zuckertechnologie heute
Die Rüben werden ohne Blätter angeliefert und in der Fabrik nach dem Waschen in Schneidemaschinen mit rotierenden Messern geschnitzelt. Im GegenstromVerfahren werden den Pflanzenzellen in einer Extraktionsapparatur die Saccha-
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Zucker aus der Fabrik
rose und andere in Wasser lösliche Inhaltsstoffe (u. a. Salze) entzogen. Durch Einwirkung von Wärme werden die Zellen teilweise zerstört und so die Extraktausbeute erhöht. Der auf diese Weise gewonnene Rohsaft enthält etwa 13–17 % an Trockensubstanz mit 85–90 % an Saccharose. Er ist im Unterschied zum Zellsaft aufgrund von Oxidationen (durch den Luftsauerstoff) und enzymatischer Vorgänge dunkel gefärbt und trübe. Die Saftreinigung erfolgt auf folgende Weise: Zunächst wird der Rohsaft mit Kalkmilch und gebranntem Kalk versetzt; dabei fällt der größte Teil der Nichtzuckerstoffe (organische Säuren, Proteine, Pektine) aus. Danach leitet man Kohlendioxid ein, wobei überschüssiges Calciumhydroxid als Carbonat ausfällt – der Vorgang wird Carbonatation genannt. Nach dem Filtrieren erhält man den Klarsaft; der Rückstand wird als Dünger verwendet. Der Klarsaft wird dann mit Hilfe von Schwefeldioxid, Aktivkohle oder von Ionenaustauschern aufgehellt und nach einer weiteren Filtration als hellgelber Dünnsaft den Verdampfern zugeführt. Hier wird in mehreren Stufen schließlich ein goldgelbes Konzentrat, der Dicksaft, erhalten. In Eindampfkristallisatoren wird es so weit eingedickt, bis ein Teil des Zuckers auskristallisiert. Das Produkt aus Zuckerkristallen und Muttersirup wird als Kochmasse oder Maische bezeichnet und kommt nun in Kühlkristallisatoren, wo größere Kristalle entstehen. Diese werden in Zentrifugen vom Muttersirup abgetrennt. So erhält man den an der Oberfläche durch anhaftenden Muttersirup noch gelb gefärbten Rohzucker. Durch Waschen mit Wasser – als Affination bezeichnet – erhält man in der Weißzuckerfabrik schließlich den weißen Verbrauchszucker, die Affinade. Aus dem ablaufenden Muttersirup wird in erneuten Schritten des Eindampfens, Kristallisierens (unter Kühlung) und Zentrifugierens ein zweites Produkt gewonnen, das meist in den Prozess zurückgeführt wird. Eine Raffinade erhält man aus minderem Rohzucker durch Reinigung einer Lösung mit Aktivkohle bzw. Ionenaustauschern und anschließender Umkristallisation. Der letzte Rest aller Verfahren, aus dem sich Saccharose nicht mehr auskristallisieren lässt, ist die Melasse.
Experiment 11 Herstellung des Zuckerrüben-Extraktes Materialien
kleine Zuckerrübe, Küchenreibe, passende Schale, 100-ml-Erlenmeyerkolben, Plastiktrichter mit passendem Faltenfilter, Rollrandgläser, Löffel, Heizplatte
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Durchführung
Aus einer geschälten kleinen Zuckerrübe werden mit Hilfe der Reibe kleine Schnitzel hergestellt, die man in der Schale auffängt. Von diesen Schnitzeln, die zunächst fast weiß sind und sich an der Luft rasch dunkel färben (enzymatische Bräunung wie auch bei Äpfeln zu beobachten) gewinnt man durch Auskochen mit destilliertem Wasser im Erlenmeyerkolben über einige Minuten (unter Umrühren mit dem Löffel) auf einer Heizplatte einen Zuckerrüben-Extrakt. Vor der Filtration entnimmt man den Hauptteil aus ausgekochten Rübenschnitzeln, um die Filtration etwas zu beschleunigen. Der dann filtrierte Extrakt wird in Rollrandgläsern für die weiteren Experimente aufgefangen. Auch von den ausgelaugten Schnitzeln bewahrt man einige für Experiment 15 auf.
Beobachtungen
Der Extrakt ist nach dem Filtrieren schwach getrübt und kaum gefärbt. Beim Auskochen nimmt man einen charakteristischen Geruch war.
Experiment 12 Bestimmung des pH-Wertes im Zuckerrübenextrakt Materialien
pH-Papier, 25-ml-Becherglas, Zuckerrüben-Extrakt, Natriumcarbonat
Durchführung
Der Boden des Becherglases wird 1–2 cm hoch mit ZuckerrübenExtrakt bedeckt. Dann taucht man das pH-Papier ein und bestimmt anhand der Farbskala den pH-Wert. Zum Extrakt fügt man nun einen kleinen Spatellöffel an Natriumcarbonat hinzu.
Beobachtung
Der pH-Wert liegt im Bereich von etwa 4. Nach dem Zusatz von Natriumcarbonat beobachtet man das Auftreten von Gasblasen.
Erläuterungen
Die Zellen der Zuckerrübe enthalten organische Säuren. Daher wird aus Natriumcarbonat auch Kohlenstoffdioxid freigesetzt.
Experiment 13 Permanganat-Reaktion Materialien
Zuckerrüben-Extrakt aus Experiment 11, 0,2%ige Kaliumpermanganat-Lösung, Rollrandgläser, Plastikpipette
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Zucker aus der Fabrik
Durchführung
In einem zu einem Drittel mit Wasser gefüllten Glas wird soviel an Kaliumpermanganat-Lösung hinzugetropft, dass eine intensiv rot gefärbte Lösung entsteht. Diese Lösung wird auf zwei Gläser verteilt, dem einen Glas tropft man Zuckerrüben-Extrakt hinzu.
Beobachtungen
Nach dem Zutropfen des Zuckerrüben-Extraktes schlägt die Farbe von Rot nach Gelbbraun um.
Erläuterungen
Die Zellen der Zuckerrübe enthalten zahlreiche reduzierende Nichtzuckerstoffe, die teilweise auch das Aroma verursachen, dass beim Auskochen (Experiment 10) festzustellen ist.
Experiment 14 Eiweiß-Nachweis Materialien
Zuckerrüben-Extrakt, Reagenzglas mit Reagenzglashalter, Spirituslampe, Ninhydrin (Xn), Spatel
Durchführung
Das Reagenzglas wird etwa 2 cm hoch mit Zuckerrüben-Extrakt gefüllt. Dann fügt man einen kleinen Spatellöffel voll Ninhydrin hinzu und erhitzt in der Flamme der Spirituslampe bis zum Sieden. (Als Blindversuch wird Ninhydrin in Wasser erhitzt.)
Beobachtungen
Es tritt eine mehr oder weniger intensive blaue Farbe auf.
Erläuterungen
Ninhydrin reagiert mit Aminosäuren und Eiweißstoffen zu blauen Farbstoffen.
Experiment 15 Iod-Reaktion Materialien
Zuckerrüben-Extrakt, 3%ige Iodlösung, Rollrandglas
Durchführung
Man füllt in zwei Gläser gleich Volumina von dest. Wasser und Zuckerrüben-Extrakt und fügt beiden Gläser die gleiche Tropfenzahl an Iodlösung hinzu.
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Beobachtungen
Im reinen Wasser entsteht eine Gelbfärbung, im Zuckerrüben-Extrakt ist die Farbe bei gleicher Anzahl an Iodtropfen dunkler bis braun.
Erläuterungen
Stärke ist nicht nachweisbar (Blaufärbung mit Iod). Die Braunfärbung ist auf Maltodextrine zurückzuführen. Zum Vergleich lässt sich die Reaktion auch anhand einer kommerziell erhältlichen Sofort-Gelatine – Zutaten: Maltodextrin, Speisegelatine (Schwein) – durchführen.
Experiment 16 Cellulose-Nachweis Materialien
ausgekochte Zuckerrübenschnitzel, Chlorzinkiod-Lösung (Lösung von 66 Teilen Zinkchlorid (C) in 34 Teilen Wasser unter Zusatz von 6 g Kaliumiodid und so viel an Iod (Xn), wie die Lösung aufnimmt), Rollrandglas, Plastikpipette
Durchführung
Einige der ausgekochten Zuckerrübenschnitzel werden mit wenig Wasser bedeckt. Dann fügt man einige Tropfen der ChlorzinkiodLösung hinzu und lässt einige Minuten einwirken.
Beobachtungen
An einigen Stellen der Schnitzel treten blaue bis violette Färbungen auf.
Erläuterungen
Cellulose bildet als Gerüstsubstanz den Hauptteil der pflanzlichen Zellwände. Sie besteht wie die Stärke aus Glucose-Bausteinen und weist eine ähnliche Struktur auf. Färbungen mit Iod treten nur an den Stellen auf, an denen reine Cellulose zugänglich ist. (Weitere Experimente zur Gewinnung von Zucker erfordern viel Zeit. Aus dem beschriebenen Zuckerrüben-Extrakt lässt sich durch vorsichtiges Eindampfen keine Kristallisation erreichen. Es müssten zunächst Reinigungsschritte – siehe im Text oben – vorgenommen werden und dazu sind auch größere Mengen an Extrakt als hier verwendet erforderlich.)
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Zucker aus der Fabrik
Zuckerhandel im 21. Jahrhundert
Hauptquellen der Zuckererzeugung im 21. Jahrhundert sind nach wie vor Zuckerrohr (Anbau in den Tropen) und Zuckerrüben (Anbau in den gemäßigten Zonen wie in Mitteleuropa). Weltweit wird Zucker in 127 Ländern erzeugt – in 79 Ländern aus Zuckerrohr, in 38 Ländern nur aus Zuckerrüben und in 10 Ländern aus beiden Pflanzen. Brasilien, Indien und China sind die weltweit bedeutendsten Produzenten mit 24,8/22,1/11,1 Mio. Tonnen im Jahr 2003. In Europa steht Frankreich mit 4,4 Mio. Tonnen noch vor Deutschland mit 4,2 Mio. Tonnen (auf Rang 8 bzw. 9) der weltweit größten Zuckerproduzenten15). Im Wirtschaftsjahr 2006/2007 wurden in Deutschland in 42 926 landwirtschaftlichen Betrieben Zuckerrüben angebaut. Mit 360 000 ha beanspruchten Zuckerrüben etwa 3 % der gesamten Ackerflächen. Verarbeitet wurden die Zuckerrüben in 25 Zuckerfabriken. Viele der kleinen Zuckerfabriken haben in den letzten Jahrzehnten ihren Betrieb aufgegeben. Als Ergebnis eines Konzentrationsprozesses entstanden zwei große Aktiengesellschaften – die Nordzucker AG (Braunschweig) und die Südzucker AG (Mannheim/Ochsenfurt) Ein bereits 1870 gegründetes Familienunternehmen mit Tradition befindet sich im Rheinland – die Firma Pfeifer & Langen. Der Stammvater Johann Jakob Langen (1794–1869) war Sohn eines Solinger Dorfschullehrers. Er wurde Buchhalter und machte sich 1843 in Köln selbstständig: In Troisdorf erwarb er einen kleinen HolzkohleSchmelzofen mit einer Eisenerzgrube im Siegtal. 1845 kaufte er die 1835 gegründete Zuckerraffinerie Schleußner & Heck am Alten Ufer in Köln. Der Sohn Eugen Langen (1833–1895) studierte Maschinenbau und Chemie, trat 1857 in die Troisdorfer Hütte ein und erfand dort den Etagenrost, durch den eine bessere Ausnutzung der Befeuerung in der Zuckerraffination möglich wurde. Zusammen mit Nicolaus Otto gründete der Ingenieur Eugen Langen 1872 die Gasmotorenfabrik Deutz. 1851 hatte Emil Pfeifer (1806–1889) auf Gut Frohndorf in Ossendorf die erste größere Rübenzuckerfabrik im Rheinland in Betrieb genommen. Langen und Pfeifer lernten sich kennen und gründeten zusammen mit dem Sohn Valentin Pfeifer am 19. April 1870 in Elsdorf die bis heute bestehende Firma Pfeifer & Langen16). Mit dieser Firma, die zu den bedeutenden Zuckerproduzenten in Deutschland zählten, sind die Markennamen Kölner Zucker und Diamant Zucker verbunden. Im Westen besitzt Pfeifer & Langen vier Zuckerfabriken: 15) Handelsblatt – Die Welt in Zahlen 2005 16) Ausführlich in: Peter Joerißen und Rita Wagner, Süßes Rheinland, Bouvier
Verlag, Bonn 1998 – Zuckerindustrie im Kölner Raum, S. 46–50
Zuckerhandel im 21. Jahrhundert
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Abb. 32 Die Firmengründer von Pfeifer & Langen: Eugen Langen
(um 1850) – Emil und Valentin Pfeifer (um 1870).
in Appeldorn, Elsdorf, Euskirchen und Lage; 1993 ging in Könnern/Sachsen-Anhalt einer der modernsten Zuckerfabriken in Betrieb. Die Firma ist europaweit an Zuckergesellschaften beteiligt – so in Polen, Rumänien, Ungarn, Tschechien, Kroatien und die Ukraine. 2006 erwarb sie auch die Aktienmehrheit an der Zuckerfabrik Jülich AG. Pfeifer & Langen beschäftigte 2006 856 Mitarbeiter und erzielte einen Umsatz von 644 Mio. Euro. In Deutschland wirken sich die Maßnahmen der EU verstärkt auf den Anbau von Zuckerrüben aus, der bisher für die deutschen Bauern recht lukrativ war. Sie waren durch staatlich festgesetzte Preise vom Weltmarkt abgeschottet. Von der Welthandelsorganisation (WTO) war der EU vorgeworfen worden, künstlich verbilligten Zucker auf den Markt zu bringen. Unter diesem Druck begann die EU, den europäischen Zuckermarkt zu reformieren. Diese Neuordnung des Zuckermarktes soll eine lange Laufzeit bis 2015 haben. Im Jahr 2005 wurden in den Ländern der EU aus mehr als 100 Millionen Tonnen Zuckerrüben rund 20 Millionen Tonnen Zucker erzeugt. Preise und Mengen waren bis 2006 durch die auslaufende Zuckermarktverordnung festgelegt. Die EU schrieb darin garantierte Abnahmepreise, Produktionsquoten, Exporterstattungen und hohe Zölle fest. Damit sollte einerseits die Zuckerversorgung sichergestellt, andererseits die heimische Landwirtschaft geschützt und europäischer (Rüben-)Zucker international wettbewerbsfähig gehalten werden. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es nach Angaben des Deutschen Bauernverbandes mehr als 46 Tausend Rübenbauern in Deutschland. Im April 2005 setzten sich die Zuckerexporteure aus Brasilien, Thailand (Platz 5 der Weltproduzenten) und Australien (Platz 6) mit einer Klage vor der WTO durch: Sie warfen der EU vor, mit Quersubventionen künstlich verbilligten Zucker zu Dumping-Preisen auf den Welt-
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Zucker aus der Fabrik
Abb. 33 Werbegeschenk der Firma Pfeifer & Langen zum Weihnachtsfest 1951.
markt zu bringen, und erreichten eine schrittweise Öffnung des Marktes der EU. Die EU-Kommission beschloss daraufhin, in zwei Schritten den Preis für weißen Zucker um 39 % zu senken (von 631,9 auf 385,5 Euro pro Tonne). Der Preis für Zuckerrüben sollte parallel dazu von 43,6 auf 25,05 Euro pro Tonne gesenkt werden (ein Minus von 42,6 %). In der Übergangsphase werden jedoch die Bauern noch entschädigt – durch eine sogenannte entkoppelte Prämie, unabhängig von der Höhe ihrer Produktion (bis zu 60 %). Als Grundlage für die Berechnungen dient das in einem Referenzzeitraum erzielte Einkommen. Diese Neuordnung wird zur Folge haben, dass Landwirte mit kleineren Anbauflächen aus der Rübenproduktion ausscheiden werden17).
4.4
Die Zuckerrüben-Kampagne
Von etwa Ende September bis Mitte Dezember findet die Ernte und Anlieferung des von Landwirten früher sogenannten Weißen Goldes der Zuckerrüben in die 17) Ausführliche und aktuelle Informationen unter
www.zuckerwirtschaft.de
Die Zuckerrüben-Kampagne
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Abb. 34 Werbeschrift für Zucker 1928 (Firma Pfeifer & Langen, Köln).
Zuckerfabriken statt. Nach einem vorher festgelegten Plan fahren die Lastwagen und Traktorgespanne die Rüben in Fabriken z. B. der Nordzucker AG, der Südzucker AG oder im Rheinland zum Traditionsunternehmen Pfeifer & Langen in Euskirchen. Die Bahn ist bereits 1992 aus dem nach ihren Angaben unwirtschaftlichen Rübentransport ausgestiegen. Zuckerrüben weisen einen durchschnittlichen Zuckergehalt von 18 % auf. Bei der Anlieferung nach Plan wird die je nach Witterung unterschiedliche Menge an anhaftender Erde geschätzt. Diese Schätzung erfolgt bei der Südzucker AG bei der Entladung durch einen Vertreter der Rübenanbauer und einen Vertreter von Südzucker. Beide müssen sich auf einen gemeinsamen Wert einigen. In manchen Zuckerfabriken wird auch aus jeder Rübenanlieferung mechanisch eine Probe genommen und gewaschen. Aus der Differenz der Massen vor und nach dem Waschen wird der Anteil an Erde der betreffenden Lieferung ermittelt. Die angelieferten Zuckerrüben werden in der Zuckerfabrik gewaschen. Die dabei anfallende, sehr schlammige Erde wird meist in speziellen Erdkassetten für
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Zucker aus der Fabrik
Abb. 35 Zuckerhüte der Firma Pfeifer & Langen, Köln.
mehrere Jahre gelagert, damit sie teilweise abtrocknet. Danach kann sie wieder auf die Felder verbracht werden. Mit Hilfe der Methoden modernster Verkehrlogistik wird die Anlieferung der Zuckerrüben während einer Kampagne geplant – mit dem Ziel, durch eine gleichmäßige Anfuhr Staus und Verkehrsbelastungen weitgehend zu vermeiden. Die noch in den 1960 bis 1970er Jahren üblichen Ansammlungen von Traktorgespannen vor den Fabriken sind heute fast vergessen. Jedem Landwirt wird vorgegeben, wann und welche Menge an Rüben er anliefern kann. Die Entfernungen der Anbauer zu ihrer Zuckerfabrik sollen 40 bis 50 km nicht überschreiten (bei der Südzucker AG offensichtlich gewährleistet). Andererseits haben in den letzten 30 Jahren viele kleinere Zuckerfabriken schließen müssen, sodass die Wege zur Anlieferung länger geworden sind. Südzucker kauft die Rüben »ab Acker« und bezahlt den Transport in die Fabrik.
5 Zucker – Kohlenhydrate als Mono- und Disaccharide
5.1
Die ersten Zuckerchemiker (mit Experimenten)
In seinen Chemischen Briefen schrieb Justus Liebig (1803–1873) im »Dreissigsten Brief« (Ausgabe 1865) über »drei Zuckerarten«. »Die süssschmeckenden Früchte und Pflanzensäfte verdanken ihren Geschmack drei Zuckerarten, von welchen zwei krystallisirbar sind, während die dritte immer weich oder von syrupartiger Beschaffenheit ist. Die letztere ist ein Bestandtheil der meisten Früchte (Mitscherlich).« Liebig spricht damit die Arbeiten von Eilhard Mitscherlich (1794–1863) an. Der Sohn eines Pfarrers hatte zunächst Philologie in Heidelberg, Paris und Göttingen studiert, wo er 1814 zum Dr. phil. promovierte. Daran schloss sich ein Medizinstudium an. 1818 habilitierte er sich in Berlin, arbeitete im chemischen Laboratorium der Universität und arbeitete 1819–1821 bei Berzelius in Stockholm. 1822 wurde er Nachfolger Klaproths an der Universität Berlin. Seine ersten wissenschaftlichen Erfolge erzielte er mit der Entdeckung des Isomorphismus der Kristalle 1819 an den chemisch identischen Stoffen Kalkspat und Aragonit. An der Ostseite der Humboldt-Universität in Berlin (Unter den Linden) – zur Straße Am Zeughaus – befindet sich das Standbild von Mitscherlich: »Die Rechte an die Hüfte gelehnt, in der bis zur Brust erhobenen Linken einen Kalkspatrhomboeder haltend, steht der berühmte Entdecker des Isomorphismus, den rechten Fuß ein wenig vorgesetzt, in Frack und zurückgeschlagenem faltenreichen Kragenmantel wie dozierend da…« (Vossische Zeitung vom 1. Dezember 1894 zur Denkmalsenthüllung). Ab 1836 beschäftigte sich Mitscherlich vor allem auch mit Zuckern. So identifizierte er den von Liebig und Theophile Jules Pelouze (1807– 1867, Prof. in Paris) gefundenen und als Mannit angesehenen Zucker als einen neuen Zucker, den er Mykose (heute Trehalose) nannte. Bei der Hydrolyse (Inversion) von Rohrzucker erkannte er als Produkte Glucose und Fructose. 1841 wies er nach, dass Hefen Zucker (Saccharose) erst nach der Hydrolyse vergären Zuckersüße Chemie. Georg Schwedt Copyright © 2010 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim ISBN: 978-3-527-32786-7
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Zucker – Kohlenhydrate als Mono- und Disaccharide
können. Gemeinsam mit Karl August Trommer (1806–1879) benutzte er als Nachweisreagenz für Glucose Kupfersulfat in Natron- oder Kalilauge, das noch heute Trommers Namen trägt. Trommer war Agrikulturchemiker. Er studierte in Berlin Pharmazie und Tierheilkunde, wurde zum Tierarzt erste Klasse approbiert und zum Dr. phil. promoviert. Mehrere Jahre war er Mitarbeiter von Mitscherlich. Von 1843 bis 1850 wirkte er als Lehrer für Naturwissenschaften an der Akademie des Landbaus in Möglin, dann an der Königlichen Staats- und Landwirtschaftlichen Akademie Eldena bei Greifswald, wo er Chemie, Physik, Technologie, Bodenkunde und Mineralogie unterrichtete. An der Universität Greifswald habilitierte er sich für Technische Chemie und Chemische Technologie. Mit dem ersten Reagenz zur Unterscheidung zwischen Glucose und Saccharose ist er in die Geschichte der Zuckerchemie eingegangen. Als Trommer-Test wird der Nachweis von Glucose auf folgende Weise durchgeführt: »Man mischt gleiche Teile der Untersuchungs-Flüssigkeit und 15%ige KOH oder NaOH, fügt dann tropfenweise 10%ige Kupfer(II)-sulfat-Lösung hinzu, bis der Niederschlag von Kupfer(II)-hydroxid gerade ungelöst bleibt. Die blaugrüne, etwas trübe Flüssigkeit wird in ihrer oberen Partie schwach erwärmt, worauf bei Anwesenheit von Glucose eine gelbrote, wolkige Trübung von Kupfer(I)-hydroxid bzw. ein braunroter Niederschlag von Kupfer(I)-oxid entsteht.«18)
Experiment 17 Nachweis reduzierender Zucker mit dem TrommerTest Materialien
Glucose, Natronlauge (c = 2 mol l–1), 10%ige Kupfersulfat-Lösung (Xn), Reagenzglas, Reagenzglashalter, Spirituslampe, Schutzbrille
Durchführung
Ein kleiner Spatellöffel Glucose wird im Reagenzglas in einigen Millilitern Natronlauge gelöst. Dann fügt man tropfenweise Kupfersulfat-Lösung hinzu und erwärmt in der Flamme der Spirituslampe bis zum Sieden. (Achtung, schütteln!)
18) Römpp Chemie Lexikon, 9. Aufl. 1992
Die ersten Zuckerchemiker
95
Beobachtungen
Die nach Zugabe der Kupfersulfat-Lösung tiefblaue Lösung trübt sich beim Erwärmen und beim Sieden fällt ein rotbrauner Niederschlag aus.
Erläuterungen
In alkalischer Lösung entsteht zunächst ein Kupfer-HydroxyKomplex. Die Kupfer(II)-Ionen werden durch die Glucose zum Kupfer(I)oxid reduziert.
1850 entwickelte Hermann Ch. Fehling (1811–1885, Prof. für Chemie an der TH Stuttgart) die nach ihm benannte Fehlingsche Lösung zum qualitativen und quantitativen Nachweis reduzierender Zucker und Aldehyde. Sie besteht aus äquivalenten Mengen einer Lösung aus 70 g Kupfervitriol (im Liter Wasser) und einer Lösung von 340 g Kaliumnatriumtartrat mit 100 g NaOH. Es entsteht eine tiefblau gefärbte Lösung infolge der Bildung von Tetratratatokupfer(II)-Komplexen. Durch reduzierende Verbindungen wie Zucker, aber auch Brenzcatechin u. a., erfolgt in der Wärme eine Reduktion zu Kupfer(I)oxid – in Form eines gelbroten, kupferroten oder rotbraunen Niederschlages. Die komplexe Reaktion verläuft jedoch nicht stöchiometrisch.
Experiment 18 Nachweis reduzierender Zucker mit der Fehling-Lösung Materialien
Kupfersulfat (Xn), Kaliumnatriumtartrat (oder Weinsäure), Natronlauge (c = 2 mol l–1), Reagenzglas, Reagenzglashalter, Spirituslampe, Schutzbrille
Durchführung
Im Reagenzglas werden in einigen Millilitern Natronlauge ein kleiner Spatellöffel Weinsäure und einige Kristalle Kupfersulfat gelöst. Dann fügt man einen kleinen Spatellöffel Glucose hinzu und erwärmt unter Schütteln in der Flamme der Spirituslampe bis zum Sieden.
Beobachtungen
Auch hier entsteht wie im Experiment 17 zunächst eine tiefblaue Lösung und die Reaktion verläuft dann auch wie dort beschrieben.
Erläuterungen
Hier bildet sich zunächst ein Tartrat-Komplex des Kupfer(II)-Ions.
96
Zucker – Kohlenhydrate als Mono- und Disaccharide
Liebig fährt in dem zitierten Text wie folgt fort: »Die Runkelrüben und Möhren enthalten dieselbe Zuckerart wie der Saft des Zuckerrohrs, der Honig enthält den nämlichen Zucker wie die Weintrauben. Von diesen Zuckerarten ist der Traubenzucker in seinem Verhalten und seiner Zusammensetzung dem Milchzucker am ähnlichsten.«(Fortsetzung über den Milchzucker siehe Abschnitt 5.3.) Heute wissen wir, dass Speisemöhren Glucose, Fructose und Saccharose in etwa gleichen Mengen (durchschnittlich 1,4–1,6 g 100–1 g essbarem Anteil), Weinbeeren gleiche Anteile an Fructose und Glucose (etwa 7,6–7,8 100–1 g – nur 0,5 g Saccharose), die Zuckerrübe 18–20 % und das Zuckerrohr zwischen 7 und 30 % an Saccharose enthalten. Maßgeblich an der Erforschung der Zucker war Bernhard Christian Gottfried Tollens (1841–1918) beteiligt. Von ihm stammt auch das Reagenz aus einer alkalischen Silbernitrat-Lösung mit Ammoniak, zum Nachweis von Zuckern und Aldehydgruppen als Tollens-Reagenz bezeichnet. Es besteht aus gleichen Volumina einer 10%igen Silbernitrat-Lösung (A) und 10%igen Natronlauge (B), dem konzentrierter Ammoniak (C) bis zur Auflösung der Silberoxid-Fällung zugesetzt wird. Aldehyde werden zu den entsprechenden Säuren oxidiert, das komplex gebundene Silber-Ion unter Ausbildung eines charakteristischen Silberspiegels zum Metall (Element) reduziert.
Experiment 19 Nachweis reduzierender Zucker mit der TollensLösung Materialien
1%ige ammoniakalische Silbernitrat-Lösung (s. o.), Reagenzglas, Reagenzglashalter, Spirituslampe
Durchführung
Der Boden des Reagenzglases wird mit Glucose gefüllt. Dann fügt man etwa 1–2 cm hoch Wasser hinzu und erwärmt kurz, bis sich die Glucose weitgehend gelöst hat. Dann fügt man das gleiche Volumen an ammoniakalischer Silbernitrat-Lösung hinzu und erhitzt vorsichtig bis zum Sieden.
Beobachtungen
Es scheidet sich am Glasrand des Reagenzglases ein Silberspiegel ab.
Die ersten Zuckerchemiker
Erläuterungen
97
Silber-Ionen werden durch die reduzierend wirkende Glucose (im Unterschied zur Saccharose) zum elementaren Silber reduziert, das sich in Form eines Spiegels auf dem Glas niederschlägt.
Tollens lernte von 1858–1862 in einer Hamburger Apotheke und studierte anschließend Chemie in Göttingen (Promotion 1864). Er wurde 1864 Assistent von Emil Erlenmeyer (1825–1909) in Heidelberg, wechselte jedoch noch im selben Jahr zur chemisch-pharmazeutischen Firma Marquart in Bonn. Von 1869–1870 war Tollens Assistent für Chemie an der Universität Coimbra in Portugal, 1870 wurde er Assistent von Friedrich Wöhler in Göttingen und habilitierte sich 1872 für analytische Chemie. Ab 1870 war er Professor für Agrikulturchemie und leitete das Institut bis zu seinem Tod. Tollens beschäftige sich mit den Beziehungen zwischen Zucker und Formaldehyd (Methanal) und beobachtete bereits 1885 die Kondensationsreaktion von Methanal mit Harnstoff. 1873 beschrieb er den Abbau von Zucker durch Schwefelsäure und die Eigenschaften der Raffinose, das aus Zuckerrübenmelasse isolierbare nicht süß schmeckende Trisaccharid aus Galaktose, Glucose und Fructose. 1896 entwickelte er das nach ihm benannte Reagenz zum empfindlichen Aldehydnachweis. Weitere Forschungen beschäftigten sich mit Pentosen (Ribose, Xylose, Arabinose) und deren Umwandlung in Furfurol (= Furfural bzw. 2-Furancarboxaldehyd). Er bestimmte auch durch Messung der Drehung der Polarisations-Ebene des Lichts die spezifischen Drehungen von Trauben- und Rohrzucker (Glucose und Saccharose). Aus den Sulfitablaugen der Celluloseindustrie und aus Holzabfällen gewann er auch Dextrose (Glucose). Als Fazit seiner umfangreichen Arbeiten stellte Tollens fest, dass Zuckermoleküle in Lösung teilweise cyclisiert vorliegen müssten. Für die Zuckerchemie wichtig wurde die von ihm formulierte Zuckerformel, die Tollenssche Ringformel, mit einem fünften assymetrischen Kohlenstoffatom, welche durch die intramolekulare Halbacetal-Bildung auftritt (siehe Anhang). 1888 bzw. 1895 erschien sein »Kurzes Handbuch der Kohlehydrate« in zwei Bänden mit grundlegender Bedeutung. Emil Hermann Fischer (1852–1919), Sohn eines Kaufmannes und Industriellen aus Euskirchen, begann 1869 zunächst eine kaufmännische Lehre in Rheydt, die er jedoch aus gesundheitlichen Gründen abbrechen musste. 1871 begann er ein Chemiestudium in Bonn, 1872 führte er es bei seinem Vetter Otto Fischer in Straßburg fort. Bei Adolf von Baeyer (1825–1917) promovierte er 1874 über Fluorescein und verwandte Phthaleinfarbstoffe. Als Assistent wirkte er bei v. Baeyer in München und in Straßburg. 1878 habilitierte er sich in München, wurde 1879
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Zucker – Kohlenhydrate als Mono- und Disaccharide
außerordentlicher Professor für analytische Chemie in München, 1881 ordentlicher Professor in Erlangen, ab 1885 in Würzburg und ab 1892 in Berlin. 1884 begann Fischer mit seinen Arbeiten über Zucker. Er synthetisierte Phenylhydrazine (1875 Fischersche Phenylhydrazin-Synthese) zur Charakterisierung von Monosacchariden. Bereits 1887 begann er mit der Durchführung von Zuckersynthesen, ab 1890 mit Polysaccharid-Synthesen, die 1910 mit einer Tetrasaccharid-Synthese gekrönt und abgeschlossen wurden. In Berlin führte er ab 1894 seine bahnbrechenden Arbeiten über die enzymatische Gärung von Zucker durch, aus denen er die These entwickelte, dass Zucker und das »vergärende Agens« konfigurativ-strukturell aufeinander abgestimmt sein müssten – als Vorläuferin der heutigen Schloss-Schlüssel-Theorie der Stereospezifität der Enzyme. Bereits 1902 erhielt er den Nobelpreis für Chemie. In Lehrbüchern unserer Zeit (Beyer-Walter: Lehrbuch der Organischen Chemie) wird der Name von E. Fischer fast zwanzigmal im Register genannt. Der erste Satz im Abschnitt 4.1 Monosaccharide des genannten Lehrbuches lautet: »Die Aufklärung der Konstitution und des sterischen Baus der Kohlenhydrate ist in erster Linie den Untersuchungen von Emil Fischer, Kiliani und Tollens zu verdanken. Von Fischer stammt u. a. die sogenannte Fischersche Konfigurationsformel.« (1889 hatte Kiliani mit Fischer im Zusammenhang mit den Zuckersynthesen die Kiliani-Fischersche Cyanhydrinsynthese entwickelt, mit der eine Verlängerung der Kohlenstoffkette von Aldosen – Sammelbezeichnung für Monosaccharide mit drei oder mehr Kohlenstoffatomen und endständiger Aldehydgruppe – um ein C-Atom möglich wurde.) Im zwanzigsten Jahrhundert forschte Walter Norman Haworth (1883–1950), Sohn des Leiters einer Linoleumfabrik in Chorley (Lancashire) ebenfalls erfolgreich auf dem Gebiet der Zuckerchemie. Haworth studierte ab 1903 in Manchester, 1909 auch in Göttingen, wo er zum Dr. phil. promovierte. 1911 erwarb er auch in Manchester den Doktorgrad DSc. 1912 wurde er Dozent für Chemie an der Universität St. Andrews (Schottland) und 1920 Professor für organische Chemie in Newcastle, ab 1925 an der Universität Birmingham. Ab 1915 forschte er auf dem Gebiet der Zuckerchemie. Von ihm stammt die Haworthsche Zucker-Methylierung (Umsetzung von Disacchariden mit Dimethylsulfat), die er zu einer Standardmethode zur Strukturaufklärung bei Zuckern entwickelte. Er bewies die Ringstruktur der Zucker und konnte in Arbeiten zwischen 1924 und 1927 zeigen, dass auch in höheren Kohlenhydraten wie Stärke, Zucker in Ringform auftreten. 5-Ringzucker nannte er Furanosen, 6-Ringzucker Pyranosen (siehe Formeln im Anhang). 1937 erhielt er den Nobelpreis für Chemie.
Monosaccharide
5.2
99
Monosaccharide (mit Experimenten)
1. Glucose Glucose, Dextrose oder Traubenzucker genannt, gehört als Monosaccharid und auch als Baustein vieler hochmolekularer Polysaccharide zu den wichtigsten und am weitesten verbreiteten Kohlenhydraten in der belebten Natur. D-Glucose bildet farb- und geruchlose, süß schmeckende Kristalle und liegt als Monohydrat (Hydratdextrose) vor (Schmelzpunkt 83–86 °C). Über weitere Eigenschaften siehe ausführlich in G. Schwedt Lebensmittel- und Umweltanalytik mit Teststäbchen19). Das »D« vor Glucose stammt vom lat. dexter und bedeutet Folgendes: Es hat nichts mit dem optische Drehsinn zu tun, obwohl der Name Dextrose historisch von dieser Eigenschaft abgeleitet und 1833 von Jean-Baptiste Biot (1774–1862) entdeckt wurde. Biot erkannte die Abhängigkeit des Drehvermögens von der Konzentration und prägte bereits 1819 den Begriff der spezifischen Drehung. Er sprach die Vermutung aus, dass die Ursache der Drehung der Polarisations-Ebene des Lichts in der Asymmetrie der Moleküle begründet sei. Das »D« zeigt die Strukturverwandtschaft zum D-Glycerinaldehyd an. Das asymmetrische C-Atom mit der höchsten Positionszahl in der offenkettigen Fischer-Projektion (siehe Abschnitt 5.1) entscheidet über die Zuordnung zur D- oder L-Reihe: Das C-5-Atom der Glucose weist eine nach rechts weisende OH-Gruppe auf und so zählt Glucose zur D-Reihe. Die L-Form (von lat. laevus) ist das genaue Spiegelbild der DForm. Normalerweise liegt Glucose als α-D-Glucopyranose (als Aldose bzw. Aldohexose – mit α wird die Stellung der OH-Gruppe am C-1-Atom bezeichnet) vor; die Aldehyd-Gruppe am C-1-Atom der offenkettigen Form tritt jedoch bei bestimmten Reaktionen wie der Fehlingschen Reaktion in Funktion. D-Glucose kommt in fast allen süßen Früchten vor, meist jedoch an Fructose zu Saccharose gebunden (siehe Abschnitt 5.3). In Weintrauben (-beeren) sind die Gehalte (neben Fructose) am höchsten. Sie wird daher auch als Traubenzucker bezeichnet. Sie ist Baustein zahlreicher Di- bis Polysaccharide, von Saccharose über Dextrine bis zu Stärke und Cellulose. Glucose ist biosynthetisch das Produkt der Photosynthese. Als Lebensmittel mit hohen Glucose-Gehalten sind folgende zu nennen (in Klammern durchschnittliche Gehalte in %): Honig (33,9), Weintrauben (7,28), Süßkirsche (6,10), Banane (3,80), Pflaume (2,74), Schwarze Johannisbeeren (2,69), Heidelbeeren (2,32). 19) Aulis Verlag, Köln 1997 – Kap. 5 Glucose, S. 53–64
100
Zucker – Kohlenhydrate als Mono- und Disaccharide
(Über die Gewinnung von Glucose siehe ebenfalls in G. Schwedt Lebensmittelund Umweltanalytik mit Teststäbchen16)). Glucose wird im Handel als Pulver oder auch in Tablettenform angeboten. 1 g Glucose liefert als energiereiches Lebensmittel 16,2 kJ. Dextrose wird daher auch wegen der schnellen Resorption als Kräftigungsmittel und in Nährpräparaten eingesetzt. Wasserfreie Glucose ist auch ein Trägerstoff für zahlreiche Aromastoffe. Als Ausgangsprodukte für die Gewinnung von Glucose werden Stärken aus Mais, Kartoffeln und Weizen eingesetzt. Diese werden entweder durch thermostabile α-Amylasen mikrobieller Herkunft (bei 90 °C, pH 6,0) oder durch eine partielle Säurehydrolyse verflüssigt. Die dabei entstandenen Dextrine werden anschließend durch die Amyloglucosidase (aus Aspergillus niger – bei pH 4,5 und 60 °C) hydrolysiert. Man erhält auf diese Weise 94–96 % Glucose. Ein weiteres Reagenz zum Nachweis von Glucose ist Nylanders Reagenz. Es besteht aus einer Lösung von 4 g Seignettesalz – Kaliumnatriumtartrat, benannt nach dem französischen Forscher E. Seignette (1632–1698) – und 2 g Bismutnitrat in 100 g 8%iger Natronlauge. Es ist wenig spezifisch und wird heute im Gegensatz zur Fehlingschen Lösung nur noch selten eingesetzt. Claus Wilhelm Gabriel Nylander (1835–1907) war Dozent für Chemie an der Universität Lund, zeitweise auch Regimentsarzt und entwickelte das nach ihm benannte Reagenz zum Glucose-Nachweis im Harn.
Experiment 20 Nachweis reduzierender Zucker mit Nylanders Reagenz Materialien
Natronlauge (c = 2 mol l–1), Weinsäure, Bismutnitrat (Xi), Glucose, 2 Reagenzgläser, Reagenzglashalter, Spirituslampe
Durchführung
Im Reagenzglas wird in einigen Milliliter Natronlauge ein kleiner Spatellöffel Weinsäure gelöst. Dann fügt man einige (wenige) Kristalle an Bismutnitrat hinzu und löst durch Umschwenken. Nach der Zugabe von einem Spatellöffel Glucose wird in der Flamme der Spirituslampe bis zum Sieden erwärmt. Im zweiten Reagenzglas wird die Menge an Bismutnitrat erhöht, sodass nach dem Lösen ein Bodensatz bestehen bleibt. Nach der Zugabe von Glucose wird ebenfalls bis zum Sieden erwärmt.
Monosaccharide
101
Beobachtungen
Im ersten Glas (mit wenig Bismutnitrat) entsteht eine intensiv gelbbraun gefärbte Lösung, im zweiten Glas ein braunschwarzer Niederschlag.
Erläuterungen
In beiden Gläsern entsteht elementares Bismut – als kolloidale Lösung bzw. braunschwarzer Niederschlag – aufgrund der reduzierenden Wirkung von Glucose in alkalischer Lösung.
Eine kurzer Text zum Traubenzucker in Johnstons Chemie des täglichen Lebens (siehe auch in G. Schwedt: Chemie und Supermarkt – Informationen zum Einkauf )20), ist Anregung für ein weiteres Experiment: »Wenn reife Weintrauben an der Luft getrocknet werden, so bilden sie die wohlbekannten käuflichen Rosinen. Öffnet man eine solche Rosine, so findet man zahlreiche weißliche, krystallinische, bröckliche Körner darin, welchen einen süßen Geschmack haben…«
Experiment 21 Traubenzucker in Rosinen Materialien
Rosinen, 2 Rollrandgläser, 2%ige Kaliumpermanganat-Lösung, Natriumcarbonat, Messer, Lupe 3–5-fache Vergrößerung
Durchführung
Eine (oder zwei bis drei) Rosine(n) wird (werden) mit Hilfe eines Messers quer durchgeschnitten bzw. geöffnet. Unter der Lupe wird die Oberfläche des Rosinen-Inneren betrachtet (siehe Text oben). Dann werden die aufgeschnittenen Rosinen im Glas mit einigen Milliliter warmem Wasser übergossen. Der durch kurzes Schütteln erzeugte Extrakt wird in das 2. Glas gefüllt. Dann fügt man einige Tropfen der Permanganat-Lösung und einen Spatellöffel Natriumcarbonat hinzu.
Beobachtungen
Unter der Lupe sieht man einige kleine weiße Punkte. Im Versuch wird Permanganat nach der Zugabe von Natriumcarbonat sofort entfärbt.
Erläuterungen
Infolge der Trocknung von Weinbeeren zu Rosinen kristallisiert der Traubenzucker, die Glucose, aus, die im folgenden
20) Aulis Verlag, Köln 2006, Kap. 4 Kohlenhydratchemie, S. 81–123
102
Zucker – Kohlenhydrate als Mono- und Disaccharide
Versuche durch die rasche Oxidation mit Permanganat nachgewiesen wird (auch Fehlingsche Reaktion u. a. Reaktionen zur Glucose verlaufen positiv – s. u.). Im Lehrbuch Der Drogist als »Lehr- und Nachschlagewerk für Drogisten und Apotheker« von Ed. Freise und F. von Morgenstern (um 1930) wird das Verhalten der Glykose (Glucose) oder Dextrose gegen Reagenzien ausführlich dargestellt, wonach weitere Experimente möglich sind: »1. Mit verdünnter Aetzkalilösung bis auf 100° C erhitzt, findet starke Bräunung statt (mit dem Geruch nach Karamel). 2. Konzentrierte Schwefelsäure löst trockene Glykose bei gewöhnlicher Temperatur ohne Schwärzung (unter Bildung von Zuckerschwefelsäure). 3. Verdünnte Mineralsäuren bewirken in der Siedehitze die Bildung von Huminsubstanzen wie bei Saccharose. 4. Hefe veranlaßt in nicht konzentrierter Lösung der Glykose direkt die weinige Gärung unter Kohlensäureentwicklung. 1,0 Kohlensäure entspricht 2,0454 Glykose. 5. Stannichlorid verwandelt sie in eine schwarze Masse. 6. Ammoniakalische Silberlösung, mit Glykoselösung bis zum Aufkochen erhitzt, scheidet grauschwarzes Silbermetall ab, also ohne Ansatz eines Silberspiegels (Milchzucker, Dextrin verhalten sich ähnlich.) 7. Ammoniakalische Bleiazetatlösung fällt ein weißliches, in der kalten Fällungsflüssigkeit leicht lösliches, beim Aufkochen aber sich abscheidendes, bräunlich-rot werdendes und dann in der erkaltenden Flüssigkeit wenig lösliches Bleiglykosat. 8. Alkalische Kupferlösung, alkalische Kupritartratlösung mit Glykolselösung gemischt, erfährt allmählich beim Stehen eine Reduktion unter Abscheidung von gelbem Kuprooxydhydrat, dagegen erfolgt beim Erhitzen bis zum Kochen die Reduktion sofort unter Abscheidung von rotem wasserfreiem Kuprooxyd. (Dextrin verhält sich fast ähnlich wie Glykose.) 9. Kupriazetatlösung wird in der Siedehitze in gleicher Weise reduziert (nicht durch Saccharose und Dextrin).
Monosaccharide
103
10. Natriumchloridhaltige saure Merkuriazetatlösung (Hagers Reagens auf Glykose), mit der Glykose in der Siedhitze des Wassers (im Wasserbade) erhitzt, wird reduziert und scheidet Merkurioxyd oder Kalomel ab. Dieses Reagens wird dadurch hergestellt, daß 30,0 rotes Merkurioxyd, 30,0 Natronazetat, 50,0 Natriumchlorid und 25,0 Eisessig (oder 100,0 verdünnter Essigsäure) und 400 ccm destilliertem Wasser übergossen, in gelinder Wärme gelöst, mit der genügenden Menge Wasser bis auf ein Volumen von 1000 ccm verdünnt und filtriert werden. Saccharose, Dextrin, Gummi arabikum, Glyzerin wirken nicht reduzierend auf diese Lösung, dagegen enthält der normale Harn Stoffe, welche reduzierend wirken. 11. Alkalische Wismutlösung, alkalische Wismuttartratlösung mit Glykoselösung bis zum Kochen erhitzt, erleidet Reduktion unter Abscheidung von schwarz-braune Wismutmetall. Man kann auch die Glykoselösung mit etwas Wismutsubnitrat und Natriumkarbonat versetzen und aufkochen. 12. Kaliumferrizyanid in alkalischer Lösung wird beim Erwärmen zu Kaliumferrozyanid, Ferrichlorid zu Ferrochlorid reduziert. 13. Ammoniummolybdatlösung wird in der Siedehitze allmählich reduziert und die farblose Flüssigkeit färbt sich blau (nicht durch Dextrin und Saccharose, jedoch aber in saurer Lösung). 14. Indigokarminlösung, mit Glykoselösung unter Zusatz von etwas Natriumkarbonat bis zum Aufkochen erhitzt, verliert die blaue Farbe.« Von diesen zahlreichen Beispielen wurden einige ausgewählt und erprobt: Nr. 3, 8, 9, 12, 13 und 14.
Experiment 22 Reaktion mit verdünnter Mineralsäure (3.) Materialien
Glucose, Reagenzglas, Spirituslampe, Reagenzglashalter, Schwefelsäure (c = 2 mol l–1; Xi)
Durchführung
Das Reagenzglas wird 5–10 mm hoch mit Glucose gefüllt, die mit wenigen Tropfen Schwefelsäure befeuchtet wird. Dann erhitzt man bis zur Schmelze in der Flamme der Spirituslampe.
104
Zucker – Kohlenhydrate als Mono- und Disaccharide
Beobachtungen
In der Schmelze tritt sehr rasch eine braun-schwarze Färbung auf.
Erläuterungen
Anstelle einer Karamellisierung findet durch den Zusatz von Mineralsäure die vorrangige Bildung von Farbstoffen (Zuckercouleur) statt – siehe Abschnitt 6.3.
Experiment 23 Reaktion mit alkalischer Kupfersalz-Lösung – ohne Erhitzen (8.) Materialien
Glucose, Kupfersulfat, Natronlauge (c = 1 mol l–1), 30-ml-Rollrandglas, Spatellöffel
Durchführung
Im Glas wird ein Spatellöffel Glucose in wenig Natronlauge gelöst, dann fügt man einige Kupfersulfat-Kristalle und löst durch Schütteln. Die Lösung lässt man 30 Minuten stehen.
Beobachtungen
Zunächst entsteht eine tiefblaue Lösung. Nach etwa 15 Minuten nimmt die Intensität der blauen Farbe ab. Nach 25 Minuten beobachtet man eine rötliche Trübung (im Unterschiede zur Angabe in »Der Drogist«), aus der sich nach 30 Minuten ein rötlicher Niederschlag absetzt.
Erläuterungen
Durch die Reduktionswirkung der Aldehydgruppe werden Kupfer(II)-Ionen zu Kupfer(I)-Ionen reduziert, die in alkalischer Lösung das rote Kupfer(I)oxid bilden.
Experiment 24 Reaktion mit Kupferacetat in der Hitze (9.) Materialien
Reagenzglas, Reagenzglashalter, Spirituslampe, Glucose, Kupferacetat (Xn), Spatellöffel
Durchführung
Ein Spatellöffel Glucose wird in wenig Wasser im Reagenzglas gelöst. Man fügt einige Kristalle des Kupferacetats hinzu und erhitzt in der Flamme der Spirituslampe bis zum Sieden. Danach lässt man das Glas noch einige Zeit stehen und stellt die Veränderungen fest.
Monosaccharide
105
Beobachtungen
Beim Erhitzen entsteht langsam aus der grünlichblauen Lösung ein gelb- bis rotbrauner Niederschlag. Nach einiger Zeit außerhalb der Flamme setzt sich ein deutlich rot gefärbter Niederschlag am Boden des Reagenzglases ab.
Erläuterungen
Im Unterschied zur klassischen Fehling-Reaktion verläuft die Reduktion aus neutraler Lösung langsamer.
Experiment 25 Reaktion mit Kaliumhexacyanoferrat(III), mit rotem Blutlaugensalz (12.) Materialien
Kaliumhexacyanoferrat(III), Natronlauge (c = 1 mol l–1), Reagenzglas, Spirituslampe, Reagenzglashalter
Durchführung
Einige Kristalle des roten Blutlaugensalzes werden im Reagenzglas in 1–2 ml Natronlauge gelöst. Dann fügt man einen kleinen Spatellöffel Glucose hinzu und erhitzt in der Flamme der Spirituslampe.
Beobachtungen
Beim Erwärmen verschwindet die intensive gelbe Farbe der Blutlaugensalz-Lösung fast ganz. Dann tritt in der Hitze eine intensive Rotbraunfärbung auf.
Erläuterungen
Die aus dem Hexacyanoferrat-Komplex dissoziierbaren Eisen(III)Ionen oxidieren die Glucose zur Gluconsäure. Beim weiteren Erhitzen findet dann die Bildung von Zuckercouleur statt.
Experiment 26 Erhitzen mit Eisen(III)salz (13.) Materialien
5%ige Eisen(III)sulfat-Lösung, Natronlauge (c = 1 mol l–1), Glucose, Reagenzglas, Reagenzglashalter, Spirituslampe
Durchführung
Ein Spatellöffel Glucose wird in wenigen Millilitern Natronlauge gelöst. Dann fügt man einige (wenige) Tropfen der Eisen(III)sulfatLösung hinzu und erhitzt in der Flamme der Spirituslampe bis zum Sieden.
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Zucker – Kohlenhydrate als Mono- und Disaccharide
Beobachtungen
Zunächst fällt braunes Eisen(III)hydroxid aus. Beim Erhitzen entsteht ein schwarzer Niederschlag. Auch die Lösung ist dunkelbraun gefärbt.
Erläuterungen
Eisen(III)-Ionen werden zu Eisen(II)-Ionen reduziert und bilden in der Hitze schwarzes Eisen(II)oxid. Die Glucose wird zur Gluconsäure oxidiert. Es entsteht außerdem in der alkalischen Lösung beim weiteren Erwärmen Zuckercouleur wie im Experiment Nr. 25.
Experiment 27 Reaktion mit Indigokarmin bzw. Indigo (14.) Materialien
Reagenzgläser, Reagenzglashalter, Spirituslampe, Glucose, Indigo, Indigokarmin, Soda, Spatellöffel
Durchführung
Die intensiv blau gefärbte Lösung (Indigokarmin: Dinatriumsalz der Indigosulfonsäure) bzw. Suspension (des Indigos) werden nach dem Zusatz von einem Spatellöffel Natriumcarbonat (Soda) und etwa der gleichen Menge an Glucose in der Flamme der Spirituslampe vorsichtig bis zum Sieden erhitzt.
Beobachtungen
In der Indigosuspension wird ein Farbumschlag über grün nach grüngelb, in der Lösung von Indigokarmin über rot nach gelb beobachtet.
Erläuterungen
In beiden Fällen wird Indigo infolge der Reduktionswirkung der Glucose in der sodaalkalischen Lösung über Zwischenstufen teilweise zum Küpenfarbstoff (Leukoindigo) reduziert, der mit Sauerstoff wieder zum Indigoblau oxidiert werden kann. In der Tuchfärberei erfolgt die Reduktion heute durch Dithionit. Im Altertum wurde dem Indigo (in Teigform als Indigoküpe) Harn (mit reduzierenden Substanzen, darunter in geringer Menge auch D-Glucose als Harnzucker) zugesetzt.
2. Fructose Bei dem nach seinem Vorkommen in fast allen Früchten als Fruchtzucker (Fructose) genanntem Monosaccharid befindet sich die Carbonylgruppe am C-2Atom und gehört deshalb zu den Ketosen (nicht zu den Aldosen – vergleiche Glu-
Monosaccharide
107
cose). Fructose dreht die Schwingungsebene des polarisierten Lichtes nach links, wirkt reduzierend und zählt wegen des Abbaus der natürlich vorkommenden Form zu D-Glycerinaldehyd trotzdem zur D-Reihe. Sie wurde früher auch Lävulose (lat. laevus: links) im Unterschied zur Dextrose genannt. Die Schmelztemperatur (unter Zersetzung) beträgt 102–104 °C. Fructose ist vor allem in Weintrauben, Bananen, Äpfeln und Birnen enthalten, gebunden in der Saccharose (siehe Abschnitt 5.3). Sie kristallisiert sehr schwer und hat einen Energiewert von 17,15 kJ 1 g–1. Fructose wird als Zuckeraustauschstoff in der Diätetik von Lebererkrankungen, Gallenleiden und Störungen der Bauchspeicheldrüse sowie in der Altersernährung eingesetzt. Außerdem verwendet man Fructose wegen der 1,2fachen Süßkraft (im Vergleich zur Saccharose) auch zur Reduzierung des Nahrungsenergiewertes von Getränken, Desserts, Konfitüren, Süß- und Backwaren (in Konzentration bis zu 0,2 %). Bei längerem Kochen von Obsterzeugnissen wird Fructose infolge des Säuregehaltes in Glucose umgewandelt. Zur Gewinnung von Fructose geht man vom Kohlenhydrat Inulin aus (hauptsächlich aus Fructose bestehendes Polysaccharid, aus den Wurzeln verschiedener Pflanzen, auch Alantstärke genannt). Inulin wird durch Säuren und Enzyme gespalten. Zur Herstellung aus Saccharose nach der Hydrolyse (Erzeugung von Invertzucker) ist wegen der schwierigen Trennung von Glucose und Fructose eine enzymatische Umwandlung der Glucose (mittels Isomerase) erforderlich. Im Pflanzenreich kommt Fructose in freier Form neben der Glucose z. B. in Honig, Äpfeln und Pflaumen vor. Sie bildet eine gummiartige, nicht kristallisierende Masse. Der feste Bestandteil sonst zähflüssigen Honigs besteht überwiegend aus Fructose. Fructose ist in Wasser und in Alkohol leicht löslich.
Experiment 28 Löslichkeitsvergleich von Fructose und Glucose Materialien
Spiritus (F), zwei hohe 25-ml-Bechergläser, Heizplatte, Fructose, Glucose
Durchführung
Die Böden der Bechergläser werden mit Fructose bzw. Glucose bedeckt. Dann fügt man jeweils 10 ml Spiritus hinzu und erwärmt beide Gläser gleichzeitig auf der Heizplatte.
Beobachtungen
Die Fructose löst sich schneller als die Glucose.
108
Zucker – Kohlenhydrate als Mono- und Disaccharide
Erläuterungen
5.3
Glucose liegt als Monohydrat (Hydratglucose) vor und ist in Alkohol wegen des gebundenen Wassermoleküls weniger gut als die wasserfreie Fructose löslich. Auch im Wasser ist Glucose schwerer löslich als der Rohr- oder Rübenzucker. Glucose kann wasserfrei aus Ethanol oder Pyridin (als α-Glucose mit einem Schmelzpunkt (Zersetzung) bei 146 °C, bzw. β-Glucose, Schmelzpunkt 150 °C – als Hydratdextrose: Schmelzpunkt 83–86 °C, Fructose Zersetzung bei 106 °C) kristallisiert werden.
Di- und Oligosaccharide (mit Experimenten)
1. Saccharose Die farblosen, süß schmeckenden Prismen der Saccharose (Rohr- oder Rübenzucker, früher auch Sukrose genannt) schmelzen bei 185–186 °C unter Zersetzung und Karamellisierung. Saccharose löst sich in Wasser (200 g in 100 g Wasser bei 20 °C, 400 g bei 100 °C), nur wenig jedoch in Alkohol (Ethanol – siehe Experiment 28 in 5.2). Die wässrige Lösung reduziert die Fehlingsche Lösung nicht. Durch Säuren und Enzyme (Invertase) wird sie in die Bausteine Glucose und Fructose gespalten, den sogenannten Invertzucker. Saccharose dreht die Ebene des linear polarisierten Lichtes nach rechts. Saccharose geht vollständig in den Energiestoffwechsel ein; 1 g entsprechen einer Energieabgabe von 1,66 kJ. Saccharose, im Allgemeinen als Zucker bezeichnet, zählt zu den Grundnahrungsmitteln. Neben Zuckerrohr und Zuckerrübe weisen höhere Gehalte vor allem Zuckermais und -hirse (10–18 %), Zuckerahorn (3–4 %) und die Süßkartoffel (2–3 %) auf. Geringere Konzentrationen sind in Steinobst, Kürbis, Ananas und Gemüse zu finden.
Experiment 29 Oxidation von Saccharose in sodaalkalischer Lösung Materialien
Rollrandglas, Saccharose, 2%ige Kaliumpermanganat-Lösung, Natriumcarbonat
Durchführung
Der Boden des Glases wird mit Zuckerkristallen bedeckt, die man in etwa 5–10 ml Wasser löst. Dann fügt man soviel an Permanga-
Di- und Oligosaccharide
109
nat-Lösung hinzu, dass eine deutlich rot gefärbte Lösung entsteht. Zuletzt fügt man einen Spatellöffel Natriumcarbonat hinzu und löst durch Umschwenken des Glases.
Beobachtungen
Im Unterschied zur Oxidation von Glucose (und auch Fructose oder Lactose) findet innerhalb von 0,5–2 Minuten keine sichtbare Veränderung der Farbe statt. Danach jedoch färbt sich die Lösung langsam gelb bis gelbbraun.
Erläuterungen
Saccharose ist kein reduzierender Zucker – in Bezug auf die Fehlingsche Reaktion. Offensichtlich wird in sodaalkalischer Lösung jedoch nicht nur der Ring geöffnet, sondern teilweise die Saccharose-Moleküle auch in Glucose- und Fructose-Bausteine gespalten.
2. Lactose Lactose (Milchzucker) ist ein Disaccharid aus Glucose und Galaktose. Die Galaktose zählt zu den Hexosen (6 C-Atome je Molekül). Lactose kristallisiert als Monohydrat in monoklinen, farblosen Kristallen und schmeckt schwach süß. Lactose ist das spezfische Kohlenhydrat der Milch mit artenspezifisch unterschiedlichen Gehalten (Frauenmilch 7 g 100 g–1 – Kuhmilch 4,5 g 100 g–1 – Kamelmilch 4,8 g 100 g–1 – Schafsmilch 4,6 g 100 g–1 und Ziegenmilch 4,2 g 100 g–1). Lactose reduziert die Fehlingsche Lösung, löst sich in Wasser gut, dagegen in Alkohol nur wenig. Der Milchzucker wirkt schwach abführend und hat etwa den Nährwert von Saccharose. Durch Mineralsäuren und durch das Enzym β-Galaktosidase (früher Lactase genannt) spaltbar. Die physiologische Verdauung erfolgt ebenfalls über dieses Enzym, das bei Säuglingen und Kindern reichlich gebildet wird. Bei vielen Asiaten und Afrikanern jedoch ist das Enzym kaum vorhanden, sodass beim Genuss von Milch Verdauungsstörungen (Krämpfe, Diarrhoe) auftreten können. Lactose wird aus Lab- oder Sauermolke gewonnen – durch Einstellen auf pH 4,7 und Erhitzen durch Einleiten von Wasserdampf auf 95–98 °C. Dabei wird das Milchalbumin abgetrennt und die enteiweißte, filtrierte Flüssigkeit in einem mehrstufigen Verdampfer konzentriert und dabei von Milchsalzen befreit. Beim weiteren Eindampfen scheidet sich dann gelblich gefärbte Roh-Lactose mit einem Wassergehalt von 12–14 % ab. Die Raffination erfolgt durch Lösen, Filtrieren und nochmaliges Kristallisieren. Auf diese Weise erhält man als weißes Produkt α-Lactose. Erhitzt man davon eine 60%ige Lösung auf wenig mehr als
110
Zucker – Kohlenhydrate als Mono- und Disaccharide
Abb. 36 Erste Veröffentlichung über Milchzucker von Georg Rudolph Lichtenstein (1747–1807), Helmstedt (1769 Dr. med., 1774 ao. Professor der Medizin in Helmstedt, 1780 Erwerb der »Fürstlichen Apotheke«, 1804 Garnisonsarzt in Braunschweig).
93,5 °C, so entsteht β-Lactose mit besserer Verdaulichkeit, höherer Süßkraft und Löslichkeit. Liebig beschäftige sich im Rahmen seiner Forschungen über Fleisch auch intensiv mit dem Milchzucker, der Lactose, und schrieb darüber in den populärwissenschaftlichen Chemischen Briefen (Ausgabe 1865) – (mit Anregungen zu Experimenten): »Die Eigenschaften des Milchzuckers als eines Bestandtheiles der Milch und eines Productes des thierischen Lebensprocesses sind von besonderem Interesse; bis jetzt ist der Milchzucker nur in der Milch und
Di- und Oligosaccharide
111
nach neueren Untersuchungen auch in den Hühnereiern, wiewohl nur in geringer Menge, aufgefunden worden. Der Milchzucker kommt im Handel in oft zolldicken krystallinischen Krusten vor, welche gewöhnlich wegen mangelnder Sorgfalt und Reinlichkeit bei seiner Darstellung gelblich, oft gelbbraun und von schmutzigem Ansehen sind. Durch eine neue Krystallisation erhält man denselben, namentlich bei Anwendung von Kohle zum Entfärben der Lösung, blendend weiss, in harten, zwischen den Zähnen krachenden, durchscheinenden, vierseitigen, mit vier Flächen zugespitzten Prismen. Der krystallisirte Milchzucker löst sich in 5 bis 6 Theilen kaltem Wasser, ohne einen Syrup zu bilden; die Kristalle auf die Zunge gebracht, besitzen einen schwach süssen Geschmack; in der Lösung ist derselbe etwas hervorstechender. Durch den Milchzucker empfängt die Milch die Eigenschaft, in gelinder Wärme sich selbst überlassen, in Gährung überzugehen. Die gegohrene Milch liefert durch Destillation einen wahren (sehr übel nach Buttersäure und faulem Käse riechenden) Branntwein, welcher, aus Pferdemilch bereitet, in der Tartarei und in dem Lande der Kirgisen und Kalmuken ganz allgemein im Gebrauch ist. Die Leichtigkeit, mit welcher der Milchzucker in Milchsäure übergeht (…), ist von dem Sauerwerden der Milch Jedermann bekannt. Ausgezeichnet ist die Fähigkeit des Milchzuckers, bei Gegenwart von Alkalien Sauerstoff aufzunehmen. Macht man eine Auflösung von Milchzucker durch Zusatz von Ammoniak alkalisch und setzt alsdann ein Silbersalz hinzu, so wird bei gelindem Erwärmen das Silberoxyd reducirt und das Silber auf dem Glase in Gestalt eines spiegelnden Ueberzugs, oder in grauen Flocken niedergeschlagen. Eine mit Kalilauge versetzte Lösung von Milchzucker löst Kupferoxyd mit einer schönen blauen Farbe auf; diese Mischung wird in der Wärme roth, indem sich alles Kupfer als Kupferoxyd abscheidet; in beiden Fällen wird der Sauerstoff des Silberoxydes ganz, der des Kupferoxyds zur Hälfte von den Bestandtheilen des Milchzuckers aufgenommen. Eine alkalische Lösung von Milchzucker löst Eisenoxyd und andere Metalloxyde auf, in Berührung damit wird blauer Indigo entfärbt; er löst sich darin zu einer wahren Indigküpe auf. Durch den Einfluss vieler Fermente und besonders leicht in Gegenwart von Kalk, wird die aus dem Milchzucker entstehende Milchsäure in Buttersäure, welche zu der Gruppe der fetten Säuren gehört, übergeführt;
112
Zucker – Kohlenhydrate als Mono- und Disaccharide
durch Oxydation mittels Salpetersäure liefert der Milchzucker Kohlensäure, Oxalsäure und Schleimsäure; setzt man zu einer Auflösung von Milchzucker in Wasser etwas Schwefelsäure, so verwandelt sich derselbe sehr rasch und schnell in Traubenzucker.«
Experiment 30 Lactose reduziert schwarzes Kupferoxid Materialien
Milchzucker (Lactose), Kupfersulfat (Xn), Natriumcarbonat, Reagenzgläser, Reagenzglashalter, Spirituslampe, Spatellöffel
Durchführung
Im Reagenzglas werden einige Kupfersulfat-Kristalle in wenig Wasser gelöst und nach der Zugabe von einem Spatellöffel Natriumcarbonat in der Flamme der Spirituslampe bis zum Auftreten eines schwarzen Niederschlages erhitzt. Die Lösung wird vom sich am Boden absetzenden Niederschlag abgegossen, dann wird mit Wasser gespült. Anschließend fügt man dem schwarzen Rückstand wieder einige Milliliter Wasser und einen Spatellöffel Lactose hinzu, schüttelt kräftig um und erhitzt schließlich in der Flamme.
Beobachtungen
Wie von Liebig beschrieben löst sich ein Teil des Niederschlages zunächst unter schwacher Blaufärbung auf; in der Siedehitze bildet sich dann ein intensiv rot bis rotbraun gefärbter Niederschlag.
Erläuterungen
Im Prinzip liegt der Reduktion die Fehlingsche Probe zugrunde – mit dem Unterschied, dass Kupfer(II)oxid zunächst in alkalischer Lösung durch wenig gebildete Milchsäure (unter Aufnahme von Sauerstoff) angelöst und dann die Kupfer(II)-Ionen zu Kupfer(I)Ionen reduziert sowie als Kupfer(I)oxid ausgefällt werden.21)
21) (Durch Kaliumpermanganat wird Lactose ebenfalls erst in alkalischer
bzw. sodaalkalischer Lösung oxidiert – unter Bildung von Mangan(IV)oxid-Hydraten.)
Gelierzucker – zum Gelieren oder Verdicken
5.4
113
Gelierzucker – zum Gelieren oder Verdicken
Als Gelierzucker bezeichnet man Produkte aus Zucker (Saccharose im Allgemeinen, Fructose speziell für Diabetiker), die zumindest teilweise mit Pektinen überzogen sind und eine Genusssäure wie Citronen- oder Weinsäure enthalten. Pektine (E 440) zählen zu den Kohlenhydraten und enthalten mit Methanol veresterte Galakturonsäure-Bausteine (Galakturonsäure – Zuckersäure aus dem Monosaccharid Galaktose, Baustein des Milchzuckers, »verwandt« mit Glucose). Außerdem sind sie auch teilweise acetyliert – mit Molmassen zwischen 50 000 und 150 000 g mol–1. Rohstoffe für die Gewinnung sind Apfeltrester, Citrusschalen und auch Zuckerrübenschnitzel. Die daraus industriell durch Extraktion bei pH 1,5–3,0 und 60–100 °C gewonnenen Produkte stellen getrocknet weiße bis gelbliche Pulver dar. Durch hohen Zuckerzusatz und im Sauren entstehen beim Erhitzen mit Früchten aus diesen Hydrokolloiden stabile Gele. Gelierzucker, die mit Früchten im Verhältnis 1:1 eingesetzt werden, enthalten 98 % Saccharose, 1 % Pektin und 0,8 % Citronen- oder Weinsäure. Werden amidierte Pektine (Austausch der Methoxyl- durch Amidgruppen) verwendet, so verringert sich die erforderliche Menge an Gelierzucker (Gelierzucker mit den Angaben 2:1, 3:1). Wird Einmachzucker (ohne Pektine) eingesetzt, so müssen für 1 kg Früchte 150– 500 g Zucker (je nach Art der Früchte, d. h. deren naturgegebenem Pektingehalt) eingesetzt werden.
Experiment 31 Gelierzucker mit Pektin Materialien
Naturtrüber Apfelsaft, Gelierzucker 3:1, 100-ml-Becherglas, zwei große Rollrandgläser (30 oder 50 ml), Löffel, 50-ml-Messzylinder, Waage, Heizplatte
Durchführung
Im Becherglas werden 12,5 g Gelierzucker eingewogen. Dann fügt man 30 ml »naturtrüben« Apfelsaft hinzu, kocht auf und lässt unter Rühren mit dem Löffel ca. 4 Minuten sprudelnd kochen. Ein Teil davon wird in ein Rollrandglas gegossen und nach dem Verschließen abgekühlt (z. B. unter fließendem Wasser).
Beobachtungen
Nach dem Abkühlen verfestigt sich der Apfelsaft zu einem Gelee.
114
Zucker – Kohlenhydrate als Mono- und Disaccharide
Erläuterungen
Die Gelbildung wird sowohl durch den hohen Zuckergehalt als auch durch die Vernetzung der Pektine im Sauren durch Wasserstoffbrücken verursacht22).
Anstelle des Geliermittels Pektin werden neuerdings Produkte mit einem Verdickungsmittel wie Karrageen (E 407) angeboten, womit eine vergleichbare Festigkeit auch ohne Erhitzen, nämlich mechanisch erreicht werden kann. Carrageen besteht aus D-Galaktose-Bausteinen und zählt zu den unverzweigten Polysacchariden. Es ist nach einem Ort an der Westküste Irlands benannt worden. Es enthält auch bis zu 40 % Sulfatreste, die Molmassen schwanken zwischen 200 000 und 800 000 g mol–1. Es wird als Gemisch aus Rotalgen durch Extraktion mit heißem Wasser gewonnen. Ein im Handel befindlicher Express Gelier Zucker (Dr. Oetker) für Gelierungen in der Mikrowelle enthält neben Apfel-Pektin das Verdickungmittel Xanthan. Für 300 g Früchte werden 150 g des Produktes empfohlen. Xanthan ist ein mikrobiell erzeugtes Polysaccharid, das auf biosynthetischem Wege mit Glucose, Saccharose oder Stärkeprodukten durch das Bakterium Xanthomonas campestris gewonnen wird. Die Molmasse beträgt über 1 Million g mol–1. Bausteine sind Glucose, Mannose und Glucuronsäure. Es bildet bereits in kaltem Wasser hochviskose, pseudoplastische Lösungen.
Experiment 32 Verdickungsmittel zur Gelierung Materialien
Wie im Experiment 31, anstelle von Gelierzucker 3:1 z. B. Diamant Gelier-Zauber (mit Carrageen), Küchen-Rührstab (und dafür passendes Becherglas)
Durchführung
In einem Becherglas werden 15 g Gelier-Zauber eingewogen und 15 ml naturtrüber Apfelsaft hinzugefügt. Mit Hilfe eines Rührstabes wird das Gemisch gerührt.
Beobachtungen
Nach kurzer Rührzeit tritt eine Verfestigung ein.
Erläuterungen
Die Polysaccharide haben die Eigenschaften, Wasser aufzunehmen und dabei zu quellen d. h. Hydrogele zu bilden. Vernetzungen durch Hydronium-Ionen (durch den Zusatz von Säuren – siehe Experiment 31) finden nicht statt.
22) ausführlich in: G. Schwedt, Taschenatlas der Lebensmittelchemie
Krankheiten durch Zucker – zur Physiologie der Kohlenhydrate
5.5
115
Krankheiten durch Zucker – zur Physiologie der Kohlenhydrate
In der Chemie des täglichen Lebens23) berichtet M. Melching über die Geschichte der »Zuckerkrankheit« und dem Wissensstand zu seiner Zeit wie folgt: » Schon den Ärzten des Altertums fielen Kranke auf, die außerordentlichen Durst zeigten. Sie glaubten, es handle sich da um eine Erkrankung, bei der das getrunkene Wasser die Nieren zu schnell durchströme, und im Anschluß an das griechische Wort diabaino (durchfließen) nannten sie deshalb die Krankheit Diabetes. Sie standen ihr macht- und ratlos gegenüber. Vom süßen Geschmack manchen Harns sprechen zuerst indische Ärzte im fünften Jahrhundert nach Christus. Im Abendlande spricht wohl auch Paracelsus um 1520 als einer der ersten von ihm, aber ebenfalls noch ohne die Süße in Zusammenhang mit der Harnruhr, die wir heute Zuckerkrankheit nennen, zu bringen. So blieb denn genaueres über die Harnruhr unbekannt, bis Dobson 1770 den chemischen Nachweis des Zuckers im Harn erbrachte, und daraufhin wurde die Diät, die die Zuckerkranken erhalten sollten, von dem Arzt Rollo im Jahre 1797 angegeben. Seine Theorie ist erstaunlich einfach, und mit ihrer Hilfe hat die Zuckerkrankheit seitdem viel von ihrer Gefährlichkeit verloren. Diese Diät verursacht den Zuckerkranken und ihrer Umgebung oft hinsichtlich des erlaubten und verbotenen Genusses von Speisen und Getränken Kopfzerbrechen, ist aber für uns im Anschluß an unsere jetzigen Kenntnisse geradezu sellbstverständlich. Denn Eiweiß kann nicht in Zucker übergehen, da zwischen ihm und Zucker ein chemischer Zusammenhang kaum besteht (das ereignet sich nur in den allerschwersten Stadien der Zuckerkrankheit, in welchen der ganze Stoffwechselumsatz des Körpers bereits so in Unordnung geraten ist, daß die gewöhnliche Art der Ausnutzung im Körper gar nicht mehr stattfindet.) Ebenso ist ein näherer chemischer Zusammenhang zwischen Fett und Zucker nicht vorhanden, und so werden weder Eiweiß noch Fett zur Entstehung von Zucker im Körper Veranlassung geben. Wohl aber haben wir uns jetzt überzeugt, wie nahe Stärke und Zucker einander stehen und wie leicht Stärke in Zucker übergeht. Genießt man z. B. Brot, so geht sein Stärkemehlgehalt durch die Verdauung im Darm in Zucker über, und dieser wird, da er wasserlöslich 23) Lassar-Cohn, 11. Aufl., 1925
116
Zucker – Kohlenhydrate als Mono- und Disaccharide
ist, von da aus mittels Diffusion vom Körper aufgenommen und gelangt so in die Blutbahn. Das Stärkemehl wird also im Körper durch seinen Übergang in Zucker zum Nahrungsmittel. Im gesunden Körper wird der Zucker sodann völlig für die Erhaltung des Körpers verbraucht, und sein Kohlenstoffgehalt wird schließlich als Kohlensäure ausgeatmet, sein Wasserstoffgehalt zu Wasser oxydiert, wir finden daher keinen Zucker im Urin. Durch den Körper des Zuckerkranken dagegen geht ein Teil des Zuckers ungenutzt durch und wird als Zucker im Urin ausgeschieden, wo ihn die chemische Analyse leicht nachweist. Der Körper des Zuckerkranken arbeitet also nicht mehr normal, nutzt den in die Blutbahn gelangten Zucker nicht mehr vollständig nach Art des gesunden Körpers aus. Das Auffinden von Zucker im Urin ist somit ein Zeichen für das nicht mehr tadellose Arbeiten des Körpers. Ein Zuckerkranker wird also bei Eiweiß- und Fettnahrung, wenn er demnach Fleisch, Eier, Butter oder ähnliches, somit hauptsächlich Nahrung tierischen Ursprungs genießt, keinen Zucker abscheiden, und deshalb ist seine Diät die, daß er sich, soweit er es zu ertragen vermag, möglichst an Eiweiß- und Fettnahrung hält. Als Fettnahrung können auch das Olivenöl und ähnliche Pflanzenöle dienen. Dagegen werden der Zucker selbst und aus Mehl bereitete Speisen, also Brot und Kartoffeln, sowie Obst, kurzum so ziemlich alle dem Pflanzenreich entstammenden Nahrungsmittel, die doch, wie wir auseinandergesetzt und wie aus ihren Analysen ersichtlich ist, meist einen hohen Gehalt an Stärkemehl haben, bei Zuckerkranken zur Zuckerausscheidung im Urin Veranlassung geben. Deshalb werden denn die dem Pflanzenreich entstammenden Nahrungsmittel, abgesehen von den Ölen, von den Zuckerkranken möglichst gemieden werden müssen. In chemischer Beziehung stehen sich also, wie wir jetzt genügend erörtert haben, Fette und Kohlenhydrate als Nährstoffe gleich. Man kann somit die Kraft, die ein gegessenes Butterbrot dem Körper zuführt, genau durch ein mit Honig bestrichenes Brot ersetzen. Aber trotzdem sind Fette und Kohlenhydrate kein Ersatz füreinander mit Bezug auf die Küche. Kann man doch z. B. Kaffee nicht mit Butter versüßen und Fleisch nicht mit Honig bestreichen. In nicht sehr schweren Stadien der Krankheit, und die Krankheit tritt ja glücklicherweise selten schwer auf, wird der Kranke noch einen bedeutenden Teil des Stärkemehls der Nahrungsmittel nutzbar für die
Krankheiten durch Zucker – zur Physiologie der Kohlenhydrate
117
Ernährung seines Körpers verwerten, diesen Teil also nicht als Zucker ausscheiden. Deshalb bleibt den meisten Zuckerkranken ein wenig Semmel, Roggenbrot, Äpfel usw. zu genießen gestattet. Der nicht schwer Zuckerkranke wird also nicht etwa alles von ihm verzehrt, sondern nur einen kleinen Teil des in seinen Speisen enthaltenen Stärkemehls, ohne es für seine Ernährung verwendet zu haben, also ohne es seinem Körper nutzbar gemacht zu haben, durch den Harn in Form von Traubenzucker verlieren. (…) Nach den gegenwärtigen Anschauungen der Ärzte hängt die Zuckerkrankheit mit der »inneren Sekretion« zusammen. Es ist erst in den letzten Jahren bekannt geworden, daß die Bauchspeicheldrüse ein Hormon unmittelbar an die Blutbahn abgibt, das sogenannte Insulin, welches den normalen Ablauf des Kohlehydratstoffwechsels bestimmt. Arbeitet die Bauchspeicheldrüse nicht mehr ordentlich, so daß das genannte Hormon fehlt, dann geht der Zucker unabgebaut durch den Körper und scheidet sich im Harn aus. Man hat dieses Hormon Insulin aus der Bauchspeicheldrüse von Schlachttieren dargestellt und das Präparat Zuckerkranken mit gutem Erfolge in die Blutbahn eingespritzt. Durch den Mund läßt sich das Mittel nicht einnehmen, weil es durch Pepsin und Trypsin zerstört wird.« Haushaltszucker und Stärke werden im Körper zu Glucose abgebaut. Diese kann leicht über die Darmwand in das Blut aufgenommen werden, wodurch ein schneller Anstieg des Blutzuckergehaltes (-spiegel) erfolgt. Daraufhin entsendet die Bauschspeicheldrüse Insulin (ein Peptidhormon) in das Blut. Die Geschwindigkeit der Insulin-Sekretion wird durch die Höhe der Blutglucose-Konzentration bestimmt. Der Übergang von Glucose aus dem Blut in die Zelle wird durch die Bindung an Insulin-Rezeptoren beschleunigt. Besteht ein Mangel an Insulin, so hat die Erhöhung des Blutzuckerspiegels schwere Störungen im Fettstoffwechsel zur Folge. Sie führen zu einer erhöhten Fettsäurekonzentration im Blut und damit verbunden zu einer erhöhten Fettsäureoxidation in der Leber. Es entstehen vermehrt Ketone (wie Aceton) im Blut und es findet eine Übersäuerung (Ketoacidose) statt. 1921 wurde Insulin von Frederick Grant Banting (1891–1941, kanadischer Physiologe, 1923 Nobelpreis für Physiologie und Medizin) und Charles Herbert Best (1899–1978, amerikanisch-kanadischer Physiologe) erstmals isoliert und 1926 in kristalliner Form dargestellt. Die chemische Struktur (aus zwei Polypeptidketten A und B mit 21 bzw. 30 Aminosäuren, durch zwei die
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Zucker – Kohlenhydrate als Mono- und Disaccharide
Funktion bestimmende Disulfidbrücken verbunden) wurde in den 1940er Jahren durch Frederick Sanger (geb. 1918, engl. Biochemiker, 1958 und 1980 Nobelpreis für Chemie) aufgeklärt. Mitte der 1960er Jahre gelang Helmut Zahn (1916–2004, Textilchemiker, Direktor des Deutschen Wollforschungsinstitutes) in Aachen (gleichzeitig mit zwei weiteren Forschergruppen) die Totalsynthese. Exponate dazu sind im Deutschen Museum Bonn mit dem Schwerpunkt der Forschung nach 1945 ausgestellt. Die Verdauung der Stärke beginnt bereits im Mund – mit Hilfe der Speichelamylase. Im Dünndarm und in der Dünndarm-Mukosa (-schleimhaut) findet dann ein weiterer Abbau durch Pankreasamylase, Maltase und Oligo-1,6-Glucosidase zum Endbaustein Glucose statt. Insgesamt werden die beim Stärkeabbau anfallende Maltose und die Disaccharide Saccharose und Lactose von den Mukosazellen aufgenommen und durch entsprechende Enzyme, die Disaccharidasen, in deren Monosaccharide gespalten. Glucose wir durch einen aktiven Transportmechanismus (s. o.), die anderen Monosaccharide aber durch passive Diffusion (durch Zellmembranen) absorbiert. Die Monosaccharide werden nach der Absorption entweder zur Energiegewinnung direkt abgebaut (zu CO2, H2O und Energie), temporär als Glykogen in den Muskeln gespeichert oder zur Fettsynthese verwendet. Die Glucose kann von allen Zellen im Körper verwertet werden. Vor allem die Gehirnzellen benötigen Glucose. Nach dem heutigen Wissensstand wird die Krankheit Diabetes mellitus als Autoimmunreaktion verstanden, welche die Bauchspeicheldrüse schädigt (Typ 1), oder als Disposition zur Insulinresistenz (Typ 2), die besonders durch Übergewicht und Bewegungsmangel gefördert wird, mit der Folge eines ständig erhöhten Blutzuckerspiegels. Darüber hinaus ist Zucker mit für die Entstehung von Zahnkaries verantwortlich, da die im Mundraum natürlicherweise vorkommenden Bakterien überschüssigen Zucker in Säuren umwandeln, welche vor allem Calcium aus dem Zahnschmelz lösen können.
6 Aus Stärke wird Zucker, aus Zucker Alkohol
6.1
Stärkeverzuckerung (mit Experimenten)
In Lassar-Cohn: Die Chemie des täglichen Lebens17) ist über die Umwandlung von Stärke in Zucker zu lesen: »Stärke und Zucker sind nun, vom chemischen Standpunkte aus betrachtet, einander sehr nahe stehende Kohlenhydrate. Die Stärke geht mit großer Leichtigkeit in Zucker und speziell leicht in Traubenzucker über. Das nehmen wir im Leben häufig wahr. So schmecken unreife Früchte nicht süß, können aber, wie z. B. Erdbeeren, diesen Geschmack in wenigen Stunden annehmen. Diese Umwandlung geschieht dadurch, daß ein Teil der in der Erdbeere vorhanden Stärke sich beim Reifwerden in Zucker verwandelt. Nicht nur das Reifen veranlasst diesen Übergang, sondern er kann auch beim Abkühlen von Früchten unter 0° C eintreten. So schmecken bekanntlich Kartoffeln nach dem Erfrieren – wenn auch durchaus nicht schön – so doch süß. Auch hier ist die Ursache der Veränderung die gleiche. Der Übergang von Stärke in Zucker läßt sich sogar in kürzester Zeit vor Ihren Augen ausführen. Geben wir nämlich in Wasser, dem wir etwas Säure, z. B. Salzsäure, zusetzen, Stärkemehl und kochen das Gemisch kurze Zeit, so ist schon ein Teil der Stärke in Zucker übergegangen, was wir an der folgenden chemischen Reaktion erkennen. Fügen wir zu Wasser Natronlauge und Kupfervitriollösung, so erhalten wir einen blauen Niederschlag von Kupferoxydhydrat, der beim Kochen der Flüssigkeit schwarz wird, weil er in Kupferoxyd übergeht. Zusatz von Stärke ändert diese Reaktion nicht. Nehmen wir aber die Lösung, die wir soeben durch Kochen der Stärke mit etwas Salzsäure erhalten haben, und setzen ihr Natronlauge und darauf Kupfervitriollösung zu, so erhalten wir 17) Ausführliche und aktuelle Informationen unter
www.zuckerwirtschaft.de
Zuckersüße Chemie. Georg Schwedt Copyright © 2010 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim ISBN: 978-3-527-32786-7
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Aus Stärke wird Zucker, aus Zucker Alkohol
nicht wie vorher einen blauen Niederschlag, sondern eine himmelblaue klare Flüssigkeit. Kochen wir diese, so färbt sie sich nicht schwarz durch Kupferoxyd, sondern rot durch jetzt entstehendes Kupferoxydul [= Kupfer(I)oxid]. Die unter diesen Bedingungen stattfindende Rotfärbung ist eine dem Traubenzucker eigentümliche Reaktion. Dieser Zucker muß hier also aus dem Stärkemehl durch Kochen mit einer Säure entstanden sein…«
Experiment 33 Stärkeverzuckerung – durch Säure Materialien
Stärke, Schwefelsäure (c = 2 mol l–1), hohes 25-ml-Becherglas, Heizplatte, 2 Reagenzgläser mit Reagenzglashalter, Spirituslampe, Kupfersulfat (Xn), Natronlauge (2 mol l–1), Natriumcarbonat, 2%ige Kaliumpermanganat-Lösung, Plastikpipetten
Durchführung
Zunächst wird in einem sogenannten Blindversuch etwas Stärke im Reagenzglas mit Wasser aufgeschlämmt und nach Zusatz einiger Kupfersulfat-Kristalle und einem Spatellöffel Natriumcarbonat in der Flamme der Spirituslampe bis zum Sieden erhitzt. Im Becherglas wird der Boden mit Stärke bedeckt. Dann fügt man ca. 10 ml Schwefelsäure hinzu und lässt 5–10 Minuten sieden. Nach dem Abkühlen werden von der Lösung einige Milliliter in ein Glas gefüllt und man fügt tropfenweise Kaliumpermanganat-Lösung hinzu. Die restliche Lösung im Becherglas wird durch Zugabe von zunächst etwa 5 ml Natronlauge annähernd neutralisiert und dann mit Natriumcarbonat alkalisiert. Nach der Überführung in ein Reagenzglas erhitzt man nach Zugabe einiger KupfersulfatKristalle bis zum Sieden.
Beobachtungen
Der Blindversuch zeigt keine Bildung von rotem Kupfer(I)oxid. Die Stärke verfärbt sich beim Erhitzen mit Schwefelsäure gelb. Nach dem Erhitzen in natron- bzw. sodaalkalischer Lösung entsteht ein gelbbrauner Niederschlag.
Erläuterungen
In schwefelsaurer Lösung erfolgt teilweise ein Abbau der Stärkemoleküle, wobei als Endprodukt Glucose, aber auch höhermolekulare Oligosaccharide und andere Abbauprodukte entstehen, die
Stärkesirupe
121
ebenfalls reduzierend (hier von Permanganat-Ionen in noch saurer Hydrolyselösung) wirken.
Experiment 34 Stärkeabbau durch Enzyme Materialien
Voll-Waschmittel mit dem Enzym Amylase, 0,1%ige Iodlösung, Stärke, 50-ml-Becherglas, Rollrandglas, Spatellöffel, Heizplatte, Thermometer
Durchführung
Ein kleiner Spatellöffel Stärke wird mit zwei Spatellöffeln Waschmittel und ca. 20 ml Wasser bis auf etwa 60 °C erwärmt. Nach etwa 5 Minuten kühlt man auf Raumtemperatur ab und fügt dann einige Tropfen der Iodlösung hinzu.
Beobachtungen
Es tritt keine oder nur eine geringe Blaufärbung auf.
Erläuterungen
Durch die Aktivität des Enzyms Amylase werden die Stärkemoleküle abgebaut, sodass die für die Makromoleküle der Amylose charakteristische Blaufärbung nicht mehr zu beobachten ist.
6.2
Stärkesirupe (mit Experiment)
Mit Sirup wird jede dickflüssige, konzentriertere Lösung mit meist hohem Zuckergehalt bezeichnet. Das Wort ist aus dem Lateinischen (siroppus) bzw. aus dem Arabischen (sharaab: Süßsaft) abgeleitet. Ein Beispiel ist der im nordamerikanischen Kulturkreis beliebte Ahornsirup (siehe Abschnitt 6.3). Stärkesirup wird durch teilweise Hydrolyse von Stärke mit Säure und/oder Enzymen gewonnen. Das in wässriger Lösung entstehende Gemisch besteht aus unterschiedlichen Anteilen an Mono- und Oligosacchariden sowie Dextrinen. Je nach Herstellungsbedingungen ist ein Stärkesirup farblos bis gelblich gefärbt, blank bis milchig trüb. Die Trübung ist auf schwer- bis unlösliche Dextrine zurückzuführen. Stärkesirup ist mit Wasser in jedem Verhältnis mischbar. Je nach dem Verzuckerungsgrad wird eine Süßkraft von 25–50 % im Vergleich zur Saccharose erreicht. Synonym werden für Stärkesirup auch die Bezeichnungen Glucosesirup oder seltener Stärkeverzuckerungssirup verwendet.
122
Aus Stärke wird Zucker, aus Zucker Alkohol
Die Stärkesirup-Herstellung erfolgt in einer Reihe von Schritten: Der Suspension von Stärke in Wasser, der sogenannten Stärkemilch, werden Enzyme zugemischt. Dann erfolgt in einem Konverter eine teilweise Stärkehydrolyse. Die Säure wird durch Soda oder auch Natronlauge neutralisiert (früher auch durch Kalk, wodurch bei Verwendung von Schwefelsäure Calciumsulfat entstand). Nach der Neutralisation wird filtriert. Als Filtrat erhält man den Dünnsaft, der unter Zusatz von Aktivkohle entfärbt werden kann. Proteine und Lipide flocken beim Reinigungsverfahren bei einem geeigneten pH-Wert aus und werden als Schlamm abgetrennt, Mineralstoffe werden mit Hilfe von Ionenaustauschern abgetrennt. Durch Einengen im Vakuumverdampfer erhält man danach den Stärkesirup, durch Sprühtrocknung (unter 100 °C) Trocken-Stärkesirup. Die Verzuckerungsgrade werden in Glucose(Dextrose-)Äquivalenten angegeben. Ein Dextrose-Äquivalent (DE) steht für den Grad des Abbaus höhermolekularer Kohlenhydrate, wobei die Reduktion durch die dabei freigesetzten reduzierenden Gruppen (also nicht nur von Glucose) als Glucose-Äquivalent berechnet wird. Glucose-Sirupe weisen in der Regel DE-Werte zwischen 20 und 68 auf. Bei der Säurehydrolyse treten Nebenreaktionen auf. Aus etwa 3–5 % der Glucose bilden sich höhere Kohlenhydrate wie Isomaltose (bis 70 %) Gentiobiose (18 %) aus
Abb. 37 Gefüllte Zuckerhutformen auf Siruptöpfen im Trockenraum – Quelle siehe Abb. 26.
Stärkesirupe
123
je zwei Glucose-Bausteinen (Disaccharide als sogenannte Reversionsprodukte) sowie weitere Di- und Trisaccharide. Abbaureaktionen der Glucose führen zur Karamellisierung und zu Maillard-Reaktion (siehe Abschnitt 6.3). Der beschriebene Stärkesirup findet vor allem in der Süßwarenindustrie Verwendung und ist daher auch namentlich in den Zutatenlisten zu finden. So verhindert er das Auskristallisieren von Saccharose beispielsweise bei Hartkaramellen. Bei Weichkaramellen, Gummi- und Schaumzuckerwaren (siehe auch Kapitel 8) verbessert ein Zusatz an Stärkesirup die Struktur und sorgt für eine längere Frischhaltung. Als Trockenstärkesirup wird er Speiseeis, Likören, Obstkonserven zugesetzt und als Teigverbesserungs-, Süß- und Bräunungsmittel für Backwaren sowie als Überzugsmittel für Müsli, in Süßspeise- und Fruchtpulvern verwendet.
Experiment 35 Heller Sirup – dunkler Sirup Materialien
Heller Sirup (Zutaten: Invertzuckersirup, Glucosesirup), dunkler Sirup/Zuckerrübensirup (Zutaten: Zuckerrübe enthält je 100 g: Eiweiß 2,3 g, Kohlenhydrate 69 g, Fett < 0,1 g, Eisen 8 mg, Magnesium 90 mg), 25-ml-Becherglas, 30-ml-Rollrandglas, Löffel, Reagenzglas mit Reagenzglashalter, Ninhydrin, Spirituslampe, 2%ige Kaliumpermanganat-Lösung, Kupfersulfat, Natriumcarbonat
Durchführung
Vom Zuckerrübensirup (dunkler Sirup) wird ein kleiner Löffel im Becherglas mit Wasser versetzt, gerührt und von der gelbbraunen, trüben (aber durchsichtigen) Suspension (eventuell verdünnen) einige Milliliter in ein Reagenzglas gefüllt. Nach der Zugabe eines kleinen Spatellöffels Ninhydrin erhitzt man in der Flamme der Spirituslampe. Der helle Sirup wird im Rollrandglas ebenfalls mit Wasser verdünnt bzw. gelöst, von der Lösung die Hälfte auf zwei Reagenzgläser verteilt. Zum Inhalt des Rollrandglases fügt man tropfenweise Kaliumpermanganat-Lösung hinzu. In einem Reagenzglas löst man einige Kristalle Kupfersulfat und einen Spatellöffel Natriumcarbonat, dem anderen fügt man einen kleinen Spatellöffel Ninhydrin hinzu. Die Inhalte beider Gläser werden bis zum Sieden erhitzt.
Beobachtungen
Mit Ninhydrin erhält man nur im Zuckerrübensirup eine intensive blaue Farbe (Eiweiß-Nachweis). Die Permanganat-Tropfen wer-
124
Aus Stärke wird Zucker, aus Zucker Alkohol den im hellen Sirup sofort entfärbt. Die Fehlingsche Probe ergibt einen orangeroten Niederschlag.
Erläuterungen
6.3
Der Zuckerrübensirup (Erläuterungen zum Produkt s. o.) enthält Eiweißstoffe direkt aus der Zuckerrübe. Der helle Sirup besteht aus zwei verschiedenen Sirup Arten (s. o.), enthält Glucose und andere reduzierende Substanzen aus den entsprechenden Kohlenhydraten Saccharose bzw. Stärke (s. o.).
Andere Sirupe und Karamell, der gebrannte Zucker (mit Experimenten)
• Ahornsirup wurde schon von den Ureinwohnern Nordamerikas aus dem Blutungssaft des Zuckerahorns (Acer saccharum) gewonnen. Zuckerahorn wächst vorzugsweise im östlichen Nordamerika bis zu den Rocky Mountains. Er wird sowohl in den Wäldern nachgepflanzt als auch in Plantagen angepflanzt. Aus 60–80 Jahre alten Bäumen können bis zu 45 Liter Saft und daraus etwa 1 Liter Sirup gewonnen werden. Ahornsirup hat eine helle Farbe (Qualität A Lichtdurchlässigkeit 60–100 %) und charakteristische Inhaltsstoffe wie organische Säuren (Citronen-, Äpfel- und Bernsteinsäure) und Aromastoffe wie Dihydroconiferylalkohol und auch Vanillin sowie Mineralstoffe (Kalium, Magnesium, Zink und Eisen). Die Trockensubstanz (etwa 66 g 100 g–1) weist 5–65 % an Saccharose und Glucose sowie Fructose bis zu etwa 8 % auf. Dunkler Ahornsirup (Qualität C und D) entsteht infolge der Karamellisierung beim Eindampfen des Saftes. Als hochwertiger Ahornsirup gelten nur bernsteinfarbene, mildaromatische Sorten. • Glucose-Fructose-Sirup (auch als »Isoglucose« bezeichnet) wird durch eine enzymatische Isomerisierung von Glucose (bei pH 7,5 und 60 °C) in einem Reaktor hergestellt, wobei die Isomerase an einen Träger fixiert (immobilisiert) ist. In einem dunklen Sirup werden neben dem Glucose-Fructose-Sirup als weitere Zutaten z. B. Rübensirup, Kandisablaufsirup und Karamellsirup genannt. • Rübensirup (Synonym: Rübenkraut) ist ein sehr dunkler, fast schwarzer und dickflüssiger Sirup. Er wird aus Zuckerrüben auf folgende Weise gewonnen: Die zerkleinerten Zuckerrüben (frisch oder auch getrocknet) werden mit Wasser gekocht. Bei einem anschließenden Pressen der ausgelaugten Schnitzel tritt ein schwarzer Saft aus, der bis auf einen Wassergehalt von
Andere Sirupe und Karamell, der gebrannte Zucker
•
•
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125
maximal 22 % eingedampft wird. Danach beträgt der Gehalt an Zucker im Sirup etwa 62 %. Er ist reich an Mineralstoffen (vor allem Kalium) und Vitamin B6. Das nicht eingedampfte Produkt aus gedämpften oder gekochten Rübenschnitzeln, das entweder durch Auspressen oder durch Extraktion mit Wasser im Gegenstrom gewonnen wird, bezeichnet man als Rübensaft. Melasse ist ein dunkelbrauner Sirup, ein Produktionsrest aus der Zuckergewinnung. Sie ist für die menschliche Ernährung nicht mehr geeignet, enthält aber noch etwa 60 % Saccharose, Raffinose, organische Säuren, Betain (amphoteres Oxidationsprodukt des Cholins: Trimethylammoniumacetat) und anorganische Salze. Melasse wird als Futtermittel und als Nährsubstrat für Hefen (zur Alkoholgewinnung) verwertet. Kandisablaufsirup entsteht bei der Gewinnung von Kandis, besonders großer Zuckerkristalle, die durch spezielle langsame Kristallisationsverfahren aus konzentrierten Zuckerlösungen hergestellt werden. Karamell(zucker)sirup ist eine wässrige Lösung von sogenanntem gebrannten Zucker oder Karamell. Er wird ausschließlich durch kontrolliertes Erhitzen meist von Saccharose gewonnen. In den Zutatenlisten von z. B. Keks oder auch Salmiak-Pastillen wird häufig auch der Sorbitsirup (E 420) genannt. Er enthält den Zuckeralkohol Sorbit(ol), wird durch Hydrierung von Glucosesirup hergestellt und weist eine SorbitKonzentration von mindestens 50 % auf. Er ist zur Süßung von an Brennwert verminderten oder ohne Zuckerzusatz hergestellten Lebensmitteln zugelassen und wirkt auch als Feuchthaltemittel bzw. allgemein als Trägerstoff.24)
Unter Karamellisierung versteht man die Reaktionen, die beim trockenen Erhitzen von Zuckern (Glucose, Fructose oder Saccharose) ablaufen. Bei etwa 140– 180 °C finden erste Umsetzungen einer Maillard-Reaktion statt. Es entstehen gelblich-braune Produkte. Die Maillard-Reaktion wurde nach dem französischen Biochemiker L. C. Maillard benannt, der 1912 erstmals die Reaktion zwischen reduzierenden Zuckern und Aminosäure beschrieb. Sie wird auch als nicht enzymatische Bräunung bezeichnet. Sie »gehört zu den am stärksten komplexen und unübersichtlichen Reaktionen im Lebensmittelbereich«25). Als typische Aromastoffe entstehen vorwiegend Ringverbindungen wie Dihydrofurane und Pyrone (sowie Maltol als Zuckeralkohol). 24) aus: G. Schwedt, Chemie und Supermarkt.
Informationen zum Einkauf, Aulis Verlag 2006, 4.2 Sirupe, S. 93–95
25) Lexikon der Lebensmittel und der Lebensmittel-
chemie, Stuttgart, 4. Aufl. 2005
126
Aus Stärke wird Zucker, aus Zucker Alkohol
Im Handbuch der Drogisten-Praxis26) wird im Abschnitt über »Saccharum. Rohrzucker. Saccharose…« das thermische Verhalten von Zucker beim Brennen wie folgt beschrieben – zugleich als Anregung für das folgende Experiment zitiert: »Bis zu 160° C erhitzt, schmilzt er und erstarrt zu einer glasigen Masse (…I, die ganz allmählich wieder kristallinisch wird. Hierauf beruht die Herstellung von Bonbons (…). Bis 200° C erhitzt, geht der Zucker unter Entwicklung eigentümlich riechender Dämpfe in allerdings nicht chemischen reinen Karamell über, ein Gemenge verschiedener Körper, noch weiter erhitzt, entzündet er sich und verbrennt mit leuchtender Flamme unter Zurücklassung einer löcherigen Kohle, die sich bei noch stärkerer Erhitzung ohne Rückstand verbrennen läßt…«
Experiment 36 Karamellisierung Materialien
2 Reagenzgläser, Reagenzglashalter, Spirituslampe, Haushaltszucker
Durchführung
Die Böden je eines Reagenzglases werden mit Haushaltzucker bzw. Glucose gefüllt und in der Flamme der Spirituslampe vorsichtig erhitzt. Wenn eine starke Blasenbildung in Verbindung mit einer dunklen Farbe der Schmelze erreicht wird, bricht man die Reaktion ab und lässt erkalten. Dann fügt man Wasser hinzu, erhitzt zum Sieden und wiederholt nach dem Abgießen der Lösung erneut, bis keine Verfärbung des siedenden Wassers mehr zu beobachten ist.
Beobachtungen
Beim Erwärmen beobachtet man zunächst die Verdampfung von Wasser, dann schmelzen die Zucker (siehe Abschnitt 5.2), die Schmelzen verfärben sich gelb bis dunkelbraun – und nach längerem Erhitzen schwarz. Am Boden wird die Schmelze relativ rasch gelb bis braun, es bilden sich Blasen, Wasserdampf kondensiert im oberen Teil des Reagenzglases. Je dunkler die Schmelze wird, ums so stärker tritt ein brenzliger Geruch auf. Die entstandenen Produkte lösen sich bis auf einen schwarzen Rest.
26) Buchheister-Ottersbach, 1917
Andere Sirupe und Karamell, der gebrannte Zucker
Erläuterungen
127
Bei der Karamellisierung von Zuckern laufen komplexe Reaktionen ab. Es entstehen sowohl Aromastoffe als auch braungefärbte hochmolekulare Kondensationsprodukte (Melanoidine – als Produkte der Maillard-Reaktion). Der schwarze Rest besteht aus Zuckerkohle.
Experiment 37 Vom Karamell zu Zuckercouleur Materialien
25-ml-Becherglas, Heizplatte, Haushaltszucker, Pottasche (Kaliumcarbonat)
Durchführung
Der Boden des Becherglases wird einige Millimeter hoch mit Zucker bedeckt. Dann fügt man einen Spatellöffel Pottasche hinzu, durchmischt und erhitzt bis zum Auftreten einer Schmelze. Nach dem Abkühlen löst man den Rückstand in Wasser.
Beobachtungen
Bereits zu Beginn der Schmelze bildet sich ein braunschwarzes Substanzgemisch, das sich in Wasser gut auflöst.
Erläuterungen
Die anfängliche Karamellisierung wird durch den Zusatz von Basen (oder auch Säuren) in Richtung auf die Bildung von Melanoidinen, von hochmolekularen Farbstoffen, gesteuert und beschleunigt. Es entsteht Zuckercouleur mit einem bitteren, nicht mehr süßlichen Geschmack. In der Lebensmittel-Zusatzstoff-Verordnung wird unter der E-Nr. 150 mit Buchstaben gekennzeichnet, welcher Katalysator (Bräunungsbeschleuniger) verwendet wurde: a für einfaches Zuckercouleur, b für Sulfitlaugen-Zuckercouleur, c für Ammoniak-Zuckercouleur und d für Ammon(ium)sulfit-Zuckercouleur. Insgesamt werden als Beschleuniger folgende Substanzen eingesetzt: Natrium- und Kaliumcarbonat, Natrium- und Kaliumhydroxid, Essig-, Citronen- und Schwefelsäure, Ammoniak, Ammoniumcarbonat, Ammonium-, Kalium- und Natriumsulfit. Zuckercouleuren werden zahlreichen Lebensmitteln als Farbstoffe zugesetzt – von Cola-Getränken bis zu Soßenpulvern.
128
Aus Stärke wird Zucker, aus Zucker Alkohol
Hinweise für Anstelle von Kaliumcarbonat kann auch Natriumcarbonat, Ammoweitere Experimente: niumchlorid oder Citronensäure verwendet werden. Die Farbreaktionen verlaufen unterschiedlich schnell, es treten auch weiße Dämpfe auf.
Der Zuckerhut zur Feuerzangenbowle Heinrich Spoerl (1887–1955), der sehr erfolgreiche Erzähler humorvoller Unterhaltungsromane, schrieb 1933 die in mehr als einer Million Exemplaren verbreitete Feuerzangenbowle. Eine Lausbüberei in der Kleinstadt, die mehrmals auch verfilmt wurde. Und er vermerkt dazu: »Dieser Roman ist ein Loblied auf die Schule, aber es ist möglich, daß die Schule es nicht merkt.« Der Roman beginnt mit folgenden Sätzen:
»Eine blutrote, dampfende Flüssigkeit. Männer hocken um sie herum. Der eine, der Älteste, hat in einer eisernen Zange einen dicken, kristallweißen Klumpen und hält ihn über das Gefäß. Der zweite hat eine verstaubte Flasche in der Hand und gießt eine helle Flüssigkeit über den Klumpen. Der Dritte setzt ihn in Brand. Eine gespenstische blaue Flamme züngelt hoch. Der weiße Klumpen knistert und fängt an zu schmelzen; dicke, zähe Tropfen lösen sich und fallen zischend in die rote Flut. Und ein leiser, betäubender Duft zieht durch den Raum, steigt ins Gehirn…«
Experiment 38 Zur Feuerzangenbowle Materialien
Würfelzucker, Spiritus (F), Porzellanschale
Durchführung
Der Würfelzucker wird in der Porzellanschale mit Spiritus getränkt. Dann entzündet man die Dämpfe.
Beobachtungen
Die Spiritusflamme ist direkt über dem Würfelzucker blau gefärbt, an der Spitze gelb. An den Ecken beginnt der Würfelzucker zu schmelzen und verfärbt sich nach Gelb bis Braun, wobei er in der Schale verläuft. Gleichzeitig nimmt man in der näheren Umgebung einen deutlichen Geruch nach Karamell wahr.
Erläuterungen
siehe Experiment 36
Vom Zucker zum Alkohol
6.4
129
Vom Zucker zum Alkohol (mit Experiment)
Bereits 1860 schrieb Theodor Gerding in seiner »Illustrirten Volks-Chemie für Hausfrauen und Gewerbsleute. Allgemein verständlich und durch Recepte dargestellt« über »Branntwein und Rüben. Neuerdings hat man mit Vortheil auch aus Zuckerrüben Branntwein fabricirt. Die Zuckerrüben enthalten nämlich 96 % Saft und also nur 4 % unlösliche Substanz; so daß die 4 % Marksubstanz hinreichen, um die 96 % ausgesogenen Saft zurückzuhalten. Die schwammige Beschaffenheit der Rüben steht daher im Wege, daß man den Rübenbrei verarbeiten kann. Man ist vielmehr genöthigt den Saft auszupressen, oder auch die Rüben zu maceriren, wodurch der ganze Zuckergehalt der Rüben zur Benutzung kommt. – Das Stellen der Maische geschieht nach gewöhnlichen Grundsätzen. Ein Zusatz von 1–11⁄2 Theil Schwefelsäure auf tausend Theile Saft befördert die Vergärung außerordentlich…« (Mit dem Zusatz an Schwefelsäure wird ein Teil der Saccharose gespalten und damit besser »vergärbar« – s. u.) Im 21. Jahrhundert spielt »Zucker als alternative Energiequelle« eine möglicherweise zunehmende Rolle. Aus dem Rübenzucker lässt sich, wie bereits 1860 beschrieben, sogenannter Bioethanol (d. h. biologisch hergestelltes Ethanol) gewinnen. In Brasilien fährt bereits ein großer Anteil an Neuwagen mit EthanolKraftstoff. Da der Zuckerpreis seit 2006 auf dem Weltmarkt stark abfällt, ergeben sich somit bei steigendem Ölpreis auch hier neue Perspektiven. Über die Gärung, durch die Zucker in Alkohol umgewandelt wird, ist in dem schon mehrmals zitierten Buch Die Chemie des täglichen Lebens von Lassar-Cohn (1925) zu lesen: »Alle Gärung wird (…) durch überall in der Luft vorhandene kleinste Lebewesen veranlaßt, wenn sie in zuckerhaltige Flüssigkeiten hineinfallen. Was speziell bei der Gärung den Übergang in Spiritus und Kohlensäure veranlaßt, und dadurch zu berauschenden Getränken führt, ist ein Pilz [Hefepilz], der den Namen Saccharomyces cerevisiae erhalten hat. Es handelt sich also dabei nicht um eine rein chemische Reaktion, sondern um Vorgänge, die mit dem Leben der Hefen in Zusammenhang stehen,
130
Aus Stärke wird Zucker, aus Zucker Alkohol
und so bilden sich neben diesen Hauptstoffen noch geringe Mengen anderer Körper. Am leichtesten vergärt die durch Auspressen von Weintrauben gewonnene Flüssigkeit. Sie führt bekanntlich den Namen Most und enthält den leicht vergärbaren Traubenzucker, sowie auch im übrigen alle Stoffe, welche die Hefe, die als Lebewesen bestimmte Ansprüche, z. B. hinsichtlich organischer Salze stellt, zu ihrer Entwicklung braucht. Das hierbei entstehende Getränk ist der Wein. Der Zuckergehalt der Weintrauben ist, wie wir schon durch den Geschmack bestimmen können, außerordentlich wechselnd, und dementsprechend schließlich auch der Spiritusgehalt des Weines. Seine Zunahme im Wein hat aber dadurch eine obere Grenze, daß die Hefe abstirbt, sobald der Spiritus in einer gärenden Flüssigkeit etwa 16 Volumenprozente erreicht.« Unsere Kenntnisse über die angesprochene alkoholische Gärung lassen sich vereinfacht wie folgt zusammenfassen: Der Abbau von Glucose mit Hilfe von Hefen erfolgt in 12 Reaktionsschritten – am Ende stehen die Reaktionsprodukte Ethanol und Kohlenstoffdioxid. Je nach Hefe und Gärungsbedingungen können Gärungsnebenprodukte wie Butandiole, Fuselöle (höhere Alkohole wie Amylalkohol), Glycerin (Glycerol) und Methanol entstehen. Aus dem Abbau der Glucose entsteht zunächst als Zwischenprodukt Brenztraubensäure (Pyruvat). Von den Monosacchariden sind außer Glucose auch Fructose und Galaktose vergärbar. Von den Di- und Trisacchariden sind es vor allem Saccharose und Maltose sowie in geringem Umfang auch Raffinose (aus Galaktose, Glucose und Fructose). Die ersten Stufen der Gärung verlaufen über eine Phosphorylierung der Glucose mit Hilfe des Enzyms Hexokinase zum Glucose-6-phosphat27). Einen einfachen Demonstrationsversuch zum Vorhandensein von Ethanol in Getränken beschreibt Lassar-Cohn in der Chemie des täglichen Lebens28): »Von vornherein sei gleich bemerkt, daß der Spiritus, wie im Wein, bei dem wir seine Anwesenheit soeben mit Hilfe der Destillation feststellten, auch in allen anderen von uns genossenen geistigen Getränken der wirksame, also anregende und, im Übermaß genossen, berauschend 27) ausführlich in G. Schwedt: Taschenatlas der
Lebensmittelchemie, Weinheim 2. Aufl. 2006, S. 220 Vorstufen der alkoholischen Gärung/
Vereinfachtes Schema der alkoholischen Gärung 28) 11. Aufl. 1925, S. 113
Vom Zucker zum Alkohol
wirkende Stoff ist. Den Nachweis, daß auch in sonstigen geistigen Getränken, z. B. im Biere ein sich wie Spiritus verhaltender, also beim Kochen sich verflüchtigender und brennbarer Körper vorhanden ist.
Abb. 38 Alkoholdestillation als Demonstrationsversuch (Lassar-Cohn: Die Chemie des täglichen Lebens, 11. Aufl. 1925).
131
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Aus Stärke wird Zucker, aus Zucker Alkohol
Zu dem Zwecke gießen wir den Inhalt einer Flasche Bier in einen gläsernen Kochkolben, auf welchem wir mittels eines Korkstopfens ein etwa 11/2 Meter langes Glasrohr aufsetzen. (…) Bringen wir jetzt das Bier in kräftiges Sieden und halten wir gleichzeitig neben die obere Öffnung der Glasröhre ein brennendes Streichholz, so entzündet diese die aufsteigenden und mit hoher Flamme weiterbrennenden Spiritusdämpfe. Diese Flamme erlischt natürlich sehr bald, da ja in dem verwendeten halben Liter Bier nur wenig Spiritus enthalten ist; immerhin haben wir ihn auf diesem Wege sozusagen direkt aus dem Bier herausbrennen können.«
Experiment 39 Vergärbarkeit verschiedener Zucker Materialien
Saccharose, Glucose, Fructose, Lactose, Hefe, hohe 25-ml-Bechergläser, Heizplatte, Thermometer (bis + 100 °C)
Durchführung
2 g Saccharose und 2 g käufliche Hefe werden mit 5 ml Wasser angemischt, sodass eine feine Aufschlämmung der Hefe entsteht. Auf der Heizplatte wird dann bis auf etwa 50 °C erwärmt.
Beobachtungen
Nach wenigen Minuten bildet sich ein Schaum mit deutlich sichtbaren Gasblasen.
Erläuterungen
Hefen der Gattung Saccharomyces besitzen ein ausgeprägtes Gärvermögen, d. h. sie setzen Kohlenhydrate wie Saccharose, aber auch Glucose, enzymatisch in Ethanol und Kohlenstoffdioxid um. Als Backhefe (oder Presshefe) wird die abgepresste (oder abgesaugte), durch Verhefen von Stärke und Zucker haltigen Nährsubstraten hergestellte Kulturhefe der Saccharomyces cerevisiae bezeichnet. Das aus der Glykolyse (Umwandlung von D-Glucose in 2 Moleküle Pyruvat = Salz der Brenztraubensäure) entstandene Pyruvat wird durch das Enzym Pyruvat-Dehydrogenase in Acetaldehyd und Kohlenstoffdioxid gespalten. Acetaldehyd wird anschließend durch die Alkohol-Dehydrogenase zu Ethanol reduziert. Nach dieser Vorschrift lässt sich die Gärfähigkeit sowohl für die anderen Zucker als auch von Trockenhefe im Vergleich feststellen. Die Zucker Saccharose, Glucose und Fructose sind vergärbar (mit unterschiedlicher Geschwindigkeit), die Lactose jedoch nicht.
7 Zuckeralkohole und synthetische Süßstoffe
7.1
Zuckeralkohole (mit Experimenten)
Zuckeralkohole sind meist Monosaccharide, deren reaktive Carbonylgruppe zur Alkoholgruppe reduziert ist. Mit 6 C-Atomen werden sie als Hexole, mit 5 C-Atomen als Pentitole bezeichnet. Allgemein schmecken sie süß, besitzen eine leicht abführende Wirkung, sind in Wasser löslich und im Vergleich zu den Monosacchariden (Zuckern) wesentlich reaktionsträger. Sie lassen sich nicht karamellisieren und nehmen auch beim Erhitzen nicht direkt an der Maillard-Reaktion (der nicht enzymatischen Bräunung) teil. In geringen Mengen kommen sie auch in der Natur vor – so Sorbit (Glucitol) in Äpfeln. Von den Bakterien der Mundflora werden sie nur in geringem Maße verstoffwechselt und wirken weniger kariös. Die physiologischen Brennwerte liegen zwischen 8 und 10 kJ g–1. Monosaccharid-Alkohole weisen einen Kühleffekt auf und werden daher zur Herstellung von sogenannten »Eis«-Bonbons und zur Feuchthaltung von Marzipan und Gebäck sowie als Zuckeraustauschstoffe verwendet. Als Lebenmittel-Zusatzstoffe sind folgende Zuckeralkohole zugelassen (Beispiele von Lebensmitteln siehe in G. Schwedt: Chemie und Supermarkt – Informationen zum Einkauf 29)): • E 420 Sorbit/Sorbitolsirup: Sorbit(ol) ist ein farbloser, optisch aktiver, süß schmeckender Zuckeralkohol (Schmelzbereich 92–96 °C), als Zuckeraustauschstoff und Feuchthaltemittel eingesetzt. Sorbitol wird aus Glucose hergestellt und hat im Vergleich zur Saccharose nur eine halb so große Süßkraft. • E 412 Mannit: Das Mannitol wird aus Manna oder Algen gewonnen und wird historisch auch Mannzucker genannt. Als Manna werden in der Biologie zuckerhaltigen Absonderungen aus Pflanzen bezeichnet. In der Bibel ist zu 26) Aulis 2006, S. 95f
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Zuckeralkohole und synthetische Süßstoffe
lesen, dass Gott den Israeliten Manna bei ihrer Wanderung durch die Wüste vom Himmel fallen ließ. E 953 Isomalt – aus den Bausteinen Glucose und Sorbit – hat eine relative Süßkraft von 0,5, wirkt nicht kariogen, jedoch stark laxierend. E 965 Maltit/Maltitsirup entsteht bei der Reduktion von Maltose (Malzzucker), kommt in verschiedenen Wurzeln und Knollen sowie in Malz vor und entsteht aus Stärke auch durch das Enzym Amylase. Maltit wird im Köper in Glucose und Sorbit umgewandelt, hat eine nur wenig geringere Süßkraft als Saccharose. E 966 Lactit wird aus Milchzucker (Lactose) gewonnen (relative Süßkraft 0,3). E 967 Xylit gehört zu den Pentiten (Kohlenhydrat mit 5 C-Atomen) und kommt in geringen Mengen auch in manchen essbaren Pilzen, in Obst und Gemüse vor. Xylit wird nahezu insulinunabhängig verstoffwechselt, besitzt fast die gleiche Süßkraft wie Saccharose, erzeugt beim Auflösen in der Mundhöhle einen kühlenden Effekt/Lösungswärme – 23,27 kJ mol–1 – Saccharose 6,21 kJ mol–1).
Experiment 40 Oxidation eines Zuckeralkohols Materialien
Zuckeralkohol Mannit, 0,2%ige Kaliumpermanganat-Lösung, Natriumcarbonat (Soda), 30-ml-Rollrandgläser
Durchführung
Ein kleiner Spatellöffel Mannit wird in einigen Milliliter Wasser gelöst. Dann fügt man zwei bis drei Tropfen an KaliumpermanganatLösung und einen kleinen Spatellöffel Soda hinzu.
Abb. 39 Manna – Sammeln von der Mannaesche (Quelle siehe Abb. 19).
Zuckeralkohole
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Beobachtungen
Nach der Zugabe von Soda tritt eine rasche Entfärbung bzw. ein Farbumschlag von Rotviolett nach Gelb ein.
Erläuterungen
Zuckeralkohole sind durch Reduktion aus den entsprechenden Zuckern entstanden – Mannit aus Mannose. Durch das Oxidationsmittel Permanganat in sodaalkalischer Lösung ist eine Oxidation wieder zum Zucker (einer Hexose) bzw. zur entsprechenden Säure möglich. Die Fehlingsche Probe jedoch fällt negativ aus. Mannit ist ein süß schmeckender, optisch aktiver Zuckeralkohol. Historisch hat Mannose als Manna (hebräisch man = Geschenk) im Alten Testament eine symbolische Bedeutung: Beim Zug der Israeliten durch die Wüste fiel Manna (als essbares Exsudat von Mannaeschen und/oder Mannschildläusen) vom Himmel.
Experiment 41 Zuckeralkohole in zuckerfreiem Kaugummi Materialien
»Zuckerfreier Kaugummi mit Süßungsmitteln mit Minzgeschmack. Zutaten: Sorbit, Kaumasse, Feuchthaltemittel Glycerin, Mannit, Aromen, Süßstoffe Aspartam, Acesulfam K, Emulgator Sojalecithin, Antioxidationsmittel BHA« (Wrigley’s Orbit® ohne Zucker); Rollrandgläser, Reagenzgläser, 0,2%ige Kaliumpermanganat-Lösung, Natriumcarbonat (Soda), Ninhydrin (Xn), Spirituslampe
Durchführung
Die Hälfte eines Kaugummis wird mit 5–10 ml Wasser im Glas kurz geschüttelt, die milchige Suspension in ein zweites Glas gefüllt. Man tropft soviel an Permanganat-Lösung hinzu, bis eine deutliche rotviolette Lösung entstanden ist. Dann wird ein kleiner Spatellöffel Soda gelöst. Die zweite Hälfte des Kaugummis mit einer Spatelspitze an Ninhydrin in ca. 3–5 ml Wasser im Reagenzglas bis zum Sieden erhitzt.
Beobachtungen
Nach dem Lösen des Natriumcarbonats entfärbt sich die Lösung bzw. tritt ein Farbumschlag nach Gelb auf. Im Reagenzglas tritt beim Erwärmen eine Blaufärbung sowohl als Punkte auf dem Kaugummi als auch in der Lösung (beim Sieden) auf.
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Zuckeralkohole und synthetische Süßstoffe
Erläuterungen
7.2
Die Zuckeralkohole Sorbit (Sorbitol: ein Hexit mit 6 C-Atomen, weit verbreitet in Algenarten und auch höheren Pflanzen, vor allem in den Früchten der Eberesche (Sorbus aucuparia); Süßkraft 0,55; E 420 als Zuckeraustauschstoff, Süßungs- und Feuchthaltemittel sowie Trägerstoff verwendet) und Mannit (s. o.) werden erst in sodaalkalischer Lösung oxidiert. Der Süßstoff Acesulfam K stellt eine Phenylalanin-Quelle dar (siehe Abschnitt 7.2) und reagiert mit Ninhydrin zu einer blau bis violett gefärbten Verbindung.
Süßstoffe und ihre Süßkraft (mit Experimenten)
Als Süßstoffe bezeichnet man allgemein Süßungsmittel, die ernährungsphysiologisch ohne energetischen Wert sind; sie besitzen also keinen Nährwert. Sie sind keine Erfindung unserer Zeit. Bereits in der Weimarer Republik (1918–1933) gab es ein Süßstoffgesetz – vom 14. Juli 1926, das am 1. September 1926 in Kraft trat. Darin wird vor allem eine Süßstoff-Steuer geregelt. Die darauf folgende »Reichsverordnung über den Verkehr mit Süßstoff vom 4. August 1926« nennt dann zwei damals im Handel befindliche Süßstoffe – Benzoesäuresulfinid (heute als Saccharin bezeichnet) und Dulcin. Nach der »Durchführungsbestimmung zum Süßstoffgesetz vom 24. Juli 1926« wird Süßstoff wie folgt definiert: »§ 1. Süßstoff im Sinne des Gesetzes sind alle auf künstlichem Wege gewonnenen Stoffe, die als Süßungsmittel dienen können und eine höhere Süßkraft als Saccharose, aber nicht den entsprechenden Nährwert besitzen. – Als Süßstoff gelten auch süßstoffhaltige Zubereitungen, die nicht zum unmittelbaren Genuß bestimmt sind, sondern nur als Mittel zur Süßung von Lebensmitteln dienen.« In Dr. Oetkers Warenkunde von 1934 – mit dem Slogan »Dem Kaufmann zur Ehre, dem Käufer zur Lehre!« wird unter dem Stichwort Süßstoffe auf Saccharin verwiesen: »Saccharin ist ein künstlicher Süßstoff von komplizierter chemischer Zusammensetzung (Benzoesäuresulfinid), ein weißes, kristallinisches Pulver, welches 500-mal süßer als Rohrzucker ist. Als Nahrungsmittel
Süßstoffe und ihre Süßkraft
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wertlos, für Diabetiker ein Ersatzmittel für Zucker. Er darf nur in Apotheken verkauft werden. Über die Verwendung von Saccharin bestehen gesetzliche Vorschriften.« Im Anhang wird dann ein Auszug »Aus der Verordnung über den Verkehr mit Süßstoff vom 4. August 1926 und 6. Juli 1928« wiedergegeben: 1. »Benzoesäuresulfinid-Süßstoff darf nur in Fabrikpackungen (Originalpackungen) verkauft werden. Auf den Päckchen muß in deutscher Sprache angegeben sein: a) Der Inhalt des Päckchens nach deutschem Gewicht, bei Tabletten die Stückzahl; b) Eine Angabe, welcher Menge Zucker der Inhalt der Packung entspricht. 2. Der Süßstoff »Dulcin« darf nur in Apotheken verkauft werden, Mengen über 1 g nur auf ärztliches Attest. 3. Die Verordnung verbietet, künstliche Süßstoffe (Saccharin) bei der Herstellung von Bier, Wein, Likör, Fruchtsäften, Konserven usw. zu verwenden. 4. Die Verwendung von Süßstoff zur Herstellung von Limonaden, Essig, Mostrich, obergärigem Einfachbier, Oblaten und zur Herstellung von für Zuckerkranke bestimmten Lebensmitteln ist gestattet, sie müssen aber die Bezeichnung tragen ›Mit künstlichem Süßstoff zubereitet‹«. Saccharin ist der am längsten bekannte künstliche Süßstoff. Er wurde 1879 von dem deutschen Chemiker C. Fahlberg (1850–1910) synthetisiert. Saccharin als Natrium-, Kalium- oder Calciumsalz des Benzoesäure-sulfimids wird vom Menschen und auch von Tieren innerhalb von 48 Stunden fast vollständig und unverändert wieder ausgeschieden. Dulcin ist ebenfalls ein synthetischer Süßstoff – ein Phenylharnstoffderivat, das verglichen mit der Saccharose eine 200-fache Süßkraft hat. Es wurde vielfach mit Saccharin kombiniert eingesetzt, später aber verboten, da bei der Verfütterung an Ratten Tumore in Blase, Nieren und Leber auftraten. Saccharin allein hat den Nachteil, dass in höherer Konzentration ein leicht bitterer Nachgeschmack auftritt. Unter Süßstoffen versteht man heute allgemein sowohl synthetische als auch natürliche Stoffe, die eine mindestens 10-fache Süßkraft im Vergleich zur Saccharose aufweisen. Als Zusatzstoffe zugelassen sind:
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Zuckeralkohole und synthetische Süßstoffe
Abb. 40 Werbung für den Süßstoff Saccharin an einer Litfaß-Säule.
• Acesulfam-K (200-mal süßer als Saccharose) E 950: Das synthetische Süßungsmittel wurde 1967 zufällig entdeckt. Es ist in Wasser gut löslich, bei den in Lebensmitteln bzw. bei der Lebensmittelverarbeitung üblichen pHWerten und Temperaturen stabil. Der Süßgeschmack setzt relativ schnell ein, klingt aber auch schnell wieder ab. Mit anderen Süßstoffen sind synergistische Wirkungen nachgewiesen, sodass weniger Süßstoff verwendet werden kann. • Aspartam (200-mal), enthält eine Phenylalaninquelle, E 951 ist ein Aspartylphenylalanin-methylester, ein synthetisches Süßungsmittel, dessen Süßgeschmack 1965 entdeckt wurde. Beim Erhitzen wird es abgebaut, bei pH 4 ist es am stabilisten, die Löslichkeit in Wasser ist jedoch bei pH 2,2 am höchsten, bei pH 5,2 am geringsten. Wegen dieser Eigenschaften wird es bevorzugt in sauren Lebensmitteln eingesetzt. • Cyclamat, Cyclohexansulfamidsäure und ihre Natrium- und Calciumsalze (30–50-mal süßer), E 952: Der Süßgeschmack dieser synthetischen Süßungsmittel wurde 1944 entdeckt. Cyclamate sind gut in Wasser löslich und stabil. Bei höheren Konzentrationen tritt jedoch ein Nebengeschmack auf, sodass sie meist im Gemisch mit anderen Süßstoffen, z. B. mit Saccharin im Verhältnis 10:1, eingesetzt werden.
Süßstoffe und ihre Süßkraft
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Abb. 41 Etikett einer Süßstofftüte (mit Angabe der Süßkraft).
• Saccharin und seine Natrium-, Kalium- und Calciumsalze (500-mal süßer), E 954 (s. o.) weist mit steigender Konzentration einen metallischen Beigeschmack auf und im Vergleich zu Zuckern und anderen Süßungsmitteln einen lang anhaltenden süßen Nachgeschmack und wird daher in Gemischen (s. o. Cyclamat) verwendet. • Sucralose, Trichlorgalaktosaccharose, synthetisches Süßungsmittel, E 955: Bei gezielten Saccharose-Derivatisierungen wurde es 1976 in Großbritannien gewonnen. Die weiße, kristalline, nicht hygroskopische Substanz ist in saurer Lösung hydrolysierbar, wird unter den normalen Bedingungen der Lebensmittelverarbeitung jedoch nicht abgebaut. Die Süßkraft ist im Vergleich zur Saccharose um den Faktor 30–35 höher. Sucralose weist einen reinen Süßgeschmack auf. • Thaumatin, Eiweiß aus einer afrikanischen Pflanze (2500-mal süßer), E 957 kommt im Samenmantel der Frucht von Thaumatococcus deniellii, einem
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Zuckeralkohole und synthetische Süßstoffe
Pfeilwurzelgewächs, vor und stellt ein Gemisch aus drei Polypeptiden aus 207 Aminosäuren dar. Der Süßgeschmack wird vor allem durch 5 Lysinreste im Molekül bestimmt, da thaumatinähnliche Moleküle ohne diese Aminosäure keine Süßungsmittel sind. Die Süße wird verzögert wahrgenommen, ist aber sehr anhaltend. In wässriger Lösung ist Thaumatin nicht stabil. Es ist zum Süßen von Kaugummi und Süßwaren zugelassen • Neohesperidin DC (600-mal süßer), Vorkommen in Zitrusfrüchten, E 959: Neohesperidin ist ein Bitterstoff der Pomeranzen, Grapefruits und bitteren Orangen. Als Dehydrochalcon, also als teilweise synthetisches Süßungsmittel (aus Citrusschalen darstellbar), ist es als Süßungsmittel mit begrenzten Einsatzmöglichkeiten zugelassen. Es ist nur begrenzt hydrolysestabil, seine Wasserlöslichkeit nimmt erst im Alkalischen deutlich zu und es weist einen nachhaltigen, Menthol artigen Nachgeschmack auf.
Experiment 42 Süßstoffe ohne Kalorien? Materialien
Süßungsmittel (Tabletten), 2 Rollrandgläser, Plastikpipette, 0,1%ige Kaliumpermanganat-Lösung, Natriumcarbonat (Soda)
Durchführung
2–3 des in Tablettenform kommerziellen Süßungsmittels werden mit etwa 5 ml Wasser im Glas kurz geschüttelt, sodass sich ein Teil löst. Dann fügt man einige Tropfen der Permanganat-Lösung bis zu deutlichen Rotviolettfärbung der Lösung hinzu und ebenso viele Tropfen in das zweite Glas mit dem gleichen Volumen an Wasser (Blindlösung). Zuletzt löst man in beiden Gläsern einen Spatellöffel Natriumcarbonat.
Beobachtungen
Im Glas mit dem Süßungsmittel tritt langsam ein Farbumschlag nach Gelb ein, in der Blindlösung bleibt die rote Farbe in der gleichen Zeit weitgehend erhalten.
Erläuterungen
Kommerziell in Super- oder Drogeriemärkten erhältlichen Süßungsmittel enthalten nicht nur Süßstoffe wie Cyclamat, Saccharin und Acesulfam-K (meist in Gemischen), sondern auch Zuckeraustauschstoffe wie Fructose oder Lactose. Diese beiden Zucker verursachen die Reduktion des Permanganats und haben einen,
Süßstoffe und ihre Süßkraft
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wenn auch geringen Energieinhalt des Süßungsmittels zur Folge, der angegeben werden muss.
Experiment 43 Saccharin – kalorienfrei Materialien
Süßstoff »Sukrinetten« – Saccharin – kalorienfrei, »Ein Stück süßt wie 7,2 g Zucker« (Apotheke), 2%ige Kaliumpermanganat-Lösung, Natriumcarbonat, 30-ml-Rollrandglas
Durchführung
Eine winzige Tablette wird in etwa 10 ml Wasser gelöst, mit einigen Tropfen Kaliumpermanganat-Lösung und einem Spatellöffel Natriumcarbonat versetzt.
Beobachtungen
Innerhalb der bei Glucose und auch Saccharose sowie des Süßstoffes in Experiment 42 genannten Zeit bis zur Entfärbung der Permanganat-Ionen (auftretende Gelbfärbung) ist keine Veränderung der roten Farbe in der Lösung zu beobachten.
Erläuterungen
Wie angegeben ist Saccharin kalorienfrei und lässt sich nicht oxidieren.
8 Zuckerwaren – von A bis Z (mit Experiment und Rezepten)
Abb. 42 Der Zuckerbäcker (Kupferstich) – Quelle siehe Abb. 7.
Als Zuckerwaren werden alle zu den Süßwaren zählenden Erzeugnisse aus Zucker jeglicher Art – allein oder mit Zusätzen wie Stärkesirup, Malzextrakt, Milch(erzeugnissen), Eiern, Honig, Fett, Kakao(erzeugnissen) bezeichnet. Die wichtigsten und am meisten verbreiteten Zuckerwaren werden im Folgenden kurz vorgestellt:
Zuckersüße Chemie. Georg Schwedt Copyright © 2010 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim ISBN: 978-3-527-32786-7
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Zuckerwaren – von A bis Z
• Bonbons (Karamellen) bestehen aus Zucker, Stärkesirup, Farb- und Aromastoffen. Weichkaramellen (Toffees) enthalten zusätzlich Fett (5–15 %), Emulgatoren und Wasser (6 %) und durchschnittlich bis zu 45 % Saccharose, 40 % Stärkesirup und 5 % Invertzucker. • In Gelee-, Gummi-, Gelatine-Zuckerwaren und in Kaugummis sind neben Zucker charakteristische Quell- und Geliermittel enthalten. Gelierzuckerware besteht aus Zucker, Stärkesirup und Geliermitteln wie Agar-Agar, Pektin oder Speisegelatine sowie Aroma- und Farbstoffen. Nach dem Gelieren können die in Formen gegossenen Produkte noch bezuckert, glasiert oder mit Schokolade überzogen werden. Man unterscheidet zwischen den Gelees oder auch Gummis aus Polysacchariden und denen aus Gelatine (Eiweiß). Kaugummis bestehen zu 20–25 % aus Kaumasse (Latex, Guttapercha, Benzoeharz, Gummi arabicum oder synthetischen Thermoplasten wie Polyvinylacetat), 50–60 % Puderzucker, 15–20 % Stärke- oder Glucosesirup sowie Aromastoffen. Zuckerfreie Kaugummis enthalten als Süßungsmittel z. B. Sorbit oder Aspartam (siehe Abschnitt 7.1 und 7.2).
Abb. 43 Süßholzstrauch (Quelle siehe Abb. 19).
Zuckerwaren – von A bis Z
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• Krokant ist eine Zuckerware aus Nüssen, Mandeln sowie geschmolzenem, karamellisiertem Zucker. • Lakritzen (Lakritzzuckerwaren) enthalten neben Mehl, Zucker und Sirup den schwärzlichen Süßholz-Trockendicksaft. Sie bilden eine glatte, schwarzbraune Zuckerware von lederartiger Konsistenz aus 30–45 % verkleistertem Mehl, neben oder teilweise anstelle von Zucker (30–40 %) eventuell GlucoseSirup, Geliermittel und mindestens 3 % an Süßholzsaft. • Nougat (Nugat – von lat. nux = Nuss) setzt sich aus Zucker (höchstens 35 %), geschälten Nusskernen und Kakao-Erzeugnissen zusammen. • Pralinen können aus verschiedenen Schokoladen-Arten und anderen Lebensmitteln bestehen, wobei der Schokoladen-Anteil aber mindestens 25 % ausmachen muss. • Schaumzuckerwaren werden aus Zucker, Glucosesirup sowie schaumbildenden Eiweißstoffen (Eiklar) und Verdickungsmitteln (Agar-Agar, Pektin, Speisegelatine) hergestellt.
Experiment 44 Die Inhaltsstoffe von Orangendragees Materialien
Orangendragees (tictac®) – Zutaten: Zucker, Maltodextrin, Säuerungsmittel Weinsäure, Reisstärke, Aromen, Verdickungsmittel Gummi arabicum, Trennmittel Magnesiumsalze von Speisefettsäuren, Antioxidationsmittel Ascorbinsäure, Überzugsmittel Karnaubawachs, 2 Reagenzgläser, 0,1%ige Iodlösung, 5%ige Eisen(III)sulfat-Lösung, Plastikpipetten
Durchführung
Ein Dragee wird im Reagenzglas mit Wasser (etwa 5 cm hoch) geschüttelt, bis gerade eine trübe Suspension entstanden ist (ohne den vollständigen Zerfall des Dragees abzuwarten). Dann tropft man (ohne zu schütteln) einige wenige Tropfen der Iodlösung hinzu. Im zweiten Reagenzglas wird ebenfalls ein Dragee »angelöst«. Dann fügt man 2–3 Tropfen der Eisen(III)sulfat-Lösung hinzu.
Beobachtungen
Die Iodlösung verteilt sich nur in der obersten Schicht, die dann zwei deutlich unterscheidbare Farben aufweist: am obersten Rand dunkelbraun, darunter blau (am untersten Rand violett).
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Zuckerwaren – von A bis Z
Abb. 44 Sahne-Karamell-Bonbons (um 1950).
Nach der Zugabe der Eisen(III)sulfat-Lösung entsteht direkt über dem angelösten Dragee an intensive Gelbfärbung.
Erläuterungen
Die Iodreaktion zeigt zwei Inhaltsstoffe: Das Maltodextrin färbt sich dunkelbraun (Vergleich z. B. mit einer »Sofort-Gelatine«, die außer Gelatine auch Maltodextrin enthält.), die Stärke blau bis violett. Die intensive Gelbfärbung über dem Dragee durch Eisen(III)Ionen ist auf die Bildung eines Komplexes mit der Weinsäure zurückzuführen.
Rezepte30)
Rezept 1989. Bonbons oder Zuckerln. Man kocht 500 g fein gestoßenen Zucker bis zum Bruch, d. h. so lange, bis man ihn von einem zur Probe eingetauchten Hölzchen krachend abbrechen kann oder ihn durchbeißen kann, ohne daß er an den Zähnen hängen bleibt. Während des Kochens fügt man Zitronen-, Pomeranzenoder Vanillinzucker hinzu. Zeigt die Probe, daß der Zucker den
30) aus Mathilde Ehrhardt: Großes illustriertes Kochbuch für den einfa-
chen bürgerlichen und den feineren Tisch, Berlin 1904
Zuckerwaren – von A bis Z
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richtigen Grad erreicht hat, so gießt man ihn auf eine glatte, etwas schräg gestellte Steinplatte, die man vorher mit Mandelöl bestrichen hat, und zwar von der oberen Seite her, damit er sich selbst ausbreiten kann. So lange der Zucker noch weich ist, schneidet man ihn mit einem großen Messer zu fingerbreiten Vierecken ein, aber nicht ganz durch, fährt hierauf mit dem Messer zwischen Stein und Zuckerplatte hindurch und hebt diese auf ein kaltes Blech. Nachdem die Platte vollständig erkaltet ist, bricht man sie in den Einschnitten durch. (…) Rezept 1990. Gefüllte Bonbons. Man kocht den Zucker wie im vorigen Rezept angegeben, gießt aber den Zucker nur ganz dünn auf den Stein, zu welchem Zweck man den Stein etwas schräger legen muß. Solange der Zucker noch warm ist, streicht man zähe Marmelade oder steifes Fruchtgelee darauf und gießt die zweite Schicht Zucker darüber. Nun verfährt man weiter nach Rez. 1989.
Abb. 45 Mittelalterlicher Verkaufsstand eines Apothekers, der Zuckerhüte und Zuckerplätzchen anbietet (Romain Gilles: Le Gouvernement de Princes, Ende 15. Jahrh.).
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Zuckerwaren – von A bis Z Rezept 1992. Zuckerplätzchen. Man schlägt 3 Eigelb mit 200 g fein gestoßenem Zucker und dem Abgeriebenen von 1 Zitrone oder Limone in 15–20 Minuten schaumig, mischt den steifen Schnee von 3 Eiweiß darunter und rührt zuletzt möglichst schnell 200 g Puder- oder Reismehl hinzu. Man gibt die Masse in eine Tüte, drückt mit derselben kleine Plätzchen auf ein mit Butter bestrichenes Blech und backt sie mit gelinder Hitze lichtgelb. Rezept 2015. Schaumstückchen. Man schlägt 12 Eiweiß zu festem Schnee und mischt denselben leicht mit 750 g gesiebtem Zucker; von dieser Mischung bildet man auf einer mit Wachs bestrichenen Platte mit Hilfe einer Kuchenspritze verschiedene Formen, die man sofort mit buntgefärbtem Zucker und Mohnsamen bestreut und in einem schon abgekühlten Ofen trocknet. (…)
Literatur
Abel, Gustav: Chemie in Küche und Haus, Teubner, Leipzig 1905 Baltes, Werner: Lebensmittelchemie, 6. Aufl., Springer, Heidelberg/Berlin 2007 Belitz, H.-D., W. Grosch, P. Schieberle: Lehrbuch der Lebensmittelchemie, 5. Aufl., Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 2001
Heidrich, Hermann und Sigune Kussek (Hrsg.): Süße Verlockung. Von Zucker, Schokolade und anderen Genüssen, Reihe Arbeit und Leben, Band 11, Schleswig-Holsteinisches Freilichtmuseum, Molfsee bei Kiel 2007 Joerissen, Peter, Rita Wagner (Hrsg.): Süßes Rheinland. Zur Kulturgeschichte des Zuckers, Bouvier Verlag, Bonn 1998
Bilder-Conversations-Lexikon für das deutsche Volk. Ein Handbuch zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse und zur Unterhaltung. In vier Bänden, F. A. Brockhaus, Leipzig 1837–1841
Klages, Friedrich: Das Weltreich der Chemie. Eine Wissenschaft im Dienste der Menschheit, Societäts-Verlag, Frankfurt 1970
Bruhns, Guntwin: 100 Jahre Institut für Zuckerindustrie – Zucker-Museum – in der Amrumer Straße, Förderkreis Zucker-Museum, Dr. K. Bartens Verlag, Berlin 2004
Lebensmittelrecht – EG-Lebensmittel-Basisverordnung, Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch mit den wichtigsten Durchführungsvorschriften, 2. Aufl., dtv, München 2005 (Stand 1. August 2005)
Bruhns, Guntwin: 250 Jahre Rübenzucker 1747– 1997. Was Marggrafs Entdeckung bewirkte und veränderte, Zucker-Museum, Berlin 1997 Bruhns, Guntwin: Zuckerfabrikation zur Zeit Achards. Über die Kunst des Zuckersiedens, Förderkreis Zucker-Museum, Verlag Dr. K. Bartens, Berlin 2001 Buchheister, G. A., Georg Ottersbach: Handbuch der Drogisten-Praxis. Ein Lehr- und Nachschlagebuch für Drogisten, Farbwarenhändler usw., 2. Aufl., Verlag Julius Springer, Berlin 1917 Dornblüth, Fr.: Johnstons Chemie des täglichen Lebens, 2. Aufl., Verlag Carl Krabbe, Stuttgart 1887 Dünnebier, Anna: »Leere Töpfe, volle Töpfe«, mit Gert v. Paczensky, 1. Aufl. Verlag Albrecht Knaus, München 1994 Elmadfa, Ibrahim, Claus Leitzmann: Ernährung des Menschen, 4. Aufl., Ulmer, Stuttgart 2004 Freise, Ed., F. von Morgenstern: Der Drogist. Lehrund Nachschlagebuch für Drogisten und Apotheker, H. Killinger Verlagsges., Nordhausen o.J. (um 1930)
Lemery, Nicolai: Vollständiges Materialien-Lexikon, Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1721, Olms Verlag, Hildesheim 2002 Liebig, Justus von: Chemische Briefe, Nachdruck der 6. Aufl., Leipzig und Heidelberg 1878, Olms Verlag, Hildesheim 1967 Löbbert, Reinhard, Dietlind Hanrieder, Ulrike Berges, Joachim Beck: Lebensmittel. Waren-Qualitäten-Trends, 2. Aufl., Europa-Lehrmittel, HaanGruiten 2001 Mechling, M.: Lassar-Cohn Die Chemie im täglichen Leben. Gemeinverständliche Vorträge. 11. Aufl., Verlag R. Voß, Leipzig 1925 Neumüller, O.-A.: Duden Das Wörterbuch chemischer Fachausdrücke, Dudenverlag, Mannheim u. a. 2003 Pilgrim, E.: Chemie überall Chemie, 3. Aufl., Wiss. Verlagsges., Stuttgart 1946 Schneider, Wolfgang: Wörterbuch der Pharmazie. 4 Geschichte der Pharmazie, Wiss. Verlagsges., Stuttgart 1985
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Literatur
Schwedt, Georg: Chemie für alle Jahreszeiten. Einfache Experimente mit Naturstoffen, WileyVCH, Weinheim 2007
Schwedt, Georg: Noch mehr Produkte mit Supermarktprodukten. Das Periodensystem als Wegweiser, 2. Aufl., Wiley-VCH, Weinheim 2009
Schwedt, Georg: Chemie und Supermarkt – Informationen zum Einkauf, Aulis Verlag Deubner, Köln 2006
Schwedt, Georg: Taschenatlas der Lebensmittelchemie, 2. Aufl., Wiley-VCH, Weinheim 2005
Schwedt, Georg: Experimente mit Supermarktprodukten. Eine chemische Warenkunde, 3. Aufl., Wiley-VCH, Weinheim 2009 Schwedt, Georg: Experimente rund ums Kochen, Braten, Backen, Wiley-VCH, Weinheim 2004 Schwedt, Georg: Lebensmittel- und Umweltanalytik mit Teststäbchen, Aulis Verlag Deubner, Köln 1997
Schwedt, Georg: Was ist wirklich drin? Produkte aus dem Supermarkt, Wiley-VCH, Weinheim 2006 Ternes, Waldemar, Alfred Täufel, Liselotte Tunger, Martin Zobel (Hrsg.): Lexikon der Lebensmittel und der Lebensmittelchemie, 4. Aufl., Wiss. Verlagsges., Stuttgart 2005 Thöna, Karl: Chemie im täglichen Leben. Praktische chemische Untersuchungen mit einfachen Mitteln für jedermann, Verlag Hallwag, Bern o.J.
Anhang
Strukturformeln zu den wichtigsten Kohlenhydraten und Süßstoffen31)
Abb. 1 Die Disaccharide: Saccharose und Lactose.
31) Quellen: G. Schwedt, Chemie und Supermarkt – Informationen zum
Einkauf, Aulis Verlag Deubner, Köln 2006; G. Schwedt, Taschenatlas der Lebensmittelchemie, Wiley-VCH, Weinheim, 2. Auflage 2005
Zuckersüße Chemie. Georg Schwedt Copyright © 2010 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim ISBN: 978-3-527-32786-7
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Anhang
Abb. 2 Die Monosaccharide: Glucose und Fructose – verschiedene
Darstellungen: offene Form – Ringform – Sesselform und Haworthsche Ringformel.
Anhang
Abb. 3 Oxidation von Glucose zu Glucon- bzw. Glucuronsäure
(mit innermolekularer Wasserabspaltung zum Lacton).
Abb. 4 Ausschnitte aus den Polysacchariden Amylose und Amylopektin als Bestandteile der Stärke.
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154
Anhang
Abb. 5 Strukturelemente modifizierter Stärken.
Anhang
Abb. 6 Zuckeralkohole: Xylit – Sorbit – Mannit – Isomalt sowie Maltit und Lactit.
155
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Anhang
Abb. 7 Süßstoffe: Saccharin – Cyclamat – Aspartam – Acesulfam K.
Liste der Experimente
Kap. 2 Honig 1: Zur Temperaturabhängigkeit der Viskosität 23 2: Nachweis der reduzierenden Zucker 23f. a) Vereinfachte Fehling-Reaktion 23f. b) Oxidation mit Kaliumpermanganat in sodaalkalischer Lösung 3: Nachweis der Amylase-Aktivität 25 4: Nachweis der Aminosäuren 26 5: Säuren im Honig 26 6: Farbstoffe im Honig 27 Kap. 3 7: Wirkung von Alaun beim Zuckersieden 43 8: Butter als Schaumverhüter beim Zuckersieden 9: Brauner Rohr-Zucker 69 10: Vanillin-Zucker oder Vanille-Zucker 70
44
Kap. 4 Zuckerrübenextrakt 11: Herstellung eines Zuckerrüben-Extraktes 84 12: Bestimmung des pH-Wertes im Zuckerrübenextrakt 13: Permanganat-Reaktion 85 14: Eiweiß-Nachweis 86 15: Iod-Reaktion 86 16: Cellulose-Nachweis 87
85
Kap. 5 17: Nachweis reduzierender Zucker mit dem Trommer-Test 94 18: Nachweis reduzierender Zucker mit der Fehling-Lösung 95 19: Nachweis reduzierender Zucker mit der Tollens-Lösung 96 Glucose 20: Nachweis reduzierender Zucker mit Nylanders Reagenz 100 21: Traubenzucker in Rosinen 101 22: Reaktion mit verdünnter Mineralsäure 103 23: Reaktion mit alkalischer Kupfersalz-Lösung – ohne Erhitzen 104 24: Reaktion mit Kupferacetat in der Hitze 104 Zuckersüße Chemie. Georg Schwedt Copyright © 2010 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim ISBN: 978-3-527-32786-7
24f.
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Liste der Experimente
25: Reaktion mit Kaliumhexacyanoferrat(III), mit rotem Blutlaugensalz 26: Erhitzen mit Eisen(III)salz 105 27: Reaktion mit Indigotin bzw. Indigo 106 Fructose 28: Löslichkeitsvergleich von Fructose und Glucose
107
Saccharose 29: Oxidation von Saccharose in sodaalkalischer Lösung Lactose 30: Lactose reduziert schwarzes Kupferoxid Gelierzucker 31: Gelierzucker mit Pektion 113 32: Verdickungsmittel zur Gelierung
112
114
Kap. 6 Stärkeabbau 33: Stärkeverzuckerung – durch Säure 34: Stärkeabbau durch Enzyme 121
120
Sirupe 35: Heller Sirup – dunkler Sirup 123 36: Karamellisierung 126 37: Vom Karamell zu Zuckercouleur 127 38: Zur Feuerzangenbowle 128 Vom Zucker zum Alkohol 39: Vergärbarbeit verschiedener Zucker
132
Kap. 7 Zuckeralkohole 40: Oxidation eines Zuckeralkohls 134 41: Zuckeralkohole in zuckerfreiem Kaugummi Süßstoffe 42: Süßstoffe ohne Kalorien? 141 43: Saccharin – kalorienfrei 142 Kap. 8 Zuckerwaren 44: Die Inhaltsstoffe von Orangendragees
146
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Liste der Rezepte
– – – – – – – – – –
Würzhonig 8 Erlesener Würzwein. Conditum paradoxum 8 Römische Honigrezepte 11 Honig mit Milch und Brot 11 Apfelmarmelade mit Honig 12 Arme Ritter 12 Bonbons oder Zuckerln 147 Gefüllte Bonbons 148 Zuckerplätzchen 148 Schaumstückchen 148
Register
a
f
Abwasserprozess, Zuckerfabrik Acesulfam-K 138 Achard, Franz Carl 51f. Affination 84 Ahornsirup 124 Akazienhonig 18 Alkoholdestillation 131 Aminosäuren, Honig 26 Amylase-Aktivität, Honig 25 Apicius, Kochbuch 7f. Aspartam 138
71ff.
Fahlberg, C. 137 Farbstoffe, Honig 27 Farin 40, 67 Fehling, Hermann Ch. 95 Fehling-Lösung 95f. Fehling-Reaktion 23f. Feuerzangenbowle 128 Fischer, Emil Hermann 97f. Flavonoide, Honig 27 Fruchtzucker 67, 106ff. Fructose 67, 106ff.
b
g
Baeyer, Adolf von 97 Banting, F. G. 117 Bärenfang 15 Best, Charles Herbert 117 Beta-Rübe 51f. Bibel, Honig 3ff. Bioethanol 129 Blütenhonig 17 Bonbons 145 – gefüllte 148 – Honig- 19f. Branntwein 129 Bräunung, enzymatische 125f. Briefe, Chemische (Liebig) 93, 110
Gärung 129f. Gärungsnebenprodukte 130 Gelatine-Zuckerwaren 145 Gelee Royale 19 Gelee-Zuckerwaren 145 Gelierung, Verdickungsmittel Gelierzucker 67, 113f. Gerstenzucker 42 Glucose 99f. Glucose-Fructose-Sirup 124 Glucose-Nachweise 102ff. Glucose-Reaktionen 103ff. Glucosesirup 67 Grümmel-Kandis 67 Gummi-Zuckerwaren 145
c Cyclamat
h
138
d Dextrose 68 Dextrose-Äquivalent Diabetes 118 Dicksaft 84 Dulcin 137 Dünnsaft 84
122
e Einmachzucker 67 Enzyme, Stärkeabbau 121 Erlenmeyer, Emil 97
Hagelzucker 67 Handel, Zucker- 88ff. Haworth, Walter Norman Heidehonig 18 HMF 22 Honig 3ff. – Akazien- 17 – Aminosäuren 26 – Amylase-Aktivität 25 – Bibel 3ff. – Blüten- 17 – Farbstoffe 27 – Flavonoide 27 – Heide- 18
Zuckersüße Chemie. Georg Schwedt Copyright © 2010 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim ISBN: 978-3-527-32786-7
98
114f.
162
Register
– Honigtau- 17 – Inhaltsstoffe 21f. – Klee- 18 – Linden- 18 – Press- 18 – Raps- 18 – reduzierende Zucker 23f. – Säuren 26 – Scheiben- 18 – Schleuder- 18 – Sommerblüten- 18 – Tannen- 18 – Tropf- 18 – Viskosität 23 – Waben- 18 – Wald- 18 – Zucker 23f. Honigbienen 20f. Honigbonbons 19f. Honigkuchen 20 Honiglikör 15 Honig-Rezepte 11f. Honigrohr 45 Honigschaumwein 16 Honigsorten 17f. Honigtauhonig 17 Honigverordnung 16f. Honigwein 10, 15 Hutzucker 38f. Hydroxymethylfurfural 22
i Insulin 117 Invertzuckercreme Isomalt 134
22, 67
Kolonialzucker 80f. Krankheiten (durch Zucker) Krokant 145 Krusten Kandis 68 Kunsthonig 22
115ff.
l Lactit 134 Lactose 68, 109f. Lakritzen 145 Läuterungspfannen 79 Lebensmittelbuch, Deutsches 16 Liebig, Chemische Briefe 93, 110 Liebig, Justus 93 Lindenhonig 18
m Maillard, L. C. 125 Maillard-Reaktion 125 Maische 84 Maltit 134 Maltit-Sirup 134 Manna 135 Mannit 133 Marggraf, Andreas Sigismund Materialien-Lexikon 34ff. Melanoidine 127 Melasse 125 Met 12ff. Milchzucker 68, 109ff. Mitscherlich, Eilhard 93f. Monosaccharide 99ff. Mulsum 9f. Muscovade 38
46f.
n k Kampagne, Zuckerrüben- 90f. Kandis 68 – Grümmel- 67 – Kluntje 68 – Krusten 68 Kandisablaufsirup 125 Kandiszucker 40f. Karamell 127 Karamellisierung 125f. Karamellsirup 125 Kastenzucker 38 Kaugummi, zuckerfrei 135 Klarsaft 84 Kleehonig 18 Kluntje Kandis 68 Kochbuch, Apicius 7f. Kohlenhydrate, Physiologie 115ff.
Nektar 20f. Neohesperidin 140 Nordzucker 88 Nougat 146 Nylander, C. W. G. 100 Nylanders Reagenz 100f.
o Orangendragees
146
p Pektin 113f. Pelouze, Theophile Jules 93 Penidzucker 41f. Pfeifer & Langen, Köln 88f. Physiologie, Kohlenhydrate 115ff. Pralinen 146 Presshonig 18
Register Puderzucker
Tollens, B. Ch. G. 96f. Tollens-Lösung 96f. Traubenzucker 68 Trommer, Karl August 94 Trommer-Test 94f. Tropfhonig 18
41f., 68
r Raabe, Wilhelm 71ff. Raffinade 84 – Zucker 68 Rapshonig 18 Rautheim, Zuckerfabrik Rezepte, Honig- 11f. Rohrzucker 68 Rosinen 101 Rübenkraut 124 Rübensirup 124 Rübenzucker 46ff. Runkelrübe 53
v
74f.
Vanillezucker 68, 70 Vanillinzucker 68, 70 Verdickungsmittel, Gelierung Vergärbarkeit, Zucker 132
w Wabenhonig 18 Waldhonig 18 Ware, historisch 29f. Warenkunde, historisch 29ff. – Zucker 29ff. Weinkeller, Römischer 9f. Würfelzucker 55, 68 Würzhonig 8 Würzwein 8
s Saccharin 136, 139 Saccharose 108f. Saccharum 35f. Sala, Angelus 45 Sanger, Frederick 118 Säuren, Honig 26 Schaumstückchen 148 Schaumverhüter, Zuckersieden Schaumzuckerwaren 146 Scheibenhonig 18 Schlaraffenland 4f. Schleuderhonig 18 Seignette, E. 100 Siedehaus 77 Sirup 40, 123f. – Ahorn- 124 – Glucose- 67 – Glucose-Fructose- 124 – Kandisablauf- 125 – Karamell- 125 – Maltit- 134 – Rüben- 124 – Sorbit- 125, 133 Sommerblütenhonig 18 Sorbit 133 Sorbitsirup 125, 133 Stärkeabbau 121 Stärkesirupe 121ff. Stärkeverzuckerung 119f. Sucralose 139 Südzucker 88 Süßkraft 136ff. Süßstoffe 136ff.
t Tannenhonig 18 Thaumatin 139
44
x Xylit
134
z Zahn, Helmut 118 Zucker, Brauner 67 – Einmach- 67 – Feinster 68 – Flüssiger 67 – Gelier- 67, 113f. – Gersten- 42 – Hagel- 67 – Hut- 38f. – Kandis- 40f. – Kasten- 38 – Kolonial- 80f. – Penid- 41f. – Puder- 41f., 68 – Raffinade 68 – reduzierende 23f. – Rohr- 68 – Rüben- 46ff. – Vanille- 68, 70 – Vanillin- 68, 70 – Vergärbarkeit 132 – Warenkunde 29ff., 58ff. – Würfel- 5, 68 Zuckerahorn 60 Zuckeralkohole 133ff. Zuckerbrot 38f.
114f.
163
164
Register
Zuckercouleur (-kulör) 69, 127 Zuckerfabrik 81 – Abwasserprozess 71ff. – Rautheim 74f. Zuckerfabrikation 53f. Zuckergewinnung, Brockhaus (1841) Zuckerhandel 88ff. Zuckerhut 69 Zuckerkannt 40 Zuckermuseum, Berlin 62ff. Zuckerpalme 59 Zuckerplätzchen 148 Zuckerraffinerie 63, 78f. Zuckerrohr 36f., 57f. Zuckerrohrernte 83 Zuckerrüben 84ff. – Extrakt 84f. – Fabrik 54 – Kampagne 90f.
61ff.
Zuckersaft, Reinigung 37 Zuckersieden 43f. – Schaumverhüter 44 Zucker-Sortiment 66ff. Zuckerstoff, Brockhaus (1841) Zuckerstreusel 69 Zuckertechnolgie 77ff. Zuckerwaren 145ff. – Gelatine- 145 – Gelee 145 – Gummi- 145 – Schaum- 146
56ff.