Zur taktisch-operativen Planung stoffstrombasierter Produktionssysteme: Dargestellt an Beispielen aus der stoffumwandelnden Industrie

Magnus Frohling Zur taktisch-operativen Planung stoffstrombasierter Produktionssysteme

WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFT

Magnus Frohling

Zur taktisch-operativen Planung stoffstrombasierter Produktionssysteme Dargestellt an Beispielen aus der stoffumwandelnden Industrie

Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Otto Rentz

Deutscher Universitats-Verlag

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalblbliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet uber abrufbar.

Dissertation Universitat Karlsruhe (TH), 2005

I.Auflage Juli2006 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitats-Verlag I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Brigitte Siegel/Viktoria Steiner Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media, www.duv.de Das Werk einschlieBlich aller seiner Telle ist urheberrechtlich geschiitzt. Jede Verwertung auSerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fur Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und dahervon jedermann benutztwerden diirften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, ScheSlitz Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-8350-0449-2 ISBN-13 978-3-8350-0449-8

fur Sandra

VII

Geleitwort Das Optimieren realer Produktionsprozesse in Betrieben der stoffumwandelnden Industrie stellt eine besondere Herausforderung flir die Produktionswirtschaft dar, da die adaquate Abbildung der Produktionsprozesse, insbesondere technischer Parameter, in okonomische GroBen, wie Deckungsbeitrage und Kosten, in den meisten Fallen scheitert bzw. gescheitert ist. Dies ist darauf zuriickzufuhren, dass die nichtlineare Welt der Stoffumwandlung mit ihren Besonderheiten auf einfachem Wege nicht zuganglich ist. Insbesondere sind MaBnahmen auf Anlagen- bzw. Prozessebene nicht einfach mit Steuerungssystemen der betriebswirtschaftlichen Ebene koppelbar. In dem vorliegenden Buch hat sich Herr Frohling daher zur Aufgabe gemacht, fur ausgewahlte Betriebe bzw. Branchen eine solche Koppelung herzustellen und damit diese Produktionen letztendlich einer Steuerung nach wirtschaftlichen Kriterien zuganglich zu machen. Konkret entwickelt Herr Frohling Ansatze zur Entscheidungsunterstiitzung auf taktischoperativer Planungsebene flir stoffstrombasierte Produktionssysteme und wendet diese exemplarisch an. Damit soil eine adaquate Abbildung der zu Grunde liegenden Stoffumwandlungsprozesse und der Unsicherheiten auf Grund nicht deterministischer oder nicht vollstandig bekannter Daten vorgenommen werden. Zur Abbildung der Stoffumwandlungen werden Planungsansatze entwickelt, die Flowsheetbasierte Prozessimulation und Regressionsanalysen mit Planungsmethoden aus der Betriebswirtschaft bzw. dem Operations Research verbinden. Herr Frohling verdeutlicht dies an einem Fallbeispiel aus der Metallerzeugung, der Verwertung metallhaltiger Reststoffe in einem Hochofenprozess. Hierbei ist hervorzuheben, dass mit dem Vergleich der Ergebnisse mit Betriebsdaten sozusagen fur den Praktiker die Nagelprobe vollzogen wird. Im Bereich der Beriicksichtigung von Unsicherheiten wird fur eine Chargenproduktion aus der Lackindustrie ein Ansatz zur Fuzzy-Ablaufplanung entwickelt, der auf reale ProblemgroBen anwendbar ist. Mit seinen Arbeiten hat sich Herr Frohling einem wichtigen Kapitel, dem Bereich der Produktionsplanung in der stoffumwandelnden

Industrie, gewidmet. Er hat einen

wesentlichen Beitrag zur Entwicklung von Methoden und Modellen zur Losung von aktuellen Problemen, insbesondere auch in mittelstandischen Untemehmen, geliefert. Er hat diese nicht nur neu entwickelt, sondem auch angewandt, getestet, auf Brauchbarkeit uberpriift und fand mit seinen Arbeiten bzw. Ergebnissen Anerkennung in der Praxis. Prof. Dr. Otto Rentz

IX

Vorwort Die stoffumwandelnde Industrie stellt einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor in Deutschland dar. Um unter gegebenen langfristigen Rahmenbedingungen den kurz- und mittelfristigen Schwankungen der Rohstoff-, Energie- und Absatzpreise sowie Kundenforderungen hinsichtlich Lieferzeiten und Termintreue erfolgreich wirtschaften zu konnen, kommt der effizienten und effektiven Planung der Produktionssysteme in diesem Industriebereich wesentliche Bedeutung zu. Die vorliegende Arbeit behandelt daher Fragestellungen der Produktionsplanung flir solche stoffstrombasierten Produktionssysteme auf taktischer und operativer Ebene. Sie stellt die Entwicklung von Methoden ftir eine problemadaquate Abbildung der Produktionsprozesse hinsichtlich der Stoffumwandlung sowie zur Beriicksichtigung von Unsicherheiten durch nicht vollstandig oder nur ungenau bekannte Daten dar, die im Rahmen von Fallstudien exemplarisch auf reale Produktionsprozesse angewandt werden. Die Arbeit entstand in den Jahren 2001 - 2005 am Institut fiir Industriebetriebslehre und Industrielle Produktion (IIP) / Deutsch-Franzosischen Institut fiir Umweltforschung (DFIU) der Universitat Karlsruhe (TH). Fiir die Moglichkeit, diese Arbeit an seinem Lehrstuhl durchfuhren zu konnen und die Freiheit bei der Wahl des Themas und dessen Ausarbeitung gilt mein herzlicher Dank meinem Doktorvater, Herm Prof. Dr. O. Rentz. Ebenfalls danken mochte ich Herm Prof. Dr. A. Oberweis und Herm Prof. Dr. F. Schultmann fiir die Ubernahme der Korreferate sowie den weiteren Mitgliedem des Priifungskollegiums, Herm Prof. Dr. W.-D. Heller und Prof. Dr. A. Geyer-Schulz. Wesentliche Gmndlagen dieser Arbeit wurden im Rahmen von zwei Forschungsprojekten in Zusammenarbeit mit Industrieuntemehmen gelegt. Den Beteiligten seitens dieser Unternehmen, insbesondere Herm Dr. R. Deike, Herm Dr. C. Hillmann, Herm Dr. K.-J. Sassen und Frau Dipl.-Ing. J. Steels bei der DK Recycling und Roheisen GmbH, Duisburg sowie Herm Dipl.-Kfm. C. Wiemer und Herm Dipl.-Wi.-Ing. V. Scholzke von der Geholit+Wiemer Lackund Kunststoff-Chemie GmbH, Graben-Neudorf, sei herzlich fiir die Unterstutzung bei der Durchfuhrung dieser Projekte gedankt. Fiir die offene und angenehme Arbeitsatmosphare und viele konstmktive Diskussionen mochte ich mich bei alien derzeitigen und friiheren Kolleginnen und Kollegen am IIP/DFIU im wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Bereich bedanken. Hervorzuheben sind hier insbesondere die ehemaligen Mitglieder der Arbeitsgmppe „Industrielles Produktionsund Logistikmanagement", Herr Dr. B. Engels, Herr Dr. R. Jochum, Herr Dipl.-Ing. F. Nebel

X

VORWORT

und Herr Dr. M. Zumkeller. Mein besonderer Dank gilt meinem ehemaligen Arbeitsgruppenleiter, Herm Prof. Dr. F. Schultmann, fiir viele anregende und ermutigende Gesprache und Diskussionen sowie das Vertrauen in meine Arbeit. Herzlich danken mochte ich meiner Familie, insbesondere meinen Eltem, die mir meine Hochschulausbildung ermoglicht und mich dabei stets unterstutzt haben. Fiir die Durchsicht des Manuskripts danke ich zudem meiner Schwester Katharina. Nicht zuletzt gilt mein tiefer Dank meiner Frau Sandra. Mit viel Liebe und Verstandnis hat sie mich bei der Erstellung dieser Arbeit unterstutzt und mir selbst in den arbeitsreichsten Zeiten noch viel Freude geschenkt. Ihr widme ich diese Arbeit. Magnus Frohling

XI

Inhaltsverzeichnis Geleitwort

VII

Vorwort

IX

Inhaltsverzeichnis

XI

Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis 1

2

XIX XXIII

Einleitung

1

1.1 Problemstellung

1

1.2 Zielsetzung und Losungsweg

3

Grundlagen stoffstrombasierter Produktionsplanung und -steuerung 2.1 Einordnung stoffstrombasierter Produktionssysteme

7 7

2.1.1 Begriffliche Abgrenzung

7

2.1.2 Zu Charakteristika von Produktionssystemen

8

2.1.2.1 Eingesetzte Technologie

9

2.1.2.2 Gestalt der Input- und Outputstoffe

9

2.1.2.3 Stufigkeit von Produktionsprozessen

10

2.1.2.4 Vergenzen von Produktionsprozessen

10

2.1.2.5 Merkmale stoffstrombasierter Produktionssysteme

12

2.1.3 Rahmenbedingungen industrieller Produktion fur Untemehmen der stoffumwandelnden Industrie 2.1.3.1 Einordnung von Produktionssystemen in das Umfeld

12 13

2.1.3.2 Aspektedes wirtschaftiictien Umfelds

14

2.1.3.3 Aspekte des poiitiscli-recfitliciien Umfelds

16

2.2 Planung und Steuerung des betrieblichen Leistungserstellungsprozesses

18

2.2.1 Einordnung der Produktionsplanung und -steuerung in das Supply Chain Management

18

2.2.2 Planungsaufgaben des Produktions- und Stoffstrommanagements...20

2
INHALTSVERZEICHNIS

2.2.3 Grundlagen der Produktionsplanung und -steuerung 2.2.3.1 Modellgestutzte Planung

24 24

2.2.3.2 Planungsansatze der taktisch-operativen Produktionsplanung und -steuerung

27

2.2.3.3 Defizite existierender Ansatze hinsichtlich einer stoffstrombasierten taktisch-operativen Produktionsplanung und -steuerung 3

31

Simulationsgestutzte Produktionsplanung am Beispiel der Verwertung metallhaltiger Reststoffe in der Eisen- und Stahiindustrie

35

3.1 Verwertung metallhaltiger Reststoffe in einem Hochofenprozess

36

3.1.1 Verfahrensablauf im betrachteten Produktionssystem

37

3.1.1.1 Einsatzstoffvorbereitung

38

3.1.1.2 Sinterung der Einsatzstoffe

39

3.1.1.3 Erschmelzen des Roheisens im Hochofen

42

3.1.1.4 Legierung des GieBereiroheisens im Induktionsofen und VergieBen des Roheisens zu Massein

48

3.1.2 Betriebswirtschaftliche Planungsaufgaben

49

3.1.3 Anforderungen an die Modellierung der Produktionssysteme

51

3.2 Grundlagen der Stoff- und Energieflussmodellierung von Produktionssystemen

53

3.2.1 Produktionstheoretische Ansatze zur Abbildung stoffstrombasierter Produktionssysteme

54

3.2.1.1 Aktivitatsanalytische Modellierung von Stoffflussen

54

3.2.1.2 Betriebswirtschaftliche Input-Output-Modelle vernetzter Produktionssysteme

60

3.2.1.3 Weitere betriebswirtschaftliche Transformationsfunktionen undderen Eignung zur Abbildung verfahrenstechnischer Prozesse

64

3.2.2 IngenieunA/issenschaftliclie Ansatze zur Abbildung stoffstrombasierter Produktionssysteme

70

3.2.2.1 Modellierung auf Basis von Material und Energiebilanzen.... 70 3.2.2.2 Modellierung auf Basis fester Verteilungskoeffizienten

71

3.2.2.3 Regressionsanalysen von Betriebsdaten

72

3.2.2.4 Flowsheet-basierte Prozesssimulation

74

INHALTSVERZEICHNIS

Xll[

3.2.3 Modelle zur Abbildung von Sinter- und Hochofenprozessen

81

3.2.3.1 Sintermodelle

82

3.2.3.2 Hochofenmodelle

84

3.2.4 Schlussfolgerungen, Zielsetzung und Vorgehensweise zur Abbildung der Produktionsprozesse fur eine Produktionsplanung im betrachteten Produktionssystem 3.2.5 Implementierung der Modelle 3.3 Verfahrenstechnische Modelle der abzublldenden Prozesse 3.3.1 Modell der Sinteranlage und der zugehorigen Abgasreinigung 3.3.1.1 Modellbeschreibung

85 89 92 93 94

3.3.1.2 Vergleich der Simulationsergebnisse mit realen Betriebsdaten 3.3.2 Modell des Hochofens und der zugehorigen Nebenaggregate 3.3.2.1 Modellbeschreibung

97 100 100

3.3.2.2 Vergleich der Simulationsergebnisse mit realen Betriebsdaten

103

3.3.3 Bestimmung linearer Input-Output-Funktionen fur die Produktionsprozesse

106

3.3.3.1 Simulationslaufe und Regressionsanalysen fur die Sinteranlage

107

3.3.3.2 Simulationslaufe und Regressionsanalysen fur den Hochofen 3.4 Erfassung der entscheidungsrelevanten monetaren GroBen

109 112

3.5 Entwicklung und Anwendung eines Ansatzes zur slmulationsgestutzten Produktionsprogrammplanung

114

3.5.1 Anforderungen an die Modellentwicklung

114

3.5.2 Modelle und Methoden der Produktionsprogrammplanung

116

3.5.3 Entwicklung eines Ansatzes zur simulationsgestutzten Produktionsprogrammplanung

119

3.5.3.1 Modellformulierung

119

3.5.3.2 Implementierung des Ansatzes

125

XIV

INHALTSVERZEICHNIS

3.5.4 Anwendung des Ansatzes zur simulationsgestutzten Produktionsprogrammplanung

127

3.5.4.1 Definition der Planungsszenarien

127

3.5.4.2 Exemplarisctie Ergebnisse der Modellanwendung

132

3.5.5 Schlussfolgerungen aus Entwicklung und Anwendung des Ansatzes zur simulationsgestutzten Produktionsprogrammplanung

140

3.6 Kombination von verfahrentechnischer Prozesssimulation und gemischt-ganzzahliger linearer Programmierung zur Materialeinsatzplanung

143

3.6.1 Entscheidungsfeld und Anforderungen an die Modellentwicklung... 143 3.6.2 Modelle und Methoden der Materialeinsatzplanung

145

3.6.3 Entwicklung eines Ansatzes zur stoffstrombasierten simulationsgestutzten Materialeinsatzplanung

150

3.6.3.1 Form ulie rung eines gemischt-ganzzatiligen linearen Programms zur Materialeinsatzplanung 3.6.3.2 Implementierung des Ansatzes

150 154

3.6.4 Anwendung des Ansatzes zur simulationsgestutzten Materialeinsatzplanung

156

3.6.4.1 Grundlegende Annahmen zur Anwendung des Ansatzes zur simulationsgestutzten Materialeinsatzplanung 3.6.4.2 Bestimmung von Referenzmischungen (Basisszenario)

156 157

3.6.4.3 Einfluss des Koks- und des Roheisenpreises aufdie Mischungsoptimierung

169

3.6.4.4 Einfluss des Zinks auf die Optimierungsergebnisse

175

3.6.4.5 Einsatz von Ersatzreduktionsmittein

179

3.6.5 Schlussfolgerungen aus der Entwicklung und Anwendung des Ansatzes zur simulationsgestutzten Materialeinsatzplanung

182

3.7 Schlussfolgerungen und Ubertragbarkeit auf weitere Anwendungen 184

INHALTSVERZEICHNIS

4

XV

Berucksichtigung von Unsicherheiten in der operativen Produktionsplanung am Beispiel einer Fuzzy-Ablaufplanung von Chargenproduktionen

189

4.1 Modetle und Methoden der Ablaufplanung

190

4.1.1 Klassifikation der Problemtypen

190

4.1.1.1 Problemcharakteristika

190

4.1.1.2 Auftrags- und Zielfunktionscharakteristika

192

4.1.2 Klassifikation von Ablaufplanen

193

4.1.3 Ansatze der deterministischen Ablaufplanung

194

4.1.3.1 Modellierungsansatze zur deterministischen Ablaufplanung

194

4.1.3.2 Exakte Methoden zur Losung von Ablaufplanungsproblemen

196

4.1.3.3 Heuristische Methoden zur Losung von Ablaufplanungsproblemen

197

4.1.4 Ansatze zur Berucksichtigung von Unsicherheit in der Ablaufplanung 4.1.5 Ansatze zur Ablaufplanung bei Chargenproduktion 4.2 Vorstellung eines Produktionssystems aus der Lackindustrie 4.2.1 Verfahrensablauf bei der Herstellung von Lacken und Farben

198 201 203 204

4.2.1.1 Aufbau und Rezeptur von Beschichtungsstoffen

205

4.2.1.2 Produktionsprozesse der Lackherstellung

205

4.2.2 Verfahrensablauf im Referenzfall 4.2.2.1 Ansetzen

207 208

4.2.2.2 Dispergieren

209

4.2.2.3 Komplettieren

210

4.2.2.4 Abtonen

210

4.2.2.5 Prufen und Korrigieren

210

4.2.2.6 Abfullen

211

4.2.3 Ablaufplanung im Referenzfall

211

4.3 Ein deterministisches Modell zur Ablaufplanung bei Chargenproduktion

212

4.3.1 Notation und Modellierung von Ressourcen und Zeitfenstern

212

4.3.2 Zielfunktion und Nebenbedingungen

218

XVI

INHALTSVERZEICHNIS

4.3.3 Abbildung des Referenzfalls im deterministischen Ablaufplanungsmodell

221

4.3.3.1 Ressourcenmodellierung

221

4.3.3.2 Datenermittlung und Bereitstellung

223

4.3.4 Exakte Losung und exemplarische Anwendung des deterministischen Modells

225

4.3.4.1 Implementierung der exakten Losung

225

4.3.4.2 Exemplarische Anwendung

225

4.3.5 Heuristische Losung und exemplarische Anwendung des deterministischen Modells mittels eines Genetischen Algorithmus.. 228 4.3.5.1 Grundlagen Genetischer Algorithmen

228

4.3.5.2 Anpassung und Konfiguration des Genetischen Algorithmus 4.3.5.3 Exemplarische Anwendung

234 240

4.3.6 Schlussfolgerungen aus der Entwicklung und Anwendung eines deterministischen Ablaufplanungsmodells

245

4.4 Entwicklung und exemplarische Anwendung eines Fuzzy-Modells zur Ablaufplanung bei Chargenproduktion

246

4.4.1 Grundlagen der Fuzzy-Optimierung

246

4.4.1.1 Fuzzy-Mengen, Fuzzy-Zahlen und Fuzzy-lntervalle

246

4.4.1.2 Darstellungsformen von Fuzzy-lntervallen

247

4.4.1.3 Arithmetische Operationen auf Fuzzy-lntervallen

251

4.4.1.4 Mittelwertbildung und Rangordnung

252

4.4.1.5 Fuzzy-Ablaufplanung 4.4.2 Ein Fuzzy-Model! zur Ablaufplanung bei Chargenproduktion 4.4.2.1 Modellierung von unscharfen Zeitparametern

256 257 258

4.4.2.2 Berechnung von unscharfer Projekthochstdauer und unscharfer fruhester und spatester Start- und Endzeitpunkte

258

4.4.2.3 Formulierung von unscharfer Zielfunktion und unscharfen Nebenbedingungen 4.4.2.4 Losung des Fuzzy-Modells

260 262

INHALTSVERZEICHNIS

4.4.3 Exemplarische Anwendung 4.4.3.1 Datengrundlage 4.4.3.2 Exemplarische Ergebnisse

XVII

263 263 264

4.4.4 Schlussfolgerungen aus der Entwicklung und Anwendung eines Fuzzy-Modells zur Ablaufplanung bei Chargenproduktion und Ubertragbarkeit auf weitere Anwendungen 5

Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

269 268 277

XIX

Abbildungsverzeichnis Abbildung 2-1:

Vergenztypen von Produktionssystemen

11

Abbildung 2-2:

Einbettung von Produktionssystemen in ihr Umfeld

14

Abbildung 2-3:

Supply Chain Planning Matrix

20

Abbildung 2-4:

Modellbildungsprozess

25

Abbildung 2-5:

Informationszustande in der Planung

26

Abbildung 2-6:

Aggregationsebenen der Prozessabbildung

27

Abbildung 3-1:

Verfahrensablauf im Referenzfall

37

Abbildung 3-2:

Schematische Ansicht des Sinterbandes

41

Abbildung 3-3:

Grundreaktionen im Hochofen

45

Abbildung 3-4:

Schematische Darstellung des Verhaltens von Alkalien im Hochofen

46

Abbildung 3-5:

Schematische Darstellung der Zinkbilanz des Hochofens

47

Abbildung 3-6:

Schematische Darstellung der zu betrachtenden Aggregate

Abbildung 3-7:

Schematische Darstellung des Sinteranlagenbetriebs im

und Stoff- und Energiestrome

Referenzunternehmen (vereinfacht) Abbildung 3-8:

52

55

Darstellung eines vernetzen Produktionssystems als Digraph am Beispiel des Sinteranlagenbetriebs im Referenzunternehmen (vereinfacht)

Abbildung 3-9:

61

Uberblick uber wichtige Klassen von Transformationsfunktionen ..64

Abbildung 3-10: Aufbau von sequenziell-modularen Flowsheeting-Systemen (schematisch) Abbildung 3-11:

76

Schematischer Aufbau des Entscheidungsunterstutzungssystems SCOPE

90

Abbildung 3-12: FliefBschema des Modells der Sinteranlage und der nachgeschalteten Gasreinigung Abbildung 3-13: ASPEN PLUS® Model! der Sinteranlage (Screenshot)

95 96

Abbildung 3-14: Vergleich der mittels Flowsheet-Simulation berechneten Konzentrationen von Fe, Si, Mg und Ca im Sinter mit realen Betriebsdaten

97

Abbildung 3-15: Vergleich der mittels Flowsheet-Simulation berechneten Menge an EGR-Staub mit realen Betriebsdaten

98

XX

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildung 3-16: Vergleich der mittels Flowsheet-Simulation berechneten Konzentrationen von Pb und Zn im EGR-Staub mit realen Betrlebsdaten Abbildung 3-17: Schematische Darstellung des Hochofenmodells

99 101

Abbildung 3-18: ASPEN PLUS® Modell des Hochofenbetriebs inkl. Kraftwerk (Screenshot)

102

Abbildung 3-19: Vergleich der mittels Flowsheet-Simulation berechneten Roheisenmenge mit gemessenen Produktionsmengen

104

Abbildung 3-20: Vergleich des mittels Flowsheet-Simulation berechneten spezifischen Koksverbrauchs mit gemessenen spezifischen Verbrauchsmengen

104

Abbildung 3-21: Vergleich der mittels Flowsheet-Simulation berechneten Schlackemenge mit gemessenem Schlackeanfall

105

Abbildung 3-22: Screenshot der Benutzermaske zur Produktionsprogrammplanung

126

Abbildung 3-23: .Screenshot des Ergebnisformulars zur Produktionsprogrammplanung Abbildung 3-24: Produktionsmengen der Roheisensorten im Basisszenario

127 133

Abbildung 3-25: Ergebnisse hinsichtlich der Kosten- und Eriosstruktur im Basisszenario

133

Abbildung 3-26: Produktionsmengen in den betrachteten Szenarien im Planungszeitraum

134

Abbildung 3-27: Veranderungen der Zielfunktionsbestandteile im Vergleich zum Basisszenario

135

Abbildung 3-28: Screenshot des Eingabeformulars zur Materialeinsatzplanung... 155 Abbildung 3-29: Okonomische Ergebnisse der Berechnungen zum Basisszenario

158

Abbildung 3-30: Einfluss des Kokspreises auf den spezifischen Deckungsbeitrag Abbildung 3-31:

170

Einfluss des Kokspreises auf die Roheisen- und Feinstaubproduktion

171

Abbildung 3-32: Einfluss des Roheisenpreises auf den spezifischen Deckungsbeitrag

172

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

XXI

Abbildung 3-33: Einfluss des Roheisenpreises auf Roheisen- und Feinstaubproduktion

173

Abbildung 3-34: Spezifische Deckungsbeitrage bei gleichzeitiger Variation des Roheisen- und des Kokspreises

174

Abbildung 3-35: Spezifische Roheisenmenge bei gleichzeitiger Variation des Roheisen- und des Kokspreises

174

Abbildung 3-36: Verlauf des spezifischen Deckungsbeitrags bei Variation des Zinkgehalts im Sinter

176

Abbildung 3-37: Spezifischer Koksverbrauch und spezifischer Anfall an Feinstaub bei Variation des Zinkanteils im Sinter

176

Abbildung 3-38: Einfluss der Zuzahlung fur den Zinkanteil in Rohstoffen auf den Zinkanteil im Sinter und den erreichbaren spezifischen Deckungsbeitrag Abbildung 3-39: Auswirkungen des Ersatzreduktionsmitteleinsatzes

177 181

Abbildung 3-40: Auswirkungen der Variation des Ersatzreduktionsmittelpreises... 182 Abbildung 4-1:

Allgemeiner Verfahrensablauf bei der Herstellung von Flussiglacken

207

Abbildung 4-2:

Verfahrensablauf im Referenzunternehmen

208

Abbildung 4-3:

Activity-on-Node-Netzwerk eines Flow-Shops

214

Abbildung 4-4:

Darstellung des Ablaufplanungsproblems als Hybrider Flow-Shop

222

Abbildung 4-5:

Auftragsorientiertes Gantt-Diagramm fur Szenario A

227

Abbildung 4-6:

Benutzeroberflache zur Steuerung des Genetischen Algorithmus (Screenshot)

240

Abbildung 4-7:

Verlauf des Zielfunktionswertes in den Optimierungslaufen

243

Abbildung 4-8:

Gantt-Diagramm der Optimierungsergebnisse (Konfiguration

Abbildung 4-9:

C, Auszug)

244

Zugehorigkeitsfunktion //-(a) von A

250

Abbildung 4-10: Die Berechnung der Defuzzifizierungsfunktion 3(A)

254

Abbildung 4-11: Vergleich zweier Fuzzy-lntervalle auf Basis der Gebietskompensation

255

XXIII

Tabellenverzeichnis Tabelle 3-1

Rohstoffeinsatz nach Typen im Jahr 2002

39

Tabelle 3-2

Durchschnittliche Zusammensetzung der Rohstoffmischung

39

Tabelle 3-3

Durchschnittliche Sinteranalyse

41

Tabelle 3-4

Ausgewahlte Leitprodukte im betrachteten Beispiel

58

Tabelle 3-5

Ausgewahlte Modelle von Unit Operations in ASPEN PLUS®

79

Tabelle 3-6

Liste der zu betrachtenden Elemente und Verbindungen

93

Tabelle 3-7

Roheisensorten, -preise und Absatzmengen im Basisszenario...128

Tabelle 3-8:

Wesentliche Planungsparameter der Produktionsprogrammplanung

129

Tabelle 3-9:

Chemische Spezifikationen der Sintersorten

130

Tabelle 3-10:

Parameterveranderungen im Vergleich zum Basisszenario

131

Tabelle 3-11:

Input- und Outputstoffstrome des Sinteranlagenbetriebs in den Szenarien

Tabelle 3-12:

Input- und Outputstoffstrome des Hochofenbetriebs in den Szenarien

Tabelle 3-13:

137

Durchschnittliche Zusammensetzung der Aufgabemischung in den Szenarien

Tabelle 3-14:

136

138

Durchschnittliche Zusammensetzung des Sinters in den Szenarien

139

Tabelle 3-15:

Berechnete Sintermischungen im Basisszenario

159

Tabelle 3-16:

Chemische Zusammensetzung der berechneten Sintermischungen

160

Tabelle 3-17:

Chemische Zusammensetzung der berechneten Sintersorten ....160

Tabelle 3-18:

Spezifische Input- und Outputmengen der Sinteranlage im Basisszenario

Tabelle 3-19:

162

Spezifische Input- und Outputmengen des Hochofens im Basisszenario

162

Tabelle 3-20

Spezifische Input- und Outputmengen der Sinteranlage

163

Tabelle 3-21

Spezifische Input- und Outputmengen des Hochofens

164

Tabelle 3-22

Vergleich von Optimierung und Simulation fur den Sinteranlagenbetrieb

166

XXIV

TABELLENVERZEICHNIS

Tabelle 3-23:

Vergleich von Optimierung und Simulation fur den

Tabelle 3-24:

Vergleich der Mischungen des Basisszenarios und einer

Hochofenbetrieb

168

erhohten Zuzahlung von 132 % fur den Zinkanteil im Rohstoff... 179 Tabelle 4-1:

Haupttypen von Lackrohstoffen

Tabelle 4-2:

Morphologischer Kasten wesentlicher Charakteristika der

205

Chargen

223

Tabelle 4-3

Betrachtete Auftrage und deren Charakteristika

226

Tabelle 4-4

Ergebnisse der Optimierung

226

Tabelle 4-5:

Bestandteile von Genetischen Algorithmen

230

Tabelle 4-6:

Charakteristika der betrachteten Auftrage

240

Tabelle 4-7

VenA^endete Konfigurationen des Genetischen Algorithmus

241

Tabelle 4-8

Ergebnisse der Optimierungslaufe des Genetischen Algorithmus im deterministischen Fall

Tabelle 4-9:

242

Arithmetische Operationen fur Fuzzy-lntervalle in SechsPunkt-Darstellung

251

Tabelle 4-10

Zielfunktionswerte der sechs scharfen Ersatzprobleme

262

Tabelle 4-11

Losung der sechs scharfen Ersatzprobleme

265

Tabelle 4-12

Ergebnisse eines Optimierungslaufs des Genetischen Algorithmus auf Basis defuzzifizierter Zeitparameter (Problem 7)

267

1

Einleitung

1.1 Problemstellung Im verarbeitenden Gewerbe in der Bundesrepublik Deutschland nehmen die meist als Prozess- oder Verfahrensindustrie bezeichneten Industriesegmente eine Schlusselstellung ein, deren Leistungserstellung im Wesentlichen auf Wirkungsweisen der Stoffumwandlung beruht. Hierunter fallen u. a. die Chemische Industrie, die Metallerzeugung, das Kokerei- und Mineralolgewerbe

sowie groBe Bereiche des Emahrungsgewerbes. Dabei ist die

Prozessindustrie keineswegs als homogener Sektor aufzufassen, da in den genannten Bereichen die Bandbreite der hergestellten Produkte und die zu deren Herstellung eingesetzten Verfahren

und Produktionsweisen

sehr groB ist. Es gibt zahlreiche

hochautomatisierte groBtechnische Prozesse, in denen in komplex miteinander verbundenen kontinuierlichen Massenfertigungen produziert wird, zu nennen waren beispielsweise Grundchemikalien (Bulk-Chemikalien) wie Ammoniak und Salzsaure. In anderen Bereichen, etwa der Pharmabranche, wird in ebenfalls hochautomatisierten, diskontinuierlichen Prozessen gefertigt, wahrend in weiteren Zweigen, z. B. der Herstellung von Feinchemikalien wie Farben oder Lacken, diskontinuierliche Prozesse mit einem hohen Anteil an manuellen Vorgangen vorliegen. Dabei sind Untemehmen der stoffumwandelnden Industrie im Besonderen von verschiedenen Einflussen ihres Umfelds abhangig, die auf lang- wie mittel- bis kurzfristiger Ebene Auswirkungen haben. Zunachst sind in diesem Zusammenhang die kurz- und mittelfristigen Schwankungen der Rohstoff- und Energiepreise zu nennen. In den vergangenen Jahren sind insbesondere die Preise fiir Rohol, Kohle und Koks drastisch angestiegen (vgl. z. B. (Ameling, 2005)), im Jahr 2005 erfahren die Erzpreise massive Steigerungen (vgl. z. B. (HB, 2005a)). Durch Weitergabe der Preiserhohungen auf der Inputseite an die Kunden konnen solche Anstiege teilweise aufgefangen werden. Einzelne Bereiche, wie die Eisen- und Stahlindustrie, konnten sogar Rekordgewinne ausweisen (vgl. (HB, 2005b)). Dennoch sind dieser Weitergabe Grenzen gesetzt und ist diese abhangig von der Produktnachfrage.

EiNLEITUNG

KAPITEL 1

Untemehmen der stoffumwandelnden Industrie sind auch in besonderem MaBe von Anderungen der umweltrechtlichen Rahmenbedingungen betroffen. Diese beruhren nicht nur Fragestellungen des Genehmigungsrechts, sondem auch des Betriebs von Anlagen. Regelungen im Abfall- und Emissionsrecht, wie z. B. das 2005 in Kraft getretene Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG) (vgl. (TEHG, 2004)), vergroBem die durch Kuppelprodukte bzw. zu beseitigende Reststoffe in absehbarer Zeit entstehenden Kosten. Es ergibt sich die Notwendigkeit einer effizienten Planung der Produktionssysteme der stoffumwandelnden Industrie, im Folgenden auch stoffstrombasierte Produktionssysteme genannt, aus okonomischer, technischer sowie aus okologischer Sicht unter den gegebenen Rahmenbedingungen. Die Auswirkungen der skizzierten Schwankungen auf den Rohstoffund Energiemarkten sowie auf den Absatzmarkten in Bezug auf anfallende Kuppelprodukte sind in okonomischer und technischer Hinsicht zu analysieren und ggf. MaBnahmen zum Ausgleich zu treffen. Betroffen hiervon sind Fragestellungen der Planung des Produktionsoutput nach Art und Menge fur einen gegebenen Zeitraum (Produktionsprogrammplanung), der optimalen Zusammenstellung einer Einsatzstoffmischung zur Produktion eines festgelegten Output aber auch der zeitlichen Einplanung der Auftrage zur Erfullung der Kundenanforderungen hinsichtlich kurzer Lieferzeiten und hoher Termintreue sowie der betrieblichen Zielsetzung niedriger Bestande. Fragestellungen der Produktionsplanung in der stoffumwandelnden Industrie waren in den vergangenen Jahren vermehrt Gegenstand von Untersuchungen in der produktionswirtschaftlichen Literatur. Auf der strategischen Planungsebene haben eine Reihe von Arbeiten eine detailliertere Prozessabbildung iiber so genannte Engineering Production Functions (EPFs, vgl. z. B. (Martel, 1999)) oder den Einsatz von Flowsheet-Simulationswerkzeugen (vgl. z. B. (Penkuhn, 1997), (Spengler, 1998), (Sieverdingbeck, 2001), (Engels, 2003), (Schultmann, 2003)) ermogUcht. Auf operativer Ebene gibt es eine Vielzahl von Arbeiten, die sich mit Fragestellungen

hauptsachlich

aus der Kampagnen-

bzw. Ablaufplanung

in der

Prozessindustrie beschaftigen (vgl. z. B. (Schocke, 1999), (Kieswetter, 1999), (Trautmann, 2001), (Anschiitz, 2001), (Kallrath, 2002). Diesen Arbeiten geUngt es, verschiedene Merkmale, die in verfahrenstechnischen Prozessen anzutreffen sind, in ihren Ansatzen abzubilden. Es werden hierzu u. a. Ansatze aus der Fertigungsindustrie und der Projektplanung aufgegriffen und durch Erweiterung um die genannten Merkmale auf die Prozessindustrie, es handelt sich meist um Chargenproduktionen, ubertragen. Nicht betrachtet werden

die in den Chargen

ablaufenden

Stoffumwandlungsvorgange

und deren

KAPITEL 1

EINLEITUNG

Auswirkungen auf den Prozess, bei Fragestellungen der Ablaufplanung werden die Bearbeitungszeiten meist als deterministisch und vollstandig bekannt unterstellt. Zudem beziehen sich die genannten Arbeiten meist auf fiktive Beispielprozesse. Dies bietet den Vorteil einer Vergleichbarkeit

von Berechnungsergebnissen,

insbesondere bei der

Entwicklung von Algorithmen und der Beurteilung von deren Leistungsfahigkeit. Allerdings wird haufig unterstellt, mittels dieser Beispielprozesse die Prozessindustrie abzubilden, eine Validierung der Ansatze durch Anwendung auf reale ProblemgroBen findet meist nicht statt.

1.2 Zielsetzung und Losungsweg Ziel der vorliegenden Arbeit ist es daher, Ansatze zur Entscheidungsunterstutzung auf taktisch-operativer Planungsebene fur stoffstrombasierte Produktionssysteme zu entwickeln und exemplarisch anzuwenden, die eine adaquate Abbildung der zugrunde liegenden stoffumwandelnden Prozesse beinhalten und Unsicherheiten aufgrund nicht deterministischer Oder nicht vollstandig bekannter Daten beriicksichtigen. Dies ist fur die Teilbereiche der Planung des Produktionsoutput, -input und -throughput dieser Prozesse durchzufuhren. Zur Erreichung dieser Zielsetzung werden zunachst in Kapitel 2 Grundlagen der Produktionsplanung und -steuerung stoffstrombasierter Produktionssysteme skizziert. Hierzu wird eine begriffliche Abgrenzung vorgenommen, werden exemplarische Aspekte einer stoffstrombasierten Produktion betrachtet und der Einfluss von Rahmenbedingungen auf Produktionsuntemehmen der Prozessindustrie grob umrissen (Abschnitt 2.1). In Abschnitt 2.2 werden fur diese Arbeit relevante Aspekte der Planung und Steuerung der betrieblichen Leistungserstellung behandelt. Dabei wird die Produktionsplanung zunachst in den Kontext des Supply Chain Management eingeordnet, bevor die Planungsbereiche des Produktions- und industriellen Stoffstrommanagement vorgestellt und deren Verbindung aufgezeigt werden. AnschlieBend wird die Produktionsplanung und -steuerung (PPS) thematisiert. Es wird auf Modellierung

im Allgemeinen

eingegangen,

bevor

konkrete

Planungsansatze

zur

Produktionsplanung und -steuerung umrissen werden. SchlieBUch werden Defizite dieser Ansatze hinsichtlich einer taktisch-operativen Planung stoffstrombasierter Produktionssysteme zusammengefasst, die fiir den weiteren Gang der Arbeit von Bedeutung sind. Es ergeben sich zwei Schwerpunkte dieser Arbeit - die Verbesserung der Abbildung der den Prozessen der stoffumwandelnden Industrie zugrunde liegenden Prozesse in betriebswirtschaftlichen Planungsmodellen und die Beriicksichtigung von Unsicherheiten durch nicht

EiNLEITUNG

KAPITEL 1

deterministische und nicht vollstandig bekannte Daten. Diese werden in den Kapiteln 3 und 4 anhand einer simulationsgestutzten Produktions- und Materialeinsatzplanung sowie einer Fuzzy-Ablaufplanung behandelt. Um die Realitatsnahe und Umsetzbarkeit der Arbeiten in diesem Bereich zu gewahrleisten, werden diese jeweils am Beispiel realer Planungsprobleme aus der industriellen Praxis durchgefiihrt. Kapitel 3 beschaftigt sich mit einer detaillierteren, stoffstrombasierten Prozessabbildung im Rahmen einer Produktionsprogramm- und einer Materialeinsatzplanung durch eine Verknupfung

betriebswirtschaftlicher

Planungsmodelle mit der

verfahrenstechnischen

Prozesssimulation mittels so genannter Flowsheeting-Systeme. Dies erfolgt am Beispiel der Verwertung von metallhaltigen Reststoffen in einem Hochofenprozess zur Produktion von Roheisen und eines marktfahigen Zinkkonzentrats. Zum Verstandnis der zu betrachtenden Planungsaufgaben

und

zur

Verdeutlichung

der

Notwendigkeit

einer

detaillierten

Prozessabbildung werden zunachst in Abschnitt 3.1 die Verfahrensschritte des Prozesses und anschlieBend die in dieser Arbeit betrachteten Planungsaufgaben dargestellt. Aus dieser Darstellung werden Anforderungen an die Prozessabbildung abgeleitet. In Abschnitt 3.2 wird untersucht, inwieweit existierende Ansatze zur Modellierung von stoffstrombasierten Produktionssystemen fiir eine Prozessabbildung im betrachteten Fall geeignet sind. Untersuchungsgegenstand sind dabei betriebswirtschaftliche,

ingenieurwissenschaftliche

sowie auch spezifische Modelle von Sinter- und Hochofenprozessen. Auf Basis der Ergebnisse der Betrachtungen werden die Zielsetzung und weitere Vorgehensweise fiir die in diesem Kapitel behandelten taktisch-operativen Planungsaufgaben

spezifiziert

sowie

allgemeine Implementierungsprinzipien des verfolgten Ansatzes vorgestellt. Es werden zunachst in Abschnitt 3.3 die aus einer detaillierten Modellierung der zugrunde liegenden Produktionsprozesse

mittels

Flowsheet-Simulation

entstandenen

Prozessmodelle

fiir

Sinteranlage und Hochofen beschrieben. Aus diesen Modellen werden mittels multipler linearer Regressionsanalyse Input-Output-Funktionen fiir die spezifischen Verbrauchs- und Anfallmengen der in die betrachteten Aggregate eingehenden Roh- und Hilfsstoffe, (Kuppel-)Produktmengen sowie der chemischen Zusammensetzungen der betrachteten Stoffstrome bestimmt. Kosten und Erlose werden in den zu entwickelnden Planungsmodellen stoffstrombasiert in einem einheitlichen Gliederungsschema erfasst, das in Abschnitt 3.4 vorgestellt wird. Mittels der Input-Output-Funktionen sowie des Gliederungsschemas werden die Planungsaufgaben der Programmplanung und der Materialeinsatzplanung modelliert. Beide Planungsmodelle werden als separate Module in dem integrierten Entscheidungs-

KAPITEL 1

EiNLEITUNG

unterstiitzungssystem SCOPE implementiert. Da eine detailliertere Kenntnis iiber die Auswirkungen der Vereinfachungen durch den Einsatz von linearen Input-Output-Funktionen fur die kurzfristigere Aufgabe der Materialeinsatzplanung notwendig ist, findet in dem entsprechenden Modul eine RUckkopplung mit der verfahrenstechnischen Prozesssimulation statt. Auf diese Weise wird ein Vergleich der Optimierungsergebnisse mit den Simulationslaufen ermoglicht. So kann aufgezeigt werden, bei welchen Parametem es zu groBen Abweichungen kommt, die beispielsweise durch eine weitergehende Vorgabe von Parametem in einem weiteren Optimierungslauf verhindert werden konnten. Zur Validierung des Ansatzes und zur Demonstration der Einsatzmoglichkeiten werden die Planungsmodelle jeweils exemplarisch angewendet und die erzielten Ergebnisse ausgewertet. Die Entwicklung, Implementierung und Anwendung der beiden Modelle wird in den Abschnitten 3.5 und 3.6 beschrieben. SchlieBlich werden fiir die betrachteten Planungsaufgaben, die entwickelte Methodik, die damit erzielten Ergebnisse und Ubertragungsmoglichkeiten des Ansatzes Schlussfolgerungen formuliert. Kapitel 4 beschaftigt sich mit der Beriicksichtigung von Unsicherheiten durch nichtdeterministische oder nicht vollstandig bekannte Daten in der Ablaufplanung. Hierzu werden zunachst in Abschnitt 4.1 Grundlagen der Ablaufplanung, existierende deterministische und nicht deterministische Methoden sowie Ansatze zur Ablaufplanung bei Chargenproduktion betrachtet. Durch die Vorstellung eines realen Produktionssystems aus der Lackindustrie in Abschnitt 4.2 werden exemplarisch Charakteristika von Chargenproduktionen dargestellt und verdeutlicht, wo Unsicherheiten auftreten und dass diese eine Beriicksichtigung in der Planung finden miissen. Zur Entwicklung eines eigenen Ansatzes zur Beriicksichtigung dieser Unsicherheiten wird in Abschnitt 4.3 zunachst ein deterministisches Ablaufplanungsmodell auf Basis eines Projektplanungsansatzes fur Chargenproduktionen vorgestellt und auf das betrachtete Produktionssystem angepasst. Zur Losung des Modells wird einerseits eine exakte Losung mittels eines kommerziell verfiigbaren Solvers und, da sich eine exakte Losung fiir reale ProblemgroBen in einer exemplarischen Anwendung als nicht zielfuhrend erweist, eine heuristische Losung mittels eines Genetischen Algorithmus eingesetzt. Der Genetische Algorithmus erweist sich in einer exemplarischen Anwendung als geeignetes Werkzeug zur Losung auch realer ProblemgroBen. Ausgehend von diesem deterministischen Modell wird in Abschnitt

4.4

mittels

Fuzzy-Optimierung

ein

Modell

zur

Ablaufplanung

unter

Beriicksichtigung von unscharfen und nicht vollstandig bekannten Daten entwickelt und exemplarisch auf das betrachtete Produktionssystem angewendet. Zur Entwicklung und

EiNLEITUNG

KAPITEL 1

Anwendung dieses Fuzzy-Ablaufplanungsmodells fUr Chargenproduktionen wird abschlieBend ein Fazit gezogen und werden Ubertragungsmoglichkeiten auf weitere Chargenproduktionen und weitere Industriebereiche skizziert. In Kapitel 5 wird eine abschlieBende Zusammenfassung der dieser Arbeit zugrunde liegenden Problemstellung und Zielsetzung sowie der erzielten Ergebnisse und deren tJbertragungsmoglichkeiten auf weitere Bereiche vorgenommen.

2 Grundlagen stoffstrombasierter Produktionsplanung und -steuerung Das vorliegende Kapitel beschaftigt sich mit Grundlagen der Produktionsplanung und -steuerung (PPS) fur die in dieser Arbeit betrachteten stoffstrombasierten Produktionssysteme. Bewusst kurz gehalten, soil es eine grundlegende Einordnung der zugehorigen Industriebereiche und deren Produktionssysteme vomehmen, Einflussfaktoren auf die Leistungserstellung umreiBen, einen Uberblick iiber allgemeine Ansatze zur Produktionsplanung und -steuerung geben und aufzeigen, in welchen Bereichen besonderer Forschungsbedarf vorhanden ist. Hiermit soil der Rahmen fur die in den folgenden Kapiteln durchgefuhrten detaillierten Betrachtungen abgesteckt werden. FUr ausfuhrlichere Darstellungen wird auf die jeweiligen Abschnitte in den folgenden Kapiteln bzw. auf angegebene weiterfiihrende Literatur verwiesen.

2.1 Einordnung stoffstrombasierter Produktionssysteme 2.1.1 Begrlffllche Abgrenzung Die Industriebereiche, deren Leistungserstellung im Wesentlichen auf Prinzipien der Stoffumwandlung beruht, werden meist als Prozessindustrie bzw. Verfahrensindustrie bezeichnet (vgl. (May, 1996)). Dieser Industriezweig wird meist in negativer Abgrenzung zur so genannten Fertigungsindustrie gesehen, deren Produktion hauptsachlich auf den Wirkprinzipien der Stoffumformung beruht. Dieser Unterscheidung liegt eine Einteilung der Produktionsverfahren nach ihrer Wirkung auf die eingebrachten Einsatzstoffe zur Produktion des Output zugrunde, die auf Riebel (vgl. (Riebel, 1963)) zuriickgeht.* Dieser unterscheidet stqffumwandelnde, stojfumformende und energieumwandelnde Produktionsprozesse. Bei der Stoffumwandlung

werden die in einen Produktionsprozess eingehenden Materialen

hinsichtlich ihrer stofflichen Eigenschaften verandert. Stoffe, evtl. bestehend aus chemischen Verbindungen (Komponenten) bzw. chemischen Elementen, werden durch Misch- oder Trennvorgange, physikalische Stoffumwandlung, oder durch Anderungen der chemischen

Riebel verwendet den Begriff der Erzeugungsverfahren in Abgrenzung zu Produktionsverfahren, da letztere auch die von Riebel nicht betrachtete Dienstleistungsproduktion umfassen (vgl. (Riebel, 1963)). Dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend, wird diese Differenzierung im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter verfolgt, auch wenn, wie bei Riebel, die Dienstleistungsproduktion nicht mit in die Betrachtungen einbezogen wird.

8

GRUNDLAGEN STOFFSTROMBASIERTER PRODUKTIONSPLANUNG UND -STEUERUNG

KAPITEL 2

Verbindungen, chemische Stoffumwandlung, durch das Verfahren in einen neuen Stoff umgewandelt. Verfahren der Stoffumformung dienen der Formgebung der eingebrachten Stoffe. Hierbei konnen ungeformte Giiter mit festgelegten Geometrien versehen werden. Das Zusammenfugen

von Teilen und

Baugruppen

wie auch Trenn-,

Zerlege-, und

Zerkleinerungsvorgange gehoren ebenfalls zu dieser Gruppe. Unmittelbar mit den genannten Produktionsverfahren ist der Einsatz von Energie bzw. Energieumwandlung verbunden, der dritte Bereich einer nach Wirkprinzipien eingeteilten Produktion. Eine scharfe Abgrenzung der Bereiche untereinander ist haufig schwer mogUch, da die eindeutige Zuordnung in Grenzbereichen, wie dem Beschichten oder Harten von Produkten, oftmals schwierig ist. Auch wenn z. T. andere Einteilungen bzw. Abgrenzungen zwischen Prozessindustrie und Fertigungsindustrie gebrauchUch sind (vgl. beispielsweise (Kieswetter, 1999), (Uhlig und Bruns, 1995) und (Schiirbuscher, Metzner und Lempp, 1992)) und trotz der genannten Abgrenzungsproblematik wird im Rahmen dieser Arbeit der genannten Einteilung nach dem Hauptwirkkriterium gefolgt, um die Bedeutung der zugrunde Hegenden Prozesse zu betonen. Aus dem gleichen Grund wird der Terminus stojfstromhasierte Produktionssysteme fur Produktionssysteme aus der Prozessindustrie verwendet.

2.1.2 Zu Charakteristika von Produktionssystemen Li der produktionswirtschaftlichen Literatur ist eine Vielzahl von Klassifikationen von Produktionssystemen entwickelt worden. tJblicherweise orientieren sich diese an einer systemorientierten Sichtweise der Produktion und unterscheiden daher outputbezogene, inputbezogene und throughputbezogene Produktionstypen. Entsprechende Darstellungen finden sich etwa bei (Hoitsch, 1993), (Adam, 1998), (Corsten, 2000) sowie (Dyckhoff und Spengler, 2004). hn Rahmen dieser bzw. bezogen auf diese Typologisierungen werden haufig gesondert Charakteristika der verfahrenstechnischen bzw. der Prozessindustrie diskutiert. Auch hierbei ergibt sich oft kein einheidiches und scharf von der Fertigungsindustrie abzugrenzendes Bild. Es existieren viele Kriterien, die z. T. als typisch fUr die Verfahrensindustrie beschrieben werden, die jedoch in beiden Industriebereichen anzutreffen sind, bzw. sich teilweise widersprechen. Dies ist auf unterschiedUche Definitionen der verfahrenstechnischen Industrie zuriickzufiihren, auf deren Vielfalt und darauf, dass einige Autoren von Teilbereichen der verfahrenstechnischen Industrie Verallgemeinerungen auf deren Gesamtheit vomehmen (vgl. (Corsten und May, 1994), S. 874). Bei den folgenden Ausfuhrungen wird deshalb weder eine weitere Typologisierung von Produktionssystemen

KAPITEL 2

GRUNDLAGEN STOFFSTROMBASIERTER PRODUKTIONSPLANUNG UND -STEUERUNG

vorgenommen, noch eine Darstellung der Unterschiede zwischen Fertigungs- und Prozessindustrie versucht.^ Vielmehr werden bewusst die fiir diese Arbeit relevanten Aspekte industrieller Produktion im Allgemeinen und einer verfahrenstechnischen Produktion im Besonderen skizziert.

2.1.2.1

Eingesetzte Technologie

Bin wesentliches Unterscheidungsmerkmal stellen zunachst die zum Einsatz kommenden Technologien dar. Nach natur- und ingenieurwissenschaftlichen Kriterien lassen sich diese in chemische, biologische und physikalische Verfahren einteilen, je nachdem, welche Wirkprinzipien zum Einsatz kommen. So basieren chemische Produktionsverfahren auf den GesetzmaBigkeiten der chemischen Reaktionstechnik (vgl. z. B. (Schulze und Hassan, 1981)) und lassen sich in Verfahren zur Stoffzerlegung, wie beispielsweise bei der Reduktion von Eisenerzen bei der Herstellung von Eisen und der Stoffverbindung, wie etwa bei Vorgangen der Polymerisation, einteilen. Vermehrte Bedeutung gewinnen biologische Verfahren, wie sie z. B. in der Landwirtschaft und bei der Produktion von Biogasen vorzufinden sind oder in neueren biotechnologischen Verfahren, beispielsweise in der Pharmaindustrie. Zu den physikalischen Produktionsverfahren gehoren mechanische Produktionsverfahren, die im Wesentlichen stoffumformende Prozesse umfassen, wahrend bei kalorischen Produktionstechnologien Verfahren der thermischen Verfahrenstechnik zum Einsatz kommen und sich bei elektrotechnischen Produktionstechnologien

beispielsweise

elektrischer

Felder

zur

Abscheidung von Stoffstromkomponenten bedient wird (vgl. (Dyckhoff und Spengler, 2004)).

2.1.2.2

Gestalt der Input- und Outputstoffe

Fiir Produktionsverfahren ist zudem die Gestalt der Liput- und der Outputstoffe von Bedeutung. Unterscheiden lassen sich zunachst ungeformte bzw. formlose Giiter wie Gase, Flussigkeiten, Schuttguter oder deren Mischungen. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht zusammenhangend und ungeordnet sind und sich leicht gegeneinander bewegen lassen. Da diese haufig zusatzlich auseinanderstreben, werden fiir Transport-, Lager- und Produktionsvorgange geeignete Behaltnisse benotigt, um Verunreinigungen, Verfluchtigungen und Vermischungen zu verhindem. Auch wenn diese Guter oft gut fur kontinuierliche Produktions- und Transportvorgange geeignet sind, kommen auch diskontinuierliche Verfahren zum Einsatz. Bei dieser so genannten Chargenproduktion wird eine bestimmte

Hierfiir wird auf die bereits angegebene bzw. im Folgenden referenzierte Literatur verwiesen.

JIO

GRUNDLAGEN STOFFSTROMBASIERTER PRODUKTIONSPLANUNG UND -STEUERUNG

KAPITEL 2

Menge (Charge, engl. Batch) in eine Apparatur gefullt (vgl. z. B. (Uhlig, 1987), (Packowski, 2004)). Die Charge verweilt in dieser Apparatur, bis die gewunschte Stoffumwandlung erreicht ist (vgl. z. B. (Gruhn, Fratzscher und Heidenreich,1979), S.56). Es kommt zu wiederkehrenden Zyklen Fallen, Verweilen, Entleeren (vgl. (Bockhardt, Guntzschel und Poetschukat, 1997), S. 32). Wahrend der Verweilzeit sind ZustandsgroBen wie Druck, Temperatur u. A veranderlich, jedoch weisen neue Zyklen gleiche Zeitintervalle und Zustandsanderungen auf (vgl. z. B. (Kogl und Moser, 1981), S. 14). Da auch bei Chargenproduktion oft kontinuierlich Stoffe zu- oder abgefuhrt werden, beispielsweise VOC (Volatile Organic Compound-) Emissionen bei der Lackherstellung, ist die Verweilzeitverteilung der Komponenten entscheidendes Charakteristikum der Chargenproduktion. Von geformten Gutern wird gesprochen, wenn zwei bzw. drei Dimensionen eines Gutes festgelegt sind. Ist dies fiir zwei Dimensionen der Fall, wird von geformten FlieBgutem, beispielsweise endlosen Giitem wie Faden oder Drahten, gesprochen. Im Fall von drei konstruktiv bestimmten Dimensionen handelt es sich um Stuckguter, die aus einem oder mehreren zusammengesetzten Stucken bestehen konnen.

2.1.2.3

Stufigkeit von Produktionsprozessen

Die Stufigkeit eines Produktionsprozesses wird durch die groBte Anzahl der zu durchlaufenden Produktionsschritte bestimmt. Bei mehrstufigen Produktionsprozessen bildet der Output der vorgelagerten den Input der nachgelagerten Produktionsstufe. Von einem zyklischen Produktionsprozess wird gesprochen, wenn auf wenigstens einer Produktionsstufe der Output dergleichen oder einer nachgelagerten Produktionsstufe wieder eingesetzt wird. Im ersten Fall liegt ein einstufiger, im zweiten Fall ein mehrstufiger Zyklus vor. Werden wechselseitig Guter zwischen Produktionsprozessen ausgetauscht, handelt es sich um prozessubergreifende Zyklen (vgl. (Corsten und May, 1994), S. 877).

2.1.2.4

Vergenzen von Produktionsprozessen

Hinsichtlich der Struktur der Stoff- bzw. Materialfliisse in Produktionsprozessen werden verschiedene Vergenzen unterschieden. Bei einer durchgdngigen Produktionsstruktur besitzt der Produktionsprozess einen Input, mit dem ein Output erzeugt wird. Bei einer, haufig als Charakteristikum

verfahrenstechnischer

Prozesse

bezeichneten,

analytischen

bzw.

divergierenden Struktur werden mit Hilfe eines Inputs mehrere Outputs erzeugt. Im Gegensatz zu diesen werden als synthetische bzw. konvergierende Struktur Prozesse

KAPITEL 2

GRUNDLAGEN STOFFSTROMBASIERTER PRODUKTIONSPLANUNG UND -STEUERUNG

V\_

deklariert, bei denen aus mehreren Inputs ein Output hergestellt wird. Umgruppierend bzw. austauschend werden Prozesse bezeichnet, bei denen sowohl synthetische als auch analytische Elemente enthalten sind. Abbildung 2-1 veranschaulicht die Vergenztypen.

durchgangig (glatt)

—H

\-A

!-•

z. B. Lackiererei

konvergierend (synthetisch) z. B. Montageprozesse

-[

-A

divergierend (analytisch) z. B. Raffinerie , Demontage,...

umgruppierend (austauschend)

Abbildung 2-1:

—H

H

H

ly^

^Jt

Vergenztypen von Produktionssystemen Quelle: in Aniehnung an (Dyckhoff und Spengler, 2004), S. 22

Analytische Produktionsprozesse stellen in alter Regel Kuppelproduktionsprozesse dar, bei denen neben den Hauptprodukten, deren Herstellung Hauptziel des Prozesses bzw. Teilschritts ist, Kuppelprodukte, d. h. erwunschte, neutrale oder unerwunschte Nehenprodukte anfallen.^ Dabei wird von einer starren Kuppelproduktion gesprochen, wenn die Kuppelprodukte in festen Verhaltnissen zueinander anfallen. Sind diese Verhaltnisse in Grenzen variabel, \\tgi flexible Kuppelproduktion vor (vgl. (Corsten und May, 1994), S. 875). Auch wenn Kuppelproduktion haufig als Spezifikum von verfahrenstechnischen Prozessen bezeichnet wird, stellt sie jedoch auch fur die Fertigungsindustrie eher den Regel- als den Ausnahmefall dar. Fur weitere detaillierte AusfUhrungen zur Kuppelproduktion sei beispielsweise auf (Riebel, 1955), (Muller-Furstenberger, 1995) und (Oenning, 1996) verwiesen.

^

Dyckhoff ordnet diese Nehenprodukte den Objektkategorien Gut, Ubel und Neutrum zu (vgl. (Dyckhoff, 1993)). Es sind z. T. auch die Begriffe Ab- und Beiprodukte fiir unerwunschte bzw. neutrale Nehenprodukte gebrauchlich (vgl. z. B. (Dyckhoff und Spengler, 2004), S. 14).

^2.

GRUNDLAGEN STOFFSTROMBASIERTER PRODUKTIONSPLANUNG UND -STEUERUNG

2.1.2.5

KAPITEL 2

Merkmale stoffstrombasierter Produktionssysteme

Auch wenn, wie eingangs erlautert, auf die Formulierung von Charakteristika von stoffumwandelnden

Produktionsverfahren

verzichtet wird, besitzen sie doch einige

Besonderheiten, die es zu beriicksichtigen gilt. Zunachst sind die Mengenverhaltnisse, in denen Kuppelprodukte anfallen, durch Variationen der Einsatzstoffe und deren Mischungen, der Verweilzeit im Reaktionsraum und sonstiger Prozessbedingungen wie Druck, Temperatur und ggf. Art und Menge von eingesetzten Katalysatoren steuerbar (vgl. (Corsten und May, 1994)). Auch bei Chargenproduktion sind die Ausgangsbedingungen haufig nicht konstant zu halten. Schwankende Eigenschaften der Rohstoffe, wie z. B. deren Reinheitsgrad, Wassergehalt, Farbe und Festigkeit, konnen dazu fuhren, dass ganze Chargen zu Ausschuss werden. Nicht alle Prozesse sind vollstandig kontrollierbar, und es kann sowohl in quantitativer wie auch in qualitativer Hinsicht zu Schwankungen im Output kommen. Viele der ablaufenden Prozesse weisen Nichtlinearitaten auf. Beispielsweise konnen diese bei den ablaufenden Reaktionen Verringerungen der Outputmengen bzw. der Prozesszeiten hervorrufen. Hier sind die ablaufenden Reaktionen adaquat zu beriicksichtigen.

2.1.3 Rahmenbedingungen industrieller Produktion fur Unternehmen der stoffumwandelnden Industrie Unternehmen der Prozessindustrie sind auBerst heterogen, sowohl in Bezug auf die UntemehmensgroBe, die hergestellten Produkte als auch auf die eingesetzten technischen Verfahren. Nach der in Abschnitt 2.1.1 gegebenen Abgrenzung zahlen u. a. die Chemische Industrie, die Metallerzeugung, das Kokerei- und Mineralolgewerbe sowie groBe Bereiche des Emahrungsgewerbes zu der Prozessindustrie. Mit einem jahrlichen Umsatz von ca. 500Mrd. € sowie einer Beschaftigtenzahl von 1,8 Mio. kommt der Prozessindustrie somit eine erhebliche Bedeutung innerhalb des verarbeitenden Gewerbes in der Bundesrepublik Deutschland zu (vgl. (Statistisches Bundesamt, 2005))."^ Dieser Abschnitt soil einen groben

Den Zahlen liegt eine Auswertung zugrunde, die verschiedene Bereiche, die Chemischen Industrie, die Metallerzeugung und -bearbeitung, das Papiergewerbe, Kokereien, Mineralolverarbeitung und Herstellung von Brutstoffen, Herstellung von Gummi- und Kunststoffwaren

sowie das Glasgewerbe, Telle der

Herstellung von Keramiken und Telle des Emahrungsgewerbes umfasst.

KAPITEL 2

GRUNDLAGEN STOFFSTROMBASIERTER PRODUKTIONSPLANUNG UND -STEUERUNG

Uberblick

iiber

Einflussfaktoren

auf

Industriebetriebe

mit

Schwerpunkt

13^

auf

der

Prozessindustrie geben. Das Produktspektrum reicht von Produkten der chemischen Industrie, wie anorganischen und organischen Grundchemikalien, beispielsweise Chlor und Schwefelsaure bzw. Athylen und Propylen, uber Feinchemikalien zur Be- und Weiterverarbeitung, wie z. B. Kunststoffe oder Farben und Lacke, bis bin zu KonsumgUtem wie Pharmaka, Waschmittel u. A., iiber Eisen und Stahl sowie Nichteisenmetalle, Kraftstoffe bis bin zu Nahrungs- und Genussmitteln, wie z. B. Alkoholika.

2.1.3.1

Einordnung von Produktionssystemen In das Umfeld

Wie andere Untemehmen auch sind Untemehmen der Prozessindustrie nicht losgelost von ihrem Umfeld zu betrachten. Zwischen ihnen und ihrem Umfeld bestehen enge Wechselwirkungen. Das Umfeld besitzt wesentlichen Einfluss auf die Ausgestaltung, den Betrieb und den Erfolg der Untemehmen. Abbildung 2-2 veranschaulicht diese Einflussfaktoren. Einige besitzen langfristigen Charakter, hierzu zahlen beispielsweise das Image eines Industriezweigs oder eines Untemehmens, politisch-rechtliche Fragen der Genehmigung und des Baus von Industrieanlagen sowie technische Innovationen, die altere Produktionsverfahren ablosen. Aber auch vor einem kurz- bis mittelfristigen Horizont beeinflusst das Umfeld Produktionssysteme im Allgemeinen und

stoffstrombasierte

Produktionssysteme im Besonderen erheblich, dies betrifft insbesondere den operativen Betrieb der Produktionssysteme.

14

GRUNDLAGEN STOFFSTROMBASIERTER PRODUKTIONSPLANUNG UND -STEUERUNG

Abbildung 2-2:

2.1.3.2

Einbettung von Produktionssystemen in ihr Umfeld Quelle: in Aniehnung an (Gunther und Tempelmeier, (Dyckhoff und Spengler, 2004), S. 4

KAPITEL 2

2000),

S. 2,

Aspekte des wirtschaftlichen Umfelds

Produzierende Untemehmen beziehen Input in Form von Materialien und Energie fiir ihre Produktion, setzen die erzeugten Produkte ab und miissen sich dabei in der Regel gegeniiber Konkurrenten durchsetzen. Die Chemische Industrie, die Metallerzeugung und das Kokereiund Mineralolgewerbe^ waren im Jahr 2002 mit ca. 92.750 Mio. kWh fiir etwas mehr als 46% des Strombedarfs und mit ca. 458.500 TJ fur ca. 82% des Kohlebedarfs des verarbeitenden Gewerbes verantwortlich. Mineralol und Mineralolerzeugnisse stellen einen weiteren wesentlichen Einsatzstoff in der Prozessindustrie dar. Die genannten Bereiche verbrauchen fast 64 % des im verarbeitenden Gewerbe eingesetzten Heizols (vgl. (Statistisches Bundesamt, 2004), S. 402). Die stoffumwandelnde Industrie ist daher besonders von den kurz- bis mittelfristigen Schwankungen der Rohstoff- und Energiepreise betroffen. Wie umfangreich diese Schwankungen sind, sei am Beispiel von Kohle, Koks und Erz verdeutlicht. In den vergangenen Jahren stieg der Preis fiir Kokskohle von 50 $ auf ca. 130 $ (vgl. (Ameling, 2005)), der Preis fiir chinesischen Koks^ von durchschnittlichen 55 $/t im Jahr

EinschlieBlich der Herstellung von Brutstoffen. 12,5 % Asche, FOB China.

KAPITEL 2

GRUNDLAGEN STOFFSTROMBASIERTER PRODUKTIONSPLANUNG UND -STEUERUNG

1^

1999 uber 70 $/t 2002, 114 $/t im Jahr 2003 bis hin zu teilweise 470 $/t (vgl. (Kasperczyk, 2004)), bevor er zu Beginn des Jahres 2005 wiederum auf ca. 260 $/t zuriickging (vgl. (Ameling, 2005)). Ahnlich verhalt es sich auch mit den Preisen fiir andere Einsatzstoffe, wie etwa Rohohl und Energie, die in den vergangenen Jahren ebenfalls massive Preissteigemngen erfahren haben. Dies ist einerseits auf eine Rohstoffverknappung,

andererseits auf

Anderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen zuruckzufuhren. Im Jahr 2005 haben zudem die Erzpreise massive Anstiege von teilweise mehr als 70 % zu verzeichnen (vgl. (NSC, 2005), (HB, 2005a)). Bei Betrachtung dieser Preissteigemngen wird deutlich, dass der wirtschaftliche Erfolg der Untemehmen auch davon abhangt, inwieweit solche Preissteigemngen an die Kunden weitergegeben werden konnen, die Preise auf den Absatzmarkten also synchron zu den Preisen auf den Rohstoff- und Energiemarkten verlaufen. Durch Konkurrenz, die mit einem (ressourcen)-effizienteren Verfahren arbeitet oder den Schwankungen nicht oder nicht in vollem MaBe unterworfen ist, kann eine Weitergabe der Preiserhohungen ganz oder teilweise verhindert werden. Da diese Schwankungen oftmals kurz- bis mittelfristige Ausschlage aufweisen, ist auch auf den entsprechenden Planungsebenen darauf zu reagieren. Dabei ist das Produktionssystem als solches als gegeben anzusehen und der Spielraum ftir kurzfristige Verfahrensmodifikationen meist begrenzt. AUerdings bieten sich bei stoffumwandelnden Produktionsprozessen

oftmals

Moglichkeiten,

durch

gezielte

Beeinflussung

von

Prozessparametem wie Dmck oder Temperatur, Substitution von Einsatzstoffen oder Andemng von chemischen Spezifikationen das Verfahren an geanderte Rahmenbedingungen anzupassen und somit ein- sowie ausgehende Stoffstrome gezielt zu beeinflussen. Ebenfalls

aus

dem

wirtschaftlichen

Umfeld

resultieren

die

auch

in

anderen

Wirtschaftbereichen sehr haufig thematisierten Kundenanfordemngen an Qualitat und Preis der Produkte auf der einen, an kurze Lieferzeiten und hohe Termintreue auf der anderen Seite. In einigen Bereichen der Prozessindustrie, wie z. B. bei der Herstellung von Lacken und Farben, sind zudem Anfordemngen hinsichtlich kundenindividueller Produkte anzutreffen, die zu kleineren Produktionsmengen und niedrigeren Wiederholraten der Produkte fUhren.

^6

GRUNDLAGEN STOFFSTROMBASIERTER PRODUKTIONSPLANUNG UND -STEUERUNG

2.1.3.3

KAPITEL 2

Aspekte des politisch-rechtlichen Umfelds

Wesentlichen Einfluss ubt, neben wirtschafts-, arbeits- und sozialrechtlichen Regelungen, das politisch-rechtliche Umfeld insbesondere auch in Bezug auf den notwendigen Schutz der Umwelt durch umweltrechdiche Bestimmungen aus, die sich im Besonderen auf Anlagen mit einem groBen Potenzial hinsichtlich Schadstoffemissionen und der Entstehung von Abfallen beziehen (vgl. (Schone, 2000), S. 35ff.). Die Zielsetzung dieser Regelungen besteht hauptsachlich in der Beeinflussung der Anlagenbetreiber bin zu einer nachhaltigen Nutzung der Umwelt auf Grundlage vorgegebener umweltpolitischer Ziele und Prinzipien (vgl. (Storm, 1999)). Die besondere Bedeutung, die diese fiir Untemehmen der Prozessindustrie haben, wird einerseits aus den bereits angefuhrten Zahlen hinsichtlich des Ressourcenbedarfs deutlich. Andererseits stellen die eingesetzten Produktionsverfahren, die bei der Produktion entstehenden Kuppelprodukte sowie die hergestellten Erzeugnisse weitere Faktoren dar. Kemelemente der ftir Industrieuntemehmen relevanten nationalen Umweltgesetzgebung stellen das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) (vgl. (BImSchG, 2002)) mit den nachgelagerten 28 Durchfuhrungsverordnungen (1. bis 28. BimschV) und den Verwaltungsvorschriften TA Luft und TA Larm, das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG) (vgl. (KrW-/AbfG, 1994)), das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) (vgl. (WHG, 2002)) sowie das Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) (vgl. (BBodSchG, 1998)), jeweils ebenfalls erganzt bzw. konkretisiert durch untergesetzliche Regelwerke, dar. Das Treibhausgasemissionshandelsgesetz (TEHG) (vgl. (TEHG, 2004)) und der zugehorige nationale Zuteilungsplan, der den Betrieben handelbare Zertifikate, d. h. Emissionsrechte fiir Treibhausgase, insbesondere Kohlenstoffdioxid (C02)^, zuteilt und deren Handel regelt, wird fiir Unternehmen zukiinftig groBe Bedeutung erlangen. So sieht beispielsweise die Eisen- und Stahlindustrie schon die Anfangszuteilung an Zertifikaten als zu gering an. Bei weiteren Produktionssteigerungen miissten Zertifikate gekauft werden, so dass mit deren Verknappung und steigenden Preisen zu rechnen ware (vgl. (Ameling, 2005)). In einigen Bereichen werden die nationalen Regelwerke zusatzlich durch Regelwerke auf Landesebene erganzt. Wesentlichen Einfluss besitzen in den letzten Jahren zunehmend auch europaische (Rahmen-)Richtlinien und Verordnungen und deren Umsetzungen in nationales Recht. Zu nennen

Ebenfalls betroffen

sind Methan (CH4), Distickstoffoxid

perfluorierte Kohlenwasserstoffe und Schwefelhexafluorid (SFg).

(N2O), Fluorkohlenwasserstoffe

(FKW),

KAPITEL 2

GRUNDLAGEN STOFFSTROMBASIERTER PRODUKTIONSPLANUNG UND -STEUERUNG

rz

sind hier insbesondere die Richtlinie 96/61/EG iiber die Integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (IVU-Richtlinie) (vgl. (IVU-RL, 1996)), die mit dem Ziel, ein hohes Schutzniveau flir die Umwelt insgesamt zu erreichen, Auswirkungen auf den Bau und den Betrieb von Industrieanlagen hat. Zum einen wird ein integrierter, d. h. medieniibergreifender Ansatz verfolgt und zum anderen werden mit den so genannten besten verfugbaren Techniken (BVT) sektorspezifische Referenztechniken bestimmt, die als Grundlage zur Bestimmung von Emissionsgrenzwerten zur Erreichung einer Vermeidung oder Verminderung der Emissionen in und Auswirkungen auf die gesamte Umwelt dienen konnen. Die IVU-Richtlinie bringt zudem auch Grundpflichten fur Betreiber hinsichtlich von Vorkehrungen vor Umweltverschmutzungen, deren Verhinderung, des Umgangs mit Abfallen gema6 der Abfallrahmenrichtlinie, einer effizienten Energieverwendung u. a. (vgl. Art. 3 IVURL) sowie weitere Pflichten, beispielsweise zur Einhaltung von Emissionsgrenzwerten, mit sich. GroBe Aktualitat besitzt die neue Chemikalienpolitik der Europaischen Union, die sich derzeit in einem Abstimmungsprozess befindet und voraussichtlich groBe Auswirkungen fiir Betriebe der Prozessindustrie haben wird. Betroffen sind, abgestuft nach Produktionsmengen und Relevanz der hergestellten Stoffe, bereits Jahresproduktionsmengen ab einer Tonne in Form von Registriemngen, Bewertungen, Zulassungsverfahren und Beschrankungen von Verwendung und Inverkehrbringen von Stoffen.^ Da es Zielsetzung dieses Abschnitts ist, die wesentlichen Rahmenbedingungen der industriellen Produktion fiir Untemehmen der Prozessindustrie zu umreiBen, wird auf weitere Ausfuhrungen verzichtet. Fiir detailliertere Informationen zu umweltrechtlichen Rahmenbedingungen sei beispielsweise auf (Storm, 2002), (Dietrich, 2003) und (Kotulla, 2003) verwiesen. Die Leistungserstellung des Untemehmens muss unter Berucksichtigung dieser Umfeldeinflusse gestaltet werden. Wesentliches Element dabei stellt deren Planung und Steuerung dar, mit der sich der folgende Abschnitt befasst.

Der derzeitige Stand der neuen Chemikalienpolitik sieht eine Verordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschrankung chemischer Stoffe (REACH), die Schaffung einer Europaischen Agentur fiir chemische Stoffe sowie die Anpassung und Anderungen verschiedener weiterer Richtlinien vor.

18

GRUNDLAGEN STQFFSTROMBASIERTER PRODUKTIONSPLANUNG UND -STEUERUNG

KAPITEL 2

2.2 Planung und Steuerung des betrieblichen Leistungserstellungsprozesses Nachdem im vorherigen Abschnitt eine grundlegende Einordnung stoffstrombasierter Produktionssysteme vorgenommen wurde, ist es Gegenstand des vorliegenden Abschnitts, Planung und Steuerung betrieblicher Leistungserstellungsprozesse im Hinblick auf stoffstrombasierte Produktionssysteme zu umreiBen.

2.2.1 Einordnung der Produktionsplanung und -steuerung in das Supply Chain Management Die Planung und Steuerung des betrieblichen Leistungserstellungsprozesses wird in den letzten Jahren haufig unter einem untemehmensubergreifenden Fokus diskutiert. Grund hierfiir sind eine zunehmend engere Verflechtung der Leistungserstellungsprozesse einzelner Akteure. Diese wird u. a. dadurch induziert, dass auf den in vielen Bereichen vorherrschenden Kaufermarkten kiirzere Lieferzeiten, groBere Termintreue und hohere Flexibilitat gefordert werden, Unternehmen hingegen eine niedrige Kapitalbindung anstreben und sich zunehmend auf ihre Kemkompetenzen beschranken und daher Aktivitaten, die nicht zu diesen Kemkompetenzen zahlen, auslagem.^ Die so entstehende komplexe Lieferkette (engl. supply chain) ist daher effizient und effektiv zu planen und steuem/^ Dabei muss darauf geachtet werden, dass es nicht zu einer einfachen Verlagerung der Kosten von einer Stufe dieser Lieferkette auf eine vor- oder nachgelagerte kommt, sondem dass durch die Abstimmung der Akteure ftir alle Seiten Vorteile erzielt werden. Li diesem Zusammenhang wird von so genannten Win-Win-Situationen gesprochen. Diese sind umso wichtiger, als das eine reine Verschiebung von Kosten entlang der Lieferkette deren Wettbewerbsfahigkeit nicht fordert. Haufig wird davon gesprochen, dass zukiinftig Wettbewerb vomehmlich zwischen Lieferketten stattfindet (vgl. z. B. (Christopher, 1998), S. 16). Bei dem in diesem

Diese Auslagerung wird auch unter dem Begriff des Outsourcing diskutiert (vgl. beispielsweise (KohlerFrost, 2005)). In der Literatur hat sich der Begriff der Lieferkette bzw. des auch im Deutschen gebrauchhchen Supply Chain gegeniiber der treffenderen Bezeichnung des Liefer- bzw. Wertschopfungsnetzwerks durchgesetzt. Daher wird in dieser Arbeit ebenfalls dieser Begriff verwendet.

KAPITEL 2

GRUNDLAGEN STOFFSTROMBASIERTER PRODUKTIONSPLANUNG UND -STEUERUNG

19^

Zusammenhang diskutierten Begriff des Supply Chain Management (SCMf^ handelt es sich um ein Logistikkonzept, das die Bereiche der Leistungserstellung

interfunktional,

interorganisational und somit ganzheitlich zu betrachten versucht. Eine umfassende Definition des Begriffes Supply Chain Management, die dieser Auffassung folgt, lasst sich wie folgt angeben:' „ Supply Chain Management ist die integrierte Planung und Steuerung der Material- und DienstleistungsflUsse vom Rohstofferzeuger bis zum Endkunden, einschliefilich der damit verbunden Informations- und Geldfliisse, mit dem Ziel, die Kundenzufriedenheit zu erhohen und Kosten und logistische Leistungsgrqflen uber alle Wertschopfungsstufen zu optimieren" ((Schultmann, 2003), S. 36). Im Bereich des Supply Chain Management werden vornehmlich drei Planungs- und Steuerungsaufgaben unterschieden. Die Netzwerkgestaltung, d. h. die Auswahl der Partner sowie Aufbau und Modellierung der Produktions- und Netzwerkstrukturen, wird als Supply Chain Configuration bezeichnet. Den Kernbereich des SCM stellt das so genannte Supply Chain Planning dar. Den dritten Aufgabenbereich bildet die so genannte Supply Chain Execution, unter der die Steuerungs- und Kontrollfunktionen wie Auftragsveranlassung, Ruckmeldung von Auftragsdaten

u. a. zusammengefasst

werden. Zur erfolgreichen

Ausgestaltung eines interorganisationalen Supply Chain Management sind organisatorische, soziale und technische Aspekte zu berlicksichtigen. Zum Bereich der technischen Aspekte gehoren auch die Planungsaufgaben des Supply Chain Management, die sich in der in Abbildung 2-3 dargestellten so genannten Supply Chain Planning Matrix (SCP-Matrix) skizzieren lassen.^"* Diese weist einerseits eine funktionale GHederung in die Bereiche der

'' Dieser englische Begriff liat sich inzwischen auch in der deutschsprachigen Literatur durchgesetzt. Deutsche Ubersetzungen wie beispielsweise Management der Lieferkette oder Versorgungskettenmanagement sind kaum noch gebrauchlich (vgl. (Schultmann, 2003), S. 31). '^ Der verwendete Begriff „Material" stammt ursprijnglich aus der Fertigungsindustrie, ist in dieser Arbeit jedoch synonym zu „Stoff' zu interpretieren. '^ Nicht alle im Rahmen des Supply Chain Management zu betrachtenden Planungsaufgaben sind in der SCPMatrix aufgefuhrt. Vor dem Hintergrund einer steigenden Produktverantwortung sind beispielsweise zukiinftig vermehrt auch Fragestellungen der Rucknahme, des Recycling und der Beseitigung von Produkten mit in die Betrachtungen einzubeziehen (vgl. z. B. (Werner, 2001)). In diesem Zusammenhang wird auch von Closed-Loop-Supply Chain Management (vgl. z. B. (Guide und van Wassenhove, 2003)) gesprochen. Dementsprechend werden auch Erweiterungen der SCP-Matrix, beispielsweise um Fragestellungen der Demontage und des Recycling, diskutiert (vgl. z. B. (Schultmann, Frohling und Rentz, 2002b)).

20

GRUNDLAGEN STOFFSTROMBASIERTER PRODUKTIONSPLANUNG UND -STEUERUNG

KAPITEL 2

Beschaffung, Produktion, Distribution und Absatz sowie eine temporale Gliederung hinsichtlich des Planungshorizontes in lang-, mittel- und kurzfristig auf.

>

Beschaffuns

/

> ^

Produktion

• Materialprogramm

• Standorte

• Lieferantenwahl

• Produktionssystem

^

y

Distribution y ^

taktisch

•

* • Produktionsprogramm (MPS)

• Materialbedarfsplanung

< •

>

• Produktprogramm

• Distributionsnetz

• strategische Absatzplanung

strategisch

• Personalplanung

Absatz

•

* <^

• Distributionsplanung

• taktische Absatzplanung <4>>

• Kapazitatsplanung

• Vertrage

operativ

*

*

• Personaleinsatzplanung

• LosgroBenbildung

• Materialabrufe

^> •

Maschinenbelegung

•

o

• Fahrzeugeinsatz

-4>'

• Ablaufplanung

Z^

Abbildung 2-3:

* . operative Absatzplanung

• Lagerdisposition

Warenflusse

^-^^

Informationsflusse

Supply Chain Planning Matrix Quelle: in Aniehnung an (Fleischmann, Meyr und Wagner, 2005), (Fleischmann und Meyr, 2001), (Rohde, Meyr und Wagner, 2000)

Auch die „klassischen" Aufgaben des Produktionsmanagements sind im taktisch-operativen Bereich der Disposition und der Produktion in der Supply Chain Planning-Matrix aufgefUhrt. Der ganzheitliche Ansatz des SCM zielt auch auf eine Bearbeitung dieser Planungs- und Steuerungsaufgaben im Kontext der gesamten Lieferkette ab, wenngleich diese Planungsaufgaben nach wie vor meist mit Fokus auf die einzelnen Akteure durchgefUhrt werden. Im folgenden Abschnitt wird auf diese Aufgaben naher eingegangen.

2.2.2 Planungsaufgaben des Produktions- und Stoffstrommanagements Ausgehend von strategischen Vorgaben der Untemehmensfuhrung obHegt es dem Produktionsmanagement, diese im Bereich der betrieblichen Leistungserstellung zu konkretisieren und umzusetzen. Im Rahmen der Produktionsplanung sind die HandlungsmogUchkeiten systematisch zu identifizieren und hinsichtlich einer moglichst optimalen Erfullung der strategischen Vorgaben zu bewerten und festzulegen. Aufgabe der Produktionssteuerung ist die Umsetzung der Produktionsplane im taglichen Produktionsablauf (vgl. (Spengler, 1998), S. 41, (Schultmann, 2003), S. 28). Wie im Supply Chain Management sind auch im Bereich

KAPITEL 2

GRUNDLAGEN STOFFSTROMBASIERTER PRODUKTIONSPLANUNG UND -STEUERUNG

des Produktionsmanagements

eine Reihe von Definitionen

und

21_

unterschiedlichen

begrifflichen wie inhaltlichen Differenzierungen gebrauchlich. Am haufigsten sind zwei Abgrenzungen anzutreffen. Ebenfalls wie im Supply Chain Management wird dabei einerseits eine zeitliche und andererseits eine inhaltliche Differenziemng vorgenommen (vgl. z. B. (Corsten, 1994)). Auch wenn z. T. andere Einteilungen verwendet werden, ist die Gliederung in strategische, taktische und operative Aufgaben des Produktionsmanagements ublich (vgl. z. B. (Corsten, 2000), (Zapfel, 2001), (Dyckhoff und Spengler, 2004), (Dyckhoff und Spengler, 2004) und (Schultmann, 2003)).^"^ Vor dem Hintergrund dieser zeitlichen Horizonte lassen sich die Aufgabenbereiche des Produktionsmanagements wie folgt angeben: •

Strategisches Produktionsmanagement Dem strategischen Produktionsmanagement kommt die Aufgabe der Ziel- und Strategiefindung fiir das Leistungserstellungssystem zu, um eine leistungsfahige Produktion zu schaffen, zu erhalten und die Wettbewerbsfahigkeit trotz wechselnder Umweltbedingungen zu gewahrleisten. Es besitzt einen zeitlichen Horizont von ca. fiinf bis zehn Jahren.

•

Taktisches Produktionsmanagement Aufgabe des taktischen Produktionsmanagement ist die Konkretisierung der durch das strategische Produktionsmanagement als Rahmenbedingungen vorgegebenen Strategien hinsichtlich

der

Leistungsfelder

(Output),

Produktionspotenziale

(Input)

und

Produktionsorganisationen (Throughput), es besitzt einen zeitlichen Horizont von ca. einem bis zu fiinf Jahren. •

Operatives Produktionsmanagement Im operativen Produktionsmanagement ist der durch das strategische und taktische Produktionsmanagement vorgegebene Produktionsapparat optimal einzusetzen, um einen wirtschaftlichen Vollzug der Produktion zu ermoglichen. Der zeitliche Horizont betragt bis zu einem Jahr.

'"^ Beispielsweise betrachtet Gunther mit der dispositiven Ebene eine vierte Ebene (vgl. (Gunther, 1993)). Andere Autoren, wie beispielsweise Hansmann (vgl. (Hansmann, 1994)) oder Hoitsch (vgl. (Hoitsch, 1993)), differenzieren nur hinsichtlich der strategisch(-taktisch)en und der operativen Ebene.

22

GRUNDLAGEN STOFFSTROMBASIERTER PRODUKTIONSPLANUNG UND -STEUERUNG

KAPITEL 2

Die inhaltliche Differenzierung der Aufgaben des Produktionsmanagements unterscheidet ebenfalls drei Bereiche. Auch wenn die verwendete Terminologie nicht bei alien Autoren einheitlich ist, findet die Einteilung gemaB des so genannten 3-P-Konzepts weithin Anerkennung. Diese von Kern (vgl. (Kern, 1992)) vorgestellte Gliederung unterscheidet die Produkt- und Programmgestaltung, die Potenzialgestaltung und die Prozessgestaltung und ist mit einer an der systemischen Betrachtung orientierten Gliederung in die Planung des Output, des Input und des Throughput des Produktionssystems weitgehend deckungsgleich (vgl. (Corsten, 2000), S. 29). Die Aufgabenbereiche lassen sich wie folgt definieren: •

Produkt- und Programmgestaltung (Output-Planung) In der Produkt- und Programmgestaltung ist der Output des betrieblichen Leistungserstellungsprozesses festzulegen. Dies umfasst langfristige Planungsaufgaben, wie die Festlegung der Produktfelder, in denen das Untemehmen tatig werden soil, beispielsweise ob es sich auf seine Kemkompetenzen beschranken oder diversifizieren soil. Auf taktischoperativer Planungsebene ist festzulegen, in welcher Breite, d. h. welche Produktgruppen zu produzieren sind und in welcher Fertigungstiefe dies geschehen soil. Femer sind fiir den betrachten Planungszeitraum die herzustellenden Produkte nach Art und Menge fiir die in dem Planungszeitraum befindlichen Perioden festzulegen.

•

Potenzialgestaltung (Input-Planung) Fiir die Umsetzung des festgelegten Produkt- bzw. Produktionsprogramms ist der Einsatz von Produktionsfaktoren notwendig. Der Potenzialgestaltung obliegt es, die Bereitstellung dieser Faktoren zu planen. Hierzu zahlen langfristige Planungen in Bezug auf Standorte, BetriebsgroBe, Kapazitatsarten, Instandhaltungsstrategien, verwendete Technologien, Personal- sowie Rohstoffbeschaffung.

Taktische Entscheidungen

beinhalten die

konkretisierende Festlegung hinsichtlich der genannten Aufgabenbereiche. Operativ sind vor allem die Beschaffung der Repetierfaktoren, Reservierung von Kapazitaten und der Mitarbeitereinsatz zu planen. •

Prozessgestaltung (Throughput-Planung) Aufgabe der Prozessgestaltung ist die Planung der Innenstruktur des Produktionssystems. Auf strategischer Planungsebene ist es vor allem der Organisationstyp der Produktion, den es festzulegen gilt. Bei der Konkretisierung der Prozessgestaltung im Rahmen der taktischen Planungsebene ist die tatsachliche Ausgestaltung der Produktion insbesondere hinsichtlich des Produktionslayout zu bestimmen. Operativ ist das gegebene Produktionssystem optimal zur Erfiillung des Produktionsprogramms einzusetzen. Es sind die Aufgaben der Ablaufplanung, d. h. der Termin- und Reihenfolgeplanung unter Beriicksichti-

KAPITEL 2

GRUNDLAGEN STOFFSTROMBASIERTER PRODUKTIONSPLANUNG UND -STEUERUNG

23^

gung von Kapazitatsrestriktionen sowie der Produktionssteuerung, d. h. der Veranlassung, Uberwachung und Sicherung der Produktion wahrzunehmen (vgl. (Dyckhoff und Spengler, 2004), S. 30f.). Die bei der betrieblichen Leistungserstellung aus der Umwelt entnommenen bzw. an die Umwelt abgegebenen Stoffstrome leisten einen entscheidenden Beitrag zur Erschopfung und Verknappung von Ressourcen bzw. zur Uberbeanspruchung der Aufnahmekapazitat der Umwelt (vgl. (Martel, 1999), S. 1). Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit eines integrierten Stoffstrommanagements aller relevanten Stoffstrome eines Produktionssystems, das durch die Enquete-Kommission des 13. Deutschen Bundestags im Jahr 1994 als die „...zielorientierte, verantwortliche, ganzheitliche und effiziente Beeinflussung von Stoffstromen, wobei die Zielvorgaben aus dem okologischen und okonomischen Bereich kommen, unter Beriicksichtigung von sozialen Aspekten" definiert wurde ((Enquete, 1994), S. 719). Das so definierte Stoffstrommanagement lasst sich aufgrund seines Bezuges zur Nachhaltigkeit als Teilgebiet in die Umweltokonomie einordnen, die ihrerseits definiert ist als die Wirtschaftswissenschaft, die okologische Parameter mit in ihre Betrachtungen einbezieht ((Wietschel, 2001), S. 26). Dabei ist es erst der Bezug zur Nachhaltigkeit, der diese umweltbezogene Ausrichtung im Sinne einer Kreislaufwirtschaft bestimmt, da Stoffstrommanagement bereits dort beginnt, wo Stoffstrome durch Produktionsprozesse oder gesetzliche MaBnahmen gezielt beeinflusst werden (vgl. (Kirchgeorg, 1999), S. 35). Neben den okologischen und sozialen Zielen des Stoffstrommanagements bleibt das Zielsystem des Untemehmens, insbesondere auch des Produktionsmanagements bestehen (vgl. (Spengler, 1998), S. 48, (Wietschel, 2001)). Wie bei Aufgaben der Mehrzieloptimiemng iiblich, kann es durch die nebeneinander existierenden Zielsysteme des Produktions- und des Stoffstrommanagements zu neutralen, komplementaren oder konfliktaren Zielbeziehungen kommen. SoUen beide Zielsysteme simultan verfolgt werden, ergibt sich eine Verkniipfungsmoglichkeit iiber die in beiden Bereichen zu erfassenden Stoff- und Energiestrome. Werden die ein- und ausgehenden Stoff- und Energiestrome monetar bewertet, so konnen die im Produktions- und Stoffstrommanagement verfolgten Ziele komplementar sein, wenn die extemen Kosten des Ressourcenverbrauchs und die an die Umwelt abgegebenen Abfalle und Emissionen iiber diese Bewertungen internalisiert werden. Meist werden jedoch nicht samtliche extemen Kosten internalisiert und stellen die GroBen keine tatsachlichen Knappheitspreise dar, so dass es zur Verwirklichung einer nachhaltigen Produktion der expliziten

^4

GRUNDLAGEN STOFFSTROMBASIERTER PRODUKTIONSPLANUNG UND -STEUERUNG

KAPITEL 2

Einbeziehung weiterer GroBen im Rahmen des betrieblichen bzw. industriellen Stoffstrommanagements bedarf (vgl. (Spengler, 1998), S. 43f., (Wietschel, 2001), S. 24).

2.2.3 Grundlagen der Produktionsplanung und -steuerung Nach der Einordnung stoffstrombasierter Produktionssysteme in Abschnitt 2.1 und der grundlegenden Produktionsplanungs- und Steuerungsaufgaben ist es Gegenstand dieses Abschnitts, grundsatzliche Verfahrensweisen und Ansatze zur Produktionsplanung und -steuerung zum einen allgemein und zum anderen mit Bezug auf stoffstrombasierte Produktionssysteme zu umreiBen. 2.2.3.1

Modellgestutzte Planung

Grundlage einer systematischen Produktionsplanung bilden in der Regel Modelle, abstrakte Abbildungen realer Systeme oder Probleme. Hinsichtlich ihres Einsatzzweeks lassen sich Modelle wie folgt unterscheiden: Zur systematischen Darstellung von Systemen und deren Bestandteilen oder Sachverhalten aus der Realitat dienen Beschreibungsmodelle, die keine Erklarungen fiir reale Vorgange oder Prognosen liefem (vgl. (Dyckhoff, 1993), S. 26, (SchneeweiB, 2002)). Erkldrungs- bzw. Kausalmodelle stellen Zusammenhange zwischen unabhangigen exogenen Variablen und durch diese beschriebene Variablen her und dienen zur Erklarung des Systemverhaltens oder zur Formulierung von Hypothesen. Zur Vorhersage von zukiinftigen Daten und zur Abschatzung von Auswirkungen moglicher Handlungsalternativen werden Prognosemodelle eingesetzt (vgl. (Domschke, Scholl und Vo6, 1997), S. 35). Bei Simulationsmodellen handelt es sich um Prognosemodelle, bei denen die Zusammenhange zwischen Ursache und Wirkung nicht oder nicht vollstandig auf analytischem Wege beschrieben werden konnen und fiir die demnach keine analytischen Losungsverfahren existieren. Sie dienen daher dem systematischen Experimentieren zur Ermittlung der Konsequenzen einzelner Altemativen (vgl. (Domschke und Drexl, 2002), S. 3). Entscheidungs- bzw. Optimiermodelle sind formale Abbildungen von Entscheidungs- oder Planungsproblemen, die darauf abzielen, mittels geeigneter Verfahren gute, besser noch optimale Losungen dieser Probleme ermitteln zu konnen (vgl. (Scholl, 2001), S. 17). Die Entscheidungslogik des Produktionsmanagements basiert in der Regel auf eben solchen Entscheidungsmodellen. Die Planungsaufgabe, das so genannte Realproblem, wird zunachst in einer Abstraktionsphase in einem so genannten Realmodell abgebildet, das die wichtigsten Aspekte des Problems moglichst vollstandig beschreibt. Da dieses aufgrund seiner haufig sehr

KAPITEL 2

GRUNDLAGEN STOFFSTROMBASIERTER PRODUKTIONSPLANUNG UND -STEUERUNG

25

groBen Komplexitat einer analytischen Beschreibung nicht zuganglich ist, wird in einem zweiten Schritt, der so genannten Relaxation, das Realmodell in ein Formalmodell, den so genannten Entscheidungsgenerator, uberfuhrt. Mit Hilfe dieses Formalmodells werden Losungsmoglichkeiten des zugmnde liegenden Problems generiert und vorgeschlagen. Findet diese Losung Akzeptanz, wird sie im Schritt der Implementierung umgesetzt. Zur Uberpriifung und Sicherstellung der Abbildungsgenauigkeit werden auf alien Ebenen Validierungen durchgefuhrt und ggf. Anderungen in den Modellen und der Entscheidungslogik durchgefuhrt (vgl. (Scholl, 2001), S. 31, (Dyckhoff und Spengler, 2004), S. 38). Der beschriebene Prozess ist in Abbildung 2-4 dargestellt.

,

!

<•

Realproblem

Ab£)traktion

I empirische 1 Validierung

1r

Realmodell

Re axation

-^-—1

1r

Entscheidungsgenerator

ri 1 Entscheidungs } validierung 1

'r Implementierung

Abbildung 2-4:

Ex-anteValidierung

Modellbildungsprozess Quelle: (SchneewelB, 2002)

Entscheidungsmodelle lassen sich wiederum hinsichtlich verschiedener Kriterien klassifizieren. Zunachst ist hier der Informationsgrad zu nennen, auf dem die Modelle aufbauen (vgl. Abbildung 2-5). Im Grundmodell der Entscheidungstheorie wird, wie auch in vielen anderen Modellen, von einer vollstandigen Information, einer Entscheidungssituation unter Sicherheit, ausgegangen. Die zugrunde liegenden Parameter sind vollstandig und exakt bekannt oder werden - in Abstraktion - als bekannt vorausgesetzt. Es wird in diesem Zusammenhang von deterministischen Daten und dementsprechend von deterministischen Modellen gesprochen. Der Kenntnisstand der Sicherheit ist jedoch in realen Entscheidungssituationen bei strenger Definition nicht vorhanden. Stattdessen liegt ein Informationszustand bei

26

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KAPITEL 2

Unsicherheit vor. Diese wird in Unsicherheit bezuglich des Eintretens der Umweltzustdnde und Unsicherheit bezUglich der Daten Uher den Umweltzustand unterschieden. Im ersten Fall wird von Entscheidungen unter Risiko gesprochen, wenn dem Eintreten der Umweltzustande eine Wahrscheinlichkeit zugeordnet werden kann. Wird diese Wahrscheinlichkeit in einem Modell abgebildet, liegt ein stochastisches Modell vor. 1st dies nicht moglich, wird von Entscheidungen unter Ungewissheit gesprochen. Im zweiten Fall lasst sich zwischen Entscheidungen bei Unschdrfe (engl. fuzziness) und Entscheidungen bei Unvollstdndigkeit differenzieren. Unscharfe liegt vor, wenn die Daten nur vage und nicht genau erfasst werden konnen. Modelle, die diese Unscharfe abbilden, werden als unscharfe bzw. Fuzzy-Modelle bezeichnet. Konnen die Daten nicht oder nur unvollstandig erfasst werden, ist Unvollstandigkeit gegeben (vgl. (Brunner, 1994), S. 8f.). Informationszustar

^

Unsicherheit

Sicherheit

/

^

Unsicherheit 11 bzgl. des Eintretens| 1

Sicherheit

Risiko

Deterministische Daten

Daten treten mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf

Abbildung 2-5:

1 1 Ungewissheit

Fur das Eintreten der Daten existieren keine Wahrscheinlichkeiten

|

Unsicherheit bzgl. der Daten

1

Unscharfe

Daten konnen nur vage und unscharf erfasst werden

| {Unvolistandiglceit

Daten konnen nur unvollstandig erfasst werden Oder fehlen

Informationszustande In der Planung Quelle: in Aniehnung an (Brunner, 1994), S. 9

Fiir Entscheidungsmodelle im Bereich des Produktionsmanagements ist zudem der Abstraktionsgrad der Prozessabbildung entscheidend. Eine aggregierte Betrachtung eines Produktionsprozesses in Black-Box-Modellen, beispielsweise iiber feste Produktionskoeffizienten, ftihrt zwar zu ubersichtlichen und vergleichsweise einfach losbaren Modellen, jedoch ist jeweils zu priifen, ob die damit einhergehenden Vereinfachungen tatsachlich zulassig sind. Dies mag fur verschiedene Prozesse, beispielsweise aus der Fertigungsindustrie, der Fall sein, insbesondere fiir stoffumwandelnde Vorgange in der Prozessindustrie sind jedoch meist detailliertere Betrachtungen der zugrunde liegenden Prozesse notwendig. Eine vollstandige

KAPITEL 2

GRUNDLAGEN STQFFSTROMBASIERTER PRODUKTIONSPLANUNG UND -STEUERUNG

27_

Disaggregation und detailgenaue Abbildung eines Prozesses oder gar von vemetzten Teilprozessen in einem White-Box-Modell hingegen ist durch den damit verbundenen Modellierungsaufwand und das schnell schwer bzw. nicht mehr losbare resultierende Entscheidungsmodell meist nicht zielfuhrend. Es ist daher in der Modellierung ein adaquates Aggregationsniveau zu bestimmen, das einerseits die wesentlichen Determinanten der Prozesse adaquat abbildet, andererseits einen vertretbaren Modellierungsaufwand und die Losbarkeit der resultierenden Modelle sicherstellt. Vom Detaillierungsgrad her sind diese zwischen den Black-Box- und den White-Box-Modellen einzuordnen, es wird daher in diesem Zusammenhang von so genannten Grey-Box-Modellen gesprochen (vgl. (Penkuhn, 1997), S. 28, (Daenzer und Huber, 1999)). Die Aggregationsebenen sind in Abbildung 2-6 dargestellt.

Abbildung 2-6:

2.2.3.2

Aggregationsebenen der Prozessabbildung Quelle: In Aniehnung an (Penkuhn, 1997), S. 28, (Daenzer und Huber, 1999), S. 18

Planungsansatze der taktisch-operativen Produktionsplanung und -steuerung

Zur Modellierung

und Implementierung

der konkreten

Produktionsplanungs- und

-steuerungsaufgaben werden verschiedene Konzepte diskutiert. Bedeutung erlangt haben simultane und sukzessive Planungsansatze. Aufgrund der vielfaltigen Interdependenzen zwischen den in Abschnitt 2.2.2 dargestellten Planungsbereichen ware die simultane Planung in diesen Bereichen unter Beriicksichtigung dieser Wechselwirkungen sicherlich wunschenswert. Wahrend es eine Reihe von theoretischen Ansatzen zur Simultanplanung gibt (vgl. z. B. (Kistner und Steven, 1993), S. 23Iff., (Hoitsch, 1993), S. 552ff.), bleibt deren praktische Anwendbarkeit jedoch beschrankt. Hierfur sind vor allem die GroBe der resultierenden Optimiermodelle, die eine rechentechnische

2S

GRUNDLAGEN STOFFSTROMBASIERTER PRODUKTIONSPLANUNG UND -STEUERUNG

KAPITEL 2

Losung verhindem, die Organisationsstruktur von Untemehmen, die unterschiedliche Aggregationsniveaus und Planungshorizonte aufweist, sowie die schwierige Ermittlung und Bereitstellung einer konsistenten Datengrundlage verantwortlich (vgl. (Vahrenkamp, 2000), S. 93, (Hansmann, 1994), S. 204f., (Hoitsch, 1993), S. 557). Wird der Fokus auf den gesamten Leistungserstellungsprozess und weitere Untemehmensbereiche wie Personalwirtschaft, Rechnungswesen und Controlling erweitert, wie beispielsweise im Rahmen betriebswirtschaftlicher Planungssoftware zum Enterprise Resource Planning (ERP), bzw. im Supply Chain Management auf weitere Akteure der Wertschopfungskette ausgedehnt, wird der Begriff der Simultanplanung mit seinem umfassenden Anspruch einzig fiir den Bereich der Produktionsplanung und -steuerung fragwurdig. In der Praxis haben sich daher sukzessive Planungsansatze durchgesetzt, die die Planungsaufgaben sachlich und zeitlich disaggregieren, indem sie die Aufgaben der Produktionsplanung in Teilaufgaben gliedem, die sukzessive gelost werden. Die weiteste Verbreitung gefunden hat der hierarchische Ansatz, der eine Disaggregation gemaB einer hierarchischen-Zorganisatorischen Differenzierung (vgl. (Hoitsch, 1993), S. 560) vomimmt. Die Vorgaben der jeweils ubergeordneten Ebene dienen als Rahmenbedingungen fiir die darunterliegenden Ebenen. Diese Ebene besitzt die Aufgabe der Umsetzung der Planungen unter Verwendung der auf ihrer Ebene zusatzlich zur Verfiigung stehenden Informationen. Auf diese Weise wird eine Rangfolge der Planungsebenen erzeugt, die jedoch keine Wertung der Ebenen zu bedeuten hat, da durch Ruckmeldungen der unteren Planungsebenen fur einen bidirektionalen Informationsfluss gesorgt wird. Auch neuere Konzepte zur Produktionsplanung und -steuerung, die dezentrale Planungsansatze verfolgen (vgl. z. B. (Corsten und Gossinger, 1998)), lassen sich unter sukzessiven bzw. hierarchischen Ansatzen subsumieren. Wenngleich sich die Aufteilungen bzw. Definitionen der Planungs- und Steuerungsebenen von Autor zu Autor in vielerlei Hinsicht unterscheiden, wird in den meisten Fallen eine ahnhche Grundstruktur verfolgt. Diese sieht die im Folgenden skizzierten drei Planungs- und zwei Steuerungsebenen vor (vgl. z. B. (Hoitsch, 1993), (Hansmann, 1994), (Corsten, 2000), (Domschke, Scholl und Vo6, 1997), (Zapfel, 2001)): •

Produktionsprogrammplanung Im Rahmen der Produktionsprogrammplanung wird der Output fiir den betrachteten Planungszeitraum nach Art und Menge festgelegt. Es handelt sich somit hauptsachlich um die in Abschnitt 2.2.2 skizzierte Produkt- und Programmgestaltung, die - je nach Autor

KAPITEL 2

GRUNDLAGEN STOFFSTROMBASIERTER PRODUKTIONSPLANUNG UND -STEUERUNG

29^

Oder betrachtetem Fall - der taktischen oder der operativen Planungsebene zuzuordnen ist. Grundlage fur die Planungen stellen eingegangene Kundenauftrage und / oder Prognosen des zukunftigen Absatzes der Produkte dar. Meist findet die Planung flir aggregierte Produktgruppen

statt. Die resultierenden

Ergebnisse werden als so genannte

Primarbedarfe an die nachgelagerte Materialbedarfsplanung weitergegeben. Da im Rahmen von Kapitel 3 in Abschnitt 3.5 noch detailliert auf die Produktionsprogrammplanung eingegangen wird, wird an dieser Stelle auf weitergehende Ausfuhrungen verzichtet. •

Materialbedarfsplanung Ausgehend von den gegebenen Primarbedarfen ist die Bestimmung der fur deren Erfullung notwendigen Bedarfe an eigenzufertigenden Zwischenprodukten und fremdzubeschaffenden Teilen bzw. Rohstoffen (Sekundarbedarfe) zu bestimmen. Zu den Aufgaben der Materialbedarfsplanung zahlt die Auflosung der Primarbedarfe mittels Stucklisten oder Rezepturen in den fiir die Produktion bereitzustellenden Mengen (BruttoSekundarbedarfe). In diesem Fall wird von einer programmorientierten Bedarfsermittlung bzw. Disposition gesprochen. Der Lagerbestandsabgleich fiihrt zu den tatsachlich zu produzierenden bzw. beschaffenden Mengen, dem so genannten Netto-Sekundarbedarf. Da die Bedarfsauflosung iiber Stucklisten oder Rezepturen in der Praxis aufgrund einer haufig sehr groBen Anzahl herzustellender Produkte mit einer dementsprechenden Anzahl von Zwischenprodukten und Teilen bzw. Rohstoffen auBerst umfangreich ist, wird diese haufig nur fiir diejenigen Inputs mit einem hohen wertmaBigen Anteil durchgefuhrt. Fiir die iibrigen Telle wird eine so genannte verbrauchsgesteuerte Disposition angewendet, bei der die Bedarfe auf Basis von Vergangenheitswerten beispielsweise mittels der Verfahren der exponentiellen Glattung (vgl. z. B. (Bol, 1995) oder (Bamberg und Baur, 1996)) durchgefiihrt wird. Ebenfalls zur Materialbedarfsplanung gehoren die Fragestellungen der Zusammenfassung der einzelnen Bedarfe zu ProduktionsauftragsgroBen (Los- bzw. ChargengroBen) und Bestellmengen. Hierbei wird darauf abgezielt, das Optimum zwischen den durch Umriist- oder Bestellvorgange verursachten Kosten auf der einen und den Lagerkosten auf der anderen Seite durch Zusammenfassung von Bedarfen zu finden. Aufgrund der jeweils betrachtlichen ProblemgroBen werden die Fragestellungen der Bedarfsauflosung und der ProduktionsauftragsgroBen und Bestellmengenplanung meist separat betrachtet.

^0

•

GRUNDLAGEN STOFFSTROMBASIERTER PRODUKTIONSPLANUNG UND -STEUERUNG

KAPITEL 2

Termin- und Kapazitatsplanung (Ablaufplanung) Der Termin- und Kapazitatsplanung obliegt es, Start- und Endtermine fur die in der Materialwirtschaft ermittelten Produktionsauftrage unter der Beriicksichtigung der tatsachlich vorhandenen Kapazitaten zu ermitteln. Bislang werden, wie die Bezeichnung dieser Planungsebene verdeutlicht, meist die Fragestellungen der Durchlaufterminierung und des Abgleichs mit den Kapazitaten isoliert von einander betrachtet. Auf weitere Ausfuhrungen zur Ablaufplanung wird an dieser Stelle verzichtet, da diese Gegenstand von Kapitel 4 dieser Arbeit sind. Da in dem genannten Kapitel eine integrierte Betrachtungsweise verfolgt wird, wird im weiteren Verlauf der Arbeit der Begriff der Ablaufplanung fUr diesen Planungsbereich verwendet.

•

Auftragsveranlassung Die Auftragsveranlassung bildet die Schnittstelle zwischen der Produktionsplanung und der Produktionssteuerung. Die in der Produktionsplanung ermittelten Planauftrage werden in Produktionsauftrage umgesetzt und fur die Fertigung freigegeben, wenn die benotigten Ressourcen (Materialien, Betriebsmittel, Personal und Informationen) verfUgbar sind und Umsetzung bzw. Freigabe terminlich moglich oder notwendig sind. Gegebenenfalls sind im Rahmen einer Feinplanung der Auftragsreihenfolgen Maschinenbelegungsplane zu erstellen.

•

Termin- und Auftragsiiberwachung Die Termin- und Auftragsiiberwachung stellt eine Riickkopplung der PPS mit der tatsachlichen Ist-Situation in der Produktion dar und dient der Uberwachung der Umsetzung der Plane. Uber die Betriebsdatenerfassung werden Daten zum Produktionsfortschritt und der Maschinenbelegung an die PPS zuriickgemeldet und dienen somit als Basis fur die weiteren Planungen. Des Weiteren dient diese Stufe auch der Nachkalkulation von Auftragen, der Informationsgenerierung fur die Personalabteilung bei Akkord-, Zeit- und Pramienlohnen sowie der Qualitatssicherung.

Die uberwiegende Anzahl kommerzieller Softwaresysteme zur Produktionsplanung und -steuerung, so genannte PPS-Systeme, folgt im Wesentlichen der vorgestellten Gliederung der Planungsebenen, die auch unter dem Namen Manufacturing Resource Planning (MRP 11)^^ bekannt geworden ist. Im Gegensatz zu vielen Lehrbiichem, in denen fUr die einzelnen Planungsebenen umfassende Modelle und Methoden aus dem Operations Research diskutiert '^ MRP II wird als Erweiterung zum so genannten Material Requirement Planning (MRP) verstanden, dass lediglich die Materialbedarfsplanung umfasst (vgl. beispielsweise (Kurbel, 1999), S. 112).

KAPITEL 2

GRUNDLAGEN STOFFSTROMBASIERTER PRODUKTIONSPLANUNG UND -STEUERUNG

31_

werden, haben diese Methoden jedoch in den praktischen Umsetzungen in diesen Systemen und damit in der betrieblichen Praxis bislang kaum Einzug gefunden. Die Starke dieser SoftwaresySterne liegt in der Verwaltung der Stamm- und Bewegungsdaten^^ der Untemehmen und der informationstechnischen Unterstutzung der im Untemehmen ablaufenden Geschaftsprozesse. Erst die im Rahmen des Supply Chain Managements seit etwa Mitte der 1990er Jahre entwickelten so genannten Advanced Planning Systeme setzen Methoden wie die der linearen oder der gemischt-ganzzahligen Programmierung oder Heuristiken wie Genetische Algorithmen (vgl. hierzu Kapitel 4) zur Losung der Planungsprobleme ein. Diese Systeme konnen zwar auch als Stand-Alone-Losungen verwendet werden, finden jedoch meist als Add-on zu den PPS- bzw. ERP-Systemen des Untemehmens Anwendung.

2.2.3.3

Defizite existierender Ansatze hinsichtlich einer stoffstrombasierten taktisch-operativen Produktionsplanung und -steuerung

Die in diesem Kapitel bislang skizzierten Ansatze wurden vomehmlich fur Untemehmen der Fertigungsindustrie konzipiert und finden hauptsachlich dort Einsatz. Hinsichtlich einer Produktionsplanung und -steuerung fiir stoffstrombasierte Produktionssysteme sind daher Defizite vorhanden, von denen die fiir diese Arbeit wesentlichen im Folgenden dargestellt werden. Dabei wird bewusst nicht auf allgemeine Kritikpunkte an diesen Ansatzen eingegangen, die nicht von Relevanz fiir die vorliegende Arbeit sind. Hierzu sind in der einschlagigen Literatur umfangreiche und vielfaltige Diskussionen und Kritiken vorhanden,

Zunachst ist festzustellen, dass Aspekte der Stoffumwandlung, dem Charakteristikum der betrachteten Produktionssysteme, bislang nur unzureichend Beriicksichtigung in den mittelbis kurzfristigen Planungsansatzen finden. Die Vemachlassigung der Interdependenzen zwischen dem herzustellenden Output, dem hierfiir notwendigen Input und einer effizienten Prozesskonfiguration durch die sukzessive Vorgehensweise wird schon im Bereich der

Unter Stammdaten werden Daten verstanden, die iiber einen langeren Zeitraum unverandert bleiben. Dies ist z. B. fiir Materialien, StUcklisten und Arbeitsplane der Fall. Unter Bewegungsdaten werden Auftragsdaten verstanden, wie z. B. Kundenauftrage, Fertigungsauftrage o. A., deren Veranderungen Teil des Geschaftsprozesses sind (vgl. z. B. (Willinger und Gradl, 2003), S. 312 und S. 317). '^ Vgl. z. B. (Kistner und Steven, 1993), (Maucher und Kirili, 1998), (Steven und Meyer, 1998), (Tempelmeier, 1999), (Zapfel, 2001), (Schultmann, 2003) u. a.

^2

GRUNDLAGEN STOFFSTROMBASIERTER PRODUKTIONSPLANUNG UND -STEUERUNG

KAPITEL 2

Fertigungsindustrie kritisiert (vgl. z. B. (Domschke und Drexl, 2002), S. 20) und lasst bei stoffumwandelnden

Prozessen wirtschaftliche

Potenziale hinsichtlich einer hoheren

Ressourcen- und Prozesseffizienz sowie Verminderung der Emissionen in die Medien Wasser, Luft und Boden durch eine integrierte und detailliertere Betrachtung der Planungsbereiche ungenutzt. HierfUr ware eine einerseits detaillierte, andererseits rechentechnisch handhabbare Modellierung des zugrunde liegenden Produktionssystems bzw. von dessen Teilprozessen notwendig. Da die meisten Ansatze schwerpunktmaBig fiir die Fertigungsindustrie entwickelt wurden, beriicksichtigen diese jedoch die fiir eine solche Betrachtung notwendigen stofflichen Aspekte nicht bzw. in den Ubertragungen dieser Ansatze auf die Prozessindustrie nur unzureichend. Es findet keine hierfur notwendige gleichzeitige Betrachtung produktionswirtschaftUcher Ziele wie der Deckungsbeitrage, entscheidungsrelevanter Kosten, erzielbarer Gewinne, Bestande, Kapazitatsauslastungen etc. auf der einen und von Stoff- und Energiestromen des Produktionssystems bzw. der beteiligten Produktionsprozesse und der stoffumwandelnden Vorgange auf der anderen Seite statt. Schon fiir die Fertigungsindustrie weisen bisherige Ansatze zur Termin- und Kapazitatsplanung bzw. Ablaufplanung Defizite hinsichtlich der zugrunde liegenden Prozesszeiten auf. In der uberwiegenden Mehrzahl der Ansatze wird von deterministischen Daten ausgegangen, die voUstandig und genau bekannt sind. Hierfur werden in der Regel Plan-Durchlaufzeiten auf Basis der aus Vergangenheitswerten ermittelten mittleren Durchlaufzeiten verwendet. Diese sind jedoch abhangig von der jeweiUgen Belastungssituation in der Produktion, die Schwankungen unterworfen ist. Vielfach ist auch eine Verlangerung der Durchlaufzeiten durch die Praxis zu beobachten, wichtige Auftrage friiher als durch die Planungen vorgegeben freizugeben, um eine termingerechte Fertigstellung trotz schwankender Durchlaufzeiten sicherzustellen. Dies fiihrt zu hoheren Bestanden in der Produktion und iiber die dadurch zunehmenden Warte- und Liegezeiten zu langeren Durchlaufzeiten. Dieses Phanomen wird als Durchlaufzeitsyndrom bezeichnet (vgl. (Domschke, Scholl und Vo6, 1997), S. 22). Die Annahme von deterministischen und vollstandig und genau bekannten Prozesszeiten ist daher in Frage zu stellen. Fiir stoffstrombasierte Produktionssysteme wird dies auch dadurch verstarkt, dass fiir die Ermittlung adaquater mittlerer Durchlaufzeiten eine entsprechend groBe

KAPITEL 2

GRUNDLAGEN STOFFSTROMBASIERTER PRODUKTIONSPLANUNG UND -STEUERUNG

33^

Datenbasis gegeben sein muss. Dies setzt beispielsweise bei Chargenproduktionen entsprechend hohe Wiederholraten der Chargen voraus, die haufig nicht gegeben sind.^^ Zudem ist zu bemangeln, dass viele der in theoretischen Arbeiten fur fiktive Beispielprozesse entwickelten Ansatze bislang noch keine Umsetzung in der Praxis gefunden haben und somit auch der Beweis der Praxistauglichkeit in Anbetracht der in praxi meist erheblich groBeren ProblemgroBen haufig noch aussteht. Die in der Praxis eingesetzten Planungssysteme, wie die nach dem MRP II-Konzept arbeitenden PPS-Systeme bzw. Produktionsplanungs- und -steuerungskomponenten von ERP-Systemen, hingegen verwenden meist keine optimierenden Verfahren des Operations Research, sondem beschranken sich auf die Datenverwaltung und Geschaftsprozessunterstutzung.

Vgl. z. B. die in Kapitel 4 betrachtete Lackproduktion.

35

3 Simulationsgestutzte Produktionsplanung am Beispiel der Verwertung metallhaltiger Reststoffe in der Eisenund Stahlindustrie Zielsetzung der im Folgenden zu entwickelnden Planungsansatze ist es, exemplarisch fiir die in Abschnitt 2.2.2 beschriebenen Planungsaufgaben der Produktionsprogramm- und der Materialbedarfsplanung

Methoden

zur

Entscheidungsunterstutzung

zu

entwickeln,

prototypisch zu implementieren und auf reale Planungsprobleme anzuwenden. Hierbei sollen insbesondere die stofflichen Charakteristika verfahrenstechnischer Prozesse adaquat beriicksichtigt werden. Um die Realitatsnahe und Umsetzbarkeit der Ansatze zu gewahrleisten, beziehen sich die Ausfuhrungen auf ein reales Untemehmen aus der Eisen- und Stahlindustrie. Dieses verwertet bei der Herstellung von GieBereiroheisen und einem Zinkkonzentrat metallhaltige Rohstoffe in einem Hochofenprozess. Als Roheisenproduzent konkurriert das Unternehmen dabei mit Untemehmen, die hauptsachlich auf Basis von Primarrohstoffen arbeiten und die hinsichtlich der Produktivitat bzw. des Reduktionsmittelverbrauchs effizienter arbeiten. Auf der Verwertungsseite tritt das Untemehmen in Konkurrenz zur Deponie bzw. weiteren Verwertungsprozessen.^^ Dies erschwert die Weitergabe gestiegener Rohstoffkosten, insbesondere in Bezug auf das Hauptreduktionsmittel Koks. In den auBerst komplexen metallurgischen Aggregaten kommen regelmaBig mehr als einhundert unterschiedliche Rohstoffe mit unterschiedlichen chemischen und physikalischen Eigenschaften zum Einsatz. Die Zusammensetzung der eingesetzten Rohstoffmischung hat dabei wesentlichen Einfluss auf die Prozessfuhmng und die Zusammensetzung und Menge der Prozessinputs und -outputs und somit auch auf die Wirtschaftlichkeit des Prozesses. Daher wird im Folgenden anstelle von Materialbedarfsplanung der Begriff Materialeinsatzplanung verwendet, da es sich - wie spater im Kapitel dargestellt - nicht um eine Bedarfsauflosung mittels Stucklisten oder Rezepturen handelt, sondem um eine gezielte Kombination der moglichen Einsatzstoffe.

So wurde beispielsweise erst vor kurzem bei der Thyssen-Krupp Stahl AG ein Schachtofen in Betrieb genommen, der ebenfalls in der Lage ist, durch Einsatz von Huttenwerksreststoffen Roheisen herzustellen (vgl. (Kesseler, 2005a), (Kesseler, 2005b)).

_36

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

Zunachst werden die Referenzprozesse mit ihren Besonderheiten detailliert vorgestellt und die zugehorigen Planungsaufgaben erlautert. Darauf aufbauend werden die Grundlagen der Stoffund Energieflussmodellierung von Produktionssystemen aus wirtschaftswissenschaftlicher und ingenieurwissenschaftlicher Sicht vorgestellt und Schlussfolgerungen im Hinblick auf das betrachtete Produktionssystem gezogen. Hierbei wird eine generelle Vorgehensweise zur stoffstrombasierten Modellbildung und -implementierung vorgeschlagen. Dieser folgend, werden zunachst verfahrenstechnische Modelle der betrachteten Prozesse vorgestellt. Zur einheitlichen Erfassung der entscheidungsrelevanten monetaren GroBen wird ein einheitliches Schema zur stoffstrombasierten GUederung von Kosten und Erlosen vorgestellt, bevor fur die Produktionsprogramm- und die Materialeinsatzplanung adaquate Ansatze entwickelt, implementiert und am Beispiel des betrachteten Produktionssystems angewandt werden. Das Kapitel schlieBt mit einer Analyse weiterer Anwendungsmoglichkeiten des Ansatzes.

3.1 Verwertung metallhaltiger Reststoffe in einem Hochofenprozess Bei dem betrachteten Produktionssystem handelt es sich um einen Hochofenprozess, in dem metallhaltige Reststoffe hauptsachUch aus der Eisen- und Stahlindustrie, wie z. B. Konverterstaube, Walzenzunder, Filterkuchen, aber auch Klarschlamme und Altbatterien bei der Produktion von GieBereiroheisen stofflich und energetisch verwertet werden. Erlose werden hauptsachUch durch den Verkauf des Roheisens und durch Entgelte fur die Verwertung dieser Reststoffe erzielt. Zudem wird das aufgrund der hohen Zinkfracht in den Reststoffen bei der Abgasreinigung des Hochofens anfallende Zinkkonzentrat an Untemehmen aus der Zinkindustrie verkauft. Zwischen diesen Erlosen und den durch Faktorverbrauche, insbesondere Reduktionsmittel im Hochofen, und Kuppelprodukte verursachten Ausgaben kommt es zu Literdependenzen, die in der Planung des Prozessbetriebs beriicksichtigt werden miissen. Dies ist besonders vor dem Hintergrund steigender Rohstoffpreise und der Wettbewerbssituation von Bedeutung. Die chemischen Spezifikationen der zum Einsatz kommenden Reststoffe haben groBen Einfluss auf die Erlose fur die Verwertung der Reststoffe im Prozess, allerdings auch auf den Output, d. h. die Menge und Qualitat des hergestellten

Roheisens, den Anfall

Reduktionsmittelverbrauch.

So fuhrt

an

Kuppelprodukten

beispielsweise

und

insbesondere

eine hohe Zinkfracht

den

in der

Rohstoffmischung zwar tendenziell zu hoheren Verwertungspreisen und einem vermehrten Anfall an Zinkkonzentrat, jedoch auch zu einem erhohten Koksverbrauch und einer

KAPITEL 3

37

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

geringeren Leistung in der Roheisenproduktion. Zudem sind fur den Prozessbetrieb technische Restriktionen beispielsweise hinsichtlich des Wasser- und Kohlenstoffanteils in der Sintermischung, des Eisenanteils im Sinter sowie dessen Basizitat zu beriicksichtigen. Zu einem besseren Verstandnis der fiir die in diesem Kapitel betrachteten Planungsaufgaben wesentlichen Zusammenhange werden im Folgenden zunachst der Verfahrensablauf und dessen Besonderheiten naher erlautert, bevor anschlieBend die betriebswirtschaftlichen Planungsaufgaben naher spezifiziert werden.

3.1.1 Verfahrensablauf im betrachteten Produktionssystem Wie eingangs beschrieben, handelt es sich bei dem zugrunde liegenden Prozess um einen Hochofenprozess, der zur Verwertung oxidischer Reststoffe eingesetzt wird. Das Verfahren wird als Stand der Technik zur Verwertung von Reststoffen aus der Eisen- und Stahlindustrie angesehen (vgl. (Rentz et al, 1995)). Der Prozess gliedert sich in die Hauptschritte Einsatzstojfvorhereitung, Sinterung der Einsatzstoffe, Erschmelzen des Roheisens sowie Korrektur und Vergiefien des Roheisens zu Masseln. Diese Verfahrensschritte werden in den folgenden Abschnitten vorgestellt. Abbildung 3-1 stellt den Verfahrensablauf grafisch dar. gereinigtes Gichtgas

Kraftwerk

strom

Bunkeranlage

T^ Roheisenmasseln

Abbildung 3-1:

Verfahrensablauf im Referenzfall

^8

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

3.1.1.1

KAPITEL 3

Einsatzstoffvorbereitung

Die in dem Prozess eingesetzten Reststoffe lassen sich in die folgenden Grundtypen einteilen (vgl. (Rentz et al, 1995), (Hillmann, 2003)): • Filterstaube und -schlamme aus Gasreinigungen, • Gichtstaube und Gichtgasschlamme, • Abbrande aus der Schwefelkiesrostung, • Walzenzunder und Walzenzunderschlamme, • Eisenerze, • weitere oxidische Stoffe, wie z. B. Ruckstande aus chemischen Prozessen sowie der Nichteisenmetallindustrie sowie • Altsand aus GieBereien. Die Einsatzstoffe werden fiir die jeweils herzustellenden Sintersorten nach festgelegten Rezepturen gemischt (vgl. (Deike und Hillmann, 1999b)). Hierzu werden zunachst Uber Zwangsmischer und einen Kran Vormischungen erzeugt, die iiber Dosierbandwagen einem Mischband zugefuhrt werden. In einer Mischtrommel wird die Mischung homogenisiert. Zudem findet eine leichte Pelletierung des Rohstoffmix statt, die zu einer besseren Durchgasbarkeit auf dem nachfolgenden Sinterband fuhrt. Die Basis der Mischung bilden wegen vergleichsweise konstanter und hoher Eisengehalte in der Regel Konverterstaube. Eisenerze werden als Ausgleich fiir die Schwankungen in der Zusammensetzung und Beschaffenheit der Sekundarrohstoffe und zur Auflockerung der zum groBen Teil sehr feinen Sintermischung eingesetzt. Der Altsand aus GieBereien dient wegen seines hohen Si02Gehalts der Einstellung der Basizitat des Sinters (vgl. (Hillmann, 2003)). Der durchschnittliche Einsatz der Grundtypen von Rohstoffen zur Herstellung des Sinters ist fiir das Jahr 2002 in Tabelle 3-1 dargestellt. Die durchschnittliche Zusammensetzung der Rohstoffmischung fur das Jahr 2002 zeigt Tabelle 3-2.

KAPITEL 3

39

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

Tabelle 3-1:

Rohstoffeinsatz nach Typen im Jahr 2002

Stofftyp

[t/d]

Oxygenstaub

715,5

[%] 55,3

Oxygenschlamm

37,7

2,9

Gichtstaub

15,3

1,2

Gichtschlamm

95,1

7,3

Walzenzunder

114,5

8,8

Altsand

68,6

5,3 4,8

Abbrand

61,9

1 Eisenerz

73,6

5,7

1 Div. oxidische Stoffe

102,9

7,9

Koksgrus

11,0

0,8

Summe

1296,1

100

Quelle: vgl. (Hillmann, 2003)

Tabelle 3-2:

Durchschnittllche Zusammensetzung der Rohstoffmischung^*

HoO Fe Mn IVnteil Rohstoffmischung [Gew.-%]

Zn Pb CaO MgOSiO: AI2O; Cr

NazO K2O CI

14,6751,35 0,580,06 2,51 0,18 7,59 1,01 8,49 1,12 0,060,36 0,25 0,30 0,305,45

Die so erzeugte Vormischung wird in dem im folgenden Abschnitt dargestellten nachsten Verfahrensschritt gesintert.

3.1.1.2

Sinterung der Einsatzstoffe

Ziel des auf die Einsatzstoffvorbereitung folgenden Prozessschritts der Sinterung ist die Agglomeration der im Hochofen einzusetzenden Eisentrager. Diese wird verwendet, um die fiir den Einsatz im Hochofen notwendigen physikalischen Mollereigenschaften der Feinkomfreiheit, des engen Kombandes sowie einer ausreichenden mechanischen Festigkeit zur Erreichung einer guten Durchgasbarkeit der Mollersaule im Hochofen zu erreichen (vgl. (Cappel und Wendebom, 1973)). Im Referenzuntemehmen ist dies insbesondere wegen der zum Teil besonders feinen Rohstoffmischungen von Bedeutung.

Durchschnittllche Zusammensetzung der Nettomischung fiir Standardsinter Im Zeltraum Januar bis Oktober 2002, der auch fiir die verfahrenstechnischen Modelle und die Erstellung der betriebswirtschaftlichen Planungsmodelle herangezogen wird (vgl. Abschnitte 3.3, 3.5 und 3.6).

40

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

Die Sinterung der Einsatzstoffe im Referenzuntemehmen ist mit dem herkommlichen Prozess der Sinterung von Eisenerzen vergleichbar (vgl. (Hillmann, 2003)). Zunachst wird der Rost des aus Saugkasten bestehenden umlaufenden Sinterbandes mit RUckgut, dem so genannten Rostbelag, belegt. Auf diesen wird die Rohstoffmischung, der so genannte Sinterkuchen, aufgegeben und mittels eines Zundofen an der Oberflache entzundet. Durch die Saugkasten wird Luft durch die Sintermischung gesaugt, so dass der Kohlenstoff in der Mischung verbrennt. Dabei wird die durchgesogene Luft soweit erwarmt, dass das eingebrachte Wasser und das eingebundene

Kristallwasser verdampft

bzw. ausgetrieben

werden (vgl.

(Sieverdingbeck, 2001)). Nach Trocknung und Austreibung des Kristallwassers kommt es zur Bildung der sehr heifien Durchbrennzone. Im vorliegenden Fall werden hier Temperaturen von 1.400 °C bis 1.450 °C erreicht (vgl. (Sassen und Deike, 2000), (Deike und Hillmann, 1999b)^\ Durch den Transport des Sinterkuchens auf dem Sinterband wandert die sehr schmale Durchbrennzone im Verlauf der Sinterung nach unten. Da die Durchbrennzone die Sintermischung relativ schnell durchschreitet, kommt es lediglich zu einem oberflachlichen Anschmelzen der Erzkomer und einem etwas weitergehenden Aufschmelzen Schlackenphase. AnschlieBend verkleben die Erzkomer

der

durch das Erstarren der

Schlackenphase, der erdartige Sinterkuchen wird dabei zu einem steinartigen, porosen Material. Der Sintervorgang ist beendet, sobald die Durchbrennzone den Boden des Sinterkuchens erreicht. Chemisch betrachtet kommt es bei dem Sintervorgang, bedingt durch meist in oxidischen Oder chloridischen Verbindungen vorliegenden Stoffstromkomponenten und die durch die hohe Sauerstoffzufuhr

hervorgerufenen oxidierenden Reaktionsbedingungen zu keinen

Reduktionsvorgangen, sondem lediglich zu einer VerflUchtigung der Problemstoffchloride (vgl. (Sieverdingbeck, 2001)). In Folge der Verdampfung des H20-Anteils, der Verbrennung des Kohlenstoffanteils und der VerflUchtigung der Chloride kommt es zu einer Zunahme des Gewichtsanteils insbesondere der Eisenfraktion. Eine durchschnittliche Zusammensetzung des Sinters im Referenzuntemehmen ist in Tabelle 3-3 dargestellt. Auffallig ist wiedemm der hohe Zinkanteil. Zudem wird die Basizitat aufgmnd des hohen Alkalieneintrags in den Hochofen mit durchschnittlich ca. 0,89 vergleichsweise niedrig eingestellt (vgl. (Hillmann, 2003)).

^' Diese weichen von den in der Literatur zum Betrieb von Eisenerz-Sinteranlagen angegebenen Werten von 1.100-1.300 °C ab (vgl. z. B. (Sieverdingbeck, 2001), (Rentz et al, 1999)).

KAPITEL 3

Tabelle 3-3:

41

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

Durchschnittliche Sinteranalyse^^

Fe

Mn

P

Zn

Pb CaO MgO SiOz AI2O3 Cr

Sinterzusammensetzung 54,46 0,62 0,05 2,62 0,07 8,05 [Gew.-%]

1,08

9,02

1,18

NazO

0,05 0,25

K2O 0,21

Eine Abweichung vom herkommlichen Verfahren zur Sinterung von Eisenerzen stellt die Nutzung des letzten Drittels des Sinterbandes zur Kiihlung des Sinters und nicht zur eigentlichen Sinterung dar. Im Anschluss an die Abkiihlung wird der Sinter abgeworfen und von einem Stachelbrecher zerkleinert. Uber die ehemaligen Kuhlbander und eine Siebanlage gelangt der Sinter anschlieBend zum Einsatz im Hochofen oder in einen Bunker zur Lagerung. Neben Sinter entstehen zudem noch Ruckgut und Staub, die in der Regel direkt auf dem Sinterband wieder eingesetzt werden. Das Sinterband ist in Abbildung 3-2 schematisch dargestellt. Zum Einsatz in der Sinterung kommen ca. 400.0001 Rohstoffe im Jahr. Es werden hiermit ca. 325.000 t Sinter pro Jahr erzeugt.

Abbildung 3-2:

Schematische Ansicht des Sinterbandes Quelle: (Hillmann, 2003)

Das Abgas der Sinteranlage, ca. 300.000 Nm^/h, wird in einer dreistufigen Gasreinigung gereinigt. Zunachst findet eine elektrische Gasreinigung zur Vorentstaubung statt. In die auf diese Weise vorgereinigte Sinterabluft wird Kalkmilch eingediist, die zur Entschwefelung in einem Spriihabsorber benotigt wird. In der dritten Stufe der Gasreinigung wird BraunkohleDurchschnittliche Sinterzusammensetzung im Zeitraum Januar bis Oktober 2002, der auch als Grundlage fiir die verfahrenstechnischen Modelle und die Erstellung der betriebswirtschaftlichen herangezogen wird (vgl. Abschnitte 3.3, 3.5 und 3.6).

Planungsmodelle

42

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

koksstaub (so genannter Herdofenkoksstaub) injiziert, um Schwermetalle, Dioxine, Furane und sonstige organische Verbindungen in dem nachgeschalteten Gewebefilter abzuscheiden (vgl. (Sassen und Deike, 2000), (Hillmann, 2003)). Fiir detailliertere Informationen zum Sintervorgang im Referenzuntemehmen sei auf (Hillmann, 2003) verwiesen. Weiterfuhrende allgemeine Informationen zum Sintem von Eisenerzen finden sich in (Cappel und Wendebom, 1973).

3.1.1.3

Erschmelzen des Roheisens im Hochofen

Im Hochofen, einem kontinuierlich nach dem Gegenstromprinzip arbeitenden Schachtofen, wird durch Reduktion von Eisentragem Roheisen erzeugt. Wahrend im herkommlichen Hochofenprozess neben (Eisenerz-)Sinter auch Pellets und StUckerz zum Einsatz kommen konnen, wird im Referenzfall nahezu ausschlieBlich der durch die Sinterung groBtenteils aus metallhaltigen Reststoffen erzeugte Sinter verwendet. Neben dem primaren Produkt Roheisen fallen Schlacke und das als Gichtgas bezeichnete Prozessgas an. Durch die hohe Zinkfracht des Sinters enthalt letzteres einen groBen Anteil an Zinkoxiden und metallischem Zink, die in Form eines in der Abgasreinigung des Hochofens gewonnenen Zinkkonzentrats ein marktfahiges Kuppelprodukt darstellt. Produzieren modeme Hochofen mit Gestelldurchmessem von bis zu 15 m und einem Ofenvolumen von bis zu 5.000 m^ teilweise mehr als 11.0001 Roheisen am Tag (vgl. z. B. (Schulz et al., 1995)), ist der im betrachteten Prozess verwendete Hochofen deutlich kleiner. Eingesetzt wird ein Hochofen mit einem Gestelldurchmesser von 5,5 m und einem nutzbaren Ofeninhalt von 580 m^. Die tagliche Produktionskapazitat liegt im Mittel bei etwa 6201 Roheisen. Dabei werden ca. 3001 Schlacke produziert und ca. 4701 Koks (ca. 760 kg/tRoheisen) eingesetzt. Dies liegt deutlich iiber den Werten von 440 - 500 kg Reduktionsmittel zum Erschmelzen einer Tonne Roheisen, die in herkommlichen Hochofenprozessen heutzutage erreichbar sind, zumal als Reduktionsmittel dort in z. T. erheblichem MaBe Feinkohle, 01 Oder Kunststoffe den hoherwertigen und damit teureren Koks ersetzen konnen (vgl. (Rentz et al., 1995))^^. Neben dem Einsatz der metallhaltigen Reststoffe gehen die, im Vergleich mit

^^ Erst seit kurzem wird im Referenzuntemehmen Koks als Reduktionsmittel zum Teil durch Tierfett als Ersatzreduktionsmittel ersetzt.

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

43_

modemen Hochofen, schlechteren Produktivitatskennzahlen vor allem auf die kleinere GroBe des Ofens zurlick. Auf Hohe der Rast (vgl. Abbildung 3-3) wird der so genannte Wind uber zwolf Blasformen eingeblasen. Dabei handelt es sich um ca. 53.000 Nm^/h Druckluft, die in Winderhitzem, so genannten Cowpem, auf ca. 1.300 °C erhitzt wurde. Bei Temperaturen von bis zu 2.300 °C verbrennt vor den Blasformen ein Teil des Koks zu Kohlenmonoxid, das Teil des zur Reduktion der Eisentrager benotigten Gases ist (vgl. (Sieverdingbeck, 2001)). Dies geschieht iiber die so genannte Boudouard-Reaktion, die das Gleichgewicht zwischen festem Kohlenstoff und Kohlendioxid beschreibt: C0,+C^2C0

(3.1)

Koks, Sinter und gegebenenfalls Zuschlage werden im Referenzfall mittels einer Glockenbegichtungsanlage uber den Gicht genannten Hochofenkopf in den Ofen eingebracht. Die Eisentrager werden in den verschiedenen Zonen des Hochofens zu metallischem Eisen reduziert und aufgekohlt^"^. Auch fiir Gangartbestandteile wie Silizium-, Mangan- und Phosphoroxid findet zum Teil eine Reduktion statt. Die nicht reduzierten Bestandteile der Gangart bilden zusammen mit eventuell eingesetzten Zuschlagen eine bei niedrigen Temperaturen schmelzende, leichtflussige Schlacke (vgl. (Rentz et al., 1999)). Roheisen und Schlacke werden regelmaBig, etwa alle zweieinviertel Stunden abgestochen. Das Untemehmen produziert jahrlich etwa 227.000 t Roheisen (vgl. (Stahlinstitut VDEh und WV Stahl, 2004)). Die wichtigsten chemischen Vorgange im Prozess der Roheisenerzeugung sind die Redoxreaktionen, insbesondere die der oxidischen Eisentrager durch Kohlenstofftrager. Dabei kommt

es zu Reduktionen,

d. h. Umwandlungen

eines Metalloxids McxOy zur

nachstniedrigeren Oxidationsstufe Me^Oy-i durch den Ausbau des Sauerstoffs mit Hilfe von Reduktionsmitteln (vgl. (Rentz et al., 1999)). Die Reduktion der Eisenoxide findet in verschiedenen Bereichen des Hochofens statt. In der Literatur werden die direkte, die scheinbar direkte und die indirekte Reduktion der Eisentrager unterschieden.

^^ Unter Aufkohlung wird die partielle Verbindung des Eisens mit Kohlenstoff zu Carbiden, speziell Fe3C (Zementit), verstanden.

44

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

Beginnend bei Temperaturen von etwa 400 °C kommt es im oberen Teil des Ofens zur leicht exotherm ablaufenden indirekten Reduktion. F^2^5 wird zunachst zu Fefi^ und anschlieBend zu FeO reduziert, bevor schlieBlich elementares Eisen (Fe) gebildet wird. Dies geschieht iiber die folgenden Reaktionen (vgl. (Biswas, 1981)):

3F^2<^3 + CO o 2Fefi^ + CO^

Fe^O, + CO <^ ?>FeO + CO2

FeO + CO<^Fe + CO^

(3.2)

(3.3)

(3.4)

Die gemeinsame Betrachtung der Reaktionen (3.2)-(3.4) sowie der Reaktion (3.1) fUhrt zu der folgenden, als scheinbar direkte Reduktion bezeichneten Gleichung (vgl. (Sieverdingbeck, 2001)): Fefi^ + C o Fefi^_, + CO

(3.5)

Bei Temperaturen von iiber 1.000 °C, wie sie im unteren Teil des Hochofens vorherrschen, kommt es, gepaart mit der Reaktion (3.1), zur endotherm ablaufenden direkten Reaktion: FeO + C<^Fe + CO

(3.6)

Abbildung 3-3 fasst in einem schematischen Uberblick den prinzipiellen Aufbau eines Hochofens und die darin ablaufenden Grundreaktionen zusammen.

KAPITEL 3

45

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

Gichtgas mit ca. 2 1 % CO, 2 1 % COg, 3% H^ Rest N, und H,0; T = 100 - 250°C Gicht Indirekte Reduktion beginnendbei400'€ FeO + CO = Fe + CO2 Fe304+CO = 3FeO + C02

Austreiben von H2O und CO2 im Erz und Kalkstein

3Fe203+ CO = 2 Fe304 + CO2 Aufkohlung 3 Fe + 2 CO = FeaC + CO2 1000°C- Isotherme

Gasstr6mun{ Erweichungs- und Schmelzzonen (kohasive Zone) Direkte Reduktion beginnend bei 850'C C02^C = 2CO U F e O - . C = Fe + CO FeO + CO = Fe + CO2 ^

Aufkohlung 3 Fe + C = FeaC

CKOKS + O2 - > CO2

Koksverbrennung

CKOKS + C 0 2 - > 2 CO Koksveraasuno Stichloch fur Roheisen und Schlacke Bodenstein

Abbildung 3-3:

Grundreaktionen im Hochofen Quelle: in Aniehnung an (Gudenau, 1989)

Neben der Reduktion der Eisentrager sind das Verhalten der Alkalien Natrium und Kalium sowie des Zinks im Hochofen fiir dessen Betrieb bedeutsam. Dies gilt umso mehr fur das betrachtete Produktionssystem, als hier die Alkalifracht des Sinters dreifach und die Zinkfracht ca. dreihundertfach groBer sind als in einem herkommlichen Hochofenprozess. Alkalien sind im Hochofen u. a. deswegen von Bedeutung, weil sie sich am Feuerfestmaterial des Hochofens anlagem und es beschadigen, zur Bildung von Ansatzen beitragen, bei niedrigen Temperaturen katalytische Effekte auf Reaktionen mit CO2 haben sowie einen Kreislauf im Ofen bilden und dadurch die Leistung des Hochofens vermindem (vgl. (Biswas, 1981)). Die Alkalien werden zum uberwiegenden Teil liber die Schlacke und zu einem geringen Teil uber das Gichtgas ausgetragen. Die folgende Abbildung 3-4 stellt exemplarisch

^^ Abweichend zu der Darstellung betragt im betrachteten Fall das Verhaltnis 7] = CO / CO^ (der so genannte Wirkungsgrad) ca. 0,7.

46

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

die Wege von Kalium und Natrium im Hochofen dar. Fur eine eingehende Beschreibung der Vorgange in Bezug auf Alkalien sei auf (Wenzel, 1979) und (Biswas, 1981) verwiesen.

Staub Austrag mit dem Gichtstaub (-5%) Moller (Oxide; Chloride; Silikate; Ferrite)

2IVIeCN+4C02 <—> IVIe^COa+N^+SCO 2IVleCN+2FeO <—> Me20+2Fe+2CO+N2 MejO+COj <—> MejCOs MejO+SiOa <—> l\/le2Si03

2IVIe+2C+N2

> 2MeCN

Austrag in der Schlacke (-95%)

Me = Na, K Abbildung 3-4:

Scliiacke

Schematische Darstellung des Verhaltens von Alkalien Im Hochofen Quelle: in Aniehnung an (Wenzel, 1979)

Ein ahnlich gelagertes Problem ergibt sich fiir Zink im Hochofen. Das im Sinter enthaltene Zink liegt uberwiegend in oxidischer Form vor (vgl. (Deike und Hillmann, 1999a)). Im betrachteten Hochofen werden iiber den Moller ca. 50 kg Zink je Tonne Roheisen in den Hochofen eingetragen. Dieses ZnO sinkt mit dem Moller im Ofen hinab und wird im unteren Teil des Hochofens reduziert. Aufgrund der niedrigen Siedetemperatur des Zinks wird dieses verdampft und steigt in Folge dessen wiederum mit dem Ofengas im Hochofen auf. Bei der mit dem Aufstieg einhergehenden Abkiihlung kommt es zu einer teilweisen Reoxidation und Kondensation. Wahrend ein Teil des Zinks iiber die Gicht ausgeschleust werden kann, kondensiert der uberwiegende Teil im Moller und wird mit diesem wiederum in den unteren

KAPITEL 3

47

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

Teil des Ofens transportiert. Es kommt somit zur Bildung des in Abbildung 3-5 dargestellten Kreislaufs.

50 kg Zn pro t RE

HO-Gas zu den *'Cowpern und zum Kraftwerk

Zink-lndustrie

Roheisen <0,1 kgZn pro t RE

Abbildung 3-5:

Schematische Darstellung der Zinkbilanz des Hochofens Quelle: in Aniehnung an (Deike und Hillmann, 1999a)

Durch diesen Zinkkreislauf werden im Wesentlichen die folgenden Probleme hinsichtlich der Prozessfuhrung und der Wirtschaftlichkeit des Prozesses verursacht (vgl. (Deike und Hillmann, 1999a)): • Die am Zinkkreislauf beteiligten Mengen des Zinks verstopfen die Poren des Mollers und des Koksgerlists und behindern damit die Durchgasung des Hochofens. Dies hat negative Auswirkungen auf die indirekte Reduktion und fiihrt zu einem erhohten Koksverbrauch. • Es kommt zu einem Transport von Warme aus dem unteren Teil des Ofens in die oberen Ofenbereiche. Dies hat u. a. eine erhohte Gichtgastemperatur und somit einen Warmeverlust im Ofen

zur Folge. Um dies auszugleichen ist weiteres

Reduktionsmittel zuzufuhren. Auch dies beeinflusst die Produktivitat und Effizienz des Hochofens negativ.

48

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

• Durch den Niederschlag des ZnO im Moller sowie auf dem Feuerfestmaterial kommt es vermehrt zur Bildung von Ansatzen. Diese verengen den Ofendurchschnitt zum Teil erheblich und fiihren zu groBen Problemen in der Ofenfiihrung. Zur Beseitigung sind haufig (teilweise) Ofenstillstande und Absprengungen der Ansatze notwendig. Insofem ist es notwendig, soviel Zink wie moglich aus dem Prozess auszuschleusen, insbesondere auch, um eine Anreicherung des Zinks im Zinkkreislauf zu verhindem. Da kein nennenswerter Austrag des Zinks iiber die Schlacke stattfindet, geschieht dies iiber das Gichtgas. Das Zink wird iiber einen Theisen-Wascher^^ abgeschieden, setzt sich in einem Zyklator aus dem Waschwasser ab und wird iiber eine Filterpresse als Zinkkonzentrat gewonnen und an die Zinkindustrie verkauft. Fiir eine eingehendere Darstellung der dem Hochofenprozess zugrunde liegenden metallurgischen Zusammenhange sei auf weiterfuhrende Literatur, beispielsweise (Biswas, 1981), (Funke et al., 1973), (Oeters, 1989) und (Turkdogan, 1996) verwiesen.

3.1.1.4

Legierung des GieBereiroheisens im Induktionsofen und VergieBen des Roheisens zu Massein

Nach dem Abstich wird das Roheisen zunachst analysiert. Nach Analyseergebnis und herzustellender Roheisensorte wird das Roheisen gegebenenfalls in der Roheisenpfanne oder einem 301 fassenden Induktionsofen durch Legierung korrigiert bzw. eingestellt. Besitzt das Roheisen schlieBlich die gewunschte Spezifikation, wird es auf einer GieBmaschine in Roheisenmasseln vergossen. Es werden regelmafiig mehr als einhundert unterschiedliche Roheisensorten hergestellt, die sich in acht Grundtypen einteilen lassen. Wesentliche Unterscheidungsmerkmale der Roheisensorten liegen hauptsachlich in den Kohlenstoff-, Chrom-, Phosphor- und Siliziumanteilen der Roheisensorten.^^

^^ Bei Theisen-Waschern

handelt es sich um Desintegratoren

zur Gichtgasreinigung

fiir

Schachtofen,

Gasreinigung von Elektro-Reduktionsofen und zur Reinigung von Synthesegasen. Zur Abscheidung wird eine Waschflussigkeit eingespritzt und durch ein System aus rotierenden und festen Stabkorben im Wascher zerstaubt und somit die Abscheidung der festen Rauchgasanteile erreicht. Fiir weitere Informationen zu diesem Anlagentyp sei auf (Theisen GmbH, 2005) verwiesen. ^^ Vgl. hierzu auch die Ausfiihrungen in Abschnitt 3.5.4.

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRQDUKTIONSPLANUNG

49^

Abnehmer des Roheisens sind zum iiberwiegenden Anteil Untemehmen der GieBereiindustrie (vgl. (Sassen und Deike, 2000)).

3.1.2 Betriebswirtschaftliche Planungsaufgaben Fiir einen wirtschaftlich erfolgreichen Betrieb des in den vorangegangen Abschnitten dargestellten Prozesses ist eine effiziente Planung notwendig. Auf der Rohstoffseite ist ein zunehmender Gehalt von Problemstoffen, insbesondere von Zink, zu beobachten (vgl. (Hillmann, 2003)). Auf der einen Seite fuhrt dies langfristig zu hoheren Annahmepreisen flir die Rohstoffe, kurzfristig sind die Annahmepreise aber grob durch gegenwartig vergleichsweise niedrige Deponiepreise beschrankt. Zudem verursachen die Problemstoffe die in Abschnitt 3.1.1.3 angesprochenen Probleme im Hinblick auf eine geringere Produktivitat des Hochofens und einen erhohten Reduktionsmitteleinsatz. Da hierzu hauptsachlich Koks eingesetzt wird und der spezifische Kokseinsatz aufgrund des kleinen Ofenvolumens bereits heute schon deudich hoher als in herkommlichen Hochofen ist, sind die Auswirkungen eines erhohten Einsatzes von Problemstoffen sorgfaltig gegen die Produktivitatsverluste und Mehrverbrauche an Reduktionsmitteln abzuwagen. Da die Konkurrenz zu Untemehmen, die hauptsachlich auf Basis von Primarrohstoffen arbeiten und die Kokspreise in den letzten Jahren, wie in Abschnitt 2.1.3 beschrieben, deutUch gestiegen sind, ist insbesondere der Mehrverbrauch an Koks ein kritischer Faktor. Hinzu kommen auch negative Auswirkungen auf die Produktqualitaten, die zu niedrigeren erzielbaren Verkaufspreisen flihren konnen und ein unter Umstanden erhohter Anfall an nicht marktfahigen Kuppelprodukten wie z. B. des in der elektrischen Gasreinigung anfallenden EGR-Staubs. In der Produktionsprogrammplanung sind, analog zu der Aufgabenbeschreibung in Abschnitt 2.2.3.2, die zu produzierenden Roheisensorten und -mengen festzulegen. In diese Betrachtungen sind die anfallenden Kuppelprodukte, mit deren positiven oder negativen Ergebnisbeitragen, und insbesondere auch die einzusetzenden Rohstoffe mit den erzielbaren Oder zu entrichtenden Preisen einzubeziehen. Dabei sind die chemischen Spezifikationen der Stoffstrome und die hierdurch hervorgerufenen Auswirkungen bzw. Wechselwirkungen hinsichdich der Faktorverbrauche, Anfallmengen und Spezifikationen der ausgehenden Stoffstrome zu beriicksichtigen. Diese Planungen sind auf taktischer Planungsebene fiir Planungshorizonte von etwa einem Jahr durchzufuhren.

^0

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

Die zweite wesentliche Planungsaufgabe bezieht sich auf einen deutlich kiirzeren zeitlichen Horizont. Eventuell abweichend von den in der Produktionsprogrammplanung ermittelten Ergebnissen ist kurzfristig fiir eine zu produzierende Roheisensorte und -menge die optimale Einsatzmischung zu ermitteln. Dies kann notwendig werden, um zum Teil vorgeschriebene Verwertungen innerhalb einer bestimmten Zeit zu gewahrleisten, auch kleinere Mengen an Rohstoffen zu beriicksichtigen sowie auf Abweichungen von Rohstoffen von ihrer urspriinglichen Spezifikation reagieren zu konnen. Zudem konnen solche Planungen auch herangezogen werden, um die Wirtschaftlichkeit des Einsatzes eines bestimmten Rohstoffes zu uberprufen. Auch hier sind die chemischen Spezifikationen der Stoffstrome und deren Implikationen zu beriicksichtigen. Grundlage fiir die taktisch-operativen Planungen in den dargestellten Planungsaufgaben muss demnach eine adaquate Abbildung der zugrunde liegenden Prozesse sein. Adaquat heifit in diesem Fall, dass einerseits die dargestellten Wechselwirkungen zwischen Mengen und Spezifikationen der Input- und der Outputstrome im notwendigen Detaillierungsgrad Beriicksichtigung finden. Andererseits muss diese Abbildung fiir die Planungen einer okonomischen Optimierung zuganglich gemacht werden. Dabei ist zu beachten, dass die hierdurch erhaltenen Planungsmodelle in angemessener Zeit losbar sind. Vor diesem Hintergrund werden im folgenden Abschnitt zunachst die Anforderungen hinsichtlich der Prozessabbildung prazisiert, bevor im darauf folgenden Abschnitt die Anforderungen exemplarisch an vorhandenen ModeUierungsansatzen zur Abbildung von Produktionsprozessen im Allgemeinen und zur Abbildung von Sinter- und Hochofenprozessen im Besonderen untersucht werden.

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

5^_

3.1.3 Anforderungen an die Modellierung der Produktionssysteme Der den Betrachtungen zugrunde liegendende Produktionsprozess wird in Bezug auf die eingesetzten Rohstoffe und deren Zusammensetzung sowie den dadurch erzeugten Output und dessen Spezifikation in einem deutlich hoheren MaBe variiert, als dies in herkommlichen Hochofenprozessen iiblich ist. Eine Planung des betrachteten Produktionsprozesses muss daher die zugrunde liegenden Beziehungen zwischen Input und Output auf den einzelnen Produktionsstufen adaquat abbilden. Dies umfasst zunachst die in den einzelnen Anlagen ablaufenden metallurgischen Prozesse. Die Prozessmodelle durfen jedoch nicht auf die Betrachtung technischer Aspekte beschrankt bleiben, sondem miissen einer betriebswirtschaftlichen Optimierung zuganglich sein. Zur Abbildung des in Abschnitt 3.1.1 beschriebenen Prozesses in problemadaquaten verfahrenstechnischen Modellen, die als Basis fur operative Planungen dienen konnen, sind insbesondere die nachfolgend dargestellten Anforderungen zu erfiillen: • Beriicksichtigung aller flir die Planungen relevanten Aggregate, • Beriicksichtigung aller fur die Planungen relevanten Stoff- und Energiestrome, • Beriicksichtigung der planungsrelevanten chemischen Elemente und Verbindungen sowie • adaquate Abbildung der zugrunde liegenden chemisch-physikalischen Zusammenhange. Zu den relevanten Aggregaten zahlen die Sinteranlage, die elektrische Gasreinigung der Sinteranlage, die Abgasreinigungsanlage der Sinteranlage, der Hochofen, die Gasreinigung des Hochofens sowie das Kraftwerk. Die folgende Abbildung 3-6 zeigt diese betrachteten Aggregate. Einsatzstoffvorbereitung,

Induktionsofen und GieBmaschine miissen nicht

betrachtet werden, da sie weder einen Engpass im Untemehmen darstellen, noch die durch sie hervorgerufenen Kosten verursachungsgerecht zurechenbar sind. In diesen Planungen durfen die Produktionsaggregate zudem nicht ausschlieBHch einzeln betrachtet werden. Eine isolierte Optimierung des Sinterprozesses unter der Zielsetzung einer Maximierung der Zuzahlungen konnte beispielsweise zu sehr hohen Zinkfrachten im Sinter fuhren, die im Bereich des Hochofens durch die beschriebenen Probleme des Zinkkreislaufs (vgl. Abschnitt 3.1.1.3) die okonomischen Vorteile im Bereich der Sinteranlage deutlich uberkompensieren. Stattdessen

52

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

sind die Wechselwirkungen der Prozessschritte untereinander zu beachten und demzufolge ebenfalls zu beriicksichtigen.

Systemgrenze

r-

Zuschlage Koks Wind Wl KK ZS

r

SA Rohstoffe NM ,

1

Sinte r SIN

Sinteranlage

^

t

HO 1

Hochofen J

SAL Sinterabluft RG RiJck 3ut

^

GG

EGR Elektrische Gasreinigung

1 1

1

1

Aniage

RGS^ r

' rRAGR

a Reingas r,^^^!^' ^ ^ Ruckstand

Zinkkonzentrat ZK

vorgereinigte si Gichtgas JVRGH

'

KW Kraftwerk

^

L —•

GHO Gasreinigung Hochofen

AGRA Abgasreinigungsanlage

Kalkmilch KM

Gichtgas

\r

vorgereinigte Sinterahliift VSAL

Herdofenkoks KKG

Roheisen RE Schlacke SL

REGRi r EGF -Staub

RGH 1 WEU r

\ r GS

Reingas Strom Gichtstaub

Stoff- / Energie Strom m

Abbildung 3-6:

Schematische Darstellung der zu betrachtenden Aggregate und Stoff- und Energiestrome

Fiir die Planung relevant sind die Stoff- und Energiestrome, die groBe Mengen ausmachen, einen erfassbaren Ergebnisbeitrag liefem, wesentlichen Einfluss auf die Prozesse ausuben Oder rechtlichen Regelungen unterworfen sind. Diese sind ebenfalls in Abbildung 3-6 dargestellt. Neben den Aggregaten und Stoffstromen ist auch auf eine detaillierte Beriicksichtigung samtlicher planungsrelevanter chemischer Komponenten zu achten. Hierunter werden wiederum diejenigen Elemente und Verbindungen verstanden, die einen groBen Anteil der Stoffstrome ausmachen, nennenswerten Einfluss auf den Ablauf der Prozesse, auf Erlose oder Ausgaben haben, oder hinsichdich derer die Stoffstrome bestimmte Spezifikationen aus technischen, wirtschaftlichen oder rechtlichen Griinden zu erfullen haben. Auf die in dieser Arbeit betrachteten chemischen Komponenten wird im Abschnitt zu den verwendeten verfahrenstechnischen Modellen (Abschnitt 3.2.3) naher eingegangen.

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

53^

Die auf den einzelnen Prozessstufen ablaufenden chemisch-physikalischen Prozesse sind so abzubilden, dass GroBe und Zusammensetzung der Hauptstoffstrome sowie die GroBe des Einsatzstoffstroms auch fiir wechselnde Spezifikationen des eingesetzten Rohstoffmix und des Sinters realitatsnah und - wie bereits angesprochen - geeignet fiir operative Planungen berechnet werden. Fiir die Phasen der Modellbildung, -validierung und -anpassung ist es sinnvoll, das betrachtete Produktionssystem in kleinere Einheiten zu zerlegen und diese zunachst isoliert zu modellieren. Auf diese Weise sind Fehlersuche und Modellanpassungen leichter durchfuhrbar. Fiir die anschlieBende Modellbildung wird das Produktionssystem in zwei Telle, die Sinteranlage mit zugehoriger Abluftreinigung (nachfolgend auch Sinteranlagenbetrieb genannt) und die Hochofenanlage mit zugehoriger Abluftreinigung und Kraftwerk (nachfolgend auch Hochofenbetrieb genannt) geteilt. Beide Modelle sind so aufzubauen, dass sie miteinander gekoppelt werden konnen und so die geforderte integrierte Betrachtung moglich ist.

3.2 Grundlagen der Stoff- und Energieflussmodellierung von Produktionssystemen Im vorangegangenen Abschnitt wurden die Produktionsprozesse und produktionswirtschaftlichen Planungsaufgaben des zugrunde liegenden Referenzfalls aus der Eisen- und Stahlindustrie dargestellt und die Anforderungen an eine Modellierung der Produktionsprozesse fiir den Einsatz in der Produktionsplanung formuliert. Darauf aufbauend ist es Gegenstand dieses Abschnitts, exemplarisch bestehende Modellierungsansatze hinsichtlich ihrer Eignung fUr den vorliegenden Fall zu untersuchen. Dabei werden zunachst allgemeine Modellierungsansatze betrachtet. Gegenstand des folgenden Abschnitts 3.2.1 sind zunachst Ansatze der Produktionstheorie, bevor im darauffolgenden Abschnitt ingenieurwissenschaftlich orientierte Ansatze vorgestellt werden. In Abschnitt 3.2.3 werden konkrete Sinter- und Hochofenmodelle untersucht. Die wesentHchen Erkenntnisse werden im abschlieBenden Abschnitt 3.2.4 zusammengefasst und Schlussfolgerungen hinsichtUch des in dieser Arbeit verfolgten Ansatzes gezogen.

_54

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

3.2.1 Produktionstheoretische Ansatze zur Abbildung stoffstrombasierter Produktionssysteme 3.2.1.1

Aktivitatsanalytische Modellierung von Stoffflussen

Eine allgemeine Methodik zur Modellierung der Input-Output-Zusammenhange von Produktionssystemen stellt die Aktivitatsanalyse dar. Diese geht auf Arbeiten von Koopmans (Koopmans, 1951) und Debreu (Debreu, 1959) zuriick und hat Eingang sowohl in die Betriebs- als auch in die Volkswirtschaftslehre gefunden. Dabei hat sie sich als geeignet erwiesen, produktionstheoretische Zusammenhange insbesondere auch mit Bezug auf Kuppelproduktion und Umweltschutz abzubilden (vgl. (Kistner, 1993), (Fandel, 1990), (Spengler, 1998), (Dyckhoff, 2003), (Schultmann, 2003)). Entsprechend weite Verbreitung und Beachtung fand die Aktivitatsanalyse in den vergangenen Jahren daher in produktionstheoretischen Arbeiten (vgl. z. B. (Fandel, 1996), (Kistner, 1993), (Steven, 1998), (Dyckhoff, 1998), (Dyckhoff und Spengler, 2004)). Auch fiir strategische Planungsaufgaben in der Eisenund Stahlindustrie haben sich aktivitatsanalytische Arbeiten als ein geeignetes Modellierungskonzept erwiesen (vgl. (Spengler et al., 1998), (Spengler, 1998)). Den genannten Autoren folgend wird dieser Modellierungsansatz zunachst skizziert und dessen Eignung fiir die vorliegenden Planungsprobleme diskutiert. Zur Veranschaulichung wird das in Abbildung 3-7 dargestellte vereinfachte Beispiel der Sinterproduktion im betrachteten Produktionssystem herangezogen.^^

Prinzipiell ist naturlich auch eine Abbildung des gesamten betrachteten Produktionsnetzwerks auf Basis dieses

Modellieningskonzepts

moglich.

Die

Darstellungen

Ubersichtlichkeit auf das Teilsystem des Sinteranlagenbetriebs.

beschranken

sich

aus

Griinden

der

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

55

Systemgrenze 4

Rohstoffe 1

'' ' Ruckgut

5

4

Sinter 7

Sinteranlage

Sinterabluft

EGR-Staub8

Elektrische ^ Gasreinigung g

1

Abbildung 3-7:

Koksgrus

2

Kalkmilch

3

vorgereinigte Sinterabluft

j •

Abgasreini- ^ gungsanlage

neingas

y

AGRA-Rijrk<5tand 10

Schematische Darstellung des Sinteranlagenbetriebs im Referenzunternehmen (vereinfacht)

Werden m Stoffstrome eines Produktionsaggregats j , bestehend aus O Outputstromen, S Zwischenprodukten und / Inputstromen, betrachtet, so lassen sich samtliche moglichen InputOutput-Kombinationen dieses Produktionssystems in folgender Vektorform darstellen (vgl. (Fandel, 1996), S. 36):

=

iy.n-^yj

(3.7)

Der Betrag der Komponenten v,^j,ke{l,...,m] gibt die Menge des ein- bzw. ausgehenden Gutes an. Das Vorzeichen indiziert, ob es sich um einen eingehenden Produktionsfaktor (v^j < 0) Oder ein Endprodukt (v^^ > 0) handelt. Gilt v^^ = 0, so ist die Komponente k nicht an der Produktion beteiligt oder ihr Einsatz entspricht ihrem Output. Der Vektor Vj wird als Aktivitat bezeichnet und kann als mogliches Produktionsverfahren verstanden werden. Die Menge samtlicher einem Untemehmen bekannten Produktionsverfahren wird Technologiemenge Tgenannt (vgl. z. B. (Steven, 1998)). Ein Betriebszustand des Sinterprozesses mit zugehoriger Abgasreinigung im Referenzunternehmen lasst sich beispielsweise durch die Aktivitaten Vj (Sinteranlage), Vj (elektrische Gasreinigung (EGR)) und v^ (Abgasreinigungsanlage (AGRA)) beschreiben. Fiir diese Aktivitaten lassen sich die folgenden Aktivitatsvektoren aufstellen:

56

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

f-v ^

V, =

r 0^

( 0 ^ 0 0 0

Ml

0 0 0

-^23 -^33

0 0

^51

0

'

^2

.

=

KAPITEL 3

(3.8)

v^3 =

^62

-^63

^71

0

0

0

^82

0

0

0

I 0J

I0J

^93

V ^103 J

Sei /l^ G IK^ die Intensitat, mit der das Aggregat ye {!,...,«} betrieben wird, so kann fiir jede Aktivitat v^ der sich einstellende Stoffstromvektor x- e //?'" in Abhangigkeit von dieser Intensitat wie folgt angeben werden:

x,{X.) =

(3.9)

G//?'"

Dieser Zusammenhang ist in der Praxis, insbesondere bei stoffumwandelnden Vorgangen, meist nichtlinear. Auf Basis von Stoffstromvektoren fiir die einzelnen Aggregate konnen mittels des so genannten Umweltvektors x""" G IR^ die in das Produktionssystem ein- und die aus dem Produktionssystem austretenden Stoffstrome in Abhangigkeit von den Leistungsintensitaten X. angeben werden (vgl. (Spengler, 1998), S. 108ff.): ru.\

/l(V.;(/l,),-,VjAj)" EiR"'

(3.10)

Der Umweltvektor des Sinterprozesses im Referenzfall kann daher wie folgt geschrieben werden:

KAPITEL 3

57

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

^ Input Rohstojfe

-X, uw X2

uw

Input Herdofenkoks (HOK)

uw A3

Input Kalkmilch

0

Zwischenprodukt

Ruckgut

0 0

Zwischenprodukt

Sinterabluft

Zwischenprodukt vorgereinigte

xT

(3.11)

Sinterabluft

Output Sinter

^7

Output EGR - Staub

A9

Output Reingas ^Output AGRA - Ruckstand

I -^10 J

Liegt ein naherungsweise stationarer Betriebszustand zugrunde, lasst sich der Umweltvektor des betrachteten

Produktionssystems

fiir

gegebene

Intensitaten

Aj

iiber

empirische

Untersuchungen oder iiber Prozesssimulation (vgl. Abschnitt 3.2.2.4) bestimmen. Fiir kleine Abweichungen

vom

stationaren

Technologien^^ aufgefasst

Systemzustand

konnen

die

Aktivitaten

und das System mit Hilfe des Spezialfalls

als

lineare

der linearen

Aktivitatsanalyse abgebildet werden. Angewendet auf das betrachtete Beispiel ergibt sich:

-X3"

0 0 0

=z^.-^.

(3.12)

uw A7

Die Vorgabe einer exogenen Nachfrage b. nach einem Stoffstrom x"""' ermoglicht die Berechnung der erforderlichen Intensitaten A^, X^ und /I,, indem drei linear unabhangige

Unter der Eigenschaft der Linearitat einer Technologic wird die Erfiillung der Forderung nach der Proportionahtat

(v, e T, // > 0 <=» v, • // 6 T ), der Additivitat

( K, £ 7, K, G 7 <=> v, + v^ G 7 ) und

der

Moglichkeit der Verschwendung (ein Faktoreinsatz ohne Ausbringung ist moglich) verstanden (vgl. z. B. (Kistner, 1993), S. 55f.).

58

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

Gleichungen ausgewahlt und gelost werden. Hierzu wird zunachst fur jede Aktivitat Vj ein Leitprodukt gewahlt, das als Input fur andere Aktivitaten oder als Endprodukt benotigt wird. Die im Beispiel ausgewahlten Leitprodukte sind in nachfolgender Tabelle 3-4 dargestellt. Tabelle 3-4:

Ausgewahlte Leitprodukte im betrachteten Beispiel

Aktivitat

Bezeichnung

Leitprodukt

^1

Sinteranlage

Sinter (V31)

^2

elektrische Gasreinigung (EGR)

Sinterabluft (V52)

^3

Abgasreinigungsanlage (AGRA)

vorgereinigte Sinterabluft (v^a)

Sei der Bedarf an Sinter (b^) vorgegeben, lasst sich damit das folgende lineare Gleichungssystem aufstellen und losen: 0 ^

N

^31

0

^51

-^^52

0

^ = 0

0

^2

-^63]

l^; loj

(V

(3.13)

Mit den fUr die A^ gefundenen Losungen A^,A^und A^ ist es nun auch moglich, das lineare Gleichungssystem (3.12) zu losen und somit den Umweltvektor des betrachteten (Teil-)Systems zu berechnen.^^ Der Umweltvektor erlaubt zwar die grobe Kalkulation des Mengengeriists der Stoffstrome ohne die explizite Angabe einer in praxi schwer ermittelbaren Produktionsfunktion, jedoch enthalt er noch keinerlei Auskunft iiber die chemische Zusammensetzung dieser Stoffstrome. Gerade im betrachteten Produktionssystem ist dies jedoch von entscheidender Bedeutung, da, wie in Abschnitt 3.1.2 ausgefuhrt, einerseits speziell die Einhaltung chemisch-physikalischer

Spezifikationen

sicherzustellen

ist.

Andererseits besitzt die Zusammensetzung der einzelnen Stoffe und der Mischung entscheidende Auswirkungen auf die erreichbare Zuzahlung fiir die Herstellung des Sinters, den Reduktionsmittelverbrauch im Hochofen, die anfallenden Mengen an ergebnisrelevanten Primarprodukten und Kuppelprodukten und liegen zudem stoffumwandelnde Prozessschritte

Zunachst muss jedoch gepriift werden, ob die Koeffizientenmatrix in Gleichung (3.13) regular ist (vgl. (Spengler, 1998), S. 110).

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

59^

Eine Erweiterung der skizzierten Modellierung von Produktionsprozessen mit Hilfe der linearen Aktivitatsanalyse um die chemische Zusammensetzung der Stoffstrome ist prinzipiell moglich. Bezeichnen die e G S die betrachteten Elemente und Verbindungen, E deren Anzahl und c^ die Konzentration von Stoffstromkomponente (Element / Verbindung) e in Stoffstrom /, lasst sich die Zusammensetzung des Stoffstroms j^;^'^"'""'"'"''''""^ wie folgt berechnen: ^u.,Zusammensetzuns ._ ^ ^ ^ . (^J , • • •, C^ ) G IR" , m i t ^

< = 1

(3.14)

e=l

Der Umweltvektor x""" e IR""

wird somit zur so genannten Umweltmatrix x'*''e IR"""^"

erweitert: f

uw,Zusammensetzung \

G//?"""

X""^ =

(3.15)

uw,Zusammensetzung

Diese Modellierung ist zwar in der Lage, grob die Stoffstrome hinsichtlich der anfallenden Mengen und Zusammensetzungen zu berechnen, greift aber fur eine Planung stoffumwandelnder Systeme im Allgemeinen und in der Produktionsplanung bei metallurgischen Abfallverwertungsprozessen im Besonderen zu kurz. Wesentlicher Kritikpunkt ist die Annahme fester Betriebspunkte sowohl hinsichtlich der Betriebsparameter als auch der stofflichen Zusammensetzungen der Stoffstrome. Tatsachlich konnen diese stofflichen Zusammensetzungen schwanken, was wiederum Auswirkungen auf die Mengen der Stoffstrome hat. Dies sei am Beispiel des Anfalls von Staub aus der elektrischen Gasreinigung bei der Sinterung von metallhaltigen Reststoffen zum Einsatz in einem Hochofen exemplarisch verdeutlicht. Es ist hier zwar von einer gewissen Grundverstaubung auszugehen, die Niederschlag im EGR-Filter findet, daneben haben allerdings insbesondere die Anteile von Blei, Kalium, Natrium und Chlor in der Aufgabemischung groBen Einfluss auf die Menge des tatsachlich anfallenden EGR-Staubs. Im Fall der Abgasreinigungsanlage ist die Menge der einzusetzenden Kalkmilch insbesondere von dem Schwefelanteil in der Aufgabemischung abhangig. Die Menge der eingediisten Kalkmilch hingegen beeinflusst die Menge des anfallenden und zu deponierenden Ruckstands der AGRA. Es ist daher notwendig, fiir die einzelnen Produktionsaggregate explizite Transformationsfunktionen unter Einbeziehung der stofflichen Zusammensetzung der Stoffstrome zu verwenden. Im folgenden Abschnitt 3.2.1.2

60

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

werden daher verschiedene produktionswirtschaftliche Transformationsfunktionen in Bezug auf die Abbildung von Produktionsprozessen unter Beriicksichtigung der chemischen Zusammensetzung untersucht.

3.2.1.2

Betriebswirtschaftliche Input-Output-Modelle vernetzter Produktionssysteme

Ein eng mit der aktivitatsanalytischen Sichtweise verbundenes Konzept zur Einbindung von expliziten Transformationsfunktionen in vemetzte Produktionssysteme bietet die auf Arbeiten von Leontief (vgl. (Leontief, 1951)) aufbauende und von Kloock (vgl. (Kloock, 1969)) zu einer allgemeinen Methodik zur Formulierung von Produktionsfunktionen ausgebaute betriebswirtschaftliche Input-Output-Analyse. Eine ubliche formale Beschreibung eines vemetzten Produktionssystems in der Input-OutputAnalyse ist die Darstellung als bewerteter Digraph D = (J,E,c)

(vgl. (Spengler, 1998),

S. 100). Der betrachtete Fertigungsprozess wird in Fertigungsstellen J =[j\j = \,...,m] gegliedert,

die

als

Knotenmenge

aufgefasst

werden

konnen.

Zwischen

diesen

Fertigungsstellen existieren Leistungsverflechtungen, die durch die Kantenmenge E, mit EQVXV

und die Bewertungsfunktion c, dargestellt werden konnen. Die Bewertungs-

funktion c ist wie folgt definiert: r c=\

E-^IR

[(jJ')eE^c{jJ')

Dabei beschreibt c{j,j')

(3.16)

die zur Produktion einer Mengeneinheit des Produktes

/

notwendige Menge des Produktes j .^^ Zur Veranschaulichung ist in Abbildung 3-8 der Sinteranlagenbetrieb im Referenzuntemehmen als Digraph dargestellt.

^' Knoten ohne Vorganger beschreiben externe Beschaffungsstellen, Knoten ohne Nachfolger Absatzstellen des Produktionssystems (vgl. z. B. (Schultmann, 2003), S. 155).

KAPITEL 3

61

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

Systemgranze Beschaffungsstellen; : Rohstoffe S1

Absatzstellen

Sinteranlage

RQckgut S4 Elektrische 5 Gasrelnigung vorgereinigte Sinterabluft I Koksgrus S2

Abgasreinl. 6| " " ' " 9 ^ ^^ gungsanlage AGRA-RQckstandSIOI

• Kalkmilch S3

Abbildung 3-8:

Darstellung eines vernetzen Produktionssystems als Digraph am Beispiel des Sinteranlagenbetriebs im Referenzunternehmen (vereinfacht)

Eine ubersichtliche Darstellung der Verflechtungsstruktur erlaubt der Ubergang zum Matrizenrechnungskalkiil. Die Struktur eines Produktionssystems kann durch die so genannte Verflechtungsmatrix S = [Sjj.) dargestellt werden. Diese ist wie folgt definiert:

S = {S:r)^^, mit 5... = ,

1,

falls(;,7')e£ sonst

(3.17)

Zur Abbildung auch der mengenmaBigen Verflechtungen der Produktionsstellen kann diese wie folgt zur Direktbedarfsmatrix S' erweitert werden: c(jj'), S' = is\r). , mit s ., = 0,

falls (7, y')6 £ sonst

(3.18)

Die Struktur- und die Direktbedarfsmatrix fiir den zur Veranschaulichung herangezogenen Sinteranlagenbetrieb lassen sich wie folgt angeben: 0 0 0 0 0

0 0 0 0 0

0 0 0 0 0

1 0 0 1 0

0 0 0 0 0 V

0 0 0 0 0

0 0 0 0 0

0 0 0 0 0

0 0 0 1 0

0 0 0 0 0

0 0 0 0 1

0 0 1 0 1 0 0 1 1 0

0 0 0 0 0

0 0 0 0 0

0 0 0 0 0

1 0 0 0 0

0 0 0 0 0

0 0 0 0 0

1 0 0 0 0

0 0 0 0 0 S' = 0 0 0 0 0

0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

51 0 0 S4 0 0 0 0 0 0

0 0 0 55 0 0 0 0 0 0

0 S2 53 0 56 0 0 0 0 0

0 0 0 57 0 0 0 0 0 0

0 0 0 0 58 0 0 0 0 0

0 0 0 0 0 59 0 0 0 0

0 0 0 0 0 51( 0 0 0 0

(3.19)

62

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

Basis einer quantitativen Analyse eines Produktionssystems nach der Input-Output-Analyse bilden Transformationsfunktionen fjy{...)?^ Damit lassen sich die Input-Output-Beziehungen der Produktionsstellen wie folgt beschreiben: yjy = f,•(..:)•

yr

(3.20)

Der Gesamtbedarf unter Berucksichtigung eines direkten extemen Bedarfs an Stoff j ergibt sich somit gemafi: (3.21)

Die Gleichungen (3.21) sind fiir das gesamte Produktionssystem in Vektorschreibweise darstellbar. Den Vektor der Inputstoffe bezeichnet j ^ =(jp...,>'^,...,y^), x^ ={x^,...,Xj,...,x^) den Primarbedarfsvektor. Die Input-Output-Relationen der Produktionsstellen konnen durch die Direktbedarfsmatrix A dargestellt werden (vgl. (Schultmann, 2003), S. 157): /nC-) A=

/i.(-)

(3.22)

/,.(.-)

A ist quadratisch und besitzt die Dimension m . In Vektorschreibweise ergibt sich: y = A-y + x <=> x = {E-A)-y Die Technologische Matrix T = (E-A)

<=>

y = {E-Ay^'X = Gx

(3.23)

wird durch Subtraktion der Direktbedarfsmatrix von

der m-dimensionalen Einheitsmatrix gebildet. Die Inverse zur Technologischen Matrix G = {E-Ay^

wird als Gesamtbedarfsmatrix bezeichnet (vgl. (Hahn und LaBmann, 1990),

Unter Transformationsfunktionen

werden Funktionen zur Abbildung der

Input-Output-Zusammenhange

zwischen einzelnen Produktionsstellen verstanden. Demgegeniiber bezeichnet Produktionsfunktion

eine

Abbildung der Input-Output-Beziehungen eines ganzen Produktionssystems (vgl. (Hoitsch, 1993), S. 278). Diese Unterscheidung ist im Rahmen der in diesem Abschnitt betrachteten Input-Output-Analyse sinnvoll, wird in der einschlagigen Literatur jedoch nicht durchgangig vorgenommen.

63

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

S. 370). Die Koeffizienten von G geben den gesamten durch die Produktion einer Einheit des Stoffes j ' induzierten Bedarf an Einheiten von Stoff ; an.

Die bisherigen Ausfiihrungen beruhen auf der Annahme, dass jede Fertigungsstelle nur eine Produktart erzeugen kann. Diese dient lediglich einer iibersichtlicheren Darstellung. Mit Hilfe der betriebswirtschaftlichen Input-Output-Analyse lassen sich ebenso komplexere Leistungsverflechtungen wie die der Kuppelproduktion abbilden (vgl. (Kloock, 1969), S. 95). Hierzu sind die einzelnen Fertigungsstellen wiederum als Matrizen

Fjj,(...) von eigenen

Transformationsfunktionen aufzufassen:

/ifC-)

/;fc-.) (3.24)

F,,(...):

Hierbei bestimmt, um jeweils quadratische Matrizen gleichen Ranges zu erhalten, die Fertigungsstelle mit der maximalen Anzahl n an erzeugten Produktarten, die GroBe samtlicher Teilmatrizen (vgl. (Kloock, 1969)). Die Direktbedarfsmatrix A ergibt sich somit wie folgt: ^,.(.-.)

FH(...)

A=

(3.25)

^,r(-)

^.,(-)

F^J-)

Als Transformationsfunktionen fjyi-.-) konnen eine Reihe wichtiger anderer Klassen von Produktionsfunktionen als Spezialfalle der betriebswirtschaftlichen Input-Output-Analyse dargestellt werden, bzw. deren Charakteristika auf den allgemeineren Fall der Input-OutputAnalyse ubertragen werden (vgl. z. B. (Fandel, 1996), (Steven, 1998)). Diese weiteren wesentlichen Klassen von Transformationsfunktionen

werden im folgenden Abschnitt

hinsichtlich ihrer Eignung zur Abbildung von verfahrenstechnischen Prozessen diskutiert.

Voraussetzung eindeutiger Losungen ist die Existenz und Nichtnegativitat der Andernfalls konnen bei der Berechnung negative Produktionsmengen S. 194f.).

Gesamtbedarfsmatrix.

auftreten (vgl. (Kistner, 1993),

64

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

3.2.1.3

Weitere betriebswirtschaftliche Transformationsf unktionen und deren Eignung zur Abbildung verfahrenstechnischer Prozesse

Neben den bereits vorgestellten Konzepten der Aktivitatsanalyse und der betriebswirtschaftlichen Input-Output-Analyse existieren in der produktionstheoretischen Literatur vielfaltige weitere Arbeiten zu Transformationsfunktionen und - damit verbunden - eine Vielzahl unterschiedlicher Transformationsfunktionen. Der Zielsetzung dieser Arbeit folgend, wird in diesem Abschnitt ein Uberblick liber die charakteristischen Eigenschaften wesentlicher Klassen von Transformationsfunktionen gegeben. Diese Typen werden vor dem Hintergrund einer Eignung zur Abbildung von verfahrenstechnischen Prozessen diskutiert. Auf eine vollstandige bzw. detaillierte Darstellung wird aus diesem Grund verzichtet. Fiir ausfuhrlichere Darstellungen sei auf die einschlagige Literatur, beispielsweise (Kistner, 1993), (Dyckhoff, 1993), (Fandel, 1996) und (Dyckhoff, 1998), verwiesen. Einen Uberblick iiber eine Klassifikationsmoglichkeit der betrachteten bzw. genannten Transformationsfunktionen gibt die folgende Abbildung 3-9.

AllgemeineTransformationsfunktion Mehrvarlablige Transformationsfunktionen

Einvariablige Transformationsfunktionen allgemeiner Ansatz

LeontlefFuniction

unabhangige EinflussgroBen allgemeiner linearer Ansatz Ansatz

interdependente EinflussgroBen

CES Funktion allgemeiner Ansatz

ertragsgesetzliche Funktion

Cobb-DouglasFunktion

Techno-okonomische Transformationsfunktionen

thermodynamlsche Funktionen Abbildung 3-9:

Engineering Production Functions

Uberblick uber wichtige Klassen von Transformationsfunktionen Quelle: (Penkuhn, 1997), S. 48, (Spengler, 1998), S. 103

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTOTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

65_

Einen vergleichsweise einfachen Ansatz zur Modellierung limitationaler Produktionsprozesse stellt die einvariablige linear homogene^'* Produktionsfunktion von Leontief dar. In diesem Fall liegen feste Produktionskoeffizienten QJJ. in den fjjX-") vor. Zahlreiche Autoren haben die Eignung zur Abbildung von Montage- und Demontagesystemen und die Probleme einer Anwendung auf stoffstrombasierte Produktionssysteme herausgestellt (vgl. z. B. (Rentz, 1976), (Rentz, 1979), (Penkuhn, 1997) und (Spengler, 1998)). Wesentliche Kritikpunkte sind, dass die in verfahrenstechnischen Prozessen haufig anzutreffenden Nichtlinearitaten nicht abgebildet werden, und die Variabilitat und Substituierbarkeit von eingesetzten Stoffen und technischen

EinflussgroBen

bei

streng

limitationalen

Produktionsfunktionen

nicht

beriicksichtigt werden. Moglichkeiten zur Abbildung von substitutionalen Produktionsprozessen weisen etwa die ertragsgesetzliche, die Cobb-Douglas- (C-D-) oder die CES-Transformationsfunktion auf. Allerdings beruhen diese nicht auf naturwissenschaftlich-technischen Grundlagen (vgl. (Spengler, 1998)). Das Ertragsgesetz, auch klassische Transformationsfunktion genannt, geht auf Arbeiten von Turgot aus dem 18. Jahrhundert zuriick. UrsprtingUch wurden die Ertrage landwirtschaftlicher Produktion in Abhangigkeit von partieller Variation des Produktionsfaktors Arbeit bei konstantem Einsatz der Faktoren Boden und Saatgut analysiert (vgl. (Ellinger und Haupt, 1996)). Empirisch betrachtet besitzt das Ertragsgesetz fur industrielle Produktionsprozesse jedoch lediglich eine geringe Relevanz. 1st die unterstellte Substitutionalitat durchaus in Prozessen der stoffumwandelnden Industrie anzutreffen, sind insbesondere die wachsenden Grenzertrage und der fehlende Bezug zu naturwissenschaftlich-technischen GesetzmaBigkeiten zu kritisieren (vgl. (Fandel, 1996)). Die klassische Transformationsfunktion erlangte jedoch als friiheste Formulierung einer Produktionsfunktion und darauf aufbauender Arbeiten Bedeutung (vgl. (EUinger und Haupt, 1996), S. 77). Bezogen auf die Anwendbarkeit in industriellen Prozessen verhalt es sich mit der CobbDouglas- sowie der CES-Transformationsfunktionen ahnlich (vgl. (Fandel, 1996), S. 194). Beide gehoren zur Gruppe der so genannten Neoklassischen Transformationsfunktionen. Diese weisen im gesamten Verlauf abnehmende positive Grenzertrage auf und lassen sich

^"^ Bei linearer Homogenitat (Homogenitat vom Grade 1) gilt: /iy

= f{ju • x) (vgl. (SchneeweiB, 2002), S. 40).

^6

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

somit als Sonderfall der ertragsgesetzlichen Transformationsfunktion darstellen (vgl. (Steven, 1998)). Auf einem anderen Konzept beruhen die Transformationsfunktionen von Gutenberg und Heinen. Beide Ansatze verwenden technische und okonomische Verbrauchsfunktionen zur Abbildung der Input-Output-Beziehungen (vgl. (Spengler, 1998), S. 103) und stellen damit einen Schritt im Hinblick auf eine starkere technische Fundierung der Modellierung dar (vgl. (Schultmann, 2003), S. 158). Gutenberg setzt limitationale Produktionsverhaltnisse voraus und unterscheidet zwei Faktortypen: Potenzialfaktoren, die im Produktionsprozess genutzt und dabei nicht im groBeren MaBe verbraucht werden und Repetierfaktoren, die im Leistungserstellungsprozess untergehen. Potenzialfaktoren werden durch technische Eigenschaften bzw. Parameter (Zi,Z2,...,Zv) charakterisiert. Die Konfiguration dieser technischen Parameter wird als so genannte z-Situation bezeichnet (vgl. (Gutenberg, 1966)). Die Leistung eines Aggregates ist abhangig von den technischen Parametem und der so genannten Leistungsintensitat d . Wird die z-Situation als konstant betrachtet, kann die Leistungsabgabe eines Produktionssystems nach Gutenberg durch eine zeitliche Anpassung, d. h. eine Variation der Laufzeit des Aggregats, eine quantitative Anpassung, d. h. eine Veranderung der Anzahl der eingesetzten Potenzialfaktoren sowie eine intensitdtsmdfiige Anpassung beeinflusst werden. Der Output des Prozesses ist damit unmittelbar abhangig von dem Einsatz der Potenzialfaktoren. Dagegen ist der Einsatz von Repetierfaktoren abhangig von der Leistungsintensitat des Aggregats und der zeitlichen Inanspruchnahme. Diese Abhangigkeit wird durch - als bekannt vorausgesetzte - Verbrauchsfunktionen abgebildet, die den Faktoreinsatz je Produkteinheit darstellen. So genannte Faktoreinsatzfunktionen ergeben sich durch die Multiplikation des Wertes der Verbrauchsfunktion mit der zu erzeugenden Menge an Produkteinheiten. Somit sind die Faktorverbrauche nur mittelbar abhangig vom erzeugten Output des Aggregats. Der empirische Geltungsbereich der Gutenberg-Transformationsfunktion wird zwar in der produktionswirtschaftlichen Literatur allgemein als vergleichsweise hoch eingeschatzt (vgl. z. B. (Fandel, 1996)), allerdings ist auch an ihr vielfaltige Kritik getibt worden. Eine ijbertragbarkeit auf verfahrenstechnische Prozesse ist nur sehr eingeschrankt gegeben. Zuvorderst ist die angenommene Konstanz der z-Situation und die daraus abgeleitete lineare Beziehung zwischen der Leistung eines Aggregats und der HilfsgroBe der Intensitat zu hinterfragen. Verfahrenstechnische Prozesse sind in hohem MaBe abhangig von technischen

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

67_

Prozessparametem wie Druck und Temperatur. Diese als fest anzusehen schrankt den Handlungsbereich fiir (technische) Produktionsoptimierung oft ein. Die in verfahrenstechnischen Prozessen im Allgemeinen vorliegenden Nichtlinearitaten (vgl. z. B. (Penkuhn, 1997), (Sieverdingbeck, 2001)), die haufig vorherrschenden, nicht streng limitationalen Beziehungen zwischen Prozessoutput und Faktoreinsatz sowie die groBen Abhangigkeiten der Produktqualitat und -quantitat von den teilweise wechselnden stofflichen Zusammensetzungen der Einsatzstoffe sind weitere Faktoren, die eine Ubertragung der GutenbergTransformationsfunktion

auf verfahrenstechnische Prozesse im Allgemeinen und das

betrachtete Produktionssystem im Besonderen als nicht zielfuhrend erscheinen lassen. Die Transformationsfunktion von Heinen (vgl. (Heinen, 1970)) stellt eine Erweiterung und Verallgemeinerung des Konzepts von Gutenberg dar (vgl. z. B. (Schwalbach, 2004), S. 113). Heinen sieht keinen zwingenden Zusammenhang zwischen der technischen und der okonomischen Leistung eines Produktionsaggregats. Daher kommen sowohl technische Verbrauchsfunktionen, die quantitativ den Zusammenhang zwischen Faktoreinsatz und der technischen

Leistung

der

Potenzialfaktoren

beschreiben,

als

auch okonomische

Verbrauchsfunktionen, die fiir wirtschaftliche Betrachtungen den Zusammenhang zwischen Faktoreinsatz und Leistung der Aggregate herstellen, zum Einsatz (vgl. (Schultmann, 2003), S. 159). Der Produktionsprozess wird soweit in Teilprozesse zerlegt, bis ein Zusammenhang zwischen

der

technischen

und

der

okonomischen

Leistung

in

so

genannten

Elementarkombinationen besteht. Der Gesamtoutput des Systems wird durch diese Elementarkombinationen, deren Wiederholungshaufigkeit und verschiedene weitere Faktoren determiniert (vgl. (Fandel, 1996), S. 199). Auch wenn es Heinen mit der nach ihm benannten Transformationsfunktion

gelingt, einen hoheren Detaillierungsgrad der Abbildung zu

erreichen und die okonomische Leistung getrennt von der technischen Leistung eines Aggregats zu betrachten, sind an der Heinen-Transformationsfunktion im Wesentlichen die gleichen Kritikpunkte hinsichtlich einer Ubertragbarkeit auf verfahrenstechnische Prozesse anzubringen wie bei der Transformationsfunktion von Gutenberg. Bleibt die Abbildung technischer Zusammenhange in den Transformationsfunktionen von Gutenberg und Heinen noch rudimentar, wird diese in den Techno-okonomischen Transformationsfunktionen, den Engineering Production Functions (EPFs) sowie den thermodynamischen Transformationsfunktionen, deutlich verbessert.

^8

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

Engineering Production Functions streben eine analytische Formulierung der Input-OutputZusammenhange von Produktionsstellen oder Industrie- und Wirtschaftsbereichen an. In EPFs werden dabei drei Guterarten, Materials, d. h. in das Produkt eingehende oder Energie liefemde Repetierfaktoren, Services, d. h. Energie anbietende, umformende oder deren Umformung kontrollierende Potenzialfaktoren sowie Products, d. h. die das Ergebnis des Produktionsprozess

darstellenden Produkte unterschieden. Zur Beschreibung dieser

Guterarten dienen zwei Typen von Variablen, so genannte Engineering Variables, die technische Variablen wie Druck oder Temperatur beschreiben und so genannte Economic Variables, Quantitatsvariablen, die sich okonomisch bewerten lassen und somit einen Ubergang von einer mengen- zu einer wertmaBigen Betrachtung ermoglichen (vgl. (Schweitzer und Kupper, 1997), (Fandel, 1996), S. 129). EPFs beschreiben die funktionalen Zusammenhange zwischen Engineering Variables der Verbrauchs- und Bestandsfaktoren, der zur Transformation zuzufiihrenden Energie und den im Produktionsprozess zu erzeugenden Produkten ((Penkuhn, 1997), S. 57). Engineering Production Functions erweisen sich prinzipiell zur Abbildung stoffstrombasierter Produktionssysteme als geeignet. Eine erste technisch orientierte Arbeit zu EPFs von Breguet aus den 1920er Jahren stammt aus dem Flugzeugbau. Verfahrenstechnische Prozesse werden u. a. von (Chenery, 1953), (Smith, 1966) und (Schweyer, 1955) behandelt. Wie eingangs erwahnt, bleibt das Anwendungsgebiet der Engineering Production Functions nicht auf einzelne Aggregate beschrankt, sondem umfasst

auch

Industrie-

und

Wirtschaftsbereiche.^^

Auch

wenn

die

meisten

Veroffentlichungen zu EPFs aus den 1950er und 1960er Jahren stammen, existieren auch spatere Arbeiten wie z. B. von (Eide, 1979), (Muller-Furstenberger, 1995) und (Martel, 1999). Die trotz ihrer erwiesenermaBen hohen empirischen Geltung (vgl. z. B. (Schweitzer und Kiipper, 1997)) vergleichsweise geringe Verbreitung und Beriicksichtigung von Engineering Production Functions in aktuellen Arbeiten ist auf die mit der Verbesserung der Abbildung einhergehende Erhohung der Modellkomplexitat sowie die Notwendigkeit, fur den jeweiligen Einzelfall eigene EPFs erstellen zu miissen, zurUckzufuhren (vgl. z. B. (Fandel, 1996), S. 201, (Penkuhn, 1997), S. 59f.). Hierzu ist ein erheblicher Aufwand fiir die Entwicklung und Bestimmung der notwendigen Parameter der jeweiligen EPF notwendig (vgl. (Schultmann, 2003), S. 160, (Spengler, 1998), S. 104).

^^ Tabellarische Ubersichten iiber verschiedene aggregat- bzw. industriezweigbezogene Ansatze zu Engineering Production Functions finden sich in (Fandel, 1996) auf den Seiten 134 und 137.

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

69_

Thermodynamische Transformationsfunktionen verzichten auf eine analytische Formulierung der Input-Output-Zusammenhange. Bei diesem von Penkuhn (vgl. (Penkuhn, 1997)) entwickelten Typ von Transformationsfunktionen

erfolgt eine Modellierung mittels

Verfahren, die sich an der Modellbildung aus der Verfahrenstechnik orientieren. Basis der Uberlegungen bilden die Satze der Massen und der Energieerhaltung. Es wird ein System meist nichtlinearer Gleichungen auf Basis von gekoppelten Massen- und Energiebilanzen der betrachteten Grundoperationen bestimmt. Diese Gleichungen werden zur Modellierung der Input-Output-Zusammenhange des betrachteten Produktionssystems verwendet. Penkuhn zeigt, dass sich diese Gleichungen in die Input-Output-Analyse von Kloock (vgl. Abschnitt 3.2.1.2) integrieren lassen und thermodynamische Transformationsfunktionen somit auch in diesem Kontext eingesetzt werden konnen (vgl. (Penkuhn, 1997), S. 64f.). Ebenso ist eine Einbindung in die Aktivitatsanalyse moglich (vgl. z. B. (Schultmann, 2003), S. 161, (Spengler, 1998)). Auf Grund des betrachtlichen Aufwands einer Ermittlung der Bilanzgleichungen auf empirischem Wege wird von Penkuhn stattdessen eine semi-empirische Vorgehensweise vorgeschlagen. Diese beruht auf dem Einsatz von Werkzeugen aus der verfahrenstechnischen Prozesssimulation, so genannten Flowsheeting-Systemen. Da diese im Rahmen

der

Vorstellung

ingenieurwissenschaftlich

orientierter

Ansatze

zur

VerfahrensmodelUerung in Abschnitt 3.2.2.4 ausfuhrlich vorgestellt und diskutiert werden, wird an dieser Stelle auf die Vorteile im Vergleich zu einer empirischen Modellierung nicht naher eingegangen. Der vorgestellte Ansatz wird von Penkuhn zur Abbildung des stationaren Prozesses der Ammoniaksynthese nach dem AMV-Verfahren erfolgreich angewendet. Allerdings ist das dargestellte Vorgehen nicht ohne Weiteres auf eine VerfahrensmodelUerung des in dieser Arbeit betrachteten Produktionssystems ubertragbar. Der Ansatz bezieht sich auf den einperiodigen Einproduktfall eines stationar betriebenen Ammoniaksyntheseprozesses. In diesem Fall sind die z. T. nichtlinearen thermodynamischen Transformationsfunktionen anwendbar, auch wenn schon hierbei teilweise betrachtliche Rechenzeiten anfallen. Im Mehrproduktfall, insbesondere ftir eine mehrperiodige Programmplanung eines nicht stationar betriebenen Prozesses, erscheint diese Modellierung daher zu aufwandig, rechenzeitintensiv und nicht zielfuhrend.

20

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL3

3.2.2 Ingenieurwissenschaftliche Ansatze zur Abbildung stoffstrombasierter Produktionssysteme Zur Abbildung von stoffstrombasierten Produktionsprozessen sind in der Praxis neben der expliziten analytischen Modellierung der physikalisch-chemischen

GesetzmaBigkeiten

hauptsachlich die Abbildung mittels • Material- und Energiebilanzierung, • fester Verteilungskoeffizienten, • Regressionsanalysen und • Simulation, insbesondere Flowsheeting-Systemen iiblich. Diese Ansatze werden in den folgenden Abschnitten skizziert, da sie durch ihre unterschiedlichen Detaillierungsgrade und Abbildungsgenauigkeiten eine problemadaquate Modellierung der betrachteten Prozesse ermoglichen konnen.

3.2.2.1

Modellierung auf Basis von Material und Energiebilanzen

Ausgangspunkt fiir die Modellierung von verfahrenstechnischen Prozessen ist deren Materialund Energiebilanzierung. Im verfahrenstechnischen Sinne bilanziert werden hier die MengengroBen fur Material, Stojfhzw. Masse und Energie in einem Bilanzbereich (System) (vgl. (Schiitt, Nietsch und Rogowski, 1990)). Grundlage der Bilanzierung bilden die empirischen Fundamentalsatze der Massen- und Energieerhaltung (vgl. (Penkuhn, 1997), S. 61). Auf diese MengengroBen konnen prinzipiell drei unterschiedliche Vorgange angewendet werden, der Transport, die Wandlung sowie die Akkumulation. Die allgemeine integrale Bilanz fiir ein betrachtetes System (z. B. eine Unit Operation) lasst sich wie folgt angeben (vgl. (Schulze und Hassan, 1981), S. 26f.): [Akkumulation] = [Transport] + [Wandlung ]

(3.26)

Gebrauchlichster Ansatz zum Aufstellen der Energiebilanz ist die Bilanzierung der Enthalpie H (vgl. (Penkuhn, 1997), S. 61). Wie eingangs erwahnt, kommen fiir die Materialbilanzierung prinzipiell sowohl Massen- als auch Stoffmengenbilanzen in Frage.^^ Nach Vollstandigkeit

Eine Uberfiihrung einer mit Hilfe einer der beiden GroBen aufgestellten Bilanz in den jeweils anderen Typ ist iiber die Molgewichte der bilanzierten Komponenten moglich.

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

71_

der Materialbilanz werden die Gesamtmaterialbilanz und die Komponentenbilanz unterschieden. GemaB der in Abschnitt 2.2.3.1 dargestellten Detaillierungsgrade der Abbildung von Prozessen ist die Modellierung auf Grundlage der Material- und Energiebilanzierung als Black-Box-Modell anzusehen. Auch wenn diese Art der Darstellung relativ einfach ist, kann die Erstellung solcher Bilanzen durchaus sehr aufwandig sein (vgl. z. B. (Schiitt, Nietsch und Rogowski, 1990), (Fine und Geiger, 1979)). Zudem kann es bei der empirischen Ermittlung der Material- und Energiebilanzen durch Datenunsicherheiten sowie Fehler bei der Messung bzw. Analyse von Proben dazu kommen, dass die Bilanzen nicht stimmen und ausgeglichen werden miissen. Hierzu existieren zwar verschiedene Verfahren, deren Anwendung jedoch nicht ohne Weiteres moglich ist (vgl. z. B. (Fine und Geiger, 1979), (Rentz, Frohling und Nebel, 2004)). In dem beschriebenen Black-Box-Modell wird auf eine explizite Darstellung der funktionalen Zusammenhange zwischen den Input- und Outputstoff- sowie Energiestromen verzichtet. Fiir eine adaquate Abbildung der Prozesse im betrachteten Referenzfall ist diese jedoch, wie bereits mehrfach erwahnt, notwendig. In den folgenden Abschnitten wird daher auf verschiedene weitere Ansatze eingegangen, die ftir eine Abbildung verfahrenstechnischer Prozesse auf unterschiedlichen Aggregationsniveaus geeignet sind.

3.2.2.2

Modellierung auf Basis fester Verteilungskoeffizienten

Bei der Stoffstrommodellierung iiber feste Verteilungskoeffizienten wird die Verteilung der Stoffstromkomponenten im Inputstrom eines Aggregats auf verschiedene Outputstrome mittels eines Verteilungsvektors berechnet. Werden beispielsweise

J

Outputstrome

betrachtet, kann der Verteilungsvektor v. fiir Element / wie folgt angegeben werden:

(3.27)

72

SIMULATIONSGESTOTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

Dabei bedeuten: m^j = Massenstrom der Stoffstromkomponenten / in Outputstoffstrom j m,'" = Massenstrom der Stoffstromkomponenten / im Inputstoffstrom Feste Verteilungskoeffizienten lassen sich empirisch durch das Erstellen von Massenbilanzen (vgl. Abschnitt 3.2.2.1) fur die betrachteten Aggregate bestimmen. Eine solche Modellierung bildet die chemischen Spezifikationen der Eingangs- und Ausgangsstoffstrome ab und ist somit detaillierter als beispielsweise die methodisch ahnliche Input-Output-Analyse (vgl. Abschnitt 3.2.1.2) im Spezialfall der Leontief-Transformationsfunktionen (vgl. Abschnitt 3.2.1.3). Durch die festen Koeffizienten ist sie jedoch lediglich fiir stationare Betriebszustande und gleichbleibende Zusammensetzungen der Inputstoffstrome geeignet. Fiir das betrachtete Produktionssystem sind diese Voraussetzungen jedoch nicht erfullt. Die in den folgenden Abschnitten dargestellten Methoden zielen daher darauf ab, auch bei nicht stationaren Betriebszustanden und variablen Inputstoffstromen geeignete Ergebnisse zu liefem. 3.2.2.3

Regressionsanalysen von Betriebsdaten

Eine haufig verwendete Methode zur Abbildung von verfahrenstechnischen Prozessen stellt die aus der Statistik stammende Regressionsrechnung und hier insbesondere die multiple (lineare) Regression dar. Auf Basis einer Analyse von empirisch ermittelten Betriebsdaten wird hierbei allgemein ein funktionaler Zusammenhang zwischen einer zu beschreibenden GroBe >' (Regressand) und k = l,...,K erklarender GroBen JCI,...,JC^ (Regressoren) ermittelt. Ausgangspunkt ist eine Annahme tiber die Form des zu ermittelnden Zusammenhangs. Im linearen Fall kann dieser wie folgt dargestellt werden (vgl. (Bamberg und Baur, 1996), S. 225): y = a-\-P^x^+ P^-x^+... + Pf. • Xf. ^£

(3.28)

Mit:

y:

SesTar!?'^^'

^' ^.'J^^^-^l

Regressionskoeffizienten

^•'•••'^^ '•

exogene Variable (Regressor)

^ ^-

AU • u /T-ui ^ Abweichung (Fehler)

Werden / = 1,...,/ Messungen mit den Messwerten x^J durchgefuhrt, lassen sich Schatzer fiir das Absolutglied sowie die weiteren Regressionskoeffizienten nach der Methode der kleinsten

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

73^

Fehlerquadrate bestimmen. Hierbei werden die Faktoren a und P- so gewahlt, dass die Summe der Fehlerquadrate e^ der einzelnen Messungen gemaB Formel (3.29) minimiert wird (vgl. (Myers, Montgomery und Vining, 2002), S. 8):^^

^5f>^)=Zkr=z x-^-iM,

>Min!

(3.29)

Uber eine Regressionsrechnung lassen sich funktionale Zusammenhange zwischen Input- und Outputstoffstromen bezogen auf Massen und / oder chemische Zusammensetzungen wie auch technische Parameter abbilden. Hierbei wird jedoch vorausgesetzt, dass die zugrunde gelegten exogenen Variablen normalverteilt und unabhangig voneinander sind. Zudem sind vor der Analyse AusreiBer aus den Datensatzen zu entfemen, da diese einen groBen Einfluss auf die Ergebnisse einer Regressionsanalyse haben.^^ Die Giite der Beschreibung des Zusammenhangs durch die Regressionsgleichung lasst sich u. a. durch so genannte multiple BestimmtheitsmaBe oder auch multiple Korrelationskoeffizienten bestimmen (vgl. hierzu z. B. (Hartung, Elpelt und Klosener, 1998), S. 596f.). Wesentlichster Kritikpunkt an den Verfahren der Regressionsrechnung zur Abbildung stoffstrombasierter Prozesse ist, dass die ermittelten funktionalen Zusammenhange nicht immer verfahrenstechnisch erklarbar sind bzw. teilweise auch chemisch-physikaHschen Gesetzen widersprechen konnen. Scheinkorrelationen konnen zu falschen Schlussfolgerungen bis hin zur falschen Darstellung von Ursache-Wirkungs-Zusammenhangen fiihren. So konnte etwa im betrachteten Produktionssystem u. U. ein hoher CaO-Gehalt im Sinter im Rahmen

^^ Aufgrund der Zielsetzung dieser Arbeit sei fiir eine eingehende Darstellung der Vorgehensweise und der Formeln zur Bestimmung der Regressionskoeffizienten gemaB der Methode der kleinsten Fehlerquadrate z. B. auf die Arbeiten von (Myers, Montgomery und Vining, 2002), (Chatterjee und Price, 1995) und (Hartung und Elpelt, 1999) verwiesen. ^^ Kann die Normalverteilung der Datensatze haufig vorausgesetzt werden, ist insbesondere die Beachtung der Abhangigkeiten zwischen den Variablen, man spricht hier auch von so genannten Multikollinearitaten (vgl. z. B. (Hartung, Elpelt und Klosener, 1998), S. 598 und (Sen Ashish und Srivastava, 2005), S. 218) und der AusreiBer von entscheidender Bedeutung fiir die Anwendung der Regressionsrechnung. Zu Verfahren zur Identifikation von Multikollinearitaten sei beispielsweise auf (Chatterjee und Price, 1995), S. 197ff.) verwiesen. Zur Behandlung von AusreiBern existieren ebenfalls eine Reihe von Verfahren. Allerdings ist hier problematisch, dass sich die meisten Verfahren lediglich auf die Elimination von AusreiBern bei der Messung der gleichen Merkmalsauspragung beziehen. Fur weitere Verfahren sei ebenfalls auf (Hartung und Elpelt, 1999) verwiesen.

24

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

einer Regressionsanalyse durch einen erhohten Si02-Gehalt in der Nettomischung erklart werden, da beide Verbindungen durch die eingestellte Basizitat des Sinters in einem festen Verhaltnis zueinander stehen und somit bei einer Zunahme der CaO-Konzentration im Sinter auch die Si02-Konzentration in der Nettomischung ansteigt. Die Glite der dargestellten Regressionsrechnung ist dariiber hinaus von den ihr zugrunde gelegten Daten abhangig. Fur eine korrekte Berechnung der Abhangigkeiten ist es notwendig, dass die hinsichtlich ihres Einflusses untersuchten Merkmale in einer geniigenden Bandbreite unabhangig voneinander variiert werden. Theoretisch ist eine solche Variation zwar durch Betriebsversuche moglich, in der taglichen Arbeit jedoch haufig schwer zu reaUsieren und oft mit erheblichem, auch finanziellem, Aufwand verbunden.

3.2.2.4

Flowsheet-basierte Prozesssimulation

Eine MogHchkeit stationare verfahrenstechnische Prozesse detailHert abbilden zu konnen, ohne dabei die einzelnen Reaktionen expUzit durch Gleichungen beschreiben zu miissen, bietet die stationare Flowsheet-Simulation. Hierbei handelt es sich um eine Methode der Prozesssimulation, in der so genannte Flowsheeting-Programme zum Einsatz kommen. Kemstuck dieser Simulationswerkzeuge sind so genannte Fliefischemata (engl.flowsheets),in denen ein verfahrenstechnischer Prozess in Grundoperationen sowie diese verbindende Stoffund Energiestrome zerlegt dargestellt wird.^^ Auf Basis dieser FlieBschemata werden mit den spezifizierten Grundoperationen sowie Stoff- und Energiestromen computergestutzt die zugehorigen Massen- und Energiebilanzen der Hauptapparate berechnet. Somit ist es moglich, Stoffzusammensetzungen und sich einstellende Parameter wie Druck, Temperatur u. a. zu bestimmen. Die stationare Flowsheet-Simulation findet in der Verfahrenstechnik eine breite Anwendung; klassische Einsatzgebiete sind die Prozessentwicklung sowie die Planung und Auslegung von verfahrenstechnischen Anlagen (vgl. (Futterer und Munsch, 1990), S. 9).

FlieBschemata sind in der Verfahrenstechnik ein gebrauchliches Werkzeug. Je nach Darstellungszweck und DetailHerungsgrad werden so genannte Grund-, Verfahrens- sowie Rohrleitungs- und InstrumentenflieBschemata (RI-Flie6schemata) unterschieden. Begrifflichkeiten, Umfang und zeichnerische AusfUhrung der FHeBschemata sind genormt. Fiir weitere Informationen hierzu sei auf die entsprechende DIN EN ISO 10628:2000 Fliefischemata fiir verfahrenstechnische

Anlagen, Allgemeine Regeln verwiesen (vgl. (DIN,

2000)). In der friiheren Version DIN 28004 wurde anstelle von FlieBschemata von FlieBbildern gesprochen.

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

75_

Kommerziell verfugbare Programmpakete zur Flowsheet-Simulation lassen sich u. a. hinsichtlich des Verfahrens unterscheiden, das zur Losung der FlieBschemata zum Einsatz kommt. Es sind folgende zwei Grundtypen iiblich: • Sequenziell-modulare Systeme, bei denen die Berechnung einzeln fur jede Grundoperation

gemaB

der

Prozessreihenfolge

durchgefuhrt

wird

und

Riickfuhrungen iterativ gelost werden. Dieser Ansatz besitzt den Vorteil der Nachvollziehbarkeit von Simulationslaufen und erleichtert die Fehlererkennung. • Simultane Systeme, in denen Stoff-, Energie- und Impulsbilanzen der Einzelapparate mit Verknlipfungsvariablen der Prozessstruktur in einer Matrix zusammengefasst und simultan gelost werden. Dieser Ansatz weist bessere Konvergenzeigenschaften auf, besitzt jedoch Nachteile in Bezug auf Nachvollziehbarkeit und Fehlersuche. Die Vorteile beider Ansatze zu verbinden versuchen simultan-modulare FlowsheetingSysteme. Diese haben jedoch bislang noch keine weite Verbreitung gefunden (vgl. (Engels, 2003)). Die weiteren Ausfuhrungen beschranken sich auf den sequenziell modularen Typ, da sich dieser im Bereich der techno-okonomischen Modellierung von metallurgischen Prozessen bereits als geeignet erwiesen hat (vgl. (Schultmann, 2003)). In der Regel weisen sequenziell-modulare Flowsheeting-Programme den in Abbildung 3-10 schematisch dargestellten Aufbau auf. Zentrales Element ist ein Hauptprogramm, das die Simulationslaufe steuert. Die Ein- und Ausgabe ist iiber grafische Benutzeroberflachen (vgl. z. B. Abbildung 3-13) oder Textdateien moglich. Daneben kann auch iiber Programmierschnittstellen auf das Simulationssystem zugegriffen werden. Zur Berechnung der FlieBschemata greift das Hauptprogramm auf Unterprogramme zuriick. Hierzu zahlen Bibliotheken von Grundoperationen, in Datenbanken abgelegten Stoffdaten, beispielsweise Reinstoffdaten, Mischungsparameter u. A., und Methoden zur Berechnung von thermodynamischen GroBen. Zudem sind Berechnungsalgorithmen hinterlegt, um Material- und Energiebilanzen, Ruckstrome und die weiteren ProzesskenngroBen zu berechnen. Designspezifikationen bieten die Moglichkeit, dem Programm zur Berechnung manuelle Vorgaben - wie beispielsweise die Temperatur in einem Reaktor - zu machen. Es existiert eine Reihe von kommerziell verfugbaren Flowsheeting-Systemen. Speziell fur metallurgische Prozesse wurden die Programme METSIM und PYROSIM entwickelt (vgl. (Engels, 2003), S. 125). Weitere Flowsheeting-Programme sind beispielsweise CHEMCAD (vgl. (ChemCad, 2005)), DESIGN II (vgl. (WinSim Lie, 2004)) und das in dieser Arbeit zum

76

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

Einsatz kommende ASPEN PLUS . Der urspriingliche Einsatzbereich von ASPEN PLUS lag

zwar in der Energieerzeugung und der Chemischen Industrie (vgl. (Engels, 2003), S. 125), in einer Reihe von Arbeiten hat es sich aber bereits als geeignetes Werkzeug zur Modellierung von metallurgischen Prozessen in der Eisen- und Stahlindustrie erwiesen (vgl. z. B. (Rentz et al, 1999), (Hahre, 2000), (Engels, 2003), (Schultmann, Engels und Rentz, 2004)). Verschiedene Arbeiten beschreiben Aufbau und Funktionsweise des Systems ausfiihrlich (vgl. z. B. (Sieverdingbeck, 2001), (Engels, 2003), (Schultmann, 2003)). Zum Verstandnis der in dieser Arbeit eingesetzten verfahrenstechnischen Modelle flir den Referenzfall werden im Folgenden die flir das Verstandnis notwendigen Bestandteile von ASPEN PLUS® in Anlehnung an die genannten Arbeiten zusammengefasst. Fiir weitere ausfiihrlichere Darstellungen sei auf die genannten Arbeiten verwiesen.

Eingabe

Graphisch oder ASCII

* Hauptprogramm ft

Ruckstromberechnung

Ausgabe

Schnittstellen

Grundoperatlonen

Optimierung

Designspezifikation

Numerische Unterprogramme

Stoffdatenprogramme

Thermodynamische Unterprogramme

Stoffdatenbanken

Abbildung 3-10: Aufbau von sequenziell-modularen Flowsheeting-Systemen (schematisch) Quelle: in Anlehnung an (Lohe und Futterer, 1995), S. 89

Ausgangspunkt der Modellierung von verfahrenstechnischen Prozessen mit AsPEN PLUS ist die Komponentenliste genannte Definition samtlicher in den Prozess eingehenden, austretenden und im Prozess als Zwischenprodukte verwendeten Elemente und Verbindungen. Eine Komponentenliste ist z. B. in Tabelle 3-6 fiir die verwendeten Modelle des betrachteten Produktionssystems abgebildet. Stoffstrome werden in Vektorform abgebildet, wobei die Elemente des Vektors den einzelnen Komponenten entsprechen. Die jeweiligen Mengen werden als Massen- oder Molstrom mit Hilfe von Skalaren ausgedriickt. Ahnlich findet die Abbildung von Energiestromen statt. Diese konnen entweder in eine Grundoperation

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

77

hineinflieBen oder aus dieser entstehen. In ASPEN PLUS® sind rund 60 verfahrenstechnische Grundoperationen hinterlegt. Im Folgenden wird auf diejenigen Grundoperationen, die fur die Abbildung der metallurgischen Prozesse im Rahmen dieser Arbeit verwendet werden und damit fiir das Verstandnis der Modelle wichtig sind, naher eingegangen. Zur Kategorie der so genannten Black-Box-Modelle gehoren die Grundoperationen MIXER, FSPLIT und SEP I SEP 2. Hierbei handelt es sich urn Bausteine, mit denen Stoff- und Energiestrome zusammengefuhrt oder getrennt werden konnen. In die Grundoperation MIXER treten verschiedene Inputstrome ein und bilden durch komponentenweise Addition einen resultierenden Outputstrom. Diese Grundoperationen dienen der Abbildung von Modell(teil)en auf Basis von festen Verteilungskoeffizienten, wie sie in Abschnitt 3.2.2.2 vorgestellt wurden. Die Grundoperation FSPLIT (Flow-Split) dient der Abbildung von Stoffstromteilungen, in denen aus einem Inputstoffstrom verschiedene Outputstoffstrome mit gleicher chemischer Zusammensetzung entstehen. Die Aufteilung kann als Absolutwert oder auch als Anteil am Eingangsstoffstrom

definiert werden. Unter Verwendung von

Fortranblocken (s. u.) ist auch eine Definition dieser Verteilungskoeffizienten

als

mathematische Funktion moglich. Wahrend bei der Grundoperation FSPLIT der Eingangstoffstrom in identisch zusammengesetzte Stoffstrome aufgeteilt wird, konnen mit Hilfe der Grundoperationen zur Separation {SEP I SEP 1) Verteilungskoeffizienten fiir die einzelnen Komponenten eines Stoffstroms definiert werden. Damit lassen sich u. a. unterschiedliche physikaHsche Eigenschaften von Komponenten eines Stoffstroms abbilden, wie beispielsweise ein unterschiedliches Verstaubungsverhalten. Wie bei der Grundoperation FSPLIT ist es auch fiir die Separatoren moglich, iiber Fortranblocke mathematische Funktionen zur Berechnung der Verteilungskoeffizienten einzusetzen. Zur Berechnung von Warmeiibertragern stehen die Module HEATER und HE ATX zur Verfiigung. Das Modul HEATER wird zur Erwarmung oder Abkiihlung von Stoffstromen auf eine definierte Temperatur eingesetzt und dient daher der Abbildung von Heiz- oder Kiihlaggregaten. Fiir die definierte Temperatur und den gegebenen Druck werden die sich einstellenden Phasen bestimmt. Bei HEATX handelt es sich um eine Grundoperation zur Abbildung des Warmeaustauschs zwischen zwei Stoffstromen. Zur Phasentrennung existieren verschiedene Trennoperationen wie z. B. Flash 2 und Flash 3 zur Gas-Flussigtrennung, Decanter zur Flussig-Fliissigtrennung sowie fiir elektrische Abscheider (ESP), Venturi-Wascher (VScrub) oder Hydrozyklone (HyCyc). Diese basieren

28

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

auf semi-empirischen oder ingenieurwissenschaftlichen Verteilungs- bzw. Berechnungsmodellen und erlauben z. B. die Berechnung des Abscheidegrades eines elektrischen Abscheiders als Funktion physikalischer, technischer und konstruktiver Parameter wie der Partikelkonzentration, der Stromungsgeschwindigkeit und des Plattenabstands. Zur

Abbildung

von

stoffumwandelnden

Vorgangen

stellt

AsPEN PLUS® sieben

unterschiedliche Reaktortypen bereit. Zur Abbildung der in dieser Arbeit betrachteten metallurgischen Prozesse werden hauptsachlich die Reaktoren RSTOIC, RGIBBS und RCSTR benotigt. Der /?5ro/C-Reaktor dient dabei der Modellierung von Reaktionen bekannter Stochiometrie, d. h. von Stoffumwandlungen, bei denen die Produkte und das Verhaltnis der Produkte zu den Edukten bekannt ist. Dies ist wiederum fiir Modell(teil)e auf Basis fester Verteilungskoeffizienten von Bedeutung. Unter Vorgabe der Reaktionsbedingungen Druck, Temperatur, Druck und Warmebedarf oder Temperatur und Warmebedarf werden in dem Reaktortyp RGIBBS die chemischen Reaktions- und Phasengleichgewichte unter der Minimierung der freien, so genannten Gibbschen-, Enthalpie berechnet. Die Bereitstellung der hierzu notwendigen Daten erfolgt liber den Zugriff auf die in ASPEN PLUS® integrierten Datenbanken. Bei der Berechnung setzt der RGIBBS-Reaktor implizit voraus, dass die Reaktionen so lange ablaufen, bis diese Gleichgewichte tatsachlich vorliegen. Dies kann fiir viele Prozesse, deren Reaktionen schnell ablaufen und die daher den Gleichgewichtszustand naherungsweise erreichen, vereinfachend angenommen werden. Wird dieser Gleichgewichtszustand jedoch nicht erreicht, ist eine Beriicksichtigung von reaktionskinetischen Zusammenhangen notwendig. Hierzu dient der Reaktortyp RCSTR. Dieser ermoglicht die Einbeziehung der Reaktionszeiten und berechnet somit auch unvollstandig ablaufende Reaktionen. Voraussetzung hierflir ist jedoch die Kenntnis der Reaktionsgeschwindigkeit. Neben den genannten vordefinierten Modulen bietet AsPEN PLUS® die Moglichkeit, in der Programmiersprache Fortran so genannte Fortran-Blocke fiir die Definition eigener Grundoperationen USER zu erstellen und in die Flowsheets einzubinden. Die auf der folgenden Seite dargestellte Tabelle 3-5 fasst die genannten Grundoperationen mit den fiir sie verwendeten grafischen Symbolen in einer Ubersicht zusammen.

KAPITEL 3

SiMULATIONSGESTUTZTE PRODUKTIONSPLANUNG

Quelle: in Aniehnung an (Hahre, 2000), S. 161

79

^0

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

In den in AsPEN PLUS® ZU erstellenden Modellen sind sowohl die Variablen der zu modellierenden eingehenden Stoff- und Energiestrome (z. B. die Mengenstrome) als auch die zu spezifizierenden Variablen der Unit Operations (z. B. Reaktortemperaturen) manipulierbar. Diese Steuerung kann prinzipiell auf zwei Wegen erfolgen. Uber Fortran-Blocke konnen dem Programm in der Berechnungssequenz des Flowsheets eigene Befehls- und Berechnungsroutinen vorgegeben werden, in diesem Fall wird von einer so genannten Feed-ForwardKontrolle gesprochen. Diese ermoglicht die Berechnung und Vorgabe von Werten fiir Inputvariable sowie die Ausgabe von Daten wahrend eines Simulationslaufs. Die auch Feed-Back-Kontrolle genannte Vorgabe so genannter Designspezifikationen wird immer dann eingesetzt, wenn fiir Parameter, die im Normalfall in einem Simulationslauf berechnet werden, Parameterwerte vorgegeben werden sollen. So lasst sich beispielsweise eine bestimmte Reaktortemperatur bei der Verbrennung von Kohle oder eine Konzentration von Sauerstoff im Abgas durch Variation der Luftzufuhr erreichen. Fiir eine Designspezifikation muss neben dem Parameter und dessen Zielwert eine Fehlertoleranz und ein GroBenintervall fiir die Simulationsvariablen angegeben werden. Zur Losung der Designspezifikation wird eine Konvergenzschleife (s. u.) erstellt, in die Berechnungssequenz des Flowsheets eingeordnet und iterativ gelost. ASPEN PLUS® gehort zu den sequenziell-modularen Flowsheeting-Programmen. Dementsprechend werden die Grundoperationen nacheinander berechnet, wobei der Output der Vorgangeroperation der Nachfolgeoperation als Input dient. Treten RiickfUhrungen auf, werden Konvergenzschleifen definiert, in denen einer der betroffenen Strome geschnitten wird und nach Schatzung eines Startwertes die stoffliche Zusammensetzung und thermodynamischen GroBen dieses Stroms berechnet werden. Kleinere Konvergenzschleifen konnen von ASPEN PLUS® automatisch erstellt werden; bei groBeren und verschachtelten Konvergenzschleifen ist eine benutzerdefinierte Vorgabe evtl. von Vorteil. Zur Losung dieser Konvergenzschleifen stehen in AsPEN PLUS® sieben Konvergenzalgorithmen zur VerfUgung, von denen der fiir den jeweiUgen Anwendungsfall am besten geeignete ausgewahlt werden kann."^^

Es handelt sich dabei um Algorithmen der Nichtlinearen Optimierung, wie z. B. das Sekant- und das Newton-Verfahren sowie die Sequenziell-Quadratische Programmierung. Fiir weitere Informationen zu den einsetzbaren Verfahren sei auf (Aspen Technologies Inc., 2003) verwiesen.

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

81_

3.2.3 Modelle zur Abbildung von Sinter- und Hochofenprozessen Nachdem in den vorangegangenen Abschnitten 3.2.1 und 3.2.2 generelle produktionstheoretische und ingenieurwissenschafdich orientierte Ansatze zur Modellierung von Produktionssystemen vorgestellt wurden, ist es Ziel dieses Abschnitts, konkrete Modelle von Sinter- und Hochofenprozessen hinsichdich ihrer Eignung fur eine Modellbildung im Referenzfall zu untersuchen. Es existiert eine Vielzahl von Modellen, die metallurgische Prozesse der Eisen- und Stahlherstellung abbilden. Diese Modelle entstammen sowohl den Wirtschafts- als auch den Ingenieurwissenschaften und sind aufgrund zum Teil flieBender Ubergange nicht immer eindeutig einem Bereich zuzuordnen. Unterscheiden lassen sich die vorhandenen Modelle einerseits

gemaB

ihres

Einsatzzweckes

in

Beschreibungs-,

Steuerungs-

und

Entscheidungsmodelle (vgl. Abschnitt 2.2.3.1). Eine weitere Unterscheidung ist hinsichtlich des zeitlichen Bezugs moglich. Bei einem statischen Modell wird von einem stationaren Betriebszustand ausgegangen. Ein dynamisches Modell bildet den zeitlichen Ablauf des Prozesses in Abhangigkeit z. B. von Betriebsparametem oder Einsatzstoffspezifikationen ab (vgl. (Sieverdingbeck, 2001), S. 76). Drittes wesentliches Unterscheidungsmerkmal sind die eingesetzten

Methoden.

Verwendet

werden

hauptsachlich

gekoppelte

Stoff-

und

Energiebilanzen. Hierfur wird der betrachtete Prozess typischerweise in einzelne Bilanzraume zerlegt, fur die in Teilmodellen iiber lineare oder auch nichtlineare Gleichungen die Transformation von Input- in Outputstrome abgebildet wird. Diese Teilmodelle werden wiederum

miteinander

verkniipft.

Daneben

kommen

auch Modelle auf

Basis von

Stromungsfeldem vermehrt zum Einsatz, wohingegen sich neuronale Netze auf Grund der Komplexitat der abzubildenden Prozesse bislang noch nicht durchgesetzt haben (vgl. (Sieverdingbeck, 2001), S. 76). Im Folgenden werden exemplarisch zunachst einzelne Sinteranlagen- und Hochofenmodelle sowie anschlieBend integrierte Modelle betrachtet, bevor diese abschlieBend hinsichtlich ihrer Einsatzmoglichkeiten im Referenzfall beurteilt werden. Dabei stehen zunachst Ansatze aus einem technisch-ingenieurwissenschaftlichen Blickwinkel im Mittelpunkt der Betrachtungen. Auf Arbeiten, die sich mit der Abbildung von Hochofenprozessen primar aus dem wirtschaftswissenschaftUchen

Blickwinkel beschaftigen

wird an dieser Stelle nicht

eingegangen, da entsprechende Arbeiten im Rahmen der Betrachtungen zu den beiden Planungsaufgaben im Referenzfall fiir die Produktionsprogrammplanung (vgl. Abschnitt

02

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

3.5.2) und die Materialeinsatzplanung

KAPITEL 3

(vgl. Abschnitt 3.6.2) fiir das betrachtete

Produktionssystem Beriicksichtigung finden.

3.2.3.1

Sintermodelle

Im Vergleich mit den im nachfolgenden Abschnitt dargestellten Modellen zur Abbildung von Hochofenprozessen gibt es relativ wenig Ansatze, die sich auf Prozesse der Sinterung von eisenhaltigen Stoffen zum Einsatz im Hochofen beziehen. Bin Steuerungsmodell fUr eine Sinteranlage auf Basis von realen Betriebsdaten stammt von lida et al. (vgl. (lida et al., 1985)). Mit Hilfe statistischer Verfahren und gemessenen Kennzahlen fiir chemisch-physikalische GroBen wird die zukiinftige Entwicklung dieser Kennzahlen prognostiziert und bei Abweichungen automatisch korrigierend eingegriffen. Allerdings werden die Werte ausschlieBlich mit Hilfe einer Zeitreihenanalyse prognostiziert, die metallurgischen Vorgange bei der Sinterung werden nicht direkt abgebildet. TianZheng, und RuZhuo (vgl. (TianZheng und RuZhuo, 1990)) entwickeln hingegen auf Basis multipler quadratischer Regressionsanalysen von Betriebsdaten und betrieblichen Kennzahlen ein Modell der Sinteranlage eines chinesischen integrierten HUttenwerks zur Optimierung der Produktion auf Basis eines Constraint-Programming Ansatzes. Straka (vgl. (Straka, 1992)) arbeitet hingegen nicht mit realen Betriebsdaten, sondem formuUert auf Basis von theoretischen Uberlegungen Differentialgleichungen und setzt diese zur Steuerung der Bandlaufgeschwindigkeit einer Sinteranlage ein. Gemein ist den genannten Ansatzen, dass diese mit ihren Betrachtungen nicht auf realen physikalisch-chemischen Zusammenhangen fuBen. Anders ist dies bei dem von Li und Tokuda (vgl. (Li und Tokuda, 1994)) vorgestellten thermodynamischen Simulationsmodell. Hierin werden die ablaufenden Reaktionen explizit abgebildet. Dariiber hinaus wird das Modell in Zonen eingeteilt, die eine raumliche Zuordnung der Reaktionen iiber das Sinterband vomehmen sollen. Ein weiteres Simulationsmodell auf Basis von thermodynamischen Zusammenhangen stammt von Rentz et al. (vgl. (Rentz et al., 1999), (Sieverdingbeck, 2001)) und wurde zur strategischen Planung produktionsintegrierter UmweltschutzmaBnahmen in der Eisen- und Stahhndustrie entwickelt. Zur Simulation wird die in Abschnitt 3.2.2.4 dargestellte Flowsheet-basierte Prozesssimulation mit dem ebenfalls beschriebenen kommerziellen Flowsheeting-Programm ASPEN PLUS® eingesetzt. Ein drei und auch ein neun Temperaturzonen umfassendes Modell

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

83^

bestimmen, hauptsachlich mit RGIBBS-RtakioYQn, unter Minimierung der Freien Enthalpie fiir jede Reaktionszone das Reaktionsgleichgewicht und damit die Massenbilanz des Sinterprozesses. Hinsichtlich einer Ubertragbarkeit der vorgestellten Ansatze auf das zu modellierende Produktionssystem ist zunachst festzustellen, dass sich die genannten Arbeiten jeweils mit einer spezifischen Sinteranlage beschaftigen. Grundsatzlich waren hier bei einer Ubertragung wesentliche Anpassungen an den Referenzfall notwendig. Dies gilt insbesondere fiir die Ansatze von lida et al., TianZheng und RuZhuo sowie Straka (s. o.), da diese sich nicht auf die zugrunde liegenden physikalisch-chemischen Zusammenhange sondem auf Betrachtungen und Analysen spezieller Sinteranlagen beziehen. Das Steuerungsmodell von Straka ist zudem nicht fiir einen Einsatz in der Optimierung geeignet. Geeigneter erscheinen die Arbeiten auf Basis realer thermodynamischer Vorgange, insbesondere der Simulation. Hierbei werden jedoch bei Li und Tokuda lediglich wenige Elemente betrachtet. Insbesondere fehlt eine Beriicksichtigung von Problemstoffen. Die genannte Abbildung des Sinterprozesses mittels einer Flowsheet-basierten Simulation bezieht diese Stoffe mit in die Betrachtungen ein. Allerdings sind fiir einen Einsatz in der operativen Planung im betrachteten Referenzfall neben der Kalibrierung des Modells an den betrachteten Anwendungsfall (vgl. (Rentz, 2004), S. 18) weitere Anderungen und Anpassungen des Modells notwendig. Die Modelle miissen auch fiir wechselnde Spezifikationen der Einsatzstoffe gute Planungsergebnisse liefem. Die Moglichkeit, in bestimmten Grenzen die Einsatzstoffzusammensetzung zu variieren, ist wesentliches Charakteristikum der Planungsaufgaben. Da bislang die Modelle ausschliefilich fiir Berechnungen mit relativ konstanten Spezifikationen der eingesetzten Stoffe verwendet werden, fiir die operative Planung dennoch sehr genaue Ergebnisse notwendig sind, ist trotz der prinzipiellen Eignung der Modelle die ausschlieBliche Verwendung von Gleichgewichtsreaktoren in Frage zu stellen.

^4

3.2.3.2

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

Hochofenmodelle

Eine im Vergleich zu Sinteranlagenmodellen deutlich groBere Anzahl an Arbeiten beschaftigt sich mit der Abbildung von Hochofenprozessen. Eine groBe Anzahl dieser Hochofenmodelle fuBt auf einer statischen Betrachtung eines in Zonen aufgeteilten Hochofens und einer gleichungsorientierten Beschreibung der ablaufenden Prozesse. Eines der ersten Modelle diesen Typs stammt von Mathesius (vgl. (Mathesius, 1916)), das auf Basis des ersten und des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik eine zweistufige Warmebilanz des Hochofens aufstellt. Es folgten eine Reihe weiterer Modelle auf Basis von Warmebilanzen, spatere Arbeiten (vgl. z. B. (Wartmann, 1963)) beziehen auch reaktionskinetische Aspekte mit in die Modellbildung ein. Aufbauend auf dem statischen, zonen- und gleichungsorientierten Ansatz wurden dynamische Modelle entwickelt, mit denen beispielsweise die Auswirkungen von Betriebsstorungen auf den Hochofenprozess berechnet werden konnen (vgl. (Flemming, 1976)). Um nicht im Voraus die zu beriicksichtigenden chemischen Reaktionen festlegen zu miissen besteht das von Cameron et al. (vgl. (Cameron, Morton und Patterson, 1991)) entwickelte Modell aus erweiterbaren Modulen. Weitere gleichungsorientierte Zonenmodelle fmden sich bei (Saxen, 1990), (Bi, Torssell und Wijk, 1992a), (Bi, Torssell und Wijk, 1992b), und (Yamaoka und Kamei, 1992). Die genannten Modelle betrachten allesamt den Hochofen eindimensional, d. h. es findet keine mehrdimensionale Beriicksichtigung der Ofenzonen statt. Die Arbeiten von Huaquiang et al. (vgl. (Huaqiang et al., 1994)) und Zeisel (vgl. (Zeisel, 1995)) hingegen beriicksichtigen diese unterschiedlichen raumlichen Gegebenheiten im Hochofen mit Hilfe eines zweidimensionalen Modells bzw. auf Basis von Finite-ElementeMethoden erstellten Modellen. Allerdings zieht dies einen erhohten Berechnungsaufwand nach sich, der die Anzahl der beriicksichtigten Elemente deutlich einschrankt (vgl. (Sieverdingbeck, 2001), S. 77). Daneben gibt es z. B. auch Ansatze, die iiber eine Kopplung von mathematischen

Gleichungen

mit Expertensystemen

losgelost von chemisch-

physikalischen Zusammenhangen den Hochofenprozess abbilden. Analog zu dem im vorangegangenen Abschnitt genannten Sinteranlagenmodell stammt von Rentz et al. (vgl. (Rentz et al., 1999), (Sieverdingbeck, 2001)) ein Hochofenmodell auf Basis der flieBschemabasierten Prozesssimulation, das wiederum zur strategischen Planung produktionsintegrierter UmweltschutzmaBnahmen eingesetzt wird. Ahnlich dem Sinteranlagenmodell wird auch der Hochofen in verschiedene Temperaturzonen unterteilt, die die unterschiedUchen Reaktionszonen im Hochofen (vgl. Abschnitt 3.1.1.3) abbilden sollen. Das

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

85^

entwickelte Modell besteht im Wesentlichen aus acht RGIBBS-Gleichgewichtsreaktoren, die in fUnf Temperaturzonen die Vorgange im Hochofen modellieren. Die besondere Geometrie des Referenzhochofens, sowie die besondere Ofenfahrweise erschweren eine Ubertragung vorhandener Ansatze. Zunachst waren erhebliche Arbeiten notwendig, um die verwendeten Gleichungen bzw. Simulationsmodelle anzupassen. Zudem beriicksichtigen viele der gleichungsorientierten Ansatze zwar die chemischen Hauptkomponenten im Hochofenprozess (hauptsachlich Fe, C, Si, O2, N2), jedoch werden Problemstoffe, die im vorliegenden Fall von zentraler Bedeutung sind, nicht oder nur bedingt betrachtet (vgl. (Sieverdingbeck, 2001), S. 78). Auch im Bereich des Hochofens erscheint der Modellierungsansatz auf Basis der Flowsheet-basierten Prozesssimulation von Rentz et al. am geeignetsten. Wie bei der Sinteranlage sind jedoch auch hier erhohte Anforderungen hinsichtlich der Berechnungszeit sowie der Genauigkeit der Abbildung fur den Einsatz in der operativen Planung zu stellen. Fiir weitere Literaturiiberblicke zu Modellen des Hochofenprozesses sei auf andere Arbeiten, beispielsweise (Sieverdingbeck, 2001) und (Bosse, 2003) verwiesen.

3.2.4 Schlussfolgerungen, Zielsetzung und Vorgehensweise zur Abbildung der Produktionsprozesse fiir eine Produktionsplanung im betrachteten Produktionssystem Die Konzepte der (linearen) Aktivitatsanalyse und der betriebswirtschaftlichen Input-OutputAnalyse

bieten

einen

geeigneten

Rahmen

fiir

die

Modellbildung

vemetzter

Produktionssysteme auch aus Bereichen der verfahrenstechnischen Industrie. In ihren einfachen Formen, insbesondere der linearen bzw. Leontief-Technologien, in denen sie auch z. T. schon fur strategische Planungs- und Bewertungsaufgaben in der Risen- und Stahlindustrie erfolgreich eingesetzt wurden, greifen sie jedoch zu kurz. Ansatzpunkte aus betriebswirtschaftlicher

Sicht bieten hier die zur Klasse der techno-okonomischen

Transformationsfunktionen

gehorenden

Engineering

Production

Functions

und

die

thermodynamischen Transformationsfunktionen. Ftir den Einsatz in einer taktisch-operativen Produktionsplanung ist jedoch bezuglich der Abbildungsgenauigkeit der Detaillierungsgrad gegen die Berechenbarkeit in Entscheidungsmodellen sorgsam abzuwagen.

^6

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

Ahnlich verhalt es sich mit ingenieurwissenschaftlich-orientierten Modellierungsansatzen. Die - vergleichsweise - einfache Modellierung auf Basis von Material- und Energiebilanzen bzw. festen Verteilungskoeffizienten weist fUr den betrachteten Prozess nicht den notwendigen Detaillierungsgrad auf. Die Bestimmung linearer Gleichungen fiir die Input-Output-Beziehungen auf Basis einer multiplen Regressionsrechnung auf empirisch bestimmten Daten erscheint vorteilhaft in Bezug auf die Berechenbarkeit von Entscheidungsmodellen, denen diese linearen Funktionen zugrunde gelegt werden konnen. Allerdings ist die Bestimmung der empirischen Daten im Praxisbetrieb realer Produktionsprozesse haufig nur schwer durchfuhrbar, zumal im taglichen Betrieb in der Regel nicht die notwendige unabhangige Variation samtlicher Parameter stattfindet und die Durchfuhrung solcher Variationen zu aufwandig ware. Somit ist nicht gewahrleistet, dass jeder Effekt auch tatsachUch adaquate Beriicksichtigung findet. Weiterer wesentHcher Kritikpunkt an einer isolierten Betrachtung linearer Regressionsgleichungen ist die mit der Linearisierung der Zusammenhange einhergehende Vereinfachung und Losung bzw. Missachtung von chemisch-physikalischen GesetzmaBigkeiten. Diese mag in bestimmten GroBenordnungen akzeptabel sein, die Giiltigkeit dieser Voraussetzung ist jedoch zu uberprufen. Abhilfe schaffen kann der Einsatz von Flowsheeting-basierter Prozesssimulation. Hierbei ist es nicht notwendig, explizite analytische Zusammenhange zwischen Input- und Outputstoffstromen zu definieren, Parametervariationen und Sensitivitatsanalysen sind ohne weiteres moglich. Allerdings stehen die vergleichsweise hohen Berechnungszeiten eines Flowsheets der Verwendung in Entscheidungsmodellen entgegen. Ein weiterer Nachteil dieser Systeme ist, dass sie nicht oder nur sehr eingeschrankt in der Lage sind, auch physikalische KenngroBen des Prozesses und der betrachteten Stoffstrome, wie z. B. die Durchgasbarkeit des Mollers, Sinterfestigkeit u. A. zu beriicksichtigen und zu berechnen.

Hinsichtlich der Frage nach bereits existierenden Modellen von Produktionsprozessen aus der Eisen- und Stahhndustrie ist zunachst festzustellen, dass es in diesem Bereich bereits eine groBe Anzahl an Arbeiten gibt, die eine Abbildung zur Beschreibung, Steuerung oder Planung der Produktion in diesem Industriebereich zum Ziel haben. Die Abbildung der chemischen Grundlagen ist in ingenieurwissenschaftlich orientierten Arbeiten jedoch meist auf die Hauptkomponenten des Prozesses beschrankt. Problemstoffe wie Zink und Alkalien, die fiir den Referenzfall von besonderer Bedeutung sind, werden oft nicht betrachtet. Weiter bilden die Prozessmodelle meist spezielle Anlagen ab, so dass bei einer Ubertragung allenfalls das Prinzip, nicht jedoch die einzelnen Gleichungen inklusive der Koeffizienten iibemommen

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

87_

werden konnten. Hinzu kommt, dass viele der dargestellten Ansatze lediglich ein Aggregat betrachten, flir den Referenzfall jedoch die integrierte Betrachtung sowohl der Sinteranlage als auch des Hochofens sowie der nachgeschalteten Gasreinigungen notwendig ist, um die tatsachlichen Auswirkungen der Entscheidungen abschatzen zu konnen. Geeigneter scheint ein Ansatz auf Basis der Flowsheet-basierten Prozesssimulation. Sowohl fur eine Eisenerzsinterung als auch flir einen Hochofenprozess existieren Modelle, die alle notwendigen Hauptkomponenten sowie Problemstoffe abbilden. Zudem sind die Simulationsmodelle einzelner Anlagen miteinander verkniipfbar (vgl. z. B. (Rentz et al., 1999)). Allerdings sind Anpassungen der Modelle erforderlich, so dass diese die notwendige Abbildungsgenauigkeit fur den Einsatz in einer operativen Planung bieten. Zudem sind die hauptsachlich beschreibenden Modelle flir eine Entscheidungsunterstutzung nutzbar zu machen. Hierbei ist eine Verknlipfung mit den Entscheidungsmodellen aus dem Operations Research liber den Einsatz der linearen Regressionsanalyse denkbar. Basierend auf den bislang dargestellten Ausfuhrungen und der Zielsetzung des Kapitels folgend werden Planungsansatze flir die taktisch-operative Produktionsplanung im Referenzuntemehmen entwickelt. Diese sollen die verantwortlichen Planer auf Basis einer adaquaten Abbildung der zugrunde liegenden Produktionsprozesse in die Lage versetzen, die aus okonomischer Sicht optimalen Entscheidungen in adaquater Zeit zu bestimmen. Die bei der Entwicklung der Planungsansatze verfolgte Vorgehensweise, deren einzelne Schritte in den folgenden Abschnitten 3.3 bis 3.6 ausfuhrlich dargestellt werden, wird zunachst kurz umrissen. Sie gliedert sich in die Schritte der verfahrenstechnischen Modellbildung, der Erfassung der entscheidungsrelevanten monetdren Grofien, der okonomischen Modellbildung sowie der Implementierung der Modelle: •

Verfahrenstechnische Modellbildung: Zur Abbildung der Produktionsprozesse wird zunachst die flieBschemabasierte Prozesssimulation eingesetzt. Anwendung finden Simulationsmodelle der relevanten Aggregate. Da die Losung eines Simulationsmodells zum Teil vergleichsweise viel Zeit in Anspruch nimmt, ' ist eine direkte Verwendung dieser innerhalb der okonomischen Optimierung nicht zielfuhrend. Stattdessen wird sich der multiplen linearen Regression bedient, um aus Ergebnissen umfangreicher

'^' Beispielsweise benotigt das eingesetzte Simulationswerkzeug zur Losungsfindung fiir die im folgenden Abschnitt vorgestellten Modelle fiir die Sinteranlage und den Hochofen je nach Konfiguration zwischen einigen Sekunden und einigen Minuten zur Losung des jeweiligen Flowsheets.

88

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

Simulationslaufe lineare Zusammenhange zwischen den Spezifika und Mengen des jeweiligen Inputs der Aggregate und den Spezifika und Mengen des Outputs zu generieren. •

Erfassung der entscheidungsrelevanten monetaren GroBen: Die auf diese Weise erstellten linearen Zusammenhange gilt es im zweiten Schritt monetar zu erfassen und zu bewerten, bevor eine Verwendung in Entscheidungsmodellen des Operations Research fur die Planungsaufgaben im Referenzfall mogUch ist. Um eine Ubertragung der Ansatze auf andere Anwendungen zu erleichtem, werden die betrachteten relevanten Kosten und Erlose stoffstromorientiert innerhalb eines einheithchen Schemas erfasst und zugeordnet.

•

Okonomische Modellbildung: Lmerhalb des durch dieses Schema bereiteten Modellierungsrahmens werden die Optimiermodelle zur Produktionsprogrammplanung und zur Materialeinsatzplanung aufgestellt. Die Produktionsprozesse werden in diesen Modellen

durch

die

aus

der

verfahrenstechnischen

Modellbildung

erhaltenen

Regressionsgleichungen Input-Output-Zusammenhange abgebildet. Wo dies notig und sinnvoll ist, findet eine Ruckkopplung zwischen der okonomischen Optimierung und den erstellten Simulationsmodellen statt."^^ Beide Modelle werden exemplarisch auf den Referenzfall angewendet. •

Implementiening der Modelle: Die Modelle werden in dem auf einer MS ACCESSDatenbank

basierenden

integrierten

Entscheidungsunterstutzungssystem

SCOPE"^^

implementiert. Die Datenbank dient dabei in erster Linie der Speicherung der fiir die Planungen benotigten Grunddaten, der Anbindung des Entscheidungsunterstutzungssystems an im Referenzuntemehmen im Einsatz befmdliche Softwarewerkzeuge, die eingesetzten Simulationswerkzeuge sowie die mathematische Modellierungsumgebung GAMS und der Steuerung der Optimiemngslaufe. Da die Implementiening der beiden Planungsansatze weitestgehend identisch und in einem System erfolgt, wird diese im folgenden Abschnitt naher beschrieben.

Auf die Problematik von Vereinfachungen durch den Einsatz linearer Regressionsgleichungen zur Abbildung der Produktionsprozesse wird in den folgenden Abschnitten eingegangen. '^^ Simulation combined with Optimisation in the Process Industries

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

89^

3.2.5 Implementierung der Modelle Der Aufbau des integrierten Entscheidungsunterstutzungssystems SCOPE, in dem die zu entwickelnden Modelle implementiert werden, ist in Abbildung 3-11 schematisch dargestellt. SCOPE setzt auf einer MS AcCESS-basierten relationalen Datenbank auf und gliedert sich in drei funktionale Teilbereiche. Der erste Teilbereich dient der Bereitstellung und Pflege der fiir die Planungen benotigten Grunddaten und Planungsergebnisse. Uber Abfragen ist dieser mit den im Referenzuntemehmen verwendeten Datenbanken verbunden. Aus diesen werden die Spezifikationen der einsetzbaren Roh- und Hilfsstoffe, der Sinter- und Roheisensorten, in SCOPE eingelesen. Zudem werden allgemeine Planungsparameter wie die aktuellen Preise fiir Roheisen, Reduktionsmittel, Betriebsstoffe und Kuppelprodukte gespeichert. Der zweite Teilbereich besteht aus den Anwendungen zur Planung fiir die Aufgabenbereiche. Uber Module in der hoheren Programmiersprache Visual Basic for Applications (VBA) werden sowohl fiir die Produktionsprogrammplanung (Modul MPS"^"^) als auch fiir die im folgenden Abschnitt dargestellte Materialeinsatzplanung (Modul CD"^^) die Optimierungslaufe gesteuert: Das jeweilige Modul liest die fiir die Planungen benotigten Daten aus der Datenbank aus und schreibt sie in eine Eingabedatei (scope-mps.inc bzw. scope-cd.inc). Ebenfalls wird eine Stapelverarbeitungsdatei (scope-mps.bat bzw. scope-cd.bat) erzeugt und ausgefiihrt, die den eigentlichen Optimierungslauf in der Modellierungsumgebung GAMS (General Algebraic Modelling System) auf Basis des in GAMS formulierten Planungsmodells (scope-mps.gms bzw. scope-cd.gms) mit den in der Eingabedatei spezifizierten Daten aufruft. GAMS baut das Modell auf und iibersetzt es in das Eingabeformat fiir den verwendeten Standardsolver CPLEX. Das Modell wird gelost und GAMS erzeugt einerseits eine Datei mit allgemeinen Informationen zum Modelllauf (Systemoutput) und eine Ergebnisdatei (mps.txt bzw. cd.txt). Diese wird wiederum in SCOPE eingelesen und steht fiir weitere Auswertungen zur Verfiigung. Den dritten Teilbereich von SCOPE bilden Benutzerschnittstellen. Der Anwender kann mittels der grafischen Benutzeroberflache SCOPE-GUI auf SCOPE zuzugreifen und hat daneben die Moglichkeit, Optimierungsergebnisse in ASPEN PLUS® bzw. in anderen Programmen (beispielsweise MS EXCEL) weiter zu verarbeiten. Der Zugriff erfolgt im Wesentlichen auf Basis von Formularen.

MPS steht fiir Master Production Scheduling, einem engUschen Begriff fiir Produktionsprogrammplanung. CD steht fiir Cost Determination. Das Modul wird im Referenzuntemehmen auch als Hilfsmittel zur Annahmepreisbestimmung eingesetzt (vgl. auch Ausfiihrungen hierzu in Abschnitt 3.6.5).

90

SiMULATIONSGESTUTZTE P R O D U K T I O N S P L A N U N G

KAPITEL 3

Abbildung 3-11: Schematischer Aufbau des EntscheidungsunterstiJtzungssystems SCOPE

Fiir den Einsatz der Modellierungsumgebung GAMS IDE zur Formulierung der mathematischen Optimiemngsmodelle und des Solvers CPLEX zu deren Losung sprechen eine Reihe von Grunden wie z. B. (vgl. (Brooke et al., 1998), (Engels, 2003), (Sasse, 2001)): • GAMS bietet eine hohe Portabilitat zwischen unterschiedlichen Plattformen und Betriebssystemen, so dass beispielsweise nach Modellierung des Planungsproblems auf einem einzelnen PC eine (Jbertragung auf leistungsfahigere Rechner moglich ist. • Die Modellformulierung ist zunachst unabhangig vom eingesetzten Solver. Zur Losung des Problems konnen somit die jeweils besten Solver fiir den jeweiligen Problemtyp eingesetzt werden. • Durch die benutzerfreundliche und der mathematischen Form ahnlichen Darstellung ist eine effiziente, iibersichtliche Formulierung auch komplexer Modelle moglich. Insbesondere konnen Erweiterungen und Parameteranderung ohne groBeren Aufwand durchgefiihrt werden und so das Modell an geanderte Anforderungen angepasst werden.

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

91_

• Eine getrennte Speicherung von Daten und Modelldateien, wie im vorliegenden Konzept verfolgt, tragt weiter zu einer Strukturierung insbesondere groBer Modelle und somit zu einer besseren Ubersichtlichkeit bei. • Bei dem Solver CPLEX der Firma Hog Inc. handelt es sich um einen der derzeit leistungsfahigsten Standardsolver zur Losung von linearen, gemischt-ganzzahligen und quadratischen Optimierungsproblemen.'^ Insbesondere um eine einfache Erweiter- und Ubertragbarkeit der Planungsmodelle zu gewahrleisten, wird hier auf die genannte Modellierungsumgebung sowie den genannten Standardsolver zuriickgegriffen und auf die Entwicklung eines problemspezifischen Losungsalgorithmus verzichtet. Die spateren Ausfuhrungen zeigen, dass bei der gewahlten Vorgehensweise in akzeptabler Zeit optimale Losungen gefunden werden konnen, auch wenn ein problemspezifischer Algorithmus u. U. schneller zu einer optimalen Losung gelangen konnte. In den folgenden Abschnitten 3.3 bis 3.6 wird auf die einzelnen Schritte des vorgeschlagenen Ansatzes im Detail eingegangen. Die ersten beiden Schritte werden in separaten Abschnitten behandelt. Da es sich bei den zu entwickelnden Modellen zur Produktionsprogramm- und zur Materialeinsatzplanung um unterschiedliche Modelle handelt, werden diese separat in den Abschnitten 3.5 und 3.6 dargestellt. Nachdem der allgemeine Rahmen der Implementierung der Ansatze in dem integrierten Entscheidungsunterstutzungssystem SCOPE bereits in diesem Abschnitt vorgestellt wurde, wird in den Abschnitten zur Modellbildung nur noch auf die Spezifika der Implementierung des jeweiligen Ansatzes eingegangen. Zur Uberprlifung der Plausibilitat der Modellergebnisse, zur Analyse der Prozesse sowie zur Demonstration der Anwendungsgebiete werden die entwickelten Methoden jeweils exemplarisch im Rahmen von Szenario- bzw. Sensitivitatsanalysen angewendet.

Im Rahmen dieser Arbeit wird CPLEX in der Version 9.0 verwendet.

^2

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

3.3 Verfahrenstechnische Modelle der abzubildenden Prozesse Fur die Modellbildung wird das bereits in Abschnitt 3.2.2.4 vorgestellte sequenziell-modulare Flowsheeting-Programm ASPEN PLUS® ausgewahlt. Dieses bietet im Vergleich zu altemativen Produkten eine groBe Stoffdatenbank, die alle relevanten Stoffe umfasst, komfortable Bedienung sowohl iiber eine grafische Benutzeroberflache als auch iiber Programmierschnittstellen, die insbesondere im Hinblick auf eine Kopplung mit okonomischen Optimiermodellen und Datenbankanbindungen notwendig sind. Dariiber hinaus bietet es eine Bibliothek mit samtlichen fiir die Modellbildung notwendigen verfahrenstechnischen Grundoperationen. Wie bereits in den Abschnitten zur verfahrenstechnischen Prozesssimulation (Abschnitt 3.2.2.4) sowie zu Sinter- bzw. Hochofenmodellen (Abschnitt 3.2.3) dargestellt, haben verschiedene vorherige Arbeiten bereits die prinzipielle Eignung von ASPEN PLUS® zur Abbildung von metallurgischen Prozessen gezeigt."^^ Um die Betriebsstruktur im Referenzuntemehmen nachzubilden, eine gute Uberpriifbarkeit der Modelle mit Betriebsdaten gewahrleisten zu konnen und akzeptable Rechenzeiten sicherzustellen, werden zwei Modelle, eines fiir den Sinteranlagen- und eines fiir den Hochofenbetrieb, jeweils unter Beriicksichtigung der Haupt- und Nebenaggregate eingesetzt. Die in Tabelle 3-6 abgebildeten chemischen Komponenten sind fiir die Vorgange in den Aggregaten relevant und finden daher Beriicksichtigung in dem Sinter- bzw. dem Hochofenmodell. Neben den Hauptstoffstromkomponenten, den Risen- und Kohlenstofftragem, Sauerstoff- und Kohlenstoffverbindungen, Schlackebildnem sowie den Alkalien sind hier insbesondere die Verbindungen, in denen die Problemstoffe Zink, Chrom und Phosphor vorliegen von besonderer Bedeutung.

Hierzu sei wiederum auf die in den genannten Abschnitten angefiihrten Arbeiten verwiesen.

Liste der zu betrachtenden Elemente und V e r b i n d u n g e r1

Tabelle 3-6:

E 3

'E 3

<

93

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

5C

1 (0

E

c £ O

E

3

2

(0

£ 0

o

|AI

C

Ca

lAlgOs

CO

CaCOa

c

a 3

il]

E

0 (0 a. 0)

E

(n

,3

(0

75

3

0

c

0)

(Q O)

c

O) (0

c

0

(0

Cr

Cu

Fe

H2

K

Mg

Mn

N2

Cr203

CU2O

FeCIs

H2O

KCI

MgO

MnO

N2O

1

CUCI2

Fe203

H2S

K2O

NO

1

CuO

Fe2Zn04

KgSiOa

NO2

1

Fe304

K2Si205

CO, CaO Ca3(P04)2 CaS042H2O

FeO

Ca(0H)2

FeTiOa CaSOs-

FeP04-

I/2H2O

2H2O

FeS 0 £ .2 z

(A 0

u z

Q.

3

"5) OQ

"N

U 0)

S

Na

Ni

P

Pb

NaCI

NiO

P2O5

PbClg

SO2

PbO

SO3

NasO

5: 0 M

E 3 '•B

E

a

c

1.

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c

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(0

>

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Si

Ti

V

Si02

Ti02

V2O5

O2

c c N

c N

0)

Zn

Sn

1

ZnCl2

SnOg

J

ZnO

NaaS Na2Si03 NagSigOs

3.3.1 Modell der Sinteranlage und der zugehorigen Abgasreinigung Das erste verwendete Teilmodell des betrachteten Produktionsprozesses, im Folgenden auch verklirzt Sinteranlagenmodell

genannt, umfasst

den Sinteranlagenbetrieb, d. h. die

Sinteranlage mit der zugehorigen Gasreinigung, bestehend aus einem elektrischen Abscheider sowie der nachgeschalteten Filteranlage (AGRA) (vgl. Abschnitt 3.1.1.2). Zunachst wird in den folgenden Unterabschnitten das Konzept des verwendeten Sinteranlagenmodells vorgestellt. Zur Uberpriifung der Giite der Modellabbildung erfolgt anschlieBend eine Gegenliberstellung der Simulationsergebnisse mit realen Betriebsdaten.

94

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

3.3.1.1

KAPITEL 3

Modellbeschreibung

Das verwendete Modell der Sinteranlage gliedert sich zunachst grob in die Teile, die das Sinterband und diejenigen, die die Abgasreinigung abbilden. Zur Abbildung des Sinterbandes wird dieses in neun Reaktionszonen aufgeteilt, die den Verlauf des Sintervorgangs modellieren. Die Reaktionszonen lassen sich, wie in Abbildung 3-12 dargestellt, in einer 3x3Matrix darstellen, wobei die beiden Dimensionen der Matrix Lange und Hohe des Sinterkuchens reprasentieren. In der Diagonale der Matrix finden sich drei Zonen mit Temperaturen von jeweils 1.300 °C. Diese stellen die Durchbrennzone dar. Um die fiir die operative Planung benotigte Genauigkeit zu erzielen, wird hier - im Gegensatz zu bisher im Einsatz befindlichen Modellen - neben dem RGIBBS-Reaktortyp zur Abbildung der teilweise unvollstandig ablaufenden Reaktionen auch der RCSTR-Reaktortyp verwendet."^^ Von den jeweils unter der Durchbrennzone befindlichen Reaktoren werden das Verdampfen des Wassers und das Austreiben des Kristallwassers (vgl. Abschnitt 3.1.1) abgebildet. Die jeweils oberhalb der Durchbrennzone befindlichen Reaktoren modellieren die Abkiihlvorgange. Uber einen Splitter wird ein Teil des entstehenden Sinters der Aufgabemischung wieder zugefuhrt."^^ Das Modell geht von einem stationaren Betriebszustand des Sinterbandes aus, An- und Abfahrvorgange werden nicht beriicksichtigt. Diese Vereinfachung ist moglich, da sich dieser Zustand in praxi bereits nach wenigen Minuten naherungsweise einstellt. Die elektrische Gasreinigung wird uber einen Splitter und einen RGIBBS-Reaktor abgebildet. Der Splitter dient der Bestimmung der anfallenden Grundverstaubung, wohingegen uber den RGIBBS-Reaktor der durch die ablaufenden Prozesse induzierte Anteil am anfallenden EGRStaub berechnet wird.^^ Zur Modellierung des Spriihabsorbers wird wiederum ein RCSTRReaktor zur Modellierung der Eindiisung von Wasser und CaO verwendet, die anschliefiende Abscheidung des AGRA-Ruckstands wird uber einen RGIBBS-Reaktor abgebildet. Fiir die

Vergleiche Abschnitt 3.2.2.4. Beispielsweise wird im betrachteten Produktionssystem ca. ein Drittel des Sinters im Kreis gefuhrt. Das verwendete Modell verzichtet auf eine detailliertere Abbildung der EGR mittels eines RGIBBS-Reaktors und einer Gas-Feststofftrennung

iiber eine ESP Grundoperation (vgl. Abschnitt 3.2.2.4). Statt realer

Abscheidegrade von ca. 95 % wird ein Abscheidegrad von 100 % zugrunde gelegt. Die Heterogenitat der im Untemehmen

verwendeten

Rohstoffe

erlaubt

keine

Gewinnung

von

belastbaren

Daten

fiir

die

KomgroBenverteilung der Feststoffe in der Sinterabluft, die fiir eine detailliertere Modellierung notwendig ware. Zudem werden diese Feststoffe

im Untemehmen durch den nachgeschalteten

Spriihabsorber

abgeschieden, so dass in praxi nahezu keine Feststoffteilchen im Reingas vorkommen und die resultierenden Stoffstrome identisch sind.

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

95^

Berechnungen des eingediisten Braunkohlekoksstaubs in den Flowsheets wie auch der in den nachfolgenden Abschnitten entwickelten betriebswirtschaftlichen Optimiermodellen wird, wie im Untemehmen iiblich, ein konstanter Faktor angenommen. Fine explizite Modellierung liber einen Reaktor erfolgt nicht, da diese lediglich die Modellkomplexitat weiter erhohen wlirde, ohne eine genauere Abbildung des Prozesses zu ermoglichen.

Abbildung 3-12: FlieBschema des Modells der Sinteranlage und der nachgeschalteten Gasreinigung

Abbildung 3-13 zeigt einen Screenshot eines gemaB des in dem vorangegangenen Abschnitten beschriebenen Modellierungsprinzips in dem Flowsheeting-Programm ASPEN PLUS® implementierten Simulationsmodells.

96

SiMULATIONSGESTUTZTE P R O D U K T I O N S P L A N U N G

KAPITEL 3

Abbildung 3-13: ASPEN PLUS® Modell der Sinteranlage (Screenshot)

Um den Sinterprozess fiir den verfolgten Zweck einer operativen Planung hinreichend genau abbilden zu konnen, wird das Modell abschlieBend an Hand von Betriebsdaten^^ konfiguriert. Zur Uberpriifung der Abbildungsgenauigkeit findet im folgenden Abschnitt ein Vergleich der mit dem Simulationsmodell berechneten Ergebnisse mit den Betriebsdaten aus dem Betrachtungszeitraum statt.

Verwendet werden manuell um AusreiBer bereinigte Betriebsdaten der Sinteranlage, der EGR sowie der AGRA aus dem Zeitraum 01.01.2002 bis 30.09.2002. Zunachst werden auffallige Werte identifiziert und die Ursache fiir die Abweichung durch Recherche in den Betriebsprotokollen des Referenzuntemehmens geklart. Sind die Abweichungen auf auBergewohnliche Betriebszustande zuriidczufiihren, wird der entsprechende Wert nicht fiir den Vergleich herangezogen.

KAPITEL 3

3.3.1.2

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

97_

Vergleich der Simulationsergebnisse mit realen Betriebsdaten

In diesem Abschnitt werden die mittels Flowsheet-Simulation berechneten Simulationsergebnisse exemplarisch mit gemessenen Betriebsdaten aus dem Betrachtungszeitraum verglichen, um Aussagen hinsichtlich der Genauigkeit der Abbildung zu treffen. In der folgenden Abbildung 3-14 sind beispielhaft die in Simulationslaufen berechneten Konzentrationen der Elemente Fe, Si, Mg und Ca den im Referenzuntemehmen gemessenen Konzentrationswerten dieser Elemente gegeniibergestellt. Flir die vier genannten Elemente zeigen die Diagramme eine sehr gute Ubereinstimmung. Insbesondere fallt auf, dass nahezu samtliche Konzentrationsspitzen zumindest von der Tendenz her richtig abgebildet werden, auch wenn die tatsachliche Hohe dieser Spitzen nicht immer ubereinstimmt. Die Korrelationskoeffizienten der dargestellten Elemente liegen jeweils iiber 0,99. Es kann also von einer sehr guten Ubereinstimmung ausgegangen werden.

Abbildung 3-14: Vergleich der mittels Flowsheet-Simulation berechneten Konzentrationen von Fe, Si, Mg und Ca im Sinter mit realen Betriebsdaten

Auch die Menge des hergestellten Sinters ist sehr gut abgebildet (Korrelationskoeffizient wiederum > 0,99). Diese wird, ausgehend von der Aufgabemischung, hauptsachlich durch das Austreiben des H20-Gehalts sowie die Verfluchtigung der Chlor- und Kohlenstoffanteile bestimmt, die in sehr engen Bereichen vorgegeben sind. Auf eine eingehende Darstellung wird daher an dieser Stelle verzichtet. In der folgenden Abbildung 3-15 ist der berechnete und

^8

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

der gemessene Anfall an Staub in der elektrischen Gasreinigungsanlage dargestellt. Wie schon fur die bereits dargestellten Elementkonzentrationen im Sinter zeigt sich auch hier eine Ubereinstimmung der Werte, wenngleich es zu groBeren Abweichungen kommt. Wird der Korrelationskoeffizient wie bislang auf Tagesbasis berechnet, so ergibt sich lediglich ein Wert von 0,65. Hier gilt verstarkt, dass es dem Modell in der Regel gelingt, die Tendenz der Werte abzubilden, die tatsachlichen Spitzen jedoch nicht bzw. nicht immer erreicht werden. Dass der Betrag des Ausschlags der mittels Simulation berechneten Werte meist kleiner als der der Betriebsdaten ist, deutet darauf bin, dass die Ursache hierfur in den verwendeten Messwerten liegt. So wird die Aufgabemischung nicht kontinuierlich, sondem in Zeitabschnitten von ca. zwei Stunden gemessen. Auch der anfallende EGR-Staub wird nicht kontinuierlich erfasst. Zudem kommt es im Betriebsverlauf u. U. zu Storungen, die sich auch auf den Massenstrom der EGR auswirken. Diese Aussage wird dadurch gestutzt, dass bei einer Betrachtung des Korrelationskoeffizienten fur Wochenschnitte ein Wert von 0,83 ermittelt wird. Ein geringeres Auftreten dieser Effekte in Bezug auf den Sinter ist auf die messtechnisch besser aufeinander abgestimmten Analysen der Aufgabemischung und des Sinters im Referenzunternehmen zuriickzufuhren.

Abbildung3-15: Vergleich der mittels Flowsheet-Simulation berechneten Menge an EGRStaub mit realen Betriebsdaten

Wie in Abbildung 3-16 dargestellt, gelingt die Abbildung des Blei- und des Zinkanteils unterschiedlich

gut.

Wahrend

die

Abbildung

des

Bleigehalts

mit

einem

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

99^

Korrelationskoeffizienten von 0,82 vergleichsweise gut gelingt, werden die in Bezug auf den Volumenstrom des EGR-Staubs gemachten Aussagen im Falle des Zinks noch einmal verstarkt. Die Zinkfracht in der Sinterabluft ist deutlich kleiner als die des Bleis. Im Vergleich zum Zink-Gehalt in der Nettomischung, der im Betrachtungszeitraum jeweils zwischen zwei und drei Prozent (ca. 1,1 und 1,7 t/h) lag, handelt es sich jedoch um einen sehr kleinen Anteil. Demzufolge korrelieren die gemessenen und berechneten Werte in Bezug auf das Zink kaum und es wird ein Korrelationskoeffizient von lediglich 0,13 bestimmt.

Abbildung 3-16: Vergleich der mittels Flowsheet-Simuiation berechneten Konzentrationen von Pb und Zn im EGR-Staub mit realen Betriebsdaten

Ein Abgleich der Simulationsergebnisse fiir die Abgasreinigungsanlage ist auf Basis der im Untemehmen vorhandenen Daten nicht moglich. Der anfallende Rlickstand wird zwar erfasst, diese Erfassung geschieht jedoch in unregelmaBigen Abstanden. Es kann somit festgestellt

werden, dass das vorgestellte Flowsheet-Modell des

Sinteranlagenbetriebs nahezu alle wesentlichen Stoffstrome und deren Komponenten gut abbildet. Hinsichtlich des EGR-Staubs und der Stoffstrome an der AGRA ist zu beriicksichtigen, dass diese jeweils auf langere Zeit zu betrachten sind. Wahrend liber einen aggregierten Zeitraum das Modell fiir die EGR-Staubmenge noch eine gute (Jbereinstimmung liefert, ist dies fiir die Stoffstrome an der Abgasreinigungsanlage problematischer, da hier aufgrund fehlender Daten keine sinnvollen Vergleiche der simulierten mit gemessenen Werten moglich ist.

100

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

3.3.2 Modell des Hochofens und der zugehorigen Nebenaggregate Das verwendete Modell des Hochofens und der zugehorigen Nebenaggregate, im Folgenden teilweise verktirzt Hochofenmodell genannt, besteht aus dem Hochofen, der zugehorigen Abgasreinigung und dem mit dieser verbundenen

Kraftwerk.

In den

folgenden

Unterabschnitten wird, analog zum vorherigen Abschnitt, wiederum zunachst das verwendete Modell beschrieben, bevor in Abschnitt 3.3.2.2 Simulationsergebnisse gemessenen Betriebsdaten gegeniibergestellt werden. 3.3.2.1

Modellbeschreibung

Das verwendete Hochofenmodell lasst sich grob in drei Telle gliedem, einen Teil, der den eigentlichen Hochofen abbildet sowie jeweils einen Teil, der die nachgeschaltete Gasreinigung des Hochofens und das Kraftwerk abbildet. Letzteres wird ebenfalls betrachtet, da die Warme, die uber das Gichtgas aus dem Hochofen austritt z. T. in elektrische Leistung umgewandelt wird und somit einen positiven Ergebnisbeitrag liefert. In Abbildung 3-17 ist das Hochofenmodell schematisch dargestellt. Der Modellteil, der den eigentlichen Hochofenprozess abbildet, besteht aus drei Temperaturzonen. Im Vergleich zu bekannten Hochofenmodellen in AsPEN PLUS (vgl. z. B. (Sieverdingbeck, 2001)) erscheint das dargestellte Modell aufgrund einer geringeren Anzahl modellierter Temperaturzonen zunachst einfacher und weniger detailliert in der Abbildung. Dies ist jedoch nur auf den ersten Blick der Fall. Wahrend das genannte Modell von Sieverdingbeck auf eine strategische Planung

abzielt, relativ konstante

Stoffstrome

abbildet und

somit

hauptsachlich

Gleichgewichtsreaktoren und keine RCST-Reaktoren verwendet, kommen in den drei Temperaturzonen jeweils sowohl ein RGIBBS- als auch ein RCST-Reaktor zum Einsatz. Auf diese Weise konnen auch Reaktionen, bei denen die Abbildung von reaktionskinetischen Zusammenhangen notwendig ist, abgebildet werden. Sinter und Koks werden zunachst in einem Mixer zu einem Stoffstrom vereinigt. Uber einen Splitter wird ein Teil des so erhaltenen Mollers direkt in die Gasreinigung weitergeleitet. Dieser entspricht dem Anteil, der durch den Wind uber die Gicht wieder ausgetragen wird, ohne vorher im Hochofen zu reagieren. Fiir die drei Temperaturzonen im Hochofen werden jeweils zwei Reaktoren, ein RGIBBS- und ein RCST-Reaktor, verwendet, um die notwendige Abbildungsgenauigkeit zu erreichen. Die Reaktionen, die von entscheidender Bedeutung fiir den Ablauf des Hochofenprozesses sind und den Gleichgewichtszustand nicht erreichen.

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

101

werden liber RCST-Reaktoren abgebildet. Die iibrigen, in denen nahemngsweise der Gleichgewichtszustand erreicht wird, werden mit Hilfe von RGIBBS-Reaktoren modelliert.

Abbildung 3-17: Schematische Darstellung des Hochofenmodells

Die erste Temperaturzone von ca. 400 °C bildet die Gicht des Hochofens ab. In dieser Zone wird hauptsachlich die Reoxidation des Zinks und der Alkalien, d. h. der Komponenten, die im Hochofen einen Kreislauf bilden, iiber den RCST-Reaktor abgebildet. Eine Besonderheit besitzt die 800 °C heiBe zweite Temperaturzone, die der Modellierung der Zone der indirekten Reduktion dient. Diese wird hauptsachlich im RCST-Reaktor nachgebildet. Da diese wesentlich durch den Zinkgehalt im Moller beeinflusst wird, der im Rahmen des Zinkkreislaufs auch Warme aus dem Unterofen in die oberen Teile transportiert, ist die GroBe des RCSTR und damit der Zone der indirekten Reduktion in Abhangigkeit des Zinkgehalts im Moller definiert. Die dritte Temperaturzone mit ca. 1.400 °C stellt die Rast dar, in der vomehmlich die Reduktion des Siliziums iiber einen RCST-Reaktor modelliert wird. Zwischen den Reaktionszonen im Modell gibt es absteigende Stoffstrome, die den Weg des Hochofenmollers von der Gicht bis zum Abstichloch abbilden. Daneben modellieren aufsteigende Stoffstrome den Weg des auf Hohe der Rast eingeblasenen und zuvor in einem Warmetauscher, der die Winderhitzer modelliert, erhitzten Windes mit den im Kreislauf

102

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

gefiihrten Alkalien und Zinkanteilen durch die Mollersaule nach oben. Die Trennung von Roheisen und Schlacke beim Abstich wird liber einen Splitter modelliert. Uber einen Gleichgewichtsreaktor und verschiedene Splitter wird an der Gicht zunachst der Anfall von Gichtgas, Grob- und Feinstaub abgebildet. Uber einen Splitter wird der Gichtgasstrom in die Telle getrennt, die zum Aufheizen des Hochofenwindes im Cowper verwendet werden und den Teil, dessen Warmeenergie im Kraftwerk teilweise in Form von Strom wiedergewonnen wird. Fur den ersten Teil werden ein Gleichgewichtsreaktor und ein Warmetauscher (HEATER) verwendet. Zur Abbildung des Kraftwerks kommen wiederum ein RGIBBS-Reaktor, ein Warmetauscher und eine Turbine zum Einsatz. Abbildung 3-18 zeigt einen Screenshot des Hochofenmodells aus ASPEN PLUS®.

Abbildung 3-18: ASPEN PLUS® Modell des Hochofenbetriebs inkl. Kraftwerk (Screenshot)

KAPITEL 3

3.3.2.2

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

1 ^

Vergleich der Simulationsergebnisse mit realen Betriebsdaten

Wie schon fur das Sinteranlagenmodell, wird auch fur das Hochofenmodell die Abbildungsgenauigkeit des Simulationsmodells durch den Vergleich mit realen Betriebsdaten uberpriift. Fiir 239 Betriebstage werden die technischen Betriebsparameter sowie der Input an Sinter als AusgangsgroBen fiir den Simulationslauf herangezogen. Die iibrigen GroBen, d. h. der Verbrauch an Koks, die erzeugte Roheisenmenge sowie die Mengen und Zusammensetzungen der Kuppelprodukte Schlacke, Grobstaub und Feinstaub werden durch Simulationslaufe berechnet und mit den realen Betriebsdaten im Betrachtungszeitraum verglichen.^^ Die in Abbildung 3-19 gegeniibergestellten berechneten und gemessenen Mengen an produziertem Roheisen fiir den Betrachtungszeitraum zeigen eine relativ gute Ubereinstimmung. Wie schon bei den verschiedenen Betrachtungen fUr das Sinteranlagenmodell wird der Kurvenverlauf in aller Regel gut nachgebildet. Auffallig ist, dass die simulierten Werte in der Regel groBer als die tatsachlichen Roheisenmengen sind. Eine mogliche Erklarung hierfiir ist, dass nicht alle leistungshemmenden Faktoren im Modell abgebildet sind. GroBere Abweichungen, vor allem nach unten, sind darauf zuriickzufUhren, dass es bei der Ofenfahrweise auf Basis von Reststoffen zu vielen Storungen, wie beispielsweise einem schlechten Ofengang, Ansatzbildung u. A. kommt. Diese sind im Modell nicht beriicksichtigt, es wird ein storungsfreier Betrieb unterstellt. Der Korrelationskoeffizient betragt in diesem Fall ca. 0,95.

Fiir diesen Vergleich wurden Betriebsdaten des Jahres 2003 herangezogen. Diese sind wiederum manuell um AusreiBer bereinigt (vgl. FuBnote 51).

104

SiMULATIONSGESTUTZTE PRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

Abbildung 3-19: Vergleich der mittels Flowsheet-Simulation berechneten Roheisenmenge mit gemessenen Produktionsmengen

Ahnlich verhalt es sich mit dem in Abbildung 3-20 dargestellten spezifischen Koksverbrauch, auch wenn der Korrelationskoeffizient in diesem Fall ca. 0,78 betragt.

Abbildung 3-20: Vergleicti des mittels Flowsheet-Simulation berechneten spezifischen Koksverbrauchs mit gemessenen spezifischen Verbrauchsmengen

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

105^

In der folgenden Abbildung 3-21 liegen die Simulationsergebnisse tendenziell unter den tatsachlichen Schlackenmengen im Betrachtungszeitraum. Dennoch bildet die Simulation die Betriebsdaten mit r=0,67 ab.

Abbildung 3-21: Vergleich der mittels Flowsheet-Simuiation berechneten Schlackemenge mit gemessenem Sciiiaclceanfall

Zusammenfassend ist festzustellen, dass das Modell des Hochofenbetriebs in der Lage ist, den Hochofenbetrieb im Referenzuntemehmen hinsichtlich der ergebnisrelevanten Stoffstrome adaquat

abzubilden.

Zusammensetzungen

Dabei

konnen

hervorgerufenen

auch

die

Schwankungen

durch

die

abgebildet

wechselnden

Input-

werden. Dass die

Schwankungen nicht immer in voller Hohe abgebildet werden, kann - insbesondere hinsichtlich des Kokseinsatzes sowie der Roheisen- und Schlackemengen - auch durch den zeidichen Versatz einzelner Begichtungs- und Abstichvorgange sowie die Verweilzeit im Hochofen verursacht werden. Es stehen damit sowohl fiir die Sinteranlage als auch fiir den Hochofen geeignete verfahrenstechnische Prozessmodelle zur Verfiigung, die die in dem jeweiligen Aggregat ablaufenden Prozesse detailliert abbilden. Diese Modelle werden im folgenden Schritt dazu verwendet, eine Basis fiir betriebswirtschaftliche Optimiermodelle in Form von linearen Input-Output-Funktionen zu bestimmen.

106

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

3.3.3 Bestimmung linearer Input-Output-Funktionen fur die Produktionsprozesse Zur Bestimmung der linearen Input-Output-Funktionen fiir den Sinter- und den Hochofenbetrieb im Referenzfall werden zunachst jeweils Simulationslaufe mit den entsprechenden Flowsheet-Modellen durchgefuhrt. In diesen Simulationslaufen werden die flir die Modellberechnungen entscheidenden Parameter in Bezug auf die eingehenden Stoffstrome, einem vollstandigen faktoriellen Versuchsplan^^ folgend, systematisch variiert. Diese Variation findet auf zwei Niveaus statt. Minimal- und Maximalwerte aus den Betriebsdaten oder technisch mogliche bzw. sinnvolle Werte werden als Niveaus verwandt. Auf Basis der Simulationsergebnisse wird eine multiple Regression durchgefuhrt. Da der Einfluss verschiedener Variablen lediglich eine untergeordnete Rolle spielt, wird zur Reduktion der Anzahl der beschreibenden Variablen ein Verfahren zur Modellreduktion angewendet. Hierzu dient der z. B. in Hartung et al. (vgl. (Hartung, Elpelt und Klosener, 1998), S. 598ff.) beschriebene Reduktionstest.^"^ Als Signifikanzniveaus werden, abhangig von den zu beschreibenden Parametem, Werte zwischen 0,95 und 0,99 verwendet. Im Gegensatz zu einer Regressionsanalyse ausschliefilich auf realen Betriebsdaten bietet die verfolgte Vorgehensweise den Vorteil, dass systematisch samtliche wesentlichen Parameter unabhangig voneinander variiert werden. Diese Parametervariation erfolgt zudem in der Bandbreite technisch moglicher bzw. sinnvoller Parameterwerte. Sie umfasst somit auch Betriebszustande, die im realen Betrieb nicht erreicht werden und fiir deren Gewinnung aufwandige Betriebsversuche notwendig waren. Zudem sind die Simulationsergebnisse nicht durch Betriebsstomngen beeinflusst. Diese Vorteile rechtfertigen die Vorgehensweise gegenliber den geringen, jedoch vorhandenen Abweichungen der Modellergebnisse von den realen Betriebsdaten.

Bei einem vollstandigen

faktoriellen

Versuchsplan

auf zwei Stufen wird jeder untersuchte

Faktor

systematisch auf zwei Niveaus variiert. Demnach ergeben sich bei k Faktoren 2^ durchzufiihrende Versuche (vgl. (Kleppmann, 2003), S. 93ff.). Die Schlussfolgerung, dass die dabei eliminierten Faktoren keinen Einfluss auf die zu beschreibende GroBe haben, ist nicht richtig. Tatsachlich wiirde die Verwendung der nicht eliminierten Regressoren keinen zusatzlichen Beitrag zur Beschreibung des Regressanden liefern (vgl. (Hartung und Elpelt, 1999), S. 88).

KAPITEL3

3.3.3.1

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

107

Simulationslaufe und Regressionsanalysen fur die Sinteranlage

Fur das Modell der Sinteranlage und der zugehorigen Gasreinigung werden elf Stoffstromkomponenten jeweils auf zwei Niveaus variiert und somit 2048 Simulationslaufe durchgefuhrt.^^ Im Folgenden sind die Ergebnisse der auf Basis dieser Simulationen durchgefuhrten Regressionsanalysen dargestellt. Aus Griinden der Ubersichdichkeit sind an dieser Stelle lediglich fur exemplarische Gleichungen die Faktoren explizit angegeben.^^

Fiir die spezifische Sintermenge x^^, d. h. die Menge des anfallenden Sinters m^^^ [t] bezogen auf die Einsatzmischung m^^ [t], ergeben die Regressionsrechnungen eine Gleichung der in (3.30) dargestellten Struktur:

= /-(C™) = < + X r - c r

(3.30)

Hierbei steht (fur die folgenden Gleichungen gilt eine analoge Nomenklatur) a|^ fiir das Absolutglied des Stoffstroms Sinter (SIN) auf der Sinteranlage. Die p^^ bezeichnen die Regressoren fiir die betrachteten Stoffstromkomponenten ee^

des Hauptinputstoffstroms

auf der Sinteranlage (SA). Die Faktoren cf^ bezeichnen die Konzentrationen der Elemente und Verbindungen der Aufgabemischung (NM). Die gemaB der im vorangegangenen Abschnitt dargestellten Reduktion der Variablen erhaltene Gleichung fiir die spezifische Sintermenge xl% lautet: 4 ^ = 0,9739-0,68-c^f -0,05-c^'' -l,S'C^a - U - c ^ -0,855-c^f^

(3.31)

Die Gleichung lasst sich auch physikalisch plausibel erklaren, da die EinflussgroBen Chlor, Kohlenstoff und Wasser nahezu vollstandig und Blei zu einem groBen Teil im Sintervorgang verfliichtigt werden. Da Kalium nur zu einem geringen Teil verfliichtigt wird, ist der Faktor

Da das Sinteranlagenmodell von (TianZheng und RuZhuo, 1990) auf einer multiplen quadratischen Regressionsanalyse beruht, wurde anhand von sieben Faktoren Uberpriift, ob durch ein quadratisches Modell die Vorgange auf der Sinteranlage evtl. besser abgebildet werden als bei einem linearen Modell. Zur (jberpriifung der Anpassung wurden hierfiir drei Niveaus verwendet. Da die Abbildung des Sinterprozesses durch die quadratische Regression nicht besser ist, wird in dieser Arbeit lediglich das lineare Modell und die zugehorige Vorgehensweise vorgestellt. ^^ Eine vollstandige Darstellung findet sich in (Rentz et al., 2005).

108

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

fur die Kalium-Konzentration vergleichsweise gering. Auch in Bezug auf Natrium, das zu einem geringeren Teil als das Kalium verfluchtigt wird und zum vorgegebenen Signifikanzniveau keinen Einfluss auf die spezifische Sintermenge ausubt, ist die Gleichung nachvollziehbar. Die folgenden Gleichungen (3.32) geben die angenommene Form der Regressionsgleichungen fur die Elementkonzentrationen cf^ im Sinter wieder, die nachfolgende Gleichung (3.33) zeigt am Beispiel der Eisenkonzentration die tatsachliche Form einer solchen Gleichung: cr[-]

= fsT'HC..) = tA..-cr

Veee

(3.32)

e'=l

c'pe = c r +0,4757-c^^ +0,9347-c^'' +0,7241-c^''

(3.33)

Ersichtlich ist, dass neben dem Fe-Gehalt in der Aufgabemischung hauptsachlich die Komponenten einen Einfluss auf die Eisenkonzentration ausuben, die im Sintervorgang verfluchtigt werden. Dies ist nachvollziehbar, da sich durch die Verfliichtigung der relative Anteil des Eisens, das nahezu vollstandig in den Sinter eingeht, vergroBert. Auch in den weiteren Konzentrationsgleichungen fur die Sinteranlage, ausgenommen fiir die Alkalien Natrium und KaUum, sind die verfliichtigten Elemente Blei, Chlor und Kohlenstoff die HaupteinflussgroBen. Die Konzentrationen von Natrium und Kalium im Sinter korreUeren gegenseitig sowie mit der Chlorkonzentration. Fiir den spezifischen Anfall an EGR-Staub wird analog zur spezifischen Sintermenge eine Gleichung mit der in Formel (3.34) dargestellten Struktur angenommen: "-REGR

= /«^^(c™) = <^« + Z;fiS,-cr

(3.34)

e=l

Der spezifische Verbrauch an Herdofenkoks wird analog zur Vorgehensweise im Referenzuntemehmen

einzig Uber den spezifischen Massenstrom der Sinterabluft^^,

abgebildet. Dementsprechend wird der Verbrauch an Herdofenkoks uber einen festen Einsatzfaktor je Tonne Aufgabemischung abgebildet. Dieser Faktor wird statt uber einen Simulationslauf bzw. eine Regressionsanalyse aus der Betriebspraxis iibemommen:

m

Im Modell wird der spezifische Massenstrom -^

It]

als konstant angenommen.

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

109

^AGRA

-p.KKG

(3.35)

Der Verbrauch an Kalkmilch in der Abgasreinigungsanlage ist im Wesentlichen abhangig vom Schwefelgehalt der Nettomischung. Der zugehorige Faktor wird wiederum aus der Betriebspraxis iibemommen: (3.36)

=p:i.

Die spezifischen Einsatzmengen an Herdofenkoks und Kalkmilch sind die hauptsachlichen EinflussgroBen auf die Bildung des Ruckstandes aus der Abgasreinigungsanlage der Sinteranlage: 'AGRA

-p,'RAGR.KM '

'+A,RAGR.KKG

(3.37)

^KKG

Ausgehend von dem Hauptinputstrom der Aufgabemischung berechnen die dargestellten Input-Output-Funktionen sowohl die spezifischen Anteile an ein- und ausgehenden Stoffstromen auf der Sinteranlage, in der elektrischen Gasreinigung und der Abgasreinigung sowie die chemische Zusammensetzung des Sinters. Die mittels der Regressionsrechnungen ermittelten

Gleichungen

beschreiben

dabei

die

Simulationsergebnisse

mit

einem

BestimmtheitsmaB zwischen 0,9 und 1.

3.3.3.2

Simulationslaufe und Regressionsanalysen fur den Hochofen

In den Simulationslaufen fiir das Hochofenmodell werden zehn Stoffstromkomponenten und Betriebsparameter auf zwei Niveaus variiert und entsprechend 1024 Simulationslaufe ausgefuhrt. Flir die Leistungsberechnung des Hochofens wird die Menge des eingeblasenen Windes konstant angenommen. Uber die Berechnung einer spezifischen Windmenge [m^/tRe] wird die Leistung induziert:^^ Wegen ihres geringen Einflusses auf den Prozess wird zudem die Verwendung von Zuschlagen nicht berucksichtigt.

Vemachlassigt bleibt dabei, dass mit einer hoheren Koksmenge der Druckverlust iiber die Hohe des Hochofens abnimmt und dadurch die einblasbare Windmenge marginal zunimmt.

110

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

rSA(^SIN\ ^HO .XP PHO -•fsin[C l = O^RE+Z.PRE,e-C,

SIN , oRE , +Psi'C,

KAPITEL 3

(3.38)

Das letzte died in dieser Formel (p^f • c^f) wird dazu verwendet, unterschiedliche Betriebspunkte abzubilden. In praxi werden verschiedene Roheisensorten mit unterschiedlichen Siliziumgehalten produziert. Die Steuerung dieser Betriebspunkte geschieht iiber die Temperatur im Unterofen, die iiber die Windmenge und die Fiillhohe des Ofens gesteuert wird. Insofem hat der Siliziumgehalt im Roheisen Auswirkungen auf die Leistung des Hochofens. Wie in der folgenden Gleichung (3.39) dargestellt, wird die Leistung des Hochofens auf Basis der Regressionsanalyse hauptsachlich durch die Gehalte von Risen, Zink, den Schlackebildnem Silizium und Calcium sowie dem Silizium-Gehalt im Roheisen determiniert:

= 84,5-39,6-c^f-199-c|f-58-(c|f+c^f ; - 2 1 7 - c f

(3.39)

Wie die Leistung des Hochofens sind auch die spezifischen Inputs des Hochofens von der Spezifikation des eingesetzten Sinters und des Si-Gehalts im Roheisen abhangig. Der Verbrauch an Koks bezogen auf die eingesetzte Sintermenge kann wie folgt dargestellt werden: _

'"KK

= /™(c-) = <+X>»-.

SIN ORE ^ RE ^e ^ Hsi ^Si

(3.40)

'"''UN

In der folgenden Gleichung (3.41) ist der spezifische Koksbedarf aus Gleichung (3.40) mit den einzelnen Faktoren angegeben. Die dargestellte Gleichung ist insofem nachvollziehbar, als dass die Stoffstromkomponenten Fe, Zn, die Schlackenbildner Si und Ca die HaupteinflussgroBen bilden: = -0,095 + 0,537-4f+2,69-c|f+0,789-rcf+4"j+2,94-cf

(3.41)

Analog lassen sich die Zusammenhange zwischen Sinterspezifikation und Siliziumgehalt im Roheisen sowie dem spezifischen Output an Roheisen und Schlacke formulieren:

•=/r (c"^)=<+1AZ -cf+Ar -cf

(3.42)

KAPITEL 3

111

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

•fsT{c'']=<+i:PZ-cT+Pf-cf

SL

(3.43)

SIN

Der Anfall des Zinkkonzentrats, des Gichtstaubs und der im Kraftwerk aus dem Hochofengas wiedergewonnenen elektrischen Leistung hangt ebenfalls von dem eingesetzten Sinter sowie der Ofenfahrweise ab. Analog zu (3.42) und (3.43) ergeben sich die folgenden Gleichungen:^^

-=/r (c™)=«r+1 c f -cT+Af -cf -|

r

HK

.GHO

"ZK

^

'"ZK

L sw J 'kWh

./^W

(3.44)

"WJEL

rGHO(^SIN\ ^GHO . \ ^ OGHO = fzK [C ) = OizK +l^PzK,e-Ce e=\

M^rr

SIN.

oRE RE + Psi ' ^Si

(3.45)

E

^EL _ rKW (f^SIN X _ HO ~ JwEiy^ )~^ST

KW V^ oKW SIN nRE RE '^ l_^PsT,e ^e "^ HSi '^Si

(3.46)

_ sm

Zusatzlich zu den anfallenden Mengen ist die chemische Zusammensetzung der resultierenden Stoffstrome von Bedeutung. Analog zu den Gleichungen fiir die Sinteranlage lassen sich diese sich wie folgt angeben:

cf[-]=/r'"'(Q„)=Ezs..-cr

V^G(S

(3.47)

V^G©

(3.48)

V^€(

(3.49)

e'=l E ^GS r _ ] _ rKonzMO (^ ^ - V 'v"^ ^e L \~JGS y^SIN ) ~ Z^/iGS.ce'

• r^^^ ^e,e'

E e

L \~JZK

y^SIN / ~ /^AZK,e,e'

^e'

Somit steht auch fur den Hochofenbetrieb im Referenzuntemehmen ein Satz linearer InputOutput-Funktionen zur Berechnung der ein- und ausgehenden entscheidungsrelevanten Stoffstrome, deren stofflicher Zusammensetzung sowie der ruckgewonnenen Energie zur Verfugung, die geeignet erscheinen, als Basis fiir eine betriebswirtschaftliche ModelUerung zu dienen.

Aus Griinden der Ubersichtlichkeit und Berechenbarkeit in den Entscheidungsmodellen wird auf eine detailliertere Abbildung der Gasreinigung des Hochofens verzichtet. Die anfallende Menge an Reingas ist fiir die betrachteten beriicksichtigt.

Problemstellungen

nicht

entscheidungsrelevant

und

wird

dalier ebenfalls

nicht

112

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

Zusammen mit dem in Abschnitt 3.3.3.1 ermittelten Satz an linearen Input-OutputBeziehungen flir den Sinteranlagenbetrieb werden diese Gleichungen fiir die zu entwickelnden Modelle zur Produktionsprogramm- und Materialeinsatzplanung verwendet. FUr diese Modellentwicklung wird jedoch zunachst im folgenden Abschnitt 3.4 dargestellt, wie die entscheidungsrelevanten monetaren GroBen in diesen Modellen erfasst und gegliedert werden, um fiir die anschlieBenden Modellbildungen eine gemeinsame Modellierungsbasis zu schaffen.

3.4 Erfassung der entscheidungsrelevanten monetaren GroBen Zur Modellbildung flir die Produktionsprogramm- und Materialeinsatzplanung wird in diesem Abschnitt zunachst dargestellt, wie die entscheidungsrelevanten monetaren GroBen fiir diese Modelle erfasst werden. Hierzu wird das Konzept zur entscheidungsorientierten Zurechnung von Umweltschutzkosten (vgl. (Spengler et al., 1998), (Spengler, 1998)), welches auf Arbeiten von (Rentz, 1979) und (VDI, 2001) zuriick geht, auf die taktisch-operative Planungsebene iibertragen. ZielgroBe der Optimierung ist der Deckungsbeitrag DB, der sich gemaB der folgenden Gleichung ergibt: DB = Ep- Ks,„^^^, - i^p,^,,,, - ^,o«.ri5.

(3.50)

Dabei bedeuten: DB:

Deckungsbeitrag [€]

Ep:

Erlose durch den Verkauf der Produkte P [€]

Ks^ffiuss-

Stoffflusskosten [€]

^prozess'

Kostcu fur die ProzessfUhrung [€]

^sonstige '• sonstige entscheidungsrelevante Kosten [€]

Unter Stoffflusskosten werden samtliche entscheidungsrelevanten, durch den Einsatz oder den Anfall eines Stoffstroms verursachten Kosten oder erzielte Erlose zusammengefasst. Hierbei kann es sich auch um Stoffstrome innerhalb des betrachteten Produktionssystems handeln. Die Stoffflusskosten ergeben sich allgemein nach der folgenden Gleichung als Summe der Kosten bzw. Erlose fiir den Einsatz von Roh- und Hilfsstoffen Kj^, Kosten bzw. Erlosen Kf. fiir anfallende Kuppelprodukte sowie Kosten Kg fiir den Einsatz von Betriebsstoffen:

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

113

^ Stomas =^R^^K^^B

(3-51)

Es bedeuten: K^:

Entscheidungsrelevante Kosten bzw. Erlose durch Einsatz von Rohund Hilfsstoffen [€]

Kf^:

Entscheidungsrelevante Kosten bzw. Erlose durch den Anfall von Kuppelprodukten [€]^^

Kg:

Entscheidungsrelevante Kosten durch den Einsatz von Betriebsstoffen [€]

Kosten fur die Prozessfuhrung fassen diejenigen entscheidungsrelevanten Kostenarten zusammen, die durch den Betrieb der Anlagen in einem bestimmten Betriebspunkt anfallen. Diese bestehen allgemein aus den Kosten fiir Personal- und Energieeinsatz A^p^„o«a/ ^^^• Energie '

^Prozess

~ '^Personal

"'' ^Energie

(3.jZ)

Dabei bedeuten: ^Personal'' Entscheidungsrclcvante Kosten durch Personaleinsatz [€] ^Energie' Entschcidungsrelevantc Kosten durch Energieeinsatz [€]

Innerhalb dieses vorgestellten Rahmens werden in den folgenden Abschnitten 3.5 und 3.6 Ansatze zur Produktionsprogramm- und zur Materialeinsatzplanung fiir das Referenzunternehmen entwickelt.

Da im betrachteten Referenzfall der in der Kraftwerksturbine durch Energieriickgewinnung erzeugte Strom aus der Warmeenergie des Gichtgases stammt, wird dieser als Kuppelprodukt unter den betrachtet.

Stoffflusskosten

114

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

3.5 Entwicklung und Anwendung eines Ansatzes zur simulationsgestutzten Produktionsprogrammplanung Ziel dieses Abschnitts ist es, mit den in Abschnitt 3.3.3 auf Basis der verfahrenstechnischen Prozesssimulation bestimmten Input-Output-Funktionen fUr den Sinteranlagen- und den Hochofenbetrieb und dem im vorangegangen Abschnitt entwickelten Modellierungsrahmen ein problemadaquates Modell zur Produktionsprogrammplanung fiir das betrachtete Produktionssystem zu entwickeln, zu implementieren und exemplarisch anzuwenden. Hierzu werden zunachst die Anforderungen

an die Modellentwicklung spezifiziert, bevor

existierende Modelle zur Produktionsprogrammplanung hinsichtlich ihrer Eignung fiir den vorliegenden Fall untersucht werden. In Abschnitt 3.5.3 wird schUeBlich ein eigenes Modell formuUert und werden die Spezifika der Implementierung beschrieben. Es folgt die exemplarische Anwendung, bevor im abschlieBenden Absatz 3.5.5 der im Bereich der Produktionsprogrammplanung verfolgte Ansatz kritisch reflektiert und Schlussfolgerungen gezogen werden.

3.5.1 Anforderungen an die Modellentwicklung In der Produktionsprogrammplanung fiir das betrachtete Produktionssystem sind nicht nur die zu produzierenden Roheisensorten und -mengen fiir den Planungszeitraum festzulegen. Aufgrund des Geschaftsmodells des Untemehmens sind zusatzlich die anfallenden Kuppelprodukte, mit deren positiven oder negativen Ergebnisbeitragen, insbesondere jedoch auch die einzusetzenden Rohstoffe mit den erzielbaren oder zu entrichtenden Preisen und die Wechselwirkungen zwischen den eingesetzten Rohstoffen, deren Spezifikationen und den entstehenden Outputs in die Betrachtungen mit einzubeziehen. Die Anforderungen an das zu entwickelnde Modell zur Produktionsprogrammplanung fiir den betrachteten Fall konnen wie folgt zusammengefasst werden: •

Der zu entwickelnde

Planungsansatz

soil Entscheidungsunterstiitzung

bei der

Produktionsprogrammplanung im Unternehmen leisten. •

Zu bestimmen ist das deckungsbeitragsmaximale Produktionsprogramm sowie simultan die zu dessen Herstellung einzusetzenden Rohstoffe und deren Mischung.

•

Die als Zwischenprodukt fiir die Roheisenproduktion benotigten Sintersorten haben die vorgegebenen Spezifikationen einzuhalten.

KAPITEL 3

•

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

1J_5^

Zu beriicksichtigen ist der Anfall an Kuppelprodukten insbesondere aus der Gasreinigung der Sinteranlage sowie die Auswirkungen der Sinterzusammensetzung auf den Hochofenprozess, insbesondere auf den Verbrauch an Reduktionsmitteln sowie die Menge der erzeugten Outputs (Roheisen und Kuppelprodukte).

•

Der Planungszeitraum soil im taktisch-operativen Bereich liegen, d. h. Planungszeitraume von einem Viertel bis bin zu ca. einem Jahr erfassen konnen. Planungen sollen auf Kampagnenbasis (jeweils ca. 1-2 Wochen umfassend) durchgefuhrt werden.

•

Die Planungslaufe haben auf Basis von Mindest- sowie Hochstabnahmemengen fur das produzierte Roheisen bzw. die eingesetzten Rohstoffe stattzufinden.

•

Es ist zu beriicksichtigen, dass die Rohstoffe im Planungszeitraum u. U. nur in begrenzten Mengen zur Verfugung stehen.

•

Um das benotigte Grundgeriist an Erzeinsatz sowie weitere Vorgaben bzgl. der Mischung machen zu konnen, ist die Abbildung von Mindesteinsatzmengen bzw. -quoten notwendig.

•

Zur moglichen Begrenzung des Einsatzes von Rohstoffen im Allgemeinen sowie von bestimmten Rohstoffen, z. B. von Reststoffen mit nicht erfassten negativen Eigenschaften wie geringer Festigkeit oder kleiner KomgroBe, sind Hochsteinsatzquoten in den Aufgabemischungen zu beriicksichtigen.

•

Die Vorgabe sinnvoller bzw. notwendiger technischer Parameter bzw. Spezifikationen der einzelnen Stoffstrome, wie der Aufgabemischung oder des Sinters, muss moglich sein. Beispiele fiir solche Parameter sind der CI- oder der H20-Gehalt in Aufgabemischung sowie die Basizitat des Sinters.

Im folgenden Abschnitt werden existierende Modelle und Methoden der operativen Produktionsprogrammplanung dahingehend untersucht, inwieweit sie fiir eine Anwendung in dem beschriebenen Anwendungsfall auf Grund der dargestellten Anforderungen in Frage kommen.

116

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

3.5.2 Modelle und Methoden der Produktionsprogrammplanung Da es sich bei der Produktionsprogrammplanung um eine klassische Aufgabenstellung der Produktionsplanung und -steuerung handelt, existiert eine ganze Reihe von Arbeiten, die sich mit Fragestellungen aus diesem Bereich beschaftigen. Zunachst ist das - vomehmlich auf die Fertigungsindustrie bezogene - so genannte Grundmodell der Produktionsprogrammplanung zu nennen, mit dem sich eine Reihe von Autoren beschaftigen (vgl. z. B. (Kiesel, 1971), (Zapfel, 2001) und (Domschke und Drexl, 2002)). Bei diesem Grundmodell handelt es sich um die Bestimmung des deckungsbeitragsmaximalen Produktionsprogramms unter Beriicksichtigung von Kapazitats- und Absatzrestriktionen durch Einsatz der linearen Programmierung (LP). Das Grundmodell bezieht sich auf eine Produktionsstufe und eine Planungsperiode und dient hauptsachlich als Lehrbeispiel fur die lineare Programmierung im Operations Research (vgl. z. B. (Domschke und Drexl, 2002)) sowie fur die Produktionsprogrammplanung (vgl. z. B. (Zapfel, 2001)). Verschiedene Erweiterungen dieses Grundmodells beschaftigen sich z. B. mit der Abbildung von mehrstufigen Produktionsprozessen sowie der Planung fUr mehrere Perioden (vgl. z. B. (Domschke, 2000)), der Einbeziehung der Verfahrenswahl (vgl. (Ewert und Wagenhofer, 2003)), der Kuppelproduktion (vgl. (Buhrens, 1979)) oder des Recycling (vgl. (Corsten, 2000)). Daneben existiert eine Vielzahl an theoretischen und anwendungsbezogenen Arbeiten, die sich dem Problemkreis aus sehr unterschiedlichen Richtungen nahem. Um einen Uberblick iiber die Vielfalt der Arbeiten zu geben, werden im Folgenden exemplarisch einige Arbeiten aus unterschiedlichen Bereichen genannt. Es existieren Arbeiten zur Produktionsprogrammplanung bei Serien- (vgl. z. B. (He6-Kinzer, 1975)) wie auch bei Auftragsfertigung (vgl. z. B. (Corsten, Gossinger und Schneiker, 2001)), aus verschiedenen Lidustriebereichen, beispielsweise der metallverarbeitenden (vgl. z. B. (Kiesel, 1971)), der Stahl- (vgl. z. B. (Chen und Wang, 1997)) sowie der Erdolindustrie (vgl. (Kallrath, 2002)). Daneben wird eine Reihe von Spezialfallen diskutiert, die sich beispielsweise mit der Produktionsprogrammplanung bei betrieblichem Lemen (Werkmeister, 2000), bei nichtlinearem Verlauf der Deckungsbeitragsfunktionen (vgl. (Domschke und Klein, 2000)), kundenspezifischen Deckungsbeitragen (vgl. (Czeranowsky, 1987)), der Problematik der Verwendung von Vollkosten zur Bestimmung der Deckungsbeitrage (vgl. (Berens und Schmitting, 1996)) und auslastungsabhangigen Vorlaufzeiten (vgl. (Lautenschlager, 1999)) beschaftigen. Die Arbeiten von Kayser (vgl. (Kayser, 1978)), Sachs et al. (vgl. (Sachs et al., 1993)), Schweigert und Abt (vgl. (Schweigert und Abt,

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

ri^

1994))) und Kampker und Wienecke (vgl. (Kampker und Wienecke, 2001)) beschaftigen sich mit der EDV-technischen Unterstutzung der Produktionsprogrammplanung. Ein weites Spektrum an zur Anwendung kommenden Methoden tragt der Vielfalt an Problemstellungen Rechnung. Sehr haufig eingesetzt werden Methoden der mathematischen, insbesondere der linearen bzw. der gemischt-ganzzahligen Programmierung (vgl. z. B. (Kallrath, 2002), (Chu, 1995)). Daneben werden aber auch die stochastische Programmierung (vgl. z. B. (Anandalingam, 1987)), diverse Heuristiken (vgl. z. B. (Adenso-Diaz und Laguna, 1996)) sowie flexible Planungsansatze, wie die opportunistische Koordinierung (vgl. (Corsten, Gossinger und Schneiker, 2001)) eingesetzt. Im Folgenden werden ausgewahlte Ansatze skizziert, die aufgrund der abgebildeten Problemstellung oder der verwendeten Methodik flir die Modellbildung im Referenzfall relevant sind. Ein allgemeiner Ansatz von Klingelhofer (vgl. (Klingelhofer, 2000)) beschaftigt sich mit der Integration der Abfallentstehung und -entsorgung in die Produktionsprogrammplanung. Die Abfallentstehung wird als Kuppelproduktion mit starren Verteilungskoefflzienten (vgl. Abschnitt 2.1.2) aufgefasst und der Kuppelproduktanfall mit den Kosten der Entsorgung bewertet. Das Modell der Produktionsprogrammplanung wird als lineares Programm aufgestellt. Das Modell zum operativen Stoffstrommanagement stationar betriebener verfahrenstechnischer Systeme von Penkuhn (vgl. (Penkuhn, 1997)), kann auch als Produktionsprogrammplanungsmodell bei Kuppelproduktion interpretiert werden. Aufbauend auf der Input-OutputAnalyse wird ein nichtlineares Planungsmodell entwickelt, das sich zur Abbildung der InputOutput-Beziehungen thermodynamischer Transformationsfunktionen (vgl. Abschnitt 3.2.1.3) bedient. Diese beruhen auf Massen- und Energiebilanzen, die liber stationare fliefischemabasierte Prozesssimulation (vgl. Abschnitt 3.2.2.4) ermittelt werden. Der Ansatz wird auf das Beispiel einer fiktiven Ammoniaksynthese nach dem AMV-Verfahren angewendet. Da der Ansatz auf stationar betriebene verfahrenstechnische

System fokussiert

ist, wird

ausschlieBlich ein Produkt in einer Planungsperiode betrachtet. Auch im Bereich der Eisen- und Stahlindustrie

gibt es bereits Arbeiten zur

Produktionsprogrammplanung. Ein Ansatz von Koch et al. (vgl. (Koch, Pethke und Schwinn,

118

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

1991)) beschaftigt sich mit der Produktionsprogrammplanung zur kostenminimalen Erfullung eines Absatzplans. Entscheidungsvariablen sind die in vier Hochofen jeweils zu produzierenden Mengen an Roheisen und die Parameterkonstellationen so genannter primarer und sekundarer EinflussgroBen. Unter primaren EinflussgroBen werden technisch und monetar bewertbare GroBen wie die eingesetzten Stoffstrome Wind, Moller, Koks, resultierenden Stoffstrome wie Gichtgas, Schlacke sowie technischer Parameter wie z. B. der Windfeuchte

und

-temperatur

verstanden.

Sekundare

EinflussgroBen

bezeichnen

verschiedene, vorwiegend technische Restriktionen wie Formengasmenge und -temperatur, Permeabilitat und Schlackenbasizitat, denen direkt keine Kosten zugeordnet werden konnen. Aus Betriebsdaten werden iiber Regressionsgleichungen fiir jeden der betrachteten Hochofen Gleichungen flir die Hochofenleistung, den Koksverbrauch, die Permeabilitat, die Gichtgasmenge und den Sauerstoffverbrauch in Abhangigkeit von den EinflussgroBen bestimmt. Ftir jeden Hochofen wird jeweils ein lineares Programm zur Bestimmung der kostenminimalen Parameterkonstellation bei vorgegebener Hochofenleistung aufgestellt und gelost. Das eigentliche Produktionsprogrammplanungsproblem wird auf analytischem Wege bestimmt: Die Leistung wird in der moglichen Bandbreite variiert und die jeweiligen spezifischen Kosten flir eine Tonne Roheisen bestimmt. Mit Hilfe einer quadratischen Regressionsanalyse werden quadratische Polynome bestimmt, die diese spezifischen Kosten abbilden. Diese werden differenziert und die erhaltenen linearen Grenzkostenverlaufe in Abhangigkeit von der Ofenleistung dazu verwendet, die kostenminimale Produktionsaufteilung zwischen den Hochofen zu bestimmen. Als Beispiele flir weitere Arbeiten zur Produktionsprogrammplanung in der Eisen- und Stahlindustrie seien die Ansatze von Bielefeld et al. (vgl. (Bielefeld, Walter und Wartmann, 1986)) sowie Baker et al. (vgl. (Baker et al., 1987)) genannt. Fiir einen Uberblick iiber weitere Arbeiten aus der Eisen- und Stahlindustrie sei auf den Uberblicksartikel von Dutta und Fourer verwiesen (vgl. (Dutta und Fourer, 2001)). Die Ansatze auf Basis der mathematischen Programmierung scheinen im betrachteten Fall prinzipiell geeignet zur Abbildung der Produktionsprogrammplanung. Fiir verschiedene Anwendungsfalle existieren mehrstufige, mehrperiodige Modelle. Auf diese Weise wurde daneben auch der Anfall von Kuppelprodukten mehrfach abgebildet. Bislang ist jedoch die Abbildung der den Anwendungsfallen zugrunde liegenden Prozesse meist nur unzureichend gelost. Gerade im vorliegenden Fall, in dem mit wechselnden Einsatzstoffmischungen gearbeitet wird, die verwendeten Rohstoffe groBe Auswirkungen einerseits auf die Kosten

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

V\9_

bzw. Erlose durch den Rohstoffeinsatz, andererseits auf die Produktivitat und Qualitat des Output haben, ist diese von besonderer Bedeutung. Der Ansatz von Penkuhn beriicksichtigt mit den von ihm eingefuhrten thermodynamischen Transformationsfunktionen zwar diese Aspekte, eine Anwendung im vorliegenden Fall wird jedoch dadurch erschwert, dass Penkuhn einen stationar betriebenen Prozess, lediglich ein Produkt und eine Periode betrachtet. Die Berechnung der thermodynamischen Transformationsfunktionen fiir jeden verschiedenen Betriebszustand sowie die Nichtlinearitat der Transformationsfunktionen

lassen eine

Anwendung fiir eine operative Planung als nicht zielfuhrend erscheinen. Im Rahmen dieser Arbeit ist daher ein eigenes Produktionsprogrammplanungsmodell zu entwickeln, das die genannten Probleme uberwindet und die in Abschnitt 3.5.1 dargestellten Anforderungen erfiillt. Als geeignet erscheint hier die mathematische, insbesondere die lineare bzw. gemischt-ganzzahlige Programmierung. Das zu entwickelnde Modell kann auf existierenden Arbeiten aufbauen und liber die in Abschnitt 3.3.3 bestimmten Input-OutputBeziehungen die geforderte Abbildungsgenauigkeit der zugrunde liegenden Prozesse erreichen. Im folgenden Abschnitt wird die Entwicklung dieses Modells naher beschrieben.

3.5.3 Entwicklung eines Ansatzes zur simulationsgestutzten Produktionsprogrammplanung 3.5.3.1

Modellformuiierung

Fur die Formulierung des Modells zur Produktionsprogrammplanung werden zunachst die benotigten Indexmengen, Modellparameter und Entscheidungsvariablen definiert. Diese sind im Folgenden dargestellt (zur Bezeichnung der Anlagen und Stoffstrome vgl. Abbildung 3-6): Indexmengen Qi

M e n g e der betrachteten Anlagen a, ^ = {SA, EGR, AGRA, HO,GHO}

^

Menge der berucksichtigten Stoff- und Energiestrome m, {NM,SIN,SAL,VSAL,KKG,KM,RGS,RAGR,

[REGR, KK,WI, RE, SL, GG, ZK,WEL, RGH,GS

^ c^

Menge der berucksichtigten Kuppelprodukte b, S8 = {RGS, RAGR, REGR, SL, ZK,WEL, RGH,GS}

e

Menge der berucksichtigten Elemente und Verbindungen e

120

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

^p

Menge der berucksichtigten Produkte p (Roheisensorten)

9t c ^

Menge der berucksichtigten Roh- und Hilfsstoffe r, Dl = {NM,KKG,

KM,ZS, KK,WI] ,

wobei NM eine Mischung der Rohstoffe NMi,..., NMn ist ^

Menge der berucksichtigten Perioden t, ^ = {l,..,7}

r

Hauptinputstrom auf Anlage ae*^, r cz^

O"

Hauptoutputstrom auf Anlage a e 51, O" c 0)?

Modellparameter A

Anzahl der Anlagen « e Qi [-]

B

Anzahl der Kuppelprodukte ^e 33 [-]

cj

Minimale Konzentration von ElementA^erbindung e in Massenstrom m

c''^

Maximale Konzentration von ElementA^erbindung e in Massenstrom m

E

Anzahl der Elemente und Verbindungen ee^

k^

Kosten bzw. Erlose fiir Roh- oder Hilfsstoff r auf Anlage a [€/t]

k^

Kosten bzw. Erlose fiir Kuppelprodukt b auf Anlage a [€/t]

BN

GroBe Zahl [-]

M

Anzahl der Stoffstrome me^

m^

Maximale GroBe des Stoffstroms m [t]

m^

Minimale GroBe des Stoffstroms m [t]

P

Anzahl der Produkte pG^

Pp

Erzielbarer Verkaufspreis fiir Produkt pe^

R

Anzahl der Roh- und Hilfsstoffe r G 3t [-]

S

Menge der zu sintemden Nettomischung [t]

SBF

Sintereinsatzmenge im Hochofen [t/d]

SN

Kleine Zahl [-]

T

Anzahl der beriicksichtigten Perioden (Planungshorizont)

[-]

[-]

[-] [€/t]

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

121_

x^^

Minimaler Anteil von Roh-/Hilfsstoff r in der Nettomischung [-]

jc/^

Maximaler Anteil von Roh-/Hilfsstoff r in der Nettomischung [-]

Zg^^

Basizitat des Sinters [-]

S^^

Maximale Anzahl an Roh-/Hilfsstoffen in der Nettomischung [-]

CJ^

Vektor der Konzentrationen cj von Element/Verbindung ^ e S in

Variablen

Massenstrom me^

fiir Produkt /?E ^ in Periode te X

m^ f

Bin- oder ausgehender Massenstrom m auf Anlage aeOi in Periode t

^R,p,t

Vektor der spezifischen Anteile x^"^, der Roh-/Hilfsstoffe r e 9t in der Einsatzmischung auf Anlage aeOi fiir Produkt /? G "P in Periode / e 5

^B,p,t

Vektor der spezifischen Anfallmengen x^^^ der Kuppelprodukte be^ auf Anlage aeOi fiir Produkt pe%> in Periode t e t bezogen auf eine Tonne Aufgabemischung

y^j

Binarvariable, die angibt, ob Produkt /?e ^ in Periode te X produziert wird {y^^ = 1) oder nicht (y^^ = 0)

S^ ^,

Binarvariable, die angibt, ob Roh-/Hilfsstoff r e Dt Teil der Nettomischung ist oder nicht

Mit Hilfe dieser GroBen lasst sich das Modell zur Produktionsprogrammplanung als gemischt-ganzzahliges lineares Programm (MILP) formulieren: Maximiere

Zielfunktion DB-'^^tip^ m - ™ -tttkrK. f=l p ^ \

f-1 a=\ r=l

-ttt^:

•<

(3-53)

?-l a=\ b=\

unter den Nebenbedingungen

jlyp,=^

V^G5

(3.54)

122

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

E C = yp..

KAPITEL3

Vpe^,\ftet

(3.55)

^^^ ®' P^^> ^'s ^

(3-56)

x'^^^-BN'yp^<0

\/rE?i{, Vpe'P, V f e ^

(3.57)

x'^^^^^+BN-{\-y^^^)>SN

VreDt, V p e ^ , Vre^l

(3.58)

ypy£.7,p^
V ^ E S , VpG^, VmeO)?

(3.59)

< ^ , < c j;^

V^G (^, V/7 G ^ , Vm G 9)?

(3.60)

(C.+O..)-100<X;:L,,

VpG^,

(3.61)

J..-^X.e^(C.+Ccro..)-100

VpG^, VrG^

(3.62)

C . / < , . . =4 :

VpGT3,VrG^

(3.63)

<;. = C

V« G 9i, V^G (5, V/7 G T), Vr G ^ (3.64)

r=\

C =E< - C r=l

(C)

rKonz,a/y-yI'' \ b '-e,p,t ~ Je,b ^^p,t^

yte^

yae i2i, VZ7GQ3, V^Gg, V/7G^, V r G ^

(3.65)

m^,=PL'SBF-f^"''{C'J^)

V/?G^, V ^ G 5

KP,. = PL'S-K {€';,)

V « G 2 1 , VZ7GQ3, V p G ^ , VrG^(3.67)


±r,p - ^r,p,t

C^^"

VflGi9I\{5A}, V/7G^, V r G 9 l , V r G 5

(3.66)

(3.68)

VrGDl,V/7G^

(3.69)

"^re^a^ypelf^

(3.70)

VrG9^

(3.71)

VrG^l

(3.72)

V/7G^

(3.73)

t=\ p=\

m^<j:j:pL-s-xz, t=l p=\

T

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

m,<X'«,,,

VpeT)

123^

(3.74)

t=[

V/?G^,

R

VaG9I, V ^ G ^ , V^G(2, ymem,

\/tet

(3.75)

V r G ^ l , V/?G^, V r e ^

(3.76)

Vre9^, V/7€^, V ^ G 5

(3.77)

^re^,

V/?G^, V / G ^

(3.78)

Die Zielfunktion (3.53) maximiert den aus den im Planungszeitraum durch Roheisenverkauf erzielbaren Erlosen und durch Einsatz von Rohstoffen und Kuppelproduktion anfallenden Kosten bzw. erzielbaren Erlosen entstehenden Deckungsbeitrag. Damit werden samtliche verursachungsgerecht zurechenbaren entscheidungsrelevanten monetaren GroBen erfasst.

Der Optimierung liegen folgende Restriktionen zugrunde: Die Gleichungen (3.54) stellen sicher, dass in jeder Periode exakt eine Sorte Roheisen hergestellt wird und es somit zu keinen Ofenstillstanden kommt. In den Nebenbedingungen (3.55) wird die Vollstandigkeit der Nettomischung gefordert. Wird in Periode t die Roheisensorte p produziert, miissen sich die Mischungsanteile zu Bins addieren. Wird Roheisensorte p in Periode t nicht produziert, so darf kein Rohstoff hierfur anteilsmafiig verwendet werden. Die Nebenbedingungen (3.56) berechnen die Konzentrationen der Elemente und Verbindungen e in den Nettomischungen fiir die Roheisensorte/? in Periode t. Mit Hilfe von (3.57) und (3.58) wird sichergestellt, dass x^^^^^ tatsachlich nur dann ungleich Null sein kann, wenn die Roheisensorte p in Periode t auch produziert wird. Es handelt sich bei den beiden Gleichungen um eine so genannte BigM-Formulierung^^ zur Linearisierung der folgenden Funktion:

y^^^=\ [O

^'^''1 '''' sonst

(3.79)

Die Gleichungen (3.59) und (3.60) dienen der Sicherstellung der chemischen Spezifikation der Stoffstrome m fiir die jeweilige Roheisensorte p in alien Perioden t. Durch die Multiplikation der Konzentrationsvorgabe c^"^^ mit der Binarvariablen y^^ in den Nebenbe-

Zu Big M-Formulierungen vergleiche z. B. (Kallrath und Wilson, 1997).

124

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

dingungen (3.59) sind diese Gleichungen auch in den Perioden erfullbar, in denen die Konzentrationen c^^, Null sind, da die Roheisensorte p in dieser Periode nicht hergestellt wird. In Bezug auf die Aufgabemischung werden liber diese Gleichung insbesondere die Feuchtigkeit des Sinters, der Kohlenstoff- sowie der Chlorgehalt eingestellt. Fur die Sintersorten

dienen

sie

dazu,

die

Mindest-

und

Hochstkonzentrationen

der

Stoffstromkomponenten vorzugeben. Daneben sind weitere Spezifikationen der Stoffstrome notwendig. Fiir die Aufgabemischung ist der Schlackegehalt iiber die Summe der Si02- sowie der CaO-Anteile vorzugeben. Dies geschieht in den Restriktionen (3.61) und (3.62). Zusatzlich dazu wird in (3.63) die Basizitat der Sintersorten/? als das Verhaltnis der CaO- zur Si02-Konzentration im Sinter eingestellt.^^ Mit Hilfe der in Abschnitt 3.3.3 ermittelten InputOutput-Funktionen wird in den Gleichungen (3.64) die Konzentration der Elemente und Verbindungen e in den Hauptoutputstromen der Anlagen berechnet. In den Gleichungen (3.65) erfolgt diese Konzentrationsberechnung fiir die weiteren ausgehenden Stoffstrome der Kuppelprodukte b. Ebenfalls auf Basis der in Abschnitt 3.3.3 bestimmten Input-OutputFunktionen werden in den Gleichungen (3.66), (3.67) und (3.68) die Massenstrome auf den Anlagen a in den Perioden t fiir die eingesetzten Rohstoffe (mit Ausnahme der separat betrachteten Sinteranlage), anfallenden Kuppelprodukte und das herzustellende Roheisen berechnet. Hier ist eine Multiplikation des Absolutglieds in den Input-Output-Funktionen mit der Binarvariablen y^^^ notwendig. Die spezifischen Verbrauchs- bzw. Produktionsmengen werden jeweils mit der Periodenlange PL [d] und der Sinteranlagenkapazitat S [t/d] multipliziert. Im Falle der Roheisenmenge wird statt der Sinteranlagenkapazitat die Menge des im Hochofen einsetzbaren Sinters SBF verwendet. In Kombination mit der Vorgabe der Anzahl an Planungsperioden besteht somit die Moglichkeit, mit der Periodenlange das Zeitraster fiir die Planung flexibel zu gestalten. Die weiteren (Un-)gleichungen dienen der Abbildung okonomischer Restriktionen bzw. von Benutzervorgaben. So werden in (3.69) und (3.70) eine minimale bzw. maximale Verwendung von Rohstoffen in den Nettomischungen gefordert. Diese ist notwendig, um beispielsweise die Praxis abzubilden, dass jeweils ein bestimmter Anteil an Erz die Basis einer Mischung bildet oder um einen zu hohen Anteil einzelner Rohstoffe in den Mischungen

In der Literatur sind auch andere Definitionen der Basizitat gebrauchlich (vgl. z. B. (Fabian, 1967) oder (Koch, Pethke und Schwinn, 1991)). Die angegebene KenngroBe wurde gewahlt, da iiber diese die Steuerung der Sinterbasizitat im Referenzunternehmen vorgenommen wird.

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

1 ^

zu verhindem. Um die Erfullbarkeit von (3.69) zu gewahrleisten, wird der Mindesteinsatzanteil von ^cf^^ wiedemm mit der Binarvariablen y^^ multipliziert. Der Tatsache, dass die Rohstoffe nur in begrenzten Mengen zur Verfugung stehen, wird in den Ungleichungen (3.71) liber eine Einsatzrestriktion Rechnung getragen. Mindestverwertungsmengen werden durch (3.72) abgebildet. Die Restriktionen (3.73) und (3.74) berlicksichtigen Absatzgrenzen und Lieferverpflichtungen fur einzelne Roheisensorten. Altemativ kann eine Vorgabe von Absatzbeschrankungen und Lieferverpflichtungen auch liber eine Vorgabe der Anzahl an Perioden erfolgen, in denen eine Roheisensorte mindestens oder maximal produziert werden soil. Geben T^ und 7^ diese Anzahl der Perioden an, lauten die entsprechenden Ungleichungen wie folgt:

Ey,,,^7;

VpeD

(3.80)

l^^JLyp..

^A's1>

(3.81)

f=l

Mit Hilfe einer weiteren Big-M-Formulierung wird in den Nebenbedingungen (3.75) bis (3.77) abgebildet, dass nur eine begrenzte Anzahl an Rohstoffen in der jeweiligen Mischung eingesetzt werden kann. Hierzu wird die Binarvariable S^^^ eingefuhrt, die angibt, ob Rohoder Hilfsstoff r in Periode t zur Produktion von Sinter fiir die Roheisensorte p eingesetzt wird oder nicht. SchlieBlich wird in (3.78) die Nichtnegativitat der Entscheidungsvariablen gefordert.

3.5.3.2

Implementierung des Ansatzes

Da die allgemeine Struktur des integrierten Entscheidungsunterstutzungssystems SCOPE, in dem der Ansatz zur Produktionsprogrammplanung implementiert wird, bereits in Abschnitt 3.2.4 vorgestellt wurde, werden an dieser Stelle lediglich die Spezifika der Implementierung in Bezug auf die Produktionsprogrammplanung erlautert. Die flir die Planung notwendigen Daten werden vollstandig durch die Grunddaten in SCOPE bereitgestellt. Im Rahmen der grafischen Benutzeroberflache ist es dem Nutzer moglich, sich Uber ein Formular die wesentlichsten Planungsparameter fiir die Produktionsprogrammplanung anzeigen zu lassen bzw. diese zu verandern. Links zu weiteren Formularen ermoglichen den Zugriff auf Grunddaten, wie etwa die Sinterspezifikationen oder allgemeine Planungs-

126

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

parameter. Abbildung 3-22 zeigt das genannte Formular. Der Start eines Optimierungslaufs erfolgt aus dem Formular heraus in zwei Schritten. Durch den Klick auf die Schaltflache „Include-Dateien erstellen" werden die fiir die Planung erforderlichen Daten aus der Datenbank ausgelesen und in Form der Eingabedatei scope-mps.inc geschrieben. Diese Datei kann anschlieBend angezeigt werden. Dies dient der Kontrolle der Planungsparameter vor Start des z. T. zeitintensiven Optimierungslaufs und soil Fehlplanungen verhindern. Durch Klick auf die Schaltflache „Optimierungslauf starten" wird die Stapelverarbeitungsdatei scope-mps.bat aufgerufen, die GAMS mit der Modelldatei scope-mps.gms und der Eingabedatei aufruft. Die GroBe des durch GAMS aufgebauten Modells und damit indirekt auch die fiir die Losung benotigte Zeit ist im Wesentlichen abhangig von der Anzahl der betrachteten Perioden, Rohstoffe und Roheisensorten. Nach erfolgter Berechnung kann die erzeugte Datei angezeigt Oder in SCOPE eingelesen werden und steht fiir Berichte und weitere Auswertungen zur Verfiigung. Das Ergebnisformular, in dem die Ausgabe erfolgt, ist in Abbildung 3-23 dargestellt. Im folgenden Abschnitt wird der entwickelte und implementierte Planungsansatz exemplarisch angewandt.

Abbildung 3-22: Screenshot der Benutzermaske zur Produktionsprogrammplanung

KAPITEL3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

127

Abbildung 3-23: Screenshot des Ergebnisformulars zur Produktionsprogrammplanung

3.5.4 Anwendung des Ansatzes zur simulationsgestutzten Produktionsprogrammplanung Es ist Ziel dieses Abschnitts, den in den vorangegangenen Abschnitten entwickelten und implementierten Ansatz zur Produktionsprogrammplanung exemplarisch anzuwenden. Zunachst werden in einem Basisszenario grundlegende Ergebnisse der Produktionsprogrammplanung dargestellt und analysiert. Im Rahmen einer Szenarioanalyse werden anschliefiend die Auswirkungen von Parametervariationen der Stoffflusskosten naher untersucht.

3.5.4.1

Definition der Planungsszenarien

Ausgangspunkt der Modellanwendung ist ein auf Basis realistischer Parameterwerte erstelltes Basisszenario.^^ Es wird eine Planung fur den Zeitraum eines Jahres, d. h. von 52 Perioden mit einer Lange von jeweils sieben Tagen fiir die in Tabelle 3-7 dargestellten sechs Grundtypen von Roheisensorten mit den angegebenen Parametem durchgefuhrt. Es handelt sich hierbei um Standardroheisen mit unterschiedlichen Siliziumgehalten, ein chromhaltiges

Diesem Basisszenario liegt eine reale Parameterkonstellation aus der industriellen Praxis zugrunde. Daher werden die monetaren GroBen in Geldeinheiten (GE) bzw. bei Parametervariationen in relativen Anderungen angegeben.

128

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

Roheisen mit niedrigem Siliziumgehalt, das Okoroheisen genannt wird und ein phosphorhaltiges Roheisen, so genanntes Phosphorroheisen, ebenfalls mit niedrigem Siliziumanteil.

Tabelle 3-7: Roheisensorten, -preise und Absatzmengen im Basisszenario^^ Preis

Maximale Absatzmenge [t/a]

1,00

100

18.880

1,5-2,5

2,00

96

47.200

13.500

Standardroheisen

2,5-3

2,75

99

89.680

33.100

Standardroheisen

3-4

3,50

103

51.920

18.100

Okoroheisen

0,2-1,5

1,00

89

84.960

31.200

Phosphorroheisen

0,2-3,5

1,00

117

18.880

5.500

311.520

106.320

Roheisensorte

Si-Gehalt [Gew.-%]

Standardroheisen

0,2-1,5

Standardroheisen

Si-Gehalt eingestellt [Gew.-%]

Summe

minimale Absatzmenge [t/a]

4.920 1

Als weitere Datengrundlage fUr die Berechnungen werden die 54 Rohstoffe aus der Rohstoffdatenbank des Untemehmens verwendet, die in den vergangenen Jahren die mengenmaBig groBten Anteile ausmachten. Es wird unterstellt, dass das Untemehmen im Bezug der Rohstoffe vollkommen frei ist, d. h. alle Rohstoffe in ausreichender Menge vorhanden sind und keine Abnahme- bzw. Verwertungsverpflichtungen ftir Rohstoffe vorUegen. Die Basis der Mischungen stellt eine Feinerzsorte dar, die zu mindestens zehn Prozent in den Mischungen einzusetzen ist. Als weitere Parametervorgaben werden analog zur Betriebspraxis die in der folgenden Tabelle 3-8 dargestellten Werte verwendet.

^ Wie in Abschnitt 3.1.1.3 beschrieben, werden im betrachteten Produktionssystem acht Grundtypen von Roheisensorten unterschieden. Fiir dieses Basisszenario werden diese zu sechs Sorten zusammengefasst. Eine Einteilung in acht Sorten wiirde fiir das Standardroheisen zu einer weiteren Differenzierung hinsichtlich des Siliziumgehaltes fuhren. Diese Klassen besaBen jedoch z. T. Absatzmengen unter der GroISe einer Kampagne und werden daher mit anderen Klassen zusammengefasst.

KAPITEL 3

129

SIMULATIONSGESTOTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

Tabelle 3-8: Wesentliche Planungsparameter der Produktionsprogrammplanung Planungsparameter

Wert

Parameter Aufgabemischung (netto) - min. Kohlenstoffgehalt

5,00 Gew.-% 6,00 Gew.-%

- max. Kohlenstoffgehalt 1 - max. HgO-Gehalt

13,00 Gew.-%

- max. Cl-Gehalt

0,22 Gew.-%

Parameter Sinter -Basizitat(x^:,/x;:)

0,92

- min. Anteil Schlackebildner (x^ + C )

13,00 Gew.-%

- max. Anteil Schlackebildner {x'^^^ +x2 )

17,00 Gew.-%

Weitere Grundlage bilden die chemischen Spezifikationen der Sintersorten. Es kommen drei unterschiedliche

Sintersorten

zum

Einsatz:

Standardsinter

(E-Sinter)

fUr

die

Standardroheisensorten, Okosinter fur das Okoroheisen und Phosphorsinter fiir das Phosphorroheisen. Wie in Tabelle 3-9 dargestellt, unterscheiden sich die chemischen Spezifikationen der Sintersorten lediglich hinsichtlich der minimalen und maximalen Anteile von Chrom und Phosphor. Die Ergebnisse der Planungen und die Wirtschaftlichkeit des Prozesses sind von der Situation auf den Rohstoff- und Absatzmarkten abhangig. Die Preise fiir die Rohstoffe zur Metallerzeugung sind in den vergangenen Jahren stark angestiegen (vgl. z. B. (Wagner und Wellmer, 2004), (Ameling, 2004)). Besonders hiervon betroffen war das Reduktionsmittel Koks. Beispielsweise stieg der durchschnittUche Preis fiir chinesischen Koks^^ von 55 $/t 1999 auf 70 $/t im Jahr 2002 und ca. 114 $/t im Jahr 2003. Im Jahr 2004 waren 470 $/t zu zahlen. Mittelfristig wird mit einer Stabilisierung auf Preise im Bereich von 180 - 200 $/t gerechnet (vgl. (Kasperczyk, 2004)). Allerdings ist diese keineswegs als gesichert anzusehen, da sie insbesondere von der weiteren Exportpolitik Chinas, etwaigen Kapazitatszubauten und der Nachfragesituation abhangig ist. Zu den Kokspreisanstiegen kommen aktuell auch Verteuerungen des Erzpreises, fiir den im Jahr 2005 Untemehmen wie z. B. die Nippon Steel Corporation und Arcelor S.A. Preissteigerungen von mehr als 70 % akzeptiert haben (vgl. (NSC, 2005), (HB, 2005a)). Da Erz im Referenzuntemehmen als Basis der Sintermischung

12,5 %Asche, FOB China.

130

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

verwendet wird, sind auch diese Schwankungen bedeutsam, wenngleich im Vergleich zu Untemehmen, die hauptsachlich auf Basis von Primarrohstoffen arbeiten, in einem deutlich geringerem Mafie. Ausschlaggebend fiir die Wirtschaftlichkeit der Produktionsprozesse in der Eisen- und Stahlindustrie ist, inwieweit diese Verteuerungen an Kunden (Roheisenkaufer) und Lieferanten der zu verwertenden Reststoffe weitergegeben werden konnen. Zielsetzung der im Folgenden definierten fiinf Szenarien und durchgefuhrten Berechnungen ist es daher, exemplarisch die Auswirkungen verschiedener Parametervariationen der Reduktionsmittel-, Erz-, Roheisen- und Verwertungspreise zu analysieren.

Tabelle 3-9: Chemische Spezifikationen der Sintersorten Stoffstromkomponente

Norma Isinter

Phosph orsinter

Okos inter min. [Gew.-%]

max. [Gew.-%]

min. [Gew.-%]

max.

min. [Gew.-%]

max. [Gew.-%]

Fe

52

58

52

58

52

58

Zn

0

3

0

3

0

3

NBZO

0

0,35

0

0,35

0

0,35

K2O

0

0,3

0

0,3

0

0,3

CaO

0

10

0

10

0

10

Si02

0

11

0

11

0

11

AI2O3

0

1,7

0

1,7

0

1,7

MgO

0

1,4

0

1,4

0

1,4

Mn

0

1

0

1

0

1

P

0

0,062

0

0,062

0,39

0,7655

Pb

0

1

0

1

0

1

Cr

0

0,06

0,3

0,5

0

0,06

[Gew.-%] 1

Szenario I folgt den jUngeren, auf der Rohstoff- und der Absatzseite ungunstigen Veranderungen. Es wird angenommen, dass sich das im Prozess eingesetzte Erz um 70 % verteuert. Zudem wird unterstellt, dass es zu weiteren Kokspreissteigerungen in Hohe von 50 % kommt. Die Verwertungspreise fiir die Reststoffe werden als konstant angenommen, was sich zum Beispiel durch die derzeit vergleichsweise niedrigen Deponiepreise erklaren lieBe. In diesem Szenario wird zudem unterstellt, dass sich eine 35-prozentige Erhohung der Roheisenpreise mit der Begriindung der Rohstoffpreisanstiege am Markt durchsetzen UeBe.

KAPITEL 3

131

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

In Szenario II wird von einer moderateren Entwicklung ausgegangen. Es wird eine 40-prozentige Verteuerung des eingesetzten Erz angenommen. Hinsichtlich des Kokspreises wird davon ausgegangen, dass dieser unverandert auf dem vergleichsweise hohen Niveau des Basisszenarios bleibt. Fiir die Roheisenpreise wird wiederum eine Erhohung urn 35 % fur moglich gehalten. Zusatzlich ist eine Erhohung der Verwertungspreise um 10 % durchsetzbar. Das Szenario III unterstellt einen nochmals geringeren Anstieg des Erzpreises (25 %) bei einem riicklaufigen Kokspreis (-25 %). Der Kokspreis entsprache dabei in etwa dem o. g. Wert bei einer mittelfristigen Entspannung. Es wird wieder eine unter den Rahmenbedingungen vergleichsweise hohe Preissteigerung fiir die Roheisensorten in Hohe von 20 % angenommen. Hinsichtlich der Rohstoffverwertung wird ebenfalls eine gunstige Entwicklung in Form einer Steigerung von 25 % vorausgesetzt. Szenario IV stellt eine Situation dar, wie sie vor den groBen Preisanstiegen Mitte bis Ende 2002 auf den Rohstoff- und Absatzmarkten anzutreffen war. Im Vergleich zum Basisszenario ist der Erzpreis um 30 % verringert. Der Kokspreis betragt 50 % des im Basisszenario zugmnde gelegten Preises und die Annahmepreise der weiteren Rohstoffe werden um 15 % verringert. Ebenfalls um 50 % reduziert sind die Roheisenpreise. Die ubrigen Planungsparameter bleiben mit Ausnahme der Mindestproduktionsmengen gegeniiber dem Basisszenario unverandert. Auf letztere wird in den vier Szenarien verzichtet, um die Freiheitsgrade der Optimierung zu erhohen. Die folgende Tabelle 3-10 fasst die Annahmen der vier Szenarien zusammen:

Tabelle 3-10: Parameterveranderungen im Vergleich zum Basisszenario ^^^^^^enario Parameter

Szenario 1

Szenario II

Szenario III

Szenario IV

^ ^ ^ ^ ^

Erzpreis

+ 70 %

+ 40 %

+ 25 %

-30%

Kokspreis

+ 50 %

±0%

- 25 %

-50%

Ubrige Rohstoffpreise

±0%

+ 10%

+ 20 %

-15%

Roheisenpreise

+ 35 %

+ 35 %

+ 20 %

-50%

132

3.5.4.2

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

Exemplarische Ergebnisse der Modellanwendung

Im Folgenden werden die unter Vorgabe der angefiihrten Parameter erzielten Ergebnisse dargestellt. Aus Griinden der Ubersichtlichkeit und um Redundanzen zu vermeiden, werden an dieser Stelle hauptsachlich die fiir die Produktionsprogrammplanung spezifischen Ergebnisse betrachtet und auf detaillierte Betrachtungen beispielsweise der chemischen Zusammensetzungen der Aufgabemischung und des Sinters verzichtet. Diese Betrachtungen finden im Rahmen der Anwendung des im Abschnitt 3.6 entwickelnden Modells zur Materialeinsatzplanung statt, das auf den gleichen Formeln zur Abbildung der Input-OutputBeziehungen basiert. Da sich diese Betrachtungen auf die nahezu gleichen Parameterkonstellationen beziehen, sind die Ergebnisse Ubertragbar. An dieser Stelle werden zunachst die Ergebnisse des Basisszenarios naher betrachtet, bevor auf die durch die Parametervariationen in den Szenarien I bis IV hervorgerufenen Auswirkungen eingegangen wird. Im Basisszenario berechnet der Optimierungslauf die in Abbildung 3-24 dargestellten optimalen Produktionsmengen an Roheisen. Wahrend fiir die ubrigen Roheisensorten nahezu die maximale Absatzmenge erreicht wird, betragt die Produktionsmenge fiir das Standardroheisen mit 2 % Silizium nur etwas mehr als die Mindestproduktionsmenge. Auch beim Okoroheisen wird die maximale Produktionsmenge nicht erreicht. Die beiden genannten Roheisensorten scheinen demnach hinsichtlich ihres spezifischen Deckungsbeitrags den ubrigen Roheisensorten unterlegen zu sein. Der Zielfunktionswert (Deckungsbeitrag) setzt sich aus den in Abbildung 3-29 dargestellten Kosten und Erlosen zusammen. Den mit Abstand groBten Anteil der Kosten macht das Reduktionsmittel (Koks) aus (ca. 98 %). Kosten fiir Braunkohlekoks und Kalkmilch an der Abgasreinigungsanlage und die Kosten fUr die Deponierung des EGR-Staubs und des Ruckstands aus der Abgasreinigungsanlage hingegen betragen jeweils nur ca. 0,5 bis 0,75 % der Gesamtkosten. Bin ahnliches, jedoch abgeschwachtes Bild zeigt sich hinsichtlich der Zusammensetzung der Erlose. Zu knapp 80 % entstammen diese im Basisszenario aus dem Roheisenverkauf, zu ca. 16 % aus dem Rohstoffeinsatz auf der Sinteranlage und lediglich zu etwas mehr als 4 % aus den Kuppelprodukten des Hochofens, in denen das Zinkkonzentrat und der produzierte Strom einen positiven, Schlacke und Grobstaub einen negativen Ergebnisbeitrag liefem. Der Anteil des Rohstoffeinsatzes an der Sinteranlage erscheint auf den ersten Blick relativ gering, jedoch stiinden diesen Erlosen Kosten in gleicher

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

133

GroBenordnung gegeniiber, wenn der Prozess auf Basis von Primarrohstoffen betrieben wUrde.

Abbildung 3-24: Produktionsmengen der Roheisensorten im Basisszenario

Abbildung 3-25: Ergebnisse hinsichtlich der Kosten- und Erlosstruktur im Basisszenario

Hinsichtlich der in den Szenarien I bis IV zu produzierenden Roheisenmengen fiihrt die Optimierung zu den in der nachfolgenden Abbildung 3-26 dargestellten Ergebnissen. Auffallig ist, dass es in den Szenarien lediglich geringe Verschiebungen von Produktions-

134

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

mengen zwischen den Roheisensorten gibt und sich diese auf das Basisszenario und das Szenario IV beschranken, wahrend die Szenarien I bis III zu den gleichen Produktionsmengen gelangen. Zum einen wird gegenliber dem Basisszenario in den Szenarien I bis III die Produktionsmenge an Standardroheisen mit 2 % Silizium bis zum Maximum erhoht und lediglich die ubrig gebliebene Kapazitatsmenge fur die Produktion von Okoroheisen eingesetzt. In Szenario IV hingegen wird die maximal mogliche Produktionsmenge an Okoroheisen produziert. Hierfur wird die Produktion des Standardroheisens mit 2 % Silizium eingestellt und die des Standardroheisens mit 2,75 % um vier Perioden (ca. 18.700 t) verringert. Die Verschiebungen der Produktionsmengen zwischen dem Standardroheisen mit 2 % und dem Okoroheisen sind dadurch zu erklaren, dass sich die Roheisenpreise der beiden Sorten um lediglich 7 % unterscheiden. Im Basisszenario wird dieser Unterschied durch den geringeren Reduktionsmittelverbrauch des Okoroheisens kompensiert. Dies andert sich durch die Roheisenpreissteigerungen in den Szenarien I bis III und verursacht die Verschiebungen. Mit den Verringemngen der Roheisenpreise in Szenario IV hingegen kommt es zu dem umgekehrten Effekt. Die Mindestproduktionsmenge des Standardroheisens mit 2 % Silizium fallt weg und auch die Produktionsmengen des Standardroheisens mit einem Siliziumgehalt von 2,75 % werden verringert.

Abbildung 3-26: Produktionsmengen in den betrachteten Szenarien im Pianungszeitraum

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

135^

Bei der vergleichenden Betrachtung der in Abbildung 3-27 dargestellten okonomischen Ergebnisse fur flinf Szenarien ist zunachst bemerkenswert, dass in den Szenarien I bis III trotz der z. T. erheblichen Verteuerung von Erz und Koks der Zielfunktionswert (Deckungsbeitrag) steigt. Dieser Anstieg ist in Szenario I zwar mit ca. 7,5 % im Vergleich zu den Szenarien II und III relativ gering, dennoch reicht die 35 %-ige Preiserhohung des Roheisens aus, um die Erhohung des Erz- und des Kokspreises um 70 bzw. 50 % zu uberkompensieren. Die Rahmenbedingungen des Szenarios IV hingegen fuhren zu einer sehr groBen Verringerung des Deckungsbeitrags um fast 35 %. Auch hierfiir sind in erster Linie die, in diesem Fall deutlich niedrigeren, Roheisenpreise verantwortlich. Die Verringerung der Kosten fiir das Reduktionsmittel sowie die Erhohung der Erlose fiir Rohstoffe an der Sinteranlage und des positiven Ergebnisbeitrags der Kuppelprodukte am Hochofen konnen diese verringerten Erlose nicht ausgleichen.

Abbildung 3-27: Veranderungen Basisszenario

der

Zielfunktionsbestandteile

im

Vergleicli

zum

Die Tabellen 3-11 und 3-12 geben die Input- und Outputstoff- und -energiestrome der berechneten Szenarien wieder. Im Vergleich zu den in Abschnitt 3.1.1 dargestellten realen Mengen fiir ein Jahr sind die berechneten Input- und Outputmengen an Nettomischung, Sinter und Roheisen hoher. Dies ist auf die im Praxisbetrieb vorkommenden (Teil-)Stillstande an Sinteranlage und Hochofen durch notwendige Wartungsarbeiten sowie Betriebsstorungen und u. U. notwendige Reparaturarbeiten zuriickzufiihren, die im Modell keine Beriicksichtigung

136

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

finden. Da diese Stoffstrome groBer und die weiteren Input- und Outputstrome an diese gekoppelt sind, ist ein Vergleich mit realen Betriebsdaten auf Basis spezifischer GroBen sinnvoll. Dieser wird fiir den zu entwickelnden Ansatz zur Materialeinsatzplanung ausfuhrlich in Abschnitt 3.6.4.2 vorgenommen. Da diesem Ansatz die gleichen Foraieln fiir Input-OutputZusammenhange zugmnde liegen und sich die Ergebnisse nur marginal unterscheiden, werden aus Platzgriinden und um Wiederholungen zu vermeiden, an dieser Stelle die Szenarien untereinander verglichen und auf einen detaillierten Vergleich mit den Betriebsdaten verzichtet. Wahrend sich die Gesamtmenge des herzustellenden Roheisens kaum verandert, und somit hauptsachlich die Preisanderungen fiir das Roheisen die Veranderungen an den Erlosen verursachen, ergeben sich fUr die ubrigen Zielfunktionskomponenten auch durch Veranderung der Input- und Outputmengen sowie -zusammensetzungen Auswirkungen. In Tabelle 3-11 sind zunachst die ein- und ausgehenden Stoffstrome der Sinteranlage dargestellt. Hier kommt es zu Schwankungen hinsichtlich des Anfalls an EGR-Staub, des Einsatzes von Kalkmilch und des Anfalls an AGRA-Ruckstand, die zwar im Szenario I Auswirkungen von bis zu ca. 20 % auf die Kosten- bzw. Erloskomponente in der Zielfunktion hervorrufen, jedoch auf den Zielfunktionswert nach wie vor nur untergeordneten Einfluss besitzen. Zuriickzufiihren sind die Veranderungen des Kalkmilcheinsatzes und des AGRA-Ruckstands in Szenario I auf einen deutlich geringeren Schwefelgehalt in der Aufgabemischung der Sinteranlage (vgl. Tabelle 3-13).

Tabeile 3-11:

Input- und Outputstoffstrome des Sinteranlagenbetriebs in den Szenarien Szenario III

Szenario IV

Basisszenario

Szenario 1

Szenario II

491.400

491.400

491.400

491.400

491.400

1.620

1.068

1.589

1.647

1.607

590

590

590

590

590

Input Nettomischung [t] Kalkmilch [t] Herdofenkoks [t] Output 398.034

398.034

398.034

398.034

398.034

EGR-Staub [t]

2.073

2.140

2.048

2.041

2.098

AGRA-Ruckstand [t]

3.880

2.832

3.926

4.048

3.964

Sinter

Im Hochofenbetrieb sind es vor allem der Reduktionsmittelverbrauch, die Staube (Grob- und Feinstaub) und die erzeugte Menge an elektrischem Strom, die in den Szenarien in groBerem

KAPITEL 3

137

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

Umfang variiert werden und damit die Verandemngen der ZielfunktionsgroBen verursachen. Im Falle des Reduktionsmittelverbrauchs gehen die Veranderung der ZielfunktionsgroBen allerdings auf die Verandemngen des Kokspreises und - als Reaktion darauf - des Koksinput in den Hochofen zurlick: Wahrend bei dem Kokspreisanstieg in Szenario I der Koksinput verringert wird, steigt dieser in den Szenarien II und III, in denen der Kokspreis konstant bleibt bzw. verringert wird und sich die anderen EinflussgroBen (mit Ausnahme des Erz) positiv verandem. Die leichte Verringerung in Szenario IV ist auf das ungunstigere Verhaltnis des Kokspreises zu den Roheisenpreisen zurtickzufiihren, dass sich durch die Reduktion dieser GroBen um jeweils 50 % ergibt. Die Input- und Outputstoffstrome des Hochofenbetriebs sind in Tabelle 3-12 dargestellt.

Tabelle 3-12:

Input- und Outputstoffstrome des Hochofenbetriebs in den Szenarien Basisszenario

Szenario 1

Szenario II

Szenario III

Szenario IV

Input Sinter [t]

398.034

398.034

398.034

398.034

398.034

Koks[t]

156.670

150.704

156.913

157.163

156.581

Roheisen [t]

242.064

242.410

242.410

242.410

241.534

Schlacke[t]

133.670

132.661

130.514

130.439

137.540

Grobstaub[t]

9.050

8.539

8.969

8.987

9.185

Feinstaub [t]

8.975

7.440

8.729

8.782

9.389

46.842

43.164

46.271

46.396

47.796

1 Output

Strom [MWh]

Durch die niedrigeren Anfallmengen an Feinstaub und Strom in den Szenarien I bis III ergeben sich die Verringerungen der Erlose durch die Kuppelprodukte am Hochofen. Diese werden nicht durch die ebenfalls geringeren Anfallmengen an Schlacke und Grobstaub ausgeglichen. Ein vollkommen anderes Bild zeigen die Anfallmengen der Kuppelprodukte am Hochofen in Szenario IV, in dem es zu einer entsprechenden moderaten Erhohung des positiven Ergebnisbeitrags kommt. Die durchschnittlichen Zusammensetzungen der Aufgabemischung und des Sinters sind in Tabelle 3-13 und Tabelle 3-14 dargestellt. Die wesentlichsten Anderungen im Vergleich zu den Durchschnittswerten aus dem Jahr 2002 (vgl. Tabelle 3-2 und Tabelle 3-3) sind der jeweils

hohere

Eisen- und der deutlich

geringere Zinkgehalt.

Dies legt zwei

Schlussfolgerungen nahe: Zum einen ist eine Steigerung der Roheisenausbringung durch eine

138

SIMULATIONSGESTGTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

Erhohung des Fe-Anteils in der Aufgabemischung und dadurch auch im Sinter von Vorteil. Zum anderen ist die bislang eingestellte Zinkkonzentration im Sinter unter den gegebenen Voraussetzungen (Vergtitung fiir die Verwertung, Erlos fiir das Zinkkonzentrat und Reduktionsmittelpreis) nicht (mehr) lohnend. Eine deudiche Reduzierung scheint hier vorteilhaft.^^'^^ Auf die Veranderungen der chemischen Zusammensetzung der Aufgabemischung an der Sinteranlage und dadurch auch in der Sinterzusammensetzung sind die Veranderungen der Stoff- und Energiestrome in den Szenarien zurtickzufiihren. Neben den bereits genannten Unterschieden hinsichtlich des Schwefelgehalts in Szenario I konnen unterschiedliche

Zinkgehalte

als HaupteinflussgroBen

identifiziert

werden.

Diese

sind

hauptsachlich in Folge der zugrunde liegenden Regressionsgleichungen fiir die unterschiedlichen Koksverbrauche und Anfallmengen an Grob- und Feinstaub sowie Strom verantwortlich. Die weiteren EinflussgroBen hierauf, beispielsweise die Gehalte an Si02 und CaO, variieren in deutlich geringerem Ma6e. Die Veranderung des Chromanteils im Basisszenario und in Szenario IV ist auf die Veranderung des Produktionsprogramms beztiglich des chromhaltigen Okoroheisens zurUckzufuhren.

Tabelle3-13:

Durchschnittliche Zusammensetzung der Aufgabemischung in den Szenarien

Szenario

H2O

Fe

Mn

P

Zn

Pb CaO MgO Si02 AI2O3 Cr

s

NazO K2O CI

C

Basisszenario 13,00 54,11 0,55 0,11 1,78 0,12 5,68 0,72 6,16 0,97

0,10 0,42 0,35 0,26 0,22 5,00

Szenario 1

13,00 54,11 0,56 0,11 1,10 0,14 5,60 0,68 6,08 1,22

0,07 0,28 0,36 0,29 0,22 5,00

Szenario II

13,00 54,12 0,54 0,11 1,67 0,12 5,64 0,68 6,12 0,93

0,07 0,42 0,36 0,26 0,22 5,00

Szenario III

13,00 54,12 0,54 0,11 1,69 0,11 5,64 0,67 6,12 0,92

0,07 0,43 0,36 0,26 0,22 5,00

Szenario IV

13,00 54,10 0,55 0,11 1,97 0,13 5,73 0,76 6,22 0,98

0,12 0,42 0,34 0,26 0,22 5,00

Weitergehende Untersuchungen zu den technischen und okonomischen Auswirkungen des Zinkgehalts im Sinter werden in Abschnitt 3.6.4.4 durchgefuhrt. Die erhohten Anteile fiir Phosphor und Chrom sind darauf zurtickzufiihren, dass - anders als fiir die durchschnittlichen Analysen in Tabelle 3-2 und Tabelle 3-3 - auch Oko- und Phosphorsinter in die Betrachtungen eingehen.

KAPITEL 3

Tabelle 3-14: Szenario

139

SiMULATIONSGESTUTZTE PRODL KTIONS PLANUMG

Durchschnittliche Zusammensetzung des Sinters in den Szenarien Fe

Mn

P

Zn

Pb

CaO

MgO Si02

AI203

Cr

Na20

K20

Basisszenario

58,00

0,59

0,11

1,94

0,01

6,30

1,06

0,10

0,34

Szenario 1

58,00

0,60

0,11

1,26

0,02

6,23

0,76

6,77

1,31

0,07

0,35

0,20

Szenario II

58,00

0,59

0,11

1,83

0,01

6,26

0,76

6,80

1,02

0,07

0,35

0,18

0,80

6,85

0,18

Szenario III

58,00

0,58

0,11

1,85

0,01

6,26

0,75

6,80

1,01

0,07

0,35

0,18

Szenario IV

57,99

0,59

0,11

2,13

0,01

6,35

0,84

6,91

1,07

0,12

0,33

0,18 1

Die Ergebnisse der genannten und weiterer Variablen werden von dem Entscheidungsunterstutzungssystem fur die einzelnen betrachteten Kampagnen und Roheisensorten gegliedert ausgegeben. Aus Platzgrlinden wird in dieser Arbeit die aggregierte Darstellungsweise gewahlt. Bemerkenswert hinsichtlich der kampagnen- und roheisenbezogenen

Auf-

schlusselung der Ergebnisse ist jedoch, dass, ohne dass dies in einer Nebenbedingung gefordert wurde, fur die einzelnen Standardroheisensorten identische Sintermischungen berechnet werden. Hierfur ist die Dominanz der Kosten fiir Reduktionsmittel und die besondere Vorteilhaftigkeit bestimmter Rohstoffe (vgl. hierzu auch Abschnitt 3.6.4) als verantwortlich anzusehen. Die Hauptauswirkung der hoheren Temperatur im Unterofen zur Produktion von Roheisensorten mit einem hoheren Silizium-Gehalt ist ein erhohter Koksverbrauch. Der auBerst groBe Anteil der Reduktionsmittel auf der Kostenseite sorgt jedoch scheinbar dafiir, dass auch fiir diejenigen Roheisensorten mit geringerem Siliziumgehalt eine Minimierung des Reduktionsmittelbedarfs angestrebt wird. In den betrachteten Szenarien wird die Abhangigkeit des Referenzuntemehmens von den Veranderungen der Stoffflusskosten deutlich. Hierfur sind insbesondere die Einflusse der Roheisen- und Kokspreise bestimmend. Dagegen senkt der Preis fiir das verwendete Feinerz zwar durch den vorgegebenen Mindesteinsatz die Erlose fiir die an der Sinteranlage eingesetzten Rohstoffe, dies spielt jedoch erwartungsgemaB fiir das Untemehmen eine untergeordnete Rolle. Die Veranderungen des Roheisenpreises mit Ausnahme der durch die Verschiebung der Produktionsmengen einzelner Roheisensorten verursachten Produktionsmengenanderungen spiegeln sich jeweils nahezu exakt in den entsprechenden Erlosen wider. Dies deutet darauf hin, dass bei Variationen in der Bandbreite der betrachteten Szenarien stets eine maximale Produktion an Roheisen der jeweiligen Sorten Bestandteil der optimalen Losung ist. Anders verhalt es sich mit der einzusetzenden Koksmenge. Es kommt zu Schwankungen der Einsatzmengen vor allem durch die in den Szenarien geanderten Konzentrationen des Zinks im Sinter. Durch die Parametervariationen verschiebt sich die

140

SIMULATIONSGESTOTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

optimale Zinkkonzentration in der Aufgabemischung der Sinteranlage und im Sinter. Da die weiteren den Zinkgehalt beeinflussenden GroBen, der Preis des Zinkkonzentrats und der des erzeugten Stroms, als konstant angenommen wurden und zudem die Rohstoffpreise jeweils pauschal verandert werden, verbleibt einzig der Kokspreis als fur diese Veranderungen verantwortliche GroBe. Aufgrund ihres vergleichsweise geringen Einflusses auf den Zielfunktionswert sind die Veranderungen der ubrigen Kosten- bzw. Erloskomponenten als durch die genannten Haupteinflusse determiniert anzusehen.

3.5.5 Schlussfolgerungen aus Entwicklung und Anwendung des Ansatzes zur simulationsgestutzten Produktionsprogrammplanung Zielsetzung des Abschnitts 3.5 ist es, gestlitzt auf die mittels verfahrenstechnischer Prozesssimulation und Regressionsrechnungen bestimmten Input-Output-Funktionen fiir den Sinteranlagen- und den Hochofenbetrieb ein problemadaquates Modell zur Produktionsprogrammplanung im Referenzuntemehmen zu entwickeln, zu implementieren und exemplarisch anzuwenden. Existierende Ansatze zur Produktionsprogrammplanung im Allgemeinen und im Speziellen in der Eisen- und Stahlindustrie erfullen die Anforderungen hinsichtlich einer adaquaten Abbildung der chemischen Spezifikationen und der anfallenden Mengen der einund ausgehenden Stoff- und Energiestrome, hinsichtlich des Planungshorizonts und der Berechenbarkeit nur bedingt. Trotz der Fiille an existierenden Arbeiten ist keiner der betrachteten Ansatze direkt auf die Problemstellung Ubertragbar. Viele der Arbeiten sind Lehrbeispiele oder beschaftigen

sich mit spezifischen Anwendungsfallen, die eine

Ubertragung erschweren. Wesentlichster Kritikpunkt ist jedoch eine meist nur rudimentar vorhandene Abbildung stofflicher Charakteristika, die fiir den vorliegenden Fall jedoch von entscheidender Bedeutung ist. Nur Uber die adaquate Abbildung der durch die chemische Zusammensetzung hervorgerufenen Effekte hinsichtlich der Vergutung fiir die Verwertung von Reststoffen und der Auswirkungen auf Zusammensetzung und Menge der anfallenden Stoffstrome konnen geeignete Produktionsprogramme fiir das Untemehmen bestimmt werden. Auf Basis der in den Regressionsrechnungen fiir die chemischen Spezifikationen und Stoffstrommengen bestimmten Gleichungen wird daher ein eigenes Modell zur stoffstrombasierten, mehrstufig-mehrperiodigen

Produktionsprogrammplanung als gemischt-ganz-

zahliges lineares Programm unter der Zielsetzung der Maximierung des Gesamtdeckungsbeitrags formuliert und als ein Modul innerhalb des Entscheidungsunterstiitzungssystems SCOPE implementiert.

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

141_

Die exemplarische Anwendung dieses Entscheidungsunterstutzungssystems zeigt plausible und nachvollziehbare Ergebnisse, die auf eine adaquate Abbildung der Prozesse schlieBen lassen. HaupteinflussgroBen auf den Zielfunktionswert sind auf Seiten der Erlose der Roheisenverkauf und erst in zweiter Linie die eingesetzten metallhaltigen Reststoffe. Eindeutig bestimmende GroBe auf der Kostenseite ist der Demzufolge

weisen die Aufgabemischung

Reduktionsmittelbedarf.

und die Sinterzusammensetzung

einen

vergleichsweise hohen Eisenanteil auf, wahrend der Zinkgehalt aufgrund des groBen Einflusses auf den Koksverbrauch deutlich geringer eingestellt wird als bislang in der Betriebspraxis ublich. Die berechneten funf Szenarien zeigen, dass das Untemehmen durchaus in der Lage ist, auch bei den sich verknappenden Primarrohstoffen Koks- und Feinerz und damit einhergehenden Preissteigerungen, eine Ergebnisverbesserung hinsichtlich des Deckungsbeitrags zu erzielen. Wesentlichstes Kriterium hierfur ist, dass ein Ausgleich der Veranderungen auf der Kostenseite, vor allem bezogen auf den Reduktionsmittelpreis, durch Steigerungen auf der Erlosseite gelingt. Durch die relativ geringe Menge an einzusetzendem Feinerz ist das Untemehmen von dieser GroBe jedoch weitgehend unabhangig und kann von etwaigen Preiserhohungen von Konkurrenten profitieren, die ihre Prozesse weitgehend auf Basis von Feinerz betreiben. Deutlich wird auch, dass die Veranderungen hinsichtlich des Roheisenpreises, trotz des deutlich gestiegenen Kokspreises, auBerst positive Effekte auf den erzielbaren Gesamtdeckungsbeitrag des Untemehmens gehabt haben. Fur die Produktionsprogrammplanung steht somit flir das betrachtete Produktionssystem ein geeignetes Werkzeug zur Verfiigung, das die gestellten Anforderungen an eine adaquate Prozessabbildung, den Planungshorizont und die Berechenbarkeit erfullt. Neben dem Einsatz des entwickelten Systems in der Produktionsprogrammplanung kann dieses zudem auch wertvolle Entscheidungsunterstutzung hinsichtlich der langerfristigen Planungen zu Beschaffenheit und Menge der einzusetzenden Rohstoffe bieten. Neue Rohstoffe konnen ebenso leicht aufgenommen werden wie neue Sinter- oder Roheisensorten. Uber das flexible zeitlich Raster lassen sich problemlos detailliertere Planungen fiir kurzere Kampagnen und / oder kiirzere Planungszeitraume durchfuhren. Mit Hilfe von Szenarioberechnungen lassen sich Auswirkungen der kurz- und langerfristigen Entwicklungen auf den Rohstoff- und Absatzmarkten abschatzen und somit Strategien fiir eine Anpassung an diese Trends entwickeln. Hierzu zahlt z. B. eine Anpassung, d. h. Senkung der Zinkgehalte im Sinter in Folge der in den letzten Jahren deutlich gestiegenen Kosten fiir Reduktionsmittel. Wird die Fahrweise der betrachteten Aggregate jedoch grundlegend geandert, konnen die eingesetzten

142

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

Input-Output-Funktionen ihre Gultigkeit verlieren. Es waren in diesem Fall eine emeute Kalibrierung oder evd. Anderungen der verfahrenstechnischen Modelle, erneute Regressionsrechnungen sowie Anpassungen der Koeffizienten in dem Optimierungsmodell erforderlich. Auch um etwaigen Bedarf fiir solche Anpassungen zu ermitteln oder ggf. aufzuzeigen, wenn die Vereinfachungen durch die zugrunde liegenden linearen Gleichungen zu zu groBen Abweichungen fiihren, wird im folgenden Abschnitt 3.6 fur den kurzfristigen Aufgabenbereich einer detaillierteren Materialeinsatzplanung ein Ansatz fiir einzelne Roheisenkampagnen entwickelt, der eine direkte Ruckkopplung mit den verfahrenstechnischen Prozessmodellen verwirklicht. Ein Aspekt, der bei den bisherigen und den in Abschnitt 3.6 folgenden Betrachtungen auBen vor bleibt, ist die Frage der zeidichen Einplanung der Kampagnen. In dem entwickelten Ansatz wird die Zuordnung einer Roheisensorte zu einer Periode ohne zeitUchen Bezug vorgenommen und die Einhaltung von Absatzrestriktionen und Lieferverpflichtungen durch die Vorgabe einzuhaltender Mindestabsatzmengen sichergestellt. Die ebenfalls notwendigen Fragestellungen der Ablaufplanung sind Gegenstand des Kapitels 4 und werden daher an dieser Stelle nicht weiter behandelt.

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

143_

3.6 Kombination von verfahrentechnischer Prozesssimulation und gemischt-ganzzahliger linearer Programmierung zur Materialeinsatzplanung Zielsetzung des vorliegenden Abschnitts ist die Modellentwicklung und exemplarische Anwendung flir die in Abschnitt 3.1.2 beschriebene Planungsaufgabe der Materialeinsatzplanung im Referenzuntemehmen. Bevor im Abschnitt 3.6.3 ein eigener stoffstrombasierter und simulationsgestutzter Ansatz flir den Referenzfall entwickelt und in dem darauf folgenden Abschnitt dessen exemplarische Anwendung beschrieben wird, folgt zunachst eine detaillierte Darstellung des Entscheidungsfeldes und der daraus resultierenden Anforderungen an das zu entwickelnde Modell. Anhand eines Uberblicks iiber existierende Modelle und Methoden zur Materialeinsatzplanung wird gepriift, inwieweit bestehende Arbeiten fiir einen Einsatz im betrachteten Referenzfall verwendet werden konnen.

3.6.1 Entscheidungsfeld und Anforderungen an die Modellentwicklung Aufbauend auf und teilweise abweichend von den in der Produktionsprogrammplanung ermittelten zu produzierenden Roheisensorten, -mengen und Zusammensetzungen sind auf kurzfristiger Ebene Planungen der einzusetzenden Rohstoffe fiir einzelne Kampagnen im Tages- bzw. Wochenbereich notwendig. Zum einen ist dies erforderlich, weil zum Nachweis der Verwertung von Reststoffen diese z. T. relativ kurzfristig im Prozess eingesetzt werden miissen. Dartiber hinaus andem sich im Laufe der Zeit teilweise die Spezifikationen der eingesetzten Materialien, beispielsweise durch Prozessveranderungen beim Lieferanten des Rohstoffes. Zudem konnen sich kurzfristig auch andere Planungsparameter, wie z. B. der Koks-, Zink- oder Roheisenpreis, verandem. Verschiedene eingesetzte Rohstoffe sind nur in kleinen Mengen verfugbar, so dass diese bei einer Betrachtung der groBen Mengen auf Kampagnenebene in der Produktionsprogrammplanung bislang nicht betrachtet wurden. Fiir den Einsatz im Prozess ist zusatzlich auch jeweils die tatsachliche Verfiigbarkeit der Materialien entscheidend. Auch diese kann kurzfristige weitere Planungen des Materialeinsatzes notwendig machen.

144

SIMULATIONSGESTGTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

Hieraus ergeben sich flir die Modellentwicklung die nachfolgend aufgeftihrten zentralen Anforderungen:^^ •

Der zu entwickelnde Planungsansatz soil Entscheidungsunterstlitzung bei der kurzfristigen Materialeinsatzplanung im Untemehmen leisten.

•

Fiir eine vorgegebene Roheisensorte ist die deckungsbeitragsmaximale Zusammenstellung von Rohstoffen zu einer Aufgabemischung auf der Sinteranlage zu bestimmen, die bei Sinterung einen zur Roheisensorte gehorenden Sinter vorgegebener Spezifikation erzeugt.

•

Dabei sind die durch Roheisenverkauf erzielbaren Erlose, die durch Anfall an Kuppelprodukten in der Gasreinigung der Sinteranlage sowie im Hochofen erzielbaren Erlose bzw. anfallenden Kosten sowie die durch Rohstoffeinsatz auf der Sinteranlage, im Hochofen sowie in den Gasreinigungen erzielbaren Erlose bzw. anfallenden Kosten stoffstrombasiert in die Betrachtungen mit einzubeziehen.

•

Die Planungen sind auf Kampagnenbasis, d. h. ftir Planungszeitraume im Tages- bzw. Wochenbereich durchzufiihren.

•

Den variablen

Kampagnenlangen

entsprechend

sind veranderliche

Planmengen

erforderlich. •

Die Planungslaufe haben auf Basis aktuell verfugbarer Lagerbestande stattzufinden.

•

Planungsergebnisse werden einerseits im Sekunden- bzw. Minutenbereich benotigt, miissen jedoch die zugrunde liegenden Prozesse auch technisch adaquat abbilden.

•

Fiir den Einsatz in der operativen Planung sind Aussagen hinsichtlich der GUte der Abbildung der technischen Prozesse notwendig.

•

Um das benotigte Grundgeriist an Erzeinsatz sowie die zwangsweise Verwertung bestimmter Reststoffe innerhalb vorgegebener Zeitraume verwirklichen zu konnen, sind Mindesteinsatzmengen notwendig.

•

Zur moglichen Begrenzung des Einsatzes von Rohstoffen im Allgemeinen sowie von bestimmten Rohstoffen

sind Hochsteinsatzmengen zu beriicksichtigen. Dies ist

insbesondere bei Reststoffen notig, die bestimmte, in dem Modell bislang nicht erfasste, ungunstige Eigenschaften, beispielsweise geringe Festigkeit oder kleine KomgroBe, aufweisen. •

Die Vorgabe sinnvoller bzw. notwendiger technischer Parameter bzw. Spezifikationen der einzelnen Stoffstrome, wie der Aufgabemischung oder des Sinters, muss moglich sein.

Zu Anderungen gegeniiber den Anfordeningen an die Produktionsprogrammplanung vergleiche Abschnitt 3.5.1.

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

145^

Beispiele fiir solche Parameter sind der CI- oder der H20-Gehalt in der Aufgabemischung sowie die Basizitat des Sinters. •

Es ist zu beriicksichtigen, dass der Anzahl der verwendbaren Rohstoffe technisch bedingt durch die Anzahl an Dosierbandwagen Grenzen gesetzt sind.

Im folgenden Abschnitt wird unter Beriicksichtigung der beschriebenen Anforderungen untersucht, inwieweit existierende Modelle und Methoden der Materialeinsatzplanung fiir eine Anwendung im beschriebenen Referenzfall in Frage kommen.

3.6.2 Modelle und Methoden der Materialeinsatzplanung Die Planungsaufgabe der Materialeinsatzplanung kann auch als so genanntes Mischungsoptimierungsproblem verstanden werden. Allgemein wird unter der Mischungsoptimierung, auch Blending genannt, die Zusammenstellung mehrerer Komponenten zu einer Mischung verstanden, die vorgegebene Eigenschaften erfullt. Die verwendeten Komponenten besitzen als Merkmale bestimmte Eigenschaften und sind mit Kosten bewertet. Typischerweise gilt es, die Kosten zu minimieren. Das Problem der Mischungsoptimierung wird in der Literatur relativ haufig thematisiert. Bereits in den 1960er Jahren wurde es z. B. als haufig auftretendes Problem der linearen Optimierung bezeichnet (vgl. (Dantzig, 1963), S. 42). Dementsprechend vielfaltig sind die Anwendungsbereiche, die von Arbeiten in diesem Bereich adressiert werden sowie die zum Einsatz kommenden Methoden. Die folgende Darstellung der Anwendungsbereiche und Methoden erhebt daher keinerlei Anspruch auf Vollstandigkeit, sondem dient dazu, einen Uberblick iiber die unterschiedlichen Bereiche zu geben. Die Modelle zur Mischungsoptimierung sind jeweils problemspezifisch formuliert. Zum einen gibt es, wie schon bei der Produktionsprogrammplanung, eine Anzahl von Lehrbeispielen (vgl. z. B. (Dantzig, 1963), (Domschke und Drexl, 2002) oder (Kallrath und Wilson, 1997)), die sich mit einem einfachen, meist linearen Vermischen von Zutaten beschaftigen, um ein Produkt mit einer vorgegebenen Spezifikation herzustellen. Daneben gibt es eine Vielzahl von Modellen fiir praktische Problemstellungen, beispielsweise zur Mischungsoptimierung bei der Wurstwarenherstellung (vgl. z. B. (Steuer, 1984), (Steuer, 1984), (Jank und Wascher, 1999)), Mehlproduktion (vgl. (Hayta und ^akmakli, 2001)), iiber verschiedene Ansatze bei der Mischung von Kraftstoffen (vgl. z. B. (GUsmann, 2001), (Singh et al., 2004)), Kohle (vgl.

146

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

(Shih und Frey, 1995) bis bin zur Miscbungsoptimierung von radioaktiven Abfallen vor der Verglasung (vgl. (Narayan, Diwekar und Hoza, 1996)). Zudem existieren verscbiedene Arbeiten, die sicb mit der Miscbungsoptimierung vorwiegend unter tecbniscben Gesicbtspunkten bescbaftigen. Als Beispiele seien (Bajorski und Streeter, 2000) im Bereicb der Zementberstellung, (Woblbier, 1977) in Bezug auf formlose Guter in Miscbbetten sowie (Rentz, 1971) zu Mogbcbkeiten der Emissionsreduktion durcb eine gezielte Mollervorbereitung bei Niederscbacbtofen zur Herstellung von Ferrolegierungen genannt. Der groBen Anzabl an Anwendungsbereicben entsprecbend kommt zur Miscbungsoptimierung eine Fiille von Metboden zum Einsatz. Welcbe Metbode zur Anwendung gebracbt wird, wird dabei durcb die betracbtete Problemstellung induziert. Die verwendeten Metboden reicben von der scbon genannten linearen Programmierung (vgl. z. B. (Dantzig, 1963), (Jank und Wascber, 1999)), iiber nicbtlineare Programmierung (vgl. z. B. (GUsmann, 2001), (Singb et al., 2004)), stocbastiscbe Ansatze (vgl. z. B. (Narayan, Diwekar und Hoza, 1996), (Sbib und Frey, 1995)), Mebrzieloptimierungsansatze (vgl. z. B. (Steuer, 1984), (Sbib und Frey, 1995)) bis bin zum Einsatz neuronaler Netze (vgl. (Block et al., 1997)). Aucb im Bereicb der Eisen- und Stablindustrie existieren bereits verscbiedene Ansatze zur Miscbungsoptimierung. So stammt beispielsweise aus dem Jabr 1958 ein Hneares Modell zur Miscbungsoptimierung in einem integrierten Stablwerk (vgl. (Fabian, 1958)). Hierin werden die verscbiedenen Produktionsstufen Koksproduktion, Erscbmelzen des Robeisens im Hocbofen, Stablproduktion unter Zugabe von Eisen und Scbrott in einem Siemens-Martin-Ofen^^ und anscbliefiendem Walzen betracbtet. Beriicksicbtigt werden verscbiedene Erzsorten, der Verbraucb von Koks und Branntkalk sowie die Elemente Scbwefel, Pbospbor und Mangan. Die Koeffizienten fur die Formeln werden aus tbeoretiscben Uberlegungen auf Basis von Literaturangaben bestimmt.^^ Weitere Nebenbedingungen sorgen fiir die Einbaltung von Kapazitatsrestriktionen. Ein spateres Modell von Fabian (vgl. (Fabian, 1967)) stellt - fokussiert auf den Hocbofen - ein Modell auf Basis von Material- und Entbalpiebilanzen des Prozesses auf. Hier werden zwar neben den genannten cbemiscben Komponenten im

^^ Das Siemens-Martin-Verfahren ist ein kaum noch gebrauchliches Verfahren zur Stahlherstellung. ^° Angaben zur GroBe des tatsachlichen Modells und zu der fiir die Optimierung eingesetzten Hard- und Software, Dauer der Optimierungslaufe und Giite der Ergebnisse werden nicht gemacht.

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

147^

Hochofeninput mehr chemische Komponenten betrachtet^^ und technische Restriktionen wie die Basizitat der Schlacke beriicksichtigt, dafiir beschrankt sich die Mischungsoptimierung jedoch auf vier Erzsorten, Branntkalk, Koks und HeiBwind. Von Lawrence und Flowerdew (vgl. (Lawrence und Flowerdew, 1963)) stammt ein lineares Programm zur Bestimmung des kostenminimalen Einsatzes von Erzen und Koks zur Erreichung einer festgelegten Roheisenproduktion, dass mit Hilfe des Simplex-Algorithmus gelost wird. Die Mischung wird aus Sinter, Kalkstein und drei unterschiedlichen Erzen gebildet. Verschiedene chemische Zusammenhange, wie Basizitat oder maximale Gehalte z. B. von Si02 in der Schlacke, werden iiber einzelne Restriktionen abgebildet. Allerdings bleibt die Abbildung dieser chemischen Zusammenhange rudimentar. Daneben gibt es Begrenzungen des Absatzes des Sintereinsatzes. Ebenfalls aus dem Jahr 1963 stammt eine Arbeit von Duncan, die sich mit der Mischungsoptimierung fur Hochofenwerke in den USA beschaftigt (vgl. (Duncan, 1963)). Hierin werden, wiederum auf Basis der linearen Programmierung, Bilanzgleichungen fur den Eisenanteil, fur Kohlenstoff und Zuschlage aufgestellt. Allerdings findet hier keine Beriicksichtigung der stofflichen Zusammensetzung der Input- wie auch der Outputstoffe statt. Beale et al. (vgl. (Beale, Coen und Flowerdew, 1965)) entwickeln einen Ansatz, der mit Hilfe eines zweistufigen LP-Modells die Zusammenstellung der einzusetzenden Erzsorten und deren Aufteilung auf zwei Hochofenwerke fiir die Eisenproduktion optimiert. Auch hier werden lediglich wenige Elemente und Verbindungen (genannt werden Mangan und Phosphor) beriicksichtigt. Ein Problem zur Mischungsoptimierung bei der Stahlherstellung in einem schwedischen Elektrolichtbogenofen stammt von Westerberg et al. (vgl. (Westerberg, Bjorklund und Hultmann, 1977)). In einem gemischt-ganzzahligen linearen Programm werden die Kosten fiir den Materialeinsatz von Schiitt- und Stlickgutem unter Beriicksichtigung einer minimalen und einer maximalen ChargengroBe, der chemischen Spezifikation der Einsatzmaterialien sowie der Moglichkeit, den Einsatz von Materialien zu begrenzen, minimiert. Mit Hilfe der linearen Programmierung stellt Korth (vgl. (Korth, 1974))) ein Modell zur Optimierung des Hochofenmollers fiir einen Hochofen der ehemaligen Klockner Werke AG in Bremen auf. Auf Basis linearer Gleichungen werden die Vorgange im Hochofenwerk abgebildet und die kostenminimale Mollerzusammensetzung bestimmt. Das Modell wird in einem Entscheidungsunterstiitzungssystem implementiert und zur Molleroptimierung und fiir Zusatzlich finden AI2O3, Si02, MgC03 und CaCOs Beriicksichtigung.

148

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

verschieden

Analysen

der

okonomischen

KAPITEL 3

Auswirkungen,

beispielsweise

von

Parameterandemngen sowie der Bewertung neuer Einsatzstoffe, verwendet. Zwar werden die unterschiedlichen Aggregate eines Hochofenwerks betrachtet, jedoch beschrankt sich dies auf die

Abbildung

rudimentarer

Input-Output-Zusammenhange

einzelner

stofflicher

Komponenten. Bin Modell zur Optimierung der Beimischung von Stahlschrott zur Kuhlung im Konverter eines integrierten Stahlwerks wird von Bematzki et al. vorgestellt (vgl. (Bematzki et al., 1998)). Mit dem Ziel der Kostenminimierung und unter Beriicksichtigung von Material- und Transportrestriktionen wird die optimale Einsatzmischung im Konverter bestimmt. Das Modell beruht auf festen Koeffizienten („output factors"), die die Transformation der Konzentration der (Spuren-)Elemente im Konverter^^ abbilden. Auch wenn das Problem von seiner Struktur her dem Referenzfall ahnelt, sind doch wesentliche Unterschiede vorhanden. Es handelt sich um einen anderen Prozess, so dass fUr eine Ubertragung ein vollstandig neuer Modellaufbau fur den Referenzfall notwendig ware. Die Verwendung von festen Koeffizienten ist fiir den Referenzfall ungeeignet, da der Output des Prozesses sowohl bezogen auf die Mengen als auch auf die chemische Zusammensetzung abhangig von der z. T. in hohem MaBe variablen Inputzusammensetzung ist. Neben den genannten gibt es eine Reihe weiterer Arbeiten, die sich jedoch weder von den Anwendungsbereichen noch von den verwendeten Ansatzen und Methoden grundlegend unterscheiden.^^ Zusammenfassend ist festzustellen, dass es im Bereich der Materialeinsatzplanung bzw. der Mischungsoptimierung nicht, wie in anderen Bereichen des Operations Research, „klassische", typologisierte Probleme und hierzu passende Standardmodelle gibt. Stattdessen richten sich die entwickelten Modelle und die eingesetzten Methoden jeweils nach den zugrunde liegenden, sehr unterschiedlichen Einsatzzwecken bzw. -gebieten. Im Bereich der Eisen- und Stahlindustrie kommt es in besonderer Weise auf eine adaquate Abbildung der betrachteten Prozesse an. Im Referenzfall gilt dies im Besonderen, da hier die Zusammen-

^^ Betrachtet werden Kupfer, Chrom, Nickel, Molybdan und Zinn. ^^ Als weitere Beispiele fiir Ansatze zur Mischungsoptimierung in der Eisen- und Stahlindustrie seien die Arbeiten

von

(Hernandez

und

Proth,

1982)

sowie

die

Bandyopadhyay, 1972) und (Dutta und Fourer, 2001) genannt.

Uberblicksartikel

von

(McCulloch

und

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

149^

setzung der Rohstoffe in groBen Bereichen variieren. Feste Produktionskoeffizienten ohne Beriicksichtigung der chemischen Zusammensetzung, wie sie von einer Reihe von Arbeiten auch aus dem Bereich der Eisen- und Stahlindustrie verwendet werden, erscheinen daher nicht zielfuhrend. Die besondere Rohstoffbasis sowie die Charakteristika des Hochofens sind weitere Griinde, die eine Ubertragung der vorhandenen Ansatze nicht sinnvoll erscheinen lassen. Die genannten Arbeiten betrachten zudem lediglich die Kostenseite, potenzielle Erlose, beispielsweise durch den Verkauf von Roheisen und von Kuppelprodukten, werden nicht betrachtet. Zudem stammen viele der Ansatze fur Hochofenprozesse aus den 1950er und 1960er Jahren und bilden daher nicht mehr den heutigen Betrieb von Hochofen ab und sind nicht auf die Leistungsfahigkeit heutiger Computer und Losungsmethoden abgestimmt. Fur den Einsatz im Referenzuntemehmen ist daher ein neuer Ansatz zu entwickeln, der die in Abschnitt 3.6.1 dargestellten Anforderungen an die Materialeinsatzplanung im Untemehmen erfullt. Dieser kann auf bekannten Ansatzen aufbauen, muss jedoch insbesondere den Einfluss der stofflichen Zusammensetzung auf den Verbrauch an Reduktionsmitteln und den Output und dessen chemische Zusammensetzung detailUerter abbilden und die Erlosseite beriicksichtigen. Wie auch bei dem in Abschnitt 3.5 entwickehen Ansatz zur Produktionsprogrammplanung scheint hier eine Kombination der verfahrenstechnischen Prozesssimulation

und

eines

Ansatzes

aus

der

mathematischen

Programmierung

vielversprechend. Allerdings ist hierbei besonderes Augenmerk auf die Sicherstellung einer detaillierten Abbildung der Prozesse zu legen. Es miissen zudem auch kleinere verfUgbare Mengen an Rohstoffen betrachtet werden. Dagegen kann auf die simukane Betrachtung unterschiedlicher Roheisen- und Sintersorten verzichtet werden und der Planungshorizont auf eine Periode verkiirzt werden. Ein solcher Ansatz wird im folgenden Abschnitt 3.6.3 aufbauend auf dem in Abschnitt 3.5 entwickelten und implementierten Ansatz zur Produktionsprogrammplanung durch eine engere Kopplung der verfahrenstechnischen Prozesssimulation mittels eines flieBschemabasierten Simulationssystems und der gemischtganzzahligen linearen Programmierung realisiert.

150

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

3.6.3 Entwicklung eines Ansatzes zur stoffstrombasierten simulationsgestutzten Materialeinsatzplanung Basierend auf dem in Abschnitt 3.5 entwickelten und implementierten Ansatz zur Produktionsprogrammplanung fiir das betrachtete Produktionssystem wird in diesem Abschnitt ein Ansatz zur stoffstrombasierten simulationsgestutzten Materialeinsatzplanung entwickelt. Zunachst wird hierzu ein gemischt-ganzzahliges lineares Programm formuliert, bevor in Abschnitt 3.6.3.2 die Spezifika der Implementierung dieses Ansatzes in dem integrierten Entscheidungsunterstutzungssystem SCOPE sowie der Ruckkopplung zu dem Flowsheeting-System AsPEN PLUS® beschrieben werden. 3.6.3.1

Formulierung eines gemischt-ganzzahligen linearen Programms zur Materialeinsatzplanung

Das Modell verwendet die folgenden Indexmengen, Parameter und Variablen (zur Bezeichnung der Anlagen und Stoffstrome vgl. Abbildung 3-6): Indexmengen 91

Menge der betrachteten Anlagen a, 01 = {SA, EGR, AGRA, HO,GHO, KW}

^

Menge der beriicksichtigten Stoffstrome m,

{

NM, SIN, SAL, VSAL, KKG, KM, RGS, RAGR, 1 REGR, KK,WI, RE, SL, GG, ZK,WEL, RGH, GS)

^ c OH

Menge der beriicksichtigten Kuppelprodukte b, « = {RGS, RAGR, REGR, SL, ZK,WEL, RGH, GS]

g

Menge der beriicksichtigten Elemente und Verbindungen e

31

Menge der beriicksichtigten Roh- und Hilfsstoffe r, ?f< = {NM,KKG,KM,ZS,KK,Wl], wobei NM eine Mischung der Rohstoffe NMi,..., NMn ist

r

Hauptinputstrom auf Anlage a G 21, /" c OH

O"

Hauptoutputstrom auf Anlage a e 21, O" e 0)?

A

Anzahl der Anlagen a G 21 [-]

B

Anzahl der Kuppelprodukte Z? G ^ [-]

Parameter

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

1 ^

£^

Minimale Konzentration von ElemenWerbindung e in Massenstrom m

c^

Maximale Konzentration von ElementA^erbindung e in Massenstrom m

E

Anzahl der Elemente und Verbindungen e G (S [-]

/:"

Kosten oder Erlose fur Roh- oder Hilfsstoff r auf Anlage a [€/t]

kl

Kosten oder Erlose fiir Kuppelprodukt b auf Anlage a [€/t]

BN

GroBe Zahl [-]

M

Anzahl der Stoffstrome me^

P

Anzahl der Produkte pe"^

Pp

Erzielbarer Verkaufspreis fiir Produkt p^^

R

Anzahl der Roh- und Hilfsstoffe r e ^ [-]

S

Menge der zu sintemden Nettomischung [t]

SBF

Menge des im Hochofen eingesetzten Sinters

SN

kleine Zahl

^^

Minimaler Anteil von Roh-/Hilfsstoff r in der Nettomischung [-]

J/"*

Maximaler Anteil von Roh-/Hilfsstoff r in der Nettomischung [-]

z^Z

Basizitat des Sinters [-]

S^^

Maximale Anzahl an Roh-/Hilfsstoffen in der Nettomischung [-]

[-] [-] [€/t]

Variablen C"

Vektor der Konzentrationen cj' von ElementA^erbindung ^ e g in Massenstrom m e ^

X^

Vektor der Anteile x^ der Roh-/Hilfsstoffe r G D^l in der Einsatzmischung auf Anlage a G 21 [tRe/tNivi]

XI

Vektor der Anteile xl der anfallenden Kuppelprodukte ^ G 33 auf Anlage a G 21 bezogen auf eine Tonne Nettomischung bzw. Sinter (je nach betrachtetem Aggregat) [t/tNivi]

X

Spezifischer Anteil der Roheisenausbringung [tRE/tNM]

152

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

5^

KAPITEL 3

Binarvariable, die angibt, ob Roh-/Hilfsstoff

r e 9^1 Teil der

Nettomischung ist oder nicht Mit Hilfe dieser GroBen lasst sich das Modell zur Optimierung des Einsatzmischung als gemischt-ganzzahliges lineares Programm (MILP) formulieren:

Maximiere Zielfunktion (3.82)

DB'^=S-\p^-x^-l^l^K-K-l^^K'X\

unter den Nebenbedingungen (3.83)

c™=|;c;-xf

V ^ G S , \/re':j{

(3.84)

V e e S , V«e9l

(3.85)

£.:
VeeS, V m e ^

(3.86)

c7
V^G^,

(3.87)

K =f;(c'')

\/aeQi\{SA],

A =f:(c'')

yaeQl,ybE^

cf

X

•• p

~ Jkonz,e y^

>

= SBF-f^"°(C"'')

SIN , SIN _ ^CaO ' ^Si02

\/melR VrG^l

(3.88) (3.89) (3.90)

SIN ^Bas

(3.91)

d' <;cf

VrGDt

(3.92)

xf <Jf

VrGDt

(3.93)

R

s^

(3.94) r=l

xT-BN'S<0

VreDl

(3.95)

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

jcf+BA^-(l-J^)>5iV •^,'<'<'C^0

VrG^ yae%

V/?G^, V ^ G S , VrG^l, VmGO)?

^,G{0;1}

VrG^

153^

(3.96) (3.97) (3.98)

Die Zielfunktion (3.82) maximiert den Deckungsbeitrag DB^^ der durch Sinterung einer Menge Nettomischung S und anschlieBender Reduktion des produzierten Sinters im Hochofen erzielbar ist. Beriicksichtigung finden die Roh- und Hilfsstoffe r G 91, die produzierte Menge Roheisen und die anfallenden Kuppelprodukte

/?GQ3. Gleichung (3.83) stellt die

Vollstandigkeit der Nettomischung sicher. Die Nebenbedingungen (3.84) berechnen die Konzentration der Elemente und Verbindungen fiir alle ee^ in der Aufgabemischung in Abhangigkeit der Konzentration c^ der Stoffstromkomponenten in den in der Aufgabemischung verwendeten Rohstoffen und deren jeweiligen Anteilen xf^. In den Gleichungen (3.85) wird mit Hilfe der in den Regressionsrechnungen berechneten Funktionen auf Basis der chemischen Spezifikation der Aufgabemischung die Sinterzusammensetzung berechnet. Durch die Nebenbedingungen (3.86) und (3.87) wird sichergestellt, dass die Zusammensetzungen c'^ der Stoffstrome m die durch cj und c^ vorgegebenen Spezifikationen erfiillen. Dies ist insbesondere fiir den Sinter sowie fiir den Wertebereich einiger Konzentrationen der Aufgabemischung notwendig. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Optimierung realistische Ergebnisse liefert und die Giiltigkeitsgrenzen der Input-Output-Funktionen nicht verlassen werden. Dies gilt besonders fiir Elemente und Verbindungen, die vollstandig oder zum groBen Teil bei der Sinterung verflUchtigt werden, wie Kohlenstoff, Wasser, Chlor sowie fiir einen Mindestanteil an Schlacke (hier Anteil CaO + Si02), der fiir den Einsatz im Hochofen benotigt wird. In (3.88) und (3.89) wird in Abhangigkeit der Sinterzusammensetzung der spezifische Verbrauch der Roh- und Hilfsstoffe sowie der spezifische Anfall an Kuppelprodukten fiir die weiteren betrachteten Anlagen berechnet. Gleichung (3.90) berechnet, bezogen auf eine Tonne Nettomischung, die Roheisenausbringung. Hierbei wird angenommen, dass ein fixer Anteil der Aufgabemischung zu Sinter verarbeitet wird. Es wird demnach eine fixe Kopplung zwischen Sinteranlage und Hochofen unterstellt. Die Annahme ist zulassig, da die Sinteranlage keinen Engpass im Produktionsprozess darstellt und im Idealfall tatsachlich nur die Menge Sinter produziert, die im Hochofen tatsachlich verarbeitet wird. Zum Ausgleich von eventuellen Uber- oder Unterproduktionen stehen Sinterbunker zur VerfUgung. Die durch Einsatz der Nettomischung erzeugte Sintermenge unterliegt zudem nur auBerst geringen Schwankungen, da die Sinterung hauptsachlich zu einer Verfliichtigung von

154

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

H2O, CI sowie Teilen des Bleis und Kaliums fuhrt und die spateren Optimierungslaufe hier jeweils gleiche Mischungsstrategien

aufweisen.

Die Einhaltung der vorgegebenen

Sinterbasizitat wird in Gleichung (3.91) gefordert. Minimale und maximale Anteile von Rohund Hilfsstoffen werden in (3.92) und (3.93) beriicksichtigt. Die Ungleichungen (3.94), (3.95) und (3.96) stellen sicher, dass nicht mehr als die angegebene maximale Anzahl an Roh- und Hilfsstoffen in der Aufgabemischung eingesetzt werden.^"^ Nichtnegativitat und Binaritat der Entscheidungsvariablen werden durch die rechentechnischen Nebenbedingungen (3.97) und (3.98) sichergestellt

3.6.3.2

Implementierung des Ansatzes

Wie bereits in den Abschnitten 3.2.4 und 3.5.3.2 ausgefUhrt, wird auch der vorgestellte Ansatz zur Materialeinsatzplanung in dem integrierten Entscheidungsunterstutzungssystem SCOPE implementiert. Da die allgemeine Vorgehensweise bei der Implementierung sowie die weitgehend analoge Implementierung des Produktionsprogrammplanungsansatzes bereits in den genannten Abschnitten dargestellt sind und beide Module eine sehr ahnliche Bedienerfiihrung aufweisen, werden an dieser Stelle lediglich die Besonderheiten im Bereich der Materialeinsatzplanung detaillierter ausgefUhrt. Ein eigenes Formular fiir die Materialeinsatzplanung (vgl. Abbildung 3-28) tragt den zwischen der Materialeinsatzplanung und der Produktionsprogrammplanung bestehenden Unterschieden Rechnung, auch wenn beide prinzipiell auf den gleichen Grunddaten durchgefuhrt werden. Wesentlichste Anderung im Vergleich zur Produktionsprogrammplanung ist der Bezug auf lediglich eine Roheisen- und eine Sintersorte sowie die fehlenden Angaben zur Anzahl der Perioden und der Periodenlange. Statt dessen wird eine Menge an Nettomischung vorgegeben, die es deckungsbeitragsmaximal zu verarbeiten gilt. Entsprechende Anderungen gibt es daher auch in Bezug auf die zu erstellende Eingabedatei socpecd.inc. Zusatzlich ist eine Schaltflache vorhanden, die nach erfolgter Optimierung einen Simulationslauf in AsPEN PLUS® auf Basis der berechneten Optimierungsergebnisse startet.

'^^ Die Gleichungen (3.95) und (3.96) linearisieren die Funktion s^ =\^ "^^"^ ""^ "* ^, die fur Restriktion (3.94) lo

sonst

benotigt wird. Der Verzicht auf die Beschrankung der Anzahl der verwendbaren Roh- und Hilfsstoffe und der zugehorigen Ungleichungen (3.94), (3.95) und (3.96), des Parameter S^ und der Binarvariablen fiihrt zu einem linearen Modell. Vgl. hierzu auch Abschnitt 3.5.3.1.

d^,re^

KAPITEL 3

SiMULATIONSGESTUTZTE P R O D U K T I O N S P L A N U N G

155

Abbildung 3-28: Screenshot des Eingabeformulars zur Materialeinsatzplanung

Das eigentliche Modell zur Materialeinsatzplanung ist in GAMS erstellt und in der Modelldatei socpe-cd.gms gespeichert. Da sowohl die Indizes fUr die Perioden als auch fiir die herzustellenden Roheisensorten wegfallen, sind die im Optimierungslauf aufgebauten Modelle deutlich kleiner und werden deutlich schneller gelost als im Falle der Produktionsprogrammplanung. Ein Modell, das beispielsweise samtliche in der Untemehmensdatenbank befindlichen Rohstoffe (ca. 850) enthalt, besitzt ca. 4600 Gleichungen, ca. 1800 Variablen ca. 850 hiervon sind ganzzahlig - und ca. 22.000 Nicht-Null-Elemente. Nocheinmal deutlich kleiner sind Modelle auf Basis der Rohstoffe, von denen mehr als 5001 im Jahr eingesetzt werden (54), wie sie im folgenden Abschnitt Anwendung finden. Diese besitzen eine GroBe von lediglich ca. 600 Gleichungen mit ca. 200 Variablen, von denen 54 ganzzahlig sind, sowie ca. 2.400 Nicht-Null-Elementen. Die Modelle werden jeweils im Sekundenbereich gelost. Wie schon beim Produktionsprogrammplanungsmodell zeigt sich jedoch auch hier eine groBe Abhangigkeit der Losungsgeschwindigkeit von der gewahlten Parameterkonstellation.

156

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

Um eine Oberprufung der Berechnungsergebnisse aus der Optimierung zu ermoglichen, findet eine Ruckkopplung mit der verfahrenstechnischen Prozesssimulation statt. Die Eingangsstoffstrome der Sinteranlage und des Hochofens werden als Ausgangsdaten fur Optimierungslaufe in dem Flowsheeting-System AsPEN PLUS® verwendet. Hierzu sind Umrechnungen notwendig: Wahrend in den Optimierungen jeweils auf Elementbasis gerechnet wird, benotigt ASPEN PLUS® Verteilungen der tatsachlichen Stoffstromkomponenten. Auf Basis dieser Verteilungsannahmen sind die Stoffstrome zu normieren, was zu geringfugig kleineren oder groBeren relativen Anteilen der Komponenten fuhren kann. Diese haben wiederum Einfluss auf die Simulationsergebnisse, so dass beim Vergleich der Ergebnisse nicht ausschlieBlich die absolute Abweichung einzelner Werte zu vergleichen, sondem auch durch die Umrechnungen hervorgerufene Effekte zu beriicksichtigen sind. Dennoch erlaubt diese Rtickkopplung eine Plausibilisierung der Optimierungsergebnisse bzw. gibt Hinweise auf evtl. zu korrigierende Vorgabeparameter. Aus den vorgenannten Grtinden ist ersichtlich, dass eine vollstandige Automation der Ruckkopplung mit etwaiger Parameteranpassung nicht zielfuhrend ist und der stattdessen verfolgte Ansatz einer benutzergefuhrten

manuellen Ruckkopplung und

Parameteranpassung sinnvoller ist. 3.6.4 Anwendung des Ansatzes zur simulationsgestutzten Materialeinsatzplanung Zielsetzung des vorliegenden Abschnitts ist die exemplarische Anwendung des entwickelten und implementierten Ansatzes zur simulationsgestiitzten Materialeinsatzplanung. Diese dient einerseits der Uberpriifung der durch das Modell erzielbaren Ergebnisse und soil andererseits Basis fiir Schlussfolgerungen hinsichtlich von Verbesserungen in der Prozessfuhrung bieten und somit die Vorteilhaftigkeit des entwickelten Ansatzes demonstrieren. 3.6.4.1

Grundlegende Annahmen zur Anwendung des Ansatzes zur simulationsgestutzten Materialeinsatzplanung

Der Anwendung des Ansatzes zur simulationsgestutzten Materialeinsatzplanung in diesem Abschnitt liegen prinzipiell die gleichen Annahmen wie der Modellanwendung in der Produktionsprogrammplanung zugrunde (vgl. hierzu Abschnitt 3.5.4.1). Betrachtet wird jeweils eine Tagesproduktion des Hochofens, was zu einer Aufgabemischung von 1.350 t fUhrt. Es wird angenommen, dass die einsetzbaren Rohstoffe jeweils unbegrenzt zur Verfugung stehen. Fiir die monetaren Parameter wird das realistische Planungsszenario aus der Produktionsprogrammplanung verwendet (vgl. Abschnitt 3.5.4.1). Wie schon in der

KAPITEL 3

SIMULATIQNSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

157^

Anwendung der Produktionsprogrammplanung konnen diese Parameterwerte nicht explizit dargestellt werden, da es sich um reale Werte handelt. Daher werden auch im Bereich der Materialeinsatzplanung die monetaren GroBen in Form von Geldeinheiten (GE)^^ und deren Variation durch relative GroBenangaben wiedergegeben. 3.6.4.2

Bestimmung von Referenzmischungen (Basisszenario)

In diesem Abschnitt werden fUr drei Roheisensorten, Standardroheisen, Okoroheisen und Phosphorroheisen, jeweils mit einem Si-Gehalt von ca. einem Gew.-% im Roheisen, Referenzlosungen berechnet/^ Diese Optimierungsergebnisse werden analysiert und mit Betriebsdaten sowie Ergebnissen der Prozesssimulation verglichen, um somit eine Abschatzung hinsichtlich der Giite der ermittelten Ergebnisse treffen zu konnen. Die Optimierungen liefem die im Folgenden wiedergegebenen Ergebnisse. Wie schon in der Produktionsprogrammplanung stellen die Erlose durch den Verkauf von Roheisen, die Kosten fiir den im Hochofen einzusetzenden Koks und die Erlose aus dem Einsatz von Reststoffen im Hochofenprozess die HaupteinflussgroBen auf die Hohe des spezifischen Deckungsbeitrags dar. Die genannten GroBen machen jeweils mehr als 95 % der Erlose bzw. der Kosten aus. Die Erlose durch den Rohstoffeinsatz auf der Sinteranlage sehen auf den ersten Blick mit ca. 14 %, im Falle des Okoroheisens ca. 21 % Anteil an den Gesamterlosen relativ gering aus. Allerdings ist hier zu beachten, dass diesen Erlosen Kosten fiir den Erzeinsatz in gleicher GroBenordnung bei einem ausschlieBlichen Einsatz von Erzen gegeniiberstehen. Der Vergleich der spezifischen Deckungsbeitrage der einzelnen Roheisensorten bestatigt die in Abschnitt 3.5.4.2 gemachten Beobachtungen hinsichtlich des jeweiligen Ergebnisbeitrags. Mit 127,50 GE weist das Phosphorroheisen den hochsten spezifischen Deckungsbeitrag auf. Die Differenz zu 100,00 GE bzw. 91,82 GE fiir Standardroheisen mit 1 % Si-Gehalt bzw. Okoroheisen erklart sich hauptsachlich durch die hoheren Erlose beim Verkauf von Roheisen. Die Zuzahlungen fiir die Verwertung der Rohstoffe beim Okoroheisen sind zwar mit etwas iiber 37 GE/t ca. 8 GE/t hoher als beim Phosphorroheisen und ca. 12 GE/t hoher als beim

^'' Fiir die Umrechnung wird angenommen, dass der spezifische Deckungsbeitrag fiir das Standardroheisen im Basisszenario 100 GE betragt. ^^ Um eine bessere Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu erzielen, werden fiir die drei betrachteten Roheisensorten die gleichen Sihzium-Gehalte verwendet.

158

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

Standardroheisen, dennoch ist der spezifische Deckungsbeitrag fiir diese Sorte am geringsten. In diesem Falle wird der niedrigere Verkaufserlos des Roheisens durch den hoheren Chromanteil folglich nicht durch die erhohten Erlose durch die chromhaltigen Reststoffe ausgeglichen. Im Vergleich relativ gering sind die Schwankungen der Kosten durch Rohstoffeinsatz an der Abgasreinigungsanlage der Sinteranlage sowie der Kosten und Erlose durch den Verkauf bzw. die Deponierung von Kuppelprodukten aus den jeweiligen Gasreinigungen der Sinteranlage bzw. des Hochofens. Die folgende Abbildung 3-29 stellt die Ergebnisse im Detail dar.

Abbildung 3-29: Okonomische Ergebnisse der Bereclinungen zum Basisszenario

Die Anteile der verschiedenen im Basisszenario fiir die einzelnen Sintermischungen verwendeten Rohstoffe sind in Tabelle 3-15 dargestellt. Den jeweils groBten Massenanteil in den Mischungen weisen der Filterkuchen (Typ A) sowie das Prebedding und beim Okosinter zusatzhch ein Schleifschlamm und ein Konverterstaub (Typ B) auf. Letztere beiden Rohstoffe besitzen hohe Chromanteile von 1 bzw. 3 % bei vergleichsweise sehr hohen Zuzahlungen und fiihren damit zu den erhohten Zuzahlungen beim Okoroheisen im Vergleich zu den beiden iibrigen Roheisensorten. Der Eintrag von Phosphor in den Phosphorsinter findet hauptsachlich liber den Phosphatierschlamm mit einer Phosphorkonzentration von fast 20 % statt. Eine extrem hohe Zuzahlung fiir diesen Rohstoff ftihrt zudem zu einem - wenn auch deutlich

KAPITEL 3

159

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

geringeren - Einsatz auch in den beiden anderen Mischungen. Mit Fe-Anteilen von mehr als 50 % (Filterkuchen), mehr als 60 % (Prebedding) bzw. fast 90 % (Schleifschlamm) dienen diese als Eisentrager. Der Filterkuchen und der Schleifschlamm weisen jeweils eine ahnliche, vergleichsweise hohe Zuzahlung auf, wohingegen diese beim Prebedding lediglich ca. halb so hoch ist. Dieser Unterschied liegt in dem hohen Zinkanteil des Filterkuchens (ca. 3,6 %) und dem hohen Chromanteil (ca. 1 %) im Schleifschlamm begriindet. Dagegen weist das Prebedding einen geringen Anteil an Zink (ca. 0,25 %) und weniger als 0,05 % Chrom auf und wird daher zum Verdiinnen des vergleichsweise hohen Zinkanteils des Filterkuchens eingesetzt. Diese Funktion wird im Okosinter auch durch den Schleifschlamm wahrgenommen. Durch den hohen Chromanteil wird dessen Einsatz in den librigen Mischungen jedoch verhindert. Als weitere Eisentrager mit relativ hohen Anteilen in der Mischung werden ein weiterer Filterkuchen (Typ B), ein weiterer Konverterschlamm (Typ A) sowie verschiedene Konverterstaube (Typen A und C) verwendet. Auffallig ist, dass neben der vorgegebenen Mindestmenge an Feinerz keine weitere Beimischung vorgenommen wird. Zum Einstellen der Basizitat des Sinters werden zwei Sandsorten, die naturgemaB hohe Si02Anteile aufweisen, in der Mischung beriicksichtigt. Tabelle 3-15:

Berechnete Sintermischungen im Basisszenario

Rohstoffe

Anteil i n Sintermischung [G ew.-%] Phosphorsinter

Nr.

Bezeichnung

1

Feinerz

10,00

10,00

10,00 1

2

Filterkuchen (Typ A)

20,00

20,00

20,00 1

Standardsinter

Okosinter

3

Filterkuchen (Typ B)

10,79

1,13

5,00 1

4

Gichtstaub

4,59

6,05

5,06 1

5

Konverterschlamm (Typ A)

8,27

6

Konverterschlamm (Typ B)

7,69 1 4,71

9,54

9,29 1

7

Konverterstaub (Typ A)

8

Konverterstaub (Typ B)

9

Konverterstaub (Typ C)

9,51

1,23

6,54 1

10

Phosphatierschlamm

0,03

0,07

3,60

2,93 15,80

11

Prebedding

20,00

16,09

20,00

12

Sand(Typ A)

1,06

3,87

1,06

13

Sand(Typ B)

4,12

14

Schleifschlamm

0,84

15

Walzensinter

1,24

3,28 18,12

1,50 7,00

160

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTGTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

Tabelle 3-16 und Tabelle 3-17 zeigen die chemischen Zusammensetzungen der berechneten optimalen Sintermischungen und Sintersorten. Im Gegensatz zu den bisherigen durchschnittlichen Sintermischungen und Sinteranalysen (vgl. Tabelle 3-2 und Tabelle 3-3) fallt der fiir alle drei Mischungen und Sinterzusammensetzungen jeweils erhohte Eisenanteil auf. Mit 58 % Fe-Anteil im Sinter wird hier der maximale Wert der Sinterspezifikation angefahren, um eine hohe Roheisenausbringung zu erreichen.

Tabelle 3-16:

Chemische Zusammensetzung der berechneten Sintermischungen

Zusammens etzun 9 der Sintcirmis»chu H2O

Fe

Mn

P

Zn

>ew.Pb CaO MgO SiOs AI2O3 Cr

S NagO K2O CI

C Rett

|standardsinter 13,00 54,11 0,54 0,06 1,15 0,13 6,56 0,73 7,13 1,29 0,06 0,23 0,36 0,27 0,22 5,00 0,02 Okosinter

13,00 54,10 0,54 0,06 2,19 0,15 6,56 0,82 7,13 1,20 0,23 0,18 0,36 0,26 0,22 5,00 0,17

Phosphorsinter 13,00 54,12 0,54 0,76 1,38 0,12 6,56 0,74 7,13 1,47 0,06 0,21 0,37 0,25 0,22 5,00 0,05

Tabelle 3-17:

Chemische Zusammensetzung der berechneten Sintersorten

Zusammense»tzung der Sin tersort en [Ge w.-%] Fe

Mn

P

Zn

Pb

CaO

MgO

Si02

AI2O3

Cr

Na20

K2O 1

Standardsinter

58,00

0,59

0,06

1,31

0,08

7,19

0,81

7,81

1,38

0,06

0,35

0,18

Okosinter

58,00

0,59

0,06

2,35

0,09

7,19

0,90

7,81

1,29

0,23

0,35

0,18

Phosphorsinter 58,00

0,58

0,76

1,54

0,08

7,19

0,82

7,81

1,56

0,06

0,35

0.16

Weiterhin liegt der Zinkanteil in alien drei Mischungen deutlich unter 3 %, der maximalen Konzentration im Sinter und den Vergleichswerten aus der bisherigen Betriebspraxis. Es fallt auf, dass dieser Zinkanteil im Okosinter zwischen 0,75 und 1 % Uber den Konzentrationswerten in den beiden anderen Mischungen liegt. Dies ist auf den Einsatz des Konverterstaubes (Typ B) mit einem Zinkanteil von ca. 8 % zuriickzufuhren. Allgemein scheinen die durch den erhohten Zinkanteil hervorgerufenen Kosten demnach nicht durch erhohte Zuzahlungen flir zinkhaltige Rohstoffe, Erlose durch den Verkauf des Zinkkonzentrats und den durch die erhohte Gichttemperatur zusatzlich erzeugten Strom kompensiert zu werden. Der erhohte Anteil scheint alleine mit der Beschaffenheit

des Konverterstaubes vom Typ B

zusammenzuhangen. Ebenfalls auffallig ist, dass der Anteil der Hauptschlackebildner CaO und Si02 im Sinter mit 15 % den vorgegebenen Minimalanteil nicht iiberschreitet. Ebenfalls wird fiir Kohlenstoff der minimale Anteil in der Nettomischung erreicht, der Wasser- und der Chlor-Anteil in den Sintermischungen sowie der Phosphor- und - mit Ausnahme des Okosinters - der Chrom-Anteil entsprechen in den Sintersorten jeweils den vorgegebenen

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

161_

Maximalwerten. Gro6 ist der Unterschied im Schwefelgehalt der Nettomischung fiir den Standardsinter auf der einen und fiir die Mischungen des Oko- bzw. des Phosphorsinters auf der anderen Seite, dieser liegt aber im Rahmen gemessener Betriebsdaten. Der Schwefel wird bei der Sintemng nahezu vollstandig oxidiert, verfliichtigt und in der AGRA adsorbiert^^ Auch die ubrigen Konzentrationswerte liegen im Bereich tatsachlich gemessener Betriebsdaten, wenn auch z. T. unter oder liber den Mittelwerten. Diese Unterschiede sind zwar fiir die Berechnungen der Massenstrome und deren Spezifikationen notwendig, besitzen jedoch nur eine nachrangige Bedeutung. Bei den Sintersorten fiir die Spezialroheisen ist festzustellen, dass ein Phosphorsinter mit einer maximalen Phosphorkonzentration berechnet wird. Der Einsatz phosphorhaltiger Rohstoffe scheint demnach vorteilhaft hinsichtlich der Zuzahlungen zu sein. Auch bei gleich hohen Roheisenverkaufserlosen ware der erzielbare spezifische Deckungsbeitrag hoher als der des Standardroheisens. Der Okosinter hingegen enthalt ledigHch den vorgegebenen Minimalanteil an Chrom; dies lasst auf vergleichsweise niedrige bzw. zu niedrige Zuzahlungen fiir chromhaltige Rohstoffe schlieBen, da die geringeren Roheisenerlose nicht durch die erhohten Zuzahlungen durch Verwertung chromhaltiger Reststoffe kompensiert werden. Die Input- und Outputstoffstrome fiir die Sinteranlage im Basisszenario sind in Tabelle 3-18 dargestellt.

Die relativ

ahnlichen

Sintermischungen

fiihren

zu einer

identischen

Ausbringungsmenge der Sinteranlage von jeweils 810kg/tNM- Auch die Menge des verwendeten Braunkohlekoksstaubs ist fiir die drei Sintersorten gleich. Dies ist darauf zuriickzufiihren, dass eine fixe Menge Herdofenkoks je Nm^ Abgas eingeblasen wird und der Abgasvolumenstrom in den Betrachtungen als konstant angenommen wird. Etwas differenzierter gestalten sich die Inputmengen fiir die eingediiste Kalkmilch sowie die Outputmengen an Staub aus der elektrischen Gasreinigung und Riickstand aus der Abgasreinigungsanlage. Die leicht unterschiedlichen Schwefelgehalte in den Nettomischungen fiihren zu unterschiedlichen S02-Konzentrationen im Abgas, die wiederum die Menge der einzusetzenden Kalkmilch beeinflussen. Der etwas erhohte Schwefelanteil in der Mischung fiir den Standardsinter hat demnach einen hoheren Kalkmilchbedarf fiir die Standardmischung zur Folge. Diese wiederum hat Einfluss auf die Menge des zu deponierenden Riickstands in

^^ Die Auswirkungen auf die Input- und Outputstoffstrome der AGRA werden in einem spateren Absatz erlautert.

162

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTOTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

der Abgasreinigungsanlage. EinflussgroBen auf die EGR-Staubmenge sind die Blei-, Natrium-, Kalium-, Chlor-, Kohlenstoff- und Wasseranteile in den Nettomischungen. Die Variation der Konzentrationswerte dieser Komponenten fiihrt zu den dargestellten unterschiedlichen Anfallmengen fiir den EGR-Staub. Allerdings spielen diese Werte fur die Optimierung lediglich eine untergeordnete Rolle (vgl. Abbildung 3-29).

Tabelle 3-18: Spezifische Input- und Outputmengen der Sinteraniage im Basisszenario Standardroheisen

Okoroheisen

Phosphoreisen

Produktion Sinter [kg/tNM]

810

810

810

Kalkmilch (AGRA) [kg/tNM]

3,53

2,82

3,21

Herdofenkoks (AGRA) [kg/tNM]

1,20

1,20

1,20

EGR-Staub [kg/tNM]

4,23

4,41

4,16

AGRA-Ruckstand [kg/tNM]

8,60

7,13

7,96

Der Einsatz der berechneten Sintersorten im Hochofen fiihrt zu den in der folgenden Tabelle 3-19 dargestellten spezifischen Input- und Outputmengen an dem Aggregat. Gleiche Sinterproduktionsmengen und gleiche Fe-Gehalte in den Sintersorten fiihren zu gleichen Ausbringungsmengen an Roheisen fiir die drei betrachteten Sorten. Die unterschiedlichen spezifischen Koksverbrauche resultieren aus unterschiedlichen Zn-Konzentrationen in den Sintersorten, da die ubrigen EinflussgroBen Fe und der Anteil (CaO-i-Si02) fiir die Sintersorten identisch sind. Da neben diesen Hauptschlackebildnem auch AI2O3, MgO und Mn in die Schlacke tibergehen, deren Konzentrationswerte jedoch jeweils sehr ahnlich sind, ergeben sich keine bzw. nur kleinere Abweichungen hinsichdich der spezifischen Schlackemengen.

Tabelle 3-19:

Spezifische Input- und Outputmengen des Hochofens Im Basisszenario Standardroheisen

Okoroheisen

Phosphorrohelsen

Produktion Roheisen [kg/tsinter]

602

602

602

Koksverbrauch [kg/tsimer]

349

376

355 1

1 Schlacke [kg/tsinter] Grobstaub [kg/tsmter] Feinstaub [kg/tsmter] Elektrische Leistung [kWh/tsinter]

187

187

21,20

23,14

189

21,62 1

19,04

24,93

20,32 1

109,60

123,26

112,58 1

Ein Vergleich der Input- und Outputmengen aus dem Basisszenario mit den realen Betriebsdaten aus dem Untemehmen zeigt eine sehr gute tJbereinstimmung bzw. Plausibilitat

KAPITEL 3

163

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

der erzielten Ergebnisse. Die Input- und Outputmengen der Sinteranlage sind in der nachfolgenden Tabelle 3-20 dargestellt. Die spezifische Produktionsmenge Sinter ist mit 810 kg zwar etwas hoher als die durchschnittliche Produktionsmenge im Beobachtungszeitraum aber auch geringer als das 0,75-Quantil. Die im Modell unterstellten 810 kg Sintereinsatz im Hochofen je Tonne eingesetzter Nettomischung weichen hiervon nicht ab. Der Verbrauch an Kalkmilch an der Abgasreinigungsanlage ist im Vergleich zu den realen Betriebsdaten fur die jeweiligen Sintersorten relativ niedrig. Dies ist auf einen jeweils relativ niedrigen Schwefelgehalt in der Aufgabemischung zuriickzufuhren. Dennoch liegen die Verbrauchswerte jeweils innerhalb der tatsachlichen Einsatzmengen. Da der Kalkmilcheinsatz einen wesentlichen Faktor flir den Anfall an AGRA-Rlickstand darstellt, sind die berechneten Anfallmengen wiederum kleiner als bei den realen Betriebsdaten zu beobachten. Die teilweise sehr groBen Anfallmengen des AGRA-Ruckstands sind darauf zuriickzuflihren, dass dieser Ruckstand in der Praxis z. T. nur in unregelmaBigen Abstanden abgezogen wird (vgl. Abschnitt 3.1.1.2). Ahnliches gilt auch fur die angegebenen Werte fur den EGR-Staub.

Tabelle 3-20:

Spezifische Input- und Outputmengen der Sinteranlage Sintermenge Kalkmilch [kg/tNM] [kg/tNM]

HOK [kg/tNM]

AGRAEGR-Staub EGR-Staub (trocken) RiJckstand^^ (nass) [kg/tNM] [kg/tNM] [kg/tNM]

Mittelwert

796,17

4,80

1,05

13,49

5,22

4,90

Maximum

1164,19

7,93

2,19

68,39

25,79

24,62

0,75-Quantil

822,04

5,52

1,15

25,55

5,69

5,32

0,25-Quantil

773,57

4,09

0,97

0,00

4,28

4,00

Minimum

614,64

2,10

0,15

0,00

0,96

0,89

Zum Vergleich der berechneten Input-Output-Mengen des JVIodells mit realen Betriebsdaten sind diese, bezogen jeweils auf eine Tonne eingesetzten Sinters, in der folgenden Tabelle 3-21 dargestellt.

Den Produktions- und Verbrauchsmengen der Sinteranlage liegt eine Auswertung der Betriebsdaten von 300 Tagen im Jaiir 2002 zugrunde. Diese Betriebsdaten wurden auch zum Erstellen und Anpassen der Simulationsmodelle verwendet. Die 0,0 kg/tNM fur das 0,25-Quantil und das Minimum werden dadurch verursacht, dass der AGRARuckstand nicht jeden Tag entfernt und erfasst wird. An den jeweils folgenden Tage entstehen erhohte Anfallmengen. Um den Mittelwert durch diese erhohten Anfallmengen bei den Auswertungen auszugleichen, werden die Null-Werte nicht entfernt.

164 Tabelle 3-21:

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

Spezifische Input- und Outputmengen des Hochofens Roheisenproduktion

Koksverbrauch*

Schlacke

Grobstaub

Feinstaub

[kg/tsinter]

[kg/tsinter]

[kg/tsinter]

[kg/tsinter]

[kg/tsinter]

40,40 1

Mittelwert

577,53

429,2

279,08

28,89

Maximum

694,39

824,5

575,20

121,43

316,41

0,75-Quantil

604,20

442,4

293,03

32,37

47,01

0,25-Quantil

550,51

389,2

259,98

22,87

30,64

Minimum

485,99

349,0

179,85

4,03

12,14

*) trocken, 100 % C (bereinigt urn Asciieanteil)

Die Roheisenproduktion je eingesetzter Tonne Sinter liegt fiir alle drei Roheisensorten knapp unter dem Wert des 0,75-Quantils und damit vergleichsweise hoch. AUerdings ist dieser Wert aufgrund des hohen Fe-Anteils in den Sintersorten plausibel. Auf den ersten Blick sehr gering erscheinen die in den Optimierungslaufen errechneten spezifischen Koksverbrauche im Vergleich zu den Referenzwerten. Diese liegen bei alien drei Roheisensorten unterhalb des 0,25 %-Quantils, wenn auch im Falle des Okoroheisens nur gering. Die Differenz der Optimierungsergebnisse zu dem Mittelwert des spezifischen Koksverbrauchs betragt zwischen 13 und 20 %. AUerdings ist hierbei zu beachten, dass die Konzentrationen des Zink im Sinter deutlich unter den Konzentrationen liegt, die im Vergleichszeitraum gefahren wurden. Da der Zinkanteil im Sinter in der im Modell verwendeten Gleichung neben dem Eisenanteil in den Regressionsanalysen als HaupteinflussgroBe identifiziert wurde, sind auch diese geringeren Verbrauchswerte plausibel. Ahnliches gilt fiir die Anfallmengen an Grobund Feinstaub, bei denen die Zinkkonzentration im Sinter ebenfalls einen wesentlichen Einflussfaktor darstellt. Die Grobstaubmenge wird zudem von der - relativ geringen eingesetzten Koksmenge bestimmt. Daher sind sowohl die niedrigen Grob- als auch Feinstaubmengen sowie deren Abstufungen zwischen den Roheisensorten verstandlich und plausibel. Die geringen Schlackenmengen sind auf den bereits beschriebenen geringeren Schlackenbildneranteilzuruckzufuhren. Ebenfalls gute Ubereinstimmung zeigt ein Vergleich der Planungsergebnisse aus der Optimierung mit Ergebnissen auf Basis der Simulation fiir die gleichen Spezifikationen.

Den angegebenen Input- und Outputmengen des Hochofens liegt eine Auswertung der Betriebsdaten von 250 Betriebstagen von Januar bis September 2003 zugrunde. Diese Betriebsdaten wurden auch zum Erstellen und Anpassen der Simulationsmodelle verwendet.

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

1 ^

Hierzu werden die Ergebnisse des Basisszenarios als Ausgangsdaten fiir Simulationslaufe im Sinter- und im Hochofenmodell genommen (vgl. Abschnitt 3.6.3.2). In der folgenden Tabelle 3-22 sind die wesentlichen Ergebnisse aus der Optimierung und dem Simulationslauf fiir den Sinteranlagenbetrieb gegeniibergestellt. Wie bereits in Abschnitt 3.6.3.2 ausgefUhrt, kann es durch die Verteilungsannahme und die Normierung der Stoffstromkomponenten in ASPEN PLUS® ZU geringfugigen Anderungen der relativen Anteile der Elemente und Verbindungen kommen. Insofem sind nicht alle Abweichungen auf Vereinfachungen

in

Folge

der

Linearisierung

der

Input-Output-Zusammenhange

zuriickzufuhren. Im Referenzfall wurden die Anteile der betrachteten Elemente und Verbindungen in der Normung um 1,9 % (Standardsinter), 3,4 % (Okosinter) und 4 % (Phosphorsinter) verringert. In Anbetracht dessen stimmen die Werte sehr gut uberein, da die Konzentrationswerte aus den Simulationen fast ausschlieBlich geringer ausfallen als in den Optimierungslaufen. Besonders auffallig sind dennoch die Abweichungen fiir K2O und Pb sowie fiir den Zinkanteil. Beim K2O ist dies darauf zuriickzufuhren, dass das Simulationsmodell in der Durchbrennzone eine hohere Temperatur errechnet, als fiir die Regressionsrechnungen zugrunde gelegt. Hierdurch wird in der Simulation ein groBerer Teil an K2O verfltichtigt, der zu den groBen Abweichungen fiihrt. Fiir die Vorgange im Hochofen ist diese Abweichung von untergeordneter Bedeutung, da sie sich durch das zweite zu betrachtende Alkalien Na20, das deutlich besser abgebildet wird und eine deutlich hohere Konzentration aufweist, relativiert (vgl. AlkaUenkreislauf in Abschnitt 3.1.1.3). Die Abweichungen im Falle des Bleis sind auf ahnliche Effekte wie die bei K2O zuriickzufiihren. Der relativ geringe Bleianteil im Sinter und das relativ unproblematische Verhalten des Bleis im Hochofen^ ^ lassen die Abweichungen akzeptabel erscheinen. Im Falle des Zinkanteils sind die Abweichungen groBtenteils auf die Linearisierung zuriickzufiihren. Die berechneten Zinkgehalte sind im Vergleich zur bisherigen Betriebspraxis, auf die das Sinteranlagenmodell kalibriert wurde, deutlich geringer, so dass es zu den dargestellten Abweichungen kommt. Diese These wird dadurch gestiitzt, dass mit steigenden Zinkgehalten in der Mischung die Unterschiede geringer sind. Dies wird bei den Mischungen fiir den Phosphor- und den Okosinter, die einen hoheren Zinkgehalt aufweisen, deutlich. Trotz dieser Abweichungen ist die Abbildung der chemischen Zusammensetzungen Uber die linearen Regressionsgleichungen als zulassig und geeignet fiir diesen Fall anzusehen.

Das Blei wird iiber die Schlacke aus dem Hochofen ausgetragen.

166

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

Tabelle 3-22 : Vergleich von Optimierung und Simulation fur den Sinteraniagenbetrieb


Stsindardsin ter Sim. Opt. [Gew.-%] [Gew.-%]

Abw. [%]

Sim. Opt. [Gew.-%] [Gew.-%]

Phc>spiiorsin ter Abw. [%]

Sim. Opt. [Gew.-%] [Gew.-%]

1

Abw. [%]

Mn

0,59

0,57

3,47

0,59

0,56

5,00

0,58

0,57

P

0,06

0,06

5,46

0,06

0,06

3,80

0,76

0,79

|zn

1,31

1,20

8,02

2,35

2,26

3,86

1,54

1,44

2,12 2,29 3,44 6,54

|pb

0,08

0,07

17,04

0,09

0,08

12,20

0,08

0,06

23,40

|caO

7,19

6,92

3,76

7,19

6,81

5,29

7,19

6,89

4,24

MgO

0,81

0,77

4,97

0,90

0,85

5,44

0,82

0,78

5,31

|si02

7,81

7,52

3,73

7,81

7,40

5,25

7,81

7,48

4,20

Fe

58,00

57,04

1,66

58,00

56,13

3,23

58,00

56,77

1 1 1 1

AI2O3

1,38

1,36

1,44

1,29

1,25

3,47

1,56

1,54

1,13

Cr

0,06

0,06

5,46

0,23

0,24

3,80

0,06

0,06

4,95 1

NazO

0,35

0,34

2,83

0,35

0,34

4,02

0,35

0,35

0,77

0,13

28,64

0,18

0,12

33,28

0,16

0,18

13,50 1

K2O

0,18

[t]

[t]

[%]

[t]

[t]

[%]

[t]

[t]

Kalkmilch

4,76

5,12

7,56

3,81

3,47

8,90

4,34

4,12

5,71

6,12

7,23

5,95

6,14

3,17

5,61

6,03

1093,5

1113,73

1,85

1093,5

1116,16

2,07

1093,5

1114,71

EGR-Staub Sinter

[%]

4,96 1 7,46 1 1,94 1

In Bezug auf die weiteren ein- und ausgehenden Stoffstrome im Sinteraniagenbetrieb zeigen sich Abweichungen nach oben. Sie sind ebenfalls auf die hohere Temperatur in der Durchbrennzone des Sinteranlagenmodells zuriickzufuhren. Das Simulationsmodell berechnet hierfur eine groBere Luftmenge, die zu dem groBeren Verbrauch an Kalkmilch fiihrt. Die ebenfalls durch die hohere Temperatur sowie die groBere Menge an Luft induzierte groBere Verfliichtigung von K2O und Blei fiihrt zu dem hoheren Anfall an Staub in der elektrischen Gasreinigung. Eine Betrachtung des injizierten Braunkohlekoksstaubs (Herdofenkoks) und der anfallenden Menge an AGRA-Ruckstand eriibrigt sich, da beide sowohl im Optimierungsals auch im Flowsheet-Modell iiber die gleichen Formeln berechnet werden. Die im Rahmen der Optimierung berechneten Sintermengen stimmen mit denen aus dem Optimierungslauf sehr gut iiberein. In Anbetracht der Tatsache, dass die eingediiste Kalkmilch sowie der anfallende EGR-Staub bei der Optimierung nur eine untergeordnete Rolle spielen, kann auch die Abbildung der ein- und ausgehenden Stoffstrome in die Sinteranlage als geeignet angesehen werden.

KAPITEL3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

167

Im Vergleich zu dem Simulationsmodell iiber die linearen Input-Output-Beziehungen steht damit eine ftir den Einsatz in der Optimierung adaquate Prozessabbildung zur Verfugung.^^ Die Ergebnisse ftir die Hauptstoffstrome

des Hochofens und der nachgelagerten

Abgasreinigung sind in Tabelle 3-23 dargestellt. Fiir die HaupteinflussgroBen auf den spezifischen Deckungsbeitrag und damit auf die Optimierung in diesem Bereich (Roheisenproduktion und Koksverbrauch) ergeben sich fiir die drei Referenzmischungen lediglich Abweichungen von ca. 0,25 bis ca. 3 %. Bei keinem der beiden Stoffstrome liegen die Optimierungsergebnisse in alien drei Fallen iiber oder unter den Simulationsergebnissen. Die Werte fiir die Roheisenproduktion werden geringfugig besser getroffen, da hier lediglich im Falle des Okoroheisens eine Abweichung von fast 3 % vorliegt. Beim Koksverbrauch sind ftir Standard- sowie ftir Okoroheisen Abweichungen von iiber 2 % festzustellen, ledigHch im Falle des Phosphorroheisens sind diese mit etwas iiber 1 % gering. Die Abbildung fiir diese Stoffstrome ist dennoch als gut zu bewerten, da der spezifische Koksverbrauch (das Verhaltnis des Koksverbrauchs

zur hergestellten

Roheisenmenge)

fiir

Oko- und

Phosphorroheisen jeweils um weniger als 1 % differieren und nur fur das Standardroheisen eine Abweichung von ca. 3 % festzustellen ist. Bei Betrachtung der Kuppelprodukte am Hochofen zeigen sich etwas groBere Unterschiede von jeweils mehr als 2 %, die sich jeweils fiir alle drei Referenzmischungen unter bzw. liber den Vergleichswerten befinden. Liegen diese als systematisch zu betrachtenden Abweichungen ftir Grob- und Feinstaub noch bei maximal 3,75 %, sind sie mit ca. 4,5, 7,9 bzw. 12,4 % hinsichtlich der Hochofenschlacke noch einmal deutlich groBer. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die auf Basis der Regressionsgleichungen berechnete Schlackenmenge groBer ist als diejenige der Simulation, die jedoch tendenziell zu niedrig berechnet wird (vgl. Abschnitt 3.3.2.2). Beim Vergleich der Optimierungsergebnisse mit den realen Betriebsdaten fallt zudem eine vergleichsweise geringe Schlackenmenge auf. Auch wenn die Ergebnisse auf Basis der Regression plausibler erscheinen, ist die Frage zu stellen, ob die Abbildung des Hochofenprozesses im mathematischen Modell in Bezug auf die Schlackenmenge und - in geringerem MaBe - in Bezug auf die librigen Kuppelprodukte und den Koksinput sowie die Roheisenausbringung tatsachlich problemadaquat ist. Die gewahlte Vorgehensweise, iiber Flowsheet-Simulation und Regressionsanalyse zu linearen Input-Output-Funktionen zu gelangen, stellt in jedem

^^ Diese Schlussfolgerung wird auch durch weitere Untersuchungen, beispielsweise fiir ein Optimierungsmodell, das alleine die Aufgabemischung der Sinteranlage optimiert und die gleichen Regressionsgleichungen verwendet, gestiitzt (vgl. (Frohling et al., 2004)).

168

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

Falle ein starke Vereinfachung der Prozesse dar. Die relativ geringen Abweichungen fiir die Roheisenproduktion und den Koksinput rechtfertigen diese jedoch, da mit vergleichsweise einfachen Gleichungen die Prozesse hinsichtlich der Hauptstoffstrome gut abgebildet werden. Die hoheren Abweichungen flir die Kuppelprodukte sind aufgrund ihres verhaltnismaBig geringen Einflusses auf die ZielgroBe der Optimierung als unproblematisch anzusehen. Generell ist anzuftihren, dass die Optimierungen auf Basis elementarer Stoffstromkomponenten stattfinden, die fiir die Simulation mit Hilfe einer Verteilungsannahme bzgl. der tatsachlich vorliegenden Komponenten umzurechnen sind. Auch diese Annahme kann zu Abweichungen der Ergebnisse gefuhrt haben.

Tabelle 3-23:

Vergleich vor Optimierung und Simulation fiir den Hochofenbetrieb Star idardro^ leisen

6 l(orohei sen

Phosphorroheisen

Opt. [t] Sim. [t] Abw. [%] Opt. [t] Sim. [t] Abw. [%] Opt. [t] Sim. [t] Abw. [%]| Roheisenproduktion 658,01 651,22

1,03

658,01 638,77

2,92

658,01 659,59

Kolcsverbrauch

381,10 390,01

2,34

411,61 399,51

2,94

387,75 392,24

1,16

Schiaclce

204,65 195,43

4,51

207,74 191,38

7,87

206,40 180,87

12,37

0,24

Grobstaub

23,18

24,02

3,64

25,30

25,96

2,60

23,64

24,41

3,26

Feinstaub

20,82

21,60

3,75

27,26

27,84

2,13

22,22

22,80

2,61

Zusammenfassend ist festzustellen, dass das Modell fiir die drei betrachteten Roheisensorten sowohl hinsichtlich der chemischen Spezifikationen als auch hinsichtUch der spezifischen Input- und Outputmengen nachvollziehbare Ergebnisse innerhalb der Bandbreite realer Betriebsdaten und Ergebnissen aus den Simulationslaufen Uefert. Die Losungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie bei einer maximalen Roheisenproduktion den minimalen Einsatz von Reduktionsmitteln anstreben. Dies ist auf den jeweils hohen Einfluss der Roheisenerlose und der Kosten fiir Reduktionsmittel zuriickzufuhren. Demgegeniiber besitzt die tatsachliche Hohe der durch die eingesetzten metallhaltigen Reststoffe erzielten Zuzahlungen fUr die drei betrachteten Roheisensorten einen geringeren Einfluss. Innerhalb der zur Verfugung stehenden Rohstoffe scheinen einige eine fiir den betrachteten Prozess besonders vorteilhafte Kombination aus chemischer Zusammensetzung und erreichbarer Zuzahlung zu besitzen. Dies ist daraus ersichtUch, dass insgesamt von den mehr als 50 betrachteten einsetzbaren Rohstoffen lediglich 15 in den drei Mischungen Beriicksichtigung finden. Die Mischungen fiir den Standard- und den Phosphorsinter unterscheiden sich zudem nur in den prozentualen Anteilen der eingesetzten Rohstoffe. Auffalligste Anderung der Sinterspezifikation im

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTOTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

169^

Vergleich zu den realen Referenzwerten ist die deutliche Senkung des Zinkanteils, die insbesondere zu deutlich geringeren Verbrauchen an Reduktionsmitteln sowie zu deutlich geringeren Anfallmengen von Grob- und Feinstaub am Hochofen fiihrt. Ebenfalls geringer fallen die Einsatz- und Anfallmengen fiir Kalkmilch und den Rlickstand aus der Abgasreinigungsanlage aus. Neben den zu erwartenden positiven Effekten hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit des Prozesses durch eine Steigerung des (spezifischen) Deckungsbeitrags werden somit auch durch die entwickelten Methoden umweltendastende Effekte hinsichtiich der Ressourcenschonung und der Verminderung zu deponierender Reststoffe und durch die Verminderung des Kokseinsatzes der C02-Emissionen erzielt. AbschlieBend ist noch darauf hinzuweisen, dass das Untemehmen in der Praxis alle angenommenen Rohstoffe zu verwerten hat und somit das dargestellte Szenario lediglich einen Idealfall darstellt, der jedoch wertvolle Hinweise fiir Strategien hinsichtlich der Ofenfahrweise und fiir den Rohstoffeinkauf sowie die damit zusammenhangenden Verhandlungen bietet. In Anbetracht der Plausibilitat der Ergebnisse und der kurzen Losungszeiten des Modells ist die Zielsetzung einer problemadaquaten Abbildung des Prozesses innerhalb des entwickelten Modells zur Materialeinsatzplanung demzufolge gelungen. In den folgenden Abschnitten werden, um weitere Kenntnisse hinsichtlich des Modellverhaltens, der Gultigkeit der getroffenen Aussagen und der Abhangigkeit der Ergebnisse von Parametervariationen zu erlangen, gezielte Parametervariationen durchgefiihrt.

3.6.4.3

Einfluss des Koks- und des Roheisenpreises auf die Mischungsoptimierung

Wie in den Abschnitten zur Anwendung des Ansatzes zur Produktionsprogrammplanung (vgl. 3.5.4) und zur Bestimmung von Referenzmischungen in der Materialeinsatzplanung dargestellt, sind die Preise fiir Roheisen und Koks die HaupteinflussgroBen auf den durch den Referenzprozess erzielbaren spezifischen Deckungsbeitrag. Ziel dieses Abschnittes ist es daher, durch die Variation dieser Parameter deren Einfluss auf den spezifischen Deckungsbeitrag und die ein- und ausgehenden Stoffstrome naher zu untersuchen. Zunachst wird der Einfluss des Kokspreises betrachtet. Wie schon ausgefuhrt ist dieser Hauptkostentreiber auch deshalb von entscheidender Bedeutung fiir das Referenzunternehmen, da die Kokspreise in den vergangenen Jahren in erheblichem MaBe gestiegen sind und der betrachtete Prozess durch die Sekundarrohstoffbasis und das vergleichsweise geringe

170

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

Ofenvolumen deutlich mehr Koks verbraucht, als Konkurrenzuntemehmen, die uberwiegend auf Basis von Primarrohstoffen arbeiten. Auf Grundlage der gleichen Parameter wie im Basisszenario wird der Kokspreis mit fester Schrittweite in 100 Optimierungslaufen im Intervall von 0 bis 300 % des im Basisszenario unterstellten Kokspreises variiert.^^ Der in der folgenden Abbildung 3-30 dargestellte Verlauf des spezifischen Deckungsbeitrags bei der Variation ist naherungsweise linear und nimmt erwartungsgemaB - mit zunehmendem Kokspreis ab. Die Spannweite des Deckungsbeitrags betragt ca. 200 GE; der spezifische Deckungsbeitrag weist sein Maximum bei ca. 176 GE und sein Minimum bei -30 GE auf, die Abszisse wird bei einem Kokspreis von ca. 240 % geschnitten. Sollte es erneut zu den Teuerungsraten der vergangen Jahre kommen, waren solche Preise durchaus realistisch.

Abbildung 3-30: Einfluss des Kokspreises auf den spezifischen Decl(ungsbeitrag

Im Variationsbereich des Kokspreises werden 19 unterschiedliche Rohstoffmischungen berechnet. Dies lasst Ergebnisse vermuten, deren Giite sehr vom jeweiligen Kokspreis abhangig ist und schon bei relativ kleinen Anderungen des Kokspreises eine Anderung der Mischung notwendig macht. Bei naherer Betrachtung der Mischungscharakteristika und deren

Die Ergebnisse werden wiederum normiert. Der spezifische Deckungsbeitrag fUr den Kokspreis von 270 €, der dem Basisszenario zugrunde liegt, wird auf 100 GE festgelegt, die ubrigen Werte entsprechend angepasst.

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

vn_

Konsequenzen im Hinblick auf die Input- und Outputs toffstrome des Prozesses zeichnet sich jedoch ein differenzierteres Bild ab. Bis zu einem Kokspreis von lediglich ca. 15 % wird bei der Optimierung eine Zinkkonzentration im Sinter von 3 Gew.-% berechnet. Mit steigendem Kokspreis nimmt zunachst der Zinkanteil in der Nettomischung und damit verbunden die spezifische Anfallmenge an Feinstaub (vgl. Abbildung 3-31) ab. Die Abnahme schon bei so geringen Kokspreisen ist ein Indiz dafur, dass die mit der Verwertung zinkhaltiger Reststoffe zusammenhangenden

Erlose

durch

hohere

Zuzahlungen

bzw. den

Verkauf

von

Zinkkonzentrat und des erzeugten Stromes die erhohten Kosten durch den Koksverbrauch nicht bzw. nicht vollstandig kompensieren. Anders verhalt es sich mit dem im Prozess hergestellten Roheisen. Bis zu einem Kokspreis von 180% ist die spezifische Roheisenausbringung nahezu konstant und scheint die optimale einzusetzende Mischung auf eine maximale Roheisenproduktion abzuzielen. Mit Uberschreiten dieses Kokspreises andert sich dies. Der bis dahin (nahezu) maximale Fe-Gehalt im Sinter wird deutlich verringert und stimmt ab einem Kokspreis von 210 % mit dem vorgegebenen Minimalwert von 52 % Uberein. Die in den optimalen Losungen verfolgte Strategic scheint hier nun ausschlieBlich in der Verwertung der Reststoffe und nicht mehr in der Roheisenproduktion zu liegen.

Abbildung 3-31: Einfluss des Kokspreises auf die Roheisen- und Feinstaubproduktion

172

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

Wird der Kokspreis hingegen mit 100 % des im Basisszenario verwendeten Wertes als konstant angenommen und der Roheisenpreis zwischen 0 und 300 % des Roheisenpreises im Basisszenario variiert, ergibt sich ebenfalls ein naherungsweise linearer Veriauf des spezifischen Deckungsbeitrags je Tonne Aufgabemischung. Sind die Deckungsbeitrage beginnend bei einem Roheisenpreis von 0 % zunachst negativ, werden ab ca. 28 % positive Deckungsbeitrage erzielt. Der Veriauf des spezifischen Deckungsbeitrags bei der Variation des Roheisenpreises ist in Abbildung 3-32 grafisch dargestellt.

Abbildung 3-32: Einfluss des Roheisenpreises auf den spezifischen Deckungsbeitrag

In Bezug auf die Input- und Outputstoffstrome fiir die berechneten Sintennischungen ist festzustellen, dass bis zu Roheisenpreisen von ca. 50 % lediglich die minimalen Fe-Gehalte im Sinter angefahren werden. Hauptziel der Mischungen in diesem Bereich ist wiederum die Verwertung der Reststoffe. Anders als bei den hohen Kokspreisen in den vorangegangenen Betrachtungen besitzen die Mischungen hier eine vergleichsweise hohe Zinkfracht. Mit 2,2 % in der Nettomischung bzw. ca. 2,4 % im Sinter liegt diese zwar deutlich unter dem Maximalwert von 3 % im Sinter, jedoch auch deutlich iiber den Anteilen im Basisszenario. Auffallig ist, dass sich dies im Bereich zwischen 50 und 90 % vollstandig andert. Der FeGehalt in den Nettomischungen und im Sinter steigt sprunghaft an, zunachst von ca. 48 % in der Nettomischung auf ca. 52 % bei einem Roheisenpreis von ca. 55 % dann langsamer auf ca. 53 %, bis schlieBlich bei einem Roheisenpreis von 90 % der maximale Fe-Gehalt von ca. 54 % in der Nettomischung erreicht wird. Umgekehrt verhalt es sich mit dem Zn-Gehalt in

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

173_

den Mischungen. Wenn auch gleichmaBiger, sinkt dieser im gleichen Intervall von den genannten 2,2 % in der Mischung bis auf die 1,15 % aus dem Basisszenario. Der Verlauf der spezifischen Produktionsmengen fiir Roheisen- und Feinstaub, der den genannten Konzentrationsverlaufen folgt, ist in der folgenden Abbildung 3-33 dargestellt.

Abbildung 3-33: Einfluss des Roheisenpreises auf Roheisen- und Feinstaubproduktion

Da nicht davon auszugehen ist, dass extreme Schwankungen von Koks- und Roheisenpreisen wie in den durchgefuhrten Parametervariationen in der Realitat isoliert vorkommen werden, sind insbesondere deren Wechselwirkungen von Bedeutung. Diese werden daher in weiteren Optimierungslaufen untersucht, bei denen beide Parameter vollstandig faktoriell in den Intervallen von [0,..,333] % fiir den Roheisenpreis und [0,..,370] % fur den Kokspreis variiert. Die Ergebnisse hinsichtlich des spezifischen Deckungsbeitrags und der spezifischen Roheisenproduktion sind in den folgenden Abbildungen 3-34 und 3-35 dargestellt. Hinsichtlich des spezifischen Deckungsbeitrags fallt auf, dass der naherungsweise lineare Verlauf des spezifischen Deckungsbeitrags bei Variation eines der beiden Parameter auch bei gleichzeitiger Variation erhalt. Es kommt zu der in Abbildung 3-34 dargestellten Ebenenbildung. Auch in Bezug auf die hergestellte Roheisenmenge bestatigt die gleichzeitige Variation des Koks- und des Roheisenpreises die Ergebnisse der partiellen Faktorvariation (vgl. Abbildung 3-35).

174

SiMULATIONSGESTUTZTE P R O D U K T I O N S P L A N U N G

KAPITEL 3

Abbildung 3-34: Spezifische Deckungsbeitrage bei gleichzeitiger Variation des Roheisenund des Koitspreises

Abbildung 3-35: Spezifische Roheisenmenge bei gleichzeitiger Variation des Roheisen- und des Kokspreises

KAPITEL 3

3.6.4.4

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

175^

Einfluss des Zinks auf die Optimierungsergebnisse

Da der Referenzprozess durch hohe Zinkfrachten im Hochofenmoller gekennzeichnet ist und die Berechnungsergebnisse fiir die optimalen Zusammensetzungen teilweise deutlich geringere Zinkanteile berechnen als in der bisherigen Betriebspraxis iiblich, ist es Gegenstand dieses Abschnitts, den Einfluss des Zink naher zu analysieren. Zunachst wird hierzu der Zinkanteil variiert. Den Sintermischungen werden Sollwerte fiir den Zinkgehalt vorgegeben und die jeweils optimale Mischung berechnet. Im bisherigen Spezifikationsbereich zwischen 0 und 3 Gew.-% Zink im Sinter wird dieser Vorgabewert jeweils um 0,05 % verandert.^"^ Folgende Abbildung 3-36 zeigt den Verlauf des spezifischen Deckungsbeitrags bei der beschriebenen Parametervariation. Beachtenswert ist der konkave Verlauf der Kurve. Beginnend bei ca. 98 GE/t bis hin zu dem Maximum bei der bereits im Basisszenario berechneten Zinkkonzentration von 1,15 Gew.-% steigt der spezifische Deckungsbeitrag zunachst an. In dem relativ breiten Intervall zwischen 1,15 Gew.-% und ca. 1,5 Gew.-% bleibt der spezifische Deckungsbeitrag nahezu gleich, bevor weiter zunehmende Zinkgehalte diesen wieder verringem. Es lasst sich daher feststellen, dass sich die Ofenfahrweise mit einer im Vergleich zu herkommlichen Hochofen erhohten Zinkfracht fiir das Referenzuntemehmen aus Sicht einer Deckungsbeitragsmaximierung lohnt, auch wenn diese Zinkfracht deutlich geringer als in der bisherigen Untemehmenspraxis ist. Die Variation des Zinkgehalts in der Sinterspezifikation hat die in Abbildung 3-37 dargestellten Verbrauche an Koks und Anfallmengen an Feinstaub (Zinkkonzentrat) zur Folge. Deutlich werden die naherungsweise linearen Verlaufe. Im Fall des Koksverbrauches ist dies auf den gleichbleibenden zweiten wesentlichen Einflussfaktor, den Fe-Gehalt im Sinter, zuriickzufuhren, der bei der Variation des Zinkgehalts gleich bleibt. Da der Zinkgehalt im Sinter hierfiir die einzig bestimmende GroBe fiir die spezifische Anfallmenge des Feinstaubs ist, weist diese den dargestellten Verlauf auf.

^

Die Vorgabe dieser Sollspezifikation des Sinters erfolgt in einem kleinen Intervall. Die Praxisanwendung des Modells hat gezeigt, dass dies sinnvoll ist, um sicherzustellen, dass die Optimierungslaufe jeweils zulassige Losungen finden konnen und das jeweilige Modell nicht durch ungunstige Parameterkonstellationen unlosbar ist. In diesem Falle wird daher zwischen der Minimalkonzentration und der Maximalkonzentration des Zink im Sinter (Gleichungen (3.86) und (3.87) im Modell zur Materialeinsatzplanung) eine Differenz von 0,05 Gew.-% hinterlegt. Die in den weiteren Ausfuhrungen gemachten Angaben hinsichtlich der eingestellten Konzentrationswerte beziehen sich jeweils auf die Maximalkonzentration.

176

SiMULATIONSGESTUTZTE P R O D U K T I O N S P L A N U N G

KAPITEL 3

Abbildung 3-36: Verlauf des spezifischen Deckungsbeitrags bei Variation des Zinkgehalts im Sinter

Abbildung 3-37: Spezifischer Koksverbraucli und spezifischer Anfall an Feinstaub bei Variation des Zinkanteils im Sinter

Es bleibt die Frage zu klaren, unter welchen Umstanden sich Produktion und Einsatz von Sinter mit der maximalen Zinkkonzentration von 3 Gew.-% unter okonomischen Gesichtspunkten lohnen. Im vorangegangenen Abschnitt 3.6.4.3 wurde bereits gezeigt, dass

KAPITEL 3

SIMULATIQNSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

Xll_

bei Kokspreisen von bis zu 15 % des im Basisszenario angenommenen Kokspreises je Tonne eine solche maximale Zinkkonzentration vorteilhaft ware. Angesichts der derzeitigen Kokspreisentwicklung erscheinen solche Preise jedoch unrealistisch. Zu priifen ist, welchen Einfluss eine Erhohung der Zuzahlungen fur das durch Sekundarrohstoffe eingebrachte Zink auf den spezifischen Deckungsbeitrag und die Zinkkonzentration in den berechneten Mischungen hat. Hierzu wird, analog zu einem im Untemehmen zur Bewertung von Rohstoffen eingesetzten Bewertungstool,^^ die mit dem Zinkanteil einhergehende Ponale in aufeinanderfolgenden Optimierungslaufen in Ein-Prozent-Schritten zwischen 0 und 200 % variiert. Die Ergebnisse

dieser

Sensitivitatsanalysen

hinsichtUch

des

spezifischen

Deckungsbeitrags und der Zinkkonzentration im Sinter sind in nachfolgender Abbildung 3-38 dargestellt.

Abbildung 3-38: Einfluss der Zuzahlung fur den Zinkanteil in Rohstoffen auf den Zinkanteil im Sinter und den erreichbaren spezifischen Deckungsbeitrag

85

In dem genannten Rohstoffbewertungsmodell werden auf Basis der chemischen Analyse eines Rohstoffes fiir die Anteile der chemischen Komponenten jeweils Boni bzw. Mali berechnet. Eine okonomische Bewertung des Rohstoffes erfolgt durch Addition dieser GroBen und dient als Basis fiir die Berechnung der Annahmepreise. In dieser Sensitivitatsanalyse wird vereinfachend unterstellt, dass die realen Preise der Rohstoffe tatsachlich eine Kostenkomponente fiir den Zinkgehalt in voller Hohe beinhalten. AuBer Acht gelassen wird dabei, dass durch Verhandlungen mit den Lieferanten auch abweichende Preise zugrunde liegen konnen.

178

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

Die Ergebnisse zeigen, dass die Zuzahlung fUr den Zinkanteil bis zu einer Hohe von 67 % der bisherigen Zuzahlung keinen bzw. keinen nennenswerten Einfluss auf den Zinkanteil im Sinter hat. In diesem Bereich dominieren die mit dem Zinkeintrag in den Hochofen verbundenen Kosten und sorgen fur den geringen Anteil von ca. 0,75 Gew.-%. Ab 68 % nimmt der berechnete Zinkanteil im Sinter stufenweise zu. Auffallig ist, dass dieser Anstieg insbesondere bei Zuzahlungen groBer als 100 % des bisherigen Betrags sehr groB ist. Der maximale Zinkgehalt im Sinter wird bereits bei einer Zuzahlung von 132 % erreicht. ErwartungsgemaB steigt der spezifische Deckungsbeitrag fUr die berechneten Mischungen in den Bereichen, in denen es keine oder kaum eine Anderung des Zinkgehalts gibt, naherungsweise Unear an. In dem Bereich des Anstiegs der Zinkkonzentration im Sinter weist der spezifische Deckungsbeitrag einen iiberproportional ansteigenden Verlauf auf. In Tabelle 3-24 werden die berechnete Aufgabemischung fur die Zuzahlung von 100 % sowie fur eine Zuzahlung von 132 % fur den Zinkanteil im Rohstoff sowie der jeweilige Zinkgehalt in den Rohstoffen selbst gegentibergestellt. Hierbei ist auffallig, dass das Modell nicht die Hinzunahme eines einzelnen Rohstoffes mit einem hohen Zinkgehalt praferiert, sondem eine Reihe von Rohstoffen ohne bzw. mit sehr geringem Zinkanteil gegen Rohstoffe mit hoherem Zinkanteil austauscht. Auch ein Rohstoff wie der Filterkuchen (Typ A) mit vergleichsweise hohem Zinkgehalt von 3,5 Gew.-%, der im Basisszenario in alien drei Mischungen Verwendung findet, wird nahezu vollstandig ersetzt. Das Grundgeriist der Mischung, das fiir die drei unterschiedUchen Roheisensorten im Basisszenario relativ vergleichbar war, andert sich demnach bei der Variation der Zuzahlung deutlich.

KAPITEL 3

179

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

Tabelle 3-24: Vergleich der Mischungen des Basisszenarios und einer erhohten Zuzahlung von 132 % fijr den Zinkanteii im Rohstoff

1 Nr.

Rohstoff

Anteil in der Mischung [Gew.-%] Basisszenario (Standardsinter)

Erhohte Zuzahlung fiJr den Zinkanteii (Zn-Zuzahlung132%)

1 ''• 1 2-

Feinerz

10,00

10,00

Filterkuchen (Typ A)

20,00

0,35

1 ^• 1 ^• 1 ^• 1 ^• 1 ^•

Filterkuchen (Typ B)

10,79

Gichtgasschlamm Gichtstaub (Typ A)

6,29 4,59

Konverterschlamm

8.

Konverterstaub (Typ A)

9.

Konverterstaub (Typ C)

10.

Konverterstaub (Typ D)

11.

Konverterstaub (Typ E)

12.

Konverterstaub (Typ F)

8,27 20,00 9,51 9,27 9,54

Phospahtierschlamm

0,03

14.

Sand(Typ A)

1,06 4,12

15.

Sand(Typ B) Schleifschlamm

17.

Prebedding

18.

Walzensinter

3.6.4.5

4,93 20,00

13.

16.

1,05 0,24

Gichtstaub (Typ B)

1,81

0,84

3,20

20,00

19,81

1,24

Zinkanteii im Rohstoff [Gew.-%]

0,02 3,59 0,15 5,85 1,30 22,61 0,71

1 1 1 1 1 1 1

2,00 0,80 2,65 1,70 8,03 7,30 1,60 0,03 4,56 6,24

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

0,00 1

Einsatz von Ersatzreduktionsmittein

Eine in vielen Hochofenwerken bereits erfolgreich praktizierte Option zur Verringerung der durch den Einsatz von Koks als Reduktionsmittel entstehenden Kosten ist der Einsatz von Ersatzreduktionsmittein. Durch das Einblasen von 01, Kunststoffen

oder anderen

kohlenstoffhaltigen Materialien ist es moglich, zumindest einen Teil^^ des einzusetzenden Kokses zu substituieren. Mit der Neuzustellung des betrachteten Hochofens wurde Mitte 2004 die Moglichkeit geschaffen, Tierfett iiber eine Einblasanlage als Ersatzreduktionsmittel im

Eine vollstandige Substitution ist aufgrund der weiteren Funktionen des Kokses, insbesondere als Stiitzgeriist im Hochofen sowie fiir die Durchgasbarkeit des Hochofens nicht moglich.

180

SIMULATIONSGESTGTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL3

Prozess einzusetzen. Dieser Abschnitt betrachtet die Auswirkungen dieser verfahrensseitigen Anderung.^^ Zur Abbildung werden modelltechnisch statt einer Gleichung fiir den Koksbedarf zwei Gleichungen verwendet, die einerseits den Koksbedarf, korrigiert um den Substitutionsgrad ^ERM ^gg Koks durch das Ersatzreduktionsmittel, und andererseits den Bedarf an Ersatzreduktionsmittel angeben. Der Bedarf an Ersatzreduktionsmittel ist zusatzlich um den Faktor SF zu korrigieren, da in der Regel eine Tonne Koks durch mehr als eine Tonne ERM substituiert werden muss. Die Zielfunktion

wird um einen Kostenterm fUr das

Ersatzreduktionsmittel erweitert. Die folgenden Gleichungen (3.99) und (3.100) geben den korrigierten Koksbedarf und den Ersatzreduktionsmittelbedarf an:

41-=(^-'""yfZ(C"") ^Z=^^-™-A*(C'")

(3.99) (3.100)

Unter der Annahme eines festen Preises fiir das Ersatzreduktionsmittel (ca. 37 % des Kokspreises) wird zunachst der Substitutionsgrad des Koks durch das Ersatzreduktionsmittel zwischen 0 und 20 Gew.-% an dem gesamten Reduktionsmitteleinsatz variiert. Der entspricht in etwa der Variationsbreite des Ersatzreduktionsmitteleinsatzes im Referenzuntemehmen. Die Ergebnisse dieser Optimierungslaufe hinsichtlich des spezifischen Deckungsbeitrags, der spezifischen Reduktionsmittelkosten und des Anteils an Zink im Sinter sind in Abbildung 3-39 dargestellt. Wie zu erwarten, weist der spezifische Deckungsbeitrag eine mit dem zunehmenden Einsatz von Ersatzreduktionsmittel naherungsweise linearen, monoton steigenden Verlauf auf. Die spezifischen Kosten fiir Reduktionsmittel hingegen verlaufen nicht monoton. Die dargestellte Kurve besitzt zwei Riicksetzer. An diesen Stellen, bei ca. 3 bzw. ca. 8 % Ersatzreduktionsmitteleinsatz, andert sich die berechnete Mischung und damit der herzustellende Sinter hin zu einem hoheren Zinkgehalt von ca. 1,5 bzw. ca. 1,8 Gew.-%,

Wahrend der Erstellung dieser Arbeit befand sich die Anlage noch nicht in Betrieb bzw. war im Probebetrieb, so dass der Einsatz der Ersatzreduktionsmittel nicht vollkommen bei der Erstellung der verfahrenstechnischen Modelle bzw. der darauf aufbauenden okonomischen Modelle beriicksichtigt werden konnte. Die Betrachtungen fokussieren sich daher auf die okonomischen Auswirkungen und den in den Prozess eingebrachten Kohlenstoff. Physikalisch-chemische Auswirkungen beispielsweise auf die Durchgasbarkeit, Anderungen des Temperaturprofils des Ofens und weitere durch die Tierfette eingebrachte chemische Komponenten werden in dieser Arbeit daher nicht betrachtet.

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

181_

der einen hoheren Reduktionsmitteleinsatz und damit hohere hierdurch verursachte Kosten zur Folge hat.

Abbildung 3-39: Auswirkungen des Ersatzreduktionsmitteleinsatzes

Bin umgekehrter Verlauf ergibt sich bei der Variation des Preises des Ersatzreduktionsmittels von -50 % (Zuzahlung) bis 250 % und einer konstanten Substitutionsrate von 11%, wie in Abbildung 3-40 dargestellt. Es zeigt sich, dass bis zu einer Erhohung des Ersatzreduktionsmittelpreises von mehr als 35 % noch Mischungen praferiert werden, die erhohte Zinkgehalte aufweisen.

182

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL3

Abbildung 3-40: Auswirkungen der Variation des Ersatzredulctionsmittelpreises

3.6.5 Schlussfolgerungen aus der Entwicklung und Anwendung des Ansatzes zur simulationsgestiitzten Materialeinsatzplanung Der vorliegende Abschnitt 3.6 beschaftigt sich mit der Entwicklung und exemplarischen Anwendung eines stoffstrombasierten simulationsgestiitzten Ansatzes zur Materialeinsatzplanung und Mischungsoptimierung fUr den betrachteten Referenzprozess zur Verwertung metallhaltiger Reststoffe. Zunachst werden die Anfordemngen, die an diese operative Planungsaufgabe im Referenzuntemehmen zu stellen sind, formuliert und die in der Literatur zu diesem Themenfeld vorgestellten Ansatze hinsichtlich ihrer Eignung fiir den vorliegenden Fall geprlift. Es zeigt sich, dass es zwar eine Reihe von Arbeiten gibt, die sich z. T. auch mit praktischen Fragestellungen der Eisen- und Stahlindustrie beschaftigen. Wie schon bei der Produktionsprogrammplanung ist jedoch die Abbildung der Prozesse in diesen Arbeiten meist rudimentar und fiir den dargestellten Fall nicht ausreichend. Der stattdessen entwickelte Ansatz baut auf dem Modell zur Produktionsprogrammplanung auf. Es werden die gleichen verfahrenstechnischen Modelle und daraus abgeleiteten Regressionsgleichungen verwendet und ebenfalls ein gemischt-ganzzahliges lineares Programm aufgestellt. Ebenfalls wie bei der Produktionsprogrammplanung wird der Ansatz zur Mischungsoptimierung als ein Modul in dem integrierten Entscheidungsunterstutzungssystem SCOPE implementiert. Auf dieser

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

183

Planungsebene ist einerseits die adaquate Abbildung des Prozesses noch wichtiger als auf der iibergeordneten Planungsebene der Produktionsprogrammplanung. Andererseits sind die Schwankungen in den Mischungen durch kleinere Rohstoffmengen oder abweichende Analysen groBer. Zur Uberprtifung der Prozessabbildung im Optimierungsmodell durch die linearen Input-Output-Funktionen wird in diesem Ansatz eine Riickkopplung zum Vergleich der Optimierungsergebnisse mit der Flowsheet-Simulation implementiert. Diese ermoglicht die Identifikation von relevanten Abweichungen und eine manuelle Korrektur durch den Benutzer iiber Planungsparameter oder die Anderung der zugrunde liegenden Gleichungen. Die Anwendung des integrierten Entscheidungsunterstutzungssystems zur Mischungsoptimierung im Basisszenario zeigt, dass die Optimierung sowohl im Vergleich zu realen Betriebsdaten als auch zu den Simulationsergebnissen realistische und nachvollziehbare Ergebnisse liefert. Es kommt hier zwar zu Abweichungen zwischen den Berechnungen auf Basis der Regressionsgleichungen und der Ergebnisse aus Simulationslaufen, jedoch sind diese fiir die HaupteinflussgroBen vergleichsweise gering. Als HaupteinflussgroBen fiir optimale Losungen werden die Ausbringungsmenge an Roheisen, der Reduktionsmittelverbrauch sowie die durch die Verwertung der Reststoffe erzielbaren Erlose identifiziert. Gegeniiber diesen Faktoren liben die weiteren Input- und Outputstoffstrome nur geringen Einfluss auf die Ergebnisse aus. Insofem sind die etwas groBeren Abweichungen beispielsweise im Falle der Schlackenmengen akzeptabel. Da die Reduktionsmittelkosten einen sehr groBen Einfluss auf das Ergebnis besitzen, weisen die berechneten optimalen Mischungen einen deutlich niedrigeren Zinkanteil auf, als bislang im Untemehmen iiblich. Weitergehende Optimierungslaufe bestatigen diese Beobachtungen und zeigen, dass bei einer ca. 32-prozentigen Erhohung der Zuzahlung fiir den Zinkgehalt auf Basis des bisher eingesetzten Rohstoffbewertungsprogramms auch Mischungen, die Sinter mit der maximalen Zinkkonzentration erzeugen, optimal sein konnen. Es wird zudem gezeigt, dass durch den Einsatz von Tierfett als Ersatzreduktionsmittel die Wirtschaftlichkeit des Prozesses gestarkt werden kann. Die mit dem Einsatz des Tierfetts einhergehende Senkung der Kosten fiir Reduktionsmittel fuhrt zudem zu hoheren Zinkgehalten in den optimalen Aufgabemischungen. Neben dem hier vorgestellten Einsatzgebiet in der Materialeinsatzplanung wird das Modul zur Materialeinsatzplanung des Entscheidungsunterstutzungssystems SCOPE (SCOPE CD) im Referenzuntemehmen auch erfolgreich zur Bestimmung adaquater Verwertungspreise eingesetzt. Uber eine modifizierte Eingabemaske konnen Spezifikationen neuer Rohstoffe

184

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

eingegeben werden, die in dem Optimierungslauf beriicksichtigt werden konnen. Somit ist die Bestimmung der Auswirkungen des Einsatzes dieses Rohstoffs sowohl aus okonomischer wie aus technischer Sicht moglich. Uber zusatzlich in Visual Basic implementierte Suchalgorithmen^^ kann auch der Preis bestimmt werden, zu dem ein neuer Rohstoff in die Mischung aufgenommen bzw. ein spezifischer Solldeckungsbeitrag in einer Mischung erreicht wird (vgl. (Rentz et al, 2005)).

3.7 Schlussfolgerungen und Ubertragbarkeit auf weitere Anwendungen Zielsetzung dieses Kapitels ist, exemplarisch anhand eines Referenzuntemehmens aus der Eisen- und Stahlindustrie fiir die Produktionsplanungsaufgaben der Produktionsprogrammund der Materialeinsatzplanung Methoden zur Entscheidungsunterstutzung zu entwickeln, prototypisch zu implementieren und anzuwenden, die die stofflichen Charakteristika der betrachteten Prozesse adaquat berucksichtigen. Als Referenzuntemehmen wird ein Verwertungsprozess aus der Eisen- und Stahlindustrie herangezogen, der in besonderem MaBe von derzeitigen Entwicklungen auf den Rohstoff- und Absatzmarkten betroffen ist. Bei den verwendeten Hauptaggregaten handelt es sich mit einer Sinteranlage und einem Hochofen um sehr komplexe metallurgische Verfahren, in denen sehr unterschiedliche Roh- und Reststoffe zum Einsatz kommen. Deren unterschiedliche chemische Spezifika besitzen jeweils groBe Auswirkungen auf die zu erzielenden Erlose sowie ein- und ausgehenden Stoff- und Energiestrome. Insofem ist eine detaillierte Abbildung der zugrunde liegenden Verfahren auch fiir betriebswirtschaftliche Planungsmodelle beispielsweise zur Produktionsprogramm- oder zur Materialeinsatzplanung von groBer Bedeutung. Bisherige Arbeiten in diesem Bereich sind entweder auf die technischen Aspekte der Prozessabbildung fokussiert oder vereinfachen die zugrunde liegenden Prozesse in okonomischen Modellen zu sehr. Daneben existieren bislang keine Arbeiten, die den betrachteten Referenzprozess adaquat abbilden konnen. Daher wird eine eigene Methodik vorgeschlagen. Fiir beide Planungsaufgaben wird jeweils ein simulationsgestutzter Ansatz auf Basis der gemischt-ganzzahligen linearen Programmierung entwickelt:

Es wurde hierzu ein auf der Divide-and-Conquer-Technik (vgl. hierzu (Richter, Sander und Stucky, 1999)) basierendes Verfahren implementiert.

KAPITEL 3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

185^

Die zugrunde liegenden Produktionsprozesse werden zunachst mit Hilfe von FlowsheetingSystemen simuliert. Durch multiple lineare Regressionsanalysen der Simulationsergebnisse werden lineare Input-Output-Funktionen sowohl fUr Konzentrationen als auch fur Mengen der planungsrelevanten ein- und ausgehenden Stoff- und Energiestrome bestimmt. Diese Funktionen bilden die Basis fur die gemischt-ganzzahligen linearen Programme zur Produktionsprogrammplanung Mischungsoptimierung

erfolgt

und

zur

zusatzlich

Mischungsoptimierung. eine

Ruckkopplung

Im der

Falle

der

mathematischen

Optimierung mit der verfahrenstechnischen Prozesssimulation. Der Ansatz ist im integrierten Entscheidungsunterstiitzungssystem SCOPE implementiert. Die Anwendung beider Modelle liefert plausible Ergebnisse innerhalb einer fiir den jeweiligen Anwendungszweck akzeptablen Rechenzeit. Ein Vergleich der Ergebnisse mit Betriebsdaten des Referenzuntemehmens und Ergebnissen aus der Prozesssimulation zeigt eine gute Abbildung der Prozesse. Trotz der im Rahmen der Modellbildung zu treffenden Annahmen und festzulegenden Vereinfachungen, insbesondere hinsichtlich der Linearitatsannahme, sind iiberwiegend geringe Abweichungen auszumachen. Zudem sind diese Abweichungen flir die HaupteinflussgroBen auf den Deckungsbeitrag am geringsten. Die Anwendung der Modelle fUr das Referenzuntemehmen im jeweiligen Basisszenario sowie in den darauf aufbauenden Sensitivitatsanalysen liefert wertvolle Erkenntnisse fUr das Untemehmen hinsichtlich der Gestaltung des Produktionsprogramms, des Ergebnisbeitrags der einzelnen Rohstoffe und Roheisensorten und hinsichtlich vorteilhafter Ofenfahrweisen. Es zeigt sich in beiden Modellen, dass eine aus okonomischer Sicht optimale Ofenfahrweise auch unter Umweltgesichtspunkten Vorteile aufweist. Durch die geringeren Einsatzmengen an Koks- und Kalkmilch durch eine Anderung der Einsatzmischungen wird ein Beitrag zur Ressourcenschonung geleistet. Zudem werden die Anfallmengen der zu deponierenden Ruckstande aus den Gasreinigungen an der Sinteranlage und am Hochofen verringert und durch den verringerten

Einsatz

an Reduktionsmittel

zudem die Emissionen an

klimarelevantem CO2 gemindert. Diese Ergebnisse wurden z. T. bereits vom Referenzunternehmen umgesetzt. So wurde beispielsweise generell der Zinkgehalt im Sinter auf durchschnittlich unter zwei Prozent reduziert. Neben dem Einsatz der Modelle zur Produktionsprogrammplanung und Mischungsoptimierung sowie flir Sensitivitatsanalysen bieten sich dem Unternehmen weitere Moglichkeiten des Einsatzes des entwickelten Entscheidungsunterstutzungssystems. So sind neben den

186

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

KAPITEL 3

genannten weitere Module im Untemehmen im Einsatz. Zum einen existiert auf gleicher Basis ein Mischungsoptimierungsprogramm, das einzig auf die Sinteranlage fokussiert ist,^^ zum anderen werden, wie in den Abschnitten 3.5.5 und 3.6.5 dargestellt, die beiden Ansatze auch erfolgreich fiir angrenzende Planungsaufgaben, beispielsweise die Bewertung von Reststoffen, eingesetzt. Eine direkte Verwendung des vorgestellten Ansatzes in anderen metallurgischen oder, allgemeiner, in anderen Bereichen der Prozessindustrie ist, da es sich hierbei um eine sehr detaillierte Abbildung eines spezifischen Produktionsprozesses handelt, nicht moglich. Bei einer Anwendung auf andere Hochofenprozesse waren hier, insbesondere da es sich im Referenzfall nicht um einen herkommlichen, sondem um einen modifizierten Hochofenprozess handelt, Datenanpassungen notwendig. Als Basis fur eine solche Anwendung, beispielsweise

in

einem

integrierten

Huttenwerk,

lassen

sich

die

erstellten

verfahrenstechnischen Modelle jedoch verwenden. Nach einer Anpassung mit Hilfe von Betriebsdaten aus dem Prozess konnten iiber weitere Simulationslaufe und Regressionsanalysen die Faktoren fiir die Input-Output-Funktionen bestimmt und die Modelle zur Mischungsoptimierung und Materialeinsatzplanung entsprechend angepasst werden. Unter Umstanden waren fur weitere Stoffstrome Funktionen und Nebenbedingungen im Optimierungsmodell hinzuzufiigen. Etwas umfangreicher wiirde sich die Ubertragung auf weitere Verwertungsprozesse fiir metallhaltige Reststoffe, wie z. B. den Walzprozess gestalten, da es sich hierbei um ein anderes Aggregat mit anderen zu betrachtenden Stoffstromen und EinflussgroBen handelt^^ und somit spezifische Modelle zu den dargestellten oder anderen bzw. weiteren Planungsproblemen zu formulieren sind.

^^ Vgl. (Frohling et al., 2004). ^^ Weitere Forschungsarbeiten des Instituts fiir Industriebetriebslehre und Industrielle Produktion (IIP) der Universitat Karlsruhe (TH) zeigen die Moglichkeit einer Ubertragung (vgl. (Rentz et al., 2005)).

KAPITEL3

SIMULATIONSGESTUTZTEPRODUKTIONSPLANUNG

187

Eine Ubeitragung auf weitere pyrometallurgische Prozesse unterscheidet sich nicht grundsatzlich von der Ubertragung auf den Walzprozess. ' Jedoch ware hier jeweils genau zu priifen, ob die durch Simulation und anschlieBende (lineare) Regressionsanalyse getroffenen Vereinfachungen zulassig sind. Der dargestellte Ansatz ist demnach zunachst fur das betrachtete Referenzuntemehmen von unmittelbarer Bedeutung, da es in den Bereichen der Produktionsprogrammplanung, Materialeinsatzplanung sowie der wirtschaftlichen Bewertung bislang nicht eingesetzter Reststoffe umfangreiche Moglichkeiten der Entscheidungsunterstiitzung bietet. Auf Basis einer problemadaquaten Abbildung der zugrunde liegenden Produktionsprozesse werden sowohl technisch fundierte als auch unter okonomischen Gesichtspunkten vorteilhafte Entscheidungen und Strategien aufgezeigt. Neben dieser unmittelbaren Bedeutung besitzt der Ansatz eine groBe Relevanz fiir weitere Teile der Prozessindustrie. Dem vergleichsweise hohen Aufwand zum Erstellen der Simulationsmodelle, Durchfuhren der Regressionsanalysen sowie zur anschliefienden Modellbildung und Implementierung stehen auch fiir diese Prozesse die problemadaquate Prozessabbildung und die MogUchkeiten zur Entscheidungsunterstiitzung gegeniiber. Gerade in Zeiten starkeren Wettbewerbs, steigender Rohstoff- und Energiepreise und steigender Ausgaben fiir Emissionen, insbesondere im Bereich CO2, bietet der entwickelte Ansatz durch seine vergleichsweise starke technische Fundierung den anwendenden Untemehmungen Wettbewerbs vorteile.

Auch hier konnten bereits in weiteren Arbeiten des Instituts fiir Industriebetriebslehre und Industrielle Produktion (IIP) der Universitat Karlsruhe (TH) erfolgreiche Ubertragungen durchgefiihrt werden. Beispielsweise wurden fiir die Norddeutsche Affinerie AG mittels Simulationsmodellen und Regressionsanalysen Modelle fiir Aggregate der Kupfererzeugung erstellt (vgl. (Rentz, Frohling und Nebel, 2004)).

189

4 Berucksichtigung von Unsicherheiten in der operativen Produktionsplanung am Beispiel einer FuzzyAblaufplanung von Chargenproduktionen Bei den Betrachtungen in Kapitel 3 standen die Planungen des Input und des Output von verfahrenstechnischen Prozessen unter Berucksichtigung der Innenstruktur, der ablaufenden physikalisch-chemischen Prozesse im Vordergmnd. Hierbei wurden zunachst keine Aspekte betrachtet, die die zeitliche Einplanung von Auftragen bzw. Kampagnen betreffen. Zusatzlich wurde vorausgesetzt, dass die verwendeten Daten sicher und vollstandig bekannt sind. Diese Voraussetzungen werden im vorliegenden Kapitel aufgegeben, so dass die zeitlichen Aspekte der Ablaufplanung im Fokus der Betrachtungen stehen. Zielsetzung ist es, fur verfahrenstechnische Produktionsprozesse einen Ansatz zu entwickeln und exemplarisch anzuwenden, der eine adaquate Berucksichtigung der mit solchen Prozessen haufig verbundenen Unsicherheiten ermoglicht. Zur exemplarischen Anwendung wird bewusst nicht auf das im vorangegangenen Abschnitt betrachtete Produktionssystem zuriickgegriffen, da die Anzahl der in diesem System einzuplanenden Auftrage bzw. Kampagnen vergleichsweise gering ist und in der Regel durch die angenommenen Auftrage langerfristig determiniert ist. Stattdessen wird mit der Lackproduktion eines mittelstandischen Untemehmens ein Beispiel betrachtet, in dem hohe Anforderungen seitens der Kunden hinsichtlich der Durchlaufzeiten und der Termintreue bestehen und die Bearbeitungszeiten hauptsachlich aufgrund der groBen Anzahl unterschiedlicher Produkte, der geringen Wiederholraten dieser Produkte sowie dem geringen Automationsgrad mit groBen Unsicherheiten behaftet sind. Zunachst wird ein Uberblick iiber Modelle und Methoden der Ablaufplanung gegeben. Anhand eines realen Produktionssystems werden in Abschnitt 4.2 die Rahmenbedingungen einer Chargenproduktion exemplarisch vorgestellt. Dabei wird insbesondere auf die Unsicherheiten, die den Prozess beeinflussen und die Verwendung deterministischer Ansatze verhindem, eingegangen. Li Abschnitt 4.3 wird zunachst ein allgemeines deterministisches Ablaufplanungsmodell

fiir

Chargenproduktionen

vorgestellt,

auf

das

beschriebene

Produktionssystem angepasst und exemplarisch angewendet. Da die in diesem Modell verwendeten Prozesszeiten keineswegs sicher und vollstandig bekannt sind, wird in Abschnitt 4.4 ein Fuzzy-Ablaufplanungsmodell entwickelt, das bei der vorliegenden Unscharfe (vgl. Abschnitt 2.2.3.1) anwendbar ist. Auch dieses Modell wird auf das exemplarisch betrachtete

190

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

KAPITEL 4

Produktionssystem angewendet, bevor Schlussfolgerungen hinsichtlich der Anwendbarkeit und Ubertragbarkeit auf weitere Anwendungen gezogen werden.

4.1 Modelle und Methoden der Ablaufplanung Wie bereits in Abschnitt 2.2.3.2 dargestellt, ist es Ziel der Ablaufplanung, eine Menge einzuplanender Auftrage zeidich beschrankten Kapazitaten so zuzuordnen, dass eine Zielsetzung moglichst optimal erfullt wird. Diese Ablaufplanungsprobleme bestehen aus den abzubildenden Problemtypen, den diese Problemtypen abbildenden Bestandteilen der mathematischen Modelle, den Losungen, d. h. Ablaufplanen (engl. schedules) des Problems sowie den anwendbaren Losungsmethoden. Die nachfolgenden Abschnitte geben einen Uberblick iiber die fiir diese Arbeit wesentlichen Aspekte der angesprochenen Bereiche.

4.1.1 Klassifikation der Problemtypen Die Problemtypen der Ablaufplanung lassen sich anhand eines Tripels aus Maschinencharakteristika, Auftragscharakteristika und der verfolgten Zielfunktion klassifizieren.^^ Diese werden im Folgenden naher vorgestellt.

4.1.1.1

Problemcharakteristika

Die wesentlichen Maschinencharakteristika betreffen die Anzahl der Fertigungsstufen, die Reihenfolge, in der diese durchlaufen werden miissen sowie die Anzahl und Beschaffenheit der auf den Fertigungsstufen vorhandenen Ressourcen. Unter Einmaschinenproblemen werden Ablaufplanungsprobleme verstanden, bei denen alle Auftrage auf einer Maschine bearbeitet werden (vgl. (Domschke, Scholl und Vo6, 1997), S. 307), der zugrunde liegende Fertigungsprozess ist einstufig. Bei Parallelmaschinenproblemen handelt es sich ebenfalls um einstufige Fertigungsprozesse. Fiir eine Bearbeitung existieren auf dieser Fertigungsstufe mehrere Maschinen. Bei parallelen Maschinen wird unterschieden, ob diese identisch sind, sich die Bearbeitungszeiten der

Auf die Anwendung der so genannten a / / ? / / - N o t a t i o n zur Klassifikation wird an dieser Stelle verzichtet, da insbesondere in Bezug auf die Einbeziehung der spater in diesem Abschnitt vorgestellten Projektplanungsprobleme unterschiedliche Auffassungen bestehen (vgl. z. B, (Brucker et al., 1999) und (Herroelen, Demeulemeester und De Reyck, 2001)),

KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

;I91_

Maschinen im Falle homogener Maschinen maschinenabhangig oder im Falle heterogener paralleler Maschinen sowohl auftrags- als auch maschinenabhangig unterscheiden (vgl. z. B. (Domschke, Scholl und VoB, 1997), S. 284). Bei mehrstufigen Produktionsprozessen wird zunachst von so genannten Shop-Problemen gesprochen. Die einzuplanenden Auftrage a = \,..,A bestehen dabei aus einer Anzahl a. an Operationen oder Vorgange genannten Teilschritten Jai,---Ja,a, • Ein so genanntes Flow-ShopProblem (FSP) Hegt vor, wenn fiir alle Auftrage die gleichen Teilschritte in der gleichen Reihenfolge vorgegeben sind. 1st die Auftragsreihenfolge auf alien Maschinen gleich, wird das Problem Permutations-Flow-Shop-Problem genannt (vgl. (Schocke, 1999), S. 14). Von einem Job-Shop-Problem (JSP) wird gesprochen, wenn die flir die Auftrage vorgegebenen Reihenfolgen in der Regel verschieden sind. Sind die Arbeitsgangfolgen nicht vorgegeben, liegt ein so genanntes Open-Shop-Problem (OSP) vor. Unter hybriden ShopProblemen (z. B. hybrides Flow-Shop-Problem) werden Ablaufplanungsprobleme verstanden, bei denen auf wenigstens einer Maschinenstufe parallele Maschinen (identisch, homogen oder heterogen) vorUegen (vgl. (Domschke, Scholl und VoB, 1997)). Eine Verallgemeinerung der Shop-Probleme, die allerdings in der Literatur meist separat betrachtet wird, stellen so genannte ressourcenbeschrdnkte Projektplanungsmodelle dar. Diese sind flir die Produktion oder Erstellung groBer, komplexer, einzigartiger Produkte und Dienstleistungen konzipiert. Projekte bestehen aus einer Anzahl an Aktivitdten^^ genannten Vorgangen, die einen groBen finanziellen Aufwand erfordem und Reihenfolgebeziehungen folgend sowie Kapazitatsbeschrankungen beachtend zeitlich einzuplanen sind (vgl. (Kolisch, 1995), S. 1). In der Projektplanung werden abhangig davon, ob die Aktivitaten in einem oder in mehreren Modus / Modi ausgefiihrt werden konnen von so genannten Single-ModeResource-Constrained Project-Scheduling-Problemen (SRPSP) bzw. Multi-Mode-ResourceConstrained Project-Scheduling-Problemen (MRCPSP) gesprochen. Jeder Modus ist als

Aktivitaten (engl. activities) sind hier synonym zu den vorher genannten Auftragen (engl. jobs) im Fall von Einmaschinen- und Parallelmaschinenproblemen bzw. Vorgangen (engl. operations) im Fall von ShopProblemen zu verstehen. Im Kontext von Projektplanungsproblemen ist dieser Begriff gebrauchlich (vgl. (Kolisch, 1995), S. 9, (Moder, Phillips und Davis, 1983), S.23 und (Elmaghraby, 1977), S. 1). Im zweiten Fall sind die Begriffe Auftrag und Vorgang gebrauchlich (vgl. z. B. (Kolisch, 1995), S. 9, (French, 1982), S.5).

192

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

KAPITEL 4

unterschiedliche Moglichkeit aufzufassen, eine Aktivitat auszufuhren (vgl. (Kolisch, 1995), S. 10). Obwohl sich die Terminologie der Projektplanung von der zuvor vorgestellten maschinenbezogenen Ablaufplanung (auch Maschinenbelegungsplanung genannt) unterscheidet, sind Analogien zwischen diesen Bereichen vorhanden. Bereits das SRPSP ist eine Verallgemeinerung der o. g. Shop- und Ein- sowie Parallelmaschinenprobleme. Ebenso lassen sich das Rucksack- (engl. Bin-Packing-)Problem sowie das zweidimensionale Verschnitt(engl. 2-Dimensonal Cutting Stock-)Problem als SRPSP darstellen (vgl. (Kolisch, 1995), S. 2 If.). Das MRCPSP ist noch flexibler, da mit ihm verschiedene Moglichkeiten, eine Aktivitat auszufuhren, abbildbar sind. Es wird daher auch als das (womoglich) allgemeinste und damit auch schwierigste Ablaufplanungsproblem angesehen (vgl. (Kolisch, 1995), S. 26).

4.1.1.2

Auftrags- und Zielfunktionscharakteristika

Ablaufplanungsprobleme werden hinsichtlich von Charakteristika der Auftrage und der verfolgten Zielfunktionen unterschieden. Aufgrund der FUlle an moglichen Unterscheidungsmerkmalen in Bezug auf Auftragsdaten und Zielfunktionen wird an dieser Stelle lediglich ein kurzer Uberblick gegeben. Eine weitergehende Vorstellung der fur diese Arbeit relevanten Merkmale wird im Zusammenhang mit der Modellentwicklung in Abschnitt 4.3.1 vorgenommen. BezUglich der Aktivitatseigenschaften werden vor allem Fragen der Unterbrechbarkeit der Aktivitaten bzw. Operationen, das Vorhandensein von Reihenfolgebeziehungen unter den Auftragen, Bereitstellungs- und Nachlaufzeiten und das Vorhandensein von reihenfolgeabhdngigen Umrustzeiten zwischen den Auftragen unterschieden (vgl. z. B. (Brucker, 1995), S. 3, (Demeulemeester und Herroelen, 2002), S. 78ff.). Es

existiert

eine

kaum

uberschaubare

Anzahl

an

moglichen

ZielgroBen

fiir

Ablaufplanungsprobleme. Im Rahmen der Projektplanung wird meist die Zykluszeit, d. h. der Zeitpunkt der Beendigung der letzten Aktivitat, diskutiert.^'* Im Rahmen der klassischen Maschinenbelegungsplanung werden haufig die Summe der Abschlusszeitpunkte der einzelnen Auftrage, die mittlere Durchlaufzeit, die Summe der Verspatungen der einzelnen Auftrage oder die maximale Verspatung als ZielgroBen herangezogen. Ebenso sind

Fiir eine Ubersicht und Klassifikation einer Reihe unterschiedlicher Zielfunktionen fiir die Projektplanung sei auf (Neumann, Schwindt und Zimmermann, 2002) verwiesen.

KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

193

Linearkombinationen einzelner ZielgroBen moglich. Bin wesentliches Unterscheidungsmerkmal von Zielfunktionen ist deren so genannte Regulariat. Unter einer reguldren Zielfunktion wird eine in Bezug auf die Abschlusszeitpunkte der einzelnen Auftrage monotone Funktion verstanden (vgl. z. B. (Brucker, 1995), S. 6f., (Demeulemeester und Herroelen, 2002), S. 78ff.).

4.1.2 Klassifikation von Ablaufplanen Resultat der Ablaufplanung sind Ablaufplane, die die einzuplanenden Jobs / Vorgange bzw. Aktivitaten unter Beachtung der Restriktionen einem Zeitraster zuordnen. Im Folgenden werden die fur diese Arbeit wesentlichen Klassen an Ablaufplanen vorgestellt. Die Ausfuhrungen beziehen sich dabei auf die Klassifikation flir den allgemeinen Fall der Projektplanungsprobleme.^^'^^ • Zulassiger Ablaufplan Bin Ablaufplan wird als zuldssig (engl. feasible) bezeichnet, wenn weder Vorrangbeziehungen noch Ressourcenbeschrankungen verletzt werden (vgl. (Demeulemeester und Herroelen, 2002), S. 266, (Sprecher, 1994), S. 26f.). • Optimaler Ablaufplan Bin zulassiger Ablaufplan ist optimal, wenn die Zielfunktion des Ablaufplanungsmodells minimiert bzw. maximiert wird. • Semiaktiver Ablaufplan Bin zulassiger Ablaufplan heiBt semiaktiv (engl. semi-active), wenn kein Vorgang unter Binhaltung der Kapazitatsrestriktionen eine Periode fruher begonnen werden kann (vgl. (Sprecher, 1994), S. 28). Bin semiaktiver Ablaufplan liegt immer dann vor, wenn kein weiterer lokaler Linksshift moglich ist. Hierunter wird eine ein- oder mehrfach ausgefiihrte Verschiebung des Beginns eines Vorgangs um eine Periode auf einen frliheren Zeitpunkt verstanden, bei dem durch jeden Teilschritt eine zulassige Losung erzeugt wird (vgl. (Wiest, 1964), S. 400, (Demeulemeester und Herroelen, 2002), S. 266f., (Sprecher, 1994), S. 27).

Fiir die „einfacheren" Probleme der Maschinenbelegungsplanung sind teilweise abweichende Definitionen gebrauchlich, die sich nicht ohne weiteres auf Projektplanungsprobleme iibertragen lassen (vgl. (Sprecher, 1994), S. 25f.). Die dargestellte Klassifikation hingegen lasst sich auch auf diese Probleme anwenden. Weitere Moglichkeiten der Differenzierung von Ablaufplanen in der Projektplanung finden sich z. B. bei (Zimmermann, 2001) sowie bei (Neumann, Schwindt und Zimmermann, 2002).

194

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

KAPITEL 4

• Aktiver Ablaufplan Ein zulassiger Ablaufplan wird aktiv (engl. active) genannt, wenn es nicht moglich ist, einen anderen Schedule durch die Veranderung der Reihenfolge der Vorgange / Aktivitaten auf den einzelnen Maschinen zu konstruieren, bei dem wenigstens ein Vorgang / eine Aktivitat friiher und kein Vorgang / keine Aktivitat spater beendet wird (vgl. (Pinedo, 2002), S. 24). Ein aktiver Ablaufplan liegt immer dann vor, wenn kein weiterer globaler Linksshift moglich ist. Ein globaler Linksshift ist ein Linksshift, bei dem nicht bei jedem Teilschritt eine zulassige Losung erzeugt wird (vgl. (Demeulemeester und Herroelen, 2002), S. 267). • Unverzogerter Ablaufplan Als unverzogert (engl. non-delay) wird ein zulassiger Ablaufplan bezeichnet, in dem keine Periode existiert, in der eine Aktivitat, die zu Beginn der Periode zulassig bezuglich der Ressourcenverfugbarkeit und der Vorrangbeziehungen ist, nicht zu diesem Zeitpunkt begonnen wird (vgl. (Demeulemeester und Herroelen, 2002), S. 267). 4.1.3 Ansatze der deterministischen Ablaufplanung 4.1.3.1

Modellierungsansatze zur deterministischen Ablaufplanung

Aus der Literatur ist eine Vielzahl von Modellierungsansatzen zur Ablaufplanung bekannt. Eine gangige Unterscheidung dieser Ansatze orientiert sich an der unterschiedlichen Verwendung der gemischt-ganzzahligen bzw. meist binaren Entscheidungsvariablen zur Abbildung

des

Problems.

Unterscheiden

lassen

sich

zunachst

Modelle

mit

Reihenfolgevariablen, Modelle mit Positionsvariablen und Modelle mit zeitbezogenen Variablen (vgl. (Latz, 1997), S. 8). Im Folgenden werden die prinzipiellen ModeUierungsideen dieser Ansatze kurz umrissen und typische Ansatze genannt. Die Darstellung erhebt dabei keinesfalls den Anspruch auf Vollstandigkeit, sondem nennt bekannte und vielversprechende Formulierungen. Bei Modellen auf Basis von Reihenfolgevariablen bestimmen die Binarvariablen, ob ein Auftrag vor einem anderen Auftrag auf einer Ressource bearbeitet wird oder nicht (vgl. (Kieswetter, 1999), S. 88). Hier lassen sich wiederum Modelle unterscheiden, bei denen es sich um eine allgemeine Reihenfolge oder um eine direkte Nachfolgerbeziehung handelt. Eine haufig angefuhrte Formulierung fiir Job-Shop-Probleme auf Basis von allgemeinen

KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

195

Reihenfolgen stammt von Manne (vgl. (Manne, I960)). Ein allgemeineres Modell fiir Projektplanungsprobleme findet sich bei Drexl (vgl. (Drexl, 1990), S. 60f.). Ein Modell mit Entscheidungsvariablen, die direkte Nachfolgerbeziehungen abbilden, wird von Daub (vgl. (Daub, 1994)) vorgestellt.^^ Die Idee vieler Modelle mit Positionsvariablen ist, die binaren Entscheidungsvariablen kodieren zu lassen, ob ein Auftrag j auf Maschine m die Bearbeitungsreihenfolgeposition p besitzt Oder nicht (vgl. (Latz, 1997), S. 59). Formulierungen dieses Modellierungsansatzes finden sich beispielsweise bei Wagner (vgl. (Wagner, 1959)) und Seelbach (vgl. (Seelbach, 1977)) fiir (Flow)-Shop- bzw. Jobshop-Probleme. In zeitindizierten Modellen ordnen die Entscheidungsvariablen einen Auftrag einer Maschine Zeitintervallen zu. Diese Modelle lassen sich weiter dahingehend differenzieren, ob sie ein festes Oder ein variables Zeitraster benutzen (vgl. (Kieswetter, 1999), S. 88). Bei einem festen Zeitraster konnen die binaren Variablen einen Auftrag einer Maschine iiber den gesamten Zeitraum der Bearbeitung zuordnen, jeweils zwei Binarvariablen fiir die Zuordnung von Anfangs- und Endzeitpunkt der Bearbeitung verwendet werden oder durch die Formulierung dem Zeitindex entweder der Anfangs- oder der Endzeitpunkt zugeordnet werden (vgl. (Latz, 1997), S. 8). Fur den ersten Fall ist die auf Krelle (vgl. (Krelle, 1958)) zuruckgehende Formulierung bekannt geworden. Ein Modell mit Zuordnung von Anfangs- und Endzeitpunkten findet sich bei (Domschke und Drexl, 1991), S. 64). Ein eleganter Ansatz zur Modellierung von Multi-Mode Projektplanungsproblemen mit Entscheidungsvariablen, die sich auf den Endzeitpunkt beziehen, geht auf Arbeiten von Pritsker et al. (vgl. (Pritsker, Watters und Wolfe, 1969)) zuriick und wurde vielfach aufgegriffen, erweitert und angewandt (vgl. z. B. (Talbot, 1982), (Sprecher, 1994), (Schultmann, 1998), (Hartmann, 1999)). Problematisch bei diesen Formulierungen ist jeweils, dass der Planungszeitraum a priori festzulegen ist. Da dieser die Anzahl der zu betrachtenden Binarvariablen bestimmt, ist es hier einerseits essentiell, den Planungszeitraum nicht zu klein festzulegen, damit eine Losung bzw. die optimale Losung gefunden werden kann, diesen andererseits jedoch auch nicht zu groB zu wahlen, da sonst der zu untersuchende Losungsraum zu gro6 wird. Bei Modellen mit variablem Zeitraster hingegen ist es die Anzahl der Perioden, die a priori festgelegt wird, die

Dieses baut - wie viele andere Modellformulierungen auch - auf dem Ansatz von Manne (vgl. (Manne, I960)) auf.

196

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

KAPITEL 4

Periodenlange ist variabel. Bin bekannter Ansatz dieses Modelltyps stammt von PreBmar (vgl. (PreBmar, 1984) und (Prefimar, 1988)).

4.1.3.2

Exakte Methoden zur Losung von Ablaufplanungsproblemen

Wie bereits dargestellt, handelt es sich bei mathematisch formulierten Modellen zu Ablaufplanungsproblemen meist um gemischt-ganzzahlige und kombinatorische Optimierungsprobleme. Dementsprechend konnen zur Losung dieser Probleme verschiedene exakte Verfahren, d. h. Verfahren, die in einer endlichen Anzahl von Iterationen optimale Losungen bestimmen, zur Losung dieser Probleme eingesetzt werden. Unterscheiden lassen sich so genannte Schnittebenenverfahren, Entscheidungsbaumverfahren und Kombinationen dieser beiden Verfahrenstypen (vgl. (Domschke und Drexl, 2002), S. 116). Ausgangspunkt der Losungsfindung bei Schnittebenenverfahren ist ein relaxiertes Optimierungsproblem, in dem auf die Forderung nach Ganzzahligkeit der Entscheidungsvariablen verzichtet wird. Dieses wird gelost und die erhaltene Losung - wenn sie die Ganzzahligkeitsbedingungen nicht erfiillt - durch Einfugen einer Restriktion (einer Hyperebene) „weggeschnitten", d. h. aus dem zulassigen Losungsbereich entfemt. Ein bekannter Vertreter dieses Verfahrens ist der Ansatz von Gomory (vgl. (Neumann und Morlock, 2002)). Bei Entscheidungsbaumverfahren werden die existierenden Losungen enumeriert. Je nachdem, ob samtliche mogliche Losungen betrachtet oder Bereiche des Losungsraums, in denen keine optimalen Losungen vorhanden sein konnen, identifiziert und entfemt werden, wird dabei von Vollstdndiger Enumeration bzw. von Unvollstdndiger (Impliziter) Enumeration gesprochen. Unter den Verfahren der impliziten Enumeration haben so genannte Branch-and-Bound-Verfahren groBe Bedeutung erlangt. Dabei werden zunachst untere und obere Schranken fiir die optimale Losung des Optimierungsproblems bestimmt. Es erfolgt anschlieBend eine Verzweigung (branching) in Teilprobleme, die idealerweise einen kleineren Losungsraum als das urspriingliche Problem aufweisen. Diese Teilprobleme werden ausgelotet (bounding), d. h. festgestellt, ob die Losung verworfen werden kann, da die Losung auf jeden Fall gleichwertig oder schlechter als die bisher gefundene beste Losung ist, als neue obere Schranke dienen kann, da sie besser als die bisher beste Losung ist oder keine Losung besitzt und somit das Ausgangsproblem ebenfalls unlosbar ist. Zudem kann das Problem durch logische Tests beispielsweise durch Weglassen redundanter Nebenbedingungen reduziert werden. Fiir nahere Beschreibungen zu Branch-andBound-Algorithmen sei an dieser Stelle auf (Neumann und Morlock, 2002), (Domschke und Drexl, 2002) und (Sprecher, 1994) verwiesen. Als vorteilhaft im HinbUck auf eine effizientere Losungsfindung

haben

sich

Kombinationen

von

Schnittebenenverfahren

mit

KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

197

Enumerationsverfahren wie beispielsweise der Branch-and-Cut-Ansatz erwiesen (vgl. z. B. (Neumann und Morlock, 2002), S. 534). Branch-and-Cut-Algorithmen arbeiten zwar prinzipiell nach dem Entscheidungsbaumverfahren, nutzen jedoch in jedem Schritt zusatzlich Schnitte, um reellwertige Variablen zu eliminieren (vgl. (Kallrath und Wilson, 1997), S. 93). Auch wenn in den vergangenen Jahren im Hinblick auf eine Losbarkeit von (gemischt-ganzzahligen) linearen Optimierungsproblemen wesendiche Fortschritte erzielt wurden (vgl. z. B. (Bixby, 2002)), erschwert bzw. verhindert der i. A. exponentielle Rechenaufwand fiir die Losungsverfahren dennoch haufig die exakte Losung praxisrelevanter Planungsprobleme, insbesondere im Bereich der Ablaufplanung. GroBe Relevanz zur Losung dieser Probleme weisen daher die im folgenden Abschnitt dargestellten heuristischen Methoden auf.

4.1.3.3

Heuristische Methoden zur Losung von Ablaufplanungsproblemen

Heuristische Methoden zur Losung von Optimierungsproblemen verzichten auf die Forderung nach Optimalitat bzw. deren Nachweis und zielen darauf ab, gute zulassige Losungen bei angemessenem Zeitaufwand zu ermitteln. Unterscheiden lassen sich unterschiedliche Verfahrenstypen. Zur Auffindung erster zulassiger Losungen werden Erojfnungsverfahren eingesetzt. Die Giite der durch sie ermittelten Losungen ist abhangig von dem tatsachlich eingesetzten Verfahren. Aufbauend

auf einer zufallig oder mittels eines Eroffnungsverfahrens

ermittelten

Ausgangslosung beginnen so genannte Lokale Such- bzw. Verbesserungsverfahren in der Regel die Losungsfindung: Es wird versucht, die Ausgangslosung durch die einzelnen Schritte des Verfahrens sukzessive zu verbessem. Als reine Verbesserungsverfahren werden solche Heuristiken bezeichnet, die den Suchprozess abbrechen, wenn durch einen weiteren Iterationsschritt keine Verbesserung mehr erzielt werden kann. Diese Verfahren neigen daher dazu, in lokalen Optima „stecken zu bleiben". Lokale Suchverfahren i. e. S. versuchen diese lokalen

Optima

zu

Uberwinden,

indem

temporar

auch

Verschlechterungen

des

Zielfunktionswertes akzeptiert werden (vgl. (Domschke und Drexl, 2002), S. 118). Zu diesen Verfahren zahlen die so genannten Metaheuristiken wie beispielsweise Simulated Annealing, Tabu Search, Evolutiondre Verfahren wie Genetische Algorithmen sowie Ant Colony Optimization. Bei Metaheuristiken handelt es sich um allgemeine Grundprinzipien zur Steuerung der Losungssuche, die fiir das jeweilige Optimierungsproblem angepasst und implementiert werden miissen. Simulated Annealing beispielsweise orientiert sich an dem Aushartungsvorgang von Metallen. Eine Verschlechterung des Zielfunktionswertes wird

198

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

KAPITEL 4

jeweils mit einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit akzeptiert. Diese wird, angelehnt an die angesprochenen Aushartevorgange, im Laufe des Losungsfindungsprozesses sukzessive herabgesetzt (vgl. (Aarts und Korst, 1989)). Tabu Search durchsucht die Umgebung der Ausgangslosung, die durch ZUge genannte Operationen aus der Ausgangslosung generiert werden konnen. Der Zug zur besten Nachbarschaftslosung wird ausgefiihrt, auch wenn diese schlechter ist als die Ausgangslosung. Bestimmte ZUge, insbesondere die Inversen der letzten Ziige, werden tabu-gesetzt, d. h. diirfen nicht ausgefiihrt werden. Dies dient dazu, ein Kreisen des Verfahrens zu verhindem. Das Verfahren terminiert nach einer vorgegebenen Anzahl an Iterationen (vgl. (Glover und Laguna, 1997), (Zumkeller, 2005)). An dem Evolutionsprinzip des Survival-of-the-fittest orientieren

sich Evolutionare Verfahren

wie Genetische

Algorithmen, die auf Arbeiten von Holland und Goldberg (vgl. (Holland, 1975), (Goldberg, 1983)) zuriick gehen. Da diese fiir die Losungsfindung in den Abschnitten 4.3.5 und 4.4.3 eingesetzt und daher in diesen Abschnitten ausfuhrlich behandelt werden, wird auf weitere diesbeziigHche Ausfuhrungen an dieser Stelle verzichtet. Weitere heuristische Losungsverfahren stellen unvollstandig ausgefiihrte exakte Verfahren sowie Kombinationen der genannten Verfahren(-stypen), beispielsweise von Tabu-Search mit Genetischen Algorithmen (vgl. z. B. (Greistorfer, 1999)), dar. Fiir weitere detailliertere Ausfuhrungen sei der interessierte Leser auf die genannten Arbeiten sowie weiterfUhrende Literatur verwiesen.^^

4.1.4 Ansatze zur Berucksichtigung von Unsicherheit in der Ablaufplanung Die in den vorangegangenen Abschnitten vorgestellten Ansatze und Methoden setzen voraus, dass die zugmnde liegenden Parameter deterministisch und hinreichend genau bekannt sind. Dies ist jedoch nicht immer der Fall (vgl. Abschnitt 2.2.3.1). Zur BerUcksichtigung der insbesondere den Zeitparametem vielfach immanenten Unsicherheiten in der Ablaufplanung wurden, je nach vorliegender Informationslage, unterschiedliche Ansatze und Methoden entwickelt. Ziel dieses Abschnitts ist es, wesentUche methodische Herangehensweisen kurz zu skizzieren. FUr eingehende Darstellungen zu den einzelnen Ansatzen sei aus PlatzgrUnden auf die angegebenen Literaturstellen verwiesen.

Hier seien z. B. (Demeulemeester und Herroelen, 2002), (Hartmann, 1999), (Vo6 et al., 1999) und (Glover und Kochenberger, 2003) genannt.

KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

199^

Bei der Informationslage unter Risiko kann die so genannte stochastische Optimierung eingesetzt werden. Flir die unsicheren Parameter sind Wahrscheinlichkeitsverteilungen bekannt und so tritt an die Stelle der deterministischen Parameter eine mehrdimensionale Zufallsvariable, deren mogliche Realisationen als Szenarien bezeichnet werden. Zielsetzung der stochastischen Optimierung ist, wenn moglich, eine perfekte Losung zu bestimmen, die fur jedes Szenario sowohl optimal als auch zulassig ist. Ist diese nicht vorhanden, werden deterministische Aquivalente des stochastischen Modells (vgl. (Kail und Wallace, 1994)), so genannte Ersatzmodelle, eingesetzt. Beziiglich der Zielfunktion wird meistens lediglich der Erwartungswert anstelle der Zufallsvariablen verwendet. Zur Bestimmung von Ersatzrestriktionen sind verschiedene Methoden gebrauchlich. Bei Fat Solution-Modellen werden lediglich die Altemativen betrachtetet, die fiir jedes Szenario eine zulassige Losung ergeben. Bei deterministischen Ersatzwertmodellen kommen, wie bei der Zielfunktion, fiir die unsicheren Parameter deterministische, wie z. B. der Erwartungswert, ggf. zu- oder abzuglich eines Sicherheitszuschlags zum Einsatz. Bei Chance-Constrained-Modellen wird die Zulassigkeit lediglich zu einem bestimmten Prozentsatz gefordert, bei Kompensationsmodellen (engl, recourse models) wird die Verletzung von Restriktionen durch GegenmaBnahmen ausgeglichen (vgl. (Scholl, 2001)). Nahere Beschreibungen der Methoden finden sich bei Kail und Wallace (vgl. (Kail und Wallace, 1994)), Scholl (vgl. (Scholl, 2001)) und Marti (vgl. (Marti, 2005)). In der Projektplanung hat die Program Evaluation and Review Technique (PERT) einige Verbreitung gefunden. Diese baut auf der Critical Path Method (CPM)^^ auf und verwendet einen CPM-Netzplan, dem betaverteilte Zeitparameter zugrunde liegen. Es werden ein optimistischer, ein pessimistischer und ein haufigster Schatzwert fiir die Vorgangsdauern bestimmt und mit deren Hilfe die Lage- und Verteilungsparameter der Beta-Verteilung berechnet. Die friihesten und spatesten Eintrittstermine von Ereignissen, d. h. Start- und Beendigungszeitpunkte der Vorgange, konnen als normalverteilte ZufallsgroBen aufgefasst werden und wiederum die Lage- und Streuungsparameter bestimmt werden. Auf diese Weise lasst sich auch die kurzeste Projektdauer bestimmen (vgl. (Neumann und Morlock, 2002), S. 366ff.). Fiir ausfiihrliche Darstellungen von PERT sei auf Elmaghraby (vgl. (Elmaghraby, 1977)) sowie Moder et al. (vgl. (Moder, Phillips und Davis, 1983)) verwiesen.

Vgl. hierzu beispielsweise (Neumann und Morlock, 2002) und (Demeulemeester und Herroelen, 2002).

200

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

KAPITEL 4

Arbeiten, in denen die Methoden der stochastischen Optimierung flir die Ablaufplanung eingesetzt werden, stammen beispielsweise von (Pinedo und Schrage, 1982), (Foley und Suresh, 1984), (Ku und Niu, 1986) und (Li und Glazebrook, 1998). Liegt eine Unsicherheit bzgl. der Daten vor, sind diese nur mit einer intrinsischen bzw. informationalen Unscharfe erfassbar, existiert mit dem Instrumentarium der unscharfen Mengen, der so genannten Fuzzy Set-Theorie eine Moglichkeit zur Modellierung und Losung von Entscheidungsproblemen. Diese geht auf Arbeiten von Zadeh zuriick (vgl. (Zadeh, 1965), (Zadeh, 1978)) und basiert nicht auf der Wahrscheinlichkeitstheorie, sondem verwendet stattdessen das Konzept der Moglichkeiten. Anstelle der Modellierung der unsicheren Parameter iiber Zufallsvariablen bekannter Verteilungen wird die Zugehorigkeit eines Parameters zur Menge der moglichen Losungen abgebildet. Die Fuzzy Set-Theorie hat in den letzten

Jahren

zunehmende

Verbreitung

gefunden.

Einsatzgebiete

stellen

die

Mustererkennung dar, in denen die Fuzzy Set-Theore erste Anwendungen fand. Weitere Einsatzgebiete benutzen unscharfe Mengen in Steuerungssystemen beispielsweise in der Maschinensteuerung, dieser Bereich wird als Fuzzy Control bezeichnet. In Fuzzy Expertensystemen wird versucht, mit Hilfe von unscharfem Wissen Unterstutzung in der Problemlosung zu leisten (vgl. (Brunner, 1994), S. 53). Daneben haben Fuzzy Sets andererseits auch als Fuzzy-Optimierung in diversen betriebswirtschaftlichen Planungsbereichen Verwendung gefunden. Beispiele fiir Anwendungen finden sich bei (Steinriicke, 1997), (Biethahn, Honerloh und Kuhl, 1997), (Tuma, 1994) und (Geldermann, 1999). Auch im Bereich der Ablaufplanung finden sich bereits erste Arbeiten wie z. B. (Fortemps, 1997), (Hapke und Slowinski, 2000) und (Schultmann, 2003). Allerdings handelt es sich bei diesen Arbeiten schwerpunktmaBig um theoretische Arbeiten bzw. kleine Planungsprobleme.^^^ Keinen voUstandigen eigenen Ansatz stellt die so genannte robuste Planung bereit, die sich mit dem Auffinden von guten bzw. akzeptablen Planen fiir nahezu jedes Szenario bei Unsicherheit bezuglich der verfUgbaren Informationen und einer Risikoaversitat des Entscheidungstragers beschaftigt. Als zentrales Element der Betrachtungen von Losungen dient dabei deren Robustheit, die liber so genannte Robustheitskriterien definiert bzw. bewertet wird. Hierzu zahlen die Robustheit des Ergebnisses unter den moglichen Umwelteinwirkungen, die Robustheit der Optimalitat und Zulassigkeit der Planungsergebnisse und die

' (Fortemps, 1997) betrachtet 20 Vorgange in einem JSP, (Hapke und Slowinski, 2000) betrachten 40 Aktivitaten eines PSP und (Schultmann, 2003) neun Vorgange.

KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

201

Informationsrobustheit genannte Unempfindlichkeit einer Losung gegeniiber unterschiedlichen Informationsstanden sowie die bei dynamischen Modellen benotigte Planungsrobustheit, die Ausdruck iiber evtl. notwendige Anpassungen von Planen durch Folgeentscheidungen zu spateren Zeitpunkten gibt (vgl. (Scholl, 2001), S. 90ff.). Weitere Arbeiten in diesem Bereich stammen beispielsweise von (Aytug et al., 2005), (Scholl, 2001) und (Daniels undKouvelis, 1995).

4.1.5 Ansatze zur Ablaufplanung bei Chargenproduktion In den letzten Jahren beschaftigten sich zahlreiche Veroffentlichungen mit dem Thema der Ablaufplanung von Chargenproduktionen. Die folgenden Ausfuhrungen geben, ohne Anspruch auf Vollstandigkeit, einen kurzen Uberblick iiber verschiedene diskutierte

Beim weitaus groBten Teil der Publikationen im Bereich der Ablaufplanung bei Chargenproduktion handelt es sich um Arbeiten, bei denen die im Abschnitt 4.1.3 dargestellten vomehmlich fiir die Fertigungsindustrie bzw. die Projektplanung entwickelten Ansatze

auf

die

Chargenproduktion

ubertragen

werden.

Die

meisten

dieser

Veroffendichungen beziehen sich auf fiktive Beispielprozesse, wie z. B. von Westenberger und Kallrath (vgl. (Kallrath, 2002)) oder von Kondili, Pantelides und Sargent (vgl. (Kondili, Pantelides und Sargent, 1993)). Wenige Arbeiten beziehen sich auf reale Anwendungsfalle. Als Beispiel fiir eine solche praktische Anwendung sei die Arbeit von Schocke (vgl. (Schocke, 1999)) genannt. Zur Reprasentation der betrachteten Probleme wird auf herkommliche Netzwerke wie Activitiy on Node- (AoN-) oder Activitiy on Arc- (AoA-jNetzwerke (zu AoN-Netzwerken vgl. Abschnitt 4.3.1, zu AoA-Netzwerken vgl. (Demeulemeester und Herroelen, 2002)) oder auf fiir die jeweilige Problemstellung erweiterte Darstellungen zuriickgegriffen. Haufig verwendet werden die so genannte State-Task-Netzwerk- (STN-)Reprdsentation, bei der sich zweier Knotentypen bedient wird. Der erste Knotentyp, so genannte Tasks, reprasentiert wie bei AoN-Netzwerken Aktivitaten bzw. Operationen. Durch den State genannten zweiten Knotentyp werden Stoffe in deren Zustanden und Mengen abgebildet (vgl. (Kondili,

' Fiir detailliertere Besprechungen und Ubersichten sei auf Kallrath (vgl. (Kallrath, 2002)) und Applequist et al. (vgl. (Applequist et al., 1997)) sowie die o. g. Arbeiten verwiesen.

202

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

KAPITEL 4

Pantelides und Sargent, 1993), S. 213ff.). Wesentlicher Kritikpunkt an dieser Reprasentation ist die Abbildung von Ressourcen (vgl. (Kallrath, 2002), (Pantelides, 1994)). Pantelides schlagt daher den Einsatz von so genannten Resource-Task-Netzwerken vor, die auf einer einheitlichen Beschreibung von Ressourcen basieren (vgl. (Pantelides, 1994), (Kallrath, 2002) und (Kondili, Pantelides und Sargent, 1993)) Bei

der

mathematischen

Formulierung

von

Modellen

zur

Ablaufplanung

bei

Chargenproduktion bedienen sich die jeweiligen Autoren der in Abschnitt 4.1.3 dargestellten Modellierungsansatze und erweitem diese um Charakteristika der Chargenproduktion. Eine Modellierung eines hybriden Flow-Shop-Problems mit direkten Nachfolgebeziehungen benutzt Schocke (vgl. (Schocke, 1999)). Eine auf der State-Task-Netzwerk Reprasentation basierende gemischt-ganzzahlige Modellformulierung mit festem Zeitraster findet sich bei (Kondili, Pantelides und Sargent, 1993). Arbeiten mit variablem Zeitraster stammen z. B. von Pinto und Grossmann (vgl. (Pinto und Grossmann, 1996)) und - darauf aufbauend - von Blomer (vgl. (Blomer, 1999)) sowie von Mockus und Reklaitis (vgl. (Mockus und Reklaitis, 1999)). Ein Ansatz auf Basis eines Projektplanungsmodells wurde von Trautmann (vgl. (Trautmann, 2001)) entwickelt. Es gelingt den Arbeiten fiir die zugrunde liegenden, in den meisten Fallen fiktiven, Prozesse Besonderheiten der Prozess- bzw. der Chargenproduktion zu formulieren. Dabei handelt es sich etwa um Kuppelproduktion, zyklische Materialflusse, reihenfolgeabhangige Rustzeiten, das unverzugliche Verarbeiten der Chargen (so genannte Zero-Wait-Bedingungen), Mindest- und Hochstliegezeiten sowie verschiedene Lagerrestriktionen. Zur Losung der Ablaufplanungsmodelle kommt das weite Spektrum der moglichen Losungsverfahren zum Einsatz. Bedingt durch ihre Komplexitat wird meist, insbesondere bei realitatsnahen ProblemgroBen, auf den Einsatz von exakten Verfahren verzichtet. Eine Anzahl verschiedener (Meta-)Heuristiken wird von Schocke (vgl. (Schocke, 1999)) verwendet. Anwendungen von Genetischen bzw. Evolutionaren Algorithmen auf die Ablaufplanung von Chargenfertigungen finden sich bei Gams (vgl. (Gams, 2000)), Kieswetter (vgl. (Kieswetter, 1999)) und Anschutz (vgl. (Anschutz, 2001)). Hauptkritikpunkt an den genannten Ansatzen zur Ablaufplanung bei Chargenfertigung ist die unzureichende Beriicksichtigung der auf den einzelnen Prozessstufen ablaufenden Prozesse. In der iiberwiegenden Zahl gehen die Ansatze davon aus, dass die Prozesszeiten bekannt und deterministisch sind. Reaktionskinetische Zusammenhange, der Einfluss von Parametem wie

KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

203_

Driicken, Temperaturen, chemischen Zusammensetzungen u. A. werden nicht beachtet. Es gibt zwar Prozesse, in denen diese Vereinfachung tatsachlich zutrifft, fur die Allgemeinheit aller Chargenfertigungen ist dies allerdings nicht der Fall. Ebenso werden Unsicherheiten in den meisten Fallen nicht adaquat beriicksichtigt. Mit wenigen Ausnahmen gehen samtliche Ansatze von vorgegebenen deterministischen Zeitparametern aus. Lediglich wenige Arbeiten auf Basis der stochastischen Optimierung bilden eine Ausnahme, die jedoch voraussetzt, dass ausreichende Kenntnisse iiber die Verteilungsparameter dieser Daten vorhanden sind. Allerdings setzen auch diese die Kenntnis einer Verteilungsfunktion sowie deren Parameter und somit eine ausreichend groBe Grundgesamtheit bei der Bestimmung der Parameter voraus. Die ist allerdings insbesondere bei der Chargenproduktion mit ihren z. T. geringen Wiederholraten nicht immer vorhanden (vgl. z. B. folgenden Abschnitt 4.2). Ist dies nicht der Fall, bietet das Konzept der unscharfen Mengen eine Moglichkeit zur Abbildung, in diesem Bereich existieren jedoch bislang kaum praxisrelevante Arbeiten. Den Ansatzen gelingt es meist, fiir die Modellprozesse adaquate Modelle und Methoden zu entwickeln. Aufgrund der groBen Anzahl unterschiedlicher Chargenfertigungen mit ihren jeweils sehr unterschiedlichen speziellen Anforderungen wird jedoch meist der oft gestellte Anspruch, mit diesem Ansatz nahezu alle Ablaufplanungsprobleme bei Chargenfertigungen abbilden und losen zu konnen, verfehlt. In dieser Arbeit wird daher darauf verzichtet, einen generellen Ansatz zu entwickeln. Stattdessen wird im folgenden Abschnitt 4.2 zunachst ein realer Anwendungsfall aus der Lackindustrie vorgestellt und fiir diesen dann in den folgenden Abschnitten ein adaquater Planungsansatz entwickelt, exemplarisch angewendet und anschlieBend Ubertragungsmoglichkeiten fiir diesen Ansatz gepriift.

4.2 Vorstellung eines Produktionssystems aus der Lackindustrie Zur Verdeutlichung der im vorangegangenen Abschnitt gemachten Aussagen hinsichtlich der Unsicherheiten und als Basis fiir die weitergehenden Modellentwicklungen im vorliegenden Kapitel wird im Folgenden ein reales Produktionssystem aus der Lackindustrie vorgestellt. Dabei wird verdeutlicht, welche vielfaltigen Faktoren Einfluss auf die Bearbeitungszeiten bei der Herstellung von Farben haben und damit die Verwendung von deterministischen Bearbeitungszeiten verhindern, obwohl die stoffumwandelnden Aspekte in diesem Prozess nur eine untergeordnete Rolle spielen.

204

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

KAPITEL 4

4.2.1 Verfahrensablauf bei der Herstellung von Lacken und Farben Unter Lack werden gemaB DE^ EN 971-1 fliissige, pasten- oder pulverforaiige, pigmentierte Oder nicht pigmentierte Beschichtungsstoffe

verstanden, die aufgebracht auf einen

Untergrund, eine deckende Beschichtung mit schiitzenden, dekorativen oder spezifischen technischen Eigenschaften ergeben (vgl. (DIN, 1996)). Als Oberbegriff von Lacken, Anstrichstoffen und ahnlichen Produkten wird der Begriff des Beschichtungsstoffes verwendet, in dessen Definition auf die Forderung der Deckung verzichtet wird (vgl. (Knappe, 1984), S. 11). Vereinfachend werden im Folgenden die Begriffe Lack und Beschichtungsstoff synonym verwendet. Lacke werden erst durch ihre Applikation durch den Kunden zu dem gewunschten Produkt, einer Lackierung. Die Hauptziele einer Lackierung sind (vgl. (Vock, 1997), S. 4): • der Schutz des lackierten Objektes vor Umwelteinwirkungen (z. B. Korrosionsschutz), • die attraktive Gestaltung des lackierten Objektes (z. B. Beeinflussung der optischen aber auch der taktilen Wahmehmung etwa durch Farbe oder Glanz) sowie • die Veredelung von Oberflachen durch funktionale Effekte. Im Folgenden wird zunachst auf den grundsatzlichen Aufbau von Beschichtungsstoffen und anschlieBend

auf die Verfahrensablaufe

bei deren Herstellung eingegangen. Die

AusfUhrungen beziehen sich auf die Herstellung von Fliissiglacken. Die Pulverlackherstellung wird nicht betrachtet, da diese in dem dieser Arbeit zugrunde liegenden Referenzuntemehmen nicht durchgefuhrt wird.

KAPITEL 4

4.2.1.1

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

205^

Aufbau und Rezeptur von Beschichtungsstoffen

Zur Herstellung von Beschichtungsstoffen steht eine groBe Palette von Lackrohstoffen zur Verfiigung. Diese lassen sich entsprechend ihrer Funktionen in die in Tabelle 4-1 definierten vier Hauptgruppen Filmhildner, Pigmente und Fullstoffe, Losemittel und Additive einteilen.

Tabelle 4-1:

Haupttypen von Lackrohstoffen

Bezeichnung

Beschrelbung

Filmbildner (..Bindemittel")

Filmbildner sind fur das Zustandekommen einer Beschichtung wesentliche nichtfluchtige Bestandteile eines Beschichtungsstoffes.

Pigmente und Fullstoffe

Pigmente und Fullstoffe sind pulverformige, im Anwendungsmedium unlosliche Substanzen, die als Farbmittel oder wegen ihrer korrosionshemmenden oder magnetischen Eigenschaften verwendet werden.

Losemittel

Losemittel sind bei Raumtemperatur und unter Normaldruck flussige Verbindungen, die Bindemittel ohne chemische Umsetzung losen konnen.

Additive (..LackJiilfsmittel")

Additive werden dem Beschichtungsstoff zugesetzt, urn eine oder mehrere Eigenschaften zu verbessern oder zu modifizieren.

Quelle: vgl. (Knappe, 1984), S. 16ff., (Brock, Groteklaes und Mischke, 1998), S. 14f.)

Die genaue Zusammensetzung eines Produktes wird in einem so genannten Lackrezept festgehalten. Neben den benotigten Mengen enthalt dieses auch Informationen dariiber, wie das Produkt zu fertigen ist und welche qualitatssichemden MaBnahmen und Priifungen durchzufuhren sind. Aufgrund der Vielzahl von Anwendungen, Farbtonen u. a. umfasst das Programm von Lackherstellem oftmals mehrere tausend unterschiedliche „lebendige" Rezepte.

4.2.1.2

Produktionsprozesse der Lackherstellung

Die groBe Menge von Rezepturen flir die jeweiligen Produkte fiihrt dazu, dass in der Lackindustrie, insbesondere bei kleinen und mittleren Untemehmen (KMUs), die so genannte Chargenproduktion die am haufigsten anzutreffende Produktionsweise ist. Trotz z. T. kontinuierlicher oder semi-kontinuierlicher Teilprozesse ist der Herstellungsprozess von Lacken als diskontinuierlich einzustufen, da die Verkettung der einzelnen Fertigungsstufen in der Regel nicht kontinuierlich ist.

206

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

KAPITEL 4

Die Herstellung von Lacken und Farben gliedert sich grundsatzlich in drei Schritte (vgl. (Knappe, 1984)): • Herstellung eines Dispergieransatzes, • Komplettieren des Rezepts sowie • Einstellen und Korrigieren des Fertigprodukts. Der grundlegende physikalische Vorgang bei der Herstellung von pigmentierten Beschichtungsstoffen liegt in der vollstandigen Benetzung und gleichmafiigen Verteilung der Pigment- und gegebenenfalls Fullstoffteilchen in der Filmbildnerlosung oder -dispersion. Dieser als Dispergieren bezeichnete Prozessschritt stellt sowohl energetisch als auch technologisch die aufwandigste Stufe der Lackproduktion dar. Das Dispergieren findet unter Einsatz mechanischer Dispergieraggregate, wie z. B. Dissolver und Riihrwerkskugelmiihlen, statt (vgl. (Knappe, 1984), S. 148). Weil eine Dispergierung des fertigen Lackes uneffektiv ware und z. T. prozesstechnisch nicht ohne Beeintrachtigung moglich ist, werden in nahezu alien Fallen im Prozessschritt Komplettieren weitere Substanzen zugesetzt (vgl. (Brock, Groteklaes und Mischke, 1998), S. 232). Beim Einstellen bzw. Korrigieren findet eine Feineinstellung der geforderten Lackeigenschaften, insbesondere des genauen Farbtons, statt. Die Herstellung von Beschichtungsstoffen kann prinzipiell auf zwei Weisen durchgefuhrt werden: Bei der so genannten Grundfertigung werden fiir jede Charge alle Fertigungsschritte von der Herstellung des Dispergieransatzes bis hin zum Korrigieren durchlaufen. Um Zeit in der Herstellung zu sparen, wird teilweise auch in einer so genannten Mischfertigung produziert. Hier werden hergestellte oder zugekaufte Zwischenprodukte („Farbpasten") bevorratet, die zur Herstellung einer Charge im richtigen Verhaltnis miteinander gemischt werden. Auch wenn die so produzierte Charge anschlieBend eingestellt und teilweise korrigiert werden muss, wird der aufwandige Verfahrensschritt zur Herstellung des Dispergieransatzes durch den wesentlich einfacheren Schritt des Mischens ersetzt. AbschlieBend wird die Charge sowohl bei Grund- als auch bei Mischfertigung in Gebinde abgefullt. In der folgenden Abbildung 4-1 ist der allgemeine Verfahrensablauf bei der Herstellung von Fliissiglacken schematisch dargestellt.

KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

Lager

207

Rohstoffe

Einwiegen

Til

Vordispergieren

-ra

Dispergieren

ni Komplettieren

Sieben und Filtrieren

13

Abfullen

Lager

Abbildung 4-1:

Allgemeiner Verfahrensablauf bei der Herstellung von Flijssiglacken Quelle: vgl. (Hiller, 2002)

4.2.2 Verfahrensablauf im Referenzfall Der beschriebene allgemeine Verfahrensablauf zur Herstellung von Flussiglacken findet sich auch in der in dieser Arbeit betrachteten Lackproduktion wieder. Es handelt sich dabei um die Lackherstellung in Grundfertigung in einem mittelstandischen Unternehmen, das im Jahr ca. 3.0001 Fllissiglacke herstellt. Die Fertigung in diesem Unternehmen verteilt sich auf die in Abbildung 4-2 dargestellten ftinf Fertigungsstufen, die im Folgenden naher beschrieben werden.

208

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

Abbildung 4-2:

4.2.2.1

KAPITEL 4

Verfahrensabiauf im Referenzunternehmen

Ansetzen

Im Prozessschritt Ansetzen wird zunachst ein Behalter in der erforderlichen GroBe bereitgestellt, die benotigten Rohstoffe und Zwischenprodukte aus dem Lager geholt und entsprechend der Rezeptur eingewogen, vermischt und eventuell vordispergiert. Fiir die Bearbeitung der Chargen stehen flinf Dissolver zur Verfugung. Die Zuordnung der Chargen zu den Dissolvem ist im Wesentlichen von drei Faktoren abhangig, der ChargengroBe, dem Losemittel (Wasser- oder konventionelle Losemittelbasis) und ob noch ein Feindispergierungsschritt folgt. Wesentliche Quellen fur unsichere Bearbeitungszeiten sind hier die Temperaturbedingungen inner- und aufierhalb der Halle ^^^ und ablaufbedingte Verzogerungen, wie z. B. eine verzogerte Bereitstellung der Rohstoffe bei anderweitiger Belegung des Gabelstaplers oder Verzogerungen, die sich ergeben, falls bei der Selbstpriifung von Qualitatsmerkmalen Nachbesserungsbedarf festgestellt wird. Die Bearbeitungszeiten sind

Ein Teil der Rohstoffe befmdet sich in einem AuBenlager.

KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

209^

abhangig von dem Dissolver, auf dem die Vorgange durchgefuhrt werden, von der Anzahl an Komponenten, die eingewogen und gemischt werden, und davon, ob ein Vordispergieren notwendig ist oder nicht. Die ChargengroBe beeinflusst die Bearbeitungszeit hauptsachlich dadurch, dass sie den zustandigen Dissolver mitbestimmt. Die Rustzeiten bestehen im Wesentlichen aus der Reinigung der Dissolverscheibe nach dem Ansetzvorgang und sind daher reihenfolgeabhangig. Folgen zwei gleiche Rezepturen aufeinander, konnen diese Zeiten mit null angesetzt werden, bei reinen Farbwechseln hangen sie von dem Unterschied zwischen den Farbtonen ab. Ein Wechsel der Losemittelbasis, wie er auf drei Maschinen moglich ist, fiihrt zu einem zusatzlich erhohten Reinigungsaufwand.

4.2.2.2

Dispergieren

Der nicht von alien Chargen zu durchlaufende Prozessschritt der Dispergierung wird wegen der RUhrwerkskugelmiihlen („Perlmuhlen"), auf denen er durchgefuhrt, wird auch „Mahlen" genannt. Da von einem Quell- in einen Zielbehalter „gemahlen" wird, ist hierzu zunachst ein zweiter Behalter in der erforderlichen GroBe bereitzustellen. Die Mahlgeschwindigkeit der Maschine wird dann auf die entsprechende Charge eingestellt, bevor mit dem eigentlichen Dispergiervorgang begonnen wird. Es stehen acht Maschinen zur Verfugung. Die Zuteilung der einzelnen Chargen zu den Maschinen ist wiederum von der ChargengroBe und der Losemittelbasis abhangig. Die Bearbeitungszeiten sind Unear abhangig von der Menge der zu dispergierenden Charge. A priori nicht prazise bestimm- bzw. beinflussbare Faktoren mit Einfluss auf die Dauer des Mahlvorgangs sind die Viskositat und Komfeinheit des Mahlgutes, die Temperatur in der Halle sowie u. U. notwendiges Nachmahlen, falls nicht mit einem Dispergiervorgang die geforderte Kornfeinheit erzielt werden kann. Auch beim Dispergieren liegen reihenfolgeabhangige RUstzeiten vor. Die ZrO-Kugeln in den Riihrwerkskammem werden beim Mahlvorgang mit dem Dispergiergut benetzt. Die Dauer des Reinigungsvorgangs durch ein Spiilen der RUhrwerkskammer mit Losemittel wird durch die aufeinanderfolgenden Chargen determiniert und ist somit stark reihenfolgeabhangig. Nach dem Ansetzen (falls kein Dispergiervorgang folgt) bzw. nach dem Dispergieren trennen sich die Bearbeitungswege zwischen kleinen und mittleren ChargengroBen (16 bis ca. 700 kg) und groBen Chargen (700 kg bis ca. 3,5 t). Die kleineren und mitderen Chargen bleiben in den fahrbaren Behaltem und werden zu den jeweils nachfolgenden Bearbeitungsstationen gebracht, wohingegen die groBen Chargen in stationare Behalter gefiillt werden, in denen sie bis zum Abfullen verbleiben. Fur die Bearbeitung dieser Chargen kommt der zustandige

210

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

KAPITEL 4

Mitarbeiter zum jeweiligen Behalter. Der Bereich, in dem sich die stationaren Behalter befinden ist baulich von dem Bereich getrennt, in denen die kleinen und mittleren Chargen bearbeitet werden.

4.2.2.3

Komplettieren

Der folgende Bearbeitungsschritt des Komplettierens wird durch einen Mitarbeiter vorgenommen, der bei kleinen und mittleren Chargen diese im fahrbaren Behalter zu einem stationaren Ruhrwerk befordert oder bei groBen Chargen ein mobiles Ruhrwerk zum jeweiligen stationaren Behalter transportiert. Die Bearbeitungszeit ist im Wesentlichen von der Unterscheidung in stationare und mobile Behalter sowie der Anzahl der noch hinzuzufugenden Lackkomponenten abhangig. Unterschiedliche bzw. reihenfolgeabhangige Rustzeiten werden vomehmlich dadurch hervorgerufen, dass ein Wechsel des Mitarbeiters zwischen den Bereichen, in denen die kleinen und mittleren Chargen bzw. die groBen Chargen komplettiert werden, notwendig ist. Im Anschluss sind - wiederum reihenfolgeabhangig - das Ruhrgerat und der Behalterrand zu reinigen.

4.2.2.4

Abtonen

Fiir den Bereich des Ahtonens stehen vier Mitarbeiter zur Verfligung, zwei flir Chargen in fahrbaren Behaltem und zwei fiir Chargen in stationaren Behaltem. Beim Abtonen wird der Zyklus Farbpaste hinzugeben - Probenahme - Probetrocknung - Vergleich mit Farbmuster so lange wiederholt, bis der gewtinschte Farbton getroffen ist. Die Anzahl der durchzufiihrenden Zyklen ist vorab nicht bestimmbar. Die Dauer eines Zyklusses ist fiir Chargen in stationaren und in fahrbaren Behaltem unterschiedlich, da die Wege zwischen Trockenofen und Tageslichtkammer und den stationaren Behaltem deutlich langer sind als fiir die fahrbaren Behalter. Die Reinigungszeiten im Anschluss an das Abtonen fiir das Riihrgerat und den Behalterrand sind reihenfolgeabhangig.

4.2.2.5

Prufen und Korrigieren

Sehr aufwandig gestaltet sich der Teilprozess Prufen und Korrigieren. Von jeder Charge wird eine Probe entnommen. Mit diesen Proben wird die Erfiillung der Qualitatsanfordemngen iiberpriift. Das Ergebnis dieser Priifung ist meist erst am Tag nach der Probenahme verfiigbar. Entsprechend den PrUfergebnissen wird die Charge korrigiert und eingestellt, u. U. sind hier mehrere Zyklen notwendig, bis samtliche Qualitatskriterien erfiillt werden. Eine Besonderheit

KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

2V\_

ist, dass die Priifung der Chargen nahezu parallel verlauft. Im Vergleich zu den langen Reife-, Trocknungs- und Liegezeiten sind die benotigten Zeitspannen fiir die Durchflihrung der Tests, das Aufziehen von Proben und die Begutachtung der Ergebnisse sehr klein. Aufgrund einer Vielzahl unterschiedlicher moglicher Qualitatsmangel und unterschiedlich hohem zeitlichen Korrekturaufwand ist die Dauer der Priifung und Korrektur mit sehr groBen Unsicherheiten behaftet.

4.2.2.6

AbfiJIIen

Nach der Freigabe der Charge durch das Priiflabor werden im letzten Prozessschritt, dem so genannten AbfUllen, die Chargen in die Verkaufs- und Transportgebinde gefUllt. Hierzu werden sie in der Regel zunachst noch einmal aufgerlihrt und durch Siebeinrichtungen direkt in die Gebinde gegossen. Hierzu werden unterschiedliche Siebe, je nach QuaHtat des Lackes Oder nach Vorgaben aus dem Labor, eingesetzt. Die Siebdichte iibt dabei einen wesentlichen Einfluss auf die Abfullgeschwindigkeit aus. Die Dauer des Abfullvorgangs hangt dartiber hinaus davon ab, ob es sich um stationare oder fahrbare Behalter handelt, sowie von der Chargen- als auch der GebindegroBe. Rustzeiten mlissen nicht reihenfolgeabhangig betrachtet werden, da die unterschiedlichen Siebe jeweils mehrfach vorhanden sind und automatisch in einer Maschine gereinigt werden. Im Anschluss an das AbfUllen werden die Gebinde entweder eingelagert oder direkt vom Versand an den Kunden geschickt.

4.2.3 Ablaufplanung im Referenzfall Auf Basis der durch bestehende Kundenauftrage und gegebene Mindestbestande verschiedener Produkte gegebenen Primarbedarfe werden im Referenzuntemehmen zunachst die genaue erforderliche Produktmenge, das Lieferdatum und die benotigten Ressourcen bestimmt sowie die Fabrikation von evtl. notwendigen Zwischenprodukten veranlasst. Es werden Fertigungsauftrage erstellt, auf deren Grundlage nun die Reihenfolgen- und Zeitplanung

fiir

die

einzelnen

Auftrage

vorzunehmen

ist.

Hierbei

wird

das

Produktionsmanagement durch ein EDV-System auf Basis einer Datenbank unterstutzt. Das Funktionsspektrum dieses Systems umfasst jedoch ausschlieBlich die Verwaltung von Stamm- und Bewegungsdaten; das System wird daher lediglich zur Information des Produktionsmanagements hinsichtlich der Kapazitatsbelastung und zur Verwaltung von Auftragsdaten eingesetzt. Die eigenthche Reihenfolgeplanung findet auf Basis von

212

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

KAPITEL 4

Prioritatsregeln statt. Urspriinglich kam hierzu die so genannte Earliest Due Date-Regel (EDD-Regel) zum Einsatz, die sich ausschliefilich am Falligkeitstermin des Auftrags orientiert. Kurzfristige Einbeziehung

der

Verbesserungen in den Planungsergebnissen

voraussichtlich

benotigten

wurden durch

Auftragsbearbeitungszeiten

in

die

Prioritatenbildung erzielt (so genannte Slack-Regeln)/^^ jedoch ist ein optimierender Ansatz erstrebenswert, der die prozessbedingten Unsicherheiten berucksichtigt (vgl. (Schultmann, Frohling und Rentz, 2002a)). Dieser wird in den folgenden Abschnitten entwickelt, prototypisch implementiert und exemplarisch angewendet.

4.3 Ein deterministisches Modell zur Ablaufplanung bei Chargenproduktion Das deterministische Modell zur Ablaufplanung bei Chargenproduktion wird als multi-mode resource constrained project scheduling problem (MRCPSP) formuliert. Es wird dazu der in Abschnitt 4.1.3.1 genannte Ansatz mit Entscheidungsvariablen, die sich auf den Endzeitpunkt beziehen und ein binares lineares Programm verwendet. Die angewendete Formulierung geht auf Talbot zuruck (vgl. (Talbot und Patterson, 1978) und (Talbot, 1982)) und wurde von mehreren Autoren aufgegriffen

und an verschiedene Anwendungsfalle

erfolgreich

104

angepasst. Bevor in Abschnitt 4.3.2 das Modell mit Zielfunktion und Nebenbedingungen aufgestellt wird, werden zunachst in Abschnitt 4.3.1 die verwendete Notation sowie Einzelheiten der Modellierung von Ressourcen und Zeitfenstem vorgestellt.

4.3.1 Notation und IVIodellierung von Ressourcen und Zeitfenstem Jeder Auftrag a = 1,...,A besteht aus den Vorgangen bzw. Prozessstufen ^ = 1,...,5, die von spezifischen Ressourcen (Maschinen oder Mitarbeiter) ausgefuhrt werden. Aus modelltechnischen Griinden erhalten alle Auftrage die gleiche Anzahl an Vorgangen, auch wenn einzelne Prozessstufen ubersprungen werden. Fiir das Uberspringen der einzelnen Stufen

In (Zapfel, 2001), S. 270ff. ist ein Uberblick iiber verschiedene elementare Prioritatsregeln enthalten. Es werden zum Teil auch umfangreichere Regeln diskutiert (vgl. z. B. (Vepsalainen, 1987) oder (Russel, Dar-el und Taylor, 1987)). Hierzu sei z. B. auf (Patterson et al., 1989), (Sprecher, 1994) und (Schultmann, 1998) verwiesen.

KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

213

werden Dummy-Vorgange eingefugt. Die Vorgange entsprechen dann den einzelnen Aktivitaten des Projektplanungs-Modells. Die Menge aller Auftrage bzw. deren Vorgange entspricht dem „Projekt", bestehend aus den Aktivitaten j = l,...,n. Es ist moglich, aus den Aktivitatsnummem die urspriinglichen Auftrags- und Vorgangsnummern zu bestimmen. Fiir den hier vorliegenden Fall eines hybriden Flow-Shops lasst sich dieser Zusammenhang wie folgt formulieren (vgl. (Sprecher, 1994), S. 11): j'=L(a,b) = (a-\)-B + b

(4.1)

Um den Projektstart und das Projektende abzubilden, werden zwei weitere DummyAktivitaten 0 und n + l eingefiihrt. Zur Modellierung der Liefertermine der einzelnen Auftrage werden den jeweils letzten Aktivitaten der Auftrage je {L(a,B)}) Liefertermine ddj zugewiesen. Zur Bearbeitung der Aktivitaten stehen Ressourcen bereit, die jeweils aus einem Pool teilweise heterogener Ressourcen ausgewahlt und zugewiesen werden miissen. Die Menge dieser Altemativen, so genannter Modi, wird mit m = \,...,Mj dargestellt. fA^ ist die Menge der altemativen Modi fiir Aktivitat j . Die Bearbeitungsdauer von Aktivitat j in Modus m wird durch pjm beschrieben. Die Dummy-Aktivitaten 0 und n + l sowie fiir das Uberspringen einer Bearbeitungsstufe / besitzen lediglich einen moglichen Ausfiihrungsmodus mo=mn+]=mi: = l, jeweils mit einer Bearbeitungszeit von Null. Generell wird die Ganzzahligkeit der Parameter angenommen. Ressourcen konnen Mitarbeiter oder Maschinen abbilden. Die Parameter w^'" und w^^" beschreiben minimale und maximale Liegezeiten zwischen der Beendigung von Aktivitat h und dem Beginn von Aktivitat j . Im betrachteten Fall sind die minimalen Liegezeiten von Bedeutung, um z. B. Reifungs- oder Priifprozesse des Lackes abzubilden. Maximale Liegezeiten sind z. B. fUr Wasserbasislacke nach dem Dispergierschritt einzuhalten. Im vorliegenden Fall wird vorausgesetzt, dass diese Liegezeiten unabhangig von dem zugewiesenen Modus der Aktivitat sind. Dariiber hinaus beschreibt J^ den friihesten Freigabezeitpunkt von Aktivitat j und Sj den Zeitpunkt, zu dem Aktivitat j beendet sein muss. Diese Nebenbedingungen konnen durch Ressourcenverfugbarkeiten, verderbliche Gliter oder Kunden notwendig werden. Die Struktur des Projektes und damit des abgebildeten hybriden Flow-Shops kann als so genanntes Activity-on-Node- (AoN-)Netzwerk dargestellt werden. Bei diesen Netzwerken werden

die

Aktivitaten

durch

Knoten

reprasentiert,

die

Kanten

bilden

die

214

KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

Reihenfolgerestriktionen ab (vgl. (Elmaghraby, 1977), S. 7, (Render, Stair und Hanna, 2003)): G = {V,E) ist ein Digraph mit den Aktivitaten i,jeV {i,j)sE

und den Reihenfolgerestriktionen

(vgl. (Neumann und Morlock, 2002), S. 177). Ein AON-Netzwerk fur den

behandelten Fall eines hybriden Flow-Shops ist in der folgenden Abbildung 4-3 dargestellt.

n+1=AB+1

(A-1)B+1 Abbildung 4-3:

(A-1)B+2

AB

Activity-on-Node-Netzwerk eines Flow-Shops

Pred(j) ist als die Menge der direkten Vorganger, Succ(j) als die Menge der direkten Nachfolger der Aktivitat j definiert. Succ(j) lasst sich wie folgt berechnen (vgl. (Sprecher, 1994), S. 13): Succ{0) :={L{a,l); a = 1,..., A}

(4.2)

Succ{n+ !):={]

(4.3)

Succ(j) := Succ(L{a,B)) = {n + l} a = 1,...,A Succ{j):=Succ{L{a,b)):={L(a,b

+ \)} fl = l,...,A; b = l...,B-l

(4.4) (4.5)

Die zentrale Entscheidungsvariable des Modellierungsansatzes ist die Binarvariable Xjmt. Sie beschreibt, ob die Aktivitat j in Modus m in der Periode / beendet wird oder nicht. (vgl. (Sprecher, 1994), S. 11): 1 wenn Aktivitat j in Modus m in Periode t beendet wird 0 sonst

(4.6)

KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

21^

Xj^j bestimmt demnach den Ablaufplan durch Zuweisung von Modi und Endzeitpunkten zu den Aktivitaten. Der Startzeitpunkt einer Aktivitat 7, die in Modus m ausgefiihrt und zum Zeitpunkt t beendet wird, kann mit t - p.^ bestimmt werden.

Die Ausfuhrung von Aktivitaten kann durch die Ressourcenverfugbarkeit limitiert werden. Beziiglich dieser Beschrankungen lassen sich drei Ressourcentypen unterscheiden. Es wird differenziert zwischen erneuerbaren Ressourcen, d. h. Ressourcen deren Verfugbarkeit nur fUr jede Periode wieder aufs Neue zur Verfugung steht, nicht erneuerbaren Ressourcen, die Uber den gesamten Planungshorizont einer Beschrankung unterliegen und so genannte doppelt-beschrdnkten Ressourcen, die sowohl in die erste als auch in die zweite Kategorie fallen, (vgl. (Sprecher, 1994), S. If.). Emeuerbare Ressourcen, d. h. Ressourcen, deren Verfugbarkeit auf Periodenbasis beschrankt ist, werden durch die Menge 9t^ reprasentiert. Die Anzahl der in Periode t verfugbaren Kapazitatseinheiten der erneuerbaren Ressource k wird mit R^^ angegeben. Durch die Zeitabhangigkeit ist es auch mogUch, Pausenzeiten abzubilden, in denen weniger oder keine Maschinen bzw. Mitarbeiter verfugbar sind. Die Kapazitatsnachfrage durch die Ausfuhrung von Aktivitat j in Modus m pro Periode betragt rj^^. Die Beschrankung nicht emeuerbarer Ressourcen bezieht sich auf den gesamten Planungshorizont. Diese Ressourcen werden durch die Menge 91^ beschrieben. Rl gibt wiederum die Anzahl der Kapazitatseinheiten von Ressource k an, die iiber den Planungshorizont hin insgesamt in Anspruch genommen werden konnen. Dieser Wert ist daher nicht zeitabhangig, sondern fix iiber die gesamte Projektdauer. Der Verbrauch von der nicht erneuerbaren Ressource k durch die in Modus m durchgefiihrte Aktivitat j wird durch ^]mk abgebildet (vgl. (Brucker et al., 1999), S. 5). Die Nachfrage nach doppelt beschrankten Ressourcen ist sowohl fur die einzelnen Perioden als auch iiber den Planungshorizont limitiert. Um auch diese Ressourcen abzubilden, werden die Mengen von erneuerbaren und nicht erneuerbaren Ressourcen als nicht disjunkt angenommen und die Ressourcen durch Zugehorigkeit zu beiden Typen modelliert. In dem betrachteten Fall sind ebenfalls reihenfolgeabhangige Riistzeiten zu beriicksichtigen. Hierfiir wird eine auf Trautmann zuriickgehende Formulierung verwendet (vgl. (Trautmann, 2001), S. 22ff.). In dieser wird ein Maschinenpool SR"^ als die Menge der so genannten Umriistressourcen, also der Ressourcen, auf denen reihenfolgeabhangige Umriistvorgange stattfinden, definiert. Identische Maschinen, d. h. Maschinen mit gleichen Prozessdauern und

216

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

KAPITEL 4

Umriistzeiten werden zusammengefasst. Die Kapazitat R^ der Umriistressource /:" ist von der vorherigen Inanspruchnahme unabhangig. Der durch Aktivitat j auf Ressource /:" hervorgerufene Kapazitatsbedarf betragt r^^^ e {0,1}. Die reihenfolgeabhangige Umriistzeit t^l^ beschreibt den Zeitbedarf fur einen Umriistvorgang von Aktivitat / auf Aktivitat j . Wahrend des Umriistvorgangs wird die Ressource als belegt angesehen. Es wird femer beriicksichtigt, dass zwischen den Dummy-Aktivitaten 0 und n+1 sowie fur die Aktivitaten, die nicht auf den Umriistressourcen bearbeitet werden, keine reihenfolgeabhangigen Umriistzeiten existieren (i^'' :=0 flir k'' t 3^"^). Die Aktivitaten, die die Umriistressource k" beanspruchen, sind Elemente der Menge V^ ''-\{j^ V,m^ M.)[ r^^^ =1 . Zur Modellierung der

Reihenfolgebeziehungen

wird

eine

zweite

binare

Entscheidungsvariable

y^J''((/,m), (7, m)GV^'^u{(0,mo),((« +l),m„^,)}) eingefuhrt, die angibt, ob Aktivitat y eine direkte Nachfolgeaktivitat der Aktivitat / ist. Diese Variable ist definiert als: ^c _ [\ ^' [O

Aktivitat; folgt auf Ressource k^ direkt auf Aktivitat / sonst

Wenn j die erste Aktivitat ist, die auf Ressource k" bearbeitet wird, so ist y\. = 1. Ist j die letzte Aktivitat, die auf Ressource k" bearbeitet wird, ist y\^^^^ -1.

SchlieBlich gilt

Bei der Konstruktion des Ablaufplans ist dariiber hinaus auch in Betracht zu ziehen, dass einige Aktivitaten erst dann begonnen werden konnen, wenn eine Beendigung dieser noch vor Schichtende moglich ist. Um dies zu beriicksichtigen wird ein Schichtkalender 5^ eingefuhrt, der als eine uber der Zeitachse monoton steigende Funktion definiert ist. Der Funktionswert wird durch jeden Schichtwechsel erhoht, so dass s^^ > 5^- immer dann gilt, wenn zwischen t und t' (t>t'>0)

ein Schichtwechsel auf Ressource ke^^

stattfindet. (vgl. (Trautmann,

2001), S. 85). Als obere Grenze fiir den Planungshorizont, die maximale Projektdauer, kann z. B. der nachfolgende Term angegeben werden (vgl. (Trautmann, 2001), S. 53):

KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

T:=Y, max max /?., +

max

max z^f , p^^ + max w,7''

217

(4.8)

Das entwickelte Modell soil dartiber hinaus Freigabezeitpunkte Sj beriicksichtigen, daher ist (4.8) wie folgt zu andem: _

_

_

f 1^0'

'^^i^ii 7 = 0

[max{^.,r._,+p.^}, sonst

und z?;^ := max max /? .^ +

max

max z^f , p^^ + max w,7'^

Mogliche weitere Verzogerungen durch Schichtwechsel sind in (4.9) noch nicht beriicksichtigt. Eine entsprechende Erweiterung lasst sich durch Einfuhrung

von

BOS^{s^j) = minu'G 7 5^, = 5^1, dem Beginnzeitpunkt von Schicht s auf Ressource k und £05f (5^) = maxu'G r 5^, =5^^}, dem Endzeitpunkt von Schicht s auf Ressource k ermogUchen: SQ ,

wenn j = 0

T := r , , mit T, := max{^^.,505f(5,^+l) + /7;l}, wenn 7;._, + p): > £05^(5,^ J max{^. ,7;^! + /?;^},

und p'f, := max maxK p- +

max

(4.10)

sonst

max z^^ ,/?,>„+ max w^

Friiheste und spateste Startzeitpunkte ESj und LSjm lassen sich wie folgt bestimmen (vgl. (V06 und Witt, 2002), S. 6): wenn 7 = 0 £S,:=<

sonst

(4.11)

wenn j = n-\-l LSj.--=

sonst

(4.12)

218

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

KAPITEL 4

Die Beriicksichtigung von minimalen Liegezeiten w™", Freigabezeitpunkten S^j und Beendigungszeitpunkten Sj fUr die Aktivitaten fiihrt auch fur die friihesten und spatesten Startzeitpunkte wieder zu hoheren Werten. Wird auch die Dummy-Aktivitat n+l mit ihrer Prozessdauer von Null beriicksichtigt, lassen sich ESj und LSjm wie folgt berechnen:

1

^0

wenn j = 0

'"^''{^^' S,M^^+^-+<"}}

^°"^'

,1L^ ,.„ - Z7 „. - wr" I }• rwenn •^^-.s.{("--^>"-o}} ^°"^'sonstj = n + l

^"^^ '^^ (4.14)

keSucc(j) ^

Auf Basis der Formeln (4.13) und (4.14) ist die Bestimmung von friihesten und spatesten Endzeitpunkten der Aktivitaten uber EFj^ = ES- + p-^ bzw. LF-^ = LS-^ + p.^ moglich. Es ist ersichtlich, dass der friiheste Endzeitpunkt nicht vom gewahlten Ausfuhrungsmodus der Aktivitat j abhangt, wohingegen dies fUr die anderen Zeitpunkte jeweils der Fall ist. Diese Abschatzungen werden zu einer Verkleinerung des Suchraums fiir die optimale Losung x*^, fur die einzelnen Aktivitaten j eingesetzt. Die Reduzierung der Anzahl untersuchter Perioden fiihrt zu einer deutlich kiirzeren Berechnungszeit fUr die optimale Losung durch eine Verkleinerung des Losungsraums. Mit diesen grundlegenden Definitionen lasst sich ein deterministisches Ablaufplanungsproblem fiir den Referenzfall formulieren. Diese Formulierung wird im folgenden Abschnitt vorgenommen.

4.3.2 Zielfunktion und Nebenbedingungen Die Zielfunktion besteht aus der durch die Faktoren o; gewichteten Summe der Durchlaufzeiten aller Auftrage und der Zykluszeit:

Min O ^ v^ v^ .

i. ^

'v^'

^i ^ [0;!]' Y^i=^

(4.15)

KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

219

Die Nebenbedingungen konnen wie folgt angeben werden: (4.16)

E E ('+<")-*».^EE('-/'.J-. M»

if/.

E E ('-PyJ-^y™, ^ E E (' + <"")-*.™,

jmk

/

1

;• = !,...,«; he Pred(j) (4.17)


jmq

^• = l'-.«; ''^ ^^^'^y) (4.18)

(teg?"; ? = l,...,r

(4.19)

j=\ m=l

n

Mj f

LFj„

^

E-*;™. M:

ke^i"

(4.20)

E E ('-P;»,)-^.»^^.

j = l,...,n

(4.21)

EE'-.-^^.

j = l,...,n

(4.22)

EEU;* j=\ m=\ I Mj

t^EFj^

J

LFj^

E E ('-/'.J-,™-^E E *.«-'+4'-^-(i-)'r) m-l f=£F^„,

(4.23)

m=I t=EFi„

E ^^'^r

/feS?"

(4.24)

r€9l^;(;,m)GV,^

(4.25)

rG9t^;(;,m)Gy,^

(4.26)

wenn};f=0

(4.27)

(J.mKV,"

E

^;°=E

(g,m)eV^''u{{0,m^)}\{{j,m)}

t=EFj^

E

y'" = E *.«

(/,m)€V^^u{((n+l),m„^,)}\{(7,m)}

r=£F^„

ZZ(^-/^;>n)-^..J = < S I ' - ^ .

r G9t";)^G{;rG 9^^|r;^,>0};/,7 = !,...,«

220

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

'^ Mj LFj„

\

tt{f-Pj^-4'y m=l t=EFj^

f Mj

LFj„

^M: \ = ''\tttJ

I m=l t=EFj^

KAPITEL 4

\

^M.

wenn yf = 1

J

k"e '3i'';ke{Ke 9?"\rf„^ >o}nJ?"; (i,mUj,m)e y,fe{0,l} Xj„,e{0,l}

k'€^^;(i,m),(j,m)eV,''u{{0,m,mn

V^"

+ l),m„,,)}

; = l,...,n;m = l,...,M^.;/ = £f\„,...,LF,„

(4.29) (4.30)

Die Nebenbedingungen (4.16) stellen sicher, dass jede Aktivitat nur einmal und in einem einzigen Modus ausgefuhrt wird. Durch die Ungleichungen (4.17) und (4.18) werden die Vorrangbeziehungen abgebildet, wobei die Einhaltung minimaler und maximaler Liegezeiten durch w™" und w^^ beriicksichtigt wird. In Ungleichung (4.19) werden die Kapazitatsbeschrankungen der erneuerbaren Ressourcen abgebildet, wohingegen die Kapazitatsbeschrankungen der nicht erneuerbaren Ressourcen durch die Nebenbedingungen (4.20) modelliert werden. Der friiheste Startzeitpunkt, zu dem Aktivitat j begonnen werden kann, wird in (4.21) bestimmt, der spateste Zeitpunkt fiir die Beendigung der Aktivitat durch (4.22) determiniert (vgl. (Hartmann, 1999), S. 16). Reihenfolgeabhangige Umriistzeiten werden durch die Nebenbedingungen (4.23) beriicksichtigt. Aufgrund der begrenzten Kapazitat dieser Ressourcen muss (4.24) erfullt werden. Nebenbedingungen (4.25) und (4.26) fordem, dass jede Aktivitat7 auf der Umriistressource k'^ genau einen Vorganger g und einen Nachfolger / besitzt. Der Schichtkalender sorgt durch die Ungleichungen (4.27) und (4.28) dafur, dass jede Aktivitat beendet wird, bevor das Ende der jeweiUgen Schicht erreicht ist. Der Definitionsbereich der Entscheidungsvariablen y^j und Xj^^ ist in (4.29) und (4.30) definiert.

Ein zulassiger Ablaufplan hat die Nebenbedingungen (4.16) bis (4.30) zu erfullen. Aus dem Losungsraum der zulassigen Losungen ist der Schedule auszuwahlen, der die Zielfunktion (4.15) minimiert.

(4.28)

KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

221_

4.3.3 Abbildung des Referenzfalls im deterministischen Ablaufplanungsmodell 4.3.3.1

Ressourcenmodellierung

Den ersten Schritt bei der Abbildung des Referenzfalls in dem vorgestellten deterministischen Ablaufplanungsmodell

stellt die Modellierung von Maschinen und Mitarbeitem als

Ressourcen dar. Abbildung 4-2 zeigte bereits, wie sich die sieben prinzipiellen Fertigungsschritte bei der Lackherstellung im Referenzuntemehmen auf fiinf Maschinenstufen aufteilen. Jede dieser Maschinenstufen wird durch eine oder mehrere Ressourcen abgebildet, die entweder fiir alle oder fUr einzelne Chargentypen einsetzbar sind. Die Ressourcenpools im Modell reprasentieren entweder Maschinen (z. B. auf Maschinenstufe 1 (Ansetzen) funf Dissolver) oder Mitarbeiter (z. B. auf Maschinenstufe 3 (Komplettieren) ein Mitarbeiter), abhangig davon, ob die Maschine oder der Mitarbeiter den kapazitatsbeschrankenden Faktor bildet.

Dariiber

hinaus

gibt es Dummy-Ressourcen,

die das

Uberspringen

der

Bearbeitungsstufen ermoglichen. Da bei der Priifung der Chargen im Labor die tatsachlichen Bearbeitungszeiten im Vergleich zu den Trockenzeiten der Proben sehr kurz sind, wird dieser Prozessschritt iiber Nachliegezeiten nach dem Abtonen abgebildet. Vereinfachend wird auf eine Abbildung von nicht emeuerbaren Ressourcen verzichtet. Die Ruhrwerkskugelmiihlen werden zusatzlich als Umriistressourcen modelliert, um den deutlich erhohten Reinigungsaufwand bei ungunstigen Farbkombinationen zu beriicksichtigen. Die modellierten Ressourcen sind in Abbildung 4-4 dargestellt.

222

Abbildung 4-4:

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

Darstellung des Ablaufplanungsproblems als Hybrider Flow-Shop

KAPITEL 4

KAPITEL 4

4.3.3.2

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

223_

Datenermittlung und Bereitstellung

Basis fiir die durchgefuhrten Optimierungslaufe sind reale Auftragsdaten aus dem Jahr 2001. GemaB der Auftragscharakteristika werden fiir jede Aktivitat der betrachteten Auftrage zunachst die moglichen AusfUhrungsmodi ermittelt und die Bearbeitungszeiten bestimmt. Die Datenbasis der Bearbeitungs- und Rustzeiten wurde durch eine umfangreiche Datenaufnahme in der Referenzfertigung gelegt. Uber den Zeitraum von vier Wochen wurden hierin samtliche Chargen erfasst. Zusatzlich fand eine Auswertung von Betriebsdaten der Anlagen fiir das Jahr 2000 statt. Zunachst wurden, nach den fertigungsspezifischen Charakteristika der Chargen, die das Routing der Auftrage durch die Produktion bestimmenden Auftragsklassen gebildet. Die wesentlichen Charakteristika der Chargen sind in dem in der folgenden Tabelle 4-2 dargestellten Morphologischen Kasten wiedergegeben. Zum einen lassen sich die Chargen dahingehend unterscheiden, ob eine Feindispergierung auf den RUhrwerkskugelmiihlen notwendig ist. Weiter ist entscheidend, ob es sich um eine wasser- oder losemittelbasierte Lackrezeptur handelt, da dies sowohl hinsichtlich der verwendbaren Dissolver im ersten Bearbeitungsschritt als auch hinsichtlich der verwendbaren RUhrwerkskugelmiihlen im Schritt der Feindispergierung Auswirkungen hat. Die ChargengroBe ist eine weitere wichtige GroBe fiir

die Auswahl

der verwendbaren

Anlagen

bzw. der auf

ihnen

anfallenden

Bearbeitungszeiten.

Tabelle 4-2:

Morphologischer Kasten wesentlicher Charakteristika der Chargen Merkmalsauspragung

Merkmal Feindispergierung ("IVIahlen") Losemittelbasis ChargengroBe [kg]:

16-80

ja

neln

wasserbasiert

losemittelbasiert

81-200

201-500

501-700

701-1000

1001-1250

Auf der Fertigungsstufe 1 (Ansetzen) sind die DurchfUhrungs- und RUstzeiten unterschiedlich fiir die einzelnen eingesetzten Dissolver, jedoch im Wesentlichen unabhangig von der tatsachlichen ChargengroBe. Lediglich hinsichtUch der auf dem Dissolver Dl herzustellenden Chargen ist eine weitergehende Differenzierung der Bearbeitungszeit in zwei Mengenklassen (16;80] und (80;200] kg notig. Die Streuungen der Bearbeitungszeiten an den Dissolvem resultieren hauptsachlich aus der Anzahl an Komponenten, die einzuwiegen sind bzw. aus chargenspezifischen RUhrzeiten. Hieriiber liegen jedoch keine adaquaten Daten vor, so dass

224

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

KAPITEL 4

diese Unterschiede nicht beriicksichtigt werden konnen. Es ergeben sich fur die funf Dissolver somit sechs unterschiedliche Klassen von Chargen mit unterschiedlichen Bearbeitungs- und Rustzeiten. Bei den acht Ruhrwerkskugelmuhlen

auf der zweiten Fertigungsstufe

sind die

Bearbeitungszeiten abhangig von der Menge des Mahlgutes, dessen Viskositat und Feinheit. Vereinfachend kann davon ausgegangen werden, dass die Menge des Mahlgutes die bestimmende GroBe fiir die Bearbeitungszeit der Charge ist. Entsprechend wird ein linearer Zusammenhang

zwischen der benotigten

Bearbeitungszeit

und der ChargengroBe

angenommen. Die zugehorige Leistung einer Ruhrwerkskugelmuhle wurde aus Betriebsdatenauswertungen im Referenzuntemehmen

entnommen. Bei den reihenfolgeabhangigen

Rustzeiten der Ruhrwerkskugelmuhlen handelt es sich um arithmetische Mittelwerte der Rustzeiten aus der Zeitaufnahme im Referenzuntemehmen. Auf den Fertigungsstufen drei und vier (Komplettieren und Abtonen) werden zwei GroBenklassen der Chargen unterschieden, je nachdem ob diese Vorgange im stationaren Lager oder in fahrbaren Behaltem durchgefuhrt werden. Fiir diese beiden GroBenklassen werden wiederum arithmetische Mittelwerte aus der Zeitaufnahme verwendet. Da das Labor (Fertigungsstufe 5 in Abbildung 4-4) in der Lage ist, alle betrachteten Auftrage gleichzeitig zu bearbeiten,^^^ wird die aus dem Abtonen und der Korrektur bestehende flinfte Fertigungsstufe durch Modellierung der Abtoner und anschlieBende minimale Liegezeiten modelliert. Die Prtifzeiten sind fiir alle Rezepturen ahnlich, es wird daher als minimale Liegezeit der Mittelwert einer Auswertung der Labordatenbank herangezogen. Zur Abbildung der neun Mitarbeiter fiir das Abfiillen der Chargen in Fertigungsstufe 5 wurde wieder eine Unterscheidung hinsichtlich stationarer und fahrbarer Behalter getroffen. Die fur den Abfullvorgang benotigte Zeit ist abhangig von der ChargengroBe, der Feinheit der Charge, des zu verwendenden Siebes und der Gebinde, in die abgefiillt werden soil. Ahnlich dem Vorgang des Feindispergierens ist die HaupteinflussgroBe jedoch die Menge, die abzufiillen ist. Es wurden daher arithmetische Mittelwerte fur Chargen aus stationaren Behaltem und aus fahrbaren Behaltem Leistungen ermittelt und den Modellen zugmnde gelegt.

'^^ Dies ist moglich, weil die eigentlichen Bearbeitungszeiten im Labor fiir die nur begrenzte Kapazitaten zur Verfugung stehen, beispielsweise das Aufziehen von Proben oder das Begutachten von getrockneten Proben, im Vergleich zu den langen Trocknungszeiten unbedeutend sind.

KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

225^

Sowohl die Auftrags- als auch die Ressourcendaten sind in einer MS ACCESS-Datenbank implementiert. Diese stellt sowohl fur die exakte als auch fiir die heuristische Losung des Ablaufplanungsproblems

die benotigten Auftrags- und Ressourcendaten bereit (vgl.

Abschnitte 4.3.4 bzw. 4.3.5).

4.3.4 Exakte Losung und exemplarische Anwendung des deterministischen Modells 4.3.4.1 Zur

Implementierung der exakten Losung

exakten

Losung

des

Ablaufplanungsmodells

wird,

wie

schon

fiir

die

Produktionsprogrammplanung und die Materialeinsatzplanung in Kapitel 3, auf die kommerzielle Modellierungsumgebung des General Algebraic Modelling System (GAMS) (vgl. Abschnitt 3.2.5) zurlickgegriffen. Die fiir das entwickelte Modell notwendigen Gleichungen und Parameter sind in einer Modelldatei gespeichert. Die Auftrags- und Ressourcendaten werden wiederum Uber Include-Dateien eingelesen, die iiber die Programmiersprache Visual Basic for Applications (VBA) von der MS AcCESS-Datenbank erzeugt und bereitgestellt werden. In einem Optimierungslauf erstellt GAMS aus der Modellund den Include-Dateien eine Datei, die interpretiert und ausgefiihrt wird. Fiir die Optimiemngslaufe wird wiederum der Solver CPLEX der Firma Hog verwendet.^^^ Die Losung wird in Textdateien ausgegeben.

4.3.4.2

Exemplarische Anwendung

Die Periodenlange im Modell wird auf fiinf Minuten gesetzt. Es wird ein Arbeitstag von acht Stunden unterstellt (96 Perioden), so dass ein Schichtwechsel im Intervall [96;97) stattfindet. Um die ModellgroBe zu verringem, werden die folgenden 16 Stunden (Nacht), in der in der Produktion nicht gearbeitet wird, durch diese eine Periode dargestellt. Der zweite Arbeitstag startet somit in Periode 97. In diesem Abschnitt werden die in Tabelle 4-3 dargestellten reprasentativen Auftrage betrachtet, die in etwa die Auftragsverteilung im Referenzuntemehmen wiederspiegeln. Die Berechnungen werden auf einem PC mit einem Intel Pentium IV-Prozessor mit 2 Ghz Taktfrequenz und 512 MB RAM durchgefiihrt.

' Verwendet wird wiederum CPLEX 9.0.

226

Tabelie 4-3:

KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

Betrachtete Auftrage und deren Charakteristika Feindisperigerung (ja/nein)

Auftragsnr.

11

1^ 13 1 "^ 1^ 1 ^ 17 1^ 1^ 1M l ^°

ChargengroBe [kg]

Losemittelbasis

Freigabezeitpunkt

ja

wasserbasiert

329

0(Tag1)

nein

losemittelbasiert

360

0(Tag1)

nein

wasserbasiert

30

0(Tag1)

ja

losemittelbasiert

120

0(Tag1)

nein

losemittelbasiert

1200

0(Tag1)

ja

losemittelbasiert

400

0(Tag1)

nein

losemittelbasiert

25

97 (Tag 2)

ja

losemittelbasiert

60

97 (Tag 2)

nein

losemittelbasiert

1500

97 (Tag 2)

nein

losemittelbasiert

400

97 (Tag 2)

ja

wasserbasiert

550

0(Tag1)

In der Zielfunktion werden die Faktoren oi mit ai = 02 = 0,5 angenommen. Mit Ausnahme von maximalen Liegezeiten (4.18) und nicht-erneuerbaren Ressourcen (4.65) werden alle Nebenbedingungen des vorgestellten deterministischen Modells mindestens auf einer Fertigungsstufe des Prozesses eingesetzt. Die Ergebnisse jeweils eines Optimierungslaufs mit acht, zehn und elf Auftragen sind in Tabelie 4-4 dargestellt. Tabelie 4-4:

Ergebnisse der Optimlerung A

B

C

Auftrage

1-8

1-10

1-11

Anzahl Aktivitaten

42

52

57

Zielfunktionswert

835

1155

1252

Zykluszeit Perioden Echtzeit [d:h:min]

239 2:03:45

351 3:05:00

351 3:05:00

Mittlere Durchlaufzeit (Perioden)

154

167

196

Minimale Durchlaufzeit (Perioden)

115

115

115

Maximale Durchlaufzeit (Perioden)

191

254

254

Anzahl Iterationen

38.473

67.143

153.365

1 Nicht-Null-Elemente[10^]

3,905

7,960

10,385

Ganzzahlige Variablen

84.412

139.370

169.706

Berechnungsdauer [h:min]

2:08

3:19

17:22

Mit der Zunahme der Anzahl der betrachteten Auftrage und Aktivitaten nimmt der Zielfunktionswert jeweils zu. Nur im Vergleich zwischen dem Optimierungslauf A und den

KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

227_

Optimierungslaufen B und C ist dies auf eine VergroBerung beider Zielfunktionsbestandteile zuriickzufuhren. Im Optimierungslauf C, in dem zusatzlich der Auftrag mit der Nummer 11 betrachtet wird, bleibt die Zykluszeit gleich. Die Zunahme des Zielfunktionswerts zwischen dem Szenario B und dem Szenario C resultiert demnach ausschliefilich aus der zusatzlich betrachteten Durchlaufzeit flir den Auftrag 11. Die kiirzeste Durchlaufzeit in alien drei Szenarien weist der Auftrag mit der Nummer 3 (115 Perioden), die langste der erst am zweiten Tag gestartete Auftrag 9 (254 Perioden) auf. Diese resultiert nicht allein aus den durch die groBere Charge langeren Abfullzeiten, sondem ist auch auf eine engpassbedingte Wartezeit des Auftrags beim Komplettieren zuriickzufuhren. Die Auslastung der Ressourcen im Allgemeinen ist aufgrund der geringen Auftragsanzahl dennoch als sehr gering anzusehen, wie das in Abbildung 4-5 dargestellte auftragsorientierte Gantt-Diagramm fur das Szenario A zeigt.

Abbildung 4-5:

Auftragsorientiertes Gantt-Diagramm fiir Szenario A

Die zur Losung des Ablaufplanungsproblems benotigte Zeit ist trotz des Vorteils optimaler Losungen zu lang fiir einen Einsatz in der Praxis, insbesondere da fiir reale PlanungsgroBen 40 bis 50 Auftrage, wenn fur zwei bis drei Tage geplant werden soil, bzw. ca. 150 Auftrage fiir den Planungszeitraum einer Woche betrachtet werden miissten. Der Einsatz eines angepassten oder speziell fiir das Modell entwickelten exakten Algorithmus, wie beispielsweise das von Sprecher (vgl. (Sprecher, 1994)) fiir das zugrunde Uegende Basismodell vorgestellte Branch-and-Bound-Verfahren, ist fiir Probleme dieser GroBenordnung nicht zielfUhrend. Da das Modell zur Klasse der NP-schweren Probleme gehort, steigt der

228

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

KAPITEL 4

Berechnungsaufwand mit zunehmender ProblemgroBe exponentiell an/^^ Die bisherigen Tests und Anwendungen des genannten Algorithmus von Sprecher betrachten jedoch weniger Folgenden auf die Forderung nach der Optimalitat der erhaltenen Losung verzichtet und ein fur praxisrelevante ProblemgroBen geeignetes heuristisches Verfahren auf das Modell angepasst, implementiert und exemplarisch angewendet.

4.3.5 Heuristische Losung und exemplarische Anwendung des deterministischen Modells mittels eines Genetischen Algorithmus Da es Zielsetzung dieses Abschnittes ist, auch ftir realistische ProblemgroBen des vorgestellten deterministischen Ablaufplanungsmodells Losungen zu bestimmen, werden hierzu geeignete bekannte Verfahren eingesetzt. Es wird auf Genetische Algorithmen (GAs) zuruckgegriffen, die auch zur Losung realer Ablaufplanungsprobleme eine weite Verbreitung gefunden haben. Zunachst werden im folgenden Abschnitt die fiir das Verstandnis des eingesetzten Verfahrens notwendigen Grundlagen dargestellt. In Abschnitt 4.3.5.2 wird die Anpassung und Konfiguration des verwendeten GA beschrieben, bevor dieser in 4.3.5.3 exemplarisch auf eine reale Probleminstanz des Ablaufplanungsproblems angewendet wird.

4.3.5.1

Grundlagen Genetlscher Algorithmen

Genetische Algorithmen gehoren gemeinsam mit den so genannten Evolutionsstrategien zu den so genannten Evolutorischen Metaheuristiken, die sich an biologischen Evolutionsprozessen orientieren. In ihrer heute bekannten Form gehen sie auf Holland zurtick (vgl. (Holland, 1975). Dire erste erfolgreiche Anwendung stammt von Goldberg (vgl. (Goldberg, 1983)).

Da das MRCPSP eine Verallgemeinerung des SRPSP darstellt und bereits dieses NP-schwer ist, ist auch das MRCPSP NP-schwer (vgl. (KoHsch, 1995), S. 26). Auch hybride Flow-Shop-Probleme sind bereits ab einem zweistufigen Produktionssystem mit einer Bearbeitungsstufe, auf der sich zwei Maschinen befinden, NPschwer (vgl. (Domschke, Scholl und VoB, 1997) sowie die dort referenzierte Literatur). Sprecher selbst betrachtet beispielsweise 10 Aktivitaten in 3 Modi (vgl. (Sprecher, 1994), S. lOlff.). Schultmann betrachtet ein Projekt mit ca. 30 Aktivitaten (vgl. (Schultmann, 1998)). Hartmann verwendet Testinstanzen mit 10 und 20 sowie ein Beispielprojekt mit 62 Aktivitaten (vgl. (Hartmann, 1999)).

KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

229^

Den Optimierungsprinzipien folgend, ist auch die Terminologie zur Beschreibung eines GA aus der Biologie endehnt. Eine Losung wird als Individuum bezeichnet. Dieses Individuum (der Ablaufplan) besitzt einen Genotyp, bestehend aus Chromosomen, die eine Losung codieren und als Basis fiir die Iterationsschritte des Genetischen Algorithmus dienen. Jedes Chromosom besteht wiederum aus Merkmalen, so genannten Genen und deren moglichen Auspragungsformen. Bei dem Phdnotyp, der auBeren Erscheinung des Individuums, handelt es sich um den tatsachlichen Ablaufplan. Dieser wird ausgehend vom kodierten Genotyp durch unterschiedliche Schedule-Generation-Schemes berechnet. Anstatt lediglich mit einer Losung zu arbeiten, verwenden Genetische Algorithmen eine Menge von Losungen, die Population genannt wird. In jedem Iterationsschritt wird eine neue Generation erzeugt, bis der Optimierungslauf beendet wird. Die Iterationsschritte bestehen aus der Anwendung von drei Grundoperationen, dem Selektionsmechanismus, der aus der Population zwei Individuen auswahlt {Vater und Mutter). In der so genannten Kreuzung werden die Chromosomen des Vater- und des Mutterindividuums miteinander kombiniert. AnschlieBend erfolgt die Anwendung der Mutationsoperation, in der einzelne Merkmale der Losung zufallig geandert werden, um einen gewissen Grad an Diversitat in den Chromosomen der Losungen zu halten und somit eine friihe Konvergenz in einem lokalen Optimum zu verhindem. Die so erhaltenen Losungen werden Kinder bzw. Sohn und Tochter genannt. Da es sich bei Genetischen Algorithmen um Metaheuristiken handelt, stellt das grundlegende Ablaufschema lediglich den Rahmen dar, der fiir eine konkrete Anwendung zu spezifizieren ist. Diese Spezifikation wird durch die Auswahl und Konfiguration der in Tabelle 4-5 dargestellten Komponenten vorgenommen.

230

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

KAPITEL 4

Tabelle 4-5: Bestandteile von Genetischen Algorithmen Beschreibung

Komponente Reprasentationsschema

Darstellungsform, mit der der Genotyp eines Individuums kodiert wird.

Anfangspopulation (POP)

Eine Menge von zulassigen Losungen fur das Ablaufplanungsproblem. Die Bestimmung dieser Ausgangspopulation und deren GroBe sind zu spezifizieren.

Evaluationsmechanismus CFitness-Funktion")

Der Evaluationsmechanismus bestimmt den Zielfunktionswert der Individuen.

Genetische Operatoren

IVIit Hilfe von Genetischen Operationen werden neue Losungen generiert. Haupttypen von genetischen Operatoren sind die Kreuzung, in der zwei Eltern-Losungen zur Bestimmung von zwei Kinder-Losungen rekombiniert werden und Mutationsoperatoren, die zufallig Kinderlosungen verandern, um eine Verringerung der Vielfalt der Losungen zu verhindern und neue Losungen zu ermoglichen.

Selektionsmechanismus

Mit Hilfe des Selektionsmechanismus werden Elternindividuen zur Generierung neuer Losungen aus der Population POP selektiert.

Abbruchkriterium

Das Abbruchkriterium bestimmt das Ende des Optimierungslaufs.

Mit den genannten Bausteinen ist es moglich, den grundlegenden Ablauf eines GA wie folgt anzugeben:^^^ Heuristik 4-1: Grundlegendes Verfahrensschema eines (Pseudocode in Aniehnung an (Hartmann, 1999))

Genetischen

Algorithmus

Bestimme Ausgangspopulation POP Berechne die Fitness der Individuen / e

POP;

WHILE Abbruchkriterium nicht erfullt DO BEGIN Erzeuge Kinder CHI aus POP durch KREUZUNG ; Wende MUTATION an auf / e

CHI;

Berechne Fitness der Individuen / e

CHI;

POP := POP u CHI; Reduzieredie Population POP durch SELEKTION ; END

Aufgrund der Fiille der unterschiedlichen Implementierungen von Genetischen Algorithmen sind auch andere Ablaufschemata in Gebrauch. In einem weiteren bekannten Schema werden beispielsweise die Individuen aus der Ausgangspopulation zur Rekombination selektiert (vgl. beispielsweise (Michalewicz, 1996) und (Rixen, 1997)).

KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

231_

Der Vielzahl an Arbeiten im Bereich von Genetischen Algorithmen Rechnung tragend, existiert eine auBerst groBe Anzahl unterschiedlicher Ausgestaltungsmoglichkeiten von GAs und deren Bausteinen. Um einen Uberblick iiber wesentliche Gestaltungsparameter dieser Bausteine zu geben, werden im Folgenden, ohne den Anspruch auf Vollstandigkeit, einige Ausgestaltungsmoglichkeiten dieser Bausteine kurz umrissen. Die klassische Reprasentationsform fur Genetische Algorithmen ist die so genannte bindre Reprdsentation auf Basis binarer Zeichenketten fester Lange. Diese kommen beispielsweise auch bei den friihen Arbeiten von Holland (vgl. (Holland, 1975)) und Goldberg (vgl. (Goldberg, 1983)) zum Einsatz. Bei der so genannten direkten Reprdsentation werden Daten problemspezifisch gespeichert und entsprechen sich der Geno- und der Phanotyp jeweils. Eine solche Reprasentation stammt z. B. von Glover (vgl. (Glover, 1986)) fiir ein Travelling Salesman Problem, bei dem Losungen durch Listen der Orte in der Reihenfolge dargestellt werden, in der sie aufgesucht werden sollen. Vorwiegend flir technische Optimierungsprobleme wurden so genannte reellwertige Reprdsentationen entwickelt, in denen die Genotypen als Vektoren mit reellwertigen Komponenten dargestellt werden (vgl, z. B. (Deb, 1997)). Bei der ganzzahligen Reprdsentation existiert eine Variante, in der ein ganzzahlig kodierter Genotyp bereits eine anwendbare Losung darstellt (vgl. direkte Reprasentation). Daneben besteht aber auch die Moglichkeit, durch die ganzen Zahlen eines Vektors auf der genotypischen Ebene bestimmte Eigenschaften der phanotypischen Losung zu beschreiben. Ein Beispiel hierfur sind so genannte permutationsbasierte Reprdsentationen im Bereich der Ablaufplanung. Hierbei wird durch den Genotyp eine bestimmte Reihenfolge der Auftrage festgelegt, die durch eine Genotyp-Phanotyp-Abbildung auf einen Vektor mit Startzeiten fiir die einzelnen Auftrags-Maschinen-Kombinationen abgebildet wird. Auch die von Hartmann beschriebene so genannte Aktivitdtslisten-Reprdsentation stellt eine solche permutationsbasierte Reprasentation dar (vgl. (Hartmann, 1999)). Bei diesen Aktivitatslisten handelt es sich um eine Aufreihung von Vorgangsnummem, durch die eine Reihenfolge von Vorgangen innerhalb eines Projekts dargestellt wird (vgl. Abschnitt 4.3.5.2). LFberblicke iiber weitere Reprasentationsschemata

und deren Auswirkungen

auf die Leistungsfahigkeit

von

Genetischen Algorithmen finden sich in (Kolisch und Hartmann, 1998) sowie (Rothlauf, 2002). Abhangig vom gewahlten Reprasentationsschema sind die bereits angesprochenen Genotyp-Phanotyp-Abbildungen, bei denen es sich um Generationsschemata fiir die tatsachlichen Ablaufplane handelt. Diese mlissen aus dem vorliegenden Genotyp einen eindeutigen und zulassigen Ablaufplan

(Phanotyp) bestimmen. Bei einer direkten

232

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

KAPITEL 4

Reprasentation ist dies trivial, bei anderen Reprasentationsformen hingegen ist dies nicht der Fall. Aufgrund der Vielfalt der Moglichkeiten der Ausgestaltung dieser Generationsschemata wird an dieser Stelle auf eine weitergehende Darstellung verzichtet. Die Bestimmung der Ausgangspopulation kann ebenfalls auf vielfaltige Weise geschehen. Zum einen ist eine zufallige Konstruktion der Individuen dieser Ausgangspopulation moglich (vgl. hierzu (Hartmann, 1999)). Zum anderen konnen aber auch diverse vergleichsweise einfache Heuristiken hierzu eingesetzt werden (vgl. z. B. (Janiak und Portmann, 1998), (Nearchou, 2004)). Einen sehr haufig verwendeten Operator zur Kreuzung von Individuen stellt die so genannte 1-Punkt-Kreuzung dar. Besteht ein Individuum aus / Chromosomen, so wird zufallig ein Chromosom /:€ [1,...,/-1] bestimmt. Das erste Kind (Sohn) Ubemimmt dann vom Vater die Merkmalsauspragungen bis zum Element k und die Merkmalsauspragungen k+1 bis / von der Mutter; beim zweiten Kind (Tochter) verhalt es sich umgekehrt. Erweiterungen stellen die so genannte 2-Punkte- oder - allgemeiner - n-Punkte-Kreuzungen dar, bei der 2 bzw.

n
Punkte zufallig bestimmt werden und bei jedem Kreuzungspunkt die Herkunft der Chromosomen der Kinder gewechselt werden (vgl. z. B. (Schoneburg, Heinzmann und Feddersen, 1996), S. 197, (Nearchou, 2004)). Von einer uniformen Kreuzung wird gesprochen, wenn fUr jedes Chromosom einzeln entschieden wird, ob es vom Vater oder von der Mutter stammt (vgl. z. B. (Herrera und Verdegay, 1996), S. 9). Variationen der Kreuzungsoperatoren sind auch dadurch moglich, dass diese nur zufallig, mit einer festen Oder im Laufe der Iterationen veranderlichen Wahrscheinlichkeit durchgefiihrt werden (vgl. (Reeves, 1994), (Reeves, 2003)). Auf die konkrete Ausgestaltung dieser Kreuzungsoperatoren bzw. notwendige Anpassungen wird an dieser Stelle nicht eingegangen, da diese vom gewahlten Reprasentationsschema abhangig sind und z. T. problemspezifisches Wissen, beispielsweise iiber Zulassigkeit von Losungen, enthalten ist. Die fur den in dieser Arbeit verwendeten Genetischen Algorithmus eingesetzten Kreuzungsoperatoren werden im folgenden Abschnitt detailliert vorgestellt. Der Einsatz des Mutationsoperators erfolgt zufallsgesteuert unter Verwendung einer Mutationswahrscheinlichkeit Pmut- Diese wird in der Regel zu Beginn des GAOptimierungslaufs bestimmt und hat typischerweise einen Wert in der GroBenordnung von 0,05.

Es

lassen

sich

eine

bitabhdngige, eine

positionsabhdngige

und

eine

reihenfolgeabhdngige Mutation unterscheiden (vgl. (Claus, 1996), S. 65). Die bitabhangige

KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

233^

Mutation andert mit der Wahrscheinlichkeit Pmm den Wert einer jeden Variablen des Genotyps. Bei der binaren Reprasentation bedeutet dies eine Anderung des Wertes von 0 zu 1 Oder umgekehrt. Bei anderen Reprasentationen wird meist zufallig ein neuer Wert aus dem zulassigen Bereich der Variablen gewahlt. Die positionsabhangige Mutation vertauscht die Werte zweier Variablen, welche sich an zufallig bestimmten Positionen des Genotyps befinden. Die reihenfolgeabhangige Mutation wahlt ebenfalls zwei Gene zufallig aus und fligt das zweite vor dem ersten ein. Zu beachten ist, dass durch die positionsabhangige und die reihenfolgeabhangige

Mutation keine neuen Merkmalsauspragungen

der Population

hinzugefiigt werden. Bei Inversions-Mutationen werden die Reihenfolgen zwischen zwei zufallig bestimmten Genen invertiert (vgl. (Nearchou, 2004), S. 196). Auch bei den Mutationsoperatoren sind u. U. Anpassungen bei nicht-binarer Reprasentation notwendig. Insbesondere ist zu priifen, ob eine durchzufiihrende Mutation zu einer zulassigen Losung fiihrt Oder ob beispielsweise durch die Mutation Vorrangbeziehungen oder Ressourcenkonflikte entstehen. Hier sind Konfliktlosungsstrategien zu implementieren, die die Zulassigkeit der erhaltenen Losungen sicherstellen. Der Selektions-Operator dient zur Auswahl einer bestimmten Anzahl von Lidividuen aus einer Population. Diese wird je nach Algorithmus benotigt, um diejenigen Individuen zu bestimmen, die gekreuzt werden oder um - wie in der angegebenen Ausgestaltung des Algorithmus - die durch Kreuzung erhohte PopulationsgroBe vor der nachsten Iteration wieder zu verringem. Im Gegensatz zu den vorherigen genetischen Operatoren ist der Selektions-Operator von der zugrunde liegenden Reprasentation der Individuen im WesentUchen unabhangig, da dieser lediglich die Fitnesswerte beriicksichtigt, bei denen es sich i. A. um reelle Zahlen handelt, die Besonderheiten der Reprasentationsformen jedoch bei der Berechnung der Fitnesswerte beriicksichtigt werden. Zu den am meisten verbreiteten Selektionsmechanismen zahlt die so genannte Roulette-Rad-Selektion (engl. Roulette-WheelSelection). Bei dieser nicht-deterministischen Auswahl-Methode wird jedem Individuum seiner Fitness entsprechend eine Uberlebenswahrscheinlichkeit zugeordnet. Diese ergibt sich als Anteil der Fitness f(l) des Individuums an der Gesamtfitness (Summe der Fitness-Werte der Individuen / G POP, F(POP) der Population gemsii!>f(I)/F(POP). Jedem Individuum wird ein seiner Uberlebenswahrscheinlichkeit entsprechender, beliebiger aber fester Bereich des Intervalls [0, 1] zugeordnet. Es wird eine Zufallszahl aus diesem Intervall gezogen und das Individuum, in dessen Bereich diese fallt, ausgewahlt. Der Vorgang wird solange wiederholt, bis die erforderhche Individuenanzahl bestimmt ist. Es ist ersichtlich, dass Individuen auch

234

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

KAPITEL 4

mehrfach ausgewahlt werden konnen (vgl. (Michalewicz, 1996), S. 34f.). Die RankingSelektion wahlt deterministisch die jeweils besten Individuen aus, um die benotigte Anzahl an Individuen zu erhalten. Die Tumier-Selektion (engl. Tournament-Selection) bestimmt mehrere Individuen zufallig, von denen jenes mit der geringsten Fitness aussortiert wird. Altemativ kann aus der Auswahl das Individuum in die nachste Generation Ubemommen werden, dessen Fitness am groBten ist. Das Verfahren wird solange wiederholt, bis die gewunschte PopulationsgroBe erreicht ist. Der Umfang der in jedem Schritt betrachteten Auswahl ist beliebig, haufig erfolgt der Vergleich zwischen zwei oder drei Individuen in der so genannten 2-Turnier-Selektion bzw. 2-Tumier-Selektion (vgl. (Hartmann, 1999), S. 90f.). Anders als bei exakten Methoden, die nach Auffinden und Beweis einer optimalen Losung abbrechen oder vielen anderen Heuristiken, die nach Auffinden eines lokalen Optimums den Optimierungslauf beenden, konnte ein GA prinzipiell unbegrenzte Iterationen durchlaufen. Es ist daher notwendig, ein Abbruchkriterium zu definieren. Auch in Bezug auf dieses Abbruchkriterium sind eine groBe Anzahl an Varianten gebrauchlich. Einfache Varianten stellen eine fixe Anzahl durchzufuhrender Iterationen oder ein Abbruch nach Erreichen eines vorgegebenen Zeitlimits dar. Diese konnen einzeln, zusammen oder erganzt bzw. ersetzt durch weitere Kriterien, wie eine maximale Anzahl an Iterationen ohne das Auffinden einer neuen besten Losung oder einer zu homogenen Population, eingesetzt werden (vgl. (Reeves, 2003)). Nach diesem UberbUck iiber Terminologie, Bausteine und Ausgestaltungsmoglichkeiten Genetischer Algorithmen wird im kommenden Abschnitt die konkrete Anpassung, Implementierung und Konfiguration eines Genetischen Algorithmus fiir das in diesem Kapitel betrachtete Ablaufplanungsproblem

dargestellt. Fiir weiterfUhrende Informationen zu

Grundlagen Genetischer Algorithmen sei beispielsweise auf (Michalewicz, 1996), (Rixen, 1997) und (Hartmann, 1997) verwiesen.

4.3.5.2

Anpassung und Konfiguration des Genetischen Algorithmus

Zur heuristischen Losung des deterministischen Ablaufplanungsproblems wird ein um die Spezifika des Referenzfalls erweiterter Genetischer Algorithmus implementiert. Als Basis wird der von Hartmann fiir MRCPSP entwickelte GA verwendet (vgl. (Hartmann, 1997), (Hartmann, 1999), S. ISOff.), der sich als eines der leistungsfahigsten Verfahren fiir diese

KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

235

Problemklasse erwiesen hat (vgl. (Brucker et al, 1999)). Die Darstellung im Folgenden orientiert sich zunachst an den genannten Arbeiten. Der Genetische Algorithmus verwendet eine angepasste Aktivitatslisten-Reprasentation, eine permutationsbasierte Reprasentationsform, bei der jedes Individuum iiber zwei Zeichenketten definiert wird: / = (A,//). Bei X handelt es sich um eine in Bezug auf Vorrangbeziehungen zulassige Liste der Aktivitaten ye 7 des Projektes (/l = (yj,...,7^)). Uber die zweite Zeichenkette wird den Aktivitaten ein Ausfuhrungsmodus JU{J)E:9^J zugewiesen. Bin Individuum lasst sich somit wie folgt angeben:

7 = 1 ^'

'"

^' I

(4.31)

Auf diese Weise codierte Genotypen werden mit Hilfe eines seriellen oder parallelen Schedule-Generation-Scheme (serielles oder paralleles SGS) in Ablaufplane abgebildet. Hierbei

handelt

es

sich

um

heuristische

Verfahren

fiir

ressourcenbeschrankte

Projektplanungsprobleme, die durch schrittweise Erweiterung eines Teil-Ablaufplans zulassige Ablaufplane erzeugen. Serielle SGS fUhren diese Erweiterungen durch Betrachtung weiterer Vorgange durch. Es wird mit einer Liste einplanbarer Vorgange gearbeitet. Aus dieser Liste wird eine Aktivitat, im GA diejenige, die den niedrigsten Positionsindex in der Aktivitatsliste

besitzt,

zum

friihesten

ressourcenzulassigen

Zeitpunkt

eingeplant.

AnschlieBend wird die Liste der nun wahlbaren Aktivitaten aktualisiert und wiederum diejenige mit dem kleinsten Positionsindex eingeplant. Dieser Vorgang wiederholt sich so lange, bis auch die Dummy-Aktivitaty^+z eingeplant ist. Das serielle SGS erzeugt zulassige und aktive Plane (vgl. (Kolisch, 1995), (Kolisch, 1996)). Allerdings steht die endgUltige zeitliche Reihenfolge der Aktivitaten erst nach Abschluss des Verfahrens fest, da es vorkommen kann, dass sich die Reihenfolge der Aktivitaten untereinander durch die fruhestmogliche Einplanung verschiebt. Parallele SGS hingegen erweitern die Teilablaufplane zeitpunktbezogen. Ausgehend von t=0 wird fiir den jeweils zu betrachtenden Zeitpunkt die Menge der einplanbaren Aktivitaten bestimmt. Im Falle des GA wird aus dieser die Aktivitat ausgewahlt, die den kleinsten Positionsindex in der Aktivitatsliste besitzt. Nach der Einplanung wird die Menge der einplanbaren Aktivitaten aktualisiert. Aufgrund der Ressourcenbelegung sind u. U. mehrere Aktivitaten gleichzeitig aus dieser Menge zu entfemen. Ist die Menge leer, wird der nachste Zeitpunkt bestimmt, zu dem eine Einplanung moglich ist. Nach Einplanung samtlicher Nicht-Dummy-Aktivitaten wird schlieBlich die

236

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

KAPITEL 4

Dummy-Aktivitat jn+i eingeplant und die Heuristik beendet. Das parallele SGS erzeugt zulassige, unverzogerte Ablaufplane (vgl. (Kolisch, 1996)). Diese Klasse von Ablaufplanen besitzt jedoch den Nachteil, dass sie im Falle regularer Zielfunktionen nicht zwangslaufig einen optimalen Ablaufplan enthalt. Fur eine detaillierte Darstellung der SGS sei beispielsweise auf (Kolisch, 1996) und (Hartmann, 1999) verwiesen. Die Berechnung der Ausgangspopulation wird durch zufalliges Sampling bestimmt: Es wird ein serielles SGS verwendet und der nachste einzuplanende Vorgang zufallig aus der Menge der einplanbaren Vorgange ausgewahlt. Dabei besitzen samtliche einplanbaren Vorgange die gleiche Wahrscheinlichkeit (vgl. (Hartmann, 1999), S. 68). Die Kreuzungsoperatoren sind an die Aktivitatslisten-Reprasentation anzupassen. Diese Anpassung sei am Beispiel einer 1-Punkt-Kreuzung verdeutlicht. Es werden ein Vater il"" ={A\ju''))und

eine Mutter {!'' =W ,ju'')) ausgewahlt und zwei Zufallszahlen ^^ und

q^ gezogen, mit deren Hilfe die Kinder, ein Sohn I^ =(A\ju^)

und eine Tochter

I^ =(A^,ju^), bestimmt werden. Die Positionen i = \,...,q^ in der Aktivitatsliste A^des Sohns werden durch den Vater bestimmt. Fiir sie gilt:

J-^Ji-

(4.32)

Die ubrigen Positionen der Aktivitatsliste des Sohnes werden von der Mutter iibemommen. Allerdings ist sicherzustellen, dass bereits aus dem Vater iibemommen Aktivitaten nicht emeut aufgefuhrt werden. Daher werden die weiteren Positionen wie folgt definiert:

jf := jf mit k als kleinstem Index fur den gilt ; f ^ [it .-"JU]

(4.33)

Entsprechend werden die Modi zugewiesen. Die Berechnung der Tochter erfolgt analog, wobei von der Mutter die Positionen i = \,...,q^ der Aktivitatsliste und die Moduszuweisungen i = \,...,q^ iibemommen werden. Implementiert ist zusatzlich ein entsprechender n-Punkte-Kreuzungsoperator, da im betrachteten Referenzfall die AktivitatsHsten im Vergleich zu den von Hartmann betrachteten Beispieldatensatzen sehr lang sind.

KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

237^

Verwendet wird ein ebenfalls auf die Reprasentationsform angepasster Mutationsoperator. Dieser modifiziert zunachst die Aktivitatsliste M eines Individuums /, indem diese Liste durchlaufen wird und die Aktivitaten 7. und 7.^1 jeweils mit einer Mutationswahrscheinlichkeit p^^, vertauscht werden, wenn diese Vertauschung wiederum einen hinsichdich der Vorrangbeziehungen zulassigen Schedule ergibt. Diese Vertauschung hat keinen Einfluss auf die Moduszuweisung fur die betrachteten Aktivitaten. Hierzu wird ein zweiter Schritt durchgefiihrt. Fiir jede Aktivitat der AktivitatsUste wird wiederum mit der Mutationswahrscheinlichkeit /?,„„, zufallig eine neue Moduszuweisung aus der Menge der zulassigen Modi vorgenommen. Als Selektionsmechanismen sind ein Ranking sowie die 3-Tumier-Selektion implementiert. Als Fitness-Funktion wird die Gleichung (4.15) verwendet, wobei die Gewichte der Zielfunktionsbestandteile frei wahlbar sind. Abbildung 4-5 veranschaulicht den Ablauf des verwendeten Genetischen Algorithmus.

Abbildung 4-5:

Schematische Operatoren

Darstellung

des

Genetischen

Algorithmus

und

der

Hinsichtlich der Abbildung von Vorgangen, Vorrangbeziehungen und Ressourcen im Genetischen Algorithmus wird zwar weitgehend analog zur Abbildung fiir die exakte Losung vorgegangen, allerdings ergeben sich einige Anderungen. Um Wiederholungen zu vermeiden, werden an dieser Stelle lediglich die Anderungen und Besonderheiten dargestellt. Um die Liste der zu betrachtenden Aktivitaten moglichst kurz zu halten, werden bei zu uberspringenden

Arbeitsstationen

die zugehorigen

Aktivitaten

im Gegensatz

zum

deterministischen Modell nicht mit einer Vorgangsdauer von null Zeiteinheiten versehen.

238

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

KAPITEL 4

sondem eliminiert. Freigabezeitpunkte werden durch zusatzliche Aktivitaten modelliert, der Ressourcenbedarf eines Freigabezeitpunktes ist null. Etwas schwieriger gestaltet sich die Beriicksichtigung von Rustzeiten, insbesondere wenn diese reihenfolgeabhangig sind. Im Falle einer Darstellung als separate Vorgange ware in den Genetischen Operatoren aufwandig dafiir Sorge zu tragen, dass diese Rustvorgange nicht isoliert von den nachfolgenden Bearbeitungsvorgangen

betrachtet

werden.

Wird

die

Rustzeit

pauschal

auf

die

Bearbeitungszeit addiert, ware eine uberlappende Fertigung, in der bereits mit dem Rustvorgang ftir die nachfolgende Aktivitat begonnen wird, wahrend diese noch auf einer anderen Anlage in Bearbeitung ist, nicht moglich, obwohl dieser Fall durchaus praxisrelevant ist. Daher werden zusatzlich zu dieser Addition der (Grund-)Rustzeit negative minimale Zeitabstande zwischen einer Vorganger- und einer Nachfolgeraktivitat in Hohe der RUstzeit definiert und bei der Ermittlung der Startzeit im SOS berlicksichtigt. Etwas aufwandiger gestaltet sich die Beriicksichtigung von reihenfolgeabhangigen Rustzeiten. Der reihenfolgeabhangige Anteil der Rustzeit wird ebenfalls zu der Bearbeitungszeit hinzuaddiert. Allerdings ist dieser Anteil bei der Dekodierung nach dem seriellen SGS erst nach der Erstellung des vollstandigen Ablaufplans endgiiltig bekannt. Bei moglichen Anderungen der Reihenfolge der Vorgange ist daher darauf zu achten, dass hierdurch keine unzulassigen Plane entstehen. Hierzu werden die Vorgange mit dem reihenfolgeabhangigen Rustzeitanteil fUr den bis zur Einplanung bekannten Ablaufplan eingeplant. Fiir einmal eingeplante Aktivitaten werden die Endzeitpunkte als unveranderlich angesehen. Eine durch Reihenfolgeanderung bedingte Zu- oder Abnahme der Rustzeit fiilirt somit zu Anderungen der Startzeit des Vorgangs. Wahrend Abnahmen der RUstzeit unbedenklich sind, kann es bei Zunahmen zu Ressourcenkonflikten kommen. In diesem Fall wird die Einplanung der Aktivitat nicht vorgenommen. Zur Beriicksichtigung von Schichtdauem sowie Pausenzeiten wird ein Tag in 1440 Zeiteinheiten (Minuten) und das Ressourcenangebot zeitabhangig definiert. Der Zeitpunkt t=0 entspricht dabei dem Arbeitsbeginn des ersten Tages. Die Zahlung der Perioden erfolgt fortlaufend, d. h. den Arbeitsbeginn des zweiten Tages stellt der Zeitpunkt 1440 dar. Wahrend der regularen Arbeitszeiten wird das Ressourcenangebot als vorhanden, d. h. gleich eins, gesetzt. Dies ist fiir die Intervalle [0, 240) und [300, 480) und die entsprechenden Intervalle der folgenden Tage Geweils +1440 ZE) der Fall. Die Intervalle [240, 300), [480, 1440) und die entsprechenden Intervalle der Folgetage stellen die Mittagszeit sowie die Nacht dar, in der

KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

239^

keine Ressourcen zur Verfugung stehen. Lediglich die Ruhrwerkskugelmiihlen arbeiten durch die Mittagszeit hindurch. In der Praxis kann es vorkommen, dass Vorgange von groBen Chargen Bearbeitungsdauem aufweisen, die langer sind als die zur Bearbeitung zur Verfugung stehenden Zeitintervalle (> 240 Zeiteinheiten). Wegen der Gefahr des Eintrocknens der Chargen ist jedoch die Unterbrechung der Bearbeitung von Vorgangen nicht erlaubt. Fiir diese so genannten uberlangen Vorgange wird eine Bearbeitung auch in der Mittagszeit erlaubt. Fiir Vorgange mit Bearbeitungsdauem von iiber acht Stunden wird auch eine Bearbeitung iiber Nacht zugelassen, diese Vorgange beginnen jeweils mit Arbeitsbeginn eines Tages, um zu verhindem, dass mit der Bearbeitung erst zu einem spaten Zeitpunkt des Tages begonnen wird. Der Genetische Algorithmus wurde in der Programmiersprache Java unter der Programmierumgebung EcHpse 3.0 entwickelt und mit der Java Version SDK 1.4.2 ausgefiihrt und getestet. Das Programm liest dabei aus der MS AccESS-Datenbank (vgl. Abschnitt 4.3.3.2) die Stamm- und Bewegungsdaten mittels einer ODBC-Schnittstelle^^^ aus und bereitet diese fiir die Optimierungslaufe auf. Die Steuerung des Optimierungslaufs erfolgt, wie in Abbildung 4-6 dargestellt, mit Hilfe einer grafischen Benutzeroberflache. Der Stand eines Optimierungslaufs wird ebenfalls iiber die Benutzeroberflache ausgegeben, die Ausgabe der Ergebnisse ist als Textdatei sowie in Form eines wahlweise auftrags- oder ressourcenorientierten Gantt-Diagramms moglich (vgl. Abbildung 4-8).'^'

"^ ODBC-Schnittstellen (Open Database Connectivity) ermoglichen Zugriffe auf unterschiedliche Datenbanken aus anderen Datenbanken, Anwendungen oder Programmierumgebungen. Speziell fiir den Datenbankzugriff unter Java sei der interessierte Leser z. B. auf (Hamilton, 1998) verwiesen. ' " Fiir eine ausfiihrliche Dokumentation der Implementierung und der Handhabung des Genetischen Algorithmus sei auf (Moller, 2004) verwiesen.

240

KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

Abbildung 4-6:

Benutzeroberflache (Screenshot)

zur

Steuerung

des

Genetischen

Algorithmus

Der vorgestellte angepasste Genetische Algorithmus wird im folgenden Abschnitt exemplarisch auf die betrachtete Lackproduktion angewendet. 4.3.5.3

Exemplarische Anwendung

Szenariodeflnition Fiir die exemplarische Anwendung des Genetischen Algorithmus auf das deterministische Ablaufplanungsproblem werden samtliche 142 Auftrage, die in einer normalen Arbeitswoche (normale Arbeitsbelastung, keine Ferien, keine extremen Temperaturen) im Referenzunternehmen eintrafen, verwendet. Die folgende Tabelle 4-6 stellt die Verteilung der AuftragsCharakteristika unter diesen Auftragen dar.

Tabelle 4-6:

Charakteristika der betrachteten Auftrage

Charakteristika Feindispergierung Losemittel ChargengroRe [kg] Anzahl Auftrage/ Aktivitaten

Anzahl der Auftrage nein: 94

ja:48 wasserbasiert: 32 16-80:12 81-200:25

losemittelbasiert: 110

201-500:56 501-700:16 701-1000:12 1001-1250: 211 142/745

Fiir diese exemplarische Anwendung wird der Genetische Algorithmus in acht Konfigurationen (A-H) verwendet, in denen drei Merkmale der Konfiguration in jeweils zwei

KAPITEL 4

241

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

Auspragungen vollstandig faktoriell variiert werden. Aufgrund der Lange der Aktivitatsliste, die deutlich mehr Aktivitaten enthalt als in den Testdatensatzen von Hartmann (vgl. (Hartmann, 1999)), wird neben dem von Hartmann eingesetzten l-Punkt-Kreuzungsoperator eine 10-Punkte-Kreuzung verwendet. Weiterhin werden sowohl die Ranking- als auch die 3Tumier-Selektion (3-T) sowie das serielle und das parallele Schedule-Generation-Scheme zur Dekodierung der Aktivitatslisten angewendet. Der GA endet jeweils nach 5000 Iterationen. Die Konfigurationen sind in der folgenden Tabelle 4-7 zusammengefasst. Tabelle 4-7:

Verwendete Konfigurationen des Genetischen Aigorithmus

^ ^Configuration Merl(mai ^ ^ ^ ^ ~ ~ - ^ _ _ _ ^

A

B

C

D

E

F

G

H

Anzahl der Kreuzungspunl(te

10

10

10

10

1

1

1

1

Ranking

3-T

Ranking

3-T

Ranking

3-T

Ranking

3-T

Schedule-GenerationScheme (SGS)

seriell

seriell

parallel

parallel

seriell

seriell

parallel

parallel

Anzahi Iterationen

5000

5000

5000

5000

5000

5000

5000

5000

Selektionsmechanismus

Ausgewahlte Ergebnisse Ftir jede Konfiguration wird ein Optimierungslauf durchgefuhrt.^^^ Die Ergebnisse dieser Laufe sind in der folgenden Tabelle 4-8 dargestellt. Zunachst fallt auf, dass das parallele SGS in alien Fallen bessere Ergebnisse erzielt als das serielle SGS. Die 10-Punkte-Kreuzung ist im Vergleich zu den entsprechenden Konfigurationen mit 1-Punkt-Kreuzung ebenfalls in alien vier Fallen uberlegen. Weiter sind die Zielfunktionswerte der Konfigurationen, die den Ranking-Selektionsoperator verwenden, denen mit der 3-Tumier-Selektion in drei von vier Fallen uberlegen, lediglich in Kombination H ist diese der vergleichbaren Kombination G uberlegen. Diese Feststellungen sind jedoch lediglich als Indizien zu werten, da die Unterschiede in den Zielfunktionswerten z. T. relativ gering sind und der Genetische Aigorithmus kein deterministisches

Verfahren

darstellt und somit deutlich mehr

Optimierungslaufe notig waren, um gesicherte Aussagen treffen zu konnen.

Die Variation der Parameter dient einer exemplarischen Anwendung. Es ist nicht Ziel der Betrachtungen, allgemeine Aussagen Uber die Eignung der einzelnen Operatoren zu treffen. Es kann daher auf ausfiihrlichere Tests durch mehrere Laufe in den selben Konfigurationen verzichtet werden.

242 Tabelle 4-8:

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

Ergebnisse der Optimierungslaufe deterministischen Fall

r^"^--Konflg u ration

A

B

des

D

C

Genetischen

E

KAPITEL 4

Algorithmus

F

im

H 1

G

KenngroBe""^^-^.,.^ 185.378

186.448 202.226 217.101

189.586

186.704 1

Zielfunktionswert

201.684 205.286

Zykluszeit [Perioden] [d:h:min]

19.141 20.343 19.111 18.903 19.167 19.176 20.616 17.716 13:07:01 14:03:03 14:07:36 13:06:31 13:07:27 12:07:16 13:07:36 13:03:03

Minimale Durchlaufzeit [Perioden]

1.571

1.571

1.571

1.575

1.573

1.569

1.575

1.572

Maximale Durchlaufzeit [Perioden]

10.461

11.333

7.120

4.377

8.407

8.742

5.873

4.452

Summe der Durciilaufzeiten [Perioden]

384.228 390.230

Mittlere Durchlaufzeit [Perioden]

2.705

3.403

3.106

3.185

3.306

3.537

3.241

3.244

Verbesserung des Zielfunktionswerts [%]

32,80

32,23

27,02

21,27

31,36

29,23

26,59

26,12

Berechnungsdauer [min]

152

141

789

757

132

138

861

828

350.140 353.786 385.286 416.486 359.996 354.505

Die durcli den GA erreicliten Verbesserungen der Zielfunlctionswerte betragen zwischen 21 und ca. 33 %. Zwischen dem besten und dem schlechtesten Ergebnis gibt es eine relativ groBe Differenz von ca. 17 %. Der Vergleich der acht Losungen hinsichtlich der einzelnen verwendeten Zielfunktionsbestandteile zeigt, dass keine Losung die anderen in beiden Kriterien dominiert. Wahrend Konfiguration C zu dem besten Zielfunktionswert fiihrt und hinsichtlich der Summe der Durchlaufzeiten auch die beste Losung darstellen wiirde, weist die Losung bei Kombination F zwar die geringste Zykluszeit auf, hat aber den schlechtesten Zielfunktionswert der ermittelten Losungen. Auch der Vergleich der Losungen hinsichtlich weiterer KenngroBen zeigt Unterschiede auf. Die beste Losung in Bezug auf die minimale Durchlaufzeit eines Auftrags wird beispielsweise mit Hilfe der Konfiguration F erreicht, die - wie erwahnt - im Vergleich zu den ubrigen Kombinationen den schlechtesten Zielfunktionswert besitzt. AuffalUg sind die groBen Unterschiede in den Berechnungsdauem zwischen dem seriellen und dem parallelen SGS. Werden im seriellen SOS im Hochstfall 152 Minuten fiir die 5000 Iterationen benotigt, so betragen diese beim parallelen SGS im Minimum schon 757, im

KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

243^

Maximum 861 Minuten. Dabei produziert das parallele SGS jedoch in den betrachteten Fallen bessere Losungen als das serielle SGS. Vor dem Hintergrund der genannten substanziellen Berechnungsdauem ist zu priifen, ob durch eine Verringerung der Anzahl an Iterationen ahnlich gute Losungen produziert werden konnen oder ob die Verkiirzung zu signifikanten Ergebnisverschlechterungen fiihrt. Abbildung 4-7 zeigt die Veranderung des Zielfunktionswertes fur die betrachteten Konfigurationen im Verlauf der Optimierung. Es ist ersichtlich, dass auch bei einer Verkiirzung der Laufzeit des Algorithmus das parallele SGS noch bessere Losungen geliefert hatte als das serielle SGS bei Beibehaltung der Iterationsanzahl.

Abbildung 4-7:

Verlauf des Zielfunktionswertes In den Optimlerungslaufen

In der folgenden Abbildung 4-8 ist ein Tag (Tag 3) des in Konfiguration C berechneten Ablaufplans als maschinenorientiertes Gantt-Diagramm dargestellt. In diesem Diagramm sind die Aktivitaten fortlaufend nummeriert. Erkennbar ist die nahezu lUckenlose Belegung der fiinf Dissolver (D1-D5), die auch in der tatsachlichen Fertigung einen Engpass darstellen. Ebenfalls ersichtlich ist, dass, um eine Fertigung in der Pause (grau hinterlegter Bereich) zu vermeiden, z. T. 50 Minuten vor der Pause keine Ressourcenbelegung mehr stattfindet (z. B. bei Dissolver D4). Dies ist sicherlich ein Zustand, der in der Praxis so nicht vorkommen wurde. Das Auslastungsniveau des Komplettierers (Kl) ist ebenfalls sehr hoch, auch dies entspricht den Gegebenheiten im betrachteten Produktionssystem. Bei den Ruhrwerkskugel-

244

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

KAPITEL 4

mlihlen (PM1-PM8), die in der Regel lange RUstzeiten aufweisen, ist die Uberlappende Fertigung erkennbar, bei der mit dem Rustvorgang bereits begonnen wird, wahrend die Charge noch auf der vorhergehenden Arbeitsstation bearbeitet wird. Im Gegensatz zu den genannten Arbeitsstationen werden andere Maschinen sowie die weiteren Mitarbeiter an dem betrachteten Tag nicht oder nur sehr gering ausgelastet. Im Falle einiger Ruhrwerkskugelmiihlen ist dies darauf zuriickzufuhren, dass diese nur fiir bestimmte LosemittelbasisChargengroBen-Kombinationen verwendet werden konnen, die deutlich seltener produziert werden als andere. Im Falle des vierten Abtoners (A4) und des dritten Abfullers fiir kleine Chargen scheinen freie Kapazitaten vorhanden zu sein. Allerdings kann sich die Belastungssituation durch eine groBere Anzahl an Auftragen und die im Modell nicht abgebildeter Nacharbeit andem. Zudem ist zu beachten, dass die durchgefUhrten Berechnungen den Idealzustand eines zunachst leeren Produktionssystems betrachten und somit verbliebene, noch nicht fertiggestellte, Aktivitaten auch hier zu einer weitergehenden Auslastungszunahme fuhren wiirden.

Abbildung 4-8:

Gantt-Diagramm der Optimierungsergebnisse (Konfiguration C, Auszug)

KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

245^

4.3.6 Schlussfolgerungen aus der Entwicklung und Anwendung eines deterministischen Ablaufplanungsmodells Durch das in Abschnitt 4.3 vorgestellte erweiterte Projektplanungsmodell und die implementierten exakten und heuristischen Losungsverfahren steht ein geeignetes Werkzeug zur deterministischen Ablaufplanung von Chargenfertigungen zur Verfugung. Dieses bildet wesentliche Charakteristika, die diese Fertigungen oft aufweisen, ab. Zu nennen sind hier im Besonderen reihenfolgeabhangige Riistzeiten, minimale und maximale Liegezeiten, Freigabezeitpunkte, sowohl mengen(un)abhangige Bearbeitungszeiten, Pausen- und Schichtkalender. Mit Hilfe des vorgestellten und erweiterten Genetischen Algorithmus ist eine heuristische Losung realer FroblemgroBen in adaquater Zeit moglich, jedoch wird dabei auf die Garantie des Auffindens bzw. den Nachweis einer optimalen Losung verzichtet. Auch wenn flir die Ablaufplanung von Chargenproduktionen einsetzbar, setzt der Gebrauch dieses Werkzeugs jedoch deterministische Bearbeitungszeiten voraus, die a priori hinreichend genau bekannt sind und in denen stoffliche Aspekte hinreichend genau abgebildet werden. Dies ist jedoch in einer Vielzahl von Chargenfertigungen nicht der Fall. Insbesondere bei kleinen und mittelstandischen Untemehmen, wie dem als Beispiel herangezogenen Fall einer Lackproduktion, sind die einzelnen Chargen z. T. sehr unterschiedlich und die Wiederholraten der Chargen sehr gering. Zudem ist der Fertigungsprozess durch auBere Einflusse, wie Temperaturen und verschiedene andere Faktoren, mit weiteren Unsicherheiten behaftet. Die Ermittlung zuverlassiger Zeitparameter, wie fiir ein deterministisches Modell benotigt, ist somit nicht oder nur mit nicht vertretbar groBem Aufwand moglich. Demzufolge kann das in diesem Abschnitt zunachst unterstellte Vorliegen deterministischer Bearbeitungszeiten nicht als gegeben angesehen werden. Fiir eine adaquate Ablaufplanung in solchen Produktionssystemen wird ein Ansatz benotigt, der diese Unsicherheiten berucksichtigt. Der folgende Abschnitt 4.4 beschaftigt sich daher mit der Entwicklung und exemplarischen Anwendung eines solchen Ansatzes.

246

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

KAPITEL 4

4.4 Entwicklung und exemplarische Anwendung eines FuzzyModells zur Ablaufplanung bei Chargenproduktion Aufgrund

der, auch im Falle des in diesem Kapitel exemplarisch betrachteten

Produktionssystems,

bei

der

Chargenproduktion

haufig

anzutreffenden

niedrigen

Wiederholraten und der prozessimmanenten Unsicherheiten ist die Verwendung von Ansatzen der stochastischen Optimierung in vielen Fallen nicht zielfuhrend. Fiir solche Falle geeignet ist das Instrumentarium, das die Theorie der unscharfen Mengen (Fuzzy Set-Theorie) bereitstellt. Im Folgenden wird auf Basis dieser Theorie ein Ansatz zur Ablaufplanung unter Unsicherheit entwickelt und exemplarisch angewendet. Zunachst wird auf wesentliche Grundlagen der Fuzzy-Optimierung eingegangen, bevor ein eigenes Modell zur Fuzzy-Ablaufplanung erstellt wird, das auf dem im vorangegangenen Abschnitt vorgestellten deterministischen Ablaufplanungsmodell basiert. Dieses Modell wird in Abschnitt 4.4.3 exemplarisch auf das in diesem Kapitel betrachtete Produktionssystem angewendet und die Modellanwendung abschliefiend in Abschnitt 4.4.4 reflektiert. 4.4.1 Grundlagen der Fuzzy-Optimierung 4.4.1.1

Fuzzy-l\/iengen, Fuzzy-Zahlen und Fuzzy-lntervalle

Zunachst werden gmndlegende Definitionen aus dem Bereich der Fuzzy Set-Theorie dargestellt. Diese orientieren sich an den Begrifflichkeiten und der Notation von Rommelfanger (vgl. (Rommelfanger, 1994a)). EinQ Fuzzy-Menge^^^ A ist definiert als: A={(x,ju^{x))\xeX]

mit //^:Z->[0;l]

(4.34)

Der Grad, zu dem alle XEXZU A gehoren, wird uber die so genannte Zugehorigkeitsfunktion ju^{x)

bestimmt. Das Tilde-Zeichen „~" wird im Folgenden benutzt, um Fuzzy-Mengen zu

kennzeichnen.

Fuzzy-Mengen werden auch als Fuzzy Sets oder unscharfe Mengen bezeichnet (vgl. z. B. (Rommelfanger, 1994a), S. 8).

KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

247_

Die Hohe einer Fuzzy-Menge wird definiert als: hgt{A) = Sup^~^

(4.35)

Man spricht von einer normierten Fuzzy-Menge A , wenn hgt{A) = 1 gilt.

Eine Fuzzy-Zahl ist eine normierte konvexe Untermenge von IR mit einer stuckweise-stetigen Zugehorigkeitsfunktion und exakt einem XQEIR, fiir das gilt: ju~ {xo)=l. Im Gegensatz zu einer Fuzzy-Zahl kann ein Fuzzy-Intervall mehr als ein xelR mit ju^(x) = 1 enthalten.

In der Praxis erweist es sich als problematisch, dass der exakte Verlauf einer Zugehorigkeitsfunktion nur schwer ermittelbar ist. Es stellt sich daher die Aufgabe, den Verlauf dieser Zugehorigkeitsfunktionen geeignet zu approximieren und darzustellen, um eine adaquate Modellierung und Losung von Fuzzy-Optimierungsproblemen zu ermoglichen. Im folgenden Abschnitt werden daher zunachst Darstellungsformen von Fuzzy-Intervallen vorgestellt, bevor im darauffolgenden Abschnitt auf Berechnungsmoglichkeiten fiir eine dieser Darstellungsformen eingegangen wird.

4.4.1.2

Darstellungsformen von Fuzzy-Intervallen

Fiir die Approximation von Zugehorigkeitsfunktionen kann das Konzept der so genannten a-Schnitte^'^ benutzt werden. Dies ist insbesondere dann sinnvoll, wenn - wie meist in der Praxis - der exakte Verlauf einer Zugehorigkeitsfunktion nicht ermittelbar ist (vgl. (Dubois et al., 2000), S. 519). Diese geben Informationen dariiber, welche jceX einen Zugehorigkeitsgrad besitzen, der groBer ist als a. Ein a -Schnitt einer Fuzzy-Menge A ist definiert als eine crispe Menge' ^^ A^, die wie folgt angeben werden kann (vgl. (Lai und Hwang, 1992), S. 21): A^ = [xeX\ju~^{x)>a]

ore [0,1]

(4.36)

Es sind auch die Begriffe Membership-Funktion, membership function, charakteristische Funktion oder Kompatibilitdtsfunktion gebrauchlich (vgl. z. B. (Rommelfanger, 1994a), S. 8). or-Schnitte werden z. T. auch als a-Niveaumengen bezeichnet (vgl. z. B. (Rommelfanger, 1994a), S. 12). Im Bereich der Fuzzy Set-Theorie ist crisp oder deutsch scharfe'm Synonym fiir deterministisch.

248

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

KAPITEL 4

Untere und obere Begrenzungen eines a -Schnitts sind infxex^a und supxexAa- Damit konnen die Zugehorigkeitsfunktionen von Fuzzy-Intervallen approximiert werden, indem die aSchnitte zu einer stuckweise linearen Funktion kombiniert werden.

Fine Darstellungsform sind so genannte LR-Fuzzy-Intervalle. Die Zugehorigkeitsfunktionen von LR-Fuzzy-Intervallen werden mit Hilfe zweier wie folgt definierter Referenzfunktionen beschrieben (vgl. (Rommelfanger, 1994a), S. 40): Fine Funktion /:[0,oo)^(0,l] heiBt genau dann Referenzfunktion, wenn die folgenden Bedingungen erfullt werden: /(0)-l,

(4.37)

/ ist nicht steigend in (0, oo].

(4.38)

Hiermit lasst sich ein LR-Fuzzy-Intervall wie folgt definieren: Fin Fuzzy-Intervall A heifit LR-Fuzzy-Intervall, wenn zwei LR-Referenzfunktionen L (linke Referenzfunktion) und R (rechte Referenzfunktion) und vier Parameter m^.mj^a.fie IR mit ii\<m^ und a,p>0

existieren, so dass fiir alle JCe //? gilt: l\^T^_l\

//^W =

1

I p

; falls jc<m,,6r>0 ; falls XG[m,,m2]

(4.39)

; falls ;c>m2,y^>0.

Als verkiirzte Darstellungsform ist auch A = (m^,m2,(X,j3) gebrauchlich. Als Gipfelpunkte bezeichnet man m^ und m2, (X und fi werden Spannweiten genannt. Gilt m^=m2, liegt eine Fuzzy-Zahl vor und es wird von einer LR-Fuzzy-Zahl gesprochen (vgl. (Rommelfanger, 1994a), S. 40). Fine weitere Darstellungsform geht auf weitere Arbeiten von Rommelfanger zuriick (vgl. (Rommelfanger, 1990), (Rommelfanger, 1991)) und wird als Fuzzy-Intervall des e-A-Tyips bezeichnet (vgl. (Rommelfanger, 2000)). Hierbei wird die Zugehorigkeitsfunktion durch eine stuckweise-stetige Funktion approximiert, die aus fiinf Teilen besteht. Diese Telle werden

KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

249

durch eine Expertenschatzung von sechs Punkten bestimmt. Flir die drei Zugehorigkeitsniveaus ae {£, A,l} werden jeweils infxex^a und supxsx^a ermittelt. Dabei zeigt ju^(a) = l,

dass der Wert a sicher zur Menge der moglichen Werte zahlt,

jU^(a)>A,

dass der Wert a mit dem Zugehorigkeitsgrad ju^(a)>Z

eine gute

Chance besitzt, zur Menge der moglichen Losungen zu zahlen, ju^{a)<£,

dass der Wert mit ju^ (a)<£ nur mit einer geringen Chance zur Menge der mogUchen Losungen gehort.

Es werden so untere und obere Werte (a und a) flir a zum Zugehorigkeitsniveau 1 bestimmt, die optimistische und pessimistische Werte fur mogliche Realisationen von a ausdriicken, sowie vier Variablen fiir die Spannweite zwischen a

und den Infina zu den

Niveaus e und Z sowie zwischen a und den Suprema dieser Niveaus. In der referenzierten Notation lasst sich somit ein Fuzzy-Intervall wie folgt darstellen (a bezeichnet hier die Spannweiten): A ={a,a,a'^,o^,a^,a^).

Die Zugehorigkeitsfunktion des auf diese Weise

beschriebenen Fuzzy-Intervalls lasst sich dann durch die Kombination von fiinf stuckweiselinearen Funktionen beschreiben:

x + s ^XE IR/a-a^

MAM =

<x
(1-^) x. .+ A .

w , . . . o , . ^ . . <x
1

yxelRIg^

\-^^—-r^-x 1 - ^^~^] [O

<x
(4.40)

\fxeIR/l<x
+ a^<x
+ a'

sonst

Auf den Arbeiten von Rommelfanger aufbauend, haben Hapke, Jaszkiewicz und Slowinski (vgl. (Hapke, Jaszkiewicz und Slowinski, 1994)) sowie Fortemps (vgl. (Fortemps, 1997)) eine ahnliche Approximation in einer abgewandelten Notation eingeflihrt. In dieser so genannten Sechs-Punkt-Darstellung

werden, wie bei Fuzzy-Intervallen des e-X-Typs,

sechs Punkte der

Zugehorigkeitsfunktion bestimmt und die Zugehorigkeitsfunktion durch die Verbindung dieser angenahert. Statt der beiden Punkte zum Zugehorigkeitsniveau 1 zzgl. der Spannweiten werden jedoch alle sechs Punkte angegeben. In Sechs-Punkt-Darstellung lasst sich so ein Fuzzy-Intervall A mit A=(a\

q^, a\ a\ a^, a^) angeben. Wie in anderen PubUkationen

250

KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

vorgeschlagen, werden die Zugehorigkeitsgrade £ und X mit f = 0,l und A = 0,6 angenommen (vgl. (Hapke und Slowinski, 2000), S. 200, (Rommelfanger, 1994a), S. 249 ff. und (Schultmann und Rentz, 2002), S. 304). Im Folgenden wird fur Fuzzy-Intervalle in Sechs-Punkt-Darstellung eine leicht abgewandelte Notation verwendet. Die optimistischen Werte erhalten den tiefgestellten Index y^ = /, die pessimistischen den tiefgestellten Index y^ = M, so dass sich ein Fuzzy Intervall A mit A=(;fl^, lU^, ^a}, ^a\ ^a^, ^a^) angeben lasst. Die resultierende Zugehorigkeitsfunktion von A lasst sich somit, wie in Abbildung 4-9 dargestellt,

wiederum

durch

die

Kombination

der

fiinf

resultierenden

linearen

Zugehorigkeitsfunktionen approximieren.

1

£

Abbildung 4-9:

1

1

Zugehorigkeitsfunktion //-(a) von A

Trotz der sehr ahnlichen Herangehensweise ist fiir den behandelten Fall die Darstellungsform der Sechs-Punkt-Darstellung im Vergleich zu der Darstellungsform des ^--/l-Typs vorteilhaft, da - wie im nachfolgenden Abschnitt beschrieben - diese Darstellungsform fiir die Losung des zu formulierenden Fuzzy-Ablaufplanungsproblems und die damit verbundenen Berechnungen auf den Zugehorigkeitsfunktionen in Sechs-Punkt-Darstellung vorteilhaft ist.

KAPITEL 4

4.4.1.3

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

251

Arithmetische Operationen auf Fuzzy-lntervallen

Mit Hilfe des von Zadeh formulierten Erweiterungsprinzips (vgl. (Zadeh, 1965)) lassen sich fiir die Fuzzy-Zahlen A und B in X und Y grundlegende arithmetische Operationen * nach der folgenden Gleichung formuHeren I^A.B(^) = maji{imn[{jj^{x),/j^{x)]} mit * e {+,-,x,/}.

(4.41)

Bei Verwendung einer stuckweise-linearen Reprasentation der Fuzzy-Zahlen lasst sich die Gleichung (4.41) in der in Gleichung (4.42) dargestellten Form abbilden. Es ist ersichthch, dass grundlegende arithmetische Operationen von Fuzzy-Zahlen aquivalent zu diesen Operationen auf dem jeweiligen a -Schnitt der beiden Fuzzy-Zahlen sind (vgl. (Hapke und Slowinski, 2000), S. 200):

C,={A^B)^ =

A^^B^,yae(0,\]

(4.42)

Mit der Gleichung (4.42) konnen nun die angegebenen arithmetischen Operationen fiir FuzzyIntervalle in Sechs-Punkt-Darstellung definiert werden: Tabelle 4-9:

Arithmetische Operationen fur Fuzzy-lntervalle in Sechs-Punkt-Darstellung

Symbol

Arithmetische Operation in Sechs-Punkt-Darstellung

A®B

(IQ'

AQB

i^a^ - ^b\ ^a'^ - ^b\ ^a - ^b\ ^a^ - ib\

A®'"'B

{^a—^b\^a

max(A,fi)

(max(,fl^ ,/7'^),max(^a^, ^/7 ),max(^a', ^/?'),

+ ib\ ,a^ + ib\ iG + ib\ ^a + ^y, ^a^ + ^b\ ^a' + ^b') a - ^b , ^a" - ^b"")

— lb , id — ib\ ^a — ^b\ ^a

max(^a', y),m2i\{a\

^b^),m2i\{a\

—^b,^a—^b')

^b'))

mini A, B) v[An{a\^b^),mm{^a

, ^b ),imn(^a\

b'))

Quelle: vgl. (Hapke und Slowinski, 1996), 8. 293, (Hapke und Slowinski, 2000), S. 200

Es werden zwei Operationen fiir die Subtraktion von Fuzzy-lntervallen angegeben. Die Operation 9 folgt dem Erweiterungsprinzip von Zadeh und wird im Folgenden als so genannte erweiterte Subtraktion bezeichnet. Im Gegensatz zu crispen Zahlen handelt es sich bei dieser Subtraktion jedoch nicht um eine Inversion der Addition (vgl. (Rommelfanger, 1994b), S. 124). Die Anwendung einer Subtraktion, die keine Inverse der Addition ist, kann zu falschen Ergebnissen fiihren. Dies ist beispielsweise bei der retrograden Berechnung von

252

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

KAPITEL 4

Schlupfzeiten oder spatesten Start- und Endzeitpunkten der Fall (vgl. (Rommelfanger, 2000)). Daher stellt in vielen Fallen die inverse Addition B'"" die adaquatere Operation fiir solche Berechnungen dar. Dies liegt hauptsachlich in der Unscharfe der Prozessdauem begriindet. Im beschriebenen deterministischen Modell werden die Prozessdauem u. a. fiir die Berechnung der Startzeitpunkte der Aktivitaten in den Nebenbedingungen benotigt. Hierzu werden die Prozessdauem von den in der binaren Entscheidungsvariablen ausgedriickten Endzeitpunkten subtrahiert. Ein Gebrauch der erweiterten Subtraktion wurde hier zu dem Problem fUhren, dass bei einer optimistischen Berechnung des Zeitpunktes, zu dem eine Vorgangeraktivitat beendet sein muss, die langste Prozessdauer subtrahiert wtirde. Solche Berechnungen sind aus logischer Sicht nicht konsistent. Auch die Verwendung der inversen Addition ist nicht in alien Fallen unproblematisch. Ergebnis einer inversen Addition konnen eine andere als die in Abbildung 4-9 dargestellte typische Form einer Zugehorigkeitsfunktion besitzen. Abhangig von der

Form

der urspriingUchen

Zugehorigkeitsfunktionen

konnen

die

oberen

Zugehorigkeitsniveaus kleinere jc-Werte haben als die der niedrigeren Zugehorigkeitsniveaus. Es ist daher im Einzelfall sorgfaltig zu priifen, ob die erweiterte Subtraktion, die inverse Addition oder Modifikationen dieser zu verwenden sind.

4.4.1.4

Mittelwertbildung und Rangordnung

Wesentlicher Bestandteil einer Fuzzy-Optimiemng ist die Frage nach den Mittelwerten eines Fuzzy-Intervalls und der Rangordnung von Fuzzy-Intervallen. Eine Klassifiziemng von Verfahren zur Reihenfolgebildung von Fuzzy-Intervallen kann u. a. im Hinblick darauf vorgenommen werden, dass das Verfahren • Fuzzy-Intervalle auf reelle Zahlen abbildet und die Rangordnung auf Basis dieser reelen Zahlen vomimmt, • Fuzzy-Intervalle in Bezug zu Fuzzy-Referenz-Mengen (Zielen) setzt und entweder eine Distanz zu diesen Zielen minimiert bzw. diese als Nebenbedingung auffasst, deren Erfullungsgrad durch die Fuzzy-Intervalle gemessen wird und • Fuzzy-Relationen tiber paarweise Vergleiche von Fuzzy-Intervallen bildet (vgl. (Dubois et al, 2000), S. 539). Verfahren der ersten Kategorie sind vor allem dort sinnvoll einsetzbar, wo eine eindeutige Entscheidung bzgl. der Rangfolge benotigt wird und diese auch auf Kosten der in den unscharfen Daten enthaltenen Informationen iiber Lage und Form der Zugehorigkeits-

KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

253

funktionen der Fuzzy-Intervalle ermittelt werden soil. Der Vorteil von Verfahren der zweiten Kategorie liegt darin, dass sie dem Entscheider ermoglichen, liber die Fuzzy-ReferenzMengen gezielt Form und Lage der Zugehorigkeitsfunktionen fur die Rangbildung auszunutzen. Dies setzt gute Kenntnisse der zugrunde liegenden Theorie voraus und eignet sich daher weniger fur den praktischen Einsatz in Untemehmen. Verfahren der dritten Kategorie geben fiir die Entscheidungsfindung ein akkurates Bild der Zugehorigkeitsfunktionen wieder, was meist nicht mit der Forderung nach einer eindeutigen Rangfolge vereinbar ist (vgl. (Dubois et al., 2000), S. 539ff.). Aus den genannten Griinden beschranken sich die folgenden Ausfuhrungen auf Verfahren der ersten Kategorie."^ Ein intuitives Konzept zur Defuzzifizierung ist die Mittelwertbildung aufbauend auf Arbeiten von Dubois und Prade (vgl. (Dubois und Prade, 1987)), von Chanas (vgl. (Chanas, 1987)) und Fortemps (vgl. (Fortemps, 1997)). Hier wird der Mittelwert eines Fuzzy-Intervalles A iiber die Mittelwerte der linken und rechten Spannweite i?^(A) und Ej^{A) ermittelt. Der Mittelwert ist das Intervall [^^ (A), £^ (A) J der Zugehorigkeitsfunktion. Die Defuzzifizierung dieses Intervalls ist iiber die Berechnung des arithmetischen Mittels moglich:

2

3(A) wird als so genannte Defuzzifizierungsfunktion bezeichnet, die sich fiir FuzzyIntervalle in Sechs-Punkt-Darstellung wie folgt berechnen lasst (vgl. (Hapke und Slowinski, 2000), S. 203): 3(A) =

! — { ( / i - £ • ) « + af + at + < ) + (1 -^:){af + a\ ^-a[+ a^)}

(4.44)

Fiir den Beweis von Gleichung (4.44) sei auf die o. g. Quelle verwiesen. Zur VeranschauUchung ist die Berechnung von £^(A) in Abbildung 4-10 dargestellt.

Fiir einen umfassenden Uberblick sei auf (Wang, 1997) verwiesen, der vierzig Methoden zur Rangfolgebildung von Fuzzy-GroBen, insbesondere von Fuzzy-Intervallen, systematisch untersucht.

254

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

KAPITEL 4

Abbildung 4-10: Die Berechnung der Defuzzifizierungsfunktion 3 ( A ) (vgl. (Hapke und Slowinski, 2000), S. 203)

Eine

weitere

Moglichkeit

zum

Vergleich

von

Fuzzy-Intervallen

bietet

die

Gebietskompensation. Diese bietet auch eine Moglichkeit zu bestimmen, zu welchem Grad eine Fuzzy-Zahl groBer ist als eine andere. Es bezeichnen A und B zwei Fuzzy-Intervalle und beschreiben 5'^(A>5), 5^(A>B), 5'^(A
SM>B)=

J {M^„A,-mf^„BJda

(4.45)

U{A,B)

S,CA>B)=

J (sup^„4-sup^,,S,Ma

(4.46)

V{A,B)

UilB)

= { a | i n f ^ „ 4 >inf^„ B,,e
(4.47)

V(A,5) = {a|sup^„ A, >sup^,,B„e
(4.48)

Analog zu den Gleichungen (4.45) bis (4.48) werden die Gebiete S^(A
KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

255

Abbildung 4-11: Vergleich zweier Fuzzy-lntervalle auf Basis der Gebietskompensation (vgl. (Hapke und Slowinski, 2000), S. 202)

Sj^{A>B) und 5^(A>B) bezeichnen die Bereiche, in denen die Moglichkeit, dass die potenzielle Realisation A* von A groBer oder gleich der potenziellen Realisation J5* von B, also A* > 5 * gilt. Um ein MaB fur den Grad C{A>B) zu finden, zu dem A groBer ist als B, wird die Summe der Gebiete, in denen A* < B * gilt, von der Summe der Gebiete, in denen A* > B * gilt, subtrahiert. C{A > B) wird daher wie folgt definiert (vgl. (Hapke und Slowinski, 2000), S. 202): CiA>B) = ^{S,{A>B) + S,(A>B)-S,(A
(4.49)

Operationalisierbar ist Gleichung (4.49) mit der Defuzzifizierungsfunktion aus Gleichung (4.44). Durch deren Anwendung lasst sich C{A > B) berechnen: C(A>5) = 3(A)-3(B)

(4.50)

Mit Hilfe von Gleichung (4.49) kann die schwache Vergleichsregel (engl. Weak Comparison Rule {WCR)) wie folgt formuliert werden (vgl. (Hapke und Slowinski, 2000), S. 202):

256

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

KAPITEL 4

A>B:^C(A>B)>0

(4.51)

A>B:<^C(A>B)>0

(4.52)

A-B:<^C{A>B)

=0

(4.53)

Hapke und Slowinski zeigen, dass Verfahren, die auf der Methodik der Gebietskompensation Oder reinen Mittelwertbildung basieren, zu einer Verletzung von Vorrangbeziehungen fiihren konnen (vgl. (Hapke und Slowinski, 2000), S. 206f.). Daher fiihren sie die so genannte starke Vergleichsregel (engl. Strong Comparison Rule (SCR)) ein (vgl. (Hapke und Slowinski, 2000), S. 204): A»=B<^ 4.4.1.5

max(A, B) = A

(4.54)

Fuzzy-Ablaufplanung

Das Instrumentarium der Fuzzy Set-Theorie lasst sich auch fUr Planungs- und Optimierungsaufgaben einsetzen (vgl. Abschnitt 4.1.4). Wegen ihrer Eignung zur effizienten Modellierung unsicherer und nur vage bekannter Daten bietet sich die Fuzzy Set Theorie auch als geeignetes Werkzeug in der Ablaufplanung an, in der vor allem hinsichtlich der Prozesszeiten

Unscharfe

vorliegt

(vgl.

(Fortemps,

2003)).

Dies

gilt

auch

fur

Chargenproduktionen, wie das in diesem Kapitel betrachtete Produktionssystem, in dem die Prozesszeiten durch den groBen Anteil an manuellen Tatigkeiten sowie verschiedene Umwelteinfliisse in hohem MaBe unsicher sind und durch niedrige Wiederholraten der Chargen haufig trotz aufwandiger Zeitaufnahmen viele Daten nur vage bzw. unscharf ermittelbar sind. Die Ansatze zur Fuzzy-Ablaufplanung lassen sich in drei wesentUche Bereiche unterteilen. Den ersten stellen Fuzzy-Ablaufplanungsprobleme miiflexiblen Nebenbedingungen dar. In diesen soil der Tatsache Rechnung getragen werden, dass es nicht immer mit der reinen Erfiillung von Restriktionen getan ist. Vielmehr kann sich die Uberlegenheit von Ablaufplanen auch dadurch zeigen, dass Restriktionen besser erfiillt werden, Bei Ansatzen zur Ablaufplanung unter flexiblen Nebenbedingungen wird daher der Erfiillungsgrad der Nebenbedingungen mit in die Betrachtungen einbezogen. Den zweiten - und in dieser Arbeit betrachteten Bereich - stellen Fuzzy-Ablaufplanungsansatze mit unscharfen Zeitparametern dar. Hier wurden bereits verschiedene Ansatze fiir

KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

257

ressourcenunbeschrankte und ressourcenbeschrankte Ablaufplanungsprobleme vorgestellt. Im Bereich der unbeschrankten Ansatze stammen fuzzyfizierte kritische-Pfad-Analysen von PERT-Netzplanen von Chanas und Kamburowski (vgl. (Chanas und Kamburowski, 1981)) und Dubois und Prade bereits vom Anfang der 1980er Jahre (vgl. (Dubois und Prade, 1980)), spatere Arbeiten beispielsweise von Rommelfanger (vgl. (Rommelfanger, 1994b)). Auch Ansatze unter Beriicksichtigung von Ressourcenrestriktionen existieren bereits. Eine friihe Arbeit in diesem Themenfeld stammt von Fortemps (vgl. (Fortemps, 1997)). Neben JobShop- wurden auch Flow-Shop- (vgl. (MacCahon und Lee, 1992) sowie Projektplanungsprobleme (vgl. (Hapke und Slowinski, 2000), (Schultmann und Rentz, 2002)) mit unscharfen Zeitparametem vorgestellt. Die dritte Kategorie von Ansatzen zur Fuzzy-Ablaufplanung stellen Kombinationen der beiden Kategorien der flexiblen Restriktionen und der unscharfen Zeitparameter dar. Da es in dem Bereich der Fuzzy-Ablaufplanung umfassende und aktuelle Arbeiten gibt, die einen Uberblick iiber das Themenfeld bieten, wird auf weitergehende Ausfuhrungen verzichtet und stattdessen auf (Slowinski und Hapke, 2000) sowie (Dubois, Fargier und Fortemps, 2003) verwiesen. Gemeinsam ist den bisherigen Arbeiten, dass sie sich jeweils auf theoretische Testinstanzen Oder lediglich kleine Anwendungsfalle beschranken. Bislang gibt es keine Ansatze, die flir Anwendungsfalle der GroBenordnung, wie sie beispielsweise das in diesem Kapitel betrachtete Produktionssystem darstellt, Anwendung finden. Zur Beriicksichtigung von Unsicherheiten im Rahmen einer Fuzzy-Ablaufplanung ist demnach ein eigener Ansatz zu entwickeln. Hierzu wird im folgenden Abschnitt 4.4.2 das im Abschnitt 4.3 vorgestellte und erfolgreich auf das betrachtete Produktionssystem angewandte deterministische Modell fuzzifiziert, d. h. die unscharfen Zeitparameter mit Hilfe von Fuzzy-Intervallen modelliert werden.

4.4.2 Ein Fuzzy-Modell zur Ablaufplanung be! Chargenproduktion Zur Formulierung des Fuzzy-Modells zur Ablaufplanung bei Chargenproduktionen wird im Folgenden zunachst die Modellierung der unscharfen Zeitparameter erlautert, bevor die Berechnung der unscharfen Projekthochstdauer, der unscharfen friihesten und spatesten Startund Endzeitpunkte und schlieBlich das Fuzzy-Ablaufplanungsproblem formuliert wird.

258

4.4.2.1

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

KAPITEL 4

Modeliierung von unscharfen Zeitparametern

Die Unsicherheiten und ungenauen Informationen beeinflussen im betrachteten Fall hauptsachlich Zeitparameter. Dementsprechend werden in der Erstellung eines Fuzzy-Modells zur Ablaufplanung ausschlieBlich diese Parameter betrachtet. Aus der Beschreibung des zugrunde liegenden Referenzfalls wird deutlich, dass insbesondere die Bearbeitungszeiten (p.^), die minimalen und maximalen Liegezeiten (time-lags) (w™" bzw. w^^""), und die reihenfolgeabhangigen Rustzeiten (i^f^) unsicher und als solche zu behandeln sind. Werden sie als unscharfe Parameter p.^, w™", vv^^"", 2^^ angesehen, fiihrt das zu weiteren unscharfen Zeitparametern flir die Projektdauer bzw. Zykluszeit (makespan) (T), die Beendigungszeitpunkte Tj der Aktivitaty, die frtihesten und spatesten Endzeitpunkte fiir die Aktivitat j in Modus m (EFj^,

LFj^) und fur vorgegebene Freigabe- und

Beendigungszeitpunkte (^^, Sj).

4.4.2.2

Berechnung von unscharfer Projekthochstdauer und unscharfer fruhester und spatester Start- und Endzeitpunkte

Zunachst ist die maximale Projektdauer abzuschatzen. Unter Verwendung der erweiterten Addition kann diese Abschatzung wie folgt formuliert werden: ^ ^ ^ \SQ , wenn 7 = 0 T := r„^i mit r. := ^ r. ^ . ' [ m a x { ^ . , r . , e p ; l } , sonst

und p'll := max max \pi^+

max

(4.55)

max z^f , p ,>„ + max w^'

Neben der Projekthochstdauer sind auch die unscharfen friihesten und spatesten Start- und Endzeitpunkte zu bestimmen. Die friihesten Startzeitpunkte ergeben sich gemaB der erweiterten Addition zu:

1

^

wenn y = 0

r~ f ~ ~ 11 max ^ , niax £5, +minp,^ + w™"

sonst

I

•'

hePredij) L

m&M^,

JJ

(4.56)

KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

259^

Mit der Gleichung (4.56) ist es nun moglich, die unscharfen frlihesten Endzeitpunkte der Aktivitateny im Modus m gemaB EFj^ = ES- ® p-^ zu berechnen. Auch dies ist auf Basis der erweiterten Addition moglich. Etwas problematischer verhalt es sich mit der Berechnung der unscharfen spatesten Endzeitpunkte LF.^. Fur den crispen Fall werden diese mittels spatester Startzeitpunkte LS-^ (vgl. Gleichung (4.14)) berechnet. Fiir den unscharfen Fall muss somit emeut eine Subtraktionsoperation angewendet werden, die eine Umkehrung der unscharfen Addition ist (vgl. (Rommelfanger, 1994b), S. 124f.). Hierbei ist allerdings sicherzustellen, dass die resultierende Zugehorigkeitsfunktion eine gultige Form besitzt. Dementsprechend wird im Folgenden eine modifizierte inverse Addition ®'"^ vorgeschlagen:

Ae^•""'B=c=(/c^^c^/c^„c^,c^„c") und ,c' = Min{y - ,b\ ,a' - ,b\ ^a' -^b\^a'- y , ^ ,c' = Min[ia' - ,b\y

- ^b\y

- y, y

-

y],

- y],

(4.57)

/=Min{y - y, y - y, y - y], y=Min{y-y,y-y}, Diese inverse Addition wird flir die Berechnung der unscharfen Gleichung (4.58) verwendet: IT

wenn j = n + l

{^' ®'""• P'^ ' * ^ i { " - ®'"'' (^> ® ^T)}} «on«t Damit lassen sich die unscharfen friihesten Endzeitpunkte LF,„mitLF.=LS.+p.. jm bestimmen.

^ jm '

(4.59)

118

'^^ Eine weitere mogliche Methode ware der Einsatz der flexiblen erweiterten Addition, wie sie von Rommelfanger vorgeschlagen (vgl. (Rommelfanger, 1994b)) wird.

260

4.4.2.3

KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

Formulierung von unscharfer Zielfunktion und unscharfen Nebenbedingungen

Sowohl bei der Fuzzyfizierung der Zielfunktion als auch der Nebenbedingungen miissen Subtraktionen von Sj (Gleichung (4.15)), p.^ (Gleichungen (4.17), (4.18), (4.21), (4.23), (4.27), (4.28) und &^ (Gleichung (4.28)) von t modelliert werden. In diesen Fallen wurde die erweiterte Subtraktion zu den genannten logisch inkonsistenten Ergebnissen fiihren. Es wird daher

die inverse

Addition

©'""(vgl.

Tabelle

4-9) verwendet.

Das unscharfe

Ablaufplanungsproblem kann daher wie folgt angegeben werden:

Min


Mj

(4.60)

j,LFl

j=lm=lt=j,EFJ'„

t=pEF^^y,

C7,e[0;l], Z cr. =l,jSG{/,M),6rG{l,A,£} fe{l,2}

unter den Nebenbedingungen (4.61)

; = l,...,w

Z Z ^y-=l

Z Z h,<"l^w^Z Z {'-.p%)-^,^ m=lt=^EF,l

(4.62)

m=\t=pEFf„

fle {l,u],ae {\,A,e}J = l,...,n; he Pred(j) Mf,

fiLF^

Z Z (^-.pjJ-M^Z Z (^^.-r)-. fie{l,u},

ae{l,/i,£}J = \,...,n; he Pred(j)

rmn\t+Pj^-\,LFf^

n M^

zz

(4.63)


'jmk

^6 9t^; r = l,...,r

(4.64)

ke^'

(4.65)

q=Tadcidt ,EF"^

2J2J

^jmk 2^ ^jn

j=\ m=\

=EFf^


Z Z [t-.Piy^jrm^A^ m=lf=^£F«,

fi^{lu}.

ae{\X£}J

= U..n

(4.66)

261

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

KAPITEL 4

X ^'^jmt^fi^j

£

Mj

pLFf^

fie{Uu],

ae{\Xe}J

= U.^n

(4.67)

M,. fiLFl'^

I z (^-.p;)-v^i:z-,.r^+.<^-7^-(i-^r)

(4.68)

jSG{/,w},crG{l,A,£'},rG9t^;(/,m),(;,m)ey,^u{(0,mo),((« + l),m„^i)}

Z <^^r

(4.69)

re9t'

(y,m)eV^'"

(4.70)

j5e {/,w},ae {l,;i,f } ; r e 91^; (7,m)e V^

Z

(4.71)

>^y/'= Z ^;-

{l,mWk^{{n+\),m„^,)]\{{j,m)}

t= pEFf^

fie {l,u},ae {\,X,eYX e 9t^; (;,m)G V,^ i
JE J,me M•

jmk"^

t t{'-oPiy^>A=<\t z ' fie {l,u},ae{\,X,eyX

E Z H./'^ + .Oj-V

wenn y* = 0

(4.72)

(4.73)

e R" •,ke[KGW\r^„^>Q];i, j = \,...,ii

=^' Z Z ^x,„, wennyUl

(4.74)

fie[l,u},ae{\,X,eyXe'y{.''ke[KeW\r^„^>Q]n^'';{i,m),{i,m)eV^ >.*e{0,l} re9!'';(/,/n),(y,/n)6Vj"u{(0,m„),((n + l),/n„,,)} ,^0.1}

i = l,...,n + l;m = l,...,M^-;r = ^£F^,...,^LF;;^e{/,M),ae(l,A,f}

(4.75) (4.76) (4.77)

262

KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

4.4.2.4

Losung des Fuzzy-Modells

Die beschriebenen arithmetischen Operationen ermoglichen es, das Fuzzy-Ablaufplanungsmodell in sechs scharfe Ersatzmodelle zu zerlegen. Nach deren Losung bildet die Rekombination der Teillosungen die unscharfe Losung des Fuzzy-Ablaufplanungsproblems. Allgemein lassen sich die sechs Ersatzprobleme wie in Tabelle 4-10 darstellen.

Tabelle 4-10:

Zielfunktionswerte der sechs scharfen Ersatzprobleme

Problem

1

2

3

4

5

6

a

e

X

1

1

A

€

p

I

I

/

u

U

U

i^'^

,^*

^^'

y

M

„*^*

Zielfunktionswert

Die

Losung

des

Fuzzy-Ablaufplanungsproblems

stellen

das

Fuzzy-Intervall

der

Zielfunktionswerte sowie sechs Ablaufplane dar: ^* = (^"*)

(4.78)

Die Anwendung der Defuzzifizierungsfunktion (vgl. Gleichung (4.44)) auf diese unscharfe Losung fiihrt zur scharfen Losung 3(4>*) des Fuzzy-Ablaufplanungsproblems. Zusatzlich kann die Defuzzifizierungsfunktion

auch auf die unscharfen Zeitparameter

angewendet und das somit entstehende defuzzifizierte Ablaufplanungsproblem (Problem 7) gelost werden. Das Produktionsmanagement erhalt durch diese sieben generierten Losungen ein sehr differenziertes Bild iiber die Auswirkungen der Unsicherheit und potenzielle Handlungsalternativen. Mit der Losung des Problems 4 (pessimistisch zum Niveau 1) steht eine Losung zur Verfugung, wie sie bei herkommlicher deterministischer Betrachtung iiblich ist. Die Losung des defuzzifizierten Problems berticksichtigt die Form der Zugehorigkeitsfunktionen der unscharfen Zeitparameter. Die iibrigen Losungen der Ersatzprobleme geben Aufschluss dariiber, inwieweit etwa durch einen fiir pessimistische Realisationen der Zeitparameter optimierten Ablaufplan eine Kompensation dieser pessimistischen Werte durch optimierte Reihenfolgen moglich ist. In der Anwendung des Ansatzes im folgenden Abschnitt wird dieser Vergleich naher erlautert.

KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

263^

Zur Losung der scharfen Ersatzprobleme konnen die in den Abschnitten 4.1.3.2 und 4.1.3.3 sowie 4.3.4 und 4.3.5 genannten und vorgestellten exakten und heuristischen Methoden zur Losung von Ablaufplanungsproblemen eingesetzt werden.

4.4.3 Exemplarische Anwendung Der im vorigen Abschnitt entwickelte Ansatz zur Fuzzy-Ablaufplanung wird im Folgenden auf das in Abschnitt 4.2 dargestellte Produktionssystem angewendet. Dies dient der Uberpriifung der Anwendbarkeit und der Demonstration der Vorteilhaftigkeit des Ansatzes. Zunachst wird auf die Datengrundlage fur die Fuzzy-Optimierung eingegangen. Im Anschluss daran werden exemplarische Ergebnisse der Modellanwendung dargestellt. 4.4.3.1

Datengrundlage

Die fur die Anwendung benotigten Bearbeitungsdauem und Riistzeiten werden ebenfalls aus der bereits

in

Charakteristika

Abschnitt der

4.3.3.2

verwendeten

vorgestellten Zeiten

Datenerhebung

beispielsweise

ubemommen.

hinsichtlich

der

Die

Mengen-

abhangigkeiten oder der Zuordnung zu Maschinen bzw. Mitarbeitem werden nicht geandert. Die mittleren Werte der Zeiten, die im deterministischen Modell verwendet wurden, werden als oberer Wert fur das ci^Niveau 1 i^p]^) angenommen. Als etwas optimistischeres niedrigeres ci^-Niveau dp]^) wird eine zehnprozentige Reduktion des oberen Niveaus unterstellt. Diese ist beispielsweise durch gute Umgebungsbedingungen, motivierte Mitarbeiter o. A. begriindbar. Fiir die oberen und unteren Werte des extremen 0,1 ^-Niveaus (uP%uP%)' werden die minimalen und die maximalen Werte der Studie verwendet. Das 0,6 a-Ni\csiu {uP]tuP]t) wi^^ ^^^ gewichtete Summe des 1 und 0,1 Of-Niveaus angenommen. Hierbei erhalt das 0,1 ^-Niveau den Faktor 1/3, wahrend das 6IJ-Niveau 1 den Faktor 2/3 erhalt.^^^

Die

Fuzzy-Zeitparameter

fiir

die

minimalen

Zeitabstande

sowie

die

(reihenfolgeabhangigen) Riistzeiten werden auf dieselbe Weise bestimmt, wobei hier jedoch deutlich geringere Spannweiten vorliegen. Die weiteren benotigten Zeitparameter werden mittels der genannten Fuzzy-Werte berechnet. Die beschriebene Vorgehensweise hat sich

"^ Es konnen auch andere Methoden zur Bestimmung der 0,6 or-Niveaus verwendet werden, wie z. B. der Ruckgriff auf Quantile oder andere statistische Auswertungen.

264

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

KAPITEL 4

bereits bei anderen Anwendungen als guter und praktikabler Weg der Datenermittlung erwiesen.*^^ Wie schon in der Anwendung des deterministischen Modells werden auch fur das FuzzyModell die realen Auftragsdaten einer charakteristischen Arbeitswoche zugrunde gelegt (vgl. Abschnitt 4.3.5.3).

4.4.3.2

Exemplarische Ergebnisse

Die Anwendung des exakten Losungsverfahrens mittels der kommerziellen Modellierungsumgebung GAMS und des verwendeten Solvers CPLEX zur Losung des deterministischen Ablaufplanungsproblems in Abschnitt 4.3.4 hat sich aufgrund der langen Berechnungszeiten fur die vergleichsweise kleinen Probleme fiir eine Losung realistischer ProblemgroBen (noch) als ungeeignet erwiesen. Da zur Losung des vorgestellten Fuzzy-Ablaufplanungsproblems die Losung sechs scharfer Ersatzprobleme notwendig ist, wird in der im folgenden Abschnitt dargestellten Anwendung des Fuzzy-Modells auf den Referenzfall der in Abschnitt 4.3.5 vorgestellte, auf das betrachtete Produktionssystem angepasste und in Abschnitt 4.3.5.3 erfolgreich im deterministischen Fall angewendete Genetische Algorithmus eingesetzt. Wie schon in der Anwendung des GA auf den deterministischen Fall wird eine PopulationsgroBe von 50 Individuen gewahlt. Aufgrund der in der Anwendung im deterministischen Fall aufgezeigten Vorteile kommen die 10-Punkte-Kreuzung mit einer 1-Punkt-Mutation als genetische Operatoren zum Einsatz. Ebenfalls aufgrund der Ergebnisse des deterministischen Falls werden die Ranking-Strategie als Selektionsmechanismus und das parallele Schedule-Generation-Scheme verwendet. Da das parallele SGS mit einer erheblichen Zunahme der Rechenzeit verbunden ist, wird die Iterationsanzahl auf 1000 Schritte im Vergleich zum deterministischen Fall herabgesetzt. Li den Optimierungslaufen des deterministischen Falls ware der Zielfunktionswert des parallelen SGS nach 1000 Iterationen in samtlichen Fallen denen des seriellen SGS bei 5000 Iterationen uberlegen gewesen.

Ein weiteres Beispiel fmdet sich beispielsweise in (Schultmann und Rentz, 2002).

KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

265

In der Fitnessfunktion werden die Zykluszeit mit einem Gewicht von 0,5 und die mittlere Durchlaufzeit ebenfalls mit einem Gewicht von 0,5 versehen.^^^ Die Anwendung des Genetischen Algorithmus zur Losung der sechs Ersatzprobleme in der im vorangegangenen Absatz beschriebenen Konfiguration fiihrt zu den in der folgenden Tabelle 4-11 dargestellten Ergebnissen. Tabelle 4-11: Losung der sechs scharfen Ersatzprobleme 4I22

5

6

1

1

1

0,6

0,1

1

/

u

u

U

164.523

179.392

185.378

339.779

633.844

11.885 8:06:05

17.672 12:06:32

17.730 12:07:30

20.616 14:07:36

39.088 27:03:28

57.786 40:03:06

Mittlere Durchlaufzeit [Perioden^'']

1.906

2.192

2.401

2.465

4.510

8.520

Minimale Durchlaufzeit [Perioden]^''

1.515

1.541

1.564

1.571

1.641

1.858

Maximale Durchlaufzeit [Perioden]^''

2.983

4.214

4.248

7.120

16.065

33.226

Anzahl Iterationen [-]

1.000

1.000

1.000

5.000

1.000

1.000

1

2

3

a

0,1

0,6

P

/

/

141.318

Problem

Zielfunktionswert [-] Zykluszeit [Perioden]^^^ Echtzeit [d:h:min]

Die sechs Losungen stellen jeweils fiir die entsprechenden sechs Punkte optimierte Ablaufplane dar. Diese Losungen geben Aufschluss uber die Werte der Zielfunktion und der weiteren KenngroBen eines Ablaufplans bei einer fur die jeweilige Realisation guten bzw.

^^' Wie schon bei der Anwendung des Genetischen Algorithmus auf das deterministische Ablaufplanungsmodell gilt auch hier, dass fiir eine optimale Konfiguration des GA fiir den betrachteten Fall weitere umfangreiche Tests in Bezug auf die Auswahl und Konfiguration der bereits implementierten und weiterer genetischer Operatoren und allgemeiner Parameter notwendig sind. Da in dieser Arbeit der verwendete GA exemplarisch zur Losung des deterministischen und des unscharfen Ablaufplanungsproblems eingesetzt wird, wird auf diese Tests auch an dieser Stelle verzichtet. '^^ Fiir das Problem 4 werden die Ergebnisse aus dem entsprechenden Lauf des deterministischen Ablaufplanungsmodells verwendet.

266

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

KAPITEL 4

optimalen Losung. In den dargestellten Ergebnissen ist beispielsweise ersichtlich, dass der unscharfe Zielfunktionswert eine linksschiefe Zugehorigkeitsfunktion besitzt: Die optimistischen unteren Losungen ;^ , i^"^ und ,4>* zeigen eine im Vergleich zu den pessimistischen Werten ^^^ , „^^ und ^^^

deudich geringere Spreizung auf. Dies ist auf die

deutlich hoheren Abweichungen der betrachteten Zeitparameter nach oben zuriickzufUhren. Zudem fuhren die z. T. deutlich langeren Bearbeitungszeiten in den pessimistischen Fallen dazu, dass insbesondere bei Feindispergier- und Abfullvorgangen oft je Maschine oder Mitarbeiter lediglich ein Auftrag pro Tag bearbeitet werden kann, da der nachfolgende Vorgang aufgrund seiner langen Bearbeitungszeit nicht mehr am gleichen Tag begonnen werden kann. Im Vergleich zwischen den beiden Losungen zum a-Niveau 1, deren Zeitparameter sich um 10 % unterscheiden, fallt auf, dass dieser Unterschied zu einer deutlich geringeren Veranderung des Zielfunktionswerts fiihrt. AuffalUg sind zudem auch die geringen Unterschiede zwischen der optimistischen und der pessimistischen Losung zum a -Niveau 1 und der optimistischen Losung zum cr-Niveau 0,6. Der Unterschied in den Zielfunktionswerten betragt lediglich ca. 13 %. Hierfiir sind zwei Effekte verantwortlich. Zum einen verringem die vergleichsweise langen Pausen- und Nachtzeiten, die einen groBen Teil der jeweiligen Durchlaufzeiten ausmachen, den Einfluss der reinen Bearbeitungszeiten. Zum anderen spielt auch die Optimierung des Ablaufplans fiir die Ersatzprobleme eine Rolle. Der Planer kann durch Betrachtung der Ablaufplane erkennen, wo diese geringen Abweichungen durch Anderungen des Ablaufplans hervorgerufen werden, oder ob es allgemeine Charakteristika gibt, die gute Plane aufweisen. Gering sind auch die Unterschiede in den minimalen Durchlaufzeiten der sechs Ersatzprobleme. Hier ist auch die VergroBerung bei den pessimistischen Ersatzproblemen relativ gering. Vollkommen anders stellt sich dies bei den maximalen Durchlaufzeiten dar. Werden im Falle ^^ maximal vier Tage, 22 Stunden und 40 Minuten benotigt, betragt die maximale Durchlaufzeit im Falle ^^^ 23 Tage, 1 Stunde und 46 Minuten. Zur Einordnung und zum Vergleich der Ergebnisse der Fuzzy-Ablaufplanung konnen auch Optimierungsergebnisse auf Basis von mittels Gleichung (4.44) ermittelten defuzzifizierten

Fiir den GA wird, wie schon in den Anwendungen im deterministischen Fall, eine Periodenlange von einer Minute verwendet.

KAPITEL 4

267

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

Zeitparametem durchgefuhrt werden. In der folgenden Tabelle 4-12 sind die Ergebnisse eines solchen Optimierungslaufs, unter Verwendung der gleichen Konfiguration des GA wie in den vorangegangenen Laufen, dargestellt.

Tabelle 4-12:

Ergebnisse eines Optimierungslaufs des Genetischen Aigorithmus auf Basis defuzzifizierter Zeitparameter (Problem 7)

Zielfunktionswert [-]

297.693

Zykluszeit [Perioden] ([d:h:min])

minimale Durchlaufzeit [Perioden]

29.000

1.604

Mittlere Durchmaximale laufzeit Durchlaufzeit [Perioden] [Perioden] 13.160

3.988

Anzahl Iterationen [-] 1000

(20:03:20)

Der Zielfunktionswert der auf Basis der defuzzifizierten Zeitparameter ermittelten Losung ist nur wenig geringer als die Losung ^^ des pessimistischen scharfen Ersatzproblems zum a -Niveau A. Dies gilt auch fur die ubrigen betrachteten KenngroBen. Hierftir sind wiederum die sehr langen Bearbeitungszeiten in den pessimistischen Fallen zu den a -Niveaus A und £ verantwortlich. Die Differenz zwischen dem optimistischen

cir-Niveau 1 und den

optimistischen a -Niveaus A und £ der Bearbeitungszeiten ist im Mittel deutlich kleiner als im pessimistischen Fall. Im betrachteten Beispiel ist nun die Frage zu stellen, welche der sieben betrachteten Losungen ausgewahlt werden soil. Die Losung 7 berticksichtigt die gesamten Zugehorigkeitsfunktionen der unscharfen Zeitparameter auf aggregierte Weise. Jedoch besitzen im Beispiel die pessimistischen Werte einen sehr groBen Einfluss auf die defuzzifizierten Zeitparameter und damit die Losung des defuzzifizierten Problems. Die Probleme 2, 3 und 4 sind - wie dargestellt - bezuglich der Zielfunktionswerte und der weiteren Kennzahlen der Ablaufplane sehr ahnlich, die Losung von Problem 4 entsprache einer deterministischen Ablaufplanung. An diesem Vergleich wird der Vorteil der einzelnen Betrachtung der sechs Ersatzprobleme und einer Losung auf Basis defuzzifizierter Zeitparameter deutlich. Die Einzelbetrachtung der fiir die unterschiedlichen Realisationen und den defuzzifizierten Fall optimierten Losungen bietet ein deutlich differenzierteres Bild als die zugegebenermaBen einfachere Losung eines einzigen Ablaufplans wie im deterministischen Fall oder auf Basis der Defuzzifizierung. Der Planer bekommt einen Uberblick uber die Auswirkungen unterschiedlicher Realisationen der unscharfen Zeitparameter und wie bei diesen Realisationen eine gute bzw. optimale Entschei-

268

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

KAPITEL 4

dung aussieht. Prinzipiell ist denkbar, dass es zu gleichen oder sehr ahnlichen Reihenfolgen in den Ablaufplanen kommt. Diese wurden sich demnach auch bei unterschiedlichen Realisationen als gute bzw. iiberlegene Losungen darstellen. Kommt es zu sehr unterschiedlichen Ablaufplanen, kann der Planer auf Basis der ermittelten Losungen und evtl. vorhandener, nicht ohne weiteres in Gleichungen formalisierbaren, Zusatzinformationen die Entscheidung iiber den zu verwendenden Plan treffen. Zu solchem Wissen konnen UmwelteinflUsse, wie z. B. sehr hohe oder niedrige Temperaturen oder allgemeine QuaUtatsprobleme in der Produktion, sowie weitere Faktoren wie die Motivationslage der Mitarbeiter zahlen. Weitere zusatzUche Informationen bei der Entscheidungsfindung kann ein Vorteil bieten, den der Einsatz des beschriebenen Genetischen Algorithmus bietet. Eine Losung des GA wird zunachst in Form einer AktivitatsUste ausgegeben und erst durch die Anwendung des ausgewahlten Schedule-Generation-Scheme in einen Ablaufplan dekodiert. Hier ist es mogUch, durch Verwendung der optimistischen und pessimistischen Zeitparameter zu den ubrigen a -Niveaus, die Auswirkungen unterschiedlicher Realisationen der Zeitparameter auf den Ablaufplan und die ZielgroBen zu bestimmen. Aus Griinden der Ubersichtlichkeit wird jedoch in dieser Arbeit darauf verzichtet. Zur Bestimmung der Einzellosungen werden wiederum jeweils ca. zwei Stunden benotigt. Fur einen Einsatz in der taglichen Praxis im Untemehmen mag dies zu lang sein, es existieren jedoch verschiedene Moglichkeiten zur Reduzierung der Rechenzeiten. Die weitere Verringerung der Anzahl der Iterationen ware hier ein sehr einfacher Ansatzpunkt, der sich auch durch den typischen Verlauf des Zielfunktionswertes in Abhangigkeit von der Anzahl der Iterationen (vgl. Abbildung 4-7) rechtfertigen lasst. Da es nicht Ziel dieser Arbeit ist, die fur die Problemstellung idealen genetischen Operatoren und deren Konfigurationen zu bestimmen, sind die verwendeten Operatoren und Konfigurationen zudem als Beispiele zu verstehen und bietet die Implementiemng und das Testen weiterer Operatoren ebenso Verbessemngspotenziale wie auch eine Migration des Programms von Java in eine C bzw. C++-Implementiemng.

KAPITEL 4

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

269^

4.4.4 Schlussfolgerungen aus der Entwicklung und Anwendung eines Fuzzy-Modells zur Ablaufplanung bei Chargenproduktion und Ubertragbarkeit auf weitere Anwendungen Mit dem vorgestellten Ansatz wird ein Werkzeug zur Ablaufplanung bei Unsicherheit bereitgestellt, das dem Produktionsplaner Entscheidungsunterstutzung durch Aufzeigen der Konsequenzen unterschiedlicher Realisationen der unsicheren Zeitparameter liefert. Durch die Modellierung der unscharfen Zeitparameter iiber Fuzzy-Intervalle in Sechs-Punkt-Darstellung und die fiir diese Darstellungsform gultigen erweiterten arithmetischen Operationen kann das Fuzzy-Ablaufplanungsproblem in sechs separat losbare scharfe Ersatzprobleme zerlegt werden. Der Vergleich dieser sechs Losungen untereinander und mit einer Losung, die auf Basis von defuzzifizierten Zeitparametem erstellt wird, liefert dem Produktionsplaner ein differenziertes Bild iiber die Auswirkungen, die sechs charakteristische Punkte der moglichen Realisationen der unscharfen Zeitparameter auf das Ablaufplanungsproblem und etwaige gute bzw. optimale Losungen haben. Auf Basis dieser und zusatzlicher, nicht oder nur schwer formalisier- und damit modellierbarer Informationen kann der Planer die Entscheidung treffen, welcher ermittelte Ablaufplan die groBte Plausibilitat aufweist und daher umgesetzt werden soil. Die exemplarische Anwendung des Ansatzes auf das betrachtete Beispiel einer Lackproduktion in einem mittelstandischen Untemehmen zeigt, dass eine Umsetzung dieses Konzeptes auch fiir reale ProblemgroBen moglich ist. Durch den Einsatz eines auf den Anwendungsfall angepassten Genetischen Algorithmus gelingt es, fiir samtliche in einer Woche

in dem

Untemehmen

eingetroffenen

Auftrage

eine

Fuzzy-Ablaufplanung

durchzufiihren. Bei dem Vergleich der sechs Ersatzprobleme und der auf Basis defuzzifizierter Zeitparameter berechneten Losungen wird der Vorteil des differenzierten Bildes, das die sieben Losungen vermitteln, deutlich, indem einerseits gezeigt wird, dass es durch auf das jeweilige Szenario abgestimmte Ablaufplane teilweise moglich ist, sehr geringe Veranderungen der KenngroBen bei unterschiedlichen Realisationen der Zeitparameter zu erzielen und andererseits der groBe Einfluss, den die extremen pessimistischen Werte des a Niveaus e ausuben, deutlich wird. Obwohl der Ansatz auf den genannten realen spezifischen Anwendungsfall angepasst ist, bieten sich vergleichsweise einfach vielfaltige Moglichkeiten einer Ubertragung auf Anwendungsfalle mit ahnlich gelagerten Unsicherheiten. Dadurch, dass der Ansatz auf einem

270

FUZZY-ABLAUFPLANUNG VON CHARGENPRODUKTIONEN

KAPITEL 4

MRCPSP und damit auf einem sehr allgemeinen Modell der ressourcenbeschrankten Projektplanung aufbaut und fiir Spezifika von Chargenproduktionen erweitert wurde, liegt zunachst eine Anwendung in weiteren Chargenproduktionsprozessen nahe. Dennoch sind weitere Ubertragungen auf Produktionssysteme der Fertigungsindustrie oder im Bereich der Projektplanung ohne Weiteres moglich. Dies gilt auch fur den zur Losung der Teilprobleme eingesetzten Genetischen Algorithmus und die fiir den Anwendungsfall durchgefuhrten Erweiterungen. Durch die Konfigurationsparameter ist dieser zudem auch insoweit anpassbar, als dass die zur Losung benotigte Zeit, unter Umstanden um den Preis schlechterer Losungen, verringert werden kann und somit auch groBere Modelle gelost werden konnen.

271

5 Zusammenfassung Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Entwicklung und exemplarische Anwendung von taktisch-operativen Ansatzen zur Entscheidungsunterstutzung in der Produktionsplanung fiir stoffstrombasierte Produktionssysteme. Diese sollen eine adaquate Abbildung der zugrunde liegenden stoffumwandelnden

Prozesse beinhalten und Unsicherheiten durch nicht

deterministische oder nur vage bekannte Daten beriicksichtigen. Betrachtet werden sowohl die Planung des Produktionsoutput, des -input als auch des -throughput dieser Prozesse. Untemehmen der betrachteten verfahrenstechnischen hidustrie, die einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor in der BundesrepubUk Deutschland darstellt, sind einer Vielzahl von Umfeldeinflussen,

wie z. B. kurz- und mittelfristig

schwankenden Rohstoff- und

Energiepreisen, ebenfalls schwankenden AbsatzmogHchkeiten der Produkte, Marktanforderungen sowie verschiedenen umweltrechtlichen Rahmenbedingungen ausgesetzt. Hieraus ergibt

sich die Notwendigkeit

einer

effektiven

und effizienten

Planung

dieser

Produktionssysteme auch iiber die Umsetzung der Plane der vorgelagerten Planungsebenen hinaus. Trotz vielfacher Anstrengungen zur Entwicklung von Planungsansatzen fiir die Prozessindustrie sind nach wie vor erhebliche Defizite im Hinblick auf die taktisch-operative Ebene der Produktionsplanung vorhanden. Ist es einer Reihe von Arbeiten auf strategischer Planungsebene beispielsweise durch den Einsatz von Werkzeugen zur Prozesssimulation gelungen, die zugrunde liegenden Prozesse adaquat abzubilden, liegen hierzu auf taktischoperativer Ebene noch keine derartigen Ansatze vor. Arbeiten zu operativen Fragestellungen ist es gelungen, verschiedene Aspekte stoffumwandelnder Prozesse, vornehmlich Chargenproduktionen, abzubilden. Da es sich in der Regel jedoch um Ubertragungen von Ansatzen aus der Fertigungsindustrie bzw. der Projektplanung handelt, werden wesentliche Bereiche, wie die Abbildung der Stoffumwandlungen sowie der Unsicherheiten in Form nicht-deterministischer, unscharfer oder nur vage bekannter Daten nicht betrachtet. Zudem beschranken sich viele Ansatze auf Standardprobleme aus der Literatur, mit dem Anspruch, durch deren Abbildung die Prozessindustrie abzubilden. Anwendungen auf reale Produktionsprozesse bilden derzeit noch Ausnahmen.

Daher werden Methoden zur adaquaten Abbildung von verfahrenstechnischen Prozessen und zur Beriicksichtigung von Unsicherheiten entwickelt. Dies geschieht in zwei Schwerpunkten fiir die drei Planungsaufgaben der Produktionsprogrammplanung (Outputplanung), der

272

ZUSAMMENFASSUNG

Materialeinsatzplanung (Inputplanung) und der Ablaufplanung (Throughputplanung). Zur Sicherstellung der Praxisrelevanz, zur Verdeutlichung der jeweiligen Problemstellung und zur Demonstration der Einsatzmoglichkeiten werden zwei reale Produktionssysteme fiir exemplarische Anwendungen der entwickelten Methoden herangezogen. Den ersten Schwerpunkt stellt die Entwicklung der Methoden zur problemadaquaten Abbildung verfahrenstechnischer Prozesse am Beispiel der Produktionsprogramm- und der Materialeinsatzplanung dar. Es wird eine allgemeine Verfahrensweise zur Entwicklung problemadaquater Prozessabbildungen fiir Entscheidungsmodelle vorgeschlagen und exemplarisch auf einen Verwertungsprozess von metallhaltigen Reststoffen in einem Hochofenprozess angewendet. In diesem Prozess werden durch die Roheisenproduktion, die Verwertung der Reststoffe und durch anfallende Kuppelprodukte Erlose erzielt. Bedingt durch die chemischen Zusammensetzungen der jeweiUgen Stoffstrome kommt es zu Wechselwirkungen zwischen den ein- und ausgehenden Stoffstromen, die in hohem MaBe ergebnisrelevant sind. Somit sind fiir die Planung des Produktionsprogramms und eine Bestimmung der Einsatzmischungen im Rahmen einer Materialeinsatzplanung diese Wechselwirkungen durch eine adaquate Prozessmodellierung zu beriicksichtigen. Den ersten Schritt der vorgeschlagenen Vorgehensweise stellt die verfahrenstechnische Modellbildung dar. Hierbei kommen Flowsheet-Simulationsmodelle der abzubildenden Prozessschritte zum Einsatz, die sich bereits auf strategischer Planungsebene als adaquate Werkzeuge zur Modellierung von metallurgischen Prozessen bewiesen haben. Allerdings werden in den verwendeten Modellen im Gegensatz zu den auf Gleichgewichtsreaktoren beruhenden genannten Arbeiten auch Reaktoren zur Beriicksichtigung von unvollstandig ablaufenden Reaktionen eingesetzt, da nur so die wechselnden Input-Zusammensetzungen adaquat abgebildet werden konnen. Ein Vergleich der Simulationsergebnisse mit Betriebsdaten lasst auf eine sehr gut gelungene Prozessabbildung fiir die wesentlichen Stoffstrome schlieBen. Da die Berechnungsdauem fiir die Modelle fiir einen Einsatz in Entscheidungsmodellen des Operations Research zu lang sind, werden mittels multipler Unearer Regression Input-Output-Funktionen fiir die ein- und ausgehenden Stoffstrome und deren Zusammensetzungen bestimmt. Den zweiten Schritt stellt die Erfassung der entscheidungsrelevanten monetdren Grofien fiir die Planungsmodelle in einem einheitUchen Gliederungsschema dar. Dieses baut auf der VDIRichtlinie 3800 zur Ermittlung der Aufwendungen fiir Mafinahmen zum betrieblichen

ZUSAMMENFASSUNG

273^

Umweltschutz auf (vgl. (VDI, 2001)) und erfasst zusatzliche Erloskomponenten, so dass eine Deckungsbeitragsbetrachtung ermoglicht wird. Damit wird eine einheitliche und stoffstrombezogene Erfassung der relevanten monetaren Parameter ermoglicht und eine Erweiterung der Planungsmodelle fiir weitere Planungsaufgaben sowie eine Ubertragung auf weitere Anwendungsfalle erleichtert. Die okonomische Modellbildung stellt den dritten Schritt dar, in dem fUr die spezifischen Planungsaufgaben entsprechende gemischt-ganzzahlige Entscheidungsmodelle innerhalb des vorgestellten Gliederungsschemas formuliert werden. In diese Modelle gehen die in Schritt 1 ermittelten Input-Output-Funktionen ein, um die problemadaquate Prozessabbildung sicherzustellen. Fiir die Materialeinsatzplanung wird zudem eine Ruckkopplung mit der verfahrenstechnischen Prozesssimulation implementiert, um auf diese Weise Abweichungen durch die vereinfachenden linearen Input-Output-Funktionen zu identifizieren und durch manuelle Parameteranderungen zu beheben. Den Abschluss bildet in Schritt 4 die Implementierung der Modelle in dem integrierten Entscheidungsunterstutzungssystem SCOPE. Zur Datenspeicherung, Datenpflege, Steuerung der Optimierungslaufe und als Benutzeroberflache wird eine MS AccESS-Datenbank eingesetzt, die zur Durchfuhrung der Optimierungslaufe auf die kommerzielle mathematische Modellierungsumgebung GAMS und den Solver CPLEX zuriickgreift. Beide Modelle werden in akzeptabler Rechenzeit optimal gelost. Eine Validierung der Modelle durch einen Vergleich der Optimierungsergebnisse mit Betriebsdaten des betrachteten Produktionsprozesses und im Falle der Materialeinsatzplanung zusatzlich mit Ergebnissen der Prozesssimulation auf Basis der gleichen Ausgangsdaten zeigt eine gute Abbildung der Prozesse trotz der im Rahmen der Modellbildung zu treffenden Annahmen und festzulegenden Vereinfachungen, insbesondere hinsichtlich der Linearitat der Input-OutputFunktionen. Der entwickelte Ansatz bietet fiir den betrachteten Produktionsprozess umfangreiche Entscheidungsunterstiitzung in den betrachteten und weiteren Planungsbereichen. Auf Basis einer problemadaquaten Abbildung der zugrunde liegenden Produktionsprozesse werden technisch fundierte und unter okonomischen Gesichtspunkten vorteilhafte Entscheidungen und Strategien aufgezeigt. Es werden wertvolle Erkenntnisse fiir das Untemehmen hinsichtlich der Gestaltung des Produktionsprogramms, des Ergebnisbeitrags der einzelnen

274

ZUSAMMENFASSUNG

Rohstoffe und Roheisensorten und hinsichtlich vorteilhafter Ofenfahrweisen ermittelt. Es zeigt sich in beiden Modellen, dass eine aus okonomischer Sicht optimale Ofenfahrweise auch unter Umweltgesichtspunkten Vorteile aufweist. Durch einen niedrigeren Zinkgehalt in der Aufgabemischung der Sinteranlage konnen beispielsweise die Einsatzmengen an Koks- und Kalkmilch deutlich gesenkt und somit ein Beitrag zur Ressourcenschonung geleistet werden. Zudem werden die Anfallmengen der zu deponierenden Riickstande aus den Gasreinigungen an der Sinteranlage und am Hochofen verringert und durch den verringerten Einsatz an Reduktionsmittel zudem die Emissionen an klimarelevantem CO2 gemindert. Wenngleich ein direkter Einsatz der Modelle in anderen Bereichen der Prozessindustrie nicht moglich ist, steht mit dem vorgestellten Ansatz eine Methodik mit groBer Relevanz fUr weitere Bereiche der Prozessindustrie zur Verfugung. Zwar sind die durchzufiihrenden Arbeiten in der Modellierung, bei den Regressionsanalysen, dem Aufstellen der Entscheidungsmodelle und bei der Implementiemng in einem Entscheidungsunterstiitzungssystem erheblich. Sie ermoglichen jedoch eine Entscheidungsunterstiitzung fUr den Planer, die auf einer adaquaten Prozessabbildung fuBt und somit einen Fortschritt zu bisherigen Ansatzen darstellt. Unter den genannten Rahmenbedingungen steigender Rohstoff- und Energiepreise, steigender

Kosten

durch

Emissionen,

insbesondere

CO2,

Nachfrageschwankungen,

steigendem Wettbewerbsdruck u. a. kann der Ansatz durch die im Vergleich zu bisherigen Arbeiten deutlich verbesserte technische Abbildung der Prozesse wichtige Entscheidungsunterstiitzung liefem. Allerdings ist bei solchen tJbertragungen jeweils sorgfaltig zu priifen, ob die grundlegenden Annahmen, insbesondere hinsichtlich der Linearitat der durch die Regressionsrechnung bestimmten Input-Output-Funktionen, auch fiir den neu betrachteten Prozess eine zulassige Vereinfachung darstellen bzw. in welchen Bereichen diese Vereinfachung zulassig ist. Zur Beriicksichtigung von Unsicherheiten wird im zweiten Schwerpunkt der Arbeit der Bereich der Ablaufplanung, eine operative Aufgabe der Throughputplanung, betrachtet. Bewusst wird auf die Herstellung von Lacken in einer Chargenproduktion zurtickgegriffen, in der die Aspekte der Stoffumwandlung eine untergeordnete RoUe spielen. Aus der Darstellung des Produktionsprozesses wird deutlich, dass es durch einen hohen Anteil an manuellen Tatigkeiten, beispielsweise beim Einwiegen oder Abtonen von Chargen, durch wechselnde Umgebungseinfliisse, wie z. B. Temperaturen, zu Unsicherheiten hinsichtlich der Prozesszeiten kommt und durch die teilweise geringen Wiederholraten der Chargen zudem trotz umfangreicher Datenaufnahmen nur eine begrenzte Datenbasis zur Verfugung steht. Bei

ZUSAMMENFASSUNG

275_

solchen Unsicherheiten haben sich Ansatze der Fuzzy-Optimiemng als geeignetes Mittel zur Beriicksichtigung

der

Unsicherheiten

erwiesen,

bislang

existieren

jedoch

keine

entsprechenden Ansatze zur Ablaufplanung bei Chargenproduktion, wahrend existierende Ansatze in anderen Bereichen bislang lediglich vergleichsweise kleine ProblemgroBen betrachten. Es wird daher ein eigener Ansatz zur Fuzzy-Ablaufplanung bei Chargenproduktion entwickelt, der auf Methoden der Fuzzy-Projektplanung zuruckgeht. Hierzu wird zunachst ein deterministisches Modell zur Ablaufplanung auf Basis eines Ansatzes der ressourcenbeschrankten Projektplanung, eines so genannten Multi-Mode Resource Constrained Project Scheduling Problems, fiir Chargenproduktionen im Allgemeinen vorgestellt und auf den betrachteten Anwendungsfall im Besonderen angepasst. Zur Losung des Modells wird zunachst ein exakter Ansatz prasentiert, der wiederum die mathematische Modellierungsumgebung GAMS und den Solver CPLEX verwendet. Diese Losungsmethode wird erfolgreich angewendet, wenngleich die ProblemgroBe mit bis zu elf betrachteten Auftragen fUr eine reale Anwendung zu klein ist. Daher wird ein fiir den verwendeten Typ von Projektplanungsproblemen entwickelter Genetischer Algorithmus zur Losung des vorliegenden Ablaufplanungsmodells angepasst. Die exemplarische Anwendung verschiedener genetischer Operatoren auf reale ProblemgroBen von mehr als 140 Auftragen zeigt die Eignung dieser Metaheuristik fiir den vorliegenden Fall. Das deterministische Modell wird anschlieBend fuzzifiziert. Die als unsicher aufzufassenden zeitlichen Parameter, insbesondere die Bearbeitungszeiten und die Rustzeiten, werden Uber Fuzzy-Intervalle in Sechs-Punkt-Darstellung modelliert und ein entsprechendes Ablaufplanungsmodell formuliert. Dies bietet die Moglichkeit, iiber die erweiterten arithmetischen Operationen fiir diese Fuzzy-Intervalle das unscharfe Ablaufplanungsmodell in sechs scharfe Ersatzprobleme zu zerlegen, die separat losbar sind. Zusatzlich wird ein iiber die Anwendung einer so genannten Defuzzifizierungsfunktion auf die unscharfen Zeitparameter ermitteltes scharfes Ersatzproblem gelost. Dies ermoglicht einen Vergleich der Auswirkungen unterschiedlicher Realisationen der Fuzzy-Zeitparameter und der Potenziale einer fiir die jeweilige Realisation optimierten Strategic in Form eines Schedules. Sind die Reihenfolgen der Vorgange in den Ablaufplanen gleich bzw. sehr ahnlich, deutet dies auf iiberlegene Losungen hin. Kommt es zu groBeren Unterschieden in den Planen, konnen auf Basis dieser und zusatzlicher, nicht oder nur schwer formalisier- und damit modellierbarer, Informationen

276

ZUSAMMENFASSUNG

Entscheidungen getroffen werden, welcher ermittelte Ablaufplan die groBte Plausibilitat aufweist und daher umgesetzt werden soil. Die exemplarische Anwendung des Ansatzes auf das betrachtete Ablaufplanungsproblem in der Lackherstellung durch Anwendung des Genetischen Algorithmus auf die sieben Ersatzprobleme zeigt die Anwendbarkeit der entwickelten Methodik auf reale ProblemgroBen. Auch wenn die zur Losung benotigte Zeit durch weitere Arbeiten sicherlich noch verbesserungsfahig ist, steht fUr die betrachtete Lackproduktion im Besonderen und wesentliche Aspekte von Chargenproduktionen im Allgemeinen durch die vorgestellten Arbeiten ein Ansatz zur Beriicksichtigung von Unsicherheit durch unscharfe und nicht voUstandig bekannte Daten bereit. Da dieser auf einen allgemeinen Ansatz zur Projektplanung zuriickgeht, steht er ohne weiteres auch weiteren Anwendungen, beispielsweise in der Fertigungsindustrie oder in der Projektplanung, zur VerfUgung. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die in der vorUegenden Arbeit entwickelten Methoden es ermoglichen, auf taktisch-operativer Ebene durch einen simulationsgestutzten, stoffstrombasierten Ansatz stoffumwandelnde Prozesse in produktionswirtschaftlichen Entscheidungsmodellen adaquat abzubilden, und durch den entwickelten Ansatz einer FuzzyAblaufplanung fiir Chargenproduktionen Unsicherheiten durch unscharfe und nicht voUstandig bekannte Daten in der Ablaufplanung zu beriicksichtigen. Durch die exemplarische Anwendung auf reale Produktionssysteme wird jeweils die Praxistauglichkeit der Ansatze bewiesen.

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