UNTERSUCHUNGEN ZUR URTEILSTHEORIE
HUSSERLIANA EDMUND HUSSERL GESAMMELTE WERKE
BAND XL
UNTERSUCHUNGEN ZUR URTEILSTHE...
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UNTERSUCHUNGEN ZUR URTEILSTHEORIE
HUSSERLIANA EDMUND HUSSERL GESAMMELTE WERKE
BAND XL
UNTERSUCHUNGEN ZUR URTEILSTHEORIE Texte aus dem Nachlass (1893–1918)
AUFGRUND DES NACHLASSES VERÖFFENTLICHT VOM HUSSERL-ARCHIV (LEUVEN) UNTER LEITUNG VON
RUDOLF BERNET UND ULLRICH MELLE
EDMUND HUSSERL UNTERSUCHUNGEN ZUR URTEILSTHEORIE Texte aus dem Nachlass (1893–1918)
HERAUSGEGEBEN VON
ROBIN D. ROLLINGER
ISBN 978-1-4020-6896-6 (HB) ISBN 978-1-4020-6897-3 (e-book)
Published by Springer, P.O. Box 17, 3300 AA Dordrecht, The Netherlands.
www.springer.com
Printed on acid-free paper
All Rights Reserved © Springer Science+Business Media B.V. 2009 No part of this work may be reproduced, stored in a retrieval system, or transmitted in any form or by any means, electronic, mechanical, photocopying, microfilming, recording or otherwise, without written permission from the Publisher, with the exception of any material supplied specifically for the purpose of being entered and executed on a computer system, for exclusive use by the purchaser of the work.
INHALT Einleitung des Herausgebers
. . . . . . . . . . . . . . . . .
xiii
i vorstudien zu den logischen untersuchungen Nr. 1. Versuch über den Ursprung der Begriffe „Notwendigkeit“ und „notwendige Folge“, über hypothetisches und kausales Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 1. Verschiedene Anwendungen der modalen Prädikate. Ihr psychologischer Ursprung in dem Willensgebiet . . . . . § 2. Modale Prädikate als Eigenheiten des Urteilsgebiets. Der Sachverhalt als notwendiger bzw. möglicher . . . . . . . § 3. Die Rolle der Evidenz in der Anwendung der modalen Termini . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 4. Notwendigkeit und Evidenz bei kategorischen Urteilen . . a) Die verschiedenen Formen der Notwendigkeit bei den kategorischen Urteilen . . . . . . . . . . . . . . . b) Grund und Folge . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 5. Notwendigkeit in Bezug auf das Hypothetische . . . . . . § 6. Der volle Grund und die Teilgründe bei Folgerungen . . . a) Folgerungen aus Urteilen . . . . . . . . . . . . . . b) Hypothetische Folgerungen . . . . . . . . . . . . . § 7. Die Bedeutung der hypothetischen Formel . . . . . . . . § 8. Objektivierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 2. Eigentliche und uneigentliche Urteile. Der Sachverhalt als Abstraktum gegenüber dem vorgestellten Urteil und der bloßen Vorstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 1. Existentialurteile über Angeschautes und Repräsentiertes . § 2. Die meisten Urteile sind uneigentlich . . . . . . . . . . § 3. Das vorgestellte Urteil im Gegensatz zum wirklichen. Das Gefühl des Mangels bei der Repräsentation . . . . . . . § 4. Kritik der B rent ano’schen Lehre von der bloßen Vorstellung im Gegensatz zum Urteil . . . . . . . . . . . . .
1 1 4 7 12 12 14 18 21 21 24 25 28
31 31 34 39 42
vi
inhalt § 5.
Das vorgestellte Urteil und der Sachverhalt. Weiteres zur Kritik der B rent ano’schen Urteilstheorie . . . . . . . . Das vorgestellte Urteil und die bloße Vorstellung . . . . .
44 47
Beilage I. Urteilen bei Repräsentation und Anschauung. Identifizierung und Deckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51
Beilage II. Sprachliche Bearbeitung an den kategorialen Inhalten .
53
Beilage III. Nota über den Ursprung des belief . . . . . . . . . .
55
Beilage IV. Urteilen ist Für-wahr- oder Für-falsch-Halten. Das Urteil ist genetisch früher als die bloße Vorstellung. Anwendung derselben Betrachtung auf Vermutung und Zweifel . . . . . . . . .
56
Beilage V. Verknüpfung, Beziehung, relatives Attribut, inneres und äußeres Merkmal, kategoriale Gliederung . . . . . . . . . .
59
Beilage VI. Uneigentliche Affirmationen . . . . . . . . . . . .
62
Beilage VII. Unterschied zwischen „ist“- und „hat“-Urteilen . . .
64
Beilage VIII. Attribution und Prädikation. Affirmation der Vorstellung als solcher im Gegensatz zur Affirmation des intendierten Gegenstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
66
§ 6.
Nr. 3. a) b) c)
Das Existentialurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . Das negative Existentialurteil im Gegensatz zum Absprechen Bestimmtheit und Unbestimmtheit beim Existentialurteil . . Ob das Existentialurteil ein besonderer Fall des kategorischen ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Das Existentialurteil und seine Äquivalenzen. Ob es sich um das Verhältnis zwischen Vorstellung und Gegenstand handelt
Nr. 4. Sätze und Wahrheiten, Sätze und Vorstellungen
68 68 71 74 76
. . . .
82
Beilage IX. Vorstellung im engeren Sinn und Wahrnehmung. Satzvorstellung und Urteil bzw. Wahrheit . . . . . . . . . . . . .
91
inhalt
vii
Beilage X. Sachverhalte als Gegenstände von Aussagen und DassSätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
Beilage XI. Aussage und Wahrheit. Theoretische Aussagesätze
. .
99
Beilage XII. Urteil, Sachverhaltsvorstellung (propositional nichtsetzender Akt), Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . .
103
Beilage XIII. Satz und Sachverhaltsvorstellung. Ob der Satz die Sachverhaltsvorstellung einschließt . . . . . . . . . . . . . .
104
Beilage XIV. Ob die Vorstellung des Sachverhalts Teil ist vom Urteil
106
Beilage XV. Was ist das Identische der Aussage und der entsprechenden Vorstellung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
107
Beilage XVI. Vorstellung als Grundlage aller psychischen Phänomene. Wahrheit als Übereinstimmung des Urteilsgegenstands mit dem wahren Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . .
108
Beilage XVII. Aussage als allgemeiner Ausdruck der Setzung . . .
110
Beilage XVIII. „Satz“ als Urteilsinhalt. Vorstellung des Satzes im Gegensatz zur Vorstellung des Sachverhalts . . . . . . . . . .
112
Beilage XIX. Urteil: Erscheinung, dass es so ist. Vorstellung des Sachverhalts ist nicht gleich Vorstellung des Urteils . . . . . .
113
Beilage XX. Dass-Sätze als Subjektbedeutungen . . . . . . . . .
115
Beilage XXI. Sachverhalt und Wahrheit . . . . . . . . . . . . .
116
Beilage XXII. Wahrheit als das Sein selbst
. . . . . . . . . . .
118
Nr. 5. Was ist das Wesen der „Urteilstheorie“, die wir zugrunde legen müssen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
121
Nr. 6. Ob alle Negation zur Materie gehört . . . . . . . . . .
127
Nr. 7. Urteil und setzende Vorstellung. Sachverhalt und Satz .
134
viii
inhalt
ii noetische und noematische untersuchungen (1908–1918) a. urteilstheorie und logik Nr. 8. Worüber urteilt die reine Logik? Erste Serie . . . . . . § 1. Das Urteil als Setzung eines Sachverhalts. Der vermeinte Sachverhalt im Gegensatz zu dem wahrhaft bestehenden. Der Satz als Urteilsbedeutung . . . . . . . . . . . . . § 2. Sinnesanalyse des Geurteilten als solchen. Der Sinn als transzendent. Gedanke, Annahme, Voraussetzung . . . . . . § 3. Der Unterschied zwischen dem Sich-Hineinphantasieren in ein Urteilen und dem Vorstellen des „S ist P!“. Hypothetische und kausale Sätze. Niederes und höheres Bewusstsein § 4. Ob die reine Logik von Sätzen handelt. Die Unmöglichkeit einer Anwendung des Widerspruchssatzes auf bestehende Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 5. Das Urteil als dasselbe Gemeinte als solches (der vermeinte Sachverhalt) bei mehreren Urteilsakten. Die Beziehung der Logik der Sätze auf vermeinte Sachverhalte . . . . . . . § 6. Antwort auf den Einwand vom unendlichen Regress: Veränderte Einstellung in Bezug auf Bedeutungen. Modifikation bei Existentialurteilen . . . . . . . . . . . . . . . . .
141
141 145
148
151
156
159
Beilage XXIII. Ob die logischen Gesetze als Gesetze für Gegenständlichkeiten, besonders für Sachverhalte, gelten dürfen. Der Widerspruchssatz als formal ontologisches Gesetz . . . . . . .
162
Beilage XXIV. Äquivalenz der Bedeutungsgesetze und formal ontologischen Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
168
Nr. 9. Worüber urteilt die reine Logik? Zweite Serie . . . . . . § 1. Satz, Satzgedanke, Satzinhalt . . . . . . . . . . . . . . § 2. Satz als Einheit der Mannigfaltigkeit aktueller Setzungen gegenüber dem Satz als Idee . . . . . . . . . . . . . . § 3. Identifikation des Sachverhalts durch das Identitätsurteil und durch das Verschiedenheitsurteil . . . . . . . . . . . . § 4. Der gesetzte Sachverhalt des Urteils gegenüber dem bloß vorgestellten des Gedankens . . . . . . . . . . . . . .
176 176 179 183 186
inhalt Der vermeinte bzw. bloß gedachte Sachverhalt gegenüber dem wirklichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 6. Der Sachverhalt oder Satzinhalt als Thema der reinen Logik § 7. Der Schluss als Beschlossensein eines Sachverhalts in anderen. Verbindungen der Sachverhalte bei hypothetischen, disjunktiven und konjunktiven Urteilen . . . . . . . . . § 8. Gesetze der Sachverhalte gegenüber Gesetzen der Sätze in der reinen Logik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 9. Ontologische Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . § 10. Das Gebiet der reinen Logik: Sowohl das Wesen von Gegenstand und Sachverhalt als das von Satz und Wahrheit . . .
ix
§ 5.
189 192
196 199 203 206
Beilage XXV. Der Sachverhalt beim In-die-Wirklichkeit-Hineinphantasieren gegenüber dem der puren Phantasie . . . . . . .
208
Beilage XXVI. Die Selbstgegebenheit des Sachverhalts . . . . . .
213
Nr. 10. Urteilen, seine Korrelate und die zugehörigen Ideen . . § 1. Das Urteilen im Einheitsbewusstsein . . . . . . . . . . § 2. Das Einheitsbewusstsein und das Bewusstsein-von . . . . § 3. Urteilen eines bestimmten Sachverhalts als letzte Differenz von einem Urteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 4. Evidenz als Modus des Urteilens . . . . . . . . . . . . § 5. Das im Urteil Bewusste: Cognitionales, Behauptetes, Sachverhalt und Satz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 6. Verschiedene Sinne von Wahrheit . . . . . . . . . . . .
221 221 223
Nr. 11. Gewissheit und Überzeugung. Wahrscheinlichkeitsverhalt als Korrelat der Vermutung. Ob Gewissheit relevant für die Logik ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
225 228 230 232
234
b. urteil und vorstellung Nr. 12. Untersetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
249
Beilage XXVII. Rückweis der Setzung auf die Anschauung . . . .
257
x
inhalt
Nr. 13. Erfahrungsvorstellung und Urteil. Vorstellende (objektivierende) Erlebnisse und spontane Akte . . . . . . . . § 1. Die Urteilssynthesis im Gegensatz zur durchlaufenden Synthesis in der Wahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . § 2. Die Vorstellung bei der schlichten Erfahrung. Die Vorstellung eines Sachverhalts bzw. eines Urteils . . . . . . . . § 3. Rückkehr zur Frage nach dem Begriff der schlichten Vorstellung. Die nominale Vorstellung. Passive und spontane Konstitution der Gegenstände . . . . . . . . . . . . . § 4. Reflexion als Blickwendung. Gegenstand als Urteilsthema. Frage nach den Vorstellungsklassen . . . . . . . . . . . Nr. 14. Nominale Setzung im Verhältnis zu hypothetischen und kausalen Urteilen. Urteilsthema . . . . . . . . . . . . . § 1. Das beziehende Denken im Gegensatz zur schlichten Erfassung. Unterschied zwischen Erfassen und Gerichtetsein-auf § 2. Bildung des logischen Themas aufgrund eines vorlogischen Erfassens. Beispiel der Identitätssynthesis. Themata bei Nennungen und Urteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 3. Der Stufenbau des logischen Themas. Gang ins rein Grammatische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 4. Der Begriff der Vorstellung. Die verschiedenen objektivierenden Akte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 5. Thesis und Synthesis. Hauptsetzung und Nebensetzungen . § 6. Gedankenhafte Modifikation bei hypothetischen Urteilen .
260 260 263
266 269
272 272
275 278 282 284 289
Beilage XXVIII. Überlegung über hypothetische und kausale Urteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
296
Beilage XXIX. Die Zweideutigkeit des Ausdrucks „Gegenstand im Wie“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
302
c. wesens-, bedeutungs- und daseinsurteile Nr. 15. Die Starrheit der idealen Bedeutungen. Essenz und Existenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
309
inhalt
xi
Nr. 16. Analytische Urteile als gegenstandslose bzw. setzungslose Urteile im Gegensatz zu essentialen und existentialen Urteilen. Ausgang von dem Problem der wahren Aussagen über unmögliche Gegenstände. Formale und materiale Essenz 316 Beilage XXX. Evidenz und Adäquation . . . . . . . . . . . . .
331
Nr. 17. Urteile verschiedener Art aufgrund der bloß en Vorstellung: Analytische Uteile und Wesensurteile ohne Existentialsetzung. Vergleich mit Phantasie- und Wahrnehmungsurteilen. Sinnesanalyse. Die Bedeutung der Eigennamen . . .
333
d. urteil und anschauung bzw. wahrnehmung Nr. 18. Die Art der Gültigkeit der immanent deiktischen Urteile
353
Beilage XXXI. Ausdrucksglaube und Seinsglaube bei beschreibenden Urteilen, die auf Wahrnehmungen und auf Phantasie bezogen sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
372
Beilage XXXII. Beschreibende Urteile aufgrund eines Bildbewusstseins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
374
Nr. 19. Empirische und apriorische Aussagen über das erscheinende Ding. Klarheit und Bestimmtheit der Bedeutungen. Identität des Sinnes im Schwanken . . . . . . . . . . . . . § 1. Das Wahrnehmungsurteil. Urteile über das Ding und über das Wahrgenommene als solches . . . . . . . . . . . . § 2. Der Sinn der Wahrnehmung als Einheit von Sinnesmomenten. Deckungseinheit von Sinn der Wahrnehmung und Sinn der Wahrnehmungsaussage. Erscheinung als Erscheinendes als solches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 3. Die „logische“ Auseinanderlegung des Sinnes. Unterschied zwischen Klärung und Bestimmung des Sinnes . . . . . . § 4. Deckung der Anschauungs- und Wortbedeutungen. Differenzierung des Begriffs der Bedeutung. Verworrenheit . . § 5. Identität des Sinnes im Schwanken . . . . . . . . . . .
376 376
379 383 386 390
xii
inhalt
Nr. 20. Evidenz der Urteile bzw. Aussagen in Bezug auf den Sinnesgehalt des Bewusstseins. Unterschied zwischen schlichter und synthetischer Erscheinung . . . . . . . . . . . .
394
TEXTKRITISCHER ANHANG Zur Textgestaltung . . . . . Textkritische Anmerkungen . Nachweis der Originalseiten Namenregister . . . . . . .
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413 416 519 521
EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS Der vorliegende Band enthält eine Auswahl von Texten, die zum Themenkreis der Urteilstheorie gehören. Die Texte, die sich im ersten Teil dieses Bandes finden, sind logische und psychologische Untersuchungen aus den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts. Die Texte, die den zweiten Teil bilden, stammen bis auf die beiden 1918 entstandenen und als Beilagen XXV und XXVI wiedergegebenen Manuskripte aus den Jahren 1908 bis 1911. Das Jahr 1908 stellt einen Einschnitt in der Entwicklung von Husserls Urteilstheorie dar, der eine Folge seiner in den Vorlesungen über Bedeutungslehre vom Sommersemester 1908 vorgenommenen Differenzierung des aktphänomenologischen Bedeutungsbegriffs der Logischen Untersuchungen in phansische (noetische) und ontische (noematische) Bedeutung ist.1 Aufgrund des engen Zusammenhangs von Bedeutungs- und Urteilslehre führt die neue Bedeutungslehre, die Husserl in diesen Vorlesungen entwirft, auch zu neuen urteilstheoretischen Forschungen.2 Die im zweiten Teil des vorliegenden Bandes veröffentlichten Forschungsmanuskripte stehen im Zusammenhang mit den durch die neue Bedeutungslehre erforderlichen Neubestimmungen in der Urteilstheorie. Im Jahre 1918 hat Husserl seine zahlreichen Manuskripte zur Urteilstheorie aus der Hallenser und Göttinger Zeit einer gründlichen Prüfung unterzogen.3 In seinem Auftrag ordnete seine Assistentin 1 Noch Jahre nach der Veröffentlichung der Logischen Untersuchungen (1900/01) hielt Husserl im Großen und Ganzen an der Urteilstheorie fest, die in diesem Werk zu finden ist (Logische Untersuchungen. Erster Band: Prolegomena zur reinen Logik, Husserliana XVIII, hrsg. von Elmar Holenstein, Den Haag 1975. Siehe auch Edmund Husserl, Logische Untersuchungen. Zweiter Band: Untersuchungen zur Phänomenologie und Theorie der Erkenntnis, Husserliana XIX/1–2, hrsg. von Ursula Panzer, Den Haag 1984). Husserl zufolge wurde insbesondere in der fünften Untersuchung (Husserliana XIX/2, S. 352–529), „ein Fundamentalstück der ‚Urteilstheorie‘ herausgearbeitet“ (Husserliana XIX/2, S. 538). 2 Siehe Edmund Husserl, Vorlesungen über Bedeutungslehre. Sommersemester 1908, Husserliana XXVI, hrsg. von Ursula Panzer, Dordrecht/Boston/Lancaster 1984. 3 In den Vorlesungen des Wintersemesters 1917/18 hat Husserl viel von der neuen in den Vorlesungen über Bedeutungslehre von 1908 entwickelten Urteilstheorie vorgetra-
xiv
einleitung des herausgebers
Edith Stein die fraglichen Manuskripte, versah diese mit Randtiteln und legte ein ausführliches Inhaltsverzeichnis an. Aufgrund ihrer Signierung mit dem Buchstaben U sind diese von Edith Stein zusammengestellten Manuskripte als U-Blätter bekannt.1 Ein großer Teil der in diesem Band vor allem im zweiten Teil veröffentlichten Texte sind solche „U-Blätter“.2 Husserls urteilstheoretische Untersuchungen waren allerdings im Jahr 1918 keineswegs abgeschlossen; vielmehr begann in den ersten Freiburger Jahren ein neuer Abschnitt in der Entwicklung seiner Urteilstheorie. Dieser stand im Zeichen der in diesen Jahren entwickelten genetischen Phänomenologie und fand seinen ersten bündigen Ausdruck in der Vorlesung des Sommersemesters 1920/21 über Logik.3 gen. Siehe Edmund Husserl, Logik und allgemeine Wissenschaftstheorie. Vorlesungen 1917/18 mit ergänzenden Texten aus der ersten Fassung von 1910/11, Husserliana XXX, hrsg. von Ursula Panzer, Dordrecht/Boston/London 1996. Auf diese Vorlesungen sowie auf die des Jahres 1908 wird weiter unten noch ausführlicher eingegangen. 1 Das von Edith Stein angelegte Inhaltsverzeichnis der U-Blätter findet sich unter Husserls Manuskripten unter der Leuvener Archiv-Signatur A I 16/98–107 (siehe unten S. 416–447). In einem Brief an Roman Ingarden vom 5. April 1918 schreibt Husserl: „Ich bin eben daran den großen, von Frl. Stein geordneten Convolut über Urtheilstheorie (über 800 stenographische Seiten) durchzusehen […].“ (Edmund Husserl, Briefwechsel, Husserliana Dokumente III, Bd. III: Die Göttinger Schule, in Verbindung mit Elisabeth Schuhmann hrsg. von Karl Schuhmann, Dordrecht/Boston/London 1994, S. 181 f.). Wenn Husserl hier von „800 Seiten“ spricht, dann meint er damit die Seiten der Blätter und nicht, was gelegentlich auch vorkommt, die Blätter selbst. Die „UBlätter“ bestehen also aus ungefähr 400 Manuskriptblättern; darunter finden sich mit arabischen Ziffern versehene Blätter (1–340), mit römischen Ziffern gezählte Blätter (I–XVII) sowie Exzerpte aus Schriften anderer Autoren: Anton Marty (F I 3/3–36), John Stuart Mill (F I 3/37–39), Christoph Sigwart (F I 3/40, 42, 46, 58 und 68), Benno Erdmann (F I 3/72–76), Alexius Meinong und Alois Höfler (F I 3/77). 2 Siehe die Texte Nr. 6, 8–17, 19–20 und die Beilagen XXIV–XXX. Andere Texte der U-Blätter wurden zuvor schon in Husserliana XXVI als Beilagen VII, XIII, XV und XVIII publiziert sowie in Husserliana XX/2 (Edmund Husserl, Logische Untersuchungen. Ergänzungsband. Zweiter Teil. Texte für die Neufassung der VI. Untersuchung. Zur Phänomenologie des Ausdrucks und der Erkenntnis (1893/94–1921), hrsg. von Ullrich Melle, Dordrecht 2005) als Texte 15, 19, 20–22 und 26 und als Beilagen XXVIII, XXXVI, XXXVII–XL, XLIV, XLV und LIII. 3 Husserl hielt diese Vorlesung in jeweils veränderter Form, und zwar im Wintersemester 1920/21 unter dem Titel „Logik“, 1923 unter dem Titel „Ausgewählte phänomenologische Probleme“ und im Wintersemester 1925/26 unter dem Titel „Grundprobleme der Logik“. Diese Vorlesung ist in verschiedenen Bänden der Husserliana veröffentlicht: Edmund Husserl, Analysen zur passiven Synthesis. Aus Vorlesungs- und Forschungsmanuskripten (1918–1926), Husserliana XI, hrsg. von Margot Fleischer,
einleitung des herausgebers
xv
Wie andere Forschungsmanuskripte Husserls sind auch die UBlätter bei späterer Lektüre von Husserl annotiert worden. Viele, vielleicht die meisten dieser Annotationen entstanden wohl im Zuge einer Durchsicht dieser Manuskripte im Frühjahr des Jahres 1918. Da diese Annotationen sich oft kritisch sowohl auf die in der ursprünglichen Manuskriptfassung verwendete Terminologie als auch auf die in der Sache vertretene Position beziehen, werden die Texte in Abweichung von der üblichen Editionspraxis in der Husserliana nicht „letzter Hand“, sondern „erster Hand“ herausgegeben, wobei die Annotationen in Anmerkungen unter dem Text erscheinen. * Im 19. Jahrhundert und bis ins 20. Jahrhundert hinein waren urteilstheoretische Untersuchungen integraler Bestandteil der Logik, da Urteile als die eigentlichen Träger von Wahrheit und Falschheit betrachtet wurden. Sofern sich alles Erkennen im prägnanten Sinn in Urteilen vollzieht, waren Urteile auch ein zentrales Thema der Erkenntnistheorie. Und weil auch Akte bzw. Zustände des Für-wahrHaltens als Urteile bezeichnet wurden, waren Urteile ebenfalls Gegenstand psychologischer Untersuchungen. Diese drei Betrachtungsweisen wurden von den Logikern des 19. Jahrhunderts allerdings nicht immer in der erforderlichen Weise auseinandergehalten.1
Den Haag 1966; Formale und transzendentale Logik. Versuch einer Kritik der logischen Vernunft. Mit ergänzenden Texten, Husserliana XVII, hrsg. von Paul Janssen, Den Haag 1974; sowie Aktive Synthesen: aus der Vorlesung „Transzendentale Logik“ 1920/21. Ergänzungsband zu „Analysen zur passiven Synthesis“, Husserliana XXXI, hrsg. von Roland Breeur, Dordrecht/Boston/London 2000. 1 Bekanntlich haben Frege und Husserl (im ersten Band der Logischen Untersuchungen) gegen die Vermengung von Psychologie und Logik, wie sie für viele Werke der Logik des 19. Jahrhunderts typisch ist, gravierende Einwände erhoben. Weniger bekannt dagegen ist, dass schon im 19. Jahrhundert die Frage diskutiert wurde, ob die Logik primär eine formale oder primär eine erkenntnistheoretische Disziplin sein solle. Siehe hierzu z. B. die Behandlung dieser Frage in Friedrich Albert Langes Werk Logische Studien. Ein Beitrag zur Neubegründung der formalen Logik und der Erkenntnistheorie, Iserlohn 1877, S. 1–29. Husserls Exemplar dieses Buches weist zahlreiche Anstreichungen und Annotationen auf. – Um die formale oder elementare Logik von der Logik zu unterscheiden, die erkenntnistheoretische Untersuchungen umfasst, werde ich im Folgenden in Bezug auf erstere von Logik im engeren Sinn und in Bezug auf die zweite von Logik im weiteren Sinn sprechen.
xvi
einleitung des herausgebers
Drei bedeutende Urteilstheoretiker des 19. Jahrhunderts sind von besonderem Einfluss auf Husserl gewesen: Franz Brentano, Carl Stumpf und Bernard Bolzano. Von 1884 bis 1886 hörte Husserl in Wien Brentanos Vorlesungen. Unter diesen war auch die Vorlesung Die elementare Logik und die in ihr nötigen Reformen,1 in der Brentano die elementare Logik nach dem traditionellen Muster in der Reihenfolge „Begriff, Urteil, Schluss“ behandelte. Brentano zufolge wird die Logik als Kunst des Denkens zu weit, als Kunst des Schließens dagegen zu eng bestimmt; seiner Ansicht nach sollte sie vielmehr als „Kunst des Urteilens, der Erkenntnis“ gekennzeichnet werden.2 Die im Titel der Vorlesung angekündigten Reformen der Logik gründen sich auf Brentanos Urteilstheorie, von der er große Stücke in seiner Psychologie vom empirischen Standpunkte thematisiert hatte.3 Die folgenden Punkte sind zentral für Brentanos Urteilstheorie: 1. Ein Urteil ist ein psychisches Phänomen und daher durch das charakterisiert, was ein solches Phänomen generell von physischen Phänomenen unterscheidet, nämlich durch seine „intentionale […] Beziehung zu etwas, was vielleicht nicht wirklich, aber doch innerlich
1 Im November 1935 übergab Husserl der Brentano-Gesellschaft in Prag seine Aufzeichnungen dieser Vorlesung und von vielen anderen Vorlesungen Brentanos (insgesamt 28 Hefte in Gabelsberger’scher Stenographie) (vgl. Oskar Kraus „Die Brentano-Gesellschaft in Prag“, Philosophia 2, 1937, S. 402–405). Unglücklicherweise gingen diese Aufzeichnungen während der deutschen Besetzung in der ehemaligen Tschechoslowakei verloren. Von der Vorlesung Die elementare Logik und die in ihr nötigen Reformen sind allerdings die Aufzeichnungen Eduard Leischings erhalten, die sein Neffe Ludwig Landgrebe dem Husserl-Archiv in Leuven übergeben hat, wo sie unter der Signatur Y 2–3 archiviert sind. 2 Signatur Y 2/6; siehe auch Y2/26: „Die Logik ist die Kunst der Erkenntnis, diese aber findet sich im Urteile und macht seine Vollkommenheit aus“. Vgl. Stumpf, Logik und die Enzyklopädie der Philosophie (Q 14), S. 1: „Unter Logik verstehen wir die praktische Erkenntnislehre oder die Sammlung von Vorschriften für das richtige Urteilen.“ 3 Siehe besonders das siebte Kapitel der Psychologie vom empirischen Standpunkte, I. Bd. (Leipzig 1874). Die logischen Reformen, die Brentano auf der Grundlage seiner Urteilstheorie vorschlägt, werden dort kurz vorgestellt (S. 302 ff.). Leider liegen Brentanos Logik-Vorlesungen wie auch seine anderen Vorlesungen bisher noch nicht in verlässlichen Editionen vor. Was die oben erwähnte Vorlesung angeht (Signatur EL 72 in Brentanos Nachlass, Houghton Library, Harvard), so ist diese teilweise publiziert worden in Die Lehre vom richtigen Urteil, hrsg. von Franziska Mayer-Hillebrand, Bern 1956.
einleitung des herausgebers
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gegenständlich gegeben ist“,1 die auch als „intentionale Inexistenz“2 oder als „Beziehung auf ein immanentes Objekt“ bezeichnet wird.3 2. Ein Urteil hat immer ein psychisches Phänomen anderer Art zur Grundlage, nämlich eine Vorstellung.4 3. Ein Urteil ist entweder eine Anerkennung oder eine Verwerfung eines Objektes, wogegen in einer bloßen Vorstellung das Objekt weder anerkannt noch verworfen ist.5 4. Wenn jemand urteilt, so ist sein Objekt „in einer doppelten Weise“ bewusst: „als vorgestellt und als anerkannt oder geleugnet“.6 5. Existentialsätze drücken keine prädikativen Urteile aus, sondern die Anerkennung dessen, von dem gesagt wird, dass es existiere, bzw. die Verwerfung von etwas, von dem gesagt wird, es existiere nicht.7 6. „Jede Wahrnehmung [zählt] zu den Urtheilen“.8 7. Urteile, die gewöhnlich als prädikative Urteile betrachtet werden, sind eigentlich Existentialurteile und können als solche expliziert werden.9 1
Brentano, Vom Ursprung sittlicher Erkenntnis, Leipzig 1889, S. 14. In Husserls Privatbibliothek befindet sich eine Ausgabe dieses Werkes mit Anstreichungen und Annotationen von Husserls Hand. 2 Psychologie vom empirischen Standpunkte I, S. 115. 3 Y 2/46. 4 Psychologie vom empirischen Standpunkte I, S. 104 ff. 5 Siehe ebd., siebtes Kapitel. 6 Ebd., S. 267. Husserl verwirft diese Ansicht; aber auch für ihn sind Urteile immer noch in „Vorstellungen“ (in einem gewissen Sinn) fundiert. 7 Ebd., S. 276 f. Wenn Brentano von „Satz“ redet, dann meint er einfach den sprachlichen Ausdruck eines Urteils. 8 Ebd., S. 276. 9 Siehe Vom Ursprung sittlicher Erkenntnis, S. 59 ff. Die urteilstheoretische Diskussion in diesem Werk zeigt, dass Brentano seine Urteilstheorie sowohl für die Ethik als auch für die Logik für relevant erachtete. Was die fragliche These angeht, siehe auch Psychologie vom empirischen Standpunkte I, S. 279–289, wo Brentano darlegt, wie sich alle vier Urteilsklassen der traditionellen Logik existential reformulieren lassen. Solche Reformulierungen sind in der Tat die Grundlage für seine reformierte Logik, die sich in wesentlichen Punkten von der Aristotelischen Syllogistik unterscheidet. In einer Fußnote (S. 302 Anm. 2) nimmt Brentano auf die Logikvorlesung Bezug, die er in Würzburg im Wintersemester 1870/71 hielt und deren Publikation er plante; sie sollte „die nothwendige Verkettung [der Reformen] mit der dargelegten Ansicht von der Natur des Urtheils“ zeigen. Der Umfang von Brentanos Reformen findet sich angedeutet in seinen Vorlesungsnotizen aus den achtziger Jahren (EL 72 und insbesondere EL 80 in der Houghton Library, Harvard). Diese Reformen beinhalteten
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8. Urteile sind Träger von Wahrheit und Falschheit.1 9. Jedes Urteil ist entweder blind oder evident.2 10. Der Inhalt oder das immanente Objekt eines Urteils, „das Geurteilte als solches“, ist die Bedeutung des entsprechenden Ausdrucks (des Satzes) und verhält sich zu diesem Ausdruck wie ein Begriff (oder Inhalt einer Vorstellung) zu einem Namen.3 Brentanos Urteilstheorie stieß sowohl innerhalb wie außerhalb seiner Schule auf Kritik.4 Daher fand sich Husserl, als er sich unter dem Einfluss Brentanos von der Mathematik zur Philosophie wandte, in die Kontroversen um dessen Urteilstheorie hineingezogen. Schon lange bevor Husserl von den urteilstheoretischen Ansichten Brentanos abwich, publizierte Alexius Meinong, der Brentanos Vorlesungen von 1875 bis 1878 gehört hatte,5 zusammen mit seinem Schüler Alois Höfler, der zuvor Schüler Brentanos gewesen war, ein Lehrbuch der Logik, das in Gymnasien als erster Teil einer philosophischen Propädeutik dienen sollte.6 In diesem Werk findet sich nichts von den von Brentano eingeführten Neuerungen. Meinong und Höfler unterscheiden darin zwischen Existentialurteilen und Relationsurteilen und weisen daher die These Brentanos zurück, wonach sich
nicht nur neue Deduktionsregeln, sondern sie verbanden auch die Behandlung der Induktion mit der der Wahrscheinlichkeitstheorie. Im 19. Jahrhundert war dies eine Neuerung, wie sie ähnlich nur in William Stanley Jevons Werk The Principles of Science. A Treatise on Logic and Scientific Method (London 1879, 3. Auflage, S. 121 ff.) zu finden ist. 1 Y 1/2. 2 Vom Ursprung sittlicher Erkenntnis, S. 18 f. 3 Logik, EL 80/13020 (Houghton Library, Harvard). 4 Zwei ihrer Kritiker, die Husserl selbst erwähnt, waren J.P.N. Land und Wilhelm Windelband (siehe unten S. 36 f.). Siehe Lands „On a supposed improvement in formal logic“, Verslagen en Mededelingen der Koninklijke Akademie van Wetenschappen. Afdeling Letterkunde, 2de Reeks, Deel V (Amsterdam 1876). (Brentanos Erwiderungen auf Lands Kritik finden sich in Y 2/40 f.) Siehe auch Windelbands „Beiträge zur Lehre vom negativen Urtheil“, Strassburger Abhandlungen zur Philosophie. Eduard Zeller zu seinem siebenzigsten Geburtstage (Freiburg i. Br./Tübingen 1884), S. 165–195. Exemplare beider Schriften befinden sich in Husserls Privatbibliothek. 5 Siehe Alexius Meinong, Ergänzungsband zur Gesamtausgabe, Graz 1978, S. 109. Zwei dieser Vorlesungen beschäftigten sich mit Logik: Alte und neue Logik (Sommersemester 1875) und Logik (Sommersemester 1877). 6 Siehe Alois Höfler, in Zusammenarbeit mit Alexius Meinong, Logik, Wien/Leipzig 1890. Ein Exemplar dieses Werkes, das Anstreichungen und Annotationen von Husserls Hand aufweist, befindet sich in seiner Privatbibliothek.
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alle Urteile auf Existentialurteile zurückführen lassen.1 Als Reaktion auf dieses Werk veröffentlichte Franz Hillebrand, ein anderer Brentanoschüler, ein kleines Buch, in dem er die logischen Reformen Brentanos verteidigte.2 In den Kontroversen um Brentanos Urteilstheorie stand Husserl zunächst in engerem Kontakt mit dem mehr orthodoxen Zweig der Brentanoschule, wohl weil er als Hörer Brentanos unter dessen direktem Einfluss stand und weil er auch über die Schriften Anton Martys und die Vorlesungen Carl Stumpfs mit Brentanos Lehre vertraut gemacht wurde. Marty trat in seinen Schriften allen Einwänden entgegen, die innerhalb oder außerhalb der Brentanoschule gegen die Lehren seines Lehrers erhoben wurden, entweder von Kritikern, die eine Reform der Logik für überflüssig hielten, oder von solchen, die für Reformen anderer Art eintraten. Martys Verteidigung der Urteilstheorie Brentanos3 verdient es aus mehreren Gründen, hier erwähnt zu werden: 1) weil sie einen Versuch darstellt, diese Theorie zusammen mit anderen Aspekten der deskriptiven Psychologie Brentanos im Gebiet der allgemeinen Grammatik und Sprachphilosophie anzuwenden,4 2) weil sie ausgedehnte Polemiken gegen alternative Urteilstheorien 1
Siehe Robin D. Rollinger, „Meinong and Brentano“, Meinong Studien/Meinong Studies 1, 2005, S. 159–197, hier S. 166 ff. 2 Siehe Franz Hillebrand, Die neuen Theorien der kategorischen Schlüsse, Wien 1891. Ein Exemplar dieses Werkes mit Anstreichungen und Annotationen Husserls befindet sich in seiner Bibliothek. Eine Abschrift Husserls der Notizen, die Hillebrand von der Vorlesung Brentanos aus dem Sommersemester 1883, Ausgewählte psychologische Fragen (die Raumtheorien), gemacht hatte, befindet sich unter der Signatur Q 9 ebenfalls im Leuvener Husserl-Archiv. 3 Diese Verteidigung findet sich in: Anton Marty, „Über subjektlose Sätze und das Verhältnis der Grammatik zur Logik“, Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie 8, 1884, S. 56–94, 161–192, 292–340; 18, 1894, S. 320–356, 421–471; 19, 1895, S. 19–87, 263–334. Von all diesen Aufsätzen befinden sich in Husserls Bibliothek Exemplare mit Anstreichungen und Annotationen. Husserl ließ sie zu einem Band zusammenbinden, den er später Martin Heidegger schenkte. In seinem „Bericht über deutsche Schriften aus dem Jahre 1894“ (Husserliana XXII, S. 124–151) referiert Husserl auch über einige dieser Aufsätze Martys und lobt sie für ihre „Schärfe, Klarheit und Gründlichkeit“ (S. 136). Und in seinem Artikel „Bericht über deutsche Schriften zur Logik in den Jahren 1895–1899“ (Husserliana XXII, S. 236–258) geht Husserl auf die zwei letzten Aufsätze von Martys Aufsatzfolge ein und kritisiert insbesondere die Lehre vom Doppelurteil (ebd., S. 241–246). 4 Solche Anwendungen wurden weiterentwickelt in seinen Untersuchungen zur Grundlegung der allgemeinen Grammatik und Sprachphilosophie, Band I, Halle a. S., 1908. Husserl besaß ein Exemplar dieses Werkes, das er mit Anstreichungen
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enthält (besonders in der Interpretation der Impersonalia oder der subjektlosen Sätze wie z. B. „Es regnet“, 3) weil sie eine radikale Unterscheidung zwischen Logik und Grammatik enthält, die darin gründet, dass die Logik es mit Urteilen und nicht mit Sätzen als sprachlichen Einheiten zu tun hat, und 4) weil sie einen Begriff einführt, der in Brentanos Psychologie vom empirischen Standpunkte noch nicht zu finden ist, aber wohl ursprünglich von Brentano stammt: den Begriff des Doppelurteils.1 Während Brentano in seiner Psychologie vom empirischen Standpunkte die Ansicht vertrat, dass eine Prädikation auf die Anerkennung oder Verwerfung eines eigenschaftlich bestimmten Objekts zurückgeführt werden kann, besteht seiner späteren Lehre vom Doppelurteil zufolge ein prädikatives Urteil aus einem Existentialurteil in Form der Anerkennung des als Subjekt der Prädikation fungierenden vorgestellten Gegenstands und einer sich darauf beziehenden, irreduziblen Prädikation. Neben solchen Doppelurteilen gibt es aber auch Urteile, die in einfachen Existentialsätzen (der Form „A existiert“) ausgedrückt werden können. Nachdem Husserl Wien verlassen hatte, hörte er bei Stumpf in Halle Vorlesungen über Psychologie und Logik (1886–1887).2 In beiden Vorlesungen finden sich verschiedene Elemente von Brentanos und Annotationen versah. Seine Rezension dieses Werkes ist wiederabgedruckt in Husserliana XXII, S. 261–265. 1 Siehe Marty, „Über die Scheidung von grammatischem, logischem und psychologischem Subjekt resp. Prädikat“, in Archiv für systematische Philosophie 3, 1897, S. 174– 190, 294–333, hier S. 179. Siehe auch den Entwurf eines Briefes von Johannes Daubert an Husserl (August 1907, in Briefwechsel, Band II: Die Münchener Phänomenologen, S. 52–56), in dem er über seine Besuche bei Brentano berichtet (als dieser sich in München aufhielt). Daubert erwähnt, dass Brentano sich bei seiner Erläuterung der Wesenszusammenhänge explizit auf die Lehre vom Doppelurteil bezogen hat. Seiner Ansicht nach muss der Satz „Farbe ist ausgedehnt“ durch den negativen Satz „Es gibt keine Farbe, die nicht ausgedehnt ist“ reformuliert werden. Darin ist das erste „ist“ existential und das zweite prädikativ. In seinen Untersuchungen zur Grundlegung der allgemeinen Grammatik und Sprachphilosophie beruft sich Marty wieder auf diese Lehre (S. 293 und 352), offenbar unbeeindruckt von Husserls Kritik. 2 Husserls Aufzeichnungen von beiden Vorlesungen befinden sich im Husserl-Archiv Leuven: Psychologie, Halle W.S. 1886/87 (Q 11/1–2); Logik und Enzyklopädie der Philosophie, Halle S.S. 1887 (Q 14). Die lithographierten Diktate der Psychologievorlesung befinden sich ebenfalls im Leuvener Husserl-Archiv (Signatur Q 12); die dort befindlichen lithographierten Diktate der Logikvorlesung stammen aus der Vorlesung Stumpfs aus dem Jahr 1888 (Q 13).
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Urteilstheorie. Ohne hier auf die Einzelheiten von Stumpfs eigenen Formulierungen dieser Theorie einzugehen (sowie auf seine uneingeschränkte Zustimmung zu Martys Verteidigung dieser Theorie),1 sei auf die folgende terminologische Neuerung, die er in seinen Diktaten der Logikvorlesung von 1888 einführt und die für Husserl von großer Bedeutung wurde, hingewiesen: „Von der Materie des Urteils unterscheiden wir seinen Inhalt oder den im Urteil ausgedrückten Sachverhalt. Z. B. ‚Gott ist‘ hat zur Materie Gott, zum Inhalt das Sein Gottes. ‚Es gibt keinen Gott‘ hat dieselbe Materie, aber den Inhalt ‚Nichtsein Gottes‘“.2 Wie die hier veröffentlichten Texte zeigen, spielt der Begriff des Sachverhalts von Beginn an eine zentrale Rolle in Husserls Urteilstheorie. Allerdings wurde dieser Begriff von Stumpf anfänglich als ein deskriptiv-psychologischer und nicht als ein ontologischer Begriff eingeführt. Das besagt, dass Stumpf mit „Sachverhalt“ etwas meint, das dem Bewusstsein immanent ist und nicht eine Tatsache, die sich außerhalb des Bewusstseins befindet.3 Für Stumpf hat daher jedes der beiden Urteile „Gott existiert“ und „Gott existiert nicht“ seinen eigenen Sachverhalt, obwohl nur einer von beiden eine Tatsache sein kann. Husserl, der anfangs den Ausdruck „Sachverhalt“ noch im Sinne Stumpfs gebrauchte, entwickelte später einen eigenen Begriff von Sachverhalt.4
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Q 11–12/531 und Q 14/39. Q 13/4. Sofern auch Brentano vom Inhalt eines Urteils sprach, wich Stumpf mit seinem Sachverhaltsbegriff nicht von dessen Urteilstheorie ab. Obwohl Brentano später diesen Begriff zusammen mit Husserls Satzbegriff und Meinongs Begriff „Objektiv“ zurückwies, tat er dies von einem ontologischen Standpunkt aus („Reismus“), der sich von demjenigen unterschied, den er zuvor in seinen Vorlesungen vertreten hatte. Zur Entwicklung von Brentanos Ontologie siehe Arkadiusz Chrudzimski, Die Ontologie Franz Brentanos, Dordrecht/Boston/London 2004. 3 Stumpf erläutert seine Konzeption von Sachverhalt in Erscheinungen und psychische Funktionen, Berlin 1907, S. 32. In Husserls Exemplar dieses Werkes findet sich eine Anmerkung, in der er die Stumpf’sche Konzeption von Sachverhalt, die er selbst schon in den 90er Jahren (wie die Texte 4–7 im vorliegenden Band dokumentieren) aufgegeben hatte, kritisiert. 4 Siehe unten die Ausführungen über Husserls Betrachtungen darüber, ob das Gesetz des zu vermeidenden Widerspruchs auf Sachverhalte oder vielmehr auf Sätze Anwendung findet. Vgl. Husserliana XXX, S. 47: „Dem unrichtigen Urteilen entspricht in Wirklichkeit ein Sachverhalt nicht […].“ 2
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Durch die ausführlichen Betrachtungen über Bolzanos Paradoxien des Unendlichen, die Brentano in seinen Logikvorlesungen vortrug, wurde Husserl auf Bolzano aufmerksam gemacht.1 In seinen Aufzeichnungen von Stumpfs Logikvorlesung (1887) notierte Husserl: „In Deutschland ist übrigens schon früher in diesem Jahrhundert Bolzano mit einer Logikreform hervorgetreten, und auch er hat schon interessante Versuche gemacht.“2 Husserl nimmt hier Bezug auf Bolzanos vierbändiges Werk Wissenschaftslehre, in dem die erwähnte Logikreform zu finden ist.3 In den 1890er Jahren setzten sich einige Schüler Brentanos, insbesondere Benno Kerry,4 Twardowski5 und Husserl mit diesem Werk auseinander.6 Obwohl sich darin im dritten Band auch eine Urteilstheorie findet, stammen die Begriffe, die Husserl von Bolzano übernahm, aus dem zweiten und ersten Band, nämlich die Begriffe „Satz an sich“ und „Vorstellung an sich“.7 Ein Satz an sich muss nach Bolzano sowohl von dem ausgedrückten Satz als auch von dem gedachten Satz unterschieden werden, und er wird von ihm charakterisiert als „irgend eine Aussage, daß etwas ist oder nicht ist; gleichviel, ob diese Aussage wahr oder falsch ist; ob sie von irgend jemand in Worte gefasst oder nicht gefasst, ja
1 In Husserls Bibliothek befindet sich ein Exemplar dieses Werkes „herausgegeben aus dem schriftlichen Nachlasse des Verfassers“ von Fr. Pˇrihonsky´ (Berlin 1889), das zahlreiche Anstreichungen und Annotationen aufweist. In Y 3/7–22 befindet sich sowohl Brentanos Erörterung von Bolzanos Behandlung des Unendlichen als auch diejenige Georg Cantors. 2 Q 14/54. 3 Ein Exemplar von Bolzanos Wissenschaftslehre. Versuch einer ausführlichen und größtenteils neuen Darstellung der Logik mit steter Rücksicht auf deren bisherige Bearbeiter (Sulzbach 1837) befindet sich in Husserls Bibliothek. Insbesondere die beiden ersten Bände weisen zahlreiche Anstreichungen und Annotationen auf. 4 Siehe Robin D. Rollinger, Husserl’s Position in the School of Brentano, S. 125–138. 5 Siehe ebd., S. 139–154. 6 Später bedauerte Brentano, seine Studenten auf Bolzano als vorbildlichen wissenschaftlichen Philosophen aufmerksam gemacht zu haben, ohne auf dessen Schwächen hingewiesen zu haben. „Daraufhin ist nun geschehen“, sagt er weiter, „dass sowohl Meinong und Twardowski als Husserl und Kerry […] in das Studium von Bolzano verfielen“ („Briefe Franz Brentanos an Hugo Bergmann“, hrsg. von Hugo Bergmann, Philosophy and Phenomenological Research 7, 1946/47, S. 83–158, hier 125 f.). Meinong war aber in keinem beträchtlichen Ausmaß von Bolzano beeinflusst. 7 In einem Brief an Brentano vom 27. März 1905 drückt Husserl Lob nur für die beiden ersten Bände der Wissenschaftslehre aus. Siehe Briefwechsel III: Die Brentano Schule, S. 40.
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auch im Geiste nur gedacht oder nicht gedacht worden ist“.1 In den Worten Husserls stehen „Sätze in diesem Sinn […] im Gegensatz zu grammatischen Sätzen und zugleich zu subjektiven Vorstellungen von Sätzen“.2 Auch die folgenden Ansichten Bolzanos sind relevant für Husserls Urteilstheorie. Zum einen vertritt Bolzano die Meinung: „Ein Daseyn kommt nur gedachten, ingleichen für wahr gehaltenen Sätzen, d. h. Urtheilen; nicht aber den Sätzen an sich zu […]“.3 Zweitens findet er alle Vergleiche der Beziehung zwischen einem Satz an sich (den er oft einfach als „Satz“ bezeichnet) und einem Urteil mit anderen bekannten Beziehungen unbefriedigend (abgesehen von der Beziehung zwischen der Vorstellung an sich und der subjektiven Vorstellung); er zieht es vor, einfach davon zu sprechen, dass der Satz der „Stoff“ des entsprechenden Urteils ist.4 Drittens vertritt er die Ansicht, dass ein Urteil (welches eine „geistige Handlung“ einer bestimmten Art ist) eine „Erscheinung eines Satzes“ ist.5 Der Versuch einer genauen Bestimmung der Beziehung zwischen Urteilsakt, Satz und Sachverhalt steht von Beginn an im Mittelpunkt von Husserls Urteilstheorie, die sich im Ausgang von und in kritischer Auseinandersetzung mit den von Brentano, Stumpf und Bolzano gegebenen Bestimmungen entwickelt. * In den 1890er Jahren wurde die Logik sowohl im engeren als auch im weiteren Sinne zum vorherrschenden Gegenstand von Husserls wissenschaftlicher Arbeit,6 die in der Veröffentlichung der Logischen 1 Ebd., Band I, § 19, S. 77. Was Bolzanos Vorstellungen an sich angeht, so sind diese einfach definiert als Teile eines Satzes an sich, die selbst nicht Sätze an sich sind. 2 Edmund Husserl, Logik. Vorlesung 1896, Husserliana-Materialien I, hrsg. von Elisabeth Schuhmann, Boston/Dordrecht/London 2001, S. 51. 3 Ebd., Bd. II, § 122, S. 4. Bolzano benutzt die Ausdrücke „Wirklichkeit“ und „Existenz“ auch als Synonyme für „Daseyn“. Nirgendwo führt er eine spezielle ontologische Kategorie ein, die sowohl auf Sätze an sich und Vorstellungen an sich Anwendung findet. 4 Ebd., Bd. III, § 291, S. 108. 5 Ebd., Bd. III, § 291, S. 109. 6 Siehe Edmund Husserl, Aufsätze und Rezensionen (1890–1910), Husserliana XXII, hrsg. von Bernhard Rang (Den Haag 1979); dieser Band enthält zahlreiche Texte mit
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Untersuchungen kulminierte. Husserls erstes philosophisches Projekt war die Entwicklung einer Philosophie der Mathematik von einem vorwiegend Brentano’schen Gesichtspunkt aus. Sein erstes Buch, der erste Band der Philosophie der Arithmetik, war diesem Forschungsgebiet gewidmet und bestand aus psychologischen und logischen Untersuchungen.1 Als Husserl sich für den zweiten Band (den er nicht mehr verfasste) mehr mit logischen Untersuchungen beschäftigte, machte er sich mit den wichtigsten logischen Werken jener Zeit vertraut, z. B. mit den Werken von Christoph Sigwart,2 Benno Erdmann3 und Theodor Lipps.4 Beim Studium der Werke verschiedener Logiker wuchs allerdings Husserls Unzufriedenheit mit der Logik und Erkenntnistheorie seiner Zeit. „Von der Logik überall im Stiche gelassen, wo ich Aufschlüsse in Beziehung auf die bestimmten Fragen erhoffte“, sagt er später im Rückblick, „ward ich endlich gezwungen, meine philosophisch-mathematischen Untersuchungen ganz zurückzustellen, bis es mir gelungen sei, in den Grundfragen der Erkenntnistheorie und in dem kritischen Verständnis der Logik als Wissenschaft zu sicherer Klarheit vorzudringen.“5 Husserls erste Forschungsarbeiten im Gebiet der Logik waren noch psychologisch bestimmt und stark von Brentano und Stumpf beeinflusst, wie sich in seinen 1894 erschienenen „Psychologische Studien zur elementaren Logik“ zeigt.6 Im zweiten Teil dieser Studien
logischen Themen, die Husserl in den 1890er Jahren verfasste und in denen er oft auf die Schriften anderer Logiker Bezug nahm. 1 Siehe Edmund Husserl, Philosophie der Arithmetik (1890–1901), Husserliana XII, hrsg. von Lothar Eley, Den Haag 1970. 2 Siehe Christoph Sigwart, Logik, 2 Bde., Tübingen 1889/1893 (2. Auflage). In Husserls Bibliothek befindet sich ein Exemplar dieses Werkes, dessen erster Band zahlreiche Anstreichungen und Annotationen von Husserls Hand enthält. Siehe unten S. 31. 3 Siehe Benno Erdmann, Logische Elementarlehre, Halle 1892. In Husserls Bibliothek befindet sich ein Exemplar dieses Werkes, das von Husserl mit Anstreichungen und Annotationen versehen wurde. Siehe auch unten S. 45, 67. 4 Siehe Theodor Lipps, Grundzüge der Logik, Hamburg/Leipzig 1893. In Husserls Bibliothek befindet sich ein Exemplar dieses Werkes mit Annotationen und Anstreichungen. Siehe unten S. 64. 5 Husserliana XVIII, S. 7. 6 „Psychologische Studien zur elementaren Logik“, Philosophische Monatshefte 30, 1894, S. 159–191. Dieser Artikel ist wiederabgedruckt in Husserliana XXII, S. 92–123.
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beschäftigt Husserl sich insbesondere mit Anschauung und Repräsentation, einer Unterscheidung, die weitgehend der Unterscheidung Brentanos zwischen eigentlicher und uneigentlicher Vorstellung entspricht.1 Die Absicht, seine deskriptiv-psychologischen Untersuchungen auf die Urteilstheorie auszuweiten, wurde ansatzweise schon in den Jahren 1893 und 1894 realisiert, wie die Texte Nr. 1 und Nr. 2 zeigen. Während Husserl sich in solchen Untersuchungen offensichtlich mit dem Akt des Urteilens beschäftigt, macht er, wie wir noch sehen werden, in dieser Phase der Entwicklung seiner Urteilstheorie bereits Gebrauch vom Begriff des Sachverhalts. In den späten 1890er Jahren wandte sich Husserl vom streng deskriptiv-psychologischen Vorgehen in der Logik und insbesondere in der Urteilstheorie ab. Das „Urteilsproblem“ ist, wie er Ende 1896 erklärt, nicht ausschließlich ein Problem der deskriptiven oder gar eines der genetischen, sich mit den Gesetzlichkeiten der psychischen Entwicklung beschäftigenden Psychologie, denn „die im engsten (d. h. nicht erkenntnistechnischen) Sinn des Wortes logischen Fragen“ sind solche, „welche nicht mit den Urteilen als individuellen Vorkommnissen zu tun haben, sondern mit deren objektivem Gehalt, der in unzähligen individuellen Fällen identisch derselbe sein kann und der als dieses identisch Eine Gegenstand der logischen Betrachtung ist.“2 1 In seinen Vorlesungen aus der zweiten Hälfte der 1880er Jahre sagt Brentano: „Uneigentlich stellen wir solches vor, wovon wir keine genau entsprechende Vorstellung haben und oft auch nicht haben können. Wir nennen es, verstehen aber selbst den Namen nicht recht, während wir ihn nennen. a) Hierher gehört z. B. die inadäquate Weise, wie wir Gott vorstellen durch Analogien, die wir kreatürlichen Dingen entnehmen. Wir bestimmen mit dem Namen Gott das, worauf unsere Analogien zielen. Was das aber ist, entzieht sich unserer Vorstellung. Wir wissen eigentlich nicht, was ‚Gott‘ heißt (verstehen den Sinn des Namens ‚Gott‘ nicht). […] Ähnlich mag der Blinde von der Farbe sprechen. […] b) Ähnlich ist es aber auch, wenn wir Gegenstände nennen, deren einzelne Merkmale wir wohl fassen könnten, die aber wegen ihrer Komplikation für uns nicht mehr vorstellbar sind. Eine Million, eine Billion können wir nicht eigentlich mehr vorstellen, und nennen sie, ohne den Namen genau zu verstehen“ (unveröffentlichtes Manuskript EL 80/13057). In Husserls frühesten philosophischen Untersuchungen spielt diese Unterscheidung eine entscheidende Rolle. Siehe Carlo Ierna, „The Beginnings of Husserl’s Philosophy, Part 1: From Über den Begriff der Zahl to Philosophie der Arithmetik“, in: The New Yearbook for Phenomenology and Phenomenological Research, Bd. 5, 2005, S. 1–52. 2 Husserliana XXII, S. 370 f. Husserl ist hier damit beschäftigt das „Urteilsproblem“
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In seinen 1896 gehaltenen Vorlesungen über Logik spielt erstmals der Begriff des objektiven Gehalts bzw. des Satzes eine zentrale Rolle.1 Der zweite Teil der elementaren Logik, traditionell die Lehre vom Urteil, ist nun explizit Sätzen gewidmet und nicht Urteilen im Sinne von realen psychischen Erlebnissen.2 Wie der Gebrauch des Begriffes „Satz“ im Sinne von „objektiver Gehalt“ andeutet, ist der Denker, unter dessen Einfluss Husserl hier steht, „der treffliche Bolzano, aus dessen Wissenschaftslehre in Sachen der deskriptiven Grundlegung der formalen Logik mehr zu lernen ist als aus allen übrigen logischen Werken alter und neuerer Zeit zusammengenommen“.3 Während somit der zweite Teil der elementaren Logik nun eine „Logik des Satzes“ und nicht eine „Psychologie des Urteils“ ist,4 so bedeutet das keineswegs, dass Husserl sich in den späten 90er Jahren nicht mehr mit den psychologischen Aspekten der Urteilstheorie beschäftigte. Die Urteilsakte in ihren Vollzugsweisen blieben für Husserl ein wichtiges logisch-erkenntnistheoretisches Forschungsthema, auch nachdem er in der Vorlesung von 1896 den Begriff des objektiven Urteilsgehalts eingeführt hatte. So heißt es in seiner im Wintersemester 1898/99 unter dem Titel „Erkenntnistheorie und Hauptpunkte der Metaphysik“ gehaltenen Vorlesung:5 „Die Erkenntnis ist ein Urteil, und Urteile sind psychische Erlebnisse […].“6 In dieser Vorlesung verwendet Husserl im übrigen nicht nur den Begriff des Satzes, sondern auch den des Sachverhalts. Unter „Sachverhalt“ versteht er allerdings jetzt nicht mehr wie Stumpf den Inhalt eines Urteilsaktes; vielmehr
in drei verschiedene Gebiete aufzuteilen, um die Konfusionen zu vermeiden, die er z. B. im Werk von Hans Cornelius Versuch einer Theorie der Existentialurteile (München 1894) findet. 1 Siehe Husserliana-Materialien I. 2 Das bedeutet nicht, dass Husserl nicht manchmal mit dem Ausdruck „Urteile“ auf Sätze Bezug nimmt. 3 Husserliana-Materialien I, S. 96. Frege, der heute als der Begründer der modernen Logik und als wichtigster Kritiker der psychologistischen Tendenzen in der Logik gilt, wird in der Vorlesung nur einmal beiläufig erwähnt (S. 34). 4 Siehe ebd., S. 199. 5 Ein Teil dieser Vorlesung ist veröffentlicht in: Edmund Husserl, Allgemeine Erkenntnistheorie. Vorlesung 1902/03, Husserliana-Materialien II, hrsg. von Elisabeth Schuhmann, Dordrecht/Boston/London 2001, S. 225–255. 6 Ebd., S. 235 f.
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sind Sachverhalte für Husserl nun Gegenstände in einem sehr weiten Sinne und gehören als solche in das Gebiet der formalen Ontologie.1 Auf dem Hintergrund der soeben skizzierten Entwicklung der Husserl’schen Urteilstheorie vor 1900 sollen im Folgenden einige Besonderheiten hervorgehoben und näher betrachtet werden, die in den im ersten Teil des vorliegenden Bandes veröffentlichten Texten zu finden sind. * In Text Nr. 1 beschäftigt sich Husserl anfangs mit den auf Urteile anwendbaren Modalitäten „Möglichkeit“ und „Notwendigkeit“, ferner mit dem hypothetischen Urteil („Wenn A, dann B“) und insbesondere auch mit dem kausalen Urteil („Weil A, B“). Der deskriptivpsychologische Rahmen, in dem Husserl sich hier bewegt, ist größtenteils von Brentano übernommen (davon zeugt z. B. seine Bereitschaft, Anerkennen und Verwerfen als elementare Urteilsakte zu betrachten sowie seine explizite Berufung auf Brentano bei der Erörterung des Begriffs der Motiviertheit).2 Von besonderem Interesse ist die Formulierung des Begriffs des objektiven Urteils im Zuge von Husserls Unterscheidung zwischen zwei Arten von Gewissheit. Gewissheit tritt zum einen auf als „schlichte Affirmation oder Negation […], die von keinem Zweifel benagt ist“, und ist als solche „ein deskriptiv psychologischer Charakter des einzelnen Urteilsaktes“; dagegen besteht eine Gewissheit der zweiten Art bei einem Urteil, das eine kritische Prüfung bestanden hat, und „betrifft […] das in wiederholten Akten identifizierte und damit zugleich objektivierte Urteil“.3 Obwohl der Begriff des Urteils sowohl in diesem Sinne als auch im Sinne von Bolzanos Terminus „Urteil an sich“4 nahelegt, dass Husserl hier bereits über den Begriff des Satzes verfügt, den wir später in seiner Vorlesung von 1896 finden, neigt er in diesem Text dazu, Satz und Sachverhalt zu identifizieren; ferner hält er daran fest, dass der Sachverhalt vom konkreten Phänomen des Urteilens ab1
Husserliana-Materialien I, S. 50 ff. Unten S. 14 ff. 3 Unten S. 5 f. 4 Siehe unten S. 29. Bolzano sprach nur vom „Satz an sich“ und von „Vorstellung an sich“. 2
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strahiert ist.1 Dieser Begriff von Sachverhalt zeigt beträchtlich mehr Verwandtschaft mit Stumpf als mit Bolzano, insofern es sich nämlich bei ihm um einen deskriptiv-psychologischen Begriff handelt. Ein anderer wichtiger Aspekt von Text Nr. 1 hat mit der Tatsache zu tun, dass Husserl dieses Manuskript 1902 an Alexius Meinong schickte, kurz nachdem er dessen Buch „Über Annahmen“ gelesen hatte.2 Dieser Text wie auch ein anderes Manuskript, das Husserl in dieser Zeit an Meinong schickte,3 macht klar, dass Husserl schon einige Jahre vor dem Erscheinen von Meinongs Werk das Phänomen der Annahme erforscht hat; und er wird auf dieses Phänomen im Laufe der Entwicklung seiner Urteilstheorie immer wieder zurückkommen. Im Unterschied zu einem Urteil beinhaltet eine Annahme weder eine Anerkennung noch eine Verwerfung hinsichtlich des betreffenden Sachverhalts.4 Darüber hinaus behauptet Husserl, dass eine Annahme ganz wie ein Urteil objektiviert werden kann, mit dem Ergebnis, dass man von derselben, in verschiedenen Akten des Annehmens identisch auftretenden Annahme sprechen kann. In diesem Zusammenhang sind Husserls Untersuchungen zur Bestimmung der Hypothesen in Text Nr. 1 insofern von großem Interesse, als Hypothesen mit Annahmen eng verwandt sind bzw. solche einschließen. In Text Nr. 2, der im Wintersemester 1893/94 geschrieben wurde,5 widmet Husserl der Unterscheidung zwischen eigentlichen und uneigentlichen Urteilen große Aufmerksamkeit. Während Husserl die Unterscheidung zwischen eigentlichen und uneigentlichen Vorstellungen im zweiten Teil der Artikelfolge „Psychologische Studien der elementaren Logik“ sowie in einem unpublizierten Text behandelt 1
Unten S. 28 f. Husserls eigenes Exemplar dieses Werkes (Leipzig 1902) ist stark annotiert und mit vielen Anstreichungen versehen. Zu Husserls Beziehung zu Meinong und insbesondere zu seiner Reaktion auf dieses Werk siehe Robin D. Rollinger, Husserl’s Position in the School of Brentano, S. 155–208. 3 Siehe Husserliana XXII, S. 303–348. Siehe auch „Husserls Abhandlung ‚Intentionale Gegenstände‘. Edition der ursprünglichen Druckfassung“, hrsg. von Karl Schuhmann, Brentano Studien 3 (1990/91), S. 137–176. 4 Siehe S. 18 f. 5 Obwohl sich nicht mehr feststellen lässt, ob dieser Text vor oder nach Text Nr. 1 verfasst wurde, deutet die Tatsache, dass Husserl in Text Nr. 2 Brentanos Urteilstheorie kritisiert, aber in Text Nr. 1 keinerlei Neigung zu einer derartigen Kritik zeigt, darauf hin, dass diese beiden Texte im vorliegenden Band in der richtigen zeitlichen Ordnung publiziert sind. 2
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hatte, der in dasselbe Themengebiet gehört,1 weitet er seine Untersuchungen in Text Nr. 2 auf die Sphäre der Urteile aus, bei denen er auf eine analoge Unterscheidung und dadurch auf den Begriff des Sachverhalts stößt. Obwohl auf den ersten Blick für Husserl das vorgestellte Urteil identisch zu sein scheint mit einem Sachverhalt,2 bleibt die Frage der Identität oder Nichtidentität von beidem letztlich offen. Husserl vertritt die Meinung, dass ein und derselbe Sachverhalt zu Akten verschiedener Art gehören kann, nicht nur zu Urteilen, sondern auch zu Fragen, Wünschen, Vermutungen etc.3 In dieser Hinsicht wird ein Sachverhalt als ein Abstraktum behandelt, das als solches auf ein anderes, es zu einem Konkretum ergänzendes Moment angewiesen ist,4 z. B. auf ein Moment, das es zu einem Akt eines Urteils, einer Frage, eines Wunsches, einer Vermutung etc. vervollständigt. Diese Konzeption von Sachverhalt wirft eine andere wichtige Frage auf, nämlich die Frage, in welcher Beziehung ein Sachverhalt zu bloßen Repräsentationen steht. In diesem Zusammenhang kommt Husserl zu dem Schluss: „Das bloße Vorstellen heißt hier also bloße Heraushebung des Sachverhalts in der Weise, wie er allen Urteilen oder verwandten Phänomenen zugrunde liegt.“5 Zerlegt Husserl Urteile wie auch andere Akte, die bloße Vorstellungen enthalten, in zwei unselbständige Momente, so handelt es sich dabei keineswegs um die von Brentano behauptete Doppelheit der Vorstellung eines Objekts einerseits und der Anerkennung bzw. Verwerfung des vorgestellten Gegenstands andererseits. Er könne, erklärt Husserl, im urteilenden
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Siehe Husserliana XXII, S. 269–302. Siehe S. 45 f. 3 Den Begriff des Sachverhalts, demzufolge Akte verschiedener Art, nicht nur Urteile, etwas gemeinsam haben, hat Husserl wohl von Benno Erdmann übernommen, obwohl der Sachverhaltsbegriff in Text Nr. 2 und in den Beilagen I–IX eng verwandt mit demjenigen zu sein scheint, der Husserl aus Stumpfs Logikvorlesungen bekannt war. 4 Siehe Husserliana XXII, S. 92–100. 5 Siehe S. 50. Obwohl dieser Punkt in Text Nr. 2 deskriptiv geklärt wird, wird eine eng verwandte genetische Theorie in Beilage IV formuliert: „Also genetisch ist das Urteil früher da als die ‚bloße Vorstellung‘, und diese ist eine psychologische Modifikation des Urteils, ist vorgestelltes Urteil im Gegensatz zum wirklich gefällten Urteil. Vergleichen wir beide, so finden wir dieselben Gegenstände, Merkmale, Beziehungen, aber das eine Mal als seiend gedacht, das andere Mal als seiend bejaht.“ 2
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Bewusstsein eine solche Doppelheit nicht finden;1 vielmehr trete im Falle bestimmter Anschauungen, nämlich bei Wahrnehmungen und Erinnerungen, das darin Gegebene mit dem Charakter des wirklich Seienden bzw. des wirklich gegeben Gewesenen auf (es hat die „Beschaffenheit des Seins“) und dieser Seinscharakter sei auch dann gegeben, wenn kein Urteilen auftritt.2 Diese Abwendung von der Brentano’schen Bestimmung des Urteils als Anerkennen oder Verwerfen einer Vorstellung nimmt die wichtigsten, von Husserl in der fünften Logischen Untersuchung (III.–V. Kapitel) gegen Brentanos Vorstellungs- und Urteilslehre entwickelten Argumente vorweg. Im Gegensatz nun zur Vorstellung im Sinne Brentanos ist ein Sachverhalt ein Abstraktum (ein unselbständiger Teil eines Ganzen) und kann als solches nicht selbständig auftreten.3 In diesem Punkt steht Husserl Stumpf nahe, der den Sachverhalt als Inhalt des Urteils und nicht als etwas außerhalb seiner Liegendes auffasste. Ein anderer wichtiger Aspekt von Text Nr. 2 ist, dass Husserl hier eine Unterscheidung macht, die auch weiterhin im Brennpunkt seiner Urteilstheorie steht, nämlich die Unterscheidung zwischen vorgestellten Urteilen und Urteilen in der Phantasie. Die letzteren, sagt Husserl, „dienen dazu, mein Phantasma zu klassifizieren und zu benennen, und vielleicht wurde mittels ihrer das Phantasma erst gebildet“.4 Insofern sind sie wirkliche, aktuell vollzogene Urteile und nicht nur vorgestellte. Text Nr. 3 basiert auf verschiedenen thematisch eng verwandten Manuskripten; sie beschäftigen sich alle in der einen oder anderen Weise mit dem Existentialurteil und wurden wahrscheinlich in den späten 1890er Jahren geschrieben. „Das Existenzprädikat“, sagt Husserl, „hat eben eine ganz exzeptionelle Bedeutung für die
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Siehe S. 42. Siehe S. 42. Vgl. S. 51 unten: „Die Erinnerungsphantasmen sind ursprünglich jedenfalls sehr lebhaft und haben den Seinscharakter.“ Siehe auch, S. 56 unten: „Erinnerung teilt in gewisser Hinsicht den Anschauungscharakter (Seinscharakter).“ 3 In dieser Hinsicht verweist der Begriff des Sachverhalts in Text Nr. 2 auf den Begriff der Materie in den Logischen Untersuchungen (Husserliana XIX/1, S. 441 ff.). Aber Husserls Anzeige eines Sachverhalts mittels einer „dass“-Phrase, wie z. B. in dem Urteil oder der Vermutung, dass der Ofen heiß ist (siehe unten S. 45), stimmt nicht mit seinem späteren Begriff von Materie überein. 4 Unten S. 47. 2
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Logik.“1 Es ist umstritten, ob man von existentialen Prädikaten oder von existentialen Urteilen im Sinne von prädikativen Urteilen sprechen kann. Husserl behandelt existentiale Urteile zwar als prädikative Urteile, aber er macht deutlich, dass die fraglichen Prädikate eine eigentümliche Natur haben, wenn er sagt: „In allen Fällen können wir, den Sinn des Existentialurteils umschreibend, sagen: Die Formel ‚A existiert nicht‘ hat den Sinn ‚Was A vorstellt, existiert nicht‘, ‚So etwas wie A, ein A existiert nicht‘“.2 Folglich gilt, wie Husserl näher ausführt, dass im positiven Existentialurteil weder die Vorstellung noch der Gegenstand „anerkannt“ wird, sondern der Gegenstand der Vorstellung als solcher, d. h. der vorgestellte Gegenstand als solcher.3 In Text Nr. 3 wird der Begriff des Satzes von dem des Sachverhalts unterschieden, so z. B. in Husserls Aussage: „Die Wahrheit ist nicht Beschaffenheit des Sachverhalts, sondern des Satzes“.4 In diesem Text geht Husserl aber nicht auf die verschiedenen Weisen ein, in denen sich Urteilsakte auf Sachverhalte und Sätze beziehen. Ausführungen hierzu finden sich in den aus den späten 1890er Jahren stammenden und damit in die Entstehungsphase der Logischen Untersuchungen fallenden Manuskripte, die Text Nr. 4 und den Beilagen IX–XXII zugrunde liegen. Es ist möglich, sagt Husserl, dass es zwei Wahrheiten (d. h. zwei wahre Sätze) gibt und nur einen ihnen entsprechenden Sachverhalt.5 So sind z. B. der Satz „2 × 2 = 4“ und der Satz „4 = 2 × 2“ zwei verschiedene Wahrheiten. Sie sind natürlich äquivalent, weil sie beide denselben Sachverhalt vorstellen. Darüber hinaus macht Husserl die wichtige Bemerkung, dass ein Sachverhalt nicht nur in einem Satz, sondern auch in einer nominalen Vorstellung vorgestellt werden kann und als so vorgestellter ein Gegenstand ist.6 Demnach kann man auf den eben genannten Sachverhalt Bezug nehmen, indem man von der Äquivalenz von 4 und 2 × 2 spricht. Ebenso kann 1
Siehe S. 76. In der Vorlesung über Logik von 1896 sagt Husserl, „dass der Existenzbegriff nicht einen logisch nebensächlichen Charakter hat, wie etwa der Begriff Farbe oder Pferd, sondern einen der logischen Grundbegriffe darstellt, analog wie der Begriff der Wahrheit“ (Husserliana-Materialien I, S. 215). 2 Siehe S. 78. 3 Siehe S. 78. 4 Siehe S. 73. 5 Siehe S. 101. 6 Siehe S. 111 ff. Vgl. S. 103 unten: „[…] ein Sachverhalt kann indirekt vorgestellt, z. B. genannt sein (der Satz des Pythagoras)“.
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man einen Sachverhalt mit Hilfe einer „dass“-Phrase vorstellen, die ebenfalls die Funktion eines Subjektausdrucks übernehmen kann. Die Beziehung zwischen dem Urteilsakt und dem Sachverhalt wird in einigen der Beilagen zu Text Nr. 4 geklärt. Husserl zufolge ist der Sachverhalt dasjenige, was in einem Akt des Urteilens erscheint.1 Wenn jemand z. B. urteilt „2 × 2 = 4“, so ist es der Sachverhalt, dass 2 × 2 gleich 4 ist, der dem urteilenden Bewusstsein erscheint. Nicht aber ist der Satz dasjenige, was erscheint (zumindest unter normalen Umständen). Der Satz ist vielmehr auf die Akte des Urteilens so bezogen, wie eine Spezies auf die Individuen bezogen ist, in denen sie sich vereinzelt. Der Sachverhalt ist dagegen das Gesamtobjekt des Urteils, das im Akt des Urteilens jeweils Vermeinte und nicht die Spezies des betreffenden Urteilsaktes. In Text Nr. 5 unterscheidet Husserl zwischen Urteil als Prädikation, auch „Aussage“ genannt, und Urteil im Sinne der „absoluten“ Setzung, die in der Wahrnehmung, in der Erinnerung und in gewissen nominalen Akten vorkommt. Dieser Text ist auch deswegen interessant, weil Husserl darin die Ansicht vertritt, die sich weder in den Logischen Untersuchungen noch in einer seiner frühen Schriften findet, dass es sowohl negative wie positive Sachverhalte gibt. Husserl vertritt diese Auffassung auch in Text Nr. 6;2 er lehnt jedoch die These ab, dass die Negation zu der Materie des Urteils in dem Sinne gehört, dass das negative Urteil in einer bloßen Vorstellung fundiert wäre, die die Negation enthält. In Text Nr. 7 weicht Husserl von seiner früheren Ansicht ab, dass im Falle äquivalenter Sätze nur ein einziger Sachverhalt vorhanden sei, und vertritt nun die Auffassung, dass die Ausdrücke „a rechts von b“ und „b links von a“ verschiedene Sachverhalte darstellen.3 Was diese beiden Sachverhalte gemeinsam haben, nennt Husserl einfach „Sache“. Im selben Text betont Husserl, dass seine Ansicht, dass der Satz eine Spezies des Urteils ist, die Beziehung zwischen dem Satz und dem Akt des Urteilens viel genauer bestimmt als die in Bolzanos „Wissenschaftslehre“ zu findende These, wonach der Satz der Stoff des Urteils ist. Während Bolzano die Beziehung zwischen Satz an sich 1 2 3
Siehe unten S. 111 ff. Siehe unten S. 132 f. Siehe S. 134.
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und Akt des Urteilens bzw. die Beziehung zwischen Vorstellung an sich und Akt des Vorstellens als eine Beziehung sui generis betrachtet hatte, war sie für Husserl in diesem Entwicklungsstadium seiner Bedeutungs- und Urteilstheorie eine Art von Beziehung, die auch in vielen anderen Fällen vorkommt, wie z. B. bei der Beziehung der Spezies „Röte“ zu den sie exemplifizierenden individuellen Rotmomenten. * Die Entwicklung von Husserls logischen und erkenntnistheoretischen Forschungen in seiner Göttinger Zeit zwischen der Erstveröffentlichung der Logischen Untersuchungen und ihrer Überarbeitung für die zweite Auflage 1913/141 wurde unter verschiedenen Aspekten schon anderweitig dargestellt.2 Darum genügt es hier diese Entwicklung im Blick auf die im zweiten Teil des vorliegenden Bandes veröffentlichten Texte aus den Jahren 1908 bis 1911 zu betrachten. Dies soll im Folgenden mit besonderer Rücksicht auf jüngst in der Husserliana erschienene Texte geschehen. In den Logischen Untersuchungen legte Husserl großen Nachdruck darauf, dass es die Logik mit Bedeutungen zu tun hat (unter denen sich auch die Sätze befinden) und dass diese als allgemeine Spezies von Urteilsakten – ungleich den Urteilsakten, in denen sie sich vereinzeln – ideale und nicht reale Objekte sind,3 was bedeutet, dass die Objekte der Logik zeitlose Gegenständlichkeiten sind. Die einseitig „noetische“ Auffassung vom Urteil als idealer Aktspezies hat Husserl 1908 in seinen Vorlesungen über Bedeutungslehre durch eine 1 Zu dieser Überarbeitung siehe die „Einleitung des Herausgebers“ von Edmund Husserl, Logische Untersuchungen. Ergänzungsband. Erster Teil. Entwürfe zur Umarbeitung der VI. Untersuchung und zur Vorrede für die Neuauflage der „Logischen Untersuchungen“ (Sommer 1913), Husserliana, XX/1, hrsg. von Ullrich Melle, Dordrecht 2002. 2 Siehe insbesondere die „Einleitung des Herausgebers“ in den folgenden Bänden: Edmund Husserl, Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie. Erstes Buch: Allgemeine Einführung in die reine Phänomenologie. 1. Halbband: Text der 1.–3. Auflage, Husserliana III/1, neu hrsg. von Karl Schuhmann, Den Haag 1976 und Edmund Husserl, Einleitung in die Logik und Erkenntnistheorie, Husserliana XXIV, hrsg. von Ullrich Melle, Dordrecht 1984. 3 Husserliana XIX, S. 97–101.
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„noematische“ Auffassung ergänzt.1 Die „noematische“ Bedeutung, die Husserl in den Vorlesungen noch „phänomenologische“ bzw. „ontische“ Bedeutung nennt und die er von der „phänologischen“, „phanseologischen“ bzw. „phansischen“ Bedeutung unterscheidet,2 ist nicht wie die phansische eine Aktspezies oder die Spezies irgendeines Aktteils; sie ist vielmehr die „Gegenständlichkeit in d er Weise, wie sie bedeutet ist“.3 Die Bedeutung in diesem Sinn muss streng unterschieden werden von dem Gegenstand schlechthin, wobei Husserl diesen Unterschied an einem Beispiel, das er auch schon in den Logischen Untersuchungen benutzt hatte, klarmacht: Die Ausdrücke „der Sieger von Jena“ und „der Besiegte von Waterloo“ nehmen auf ein und denselben Gegenstand schlechthin Bezug, aber sie haben verschiedene Bedeutungen. In derselben Vorlesung von 1908 führt Husserl die wichtige Unterscheidung zwischen Sachverhalt und Sachlage ein.4 In den Fällen, in denen er zuvor von ein und demselben Sachverhalt gesprochen hatte, der zwei verschiedenen, aber äquivalenten Satzbedeutungen korrespondiert, z. B. den Satzbedeutungen „a < b“ und „b > a“, schlägt er nun vor, von ein und derselben Sachlage gegenüber zwei verschiedenen äquivalenten Sachverhalten zu sprechen.5 Bei der Lektüre der im zweiten Teil des vorliegenden Bandes veröffentlichten Texte muss man jedoch vorsichtig sein, denn Husserl benutzt die fraglichen Ausdrücke nicht immer so, wie er sie in der Vorlesung von 1908 eingeführt hatte. Der Begriff des Noema und seine Rolle in der Erkenntnistheorie, insbesondere in Hinsicht auf urteilstheoretische Betrachtungen, findet sich breit ausgearbeitet in einer Vorlesung, die Husserl zum 1 Die Entwicklung von Husserls neuer Bedeutungslehre in den Jahren 1908–1910 ist in Husserliana XXVI dokumentiert. 2 Die Termini „phänologisch“ bzw. „phanseologisch“ und „phänomenologisch“ wurden 1908 in der Vorlesuung gebraucht, aber später von Husserl durch die eingefügten synonymen Termini „phansisch“ und „ontisch“ ergänzt. Siehe Husserliana XXVI, S. 224. Auch in einigen der im vorliegenden Band veröffentlichten Texte gebraucht Husserl den Terminus „phanseologisch“ statt „phansisch“. Siehe unten S. 254, 326. 3 Husserliana XXVI, S. 28; vgl. auch S. 34 f.: „Man spricht ja von dem intentionalen Gegenstand als solchem oder dem bedeuteten Gegenstand als solchem“. 4 Hier sei an den oben besprochenen Unterschied zwischen Sachverhalt und Sache erinnert (oben S. XXXII). 5 Husserliana XXVI, S. 29 f.
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ersten Mal im Wintersemester 1910/11 unter dem Titel „Logik als Theorie der Erkenntnis“ hielt, in den Wintersemestern 1912/13 und 1914/15 unter dem Titel „Logik und die Einleitung in die Wissenschaftslehre“ wiederholte und schließlich 1917/18 als „Logik und die allgemeine Wissenschaftstheorie“ zum letzten Mal hielt.1 Als Husserl Erkenntnisse noch als Urteile im Sinne psychischer Erlebnisse verstand, setzte er Erkenntnis mit Erkennen gleich und dieses wiederum identifizierte er mit dem evidenten Urteilen. In der Vorlesung „Logik und die allgemeine Wissenschaftstheorie“ heißt es jedoch: „Das Wort Erkenntnis ist zweideutig: es bedeutet einmal das Erkennen, das andere Mal das Erkannte, so wie es erkannt ist. Ebenso ist […] das Wort Aussage, Urteil zweideutig: einmal das Aussagen, das Urteilen, Prädizieren, das andere Mal die Aussage, das Urteil, der Satz“.2 Diese Unterscheidung wird klarer, wenn man in Betracht zieht, dass „das Urteilen, das subjektive Bewußtsein des ‚So ist es!‘, in einer ganz anderen Blickrichtung liegt und sonach ganz anders zum Gegenstand für uns wird als das Urteil im zweiten Sinn, das geurteilte, vermeinte Was“.3 Wurde die Verwendung des Begriffes „Satz“, so wie ihn Husserl in den 1890er Jahren und zu Beginn des 20. Jahrhunderts verstand, von ihm zunächst auf das Gebiet der reinen Logik beschränkt, ändert sich das nach 1908 ganz wesentlich. Auch die Erkenntnistheorie im Sinne einer Wissenschaftstheorie beschäftigt sich jetzt mit Sätzen, und zwar mit Sätzen, im Sinne der „noematischen“ Bedeutungslehre, wonach „Satz“ soviel bedeutet wie „Geurteiltes als solches“.4 Daher ist Husserls Behandlung der Urteilstheorie in den oben genannten Vorlesungen nicht länger unterteilt in eine streng logische auf der einen Seite und eine erkenntnistheoretische auf der anderen.5 Man findet 1
Husserliana XXX, S. XV. Der Haupttext dieser Edition ist die Fassung der Vorlesung, die Husserl 1917/18 vortrug; einzelne Stücke der Fassung von 1910/11 finden sich in den Beilagen des Bandes. 2 Husserliana XXX, S. 28. 3 Husserliana XXX, S. 41. 4 Diese Vorlesung beschäftigt sich nur mit Urteilen im Sinne höherer Akte und ihren noematischen Korrelaten, also nicht mit niederen Akten wie z. B. Wahrnehmungen, und zwar wohl darum, weil Husserl diese Vorlesung unter dem Titel „Wissenschaftstheorie“ und nicht unter dem Titel „Erkenntnistheorie“ angekündigt hatte. 5 Jedoch noch im Wintersemester 1908/09 las Husserl über Logik im engeren Sinn, ohne in ausgedehnte erkenntnistheoretische Betrachtungen einzutreten. Siehe
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in diesen Vorlesungen zur „Formenlehre“ gehörige Ausführungen, in denen die verschiedenen Urteilsformen behandelt werden, also Ausführungen, wie wir sie auch im zweiten Teil einer traditionellen elementaren Logik finden; ferner bieten diese Vorlesungen Erörterungen zum Wesen der Schlüsse und Beweise, die dem dritten Teil der elementaren Logik entsprechen. Der Schlussteil der Vorlesungen beschäftigt sich dann aber mit den eigentlich erkenntnistheoretischen Fragen und rückt zuletzt die Evidenz der Urteile ins Zentrum. Im Folgenden sollen nun einige der wichtigsten Aspekte der im zweiten Teil des vorliegenden Bandes publizierten Texte behandelt werden. * Die Texte Nr. 8 und Nr. 9 stehen in enger Beziehung zueinander und wurden wahrscheinlich beide 1910 geschrieben. In beiden Texten, die Husserl als eine „Serie“ bezeichnete,1 versucht er im Zuge seiner Bemühungen, den eigentlichen Gegenstand der reinen Logik zu bestimmen sowie den Begriff des Was eines Urteils und andere damit eng verwandte Begriffe zu klären. In Text Nr. 8 betrachtet Husserl Sachverhalte nicht als Objekte der Logik. Das Gesetz des zu vermeidenden Widerspruchs z. B. kann, wie er erklärt, nicht als ein Gesetz für Sachverhalte formuliert werden: „Man kann sagen ‚Von zwei kontradiktorischen Urteilen ist eines wahr und eines falsch‘. Von Sachverhalten kann man das nicht sagen. Kontradiktorische Sachverhalte gibt es nicht. Dagegen gibt es kontradiktorische Gedanken und kontradiktorische Sätze.“2 Die Entitäten, die den Gegenstandsbereich der Logik bilden, sind daher Urteile oder Gedanken (d. h. Korrelate eines bloßen Sichdenkens) sowie dasjenige, was Urteile und Gedanken gemeinsam haben und was Husserl „bloße Sätze“ oder auch „Satzinhalte“ nennt.3 Husserl untersucht insbesondere die Weisen, in denen solche bloßen Sätze gegeben sind, nämlich in einer reflexiven Einstellung, die Edmund Husserl, Alte und neue Logik. Vorlesung 1908/09, Husserliana-Materialien VI, hrsg. von Elisabeth Schuhmann, Dordrecht/Boston/London 2003. 1 Siehe S. 157 Anm. 4, 176. 2 Siehe S. 153. 3 Siehe S. 113, 116 Anm. 2, 153 Anm. 1, 154, 176 ff.
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von der Einstellung verschieden ist, in der man urteilend geradehin auf Sachverhalte bezogen ist.1 Ferner beschäftigt er sich hier eingehend mit der Unterscheidung von Urteilen im ontischen Sinn und Urteilen in specie. Mit Blick auf solche Unterscheidungen beantwortet Husserl die Frage nach dem Gegenstand der Logik wie folgt: „Auf vermeinte Sachverhalte bezieht sich die Logik der Sätze.“2 Hier muss betont werden, dass im Ausdruck „vermeinter Sachverhalt“, das Adjektiv modifizierende Funktion hat. Das besagt, dass ein vermeinter Sachverhalt nicht bestehen muss, ja dass er überhaupt kein eigentlicher Sachverhalt sein muss.3 Es handelt sich dabei vielmehr um das Urteil im ontischen Sinn oder den Satz.4 Ein Urteil in diesem Sinne (oder ein vermeinter Sachverhalt) und ein Urteil in specie sind, wie Husserl darlegt, auf ganz verschiedene Weise gegeben. Während eine Reflexion auf ein Urteil oder ein Sich-Hineinphantasieren in ein Urteil genügen, um ein Urteil im ontischen Sinn zur Gegebenheit zu bringen, fordert das Urteil in specie eine Abstraktion, durch die das Allgemeine als ein vom einzelnen Akt des Urteilens Unterschiedenes erfasst wird.5 Das Urteil im ontischen Sinne kann in einem Identitätsurteil gegeben werden, worin ein und dasselbe Urteil als das Gemeinsame verschiedener Urteilsakte einsichtig gesetzt wird. Die Identität, die hierbei erkannt wird, ist jedoch nicht mehr die Identität einer Aktspezies im Verhältnis zu ihren individuellen Vereinzelungen in einzelnen Urteilsakten. Husserls Zurückweisung der Sachverhalte als Gegenstände der Logik wirft das Problem des Verhältnisses von (apophantischer) Logik und formaler Ontologie auf. Apophantische Logik und formale Ontologie stehen für Husserl in einem Verhältnis der Korrelation. Die Unterscheidung zwischen beiden apriorischen Disziplinen hängt von der Unterscheidung zwischen zwei Arten von Kategorien oder
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Urteile über Bedeutungen, sagt Husserl in Text Nr. 8 (S. 161), treten schon in Existentialurteilen auf, wie bereits Sigwart gesehen hat. Siehe seine Charakterisierung dieser Urteile als modifizierende Urteile (S. 74 ff.). Siehe auch oben die Erörterungen zu Husserls Charakterisierung der Existentialurteile in Text Nr. 3. 2 Siehe S. 158. 3 Vgl. S. 152: „Nur ein bestehender Sachverhalt ist ein Sachverhalt.“ 4 Siehe S. 151 ff. 5 Siehe S. 154 ff.
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formalen Begriffen ab: der Unterscheidung zwischen Bedeutungskategorien und Gegenstandskategorien. Während z. B. „Satz“ zu den Bedeutungskategorien gehört, gehören die Begriffe „Gegenstand“, „Sachverhalt“, „Einheit“, „Vielheit“, „Anzahl“, „Beziehung“, „Verknüpfung“ usw. zu den Gegenstandskategorien.1 Husserl war der Ansicht, dass es für beide Kategorientypen apriorische Gesetze gibt. Ferner glaubte er, dass die Gesetze des einen Kategorienbereichs denen des anderen entsprechen.2 Daher gibt es für alle Gesetze der traditionellen Logik, z. B. für das Gesetz des zu vermeidenden Widerspruchs und die Regeln gültigen Schließens, entsprechende formalontologische Gesetze.3 In Beilage XXIII erwägt Husserl verschiedene mögliche Lösungen des Problems, das bei der Anwendung des Gesetzes vom Widerspruch auf Sachverhalte entsteht. In dieser Beilage aber auch in Text Nr. 9 versucht Husserl an der Äquivalenz zwischen den Gesetzen der apophantischen Logik und denen der formalen Ontologie festzuhalten. Wenn Husserl in Text Nr. 9 von dem Gemeinsamen von Urteil im ontischen Sinn und bloßem Gedanken spricht, dann läuft seine Argumentation hier parallel zu seiner früheren Zurückweisung der Aufteilung eines Urteilsaktes in eine bloße Vorstellung auf der einen Seite und in die Anerkennung oder Verwerfung des vorgestellten Gegenstandes auf der anderen Seite. Nun erhebt er Einwände gegen die Ansicht, dass das Urteil im ontischen Sinn den Seinsmodus zu dem Gedanken hinzufüge, als ob ein Urteil einfach ein Gedanke plus Seinsmodus wäre.4 Der Gedanke hat vielmehr als Korrelat eines bloßen Sich-Denkens seinen eigenen positionalen Modus und daher kann nicht zu ihm der positionale Modus des Urteils, der Seinsmodus, einfach hinzugefügt werden. Hatte Husserl in Text Nr. 2 und später in den Logischen Untersuchungen im Hinblick auf die noetische Seite gezeigt, dass der Akt des Urteilens nicht eine bloße Vorstellung plus Urteilscharakter ist, so argumentiert er in Text Nr. 9 im Hinblick auf die noematische Seite analog. Der Inhalt, den ein Urteil und ein Gedanke (z. B. das Urteil „Dieses Papier ist weiß!“ und der Gedanke 1
Vgl. Husserliana XVIII, S. 245. Siehe S. 171. 3 Die Entsprechung der Gesetze in den beiden Gebieten ergibt für Husserl eine Schwierigkeit in Text Nr. 8, die er in Beilage XXIV zu lösen versucht. 4 Siehe S. 171 ff. 2
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„Dieses Papier ist weiß“) gemeinsam haben, ist ein Abstraktum, gerade so wie das bloße Vorstellen ein Abstraktum in Beziehung auf den Akt des Urteilens und den Akt des Annehmens (oder Sichvorstellens) ist. Während sich Husserl in den Texten Nr. 8 und 9 primär mit Urteilen im engeren Sinn beschäftigte, nämlich mit solchen Akten des Fürwahrhaltens, in denen keinerlei Zweifel oder Fragen auftauchen, so weitet er seine urteilstheoretische Forschung in dem wohl 1910 oder 1911 geschriebenen Text Nr. 11 auf Vermutungen und andere modalisierte Urteile aus, die er nun auch zu den Gegenständen der reinen Logik zählt. Auch Vermutlichkeiten als Korrelate von Akten des Vermutens und sogar Fraglichkeiten als Korrelate von Akten des Fragens gehören zum Forschungsbereich der reinen Logik.1 * Auch als Husserl bereits Brentanos These von der Fundiertheit der Urteile in Vorstellungen verworfen hatte, ließ er – und dies ist ein wichtiger Aspekt seiner Urteilstheorie – den vieldeutigen Ausdruck „Vorstellung“ nicht völlig fallen, wie man auch an der aus einer noetischen Perspektive geschriebenen fünften Logischen Untersuchung sehen kann. Obwohl die Texte Nr. 12–14 nach der Einführung des noematischen Bedeutungsbegriffs verfasst wurden, enthalten diese Texte gleichwohl viele weitere Analysen der noetischen Seite der sogenannten bloßen Gedanken.2 In Text Nr. 12 beschäftigt sich Husserl mit „Untersetzungen“, d. h. mit Setzungen, die „in der Sphäre der objektivierenden Akte […] die Gegenstände-worüber ‚konstituieren‘“.3 Solche Akte werden in zwei Grundklassen unterteilt: in setzende und nichtsetzende Akte. Husserl behandelt insbesondere die setzenden Untersetzungen, zu denen er nicht nur die setzenden nominalen Akte rechnet, durch welche Gegenstände als Gegenstände-worüber von Prädikationen konstituiert werden, sondern alle Akte der „Objektsetzung, Voraussetzung,
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Siehe S. 236 ff. Insbesondere diese Texte haben große Ähnlichkeit mit den von Landgrebe in Erfahrung und Urteil publizierten Texten Husserls. 3 Siehe S. 249; auch 253 ff., 289 ff. Vgl. Husserliana XXVI, S. 57–76. 2
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Folgesetzung etc.“, wodurch „die Gegenständlichkeiten, in Betreff deren etwas gesetzt oder vorgestellt ist“ konstituiert werden.1 Im Falle eines setzenden nominalen Aktes, der z. B. durch eine „dass“Phrase zum Ausdruck gebracht wird, behauptet Husserl, dass der betreffende nominale Akt „zurückdeutet“ auf ein Urteil.2 Dies gilt in einem gewissen Sinn auch von der Bezugnahme auf etwas Wahrgenommenes als ein „dies“.3 Die Untersetzung weist in letzterem Fall auf eine Wahrnehmung zurück, obwohl sich dieser Fall wesentlich von dem vorigen Fall unterscheidet, der ganz in der Sphäre der Bedeutung verbleibt. Für Husserl ist es wichtig, hinsichtlich der objektiven Seite verschiedener Arten der Untersetzung zu unterscheiden und z. B. nicht Vordersatz und Nachsatz in einem hypothetischen oder kausalen Urteil mit aus Nominalisierungen hervorgegangenen Satzteilen zu vermengen.4 Gleichwohl bekräftigt Husserl seine früher eingenommene Position, dass ein Urteil in jedem Fall eine nominale Setzung enthält.5 Aber er betont nun, dass dies nicht besagt, dass nominale Setzungen irgendwie den Urteilen vorausgehen, „weil sie Bestandstücke von Urteilen sind und nur in ihnen fungieren“.6 In Text Nr. 13 behandelt Husserl die Beziehung eines Urteils zu Wahrnehmungsvorstellungen. Zu Beginn bemerkt er, dass es eine in der Wahrnehmung selbst liegende Synthesis gibt, z. B. wenn im Zuge einer Dingwahrnehmung Vorderseite und Rückseite desselben Dinges nacheinander gesehen werden.7 Diese Synthesis ist jedoch nicht dieselbe wie diejenige, die in einem Urteil auftritt. Es besteht ein Unterschied zwischen dem Wahrnehmen des Tintenfasses als einer Einheit von Teilen, Aspekten etc. und dem Urteilen, dass dieses Tintenfass die und die Teile, Aspekte etc. hat. Im letzten Fall wird „zunächst auf Subjektsetzung hin eine Prädikatsetzung vollzogen, eine auf die andere ‚gegründet‘“, wogegen die Setzungen, die in der Wahrnehmung vorkommen, nicht in dieser Weise synthetisiert sind.8
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Siehe S. 250. Siehe S. 149. Siehe Beilage XXVII unten, S. 257 ff. Siehe S. 255. Siehe Husserliana XIX/1, S. 480 ff. Siehe S. 257. Siehe S. 260 f. Siehe S. 261.
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Dennoch ist es für Husserl von großem Interesse zu beschreiben, wie das Urteil „aus der Wahrnehmung, aus der Vorstellung ‚bloß explizierend‘ herausnimmt, was gleichsam in ihr schon gegeben war“.1 Aber das Urteil bleibt insofern schöpferisch, als ein kategoriales Bewusstsein von Sein und Sosein allererst in ihm entsteht. Eine andere für Husserl wichtige Unterscheidung ist diejenige zwischen dem Auftreten einer Andersbestimmung innerhalb einer Wahrnehmung und der Form des entsprechenden Urteils (z. B. „S ist nicht P, sondern Q“).2 Der Begriff der Vorstellung wird in diesem Text so erweitert, dass er sowohl Vergegenwärtigungen (z. B. Erinnerungen) als auch Gegenwärtigungen (insbesondere Wahrnehmungen) umfasst. In beiden Fällen ist es möglich, ein Moment der Hinwendung zu identifizieren, welches Husserl als ein von Vorstellungen unterscheidbares Moment bestimmt.3 Auch sind vor jeder innerhalb einer Gegenwärtigung oder Vergegenwärtigung vollzogenen Hinwendung bereits Objekte im jeweiligen Hintergrund präsent. Es gibt auch Akte der Hinwendung, die außerhalb der Sphäre von Vergegenwärtigung und Gegenwärtigung vorkommen, nämlich wenn jemand z. B. auf ein zuvor gefälltes Urteil zurückblickt.4 In den Fällen, wo auf ein früheres Urteil Bezug genommen wird, handelt es sich für Husserl um „Gegenstände, denen man sich erst zuwenden kann, nachdem sie sich in spontanen Akten, die ihrerseits schon Vorstellungen und Zuwendungen voraussetzen, konstituiert haben“.5 Die spontanen Akte, die solche Gegenstände konstituieren, heißen im Unterschied zu den rezeptiven oder schlichten Akten „kategoriale“ Akte. Insofern der Begriff der Vorstellung sowohl kategoriale Akte als auch schlichte Akte umfasst, entspricht er Husserls altem Begriff von nominaler Vorstellung.6
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Siehe S. 261. Siehe S. 262. Siehe S. 263 f. Siehe S. 264. Siehe S. 266 f. Vgl. unten S. 267. Vgl. auch Husserliana XIX/1, S. 474–495.
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Im Text Nr. 14 beschäftigt sich Husserl mit den Unterschieden und Ähnlichkeiten zwischen schlichtem Erfassen und dem Erfassen, das ein beziehendes Denken bzw. eine Prädikation einschließt.1 Im ersten Fall gibt es verschiedene mögliche „Sondererfassungen von Einzelheiten“, während ein und dasselbe Objekt als „Hauptgegenstand“ erfasst bleibt. In der logischen oder prädikativen Objektivation besteht dagegen ein Unterschied „zwischen dem, was in ihr überhaupt im Blick ist, in ihrer objektivierenden Weise bewusst ist (wir werden sagen ‚bewusst ist als T h em a‘), und dem, was dabei im besonderen oder vorzüglichen Sinn Erfasstes ist, worauf die objektivierende ‚Richtung‘, die Richtung der Setzung geht“, und der Zielpunkt dieser Richtung-auf ist „das im Denken nominal Erfasste“.2 Während es Husserls Ansicht nach möglich ist, dass die Themata bei Richtung auf ein und dasselbe Objekt variieren, wie wenn S, welches P ist, identisch ist mit Q, welches R ist, „stehen also nicht die verschiedenen synthetischen Formen, in welchen dasselbe Gegenständliche aufgrund dieses Einheitsbewusstseins fassbar ist (‚S, welches P ist‘, ‚Q, welches R ist‘ und dgl.), auf gleicher Stufe mit den verschiedenen Erscheinungsweisen“.3 Denn diese Erscheinungsweisen werden in keiner Weise erfasst oder objektiviert. Spricht man hingegen von den Themata, so objektiviert man sie nicht nur, sondern man reflektiert auch auf sie, und daher werden sie wieder Objekte einer Richtung-auf.4 Obwohl für Husserl die Erscheinungsweisen in der Wahrnehmung nicht „auf gleicher Stufe“ mit den Themata stehen, behauptet er gleichwohl, dass es auf dem „vorlogischen“ Niveau eine Richtung-auf gibt ähnlich wie auf dem „logischen“. Aus diesem Grund kann ein sogenanntes schlichtes Erfassen mit seinen Explikationen die Grundlage für eine nominale Setzung liefern. Die Texte Nr. 13 und 14 weisen voraus auf die genetische Problematik des Ursprungs des Denkens und seiner Formen in der vorprädikativen Erfahrung, die im Mittelpunkt von Husserls später Urteilstheorie in Form einer transzendentalen Logik steht.
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Vgl. die Unterscheidung, mit der Text Nr. 12 beginnt. Siehe S. 274 f. 3 Siehe S. 275 f. Der Begriff des Themas taucht wieder auf in den Ideen I, § 122 (siehe Husserliana III/1, S. 281). 4 Siehe S. 277 ff. 2
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* In den Texten Nr. 15–17, die wahrscheinlich alle 1908 geschrieben wurden, beschäftigt sich Husserl mit der Einteilung der Urteile in analytische, essentiale und existentiale Urteile. Diese Texte vertiefen Husserls Überlegungen zum Unterschied zwischen Daseins- und Wesensurteilen im letzten Kapitel der Vorlesungen über Bedeutungslehre und liefern wichtige Einsichten in die Entwicklung von Husserls Bedeutungstheorie in ihrer Beziehung zu seiner Urteilstheorie. Sie zeigen, wie schwer es Husserl fiel, ontische Bedeutungen von Wesen zu unterscheiden. In Text Nr. 15 befasst sich Husserl mit der Unterscheidung zwischen Wesens- und Daseinsurteilen, sofern sie als Bedeutungen betrachtet werden. Während er keine Schwierigkeit darin sieht, Wesensurteile (apriorische Urteile) als zu beliebigen Zeitpunkten aktualisierbare ideale Bedeutungseinheiten aufzufassen, erscheint ihm diese Auffassung bei den Daseinsurteilen problematisch. Okkasionelle Ausdrücke fanden schon in der Bedeutungstheorie der Logischen Untersuchungen besondere Aufmerksamkeit;1 das Problem der okkasionellen Ausdrücke stellt sich nun erneut im Zusammenhang mit den sogenannten Daseinssetzungen, die Husserl mit empirischen Setzungen gleichsetzt und die als solche okkasionell sind. Diese okkasionellen Daseinsseinssetzungen mit ihren empirischen Bedeutungen werden von Husserl den reinen Bedeutungen gegenübergestellt, die in den Wesensurteilen zu finden sind und in denen nichts Okkasionelles zu finden ist. In den Texten Nr. 16 und 17 untersucht Husserl das Wesen der analytischen Urteile. Die Erörterung in Text Nr. 16 beginnt mit der Betrachtung einer Aussage wie „Ein rundes Viereck als solches ist rund“. Husserl zufolge ist diese Aussage nicht in derselben Weise wahr wie die Aussage „Ein Rotes ist ein Farbiges“, denn die Wahrheit der letzteren beinhaltet die Möglichkeit der Evidenz durch Anschauung. Während eine Anschauung von etwas Rotem möglich ist, ist es unmöglich, eine Anschauung mit dem Inhalt „ein rundes Viereck“ zu haben. Gleichwohl kann die Aussage „Ein rundes Viereck als solches ist rund“ als wahr angesehen werden und folglich in einem 1
Siehe Husserliana XIX/1, S. 85–92.
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gewissen Sinne evident gemacht werden. Ihre Evidenz ist dieselbe wie diejenige, die bei allen anderen wahren analytischen Aussagen auftritt. So bedarf etwa eine Aussage wie „Ein rotes Haus ist rot“ keiner Anschauung eines roten Hauses, um evident zu sein. Überdies beinhalten analytische Aussagen Gedanken, die als Annahmen oder Voraussetzungen fungieren und in einer hypothetische Form gebracht werden können (das Ergebnis einer solchen Umformulierung ist allerdings nicht völlig identisch, sondern nur äquivalent mit der ursprünglichen analytischen Aussage).1 Da es sogar möglich ist, Absurditäten anzunehmen und zu Einsichten über ihre logischen Folgen zu gelangen, wird es verständlich, wie eine Aussage wie „Ein rundes Viereck als solches ist rund“ in einem gewissen Sinne wahr und evident sein kann. Analytische Urteile haben, sagt Husserl, nicht in demselben Sinne Gegenstände wie Wesens- und Daseinsurteile. Während der Gegenstand eines Wesens- oder Daseinsurteils mit einer Behauptung verknüpft ist, ist der Gegenstand eines analytischen Urteils bloß mit der Voraussetzung eines bestimmten Inhalts verbunden, z. B. der Voraussetzung, es gäbe ein rundes Viereck.2 Folglich ist das Urteil „Ein rundes Viereck als solches ist rund“ nicht etwa ein Urteil über unmögliche Objekte, denn Objekte „zerfallen nicht in mögliche und unmögliche, seiende und nichtseiende, aber die Urteile zerfallen in solche, die einstimmig und widersinnig sind usw.“.3 Für die analytischen Urteile gilt, „dass sie Urteile sind, die Existenz und Möglichkeit ausschalten“, und in diesem Sinne seien sie „gew isserm aß en gegenstandslose Urteile “.4 Im zweiten Teil von Text Nr. 16 kehrt Husserl zur Frage der Evidenz der analytischen Urteile zurück und erklärt, dass sie nur verstanden werden können unter Rückgriff auf den Begriff der logischen Essenz. „Die logische Essenz ‚ein rundes Viereck‘“, so Husserl, „ist also das Gegebene im Urteil ‚Ein rundes Viereck ist als solches rund‘; sie anschauend, finde ich die prädikative Identität mit ‚rund‘.“5
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Siehe S. 320 ff. Vgl. S. 321. Siehe S. 321. Siehe S. 321 f. Siehe S. 326.
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Jeder Bedeutung im „phanseologischen“ Sinn (d. h. als Aktspezies) entspricht eine logische Essenz. Obwohl, wie schon angedeutet, analytische Urteile in einem gewissen Sinn „gegenstandslos“ sind, setzt solch ein Urteil einen Sachverhalt wie jedes andere Urteil auch. In diesem Fall ist es aber ein „analytischer Sachverhalt“.1 * In den Texten Nr. 18–20 finden sich Husserls Versuche, ein zentrales Problem der Urteilstheorie zu lösen, nämlich das Problem der Beziehung von Urteilen auf Anschauung bzw. Wahrnehmung. Im umfangreichen, im Sommer 1908 verfassten Text Nr. 18 beschäftigt sich Husserl mit immanent deiktischen Urteilen, d. h. Urteilen, in denen auf ein individuelles Dies aus der Sphäre der Immanenz Bezug genommen wird. Dieser Text ist über die Urteilstheorie hinaus von großer Bedeutung für die Selbstbegründung der Phänomenologie als Wissenschaft vom immanenten Sein. Worum es hier geht, wird durch das Beispiel eines bloß subjektiv erfahrenen Tons illustriert,2 der für mich nicht nur ist, während ich ihn aktuell höre, sondern auch wenn ich mich an ihn erinnere. Über ihn kann ich verschiedene Aussagen machen, wie z. B. „Dies ist c“ und „Seine Intensität schwankt“.3 Ein anderes von Husserl angeführtes Beispiel ist ein Gefühl, und zwar als ein rein subjektives Datum genommen. Es ist möglich, sagt er, dass unsere Urteile über Töne und Gefühle objektive Gültigkeit haben, insofern die Gegebenheiten „in der Sphäre der empirisch gegebenen und empirisch sich ausweisenden Realitäten“ objektiviert werden und der Ton als etwas betrachtet wird, das von einem Ding, z. B. einem Musikinstrument erzeugt wurde, oder das Gefühl einer empirischen Person zugeschrieben wird.4 Urteile über solche psychischen, in der Realitätenwelt raumzeitlich lokalisierten und damit objektivierten Daten sind jedoch nicht dasjenige, wovon Husserl hier handelt. Seine Frage ist vielmehr, ob Urteile über Töne, 1
Siehe S. 327. Vgl. hierzu Text Nr. 4 in: Edmund Husserl, Transzendentaler Idealismus. Texte aus dem Nachlass (1908–1921), Husserliana XXXVI, hrsg. von Robin D. Rollinger in Verbindung mit Rochus Sowa, Dordrecht/Boston/London 2003. 3 Siehe S. 354. 4 Siehe S. 355. 2
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Gefühle etc. „ohne realisierende Objektivierung“ objektive Gültigkeit haben können. Offensichtlich können sie das nicht. Solche Aussagen werden nämlich immer bezogen auf das sprechende Subjekt als ein reales psychisches Individuum, das sich an andere wendet, von diesen verstanden werden will und Zustimmung erlangen will.1 Die Tatsache, dass immanent deiktische Urteile nicht mitteilbar sind, besagt, dass ihre Gegenstände nicht zu einem Feld der Wissenschaft gehören können. Auch eignet diesen Urteilen eine unvermeidliche Vagheit. Das Urteilen über Tonunterschiede in der Sphäre der Immanenz illustriert diese Vagheit.2 Man kann zwar von der Qualität eines empfundenen Tons sprechen, aber den hier möglichen vagen deskriptiven Urteilen fehlt die Objektivität und Genauigkeit der Urteile, die über reale, im intersubjektiv erfahrbaren Raum erklingende und hinsichtlich ihrer verschiedenen Dimensionen messbare Töne möglich sind. Sogar die Wesensurteile sind in der Sphäre immanenter Deixis, wie Husserl hier bezeichnenderweise hinzufügt, vage, denn sie können bezüglich der niedersten Differenzen nie volle Genauigkeit erreichen. Was in der immanenten Sphäre liegt, wird von Husserl mit dem kontrastiert, was transzendent oder, wie er hier auch sagt, „transient“ ist und zu dem „Angeschautes, Gemeintes (als Vorgestelltes), Bedeutetes“3 gehört. Insbesondere in Bezug auf letzteres bemerkt Husserl: „Es kann das Bedeuten vollzogen und das Bedeutete als solches zur Gegebenheit gebracht werden. Aber diese Gegebenheit ist etwas wesentlich anderes als die der Immanenz.“4 In diesem Zusammenhang bemerkt Husserl auch, dass die Urteile über Erscheinungen von transienten Dingen „assumtiv“ sind, aber nicht assumtiv „unter einer Voraussetzung, einer Annahme im eigentlichen Sinn“ (wie im Falle der analytischen Urteile gemäß Text Nr. 16 und Nr. 17). Bei den Urteilen über Erscheinungen deutet das Wort „assumtiv“ auf das Fehlen jeder Art von Daseinssetzung.
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Siehe S. 356. Siehe S. 357. 3 Siehe S. 362. 4 Siehe S. 362. Vgl. die Erörterungen in den Texten Nr. 9 und Nr. 10, wo Husserl den Urteilen im ontischen Sinn, d. h. dem, was er „das Bedeutete als solches“ nennt, den Status der Transzendenz zuschreibt. 2
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Assumtivität im eigentlichen Sinn findet sich, wie Husserl erklärt, nicht bei deiktisch immanenten Urteilen, denn die Unterscheidung zwischen der Erscheinung eines Gegenstands und seiner Existenz ist in der Sphäre der Immanenz irrelevant. Sie ist eine Sphäre absoluten Seins.1 Obwohl Vagheit auch bei Wesensurteilen über immanente Daten vorkommt, schließt sie für Husserl die Wissenschaftlichkeit solcher Urteile nicht völlig aus: „Es kann natürlich […] keine Wissenschaft vom Sein der cogitationes geben, von den individuellen cogitationes (außer der Metaphysik der Natur, welche die Erfahrungswirklichkeit zurückführt auf Zusammenhänge von cogitationes). Dafür aber eine Wissenschaft von den cogitationes nach Wesen, Gattung und Art.“2 Die in der Sphäre der Immanenz mögliche Wissenschaft besteht also aus allgemeinen, auf Arten und Gattungen von Immanentem gehenden Wesensurteilen und nicht aus deiktischen Urteilen über empirische individuelle immanente Einzelheiten. Im Text Nr. 19 beschäftigt sich Husserl mit Urteilen über Erfahrenes und Wahrgenommenes und insbesondere mit den sogenannten Wahrnehmungsurteilen, d. h. den Urteilen über „das Wahrgenommene als solches“ und über „die Wahrnehmungserscheinungen, in denen es erscheint“.3 Diese Urteile werden wiederum kontrastiert mit den Urteilen über Dinge der Realitätenwelt. In der ursprünglichen Fassung des Textes charakterisiert Husserl das Wahrgenommene als solches (das Korrelat der Wahrnehmung) als ein Wesen. Später strich er aber das Wort „Wesen“ durch.4 Wie oben schon angemerkt wurde, bereitete es Husserl anfangs große Schwierigkeiten, Bedeutungen im ontischen Sinn von Wesen zu unterscheiden. Das Korrelat der Wahrnehmung wird von ihm auch als „Bedeutung“ oder „Sinn“ charakterisiert.5 Husserl behauptet, dass die Bedeutungen von Urteilen (oder Aussagen) und die Bedeutungen von Wahrnehmungen in eine „Deckungseinheit“ verschmolzen werden können.6 Dies ist natürlich 1
Siehe S. 365. Siehe S. 371. 3 Siehe S. 376. 4 Siehe S. 377 ff. 5 Siehe S. 378 f. 6 Hier drängt sich der Vergleich mit den Darlegungen über „Erfüllung“ in der sechsten Logischen Untersuchung auf. Die Deckungseinheit, von der Husserl in Text 2
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immer dann der Fall, wenn das betreffende Urteil in Evidenz gegeben bzw. vollzogen ist. In einer Vielfalt kontinuierlicher Wahrnehmungen erscheint eine Einheit. Diese erscheinende und wahrnehmend vermeinte Einheit als solche ist, wie Husserl sagt, der „Sinn der Wahrnehmung“. Dieser Sinn darf aber nicht mit dem Objekt selbst identifiziert werden. Hier erhebt sich dann aber die Frage, wie dieser einheitliche Sinn mit den mannigfaltigen Erscheinungen zusammenhängt. Husserls Antwort lautet, dass die Erscheinungen Komponenten des Gesamtsinnes der Wahrnehmung sind.1 Als „das Wahrgenommene im Wie der Gegebenheit“ dürfen Erscheinungen nicht mit den Empfindungen verwechselt werden, die im Wahrnehmen aufgefasst werden. Des Weiteren stellt Husserl im Text Nr. 18 auch fest, dass ebenso wie die Urteile über den einen einigenden Wahrnehmungssinn evident sein können, so auch die Urteile über die Erscheinungen. In Text Nr. 20 schließlich befasst sich Husserl wieder nur mit Urteilen über das Wahrgenommene und Erscheinende, und er spricht hier von der idealen Möglichkeit von evidenten Aussagen über das Angeschaute als solches. Solche Aussagen, sagt er, dienen dazu, den „S in n esgeh alt , der aus ihm evident zu entnehmen und adäquat auszudrücken ist“,2 zu explizieren. Wie schon in Text Nr. 19 schreibt Husserl auch hier den Wahrnehmungen und Anschauungen Bedeutungen zu und betrachtet Urteile über das Angeschaute bzw. Wahrgenommene als solches als Urteile über diese Bedeutungen bzw. ihre Komponenten. Ist eine Bedeutung oder ein Sinn – Husserl nennt sie auch „Meinung“ – verworren, so kann sie in explikativen Aussagen „verdeutlicht“ werden.3 * Der vorliegende Band wurde in den Jahren 2002–2006 im Husserl Archiv zu Leuven bearbeitet. Der Herausgeber hätte diese Edition Nr. 19 spricht, ist eine Deckungseinheit ontischer Bedeutungen, wogegen Husserls Erörterungen über Erfüllung und Deckung von Bedeutungen in der sechsten Logischen Untersuchung natürlich noetischen Charakter haben. 1 Siehe unten S. 384 f. 2 Siehe unten S. 397. 3 Siehe unten S. 398 ff.
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ohne die umfassende Hilfe, die er von Seiten der Leiter der Edition und von Seiten seiner Leuvener Kollegen erfahren hat, nicht fertig stellen können. Ihnen allen gebührt mein aufrichtiger Dank. Ich danke zunächst den Leitern der Edition, Prof. Dr. Ullrich Melle, dem Direktor des Husserl-Archivs, und Prof. Dr. Rudolf Bernet, für ihre Unterstützung dieses Editionsprojekts, insbesondere in seiner schwierigen Endphase. Prof. Dr. Ullrich Melle hat die Edition in allen Phasen begleitet, bei der Konzeption des Bandes und der Auswahl der Texte mitgewirkt und gemeinsam mit Prof. Dr. Rudolf Bernet und Dr. Rochus Sowa die Einleitung des Herausgebers mehrfach überarbeitet und korrigiert. Dafür meinen herzlichen Dank. Dr. Sowa hat die Einleitung aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt sowie zusammen mit Dr. Thomas Vongehr die ganze Edition korrekturgelesen. Dr. Thomas Vongehr hat mit mir die Texte der Edition kollationiert und den bei meinem Weggang vom Archiv unvollständig gebliebenen textkritischen Anhang fertiggestellt. Für die vielen Arbeitstage, die meine beiden Leuvener Kollegen für die Vollendung der Edition aufgewendet haben, bin ich ihnen zu großem Dank verpflichtet. Ferner möchte ich noch den beiden Leitern der Edition, den beiden Kollegen sowie Herrn Carlo Ierna für ihre kritische Lektüre der Einleitung und die vielen hilfreichen Vorschläge zu ihrer inhaltlichen Verbesserung danken. Salzburg, November 2008 Robin D. Rollinger
I. VORSTUDIEN ZU DEN LOGISCHEN UNTERSUCHUNGEN
Nr. 1 Versuch über d en Ursprung der B egriffe „ Notwendigkeit “ u n d „ notwendige Folge “, über h ypothetisches und kausales Urteil1
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§ 1. Verschiedene Anwendungen der modalen Prädikate. Ihr psychologischer Ursprung in dem Willensgebiet Die Termini „Notwendigkeit“, „Unmöglichkeit“ und „Möglichkeit“ fassen ebenso wie die bekannten, ihnen äquivalenten Redewendungen mit „können“, „müssen“, „mögen“ usw. eine Mehrheit weit abliegender, obwohl psychologisch innig zusammenhängender Begriffe aequivoce in sich. Wir scheiden, S igw art folgend, zunächst die Fälle, wo „notwendig“, „unmöglich“ und „möglich“ Prädikate von (wirklichen oder vorgestellten) Urteilen sind, von denen, wo sie als Prädikate irgendwelcher anderen Subjekte fungieren. In den Beispielen „Es ist notwendig, dass 2 × 2 = 4 ist“, „Es kann nicht sein, dass ein Kreis sich selbst schneidet“, „Das Buch muss verloren gegangen sein“, „Es ist möglich, dass der König verreist“ und dgl. werden die modalen Prädikate von den bezüglichen Urteilen ausgesagt; wenigstens ist dies die nächstliegende Deutung der angeführten Aussagen. Anders in folgenden Beispielen: „Der Sklave muss (tut notwendig), wo der Herr befiehlt“, „Ist die Ursache eingetreten, so muss die Wirkung folgen“, „Die Motive bestimmen den Willen mit Notwendigkeit“, „Niemand kann ein als absurd Erkanntes für wahr halten“, „Der Same ist die Möglichkeit der Pflanze“, „Salz ist in Wasser löslich“, 1
Spätere Randbemerkung: „1893“. – Anm. des Hrsg.
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I. VORSTUDIEN ZU DEN LOGISCHEN UNTERSUCHUNGEN
Nr. 1 Versuch über d en Ursprung der B egriffe „ Notwendigkeit “ u n d „ notwendige Folge “, über h ypothetisches und kausales Urteil1
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§ 1. Verschiedene Anwendungen der modalen Prädikate. Ihr psychologischer Ursprung in dem Willensgebiet Die Termini „Notwendigkeit“, „Unmöglichkeit“ und „Möglichkeit“ fassen ebenso wie die bekannten, ihnen äquivalenten Redewendungen mit „können“, „müssen“, „mögen“ usw. eine Mehrheit weit abliegender, obwohl psychologisch innig zusammenhängender Begriffe aequivoce in sich. Wir scheiden, S igw art folgend, zunächst die Fälle, wo „notwendig“, „unmöglich“ und „möglich“ Prädikate von (wirklichen oder vorgestellten) Urteilen sind, von denen, wo sie als Prädikate irgendwelcher anderen Subjekte fungieren. In den Beispielen „Es ist notwendig, dass 2 × 2 = 4 ist“, „Es kann nicht sein, dass ein Kreis sich selbst schneidet“, „Das Buch muss verloren gegangen sein“, „Es ist möglich, dass der König verreist“ und dgl. werden die modalen Prädikate von den bezüglichen Urteilen ausgesagt; wenigstens ist dies die nächstliegende Deutung der angeführten Aussagen. Anders in folgenden Beispielen: „Der Sklave muss (tut notwendig), wo der Herr befiehlt“, „Ist die Ursache eingetreten, so muss die Wirkung folgen“, „Die Motive bestimmen den Willen mit Notwendigkeit“, „Niemand kann ein als absurd Erkanntes für wahr halten“, „Der Same ist die Möglichkeit der Pflanze“, „Salz ist in Wasser löslich“, 1
Spätere Randbemerkung: „1893“. – Anm. des Hrsg.
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„Vier ist durch Zwei teilbar“, „Ein Kreis, der sich selbst schneidet, ist eine Unmöglichkeit“, „Der Begriff einer geraden Zahl ist ein ‚möglicher‘ (der einer möglichen Zahl), derjenige einer imaginären Zahl ein ‚unmöglicher‘“ usw. Der psychologische Ursprung der modalen Prädikate liegt ohne Zweifel auf dem Willensgebiet. Notwendigkeit weist hin auf Willensnötigung, d. h. auf eine Nötigung, die das Willenssubjekt in seinem Wollen und Tun erfährt; Möglichkeit auf das Tunkönnen des Gewollten oder als gewollt Vorgestellten; Unmöglichkeit auf das entsprechende Nichtkönnen oder auch auf ein Nichtwollenkönnen, dem als Korrelat eine Nötigung des Anderswollens oder Unterlassens entspricht. In vielen Fällen k an n ich das Gewollte. Das heißt: Die aus Gewohnheit entspringende, bald sichere und bald schwankende Erwartung, die den Willensakt fundiert, nämlich dass infolge desselben das Gewollte auch eintreten werde, erfüllt sich; der Wille wird zur Tat, der Wunsch findet seine Befriedigung. Wo sich der Ausführung Hemmungen entgegenstellen, werden sie überwunden. In anderen Fällen trifft dies nicht zu. Die Erwartung wird enttäuscht; was eintritt, ist wider Wunsch und Willen. Das hier erwachsende negative Gefühl der unüberwindlichen Hemmung bildet einen wesentlichen Bestandteil im ursprünglichen Begriff des Nichtkönnens. Am häufigsten erleben wir dieses Nichtkönnen bei Gelegenheit physischer Widerstände, daher sich, wo in übertragenem Sinn von Unmöglichkeit die Rede ist, das Bild einer unübersteiglichen Schranke und dgl. so leicht darzubieten pflegt. Im Kontrast zur Ohnmacht des Nichtkönnens kommt das positive Gefühl der erfolgreichen Bemühung und Willensbefriedigung erst zum deutlichsten Bewusstsein, und der Gedanke des „Ich kann“ führt daher als negatives Gegenstück den des „Ich bin nicht gehemmt, unterliege keinem widerstehenden Zwang“ in der Regel mit sich. Dem Begriff des Könnens liegt also das Gefühl der Freiheit, dem des Nichtkönnens das korrelate der Unfreiheit, Gebundenheit zugrunde. Wo für gewisse Klassen von Willenshandlungen die subjektive Gewissheit besteht, dass allgemein unter normalen Verhältnissen das Gewollte ausführbar sei, da erwächst der Begriff des Vermögens, der Fähigkeit als habitueller Disposition des So-Tun-Könnens. Das Können wird als eine bleibende Beschaffenheit des Willenssubjekts
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gedacht. Entsprechend erwächst auch der Begriff des Unvermögens, sei es als hypostasierter Mangel, sei es als bloße Privation des entsprechenden Vermögens. Wo das Gewünschte zwar erreichbar und in diesem Sinn ein Mögliches ist, aber allzu unliebsame Konsequenzen nach sich ziehen würde derart, dass ihre Vermeidung vorzüglicher erscheint als die zunächst intendierte Wunschbefriedigung, da wird das Gewünschte nicht nur nicht gewollt, es besteht vielmehr auch das Bewusstsein, dass es nicht gewollt werden kann. Ein gewöhnlicher Fall ist der, wo die Forderung, der Befehl eines Übermächtigen uns zwingt, seine Drohung uns abhält. Daraus erwachsen wieder konkret anschauliche Bilder, die bei der Rede von Notwendigkeit und Unmöglichkeit sich gerne einstellen und mit den Bildern physischer Hemmnisse abwechseln oder sich mischen. Das Nichtkönnen ist zwar nun ein anderes als in dem vorhin besprochenen Fall, aber das konstitutive Gefühlsmoment, das Gefühl peinlicher Hemmung, welches die vorgestellte Verquickung der Wunschbefriedigung mit überwiegend unliebsamen Konsequenzen erregt, ist beiderseits gleichartig und vermittelt die Übertragung oder gleichmäßige Verwendung derselben Ausdrucksweise von einem auf den anderen (für den einen und anderen) Fall. Es sei darauf hingewiesen, dass in diesen Fällen nicht der Begriff der notwendigen Konsequenz vermitteln muss. Hinreichend fest gewordene Assoziationen durch Aufeinanderfolge begründen eine auch im Bewusstsein als Inhalt erfassbare Verknüpfung: Die aufeinanderfolgenden Glieder erscheinen uns bei günstiger Richtung des Interesses nicht bloß als nacheinander da, sondern auch als zueinander gehörig. Indem nun das erste Glied der Sukzession als verwirklicht gedacht wird, erscheint in der Regel in demselben sich erweiternden Akt auch das zweite Glied als ein im nächstangrenzenden Zeitabschnitt sich Verwirklichendes. Wir haben dann nicht eine bloße Einheit des Zusammen der beiden vorgestellten Urteilsakte;1 sie gehen auseinander hervor, und wir haben davon ein gewisses Bewusstsein, aber an Notwendigkeit braucht dabei nicht gedacht zu werden. Mit Beziehung auf die von der gewünschten abweichende Willensrichtung ist hier auch die Rede von einer Nötigung: Ich bin genötigt, ich muss statt des Erwünschten dies andere tun, ich muss jenes un1
„vorgestellten Urteilsakte“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg.
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terlassen, wofern ich das Gefürchtete meiden, die „Not“ „wenden“ will. Ich muss, d. h. ich fühle den Zwang, die Nötigung. Dieses Gefühl tritt überhaupt da ein, wo ein „drohendes“ Übel durch willkürliches Handeln abgewehrt werden soll. 5 Die soeben mehr aufgewiesenen als beschriebenen Gefühle bzw. Phantasiegefühle vermitteln nun die Übertragung der Prädikate „notwendig“, „möglich“, „unmöglich“ auf sehr verschiedene Klassen von Fällen. Anthropomorphisierend werden sie z. B. den Dingen beigelegt. Der Stein muss fallen – er ist genötigt. Er kann sich nach 10 allen Richtungen bewegen – er hat die Fähigkeit dazu. Die Dinge werden als psychische Subjekte angesehen; die wechselnden Beschaffenheiten unter wechselnden Umständen gelten als wechselnde Verhaltungsweisen willkürbegabter Wesen. Gleiche Verhaltungsweisen unter gleichen Umständen begründen die Vorstellung entsprechen15 der Fähigkeiten, Vermögen.
§ 2. Modale Prädikate als Eigenheiten des Urteilsgebiets. Der Sachverhalt als notwendiger bzw. möglicher
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Im Fortschritt der intellektuellen Entwicklung verschwinden diese Anthropomorphismen, oder sie verlieren wenigstens ihre ursprüngliche Funktion, sie hören auf, als die wahren Interpretationen der objektiven Verhältnisse zu gelten; auf den Rang bloßer Etyma herabgedrückt, nehmen sie die Funktion repräsentierender Surrogate an, welche auf ganz andere, mit ihnen assoziierte Bedeutungen hinzuweisen bestimmt sind. So verhält es sich mit den realen Vermögen, Dispositionen, Kräften, die den als leblos gedachten materiellen Dingen zugeschrieben werden; so auch mit dem kausalen Zwang, dem die Dinge unter gesetzlich bestimmten Umständen nach der naturwissenschaftlichen Auffassung unterliegen. Wir glauben nicht mehr, dass der Stein einen Drang oder Zwang zu fallen in sich erlebt. Wir wissen, dass das allgemeine Fallgesetz gilt. Dieser Allgemeinheit unterlegen wir eine in „den Dingen selbst“ begründete Notwendigkeit, aber nicht als ein psychisches, sondern als ein kausales „Müssen“, dessen Begriff übrigens den der Urteilsnotwendigkeit in gewissem Sinn des Wortes voraussetzt. Auch sonst führen die Begriffe der „realen“ Notwendigkeit und Möglichkeit auf Eigenheiten des Urteilsgebietes zurück.
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In diesem Gebiet ist der Zusammenhang der modalen Prädikate mit den erwähnten Gefühlen der Freiheit und Gebundenheit (zum Teil vermittelt durch die eben besprochenen Anthropomorphismen) leicht nachzuweisen. Ein Axiom kann ich nicht verwerfen, ich muss es anerkennen; einen absurden Gedanken kann ich nicht anerkennen, ich muss ihn verwerfen. Die Absurdität gleicht dem Übel, dem ich ausweichen muss, und ich fühle auch hier den unüberwindlichen Zwang. Ich kann nicht urteilen (der Versuch missglückt, die Mühe ist vergeblich), dass 3 < 2 sei, ich muss urteilen, dass es nicht kleiner, sondern größer sei. Dem Sachverhalt urteilend zugewendet, reflektieren wir in der Regel nicht auf unser urteilendes Ich. So erscheint der Sachverhalt selbst als ein notwendiger oder unmöglicher; der letztere widersteht dem Ja und erzwingt sich das Nein, und der verneinte erscheint nun als Notwendigkeit. Und wieder erscheint innerhalb eines kategorisch oder hypothetisch gegliederten Sachverhalts der hier betrachteten Art das Prädikat mit Beziehung auf das Subjekt, die Folge mit Beziehung auf den Grund als notwendig und unmöglich. Das Subjekt setzt dem Prädikat einen unüberwindlichen Widerstand entgegen und erzwingt sich das Gegenteilige; oder es „fordert“ gebieterisch das Prädikat, es setzt jedem Widerstreitenden unwiderstehliche Gewalt entgegen, wie der übermächtige Gebieter dem Unterworfenen usw. Wir hatten bisher nur einsichtige Urteile in Betracht gezogen; aber was wir ausgeführt haben , gilt allgemeiner. Einsicht1 bedingt Gewissheit im Sinn von Festigkeit. Diese letztere hingegen kann auch ohne Einsicht2 bestehen; aber soweit sie reicht, finden wir auch die Rede von Notwendigkeit und Unmöglichkeit. Der Terminus „Gewissheit“ ist nicht eindeutig. Einerseits kann man darunter eine schlichte Affirmation oder Negation3 verstehen, die von keinem Zweifel benagt ist; indem wir sie vollziehen, haben wir kein schlechtes „logisches Gewissen“, wie es der Fall ist, wenn wir eine gewagte Behauptung aussprechen und ihre logische Mangelhaftigkeit im Aussprechen selbst bemerken, ohne sie deshalb aufzugeben, oder wenn wir ohne zureichenden Grund, von bloßer Vermutung 1 2 3
Spätere Einfügung: „Evidenz“. – Anm. des Hrsg. Spätere Einfügung: „Evidenz“. – Anm. des Hrsg. Spätere Einfügung: „Urteil“. – Anm. des Hrsg.
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zur Entschiedenheit übergehend, dabei ein gewisses Gefühl von der Ungehörigkeit dieses Vorganges haben. (Missverständnissen vorzubeugen, sei ausdrücklich bemerkt, dass, wenn wir hier von Urteilen sprechen, wir Vermutungen, die manche zu den Urteilen rechnen, ausschließen, uns also auf das innerlich klar und ruhig entschiedene, von Zweifel freie Ja und Nein beschränken.) Ein solches braucht aber nicht Gewissheit in einem andern Sinne, dem der Festigkeit besitzen. Ein unüberlegtes Urteil mag durch die geringste Reflexion, evtl. durch den bloßen Übergang zur Vorstellung des entgegengesetzten Sachverhalts, zur Überzeugung führen, dass es falsch oder zweifelhaft sei, dass die beurteilte Materie bestenfalls eine Vermutung begründen dürfte und dgl. Nicht selten meinen wir aber mit Gewissheit gerade dies, dass ein im vorigen Sinn1 gewisses Urteil auch bei kritischer Besinnung2 sich gewiss erhält, dass es der Kontradiktion, dem Zweifel standhält, sofern es, wenn überhaupt, so nur momentan ins Schwanken gerät, mit einem Wort, dass wir eine „feste“, „sichere“ Überzeugung haben. Gewissheit im ersten Sinn ist ein deskriptiv psychologischer Charakter des einzelnen Urteilsaktes, Gewissheit im zweiten Sinne betrifft hingegen das in wiederholten Akten identifizierte und damit zugleich objektivierte Urteil; andererseits unsere Urteilsdisposition, die uns unter den angegebenen Umständen immer wieder auf „dasselbe“ Urteil zurückführt. Der Begriff der Gewissheit im Sinn der Standfestigkeit wird nicht immer so gefasst, wie wir es soeben taten; man erkennt dies an den Ausdrucksweisen, die, wie „ganz gewiss“, „nahezu, ziemlich gewiss“, auf Gradabstufungen der Gewissheit hinweisen. Der Begriff von Festigkeit, der hier zugrunde liegt, ist klar: Die Überzeugung ist um so fester, ein je geringeres Gewicht wir den Zweifelsgründen beilegen, die bei kritischer Reflexion auftauchen mögen. Freilich verliert, wofern ein Zweifel überhaupt Anhalt findet, das entschiedene Urteil seine logische Berechtigung; es muss durch die entsprechende Vermutung abgelöst werden. In jedem Fall ist der Begriff der Festigkeit ein vager, obschon ein im praktischen Leben unentbehrlicher. Im Fall einer (hinreichend) festen Überzeugung wird uns jeder Versuch, den kontradiktorisch entgegengesetzten oder einen ander1 2
„im vorigen Sinn“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. An kunstmäßige logische Kritik braucht hier nicht gedacht zu werden.
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weitig widerstreitenden Sachverhalt anzunehmen, missglücken, wir fühlen uns vielmehr gezwungen, diesen zu verwerfen und den ursprünglichen Sachverhalt anzunehmen. Schon beim Versuch bloßer Urteilsenthaltung fühlen wir uns unfrei, wir fühlen den Drang bzw. die Hemmung, wir sind im Banne der Sache, die zu Bejahung bzw. Verneinung1 zwingt oder drängt. So kommt es, dass wir auch hier, wo von Evidenz oder evidenter Folge keine Rede ist, doch von Notwendigkeit und Unmöglichkeit sprechen, z. B. „Es ist unmöglich, dass es heute regnet, es muss heute schönes Wetter bleiben“, „Dieser Mensch muss der Dieb sein“ und dgl.2 Dass wir schließlich auch bei minder festen Überzeugungen, wofern nur ein Drang zur Urteilsfällung und zur Verwerfung konkurrierender Sachverhalte empfunden wird, von Notwendigkeit sprechen, ist begreiflich. Wo die Nötigung, der entschiedene Drang mangelt, wo z. B. eine Überzeugung nicht standhält und doch zu keiner neuen Überzeugung führt, spricht man von Möglichkeit. Wir schwanken zweifelnd zwischen den sich ausschließenden Sachverhalten, wir neigen bald dem einen und bald dem anderen zu, ohne zu einem entschiedenen Ja oder Nein durchdringen zu können; oder es mangelt sogar jede Hinneigung, wir fühlen uns in keiner Weise bedingt.
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§ 3. Die Rolle der Evidenz in der Anwendung der modalen Termini Wo nun die Bedeutung der Prädikate „Notwendigkeit“ und „Unmöglichkeit“ in nichts anderem besteht als in dem subjektiven Genötigt- oder Nichtgenötigtsein, da macht es natürlich keinen Un- 25 terschied aus, ob die bezügliche Überzeugung auf Evidenz beruht oder nicht. Aber logisch macht dies einen großen Unterschied aus. Notwendigkeit im Sinn subjektiver Nötigung ist logisch ohne Wert, denn sie verbürgt nicht die Wahrheit. Im praktischen Urteilsleben bestimmt uns zwar, wofern wir überhaupt reflektieren, mehr die 30
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„bzw. Verneinung“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. Spätere Randbemerkung: „Hier spielen aber schon Motivationen hinein. Ich kann das Urteil nicht aufgeben, die Urteilsmotive, die ‚Gründe‘ zwingen mich: ‚Dieses Galgengesicht – das muss der Dieb sein‘.“ – Anm. des Hrsg. 2
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Nötigung als die Einsicht, und sie bestimmt uns sogar im groben Durchschnitt richtig; mindestens irren wir im Gewöhnlichen nicht so weit von der Wahrheit ab, dass unsere Selbsterhaltung dadurch gefährdet wäre. Als intelligente Wesen können wir uns damit nicht zufrieden geben; nicht blind, sondern einsichtig1 wollen wir die Wahrheit ergreifen. In der Evidenz allein haben wir aber nicht bloß die Wahrheit,2 sondern auch ein untrügliches Wissen davon, dass wir sie haben; sie ist einsichtiges Erfassen der Wahrheit als solcher. Und wieder haben wir in der Absurdität nicht bloß den Irrtum, sondern ein einsichtiges Erfassen des Irrtums als solchen. Demgemäß geht alle logische Kunst auf Erzeugung evidenter Urteile aus, sie möchte, wenn möglich, alle bloß subjektive3 Nötigung in Evidenz verwandeln oder durch widerstreitende Evidenz zerstören. Auf der Evidenz und ihrem Gegenstück fußen nun alle logischen Bedeutungen der modalen Termini, was nicht hindert, dass die ursprünglicheren, außerlogischen Bedeutungen die Übertragung auf die neuen Bedeutungen vermittelt haben. Zunächst kann man jedes evidente Urteil als notwendig, jedes absurde Urteil als unmöglich bezeichnen.4 Das5 evidente Urteil ist notwendig, sofern hier jeder Widerspruch oder Zweifel unmöglich
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Spätere Einfügung: „sehend“. – Anm. des Hrsg. Spätere Einfügung: „oder berechtigende Gründe für die Herausarbeitung der Wahrheit, für die Annäherung an sie“. – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Einfügung: „Urteile“. – Anm. des Hrsg. 4 Spätere Randbemerkung: „Evident wahr, positiv evident; ‚positiv evident‘, evident wahr. Evident falsch, negativ evident; ‚negativ evident‘, evident falsch.“ – Anm. des Hrsg. 5 Spätere Ergänzung, die von Husserl als „Parallelstelle“ zum Text bezeichnet ist: „Das evidente Urteil ist notwendig, sofern hier jeder Widerspruch und Zweifel unmöglich ist. Diese Unmöglichkeit meint aber nicht den bloßen subjektiv gefühlten Widerstand, der uns zum evidenten Ja und Nein zurückdrängt und den zu überwinden wir uns vergeblich mühen; sie meint auch nicht das subjektive Unvermögen, als habituelle Disposition gedacht. Unmöglich heißt ja das Urteil nicht bloß in Beziehung auf uns, die wir und solange wir die Evidenz erleben, sondern ohne Ansehung der Person, der Zeit und der sonstigen Umstände. Auch wissen wir sehr wohl, dass Evidentes oft genug geleugnet worden ist, mitunter sogar von dem, der die Evidenz selbst erlebt, sie aber, durch Sophismen verführt, nicht bemerkt oder nach ihrem Wert geschätzt hatte. In diesen Fällen begegnen Negation und Zweifel keinem unüberwindlichen Widerstand, keinem Unvermögen des Vollzuges. Wenn wir sie gleichwohl und allgemein als unmöglich bezeichnen, so kann dies offenbar nur meinen, dass sie ‚unvernünftig‘, dass sie ‚grundverkehrt‘ sind. Damit aber ist eine 2
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ist. Diese Unmöglichkeit meint aber nicht bloß subjektiv gefühlten Widerstand, der uns zum evidenten Ja oder Nein zurückdrängt und den zu überwinden, wir uns vergeblich gemüht. Sie meint auch nicht das subjektive Unvermögen, als habituelle Disposition gedacht. Unmöglich ist der Widerspruch, weil er bejaht, was evident falsch, oder verneint, was evident wahr ist. Wir sind nicht bloß subjektiv unfähig, dem Evidenten zu widerstreiten; wir haben vielmehr auch die Einsicht, dass wir damit den Zweck der Erkenntnis, die Wahrheit, verfehlen, dass wir dem Irrtum, dem logischen Übel, den Vorzug gäben vor der Wahrheit, dem logischen Gut. Darüber hinaus besitzen wir überdies die Einsicht, dass diesem Vorwurf jedermann verfällt, der sich urteilend mit dem in Widerstreit befände, was einsichtig als wahr erkannt ist. Eine solche Einsicht mangelt im Fall blinder, wenn auch noch so fester Überzeugung; wir mögen uns subjektiv sicher fühlen, dass jeder Widerspruch falsch sei, die Evidenz dafür haben wir nicht. Wer also richtig urteilen will, muss in Harmonie mit dem bleiben, was die Evidenz als Wahrheit selbst erfasst; sowie er dies nicht tut, hört er zugleich damit auf, richtig zu urteilen. So erscheint die Evidenz als logische Norm unter dem Bild einer unübersteiglichen Schranke, eines unüberwindlichen Widerstandes, das evidente Urteil selbst unter dem eines absolut festen Dinges, das durch keine Gewalt, d. i. durch keinen Widerspruch, keinen Zweifel, keine Gegeninstanzen „erschüttert“ oder „umgestoßen“ werden kann. Ein mathematischer Beweis ist „absolut zwingend“. Niemand kann sich solchem Zwang entziehen: niemand Vernünftiger natürlich, der den berechtigten Anspruch erhebt, richtig zu urteilen; jeder, der anders urteilt, verfällt eben dem Irrtum und hört damit auf, vernünftig zu urteilen. Bilden wir den Idealbegriff eines absolut vernünftigen Wesens, dann ist dasselbe jedes Irrtums unfähig, es unterliegt dem Zwang, der Nötigung, das Wahre anzuerkennen, das Falsche zu verwerfen. Etwas von dieser Idealisierung spielt wohl mit, wenn wir sagen „Man kann nicht 2 × 2 gleich 3 setzen“, „Man muss annehmen“ usw. Der Begriff der Notwendigkeit in diesem Sinn des Wortes ist, obschon nicht identisch, so doch äquivalent mit dem der Evidenz; besondere Art der Wertschätzung ausgedrückt. Sie ist eine Eigentümlichkeit alles im strengen Sinn logischen Denkens.“ (Vor Wertschätzung später eingefügt „negativen“ und „logischen“ verändert in „unlogischen“.) – Anm. d. Hrsg.
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in der Logik spielt er daher neben diesem Fundamentalbegriff keine eigentümliche Rolle. In der Tat meint man, wo von logischer Notwendigkeit die Rede ist, in der Regel anderes. Zunächst ist von großer Wichtigkeit der Begriff der Notwendigkeit, der durch den Gegensatz zu Tatsächlichkeit bestimmt ist. Notwendig in diesem Sinn ist das absolut Begreifliche, d. h. was nicht bloß aus Gründen überhaupt,1 sondern aus evidenten und rein begrifflichen Gründen evident zu machen ist. Wir erleben diese Notwendigkeit, wo immer wir eine Wahrheit aus solchen Gründen „einsehen“, „begreifen“. Erfassen wir eine Wahrheit („sehen“ wir sie), ohne sie aus „axiomatischen“ Gründen einzusehen, dann erfassen wir sie in der Weise einer Tatsache, und sie ist (objektiv) eine solche, wenn es solche Gründe für sie nicht gibt, wenn sie nicht nur nicht begriffen ist, sondern nicht begriffen werden kann. Im strengen Sinn begreifen wir es nicht, warum alle Rosen dieses Gartens rot sind, wenn wir wissen, dass alle Blumen desselben rot sind. Wir würden es begreifen, wenn wir die Evidenz hätten, dass alle2 Blumen überhaupt oder zum mindesten alle3 Rosen rot sind. Ein derart apriorischer und rein begrifflicher Grund4 existiert nicht, wir haben es also mit einer bloßen Tatsache zu tun. Wir begreifen es dagegen vollkommen, dass sich zwölf Kugeln in vier Gruppen zu drei Gliedern ordnen lassen; denn es gilt die rein begriffliche Evidenz „12 = 4 × 3“. Ebenso begreifen wir, dass 4 × 3 = 3 × 4 (welches selbst eine begriffliche Evidenz ist), weil a priori a × b = b × a gilt. Dies sind also Beispiele für Notwendigkeiten. Wenn wir hier von reinen Begriffsurteilen als Gründen sprechen, so meinen wir zunächst ausschließlich Urteile, welche, ohne an bestimmte oder beliebig anzunehmende Gegenstände der bezüglichen Begriffe zu denken, einen Zusammenhang der Begriffsinhalte selbst im Auge haben.5 Der Unterschied, auf den wir zielen, tritt klar hervor, wenn wir das generelle Urteil „Der Mensch ist sterblich“ mit dem 1
Spätere Einfügung: „aufgrund reiner Gesetze“. – Anm. des Hrsg. „alle“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. 3 „alle“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. 4 Spätere Randbemerkung: „Reines Gesetz“. – Anm. des Hrsg. 5 Spätere Randbemerkung: „Fraglich: Der Zusammenhang der ‚Begriffsinhalte‘ ist der kategorische Zusammenhang, der die Beziehung auf Gegenstände der betreffenden Bestimmtheiten überhaupt (unbedingte Allgemeinheit) oder ‚als solche‘ einschließt. Nicht denken darf ich an ‚bestimmte‘, d. i. faktisch existierende Gegenstände, auch nicht an alle Gegenstände = alle wirklichen“. – Anm. des Hrsg. 2
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universellen „Alle Menschen sind sterblich“ oder dem von beiden gedanklich verschiedenen „Jeder beliebige Mensch ist sterblich“ vergleichen. Ist hierbei das generelle Urteil a priori, so liefert es den apriorischen Grund für die beiden anderen Urteile: Jeder beliebige Mensch ist sterblich, (könnte man dann sagen), weil der Mensch als solcher sterblich ist.1 Übertragen wir so, was rein in den Begriffen liegt, auf beliebige Gegenstände dieser Begriffe als solche, so erhalten wir äquivalente Evidenzen, und da die letzteren den Notwendigkeitscharakter haben, so kommt man eben wegen der Äquivalenz von selbst dahin, auch den rein begrifflichen Grund, die fundierende Evidenz, als Notwendigkeit zu bezeichnen. Dabei2 mag auch Folgendes mitwirken. Es erscheint uns als ein besonderer Vorzug, wenn sich nicht das bloße τι, sondern das διτι erkennen lässt. Die evidenten Gründe aber als „Quellen“ der Vollkommenheit müssen sie potenziert besitzen. So führt die logische Wertung zur Übertragung des Terminus, obschon damit sein eigentlicher Sinn aufgegeben ist. Die aeternae veritates, die apriorischen Notwendigkeiten der Logik, Arithmetik, Mannigfaltigkeitslehre usw., alle wahrhaften Axiome, sind von dieser Art; sie liefern die evidenten und rein begrifflichen Gründe, auf denen alle Notwendigkeit, d. i. alle absolute Begreiflichkeit im Reich der Erkenntnis beruht. Vollkommen rein tritt die apriorische Notwendigkeit3 nur in Urteilen auf, deren Materien von allem „Tatsächlichen“ frei sind, die also nicht über konkrete, hic et nunc gegebene, sondern über beliebige Gegenstände4 der bezüglichen Begriffe urteilen, wofern sie nicht den Charakter reiner Begriffsurteile haben. Der Satz „Diese Rose ist eine Pflanze“ enthält in dem Ausdruck „d iese Rose“ ein tatsächliches Element. Ist auch in dem vorliegenden Urteil die Existenz dieser Rose nicht explicite behauptet, so wohnt sie ihm doch in gewisser Art 1
Spätere Randbemerkung: „‚Denke ich mir‘ irgendeinen bestimmten Einzelfall, so gilt, was in den Begriffen (Prädikaten) ihrem Wesen nach gründet, auch für den (darunter fallenden) Einzelfall. Der bestimmte Einzelfall ist entweder eine bestimmte Besonderung (spezifische Besonderung), in unbestimmter Weise ‚vorgestellt‘ (vorausgesetzt, angenommen), oder eine bestimmte Einzeltatsache.“ – Anm. des Hrsg. 2 Spätere Einfügung: „bei dieser Übertragung“. – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Einfügung: „im eigentlichen Sinn“. – Anm. des Hrsg. 4 „beliebige Gegenstände“ später verändert in „beliebige Arten von Gegenständen (spezifische Besonderungen) oder über beliebige ‚bestimmt gedachte‘ Gegenstände“. – Anm. des Hrsg.
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ein, sofern die Vorstellung „diese Rose“ den wirklichen Vollzug des zugehörigen Existentialurteils, obschon nicht wirklich, so doch logisch einschließt. Auf dieses tatsächliche Element kann sich die Notwendigkeit unseres analytischen Urteils selbstredend nicht beziehen. Eine 5 reine Notwendigkeit läge nur in dem Satz „Jede beliebige1 Rose ist eine Blume“.2
§ 4. Notwendigkeit und Evidenz bei kategorischen Urteilen Der Terminus „Einsicht“ wird oft als subjektives Korrelat der 10 apriorischen Notwendigkeit verstanden. Ich habe Einsicht, d. h., ich begreife aus apriorischen Gründen. Natürlich nennt man dann auch alle evidenten und reinen Begriffsurteile Einsichten; sie haben ja alle die Funktion, Einsichten zu begründen.3 Eine objektiv („ihrer Natur nach“) unbegreifliche Wahrheit ist eine Tatsache. Also nicht eine 15 schlechthin unbegriffene. Oft fehlt uns der Grund, während es doch objektiv einen solchen gibt. Wenn wir aber von Tatsachen sprechen, meinen wir nicht den subjektiven, den psychologischen, sondern den objektiven Sachverhalt, wir meinen, dass nicht bloß wir den evidenten begrifflichen Grund vermissen, sondern dass er auch an sich fehlt, so 20 z. B., wenn wir das evidente Urteil „Dies (was ich jetzt vorstelle) ist ein Rotes“ als ein bloß tatsächliches bezeichnen, seine Materie als eine evidente Tatsache. a) Die verschiedenen Formen der Notwendigkeit bei den kategorischen Urteilen 25
1) Logisch unbegreiflich ist natürlich jede Unwahrheit, insbesondere auch jede Absurdität. Absurdität oder apriorische Unmöglichkeit bildet das Gegenstück zur apriorischen Notwendigkeit.4 Wir kön1
Spätere Einfügung: „aber ‚bestimmte‘“. – Anm. des Hrsg. Spätere Einfügung: „oder eine Rose jeder beliebigen Rosenart“. – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Einfügung: „und sind gewissen derselben auch äquivalent“. – Anm. des Hrsg. 4 Spätere Randbemerkung: „Vgl. a priori, Bolzano, Wissenschaftslehre, Sulzbach 1837, Bd. III, S. 202; II, S. 33, 37“. – Anm. des Hrsg. 2
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nen etwa sagen: Eine Erkenntnis der evidenten Verwerflichkeit eines reinen Begriffsurteils liefert den apriorischen Irrtumsgrund für alle darin beschlossenen besonderen Urteile. Absurd ist jederzeit, was aus einem evident verwerflichen Begriffsurteil mit Evidenz hervorgeht, dessen kontradiktorisches Gegenteil also a priori notwendig, weil in dem Gegenteil jenes Urteiles begründet ist. Man nennt aber auch hier jedes evident verwerfliche Begriffsurteil selbst absurd, seine Materie eine Absurdität.1 Die apriorische Notwendigkeit ist Begreiflichkeit.2 2) Von Begreiflichkeit spricht man aber noch in einem laxeren, weiteren Sinn, und in Zusammenhang damit auch von Notwendigkeit. „Erklären“ heißt soviel wie „begreiflich machen“; wir könnten also die allgemeinen Termini „erklärende Notwendigkeit“ und „erklärender Grund“ wählen und dann die unvollkommen erklärende Notwendigkeit von der vollkommen erklärenden unterscheiden. Bequem ist es, von unvollkommener und vollkommener Begreiflichkeit zu sprechen. Was immer aus einer3 reinen Begriffswahrheit mit Evidenz hervorgeht, möge sie selbst a priori gültig sein oder nicht,4 erscheint uns in gewisser Art aus seinem Grund begriffen, als notwendig.5 In diesem unvollkommenen Sinn begreiflich sind alle aus den Grundgesetzen der Mechanik, Astronomie usw. deduzierten (erklärten) sekundären Gesetze und ihre konkreten Anwendungen bzw. die entsprechenden Sachverhalte. 3) Das Wörtchen „weil“, welches den Grund andeutet, wird sogar gebraucht, wo nicht einmal eine Begriffswahrheit als Grund dient, sondern z. B. eine Wahrheit, die auf konkrete Tatsächlichkeiten Bezug hat. „Warum sprechen diese Leute italienisch? Weil alle Bewohner dieses Landes so sprechen“: Man merkt sofort, dass dieses „weil“ 1 Spätere Bemerkung: „Sind wirklich die Naturgesetze ‚reine Begriffswahrheiten‘? Implizieren sie nicht eine Beziehung zur Natur, wenn auch nicht zu bestimmten Einzelwirklichkeiten? Sind ihre Begriffe nicht notwendig bezogen auf die Welt, und sind sie anders denn aus Wahrnehmungen und Induktion aus Wahrnehmungstatsachen zu gewinnen? Reine Begriffswahrheiten müssen schärfer definiert werden als Wesenswahrheiten, die in immanenten Wesen gründen.“ – Anm. des Hrsg. 2 Spätere Randbemerkung: „aus apriorischem Grund“. – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Einfügung: „supponierten“. – Anm. des Hrsg. 4 „gültig sein oder nicht“ später verändert in „nicht einzusehen sein“. – Anm. des Hrsg. 5 Spätere Randbemerkung: „Wir nehmen ja Gesetze, reine Gesetze mit Wahrscheinlichkeit an, auf empirische Gründe hin, durch Induktion.“ – Anm. des Hrsg.
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einen anderen Sinn hat, dass es hier nicht den erklärenden, begreiflich machenden Grund einleitet und andeutet. „Notwendig“ heißt jetzt auch noch das, was aus einer gegenständlichen1 Wahrheit evident folgt und nicht zugleich mit ihr selbst aus einem rein begrifflichen Grund 5 (evtl. aus einem apriorischen) begreiflich ist, also ganz allgemein, was aus irgendwelchen gegebenen Wahrheiten mit Evidenz folgt. Wo immer die2 Sachlage formell auszudrücken ist durch „A gilt, also gilt B“, können wir sagen „B muss gelten – denn es gilt A“. Ebenso: „Es ist unmöglich, dass B nicht gilt“. 10 Psychologisch ist dieser Fall einfacher als der der erklärenden Begründung. Die Evidenz der Folgerung ist beiderseits vorausgesetzt. Dazu tritt im Fall der apriorischen Begründung das Phänomen der Evidenzübertragung, durch welche das gefolgerte Urteil nicht bloß als evident motiviert, sondern als motiviert evident erscheint. b) Grund und Folge
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Verlassen wir das logische Gebiet, das der vollkommenen, d. i. evidenten Urteile, so kann eine Folgerung bestehen, ohne dass die Prämissen, die Folgerungsgründe, gesicherte Wahrheiten sind und ohne dass andererseits die Folgerung selbst eine evidente ist. Die populäre 20 Sprechweise meidet auch dann nicht die Termini „Notwendigkeit“, „Unmöglichkeit“, „Grund“ und „Folge“. Wo immer ein Urteil aus einem anderen folgt und ihm nicht bloß zeitlich nachfolgt, kann und wird oft genug der gefolgerte Sachverhalt als notwendiger bezeichnet. So bei Folgerungen nach unvollkommener Induktion und Analogie, 25 bei Trugschlüssen und dgl. Wir unterscheiden demgemäß logische und unlogische Folgerungen und Folgerungsgründe. Da der logische Begriff der Notwendigkeit (in jedem Sinn) auf Evidenz beruht, so dient der bei Logikern nicht seltene Ausdruck „notwendige Folge“ zur Betonung des logischen Charakters derselben. Ähnliche Unterschei30 dungen müssen wir natürlich auch in Betreff der Erklärungen und Erklärungsgründe machen, wie man ja auch allgemein von falschen, scheinbaren, unlogischen Erklärungen spricht.
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„gegenständlichen“ später verändert in „tatsächlichen“. – Anm. des Hrsg. Spätere Einfügung: „logische“. – Anm. des Hrsg.
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Psychologisch repräsentiert die unlogische Folgerung einen einfacheren Fall als die evidente, die unlogische Erklärung einen einfacheren als die logische. Am kompliziertesten ist die apriorische Erklärung. Wenn man in allen diesen Fällen von Notwendigkeit spricht, so beruht dies einerseits allerdings auf dem oben besprochenen Phänomen der Nötigung, andererseits auf einem dem Urteilsgebiet selbst eigentümlichen psychologischen Charakter, der am reinsten im Fall blinder, unlogischer Folgerung hervortritt. Das Auseinanderfolgen ist ein eigenes deskriptives1 Verhältnis zwischen zwei Urteilen;2 und insbesondere ist zu bemerken, dass hierbei das Folgeurteil einen eigentümlichen Charakter erhält, den der „Motiviertheit“ (wie sich B ren t an o auszudrücken pflegt).3 Motiviert ist nun, wie das unlogisch Gefolgerte, so auch das logisch Gefolgerte, und da in jeder Erklärung Folgerung steckt,4 jeder erklärte Sachverhalt.5 Die Motiviertheit6 ist also das Gemeinsame in den betrachteten Fällen. Gehen wir von der unlogischen zur logischen Folgerung über, so finden wir im Urteilsakt, der sie als solche erlebt, ein psychologisches Plus, die Evidenz, aber nicht als Evidenz des motivierenden oder motivierten Urteils (beide könnten objektiv sogar falsch sein), sondern als Evidenz der Motiviertheit des Folgeurteils durch seinen Grund.7
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„deskriptives“ später verändert in „objektives“. – Anm. des Hrsg. „Urteilen“ später verändert in „Sachverhalten und konstituiert sich in einem phänomenologischen Verhältnis, in einer eigentümlichen phänomenologischen Einheit der betreffenden Urteile, die selbst den Charakter einer Urteilseinheit haben“. – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Randbemerkung: „Das motivierende Urteil: Sein Sachverhalt erscheint als begründend. Das motivierte Urteil: Sein Sachverhalt erscheint als begründet. Die Motivierungseinheit beider Urteile: ihr Sachverhalt – dass der eine Sachverhalt den anderen begründet.“ – Anm. des Hrsg. 4 Spätere Randbemerkung: „Jede Erklärung ist Begründung.“ – Anm. des Hrsg. 5 „jeder erklärte Sachverhalt“ später verändert in „jedes erklärte Urteil“. – Anm. des Hrsg. 6 Spätere Randbemerkung: „Am besten spricht man wohl gegenüber dem Motiviertsein überhaupt vom logischen Motiviertsein: Einsichtigkeit des Motivationsurteils als Gesamteinheit.“ – Anm. des Hrsg. 7 „der Motiviertheit des Folgeurteils durch seinen Grund“ später verändert in „des in der Motivierungseinheit steckenden Urteils, in dem das Gegründetsein des gefolgerten Sachverhalts im vorausgesetzten erscheint: Dieses Gegründetsein wird erschaut, das Sein des Erscheinenden. Davon haben wir Evidenz. Der Glaube, dass B ist, ist nicht nur überhaupt motiviert, sondern in evidenter Weise logisch motiviert durch den Glauben, dass A ist“. – Anm. des Hrsg. 2
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Psychologisch könnte man hier eine Schwierigkeit finden. Evidenz soll ein psychologischer Charakterzug des bezüglichen Urteilsaktes sein. Welches ist aber die Materie des evidenten Urteilsaktes, wenn eine Folgerung evident ist? Ist sie etwa das Erlebnis der Auseinanderfolge der beiden Urteile als individueller1 Akte? Offenbar nicht. In diesem Sinn ist jede, auch die unlogische Folgerung evident. Es handelt sich nicht um das bloße Auffassen der subjektiven inneren Tatsache, des hic et nunc Erlebten, sondern um die Evidenz, dass die beiden Sachverhalte in dem objektiven Verhältnis der Abfolge stehen. Psychologisch ist also vorausgesetzt, dass von allem Individuellen, Subjektiven des Phänomens abstrahiert und nur auf das abstrakte Verhältnis der Abfolge der objektiv und abstrakt genommenen Urteile2 geachtet wird. Es verhält sich hier genauso wie bei irgendwelchen anderen Evidenzen. Die Evidenz der inneren Wahrnehmung haben wir natürlich auch beim unlogischen oder gar falschen Urteil. Evidenz des Urteils meint aber nicht Evidenz der Wahrnehmung des subjektiven3 Aktes, sondern Evidenz des objektiven Urteils, was psychologisch betrachtet ein Abstraktes ist.4 Ich bemerke noch, dass man die Evidenz der Folgerung psychologisch nicht als apriorische5 Notwendigkeit derselben fassen darf, obschon jede richtige Folgerung, logisch betrachtet, eine a priori notwendige ist. Jedem richtigen Schluss entspricht nämlich ein rein begriffliches und evidentes „Folgerungsprinzip“, aus dem es a priori begriffen werden kann. Damit ist aber nicht gesagt, dass in jedem Schluss auf dieses Folgerungsprinzip reflektiert und so die apriorische Notwendigkeit erlebt wird. Zur logischen Vollkommenheit genügt die bloße Evidenz der vorliegenden Folgerung. Zur Motiviertheit und Evidenz tritt als ein psychologisch neues Moment die Begreiflichkeit hinzu, das Gründen in einem rein begrifflichen Grund. Ist dieser ein evidenter, besteht also Apriorität, 1
„individueller“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. Von „von allem“ bis „genommenen Urteile“ später verändert in „nicht auf die Urteilsakte, sondern nur auf das abstrakte Verhältnis der Abfolge der objektiven Gehalte (der Sachverhalte)“. – Anm. des Hrsg. 3 „subjektiven“ später verändert in „urteilenden“. – Anm. des Hrsg. 4 „objektiven Urteils, was psychologisch betrachtet ein Abstraktes ist“ verändert in „Urteils selbst“. – Anm. des Hrsg. 5 „apriorische“ später verändert in „Erlebnis der apriorischen (erklärenden)“. – Anm. des Hrsg. 2
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dann ist das Gefolgerte nicht bloß logisch motiviert, sondern auch selbst evident, und damit nicht genug, es ist diese Evidenz nicht bloß einfach da, sondern aus der Evidenz der Prämissen sozusagen sichtbar hervorgeflossen; kurz ausgedrückt, es besteht neben der Evidenz der1 Motiviertheit auch (evidente) Motiviertheit der Evidenz. Man denke an die in der Mathematik nicht seltenen Fälle, wo ein an sich evidentes Urteil a priori begründet wird. Die Evidenz, die solch ein Urteil nach der Begründung hat, ist psychologisch nicht identisch charakterisiert wie die ursprüngliche. Mit dem Urteil ist auch seine Evidenz in den Prämissen motiviert. Es ist nicht bloß Evidenz des Schlussurteils da plus evidenter2 Motiviertheit desselben, sondern jene Evidenz selbst erscheint auf den evidenten Grund bezogen und durch ihn motiviert. Wird ein unmittelbar evidentes Urteil falsch begründet, so besteht Evidenz und Motiviertheit, aber weder evidente3 Motiviertheit noch (evident) motivierte Evidenz. Natürlich kann man aus den zuletzt nachgewiesenen Verwebungen von Motiviertheit und Evidenz das deskriptive (phänomenale) Moment der Begreiflichkeit (des Begriffenseins) nicht herleiten. Wo aus einer evidenten Tatsächlichkeit eine evidente Folgerung gezogen wird, haben wir evidente4 Motiviertheit und5 motivierte Evidenz, aber kein Begreifen aus dem Grund. Zum Beispiel: Ich denke, also bin ich. Wieder finden wir das letztere Moment ohne den Verein der ersteren in der unvollkommenen Erklärung. Ist der erklärende Grund nicht a priori, so entfällt natürlich6 die Evidenz des Begründeten. Dieses psychologische Moment der Begreiflichkeit ist von dem der Motiviertheit untrennbar, wohl aber von der Evidenz der Motiviertheit; nur verliert es dann seinen logischen Wert, es liegt dann eine bloß „scheinbare“ Begreiflichkeit vor. Der logische Begriff des Begreifens (des Erklärens, des Begründens im prägnanten Sinne) beruht hingegen auf evidenter7 Motiviertheit; er schließt das entsprechende logische Verhältnis der Abfolge logisch ein. Dem Psychologen braucht nicht ge1 2 3 4 5 6 7
Spätere Einfügung: „logischen“. – Anm. des Hrsg. Spätere Einfügung: „logischer“. – Anm. des Hrsg. „evidente“ später verändert in „logische“. – Anm. des Hrsg. „evidente“ später verändert in „logische“. – Anm. des Hrsg. Spätere Einfügung: „evident“. – Anm. des Hrsg. „natürlich“ später verändert in „eo ipso“. – Anm. des Hrsg. „evidenter“ später verändert in „logischer“. – Anm. des Hrsg.
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sagt zu werden, dass die hier deskriptiv unterschiedenen Momente in ihren mannigfachen Verbindungen nicht äußerlich aneinandergelegt oder -geheftet sind, sondern innig verschmolzen und in diesen Verschmelzungen eigenartige und wechselnde Tinktionen erfahren, 5 so dass „dasselbe“ Moment in Wahrheit nicht überall genau dasselbe ist, sondern nur „im Wesentlichen“ dasselbe. Natürlich hat, wie sonst, auch hier das aus den verschmelzenden Momenten hervorgehende Ganze einen einheitlichen Totalcharakter (eine „Quasiqualität“), welcher der Einheit des entsprechenden Begriffs zugrunde liegt.
§ 5. Notwendigkeit in Bezug auf das Hypothetische
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4)1 Die bisher besprochenen Formen logischer Notwendigkeit haben das Gemeinsame, dass der Grund ein (objektives) Urteil ist; diesen kategorischen Notwendigkeiten, wie man sie passend nennen könnte, reihen sich gewisse ihnen nah verwandte hypothetische an. Auch wer die Grundsätze der nichteuklidischen Geometrie für falsch, wo nicht gar für absurd hält, wird zugestehen, dass ihre Lehrsätze notwendige und begreifliche Folgen jener Grundsätze sind. Die für falsch gehaltene Behauptung eines Gegners bestreitend, leiten wir aus der „vorläufig angenommenen“ gewisse notwendige Konsequenzen her, die mit unzweifelhaften Tatsachen oder Gesetzen in evidentem Widerstreit sind; oder wir zeigen, dass jene Behauptung, „vorausgesetzt“, dass sie gültig wäre, nicht erklärte, was sie erklären sollte. Von einer „Hypothese“ zeigen wir, dass sie gewisse Tatsachen erklärlich machen würde, während wir ihre Wahrheit (oder Wahrscheinlichkeit) ganz dahingestellt lassen und lassen müssen. Psychologisch sind hier offenbar zwei Fälle zu unterscheiden: der Fall, wo der Folgerungs- oder Erklärungsgrund explicite als Hypothese (Annahme, Voraussetzung) hingestellt ist, und der Fall, wo er dies nicht ist. Die hypothetische Setzung, das „Annehmen“, ist ein eigentümliches psychisches Verhalten gegenüber einem objektiv hingestellten („vorgestellten“) Sachverhalt und von derselben psychologischen Irreduktibilität wie das Anerkennen, Verwerfen, Vermuten,
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Hier setzt Husserl die Nummerierung fort, die auf S. 12 anfängt. – Anm. des Hrsg.
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Zweifeln usw. In Reflexion auf dieses psychische Verhalten erwächst das korrelative Begriffspaar des Annehmens und des Angenommenen, aus dem letzteren aber unter Abstraktion von dem Individuellen und Subjektiven der objektive Begriff der Annahme, Hypothese. Ebenso gut nun wie ein schlechthin (evtl. mit Evidenz) gesetzter, geglaubter oder geleugneter Sachverhalt den Grund für eine Folgerung oder Erklärung abgeben kann, so auch ein hypothetisch gesetzter. In den früheren Fällen war ein Urteil vorgegeben: A gilt; dann ging mit Evidenz die Folgerung hervor: Also gilt B. Jetzt ist die Hypothesis vorausgeschickt, dass A gilt, und daraus wird gefolgert: Dann gilt B. Im ersteren Fall können wir eine Dekomposition versuchen: A gilt, wenn dies, so gilt B, B gilt. Zunächst wird A als gültig gesetzt, es wird das Folgeverhältnis des A-Seins und B-Seins erkannt und damit zugleich die resultierende Gültigkeit des B – dies alles in einem kontinuierlichen Akt, in den diese innig verwobenen und aufeinander bezogenen Akte eingehen. Es besteht, könnte man sagen, hier ein Unterschied: Anerkennen oder Verwerfen (wofern wir darunter elementare Urteilsakte verstehen) kann auf beliebige Sachverhalte gehen, das Voraussetzen aber nur auf vorgestelltes Sein oder Nichtsein, Gelten oder Nichtgelten. Ich setze voraus, dass alle Körper beseelt sind: Darin liegt, dass ich mir dies vorstelle; das reicht aber nicht hin, ich nehme an, dass dem so sei, dass es gelte. Aber das Vorstellen, dass alle Körper beseelt sin d, setzt es in demselben Sinn das Urteil voraus? Man wird wohl sagen: Aus gefällten Urteilen entspringen vorstellbare Sachverhalte, jede neu auftretende Urteilsform schafft eine Form von Sachverhalten. Indem ich mir diese vorstelle, spielt zwar das entsprechende Urteil mit,1 aber es ist doch etwas anderes, dieses Urteil vorstellen, als seinen Sachverhalt vorstellen. Auf diesen Sachverhalt bezieht sich die Anerkennung oder Verwerfung, wo die bloße Vorstellung dem Urteil vorangeht, was nicht immer der Fall ist, so dass ich nicht glaube, dass eine derartige Vorstellung des Sachverhalts dem Urteil psychologisch zugrunde liegt. Jedenfalls setzt nicht jede Sachverhaltsvorstellung das entsprechende Urteil voraus. Dass Gold grün ist, kann ich mir vorstellen, ohne das Urteil vorzustellen. Ich habe eine Phantasievorstellung eines grünen Objekts
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und die Gliederung desselben in Subjekt und Attribut, dazu die den Benennungen entsprechenden Elementarurteile; das ist aber nicht das Urteil „Gold ist grün“, auch nicht in bloßer Vorstellung. Der Sachverhalt setzt hier mehrere Urteile voraus, aber gerade nicht das, auf das es ankommt. Was nun die Hypothese anbelangt, so setzt sie eben dieses Urteil immer voraus. Ich mache die Hypothese, d. h., ich denke mir, es sei gültig; aber nicht bloß, ich stelle die Gültigkeit vor; denn wenn jemand sagt „Es gilt, dass Gold grün ist“, so stelle ich das auch vor, ohne die Hypothese machen zu müssen. Freilich ist es nicht eben sicher, ob diese Dekomposition mehr ist als eine äquivalente logische Umformung. Trifft sie das Psychologische, dann ist der Fall der hypothetischen Folgerung auch der psychologisch einfachere: Ihm fehlt ein dem Obigen entsprechendes drittes Glied. Am einfachsten läge aber die Sache in dem oben als möglich bezeichneten Fall, dass die Hypothese mangelt, während die Folgerung doch besteht. Es wird einfach geurteilt: Die Gültigkeit von A bedingt (evident) die von B, wobei darüber, ob A gültig oder ungültig ist, weder eine Entscheidung besteht noch eine Hypothese. Unzählige Male achten wir ausschließlich auf die Notwendigkeitszusammenhänge von Sachverhalten, ohne diese selbst für sich zu beurteilen oder sie auch nur hypothetisch zu setzen. Logisch ist dies aber ohne Bedeutung, insofern einfache Bedingtheit und Bedingtheit aufgrund einer ausdrücklichen Hypothese logisch äquivalent sind. Verstehen wir die Formel „Wenn A gilt, so gilt B“ des sogenannten hypothetischen Urteils in dem Sinn der Folgerungsnotwendigkeit, dann können wir dafür ebensogut sagen „A bedingt B, oder vielmehr aus A folgt B“, wie „Die Hypothese A bedingt die Folge B“;1 „Vorausgesetzt, dass A gilt, gilt auch B“ und dgl. „Aus der Gleichseitigkeit eines Dreiecks folgt seine Gleichwinkligkeit“ – „Vorausgesetzt, dass ein Dreieck gleichseitig ist, so ist es auch gleichwinklig“. Beides „besagt“, wie wir uns auszudrücken pflegen, „dasselbe“.
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§ 6. Der volle Grund und die Teilgründe bei Folgerungen a) Folgerungen aus Urteilen Wir schließen hier die Erörterung eines für die Theorie des hypothetischen Urteils fundamentalen Unterschiedes an. Beschränken wir uns auf Folgerungen, und zwar auf solche aus Urteilen und nicht aus Hypothesen. Zweierlei ist dann möglich: Entweder die als Gründe aufgefassten und angegebenen Urteile repräsentieren den vollen Grund für die angegebene Folge,1 d. h., der Hinblick auf diese Urteile allein macht die Folge als solche evident, oder dies ist nicht der Fall, es ist ein Hinblick auf andere Urteile (die also den angegebenen zum vollen Grund erst ergänzen) erforderlich. Bezeichnen wir z. B. einen geometrischen oder mechanischen Satz als die Folge des anderen, so gehören zum vollen Grund offenbar die sämtlichen die Folgerung vermittelnden Sätze. Wir schließen: „P gilt, also, da auch A gilt, B; nun gilt überdies C, also mit Rücksicht auf B, D usw., also gilt Q; also folgt aus P Q“. Die zur Begründung herangezogenen Urteile B, C … werden unterdrückt. Dagegen bilden in jedem nichtenthymematischen Schluss die Prämissen den vollen Grund; die beiden Urteile „Alle A sind B“ und „Alle B sind C“ machen für sich allein evident, dass dann alle A C sein müssen. Jeder beliebige Teil eines vollständigen Folgerungsgrundes kann gelegentlich als Grund bezeichnet sein, z. B. „Alle Menschen sind sterblich, also auch Sokrates“, „Sokrates ist ein Mensch, also auch sterblich“. Man kann sogar behaupten, dass in weitaus den meisten Fällen, wo ein Folgeverhältnis hingestellt ist, der angegebene Grund ein unvollständiger ist.2 Man wird vielleicht sagen: Von dem jeweilig gemeinten vollen Grund heben wir nur einen Teil hervor, der uns besonders interessiert oder auf den wir die Aufmerksamkeit anderer lenken wollen, während die übrigen Teile nur mit Stillschweigen übergangen werden. Diese Auffassung reicht nicht hin. Dass sie voraussetzt, es seien uns die vollen Gründe jeweils wirklich gegeben, brauchen wir hierbei nicht zu tadeln; denn dies ist ja klar, dass die Interpretation des Begriffs der Folge von dem Fall, wo wir Folge erleben, wo also die 1 2
Spätere Randbemerkung: „Perfekt“. – Anm. des Hrsg. Spätere Randbemerkung: „Imperfekt“. – Anm. des Hrsg.
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vollen Gründe wirklich gegeben sind, ausgehen muss. Aber tadelhaft ist, dass sie dem auszeichnenden Interesse eine Funktion verleiht, der es nicht gewachsen ist. Wie verkehrt wäre dann die Ausdrucksweise „A hat B zur Folge“. Es wäre genauso, wie wenn wir uns erlaubten, die Quantität α größer zu nennen als eine andere β, wo in Wahrheit α + m > β ist, und wenn wir diese Ausdrucksweise damit rechtfertigen wollten, dass α uns mehr interessiere als β. Es ist klar, nicht das macht den Unterschied zwischen dem Fall, wo A (das als Grund Hingestellte) der volle Grund ist , und dem, wo es einen Teil des vollen Grundes repräsentiert, dass ein bevorzugendes Interesse besteht oder fehlt, welches dem Teil zugute kommt, sondern dass eben einmal das Ganze und das andere Mal der Teil als Träger der Folgebeziehung, als das Motivierende erscheint. Gewiss spielt hier das Interesse eine gewisse Rolle. In unzähligen Fällen ist es für uns von besonderem Interesse, dass gerade das A, sich mit irgendwelchen vertrauten oder eben gesicherten Überzeugungen verknüpfend, das B nach sich zieht. Hier erscheint B durch A speziell motiviert. Die Hervorhebung des A und seiner motivierenden Kraft kann hierbei eine unwillkürliche sein oder eine willkürliche. Wir können willkürlich das Interesse auf die Beziehung irgendeines Teilgrundes zur Folge lenken, und dann hat er selbst den Charakter des Motivierenden, die Folge aber den des Motivierten; die übrigen Gründe wirken dabei mit, aber das Interesse ruht nicht auf ihrer eigenen motivierenden Leistung. Der Charakter der Motiviertheit haftet also der Folge sowohl in Beziehung zum ganzen Grund als in Beziehung zu jedem Teilgrund an. Ich sage Teilgrund, nicht Teil des Grundes, denn nicht jedes im Grund enthaltene Urteil leistet zur Folge einen wirklichen Beitrag, erscheint also durch Aufhebung der Folge selbst als aufgehoben.1 Freilich ist das eine bloße Umschreibung der einfachen Tatsache: In einem vollen Grund (d. i. in einer Verknüpfung von Urteilen, die für sich eine Folge bedingt) muss nicht jedes einzelne Urteil den Charakter eines Grundes haben, und nur die es tun, nennen wir wesentliche Teile des vollen Grundes oder Teilgründe. Es gilt dann der Satz, dass die Weglassung der unwesentlichen Teile den vollen Grund nicht wesentlich verändert, sofern seine Eigenschaft als voller Grund erhalten bleibt. 1
Spätere Randbemerkung: „Superperfekt“. – Anm. des Hrsg.
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Nach diesen Ausführungen ist der volle Grund ein Kompositum von Gründen, seine Motivierung ist komponiert aus den Motivierungen der Teilgründe – falls man die Sachlage, die sich bei der Analyse ergibt, in den Tatbestand vor der Analyse hineindeuten darf, was hier, bis zu einem gewissen Grad wenigstens, berechtigt erscheint. Dies lehrt der Vergleich des unanalysierten mit dem analysierten Phänomen. Die verschiedenen Teilmotivierungen dürfen nur nicht im Ganzen als äußerlich zusammengebunden gelten, sie verweben sich zu ein er Motivierung, so wie aneinander gelegte Strecken sich zu ein er Strecke verbinden und ihre Selbständigkeit einbüßen: als trennbare, nicht als getrennte Teile existieren sie im Ganzen. Die Analogie mit den Teilstrecken hat freilich ihre Grenze. Die Teilstrecke bleibt eine Strecke, auch wenn die mitverbundenen Teile aufgehoben würden und wenn es in aller Welt sonst nichts gäbe. Die Teilgründe sind aber nur Gründe „im Hinblick“ auf die ergänzenden Teilgründe, und werden diese aufgehoben, dann müssen andere Teilgründe hinzutreten, wofern sie überhaupt als Gründe bestehen bleiben sollen. Der Teilgrund ist also ein unselbständiger Grund, er ist nur Grund im Zusammenhang eines Ganzen von Gründen. Der volle Grund allein ist selbständig, er bedarf nicht jenes „Hinblickes“ auf andere korrelate Gründe, der zur psychologischen Charakteristik des Teilgrundes wesentlich ist. Jedenfalls haben Teilgrund und voller Grund das Gemeinsame, dass in Beziehung auf die Folge Motiviertheit besteht (evidente bei logischen Gründen); wo aber dies, da ist „mit der Folge der Grund aufgehoben“, d. h., die Negation der Folge motiviert1 (bei günstiger Richtung des Interesses, die „normalen“ Bedingungen überhaupt vorausgesetzt) die Negation des Grundes, und zwar mit Evidenz,2 wenn die Folgebeziehung evident war. Psychologisch betrachtet ist diese Sachlage eine Tatsache; das entsprechende logische Gesetz aber ist eine apriorische Notwendigkeit, wir begreifen einsichtig, dass die Aufhebung der logischen Folge diejenige des logischen Grundes nach sich ziehen muss. In den meisten Fällen, wo wir über eine Folge urteilen, ist uns der volle Grund nicht gegeben. Dann kann aber auch die Evidenz der Beziehung nicht einleuchten; denn auch die Evidenz des Teilgrundes 1 2
Spätere Einfügung: „logisch“. – Anm. des Hrsg. „mit Evidenz“ später verändert in „logisch“. – Anm. des Hrsg.
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ist unselbständiger Teil der Evidenz des vollen Grundes. Gleichwohl können wir über die Folge urteilen oder können einen anderen verstehen, wenn er urteilt „A gilt, also gilt B“. Hier vermittelt die „uneigentliche“ und „unbestimmte“ Vorstellung einer „gewissen“ 5 Folgebeziehung. Ob das A der volle Grund ist oder ein Teilgrund ist und welches im letzteren Fall die ergänzenden Teilgründe sind, darüber ist nichts bestimmt. Sicher aber ist, dass jedes Folgeurteil auf eine Folgerung und damit auf einen vollständigen Notwendigkeitszusammenhang hinweist und dass also der allgemeine Ausdruck 10 „A, also B“ (und ebenso „Wenn A, so B“) eine Unbestimmtheit einschließt, die, wie sich zeigen wird, auf den logischen Gehalt und Wert des Urteils von wesentlichem Einfluss ist. b) Hypothetische Folgerungen
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Was sich uns in Beziehung auf, kurz gesagt, kategorische Folgerungen ergeben hat, überträgt sich mit leicht ersichtlichen Modifikationen auf hypothetische. Behaupten wir, dass eine Voraussetzung P die Folge Q nach sich ziehe, so kann die Folgebeziehung durch irgendwelche Fürwahrhaltungen A, B … vermittelt sein, statt wie in anderen Fällen in P allein ihren vollen Grund zu haben. Der Aussage selbst ist dies nicht anzusehen. Es kann aber auch sein, dass unter den ergänzenden Gründen selbst Hypothesen auftreten. Die schlichte Ausdrucksweise „P bedingt Q als Folge“ ist dann logisch nur zulässig, wenn die ergänzenden Hypothesen stillschweigend hinzugedacht sind oder mindestens zur dispositionellen Bedeutung der Folgebeziehung gehören. Wenn wir gewisse Hypothesen ein für alle Male festlegen, um auf sie weitausschauende Deduktionen zu gründen, wiederholen wir die aus dieser Quelle fließenden Gründe nicht immer von neuem; das Hauptinteresse geht hier in der Regel darauf, zu ergründen, was zu diesen Voraussetzungen hinzutreten muss, um gewisse Folgen evident zu machen, oder was für Folgebeziehungen zwischen mehr oder minder entfernten Folgen derselben und unter ihrer Mithilfe zu erweisen sind. Die hypothetischen Urteile (als Urteile über den Bestand solcher Folgebeziehungen) sprechen wir in solchen Fällen aus, ohne die Grundhypothesen zu nennen, ohne auch nur an sie zu denken. Aber jeder dieser scheinbar absolut gültigen Sätze des hypothetisch-deduktiven Gebietes hat psychologisch einen anderen
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Habitus und ist mit anderen logisch bedeutsamen Dispositionen verknüpft als ein wahrhaft absolut gültiger, er trägt gleichsam einen Stempel bedingter Gültigkeit an sich, der ihn von einem schlechthin gültigen zu unterscheiden gestattet. Die metageometrischen Sätze1 haben psychologisch einen anderen Habitus als die geometrischen, obschon die einen wie die anderen kategorisch hingestellt werden. Jeder Versuch, einen metageometrischen Satz als absolut gültigen zu behandeln, ihn etwa einzubeziehen in physikalische oder astronomische Untersuchungen, lässt durch Kontrast den Bedingtheitscharakter des Satzes hervortreten, und die Dispositionen kommen in Erregung, deren Aktualisierung den Gedanken herbeiführt „Dieser Satz gilt nur unter gewissen fiktiven Grundsätzen der Metageometrie“. Gehören zum vollen Grund von Q mehrere Hypothesen P, P0, P1 … und wird nun die Folgebeziehung zwischen P und Q betont, dann bedarf es eines „Hinblickes“ auf die ergänzenden Hypothesen P0, P1 …; wird die Folgebeziehung als eine objektiv gültige behauptet, so kann dies mit logischem Recht nur aufgrund dieser Hypothesen geschehen, d. h., das ursprüngliche hypothetische Urteil „Wenn P, P0, P1 … zusammen gelten, gilt Q“ geht in das äquivalente über „Wenn P0, P1 … zusammen gelten, so gilt, dass, wenn auch P gilt, Q gilt“.2
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§ 7. Die Bedeutung der hypothetischen Formel Nach den vorstehenden Ausführungen haftet der hypothetischen Formel „Wenn P gilt, gilt Q“ – als Ausdruck der Affirmation einer Folge verstanden – eine Zweideutigkeit an. Es kann gemeint sein, dass P, sei es für sich, sei es mit gewissen anderen nicht näher bezeichne- 25 ten Gültigkeiten, Q zur Folge hat. Im lebendigen wissenschaftlichen Denken bezieht sich die Formel aber sehr häufig auf einen gewissen Inbegriff von Hypothesen, die mit zu den Gründen gehören, sofern sie die Folgebeziehung vermitteln. Im ersteren Fall drückt die Formel eine selbständige, mit dem Anspruch auf kategorische Gültigkeit 30 auftretende Behauptung aus; im letzteren Fall hingegen eine dem 1
„Sätze“ später verändert in „Urteile“. – Anm. des Hrsg. Spätere Randbemerkung: „Genauso ist es, wo Wahrheiten Mitgründe sind und unterdrückt werden.“ – Anm. des Hrsg. 2
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logischen Anspruch nach hypothetisch gültige Behauptung, also im Grunde ein unselbständiges Stück eines Urteils, den Folgebestandteil einer zu behauptenden, aber verschwiegenen Folge. Der hypothetischen Formel haftet aber eine über diese Zweideutigkeit noch hinausreichende und viel bedeutsamere Unbestimmtheit an. Nach dem soeben Erörterten sagt sie uns nicht, ob P allein das Q bedingt oder nicht, und im letzteren Fall, ob bloße Urteile oder auch Hypothesen die Folge vermitteln; sie sagt uns aber auch nicht, welches die Urteile und Hypothesen sind, die für diese Leistung verantwortlich zu machen sind. Wollte man der Formel einen von subjektivem Wissen oder Nichtwissen unabhängigen und für alle Fälle passenden Sinn geben, so müsste man ihn so fassen: Es gibt Hypothesen oder Wahrheiten, welche die Folgebeziehung PQ, falls sie nicht in sich selbst ihre Begründung trägt, begründen. Aber damit kämen wir zu einer gänzlich leeren Behauptung. In diesem Sinn sind zwei beliebige Sachverhalte Folgen voneinander; denn es gibt immer Hypothesen, die sie auseinander herzuleiten gestatten. Adjungieren wir das schrankenlose Reich der Hypothese – schrankenlos, weil Wahres und Irriges, Evidentes und Absurdes sich in gleicher Weise als Voraussetzung hinstellen lässt –, dann verschwindet das Auszeichnende der Folgebeziehung des Q zu P; jedes beliebige Q’ hat zu P dieselbe Beziehung. Nur wenn wir einen abgegrenzten Inbegriff von Hypothesen im Auge haben, kann das hypothetische Urteil einen wertvollen Sinn gewinnen. Ähnlich verhält es sich in Ansehung der Wahrheitsgründe, welche die Folgebehauptung unbestimmt lässt. Denken wir letztere, der Einfachheit halber, als eine kategorisch gültige Behauptung, so dass hypothetische Gründe ausgeschlossen sind, so kann ihr Sinn nicht darin liegen, dass irgendwelche Wahrheiten existieren, die P zu einem vollen Grund von Q ergänzten, falls es nicht an und für sich schon voller Grund des Q sei. Das Reich der Wahrheit ist zwar beschränkt, aber doch weit genug, um durch seine Adjunktion jene höchst wichtige Rolle, die dem hypothetischen Urteil in seinem Gebrauch wohl vorwiegend zukommen dürfte, unmöglich zu machen. Man beachte nur, dass dann je zwei ganz beliebige Wahrheiten im Verhältnis notwendiger Abfolge ständen; z. B. dass der Kegel eine abwickelbare Fläche ist, folgte mit Notwendigkeit daraus, dass meine Stiefel geputzt sind und dgl. In der Tat, sind P und Q wahr, dann ist
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sicher eins von beiden, dass P gilt und Q nicht gilt, falsch. Heben wir also dieses Urteil aus dem Gesamtreich der Wahrheit hervor, so ist zu schließen, dass, wenn P gilt, auch Q gelten muss. Ferner: In jedem Fall, wo der hypothetisch angenommene Sachverhalt unwahr ist, bestände neben der aus ihm gezogenen Konsequenz auch deren kontradiktorisches Gegenteil; daraus resultierte als weitere Folge die Negation des Satzes vom Widerspruch und schließlich jede mögliche Behauptung und im Besonderen jede Absurdität. Es kommt ja vor, dass wir eine Folge in diesem weitesten Sinne behaupten wollen, in dem es uns einzig und allein interessiert, dass die Anerkennung des A, gleichgültig durch welche Vermittlung, die des B nach sich zieht. In unzähligen Fällen leiten uns aber ganz andere Zwecke. Und wo wir eine Wahrheit als Folge einer anderen, einen Sachverhalt als Folge einer wissentlich falschen Annahme hinstellen, da meinen wir eine inhaltsvolle Behauptung auszusprechen. Wir meinen, es sei eine Auszeichnung der Wahrheit Q, dass sie sich aus der Wahrheit P herleiten lasse. Wir halten es für etwas Besonderes, dass sich gerade die Konsequenz Q aus der falschen Annahme P ergibt, und wieder gilt es für einen ausgezeichneten Fall, wenn sich die Konsequenz als eine absurde herausstellt. Wir sind also weit entfernt davon zu meinen, es könne im Fall bewusster Unwahrheit der Hypothesis jede beliebige Folge und jede beliebige Absurdität hergeleitet werden. Es ist nicht schwer einzusehen, dass die ganze Funktion des hypothetischen Urteils auf dieser Auszeichnung beruht, dass bei dem Sinn der Folge, den man jeweilig im Auge hat, nur gewisse Paare von Sachverhalten zu einer Folgebeziehung zusammengebunden werden können. Es ist danach klar, dass weder der Gesamtbereich möglicher Hypothesen noch der Gesamtbereich der Wahrheiten die Quelle abgeben kann, aus der die vermittelnden Gründe in freier Auswahl geschöpft werden dürfen. Aber was soll die Auswahl begrenzen? Auf welchen Teilbereich von Hypothesen oder Erkenntnissen soll sich die hypothetische Formel beziehen, wenn sie doch einen für alle Anwendungsfälle identischen Sinn haben soll? Die Antwort ist klar. Die Behauptung notwendiger Folge wird bald in jenem leersten Sinn verstanden, bald in einem engeren und inhaltsreicheren. Dies genügt schon, um einzusehen, dass die gewünschte Abgrenzung in einer für alle erdenklichen Anwendungsfälle der Formel passenden Weise überhaupt nicht vor-
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zunehmen ist. In jedem konkreten Fall aber braucht die Abgrenzung nicht erst vorgenommen zu werden, sie ist vorgegeben und bestimmt den zugehörigen Sinn des hypothetischen Urteils. Es ist von fundamentaler Wichtigkeit, dass sich der Folgebehauptung ein allgemein 5 zutreffender, fest bestimmter Sinn nicht zuschreiben lässt; dass es also untunlich ist, die Behauptung aus dem organischen Denkzusammenhang, in dem sie erwachsen und mit dem sie verwachsen ist, herauszureißen und sie wie eine überall gleichsinnige zu behandeln. Man muss unterscheiden das, was explicite behauptet ist, nämlich die 10 Folgebeziehung, die das überall Gemeinsame darstellt, und andererseits das, was sie implicite voraussetzt, und das ist das Begründungsgebiet. Erst wenn wir dieses mit berücksichtigen, gewinnen wir den jeweiligen vollen Sinn der Folgebehauptung und sind imstande, das mit ihr jeweilig gemeinte Urteil voll auszudrücken.1
§ 8. Objektivierung
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Es muss hier noch die Objektivierung besprochen werden, welche die logische Auffassungsweise von der psychologischen unterscheidet. Wenn wir die Evidenz eines Sachverhalts behaupten, so meinen wir nicht bloß, dass er u n s evident sei; wir urteilen nicht 20 das individuell erlebte Phänomen, wie es unserem individuellen Ich im momentanen Bewusstseinsakt erscheint. Die wahre Meinung explizierend, würden wir wohl so antworten: Jeder, der „denselben“ Sachverhalt beurteilen wollte, müsste ihn genau ebenso beurteilen, wie wir es jetzt tun, sonst würde er nicht das Wahre als wahr, das 25 Falsche als falsch anerkennen; er müsste ferner, wenn er der Einsicht fähig und bei normaler logischer Verfassung ist wie wir, auch die Evidenz haben, dass er das Wahre als wahr, das Falsche als falsch beurteile. Freilich denken wir an all das nicht explicite, wo wir einen Satz als evident bezeichnen. Es liegt in unserer Behauptung 30 nur implicite, d. h., wir sind, wo immer wir die Evidenz erleben, zu diesen (offenbar evidenten) Reflexionsurteilen berechtigt und normalerweise befähigt. Im fraglichen Urteil selbst sind wir ausschließ1
Spätere Randbemerkung: „II. Lehre von den ‚Terminis‘ oder ‚Trägern‘ der Notwendigkeitsbeziehung. III. Notwendigkeit und Allgemeinheit“. – Anm. des Hrsg.
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lich dem beurteilten Sachverhalt und dem psychischen Charakter, den er durch die Evidenz gewinnt, zugewendet; darin aber liegt eo ipso Abstraktion und Konzeption. Der Sachverhalt wird aus dem auch nicht einen „Augenblick“ lang schlechthin unveränderlichen Gesamtbewusstseinsinhalt herausgehoben oder vielmehr herausgearbeitet, als mit sich identisch festgehalten (das Psychologische, das konkrete Phänomen ist hierbei keineswegs ein absolut Identisches, also Invariables), begrifflich gefasst als „dies“ oder dies A, oder dies A, welches b ist und dgl.; es wird abermals das Moment der evidenten Wahrheit oder Falschheit abstraktiv hervorgehoben und begrifflich gefasst, und so erst kommt das Urteil zustande, auch das schlichte Wahrnehmungsurteil. Erst so ist auch der Gedanke möglich, es liege jetzt und ein andermal bei mir und einem anderen „dasselbe“ Urteil vor, erst so kann der subjektive Urteilsakt zum Repräsentanten des objektiven Urteils, des Urteils im logischen Sinn, „des Urteils an sich“ werden. Diese repräsentative Funktion gewinnt das Urteil aber erst als Aussage; durch die sprachliche Form wird der subjektive Akt unter Begriffe gebracht, einheitlich begriffen und so objektiviert.1 Nur durch eine kleine Wendung unterscheidet sich der Begriff der Wahrheit von dem objektivierten Evidenzbegriff, den wir soeben im Auge hatten. Wenn wir ein (objektives) Urteil, etwa ein mathematisches, als evident bezeichnen, so meinen wir, dass jeder normal Disponierte unter uns die Evidenz desselben erleben könne und bei normaler logischer Verfassung erleben werde. Der Begriff der Wahrheit ist umfassender als der der Evidenz. Wir sprechen von Wahrheiten, die kein Mensch als solche einsehen kann und jemals einsehen wird. Die normalen Dispositionen, von denen bei der Evidenz die Rede war, waren die Dispositionen des logisch tüchtigen Menschen. Hiermit ist ein Idealbegriff gebildet, aber nicht ein solcher, der eine scharfe Grenze, vor allem nicht eine unübersteigliche Vollkommenheitsstufe bezeichnet. Bilden wir das absolute Ideal logischer Tüchtigkeit, die absolut vollkommene Urteilskraft, so entspricht ihr als Korrelat die objektive Wahrheit. Jedes Urteil ist wahr, dem das ideale logische Wesen mit Evidenz zustimmen, falsch dasjenige, dem es mit Evidenz widersprechen würde. Psychologisch entspringt der 1
Von „Diese repräsentative“ bis „so objektiviert“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg.
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Begriff der Wahrheit zunächst wohl aus dem der Gewissheit im Sinn der Festigkeit. Wir nennen dann ein Urteil wahr, das den Angriffen der Negation und des Zweifels Trotz bietet, wenn es uns als ein Sicheres, Festes gegenübersteht. Erst die Erfahrung, dass diese 5 Festigkeit keine absolute ist und dass nur die lichtvolle Evidenz die Festigkeit selbst zu sichern vermag, leitete uns wohl an, den Begriff der Wahrheit auf den der Evidenz zu gründen. Was wir in diesem lumen naturale sehen oder einsehen, das ist,1 und was ist, das nennen wir ein Wahres; wir unterscheiden dann zwischen Für-wahr-Halten 10 und Als-wahr-Erschauen oder Einsehen. Das subjektive Erlebnis der Evidenz ist aber ein Vorübergehendes, und nicht immer haben wir sie, wo wir sie haben könnten oder sollten und wo sie andere besser Disponierte wirklich haben. Andererseits finden wir sie oft in uns, wo sie anderen ermangelt. Ist aber das evidente Urteil das absolut 15 vollkommene, sind wir völlig sicher, dass, wer anders urteilt, falsch urteilt, dann muss wahr jedes Urteil genannt werden, das ein logisch ideales Wesen anerkennt, das also jeden erdenklichen Sachverhalt mit Evidenz als seiend oder nichtseiend zu beurteilen vermag.
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Spätere Randbemerkung: „Nicht bloß vermeintlich, sondern völlig gewiss.“ – Anm. des Hrsg.
Nr. 2 Eigentliche und uneigentliche Urteile. D er Sachverhalt als Abstraktum gegenüber d em vorgestellten Urteil und der b loßen Vorstellung1
§ 1. Existentialurteile über Angeschautes und Repräsentiertes „A existiert“: 1) A ein eigentlicher Inhalt, ein Angeschautes. Zum Beispiel: In Hinblick auf den gesehenen Schreibtisch sage ich „Er existiert“. 2) A ein repräsentierter Inhalt, also ein Nichtangeschautes. Ich „denke“ an den Schreibtisch und urteile „Er existiert“. Gegenwärtig ist mir eine repräsentierende Vorstellung. ad 1) Sage ich vom gesehenen Schreibtisch „Er existiert“, so meine ich damit den gesehenen als solchen. Würde ich meinen das Ding an sich, wie immer ich es fasse, sei es auch als ein Ding, das genauso, wie ich es sehe, unabhängig von meinem Sehen existiert, wie es das natürliche Denken glaubt, dann wäre die Anschauung selbst schon keine wahre Anschauung; sie hätte eine repräsentierende Funktion, und wir hätten den Fall 2). Das natürliche Denken fasst das anschaulich Gegebene erst bei nachträglicher Reflexion als Repräsentanten. Im Gewöhnlichen, ohne diese Reflexion, ist das Angeschaute das Ding selbst. Unter welchen Umständen wird dieses nun als existierend behauptet? S igw art betont die Beziehung auf den Anschauenden. Der Schreibtisch existiert nicht bloß als meine Anschauung, sondern auch unabhängig von ihr? Dann hätten wir eine doppelte Existenzbehauptung. Sollen wir sagen: „Dem Angeschauten entspricht ein unabhängig vom Anschauen Existierendes“? Dann wäre diese Beziehung affirmiert, und Existenz steckte im einen Beziehungspunkt. Es wäre dann aber das zunächst Angeschaute zugleich Repräsentant des Nichtangeschauten, aber ihm als eigentliche Vorstellung Entsprechenden (die wahre intendierte Anschauung eines A), und das gehörte wieder zu 2).
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Wohl Wintersemester 1893/94. – Anm. des Hrsg.
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Angenommen nun, die Existenzbehauptung beziehe sich auf das jetzt Vorgestellte, also auf die Anschauung unmittelbar, wie B ren t an o es will, dann ist zu bemerken, dass diese Affirmation jedenfalls nicht immer da ist, wenn wir anschauen (wenigstens finden wir davon in innerer Erfahrung nichts, während wir besondere Fälle des Eintritts derselben wohl beobachten). Dann sind zwei Fälle möglich:1 1)’ Die Anerkennung des angeschauten Inhalts A ist selbst etwas Uneigentliches, sofern sie über sich hinausweist auf einen wie immer zu fassenden Sachverhalt, den wir jetzt nicht erleben; während natürlich in diesem Anknüpfungspunkte sind, welche die Affirmation, die selbst eine uneigentliche ist und eine Intention hat, ermöglichen. 2)’ Die Anerkennung ist etwas Eigentliches, sie hat keine repräsentative Funktion. Betrachten wir den letzteren Fall, dann ist zu fragen, welchen Zweck erfüllt sie? Das Urteil soll das bloß Vorgestellte in ein Erkanntes verwandeln. Nun gibt es mannigfache Arten der Erkenntnis des A. Welche Erkenntnis ist durch „A existiert“ vermittelt? Welche kann gegeben sein, wenn das bedeuten soll, A sei als Ganzes anerkannt? Doch nur das Wiedererkennen, und das weist symbolisch auf ein früheres Anschauen zurück. Jedes andere Erkennen ist eigentlich nicht mehr Anerkennen des Ganzen. Wenn ich sage „Der Schreibtisch kann doch als seiend anerkannt werden“, dann fragt es sich, ob das „seiend“ nicht hinweist auf eine Beziehung, vermöge deren das Angeschaute eben als Repräsentant gedacht wird. Und ich glaube, dass dies bejaht werden muss. Ein anderes Anerkennen liegt in dem Anerkennen der Anschauung als eines Schreibtisches. Das kann man für viele Fälle nicht korrekt ausdrücken, wie S igw art es tut durch „Dies ist ein Schreibtisch“, denn die Vorstellung des Hinweisens kann fehlen. Ich habe eben die Anschauung und erkenne sie als Schreibtisch; ich sage dann in Hinblick auf sie einfach „ein Schreibtisch“ oder „Hier ist ein Schreibtisch“ und dgl., wobei zu bemerken ist, dass das Hiersein sprachlich supponiert wird, obschon es gar nicht vorgestellt zu sein braucht, so dass der Ausdruck „Es ist“ Überschüssiges enthält. Das ist aber nicht einfaches Anerkennen der Anschauung, sondern
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Spätere Randbemerkung: „Das ist doch im Wesentlichen dieselbe Disjunktion, und mit dieser ist natürlich zu beginnen.“ – Anm. des Hrsg.
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Anerkennen derselben als eines Schreibtisches; was eine Gliederung der Materie in Subjekt und Prädikat enthält.1 ad 1’) Nehmen wir nun an, die Anerkennung des A sei etwas Uneigentliches; dann ist sie Anzeichen oder Stellvertreter eines jetzt nichtgegebenen Erlebnisses. Dann muss aber A selbst uneigentlich sein. Denn was für ein Erlebnis soll die Anerkennung vertreten, wenn nicht das Erlebnis eines Inhalts anstatt A, den wir jetzt nicht haben? Überlegen wir uns die Sache genauer. Es kann entweder sein, dass die Anerkennung des A für die Anerkennung eines A in sich fassenden Sachverhalts steht oder für die Anerkennung eines durch A repräsentierten Sachverhalts. Doch lassen wir das allgemein. Was kann in dieser Hinsicht „A existiert“ bedeuten? Oder was kann die Anerkennung von A bedeuten? Zum Beispiel: „Es ist Feuer!“ Wie komme ich zu dieser Anerkennung? Es ist etwas Unerwartetes, dabei furchtbar Prächtiges etc. Es erregt in besonderer Weise mein Interesse, vor allem Befremdung: „Unglaublich, aber wahr!“. Das Neue und Unerwartete erregt leicht Zweifel; ich habe mich oft getäuscht, wenn ich ein Neues sogleich hinnahm. Ich bin daher auch hier geneigt, die Anschauung für bloße Repräsentation zu nehmen, aber die Anschauung zwingt mich, ich gehe von der Vorstellung zur Sache über; es ist kein Zweifel mehr. Und das führt eben zum Ausdruck „Feuer ist“. „Feuer“ für sich allein ist zunächst Ausdruck der repräsentierenden Vorstellung, das „ist“ führt zur Sache über, zum Entsprechenden und als Anschauung Seienden.2 Dazu kommt anderes: der Drang zur Mitteilung. Sage ich „Feuer“, so wird die Vorstellung des Feuers erweckt. Ich muss sagen „Es ist Feuer“, um mein wirkliches Erleben des Feuers auszudrücken. Ich verhalte mich eben anders, wenn ich wirklich vorstelle und wenn ich repräsentierend vorstelle oder, genauer, wenn ich das, was eine repräsentierende Vorstellung intendiert, wirklich vorstelle (anschaue). Bin ich allein, so spreche ich zu mir selbst; das innere Sprechen gibt dem Erlebnis eine gewisse Verstärkung, und vor allem fördert es den anknüpfenden Gedankenverlauf, und so wird es von Kindheit auf ständig gefördert.
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Dazu später ein Fragezeichen am Rand. – Anm. des Hrsg. Es könnte auch Halluzination sein, also eine Repräsentation, der nichts entspricht.
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In jedem Fall also führt uns die Analyse auf den Normalfall zurück, wo die Anerkennung (Bejahung) sich an eine „bloße“ Vorstellung, an eine Repräsentation knüpft. Was wird bejaht? Dass ich diesen (repräsentierenden) Inhalt habe? Nein. (Ich glaube, S igw art irrt, wenn er die Beziehung auf das Ich als eine notwendige heranziehen will; und gilt dies überhaupt, so auch hier.) Der Inhalt als repräsentierender wird bejaht? (Das heißt wohl, dass der präsente Inhalt repräsentiert.) Nein, zumal dies jeder repräsentierende Inhalt tut.1 Bejaht wird, dass dem repräsentierenden Inhalt etwas entspricht oder ein ihm zugehöriges Seiendes entspricht? Zum Beispiel: Ich stelle mir Feuer vor, und zwar angenommen, ich habe dabei nicht das Phantasma schlechthin, dem ich wie einer Anschauung gegenüberstehe, sondern ein Phantasma mit dem Bewusstsein der Repräsentation. Ich stelle mir also z. B. Feuer in der Marienkirche vor. Und nun sage ich „Es ist Feuer“. Das ist ein ganz eigenartiges und, wie ich glaube, nicht weiter analysierbares Phänomen, dieses „ist“. Expliziere ich mir die Bedeutung des Ausdrucks „Es ist Feuer“, so würde ich vielleicht sagen: Wenn ich vor der Marienkirche stände, würde ich sie brennen seh en. Ich würde dann die der Vorstellung entsprechende Anschauung haben. Ich stelle also die eigentümliche Verstärkung und Befriedigung beim Übergang vom Vorgestellten zum An gesch au t en vo r. Diese Vorstellung macht es aber natürlich nicht. Ich muss sie ja haben, wenn ich mir irgendeine Vorstellung explizieren soll. Aber an diese Vorstellung knüpft sich das Verständnis der Repräsentation. Meiner gegenwärtigen Vorstellung entspricht etwas „Wirkliches“, sie intendiert es nicht bloß, sondern es existiert auch.
§ 2. Die meisten Urteile sind uneigentlich Da ist aber noch nicht alles klar. Schon die Intention lässt sich ohne 30 vorgestellte Existentialbehauptung nicht expliziert vorstellen. Die Intention sollte in einem Gefühl des Mangels bestehen. Expliziert wird sie, wenn ich mir den Übergang von Vorstellung zur Sache vorstelle. 1
Spätere Randbemerkung: „Der repräsentierende Inhalt kann ohne Bewusstsein der Repräsentation da sein!“ – Anm. des Hrsg.
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Zum Beispiel: Meine jetzige Vorstellung der brennenden Kirche ist bloße Vorstellung; hätte ich die entsprechende Wahrnehmung, dann hätte ich mehr als bloße Vorstellung: „die entsprechende Wahrnehmung“. Ich stelle also vor den Übergang von Vorstellung zur Sache, und das schließt Erkenntnis derselben als der vorgestellten aus. Nicht bloß die Befreiung vom Mangel wird empfunden, sondern auch die Erkenntnis vollzogen gedacht. Wir haben also ein vorgestelltes Urteil. Im Fall, dass ich die Vorstellung habe und darauf wirklich die Wahrnehmung, die sie intendiert, dann empfinde ich den Übergang von Mangel zu Fülle, und zugleich tritt Erkenntnis ein. Vielleicht ist es das Ursprüngliche, dass die frühere Vorstellung in ihrem Gegensatz zu der jetzigen Wahrnehmung gesondert war und der Übergang der einen in die andere wirklich gedacht wird und dass dieser Vorgang im entwickelten Leben abgekürzt zu werden pflegt, indem als Zeichen dafür das bloße Erkennen, die unmittelbare Bejahung oder vielleicht gar nur das Gefühl der Bekanntheit, die Befriedigung eintritt. Die volle Affirmation betrifft also die Sache als Ko rrelat d er Vo rst ellu n g. Indem ich sie anschaue und sie als Intendiertes der vorstellenden Intention erlebe, habe ich die „Evidenz“, dass der Vorstellung ein „Gegenstand“ entspricht, und durch sie erhält die Vorstellung selbst die Auszeichnung einer gültigen, wenn ich die Relation umkehre. Dies aber muss ich tun zum Zweck der Mitteilung; da handelt es sich um die Unterscheidung von Vorstellungen, denen entsprechende Wirklichkeit ich nicht habe und denen entsprechende ich habe, oder denen entsprechende Wirklichkeit nicht besteht oder besteht.1 Der Vorstellung muss ein Zeichen angeheftet werden, das das eine oder das andere andeutet, und so knüpft sich die Affirmation an die Vorstellung; das beschriebene Evidenzphänomen wird vom Standpunkt der Vorstellung aufgefasst und nicht von dem der Sache. Danach scheint jede Existenzbehauptung im letzten Grund vorauszusetzen das Verhältnis einer (repräsentierenden) Vorstellung zur Sache, aber nur logisch, nicht psychologisch. S igw art hat Recht, wenn er für jedes Urteil eine Beziehung für erforderlich hält. Aber er hat Unrecht, wenn er glaubt, dass dies in psychologischem Sinn gilt. Auch irrt er darin, wenn er diese Beziehung mit den im kategorischen 1
Spätere Randbemerkung: „Ja, aber worauf beruht diese Unterscheidung?“ – Anm. des Hrsg.
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Urteil und in anderen Urteilsformen vorhandenen Inhaltsbeziehungen zusammenwirft. Man muss nämlich zweierlei unterscheiden: 1) Die Urteilsmaterie: Sie besteht logisch aus dem logischen Inhalt der repräsentierenden Vorstellung. Sage ich z. B., dass es einen gelehrten Menschen gebe, dann ist ein gelehrter Mensch die Materie. Man sagt gewöhnlich, dass Materie das ist, was affirmiert wird, doch trifft das nicht in jedem Sinn zu. Gewöhnlich knüpft sich die Affirmation unmittelbar an die Repräsentation, und dann ist das Entsprechen des Repräsentierenden zu einem Repräsentierten nicht wirklich vorgestellt; und doch ist es die Meinung des Urteils, dass der Vorstellung eben etwas entspricht. Logischer Inhalt der repräsentierenden Vorstellung ist derjenige ihr zugehörige und, falls sie rudimentär ist, von ihr zunächst intendierte Inhalt oder derjenige ihr zugehörige Begriff, der explizit all das in sich fasst, was an der Sache als seiend vorgefunden und anerkannt werden soll. 2) Die allem Urteil gleichmäßig zugrunde liegende Erkenntnisbeziehung zwischen Vorstellung und Gegenstand: Diese Beziehung liegt als Intention jedem Urteil zugrunde, obschon nicht jedes Urteil sie wirklich vorstellt. (Beides hat S igw art nicht getrennt.) Die unvergleichlich meisten Urteile sind also uneigentlich. Die Affirmation knüpft sich unmittelbar an die Repräsentation.1 B ren t an o hat Recht, wenn er die Möglichkeit des Urteils bei einfacher Materie entschieden behauptet, d. h. bei einer Materie, die entweder einfach ist oder keinerlei Analyse aufzuweisen braucht. Aber er hat Unrecht, wenn er die logisch dem Urteil zugrunde liegende Beziehung auf einen Gegenstand leugnet. Er beachtet eben nicht den Unterschied zwischen repräsentierender und wirklicher Vorstellung. Win d elb an d aber hat gewaltig Unrecht, wenn er die Existenzbehauptung als eine vielfache nimmt,2 während die Verschiedenheit nur in der Materie liegt. Natürlich meint Existenz eines Dinges etwas anderes als Existenz einer Eigenschaft, aber nur weil Ding etwas 1 Spätere Randbemerkung: „Wie steht es mit Urteilen: ‚Dieses Rot ist intensiver als jenes‘?“ – Anm. des Hrsg. 2 Vgl. Wilhelm W i n d e l b a n d, „Beiträge zur Lehre vom negativen Urtheil“, in: Strassburger Abhandlungen zur Philosophie. Eduard Zeller zu seinem siebenzigsten Geburtstage (Freiburg i. Br./Tübingen 1884), S. 165–195, besonders S. 183 f. Diese Schrift befindet sich in Husserls Privatbibliothek, aufbewahrt im Husserl-Archiv Leuven. – Anm. des Hrsg.
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anderes ist als Eigenschaft. Und wieder bedeutet die Existenz eines Kegels etwas anderes als die Existenz eines Menschen, weil im einen Fall ein Gebilde einer supponierten Mannigfaltigkeit, im anderen ein Ding in der seienden Welt gemeint ist. Wir sind eben imstande, Existenzbehauptungen zweierlei Art zu fällen: solche, die ein Teilobjekt innerhalb eines ideellen Ganzen, und solche, die ein Objekt innerhalb eines reellen Ganzen betreffen. Im einen Fall handelt es sich um den Gehalt einer begrifflichen Vorstellung, den wir „zugrunde legen“, den wir entweder hypothetisch setzen oder gegenüber dem wir uns vorläufig so verhalten, als wäre er existierend; wir „setzen ihn“ vorläufig und kümmern uns nicht um Sein oder Nichtsein, genug, dass wir disponiert sind zum Urteil. Ob er sei, wissen wir nicht. Und daran knüpfen sich dann Existenzbehauptungen relativer Art. Die Existenz ist eine dependente von der Existenz des Ganzen. Ist das Ganze nur ein Gesetztes, so ist die Existenz des Teiles eine mitgesetzte (vgl. L an d).1 Wir bejahen, wir fällen nicht ein bloß hypothetisches Urteil; aber diese Bejahung hat die F u n k t i o n einer unter einer gewissen Hypothese gültigen Bejahung. Logisch betrachtet ist es also eine Folgebejahung, eine auf Grund einer Voraussetzung ruhende Bejahung. Psychologisch betrachtet unterscheidet sie sich aktuell nicht von einer anderen Bejahung; nur dispositionell weist sie auf eine Hypothese zurück. Eine außerordentliche Menge von Bejahungen hat diesen Charakter. Ja, eine außerordentliche Menge ist dependent, ohne dass wir darauf achten; sie sind insofern, falls sie logisch Wert haben sollen, mit einer Hypothese zu behaften. Doch weil wir der Wahrheit der Hypothese nachträglich uns versichern können oder weil die Feststellung der Dependenz wichtig ist, können solche Bejahungen logisch wertvoll werden. Das Hauptresultat dieser Betrachtung ist also, dass die meisten Bejahungen, die wir fällen, uneigentliche sind. Für logische Zwecke kommt jedoch die Uneigentlichkeit nicht durchaus in Betracht. Eigentlich ist im logischen Sinn eine Bejahung, wenn sie eine Vorstellung betrifft, deren logischer Inhalt vollkommen gegeben ist, uneigentlich, wenn dies nicht der Fall ist und die Bejahung an bloße 1 Vgl. J.P.N. L a n d, „On a supposed improvement in formal logic“, in: Verslagen en Mededelingen der Koninklijke Akademie van Wetenschappen. Afdeling Letterkunde, 2de Reeks, Deel V (Amsterdam 1876). – Ein Sonderdruck dieses Aufsatzes befindet sich in Husserls Privatbibliothek, aufbewahrt im Husserl-Archiv Leuven. – Anm. des Hrsg.
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Rudimente, evtl. sogar an den bloßen Satz sich anknüpft. Die Anknüpfung an bloße Worte ist übrigens das beste Beispiel, um klar zu machen, dass eine Affirmation die wirkliche Vorstellung dessen, was sie eigentlich intendiert, nicht voraussetzt. Wir haben also nicht bloß zu unterscheiden eigentliche und uneigentliche Vorstellungen, sondern auch eigentliche und uneigentliche Urteile. Aber noch eine ganz andere Art der Uneigentlichkeit tritt hier auf: Jedes nichtevidente Urteil ist ein repräsentierendes Phänomen für ein entsprechendes evidentes.1 Oder mindestens kann es in dieser Beziehung Repräsentant sein. Die evidente Erkenntnis verhält sich zum nichtevidenten Glauben wie die Vorstellung zur entsprechenden Anschauung. Das Urteil nimmt an der Unvollkommenheit seiner Materie, die eine bloße Vorstellung ist, teil. Wird die Materie in Anschauung übergeführt, dann geht auch das Urteil in das entsprechende evidente über. Nun wird man fragen: Was macht dann den Unterschied zwischen vorgestelltem und wirklichem Urteil aus? Ich antworte: Eben Gefühle der Hemmung, des Mangels knüpfen sich beim vorgestellten Urteil nicht bloß an den Inhalt, sondern direkt auch an den Akt. Dann wird man abermals fragen: Wenn ich ein nichtevidentes Urteil fälle, ein Urteil, das ich für wahr halte, aber ohne Grund,2 dann kann ich mir der Unvollkommenheit desselben wohl bewusst sein; also haben wir an das Urteil ein Gefühl dieses Mangels geknüpft und doch ein wirkliches Urteil, z. B.: Ich urteile „Kaiser Wilhelm ist deutscher Kaiser“. So ist das nicht evident. Aber es ist doch nicht ein vorgestelltes Urteil, wie wenn ich mir vorstelle, er hätte ein schwarzes Gesicht. Darauf kann ich nicht anders antworten als: Die Art des Mangels ist eben eine andere. Beim Repräsentieren ist es ein ganz eigentümlicher Mangel, der mich das Phänomen eben nicht nehmen lässt als das, was es ist, sondern als bloßer Hinweis, als bloß hindeutendes Zeichen für ein Anderes. Beim nichtevidenten Urteil beziehe ich mich auf ein uneigentlich vorgestelltes evidentes, aber es dient mir nicht als bloßer Hinweis.
1 Spätere Randbemerkung: „Aber nicht in der Weise von Vorstellung und Sache!“ – Anm. des Hrsg. 2 Spätere Randbemerkung: „Unbegründetes und begründetes Urteilen.“ – Anm. des Hrsg.
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Nehmen wir andere Beispiele uneigentlicher Affirmationen. Ich stelle mir jetzt den Marktplatz vor und den Roland am Turm. Ich urteile nun „Am Marktturm steht ein Roland“. Dieses Urteil wird aufgrund der Phantasieanschauung vollzogen; und doch ist die Meinung nicht die, dass in der Vorstellung das statt hat, sondern dass es 5 wirklich so statt hat. Die Beziehung zu einer entsprechenden Wirklichkeit stelle ich aber durchaus nicht vor, geschweige denn, dass ich das Urteil an der Anschauung vollziehe.
§ 3. Das vorgestellte Urteil im Gegensatz zum wirklichen. Das Gefühl des Mangels bei der Repräsentation
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Was ist hier das gemeinte Urteil? Es ist sehr schwer auszudrücken. Wir können eigentlich nicht anders sagen als „Dem, was ich hier vorstelle bzw. an dem Vorgestellten urteile, entspricht Wirklichkeit“.1 Dieses Entsprechen wird selbst uneigentlich vorgestellt, und so ist dieses Urteil doch auch ein uneigentliches. Stünde ich etwa auf dem 15 Markt, schlösse die Augen und urteilte jenes Urteil und öffnete wieder die Augen und sähe den Roland vor mir, dann könnte ich dieses Entsprechen erleben; ich könnte konstatieren, dass, was ich an dem Phantasma, in der Repräsentation urteilte, auch in Wirklichkeit gelte, d. h., dass das gleiche Urteil an der intendierten Anschauung sich 20 bewährte. Bin ich aber in anderer Lage, dann kann ich dieses Erlebnis nicht machen, und so ist es nun selbst wieder das Ziel, auf welches mein komplexeres Urteil hindeutet, ohne es zu erreichen.2 Immerhin gibt es mir das Verständnis der Uneigentlichkeit des ersten Urteils. Vielleicht ist es noch besser zu sagen: Das Urteil intendiert mir ein 25 anderes inhaltsgleiches Urteil, das an der entsprechenden Anschauung3 zu vollziehen wäre und Evidenz hätte. 1
Spätere Randbemerkung: „Das ist aber alles Reflexion. Psychologisch ist zunächst das Urteil am Phantasma genau dasselbe wie das Urteil an der entsprechenden Anschauung.“ – Anm. des Hrsg. 2 Spätere Randbemerkung: „Wir greifen bei der Explikation immer wieder zu vorausgesetzten Existenzen. Stehend auf dem ‚Markt‘; dass dieser existiert, das nehme ich als zugestanden an.“ – Anm. des Hrsg. 3 Über „Anschauung“ spätere Ergänzung „Wirklichkeit“, dazu die spätere Randbemerkung: „Anschauung ist selbst etwas Subjektives. ‚Wirklichkeit‘ ist der richtige Terminus. Der Glaube intendiert das Erlebnis der Wirklichkeit.“ – Anm. des Hrsg.
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Also wie die Vorstellung eines auf dem Marktplatz stehenden Roland (sei sie vom Ausdruck begleitet oder nicht) mir den wirklichen Roland vorstellt, nämlich ihn intendiert, so intendiert in gewisser Weise auch das die erstere betreffende Urteil, das den wirklichen Gegenstand betreffende. Sollen wir nun aber sagen, das erstere Urteil stelle das letztere vor? Also wir haben ein bloß vorgestelltes Urteil? Das geht doch nicht an. Nicht etwa darum, weil wir, das Urteil fällend, von der Intention nichts zu merken pflegen. Das ist ja auch bei den meisten Phantasmen der Fall. Indem ich in der Phantasie auf dem Marktplatz spaziere und die aufgenommenen Phantasmen auf mich wirken lasse, merke ich in der Regel von einer Intention nichts. Sie tritt meist erst in der Reflexion auf, ganz so wie beim Urteil. Indem der phantasierte Roland den wirklichen intendiert, vertritt zugleich auch die Anerkennung des auf dem phantasierten Platz seienden phantasierten Roland die auf dem wirklich daseienden. Also nicht aus diesem Grund. Aber ein „vorgestelltes Urteil“ meint doch etwas ganz anderes. Wenn ich mir auf dem Marktplatz ein Flügelpferd vorstelle, kann ich diese Phantasieanschauung auch mit dem Urteil, es sei so, begleitet „vorstellen“. Aber ich urteile nicht wirklich so. Ich glaube es nicht. In gewisser Weise ist ja eine Anerkennung da, ganz wie im anderen Beispiel. Sie begleitet auch hier das Phantasma.1 Aber sie erhebt nicht weitere Ansprüche. Sie vertritt hier nicht ein Urteil in der Anschauung, obschon sie auf ein solches vorstellend hinweist. Eine Vorstellung intendiert das Vorgestellte, weist darauf hin, unmittelbar durch ein gewisses Gefühl des Mangels, expliziert durch „ein vorgestelltes Urteil“. Der Übergang wird vorgestellt, und gesetzt, er wäre wahr, dann würde das Vorgestellte angeschaut, das Intendierte erlebt sein. Nur wenn dieses vorgestellte Urteil ein wirkliches wäre, könnte auch bei der Vorstellung vom Vertreten gesprochen werden. Daraus geht hervor, dass das „vorgestellte Urteil“ ein elementareres Phänomen ist als das explizite Vorstellen eines Inhalts. Denn dieses setzt jenes im Fall der Explikation voraus.2 Es geht daraus auch hervor, 1 Spätere Randbemerkung: „Nämlich hier wird der im Phantasma vorliegende Sachverhalt ausgedrückt und die Intention des Ausdrucks mit ihm identifiziert.“ – Anm. des Hrsg. 2 Von „Daraus geht“ bis „Explikation voraus“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg.
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dass das Gefühl des Mangels nicht etwa das wesentliche Charakteristikum des Vorstellens ist, sonst müsste es ja bei den vorgestellten Urteilen im Gegensatz zu den wirklichen genügen, was nicht der Fall ist, wie aus eben der letzten Betrachtung hervorgeht. Gefühle mögen die Intention erklären, aber Intention haftet ja auch wirklichen Urteilen an und macht sie zu Intentionen von anderen nichtwirklichen Urteilen.1 Auch bedarf ja das Vorstellen einer Explikation, wenn es uns logisch zum Bewusstsein kommen soll, und diese Explikationen haben mit Intentionen nichts zu tun. Vielleicht wäre auch das einzuwenden: Wenn ich ein flüchtiges, schattenhaftes Phantasma habe, dann mag ein Gefühl des Mangels da sein; ebenso, wenn ich begriffliche Vorstellungen habe oder gar komplexe, unanschaulich geeinigte begriffliche Bestimmungen. Wie aber, wenn ich eine sehr lebhafte Vorstellung habe? Wenn eine Anschauung mir als Repräsentation eines anderen dient, dann tut sie dies nur vermöge gewisser Relationen, deren anderes Fundament vertreten wird durch irgendein uneigentliches Etwas, das natürlich den Charakter der Unvollkommenheit hat. Auch wenn ein Ölgemälde mir als Bild dient, habe ich dann das Gefühl der Repräsentation nur, wenn ich es in Bezug auf das natürlich nur phantasiert vorgestellte Original nehme.2 Würde ich dies wirklich anschauen, dann hätte ich das Eigentliche, das Gewünschte, das mich Befriedigende, statt des Ersatzes, so könnte man vielleicht sagen. Habe ich ein sehr lebhaftes Phantasma, dann ebenso. Aber ich bin nicht sicher, ob nicht schon Repräsentation eintritt und gefühlt wird, auch wenn solche Beziehungen nicht vorgestellt oder an Stelle ihrer der charakteristische Mangel da ist. Es kann auch das Ausbleiben der Seinsvorstellung als Zeichen der „bloßen Vorstellung“ dienen, während umgekehrt freilich das Dasein des Urteils gegen das Vorgestelltsein der Materie nichts beweist. Ich muss das näher erörtern. Ob wir eine sinnliche Anschauung beurteilen oder nicht, sie steht uns anders gegenüber als eine bloße Phantasie, die wir nicht beurteilen und die nicht als ein Seiendes anmutet. Sinnliche Anschauung mutet uns immer als seiend an. Ebenso gewisse Phantasmen. Zum Beispiel: die Vorstellung des Marktplatzes. 1 2
Spätere Randbemerkung: „Es gibt repräsentierende Urteile.“ – Anm. des Hrsg. Dazu ein Fragezeichen als spätere Einfügung. – Anm. des Hrsg.
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Ohne dass ich in Worten urteile „Der Marktplatz existiert“, ich verhalte mich zu ihm anders als etwa zum Phantasma eines Flügelpferdes, möge das letztere auch tausendfältig lebhafter sein. Der Inhalt steht uns im einen und anderen Fall anders gegenüber, wir „empfinden“ 5 ihm gegenüber anders.
§ 4. Kritik der B ren t an o’schen Lehre von der bloßen Vorstellung im Gegensatz zum Urteil
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Nun könnte B ren t an o hier sagen: Im einen Fall stellen wir bloß vor, im anderen urteilen wir auch. Aber da würde ich sagen: 1) Einmal finde ich im zweiten Fall keine Doppelheit, es sei denn, dass das Auffassen, das Bemerken „Vorstellen“ genannt wird. 2) Das, was im anderen Fall dazu kommt, stellt sich mir, wenn ich das explizite Urteil „Er existiert“ beiseite lasse, nicht als ein Akt da, sondern als eine innige auf den Inhalt bezogene Beschaffenheit, die aber ähnlich den über den Gegenstand verbreiteten Gefühlen usw. auf das Subjekt bezogen wird; und das mag etwas Nachträgliches sein. Jedenfalls verhält es sich mit solchen Beschaffenheiten anders als mit einem Beurteilten, Gewollten, Begehrten, Gehofften usw. 3) Die Beschaffenheit des Seins, wie ich es nennen möchte, erhält sich nicht bloß während eines flüchtigen Zeitpunkts, sondern fortgesetzt. Nun, könnte man sagen, das tut auch das Bemerken, dass es ein fortdauernder Akt ist, und das gilt ebenso für das mit dem Auffassen verschmolzene Urteilen. Indessen ist doch auffallend, dass, wo wir sonst urteilen, es sich um einen kurz dauernden Akt handelt. Ich urteile z. B. „Der Ofen ist schwarz“. Ich affirmiere, und die Sache ist vorüber. Es ist ähnlich wie beim Willensentschluss, der auch nur sich vollendet und dann sich in eine beliebig oft zu aktualisierende Disposition verwandelt. Das Begehren und Lieben kann allerdings in einzelnen abgeschlossenen Akten sich herausheben und doch wiederum als vertrautes Phänomen bestehen bleiben. Wir müssten also auch beim Urteilen ein vertrautes Urteilen und einen besonderen Urteilsakt unterscheiden. Da ist freilich die Entscheidung schwer. (Beim Lieben und Begehren handelt es sich wohl um bloße Schwankungen der Intensität oder um Wellen sozusagen über dem gemeinsamen Begehrungshintergrund.)
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Ich sagte oben: Die Vorstellung des Marktplatzes mutet mich anders an als die eines Flügelpferdes, die Anschauung meines Schreibtisches anders als die Vorstellung eines silbernen Esels. Man könnte sagen, es handle sich hier um gewisse näher zu charakterisierende mittelbare Beschaffenheiten. Ich kann die Häuser am Markt in der Phantasie umwerfen, die Marktkirche durch eine Straße ersetzen usw. Aber das hält nicht stand, wettstreitet, und es siegt immer das Alte. Ebenso bei der Anschauung. Jeder Änderung widersteht sie streitend. Das alles ist richtig. Diese unausbleibliche Festigkeit der Selbsterhaltung ist ein treffendes Charakteristikum.1 Es scheint mir aber doch, dass schon vor solchen Angriffen zügelloser Phantasie das bloß Vorgestellte uns anders anmutet als das Seiende. In der Tat fällen wir die entsprechenden Urteile, d. i., das stelle ich bloß vor, auch ohne derartige Versuche.2 Wir haben hier nur Beispiele von Anschauungen oder anschaulichen Phantasmen betrachtet. Auch bei entlegeneren uneigentlichen Vorstellungen finden wir ähnliche Unterschiede. Sage ich „Bismarck“, so brauche ich ihn gar nicht zu phantasieren; der Name mutet mich anders an als „Gulliver“, obgleich beide mir bekannt sind. Wenn ich eine Erzählung lese, so mutet mich alles, sei es eigentlich oder uneigentlich vorgestellt, anders an, als wenn ich in der Zeitung über Tatsachen lese. Dass der Unterschied darin bestehe, dass im zweiten Fall etwas Neues dazu kommt, scheint mir die Betrachtung der Phänomene nicht zu lehren. Positiv ist beides. Und das wäre wohl ein oben3 hinzuzufügender vierter Punkt. Es ist nun wieder zu bemerken, dass zwischen dem „bloß Vorgestellten“ und dem Seienden ein Verhältnis begründet werden muss im Verlauf der positiven Entwicklung, welches das Seiende als Intention des Vorgestellten erscheinen lässt. Das mit dem Charakter des Seienden Versehene erscheint als vollkommener, das mit dem Charakter des bloß Vorgestellten mit einem Mangel behaftet aus leicht begreiflichen Gründen.
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Spätere Randbemerkung: „H u m e“. – Anm. des Hrsg. Spätere Randbemerkung: „Ebenso: Determination durch das Vorgestellt-, Geeinigtsein. Denn was heißt das? Das Gegenteil hält nicht stand.“ – Anm. des Hrsg. 3 Vgl. oben, S. 42. – Anm. des Hrsg. 2
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Betrachten wir nun die Folgen, welche diese Eigentümlichkeiten nach sich ziehen. Hat ein Inhalt den Charakter des Seins, dann kann ich ihn auch als seiend anerkennen. Haben wir aber den entgegengesetzten Charakter, dann können wir dies nicht, aber auch nicht als nichtseiend. Das beweist, dass, was wir „Sein“ nennen, nicht ohne weiteres mit diesem Charakter zusammenfällt, sondern dass er bloß ein Anzeichen davon ist, welches, wenn es fehlt, eben die Aussage des Seins nicht gestattet. Was das Entgegengesetzte anlangt, so ist es wohl nichts Einfaches. Es kann Zweifel sein oder größere Unbestimmtheit oder Vermutung oder eine Art Ablehnung (ohne kontinuierliche Urteile „Das existiert nicht“). Jedenfalls ist das affirmative Urteil in diesem Fall ein bloß vorgestelltes. Wie es scheint, erhält die Affirmation selbst den gleichen Charakter.1 Nun wird aber B ren t an o sagen: Sein eines Charakters kann ich doch auch vorstellen, doch nur in der Weise, wie ich mir eine künftige Anschauung vorstellen kann, also nur uneigentlich. Eine Anschauung vom Sein erhalte ich nur an einem Seienden, eine Vorstellung vom Seinscharakter n u r d u rch In t en t io n, durch Uneigentlichkeit also.2 Wie verhält sich dieser vorläufig und unpassend sogenannte Seinscharakter zum Sein? Und wie kommt es, dass, wo er fehlt, ich nicht vom Nichtsein sprechen dürfe? Nehmen wir das Beispiel mit dem Marktplatz. Der Seinscharakter macht nicht den vorgestellten Inhalt zu einem Seienden (in gewisser Weise, als Inhalt, ist er seiend, ob der Charakter da ist oder nicht), sondern das, was der Inhalt repräsentiert, wird durch ihn zum Seienden gestempelt, oder vielmehr wir sind zum Urteil befähigt, zur Überzeugung, dass der Marktplatz existiert, oder explizit: dass dem Inhalt eine Wirklichkeit entspricht. Und das Urteil hat nun eine gleiche Festigkeit und ein Analogon überhaupt zum Seinscharakter. 1 Spätere Randbemerkung: „Häufig ist die Vorstellung zunächst da ohne alle aktive Betätigung des Ich, ohne Reaktion, dann tritt je nachdem ein: Anerkennung, Zweifel, Vermutung etc.“ – Anm. des Hrsg. 2 Es ist also ein Unterschied, ob der Seinscharakter mit einer Intention behaftet ist, oder der übrige Inhalt allein, während der Seinscharakter wirklich da ist. Jedenfalls ist das ein psychischer Akt, obschon nicht ein abgegrenzter.
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Fehlt aber dieser Charakter der Vorstellung, die wir haben, dann fehlt auch die Überzeugung. Stattdessen knüpft sich an den Urteilsinhalt Zweifel, Vermutung, Unbestimmtheit oder dergleichen. So scheint E rd m an n mit seiner Urteilstheorie in gewisser Weise etwas Richtiges gesehen zu haben, nämlich dass dem Urteil im engeren Sinn (dem von „Geltungsbewusstsein“ getragenen, dem überzeugten) zugleich mit der Frage, der Vermutung usw. ein gemeinsames Phänomen zugrunde liegt, das er „Urteil“ nennt,1 das aber besser „beurteilbarer Sachverhalt“ genannt werden sollte. Er wird immer im Satz ausgedrückt. Es fragt sich nun: Ist ein vorgestelltes Urteil ein beurteilbarer Sachverhalt? Wir stellen doch auch eine Überzeugung vor, die wir nicht haben, eine Affirmation, eine Negation usw. Das geschieht so: Wenn ich aktuell überzeugt bin, bejahe, verneine, dann bin ich primär dem Gegenstand zugewendet. Es verhält sich ja so mit allen Akten. In der Vorstellung aber bin ich primär der Überzeugung etc. zugewendet. Sie ist Inhalt für mich, und so gut wie jeder andere Inhalt kann sie auch wieder den Seinscharakter oder nicht an sich tragen. Sie kann dann wieder beurteilt sein und muss vor dem Urteil Rechtfertigung erhalten. Hat sie den Seinscharakter, dann geht sie in wirkliche Überzeugung über. Sonst bleibt sie „bloße Vorstellung“. Es sind nun noch die Phänomene der Urteilsenthaltung, der Setzung (Hypothese) und dgl. zu erforschen, ferner auch die Frage zu erwägen, ob Bejahung und Verneinung zum Gegenstand gehören können oder dem Akt zukommen, ob ein Sachverhalt ohne vorgestelltes Urteil möglich ist oder nicht. Ich habe oben die Frage aufgeworfen: Ist ein vo rgest ellt es Urteil und ein b eurteilbarer Sachverhalt dasselbe?2 Zum Beispiel: Es kann mir fraglich sein, ob der Ofen heiß sei. Ich kann es bezweifeln, dass der Ofen heiß sei. Ich kann es vermuten, ich kann es mir „denken“. Ebenso kann es mir fraglich, zweifelhaft sein, dass der Ofen nicht heiß sei, ich kann es vermuten, ich kann es mir „denken“.
1 Vgl. Benno E r d m a n n, Logische Elementarlehre (Halle 1892), S. 271 f. Ein annotiertes Exemplar dieses Werkes befindet sich in Husserls Privatbibliothek, aufbewahrt im Husserl-Archiv Leuven. – Anm. des Hrsg. 2 Gestrichen: „Ja.“ – Anm. des Hrsg.
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In allen diesen Fällen scheint doch ein bejahendes oder verneinendes „Urteil“ da zu sein. (Die Beziehung auf das Ich kann natürlich überall auch fortbleiben.) Dann aber scheint es, als müsste damit in allen diesen Fällen, wo von einem beurteilbaren Sachverhalt die Rede sei, etwas Gemeinsames zugrunde liegen, was nicht in Zweifel, Frage, „Denken“ sich auflöste. Wir kämen dann wieder auf das Korrelat von dem, was wir oben Seinscharakter genannt haben. Doch könnte die Intention, welche all diese Phänomene auf das geglaubte Urteil beziehen, den gemeinsamen Ausdruck rechtfertigen. Dazu aber auch noch die gleiche affirmierte oder negierte Materie. Und das ist das Richtige. Wie verhalten sich nun vorgestelltes Urteil und Vorstellung? Sehr viele Vorstellungen sind nichts weiter als vorgestellte Urteile oder schließen solche ein. So wenn ich mir ein rundes Viereck vorstelle, so habe ich das Urteil, ein Viereck sei rund, eingeschlossen. Rundes Viereck ist rundseiendes Viereck. Also haben wir ein aus einem Urteil entsprungenes relatives Attribut. Wir haben nicht ohne weiteres ein vorgestelltes Urteil, aber eine Vorstellung, die darauf ruht. Stelle ich mir vor, dass ein Ofen heiß sei, dann habe ich ein Urteil vorgestellt usw. (Stelle ich mir einen heißen Ofen vor, so habe ich die Komplexion vorgestellt und ein doppeltes Urteil mitvorgestellt. Das eine beurteilt das Ganze als Ofen, das andere beurteilt das Heißsein, das Merkmal des Ganzen, oder auch umgekehrt. Doch das würde bloß ergeben „ein Heißes“ und „ein Ofen“, wenn eben nicht das Heißsein als Merkmal von dem, was unter „Ofen“ gedacht ist, erfasst würde. Was macht den Unterschied zwischen „Ein Ofen ist heiß“ und „ein heißer Ofen“? Im einen Fall geht wohl die Intention darauf, das Heißsein eines als Ofen Vorgestellten bejahend vorzustellen, also dieses Urteil zu erwirken. Im anderen Fall dient das Urteil bloß zur Charakterisierung des einen Teils der Komplexion.) In vielen anderen Fällen finden wir in der Vorstellung nichts von vorgestelltem Urteil. Ich kann mich dem Spiel meiner Phantasie überlassen und doch dabei das Bewusstsein der bloßen Vorstellung haben, ohne dass sprachliches und urteilendes Denken sie begleitet. (Vielleicht ist überall, wo die Worte da sind, auch die Zugehörigkeit derselben zu den Sachen geurteilt?) In diesen Fällen knüpfen sich Zweifel, Unbestimmtheit, „bloßes Vorstellen“ unmittelbar an die Inhalte. Doch sind das nicht mehr beurteilbare Sachverhalte, sondern eben primäre Inhalte.
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§ 6. Das vorgestellte Urteil und die bloße Vorstellung Ein Wichtiges muss ich nun erforschen, sonst fehlt es in einem wesentlichen Punkt an Klarheit, sonst fällt am Ende meine ganze Theorie zusammen. Wir unterscheiden: U rt eil (z. B. „Hinter mir steht ein Ofen“), vo rgest ellt es U rt eil (ich stelle mir vor, ich urteilte „Hinter mir steht ein Pferd“, oder ich höre jemanden urteilen „2 × 2 = 5“), Vo rst ellu n g (eines hinter mir stehenden Pferdes oder Ofens; ich stelle mir einen Menschen mit zwei Köpfen auf dem Marktplatz vor). Wodurch unterscheidet sich nun das vorgestellte Urteil von der bloßen Vorstellung? Man könnte zunächst meinen: gar nicht. Denn stelle ich einen Menschen mit zwei Köpfen auf dem Marktplatz vor, dann gehören doch dazu auch gewisse Urteile, dass der Mensch zwei Köpfe habe, auf dem Marktplatz stehe und dgl. Also ich habe zugleich auch Urteile vorgestellt und jedenfalls auch das Gesamturteil, dass, was ich eben vorstelle, ein Mensch mit zwei Köpfen auf dem Marktplatz sei. Indessen ist zu beachten, dass diese Urteile, obschon sie zur Vorstellung in gewisser Weise gehören, doch nicht vorgestellte, sondern wirkliche Urteile sind. Sie dienen dazu, mein Phantasma zu klassifizieren und zu benennen, und vielleicht wurde mittels ihrer das Phantasma erst gebildet. (Jedenfalls erkenne ich, nachdem ich es nun habe, den Marktplatz als Marktplatz, den Menschen mit zwei Köpfen als Menschen mit zwei Köpfen usw.) Aber um ganz anderes handelt es sich beim vorgestellten Urteil: „Auf dem Marktplatz ist ein Mensch mit zwei Köpfen“. Hier kommt eben die Beziehung zu der Vorstellung, der gesamten Vorstellung, welche die Urteilsmaterie bildet, zum Gegenstand, der intendiert ist (implizit wenigstens), hinein. Diese Vorstellung wird affirmiert, und expliziert bedeutet das: Ihr entspricht ein Seiendes. Aber diese Affirmation ist keine eigentliche, sie ist bloß vorgestellt. Kann man das wieder auf die Intention reduzieren? Das ist nun die Hauptfrage. Unter welchen Umständen haben wir eine bloß vorgestellte Affirmation und überhaupt ein bloß vorgestelltes Urteil? Gesetzt, man spricht das Urteil uns gegenüber als gültig aus; dann wird die Affirmation mit der Vorstellung in uns angeregt und sie hält auch stand, solange wir nicht Anlass zur Kritik gefunden haben. Kinder und Naturmenschen glauben leicht, was man ihnen
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sagt. Wir sind aber öfter getäuscht worden. Der Erwartung wurde nicht genügt. Das heißt, das frühere Urteil wurde als unrichtig erwiesen durch die nachträgliche Anschauung oder sonstige Verifikation. Aus solchen Anlässen kommen wir dazu, die erweckte Affirmation nicht festzuhalten, nicht als „wirklich“ gelten zu lassen oder nicht für „gültig“ zu halten. Ebenso verhält es sich mit dem Spiel der Phantasie. Ursprünglich mögen wir vielleicht, was sich uns in der Phantasie darbot, für wahr gehalten haben. Erst später lernen wir, es als bloße Vorstellung anzusehen, es auf nachkommende „Wahrnehmung“ zu beziehen und dann je nach Übereinstimmung oder Widerstreit für wahr oder falsch zu halten. Ein Phantasma beurteilen wir nun ganz wie eine Anschauung, wir haben dann ein wirkliches Urteil. Erst dadurch, dass wir uns dessen bewusst werden, dass wir es mit einer uneigentlichen Vorstellung zu tun haben, verliert das Urteil seinen Halt, und es wird fraglich, ob es wahr ist oder nicht. Das am Phantasma vollzogene wirkliche Urteil wird zum Repräsentanten eines an der entsprechenden Anschauung zu vollziehenden und seine Berechtigung in sich findenden Urteils. Es sind aber zwei Fälle möglich: Entweder das Urteil bleibt bestehen, oder genauer: Ein gleich urteilender Satz wird berechtigt ausgesprochen, ein korrespondierendes Urteil wird gefällt oder ein entgegengesetztes.1 So kann es sich mit jedem momentan sich aufdrängenden und gefällten Urteil verhalten. Es kann nachträglich Zweifel, Vermutung, Glauben oder Unglauben eintreten. Sollen wir also sagen, dass beurteilbare Sachverhalte und vorgestellte Urteile dasselbe sind? Folgt aus dem Vorstehenden das Ja? Hier glaube ich aber unterscheiden zu müssen. Verstehen wir jedes nicht geglaubte Urteil als vorgestelltes, dann ja. Aber besteht wirklich Einheitlichkeit des Phänomens? Wenn ich zweifle, ob der Ofen schwarz ist, dann habe ich eine andere Beziehung auf den Sachverhalt, als wenn ich frage oder vermute oder untersuche oder mich „des
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Spätere Randbemerkung: „Solche Erfahrungen mögen dazu dienen, die Assoziationen zu begründen, vermöge deren nachträglich an das Vorgestellte das Urteil des Seins angeknüpft wird oder das Urteil des Nichtwissens oder des Erkennens usw. Zunächst haben wir den Unterschied zwischen Anschauung und Phantasie. Was die Phantasie anbelangt, so kann durch Wiedererinnern der Seinscharakter aufgeprägt werden durch die Bekanntschaftsqualität. Diese kann aber auch entweder ganz fehlen, oder sie kann schwach sein oder bei sich ausschließenden Sachverhalten auftreten und wieder nicht recht standhalten.“ – Anm. des Hrsg.
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Urteils enthalte“ usw., und wieder eine andere, wenn ich schlechthin vorstelle, der Ofen sei schwarz. Nun sind zwei Fälle möglich: Entweder in allen Fällen ist ein und dasselbe Vorstellen da, und dazu treten noch Wünsche, Entschlüsse usw. mit der Intention auf eine künftige Entscheidung, d. i. auf Annahme oder Verwerfung, oder nicht. Nach gewissenhafter Beobachtung glaube ich aber sagen zu müssen, dass in allen Fällen dasselbe nur der1 Sachverhalt ist und dass nicht in allen Fällen diejenige psychische Beziehung auf denselben vorliegt, die wir Vorstellen nennen.2 Ich stelle mir bloß vor, dass der Ofen schwarz ist, und ich glaube es oder vermute es oder bezweifle es usw. Das sind koordinierte Phänomene. Und nicht etwa liegt das Vorstellen gleichartig zugrunde. Habe ich den Sachverhalt im Glauben, dann habe ich ihn als Grundlage des Glaubens. Habe ich ihn im bloßen Vorstellen, so habe ich ihn als Grundlage des Vorstellens. Also „Sachverhalt“ ist eigentlich nur ein Abstraktum. Es ist etwas vielen Phänomenen Gemeinsames.3 Natürlich können wir sagen: In allen Fällen wird vorgestellt, der Ofen sei schwarz; aber man muss auf die Äquivokation im Begriff des Vorstellens achten. Der Inhalt, der immanente Inhalt ist überall derselbe, und ein und derselbe Akt des Bemerkens, allenfalls auch dieselbe Repräsentation, also derselbe intendierte Inhalt.4 Wenn ich aber davon spreche: Ich stelle mir jetzt vor, dass ein Pegasus sich am Marktplatz zum Himmel aufschwingt, ohne darüber zu urteilen, ob es sich wirklich so verhalte oder nicht. Oder wenn ich mich dem Eindruck einer Erzählung hingebe5 und doch nicht 1
Spätere Einfügung: „verstandene!“. – Anm. des Hrsg. Spätere Randbemerkung: „Die Intention braucht nicht in jedem Moment explizit da zu sein, sondern sie kann bloß dispositionell bleiben; es genügt, dass sie momentan eintritt. Vielleicht ist sie unanalysierbar für uns, z. B. im Moment des Wunsches, der Frage etc.“ – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Randbemerkung: „Dasselbe Verstandene doch!“ – Anm. des Hrsg. 4 Spätere Randbemerkung: „Die Intention ist aber, wenn sie überall dieselbe ist, doch in demselben psychischen Akt begründet!“ – Anm. des Hrsg. 5 Spätere Randbemerkung: „Da kommen wohl noch andere Umstände in Betracht. Bin ich der Erzählung ganz hingegeben, dann verhalte ich mich wie der Anschauung gegenüber oder einer geglaubten Mitteilung. Aber es ist ein flüchtiger Glaube. Sowie ich aus diesem geschlossenen Ideenkreis heraustrete, merke ich sofort, dass es bloße Dichtung sei. Und dadurch findet Aufhebung aller früheren Urteile dispositionell statt. Dieser einheitliche Gedankenkreis verliert so alle Wirkung auf das spätere Denken und Handeln. Eine merkwürdige Tatsache.“ – Anm. des Hrsg. 2
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einen Augenblick ernstlich glaube, dass sich alles so verhalte, dann muss ich doch zugeben, dass es nicht etwa so ist, wie wenn ich z. B. Anschauungen (Wahrnehmungen) auf mich wirken lasse, ohne sie zu beurteilen, also dass es sich um einfaches Bemerken handelt. Oder wenn ich an die Ulrichstraße denke, ohne explizit zu urteilen. Es ist ein anderes psychisches Verhalten, kann man sagen, das dem Phänomen seine Tinktion gibt, obschon nicht ein abgegrenzter psychischer Akt. Dieses Sichvorstellen nennt man auch Sichdenken, auch Sicheinbilden, obschon letzterer Ausdruck schon auf ein Urteil hinweist. Es scheint also, dass schon vor der Beurteilung eine charakteristische Beschaffenheit des Bemerkten da ist, welche dann unmittelbar überzuleiten bereit ist zum wirklichen Urteil, also zur Annahme oder zur Ablehnung des Sachverhalts, zum zweifelnden Schwanken, zur Urteilsenthaltung („Ich weiß darüber nichts“). Der Sachverhalt hat keine Auszeichnung, die auf das Urteil oder das entgegengesetzte oder auch nur auf eine Vermutung hindrängte, zur Vermutung.1 Wenn wir uns befähigt fühlen, ein Urteil zu fällen, so können wir uns doch dieses Urteils enthalten und die Materie als bloß vorgestellte hinstellen. In diesem Fall ist aber doch der bezügliche Seinscharakter da. Es wird nur von ihm abstrahiert.2 Das bloße Vorstellen heißt hier also bloße Heraushebung des Sachverhalts in der Weise, wie er allen Urteilen oder verwandten Phänomenen zugrunde liegt. Ob bei Abstraktion vom Seinscharakter jenes andere Vorstellen, von dem eben die Rede war, eintritt? Zum beurteilbaren Sachverhalt gehört das Affirmativ- oder Negativsein. Wo Widerstreit in der Materie besteht, erwächst die Negation durch Beziehung des im Widerstreit besiegten Merkmals auf das Subjekt. „Das Papier ist nicht schwarz. Das Papier ist weiß“. Widerstreit begründet evidente Verwerfung.
1 Spätere Randbemerkung: „Das alles muss noch mehrfach wohl überlegt werden.“ – Anm. des Hrsg. 2 Spätere Einfügung: „Und das dient zur Grundlage einer Intention.“ – Anm. des Hrsg.
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Beilage I Urteilen bei Repräsentation und Anschauung. Identifizierung und Deckung1 Beim Erinnerungsbild bin ich mir des bildlichen, repräsentierenden Charakters oft bewusst. Beurteilung an Erinnerungsphantasmen, z. B. „Am Rathaus in W… ist ein Ritter“ etc. Das Urteil wird genauso wie an der Wahrnehmung vollzogen. Ebenso ist der „vorstellende“ Akt bei Erinnerung (Phantasie) und Wahrnehmung genau derselbe, sobald nicht die Repräsentation des Phantasierten „zum Bewusstsein kommt“. Hat nun das an dem Erinnerungsbild vollzogene Urteil einen repräsentierenden Charakter? Ursprünglich? Die Erinnerungsphantasmen sind ursprünglich jedenfalls sehr lebhaft und haben den Seinscharakter. Erst späterer Erfahrung ist es vorbehalten zu zeigen, wie solche Urteile einerseits täuschen, andererseits sich bewähren in erneuter Anschauung. Wir lernen, dass im Großen und Ganzen, was uns mit Bestimmtheit und Schärfe in der Erinnerung entgegentritt, auch „wirklich“ so ist oder war, dass aber mit der Bestimmtheit auch die Richtigkeit abnimmt. Man könnte nun sagen: Indem wir vom Erinnerungsbild und dem darin Wahrgenommenen zur entsprechenden Wahrnehmung übergehen, tritt Identifizierung ein; wir erkennen, dass es sich wirklich so verhält. Intention und Intendiertes decken sich in den uns allein wesentlichen (interessierenden) Zügen. So haben wir das Erlebnis der Wahrheit. Ursprünglich hatten wir bloß gewisse festere, lebhafte etc. Phantasmen, die uns analog anmuteten wie Wahrnehmungen. Sie erhalten nun durch Eintritt entsprechender Wahrnehmungen zu ihnen die repräsentative Beziehung. Es tritt dabei Identität, Deckung ein und hierdurch Erkenntnis der Wahrheit, und zwar der intendierenden Phantasmen. Hieraus, wie gesagt, entsprang Intention auch bei alleinstehenden Phantasmen. Indem aber mit den festeren jenes Erlebnis häufig eintritt, kam es, dass solche unmittelbar das mit der Deckung eintretende Gefühl der Affirmation reproduzierten, und so wurden sie selbst affirmiert. Oft möchte wohl auch die Vorstellung der Identifizierung mitreproduziert werden; doch bei dem vorziehenden Interesse, das der Affirmation zukommt, wird diese Reproduktion weniger bevorzugt. So kommen wir zu unmittelbaren Affirmationen, die an Phantasmen vollzogen werden und keine volle Identitätsvorstellung als Fundament haben. Allerdings fehlt einer solchen auch die charakteristische Vollkommenheit der Evidenz, die nur eintreten kann, wo Identität oder Widerstreit wirklich angeschaut wird zwischen der repräsentativen Vorstellung und der gegebenen Anschauung. 1
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Sollen wir nun sagen, dass die an den Phantasmen vollzogenen Affirmationen bloß repräsentativen Charakter haben? Stellt mir der Glaube, der sich an den erinnerten Vorgang anknüpft, jenes evidente Wahrheitsbewusstsein, das sich beim Übergang in die entsprechende Anschauung einstellt, vor? In gewisser Weise, ja. Denn will ich mir zu „klarem Bewusstsein bringen“, was ich mit dem Glauben meine, dass am Turm des Rathauses in Wien ein Ritter steht, dann werde ich sagen: Dem, was ich jetzt in der Phantasie schaue, entspricht Wahrheit, es ist in Wirklichkeit so. Und dieses Letztere werde ich mir etwa so auseinanderlegen: Würde ich auf dem Rathausplatz stehen, dann würde ich den Ritter sehen.1 Jede Affirmation bringt Vorstellung zur entsprechenden Wirklichkeit in Beziehung, ob diese Beziehung nun explizit vorgestellt ist oder nicht. Wie kommt es nun aber zu Urteilen in der Anschauung selbst? Ich urteile doch nicht erst, indem ich mit einer Vorstellung an die Anschauung gehe? Es ist nicht etwa so, wie wenn ich sage „X kommt“, und es wird nun die Vorstellung erzeugt, und ich blicke zum Fenster hinaus und sehe ihn wirklich. Aber die Anschauung kann ja ihrerseits eine Vorstellung reproduzieren. Und indem nun Identifizierung eintritt, erwächst die evidente Affirmation, dass die Vorstellung wahr ist, dass ihr Wirklichkeit entspricht. Das Rathaus wird als Rathaus erkannt, der Rathausturm als Rathausturm, dass derselbe den Ritter an der Spitze hat … Dabei kann sich der Prozess verkürzen in der Art, dass in scheinbarer Unmittelbarkeit der Glaube sich an die Anschauung knüpft zugleich mit dem Wiedererinnern. Vielleicht kann man so sagen: Sage ich „Der Ritter ist am Turm“, so dient mir diese unmittelbare Affirmation als Surrogat für die Identifizierung der Vorstellung mit der Sache derart, dass zunächst die repräsentierenden Worte mit der Anschauung den zugehörigen Teilen nach verschmelzen und dann eine Identifizierung mit der eben aufgenommenen und zeitlich zurücktretenden Vorstellung mit der erneuten Wahrnehmung eintritt. Wir identifizieren das eben Angeeignete mit dem immer neu Anzueignenden. Doch das alles macht offenbar Schwierigkeiten. Denn wer kann dergleichen deutlich konstatieren? Jedenfalls: Wollen wir uns klar machen, was „Es ist“ heißt, „Es ist wirklich so“, so müssen wir die Identität des mit dem sprachlichen Ausdruck Gemeinten und Angeschauten erkennen. Wir betrachten die Anschauung einmal als Ziel des Ausdrucks
1 Spätere Randbemerkung: „Das nützt aber nicht viel, da hier eine Existenzbehauptung an eine andere vorausgesetzte angeknüpft wird. Die Frage ist: Ist die Affirmation hier bezüglich auf jene Identifizierung von Vorstellung und Anschauung, die wir so häufig erleben? Ist das Urphänomen der Affirmation jene Identifikation? Ist es wahr, dass jede Vorstellung Intention ist, dann wird es nicht zu bezweifeln sein.“ – Anm. des Hrsg.
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und das andere Mal die Anschauung ohne Rücksicht auf den Ausdruck und finden beides identisch. Anschauung ≡ Ziel des Ausdrucks. Wenn aber Sprache nicht vermittelt? „Dies ist wirklich“. Dann muss ich aber die Anschauung zunächst als Repräsentation auffassen (wie ich es tue, wenn ich zweifle) und dann diese Repräsentation mit der fortdauernden 5 Anschauung identifizieren, indem ich zugleich das zweite Mal die Auffassung ändere, dem Zwang des Eindrucks mich hingebe, ihn als erfülltes Ziel der Repräsentation annehme, also nicht wieder als Repräsentation fasse. All dies gilt in gleicher Weise für Phantasmen, nur dass wir uns dabei noch zum Bewusstsein bringen oder bringen können, dass der Inhalt, an den wir das 10 Erstere anknüpfen, selbst nur Repräsentation sei.
Beilage II Sprachliche Bearbeitung an den kategorialen Inhalten1 Macht die kategoriale Gliederung das aus, was man „Sachverhalt“ nennt? Offenbar nicht. Denn wir haben bisher nur Gliederungen betrachtet, zu deren Gehalt nicht psychische Akte beitragen. Das ist eine Beschränkung unserer Gliederungen, die den Begriff des Sachverhalts nicht erschöpft. Ein Sachverhalt ist es auch „dass, wenn A gilt, auch B gilt“. Ferner, ein Sachverhalt kann auch Negationen einschließen, z. B. „dass das Bild nicht rund ist“ und dgl. Schließen wir diesen Fall aus und fragen, ob solche kategorialen Gliederungen, wie wir sie betrachtet haben, überhaupt schon Sachverhalte sind? Sachverhalte sind die unmittelbaren Inhalte der Beurteilung, also der Bejahung oder Verneinung (Anerkennung oder Verwerfung), bzw. solche Inhalte, die als unmittelbarer Inhalt einer Beurteilung dienen können. Die Streitfrage ist nun, ob Inhalte, welche keine sprachliche Bearbeitung erfahren haben, anerkannt und verworfen werden können. Sehen wir zu, was sprachliche Bearbeitung an den kategorialen Inhalten leistet und wie sie dadurch in Satzform geprägt erscheint. Ich sage „Der Ofen ist schwarz“, oder ich habe die Vorstellung, dass der Ofen schwarz sei. „Der Ofen“, der vor mir stehende (wir nehmen den einfachsten Fall) Ofen, wird hierdurch als Ofen erkannt. Das schließt ein: Erkenntnis der Zugehörigkeit von Name und Sache und Erkenntnis der Sache. Aber natürlich nicht explizit. Ich urteile nicht „Der Name gehört zum Gegenstand hinzu“, und ich erkenne den Ofen nicht als gleich mit dem sonstigen Bedeutungsinhalt des
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Wortes „Ofen“ oder als Besitzer der und der Merkmale. Der Lautkomplex „Ofen“ wurde immer in Verbindung mit dem Anblick eines Ofens gehört, es bildet sich eine „Verflechtung“, und der Anblick des Ofens erweckt nun die Vorstellung des Namens mit Hinweisung auf den hier stehenden Ofen, der ganz mit dem Bekanntschaftsgefühl bekleidet ist. Der bestimmte Artikel weist hier auf die Richtung des Interesses auf das Individuelle hin, der unbestimmte würde auf eine Abstraktion von demselben hinweisen und vielleicht auch auf gewisse frühere Erlebnisse, die einen Ofen als einen unter vielen möglichen Öfen erkannt haben. Ebenso verhält es sich mit der Erkenntnis der Eigenschaft. Und so erscheint nicht bloß die Eigenschaft auf den Gegenstand, sondern die erkannte und bekannte Eigenschaft auf den erkannten und bekannten Ofen bezogen (sie erscheint am Gegenstand). Tritt nun Anerkennung ein, dann wird nicht die Eigenschaft, sondern die erkannte Eigenschaft vom erkannten Gegenstand bejaht. Die Erkenntnis des Subjekts kann sicher fortfallen. Wir urteilen oft, ohne das Subjekt als ein X zu erkennen; oft tritt diese Erkenntnis nachträglich ein, obschon das Urteil vorher da war: „Braun ist – die Zigarre“ und dgl. Kann auch die Erkenntnis des Prädikats fortfallen? Oft suchen wir doch nach dem Prädikatwort, während das Subjekt gar nicht erkannt ist. Urteilen wir dann nicht? Verwerfen wir dann nicht oder anerkennen wir dann nicht? Ich stelle mir den Roland auf dem Markt rot vor; ich verwerfe das Rotsein, ohne dass ich der Worte überhaupt bedürfte. Ich stelle mir das vorliegende Papier in einer beliebigen Figur vor, ich verwerfe sie ohne Konkurs von Worten und wohl auch ohne Erkenntnisse. Freilich könnte man einwenden: Anerkennen und Verwerfen können sich unmittelbar an Inhalte knüpfen, aber das ist dann ein uneigentliches Anerkennen oder Verwerfen. Es weist hin auf einen intendierten Sachverhalt, der notwendig Worte und Erkenntnisse einschließt. Auch da ist es nicht abzusehen, warum mindestens Worte nötig sein sollen. Wodurch unterscheiden sich die Bedeutungen der Ausdrücke „dass ein Ofen schwarz ist“, „ein Ofen, welcher schwarz ist“, „ein schwarzer Ofen“? „Dass ein Ofen schwarz ist“ repräsentiert ein wirkliches oder vorgestelltes Urteil, welches selbst Objekt ist eines Urteils, einer Vermutung, einer Frage usw., einer Beziehung (z. B. „ist die Folge“). Der neue Akt richtet sich hier auf das Prädikat, auf das Schwarzsein, und zwar des Ofens. „Ein Ofen, welcher schwarz ist“: Hier bezieht sich ein Akt des Urteils etc. auf einen vorgestellten Ofen, an dem Schwarz prädiziert ist. „Ein schwarzer Ofen“: Hier wird bloß die Vorstellung eines Ofens mit dem darauf bezogenen Prädikat oder besser der darauf bezogenen Eigenschaft erweckt und vorgestellt. „Schwarz“ mag aus „schwarzseiend“ entstanden sein, aber dem Ausdruck ist es nicht wesentlich, dass ein Urteil gefällt werden soll. Es ist wie bei einem
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Einzelnamen „Ofen“.1 „Das Schwarzsein des Ofens“: Hier ist das vom Ofen bejahte Attribut als Subjekt weiterer Urteile und dgl. gedacht. Den Begriff des Sachverhalts kann man auch von dem der Urteilsmaterie trennen. Die Urteilsmaterie wird oft in Form eines vorgestellten Urteils und entsprechenden Satzes gefasst. Zum Beispiel: „Gold ist gelb“. Bejaht, sagt man, wird, dass Gold gelb ist. Aber die Urteile „Es gilt, dass Gold gelb ist“ und „Gold ist gelb“ sind nicht identisch, sondern nur äquivalente Urteile. In der Tat ist ja „dass Gold gelb ist“ ein vorgestelltes Urteil, und niemand wird doch behaupten, dass wirklichen Urteilen vorgestellte zugrundeliegen müssen, was leicht ad absurdum zu führen wäre. Wie kommt es aber, dass man die Urteilsmaterie durch das vorgestellte Urteil, das man unter dem Titel „Sachverhalt“ hinzustellen pflegt, ausdrückt? Vielleicht daher, dass man so oft in der Lage ist, das Bejahen des vorgestellten Urteils zu intendieren. Es ist aber ein Unterschied: Der Akt des Glaubens, der im „ist“ ausgedrückt ist, und der Akt des Anerkennens, der einen vorgestellten Sachverhalt betrifft. Ich erkenne an, dass Gold gelb ist, oder es gilt, dass etc. Hiermit ist ausgedrückt, dass dem Vorgestellten das zugehörige wirkliche Urteil entspricht. Die eintretende Bejahung entspricht der Intention. Gegenüber dem naiven Urteilen also sozusagen ein reflektiertes. Wäre weder Wort noch Erkenntnis noch Repräsentation dem Urteil wesentlich, dann frage ich, welche Funktion sollte dann das Bejahen des Prädikats vom Subjekt haben? Ja, wie käme es überhaupt dazu? Soll ein Urteilen durch den bloßen Inhalt für sich bedingt sein, etwa bei aller Anschauung, dann hätte ich ein Beurteilen des Subjekts, ein Beurteilen des Prädikats des Subjekts. Aber wozu dient mir das? Warum begnüge ich mich nicht mit dem bloßen Auffassen des vorliegenden Inhalts? Scheint es nicht, als ob hier eine nutzlose Verschwendung von psychischer Tätigkeit vorhanden wäre? Vielleicht kommen wir mit weniger aus.
Beilage III Nota über den Ursprung des belief 2 1) Vorstellungen gehen mit befriedigter Intention in die Anschauung über (z. B. nominale Repräsentationen). Und umgekehrt: Anschauung geht in Vorstellung über: Unbefriedigung.
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Dazu ein Fragezeichen am Rand. – Anm. des Hrsg. Wohl Wintersemester 1893/94. – Anm. des Hrsg.
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2) Erinnerung teilt in gewisser Hinsicht den Anschauungscharakter (Seinscharakter). Auch können Vorstellungen mit befriedigter Intention in Erinnerungen übergehen. Zum Beispiel: Jemand sagt „Erinnerst du dich …“, und dann tritt Erinnerung ein. Andererseits aber tragen Erinnerungen in gewisser Hinsicht nicht den Anschauungscharakter. Sie sind nämlich mit Beziehung auf zugehörige Anschauungen Repräsentationen wie alle Phantasievorstellungen. 3) Die Vorstellungen, die ein anderer durch seine Rede erweckt, „bewähren“ sich oft; die Vorstellung führt auf die erfüllte Intention. Sind schon von ihr viele Erinnerungen gebildet, haben sich jene eigentümlichen Erinnerungsverläufe und zugehörige Dispositionen gebildet, die wir Gegenstände nennen, haben sich aus diesen objektive Einheiten, umfassend ein Stück der objektiven Wirklichkeit, gebildet, und dies ohne Urteilen, dann kann sich eine Vorstellung auf einen Bestandteil derselben beziehen, und nun tritt Bejahung ein. Auch das Kind knüpft vermöge der Gewohnheit an das Vorgestellte seines objektiven Umkreises Glauben, ehe es der Vorstellung Entsprechendes wirklich findet. Wenn aber Letzteres statt hat, dann tritt Evidenz, Bewährung des Glaubens ein. 4) Bildung von Vorstellungen, die zu der Vorstellung der Außenwelt, so wie sie schon gebildet ist, in Beziehung stehen, aber nicht ein bekanntes Stück derselben bejahen, vielmehr sie erweitern. 5) Bejahungen symbolischer Art.
Beilage IV Urteilen ist Für-wahr- oder Für-falsch-Halten. Das Urteil ist genetisch früher als die bloße Vorstellung. Anwendung derselben Betrachtung auf Vermutung und Zweifel1
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Wo immer wir bejahend urteilen, heißt in der gewöhnlichen Redeweise der beurteilte Sachverhalt wahr; wo wir ihn verneinen, heißt er falsch. Min30 destens halten wir doch allgemein dafür, dass zu sagen „Gold ist gelb“ und „Es ist wahr, dass Gold gelb ist“ „einerlei“ sei und dass „Es ist nicht 2 × 2 = 5“ dasselbe sage wie „Es ist falsch, dass 2 × 2 = 5 ist“. Hier liegt freilich eine Schwierigkeit. Kann man sagen, dass das Urteil „Gold ist gelb“ wirklich aus zwei Teilen bestehe: der Affirmation und dem Sachverhalt, der affirmiert 35 wird? Der Sachverhalt soll ausgedrückt sein durch „dass Gold gelb ist“. Ist 1
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dies aber anderes als eine vorgestellte Affirmation, genauso wie „dass Gold nicht grün ist“ eine vorgestellte Negation ist? Muss man also nicht sagen: Jedes Urteil kann man äquivalent zerlegen in ein vorgestelltes Urteil und in eine Zustimmung oder Verwerfung, die sich darauf bezieht? „Gold ist gelb“ = „Es gilt, dass Gold gelb ist“. Einmal urteilen wir schlichtweg, das andere Mal stellen wir das Urteil objektiv hin. Es geht dann eine Änderung mit ihm vor, vermöge dessen es den Charakter eben des gedachten Urteils erhält, und diesem objektiven Urteil, dem gefällt gedachten Urteil erteilen wir unser Ja oder Nein. Danach wäre „schlechthin urteilen“ und „über eine Vorstellung urteilen“ zweierlei. Wie kann aber „Vorstellung“ gleich sein „vorgestelltes Urteil“? Setzt nicht jedes Urteil die Vorstellung dessen, worüber geurteilt ist, voraus? „Gold ist gelb“. Es ist nicht: Gold vorstellen, Gelb vorstellen und Gold als gelb vorstellen? Ist nicht die Lösung folgende? In Wahrheit liegt jedem Urteil die Vorstellung dessen, worüber geurteilt wird, zugrunde. Aber zum Ausdruck können wir die Vorstellung nur bringen, indem wir sie als eine seiende vorstellen. Aber das geht nicht. Als seiend vorstellen, das hieße, vorstellen, dass es gelte, dass Gold gelb ist. Oder sollen wir sagen: Objektiv setzen, das ist ein Akt des Urteils? Indem wir die ersten Wahrnehmungen machen, sie herausheben und objektiv hinstellen, urteilen wir. In wiederholtem Betrachten, von einem Teil zum anderen oder von dem ganzen Gegenstand zu anderen übergehend, identifizieren wir das Ganze und seine Teile. Und ein schlechthin Existierendes steht uns gegenüber, eben mit sich selbst identisch. Erst durch das falsche Urteilen kommen wir zur Unterscheidung zwischen bloßer Vorstellung und Wirklichsein. Das Urteil wird aufgehoben und bleibt als bloßes Vorstellen übrig, als suspendiertes Urteil, welches den Gedanken an das Urteil einschließt. In der Vorstellung ist Sein und Beschaffensein enthalten, aber in anderer Weise als im gefällten Urteil. Ebenso führt die frei kombinierende Phantasie zu Vorstellungen. Ihre Gebilde werden ebenfalls als seiend oder als beschaffen seiend geurteilt. Aber ihr Widerstreit mit der Wahrheit drückt sie zu bloßen Vorstellungen herab, und der Unterschied im inneren Charakter dieser Gebilde gegenüber den Wahrnehmungen erweckt dann ein solches Misstrauen gegen sie, dass sie im Allgemeinen nur als vorstellig gelten und nur ausnahmsweise auf Gründe hin Zustimmung finden. Also genetisch ist das Urteil früher da als die „bloße Vorstellung“, und diese ist eine psychologische Modifikation des Urteils, ist vorgestelltes Urteil im Gegensatz zum wirklich gefällten Urteil. Vergleichen wir beide, so finden wir dieselben Gegenstände, Merkmale, Beziehungen, aber das eine Mal als seiend gedacht, das andere Mal als seiend bejaht. Die gemeinsame Materie beiderseits, das ist aber etwas Abstraktes. Wir können nicht die Materie herausheben, ohne sie mindestens
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„vorzustellen“, d. h. ohne sie in jener uneigentlichen Weise zu beurteilen, die wir „vorgestelltes Urteilen“ nennen. Bei dieser Auffassung liege also die sogenannte Vorstellung nicht dem Urteil zugrunde; es wäre zwar durch Vergleich der Urteile und der Urteile mit den Vorstellungen zu unterscheiden zwischen dem abstrakten Moment der Bejahung und Verneinung und dem, „worauf sie sich bezieht“. Aber das Letztere wäre nicht durch einen Akt der Vorstellung gegeben, sondern dieser tritt erst hinzu, wenn wir Bejahung und Verneinung ganz aufheben wollten. „Gold ist gelb“: Im „ist“ ist die Bejahung ausgedrückt. Heben wir sie auf, lassen wir auch die Verneinung nicht zu, so können wir die Materie nur festhalten, wenn wir die Vorstellung als Ersatz einspringen lassen. Wir stellen uns vor, dass Gold gelb ist. Vorher haben wir aber nicht gleichzeitig vorgestellt und geurteilt. Der psychologische Habitus ist ja beiderseits ein ganz verschiedener, und die Doppelheit ergibt sich beim Urteil erst durch die eben beschriebene Analyse, die ohne Zweifel hineinträgt, was nicht darin ist. Das Täuschende liegt darin, dass „der Vorstellung zustimmen“ logisch äquivalent ist mit „einfach urteilen“. Urteile ich schlechthin „Gold ist gelb“, so ist das äquivalent mit „Es gilt, dass Gold gelb ist“. Anstatt „der Vorstellung zustimmen“ müsste man freilich besser sagen „Die Vorstellung als gültig setzen“, oder man müsste noch besser ausdrücklich betonen, dass nicht das prädikative Zustimmen gemeint ist. Dass etwas ist oder nicht ist, hat sein logisches Äquivalent darin, dass es gilt, dass es ist oder nicht ist. Ganz ähnlich scheint es sich mit anderen logischen Phänomenen zu verhalten. Urteilen wir nicht, sondern vermuten wir bloß, dann drücken wir uns oft in der Aussageform aus. Wir sagen „Heute wird es wohl (vermutlich) regnen“. Wir können auch sagen „Dass es heute regnen wird, ist zu vermuten, ist zweifelhaft, ist fraglich“ und dgl. In der Vermutung, Frage, im Zweifel braucht nicht explizit eine Vorstellung enthalten zu sein; aber die Vorstellung kann vermitteln. Wenn sie dies tut, bezieht sich die Vermutung natürlich nicht auf die Vorstellung, ebenso wie sich bei der Zustimmung oder Verwerfung diese nicht auf die Vorstellung beziehen, sondern auf den vorgestellten Sachverhalt, d. i. das modifizierte Urteil. Indem wir zur wirklichen Bejahung oder Verneinung übergehen, erfassen wir zugleich Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung mit der modifizierten; und das ist im Zustimmen oder Widerstreiten ausgedrückt. Darum spricht man auch von zustimmender Vermutung. Ich vermute eben das, was die Vorstellung vorstellt, ich vermute die Gültigkeit des vorgestellten Urteils (oder besser: den Sachverhalt, wofern wir unter Sachverhalt das objektive Sein oder Nichtsein des bezüglichen Gegenstands verstehen). Selbst beim Zweifel möchte ich nicht sagen, dass bei ihm eine Doppelheit vorliegt: das Vorstellen und das darauf bezogene Zweifeln. Allerdings, die
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Vorstellung mag immer vorhergehen. Aber schwanke ich zwischen Sein und Nichtsein oder bin ich völlig unentschieden zwischen beidem, ohne dem einen und anderen „zuzuneigen“, sei es auch nur momentan, dann sind das eigentümliche Weisen psychischen Verhaltens, die der „Materie“ nach mit Vorstellungen übereinstimmen mögen; ja noch mehr, ihnen wohnen si- 5 cherlich nicht geurteilte Urteile ein. Aber vorgestellte in demselben Sinn, wie wenn ich mir „bloß vorstelle“, dass ein Pferd zwei Köpfe hat? Zweifle ich, dass es heute regnen wird, so heißt das nicht: Ich stelle mir vor, dass es heute regnen wird, worüber ich zweifle. Das Täuschende ist, dass die Sprache überall da von Vorstellen spricht, wo ohne das Geurteiltwerden ein 10 Sachverhalt uns gegenwärtig ist, in welcher Art auch immer. Besteht wirklich ein zwingender Grund, überall einen gemeinsamen Akt anzunehmen, der dem „Vorstellen“ entspricht?
Beilage V Verknüpfung, Beziehung, relatives Attribut, inneres und äußeres Merkmal, kategoriale Gliederung1 Eine Beschaffenheit, die einem Inbegriff von Inhalten als Ganzem zukommt, ist eine Verknüpfung. Oder: Jede Quasiqualität (jede Gestaltqualität), die sich über den ganzen Inbegriff ausbreitet, begründet eine Verbindung der Glieder des Inbegriffs. Es ist nun eine letzte Tatsache, dass wir von irgendeinem Glied, das uns primär interessiert, zu den übrigen übergehend, einen neuen Inhalt entstehen sehen, der an das erstere Glied geknüpft erscheint und die übrigen Glieder in eigentümlicher Weise in sich schließt. So entsteht aus Gleichheit von a und b „a = b“. So entstehen die relativen Attribute (äußere Merkmale). Sie haben den Charakter von Attributen insofern, als sie nichts für sich sind, sondern einer Grundlage bedürfen, der sie zugehören. Im Fall der inneren Merkmale, z. B. „Der Ofen ist schwarz“, liegt die Sache so: Wir haben einerseits die Vorstellung des Ofens, und das ist eben ein schwarzer Ofen. Er ist relativ selbständiger Inhalt gegenüber dem Abstraktum; er ist die Grundlage oder Voraussetzung für die Setzung des „schwarz“ usw. Gehen wir nun über zur Vorstellung des Abstrakten, dann nehmen wir dieses nicht bloß für sich, sondern eben in seiner Abhängigkeit von der Grundlage. Darauf deutet schon die adjektive Bildung hin. Wir haben also die Grundlage und als ihre Dependenz oder als ihr gegenüber unselbständig das 1
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Abstraktum. Wir stellen nicht den Ofen für sich vor und „schwarz“ für sich, d. h. kollektiv, sondern den Ofen als schwarzen oder, genauer, den Ofen und dann auf ihn bezogen das Abstraktum. Genauso wie bei äußeren Merkmalen, wo das Subjektfundament als „Träger“ erscheint, dem gegenüber das anhängende Prädikat ein unselbständiger Vorstellungsinhalt ist. Bezeichnet man die Verknüpfung der Glieder einer Mannigfaltigkeit als fundierten Inhalt, so ist er eben auch Beschaffenheit des Inbegriffs („Quasiqualität“ sagte ich daher auch in Bezug auf diese Verknüpfungen). Die kategoriale Gliederung eines Sachverhalts besteht also darin, dass ein relativ selbständiger Inhalt, ein Konkretum als Grundlage eines ihm zugehörigen Abstraktums erscheint. Und die Grundlage kann sein entweder Eins oder eine Mehrheit; und das Abstraktum kann entweder sein ein ihm angehöriger Teil oder ein mit ihm verwobener Inhalt oder eine ihm äußerliche Anknüpfung; das Letztere dann, wenn die Grundlage mit anderen disjunkten Inhalten in einer Verknüpfung steht. Vielleicht muss man eine Verknüpfung so definieren: Ein Inbegriff disjunkter Inhalte begründet oft verschiedene Quasiqualitäten, die dem Inbegriff als Ganzem zukommen. Eine jede solche repräsentiert eine besondere Verknüpfung. Danach würde man von einem Ganzen und seinem Teil nicht sagen, sie seien verknüpft. Unter „Verknüpfung“ im engeren Sinn versteht man solche die Kollektion übergreifenden Qualitäten, welche ihre Begründung nicht bloß in den Gliedern des Inbegriffs, sondern in einem Gesamtinhalt haben, dem diese Glieder als eingewobene Teile angehören. So bei räumlicher Verknüpfung. Jeder Rauminhalt ist Aussonderung aus dem Gesamtraum; und so sind mehrere Rauminhalte immer räumlich verknüpft. Psychologisch heben sie sich vom gemeinsamen „Hintergrund“ ab, der zur Quasiqualität, die sie alle umspannen, eigenen Beitrag leistet. Ebenso Punkt einer Linie oder Zeitpunkt. Aus Verknüpfungen im weiteren Sinn entspringen äußere Verhältnisse, ebenso überhaupt etwa Verhältnisse von Teil zu Teil in einem Ganzen. Teil und Teil können sich wechselseitig einschließen, also gegeneinander unselbständig sein. Oder sie können gegeneinander selbständig sein, wenn auch jedes anderem gegenüber unselbständig ist. Die Farbe dieses und die Farbe jenes Dinges sind gegeneinander selbständig. Vergleiche ich sie, so kann Gleichheit oder Ähnlichkeit ohne Bevorzugung eines Beziehungsgliedes bemerkt werden, und dies bildet eine Verknüpfung im weiteren Sinn. Eine kollektive Einheit im weiteren Sinn ist jeder Inbegriff für sich bemerkter Inhalte, eine solche im engeren Sinn ein Inbegriff disjunkter Inhalte. Macht die kategoriale Gliederung des Inhalts schon den Sachverhalt aus? Und gibt es noch andere Gliederungen? Nein. Wenn ich die Inhalte ohne Rücksicht auf psychische Akte betrachte, so gibt es nur die Möglichkeit,
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dass ich einen Inhalt habe oder einen Inbegriff von Inhalten habe oder dass ich eine, irgendwelche Einheit unterschiedener Inhalte habe. Im letzteren Fall kann ich das Verbindende als Merkmal des Inbegriffs unterschiedener Inhalte ansehen, oder ich kann einen auf den anderen beziehen usw. (Als besonderen Fall von Verhältnis und Verknüpfung erwähne ich Widerstreit, 5 woraus Unvereinbarkeit geschlossen wird, die aber nicht selbst etwas im Inhalt Liegendes ist. Doch wird man dabei auf psychische Akte rekurrieren müssen.) * Anschauung und Begriff. Soll begriffliche Vorstellung im weitesten Sinn (= repräsentierende Vorstellung) genommen werden? Danach wäre es auch eine begriffliche Vorstellung, wenn ich, den Anfang einer Melodie hörend, diesen als Ersatz für die ganze Melodie nehme, oder wenn ich eine perspektivische Verkürzung für das Unverkürzte nehme.1 Begriff im logischen Sinn kann man nun aber nicht mit Merkmalvorstellung, Vorstellung durch Bestimmungen identifizieren. Denn „Etwas“ ist sicher keine Merkmalvorstellung, da sie jeder solchen zugrunde liegt, aber ein logischer Begriff ist sie doch wohl auch. Indessen spielen doch die Merkmalvorstellungen und unter ihnen wieder die definierten Begriffe eine so bedeutende Rolle, dass ein besonderer Name für sie wohl passend erscheinen muss.2 Man mag sie logische Begriffe nennen (oder wissenschaftliche Begriffe?) oder Begriffe im engeren Sinn. Doch muss dann die sprachliche Benennung mit dazu genommen werden, eine feste sprachliche Bezeichnung und ein unseren logischen Interessen entsprechender, fest abgegrenzter Bedeutungsgehalt, sei es auch nur als Disposition. Die Repräsentationen zerfallen in 1) Repräsentationen durch einen logisch unbearbeiteten, d. h. logisch nicht gegliederten (geformten) anschaulichen Inhalt, Repräsentationen durch eine schlechthinnige Anschauung, 2) Repräsentationen durch einen logisch bearbeiteten Inhalt oder, wie wir sagen, durch einen Sachverhalt bzw. durch Stücke und Zeichen, die auf einen Sachverhalt hinweisen und in ihm ihre vollkommene Explikation finden. Zum Beispiel: Ich stelle mir einen runden Tisch, einen brüllenden Löwen vor anstatt wie im ersten Fall den entsprechenden anschaulichen Gegenstand
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Spätere Randbemerkung: „Das geht also nicht.“ – Anm. des Hrsg. Spätere Randbemerkung: „Da genügt doch der Ausdruck ‚attributive Vorstellungen‘.“ – Anm. des Hrsg. 2
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schlechthin. Dieser mag ja hier auch gegeben sein (sc. als eine Phantasievorstellung), aber er ist eben logisch bearbeitet. Wohin haben wir zu rechnen Vorstellungen derart wie „ein Löwe“, die in mir beim Hören des Wortes erweckt werden, oder die Vorstellung eines Löwen, die in mir den bezeichnenden Namen erweckt? Offenbar zur zweiten Gruppe, sofern die Beziehung zwischen Namen und Sache und die Zugehörigkeit des ersteren zur letzteren da ist; desgleichen die Formung durch Namen. Wie ist diese logische Bearbeitung nun zu verstehen? Wie entstehen vorgestellte „Sachverhalte“? Wie mit ihnen die unvollständigen Stücke von Sachverhalten? Zunächst eine Bemerkung. Was sind Objekte, Sachen, Gegenstände im objektiven Sinn, ob nun seiende oder gedachte? Gegenstände sind nicht schlechthin Inhalte. Sind Gegenstände überhaupt nicht Urteilssubjekte? Im engeren Sinn sind Gegenstände die identischen Subjekte mannigfaltiger Prädikate. Gegeben sind sie uns als Anschauungsverläufe, die, wie immer von Fall zu Fall unterschieden, doch immer die Möglichkeit gewähren, gewisse Teile und Momente besonders zu beachten und zu erkennen. Es ist nicht so, dass, was den Begriff des Gegenstands konstituiert, d. i. die Summe logischer Prädikate, die ihn für unser logisches Bewusstsein vertreten, in der Vorstellung gedacht oder durch sie notwendig repräsentiert wären. Aber jedenfalls gehören die abstrakten Momente, die den Prädikaten zugrunde liegen, zum intendierten Inhalt der Vorstellung. Die Einheit des Gegenstands besteht psychologisch nur in dem Bewusstsein der Identität des sich im Anschauungsverlauf stetig Ändernden (Identität also in der Kontinuität), so wie der darin besonders beachteten Teile und Merkmale. Diese Stetigkeit bewirkt, dass wir nicht den Verlauf als das Seiende, sondern als Verlauf eines Seienden betrachten. Bei einer Melodie ist der Verlauf das Seiende, beim Ding aber die Identität in der Veränderung (allerdings auch bei der Melodie, die verschwindet?).
Beilage VI Uneigentliche Affirmationen1 Zum Beispiel: Ich affirmiere den Satz statt des zugrunde liegenden Gedankens. Ich sage mechanisch „2 × 2 = 4“ und bejahe, ohne an den Gehalt 35 des Satzes zu denken. (Vielleicht gehören hierher auch die Fälle, wo ein
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unaufmerksamer Schüler einen ihm vom Lehrer vorgesagten Satz nachspricht und selbst bejaht auf die Laute hin, ohne ihn überhaupt verstanden zu haben.) In solchen Fällen wird die Uneigentlichkeit nicht bemerkt. Das Urteil fungiert wie das intendierte wirkliche. Was wurde dabei aber wirklich geurteilt? Denn das wirklich geurteilt wurde, das lehrt die innere Erfahrung deutlich. Jedermann erkennt den Unterschied gegenüber dem ausgesprochenen Satz „2 × 2 = 5“. Es wird also nicht bloß gesprochen. Wir verhalten uns sicherlich den ausgesprochenen Sätzen gegenüber verschieden, ganz so, wie den von Gedanken begleiteten. Und mögen auch im Gedanken Unterschiede bestehen, im Anerkennen und Verwerfen sicherlich nicht. Aber was wird anerkannt? Nun, das „gleich 4 sein“ des „2 × 2“. In dem durch eine gemeinsame Gestaltqualität einheitlich umspannten Lautkomplex erscheint das zweite Stück in ähnlicher Weise auf „2 × 2“ bezogen gedacht wie sonst das Merkmal (insbesondere ein äußerliches Merkmal) auf das Subjekt. Das „gleich 4 sein“ wird nämlich als zu „2 × 2“ gehöri g erkannt. Und dieses Urteil dient dann im lebendigen Denken als vollwertiger Stellvertreter für das wirkliche Urteil, welches zu ihm in einem gewissen logischen Verhältnis steht. Wenn nämlich das eigentliche „4 sein“ zum eigentlichen „2 × 2 sein“ gehört, so gehört auch das uneigentliche, bloß sprachliche „4 sein“ zu dem bloß sprachlichen „2 × 2 sein“. Was heißt aber „als zugehörig erkannt“? „2 × 2 = 4“, dieser ganze Satz bildet eine sachlich zeitliche Gestaltqualität, wie jede sprachliche Einheit überhaupt. Und diese Einheit ist nicht bloß eine aktuelle, wo sie vorgestellt wird, sondern auch eine dispositionelle durch Gewohnheit oder, wenn man will, Gedächtnis. Demgemäß habe ich, wenn ich bloß „2 × 2“ vorstelle, das Gefühl eines Unfertigen, und erst wenn „= 4“ dazutritt, empfinde ich das Gefühl der zugehörigen Befriedigung, der erfüllten Intention, des befriedigenden Abschlusses. So kann ich auf die Frage „Wie viel ist ‚2 × 2‘?“ mit „= 4“ antworten, ohne an die Zahlen zu denken. Läuft der Satz in der gehörigen Weise ab, dann knüpft sich an ihn als ganzen das Bewusstsein der Gültigkeit, so wie wenn eine Melodie gehörig abläuft; nur entspringt dieses Bewusstsein bei den Sätzen in anderer Weise. Ursprünglich wurde der Sachverhalt, der im Satz ausgesprochen ist, affirmiert, aber in ständiger Begleitung der schrittweise erklingenden Worte und Syntaxen. Dadurch erhält der Satz seine sinnliche Einheit. Genügt dies aber schon? Doch wohl nicht. Das bloße Wiederkennen des Ganzen ist nicht die daran geknüpfte Affirmation, die oft als ein besonderer Akt dem Satz beigegeben ist. Wir können nicht anders sagen als so: Die frühere Affirmation im komplexen Phänomen hat ihre Nachwirkungen. Bedeutung und Wort sind nichts Getrenntes, sondern Verschmolzenes, und so geht auch die Affirmation nicht auf etwas von den Worten Getrenntes, sondern auf einen mit Worten innig
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verwobenen Gedanken.1 Bleiben nun von letzteren einige oder selbst alle aus, so kann doch von dem Vorhandenen die Affirmation reproduziert und nicht bloß vorgestellt, sondern aktuell sein. Was noch fehlt, das bleibt Intention und wird auch oft als fehlend empfunden. Es fragt sich allerdings, ob die Affirmation hier eine wirkliche ist, ob nicht auch symbolische Stellvertreter da sind wie das Nicken, das Ja, ein gewisses G ef ühl der Zustimmung und dgl. Doch scheint es mir, als ob die Affirmation den Charakter wirklicher hat. Ähnlich verhält es sich, wenn ich z. B. höre, dass Quadrat über der Hypotenuse usw. Ich erkenne wieder und bejahe, ohne noch zu Ende gehört zu haben, ich lasse den anderen gar nicht ausreden. Also Zustimmung bezieht sich ursprünglich auf einen gewissen Inhalt, nachher auf jede bloße Intention desselben. Es kann auch sein, dass ich mich bei Beginn des Satzes an ihn erinnere und Zustimmung eintritt, während ich gar nicht fähig wäre, ihn wirklich zu vollenden. Dies zeigt besonders deutlich, dass Li pps’ Auffassung unnötig ist und unrichtig ist.2 Bei mittelbaren symbolischen Urteilen verhält es sich ähnlich wie bei unmittelbaren: „2 × 2 = 4. 3 + 1 = 4. Also, 2 × 2 = 3 + 1“. Der Satz „Gleiches für Gleiches gesetzt, gibt Gleiches“ kann vielleicht vermitteln, aber bloß als Satz. Daran knüpft sich das Ersetzen des sprachlich als gleich Bezeichneten ohne jede Gleichheitsvorstellung, und gewohnheitsmäßig knüpft sich daran wieder die Affirmation.
Beilage VII Unterschied zwischen „ist“- und „hat“-Urteilen3 Was ist der Unterschied zwischen den Ausdrücken „Der Ofen ist schwarz“ und „Der Ofen hat Schwärze“? „Schwärze“ ist der Name für das Abstraktum für sich, „schwarz“ für das als unselbständig erkannte und bereits bezogene Abstraktum. Darum muss dann die Beziehung durch das „hat“ hergestellt werden, ein Ausdruck für die Beziehung von Ganzem zu Teil. Es ist nun 30 im Wesen dieses Verhältnisses, dass „Teil“ einen unselbständigen oder vom 25
1 Ja, wir können geradezu sagen „auf den ganzen Komplex“. Übrigens ist noch besonders darauf zu achten, dass L i p p s wohl Unrecht hat, für das Urteilen die sprachlichen Zeichen für irrelevant zu erklären. 2 Vgl. Theodor L i p p s, Grundzüge der Logik, Hamburg und Leipzig 1893, S. 27 (auch S. 23 ff. u. ö., S. 29). Ein annotiertes Exemplar dieses Werkes befindet sich in Husserls Privatbibliothek in Leuven. 3 Wohl Wintersemester 1893/94. – Anm. des Hrsg.
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anderen eben jetzt abhängigen Inhalt bezeichnet, der zunächst unabhängig von dieser Beziehung gedacht und dann ausdrücklich durch sie erfasst wird. Wenn ich sage „Die Gestalt ist ein Teilinhalt bei irgendeinem Körperlichen“, dann denke ich die Gestalt für sich und beziehe sie dann auf das Körperliche. Sage ich aber „Der Körper ist gestaltet“, dann betrachte ich von vornherein die Gestalt nur in dieser Beziehung. Darum gibt auch die Umkehrung des Ausdrucks nur dieselbe kategorische Beziehung: „Gestaltet – ist der Körper“. Das Unselbständige ist eben als solches das Prädikat. Dagegen kann ich die Beziehung von Teil zu Ganzem umkehren: Das Ganze hat den Teil – der Teil wird vom Ganzen gehabt. Zunächst erscheinen hier Teil und Ganzes als gleichberechtigt. Sie werden eben für sich betrachtet. In der prädikativen Beziehung aber wird nur das Fundament für sich betrachtet, während die Heraushebung des Begründeten schon auf das Fundament hinzielt. Es besteht, können wir sagen, ein Unterschied zwischen Verhältnissen und kategorischen Inhalten. Im Verhältnis haben wir zwei für sich bemerkte und auch für sich, d. h. unter Abstraktion vom anderen herausgehobenen Inhalt, von denen der eine vermöge einer Verknüpfung, die sie haben, auf den anderen bezogen wird. Im kategorischen Inhalt haben wir nicht zwei für sich herausgehobene Inhalte. Das Subjektfundament mag es zunächst sein; das Prädikatfundament ist es sicher nicht. Die Verwebung mit dem Subjektfundament ist hier von vornherein gegeben und ist Gegenstand der Beachtung. Sage ich „Der Ofen ist schwarz“, dann abstrahiere ich nicht „schwarz“ in dem üblichen Sinn, wonach ich vom Übrigen absehen würde – das tue ich, wenn ich von Schwärze für sich spreche –, sondern ich hebe es nur heraus mit seiner Beziehung. Dem Abstraktum kommt eine gewisse Selbständigkeit zu durch unser isolierendes (nämlich um anderes sich absolut nicht kümmerndes) Bemerken. Dem Prädikat fehlt diese Selbständigkeit. Natürlich lässt sich das Unselbständige als solches, d. h. als Attribut eines anderen, auch abstraktiv hervorheben. Dadurch entstehen die Bildungen: Gelbsein, Viereckigsein usw. „Gelb“ und „Viereck“ können auch für sich allein so verstanden werden: „Gelb ist eine Farbe“. Auch „Gelbe“, „Viereckigkeit“ mögen dergleichen meinen, obschon vielleicht nicht notwendig. Was bedeutet hier das „sein“? Offenbar ist ein vorgestelltes Urteil zugrundeliegend. Gelb wird einem unbestimmten Subjekt zugeschrieben gedacht, und diese Beziehung auf ein Urteil liefert den Begriff des Attributs. Ebenso „Nichtgelbsein“.
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vorstudien zu den logischen untersuchungen Beilage VIII Attribution und Prädikation. Affirmation der Vorstellung als solcher im Gegensatz zur Affirmation des intendierten Gegenstands1
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Wodurch unterscheidet sich „der schwarze Ofen“ und „Der Ofen ist schwarz“? Im letzteren Fall handelt es sich darum, das Urteil auszudrücken, der Ofen sei schwarz, im ersteren darum, die Vorstellung zu erwecken des schwarzen Ofens mittelst des Urteils. Ebenso wie im ersteren Fall im Wort „der Ofen“ schon ein Urteil vorausgesetzt ist, das aber nur dazu dient, die Vorstellung eines hier seienden Ofens nebst dem Seinsbewusstsein zu erwecken; dies geschieht unmittelbar, so dass uns ein besonderer Urteilsakt gar nicht auftritt, ganz ebenso wie wenn man sagt „der schwarze Ofen“, in der Regel unmittelbar die Vorstellung da ist mit Seinsbewusstsein oder mit Intention dazu, während „ei n schwarzer Ofen“ dies nicht mit sich führt, sondern das Unbestimmtheitsbewusstsein. Ich habe ein evidentes Wissen davon, dass ich die Vorstellung habe. Was unterscheidet das Urteil, welches die Vorstellung als solche affirmiert, vom Urteil, welches ihrem intendierten Gegenstand Existenz zuschreibt? Zum Beispiel: Ich stelle mir den Marktplatz vor oder den Pegasus am Marktplatz. Die Vorstellung ist da. Es ist evident, dass ich das vorstelle; aber ich verwerfe, dass dem etwas „entspricht“. Oder, um die Beziehung zum Ich beiseite zu lassen: Evident ist das Sein der Vorstellung als solcher, nicht evident ist das Sein des vorgestellten (intendierten) Objekts. Im ersten Fall dient mir die Vorstellung für sich (als Anschauung), und ich beurteile sie in der Weise einer Anschauung, wie wenn ich urteile „Das Angeschaute ist“. Ich sehe also ab von der Intention. Wie ist all das möglich? Man wird wieder sagen müssen: Wenn ich naiv bin, dann lasse ich mich von der Intention tragen, das Intendieren ist ein psychisches Verhalten, und dem bin ich hingegeben. Das Intendieren ist nicht selbst Inhalt. Wenn ich aber die Vorstellung als solche affirmiere, dann habe ich eine Vorstellung von der Vorstellung; so wie ich bei einer Beurteilung der Anschauung von einer Vorstellung des Angeschauten geleitet bin. Die Erkenntnis kommt durch
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Übereinstimmung zwischen Vorstellung und Sache zustande. Es sind also ganz andere Akte und Beziehungen, die vermitteln. E rdm ann definiert „Merkmal“1 genauso wie ich in dem Entwurf.2
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Vgl. Benno E r d m a n n, Logische Elementarlehre (Halle a. S. 1892), S. 118: „Die einzelnen in einer Vorstellung enthaltenen Bewusstseinsbestandteile, ihre Teilvorstellungen, werden, als Bestimmungen des Gegenstandes aufgefasst, Merkmale genannt. M e r k m a l e (notae, denominationes) also sind die unterscheidbaren Bestimmungen der Gegenstände des Denkens, gleichviel ob es sich in ihnen um Beschaffenheiten, wie ‚rot, sanft, jähzornig‘, um Grössenbeziehungen wie ‚klein, schnell, viereckig‘, um Zweckbeziehungen, wie ‚gut, böse, vollkommen‘ handelt. Jedes Merkmal eines Gegenstandes kann von ihm ausgesagt, prädizirt werden. Nicht jedes Prädikat eines Gegenstandes ist jedoch ein Merkmal.“ – Anm. des Hrsg. 2 Gemeint ist wohl das oben als Text Nr. 2 veröffentlichte Manuskript. – Anm. des Hrsg.
Nr. 3 Das E xistentialurteil1 a) Das negative Existentialurteil im Gegensatz zum Absprechen 5
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Argu m en t : Wenn wir sagen „Jupiter existiert nicht“, so ist das, was da nicht existiert, nicht etwa der Begriff „Jupiter“, der existiert (bzw. die Vorstellung „Jupiter“), sondern, was da nicht existiert, ist der Gegenstand. Jede Vorstellung also (jeder Begriff) hat einen Gegenstand; es gibt für jede Vorstellung einen Gegenstand, aber dieser Gegenstand braucht nicht zu existieren. An t w o rt : Was da nicht existiert, ist natürlich nicht der Begriff „Jupiter“, sondern Jupiter selbst. Es gilt der Satz „Jupiter existiert nicht“, „Es gibt keinen Jupiter“. Aber nun wohl aufpassen: Wir sprechen so, als wäre Existenz und Nichtexistenz ein Prädikat. Wir fassen „Jupiter existiert nicht“ genauso wie „Jupiter ist nicht rot“. Im Fall des affirmativen Existentialsatzes können wir allerdings für „Jupiter existiert“ auch sagen „Jupiter kommt Existenz zu“. Und so scheint es, als ob wir für „Jupiter existiert nicht“ sagen dürften „Jupiter kommt Nichtexistenz zu“. Aber das ist falsch. Wenn wir sagen „Jupiter ist nicht ein Pferd“, so meint das in der Regel „Jupiter kommt es zu, nicht ein Pferd zu sein“, „Es kommt ihm nicht zu, Pferd zu sein“ also „ein Nichtpferd zu sein“. Denn stillschweigend setzen wir seine Existenz, wir reden vom „existierend“. Daher sagen wir „dem Jupiter“. Würden wir die Existenz nicht setzen, dann würde der Ausdruck „Jupiter ist nicht ein Pferd“ gleich sein „Es ist nicht wahr, dass Jupiter ein Pferd ist“, worin nicht liegt, dass Jupiter existiert. In diesem Fall kann ich richtig nicht sagen „Von dem Jupiter sage ich aus, dass er nicht ein Pferd ist“. Denn ich habe hier von dem Jupiter nichts ausgesagt, d. h., Jupiter war hier nicht Subjekt einer Aussage, d. h. eines affirmativen kategorischen Satzes, eines Zusprechens oder eines „negativen“ kategorischen Satzes, eines Absprechens.2 1
Wohl Mitte bis Ende der 1890er Jahre. – Anm. des Hrsg. Der Absatz von „Wenn wir“ bis „eines Absprechens“ wurde später gestrichen. – Anm. des Hrsg. 2
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Ich kann also im eigentlichen Sinn nicht etwa fragen „Wer existiert nicht?“ und antworten „Jupiter“, oder „Wer ist es, der da nicht existiert?“, so wie ich sage „Wer ist es, der da gesprochen hat?“. Im einen Fall ist die Frage nach dem Subjekt. Hier aber kann nicht die Frage nach dem Subjekt sein, da ein nichtexistierendes Subjekt einer affirmativen Aussage ein Unding ist. Dagegen beim affirmativen Existientialsatz kann ich ganz wohl die Existenz als Prädikat nehmen. „X existiert“ = „X kommt es zu, zu existieren“. Freilich ist es fraglich, ob da Existenz wirklich das Prädikat ist. Es gibt ein X, also X hat die Eigenschaft, dass dafür die Wahrheit gilt „Es gibt ein X“. Bismarck hat die Eigenschaft, dass der Satz gilt „Bismarck existiert“. Aber kann man so sprechen? Muss man nicht sagen „Die Vorstellung ‚Bismarck‘ hat die Eigenschaft, Bestandteil dieser Wahrheit zu sein“? Jedenfalls wird man bedenklich sein, ob man überhaupt von dem Prädikat „Existenz“ sprechen kann. Man1 beachte auch die Analogie: Ist A irgendein widerspruchsloses Prädikat, also ein Prädikat, das den Satz erfüllt „Ein S, das A ist, ist nicht unmöglich“, „Es besteht kein Gesetz, das es ausschließt, dass ein S A ist“, dann kann auch non-A nicht ein widerspruchsvolles Prädikat sein. Ist es nicht ausgeschlossen, dass ein S A ist, so ist es auch nicht ausgeschlossen, dass ein S nicht A ist, was auch S sei. Wie aber bei Existenz? Ein S, welches existierte, ist nicht allgemein für beliebige S ausgeschlossen. Aber ein S, das nicht existierte, ist allgemein ausgeschlossen. Denn es gibt kein S, das nicht existierte. Man wird also wohl sagen müssen: Existenz ist im eigentlichen Sinn kein Prädikat. Die Begriffe zerfallen in gültige oder ungültige, und jeder Begriff ist gültig oder ungültig. Das heißt: Ist B irgendein Begriff, so gilt allgemein entweder „Ein B existiert“ oder „Ein B existiert nicht“. Oder: „Es gibt ein B“ – „Es gibt nicht ein B“. Gleichbedeutend sind weiter die Ausdrücke „Es gibt einen Gegenstand des Begriffs B“, „Der Begriff B hat einen Gegenstand“. Und ebenso die Negativa. Ob die Begriffe in affirmative oder negative Existentialwahrheiten eintreten, das macht logisch einen großen Unterschied aus. Psychologisch sind sie nicht verschieden, wenigstens in Vereinzelung gedacht. 1
Ab hier wurde dieser Absatz später gestrichen. Dazu die Bemerkung Husserls „Falsch“. – Anm. des Hrsg.
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Auch logisch ist die Funktion vielfach eine analoge. Man spricht so davon, dass jede Vorstellung einen Gegenstand vorstellt, der entweder existiert oder nicht existiert. In Wahrheit: Jede Vorstellung sieht so aus, als ob sie etwas vorstellte. Ihr selbst kann ich es nicht ansehen (nämlich vor dem Urteil) und dgl. Zusprechen und Absprechen setzt in gleicher Weise die Existenz des Subjekts voraus. Das Absprechen ist genau besehen ein Zusprechen eines negativen Prädikats. Ich spreche diesem Menschen Klugheit ab, d. h. „Dieser Mensch ist unklug“. Ich sage von diesem Menschen aus, dass er nicht klug ist. „Diesem Menschen kommt es zu, dass er nicht klug ist.“ Im eigentlichen negativen Urteil ist die ganze Relation negiert, der ganze Sachverhalt. Zum Beispiel: „Eine Fliege ist kein Elefant“, „Es ist nicht eine Fliege ein Elefant“, „Jupiter ist kein germanischer Gott“. So nun auch beim negativen Existentialurteil, das ist ein echtes negatives Urteil. Sage ich „Jupiter existiert nicht“, so heißt das nicht „Ich spreche Jupiter die Existenz ab“, „Jupiter ist ein Nichtexistierendes“, „Dem Jupiter kommt es zu, nicht zu existieren“, was ein purer Widerspruch wäre, sondern „Es ist nicht wahr, dass Jupiter existiert“. Folglich kann ich nicht argumentieren: „Indem ich urteile ‚Jupiter existiert nicht‘, ist das, wovon ich da aussage, dass es nicht existiert, der Gegenstand der Vorstellung ‚Jupiter‘. Also hat auch diese Vorstellung einen Gegenstand, nur existiert er eben nicht“. Oder noch krasser bei dem Beispiel „rundes Viereck“. Ich sage hier nicht von einem Gegenstand etwas aus in dem Sinn, dass ich ihn zum Subjekt nehme und ihm etwas abspreche, sondern ich sage hier in diesem Sinn überhaupt nicht aus. Nur in dem anderen Sinn sage ich aus, nämlich in dem, dass ich urteile, etwas als wahr hinstelle. Ich kann aber äquivalent sagen: Ich sage etwas über den Begriff „Jupiter“ aus; es ist ja eine Eigenschaft des Begriffs, dass für ihn diese Wahrheit gilt, dass er Bestandteil dieses Satzes ist, der selbst ein wahrer Satz ist. Ich könnte auch sagen: Ich sage etwas aus über den Sachverhalt „Jupiter existiert“, nämlich dass dieser Sachverhalt falsch ist und dgl.
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b) Bestimmtheit und Unbestimmtheit beim Existentialurteil Betrachten wir die Vorstellung „ein A“, „etwas, das A ist“. „Ein“, „etwas“ kann bedeuten „ein gewisses Etwas“ oder „ein beliebiges Etwas“ („ein A, beliebig welches“) oder „ein unbestimmtes Etwas“ (subjektiv: „ein A, unbestimmt welches“). Nehmen wir die Unbestimmtheitsbedeutung. Dann haben wir die beiden kontradiktorisch entgegengesetzten Sachverhalte: „Ein A existiert“, „Ein A existiert nicht“ – „Etwas, das A ist, ist“, „Etwas, das A ist, ist nicht“. Beim „bejahenden“ Existentialsatz ist die Unbestimmte nicht variationsfähig, wohl aber im verneinenden Existentialsatz. Daher können wir ja auch äquivalent sagen „Ist etwas A, so existiert es nicht“ (während zugleich gilt „Ist etwas A, so existiert es“). Jedenfalls ist klar, dass Affirmation und Negation eine eigentümliche Beziehung haben zum „etwas“, zur Unbestimmten. Im negativen Satz kann ich die Unbestimmte durch eine Variable ersetzen: „Allgemein gilt, dass ein A nicht existiert“. Es ist dieser Satz äquivalent dem Existentialsatz. Die Negation desselben besagt „Es gilt nicht allgemein, dass ein A nicht existiert“, was wieder äquivalent ist mit „Ein A existiert“. Aber man sieht deutlich, dass Äquivalenz hier nicht Identität besagt. Wir können sagen: Im negativen Existentialsatz erhält durch die Negation die Unbestimmte den Wert einer Variablen. Das unbestimmte Etwas, das im Satz „Etwas ist A“ bzw. in der Vorstellung „etwas, das A ist“ auftritt, stellt nicht ein Individuum1 vor, so wie die Vorstellung „ein gewisses Etwas, das A ist“. Die Vorstellung „etwas“ „bezieht sich“ auf Individuen, aber nicht auf ein bestimmtes Individuum. „Etwas“ hat nicht den Charakter von „Sokrates“. „Sokrates ist krank“ – „Sokrates ist nicht krank“: Das sind hier die kontradiktorisch entgegengesetzten Sachverhalte. Aber „Etwas ist krank“ und „Etwas ist nicht krank“ sind nicht die kontradiktorisch entgegengesetzten Sachverhalte. „Etwas ist krank“ – „Dasselbe Etwas ist nicht krank“. Das sind Gegensätze. Und wieder „Etwas ist krank“ („Es gibt ein Krankes“) – „Es ist nicht wahr, dass etwas krank ist“ („Nichts ist krank“). Im ersten Fall stellt „etwas“ ein 1
„Individuum“ später verändert in „Gewisses“. – Anm. des Hrsg.
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bestimmtes Individuum1 in unbestimmter Weise vor. In der Negation muss die Identität festgehalten sein. Im zweiten Fall stellt „etwas“ nicht ein bestimmtes Individuum2 in unbestimmter Weise vor, sondern wir haben eine „unbestimmte individuale3 Vorstellung“; die Unbestimmtheit gehört hier mit zu dem Gehalt des Vorgestellten. Die Unbestimmte hat kein Individuum4 zum Gegenstand in dem Sinn wie „Sokrates“ und dgl. Bestimmte. Die Unbestimmte „ein Mensch“ stellt nicht einen Menschen vor so wie „Sokrates“ etc. Im Umfang des Begriffs „Mensch“ gibt es neben Sokrates etc. keinen Gegenstand, der sich mit „ein Mensch“ identifizieren ließe. Identifizieren lassen sich ein gewisser Mensch und ein gewisses Lebewesen, ein gewisser Mensch und ein gewisser Mensch, ein gewisser als a und ein gewisser als b bestimmter Mensch usw.5 Ist man sich klar darüber, dass die unbestimmten Gegenstandsvorstellungen „etwas“, „ein A“ einen ganz anderen Charakter haben als die bestimmten, dass sie nicht als Vorstellungen eines einzelnen Gegenstands in demselben Sinn angesehen werden können wie die Vorstellungen der Art wie „Sokrates“, „dieses Haus“ usw., so ist zu vermuten, dass dies auch Einfluss haben wird auf den Sinn der Existentialaussage. Man wird auch vielleicht sagen: Die normale Existentialaussage hat die Form „Ein A existiert, existiert nicht“. Dagegen ist die normale Form erst herzustellen, wo scheinbar bestimmte Gegenstände als Subjekte „des Prädikats“ „Existenz“ erscheinen. „Sokrates existiert“ ≡ „Etwas, das Sokrates ist, existiert“, „Etwas, das die Vorstellung ‚Sokrates‘ vorstellt, existiert“. Man wird also zu sagen versuchen: Existenz ist keine Beschaffenheit eines bestimmten Gegenstands, eines Individuums. Allenfalls können wir hier ein Merkmal oder, wenn kein Merkmal, so6 eine äußere Beschaffenheit der Vorstellung „Sokrates“ sehen. Sie ist nämlich so beschaffen, dass etwas existiert, das ihr entspricht, d. h., dass etwas existiert, das das
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„Individuum“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. „Individuum“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. 3 „individuale“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. 4 „Individuum“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. 5 Der Absatz von „Das unbestimmte Etwas“ bis „Mensch usw.“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. 6 „ein Merkmal oder, wenn kein Merkmal, so“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. 2
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ist, was sie vorstellt.1 So wie ja auch der Satz „‚A ist B‘ ist wahr“ äquivalent ausdrückt „Es existiert ein Sachverhalt, der identisch ist mit dem Sachverhalt, den dieser Satz ‚A ist B‘ meint“. Oder der Satz „A ist B“ hat die Eigenschaft etc. Die Wahrheit ist nicht Beschaffenheit des Sachverhalts, sondern des Satzes. Wiederholung: Indessen ergibt sich gegen eine solche Auffassung alsbald der Einwand: Heißt „Sokrates existiert“ soviel wie „Etwas, das Sokrates ist, existiert“, so gilt doch das Existieren von Sokrates selbst dem Gegenstand. Denn etwas, das Sokrates ist, das ist eben Sokrates selbst und nur Sokrates. Und wieder: Heißt „M ist wahr“ (wo M für einen Satz steht) „Es existiert ein Sachverhalt, der identisch ist mit dem M“, so ist doch der Sachverhalt M selbst das Existierende, das Wahre. Und2 so ist es unsinnig, die Existenz nicht den Gegenständen, resp. Sachverhalten selbst zuschreiben zu wollen.3 Wir müssen also sagen: Das Subjekt, dem Existenz zugeschrieben wird (bzw. Wahrheit), ist entweder ein bestimmter Gegenstand, wie Sokrates, „2 × 2 ist 4“ und dgl., oder ein unbestimmter Gegenstand, sei es schlechthin, sei es ein unbestimmter Begriffsgegenstand, also ein Subjekt der Form „etwas“, „ein A“. Wir haben dann „Etwas existiert, oder es gibt etwas“. Ist dann die Negation derselben Materie „etwas“ nicht „Etwas existiert nicht“? Einmal sage ich von einem unbestimmten Etwas aus, dass es existiert, und dann wieder, dass es nicht existiert. Hier ist aber zu beachten: Was als seiend hingestellt oder als nicht seiend verworfen wird, das ist nicht die Vorstellung, sondern ihr Gegenstand. Nur wenn die Vorstellung eines unbestimmten Gegenstands sich im affirmativen und negativen Satz auf denselben Gegenstand bezieht, ist das, was einmal bejaht, das andere Mal verneint wird, dasselbe. Also „Etwas existiert“ (ein gewisses) und „Dasselbe Etwas existiert nicht“, das sind Gegensätze. Und wieder: Ist der Sachverhalt „Etwas existiert“ der Gegenstand, so haben wir die Gegensätze „Etwas existiert!“ und „Es nicht wahr, 1
Spätere Einfügung: „Was eine indirekte Beziehung ergibt.“ – Anm. des Hrsg. Dieser Satz bis „Sachverhalten selbst“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. 3 Aber ganz einfach liegt die Sache noch nicht. Der Gegenstand Sokrates hat die Existenz nicht als innere Beschaffenheit. „Der Gegenstand Sokrates“ meint zunächst den vorgestellten Gegenstand. Dieser ist identisch mit dem seienden Gegenstand, d. h., was die Vorstellung vorstellt, das ist identisch dasselbe, als was die Wahrheit als wahr setzt. 2
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dass etwas existiert!“. „Es gibt etwas“ – „Es ist nicht wahr, dass es etwas gibt“ = „Es gibt nichts“. c) Ob das Existentialurteil ein besonderer Fall des kategorischen ist 5
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Die Frage, die wir aufwerfen, ist, o b d as Existentialurteil ein besonderer Fall d es kategorischen ist oder eine ganz verschiedene Urteilsweise darstellt. Dass das kategorische nicht existential ist, das darf ich als gesichert annehmen. Auch das scheint mir sicher, dass es dem kategorischen Urteil nicht wesentlich ist, ein „Doppelurteil“ zu sein, in dem mehrere Urteile unlöslich verknüpft sind. Es ist unser Erkenntnisinteresse, das uns zwingt, die Existenzfrage jeweils aufzuwerfen und zu entscheiden. Demgemäß beziehen sich alle unsere Urteile indirekt oder direkt auf Gegenstände, deren Existenz festgestellt ist. Wir können sagen: Schließlich kommt alles auf exist ieren d e Gegenstände und deren Beschaffenheiten an; um die Urteile über sie zu gewinnen, sind wir aber streckenweise geneigt, über Gegenstände ausschließlich mit Rücksicht auf Begriffe zu urteilen, ohne über ihre Existenz oder Nichtexistenz im Klaren zu sein. Dann aber kommt es in der Regel darauf an, dass die Begriffe von Widerstreit frei, dass die Gegenstände möglich sind, und diese Möglichkeit grenzt ein modifiziertes Existenzgebiet ab. Doch urteilen wir auch über Unmögliches. „(a + bi) (a – bi) = a2 + b2 “ und dgl. Jeder Fall übrigens, wo mit modifizierten Existenzen operiert wird, ist ein Beweis dafür, dass wir kategorisch urteilen können über Nichtexistierendes. Wir urteilen doch faktisch, dass Jupiter ein Gott ist und dgl. Und wenn auch im Hintergrund das Urteil steht „Es gibt in der griechischen Mythologie ein Jupiter genanntes Wesen“ und dgl., so ändert dies doch nichts daran, dass wir über den nichtexistierenden Jupiter kategorisch urteilen. Denn der mythische Jupiter ist kein seiender Jupiter. Im Fall der unmöglichen arithmetischen Begriffe ist das noch auffallender, denn hier fehlt auch die modifizierte Existenz. Wie verhalten sich nun die Existentialurteile zu den kategorischen Urteilen? Die große Frage ist: Sind sie Spezialfälle kategorischer Urteile mit dem Prädikat „Existenz“ oder nicht? Die Frage, was für ein Merkmal Existenz ist, ob ein „positives“ oder nicht, wurde viel behandelt. Existenz ist kein positives, d. h. inneres Merkmal, ebensowenig
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wie „gleich b“ etc. Aber das ist nichts Entscheidendes. Das Aussagen der Existenz, könnte man sagen, ist nicht das eines Merkmals. Das Hinzutreten irgendeines Merkmals in den Inhalt des Begriffs vom Gegenstand macht einen neuen Begriff und nicht mehr. Sage ich „A existiert“, so habe ich nicht bloß einen neuen Begriff gebildet, sondern ausgesagt (bejaht), dass dem Begriff A etwas entspricht. Ich kann in Reflexion auf dieses Urteil das Merkmal „Existenz“ bilden. Die Verknüpfung mit A schafft aber nur den Begriff eines existierenden A, darin liegt nicht, dass A existiert, sondern als Existierendes vorgestellt wird. Damit ist aber nur festgestellt, dass das Existentialurteil eben kein Begriff, sondern ein Urteil ist. Existenz ist kein inneres Merkmal. Aber auch kein relatives. Wozu wird dann der Gegenstand in Relation gesetzt? Zum Begriff? Aber daraus erwachsen nur die relativen Merkmale: „Gegenstand, welcher dem Begriff untersteht“ und „Begriff, welcher dem Gegenstand zugehört“. Jedenfalls ist Existenz ein aus psychischen Akten Entspringendes.1 So wie ein Gegenstand mir lieb und wert, angenehm oder unangenehm, begehrenswert oder hassenswert etc. erscheinen kann, so existierend oder nichtexistierend. Er gewinnt durch den psychischen Akt einen neuen Habitus, und mit Beziehung darauf ergeben sich neue objektive Merkmale. Warum sollte nun das Existentialurteil nicht einfach ein kategorisches Urteil sein mit dem Prädikat „Existenz“? So wie ich ein A als liebenswert beurteile, so als existierend. Dem A kommt es zu, zu existieren. Nun möchte man sagen: Wenn ich sonst urteile „A ist α β γ …“, ohne über die Existenz des Subjekts geurteilt zu haben, dann liegt darin, dass, wenn etwas A ist, es α ist usf. Zum Beispiel: „Gold ist gelb“, „Wenn etwas Gold ist, so ist es gelb“. Also müsste auch jetzt gelten: „A ist existierend“ = „Wenn etwas A ist, so existiert es“, was ein bloß analytisches Urteil ist. Wenn etwas A ist, d. h., wenn es ein A gibt, wenn es existiert, so existiert es. Antwort: Es ist richtig, dass „Gold ist gelb“ = „Wenn etwas Gold ist, so ist es gelb“. Aber ist das identisch mit „Wenn etwas existiert, was Gold ist, so ist es gelb“? Das eben wird man leugnen. Wie könnte 1
„aus psychischen Akten Entspringendes“ später gestrichen, dazu ein Fragezeichen am Rand. – Anm. des Hrsg.
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ich sonst schließen „Gold ist gelb, der Wagen des Sonnengottes ist aus Gold, also ist er gelb“? Oder: „Ein Kegelschnitt wird von einer Sekante in zwei Punkten getroffen“ = „Ist etwas ein Kegelschnitt, so …“, „Der Kreis ist ein Kegelschnitt, also wird er …“. Das heißt: 5 Nicht existiert ein Kegelschnitt im eigentlichen Sinn des Wortes, und auf diesen eigentlichen Sinn kommt es hier doch an. Aber davon abgesehen. Beim Existentialurteil handelt es sich um partikuläre oder singuläre Subjekte. Die Urteile „Ein A ist B“ und „Sokrates ist krank (ein Philosoph)“1 haben nicht den Sinn „Wenn 10 etwas ein A ist, ist es B“ und „Wenn etwas Sokrates ist, so ist es krank“,2 sondern eben den Sinn „Ein A ist B“, „Sokrates ist krank“. „Existiert Sokrates, so existiert nun auch ein kranker Sokrates“: Ich komme also nie zu derartigen hypothetischen Formalien. „Sokrates ist krank“ und „Sokrates existiert“ sind beide als kategorische Urteile 15 fassbar. Der Unterschied liegt nur in der Besonderheit des Prädikats: Das Existenzprädikat hat eben eine ganz exzeptionelle Bedeutung für die Logik.3 d) Das Existentialurteil und seine Äquivalenzen. Ob es sich um das Verhältnis zwischen Vorstellung und Gegenstand handelt
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Das Existentialurteil. Wir können den Gedanken desselben aussprechen in der Form „Etwas, das A ist, existiert“, „Ein A existiert“. Der Gegenstand einer „Vorstellung“ (der Gegenstand einer Vorstellung im o b jek t iven S in n) wird als seiend anerkannt oder 25 verworfen. Zum Beispiel: Eine Geistererscheinung auf dem Theater betrachtend, sagen wir „Dergleichen existiert nicht, es ist bloßer Schein. Dem Erscheinenden entspricht keine Wirklichkeit; das, was hier vorgestellt wird, existiert nicht. Das, was ich sehe, stellt einen Geist vor, aber dem Gesehenen entspricht kein Geist“. 30 „Sokrates existiert“ sagen wir; wir würden korrekter sagen „Ein Sokrates existiert“. Wir sagen „Der Zentaur Cheiron hat nie exis1
„Ein Mann ist da gewesen“. Es besteht nicht etwa Äquivalenz. Negation: „Sokrates ist nicht krank“, „Ist etwas Sokrates, so braucht es darum nicht krank zu sein“. Anders bei generellen Gegenständen, denen ja nicht eines von zwei entgegengesetzten Bestimmungen zukommt. 3 Eine besondere Untersuchung erfordern die modifizierten Existenzbegriffe. 2
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tiert“. Das ist nicht ganz korrekt. Denn der Ausdruck des Subjekts ist der Ausdruck von etwas Existierendem. Korrekter sagen wir „Ein Zentaur Cheiron hat nie existiert“, „Einen Gott Jupiter gibt es in Wahrheit nicht“.1 Darin besteht eben das Modifizieren, dass die zunächst vorausgesetzte Existenz wieder aufgehoben wird: „Dieses Pferd ist gemalt“, „Der Gott Jupiter ist eine Erfindung der Poeten“. Es ist ähnlich, wie wir modifizierend sagen „Der edle Menschenfreund entpuppte sich bald als ein Betrüger“, „Seine Freunde verließen ihn in der Not“ und dgl. Wie ist es, wenn wir sagen „Dies existiert“ oder „Dies existiert nicht“? Das Hingewiesene ist irgendein Vorgestelltes, und dem, sagen wir, entspricht Wirklichkeit oder nicht. Eventuell kann auch das Hingewiesene als solches gemeint sein: Dies existiert. Wie könnte ich sonst darauf hinweisen? Es existiert etwas durch „dies“ Bezeichnetes, etwas, worauf hingewiesen ist. Es existiert ein Vorgestelltes als solches. Ob dieser Vorstellung selbst etwas entspricht, das ist nicht behauptet. Denn um hinweisen zu können, genügt die Existenz eines Vorstellungsobjekts, einer Repräsentation. Der Satz „Es existiert etwas, das A ist, es existiert ein A“ ist äquivalent mit „Etwas ist A“. Darin liegt ja, dass es ein Etwas gibt, und zwar ein solches, welches A ist. „Existiert etwas Rotes? Ist irgendetwas rot? Ja, etwas ist rot“. Darin liegt: „Etwas existiert, welches rot ist, etwas existiert, das die Eigenschaft, rot zu sein, hat“. Aber es ist nicht identisch dasselbe. Wir haben hier kein bloßes Existentialurteil. Das Etwas im Subjekt steht uns freilich als existierendes Etwas gegenüber, und von diesem wird das Rotsein prädiziert. Wir könnten versuchen: „Es existiert etwas, und dieses ist rot“. Aber identisch 1 Man kann bezweifeln, ob der bestimmte Artikel im Subjekt ein Existierendes andeutet. Es wird, könnte man sagen, auf einen Gegenstand hingewiesen – „Das Haus ist abgebrannt“, „Die Mauern (ich stehe dem Haus etwa gegenüber) sind geschwärzt“ – oder angedeutet, dass es sich um ein Bekanntes, uns allen Vertrautes handelt: der Zentaur Cheiron, sc. das bekannte mythologische Objekt. Ob das, worauf hiermit hingewiesen ist, ein Existierendes ist oder nicht, das ist nicht gesagt. Hingewiesen kann auch werden auf den Gegenstand einer Vorstellung, und über ihn kann als solchen auch geurteilt werden. Dann wäre aber ein Prädikat, das die Nichtexistenz mit sich führte, nicht modifizierend. Nur wenn das Subjekt die Existenz andeutete, wäre von Modifikation die Rede. Sehen wir von Existenz ab: „Dieser Freund hat dich verraten“. Modifikation: „Der Freund ist kein Freund“. „Dieses Pferd ist gemalt“: „Ein gemaltes Pferd ist kein Pferd“.
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dasselbe wäre das wieder nicht. Das Subjekt „etwas“ hat die Dignität eines existierenden, aber das bezügliche Existentialurteil wird doch nicht gefällt, und wieder mangelt die Identifizierung, die mit dem „dieses“ ausgesprochen ist. Existentialurteil. Beispiele: „Dieses existiert“, „Sokrates existiert“, „Es gibt einen Sokrates“, „Der Zentaur Cheiron hat nie existiert“, „Einen Zentaur, der zu irgendeiner Zeit gelebt hätte, gibt es nicht“, „Das Pferd, das auf diesem Bild dargestellt ist, existiert nicht“, „Ein zum gemalten Pferd (Gemälde) entsprechendes wirkliches Pferd existiert nicht“. Geistererscheinung auf dem Theater: „Dergleichen existiert nicht“, „Dies ist bloßer Schein“. Halluzination: „Dergleichen existiert nicht“, „Dergleichen, dem Entsprechendes existiert nicht“, „Was die Geistererscheinung vorstellt, was dieses Phantasma vorstellt, existiert nicht“. Das Angeschaute wird als Bild, als Vorstellung eines anderen genommen. Und dieses existiert nicht. In allen Fällen können wir, den Sinn des Existentialurteils umschreibend, sagen: Die Formel „A existiert nicht“ hat den Sinn „Was A vorstellt,1 existiert nicht“, „So etwas wie A, ein A existiert nicht“. Bedeutet „A“ einen allgemeinen Begriff, so steht „A“ für einen Komplex von Merkmalen. „Ein A“ = „Etwas, das die Merkmale A hat, existiert oder existiert nicht“. Wo „A“ aber ein S in gu läres vertritt, da haben wir zu setzen: „Ein A“ = „Etwas, das A ist (ist oder ist nicht)“. „Ein Sokrates“ = „Etwas, das Sokrates ist, existiert“, „Es gibt etwas, von dem gilt: ‚Dies ist Sokrates‘“. Danach hätten wir im Existentialurteil immer eine Beziehung gegeben: nämlich die zwischen Vorstellung und Gegenstand. Nicht die Vorstellung wird anerkannt, nicht der Gegenstand wird anerkannt, sondern der Gegenstand d er Vorstellung. Wie ist es aber bei Urteilen mit singulärem anschaulichen Subjekt? „Dies (nämlich die grüne Wiese vor meinem Fenster) existiert“. Dann will gesagt sein: En t w ed er „Das, was hier angeschaut ist, der 1 In welchem Sinn ist aber das gemeint „was A vorstellt“? Offenbar im prädikativen Sinn. Von dem „Gegenstand“, dem Etwas, das A ist, sagen wir in diesem Sinn, A stelle es vor. In diesen ersten Beispielen ist das A ein Singuläres. Aber wo es ein Allgemeines ist, da ist nicht etwa jedes Etwas gemeint, das A ist. Sokrates ist ein Mensch, aber „ein Mensch“ stellt nicht „Sokrates“ vor, sondern eben „etwas, das Mensch ist“. Beides ist identisch. „Ein Mensch“ ist eben von vornherein Ausdruck für den Gegenstand einer begrifflichen Vorstellung.
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Gegenstand, der hier aufgewiesen ist, ist nicht bloßer Schein, der Vorstellung entspricht Wirklichkeit; also etwas dem Angeschauten Entsprechendes in äußerer Wirklichkeit existiert“, od er es ist gemeint, dass das, worauf hingewiesen ist, als solches existiert (genauso, wie ich sage „Dieses gemalte Pferd existiert“, obschon ein Pferd, dessen Bild dieses ist, nicht existiert). Dergleichen würde derjenige meinen, der etwa sagt „Dies existiert. Wie könnte ich sonst darauf hinweisen?“ Gemeint ist hier also die Existenz des angeschauten und aufgewiesenen Objekts als solchen. „Der Hinweisung entspricht etwas“. Es existiert ein Vorgestelltes (Angeschautes als solches), worauf hingewiesen ist. Wir können auch sagen: Es existiert eine Vorstellung (hier Anschauung), welche durch das „dies“ gemeint ist. Hier wird also die Vorstellung „Vorstellung, welche durch ‚dies‘ gemeint ist“ zu ihrem Gegenstand in Beziehung gesetzt, und dieser Gegenstand ist eben das Vorgestellte als solches, das, was das „dies“ bezeichnet. Wenn wir, wie dies meist geschieht, das angeschaute Objekt vom an sich Seienden nicht unterscheiden, wenn also die Anschauung keine repräsentative Funktion hat mit Beziehung auf eine vorgestellte Wirklichkeit, dann entfallen auch die Unterscheidungen, die wir im Sinn der Existentialaussage gemacht haben. Aber sowie wir sie machen, ist auch schon der Unterschied da zwischen Angeschautem als solchem und dem dadurch repräsentierten Wirklichen. Liegt also jedem E xistentialurteil als Materie zugrunde eine Beziehung zwischen einer Vorstellung und ihrem Gegenstand? „Es gibt einen Löwen“. Stelle ich da vor: die Vorstellung eines Löwen und einen Löwen? Beides in Beziehung zueinander? Und urteile ich dann über diese Beziehung? Die Beziehung bestände hier zwischen etwas und dem allgemeinen B egriff d es L ö w en. Dass etwas diesem untersteht, dass etwas Löwe ist, wird vorgestellt und die Existenz dieses Etwas bejaht. Das Wesentliche ist, dass man beachtet: E in E xist en t ialu rt eil könnte nur da gegeben sein, w o von Gegenstand einer Vorstellung als Materie die Rede sein k ann. Was anerkannt wird als seiend oder nichtseiend, ist d er Gegenstand einer Vorst el lu n g. Vorstellung ist hier nicht ein bloß subjektiver Akt, nicht das bloß Allgemeine von Phantasma, Sinnesinhalt etc. oder von dem Bewusstsein von dergleichen. Bin ich einem Inhalt zugewendet, reprä-
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sentiert mir dieser Inhalt aber nichts, schaue ich ihn also an, dann habe ich keine Vorstellung, aber auch kein Existentialurteil.1 Wenn ich hinausblickend eine Prozession erblicke und in dem innerlichen Sprechen „Eine Prozession!“ aussage, dann ist das Angeschaute Subjekt, es wird von ihm ausgesagt, dass es eine Prozession ist. Das Subjekt ist hier ein seiendes, aber nicht als seiend beurteiltes. Um es als seiend zu beurteilen, müsste ich es als Gegenstand einer Vorstellung vorstellen. Es kann also das Urteil, wodurch ich es der Vorstellung Prozession unterordne als Gegenstand, nicht voraussetzen das Existentialurteil, welches diese Unterordnung bereits voraussetzt. Umgekehrt kann ich nun wohl sagen „Eine Prozession existiert“ (nämlich: „Dies ist eine Prozession“). Ich kann auch sagen „Diese Prozession existiert“, d. h., „Der Vorstellung dieser Prozession entspricht Wirklichkeit“. Vielleicht ist es am passendsten, wenn man den Terminus „Begriff“ so weit fasst, wie wir hier den Terminus „Vorstellung“ fassten, also so weit, dass wir jed es m ö glich e Präd ik at, ob es nun allgemein oder singulär ist, als Begriff definieren. „Sokrates“ ist dann ein Begriff so gut wie Rot. Denn ich kann sagen „Etwas ist Sokrates“, „Dies ist Sokrates“, ebenso wie „Dies ist rot“, und darum auch „Sokrates existiert“ (nämlich ein Sokrates, etwas, was dem Begriff untersteht, der Gegenstand des Begriffs Sokrates) wie „Rotes existiert“ (nämlich nicht Rot, das Rot, sondern Rotseiendes). Betrachten wir nun die singulären Urteile und die partikulären: „Dies ist ein Pferd“. Hier ist im Subjekt keine Vorstellung (kein Begriff). Das Subjekt selbst ist nicht Gegenstand einer Vorstellung (eines Begriffs). Es wird erst durch die Subsumtion zum Gegenstand der Vorstellung „ein Pferd“. Diese Subsumtion zu vollziehen, ist Aufgabe, Leistung des Urteils. Anders verhält es sich schon, wenn ich sage „Buccephalus ist ein Pferd“, „Cheiron ist ein Zentaur“, „Sokrates ist ein Philosoph“ etc. Hier vermitteln im Subjekt Begriffe: die Begriffe „Buccephalus“ etc. Ebenso: „Dies ist ein Pferd“ (der Gegenstand des Begriffs „dies“), „Dieses vierstöckige Haus ist neu gebaut“ etc. In allen diesen Fällen handelt es sich um singuläre Begriffe im Subjekt. Es können aber auch allgemeine Begriffe vermitteln: partikuläre
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Aber nicht die Repräsentation als subjektives Phänomen kommt hier in Betracht, sondern das in ihm gegebene Objektive, die Vorstellung „an sich“.
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Urteile.1 „Ein Mann ist da gewesen“, „Ein Haus in der Stadt ist abgebrannt“. Sind das Doppelurteile oder sind es Existentialurteile? Bei dem primitiven Urteil, wo das Subjekt (das, wovon ausgesagt wird) nicht als Gegenstand einer Subjektvorstellung, eines Subjektbegriffs gedacht ist, da haben wir sicher ein einfaches Urteil. Natürlich 5 können wir immer die Existentialbeurteilung folgen lassen: Wir können sagen „Es existiert ein Pferd“. Das Subjekt existiert, mindestens als angeschautes, und so, wie es angeschaut ist (apprehendiert). Eine andere Frage ist, ob dem vorgestellten, wahrgenommenen etc. Pferd in „Wirklichkeit“, nämlich in der supponierten realen Welt etwas 10 entspricht. Habe ich es darauf abgesehen, so muss ich scheiden: „Dieses, welches real existiert, hat die Beschaffenheit eines realen Pferdes“, andererseits „Dieses, was ich da in der Erscheinung habe, sieht wie ein Pferd aus“. Soll das Urteil „Dies ist ein Pferd“ objektiv reale Gültigkeit haben, dann brauche ich zwei Urteile: „Dies existiert 15 real“ und „Dasselbe Reale ist ein Pferd“.
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Von „In allen“ bis „partikuläre Urteile.“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg.
Nr. 4 Sätze und Wahrheiten, S ätze und Vorstellungen1
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Der Satz „2 × 2 ist 5“ stellt, sagt man, etwas vor. Was stellt er vor? Hier kann man zweierlei sagen: 1) den Sachverhalt, der derselbe ist, wenn ich sage „5 = 2 × 2“, und der auch in der Vorstellung „das Gleichheitsverhältnis zwischen ‚5‘ und ‚2 × 2‘“ vorgestellt wird; 2) das Sein dieses Verhältnisses oder die Wahrheit, 2 × 2 sei 5. Hier ist Verschiedenes zu bedenken. ad 1) Ist „Sachverhalt“ ein Gegenstand? Ist er verschieden von der entsprechenden Wahrheit? Warum er als Gegenstand zu gelten hat: Hier kann man nur darauf hinweisen, dass nominale Vorstellungen denselben Gegenstand auch vorstellen können. Nehmen wir Relationsurteile: „2 × 2 = 4“ – „die Gleichheit zwischen ‚2 × 2‘ und ‚4‘“,2 „a ist ähnlich b“ – „die Ähnlichkeit von a und b“ oder auch „das Ähnlichkeitsverhältnis“,3 „a ist intensiver als b“ – „das Intensitätsverhältnis zwischen a und b“.4 Vergleiche ich die Intensitätsverhältnisse, so kann ich sagen: Die Steigerung der Intensität des a in Bezug auf b ist größer als diejenige des c in Bezug auf d. Hier handelt es sich um innere Bestimmungen der Verhältnisse. Die dem einen Verhältnis einwohnende Steigerung ist größer als etc. Ebenso „a ist grün“: das prädikative Verhältnis zwischen a und grüner Farbe. Man kann also die Verhältnisse zu Subjekten machen, man kann auch urteilen „‚a ist ähnlich b‘ und ‚b ist ähnlich a‘ stellen dasselbe Verhältnis vor“. Man kann auch sagen: Wieder dasselbe stellt vor der Ausdruck „Es besteht Ähnlichkeit zwischen a und b“ und wieder „Ein mit b ähnliches a existiert“. Nun könnte man sagen,5 die Gleichheit zwischen a und b besage nichts anderes als, es sei a = b oder b = a, und eines sei mit dem anderen gegeben. Ein Intensitätsverhältnis zwischen a und b: Es sei
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Wohl aus den späten 1890er Jahren. – Anm. des Hrsg. Spätere Randbemerkung: „Das ist nicht dasselbe. Siehe unten.“ – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Einfügung: „Zweiwertig, aber der Wert gleich.“ – Anm. des Hrsg. 4 Spätere Einfügung: „Das ist aber nicht äquivalent, sondern zweiwertig.“ – Anm. des Hrsg. 5 Über „man sagen“ spätere Bemerkung: „Und das wäre richtig!“ – Anm. des Hrsg. 2
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ein Begriff, der die beiden Wahrheiten „a ist intensiver als b“ und umgekehrt einschließe, also eine Vorstellung der einen oder anderen Wahrheit und somit äquivalent mit entweder „a ist intensiver als b“ oder umgekehrt. Nicht ist der Satz ein Intensitätsverhältnis, sondern die Vorstellung eines Intensitätsverhältnisses. Das Verhältnis selbst ist die bezügliche Wahrheit, wenn sie eben besteht. Aber die Wahrheiten sind zwei. Wie komme ich bei Korrelativa dazu, von einem und demselben Sachverhalt zu sprechen? Etwa bloß darum, weil Äquivalenz besteht? Aber nicht immer, wo Äquivalenz statt hat, ist der Sachverhalt derselbe. Weil unmittelbare Äquivalenz besteht? Ja, was heißt aber objektiv diese Unmittelbarkeit? Wir können schwerlich eine andere Antwort finden als die: Der Sachverhalt ist derselbe.1 Denn nicht jede Unmittelbarkeit kann uns dienen. (Farbe – Ausdehnung? Aber hier sagen wir auch nicht „derselbe Sachverhalt“ trotz der Unmittelbarkeit.) Der Sachverhalt ist das Identische in einer Mannigfaltigkeit von Sätzen, so wie der Gegenstand von nominalen Vorstellungen das Identische ist. Und so wie in gültigen Vorstellungen der Gegenstand der identisch existierende ist, so ist in Wahrheiten der Sachverhalt der identisch existierende. Wahrheit und Sachverhalt sind nicht dasselbe. Die Wahrheit „4 = 2 × 2“ ist verschieden von der Wahrheit „2 × 2 = 4“, so wie die Sätze verschieden sind. Mitunter sagt man auch, es sei im Wesen derselbe Satz, im Wesen dieselbe Wahrheit. Aber „im Wesen“. Der Zusatz, auch wenn er fortgelassen ist, muss hinzugedacht werden. Das Wesen ist eben der identische Sachverhalt.2 ad 2) Nun kommt der schwierigste Punkt. Der vorgestellte Sachverhalt ist nicht identisch mit dem Satz, sondern der Satz stellt ihn eben vor. Ist aber der Satz nichts weiter als Vorstellung des Sachverhalts?3 Und besteht der Unterschied zwischen dem Satz und einer andersartigen Vorstellung des Sachverhalts, z. B. in der Form „der Sachverhalt, dass …“, bloß darin, dass eben die „Weise des Vorstel-
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Spätere Randbemerkung: „Das ist eben fraglich!“ – Anm. des Hrsg. Spätere Randbemerkung: „Die Identität ruht hier in der formalen Beziehung =.“ – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Randbemerkung: „Satz ist eben ‚Urteil‘ und nicht bloße Vorstellung.“ – Anm. des Hrsg. 2
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lens“ eine verschiedene sei? Das war meine ursprüngliche Ansicht. Warum sollte sie nicht haltbar sein?1 Das hauptsächliche Motiv liegt in den komponierten Sätzen. Würde „a ist ähnlich b“ die bloße Vorstellung eines Gegenstands sein, spezieller eines Sachverhalts, so würde die konjunktive Verknüpfung nichts anderes besagen als „der Inbegriff beider Gegenstände“. Zum Beispiel: „a ist ähnlich b, und c ist ähnlich d“, das wäre äquivalent mit „die beiden Verhältnisse“. Stattdessen ist gemeint „Es ist a ähnlich b, und es ist c ähnlich d“; es sind zwei Gültigkeiten vorgestellt, und der Inbegriff der beiden Gültigkeiten ist äquivalent mit der vereinigten Gültigkeit der beiden Sachverhalte. In der Tat meinen wir ja mit jener Konjunktion „Es ist (a ähnlich b, und c ähnlich d)“ oder mindestens damit Äquivalentes. Aber könnte man nicht erwidern, das sei gar kein Unterschied; der Inbegriff der beiden Verhältnisse sei dasselbe, als was mit der Konjunktion der Sätze gemeint sei? Wäre doch auch nach der anderen Ansicht Äquivalenz da: Wenn dem Inbegriff der Gegenstand entspricht, so existieren beide Verhältnisse und dann gelten eben beide und umgekehrt.2 Aber diese Antwort kann nicht ausreichen. Wenn ich sage „der Sachverhalt, dass a ähnlich b ist, und der Sachverhalt, dass c ähnlich d ist“, z. B. in der Verknüpfung, „sind zwei Sachverhalte“, so habe ich im Subjekt eine Konjunktion von zwei Sachverhalten, aber nicht einen konjunktiven Sachverhalt, wie wenn ich sage „a ist ähnlich b, und c ähnlich d“. Aber das könnte nicht sein, wenn der Satz den Sachverhalt bloß vorstellte; denn dann würde „der Sachverhalt: a ist ähnlich b“ so zu interpretieren sein wie „der Gegenstand Sokrates“. „Der Gegenstand Sokrates und der Gegenstand Plato“, das besagt im Wesen dasselbe wie „Sokrates und Plato“. Nicht aber besagt „a ist ähnlich b, und c ist ähnlich d“ dasselbe wie „der Sachverhalt, dass a ähnlich b ist, und der Sachverhalt, dass c ähnlich d ist“.
1 Spätere Randbemerkung: „Richtig nur ist, den Begriff ‚Sachverhalt‘ zu identifizieren mit Wahrheit“. – Anm. des Hrsg. 2 Spätere Randbemerkung: „Doppelsinn: ‚A ist B‘ und ‚C ist D‘ sind zwei sich wechselseitig bedingende Sachverhalte. ‚A ist B und C ist D.‘ Im ersten Fall haben wir das gewöhnliche ‚und‘, hier im zweiten aber die einheitliche Gültigkeit.“ – Anm. des Hrsg.
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Ganz dasselbe gilt aber für die disjunktive und hypothetische Form. „Entweder A ist B, oder C ist D“, das heißt nicht soviel wie „entweder der eine oder der andere Sachverhalt (= einer von beiden Sachverhalten)“, sondern „Entweder der eine oder andere gilt (ist)“. „Entweder Sokrates oder Plato“ besagt aber nicht „Eines von beiden existiert“, sondern schlechthin „eines von beiden“. Nun könnte man sich damit helfen, dass man sagte: Der Satz „a ist b“ stellt den bloßen Sachverhalt vor. Die Verknüpfung „a ist b, und c ist d“ stellt eben nicht die bloßen Sachverhalte konjunktiv verknüpft vor, sondern verknüpft sind Gegenstände, die Gültigkeit der Sachverhalte. Aber das scheint mir unannehmbar. Es ist offenbar, dass die schlichten Sätze in die Verknüpfung eintreten, während in der Form „Es ist a b und c d“ die Sachverhaltsvorstellungen eintreten und darauf eine einheitliche Setzung bezogen erscheint.1 Neues Argument: Sage ich „Dass A B ist, hat zur Folge, dass C D ist“, so fungiert der eine Satz als Subjektvorstellung. Aber ein Sachverhalt, wenn wir von seiner Existenz absehen, kann nichts zur Folge haben. Es hätte sowenig Sinn, als wenn wir sagten „Ein Tisch hat zur Folge ein Gerät“. Die Existenz eines Tisches hat zur Folge die Existenz eines Geräts. Wieder möchte ich nicht meinen, dass das Subjekt in unserem Beispiel zu ändern sei, etwa die Gültigkeit des Satzes. Man darf auch nicht einfach sagen „der Satz“, wenn man „Satz“ im bisherigen Sinn versteht, oder man ändert den Sinn des Verhältnisses. Bejahend ist hier der Existentialsatz: „Dass A B ist, ist“, „Der Sachverhalt, dass A B ist, besteht, existiert“, z. B. „Dass a ähnlich b ist, ist“, „Eine Ähnlichkeit zwischen a und b besteht, existiert“. Beides ist äquivalent, und sogar unmittelbar äquivalent; aber die Bedeutungen sind verschieden. Im einen Fall wird gesagt, dass dem Satz Wahrheit, der vorgestellten Geltung wirkliche Geltung entspricht, im anderen, dass dem vorgestellten Sachverhalt wirklich ein Sachverhalt entspricht. 3) Wie ist nun das Ganze zu fassen? Der Satz hat in verschiedener Weise Gegenstände, er stellt Verschiedenes vor. a) Im uneigentlichen Sinn kann man Verschiedenes als durch den Satz vorgestellt bezeichnen. Zum Beispiel: Im kategorischen Satz 1
Spätere Randbemerkung: „Gar kein Unterschied! Aber es kann ja das ‚und‘ hier eine besondere Einheitsfunktion haben.“ – Anm. des Hrsg.
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schließt der Satz die Vorstellung des Subjekts ein, und er stellt somit den Subjektgegenstand vor. Bei der Frage nach dem durch den Satz Vorgestellten oder, anders gesprochen, nach dem Gegenstand des Satzes antworten in der Tat viele Forscher (unter ihnen B o lzan o), der Subjektgegenstand sei der Satzgegenstand. Und ähnlich ist auch die Auffassung B ren t an os bei seiner Transformation in die Existentialform: Bei den einfachen kategorischen Sätzen ist der vorgestellte Gegenstand der Subjektgegenstand, und die der Setzung zugrundeliegende Vorstellung ist die Vorstellung dieses Gegenstands als mit den im Prädikat ausgesprochenen Attributen behaftet. „Ein Baum ist grün“: Die Vorstellung ist „ein grüner Baum“. Natürlich meinen wir dies nicht, wo wir von Gegenständen sprechen. b) Wieder im uneigentlichen Sinn kann als Gegenstand der Sachverhalt bezeichnet werden: das im entsprechenden Urteil als wahr oder falsch1 Gesetzte, und zwar so, dass es in den „unmittelbar“ äquivalenten Urteilen als ein Identisches gilt. Der Sachverhalt2 meint aber hier nicht den Satz, sondern das, was nach Abstraktion von der „Setzung“ übrig bleibt und was durch nominale Vorstellungen vorgestellt werden kann in der Form „ein A“, wo A nicht den expliziten Begriff der Gültigkeit enthält. (Höchstens kann das „ist“ in der Attributionsform auftreten.) c) Im eigentlichen Sinn: Der Satz stellt die Geltung des3 Sachverhalts oder das Sein des4 Sachverhalts vor. Aber hier ist zu beachten, dass verschiedene Vorstellungen, die nicht Sätze sind, eben dasselbe vorstellen können. So ist der eben gebrauchte Ausdruck „die Geltung des5 Sachverhalts“ kein Satz. Aber hier haben wir eben attributive Vorstellung von dem, was die Satzvorstellung direkt vorstellt. Er stellt den geltenden Sachverhalt als geltenden vor, aber nicht so, dass die Geltung von ihm prädiziert oder ihm attributiv beigemessen6 wird.
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„als wahr oder falsch“ später verändert in „als bestehend oder nichtbestehend“. – Anm. des Hrsg. 2 Von „Der Sachverhalt“ bis „Attributionsform auftreten.)“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. 3 „die Geltung des“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. 4 „das Sein des“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. 5 „die Geltung des“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. 6 „oder ihm attributiv beigemessen“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg.
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Die Satzvorstellung hat so eine doppelt merkwürdige Eigenschaft: α) Sie stellt (wenn wir von der Geltung abstrahieren)1 den Sachverhalt gegliedert vor in einer Weise, wie keine andere Vorstellung es tut. Ich kann den Sachverhalt auch attributiv vorstellen wie „eine Ähnlichkeit zwischen a und b“, das ist etwas ganz anderes (bedeutungsmäßig) als „a ist ähnlich b“. β) Sie stellt die Geltung dieses2 Sachverhalts vor, aber wieder nicht attributiv, sondern sie stellt die Einheit vor, in der die Geltung sich auf den so vorgestellten Sachverhalt bezieht, die Einheit der Wahrheit mit den beiden Momenten „Sachverhaltsvorstellung“ und „Geltung“, und das ist hierbei direkt vorgestellt. 4) Wie verhalten sich danach Satz und Wahrheit? Der Satz stellt die Wahrheit vor, und zwar direkt. Haben wir die Wahrheit, so erleben wir die Geltung des Sachverhalts, das „Sein“ desselben.3 Hier ergibt sich aber eine große Schwierigkeit. Danach kann doch die Wahrheit „Dieses Papier ist weiß“ oder die Wahrheit „2 × 2 ist 4“ nicht den entsprechenden Satz einschließen. Der Satz soll ja diese Wahrheit selbst vorstellen, also hätten wir in dem Erlebnis der Wahrheit zugleich als Bestandteil die Vorstellung ihrer selbst. Erlebe ich die Wahrheit „2 × 2 ist 4“, so hätte ich die Vorstellung dieser Wahrheit bezogen auf die Wahrheit selbst, und da die Wahrheit eben die Vorstellung einschließt, so hätten wir hier zugleich die Vorstellung bezogen auf die Wahrheit mit dieser Vorstellung selbst. Diese Vorstellung schließe aber wieder die Wahrheit ein, und so kämen wir auf einen unendlichen Regress. Oder auch so: Die Wahrheit soll die Vorstellung doch als Moment einschließen, also gewissermaßen als Teil. Wenn aber eine Vorstellung auf ein Gegebenes gerichtet ist, so ist in der Einheit der Vorstellung der Gegenstand eingeschlossen, also das Ganze würde den Teil, der Teil das Ganze einschließen. Gegen das Letztere könnte nun wohl eingewendet werden: Die Wahrheit ist das Erlebnis des evidenten Urteils, das schließt die Vor-
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„(wenn wir von der Geltung abstrahieren)“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. „die Geltung dieses“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. 3 „die Geltung des Sachverhalts, das ‚Sein‘ desselben.“ später verändert in „den Sachverhalt, das ‚Sein‘“. – Anm. des Hrsg. 2
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stellung ein. Die Vorstellung kann nun die Intention haben auf das ganze Erlebnis, ohne es als Teil einzuschließen. Nehme ich die Vorstellung „Vorstellung, die ich eben vollziehe“, so ist der Gegenstand der Vorstellung das ganze Erlebnis, und die Vorstellung ist auf sich selbst gerichtet. Wenn ich sage „eine Vorstellung“, so ist das selbst eine Vorstellung und so ist die Vorstellung auf sich selbst gerichtet, aber freilich nur in der Weise „unbestimmter“ Vorstellungen auf einen bestimmten Gegenstand. Dagegen aber: Wenn die Vorstellung A in der Wahrheit ihre Erfüllung findet, so muss die Vorstellung auf das Erfüllende (und das ist ihr Gegenstand) als ein anderes bezogen sein. Sonst hätten wir doch keine „Übereinstimmung“. Also: Die Vorstellung kann nicht auf die Wahrheit (ihren Gegenstand) als ein anderes gerichtet sein, während die Wahrheit doch selbst wieder die Vorstellung einschließt. Und so wird man es im obigen Beispiel leugnen, als ob wir von der Vorstellung „Vorstellung, die ich eben jetzt erlebe“ eine erfüllende Anschauung gewinnen könnten. Wir haben die Vorstellung, aber wir brauchen auf sie bezogene Vorstellung, um die Erfüllung zu haben. Wir reflektieren nun auf die eben abgelaufene Vorstellung in einer neuen Vorstellung, urteilen, dass sie existiert hat, und so schreiben wir ihr auch Gegenständlichkeit zu: nachträglich also. Übrigens lehrt auch direkt der Hinblick auf das Erlebnis der Evidenz „2 × 2 ist 4“, dass die darin enthaltene Vorstellung nicht etwa bezogen sei auf das ganze Erlebnis, sondern schrittweise blicken wir hin auf die „Begriffe“ und ihr Verhältnis. Also wenn der Satz sich auf die Wahrheit (als Gegenstand) bezieht, so kann die Wahrheit den Satz nicht enthalten. Die Wahrheit kann nicht die Übereinstimmung des Satzes mit irgendetwas sein. Diese Schwierigkeiten1 lösen sich nun auf folgende Weise: Es ist richtig, dass der Satz nichts anderes ist als die Vorstellung der Wahrheit, d. h. als die Vorstellung der „Übereinstimmung“ der Sachverhaltsvorstellung mit dem „Gegenstand“.2 Ist es dann zugleich richtig, dass diese Übereinstimmung den Satz einschließt, so kann der Satz
1 Das alles sind selbst bereitete Schwierigkeiten. Sie fallen fort, wenn wir unter Wahrheit den Sachverhalt selbst verstehen und unter Sachverhalt wieder nicht das Identische korrelativer Sätze. 2 Von „d. h. als die“ bis „dem ‚Gegenstand‘“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg.
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hier nicht dasselbe bedeuten. In der Tat haben wir einen Doppelsinn zu konstatieren: α)1 Satz = Sachverhaltsvorstellung. Nicht jede Sachverhaltsvorstellung, wissen wir, ist ein Satz, und zwar in diesem Sinn, wie wir jetzt hinzufügen müssen: nur die p räd ik at ive Sachverhaltsvorstellung. „a > b“ und „b < a“ sind prädikative Sachverhaltsvorstellungen, und zwar korrelative; sie stellen denselben Sachverhalt vor. Ebenso: „X ist grün“, „Grün ist die Farbe des X“. β) Satz = Vorstellung der Geltung einer prädikativen Vorstellung, Vorstellung davon, dass ihr Wahrheit, d. h. der Sachverhalt selbst, entspricht. In diesem Sinn schließt die Wahrheit den Satz nicht ein. Im Erlebnis der Wahrheit erfüllt sich die Intention der Sachverhaltsvorstellung, aber nicht die Intention der Satzvorstellung im Sinn der Geltungsvorstellung. Die Satzvorstellung erfüllt sich, wenn wir Sätze in Beziehung setzen zur korrespondierenden Wahrheit. Zum Beispiel: Dass dieses Papier grün ist, gilt wirklich, dem Satz entspricht Wahrheit. Dieses Erlebnis der Übereinstimmung, des Entsprechens ist hier die Wahrheit, aber eine neue Wahrheit gegenüber jener ersteren. Dies ist der sonst unverständliche Unterschied des objektiven Sinnes der Aussagen „A ist B“ und „Es ist wahr, dass A B ist“. Es bedarf nur noch einer Erläuterung: Die Vorstellung der Geltung der bezüglichen prädikativen Vorstellung meint natürlich nicht die Vorstellung, dass die prädikative Vorstellung die Eigenschaft der Geltung besitzt, und auch nicht die Vorstellung der prädikativen Vorstellung als diese Eigenschaft besitzend, im Sinn nämlich einer attributiven Vorstellung davon. Es ist weder das Verhältnis der prädikativen Vorstellung zum erfüllenden Gegenstand prädikativ vorgestellt (der Gegenstand hat die Eigenschaft …), noch attributiv vorgestellt, es ist vielmehr direkt vorgestellt, und dadurch erklärt es sich auch, dass der Ausdruck der Geltung sich an den Ausdruck der prädikativen Form so innig anschmiegt. Es erklärt sich, dass dasselbe Wörtchen „ist“, welches so häufig die Funktion hat, die prädikative Beziehung anzudeuten, und somit das Einsmachende im Ausdruck ist, zugleich die Funktion übernimmt, die Vorstellung der Geltung und evtl. die Geltung selbst auszudrücken. 1
Dieser Absatz und die beiden nächsten Absätze sind am Rand mit einem großen Fragezeichen versehen. – Anm. des Hrsg.
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Schließlich noch die Frage: Stellt der Satz, indem er die „Geltung des Sachverhalts“ vorstellt, vor, dass der Sachverhaltsvorstellung (denn die Rede von der Geltung des Sachverhalts ist ungenau, es handelt sich um Geltung der Sachverhaltsvorstellung) die Übereinstimmung dieser Sachverhaltsvorstellung mit ihrem Gegenstand entspricht, oder ist gemeint, dass der Sachverhaltsvorstellung ihr Gegenstand entspricht? Man sieht, der Ausdruck „Der Vorstellung entspricht Wahrheit“ ist ungenau, d. h. doppelsinnig. a) Verstehen wir unter Wahrheit die „Übereinstimmung“, diese innere Einheit der Aufeinanderbeziehung, so müsste jener Ausdruck besagen: Der Sachverhaltsvorstellung entspricht diese innere Einheit der Aufeinanderbeziehung zwischen ihr selbst und dem Gegenstand. Zu der Vorstellung gibt es eine Wahrheit, die dieser Vorstellung Erfüllung verleiht. b) Es kann aber auch gemeint sein: Die Vorstellung hat ihre Erfüllung, sie hat einen Gegenstand, d. h. aber, sie hat die Eigenschaft, sich in dieser Weise auf etwas zu beziehen. Der Vorstellung erwächst durch diesen Eintritt in das Erlebnis der Wahrheit = Übereinstimmung eben ein eigentümlicher Charakterzug, eine Beschaffenheit, und obschon die Beschaffenheit nicht prädikativ abgetrennt wird (in der Vorstellung) von der Vorstellung und auf sie wieder bezogen, so stellt das Gelten eben doch die Einheit der Vorstellung mit diesem Habitus vor. Ich glaube, das Letztere ist die normale Bedeutung. Aber beides ist offenbar äquivalent, und so finden wir die Äquivokation praktisch nicht störend. Wir sagen ja auch von nominalen Vorstellungen (wie Sokrates), es entspräche ihnen Wahrheit. Hier ist der Gegenstand gemeint, während wir doch anders unter Wahrheit nicht einen Gegenstand verstehen, auch nicht einen Gegenstand als erfüllenden (wie es hier ja eigentlich gemeint ist), sondern die Übereinstimmung selbst. Für uns genügt es, die Begriffe gesondert zu haben. Am Geringsten ist die gedankliche Änderung, wenn wir sagen, der Satz stelle vor, dass der Sachverhaltsvorstellung (d. i. der prädikativen Vorstellung) ein Gegenstand entspreche. Der Existentialsatz „Sokrates existiert“ drückt prädikativ aus, dass der Vorstellung „Sokrates“ ein Gegenstand entspreche. Das ist die besondere Funktion des Existentialsatzes sowie der Sätze mit dem Prädikat „besteht“, „gilt“, „ist wahr“, diese Sachlage prädikativ zum Ausdruck zu bringen. Alle anderen Satzformen hingegen prä-
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dizieren nicht die Gültigkeit, das Sein einer Erfüllung, sondern sie prädizieren ihre Prädikate, aber drücken in und mit der Prädikation doch nur indirekterweise jenes Entsprechen aus. Im ersteren Fall ist aber die Sachverhaltsvorstellung die des geltenden Sokrates, und der Satz stellt die Übereinstimmung dieses mit dem wirklichen Gelten 5 direkt vor.
Beilage IX Vorstellung im engeren Sinn und Wahrnehmung. Satzvorstellung und Urteil bzw. Wahrheit1 „Es ist nicht wahr, dass 2 × 2 5 ist.“ Hier tritt als Bestandteil der Aussage ein Satz auf, der möglicherweise auch für sich ausgesagt werden könnte, wie wenn jemand irrig sagte „Es ist 2 × 2 5“. Wer aber jene Aussage aussagt, meint nicht, es sei so, es sei 2 × 2 5, und die Wahrheit, die in der Aussage ausgesprochen ist, besteht gerade darin, dem Satz „2 × 2 ist 5“ die Wahrheit abzustreiten. Der Satz hat aber auch hier seine festbestimmte Bedeutung, und so scheiden wir die Satzbedeutung2 von dem, was die entsprechende Aussage aussagen will, d. i. von der Wahrheit.3 Die Aussage „2 × 2 ist 4“ gibt einer Wahrheit Ausdruck, nicht einer bloßen Satzbedeutung. Sage ich „der Satz ‚2 × 2 ist 5‘“, so drückt der Teil unter den Anführungszeichen nicht die Wahrheit aus; meine ich nun nicht den Satz als wörtlichen Ausdruck, so ist ausgedrückt die Bedeutung des Aussagesatzes, abgesehen von Wahrheit und Falschheit, und das ist eben der Satz im logischen Sinn.4 Hier stelle ich die Wahrheit5 vor; während ich aussagend die Bedeutung nicht bloß habe, sondern aufgrund derselben Wahrheit zu erfassen glaube. Dass 2 × 2 4 ist, erscheint mir als Wahrheit.6 Habe ich Evidenz, so erschaue ich überdies die Wahrheit.7 1 Wohl aus den späten 1890er Jahren. Dazu die spätere Randbemerkung: „Bene.“ – Anm. des Hrsg. 2 Spätere Randbemerkung: „Satzbedeutung = Vorstellung des Sachverhalts“. – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Randbemerkung: „Da ich es bloß ‚will‘. Warum sage ich ‚die Wahrheit‘? Das Urteil.“ – Anm. des Hrsg. 4 Spätere Randbemerkung: „Hier wird also Satz als Vorstellung des Sachverhalts gefasst, nicht als das Urteil.“ – Anm. des Hrsg. 5 „Wahrheit“ später verändert in „Sache“. – Anm. des Hrsg. 6 Unter „erscheint mir als Wahrheit“ spätere Bemerkung: „Und das nennt man eben Urteilen.“ – Anm. des Hrsg. 7 Spätere Randbemerkung: „Also hat der Aussagesatz ein Objektives, nicht nur in
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Von der Satzbedeutung kann man nun sagen, sie stelle die Wahrheit vor, natürlich in einem anderen Sinn, als wir dies von unserem Vorstellen sagen. Vielmehr in ähnlichem Sinn, wie dies bei den Nichtsätzen statthat, wo auch jede Vorstellung einen intentionalen Gegenstand hat, aber nicht einen wahren. Aber das ist eine Beziehung, die nicht der Satzbedeutung für sich anhaftet oder gar einwohnt, sondern die auf gewisse Wahrheiten hinweist. Betrachten wir nun die Wahrheit selbst „2 × 2 ist 4“. Wir erleben sie im evidenten Urteil, und sie ist das Objektive des evidenten Urteils. Auch sie enthält die Satzbedeutung in sich.1 Aber sie ist mehr als die Satzbedeutung, und dieses „mehr“ erfassen wir eben im intuitiven Urteil, wir drücken es eben aus: Die Vorstellungen, aus denen der Satz komponiert ist, sind so geeinigt in der Satzbedeutung,2 wie die Sachlage es selbst erfordert und dgl. Aber eigentlich können wir hier nicht der Satzvorstellung3 gegenüberstellen eine Sache als ein Zweites, auf das jene sich beziehe, sondern die sachhaltige Bedeutung, das ist eben die Wahrheit.4 Die Wahrheit impliziert in gewisser Weise die Bedeutung, aber sie ist keine Summe von Bedeutung und noch etwas. Auch das macht keine Schwierigkeit, dass man sagt, der Satz stelle die Wahrheit vor, und nun solle die Wahrheit wieder den Satz implizieren. Denn wir wissen, was es mit dem „Vorstellen“ beim Satz für eine Bewandtnis hat. Die Wahrheit, die dem Satz entspricht, ist ja nichts der Bedeutung Einwohnendes, sondern eine entfernte Beziehung zu neuen Wahrheiten, in welchen der Satz eine gewisse Rolle spielt. Wir können allenfalls sagen: Die Satzbedeutung kann für sich betrachtet werden und kann für sich als objektives Moment in Vorstellung oder Urteil auftreten. Die Satzbedeutung kann aber auch mit dem objektiven Wahrheitscharakter5 behaftet in anschaulicher Einheit mit demselben auftreten. Dieser bildet mit dem Satz eine objektive Einheit: Der Wahrheitscharakter gehört zu dem Satz. Der Wahrheitscharakter ist überhaupt ein Moment, das nicht mit jedem Satz verträglich ist, sondern ist S ein Satz, so ist W nur mit S oder S’ verträglich. Es sei mit S; ich kann mir S’ mit W verbunden denken, aber ich kann sie nie zu anschaulicher Einheit bringen, weil sie eben nicht der Vorstellung, sondern auch im ‚Erscheinen der Wahrheit‘, im Urteil.“ – Anm. des Hrsg. 1 Spätere Einfügung: „und das Urteil“. – Anm. des Hrsg. 2 Spätere Einfügung: „und im Urteil“. – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Einfügung: „und dem Urteil“. – Anm. des Hrsg. 4 Spätere Randbemerkung: „Hier ist überall das Urteil übersehen. Das Urteil als Idee schließt die objektive Vorstellung schon in sich, und dieses Objektive ist wahr oder falsch.“ – Anm. des Hrsg. 5 Spätere Randbemerkung: „Dieser Charakter ist Charakter der Evidenz.“ – Anm. des Hrsg.
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zusammengehören. W kann nicht existieren ohne irgendein Σ, aber Σ ohne W, so für die erlebbaren Momente. Ist S irgendein Σ, so ist entweder SW oder S’W eine objektive Einheit, subjektiv geredet: eine objektive Möglichkeit des Evidenzerlebnisses. Aber die objektive Einheit ist nicht durch die subjektive Möglichkeit begründet, sondern die subjektive Möglichkeit in der objektiven Einheit. Weil die objektiven SW zusammengehören, weil das Wahrsein dem S zukommt, besteht die Möglichkeit, dass irgendein intelligentes Wesen S als wahr erschaut. Eine ideale Bestimmung kommt einem idealen Gegenstand natürlich ein für allemal zu. Denn er selbst ist nicht etwas Zufälliges, einmal so und das andere Mal anders oder gar nicht Seiendes. „2n ist eine gerade Zahl“. Die Bestimmtheit sehe ich dem 2n nicht an. Sie kommt ihm doch zu. So sehe ich einem Satz die Wahrheit oft nicht an. Aber sie kommt ihm doch objektiv zu. Dass ein intelligentes Wesen sie erkennen kann, das ist eine Trivialität. Wir nennen jene „intelligent“ etc. Also Wahrheit ist eine objektive ideale Beschaffenheit von objektiven Sätzen.1 Insoweit hat B ol z ano Recht. Im subjektiven Erlebnis des Satzes finde ich nicht die Wahrheit, aber im objektiven Satz besteht sie, sie ist eine ihm zugehörige Bestimmung. Aber sie ist keine innere Bestimmung, als ob der Satz die Wahrheit so enthielte wie eine bestimmte Farbenspezies die Farbe oder Röte (als Genus). B ol z ano hat übersehen, dass Satz und Wahrheit in ganz analogem Verhältnis stehen wie Gegenstandsvorstellung und -wahrnehmung.2 Stelle ich „meine rote Lampe“ vor, so ist mit dieser Vorstellung dasselbe vorgestellt, was die Wahrnehmung „meine rote Lampe“ (ich nehme wahr, und zwar fasse ich mittels dieser Vorstellungen auf) selbst zu haben beansprucht. Und hiermit beziehen sich dieselben Vorstellungen in der Wahrnehmung auf ihren Gegenstand, ihn selbst ergreifend.3 Ebenso stelle ich vor „Meine Lampe ist rot“. Verstehe ich diesen Satz, so ist damit dasselbe vorgestellt, wie im Wahrnehmungsurteil „Meine Lampe ist rot“ geurteilt ist. Nehmen wir dieses als Erlebnis der Wahrheit, so finden wir hier dieselben Vorstellungen in derselben Einheit vor, wir haben auch hier den Satz, aber wir haben ihn anschaulich erfüllt, er ergreift das Sachliche. Der Sachverhalt, der vorhin bloß vorgestellt war, ist hier selbst gegeben. Das Objektive des Wahrheitserlebnisses nennen wir (in gewissem Sinn) Wahrheit. Es ist die einzigartige Einheit von Satz und Sachverhalt, die keine bloße Verknüpfung
1 Spätere Einfügung: „nicht im obigen Sinn, sondern im Sinn von Urteilen“. – Anm. des Hrsg. 2 Spätere Randbemerkung: „Nein, er hat den allein richtigen Satzbegriff. Satz = Urteil.“ – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Randbemerkung: „Im Übrigen ist das richtig. Nur muss Satz als Urteil gelten.“ – Anm. des Hrsg.
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von Getrenntem ist, sondern eine eigentümliche Erfüllung des Satzes, die ihn vom bloßen Satz unterscheidet. Ebenso verhält es sich, wenn wir die bloße Vorstellung einer relativen Primzahl (ihren objektiven Gehalt: die Bedeutung) und die Erfüllung dieser Vorstellung betrachten, wie wenn wir zur Erkenntnis kommen, dass „7 eine relative Primzahl ist“, und wieder, wenn wir vergleichen einen begrifflichen Satz wie „2n ist eine gerade Zahl“ – ohne Urteil und Erkenntnis – und die Erkenntnis „2n ist eine gerade Zahl“. In der Erkenntnis haben wir eine eigentümliche Erfüllung des bloßen Satzes, aufgrund deren wir sagen: Wir hätten in den Sachverhalt Einsicht. Und wir sagen weiter: „Das, was der Satz vorstellt1 (der Sachverhalt: in diesem neuen Sinn ‚die Wahrheit‘), das besteht auch. Dem Satz entspricht die Wahrheit“. So wie wir von gültigen Vorstellungen sprechen als Vorstellungen, denen ein Gegenstand entspricht, so sprechen wir von wahren Sätzen als Sätzen, denen ihr Sachverhalt entspricht.2 Am besten wird folgende Terminologie sein: Der Satz3 „2 × 2 ist 5“ stellt einen gewissen Sachverhalt vor. Der Satz ist ungültig, unwahr, da ihm kein Sachverhalt entspricht. Das Verhältnis zwischen Satz und Sachverhalt erleben wir anschaulich im evidenten Urteil. Wir erleben hier Wahrheit im Sinn der nicht weiter zu beschreibenden „Übereinstimmung“.
Beilage X Sachverhalte als Gegenstände von Aussagen und Dass-Sätzen4 Dass morgen schönes Wetter ist, lässt sich vermuten. Das ist zu wünschen, 25 zu hoffen. Dass morgen schönes Wetter sein wird, ist wahr, ist unzweifelhaft, ist vorstellbar. (Dass 2 × 2 = 5 ist, das ist undenkbar, das ist widersprechend.) Was ist das Subjekt? 1) Man kann sagen: der betreffende Sachverhalt. Dann muss man die Lehre aufgeben, dass im kategorischen Satz die Existenz des Subjekts impli30 ziert sei. Was ist das, der Sachverhalt? Das ist das Gegenständliche, was die Vorstellung „Morgen ist schönes Wetter“ vorstellt und das entsprechende
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Spätere Einfügung: „und urteilt“. – Anm. des Hrsg. Spätere Randbemerkung: „Ja, das tun wir mit Beziehung auf gewisse Existentialurteile.“ – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Randbemerkung: „Der Satz, das ist eben das Urteil.“ – Anm. des Hrsg. 4 Wohl aus den späten 1890er Jahren. – Anm. des Hrsg. 2
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Urteil als wahrhaft hinstellt. Dies kann in verschiedenen Vorstellungen dasselbe sein: z. B. „Das Schöne-Wetter-Sein am morgigen Tag“.1 2) Ich kann nicht sagen: Das Urteil „Morgen ist schönes Wetter“ lässt sich vermuten, wünschen, hoffen. Ebensowenig: Die Vorstellung, dass morgen schönes Wetter sei, lässt sich vermuten, wünschen, hoffen. 3) Dagegen kann man sagen: Der Ausdruck „dass morgen schönes Wetter ist“ gibt an, was ich vermute, wünsche, hoffe. Er bezeichnet (stellt vor) den Inhalt (das ist ja der Sachverhalt)2 der betreffenden Vermutung, des Wunsches, der Hoffnung. Oder er bezeichnet, was ich für vermutlich, wünschenswert, fraglich etc. halte. Also hätten wir: Der Inhalt (= Sachverhalt)3 „Morgen ist schönes Wetter“ ist Inhalt einer Vermutung, oder wenn ich sage „lässt sich vermuten“, so wäre das Prädikat: „ist Inhalt (‚Gegenstand‘)4 einer berechtigten Vermutung“. Ebenso: Der Inhalt, dass S P ist, ist Inhalt eines berechtigten Wunsches, einer berechtigten Frage, eines berechtigten Urteils usw. (Falsch. Das ist doch nur richtig, wenn unter Inhalt der Sachverhalt verstanden wird!)5 4) Wie ist es aber, wenn wir sagen „Morgen ist es vermutlich schönes Wetter“, „Dass doch morgen schönes Wetter wäre“, „Morgen wird es schönes Wetter sein“, „Wird morgen schönes Wetter sein?“? Wir unterscheiden bei der Vermutung den Gattungscharakter der Vermutung und den Inhalt, beim Wunsch den Gattungscharakter des Wunsches und den Wunschinhalt usw., ebenso beim Urteil den Urteilscharakter und den Urteilsinhalt, ebenso bei der Vorstellung, dass 2 × 2 5 ist, den Vorstellungscharakter und den Vorstellungsinhalt. Derselbe Inhalt kann Inhalt einer Vermutung, einer Frage, eines Wunsches, einer Vorstellung, eines Urteils sein. Und indem wir reflektieren und diese Unterscheidung machen, können wir dann vom Inhalt aussagen, dass er entweder Inhalt eines Urteils oder eines Wunsches etc. sei, und darin liegt, es gebe ein individuelles Urteil etc. oder ein Urteil im Allgemeinen (d. h. es sei ein Urteil möglich), das diesen Inhalt hat. Und wenn wir bewerten, so sind Urteile möglich: Dieser Inhalt sei Inhalt eines berechtigten Urteils, eines berechtigten Wunsches etc. 5) Der Inhalt ist ein begrifflich Gemeinsames in allen Akten. Ohne Inhalt gibt es keinen Akt. Der Inhalt ist keine spezifische Differenz irgendeines
1 Später gestrichene Randbemerkung: „Hic! Der Sachverhalt ist das, was ich für wahr halte, für seiend halte. Dieses Gegenständliche ist aber nicht die ‚Sache‘ oder gar der Subjektgegenstand, sondern dass es wirklich so ist.“ – Anm. des Hrsg. 2 „(das ist ja der Sachverhalt)“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. 3 „(= Sachverhalt)“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. 4 (‚Gegenstand‘) später gestrichen. – Anm. des Hrsg. 5 Von „Falsch.“ bis „wird!“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg.
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Aktes, aber nach ihm differenzieren sich alle Akte. So wie kein Akt ohne Inhalt, so gibt es keinen Inhalt ohne Akt. Wenn wir den Inhalt herausheben und betrachten, wenn wir ihn zum Gegenstand einer Beurteilung machen, so haben wir auf ihn bezügliche Vorstellungen, aber wir haben ihn nicht isoliert.1 Jeder mögliche2 Inhalt ist Inhalt eines möglichen Aktes jeder Gattung. 6) Sofern Inhalte als Urteilsinhalte oder als Bestandteile von solchen fungieren, unterliegen sie der idealen Urteilswertung nach Wahrheit und Falschheit und nach den darin gründenden Zusammenhängen. Inhalte als Urteilsinhalte betrachten, d.i. sie mit Beziehung auf Urteilswertung betrachten, auf wirkliche oder mögliche. (Selbständige) Inhalte zerfallen in Begriffe und Sätze. Sätze sind komplette Urteilsinhalte. Begriffe sind Inhalte, die zwar als selbständige Vorstellungsinhalte und Inhalte anderer Akte fungieren können, aber nicht ganze Prädikationen ausmachen können. Begriffe können Grundlagen von setzenden Akten sein. Der Erscheinungsgehalt eines solchen Aktes kommt prädikativ zum Ausdruck in Urteilen, die dem Begriff den Charakter eines „Gegenständlichen“, seinem Gegenstand den Charakter des Existierenden verleihen. Danach würde also auch „Vorstellung“ einer idealen Wertung unterliegen. Doch ist hier der Begriff der Vorstellung zu beachten: Inhalte unterliegen (wenn man sie als Vorstellungen bezeichnet) einer idealen Wertung mit Beziehung auf die Arten von Akten, deren Grundlage sie sind. Unter diesen Akten gibt es auch die schlicht setzenden, in denen der Inhalt als gegenständlicher erscheint (als einer, dem Gegenständliches entspricht). Und diese Gegenständlichkeit kann eben ausgesagt werden. 7) Aussageinhalte können Grundlagen schlichter Setzung sein, dann sind sie nicht schon selbst komplette Aussagen, sondern nur mögliche Aussagesubjekte. Nämlich jedes Urteil gründet sich in schlichten Setzungen, ist aber selbst mehr als das. Sage ich „Dass 2 × 2 4 ist, hat zur Folge, dass …“, so habe ich im Subjekt nicht bloß die Vorstellung, sondern die Überzeugung, dass … Aber dies ist doch nicht als Aussage zu bezeichnen. Der Subjektinhalt ist hier Grundlage einer schlichten Setzung, nicht aber eine Prädikation. Es liegt darin das Urteil „2 × 2 ist 4“ nur in dem Sinn, wie in dem Subjekt des Satzes „Der Kaiser ist verreist“ liegt, dass der Kaiser eine wirkliche Persönlichkeit ist. Daran wird nichts geändert, wenn man sagen wollte, dass das Urteil vorhergegangen sei, und evtl. sogar während die neue Prädikation noch einmal vollzogen wird. Notwendig ist das Letztere jedenfalls nicht, es genügt die „Vorstellung“ mit dem Setzungscharakter.
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Spätere Randbemerkung: „Wunsch geht doch nur auf Sein, also auf Sachverhalte.“ – Anm. des Hrsg. 2 Vor „Jeder mögliche“ spätere Einfügung: „Satz:“. – Anm. des Hrsg.
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8)1 Die Inhalte sind a) in dem einen Sinn des Wortes Vorstellungen, also Subjektvorstellungen, Prädikatvorstellungen, Beziehungsvorstellungen und Vorstellungen des ganzen Sachverhalts.2 Davon ist wohl zu unterscheiden b) Vorstellung im Sinn eines Aktes von dem betreffenden Inhalt.3 Jeder Aussageinhalt (Urteilsinhalt) kann auch Inhalt einer Vorstellung sein, aber nicht jeder Inhalt einer Vorstellung kann Urteilsinhalt (voller und ganzer) sein. Jeder selbständige Inhalt überhaupt kann Vorstellungsinhalt sein. c) Wieder ein anderer Sinn ist der von Vorstellung im Sinn eines selbständigen Inhalts, der Bestandstück ist im Aussageinhalt, ohne selbst möglicher Aussageinhalt zu sein. Was spricht gegen diese Auffassung? Wenn ich mir vergegenwärtige, was ein Satz im logischen Sinn ist, so komme ich doch auf die Bedeutung des Aussagesatzes. Was bedeutet der Aussagesatz „Griechenland ist ein Staat“? Doch die vermeintliche Tatsache, dass es sich so verhält, also doch wohl das Urteil, aber nicht in Rücksicht auf urteilende Personen. Frage ich „Was liegt in diesem Satz?“, so meine ich: Was ist in solch einem Satz geurteilt? Ich frage: Welche Urteile liegen in solch einem Urteil, bzw. aus welchem Vorstellungen und sonstigen Bestandstücken baut es sich auf? Man könnte ferner sagen: Die verschiedenen Akte können freilich dieselbe Vorstellung zu Grundlagen haben. Aber in welcher Weise ist dieses Zugrundeliegen zu fassen? Wenn ich urteile „Deutschland hat ein prächtiges Heer“, so stelle ich Deutschland vor, und zwar Deutschland als Besitzer eines prächtigen Heeres. Wenn ich urteile „Dieses Fließpapier ist rot“, so stelle ich dieses Fließpapier, und zwar das rote Fließpapier vor. Aber was heißt hier Vorstellung? Urteile ich aufgrund der Wahrnehmung, wie im letzten Beispiel, so habe ich die Wahrnehmung des roten Fließpapiers, die ein Einheitliches ist und noch keine Prädikation. Und aufgrund dessen erfolgt die Prädikation, welche die Erscheinung begrifflich fasst und das Rotsein dem als Fließpapier Aufgefassten zuschreibt. Ebenso kann bei anderen Akten eine anschauliche Vorstellung gegeben sein, an welche sich eine begriffliche Fassung und eine uneigentliche Prädikation anschließt. Es erwächst die Vorstellung eines Sachverhalts, eine Satzvorstellung. Aber knüpft sich nicht der Wunsch an die gegliederte Erscheinung schon vor der Prädikation an? Oder die Freude, der Wille? Ich freue mich über die Blütenpracht im Garten. An das Blühen knüpft sich die Freude, ohne
Spätere Randbemerkung: „Vorstellung in drei Bedeutungen.“ – Anm. des Hrsg. Spätere Randbemerkung: „Als Inhalte dieser Akte, die Subjektfunktion selbst.“ – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Ergänzung: „(Bloße Vorstellung).“ – Anm. des Hrsg. 1 2
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dass ich die Prädikation oder die prädikative Vorstellung vollziehen müsste. Das tue ich aber, wenn ich meiner Freude Ausdruck geben will. Ich erwecke durch begriffliche Mittel in dem Anderen die Vorstellung oder das Wissen von meiner Freude, ferner von dem, woran ich mich freue. Das Letztere bezeichne ich prädikativ: Es sind Blüten, und zwar Blüten in meinem Garten. Ich kann mich aber auch vielleicht freuen, dass in meinem Garten so viele Blumen blühen. Hier ist die begriffliche und prädikative Vorstellung die wesentliche Grundlage meiner Freude. Und hier ist es nicht die bloße Vorstellung, sondern das Urteil. Ich freue mich über die Tatsache. Wünsche ich, dass in meinem Garten viele Blumen seien, so stelle ich diese natürlich vor, und diese Vorstellung ist Grundlage des Wunsches. Urteile ich, dass in meinem Garten viele Blumen sind („In meinem Garten sind viele Blumen“), so habe ich wieder die Vorstellung davon. Was heißt hier Vorstellung? Doch das Gemeinsame der intentionalen Beziehung auf den Gegenstand oder Sachverhalt. Im Urteil habe ich nicht eine begriffliche Vorstellung des Sachverhalts als Grundlage, sondern ich habe die Subjektvorstellung und die Prädikatvorstellung; die Urteilseinheit vollzieht sich erst im Urteilsakt, und so wird erst auch die dem Urteil entsprechende Vorstellungsweise möglich. Sage ich „Dieses Papier ist rot“, so ist dieses Papier natürlich das rote Papier, und ich habe es auch schon als rotes Papier vorgestellt (nicht prädikativ, nicht attributiv). Aber das Urteil enthält nur die begriffliche Vorstellung dieses Papiers, welche von Rot nichts enthält. Ich denke, das macht es klar, dass hier verschiedene Vorstellungsbegriffe durcheinander gehen. Der logische Vorstellungsbegriff ist Vorstellung im Sinn von Begriff als Bestandstück des Urteils in specie. (Die identische Bedeutung, gleichgültig ob ich Phantasievorstellung, Wahrnehmung etc. als Grundlage habe oder nicht.) Daneben gibt es noch andere Begriffe von Vorstellung, wonach Phantasievorstellung, Wahrnehmung und dgl. Vorstellungen sind.
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Beilage XI Aussage und Wahrheit. Theoretische Aussagesätze1 Fortsetzung:2 2)3 Sage ich aus „2 × 2 ist 4“, so gebe ich damit ein Urteil kund. Aber der Ausdruck „2 × 2 ist 4“ besagt etwas Objektives. Was da ausgesagt ist, das ist, ob ich oder irgendjemand sonst urteilt oder nicht. Und wo immer wir eine fest entschiedene Aussage machen, da ist unsere Meinung doch die, dass, was da ausgesagt ist, nicht mein subjektives Glauben ist, sondern objektiv gilt, eine objektive Wahrheit ist. Diese Meinung ist nicht etwa in dem Urteil als ein Vorfindliches zu entdecken. Aber sie gibt insofern meine Intention wieder, als ich diese Reflexion anstellen kann und sie als richtige Interpretation meiner Intention anerkennen muss. Niemand hält die beiden Sätze4 „2 × 2 ist 4“ und „Ich bin überzeugt, dass …“ für identische oder gleichwertige Sätze.5 In dem ersteren ist vom Ich und von einer Überzeugung keine Rede. Und der zweite Satz kann wahr sein und der erste falsch. Das Wesen des objektiven Gehalts, der objektiven Intention enthüllt sich immer in der objektiven Erkenntnis und nur in ihr allein. Der objektive Gehalt, der in der „Aussage“ ausgedrückt wird, ist nun ein objektives Sein, mit anderen Worten: eine Wahrheit. „Dass 2 × 2 4 ist, ist eine Wahrheit. Es ist so“ und „2 × 2 ist 4“, das besagt im Wesen dasselbe. Und ebenso bei allen anderen Aussagen. Freilich „besteht“ die Wahrheit, die sie aussagen, nicht immer. Aber wie dem Aussagenden als wahr erscheint, was er da aussagt, so sagt er auch und so, wie es ihm erscheint. Er stellt also den Satz in der Weise einer Wahrheit hin. Jede Aussage prätendiert, einer Wahrheit Ausdruck zu geben. Oder was dasselbe ist: Eine ausgesagte Wahrheit ist nicht immer eine Wahrheit. „Ausgesagt“ ist ein modifizierendes Beiwort.6
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Wohl aus den späten 1890er Jahren. – Anm. des Hrg. Der erste Teil des Textes konnte nicht aufgefunden werden. – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Randbemerkung: „Nur anders gewendete Ausführung von 1). Ich hatte geglaubt, Sachverhalt und Wahrheit hier auseinander halten zu müssen. Aber sie gingen schließlich in eins zusammen.“ – Anm. des Hrsg. 4 Spätere Randbemerkung: „Phänomenologische Definition des ‚Satzes‘ folgende Seite.“ – Anm. des Hrsg. 5 Spätere Randbemerkung: „Dagegen: ‚Mögen die Götter helfen!‘ = ‚Ich wünsche, dass die Götter helfen mögen‘.“ – Anm. des Hrsg. 6 Vielleicht kann man sagen: Urteil ist Ausdruck für ein psychisches Phänomen eines Individuums. Das Urteil im Allgemeinen ist ein psychologischer Klassenbegriff und schließt die Beziehung zu irgendeinem Bewusstsein mit ein. Der objektive Gehalt der Aussage ist nun „das“ Urteil in einem anderen Sinn, nicht als psychologischer 2
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Da wir dieses Verhältnis kennen, so werden wir also sagen: Die Rede „Eine Aussage als solche sagt eine Wahrheit aus“ ist irreführend. Die Aussage als solche erhebt den Anspruch, eine Wahrheit auszusagen, sie stellt in der Weise einer Wahrheit hin, was nicht ohne weiteres Wahrheit ist.1 Das Urteil2 einigt die verschiedenen Gedanken in der Form objektiver Geltung, aber diese Form ist keine richtige. Die Gedanken erscheinen in einer Einigungsform, die ihnen nicht gebührt; dem Urteilenden erscheint eben als wahr, er hält für wahr, was oft gar nicht wahr ist. Das „Erscheinen“ ist eben das, was Urteilen ausmacht, und so gehört zu jeder3 Aussage wohl ein Urteil, das sie kundgibt, aber nicht die Wahrheit, die sie ausdrückt, und somit auch nicht der Sachverhalt, der in der Wahrheit, d. i. im konkreten Sinn wahr ist.4 Wie sollen wir nun das Verhältnis zwischen Wahrheit und Satz fassen? Sub 1) haben wir den Satz als Vorstellung des Sachverhalts gefasst. Wie verhält sich die Wahrheit zum Sachverhalt? Nun, wenn die scheinbare Geltung wirklich Geltung ist, die ausgesagte, die geurteilte Wahrheit auch wirklich Wahrheit ist, dann entspricht der erscheinenden Geltung auch ein Sachverhalt, und dass er das tut, ist nur ein anderer Ausdruck dafür, dass der Satz wahr ist. Die Wahrheit in dem hier fraglichen Sinn ist nichts anderes als der Sachverhalt. Die Satzvorstellung stellt ihn vor. Also, Wahrheit = Sachverhalt. Der Aussagesatz „2 × 2 ist 5“ wird von mir verstanden; ich stimme nicht zu, in meinem Denken ist er also nicht Äußerung eines Urteils und Ausdruck einer Wahrheit, eines wahrhaft seienden Sachverhalts. Ich verstehe ihn; das heißt, wird man sagen: Ich habe eine Vorstellung davon, dass 2 × 2 5 ist. Ich verstehe, was der Aussagesatz meint, es sei 2 × 2 5. Ich glaube freilich nicht daran. Hier kann man sagen: Die Wahrheit, die als vermeintliche der in dieser Rede sie Aussagende aussagen würde, die stelle ich eben bloß vor. Ihm sind die Begriffe geeinigt durch Erlebnisse des als vermeintliche Geltung charakterisierten Urteils, mir sind sie nicht so geeinigt; ich stelle mir
Klassenbegriff, sondern als idealer Einheitsbegriff. Er drückt aus das Sein des Sachverhalts als so und so konzipiert. Das ist das im Urteilsakt Gemeinte, das in ihm zu sein Scheinende. Aber das Scheinen ist nicht ausgesagt, sondern das Sein. Und es ist wirkliches Sein, wenn der Satz ein wahrer ist. 1 Spätere Randbemerkung: „Ja, eben Prätendieren. Das ist eben das Vermeinen, Urteilen. Die Prätention, das ist eben die allgemeine Prätention, d a s Urteil.“ – Anm. des Hrsg. 2 Spätere Randbemerkung: „D a s Urteil, aber außer jeder Beziehung zum Ich.“ – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Einfügung: „lebendigen.“ – Anm. des Hrsg. 4 Spätere Randbemerkung: „Also generell: 1) das objektive Urteil, 2) die Wahrheit oder nicht.“ – Anm. des Hrsg.
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bloß die Geltungseinheit vor. Also der Gegenstand meiner Vorstellung ist die Wahrheit.1 Sagt man, die beiden Sätze „a rechts von b“, „b links von a“ stellten denselben Sachverhalt vor, so sind doch zwei Wahrheiten (vermeintlich, angeblich, vorgestellt) bezogen auf denselben Sachverhalt. Die beiden Sätze als Vorstellungen stellen Verschiedenes vor, verschiedene Wahrheiten, aber die zugehörigen Sachverhalte sind identisch. Aber man beachte: Wir haben zwei Sätze von verschiedener Bedeutung, aber der Sachverhalt ist derselbe und in diesem Sinn die Wahrheit.2 Ist diese Auffassung richtig, so müssen wir sagen: Das, was wir Satzgedanken nennen, das ist die Vorstellung von der im bezüglichen Satz, falls er gültig ausgesagt würde, ausgesagten Wahrheit oder dem ausgesagten Sachverhalt. Und danach muss man sagen, dass der normal fungierende Aussagesatz, besser das lebendige Urteil, zur Grundlage hat die Satzvorstellung als identische Satzbedeutung, und diese ist umkleidet durch den Urteilenden mit einem Charakter des Für-wahr-Haltens, so dass also im Urteil „2 × 2 ist 4“ der Satzgedanke „2 × 2 ist 4“ sozusagen überzogen ist mit dem Charakter des Glaubens, Annehmens. Danach wäre B ol z anos3 Satz an sich = Vorstellung (direkte Vorstellung) einer Geltung eines Seins oder Nichtseins, Vorstellung einer Wahrheit (ein Ausdruck, der hier lieber vermieden wird, weil man hineinlegen würde, dass die Wahrheit eben Wahrheit ist), am besten: eines Sachverhalts. Eine Wahrheit kann vorgestellt werden. Eine Wahrheit kann „erscheinen“ = geurteilt werden. Eine Wahrheit kann erlebt sein. Wahrheit nicht gleich Übereinstimmung der Satzbedeutung mit dem Sachverhalt! Wie ist nun das Verhältnis der theoretischen Satzformen zu den praktischen? Man könnte versuchen: Theoretische sind Sätze, die entweder Aussagesätze sind oder Satzformen, die in normaler Funktion als Teile von Aussagesätzen auftreten können. Ist diese Definition brauchbar? Wunschsätze, Befehlssätze usw. können nicht als Teile von Aussagesätzen auftreten? „Ich wünsche: Bringe mir Wasser!“, „Ich befehle dir: Gehe hinaus!“, „Ich frage: Ist a = b?“. Auch: „Ich wünsche: Du mögest mir freundlichst beistehen“. Analog: „Ich urteile: 2 × 2 ist 4“. Hier haben wir doch Wünsche etc. als Teile von Aussagen.
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Man könnte einwenden: Wahrheit und Sachverhalt seien nicht dasselbe. Identifiziert man „wahrer Satz = Wahrheit“, so haben wir zwei Wahrheiten. Aber die Sätze stellen nicht wahre Sätze vor, sondern Wahrheiten im Sinn von Sachverhalten. Die Sätze stellen nicht ihre Bedeutungen vor, denen ihre Sachverhalte wahrhaft entsprechen, sondern die Bedeutungen (Satzgedanken) sind die Sätze selbst im objektiven Sinn, und was sie vorstellen, sind die Sachverhalte. 3 Über „B o l z a n os“ spätere Bemerkung: „Nein.“ – Anm. des Hrsg. 2
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Aussagesätze sagen aus, dass etwas ist oder nicht ist. Es gibt ferner unselbständige Sätze, welche dies ebenfalls tun. Zum Beispiel: „Weil S P ist“, darin liegt, dass S P ist. Es gibt aber auch unselbständige Sätze, die vorstellen, dass etwas ist oder nicht ist, ohne irgendetwas anderem Ausdruck zu geben. Wir können auch so versuchen: Wir beschränken uns auf selbständige Sätze und teilen dann ein: Alle grammatischen Sätze geben psychische Phänomene kund, aber die Sätze zerfallen in solche, welche bloß kundgebend sind, und solche, welche aussagend sind. Die aussagenden können aussagen das, was sie kundgeben (abgesehen von dem aussagenden Urteil selbst). Und sie können auch anderes aussagen. Im ersten Fall dient die Aussage selbst der Kundgebung. Im letzteren Fall hat die Aussage eine rein theoretische Funktion. Theoretische Aussagesätze und ihre möglichen Teile in normaler Funktion bilden eine abgeschlossene Klasse von Ausdrucksformen, und dementsprechend haben wir auch eine abgeschlossene Klasse von Bedeutungsformen. Unter „Bedeutung“ eines Aussagesatzes verstehen wir die Vorstellung der Wahrheit,1 die er auszusagen prätendiert. Sofern Satzgedanken (Satzbedeutungen) auch Grundlagen von Wünschen, Befehlen etc. abgeben können, prägen sie sich auch in den Ausdrücken von Wünschen etc. aus. Die Satzform hat ganz allgemein die Funktion, wahren Sachverhalten oder Vorstellungen von Sachverhalten Ausdruck zu verleihen, gleichgültig ob die Vorstellungen in theoretischer Funktion sind oder als Grundlagen für irgendwelche psychische Kundgebungen dienen. Danach haben wir die grammatischen Unterscheidungen: selbständige Ausdrücke – unselbständige Ausdrücke, Sätze – Nichtsätze. Selbständig ist ein Ausdruck, der, für sich allein und normal fungierend, irgendein psychisches Phänomen kundzugeben vermag. Sätze sind Ausdrücke, welche Kundgebungen von psychischen Akten sind, die sich darauf beziehen, dass etwas ist oder nicht ist, oder deren intentionales Objekt darin besteht, dass etwas ist oder nicht ist, oder Kundgebungen von psychischen Akten, die sich intentional auf Sachverhalte beziehen. Jeder solche Akt setzt, sei es eine Vorstellung davon, dass etwas ist oder nicht ist, oder sei es eine Überzeugung davon, voraus.
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Spätere Einfügung: „des Sachverhalts“. – Anm. des Hrsg.
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Beilage XII Urteil, Sachverhaltsvorstellung (propositional nichtsetzender Akt), Sachverhalt1 Wie das Urteil ein mehrfältiger Akt ist – ich meine die kategorische Prädikation –, so auch die entsprechende Vorstellung, die entweder aufgrund von wirklichen oder modifizierten Setzungen erfolgt. Zum Beispiel: „Die Buren nehmen Ladysmith ein“. Ich stelle mir das vor. Aber auch bei bloßen Vorstellungen: Ich stelle mir einen Engel vor, der ein schlafendes Kind trägt, und zwar drücke ich das beschreibend aus „Ein Engel trägt ein schlafendes Kind“ (z. B. auch ein Gemälde dieses Sujets). Auch Wünsche, Fragen etc. sind in dieser Weise gegliederte Akte. Ich wünsche, dass die Buren siegen mögen: „Die Buren mögen siegen“. Die Grundsetzung: die Buren. Der Wunsch bezieht sich auf das vorgestellte Siegen, welches den Sachverhalt vollendet. Also die Sache ist nicht so, dass ich auf der einen Seite eine Vorstellung des Sachverhalts hätte und dann einen Wunsch, der sich auf diesen Gesamtakt beziehe, sondern der Wunsch bezieht sich auf den Prädikationsakt, d. i. auf den auf den Subjektakt aufgebauten, und in dieser Weise auf den Sachverhalt. Ebenso die Frage „Siegen die Buren?“. Natürlich stelle ich mir vor, dass die Buren siegen, aber der Wunsch bezieht sich auf das Siegen, nur eben als das der Buren. Hierbei ist es aber wohl anzunehmen, dass hier ein mehrfältiger Akt wirklich gegeben ist, das Vorstellen des Siegens und der Wunschakt, denn dadurch erscheint anstatt des bloßen Seins das Seinmögen. Wir hätten also folgende Analyse: I. Ein Sachverhalt kann bloß vorgestellt werden, und zwar a) direkt, sozusagen bildlich, indem sich ein gegliederter Akt vollzieht, die Modifikation des entsprechenden Urteils, und zwar α) es liegen Vorstellungen zugrunde, die Träger von (unmodifizierten) Setzungen sind; β) es liegen bloße Vorstellungen zugrunde, die Träger modifizierter Setzungen sind (Bilder von Setzungen), und vielleicht gar keine Setzung.2 Ist es richtig, dass sich jedes Urteil als Erkenntnisakt vollzieht, so sind all das Akte des „Erkennens“.3 b) Nominal, ein Sachverhalt kann indirekt vorgestellt, z. B. genannt sein (der Satz des Pythagoras). II. Der Sachverhalt steht uns wahrhaft gegenüber, er wird nicht vorgestellt, aber er erscheint in der Urteilsweise. Das Urteil vollzieht sich aufgrund
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Wohl Ende 1899. Spätere Randbemerkung: „Nota bene“. – Anm. des Hrsg. Spätere Randbemerkung: „Das ist wohl unmöglich.“ – Anm. des Hrsg. Von „Ist es“ bis „des ‚Erkennens‘.“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg.
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von Vorstellungen oder Setzungen, die Vorstellungen zur Grundlage haben. Das ganze Urteil hat aber nicht eine Vorstellung zur Grundlage, die den gesamten Sachverhalt vorstellt. III. In der einen oder anderen Weise können sich noch Akte anknüpfen. 5 Es können sich Akte zumal an die Prädikate anheften, die dann nicht Akte sind, die die Vorstellung des ganzen Sachverhalts oder urteilende Fassung des ganzen zur Grundlage haben, sondern nur die des Prädikats. Es können aber auch ganze Sachverhaltserscheinungen oder -vorstellungen Grundlagen von Akten sein. Zum Beispiel: ästhetische Freude. Hier bezieht sich die 10 Freude nicht bloß auf ein P-Sein eines S, sondern auf das Ganze. Doch kann man vielleicht sagen, die ästhetische Freude gehe auf das Gemälde, auf die musikalische Erscheinung usw. als bildliche Darstellung dieses Inhalts, als musikalische Erscheinung dieses Inhalts, nicht aber auf den vorgestellten Sachverhalt (in der Musik nicht auf die sozusagen physische Objektivität der 15 Töne, sofern sie physische Töne sind, durch die und die Instrumente erzeugt und dgl., sondern auf die Tonerscheinung als solche.)
Beilage XIII Satz und Sachverhaltsvorstellung. Ob der Satz die Sachverhaltsvorstellung einschließt1 Zum Beispiel: „Dieses Papier ist weiß“. Indem ich dies aussage, urteile, habe ich die Vorstellung (den Namen) „dieses Papier“ und das Vorstellen seiner Weiße. Ich habe auch die Vorstellung der Beziehung zwischen Papier und Weiße (Subjekt und Beschaffenheit). Also eine Vorstellung des „Sachverhalts“. Aber nicht habe ich eine Vorstellung des Seins, des Geltens, 25 nicht eine Vorstellung des Beilegens, in dem ich dem Papier die Eigenschaft als ihm zukommend beilege. Wie ist das zu verstehen? Mir erscheint das weiße Papier. Ich nehme es etwa wahr. Ich erkenne es als Papier und erkenne an ihm die Weiße. Ich sage nun aus „Dieses Papier ist weiß“. Das ist eine doppelte Setzung. Beim ersten Schritt stelle ich das Papier vor, aber ich 30 drücke nicht bloß die Vorstellung, sondern das Urteil aus; der Ausdruck, den ich gebrauche, bedeutet ein daseiendes Papier. Die Setzung kommt zum Ausdruck, sie ist aber nicht Gegenstand. Ebenso kommt die darauf gegründete Prädikatsetzung zum Ausdruck, aber sie ist nicht vorgestellt, sondern das Prädikat ist vorgestellt. Wenn ich aber die Vorstellung bilde 20
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„Dieses Papier ist gelb“ (oder wenn ein anderer, der das Papier nicht sieht und mir nicht traut, hört, was ich sage), so stellt diese Vorstellung sowohl die Setzung dieses Papiers als auch die Prädikatsetzung in gewisser Weise vor. Es ist dabei Doppeltes möglich. E nt w eder: Ich meine diese komplexe Setzung als solche, sie ist mein Gegenstand, so etwa, wenn ich hörend urteile „Der X fällt das Urteil, es sei S P“. Nun habe ich schon, wenn ich das Urteil vorstelle, damit auch gegenwärtig das, was er urteilt. O der: Erst recht kann ich das aber zum primären Gegenstand meines Vorstellens machen. Während ich mir die komplexe Setzung vergegenwärtige, meine ich nicht sie als Urteil, sondern ihren „Gegenstand“. Nehmen wir ein anderes Beispiel. Ich stelle mir vor, dass 2 × 2 5 sei. Indem ich mir dieses Sein vorstelle, denke ich in gewisser Weise an das Urteil, das dieses urteilt. Ich meine aber nicht das Urteil, sondern was es urteilt. Meine ich das Urteil, so sage ich: Ich stelle mir das Urteil vor, dass 2 × 2 5 sei. Dieses Urteil ist möglich, aber das, was es urteilt, ist unmöglich. Es könnte mir also scheinen: Indem ich aussage, prädiziere ich (ich sage etwas von etwas aus); indem ich das tue, stelle ich das Subjekt vor; ich stelle auch das Prädikat vor. Handelt es sich um eine Beziehung, so stelle ich die Beziehungspunkte vor und das Allgemeine, die Beziehung. Aber die Akte, die zur Aussage kommen als Urteile, kommen zum Ausdruck, ohne dass ihr Objektives vorgestellt wird. Aber wird nicht dieses Papier als Subjekt vorgestellt, und wird nicht vorgestellt, dass ihm das oder jenes zukommt?1 Ja, die Intention geht darauf, aber wird das vorgestellt, zum Gegenstand eines Vorstellens gemacht? Das ist die Frage.2 Wenn ich über das vollzogene Urteil reflektiere, so kann ich 1) das Urteil und 2) das, was in ihm geurteilt ist, zum Gegenstand machen. Und dann ist einerseits das Urteil, andererseits das Sein, das Zukommen Gegenstand. „Die Uhr zeigt halb sechs.“ Das erscheint mir, und wie es mir erscheint, so spreche ich es aus. Natürlich, meine Setzung stelle ich nicht vor. Aber was gesetzt ist, das ist eben der Vorstellungsgehalt. Was zur Setzung als solcher gehört, das drücke ich aus, ohne es vorzustellen. Reflektiere ich über das Urteil, so erhalte ich die Vorstellung des Urteils, und bilde ich die Vorstellung „dass S P ist“, „dass die Uhr halb sechs zeigt“, so stelle ich implizit all die Setzungen vor, und doch meine ich sie nicht.3 Diese Vorstellung kann nicht dem Urteil zugrunde liegen. Wenn ich aussage „Die
1 Spätere Randbemerkung: „Gewiss! Aber das Zukommen ist nicht das Urteil, sondern sein ‚Gegenstand‘. Im ‚ist‘ wird auch etwas vorgestellt, aber das ist nicht das Urteil.“ – Anm. des Hrsg. 2 Von „Ja,“ bis „die Frage.“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Randbemerkung: „Unsinn. Ich habe das vorstellungsmäßige Gegenbild der Setzung, aber nicht Vorstellung von ihnen.“ – Anm. des Hrsg.
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Uhr zeigt halb sechs“, so kann ich nicht bei der Setzung „die Uhr“ die Setzung erst vorstellen, also erst die Setzung aufgrund der Vorstellung der Setzung ausführen. Denn sonst müsste ich, da doch die wirkliche Setzung ausgedrückt sein soll, um diese Setzung auszudrücken, wieder ihre Vorstellung vorstellen 5 und so in infinitum. Im Existentialsatz „Gott existiert“ drücke ich also meine Setzung der Gottesvorstellung aus, nicht aber die Setzung der Existenzvorstellung. Aber man könnte hier sagen: Ich stelle das Sein Gottes vor, und das setze ich (existiert, Indikativ). Die Sachverhaltsvorstellung ist nur möglich als Nachbild vorgän10 giger Urteile. Urteile schließen aber nicht im eigentlichen Sinn Sachverhaltsvorstellungen ein, sondern Urteil und Vorstellung, das sind gleichgeordnete Einheiten. Was ist ihr Gemeinsames? Der Inhalt, der nicht ein besonderer Akt ist. Ich müsste also auch sagen: Wahrnehmung und Phantasie (Halluzination) seien gleichgeordnet. Die Wahrnehmung und eine entsprechende 15 Halluzination haben kein Stück gemein, keinen Akt der Vorstellung, sondern nur die identische Erscheinung.
Beilage XIV Ob die Vorstellung des Sachverhalts Teil ist vom Urteil1 „S ist P“: Ich erlebe ein Urteil, und dieses Urteil kommt in der Form 20 zum Ausdruck. Das Urteil ist also in gewisser Weise allerdings vorgestellt,
in Begriffe gefasst (den allgemeinen Ausdrücken entsprechen allgemeine Begriffe), in demselben Sinn, wie im Wunschsatz „S möge P sein“ der Wunsch ausgedrückt und insofern auch vorgestellt ist. Aber natürlich findet nicht eine Vorstellung derart statt, wie sie einem Namen entsprechen würde; ich blicke 25 nicht auf das Urteil oder den Wunsch so hin, dass ich ihn zum Gegenstand der Betrachtung machte. Ich will nicht über ihn urteilen, ich will ihn selbst nicht zum Gegenstand eines weiteren Aktes, eines Wunsches oder Willens machen. Ich lebe im Urteil, ich lebe im Wunsch. Ich frage nun nach dem Urteilsinhalt. In dem Urteil „Gott ist gerecht“ ist 30 „dass Gott gerecht ist“ geurteilt. Hier habe ich eine Vorstellung, in der ich mir vorstellig mache, was im Urteil geurteilt ist. Dasselbe könnte auch nur vorgestellt werden. Es fragt sich nun: Ist diese Vorstellung eine Vorstellung des Urteils, nicht des Urteils als Aktes, sondern des Urteils als spezifischer Einheit, des Satzes? Wenn ich mir vorstelle, dass Gott gerecht ist, aber
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nicht daran glaube, ist damit ein Urteil vorgestellt? Nein. Denn von dem vorgestellten Sachverhalt gilt anderes als von dem vorgestellten Satz. Der letztere ist ein kategorischer Satz. Ich kann aber nicht sagen „Dass Gott gerecht ist, ist eine erfreuliche Tatsache und ist ein kategorischer Satz“, als ob das gleichwertige Behauptungen wären. Das eine Mal urteile ich über die Sache, das andere Mal über das Urteil. Wir werden also die Vorstellung des Sachverhalts, die ein genaues Abbild ist des Urteils, von dem Urteil selbst sondern müssen. Ich kann mir vorstellen: einerseits das Urteil und andererseits den Sachverhalt, den das Urteil urteilt. Dies weist auf zwei verschiedene Erkenntniszusammenhänge (Wahrheitszusammenhänge) hin. In dem einen handelt es sich um Urteile und im anderen um andere Sachen. Sollen wir nun sagen: Das Urteil (z. B. wenn ich urteile „Es gibt sieben regelmäßige Körper“) schließt die Vorstellung ein dessen, was da geurteilt sei? Also sei das Urteil ein komplexes? Es erscheint mir ein Sachverhalt (in dem ich die Prädikation vollziehe), und die Erscheinung ist Grundlage einer Setzung? Oder sollen wir sagen: Indem ich aussage, vollziehe ich die Prädikation, und „die Prädikation vollziehen“, das heißt: eine Urteilseinheit vollziehen, in der eben was zu sein scheint? Aber es sei nicht zu unterscheiden: Erscheinung und Setzung, als ob ein Komplexes gegeben wäre, sondern es sei ein Einfaches, nur entspreche jeder aktuellen Setzung ihr Gegenbild in einer möglichen Vorstellung, welche dasselbe vorstellt, was das Urteil urteilt.
Beilage XV Was ist das Identische der Aussage und der entsprechenden Vorstellung?1
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Zum Beispiel, ich sage aus „Es gibt einen Gott“. Der Atheist hört und versteht mich, aber er urteilt so nicht mit. Er stellt vor, dass ich so urteile, aber darin hat er doch auch das Verständnis der Bedeutung des Satzes selbst. Sollen wir sagen: Er stellt vor, dass es einen Gott gibt? Ich aber urteilte aufgrund 30 derselben Vorstellung. Ist also das Urteil eine Komplexion? Und in ihr die objektive Vorstellung? Das objektive Urteil = die objektive Vorstellung mit neuem objektiven Charakter? Nehmen wir das an. Ein anderes Beispiel: „Weil Gott gerecht ist, werden die Bösen bestraft“. Ich stelle dies vor, also ich stelle verschiedene Setzungen vor und damit die 35 1
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Gesamtsetzung, wenn ich mir den Satz vorstelle. Oder ich stelle mir das vor, was darin ausgesagt sein soll, dann stelle ich nicht den Satz vor. Um mir aber vorzustellen den Sachverhalt, der da gemeint ist, muss ich mir doch vorstellen die Setzung „weil …“, und „so …“, also scheint, muss ich auch vorstellen den Satz im Ganzen. Ebenso: „Der gütige Gott regiert das Weltall“. Ich stelle mir das Sein des gütigen Gottes vor als Grundlage für die Setzung der Regierung des Weltalls. Aber ich will doch nicht den Satz vorstellen, sondern den Sachverhalt. Was ist der Unterschied? Und wenn ich urteile, so stelle ich doch nicht die Setzung vor, die ich vollziehe, sondern ich stelle Gott vor, die Regierung etc. Lösung: Vorgestellt ist die Sache, der Subjektgegenstand, und das, was ihm zugeschrieben wird und an ihm erscheint. Ausgedrückt ist aber die Setzung, die selbst nicht vorgestellt wird (nicht Gegenstand ist). Ich vollziehe die Setzung, und in ihr erscheint das Sosein. Insofern stelle ich auch das Sein vor, aber es ist nicht Gegenstand in dem Sinn wie das als seiend Erscheinende. Es sind verschiedene Stufen.1 Ich habe Subjektsein, Prädikatsein aufgrund des Subjekts und so einheitlich erscheinendes Sein. Stelle ich nun den ganzen Sachverhalt vor, so stelle ich eben nur vor das Subjektsein, das darauf gegründete Prädikatsein usw. Aber ich setze das Sein nicht. Nun wird man sagen, das Sein kann nicht vorgestellt werden ohne ein Urteil, das das Sein setzt. Das ist aber nicht richtig. So wie ich eine Erscheinung vorstellen kann, ohne meine Wahrnehmung vorzustellen, so kann ich ein Sein vorstellen, einen Sachverhalt (dass was ist oder nicht ist) vorstellen, ohne das Urteil vorzustellen. Die Vorstellung „dass was ist“ ist nicht Vorstellung des Satzes, dass es ist (des Urteils).
Beilage XVI Vorstellung als Grundlage aller psychischen Phänomene. Wahrheit als Übereinstimmung des Urteilsgegenstands mit dem wahren Gegenstand2 30
Wenn ich mir „bloß vorstelle“, dass Gott gut ist, wenn ich es glaube oder leugne, es vermute oder bezweifle und dgl., so liegt immer dasselbe objektiv zugrunde. Denken wir uns die Akte auf verschiedene Zeiten oder zugleich 1 Spätere Randbemerkung: „Ja, das Subjekt stelle ich nominal vor; den ganzen Sachverhalt, das Sein, stelle ich nicht nominal vor. Die Vorstellung, die der Aussage zugrunde liegt als ihr Inhalt, ist nicht die nominale ‚dass S P ist‘, sondern ‚S ist P‘.“ – Anm. des Hrsg. 2 Wohl aus den späten 1890er Jahren. – Anm. des Hrsg.
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auf verschiedene Personen verteilt, so sagen wir „dasselbe“: Was der eine (in einmal) bloß vorstelle, das glaube der andere, der Dritte leugne es usf. Was ist nun dieses Selbe, dieses überall Identische? Es ist der „Gegenstand“ meines Vorstellens, Bejahens, Verneinens etc. Gewöhnlich wird die Sachlage so gefasst: In allen diesen Fällen wird, dass Gott gut ist, vorgestellt, und auf einen Gegenstand dieser Vorstellung (den „intentionalen“ Gegenstand) richten sich dann die höheren psychischen Tätigkeiten: das Urteilen, Wünschen etc. Freilich bedürfte diese Ansicht einer Prüfung. Man spricht von Vorstellen doch jedenfalls mit Beziehung auf das uns allen vertraute psychische Phänomen des „bloßen Vorstellens“. Aber finden wir wirklich, wo wir urteilen, fragen, wünschen etc., im Phänomen eine Zweiheit, einerseits das bloße Vorstellen, andererseits ein auf dessen Gegenstand bezügliches Urteilen etc.? Dass es sich nicht um eine Summe handele, sondern um eine innige Verwobenheit, wird allgemein angenommen. Aber immerhin müssten wir, um diese Verwobenheit zu behaupten, doch eine Analyse vorzunehmen imstande sein. Es ist nicht ohne weiteres sicher, dass dies wirklich angeht. Vielleicht täuscht uns der Umstand, dass z. B. das Urteil „Gott ist gut“ äquivalent ist mit dem anderen „Dass Gott gut ist, ist wahr, gilt“. Wo dieses Urteil ausgesprochen wird, da geht die Vorstellung dem Urteil voraus und in der Tat ist dann auf den Gegenstand der Vorstellung die Beurteilung bezogen. Ähnlich verhält es sich in den anderen Fällen. Beim Wunsch, im Besonderen bei der Frage, beim Zweifel, bei der Vermutung finden wir oft nichts weiter als den Gegenstand und das darauf bezügliche Phänomen der Vermutung etc., oft aber auch zunächst eine bloße Vorstellung, dann den Übergang in diese Akte, welche so als auf denselben Gegenstand der Vorstellung bezogen erscheinen. Für die Ansicht der Zusammengesetztheit all dieser Phänomene spricht hauptsächlich eben der Umstand, dass wir uns sprachlich so ausdrücken, als ob eine solche bestände: Ich wünsche, dass A B ist, ich frage, ob A B ist, ich glaube, dass A B ist usw. Wir sagen aber auch: Ich stelle mir vor, dass A B ist! Hier haben wir doch nicht ein zweifaches Vorstellen. „Dass A B ist“ weist auf den Sachverhalt hin, auf den irgendeine dieser psychischen Tätigkeiten geht. Aber solange diese ganz unbestimmt ist, tritt das „bloße Vorstellen“ auf. Aber eben dieses findet am besten seine Erklärung dadurch, dass es eben dasjenige ist, was zum „Denken“ des Sachverhalts wesentlich gehört und was nun Fundament ist für alle „höheren“ psychischen Tätigkeiten. Es wird also wohl doch sein Bewenden dabei haben, dass die alte Ansicht die richtige ist. Denken wir uns den Gegenstand mittels sprachlicher Ausdrücke vorgestellt, so ist das Verständnis doch der Akt, der uns den Gegenstand in der Intention gibt, und das Verständnis ist vorausgesetzt für jede andere Weise auf diesen Gegenstand bezogener psychischer Betätigung.
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Der vorgestellte, evtl. auch angenommene oder verworfene etc. Gegenstand ist in unserem Beispiel ein Satz. Wir stellen uns den Satz vor oder urteilen über ihn etc. Das, was ich vorstelle, kann aber auch in „Wirklichkeit“ so sein, wie ich es vorstelle. Es kann sich „wirklich“ so verhalten, dass Gott gerecht ist; ich urteile „Gott ist gerecht“, und es kann wirklich so sein usw. Ich leugne, dass Gott gerecht ist, aber es kann wirklich sein, dass Gott gerecht ist. Was ist hier Wirklichkeit? Offenbar Wahrheit. Jeder Satz ist entweder wahr oder falsch. Wahrheit und Falschheit sind Beschaffenheiten von Sätzen (die selbst etwas Objektives sind), und zwar objektive Beschaffenheiten, da „Ein Satz ist wahr“ nichts besagt über mein subjektives Verhalten zum Satz. Erkenne ich die Wahrheit, so urteile ich natürlich, aber dieses Urteil ist nicht die Wahrheit, sondern nur der Wahrheit konform; ich erkenne an, was in Wahrheit ist, und das ist ein konvenientes Verhalten, ich erkenne damit an, was anerkannt werden soll, mein Verhalten entspricht der Norm, es ist zu billigen. Das Konformsein bezieht sich also nicht auf die Vorstellung, sondern auf das Urteil, nur auf Urteile darf es angewandt werden. „Übereinstimmung der Vorstellung mit dem Gegenstand“ darf nichts anderes heißen als Übereinstimmung des Urteilsgegenstands (des Gegenstands der dem affirmierenden Urteil zugrunde liegenden Vorstellung) mit dem wirklichen Gegenstand, d. i. dem, der wahr ist.
Beilage XVII Aussage als allgemeiner Ausdruck der Setzung1 Die Aussage „S ist P“ drückt aus nicht bloß die Vorstellung davon, dass S P ist, sondern „S ist P“, wir können sagen die Set z ung, das U rt ei l, nur nicht 25 als mein Urteilen oder als irgendjemandes Akt überhaupt, sondern einen allgemeinen Gegenstand, den wir Urteil nennen. Nun ergibt sich aber eine Schwierigkeit. Sage ich „Die Erde bewegt sich um die Sonne“, so ist doch ausgesagt, dass dem so ist, also eine Wahrheit. Andererseits, wenn jemand sagt „Die Erde ist eine Ebene“, so sagt er wieder aus, dass dem so ist, aber 30 das ist nun keine Wahrheit. Er meint doch, es sei so, also spricht er nur als Wahrheit aus, was keine Wahrheit ist. Also der Sinn der Aussage ist es immer, eine Wahrheit zu sein, eine wirkliche oder vermeintliche. Indessen, diese Unterscheidung zwischen wirklich und vermeintlich sagt schon, dass man eigentlich nicht sagen kann, die Aussage drücke eine Wahr-
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heit aus. In demselben Sinn, wie jede Vorstellung einen Gegenstand vorstellt, sagt jede Aussage eine Wahrheit aus. In jeder Aussage, die jemand ausspricht, ist etwas als wahr vermeint und behauptet.1 Das Objektive der Aussage ist „das“ Urteil. Das Als-wahr-Erscheinen im Subjekt hat sein Korrelat im Urteil im idealen Sinn, in der objektiven Erscheinung der Wahrheit; es kann aber ebensowohl Schein sein oder Wirklichkeit. Das Urteil verhält sich zur Wahrheit analog wie die Wahrnehmung zur adäquaten Wahrnehmung, die den besonderen Fall darstellt, wo das Als-seiend-Erscheinende auch wahrhaft gegenwärtig ist. Der Fall der Wahrheit ist ein besonderer Fall von Urteil. Auch die Wahrheit kann nur ausgesagt werden im Urteil; auch dass ein Urteil wahr ist, kann nur im Urteil ausgesagt werden usw. Dazu kommt die Äquivalenz „S ist P“ = „Es ist wahr, dass S P ist“. Und im Zusammenhang damit: Es ist unvernünftig zu urteilen „S ist P“ und „Nicht: S ist P“ und umgekehrt. „Position“ fassen wir als allgemeineren Ausdruck dessen, was als Urteil in Aussagen den objektiven Bedeutungsgehalt ausmacht. Es ist eine Position auch in Teilen von Aussagen ausgedrückt, nominale Bedeutungen können mit Position ausgedrückt sein, z. B. „der König“. Wir unterscheiden den Vorstellungsgehalt oder -inhalt einer Position von dem positionalen Charakter. Bei Urteilen unterscheiden wir den Urteilscharakter und den Urteilsinhalt, der letztere ist die Vorstellung des Aussagegedankens abgesehen von aller Setzung. Ob man nicht Urteilsinhalt eben „das“ Urteil nennen sollte, wenn als „Urteil“ der Akt gilt? Satz. Geltung ist ein Prädikat von Position. Eine nominale Position begründet ein Existentialurteil: Ihr Gegenstand existiert. Eine propositionale Position: Sie ist wahr, der Sachverhalt besteht wahrhaft. Ob die2 Attribution die Vorstellung einer Setzung einschließt. Formen von Vorstellungen (Begriffen) und Setzungsformen: a) in denen keine Setzung3 ausgedrückt ist, z. B. „ein Mensch“, b) in denen irgendwelche Setzung ausgedrückt ist, z. B. „der Satz, dass 2 × 2 = 5 ist“, „der Kaiser von Deutschland“. Aber ist nicht jede Attribution schon gedanklich die Vorstellung einer Setzung, nämlich einer prädikativen? Ein Mensch, etwas, das die und die Bestimmtheit hat. Ein grüner Baum = ein Baum, der grün ist. Da möchte es scheinen, als ob jede Vorstellung vorgestellte Setzung einschließt, und umgekehrt jede Setzung doch schon Vorstellungen voraussetzt. Sollen wir sagen: Es gibt nur wirkliche und vorgestellte Setzungen oder vielmehr Setzungen und Vorstellungen von Setzungen, die als Vorstellun1
Spätere Randbemerkung: „Hier ist Wahrheit = Sachverhalt.“ – Anm. des Hrsg. Von „Ob die“ bis „Auffassung nicht.“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Randbemerkung: „Setzung? Ist das belief ? Das ist doch weder hier noch sonst ‚ausgedrückt‘.“ – Anm. des Hrsg. 2
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gen selbst gesetzt sind? Aber die Vorstellung „ein grüner Baum“ ist doch Vorstellung des Baumes, nicht Vorstellung der Setzung. Also die Setzung ist nicht Gegenstand der Vorstellung. Aber sie gehört zum Bedeutungsgehalt. Aber nicht als wirkliche Setzung, sondern als modifizierte, wir können dafür 5 nicht sagen vorgestellte. V orst el l ungen si nd eben Modi f i kat i onen von setzenden Akten. Also kann es nicht richtig sein, dass der setzende Akt selbst wieder Vorstellungen voraussetzt. Aber wie kann ich sagen „2 × 2 ist 4“, „Dieses Papier ist weiß“ etc., wenn ich es nicht vorstellte? Ja, was heißt „vorstellen“? Natür10 lich habe ich die Bedeutungen, und diese können rein setzende Bedeutungen sein. Zum Beispiel: „Ein Hirsch!“, „Der Kaiser!“. Sage ich ein anderes Mal „Dies ist nicht ein Hirsch“, so habe ich „ein Hirsch“ in modifizierter Form. „Modifiziert“? Die Setzung „Ein Hirsch!“1 und die Modifikation „ein Hirsch“ haben etwas gemein,2 das wäre die Bedeutung vor aller Vorstellung 15 und Setzung? Aber in dem ist ja der Gedanke der Setzung schon vorhanden! Also geht diese Auffassung nicht.3
Beilage XVIII „Satz“ als Urteilsinhalt. Vorstellung des Satzes im Gegensatz zur Vorstellung des Sachverhalts4 „Satz“ ist jeder mögliche volle Urteilsinhalt (Inhalt einer vollen Aussage).5 Die Vorstellung6 eines Satzes kann sich grammatisch ganz ähnlich wie eine Aussage ausdrücken, ist aber doch eine „Vorstellung“ und nicht ein Satz. Das heißt: Es ist ein Inhalt, der als Bestandteil eines Satzes auftreten kann und doch kein Satz ist. Zum Beispiel: „die arithmetische Wahrheit, dass 25 nur algebraische Gleichungen (der bekannten Art) algebraisch lösbar sind“. Das ist keine volle Aussage, aber ein mögliches Aussagesubjekt. Der Aussageinhalt und die ihm entsprechende Subjektvorstellung haben nicht etwa gleichen Inhalt, sonst wären sie ja beide derselbe Inhalt; vielmehr 20
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Spätere Randbemerkung: „(Dies) ist ein Hirsch.“ – Anm. des Hrg. Später wurden an den Rand dieses Textes ein Frage- und ein Ausrufezeichen geschrieben. – Anm. des Hrsg. 3 Die letzten zwei Sätze dieses Absatzes wurden später gestrichen. – Anm. des Hrsg. 4 Wohl aus den späten 1890er Jahren. – Anm. des Hrsg. 5 Spätere Randbemerkung: „Doch gebrauche ich ‚Satz‘ schon für Urteil in specie. Also vielmehr: Satzmaterie. Wir sagen ja auch nicht von Urteil und Wunsch desselben Inhalts, dass ein gleicher Satz zugrunde liege.“ – Anm. des Hrsg. 6 Spätere Ergänzung: „(nominale Vorstellung)“. – Anm. des Hrsg. 2
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haben wir zwei einander gesetzmäßig entsprechende Inhalte. Zu jedem Satz gehört ein Subjektinhalt, der diesen Satz vorstellt. Zwischen Vorstellung des Satzes und Vorstellungsakt desselben Inhalts, also Vorstellungsakt, der diesen Satz zum Inhalt hat, ist demnach zu unterscheiden. Stelle ich den Satz vor, so habe ich den Satz zum Gegenstand, also ist das etwas anderes als 5 eine Vorstellung haben, die den Satz zum Inhalt statt zum Gegenstand hat. Stelle ich vor, dass jetzt schönes Wetter sei (während es gerade gießt), so stelle ich den Satz vor. Dies tue ich, wenn ich etwa sage „der Satz, dass jetzt schönes Wetter ist“ und etwa hinzufüge, es sei ein gelegenheitlicher Satz und dgl. 10 So wie die Vorstellung eines Tisches und die Wahrnehmung desselben Tisches (wenn die Vorstellung wirklich ein genaues Abbild der Wahrnehmung ist) denselben Inhalt und nicht bloß denselben Gegenstand haben, so kann auch ein Satzinhalt in einer Vorstellung und in einem Urteil gegeben sein. Das Urteil ist die Erscheinung des Sachverhalts durch einen gewissen Inhalt. 15 Die Vorstellung ist eben Vorstellung desselben Sachverhalts durch denselben Inhalt. Ebenso kann derselbe Inhalt „S ist P“ Inhalt eines Wunsches, einer Besorgnis etc. sein. In allen diesen Fällen wünsche ich ja nicht, frage ich nicht etc. nach dem Satz, sondern nach dem Sachverhalt.
Beilage XIX Urteil: Erscheinung, dass es so ist. Vorstellung des Sachverhalts ist nicht gleich Vorstellung des Urteils1
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„Vor dem Museum in Berlin steht das Denkmal Friedrich Wilhelm des Dritten.“ So urteile ich, das scheint mir so zu sein. Indem wir vom Urteil sprechen, haben wir die Beziehung dieser Seinserscheinung zu irgendeinem 25 Ich, das die Erscheinung als psychisches Phänomen hat. Indem wir aber im Urteil leben, denken wir an kein Ich, sondern die Erscheinung besteht „Es ist S P!“.2 Sprechen wir von Urteilen, so haben wir in der Regel empirische psychische Zusammenhänge im Auge. Und sprechen wir von dem Urteil, so haben 30 wir Allgemeinheiten im Auge, die sich auf Urteile überhaupt beziehen. Hier ist Urteil ein Klassenbegriff für individuelle Einzelheiten. Sprechen wir aber von Sätzen, so haben wir die Urteilsinhalte im Auge. Das heißt, auf das
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Wohl aus den späten 1890er Jahren. Spätere Randbemerkung: „Durchaus richtig, vidi 1910.“ – Anm. des Hrsg. 2 Spätere Randbemerkung: „Hätte ich das doch festgehalten!“ – Anm. des Hrsg.
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Psychologische kommt es nicht an, sondern auf die ideale Einheit, auf das Spezifische der Erscheinung „S ist P“. Wie steht es nun mit der Vorstellung, dass S P ist? Ich stelle mir vor, dass da eine elektrische Bahn über die Anden geht. Oder in anderer Form, ich stelle mir vor: Eine elektrische Bahn geht über die Anden. Damit stelle ich mir nicht das Urteil vor, d. h., ich stelle mir nicht etwa ein psychisches Erlebnis vor. Stelle ich mir nun aber den Satz vor? Nein. Ich stelle mir ja nicht eine Spezies vor, sondern ich stelle mir eben vor: Eine elektrische Bahn geht über die Anden. Wie steht es nun mit dem Spezifischen dieser modifizierten Erscheinung? Es scheint mir nicht so zu sein. Ich glaube es gar nicht. Aber augenblicklich urteile ich überhaupt nicht. Ich stelle es mir vor. Wie steht nun eines zum anderen? Vorhin hatte ich die Erscheinung des Soseins. Soll ich sagen: Jetzt habe ich nicht die Erscheinung, sondern ich stelle die Erscheinung vor? Aber dann müsste ich doch sagen: Vorhin hatte ich das Urteil, und jetzt stelle ich ein Urteil vor. Oder nicht vielmehr: Vorhin erschien mir, dass es so ist, das Sosein, und jetzt erscheint mir nicht, dass es so ist, aber das Sosein stelle ich vor? Das Analogon: Einmal habe ich eine Wahrnehmung oder eine mit dem Seinscharakter versehene sonstige Vorstellung, und das andere Mal habe ich eine „bloße“ Vorstellung. In ihr stelle ich den Gegenstand vor, und ein andermal nehme ich den Gegenstand wahr. Also darüber, scheint es, kommt man nicht hinaus: Ein Sachverhalt, dass ein S P ist, „erscheint“. Das Ideale ist der Satz. Ein Sachverhalt, dass ein S P ist, wird vorgestellt. Das Ideale ist die Satzvorstellung, aber nicht Vorstellung des Satzes. Aber was ist das Gemeinsame? Man sagt doch: Derselbe Sachverhalt, der einmal als wahr erscheint, wird ein andermal bloß vorgestellt. Warum lehne ich oben eigentlich ab: Es wird das Urteil vorgestellt? Wenn ich die Erscheinung habe, wenn es mir so zu sein scheint, dass auf den Anden die Eisenbahn geht, so urteile ich. Aber indem ich urteile, erscheint mir eben: Die Eisenbahn geht auf den Anden. Ich blicke nicht auf das Subjektive hin, sondern auf die Anden, die Eisenbahn und deren Beziehung erfasse ich. Und das Interesse ist so geartet, dass ich auf das psychische Phänomen gar nicht verfalle. Darin lebe ich. Ich bin damit dem Gegenständlichen, dem Erscheinenden zugewendet. Wenn ich aber bloß vorstelle, so stelle ich eben vor, dass es so sei; ich stelle, könnte man sagen, eben dasselbe Erscheinende vor. Das E rsc hei nende, aber nicht das Erscheinen, das Sei n und nicht das Urte i l en. Wir haben auf der einen Seite das Glauben, dass so etwas ist, auf der anderen Seite das bloße Vorstellen, auf einer Seite „S ist P“, den Satz (nicht die Wahrheit), auf der anderen Seite die Vorstellung, dass S P ist, die kein Satz ist, sondern die Vorstellung, dass es so sei. Das Verhältnis ist analog wie das
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zwischen Wahrnehmung eines Wunsches und bloßer Vorstellung desselben. Andererseits ist es nicht das Verhältnis zwischen Urteil und Vorstellung eines Urteils, Satz und Vorstellung des Satzes. Die Vorstellung „2 × 2 ist 5“ ist nicht Vorstellung des Satzes, sondern die Vorstellung, dass es so ist.
Beilage XX Dass-Sätze als Subjektbedeutungen1 Dass morgen schönes Wetter sein wird – das ist mir fraglich, das vermute und wünsche ich, das glaube ich nicht, davon bin ich überzeugt, das ist wahr oder falsch, das ist eine Möglichkeit. Dass im Mars intelligente Menschen wohnen – das ist ein schöner Gedanke, das ist recht wahrscheinlich, das ist gar nicht so sicher, wahr und falsch. Was sind in solchen Sätzen die Subjekte? Und wie verhält es sich bei ihnen in Ansehung der Lehre von der Existenz des Subjektgegenstands in den affirmativen kategorischen Sätzen? Zunächst möchte man denken, es sei der Sachverhalt Subjekt. Aber wenn ich ihn leugne, so kann er nicht anerkannt sein, seine Existenz kann nicht als wahrhafte hingestellt sein. Aber wenn ich sage „Dass morgen schönes Wetter ist, ist möglich oder eine Möglichkeit“, so kann ich ebenso gut sagen, dass morgen schönes Wetter eine Möglichkeit ist. Und da sieht man schon, dass die Redeweise uneigentlich ist. Das schöne Wetter ist eine Art von Wetter, nicht eine Art von Möglichkeiten. Und so ähnlich mag es sich mit dem, was der Satz besagt, verhalten. Eine Tatsache (z. B. ein Ereignis, ein geometrisches Verhältnis und dgl.) ist, eigentlich zu reden, keine Möglichkeit, sondern eben ein Ereignis, ein Verhältnis, ein Sachverhalt. Was ist nun das wahre Subjekt? Sollen wir sagen: das Urteil „S ist P“? Ich kann wohl sagen: Das Urteil ist mir fraglich, das Urteil ist wahr. Aber wenn ich durch einen Satz einen Wunschinhalt bezeichne, so kann nicht das Urteil gemeint sein. Ich wünsche nicht das Urteil, dass morgen schönes Wetter ist, wenn ich sage ... etc. Nun ist es klar, dass bei der entsprechenden Frage das Subjekt genau dasselbe ist, und so ist bei ihr eigentlich auch nicht „das Urteil“ Subjekt. Ich vermute ja auch nicht das Urteil, sondern ich vermute, dass S P ist. Ich frage auch nicht nach dem Urteil, sondern ich frage, ob S P ist. Und auch wenn ich sage „Dass ich alle Mühe angewendet habe, ist wahr“, so meine ich doch nicht: Das Urteil ist wahr. Was soll nun das Subjekt sein? Etwa die Vorstellung? Wünsche ich die Vorstellung, frage ich nach der Vorstellung, nenne ich die Vorstellung (im
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eigentlichen Sinn) wahr? Das geht also auch nicht, also weder der objektive Sachverhalt noch das Urteil noch die Vorstellung. Da gibt es folgenden Ausweg: Das Subjekt ist der Satzgedanke, der Inhalt des Wunsches, die Frage etc. Der Satzgedanke „Morgen ist schönes Wetter“ 5 ist Inhalt einer berechtigten Frage, ist Inhalt eines berechtigten Wunsches (oder ist der Inhalt meines Wunsches), ist der Inhalt einer berechtigten Vermutung, „ist wahr“ = „ist Inhalt eines berechtigten Urteils“.1 Also was gleichwertig ist: Die Frage, die Vermutung, der Wunsch, das Urteil (in specie) dieses Inhalts ist berechtigt.2
Beilage XXI Sachverhalt und Wahrheit3
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Ein Satz stellt einen gewissen Sachverhalt vor, z. B. „a ist ähnlich mit b“. Vorgestellt ist das Ähnlichsein des b mit a, vorgestellt ist der Bestand einer Ähnlichkeit zwischen a und b und dgl. In der Wahrheit ist eben der wirkliche Bestand dieser Ähnlichkeit gegeben. Im Erlebnis der bloßen Satzbedeutung, in einem Akt des Vorstellens verstehe ich den Satz, ohne zu urteilen. Im Erlebnis der Satzbedeutung, in einem Akt des Urteilens steht mir der Satz mit dem Charakter der Gültigkeit gegenüber. Er erscheint mir als Wahrheit. In der Aussage stelle ich ihn auch als Wahrheit hin; aber im Erlebnis ist mir die Wahrheit als solche nicht gegeben. Im Erlebnis der Wahrheit erlebe ich, dass a ähnlich b ist, ich nehme es wahr. Die Satzbedeutung ist in solcher Weise auf die Anschauung bezogen, dass sie ihr adäquat angemessen ist. Die Wahrheit besteht nicht in dem Urteil über diese Angemessenheit, sondern in der Deckungseinheit selbst, das Erlebnis der Wahrheit in dem Erlebnis dieser Bedeutungserfüllung. Stellt der Satz die Wahrheit vor, so kann die Wahrheit nicht in der Übereinstimmung des Satzes mit seinem Gegenstand bestehen. Der Gegenstand wäre ja die Wahrheit. Stellt der Satz den „Sachverhalt“ vor, so kann die Wahrheit in der Übereinstimmung des Satzes mit dem Sachverhalt bestehen. Im Erlebnis der Wahrheit findet kein Verhältnis zwischen Satz und etwas anderem statt; ganz so wie der Satz nicht in der Vorstellung der Übereinstimmung dieses Satzes mit irgendetwas besteht, so besteht die Wahrheit
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Spätere Randbemerkung: „Richtig, 1910.“ – Anm. des Hrsg. Spätere Einfügung: „Also der Satzinhalt.“ – Anm. des Hrsg. 3 Wohl aus den späten 1890er Jahren. Spätere Randbemerkung: „Richtig.“ – Anm. des Hrsg. 2
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nicht in der Übereinstimmung des Satzes mit irgendetwas, wofern unter Übereinstimmung ein Gleichheitsverhältnis verstanden sein soll. Sage ich „Gold ist gelb“ und liegt dem Anschauung zugrunde, so bezieht sich „Gold“ auf den Gegenstand, „gelb“ auf seine Beschaffenheit als solche. „Ist“ drückt natürlich nicht die Übereinstimmung des ganzen Satzes mit der Anschauung aus (der ganze Satz enthält schon das „ist“), sondern das Zusammen, wodurch das Gelbe als das des Goldes dasteht, es ist also Ausdruck der Einheitsform der Bedeutungen und hat sein Gegenständliches in der Einheit der entsprechenden Sachen. Dem Wahrheitserlebnis wohnt also nicht das Vorstellungserlebnis als Teil ein, als ob ich die Vorstellung auf ein Zweites beziehen und diese Beziehung erfasst würde. Die Vorstellung „Gold ist gelb“ oder die Vorstellung davon, „dass Gold gelb ist“, stellt, wird man sagen, nicht die Übereinstimmung zwischen „Gold ist gelb“ und der Anschauung, dem Gegenstand, vor, sowenig als die Vorstellung „Gold“ die Übereinstimmung der Vorstellung „Gold“ mit dem Gold selbst vorstellt. Sondern „Gold“ stellt eben Gold vor. Die Vorstellung „Gold ist gelb“ stellt eben vor „ G ol d i st gel b, “ also die in dieser Wahrheit gegebene objektive Sachlage. 1) Verstehen wir unter „Wahrheit“ die Übereinstimmung zwischen Satzvorstellung und dem, was sie setzt,1 so ist die Satzvorstellung natürlich keine Vorstellung der Wahrheit. 2) Verstehen wir unter „Wahrheit“ die Eigenschaft der Satzbedeutung, dass ihr eine objektive Sachlage entspricht, dann stellt die Satzbedeutung, Satzvorstellung wieder nicht diese Eigenschaft vor. Ebenso: Wahrheit = eine Satzbedeutung mit der Eigenschaft, dass … 3) Verstehen wir unter „Wahrheit“ den wirklich bestehenden Sachverhalt, das Wahre, so ist die Satzvorstellung Vorstellung dieses Sachverhalts. Wahrheit im ersten Sinn erleben wir in der Evidenz, sofern dabei die Satzbedeutung in gliederweiser Deckung steht mit dem Sachverhalt, und ebenso natürlich im dritten Sinn. Gegeben ist uns die Wahrheit als Beschaffenheit auch in demselben Erlebnis; aber erst in der Beurteilung desselben und in der prädikativen Gliederung tritt in einer neuen Wahrheit diese Beschaffenheit hervor. Sprechen wir von der Wahrheit „2 × 2 ist 4“, so meinen wir sicher nicht die Übereinstimmung, auch nicht die Eigenschaft des Satzes, dass ihm etwas entspricht, sondern den Satz selbst als einen solchen, dem etwas entspricht. „2 × 2 ist 4“ ist w ahr, d. h., dem Satz „2 × 2 = 4“ entspricht sein Sachverhalt. Die Wahrheit des Satzes „2 × 2 ist 4“ = die Eigenschaft desselben, dass ihm
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etwas entspricht (z. B. mit dem Prädikat „Die Wahrheit – ist unzweifelhaft“). Den Sachverhalt nennt man wohl nicht Wahrheit. Also kann man auch nicht den Satz als Vorstellung der Wahrheit bezeichnen.
Beilage XXII Wahrheit als das Sein selbst1
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Die Satzvorstellung stellt ein Sein vor, stellt vor, dass etwas ist.2 Das Urteil nimmt ein Sein an, behauptet es; es behauptet, hält für wahr, dass etwas ist oder nicht ist. Die Wahrheit ist das Sein selbst.3 Die Vorstellung „2 × 2 ist 4“ stellt vor, dass 2 × 2 4 ist. Das Urteil „2 × 2 ist 4!“ behauptet eben dies. Beide Aktarten haben denselben Bedeutungsgehalt4 und beziehen sich mittels desselben auf dieselbe Wahrheit. Denn die Wahrheit ist der Gegenstand, der hier vorgestellt bzw. geurteilt ist. Dieser selbe Gegenstand kann auch in anderen Vorstellungen gegeben sein. Zum Beispiel: „das Gleichsein von 2 × 2 und 4“. Dieses Gleichsein selbst ist die Wahrheit, und die Wahrheit ist dieselbe in dem Urteil „Es ist 2 × 2 4“. Die Vorstellungen (im allgemeinen Sinn) unterscheiden sich durch „die“ Bedeutung. Ebenso die Urteile (im generellen Sinn). Die Wahrheiten differenzieren sich nicht mit den Bedeutungen. Dieselbe Wahrheit5 kann in verschiedenen wahren Urteilen geurteilt und in gültigen Vorstellungen vorgestellt werden. Also, wie nicht jeder Vorstellung ein „Gegenstand“ entspricht, entspricht nicht jeder Seinsvorstellung ein Sein, und nicht jedem Urteil eine Wahrheit, d. h. wieder ein Sein. „Ein Sein“, das kann auch ausgedrückt werden durch „ein Sachverhalt“. Jedes Urteil hält etwas, nämlich einen Sachverhalt für wahr. Jedes Urteil behauptet eine Behauptung. Doch wird dieser Ausdruck missverstanden werden. Man wird damit meinen können, dass jedem Urteil in der Tat Wahrheit entspreche, dass es für jedes Urteil eine entsprechende Wahrheit gibt. Wir sagen daher lieber: Jedes Urteil urteilt etwas als wahr oder hält etwas für wahr oder behauptet einen Sachverhalt. Der Gegenstand des
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Wohl aus den späten 1890er Jahren. – Anm. des Hrsg. Spätere Randbemerkung: „Satzvorstellung heißt nicht Vorstellung des Satzes, sondern die dem Satz selbst einwohnende Vorstellung des Sachverhalts.“ – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Randbemerkung: „Also der Sachverhalt selbst (im anderen Sinn ist Wahrheit vielmehr das gültige Urteil in specie).“ – Anm. des Hrsg. 4 Über „Bedeutungsgehalt“ spätere Ergänzung „Inhalt“. – Anm. des Hrsg. 5 Unter „Dieselbe Wahrheit“ spätere Ergänzung: „derselbe Sachverhalt!“ – Anm. des Hrsg. 2
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Urteils ist also vermeintliche Wahrheit. Wir könnten auch sagen intendierte Wahrheit. (Nach dem Obigen ist das Gleichsein von 4 und 2 × 2, dies, dass 4 = 2 × 2, dies, dass 2 × 2 = 4, derselbe Sachverhalt, dieselbe Wahrheit.) Diese Unterscheidung zwischen intendierter und wirklicher Wahrheit, zwischen wirklichem und bloß geglaubtem Sachverhalt weist auf neue Urteile hin, in denen über die Urteile geurteilt wird. Jedes Urteil ist entweder richtig oder unrichtig, in Bezug auf jedes Urteil A ist eins von beiden Urteilen wahr (= richtig); A gilt oder A gilt nicht, und ebenso von jeder Satzbedeutung A ist eines von beiden wahr. Die Unterscheidung von vermeintlicher und wirklicher Wahrheit, von bloß geurteilten und wahren Sachverhalten weist also hin auf gewisse gültige Urteile, auf gewisse geltende Beziehungen zwischen Vorstellungen bzw. Urteilen und Wahrheiten. Jeder Satz stellt einen Sachverhalt vor, aber nicht jedem entspricht ein Sachverhalt. Das weist wieder darauf hin, dass ich hypothetisch urteilen kann „Gesetzt, dass A gelte, dann hätte der Sachverhalt A zur Folge den Sachverhalt B“ etc. Es gliedert sich A in gewisse Gültigkeitszusammenhänge ein. Handelt es sich um die Erklärung der Rede „Jedes Urteil urteilt über einen Sachverhalt, also ist darin ein Sachverhalt gedacht, er existiert mindestens im Denken“ etc., so werden wir hingewiesen auf gewisse Urteile über Urteile. Wir sind überzeugt, dass jedes Urteil in Urteilszusammenhänge eintreten kann, welche, die Wahrheit des gegebenen Urteils vorausgesetzt, zu Aussagen über seinen Sachverhalt führen; während, wenn diese Wahrheit nicht besteht oder hypothetisch bleibt, nur Aussagen ergeben, die, vorausgesetzt, dass A wahr wäre, über einen Sachverhalt etwas aussagen würden. Das alles setzt nicht voraus, dass dem Urteil wirklich etwas anderes einwohnt als ein Bedeutungsgehalt; es setzt nicht voraus, dass es zweierlei Entitäten gebe, wirkliche Sachverhalte und eine zweite Seinsweise: vorgestellte oder geurteilte. Objektiv aber bestehen gewisse Wahrheiten, die auf Sätze überhaupt gehen, und ihnen entsprechende richtige Urteile bzw. Sätze. Es fragt sich nun bloß das Eine: Ob es am passendsten ist, Wahrheit mit Sachverhalt zu identifizieren, oder ob man unter „Wahrheit“ verstehen soll die Bedeutung, welcher es zukommt, dass ihr ein Sachverhalt entspricht, oder gar, ob man das Entsprechen selbst, die „Übereinstimmung“ als Wahrheit bezeichnen soll. Auch kann die Eigenschaft des Satzes, dass ihm ein Sachverhalt entspricht, als Wahrheit desselben bezeichnet werden. Alle Rede von der Wahrheit setzt voraus, dass wir den Unterschied zwischen bloß vorgestellter und geurteilter Wahrheit und dem wirklichen Erfassen der Wahrheit selbst irgendeinmal erlebt haben oder erlebt zu haben fest überzeugt waren. Und es muss hier etwas Eigenartiges vorliegen, da wir sonst nie hätten dazu kommen können, zumal zwischen Urteil und Wahrheit
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zu unterscheiden. Dass wir früher A urteilten und jetzt non-A, das könnte doch keinen wesentlichen Unterschied begründen. Vielleicht urteilen wir ein anderes Mal wiederum A. Das Erlebnis, um das es sich handelt, haben wir in der Evidenz, in ihr ist der Gegenstand nicht bloß vorgestellt, sondern er 5 ist selbst da, und gehen wir von der bloßen Vorstellung zur Evidenz über, so erleben wir die eigentümliche „Übereinstimmung“, die eigentümliche Beziehung, wonach dies da eben das ist, was ich vorher bloß vorgestellt habe, wonach die Vorstellung bloß meint, was hier an sich selbst da ist und besteht. Wir haben also einmal das Erlebnis der Wahrnehmung und fürs Zweite das 10 Erlebnis der Geltung in ihren beiden Besonderungen: der einzelnen Geltung, die Wahrnehmung voraussetzt, und der allgemeinen Geltung, die in Einsicht gründet.
Nr. 5 Was ist das Wesen der „ Urteilstheorie “, die w ir zugrunde legen müssen?1 1) Aussagen ist Urteilen.2 Versteht man unter „Urteil“ jedes Erlebnis, dessen „Inhalt“ wahr oder falsch ist, so ist der Begriff Urteil weiter als der Begriff der Aussage (Prädikation); nämlich jede Wahrnehmung ist in diesem Sinn ein Urteil. In der Wahrnehmung (im gewöhnlichen Sinn) erscheint ein Gegenstand, und zwar erscheint er als daseiend, ohne dass jedoch das Sein von ihm prädiziert würde. In der Wahrnehmung leben wir, und auf den Gegenstand blicken wir hin. Der Gegenstand ist da und hat den Charakter des Seienden, aber dass er ist, sein Sein, kommt nicht zu eigenem und beziehendem Bewusstsein. Im Existentialsatz drücken wir nicht bloß eine Wahrnehmung aus – auch wo der Existentialsatz aufgrund der Wahrnehmung statt hat –, sondern da prädizieren wir Sein. Es gibt auch analoge absolute Positionen, wie die Wahrnehmung ein Beispiel ist. So die Erinnerung, aber auch Positionen in der Aussage, die als solche zum Ausdruck kommen: „Dieses Haus ist ein hässlicher Kasten“. Sage ich „dieses Haus“, so habe ich keine Existentialaussage gemacht, aber die Existenz ist zum Ausdruck gebracht. Jedoch nur so, dass die Für-wahr-Setzung zum Ausdruck kommt. Es ist mir anders zumute bei einem bloß Vorgestellten und einem Gesetzten, und das kommt zur Ausprägung in der Wahl des Ausdrucks, ohne dass ich prädizierte. Man kann vielleicht sagen: Eine Prädikation liegt zugrunde, aber nicht die Prädikation selbst ist Bestandstück der Bedeutung der Aussage, sondern ihr Resultat: die Seinsvorstellung. 2) Aussagen ist Prädizieren, und Prädizieren ist beziehendes Urteilen. Beziehendes Urteilen ist ein Erlebnis, in dem eine Beziehung zum aktuellen Bewusstsein kommt, d. h. als seiend erscheint. Dies aber ist nur möglich in einem eigenen beziehenden Akt, und zwar ist der beziehende Akt eine inhaltlich eigentümliche Weise der Setzung; die urteilende Setzung ist nämlich entweder eine absolute oder Lesenswert! 1910! – Aus der Zeit vor den Logischen Untersuchungen, spätestens 1898. 2 Spätere Einfügung: „(aber nicht umgekehrt)“. – Anm. des Hrsg. 1
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sie ist eine relative, d. h. eine Beziehungssetzung, die Grundsetzung erfordert und voraussetzt. In ihr konstituiert sich subjektiv die Erscheinung (Seinserscheinung) von Sachverhalten. Es ist also eine höhere Stufe des Urteilens. Ein Sachverhalt kann als Gegenständliches eines Urteils (als voller Urteilsgegenstand) nur in der Prädikation zur Erkenntnis kommen. Denn wenn ich z. B. sage „Der Satz M ist wahr“, so ist dieser Satz natürlich eine Prädikation, die nicht nur den Sachverhalt M enthält. Wenn ich so urteile, kann ich es vielleicht tun aufgrund früherer Erkenntnis, und dann prädiziere ich M selbst nicht. Aber ich habe jetzt eine Prädikation mit neuem Inhalt. Einsehen jedenfalls kann ich die Wahrheit von M nur in einer Prädikation von M. Auch das Existentialurteil ist eine Prädikation. Es sind hier wechselnde aber äquivalente Gedanken, die zum Ausdruck kommen. Sage ich „Regelmäßige Dekaeder gibt es nicht“, so stelle ich mir regelmäßige Dekaeder vor und verwerfe die Vorstellung. Die Vorstellung (die Setzung von dergleichen) ist eine ungültige, gegenstandslose. Doch ist es fraglich, ob das nicht eine gezwungene Auslegung ist. Das „Es gibt“ weist auf eine Sphäre des Seins hin (universe of discourse): Unter den geometrischen Gebilden (bestimmt durch die Grundgesetze des Raumes) gibt es derartige nicht, unter ihnen finden sich solche nicht. Die der Anschauung nahe liegende Vorstellung von dem Sich-ineiner-Sphäre-Finden, Darin-Enthaltensein usw. kann übrigens zum Etymon werden für andere Gedanken verwandter Art. So für die Verwerfung der Vorstellung selbst, für die Erkenntnis der Unverträglichkeit der Prädikate und dgl. „Runde Vierecke gibt es nicht“. Ich erlebe die Unverträglichkeit und sage das „Sich-nicht-Finden“ aus. Ich verwerfe die Vorstellung (also die Vorstellung ist eine ungültige, d. h., ich stelle mir die Setzung vor und verwerfe diese), aber ich sage das Nichtgeben aus, als ob ich in einer Sphäre suchen und das Gesuchte darin nicht finden würde. Andererseits kann auch der Gedanke wirklich maßgebend sein: Im Raum gibt es dergleichen nicht. In jedem Fall haben wir eine Prädikation. Im einen Fall ist die Setzung der Vorstellung die Grundsetzung, im anderen Fall die Setzung des Raumes. Sage ich „Es brennt“, so ist das ein unvollkommener (gelegenheitlich bestimmter) Ausdruck. „Es brennt – in der Vorstadt.“ Es brennt irgendwo, aber ich würde nicht sagen „irgendwo“, denn ich will nicht sagen, dass es an einem beliebigen unbestimmten Ort
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brennt, sondern ich habe einen bestimmten Ort im Auge, den ich nur nicht nenne. Es brennt in der Ulrichstraße, oder es brennt das Rathaus und dgl. Ich drücke nicht bloß die Wahrnehmung oder eine schlicht setzende Auffassung aus, sondern ich beziehe den Brand auch auf einen Ort, und dessen verschwiegene Setzung ist die Grundsetzung. Jedenfalls können wir sagen: Jed er lo gisch e, d . i. vo llst än d ige und feste E xistentialsatz ist eine Prädikation. „Es gibt gerade Zahlen – in der Zahlenreihe.“ Oder: „Unter den Zahlen gibt es gerade Zahlen“. Oder: „Der Begriff der geraden Zahl ist ein solcher, dem etwas entspricht (der Fundament einer gültigen Setzung ist)“. Ich habe die Vorstellung mit dem Charakter der Zustimmung, ich stimme der Vorstellung zu, oder ich leugne, ich verwerfe die Vorstellung. Nun drücke ich aus, ich blicke auf das Gegebene hin, nicht auf mein Ich, sondern auf das Erlebnis des Anerkennens oder Verwerfens, aber wieder nicht als Erlebnis, sondern indem ich der Vorstellung zustimme, erscheint mir objektiv, dass S P wahr ist, und indem ich verwerfe, erscheint mir, dass S P falsch ist. Nicht sage ich aus mein Zustimmen, sondern ich sage aus „Dass S P ist, das ist, das gilt“ oder „Dass S P ist, das ist nicht, das gilt nicht“. Ausdrücken kann ich nur, was erscheint, was wahrgenommen wird; und was wahrgenommen wird, ist ein Gegenständliches. In jedem Akt erscheint etwas, ist etwas gegenständlich. Das ist noch nicht völlig klar: Ist also die Wahrnehmung ein U rteil? Und was m acht den Unterschied zwischen Wahrnehmung und Aussage? Und kommen wir am Ende wieder darauf zurück, dass alle Ausdrücke Ausdrücke primär von Urteilen sind und dass andere psychische Erlebnisse eben nur durch das Medium von Urteilen zum Ausdruck kommen können? Da gilt es, den Kopf zusammenzunehmen. 1) Der Unterschied zwischen Wahrnehmung, Erinnerung und ähnlichen Akten auf der einen Seite und bloßen Phantasien besteht. Und sicher kann ich reflektiv sagen: In der Wahrnehmung erscheint mir etwas als gegenwärtig, in der Erinnerung etwas als gewesen, in dem Gedanken an eine bekannte Person erscheint diese mir als etwas Wirkliches usw. In der Phantasie als „bloße“ Einbildung habe ich „Erscheinungen“, aber nicht in dem Sinn der vorher erwähnten Akte. Ich habe bloße Vorstellungen, aber sie gelten n ichts und evtl. knüpfen sich an die Vorstellungen Verwerfungen. Die Vorstellung erscheint mir als b loße Einbildung: Darin liegt schon
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eine Verwerfung. Ich folge dem Zug meiner Phantasie und belustige mich an eigenen Schöpfungen. Hier lasse ich das Phantasierte gelten, ich nehme es hin, aber ich nehme es nicht als wahrhaft auf. Es gilt nicht als wirklich, aber auch nicht als unwirklich, sofern nicht der Verwerfungsakt den Phantasien folgt. 2) Ich stelle vor, ich n ehme wahr usw., n icht bloß Gegenstände, sondern auch Ereignisse, S achverhalte. Ich nehme einen Gegenstand wahr, an ihm eine Bestimmtheit oder neben ihm einen anderen Gegenstand, und zwar sind das n ich t iso liert e Wa h r n eh mu n g en , sondern indem ich zunächst das Ganze wahrnehme und dann den Teil, erscheint der Teil auch als Teil im Ganzen, die Nachbarschaft als Nachbarschaft usw. So gibt es auch ein beziehendes Wahrnehmen und Vorstellen, und auch hier die Unterschiede zwischen bloßem Vorstellen, Wahrnehmen und Verwerfen. Zum Beispiel: Ich stelle ein Ereignis in der Phantasie in gegliederter Weise vor, ich folge den sachlichen Zusammenhängen, aber das Vorgestellte gilt mir nicht, oder es wird sogar verworfen. 3) Ich drücke aus, was ich wahrnehme, was ich annehme oder verwerfe, oder auch, was ich bloß vorstelle. Was geschieht da? Wie kommt es zur Aussage? Sollen wir sagen: Indem ich ausdrücke, kann ich nur das „ausdrücken, was mir erscheint“? Und wo ich verwerfe, kann ich nur ausdrücken, dass, was hier erscheint, nämlich dass das Vorgestellte nicht ist, dass die Vorstellung eine bloße Einbildung, eine ungültige Vorstellung ist? Auch wenn ich einen Wunsch hege, so liegt in der Tatsache des Ausdrucks, dass ich auf den Wunschgegenstand hinblicke, und was ich da wahrnehme, drücke ich aus. Ich lebe im Wunsch, und darin erscheint mir ein Wunschinhalt „Möge Gott helfen“ und dgl. Das nehme ich wahr, und das kommt zum Ausdruck. Und nun ist die Sache so: Wenn ich annehme, so erscheint mir die Vorstellung als eine gültige, und wenn ich verwerfe, als eine ungültige. Das Vorgestellte existiert, existiert nicht. Wenn ich verwerfe, so blicke ich nicht auf die Verwerfung hin (nein, in dieser lebe ich), sondern ich blicke auf das, was ich verwerfe, hin, und dieses hat den objektiven Charakter des Ungültigen. In diesem Charakter erscheint es mir. Ebenso wenn ich wahrnehme, so erscheint mir der Gegenstand in der Weise des Gegenwärtigen; wenn ich mich erinnere in der Weise des Gewesenen. Ich habe also immer Erscheinungen, d. i., ich habe immer Erlebnisse der Geltung.
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4) Wie ist es nun, wenn ich gar keine anschauliche Vorstellung habe, sondern bloß verstandene Ausdrücke? Ich kann eine Vorstellung haben, ohne zuzustimmen oder abzulehnen, ich kann sie haben mit Zustimmung oder Ablehnung. Zum Beispiel: „die algebraische Zahl π“. Ich stelle mir das vor. Ich verwerfe es, ich nehme es an. Oder „π ist eine algebraische Zahl“. Hier habe ich ein Erlebnis: die ausdrückliche Vorstellung, sei es eine nominale oder eine Satzvorstellung und auf sie bezogene Akte der Annahme oder Verwerfung. Nun aber in diesen Akten erscheint mir die Vorstellung als gültig oder ungültig, als gegenständlich oder gegenstandslos, und in ihnen bringe ich zum Ausdruck, was mir da erscheint. So erwachsen die Aussagen „Dass π eine transzendente Zahl ist, das ist wahr“, „Dass π eine algebraische Zahl ist, das ist falsch“, „Die algebraische Zahl π – dergleichen gibt es nicht, d. h., eine Zahl, welche dieser Vorstellung entspricht, gibt es nicht“ usw. In jedem Fall drückt die Aussage aus, dass etwas zu sein scheint, dass etwas zu gelten beansprucht, dass ein gewisser Sachverhalt besteht. Und der Inhalt der Aussage kann sich konstituieren in Akten des Beilegens oder Absprechens. Das sind verschiedene Akte, denen aber gemein ist, dass in ihnen ein Sachverhalt erscheint oder dass sie Akte sind, welche auf Geltung Anspruch erheben. Das Korrelat der Geltung ist ein Sein. Und Nichtsein ist ein Spezialfall von Sein. Das hebt nicht den Unterschied des affirmativen und negativen Urteils auf, aber es besagt, dass im einen und anderen nicht etwa dasselbe geurteilt wird oder werden kann, sondern dass Verschiedenes geurteilt wird. Im Anerkennen konstituiert sich ein affirmativer Sachverhalt, im Verwerfen ein negativer. Der Urteilscharakter ist der Charakter des Erscheinens, des Zu-sein-Scheinens, und was da zu sein scheint, kann entweder die Form haben „Es gibt S“ oder „Es gibt S nicht“, „Es kommt S P zu“ oder „nicht zu“ usw. Nein. Ausdruckscharakter: Ausdrücken kann ich nur, was mir erscheint. Und etwas erscheint, das heißt, ein Vorgestelltes ist mir in dieser oder jener psychischen Charakterweise gegenwärtig. Der Urteilscharakter = Aussagecharakter aber ist nicht überhaupt der Charakter des Erscheinens, sondern der Charakter, in dem mir ein Sachverhalt, dass etwas ist oder nicht ist, dass S P ist etc., erscheint, und zwar für sich erscheint, ohne als Unterlage einer Prädikation, also als Subjekt zu fungieren, oder gar indirekt vorgestellt und gesetzt zu werden.
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5) Aber man wird sagen: „S ist nicht P“, das ist äquivalent mit „Es ist wahr, dass S nicht P ist“, „Es gibt nicht S“ = „Es ist wahr, dass es S nicht gibt“. Aber das eine und andere ist verschieden? Gewiss. Aber diese Äquivalenz besagt eben, was wir wollen, nämlich 5 dass negative Urteile ebenso wie die affirmativen ihren Sachverhalt haben, dass sie den Charakter von Geltung haben, dem immer ein Sachverhalt entspricht. Das Für-falsch-Halten ist ein Spezialfall des Für-wahr-Haltens.
Nr. 6 Ob alle Negation zur Materie gehört1 Gehört alle Negation zur Materie?2 Was heißt „zur Materie gehören“? Natürlich ist die Negation Sache des Aktes. Aber unter Materie kann eben Verschiedenes verstanden werden. Im einen Sinn gehört jedes „alle“, „einige“, „und“, „oder“ usw. zur Materie, im anderen gehört all das gerade zur Form. Nämlich, logisch machen all die Redeteile die Materie der Aussage aus, welche die logischen Gesetze fundieren, die Variablen der Gesetzmäßigkeiten. Alles andere macht die Form aus. Versteht man unter „Materie“ den Vorstellungsinhalt der Aussage, nämlich die Vorstellung des Sachverhalts, den sie für wahr hält, oder auch den Inhalt als das Gemeinsame zwischen bloßer Vorstellung des Sachverhalts und Urteil, so kann man eine Scheidung innerhalb der Aussage überhaupt nicht vollziehen. Alles, was sich in der Aussage unterscheiden lässt, gehört zur Materie, und doch wieder nicht alles, nämlich nicht die Redeform der Aussage als solcher. Bedeutungsmäßig gesprochen: Der Setzungsch arak t er, ideal genommen, ist die Form; der Setzungsin h alt, wieder ideal (spezifisch) genommen, ist die Materie. Es ist die Unterscheidung zwischen Urteil und dem Was des Urteils, seinem Inhalt. Ob ich aufgrund eines S das P beilege oder abspreche, ich halte etwas für wahr. Es erscheint mir so; es erscheint mir, es sei S P oder es sei S nicht P. Das Urteil als Ganzes unterliegt der idealen Wertung, und so erscheint in ihm als Ganzes ein Sachverhalt. Dieses Erscheinen im Sinn von prädizierendem Für-wahr-Nehmen lässt keine Differenzierung zu. Aller Unterschied liegt im Inhalt. Ist es so bei der Wahrnehmung überhaupt? Ihr Inhalt ist die Gesamtintention, deren Korrelat der Gegenstand ist. Gibt es da nur ein annehmendes Bewusstsein? Aber gibt es nicht ein Falschnehmen? Zum Beispiel: Ich habe eine Halluzination und weiß dies. Da hat die Erscheinung doch den geänderten Charakter. Der Gegenstand erscheint mir, aber ich nehme ihn nicht als seienden hin. 1 2
4.6.1899. Spätere Randbemerkung: „Das Urteil kennt keinen Unterschied der Qualität.“
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Das ist unzweifelhaft. Es zeigt sich ja auch im Bild, das mir mit anschaulicher Lebendigkeit einen gegenwärtigen Gegenstand (einen Gegenstand als gegenwärtigen) vorspiegelt, während ich ihn doch nicht für gegenwärtig halte. Das anschaulich Erscheinende tritt in Widerstreit zu der Wahrnehmungsumgebung und darunter vor allem zu mir selbst. Ich und meine Umgebung, das steht mir fest. Der Bildraum und die Bildgegenständlichkeit streiten mit dem Wahrnehmungsraum und seiner Gegenständlichkeit. Natürlich muss dieser als seiend ausgezeichnet sein. Man könnte zunächst meinen, die Widerstreitslosigkeit genüge. Aber wenn dann faktisch Widerstreit eintritt, so fehlte ja die Bestimmtheit für den Vorzug auf der einen Seite, und zwar für den relevanten Vorzug, der den Charakter des Wirklichen positiv ausmacht. Der sinnlichen Täuschung haftet der Widerstreitscharakter an. Das Erscheinende wird nicht wahrgenommen. Es gilt nicht als gegenwärtig, aber es erscheint als gegenwärtig, und es gilt als nichtseiend, d. h., es wird sein Widerstreitscharakter wahrgenommen, vielmehr es wird der Widerstreitscharakter der Erscheinung wahrgenommen, so könnte man sagen. Ist es also richtig, dass im Fall der Wahrnehmung im Wahrnehmungsbewusstsein der Gegenstand als gegenwärtig gilt (ohne dass das Sein selbst wahrgenommen würde), während im Fall der Falschnehmung, des Nichtseinsbewusstseins, nicht eine neue Bewusstseinsweise gegeben ist, sondern eine Wahrnehmung des Nichtseins? Aber das geht doch nicht an. Das Nichtsein konstituiert sich ja im Widerstreitsbewusstsein, Nichtsein ist nicht ein neuer Inhalt, der nichtseiende Gegenstand nicht ein neuer Gegenstand mit der Bestimmtheit „nichtseiend“. Oder sollen wir sagen: Die Erscheinung ist vom Widerstreitsbewusstsein getragen und erhält darin den Charakter des „nichts“, ihr Gegenstand den Charakter des Nichtseienden? Das gewiss. Aber ist damit nicht zugestanden, dass wir unvermeidlich der Wahrnehmung die Falschnehmung gegenüberstellen müssen?1 Ich sehe nicht ein, wie man darüber hinauskommt. In der positiven Wahrnehmung erscheint ein Gegenstand als (wahrhaft) gegenwärtig. 1
Darum brauchen sie aber keineswegs Akte zu sein, die als Arten einer engeren Gattung fungieren. Und wie immer, darauf kommt es nicht an. Urteil ist gar nicht Wahrnehmung im engsten Sinn, sondern Bewusstsein eines Sachverhalts.
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Er ist wirklich da. In der negativen Wahrnehmung erscheint er als gegenwärtig, aber nur als scheinbar, als nicht wirklich gegenwärtig. Dies steckt auch in der Bildauffassung, nur dass noch die eigentliche Bildlichkeit hinzutritt. Muss das nun nicht auch auf das Urteil übertragen werden, auf Prädikation? Gewiss, wenn jemand ein Urteil äußert, dem ich zustimme, so gilt mir der Sachverhalt als wahr (hier wie bei der schlichten Wahrnehmung, ohne dass Sein oder Gültigkeit prädiziert würde); und wenn ich nicht zustimme, sondern widerspreche, erscheint mir das Urteil (der Urteilsinhalt) als falscher; er hat den Charakter der Nichtigkeit. Ebenso wenn mir ein Urteilsinhalt in der Vorstellung vorschwebt und ich stimme nun zu bzw. ich lehne ab. Ein anderes ist aber, einem vorgestellten Urteil oder Urteilsinhalt zustimmen bzw. ihn ablehnen, und ein anderes ist die Prädikation, die Aussage, das Zuerkennen oder Aberkennen eines Prädikats. Die Prädikation erfolgt nicht so, dass ein Sachverhalt erst vorgestellt und diesem dann zugestimmt oder dieser dann verworfen wird, sondern die Prädikation ist ein Prozess, in dem die „Vorstellung“ des Sachverhalts sich schrittweise konstituiert, und in der Konstitution dieser Vorstellung konstituiert sich zugleich, sich damit deckend, der einheitliche Akt der Setzung. Prädizieren fällt ausschließlich unter den Begriff des „Für-wahrNehmens“, und das negative Prädizieren ist ein Für-wahr-Halten mit einer Negation, die zum Bestand des Für-wahr-Nehmens gehört. Das Korrelat der Aussage ist der Sachverhalt, der (vermeintlich) ist und niemals für nichtseiend gehalten ist, sonst hätten wir überhaupt keine Aussage, und dieser Sachverhalt ist ein bejahender oder verneinender, d. h. ein zusprechender oder absprechender (oder sonstwie die Negation in sich schließender). Die Negation gehört aber nicht zur bloßen Materie in dem Sinn, als ob sie Sache „bloßer Vorstellung“ wäre, als bloße Vorstellung dem Urteil zugrunde läge. Hier liegt wieder die falsche Auffassung zugrunde, als ob die Aussage darin bestände, dass eine bloße Vorstellung Träger eines weiteren Aktes, eines Annexes von belief wäre. Nein. Die Vorstellung in dem Sinn, wie wir von der Grundlage sprechen, ist der identische „Inhalt“, welcher derselbe ist bei der Aussage (dem lebendigen Urteil) und der Aussagevorstellung (dem verstandenen, aber nicht geurteilten Satz). Alles, was zur Vorstellung in diesem
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Sinn gehört, gehört zugleich zum Urteil, denn die Einheit der Aussage erstreckt sich über den ganzen Vorstellungsinhalt, der sich einheitlich auch nur im sukzessiven Akt des Urteils aufbaut. Hingegen in einem anderen Sinn gehört die Negation zur Form, so wie das „und“ und „oder“, so wie die Subjektform, die Kasusform überhaupt, die Form des Prädikats (in seinen Flexionen und dgl.). In diesem Sinn nämlich ist Form all das, was den allgemeinen Charakter der Urteilseinheit ausmacht, und Materie das selbständige Variable, und zwar das schrankenlos Variable, ohne die spezifische Einheit des Urteils aufzuheben, das Urteilsmäßige also sinnlos zu machen. Genauer: In jedem Urteil unterschieden wir relativ selbständige Teile, die auch außerhalb der Urteilseinheit gedacht werden können als Inhalte von bloßen Vorstellungen. Diese Teilinhalte sind schrankenlos variabel, wir können für sie beliebige selbständige Vorstellungen substituieren, ohne dass der Satz sinnlos wird. Vom Gesichtspunkt dieser materiellen Bestandteile betrachtet, ist das Urteil eine Verknüpfung von Vorstellungen, und was das Plus ausmacht über die bloße Summe hinaus, das ist die Urteilsform. Alle logische Gesetzlichkeit beruht in der Form, d. h., jedes Gesetz zeigt selbst den Unterschied zwischen den Variablen der Gesetzlichkeit (den Unbestimmten, deren Bestimmtheit den konkreten Anwendungsfall ergibt) und der Gesetzesform. Die logischen Gesetze sind nun gesetzliche Zusammenhänge zwischen Urteilen, in welchen die Materie das Variable ist, während die Form konstant ist. I. Danach hätte ich die Sache so dargestellt, dass der Aussage „S ist P“ zugrunde liegt die Sachverhaltsvorstellung „S ist P“, wenn auch nicht in der Weise wie etwa die Subjektvorstellung „dass S P ist“. Das ist das gerade Gegenteil der Auffassung, die in der Ausarbeitung1 vertreten ist. Das ist also ein Zweifelspunkt. Vielleicht ist das, was mich beirrt, eben Folgendes. Es ist zweierlei: 1) Der gegliederte Akt, der sich vollzieht als „S ist P“, wo S vorgestellt ist und in Seinsweise erscheint, dann das P-Sein (als das des S) vorgestellt ist und dann seine Setzung erfährt, so dass also die Sachverhaltsvorstellung nicht als fertige Einheit dasteht und darauf bezogen der Akt der Setzung oder das Urteilsbewusstsein, sondern 1
Es konnte nicht ermittelt werden, auf welche Ausarbeitung sich Husserl hier bezieht. – Anm. des Hrsg.
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dass sich eben schrittweise Sachverhaltsvorstellung aufbaut und damit zusammenhängend setzende Akte, die das Urteil voll machen. 2) Die einheitliche Setzung, die sich der fertigen einheitlichen Vorstellung auflegt wie in der nominalen Setzung „die Tatsache, dass S P ist“, „weil S P ist“. Andererseits aber kann es auch sein, dass die Ausarbeitung durchaus im Recht ist,1 aber dass zu unterscheiden ist von dem anerkennenden Prädizieren, ich meine nicht schlichtweg „S ist P“, sondern „S ist gewiss, weil … P“. Oder wir haben hier keinen passenden Ausdruck wie die Betonung „S ist P“ (das P-Sein vorgestellt und dann zugestimmt mit einem „Ja, so ist es“). Gegensatz: „S ist n ich t P“. Dagegen ist im schlichten Prädizieren nicht erst das P-Sein vorgestellt, sondern das „ist P“ ist in schlichter Weise da. Man hätte darauf noch als ein besonderes Argument hinzuweisen, dass eine Prädikation vollzogen sein muss, damit die volle Vorstellung „S ist P“ möglich ist. Also in der ersten Prädikation kann nicht das „ist P“ vorgestellt sein und dann erst Grundlage einer Anerkennung sein. So wird es recht bleiben. II. All die Sätze sind, sagte ich, „Aussagen“. Das bedeutet aber nicht, dass es Prädikationen sind. Schon zwischen „S ist P“ und „S ist nicht P“ besteht ein Unterschied. Das erstere prädiziert das PSein, das letztere prädiziert nicht das „nicht P-Sein“. Das wäre etwas anderes: „S ist nicht-P“, „Gold ist nicht-schwarz“. (Das wäre noch zu bedenken.) Hier in der Form „S ist nicht P“ knüpft sich an den Gedanken des P-Seins die Verwerfung, und die kommt zum Ausdruck, ähnlich wie beim Wunsch an den Gedanken des P-Seins sich der Wunsch knüpft usw. Aber „Aussagen“ sind das immer noch alle, und prädikativ sind sie, insofern als aufgrund eines Subjektaktes ein Prädikatakt vollzogen wird: Von S sage ich aus, dass es P ist, von S leugne ich, dass es P ist, oder wünsche ich usw. Demgemäß sage ich von S aus, dass es nicht P ist, dass es P sein möge etc. Das von einem S dies oder jenes Aussagen bedeutet also nicht, ihm eine Bestimmtheit beimessen, ihm ein Prädikat beilegen. III. Man könnte nun sagen: Gleichwohl sind das alles in gewissem Sinn Urteile. Ich erlebe die aufgrund einer Setzung sich vollziehenden
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Spätere Ergänzung: „So ist es.“ – Anm. des Hrsg.
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Zustimmungen, Leugnungen, Bezweiflungen, Vermutungen usw. des und des vorgestellten Inhalts. Indem ich sie ausdrücke, stelle ich sie als seiend hin. Aber darauf ist zu sagen: Keineswegs. „Als seiend hinstellen“ im Sinn von „urteilen“, das heißt, ein Erlebnis ausdrücken, in dem ein Sachverhalt erscheint, und es so ausdrücken, dass es „Anspruch“ auf Wahrheit erhebt. So bei „S ist P“, „S ist nicht P“. Erhebt auch „S möge P sein“ solchen Anspruch? Oder die Frage „S ist P?“? Anspruch auf Wahrheit erhebt nur, was behauptet ist, Urteil darüber, dass etwas ist oder nicht ist. Im Urteil erscheint etwas, ein Sachverhalt. Im Wunschsatz, wenn dabei nur aufgrund eines Subjekts ein Prädikat erwünscht wird und das Wünschen ausdrücklich ist, da ist nicht behauptet, nämlich nichts geurteilt. Nur wenn ich behaupten will, dass ich das wünsche oder dass dergleichen wünschenswert sei, oder unbestimmt, dass es erwünscht sei und dgl., da urteile ich. Die Ausdrücke sind so, dass sie bald in behauptendem, bald in nichtbehauptendem Sinn verstanden werden können. Und das macht die Schwierigkeit der Analyse. IV. Bei der Negation erwächst aber eine Schwierigkeit. Im negativen Satz, ist da ebenso gut ein Sachverhalt ausgesprochen wie im affirmativen? Das Nichtsein vom P des S ist ebenso gut wahr und falsch wie das Sein. Der Wunsch des P-Seins von S ist nicht wahr oder falsch, aber das Sein des Wunsches (meines Wunsches) oder das Sein seines Wertes, das ist etwas, was wahr oder falsch sein kann. Also, die Negation ist nicht ein Akt, der gleichgestellt werden kann dem Wunsch, der Frage etc., sondern: So wie „S ist P“ besagt, dass S die Beschaffenheit P hat, dass die Prädikatvorstellung P mit dem Gegenstand der Subjektvorstellung harmoniert, dieser unter jenen fällt, so sagt „S ist nicht P“, dass die Prädikatvorstellung mit dem Gegenstand der Subjektvorstellung d ish armoniert, dazu nicht passt. Das Nichtpassen, das Nichtsein ist nicht Privation, sondern ein Erlebnis derselben Art wie das Sein. Danach hätten wir: a) schlichtes Urteil „S ist P“, Erlebnis der „Übereinstimmung“ (Erscheinung der Übereinstimmung) und schlichtes Urteil „S ist nicht P“, Erlebnis des Widerstreits (Erscheinung des Widerstreits), b) die Anerkennung „S ist P“ (hier stelle ich mir das Urteil vor, mir erscheint nun selbst die „Übereinstimmung“, und so stimme ich ihm zu), die Verwerfung „S ist n ich t P“ (ich stelle
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mir das Urteil „S ist P“ vor, erlebe aber das Entgegengesetzte und verwerfe es). Also, dass S P ist, ist anzuerkennen; dass S P ist, ist zu verwerfen. Ich drücke also neben dem schlichten Urteil eine Anerkennung aus, die eigentlich gar kein Urteil ist, oder eine Verwerfung, die ebenfalls kein Urteil ist.1 Aber die Anerkennung ist berechtigt, wenn das Urteil wahr, sie ist unberechtigt, wenn das Urteil falsch ist. Das objektive Recht der Anerkennung = Wahrheit. Daher: „S ist P“ = „Es ist wahr, dass S P ist“ usw. Ist das eine Urteil wahr, so das andere und umgekehrt. Diese Verhältnisse bedingen auch die Gleichwertigkeit der Reden (die aber nicht gleichbedeutend sind): „S ist P“ = „Von S ist anzuerkennen, dass es P ist“, „Ich urteile: S ist P“ = „Ich erkenne von S an, dass es P ist“, „Ich urteile: S ist nicht P“ = „Ich leugne von S oder verwerfe von S, dass es P ist“. Diese Gleichwertigkeit erwächst praktisch hauptsächlich daraus, dass das Erlebnis des Widerstreits vereint zu sein pflegt mit Verwerfung oder wenigstens leicht übergeht in Verwerfung. Ich höre, S sei P, und erlebe „S ist P’“, wo P’ P evident ausschließt. Also widerstreitet S, das P-seiendes S ist, mit dem in der Tat P’-seienden S. Ich erlebe den Widerstreit und verwerfe zugleich „S ist P“ (natürlich nicht immer, nicht allgemein).
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Spätere Randbemerkung: „Aber ein kategoriales Objektivitätsbewusstsein: Das Urteil erfüllt sich oder bestätigt sich, der Sachverhalt gilt.“ – Anm. des Hrsg.
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Nr. 7 Urteil und setzende Vorstellung. Sachverhalt und Satz1
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1) Urteil und Vorstellung. Im Urteil erscheint (scheint zu sein) ein gewisser Sachverhalt „S ist P“. In der Vorstellung wird er vorgestellt.2 Der Sachverhalt ist „der Gegenstand“ des Urteils und der entsprechenden Vorstellung, analog wie in der Wahrnehmung ein Gegenstand wahrgenommen, in einer bloßen Vorstellung derselbe Gegenstand vorgestellt wird. 2) Vom Sachverhalt ist zu unterscheiden der Urteilsgegenstand oder die Sache in einem anderen Sinn. „Dieses Fließpapier ist rot“, „Dieses Rote ist Fließpapier“. Der Gegenstand: dieses rote Fließpapier = dieses Fließpapier, welches rot ist = dieses Rote, welches Fließpapier ist. Der Gegenstand ist derselbe. Dem Sachverhalt entspricht der Subjektgegenstand, der die Bestimmtheiten hat, die ihm im wahren Urteil zugeschrieben werden. „a rechts von b“, „b links von a“. Es sind verschiedene S achverhalte, aber in der S ache sind sie eins. Es ist dieselbe Lagenbeziehung, die vom Standpunkt des einen Fundaments so und vom anderen so erscheint. Was ich als seiend beurteile oder bloß vorstelle, ist aber gerade „a rechts von b“ oder umgekehrt gerade „b links von a“. Das erscheint mir. Es ist also beiderseits zwar „dieselbe Beziehung“, es ist „im Wesentlichen dieselbe Sache“, aber es ist beiderseits das, was vorgestellt oder beurteilt wird, der Sachverhalt, ein anderer. Es erscheint etwas anderes. 3) Das Spezifische der Erscheinung, die wir haben, das Spezifische des in der und der Form und mit dem und dem Gehalt sich Vollziehenden, zu sein Scheinens, ist der Satz. Also Satz ist das Urteil in specie,3 und zwar außer aller Rücksicht zum Urteilenden und zu irgendwelchen Urteilenden überhaupt. Der Satz setzt den Sachverhalt. Die Satzvorstellung stellt den Sachverhalt vor. 1
20.04.1899. Spätere Randbemerkung: „Prädikative Vorstellung (jemand hört ‚S ist P‘, urteilt aber nicht)“. – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Randbemerkung: „Nein. Der Bedeutungsgehalt desselben – das, was das Urteil und die ‚Annahme‘, die Sachverhaltsvorstellung gemein haben.“ – Anm. des Hrsg. 2
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4) Die Vorstellung des Urteils: Das meint gewöhnlich die Vorstellung eines Urteils der und der Person. Die Vorstellung des Satzes ist verschieden von der Vorstellung des Sachverhalts. Also Vorstellung des Satzes =/ Satzvorstellung. 5) Die Wahrheit ist primär die Eigenschaft des Satzes, des Urteils in specie. Die Satzvorstellung oder Vorstellung des Sachverhalts heißt mittelbar eine wahre, wenn ihr eben der Sachverhalt wirklich entspricht, das heißt aber: wenn das Urteil wahr ist. 6) Ein ausgesprochener Satz1 ist Ausdruck (Kundgabe) eines Urteils und objektiver Ausdruck2 eines Satzes. Sätze können einfach oder zusammengesetzt sein. Ein Satz ist zusammengesetzt, wenn er Teile hat, die Sätze sind. Ein zusammengesetzter Satz ausgesprochen, ist Kundgabe für so viele Urteile, als sich Sätze in ihm unterscheiden lassen. Ein Satz, der Vorstellungen von Sätzen oder Satzvorstellungen enthält, ist mit Beziehung auf die entsprechenden Sätze nicht zusammengesetzt. 7) Das Urteil „S ist P“ ist zu unterscheiden von der Anerkennung der Vorstellung, dass S P ist.3 Offenbar ist es phänomenal ein Verschiedenes, auszusagen „S ist P“, und andererseits zunächst die Vorstellung zu haben „Dass S P ist“ und dann dieser Vorstellung zuzustimmen. Indem wir dieses letztere Erlebnis prädikativ fassen, entsteht ein neuer Satz, der vom schlichten Satz verschieden ist. Auf der einen Seite: „Dass S P ist, das ist wirklich so, das stimmt“. Auf der anderen Seite einfach: „S ist P“. Im ersteren Urteil hätten wir eigentlich „Die Vorstellung, dass S P ist, stimmt zu der Überzeugung ‚S ist P‘“, oder objektiv „Die Vorstellung, dass S P ist, stimmt zur Wahrheit ‚S ist P‘“ = (äquivalent) „Die Vorstellung ist eine, der der Sachverhalt entspricht“, und dies wieder ist = (äquivalent) „Dass ‚S P ist‘, ist wahr“. Das Urteil ist wahr, die Vorstellung ist eine gültige (ihr entspricht Wahrheit). Praktisch ist es gleichgültig, was wir dabei bevorzugen. Je nachdem ist entweder die Vorstellung „das Urteil ‚S ist P‘“ oder die Vorstellung „die Vorstellung, dass S P ist“ Subjektvorstellung in einem neuen Urteil.
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Spätere Ergänzung: „ein grammatischer“. – Anm. des Hrsg. Spätere Randbemerkung: „Fraglich. Ja, gewiss falsch, es sei denn, dass Satz als Bedeutungsgehalt gefasst ist.“ – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Ergänzung: „also von ‚Dass S P ist, das ist wahr‘“. – Anm. des Hrsg. 2
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8) Das Urteil „S ist P“ ist wieder zu unterscheiden von den aufgrund solcher Anerkennung entspringenden Satzsubjekten, z. B. „Da S P ist“ oder „die Wahrheit, dass S P ist“, „die Tatsache“ usw. In diesen Fällen ist die Vorstellung, dass S P ist, Grundlage einer auf sie als Ganzes bezogenen Setzung, welche en t w ed er attributiv zum Ausdruck kommt, aber in dieser neuen Form wieder Grundlage einer schlichten Setzung ist: Es erwächst zunächst die Vorstellung „Wahrheit, dass S P ist“, und diese Vorstellung ist nun Grundlage einer schlichten Setzung, die nicht mehr zu prädizieren und zu attributieren ist. O d er es ist von vornherein die Vorstellung des Satzes Grundlage einer schlichten Setzung, wie im Beispiel „Da S P ist“. Wir unterscheiden also die Vorstellung und das Urteil als lebendige Prädikation. Ihr liegen zwar Vorstellungen zugrunde (Subjektund Prädikatvorstellung). Aber die sich auf ihnen aufbauende Prädikation bringt den Sachverhalt zur Erscheinung (nämlich macht es, dass dies oder jenes zu sein scheint), während erst die nachträgliche Reflexion in neuen Akten unterschiede „dies, dass S P ist“, und den Urteilsakt. Scheinbar haben wir hier den Unterschied zwischen einer zugrunde liegenden Vorstellung zu machen und der Anerkennung oder Setzung, die der Vorstellung Geltungswert verleiht. Das ist eine Täuschung. Indem wir die Überlegung machen, bilden wir eine Vorstellung „dass S P ist“, welche dem Urteil entspricht, aber diese Vorstellung haben wir hier erst gebildet, sie ist nicht schon da im ursprünglichen Urteil. Wir sondern also nicht, was im Urteil vereint ist, sondern wir bilden die dem Urteil entsprechende Vorstellung (die den Sachverhalt, der im Urteil erscheint, bloß vorstellt), und dieser Vorstellung zustimmend haben wir ein Doppeltes, nämlich das Urteil, in welches die Vorstellung übergeht, andererseits die Vorstellung mit dem Charakter der gültigen. Zu Zwecken der Kritik ist es erforderlich, diesen Prozess durchzumachen. Haben wir zunächst naiv geurteilt oder hat ein anderer geurteilt, so überlegen wir uns die Sache erst: Wir stellen uns den Sachverhalt vor und sehen zu, ob sich eine lebendige Zustimmung einstellt bzw. ob die bloße Vorstellung sich zum voll überzeugten Urteil modifiziert. In der Kritik stellen wir den Sachverhalt als fraglich hin, also aufgrund der Sachverhaltsvorstellung fragen oder zweifeln wir, und das Urteil soll die womöglich einsichtige „Entscheidung der Frage“ sein. „Ist S P?“ „Es ist zweifelhaft (ob S P ist)“. „S ist wirklich P“ = „Es ist wirklich so: S ist P“.
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9) Wie verhält sich das Urteil zu den verschiedenen psychischen Akten „desselben Inhalts“? Dasselbe, was das Urteil als wahr hinstellt, das stellt die bezügliche Vorstellung bloß vor, der Wunsch wünscht es, die Frage fragt danach usw. S ist P. „Dass S P ist“1 (Vorstellung). Es ist fraglich, ob S P ist. Es ist zu wünschen, dass S P sei (sein möge). Ich will, dass S P sein soll. Im Urteil scheint es so zu sein, es erscheint der Sachverhalt. In der Vorstellung wird der Sachverhalt vorgestellt. Ich stelle vor, dass S P ist. Hier nenne ich den Sachverhalt, stelle ihn vor und sage zugleich von dem so vorgestellten aus (dem genannten), dass ich ihn vorstelle.2 In der Frage „Ist S P?“, hier kommt der Sachverhalt nicht zur Erscheinung in dem Sinn wie im Urteil: Es scheint nicht so zu sein. Es gilt mir nicht: Die Sache verhält sich so. Andererseits ist aber der Sachverhalt auch in der Weise vorgestellt wie etwa in der Vorstellung, die ihren Ausdruck findet in einem möglichen Satzsubjekt „dass S P ist“, z. B. in dem Satz „Dass S P ist, ist fraglich“. Es ist vielmehr ein eigenes modifiziertes Bewusstsein, das seinen Ausdruck findet in der eigenen Redeform: Frage. Aber das fragende Bewusstsein bezieht sich auf denselben Sachverhalt wie das betreffende Urteil oder die betreffende3 Vorstellung. Drücke ich aus, was gefragt wird, so bringe ich den Sachverhalt zu einer Eigenvorstellung.4 In ihr stelle ich den erfragten Sachverhalt, abgesehen von der Frage, vor und kann nun von diesem vorgestellten aussagen, dass er (mir) fraglich erscheint. Der Sachverhalt kann aber nicht das wirkliche Subjekt sein, falls es richtig ist, dass jedes kategorische Urteil die Existenz des Subjets impliziert. Dass heute noch schönes Wetter wird, ist fraglich, ist zweifelhaft, d. h., die Frage ist berechtigt, ob etc. „Ob heute schönes Wetter ist“ ist Name der Frage selbst. E n t w ed er: Ich bilde zunächst die bloße Vorstellung des Sachverhalts, nach dem gefragt ist „dass S P ist“, und dann drücke ich aus, dass meine Frage auf diesen Sachverhalt geht, d. h., dass die Frage eben Frage von demselben ist, wovon die Vorstellung Vorstellung ist. Dies beruht auf der Möglichkeit evidenter Identitätsurteile eben der Art:
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Über „Dass S P ist“ spätere Ergänzung: „oder ‚S ist P‘“. – Anm. des Hrsg. Spätere Ergänzung: „(dabei nominale Auffassung)“. – Anm. des Hrsg. Spätere Einfügung: „nominale“. – Anm. des Hrsg. Spätere Einfügung: „(einer nominalen)“. – Anm. des Hrsg.
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„Die Frage ‚Ist S P?‘ fragt nach demselben, was die Vorstellung, dass S P ist, vorstellt, was das Urteil ‚S ist P‘ für wahr nimmt“ usw. Diese Evidenz setzt voraus, dass ein ideal Gemeinsames in diesen Akten besteht: bei Verschiedenheit der intentionalen Beziehung eben doch intentionale Beziehung auf dasselbe. Nennt man dieses Identische die zugrunde liegende Vorstellung, so ist doch zu beachten, dass es keineswegs selbstverständlich ist, dass Vorstellung in diesem Sinn ein eigener intentionaler Akt sei, und noch weniger, dass Vorstellung in diesem Sinn identisch ist mit dem, was wir erleben, wenn wir etwa den Satz lesen „dass S P ist“,1 ohne zu urteilen. O d er: Wir bilden eine direkte Vorstellung der Frage und sagen dann aus, dass wir diese Frage hegen oder dass diese Frage eine berechtigte ist … Also: „Ob S P sei“. Hier ist eine Vorstellung der Frage ausgedrückt. Weiter: „ist fraglich“, das heißt: Diese Frage ist eine berechtigte Frage. Ebenso: „Dass Gott helfen möge“, das ist Ausdruck der Vorstellung des Wunsches. Weiter: „Das ist mein aufrichtiger Wunsch“ oder „Das ist ein berechtigter Wunsch, ist zu wünschen“. Es ist genau so, wie wenn ich sage „Gott möge helfen. Dies ist mein aufrichtiger Wunsch“. Hier habe ich allerdings zunächst den Wunsch selbst ausgedrückt. Aber mit dem „dies“ ist der Wunsch vorgestellt, und nun diese seine Vorstellung Subjektvorstellung. 10) Ich glaube daher, das Ergebnis so fassen zu können: Die Logik hat es mit „Urteilsinhalten“ zu tun in dem Sinn von Urteilen in specie. Vorstellungen im Sinn der Logik, das sind gewisse Bestandteile von Urteilen in specie.2 Sage ich z. B. aus „Die Griechen glaubten an einen Gott Jupiter“, so ist der Satz im logischen Sinn die Bedeutung des Aussagesatzes, das Spezifische des Urteils. So wie sich nun subjektiv das Urteil, die Aussage als ein gegliederter Akt, aus Bestandstücken aufbaut, so der entsprechende Satz. Gewiss, diese Bestandstücke nennen wir Vorstellungen im engeren Sinn. B o lzan o nennt in einem weiteren Sinn alle Bestandstücke des Satzes Vorstellungen, auch die Formen. B o lzan o ist, wie es scheint, in Unklarheit darüber geblieben, wie sich der Satz zum Urteil als Akt verhalte. Wenigstens habe ich mich vergeblich bemüht, entscheidende Stellen zu finden, entscheidend zwischen den beiden möglichen 1 2
Spätere Randbemerkung: „Besser: ‚S ist P‘“. – Anm. des Hrsg. Spätere Einfügung: „nominale Vorstellung“. – Anm. des Hrsg.
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Auffassungen, wonach der Satz entweder das Urteil in specie ist, oder wonach der Satz jener gemeinsame Inhalt ist bei Vorstellungen, Urteilen, Wünschen, Zweifeln etc., welche sich auf denselben Sachverhalt beziehen, also die Gleichförmigkeit, die wir als Beziehung auf denselben Sachverhalt, aber bei verschiedener Beziehungsweise bezeichnen. B o lzan o spricht nur ganz vage von dem Satz als dem Stoff des Urteils, ja, er nennt sehr wenig empfehlenswert das Urteil die Erscheinung des Satzes, wie er den Vorstellungsakt als Erscheinung „der Vorstellung an sich“ bezeichnet. Danach wäre ja der Satz der Sachverhalt und konsequenterweise die Vorstellung an sich der Gegenstand. Aber dies ist nicht und kann nicht B o lzan os Meinung sein. Eine Vorstellung im logischen Sinn, sagten wir, ist ein Akt, der Bestandstück der Aussage sein kann. Aber er darf nicht selbst eine Aussage, eine volle Prädikation sein, objektiv gesprochen, ein voller Satz. Es sind dann zwei Fälle möglich: Entweder der als Grundlage und als Bestandstück der Prädikation dienende Akt hat einen Setzungswert, d. h., in Reflexion auf ihn ergibt sich ein voller Satz, der zwar nicht in der „Vorstellung“ liegt, aber ihr gleichwertig ist oder1 mit ihr evident gegeben ist. Sage ich „der Kaiser“, so sage ich nichts aus, d. h., ich prädiziere nicht (in dem Ausdruck für sich), aber es „liegt darin“, dass es sich um eine wirkliche Persönlichkeit handelt. In dieser Form, d. h. mit solchem Subjekt, kann nur prädizieren, wer anerkennt, dass es einen Kaiser gibt (obschon er diese Anerkennung als den Satz nicht vollzieht). Und umgekehrt, wer dies anerkennt, kann von d em Kaiser sprechen. Versteht man unter Urteil Setzung, Für-wahr-Nehmung im Sinn von Für-wirklich-Haltung eines Vorgestellten, so ist mit solch einem Ausdruck schon ein Urteil vollzogen. Aber es ist keine Prädikation, und erst diese ist es, die wir in der Logik als Grundakt betrachten. Wir konstatieren auch immer erst, indem wir die Prädikation vollziehen. Sagt jemand „Der Kaiser von Frankreich“, so wenden wir ein „Du glaubst, es gebe einen Kaiser von Frankreich“ etc.
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Spätere Einfügung: „besser“. – Anm. des Hrsg.
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Worüber u rteilt die reine Logik? Erste S erie1
§ 1. Das Urteil als Setzung eines Sachverhalts. Der vermeinte Sachverhalt im Gegensatz zu dem wahrhaft bestehenden. Der Satz als Urteilsbedeutung Ich urteile „S ist P!“, „Dieses Papier ist weiß!“, „Die Erde ist eine Kugel!“. Indem ich so urteile, kann ich reflektierend aussagen: Das urteile ich, dies, dass dieses Papier weiß ist; das glaube ich, dass die Erde eine Kugel ist, das urteile ich. Im ersteren Beispiel ist mir das, was ich da urteile, setze, durch Wahrnehmung gegeben; ihr folgend setze ich das, diesen Sachverhalt. Im anderen Fall urteilte ich „leer“, aber ich reflektiere ebenfalls und sage „Von diesem Sachverhalt bin ich überzeugt; ihn setze ich, und er betrifft die Erde“ usw. Und ich kann fortfahren „Dieser Sachverhalt hat die und die Folge“. Urteilt ein anderer, kann ich ebenso zunächst setzen, dass er urteilt, das Urteilen setzen und dann sagen, er setze urteilend den und den Sachverhalt. Aber während ich auf eigenes Urteilen reflektierend und es dabei „aufrechthaltend“ den Sachverhalt nicht nur als vom Urteil geurteilten setze, sondern auch thetisch setze, tue ich das im anderen Fall nicht, wenn ich dem anderen eben nicht zustimme; ebenso wenn ich von meinem vergangenen Urteilen spreche und das Wohl 1910. Spätere Randbemerkung: „Von 125 = S. 148,11 an? Die ersten Blätter sind nichts Wesentliches.“ – Anm. des Hrsg. 1
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§ 1. Das Urteil als Setzung eines Sachverhalts. Der vermeinte Sachverhalt im Gegensatz zu dem wahrhaft bestehenden. Der Satz als Urteilsbedeutung Ich urteile „S ist P!“, „Dieses Papier ist weiß!“, „Die Erde ist eine Kugel!“. Indem ich so urteile, kann ich reflektierend aussagen: Das urteile ich, dies, dass dieses Papier weiß ist; das glaube ich, dass die Erde eine Kugel ist, das urteile ich. Im ersteren Beispiel ist mir das, was ich da urteile, setze, durch Wahrnehmung gegeben; ihr folgend setze ich das, diesen Sachverhalt. Im anderen Fall urteilte ich „leer“, aber ich reflektiere ebenfalls und sage „Von diesem Sachverhalt bin ich überzeugt; ihn setze ich, und er betrifft die Erde“ usw. Und ich kann fortfahren „Dieser Sachverhalt hat die und die Folge“. Urteilt ein anderer, kann ich ebenso zunächst setzen, dass er urteilt, das Urteilen setzen und dann sagen, er setze urteilend den und den Sachverhalt. Aber während ich auf eigenes Urteilen reflektierend und es dabei „aufrechthaltend“ den Sachverhalt nicht nur als vom Urteil geurteilten setze, sondern auch thetisch setze, tue ich das im anderen Fall nicht, wenn ich dem anderen eben nicht zustimme; ebenso wenn ich von meinem vergangenen Urteilen spreche und das Wohl 1910. Spätere Randbemerkung: „Von 125 = S. 148,11 an? Die ersten Blätter sind nichts Wesentliches.“ – Anm. des Hrsg. 1
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erinnerte Urteil nicht aufrecht halte. „Das Urteil setzt den Sachverhalt“: Das sage ich aus, aber ich setze mit dieser Aussage nicht den Sachverhalt selbst. Ebenso kann ich evtl. aussagen „Das habe ich wahrgenommen (es stand mir in der Wahrnehmung als seiend vor Augen, die Wahrnehmung setzte es als gegenwärtig), während ich jetzt nicht setze: Es war ‚wirklich‘“. Irgendein Urteilen (gleichgültig ob eigenes oder fremdes) mir zur Anschauungsgegebenheit bringend (d. h. auf irgendein Urteilen reflektierend), mich seiner erinnernd (Erinnerungsreflexion) oder es in Einfühlung fassend (oder mich in all dergleichen hineinphantasierend), kann ich mir zur Evidenz bringen, dass zum Wesen des Urteils als solchem gehöre, Setzung vom Sachverhalt zu sein, so wie zum Wesen jeder Wahrnehmung gehöre, Wahrnehmung eines Gegenwärtigen, zum Wesen einer Erinnerung, Erinnerung an ein Nichtgegenwärtiges, an ein Vergangenes zu sein usw. Und diese Evidenzen sind unabhängig davon, ob das Urteil wahres oder falsches, die Wahrnehmung eine korrekte oder illusionäre ist usw. Sie betreffen eben die Idee des Urteils überhaupt, die Idee der Wahrnehmung überhaupt usw. Aufgrund der Wahrnehmung kann ich beschreiben, was mir wahrnehmungsmäßig erscheint und wie es mir da erscheint. Ist die Beschreibung getreu, so behält sie im Wesentlichen ihre Geltung, auch wenn sich herausstellt, dass die Wahrnehmung bloß Trugwahrnehmung ist. Nur die Setzung des wahrgenommenen Gegenstands verliert ihre Geltung, aber wahr bleibt so viel, dass die Wahrnehmung Setzung von dem und dem ist, dass sie einen Gegenstand gerade dieses Erscheinungsgehalts setzt. Wandelt sich das Wahrnehmungsbewusstsein, in dem Setzungscharakter umschlagend in Illusionsbewusstsein (Nichtigkeitsbewusstsein), so kann ich sagen „Es steht etwas als nichtig da, ein so und so Erscheinendes, das so und so zu beschreiben ist“. Ebenso in der Phantasie: „Es ist etwas phantasiert und erscheint phantasiemäßig so und so“. Ich kann mich dabei aber auch in das Wahrnehmen phantasiemäßig hineinphantasieren und sagen „Die Phantasiewahrnehmung ist gleichsam Wahrnehmung von dem und dem“. Vergleichen wir jetzt Wahrnehmung und Phantasie „von demselben Gegenstand“. Aufgrund der Wahrnehmung fälle ich mannigfaltige Urteile eines umgrenzten Kreises über ihren Gegenstand:
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evidente Urteile. Aufgrund vieler erdenklicher Wahrnehmungen, die „denselben Gegenstand in derselben Weise“ wahrnehmen (zur Anschauung bringen), kann ich identisch dieselben Aussagen machen. Ich kann zwei solche Wahrnehmungen in Einheit setzen: Evidenterweise gehört zu ihnen das Bewusstsein „Das Wahrgenommene, der Gegenstand, ist dasselbe und die Weise seiner Gegebenheit ist dieselbe“. Von beiden Wahrnehmungen gilt in gegenständlicher Hinsicht dasselbe. Vergleichen wir die Wahrnehmung mit einer „entsprechenden“ Phantasie. Ich fingiere einen Gegenstand. Aufgrund der Fiktion kann ich über den Gegenstand wieder evidente Aussagen machen, als was er da fingiert ist, als was die Phantasieerscheinung, die Fiktion, ihn vorstellt. Und im Vergleich mit einer entsprechenden Wahrnehmung könnte ich evident sagen „Die Wahrnehmung nimmt ihren Gegenstand als genau denselben, genau so bestimmten wahr, wie die Phantasie ihren Gegenstand fingiert“. Der Gegenstand ist im Wesen derselbe.1 Und ebenso hinsichtlich einer unanschaulichen Vorstellung, deren „Sinn“ ich entfalte.2 Wieder: Stelle ich ihn mir vor, „S ist P“, so kann ich den vorgestellten Sachverhalt beschreiben, von ihm mancherlei evidente Aussagen machen, mag es auch eine freie Urteilsfiktion sein (Sachverhaltsfiktion), und diese Aussagen können genau parallel laufen evtl. einem „inhaltsgleichen“ Urteilen: „S ist P!“. Wir können nun doch wohl sagen: Jedes Urteil „setzt (in urteilender Weise eben) einen Sachverhalt“. Urteilen ist das Bewusstsein „So ist es!“. Das heißt: Es steht ein „Sachverhalt“ in gewisser Weise da. Es steht eben da: „So ist es!“, „S ist P!“, „Dieses Papier ist weiß“. Das Urteilen urteilt, es sei so, setzt es, meint es, in ihm erscheint es. Darin liegt aber nicht, dass der Sachverhalt „besteht“, der da gesetzt, vermeint ist. Indem aber im Urteilen ein Vermeintes dasteht, kann ich über das Vermeinte als solches evidente Aussagen machen. Nämlich, eben aufgrund des Urteilens „das“ Urteil festhaltend, die Meinung festhaltend, kann ich jene bestimmt umgrenzten Explikationen vornehmen, die da Analysen oder Explikationen des „Gemeinten als
1 Ja, im Wesen. Habe ich aber reine Phantasie, so habe ich nie und prinzipiell nie d e n s e l b e n Gegenstand. 2 Spätere Randbemerkung: „Auch in der Hinsicht, dass der gesetzte Sachverhalt erscheint: anschaulich, in der und der Weise etc.“ – Anm. des Hrsg.
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solchen“ heißen.1 Aussagend steht gleichsam da als ihr Was die Aussage, nämlich das Ausgesagte als solches, das Was des Aussagens, und dies kann ich explizieren. Ich frage: Was ist gemeint, und was liegt in dem Gemeinten, so wie es herausgemeint ist? Was liegt in dem ausgesagten Sachverhalt als solchem, mag er nun bestehen oder nicht bestehen? Ich sage also aus „S ist P“ und fahre nun fort „darin liegt“. Ist mein Urteilen richtig, ist die Aussage wahr, so liegt das alles in der Wahrheit, gilt das alles von dem wahrhaft bestehenden Sachverhalt. Ist es falsch, so liegt es doch im vermeinten Sachverhalt. Muss man nicht sagen: Das Vermeinte als solches ist ein zum Urteil wesentlich gehöriges Was, und das ist das Urteil sozusagen im ontischen Sinn, nicht das Urteilen, sondern sein Was? Oder: Es ist nicht das Aussagen, sondern der ausgesagte S at z? Und dieser macht die Bedeutung der Aussage (im Sinn des Identischen, das alle Aussagen derselben Bedeutung einigt) aus. Also, die vielen Aussageakte, die alle dieselbe Bedeutung haben, haben das gemeinsam in ihrem Wesen, dass sie, wie immer sie phänomenologisch unterschieden sind, immer Bewusstsein von demselben sind. Dieses Selbe, wovon sie Bewusstsein sind, ist der Satz. Er ist wahr, er besteht in Wahrheit, oder er ist nicht wahr, er besteht nicht. Ist die Wahrheit auszuweisen, so ergeben sich neue Wahrheiten und evident zu begründende als Wahrheiten, welche sich nicht auf den bloßen Satz und auf seine Subjekte etc. beziehen, sondern sich auf die wirklichen Sachverhalte, auf ihre wahren Subjektgegenstände usw. beziehen. Die Bedeutungsurteile ergeben sich aufgrund einer Einstellung, welche rein auf das „Geurteilte als solches“, auf das Was des Bewusstseins, das aufgewiesen werden kann, als ein direkt Gegeben es sich beziehen. Die Urteile über die Sachen und Sachverhalte schlechthin (d. i. über die wahrhaft seienden und bestehenden, denn nur die sin d eben) setzen eine andere Einstellung voraus, und in ihr sind die Sachen keineswegs direkt gegeben (den Evidenzfall ausgenommen). Die Einstellung, in der wir die Urteilsbedeutung erfassen, ist ein evident gebender (wahrnehmender) Akt. Das Urteilen liegt ihm zugrunde, aber das ist nicht selbst ein gebender, geschweige denn evident gebender Akt. Darum ist aber doch aus ihm etwas zu 1
Spätere Randbemerkung: „Und zwar wird dabei auf die Weise des intuitiven oder nichtintuitiven Erscheinens keine Rücksicht genommen.“ – Anm. des Hrsg.
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entnehmen, eine Bedeutung, und nun ein neues Urteilen, das evident ist, über Bedeutungen zu etablieren. Im Folgenden zeige ich aber, dass ich dasselbe mit Evidenz auch aus einem Quasiurteilen entnehmen kann. Kann man das aber nicht besser ausführen?1
§ 2. Sinnesanalyse des Geurteilten als solchen. Der Sinn als transzendent. Gedanke, Annahme, Voraussetzung Kommt es offenbar auf Wahrheit und Falschheit nicht an im Fall der Sinnesanalyse, und zwar des Geurteilten? Will ich nicht feststellen, was für die Gegenstände gilt, über die ich den Sachverhalt gesetzt habe, und was sich für den Sachverhalt selbst aussagen lässt; will ich vielmehr feststellen, was für die Gegenstände als solche, für die geurteilten Sachverhalte als solche gilt, so bleibt das Urteil selbst als Urteil, als meine Überzeugung wesentlich außer Spiel, oder es ist außerwesentlich. Mein analytisches Urteilen legt nur die Idee dieses „Urteilsinhalts“, als des Geurteilten als solchen auseinander, und es ist darum auch gleichgültig, ob ich wirklich urteile oder ob ich mich in das Urteilen hineindenke, ob ich auf das wirklich Gesetzte als solches (S ist P!) hinsehe oder auf das Vorgestellte als solches „S ist P“. Was liegt im „Satz“ „Gold ist gelb“? Ich kann aber auch fragen: Was liegt analytisch im Satz „2 × 2 = 5“? Im2 wahrhaft bestehenden Sachverhalt liegt derselbe Satz (der dann wahr heißt) als sein Sinn darin. Jeder wahrhaft bestehende Sachverhalt enthält den Sinn, ist aber nicht bloßer Sinn, bloßer Satz. Ist der Satz Idee eines Moments im Urteilen? Das ist schwer zu absoluter Klarheit zu bringen. Aber ist es nicht evident, dass der Sinn, hier der Satz, im Sachverhalt liegt, und im evidenten Urteilen kommt der Sachverhalt mit seinem Sinn zur Gegebenheit: als „Verhalt“ des Gegenstands? Das Gemeinte ist dasselbe wie das Seiende, nämlich in ihm liegend. Muss man nicht sagen: Sowenig der Gegenstand3 in der Gegebenheit etwas Psychisches ist, sowenig sein Sinn? Die
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Von „Kann man“ bis „besser ausführen?“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. Vor „Im“ spätere Einfügung: „Im gesetzten Sachverhalt (wenn er ist) oder“. – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Ergänzung: „der transzendente Gegenstand!“. – Anm. des Hrsg. 2
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Bedeutung, Meinung des Urteils (sein gemeintes Was) ist, wenn das Urteilen evident ist, in „wahrhafter Weise“ gegeben, als gegebener Sachverhalt dieses Sinnes oder Inhalts. Und beides ist transzendent. Die Frage ist, ob man damit ausreicht. Sprechen wir nicht von dem Gedanken, dass S P ist, gegenüber dem Urteil, dass S P ist? Und wieder von der Voraussetzung, Annahme, es sei S P? Ist nicht eine Annahme ein selbständiger Akt, wenn ich auch dann darauf ausgehen kann, aus der Annahme Folgen zu ziehen? Andererseits aber, was „erscheint“ in der Annahme, wovon ist sie Erscheinung? Man könnte zwar sagen: Wie Urteile sind auch Annahmen vernünftig oder unvernünftig. Was heißt hier aber Vernünftigkeit? Doch die Möglichkeit. Und was ist da möglich? Das Urteil: „Es ist möglich, dass S P ist“. Das Urteil hat Möglichkeit, wie es im anderen Fall Wahrheit hat. (Der Satz ist ein wahrer, ist ein möglicher Gedanke.) Oder muss man primär sagen „Der Gedanke, es sei S P, ist ein möglicher Gedanke und nicht das Urteil“? Indessen, was heißt denn das, ein m ö glich er G ed an k e? Ich kann den Gedanken, das Mir-Denken, es sei S P, so vollziehen, dass dieses „Urteil“ seine Quasierfüllung findet in einer Quasianschauung, und dann ist also der S at z ein möglicher. Aber hat nicht die Voraussetzung eine Modifikation gegenüber dem bloßen „S ist P“? Ich denke mir „S ist P“, und d as „setze ich an“. Das ist ein Akt zweiter Stufe, und das hat eine Bedeutung zweiter Stufe. Schön. Und dazu kommt: Ansetzen ist kein Stellungnehmen, und sein Was ist kein „Satz“. Ich bin also noch nicht zufrieden. Auch das Sichvorstellen, es sei S P, ist kein Stellungnehmen. Und dieses Sichvorstellen ist nicht Bewusstsein vom Satz. SichHineinphantasieren in ein Urteil ist Hineinphantasieren in ein Stellungnehmen. Aber Sichdenken, S sei P, ist nicht Hineinphantasieren in ein Urteil, wie ich längst mit vielen Mühen festgestellt habe. Ist also nicht „S ist P“ einmal Satz und einmal Gedanke? Oder müssen wir nicht den Satz „S ist P!“ und den Gedanken „S ist P“ und, nahe verwandt (wo nicht, wie manchmal, identisch damit), Voraussetzung „S ist P“ unterscheiden? Also, machen wir die Unterscheidung zwischen Phantasiemodifikation vom Urteilen und Sichdenken, es sei S P, oder Den-bloßenGedanken-Haben, ebenso Voraussetzen, S sei P, oder Die-Voraussetzung-, Die-Annahme-Machen (Fragen, ob S P sei, Die-Frage-
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Stellen), so scheint es, dass wir sagen müssen, dass nicht jedes Bewusstsein unter der Rechtsfrage steht und eine Sphäre der Vernunft ausmacht. Jedes hat einen Inhalt, das Urteilen den Aussagesatz (oder Satz schlechthin), das bloße Denken den Gedanken, das Voraussetzen die Voraussetzung. Aber der Gedanke ist unvernünftig, ist unmöglich oder falsch, wenn der entsprechende Satz falsch oder widersinnig oder unmöglich ist. Ebenso, die Voraussetzung ist unvernünftig, falsch, wenn das entsprechende Urteil es ist. Im Urteilen fällen wir das Urteil, und es „erscheint“ damit, es sei S P, das muss sich ausweisen. Im Sichdenken fällen wir nichts, setzen wir nichts, es erscheint uns damit nichts (scheint nichts zu sein). Ebenso im Voraussetzen. Wir sagen zwar, die Voraussetzung weise sich als wahr aus oder stelle sich als falsch heraus, aber nicht die Voraussetzung als solche weist sich aus, denn die setzt nichts, sondern das Urteil desselben „Inhalts“.1 Man könnte aber sagen: Was h eiß t d as eigen t lich , Vo rau sset zen , An n eh m en ? Es heißt nicht: Urteilen oder sich ins Urteilen hineindenken, sondern einen Satz (nominal)2 vorstellen, auf ihn hinsehen und ihn als Gegenstand setzen (doch nicht als seiend setzen). Zum Beispiel: „Aus der Voraussetzung ‚S ist P‘ folgt ‚Q ist R‘“, „Wenn S P ist, ist Q R“, „Der Satz ‚S ist P‘ schließt in sich, zieht nach sich den Satz ‚Q ist R‘“. Aber genauer: Der Satz „S ist P“ ist hier Gegenstand der nominalen Vorstellung „der Satz ‚S ist P‘“. Also, hier ist eine nominale Vorstellung auf einen Satz als Gegenstand gerichtet. Und die Aussage (wie jede hypothetische) ist eine Aussage über ein gewisses Verhältnis von Sätzen. In diesem Verhältnis haben die Sätze eine verschiedene Stellung und Funktion; und die drückt die Rede von Voraussetzung und Folge aus. Aber trifft das wirklich alles, das Bewusstsein des Voraussetzens und das des Folgens? Gesetzt dies: S sei P, dann ist … Man sagt ja auch: „Die Annahme zieht die Folge nach sich“, „Den Satz angenommen, folgt …“. Und wie, wenn ich das kausale Verhältnis nehme „Weil S P ist, ist Q R“, darin liegt „S 1 Spätere Einfügung: „Aber das liegt daran, dass Sichdenken, Etwas-Phantasieren kein impressionales Bewusstsein ist. Wenn ich aber das Gedachte als solches, den Gedanken ‚S ist P‘ setze, so setze ich die Bedeutung, und das ist wieder ein Stellungnehmen.“ – Anm. des Hrsg. 2 Spätere Ergänzung: „aber nicht das in Urteilsweise als seiend Gesetzte“. – Anm. des Hrsg.
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ist P!“, und in diesem Sachverhalt liegt der Sachverhalt1 „Q ist R“. S ist P! Und weil d as ist, ist jenes. Was ist „d as“? Nicht das Urteilen, sondern das Geurteilte als solches, der gesetzte Sachverhalt: Darin, in diesem Sachverhalt, liegt der andere, dieses Sein zieht das andere 5 nach sich, impliziert es und dgl. Satz als urteilsmäßig Gesetztes ist also anderes als Angenommenes, Vorausgesetztes.2
§ 3. Der Unterschied zwischen dem Sich-Hineinphantasieren in ein Urteilen und dem Vorstellen des „S ist P!“. Hypothetische und kausale Sätze. Niederes und höheres Bewusstsein
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Wie wickeln wir uns also aus diesen Schwierigkeiten heraus? 1) Wir unterscheiden a) das Sich-Hineinphantasieren in ein Urteilen und b) das Vorstellen des „S ist P!“. Im Urteilen haben wir das Bewusstsein „S ist P!“. Und dieses Bewusstsein ist nicht etwa „Wahrnehmung“ von „S ist P!“ (des Geurteilten als solchen). Ich kann aber jederzeit aus dem Bewusstsein in der „Reflexion“ eine impressionale Vorstellung von dem Satz als Gegebenheit des Urteils machen. Das heißt hier nicht ein Gegebenheitsbewusstsein des Sachverhalts selbst, sondern ein Gegebenheitsbewusstsein der „Aussage“, des „S ist P!“. Ihm entspricht als Phantasiemodifikation die Vorstellung nicht als Gegebenheitsbewusstsein, sondern als bloße Vorstellung von „S ist P!“. Also, dem Aussagen entspricht als eine Modifikation die nominale Vorstellung von der Aussage: z. B. dies, dass S P ist, dieses Urteil, diese Behauptung. Andererseits aber gibt es noch eine Modifikation: Dem Aussagen entspricht ein Phantasieaussagen, in dem sowenig wie im originären Aussagen das Ausgesagte Inhalt, aber nicht Gegenstand ist. Mache ich „in der Phantasie“ das Ausgesagte zum Gegenstand, so habe ich eine direkte, modifizierte Vorstellung, gerichtet auf das Geurteilte als solches: nur in dieser Vorstellung von dem Geurteilten jetzt modifiziert. Ich sehe gleichsam hin.
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„in diesem Sachverhalt liegt der Sachverhalt“ später verändert in „in diesem Urteil liegt das Urteil“. – Anm. des Hrsg. 2 Spätere Randbemerkung: „Von hier an.“ – Anm. des Hrsg.
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Ferner kann ich mir die Wahrnehmung von dem „S ist P!“ (die sich als nominale Eigenvorstellung von dem Satz in eine Aussage einfügen lässt) modifizieren in eine Vorstellung als bloße Vorstellung. Dann habe ich das gleichsam Hinsehen, das In-der-Phantasie-Hinsehenauf-den-Urteilsinhalt, also doch wohl dasselbe, was wir vorhin auf anderem Modifikationsweg gewonnen haben. Was ist das nun: Ich denke mir „S ist P“, ich habe den bloßen Gedanken „S ist P“? Ist es eine Vorstellung-von, so ist jedenfalls das „S ist P“ Gegenstand. Und ist es nichtsetzende Vorstellung, die „zurückweist“ auf ein aktuelles Urteilsbewusstsein, in dem ein Urteil Bewusstseinsinhalt ist, ist es also nicht eine „Wahrnehmung“ (Wahrnehmen) vom „Urteil“, so ist es eben die entsprechende Vorstellung, die als solche auf eine Modifikation des Urteilsbewusstseins, auf ein Quasiurteilen in entsprechender Weise zurückdeutet. Aus dieser Vorstellung als Phantasie kann ich nun, wie aus jeder Phantasie, die „Idee“ des Phantasierten entnehmen, hier also die Idee des Urteils. Aber nicht das Urteil selbst ist darin gegeben. Wo ist das Urteil selbst, das „S ist P!“, gegeben? Doch nur im Urteilen bzw. in dem aufgrund des Urteilens sich etablierenden herausschauenden Wahrnehmen. 2) Ist es nicht klar, dass der kausale Vordersatz „Weil S P ist“ zurückweist auf ein Urteil, dass darin eine setzende nominale Vorstellung von dem „S ist P!“ liegt, die im Fall der Evidenz beruht auf der Entnahme aus dem vorgängigen Urteilen?1 Es ist ferner klar, dass die Sachlage modifiziert ist im Fall des hypothetischen Satzes: „Vorausgesetzt, dass M ist, so ist N“. Es ist nicht geurteilt „M ist“, es ist angenommen. (Die Meinung ist nicht „zugestanden“, sondern ich sage nichts dagegen, wo ich zwar missbillige oder nur zweifle.) Vielmehr, ich stelle mich mal auf den Standpunkt des anderen, d. i., ich denke mich hinein, ich phantasiere also; wie im kausalen Satz das Urteil, so liegt hier die Phantasiemodifikation des Urteils zugrunde. Aber darauf bezieht sich das „vorausgesetzt“, wenn ich es mir evident mache, nur zurück. Das „wenn S P ist“ (das dem „weil“ von vorhin entspricht) enthält nicht diese Phantasiemodifikation des Urteils, aber eine Vorstellung von „S ist P“, die zu dieser Phantasiemodifika1
Die nominale Vorstellung ist Vorstellung vom Sachverhalt, und zwar setzende Vorstellung.
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tion entsprechend gehört. Im Vordersatz ist es eine nominale, und zwar eine eigene Vorstellung, die natürlich nicht immer eine klare ist, aber, wenn sie eine klare ist, auf jenes Quasiurteil zurückweist. Diese Vorstellung ist, da sie keine „wahrnehmende“ ist (nämlich, wahrnehmend ist sie wirklich im Fall der „Klarheit“, sonst ist sie eine bloß setzende), eine nichtsetzende, sie setzt also nicht (nominal) „S ist P“ als seiend.1 Sie setzt, als Phantasie, bloß modifiziert (modifizierte, Quasisetzung, gleichsam Setzung). Und im hypothetischen Urteil wird nun ausgesagt, dass eine solche modifizierte Setzung die modifizierte Setzung des „Nachsatzes“ nach sich zieht, einschließt und dgl.2 Das Nach-sich-Ziehen etc. ist hier das Behauptete. Man sieht: So wie im Urteilen das Urteil3 bewusst und in der Wahrnehmung des Urteils gegeben ist, so ist im Sichdenken (Hineindenken) „Es sei S P“ die Urteilsmodifikation, der Gedanke bewusst und ist in einer „reflektierenden“ Wahrnehmung gegeben. Ebenso, die Voraussetzung ist bewusst im Voraussetzen, und als das Bedingende ist sie im hypothetischen Urteilen gegenständlich bewusst und ebenso die Folgesetzung (der Folgesatz), wobei das, was zum hypothetischen Sachverhalt gehört, abgesehen von den nominalen Termini natürlich nicht gegenständlich bewusst ist. I. Niederes Bewusstsein intellektiver Art, Bewusstsein der Gattung „Vorstellung“ im weitesten Sinn: Sie ist Richtung-auf in ihrem Sinn. In der4 Wahrnehmung als Akt „haben“ wir eine Wahrnehmung „von“ Dasein. In der5 Phantasie als Akt „haben“ wir eine Phantasieerscheinung.6 Die erste ist Setzung, die letztere Quasisetzung. Ebenso überhaupt in der unmodifizierten (seinssetzenden) Vorstellung haben wir eine setzende Vorstellung-von, in der modifizierten eine Quasisetzung (Nichtsetzung).
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Spätere Randbemerkung: „Sie setzt nicht den Sachverhalt (Sachverhalt – nicht Urteil!).“ – Anm. des Hrsg. 2 Spätere Randbemerkung: „Doch nicht! Eine bloße Phantasiesetzung zieht doch nichts nach sich. Ich setze eben voraus, und das Voraussetzen ist ein Akt, in dem die Voraussetzung bewusst ist. Das ist aber die Frage! In dem Vorgestellten als solchen ‚liegt‘ das und das, in dem Quasiurteil liegt das Quasiurteil.“ – Anm. des Hrsg. 3 „Urteil“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. 4 Spätere Einfügung: „normalen“. – Anm. des Hrsg. 5 Spätere Einfügung: „bloßen“. – Anm. des Hrsg. 6 Spätere Einfügung: „von Quasidasein“. – Anm. des Hrsg.
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Das gilt auch von den Denkvorstellungen, wie sie in die Prädikation als nominale eingehen. Dem Vorstellen entspricht die Vorstellung, dem Denkvorstellen der Gedanke. In einer Vielheit von vorstellenden Akten ist „dieselbe“ Vorstellung gehabt, ist Inhalt des vorstellenden Bewusstseins. Hierbei kann man auch von den Unterschieden der Anschaulichkeit etc. absehen und dieselbe Vorstellung verstehen in einem gemeinsamen Sinn (dieselbe Meinung), dieselbe Vorstellungsimpression, dieselbe Vorstellungsrepräsentation, endlich die Vorstellung, sei es Impression, sei es Repräsentation als Vorstellung von demselben Inhalt, z. B. „Löwe“. II. Höhere Stufe des Intellekts, des vorstellenden Bewusstseins, Sphäre des Stimmens von Vorstellungen zu Vorstellungen; das Urteilen – die entsprechende Modifikation (reproduktiv): Im Urteilen ist das Urteil gehabt und das Urteil „richtet“ sich auf den Sachverhalt (nicht ganz so wie die schlichte Vorstellung auf den Gegenstand). Nicht ganz so, denn es gibt eine direkte Vorstellung als Hinschauen auf den vermeinten Sachverhalt, auf das Geurteilte als solches, die voraussetzt, dass im Fall der Klarheit zugrunde liegt ein Urteil. Aber ist das die volle Analogie: Bewusstsein als Wahrnehmungsbewusstsein von einem Ding – bewusst die Erscheinung, die aber erst in einem Akt zweiter Stufe (Reflexion) zum direkten Vorstellen als Subjektvorstellen kommt?1 Aber das Urteil ist nicht Erscheinung-von? Doch. Nur ist der Sachverhalt nicht Gegenstand-worüber (Subjekt einer Prädikation). Immerhin wird man hier nicht eine grundverschiedene neue Sorte von Bewusstsein bzw. Bewusstseinsinhalten annehmen, sondern nur höhere Stockwerke.
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§ 4. Ob die reine Logik von Sätzen handelt. Die Unmöglichkeit einer Anwendung des Widerspruchssatzes auf bestehende Sachverhalte Lassen wir die Fragen nach weiteren und uns wesentlich neuen 30 Bewusstseinsarten. Bleiben wir in der intellektiven Sphäre. So haben wir also das setzende Bewusstsein, das „impressionale“, „Das Wetter ist heute schön“, das quasisetzende „2 × 2 = 5“ oder das setzende 1
Wir können auch unterscheiden: das Wahrnehmen eines A und das Zum-Subjekt-
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Bewusstsein als Wahrnehmung dieses Hauses, das Quasibewusstsein als Phantasie eines Zentauren. Beschränken wir uns auf die prädikative Sphäre. Das impressionale Bewusstsein, das wir „Urteilen“ nennen, ist gleichsam ein Wahrnehmen, ein Setzen, und zwar es „steht da“ „S ist P!“, „Dieses Papier ist weiß!“. Das „Dastehen“ ist das echte GegenständlichHaben, das Bewusstsein der Tatsächlichkeit. Im Urteil haben wir das Bewusstsein eines „Seins“, und zwar eines Sachverhalts. Im bloßen Sichdenken „S ist P“, in der Modifikation des Urteils, steht im echten Sinn nichts da, scheint nichts zu sein. Es ist nicht das Bewusstsein „So ist der Sachverhalt, es ist der Sachverhalt!“. Wovon ist das Bewusstsein Bewusstsein? Ist es Bewusstsein von der Phantasie (von dem Gedanken), dass S P ist? Das kann ich auch bilden. So wie ich sagen kann, wenn ich urteile „Ich habe ein Bewusstsein vom Urteilen oder vom Urteil“, so kann ich jetzt sagen „Ich stelle vor und habe ein Bewusstsein vom Vorstellen und auch von der Vorstellung“. Ich sage ja oft „Der Gedanke, es sei ein regelmäßiger Körper ein Hexaeder, muss überlegt werden, muss erwogen werden“. Was ist hier der Gedanke? Doch nicht das Urteil. Es ist das Gedachte als solches. Es steht zum Sichdenken ebenso wie das Geurteilte als solches zum Urteilen. Das ist unzweifelhaft: im Urteilen also ein Geurteiltes als Was, das Urteil in ontischem Sinn, der „geurteilte Sachverhalt als solcher“, im propositionalen Vorstellen ein Vorgestelltes als Was, der bloße Gedanke, als „gedachter Sachverhalt als solcher“. Beide können sich auf „denselben Sachverhalt“ beziehen, wie wir unwillkürlich sagen, als ihren gemeinsamen Inhalt. Also das Urteil hat einen „Urteilsinhalt“ (jetzt ist nicht das Geurteilte als solches, der Inhalt des Urteilens gemeint), andererseits hat nicht das Sichdenken, sondern der Gedanke einen Gedankeninhalt. Und der Urteilsinhalt und der bloße „Gedankeninhalt“ ist ein und dasselbe: derselbe „Sachverhalt“. Aber Sachverhalt im echten Sinn ist ein Glied im Reich der „Wirklichkeit“. Nur ein bestehender Sachverhalt ist ein Sachverhalt. Also ist hier „Sachverhalt“ ein modifizierter Terminus, er bedeutet hier die Idee „S ist P“, die identisch „enthalten“ ist in Machen eines Wahrgenommenen, und ebenso das Urteilen und das Zum-SubjektMachen des Geurteilten.
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dem Urteil „S ist P!“ und im Gedanken „S ist P“. Also das Urteil1 „S ist P!“ unterscheidet sich vom Gedanken „S ist P“ dadurch, dass derselbe propositionale Inhalt (purer Satz) einmal den Modus der Setzung hat, das andere Mal den Modus des Gedankens. Normalerweise ist in der Aussage das Urteil (das „S ist P!“, das Geurteilte als solches) ausgedrückt, d. h., zum Ausdruck kommt der Satz im Modus des Seins, des Urteils. Es wäre aber doch denkbar, dass Aussagen in einer Sphäre praktischer Rede oder Schriftstellerei ausschließlich dazu benützt werden sollten, Gedanken zum Bewusstsein zu bringen. Dann wären eben Gedanken als ausgedrückt zu bezeichnen. Man kann nun über Urteile urteilen und über Gedanken urteilen (natürlich über Urteilsakt, über bloße Denkakte). Und wieder kann man über Sachverhalte urteilen und über Sätze urteilen. Man kann sagen „Von zwei kontradiktorischen Urteilen ist eines wahr und eines falsch“. Von Sachverhalten kann man das nicht sagen. Kontradiktorische Sachverhalte gibt es nicht. Dagegen gibt es kontradiktorische Gedanken und kontradiktorische Sätze. Und auch die kann man wahr oder falsch nennen. Wie immer sich dabei die Begriffe wahr und falsch verschieben mögen, so entsprechen sie sich genau: Wenn ein Urteil wahr ist, so der entsprechende Satz, der entsprechende Gedanke, und umgekehrt. Wovon handelt nun eigentlich die (formale) reine Logik? Von Urteilen, von Gedanken, von bloßen Sätzen? Wie stehen diese Ideen zueinander und zur Idee der Wahrheit und der Idee des Sachverhalts? Ist die Idee des Urteils abtrennbar von der Idee des Urteilens? Die Idee des Urteilens und ebenso die Idee des Urteils gewinne ich etwa, wenn ich mir ausgesagt denke, sei es von einer wirklichen oder fingierten Person, es sei S P. Ich kann natürlich selbst urteilen, ich kann wissen, dass ein anderer so urteilt, aber darauf kommt es nicht an. Aber zur Gegebenheit kann mir die Idee des Urteils, des Urteils „Deutschlands Größe ist gesichert“ nur kommen, wenn ich mir ein Urteilen vorstelle, dessen Inhalt dieses Urteil ist. Weiter, der B egrif f d es G ed an k en s kann wieder nur gewonnen werden, indem ich mir entweder jetzt bloß denke, sagen wir „2 × 2 1
Spätere Einfügung: „= Geurteiltes als solches, nicht der Satzinhalt“. – Anm. des Hrsg.
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= 5“, oder mir ein solches Denken vorstelle; freilich hat das hier keinen Zweck, da, während ich nicht beliebig urteilen kann, ich immer mir den Gedanken machen kann und ebenso die Voraussetzung. Nun ist es putzig, dass ich die Frage aufwerfen muss: Ist denn der Gedanke „Gold ist grünblau“ etwas anderes als Idee des Urteils?1 – Was heißt denn Idee des Urteils? Urteil überhaupt, das Allgemeine „Urteil“? Hier handelt es sich um die Idee des Urteils „2 × 2 = 5“. Was ist das Urteil selbst? Nun, das, dessen ich mir jetzt bewusst bin, indem ich aussage „Dieses Papier ist weiß!“. Kann ich nun sagen „Der Satz ist aber als geglaubter, als gesetzter“? Und Idee des Urteils wäre Idee der Setzung dieses Inhalts. Aber ist Urteilen (Glauben) Auf-das-Glauben-Hinsehen? Andererseits: Der gemeinte Sachverhalt, die Gemeintheit. Aus zwei vermeinten Sachverhalten folgt ein dritter vermeinter Sachverhalt etc. Wenn zwei Leute „dasselbe“ meinen, so ist der vermeinte Sachverhalt ihres Urteilens derselbe. Das Urteilen in specie ist wesentlich dasselbe, das Urteilens-Wesen ist dasselbe, und zu demselben Urteil (als Spezifisches des Urteilens) gehört derselbe vermeinte Sachverhalt. Der einen Idee entspricht die andere Idee. Das Vermeinte als solches ist also eine Idee als Korrelat des Urteils in specie. Wie steht es nun mit dem G ed ach t en als so lch en, das doch wieder eine Idee ist? Es ist doch, wie wir nicht anders sagen können, eine andere Idee. Und der Satz als „bloßer“ Satzinhalt?2 Der ist kein vermeinter Sachverhalt. Ich kann sagen: Von zwei kontradiktorischen vermeinten Sachverhalten besteht der eine in Wahrheit. Von zwei kontradiktorischen Gedanken und Voraussetzungen, Annahmen entspricht einem ein wahrhaft bestehender Sachverhalt. Von zwei kontradiktorischen Sätzen ist einer „Materie“ einer Wahrheit. Kann ich sagen, aus zwei bloßen Sätzen3 folge ein dritter? Ich kann sagen „Aus zwei vermeinten Tatsachen folgt eine dritte vermeinte Tatsache (Sachverhalt)“. Ich kann nicht eigentlich sagen „Aus zwei propositionalen Gedanken folgt ein dritter“. Wenn ich eine empirische Folge einsehe, so finde ich: vorausgesetzte Tatsachen 1 2 3
Spätere Einfügung: „Natürlich ja.“ – Anm. des Hrsg. Leider heißt hier überall „Satz“ soviel wie „bloßer propositionaler Inhalt“. Spätere Ergänzung: „Satzinhalten, Satzmaterien“. – Anm. des Hrsg.
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und daraufhin gesetzte, als Folge gesetzte Tatsache. Ich finde, dass in zwei Voraussetzungen (Vorausgesetztheiten)1 eine Folgegesetztheit liegt. Oder ich finde geurteilte Tatsachen, vermeinte Sachverhalte, die als solche da stehen und aus denen thetisch erschlossen ist ein neuer vermeinter Sachverhalt. Dagegen finde ich nicht das Verhältnis zwischen Grund und Folge zwischen bloßen Gedanken, zwischen gedachten Sachverhalten schlechthin und ebenso wenig zwischen bloßen Sätzen.2 Bloßer Satz ist eine Abstraktion. Was soll das sagen? Es ist das Identische des Vermeinten und bloß Gedachten, es ist eine Idee zweiter Stufe, die die eine oder andere Idee voraussetzt und nur aus ihr herausgehoben werden kann. Was aber die Idee der Vermeintheit, des „vermeinten Sachverhalts“ anlangt, so setzt sie zu ihrer Abstraktion nicht die Anschauung eines Urteilens voraus, sondern das Bewusstsein des Urteilens (oder seine Modifikation). Offenbar hat es die Logik mit diesen „vermeinten Sachverhalten“ zu tun, das sind ihre Sätze oder Aussagen oder Urteile. Alles w äre nun gottlob klar, w enn ich nur absolut sicher wäre des Unterschieds zwischen U rteil in specie und vermeintem S achverhalt.3 Urteilen ist das Bewussthaben des „So ist es!“. Aber ist dieses Haben nicht ein gänzlich leeres Haben? Liegt nicht „aller Unterschied des Bewusstseins im Inhalt“? Auch der Unterschied zwischen leerem und anschaulichem Urteil ist doch ein Unterschied im Inhalt. Es steht doch anderes vor Augen. Nur freilich hebe ich speziell das urteilsmäßig Gedachte als solches heraus mit dem Ausdruck und ebenso alle anderen Unterschiede. Das Vermeinte als soeben Geurteiltes in Form „S – ist – P“ und das Vermeinte als noch Festgehaltenes charakterisieren sich anders, aber doch innerhalb des Bewusstseins. Ich halte das „S ist P“ in seiner Vermeintheit einheitlich fest. Es ist ein fortdauerndes Einheitsbewusstsein, wobei der Blick in gewisser fester Weise gerichtet ist eben auf die Einheit und nicht auf das Übrige. Heißt das „Ich glaube, ich bin überzeugt etc.“ etwas anderes als „Ich habe dieses: S ist P!“, nur verschieden
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„Voraussetzungen (Vorausgesetztheiten)“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. Spätere Randbemerkung: „In dem einen Gedachten liegt das andere. Das ist mein neuer Zweifel. Satz immer gleich purer Satzinhalt.“ – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Randbemerkung: „Gut.“ – Anm. des Hrsg. 2
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charakterisiert? Heißt ebenso „Ich setze voraus“ etwas anderes als „Ich habe die Voraussetzung“, „Ich vermute“ etwas anderes als „Ich habe die Vermutung“?
§ 5. Das Urteil als dasselbe Gemeinte als solches (der vermeinte Sachverhalt) bei mehreren Urteilsakten. Die Beziehung der Logik der Sätze auf vermeinte Sachverhalte
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Die Auffassung, die das Vermeinte als solches psychologisiert, hat aber das gegen sich, dass sich im Gehabten, in dem Sinn dessen, was sich dem Blick als reelles psychisches Datum darbietet, nichts reell Gemeinsames herausheben lässt, das dem Gemeinten als solchen entspräche. Achte wohl1 auf Folgendes: Ich urteile jetzt „Auf dem Tintenfass liegt die Bernsteinspitze“. Ich urteile anschaulich. Ich mache dann die Augen zu und habe kein Bild und urteile dasselbe. Ich halte das Urteil dann fest und so in verschiedener „Weise“. Ich finde gemeinsam die Wortlautphänomene, wenn ich „explizit“ die Worte wiederhole. Aber wenn ich die Meinung festhalte, ohne Wort für Wort zu wiederholen? Aber ob man das entscheidend finden wird? Wieder könnte man sagen: Wenn ich mehrfach urteile, so habe ich eben mehrere solche Erlebnisse „Bewusstsein von“. Mehrmals steht da „S ist P!“. Was ist nun das, was da steht: „S ist P!“? Ist es mehrere Male da? Ja gewiss, die „ Phänomene “ sind m ehrere, län ger d au ern d , k ü rzer et c. Ich kann in langsamem Tempo denken und in schnellem. (Freilich kommt einmal das „Einschnappen“, aber die ausdrückliche Fassung und begriffliche Fassung etc.!) Wie sage ich nun d asselb e U rt eil? Nun so, wie ich beim dreimaligen Sehen dieses Bleistiftes sage „derselbe Stift“.2 Und doch kann ich leicht die drei Wahrnehmungsphänomene unterscheiden. S ie verbinden sich aber im E inheitsbewusstsein, und dieses Einheitsbewusstsein ist doch k eine Abstraktion.3 Nehme
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Von „Achte wohl“ bis „man sagen:“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. Spätere Randbemerkung: „Zunächst: Das Parallele von ‚derselbe Stift‘ ist: ‚derselbe Sachverhalt‘.“ – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Randbemerkung: „Nota bene.“ – Anm. des Hrsg. 2
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ich die Phänomene, so kann ich die „Idee des Gemeinsamen“ bilden, etwa, wenn sie gleich sind, die Idee „desselben“ Wahrnehmungsphänomens (so wie ich bei koexistenten Erscheinungen von demselben, z. B. Doppelbild, sagen würde „dasselbe“ Phänomen). Nun beim Doppelbild sage ich „zwei Phänomene“, im psychologischen Wesen gleich, aber dasselbe Gemeinte,1 derselbe gemeinte Stift. So habe ich auch zwei Aussagen, zwei Aussagen-Verständnisse, zwei p sychische Phänomene. Ich kann nun die Idee des G emeinsamen herausheben. Aber ein anderes als diese Id eat io n (Idee des gleichen Urteils, Idee des Urteilsaktes von bestimmten Wesen) ist d as Einheitsbewusstsein, in d em ich von d em Urteil zum anderen übergehe (in dem ich in den Urteilen lebe) und mit Evidenz nun aussage: d asselb e G em ein t e.2 Es ist hier nicht dasselbe gemeinte Ding, sondern derselbe3 Sachverhalt. Die Gemeintheit (das Gemeinte als solches) ist also keine Spezies, kein ideal Gemeinsames in dem Sinn eines spezifisch Allgemeinen, sondern Einheit als Identisches mehrerer Urteile, die nicht Objekte, sondern unterliegende Akte der Identifikation sind. Und das ist etwas Grundwesentliches.4 Eben damit erweist sich als entscheidend, dass das Gemeinte5 nicht etwas psychologisch Gemeinsames ist. Dass zum Wesen des Urteilens gehört, in solche evidente Identifikationen eintreten zu können, das ist das Wichtige, und mit Rücksicht darauf kommt ihm ein Gemeintes zu oder kommt ihm, wie wir auch sagen, Beziehung auf einen Sachverhalt zu. Es ist evident, dass ich sagen kann „S ist P!“ – „dieser Sachverhalt“, ebenso wie wir wahrnehmend sagen „dieser Bleistift“. Urteilen über Urteilsakte und ihre idealen Momente und Urteilen über Sachverhalte ist etwas Verschiedenes.6 Urteile ich „S ist P!“, so ist es zweierlei zu sagen „dieses Urteilen“ und „dieses Geur-
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Spätere Einfügung: „(Gesetzte)“. – Anm. des Hrsg. Spätere Randbemerkung: „Gut.“ – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Einfügung: „gemeinte“. – Anm. des Hrsg. 4 Spätere Randbemerkung: „Vgl. noch die Ergänzung Blatt 5 = S. 183,18–185,29 der nächsten Serie. Da wird statt auf Identität auf Verschiedenheit rekurriert.“ 5 Spätere Einfügung: „a l s s o l c h e s“. – Anm. des Hrsg. 6 Randbemerkung, die später gestrichen wurde: „Und das gilt ebensowohl wie für Sachverhalte im unmodifizierten Sinn so für Sätze, für die Urteilsvermeintheiten als solche.“ – Anm. des Hrsg. 2
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teilte“, nämlich „dieser Sachverhalt“ und ebenso „dieses Geurteilte als solches“, ebenso wie es zweierlei ist, wahrnehmend (diesen Stift wahrnehmend) zu sagen „dieses Wahrnehmen“, „dieses psychische Erlebnis, das seine Zeit hat“ und „dieses Wahrgenommene“, „dieser Stift“ und „dieses Wahrgenommene als solches“. Nun aber tritt hinzu der Umstand, d ass d as U rt eilen rich t ig und unrichtig, dass d as Geurteilte, der S achverhalt wirklich b estehen oder n icht bestehen kann. Und nun unterscheiden wir vermeinten Sachverhalt und wirklichen Sachverhalt, wahrgenommenen (vermeinten) Gegenstand und wirklichen Gegenstand.1 Zum Wesen der Wahrnehmung gehört es, in gewisse evidente Urteilszusammenhänge einzutreten (als Unterlagen, nicht als Objekte), die sich „auf das wahrgenommene Objekt beziehen“. Zum Wesen des Urteils gehört es, in gewisse evidente Urteilszusammenhänge einzutreten (aber nicht Urteile über dieses Urteil), die sich auf den geurteilten Sachverhalt beziehen. Auf vermeinte Sachverhalte bezieht sich die Logik der Sätze. Sie urteilt nicht über Urteile als „Akte“, obwohl selbstverständlich vermeinte Sachverhalte gegebenenfalls in Urteilen vermeinte sind; so wie die Arithmetik über Zahlen urteilt und nicht über das Zählen, obschon Zahlen nur im zählenden Denken2 gedacht sind und im aktuellen Zählen gegeben. Macht sich der Logiker ein „logisches Urteil“ evident, so hat er sich nicht Urteile gegenständlich vorzustellen, sondern sich in ein Urteilfällen hineinzudenken und auf die darin gegebenen Gemeintheiten hinzusehen, sie zu beschreiben, sie in Beziehung zu setzen zu anderen usw.3
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Spätere Randbemerkung: „Vermeintlicher – wirklicher Sachverhalt. Vermeintlicher Gegenstand. Es ist ein Gegenstand vermeint: Die Wahrnehmung hat einen Sinn. Es ist ein Sachverhalt vermeint: Das Urteil setzt einen Sachverhalt, und der gesetzte Sachverhalt als solcher ist der Sinn.“ – Anm. des Hrsg. 2 Spätere Einfügung: „aktuell“. – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Einfügung: „Ohne damit sich zu den entsprechenden Sachverhalten urteilsweise zu stellen; statt zu urteilen ‚Die Erde ist eine Ebene‘, fixiere ich gegenständlich die Idee des Gesetzten, des Satzes, und ich mag wirklich so urteilen, aber nicht davon mache ich Gebrauch, nämlich dieses Urteil soll nicht in mein weiteres Denken jetzt eintreten, sondern ich entnehme daraus das, was es setzt, seinen Sinn.“ – Anm. des Hrsg.
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§ 6. Antwort auf den Einwand vom unendlichen Regress: Veränderte Einstellung in Bezug auf Bedeutungen. Modifikation bei Existentialurteilen Aber vertreten wir damit nicht eine spaßige Auffassung, nämlich dass jedes Urteil statt über seinen Gegenstand über den vermeinten Gegenstand urteile? Und scheidet man vermeinte Gegenstände, Vermeintheiten als eigenartige Gegenstände, so kommen wir ja auf einen unendlichen Regress. Was heißt das „über einen Gegenstand urteilen“? Nun, etwa urteilen „Dieses Papier ist weiß“, worin über dieses Papier, diesen Gegenstand ausgesagt ist. Evidenterweise kann ich immer für „Dieses A ist B“ sagen „Dieser Gegenstand ist B“. Und ist das Urteil hinsichtlich seiner Subjektsetzung falsch, so „existiert“ eben der Gegenstand nicht. Ich urteile kategorisch und urteile über Gegenstände: Das ist also gleichwertig. Und ich urteile über Gegenstände, und es sind gar nicht diese Gegenstände; das ist kein unerhörtes Vorkommnis. Sowie ich freilich zweifelhaft werde, sowie ich die Rechtsfrage nur aufwerfe, muss ich eine Unterscheidung machen. Ich urteile „Dieses S ist P“. Es steht da, es ist im Urteilen bewusst: „Dieses S, dieser Gegenstand ist P“.1 Aber dieses Gesetzte als solches, dieses Was, das Bestandstück des gesetzten Sachverhalts, des Geurteilten,2 ist nicht der „Gegenstand selbst“, sondern die Gegenstandsbedeutung. Über diese urteilte ich hier nicht, da ich urteilte „Dieses S ist P!“. Ich urteile schlechthin. „Über sie urteilen“ heißt „ein Urteil fällen“: „Die Gegenstandsbedeutung ‚dieses S’ ist so und so beschaffen“, und das ist ein neues Urteilen. Es ist also eine andere Einstellung möglich, ein verändertes vorstellendes Setzen, ein verändertes Prädizieren. Und sowie ich sage „Dieses S existiert nicht“ oder „Es ist zweifelhaft, ob es existiert“, habe ich schon die Einstellung geändert. Denn in diesem neuen Urteil habe ich nicht mehr über den Gegenstand geurteilt, ihm etwas zugeschrieben, etwa Existenz, sondern ich habe über den Gegenstand in Anführungszeichen geurteilt. Sehr richtig sagte schon
1 Dass es „dasteht“, ist sicher. Aber ich bin zweifelhaft nicht darüber, dass das und das vermeint ist. Dieses Sichere, dieses Vermeinte, Gesetzte als solches kommt mir jetzt zur Abhebung. 2 Von „dieses Was“ bis „des Geurteilten,“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg.
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S igw art, ohne den geringsten Nutzen davon zu ziehen, das Prädikat „Existenz“ und „Nicht-Existenz“ sei ein modifizierendes. Die Gegenstandsbedeutung ist eine wahre, gültige, das ist aber wohlgemerkt zirkumskriptiv der Sinn der Existentialaussage. Über Gegenstände urteilen ist also im „Urteil“, im Satz die Bedeutung „haben“, und der Satz selbst ist dabei bewusst im aktuellen Urteilsbewusstsein als aktuell „gehabter“ und zur Anschauung etc. so und so stehender Satz. Wo aber über Existenz und Wahrheit bzw. Bestand geurteilt wird, da treten die „Bedeutungen“ ein als beurteilte Gegenstände. Das hat übrigens schon B o lzan o richtig gesehen, wie ich nachträglich verstehen gelernt habe, nachdem ich die phänomenologischen Klarstellungen gewonnen hatte. „Die Vorstellung hat Gegenständlichkeit“ sagt er, und das ist ein völlig korrekter Ausdruck, wenn man seinen Begriff von Vorstellung an sich richtig deutet. (Denn das hat mich gehindert: die phansische Deutung von Vorstellung an sich und Satz an sich, die er nahegelegt hat.) Es werden schon hier die erkenntnistheoretischen Probleme empfindlich. Wir unterscheiden Gegenstände an und für sich, die sind, was sie sind, ob geurteilt wird oder nicht, und dann unser Urteilen mit seinem Gegenstandsmeinen. Aber alle Rede von Gegenständen an sich beruht doch auf Urteilen und kann nur im einsichtigen Urteilen, dem gerechtfertigten, ihr Recht gewinnen. Gegenstände an sich, wirkliche Gegenstände sind für uns also nichts anderes als geurteilte, und zwar im einsichtigen Existentialurteil gesetzte Gegenstände, d. h. als gültige Bedeutungen oder vielmehr als Gesetztheiten der Evidenz, mögliche Evidenzbedeutungen. Und dazu gehören allerlei Schwierigkeiten und Untersuchungen. Zu beachten ist, dass zwar hinsichtlich der Urteilsspezies und Urteilsgemeintheit, Satz, von einer Anpassung an Anschauen und Anschauung etc. gesprochen werden kann, dass aber das Gemeinte des Urteils, der gemeinte Sachverhalt, nicht etwa im leeren Urteil etwas anderes ist als im evidenten, also dass im letzteren etwa zu dem Gemeinten des leeren irgendetwas hinzutritt an Gemeintem. Evident urteilend meine ich „S ist P!“. Und nicht evident urteilend meine ich auch „S ist P!“. Genau dasselbe, beiderseits nicht mehr und nicht weniger. Wenn ich aber vom schlichten Urteilen übergehe zum Betrachten und Beurteilen der Bedeutung (des Gemeinten als solchen), so finde ich dieses Selbe einmal im Medium der Vagheit, das
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andere Mal in Anpassung an eine Anschauung oder in der Weise der Erfülltheit in Anschauung. In letzterer Hinsicht ist aber zu sagen: Ich habe hier nicht eine Doppelmeinung. Wir können vielleicht ausführen: Sich „deckende“ Akte haben in der Deckungseinheit ein e Meinung und nicht zwei, aber in der Analyse und reflektiv auseinander legenden Beurteilung lassen sich zwei Meinungen auseinander legen und synthetisch verknüpfen, Urteilsmeinung und Wahrnehmungsmeinung, und dann „gibt“ die Wahrnehmung den Gegenstand, der im Urteil gemeint ist und als solchen, und damit hat der bloß vermeinte Urteilsgegenstand den Charakter des wahren. Gehen wir nach diesen Klärungen zu unseren Sachen wieder zurück. Urteilen ist Urteilen über Gegenstände. Ich kann aber auch „Bedeutungen“, vermeinte Gegenstände, vermeinte Sachverhalte zu Gegenständen haben, über sie urteilen. Wie steht es nun mit dem allgemeinen Urteilen? Urteile ich, wenn ich unbedingt allgemein urteile, wirklich über Bedeutungen? Soll ich für jedes universelle Urteil interpretieren: „Alle Menschen sind sterblich“ – „Die Vorstellung eines nichtsterblichen Menschen hat überhaupt keine Gegenständlichkeit“? Oder sollen wir sagen:1 Der Satz „Ein Mensch ist sterblich“ besteht überhaupt? Aber das sind wieder universelle Urteile: „Alle Sätze dieses Inhalts bestehen“. Doch könnte man antworten: Wenn ich aussagen kann, dass ein Satz der Form „Ein Mensch ist sterblich“ überhaupt gilt, so kann ich doch gleich direkt aussagen „Ein Gegenstand der Form ‚ein Mensch‘ ist überhaupt sterblich“. Und noch einfacher: „Ein Mensch ist sterblich“. Also das ist wertlos. Ich sage „Alle Blumen meines Gartens sind Rosen“, aber nicht „eine überhaupt“. Sage ich „Ein Mensch ist überhaupt sterblich“, so will ich nicht sagen „Die sämtlichen Menschen sind sterblich“ (die Gesamtheit auf der Erde), sondern im Wesen des Menschseins gründet notwendig das Sterblichsein. Die Setzung „etwas, das Mensch ist“ bedingt überhaupt die Setzung „etwas, das sterblich ist“, d. h. das Gesetzte, die nominale Bedeutung „etwas, das Mensch ist“, und damit gleichwertig: Der Satz „Etwas ist ein Mensch“ bedingt den Satz „Dasselbe Etwas ist sterb1
Die folgenden Absätze bis zum Ende von Text Nr. 8 später gestrichen. – Anm. des Hrsg.
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lich“,1 und zwar im Überhauptbewusstsein. Ist diese Auffassung richtig, dann ist das „überhaupt“ hier zugehörig zu einem Bedingtheits verhältnis mit unbestimmten Stellen, und das für alle universellen Urteile, die unbedingte Gültigkeit beanspruchen. Dagegen das „em5 pirisch universelle“ Urteil besagt: In der Gesamtheit von A’s sind insgesamt b die A’s (ein aufweisbarer Inbegriff). Aber man könnte auch auffassen: Der Satz „Etwas ist ein Mensch“ zieht den Satz „Dasselbe ist sterblich“ nach sich; aber doch nur, weil faktisch es sich immer so trifft. „Alle Kegelschnittarten“, „alle regelmäßigen 10 Körper“.
Beilage XXIII Ob die logischen Gesetze als Gesetze für Gegenständlichkeiten, besonders für Sachverhalte, gelten dürfen. Der Widerspruchssatz als formal ontologisches Gesetz2
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Eine Schwierigkeit besteht, ob man die logischen Gesetze als Gesetze für Bedeutungen oder als Gesetze für Gegenständlichkeiten anzusehen habe. 1) Jeder Satz der propositionalen mathesis ist ein Satz für Sätze überhaupt und deren Geltung. Zum Beispiel: Sind A, B beliebige Sätze, so gilt, wenn 20 zusammen A gilt und B gilt, dass B keine Folge von nicht-A ist. Aus der Sphäre der Kategorie „Satz“ kann ich hier beliebige Paare von Sätzen herausgreifen. Sie mögen auch absurd sein. Annehmen kann ich auch Absurdes. Es heißt ja „gesetzt, dass A und B gelten“. Im Übrigen sind absurde Sätze auch Sätze, und in einem solchen Gesetz für Sätze kann ich jeden, also auch jeden 25 absurden Satz substituieren. 2) „Dieselben“ Gesetze kann ich aber auch als Gesetze für Sachverhalte ansehen. Nun kann man aber sagen: Das Reich der Sachverhalte ist enger als das korrelative Reich der Sätze. (Ebenso in der parallelen Sphäre, wo das Problem dasselbe ist: Das Reich der nominalen Bedeutungen ist weiter als das Reich der Gegenstände). Unzählige Sätze 30 sind Sätze, aber es entspricht ihnen kein Sachverhalt. Sie meinen einen Sachverhalt, er besteht aber nicht. Kann ich dann aber sagen: Von zwei kontradiktorischen Sachverhalten besteht der eine, und der andere best eht ni c ht? So sprechen wir oft genug, 1
Spätere Randbemerkung: „Nein.“ – Anm. des Hrsg. Abschrift (und Erweiterung) wohl aus dem Jahr 1908 stammend eines alten Blattes aus der logisch-arithmetischen Zeit (auf Adlerpapier), Halle. Nota bene. 2
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wie wir auch sagen: Dinge mit entgegengesetzten Bestimmungen existieren nicht. Ein Ding, das α und nicht-α ist, gibt es nicht. Indem wir so sprechen, urteilen wir also über Dinge und Sachverhalte, die nicht sind. Und wenn wir irgendwo, gleichgültig in welchem Gebiet, in unbedingter Allgemeinheit über Gegenstände aussagen, tun wir das nicht unabhängig von Sein und Nichtsein derselben? Es liegt im Wesen der gesetzlichen (unbedingten) Allgemeinheit, dass sie das Sein der variablen Gegenständlichkeit offen lässt. Oder deutlicher: Jedes Gesetz bezieht sich auf einen Umfang, der Gegenstände hat. Aber zum Sinn des unbedingt allgemeinen Satzes als solchen gehört es, dass das „Für beliebige α β … gilt“ soviel besagt wie „Gesetzt, es sei irgendetwas ein α, ein β usw., so ist …“. Zum Beispiel: Ein Satz für Zahlen überhaupt besagt „Gesetzt, es sei etwas eine Zahl, so gilt das und das“. Also auch bei Gesetzen für Sachverhalte und für Gegenstände überhaupt: Sind es überhaupt Sachverhalte, Gegenstände, so gilt das und das. Sage ich nun „Von je zwei kontradiktorischen Sachverhalten besteht der eine, und der andere nicht“, so hieße das „Gesetzt, es sei irgendetwas ein Sachverhalt und irgendein anderes ein davon kontradiktorisch unterschiedener Sachverhalt, so besteht von den beiden der eine und der andere nicht“. Die Annahme besagt aber im Wesen dasselbe wie „Gesetzt, es bestehe irgendein Paar kontradiktorischer Sachverhalte“, und dann sagt der Nachsatz „dann besteht einer von beiden nicht“, oder „Gesetzt, es bestehe ein Paar kontradiktorischer Sachverhalte, so besteht dasselbe Paar nicht“ („Gesetzt, es bestehen alle beide, so bestehen nicht alle beide“), also der reine Widerspruch. Da ist eine Unklarheit. Damit kann es doch nicht sein Bewenden haben. Da habe ich allerlei logische Irrungen vorgenommen. Ich habe den Sinn nicht identisch gelassen. Überlegen wir: Von je zwei kontradiktorischen Sachverhalten besteht der eine und der andere nicht. „Von je zwei“, das heißt nicht „von je zwei ‚wirklich‘ bestehenden“, sondern „denke ich mir“ zwei kontradiktorische Sachverhalte, überhaupt, zwei beliebige, dann liegt darin auch: „gesetzt, es sei irgendetwas (A) ein Sachverhalt und irgendetwas anderes (B) ein kontradiktorischer“; aber darin liegt noch nicht der Gedanke, die „Annahme“: „gesetzt, es bestehen (es seien in Wahrheit) zwei kontradiktorische Sachverhalte“. Das sage ich damit nicht und nehme es nicht an. Es ist daraus zu erschließen: Das Urteil „Etwas ist ein A“ ist nicht das Urteil „Es gibt ein A“ = „Es gibt etwas, das A ist“, obschon beide äquivalent sind. Sage ich „gesetzt, es sei A (irgendetwas) ein Sachverhalt, und es sei weiter B (irgendein anderes) ein kontradiktorischer Sachverhalt“, so kann ich weiter sagen „und gesetzt, es bestehen alle beide“; aber das bringt etwas Neues, fühlbar Neues. Vorher habe ich noch nicht angenommen, dass beide bestehen. Ich habe nur gesagt „gesetzt, es sei irgendetwas ein Sachverhalt und irgendetwas ein entgegengesetzter“, und nun sagt das fragliche Gesetz „dann
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besteht einer von beiden“. Darum ist doch jener Widerspruch vorhanden und korrekt. Gesetzt, es seien A und B irgendwelche kontradiktorische Sachverhalte, dann liegt darin beschlossen, dass es kontradiktorische Sachverhalte gibt (zunächst, dass zwei solche bestehen), und andererseits sagt uns der Satz des Widerspruchs, dass es solche nicht gibt (dass einer von beiden nicht bestehe, also nicht alle zwei). Also, in Folge dieses Satzes impliziert jede widersprechende Annahme eine widersprechende Folge, nämlich einen Widerspruch mit dem, was der Satz vom Widerspruch fordert. Nicht der Satz vom Widerspruch sagt selbst etwa „Wenn zwei kontradiktorische Sachverhalte beide bestehen, so bestehen beide nicht“, sondern dies ist eine Folge des Satzes vom Widerspruch. Weiter ist hinzuzufügen: Es ist zweierlei, eine Annahme machen, S sei P, oder etwas sei S, irgendetwas und irgendetwas seien P und dgl., und andererseits die Annahme machen, es gelte der Satz „S ist P“, oder andererseits besteht der Sachverhalt, S sei P, es gebe etwas in Wahrheit und dieses sei P.1 Ich kann mir ein Wirkliches denken und annehmen, es sei P, z. B., das Berliner Schloss sei in der Nacht versetzt worden. Ich kann mir aber auch ein Feenschloss, ein Phantasieschloss „denken“ und denken „ein Phantasieschloss mit tausend Zimmern, und darin schläft ein Prinz“ und dgl. Da bin ich rein in der Phantasie. Aber auch schon das ist ein Unterschied, ob ich phantasiere das Berliner Schloss und „Ein Geist hebt es empor und versetzt es da und da hin“, oder ob ich die Annahme mache, es sei das wirklich gewesen. In der Modifikation (der Phantasie im weitesten Sinn) lebend, urteilen wir über die modifiziert vorgestellten Sachen (nicht über gesetzte, sondern über modifiziert gesetzte); wir vollziehen eben modifizierte Setzungen. „Phantasievorstellungen“ sind aber nicht den Vorstellungen zugewendet; wir leben in ihnen, wir beschäftigen uns mit den Sachen. Und nun können wir wirklich urteilen aufgrund dieser bloßen Ideen. Wir sehen einen Menschen. Es kommt uns nicht darauf an, dass es dieser Mensch ist und dass er existiert. Wir stellen uns in der Phantasie einen Menschen vor. Es ist nicht unsere Frage, ob dieser Mensch wirklich existiert, ob es überhaupt etwas ihm Ähnliches gibt. Wir meinen nicht einen bestimmten Menschen, sondern einen Menschen überhaupt, irgendeinen Menschen als solchen. Dieser Gedanke konstituiert sich ebenso gut aufgrund einer Wahrnehmung als einer Einbildung. Und nun urteilen wir (etwa phantasierend) „jeder Mensch
1 Darin liegt wohl: Gesetzt, ich denke mir irgendetwas, das P ist. Zum Beispiel: Ich denke mir irgendetwas, das unter den Begriff α und zugleich auch unter den Begriff nicht-α fällt, dann kann ich und muss ich sagen „Das existiert nicht“. Das heißt eben: Ich bilde den Gedanken „etwas, das α und nicht- α ist“, dann muss ich sagen „So etwas ist nicht“.
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als solcher, ein Mensch als solcher, überhaupt“ und „ist etwas überhaupt ein Mensch“. Das heißt nicht: angenommen, es existiere in aller Welt ein Mensch. Es kommt nicht, auch jetzt nicht auf Wirklichkeit an. Nehme ich in der Einbildung einen Menschen, ist es (in modifiziertem Sinn) ein Mensch, so … Und so urteilen wir auch über Sachverhalte überhaupt, über Gegenstände überhaupt, unangesehen von Existenz, Bestand überhaupt, oder nicht. Denkt man sich entgegengesetzte Sachverhalte, so ist einer von ihnen, und der andere ist nicht. Sind entgegengesetzte Sachverhalte in der Einbildung gegeben, so bedingt die Annahme, dass das eine sei (Identität der Gegenstände, worauf sie sich beziehen lassen, vorausgesetzt), die Folge, dass das andere nicht sei, und umgekehrt. In der Wahrnehmung können sie nicht beide wirklich gegeben sein; aber ist das eine gegeben, so das andere nicht gegeben (gegeben als nichtseiend), und umgekehrt. Wir leben in den Gedanken und urteilen über die Sachverhalte. Ich stelle mir meinen Araber mit weißem Burnus vor und stelle denselben mit rotem vor. Ich denke mir: Derselbe in derselben Zeitstrecke hat zugleich einen weißen und roten (aber nicht zwei) Burnus. Und ich sehe ein: Das geht nicht. Die Frage, ob der Araber existiert, kommt nicht vor. Ihn halte ich nicht für existierend, es ist meine Fiktion. Aber dieser identische kann als identischer nicht rot sein und weiß sein. Was von einem Gegenstand als solchem gilt, das gilt von dem Gegenstand unter Annahme und kommt „in der Wirklichkeit“ vor, unter den wirklichen Dingen der „Welt“. Was von Menschen überhaupt gilt, das gilt von den arabischen Menschen, wie es gilt von den Menschen der Fiktion, von den mit sich identisch festgehaltenen (als identisch gemeinten) Gegenständen in modifizierten Akten. Es gibt also ein Urteilen, und dahin gehört alles echte Universelle (unbedingt Allgemeine), das sich auf das bloße „Wesen“ der Gegenständlichkeit, auf ihren Inhalt, so wie er mit sich identisch festgehalten den identischen Gegenstand konstituiert, bezieht. Und dazu gibt es ein Urteilen, das thetisch, setzend ist und das Ergebnis der Wesensbeurteilung in die Sphäre der Wirklichkeit versetzt. Die Modifikation der Setzung kommt in der Phantasie vor, und von ihr ist zu unterscheiden die Voraussetzung, die Annahme, es sei etwas wirklich. Natürlich ist nicht alle Phantasiebeurteilung allgemeine Wesensbeurteilung, obwohl jede auch solcher korrespondiert, wie auch jede Wahrnehmungsbeurteilung: „Dieses (phantasierte) Haus ist rot“. Natürlich zum Wesen dieses Hauses (als Fall seines Wesens) gehört es, rot zu sein. Aber im „dies“ steckt eine Beziehung auf einen Einzelfall und eine Individualsetzung, die eine modifizierte ist (Setzung eines Individuellen). Ich kann nun wesensgesetzlich urteilen aufgrund der eigentlichen „Wesen“ (der Gattung, Arten etc.) und wieder urteilen aufgrund der kategorialen Formen (des zu ihnen wesentlich Gehörigen), und zwar der rein
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logischen Formen (der Aussageformen) und der realen Formen (Ding, Veränderung, Realrelation etc.). Sollen wir also sagen: Die logischen Gesetze erscheinen mir danach primär als Gesetze für Gegenstände, B eschaffenhei t en, Sachverhalte usw.? Gleichwohl dürfte die Gegenansicht richtig sein, wie Ausführungen eines anderen Blattes ausweisen. Man kann nämlich einwenden: Ein Zahlengesetz gilt für Zahlen. Natürlich, gesetzt, ein Stiefel wäre eine Zahl und ein Strumpf wäre eine andere Zahl, so gälte z. B.: Ein Stiefel + ein Strumpf = ein Strumpf + ein Stiefel. Aber darum gilt doch das Zahlengesetz nicht für Stiefel und Strümpfe, sondern eben für Zahlen, und Stiefel sind keine Zahlen. Jedes Gesetz hat sein Gebiet und darein fallen Gegenstände, seiende Gegenstände, alles und jedes, das dem allgemeinen Begriff des Gesetzes unterzuordnen ist. Und nehme ich an, etwas ordne sich ihm unter, dann gilt natürlich unter dieser Annahme die Anwendung für dieses Etwas. Kann man sagen, so auch bei Gegenständen und Sachverhalten in Hinsicht auf die logischen Gesetze? Zwei kontradiktorische Sachverhalte sind nicht zwei kontradiktorische Sachverhalte. Es gibt eben solche zwei nicht, und davon zu reden, ergibt ebenso krasse Widersprüche wie die eben in uneigentlicher Redeweise gebrauchte. Wirklich und richtig gesprochen wäre es ein Gesetz für Sachverhalte: „dass jeder Sachverhalt einen Gegenstand enthält, ein Subjekt des ‚Verhaltes‘“. Ebenso für Gegenstände: Ein Gesetz für Gegenstände ist es, dass jeder Gegenstand bestimmbar ist und dass von zwei kontradiktorischen Eigenschaften ihm eine zukommt und die andere nicht zukommt. (Denn kontradiktorische Eigenschaften „gibt“ es, z. B. „Dieses Haus ist rot, und jenes ist nicht rot“.) Dagegen ist der Satz A und Ao = 0 kein Gesetz für Sachverhalte, sondern ein Gesetz für Bedeutungen. Für beliebige Satzpaare der Form A und Ao gilt es, dass einer wahr und der andere falsch ist. Wieder ist es kein Gesetz für Gegenstände, dass kein mit widersprechenden Bestimmungen behafteter Gegenstand existiert, aber es ist ein Gesetz für begriffliche Vorstellungen (Eigenschaftsvorstellungen), dass jeder Satz der Form „Ein Gegenstand hat eine Eigenschaft α und αo “ falsch ist, welche Vorstellung α ich darin auch substituiere, oder ein Gesetz für begriffliche Bestimmtheiten (Eigenschaften), dass kein Gegenstand sie und ihre kontradiktorischen Gegenteile besitzen kann. Jedes Gesetz der propositionalen mathesis ist ein Gesetz für Sätze: Welchen Satz (einen wirklichen, sinnvollen Satz) ich auch substituiere, ich bekomme eine Wahrheit. Ebenso ist jedes konzeptuale Gesetz ein Gesetz für begriffliche Vorstellungen. Ich kann sie darin frei variieren. Für jede bestimmte ergibt sich eine Wahrheit.1 1
Reine Allgemeinheit bewegt sich in einem Umfang reiner Möglichkeiten. Alle apriorischen (unbedingt allgemeinen) Erkenntnisse beziehen sich auf mögliche Ge-
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Ich kann bei der Korrelation zwischen Satz und Sachverhalt, Begriff und Bestimmtheit auch Sätze für Bestimmtheiten aufstellen: Dann muss ich mich auf möglicherweise gültige Sätze beschränken und auf gültige Begriffe, d. i. auf möglicherweise gültige Prädikatbedeutungen bzw. mögliche Prädikate selbst. Dann erhalte ich allgemeine Gesetze für Sachverhalte und Bestimmtheiten. „Rundes Viereck“ ist keine Bestimmtheit, ebenso wenig wie „Ein Viereck ist rund“ ein Sachverhalt ist. Der Satz „stellt nur einen vor“. Was für Sätze überhaupt gilt, gilt auch für den Satz „Ein Viereck ist rund“. Was für alle möglichen Sachverhalte gilt, gilt für jeden gegebenen und gilt für jeden angenommenen unter der Annahme, er sei eben ein Sachverhalt, also freilich auch für einen Stiefel, wenn ich annehme, es sei ein Sachverhalt. Wo aber der Satz wirklich Sinn hat, da haben wir eine echte Geltung für die Anwendung des l ogi sc hen G eset z es ohne besondere Assumtion. Und jede solche Anwendung gehört zum Umfang des Gesetzes. Nicht so aber im korrelaten Fall, da es „unmögliche Sätze“ gibt, nämlich solche, denen Sachverhalte nicht entsprechen können. Es ist eine Uneigentlichkeit, wenn wir „alle Sachverhalte“ so interpretieren, alle = wirklich gültige und mögliche und unmögliche, als ob Sachverhalte damit einzuteilen wären, so wie allerdings die Sätze sich parallel einteilen. Ein Satz für alle Zahlen, das heißt ja auch nicht für wirkliche, mögliche und unmögliche, ein Satz für alle Dreiecke, für mögliche und absurde (rundes Viereck), obwohl unter Assumtion natürlich alles geht und doch nichts geändert ist. Es hat aber im logischen Fall seine Bequemlichkeit, Satz und Sachverhalt sich decken zu lassen; nur ist die Redeweise dann eine uneigentliche. W ir werden also wohl dabei bleiben müssen, die Bedeutungsgesetze (Geltungsgesetze der B edeutungen) von den eigentlichen gegenstandstheoretischen Sätzen z u unter scheide n, o bsc h o n d e r i n n i g s te Z us a m me nh a ng b es te ht .
genstände (in reiner Allgemeinheit), z. B. die Geometrie auf Dreiecke überhaupt = mögliche Dreiecke überhaupt. Die Möglichkeit geht der Wirklichkeit vorher. Existenz in den apriorischen Wissenschaften besagt ideale Möglichkeit. So urteilt die formale Ontologie über Gegenstände überhaupt, Sachverhalte überhaupt etc.: über a l l e s M ö g l i c h e , über alle für alles Mögliche möglichen Prädikate etc. Die grammatische Bedeutungslehre urteilt über alle möglichen Bedeutungen, nämlich was als Bedeutung möglich ist, aber nicht über Bedeutungen, sofern ihnen möglicherweise etwas entspricht, die Geltungslehre der Bedeutungen aber gerade darüber, wobei sie das All der Bedeutungen überhaupt zur Verfügung hat.
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Ich sagte in den Vorlesungen:2 Jede besondere Wissenschaft ist eine besondere „Ontologie“. Die reine Logik ist eine „allgemeine Ontologie“. Inwieweit ist die reine Logik als allgemeine Ontologie anzusehen? Zunächst: Sie handelt von Begriffen und Sätzen und Schlüssen, mit B ol z ano zu reden, von „Vorstellungen an sich“, von „Sätzen an sich“. Sehen wir dann ab vom „rein Grammatischen“, von den bloßen Begriffs- und Satzformen, dann bleibt übrig die Lehre von der Geltung der Sätze (die von der Geltung von Vorstellungen führt auf die Geltung der Sätze zurück). Diese Gesetze sind aber korrelativ zu fassen als allgemeinste Gegenständlichkeitsgesetze. Zum Beispiel: das Substitutionsprinzip „Wenn ein Satz3 allgemein gilt,4 so ist auch jeder Satz gültig, der aus diesem durch Substitution bestimmter Satzwerte für Satzvariablen hervorgeht“. Korrelativ haben wir das Gesetz „Besteht der universelle Sachverhalt5 ‚f (x, y …)‘, so besteht auch jeder darunter fallende besondere und singuläre ‚f (a, b …)‘, ‚f (xo, yo …)‘“. Oder: „Aus zwei Sätzen der Formen ‚Alle A sind B‘ und ‚Alle B sind C‘, ‚geht hervor‘ ein Satz der Form ‚Alle A sind C‘“. Äquivalent ist das Gesetz „Bestehen zwei Sachverhalte der Formen ‚Alle A sind B‘ und ‚Alle B sind C‘, so besteht ein Sachverhalt der Form ‚Alle A sind C‘“. Vergleiche über diese Frage eine ganze Reihe von Meditationen im Konvolut K, Kategorie und reine Logik.6 Reine Grammatik nannten wir eine Formenlehre der Sätze. Ist sie nicht korrelativ zu einer Formenlehre der Sachverhalte, nur unabhängig von Bestehen und Nichtbestehen? In einer Formenlehre der Sachverhalte wäre diejenige der Gegenstände beschlossen, genau so wie parallel in einer Formenlehre der Sätze die der „Begriffe“.
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Wohl Wintersemester 1910/11. – Anm. des Hrsg. Es handelt sich wohl um die Vorlesungen „Logik als Theorie der Erkenntnis“ vom Wintersemester 1910/11, die zum Teil in Husserliana XXX veröffentlicht sind. – Anm. des Hsg. 3 Spätere Ergänzung: „(ein Urteilsinhalt in Anführungszeichen)“. – Anm. des Hrsg. 4 Über „gilt“ spätere Ergänzung „wahr ist“. – Anm. des Hrsg. 5 Spätere Randbemerkung: „Sachverhalt in Anführungszeichen ist der propositionale Inhalt des Satzes als das in ihm als ‚seiend‘ Vermeinte.“ – Anm. des Hrsg. 6 Husserl bezient sich hier wahrscheinlich auf seine unveröffentlichten Manuskripte zur reinen Logik, die etwa aus der Zeit um 1894 stammen und die sich im Konvolut K I 18 befinden. – Anm. des Hrsg. 2
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Natürlich, es bedarf solcher Formenlehre. Die Gegenstände sind in ihr unabhängig von Bestehen und Sein oder Nichtsein gedacht.1 Es kämen in ihr also „möglich“ und „unmöglich“ vor, in formaler Betrachtung wäre das sogar eine Einteilung.2 Wie ich in anderen Ausarbeitungen gezeigt habe, hängt das damit zusammen, dass unter Assumtion geurteilt werden kann und dass dabei auch Gegenstände assumtiv „gesetzt“ sind oder gesetzt sein können, die nicht bestehen, die unmöglich sind. Tiefer gesprochen:3 Einheit der Gegenständlichkeit konstituiert sich in Vorstellungen bzw. Urteilszusammenhängen, die entweder existentialer (kategorischer) oder assumtiver Natur sind. Und je nachdem sind die Gegenstände selbst entweder existential gesetzt oder nicht. Je nach der Erfüllbarkeit bestehen die Sachverhalte, sind die Gegenstände oder nicht. Immerhin ist Bedeutung4 etwas anderes als Sache, auch wenn wir von widerspruchsvollen Sachverhalten, Dingen etc. sprechen. D i esel be Sac he – dieselbe i n verschiedenen Zusammenhängen, dieselbe, aber in verschiedener Weise „ vorgestellt “. Was ist das, diese verschiedene „Weise der Vorstellung“? Nun, wir haben verschiedene kategoriale Gebilde bei „Identität der Sache“. Die durchgehende sachliche Identität auf der einen Seite bei verschiedenem kategorialem Gehalt (evtl. bei verschiedener kategorialer Form) auf der anderen Seite.5 Auch die kategoriale Bildung hat ihre Sachlichkeit, und so kann man und muss man den Gegenstand, der das Identische ist, unterscheiden von dem Gegenstand in der Weise, wie er „gedacht“, wie er bestimmt ist. Die Formenlehre der Gegenstände hätte offenbar die verschiedenen zum Wesen der Idee „Gegenstand“ gehörigen kategorialen Gegenstandsformen zu unterscheiden und dabei die verschiedenen Gegenstandsformen oder Formen der gegenständlichen „Fassung“ oder „Bestimmung“. Bei Identität6 des Gegenstands, nämlich ei nm al fragen wir nur nach den Formen, in denen identisch derselbe Gegenstand überhaupt fassbar ist,7 in 1 Gehen wir zunächst dem Gedanken einer Formenlehre der Gegenstände bzw. Sachverhalte nach. 2 Spätere Randbemerkung: „Es sind eben nicht Gegenstände, sondern Gegenstandssinne.“ – Anm. des Hrsg. 3 Von „Tiefer gesprochen:“ bis „oder ‚Bestimmung‘“ später mit einer Null am Rand versehen. – Anm. des Hrsg. 4 Über „Bedeutung“ spätere Ergänzung: „Satz!“ – Anm. des Hrsg. 5 Spätere Randbemerkung: „Da ist eben Gegenstand immer der Gegenstandssinn als identisch Setzbares in mannigfaltigen Sätzen.“ – Anm. des Hrsg. 6 Von „Bei Identität“ bis „die Gegenstandsformen.“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. 7 Also bei Äquivalenz der Bedeutungen, wobei aber die „Materie“ unbestimmt bleibt.
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denen aus Gegenständen neue Formen sich ergeben, in denen ein beliebiger Gegenstand bestimmbar ist. Das andere Mal fassen wir das Identische allein ins Auge und fragen: Welche Arten von Gegenständen sind denkbar oder „gibt“ es, wie Unterscheidungen der Gegenstände in Sachverhalte und Nichtsachverhalte etc.? Jedenfalls ist es bei der Erwägung des Sinnes der Formenlehre der Gegenstände klar, dass die reine Grammatik nicht schon Formenlehre der Gegenstände ist. Eine solche Formenlehre setzt natürlich die Identität der Gegenstände voraus, und wenn wir von verschiedenen Formen sprechen, in denen ein Gegenstand gedacht sein kann, so liegt zugrunde Identifizierung aufgrund der Form. Das ist nicht mehr reine Grammatik. Diese scheidet bloß die Bedeutungsformen, die Gegenstandsformen. Zum Beispiel: „S ist P“ ist eine andere Form als „S, welches P ist“ oder „dies, dass S P ist“ usw. Ich frage hier nicht nach dem Gegenstand. Es kommt nicht einmal darauf an, ob hier von denselben oder nicht denselben S und P in den verschiedenen Formen gesprochen wird. Man könnte nun sagen: Unverkennbar ist, dass auch das korrelativ genommen werden kann als Formen von Gegenständen. Aber die Frage ist nicht: In welchen Formen kann ein und derselbe Gegenstand, ohne seine Identität einzubüßen und seine wirkliche oder mögliche Geltung, gedac ht werden? Es handelt sich also nicht um die Fragen, die sich um die Äquivalenz und Nichtäquivalenz gruppieren. Ebenso auch nicht: Welche Formen sind in welchen anderen hinsichtlich desselben Gegenstands logisch eingeschlossen (Schluss)? Sondern zunächst nur: In welchen Formen treten Gegenständlichkeiten überhaupt auf, gleichgültig ob in verschiedenen „dieselben“ Gegenstände als dieselben1 gelten müssen oder nicht? Und die Formen sind die Kategorien; die Gegenständlichkeiten bleiben völlig unbestimmt, und keine Frage der Geltung oder Nichtgeltung, von Sein oder Nichtsein betrifft sie. (Ebenso ist nicht die Rede von den Unterscheidungen zwischen Dingen und Eigenschaften, zwischen Vorgängen, realen Relationen etc.) Aber doch gehören hierher Subjekt und Prädikat (nominale und adjektivische Vorstellung) und Relation (als „ähnlich“ und dgl. dem allgemeinsten Formalen nach), von Individuellem und Generellem, Einheit und Mehrheit usw. Ist also ein Unterschied zu machen, wie ich es immer wieder angenommen habe, zwischen ontologischen und rein grammatischen Kategorien?2 Und bringt die Sphäre der Geltungsgesetze noch neu hinzu die spezifisch logischen Kategorien? Ich kann also doch wieder sagen, wenn auch oben beim ersten Versuch in die reine Grammatik zuviel gerechnet wurde, so ist 1
Spätere Einfügung: „in Wahrheit“. – Anm. des Hrsg. Spätere Randbemerkung: „Natürlich, die normativen Kategorien ‚wahr‘ – ‚falsch‘ etc. treten auf.“ – Anm. des Hrsg. 2
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sie doch wie jede Art von Bedeutungslehre selbst wieder korrelativ eine Gegenstandslehre. Alles in allem haben wir in der reinen Logik eine formale Ontologie, die als solche korrelativ zugleich eine formale Geltungslehre von Begriffen und Sätzen ist. Die weitere Frage ist: Wie steht es mit den allgemeinsten metaphysischen Kategorien? Kann die reine Logik sie entbehren? Es ist sicher ein wesentlicher Unterschied: Formen wie Subjekt und Prädikat und Formen wie Ding und Eigenschaft. Besteht aber nicht eine wesensgesetzliche Beziehung aller logischen Formen, zumal in der Geltungssphäre, auf die Metaphysik? Ist die letzte Individualität nicht eine zeitliche, dingliche (konkrete Individualität natürlich)? Nun zu1 der Frage, die ich zu Anfang dieser Meditation im Auge hatte. In welchem Sinn und Maß bedarf es der Evidenz f ür die K onstitution dieser rein grammatischen und rein logischen W issenschaft? Was für Evidenz brauche ich für die Feststellung einer rein grammatischen Unterscheidung und einer rein grammatischen (generellen) Wahrheit? Nun, um zu erkennen, dass die Form „S, welches P ist“ verschieden ist von „S ist P“ oder von „dies, dass S P ist“, brauche ich nichts als Vollzug dieser Bedeutungen und Hinblick auf ihren aktuellen Inhalt. Es ist, scheint es, gleich, ob ich symbolisch denke oder anschaulich. Ich nehme Beispiele, aber wieder brauche ich keine anschaulichen: „der Kaiser, welcher verreist ist“, „Der Kaiser ist verreist“.2 Ich kann hier sagen: Dasselbe Objekt Kaiser (und „verreist“) ist hier gedacht, aber es wird darüber anderes gedacht im einen und anderen Fall. Identität des Gegenstands ist hier durch explizite Identität der Bedeutung besagt. Davon können wir ruhig Gebrauch machen, ohne die reine Grammatik zu verlieren.3 Ebenso, dass die Subjektform und Prädikatform verschieden sind usw. Wie aber, wenn wir die Bedeutung der Form „Alle S sind P“, „Jedes S ist P“, „Ein S überhaupt ist P“ und „Es gibt kein S, das nicht P ist“, „Wenn etwas S, so P“ usw. erwägen? Die verschiedenen Bedeutungen der hypothetischen Form, ihre Verhältnisse zur Disjunktion?4
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Der Absatz von „Nun zu“ bis „Disjunktion.“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. Bedarf es der „Anschauung“ der unterliegenden Gegenstände, der Evidenz der unterliegenden Sachverhalte etc.? Wie kommen „Formen“ zur Gegebenheit? 3 Von „Davon können“ bis „verlieren.“ später verändert in „Aber wozu davon Gebrauch zu machen, wenn ich bloße Bedeutungsformen unterscheide? Aber freilich kann ich auch Gegenstandsformen unterscheiden wollen. Dasselbe S kann einmal Träger eines Attributs und das andere Mal Träger eines Prädikats sein und als solches gedacht sein.“ – Anm. des Hrsg. 4 Spätere Randbemerkung: „Was für einer Evidenz bedarf die reine Logik und reine Grammatik? Und warum es einer phänomenologischen Klärung bedarf.“ – Anm. des Hrsg. 2
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Ich erinnere hier an die sehr weit unterschiedenen Auffassungen dieser Formen, wobei Äquivalenz für Identisches angesehen wird oder umgekehrt. Da wird man bedenken: Wie kommt es, dass ich zweifeln kann, ob „Alle S sind P“ dasselbe bedeutet oder nicht dasselbe wie „Jedes S ist P“ oder „Ein S als solches ist P“? Warum genügt nicht der Hinblick auf den Inhalt der Bedeutung? Muss ich auf „Anschauung“ zurückgehen? Ich brauche nicht die Evidenz eines solchen Urteils, des Daseins der beurteilten Gegenständlichkeit der Beispiele. Ich muss aber, wie es scheint, eine Evidenz der Formen haben aufgrund der Vergegenwärtigung einer Beispielsgegenständlichkeit. Das heißt, ich muss eine „anschauliche“ Vorstellung, eine eigentliche Vorstellung der Formen haben, wie ich sie nur haben kann in einem eigentlichen Vollzug der „kategorialen Akte“ an einer „vergegenwärtigten“ Gegenständlichkeit.1 Aber andererseits ist dabei sicher nicht notwendig, dass ich wirkliche Gegenständlichkeiten konkreter Art, die aus der Bestimmung der Unbestimmten S, P … erwachsen (Exemplifizierung), habe und alle Formen in ihnen phantasiemäßig eigentlich vollziehe. Sonst könnte ich ja nie zur Evidenz bringen den Sinn formal widerspruchsvoller Formen wie „S, welches P und nicht P ist“ und dgl.2 Sondern bei jeder primitiven Form muss ich diese Vereigentlichung durchführen können, z. B. das „welches“, das P-Sein, das nicht P-Sein, das „und“, also etwa auch das P- und Q-Sein und dgl. Dann weiß ich doch auch klar, was das S P Po bedeutet. Man kann aber vielleicht besser sagen: Ich stelle mir eigentlich ein S, welches P und nicht P ist, vor, natürlich nicht so, dass ich S einheitlich mit dem Merkmal P vorstelle und kategorial es als P-seiend fasse und in eins damit es zugleich mit einem P’, das mit P streitet, und als P’-seiend vorstelle und nun das Nicht-P-Sein vollziehe. Das geht freilich nicht. Aber ich stelle S P anschaulich vor in der entsprechenden kategorialen Fassung und überkleide es mit der Intention, es sei nicht P, die hier freilich eine unanschauliche ist und bestenfalls veranschaulicht werden kann in einem anderen S’, das wirklich P’ und somit nicht P ist.3
1 Der Unterschied zwischen „eigentlich“ und „uneigentlich“ (symbolische – oder leere Intention, und erfüllte Anschauung – volle Intention) ist nicht zu verwechseln mit dem Unterschied zwischen Impression und Idee. 2 Man könnte sagen: Vergegenwärtigung der Gegenständlichkeit und wirklicher Vollzug der Formen kann nur bedeuten anschauliche Vergegenwärtigung, aber nicht anschauliche Vergegenwärtigung des ganzen Gegenstands mit seinen Bestimmungen, mit allen ihren Komplexionen. 3 Damit ist aber gesagt, dass zur Evidenz der Form, zu ihrer eigentlichen Gegebenheit, die erforderlich ist, für die Evidenz des logischen Sachverhalts, nicht gehört eine volle Anschauung eines exemplarischen Sachverhalts. Nun ist aber noch nicht geklärt, warum oder ob nicht Anschauung hinsichtlich der Termini gänzlich entfallen und ein symbolischer Vollzug von Exempeln nicht genügen kann. In symbolischen Vorstel-
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Aber warum genügt nicht eine „uneigentliche“ Bedeutungsvorstellung, die bloße Bedeutungsintention? Enthält sie nicht als ein Moment das Bedeutungsmoment, dass dann zur Grundlage der Ideation „der“ Bedeutung dienen kann? Signative und leere Intentionen sind „verworren“, mehr oder minder verworren. Sie entbehren im Allgemeinen und sehr oft der „Deutlichkeit“. Hier scheint ein Feld phänomenologischer Analysen noch zu sein, das der Bearbeitung harrt. In dem Status der Undeutlichkeit werden Äquivokationen nicht ohne weiteres bemerkt. Es können der Bedeutung Mittelbarkeiten und Komplexionen anhaften, die „logisch relevant“ sind, z. B. in der Form „Alle S sind P“. Mitbedeutet ist in gewisser Weise eine Vielheit („Vielheit von S“) und näher eine Vielheit, in der kein S fehlt, und unter „den“ S dieser Vielheit ist wieder keines, das nicht P wäre. Und doch ist solch eine Vielheit überall, wo es sich um ein streng allgemeines S überhaupt handelt, eine Unmöglichkeit; analytisch liegt in einem Urteil dieser Form, dass es eine Allheit von S gibt, und das kann es nicht geben. Nun ist es ja möglich, dass man sich doch „einbildet“, was nicht ist und nicht möglich ist (fälschlich daran glaubt); aber wo wir die universelle Satzform in einer rein begrifflichen unbedingten Allgemeinheit gebrauchen, glauben wir in Wahrheit nicht an das Sein einer solchen Allheit oder auch nur an die Möglichkeit derselben. Oder ist es da ein wirklich Vorstellbares, also ein im echten Sinn Mögliches: eine Vielheit, die alle analytischen Funktionen, alle geraden Zahlen oder alle Kreise und dgl. enthielte? Nehme ich empirische Begriffe wie „Mensch“, „Baum“ etc., so kann ich sagen „Eine Menge, die in eine Einheit befasste ‚alle Menschen‘ (das sind ihrer so viele, die bis jetzt gelebt haben oder jetzt leben oder in begrenzter Zeit leben werden), ist denkbar“. Das sind Inbegriffe aus einzeln aufzählbaren Dingen, wenigstens prinzipiell. Aber selbst ein „unendlicher Verstand“ könnte nicht eine Menge in diesem Sinn, eine Vielheit, die alle Einzelnen enthielte und sie kollektiv zusammenfasste, vorstellen und wahrnehmen. Und so könnte sie auch nicht sein. Allerdings, wenn wir sagen „alle Menschen (die jetzt leben)“, so stellen wir auch nicht die Vielheit aller Menschen eigentlich vor, sondern wir stellen bestenfalls eine „unbestimmte“ Vielheit vor mit dem Nebengedanken „Darin sollen lungen steht doch auch die Bedeutung. Sie sind ja Vorstellungen, und Vorstellungen desselben Sinnes. Nicht erwogen ist im Folgenden, ob es innerhalb des symbolischen Vorstellens nicht auch einen relativen Unterschied der „Deutlichkeit“ (einer gewissen Eigentlichkeit) und Verworrenheit gibt, oder der Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit, vermöge deren eine verworrene Vorstellung sich erfüllen könnte in einer deutlichen, also eine gewisse Mittelbarkeit in sich schließe, und ob nicht die Eigentlichkeit im Sinn der Deutlichkeit schon hinreicht, um die Formen zu geben und Evidenz reiner Bedeutungsgesetze hinsichtlich der Form zu ermöglichen.
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alle enthalten sein“. Aber dieser Gedanke enthält keine Unzuträglichkeit und Unverträglichkeit. Wohl aber ein Gedanke „alle Menschen überhaupt“, „alle empirisch-zufällig wirklichen und überhaupt möglichen“, und wieder in der reinen Sphäre von Spezies „alle Zahlen überhaupt“, „alle Dreiecke überhaupt“ usw. Auch hier stellen wir vielleicht anschaulich eine Vielheit vor mit unbestimmter Begrenzung, mit dem Unbestimmtheitsgedanken, das da sei sie nicht, aber sie stelle eine Vielheit vor, nämlich welche alle und nur solche S enthält. Und ebenso liegt der entsprechende symbolische Gedanke im symbolischen Vorstellen vor, also symbolisch eine Vielheit vorgestellt etc. Aber dies meinen wir nicht, wo wir einen widerspruchslosen Satz aussprechen, und in der Form „Alle S ist P“, wo wir eine Wahrheit darin auszusprechen meinen und wirklich aussprechen, vielleicht mit dem vollen Wissen, dass jener Gedanke eine Unverträglichkeit einschließe. Die Vielheitsvorstellung ist eine Art „symbolisches Bild“, ein stellvertretender Gedanke, der nämlich trotz seiner inneren Unverträglichkeit, wenn wir darauf nicht achten, so gebraucht werden kann wie ein verträglicher, und zwar jener, den wir durch das „Bild“ symbolisieren. Hier liegt ein Fall echter Surrogation vor.1 Der „echte Sinn“, nämlich der symbolisierte liegt in dem Gedanken „Ein S überhaupt ist P“. Es ist eine im Wesen des S gründende Allgemeinheit, dass ein solches P ist: „Ein S ist überhaupt P“. Im Wesen eines S: Es kommt nicht ein bestimmtes S, das ich etwa zufällig vorstelle, in Betracht. Das „ein“ ist charakterisiert als völlig unbestimmt, und nur das S kommt in Frage. Ich spreche nicht von einem gewissen S (darin läge: Es gibt ein S, ein näher zu bestimmendes, es ist hier nur nicht bestimmt, also eine unbestimmte Setzung eines bestimmten S, aber eines nicht näher bezeichneten). Ich spreche von einem S „als solchen“ überhaupt. Und dieses „ein S überhaupt“ ist eine Form, welche die Cognition affiziert.2 Und dieses „Ein S überhaupt ist …“ ist gleichwertig mit „Ein S ist notwendig …“.3 Die Negation lautet „Nicht ein S überhaupt“: „Es kann ein S sein, das nicht …“, „Ein S braucht nicht …“.
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Also: Eine gewisse Mittelbarkeit in den grammatischen Formen bzw. Formbedeutungen, vermöge deren das, was in einer ersten Stufe Sinn gibt, nicht der eigentliche Sinn ist, sondern Stellvertreter des eigentlichen, der für die Evidenz erst hergestellt werden müsste. 2 Hypothetische Paradoxie. Aber brauche ich zu ihrer Lösung exemplarische „Anschauung“? Ich brauche nur Rückgang auf die „eigentliche“ Bedeutung, und in dieser lebend sind die „Formen“ gegeben. 3 Also, unbedingte Allgemeinheit = Gesetz, daher der Zusammenhang von Notwendigkeit und Allgemeinheit. Notwendigkeit = Gesetzlichkeit. Negation von Gesetz: Es ist eben kein Gesetz, oder kein Gesetz schließt es aus, dass S P sei, oder es ist möglich. S ist notwendig P: nach einem Gesetz. S ist zufällig P: nach keinem Gesetz.
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Und nun haben wir die Äquivalenz:1 „Ist etwas S, so ist es P“, d. h. „Ist etwas überhaupt S, gesetzt, es wäre etwas S (und für jedes Etwas gilt der Ansatz), so wäre es auch P“ = „Ein S überhaupt ist P“, „Ein S, das nicht P ist, kann es überhaupt nicht geben“ =/ „Es gibt wirklich kein solches“. Umgekehrt: „Wenn es in Wirklichkeit kein S gibt, das nicht P ist, so ist es 5 sicher: Wenn es ein solches gibt, so ist es P“. Das hat jetzt aber nicht den Sinn: „Ist etwas überhaupt S, so ist es P“. „Es gibt in Wirklichkeit kein S, das nicht P ist“ gibt negiert „Es gibt in Wirklichkeit ein S, das nicht P ist“. „Ein S überhaupt ist nicht P“ oder „Es ist ein S als solches nicht P“ oder „Es kann ein S, das P ist, überhaupt nicht geben“ (es ist undenkbar) gibt 10 negiert: „Nicht ist überhaupt ein S P“, „Es kann sein, dass nicht …“ usw.
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Damit hängt meine quasihypothetische, konkrete Paradoxie zusammen für die Etwas-Sätze.
Nr. 9 Worüber u rteilt die reine Logik? Zweite S erie1 § 1. Satz, Satzgedanke, Satzinhalt
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Verstehen wir unter „Satz“2 das Identische des Urteils und der bloßen Denkvorstellung. Wenn ich urteile „S ist P!“ und wenn ich mir bloß vorstelle „S ist P“, so ist in dem geurteilten und dem bloß gedachten Was ein Gemeinsames. Wir können es nur bezeichnen durch „S ist P“. Vielleicht wird man geneigt sein zu sagen: Im Urteilen steht uns der Sachverhalt als seiender da, im Vorstellen als bloß vorschwebender; also gemeinsam sei es, dass es ein Sachverhalt sei, der zum Was des Urteils und der Vorstellung gehöre. Man könnte sich auch die Sache so zurechtlegen, dass man sagte: An sich ist der Sachverhalt, und dieser selbe wird einmal geglaubt, das andere Mal ohne Stellungnahme vorgestellt. Indessen, wenn ich urteilen würde „2 × 2 = 5!“ und ein anderes Mal mir das bloß denke, so wäre auch einmal in der Seinsweise „2 × 2 = 5!“ bewusst und das andere Mal dasselbe „2 × 2 = 5“ in der Vorstellungsweise.3 Und was da bewusst ist, ist also nicht ein Sachverhalt in dem Sinn eines an sich Wirklichen, im Sinn derjenigen Rede von Sachverhalt, Tatsache und dergleichen Äquivalenten, die sich in den Wendungen zeigt: „Das ist also der Sachverhalt, das ist Tatsache“ oder „Die Tatsache, die ich da mitzuteilen habe, der Sachverhalt hat große Nachwirkungen“. Parallel läuft diese Rede von Sachverhalt mit der Rede von Gegenstand: „Der Gegenstand bewegt sich“, „Der Gegenstand hat Eigenschaften“ usw. Was da „Gegenstand“ heißt, ist ein Wirkliches, wenn auch nicht immer Reales. Wir reden aber auch mitunter in modifiziertem Sinn, ja sehr oft von Gegenständen, nämlich da, wo ein an sich seiender Gegenstand gar nicht angenommen werden kann. Wir sagen, die Vorstellung eines Zentauren stelle einen Gegenstand, 1 Wohl Herbst 1910. – Die beiden ersten Paragraphen dieses Textes wurden schon in Husserliana XXVI als Beilage XVIII (S. 197–202) in einer Ausgabe letzter Hand veröffentlicht und werden hier erster Hand veröffentlicht; d.h. alle späteren Textveränderungen erscheinen in den Anmerkungen. – Anm. des Hrsg. 2 Spätere Einfügung vor „Satz“: „bloßem“. – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Einfügung: „im Als-ob“. – Anm. des Hrsg.
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einen Zentauren, vor, und die Seinsmeinung „der Zentaur Cheiron“, wie sie in den Urteilen eines mythosgläubigen Griechen im Altertum auftritt, setze den Gegenstand als seiend. Wir sprechen also auf der einen Seite von einem vermeinten (urteilsmäßig gesetzten) Sachverhalt und evtl. „demselben“ bloß gedachten. Und dann wieder von einem wirklichen Sachverhalt, wenn ein solcher eben ist.1 Ebenso von einem vermeinten (gesetzten) Gegenstand und evtl. einem bloß vorgestellten. Und dann wieder von dem Gegenstand in der Wirklichkeit (wenn ein solcher eben ist). Es steht auch nichts im Weg zu sagen, derselbe Gegenstand, derselbe Sachverhalt sei im Urteil gesetzt, in der bloßen Vorstellung vorgestellt und evtl. auch in der „Wirklichkeit“ wirklich.2 In der Regel wird dabei die Vorstellung maßgebend sein. Wenn jemand z. B. das deutsche Reichstagsgebäude als wirklich setzt, indem er normal darüber urteilt, ein anderer es vorstellt ohne Setzung, so haben wir dann drei Wirklichkeiten: das Reichstagsgebäude selbst und dann als psychische Wirklichkeiten das auf jenes bezügliche Urteilen mit seinem Inhalt und ebenso das Vorstellen. Würde das deutsche Reichstagsgebäude von der Erde ausgetilgt werden, so beständen künftig noch zwei; hätte es nie bestanden und wäre alle Ansetzung davon bloß Illusion, Trug und dgl. gewesen, so hätten wir immer nur die psychischen Wirklichkeiten. In ihnen bliebe nun, wie vordem unterschieden, das, was im Urteilen bewusst ist, allgemeiner im Setzen, „das deutsche Reichstagsgebäude!“ und das, was im Vorstellen bewusst ist, „das Reichstagsgebäude“; und wir hätten weiter in jenem Geurteilten als solchem und in diesem Vorgestellten (Gedachten als solchen) ein Gemeinsames, denselben Inhalt. Ebenso für das Urteil „Das Reichstagsgebäude ist ein Renaissancebau“ und wieder für den Gedanken. Ferner: Denken wir uns mehrere Urteilsakte, beliebig viele, die genau dasselbe urteilen, „dasselbe Urteil fällen“. Wiederhole ich selbst „Das Reichstagsgebäude ist ein Renaissancebau“, so kann ich daraus die Evidenz entnehmen: Das ist dasselbe Urteil.3 Es ist 1
„wenn ein solcher eben ist“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. Spätere Randbemerkung: „Vorstellung besagt, wie später ersichtlich, nicht ein beliebiges Phantasieren, sondern das ‚Ich stelle mir vor, es sei so‘ heißt: ‚Ich denke mir es‘, ‚Ich setze es an‘, ‚Ich assumiere es‘. Und das ist ein ‚aktueller‘ Akt mit einer These und nicht ein bloßes Bewusstsein des Als-ob, ein Träumen.“ – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Ergänzung: „Geurteilte“. – Anm. des Hrsg. 2
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evident, dass hier eine Einheit herauszuheben ist und dass von dieser Einheit gesagt werden kann, dass sie dasselbe Geurteilte ist in unendlich vielen wirklichen und möglichen Urteilen als Akten. Ob ich mir Menschen als Urteilende denke oder Tiere oder Bäume (wie in einem Märchen), das ist gleichgültig. Ich kann offenbar von dem Geurteilten als solchen als einer Idee1 sprechen, unabhängig von einer Beziehung zu irgendwelchen wirklich Urteilenden, genauso wie ich von einem Rot als Idee oder einem Ton c als Idee sprechen kann (dem Ton c der Tonreihe), ohne dass irgendwelche empfindenden Menschen, Tiere etc. damit als Wirklichkeiten gesetzt sind. Genau ebenso sprechen wir vom Gedanken „Das Reichstagsgebäude ist ein Renaissancebau“.2 Für diese verschiedenen Ideen ist es nun wichtig, passende Namen zu haben, und ebenso für die Ideen von den Erlebnissen selbst. Ideal können wir sprechen von Urteilen überhaupt (ohne Rücksicht darauf, ob es wirkliche Wesen gibt, die urteilen, und ob es Wesen menschlicher, tierischer etc. Artung sind); ferner von dem Urteilen in specie, und zwar dem Urteilen „Gold ist gelb“ etc. Andererseits liegt es nahe, das Geurteilte als solches das „Urteil“ zu nennen, wie denn faktisch in der logischen Rede dieser Sinn des Wortes zu herrschen scheint. Man spricht nicht von Urteilsakten und Ideen von Urteilsakten, sondern von dem Geurteilten, von dem, was im Urteilsbewusstsein jeweils dasteht.3 Diese Rede dürfen wir nur gebrauchen, wenn wir konsequent niemals „Urteil“ sagen, wo das Urteilen gemeint ist. Sonst könnten wir sagen „semasiologisches Urteil“, insofern als eine Aussage normalerweise so aufgenommen oder gebraucht ist, dass sie Ausdruck eines Urteils ist.4 Gebrauche ich eine Aussage, so ist mit dem verbalen lautlichen Bewusstsein verbunden ein Urteilsbewusstsein, und 1
Spätere Randbemerkung: „Satz als Idee des Geurteilten als solchen. Aber das ist in Wahrheit nicht Satz, sondern Idee des Satzes. Die richtige Unterscheidung folgt aber nach S. 80 = S. 181!“ – Anm. des Hrsg. 2 Spätere Einfügung: „als Idee“. – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Randbemerkung: „Immer ideal verstanden, was hier gesagt ist!“ – Anm. des Hrsg. 4 Da ist doch zu unterscheiden: das „Urteil“, das, ausgedrückt durch die Worte (die nicht bloß Schall sind), „zur Aussage gebracht“ wird, und die Aussage selbst; und evtl. ebenso der Wunsch selbst (das „Gewünschte“) und der Ausdruck des Wunsches bzw. der ausdrückliche Wunsch. Auch beim Urteil: der Urteilsausdruck und das ausdrückliche Urteil.
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zwar so, dass darin bewusst ist ein „in Worte gekleidetes“ Urteil. Zugewendet bin ich dem Gesagten und Gemeinten und nicht etwa dem Bewusstsein, dem Urteilen etc. Statt „semasiologisches Urteil“ sagen wir auch „Satz“ – immer ideal verstanden. Satz des Pythagoras. Dem stellen wir gegenüber den Satzgedanken als das Was des Sichbloß-Denkens, als das in ihm Bewusste. Verstehe ich die Aussage eines anderen, so habe ich das Bewusstsein: Er urteilt das, er hat den Satz bewusst. Ich „fühle mich“ dabei in sein Urteilen „ein“. In dieser Urteilsphantasie habe ich selbst „gleichsam“ den Satz bewusst und kann den Satz als Idee entnehmen („das“ Urteil „Das Reichstagsgebäude ist ein Renaissancebau“). Es ist dabei keine Stellungnahme vorhanden, weder eine aktuelle noch eine eingebildete. Es ist ein setzungsloses Denken von „S ist P“, nicht von „S ist P!“ (wie in der Urteilsphantasie). Das Gemeinsame, das der ideale Satzgedanke und der ideale Satz gemeinsam haben, nennen wir den „Satzinhalt“, der also ein Abstraktum aus beiden Ideen ist. Diese Ideen hängen untereinander sowie mit den Ideen von entsprechenden Akten also aufs innigste zusammen, und damit hängen die Vieldeutigkeiten der Rede von Wahrheit zusammen. Das Urteilen allgemein und ideal genommen ist richtig oder unrichtig und heißt auch wahr oder falsch. Das, was das Urteilen als sein Was hat (der „Inhalt“ des Urteilens, auch „Urteilsinhalt“ in dem ersten Sinn genannt), nämlich der Satz, heißt wiederum wahr oder falsch. Auch vom Satzinhalt kann man dies sagen. Wenn das Urteilen ein richtiges ist, ist der Satz ein wahrer, und dem Urteilen entspricht ein wirklicher Sachverhalt. Der wirkliche Sachverhalt ist das dem wahren Satz Entsprechende selbst, der Satz ist wahr, wenn ihm ein wahrer Sachverhalt entspricht. Und der Satzinhalt ist wahr, wenn er Inhalt eines wahren Satzes ist, der seinerseits in einem wahren und einsichtigen Urteilen zur Gegebenheit kommt.
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§ 2. Satz als Einheit der Mannigfaltigkeit aktueller Setzungen gegenüber dem Satz als Idee Eine Zweideutigkeit ist zu beachten, die zeigt, dass wir mit dem einen Terminus „Satz“ nicht ausreichen. Wenn ich aktuell urteile, „steht mir vermeintlich da“ „S ist P!“, ein vermeinter Sachverhalt, 35
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eine vermeinte Tatsache. Urteile ich wieder „S ist P!“, so steht noch einmal dieselbe Tatsache da. Höre ich, dass andere ebenso urteilen, oder nehme ich es durch Einfühlung „wahr“, so sage ich „Die anderen urteilen dieselbe Tatsache“. Jeder hat sein Vermeinen, sein Urteilen, aber das Vermeinte ist dasselbe. Sie fällen alle dasselbe Urteil. Sie setzen denselben Satz. „Satz“ ist (im ersten Sinn) das aktuell Gesetzte, aber als Einheit gegenüber der Mannigfaltigkeit aktueller Setzungen.1 Nun sagen wir aber auch in Hinblick auf eingebildete Urteile, die dasselbe urteilen, es sei eben die geurteilte Tatsache in ihnen dieselbe.2 Und so scheint es, als wäre das Identische des Geurteilten als solchen zu fassen als Idee. Also3 Satz als Idee. In dem Sinn ist „2 × 2 = 5“ ein Satz, auch wenn ich nicht entfernt daran denke, dass irgendjemand das wirklich glaubt. Indessen, das einzelne Urteil, mein Urteilen soeben, ist doch kein Ideieren, ebensowenig als mein momentanes Wahrnehmen. Im Wahrnehmen steht dieser Baum da, und mag „er“ auch nicht sein, so ist „er“ doch als wahrgenommener; d. h., diese Wahrnehmung hat als „Objekt“, als Gemeintes ihr Wahrgenommenes. Ebenso hat das Urteilen, das doch keine Ideation ist, als sein Gemeintes keine Idee, sondern seinen vermeinten Sachverhalt. So wie nun zum Wesen mehrerer Wahrnehmungen als Akte gehört (die eben vom selben und passenden Wesen sind), dass ihr Wahrgenommenes identisch ist, wie also das ontische4 Korrelat sich nicht vervielfältigt mit den Wahrnehmungsakten (was wieder evident macht, dass eines und das andere zu unterscheiden ist), so auch bei Urteilen und Urteil. Mehrere Urteilsakte haben zum Inhalt dasselbe Geurteilte, nämlich denselben vermeinten Sachverhalt (Urteilsinhalt nach Mart y). Aber nur wirkliches Urteilen hat einen vermeinten Sachverhalt (Urteilsinhalt). Und Urteilen in der Phantasie hat einen quasivermeinten und quasi 1
Spätere Randbemerkung: „Nota bene.“ – Anm. des Hrsg. Spätere Randbemerkung: „Reine Einbildungen von Urteilen urteilen prinzipiell nicht in wirklichem Sinn dasselbe wie wirkliche Urteile. Aber machen wir einen Ansatz aufgrund von puren Einbildungen, denken wir, es sei das Eingebildete wirklich, so ist es alsbald auch möglich, dass nachher ein wirkliches Urteil dasselbe urteile, was in diesem Ansatz Gedachtes ist. Dieses Ansetzen heißt in der Regel „sich etwas bloß vorstellen“. Übrigens umgekehrt können wir jedem Wirklichen (etwa indem wir uns zunächst des Urteils enthalten) einen Ansatz gegenüberstellen.“ – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Einfügung: „2)“. – Anm. des Hrsg. 4 Soll ich hier nicht sagen „ousiologisch“? 2
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denselben. Wir müssen also, wie evident wird, unterscheiden: 1) das im Urteilen Vermeinte als den aktuellen „Urteilsinhalt“, das logische Urteil im singulären Sinn, 2) den logischen Satz1 als die entsprechende Idee. Im wirklichen Urteilen steht mir da das logische Urteil „Gold ist gelb“, „S ist P!“, der aktuelle Satz als Urteil,2 ein aktuell vermeinter Sachverhalt. Im einsichtigen Urteilen steht mir das Urteil als3 Wahrheit da. Im einsichtigen Urteilen habe ich das Bewusstsein vom „Sachverhalt selbst“, dem in aktueller Wirklichkeit Gegebensein, er steht da im Bewusstsein des Selbst-da-Seins, des Selbstgegeben-Seins. Demgegenüber die Idee des vermeinten Sachverhalts, der Sachverhaltsmeinung: Ich brauche nicht wirklich zu urteilen, ich kann mir ein Urteilen einbilden, also einbilden, dass mir eine Sachverhaltsmeinung gegenübersteht, die Sachverhaltsmeinung als Idee. Die Idee der Wahrheit: Ich brauche nicht selbst einsichtig zu urteilen, sondern ich kann mir einbilden, einsichtig zu urteilen, und somit einbilden, dass mir eine erfüllte Sachverhaltsmeinung, ein „Sachverhalt selbst“ dasteht. Wer die Idee einer Wahrheit sich zur Gegebenheit bringt, hat damit also nicht eine Wahrheit selbst gegeben, ebenso wie, wer die Idee eines Urteils „Gold ist gelb“ besitzt, gegeben hat, damit noch keineswegs urteilt, d. h. das Urteil selbst „hat“, „fällt“.4 So kann ich mir die Idee der Wahrheit, es sei Gold grün, zur Gegebenheit bringen, während ich gar nicht glaube, es sei so, und während es in Wahrheit gar nicht so ist. Es ist also klar, dass wir deutlicher sprechen müssen und dementsprechend unterscheiden. Wir müssen unterscheiden 1) das ontische Urteil, etwa „Dieses Papier ist weiß“ (nicht den Satz an sich als Idee),5 nämlich das im urteilenden Bewusstsein Gegebene und ihm in Reflexion als evidente Gegebenheit zu Entnehmende, die Sachverhaltsmeinung (aber die „aktuelle“ Meinung). Dies müssen wir unter-
1 Spätere Randbemerkung: „Aber warum heißt das ‚logischer Satz‘? Es ist das Eidos ‚Satz‘ als niederste Differenz.“ – Anm. des Hrsg. 2 „als Urteil“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Einfügung: „gegebene“. – Anm. des Hrsg. 4 Spätere Randbemerkung: „Cf. vorige Seite, rechts = S. 180 Anm. 2.“ – Anm. des Hrsg. 5 „den Satz an sich als Idee“ später verändert in „die Satzidee“. – Anm. des Hrsg.
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scheiden 2) von der entsprechenden Urteilsidee, d. i. Satz als Idee,1 oder auch Idee des Urteils (Satz an sich). Dann ist das Wort „Idee“ ein modifizierendes. Die Idee des Urteils gegeben haben, heißt nicht das „Urteil“ selbst gegeben haben oder nicht selbst urteilen. Das Urteil schlechthin (die Sachverhaltsmeinung)2 ist ein Identisches wirklicher urteilender Akte.3 Mehrmals meine ich dasselbe und habe ich dieselbe Meinung (aktuell Gemeintes). Wir müssen dann so sagen: Das Urteil schlechthin, die aktuelle Sachverhaltsmeinung, ist unabtrennbar von Urteilen bzw. vom urteilenden Subjekt, das habituell dieses Urteil „hat“; sie ist nur vorhanden, ist nur wirklich, wenn das Urteilen es ist.4 Mehrere Urteilsakte haben dasselbe Urteil gefällt, d. h. sie haben Sachverhaltsmeinungen, die derselben Idee unterstehen, sie sind Exemplare einer Idee.5 Aber im Urteilen ist das Urteil6 in eigentümlicher Weise bewusst, nicht so, als ob wir auf das Urteil hinsehen würden, es zum Objekt7 machend und in einem neuen Urteil zu einem neuen, obschon gleichen Objekt. Vielmehr, übergehend von Urteil zu Urteil, haben wir das Bewusstsein einer Einheit und Selbigkeit (auch im Übergang zu Phantasieurteilen, wenn die Phantasie an Wirklichkeit gebunden wird): Das Gemeinte ist dasselbe.8 Es sind nicht zwei gemeinte Sachverhalte, sondern einer. Es liegt keine Abstraktion vor; denn es besteht nicht ein Bewusstsein von mehreren individuellen Einzelheiten, aus denen wir ein Gemeinsames hervorheben, sondern urteilend „Gold ist gelb“, haben wir von vornherein ein Bewusstsein, in dem „Gold ist gelb!“, dieser gemeinte Sachverhalt oder besser diese Sachverhaltgemeint1
„Satz als Idee“ später verändert in „Satzidee“. – Anm. des Hrsg. Spätere Einfügung: „oder der Satz schlechthin“. – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Randbemerkung: „Dazu auch möglicher Akte, aber diese Möglichkeit ist keine rein ideale!“ – Anm. des Hrsg. 4 Spätere Einfügung: „oder als mögliches Urteilen auf wirkliche Subjekte etc. bezogen ist“. – Anm. des Hrsg. 5 Spätere Randbemerkung: „Dann ist also Satz im logischen Sinn doch eine allgemeine Idee? Nein! Unter der Idee stehen auch Quasiurteile meiner Phantasie. Unter ihr stehen alle wirklichen Urteile und alle auf Wirklichkeit bezogenen Urteilsmöglichkeiten.“ – Anm. des Hrsg. 6 Spätere Ergänzung: „der Satz“. – Anm. des Hrsg. 7 Spätere Ergänzung: „Gegenstand-worüber“. – Anm. des Hrsg. 8 Das ist aber nicht so merkwürdig, wenn wir daran denken, dass ebenso mehrere Wahrnehmungen dasselbe wahrnehmen, dasselbe wahrgenommene (vermeinte) Objekt. Cf. Blatt 3 = S. 180. 2
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heit, bewusst ist, und so, dass ein neues solches Bewusstsein dasselbe bewusst hat: Möglichkeit einer echten Identifikation. Man kann aber fragen: Je nachdem ich intuitiv urteile oder leer etc., ist der Inhalt, das Was meines Bewusstseins,1 ein Verschiedenes?2 Aber so eigentümlich ist dieses Was, dass es sich identifizierend einigt 5 im Bewusstsein „dasselbe“. Das Identische ist hier nicht der Inhalt der Bewusstseine. Vielmehr zwei Bewusstseine sind einig im Bewusstsein „dasselbe“. Und zwei Bewusstseinsinhalte3 sind einig mit dem Bewusstseinsinhalt „identisch“. Und mit Beziehung darauf, auf solche Zusammenhänge, sagen wir: Der eine Inhalt und der andere, 10 das eine Urteil und das andere sind der Meinung nach dasselbe; oder: Beide haben dieselbe Meinung.4 Die Meinung ist nicht der Inhalt, sondern alle Inhalte, die ein solches Identitäts- oder Einheitsband annehmen und annehmen können, nennen wir Inhalte von derselben Meinung, von demselben vermeinten Sachverhalt. 15
§ 3. Identifikation des Sachverhalts durch das Identitätsurteil und durch das Verschiedenheitsurteil Wir hätten danach: 1) Urteilen, das Bewusstsein; 2) das in diesem Bewusstsein Bewusste, das Was, das ein Mannigfaches sein kann. Das sind die verschiedenen intuitiven oder leeren Urteile.5, 6 20 3) Verschiedene solche Urteile fundieren a priori durch ihr Wesen ein volles Identitätsurteil, welches den Charakter eines evidenten hat,7 und darin kommt es zur Erfassung eines Identischen; jedes Urteil lässt sich in solche Identitätsevidenzen einordnen, und jedes 1
Spätere Ergänzung: „das Phänomen“. – Anm. des Hrsg. Versuch einer weiteren Unterscheidung: Urteil als Phänomen und logisches Urteil. 3 Spätere Ergänzung: „zwei Urteilsphänomene“. – Anm. des Hrsg. 4 Hier ist also die Rede vom Unterschied zwischen dem erkenntnismäßigen Inhalt und dem gemeinten Sachverhalt, dem bloßen Meinungsinhalt. 5 Spätere Einfügung: „(Urteil als Phänomen)“. – Anm. des Hrsg. 6 Spätere Randbemerkung: „Dann wäre Bewusstsein das allgemeine Haben des Urteilsphänomens, und dieses Haben wäre dasselbe überall: Haben eines Wunsches, Haben einer Frage etc. Das Phänomen wäre aber wohl das, was ich früher immer selbst als Akt bezeichnet habe.“ – Anm. des Hrsg. 7 Die Evidenz gehört zu der R e fl e x i o n, welche die Urteile betrachtet in ihrer Deckung und das Identische zur Gegebenheit bringt. 2
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hat seinen gemeinten Sachverhalt: sein Gemeintes, seinen intentionalen Urteilsinhalt.1 4) Das Urteil2 (im Sinn von 2)) meint sein Gemeintes; und dieses Gemeinte ist aktuell Gemeintes, wenn es eben gefasst ist als das Gemeinte dieses Urteils oder irgendeines anderen aktuellen Urteilsphänomens;3 und die Diesheit dieses Urteils ist wieder bestimmt durch die des Urteils im Sinn von 1), also aktuell Gemeintes, aktuell gemeinter Sachverhalt. Demnach haben wir folgende Ideen (modifizierende) zu unterscheiden: 1) Die Idee des urteilenden Bewusstseins überhaupt und speziell die Idee eines Urteilens „2 × 2 = 4“ und dgl.4 2) Die Idee des Urteils „2 × 2 = 4“: Die Einzelheiten dieser Idee sind Urteile = aktuelle Urteile (und in allgemeiner Überlegung mögliche aktuelle Urteile). 3) Je zwei Urteile, die unter derselben Idee stehen, meinen „dasselbe“.5 Sie haben denselben Urteilsinhalt; dieses Selbe ist die Einheit, die jedes der Urteile meint. Es ist das „2 × 2 = 4“. Kann man das eine Idee nennen? Nein.6 Zwei aktuelle Urteile, zwei Akte, von denen wir sagen, sie seien „dasselbe Urteil“, haben dasselbe „intentionale Wesen“. Sie können noch mancherlei gemeinsam haben, wie dann noch andere Ideen hier zu bilden sind, z. B. Evidenz etc., leeres Urteil etc.7 Hier kommt es darauf an, dass sie eine Identifikation begründen, eine totale, und Begründen besagt nicht etwa eine solche Identifikation, wie ich sie zwischen zwei fremden Urteilen denken kann, oder auch eine solche, wie ich sie evtl. beliebig urteilen, behaupten kann, sondern es handelt sich hier um eine evidente Identitätsbehauptung,
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Spätere Einfügung: „logisches Urteil“. – Anm. des Hrsg. Spätere Einfügung: „das Phänomen“. – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Einfügung: „denn alle solche Phänomene haben dasselbe Gemeinte“. – Anm. des Hrsg. 4 Spätere Randbemerkung: „Das Haben eines Phänomens ‚2 × 2 = 4‘. 1’) Die Idee eines Phänomens ‚2 × 2 = 4‘. Alle solche Phänomene ‚meinen‘ dasselbe: ‚2 × 2 = 4‘“. – Anm. des Hrsg. 5 Spätere Einfügung: „(wirkliche Urteile!)“. – Anm. des Hrsg. 6 „Nein.“ später verändert in „Nein?“, daneben spätere Randbemerkung: „Warum nicht? Weil es eben nichts Spezifisches ist: Gemeinsames wirklicher Akte und reiner Phantasieakte. Aber wir müssen eben Idee und Spezies trennen!“ – Anm. des Hrsg. 7 Spätere Randbemerkung: „Das intentionale Wesen ist dann aber kein Wesen im Sinn eines Eidos.“ – Anm. des Hrsg. 2
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die ich machen kann, um eine Identität, die ich absolut und selbst gegeben habe.1 Sie kann z. B. so nicht nur gesehen sein, sondern aus praktischen Gründen notwendig zur Aussage kommen, wenn es sich um zwei „gleichbedeutende“ Urteile in verschiedener Sprache handelt. Dann wird konstatiert: Ich sage dasselbe wie da aus, es ist dasselbe Urteil, es ist beiderseits dasselbe gemeint. Wir sind dabei „auf Sachen gerichtet“. Die Sache, der Sachverhalt ist genau derselbe, den wir beide gemeint haben. Zum Problem, ob das Gemeinte ein im Urteilsphänomen reell Enthaltenes ist: Nun ist es sicher, dass das Was meines Urteils „Gold ist gelb“ in mehrfachem oder sich wandelndem Urteilsgehalt (vollem Urteilswesen) ein spezifisch Identisches behält2; das „Phänomen“, das „Psychische“ behält immer ein Identisches, aber das Problem ist,3 ob das, was als Vermeintes gesetzt ist, das, was in „verschiedenen Akten des Urteilens“ verschieden, im selben Urteilen (in Urteilsakten desselben spezifischen Wesens, und zwar bedeutungsmäßigen) immer dasselbe ist, ob das ein den Urteilen reell Immanentes ist. Ich meine etwas anderes, wenn ich sage „2 × 2 ist 4“ und „Gold ist gelb“. Der eine und andere „Sachverhalt“, sage ich. Das als seiend, bestehend Gesetzte des einen Urteils ist ein anderes als das im anderen. Wie steht es mit diesem Verschiedenheitsurteil? Bezieht es sich auf Momente der Akte und ihre Wesen, oder bezieht es sich auf „Transzendentes“? Ist Gemeintes eines Urteils nicht notwendig etwas diesem Urteil Jenseitiges? Es scheint, dass wir das sagen müssen! Beim Verschiedenheitsurteil wird die Sache noch deutlicher als bei dem oben analysierten Identitätsurteil. Dieses Gemeinte ist hier „Sachverhalt“ genannt. Aber die Urteile können bekanntlich auch falsch sein, und doch bleibt es dabei und ist es evident, dass sie etwas Verschiedenes meinen. Es ist, anders ausgedrückt, eine Gesetzeseinsicht, die uns hier leitet. Zum allgemeinen Wesen zweier Urteilsakte, die zueinander so stehen, wie wenn ich urteile „Gold ist gelb“ und „Dieses Papier ist weiß“, gehört die Möglichkeit der Evidenz, dass zwei solche Urteile Verschiedenes, 1 Doch besser ist noch darauf hinzuweisen, dass wir doch im Lauf des einheitlichen Urteilens, etwa eines Beweisens, auf „denselben Sachverhalt“ zurückkommen. 2 Spätere Einfügung: „aber nicht selbst ein Spezifisches ist“. – Anm. des Hrsg. 3 Über „Problem ist“ spätere Einfügung: „das mich lange beirrte, das aber schon Blatt 16 = S. 156,8–158,2 gelöst ist“. – Anm. des Hrsg.
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verschiedene „Sachverhalte“, meinen. Das Urteil A und das Urteil B, spezifisch genommen, meinen, generell gesprochen, Verschiedenes, oder das Urteil A und das Urteil B vollziehend und in diesen Ideen lebend, sehen wir eine Differenz im Gemeinten: die verschiedenen 5 gemeinten „Sachverhalte“.
§ 4. Der gesetzte Sachverhalt des Urteils gegenüber dem bloß vorgestellten des Gedankens
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Urteilen ist Meinen, d. i., es ist gleichsam eine Erscheinung eines Sachverhalts haben, ebenso wie setzendes Vorstellen als unmodifiziertes Gegenstandsmeinen gleichsam heißt, eine Erscheinung eines Gegenstands haben. Und so eine Erscheinung haben, das ist „glauben“, es sei der Sachverhalt, sei der Gegenstand. Im Urteilsleben, um psychologisch zu sprechen, vollziehen wir Urteil auf Urteil, wir setzen vorstellend (wahrnehmend, seinssetzend in jeder Art) Gegenstände. Auf solche Seinssetzungen gründen wir Sachverhaltssetzungen, wir gehen von Gegenständen zu Gegenständen über, urteilen über ihre Eigenschaften, ihre Verhältnisse, über die Zusammenhänge von Sachverhalten usw. Es stellen sich Unstimmigkeiten heraus, Setzungen vertragen sich nicht mit Setzungen, wir erkennen die Negativitäten, wir erkennen, dass gesetzte Gegenstände nicht sind, dass Sachverhalte nicht bestehen, sofern sie durch andere standhaltende aufgehoben werden usw. Schließlich kommt alles darauf an, sich letztstandhaltender Gegenstände und Sachverhalte zu vergewissern, d. i. einsichtig zu begründen und alle Fortschritte auf Einsicht zu gründen. In alldem urteilen wir, sind aber nicht (es sei denn ausnahmsweise) den urteilenden Akten zugewendet. Urteilend leben wir im Urteilen und blicken auf das Gemeinte hin und auf das Gemeinte und im Urteil als seiend Gesetzte. (Aber im prädikativen Urteilen ist nicht der Sachverhalt im speziellen Sinn (in einem Strahl) gegenständlich, sondern das Subjekt etc.) Der Charakter1 der Setzung geht aus vom Urteil und liegt im Urteil. Als seiend steht da (und das ist die Seinserscheinung: das Urteil) Spätere Randbemerkung: „Der Text dieser Seite bis S. 188,2 ist gut, und die Seitenanmerkungen keineswegs bindend.“ – Anm. des Hrsg. 1
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der Sachverhalt (bzw. der Gegenstand); der gesetzte Sachverhalt, der als bestehend dastehende als solcher, ist unabtrennbar vom aktuellen Urteil. Aber er hat einen Inhalt, der in gewisser Weise abtrennbar oder ablösbar ist von dem „Inhalt“ des Urteils, von dem Sachverhalt1 als solchem. Abgesehen von Bestehen oder Nichtbestehen, können wir sprechen z. B. von dem Inhalt „2 × 2 = 5“ ebensowohl wie vom Inhalt „2 × 2 = 4“. Jedem seinssetzenden Bewusstsein (mag es gegenstandssetzendes oder sachverhaltssetzendes sein) steht als Möglichkeit gegenüber ein setzungsloses, ein modifiziertes, ein bloß denkendes Bewusstsein: ein Sich-bloß-Denken, Sich-bloß-Vorstellen.2 Und auch das Sich-bloßVorstellen lässt eine Analyse zu ganz ähnlicher Art wie das Urteilen. Es ist sein genaues Gegenbild. Also auch das Sich-bloß-Denken, S sei P, ist ein Bewusstsein-von, und es erscheint da etwas, aber die Erscheinung ist hier nicht Seinserscheinung, nicht setzende Erscheinung, und doch wieder Erscheinung von „S ist P“, Erscheinung von genau „demselben“ „Sachverhalt“,3 der im entsprechenden Urteil geurteilt ist. Der Inhalt des Sichdenkens ist der bloße Gedanke, und dieser Gedanke hat seinen Inhalt wieder in dem gedachten Sachverhalt, der nicht als seiend gesetzt ist, sondern „bloß vorgestellt“. Auch bloße Gedanken können in Urteilseinheit treten, in Urteile der totalen Identifikation und Disjunktion, wobei die Gedanken in die Form der Hypothese übergehen oder in assumtive Form. Das heißt: Das bloß Vorgestellte erhält eine Meinungsform, die Form der assumtiven Meinung,4 des annehmenden Setzens.5 „Im Gedanken“ urteilend, halte ich den „Gedanken“ fest, ich halte das angenommene
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Spätere Einfügung: „= Satzinhalt“. – Anm. des Hrsg. Spätere Randbemerkung: „Ist das Sich-bloß-Denken wirklich setzungslos? Ist es nicht ein Ansetzen? Sonst hätten wir doch bloße Phantasie. Siehe unten, wo das Richtige zutage tritt“. Dazu die erneute Randbemerkung: „Unberechtigter Zweifel“. – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Randbemerkung: „Da ist zu beachten, dass ein Unterschied ist zwischen reiner Phantasie und an die Wirklichkeit gebundener. Nur bei der letzteren ist derselbe Sachverhalt vorgestellt. Sonst ist von Identität im eigentlichen Sinn keine Rede.“ – Anm. des Hrsg. 4 Spätere Randbemerkung: „Annahme“. – Anm. des Hrsg. 5 Spätere Randbemerkung: „In der Hypothese binde ich mich eben an die Wirklichkeit, oder ich schaffe einen Wirklichkeitsboden, den ich phantasierend weiter festhalte.“ – Anm. des Hrsg. 2
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Sein fest, und zurückkehrend zu ihm im gedankenhaften Denken, ist das Gedachte „dasselbe“. Und so1 sage ich dann „Die beiden Gedanken stellen dasselbe vor“ oder „Die beiden stellen Verschiedenes vor, verschiedene Gegenstände, verschiedene Sachverhalte“. Die Gedanken haben dabei in ihrem Wesen im ersteren Fall etwas Gemeinsames, das ist aber nicht der gedachte Sachverhalt, sondern das Von-ihm-Gedanke-Sein, welches eben jene Modifikationen a priori ermöglicht, die ihrerseits das sachliche Identitätsurteil sozusagen in der assumtiven Sphäre ermöglichen. Auch Gedanken „haben“ also einen „Sachverhalt“, beziehen sich auf ihn und evtl. auf denselben wie Urteile, wie setzende Akte.2 „Sachverhalte“3 in dem hier fraglichen Sinn sind also weder ein spezifisches Eigentum von Urteilen noch von „Vorstellungen“ und beiderseits kein reeller Gehalt derselben und damit nicht „Psychisches“ in dem Sinn, wie wir etwas normalerweise als „psychisch“ bezeichnen: Beiderseits sind es Einheiten, die durch evidente Urteile, die in ihnen gründen, herausgeholt, herausgeschaut werden können. Diese „idealen“ Gegenständlichkeiten,4 die also keine Spezies sind im natürlichen Wortsinn,5 nicht „Seiendes“, wenn eben reales Sein und Sein identifiziert werden, auch nicht Ideales, wenn spezifische Abstraktionen allein Ideen geben, sind nun für sich zu studieren. Sie kommen zur Gegebenheit, sei es aufgrund von Urteilen, und zwar wirklichen Urteilen oder Urteilen in der Einbildung, wie auch aufgrund von Gedanken, sei es wirklichen Gedanken oder Gedanken in der Phantasie, ebenso auch aufgrund von Voraussetzungen und Folgesetzungen. Sie sind daraus zu „entnehmen“. Genommen werden sie aber als das, was sie in sich sind, als diese Inhalte „2 × 2 = 5“ etc. „Sachverhalte“, unabhängig von der Frage nach Sein oder Nichtsein,
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Spätere Randbemerkung: „Der Text ist durchaus korrekt.“ – Anm. des Hrsg. Spätere Randbemerkung: „Also Gedanken sind hier überall n i c h t als Phantasien verstanden, sondern als Assumtionen. Sowie ich, und sei es auf dem Grund freier und reiner Phantasie, einen Gedanken konzipiere, mir denke, es sei, habe ich eine eigentümlich modifizierte Thesis, die aber doch eine Thesis bleibt. Und jeder solche Gedanke hat Beziehung zu meinen sonstigen Erfahrungen und Urteilen, und er kann unter die Frage der Wahrheit und Falschheit gestellt werden.“ – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Einfügung: „Satzinhalte“. – Anm. des Hrsg. 4 Spätere Einfügung: „irreal“. – Anm. des Hrsg. 5 „im natürlichen Wortsinn“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. 2
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wie andererseits in analogen Fällen bei Inhalten in „Vorstellungen“. Gegenstände unabhängig von Sein und Nichtsein, was soll das besagen?1
§ 5. Der vermeinte bzw. bloß gedachte Sachverhalt gegenüber dem wirklichen Zunächst, wenn wir sagen, diese idealen Inhalte könne man studieren, so heißt das: Man kann wahre Aussagen über sie machen. Und darin wieder liegt: Sie bilden sozusagen eine Welt, eine Sorte von Gegenständen, und das sagt: Gegenstände im normalen Sinn; Gegenstände, d. h. etwas, worüber in Wahrheit ausgesagt werden kann, etwas, das an sich ist und in der Erkenntnis nur erkannt ist, etwas „Existierendes“. Also es handelt sich bei jenen Inhalten um Existenzen. Aber sind sie etwas, so sind sie doch nicht unabhängig von Sein und Nichtsein etc. Also liegt hier eine Doppeldeutigkeit vor. Wir unterscheiden, wenn wir urteilen oder uns Gedanken machen: das Geurteilte, den vermeinten Sachverhalt oder den bloß gedachten und den evtl. wirklichen. Das heißt: Wenn das Urteil ein wahres ist, dem Gedanken eine Wahrheit entspricht, dann „existiert“ das Vermeinte. Es ist ein in Wahrheit Vermeintes. Im anderen Fall ist es ein bloß Vermeintes und evtl. bloß Vorgestelltes.2 Das bloß Vermeinte als Inhalt, der für sich gefasst werden kann, kann nun in wahren Urteilen zum Gegenstand gemacht, kann aus den es gebenden Urteilsakten oder Denkakten entnommen, als Sein eigener Art gesetzt und mit seinesgleichen etwa verglichen werden usw. Das, was so gesetzt ist, ist etwas anderes als, was im Urteil „S ist P!“ gesetzt ist. In diesem Urteil ist nicht dieser Inhalt gesetzt, sondern es ist der „wirkliche“ Sachverhalt gesetzt. Was ist das für ein Unterschied? Man sieht doch sofort, dass, wenn ich in Hinblick auf irgendwelche Gedanken oder fingierte Urteile oder wirkliche Urteile, die jemand fällen mag, den bloßen Inhalt, etwa „Die Erde ist rund“ oder „Die Erde ist eine Ebene“, „2 × 2 Spätere Einfügung: „Diese bedenklichen Reden werden folgende Seite = S. 189,8– 190,4 aber näher bestimmt und berichtigt.“ – Anm. des Hrsg. 2 Wesen. 1
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= 5“ entnehme und als Gegenstand setze, über den ich Aussagen machen will, ich einen anderen Gegenstand habe, als wenn ich urteile „Die Erde ist rund“ oder daraufhin urteile „Dieser Sachverhalt, dass die Erde rund ist, hat die und die Folge …“. Hier urteile ich also „Die Erde ist rund!“. Ich habe das Urteil, dessen bin ich bewusst. Und das Urteil ist das „Es scheint so zu sein“ in dem Sinn etwa, wie wer eine Wahrnehmung hat, damit die Seinserscheinung eines Dinges hat. Es ist Erscheinung von Sein bewusst, es steht etwas als Dingwirklichkeit da. Und zum Wesen dieses Urteils (wie dieser Wahrnehmung) gehört, dass sich daran knüpfen lässt der Fortgang: „dieser Sachverhalt“ („dieses Ding“), was besagt: Das in Seinsweise Erscheinende wird zum Dies gemacht, und entnommen ist dem Urteil nicht etwa der bloße Inhalt, sondern der Inhalt im Seinsmodus. Es ist etwas anderes, den Sachverhalt, das vermeinte Sein zum Subjekt zu machen, wobei zurückgewiesen ist auf das Urteil, dem das Sein entnommen ist, in dem das Sein insofern liegt, als das Urteil es eben als Vermeintes hat, und andererseits den bloßen Inhalt1 zum Subjekt zu machen, dem kein Urteil zugrunde liegen muss, sondern ebenso gut eine „Vorstellung“, ein bloßes Denken bzw. ein Gedanke zugrunde liegen kann. Die täuschende Schwierigkeit besteht darin, dass wir ja den bloßen Inhalt2 zum Subjekt und Gegenstand machen, ihn doch auch setzen, als seiend setzen. Aber sie löst sich, wenn wir beachten, dass der Inhalt hier ein Abstraktum ist. Der Inhalt ist nie rein gegeben, er ist Inhalt eines Gedankens und hat darin die Form „Gedanke“ oder „Inhalt eines Urteils“ und hat hier die Form des Urteils, nämlich die Seinsform im Sinn „Seiendes dieses Inhalts“; aber Seiendes dieses Inhalts (im Reich der Sachverhalte) „Die Erde ist rund“ ist nicht dieser Inhalt selbst bzw. Sein dieses Inhalts (im Reich der Inhalte). Im Urteil „Die Erde ist rund!“ erscheint, ist vermeint eben „Die Erde ist rund!“. Dieses Ausrufezeichen ist zu beachten. Was da vermeint ist, ist nicht der Inhalt, sondern ein Sein, ein Inhalt in Seinsform. „Es erscheint ein Sachverhalt“ besagt „Es erscheint, es ist vermeint: Es ist die Erde eine Ebene“.
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Spätere Einfügung: „(Sinn)“. – Anm. des Hrsg. Über „bloßen Inhalt“ spätere Ergänzung: „Satzinhalt“. – Anm. des Hrsg.
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Im Gedanken erscheint nicht ein Sachverhalt, sondern ein Sachverhaltsgedanke. Es ist nicht verm ein t, es sei so, sondern es ist ged ach t, es sei so. Und das „gedacht“ modifiziert. Und heben wir den Inhalt rein heraus, so setzen wir ihn zwar als seiend, aber das heißt: Wir bilden eine Wahrnehmung, eine Vorstellung, die auf ihn „gerichtet“ ist, und diese seinssetzende Vorstellung setzt ihn, den Inhalt. Andererseits: Wenn wir urteilen „Die Erde ist eine Ebene!“ und uns dieser Sachverhalt, dieses Sein erscheint, so richtet sich die nominale Vorstellung, die wir verknüpfen etwa mit dem „dies“ („diese Tatsache“, „dieser Sachverhalt“), nicht auf den Inhalt, sondern auf das Seiende, dem dieser Inhalt zugehört, sozusagen auf die erscheinende Wirklichkeit. Geurteiltes ist vermeintlich Seiendes. Bloß Gedachtes ist nicht vermeintlich Seiendes. Das bloß Gedachte entbehrt des Charakters: Sein!, Tatsache!, Wirklichkeit!1 und hat somit keinen Charakter, der einer Rechtsprechung unterläge.2 Man könnte hier fragen: Ist etwa Gedanke das Bewusstsein, in dem der pure Inhalt gegeben ist? Setzt nicht jedes Entnehmen eines Gegenstands ein Geben voraus? Fast wäre ich geneigt zu sagen: Das Urteilsbewusstsein ist auch geeignet zum Entnehmen, es gibt auch, aber es bedarf einer besonderen Einstellung. Denn Urteil ist auf „Wirklichkeit“ gerichtet; und durch den Modus der Wirklichkeit ist der Inhalt gefasst, und nicht etwa in der Weise eines Produkts von zwei Faktoren, die so nebeneinander und gleichstehend miteinander multipliziert wären. Ich abstrahiere von Sein oder Nichtsein, ich sehe von der Besonderung sozusagen ab. Wie beim Gedanken? Habe ich da den reinen Inhalt? Das scheint mir bedenklich.3 Bloß vorstellend, etwa bloß verstehend, setze ich nichts (d. h., es steht mir nicht ein Sein, eine Tatsache!, vor Augen), aber ich „stelle mir doch einen Sachverhalt vor“. Es ist4 also doch wohl ein anderer Modus, eine Modifikation, eine „Entmeinung“ der Tatsache da, wodurch sie Gedanke an 1
Spätere Randbemerkung: „Aber die Gedanken haben die neutralen Modifikationen von all dem.“ – Anm. des Hrsg. 2 Spätere Randbemerkung: „Aber ist nicht Bloß-sich-Denken ein Ansetzen, ‚es sei‘? Und kann das Gedachte sich nicht in Form eines einsichtigen Urteils und in Identitätsdeckung als Wirklichkeit, als in Wahrheit seiend herausstellen? Freilich fragt es sich, was ‚Rechtsprechung‘ besagen will.“ – Anm. des Hrsg. 3 „Das scheint mir bedenklich“ später verändert in „Natürlich, nein“. – Anm. des Hrsg. 4 Spätere Einfügung: „eine Neutralität der Setzung“. – Anm. des Hrsg.
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eine Tatsache ist. Also beiderseits liegt ein Gegebenheitsbewusstsein in gleichem Sinn vor, beiderseits in gewissem Sinn gebend, aber nicht wahrnehmend. Das Wahrnehmen ist erst das Hinsehen auf den Inhalt in der Abstraktion, und dann weiter kommt das nominale Setzen.1
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§ 6. Der Sachverhalt oder Satzinhalt als Thema der reinen Logik Was lässt sich nun für die besprochenen Inhalte (ich werde wohl den Terminus „Satzinhalte“ oder „prädikative Verhalte“ hier anwenden müssen) aussagen? Die reine Logik ist an ihnen interessiert. Zunächst bedarf sie einer Formenlehre der Satzinhalte, prädikativen Verhalte (propositionalen Essenzen). Ihr entspricht eo ipso (a priori) eine Formenlehre möglicher Urteile und möglicher Satzgedanken. Es kommt also auf dasselbe hinaus, ob wir eine Formenlehre möglicher Urteile entwerfen oder eine Formenlehre möglicher Urteilsinhalte (als Satzinhalte) und eine Formenlehre möglicher Gedanken oder Voraussetzungen. Hat nun die Heraushebung dieser Inhalte einen Zweck? Nun, es ist klar, dass im Inhalt Bedingungen der Möglichkeit der Wahrheit von Urteilen liegen, und zwar in allgemeinster Weise, nämlich in der „logischen Form“. Nicht auch im Inhalt (Stoff), könnte man fragen, der dieser Form entgegensteht? Das hieße, dass man dem bloßen Inhalt irgendwie ansehen könnte, dass das betreffende Urteil mögliche Wahrheit ist oder als Wahrheit unmöglich ist. Das kann man, wie gesagt, hinsichtlich der Form, aber niemals hinsichtlich der Besonderheiten des „Stoffes“. (Es fragt sich höchstens, worüber ich erst Überlegungen anstellen muss, ob in meiner Lehre von den Kernen nicht doch einige solche Gesetze implizit enthalten sind!) Es fragt sich nun, was der Sinn der formal-logischen Gesetze als bezogen auf bloße Satzinhalte eigentlich ist, was das besagt: Bedingungen der Möglichkeit der Wahrheit.
1 Der Satz von „Das Wahrnehmen ist“ bis „nominale Setzen.“ später gestrichen. – Die ursprünglich folgenden zwei Manuskriptblätter hat Husserl zu einem späteren Zeitpunkt neu ausgearbeitet. Diese Texte werden in den Beilagen XXV und XXVI wiedergegeben. – Anm. des Hrsg.
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Nun kehren wir zur Frage zurück: Worüber urteilt eigentlich die reine Logik? Man kann da vielerlei anführen. 1) Wir sehen zunächst ab von den Interpretationen, welche die logischen Gesetze als Normen vernünftigen, richtigen Urteilens auffassen. Nun wird in jedem Urteilen, z. B. wenn ich urteile „Gold ist gelb“, d as Urteil1 bewusst, und ich kann nun die Idee dieses Urteils, des Urteils solchen Satzinhalts bilden oder das Urteilswesen.2 Können nun nicht 2) die logischen Gesetze angesehen werden als Gesetze solcher3 Urteilsideen? Diese wären dann kurzweg als Urteile bezeichnet. Zum Beispiel: In den beiden Urteilen „Alle Menschen sind sterblich“ und „Sokrates ist ein Mensch“ liegt „Sokrates ist sterblich!“, oder die beiden Urteile bedingen das Urteil „Sokrates ist sterblich!“, und zwar nach dem Gesetz, dass je zwei Urteile (Urteilsideen)4 der Formen M und N ein Urteil der Form P bedingen.5 Das Bedingen und Bedingtsein ist hier gefasst als ein eigentümliches Verhältnis, in das Urteile eingehen, und zwar Urteile als Wesen. Weil das Gesetz für die Ideen gilt, sind Urteilsakte möglich, die sich in einen solchen Bedingtheitszusammenhang6 fügen. Oder: Ich kann beliebige Urteile der Urteilsformen M, N und P in solchem Zusammenhang erzeugend bilden, dass ich sehen kann „M und N bedingt P“. Und dass ich das sehen kann, das weiß ich, weil ich evident sehe, dass die Ideen M und N in ihrer multiplikativen Vereinigung das Urteil P (die Idee) „bedingen“. Analogie: Der Ton c ist tiefer als der Ton d. Ich sehe das und kann das sehen. „A priori“ ist ja in der Idee „c“ impliziert „tiefer als d“. Die Idee c steht hier zu der Idee d in einem Verhältnis, einem Ideenverhältnis, das sich in ein Gesetz umwenden lässt für mögliche Einzelfälle und anwenden lässt auf gegebene einzelne Fälle. 3) Man könnte auch sagen: So ein Schlussgesetz spricht über Wahrheiten. In je zwei Wahrheiten der Form M und N gründet eine 1
Spätere Einfügung: „der ‚Satz‘“. – Anm. des Hrsg. Spätere Einfügung: „also doch wohl das Geurteilte als solches, der S a tz“. – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Einfügung: „Sätze“. – Anm. des Hrsg. 4 „(Urteilsideen)“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. 5 Spätere Randbemerkung: „Hier sind Urteilsphänomene gemeint und ihre Ideen.“ – Anm. des Hrsg. 6 Spätere Einfügung: „(noetisch verstanden)“. – Anm. des Hrsg. 2
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Wahrheit der Form P. Aber in welchem Sinn spricht es über Wahrheiten? „Wahrheiten“ meint hier wohl wahre Urteile. Es ist aber klar, dass ein Gesetz für die Bedingtheitsverhältnisse von Urteilen eo ipso ein solches für Wahrheiten ist. Nämlich, es ist auch ein Gesetz, dass, wenn ein Satz der Form besteht „Die Urteile M und N bedingen P“ und wenn zugleich die Urteile M und N wahr sind, dann auch das Urteil P wahr ist. 4) Bedingtheitsgesetze könnte man auch aussprechen als Gesetze für Annahmen, Voraussetzungen. Aus zwei Voraussetzungen der Form M und N folgt eine Nachsetzung der Form P. Das ist freilich gleichwertig. Sind M und N zwei Urteile und folgt aus ihnen P, so besteht auch das Verhältnis: Wenn M und N ist (wenn Voraussetzungen gleichen Inhalts bestehen), so … 5) Im Urteil ist ein Sachverhalt vermeint, in der Voraussetzung vorausgesetzt, in der Wahrheit ist er in Wahrheit vermeint, er ist vermeint und besteht wirklich.1 Schließen wir, so sind wir uns zwar der Urteile bewusst, aber Schließen ist selbst Meinen, und im Meinen lebend, sind wir dem Gemeinten zugewendet. Das Verhältnis, das wir im evidenten Schließen sehen, ist nicht ein Verhältnis der Urteile,2 sondern ein Verhältnis der vermeinten Sachverhalte.3 Genauer: Im Urteil erscheint ein Sachverhalt in der Weise einer Tatsache, in Seinsweise. Und es treten nun im schließenden Vermeinen (bzw. in dem Vermeinten des ganzen Schlusses) die in Seinsweise charakterisierten Inhalte M und N mit dem in Seinsweise charakterisierten Inhalt P in ein gewisses Verhältnis. Dieses Verhältnis ist vermeint im schließenden Vermeinen, und es besteht wirklich, wenn dieses Gesamturteilen richtig ist. Was sehe ich im Fall der Evidenz? Nun, ich sehe das „DarinLiegen“, oder ich sehe, dass der Seinscharakter des Inhalts P bedingt ist durch den Seinscharakter der Inhalte M und N. Die gesamten „vermeinten Sachverhalte“, d. h. diese Urteilsinhalte, die Verhalte in Seinsform, stehen im Bedingtheitsverhältnis, das aber Sein mit Sein verbindet, das Seinscharaktere speziell einfasst.4 1 Spätere Randbemerkung: „Vgl. folgendes Blatt = S. 196, § 7.“ – Anm. des Hrsg. 2 Spätere Einfügung: „(der Sätze)“. – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Einfügung: „Auch ‚logische Urteile‘ genannt oder ‚a k tu e l l e S ä tz e ‘ “. – Anm. des Hrsg. 4 Spätere Randbemerkung: „Das ist schwer zu verstehen. Ist das der Charakter des
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Nun haben wir hier die hervorzuhebende Sachlage, dass dergleichen nicht nur von den aktuellen (besser: gegebenen) Vermeintheiten gilt, sondern dass, wenn ich die Ideen nehme – nicht die Ideen von den Urteilen,1 sondern diejenigen von ihren ontischen Korrelaten (den logischen Urteilen im echten Sinn) –, das Bedingtheitsverhältnis in der Idee besteht. Die2 Sätze M und N stehen idealiter mit dem Satz P in dieser Beziehung, welche sich in ihrer Idealität einsehen lässt.3 Und nun bestehen hier Gesetze für Sätze. Je zwei Sätze der Form M und N (d. h. je zwei Sätze, deren Satzinhalte die Formen M und N haben: so in der formalen Logik) bedingen einen Satz der Form P. Und das ist das Ursprüngliche. Es sind Gesetze für Sätze. Kann man nun nicht alle logischen Gesetze als Gesetze für Sätze interpretieren, z. B. n ich t „Für zwei kontradiktorische U rt eile gilt, dass je eines wahr oder falsch ist“, sondern „Von je zwei kontradiktorischen S ät zen gilt, dass das eine wahr und das andere falsch ist“? 6) Es bleibt nun übrig die Frage, inwiefern logische Gesetze Gesetze für Gegenstände, für Sachverhalte etc. sind, und zwar in allgemeinster Allgemeinheit. Was gehen (das ist zunächst zu überlegen) G eset ze f ü r S ät ze Gegenstände und Sachverhalte an und umgekehrt? Nun, Sätze können wahr sein. Ein Satz ist wahr, d. h., das vermeinte Sein des betreffenden Inhalts „besteht wirklich“. Gesetze für Sätze sind notwendig rein grammatischer Art; das sind primär Gesetze für Satzinhalte – und nur sekundär haben wir es mit Urteilen zu tun – bzw. für Urteilsinhalte, für vermeinte Sachverhalte, insofern nämlich jedem Satzinhalt ein möglicher Satz entspricht und jedes Bildungsgesetz für Satzinhalte aus anderen solchen Inhalten (oder aus deren Elementen, den „Vorstellungen an sich“) eo ipso ein Bildungsgesetz für mögliche Urteile („Urteilsideen“ kann man auch Schließens, dass ich auf die vermeinten Sachverhalte als solche hinsehe? Das hieße: Ich sehe auf die Sätze hin, aber auf die aktuellen Sätze, nicht auf die Ideen. So wäre es im evidenten Schließen, das ja ein Sehen ist; ein schlichtes Urteilen hingegen ist kein Sehen seines aktuellen Satzes.“ – Anm. des Hrsg. 1 „Urteilen“ später verändert in „Urteilsakten“. – Anm. des Hrsg. 2 Spätere Einfügung: „idealen“. – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Randbemerkung: „Das heißt: Ich brauche gar nicht wirklich zu urteilen ‚M! und N!, also ist P!‘. Ich kann einsehen: In der komplexen Gesetztheit M und N als Idee ‚liegt‘ die Gesetztheit, d. i. der Satz P. Im Wesen davon liegt die Möglichkeit der Umwendung in Voraussetzung – Folge (hypothetisch). Aber es ist etwas Verschiedenes, denn auch Voraussetzung ist eine Idee gegenüber Voraussetzen.“ – Anm. des Hrsg.
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sagen) impliziert. Und ebenso für mögliche Gedanken, und ebenso für mögliche vermeinte Sachverhalte etc. Hier handelt es sich aber um Gesetze, die an Sätze gebunden sind.
§ 7. Der Schluss als Beschlossensein eines Sachverhalts in anderen. Verbindungen der Sachverhalte bei hypothetischen, disjunktiven und konjunktiven Urteilen1
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Was besagt ein singulärer2 Schluss zunächst? „M ist und N ist. Also ist P“. Die beiden Urteile sind gefällt und in ihrer Einheit gefällt. Das Bewusstsein des „also“ besteht nun „über die Hinstellung der beiden Urteile hinaus“: In dem Zusammen der beiden Sätze liegt der Satz P? Naturgemäß wird man sich so ausdrücken: In den beiden Sachverhalten ist beschlossen der Sachverhalt P.3 Nämlich, wer urteilt „Alle Menschen sind sterblich“, für den steht es als ein Sachverhalt da, als eine Tatsache. Das Geurteilte ist der Sachverhalt, den er evtl. in einer nominalen Vorstellung zum nominalen Gegenstand macht und zu anderen Sachverhalten in Beziehung setzt. Die Kritik sagt aber: E in geurteilter Sachverhalt ist darum noch n icht ein w ahrer. Vermeintes Sein ist noch n icht Wahrhaft-Sein. Die Rede von vermeinten Sachverhalten und Sätzen entspricht nun der kritischen Vorsicht. Sie ändert nichts Wesentliches, insofern ja im Urteil eben der Inhalt „S ist P“ im Seinsmodus dasteht, und Inhalt im Seinsmodus,4 das ist eben vermeinter Sachverhalt und, ideal gesprochen, Satz. Das verstehen wir darunter. Sachverhalt aber im Sinn des wahrhaft Bestehenden ist keineswegs bloß das, was wir hier als Satz fixiert haben, nicht bloß Inhalt im Seinsmodus und gar als Idee genommen. Im aktuellen Urteilsbewusstsein ist der Satz aktuell da als Gemeintes, Geglaubtes. Aber der vermeinte Sachverhalt steht nicht als Gegebenheit da. Er ist da, aber nicht als gegeben bewusst. Das Urteilen ist nicht ein Evidenthaben, ein sehendes Haben des Gemeinten als solchen: Das kommt erst in der Reflexion zur GegeNochmalige Überlegung zu 5 = S. 194,14 ff.. Spätere Einfügung: „aktueller“. – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Randbemerkung: „Sachverhalt ist hier propositionaler Inhalt, ohne Thesis.“ – Anm. des Hrsg. 4 Fortsetzung der genauen, aber wiederholten Auseinanderlegung! 1 2
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benheit. Urteilen ist ein solches Haben des Vermeinten, dass wir von ihm sagen müssen: Es ist gerichtet auf den Sachverhalt. Während, wenn wir vom Satz schlechthin sprechen, wir eben nur ihn herausnehmen, und wenn wir von der reinen Idee dieses Satzes sprechen, wir ihn als Id ee fassen; er ist uns dann ebenso gut gegeben aufgrund einer Urteilseinbildung. Evident Schließen ist nun ein Sehen. Das Verhältnis der Sachverhalte und diese selbst sehen wir aber nicht. Also, wenn wir einen Schluss ziehen, so liegt darin das Bewusstsein „Aus dem vermeinten (aktuell vermeinten) M! und N! folgt P!“ oder „In dem ‚M-Sein‘ und ‚N-Sein‘ gründet als Folge ‚P-Sein‘“. (Das Sehen geht also auf das aktuell Gesetzte als solches, die Einstellung ist also nicht mehr die des schlichten Urteilens „M!“ etc.) Und das sagt nicht „In der Idee ‚M-Sein‘ etc. gründet als Idee ‚P-Sein‘“. Ein Urteil ist kein Satz. „Urteil“ kann heißen das gesamte, volle Urteilsbewusstsein bzw. das volle in ihm Bewusste, mit den Unterschieden der Anschaulichkeit und Nichtanschaulichkeit etc. Urteil kann aber auch heißen das in diesem Was „erscheinende“ Sein, der gemeinte Sachverhalt als solcher, also der Satz. Nota bene: Gemeintes ist der Inhalt im Seinsmodus. Aber hier ist der Inhalt im Seinsmodus eben gem ein t, wirklich gemeint, und darin liegt, dass der Seinsmodus eben „Aktuelles“ ist (d. h. nicht Gegebenes: nämlich nicht ist das Urteil ein gebendes Bewusstsein dessen, was es meint), während, wenn ich mich in ein Urteil einfühle, mir gleichsam vorschwebt ein Inhalt im Seinsmodus, so dass ich die Idee davon, die Idee, den Satz bilden kann. Aber dann habe ich eben d ie Id ee d es verm ein t en S ein s, n ich t d as verm ein t e S ein selb st . (Man könnte auch sagen: Urteilen ist Meinen, in ihm steht eine Meinung da. Meinung ist nicht Idee von Meinung.)1 Also im ak t u ellen U rt eilen ist gegeben Gemeintes, verm ein ter S achverhalt. Im aktuellen Schluss ist gegeben ein vermeinter Sachverhalt (Prämissen) oder eine konjunktive Verbindung mehrerer vermeinter Sachverhalte, und diese „steht als Grund da“, d. h. ist verm ein t als Grund für einen neuen vermeinten Sachverhalt, der 1
Spätere Randbemerkung: „Aber Zweideutigkeit: Im Urteilen ist das und das, der Sachverhalt, gemeint. Entnehmen aber kann ich daraus, dass es das und das meint, und das ist im Entnehmen eine Gegebenheit.“ – Anm. des Hrsg.
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„Folge“ heißt und einen vermeinten Charakter auch hat, eben den der Folge. Im aktuellen h ypothetischen U rteil haben wir eine Urteilsverbindung zwischen Voraussetzung und Daraufhinsetzung (zwei Ansetzungen). In der aktuellen Voraussetzung ist gegeben nicht vermeinter Sachverhalt (geglaubter, wir gebrauchen „Vermeinen“ also jetzt immer in einem prägnanten Sinn), sondern eben vorausgesetzter. Und das sagt wieder nicht, dass einmal etwas da ist, genannt „Sachverhalt“, und dazu dann ein sich darauf richtendes Voraussetzen, sondern vorausgesetzter Sachverhalt, d. i. ein gewisser Modus, in dem ein Satzinhalt gegeben ist. Beim daraufhin gesetzten Sachverhalt gilt genau dasselbe, nur dass, was ihn vom vorigen unterscheidet, im Urteilszusammenhang liegt. Der vorausgesetzte Sachverhalt ist derjenige, der als hypothetischer Grund dasteht für den daraufhin gesetzten als Folge (hypothetische Folge). Voraussetzung und Daraufhinsetzung haben vermöge der verschiedenen Funktion in diesem zu ihnen gehörigen, und zwar verm ein t en Zusammenhang (während in ihnen selbst kein Vermeintes zu sehen ist) verschiedene Charaktere, und zwar Charaktere, die ihnen als verm ein t e Charaktere zugehören. Kann man nun sagen: Demgegenüber haben sie, die keine vermeinten Sachverhalte sind, etwas Gemeinsames: statt des Seinsmodus den h yp o t h et isch en Mo d u s (Annahme im weiteren Sinn, Ansetzung)? Das ist fraglich. Das Ansetzen ist ein freies Voraussetzen, könnten wir sagen. Innerhalb des hypothetischen Urteils hat das Voraussetzen aber noch den Charakter, dass sich darauf etwas gründet, und was sich darauf gründet (dieses Gründen ist ein Verm ein t es), ist nicht wieder ein Ansetzen, sondern ein unselbständiges „Daraufhinsetzen“, in dem man nicht ein Ansetzen unterscheiden kann. Im disjunktiven Urteil („Eins von M und N ist“) haben wir kein vermeintes M und kein vermeintes N, sondern „gedachtes“, und das eine und andere gedachte verbunden durch die Meinung „Eins von beiden ist, besteht“. Aber das ist eine Zirkumskription. Müssen wir nicht sagen: Zwei Gedanken haben eine Einheit in der Verm ein u n g , und zwar enthalten sie in dieser Einheit jeder einen gleichen verm ein t en C h arak t er. Ebenso beim konjunktiven Urteil: Zwei vermeinte Sachverhalte haben auch eine vermeinte Einheit und jeder hat konjunktiven Charakter (vermeint).
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§ 8. Gesetze der Sachverhalte gegenüber Gesetzen der Sätze in der reinen Logik Wie steht es nun mit den Gesetzen? Gesetze für „Urteile“, für vermeinte Sachverhalte, z. B. Schlussgesetze. Schlüsse sind selbst vermeinte Sachverhalte, wenn wir darunter Vermeintheiten der Schlussu rt eile verstehen. Ist aber das Schließen ein einsichtiges, so ist der Zusammenhang von Grund und Folge gegeben. Was heißt das? Die vermeinten Sachverhalte der Prämissenurteile stehen evidenterweise in dem Verhältnis zum vermeinten Sachverhalt des Schlussurteils, dass dieser den evidenten Charakter des Daraufhin-Vermeinten hat usw. Es ist nicht bloß der Zusammenhang der vermeinten Sachverhalte als vermeinter Zusammenhang gegeben (es ist nicht bloß schließend geu rt eilt), sondern er ist auch wahrhaft gegeben. In jedem Urteil ist etwas gegeben: nämlich gegeben der Sachverhalt.1 Im evidenten Urteil ist aber der vermeinte Sachverhalt zugleich als wahrer gegeben: Es ist die entsprechende Wahrheit gegeben.2 Schlussgesetze sind Gesetze für wahrhaft bestehende Schlüsse (als Sachverhalte von Grund und Folge zwischen Vermeintheiten). Sie sprechen also von vermeinten Sachverhalten überhaupt in unbedingter Allgemeinheit und von „Formen“ derselben, welche das wahrhafte Bestehen von Folgezusammenhängen zwischen ihnen verbürgen. Sie sagen: Je zwei vermeinte Sachverhalte3 der Formen F haben zur Folge einen vermeinten Sachverhalt der Form F’, oder solche Zusammenhänge der Folge bestehen in Wahrheit. Gesetze aber, die in unbedingter Allgemeinheit auf vermeinte Sachverhalte überhaupt gehen, gründen im Wesen vermeinter Sachverhalte. Ein vermeinter Sachverhalt als aktuell vermeinter gehört einem bestimmten Urteil, und zwar Urteilsakt zu. Der Urteilsidee entspricht aber die Idee „eines“ vermeinten Sachverhalts, und das ist der Satz. Jeder Schluss gilt nicht nur als aktueller Schluss (als
1 Über „In jedem Urteil ist etwas gegeben: nämlich gegeben der Sachverhalt“ spätere Bemerkung: „Nein. Urteilen ist kein gebender Akt, aber aus ihm ist etwas zu entnehmen!“ – Anm. des Hrsg. 2 Nein, oder besser: Das evidente Urteil ist ein sehendes Urteilen, ein gebendes Bewusstsein. Gegeben ist in ihm der Sachverhalt, der zugleich der vermeinte ist. 3 Spätere Einfügung: „= Sätze“. – Anm. des Hrsg.
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eine gegebene Vermeintheit, ein gegebener vermeinter Sachverhalt), sondern als Schlussidee. Das heißt: Aus Sätzen des Inhalts M etc. folgt der Satz. Das Folgen ist etwas a priori zu den Sätzen Gehöriges und gehört zu den vermeinten Sachverhalten nur, weil es zwischen den Sätzen überhaupt gilt. Und nun stehen die Zusammenhänge der Folge, als Folgezusammenhänge von idealen Sätzen verstanden, selbst wieder unter Gesetzen. Natürlich sind diese Gesetze primär Gesetze (unbedingter Allgemeinheit) gültig für Sätze und dann eo ipso für singuläre vermeinte Sachverhalte. So regeln also Gesetze für Sätze vermeinte Sachverhalte und Urteile. Und mit ihnen stehen in näherer Beziehung Gesetze für all die Modifikationen von Sätzen bzw. von gemeinten Sachverhalten, die wir als Voraussetzungen etc. kennen. (Auch hier der Unterschied zwischen aktuell Vorausgesetztem und Idee der Voraussetzung.) Natürlich ebenso wird es sich verhalten hinsichtlich der nominalen Gemeintheiten, der nominal vermeinten Gegenstände und der Idee dieser nominal vermeinten Gegenstände, die wir nominale Bedeutung nennen. Bedeutungen sind immer Ideen: Ideen von vermeinten Sachverhalten und möglichen Teilen solcher Ideen. Das wird noch näher zu bestimmen sein. Nun sind Gesetze für Sachverhalte in unbedingter Allgemeinheit einsichtig: Es sind Gesetze, die in Sachverhaltsideen gründen. Was kommt hier unter dem Titel „Sachverhalt“ und „Sachverhaltsidee“ in Betracht? Nun, das Analoge, wenn von Gegenstand und Gegenstandsidee die Rede ist (in Hinsicht auf die entsprechende Frage nach allgemeinen, und zwar unbedingt allgemeinen Gegenstandsgesetzen). Sachverhalte, w irk lich e Sachverhalte sind gegeben in der Urteilsevidenz: Da kommen sie uns als Selbstgegebenheiten zu Gesicht. Und Gegenstände sind uns gegeben in evidenten setzenden Akten des Gegenstandsbewusstseins.1 Anstatt Urteilsevidenz können wir auch sagen „in letztbegründeten Urteilen“ oder „in letzterfüllten Vorstellungen und Vorstellungsreihen“ (setzenden). Das Wesen eines Sachverhalts kann ich entnehmen als das ideale Gemeinsame, das 1
Spätere Randbemerkung: „Aber ist nicht zu scheiden: propositionaler Inhalt (wahrer Urteilsinhalt) und S a c h l a g e , und liegt nicht ontologisch die Sachlage vor dem Urteilsinhalt?“ – Anm. des Hrsg.
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ebensowohl in der Evidenz als in ihrer Modifikation, der Quasievidenz, zur Gegebenheit kommt. Unbedingt allgemeine Sachverhaltsgesetze, sofern sie keine Existentialsetzung irgendwelcher gegebener Sachverhalte implizieren, keine singulären voraussetzen als wirklich bestehende, gründen also in Sachverhaltswesen. Da die G esetze über S achverhalte p rädikative Aussagen machen, nur allgemeiner Art, so müssen S achverhaltswesen als gen erell durch die und die Charaktere, Beschaffenheiten (etwa Formen ihrer Inhalte) bestimmte gedacht und in der G esetzesevidenz gegeben sein. Diese Beschaffenheiten müssen bei allen Sachverhalten überhaupt bzw. Sachverhaltsideen überhaupt möglich sein, wenn sie ihnen positiv zugeschrieben werden. Jedes Sachverhaltswesen impliziert einen Satz, also sind Sachverhalte an die rein grammatischen Gesetze gebunden. Der Satz im Sachverhalt hat die Form des Vermeintseins und zugleich die der Seinsfülle, die ihm aber nicht schon als Satz zukommt. Sonst ist nichts da. Wenn wir von allgemeinsten S einsgesetzen (Sachverhaltsund Gegenstandsgesetzen) sprachen, so war die Meinung nicht bloß davon, dass es G eset ze, Wesenheiten von unbedingter Allgemeinheit sind, sondern dass es Gesetze sind, die sich an keine besonderen Gegenstands-, Seinsgebiete binden. Was heißt das? Die Gesetze können entweder gründen im Wesen der Satzkerne bzw. im Wesen der Bedeutungskerne oder im Wesen der Satzformen.1 Deutlicher: Wenn ich das Gesetz einsehen soll, das doch selbst ein Satz ist bzw. in der Einsicht ein evidenter Satz, ein gegebener Sachverhalt wäre, so muss der ganze Satz mit allen seinen Begriffen und Zusammenhängen evident werden. Ein Gesetz (und ein Satz überhaupt) bezieht sich auf Gegenstände nur durch die begrifflichen Bedeutungen, die er enthält, und darin vor allem durch die Kerne. Nun ist zweierlei möglich. Entweder er bezieht sich auf Gegenstände in sachhaltiger Weise, durch sachhaltige Kerne, oder er bezieht sich auf Gegenstände durch Ideen, die nichts von Sachhaltigkeit implizieren, z. B. durch die Ideen „Gegenstand“, „Sachverhalt“, „Beziehung“, „Inbegriff“ etc. Jede solche Gesetzmäßigkeit ist eine logische. 1
Spätere Randbemerkung: „Wir nehmen unmittelbare Axiome, Gesetze, die unmittelbar zu begründen sind.“ – Anm. des Hrsg.
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Wir haben in der reinen Logik (außer den rein grammatischen) 1) Gesetze, die den Begriff der Wahrheit explizit nicht enthalten, z. B. Gesetze für das Folgen und Nichtfolgen von vermeinten Sachverhalten als solchen: von Sätzen, 2) den Satz des Widerspruchs und ausgeschlossenen Dritten („Von zwei kontradiktorischen Sätzen ist einer wahr und einer falsch“), 3) das Gesetz: Aus jedem wahren Satz, sagen wir S, folgt der Satz „Es ist wahr, dass S ist“, und ebenso das Gesetz: Aus jedem hypothetischen Satz „Wenn M, so N“ folgt „Wenn M wahr ist, so ist N wahr“ und umgekehrt. Aber das führt auf allgemeinere Gesetze; rein grammatisch gehört zu jedem selbständigen Satz (Satz schlechthin) eine Reihe von Satzmodifikationen, die als Glieder in neuen Sätzen auftreten können. Es gilt nun das Gesetz: Wenn zwei Sät ze „ äquivalent “ sind (wech selseitig auseinander f olgen), so sind auch alle Sätze äqui va lent, d ie bloß durch Vertauschung äquivalenter Sätze auseinander h ervorgehen. Ferner sind auch alle Sätze äquivalent, die d adurch hervorgehen, d ass statt der Mo di fi ka tio n en von S ätzen Modifikationen d er ihnen äquivalenten S ätze substituiert werden. Dasselbe gilt auch von äquivalenten Präd ik at b ed eu t u n gen und somit auch äquivalenten Subjektbedeutungen, d. i. solchen, die durch bloßen Austausch in ihnen eingeflochtener prädikativer Bestimmungen hervorgehen. S o k an n d er B egrif f „ w ah r “ in jed en Satz und in jedes G esetz h ineinkommen. Und ebenso der Begriff „existierend“. Zum Beispiel: „Ein A = ein existierendes A“, „Etwas ist A = Etwas existiert als A, ein Existierendes ist A“ usw. In eine Geltungslehre der Bedeutungen (der Sätze, der Prädikatbedeutungen, Subjektbedeutungen etc.) gehören natürlich alle Bedeutungsgesetze, die entweder von Geltung direkt sprechen, sofern sie die Begriffe „wahr“ und „falsch“ im Thema ihrer Gesetzmäßigkeit enthalten, in dem, was sie als Gesetze als wahr ansetzen, oder sofern sie zwar n icht über G eltung sprechen, aber etwas aussagen, w as sich äquivalent in eine G eltungsgesetzlichkeit umwenden lässt: also alle Gesetze f ür Folgen und Nichtfolgen. All diese Gesetze drücken universelle Bedingungen oder Möglichkeiten der Bedeutungsgeltung oder, wie wir auch sagen können, der Geltung von Sätzen aus (und somit auch von Begriffen, die in
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geltenden Sätzen sollen eine Rolle spielen können). Also, das ist die spezifische Domäne der Logik als der Disziplin, welche die Rechtsfrage – und in prinzipieller Allgemeinheit – aufwirft.
§ 9. Ontologische Gesetze Wie steht es nun mit den ontologischen Gesetzen, Gesetzen für Gegenstände überhaupt, Sachverhalte überhaupt, Prädikate überhaupt? Natürlich, in gewisser Weise sind alle logischen Gesetze als Gesetze für Wahrheit und Falschheit von Sätzen, für Folgen und Nichtfolgen von Sätzen etc. eo ipso allgemein ontologische, nämlich insofern als wir doch, in welcher Gegenstandssphäre immer urteilend, immerfort daran interessiert sind zu wissen, ob unser Urteil richtig oder unrichtig, also unsere Sätze wahr oder falsch sind, also insofern wir auch an den bedeutungslogischen Bedingungen der Möglichkeit der Geltung interessiert sind. Für jede besondere Ontologie, also jede besondere Wissenschaft, kommen diese Gesetze also mit in Frage, und insofern sind sie allgemein ontologische. Man kann aber eine Anzahl von Gesetzen der reinen Bedeutungslogik wirklich umwenden in Gesetze, die für Gegenstände und nicht für Urteile oder Wahrheiten etwas aussagen. Zum Beispiel: „Es hat jeder Gegenstand überhaupt eines vom Paar kontradiktorischer Prädikate“. Das ist Äquivalent des Gesetzes „Von je zwei Sätzen der Form ‚S ist P‘ und ‚S ist nicht P‘ ist einer wahr“. Oder: „Jedem relationellen Sachverhalt (ich kann auch sagen ‚jedem Sachverhalt‘) entspricht eine Umkehrung, ein umgekehrter Sachverhalt“ = „Jedem Satz entspricht ein äq u ivalen t er Umkehrungssatz“. „Bedingt ein Sachverhalt A den Sachverhalt B und B C, so A C“ = „Folgt aus dem Wahrsein des Satzes A die Wahrheit B etc., so folgt aus dem Wahrsein von A das von C“. Es handelt sich um Äquivalente für satztheoretische und wahrheitstheoretische Gesetze. Und es muss solche Äquivalente geben. Die Ideen „Satz“ und „Wahrheit“ sind wesentlich verflochten, da jede Wahrheit einen Satz impliziert; und wieder die Ideen „Wahrheit“ und „Sachverhalt“ und dann wieder Existenz (wahre Gegenstandssetzung) und Gegenstand sind nicht minder untrennbar verflochten, denn in der Wahrheit ist der Sachverhalt, in der Existenz der Gegenstand impliziert. Der wahre Satz ist gegeben als wahr in der Urteils-
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erfüllung, und Sachverhalt ist das Gegebene in der Erfüllungseinheit oder diese Einheit selbst. Darin steckt sozusagen der bloße Satz, aber eben nicht als bloßer, sondern als Sinn des Sachverhalts, und ebenso weist sich die Gegenstandsmeinung aus. So ist in der Intuition der Gegenstand selbst das Gemeinte, aber nicht bloß Vermeintes, sondern Gegebenes. Im Gegebenen steckt die bloße Meinung darin und ist darum nicht bloße Meinung. Und aufgrund der Gegebenheit können wir Wesenszusammengehörigkeiten erfassen, und so gehen jene Äquivalenzen hervor, sie werden erkannt als Wesensgültigkeiten. Es bleibt aber noch das Problem: Wenn jedes Geltungsgesetz der Bedeutungen eo ipso ontologisch ist, insofern als es darin bald Bedingungen der Möglichkeit des Bestands von Sachverhalten etc. aussagt in Form von Gesetzen für Bedeutungen und ihr Wahrsein oder für Folgen von Bedeutungen etc., bald wieder in Form von Gesetzen für Gegenstände überhaupt hinsichtlich ihnen zukommender Prädikate, von Sachverhalten überhaupt hinsichtlich ihrer Folgezusammenhänge (auch das sind Gesetze für Bedingungen, die der Möglichkeit von Gegenständen etc.; wenn etwas Gegenstand sein soll, also nicht bloß Gegenstandsvermeintheit bestehen soll, dann müssen diese Gesetze erfüllt sein), wenn, wiederhole ich, Geltungsgesetze von Bedeutungen eo ipso in diesem Sinn universell ontologische Bedeutung haben, wie steht es umgekehrt? Kann man von allen universell ontologischen Gesetzen aussagen, dass sie sich unter den bedeutungstheoretischen Gesetzen, denen für Bedeutungsgeltung, finden müssen? Muss man auf alle solche Gesetze von der Frage der Bedeutungsgeltung aus kommen? Und wieder: Ist es naturgemäßer, von den Gegenständen auszugehen und zu fragen nach den G esetzen, die f ür Gegenstände überhaupt gelten, oder ist es naturgemäßer, von d en Bedeutungen (den Vermeintheiten) auszugehen? Da ist zunächst zu bemerken, dass es doch eine ganz andere Urteilsweise ist, über Menschen, Tiere, Naturkräfte etc. allgemeine Aussagen zu machen, und andererseits „unbedingt allgemeine“ Aussagen über Zahlen als solche, über Dinge als solche und nun gar über Gegenstände und Sachverhalte als solche zu machen. Im einen Fall geht vorher die Setzung von Einzelheiten der betreffenden Allgemeinheit, und die Begründung der allgemeinen Sätze fordert die Begründung der singulären Setzungen. Meist sind noch andere sin gu läre
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Gegenstände gesetzt, z. B. bei den naturwissenschaftlichen Urteilen d ie E xist en z ein er Nat u r. Wir fragen: Was kommt den Menschen, die erfahrungsmäßig auf der Erde als Dinge unter Dingen, als organische Wesen inmitten organischer Wesen etc. vorkommen, zu? Wir fragen nicht nach „Bedingungen der Möglichkeit“ und nach „Möglichkeit“ überhaupt. An d ers, wenn wir fragen: Was kommt Dingen als solchen in unbedingter Allgemeinheit zu? Hier ist die Frage so gemeint, dass kein natürliches Sein vorausgenommen ist, kein Ding ist gesetzt, und sollte die Überzeugung auch selbstverständlich vorhanden sein, dass es Dinge gibt, so hat die Existentialaussage hier gar keine Funktion, sie hat hier nichts zu sagen. Sie hat nichts weiter zu begründen, ist für keine Begründung vorausgesetzt. Wir urteilen über Dinge überhaupt in dem Sinn, dass wir über Dinge aufgrund des Wesen s von Dinglichkeit urteilen. Was liegt im Wesen eines Dinges oder von Dingen als solchen? Was liegt, fragen wir, im Wesen, in der Idee d es Dinges überhaupt, in welche Ideen differenziert sie sich? Welche allgemeinen Eigenschaften oder vielmehr Eigenschaftsideen „liegen“ in der Idee des Dinges, werden durch sie notwendig? Welche Besonderungen sind in der Idee beschlossen? Besonderungen ihrer idealen Komponenten: „Ausdehnung“, „Dauer“ etc.? Ebenso urteilen wir unbedingt allgemein über Zahlen. Da ist die Meinung: Was „liegt“ in der Idee „Zahl“, was gilt für Zahlen, sofern sie Vereinzelungen der Idee sind? Hier überall drückt das allgemeine Urteil Bedingungen der Möglichkeit aus, nämlich der Möglichkeit von Zahlen in individuo, sofern sie ihrer Idee als Zahlen sollen entsprechen, also wahrhaft sollen Zahlen sein können. Oder ebenso bei Dingen, sofern sie der Idee Ding sollen entsprechen können. Wir können hier auch sagen: Ob es Dinge, ob es Zahlen gibt, das ist hier gar nicht in Frage, und wenn wir an die Existenz von solchen glauben, so hat das für das, was jetzt in Frage ist, nichts zu sagen. Was wir feststellen, ist die Idee „Zahl“, und die Ideen der1 Zahlbesonderungen, die Idee des Dinges etc. Und wir betrachten nun2 vermeinte Zahlen, vermeinte Dinge, Zahlbedeutungen, Dingbedeutungen und stellen sie unter die Frage „Wann können sie gelten?“, unangesehen der Frage der Wirklichkeit, nämlich „Was schreibt der Möglichkeit 1 2
Spätere Einfügung: „möglichen“. – Anm. des Hrsg. Spätere Einfügung: „denkmäßig“. – Anm. des Hrsg.
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der Geltung von Zahlsetzungen, Dingsetzungen bzw. Zahlensätzen1 die Idee der Zahl etc. vor?“2 Wir beschäftigen uns mit Zahlensätzen und „Zahlvorstellungen“ (Zahlpräsentationen) und fragen nach der Möglichkeit ihrer Geltung aufgrund der Idee, und das besagt ebenso 5 viel wie: Frage nach der prinzipiellen (apriorischen, wesentlichen) Möglichkeit des Bestehens, „Seins“ von Zahlen.
§ 10. Das Gebiet der reinen Logik: Sowohl das Wesen von Gegenstand und Sachverhalt als das von Satz und Wahrheit Wie steht es nun für Gegenstandsgesetze und Sachverhaltsgesetze, auch sie verstanden als Gesetze von unbedingt allgemeiner Geltung? Selbstverständlich gilt das Entsprechende. Wir stehen hier unter den Ideen „Gegenstand“ und „Sachverhalt“ (ebenso „Beschaffenheit“, „Grund“, „Folge“) und fragen nach der Möglichkeit von Gegenstän15 den als solchen, nach dem, was die Idee „Gegenstand“ Gegenständen, gedachten Gegenständen überhaupt, vorschreibt.3 Von einer Thesis von Gegenständen ist hier keine Rede, sie ist keine Vorausnahme. Sie hat für diese Forschungen nichts zu tun. Und was da festgestellt ist, gilt unbedingt allgemein. Das sagt: Für jeden 20 ged ach t en Gegenstand als solchen, m. a. W. für jede4 „Gegenstandsvorstellung“, die in das Gesetz zu substituieren ist. Die Gesetze sprechen wieder Bedingungen der Möglichkeit vernünftiger5 Gegenstandssetzungen, vernünftiger Sachverhaltssetzungen, also von Sätzen, die sollen gelten können, aus, und zwar von S ät zen ü b erh au p t , 25 von Präd ik at set zu n gen überhaupt etc. Was für Wesenseinsichten sollten in der Idee „Gegenstand“, „Sachverhalt“ und verwandten Ideen sonst gelten und könnten sonst gelten als solche, die die Ideen 10
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„Zahlsetzungen, Dingsetzungen bzw. Zahlensätzen“ später verändert in „Zahlsätzen, Dingsätzen“. – Anm. des Hrsg. 2 Spätere Randbemerkung: „Es handelt sich, wenn ich apriorische Zahlgesetze, Dinggesetze suche, um Möglichkeiten von Zahlen etc., die ich im D e n k e n ansetze, oder für die ich denkend Gedanken bilde.“ – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Randbemerkung: „Ich bilde Begriffe und Sätze über Gegenstände, Sachverhalte und frage, wann sie gelten.“ – Anm. des Hrsg. 4 Spätere Einfügung: „begriffliche“. – Anm. des Hrsg. 5 Spätere Einfügung: „gedanklicher“. – Anm. des Hrsg.
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„Satz“ und „Satzgeltung“ betreffen? Natürlich gehört ja zur Idee „Sachverhalt“ die Idee „Satz“ und „Wahrheit“ und umgekehrt. Fü r Sachverhalte als solche gilt etwas, und für S ätze als solche gilt et w as, sofern sie sollen wahr sein können aufgrund der Idee von Satz und Satzgeltung, das ist einerlei.1 Jede Wissenschaft h at ein G ebiet. Was ist das Gebiet der Arithmetik? Die Zahlenreihe, die Reihe der Zahlenideen bzw. die Idee „Zahl überhaupt“ und die Ideen, in die sie sich zerlegt. Ebenso ist das Gebiet der Chronologie die Zeit, die Zeit als Idee, das Gebiet der Geometrie der Raum und die idealen Raumgebilde usw. Das Gebiet ist die Objektität, welche die Wissenschaft „voraussetzt“, der Boden, den sie bearbeitet und der ihr gegeben ist; die Gegebenheit des Bodens ist das Erste, und die Forschung hat dann ihn zu bearbeiten. Die wirkliche Raumwelt und die räumlichen Beschaffenheiten der wirklichen Dinge sind nicht das Gebiet der Geometrie, denn von dergleichen weiß sie nichts; das braucht, das setzt sie nicht im Voraus; das ist ihr nicht im Voraus gegeben. Genau ebenso die reine Logik bzw. die formale Ontologie. Sie ist eine Wesenslehre, und die Wesen oder Ideen, die ihr gegeben sind, sind die unabtrennbar zusammengehörigen, durch Äquivalenzbeziehungen verknüpften Ideen „Satz“, „Wahrheit“, „Sachverhalt“ usw. (auch „Gegenstand“ und „Existenz“).2 Sie ist keine Wissenschaft von Gegenständen und von Sachverhalten schlechthin, sondern eine Wissenschaft von dem im Wesen von Gegenstand und Sachverhalt, aber ebenso gut von Satz und Wahrheit Liegenden. Geht man aus von Gegenständen, gegebenen Erkenntnisgebieten, und steigt man zu Allgemeinheiten empor, dann stößt man auf die „unbedingten“ Allgemeinheiten und auf die obersten ontischen Wesensbegriffe, aber alsbald auf ihre semasiologischen Korrelativa. Geht man aber von dem Urteilen und vom Urteil aus, so stößt man auf die obersten semasiologischen Begriffe und kommt auf Satz und Wahrheit etc. Beides aber ist eins im Wesen, und die Wissenschaft kann ebenso als formale Wissenschaftslehre, als Geltungslehre der Bedeutungen hinsichtlich ihres Wesens bezeichnet werden, und wie1
Spätere Einfügung: „(äquivalent)“. – Anm. des Hrsg. Die reine Logik urteilt athetisch hinsichtlich der Gegenstände. Jede andere Wissenschaft urteilt thetisch über ihr Gebiet. 2
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der als apriorische Ontologie, und zwar als apriorische Wesenslehre des Seins überhaupt. Bis auf Besserungen des Ausdrucks dürfte das endgültige Erkenntnis sein. In der Mannigfaltigkeitslehre lege ich die Idee einer Mannigfal5 tigkeit zugrunde, aber so, dass ich die Idee irgendeines Gebietes, das durch formale Axiome definiert ist, zugrunde lege. Hat ein Gebiet diese Axiomatik, so hat es notwendig die und die Beschaffenheiten. Doch das ist noch zu überlegen.
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In der Phantasie kann mir ein Gegenstand vorschweben, der reines Fiktum ist, und verflochten sein in allerlei rein fingierte Vorgänge. In der Phantasie kann ich alle kategorialen Akte auf diesem Grund von Fiktionen als Quasierfahrungen vollziehen, und für die „Urteile“ können dann wie für die schlicht „erfahrenden“ Akte alle Modalitäten auftreten. Ich kann dann auch in die Einstellung des „Ich denke mir (= ich fingiere mir) all das“ eintreten. Aber darum hat all das Gedachte bzw. Phantasierte noch keine Beziehung zur aktuellen Welt, und das soll sicher sagen: zu dem jetzt von mir aktuell Erfahrenen und durch Erfahrung mittelbar Gesetzten und zu den Urteilen, die sich darauf beziehen mögen, die mir als fertige Urteile reproduktiv wieder einfallen, von mir übernommen werden usw. Und selbst das Sichdenken als Ansetzen macht es noch nicht. Erst sowie ich das Sichdenken, das „Ich denke mir“, als Ansetzen in der Wirklichkeit verstehe, „gesetzt, das wäre in der Wirklichkeit“, ist es anders; ich verbinde mit dem Erfahrenen, der mir gegebenen Wirklichkeit, das Fingierte als angenommene Wirklichkeit. Ich versetze die fingierten Tatsachen der fingierten Welt in die wirkliche Welt und wirkliche Zeit. Damit wandeln sich die Fiktionen, die vordem rein waren, in gebundene. Es entfällt der Unterschied gegen das Umfingieren: Ich phantasiere die Wirklichkeit um oder phantasiere in die Wirklichkeit hinein, und dadurch ist die Phantasie nicht mehr frei und zur Erfahrung beziehungslos, mit ihr verbindungslos, sondern
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Wohl 1918 als Neuausarbeitung eines älteren Blattes geschrieben. Vgl. die näheren Angaben in den Textbeschreibungen, S. 484 f. – Anm. des Hrsg.
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an sie gebundene Phantasie. Dasselbe sagt: Das hypothetische Setzen ist dann ein in die Sphäre wirklicher Thesis, in die Erfahrungssphäre hineingehöriger Akt, und der Ansatz kann sich als richtig oder unrichtig herausstellen oder von vornherein unrichtig sein. Wäre es bloß ein freier und bloßer Phantasie entsprungener Ansatz, so wäre es – trotz der Beziehung auf Wirklichkeit, falls es nicht Umphantasieren bestimmter gegebener „Dinge“ wäre – eine leere Möglichkeit (eine Möglichkeit, wenn die Phantasie anschaulich ist), für die in der Erfahrung „nichts spräche“, aber eine Möglichkeit doch, sofern in der unendlichen Erfahrungswelt in irgendeiner Zeit, in irgendeinem Raum etwas als wirklich sich herausstellen könnte, was identisch ist mit dem Angesetzten und nach seiner Zeitlage, nach seinem Zusammenhang Unbestimmten. Der Ansatz, der Gedanke ist nach Wahrheit und Falschheit auswertbar. Dagegen, solange ich in purer Phantasie bleibe und das Phantasierte rein als solches nehme, ist von einer möglichen Identität oder Nichtidentität mit einem Wirklichen keine Rede. Reine Phantasie kann nie mit einer Wirklichkeit streiten, und Phantasiertes als solches nie eine wirkliche Durchstreichung erfahren, reine Phantasieurteile können nie im eigentlichen Sinn wahr oder falsch sein. Dagegen haben E rf ahrungsgegebenheiten, schlichte und synthetische, W esensgemeinschaft m it Phantasiegegebenheiten. Die einen und anderen können sich in voller Gleichheit decken, und Wesen lassen sich durch Wesensschauung bilden. Wesensnotwendigkeiten, Wesenssachverhalte sind in reiner Phantasie zu konstituieren oder auch in Mengung von Erfahrungsunterlagen unter die Phantasien. Und hier gilt es, dass eine Evidenz in der Phantasie frei umzuwandeln ist in eine wirkliche Evidenz, während eine Tatsachenevidenz in der Phantasie eine solche freie Umwendung, nämlich durch Verwandlung der Quasisätze in Ansätze, nicht zulässt. Hier bedarf es wohl noch tieferer phänomenologischer Beschreibungen. Aber ist nicht doch das auf S. 188 ff. Ausgeführte im Wesentlichen richtig? Wenn ich wirklich urteile, bin ich mir des Urteils bewusst, z. B. „Die Erde ist rund!“, „2 × 2 ist 4!“. Das steht mir als seiend, als wirklich vor Augen. „Denke ich mir bloß“ z. B. „Die Erde sei ein Zylinder!“, „2 × 2 sei 5!“, oder lebe ich im Verstehen eines fremden Urteils, im Nachverstehen des „Die Erde ist ein Zylinder!“, ohne dass ich miturteile, also nicht selbst bewusst habe „S ist P!“ (so wie ich beim „Mir-bloß-Denken“ ohne Beziehung auf die Erfahrung, dass der andere faktisch urteilt, mich in ein Urteilen hineindenke und doch nicht selbst urteile: daher das Anführungszeichen und unter ihm das Ausrufezeichen), – so habe ich also wieder einen „Inhalt“ und evtl. denselben, aber nicht als mir bewusst im Modus des Wirklichseins, sondern des Gedachtseins. Einmal habe ich Wirklichkeit, geurteilte Wirklichkeit, oder einmal habe ich geurteiltes „So ist es!“ oder vermutetes „So dürfte
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es sein!“ etc., das andere Mal habe ich die entsprechenden gedanklichen Modifikationen,1 aber doch als Gedachtes evtl. dasselbe. Dieses Selbe kann ich in beliebig vielen möglichen Urteilen als geurteilt denken. Ich kann mir frei phantasieren, dass irgendjemand so urteile, ebenso wie ich mir beliebig viele sich etwas Denkende denken kann (frei phantasierend), die diesen Inhalt, diesen selben, sich bloß denken. Und das sind mögliche Urteile und Gedanken, sofern ich mir anschaulich vorstellen kann, dass dieser Inhalt, wie jeder beliebige, geurteilter oder gedachter sei. Dabei brauche ich selbst gar nicht selbst zu urteilen, wirklich zu urteilen, es sei so, ich brauche kein Urteil dieses Inhalts wirklich zu fällen. Ebenso hinsichtlich Gegenständen, z. B. der Gegenstände „möglicher Erfahrung“. Sie sind, heißt es im Text, „unabhängig von Sein und Nichtsein“. B esser sage ich doch, sie sind Gegenstandssinne oder Sinnesgehalte möglicher Erfahrungen, Urteile etc., dasjenige, dem Prädikate des Wahrhaftseins und Nichtseins zukommen können. 1) In der Phantasie leben (in anschaulicher oder unanschaulicher) und quasiurteilen, quasivermuten etc., auch quasiwünschen, -wollen. 2) Sich als aktuelles Ich auf die F i kt a beziehen und sie zu Gegenständen machen, die freilich nur als bloße Korrelate der aktuellen Phantasieerlebnisse sind und identisch nur sind im Wechsel von Phantasien, die Zusammenhang in der Einheit „einer“ Phantasie haben etc. 3) Jede Phantasie lässt sich wenden in ein Sichdenken, es sei das und das, oder Sichdenken, es sei das und das vermutlich, wahrscheinlich, wünschenswert etc. Das Sichdenken ist ein Assum i eren, Annehmen, Ansetzen. Ich – das erfahrende Ich, das erlebende – habe nicht nur als Subjekt des inneren Bewusstseins meine Erlebnisse, sondern als Subjekt der Intentionalität dieser Erlebnisse meine Umwelt, meine reale und meine ideale. Dasselbe sagt: Ich bin Subjekt von Erfahrungen und Urteilen (in allen Modalitäten).2 Ich bin auch Subjekt für die fingierenden Akte, aus denen ich frei die Fikta entnehmen kann.3 Ferner: Ich bin Subjekt der Assumtionen. Als aktuelles Subjekt kann ich Wesenserschauung üben, ich kann Ähnlichkeiten und Gleichheiten finden zwischen fingierten Gegenständen, Sachverhalten und erfahrenen, geurteilten. Ich kann Noemata zu Gegenständen machen etc. Dabei ist zunächst zu fragen: Wie verhalten sich Assumtionen zu Phantasien auf der einen Seite
1 Zu „gedanklichen Modifikationen“ spätere Ergänzung: „Neutralitätsmodifikationen“. – Anm. des Hrsg. 2 Spätere Einfügung: „Wünschen, Wollungen“. – Anm. des Hrsg. 3 Es ist auf diesen Blättern immer von Phantasie die Rede; aber worauf es ankommt, ist allgemeiner N e u t r a l i t ä t. Zur Phantasie gehört V e r g e g e n w ä r t i g u n g, aber darauf kommt es in den Gegensätzen hier nicht an oder nicht überall an.
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und zu Erfahrungen und sonstigen unmodifizierten Akten auf der anderen Seite? Phantasien können pure Phantasien sein, oder sie können „Mischungen“ von Erfahrungsgegebenheiten und Phantasiegegebenheiten herstellen. In die Erfahrungswirklichkeit wird hineinphantasiert, oder Erfahrenes wird umphantasiert. Phantasiere ich (ich „träume“), so vollziehe ich, auch wenn ich hineinphantasiere in diese Straße, noch keine Assumtion. Im Spiel der Phantasie, als ein Phantasie-„Einfall“, „erscheint“ in dieser Straße hier ein Riese etc. Ich folge dem „Spiel“. Ich nehme aber nichts an. Das Problem ist hier die Phänomenologie dieses Umphantasierens und Hineinphantasierens, die Modifikation, die das Erfahrene hinsichtlich seiner Erfahrungssetzung erfährt, die Art, wie da die Proteste der Erfahrung gegen die mit ihr streitenden Phantasien unbeachtet bleiben, wie ich mich nicht auf den Boden der Erfahrung stelle und die Phantasiegegenständlichkeit durchstreiche etc. Sowie ich die Erfahrung aktiv vollziehe und mich auf ihren Boden stelle, phantasiere ich nicht mehr im Sinn des Träumens, und der Vollzug des Geträumten wird schon wohl zum Ansetzen, es sei dasjenige, das gegen das „Wirkliche“ angesetzt ist und durchstrichen ist. Muss ich nicht sagen: Beziehung zur1 Wirklichkeit hat das Geträumte nur durch Synthese, die das Geträumte in eins mit dem Wirklichen setzt bzw. zu setzen „versucht“, ansetzt? Und wenn ich eine pure Phantasie habe, so kann ich da einen Ansatz machen. Ich denke mir, es wäre das wirklich. Ich kann dabei hypothetisch denken, fortdenken, notwendige Folgen ziehen usw. Aber ich hätte dann noch keine Beziehung auf die Wirklichkeit. Ich träume nicht einfach, sondern ich denke mir, die geträumte Welt wäre Wirklichkeit, und dazu gehört, dass ich das Geträumte weiter festhalte, auf dasselbe wieder zurückkomme und es in seinem identischen Sinn festhalte usw. Jeden solchen puren Phantasieansatz kann ich aber beziehen auf die aktuelle Wirklichkeit, mit der das Phantasieren und ich selbst, der Phantasierende, in gewisser Weise eins sind. Und nun wird aus dem reinen Phantasieansatz ein Ansatz des Phantasierten als seiend in der Welt, als seiend irgendwann und irgendwo in der Welt, nämlich als gegenwärtig seiend (also gleichzeitig mit dem Erfahrenen) oder vergangen (gleichzeitig mit erinnerungsmäßig Gesetztem) usw. Gewöhnlich heißt Sichvorstellen so viel wie Vorstellen, dass etwas sei, Annehmen, dass es sei, und dieses wieder ebenso viel wie Sichvorstellen (Sichdenken), es sei ineins mit dem Erfahrenen oder durch Erfahrung mittelbar Gesetztem, es sei entweder jetzt und hier oder an irgendeiner unbestimmten Stelle des Erfahrungshorizonts, kurzum ineins mit der Welt 1
Spätere Einfügung: „gegebenen“. – Anm. des Hrsg.
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und ihr somit zugehörig. Die Phantasiegegenstände, Phantasiesachverhalte haben an sich mit der Wirklichkeit nichts zu tun, aber sie sind als wirklich ansetzbar, auf die Wirklichkeit beziehbar: was aber sie in gewisser Weise wandelt. Es sind hypothetische Wirklichkeitsansätze, verknüpft mit der Erfahrung, und als das unterstehen sie der Frage nach wirklichem Bestehen oder Nichtbestehen. Die Wirklichkeitsfrage kann (als Frage nach wahrhaftem Sein) an pure Phantasiegegenstände nicht gestellt werden, sondern nur an Phantasiegegenstände, die in die Wirklichkeit al s Ansät z e hineinversetzte sind. 1) Der in beliebigen anschaulichen oder unanschaulichen Erfahrungsakten erfahrene Gegenstand als solcher: der „vermeinte“, „intentionale“, aus jedem solchen Akt zu entnehmen. Der Sinn (gegenständlicher Sinn) der Erfahrungsakte, unangesehen auch ihrer Modalität. 2) Der in einem Wie, nämlich mit einem Bestimmungsgehalt, mit bestimmten Merkmalen gemeinte, im Übrigen unbestimmte, aber Bestimmungen offen lassende „Gegenstand“, und insbesondere für Anschauungen: der anschauliche Gegenstand als solcher, der Sinn im Modus einer gewissen Fülle. 3) Der wahre Gegenstand. 4) Der gegenständliche Sinn, bezogen auf Erfahrungen, kann identisch sein mit dem gegenständlichen Sinn von Phantasieansätzen, eigentümliche Modifikationen von Erfahrungsakten.1 Für die kategorialen Akte ebenso und dann für prädikative Urteile (aller Urteilsmodalitäten): 1) In beliebigen einsichtigen oder uneinsichtigen Urteilen kann bewusst sein als Geurteiltes derselbe „Urteilsverhalt“, und dieser Urteilsverhalt ist unangesehen der Urteilsmodalität identisch derselbe, und er ist oder kann sein völlig identisch mit quasieinsichtigen (anschaulichen) oder nicht quasieinsichtigen gedankenhaften Modifikationen, Annahmen (unangesehen der angenommenen Modalitäten). Das ist der prädikative Verhalt oder der prädikative Sachverhalt als solcher. 2) Derselbe kann auch bewusst sein in einem aktuellen Vermeinen oder Ansetzen, das die Eigentümlichkeit eines auf Urteile oder prädikative Annahmen zurückbezogenen „Vorstellens“ hat, z. B. wie wenn wir uns in einem einstrahligen Erfassen, einem Entnehmen, zurückbeziehen auf ein früher gefälltes, etwa soeben gefälltes Urteilen oder vielmehr auf sein Geurteiltes oder auf ein Angenommenes. Also auch ein prädikativer Verhalt kann in verschiedenen Modis gegeben sein. Aber dieses ist keine Parallele zu dem Gegenstand im Wie. Und dazu gibt es hier keine Parallele, da wir es eben 1
Ich kann aber auch eine Erfahrung neutralisieren und dadurch den entsprechenden Gedanken und den bloßen Erfahrungssinn gewinnen.
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nicht mit einem schlichten Erfahrungsgegenstand zu tun haben. Dagegen haben wir gegenüberzustellen, und zwar demselben (identischen) prädikativen Verhalt von Aussagen, Vermutungen (prädikativen) etc., aber auch hypothetischen Annahmen (desgleichen von Vordersätzen hypothetischer Urteile und Nachsätzen etc.), den wahren, wahrhaft seienden, das Korrelat 5 evidenter Urteilsakte. Der wahrhafte und wirkliche prädikative Verhalt, er selbst, birgt den bloß prädikativen Verhalt in sich und bringt neu die „Fülle“. 4) Der prädikative Verhalt „birgt in sich“ z. B. ein Subjekt, und das Subjekt den „Gegenstand“ und identisch denselben Gegenstand (gegenständlichen Sinn) eines „Vorstellens“, das in das Prädizieren eingeht. Aber der Vor- 10 stellungssinn hat im Subjekt des Verhalts eine Subjektformung und evtl. eine attributive Bestimmung usw.1 Ebenso Scheidung von dem „Sachverhalt“, der in der Erfahrungssphäre liegt vor allem Prädikativen, und dem prädikativen Verhalt, wie überhaupt der Aufbau der prädikativen Gegenständlichkeit auf unterliegenden nichtprädikativen Gegenständlichkeiten zu berücksichti- 15 gen ist.
Beilage XXVI Die Selbstgegebenheit des Sachverhalts2 Der Sachverhalt selbst „Die Erde ist eine Kugel“ oder „Dieses Papier ist weiß“ schließt den Gegenstand Erde, Papier, den das Urteil „Die Erde ist 20 eine Kugel“ etc. meint, ein. Andererseits ist der jeweilige Gegenstand in einer gewissen nominalen Form hierbei gedacht, begrifflich gefasst. So kann man überhaupt den Sachverhalt selbst (der die betreffenden Gegenstände selbst, Beschaffenheiten selbst etc. fasst, die Weiße am Papier selbst, die Kugelform an der Erde selbst) von dem prädikativen Verhalt, dem in der betreffenden 25 prädikativen, urteilsmäßigen Form „gefassten“ unterscheiden. Kommt ein prädikativer Verhalt zur einsichtigen Selbstgegebenheit, so liegt darin, dass der Sachverhalt zur Selbstgegebenheit kommt und somit alle seine gegenständlichen Bestandstücke. Nun ist aber zu beachten: Handelt es sich um ein Individuelles, und zwar 30 ein Ding, so gehört zur „Einsicht“ in den dinglichen und zwar singulären prädikativen Verhalt, dass das Ding aktuell anschaulich erfahren ist (wahrgenommen, erinnert). Aber die Wahrnehmung ist eine transzendente und kann, wie weit wir in den Zusammenhang bereichernder Wahrnehmungskontinui1
Spätere Ergänzung: „– eine (artmäßige) begriffliche Fassung“. – Anm. des Hrsg. Wohl 1918 als Neuausarbeitung eines älteren Blattes geschrieben. Vgl. die näheren Angaben in den Textbeschreibungen, S. 486 f. – Anm. des Hrsg. 2
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tät treten, nie „adäquat“ werden. Also die Wahrnehmung enthält nie das Ding selbst, sie enthält den Dingsinn in Fülle, ein sich stetig wandelndes und erweiterndes Perzeptionale, und so auch das Wahrnehmungsurteil nie den Sachverhalt selbst. Aber dann ist auch der prädikative Verhalt nicht selbst gegeben, wenn wir eben unter dem prädikativen Verhalt das wahrhaft Seiende verstehen, das das Urteil „meint“, das im Urteilen das Gesetzte ist, also wenn wir den wahren prädikativen Verhalt darunter verstehen: in gewissem Sinn die prädikative Wahrheit. Also kein wahrhaft bestehender prädikativer Verhalt ist, sowenig wie ein dinglicher Sachverhalt, „adäquat“ gegeben, oder in keinem Erfahrungsurteil, und mag es noch so viel Erfahrungssättigung haben, kann das Urteilen das Wahre, den Sachverhalt selbst und prädikativen Verhalt selbst, reell in sich tragen. Dagegen möchte man sagen: Wenn ich ein Empfindungsdatum immanent erfasse, so ist es der Wahrnehmung selbst immanent. Das Ich fasst das Selbst und hat es im Wahrnehmungsakt umfasst, in „reeller“ Weise. Und ganz so auch das Wahrnehmungsurteilen, dessen Urteilsinhalt, der prädikative Verhalt, wie der Sachverhalt in entsprechender Weise voll und vorbehaltslos umgriffen ist. Wieder wenn wir Spezies-Urteile nehmen, ideale Urteile, die adäquat fassbare Ideen betreffen (wie „2 < 3“) und alle unmittelbaren Axiome. Jedenfalls muss man also sagen: Es gibt Urteilsinhalte, prädikative Verhalte, die die Gegenstände-worüber „reell“ einschließen. Was aber die Urteile anlangt, so ist die Zweideutigkeit zu beachten. Wir können ja sagen: Einsichtige Urteilsakte umfassen adäquate „Wahrnehmungen“ (originäre Erfassungen) und demnach die Urteile selbst (die Sätze) die Gegenstände, Sachverhalte, Urteilsinhalte selbst.1 Aber dies sind einsichtige Urteile, d. h. Urteile, die in den Eingesehenheiten und in den betreffenden Urteilsinhalten selbst, die da eingesehen sind, liegen, und dieselben Urteile können auch uneinsichtig gefällt sein. So wie wir scheiden den wahrgenommenen Gegenstand als solchen und den wahrhaft wirklichen Gegenstand, der da evtl. wahrgenommen ist, so den originär anschaulich geurteilten prädikativen Verhalt (bzw. Sachverhalt) und den prädikativen Verhalt selbst, in Wahrheit; und dann überhaupt, wie wir den vorgestellten und wirklichen Gegenstand unterscheiden, so den geurteilten Verhalt, also den vermeinten prädikativen Verhalt, und den wirklichen prädikativen Verhalt, den wahren. Übrigens fragt es sich, ob ich nicht bei der alten Terminologie bleiben soll, nämlich von dem im Urteil geurteilten Sachverhalt (der nominal zu einem Gegenstand-worüber wird) zu sprechen, statt „prädikativer Verhalt“ 1
Also die Urteile, die Sätze und ebenso die Satzgehalte, die bloßen propositionalen Sinne, umfassen nie die Gegenstände und Sachverhalte.
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zu sagen; das Sachverhaltssubjekt wäre dann ein Gegenstand, aber der jeweils prädikativ umgriffene und geformte Gegenstand, der den Gegenstand einschließt. Doch liegt gerade da die Schwierigkeit. Sachverhalt ohne prädikative Fassung, was ist das? Wie konstituiert sich das? Durch das Urteilen konstituiert sich nur der prädikative Verhalt, dessen Sinnesgehalt der Satz ist. Habe ich aber „2 < 3“ und „3 > 2“ und sage ich, das sei dasselbe, so habe ich eine Äquivalenz; und sage ich auch „dasselbe“, wie auch immer ich die Gegenstände sonst vorher prädikativ bestimmt und durch Attribution danach gedacht habe, so meine ich, es sei derselbe Gegenstand „gesetzt“ als Worüber und dasselbe Prädikat. Im einen Fall habe ich eine Äquivalenz, und die weist auf eine vorprädikative Gegenständlichkeit hin, die ihrem Wesensinhalt nach diese zwei äquivalenten Urteile ermöglicht. „Objektiv“ liegt dasselbe vor. Ähnlich im anderen Fall. Ist es da von Wert, von einer eigenen Gegenständlichkeit zu sprechen: als einer Gegenständlichkeit eben, die verschiedenen Urteilen Grund gibt? Wie verhält sich der Satz und Satzinhalt (Satzsinn) zum prädikativen Verhalt selbst (in der anderen Terminologie nenne ich ihn auch „Sachverhalt“, ohne Unterscheidung zwischen Sachverhalt und prädikativem Verhalt) in seiner wahren Selbstheit? Wie der Gegenstandssatz und bloße Gegenstandssinn zum Gegenstand selbst? Der Satz (mit dem Urteilssinn) ist jedem expliziten Urteilen als Erlebnis und in gewisser Weise seinem phänomenalen Korrelat, dem Urteilsphänomen, Satzphänomen, immanent. Der Satz ist darin „realisiert“, er ist aber ein idealer G ehal t, da er mannigfaltigen solchen realen (wirklichen und möglichen) Erlebnissen identisch „einwohnt“ und in jedem als derselbe neu realisiert ist. Obwohl er keine Spezies ist und sich in der Weise einer Spezies individuell vereinzelt, so hat er doch seine Vereinzelung. Da ich ihn in jedem expliziten Urteilen vorgegeben habe, daraus adäquat entnehmen kann, ohne vergleichende Abstraktion, ihn aber auch in dem prädikativen Verhalt finden kann, wozu ich natürlich das evidente Urteil brauche, so können wir nicht anders sagen als: Er ist zwar Wesensstück, Teil des prädikativen Verhalts an sich, und was dieser mehr ist, was ihm die Fülle des wahren Seins gibt, ist ein Unselbständiges, das ihn schon voraussetzt; andererseits aber ist er auch ein „für sich“, ein Ideales, das adäquat realisierbar ist ohne Realisierung des prädikativen Verhalts in der Evidenz. Das ist nicht so verwunderlich, könnte man sagen, der prädikative Verhalt selbst ist ja ein Ideales. Indessen, so einfach ist die Sache nicht. Wenn der prädikative Verhalt sich auf ein immanent Reales bezieht, so ist er in seiner Selbstheit in der Evidenz, der adäquaten Evidenz, gegeben. Aber wie ist das der Fall? Nehmen wir ein evidentes Urteil wie „Dies (der eben erklingende Ton) ist ein Ton und keine Farbe“, dann habe ich in dem
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immanenten Wahrnehmungsurteil, wenn es wirklich evident ist (würde ich sagen, es sei ein unveränderter Ton, so wäre die Evidenz vielleicht schon fraglich), den prädikativen Verhalt adäquat gegeben und in ihm den Ton selbst, diese gegenständliche Einheit im Selbstwerden. Wie aber, wenn ich von einem eben verklungenen Ton oder gar einem wiedererinnerten, der nicht eben aus der „frischen“ Retention heraufgeholt war, „dasselbe“ aussage? Habe ich nicht hinsichtlich des soeben verklungenen noch wirklich Evidenz der Gegebenheit und damit auch für den prädikativen Verhalt? Kann man da etwa noch sagen, der prädikative Verhalt berge den Ton selbst in sich? Der ist doch schon vorüber. Man könnte sagen: Der Ton selbst, dieser immanente Gegenstand, ist, was er ist, nicht nur im Modus des Selbstwerdens als gegenwärtiger, sondern auch als selbstgewordener in der Modalität des vergangenen. Aber das Vergangene besagt nicht ein Selbstsein, das vielmehr ein Gegenwärtigsein ist, sondern ein vergangenes Gegenwärtigsein, das also Nichtgegenwärtigsein ist. (Zu überlegen wären auch die evidenten Gegebenheiten von Urteilsinhalten für immanente Fikta.) Kann man also den Satz aufrecht erhalten, dass evidente (adäquate) Sachverhalte ihre Gegenstände einschließen? Real-immanente Gegenstände sind Einheiten der perzeptiven Gegebenheit und der beliebig zu wiederholenden Wiedergegebenheit der Wiedererinnerung in immer neuen Zeitmodis. Jedes aufgrund solcher Gegebenheiten vollzogene evidente Urteil „gibt“ den prädikativen Verhalt und gibt, wie jede erfassende Wiedererinnerung, die dabei immer vorausgesetzt ist, den Gegenstand „selbst“. Aber doch ist der Gegenstand nicht im Original gegeben, und der prädikative Verhalt befasst nicht den originalen Gegenstand, den Gegenstand im originalen Modus des Jetzt. Anders bei idealen Gegenständen. Andererseits, habe ich nicht den prädikativen Verhalt in seinem wahrhaften Sein, er ist ja evident gegeben? Ist nicht am Ende der Gegenstand selbst, auf den sich der prädikative Verhalt bezieht, eben die Einheit der möglichen Wahrnehmungen oder Wiedererinnerungen und vor allem der möglichen Wiedererinnerungen, aus deren jeder der Gegenstand im Wie des zeitlichen Modus zu entnehmen ist, aber auch der Gegenstand selbst, der hier überall ein eigenes Original ist, der „objektiv“ immanente Gegenstand, zu dem die Stelle in der objektiv immanenten Zeit gehört? Und gehört nicht zu diesem Gegenstand allein, dem objektiven Selbst, der prädikative Urteilsinhalt, der vom Ton selbst spricht und nicht vom gegenwärtigen oder vergangenen oder überhaupt vom „erscheinenden als solchen“ in seinem Erscheinungsmodus und Modus zeitlicher Orientierung? Dann haben wir wiederhergestellt den Satz, dass jeder evident gegebene Sachverhalt eben Originalbewusstsein von dem vermeinten Sachverhalt ist, der Satz in der Fülle, der hinter sich kein Selbst mehr hat und der seine Gegenstände
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originaliter einschließt. Und dann sind immanente Gegenstände nicht nur den Wahrnehmungen von ihnen, sondern auch den Wiedererinnerungen (den adäquaten und evidenten) immanent. Das aber sagt: Wahrnehmung eines immanenten Tones im gewöhnlichen Wortsinn wäre Wahrnehmung im Modus der konstitutiven Originalität, im Modus der Gegenwart. Aber Gegebenheit und Selbstgegebenheit des Gegenstands vollzieht auch die Wiedererinnerung, und auch sie ist in gewisser Weise Wahrnehmung des Selbst. Eine leere Vorstellung hat dieses Selbst nicht in sich, sie hat aber auch den gegenständlichen Sinn nicht eigentlich in sich, sie hat ihn nur uneigentlich, sofern sie ihn in der Deckung mit einer erfüllten Vorstellung durch Erfüllung sich zueignet. Doch ist das wohl zweifelhaft, da doch die Deckung die Identität des Gemeinten erweist. Aber gehört es nicht zum Leeren, dass es erst durch Erfüllung den Sinn ausweisen muss? Wie ist es dann aber mit den Wahrnehmungen von transzendenten Gegenständen? Ist in ihnen nicht das Selbst leibhaft gegeben? Aber hier ist weder in den Wahrnehmungen noch in den Wiedererinnerungen das volle Selbst gegeben, und auch kein vollbestimmter Sinn gegeben, der dem vollen Selbst entspricht. Der vollbestimmte Sinn, der Sinn des Gegenstands selbst und für jede Phase seines zeitlichen Daseins, ist eine K ant’sche Idee. Gegeben ist in jedem Anschauen (und dann auch Leervorstellen) ein immerfort unvollkommen bestimmter Sinn, und gegeben ist im evidenten Anschauen das leibhafte Sein eines unvollkommen Bestimmten nach seinen darin bestimmten Merkmalen. Die Wahrnehmung ist wieder das originär konstituierende Bewusstsein. Ein Ding ist ursprünglich nicht anders zu geben und kann in seinem Sein nicht anders evident werden als in der Weise eines unbestimmten und auf mögliche weitere Bestimmungen verweisenden „Selbst“, eines unbestimmten Konkretum mit bestimmten leibhaften Momenten. Aber das originär konstituierende Bewusstsein in all seinen Extensionen durch endlose Fortführung bestimmender Erfahrungen liefert nie das in sich vollbestimmte Selbst, das Selbst in seiner eigenen Selbstheit, das vielmehr nur ist als eine Idee der Vernunft, als Korrelat eines ideal geschlossenen, vielseitig unendlichen möglichen Wahrnehmungssystems, als Einheit einer Unendlichkeit, die sich als Möglichkeit in Unendlichkeitsprozessen erschauen lässt, und das als Wirklichkeit immer nur vorbehaltlich durch Vernunftmotivation vorgezeichnetes Sein ist und das als wahres An-sich-Sein nur möglich ist unter transzendentalen kategorialen Bedingungen.1 Daran hat dann jeder prädikative Erfahrungsverhalt (für Dinge) seinen Anteil; er hat seine Evidenz, seine Wahrheit, das sagt aber: Es ist eine originär 1
Eine eigene Untersuchung erfordern alle Wahrheiten, die auch logische Unbestimmtheiten einschließen, so die Funktionalwahrheiten.
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gegebene Vorbehaltlichkeit, eine unbestimmte Wahrheit, originale Konstitution des Sachverhalts in Form eines unbestimmten Sachverhalts, aber nicht seiner in seiner wahren Bestimmtheit: Der dingliche Urteilsverhalt ist also auch nur eine Idee. Gut ist in den alten Blättern (von S. 188 an z. B.) die Unterscheidung zwischen 1) dem aktuellen Urteil oder, was dasselbe, dem aktuell gesetzten Satz als meiner – dieses U rteilenden – aktuellen Meinung, der Meinung, die ich wirklich habe und die meine relativ bleibende, habituelle Meinung ist, die ich in vielen wirklichen Akten aussprechen und wieder urteilen kann. Das aktuelle Urteil hat also einen doppelten Sinn. α) Gegenüber dem idealen möglichen Urteilen, das eben kein wirkliches Urteilen ist, und zugleich gegenüber dem möglichen Eine-bleibende-Meinung-Haben, ist es eine bleibende Überzeugung. β) Habe ich eine habituelle Meinung, so aktualisiert sie sich in einem wirklichen Urteil, sie könnte sich aber in anderen möglichen Urteilen aktualisieren. Jedes solche Urteil hätte dieselbe aktuelle Meinung im anderen Sinn, die eben ein wirkliches Urteilen oder Geurteilthaben, Bleibend-eine-Stellung-genommen-Haben voraussetzt. Ferner: Eine aktuelle Meinung, ein aktuelles Urteil (ein „wirkliches“ Urteil), unabhängig von seiner faktischen Fällung, kann zugleich mein Urteil und das anderer Personen sein. Wir sind derselben Überzeugung, wir urteilen dasselbe und haben darin dasselbe „Urteil“. 2) Den wirklichen Urteilen, den Urteilen als aktuellen Meinungen wirklicher Ich, von denen sie nicht abtrennbar sind – höchstens dass, wenn schon wirkliche Ich solche Meinungen haben, ein offener Horizont von möglichen Ich da sein kann, in Bezug auf die ersteren aber, die dieselbe Meinung haben oder gewinnen könnten –, stehen gegenüber die m ögl i c hen Urteile möglicher Subjekte, gleichgültig, ob wir wirkliche Subjekte haben und sie als solche möglichen Urteile urteilend denken (fingieren) oder ob wir Subjekte uns erdenken (uns fingieren), für die das so sein soll. Jedes wirkliche Urteil birgt seine Möglichkeit in sich. Korrelativ: Jedes wirkliche Urteilen eines wirklichen Subjekts können wir neutralisieren (oder ihm eine Phantasie gegenüberstellen), und dann entnehmen wir die entsprechende Möglichkeit „aus“ ihm. In der Tat, es deckt sich, identifiziert sich Möglichkeit und Wirklichkeit bzw. der neutrale Akt und der aktuell setzende Akt. (Und das ist eine Wesenslage, d. h., wir können im Reich der Möglichkeiten selbst uns Möglichkeiten von Urteilen und Möglichkeiten von möglichen Urteilen und so in infinitum denken und generell die Deckung erkennen.) Wir können so auch sagen: Die Wirklichkeit enthält als ihre Idee die Möglichkeit in sich. (Die Möglichkeit ist der ideale Gegenstand, der als Möglichkeit sein „Sein“ hat, das des Idealen.) Das mögliche Urteil bezieht sich auf jedes mögliche
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Subjekt, das „in der“ Möglichkeit dasselbe Urteil urteilt. Jedes erdenkliche Ich, als Subjekt solcher Urteile gedacht, urteilt dasselbe. Und sagen wir, ein erdenkliches Ich könne auch ein beliebiges wirkliches Urteil urteilen, so haben wir Wirklichkeit und Fiktion in Beziehung gesetzt oder das wirkliche Urteil in die Möglichkeitssphäre versetzt. Wenn wir von Sätzen sprechen in der logischen Einstellung (oder auch von Urteilen), z. B. vom Urteil „Die Erde ist eine Ebene“, so sprechen wir von möglichen Urteilen möglicher Subjekte überhaupt, und zwar halten wir uns im Reich reiner Möglichkeiten auf, wir setzen nicht voraus Menschen oder sonstige faktische urteilende Subjekte. Alle Scheidungen, die wir an wirklichen Urteilen machen können, gehen in die reine Möglichkeit über, und wir können sie schon in der Einstellung auf die reinen Möglichkeiten gewinnen, z. B. Scheidungen von Gewissheitssätzen oder Sätzen im ursprünglichen Sinn, Wahrscheinlichkeits- und Fragesätzen etc., ferner wirklichen Sätzen und möglichen Sätzen, Sätzen verschiedener Modalität, die denselben Sinnesgehalt haben (Satzinhalt) etc. Es ergeben sich z. B. mit diesem Begriff neue Idealitäten, die Gesamtheiten in verschiedenen Möglichkeiten sind. Mit allgemeinen Begriffen fasst die Logik all diese Unterschiede, sie sucht für Sätze, für ideal mögliche Urteile überhaupt und für aus Urteilen zu entnehmenden Sinn und sonstige Gehalte ideale Wesenserkenntnis zu gewinnen. Was wir für das Urteilen ausgeführt haben, gilt auch in gewisser Art für Erfahrungen und ihnen entsprechende mögliche Erfahrungen und deren ideale Gehalte. Für Urteilsakte sind die evtl. wahrhaft bestehenden Urteilsinhalte intentionale Gegenstände und in mannigfaltigen Akten, Erlebnissen des Urteilens ideal identisch, eben ideal im Sinn von „intentional“. Denn „intentional Identisches“ heißt nicht ein Gemeinsames, das in vielen Akten ein sie real verbindendes Stück ist. Andererseits sind Urteilsinhalte nur dann ideal, wenn sie in der Möglichkeit und Wirklichkeit dieselben sind, was eine ungenaue Rede ist. Spezies und spezifische Inhalte, die Möglichkeiten sind, sind in Wirklichkeiten umzuwenden, und umgekehrt: Möglichkeit und Wirklichkeit ist hier eins. Nicht bei realen Urteilsinhalten und nicht – da alles für schlichte Gegenstände ebenso gilt – für reale Gegenstände. Reale Gegenstände gehören zu realen Subjekten, ihnen entsprechen reale Urteilsinhalte und überhaupt reale Sätze, die nicht bloß möglichen gleichgesetzt werden können. (Was für den transzendentalen Idealismus von Bedeutung ist.) In der Logik haben wir es mit Sätzen zu tun:1 als möglichen Urteilen, so wie wir es in der logischen Erkenntnislehre mit Urteilsakten zu tun haben 1
Die Logik hat es mit bloßen Sätzen zu tun. Das sagt eben: Sie ist eine ideale Wissenschaft, die nicht faktische Urteile faktischer Menschen untersucht, sondern un-
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als möglichen Urteilsakten (in reiner Idealität oder Möglichkeit). Aber das sagt nur, dass sie eben eine bloß ideale Wissenschaft, eine Wissenschaft von reinen Möglichkeiten ist und von einem geschlossenen Universum reiner Möglichkeiten. Das sagt: Wenn sie sich Urteile zum Thema macht, so 5 erforscht sie, was für Urteile überhaupt, für mögliche Urteile überhaupt gilt. Sie kann aber auch erforschen, was für mögliche Urteilsmöglichkeiten überhaupt gilt. Denn wie Urteile Gegenstände sind und wie eine Wissenschaft von möglichen Gegenständen der betreffenden Gattung universale Urteile für solche Gegenstände als überhaupt mögliche fällt, so sind auch 10 Möglichkeiten Gegenstände höherer Stufe, und auch für sie können Fragen allgemeiner Art gestellt werden in reiner Möglichkeit. Aber gibt es ideale Wissenschaften, die Möglichkeiten zu ihren möglichen Gegenständen haben? Das alles führt in Verkehrtheiten, weil übersehen ist, dass eine Möglichkeit von einer Möglichkeit mit der schlichten Möglichkeit äquivalent ist.
tersucht, was für mögliche Urteile überhaupt gilt. Die erstere Untersuchung gehört in die Geisteswissenschaft, wie die faktischen Urteile, die als solche, als Urteile faktischer Menschen, in der Welt Stellung haben, ihre Subjekte zum Handeln und praktischen Gestalten in der Welt bestimmen etc. Sieht man aber von dieser Realität ab, so ist alle Urteilsforschung eine ideale Wesensforschung.
Nr. 10 Urteilen, seine Korrelate und die zugehörigen Ideen1
§ 1. Das Urteilen im Einheitsbewusstsein Ich kann selbst urteilen und mein Urteil2 in der Reflexion zum Gegenstand machen. Ich kann mich eines vergangenen eigenen Urteils erinnern und, in der Erinnerung reflektierend, das vergangene Urteil3 zum Objekt machen. Ich kann mich dabei „zustimmend“ verhalten. Das soll hier bloß sagen: Ich lebe in der Erinnerung und urteile gleichsam wieder, ich urteile aber jetzt zugleich in gleichem Sinn, ich halte das Urteil4 „aufrecht“, ähnlich wie ich in der bloßen Retention das soeben gefällte Urteil zum Objekt mache und „noch so urteile“ – was nicht besagt, dass ich ein neues „Fällen“ vollziehe. Auch bei der Wiedererinnerung vollziehe ich nicht ein neues Urteilsfällen, insofern nämlich als ich, im Erinnerungsbewusstsein lebend, das Urteil gleichsam vollziehe und dabei es aufrecht halte, während ich in anderen Fällen mich erinnere, aber „nicht mehr so glaube“ (was freilich nicht leicht völlig genau zu analysieren ist).5 Ebenso: Ich fühle mich in einen urteilenden Anderen hinein und reflektiere in der Einfühlung; ich mache sein Urteilen zum Objekt, und zwar zustimmend oder nicht zustimmend (gleichstimmig miturteilend oder nicht).6 Und ebenso kann ich ihm ein Geurteilthaben einlegen. Endlich kann ich in der bloßen Phantasie mich in ein Urteilen hineinphantasieren, in der Phantasie reflektieren und das 1
Wohl 1911 oder 1912. – Der Titel ist eine spätere Ergänzung, dazu die spätere Randbemerkung: „Sehr gut. Durchaus korrekt. Es fehlt allerdings die Scheidung zwischen Urteilen und Aussagen, zwischen Geurteiltem als solchem (Urteil im objektiven Sinn) und Satz als Korrelat der Aussage und dgl.“ – Anm. des Hrsg. 2 „Urteil“ später verändert in „Urteilen“. – Anm. des Hrsg. 3 „Urteil“ später verändert in „Urteilen“. – Anm. des Hrsg. 4 „Urteil“ später verändert in „Urteilen“. – Anm. des Hrsg. 5 Spätere Randbemerkung: „Urteilen ist hier identifiziert mit Behaupten. Zustimmend.“ – Anm. des Hrsg. 6 Spätere Ergänzung: „Satz und Idee (Eidos) des Satzes ist hier überall noch nicht geschieden.“ – Anm. des Hrsg.
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Urteil zum Objekt machen. In diesem Fall ist aber das Urteil1 nicht gesetztes, sondern quasi gesetztes (phantasiertes) Objekt, während in den anderen Fällen das Urteil2 gesetzt ist als seiendes, als jetzt oder vergangen seiendes usw. Das Urteilen, das dabei zum Objekt gemacht ist, kann sehr verschiedenen phänomenologischen Gehalt haben: anschaulich, unanschaulich, einsichtig, mit lebhafter Überzeugung, Urteilen im Charakter der Fällung, Urteilen im Charakter der Festhaltung usw. Das Urteilen kann aber dabei immer Urteil3 vom Selben sein, ein Urteilen, das dasselbe urteilt. In jedem Fall ist es Bewusstsein vom „So ist es!“. Ich bilde die allgemeine Idee des Urteils überhaupt, als Bewusstsein dieses selben „So ist es“; dann hebt dies das Allgemeine heraus, das gegen die Unterschiede der Bewusstseinsweisen unempfindlich ist. Und geht der betrachtende Blick von einem4 Urteilen dieser Idee zu einem anderen über (jedes solche Urteilen könnte natürlich wieder als Idee, als niedere Differenz der allgemeinen Idee gefasst werden), so haben sie das gemein, dass jedes ein Urteilen ist, den Gattungscharakter hat, den wir auch als Behaupten, Glauben etc. bezeichnen, und andererseits, dass jedes Glauben, Meinen desselben, von demselben ist. Aber in der Rede von „demselben“ deutet sich eine wesentliche Identifikation an. Nämlich verlassen wir die objektivierende Stellung, fühlen wir uns in das eine oder andere Urteilen ein und gehen von dem einen Urteilen oder Quasiurteilen zum anderen über, so einigt sich beides im Bewusstsein der Einheit; wir sagen, es beschreibend, wohl auch „Bewusstsein vom Selben“. Es ist offenbar genauso, wie sich im Übergang von Wahrnehmung zu Wahrnehmung das stetige Einheitsbewusstsein vom einen Gegenstand verbindet, ebenso im Übergang von Erinnerung zu gleichsinniger Erinnerung usw. Hier ist nun wohl zu beachten: Dieses Einheitsbewusstsein liegt nicht etwa bloß darin, dass zwei ähnliche oder gleiche Phänomene ineinander übergehen. Wenn ich das Phänomen eines Dreiecks habe und dann das Phänomen eines anderen Dreiecks, so sind die Phä-
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„Urteil“ später verändert in „Urteilen“. – Anm. des Hrsg. „Urteil“ später verändert in „Urteilen“. – Anm. des Hrsg. „Urteil“ später verändert in „Urteilen“. – Anm. des Hrsg. Spätere Einfügung: „möglichen“. – Anm. des Hrsg.
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nomene, als Erlebnisse genommen, sicherlich ähnlich. Aber sie gehen nicht ineins im Bewusstsein „dasselbe“. Oder wenn ich vom Rotempfundenen zu einem Blauempfundenen übergehe, so haben sie sicherlich als Farbenempfundene Gemeinsamkeit, aber sie gehen nicht ineinander im Bewusstsein des Selben. Bin ich schon gerichtet auf die Idee „Dreieck“, während ich das Phänomen „Dreieck“ habe, dann werde ich im Übergang zum neuen Phänomen, in dem ich dieselbe Idee finde, eben das Bewusstsein „dasselbe“ haben. Ebenso im anderen Fall das Bewusstsein Farbe: „dasselbe“. Es ist also etwas Besonderes und Merkwürdiges, dass Urteilen und Urteilen, zwei Erlebnisse der Art „Bewusstsein“, sich aufgrund eines gewissen phänomenologischen Inhalts (ihrer besonderen Artung) im Einheitsbewusstsein verbinden, und dass die Reflexion, die sich auf die beiden Urteile richtet, sie zu Objekten machend, nun evidenterweise sagen kann: Sie sind beide Bewusstsein vom Selben. Eben das ist die fundamentale Eigentümlichkeit jeder Art von Bewusstsein, sei es Wahrnehmen, sei es Sich-Erinnern oder Erwarten, sei es Prädizieren usw., nämlich dass zu seinem Wesen gehört diese Möglichkeit, in anderes, in gewisser Weise gleichartiges Bewusstsein übergehen zu können im Einheitsbewusstsein, im Bewusstsein von demselben, und dass dann Reflexion evident feststellen, reflektives Urteilen evident urteilen kann: Die Wahrnehmung und jene Wahrnehmung sind Wahrnehmungen vom Selben, diese und jene Erinnerung sind „Wahrnehmung“ derselben Vergangenheit, dieses Urteilen und jenes Urteilen sind Urteilen, es sei dasselbe, Setzen desselben Sachverhalts, Behaupten desselben Sachverhalts.
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§ 2. Das Einheitsbewusstsein und das Bewusstsein-von Bewusstsein ist Bewusstsein von etwas, so pflegt man zu sagen. Nun, diese Rede gewinnt ihre Klärung durch das soeben Nachgewiesene. Das Etwas aber, wovon Bewusstsein Bewusstsein ist, ist nicht 30 ein reelles Bestandstück des Erlebnisses. Wahrnehmung ist Wahrnehmung von einem Ding. Zwei Wahrnehmungen, die Wahrnehmungen von demselben sind, haben nicht ein Ding gemein. Man kann natürlich und muss sagen: Sie haben als Erlebnisse wohl etwas gemein, nicht nur überhaupt, dass sie Wahrnehmungen sind, sondern dass 35
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sie Wahrnehmungen von dem und dem Ding sind. Sie haben gemein dies, dass sie beide wahrnehmend dasselbe vermeinen. „Dasselbe vermeinen“, das ist gemeinsam den Erlebnissen. Das aber sagt wieder: Ihrem Wesen nach fundieren diese Erlebnisse ein Einheitsbewusstsein, ein Bewusstsein „dasselbe“. Und sofern dieses Vereinheitlichen im Wesen der Erlebnisse gründet, schreiben wir diesen etwas Gemeinsames zu. Das aber, wovon sie Bewusstsein sind, ist kein Stück des Erlebnisses, kein reelles Moment in ihnen. Genauso bei jedem Bewusstsein, genauso beim Urteilsbewusstsein. Alle Urteilserlebnisse, die unter der allgemeinen Idee des Urteils überhaupt „2 × 2 = 4“ stehen, haben ihre Einheit darin, dass sie Urteile von demselben sind, das ihnen gegenübersteht als ihr Was, als ihr vermeinter, geurteilter Sachverhalt. Wenn wir aber von dem sprechen, was ein Urteil urteilt (ebenso was eine Wahrnehmung wahrnimmt), brauchen wir nicht etwa an die mannigfachen Modi „desselben“ Urteils zu denken und an das Einheitsbewusstsein, in dem solche Modi zusammengehen im Bewusstsein „dasselbe“. Und wir brauchen in diese Zusammenhänge nicht einzutreten, selbst dann, wenn wir uns das zur Evidenz bringen, dass ein jeweils vorliegendes Urteil Urteil ist von dem und dem, von seinem Was, von seinem vermeinten Sachverhalt. Insofern ist es nicht in jeder Hinsicht korrekt zu sagen, der Hinweis auf solche Zusammenhänge kläre die Rede von dem Vermeinten, obschon doch wieder etwas Gutes daran bleibt. Nämlich, das ist evident: Zum Wesen jedes Urteils gehört es, dass sich darauf in evident stimmender Weise gründen lässt die Setzung „dieser vermeinte Sachverhalt!“. Also wenn wir etwa urteilen „Dieses Papier ist weiß!“, so können wir evident dazu stimmend nicht nur fortfahren mit den Worten „dieser Sachverhalt“, sondern „dieser vermeinte Sachverhalt als solcher“. Allgemein gilt es: Zu jedem Bewusstsein gehört die ideale Möglichkeit eines in analoger Weise darauf fundierten Bewusstseins, das aus jenem das in ihm Bewusste als solches entnimmt und es mit einem angeknüpften „dies!“ setzt. Und dieses gesetzte Was ist damit evident gegeben. Ich brauche nicht etwa in weitere Zusammenhänge einzutreten. Aber wohl ist es von größter Wichtigkeit, dass der Irrtum nicht aufkomme, als ob man, eben weil eine evidente „Entnahme“ „aus“ dem Akt vollzogen sei, das entnommene „dies!“ ein reelles Moment
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des Aktes sei. Und dazu ist es nötig, sich zu sagen: Der „zufällige“ Urteilsakt mit seinem zufälligen Modus, etwa der Unanschaulichkeit, kann wechselnde Modifikationen annehmen und bleibt immerfort Bewusstsein von demselben, und das Einheitsbewusstsein, das dann durch die verschiedenen Modifikationen hindurchgeht, ist nicht ein 5 Gleichheitsbewusstsein, das etwa bloß Gleiches mit Gleichem verbindet, und zwar dem und jenem Akt ein gleiches reelles Moment entnimmt. Das „wovon“ ist sozusagen dem Akt als Erlebnis transzendent. Erst damit hat man die volle und notwendige Klarheit.
§ 3. Urteilen eines bestimmten Sachverhalts als letzte Differenz von einem Urteilen
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Ein weiterer wichtiger Schritt ist nun aber der folgende. Wir beachten, dass wir uns in einer rein idealen Sphäre bewegen, obschon wir immer von einem aktuellen Urteil sprechen. Wir beachten, dass es sich nicht um Eigentümlichkeiten der Urteile handelt als Fakta 15 etwa menschlichen Bewusstseins, sondern dass unaufhebbar zum Wesen des Urteils als solchen dieses Haben von einem vermeinten Sachverhalte gehört oder dass dazu gehört, „seinen Sachverhalt zu setzen“. Zum Wesen jedes Urteils1 gehört, ob wir es als wirkliches oder fingiertes Urteil2 denken, dass es unter einer Idee steht, 20 einer Idee, die einerseits bestimmt ist durch die allgemeine Idee „Urteil3 überhaupt“, und die andererseits bestimmt ist durch die Idee eines bestimmten vermeinten Sachverhalts. Die Idee „Urteil4 eines bestimmten vermeinten Sachverhalts“ ist eine Differenz von Urteil5 und befasst in sich wieder in idealer Weise mögliche konkrete 25 Modifikationen, in denen die möglichen Modi in Idee gesetzt sind. Nun kommt abermals ein wichtiger Schritt. Es bedarf der Aufklärung der fundamentalen Zweideutigkeit der Rede vom vermeinten Sachverhalt und der Unterscheidung zwischen dem zum Wesen des
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„Urteils“ später verändert in „Urteilens“. – Anm. des Hrsg. „Urteil“ später verändert in „Urteilen“. – Anm. des Hrsg. „Urteil“ später verändert in „Urteilen“. – Anm. des Hrsg. „Urteil“ später verändert in „Urteilen“. – Anm. des Hrsg. „Urteil“ später verändert in „Urteilen“. – Anm. des Hrsg.
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Urteils1 überhaupt gehörigen „Satz“ als Vermeinten „als solchen“ und dem zur Unterscheidung zwischen richtigen und falschen Urteilen2 gehörigen Begriff des „wirklichen“ Sachverhalts oder Sachverhalts schlechthin. Jedes Urteil vermeint einen Sachverhalt. Das heißt nach dem schon oben Besprochenen: Zu jedem Urteil gehört eine gewisse „Einheit“, ein Gewisses ihm „Transzendentes“, das es vermeint; nicht als ob neben dem Urteil, außerhalb seiner noch ein Zweites irgendwo läge, nämlich real gesprochen. Deutlicher: Urteilen wir aktuell, so ist der Sachverhalt vermeint, er ist gleichsam vor unserem Blick, nämlich in gewisser Weise so wie, wenn wir aktuell wahrnehmen, das Wahrgenommene vor unserem sinnlichen Blick ist. Und wie wir im letzteren Fall nichts anderes vor uns haben als das Gesehene, es sei denn, dass wir zudem auf das Sehen reflektieren, so haben wir im ersteren nur das Geurteilte, den Sachverhalt vor uns. Evidenterweise können wir aber3 reflektieren und können wir auch, ohne4 zu reflektieren, das im Urteil Vermeinte zum Dies machen, zum Subjekt eines Nennens und prädikativen Bestimmens usw. Eben damit tritt evident auseinander das Urteil5, das wir in der6 Reflexion zum Objekt und in der darauf gegründeten nominalen Setzung zum Subjekt von Urteilen machen, und andererseits der Sachverhalt, den wir in anderen Setzungen objektivieren, aber als anderes Objekt finden, und zwar als Sachverhalt, den dieses Urteil7 vermeint. Was nun vom einzelnen Urteil8 gilt, gilt von der Idee, denn es gilt, wie wir wohl wussten, vom Einzelnen von vornherein in idealer Notwendigkeit. Also zur Idee jedes Urteils9 gehört es, Urteil10 von dem und dem Sachverhalt zu sein. Urteil11 überhaupt ist notwendig Urteil,12 dass 1
„Urteils“ später verändert in „Urteilens“. – Anm. des Hrsg. „richtigen und falschen Urteilen“ später verändert in „richtigem und falschem Urteilen“. – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Einfügung: „noetisch“. – Anm. des Hrsg. 4 Spätere Einfügung: „noetisch“. – Anm. des Hrsg. 5 „Urteil“ später verändert in „Urteilen“. – Anm. des Hrsg. 6 Spätere Einfügung: „noetischen“. – Anm. des Hrsg. 7 „Urteil“ später verändert in „Urteilen“. – Anm. des Hrsg. 8 „Urteil“ später verändert in „Urteilen“. – Anm. des Hrsg. 9 „Urteils“ später verändert in „Urteilens“. – Anm. des Hrsg. 10 „Urteil“ später verändert in „Urteilen“. – Anm. des Hrsg. 11 „Urteil“ später verändert in „Urteilen“. – Anm. des Hrsg. 12 „Urteil“ später verändert in „Urteilen“. – Anm. des Hrsg. 2
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etwas ist oder so und so ist. Das gilt also vor aller Rechtsfrage, vor aller noetischen Kritik. Somit hätten wir jetzt eine Unterscheidung festgelegt, die in keinem Sinn nach Wahrheit und Falschheit des Urteils1 bzw. des Geurteilten fragt. Festgelegt ist die Idee des Urteilens als Meinens von einem „Sachverhalt“, und dieses Was, das das Urteilen notwendig meint, ist nicht eigentliches (reelles) Bestandstück dieser ersteren Idee. Dabei ist noch Folgendes merkwürdig und wichtig. „Das“ Urteil2 ist eine allgemeine Idee, und im Besonderen das Urteil3 „2 × 2 ist gleich 4!“. Jeder der möglichen besonderen Modi dieser Idee (leer und anschaulich, evident, nicht evident etc.) ist, ideal gesprochen, Bewusstsein von demselben Sachverhalt, der seinerseits die gemeinte Einheit gegenüber dieser Mannigfaltigkeit ist. Diese gemeinte Einheit ist aber keine allgemeine Idee im Sinn einer Gattung oder Art; sie hat nicht Besonderungen, wie ein Allgemeines im Sinn einer Gattung oder Art Besonderungen hat. In jedem Modus des Urteils4 „2 × 2 = 4“ ist genau dasselbe vermeint; und dass jeder es in seiner Weise vermeint, das ändert nichts an demselben und „differenziert“, vereinzelt es nicht in der Weise einer allgemeinen Gattung (oder Art). Das U rt eil „2 × 2 = 4“, der B edeutungsinhalt des Urteilens, ist ein „Allgemeines“ genau in dem Sinn, wie eine bestimmte Rotnuance ein Allgemeines ist, einer Differenzierung nicht mehr zugänglich. Es ist keine Art, sondern letzte Einzelheit im Reich der Ideen. Die Modifikation, welche der Umstand mit sich bringt, dass dieselbe Nuance einmal so ausgebreitet ist, das andere Mal anders, und dass innerhalb der Idee selbst verschiedene Konkretionsformen möglich sind, diese Modifikation, sage ich, liegt in einer anderen Dimension. Ähnliches gilt für Urteile hinsichtlich Evidenz bzw. Wahrheit etc. Es ist ferner zu beachten, dass auch die Idee „U rt eilen“ sich nicht differenziert in der Richtung Anschauliches, Unanschauliches etc., sondern dass für die Gattung „Urteilen“ die letzte Differenzierung besagt: Urteilen von dem und dem Urteil, Urteilen „2 × 3 = 4!“.5 1
„Urteils“ später verändert in „Urteilens“. – Anm. des Hrsg. „Urteil“ später verändert in „Urteilen“, darüber die Ergänzung „das Urteile n“. – Anm. des Hrsg. 3 „Urteil“ später verändert in „Urteilen“. – Anm. des Hrsg. 4 „Urteils“ später verändert in „Urteilens“. – Anm. des Hrsg. 5 Spätere Randbemerkung: „Das ist noch zu überlegen!“ 2
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noetische und noematische untersuchungen § 4. Evidenz als Modus des Urteilens
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Auch das ist zu sagen, dass das Vermeinte als solches einmal als „Anschauung“ sich darbietet, das andere Mal nicht, einmal als „evidentes“ charakterisiert ist, das andere Mal nicht usw.1 Aber das urteilsmäßig Gesetzte, Gemeinte als solches ist immerfort dasselbe, und dieses Selbe modifiziert sich dabei nicht in dem Sinn einer Differenzierung (einer Gattung). Also Idee und n ich t gattungsmäßig Allgemeines. Wir könnten unterscheiden singuläre Ideen gegenüber Allgemeinheitsideen (Gattungsideen). Werfen wir nun die noetische Rechtsfrage auf. Sie wendet sich als ideale Frage an das Urteilen im idealen Sinn. Zur Idee des Rechtes gehört dabei wesentlich die Idee einer Rechtsausweisung oder Rechtsabweisung. Jedes Urteilen von beliebigem Urteilsmodus ist entweder richtig oder nicht. Es ist richtig, wenn es entweder in sich selbst evident ist und darin seinen Rechtsgrund hat oder wenn es zwar von anderem Modus ist, aber im Einheitsbewusstsein sich „decken“ kann mit dem Rechtsgrund gebenden Urteilen. Mit einem Wort: Jedes Urteilen, das nicht nur überhaupt Urteilen des und des „Sachverhalts“ ist, sondern „evident“ (begründet) ist oder mit evidentem zu einigen ist, ist richtig. Dass es das ist, ist nicht eine Zufälligkeit, sondern etwas, was zu den Ideen gehört, also notwendig. Und ist ein Urteilen nicht richtig, so heißt das: Es ist mit Einsicht gegeben in Widerstreit, und auch das ist etwas ideal zu Erfassendes und in einem richtigen Urteilen in Evidenz zu Erfassendes. Im Evidenzbewusstsein, im Evidenzmodus des Urteilens, ist, heißt es nun, nicht nur vermeint, es sei S P, sondern das Vermeinte sei auch eingesehen, sein Sosein sei ausgewiesen, sei als gültiges, wahres Sein gegeben. Das Bewusstsein, das wir begründetes Urteilen (Urteilen im Modus „Begründungsbewusstsein“) nennen, sei nicht nur Für-wahr-Halten, nicht nur Vermeinen, es sei so, sondern „Wahrheit selbst erfassen“, Bewusstsein gegebener Wahrheit. Kommen wir nun in Schwierigkeiten damit, dass es einmal heißt, jedes Urteil, das Urteil als solches, sei Bewusstsein von einem Sach-
1 Es ist hier schwer, sich auszudrücken. Das Urteilen kann anschaulich sein und in verschiedener Art. Darin steht in anschaulicher Weise da, dass S P ist. Eventuell auch in evidenter Weise steht da: S ist P! Und so ist das, was dasteht, ein Verschiedenes. Und doch etc.
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verhalt, sei Bewusstsein des Inhalts „So ist es!“, und das andere Mal, nur jedes wahre (richtige) und einsichtige Urteil sei Bewusstsein, in dem ein Sachverhalt gegeben, in dem das „So ist es“ in Wahrheit gesehen, gegeben ist, nur von jedem richtigen (obschon nicht immer einsichtigen) Urteil könne man sagen, es bestehe sein Sachverhalt? Es ist offenbar, dass wir nur sorgsam unterscheiden und die verschiedenen Gegebenheiten in ihrer Verschiedenheit festhalten müssen. 1) Jedes Urteil als solches ist Bewusstsein des Inhalts „So ist es!“. Dass es das ist, das gehört unaufhebbar zu ihm. Die Idee des „So ist es!“, des geurteilten oder vermeinten Sachverhalts, finden wir als Gegebenheit vor (aber in der Bedeutungsreflexion).1 2) Jedes evidente Urteil ist natürlich auch Urteil, Bewusstsein des „So ist es!“. Das entnehmen wir ihm durch Reflexion. Aber in ihm selbst als evidentem kommt etwas zur Gegebenheit, ohne besonderes Entnehmen, es ist selbst schon Gegebenheitsbewusstsein: Es hat als gegeben die Wahrheit „So ist es!“ und mit Hilfe einer Reflexion die Wahrheit, das Wahrsein des „So ist es!“. Das „So ist es“ ist natürlich Vermeintes, d. i. Geurteiltes. Aber das evidente Urteil ist ein reicheres Bewusstsein, ein gebendes Bewusstsein. Diese Gegebenheit heißt Wirklichkeit, in gewissem Sinn „Wahres“. Andererseits schließt sie die Gegebenheit des „So ist es!“ im vorigen Sinn ein. Das Evidenzbewusstsein ist nicht so ein Komplex, in dem zweierlei Stücke auseinander fallen: bloßes Urteilen und Evidenz. Vielmehr ist Evidenz ein „Modus“ des Urteilens, es ist durch und durch Urteilen und durch und durch evidentes Urteil.2 Und diesem Modus entspricht als sein voller Inhalt statt des bloßen „So ist es“ das „So ist es“ in der Fülle der Wahrheit. Noch anderes kann vorkommen. Es kann sein, dass das Urteilen mit einer mehr oder minder vollkommenen Veranschaulichung ver1 Spätere Randbemerkung: „Nein. Bedeutung ist nicht Idee (Eidos) der Bedeutung.“ – Anm. des Hrsg. 2 Das könnte missverstanden werden. Es handelt sich nicht um Differenzierung des Urteils als solchen. Es liegt ja auch „schlichte“ Wahrnehmung evtl. zugrunde und dgl. Die Modifikation, von der hier die Rede ist, trifft die Weise der Urteilskonkretion, hat also Analogie mit der Weise, wie die reine Idee eines bestimmten Rot (letzte ideale Einzelheit) sich durch Konkretion modifiziert (nicht durch Individualisation).
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bunden und dadurch modifiziert ist, aber einer Veranschaulichung, die nicht den Charakter einer „Wahrnehmung“, eines Wahres gebenden Aktes hat. Ist die Veranschaulichung eine vollkommene, so ist das „So ist es“ nicht nur überhaupt bewusst, sondern in seiner 5 Möglichkeit bewusst. Die Möglichkeit schließt hier das „So ist es“ ein. Doch genug darüber.
§ 5. Das im Urteil Bewusste: Cognitionales, Behauptetes, Sachverhalt und Satz
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Wir können sagen: S o w ie sich d as U rt eilen als Id ee „ m odifi ziert “, so „ modifiziert “ sich auch das im U rteil B ewusst e. Genau besehen haben wir aber Bewusstes in verschiedenem Sinn zu unterscheiden. 1) Im leeren Urteilen ist ein Leerbewusstes, im anschaulichen ein Anschauliches, ein anschauend Bewusstes gegeben, im einsehenden Urteilen ein einsehend Bewusstes, im veranschaulichenden Urteilen ein veranschaulicht Bewusstes usw. Das Was des Urteilens in diesem vollen Sinn nennen wir den Erscheinungsgehalt des Urteilens (das voll erkenntnismäßige Intentionale), Cognitionale. 2) Urteilen ist Behaupten: So eng fassten wir unseren Kreis. Das Behaupten hat seine Modi. Ein bloßes Behaupten, das keine dieser1 Modifikationen hätte, ist undenkbar. Die allgemeine Idee des Urteilens ist Behauptung (Behaupten!) überhaupt, und in irgendwelcher Modifikation. Diese Modi aber wird man nicht als echte Differenzen der Idee Behauptung fassen können, der bloßen Setzung „So ist es!“. Man könnte etwa sagen: So wie Farbe nicht denkbar ist ohne Ausbreitung und doch die Modifikation der Ausbreitung keine echte Gattungsdifferenzierung von Farbe ist, so ähnlich hier. Wir können also die gattungsmäßig allgemeine und reine Idee „Behauptung“2 bilden und sprechen nicht von ihren Differenzen hinsichtlich der Erkenntnismodi, sondern fassen sie als reine Idee unter Absehen von allen Modifikationen. Sie differenziert sich dann bloß als Behaupten und
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Spätere Einfügung: „cognitionalen“. – Anm. des Hrsg. Über „Behauptung“ spätere Ergänzung: „Behaupten“. – Anm. des Hrsg.
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genau parallel mit den logischen Formen. Zu ihr gehört dann wieder als Idee das Was. Nämlich, Behauptung ist Behauptung davon, dass etwas ist oder nicht ist, es ist das, was da behauptet ist, unter Absehen von jedem aktuellen Behaupten und rein als Idee; also ideal gesprochen, Behauptetes oder Behauptbares als solches, möglicher „Inhalt“ einer Behauptung etc. Das ist der Satz im ideal logischen Sinn. Jedem aktuellen Behaupten entspricht das von ihm aktuell Behauptete, die Satzaktualität: der aktuell behauptete Sachverhalt als solcher.1 Behaupten ist Setzen. Das Behauptete, das Gesetzte als solches, als reines Korrelat des Setzens überhaupt, als Idee, ist Satz.2 3) Gehen wir wieder zum konkreten Urteilserlebnis (oder zur konkreten Urteilens-Idee) zurück (ich brauche da einen Namen: Urteilskonkretion gegenüber der puren Setzung), so gehört zu ihrem erkenntnismäßigen Inhalt3 auch der aktuelle Satz, nämlich der aktuell behauptete Sachverhalt. Aber je nachdem ist der Satz erkenntnismäßig so oder so bewusst, in dem oder jenem Erkenntnismodus. Der Satz selbst (und als Idee) ist nicht ein Allgemeines, das sich in diesen so gearteten „Modifikationen“ differenziert, ganz so wie auf korrelater Seite die reine Urteilssetzung sich nicht differenziert. 4) Der erkenntnismäßige Inhalt (das Cognitionale) des adäquat evidenten Urteils4 heißt der „wirkliche“ oder „wahre Sachverhalt“, oder „Wahrheit“ im ersten, ontischen Sinn. Hier sind allerlei Fragen zu stellen. Ein Urteil5 kann „unmittelbar evident“ sein oder „mittelbar evident“,6 und das gibt Änderungen im Wesen des Cognitionale, die jetzt zu besprechen wären.
1 Spätere Einfügung: „Also, was der Satz im logischen Sinn heißt, ist die Idee ‚Satz‘ gegenüber dem Satz schlechthin als Einzelheit.“ – Anm. des Hrsg. 2 „Satz“ später verändert in „Satzidee“. – Anm. des Hrsg. 3 Über „erkenntnismäßigen Inhalt“ spätere Ergänzung: „Cognitionale“. – Anm. des Hrsg. 4 „Urteils“ später verändert in „Urteilens“. – Anm. ds Hrsg. 5 „Urteil“ später verändert in „Urteilen“. – Anm. des Hrsg. 6 Der Idee des evidenten (einen wahrhaft seienden Sachverhalt gebenden) Urteils entspricht die Idee der Wahrheit. Da ist die Behandlung unzureichend bei empirischen Sachverhalten, die sich auf Gegenstände-worüber nur durch Erscheinungen beziehen. Ist die „Evidenz“, das Gegebenheitsbewusstsein des Sachverhalts, auch nur Erscheinung, eine propositionale Apparenz? Mit Beziehung darauf, dass verschiedene solche Apparenzen zur Einheit kommen, muss der Begriff des wahren empirischen Sachverhalts erörtert werden.
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Ferner: Ist Wahrheit eine Idee und immer eine Idee? Oder nur in den Fällen, wo „Wahrheit“ und „Möglichkeit“ gleichwertig sind? Wie steht es bei dem empirischen evidenten Urteil „Jetzt regnet es“? Wie mit den verschiedenen Evidenzgraden für die Fälle der Evidenz 5 durch „Erscheinungen“?1
§ 6. Verschiedene Sinne von Wahrheit
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Wir stellen all diese Fragen zurück. Dann ist zu sagen: Ein Satz kann in seiner Wahrheit gegeben sein, d. h. gegeben sein als Moment in dem Erkenntnismodus des voll begründeten Satzes. Der Satz heißt im weitesten Sinn wahr, wenn er entweder so gegeben ist oder wenn er so gegeben werden kann. Zum Wesen des Satzes gehört es, dass er idealiter Gesetztes eines Urteils ist (Korrelat der entsprechenden Idee eines Urteilens), und zum Wesen von Urteil2 überhaupt, dass es entweder richtig (in Evidenz zu begründen) oder falsch (irrig) (in Evidenz zu entgründen) ist. Zu jedem Satz gehört (nach dem Satz vom Widerspruch) also ideal eine der beiden Möglichkeiten: die Idee einer Begründungseinheit, die ihn als Sinn in sich hat (positive Erkenntnis) oder einer Entgründungseinheit (negativ). Die ideale Möglichkeit einer Begründung besagt aber bei empirischen Wahrheiten nicht das Bestehen einer Begründung als reine Idee! (1) Wahrheit als Prädikat eines Satzes besagt das Bestehen der ersteren Idee; (2) andererseits: Wahrheit in konkretem Sinn ist die Idee des „Sachverhalts selbst“ als wirklichen wahren Sachverhalts, also die positive Erkenntniseinheit voll und ganz. (3) Endlich haben wir einen dritten Sinn von Wahrheit: Das Urteilen heißt „wahr“, das konkrete Urteilen und wieder die Urteilssetzung, wenn es richtig ist, wenn es evident ist oder wenn im Einheitsbewusstsein ein evidentes Urteil, ein Grund habendes und Grund gebendes mit ihm zu verbinden ist. Ein Urteil ist wahr, wenn der entsprechende Satz in seinem Sinn wahr ist und umgekehrt. Die verschiedenen Bedeutungen von Wahrheit laufen genau parallel. 1
Ja, schon beim Satz. E i n e m p i r i s c h e r S a t z i s t d o c h k e i n e e i g e n t l i c h e , keine reine Idee. 2 „Urteil“ später verändert in „Urteilen“. – Anm. des Hrsg.
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„Sachverhalt schlechthin“ heißt immer „wirklicher Sachverhalt“, also evtl. Gegebenes in der Begründung, in der Evidenz.1 Bloß vermeinter2 Sachverhalt = Satz. Mit Rücksicht darauf, dass jeder Satz wahr oder falsch ist und dass das Absehen der Erkenntnisbetätigungen auf Wahrheit gerichtet ist, heißt jedes Urteil3 ein „Für-wahr- 5 Halten“, etwas als wahr Vermeinen. Aber Urteilen ist nichts anderes als Setzen (in dem oder jenem Modus) von etwas, und das Was ist das Gesetzte, der Satz. Sagt man, der Satz bestehe in Wirklichkeit oder nicht, so heißt das, es entspreche ihm eine Wahrheit, der Satz als Inhalt einer Wahrheit, oder der Satz in seiner Wahrheit sei zu geben. 10 Sagt man „Urteilend stehen mir die oder jene Sachen vor Augen“, und dass sie so sind oder nicht sind, so ist das richtig, nämlich: Es steht mir das „So ist es!“ vor Augen, der Satz,4 und wenn er wahr ist, so ist es auch in Wirklichkeit so. Es ist unter den wirklichen Sachverhalten dieser Sachverhalt. Wenn nicht, ist er bloß vermeinter Sachverhalt; 15 d. h., der Satz ist Satz, aber es entspricht ihm keine Wahrheit.
1 Spätere Randbemerkung: „Urteilsvermeintheit als solche = Satz.“ – Anm. des Hrsg. 2 Vor „Bloß vermeinter“ spätere Einfügung: „Idee des“. – Anm. des Hrsg. 3 „Urteil“ später verändert in „Urteilen“. – Anm. des Hrsg. 4 Spätere Einfügung: „in irgendeinem cognitionalen Modus“. – Anm. des Hrsg.
Nr. 11 Gewissheit und Überzeugung. Wahrscheinlichkeitsverhalt als Korrelat d er Vermutung. O b Gewissheit relevant f ür die L ogik ist 1
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Die Idee der Wissenschaft führt zunächst auf die Idee des Wissens. Wissen als aktuelles Wissen (gegenüber den entsprechenden psychischen Dispositionen) führt uns auf aktuelles Urteilen, und näher auf einsichtiges Urteilen, „begründetes“ Urteilen.2 Jedes Urteilen ist ein gewisser psychischer Akt, der im Getriebe psychischer Erlebnisse seine bestimmte Einflechtung hat. Er hat aber neben dieser „psychologischen Seite“ (Urteilen, Erkennen) eine Bedeutungsseite und eine gegenständliche „Seite“. Jedes Urteilen ist Vermeinen eines Sachverhalts und bezieht sich somit auf irgendwelche Gegenstände-worüber, die Prädikate haben; mit diesen tritt es in Beziehungen, sie sind verflochten miteinander zu Ganzen usw. Hinsichtlich der Gegenständlichkeiten, von denen die Aussagen reden, sprechen wir von dem Gebiet der Wissenschaft. Andererseits haben die Urteile bzw. Aussagen ihre Bedeutungen. Dass sie die und die Gegenstände, Sachverhalte etc. meinen, das ist etwas ihnen Eigenes, ob die betreffenden Gegenstände sind oder nicht sind. Allgemeine wissenschaftstheoretische Bedeutung haben also: 1) einerseits die Urteilsakte und die mit ihnen unter dem Gesichtspunkt der Erkenntnis in Beziehung tretenden psychischen Erlebnisse und Erlebnisdispositionen, 2) die Gegenständlichkeiten, sofern gewisse allgemeinste Gegenständlichkeitsunterschiede besprochen werden können, die von der Besonderheit der Forschungsgebiete
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Wohl 1910 oder 1911. – Anm. des Hrsg. Später gestrichene Randbemerkung: „Ob sich die Gattung ‚Urteilen‘ nicht differenziert in Urteilen im engeren Sinn oder gewisses Urteilen und in Anmuten, Vermuten, darüber ist hier nichts gesagt. Bei allem Weiteren ist diese doppelte Möglichkeit offen. Nun haben aber die Urteile im engeren Sinn, die Gewissheiten, einen Vorzug, weil jede Anmutung, jedes Für-möglich-Halten und Für-wahrscheinlich-Halten, wie auch jedes Schließen, in gewissem Sinn ‚äquivalent‘ umgewandelt werden kann in ein gewisses Urteilen. Die Äquivalenz besagt das Gleichwertigsein vom Standpunkt der ‚Richtigkeit‘.“ – Anm. des Hrsg. 2
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unabhängig sind, z. B. Gegenstand, Beschaffenheit, Beziehung etc., 3) die Bedeutungen, d. i. die Sätze und Satzteile, sofern auf sie bezügliche Erkenntnisse allgemeinster Art gewonnen werden können. Geht man von dem Gedanken aus, dass jede Wissenschaft begründet, dass sie nicht schlechthin aussagen, sondern mit Grund aussagen will, mit Recht, so ist zu fragen: „Wonach richtet“ sich das Urteilen, oder welche möglichen Grundarten von Begründungen gibt es? 1) Begründungen1 von Urteilen durch Urteile,2 a) und zwar begründen die einen Urteile ausschließlich in Hinsicht auf ihre Form die begründeten Urteile. b) Der Grund des Urteils liegt in dem anderen nicht nur hinsichtlich der Form, sondern die Materie selbst spielt eine Rolle für die Begründung. Sie ist nicht frei variabel.3 Das setzt voraus die Unterscheidung bei den Urteilen: α) die analytische Form, β) die prädikative Materie, die Kerne, die sachlichen Inhalte. Wir haben also auch die Unterscheidung der schließenden Begründungen in analytische und sachliche: 2) Begründungen von Urteilen, die nicht wieder auf Urteile zurückgehen, z. B. auf Wahrnehmungen. Das ist aber unvollständig.4 Wie steht es, wenn die Urteile die Form von Wahrscheinlichkeitsurteilen haben oder von Urteilen über Fraglichkeiten oder Urteilen über Wünsche, über Sollensverhalte? Nun, auf die bloße analytische Form kann man da nicht hinblicken. Es ist hier zu unterscheiden: die analytische Form des Satzinhalts, der zugrunde liegt, und die analytische Form des Wahrscheinlichkeitssachverhalts selbst. Aber wir haben hier eine Form noch in anderem Sinn, nämlich sofern wir nicht das Urteil nehmen und seine Form, sondern die Vermutung bzw. die Vermutungsbedeutung und ihre Form. Wir können einmal sagen: Alles, was die Wissenschaft aussagt, sind Urteile (Gewissheiten). „Es ist wahrscheinlich, dass S P ist“ ist ein Urteil so gut wie „S ist P!“. Und wir können nun nach der Begründung der Urteile fragen. 1
Spätere Ergänzung am Rand: „schließende“. – Anm. des Hrsg. Das kann sagen: Gewissheiten durch Gewissheiten, Vermutungen durch Vermutungen, und was immer hier möglich sein mag an Kombinationen. 3 Im Weiteren passt die Ausdrucksweise nur auf apophantische Urteile = Gewissheiten. 4 Wissenschaftstheoretische Bedeutung haben nicht bloß Urteile, sondern auch Vermutungen, Fragen etc. 2
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Andererseits können wir unterscheiden: die Urteile, welche dem Sein und Sosein der Sachen Ausdruck geben (der Sachen, in Betreff deren uns die Wissenschaft Wissen geben will),1 und die Urteile, die anderes betreffen, einerseits z. B. subjektiv unsere Erkenntnis der Sachen, aber auch objektiv: die Möglichkeiten und die Wahrscheinlichkeiten für das Sein der Sachen, für das Gelten der Gesetze etc., z. B. die Fraglichkeiten, die Möglichkeiten, die noch offen bleiben, und die Gewissheiten im Verhältnis zu alldem.2 Diese Urteile urteilen also nicht direkt über die Sachen, sondern über Gewissheit, Fraglichkeit, Möglichkeit, Wahrscheinlichkeit dafür, dass Sachen sind, dass Sachen so beschaffen sind, dass Gesetze für so geartete Sachen bestehen usf. Zunächst wird man denken, dass es sich dabei um psychologische Urteile handelt. Indessen handelt es sich nicht um Feststellung von psychischen Fakta, dass irgendjemand gewiss ist, für möglich hält, für wahrscheinlich etc. Genauso, wie wenn über Sätze geurteilt wird, über Geurteiltes als solches, nicht über das psychologische Faktum geurteilt wird, dass irgendjemand urteile.3 Es handelt sich vielmehr um Gegenständlichkeiten und „Bedeutungen“ einer neuen Stufe, nicht um Sachverhalte, Urteilsgegenstände als solche, sondern um Gewissheiten, Möglichkeiten, Wahrscheinlichkeiten etc. als solche, die aus dem Urteilen, Vermuten etc. entnommen werden können als Gegenständlichkeiten höherer Stufe und dann freilich als Gegenstände-worüber auch beurteilt werden können, wie eben in den Wahrscheinlichkeitsurteilen. Nun haben diese Bedeutungen selbst wieder ihre Form und ihre Materie. Die Form des Wahrscheinlichkeitsverhalts liegt darin, dass es sich um Wahrscheinlichkeit eines Seins, Soseins etc. handelt. Der Satzinhalt als Unterlage gehört dazu, und zwar hinsichtlich seiner Form. 1
Späterer Randtitel: „Logik der Wahrscheinlichkeiten, Möglichkeiten, Fraglichkeiten“. – Anm. des Hrsg. 2 Objektive Gewissheit = die Gewissheit, die „besteht“ = die Wahrheit des Urteils. Stellt man nebeneinander Gewissheit und Vermutlichkeit (Wahrscheinlichkeit), so ist Gewissheit das im gewissen Urteilen „Erscheinende“, und das ist die W a h r h e i t, und damit wieder einerlei ist S a c h v e r h a l t. Im Anmuten, Vermuten erscheint die Möglichkeit, die Wahrscheinlichkeit. 3 Für Urteile als Gewissheiten ist zu beachten: 1) Das Urteil „S ist P!“ schlechthin ist Gewissheit des bezeichneten Inhalts. 2) Das Urteil „Es ist gewiss, dass S P ist“ ist nicht gleich „Es ist wahr, dass S P ist“: Hier wird vom I n h a l t „S ist P“ prädiziert, dass er Inhalt einer Wahrheit ist.
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Also die in der Formenlehre der Sätze unterschiedenen Formen von Satzinhalten gehören mit in die Formenlehre der Möglichkeitssätze und Wahrscheinlichkeitssätze (unter welchem Titel wir also prädikative Aussagen über Wahrscheinlichkeiten verstehen, aber denen zugrunde liegen Wahrscheinlichkeitssätze in einem anderen Sinn, nämlich die Bedeutungsgehalte der Vermutungen selbst). Und in dieser Formenlehre der Wahrscheinlichkeiten, Möglichkeiten etc. gründen dann wieder Gesetze, formale Gesetze, die sich zusammenschließen zu einer formalen Theorie der Wahrscheinlichkeiten, Gewissheiten,1 Möglichkeiten. Und in diesen finden wir natürlich eigene Begründungsgesetze, nämlich solche, welche Wahrscheinlichkeiten etc. in anderen Wahrscheinlichkeiten begründen, und zwar der Form nach. Andererseits spielt aber auch die „Materie“, also wieder das Gebiet, worauf sich das Wahrscheinlichkeitsurteilen bzw. Vermuten bezieht, ihre Rolle für die Begründung von Wahrscheinlichkeiten, Möglichkeiten, Gewissheiten, z. B. Wahrscheinlichkeiten in der empirischen Sphäre (oder in der mathematischen Sphäre). Und auch darüber wird man allgemeine, gesetzliche Aussagen machen können. Gehört dahin nicht die Theorie der naturwissenschaftlichen und psychologischen Induktion? Sind das bloße Anwendungen der formalen Wahrscheinlichkeitslehre, unter Zuzug eines allgemeinen ontologischen (rein naturwissenschaftlichen) Wissens? Es ist zu beachten, dass die formale Wahrscheinlichkeitslehre nichts darüber sagt, wie Wahrscheinlichkeiten absolut begründet werden. Höchstens gibt sie Gesetze für Wahrscheinlichkeitsschlüsse; sie zeigt, wie formale Wahrscheinlichkeiten aus Möglichkeiten, Gewissheiten, anderen Wahrscheinlichkeiten (der und der Form) notwendig folgen. Wo Möglichkeiten, Gewissheiten, Wahrscheinlichkeiten direkt gegeben sind, durch irgendwelche „Wahrnehmung“, da gehört das nicht in die formale Logik der Wahrscheinlichkeiten. Zieht man die Typen der unmittelbaren Begründungen mit Rücksicht auf ein Gebiet, auf eine Gegenstandsregion, wie die Natur es ist, in Betracht und die be-
1 Später gestrichene Randbemerkung: „Ich denke fast: Gewissheiten muss ich hier nicht anführen. Die apophantische Logik spricht doch von vornherein von Gewissheiten oder von einem bloßen Äquivalent davon. Es wären also nur die Äquivalenzgrundsätze aufzustellen. Aus zwei Urteilen (Sätzen) der Form ‚M‘ folgt ‚N‘, aus zwei Gewissheiten der Form …, aus zwei Wahrheiten etc.“ – Anm. des Hrsg.
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sonderen Gesetze, die sich durch Hereinziehung des Kausalgesetzes und Substanzgesetzes daraus ergeben, so bekommen wir eine Theorie der naturwissenschaftlichen Wahrscheinlichkeiten (oder eine Logik der naturwissenschaftlichen Wahrscheinlichkeiten), wobei allerdings dann die weitere Frage ist, ob man diese nicht zur Ontologie der Natur mitzurechnen hätte. Doch wohl nicht. Zur Ontologie der Natur gehört das zum Wesen der Natur Gehörige;1 hier aber handelt es sich um das Wesen der objektiven Gewissheiten, Möglichkeiten, Wahrscheinlichkeiten, Fraglichkeiten und dem, was a priori darüber gesagt werden kann, nicht nur formaliter, sondern unter Voraussetzung des Wissens, das die Ontologie der Natur gibt, und der realen „Möglichkeiten“, die sie jeweils denkbar sein lässt. Von großer Wichtigkeit ist nun die Erwägung, wie das Gebiet dieser Modalitäten (der Gewissheit etc.) zu den Urteilen steht. Oder deutlicher: Wir sprechen von „ U rt eilen “, und Urteile finden ihren Ausdruck in der prädikativen Aussage. Wir sprechen auch von G ewissheiten, Möglichkeiten, Wahrscheinlichkeiten oder subjektiv vom Gewisssein, Für-möglich-Halten oder Von-etwasAngemutet-Werden, vom Für-wahrscheinlich-Halten, vom (evtl. bevorzugenden) Vermuten. Darauf können wir n eu e U rt eile gründen, wir machen Aussagen ü b er Gewisssein, Wahrscheinlichsein etc. Nun finden wir es oft, dass, wenn wir eine Aussage machen „S ist P!“, wir doch gar nicht so sicher sind und im Grund nur verm u t en, es sei so. Wir sagen aber nicht „Vermutlich, wahrscheinlich ist es so“, sondern „Es ist so!“. Diese innere Sicherheit, „Gewissheit“ oder „Ungewissheit“, dieses „Vermuten“ ist bald „lebhafter“, bald minder lebhaft. Absolute Sicherheit haben wir bei der Einsicht in einen mathematischen Grundsatz wie „2 + 1 = 1 + 2“. Es scheint also, dass es sich hier um eine Dimension von Unterschieden handelt, die bei jedem Urteilen zu finden sind: Jedes Urteil habe einen Gewissheitsmodus, und andererseits habe jedes einen Inhalt, ein von ihm behauptetes Was. Hinsichtlich seines Inhalts ist es Behauptung, hinsichtlich seines Modus ist es lebhafte, sichere Behauptung oder
1 Es zeigt sich hier, dass die O n t o l o g i e d e r N a t u r als Wesenslehre der Idee „Natur“ das Fundament ist, aber zugleich auch zu unterscheiden ist von der Logik der Naturerkenntnis, welche ihrerseits die Unterlage ist für alle praktische Methodologie der Naturwissenschaften.
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schwächere, oft ganz schwache Vermutung. Die Evidenz bezeichnet einen Grenzfall absoluter Sicherheit. Doch mag es sein und ist oft so, dass wir mit derselben Sicherheit, demselben Gewissheitsmodus, der da absolute, ungebrochene, von keinem Zweifel angenagte Gewissheit heißt, in anderen Fällen urteilen, mag das Urteilen auch ein irriges sein. Demgegenüber sage ich aber: Das alles ist richtig, wenn es wohl verstanden wird:1 Urteilen ist ein Vermeinen, und zwar ein Vermeinen von dem „S ist P!“. Aussagendes Urteilen ist B eh au p t en, Behaupten, es sei „S ist P!“. Vermuten ist aber n icht Behaupten bzw. n ich t Verm ein en, es sei „S ist P“. Eine Vermutlichkeit aussagen ist behaupten, es sei vermutlich S P. Es soll nicht geleugnet werden, dass wir beim Aussagen, Prädizieren gewisse Unterschiede im psychischen Charakter haben, die man „Gewissheitsunterschiede“ nennen kann und dass diese auch mit dem Vermuten zusammenhängen. Zum Beispiel: Ich vermute und lasse mich zu übertriebener Gewissheit fortreißen. Die Gegentendenzen lasse ich außer Acht. Ich stelle die Sachen hin als feste Sachverhalte, als ob nichts dagegen vorläge. Ab er d an n u rt eile ich eb en, ich behaupte, ich bin dann gewiss. Nur ist es eine Gewissheit, die gefärbt ist durch ein Bewusstsein intellektueller Unehrlichkeit. Es gibt da also gewisse phänomenologische Unterschiede: den Charakter der „ehrlichen“, „reinen“ Gewissheit, den Charakter der unehrlichen Gewissheit (nämlich Gewissheit mit willkürlichem Ausschalten von Gegenmotiven oder mit Übersehen, Nichtgeltenlassen, oder Nicht-recht-Aufkommen-Lassen, ohne sie deutlich zur Abhebung zu bringen, während sie doch als Gegentendenzen mitwirken). Es gibt da verschiedene Grade der Ehrlichkeit der Überzeugung. Man spricht von „Überzeugung“. Das ist recht passend für viele Fälle, obschon nicht für alles Urteilen: lebhafte Überzeugung, geringe Gegenmotive, die „nicht in Betracht kommen“. Mitunter habe ich Motive pro und contra und entscheide mich, „überzeugt“ für die eine Seite. Ich folge dem Gewicht gerade dieser 1 Es ist falsch, wenn dieser „Gewissheitsmodus“ vermengt wird mit dem Unterschied zwischen Urteil im gewöhnlichen Sinn von Behauptung und andererseits der Anmutung und Vermutung. Es ist richtig, wenn jener Gewissheitsmodus als ein modaler Charakter an der Behauptung angesehen wird, der sich übrigens in analoger Weise auch bei Anmutung und Vermutung findet.
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Zeugen, statt dem der Gegenzeugen. Diese Gegenzeugen lasse ich nicht gelten; ich verdächtige sie, aber sehe nicht auf sie hin, weil sie mir aus kontradiktorischen Motiven (Gemütsmotiven) unbequem sind. Und doch sind es Zeugen. Es sind Gegenmotive, die ihre Kraft haben und ihre Gegentendenz üben. In der Überzeugung u rt eile ich aber. Ich b eh au p t e und glaube, was ich sage. Dagegen in der Vermutung entscheide ich m ich n icht u rt eilen d . Ich mag auch hier die Kraft gegeneinander wirkender Motive empfinden, ja, sie habend, ehrlich ab sch ät zen, ihren vernünftigen Wert vorerst bestimmend.1 Und es mag auch hier sein, dass ich mich dann „entscheide“, dass ich, der einen Seite folgend, für sie vermute. Ich vermute, dass das eine sein wird und nicht das andere; ich vermute, dass A sein wird, und nicht, dass es nicht sein wird. Ich entscheide mich vermutend, ich halte das für „wahrscheinlicher“, o h n e d ass ich d o ch „ ü b erzeu gt “ b in , ohne dass ich das Gewicht der Gegenmotive, Verdächte unterdrückte, nicht zur Geltung kommen ließe. Jetzt bin ich gar nicht gewiss, obschon ich vermute. Ich bin nicht überzeugt, sondern halte es nur für wahrscheinlich. Ich urteile jetzt nicht (behaupte jetzt nicht) „S ist P!“, sondern „S dürfte P sein!“, „Es ist wahrscheinlich, dass S P ist, obschon es ‚möglich ist‘, dass es nicht ist“. Die Behauptung „S ist P!“ lässt nicht offen, dass S nicht P sei, verträgt sich nicht mit der Behauptung, es sei m ö glich, dass es nicht sei. Dagegen verträgt sich die Vermutung dieses Inhalts bzw. die sie explizierende Aussage und Behauptung „Es dürfte S P sein!“ mit der Behauptung „S könnte doch nicht P sein“, „Es ist möglich, dass nicht …“. Diese Möglichkeit selbst drückt eine Anmutlichkeit aus; sie drückt aus, dass für das Nichtsein positiv etwas spricht (im Gegensatz zur leeren logischen Möglichkeit). Wir haben also Mö glich k eit = Verm u t lich k eit, insbesondere wo eine einzelne von konkurrierenden Vermutlichkeiten im Spiel ist: Es ist vermutlich A, vermutlich B, C …, aber es ist A mit B etc. nicht verträglich. Dann haben wir ein e „ Wah l “ zw isch en Mö glich k eit en. In Bezug darauf sprechen wir unter gewissen Um1
Ich kann auch hier leichtsinnig, unehrlich, durch kontradiktorische Einflüsse bestochen sein in der Abwägung der Anmutlichkeiten (Möglichkeiten); die Vermutungen können eine unehrliche Kraft haben.
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ständen von „Wahrscheinlichkeit“: Das bezieht sich auf eine Wahl in bekannter Weise. „Gewissheit“ aber vertritt hier das Urteil, die Behauptung. Kann man sagen: Sätze in der formalen Logik drücken Gewissheiten aus? Könnten wir auch den Satz vom Widerspruch so formulieren: „Von zwei kontradiktorischen Gewissheiten ist eine richtig (wahr), die andere irrig“? Nur dass das missverstanden werden könnte, als ob es dann berechtigt sein könnte, statt gewiss zu sein, vielmehr zu zweifeln oder zu vermuten etc. Aber das geht nicht. Die Sätze der formalen Logik drücken Behauptetes als solches, vermeinte Sachverhalte aus. Man könnte sagen: Gewissheiten im ontischen Sinn. Kontradiktorische Wahrscheinlichkeiten vertragen sich, aber nicht Gewissheiten. Im Urteilen (als Überzeugtsein, Behaupten) steht ein „Sachverhalt“ als Vermeintheit da, im Vermuten, im Für-wahrscheinlich-Halten steht nicht ein „Sachverhalt“, sondern ein Wahrscheinlichkeitsverhalt, ein Vermutungsverhalt als vermeint da, und im Wahrscheinlichkeitsurteil kommt es zum Ausdruck.1 Es ist aber jetzt notwendig genauer zu sein. Wir sprechen nebeneinander von Gewissheit, Möglichkeit, und in Beziehung auf gewisse Konstellationen von Möglichkeiten, von Wahrscheinlichkeiten. In dieser Nebeneinanderstellung ist klar, dass es sich nicht um Akte und Aktcharaktere handelt, sondern um Objektivitäten. Betrachten wir sie in Bezug auf die entsprechenden Akte. 1) In der Behauptung (in diesem Sinn in dem Gewisssein und Eine-Gewissheit-Aussagen) stellen wir etwas als eine „Gewissheit“ hin. Besser sagen wir: Wir stellen etwas als einen „Sachverhalt“, als eine Wahrheit hin. Der Behauptung steht gegenüber das Behauptete als solches, der in der Weise der Behauptung vermeinte Sachverhalt, die vermeinte Wahrheit im ontischen Sinn. Hier ist zu beachten, dass Gewissheit, objektiv verstanden („Es ist gewiss, dass“ = „Es ist wahr“, „Es ist eine Tatsache“, „So ist die Sache“, allerdings etwas mit subjektivem Seitenblick: Es ist das Gewisssein, das So-Urteilen berechtigt, es ist nichts da, was unsicher macht, es ist ein Wissen), gar keine Differenzen hat. Subjektiv mögen wir Modi der „Ehrlichkeit“, die Reinheit des Gewissseins haben. Davon kommt aber nichts zum Ausdruck, wenn wir 1
Von „Kann man“ bis „zum Ausdruck.“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg.
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sagen „So ist es!“, wenn wir behaupten. Demnach müssen wir, scheint es, bei jedem Aussagen, Urteilen scheiden: a) den durchgehenden Charakter aller Behauptung, möge sie ehrlich sein oder nicht, möge sie ihre Gegentendenzen haben, ihre positiven Tendenzen, die sie durchsetzen und zugleich färben, b) die verschiedenen Modifikationen, die soeben angedeutet sind und die dem vollen Urteilsphänomen eine Dimension geben, die so etwas wie Intensitätsunterschiede mitunter hervortreten lässt. Behauptung ist Urteil im logisch relevanten Sinn. Das behauptete Was, das ist der Sachverhalt (die objektive Wahrheit), das Behauptete als solches, der Satz als Bedeutung. Die Behauptung hat keine Modi als Behauptung, es sei denn Unterschiede des Inhalts, des behaupteten Was, die wir aber nicht Modi der Behauptung als solcher nennen werden. Das volle Urteil hat eben Modi der „Gewissheit“, wie es nahe liegt zu sagen. Das Urteil ist Gewissheit, sofern es in Hinsicht auf diese Modi betrachtet wird, und es ist reine Gewissheit oder getrübte, lebhafte oder schwache Gewissheit etc. Würde dieser Gebrauch des Wortes „Gewissheit“ fixiert, dann hätte es gar keine objektive Bedeutung. Was die Logik anbelangt, so hätte sie als objektive formale Logik sich mit dieser Gewissheit1 nicht zu beschäftigen, aber wohl die Noetik, sofern sie Regeln an die Hand geben will, das Urteilen zu normieren. Man kann z. B. sagen: Ein Urteilen mit unehrlicher Gewissheit ist wissenschaftlich unberechtigt. Wert hat nur eine gewisse Entscheidung, und zwar, wenn die Entscheidung durch Einsicht motiviert ist etc. Jedes Urteil soll den Charakter reiner Gewissheit haben etc. Es ist dann genau zu erforschen, welche Rolle die Komponente Behauptung und die Komponente Gewissheit haben. Das Wort „Gewissheit“ ist freilich bedenklich. Soll man sagen (in Erweiterung des ursprünglichen Sinnes, der auf ein Sichentscheiden geht, auf eine Wahl) „Überzeugung“? (Jedenfalls wollen wir nicht mehr in objektivem Sinn Gewissheit und Wahrscheinlichkeit nebeneinanderstellen.) Das alles scheint so klar zu sein, dass man kaum einen Einwand befürchten möchte. Es bietet sich allenfalls Folgendes dar. Man könnte nämlich sagen, es sei zu unterscheiden: das, was zur prädikativen Aussage, zur Behauptung komme, und das, was man wirklich erlebe. Wir erleben ein verworrenes Gemenge von Urteilsmotiven, erfahren 1
„Gewissheit“ später verändert in „Überzeugungsgraden“. – Anm. des Hrsg.
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den Trieb nach der einen Seite, neigen uns ihr zu und „urteilen nun mit schlechtem Gewissen“. Wir sagen aus „S ist P!“, als wäre das unser Urteil. Würden wir aber aussagen, was wirklich vorliegt, so würden wir nur sagen „So dürfte es sein!“. Wir würden jetzt ein anderes Urteil fällen, und ein solches, das zum Ausdruck bringt, was wirklich vorliegt, was uns wirklich zu sein scheint: in Gewissheit. Wir würden dazu auch sagen „Es könnte auch anders sein, aber mehr spricht für die eine Seite, d. i. das Vermutliche“ usw. So sagen wir aus, was uns wirklich erscheint. Während, wenn wir aussagen „S ist P!“, so erschiene uns das nicht. Indessen, alles schön und gut, aber wir sprechen doch nicht bloß Worte, wir urteilen, indem wir so behaupten. Wenn wir dem Trieb nach der einen Seite Folge leisten, so führt dieser Urteilstrieb eben zu einem Urteil. Wir glauben nun, wir sagen aus, was unsere δξα, unsere „Meinung“ ist. Und in diesem Zustand des unehrlichen Urteilens erscheint uns eben das. Die Gegenmotive haben wir gewissermaßen durchgestrichen, oder wir haben von ihnen weggesehen; und empfinden wir nun einen dunklen Widerstand, obschon einen unterdrückten, so heißt das doch nichts anderes, als dass unser Urteil einen eigenen Modus hat, den es in anderen Fällen nicht hat. Eine andere Frage ist die noetische nach dem Wert solchen Urteilens. Es mag so sein, dass es wertvoller ist (zumal in Ansehung des Zieles eines rein gewissen und begründeten Urteilens), Urteilsmotive, statt zu unterdrücken, vielmehr mit ihrem vollen Wert anzusetzen, statt unehrlich, vielmehr ehrlich zu urteilen, kein Urteilen zu dulden, soweit irgend unser Willenseinfluss reicht, das mit solchem Habitus darauf zurückweist, dass es unberechtigt ist, da es „Gegengründe in den Wind geschlagen hat“. Aber das ändert nichts daran, dass das Urteil Urteil ist, das es einerseits einen Inhalt hat, in Bezug auf den es Behauptung ist, und andererseits einen Modus, der sich ändern kann, evtl. bei gleichem Behauptungsbestand sich verwandeln kann in reine Gewissheit, wie wenn nachträgliche Einsicht die Gegenmotive aufhebt. Halten wir also die gewonnene Auffassung fest und gehen wir 2) über zu dem Bewusstsein, in dem Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten sich konstituieren. Das Bewusstsein einer Möglichkeit (in gewissem ursprünglichen Sinn kann man schon hier von einer Wahrscheinlichkeit sprechen) ist von uns genannt „Sichanmuten“. Das darf man nicht verwechseln mit Urteilstendenz, als einen auf ein Ur-
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teil (eine „Gewissheit“, ein Behaupten) gerichteten Trieb. Der Trieb mag sich gründen auf ein Anmuten, aber er ist nicht das Anmuten selbst. So wie auch sub 1) der Urteilscharakter nicht etwa ein Komplex von Anmutungen ist, sondern ein komplexer Charakter, der hinsichtlich des modalen Bestands aus überwundenen Trieben, gebändigten, unterdrückten und dgl. besteht, was übrigens noch einer näheren Analyse bedürfte. Es ist ferner zu beachten, dass, was wir als Anmutung verstehen, charakterisiert ist als eine „von den Sachen ausgehende Forderung“, als ein Bewusstsein, in dem Wahrscheinlichkeit, Möglichkeit bewusst ist, und dass wir auch hier, ganz so wie beim Behaupten, unterscheiden müssen die logische Komponente (die der Behauptung als solcher entspricht) und eine modale Komponente. Die Anmutung kann lebhafter oder minder lebhaft sein. Aber davon ist zu scheiden das Gewicht der Anmutung, das ein größeres oder geringeres sein kann, die „Stärke (Kraft) der von den Sachen ausgehenden Forderung“. Es sind wieder zwei Dimensionen bei den Anmutungsakten. So können Gemütsinteressen der Anmutung eine „scheinbare Kraft“ geben, einen Drang auf sie hin erzeugen, der nicht gerade Urteilsdrang sein muss, sondern dahin gehen mag, sie zu bevorzugen, gegenüber anderen Anmutungen, die inhaltlich mit ihr streiten. Evtl. können wir erkennen, dass eine Möglichkeit kein großes Gewicht hat, während wir ihr aus Gefühlsgründen stark zuneigen, geneigt sind, sie zu überschätzen etc. und für sie Partei nehmen, Stellung nehmen in der Weise der Rede „Das ist sehr wohl möglich!“. Also insbesondere bei dem Abwägen von Möglichkeiten, beim vermutenden Sich-Entscheiden, mögen unlogische Motive sehr deutlich werden. Wir übertreiben eine Wahrscheinlichkeit, wir schätzen, was bei ruhigem Blut als objektiv gleich möglich dasteht, zugunsten einer Liebhaberei als ungleich möglich usw. Das alles zeigt uns, dass auch bei den Anmutungsakten eine variable Dimension da ist, die sich insofern nicht ändert, als sie immerfort Bewusstsein von Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten sind des und des Inhalts (und psychologisch von Möglichkeiten: Stellungnahme), während sich die Seite der „Überzeugung“, die Seite der „subjektiven Gewissheit“, ändert. Und ebenso bei den Bevorzugungs- und Wahlakten. Und hier verwechseln wir dazu leicht die graduellen Unterschiede der „subjektiven“ Seite mit denjenigen des objektiven Gewichts.
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Nach dem Ausgeführten zeigt sich also in der Rede von Gewissheit und Gewissheitsmodus und ebenso in der Rede von modalen Unterschieden des Urteils ein höchstwichtiger Doppelsinn. Einmal haben wir gegenübergestellt Behauptung bzw. Urteil und Anmutung etc., korrelativ gegenüber dem „S ist P!“ die Modalität „S dürfte P sein“. Das andere Mal haben wir sowohl bei dem Vorstellen als dem Sichanmuten und Vermuten die „modalen“ Unterschiede der Lebhaftigkeit, Ehrlichkeit usw. Aus den Sätzen M folgt der Satz N. Man wird nicht sagen: Aus den Gewissheiten M folgt die Gewissheit N. „Gewissheit“ ist ein subjektiver Ausdruck, er sagt „Es ist gewiss, dass“. Aus einem Gewisssein folgt nicht ein anderes Gewisssein. Dagegen wird man sagen „Aus einem Sachverhalt folgt ein anderer“, aber auch „Aus einem vermeinten Sachverhalt folgt ein vermeinter“. Auch „Aus einer Behauptung folgt eine andere“. Behauptung, das ist das Behauptete als solches, so wie Satz das Gesagte, Geurteilte als solches ist. Aus einer Wahrheit folgen andere Wahrheiten (aus einer vermuteten Wahrheit andere vermutete Wahrheiten). Wie steht es mit Gewissheiten im Verhältnis zu Wahrscheinlichkeiten? „Weiß“ man, dass M1, M2 … ist, weiß man aber nicht, dass P, Q … N ist, so ist es wahrscheinlich, dass N ist. Statt „weiß man“ ist auch zu sagen „ist es gewiss“. Ferner weiß man nicht, dass P … N ist: Stattdessen muss es besser heißen „ist darüber nichts bekannt, nichts, was dafür und was dagegen spricht“. Weiß ich für das heutige Wetter nichts über Luftfeuchtigkeit etc. und weiß ich nur, dass das Barometer gestiegen ist, so darf ich vermuten, dass schönes Wetter bereits eingetreten ist. Was ich über schönes Wetter weiß, das liegt nur in jenen Prämissen (und einigen selbstverständlichen oder verschwiegenen). Also: Weiß man nicht, ob N ist, und weiß man von Vermutungsmotiven für N nichts weiter, als dass M1, M2 … usw. ist – das heißt nicht „Urteilt man nicht, dass N ist“ (das tut man auch im Schlaf, in der Unaufmerksamkeit etc.), sondern „Steht es als offen da, als fraglich da“. Ich kann auch sagen: Ist es fraglich, ob S P ist, und ist es gewiss dass M1, M2 sind (die für S P sprechen oder evtl. teils dafür, teils dagegen), und sind das die einzigen den Urteilenden motivierenden Vermutungsgründe, dann gilt, dass S P „zu vermuten“, dass es wahrscheinlich, dass es mit dem Übergewicht positiv, mit jenem Untergewicht negativ wahrscheinlich ist etc. Hier
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ist die Situation doch eine total andere als in der formalen Logik der Sätze. In zwei Sätzen M „liegt“ der Satz N. Da ist gar nicht zu denken an irgendwelchen Urteilenden und sein Urteilen. Andererseits heißt es aber hier: Steht es mir als etwas Fragliches da (also nicht als „Seiendes“ in der Weise eines aktuellen Satzes, denn das schließt sich aus) und urteile ich, bin ich überzeugt, dass M ist, und ist das das Einzige, was Vermutungsgründe mir hergibt für das „S ist P“, für das Fragliche, dann „besteht“ die Vermutlichkeit desselben. Nun ist nicht gerade an urteilende Lebewesen etc. zu denken. Denken wir in der Einheit eines Bewusstseins einen solchen „Sachverhalt“ als fraglich und solche und solche Gewissheiten als gegeben und nichts weiter, dann bedingt das eine Vermutlichkeit des Fraglichen. Wir könnten auch hinzufügen: Das Fraglichsein u n d diese Gewissheiten in eins und für sich genommen bedingen diese Vermutlichkeit, wobei das „und“ die analoge Funktion hat wie in der Urteilslogik, wo die Prämissen, durch das „und“ verknüpft, Einheit des Urteils ergeben. Wenn wir das so darstellen, dann tritt wieder die Subjektivität zurück.1 Wir brauchen dann nicht von einem Bewusstsein zu sprechen, von einem urteilenden und vermutenden etc. Man möchte sagen: Während bei Sätzen als Prämissen das Hinzutreten neuer Sätze am Resultat nichts ändern kann, so sei hier das Gegenteil der Fall. Indessen, das ist nicht wahr. Aus den geometrischen Prämissen P folgt Q. Nehme ich nun einen falschen Satz dazu (sei er ein Urteil), so kann das Gegenteil von Q auch folgen, also ein Widerspruch. So folgt aus den Vermutungsprämissen die bestimmte Vermutung. Neue Prämissen können sie aufheben, aber freilich auch ihr Gewicht ändern und sie erhalten.2 Es scheint danach, dass man die Subjektivität aus der Lehre von den Wahrscheinlichkeiten und Gewissheiten ausmerzen und die Wahrscheinlichkeitslehre objektiv gestalten kann. Wir sind nur nicht gewöhnt, das Fragliche und Vermutliche rein ideal und objektiv anzusetzen.
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Spätere Randbemerkung: „Richtig.“ – Anm. des Hrsg. Von „Wenn wir“ bis „seine Inhalte.“ später gestrichen, dazu spätere Randbemerkung: „Wohl kaum noch wesentlich.“ – Anm. des Hrsg. 2
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Wie steht es nun mit der Ehrlichkeit und Unehrlichkeit? Unterliegt sie einer Rechtsprechung? Ein unehrliches Denken kann richtig sein. Es kann sich begründen lassen, und in der einsichtigen Begründung verschwindet alle Unehrlichkeit. Oder es erweist sich als falsch, als unzureichend hinsichtlich der Vermutungsschätzung etc. Unehrliches Denken ist ein wertloses. Wir tadeln es. Wir beurteilen es ethisch wie jedes Denken. Aber diese D imension der Unehrlichkeit geh t d ie rein e L o gik n ich t s an . Die Phänomenologie hat diese wie alle Wesensunterschiede des Denkens, alle Verworrenheitscharaktere und Klarheitscharaktere etc. zu beschreiben und ihre Wesenszusammenhänge zu studieren. Aber die logisch teleologische Analyse der Verworrenheit zeigt beim unehrlichen Denken: Da ist eine Behauptung „S ist P“, und zugleich sind da die Gegenmotive x impliziert. Expliziert man sie, so kommt man auf M, N, P … Nun ist die Lage die: dass für „S ist P“ sprechen A, B …, dagegen M, N … Unter diesen Voraussetzungen ist aber nicht das „S ist P!“, sondern die und die Wahrscheinlichkeit oder Unwahrscheinlichkeit begründet. Das „S ist P!“ ist also eine unbegründete, schlecht begründete Behauptung. Dass wir begründete Behauptung im echten Sinn (einsichtige Begründung) schätzen und praktisch realisieren wollen, das ist dabei die Voraussetzung. Nota. Wir haben die ursprünglichen Modalitäten (besser hieße es doch Qualitäten) des Urteils im weitesten Sinn: das Für-wahrHalten (Behaupten): „S ist P!“ (das behauptende Urteil), das Fürmöglich-Halten: „S dürfte P sein“ (das problematische Urteil), vielleicht auch das Für-indifferent-Halten, Für-völlig-fraglich-Halten: „Nichts spricht dafür und nichts dagegen“. Wir haben dann Modalitäten zweiter Stufe: 1) In der Behauptungssphäre haben wir die Einheit von Behauptungsgründen und Behauptungsfolgen. Die Behauptungsfolge ist ein modaler Charakter des Folgeurteils: „Es ist notwendig S P“ (speziell, es ist Einzelfall eines Gesetzes). Man könnte überhaupt hierher rechnen alle Abwandlungen, die Urteile als Behauptungen erfahren können, mit denen sie als Glieder in andere Behauptungen eintreten. Zum Beispiel: Disjunktionsglieder („Entweder S ist P, oder Q ist R“), Vorderglieder einer Begründung etc. 2) In der Sphäre der Möglichkeiten, die Einheit eines Zusammenhangs der „Wertvergleichung“, die bevorzugte Möglichkeit: „Es ist wahrscheinlich, dass S P ist“, und eine neue hierher gehörige
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Indifferenz: „Es ist fraglich, ob S P ist, es spricht ebenso viel dafür wie dagegen“. Gehört nicht sub 1) auch das Für-falsch-Halten als Bewusstsein des Widerstreits gegen eine vermeinte Wahrheit: „Es ist nicht so, dass S 5 P ist“, keineswegs ist Gold gelb. Oder gehört das zu den primitiven Modalitäten?1
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Spätere Randbemerkung: „Cf. die späteren Blätter darüber.“ – Anm. des Hrsg.
B. URTEIL UND VORSTELLUNG Nr. 12 Untersetzungen1 Untersetzungen, darunter verstehen wir in der Sphäre der objektivierenden Akte diejenigen, welche die Gegenstände-worüber „konstituieren“, d. h., jeder objektivierende Akt ist objektivierend, sofern er in seiner Weise das ausmacht oder das ist, was wir so zu nennen pflegen: „Gegenständlichkeiten sind in dieser oder jener Weise (in dem und dem Sinn, in dem und dem Modus der Anschaulichkeit etc.) vorstellig“. Und jeder objektivierende Akt ist dabei entweder seinsstellend oder bloß vorstellend (d. h. setzender als seiend, in der Seinsweise oder nicht setzender). Jedem objektivierenden Akt, welcher setzend ist, entspricht seine Setzungsmodifikation, d. h. ein nichtsetzender Akt von genau demselben Bedeutungsgehalt. (Zu überlegen ist dabei die Stufenordnung des Baus zusammengesetzter Akte und demgemäß die Stufenordnung, in die die Modifikation eingreift, und was geradezu eine Modifikation des Ausgangsaktes bezeichnet, die dann als nächste Modifikation nicht wird in alle implizierten Setzungen eingreifen müssen.) Ebenso umgekehrt. Wir betrachten daher auch die Untersetzungen nur in der einen möglichen Aktreihe, etwa in der der setzenden (seinsstellenden). Die objektivierenden Akte sind entweder schlichte oder fundierte. Insbesondere kommen hier in Frage die Unterschiede zwischen schlichten Einheiten und kategorial verknüpften selbständigen kategorialen Einheiten. Jeder kategorial geschlossene Akt bezieht sich aber auf Gegenstände-worüber, und diese sind die fundierenden Gegenstände für die gesamte im Akt objektivierte Gegenständlichkeit. 1
Spätere Randbemerkung: „1908 durchgesehen bzw. ausgearbeitet. – Darüber habe ich schon einmal gesprochen in den Vorlesungen über Urteilstheorie 1905, S. 54 vgl. Husserliana-Materialien Band V, S. 134 f..“ – Anm. des Hrsg.
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Also jeder kategorial objektivierende Akt ist ein Bau von objektivierenden Akten, und zuunterst liegen schlichte Objektivationen, die durch diese Einfügung aber ihre Verknüpfungsbestimmungen haben. Die unterliegenden schlichten Objektivationen und überhaupt die einem komplexen objektivierenden Akt eingewobenen können setzend oder nichtsetzend sein und brauchen in ihrem Setzungsmodus nicht mit dem Gesamtakt und dem ihm als Ganzen zukommenden Setzungsmodus zu stimmen. Man kann sagen: Die Beziehung auf eine für seiend dastehende, seinsmäßig gegenüberstehende Gegenständlichkeit „verdanken“ alle setzenden Akte schließlich (wenn sie nicht schlichter Natur schon sind) gewissen untersetzenden Akten (also alle propositionalen Akte gewissen nominalen, wie schon die Logischen Untersuchungen es darstellen). Diese untersetzenden Akte sind anders charakterisiert als die Gesamtsetzungen, nicht dadurch, dass sie bloß schlichte Seinssetzungen vollziehen, sondern dadurch dass sie eben vermöge der Untersetzungsfunktion, die sie übernommen haben und die ihren phänomenologischen Charakter ausmacht, „Subjektsetzung“1 vollziehen, Objektsetzung, Voraussetzung, Folgesetzung etc. Und erst vermöge solcher Akte gibt es Gegenständlichkeiten-worüber, konstituieren sich im Denken die Gegenständlichkeiten, in Betreff deren etwas gesetzt oder vorgestellt ist. Damit ist auch angedeutet, dass jede Untersetzung auf eine „vorgängige“ Setzung „zurückweist“, die nicht selbst wieder den Charakter von Untersetzung hat.2 In der Stufenfolge solcher Zurückweisungen, die möglich ist, kommen wir schließlich notwendig auf einfache Setzungen zurück, welche die Bedingungen für die „Bildung“ der Untersetzung sind. Man kann sagen: Dem Sinn nach weist eine Untersetzung „Dass S P ist, hat zur Folge –“ zurück auf „S ist P!“. Sage ich im Hinblick auf eine Anschauung „dies!“, so weist das „dies“ eben auf die Wahrnehmung zurück. Natürlich darf dieses „zurückweist“
1 Die Subjektsetzung ist in Bezug auf die Prädikatsetzung eine Untersetzung, aber im Prädikat selbst können wieder Untersetzungen enthalten sein. 2 Die Prädikatsetzung weist auf eine Subjektsetzung zurück. Natürlich ist dieses Zurückweisen ein ganz anderes als das, von dem jetzt die Rede ist: das Zurückweisen einer Untersetzung auf eine schlichte Setzung.
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nicht verstanden werden als ein Akt, der den vorgängigen Akt gegenständlich macht. Zugewendet sind wir dem untergesetzten Gegenstand „dass S P ist!“, der ein Sachverhalt ist, aber in der Weise des untergesetzten logisch charakterisiert. Und der so charakterisierte, so kategorial gefasste „weist zurück“ auf den urteilsmäßig dastehenden Sachverhalt „S ist P!“. Wir werden das so interpretieren dürfen: Wir unterscheiden explizites, deutliches Vorstellen und vages, implizites Vorstellen, undeutliches. Im undeutlichen Vorstellen mag ein einheitliches Vorstellungsbewusstsein und evtl. Setzungsbewusstsein gegeben sein. Dass S P ist, bedingt, dass X ist. Mache ich mir es aber „deutlich“, so finde ich „S ist P!“. Das bedingt „X!“. Das heißt: Im Status des Deutlichen steht das „S ist P!“ und erhält den Charakter eines unterliegenden, grundgebenden Aktes, durch den hindurch der Hinweis „dies“ geht, der seinerseits eben „dies, dass S P ist“ meint. Also zum „dies“ gehört ein gewisses fundiertes und in gewisser Weise identifizierendes Bewusstsein! Dass die Evidentmachung einer Untersetzung diejenige der Setzung im Voraus fordert, auf die sie phänomenologisch uns zurückweist, das liegt an diesem inneren Charakter ihres Sinnes, wie denn jede Stufenforderung der Evidenz in einer Forderung des Sinnes gründet. Heißt es „der König!“, so mögen wir gelernt haben in der Schule: Es gibt einen König, nämlich bei uns in Preußen, Preußen hat einen König etc., und gemeint ist ja der König von Preußen. Jedenfalls, will ich mir deutlich machen, was das meint, so muss ich zurückgehen evtl. auf eine Erinnerung, Wahrnehmung und dgl.1 Wichtig ist auch für die Frage des analytischen Urteilens noch Folgendes. Wir werden dabei aufmerksam auf den Unterschied zwischen analytischen Verdeutlichungen und dem „schließenden“ Auseinanderlegen dessen, was in den „bloßen Bedeutungen“ liegt, also ein analytisches Urteilen im eigentlichen Sinn, im Sinn des formallogischen Urteilens. Der Zurückweis auf Anschauung und der Zurückweis auf schlichte Setzung, ohne die das Untergesetzte kein „Bekanntes“ wäre, ist wohl Dazu Beilage H = Beilage XXVII, die aber auch als Erläuterung nach dem unten Stehenden gelesen werden kann. 1
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zu sondern. Auf „Anschauung“ werden wir verwiesen, wenn wir erkennen sollen, und zwar schreibt der Sinn es vor, wie und welche Anschauung da bestätigend, Erkenntnis gewährend einzutreten hat. Die leere, verworrene, besser: unklare, dunkle Erinnerung weist auf klare hin. Nämlich, in ihr deckt sie sich erfüllend, sich bekräftigend; wir erleben die Erkenntnissteigerung, das befriedigende Terminieren in der gebenden Anschauung. Phänomenologisch bringt dieser Übergang ja auch mit sich das Hineinströmen der Aufmerksamkeit in die Anschauung herein, das in ihr Aufgehen, darin Terminieren, abgesehen davon, dass öfters Intention (wollende, suchende Intention, Erkenntniswille) ihre Befriedigung findet. Etwas ganz anderes ist das, was rein zum Bedeutungswesen gehört, das Zurückverwiesenwerden von „dieses S, das P ist“ auf „Dieses S ist P“ und von „dieses S“1 auf „Das ist S“ und von „das“ mit seiner Subjektfassung auf die schlichte Setzung. Das alles gehört zur Bedeutung insofern, als die Frage „Was meint das, ‚dieses S, das P ist‘, wie verdeutlicht sich das?“ diesen Prozessus fordert. Man kann sagen: Es gehört zum analytischen Urteil. Aber es macht die Sphäre der „tautologischen“ Verdeutlichung aus gegenüber der Sphäre, die nicht bloß verdeutlicht, sondern logisch „erschließend“ „auseinanderlegt“. Die der Untersetzung vorauszulegende Setzung, auf die wir bei der Verdeutlichung der Untersetzung zurückgeführt werden (ist sie eine deutliche, ihrer Meinung nach voll explizierte, so liegt die Setzung da, und durch sie hindurch geht der Hinweis der Untersetzung), ist dasjenige, was uns jen e „Kenntnis“ von der Sache gibt, die vorausgesetzt ist, damit wir sie zur Sache-worüber machen können. Erst muss etwas genannt sein, damit in „Betreff seiner“ etwas gedacht werden kann, z. B. etwas von ihm prädiziert werden kann. Auf eine erste Setzung baut sich eine zweite in der kategorialen Prädikation. Darin liegt: Eine erste Setzung ist Durchgangssetzung für eine Subjektsetzung, die ihrerseits Trägerin der Prädikatsetzung wird. Hierher gehört auch das Verhältnis zwischen Voraussetzung und Folgesetzung im kausalen Urteilen: „Weil S P ist, ist Q R“.
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Die Ordnung ist wohl besser die, dass zuerst „dieses S“ expliziert wird und dann erst das „dieses S, welches P ist“.
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„S ist P!“ „weil“ „und darum ist Q R“. „das ist“ „daraus folgt: Q ist R“.1 „Wenn S P ist, ist Q R“. „Vorausgesetzt, es ist S P, daraus würde folgen: Q ist R“, „darum wäre …“. Sollen wir hier sagen: Gedanke „S ist P“ (d. i. bloße propositionale Vorstellung), das sei der Ausgangspunkt? Dann die Voraussetzung. Ich denke mir nicht bloß, es sei so, in dem Sinn des Den-Satz-Verstehens, oder des In-dem-bloßenVorstellungsbewusstsein-Lebens, sondern ich nehme an, es sei so. Aus dem angenommenen Sein (S sei P), also angenommen das P-Sein des S, folgt das „müsste sein“: Q ist R. Genügt es zu nicht sagen: Gedanke „S ist P“, darin liegt „Q ist R“ (beiderseits Anführungszeichen)? Deutlicher: Im „Gedanken“ „S ist P“ liegt „Q ist R“? Was heißt da „Gedanke“? Natürlich nicht in der analytischen Bedeutung, obschon es hypothetische Urteile gibt, die analytische Geltung haben. Aber auf diesen Begriff brauchen wir uns hier nicht einzulassen. Ich stelle mir vor: „S ist P“, dann wäre … Da liegt aber voraus offenbar mehr als „S ist P“ (bloße Vorstellung), nämlich „gesetzt, dass es wäre, dann“. Ich denke es nicht nur, ich setze es auch voraus, „S sei P!“. Und dann kann ich sagen: Die Voraussetzung bedingt die Folge, wobei diese Folge Voraussetzungsfolge ist gegenüber der obigen Folge im Kausalurteil, die den Charakter der kausalen Folge hat (Weilfolge – Wennfolge). Es ist auch zu beachten, dass die kausale Untersetzung nicht etwa ihre nichtsetzende Modifikation (ihre Vorstellungsmodifikation) hat in der Voraussetzung, sondern in der kausalen Untersetzung unter Anführungszeichen. Sage ich „Weil jede algebraische Gleichung algebraisch lösbar ist, so ist etwa auch jede Gleichung sechsten Grades algebraisch lösbar“, so verstehe ich das. Ich habe dann aber nicht etwa bloß den Sinn der Voraussetzung „wenn …“. Die Voraussetzung ihrerseits lässt sich wieder vorstellungsmäßig (setzungsmäßig) modifizieren. Ich kann das „wenn S P ist“ verstehen, ohne wirklich vorauszusetzen (wie ich es muss, wenn ich selbst hypothetisch urteile mit solcher Voraussetzung).2 Wäre die Voraussetzung selbst Weil … ist, darum ist … Weil … α ist, darum … ist β. Ich kann aber auch wirklich voraussetzen, ohne hypothetisch zu urteilen: Ich sehe nicht ein, dass das folgt, und glaube es gar nicht. 1 2
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bloße Vorstellung, so hätte sie keine Vorstellungsmodifikation. Jedes mögliche Glied eines Urteils hat seine Setzungscharakteristik. Und „Setzungscharakteristik“, heißt das überall: Setzung in der Weise des Glaubens? Hier könnte man sagen: Der vorausgesetzte Sachverhalt wird nicht geglaubt, nicht für seiend gehalten. Gewiss. Aber der vorausgesetzte Sachverhalt ist nicht Bestandstück des gesamten Sachverhalts im hypothetischen Urteil, sondern eben die Voraussetzung, dass S P ist: das „gesetzt, dass S P wäre“. Das ist eine kategoriale Gegenständlichkeit, ein (unselbständiges?) Stück der hypothetischen Gegenständlichkeit, die sich aus Voraussetzung und Folge aufbaut. Voraussetzung ist aber nicht Voraussetzen und spezifisches Moment des Voraussetzens, ebenso wenig wie Folgesetzung. So weit ist ja alles in Ordnung. Aber kann man darum Subjektsetzung und Voraussetzung auf eine Stufe stellen, und zwar in dem Sinn: die Voraussetzung als eine Subjektsetzung im hypothetischen Urteil fassen? Und ebenso die kausale Untersetzung als eine Subjektsetzung im kausalen Satz, derart dass also hypothetische und kausale Sätze in Wahrheit dem Sinn nach kategorische Sätze wären? Sind die Sätze „Weil S P ist, ist Q R“ bedeutungsidentisch mit „Daraus, dass S P ist, folgt: Q ist R“ oder „Dies, dass S P ist, zieht nach sich: Q ist R!“, also eine Prädikation über „ein Nach-sich-Ziehen“? Soll dabei das Subjekt der Sachverhalt sein, dies da, nämlich „S ist P!“? Oder was sonst? Nicht etwa der Satz, doch wieder nicht die Satzbedeutung, sondern der Satz, der eben gesetzter Satz ist, in der Seinsweise (natürlich nicht phanseologisch verstanden). Ebenso: Ist, fragen wir, der Satz „Wenn S P ist, ist Q R“ bedeutungsidentisch mit „Die Voraussetzung ‚S ist P‘ (dies, die Voraussetzung ‚S ist P‘) zieht nach sich die hypothetische Folge ‚Q ist R‘“, d. h. „Von der Voraussetzung ‚S ist P‘ ist zu prädizieren, dass dann ‚Q ist R‘ sein würde“? Beim Letzteren merken wir besonders die Schwierigkeit. Was ist das für eine Eigenschaft der Voraussetzung, dass sie eine Folge nach sich ziehen „würde“, dass „dann“ das und das sein würde? Man vergleiche echte Sätze über Voraussetzungen, die originär kategorische Sätze über sie als Gegenstände-worüber sind: „Unter den gemachten Voraussetzungen findet sich auch M“ oder „Die komplexe Voraussetzung M, N, P schließt als Teil in sich die Voraussetzung M“. Die Voraussetzung M hat nicht den Wert: „Es ist wirklich M“ usw. Genug der Beispiele.
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Im Fall der kausalen Urteile ist es auch bedenklich, wo, wie oben hervorgehoben wurde, der Sachverhalt des kausalen Vordersatzes als Subjekt gelten würde. Aber die Identität des Sachverhalts bleibt bei Änderung der kategorialen Form und Materie bestehen, und wenn ich sage „Weil S P ist, ist Q R“, geht doch die Meinung nicht auf den Sachverhalt schlechthin, sondern für den Sinn der Folge ist die kategoriale Konstitution der Thesis im Vordersatz wesentlich oder zumindest oft wesentlich. (Da wären freilich Beispiele zu suchen und näher zu begründen!) Doch vermag das Argument nicht zu zeigen – jedenfalls scheint mir das die nähere Erwägung zu zeigen –, dass die kategorische Ausdrucksweise1 nicht denselben identischen Sinn hat mit der hypothetischen und kausalen und dass sie eine sekundäre ist. Das kategorische Urteil zieht hier seinen Sinn aus dem hypothetischen, oder die Verdeutlichung des Sinnes des kategorischen2 führt auf das kausale bzw. hypothetische zurück. Diese letzteren sind die originären Formen. Erst wenn ich vor Augen habe „S ist P, und darum ist Q R“ (oder darum, weil es so ist: „Weil S P ist, ist Q R“) kann ich sagen: Es liegt also vor „S ist P!“, und wieder liegt vor „Q ist R!“. Diese beiden Sachverhalte (bzw. gültigen Sätze) stehen in einem Verhältnis zueinander, das durch diesen Zusammenhang hergestellt wird. Weil das eine besteht, besteht das andere. Es ist eine Einheit des Sachverhalts, dem Einheit des Urteils entspricht. Und es sind darin beide Sachverhalte verflochten, aber nicht so, wie in dem kategorischen Verhältnisurteil. Es ist eine „Komplexion“ ursprünglich, die in eine „Relation“ verwandelt wird. Ich urteile: Vorausgesetzt, dass S P ist, so ist auch (d. h. nicht: Es ist „wirklich“) Q R. Darin haben wir eine Einheit zwischen Voraussetzung „S ist P“ und Folgesetzung „Q ist R“. Aber die Folgesetzung ist nur Folgesetzung in der Einheit des hypothetischen Sachverhalts (Satzes!). Und nun mache ich die Voraussetzung zum Subjekt und sage: Die Voraussetzung zieht die Folge nach sich. Was aber nur verstanden werden kann (dieses „zieht nach sich“), wenn ich zurückgehe auf das hypothetische Urteil bzw. den darin sich konstituierenden hypothetischen Sachverhalt, ohne den „Folge“ ja auch keinen Sinn hätte. 1 2
Spätere Ergänzung: „Dass S P ist, hat zur Folge, dass Q R ist“. – Anm. des Hrsg. Spätere Einfügung „Urteils“. – Anm. des Hrsg.
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Wir haben also nur eine Parallele zwischen kategorischen und hypothetischen Urteilen, oder vielmehr zwischen kategorischen und kausalen. Bei den kategorischen haben wir Untersetzungen, untersetzende Akte, in denen sich die Gegenstände-worüber im Sinn der Subjekte konstituieren, bei den kausalen untersetzende Akte, welche die Gründe konstituieren. Dort bauen sich in der kategorischen Weise daraufhinsetzende Akte als Prädikate konstituierende auf, hier daraufhinsetzende Akte als Folgen konstituierende. Gemeinsam beiderseits ist, dass Untersetzungen als Grundsetzungen vollzogen sind und dass auf sie sich Daraufhinsetzungen bauen, eine oder mehrere: „S ist α und β …“, „Weil S ist, so ist Q und so ist R“ etc. Wir haben Grundsetzungen und abhängige Setzungen, Abhängigkeit (sachlich gesprochen) als Anhängigkeit des Prädikats, Abhängigkeit als Abhängigkeit der Folge. Dann haben wir bei den kausalen die eigentümliche Modifikation: die hypothetischen Urteile. Grund-Quasisetzung (Voraussetzung), abhängige modifizierte Setzung: Nachsetzung. Das Analogon für das kategorische Urteil ist wohl das „Urteil aufgrund der bloßen Vorstellung“ (nicht Phantasiemodifikation eines Urteils, sondern Urteil in der Phantasie). GrundQuasisetzung („dieser Zentaur“), abhängige Setzung (Prädikatsetzung). Die Grundsetzung bestimmt den Wert der Nachsetzung und damit des ganzen Urteils. Wie steht es nun mit dem angefangenen Versuch, „Untersetzung“ zu definieren? Mit dieser letzten Scheidung von Grundsetzungen und abhängigen Setzungen (Daraufhinsetzungen) ist nicht zu verwechseln der Unterschied zwischen Untersetzungen und in ganz anderem Sinn darauf gebauten Setzungen. Nämlich, unter Gegenständen-worüber können wir Subjektgegenstände verstehen; wir können darunter aber auch verstehen: die Gegenstände, welche, sei es entweder als Subjekte oder als Objekte, in dem Urteil oder in den Voraussetzungen oder Folgesetzungen oder disjunktiven Sätzen etc. auftreten, und zwar in Seinsweise gesetzt werden. Jedes Urteil ist eine Gesamtsetzung, die ausgesprochen oder nicht ausgesprochen schlichte „nominale“ Setzungen impliziert. Jeder Sachverhalt impliziert Gegenstände, die sich in ihm verhalten. Jede Setzung eines Sachverhalts impliziert Setzung von Gegenständen. Nun besagt aber Setzung eines Sachverhalts hier Urteil der Art, etwa wie „S ist P“ oder „Wenn A, so B“. Setzung eines Gegenstands
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heißt hier Setzung der Art wie eine nominale Setzung. Und überall liegen nominale Setzungen letztlich zugrunde und schließlich solche, die nicht Sachverhalte nominalisieren und auch nicht attributive Wendungen von solchen darstellen. Diese nominalen Vorstellungen sind die allen Vorstellungen in gewissem Sinn unterliegenden, und 5 nominale Setzungen sind die in allen anderen vorausgesetzten Setzungen. Sie sind conditio sine qua non für die Urteile und in ihnen allen eingeschlossen. Gehen sie den Urteilen vorher? Das kann man nicht sagen, weil sie Bestandstücke von Urteilen sind und nur in ihnen fungieren. Sollte man sie nicht schließlich deiktische Setzungen 10 nennen?1
Beilage XXVII Rückweis der Setzung auf die Anschauung2 Dazu3 einige Ausführungen. – Wie verhält sich der Rückweis auf die schlichte Setzung zur Veranschaulichung? Ist Veranschaulichung nicht etwas 15 durchaus Hierhergehöriges? Zuletzt „führt“ doch jeder objektivierende Akt, der nicht schon mit Anschauung gesättigt ist, auf Anschauung „zurück“. Denken wir uns anschaulich vollzogene kategoriale Akte. „Dies ist rot“. Ich fasse „dies“ auf und dann das Rot, das Moment Rot, das als ein Rot erkannt wird. Freilich nicht in der Form „etwas, das rot 20 ist“, „etwas der Art Rot“, diese Ausdrücke im eigentlichen Sinn genommen. Sonst kämen wir ja auf einen unendlichen Regress. Vielmehr erkenne ich das sich abhebende Moment als Rot, sofern ich es in „erkennender Weise“ so fasse, dass ich befähigt bin zu sagen „Dies ist rot“ und „Jenes ist dasselbe, ist auch rot, und jenes Dritte ist wieder rot; sie sind dieselben oder sie haben 25 dieselbe Beschaffenheit Rot“. Dabei ist „dies“ Gegenstand-worüber, das sich abhebende Moment nicht. Es wird erkannt. Das heißt nicht: Es wird 1
Spätere Randbemerkung: „Hier folgte noch ein Blatt, in dem der Unterschied zwischen Satz (ontisch verstanden) und Sachverhalt (der bei Nichtidentität der nominalen Vorstellungen evtl. als derselbe Sachverhalt, der nur anders bedeutungsmäßig gefasst ist) erwogen wurde. Derselbe Sachverhalt, aber ein verschiedener Satz. Ebenso dasselbe hypothetische Urteil (derselbe kausale oder hypothetische Satz), aber Irrelevanzen im ‚Ausdruck‘ (ob ich sage: Kaiser Wilhelm II. oder: unser Kaiser sanktionierte das und das Gesetz, oder: wenn er es sanktioniert, so erhält es Geltung etc.).“ – Anm. des Hrsg. 2 Wohl 1908. – Anm. des Hrsg. 3 Vgl. oben, S. 251 Anm. 1. – Anm. des Hrsg.
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zum Objekt. Zweierlei Sinn von Erkennen und Als-etwas-Erkennen: Dies wird (Subjekt) als ein Rotes erkannt, und dieses Rotmoment wird als Rot erkannt.1 Dies, das Ding da, ist Gegenstand-worüber, als Subjekt-Gegenstand. Und es ist rot, darin ist Rot Prädikat. Also nicht doch auch gegenständlich? Ja, nicht das Rot wird gesetzt, sondern das Rotsein von diesem da. „Dies“ muss „zuerst“ gesetzt sein, und dann daraufhingesetzt das „Es ist rot“. Also gewiss, Rotsetzung findet statt, aber eben in dieser Weise. Dabei weist diese Rotsetzung auf die „Dies“-Setzung zurück. Und die Rotsetzung ist das oben beschriebene Implizierte, das natürlich durch und durch Setzung ist; also natürlich steht dabei das Rotmoment, das sich abhebt, in Seinsweise da, und alles Kategoriale ist „eigentlich“ vollzogen. Andererseits müssen wir doch unterscheiden: Die Setzung, die das „dies“ ausdrückt, und die Setzung, die das „Dies ist rot“ ausdrückt, ist etwas anderes als der belief -Charakter, das „setzende“ Bewusstsein, in dem sich „das Moment Rot abhebt an dem Dies“. Natürlich, belief -Charakter hat alles. Aber hier haben wir die eigentümliche kategoriale Konstitution, die das „Urteil“ macht. Nehmen wir nun den sprachlichen Ausdruck dazu. Er drückt aus und deckt sich mit der „Intuition“, d. i. mit dem eigentlich vollzogenen Akt und Aktzusammenhang. Die Setzung geht wieder durch die Anschauung hindurch, die hier ausdrücklich ist. Sie geht durch die gesättigte Wortauffassung hindurch, Wortauffassung hindurchweisend durch die sättigende Anschauung. Und wenn wir einmal bloß den Ausdruck haben und doch setzen? Dann hätten wir eben die symbolische Modifikation, und in ihr die Setzung, dass symbolische Vorstellungs- und Glaubensbewusstsein. Schön. Natürlich weist da die Untersetzung auf etwas zurück. In welcher Art? Wir können so sagen: Es kann eine schlichte symbolische Setzung sein, die zur Untersetzung wird, indem sie Subjektsetzung wird. Andererseits haben wir das Zurückweisen der symbolischen Meinung auf eine entsprechende intuitive Meinung. Das ist zweierlei. 1
Freilich, diese alte Auffassung bezweifle ich jetzt. Individuelle Anschauung „deckt“ sich in gewisser Weise mit individueller Anschauung. Ein Moment hebt sich nicht erst ab und wird „erkannt“, sondern in der Deckung wird „dasselbe“, das Rot bewusst, und wenn die Figur „dieselbe“ ist, so ist auch sie wieder „dasselbe“ in der neuen Identifizierung. Wir haben, scheint es mir jetzt (obschon die Sache sehr schwierig ist), nicht Momente abgehoben, sondern bloß Bewusstsein der Identifizierung, das in seinen verschiedenen „Richtungen“ verschiedene Spezies konstituiert. Haben wir überhaupt ein Recht, von Momenten zu sprechen? In gewisser Weise natürlich. Verschiedene Individuen haben ein „Gemeinsames“, aber jedes ist für sich, und das Allgemeine ist „an“ oder „in“ ihm, ihm zugehörig, zukommend. Ich sehe das Rot am Gegenstand.
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Wie ist da Klarlegung zu gewinnen? Wir müssen fürs Erste fragen: Was liegt in der Bedeutung eines Urteils, einer Aussage, und was fordert die Verdeutlichung der Bedeutung? Welche Akte, und zwar bedeutungsgebende Akte sind für den Übergang von undeutlicher zu deutlicher Bedeutung gefordert, und zwar auf der Seite der verdeutlichten Bedeutung? Hierbei 5 sind irrelevant Aktunterschiede, welche die Bedeutung selbst nicht ändern. Irrelevant ist der Unterschied der Anschaulichkeit. Sind die die Aussage evident, anschaulich machenden Akte oder die ihr entsprechende volle Intuition, abgesehen von den Ausdrücken, wirklich in Bedeutungsdeckung, so enthalten sie natürlich „dasselbe“; ihre Untersetzungen fordern natürlich 10 auch schlichte Setzung, wir sehen das. Aber ist die Aussage bloß symbolisch vollzogen, so finden wir wieder dasselbe nur allerdings symbolisch. Etwas ganz anderes aber als die Frage „Was liegt in dem Sinn, und was liegt in dem verdeutlichten Sinn und den ihn konstituierenden Akten?“ ist die Frage nach Möglichkeit und Geltung, nach dem Ausweis der Möglichkeit und Gültigkeit. 15 Das Subjekt muss erkenntnismäßig gegeben sein, damit ich etwas von ihm erkennen kann und meine Aussage ihr Recht haben kann. Und so weiter.
Nr. 13 Erfahrungsvorstellung und Urteil. Vorstellende (objektivierende) Erlebnisse und spontane Akte1
§ 1. Die Urteilssynthesis im Gegensatz zur durchlaufenden Synthesis in der Wahrnehmung
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Wahrnehmung, Vorstellung (impressional) im weitesten Sinn, das habe ich immer ineins gebracht mit Urteil. Wir nehmen den Begriff der Vorstellungsimpression als „schlichte“ Vorstellung, als erf ah ren d e Vorstellung, die Wahrnehmung als erfahrende Wahrnehmung etc. Und wir nehmen den Modus der Zuwendung, wir „leben“ in der Vorstellung und „durchlaufen“ den Erscheinungszusammenhang, wir betrachten den Gegenstand, dieses Tintenfass aus Bronze, nach seinen Teilen, nach den verschiedenen Verzierungen und ihren Formen, den Glanzlichtern etc. Wir „erfassen“ also immerfort die Einheit des Gegenstands, und innerhalb dieser Einheitsfassung erfassen wir bevorzugend immer neue seiner Teile, Seiten etc. Wie steht es mit dieser durchlaufenden Synthesis? Der analysierenden?2 Ist es nicht eine Verwechslung, wenn man sie als U rt eil fasst? Ist sie nicht Voraussetzung für en t sp rech en d e Urteile: „Das Tintenfass h at diesen Fuß“ und „Der Fuß hat die und die Form“ und „Er hat diese Färbung“, „Innerhalb dieser Färbung hat er die und die Unterschiede“ etc.? Das ist doch, wird man sagen, etwas anderes. Worin besteht aber das Neue? a) Einmal ist ein bloßer Blick da, eine Erfassung des Gegenstands und innerhalb der Einheit der Gesamterfassung vollziehe ich partiale Erfassungen; das E in e, der Gegenstand, ist erfasst und fest genommen, und herausgefasst in b esonderer Weise ist das und jenes von ihm, dem immerfort einheitlich bewussten. Der Blick ist dem Einzelnen besonders zugewendet, und in dieser Weise nur ihm, und die Gesamterfassung bildet den Rahmen, innerhalb dessen der Blick herumläuft. Immerfort ist das Tintenfass mein Gegenstand, 1 2
15.9.1911. „Der analysierenden“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg.
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trotz der besonderen Zuwendung jetzt zu dem Fuß, dann zu der Zierform usw. Immerfort: Das Tintenfass ist es, das ich mir, eben in seinen Teilen und Formen, „näher ansehe“. Im Durchlaufen realisiert sich das Tintenfass-Gemeinte; es erfüllt sich Stück für Stück, Moment für Moment, die Gesamtmeinung bzw. das Gemeinte. Es stellt sich heraus, es klärt sich, verdeutlicht sich, bestimmt sich näher. b) Ganz anders, wenn ich darauf gerichtet bin: Das Tintenfass ist das und jenes, h at dieses und jenes. Das ist das, das hat das: Da ist etwas Neues bewusst, etwas, das in gewisser Weise im Durchlaufen schon da war und doch wieder nicht da war. Oder gar, wenn ich die Durchlaufung entsprechend nehme: „Das ist α und β und γ“, „Das ist α, welches α’ und β’ ist“. (Das ist reich verziert, und diese Verzierungen sind miteinander verbunden.) Oder: „Das hat a, welches a α hat“, „Das Tintenfass hat einen Deckel, und der Deckel hat diesen Knopf“ usw. Es ist etwa zunächst auf Subjektsetzung hin eine Prädikatsetzung vollzogen, eine auf die andere „gegründet“. Im fortgesetzten schlichten Wahrnehmen, Herumsehen um Gegenstände habe ich keine solche Setzungen und keine Setzungen, die auf andere Setzungen gegründet sind, kein „dies“ und „das“. Wahrnehmungen „decken“ sich eigenartig miteinander und Wahrgenommenes mit Wahrgenommenem, aber die Einheit des Tintenfass-Wahrnehmens ist nicht eine Untersetzung, eine Subjektsetzung, und das Sonderwahrnehmen des Sich-näher-Ansehens keine Prädikatsetzung. Die erste Zuwendung des Blickes zum Tintenfass ist keine Subjektsetzung, die im weiteren Verlauf in der Weise einer eben vollzogenen und weiter fungierenden Subjektsetzung eine zweite Setzung begründet, eine unselbständige, und so, dass sich damit eben konstituiert „S ist P“, „S hat a“. Im Herumsehen bin ich mir soweit keines „ist“, keines „hat“ bewusst, und keines „S ist P!“. Das Wahrnehmen, das Gesamtwahrnehmen im ersten zuwendenden Blick und das durchlaufende und sondererfassende Wahrnehmen ist kein Urteilen, kein Prädizieren, keine Urteilssynthesis. Dass das Urteil1 aus der Wahrnehmung, aus der Vorstellung „bloß explizierend“ herausnimmt, was gleichsam in ihr schon gegeben war, das ist eine eigens zu beschreibende Sache. Das Urteil hat vo r sich 1
Über „das Urteil“ spätere Ergänzung: „die Urteilssynthesis“. – Anm. des Hrsg.
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die Wahrnehmungen, die Erinnerungen, die „Vorstellungen“ als sachkonstituierende Akte. Andererseits ist es schöpferisch insofern, als es erst im Urteil Bewusstsein von „Sein“ und „Sosein“ etc. gibt. (Freilich fragt es sich nun, wie es sich im n ich t exp lizieren d en U rt eil, in dem Urteil, das nicht eine voraufgehende Vorstellung „expliziert“, verhält, z. B. wenn ich einen Satz lese und mir urteilend zueigne, ohne zurück auf Vorstellung und von der Vorstellung zum Urteil zu gehen, oder wenn mir ein Lehrsatz während der mathematischen Überlegung in die Erinnerung tritt, in einem Strahl vagen Erinnerns, und ich ihn nun sogleich ausspreche, urteilend, um ihn anzuwenden.) Doch es bedarf noch einer wichtigen Ergänzung zum Obigen. Im durchlaufenden Wahrnehmen kommt es, dass die nähere Betrachtung, die Gesamtauffassung, die zugrunde liegt (als Rahmen), nicht bloß erfüllt und näher bestimmt, sondern statt zur „Bestätigung“, vielmehr zu einer Andersbestimmung, ja zu einem Bewusstsein von Illusion führt. Wir haben also 1) ein Durchlaufen in „Einstimmigkeit“, aber während des Durchlaufens kann auch 2) das Bewusstsein des „anders“, der „Unstimmigkeit“, der „Nichtigkeit“ erwachsen. Wir haben aber auch hier sagen müssen, es sei zu unterscheiden: einerseits alle solche Vorkommnisse innerhalb der Vorstellungssphäre und andererseits die entsprechenden Urteile „S ist P“, „S ist anders als P“, „S ist nicht P, sondern Q“. Ist damit nicht auch gesagt, dass die in der Vorstellungssphäre sich findenden Unterschiede von „Glaube“, „Unglaube“, „Zweifel“ (Unstimmigkeitsbewusstsein), Schwanken zwischen verschiedenen Auffassungen etc. keine Urteilsunterschiede sind? Weiter wäre zu erörtern, ob Urteil und Aussage sich decken, genauer Urteil und ausdrückliches Urteil, nämlich solches, bei dem mit dem Bau der Setzung Hand in Hand geht ein „Begreifen“ jener Art, die der sprachliche Ausdruck in sich schließt. Auf die Wortlaute selbst soll es dabei nicht ankommen. Es will mir auch jetzt scheinen, dass eines und das andere nicht dasselbe ist, und dass wir erkennende, ausdrückende Setzung (als Urteilssetzung) unterscheiden müssen von der nichtausdrückenden.
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§ 2. Die Vorstellung bei der schlichten Erfahrung. Die Vorstellung eines Sachverhalts bzw. eines Urteils Aber nun ist die Frage: Wie weit reicht die Einheit des Vorstellungsbegriffs, der vor dem Urteil und evtl. allen gleichstehenden Akten liegt? Wir sind ausgegangen von der Vorstellung, die „schlichte Erfahrung“ heißt. Und Erfahrung war Erfahrung von Dinglichkeiten (äußere Erfahrung) oder Erfahrung von Nichtdinglichem. Was kann das Letztere sein? Und was überhaupt macht das „Erfahren“ aus? Es gibt ein schlichtes Sehen, ein schlichtes Gewahren, Wahrnehmen im weitesten Sinn, eines selbst leibhaft Gegenwärtigen, andererseits ein schlichtes Im-Blick-Haben und Durch-Hinwendungdes-Blickes-Bewussthaben, das kein Gewahren, kein Gegenwärtigen, sondern etwa Vergegenwärtigen ist. Und das Bewussthaben, das wir allgemein „Vorstellen“ nennen, kann den Modus des Glaubens haben, das Gesehenhaben den Charakter der „Wirklichkeit“ oder einen anderen Modus: Es hat den Charakter der Unwirklichkeit, Zweifelhaftigkeit etc. Wieder kann das Vorstellen impressional sein oder nicht; das Vorgestellte hat den Blick für sich, aber es steht da als quasiwirklich, quasiunwirklich etc. Endlich kann sich der Blick auch wegwenden. Dann geht eine Veränderung mit der Vorstellung hervor, und ob wir sie noch „Vorstellung“ nennen, hängt jetzt von unserer Art der Begriffsbildung und Terminologie ab. Jedenfalls, all diese Vorkommnisse finden wir bei der Zuwendung zu einem uns erscheinenden Ding. Wir sprechen von Dingwahrnehmung, von der Erinnerung an ein Ding, von der Erinnerung an einen Vorgang, von einer Dingvergegenwärtigung oder Vorgangsvergegenwärtigung etc. Wieder: Wir nehmen auch eine Dingerscheinung wahr, die Farbenabschattung, die zu dieser Erscheinung gehört usw., auch Schmerz und Lust, Freude und Traurigkeit usw. Nun wird aber eines sofort klar: Die1 Hinwendung ist nicht selbst die Vorstellung, die Wahrnehmung, die Vergegenwärtigung etc. Sie ist eine Komponente der Vorstellung, wenn wir eben die Hinwendung mit zum Wesen der Vorstellung rechnen wollen. Aber offenbar hat es einen guten Sinn zu sagen: Die Hinwendung ist Hinwendung zu etwas oder Hingewendetsein zu etwas, das auch schon vor der Hinwendung 1
Spätere Einfügung: „aufmerkende“. – Anm. des Hrsg.
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oder ohne sie gegenwärtigt oder vergegenwärtigt ist, als wirklich oder als bloße Phantasie bewusst ist etc. Nämlich, wir brauchen bloß darauf zu achten, dass Hintergrundsgegenständlichkeiten in gewisser Weise schon als gegenwärtige Wirklichkeiten bewusst sind, aber wir sind ihnen nicht zugewendet. Aber nachträglich drängen sie sich auf, und der Blick wendet sich ihnen zu. Wir wenden uns dann wieder ab, anderen Dingen zu. Aber die eben Wahrgenommen-(betrachtet)Gewesenen stehen darum doch noch da, sind noch gesehen oder sonstwie „noch“ vorstellig, als Hintergrundswirklichkeiten, als eben abgelaufene Vorgänge etc. Rechnen wir also auch die Hinwendung, Zuwendung bzw. vielmehr – da das phänomenologisch verschieden ist – das Zugewendetsein, das Im-Blickpunkt-des-Geistes-Haben, mit zur Vorstellung, so wird es doch von anderem als vom Moment des Zugewendetseins abhängen, was das Wesen der Vorstellung ausmacht, dann spezieller das der Wahrnehmung, der Vergegenwärtigung etc. Dazu kommt, dass wir von Zuwendung und Zugewendetsein auch dort in völlig identischem Sinn sprechen können, wo solche Unterschiede wie die zwischen Gegenwärtigung und Vergegenwärtigung wie bei Vorstellungen im engeren Sinn, die wir jetzt untersuchen, keinen Sinn haben. So z. B. nachdem wir geurteilt haben, können wir auf den Sachverhalt zurückblicken, auf ihn „hinsehen“, ebenso nachdem wir eine bloße propositionale Vorstellung vollzogen haben, auf den quasigeurteilten Sachverhalt. In gewissem Sinn können wir nun allerdings sagen, zuerst sei uns der Sachverhalt selbstgegenwärtig; nachdem das Urteil vollzogen ist, sei er „noch“ gegenwärtig, und wir vergegenwärtigen uns ihn durch eine Rückwendung des Blickes. Aber der Sachverhalt hat nicht in dem Sinn Gegenwart und Nichtgegenwart wie ein Ding oder Vorgang. (Genau ebenso, wenn wir statt des Sachverhalts das soeben gefällte Urteil nehmen.) Ich urteile mathematisch und wende dann den Blick auf das eben gefällte Urteil bzw. auf den soeben konstituierten mathematischen Sachverhalt. Und auch wenn es sich um einen individuellen Sachverhalt handelt, so mag er sich ja auf einen gegenwärtigen Vorgang oder auf ein gegenwärtiges Ding beziehen, auf ein solches, das ich in einem Wahrnehmen soeben als Gegenwärtiges vor Augen habe. Aber kann man in gleichem Sinn sagen, dass der Sachverhalt selbst „gegenwärtig“ und in anderen Fällen,
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wo ich aufgrund von Vergegenwärtigungen urteile, vergegenwärtigt sei? Oder gar das Urteil? Es sind ja hier freilich schwierige Verhältnisse. Was heißt das: „Erinnere dich doch des pythagoreischen Lehrsatzes!“? Was heißt „sich des Lehrsatzes wiedererinnern“ und „sich ihn vergegenwärtigen“? Ihm steht doch nicht ein Wahrnehmen gegenüber, sondern ein Sich-von-Neuem-Erinnern, wie man es früher vollzogen hat. Und andererseits, Vergegenwärtigen heißt auch: sich den Inhalt des Satzes wiederum deutlich machen, von Neuem das betreffende Urteil vollziehen. Der Lehrsatz steht dann einerseits (im ersten Fall) als ein Wiederbewusstes (Schon-einmal-bewusst-Gewesenes) da, das andere Mal (im zweiten Fall) als ein deutlich Bewusstes, was vordem bloß in einem Puls, undeutlich bewusst war. So kann ich auch das „Wiederbewusstsein“ haben vom Rohns1 oder von einem vorhin stattgehabten Vorgang. Aber nun bleibt doch der Unterschied: Der Rohns ist nicht nur wieder bewusst, sondern er steht „nicht leibhaft da“, er ist nicht gegenwärtig. Der wieder bewusste Lehrsatz ist aber – nehmen wir einmal Evidenz an – trotz der Evidenz wieder bewusst, aber darum nicht in der Form „nicht leibhaft“ bewusst. So, wie er wieder bewusst ist, ist es auch der Rohns, wenn ich soeben auf ihn hinsah und dann wieder auf „ihn zurückkomme“; er ist wieder wahrgenommener: wahrgenommen mit der Erinnerung, „soeben auch schon wahrgenommen gewesen zu sein“. Auch der Unterschied zwischen Evidenz und Nichtevidenz bei Sachverhalten ist nicht partiell und wesentlich identisch mit dem Unterschied zwischen „leibhaft gegenwärtig“ und „vergegenwärtigt“. Und es ist somit noch fraglich, inwiefern die Begriffe „Wahrnehmung“ und „Anschauung“ wirklich Analogie haben mit Einsicht, intuitivem Sachverhaltsbewusstsein. Für diese Verhältnisse ist offenbar dies entscheidend: Die Erinnerungsvorstellung kann Erinnerung mit Zuwendung oder ohne Zuwendung sein. Und die „Komponente“, wenn man so sagen darf, die abgesehen von der Zuwendung da ist, hat den Charakter der Vergegenwärtigung und ist konstitutiv für den Charakter des Vergangen, konstitutiv für das Vergegenwärtigte als solches. Findet wiederholte Zuwendung statt, so hat die Wiederholung den Charakter 1
Der Rohns ist eine bei Göttingen gelegene Anhöhe mit Gaststätte. – Anm. des Hrsg.
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der „Wiederholung“, und Wiederholung ist nicht Vergegenwärtigung des Objekts, sondern es ist nämlich aktuale Zuwendung und damit ineins Erinnerung an Zuwendung zum Selben. Die Rede von Wiederbewusstsein ist also unpassend im Fall der schlichten Vergegen5 wärtigung oder ist zweideutig. Vergegenwärtigung ist nicht Wiederholung. „Wiederholt-Bewusstes“ ist nicht „Vergegenwärtigtes“. Ein und derselbe Sachverhalt wiederholt zum Bewusstsein gebracht, z. B. ein mathematischer Sachverhalt, ist damit nicht ein vergegenwärtigter im Sinn etwa einer Erinnerung. Ein Erinnerungsurteil (ein Urteil 10 aufgrund einer Erinnerung) ist ferner weder ein wiederholtes Urteil noch ein vergegenwärtigtes. Und wieder, wenn ich mich daran erinnere, „S ist P“ geurteilt zu haben, so ist die Erinnerung an ein Urteilen aber nicht Erinnerung an das im Urteilen geurteilte „S ist P!“. Das alles muss man 15 auseinanderhalten.
§ 3. Rückkehr zur Frage nach dem Begriff der schlichten Vorstellung. Die nominale Vorstellung. Passive und spontane Konstitution der Gegenstände Kehren wir nun zur Frage zurück, was den Begriff der „schlichten“ 20 Vorstellung1 ausmachen soll, so gehört dazu zweierlei:2 1) dass es ein Erlebnis sein soll, das Bewusstsein von einem Gegenständlichen ist, und zwar so, dass in ihm entweder schon ein Blick der Hinwendung waltet, der Zuwendung, die dieses Gegenständliche erfasst, oder dass diese Zuwendung bei Erhaltung der gegenständlichen Beziehung 25 fehlt (was nicht sagt: bei unverändertem phänomenologischen Gehalt der Vorstellung), aber nachträglich hinzutreten kann. Korrelativ gesprochen: 2) Vorstellungsobjekt ist ein Objekt, das sch lich t (in „schlichter“ Zuwendung) erfasst ist oder erfassbar ist.3 In gewisser Weise ist jede Zuwendung etwas Schlichtes. Es gibt aber Gegen30 stände, denen man sich erst zuwenden kann, nachdem sie sich in
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Spätere Einfügung: „(erfahrenden Vorstellung)“. – Anm. des Hrsg. Spätere Randbemerkung: „Umarbeiten. Die Darstellung ist sehr mangelhaft.“ – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Randbemerkung: „Das ist unklar dargestellt.“ – Anm. des Hrsg. 2
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spontanen Akten, die ihrerseits schon Vorstellungen und Zuwendungen voraussetzen, konstituiert haben. Dies gibt einen Unterschied zwischen schlichten und kategorialen Vorstellungen und einen erweiterten Vorstellungsbegriff.1 Der erweiterte Begriff entspricht meinem alten Begriff der „nominalen Vorstellung“; nur ist scharf abzuscheiden, was darin Sache der „Untersetzung“ ist, des Denkakts, der aufgrund der Vorstellung sich etabliert und zum Urteil gehört etc. Dieser weitere Vorstellungsbegriff umfasst nämlich die Vorstellungen, die erst durch „Nominalisierung“ aufgrund vorangegangener spontaner Akte erwachsen. Zum Beispiel: „a neben b“, „das Nebeneinander“, „das Neben-b-Sein des a“ etc., „die Tatsache, dass a neben b ist“ etc. Durch Urteilen und die in seinen Rahmen hineingehörigen Funktionen „entspringen“ „Gegenständlichkeiten“, und alles Gegenständliche ist „vorstellbar“. Man kann sich zu ihm hinwenden, und man kann ihn, jeden Gegenstand, zum Worüber in Prädikationen machen. Jeder Gegenstand ist möglicher nominaler Gegenstand, und jede Vorstellung ist mögliche nominale Vorstellung. Das ist eine analytische Trivialität, sofern eben aber wichtig, weil hier gesagt werden soll, dass jeder nominalen Funktion zugrunde liegt das, was den Gegenstandworüber „vorstellig macht“, eben eine „Vorstellung“, die auch außerhalb der nominalen Funktion stehen kann. Der engere Vorstellungsbegriff ist dann derjenige, welcher die durch die Produktivität des Urteilens und evtl. anderer spontaner Akte2 „erwachsenen“ Gegenstände bzw. die so sich „konstituierenden“ ausschließt und nur die Gegenstände ursprünglicher Rezeptivität einbegreift. Es liegt hier eben der fundamentale Unterschied vor zwischen Gegenständen, die sich3 in der Rezeptivität, und solchen, die sich in der Spontaneität konstituieren, bzw. zwischen einer Sphäre niederen und einer des höheren Bewusstseins. Gegenstände sind bewusst einerseits durch spontane Akte, durch „Setzungen“, durch synthetische Akte (aus ihnen sind sie entnommen, auf ihrem Grund oder vielmehr in einer Reflexion, die in sie hineinblickt, werden sie erfasst); andererseits sind Gegenstände bewusst ohne alle Spontaneität, sie sind
1 Spätere Randbemerkung: „Vorstellung im engeren Sinn = schlichte Vorstellung, im weiteren = Kern der nominalen Vorstellung.“ – Anm. des Hrsg. 2 Spätere Einfügung: „ursprünglich“. – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Einfügung: „ursprünglich“. – Anm. des Hrsg.
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konstituiert, und die Konstitution ist eine Passivität, ist kein spontaner Akt. Sie sind „passiv“ bewusst und werden bloß bemerkt bzw. aufgemerkt. Es ist nun zu sagen, dass die Begriffe „Vorstellung“ (im weiteren Sinn) und Aufmerksamkeit bzw. Bemerksamkeit bei passender Begrenzung gleichen Umfangs sind, ebenso Gegenstände im weitesten Sinn: natürlich korrelativ. Das schlichte Erfassen, Sichhinwenden ist eine Funktion, eine Erlebnisart, die sich auf Gegenstände im weitesten Sinn beziehen kann. Und umgekehrt: Jede Hinwendung ist Hinwendung auf ein Gegenständliches, und sie setzt voraus eine Gegenstandskonstitution. Aber nun merke ich eine ungeklärte Zweideutigkeit. Vorstellung ist nun das volle konkrete Phänomen der1 Zuwendung mit der Grundlage, so wie sie in dem Zugewendetsein zu etwas, in dem Daraufhinblicken, Daraufgerichtetsein (Aufmerken und Bemerken) lebendig ist. Allerdings müssen wir anerkennen, dass das „sich auf etwas neu hinwenden“, wobei der unbemerkte, aber im Hintergrund schon „bewusste“ Gegenstand (der die Aufmerksamkeit „reizt“, zur Zuwendung „reizt“) zum bemerkten wird, ein eigenes Phänomen ist, ebenso wie das „sich in den erfassten, bemerkten Gegenstand hineinvertiefen, ihn durchlaufen“. Es ist fraglich, ob beides nicht in eine Linie gehört, sofern man versuchen könnte zu sagen: Sowie die Hinwendung beginnt, ist schon ein Vorstellungsbewusstsein da, nur ein sehr unvollkommenes, das sich immer mehr bereichert in dem „sich in den Gegenstand vertiefend hineinsehen“. Wie immer: Wenn wir das merkende Zugewendetsein mit seiner „Unterlage“ als Vorstellung bezeichnen, dann ist das Gegenstandsbewusstsein, in dem kein zuwendender Blick lebt, kein Vorstellen. Dieses „Gegenstandsbewusstsein“, sozusagen ein latentes, wenn wir als das latente eben das vorstellende Hinblicken verstehen, liegt nicht etwa so, wie es ist, dem Hinblicken zugrunde (als Medium), da offenbar eine wesentliche Modifikation mit dem latenten Bewusstsein vonstattengeht, wie die Reflexion lehrt. Ebenso hätten wir dann Vorstellungen aus dem Ursprungsgebiet der Spontaneität dann und nur dann, wenn eben die „Nominalisierung“ vollzogen ist. Bei diesem Vorstellungsbegriff liegt der Nachdruck darauf, dass es sich um ein Bewusstsein handelt, in dem etwas vor-gestellt ist, 1
Spätere Einfügung: „objektivierenden“. – Anm. des Hrsg.
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davorsteht, Gegen-Stand ist, auf das eine Hinwendung geht. Nur dadurch ist etwas „gegenüber“. Aber zu jeder „Vorstellung“ gehört dann eine Gegenstandskonstitution, etwas, das den Gegenstand bewusst macht, etwas, das sich modifizieren kann, weil die Hinwendung aufhört, wenn der Blick sich woandershin wendet etc. In der Regel 5 ist das Gegenstand-Konstituierende vor der Zuwendung (in modifizierter Form) Erlebnis: In der Regel ist die Vorstellung erwachsen dadurch, dass sich ein Blickstrahl der Hinwendung auf den anderweitig „bewussten“ Gegenstand richtet. Ein zweiter Vorstellungsbegriff wäre derjenige, der sich nicht nach 10 dem Zuwenden, Bemerken orientierte, sondern eben nach dem, was ihm den Gegenstand konstituiert. Dann gäbe es Vorstellungen, in denen ein Hinwenden lebt und ein Vorstellen, in dem es nicht lebt (oder nicht so lebt, dass sein Gesamtgegenstand zum Objekt wird).
§ 4. Reflexion als Blickwendung. Gegenstand als Urteilsthema. Frage nach den Vorstellungsklassen
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Es ist nun klar, dass dann1 jedes Urteilen, jedes Wünschen, Wollen Vorstellen wäre und schließlich alles und jedes, was wir „Bewusstsein“ nennen, und das sogar in großem Umfang in doppeltem Sinn: Jedem Erlebnis können wir uns (allgemein zu reden) zuwenden und es 20 so zu unserem Gegenstand, zum Vorgestellten machen. Jedes Erlebnis vor der Zuwendung ist „bewusst“. Was das immer besagen mag, es besagt so viel, dass es eben die Modifikation erfahren kann, wodurch es zum Gegenstand gemacht ist. So auch ein Erinnerungserlebnis. Andererseits das Erinnerungserlebnis ist nicht nur bewusst, sondern 25 auch Bewusstsein von etwas anderem, von einem Erinnerten, und das sagt wieder: Eine Modifikation ist möglich, welche eine Hinwendung zu diesem herstellt, wobei in der „vorstellenden“ Erinnerung durch Reflexion, die ein Blickwenden ist, die Erinnerung selbst gefunden werden kann. 30 Ebenso in einer Dingerscheinung. Vor der Zuwendung ist ein Ding erscheinend: Es kann die Dingerscheinung in eine Dingvorstellung 1
Spätere Randbemerkung: „Immer der weitere Vorstellungsbegriff vorausgesetzt.“ – Anm. des Hrsg.
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übergeführt werden, die nicht Vorstellung von der Erscheinung als Erlebnis ist, aber auch in das usw. Ebenso natürlich: Vorstellung gerichtet auf ein Urteilen, auf das Urteilserlebnis, und Vorstellung gerichtet auf den Sachverhalt. Eben das macht ja den Begriff des „intentionalen Erlebnisses“ nötig, dass Erlebnisse aufweisbar sind, die nicht nur wie in dieser „Aufweisung“ durch bloße Hinwendung auf sie selbst zu Objekten werden, sondern die auch eine Hinwendung in sie, sozusagen, gestatten, eine Intention bergen, in die sich ein objektivierender Blick hinwenden kann. Schließen wir den zweiten Vorstellungsbegriff aus,1 so sagen wir damit, dass zum Wesen des Vorstellens, zu seinem Auszeichnenden gegenüber allen anderen Erlebnissen, nicht gehören soll das „Einen-Gegenstand-Konstituieren“, d. h. dass wir nicht die Möglichkeit herstellen für eine Blickzuwendung, auch nicht (da das jed es Erlebnis tut) die ausgezeichnete Möglichkeit der durch ein Erlebnis hindurchgehenden Blickrichtung (Intentionalität), sondern das Blicken selbst, und zwar mit seinem jeweiligen Untergrund, seiner „Materie“. Man sieht auch, dass „zum Objekt machen“, „zum Gegenstand machen“, „objektivieren“ dieselbe Zweideutigkeit haben. 1) Gewöhnlich meinen wir damit: „etwas, das noch nicht Objekt der Zuwendung ist, zum zugewendeten machen“. Objekt ist das, worauf der Blick ruht, das im Blick dasteht und erfasst ist. Es war vorher schon unerfasst da. Die phänomenologische Möglichkeit der Zuwendung war vorbereitet in Form eines Erlebnisses. 2) Andererseits kann man unter „objektivieren“ verstehen eben das Herstellen dieser reellen Möglichkeit. Das Letztere schließen wir aus. Wir sehen dann aber, dass unter „objektivieren“, „vorstellig machen“, „zum Gegenstand machen“ 3) noch anderes gemeint sein kann, ein engerer Begriff: „zum Gegenstand-worüber, zum Urteilsthema machen“, und vielleicht noch allgemeiner „zum Thema einer spontanen Setzung, von spontanen ‚Betätigungen‘, Akten überhaupt machen“. Wir sagen dann aber wohl besser „zum Urteilsgegenstand, zum Urteilsthema machen“ etc. 1
Spätere Randbemerkung: „Also hier entscheide ich mich dafür: Vorstellung = thetische Objektivation. – Anm. des Hrsg.
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Wie ist es nun, wenn man vorstellende („objektivierende“) Akte anderen Akten gegenüberstellt? Versteht man unter „Akt“ „intentionales Erlebnis“ (möge es Vorstellung sein, vorstellende Zuwendung enthalten oder nicht), so bilden die „Vorstellungen“ eine abgegrenzte „Klasse“ von intentionalen Erlebnissen. Sie bilden aber kein Glied einer Einteilung im echten Sinn, einer Einteilung in „Grundklassen“. Beschränken wir uns auf spontane Akte, so kann von diesen nicht gesagt werden, dass sie entweder Vorstellungen sind oder Vorstellungen zur Grundlage haben. Denn Vorstellungen sind nicht spontane Akte (nicht „Setzungen“). Aber wohl gilt, dass jeder solche Akt Vorstellungen zur Unterlage hat.1 Jetzt hätte aber erst recht die Untersuchung zu beginnen: Welche wesentlichen Klassen von Vorstellungen sind zu unterscheiden bzw., da die Vorstellungen den Bewusstseinsunterschieden und -modifikationen in gewisser Weise folgen, was gibt es da zu unterscheiden? Kann man sagen, dass Vorstellungen aus dem Feld der Spontaneität einer Inszenierung, eines Hinwendens und somit einer Modifikation des Hinwendens bedürfen, die Vorstellungen aus der Sphäre der Rezeptivität nicht? Ferner, was gehört in die letztere Sphäre? Haben wir da nicht zu scheiden: Empfindung, Gefühl, Trieb, dann Empfindungsapprehension, Gefühlsapprehension, Willensapprehension? Rezeptivität als Zuständlichkeit, ursprüngliche Zuständlichkeit, und in der Aktsphäre die Spontaneität als erworbene.
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Spätere Randbemerkung: „Ist nicht das Erfassen, das Zuwenden die niedrigste Stufe der spontanen Akte? Oder man nimmt Spontaneität in einem besonderen Sinn: die schöpferischen Akte.“ – Anm. des Hrsg.
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Nr. 14 Nominale Setzung im Verhältnis zu hypothetischen und kausalen Urteilen. Urteilsthema1
§ 1. Das beziehende Denken im Gegensatz zur schlichten Erfassung. Unterschied zwischen Erfassen und Gerichtetsein-auf
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I. Unter dem Titel „Aufmerksamkeit“ scheidet sich uns: 1) das schlichte Sichzuwenden und Erfassen nebst seinen Abwandlungen in der Explikation, 2) die Phänomene des herrschenden Interesses in seiner Einheit gegenüber fremden Interessen, gelegentlichen Abwendungen, die die Einheit des herrschenden Interesses durchbrechen („Unaufmerksamkeit“) etc. II. Scheiden wir das Letztere nun aus und gehen wir zum „beziehenden Denken“ über. Das schlichte Erfassen und Betrachten (Explikation) ist ein Als-Gegenstand-Haben. Ich bin in Wahrnehmung oder Phantasie, selbst im dunklen Vorstellen zugewendet einem Gegenstand, dann, während er noch gefasst bleibt, zugewendet Einzelheiten an und in ihm. Ist nun nicht auch das prädikative Denken, das „beziehende“, ein „Erfassen“, ein artikuliertes Erfassen des Prädizierten, ein fortgesetztes Erfassen in seinem artikulierten synthetischen Sichaufbauen? Es ist freilich kein schlichtes Erfassen eines Empfangenen, eines vorher Konstituierten. Aber nicht doch auch ein Erfassen? Ich erfasse das in der beziehenden Synthese schrittweise Gesetzte, so wie es da gesetzt ist, mit all seinen Artikulationen und Formen, z. B. „Dieses weiße Papier ist quadratisch geformt“, „Ein a, welches b ist, ist c“. Der Gegenstand der schlichten Erfassung in erster Zuwendung steht, wenn es sich um einen sinnlichen Gegenstand handelt, im ersten Schritt in gewisser Weise da. In den weiteren Schritten der „Betrachtung“ erfasse ich „ihn“ „durch“ die Sondererfassungen von Einzelheiten seines „Inhalts“, und mit jedem Schritt kommt Neues 1
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zu Sondererfassung, und das ist eine auszeichnende Erfassung. Andererseits erfasse ich dabei immer den Explikanden selbst, aber in immer neuer Weise, und in der Sondererfassung bin ich ihm nicht primär, in der Weise der vorzüglichen Zuwendung, zugewendet. Und wieder eine neue Weise ist es, wenn ich zu ihm zurückkehre, wobei er von den durchlaufenden Betrachtungen inhaltlich etwas erfahren hat: Verdeutlichung, bessere Bestimmung etc. Durch all diese Schritte geht ein Einheitsbewusstsein. Ich kann nun sagen: Ich erfasse stetig den Hauptgegenstand während dieses kontinuierlichen und in seiner Form sich abwandelnden Einheitsbewusstseins. Immerfort erfasse ich ih n, der die stetige Einheit ist, die Korrelat des Einheitsbewusstseins ist, das durch seine Erfassungsmodi hindurchgeht. Die „Erscheinungsweisen“, in denen er dabei bewusst ist, die verschiedenen Modi, Bewusstseinsweisen machen es, dass er immer wieder anders dasteht. Aber das sind Unterschiede, die wir nicht als das Erfasste bezeichnen: E rf asst ist n ich t Verschiedenes, sondern eines, der eine G egenstand. Und abermals erfasst sind in den Sondererfassungen E in zelh eit en am Gegenstand, und in Explikationen zweiter Stufe sind sie fortgesetzt Einheiten; und wieder jeweils das Eine, gegenüber der Weise des Sichdarbietens, des Erscheinens etc., ist das Erfasste. Aber dieses Erfasste ist anders erfasst als der Substratgegenstand, nämlich so, dass sich dieser im Explikat expliziert, sich in ihm verdeutlicht, näher bestimmt. Aber wir können doch nur sagen: In d er G esam t ein h eit des E xplikationsbewusstseins ist der ganze Gegenstand, der H auptgegenstand, und sind die E inzelheiten erfasst, und zwar diese in jenem, auf seinem Grund. Aber das „in“ ist nicht erfasst, und ebensowenig, dass und w ie er sich d u rch sie b est im m t.1 Gehen wir nun zum beziehenden Denken, zum „beziehenden Objektivieren“ über. Wir lassen es aus der schlichten Erfassung und explizierenden Betrachtung hervorgehen, und es sei das beziehende Denken ein artikuliertes und nicht ein „verworrenes“. Beziehend „erfassen“ wir „S ist P!“, „S, welches P ist, ist Q!“ etc. Ist dieses Erfas-
1 Auch das ist in gewisser Weise „im Blick“ und nicht außerhalb des Blickes. Aber es ist nicht erfasst und nicht etwa gleichzustellen mit den logischen Formen, Attributionen etc., die erfasst sind oder Erfassungsmodifikationen sind, aus Erfassung hervorgegangen.
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sen von gleicher Art wie das schlichte der Explikation? Ist man darin schon sicher, dass beiderseits gattungsmäßige Gleichartigkeit statthat, dass, was Schritt für Schritt denkend gesetzt ist, hierbei und hierin immerfort in einem beständig erfassenden Blick ist, ähnlich wie das Sichexplizierende und Explizierte in der Betrachtung, dann ist noch die Frage, ob nicht auch wesentliche Unterschiede zu konstatieren sind. Es ist schwer, sich hier völlig klar auszukennen. Selbstverständlich ist, es fällt schon im flüchtigsten Blick auf, dass Objektivation überhaupt (das Allgemeine, das die Gattungseinheit herstellt in allen Weisen des schlichten und synthetischen „Erfassens“) seine verschiedenen Modi hat, denen korrelativ Modi des Erfassten in der Art, wie es „dasteht“, entsprechen. So Unterschiede zwischen Explikand und Explikat, Letzteres in seinen Stufen etc. Und so das Setzen und Daraufhinsetzen, das Voraussetzen und Folgesetzen und dgl. in der Sphäre der logisch thematischen Objektivationen. In dieser Sphäre entsprechen den „logischen Formen“, den Gestalten der Themen und des Aufbaus von umfassenden Gestalten aus schon sozusagen fertigen Gestalten, auch Unterschiede der Erfassung, inbesondere darin den eigentümlichen Modifikationen von Prädikation in Attribution oder von Prädikation in kausale Voraussetzung (Setzung als kausaler Hypothesis) und dgl. Mit solchen Setzungsunterschieden Hand in Hand geht aber ein merkwürdiger und kardinaler Unterschied zwischen 1) Erfasstsein überhaupt, Objektivierend-im-Blick-Haben überhaupt und 2) Objektivieren in besonderem Sinn, in dem Sinn des Auf-etwas-Gerichtetseins: es in besonderer und prägnant zu nehmender Weise gemeint haben, es zu seinem Gegenstand haben, darauf als Gegenstand gerichtet sein. Das sagt, dass wir in einer logisch synthetischen Objektivation unterscheiden können zwischen dem, was in ihr überhaupt im Blick ist, in ihrer objektivierenden Weise bewusst ist (wir werden sagen „bewusst ist als T h em a“),1 und dem, was dabei im besonderen oder vorzüglichen Sinn Erfasstes ist, worauf die objektivierende „Richtung“, die Richtung der Setzung geht. Und dabei sind selbst wieder mancherlei Unterschiede.
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Spätere Randbemerkung: „Hier heißt Thema = in objektivierender Weise bewusst haben. Aber ist Thema nicht Bedeutung?“ – Anm. des Hrsg.
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3) Und im speziellsten Sinn heißt „Zielpunkt der Richtung-auf“ oder „gegenständlich Erfasstes“ das im Denken nominal Erfasste, und zwar im Sinn des im Nominalen G en an n t en, womit aber manches Gerichtetsein-auf nächste Verwandtschaft hat (kausaler Vordersatz und Nachsatz und dgl.). Es gibt aber in der Richtung-auf sehr 5 verschiedene Modi. Und zugleich ist zu bemerken, dass dieses Moment des Gerichtetseins zu allen Objektivationen gehört, auch zu den schlichten, und dass jede selbständige Objektivation sie notwendig in sich enthält, aber darum doch nicht in jeder Hinsicht, in Hinsicht auf jedes Glied in gleicher Weise und in derselben Stufe. Doch es bedarf 10 da der Einzelausführung. In jedem Schritt einer thematischen Objektivierung (ebenso wie in jedem Schritt einer schlichten Explikation) ist etwas erfasst und sind wir auf etwas gerichtet. Schrittweise gestaltet sich schöpferisch das Thema aus, und in diesen artikulierten Schritten kommt einzeln etwas 15 zur Erfassung und sind wir einzeln auf etwas gerichtet. Andererseits, sowie sich ein ganzes Thema abgeschlossen hat, sind wir auch im Ganzen auf etwas gerichtet, d. h., in dem abschließenden Bewusstsein ist etwas erfasst und sind wir in diesem Erfassen auf etwas gerichtet.
§ 2. Bildung des logischen Themas aufgrund eines vorlogischen Erfassens. Beispiel der Identitätssynthesis. Themata bei Nennungen und Urteilen
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Objektivierend erfasst ist in dem artikulierten Objektivieren schließlich das „S, welches P ist“, „S, welches P ist, ist Q“ usw.1 Jeder Veränderung dieser Form entspricht ein anderes Erfasstes: ein 25 anderes Thema. Wenn bei der Bildung des logischen Themas aufgrund eines vorlogischen Erfassens (eines schlichten Wahrnehmens etwa) sich die Erscheinungsweise des S stetig oder diskret ändert, so hat das keinen Einfluss auf das2 Erfasste, wofern nur im Einheitsbewusstsein die wechselnden Erscheinungen das Bewusstsein 30 der Richtung auf den einen Gegenstand unberührt lassen. Es stehen 1
Spätere Randbemerkung: „Objektivierend erfasst = im Blick haben. Siehe unten.“ – Anm. des Hrsg. 2 Spätere Einfügung: „im Blick stehende“. – Anm. des Hrsg.
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also nicht die verschiedenen synthetischen Formen, in welchen dasselbe Gegenständliche aufgrund dieses Einheitsbewusstseins fassbar ist („S, welches P ist“, „Q, welches R ist“ und dgl.), auf gleicher Stufe mit den verschiedenen Erscheinungsweisen. Die sind in keiner Weise „erfasst“, in keiner Weise „objektiviert“, während das Gegenteil von den logischen Themata gilt. In jedem Schritt haben wir die thematisch aufbauenden oder fundierenden Elemente im Blick und erfassen sie: Wir haben „im Auge“, wenn wir urteilen, wenn wir überhaupt den synthetischen Akt vollziehen: „dies“, „dieses S“, „dieses S, welches P ist“ … usw. Andererseits kommen wir sogleich in Schwierigkeiten und Widersprüche, wenn wir nicht scheiden zwischen diesem ImBlick-Haben oder Erfassen und dem Gerichtetsein-auf, das darin waltet, bzw. wenn wir nicht unterscheiden: das, was wir im B lick haben, und das, worauf wir gerichtet sind. Nehmen wir etwa die Identitätssynthese mit ihrem Thema: „S, welches P ist, ist identisch mit Q, welches R ist“. Darin steht alles im Blick, was da zum Ausdruck kommt, und dabei sind die Themata „S, welches P ist“ und „Q, welches R ist“ offenbar verschieden. Andererseits heißt es aber, indem wir artikuliert diese Themata im thematischen Bewusstsein haben und in gewisser Weise doch erfasst haben, sei bei jedem ein Gegenstand gesetzt und dieser gesetzte, näher gen an n t e Gegenstand sei beiderseits derselbe; eben das „sage das Urteil aus“, es sage, das eine und andere sei dasselbe. D as eine und das andere, d as sind nicht d ie Themata, denn die sind evident verschieden. Während wir die Themata im objektivierenden Bewusstsein als Themata bewusst haben, sind wir auf dasselbe, denselben beiderseits genannten Gegenstand gerichtet. Würden wir nominales Thema und genannten Gegenstand nicht unterscheiden bzw. nicht unterscheiden das „Erfassen“ des Themas und das Erfassen (als „Sich-richten-auf-das Objekt“), so kämen wir in einen offenbaren Widerspruch. Indem wir von den Themata sprechen und sie als im objektivierenden Bewusstsein, das wir „Urteilsbewusstsein“ nennen, als im Blick stehende, erfasste und dgl. betrachten, urteilen wir über sie in Reflexion auf das in diesem Bewusstsein evident Vorfindliche. Und indem wir das tun, haben wir in d iesem Urteilen ein neues Thema und neue Nominalien, und in diesen sind wir auf die Themata als Gegenstände gerichtet.
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Zugleich sehen wir aber mit Evidenz, dass die Richtung erst zu dem neuen Urteil gehört und nicht zu dem ursprünglichen. Damit hängt es zusammen, dass wir, um die Verschiedenheit der Themata auszusprechen, die Ausdrucksweise ändern müssen. Wir sagen dann nicht: Sp ist verschieden von Qr, sondern „Sp“ etc. Wir schreiben in Anführungszeichen, wir drücken damit aus, dass jetzt neue nominale, sich auf die Themata richtende thematische Akte vollzogen sind und nicht mehr die ursprünglichen nominalen Akte des Identitätsurteils. Dieses Moment der Richtung-auf finden wir schon in der vorlogischen Sphäre, vor der Konstitution logischer Themata. In der schlichten sinnlichen Erfassung sind wir auf das Erfasste „gerichtet“, auf den Explikand sowohl wie auf das Explikat. Und wenn die Reihe der Explikationen abläuft, so sind wir innerhalb des Einheitsbewusstseins, das durch die Modifikationen des Explikandbewusstseins hindurchgeht, immerfort auf dasselbe Objekt gerichtet: Immerfort dasselbe Haus betrachten wir, und zwar ist „es“ immerfort Zielpunkt. Dass das so ist, das sagen wir aus, und urteilend vollziehen wir nominale Setzungen aufgrund der verschiedenen Phasen der sinnlichen Erfassung. Es ist evident, dass auf jede schlichte Erfassung solche nominale Setzung und solches Urteil zu gründen sind: Nur so „wissen“ wir etwas von alldem, was hier gesagt ist. Zugleich wird hier aber klar, dass d ie Richtung des schlichten objektivierenden B ewusstseins in das nominale eingeht und dass es wirklich einen wesentlich gleichen Sinn hat zu sagen: Das schlichte Erfassen und das nennende seien gerichtet auf einen einmal bloß betrachteten, das andere Mal genannten Gegenstand, einen Gegenstand, der immerfort eins ist und eins bleiben kann in verschiedenen Betrachtungen und in verschiedenen (thematisch verschiedenen) Nennungen. Beschränken wir uns jetzt wieder auf die synthetische (logisch thematische) Sphäre, so haben wir also im Nennen zweierlei: Bewusstsein vom Thema und kein blindes, sondern ein gleichsam sehendes Bewusstsein und darin Richtung auf den Gegenstand. Und zum Wesen des thematischen Bewusstseins gehört die Möglichkeit einer nominalen Setzung bzw. einer schlicht erfassenden Reflexion und darauf gegründeten nominalen Thematisierung, in welcher („mittels“ eines neuen Themas) das Thema zum Gegenstand, zum Richtungspunkt geworden ist.
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Bisher haben wir die nominalen Themata und das Bewusstsein von ihnen im synthetischen Objektivieren bevorzugt. Betrachten wir nun aber andere Themata. Es gibt ihrer ja sehr viele Formen, deren Feststellung Aufgabe der logischen Formenlehre ist. Vor allem ist es notwendig, vollständige Sätze zu betrachten (Satzthemata), wie sie bewusst sind im urteilenden Objektivieren (und seinen Parallelen). Zunächst ist es klar, dass Bewusstsein von einem U rt eilst h em a („S ist P!“, „S, welches P ist, ist Q!“ etc. und dgl.) haben – und zwar wenn man wirklich aussagt, etwa die entsprechende Synthesis artikuliert wirklich vollzieht – nicht dasselbe ist wie Gerichtetsein auf das Thema in der Weise, wie wir das Gerichtetsein kennenlernten bei den Nennungen (und ebenso bei schlichten Betrachtungen). Wir können eine solche Richtung etablieren, indem wir eben, was offenbar bei allen logischen Akten möglich ist, auf das im abgeschlossenen Akt konstituierte Thema einen reflektierenden, betrachtenden Blick richten und evtl. in einem neuen logischen Akt (synthetisch objektivierenden) ein nominales Nennen und Darüber-Urteilen etablieren, mit dem wir uns auf das Urteilsthema, auf den Satz (das Urteil im ontischen Sinn) richten. Nur darum können wir ja überhaupt von irgendeinem Bewusstsein sagen, es konstituiere sich in ihm ein Gegenständliches, das in ihm aber nicht Zielpunkt einer Richtungauf ist, dass ein solches schlichtes Sichrichten und dann natürlich auch ein Nennen möglich ist. Das Entnehmen des Gegenstands, der bloß konstituiert, aber nicht gegenständlich bewusst, nicht vorgestellt ist, ist als ideale Möglichkeit das Korrelat von Gegenstand und ist Vorstellen in einem engeren Sinn.
§ 3. Der Stufenbau des logischen Themas. Gang ins rein Grammatische Es ist ferner klar oder leicht klar zu machen, dass jedes logische Thema (logische „Bedeutung“) entweder ein Thema ist, das sich in einer einzigen Stufe aufbaut, oder dass es sich stufenweise aufbaut. Wir unterscheiden einerseits syntaktische Stoffe und syntaktische Formen und andererseits Syntagmen verschiedener Stu35 fe. Dieser sehr gewöhnliche Stufenbau hat wesentlich Beziehung 30
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zu der in jedem Thema (und jedem Thema jeder Stufe) waltenden Richtung-auf.1 Die Grammatik unterscheidet Hauptsatz und Nebensatz, in den Hauptsätzen wieder einfache Hauptworte und Nebenwörter bzw. attributive Bedeutungen. Das kann als Andeutung dienen. Einem Hauptsatz entspricht die Hauptsetzung, die erste herrschende unmittelbare, unmodifizierte Setzung des syntaktischen Ganzen (die syntaktische Einheit), und diese Setzung ist Richtung-auf; aber innerhalb dieser Hauptsetzung finden wir evtl. wieder eine Gliederung, und die Setzungen in derselben scheiden sich wieder in Hauptsetzungen und Nebensetzungen. Die Hauptsetzungen einer und derselben Stufe gehen zusammen zur Einheit der Hauptsetzung. Die Nebensetzungen haben ihre Richtung-auf (und jede Setzung hat ihre Richtung-auf), aber in der Nebensetzung lebt nicht die Hauptsetzung des Ganzen, die die ganze von der betreffenden thematischen Einheit gesetzte Gegenständlichkeit als diejenige auszeichnet, auf welche die Richtung geht, die Richtung des Ganzen ist, Richtung der ganzen Setzung, die ihr als einheitlicher Setzung zu eigen ist. Es besteht in den logisch syntaktischen Akten eine merkwürdige Sachlage. Sie sind „Setzungen“, und Setzungen, das sind Richtungenauf. Sie sind als ganz abgeschlossene Akte Setzungen oder Richtungen-auf und sind zugleich Gebilde von Schritten der Setzung. Und jede Setzung ist Richtung-auf, wie wir auch jede Erfassung von Gegenständlichem bezeichnen können. Es bilden sich aber in der Folgeund Aufeinandergründung und dabei auch statthabenden Modifikation der Setzungen die Gesamtgebilde, die gesamten Themata, sodass zur Einheit des gesamten Themas, das als dieses Thema ein Gebilde ist aus Setzungen, nicht nur Einheit der Setzung in dem Sinn gehört eines Setzungsganzen (Setzungsgebildes), sondern auch in dem Sinn, dass eine Setzung bzw. ein Setzungsgebilde ausgezeichnet ist als dasjenige, das den im Ganzen gesetzten Sachverhalt konstituiert, den Sachverhalt, der das gesamte Gegenständliche ist, das in der gesamten Setzung im einheitlichen Strahl der Richtung-auf liegt. Dieses Gegenständliche kann dabei zugleich mehrere Strahlen, Teilstrahlen enthalten, also in sich Teilgegenständlichkeiten unterscheiden lassen, Spätere Randbemerkung: „Vgl. die früheren Ausarbeitungen von 1908, 196 ff. = Text Nr. 12 und Beilage XXVII.“ – Anm. des Hrsg. 1
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deren jede zur Richtung-auf der ganzen oder Hauptsetzung gehört. Im Allgemeinen ist die Richtung-auf des ganzen synthetischen Gebildes, bei Urteilen des Gesamturteils, eine solche, dass sich ihr nicht alle zum Aufbau des Urteilsthemas, des logischen Satzes, gehörigen Einzelsetzungen, Einzelrichtungen-auf einordnen. Es ist das nur dann der Fall, wenn das Urteil (und so allgemeiner: das synthetische Thema) keinerlei „Nebensetzungen“ enthält. Doch sind, wie es scheint, innerhalb der Richtung des Ganzen wieder Unterschiede zu verzeichnen, die in anderem Sinn eine Rede von Hauptrichtung und Nebenrichtung oder primärer und sekundärer ermöglichen. Doch genug der Allgemeinheiten. Und nun Einzelanalysen. Zunächst gehen wir aus vom in jeder Hinsicht einfachen kategorischen Urteil: „Dies ist weiß“, „Dies ist viereckig“. (Das letztere Prädikat soll keine Zusammensetzung, der Wortzusammensetzung gemäß, andeuten.) So urteilend, sind wir Schritt für Schritt gerichtet auf „dies“, auf „weiß“, aber auch auf „Dies ist weiß“. Auf all das geht der erfassende Blick. Und es ist ein Erfassen, ein Setzen, und gesetzt ist „Dies ist weiß“. Jede Setzung, die wir im Urteil unterscheiden, ordnet sich dieser Gesamtsetzung ein. Hier ist von übergeordneten und untergeordneten Setzungen und von Hauptsetzungen, herrschenden und dienenden und dgl. keine Rede. Wir bemerken auch, dass diese „Richtung-auf“, die dem geurteilten Sachverhalt zugutekommt (oder auch dem geurteilten „Satz“, dem Urteil im ontischen Sinn des Geurteilten als solchen, denn beides fällt hier zusammen), einerseits dem allgemeinen Charakter nach als setzendes Gerichtetsein gleichartig ist mit jedem nominalen Gerichtetsein im aktuellen Nennen (wie es etwa im Zusammenhang eines Urteilens fungiert, wo das Genannte Subjektgegenstand ist), andererseits doch wieder von ihm verschieden ist in seiner Besonderheit. Das nominale Sichrichten (das in seinem Charakter nahe verwandt ist mit dem schlichten Gerichtetsein vorlogischer Art)1 lässt sich auch auf denselben Sachverhalt, der im Urteil das Gesetzte ist, lenken, und ganz selbstverständlich nach dem, was wir früher gesagt haben: Denn in dem Moment, wo wir davon reden, dass im Urteil 1
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irgendetwas Richtungsziel ist, ist dasselbe ein nominaler Gegenstand, ist genannter; es hat sich ein nennendes Sichrichten etabliert und hat aus dem Urteil in einer Reflexion sein Gerichtetes entnommen. Wir sehen aber auch, dass es zweierlei ist, einerseits zu urteilen und naiv urteilend auf den Sachverhalt gerichtet zu sein und andererseits in einem schlichten Blick auf das Geurteilte hinzusehen und es daraufhin als „dies“, als „diesen Sachverhalt“ etc., evtl. als „dies, dass S P ist“ zu nennen. Die Urteilsrichtung auf den Sachverhalt ist zu unterscheiden von der vorstellenden Richtung auf den vorgestellten Gegenstand. Unter vorstellender Richtung1 auf einen Gegenstand verstehen wir danach jede Richtung, die genau in dem Sinn, den wir im schlichten Erfassen oder im nominalen Gerichtetsein vorfinden, „Richtung auf“ ist. Hierher gehört z. B. jedes Wahrnehmen (im vollen natürlichen Sinn, der das „Gewahren“ besagt) und ebenso jedes Phantasieren oder Erinnern, das dasselbe Gewahren, aber in der entsprechenden Modifikation enthält (gleichsam Gewahren). Schon in meinen Logischen Untersuchungen habe ich diese wichtige Abgrenzung des Begriffs „Vorstellung“ hervorgehoben und dort von nominaler Vorstellung gesprochen.2 Die gleiche Art der Richtung finden wir, so darf ich wohl sagen, bei den Voraussetzungen und kausalen Vordersatzsetzungen, ebenso in den Gliedern disjunktiver Urteilssetzungen und wohl auch konjunktiver. Zu beachten ist, dass die Einheit dieses Begriffs von „Vorstellung“ nicht wesentliche Unterschiede sonstiger Art in den betreffenden Setzungen ausschließt: Das Entscheidende ist hierbei das hier überall zu Erfassende jener Richtung-auf, die das, worauf sie sich richtet, in einem besonderen Sinn gegenständlich hat. Das volle konkrete Phänomen, das diese Art Richtung vollzieht, heißt dann „Vorstellung“. Im Übrigen lässt diese „Vorstellung“ in verschiedenen Dimensionen Unterscheidungen zu, speziell all die Unterscheidungen oder Modi, die wir bei allen konkreten synthetischen Akten und evtl. allen Akten überhaupt finden, wie die zwischen Impressionen und reproduktiver Modifikation usw.
1 Auf dem nächsten Blatt = S. 283 f. versuche ich stattdessen den Terminus „thetische Richtung“ zu gebrauchen (mit dem Spezialfall objektivierender Richtung im prägnanten Sinn). 2 Natürlich gehört auch die ideierende Setzung hierher.
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noetische und noematische untersuchungen § 4. Der Begriff der Vorstellung. Die verschiedenen objektivierenden Akte
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Es scheint mir, dass man sagen kann: Jede Vorstellung ist entweder „schlichte“ (vor der Synthesis1 liegende) Vorstellung oder schließt eine solche ihrem Wesen nach ein. Das heißt: Wenn eine schlichte Vorstellung in eine nominale übergeht, so nimmt sie eine logische Form an, aber ihrem Wesen nach geht sie in die logische nominale Vorstellung ein. Ebenso wenn ich ein Urteil nominalisiere, so geht dies so zustatten, dass ein schlicht erfassender Blick auf den Sachverhalt sich richtet (bzw. auf den Satz) und dieser die nominale Form annimmt, übrigens aber das Wesen der schlichten Richtung-auf und der konkreten Vorstellung in sich aufnehmend. Und ebenso wenn wir geurteilt haben „S ist P!“ und dann fortfahren „Daraus folgt, dass …“, dann haben wir im kausalen Vordersetzen (das auch ausdrücklich ausgesprochen sein kann) „Weil S P ist, …“ zunächst einen schlichten Blick auf den Sachverhalt geworfen und diesem dann die Form der kausalen Untersetzung für die kausale Daraufhinsetzung gegeben. Alle Untersetzungen sind „Vorstellungen“, enthalten die vorstellende Richtung, aber dann auch die Daraufhinsetzung. Das Prädikat „weiß“ ist danach „vorgestellt“. Es ist dann aber zu fragen, ob wir diesen Vorstellungsbegriff nicht wieder einschränken müssen in dem Sinn, dass „vorgestellt“ der Explikand einer Betrachtung heißt, aber nicht das Explikat, der substantivisch vorgestellte Gegenstand, nicht aber der adjektivisch vorgestellte. Wir hätten also einen engeren Begriff von Vorstellung, wonach das „vorgestellt“ heißt, was in der Weise eines Eigengeltenden erfasst ist, und nicht das Adjektivische, das in der Weise des nicht für sich selbst Geltenden hingestellt ist. Dann käme aber nicht mehr das Eigentümliche der Richtung-auf allein in Frage, sondern anderes. Behielten wir unseren Begriff bei, so hätten wir zwischen substantivischen und adjektivischen Vorstellungen und noch manchen anderen zu unterscheiden. Es würde sich dann ein (die beiden umfassender) Begriff von nominaler Vorstellung bilden lassen, die sonach nicht verwechselt werden darf mit substantivischer Vorstellung.
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Spätere Einfügung: „und ihrer Formung“. – Anm. des Hrsg.
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Sehr fraglich ist, ob sich bei dem freilich sehr vieldeutigen Sprachgebrauch das Wort „Vorstellung“ gut, d. i. konsequent in dieser Weise gebrauchen lässt. Die mannigfachen Phänomene, die es befasst, sind ausschließlich unter dem Gesichtspunkt einer Art des Gerichtetseinsauf befasst.1 Ein Phänomen heißt „Vorstellung“, sofern es als Ganzes genommen dieses Gerichtetsein-auf hat. Eine besondere Gruppe: die substantivierenden, und noch weiter: diejenigen, die etwas zum selbständigen Objekt der Betrachtung oder Bestimmung machen; eigentlich hatte ich das bei den „nominalen“ Vorstellungen vorwiegend im Auge. Das „Vorstellen“ ist hier Irgendetwas-als-anund-für-sich-Hinstellen als „worüber“ oder als „in Beziehung auf“. Es sind also die im prägnanten Sinn zum Gegenstand machenden oder objektivierenden Akte.2 Es fragt sich, ob ich den Titel „objektivierender Akt“ nicht so eingeschränkt wählen und dann als den allgemeineren Titel wählen soll: „intellektiver Akt“, „Verstandesakt“, „Erkenntnisakt“. Sämtliche Ausdrücke wären dabei sehr extendiert. 1)3 Also im prägnanten Sinn „objektivierend“ sind nur die Akte, die in der Weise nominaler, substantivierender und ähnlicher Akte auf „für sich selbst geltende“ Gegenstände gerichtet sind. 2)4 Wir können eine Richtung eine thetische nennen, die in einem Strahl auf ein Gegenständliches geht, und einen Akt einen „thetischen“ nennen, der, möge er auch komplex sein und in seinen Teilen Richtungen enthalten, als ganzer eine einzige Thesis vollzieht, eine thetische Richtung auf ein einziges Objekt hat. Dann ist jeder im prägnanten Sinn objektivierende Akt ein thetischer, aber auch jeder adjektivische Akt, der eine abhängige Thesis vollzieht, die Bestandstück ist der Thesis des Prädikats in Beziehung auf das Subjekt. 3)5 Wir nennen eine Richtung eine synthetische,6 die auf ein Gegenständliches synthetisch gerichtet ist, d. h. die aus mehreren thetischen Strahlen besteht (mehreren Thesen), die sich zu einer Einheit zusammenschließen, und zwar einer Einheit, auf die eine komplexe Gesamtrichtung auf ein Gegenständliches einheitlich geht, 1 2 3 4 5 6
Spätere Randbemerkung: „Cf. unten 2)“. – Anm. des Hrsg. Spätere Randbemerkung: „Cf. unten 1)“. – Anm. des Hrsg. Späterer Randtitel: „Einstrahlig und vielstrahlig setzend“. – Anm. des Hrsg. Späterer Randtitel: „Thetische Akte“. – Anm. des Hrsg. Späterer Randtitel: „Synthetische Akte“. – Anm. des Hrsg. Spätere Ergänzung am Rand: „polythetisch“. – Anm. des Hrsg.
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das sich als Gegenständliches dieses sich richtenden Aktes durch die auf seine Teile bezüglichen Thesen und ihre Verbindung konstituiert. Jeder thematische Akt ist entweder thetisch oder synthetisch,1 und jeder synthetische enthält thetische Akte. Die Objekte nennen 5 wir thetische und synthetische Objekte. Und vielleicht können wir auch sagen, dass Akte (Erkenntnisakte), unbeschadet der thetischen und synthetischen Richtung-auf, die ihnen eignet, auch parathetische Richtung haben. Nämlich thetisch ist ein Akt (bzw. synthetisch), sofern er als ganzer, besser: als vollendeter (in dem Sinn und der 10 Richtung genommen, die ihm in der Vollendung zukommt) eine einzige oder in einer Richtungsmehrheit eine Einheit der Richtung hat. Das schließt nicht aus, dass er Teile enthält mit eigenen Richtungen (jeder Teilakt ist eine dem ganzen eingeordnete Setzung, hat seine Richtung), die nicht Richtungen des vollendeten Aktes sind. Vom 15 Gesamtakt sagen wir, er sei parathetisch gerichtet, im Nebenbei sei er auf etwas gerichtet, worauf er nicht als vollendeter gerichtet ist.
§ 5. Thesis und Synthesis. Hauptsetzung und Nebensetzungen Doch nun ist es Zeit, die Hauptbetrachtung fortzuführen, und sie 20 erfordert die nähere Erörterung gerade des zuletzt berührten Punktes. Wir haben bisher unterschieden das „urteilende“, Synthesis vollziehende Auf-einen-Sachverhalt-, Auf-ein-synthetisches-Objekt-Gerichtetsein und das In-bloßer-Thesis-auf-ein-thetisches-Objekt-Gerichtetsein. 25 Die Synthesis kann sehr verschiedene Gestalten haben, z. B. die kollektive Synthese, die in koordinierter Weise zwei Thesen in der Form „A und B“ verknüpft. Hierbei ist zu unterscheiden das bloße Verknüpfen, die bloße Synthese der Kollektion, und eine eventuelle Funktion in einer prädizierenden Synthese (z. B. plurale Subjekt30 funktion). Man fühlt sich zunächst versucht daneben zu stellen die disjunktive Synthese „A oder B“; aber bei dieser ist es klar, dass sie eine Funktion in einem synthetischen Zusammenhang mit sich führt und dass darin liegt: „eines von A und B“. 1
Spätere Randbemerkung: „Synthetisch = polythetisch“. – Anm. des Hrsg.
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Dagegen wäre vielleicht aufzuführen: A und B und C, davon ausschließlich zusammen A und B (von C „abgesehen“). Solchen Synthesen gegenüber steht die bestimmende, und zwar prädikativ bestimmende Synthese, endlich verschiedene syntaktische Formungen, die innerhalb einer prädikativ bestimmenden Synthese mit Synthesen – ihnen die Selbständigkeit raubend, aber nicht die Geschlossenheit als Glieder, vielmehr sie zu Gliedern machend – vorgenommen sind. Und weiter gewisse „Modifikationen“. Von diesen Modifikationen heben wir zunächst heraus die attributive,1 die Umwandlung des „S ist P!“ in „S, welches P ist“ und „das P-seiende S“ und dgl. Dieses Gebilde, das in Subjektfunktion oder in Objektfunktion innerhalb einer prädikativen Synthese auftreten kann, wobei es einen identischen Gehalt, einen syntaktischen Stoff gegenüber der syntaktischen Form, beibehält, weist auf seine Bildung zurück: In wirklichem, voll eigentlichem Vollzug haben wir zunächst zu setzen „S ist P“ und dann als „Ergebnis“ der Bestimmung, die da vollzogen ist und durch die das S (das Gesetzte als solches im Subjekt) etwas erfährt, das S als das so bestimmte neu zu setzen: S als bestimmt, S in der Bestimmung P. Natürlich ist das ein Letztes, eine ursprüngliche phänomenologische Umwendung. In diesem logischen Gebilde haben wir eine Thesis; gesetzt ist das S, der Gegenstand, die Einheit, die bestimmt ist, aber die bloße Einheit der Bestimmung (der P-Bestimmung und evtl. all die in S liegenden Bestimmungen; liegen keine solchen darin, so haben wir ein schlichtes „dies“ oder „etwas“). Dieser Gegenstand ist in jedem adjektivierenden Bestimmungsurteil „S, welches P ist, ist Q“ das neu zu bestimmende Unbestimmte, und im identifizierenden Urteil „SP ist identisch mit QR “ ist dieser Gegenstand für die beiden Syntagmen SP und QR derselbe. Alle prädizierenden Urteile „SP ist Q“, „SP’ ist Q“ usw. setzen dasselbe Subjekt als Subjektgegenstand, wofern zu ihnen hinzutritt eine identifizierende Setzung, das synthetische Identitätsurteil „SP ≡ SP’ ≡ …“. Vom Standpunkt der Wahrheitsnormierung heißt es: All diese Urteile „meinen“ dasselbe Subjekt, sind auf dasselbe gerichtet, und da sie2 auf synthetische Gegenständlichkeiten gerichtet sind, in Spätere Randbemerkung: „Cf. dazu die Ausführungen S. 11 = Beilage XXVIII, S. 296,28–298,3“. – Anm. des Hrsg. 2 Spätere Einfügung: „als Urteile“. – Anm. des Hrsg. 1
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denen die Richtung auf dieselben Glieder in denselben Formen geht, so ist überall der synthetische Gegenstand, der Sachverhalt derselbe: Sie sind auf denselben gerichtet, sie vermeinen (in der Weise der δξα) denselben. Und sind die Urteile, und das Identitätsurteil mitgenommen, wahr, so gilt all das absolut im Sinn der Wahrheit. Andererseits ist1 dasselbe Subjekt in verschiedener „Weise“ gesetzt. Die Subjektsetzung hat immer dieselbe thetische Richtung (denselben Gegenstand schlechthin), aber jede dieser Subjektsetzungen ist „aus verschiedenen synthetischen Quellen entsprungen“; jede Thesis ist aus einer Synthesis hervorgegangen, aus der als „Ergebnis“ hervorgeht eine Thesis, die ihre besondere „Weise“ der Beziehung auf das thetische Objekt2 hat. Das thetische Objekt,3 das früher Subjekt eines Prädikats war, ist jetzt zum Subjekt einer attributiven Bestimmung geworden. In modifizierter Weise ist das Prädikat und ist der ganze synthetische Sachverhalt in die Attribution übergegangen. Die Prädikatsetzung, die bestimmt geartete Richtung darauf, ist nicht verloren gegangen; sie ist auch im Zusammenhang der Attribution vollzogen und als Setzung von etwas, das dem S zukommt. Und doch hat sich der Richtungsmodus der Setzungen geändert. In „S ist P!“ finden wir eine Synthesis des Gerichtetseins derart, dass im Aufbau der Synthesis sich ein Ganzes der Richtung oder Setzung (ein Gesetztes konstituierend, einen Satz) bildet derart, dass das Ganze als Richtung eine Einheit ist, eine Richtung, die durch die Teilrichtung hindurch die synthetische Gegenständlichkeit setzt. Im Kontrast dazu haben wir zwar in „S, welches P ist“ auch eine einheitliche Bildung aus Setzungen, die aufeinander gebaut sind, aber dieses Ganze setzt als Ganzes (richtet sich als Ganzes) oder vielmehr als Vollendetes nur das Objekt schlechthin. Nur auf das Objekt4 schlechthin, obschon „als“ so Bestimmtes, ist es gerichtet. Es setzt auch das P-Sein und setzt, wenn es sich um eine relative Bestimmung handelt, auch das Korrelatobjekt; aber all diese Setzungen sind der Hauptsetzung, der Setzung des Hauptgegenstands, des Subjekts der Attribution untergeordnet; und diese Setzung allein bezeichnet die Richtung, auf welche 1
Spätere Streichung: „derselbe Sachverhalt bzw“. – Anm. des Hrsg. „das thetische Objekt“ später verändert in „das Subjekt“. – Anm. des Hrsg. 3 „Das thetische Objekt“ später verändert in „Das Subjekt“. – Anm. des Hrsg. 4 „Objekt schlechthin. Nur auf das Objekt“ später verändert in „Subjekt schlechthin. Nur auf das Subjekt“. – Anm. des Hrsg. 2
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alle Prädikate in Urteilen, die dieses Gebilde an Subjektstelle haben, sich beziehen. Es ist die „Weise der Vorstellung“ des Subjekts, das besagt: Es gibt verschiedene einfache und komplexe, als Ergebnis von Synthesen (und dann evtl. sehr verschiedenen und unzähligen Synthesen) hervorgegangene oder nicht so hervorgegangene Gebilde: bald in keiner Weise bestimmt und dann einfach wie „dies“ oder „etwas“ oder aber bestimmt als a oder als Sa1 usw. Freilich: Sagt man, ein komplexes nominales Gebilde habe eine Hauptrichtung, einen Hauptgegenstand und Nebenrichtungen, Nebengegenstände, so ist das zwar richtig, aber es kommt nicht zum Ausdruck, dass die Beziehung auf solche Nebengegenstände eben das erzeugt, was wir „attributive Vorstellung“, „attributive Objektivierung“ nennen. Indessen, was das besagt, das muss man sehen, und sehen, wie das Nebenbeisetzen und sein Sichausbilden aus einem urteilenden und hauptsächlichen Setzen die verschiedene attributive „Weise des Vorstellens“ macht. In der prädikativen Synthese „S ist P!“ sind die beiden Setzungen, die Subjekt- und Prädikatsetzung, auch nicht in jeder Hinsicht gleichgeordnet, die erste ist charakterisiert als Untersetzung, die andere als Daraufhinsetzung. Und man könnte die Untersetzung auch als Hauptsetzung bezeichnen wollen. Aber das hat hier eine total andere Bedeutung. Die Untersetzung ist Grundsetzung, die der Daraufsetzung ihren Halt gibt. Im Übrigen aber sind beide zur Einheit der Hauptsetzung der prädikativen Synthese gehörig, Bestandstücke derselben, sich zu einer verbundenen, synthetischen Hauptsetzung zusammenschließend.2 Unbeschadet der einen und einzigen Hauptsetzung (mit ihren zur Hauptsache gehörigen Teilen) können nun mannigfache Nebensetzungen auftreten, in verschiedenen Stufenfolgen, derart dass in der Nebensetzung wieder eine Neben-Hauptsetzung und NebenNebensetzung auftritt, in dieser wieder usw. Dann entspricht der Hauptsetzung, der das Ganze der Synthesis beherrschenden, der Hauptsatz, und den Nebensetzungen entsprechen die zu Attributionen modifizierten Nebensätze, alle miteinander einheitlich verbunden dadurch, dass jeder Nebensatz ein Subjekt hat, durch das die Richtung der nächsthöheren Hauptsetzung hindurchgeht. 1 2
Spätere Ergänzung: „substantivisch“. – Anm. des Hrsg. Cf. die Ausführungen von S. 11, wohl zur Ergänzung = Beilage XXVIII.
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Man sagt: Jedes Urteil urteilt etwas, es sagt von seinem Subjekt ein Prädikat aus (um einen einfachsten Fall zu bevorzugen). Nun, dieses ausgesagte Etwas, gegenständlich verstanden, ist das gegenständliche Korrelat des „Hauptsatzes“, es ist der Sachverhalt schlechthin; so wie es parallel heißt: Jede nominale Vorstellung (Name in der Mill’schen Extension verstanden) nennt etwas. Das Genannte ist der Gegenstand schlechthin, und zwar der substantivische Gegenstand schlechthin. Ebenso kann aber auch das Prädikat Attributionen haben, z. B.: „Dieses Papier ist bläulich weiß“. Aber das Prädikat selbst, das Prädikat-Gegenständliche ist eins, wie immer es bestimmt werden mag. Und so sprechen wir auch von dem adjektivischen Gegenstand schlechthin. Wo immer wir derartige Unterschiede machen können, müssen wir sie machen und zwischen dem Gegenständlichen im Wie seiner Bestimmung und dem Gegenständlichen schlechthin unterscheiden. Das Letztere ist das Gegenständliche der Hauptrichtung, und dieses erfährt in den verschiedenen Linien der sich an der Hauptrichtung einfügenden möglichen Nebenrichtungen eine verschiedene Bestimmung des bedeutungsmäßigen Wie der Setzung. Überall haben wir also auch bei den komplexen thetischen und synthetischen Setzungen zwischen der Setzungsrichtung der einzelnen Setzungen und der Hauptsetzungsrichtung des Ganzen zu unterscheiden. Wir haben zu beachten, dass zwei verschiedene logische Akte gleiche Richtungskomponenten enthalten können, aber in verschiedenen Richtungsmodis, derart dass die zum Ganzen gehörige Hauptrichtung bald durch die Komponenten hindurchgeht und sie in ihrer Richtungseinheit befasst, bald sie außer sich lässt, aber als Nebenrichtungen sich zueignet, in welchem Fall die Komponenten das bedeutungsmäßige Wie der herrschenden Setzung bestimmen, im Übrigen aber, wenn sie wechseln, nicht ihre Richtung ändern. Es ist danach auch klar, wie sich die gemachten Unterschiede durchführen für alle „Urteilsformen“, für alle noch so komplizierten Gestalten propositional noch so zusammengesetzter Urteile (oder vielmehr Urteilsbedeutungen), z. B. „A ist B und C ist D“, „Wenn A B ist, so ist C D“ usf.
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§ 6. Gedankenhafte Modifikation bei hypothetischen Urteilen Man muss sich jeweils in den „Sinn“ der betreffenden Aussagen vertiefen und sich fragen, wo die Hauptsetzung und wo die Nebensetzung liege, was das schlechthin Gesetzte, wenn auch in den oder jenen Formen Gesetzte, ist und was den Setzungsmodus des schlechthin Gesetzten bestimmt.1 Zum Beispiel: Beim hypothetischen Urteil haben wir in der Einheit der gesamten Synthesis zwei thematische Gebilde. Das eine hat die syntaktische Form der Hypothesis, das andere die der „Hyperthesis“ (hypothetischen Grund, hypothetische Folge). Im einen ist das Korrelat ein hypothetisch gesetzter Sachverhalt. Wie ein originär gesetzter (in unmodifizierter Synthesis, nicht bloß innerhalb einer Urteilssynthesis, sondern als Urteilssynthese gesetzter) Sachverhalt hat er seine Hauptrichtungen und Nebenrichtungen, seinen Hauptsatz und seine Nebensätze, und das Ganze steht in der Modifikation der „Hypothesis“. (Wir müssten eigentlich den synthetischen Urteilen entsprechend von Hypo-Synthesen sprechen).2 Und ebenso im Nachsatz, der wieder einen anderen syntaktischen Modus hat, einen unselbständigen, abhängigen. Haben wir ein kausales Urteil „Weil S P ist, ist Q R“, so ist es trotz naher Verwandtschaft wieder anders. Eine Voraussetzung gewinne ich, wenn ich mir erst „bloß denke“, es sei S P, also ich etabliere die gedankenhafte Modifikation der synthetischen Urteilssetzung. Und dann heißt es „Dies vorausgesetzt, ist Q R“.3 In der Urteilssetzung als Wahrsetzung4 ist ein „Urteil“ vollzogen und ist eine vermeinte Tatsache gesetzt.5 In der gedankenhaften Setzungsmodifikation, die jedes Urteilen erfahren kann, ist nicht eine Tatsache gesetzt, sondern ein Gedanke. Aber hier sprechen wir bes-
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„Setzungsmodus“ ist allerdings ein vieldeutiges Wort, und es werden sich bald sehr verschiedene Charaktere unterscheiden lassen. 2 „Synthetisches Urteil“ ist aber ein schlechter Ausdruck. 3 Diesem Abschnitt hat Husserl später die Beilage XXVIII zugeordnet. – Anm. des Hrsg. 4 „Wahrsetzung“ später verändert in „unmodifzierte Setzung“. – Anm. des Hrsg. 5 Tatsache ist mit Rücksicht auf die verités de fait nicht brauchbar. Wir müssen etwa sagen gegenüber dem bloßen Sachverhalt: Sachbestand (gedacht als Abkürzung von Sachverhaltsbestand).
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ser nicht von Setzung, sondern von Quasisetzung. Die Richtung und Weise der Richtung hinsichtlich ihrer Unterschiede als Hauptrichtung etc. geht auf den gedachten Sachverhalt. Wir können sagen: Bei einem Urteilen und einem entsprechenden Sichdenken geht die Richtung und die Rhythmik der Richtungen auf dasselbe („S ist P“, „S, welches P ist, ist Q“ etc.) als Hauptrichtung wie bei den Nebenrichtungen. Und gleichwertig damit ist: Sie hat denselben Sachverhalt und denselben „Sachverhalt im Wie“ als Richtungsobjektität. Dann ist Sachverhalt nicht soviel wie Tatsache oder wie Sachverhalt eben im Sinn von tatsächlichem Sachverhalt, von als Wirklichkeit, als Wahrheit Vermeintem. Vielmehr im Urteil hat der „Sachverhalt“ (der bloße) den modalen Charakter der Tatsächlichkeit (der Satz als Sachverhalt im Wie den Charakter der Wahrheit), im bloßen Sichdenken den Charakter der Gedachtheit, den Charakter „Gedanke“.1 Wie steht es nun im Fall des hypothetischen und disjunktiven Urteils hinsichtlich der Vordersetzung und Nachsetzung, der disjunktiven wie hypothetischen? Hier ist man zunächst versucht zu sagen: Wie in der Tatsachensetzung (im Urteil) der Sachverhalt als Tatsache gesetzt ist, wie er in der Gedankensetzung als Gedanke „gesetzt“ ist, so ist er in der Vordersetzung des hypothetischen Urteils gesetzt als Voraussetzung, in der Nachsetzung als Folge. Indessen da regen sich Bedenken: Sollten das Voraussetzen und das Urteilen oder Sichdenken wirklich gleich stehen? Das Voraussetzen und Folgesetzen sind Bestandstücke einer urteilenden Setzung (wahren Setzung), „Tatsachen“-Setzung. Also Voraussetzung und Folge sind Bestandstücke einer einheitlichen „Tatsache“. Sind die Bestandstücke einer Tatsache nicht notwendig auch mit dem Tatsachencharakter behaftet, also nicht selbst, wenn auch unselbständige, Tatsachen? Dieses Ganze, das wir „hypothetischen Sachverhalt“ nennen, erhält seine ihn durch und durch charakterisierende Tatsachencharakteristik, und bei der Modifikation ins Gedankenhafte verwandelt es sich in eine Gedankencharakteristik, die dann jeden Teil entsprechend als Gedanke, der Gedankenglied ist, charakterisiert. Und wie steht es mit den Richtungen-auf? Gerichtet sind wir natürlich auf den „Sachverhalt“ und seine Bestandstücke. Was soll das besagen? Nun, im Sinn des oben Ausgeführ1
Spätere Einfügung: „(Satzgedanke)“. – Anm. des Hrsg.
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ten besteht zwischen dem Fall des Urteils und der „entsprechenden“ bloßen Gedankensetzung eine Gemeinsamkeit darin, dass wir sagen müssen, sie seien auf dasselbe gerichtet, denselben „bloßen“ Sachverhalt. Andererseits sagen wir auch, und das ist ein Doppelsinn, wir seien einmal gerichtet auf eine Tatsache (eine vermeinte), das andere Mal auf einen „Gedanken“, einen bloß gedachten Sachverhalt. Die Urteilssetzung und ihre Modifikation sind in gewisser Art wesentlich unterschieden und haben andererseits Wesensgemeinschaft. Sie haben gemein, dass sie Richtung auf dasselbe sind, und nicht nur das, sie haben beide denselben „Inhalt“, zu dem die gleiche Artikulation von Hauptrichtungen und Nebenrichtungen mit ihren Materien gehört. Sie richten sich auf denselben Sachverhalt und in gleicher Weise, sofern das bedeutungsmäßige „Wie“ beiderseits dasselbe ist. Andererseits hat dieses Gemeinsame (phansisch in den Richtungen und Richtungsmaterien und ontisch in den Sachverhalten schlechthin und im „Wie der Bedeutung“) verschiedene modale Charakterisierung: phansisch als Urteil bzw. als Sichdenken, ontisch als Tatsache oder Gedanke. Schließen wir also bei der Rede von „Richtung auf“ die modale Charakteristik (in ihren phansischen und ontischen Bedeutungen) aus. Sprechen wir gleichwohl von der Richtung auf eine Tatsache und überhaupt auf ein Charakterisiertes, so soll die Charakterbeziehung nicht sagen, dass die „Richtung auf“ selbst sie aus sich hergibt, sondern dass der Aktcharakter die Richtung-auf mit einem entsprechenden Modus umkleidet enthält (wobei es sich natürlich um bloß abstrakte Unterschiede handelt). Dies vorausgesetzt, überlegen wir die Verhältnisse im hypothetischen Urteil und seine Teilsetzungen. Gerichtet sind wir natürlich im Vollzug des Vordersatzes auf die Voraussetzung, in dem des Nachsatzes auf die Folgesetzung. Besagt nun das eine und das andere einen modalen Charakter der betreffenden Sachverhalte, die in Vorder- und Nachsatz doch „bewusst“ sind?1 Aber dann hätten wir zwei modale Charaktere. Denn im hypothetischen Urteil hat die Voraussetzung den Charak1
Spätere Randbemerkung: „Voraussetzung und Folgesetzung sind keine modalen Charaktere – die nähere Ausführung die nächsten Seiten hindurchgehend.“ – Anm. des Hrsg.
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ter „Tatsache“ und ebenso die Folgesetzung, nämlich innerhalb der gesamten Tatsache, des gesamten für wahr gesetzten „Wenn SP, so QR!“. Was den gesamten Sachverhalt des hypothetischen Urteils anlangt, so kann ja derselbe in einem bloßen Gedanken stehen. Dann ist die Voraussetzung keine „wahre“ Voraussetzung, die Folgesetzung keine wahre Folgesetzung, der ganze Sachverhalt kein „wahrer“, „wirklicher“. In der Tat, wenn das Urteil richtig ist, besteht die hypothetische Wahrheit, dann besteht auch die Voraussetzung als solche und besteht auch die Folge. Man darf sich hier nicht täuschen lassen, nämlich durch den Einwand: Bei einer bloßen Voraussetzung, einer Annahme, hat es keinen Sinn von Wahrheit und Falschheit zu sprechen, das Annehmen prätendiert nicht, setzt nicht Wahrheit; Annehmen kann man „alles und jedes“. In welchem Sinn gilt das aber? Nun, „Sichdenken“ kann man alles und jedes, und weiter kann man es darauf abgesehen haben, eine Willenstendenz darauf zu haben, Folgen daraus zu ziehen, d. h. es zur Voraussetzung eines hypothetischen Urteils und zur Untersetzung einer hypothetischen Folgesetzung zu machen. Man kann auch „zusehen, ob“ sich der Gedanke zur Voraussetzung macht, man kann es vermuten etc. Aber wohl zu beachten ist, dass der Gedanke „wirkliche“ Voraussetzung nur ist, wenn er im hypothetischen Urteil Vordersatz des Nachsatzes ist. Er hat dann eine bestimmte syntaktische Form innerhalb des syntaktischen Ganzen, der ganzen Sachverhaltssyntax, und zudem eine gewisse Tatsachencharakteristik. Und in dieser Beziehung hat er auch seine Wahrheit und Falschheit. „Er hat die Charakteristik ‚wahr‘“ besagt: Er ist für wahr gehalten. Aber das besagt nicht „objektiv wahr sein“. Die Voraussetzung hat objektiv ihre Wahrheit und Falschheit; das sagt: Sie ist wahre Voraussetzung, nämlich Voraussetzung in dem wahren hypothetischen Satz, und ebenso für Folgesetzung „unter“ der Voraussetzung. Innerhalb des hypothetischen Urteils steht als propositional phansisches Glied nicht der Gedanke, sondern der als Voraussetzung syntaktisch geformte Gedanke; und in dieser syntaktischen Formung enthält er eine wahrsetzende Charakteristik. Ebenso ontisch. Der Vordersatz ist nicht ein Gedanke (wie parallel im Kausalsatz ein Urteil), sondern ein aus einem Gedanken Geformtes, und zwar eine Voraussetzung.
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Das Geformte hat eine andere Charakteristik als das, woraus es geformt ist, nämlich die thetisch wahrsetzende. Weiter: Der Gedanke hat seine Richtung auf den gedachten Sachverhalt, und zwar eine thetische Richtung. Im Voraussetzen ist diese Richtung da, aber diese Richtung ist nicht die des Voraussetzens selbst. Auf das Sichdenken und auf die thetische Wendung des Sichdenkens baut sich das spezifische Voraussetzen, und das erzeugt schöpferisch einen neuen „Inhalt“, eine neue „Materie“. Es schafft ein neues bedeutungsmäßiges Syntagma, das Bestandstück ist des neuen Sachverhalts, neu nach seinem Grundgehalt, und welches demgemäß das ist, worauf im hypothetischen Vordersetzen (bzw. im hypothetischen Urteilen) die Richtung geht, und was andererseits seine Setzungsqualität trägt, also hier die Charakteristik der Tatsache. Freilich, man kann idealiter jedem Urteil „S ist P“ ein hypothetisches Urteil an die Seite setzen, in dem die Voraussetzung „wenn S P ist“ auftritt; jedem Urteilen entspricht allgemein ein Voraussetzen.1 Aber die Modifikation, die das Urteilen erfährt, besteht nicht etwa darin, dass an Stelle der Qualität „Für-wahr-Haltung“ die Qualität „Voraussetzung“ tritt. Vielmehr, an Stelle eines abgeschlossenen „Sachverhalts“ (als Inhalt der Richtung-auf) tritt etwas, was kein Sachverhalt ist, sondern ein Voraussetzungsinhalt, ein Vorausgesetztes, bzw. an Stelle eines „Sachverhalts im Wie“, eines Satzes (Urteilsmaterie), tritt etwas, was kein „Satz“ ist, sondern ein hypothetischer Vordersatz. Ein Vordersatz ist kein Satz, ein hypothetisches Vordersetzen kein Urteilen, sowenig ein nominales Nennen ein Urteilen ist, obschon Bestandstück eines solchen. Aber sprechen wir nicht von dem Sachverhalt, der im Urteil geurteilter, im Voraussetzen vorausgesetzter ist? Gewiss. Wir haben zu unterscheiden: den Vordersatz (als bloße Bedeutung, als bloße „Materie“) und den im Vordersatz enthaltenen (im Vordersetzen, Voraussetzen vorausgesetzten) Sachverhalt. Das liegt im Bau der Materie, die hier in Frage ist, bzw. im Bau des unselbständigen Aktes des Voraussetzens. Er „bezieht sich“ auf einen Sachverhalt, auf einen bloß gedachten Sachverhalt; aber da zeigt sich die Vieldeutigkeit des Sichbeziehens-auf. Wenn wir vom Urteil sagen hinsichtlich der 1
Spätere Ergänzung: „Aus jedem Urteil sind, als Voraussetzung modifiziert, hypothetische Folgen zu ziehen.“ – Anm. des Hrsg.
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Urteilsqualität, der Wahrsetzung, sie beziehe sich auf den Sachverhalt, so ist das die Beziehung der Qualität eben. Die setzt Materie voraus, erzeugt aber nicht Materie, oder wie wir vielleicht besser sagen: Ihr entspricht ausschließlich der Charakter der Tatsache, aber sonst nichts im Inhalt der Tatsache. Das Voraussetzen ist aber keine Qualität, sondern ein Materie-für-eine-Qualität-Konstituieren. Wir haben nicht zwei Qualitäten aufeinandergebaut, sondern im hypothetischen Urteil eine Qualität, und was sie qualifiziert, ist der Vordersatz, als die Voraussetzungsmaterie verstanden, und das Qualifizierte ist das volle Voraussetzen, das als Qualität eine Wahrsetzung enthält. Das überträgt sich auf k au sale U rt eile. Hier entspricht dem bloßen Gedankenbewusstsein als Unterlage ein Urteilsbewusstsein, ein Für-wahr-Halten. Das „weil S P ist“ gründet in einem „S ist P!“. Das urteilende Weil-Bewusstsein ist eine Grundsetzung, die sich auf den Sachverhalt „S ist P“ bezieht, ihn als Grund setzt. D as AlsGrund-Setzen ist aber n icht eine Qualität. Das als Grund Gesetzte hat zunächst schon eine Qualität, nämlich die Qualifizierung „Tatsache“. Was hinzutritt, ist nicht eine neue Qualität „Grund“, sondern die im Gründen schöpferisch erzeugte Form, und zwar eine neue Materie schaffende Form, und das so Geformte, als Materie, hat wieder eine Qualität und wieder die Qualität „wahr“. Die schöpferische Erzeugung von Materien höherer Stufe besteht überall darin, dass das wirkliche, artikulierte Konstituieren gewisser Materien (derjenigen der höheren Stufe), die natürlich nur irgendeiner Qualifizierung bewusst sein können, voraussetzt das vorherige Konstituieren von Materien der „unteren Stufe“, und dies natürlich wieder in gewissen Qualitäten, aber noch mehr, dass die Materien höherer Ordnung, und zwar abgesehen von ihren Qualitäten (alle Materien lassen ja verschiedene Qualifizierungen zu), zurückweisen auf bestimmte Qualifizierungen der Materienunterstufe. Sind die höheren Materien als Materien von Wahrsetzungen gegeben, so müssen eben Qualifizierungen der unteren Stufe wirklich vollzogen sein und treten in gewisser Weise mit in den Gehalt des Gesamturteils. Ist die Materie höherer Stufe bloß gedacht, so haben diese Qualitäten gedankenhafte Modifizierung: z. B. Sichdenken des „Weil S P ist, ist Q R“. Hier fehlt es noch an tieferen Einblicken.
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Ich kann mir dieses Papier als grün denken. (Es ist weiß.) Dann ist „Dieses Papier ist grün“ ein bloßer Gedanke, aber „dieses Papier“ ist wirklich gesetzt. Ich kann mir aber auch denken „Dieser Zentaur ist schläfrig“, wobei ich gar keine Wahrheitssetzung der Glieder habe und doch die des Ganzen. Ich habe zwar „dieser Zentaur“ in Wahrheitssetzung, aber in gedankenhafter Modifikation. Gedankenhafte Setzung „dieser Zentaur!“ ist eben Wahrheitssetzung im Quasibewusstsein. Der schlichte kategorische Satz als Materie ist ein merkwürdiges Abstraktum. Das kategorische Urteil ist ein Bau von Untersetzung und Daraufsetzung. Der kategorische Gedanke ist ein Bau von „völlig gleichem Gehalt“, aber mit Verwandlung einzelner oder aller Teilsetzungen in Quasisetzungen. Bilde ich die Idee der Materie als des Gemeinsamen, so werde ich hingewiesen auf Wahrsetzungen: Ist das Ganze ein Urteil, so müssen es unmodifizierte sein, sonst modifizierte Setzungen. Wenn ich aber Voraussetzungen nehme, wo Gedanken als Unterlage fungieren, so komme ich, wenn ich das hypothetische Urteil in einen hypothetischen Gedanken verwandle, also die wirkliche Voraussetzung in Quasivoraussetzung, auf Gedanken, die nicht wirkliche, sondern Quasigedanken sind, also Gedanken in zweiter Stufe. Also, das muss nach allen Seiten gründlich analysiert und geklärt werden. Ferner ist zu beachten, dass wir unter dem Titel „Qualifizierung“ hier immer Wahrsetzung und Gedanke im Auge hatten und dass es noch nicht sicher ist, ob man da einfach die modalen Unterschiede der Vermutung, des Zweifels etc. mit heranziehen kann. Wir schalten diese Untersuchung zunächst aus und halten bloß fest, dass jedenfalls bei jedem Urteil zwischen „Qualität“ der Tatsache und dem, was da als Tatsache bewusst ist, unterschieden werden muss, und dass in dieses Was Voraussetzung und Folgesetzung hineingehört, deren jedes seine Tatsachencharakteristik hat. Nun bleiben aber noch Fragen übrig. Im Urteil, in jeder Denksynthese, haben wir nach dem Gesagten nicht nur in jedem Schritt Setzung und Erfassung, sondern in der Einheit der gesamten aufeinander sich bauenden Setzungen ein Gesamterfasstes, das sich in gewissem Sinn als Gegenständlichkeit „konstituiert“: als gesamter „wirklich erfasster“ Gegenstand. Andererseits können wir aber noch von einer anderen Gegenständlichkeit sprechen, die sich im Urteilen konstituiert: die Bedeutung, das Urteil im ontischen Sinn. Wir richten
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nun den erfassenden Blick nicht auf den Gegenstand schlechthin, sondern auf den „Gegenstand im Wie“ des Erfassens: nicht auf den Subjektgegenstand schlechthin, sondern auf den Gegenstand in seiner Form „dieses Papier, welches weiß ist“. Zwar im Urteil sind wir auf diesen Gegenstand, auf das Papier, gerichtet, und auf ihn gerichtet, so dass er uns in dieser Weise als Papier, als weißes Papier etc. dasteht, aber die Richtung geht auf den Gegenstand selbst, das Identische sehr vieler möglicher Erfassungsweisen, Bestimmungsweisen. Ich nehme jetzt aber die Richtung auf das Nominale, auf das „dieses Papier, welches weiß ist“, das ein anderes Nominale ist als „dieses Papier, welches viereckig ist“, obschon beide Male dasselbe Papier das Erfasste ist im urteilenden Denken. Ich nehme das Was der nominalen Setzung, das Was des nominalen Urteils, das gesamte Thema mit allen Haupt- und Nebensetzungen, das im Urteil in gewisser Weise bewusst, aber nicht darin „gegenständlich“ ist, nicht das Erfasste ist. Das Thema „erfasse“ ich gegenständlich in einem neuen Blick, und auch da muss ich artikuliert erzeugen, muss das Urteil schrittweise vollziehen, aber doch nicht das unmodifizierte Urteil, sondern in einer gewissen Modifikation. Oder ist es nicht eine Modifikation, wenn ich einerseits zwar wirklich urteile und das Urteil schrittweise erzeuge und andererseits einen erfassenden Blick auf das Was des Urteilens richte? Auf die vermeinte Wahrheit? Aber freilich, der Ausdruck „Modifikation“ kann irreleiten. Es wird ja wirklich geurteilt: Das Urteilen liegt jetzt einem Erfassen des „Geurteilten als solchen“, des Kategorialen, zugrunde, und darin besteht die Modifikation.
Beilage XXVIII Überlegung über hypothetische und kausale Urteile1 Doch die Überlegung des Wesens der hypothetischen und kausalen Urteile und der in ihnen enthaltenen Setzungen und Richtungen führt auf 30 wichtige Erkenntnisse, und wir müssen tiefer dringen. 1 Wohl Ende 1911. – Spätere Randbemerkung: „Zum Teil machen die folgenden vier Blätter von näheren Ausführungen Gebrauch, die nachher kommen, aber – da diese vier Blätter eingeschoben worden sind für ein falsches Blatt – früher ausgearbeitet waren. Alles sehr wichtig. Auch die spätere Wiederholung.“ vgl. S. 298 Anm. 1 – Anm. des Hrsg.
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Zunächst gehen wir noch einmal von der kategorischen Urteilsform aus. Wir haben hier eine Einheit des Gerichtetseins, die durch Subjektsetzung und Prädikatsetzung hindurchgeht, in diesen beiden Richtungen sich auslebt und doch eine Einheit ist. Für diese zwei Setzungen haben wir gewisse Formen, die syntaktische Form der Untersetzung, die die allgemeinere Form der substantivischen Setzung (nominalen Setzung eines Gegenstands für sich) besitzt. Die letztere Form ist allgemeiner: Es kann ja eine solche nominale Setzung auch in der syntaktischen Form des „in Bezug auf“1 stehen statt in der des „worüber“. Es ist nun zu sagen, dass in ganz anderen Linien als diesen Formen des nominalen „worüber“2 und „in Bezug auf“3 die attributive Form liegt und ebenso die adjektivische Form des Prädikats.4 Kurz gesagt, ist der Grund dieser Sonderung der: Zum Sachverhalt5 schlechthin (zu dem Was, das gegenständliches Korrelat der Richtung-auf ist) gehört Subjekt und Prädikat, im Fall des relationellen Sachverhalts das bezügliche Objekt, das Objekt in der Form des „in Bezug auf“. Zum Sachverhalt gehört, sagte ich, das Subjekt; das heißt: nicht der Subjektgegenstand schlechthin als Gegenstand schlechthin, sondern der Subjektgegenstand in dieser Form des Subjektgegenstands, in der Form „Gegenstand-worüber“, die ihm Form gibt für den Sachverhalt schlechthin. Dagegen gehört nicht dazu die Weise der Attribution. Der Sachverhalt schlechthin erfährt im Urteil Setzung als bestehend (als Wahres, wahrhaft Seiendes). Im Urteil steht er als „Tatsache“ da. Diese „qualifizierende“ Charakteristik charakterisiert den ganzen Sachverhalt in seinem synthetischen Aufbau und dabei im Einzelnen den Gegenstandworüber in dieser seiner Form: Als seiend gesetzt ist der Gegenstand nicht bloß schlechthin, sondern als „worüber“. Gehen wir nun zu den kausalen, hypothetischen und disjunktiven und konjunktiven Urteilen über. Beginnen wir mit dem kausalen: „Weil S P ist, ist Q R“. Das „Weil S P ist …“ erfordert zu seiner vollen expliziten Erfassung das vorgängige Urteil „S ist P!“, worin der Sachverhalt als Tatsache gesetzt ist. Dabei hat es aber nicht sein Bewenden: Im „Weil S P ist“ liegt ein Rückblick: Wir sagen auch „mit Rücksicht darauf, dass“. Es ist offenbar eine nicht mehr synthetische, sondern thetische Richtung auf den Sachverhalt, ein Erfassen in einem Strahl des fertig konstituierten Gegenständlichen, offenbar eine der
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Spätere Ergänzung: „Objekt“. – Anm. des Hrsg. Spätere Ergänzung: „Subjekt“. – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Ergänzung: „Objekt“. – Anm. des Hrsg. 4 Spätere Randbemerkung: „Cf. 10 f. = S. 287,22 ff.. 5 Spätere Randbemerkung: „Sachverhalt ist hier doch soviel wie der prädikative Hauptverhalt.“ 2
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nominalen Setzung des Sachverhalts wesentlich gleichartige Eigensetzung. Die propositionale Ausdrucksform „mit Rücksicht darauf, dass S P ist“ hat die Funktion sozusagen des Eigennamens für den Sachverhalt. Nun wird1 man sofort sagen, wie im „weil“, „mit Rücksicht darauf“, eine nominale Richtung auf den gründenden Sachverhalt ausgedrückt ist, so im „also“ eine ebensolche auf den Folgeverhalt: „Mit Rücksicht darauf, dass S P ist, ist Q R“. Aus dem (als Tatsache gesetzten) „S ist P!“ folgt „Q ist R!“, folgt das, diese Tatsache. Danach wäre die letztere nominale Setzung „Q ist R!“ das Subjekt und das Aus-„S ist P!“-Folgen das Prädikat und das ganze hypothetisch-kausale Urteil ein kategorisches. Es liegt auch nahe zu sagen: Im „Weil S P ist, mit Rücksicht darauf, dass S P ist, ist Q R“, liegt, genauer besehen, dass durch das P-Sein des S das R-Sein des Q bedingt ist. Und wieder kann man sagen, die Tatsächlichkeit des einen Sachverhalts sei durch die des anderen bedingt. (Die Wahrheit des einen (in umgekehrter Relation) zieht die des anderen nach sich.) Wir hätten dann kategorische Relationsurteile, und es ist sicher nicht nur, dass die gewöhnlichen Ausdrucksformen auf solche zurückweisen, sondern auch, dass wir sehr oft solche Relationsurteile vollziehen. Indessen ist damit nicht gesagt, dass solche Relationsurteile reflexive Urteile sind, die wieder zurückweisen auf ursprüngliche kausale Urteile, die nicht kategorisch sind. Nehmen wir einen Schluss: „Jedes gleichseitige Dreieck ist gleichwinklig. ABC ist ein gleichseitiges Dreieck. Also ist es auch gleichwinklig“. Hier haben wir einen Urteilszusammenhang. Die Urteile vollziehen wir nicht nur nacheinander. Das erste Urteil vollziehen wir, und nach dem Vollzug halten wir es fest. Wir vollziehen das zweite Urteil und halten es mit dem festgehaltenen zusammen. Ja, noch mehr. Das „gleichseitige Dreieck“ im zweiten und das im ersten Urteil treten in eine Beziehung, oder deutlicher: in eine Einheit der Deckung, wodurch sich das Subjekt, das Dreieck ABC, unterschiebt, unterordnet dem allgemeinen Subjekt der ersten Prämisse und nun ihr Prädikat übernimmt. Und so „geht das Urteil hervor“, das durch das „also“ eingeleitet ist. Ob nun die Sachlage überall genau dieselbe ist oder nicht, jedenfalls gehört zu einem kausalen Urteil dem Allgemeinsten nach eine solche Sachlage: Aus einem Urteil oder aus einer Mehrheit zusammengefasster Urteile, die selbst eine Urteilseinheit bilden, „geht hervor“ ein neues Urteil, aus gründenden Urteilen gehen hervor begründete.2 In diesem Zusammenhang hat das Gründende und Begründete seine Zusammenhangsform, seine Syntax; und wir haben eine Zweigliedrig1
Spätere Randbemerkung: „Wiederholung davon gleich unten.“ – Anm. des Hrsg. So auch, wenn wir eine der Prämissen zur Seite setzen und etwa sagen „Dreieck ABC ist gleichwinklig, also ist es gleichseitig“. 2
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keit analoger Art wie im kategorischen Urteil, sofern eine Grundsetzung da ist, ein als Unterlage, als Grund gesetztes Urteil, auf welches hin ein anderes Urteil gesetzt ist, in welchem es entspringt, infolge dessen es geurteilt ist. Und das betrifft in gewissem Sinn die Urteilserlebnisse und in korrelativem Sinn die Gründe und Folgen. Kommt der Zusammenhang zu unmittelbarem und getreu angepasstem Ausdruck, genauso wie ein schlichtes kategorisches Urteil zum Ausdruck kommt, so hat sich diese Syntax eben widerzuspiegeln, etwa in der Form „A ist B, also ist C D“ oder „M ist, also N“, aber auch „Da M ist, ist N“, „Weil M ist, ist N“. Es überschlägt dabei nichts, dass manche Ausdrucksformen auf eine kategorische Prädikation zurückweisen. Es kann darum doch die betreffende Form gelegentlich nicht kategorisch fungieren. Jedenfalls setzt die kategorische Relationsform voraus den kausalen Urteilszusammenhang, der nicht kategorisches Urteil ist. Erst der Übergang des Hervorgehens und dann die Etablierung der Relation (des relationellen Sachverhalts). Der kausale Urteilszusammenhang ist ein Zusammenhang von Urteilen (der kausale Sachverhaltszusammenhang ein Zusammenhang von Sachverhalten), der von einer Einheit des Urteils durchwaltet ist (die kausalen Sachverhalte bilden eine Einheit des Sachverhalts). So, wie wir beim kategorischen Urteil Setzung auf Setzung gebaut finden, und so, dass wir von einer Einheit der Urteilssetzung sprechen und korrelativ von einem Sachverhalt, der in sich Gegenständlichkeiten zur Einheit bringt, ebenso hier beim kausal-hypothetischen Zusammenhang.1 In ihm geht die „Richtungauf“ nicht auf den einen und anderen Sachverhalt für sich, sondern auf jeden der Sachverhalte in seiner syntaktischen Form. Der kausale Sachverhalt besagt, dass auf einen Grundsachverhalt hin als Grundtatsache der Folgesachverhalt als Folgetatsache gesetzt ist. Und der Grundsachverhalt ist Korrelat der Richtung-auf in seiner Form des Grundes und ebenso der Folgesachverhalt. Dagegen gilt dann wieder von diesen Sachverhalten, dass sie eben als Sachverhalte schlechthin gesetzt sind und in Richtung-auf sind. Das heißt: Im Sinn der kausalen Hauptrichtung, des Hauptsatzes, liegt es, dass der Grund immer derselbe Grund bleibt, wofern Attributionen, welche einen Gegenstand im Sachverhalt nur in anderer Weise bestimmen, hinzugefügt oder weggenommen werden. Hervorgehoben muss noch werden, dass im ursprünglichen kausalen Zusammenhang keine nominalen Hinblicke-auf oder keine nominalen Sachverhaltssetzungen eine Rolle spielen. Gehen wir nun zum hypothetischen Urteil über. Uns interessiert hierbei wieder die Art der Synthesis „Wenn M ist, so ist N“, „Wenn S P ist, so ist Q R“. 1
„kausal-hypothetischen Zusammenhang“ später verändert in „kausalen Zusammenhang“. – Anm. des Hrsg.
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Auch hier haben wir die beiden möglichen Auffassungen, die beide ihr Recht haben: 1) die eine, welcher zufolge hier ein kategorisches Urteil unterliegt, aussagend, dass unter der Voraussetzung, dass S P ist, die Folge bestehe, dass Q R ist, oder dass die Voraussetzung die Folge nach sich ziehe (als Folge unter Voraussetzung), und 2) die andere, welche ein ursprünglich hypothetisches Urteil annimmt, einen ursprünglichen hypothetischen Zusammenhang, der die Voraussetzung sei als ein Übergangsphänomen für die Etablierung des kategorischen relationalen Zusammenhangs. Halten wir uns nicht an diesen Zusammenhang, sondern an die ursprüngliche hypothetische Übergangssynthese. Aufseiten der Voraussetzung steht hier nicht ein Urteil. Es geht nicht ein Urteil aus einem anderen Urteil hervor (korrelativ: Es ist nicht in einem tatsächlichen Sachverhalt als Grund eine Tatsache als Folge gelegen), sondern aus einem bloß gedachten (aber nicht als Tatsache gesetzten) Sachverhalt geht ein anderer, der ebenfalls nicht als Tatsache gesetzt ist, hervor. Es ist eine nahe verwandte Sachlage mit dem Fall des kausalen Urteils. Bei diesem haben wir nicht bloß zwei Urteile, die irgendwie auseinander hervorgehen: zwei Sachverhalte, jeder im Nacheinander als Tatsache gesetzt und dazu allenfalls für jeden eine Form vermöge eines Zusammenhangs, sondern das Auf-den-Grund-hin-die-Folge-Setzen, das besagt: einen Urteilscharakter, der eine synthetische Einheit der beiden so geformten Sachverhalte setzt, als Tatsache setzt. Im Fall des hypothetischen Zusammenhangs haben wir hinsichtlich der beiden verbundenen Sachverhalte kein Urteil. Sie sind nicht als Tatsachen gesetzt, sie sind Korrelate von synthetischen gedanklichen Richtungen-auf. Und wieder hat jeder solche Gedanke seine Form (phansisch,1 ontisch), mit der sie sich in eine syntaktische Synthese einordnen und in ein Urteil. Zur Form der Einheit, zum geformten Ganzen gehört wieder eine Tatsachensetzung und nicht eine bloße Gedankensetzung: Während wir beim kausalen Urteil eine Dreieinigkeit des urteilenden Setzens finden, zwei Urteilssetzungen in den syntaktischen Gliedern, und diese Urteile syntaktisch geformt, und zudem das syntaktisch verknüpfende Einheitsurteil, finden wir im hypothetischen Zusammenhang nur ein Urteil, nur eine Setzung als Tatsache, nämlich das Einheitsurteil. Fragen wir nach den Richtungen-auf in dem hypothetischen Urteil, so gehen sie nicht auf die gedachten Sachverhalte schlechthin, sondern auf V orausset z ung und F ol ge. Nicht die bloßen Gedanken treten in den hypothetischen Sachverhalt ein, sondern der eine Gedanke in der Form „Voraussetzung“, der andere in der Form „Folge“. Und indem das Sachverhaltsganze als Tatsache gesetzt ist, geht ein Strahl der Tatsachensetzung auf 1
„phansisch“ später verändert in „phansisch-noetisch“. – Anm. des Hrsg.
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die Voraussetzung (die Voraussetzung ist als Bestandstück einer Tatsache selbst als Tatsache charakterisiert) und der andere Strahl ebenso auf die Folge. Das Gedachte, der Sachverhalt der Voraussetzung ist nicht als Tatsache charakterisiert, aber die aus dem Gedanken geformte Voraussetzung. Parallel damit werden wir offenbar im kausalen Urteil sagen müssen: Der Sachverhalt des kausalen Vordersatzes hat den Charakter der1 Tatsache. Aber nicht bloß das. Das aus der Tatsache Geformte, der Grund, die Grundtatsache, hat als Grund auch den Charakter der Tatsache. Und ebenso bei der Folge. Vielleicht findet man hier eine Schwierigkeit: Wie sollten bei demselben syntaktischen Glied zwei „Urteilsqualitäten“, zwei Tatsachensetzungen vorkommen? Man wird auf den Parallelfall des kategorischen Urteils hinweisen können, wo der in der Subjektsyntax stehende Gegenstand gesetzt ist: eine Seinssetzung, die nicht Subjektform erfordert, wie denn der Gegenstand schon im schlichten Wahrnehmen als seiend dastehen mag, und auch in der geänderten syntaktischen Form des „in Bezug auf“ gesetzt sein könnte. Andererseits ist hier auch die Form gesetzt (und mit in der Richtung-auf). Im kategorischen Urteil ist das Subjekt gesetzt. Beide Setzungen durchdringen sich. Die Einheit der Urteilssetzung als Gesamturteilssetzung besteht gerade darin, dass sie die syntaktischen Formen in ihrer syntaktischen Einheit durchseelt. Die Subjektform formt aber das schon als seiend2 Gesetzte. Man möchte hier sogleich nach dem Analogon des hypothetischen Urteils fragen und sie in Folgendem finden: Wenn ich frei phantasiere einen Araber, Lanzen schwingend, so ist der Phantasiegegenstand nicht gesetzt, und nun „sehe“ ich doch, dass er die Lanze schwingt, und „glaube“ das auch und prädiziere es evtl.3 Ich vollziehe eine prädikative Synthese, setze aber den Araber und seine Eigenschaften und Beschaffenheiten nicht als Wirklichkeiten, sondern als bloße Gedanken.4 Das hindert nicht, dass ich das Subjekt (den als Subjekt geformten, gedachten Gegenstand) und das Prädikat, und zwar in der prädikativen Synthese, die ich „wirklich vollziehe“, als „wahr“ setze; und ebenso sonst, wenn wir in einem gedachten Gegenstand etwas finden, in Bezug auf Gedachtes als solches prädikative Fassung und Synthese vollziehen. Freilich fehlt es an einer eigenen Ausdrucksform für solche bloß gedankenmäßigen kategorischen Urteile. Wir sagen etwa: In der Phantasie, die ich 1
Spätere Einfügung: „schlichten“. – Anm. des Hrsg. Spätere Einfügung: „schlechthin“. – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Randbemerkung: „Cf. 339 S. 294,38–295,30“. – Anm. des Hrsg. 4 Vgl. auch das S. 18 = S. 295 Erwähnte: Es kann eine Thesis zugrunde liegen, und das prädikative Ganze ist ein bloßer Gedanke. Ich setze an „Dieses Papier ist grün“. Dann ist dieses Papier in Seinsweise gesetzt, aber nicht in der syntaktischen Form des Subjekts von Grün. 2
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eben habe, erscheint ein Araber, dieser Araber schwingt die Lanze etc. Hier tritt der normale Ausdruck des Urteils auf, und die indirekte Beschreibung mit ihrer Beziehung auf die Situation etc. sagt mir, dass es kein durchaus thetisches Urteil ist hinsichtlich seiner Unterlagen. 5 Im Gedankenurteil oder Urteil unter Gedanken (es fehlt ein besonderes Wort, zur Not könnte man gegenüberstellen: Sachurteil und Gedankenurteil) geht die Wahrsetzung des Urteils auf den durch die syntaktische Form geformten Gedanken. Das Subjekt ist als Subjekt gesetzt, das Prädikat als Prädikat, aber nicht als wahrhaft Seiendes hinsichtlich seines Kernes. Die 10 Synthesis hat ihre Wahrheit, aber die Wahrsetzung ruht nicht auf Thesen. So besteht also in der Tat genaue Analogie zwischen kausalen und hypothetischen Urteilen auf der einen Seite und kategorischen Sachverhalten und kategorischen Gedankenurteilen auf der anderen. Wir könnten auch bei den ersteren sprechen von hypothetischen (= kausalen) Sachverhalten und 15 hypothetischen Gedankenurteilen.
Beilage XXIX Die Zweideutigkeit des Ausdrucks „Gegenstand im Wie“1 Ich habe die Wahrnehmung dieses Hauses gegenüber: Dieses Haus steht 20 als selbst gegenwärtig Seiendes mir vor Augen, es ist da. Und es steht da
in einem Dingraum, in einer dinglichen Umgebung, in einer bestimmten Stellung zu mir, der ich da auf dem Sessel sitze etc. Ich kann nun eine Ideation vollziehen, und nun wird die Idee „dieses selben“ Hauses, in dieser selben Umgebung, in dieser selben Beziehung zu 25 mir, zu meinem Gegenstand, sie wird zum Gemeinten der Ideation.2 Der Gesamtbestand an Existentialsetzung als individueller Daseinssetzung „fällt jetzt heraus“. Würde ich all das phantasieren und in bloßer Einbildung bewusst haben, ohne das Geringste, auch nicht mein Phantasiedasein, mit einer setzenden Identifikation (durch die ich den phantasierten mit dem 30 aktuell Ichseienden identifizierte) zu versehen, so könnte ich dieselbe Idee gewinnen.3 1
Wohl Ende 1911. – Spätere Randbemerkung: „Gut“. – Anm. des Hrsg. Spätere Randbemerkung: „Ideen großer Allgemeinheit, die zu dieser selben Einstellung gehören, sind die Ideen ‚Haus überhaupt‘, ‚Ding überhaupt‘ und dgl.“ – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Randbemerkung: „Also, ich setze das Ganze in Anführungszeichen.“ – Anm. des Hrsg. 2
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Diese Idee ist in ihrer gebenden Ideation ein Gemeintes, aber nicht ein adäquat Gegebenes. Sie enthält, oder vielmehr ihre Gegebenheitsweise, Komponenten der Unbestimmtheit, die nie in Bestimmtheitskomponenten zu verwandeln sind.1 Das gesehene Haus ist ein bestimmtes. Es ist existential gesetzt, und obschon es partiell unbestimmt gesetzt ist, so ist es – so sind wir alle überzeugt – im Zusammenhang der Erfahrung bestimmbar. Das vollbestimmte Haus ist eine Idee in K ant’schem Sinn, nicht aber in meinem Sinn.2 Ein Phantasieding, z. B. ein Zentaur, der auf einer Wiese springt, ist ebenfalls nur partiell bestimmt (in der Phantasiebeurteilung kann ich über das Phantasieerscheinende prädizieren), aber die Quasisetzung der Phantasie ist auf unendlich viele Weisen durch Fortführung der Einheit erhaltenden Phantasie quasibestimmbar und auf gegensätzliche Weise bestimmbar. In sich ist der Phantasiezentaur, soweit er nicht in der Phantasie bestimmt phantasiert ist, unbestimmt und nicht bestimmbar. Wie ich die Phantasie weiter fortspinnen will, das ist Sache meiner Willkür.3 Die Idee dieses Zentauren ist die Idee des Gemeinten, der „Inhalt“ der Meinung, abgesehen davon, ob sie Existentialmeinung ist oder nicht. Sie ist das identisch zu Entnehmende aus einer setzenden Meinung oder einer nichtsetzenden, aus einer vollen und leeren. Denn ich könnte auch in leerer Weise dasselbe „idealerweise“ meinen, und es hätte dann denselben Inhalt.4 Dasselbe gilt von einem Sachverhalt. Ich nehme einen Sachverhalt „wahr“ oder ich phantasiere ihn, evtl. „stelle ich ihn leer vor“. Ich kann die Idee dieses Sachverhalts, so wie er da gemeint ist, bilden. Da haben wir einen bestimmten Begriff von „Gegenstand“, so wie er
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Sie ist gegeben, aber nur durch eine „Erscheinung“ gegeben. Aber Erscheinungsreihen sind nicht eindeutig vorgezeichnet, welche das Unbestimmte in Bestimmtheit eindeutig verwandeln könnten. Das ist das Charakteristische der Ideen von einem Individuum bzw. oder vielmehr des gebenden Bewusstseins, in dem das Wesen von einem Individuum anschaulich gegeben ist. 2 „nicht aber in meinem Sinn“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. 3 Randbemerkung später gestrichen: „Die ‚Idee‘ eines empirischen Gegenstands ist ein im Unendlichen Liegendes, ein nie Gegebenes. Dagegen ist etwas anderes die Idee des ‚Zentaur-Gemeinten der Wahrnehmung oder Fiktion‘, die ich habe. Die Idee der Vorstellungs-(Erscheinungs-)Einheit als Einheit des Bestimmungsgehalts, mit dem sie erscheint, das ist das Gemeinte als solches.“ – Anm. des Hrsg. 4 Randbemerkung später gestrichen: „‚Gegeben‘ ist aber die Idee nur aufgrund der Anschauung. Denn würde die leere Vorstellung Unstimmiges enthalten, was bei Denkvorstellungen wenigstens möglich ist, dann wäre das Gemeinte zwar gemeint, aber es ‚existierte‘ die Idee nicht. Aber müssen wir nicht sagen: Gemeint ist immer etwas, aber das Gemeinte kann ein Einstimmiges, ein ‚Mögliches‘ sein oder ein Unstimmiges, ein Unmögliches, Widersinniges. Aber dann ist die Idee eine andere, nicht die des gemeinten Zentauren, sondern die der Gemeintheit als solcher.“ – Anm. des Hrsg.
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gemeint ist, „Sachverhalt“, so wie er gemeint ist, und zwar von der Idee des Gemeinten als solchen.1 Bleiben wir bei der schlichten Anschauung und bei ihrem Gegenstand (bzw. der schlichten Vorstellung) stehen. Aufgrund derselben, in ihr lebend, kann ich sagen „dieser vollbärtige Zentaur“, „dieser springende Zentaur“, „dieser Zentaur, der einen scheckigen Leib hat“ usw. Bei dieser verschiedenen „kategorialen Fassung“ ist das Gemeinte dasselbe, nämlich der Gemeintheitsgegenstand (seiner Idee nach) derselbe. Aber er ist in verschiedener Weise aufgefasst und in verschiedener Denkweise gedacht. Also haben wir einen Unterschied zwischen „Gegenstand schlechthin“ und „Gegenstand im Wie“, im Wie der denkmäßigen Auffassung, wieder in der idealen Sphäre, in der Sphäre der Gemeintheiten. Also nicht der Gegenstand schlechthin, ohne Anführungszeichen, sondern die Schlechthin-Gemeintheit und der „Gegenstand als welcher“, als Bedeutung, als „Gemeintes als solches“. Und der Ausdruck „Gegenstand im Wie“ wird zweideutig. Der Gegenstand ist immer „in einem Wie gegeben“ und vorgestellt, und in der Ideation wird der Gegenstand als Idee immer im Sinn gerade dieser und nur dieser Vorstellung genommen:2 Von der der Ideation zugrunde liegenden Vorstellung (aus der Mannigfaltigkeit der Vorstellungen, die evtl. zu demselben existierenden Gegenstand gehören würde) hängt der Inhalt des „Vorgestellten als solchen“3 ab (Idee des Gegenstands schlechthin, z. B. des Vorgestellten der schlichten Vorstellung). Andererseits, „Gegenstand im Wie“ kann auch ein wenig passender Ausdruck dafür sein, dass ich den Inhalt des Gegenstands in verschiedener Weise „gliedere“, dass ich Teile an ihm herausheben, den Gegenstand als Ganzes dieser Teile oder als den einzelnen Teil habend auffassen kann oder ihn auch auffassen kann in Beziehung zu einem anderen Gegenstand, dass ich hierbei auch Denkfassungen haben, Momente unter der Idee der Artung solcher Momente auffassen und in der Denkweise die Eigenschaft fassen kann usw. Hierbei ist der Gegenstand immerfort gemeint, aber es ist auch anderes gemeint. Es ist der oder jener Teil, es ist der oder jener Beziehungspunkt, 1
„als solchen“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. Ist damit nicht gesagt, dass die Einstellung bei dieser Ideation schon eine eigentümliche ist, nicht die natürliche ist, in der wir von der Wahrnehmung zu inhaltlich anderer Wahrnehmung fortschreitend Selbigkeitsbewusstsein haben und denselben Gegenstand vor Augen, sondern die Einstellung auf das Vorgestellte, so wie es in dieser Vorstellung eben vorgestellt ist, ohne dass wir aber eine Reflexion auf das Vorstellungsphänomen vollziehen? 3 „als solchen“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. 2
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es ist das Beschaffensein gemeint usw., aber so, dass es von dem Ganzen der Meinung heißt, dass sie den Gegenstand meint, und dass alle Meinungskomponenten sonst in dienender Funktion stehen, nämlich dazu dienen, den Gegenstand als diese Teile habenden, als diese Beschaffenheiten oder Relationen habenden usw. zu meinen. Es scheidet sich nun der „Gegenstand“ (die Gegenstandsidee), der derselbe Gegenstand, dasselbe Gemeinte ist in solchen verschiedenen Fassungsweisen und Beziehungsweisen, und der Gegenstand als in dieser Weise gefasster, in dieser Weise in Denkform gedachter usw.1 Jedem wechselnden Meinen, das einmal vorstellt „diesen Zentauren“, das andere Mal „diesen Zentauren, der einen Vollbart hat“, diesen, „der einen scheckigen Pferdeleib hat“ usw., entspricht dasselbe Gemeinte in dem Sinn, dass all diese Meinungsphänomene in der Einheit einer Identifizierung stehen (einer eigentlich vollzogenen): derselbe Gegenstand in der Idee. Andererseits hat jedes solche Meinen einen verschiedenen Bedeutungsinhalt, eine verschiedene Bedeutung, nämlich ein verschiedenes Gemeintes, eine verschiedene „Meinung“ als Korrelat des Meinens, die das Gegenständliche als so und so Gedachtes, so und so als Subjekt dieser inneren und äußeren Prädikate Seiendes und Begriffenes ist. Das sind verschiedene Gegenständlichkeiten, sofern verschiedene Erfassungen und Einstellungen dazu gehören, diese Gegenständlichkeiten zu erfassen. Den Gegenstand schlechthin denkend und setzend, bin ich nicht dem Gegenstand in der Denkfassung selbst, als Gegenstand, zugewandt; und aussagend, prädizierend bin ich nicht der Wahrheit, dem Ausgesagten, so wie es da begrifflich als Einheit und als Wahrheit dasteht, als Gegenstand zugewandt. Es bedarf einer „Bedeutungsreflexion“. Es ist ebenso, wie ich, wenn ich einen Gegenstand wahrnehme, nicht der Wahrnehmungserscheinung im ontischen Sinn zugewandt bin. (Nämlich, im Phänomen der Wahrnehmungserscheinung erscheint der Gegenstand von einer bestimmten Seite, als die so und so zu bestimmende, in anderer Richtung noch unbestimmte etc.) Ich bin aber dem Gegenstand schlechthin zugewandt. Nämlich, in dem Übergang zu neuen Erscheinungen identifiziere ich ihn als den einen und selben, unerachtet der immer neuen Seiten, in denen er zur bestimmten Erscheinung kommt. Ebenso identifiziere ich den gedachten und begrifflich prädikativ bestimmten Gegenstand, unerachtet er sich in immer neuen prädikativen Bestimmungen darbietet.
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Spätere Randbemerkung: „Das setzt sich durch alle Gegenstandsarten durch.“ – Anm. des Hrsg.
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Wir haben aber zu unterscheiden: In der Wahrnehmung steht der Gegenstand als seiend da und steht jede seiner Erscheinungen als Seinserscheinung da. Im aktuellen Urteil und in der aktuellen nominalen Setzung und prädikativen Zumessung oder Absprechung steht der Sachverhalt und sein Gegenstand-worüber als seiend da, und ebenso steht jede nominale „Bedeutung“ als „wahre“ und so der ganze Satz als Wahrheit, als Wahrheitseiend da. In der Ideation entspricht dem 1) die Gegenstandsidee und 2) die Bedeutung als Idee (bzw. die Erscheinung als Idee). Urteile ich wirklich „Gold ist gelb“, so ergibt die Reflexion „Gold ist gelb“ als das urteilsmäßig Vermeinte oder das Urteil im ontischen Sinn. Urteile ich nicht wirklich, so kann ich die Idee dieses Urteils bilden, d. i. die zu der Idee des Urteilens korrelative Idee des Geurteilten als solchen. Nun ist aber erst recht vor einer Schwierigkeit und Verwechslung zu warnen. In der1 Wahrnehmung steht ein seiender Gegenstand da: Er erscheint eben, und zwar in einer Seinserscheinung. Der Gegenstand braucht aber „in Wahrheit nicht zu sein“, es kann ein „Trugobjekt“ sein. Im Urteil steht ein Sachverhalt, ein so und so begriffener, als bestehender, als Wahrheit da. Die Reflexion lässt das Ausgesagte als „wie es ausgesagt ist“, als Wahres, als Wahrheit erscheinen. Aber mein Urteil braucht nicht wahr zu sein. In Wahrheit ist das als wahr Dastehende gar nicht wahr. Korrekt dürfen wir nicht sagen:2 „Der Gegenstand steht als seiend da“, sondern „Der Gegenstand ist wahrgenommen“. Es erscheint ein Gegenstand im Setzungscharakter: Gegeben ist Gesetztes als solches. Nicht der Sachverhalt steht (im wirklichen Sinn) als bestehend da, sondern es erscheint ein Bestand; in der Reflexion: Es erscheint ein Satz im aktuellen Sinn, ein prädikativ Gesetztes als solches. Aber das erscheint nicht, das ist gegeben. Es erscheint der Sachverhalt. Gegeben ist das als Sachverhalt Gesetzte als solches. Wirklich3 (zweifellos) gegeben ist dabei das Erscheinende als solches, das Geurteilte als solches. Die Urteilsidee ist Idee von Urteilen; und so wie jede adäquate Ideation adäquate Gegebenheit von Einzelnem voraussetzt, so die Urteilsideation. Wir gehen von der natürlichen Einstellung und Urteilsweise und der in ihr etwa vollzogenen Ideation, in der wir z. B. das Wesen des Gegenstands oder im Allgemeinen zugehörige Wesens-, Gattungsideen wie „Mensch überhaupt“ etc. erfassen, über zur reflektiven Einstellung, in der wir adäquat gegeben
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Von hier bis zum Schluss des Absatzes später gestrichen. – Anm. des Hrsg. „Korrekt dürfen wir nicht sagen“ verändert in „Sollen wir nur sagen, was absolut wahr ist“. – Anm. des Hrsg. 3 „Wirklich“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. 2
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haben die Gegenstandserscheinung bzw. den Gegenstandssinn und die darauf bezüglichen Ideen. Und offenbar1 müssen wir sagen: Dieses Was hat wesentliche Beziehung zu möglicher Wahrnehmung insofern, als es „Anteil“ an Realität2 nur haben kann als immanenter Sinn irgendeiner realen Wahrnehmung. Es hat Anteil an Realität, ist aber nicht selbst Realität. Das sagt offenbar: Ein Vermeintes ist nicht seiend, wie ein Ding seiend ist, wie ein psychisches Phänomen seiend ist, wie eine Wahrnehmung seiend ist. Die Wahrnehmung ist ein Wahrnehmbares, die Erfahrung ist ein Erfahrbares und nicht nur das Ding, der Vorgang und dgl., der darin wahrgenommen, erfahren ist (oder evtl. wieder das psychische Phänomen). Dagegen: Der Sinn der Wahrnehmung, das Wahrnehmungsvermeinte, das Erfahrungsvermeinte ist kein Erfahrbares. Alles Erfahrbare ist ein zeitlich Seiendes. Also das Vermeinte als solches ist kein zeitlich Seiendes. Es hat nur κατ συμβεβηκς zeitliches Sein, nämlich insofern eine Wahrnehmung eine Erfahrung ist, von der man mit Recht sagen kann und muss, sie sei Wahrnehmung von dem und dem und habe somit ein Vermeintes. Und so hat das Vermeinte κατ συμβεβηκς Realität3 und doch im eigentlichen Sinn gar keine Realität: Ihre Realität besagt nur, dass ein Vermeinen real sei, das sie zum Vermeinten habe. Ist somit das erfassende und dabei seinssetzende Bewusstsein, in dem aufgrund eines Erfahrens oder Quasierfahrens, unter Änderung der Einstellung,4 das Vermeinte desselben zum Gegenstand gemacht und gesetzt wird, nicht selbst ein Erfahren, so ist es also vor allem nicht ein Wahrnehmen: Die wahrnehmende Reflexion auf das erfahrende Erlebnis ist nicht zu verwechseln mit der „ideierenden“ Reflexion auf das Vermeinte. Und diese Ideation ist natürlich nicht zu verwechseln mit derjenigen, die aus dem wahrgenommenen „Erlebnis“ irgendein „abstraktes“ Moment so entnimmt, wie aus dem wahrgenommenen oder sonstwie erfahrungsmäßig bewussten „Ding“ durch Abstraktion die Farbe „herausgehoben“, abstrahiert wird etc. Die Anführungszeichen, die ich soeben verwendet habe, sind nicht zu übersehen. Im Übrigen ist es eben Ideation. Was wir „Ideation“ nennen, ist überhaupt ein Bewusstsein, das eine ebensolche „Reflexion“, eine solche „geänderte Einstellung“ fordert gegenüber einem erfahrenden oder sonstigen Bewusstsein wie diejenige, die wir soeben besprochen haben.5 Die Idee 1 Spätere Randbemerkung: „Nota bene.“, dazu abwärts gerichteter Pfeil. – Anm. des Hrsg. 2 Über „Realität“ spätere Ergänzung: „Individualität“. – Anm. des Hrsg. 3 „Realität“ später verändert in „Individualität“. – Anm. des Hrsg. 4 Änderung der Einstellung: Das besagt hier einen neuen Akt eben aufgrund des sich modifizierenden alten, einen Akt der Reflexion. 5 Spätere Randbemerkung: „Ideation nicht Allgemeinheitsbewusstsein und gleich
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Rot erfasse ich aufgrund eines beliebigen Anschauens von Rot.1 Was ist es nun, das den Unterschied macht zwischen dem Roterfahren, wie wenn ich in wahrnehmender Einzelanalyse eines Gegenstands das Moment Rot erfahrend erfasse oder in der Quasierfahrung, und dem Rotphantasieren, dem Rotabbilden, wie wenn ich in phantasiemäßiger Einzelanalyse eines phantasierten Gegenstands oder eines Bildobjekts (einer Wahrnehmungsbildlichkeit oder Erinnerungs- oder Phantasiebildlichkeit) das Rot in Quasiexplikation heraushebe, – was ist es, was, wiederhole ich, den Unterschied von dergleichen ausmacht gegenüber dem Erfassen des „reinen“ Inhalts Rot, der Idee Rot?2 Ideierend vollziehen wir kein Überhaupt-Bewusstsein, kein Allgemeintheitsbewusstsein. Vielmehr vollziehen wir die Reflexion auf das Vermeinte als solches, das eben genau dasselbe ist, ob wir wahrnehmen oder einbilden. Und dieses Vermeinte wird in der Sinnesreflexion gegenständlich (selbst wieder vorstellig) und gesetzt als Seiendes und wird nicht etwa gesetzt als Identisches der Erfahrung und Quasierfahrung, sondern einfach erfasst und gesetzt in der Blickwendung, die das Vermeinte liefert. Gleichwohl dürfen wir nicht jede Ideation auf diese oder3 eine derartige wie die Rotideation reduzieren, auf die Abstraktion einer „unselbständigen“ Idee, eines „ideal gewendeten Moments“ aus dem Erscheinenden einer konkreten Anschauung (aus einer konkreten anschaulichen Vermeintheit). Überhaupt wird die ganze Frage nun die sein: die Vermeintheiten zu scheiden.
Einklammerung.“ – Anm. des Hrsg. 1 Spätere Randbemerkung: „Idee ist ja überall die Essenz ‚abgesehen‘ von der Existenz.“ – Anm. des Hrsg. 2 Spätere Randbemerkung: „Zu beachten ist, dass jede Ideation einerseits eine Erfassung, Setzung ist, andererseits dass jede Ideation ein Nichtmitmachen einer Setzung, einer Stellungnahme oder irgendeiner sonstigen gleichstehenden wie immer modifizierten Setzung in Intentionen (Akt in besonderem Sinn) voraussetzt, also eine eigenartige Modifikation, Einstellungsänderung voraussetzt, die nicht ausdrücklich sein muss. Diese Modifikation ist von den Phantasiemodifikationen scharf zu unterscheiden. Infolge dieser Modifikation werden die Seinscharaktere der Aktkorrelate, überhaupt die positionalen Charaktere, zu bloß noematischen Momenten.“ – Anm. des Hrsg. 3 „diese oder“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg.
C. WESENS-, BEDEUTUNGSUND DASEINSURTEILE
Nr. 15 Die S tarrheit d er idealen Bedeutungen. Essenz und Existenz1 1) Mathematische Bedeutungen: Bedeutungen, die sich in der rein idealen Sphäre halten, die Ideen als Gegenstände haben oder in reiner Allgemeinheit in partikulärer oder universeller Weise über singuläre Gegenstände als solche urteilen, ohne dass irgendeine thetische Existentialsetzung einträte, welche eine Beziehung zum empirischen raumzeitlichen Dasein herstellte, zu irgendeinem matter of fact im weitesten Sinn. 2) Daseinsbedeutungen: Realbedeutungen, die eine Setzung von individuellem Dasein implizieren. Wir haben ferner Rücksicht zu nehmen auf den Unterschied zwischen aktuell setzendem Bedeuten und dem modifizierten, dem inaktuellen Sichdenken. Zum Beispiel: Eine Aussage „S ist P“ wird „gemacht“, „vollzogen“, und dann haben wir das Bewusstsein des „So ist es!“, des „S ist P!“. Die Bedeutung ist das Urteil in dem Sinn des gefällten Urteils (nicht des Urteilsfällens), und das gefällte Urteil ist dasselbe, wer immer es fällen mag. Wir können die Idee bilden „Urteil“. Von mehreren Fällungen hat eine jede bewusst „S ist P!“, und in Reflexion auf diese Fällungen und andererseits in Hinblick auf das in jeder gefällte Urteil sagen wir „dasselbe Urteil“. Zum Beispiel „a + b = b + a!“. Dabei ist das Urteilsphänomen, das bewusstseinsmäßig so und so sich aufbauende, in der phänomenologisch immanenten Zeitlichkeit so und so eine Zeitgestalt ausfüllende, sich durch sie hindurch erstreckende, ein verschiedenes. Dieses verschiedene Phänomen nenne ich den konkreten Urteilsakt, das konkrete Urteilserlebnis. Seinem allgemeinen Charakter nach ist es urteilen1
Wohl 1908. – Anm. des Hrsg.
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des Meinen (und nicht etwa Wollen oder Fühlen). Es sind an ihm mehrere Momente zu unterscheiden. Wir nehmen es, wenn wir von Urteil als Phänomen sprechen, aber als Ganzes. Und wenn wir von der Aussage und ihrem Bedeuten sprechen, so ist das Phänomen des Bedeutens wiederum das konkrete Phänomen, das der Aussage Bedeutung gibt, und das ist eben ein Urteil in concreto, wenn die Aussage eine prädizierende Aussage ist, die etwas von etwas aussagt. Ob jeder aktuelle Ausdruck urteilend ist, wie der Begriff des Urteils zu dem des Bedeutens orientiert werden kann und muss, das lassen wir hier noch unerörtert. Gehen wir nun von den Urteilsphänomen aus, so finden wir, dass mehrere und in ihrer Konkretion verschiedene Phänomene vermöge ihres konkreten Wesens ein Gemeinsames entnehmen lassen, nämlich eben dieses, dass sie „dasselbe urteilen“; wir können dasselbe Urteil aus ihnen entnehmen. Das ist eine Einheit, die wir entnehmen, nicht ein spezifisches Moment der verschiedenen Urteilserlebnisse. Da liegen freilich große Versuchungen. Darüber Ausarbeitungen.1 Die Einheit, die korrelativ ist zum Phänomen (Phänomene treten in Identitätseinheit: Einheit des Identitätsphänomens; das Identische ist nicht das Identitätsphänomen und nicht Teil der einzelnen Phänomene). Das Urteil ist wahr, wenn es zur Sache stimmt. Man könnte sagen: Das heißt, wenn es das entsprechende intuitive Urteil „gibt“, in dem der Sachverhalt genau so, wie er bedeutet und urteilsmäßig gesetzt ist, auch gegeben ist. „Das intuitive Urteil gibt es“, das heißt nicht „Einen individuellen Akt gibt es“, sondern „Einen Akt in specie, ein Wesen gibt es“. Also die Aussage ist wahr, wenn ihr Urteilswesen (als bedeutungsmäßiges Wesen, wie es schon im symbolischen Urteil vorliegt) zur Sache stimmt, d. h. übereinstimmt, identisch sich einordnet in das adäquate intuitive Urteilswesen, das wir nennen „Gegebenheit des Sachverhalts“. Der Satz, nicht die Aussage ist wahr; und er ist wahr, wenn er zur gegebenen Sache stimmt, d. h. wenn er Bedeutungsgehalt des intuitiven adäquaten Urteilswesens ist. Indessen überlegen wir: Haben wir Sätze, die in Wesen gründen, Wesenssätze, so ist die Wahrheit durch die Bedeutung allein be1
Welche „Ausarbeitungen" Husserl hier meint, ist unklar. – Anm. des Hrsg.
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stimmt. Das heißt: Die intuitive Vorstellung des Wesensverhalts, voll realisiert, welche den Satz als Bedeutung enthält, ist gleichwertig mit dem intuitiven adäquaten Urteil des Wesensverhalts; die Möglichkeit der Vorstellung und die Möglichkeit des Urteils sind wesensgesetzlich einig. Ist der Satz überhaupt „möglich“, so ist der Satz auch gültig. Betrachten wir nun aber Tatsachensätze, so ist mit der Möglichkeit die Wahrheit nicht gegeben. Und hier scheint eine Schwierigkeit vorhanden zu sein. Die Möglichkeit des Urteils, was ist das? Nehmen wir das Beispiel „Heute ist trübes Wetter“. Das Urteilswesen, selbst das intuitive, fasst nicht die aktuelle Existenzsetzung in sich, die hier mit der Möglichkeit noch nicht gegeben ist. Überall ist in der bloßen Essenz die haeccitas des Gegenstands als seine individuelle Existenz nicht gegeben. Die essentia gibt nie und nirgends die existentia. Die Essenz ist zwar ein Seiendes, aber ein seiendes Wesen, evtl. ein seiendes individuelles Wesen, aber niemals die Existenz des individuellen Realen, das dieses Wesen hat. Die Existenz des hic et nunc ist gegeben nur in der Wahrnehmung, aber aus dem Wesen der Wahrnehmung von dem und dem individuellen, hic et nunc Seienden, kann niemals die Existenz dieses hic et nunc abgelesen werden, sondern nur dessen Möglichkeit. Ein individuelles Wesensurteil ist niemals, selbst wenn es adäquat ist, ein individuelles Existentialurteil. Zum Wesen von individueller Essenz überhaupt gehört es, dass sie nie und nirgends wirklich Existenz einschließt. Aktuell gegeben ist das Sein der Essenz in der „Wahrnehmung der Essenz“, in der reinen Intuition des Wesens, und dieses Sein ist ein ewiges Sein, ob es sich dabei um eine konkrete und individuelle Essenz oder um eine generelle handelt. Also die Geltung einer Wesensaussage ist ewige Geltung, d. h., es ist eine Aussage, die keine Gültigkeit für die reale Zeit, die Zeit der existierenden Wirklichkeit und für ein existentiales Sein in ihr beansprucht und beanspruchen kann. Die Wesensaussagen verwandeln sich in eigentliche Existential(Daseins-)Aussagen durch Existentialsetzungen, und diese finden – das gehört zu ihrem Wesen – ihre berechtigende Erfüllung nur in Existentialwahrnehmungen (Wahrnehmungen im engeren Sinn). Ihre Wahrheit, als ideale Möglichkeit ihrer Erfüllung, ist offenbar eine ganz andere als die Möglichkeit der Erfüllung einer Wesensaussage. Letztere ist verbürgt durch eine Wesensschauung als ewige Wahrheit und ist in mannigfaltigen und beliebigen Wesensanschauungen als
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dieselbe absolute Gültigkeit zu verbürgen. Die empirische Wahrheit aber, die Daseinswahrheit, bezieht sich auf die Form aller realen Existenz, auf die objektive Zeit, und ist adäquat erfüllt, wenn das zeitliche Jetzt bzw. Dies in der Wahrnehmung (bzw. adäquater Erinnerung) gegeben ist. Das ergibt eine bloße Einmaligkeit in der adäquaten Konstatierung und sonst eine empirische „Bestätigung“ im Zusammenhang der Erfahrung (Wahrnehmung, Erinnerung, empirische Urteile mit ihren „Gewichten“). Jedes empirische Urteil hat seinen Wesensbestand und seinen Existentialbestand. Nicht der Existentialbestand, sondern nur der Wesensbestand, Essentialbestand, lässt sich in die Ewigkeitssphäre erheben. Die Existenz selbst kommt dabei niemals hinein. Essenz schließt nie Existenz ein. Beziehung zur aktuellen Wahrnehmung und dem in ihr erscheinenden hic et nunc hat jedes empirische Urteil, das wir fällen. Seine Auswertung führt von Erfahrung zu Erfahrung, etwa von Erinnerung zu Erinnerung und jedenfalls schließlich zum aktuellen Jetzt und seinem aktuellen Wahrnehmungsbewusstsein. Wie steht es nun mit dem S at z als solchen?1 Derselbe Satz, ob ich glaube oder nicht glaube, als identisches Wesen, kann nichts Existentiales enthalten, kann nichts von realer oder, sagen wir besser, existentialer Zeit ausdrücken, sondern nur von Wesenszeit, Wesen von Jetzt, Wesen von Vergangen etc. Fassen wir also Satz als Wesen und rein als Wesen, so könnte Wahrheit und Falschheit des Satzes nur im Wesenssinn verstanden werden, also bei singulären Urteilen, Urteilen über singuläre Tatsachen als bloße Möglichkeit. Wie steht es aber, wenn wir von der Bedeutung des Satzes „Jetzt ist trübes Wetter“ sprechen (aller okkasionellen Sätze und aller matter of fact-Sätze überhaupt)? Natürlich können wir die Idee des Gemeinten als solchen im allgemeinen Wesenssinn derart hervorheben, dass es dabei irrelevant ist, ob wir das Jetzt wirklich anschauend setzen oder nicht. Und ebenso das Dauern. Ist aber das Jetzt, eben dieses Jetzt da und das Dauern, dieses Dauern da gemeint, wie ich es im Aussagen des Satzes wirklich meine, so liegt, sooft ich so spreche, eine Existentialsetzung zugrunde: Die Bedeutung (das Bedeutete als solches) ist 1
Über „dem Satz als solchen“ spätere Ergänzung: „dem Eidos ‚Satz‘“. – Anm. des Hrsg.
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ein Gesetztes, d. h. zu ihr gehört ein gemeintes Daseinsmoment (oder mehrere). So haben wir ja überhaupt die Möglichkeit, in die Satzbedeutungen Existentialsetzungen, aktuelle, hineinzunehmen. Sie stecken in allen Tatsachensätzen. Ich stelle mir vor, dass der Turm des Rathauses eine neue Haube hat, der des Rathauses etc. Die matter of fact-Sätze, auch wenn sie fingiert sind (Bedeutungen von Urteilsfiktionen), enthalten in ihrem Bedeutungsgehalt Daseinsmomente. Aber nicht nur das, sie werden so verstanden, dass diese Daseinsmomente wirklich gesetzte Momente sind, von dem Aussagenden wirklich vollzogen. Genauer gesprochen: In die Bedeutung selbst, sofern wir dabei bleiben, unter „Bedeutung“ ein reines Wesen zu verstehen, kann keine Existentialsetzung hineingezogen werden. In der reinen Bedeutung von matter of fact-Sätzen steckt überall „Dasein“; Untersetzungen und Daraufhinsetzungen empirischer Art liegen in der Bedeutung als ontologische Wesen und Wesensmomente. Es ist also nur gemeint, dass wir im Gewöhnlichen, solche Sätze verstehend, auch wenn wir nicht den vollen Satz als Inhalt eines wirklichen Urteils vollziehen, immer Untersetzungen aktuell vollziehen und das ergibt dann u n rein e Bedeutungen. Ich nehme etwa das Identische von dem wirklichen Urteil „Das S hier ist P“ und der bloßen Vorstellung davon, während ich die Hier-Setzung immerfort vollziehe. Das Urteil als das „Geurteilte als solches“ in der Idee enthält nichts von aktueller Setzung. Ich kann aber auch Setzung hinzunehmen. Zum Beispiel: Ich urteile „Meine Arbeit schreitet gottlob rüstig vorwärts“ und urteile wiederholt so in immer gleichem Sinn und entnehme das Geurteilte, den gesetzten Sachverhalt als solchen, aber so, dass er immerfort aktuell gesetzter für mich ist. Ähnlich verhält es sich, wenn ich nicht das Geurteilte als solches in diesem Sinn (dasselbe Urteil im ontischen Sinn) nehme, sondern eine Bedeutung, die sich auf identischen aktuellen Setzungen aufbaut. So wie sich in das bloße Vorstellen, etwa ein bloßes Phantasieren, setzende Akte in der Regel einmengen und so eine unreine Phantasie ergeben (sofern wir unter reiner Phantasie verstehen einen Akt der Phantasieanschauung, in der nichts vom Angeschauten geglaubt wird) – z. B. wenn ich mir einen Maskenzug durch die Weenderstraße1 1
Die Weenderstraße ist eine Straße im Zentrum von Göttingen. – Anm. des Hrsg.
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tanzend imaginiere –, so kann es sich auch mit dem „bloßen Denken“ verhalten. Und wenn ich dann die Bedeutung der betreffenden Ausdrücke und ganzen Sätze erwäge, so werde ich in der Regel die Untersetzungen als aktuelle festhalten und demgemäß das identisch Gemeinte nehmen, so wie es da gemeint ist: worin aktuell Gesetztes als solches verbleibt. Damit soll aber nicht gesagt sein, dass es das Wesen der Sätze über matters of fact ausmacht, dass zu ihnen aktuelle Existentialsetzungen gehören. Vielmehr, wir können dies immer ausschalten und die reinen Bedeutungen erwägen, und der Unterschied zwischen Existentialurteilen (Daseinsurteilen, matters of fact) und Essentialurteilen (Wesensurteilen) drückt sich in den reinen Bedeutungen, in den reinen Sätzen (Daseinssätzen und Wesenssätzen) aus. Wir müssen dabei innerhalb der Sphäre der Wesensurteile scheiden zwischen solchen, welche auf Wesen gehen, die nichts von der Idee der Wirklichkeit enthalten, und solchen, welche sich auf das Wesen der Wirklichkeit, des zeitlichen Daseins, des Raumes, der Zeit selbst beziehen. Wir können Wesensurteile fällen über das Wesen von Rot, über das Wesen von Begriffen, von reinen Sätzen, über das Wesen der Zahl etc. und andererseits über das Wesen von Ding, realer Eigenschaft etc., über das Wesen von Zeitlichsein. Was die Bedeutungen anlangt, so unterscheiden sich entsprechend diejenigen, welche nichts von Daseinsbedeutung enthalten (keine Bedeutungen von Okkasionellem, keine Bedeutung, die auf Zeitliches, Räumliches etc. geht), und solche, die es tun. Dabei ist bei der Erwägung der reinen Bedeutungen keine aktuelle Setzung von Raum, Zeit etc. vollzogen, und, wenn sie vollzogen ist, nicht in die Idee der Bedeutung hineingenommen. (Wir könnten die Wesen auch einteilen in Wesen von Nichtexistentialem, Nichtzeitlichem, und in Wesen von zeitlich Seiendem.) Die Wahrheit eines Satzes gründet entweder im materialen Wesen oder im existentialen Wesen, aber darin allein nur, wenn sie eben Wesenswahrheit ist. Ist sie Tatsachenwahrheit, so gründet sie nicht im Wesen allein, sondern in der Erfahrung. Essenz muss gegeben sein, um daran Existenz zu messen, um daraufhin Existenz in berechtigter Weise behaupten zu können. Und Existenz (Dasein) muss gegeben sein, d. h., es muss letztlich Wahrnehmung vollzogen sein: das letzte Maß der Wirklichkeit.
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Nota. Sagte ich nicht immer: Wesen oder Möglichkeit ist das Identische, das in adäquater Wahrnehmung und überhaupt in adäquater Anschauung gegeben ist? Aber wie kommt das Wesen eines Dinges zur Gegebenheit, muss dann gefragt werden. Einerseits scheint es, dass, nur wenn ein Ding zu voller Gegebenheit kommt, mit dem zu- 5 gleich durch Ideation das Wesen des Dinges zur Gegebenheit kommt. Andererseits: Haben wir nicht Wesenseinsichten über Dinge, ohne dass uns je Dinge zur adäquaten Gegebenheit kommen?
Nr. 16 Analytische U rteile als gegenstandslose bzw. setzungslose U rteile im Gegensatz zu essentialen und existentialen Urteilen. Ausgang von dem Problem der w ahren Aussagen über unmögliche Gegenstände. Formale und materiale E ssenz1
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Ich sage über runde Vierecke und unmögliche und sich selbst direkt widersprechende Gegenstände etwas in Wah rh eit aus. Also sind sie nicht nichts; sie sind Gegenstände, nur nichtseiende, nichtmögliche, vielmehr unmögliche Gegenstände. Wie könnte ich, wenn sie nichts sind, über sie etwas aussagen? Überlegen wir. Sage ich aus und darf ich aussagen „In Wahrheit ist ein rundes Viereck als solches rund und nicht rund“? Nein. In Wahrheit kann ich über ein rundes Viereck gar nichts aussagen. Ich darf nicht aussagen „Ein rundes Viereck ist als solches (ist überhaupt) rund“. Ein allgemeines Urteil dieses Inhalts ist keine Wahrheit. Jedes wahre allgemeine Urteil setzt das „Sein des Subjekts“ voraus: in seinem Sinn natürlich. Nur in modifiziertem Ausdruck darf ich sagen „Ein rundes Viereck wäre als solches rund“. Ich urteile ex absurdo. Was heißt das? Überlegen wir. Gesetzt, es könnte ein rundes Viereck, ein regelmäßiges Dekaeder sein, so wäre es so und so beschaffen. Gesetzt, ein rundes Viereck wäre überhaupt etwas, so wäre es rund, und es wäre viereckig. Im indirekten Beweis: Gesetzt, ein regelmäßiges Dekaeder wäre überhaupt etwas (Sein der Universalität), es „existierte“, so wäre es α und nicht-α. Etwas überhaupt, das α und nicht-α ist, kann nicht sein (dergleichen hat kein Sein der Universalität). Also ist ein rundes Viereck überhaupt nichts. (Es kann nicht sein; es ist ein universelles Nichtsein.) Jedes2 Urteil hat den Sinn, den ihm die mögliche Adäquation vorschreibt. Die Wahrheit des Urteils ist das in der Adäquation, in der „Anschauung“ (der Gegebenheit des Sachverhalts) sich Herausstellende, Konstituierende. Im Sinn des allgemeinen Urteils „Ein A überhaupt ist B“ liegt es, dass es, wenn es wahr sein soll, sich muss 1 2
Wohl 1908. – Anm. des Hrsg. Spätere Einfügung: „wahre“. – Anm. des Hrsg.
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intuitiv bewähren lassen können, und zwar muss ich „ein A überhaupt ‚sehen‘“ und in dieser Intuition, aufgrund derselben, das „B-Sein“. Und das Urteil meint eben das, was in der Evidenz gegeben ist. Also das Urteil setzt als „seiend“ das „ein A überhaupt“. Das Urteil setzt nicht die einzelne Existenz eines A, es setzt nicht, dass es ein A gebe, aber es setzt die Möglichkeit eines A, es muss sich „ein A überhaupt“ intuitiv geben lassen. Demgemäß ist es falsch, das Urteil „Ein rundes Viereck ist rund“ und das Urteil „Ein Rotes ist ein Farbiges“ dem Sinn nach gleichzustellen, bzw. in dem Sinn genommen, den sie in der beidseitigen Wahrheit haben. „Ein Rotes ist ein Farbiges“: Das ist eine Wahrheit. „Ein rundes Viereck ist rund“ ist, den Satz in gleichem Sinn genommen, zweifellos keine Wahrheit. Die Frage ist nun: Was ist der Sinn des Satzes, wenn er eine Wahrheit ist? Er hat nicht den Sinn „Zum Wesen des runden Vierecks gehört es rund zu sein“, so wie der Sinn des anderen ist „Zum Wesen des Rotseins gehört das Farbigsein“ (äquivalent: „Zum Wesen Rot gehört Farbe“).1 Auch das neue Urteil hat seine mögliche und hier in der Tat seine wirkliche Wahrheit, also seine Adäquation. Welche ist das, und wie drücken wir das Urteil, die Wahrheit dann am besten aus, so dass ihr Sinn unterscheidend hervortritt bzw. sich in Hinblick auf die Adäquation scharf und unterscheidend bestimmt? Hier liegt nun eine Schwierigkeit. Ich darf doch in Wahrheit sagen „Allgemein gilt: ‚Ein rundes Viereck als solches wäre rund‘“, „Gesetzt, dass überhaupt ein rundes Viereck wäre, so käme ihm überhaupt Rundsein zu“ (allgemein geurteilt). Wie kriege ich das zur Evidenz? Natürlich kann nicht vorausgesetzt sein die Anschauung eines runden Vierecks, sondern die Annahme. Ich nehme also an „Etwas überhaupt wäre rund und viereckig“ oder „ein Viereck, das rund ist“. Dazu genügt das uneigentliche Vorstellen. Und nun „sehe“ ich, dass darin auch liegt, dass dasselbe Etwas allgemein rund wäre. Es ist darin, in dem Komplex, „mitgedacht“. So beim tautologischen Urteil (universellen). Gehen wir einen Schritt weiter, nur so weit, dass wir urteilen „Ein rundes Viereck wäre etwas, das nicht nichtrund ist“, oder einfacher wäre „Ein Rundes ist nicht nichtrund“. Wir sehen ja, dass wir in die 1
Das sind auch nur Äquivalenzen.
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allgemein logische Sphäre hineinkommen. Bedarf es bei der allgemeinen oder formal logischen Einsicht der „Anschauung“? Und in welchem Sinn? „Ist etwas rund, so ist es nicht wahr, dass es nicht rund ist“. Ist die Einsicht da eine andere, als wenn ich urteile „Gesetzt, es wäre etwas ein rundes Viereck, so ist es nicht wahr, dass dasselbe ein Nichtrundes wäre“ (allgemein)? Offenbar nicht. Es scheint also, dass wir sagen dürfen: Die formal logischen Sätze bedürfen zu ihrer Evidentmachung nicht der Anschauung irgendeiner „Materie“. Es genügen also uneigentliche Vorstellungen, in denen die Materie symbolisiert, aber nicht angeschaut ist. Andererseits aber handelt es sich um Evidenzen. Und nicht immer sind logische Sätze mit Evidenz ausgesprochen. Selbstverständlich ist es zunächst ein Unterschied, ob ich aussage „Der Satz vom Widerspruch besteht“ oder ob ich, ihn wirklich explizit aussprechend, das Urteil schrittweise vollziehe. Aber selbst wenn ich den Satz ausspreche Schritt für Schritt und nicht bloß ihn indirekt nenne, habe ich noch den Unterschied zwischen Evidenz und Nichtevidenz. Das Urteil kann so hingeredet, im vagen Denken vollzogen sein, und es kann Schritt für Schritt in sozusagen wirklicher Ausführung sich aufbauen und einsichtig dastehen. Zum Beispiel: Wenn Gold gelb ist, so ist es nicht so, dass Gold nicht gelb ist (Gold überhaupt). Von irgendetwas, z. B. Gold überhaupt, aussagen, es sei gelb und es sei nicht gelb, das „geht nicht“, eines streitet mit dem anderen, eines hebt das andere auf, die Setzung des einen schließt die des anderen aus. Zum Wesen des „Urteils“ überhaupt gehört es, dass, wenn U1 ist, dann non-U1 nicht ist. Um das einzusehen, brauche ich das U1 („S ist P“ etc.) nicht adäquat zu haben, aber es muss eben der Urteilsgedanke wirklich da sein in dem wirklich vollzogenen Urteilszusammenhang „Wenn U1 ist, so …“. Ist überhaupt Gold gelb, so ist es nicht nichtgelb. Oder ist überhaupt ein gelbes Gold, so ist es nicht nichtgelb. Ist überhaupt ein Viereck rund, so ist es nicht nichtrund. Oder ist überhaupt ein rundes Viereck, so ist es nicht ein Nichtrundes. Hier ist keine Möglichkeit „Gold ist gelb“, „Ein Viereck ist rund“ mitgesetzt bzw. die Möglichkeit eines gelben Goldes, eines runden Vierecks. Die Evidenz des ganzen Satzes impliziert nicht die Anschauung des „Gold ist gelb“. Aber was ist da impliziert? Auch im symbolischen Denken liegt eine Art Anschauen vor? Ich vollziehe die Vorausset-
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zung „Gold ist gelb“. Ich denke mir das symbolisch (wenn ich will, auch anschaulich, aber darauf kommt es nicht an) und ich vollziehe das „gesetzt“. Tue ich das, so ist „eine Voraussetzung gegeben“. Und diese gegebene Voraussetzung als so und so geartete fundiert die Einsicht des Nachsatzes, der obschon auch symbolisch vollzogen und doch als Folge gegeben ist. Das „Gesetzt, es ist das und das“ ist gegeben, das „In Folge davon ist das und das“ ist wieder gegeben, beide aufeinander bezogen in der Einheit einer Evidenz und ihrer Gesamtgegebenheit. Dass ein Viereck rund ist, oder „ein Rundes viereckig“, das kann mir nicht gegeben werden, weder als Einzelnes (essential) noch als ein „Überhaupt“, als Möglichkeit. Aber die Voraussetzung kann mir immer gegeben werden. Ich brauche sie nur zu „vollziehen“. Das Vorausgesetzte kann ein Widersinn sein, aber die Voraussetzung ist immer etwas, nämlich als Voraussetzung. Hier bin ich an die rein grammatische Sphäre gebunden. Die Voraussetzung muss immer ein Satz sein. Ich kann sagen: Das angebliche, vermeintliche runde Viereck ist das und das. Das heißt: Gesetzt, dass so etwas wäre (dass es eine Möglichkeit wäre), dann wäre es das und das. Oder die Voraussetzung „Es wäre ein rundes Viereck etwas“ bedingte die Folgesetzung „dann wäre α, β …“. Die analytischen Wahrheiten sind also einsichtig derart, dass sie nur die voll ausgeführten rein grammatischen Gedanken enthalten müssen. Die analytischen Gesetze aber erwachsen auf dem Grund analytischer Gegebenheiten wie andere apriorische Gesetze. Von zwei kontradiktorischen Sätzen ist einer wahr und einer falsch. Da genügt die Rede von Sätzen nicht. Ich muss kontradiktorische Sätze mir selbst vor Augen halten, das Ja und Nein selbst vollziehen, um darin die analytische Gegebenheit zu besitzen. Und durch Ideation bzw. intuitiv evidente Generalisation erwächst das analytische Gesetz. Danach scheint sich zu ergeben, dass in der Tat das analytische Urteilen von einem anderen Charakter ist als das essentiale Urteilen und das universelle – nota bene, wo es sich nicht mit diesem und mit dem sachhaltigen Urteilen überhaupt vermischt. Ich kann, das Nachbarhaus ansehend, sagen „Dieses rote Haus ist rot“. Und ich kann wieder sagen „Ein rotes Haus überhaupt ist rot“. Dann haben diese Urteile in jedem Sinn Gültigkeit. Das erste hat Seinsgültigkeit und
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zugleich analytische Gültigkeit, das zweite eben Seinsgültigkeit im zweiten Sinn, als Möglichkeitsgültigkeit („Ein rotes Haus ist etwas“) und wiederum analytische Gültigkeit. Als rein analytische Gültigkeit könnte ich sagen: Zum bloßen Sinn von „dieses rote Haus“ gehört es, rot zu sein. Die Setzung „dieses rote Haus“ schließt analytisch ein das Rotsein. Ich brauche gar nicht mit dem „dies“ etwas wirklich anzusetzen, ich brauche nicht dieses rote Haus für etwas Wirkliches oder Seiendes zu nehmen. Und es braucht seine Wirklichkeit und Möglichkeit in keiner Weise zu bestehen. Ich setze es bloß in Gedanken an („vorausgesetzt, dann ist es rot“).1 Ebenso kann ich analytisch urteilen „Ein rotes Haus ist rot“. Der Ausdruck ist unpassend. Zum „bloßen Sinn“ von „ein rotes Haus“ gehört, dass das so Gedachte rot ist (als rotseiend gedacht ist). Es genügt die bloße Bedeutung, mag sie wie immer sein, wie immer vorgestellt, nur muss sie wirklich vollzogen sein und mag es wie immer mit Sein und Möglichkeit bewandt sein. „Es genügt der ‚bloße Sinn‘“ heißt also: Zur Evidenz des Urteils „genügt die bloße Bedeutung“. Nun aber urteile ich doch nicht über „Bedeutung“. Worüber urteile ich? Ich denke ein rotes Haus, und zwar in der Weise der Voraussetzung, der Assumtion, und in dieser Assumtion urteile ich. Ein rotes Haus (dergleichen gesetzt) wäre nicht nichtrot. Primär wird also über assumierte Gegenstände geurteilt, unter Assumtion oder in Assumtion.2 Ich kann aber auch die Bedeutung hineinziehen und sagen „Aufgrund der bloßen Bedeutung gilt das und das“. Ich „lege den bloßen Sinn auseinander“, das, was im bloßen Sinn „liegt“. Aber das „Liegen“ ist hier nicht im eigentlichen Sinn zu nehmen. Denn in Wahrheit urteile ich im Sinn lebend. Der Sinn geht in die Urteile, die ich fälle, selbst ein und ist nicht der Gegenstand-worüber. Zugleich ergibt sich, dass, wenn wir von Gegenständen sprechen, worüber geurteilt wird, nicht jedes Urteil solche hat, wenn darunter verstanden wird, dass das Urteil sich auf Gegenstände, also auf irgendetwas bezöge. Darin läge, dass etwas „sein“ muss, von dem 1 Mit dem Sinn ist die Voraussetzung eo ipso gegeben. Ob ich eine anschauliche oder symbolische Vorstellung des Sinnes habe, ist egal. Ein „vorausgesetzt, dass“ kann ich immer etablieren. Nur muss ich alles explizit vollziehen, was für die Folgerung relevant ist. 2 Die Assumtion aber ist völlig bestimmt durch den Sinn.
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das Urteil Gültiges aussagt. Das betrifft aber nur die Seinsurteile und Wesensurteile. Die rein analytischen Urteile aber sind weder das eine noch das andere, nota bene: wenn wir die scheinbaren Gegenstände für die wahren nehmen.1 Auch sie haben, könnte man sagen, Gegenstände. Das sind aber Voraussetzungen des und des Inhalts und Folgen des und des Inhalts. Und sie sind Wesensurteile (die analytischen Gesetze) bezüglich der Formen dieser Voraussetzungen. Ich urteile nicht über runde Vierecke, sondern über die Voraussetzung, es sei überhaupt ein „rundes Viereck“, und über das, was daraufhin zu setzen ist. Also nur für Gegenstände gibt es Wahrheiten-worüber; d. h., nur Gegenstände können Eigenschaften haben, können echte Subjekte von Prädikaten sein. Ein rundes Viereck ist nichts. Es ist kein Subjekt möglicher Wahrheiten.2 Dafür aber gibt es Wahrheiten „für“ die Voraussetzung „rundes Viereck“. Diese Voraussetzungen sind nicht etwa Unmöglichkeiten, weil ihre Gegenstände nichts sind. So wenn ich jenen Satz für runde Vierecke interpretiere als Satz für eine Voraussetzung: Die Voraussetzung „Irgendetwas ist ein rundes Viereck“ hat die Folge „Dasselbe ist nicht nichtrund“. Gegenstände zerfallen nicht in mögliche und unmögliche, seiende und nichtseiende, aber die Urteile zerfallen in solche, die einstimmig und widersinnig sind usw. Man kann urteilen und somit für einen Gegenstand halten, worüber man da urteilt. Das Urteil kann nachher als widersinnig sich herausstellen „So etwas kann es nicht geben, es ist nichts, kein Gegenstand“. Derselbe Gedanke „ein A“ stellt einmal einen Gegensand vor, das andere Mal fungiert er noch immer im Urteil, aber anders: „Etwas, das ein A ist, kann es überhaupt nicht geben“, oder gesetzt, dass etwas A wäre usw. Das Charakteristische der analytischen Urteile besteht natürlich nicht darin, dass sie hypothetisch, unter Assumtion urteilen – das kann ich auch in der Seins- und Möglichkeitssphäre:3 „Wenn was die Eigenschaften des Dreiecks hat“, „Gesetzt, es sei ein Dreieck rechtwinklig“ usw. –, sondern darin, dass sie Urteile sind, die Existenz
Siehe übernächste Seite = S. 322 f.. Wahrheiten über Gegenstände sind aber Wahrheiten, die Gegenstände setzen, sie sind kategorisch, nicht hypothetisch. 3 Gesetzt, dass es noch Mammute gäbe. 1 2
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und Möglichkeit ausschalten. Aus einer Voraussetzung „S ist P“ wird analytisch geschlossen, wenn Sein und Möglichkeit eines S und eines S, das P ist, außer Frage bleiben, soweit S und P daran durch ihren besonderen Inhalt beteiligt sind, der danach geschaut werden müsste. Worauf schaue ich da hin? Und was ist der Gegenstand, worüber ich urteile? Im Dreieck-Urteilen urteile ich über Dreiecke, obschon ich sage „die Voraussetzung“ oder „vorausgesetzt, dass“. In diesem Sinn urteile ich hier nicht über S und P. Andererseits urteile ich hier doch auch nicht über Voraussetzungen in demselben Sinn wie dort über Dreiecke. Wenigstens muss ich das nicht tun. Es scheint also, dass ich doch wieder sagen muss: An alyt isch e U rt eile sin d gewissermaßen gegenstandslose Urteile. Nämlich, rein analytische Urteile setzen kein Sein oder Nichtsein von Gegenständenworüber (abgesehen davon, dass sie Sachverhalte konstituieren).1 Vorausgesetzt, dass Gold gelb ist, ist es nicht nichtgelb.2 Ich urteile nicht über das Voraussetzen, sondern unter der Voraussetzung, nicht über das Voraussetzen in specie, sondern in der Form „vorausgesetzt, dass Gold gelb ist“. Das ist aber kein Subjekt-worüber, sondern eben der Sachverhalt, den ich dann ergänzen muss durch den Nachsatz! Ich kann hier zwar sagen „Die Voraussetzung ‚Gold ist gelb‘ hat zur Folge, dass dasselbe Gold nicht nichtgelb ist“. Aber das ist eine Mischung. Übrigens haben aber auch Existentialsätze keine Gegenstände-worüber in dem Sinn, dass gesetzte Gegenstände zugrunde liegen müssten. Wir haben also dreierlei Urteile: 1) Existentialurteile in einem gewissen engeren Sinn, die individuell Einzelnes bestimmt oder unbestimmt setzen, sei es als Existentialurteile im gewöhnlichen Sinn der Logik, aber auf Individuelles bezogen, sei es als „kategorische Urteile“, sei es als Urteile überhaupt, in denen „analytisch“ Dasein mitgesetzt ist. 2) Wesensurteile, die allgemeine Gegenstände setzen und evtl. auf dem Grund dieser Setzung urteilen, und zwar a priori, was im Wesen gründet. Die Hauptsache ist hier wieder, dass analytisch in diesen Urteilen Behauptungen über „Möglichkeit“, Setzungen 1 Randbemerkung später gestrichen: „Ja, dann würde das aber für alle frei hypothetischen Urteile gelten. Ich kann doch hypothetisch urteilen, ohne irgendetwas zu setzen.“ – Anm. des Hrsg. 2 Und wie soll ich beim runden Viereck sagen: „Ein rundes Viereck ist rund“ = „Überhaupt vorausgesetzt, dass ein rundes Viereck ist, so ist es rund“?
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von Essenzen beschlossen sind. 3) Analytische Urteile (bloße Bedeutungsurteile), die gar keine Setzung „implizieren“, es sei denn die von Bedeutungen, und nur urteilen wollen, was „in den puren Bedeutungen liegt“, d. h. hypothetisch urteilen, und zwar so, dass die Voraussetzungen ausschließlich durch den Sinn bestimmt sind und in dieser Bestimmung schon Evidenz der Gegebenheit ermöglicht ist. Die letzteren besitzen die allgemeinste Gültigkeit: Denn was sich bedeutungsmäßig nicht verträgt, das kann sich sachlich nicht vertragen. „Sachliche Zusammenhänge“ sind ja auch Bedeutungszusammenhänge (wohl verstanden). Ob die Voraussetzung intuitiv oder nicht intuitiv vollzogen ist, haben sie nur den Sinn „so gilt das und das“. Ich kann hypothetisch so urteilen, dass die Voraussetzung keinerlei Setzung impliziert. Jedes solche hypothetische Urteil entbehrt in gewissem Sinn der Gegenstände-worüber. Und unter diese Urteile fallen die analytischen Urteile, sofern sie als hypothetische interpretiert werden. Ja, schon. Aber wenn wirklich alle Setzung ausgeschaltet ist, wenn die Geltung des Urteils keine Setzung mit sich führt von Realität und Möglichkeit, es sei denn die der Bedeutungen, so haben wir eben ex definitione analytische Urteile.
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* Betrachten wir jetzt die analytischen Urteile, die in den rein logischen Kategorien „gründen“. (Kategorien sind hier die kategorialen Vorstellungsformen). Ich kann „über“ individuelle Gegenstände, über Arten und Klassen individueller Gegenstände urteilen (singulär, existential, univer- 25 sell etc.). „Über“ sie urteilen, das heißt: ihre Existenz ansetzend, ausdrücklich behauptend oder untersetzend. Urteile ich allgemein über Elektrizität, über Licht, über die Gravitation der Himmelskörper oder Gravitation überhaupt usw., so beziehe ich all diese Urteile auf die wirkliche Welt; sie urteilen „über“ sie. Die Existenzsetzung 30 der „Wirklichkeit“ liegt selbstverständlich überall dahinter, als Untersetzung mindest. Andererseits kann ich auch „über“ Essenzen urteilen, kann ich a priori urteilen über Wesen und Wesensverhalte. Jedes synthetische apriorische Urteil impliziert wieder Seinssetzungen, die Essenzen 35
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werden gesetzt. In der Evidenz werden sie geschaut und sind dabei „gegeben“. Und sie müssen es sein, wenn die Gesamteinsicht hervorgehen soll, der Sachverhalt also, der im Satz ausgesprochen ist. Sage ich „Ein Dreieck überhaupt ist α“, sage ich „Ein gleichseitiges Dreieck ist gleichwinklig“, so ist das „Sein“ (die „Möglichkeit“ im übertragenen Sinn) geset zt . Existentialsetzung und Essentialsetzung können sich mischen, und ein apriorisches Urteil kann sich sozusagen mischen mit einem „Erfahrungsurteil“ (Existentialurteil). Streiche ich die Individualsetzungen aus, so bleibt eben ein apriorisches Urteil übrig, das umgekehrt durch „Anwendung“ auf individuelle gesetzte Einzelfälle sich in ein gemischtes verwandelt. Demgegenüber sind rein analytische Urteile solche, die weder Existentialsetzungen noch Essentialsetzungen implizieren; und analytische Urteile im weiteren, unreinen Sinn solche, die vermischt sind mit solchen Setzungen, aber gültig bleiben, wenn all diese Setzungen „ausgeschaltet“ werden, sei es durch „Verallgemeinerung“, sei es dadurch, dass die Setzung nicht wirklich vollzogen und in „bloße Vorstellung“, in die „bloße Bedeutung“ übernommen wird. Zum Beispiel: Im Sinn, in der bloßen Bedeutung „a ist identisch mit b“ liegt, dass b identisch mit a ist. Sage ich „Alexander ist identisch mit Paris, also Paris identisch mit Alexander“, so sind mit den Eigennamen Setzungen vollzogen. Aber diese kommen nicht wesentlich in Betracht. Zum Sinn von „Alexander ist identisch mit Paris“ gehört … „Dieses rote Haus ist rot, ist nicht nichtrot“: Zum Sinn von „dieses rote Haus“ gehört, dass ein Gegenstand gemeint ist, als existierend gesetzt (dass er ist), dass er als rot gemeint ist etc. Nehmen wir Beispiele von rein analytischen Urteilen: „Ein rotes Haus als solches ist rot“, „Ein rundes Viereck als solches ist nicht nichtrund“, „Ist ein Haus rot, so ist es nicht nichtrot“, „Gesetzt, es ist so, dass alle Menschen Pferde und alle Pferde Dreiecke sind, so sind alle Menschen Dreiecke“, „Gesetzt, es gilt, dass ein rundes Viereck kein Pferd ist und ein Pferd ein Kalb ist, so gilt eines von beiden“, und selbst wo Setzungen, existentiale oder essentiale, mitwirken, die analytische Einsicht beruht nicht auf ihnen. „Es ist wahr, dass das Dreieck die Eigenschaft α hat, β widerstreitet mit α, also kann das Dreieck nicht die Eigenschaft β haben“. Worüber wird da geurteilt? Urteilt man über den „Sinn“, über die „Bedeutung“? Oder über die Meinung, die Vorstellung? „Ein rundes Viereck ist nicht nichtrund.“
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Zum Sinn von „ein rundes Viereck“ gehört es, rund und damit nicht nichtrund zu sein. Hier ist zu überlegen: Sage ich „Ein rundes Viereck ist rund oder ist nicht nichtrund“, so vollziehe ich keine Essentialsetzung, und die wird eigentlich durch die Redeform gefordert. Der ausgesprochene Satz darf nicht so verstanden werden wie „Ein Viereck, näher ein Quadrat, hat vier rechte Winkel“: worin über Essenzen geurteilt und Essenzen gesetzt sind. In den rein analytischen Urteilen wird nichts gesetzt. Urteilen sie nicht auch „über“ etwas?1 Also ein rundes Viereck ist nicht gesetzt. Korrelativ damit: Die Evidenz, welche die analytische Wahrheit erfasst, ist keine Evidenz, in der „ein rundes Viereck überhaupt“ „gegeben“ ist, denn ein solches kann nicht gegeben werden. Es ist eine Unmöglichkeit. Andererseits habe ich doch auch im analytischen Urteil eine Evidenz: Evidenz wovon und was setzt sie voraus und was setzt sie in Einheit? Nun, natürlich in Einheit setzt sie die Bedeutungen, die Vorstellungen „ein rundes Viereck“, die ich habe, mit derselben Bedeutung, auch wenn ich gar nichts, weder Rundes noch Viereckiges, anschaue, geschweige denn ein rundes Viereck.2 Es genügt also die uneigentliche und sogar die bloß symbolische Vorstellung. Aber was ist darin „gegeben“? Weder ein rundes Viereck noch die Essenz „rundes Viereck“. Ich sagte auf den anderen Blättern die „Voraussetzung“.3 Aber hier wird doch nicht eine Hypothese gemacht, ein Wenn vollzogen. Ich lebe im „Denken“ von „ein rundes Viereck“ und sehe nun darin: „Ein rundes Viereck müsste rund sein“, nicht „ist rund“. Gewiss also, „vorausgesetzt“ ist „ein rundes Viereck“. Aber was ist das Eigentümliche dieses „vorausgesetzt“? Ich sage doch auch „Vorausgesetzt, dass a rot ist, dann ist es auch farbig“. „Vorausgesetzt, dass a intensiver als b ist, so ist b minder intensiv als a“. (Doch kann man hier in der Steigerungsform schon Anhalt für analytische Urteile finden.) „Vorausgesetzt, dass a und b zwei verschiedene Töne sind, so ist einer der tiefere, der andere der höhere“. Da muss ich Anschauung der Töne selbst haben, der Intensität selbst usw. Nehmen wir das Beispiel: Etwas Rotes ist überhaupt ausgebreitet. Auch da denke ich mir etwas Rotes überhaupt. Ich 1 2 3
Spätere Einfügung: „Nein.“ – Anm. des Hrsg. Die Form von dieser Einheit ist die des „vorausgesetzt – so“. Siehe wohl oben, S. 319 ff. – Anm. des Hrsg.
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urteile nicht, dass dergleichen existiere (obschon es ein Existierendes wäre), sondern ich denke es bloß, ich setze es voraus. Aber ich mache keine Hypothese. Ich urteile nicht „Vorausgesetzt, dass etwas rot ist, ist es ausgebreitet“. Der Sachverhalt ist da doch ein anderer, obschon ein äquivalenter (ein logisch äquivalenter; das ist ja wieder ein Fall, der in unsere Sphäre gehört).1 Ich meine: Man wird hier eine letzte Stufe der Gegebenheit unterscheiden müssen, die ich als logische Essenz bezeichnen will (formale Essenz, Bedeutungsessenz). Die logische Essenz „ein rundes Viereck“ ist also das Gegebene im Urteil „Ein rundes Viereck ist als solches rund“; sie anschauend, finde ich die prädikative Identität mit „rund“. Natürlich hat das „ist“ nicht dieselbe Bedeutung, wie wenn ich sage „Ein Mann ist da“ und dgl. Der logischen Essenz gegenüber bezeichnen wir die andere Essenz als die sachliche, materiale. Wir stellen also formale und materiale Essenz gegenüber. Die formale Essenz ist wieder ein Korrelat der Bedeutung,2 und zwar so, dass jeder Bedeutung eine formale Essenz entspricht.3 Jeder Bedeutung entspricht eine logische Essenz, aber beide fallen nicht zusammen. Es ist nicht dasselbe, über Bedeutungen und über logische Essenzen zu urteilen.4 Inwiefern nicht? Wenn ich urteile „2 × 2 ist 4“, so ist das Spezifische des U rt eils eines, stelle ich bloß vor „2 × 2 ist 4“, so ist das Spezifische der bloßen Vorstellung ein anderes. Beide haben ein gemeinsames Wesen. Das ist das Dritte, die Bedeutung, der Satz.5 Dieses Gemeinsame dachten wir uns als ein d em Urteil und d er Vorstellung in specie „reell“ Gemeinsames. Dem gemeinsamen Bedeutungsmoment entspricht die identische Bedeutung. Andererseits: Urteilend und vorstellend m ein e ich. Das Meinen ist das Bedeuten. Aber im Bedeuten lebend, kann ich verschieden urteilen, unter anderem auch analytisch urteilen wie „Ein rundes Viereck wäre rund“, „‚Ein rundes Viereck‘ 1
Ähnlich auch beim analytischen Urteilen, da, wo es nicht selbst hypothetisch ist. Spätere Randbemerkung: „Bedeutung phanseologisch verstanden.“ – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Randbemerkung: „Hier schließt sich wohl besser p. 11 = S. 327,26–329,11 an.“ – Anm. des Hrsg. 4 Spätere Randbemerkung: „Hier ist Bedeutung phanseologisch verstanden.“ – Anm. des Hrsg. 5 Spätere Randbemerkung: „Das ist also reine Möglichkeit des betreffenden Urteils, und das Gemeinsame von Wirklichkeit und Möglichkeit ist der Sinn.“ – Anm. des Hrsg. 2
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darin läge ‚Es ist rund‘“. Dabei ist „ein rundes Viereck“ nicht bloß vorgestellt, wie wenn ich bloß die Worte verstände. Bloße Vorstellungen haben im Urteil keinen Platz, können darin nicht als Bestandteile auftreten. Es bedarf eines Setzungscharakters, sei es der Setzung im prägnanten Sinn, sei es der „Voraussetzung“, was aber nicht immer hypothetische Voraussetzung heißt (obwohl nahe Verwandtschaft besteht). Jeder bloßen Vorstellung und, wie wir sagen können, jeder Bedeutung entspricht eine logische Essenz. Nämlich durch sie ist a priori und eindeutig eine mögliche „Voraussetzung“ bestimmt. Gegeben ist mir also die logische Essenz, wenn ich bloß vorstelle, S etwa, und nun mich in ein Hinnehmen, Voraussetzen einlasse, in eine Haltung, die für die Etablierung eines Urteils, das nicht gerade auf der urteilenden Setzung (Glaubenssetzung) des S basiert und real ist. Jedes Urteil urteilt natürlich „über“ ein Seiendes. „Über“, das heißt nicht, über ein als seiend gesetztes Subjekt, also auf dem Grund einer Subjektsetzung, aber so, dass jedem Urteil ein seiender Sachverhalt entspricht („S ist P!“ = „Es besteht der Sachverhalt …“). Das Seiende nun, worüber geurteilt ist, ist.1 1) Ein individueller Sachverhalt, eine „Tatsache“: individuelle Subjekte, Existenzen. 2) Ein essentieller Sachverhalt: Wesenssubjekte: sachliche Essenzen. 3) Ein analytischer Sachverhalt: Hier sind keinerlei Subjekte gesetzt, aber man kann äquivalent immer so sprechen: Es wird über Voraussetzungen, über logische Essenzen geurteilt. Nehmen wir statt analytischer Gesetze aber besser analytische Sätze unmittelbar einsichtiger Art. Gesetzt, es gelte eines von beiden: „Morgen ist es schönes Wetter“ und „Morgen wird es regnen“, und es gilt nicht, dass morgen schönes Wetter ist, dann wird es morgen regnen. Gesetzt, es gelte eines von beiden: „π ist eine transzendente Zahl“ oder „π ist eine reelle Zahl“, und gesetzt, das Erstere gelte (sei) nicht, so muss das Letztere gelten. „Gesetzt, es sei eines von beiden“ (man muss aufpassen: Gelten und Sein werden oft promiscue gebraucht; man muss sich an den Gedanken selbst halten): Natürlich heißt das nicht „Gesetzt, es sei einer von beiden Sätzen“, sondern 1
Spätere Randbemerkung: „Schlechte Ausdrucksweise: Das ist nicht das Worüber im terminologisch festen Sinn.“ – Anm. des Hrsg.
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„von beiden Sachverhalten“. Oder es heißt „Es entspricht einem von beiden ein Sachverhalt, es sei einer von beiden richtig“. Im ersteren Fall lebe ich im Satzbewusstsein, in der Vorstellung „π ist eine transzendente Zahl“ etc. Aber ich „setze voraus“, angenommen, es sei π eine transzendente Zahl, oder angenommen, es sei einer von beiden Sachverhalten. Hier liegt zugrunde nicht die bloße Satzvorstellung, sondern die Voraussetzung. Hier habe ich kein Subjekt und Prädikat, aber Voraussetzung und Daraufhinsetzung oder Folge, beides objektiv (nicht Voraussetzen) verstanden. Wo wir nicht hypothetische, sondern allgemeine Sätze haben, wie „Ein rundes Viereck ist rund (wäre rund)“, haben wir gleichwohl Voraussetzungen: Wir haben ein assumtives allgemeines Subjekt und ein daraufhin assumiertes Prädikat. Darüber wird geurteilt? Wir können danach kategorische Urteile konstruieren. Die Voraussetzung hat die Folge: Das assumtive Subjekt hat das konsekutive Prädikat. Aber ist ein vorausgesetzter Sachverhalt nicht ein Sachverhalt, ein assumtives Subjekt nicht ein Subjekt, ein individueller oder allgemeiner Gegenstand? Es sind modifizierende Ausdrücke, wird man antworten. Ein vorausgesetzter Sachverhalt „S ist P“ ist kein Sachverhalt, sondern eine Voraussetzung des Bedeutungsgehalts „S ist P“. Ein daraufhin gesetztes Prädikat ist kein Prädikat, sondern ein daraufhin Gesetztes des „Inhalts“ α. Nun wird man aber weitergehend sagen: Eine Setzung (nicht Voraussetzung, sondern absolute Setzung) von A ist eben eine Setzung, eine Untersetzung eine Untersetzung, eine allgemeine Setzung eine allgemeine Setzung usw. Was ist darauf zu sagen? Dawider ist natürlich nichts zu sagen. Zum Wesen aller Setzungen in allen Modifikationen und schließlich zum Wesen aller möglichen Sätze, in denen Setzungen fungieren und die selbst Setzungen sind, gehören gewisse einsichtige Vorkommnisse, Gegebenheiten. Dabei sind Sätze verstanden als wirkliche Setzungen: wirkliche Urteile. Wenn wir aber das Wesen von alldem betrachten, so vollziehen wir eben Wesenssetzung. Wir setzen die Setzungen ins „Wesen“, wir machen Voraussetzungen. Wir können dann wieder diese Voraussetzungen wesentlich betrachten und die Sätze, die in diesen Voraussetzungen gründen und so in infinitum. Der Standpunkt des rein analytischen Denkens ist also der: Wir lassen alles dahingestellt, d. h., es sei ein beliebig vorgegebener Satz da, sei es, das geurteilt wird, sei es, das vorgestellt wird, das ist
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gleichgültig. Dass S P ist und dgl., sei dahingestellt. Und nun machen wir bloß die Voraussetzung, es sei S P und dgl., und fragen, was darin liegt, und zwar was darin liegt bloß als Voraussetzung, es sei S P, und ohne heranzuziehen irgendwelche existentialen Kenntnisse (die sich nur durch Wahrnehmung und Erfahrung ausweisen würden) oder irgendwelche sachlich-essentialen Kenntnisse, die sich durch Rückgang auf die Anschauung des „S ist P“ herausstellen würden. Vielmehr erwägen wir, was in der Voraussetzung, so wie sie da vollzogen ist unter Ausschluss existentialer oder sachlicher Evidenzen oder Feststellungen (die eben sämtlich in der Voraussetzung verwandelt werden), liegt. Das Objektive hier ist die Voraussetzung, dass S P ist, eines S α überhaupt usw., so wie sie schon in der bloßen Bedeutung, im bloßen Vollzug des Sinnes der Aussagen und Aussageteile zur Gegebenheit kommt.1 Im Verständnis lebend und voraussetzend, finden wir zu diesen Gegebenheiten notwendig gehörige andere Gegebenheiten, und somit urteilen wir, und zwar a priori. Diese Gegebenheiten sind die logischen Essenzen und diese Wahrheiten die logischen Wahrheiten (rein analytische Wahrheiten). Es ist dabei gleichgültig, ob wir symbolisch urteilen (nur muss die logische Form Schritt für Schritt im symbolischen Stoff zum wirklichen Vollzug kommen) oder ob wir uns die Sachen in Form von anschaulichen Vorstellungen vergegenwärtigen, wofern solches möglich ist, also die Begriffe und Sätze Möglichkeiten sind. Tritt diese evidentmachende Anschauung ein, die „Bedeutungserfüllung“, besser die Anschauung, die sich, mit der symbolischen Vorstellung hinsichtlich der Bedeutung deckend, eben das anschaulich macht, was in der Voraussetzung bloß vorausgesetzt ist, so kann nun das intuitive Wesen, die Möglichkeit, mit in Aktion treten, und es kann nun erwogen werden, was im vorausgesetzten Sachverhalt einerseits liegt, soweit er überhaupt Voraussetzung dieses „Inhalts“ ist, andererseits was darin liegt, soweit er in Setzung dieses Wesens übergeht, was also zum sachlichen Wesen als solchen gehört. Wesensgesetzlich gilt: Was rein logisch für die logische Vor-
1 Nota bene: Der bloße Sinn genügt, um eine bloße Voraussetzung zu etablieren. Eine bloße Vorstellung aber (im bloßen Verständnis leben) ist noch kein Etablieren einer Voraussetzung, die Stück eines evidenten Urteils werden kann. Ohne Setzungscharakter kein Satz!
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aussetzung als solche gilt, das gilt für die entsprechende Setzung:1 die Umwandlung, in der ein hypothetisches Schlussurteil in ein kausales übergeht, oder die ein Satz der Form „Ein A überhaupt wäre b“ erfährt, wenn die Möglichkeit eines A überhaupt gesehen oder geglaubt wird, und nun der Satz übergeht in den anderen „Ein A überhaupt ist b“. Wir haben also im Existentialurteil gesetzt einen Wirklichkeitsverhalt (eigentliche Existentialverhalte, schlichte prädikative Beschaffenheitsverhalte), im Essentialurteil einen Möglichkeitsverhalt, im analytischen Urteil einen analytischen Verhalt – sämtlich gesetzt als Objektivitäten, die unter den Begriff des Sachverhalts fallen. Ebenso haben wir gesetzt reale Subjekte, allgemeine und spezifische Subjekte, formale, rein logische Subjekte. Was ist das, ein rein logisches Subjekt? Ein „Bedeutetes als solches“, ein im reinen Bedeuten Vorausgesetztes. Die zweite und dritte Reihe gehören eng zusammen. Nämlich, alles Essentialurteilen ist ein begründendes Urteilen: „Ein Farbiges überhaupt ist ausgebreitet“, „Zwei rechte Winkel überhaupt sind einander gleich“ und dgl., „Rot überhaupt ist von Grün überhaupt verschieden“. Liegt hier nicht auch die Voraussetzung zugrunde: nämlich hinsichtlich des einzelnen Seins? Ich urteile nicht existential. Assumiere ich? Ich mache keine Hypothese. Das assumtive Voraussetzen ist ja überhaupt nicht als hypothetische Voraussetzung zu verstehen, obwohl zu jedem assumtiven Satz ein möglicher hypothetische Satz als Äquivalent gehört. Ich denke mir ein Rot, irgendein Rot. Darin liegt: Es mag so etwas geben. Und wieder ein Grün überhaupt, und dann gehört dazu wesentlich … Aber in der anschaulichen Assumtion finde ich eine Gegebenheit, die „Möglichkeit“ des Sachverhalts oder Subjekts. In der bloßen Bedeutungsassumtion finde ich eine andere Gegebenheit: die formal logische. Die eine Assumtion ist eine Möglichkeit, die andere kann auch eine Unmöglichkeit sein (in der Anschauung Widerstreit mit sich führen). Was ich aber in ihr finde, ist selbst wieder eine Gegebenheit. Die Assumtion als solche
1 Ist da Voraussetzung und Setzung der richtige Gegensatz? Was gilt für logische Voraussetzungen, d. i. für logische Essenzen, das gilt auch für die Sachen, wenn sie sich als Wirklichkeiten ausweisen. Oder: Was gilt im Voraussetzen, das gilt auch mit Recht im Setzen und dgl.
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ist keine Unmöglichkeit. Die Voraussetzung, es sei ein Viereck rund, ist keine Unmöglichkeit. Aber ein Viereck ist überhaupt und a priori nicht rund. Die Voraussetzung hat einen Sinn, der imaginär ist, der entsprechende Satz a priori falsch.
Beilage XXX Evidenz und Adäquation1 Wohl kann ich sagen: Zum Sinn des runden Vierecks gehört es, rund zu sein, und zum Sinn gehört es, viereckig zu sein. Und zu seinem Sinn gehören alle widersprechenden Bestimmungen sonst, die sich aus dem Kreisförmigund Quadratischsein ergeben, wenn ich die Geometrie heranziehe. Also wir scheiden Sinn und Gegenstand. Wir sagen nicht „Der Gegenstand ist schlechthin so und so“, sondern „Der Si nn des G egenstands, der so und so gedac ht e Gegenstand ist als solcher so und so. Im Sinn eines so und so gedachten Gegenstands liegt es, dass er so und so ist“. Was besagt das? Sinngemäß ist ein rundes Viereck dies und jenes. Ein rundes Viereck als so gedachtes als solches ist das und jenes. Im Sinn leben und ohne Existenzsetzung urteilen, also aufgrund der „bloßen Vorstellung“; dann hat aber das ganze Urteil einen anderen Wert. „Ein rundes Viereck ist rund“: ein gewisses oder partikulär, essential verstanden. Kategorisches Urteil oder auch essent i al: „Ein rundes Viereck ist (als solches) rund“. Kein kategorisches Urteil. Ist es ein „hypothetisches Urteil“? „Wenn etwas ein rundes Viereck ist, so ist es rund.“ Zunächst: Ein Voraussetzen und Daraufhinfolgen findet nicht statt. Ich setze doch nicht voraus, es gebe ein rundes Viereck, und ziehe die Folgerung, wie es dann sein müsste; sondern ich stelle mir ein rundes Viereck vor und finde, was zu ihm als solchen gehört. Also keine Annahme im Sinn einer Voraussetzung. Andererseits wo immer aufgrund einer bloßen Vorstellung prädiziert wird, kann ein hypothetisches Urteil konstruiert werden, das wesentlich zu diesem Urteil gehört „A ist b“. Ist etwas, das A ist, evtl. ist A, so ist es b. Wir können auch sagen „Weil ein A als solches b ist, so gilt, dass, wenn ein A ist, dasselbe auch b ist“. Jedes hypothetische Urteil der Form „Wenn etwas A ist, so ist es b“, weist zurück auf vermittelnde Sinnesurteile oder sonstige Verbindungsurteile, die nicht hypothetisch sind. „Ein A als solches ist b“ (dem Sinn nach, analytisch im weiteren Sinn) oder „Ein A ist im Allgemeinen b“. Nur so kommt das 1
Wohl 1908. – Anm. der Hrsg.
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Hypothetische hinein, die Folgerung. „Ein rundes Viereck ist rund“, da wird nichts gefolgert, nichts geschlossen, aus keiner Voraussetzung eine Folge gezogen. Das Sinnesurteil ist unmittelbar einsehbar, das Schlussurteil immer nur mittelbar, und somit auch jedes hypothetische Urteil.
Nr. 17 Urteile verschiedener Art aufgrund der b loßen Vorstellung: Analytische Urteile und Wesensurteile ohne Existentialsetzung. Vergleich mit Phantasieund Wahrnehmungsurteilen. Sinnesanalyse. Die B edeutung der E igennamen 1 Analytisch urteilen – aufgrund der „bloßen Vorstellung“ urteilen. Aufgrund der bloßen Vorstellung? Jedenfalls ohne Existenzsetzung, oder es kommt auf Existenzsetzung nicht an. Phantasieurteile: Ich beschreibe den phantasierten Gegenstand als solchen. Ebenso auch: Ich beschreibe den wahrgenommenen Gegenstand als solchen, es kommt mir dabei nicht darauf an, ob er wirklich existiert oder nicht. Mit diesen Urteilen sage ich aus. Anpassung des Ausdrucks, sie ist wirklich vorhanden.2 „Wirkliche Deckung“, Identifikation, Verschmelzungseinheit. Indessen, jene Phantasieurteile sind nicht wirkliche Urteile, sondern sind eigentlich Identifikationen aufgrund der Phantasievorstellungen, denn eigentliche Identifikationen sind impressional, d. i. wirklich urteilend, wirklich gebend. Es handelt sich also um Quasiurteile. Und ebenso sind die Anschmiegungen der Ausdrücke, die Zusammensetzungen, nur modifizierte Akte und in der Auseinanderlegung der explizierenden Identifikationen nur Quasiidentifikationen. Also sind es nicht wirkliche Urteile, sondern nur Urteilsmodifikationen. (Beiderseits aber, im wirklichen und im modifizierten Urteil, haben wir dasselbe Wesen: Identifikation etc.)
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Wohl 1908. – Spätere Randbemerkung: „Gut. (Zu lesen.)“ – Anm. des Hrsg. Nehmen wir zunächst den Fall: Wir phantasierten und drückten zugleich das Phantasierte aus. Das ist nicht Beschreibung „des“ phantasierten Gegenstands als solchen in dem Sinn, den man zunächst unterlegen möchte: Nämlich ich setze den „phantasierten Gegenstand als solchen“ und sage von dem so gesetzten aus. Ein solches Urteil kann wohl verstanden werden als Aussage über eine Wesensgegebenheit, also das Analogon des Wahrnehmungsurteils: „Dieses Haus ist rot“ etc. Dieses Haus: modifiziert „dieses Haus“-Wesen. 2
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Jedem modifizierten Urteil entspricht aber wesensgesetzlich ein wirkliches Urteil, ein unmodifiziertes. Zum Beispiel: Die Vorstellung A stellt dasselbe vor wie die Vorstellung B, oder die Vorstellung und der Ausdruck stehen im Verhältnis der Zusammenstimmung. Da liegen nicht bloße Vorstellungen, sondern Setzungen zugrunde. Ebenso bei symbolischen Vorstellungen. Auch sie können in Identifikation treten, und diese ist eine wirkliche oder modifizierte, je nachdem es sich um symbolische Setzung handelt, um symbolische Urteile, oder um symbolische bloße Vorstellungen. Und wieder eigentliche Urteile, die durch Umformung den modifizierten entsprechen: Die beiden Ausdrücke drücken dasselbe aus (gleichsinnige Ausdrücke verschiedener Sprachen). Wie ist es in analytischen Urteilen? „Ein rundes Viereck ist rund“; in den Ausdrücken lebend (in den symbolischen Vorstellungen) vollziehe ich die einordnende Identifikation: Es ist offenbar eine modifizierte Identifikation. „Ein rundes Viereck ist nicht nichtrund“, „Ein Viereck ist rund, hat keine Ecken“ – das geht nicht, das streitet. In den bloßen Vorstellungen lebend, vollziehe ich den Widerstreit; es ist wieder ein modifizierter Widerstreit. Wieder kann ich objektive Urteile herstellen durch Beziehung auf Vorstellungen. Die Vorstellung des runden Vierecks ist Vorstellung von etwas Rundem, sie ist nicht Vorstellung von einem Nichtrunden. (Die Vorstellung schließt aus, dass darin etwas Nichtrundes vorgestellt wird und schließt zugleich ein, dass es darin vorgestellt wird etc. Was heißt hier aber „ausschließen“?) Im Wesen der Vorstellung gründen Quasiidentifikationen und Quasiwiderstreitungen. Also analytische Urteile sind modifizierte Urteile, aber eigentümliche: nicht verworrene, sondern deutliche; die Identifikationen, Prädikationen, Negationen etc. sind nicht verworren, sondern eigentlich vollzogen und im Wesen der Vorstellungen fundiert, trotzdem modifiziert.1 Im Wesen der Vorstellungen als Vorstellungen, die solche und solche Identifikation etc. vollziehen, gründet es, dass sie die und die weiteren synthetischen Akte fundieren, und zwar die und die Zusammenstimmungen, die und die Widerstreitungen etc. Sind die
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Analytische unmodifizierte Urteile. Dasselbe aber aufgrund impressionaler Vorstellung. Das wäre die Auffassung aber für jedes Wesensurteil?
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und die Formen explizit vollzogen, dann können in expliziter Weise nur die und die anderen Formen vollzogen sein.1 Das kann man objektiv aussprechen für die Vorstellungen, und das gibt unmodifizierte volle Urteile. Wieder erhalten wir volle Urteile, wenn wir unter Assumtion urteilen: „Gesetzt, es wäre etwas ein rundes Viereck, so müsste es rund sein“ etc. So verwandeln sich ja alle bloßen Vorstellungsurteile2 (einen Namen brauche ich dafür noch) in assumtive oder hypothetische Urteile, wenn ich eben Assumtion unterlege. Und das ist ebenfalls bei ihnen eine Weise, sie in objektiv gültige und wirkliche Urteile zu verwandeln. Umgekehrt wird man sagen: Jedes assumtive und hypothetische Urteil, wofern es apriorisch ist, setzt ein Vorstellungsurteil voraus. Damit scheine ich doch noch einen Schritt im Verständnis weiter gekommen zu sein.3 All die kategorialen Formungen, die sich sämtlich um die Identifikation gruppieren, können im Denken überhaupt in eigentlicher Weise „vollzogen“ und in uneigentlicher Weise verworren impliziert sein. Das gilt für jedes Denken, auch für das bloß symbolische. Es handelt sich jetzt nicht um den Unterschied des intuitiven, mit Sinnlichkeit gesättigten Denkens und des leeren Denkens, sondern um einen Unterschied, der sich um dergleichen nicht kümmert.4 Ich habe den Unterschied gemacht zwischen intuitivem und symbolischem Denken und das einigermaßen identifiziert mit dem Unterschied zwischen eigentlichem und uneigentlichem. Doch wurden verschiedene Stufen der Eigentlichkeit unterschieden mit Rücksicht darauf, dass Vorstellungen in sehr mittelbarer Weise sich auf Anschauung beziehen können. Vielleicht bedarf all das der Revision. Wir haben 1) als unterste Stufe: die Anschauung (die Wahrnehmung, die Erinnerung, …), 2) darauf gegründet mancherlei kategoriale Akte (Auffassungsformen), kategoriale Vorstellungen, 3) wir haben auch leere Vorstellungen, vor allem Wortvorstellungen. Diese haben untereinander Verbindungen, und wieder solche mit den intuiti-
1 Das gilt aber sowohl für impressionale Vorstellungen als für modifizierte, also modifizierbare Identifikationen etc. 2 Quasiurteile, modifizierte. 3 Spätere Randbemerkung: „Nein.“ – Anm. des Hrsg. 4 Spätere Randbemerkung: „Wichtig: Symbolisch und verworren, anschaulich und klar.“ – Anm. des Hrsg.
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ven Vorstellungen: nämlich Identitätsverbindungen, Deckungen und Streitungen, also kategoriale Verknüpfungen. Es besteht hier aber, wie es scheint, ein großer Unterschied. Das verb ale D en k en – das, was ich gewöhnlich als symbolisch im Auge hatte, aber mit allem leeren Vorstellen ineins nahm –, das will ich jetzt gesondert betrachten. D ies k an n d eu t lich o d er verw o rren sein. Auch im k laren Vorstellen haben wir diesen Unterschied (klar = anschaulich, unklar = unanschaulich). Es kann in einer anschaulichen Vorstellung allerlei verworren mitvorgestellt sein, die Vorstellung in verworrener Weise Mitvorgestelltes enthalten, oder sie kann es in deutlicher Weise tun. Sie kann auch Formen der Verbindung, der kategorialen Einheit enthalten, die eben das verworrene Ganze herstellen. So kann man wohl sagen: Wo sich das Wort an Anschauung anschmiegt, da ist die Einheit eine verworrene, wo aber „Wort“ und „Sache“ auseinandergelegt werden, da tritt die Verbindung zur Deutlichkeit hervor. Ebenso wenn ich auseinanderlege, was im Dingvorstellen, in der Dingwahrnehmung in verworrener Weise beschlossen ist, und die Identitätsverbindungen, die darin Einheit definieren etc. Wir haben also den Unterschied zwischen verw o rren und d eu t lich sich kreuzend mit dem Unterschied sym b o lisch und k lar (intuitiv).1 Soviel ich mich erinnere, habe ich diesen Unterschied in den Logischen Untersuchungen nicht benützt. Und doch ist er sehr wichtig. Daneben ist wohl der Unterschied zu stellen Im p ressio n – Idee.2 Gehen wir nun weiter. Ich kann aufgrund der bloßen Vorstellung „analytisch“, in einem weiten Sinn, urteilen. Ich analysiere z. B. die Dingvorstellung, ich stelle mir ein Ding vor und sehe zu, w as d arin liegt , oder zunächst das b est im m t e D in g, das da vorgestellt ist, und zunächst die Vo rst ellu n g selb st . Zum Beispiel: die Hausvorstellung. Sie ist eine verworrene Vorstellung. Ich „verwandle“ sie in eine deutliche. Ich sehe dann ein: Das, was in dieser entfaltet ist, das findet sich in jener unentfaltet. So z. B. die
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Spätere Randbemerkung: „Nota bene.“ – Anm. des Hrsg. Also eine Identifikation in der Impression und eine Identifikation in der Idee. Die Unterlagen müssen Impressionen sein (Setzungen), damit die Prädikation eine Impression ist, sonst Idee. 2
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verworrenen Intentionen. Das Meinen der Vorderseite, das Meinen der Hinterseite, die eigentliche Erscheinung der Vorderseite, die uneigentliche Erscheinung der Hinterseite usw. Nun urteile ich über das „vorgestellte Ding als solches“. Ich urteile „Das Ding ist ein Haus, hat die und die Raumform, die und die Farben“ etc. In der Vorstellung lebend analysiere ich den Gegenstand, der vielleicht Fiktion ist. Hier vollziehe ich „aufgrund der Vorstellung“, d. h. in ihr lebend, aber keine Existentialsetzung vollziehend, partiale Identifikationen, Prädikationen etc. (Quasiidentifikationen) und die entsprechenden Akte.1 Andererseits werden das objektive Urteile, wirkliche Urteile, wenn ich urteile „Die Vorstellung ist Vorstellung von einem Haus“ usw. Die Vorstellung ist so beschaffen, dass sie als Unterlage für eine Quasiidentifikation mit der Vorstellung „ein Haus“ als zweiter Grundlage fungieren kann. D ass d ie Vorstellung „ ein Haus “ und die Anschauung, d ie ich eben vollziehe, sich d ecken und ihrem Wesen nach Deckung begründen können, das ist etwas sie Charakterisierendes, und eben das ist es, was ich au ch äq u ivalen t au ssage mit den Worten „Die Vorstellung A ist Vorstellung von einem Haus, welches etc.“2 Ich kann auch sagen „Dies ist ein Haus, welches …“, wobei die Anführungszeichen den modifizierten Ausdruck andeuten. Ich urteile nicht in Wahrheit „Dies ist ein Haus“, sondern ich drücke in der Vorstellung lebend aus, was sie mir zum Ausdruck bietet, während ich zugleich doch dessen „bewusst bin“, dass ich nur vorstelle und darauf gerichtet bin, über mein Vorstellen, etwa über mein Phantasieren, Träumen etwas auszusagen. (Ich könnte auch sagen „Gesetzt, das, was ich da anschaue, wäre“, so könnte ich aussagen „Da ist ein Haus, dieses Haus ist so und so …“. Aber das „gesetzt“ habe ich jetzt erst hereingebracht.) Das Urteil ist nicht wirkliches Urteil, wenn ich bloß
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Spätere Randbemerkung: „Das Weitere ist ein Versuch, der unhaltbar ist. (Vielleicht kann man sagen: ‚Ich fühle mich ein, aber den vorgestellten Gegenstand als solchen beschreibend, urteile ich über Wesen.‘) Im Fortgang der Betrachtung kommt schon selbst die Korrektur, drei Blätter weiter = ab S. 344.“ – Anm. des Hrsg. 2 Normaler Ausdruck einer Impression (wirklichen Prädikation) ist eine Aussage, ein ausdrückliches Urteil. Der modifizierte Ausdruck ist ein modifiziertes Urteil. Was macht den Unterschied gegenüber einem beliebigen Aussagesatz in Modifikation aus (bloße Sachverhaltsvorstellung)? Nun, dass hier das modifizierte Aussageurteil ausdrückt ein modifiziertes intuitives Prädizieren.
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ausdrücke, denn der Sachverhalt ist nicht als Wirklichkeit gemeint. Sowie ich Wahrheit beanspruche, sowie ich wirklich behaupte, urteile, muss etwas als seiend gesetzt sein, das, worüber ich urteile, bzw. w as ich urteile. Ich drücke aus „Das Haus ist ein Ziegelbau“. Das ist eine Wahrheit, wenn ich sage „Ich habe eine Vorstellung“, und die aufgrund derselben (idealen) zu vollziehenden Identifikationen finden ihren Ausdruck – mit den und den Worten. Es gibt aber hier verschiedene Weisen, mit dem bloßen Ausdrücken des Vorgestellten einen „objektiven“ Sinn zu verbinden. Wenn ich mir nun den Gegenstand einer Vorstellung deutlich mache oder wenn ich in einer expliziten Identifikation (aber einer modifizierten!), rein in der Vorstellung lebend, die und die Prädikationen (modifizierte) vollziehe, so gewinne ich modifizierte Urteile, welche, angemessenen Ausdruck vorausgesetzt, ihre Evidenz (modifizierte Evidenz) haben. S ie drücken evident aus, als w as der G egenstand d er Vorstellung im Sinn der Vorstellung bestimmt oder b estimmbar ist.1 Sie drücken entweder aus, welche Bestimmungen in dem Gegenstand implizit liegen (quasi liegen), die die explizierende modifizierte Prädikation aus ihm herausholt – z. B. ich „sehe“ ihn als roten und sage aus, er sei rot –, oder sie sagen aus, welche Eigenschaften ihm notwendig zukommen, als notwendig anzuknüpfen an das immanent zu ihm Gehörige.2 Dabei werde ich im Allgemeinen den expliziten Inhalt der Vorstellung überschreiten, auch wenn ich nicht etwa Kenntnisse über Gegenstände verbinden will etc., die übrigens in ihrer Einbindung jetzt denselben modifizierten Charakter erhalten würden wie die Einsichten, die ich unmittelbar schöpfe. „Was zum Sinn der Vorstellung gehört, auseinanderlegen“, das heißt, den vorgestellten Gegenstand als solchen beschreiben und bestimmen, und das wieder heißt, rein aufgrund der Vorstellung modifizierte Prädikationen vollziehen, die aber im anmessenden Ausdruck genommen werden und als Ausdruck für Urteile einen ganz anderen objektiven Sinn haben, als er
1 Gewissermaßen Evidenz ohne Glaube, nämlich ohne Setzung des Evidenten; dann aber ist die Evidenz selbst nur eine Evidenzidee. 2 Alles modifiziert. – Impressionale Notwendigkeit des Soseins eines wahrgenommenen Objekts und ideelle Notwendigkeit, modifizierte des Soseins eines phantasierten Objekts. Ein phantasiertes Rot, das nicht ein Grün sein kann.
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den Aussagen normal zukommt. Um den normalen Sinn herzustellen, muss der Ausdruck geändert und dem angepasst werden, was ihnen hier Objektivität gibt. Zum Beispiel: Die Beziehung auf die Vorstellung muss im Ausdruck bezeichnet werden. Misst sich der Ausdruck der Vorstellung adäquat an, so ist zunächst gar nicht geurteilt. Aber eine Sachlage ist da, die geurteilt werden kann und die mit dem Ausdruck gewöhnlich auch ausgedrückt sein will, nämlich dass die Vorstellung und der Ausdruck so und so zusammenstimmen etc. Analytisch urteile ich hier in einem gewissen, ganz engen Sinn, wenn ich rein aufgrund der Vorstellung und ohne Heranziehung von weiteren Kenntnissen oder Einsichten auseinanderlege, was ihr vorgestellter Gegenstand „wirklich“ ist. Wird man hier von Apriori sprechen? Man kann es natürlich nicht, wenn das Urteil auf die jeweilige aktuelle Vorstellung, also auf ein durch (innere) Erfahrung zu Bestimmendes bezogen ist. Andererseits ist es evident, dass, was von dieser Vorstellung und von ihrem intentionalen Gegenstand auszusagen ist, auch gilt (und mit evidenter Richtigkeit, wenn die Aussage rein ausdrückt, was an wirklich vollzogenen Identifikationen, wirklich im jeweiligen Vorstellungsinhalt gründend, vorliegt) von jeder anderen Vorstellung, die dasselbe intentionale Wesen hat. Auf dieses Wesen generell hinblickend, also nicht urteilend über meine jetzige Vorstellung, sondern über „die“ Vorstellung in specie, kann ich alles aufrecht erhalten und erhalte dann eine apriorische und objektiv gültige Aussage, gültig für die so geartete Vorstellung.1 Ob dieses Urteil sich übermitteln lässt, ob es zu fixieren ist als ein kommunikatives, intersubjektives, das ist irrelevant. Ich würde sagen: Das Urteil hat 1 Dies, dass eine anschauliche Vorstellung A in neue anschauliche Vorstellungen der oder jener kategorialen Form, in anschauliche prädikative Vorstellungen (modifizierte Urteilsintuitionen) eintrete, das ist nicht Sache der Willkür, sondern im Wesen von A gründet hier jedwede Möglichkeit der Quasiidentifikation, Prädikation, Disjunktion etc. Das gibt also feste Zusammengehörigkeit, und daher die Rede von dem, was der vorgestellte Gegenstand als solcher „wirklich ist“. – Andererseits: Mit einem Anschauen kann ich verbinden leere Intentionen, die selbst wieder modifiziert oder unmodifiziert sein können, und da bestehen andere Wesenszusammenhänge; während A und B in „eigentlicher“ Identifikation (in evidenter) nicht vereinbar sind, kann der „Gedanke“, sie seien evident, gebildet werden. Das ist ein Identifizieren oder Quasiidentifizieren, aber kein evidentes, in dem Identität gegeben ist. In der setzenden Evidenz ist Identität gegeben, wirklich gegeben, in der modifizierten Evidenz ist Identität quasi gegeben, modifiziert gegeben. In dem Gedanken ist weder das eine noch das andere der Fall.
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phänomenologische Gültigkeit. Zum Wesen der Vorstellung gehört, dass sie die und die modifizierten Identifikationen und sich anschmiegenden Akte des bedeutsamen Ausdrückens fundiert, und es gehört zu ihrem allgemeinen Wesen. Die wirklichen Urteile, die hier gefällt sind, haben wir also auf Wesensurteile zurückgeführt. Wie ist es nun bei Wesensaussagen überhaupt und bei solchen, die nicht gerade über Vorstellungen aussagen ihrem intentionalen Wesen nach? Welche Formen solcher Aussagen gibt es? Zum Beispiel: Z u m Wesen vo n Ro t gehört es, Farbe zu sein. Aber auch zu m Wesen d es D in ges gehört es, ausgedehnt zu sein etc. Hier wird nicht existential geurteilt, nicht mit Setzung von Dingen, sondern ich lebe in der allgemeinen Dingvorstellung und lege auseinander, was zu ihrem Gegenstand gehört. Ich kann also wieder sagen: Ich urteile über die Dingvorstellung (Ding überhaupt), es gehöre zu ihrem Wesen, dass in ihr Ding als so Geartetes gemeint sei. Ich urteile aber nicht über die Vorstellung eines bestimmten Dinges, etwa über die Vorstellung „dieses Haus“, nämlich über die Vorstellung, die das Haus, das ich jetzt sehe, anschaulich vor Augen hat und es in der und der Weise „meint“, und diese Vorstellung spezifisch genommen, sondern über die allgem ein e Vo rst ellu n g „ H au s ü b erh au p t “, diese selbst wieder spezifisch genommen. „Die“ allgemeine Vorstellung „Haus“ steht zu der Vorstellung dieses „vis-à-vis Hauses“ in dem Verhältnis, dass beide Einheit des Identitätsbewusstseins, und zwar des einordnenden fundieren: „Dieses da ist ein Haus“. Und in der allgemeinen Vorstellung lebend, kann ich aussagen, was in der Hausvorstellung liegt bzw. was einem Haus als solchem zukommt. Nu n ist d ie allgem ein e Vorstellung, spezifisch genommen, Begriff. So kann ich also sagen: Z u m B egrif f d es H au ses geh ö rt es, dass es so und so ist, zum Begriff des Dinges, zum Begriff der Farbe etc. Und zwar kann ich hier „analytisch“ urteilen, d. h. aufgrund des bloßen Begriffes analysieren, was sein allgemeiner Gegenstand ist. Ebenso, ob ich es mit einem allgemeinen Gegenstand im Sinn einer Spezies oder ob ich es mit einem allgemeinen Gegenstand im Sinn „eines A überhaupt“ zu tun habe (also mit der Analyse eines Begriffsgegenstands als solchen: wobei Begriff aber im anderen Sinn genommen ist). Ist es also als Ergebnis anzusehen, dass wir bei Urteilen der Form „A (in specie) ist b“ und „Ein A überhaupt ist b“ in Wahrheit über die Vor-
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stellung urteilen? Offenbar kann dies keine richtige Interpretation sein. Gewiss ist jedes U rteil solcher Form äquivalent einem U rt eil ü b er Vo rst ellu n gen . Gewiss kann ich sagen: Zum Wesen einer Vorstellung, die ein A in specie meint, gehört es, dass dieses generell als b gemeint ist. Aber wenn das überall der Sinn wäre, so müsste ja auch das Urteil über d ie besonderen Spezies, d ie wir „ Vorstellungen “ n ennen, entsprechend umgewandelt werden können und so in infinitum.1 Wir urteilen eben über die Spezies selbst, die uns in den allgemeinen Vorstellungen gegeben sind (näher in den allgemeinen Anschauungen). Wir sehen sie und urteilen, was zu ihnen gehört. Warum sollen wir nun nicht sagen: So können wir auch über „vorgestellte Gegenstände als solche“ urteilen, wenn wir sie als „Wesen“ nehmen? Ich urteile nicht über die Vorstellung, die ich jetzt habe, und über das, was mir in ihr erscheint, was in ihr so oder so wahrgenommen, vorgestellt ist etc. Ich urteile nicht im normalen Sinn „Dieses Ding ist so und so beschaffen“, als ob ich „über ein daseiendes Ding“ urteilte, d. i. über ein Ding, das ich als Daseiendes setze. Ich urteile „aufgrund der bloßen Vorstellung“. Vorhin dachten wir uns eine Phantasievorstellung. In sie uns einlebend urteilen wir „modifiziert“ über den Gegenstand. Der Gegenstand ist phantasiert als der und der, als so und so beschaffen. Das können wir aussagen. Und diese modifizierten Urteile gewinnen den Charakter unmodifizierter durch Änderung des Gegenstands, durch Beziehung auf die Vorstellung. In genau paralleler Weise urteilen wir „aufgrund der Wahrnehmung“, nämlich im Wahrnehmungsurteil, nicht modifiziert; wir sagen aus, was wir sehen: „Der Gegenstand ist der und der, so und so beschaffen“. Natürlich können wir uns auch da auf die Wahrnehmung beziehen und urteilen „Ich habe eine Wahrnehmung des und des Inhalts“ und dgl. Also zwei unmodifizierte Urteile. Nun können wir aber in beiden Fällen noch anders urteilen. Gebrauchen wir auch da die Rede von einem Urteilen „aufgrund der bloßen Vorstellung“, so ist das eine Äquivokation. Diese neue Urteilsweise ist die des Wesensurteils. Ich vollziehe jetzt nicht ein modifiziertes Urteil über den phantasierten Gegenstand (den modifiziert seienden), sondern ich habe gegeben, während ich phantasiere, das 1
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Wesen dieses Gegenstands. Das Wesen des phantasierten Gegenstands ist nicht der phantasierte Gegenstand. Genau ebenso, während ich wahrnehme und mir der Gegenstand als daseiender vor Augen steht, urteile ich nicht über diesen „wirklichen“ Gegenstand, sondern über sein Wesen, und dieses Wesen ist dasselbe wie dasjenige, das mir aufgrund bloßer entsprechender Phantasie zur Gegebenheit kommt. Aber nicht Wahrnehmung und Phantasie geben selbst das Wesen, sondern sie sind nur die Unterlagen für die „Wesensabstraktion“, für die Ideation, in der die „Idee des Gegenstands“ gegeben ist. Dabei aber geht diese ideierende Abstraktion nicht immer auf Gattungen und Arten, sondern schon auf „individuelle Wesen“. Ich urteile ü b er d ieses D in gw esen, das da vorgestellt1 ist, und wie es da vorgestellt ist: Dies ist eine Zigarettenschachtel, sie liegt auf einem Paket mit Skripturen, sie glänzt an der Kante, sie hat eine flache runde Form. Sie ist aus einem silberähnlichen Metall. Sie ist geschlossen, das Innere nicht sichtbar, die nicht sichtbare Seite hat eine gewisse Farbe etc. All das sage ich „aufgrund der bloßen Vorstellung“ aus;2 all das bleibt bestehen für alle Vorstellungen gleichen Erscheinungsgehalts, aber von den Vorstellungen ist nicht die Rede. All diese Vorstellungen „haben“ dasselbe gegenständliche Wesen gleichsam in sich, und es ist als dasselbe gegeben, ob die Vorstellungen Phantasien sind, ob sie Halluzinationen sind oder Wahrnehmungen sind, wofern nur alle Existenzsetzung unterbleibt und Id eat io n auf dem Grund dieser Akte vollzogen wird. Und „in“ allen ist gegeben das „Wesen“. (Überall ist auf dem Grund dieser Akte zu etablieren die Id eat io n!) Es ist nicht das Ding, das in die daseiende Welt eingeordnet ist und mit jeder Wahrnehmung, auch wenn das Ding sich gleich darstellte, einen anderen objektiven Zeitabschnitt desselben daseienden Dinges erfasst; sondern es ist d as id en t isch e Wesen eben, das die Mannigfaltigkeit einheitlich erscheinender und mitgemeinter dinglicher Bestimmungen in identischer Weise befasst. Eventuell kann ich auch die Zeitdauer mit hineinnehmen, aber als Wesen; und es kann dann
1 Über „vorgestellt“ die Bemerkung: „Nicht vorgestellt, sondern gegeben.“ – Anm. des Hrsg. 2 Über „‚aufgrund der Vorstellung aus‘“ die Bemerkung: „Aber in ganz anderem Sinn. Nicht der phantasierte Gegenstand im Gegensatz zum wahrgenommenen wird beschrieben.“ – Anm. des Hrsg.
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nicht gefragt werden, ob die Dauern verschiedener solcher Vorstellungen verschieden sind. Es ist das ein e Wesen und die ein e Dauer. Sofern ich dieses Wesen nur durch Relation zur Vorstellung dem anderen indirekt bezeichnen k ann, und es nicht etwas ist, was ohne Weiteres verschieden Urteilenden gemeinsam gegeben wäre, kann auch ein kommunikativ objektives Meinen und in diesem Sinn objektives Urteil hier nicht gefällt werden. Aber darum hat doch das Wesensurteil hier seine Objektivität. Dieses Wesen ist etwas mir in der Essentialbeurteilung Gegebenes.1 Ich sehe es und sage aus, was ich in ihm finde. Ich kann nicht fragen, wie das Ding auf einer abgewendeten Seite „in Wahrheit ist“. Wofern ich da über das Wesen, das mir gegeben ist, hinausgehe. Die Rückseite hat eine gewisse Farbe, Form. Ist sie mitgemeint als die gleiche Farbe wie die der Vorderseite, so kann ich sagen „Zum Wesen gehört diese Farbe“. Ist sie unbestimmt gemeint, so kann ich sagen „Sie ist eine ‚gewisse‘ Farbe“. Welche Farbe es ist, das kann ich hier nicht fragen, denn im Wesen ist keine bestimmte Farbe vorgesehen. Was m acht dann den Unterschied zwischen der G egeben h eit d ieses D ingwesens und der G egebenheit eines phä no me no lo gi schen D atums, z. B. des Wesens eines Urteils, eines Willens, eines Gefühles, einer Empfindung? Und was macht den Unterschied zwischen den anschaulich gegebenen Momenten des Dinges und den nichtanschaulich gegebenen, aber mitgemeinten, was den Unterschied zwischen dem Dingwesen im Anblick von einer Seite und dem im Anblick von einer anderen Seite und endlich dem Dingwesen in der Entfaltung des möglichen Erscheinungszusammenhangs? 1 Essentialisierung: Es ist nichts anderes als „Ideation“. Ideation ist ein Sehen höherer Stufe, und zwar ein impressionaler Akt. – Die Ideation fordert Anschauung, nota bene: die w a h r n e h m e n d e I d e a t i o n, nicht die „leere“. Ideation kann sich auch auf unvollkommen anschaulichen (mit leeren Vorstellungen vermischten) und auf gänzlich leeren Vorstellungen aufbauen. G e g e b e n i s t e i n W e s e n „in“ einer u n v o l l k o m m e n e n A n s c h a u u n g (auf ihrem Grund, und besser: gegeben in einer darauf gebauten Ideation), gegeben so, w i e i n d e r W a h r n e h m u n g d e s D i n g e s d a s D i n g g e g e b e n i s t. Wir haben also adäquate und inadäquate Ideation zu unterscheiden. Das adäquat Gegebene ist „genauso gegeben, wie es gemeint ist“. Also da tritt uns ein Unterschied entgegen zwischen G e g e b e n s e i n u n d „ M e i n e n “ . Und die Möglichkeit, g e s o n d e r t a u s z u s a g e n , w a s w i r k l i c h g e g e b e n i s t (als Wesen) und w a s g e m e i n t i s t. Und damit tritt der Unterschied hervor zwischen U r te i l
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Ich könnte1 so versuchen. Einerseits: Ich urteile über ein rein immanentes Datum in Wesensfassung (Ideation), und das ist gegeben, adäquat gegeben. Ich sehe es, und das „Ich sehe es“ besagt: Es ist eben gegeben und ist in der Gegebenheit gesetzt. Darüber sage ich aus; ich sage „dies da“, bestimme es als gelb, als Farbendatum etc. (Genau wie sonst haben wir zu unterscheiden: phänomenologische Wahrnehmung und ihre Modifikation, und endlich die auf beiderlei Grund sich aufbauende phänomenologische Ideation.) Hier fasse und setze ich eine Gegebenheit. Wenn ich aber ein Ding beschreibe, so ist auch in der Wesensstellung (Ideation) das Ding nicht gefasst und gesetzt. Es ist ein dem Wesenssehen Transzendentes (evidenterweise), aber gesehen im eigentlichen Sinn ist doch etwas. Die „Vorderseite“. Nicht gegeben im immanenten Sinn! Die Meinung geht gar nicht auf das immanent Gegebene, sondern auf die Einheit in der Mannigfaltigkeit: Ich werde hingewiesen auf die mannfaltigen möglichen Abschattungen, mit denen sich dieselbe Dingfarbe, Dingform „konstituiert“, und in ihnen allen fasse ich ein Identisches. (In der Wahrnehmungskontinuität erfasse ich, sehe ich das Identische, das sich in ihr „konstituiert“, oder auf der Empfindungskontinuität baut sich die Wahrnehmungskontinuität als ein kontinuierliches Schauen, das aus den Empfindungen das Identische herausschaut.) Aber die Mannigfaltigkeit ist nicht realisiert; ich habe nur die eine Abschattung. Sie ist als Dingbestimmtheit „aufgefasst“, und es steht in ihr die Dingbestimmtheit da. Ein Blatt steht da als so geformt: die sichtbare Seite so und so geformt und so und so mit Grün überdeckt; in anderer Weise die Rückseite, die mitgemeint ist. Ein Blatt fasse ich auf. Damit fasse ich mit auf, meine ich mit, was nicht in dieser Weise „gegeben“ ist. In der „Vorstellung“ lebend bin ich dem Ding zugewendet und beschreibe es: Blatt, grün, Vorderseite wirklich gegeben, Rückseite nicht gegeben, nur gemeint etc.2
aufgrund der Ideation, die nie ohne „ Meinung “ ist, und Urteil aufgrund bloßer „ Meinung “. 1 Spätere Randbemerkung: „Die folgenden Blätter sind wohl zu beachten.“ – Anm. des Hrsg. 2 Das ist ein Gemisch: Ich beschreibe Gemeintes und Gegebenes, und mit dem Gegebenen Mitgemeintes; also teils Wesen, das da erscheint, und teils Wesen, das gemeint ist und nicht erscheint.
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Ich habe hier eine Evidenz. Aber eigentlich gegeben ist nicht das, was ich da beschreibe. Denn gegeben im reinen Sinn, im „adäquaten“, wäre mir all das nur, wenn ich die Mannigfaltigkeit hätte. Gegeben1 ist im adäquaten Sinn mir weder das Ding noch seine Farbe, weder die seiner Vorderseite noch die seiner Rückseite. Gleichwohl habe ich Evidenz. H ier k ann ich doch nur sagen: E videnz habe ich, dass die Anschauung dieses anschaut, d ass d ie Vorstellung dieses vorstellt. Ich lege die Meinung der Vo rst ellu n g au sein an d er. Zum Wesen der Vorstellung gehört es, dass sie das vorstellt, dass sie solche und solche Identifikationen, Unterscheidungen, Anmessungen von ausdrückenden Vorstellungen ermögliche. Und selbst wenn sich das Ding schrittweise immer weiter in einer Mannigfaltigkeit von Anschauungen entfaltet bzw. immer neu bestimmt (quasi bestimmt), dann erfasse ich das Wesen des Dinges nicht nur in dem Anschauungszusammenhang, sondern es gehört w esentlich ein solches D ing zu einem solchen Anschauungszusammenhang, und umgekehrt. Es ist das Identische in d ieser „ Mannigfaltigkeit “ und eines ohne das andere nicht d enkbar. Natürlich ist ein Unterschied zwischen anschaulichem und nichtanschaulichem Vorgestellten: Was anschaulich vorgestellt ist, das gehört zum erscheinenden Ding. Die Farbe ist ihm zukommend, und der explizierende Zusammenhang kann sie nicht als Farbe ändern, höchstens näher bestimmen. Die Farbe der Rückseite kann aber völlig anders in weiteren Erscheinungen sich herausstellen, statt Rot (wie sie gemeint war) als Grün, oder sie kann völlig unbestimmt gewesen sein und sich überhaupt erst bestimmen. Also liegt in jeder Wahrnehmung, in jeder auch transzendenten, eine gewisse Evidenz. Und es ist damit eine eigene Sache, die aufgeklärt zu werden wünscht! Denn es handelt sich nicht um Existenz des Gemeinten als solchen. Das Ding ist vielleicht gar nicht oder nicht so, wie es gemeint ist, aber wenn es das Letztere auch nicht ist und doch ist, so ist es gebunden an Farbe, Ausdehnung: nur nähere Bestimmung.
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Gegeben, wahrgenommen, existential gesetzt – und nicht nur das: gegeben in letzter Erfüllung = Bewährung.
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Lebe ich nun in bloßer Vorstellung, ohne zu setzen, essen t iale U rt eile vo llzieh en d, so ist freilich von einer näheren Bestimmung im eigentlichen Sinn keine Rede. Es besteht nur die Möglichkeit, der Vorstellung neue Vorstellungen anzureihen, in denen Identität des Dinges sich vorstellungsmäßig durchführte mit den und den näheren Bestimmungen. Aber da gibt es sehr viele Möglichkeiten. Habe ich das Ding hinten als grün „gemeint“ aufgefasst, so kann die durchgehende Identität sich im „hinten rot“ fortsetzen.1 Ich stelle mir einen Zentauren mit einem Schimmelkörper vor. Er wendet sich und ist auf der anderen Seite scheckig. Er ist als derselbe in seinen Wendungen genommen (quasi wahrgenommen, vorgestellt), und so ist der zunächst weiß gemeinte nachher „herausgestellt“ als scheckig. Der Zentaur reitet fort und „kehrt wieder“, er wird als derselbe genommen und hat sich jetzt so und so verändert. Er ist inzwischen mit Wunden bedeckt etc. Das alles kann ich da aussagen. All d as geh ö rt zu m Wesen der vollzogenen Anschauungen, Identifikationen etc. Zum Teil sind sie durch den Inhalt des immanent Gegebenen umgrenzt, zum Teil sind durch die schon vorgenommenen Vorstellungen andere notwendig bestimmt, zum Teil sind bloße Möglichkeiten bestimmt aus einer größeren Möglichkeitssphäre. Bei der zufälligen Richtung meines Denkens und Vorstellens habe ich gerade so ausgewählt, und das bestimmt den „intentionalen Gegenstand“. Wie immer, wir können Wesenseinsichten hier gewinnen. Und es sind offenbar Wesenseinsichten, welche das Wesen der Vorstellungen betreffen und die durch sie fundierten Zusammenhänge. Das Wesen des Dinges, davon kann ich darum doch auch sprechen und muss davon sprechen, was zum Ding als solchen oder zu einem so und so gearteten und bestimmten Ding als solchen gehört, aber abgesehen von Existenz und Nichtexistenz.2 Was heißt das: „zum Ding als solchen“? Das heißt nichts anderes als: Was gehört zum Wesen der Vorstellungen, die Dinge vorstellen, und welche evidenten Aussagen 1
Aber wie das? Ich phantasiere mich in eine Änderung der Meinung hinein. Ja, was heißt: „abgesehen von Existenz und Nichtexistenz“? Ein Ding ist Glied einer Dingwelt und in seinen Relationen von ihr abhängig. Nicht wirkliche Existenzsetzung vollziehe ich, ich urteile nicht, aber ich versetze mich assumtiv in ein Ansetzen von Existenz, sei es auch, dass die Ansetzung der existentialen Intentionen in Bezug auf Umgebung etc. sehr unbestimmt bleibt. – Anm. des Hrsg. 2
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sind in diesen Vorstellungen zu fundieren, derart, dass sie über die Vorstellungen in der bezüglichen Richtung etwas aussagen (in den Vorstellungen lebend etc.)? Urteilen wir existential, so bestimmt die Erfahrung, was das Ding ist. Urteilen wir a priori, so bestimmt die phänomenologische Analyse, was zum Wesen der jeweiligen Vorstellung (spezifisch genommen) gehört, und was für Möglichkeiten hinsichtlich der Vereinigung und identifizierenden Verschmelzung, in der Intention und Erfüllung, in der Vorstellung, die wir Dingvorstellung nennen, beschlossen sind.1 Wir können auch sagen: Als was ist überhaupt das „Ding“ in den äußeren Wahrnehmungen und Phantasien, in den „Dinganschauungen“ gemeint, und zwar dem Wesen dieser Anschauungen gemäß? Und was kommt Dingen, wenn wir den im Wesen dieser Anschauungen gründenden logischen Akten nachgehen, wiederum vermöge auch des Wesens dieser Akte und ihrer Zusammenhänge mit möglichen Anschauungen, zu? Nota bene: Wenn sich „logische“ Einheit durch alle solche Akte soll durchhalten und Dingseiendes in einer Welt soll konstituieren können. Denn die einzelne Wahrnehmung oder Erinnerung macht es nicht, sondern die in ihrem Wesen mitbegründete Möglichkeit, so und so in intellektive Zusammenhänge zu treten, in denen sich das identische Ding ausweist. Also das Ergebnis scheint zu sein: Dinge sind intentionale Einheiten; Wesensanalyse von Dingen als solchen, das heißt, „Sinnesanalyse“ treiben. Der Sinn ist das im Vorstellungsakt Gemeinte als solches. (So muss es korrekt heißen.) Wir haben aber verschiedenartige Vorstellungen. Ich kann fragen: Was ist im „Begriff“ „Ding“ gedacht, und man kann dabei unter „Begriff“ die Wortbedeutung verstehen.2 Als was denke ich oder denkt man „Ding“, wenn man 1
Das ist, obwohl es Gutes enthält, nicht klar und korrekt. A priori urteilend denke ich doch nicht an Phänomenologisches. Es laufen die und die konstituierenden Akte (sei es auch modifiziert) ab, und indem sich irgendein Ding stetig konstituiert (und nur in stetiger Konstitution besteht seine Gegebenheit und somit besteht seine evidente Erfassung), erfasse ich auch das Dingwesen, das ebenfalls nur ein stetig sich konstituierendes ist. Die Ideation ist hier notwendig stetige Ideation und „allmählich“ die Dingidee ergebend. 2 Sinn als Wortbedeutung. Sogenannte verbale Analyse. In Wahrheit – kann man dann eigentlich sagen, dass die Wortbedeutung analysiert wird? Ich kann einen komplexen Ausdruck natürlich analysieren. Aber kann ich eine einfache nominale Bedeutung (und sie ist doch einfach) wie „Ding“ analysieren? Selbst wo das Wort definiert ist,
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eben sinngemäß „Ding“ sagt (und aussagt!)? Als was denke ich Ding, wenn ich soeben diese symbolische Vorstellung „Ding“ gebrauche und exemplarisch ein Haus „Ding“ nenne (symbolisch)? Heißt das aber etwas anderes, als dass ich den Aussagen nachgehe, die ich gemeiniglich von Dingen mache, dem, was man von Dingen aussagt und was man ihnen dabei allgemein zuschreibt? Als was, in welcher Bestimmtheit ist ein Ding gedacht, wenn ich eine exemplarische Phantasie oder eine exemplarische Wahrnehmung zugrunde lege, während Weiteres unbestimmt bleibt? Ich kann schließlich auf einen „letztklärenden Sinn“ zurückgehen, auf einen Wahrnehmungsoder Anschauungszusammenhang, in dem sich ein Ding als eines und dasselbe, nach dem, was es ist, auseinanderlegt, und kann da nun schauen und auseinanderlegen, was zum Wesen des Dinges gehört. Und hier habe ich das Wesen des Dinges gegeben, soweit eben der entfaltende Anschauungszusammenhang reicht. Danach ist der Sinn einerseits das in einer Vorstellung überhaupt Gemeinte als solches. Über den Sinn1 urteilen, das heißt: die im Wesen der Vorstellung gründenden Identifikationen und Unterscheidungen vollziehen, die sich in der charakteristischen Weise bezeichnen, als über den vorgestellten Gegenstand urteilen, und natürlich genau angemessen ausdrücken, aber ohne existential zu urteilen, d. h. ohne den Gegenstand zu setzen. Andererseits kann „Sinn“ heißen: die „Möglichkeit“, die Essenz, die in einer adäquaten Anschauung zur Gegebenheit kommt, die evtl. in einem Anschauungszusammenhang als adäquat sich entfaltende oder partiell sich entfaltende Einheit zur Gegebenheit kommt. (Wobei aber zu beachten ist, dass adäquate Anschauung nicht imma-
kann man ernstlich nicht sagen, dass Rückgang auf Definition wirklich Analyse ist. Mittelbarkeit. Nun könnte man gegen das Obige aber einwenden: Aufgrund direkter Erfahrung bzw. indirekt durch Rückschlüsse, durch Übernahme von umlaufenden Meinungen etc. urteilen wir über die Erfahrungsobjekte, über die und die bestimmten und allgemein über Dinge überhaupt. Mit jedem Urteilsschritt bestimmt sich das betreffende Ding (oder Ding überhaupt) neu und neu, und jede Bestimmung wird in der Erweiterung der Wortbedeutung (des mit dem Wort Gemeinten als solchen) aufbewahrt: verworren. Ich lege es verdeutlichend auseinander, natürlich so, dass ich auf die expliziten Aussagen zurückgehe. Verbales Bedeuten, verbales Denken bleibt aber immer „verworrenes“ Denken. 1 Sinn dieser Wahrnehmung etc., aber auch Sinn dieses Ausdrucks.
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nente heißt, sondern auch Anschauung, die stetig entfaltet, wofern eben stetige Entfaltung zur Gegebenheit wesentlich gehören kann.) Zum Wesen der Dingvorstellung gehört, dass, wenn ihr Gegenstand möglich, d. i. in Anschauung realisierbar ist, dies dann in den und den Anschauungszusammenhängen bestehen muss, ins Unendliche fortlaufend; und in diesen kann ich studieren, was zur Möglichkeit eines Dinges gehört, was das Wesen des Dinges fordert. Oder: Die Dingvorstellung „meint“ allerlei, sie hat ihr logisches Wesen; es kann entfaltet werden, was einem Ding als so gemeinten zukommt. Hier urteile ich logisch analytisch. Ich lege den gemeinten Gegenstand als solchen auseinander (soweit diese Meinung ihn bestimmt meint, während sie unendlich Vieles offen lässt). Aber ob die Meinung überhaupt möglich ist, das stellt die erfüllende Anschauung heraus (die Erfüllung der „Meinung“, des logischen Sinnes in dem anschaulichen Sinn). Und was zur Möglichkeit, zum intuitiven Wesen, dem wahren Wesen gehört, das ergibt das apriorische Urteilen innerhalb der „Evidenz“ der Anschauung. Der logische Sinn ist ein wechselnder je nach den Vorstellungen, denen er zugehört, in denen er sich „konstituiert“. Er wird bezeichnet eben durch die Vorstellung: Ich habe jetzt die und die Dingvorstellung, und in ihrem logischen Sinn finde ich das und jenes. Der klare Sinn, das Intuitive, ist das Wesen, das eine Gegebenheit ist. Freilich werde ich auch sie bezeichnen durch Hinweis auf Worte und Vorstellungen. Ein Unterschied besteht zwischen Wortvorstellungen und anschaulichen Vorstellungen, und zwar inadäquaten, die leere Intentionen in sich schließen. Wortvorstellungen geben die rein grammatische Einheit, die Widersinn zulässt. Eine Dinganschauung, eine „einseitige“ enthält vielerlei Intentionen, aber doch nie „widersprechende“. Sehen wir von Urteilsintentionen ab, von allerlei Wissen über Dinge, das Unverträgliches einschließen kann; halten wir uns an die „bloße Wahrnehmung“ und das, was sie meint, oder an die bloße Anschauung. Kann es da einen Unsinn geben? Beschreibe ich das erscheinende Ding, als was es gemeint ist, so gehe ich über das „wahrhaft Gegebene“ hinaus. Aber warum bedarf es der Anschauung als Erfüllung, um das Wesen des Dinges zu erkennen? Doch wohl, weil ich in der Verworrenheit nicht sehe, was zufällig und was notwendig ist.
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Erst wenn ich die zusammenhängende Anschauung habe und das gegebene Wesen, sehe ich, was zu ihm eben wesentlich gehört.1 Im einen Fall sehe ich, was zum so Vorgestellten als solchen gehört; und ist die Vorstellung eine symbolische, eine so und so gedankliche, dann sehe ich, was zum so Symbolisierten oder Gedachten gehört. Hier aber sehe ich, was zu einem in sich so Gearteten gehört, nicht zu einem so Gedachten als solchen, sondern zu einem Angeschauten als solchen, zu einem Möglichen, einem Wesen als solchen. Zum Wesen der Existenz gehört Anmessbarkeit an die Wahrnehmung und Erfahrung. Anmessbarkeit an „Wahrnehmung und Erfahrung“ beschließt die Möglichkeit, denn Anmessbarkeit an die Wahrnehmung, abgesehen von der Setzung, ist schon Möglichkeit, die übrigens dieselbe ist in entsprechender sonstiger Anschauung.2 Was ist, muss zunächst möglich sein. An Wesensgesetze sind alle Seienden gebunden. Also die Gesetze a priori sind Bedingungen der Möglichkeit des Aposteriori. Alles was ist, muss aber nicht bloß sachlich möglich sein, sondern auch denkbar sein. Es gibt neben den Wesensgesetzen, Gesetzen der sachlichen Essenz, auch analytische Gesetze, Gesetze, die zu den logischen Wesen gehören bzw. zu den Vorstellungen als solchen ihrem bloßen Vorstellungssinn nach. Darin sind wohl alle Gesetze für Sachverhalte etc. mitbeschlossen (also Gesetze für Urteile, Schlüsse etc. ihrer Geltung nach). Das anschauliche Exempel gibt das Wesen, und nun analysiert man das Wesen in einer Wesenszergliederung und bestimmt es in Wesenurteilen. Hier ist immer von allgemeinen Worten, von „Begriffen“ als allgemeinen Wortbedeutungen die Rede. Das im allgemeinen Wort Gemeinte als solches, das allgemeine (generelle) Wesen bzw. der unbestimmt allgemein gedachte Gegenstand als an diesem Wesen Anteil habend, als A „seiend“: Sinnesanalyse ist Begriffsanalyse. Oder es ist Klärung, Begrenzung, Zergliederung und Bestimmung des begrifflichen Gehalts einer allgemeinen Wortbedeutung. E igen n am en haben keinen allgemeinen Sinn. Sie haben keine allgemeine Bedeutung. „Heinrich“ stellt nicht einen Gegenstand als
1 Erst dann kann ich wirklich angemessen, richtig urteilen. Symbolisch, leer urteilend kann ich doch nicht wissen, ob das wirklich „stimmt“. 2 Alles, was ist, muss wahrnehmbar sein. Alles, was wahrnehmbar ist, muss anschaubar sein. Alles, was anschaubar ist, muss vorstellbar sein.
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„ein A“, als ein begrifflich so und so zu Fixierendes vor, sondern als diesen da, den bekannten, empirisch gesetzten. Ich kann mir ihn vergegenwärtigen; so habe ich ihn gesehen, er ist die und die Person etc. Aber der Eigenname stellt nicht „eine Person“ etc. vor. Auch nicht „diese Person“. Der Eigenname hat keine begriffliche Bedeutung. Er hat, sagte ich, eine Eigenbedeutung. Was heißt das? Mein ursprünglicher Ausgang von den „bedeutungsverleihenden Akten“: Das Wort „Napoleon“ ist kein leerer Schall. „Mit ihm ist ein Gegenstand gemeint“. Der Sieger von Waterloo etc. (aber doch nicht „der Sieger von Waterloo etc.“). Das Meinen als Akt. Ein Setzen mit dem und dem Vorstellungsgehalt. In allen Fällen, wo „Napoleon“ gesagt wird, ist etwas Gemeinsames, bald intuitiv, bald leer gemeint, aber immer wieder „Napoleon“. Ich kenne vielleicht die Person, ich habe sie wahrgenommen, in Jugend, in späteren Jahren. Ich sehe sie wieder, verändert: inzwischen alt geworden. Es ist immer wieder Napoleon. Ich erfahre vielerlei von ihr, all die Siege, Niederlagen; persönliche Beziehungen gehören zu ihr, und sie ist mit all dem in gewisser Weise gemeint. Oder vielmehr: Es ist nicht der Gegenstand als das gemeint, von dem ich erst künftig vielleicht erfahren werde, dass er dies oder jenes erlebt und gelitten hat, sondern als der und der Gegenstand, dem eben all das zukommt, was ihm zukommt, und all das zukommen wird, was er noch nicht ist, aber werden wird usw. Was soll also die Bedeutung des Eigennamens sein? Der Gegenstand? Denn er ist es doch, der dabei immerfort gemeint ist und der derselbe ist, wie immer die Kenntnisse von ihm sich ändern, wie immer er selbst sich ändern mag und seine Änderungen dem Nennenden sich kundtun mögen. Zu bemerken ist auch: Ich kann an Napoleon denken, ohne über ihn zu urteilen, aber ich kann nicht an ihn denken, ohne ihn als Wirklichkeit anzusetzen. Ich kann an den Zentauren Cheiron denken, ohne über ihn Aussagen zu machen, aber ich kann nicht an ihn denken, ohne ihn als Wirklichkeit, als Gegenstand der mythologischen Wirklichkeit zu setzen. Sage ich „dies!“, so liegt in ähnlicher Weise die Bedeutung sozusagen im Gegenstand. Sage ich „dieses Haus aus Stein“, so ist darin der Gegenstand gemeint und gesetzt, und gesetzt als ein Haus seiender, der aus Stein gebaut ist. Das Haus kann aus Ziegelsteinen sein, aber dass es das ist, gehört nicht zur Bedeutung. Aber es gehört doch
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zum Gegenstand, und der Gegenstand soll die Bedeutung von „dies“ sein! Es ist das also eine unzulässige Rede, dass der Gegenstand die Bedeutung von „dies“ ist. Sollen wir sagen, die Richtung auf diesen Gegenstand sei die Bedeutung? Oder: „Ob ich wahrnehme oder 5 mich erinnere oder begrifflich bestimmt fasse, der identisch gesetzte Gegenstand als solcher, ist die Bedeutung“? Nicht der Gegenstand an sich, als ob Beschaffenheiten des Gegenstands Beschaffenheiten der Eigenbedeutung wären, Teile des Gegenstands Teile der Eigenbedeutung.
D. URTEIL UND ANSCHAUUNG BZW. WAHRNEHMUNG
Nr. 18 Die Art der Gültigkeit d er immanent deiktischen U rteile1
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Deiktische Gegenstände, deiktische Urteile. „Individuelle Gegenstände“ – ich sage hier deiktische Gegenstände (wegen des Doppelsinns von „Individuum“) – werden aufgewiesen im „dies“, sie werden wahrgenommen, sie sind aufgewiesen in der Erinnerung. Individuelle Gegenstände, deiktische, sind entweder immanente oder 10 transiente. Wir betrachten im m an en t e deiktische Gegenstände und auf sie bezügliche Urteile. Ich höre einen Ton, ich fasse ihn immanent und vollziehe ein Wiederholen in der Erinnerung: immer derselbe Ton. Ich sehe ab von dem dinglichen Zusammenhang, dem er sich einfügen ließe. Es mag ein „bloß subjektiver Ton“ sein, und selbst die 15 Beziehung auf das reale Ich sei abgeschnitten. Er, dieser Ton, in seiner Einmaligkeit, er steht zeitlich da, er dauert in der ihm zugehörigen Zeit.2 Die Erinnerung sagt: Er dauerte, er hatte sein Jetzt und sein Dauern und Abklingen. Ich wiederhole das in der Erinnerung zwei, 1
15. und 20. August 1908. – Anm. des Hrsg. Ich höre einen Ton und sehe eine Farbe. In derselben immanenten Zeit ist gleichzeitig der Ton und die Farbe. Der Ton ist: Er ist im Jetzt, er ist im „Zusammen“ der jetzt Seienden. Oder er war im „Zusammen“ der Gewesenseienden, der gleichzeitig oder nacheinander Seienden. Die Wahrnehmung des Tones ist gleichzeitig mit dem Ton. Die Erinnerung des Tones ist gleichzeitig mit der Wahrnehmung dieser Farbe hier. Derselbe Ton einmal im engeren Sinn wahrgenommen (aufgemerkt, als dies-da gesetzt) oder nicht primär bemerkt oder im Hintergrund. Esse heißt hier percipi, und das percipi in diesen wesensmäßig zusammenhängenden Modi des Gegebenseins und dazu die Möglichkeit der Identifizierung in der Reflexion. Ursprüngliche Modi des Bewusstseins und des Gegebenseins; die als immanent zu konstituierenden Gegenstände sind die phänomenologischen Gegenstände: „zeitlich“, immanent, esse = percipi, Gewesensein = perzipiert Gewesensein. Zum Wesen des Perzipiertgewesenseins gehört Einheit des Bewusstseins bis zum Jetzt. 2
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drei Mal und „erinnere mich“ an d en selb en Ton, denselben „so und so lange“ dauernden etc. Ertönt der Ton, so sage ich „dieser Ton“. Und was kann ich von ihm aussagen, während er noch dauert? „Dies ist c“, „Seine Inten5 sität schwankt“ etc. Und ich erfasse ihn als Dies, als in seiner Zeit Seiendes, nämlich dauernd Seiendes und als „soeben“ Gewesenes und Dauerndes. Und weiter: Er war, er hat gedauert und war so und so … Wie steht es mit solchen immanent deiktischen Urteilen? Haben 10 sie objektive Gültigkeit? Sind das „wissenschaftliche“ Urteile? Vollziehen sie logische Bestimmung eines „Gegenstands“, eines Gegenstands im Sinn der objektive Gültigkeit anstrebenden Wissenschaft? Handelt es sich um D in ge, die ich wahrnehme, um Vorgänge, die ich wahrnehmend verfolge oder daran ich mich erinnere? Wie ist es da? 15 Nun, ich sehe, ich taste etc. Ferner: Ich kann dieselben Gegenstände von verschiedenen Seiten, unter verschiedenen Umständen wahrnehmen, sie können sich ihrem1 Dasein und Sosein nach ausweisen im 1
Von „Deiktische Gegenstände“ bis „sich ihrem“ später gestrichen und in folgender Weise abgeschrieben: „15.VIII.1908. Individuelle Gegenstände (im weitesten Sinn) oder, wie ich hier sagen will, deiktische Gegenstände werden aufgewiesen im ‚dies‘, sie werden wahrgenommen, werden auch aufgewiesen in der Erinnerung. Sie sind entweder immanente oder transiente. Wir wollen hier untersuchen immanente deiktische Gegenstände und auf sie bezügliche Urteile, wir wollen die Art der ‚objektiven‘ oder ‚bloß subjektiven‘ Gültigkeit dieser Urteile erforschen. Ich höre einen Ton. Ich fasse ihn immanent und vollziehe Wiederholung ‚desselben‘ in der Erinnerung: immer derselbe Ton. Ich sehe ab von dem dinglichen empirischen Zusammenhang, dem er sich einfügen ließe. Es mag ein ‚bloß subjektiver‘ Ton sein, und es sei selbst die Beziehung auf das reale Ich abgeschnitten. Er, dieser Ton in seiner Einmaligkeit, steht zeitlich da, er dauert in der ihm zugehörigen Zeit. Die Erinnerung sagt: Er hat gedauert, er hatte sein Jetzt, sein Andauern, sein Abklingen. Ich wiederhole das in der Erinnerung zwei, drei … Mal, erinnere mich dabei an denselben Ton, denselben so und so lange dauernden bzw. gedauert habenden etc. Ertönt der Ton, so sage ich ‚dieser Ton‘. Was kann ich von ihm aussagen, während er dauert? ‚Der ist c‘, ‚Seine Intensität schwankt‘ etc. Ich erfasse ihn dabei als dies, als in seiner Zeit Seiendes, dauernd Seiendes, als ‚soeben‘ Gewesenes, so und so Gewesenes etc. Wie steht es mit diesen und ähnlichen immanent deiktischen Urteilen? Haben sie ‚objektive‘ Gültigkeit? Haben sie ‚wissenschaftliche‘ Gültigkeit? Vollziehen solche Urteile und können sie vollziehen logische Bestimmung eines ‚Gegenstands‘, eines Gegenstands im Sinn der objektive Gültigkeit anstrebenden Wissenschaft? Stellen wir dem gegenüber den Fall, wo es sich um Dinge im gewöhnlichen Sinn, Raumdinge, Naturdinge, handelt. Ich nehme sie wahr, oder ich nehme dingliche Vorgänge wahr, erinnere mich an solche etc. Wie ist es da? Nun, ich sehe, taste etc. dieselben
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Zusammenhang der Anschauungen und anschaulichen Setzungen. Und nicht nur das; die Prädikationen, die sich auf diese intuitiven Setzungen (die immerfort deiktisch sind) gründen, können zueinander stimmen oder nicht stimmen, können mit anderen Prädikationen über Zusammenhänge des Aufgewiesenen mit anderen deiktischen Gegenständen „erfahrungsmäßig“ streiten; und im Fortgang, im Erfahrungszusammenhang kann sich der Widerstreit „erklären“ dadurch, dass der Gegenstand nicht „so“ ist, „wie er erscheint“. Das Mitaufgefasste und Mitgesetzte bestätigt sich nicht in der Aufweisung, im Zusammenhang der auseinanderlegenden Erfahrung, und vor allem wirklichen Ausweis und aller Bestätigung durch den letzten Ausweis kann das „Gewicht“ der einen Erfahrungssetzungen über das anderer vorliegender überwiegen. Streit mit relativ gesicherten, „gefestigten“ Erfahrungen hebt die Seinssetzung auf. Der Gegenstand ist nicht so, wie er erscheint, oder ist überhaupt nicht: Er ist „sicherlich“ nicht so. Er ist so gut wie sicher, höchstwahrscheinlich nicht so etc. So ist es in der Sphäre der empirisch realen Urteile, in der Sphäre der erfahrungsmäßigen Deixis, in der Sphäre der empirisch gegebenen und empirisch sich ausweisenden Realitäten.1 Anders aber in der Sphäre der Im m an en z, und zwar zunächst der Q u asirealit ät en, der Einheiten in der immanenten Zeitlichkeit: wofür jenes Tonbeispiel uns vor Augen steht. Und dann, wenn wir von Phasen sprechen und vom Fluss der Zeit und des Zeitinhalts von einem Gefühl, und darunter meinen den Fluss dieses Datums „Gefühl“, in dem sich das Gefühl als das dauernde und nach seiner Qualität und Intensität und nach sonstigen Bestimmtheiten schwankende, verändernde oder relativ nichtverändernde konstituiert. Die realisierende Objektivierung knüpft das Immanente „psychologisch“ an Realitäten. Diese erscheinen „subjektiv“, bekleidet mit den und den „Qualitäten“, während immanent erlebt ist ein BeDinge nach ihren verschiedenen Seiten, ich nehme sie wiederholt unter verschiedenen Umständen wahr. Sie können sich dabei ihrem“ Fortsetzung des Textes, oben S. 354,17 mit „Dasein …“. – Anm. des Hrsg. 1 Von „So ist“ bis „ausweisenden Realitäten.“ später in Landgrebes Typoskript verändert in „So ist es in der Sphäre der transzendenten Deixis, in der Sphäre der transzendenten gegebenen und empirisch äußerlich sich ausweisenden Realitäten.“ (Zu Landgrebes Typoskript – im Folgenden abgekürzt mit LT – siehe Textkritische Anmerkungen, S. 511.) Alle im Folgenden in Fußnoten wiedergegebenen Veränderungen und Annotationen in LT stammen von Husserl. – Anm. des Hrsg.
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wusstsein mit dem und dem Empfindungsgehalt etc. Der Ton gehört zum tönenden Ding und ist eine Äußerung, evtl. eine „Wirkung“ desselben auf das Subjekt. Das Gefühl ist Zustand des Ich, geweckt durch das Ding, sofern es wahrgenommen, vorgestellt ist etc. Wie aber, wenn wir das deiktisch Immanente als solches setzen, darüber urteilen, ohne realisierende Objektivierung? Also da tut sich uns eine Sphäre von Urteilen auf, die der „objektiven“ Gültigkeit, und von „Gegenständen“, die der „wissenschaftlichen“ Bestimmung notwendig entbehren. Was heißt hier „objektive“ Gültigkeit? Was sind da „Gegenstände“ ohne „wissenschaftliche“, also wohl „logische“ Bestimmbarkeit? Sind diese Urteile „bloß subjektiv gültig“? Sind diese Gegenstände „bloß subjektiv seiend“? Sind sie nicht an sich, sondern „bloß für das erkennende Subjekt“? Man könnte auf den wesentlich okkasionellen Charakter der Wörtchen „dies“, „hier“ etc. hinweisen. Sie weisen doch auf die redende Person und ihre Umstände hin und können nur mit Beziehung darauf verstanden werden. Nota bene: von anderen. Wenn jede Aussage kommunikative Bedeutung hat, wenn, was sie sagt, von jedem verstanden werden soll und soll verstanden werden können, dann werden wir bei diesen Urteilen auf die Person, die da redet, zurückgewiesen. Aber gehört es dann wesentlich zur Aussage und zur Möglichkeit ihrer Richtigkeit, dass sie für jeden anderen soll verständlich sein können, sei es auch prinzipiell (als prinzipielle Möglichkeit verstanden)? Das Urteil bzw. die Aussage „Dies ist eine (immanente) Farbe“, „Dies ist ein Gefühl der Lust“, „Diese Lust ist etwas anderes als jener Schmerz“, „Dies da (diese Farbe) und jenes da (jene Farbe) haben verschiedene Helligkeit“, und was dergleichen Aussagen mehr sind, sind wahr oder können wahr sein, und ihr Sinn enthält nichts vom aussagenden Subjekt. Sie erhalten aber notwendige Beziehung darauf, sowie die Aussage sich an andere aussagend wendet, von ihnen verstanden sein und ihre Zustimmung einfordern will. Wissenschaft als ein System intersubjektiv verständlicher, intersubjektiv begründbarer, d. h. von jedem nachprüfbarer Sätze schließt solche Erkenntnis offenbar aus. Macht aber die Möglichkeit der Wahrheit solcher Urteile bzw. die Möglichkeit ihrer Begründung, des Wahrheitsausweises nicht prinzipielle Schwierigkeiten?
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Bei sinnlichen Inhalten haben wir immer auch1 eine dingliche Objektivierung. Selbst wenn ich Doppelbilder nehme – wie sie sich durchsetzen, im Wettstreit durchscheinend werden etc. –, da ist jedes eins durch dingliche Objektivierung (aber nicht daseinsmäßige, existentiale). Seine Dinglichkeit ist eben diejenige, die dem erscheinenden Ding zukommt, es erscheint ein Räumliches, okulomotorisch Identifiziertes etc. Und wenn ich da Urteile ausspreche, so sind das schon nicht mehr rein immanente Urteile. Was sind hier für Urteile zu fällen? Urteile derselben Art wie die bloßen Ph an t asieu rt eile. Urteile, die ausdrücken, „was da erscheint und so wie es da erscheint“. Die Dinge werden nicht gesetzt, sondern quasi gesetzt. Auch ist auf diese Urteile zu achten, die ich auch beim für wirklich genommenen und normal wahrgenommenen Ding vollziehen kann, z. B. diese Tabakblechbüchse. Einerseits das Urteil „Sie ist gleichmäßig gelb“; andererseits achte ich auf die „Erscheinungsfarbe“ und selbst auf die Abschattung bei unbewegtem Körper und Auge und auf die Änderungen bei Augenbewegung und sage nun über das aus, was mir so und so scheint, und andererseits über das, was, im höheren Sinn als dem Ding selbst zukommend – wenigstens in der naiven Betrachtung und in Konsequenz –, dem Ding zugerechnet wird. Im indirekten Sehen: das Unbestimmte, Vage, Helligkeitsunterschiede etc., z. B. „Das Ding ist nicht so und so, sondern es erscheint verschwommen“ etc. Auch da kann man nicht „objektiv“ beschreiben. Man spricht aber vom Ding, das mir erscheint, das so und so beschaffen ist und das in dieser Augenhaltung gewisse „vage“ Erscheinungen mit vagen Farben, Formen, Inhalten etc. bietet. Ich kann auf Unterschiede achten, ich kann im vagen immanenten Inhalt auf innere Unterschiede und Teile achten, die miteinander „verwoben“ sind. Ich kann Begriffe wie „Farbe“, „Ton“, „Umrandung“, „Ausbreitung“ und dgl. hereinbringen, die ich nur nicht dinglich interpretieren darf. Vage Begriffe! Ich sage im Subjekt „dies“, in der Relationsaussage „dies und jenes“, ich sage „dieser Ton“, „diese Farbe“. Aber was kann nicht alles „dieser Ton“ heißen, abgesehen von der individuellen
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Über „immer auch“ in LT spätere Einfügung: „normalerweise“. – Anm. des Hrsg.
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Deixis? Der Inhalt! Er ist tausendfältig ein anderer und heißt1 immer wieder „Ton“, „Farbe“ etc. Die Unterschiede können sichtbar sein, evident sein, aber sie sind nicht „fassbar“, nicht „scharf bestimmbar“, nicht „eindeutig“ bestimmbar. Ich habe keine unterscheidenden Begriffe und Worte, keine Mittel „objektiver“ Unterscheidung, und doch ich habe Evidenz: Diese Töne bilden eine Zeitreihe, bilden eine qualitative Reihe etc. Auch die Wesensurteile sind im weitesten Umfang hier „vage“. Wesensurteile, auf niederste Differenzen bezügliche, sind nicht in „scharfer Bestimmtheit“ zu fixieren. Und wie ist es mit den Erinnerungsurteilen? Ich stelle jetzt fest (wenn ich das „Feststellung“ nennen will), dass in der Einheit „dieses“ Phänomens Blau gegeben ist und ein Ausschnitt Schwarz und Grau etc., so und so verteilt (wie ich es nicht genauer ausdrücken kann) im momentanen „Sehfeld“; und dann erinnere ich mich: Es war das gegeben. Das Erinnerungsbild ist nun erst recht „vage“. Ich drücke aber nicht aus, was da gegeben ist, sondern wessen ich mich erinnere. Das war „vorhin“ so und so in der Einheit eines Phänomens verteilt. (Mein empirisches Ich kann ich dabei beiseite lassen, davon brauche ich nichts zu sagen.) War das „wirklich“? Wirklich so geartet, so beschaffen? Wie lässt sich das ausweisen? Nun, es ist Erinnerung. Hat es hier einen Sinn von Täuschungen der Erinnerung zu sprechen? Ich habe eine Erinnerung, eine vage und dann eine klare, eine mehr ausgearbeitete Erinnerung. Ist die letztere das Maß? Das sind also gar merkwürdige Sachen. Kein Feld einer festen Bestimmung, einer übersubjektiven, nicht an Akt und Subjekt gebundenen, einer „immer wieder“2 zu vollziehenden Ausweisung, Identifizierung, Begründung der Beurteilung, kein Feld von Objektitäten, die abgesehen vom „zufälligen Gegebensein“ immer wieder als identisch dieselben gegeben sein und als identisch dieselben ausweisbar sein könnten und die immer wieder als so und so seiend, so und so mit1
Von „Deixis. Der“ bis „doch immer“ später verändert in LT in „Deixis, der Inhalt. Er ist tausendfältig ein anderer und heißt immer“. – Anm. des Hrsg. 2 Das ist nicht klar. Was heißt „immer wieder“? Wahrnehmend kann ich sagen: Das ist und dauert. Erinnernd kann ich sagen: Das war oder jenes war vorher, dieses nachher, jenes „lang“ dauernd, dieses kurz etc. „Es war A und ist jetzt noch“ besagt „Es dauert“, und zwar „Es ist dauernd wahrgenommen“. Dass etwas ist, was nicht wahrgenommen ist, und etwas war, das nicht wahrgenommen war; dass etwas wiederholt wahrgenommen ist ohne ideale Möglichkeit einer einheitlichen Erinnerung, das gibt es hier nicht.
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einander zusammenhängend „objektiv bestimmt“ werden könnten. Kein Feld einer Wissenschaft. Eine Phantasie „ausdrückend“ sage ich auch „dies“: „Dieser Zentaur tut das und das.“ Und in der Erinnerung: „Dieser Zentaur tat das und das“. Nämlich, eigentlich tat er dies nicht, sondern der Zentaur der früheren Phantasie w ar in ihr phantasiert als der, der das tat (oder vielmehr tut). Jedenfalls, das „dies“ setzt nicht den Zentauren als seiend: Ich phantasiere mich in diese Situation hinein, und in ihr „tritt“ gleichsam ein Zentaur auf etc. Auch bei einem Bild: Ich beschreibe das Sujet. Wenn ich ein Doppelbild oder ein Illusionsbild beschreibe, so sage ich auch „dies“, setze es aber nicht als Wirklichkeit an. „Ich phantasiere mich hinein“, ich drücke aus, „was ich sehe“. Versuchen wir nun wie gleichwertig danebenzustellen: Wenn ich einen immanenten Ton habe und ihn in der Immanenz beschreibe, sage ich wieder „dies“ und drücke aus, was ich da anschaue. Ich vollziehe keine Ansetzung als „wirklich“, d. i. eine „Urteilssetzung“, deren Erfüllung im Wahrnehmungs- und Erinnerungszusammenhang liegt. Vollziehe ich nicht trotzdem eine Setzung, welche dem Gesehenen bzw. Gehörten eine höhere oder niedere Seinsdignität verleiht als jenem abgebildeten oder illusionären Objekt?1 Es sind lauter deiktische Objekte, alle erscheinen sie in der Zeit, jedes dauert oder ändert sich (erscheint als sich verändernd oder als dauernd). 1
Aber es ist doch etwas nah Verwandtes: im Bildbewusstsein leben und im Scheinbewusstsein leben. Im Wahrnehmungsbewusstsein setze ich das Erscheinende, und diese Setzung ist Setzung des erscheinenden Objekts, also weist in der Synthesis weiter und weiter. Es ist Setzung eines Dinges in der Dingwelt. Diese Setzung kann suspendiert sein, sie kann durch Widerstreit aufgehoben sein. Dann haben wir impressionale Erscheinung ohne Setzung, und trotzdem heißt es „dies“: dies, nicht dieses Seiende, sondern dieses „Erscheinende“. Ebenso Erinnerungserscheinung: aufgehoben durch Widerstreit, allerdings dann bezogen auf einen erinnerten Zusammenhang. Oder Suspension. Endlich: Phantasieerscheinung außer Zusammenhang. Bewusstsein „freier“ Phantasie, es fehlt der Setzungsmodus ganz, d. h., es ist nicht Suspension, nicht Negierung wie bei der fraglich gewordenen Erinnerung, die durch Gegennegierungen „aufgehoben“ ist, sondern es liegt nichts von einer „Bindung“, „Nötigung“, „Negierung“ vor. Eventuell ist die Phantasieerscheinung hineinphantasiert in eine Erinnerungsumgebung oder Wahrnehmungsgebung, wo alles sonst Seinsforderungen ausspricht. Eventuell aber ganz freie Phantasie außer aller Verflechtung mit Wirklichkeitssetzung und Wirklichkeitsanmutung, indem nun die Setzung des Objekts ausgeschaltet ist (die Intention, deren Erfüllung im Wahrnehmungs- und Erinnerungszusammenhang liegt). Was liegt vor bei dem „dies“ und dem darauf gebauten Dies-Urteil?
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Das eine Objekt ist immanent, das andere transient. Eine Setzung, die mit einer Einlösung transienter Intentionen zusammenhinge, findet nicht statt. Es wird ausgedrückt das Was der anschaulichen, aber transienten Erscheinung. Ist das Objekt „immanent“, so fallen eben transiente Auffassungen fort. Wird nun bloß ausgedrückt? Was heißt das? Es wird „d ies “ gesagt. Es wird auch dort beim Transienten „dies“ gesagt. Ich habe vor mir im Doppelbild die Plakette des Lorenzo, ich sehe zwei Plaketten. Ich sage „dies“ und „jenes“, das eine lebhafter, das andere matter gefärbt. Ich vergleiche also, ich durchlaufe jede mit dem Blick, ich sage „Da ist das so und da so“ etc. Ich glaube nicht an zwei Dinge. Ich kann sagen: Das und jenes ist „dasselbe“. Oder: Es sind „Erscheinungen“ desselben wirklichen Dinges (Erscheinungen hier als Gegenständlichkeiten). Es gibt hier also eine Diessetzung, welche keine Wirklichkeitssetzung ist und keine Setzung eines „wahren Seins“, sondern Setzung eines „Angeschauten als solchen“. Aber ist das, was da „Diessetzung“ heißt, eben eine Setzung, nämlich eine Seinsmeinung, Seinssetzung, wie die Wahrnehmung oder Erinnerung? Kann man sagen „Das Gegenständliche in diesem Sinn des ‚Angeschauten als solchen‘ ist ‚gegeben‘“? Natürlich, es ist keine „Intention“ da, die auf Erfahrung und erfahrungsmäßige Ausweisung ginge. Aber kann man sagen, das Gegenständliche sei gegeben? Und verhält es sich mit diesen Fällen und den Fällen immanenter Gegenstände ganz gleich? Sind beide auf gleicher Stufe zu behandeln? Wir sagen „Dieser Ton, diese (nicht dinglich verstanden, sondern immanent genommen) Farbe, sie ist gegeben und in dieser Gegebenheit bzw. Gemeintheit ist sie nicht zu bezweifeln“. Der Zweifel hat hier keinen Sinn. Aber muss man nicht auch sagen „dort“? Bei den Urteilen, die in Bezug auf transiente Erscheinungen gefällt werden, hat Zweifel keinen Sinn? Aber hat das Nichtbezweifelbarsein beiderseits denselben Sinn und dieselbe Quelle? Und wie steht es mit der Zeitlichkeit dieser „Gegenstände“ beiderseits? Der Ton dauert, und innerhalb seiner Dauer verändert er sich so und so. Das Doppelbild dauert, und während der Dauer „bewegt es sich“. Kann ich sagen „Diese Bewegung ist bloßer ‚Schein‘, sie scheinen sich zu bewegen“? Aber Schein ist Widerstreit gegen eine Wirklichkeit. Ist davon hier die Rede? Ich kann von Scheinbewegungen wirklicher Dinge reden: Die erscheinenden Bewegungen (und die „erscheinen in Wahrheit“)
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streiten mit empirischen Tatsachen. Aber hier handelt es sich rein um die „in Wahrheit“ erscheinenden Bewegungen, um Veränderungen, Unveränderungen, verbleibendes „Sein“ des „Erscheinenden als solchen“. All diese impressionalen Gegenständlichkeiten haben ihre Zeit (die Phantasiegegenständlichkeiten eine Phantasiezeit), und sie können zugleich sein und nacheinander sein, sie können gleich lange dauern oder verschieden lange dauern. Nehmen wir dazu die „wirklichen“ Gegenstände, so haben auch sie ihre Zeit und wieder dieselbe Zeit. Die Zeit ist nur eine. Der physikalische Scheingegenstand (wie der Regenbogen oder ein Spiegelbild) dauert und verändert sich ebenso lange oder weniger lange wie ein physikalisch wirklicher Gegenstand etc. Ist Zeitlichkeit Charakter der „Realität“, so hätten wir zwischen „wirklicher“ und „unwirklicher“ Realität zu unterscheiden, und aufseiten der unwirklichen zwischen immanenter und transienter. Was ist daraus nun zu lernen? Wenn Zweifel beiderseits nicht möglich ist, haben die immanenten Gegenstände und die transienten angeschauten (impressionalen) Gegenstände dasselbe Sein? Ist nicht die Gegebenheit des rein immanenten Gegenstands eine absolute und vollkommenste? Der gemeinte ist, so wie er gemeint ist, durchaus gegeben. Im anderen Fall, habe ich da nicht Unterschiede zwischen Gemeintheit und Gegebenheit? Nun könnte man sagen: Aber gemeint ist nicht, wenn ich das Erscheinende als solches ansetze, die Rückseite etc. Gegeben ist da ein Immanentes und gewisse Auffassungen. Ich setze nicht das aufgefasste Sein, das ich nachprüfen könnte und müsste, ob dieses sich als das, als was es aufgefasst ist, ausweisen möchte. Sondern ich setze d ies: „das Erscheinende als solches“. Nun, in diesen Fällen beschreibe ich fürs Erste nur das Erscheinende, so wie es erscheint. Und fürs Zweite: Ich gebrauche die Ausdrücke wie im Fall der Wirklichkeitsauffassung und -benennung: Ich sage „der Haarwulst“, „die Nase“ etc., „an dem unteren Teil der Haarteilung ein Lichtglanz“. Die Meinung aber ist nicht die, es handle sich um eine Wirklichkeit, die dann nachzuprüfen wäre. Ich kann nicht fragen, im Anblick des Bildes etwa: Ist das ein Haarwulst oder ist es eine imitierte Haarteilung aus Wolle und dgl.? Oder: Ist das wirklich hoch gewölbt oder vertieft? Sondern ich beschreibe „was da erscheint“, und das erscheint ja wirklich. Und dieses „wirklich“ besagt nicht „In der Wirklichkeit bin ich, und ich habe ein Erscheinen“, wobei zu
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sagen wäre „Erscheinen dieses Inhalts“ (Erscheinung), sondern ich denke nicht an mich und meine keine Wirklichkeit, sondern nur an d ies: die Erscheinung (das Erscheinende), die ein Gegebenes ist, ein „Seiendes“, aber kein Wirkliches. Darf man also sagen „Dieses Seiende ist nicht mehr und nicht weniger seiend wie der immanente Inhalt, der auch kein ‚Wirkliches‘ ist“? Das geht, scheint es, doch nicht. Im wahren Sinn gegeben ist das Immanente. Man könnte zunächst sagen: Das Transiente ist Angeschautes, Gemeintes (als Vorgestelltes), Bedeutetes. Es gibt hier ein Assumieren und Urteilen aufgrund der Assumtion. Es kann das Bedeuten vollzogen und das Bedeutete als solches zur Gegebenheit gebracht werden. Aber diese Gegebenheit ist etwas wesentlich anderes als die der Immanenz. Die letztere verwandelt sich in reale Gegebenheit im Fall der psychologischen Auffassung und Wirklichkeitssetzung, nicht aber die erstere. Indessen, die Verhältnisse sind doch noch nicht ganz geklärt. Um weiter zu kommen, stellen wir folgende Betrachtung an. Wenn ich ein transient Erscheinendes als solches beschreibe, so liegt vor eine empirische Apperzeption ohne die empirische Setzung. Gewisse „sinnliche Inhalte“ werden „klar“ apperzipiert, als so und so sich verteilende Farbe über eine so und so gestaltete Körperlichkeit. Die so und so verteilten sinnlichen Inhalte im Sehfeld, die so und so komplizierten Inhalte verschiedener Sinnesfelder gestatten nicht nur, sondern „fordern“ die Auffassung. Fest und bestimmt ist die Forderung: So sieht das Objekt in dieser Hinsicht aus. Daneben aber bleiben Unbestimmtheiten und schwankende Möglichkeiten. Es ist d ie Auffassung und jen e Auffassung möglich; die Auffassung ist in dieser Hinsicht entweder unbestimmt (z. B. Farbenverteilung auf der Rückseite) oder sie ist schwankend. Zum Beispiel ein Bild: Gemalt ist in der Landschaft „ganz klein“ eine Person. Ist es Mann oder Frau? Und dergleichen. Bei genauerem Hinsehen finde ich vielleicht Motive, die eines von beidem ausschließen. Das schon Apperzipierte fordert dann die Apperzeption des Neuen, das Neue muss sich dem Alten, dem „klar Erfassten“ anpassen. Der „Ausdruck des Gesehenen“, die Beschreibung des erscheinenden Gegenstands hat ihre „Evidenz“; die Worte und Wortbedeutungen, die ausdrückenden Begriffe passen zur Anschauung. Ist die Apperzeption „unsicher“, könnte es α und könnte es „ebenso gut“
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β sein, so kann ich eben nur diese Verträglichkeit und Möglichkeit aussagen, und sonst fehlt die „Evidenz“. Wie steht es nun aber mit dem wirklichen Sein des intentionalen Gegenstands? Es ist offenbar etwas wesentlich Verschiedenes, ob ich bloß ausdrücke, was mir erscheint, oder ob ich den für wirklich genommenen Gegenstand beschreibe und über ihn, den wirklichen, urteile. Wir haben offenbar zu unterscheiden: die „Intentionen“, die „Forderungen“, die Hinweise und Rückweise, welche zur Apperzeption gehören, zur Konstitution des erscheinenden Gegenstands als solchen, und die Seinsintentionen, die Ansetzung als seiend, als wirklich. Sowie ich das Letztere tue, liegt in meinem Wirklichkeitssetzen oder Glauben die Überzeugung (es gehört wesentlich dazu nicht als darin reell beschlossen, aber als wesentlich möglich zugehörig), dass, wenn die und die Änderungen der „Umstände“ erfolgen, dass, wenn die Augen so und so bewegt werden etc., dann die und die Abläufe der repräsentierenden Inhalte statt haben müssen und dgl. Kurz: Die Intentionen auf die Synthesis müssen sich dann einlösen. Dieser Glaube ist ausgeschaltet im anderen Fall. Es ist ein modifiziertes Bewusstsein, innerhalb dessen die Aussage verläuft.1 Ich sage „dies“, glaube aber nicht an „dies“, ich drücke aus, ich urteile „assumtiv“, aber nicht unter einer Voraussetzung, einer Annahme im eigentlichen Sinn. Ich kann unter dieser Assumtion sicher urteilen, zweifeln etc. Aber das ganze „Urteil“ unterliegt keinem Zweifel. Weil es evident ist? Nun ja, das ist es. Ich könnte ja einen Ausdruck wählen, der nicht passt: anstatt „Dieses A ist B“ „Dieses M ist N“ oder „Dieses A ist N“, wo M und A, N und B streiten. Der Ausdrucksglaube findet seine Evidenz. Aber Ausdrucksglaube ist nicht Seinsglaube. Das Urteil kann falsch sein, obschon der Ausdrucksglaube evident ist. Ich meine ein volles Urteil, das Urteil ist sowohl im Sinn des Ausdrucks als
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„Ein modifiziertes Bewusstsein“, sage ich hier, „innerhalb dessen die Aussage verläuft“. Das kann heißen: Ein modifiziertes Bewusstsein intuitiver Art liegt zugrunde, und darauf gründet sich ein wirkliches Aussagen, Urteilen. So ist es hier gemeint. Man könnte aber auch einwenden: Es ist ein modifiziertes Urteilen, ein modifiziertes „Ausdrücken“, und die Evidenz ist eine modifizierte Evidenz (Evidenz ist Einstimmigkeits-, und zwar intuitives Einstimmigkeitsbewusstsein: Sein Gegensatz, das Widerstreitsbewusstsein, ist hier ebenfalls modifiziertes Widerstreitsbewusstsein: intuitives, „eigentliches“, aber modifiziert.)
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im Sinn der Daseinssetzung. Ist aber nicht beides Glaube? Handelt es sich also nicht um unterliegende doppelte „Apperzeption“? Wir könnten sagen: Daseinsmeinung und Ausdrucksmeinung. Beides Glaube? Das geht doch nicht. Und auch die Rede von Meinung ist beiderseits nicht dieselbe. Es handelt sich um eine bestimmte Modifikation. Es ist hier also ein Problem: Wie steht Sachglaube, Glaube an den Sachverhalt als einen seienden, zum „Ausdrucksglauben“, der die Angemessenheit des Ausdrucks an das Erscheinende betrifft (bzw. an das Gedachte, das Bedeutete eines auszudrückenden „Gedankens“)? Man wird sagen: Der Ausdrucksglaube hat nur seine Stelle, wo eben ausgedrückt wird, in „Begriffe“ gefasst als Wortbedeutungen. Der Sachglaube aber betrifft schon die reine, ausdruckslose Anschauung. Wie verhält es sich aber mit dem „dies“, mit dem ich mich auf das Angeschaute beziehe und das in den Ausdruck eingeht? Zum Beispiel: „Dieses (Doppelbild) ist heller als jenes.“ Diese Deixis müssen wir offenbar vom Daseinsglauben sondern. Aufweisen kann ich auch etwas Vorgestelltes, in Seinsweise nicht Gesetztes. „Dies“ ist keine „Setzung“ im selben Sinn wie die Daseinssetzung. Das „dies“ drückt nicht aus im Sinn des begrifflichen Ausdrückens; es weist auf das vorgestellte, hier angeschaute Objekt hin: innerhalb jenes Bewusstseinsmodus, der „bloße Vorstellung“ ist (im Gegensatz zur Daseinssetzung). Die Ausdrucksevidenz lässt das Dasein unberührt (zu ihr rechne ich die Dies-Evidenz). Sie sagt nicht, dass das in Wahrheit ist, was da aufgewiesen ist, und doch liegt eine Evidenz vor, eine Anpassung der Hinweisung an die Anschauung. Liegt in der Erschauung eine Gegebenheit vor, etwa weil wir „dies“ sagen können? Ist gegeben ein Seiendes, so ist das Erscheinende nicht gegeben. Ein „Gegebenhaben“ ist das Wahrnehmen. Es setzt ein Dasein. Man könnte aber „Gegebenheit“ auch so verstehen, dass es sich mit „Anschauung“ deckt. Der angeschaute Gegenstand als solcher ist nicht. Er ist, wenn er Dasein hat. Er ist als daseiend geglaubt in der Daseinssetzung. In der „bloßen“ Anschauung ist er nicht, sondern es ist eben Anschauung, und es gründet in ihr die ideale Möglichkeit des Urteilens in ausdrückender Evidenz.1 Zum
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Aber schließlich auch bei leeren Vorstellungen (auch bei leeren Denkvorstellun-
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Wesen der Anschauung gehört es, Zeitlichkeit erscheinen zu lassen. Anschauen, das ist „Individuelles-Objekt-Erscheinen-Haben“, und ein individuelles Objekt erscheint zeitlich. Notwendig. Zum Wesen aller Anschauung, die in einem Bewusstsein vereinigt ist, derart, dass zwei Anschauungen in eins gesetzt sind oder ein Übergang von der einen zur anderen statt haben kann, gehört es, dass sie Einheit von Kollektion erscheinen lassen können, und diese ist ein neuer zeitlicher Gegenstand: zeitliche Kollektion als simultane oder sukzessive.1 Was in einem Bewusstsein erscheint, erscheint als gleichzeitig oder nacheinander, und das betrifft eben die Erscheinungen,2 unabhängig von Daseinssetzung oder Nichtsetzung.3 Nun bleibt aber noch die Frage: Wie ist es in der echt immanenten Sphäre? Haben wir da auch Daseinssetzung und bloße Erscheinung und Daseinssetzung und Ausdruckssetzung zu unterscheiden?4 Gehört Daseinssetzung bloß zu transienten Erscheinungen? Also ist Daseinsglaube etwas wesentlich zur Transienz Gehöriges? Dann gäbe es also nur Ausdrucksglauben und keinen Daseinsglauben in der echten immanenten Sphäre? Bloße Hinweisung ohne Seinssetzung? Das Immanente ist im anderen Sinn wie das Erscheinende. Das ist klar. Das Erscheinende ist, das kann nur heißen: Es hat Dasein. Hat es Dasein, so werden empirisch bestätigende und somit setzende Anschauungszusammenhänge möglich, in denen die Intentionen sich erfüllen, die, sinnlich repräsentiert, in der und der Auffassung wirklich „auftreten“ usw. Es ist klar, dass das Immanente, die sinnlichen „Inhalte“, die Meinungen etc. „sind“, obschon sie nicht auf einen erweisenden Zusammenhang zurückweisen. Sie sind im absolut immanenten Sinn. Sie haben nicht Dasein, sondern absolutes Sein. Aber freilich, bedürfen sie einer „Setzung“? Bedürfen sie eines „Glaubens“? Besteht, wenn wir auf sie hinblicken, ein Unterschied zwischen bloßer Erscheinung und wahrnehmender (wahrsetzender)
gen, Satzvorstellungen) etc. kann ich „dies“ sagen und kann das Vorgestellte als solches beschreiben, Ausdrucksurteile fällen und mit Evidenz. 1 Und wo Kollektion möglich ist, da auch Vergleichung, Unterscheidung etc. 2 Spätere Einfügung: „als Erscheinendes“. – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Randbemerkung: „Vgl. Beilage 1α = Beilage XXXI, 2α = Beilage XXXII.“ – Anm. des Hrsg. 4 Spätere Randbemerkung: „Daseinssetzung und Erscheinungssetzung: Ansetzung des Erscheinenden als solchen“. – Anm. des Hrsg.
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Erscheinung? Hat hier überhaupt der Begriff der Erscheinung, der Apperzeption, sei sie auch „adäquat“, ein en S in n? Das ist also ein kardinales Problem. Was besagt das: Die immanenten Inhalte sind, das Rotmoment, das Figurmoment etc. ist? Was besagt das: „Bewusstsein“ wie Urteil, Gefühl, Wille ist und „ist“ nicht im Sinn realer Existenz als Zustand eines Menschen? Nun, da ist wohl nichts anderes zu antworten als: dass es doch etwas anderes ist, sich zu denken, ein Farbeninhalt sei oder ein Toninhalt sei, oder sich einzubilden, er sei, wie wenn ich einen Ton mir phantasiere und andererseits die Impression habe! Die Impression Farbe ist Wirklichkeit Farbe, ist Sein von Farbe, und darauf hinblicken und „dies“ sagen, das ist auf ein „wirkliches“ wahrhaft Seiendes und nicht bloß Gedachtes hinblicken und es als d ies aufweisen. Es ist eine ganz andere Sache, einen realen Gegenstand (einen dinglichen), dessen Sein ausgeschaltet, außer Frage ist, oder der als nichtseiend bekannt ist, in der Wahrnehmungsauffassung „gegeben“ haben. Wahrhaft seiend ist das „Immanente“ daran. Sage ich „Hier ist eine Farbe“, „Eine Farbe ist in Wahrheit“, „Etwas, das Farbe ist, ist wirklich“, so kann das „hier“ statt des räumlichen Daseins besagen „Dies da (und zwar in der Weise einer Setzung, eines immanenten Glaubens) ist eine Farbe!“. Da kann ich nebeneinander setzen: Dies ist eine Farbe, also eine Farbe ist „wirklich“. Wenn ich aber eine Halluzination oder Illusion oder ein Bildsujet „Zentaur“ habe (im Bewusstsein des Nichtseins), kann ich zwar sagen „Dies ist ein Zentaur“, aber hier fehlt beim „dies“ die Seinssetzung und ich kann nicht weiterführend sagen „Also etwas ist ein Zentaur“.1 Ich könnte allenfalls sagen „Ein Zentaur ist eine Möglichkeit, ein intuitiv Vorstellbares, ein Wahrnehmbares“ und dgl. Es ist also nicht richtig, dass es für das Immanente keine Wahrnehmung, keine direkte und das Immanente in der Weise der Präsenzhabende Glaubenssetzung gibt. Aber freilich: Sie bedarf keines weiteren Ausweises, sie ist immanent, sie setzt nicht etwas, das sein Sein erst noch zu begründen hat. Sie findet ihre Begründung in „sich selbst“.
1 Ebenso, wenn ich eine Farbenphantasie habe, kann ich sagen: „Dies da, diese Farbe ist imaginiert“, nicht aber „Sie ist ‚wirklich‘ (immanent gegeben)“. In der Impression aber kann ich sagen: „Sie ist selbst gegeben, selbst da, gegenwärtig, obschon nicht dinglich“. Anders schon in der Erinnerung. Allerdings frische Erinnerung etc.
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Und auch von einer Auffassung wird man hier reden können. Es ist ein Inhalt da, der vergegenständlicht wird. Psychologisch: Ich muss solch einen Inhalt, einen so gearteten, öfter erlebt haben, damit er sich als ein „dies da“ abgrenzen und dass er für sich gegenständlich werden kann. Ein einheitlicher Griff hebt heraus, macht zu einem inhaltlich so Bestimmten, zu einem Etwas, von dem, dass er inhaltlich so ist, ausgesagt werden kann. Wir haben also eine „Welt“ immanenten „Seins“.1 Aber freilich eine Welt? Hier gilt das esse = percipi, allerdings in einem anderen Sinn als bei den „erscheinenden Gegenständen als solchen“, die quasi seiend sind und in das Urteil eintreten können im Ausdruck des Erscheinungsgehalts, der an das setzungslose „dies“ angeknüpft wird. Die Wahrheit dieser Urteile hat einen assumtiven Untergrund, die Wahrheit der immanenten Urteile einen thetischen Untergrund. Aber was sind das beiderseits für Wahrheiten? Kan t stellt gegenüber Wahrnehmungsurteil und Erfahrungsurteil. Indessen, wir können die Beziehung auf das empirische Subjekt ausschalten und behalten noch immer die Unterscheidung zwischen Wahrnehmungsurteil und Erfahrungsurteil übrig: in gewissem Sinn natürlich. Auch müssen wir hinzufügen: Erinnerungsurteil, Phantasieurteil usw. Die immanenten Urteile sagen „Dies ist“, „Dies ist Farbeninhalt“, „Dies ist immanenter Ton, dauernd und während der Dauer sich verändernd“ etc. Die Phantasieurteile: „Dies ist ein Zentaur“ = „Jetzt ist eine Phantasie, und das Erscheinende ist Zentaur-Erscheinendes“ und dgl. Aber was ist das für eine Wahrheit? Ist Wahrheit nicht ew ige, zeit lo se Wah rh eit ? Aber man darf (wie ich es wohl in den Logischen Untersuchungen getan) die „Ewigkeit“ bzw. Zeitlosigkeit der Wahrheit nicht falsch auffassen bzw. übertreiben. Urteilen wir „Dies (dieses jetzt Seiende) ist rot“, „Dieses Rot ist heller als jenes“ etc., „Beide dauern gleichzeitig an“ etc., was soll das heißen: „Diese Aussagen sind wahr für alle Ewigkeit“? Was soll es überhaupt heißen, eine Aussage sei wahr, „darin liege“, sie gelte, sei und bleibe richtig in alle Ewigkeit und von Ewigkeit zu Ewigkeit? Wenn das im Sinn der Wahrheit läge, diese mögliche Beziehung auf die unendliche Zeit, so 1
1) Das Erscheinende ist nicht wirklich, ist bloß assumiert etc. 2) Das Erscheinende „als solches“ i s t dem Erscheinen „immanent“.
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läge darin, genauer besehen, die Beziehung auf Aussagende (oder Akte des Aussagens), die nach idealer Möglichkeit in beliebigen Zeitpunkten der einen unendlichen Zeit lokalisiert werden können. Setzt das aber nicht voraus die eine objektive Zeit, in die sich alle Erkenntnisakte, alle wirklichen und möglichen, müssen einordnen lassen? Setzt das nicht voraus, dass eine Bestimmung, eine Festlegung von objektiven Zeitpunkten möglich ist bzw. eine Bestimmung von zeitlich Seiendem hinsichtlich der Zeit? Nehmen wir ein beliebiges empirisches okkasionelles U rteil, ein beliebiges Tatsachenurteil, etwa „Jetzt regnet es“ oder „Die Sonne hat gegenwärtig große Flecken“ und dgl., so besteht d ie „ O b jek t ivit ät “ d er Wah rh eit , die in d iesen U rteilen gelegen ist, die Unabhängigkeit der Wahrheit von dem zufällig Urteilenden und der Zeit seines Urteilens, darin, dass innerhalb der Einheit der Welt (mit Einheit von Raum und Zeit) eine feste Bestimmung, obschon eine relative, jedes Ereignisses in zeitlicher Beziehung möglich ist. Jeder Zeitpunkt und jedes in ihm zeitlich Seiende ist relativ bestimmbar, relativ nämlich auf einen beliebig für alle in Betracht gezogenen Urteilenden gleichmäßig erreichbaren und identifizierbaren Zeitpunkt. Jeder Urteilende hat sein Gebiet des fließenden Jetzt und Vergangen. Aber jeder mit jedem hat das, was die Beziehung auf eine gemeinsame räumlich-zeitliche Welt herstellen lässt, und damit die Möglichkeit, eine gemeinsame Objektität als gemeinsam zu identifizieren als identisch Festes (wenn auch nur ungefähr Festes). Damit wird jedes aktuelle Jetzt als identischer Zeitpunkt „im Fluss der Zeit“ festgesetzt (der Zeitpunkt, der im Jetzt gefasst und im Fluss der Erinnerung festgehalten und identisch gehalten wird), relativ und für alle in gleicher Weise bestimmbar (im Abstand vom Anfangspunkt des Koordinatensystems); und objektiv wahr ist nicht „Jetzt regnet es“, sondern „In dem Zeitpunkt t regnet es“.1 In dieser Weise erhält, vermöge der objektiven Zeitbestimmung, jede empirische Wahrheit Objektivität, d. i. eine nichtokkasionelle Bedeutung, damit auch intersubjektive Gültigkeit, eine gewisse Unabhängigkeit vom Subjekt als empirischem und selbst in die Zeit eingeordnetem Subjekt und Unabhängigkeit vom Jetzt-Vorher-Nachher. Oder anders gesprochen: Es konstituiert sich eben die eine Welt, die 1
Darin steckt freilich eine gewisse Bindung an das aktuelle Bewusstsein und sein Jetzt und Hier.
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eine Natur, in welcher die Dinge „an sich“ sind, ihre Raumstellen an sich, ihre Zeitstellen an sich haben. Dieses An-sich hängt an der Möglichkeit der Raum- und Zeitbestimmung, wonach Objekte (irgendein Bezugssystem) immer wieder identifizierbar sind, zunächst für einen Urteilenden und dann durch Einfühlung und kommunikative Beziehung für alle, und Grundpunkte abgeben für räumlichzeitliche Objektivierung, räumlich-zeitliche Bestimmung aller Dinge, aller Vorgänge. Da es einen Raum, eine Zeit, eine Welt gibt, so auch eine empirische Wissenschaft, eine Naturwissenschaft, und umgekehrt. Das unterscheidet ja das Ding vom immanenten Sein, dass das Ding wiederholt gegeben sein kann, als dasselbe identifiziert werden kann, dass es so identifiziert1 werden kann, ohne dass es wiedererinnert ist, dass es beschrieben und so beschrieben werden kann, dass die gleiche Beschreibung auch in immer neuen Beschreibungsakten dasselbe Objekt bezeichnet und bestimmt. Sage ich beim empirischen Objekt „dies“, so kann ich dafür einen Eigennamen setzen, und dem Eigennamen entspricht eine Eigenvorstellung, als Eigenbedeutung verstanden. Es gibt aber keine Eigennamen und Eigenbedeutungen für immanente Gegenstände. Das Eigenbedeutete ist indirekt bestimmbar durch Relationen und steht zu jed em empirischen „dies“ in fester Eindeutigkeit der Bestimmung ermöglichenden Relationen. Beim Immanenten haben wir: Jetzt ist rot, an das Jetzt knüpft sich das soeben Vergangene. Soeben war das Rotphänomen. Dasselbe Rotphänomen ist gewesen. Wiedererinnerung: Wiedererinnerung, dass ein Rotphänomen gewesen ist. Kann ich fragen: Ist das Rotphänomen genau so gewesen? Kann ich das ausweisen? Kann ich nähere Untersuchungen durchführen und begründen, w ie es gewesen ist? Kann ich es ohne die Naturobjektivierung, ohne die rationale Einheit der Phänomene, deren Rationalität sich eben darin ausdrückt, dass sie Welt, Natur konstituiert? Nehmen wir einen irrationalen Bewusstseinsfluss an, der keine Natur konstituiert, keine objektive Zeit, keinen objektiven Raum. Ich kann dann sagen: Dieses Hausphänomen ist gewesen. Ich drücke bloß aus, nämlich: Ich habe die Erinnerung. 1
Spätere Einfügung: „und in wiederholter getrennter Wahrnehmung“. – Anm. des Hrsg.
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Was besagt der Ausdruck „Richtigkeit“? Zum Wesen einer solchen Erscheinung ü b erh au p t gehört die Möglichkeit der Anpassung eines solchen Ausdrucks. Das Urteil ist „richtig“. Es richtet sich nach dem Erscheinungsgehalt. Es hat aber keinerlei „objektive Gültigkeit“. Aber muss n icht jedes U rteil eine objektive Gültigkeit h aben? Zum Wesen des Bewusstseins gehört der Fluss, mit dem sich ein Jetzt, Vorher und Nachher unterscheiden. Kann man nun Folgendes sagen? A priori gewiss ist, dass etwas künftig sein wird. Das Jetzt wird notwendig einem neuen Jetzt weichen etc. Und das Urteil „Künftig wird ein A sein“ (jetzt gefällt) ist notwendig entweder wahr oder falsch. Es ist wahr, wenn wirklich A eintritt. Denken wir uns zwei getrennte Monaden. Jede hat ihren Bewusstseinsfluss. In jeder sei er ein „ewiger“, in ununterbrochener Weise, sagen wir in infinitum, fortlaufend. Im Urteil, auftretend in der einen Monade, „Es w ird A eintreten“, meint das „ein A in d em selb en Bewusstseinsfluss“? Offenbar, denn das Künftige hat nur Sinn mit Beziehung auf das Jetzt. Und wenn die beiden Monaden beziehungslos sind, hat kein Vorkommnis in der einen Beziehung auf das jeweilige Jetzt in der anderen. Was das Künftige, als seiend angenommen, anbelangt, so kann es nicht heißen: In dem und dem bestimmten künftigen Zeitpunkt wird ein A eintreten. Denn wo gibt es da Bestimmtheit des künftigen Zeitpunkts? Und kann das künftige A in einer Individuation dastehen in der Erwartungsvorstellung?1 Zum Wesen der auf Immanenz bezüglichen Urteile gehört, dass sie, wenn sie richtig (genau angepasst, genauer Ausdruck) sind, entweder Wahrnehmungsurteile sind oder Erinnerungsurteile – und nicht auch Erwartungsurteile? Wenn ich empirisch etwas innerhalb meines Wahrnehmungsfeldes erwarte im Fluss eines empirischen Wahrnehmungsablaufs, so ist die Erwartung begründet. Ist da nicht, wenn ich auf die sinnliche Erscheinung achte, auch E rw art u n g f ü r die entsprechenden sinnlichen E rscheinungen begründet? Impliziert also nicht jede empirisch motivierte Erwartung die Möglichkeit für die begründete immanente Erwartung? Jed e vern ü n f tige Erwartung gerichtet auf d as Eintreten eines Ereig1
Doch vergleiche unten. Das ist nicht ganz richtig. Ich erwarte einen Vorgang und bin auf ihn gerichtet und kann mich richten auf das Phänomen.
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nis ses in meiner Wahrnehmung schließt so Motivation f ür das E intreten im Bereich m einer Wahrnehmung, also auch meiner Immanenz ein. Um noch einmal zurückzukommen auf die Objektivität der Wahrheit, so entspricht dem esse, das in der cogitatio (im percipi) liegt, dass jedes auf das „Immanentsein“, das absolute Sein der cogitatio, bezügliche Urteil (auf ihr Jetztsein, Dauern, Gewesensein oder Künftigsein) eine gewisse Uneigentlichkeit der „Wahrheit“ hat, keine „objektive“ Wahrheit ist. Die Wahrheit besteht hier in der Richtigkeit des Ausdrucks in Verbindung mit der schlichten Diessetzung, die am percipere und am Urteilen hängt. Die Aussage hat keine objektive Wahrheit, nämlich sie ist n ich t zu o b jek t ivieren zu ein er „ idealen “ B edeutung, d ie, als gelöst vom Urteilsakt und von seiner Diessetzung, auf das Gesetzte und Gemeinte Beziehung hätte. Es fehlt hier an dem objektiven Sachverhalt, dessen esse über das percipi1 hinaus reicht. Individuelle Sachverhalte als Sachverhalte, die „an sich“ Bestand haben, so wie individuelle Gegenstände als Gegenstände, die „an sich“ sind, an sich Dasein haben, konstituieren sich in und mit d er E in h eit d er Nat u r, als transzendente Sachen und Sachverhalte.2 Und eben damit erfahren auch die entsprechenden Aussagen (Urteile) eine entsprechende Objektivation. Anders ist es bei Wesen u n d Wesen sverh alt en. Hier sind immanente Wesen Gegenstände, die nicht mehr in der cogitatio aufgehen, sie haben schon ihre Transzendenz, ihr identisches Sein unabhängig vom fließenden Sein (H erak litischen Fluss). Es kann natürlich, wie jetzt aus tieferen Gründen klar ist, keine Wissenschaft vom Sein der cogitationes geben, von den individuellen cogitationes (außer der Metaphysik der Natur, welche die Erfahrungswirklichkeit zurückführt auf Zusammenhänge von cogitationes). Dafür aber eine Wissenschaft von den cogitationes nach Wesen, Gattung und Art.
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Über „das percipi“ spätere Ergänzung: „oder die perceptio“. – Anm. des Hrsg. Doch ist zu beachten, dass ein okkasionelles Moment immer erhalten bleibt in allen Tatsachenurteilen: eine Beziehung auf das Jetzt und Hier, ohne welche es keinen Koordinaten-Anfangspunkt geben könnte. 2
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noetische und noematische untersuchungen Beilage XXXI Ausdrucksglaube und Seinsglaube bei beschreibenden Urteilen, die auf Wahrnehmungen und auf Phantasie bezogen sind1, 2
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Bedenken. Geht es an, in der hier ausgeführten Weise Ausdrucksglauben und Seinsglauben, Ausdrucksmeinung und Seinsmeinung zu sondern, dann wieder miteinander zu verknüpfen? Auf S. 63 sage ich selbst, es sei ein modifiziertes Bewusstsein, innerhalb dessen die Aussage verlaufe. Aber ein wirkliches Aussagen, ein wirkliches Urteilen innerhalb eines modifizierten Bewusstseins? Was heißt das? Ich spreche da von anschaulichen Vorstellungen, von Erscheinungen, und von dem, was da erscheint. Das wird zum Ausdruck gebracht, es wird prädikativ gefasst und begrifflich gefasst. Ist die Sache so zu denken, dass wir erstens Erscheinungen haben, und zwar bald setzende, bald nicht setzende (und bald impressionale und nicht impressionale), und dann als Zweites das Ausdrücken? Soll man sagen, dieses Ausdrücken ist ein Urteilen, ein Glauben, und ein zweiter Glaube liege evtl. zugrunde als Charakter im Erscheinen, er muss aber nicht zugrunde liegen? Überlegen wir. Da steht das Haus. Es erscheint perzeptiv und gilt mir als seiend. Ich drücke nicht das Haus aus, aber ich vollziehe subjizierende und prädizierende Akte, ich vollziehe eine Deixis, fasse das Haus als Haus, sage dann in begrifflicher Fassung weiter aus, es sei rot. Das Urteil gründet sich auf die Wahrnehmung. Nun denke ich „dies“ modifiziert. Ich möge Motive haben, dahingestellt sein zu lassen, ob das wirklich sei oder nicht, vielleicht zu zweifeln etc. Ich prädiziere wieder, in genau denselben Worten. Nun könnte man sagen: Entweder ich lebe im Erscheinen (mit Dahingestellt-sein-Lassen des Erscheinenden) und prädiziere, oder ich assumiere das Erscheinende und prädiziere. Im ersteren Fall vollziehe ich keine Daseinssetzung und andererseits keine Assumtion. Ich habe aber darum nicht eine bloße Erscheinung. Man kann auch bezweifeln, ob das Dahingestellt-sein-Lassen für das ausdrückende Aussagen parallel sei mit Daseinssetzung (belief ) beim Aussagen aufgrund normaler Wahrnehmung bzw. Erinnerung (ebenso wenig wie beim Zweifeln, ob es sei oder nicht sei), als ob das zugrunde läge. Man könnte sagen: In dem Moment, wo ich „urteile“, ist das nicht mehr lebendig, vielmehr ein gewisses Phantasie-Analogon der belief -Setzung, eine gewisse belief -Modifikation.
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Wohl 1908. – Anm. des Hrsg. Beilage zu den Blättern 5–7 = Text Nr. 18, S. 360,18–366,2. Siehe S. 363 Anm. 1. – Anm. des Hrsg.
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Und nun „prädiziere ich“. Diese Prädikation ist nun keine „wirkliche Prädikation“, sie ist eine entsprechende Modifikation einer solchen. Nun wird man sagen: Also phantasiere ich. Also ist das Ganze „Einbildung“? Es ist aber keine Einbildung, dass der erscheinende Gegenstand als solcher so geartet ist etc. Ich kann mir natürlich einbilden, dass das Erscheinende kein Haus und nicht rot sei, aber es ist nun gerade ein rotes Haus. Und es ist evident, dass das so ist. Diese Erscheinungsurteile (= Ausdrucksurteile) sind alle evident. Darauf wäre zu antworten: Es liegt eine „Einbildung“ zugrunde und ebenso ist wirklich das „Urteil“ eine bloße „Urteilseinbildung“, aber darum doch etwas Aktuelles. Es ist nicht wahr, dass ich mir einbilden kann, das Erscheinende sei kein Haus: Nämlich, eine solche Einbildungsaussage (eine modifizierte) kann sich auf dem gegebenen Einbildungsuntergrund nicht etablieren. Das ist wesensmäßig ausgeschlossen. Einheit der Phantasie (sozusagen der prädikativen) ist, jene intuitive Unterlage vorausgesetzt, nur möglich, wenn gerade dieser Ausdruck „rotes Haus“ sich der Sache anpasst. Und im Wesen dieser Bindung gründet nun die Möglichkeit, ein Urteil, ein volles und eigentliches Urteil, zu etablieren. Lebe ich in der „Phantasie“ (sei es auch dieser sozusagen prädikativen) und schmiegen sich prädikative Ausdrücke an, die dazu passen, so urteile ich überhaupt nicht. Ich kann aber auch assumieren (der obige zweite Punkt). „Lassen wir das mal gelten“, dann ist auszusagen „Dies ist A“. So könnte man versuchen, sich die Sache zurechtzulegen. Man könnte auch hinzufügen, dass die Situation für leere Vorstellungen und Denkvorstellungen eine ganz andere ist. Kann ich ernstlich sagen, eine leere Vorstellung könne genau in dem selben Sinn einem Prädizieren zugrundeliegen wie eine anschauliche? Eine leere Vorstellung kann ich haben und dann sagen: Ich drücke nur aus, was ich in Gedanken habe. Aber habe ich dann nicht etwas Neues, den ausdrücklichen (und dabei vielleicht noch leeren) Gedanken? Und kann man von diesem wirklich sagen, dass ihm noch der leere (derselbe wie vor dem Ausdruck) zugrundeliege und in ihm also enthalten sei? Kann man hier also im selben Sinn von einem Ausdrücken sprechen?
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Wir haben bei der Wahrnehmung und der entsprechenden durch Widerstreit aufgehobenen perzeptiven Anschauung (stereoskopisches Trugbild), wie wir annehmen können, evtl. genau dieselbe „Erscheinung“, und zwar perzeptive, auf Empfindungsunterlage sich bauende Erscheinung. Wodurch unterscheidet sich das Gesamtphänomen beiderseits? Etwa dadurch, dass zu demselben, derselben Erscheinung, ein zweiter wechselnder Faktor „Glaube – Unglaube“ hinzutritt oder „Glaube – durch Widerstreit ‚aufgehobener‘ Glaube = Unglaube“? Ist das ein schon hier klar gelöstes Problem: das vom Verhältnis zwischen Erscheinung und Glaube? Ein gemeinsames Wesen ist da. Man kann aber schon hier fragen: Ist das konkrete Phänomen nicht beiderseits durch und durch modifiziert, so dass wir kein Produkt von zwei Faktoren hätten? So einfach ist die analytische Untersuchung hier nicht. Und wenn dann „Ausdruck“, Prädikation aufgrund der Erscheinung, hinzutritt, überträgt sich das nicht so, dass wir einerseits ein prädikatives Urteil haben, ein unmodifiziertes, ein durch Intuition schlicht gesättigtes (in gewissem Sinn ein evidentes), und im anderen Fall ein modifiziertes, ein bestrittenes, ein nichtiges? Freilich, der Ausdruck „passt“ zu der bestrittenen Erscheinung, aber das Passen an sich ist kein Urteilen. Der Streit, der sich gegen die Anschauung richtet, richtet sich auch gegen das die Anschauung ausdrückende Urteil. Es ist sozusagen ein durch Bestreitung „aufgehobenes“ Urteil, eine durch Bestreitung aufgehobene Evidenz. Haben wir anstatt eines Trugbildes ein gewöhnliches Bild, so können wir auch den Fall annehmen, dass gegenübergestellt sei eine Wahrnehmung des und des Erscheinungsgehalts und ein Bild genau „desselben“ Erscheinungsgehalts. Das Bild stellt vor. Das Vorgestellte steht „leibhaft“ da, aber nur in Anführungszeichen. In leibhaftiger Weise ist es dargestellt. Es ist Bild. Und das Dastehende „ist nicht“. Beschreibung des Bildes ist eine modifizierte Beschreibung. Das beschreibende Urteil ist bei der Wahrnehmung ein wirklich beschreibendes Urteil. Hier aber eine Modifikation: „Es stellt ein solches vor“. Es ist sozusagen Bild eines solchen. Die Beschreibung passt zur Bildanschauung, aber ein wirkliches Urteil gewinne ich nur assumtiv. Was ich vollziehe, wenn ich – im Bildbewusstsein lebend, den Bildgegenstand anschauend, betrachtend – aussage, ist klar. Im Bildbewusstsein betrachtend die einzelnen Teile und Seiten des Bildobjekts durchlaufend, vollziehe ich auch nicht ein eigentliches Betrachten, als welches ja ein Wahrnehmen wäre. Ich nehme nicht das Ganze, nicht die Teile, Eigen1
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schaften wahr (vollziehe also nicht „wirklich“ ein prädikatives Gliedern etc., und so auch nicht wirklich ein beschreibendes Urteilen, ein Aussagen im prägnanten Sinn). Andererseits haben wir die innigste Wesensverwandtschaft. Ich betrachte ja doch, ich vollziehe doch ein Auffassen der Nase, der Augen, der Stirn der Bildperson, ich vertiefe mich in ihren Blick etc. Die Nase ist ja keine wirkliche Nase etc., gleichwohl im Wesentlichen dasselbe. Im Wesentlichen. Aber alle Akte sind modifizierte. Und so auch das Aussagen. Es ist im Wesen ein Aussagen, ein Prädizieren. Aber im „Wesen“, d. h., es ist genau dasselbe, wie Farbe und Phantasiefarbe genau dasselbe ist. Doch dazu ziehe ich ein Fremdes hier heran: so wie Mensch und Bild vom Menschen genau dasselbe ist bzw. so wie Wahrnehmung und Bilddarstellung genau dasselbe. Nota: Beschreibe ich das Bildobjekt, so ist das Beschreibung eines Fiktums und wir haben denselben Fall wie in dem Stereoskop-Beispiel. Handelt es sich um eine Bildvorstellung (Bildsujetvorstellung), so haben wir eine neue Modifikation. Aber es kann dann Glaube vorhanden sein. (Ebenso: Das Stereoskop-Bild, genommen als Bild-für, wie wenn es sich nicht um einen geometrischen Körper handelt und dgl., den es mir nicht einfällt, als Bild zu nehmen, sondern um eine Stadtansicht, die es mir wieder nicht einfällt, als Fiktum zu nehmen statt als Ansicht-von.) Drücke ich aus, mache ich beschreibende Aussage, so ist das ein Urteil im Fall des Glaubens. Kein Urteil im Fall der Suspension oder des Unglaubens. Ich habe dann bei der Bildauffassung im eigentlichen Sinn entweder eine unmodifizierte, sie ist dann Repräsentation, unmodifizierte, d. i. eo ipso „Glauben“, oder eine modifizierte Bildauffassung, modifiziert in verschiedener Weise: Nun, dann ist auch der Ausdruck, die Aussage kein Urteil, sondern hat genau dieselbe Modifikation. Es kommt also alles auf das Studium der Modifikationen an. Keineswegs habe ich es nur mit zweierlei zu tun: Glaube (Impression) und Einbildung. Vielmehr steht aufseiten der Modifikation eine ganze Serie.
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Nr. 19 Empirische und apriorische Aussagen über d as erscheinende Ding. Klarheit und Bestimmtheit der B edeutungen. Identität d es Sinnes im S chwanken 1
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§ 1. Das Wahrnehmungsurteil. Urteile über das Ding und über das Wahrgenommene als solches
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Zum Beispiel: „D ist von der Form eines Hexaeders“, „Es kommen ihm alle Eigenschaften zu, welche die Geometrie vom Hexaeder kennenlernt“, „Es kommen ihm alle ‚rein‘ naturwissenschaftlichen Bestimmungen zu“ etc. Es wird, der Wahrnehmung folgend, das Wahrnehmungsurteil gefällt: Es bedarf der Ausweisung und weist sich aus im Kontinuum neuer Wahrnehmungen, und überhaupt es weist sich aus aufgrund der Erfahrung in erfahrungsbegründetem wissenschaftlichem Denken. Die „Möglichkeit“ apriorischer Urteile über Dinge: Das fordert Rückgang auf die „Evidenz“, also Rückgang auf die Anschauungen, Erfahrungen, in denen diese Urteile evident werden, in denen sie sich nach Erfahrung orientieren, und daraus hat jedes Urteil seine Vorschrift in sich. Rein naturwissenschaftliche Urteile sind nicht so einfach „evident zu machen“ wie Urteile über Tonhöhen etc. Eben vermöge der Mannigfaltigkeiten, die durchlaufen werden müssen, damit anschauliche „Dinggegebenheit“ in ausreichendem Umfang statt hat, welche die Bedingung der Möglichkeit der Evidenz ist. a) Urteile über Dinge, Erfahrungsurteile und real-ontologische Urteile sind prinzipiell zu trennen von b) Sinnesurteilen und Urteilen über Erscheinungskorrelate der Wahrnehmung, wie Urteile über das Wahrgenommene als solches und über die Wahrnehmungserscheinungen, in denen es erscheint.
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Wohl 1908. – Spätere Randbemerkung: „Die ersten Blätter nicht erheblich.“ – Anm. des Hrsg.
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Wie sehen aber Urteile über „Wahrgenommenes als solches“ aus? Sagen wir da nicht „Ding“, „Schreibtisch aus Holz“ etc.? Das Urteil schmiegt sich mit Evidenz der Wahrnehmung an, als getreuer Ausdruck des Wahrgenommenen. Es gibt Erfahrungsurteile (Wahrnehmungsurteile), die dem genau gleichen. Aber sie setzen das Sein des Dinges. Hier setzen wir aber ein Wesen1 als bloßes Korrelat der Wahrnehmung. Eventuell setzen wir das reine Wesen als Korrelat der Idee so gearteter Wahrnehmung (solchen Wahrnehmungswesens), und dann dient uns ebenso gut eine genau gleiche Phantasie. Wie steht es dann aber, wenn ich dieses „Wesen“ unter den Begriff „Ding“ bringe, „Schreibtisch“ etc. Nun, wird man sagen, unter den Begriff bringen, das ist das besondere Wesen2 einem allgemeineren Wesen unterordnen, dem Wesen „Ding“, „Schreibtisch“ etc. Aber ich soll doch Evidenz haben? Ist mir dann dieses allgemeinere Wesen gegeben? Ich antworte zunächst: gewiss nicht im vollkommenen Sinn. Gegeben kann mir3 das allgemeine Wesen nur sein, wenn mir ein besonderes vollkommen gegeben ist: in einer Vollkommenheit, die alles Allgemeine vollkommen enthält. Also wenn mir ein besonderes Dingwesen, etwa das besondere Wesen dieses Schreibtisches, „vollkommen“ gegeben ist, so dass ich alles zum Wesen des Dinges Gehörige darin expliziert fände, nur dann kann ich darin das Schreibtischwesen überhaupt und das Dingwesen überhaupt finden. Was ist das aber für ein Wesen,4 das mir in dieser einzelnen Wahrnehmung „des Schreibtisches“ gegeben ist? Doch nicht ein „vollkommenes“ singuläres Dingwesen. Und doch ein Wesen.5 Hier ist der schwierige Punkt. Die Evidenz der Aussage über „Wahrgenommenes als solches“ ist doch nicht zu leugnen. Wie weit reicht diese Evidenz? Wenn ich einen Hut als den des Herrn Meyer erkenne, kann ich nicht sagen, es sei evident, dass diese Wahrnehmung Wahrnehmung vom Hut des Herrn Meyer sei? Und wenn ich einen Stoff als Chlor, ein Pulver als Salz auffasse? Die Frage ist: Wie weit reicht Wahrnehmung? Dann natürlich wird man sagen: Das „Denken“ 1 2 3 4 5
„ein Wesen“ später verändert in „ein Ideales“. – Anm. des Hrsg. „das besondere Wesen“ später verändert in „Besondere“. – Anm. des Hrsg. Spätere Einfügung: „vollkommen“. – Anm. des Hrsg. „Wesen“ später verändert in „einzelnes Ideales“. – Anm. des Hrsg. „Wesen“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg.
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schließen wir aus. Obschon andererseits, ob ich „bloß wahrnehme“ oder auch „denke“, ich doch mit Evidenz aussagen kann (in gewissen Grenzen), als was ich das Angeschaute denke, und so überhaupt, was ich denke. Brauchen wir also, um anzufangen, schon eine Scheidung von Anschauung bzw. Wahrnehmung und Denken? Natürlich geht das nicht. Zu Anfang wissen wir noch nicht, was „Denken“ ist, und eigentlich auch noch nicht, was „Wahrnehmen“ ist. Also müssen wir ohne das auskommen und uns über die Evidenz eine gewisse Rechenschaft abgeben können. Wir werden etwa sagen: Mag es wahr sein oder nicht, dass das hier da ist und in Wahrheit ein Schreibtisch ist, ich habe die Erscheinung von etwas und die Wahrnehmung, und die Wahrnehmung von etwas, das ich nicht nur als etwas, sondern als Ding, als Schreibtisch, evtl. als weiß bezeichnen muss. So ist es in diesem Wahrnehmungsbewusstsein Erscheinendes. Zum Wesen des so Erscheinenden gehört die Möglichkeit, so mich auszudrücken und die Worte „Schreibtisch“ etc. mit dem Sinn, den ich ihnen wirklich im Gebrauch dieser Worte gebe, auf das „Gegebene“ anzuwenden. Diese Evidenz ist vorläufig ein „Faktum“. Und sie ist Wesensevidenz. Die Wahrnehmung hat ihre Bedeutung so gut wie der Ausdruck, und beides stimmt evident.1 Und zum Sinn der Wahrnehmung bzw. zur vollen perzeptionalen Apparenz gehört die ideale Möglichkeit, in Wahrnehmungszusammenhänge einzutreten, derart dass Einheit des Sinnes bzw. des Perzeptionale hindurchgeht und darunter so, dass das Schreibtischwesen zur vollen Gegebenheit kommt bzw. das Dingwesen. Das Wesen, das2 da „perzeptionale Apparenz“ und „Sinn“ heißt, ist nicht das Dingwesen, näher Schreibtisch-Wesen, näher Dieser-Schreibtisch-Wesen, sondern eben Sinn, das „Gemeinte als solches“ (Erscheinendes als solches), das, worauf der Blick ruht (gleichgültig, wie es mit der Wahrheit der Wahrnehmung stehen mag), was seinen evidenten Ausdruck so und so findet: wobei das Ausgedrückte (als solches) und Wahrgenommene als solches sich eben „deckt“.3 1 Zur Wahrnehmung gehört zunächst das, was ich „Perzeptionale“ oder „perzeptive Apparenz“ nannte, und dann versuche ich wieder zu scheiden den puren „Sinn“ und den Unterschied der Fülle oder Klarheit etc. Nennen wir das Perzeptionale hier mal „Sinn“ („Vollsinn“). 2 „Das Wesen, das“ später verändert in „Das, was“. – Anm. des Hrsg. 3 Das ist aber nicht so zu verstehen, als ob der Sinn in der Wahrnehmung ge-
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Ich finde dann also im „Sinn“ auch den Dingsinn und den Schreibtisch-Sinn. D in gsin n ist ab er n ich t D in gw esen, obschon selbst ein Wesen etc..1 Das „Ding“ als das individuelle Wesen kommt zur Gegebenheit in kontinuierlicher Mannigfaltigkeit von Dingerscheinungen, Dingapparenzen, also auch von Dingsinnen.2 Jede sol- 5 che Mannigfaltigkeit als Ganzes hat ihren Sinn, und dieser Sinn ist „Einheit“, der Sinn der Phasen. Jeder Sinn in der Fülle hat als Sinn einer Anschauung „Seiten der Gegebenheit“ und Seiten der Nichtgegebenheit. Das heißt: Nicht vom Sinn kommen Seiten (oder insgesamt eine Seite) zur Gegebenheit, denn der Sinn ist immer ganz und gar 10 gegeben.3 Aber er hat eine Komponentengruppe, eine Komponente, kann ich sagen, die4 das sachliche Wesen zur Gegebenheit bringt und in gewisser Weise es ganz zur Gegebenheit bringt.
§ 2. Der Sinn der Wahrnehmung als Einheit von Sinnesmomenten. Deckungseinheit von Sinn der Wahrnehmung und Sinn der Wahrnehmungsaussage. Erscheinung als Erscheinendes als solches
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Der Sinn der Wahrnehmung ist ein aus der Wahrnehmung durch Reflexion zu entnehmendes Wesen. Vom Sinn sagen wir, dass er auf den Gegenstand „bezogen“, evtl. auch „gerichtet“ ist. Die Be- 20 deutung bedeutet die Sache, überall und so auch hier. Wenn Wahrnehmungen im kontinuierlichen Wahrnehmungszusammenhang (der immerfort Wahrnehmung von demselben Gegenstand ist) stehen, so haben wir in dieser kontinuierlichen Wandlung Einheit des Sinnes. Jede Phase, können wir sagen, hat ihren Sinn, und so haben wir ein 25 Kontinuum des Sinnes. Aber das Kontinuum der Wahrnehmung ist eine Wahrnehmung und hat einen Sinn, der „Einheit“ ist dieser Mannigfaltigkeit von Sinnesmomenten und keineswegs ihrer Kontinuität. genständlich wäre, ebenso wenig wie der Sinn des Wahrnehmungsurteils in diesem gegenständlich ist. Gegenständlich wird es erst in der „Sinnesreflexion“. 1 „obschon selbst ein Wesen etc.“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. 2 Das ist nicht Kontinuität der Sinnesmomente, sondern es ist Identität des Sinnes, die aber zugleich in der Mannigfaltigkeit sich im Allgemeinen „bereichert“. 3 Der Sinn der Wahrnehmung ist es, gebende Erscheinung der Sache zu sein. 4 Spätere Einfügung: „durch die Fülle“. – Anm. des Hrsg.
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Und dabei heißt es in diesem Zusammenhang und vermöge dieses Zusammenhangs, dass der Sinn der Gesamtwahrnehmung als „Einheit“ durchaus „identisch“ ist; und dabei ist nicht der Sinn jedes Teiles identisch. Denn selbst wenn die „vermeinte“ Gegenständlichkeit als völlig unveränderte erscheint, so dauert sie doch, und jeder Phase entspricht eine verschiedene Zeitstelle der Dauer. Ob sich im Übrigen sonst noch was ändert (eigentlich ändert) oder nicht, ob Bewegung, qualitative Veränderung statt hat oder nicht, notwendig gehört zu der Identität, die Identität „desselben“1 ist (und zwar als Sinn verstanden), dass hinsichtlich des „Bestimmtheitsgehalts“ besondere oder allgemeine Identität des Sinnes besteht. Dahin gehört vor allem die Identität, die hinsichtlich des allgemeinen Sinnes „Ding“ besteht und hinsichtlich dessen, was dazu gehört: „Raumgestalt“ etc., aber auch evtl. Besonderungen. Zum Beispiel: Der Würfel erscheint immer wieder anders, aber die Seitenfläche, die etwa während der Kontinuität der Wahrnehmung erscheint, ist dieselbe unveränderte, und der Sinn der Wahrnehmung ist hinsichtlich ihrer völlig derselbe etc. Wir haben hier denjenigen Fall der Kontinuität genommen, in dem Wahrnehmung in sich „vollkommen einstimmig“ bleibt, und die Einstimmigkeit ist eben die des Sinnes. Das sagt, dass nur „Näherbestimmung“, nicht aber Andersbestimmung als Preisgabe der Sinnesbestimmung früherer Phasen statt hat. In diesem Fall werden nämlich unter Festhaltung der durchgehenden Identität und gewisser Bestimmungskomplexe einzelne Bestimmungen „aufgehoben“ und durch „andere“ ersetzt. Hierbei ist wohl zu beachten: Sinn ist zwar das, was im reinen Ausdruck evident fassbar ist und dann „begriffliche“ Fassung gewinnt, mit der begrifflichen Fassung auch Analyse und Erkenntnis, die das Herausgehobene unter „Begriffe“ (Hexaeder, Ding etc.) bringt, aber der Sinn der Wahrnehmung ist das, was Ausdruck findet, was unter Begriffe gebracht wird, und somit scheiden wir dieses Begriffliche als ein gegenüber dem Wahrnehmungssinn Neues. Das Wahrnehmungsurteil mit den beschreibenden Begriffen hat eine gewisse Sinneseinheit mit der Wahrnehmung selbst und ihrem Sinnesgehalt. Aber das ist: S in n 1
„Dasselbe“ ist das identische „Etwas“, das in allen Sinnesphasen eben identisches Etwas ist, Einheit als durchgehend identische Einheit, ein „Abstraktum“ also. Und diese Einheit bestimmt sich näher als „Ding“ etc.
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der Wahrnehmung und Sinn der Wahrnehmungsaussage bilden eine Deckungseinheit und konstituieren in sich den Sinn: das zugleich Gegebene, unter Begriffe Gebrachte als solches oder vielmehr (denn wir dürfen das nur zirkumskriptiv nehmen) das identische Sinneswesen der Wahrnehmung in begrifflicher Fassung, „der als Tisch etc. begriffene Gegenstand als solcher“ und dgl. Wie steht nun Sinn zu Erscheinung? Im S in n unterscheiden wir verschiedene Komponenten, die „Einheit“, ihre „Bestimmungen“, und natürlich ist die Einheit („dasselbe Ding“) und sind die „Bestimmungen“ als Sinn, also „Sinn von Einem“, „Sinn von Einem als Ding bestimmten“ etc., zu verstehen. Irgendwelche Sinneskomponente kann nun identisch verbleiben, aber es erscheint das Gegenständliche in immer neuer Weise.1 (Nicht der Sinn selbst erscheint verschieden, sondern der „Gegenstand“ mit seinem „gegenständlichen Wesen“.) Wenn wir von Wahrnehmungskontinuität sprechen, so finden wir in ihr als Grundstück sozusagen eine Erscheinungskontinuität, und die Erscheinung ist Erscheinung von dem Gegenständlichen, ebenso wie wir andererseits sagen, dass der Sinn Sinn von ihm ist oder in der Weise des Sinnes sich auf ihn „bezieht“, „richtet“.2 Nun, das findet offenbar so statt, dass „Erscheinung“ ein konkretes Wesen ist, in dem der Sinn als Moment liegt und in gewisser Weise „liegt“, nämlich nicht so liegt, wie in einem Sinn ein anderer Sinn liegt. Achten wir auf die Erscheinung als die Weise, wie in jeder Wahrnehmungsphase der Gegenstand gegeben ist, wie er sich gibt als so und so orientiert, als von dieser Seite (nach dem Sinnesbestand) voll und eigentlich erscheinend, nach jener nicht „eigentlich“, leer (ohne Darstellung) erscheinend, oder wie er in verschiedener Klarheit und Deutlichkeit in der oder jener Phase erscheint, wie er von der Unklarheit in Klarheit übergeht, von der vollen zur leeren oder von der leeren zur vollen (hinsichtlich gewisser Sinnesmomente), wie er alles in allem an Klarheit gewinnt etc. Und achten wir dabei auf die Erscheinung selbst, die wir da auf den in der natürlichen Einstellung gesetzten Gegenstand und seine gesetzten Momente beziehen, von dieser Beziehung wieder abstrahierend, sie sozusagen wieder 1 2
Die Zeitbestimmung „ändert“ sich natürlich immer. Zum Sinn gehört der Unterschied von Bestimmtheit und Unbestimmtheit.
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abschneidend, so werden wir wohl sagen müssen: Die Erscheinung ist ein Wesen1 bzw. eine Wesenkontinuität, die in der Wahrnehmungskontinuität liegt, und dieses Wesen2 enthält in sich die Sinneskontinuität als Komponente. Was heißt hier Erscheinung? Es ist „das Erscheinende als solches und so wie“, das Ding in der und der Orientierung oder im Wechsel seiner Orientierung, und die Erscheinung ist jeweils Erscheinung bestimmten Sinnes (aber nicht „von“ ihm). Etwas anderes ist aber Erscheinung als Darstellung (Empfindung) mit „Auffassung“. Man könnte da leicht schwankend werden. Erscheinung im vorigen Sinn ist z. B. das veränderliche „Sehding“? Oder ist auch das zu scheiden? Es ist zu beachten, dass oben die Erscheinungsreihen gefasst waren als das „Wahrgenommene im Wie der Gegebenheit“. Nämlich, das Wahrgenommene ist immer wahrgenommen, aber es ist gegeben von der „Seite“ und nicht gegeben nach anderen Seiten. Und zugleich damit hat es eine Orientierung. Es ist gegeben nach der Seite: Sie ist seine „Vorderseite“, mit ihr ist das Objekt „mir zugewendet“ und hat eine gewisse „Entfernung“, aber dieselbe Vorderseite kann es mir mit verschiedener „Entfernung“ bieten, und zudem kann die Seite partiell wechseln, und dieselbe Bestimmung des Gegenstands – in verschiedener Orientierung bei gleicher Entfernung gedreht, gewandelt etc. – kann erscheinen (Orientierung nach rechts, links, oben, unten). „Das Objekt in seiner Orientierung“ kann zudem deutlicher und minder deutlich erscheinen und in verschiedener „Beleuchtung“, d. h. in Unterschieden, die nicht als Unterschiede der Farben aufgefasst sind, sondern die Weisen sind, wie die Farben erscheinen. Sehdinge sind aber niedere Einheiten. Nicht das Objekt Würfel selbst in seiner Orientierung. Wenn das Objekt seine Orientierung ändert, so bleibt es dasselbe Objekt und ändert sich qua Objekt nicht. Das Sehding stellt das Wirkliche dar. In der Kontinuität ergibt es die Identität: Ding. Also ist es doch dasselbe wie „Ding in der Orientierung“. Dagegen ist doch etwas anderes: E m p f in d u n g m i t Auffassung.
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„Wesen“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. „Wesen“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg.
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§ 3. Die „logische“ Auseinanderlegung des Sinnes. Unterschied zwischen Klärung und Bestimmung des Sinnes Haben wir also Sinn und Erscheinung (und Erscheinung in verschiedenem Sinn: als Erscheinendes im Wie, als Sehding, als Empfindung mit Auffassung) unterschieden, so fragt es sich, wie es mit der „logischen“ Auseinanderlegung des Sinnes steht. Zum „Sinn“ des als Haus Erscheinenden gehört, dass es Ding-Erscheinendes ist, und dazu wieder gehört, dass es Räumliches ist etc. Nun wird man aber sagen, was solche „logische Analyse“ als zum „Ding überhaupt“ und somit auch zu dem erscheinenden Schreibtisch-Ding, Haus-Ding etc. als Ding gehörig herausstellt, das ist nicht wirklich analytisch im Sinn, wie er wirklich der vorliegenden Wahrnehmung einwohnt, enthalten. Sonst wären darin Unendlichkeiten enthalten, und davon kann keine Rede sein. Ich weiß ja, dass „Ding“ Einheit ist von kontinuierlichen und in vielen Richtungen kontinuierlich fortgehenden Mannigfaltigkeiten. Und um die apriorischen ontologischen Begriffe und Prinzipien evident zu machen, die das Wesen von Ding überhaupt nach allen seinen konstitutiven Grundbestimmungen betreffen, muss ich solche Anschauungsmannigfaltigkeiten exemplarisch durchlaufen. In ihnen kommt der Sinn von „Ding überhaupt“ zur Klarheit und das Wesen „Ding überhaupt“ nach seinen verschiedenen Seiten zur Gegebenheit. Was heißt das: „Der Sinn von ‚Ding überhaupt‘ kommt zur Klarheit“? Jede Anschauung, die Wahrnehmung, die ich etwa wirklich habe, einstimmig mir das Ding vor Augen stellend, und die Anschauungen (Quasiwahrnehmungen), die ich gerade durchlaufe, jede Anschauung, sage ich, hat ihren Sinn, den ganz bestimmten SchreibtischSinn, darin den „Ding-Sinn“ als Komponente. Und jede hat einen anderen Schreibtisch-Sinn und einen anderen Ding-Sinn als Komponente. Aber das gehört zum Wesen dieser Sinne, dass sie, wenn die Anschauungen zur Anschauungskontinuität zusammengehen, ihrerseits Sinneseinheit fundieren und nicht nur Sinneskontinuität, dass also wieder zum Kontinuum ein Schreibtisch-Sinn und ein DingSinn gehört in der eigentümlichen Weise, dass dieser ein Selbiges und Einheitliches „im Sinn hat“, was sich in den Sinnen der Phasen unvollkommener, unbestimmter, unklarer etc. zeigt. Oder um-
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gekehrt: „Sinn“, das ist „Ding-Meinen“, „Ding-Bedeuten“, näher „Schreibtisch-, Diesen-besonderen-Schreibtisch-Bedeuten“. Gehen wir da von Bedeutung zu Bedeutung über (das Wort „Bedeuten“ soll keine Tätigkeit ausdrücken, soll nur die Beziehungauf ausdrücken), so fundieren sie eine Bedeutungseinheit, eine Einheit, die selbst wieder Bedeutung ist, und eine Bedeutung, die evtl. „dasselbe“, was die vorigen unbestimmt bedeutet haben, nun bestimmt in sich enthält als Bedeutung. Also die einen Bedeutungen (die Sinne) enthalten das Moment „unbestimmt“, z. B. der Form nach unbestimmt oder unvollkommen bestimmt, und das deckt sich im Fortgang mit dem bestimmten Sinnesmoment. Immer ist Bedeutung Bedeutung von etwas, und in dieser Kontinuität Bedeutung von demselben, aber einmal so, das andere Mal anders Bestimmten. Aber das Ganze der Bedeutungskontinuität ist Einheit der Bedeutung, hat die sich aufbauende Gestalt: etwas so und so Bestimmtes, aber freilich so und so wieder Unbestimmtes, denn es bleibt immer Unbestimmtheit übrig. Und dieses ist etwas, sich in den Phasen sich zwar bekundend (eigentümlich sich abschattend), aber in keiner Phase, sondern nur in der ganzen Einheit konstituiert. D as „ B estimmte “ ist n icht ein verborgen im Unbestimmten Liegendes, sondern erst in dem w eiteren Fortgang sich in „ b estimmt “ Verwandelndes. Das ist also ein Grundstück der sehr schwierigen Analyse, dies scharf und verständlich zu beschreiben, die wunderbare Art, wie Bedeutungen sich mit Bedeutungen verflechtend, neue Bedeutungen als Bedeutungseinheiten konstituieren, und wie dieser Prozess in infinitum geht, weil jeder in einer abgeschlossenen und begrenzten Wahrnehmungsreihe aufweisbare Sinn seinerseits wieder Unbestimmtheitskomponenten enthält, die hinweisen auf mögliche Näherbestimmungen, also auf neue Wahrnehmungsreihen etc. Der Sinn ist „Vermeintheit“ (das besagt hier natürlich nicht „vermeint“ im Sinn von Urteilen und von Aufmerken etc.) als Moment einer Anschauung oder vielmehr eines Angeschauten als solchen, der Sinn hat eine Anschauungsfülle, und soweit er sie hat, ist er klarer Sinn. Darum ist es nicht explizierter Sinn, sofern keine „Analyse“, keine „Explikation“ stattgefunden haben muss, die als Möglichkeit darin beschlossen ist. Das Klare des Sinnes kann aber noch klarer werden, nämlich selbst das Klare schließt noch Möglichkeiten der weiteren
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Klärung ein. Dabei ist zu unterscheiden: Das Stück gefärbte Fläche, die ich ruhend sehe, wird klarer, wenn ich sie in verschiedener Orientierung kontinuierlich zu Gesicht bekomme. „Der Sinn entfaltet sich in Klarheit.“ Andererseits aber kann die Fläche unvollkommen bestimmt sein und bestimmbar sein: T ro t z d er Klarh eit k an n d ie erscheinende Fläche mit Unbestimmtheit des S innes noch behaftet sein, und der S inn k ann sich b ereichern, kann sich näher b estimmen, indem immer n eu Klärung und mit d er Klärung nähere Bestimmung statt h at. Wie ist es mit den Leerstücken des Sinnes? Auch da sprechen wir vielleicht von Unbestimmtheit. Doch kann das leer Bestimmte als Kugel bedeutet sein, obschon es als das nicht „klar“ erscheint (nicht „wirklich“). Und zugleich können in anderer Hinsicht Unbestimmtheiten hinsichtlich des Leeren walten. Wir haben genau zu unterscheiden: 1) die Klärung des Sinnes. Das Bedeutete kommt zur anschaulichen „Gegebenheit“. Das sagt nicht „Die Bedeutung kommt zur Gegebenheit“, denn die ist von vornherein gegeben, wenn ich auf sie reflektiere, aber das Bedeutete nach „seinem“ Wesen kommt zur Gegebenheit, es kommt eine Anschauung heran in kontinuierlichem Übergang, in welcher die Bedeutung Klarheit gewinnt, ihre Fülle und damit ihr vo lles Wesen. Nur in der Klarheit ist Einstimmigkeit gegeben, d. h. ist nicht bloß gegeben der Sinn, wie er gerade ist, sondern seine Möglichkeit, seine mögliche Erfüllung in der Identifizierung oder vielmehr in der Vereinheitlichung mit einem Sinn, der sich seine Fülle zugeeignet und in ihr Erfüllung gefunden hat. Was im Sinn, so wie er jeweils ist, liegt, das kann ich jeweils auch durch Analyse entnehmen. Aber was im Sinn liegt, wofern er ein möglicher Sinn soll sein können, oder was im intuitiv erfüllten Sinn, im Erscheinenden als solchen, in der Möglichkeit eines so und so zu bedeutenden Gegenstands, liegt, das kann ich eben nur durch Rückgang auf die Erscheinung, durch die Erscheinungszusammenhänge gewinnen, in denen der Sinn sich in klaren und vollgeklärten Sinn verwandelt, und dazu gehört eben die Mannigfaltigkeit. 2) Es kann sein, dass der Sinn Unbestimmtheit enthält; und dann ist die Frage, was in solchem Sinn der Möglichkeit nach liegt, nur zu beantworten durch Klärung und zugleich Bestimmung der Unbestimmtheit. Und da gibt es vielerlei Bestimmungen, aber auch Wesensein-
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sichten der Bestimmungsmöglichkeiten: Im Allgemeinen, das dem klaren und bestimmten Wesen entspricht, gründen Notwendigkeiten, auf die nähere Bestimmung durch ergänzende Wesen bezügliche. Die nähere Bestimmung, die im Leeren erfolgt, ist „wertlos“. Sie hat 5 keine Präjudiz für die „Möglichkeit“, geschweige denn für Wahrheit.
§ 4. Deckung der Anschauungs- und Wortbedeutungen. Differenzierung des Begriffs der Bedeutung. Verworrenheit
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Wie steht es nun mit der Evidenz, mit der ich, dieses Papier da sehend, sage „Das ist Papier, ein Ding, ein Raumding“ etc.? Darauf kann man vernünftigerweise doch nur sagen: Ich erfasse das Erscheinende als solches, den Vollsinn, wie man auch sagen kann, und darin Teilbedeutungen. Und demgemäß habe ich Worte mit Wortbedeutungen, die sich mit diesen Anschauungsbedeutungen „decken“. Das schließt nicht aus, dass sich „dieselben“ Worte und Wortbedeutungen auch mit anderen Anschauungen nach Sinn decken, und dass ich sehen kann, dass diese „Bedeutungen“ dieselben sind. Aber die Identität der Bedeutungen kann nur ebenso verstanden werden wie die Identität der Bedeutung in den verschiedenen und, genau besehen, bedeutungsverschiedenen Anschauungen. Müssen wir nicht den Begriff der Bedeutung differenzieren?1 I. Wahrnehmungen haben einen fließenden Sinn, wie sie selbst fließen in der Kontinuität der Wahrnehmungsmodifikationen. Jede hat ihren Sinn, jeder Fluss hat wieder Sinn und jeder neue Fluss, allgemein zu reden, einen neuen, und mit der stetigen Erweiterung des Flusses selbst fließend (wenn auch in anderer Art) sich ändernd. II. Wir sagen von allen Anschauungen, die in eine Anschauungseinheit eingehen, oder sofern sie als Momente oder Stücke einer Anschauungseinheit (ursprünglich: Wahrnehmungseinheit) fungieren, dass sie „dieselbe Bedeutung“ haben,2 und zwar so lange, als die ganze Wahrnehmungsbewegung mit dem immer neuen einheitlichen 1
Spätere Randbemerkung: „Gut.“ – Anm. des Hrsg. Warum nicht: „Sie haben e i n s t i m m i g e g e g e n s t ä n d l i c h e B e z i e h u n g . Sie haben einstimmige Beziehung auf ein und dasselbe als Gegenstand“? 2
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Sinn, den sie konstituiert, die fließenden Sinne nur erfüllt und näher bestimmend erfüllt, überhaupt nur näher bestimmt, nicht aber anders bestimmt oder gar „aufhebt“. Identität der Bedeutung ist in solch einem kontinuierlichen Zusammenhang gegeben, es ist gegebene Einheit. Oder vielmehr: Sie beziehen sich nicht nur auf dasselbe, sondern dasselbe, worauf sie sich beziehen, ist perzipiert, ist gegeben. III. Wenn aber zwei getrennte und nicht durch eine Kontinuität einheitlich verbundene Wahrnehmungen bewusst sind als Wahrnehmungen desselben in einem Identitätsbewusstsein, so können wir sagen, sie vermeinen dasselbe, oder das Bewusstsein ist ein ihnen „Dignität“ identischer Bedeutung verleihendes Bewusstsein. Aber die Identität ist hierin selbst Vermeintes, und wir haben hier in diesem Bewusstsein einen einheitlichen Sinn „Identität von A und B“, der nicht A selbst, sondern den Sinn von A und den Sinn von B in sich schließt und sie in eins setzt. Die Möglichkeit dieser Ineins-Setzung bzw. die „Möglichkeit“ (in einem anderen Sinn) des Sinnes dieser Identität wird nicht geliefert durch eine Anschauungseinheit und die Wahrheit nicht durch eine Wahrnehmungseinheit. Die beiden Anschauungen haben nicht an sich, sondern nur in einem Anschauungszusammenhang1 denselben Sinn; und es ist das eine und andere Angeschaute wirklich und wirklich in demselben Sinn, also „dasselbe“, wenn die Anschauungen seinssetzende sind, und wenn die Seinssetzung sich, in ihrem Sinn ausweisend, auf ausweisende seinssetzende Wahrnehmungen führt in einem Zusammenhang, der auch auf setzende Wahrnehmungen mit dem anderen Anschauungsund Sinnesgehalt führt. Sowie wir die Setzung herauslassen, sind wir gebunden an die Anschauungsreihen selbst. IV. Ebenso oder analog auch außerhalb der Anschauungssphäre. „Dasselbe“ Wort hat immerfort „denselben Sinn“2 oder, besser, dieselbe Bedeutung,3 es sei nicht äquivok gebraucht, sondern in dersel-
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Spätere Einfügung: „in Wahrheit“. – Anm. des Hrsg. „‚denselben Sinn‘“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Randbemerkung: „Nota bene: Hier zweifle ich aber immer wieder, ob Sinn und Bedeutung zu scheiden ist und vielmehr nicht nur das richtig ist, dass Bedeutung (hier = Sinn) eine Einheit der Deckung ist, dass das Phänomen des Gedachten als solchen fließend, wechselnd ist, aber dabei meine ich immer dasselbe. Ist es dasselbe oder Analoges, wenn in der Kontinuität der Anschauungen ‚dasselbe‘ erscheint, dieselbe Einheit erscheinend vermeint ist?“ – Anm. des Hrsg. 2
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ben Bedeutung. Was sagt das? Nicht etwa, dass wirklich der „Sinn“ derselbe ist, nämlich dass im Ausgesagten als solchen (Vermeinten, Gedachten als solchen) gar keine Unterschiede bestehen? Im Gegenteil: Im Allgemeinen fließen die Sinne der Worte, nota bene der eindeutigen, ohne dass sie mehrdeutig werden. Sage ich „Tier“, so ist das Gedachte ein Vages, und in dieser Vagheit mag das oder jenes in relativer Bestimmtheit gemeint sein, darin erst ist Unbestimmtheit. Und diese Unbestimmtheit braucht nicht bloß Vagheit, Ungeschiedenheit, Verworrenheit zu besagen, was ein wechselnder Modus ist, in dem derselbe Sinn bewusst ist, sondern es können wirklich neue Sinnesmomente eintreten, andere austreten usw. Aber die „Bedeutung“ ist dieselbe. Was sagt das? Es besagt wieder Identität, die sich im Wechsel des Sinnes konstituiert. Freilich, ob die Bedeutung möglich ist oder nicht, kann nur durch Intuition ausgewiesen werden, d. i., innerhalb der Einheit der Bedeutung wird übergegangen zur Intuition, zur Gründung der Aussagebedeutung auf Anschauung, und hier innerhalb der Intuition ändert sich auch der lebendige Sinn der Worte entsprechend dem Sinn der Anschauung und erhält doch Identität der Bedeutung. Auch die „begrifflichen“ Wortbedeutungen haben ihre Klarheit, Bestimmtheit und ihre Einheit im kontinuierlichen Wechsel der Klarheiten etc. Wenn ich Worte in Beziehung auf schlichte Anschauung gebrauche, ihren „Inhalt“ beschreibend oder, besser, beschreibend das Erscheinende, so wie es da anschaulich gegeben ist und so wie es anschaulich mitgegeben ist (also im Leerstück1 der Anschauung), dann bereichern die Worte ihren Sinn, z. B. das Wort „Ding“, sie erhalten nähere Bestimmung ihres Sinnes, immer weitergehende Klärung, Ausweisung ihrer Möglichkeit. Aber solange keine Sinnes„Aufhebung“ erfolgt, durch das immer neu Sinn-Bestimmende, keine Anders-Bestimmung, keine Zurücknahme etc., solange kann ich sagen: Die Worte haben dieselbe Bedeutung, die Bedeutung tritt immer besser hervor, sie wird immer bestimmter und nicht bloß klarer, sie wird immer reicher bestimmt, aber sie wird nicht geändert. Was sich ändert, ist nur „der Sinn“, der gewissermaßen die „Abschattung der Bedeutung“ ist. 1
Spätere Randbemerkung: „Das Schwanken der leeren Vorstellungen hinsichtlich ihrer Bedeutungen. Diese Blätter wohl beachten.“ – Anm. des Hrsg.
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Aber ist das durchführbar? Es gibt doch widersprechende und einstimmige Bedeutungen. Das Gesagte wäre natürlich falsch, wenn ich behauptete, dass Bedeutungen nur in der Sphäre der Klarheit gegeben sind. Ich weise nur darauf hin, dass mit den Anschauungsänderungen fortgehend Sinnesänderungen die Identität der Bedeutung unberührt lassen. Im Übrigen sage ich nicht, dass unklare Bedeutungen nicht im Einheitsbewusstsein trotz der Unklarheit identisch festgehalten sein und evtl. während der Identitätserhaltung fließend sein können dem „Sinn“ nach. Ich scheide unklare von verworrenen Bedeutungen, und zwar kann eine Bedeutung hinsichtlich gewisser G lied er unklar und zugleich verworren, aber in ihrer G lied eru n g vollkommen deutlich sein, und die Verworrenheit kann eine innere Verworrenheit sein, die der Einheit des Ganzen nicht schadet. Zum Beispiel: Wenn ich sage „Dieses Papier ist weiß“ oder „Der Kaiser ist in Berlin“, „der Kaiser“, das halte ich fest. Aber was darin liegt, das ist verworren gedacht. Die Bedeutung des Satzes ist deutlich hinsichtlich der Gliederung, aber undeutlich hinsichtlich dessen, was im „Kaiser“ liegt. Also in dieser Hinsicht sind keine Einwände. Ich würde also nicht sagen, wie ich früher sagte (in einer älteren Ausarbeitung): Wenn ich verworren meinte, so kann ich nachher wohl meinen, dass, was ich jetzt deutlich meine, dasselbe sei, als was ich vorhin verworren hatte. Aber es braucht nicht so zu sein. Vielleicht hätte ein anderer Fortgang meiner Gedanken, ein anderer Zuzug von bestimmenden Gedanken es bewirkt, dass ich jetzt, eine andere näher bestimmende Bedeutung vollziehend (unverträglich mit der, von der oben die Rede war), wieder meinen würde, das sei dasselbe, was ich vorhin schon verworren gemeint hatte. Und daraus schließe ich: Man würde vielleicht (ich sagte wirklich „vielleicht“) besser tun zu sagen, im Wesen d es verw o rren en G em ein t en liege es, zw ar nicht m it einem b eliebigen anderen G emeinten, zugleich von d eutlichem und klarem Gehalt, zur Deckung kommen zu können, aber wohl, d ass h ier Spielräume bestehen. Wir müssten daher für die verworrene Bedeutung eine eigene Bedeutung ansetzen: d as verw o rren G em ein t e als so lch es. Die Deckung mit einem deutlich Gemeinten berechtige nicht ohne Weiteres, dass die „Meinung“, die Bedeutung, wirklich beiderseits dieselbe war, sondern dass sie für dieselbe nur genommen wird.
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Indessen würde ich jetzt darauf antworten: „Verworrenheit“ haben wir doch in allem, oder so zumal in allem Urteilen, das der vollen Evidenz ermangelt, in allem Denken etc. Die Worte, die wir bestimmt gebrauchen, wie „unser Kaiser“, „Europa“ etc., sind doch behaftet 5 mit verworrenen Bedeutungen. An sich sind sie vage. Aber sie werden doch identifiziert. Ich scheide eben besser den f ließ en d en S in n und die B ed eu t u n g. Solange das Denken, das Bewusstsein überhaupt, in die Richtung auf nähere Bestimmung und Klärung geht und1 Einheitsbewusstsein die Meinungen verbindet, fließt zwar der 10 Sinn, aber das Vermeinte als solches, die Bedeutung ist dieselbe. Ein Aussagesatz bzw. ein Name etc. hat also dieselbe Bedeutung in allen Zusammenhängen, in denen ich den fließenden Sinn durch Einheit eben vereinheitliche, und daran bin ich wesensmäßig gebunden.2
§ 5. Identität des Sinnes im Schwanken Nachträglicher Zusatz: Aber so einfach geht die Sache doch nicht. Und da scheint es, dass ich allerdings in meinen Grundauffassungen vom Wesen der Bedeutungen in der verbalen Sphäre kardinale Änderungen anbringen muss. Fürs Erste werde ich daran wohl festhalten dürfen und müssen: 20 Im Schwanken, aber kontinuierlich Sich-Ändern des Sinnes kann ich Identität des Vermeinten durchhalten und fassen. Nehmen wir Bedeutungen, die sich nach Anschauung orientieren bzw. nach aktuellen Erscheinungen und ihrem Sinn. Ich sage „ein Haus“, und ein Haus schwebt mir vor. Da ist im Sinn vielerlei Un25 bestimmtheit. Aber ich kann an dem Exempel oder an mehreren anschaulichen Exempeln eine feste Bedeutung erhalten, sofern ich hierbei das identisch Vermeinte entnehme und festhalte. Dieses ist Identisches, zunächst vermeint in diesen bestimmten exemplarischen Meinungen; und offen bleibt nun ein Fortgang zu mancherlei, ja un30 endlich vielen anderen Anschauungen, in denen sich das Identische immer wieder näher bestimmt und einstimmig bestimmt, sofern all die hinzugenommenen Anschauungen in eine einstimmige Einheit 15
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Spätere Einfügung: „kontinuierlich“. – Anm. des Hrsg. Dagegen die folgenden Blätter.
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eben zusammengehen. Darin besteht eine gewisse Gebundenheit, eine apriorische, sofern eben das Unbestimmte der vermeinten Gegenständlichkeit (also das Unbestimmte der Bedeutung) nicht beliebige Ausfüllung zulässt, sondern gleichsam Regeln der Bestimmung vorschreibt. Ein Haus kann aus Holz, aus Eisen etc. gebaut sein, kann verschiedene Formen haben, aber nicht beliebig. Und das Nichtbeliebig-bestimmbar-Sein, das gehört eben zu der besonderen Weise der hier an der Erscheinung hängenden Unbestimmtheit. Aber kann ich wirklich sagen, dass ich immerfort im Fortgang des Denkens, im Zurückkehren zu dem früher Gedachten usw., die Bedeutung absolut identisch festgehalten habe, dass ich das Unbestimmte in gleichem „Unbestimmtheitssinn“ genommen habe? Und dabei verschwinden ja die exemplarischen Anschauungen, und es bleibt schließlich alles leer. Ist es sicher, dass die leere Bedeutung „Haus“ identisch verbleibt? Ich kann allenfalls sagen: Wenn ich auf meinen Gedankengang reflektiere und auf die Bedeutungen blicke, so sind sie dieselben, wenn sie bei aller Verworrenheit doch zur Identifikation kommen, und zwar so, dass ich die Identität mir zu Gesicht bringe, die verworrenen Vermeintheiten so in eine Verbindung, in eine kontinuierliche Verschmelzung bringen kann, dass ich darin Einheit des Bedeuteten sehe. Und dann binde ich den ganzen Sinn des Denkens an diese Einheit, sie normiert mir die Bedeutung, die aber immerfort nur relativ, mit Unbestimmtheiten behaftet und nicht endgültige Bedeutung ist. Geht der Gedankengang weiter, so können neue bestimmende Faktoren auftreten und immer wieder neue. Ich kann dann wieder sagen: Wenn ich die Bedeutung meiner Begriffe bestimme durch die einstimmige Erfüllung, die alle fließenden Sinne gewinnen, eine relative Erfüllung in einem einstimmigen Zusammenhang, dann gilt der erweiterte Gedankengang eben als eindeutiger, und so immer wieder. Wenn ich so nicht verfahre, so ist die Identität der Bedeutung eine Prätention. Aber gilt das überall, in Allgemeinheit? Da haben wir zunächst die logischen Begriffe. Die können wir doch absolut fixieren: Begriffe wie 1, 2, 3 …, Anzahl, Etwas, Bestimmtheit etc. oder wie Urteil, Satz etc. Aber können wir nicht auch Begriffe wie Raum, Raumgestalt und dgl. fixiert haben, und wieder Begriffe wie Farbe, Ton (Akustisches überhaupt), Wärme und Kälte (Tempera-
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turempfindung) usw. All die Begriffe, die wir selbst hier abgrenzen, sollen ja hierher gehören. All diese Begriffe kann ich und werde ich im Allgemeinen in leerer Weise haben, aber so, dass ich die Leere in Fülle verwandeln kann. Ich bin nicht unsicher, was das ist „Zahl“, ich habe mit dem Wort „Zahl“ nicht etwas völlig Unbestimmtes, sondern etwas Bestimmtes an Bedeutung verbunden. Die Weise, wie die Bedeutung da ist (die Zahl, so wie sie gerade bewusst ist nach Gegebenheitsweise) oder der „Sinn“, ist verschieden, aber die Bedeutung ist im nicht vagen, aber leeren Sinn dieselbe wie im klaren. Und dass ich im leeren Sinn etwas Bestimmtes habe, dessen bin ich mir ja bewusst. Noch habe ich mir nicht wirklich klar gemacht, was „4“ heißt, da steht das schon mir als ein Bestimmtes da, wenn auch als Leeres. Noch mehr bei mittelbaren Begriffen: an, wo ich eine Stufenleiter durchlaufen muss. Aber das „weiß“ ich auch schon im „Leeren“. Aber kann man sagen, dass in dieser „Leere“ die Bedeutung gegeben sei? Es sind meine alten Probleme. Haben wir im Übergang vom völlig Leeren bis zum völlig Deutlichen nicht wesentliche Änderungen? Wir haben Änderungen der Gegebenheitsweise und schrittweise Bewusstsein der Identität des Gemeinten und der vollen Identität, ja der gegebenen Identität. Ich meine mit 42 dasselbe wie mit 4 × 4 und das wieder besagt 4 + 4 … Und dem entsprechen doch verschiedene Begriffe: Potenz, Produkt, Summe. Und es tritt bei 42 der Begriff 2 auf, der in 4 × 4 nicht auftritt. Also ist es doch nicht bloßer Unterschied der Gegebenheitsweise. Also müssen wir diesen Fall sondern von den Fällen, wo keine indirekten Begriffsbildungen vorliegen: etwa 2 und 1 + 1. Aber ist nicht wieder „2“ ein Name für eins und eins? Und ist es ebenso, wie „Haus“ ein Name ist eben für das Haus? Aber hier ist das, wofür 2 der Name ist, etwas, das schon „Begriffe“ enthält: eins und eins. Also liegt schon darin eine Mittelbarkeit. Und nicht bloß ein Unterschied von Name und „Genanntes“. Daher gibt es hier ein Substituieren, eben des „eins und eins“ für das 2. Andererseits sind nicht etwa eins und eins und 2 unterschieden als verschiedene Bestimmungen desselben, die nebeneinander stehen wie die Bestimmungen „weiß“ und „viereckig“ dieses Papiers. Und es ist auch nicht die Identifikation wie etwa die des gleichseitigen Dreiecks und des gleichwinkligen Dreiecks oder wie die von 2 und der kleinsten geraden Zahl.
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Der Name a ist Name für das als α β γ oder als f (α β γ) Begriffene als solches, und das charakterisiert alle Definitionen.1 Ein definierter Begriff ist nicht direkter Begriff einer Sache, sondern einer durch Begriffe gefassten Sache als so gefasster. Beiderseits stehen also verschiedene Bedeutungen. 5 Wo nun überhaupt zwei Bedeutungen sich identifizieren, da heißt es: Sie beziehen sich auf denselben Gegenstand. Ein und dieselbe Bedeutung kann in verschiedener Gegebenheitsweise bewusst sein, und identisch ist sie als Bedeutung in der Kontinuität verschiedener Gegebenheitsweisen, worin sie evtl. evident bewusst ist als identische 10 Einheit. In der Denksphäre tritt dabei kein neuer „Begriff“, keine neue begriffliche (Denk-) Form auf: Denn das sind eben selbst Bedeutungseinheiten (bzw. neue „kategoriale“ Gegenständlichkeiten). Verschiedene Bedeutungen können aber wieder zu Einheiten der Bedeutung zusammentreten und darunter zur Einheit der Bedeu- 15 tung „identisch“: A ist identisch mit B. Ist das in der Einheit der Identitätswahrheit der Fall …2
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Mittelbarkeit der Bedeutungen von definierten Namen. Spätere Randbemerkung: „Da fehlt das Weitere!“ – Anm. des Hrsg.
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Einige in wesentlichen Betracht kommende Punkte: 1) Das Wesen des dinglich Erscheinenden ist mir in der einzelnen Erscheinung nicht adäquat gegeben, genauer gesprochen, das des bestimmten Dinges, ein bestimmtes „individuelles“ Dingwesen (Wesen eines Dingindividuums).2 2) Das Wesen von „Ding überhaupt“ kann ich mir zur Gegebenheit bringen, ausgehend von der aktuellen3 Erscheinung (der Phantasieerscheinung) irgendeines Dinges, und von da lasse ich die möglichen Erscheinungen, die Mannigfaltigkeiten ablaufen und erlebe die Erfüllungszusammenhänge. Darin kommt mir ein Ding zur Wesensgegebenheit,4 und so kann ich mir Ding überhaupt zur Wesensgegebenheit bringen.5 3) Jede Dingeinheit ist Einheit der Erscheinungen, und jede Einheit durch Erscheinungen ist Einheit durch Abschattungen, wobei zu jeder Abschattung Auffassung gehört, wodurch die Abschattung zur Erscheinung-von wird.6 Dabei aber ist zu beachten, dass die Abschattungen Stufenfolgen bilden, denen gemäß, was von einem Standpunkt oder einer Stufe aus schon Erscheinung ist, von der höheren aus bloße Abschattung ist, so dass vielerlei Auffassungen ineinander fundiert sind in gesetzmäßig bestimmter Weise. Also zuunterst haben wir die ab1
Wohl 1908. – Anm. des Hrsg. Unter „Wesen eines Dingindividuums“ spätere Ergänzung: „konkretes“. – Anm. des Hrsg. 3 „aktuellen“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. 4 „Wesensgegebenheit“ später verändert in „intuitiven Gegebenheit“. – Anm. des Hrsg. 5 Spätere Randbemerkung: „Doch ist dabei zu bemerken, dass das Ding als unendliche ‚Idee‘ – und dazu gehört die Einsicht in die Möglichkeit unendlichen Fortschreitens – konstitutiv Unendlichkeit der Erfüllung ‚immer weiter‘ fordert.“ – Anm. des Hrsg. 6 Nota bene! 2
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schattenden Empfindungsinhalte, die ihrerseits Einheiten des bloß immanenten Zeitbewusstseins, der stetig ineinander übergehenden Zeitabschattungen der Empfindungsinhalte sind, dann weiter: die okulomotorischen Einheiten, die Einheiten bestimmter motivierter Empfindungsreihen sind. Jeder Empfindungsinhalt dieser Reihe ist im Sinn dieser Mannigfaltigkeit aufgefasst, und diese Einheit, wenn sie wirklich gegeben ist („bewusst“, aber nicht Objekt ist), ist doch nur wieder „Abschattung“ (Repräsentant). Wenn wir dann weiter die Mannigfaltigkeit der „Annäherung und Entfernung von mir“ sowie die Drehung etc. nehmen, so gibt das wieder Einheiten, die ihrerseits auch nur Abschattungen sind usw. Also mannigfaltige Einheiten kann hier die reflektive Analyse in Erfüllungsreihen vorfinden und evident vorfinden (eben wirklich im Einheitsbewusstsein), und diese Einheiten bilden Schichten in der gesamten Einheit des Erscheinenden, wofern es sich anschaulich in jeder Richtung entfaltet, und jede solche Einheit ist nur „Erscheinung“ bzw. Abschattung. Das Erstere, wenn wir die Auffassung, die in den weiteren Einheitskreis reicht, hinzunehmen. Aber jede Abschattung ist selbst schon Auffassungseinheit (ein sich Konstituierendes). Das ist also wohl zu beachten. 4) Wie steht es nun mit der Evidenz, dass jede Wahrnehmungserscheinung (eine Phantasieerscheinung)1 etc. Erscheinung von dem und dem ist? Darauf ist zu antworten: a) Es ist evident, dass, wenn wir in der Einstellung der schlichten Anschauung leben und die zusammengehörigen Erscheinungen in ihrer Ordnung ablaufen, wir ein Einheitsbewusstsein erleben, in dem „eines und dasselbe“ sich kontinuierlich zeigt und sich etwa bald nach der, bald nach jener Seite zeigt. b) Indem wir aber das aussagen, gehen wir, genau besehen, über die Einstellung schlichter Anschauung hinaus, in der wir eben bloß Einheitsbewusstsein vollziehen und die Einheit „sehen“. Wir sagen etwa aus „dieses Papier“, „dieses weiße Papier“ usw., und es ist evident, dass diese Aussage „passend“ ist, richtig ist. „Dies“ ist wirklich weiß, und ist Papier, welches weiß ist usw. Und zu bezweifeln, ob wir, „dies“ sehend, „dies“ sagen dürfen, und ebenso „dies“ phantasierend, das hätte keinen Sinn. 1
Über „eine Phantasieerscheinung“ spätere Ergänzung: „oder in der Phantasieeinstellung“. – Anm. des Hrsg.
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In der1 Anschauung lebend, können wir „innerhalb ihrer Einheit“ synthetische Akte vollziehen, die als ideale Möglichkeiten wesentlich zu ihrer Einheit gehören. Wir können den Teil im Ganzen, das Merkmal am Gegenstand (die Einheit des erscheinenden Dinges) erfassen, wir können Beziehungen nachgehen usw.; und dem können sich wieder Ausdrücke mit ihren Bedeutungen anpassen. Und auch da besteht die Evidenz solcher Anpassung und solcher Gegebenheit. Wir können sagen, dass diese Anschauungen ihre Gegenstände so „vorstellen“, dass ihnen „in der Vorstellung“ all das wirklich zukommt. Drücken wir dabei einen „Wahrnehmungsinhalt“ aus, das, was in der Wahrnehmungsgegebenheit „liegt“, so sind die Aussagen Wahrnehmungsurteile, welche das Dasein von solchen Gegenständen, ihr wirkliches Haben von den und den Eigenschaften etc. in existentialer Weise aussagen. In der Wahrnehmung erscheint der Gegenstand nicht bloß, er ist in Seinsweise gegeben, und auch das kommt in gewisser Weise zum Ausdruck: nämlich in der normal verstandenen Aussage „Dies ist weißes Papier“. Andererseits ist die Evidenz nur Evidenz des Ausdrucks, und darin liegt: Sie ist nicht Evidenz für das Wahrhaftsein des Dies und des Sachverhalts, für die „Wahrheit“ der Aussage. Wir unterscheiden dabei: 1) Die Aussage drückt bloß aus, was in der Wahrnehmung als solcher liegt, was in ihr erscheint und zu sein scheint. 2) Und die Aussage ist eine wahre, nicht bloß als Ausdruck des wahrnehmungsmäßig Erscheinenden, sondern eine wahre, sofern ihr „in Wahrheit ihr Sachverhalt entspricht“. Ebenso in der Erinnerung. Im Fall bloßer Phantasie hat die Aussage einen „modifizierten“ Sinn, sie drückt wahrhaft bloß aus, was phantasiemäßig erscheint. An der Existenz des Phantasierten brauchen wir gar nicht zu zweifeln, da wir es gar nicht als Wirklichkeit setzen. Und doch „etwas“ ist phantasiert, so wie „etwas“ gesehen ist, und nicht ein ganz unbestimmtes Etwas, sondern dies da, dieses weiße Papier, dieser tanzende Zentaur. Es ist evident, dass diese „Phantasieerscheinung“ Erscheinung von etwas, vom Papier, vom Zentauren ist usw. Es ist evident, dass Wahrnehmen, diese Wahrnehmungserscheinung, dasselbe wahrnimmt (und ebenso dass diese Phantasieerscheinung, dieses Phantasiebewusstsein Bewusstsein vom Selben ist) wie das, was der Aus1
Spätere Randbemerkung: „Diese Blätter lesen! Nota bene.“ – Anm. des Hrsg.
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druck „dieses Papier“, „dieser Zentaur“ „meint“. Und es ist evident, dass die abscheidbaren Erscheinungen von diesem Papier dasselbe zur Erscheinung bringen, ein Sehen oder Phantasieren vom Selben sind, das immerfort und unverändert der Ausdruck „dieses Papier“ meint. Was sind das für Evidenzen? Sie liegen in der bloßen „Zusammenpassung“, „Deckung“ der Erscheinungen (der anschaulichen Bewusstseinserlebnisse), die hier immer wieder partiale Erfüllung ist. Und ebenso in der Zusammenpassung von Ausdruck und fundierender Anschauung. Phänomenologisch: Zum Wesen jeder Anschauung gehört ein möglicher Ausdruck. Zum Wesen mehrerer zusammenpassender1 Anschauungen in einem Einheitsbewusstsein gehört der Ausdruck: Jede dieser Anschauungen ist Anschauung vom Selben, und das Einheitsbewusstsein selbst ist Bewusstsein von dem einen Selben usw. Auch in der Anschauung lebend, ist es richtig zu sagen „Das und das ist ein und dasselbe“. Also wir können etwa sagen: Zum Wesen jedes Bewusstseins (zunächst des schlicht anschauenden, das unser Beispiel bildete) gehört die ideale Möglichkeit gewisser evidenter Aussagen, die ausdrücken, was in ihm „bewusst“ ist, was in ihm angeschaut ist und was dem „Angeschauten als solchen“, das seinem Wesen nach so und so zu „explizieren“ ist in entfaltenden synthetischen Akten, zukommt. Das Bewusstsein hat einen S in n esgeh alt,2 der aus ihm evident zu entnehmen und adäquat auszudrücken ist. Das gilt für jede Dinganschauung, mag sie mannigfaltiger gebaut sein oder minder mannigfaltig aus Anschauungen (z. B. Anschauung im Herumgehen um einen Gegenstand oder in der Drehung eines Gegenstands oder bloß Anschauung von einem bestimmbaren Gesichtspunkt aus, während der Gegenstand ruht, Augenbewegungen oder nicht). Im Allgemeinen wird dieser Sinnesgehalt sich ändern mit Erweiterung oder Verengung des Anschauungskreises (der auf dasselbe Gegenständliche sich bezieht, also zu einem Einheitsbe-
1 Spätere Randbemerkung: „Das ‚zusammenpassend‘ ist aber ein Thema! Zusammenpassend: Erfahrungen mit Erfahrungen, Quasierfahrungen mit Quasierfahrungen, aber nicht etwa Erfahrungen mit Quasierfahrungen, aber auch beliebige Quasierfahrungen mit beliebigen ‚gleichen‘ Quasierfahrungen.“ – Anm. des Hrsg. 2 Spätere Ergänzung am Rand: „einen Sinn“. – Anm. des Hrsg.
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wusstsein gehören mag); alle Anschauungen solcher Einheitsgruppe werden identischen Sinnesgehalt bis zu einem gewissen Grad haben müssen: Die Einheit, das Etwas ist dasselbe, es ist ein „Ding“, ein Raumobjekt etc. Aber daneben immer wieder Unterschiede. Dasselbe Ding hat nämlich die, das andere Mal jene relative Lage zu mir, und einmal erscheint diese Seite des Dinges bei unbestimmter Rückseite (unbestimmt welche Farbe, welche Raumgestalt es dort hat), das andere Mal jene Seite usw. Zum identisch Aussagbaren gehört jedenfalls alles, was zum „Ding als solchen“1 gehört, zum wechselnd Aussagbaren der Umfang der bestimmten Dingseiten und erscheinenden Dingbestimmtheiten in ihnen sowie der Umfang an Unbestimmtheit (das zu Ergänzende: eine gewisse Farbe, eine gewisse Schwere). Dabei kann ein Teil des evident „Gemeinten“ unanschaulich gemeint sein (z. B. bestimmte räumliche Form der Rückseite). Es ist wohl auch zu unterscheiden zwischen deutlicher und dabei ganz unanschaulicher (leerer) Meinung und verworrener Meinung. Wird die verworrene Meinung zum Ausdruck gebracht nach dem, was sie meint, so geht sie erst über in einem Einheitsbewusstsein in eine deutlich sie „explizierende“ Meinung, eine Explikation, die aber von anderer Art ist als diejenige, welche wir vollziehen, indem wir eine klare und deutliche Anschauung eines Dinges in synthetischen Akten „analysieren“. Der verworrenen Meinung „geben“ wir einen bestimmten Sinn durch die „Identifikation“ mit einer deutlichen Meinung. Zwar, dass etwa beiderseits ein Ding und ein Haus gemeint ist, mag evident sein, aber dann war diese Komponente schon deutlich im ursprünglichen Bewusstsein gemeint, und die Verworrenheit bezieht sich auf das Übrige. Die verworrenen Meinungen sind schwankend und werden verfestigt,2 indem sie mit der Verdeutlichung näher bestimmt werden.3 Die Evidenz der die Meinung (das Gemeinte als solches) ausdrückenden, beschreibenden Urteile betrifft also das, was wirklich und deutlich in einer Meinung gemeint ist (und weiter eine Sphäre
1 Über „Ding als solchen“ spätere Ergänzung: „vorgestellten, wahrgenommenen, erinnerten etc.“ – Anm. des Hrsg. 2 „Deutlich“ ist zu unterscheiden von „fest“: schwankender Sinn und fester Sinn. 3 Aber die Hauptsache: Es ist der u n b e s t i m m t e Horizont der Meinung zu beachten!
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der Undeutlichkeit, soweit eine solche vorhanden ist: das Undeutliche als undeutlich bezeichnen:1 ein Haus, „unklar2 welches“).3, 4 So weit dürfte die Betrachtung nützlich verlaufen sein. Wir können nun etwa so fortfahren: Es soll sich hier um evidente Urteile handeln, die aufgrund eines Bewusstseins, sagen wir etwa eines anschauenden Bewusstseins, gefällt werden können. Und es kann dieses Bewusstsein entweder sein als ein wahrnehmendes5 im weitesten Sinn (wahrsetzendes, seinssetzendes, überhaupt ein „aktuelles“) oder ein nichtwahrsetzendes, ein6 modifiziertes, etwa ein bloßes Phantasiebewusstsein.7 Dann haben wir aber kein eigentlich evidentes Urteil, sondern eine Quasievidenz, z. B. eine Phantasieevidenz. Im anderen Fall, in dem der Wahrnehmung, ist nicht das Wahrnehmungsurteil selbst evidentes, sondern der bloße „Ausdruck“. Wir gewinnen nun ein unabhängiges und wirkliches Urteil, wenn wir ein Wesensurteil bilden, das das Wesen des Erscheinenden herausstellt und zum Ausdruck bringt.8 Wenn ich eine Wahrnehmung und eine „ganz gleiche“ bloße Phantasie nehme, so lautet der Ausdruck, der einmal ein Wahrnehmungsurteil ist und das andere Mal ein Phantasieurteil (ein Phantasieausdruck eines Wahrnehmens in der Phantasie) völlig identisch. Und was daran zur Evidenz zu bringen ist, ist beiderseits dasselbe, eben das Wesen des Erscheinenden als solchen.9
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Doch gehört das nicht zur Bedeutung. Über „unklar“ spätere Ergänzung: „unbestimmt!“ – Anm. des Hrsg. 3 „welches“ später verändert in „wie beschaffen sonst“. – Anm. des Hrsg. 4 Spätere Randbemerkung: „Deutlich: Das ist eben das mit Evidenz aus dem Sinn Herauszuholende.“ – Anm. des Hrsg. 5 Über „wahrnehmendes“ spätere Ergänzung: „besser: erfahrendes“. – Anm. des Hrsg. 6 Spätere Einfügung: „ein im ‚gleichsam‘“. – Anm. des Hrsg. 7 Spätere Randbemerkung: „Statt Wahrnehmung und bloße Phantasie kann ich auch eine beliebig setzende Vorstellung und ihre Phantasiemodifikation nehmen.“ – Anm. des Hrsg. 8 Spätere Randbemerkung: „Ein wirkliches Urteil gewinne ich auch, wenn ich, statt in der Phantasie einen Quasiausdruck zu vollziehen, das Phantasierte als solches beschreibe.“ – Anm. des Hrsg. 9 Spätere Randbemerkung: „Also nicht ein Erscheinendes als solches selbst. Bei transzendenten Vorstellungen habe ich natürlich das Unbestimmte des Horizonts wesensmäßig.“ – Anm. des Hrsg. 2
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Wir können auch so sagen: Wenn mir in der Wahrnehmung etwas erscheint, so erscheint es in gewisser Weise; nämlich, es erscheint in dieser Wahrnehmung etwas, das sich evidenterweise so und so beschreiben, so und so in synthetischen Akten und ausdrückend entfalten lässt. Das sagt, dass statt des Gegenstands, der nur existiert, wenn die Wahrnehmung im Erfahrungszusammenhang sich fortgesetzt bestätigt, durch eine Wendung des Blickes etwas anderes1 zur evidenten Gegebenheit zu bringen ist, nicht der Gegenstand der Wahrnehmung (der intendierte),2 sondern der „immanente Sinn“ der Wahrnehmung.3 Und dieser ist identisch derselbe, ob wir die Wahrnehmung nehmen oder eine Bildvorstellung „desselben Sinnes“ oder eine Phantasievorstellung. Es ist der Wahrnehmung und jedem wirklichen oder modifizierten Bewusstsein ein gewisses Wesen,4 eine gewisse Idee5 zu entnehmen, und das ist die Bedeutung.6 Doch das ist ungenau. Eine und dieselbe Anschauung lässt eine Fülle von evidenten Urteilen zu, nämlich sofern das „Erscheinende als solches“ sich in vielfacher Weise analytisch entfalten lässt (in synthetischen Akten). Alles, was sich so herausstellen lässt, gehört zu seinem immanenten Gehalt, seinem logischen Gehalt (wir könnten auch sagen „seinem analytischen Gehalt“). Haben wir nicht zu scheiden das Erscheinende als solches (und als Wesen) und seinen7 logischen Gehalt? Jedes explizierende Urteil hat dann eine verschiedene Bedeutung, die in diesem Erscheinungsgehalt „gründet“. Der logische Gehalt einer Erscheinung ist der Gesamtinbegriff der zum8 unbestimmten Bedeutungswesen der betreffenden Erscheinung gehörigen bzw. zum „erscheinenden Gegenstand, so wie 1 Zu dem Textstück von „etwas anderes“ bis „die Bedeutung“ drei Fragezeichen später am Rand geschrieben. – Anm. des Hrsg. 2 Spätere Einfügung: „schlechthin“. – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Randbemerkung: „Es ist besser unter ‚Sinn der Wahrnehmung‘ dieses Erscheinende als solches in seinem Charakter zu verstehen. Dann ist der Sinn einer Wahrnehmung n i e derselbe wie der einer Erinnerung etc.“ – Anm. des Hrsg. 4 Über „Wesen“ spätere Bemerkung: „Nicht Wesen.“ – Anm. des Hrsg. 5 Über „Idee“ spätere Bemerkung: „Nicht Eidos.“ – Anm. des Hrsg. 6 Spätere Randbemerkung: „Nein. Beiderseits haben wir den ‚Gegenstand im Wie‘, beide mögen von gleichem Wesen sein, aber identisch sind sie nicht, so wie die ‚Gegenstände‘ schlechthin nicht identisch genannt werden können.“ – Anm. des Hrsg. 7 „(und als Wesen) und seinen“ später verändert in „der betreffenden Erscheinung und ihren“ dazu die spätere Randbemerkung: „Neu schreiben.“ – Anm. des Hrsg. 8 Spätere Einfügung: „begrifflich noch“. – Anm. des Hrsg.
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er da erscheint“, gehörigen und ihn explizierenden Urteile: A priori gehört es zu einem Etwas, sofern es so erscheint, dass für es die und die Urteile gelten. Das ist der apriorische Gehalt aller „rein“ beschreibenden Urteile.1 Wir stellen gegenüber 1) die schlichten Vorstellungen, d. i. diejenigen Bewusstseinsphänomene (evtl. eine Einheit ineinander übergehender solcher Phänomene), welche den synthetischen Akten zugrunde liegen, und 2) diese selbst. Zum Beispiel: das schlichte Erscheinen dieses Dinges und die aufgrund dieses Erscheinens erwachsenden synthetischen Erlebnisse „dieses weiße Papier“, „dieses viereckige Blatt“ usw. Korrelativ sagen wir: Einmal haben wir ein bloß sinnlich Erscheinendes, ein bloß Angeschautes,2 das andere Mal ein Begriffenes, Beurteiltes, und es steht dann in dem synthetischen Akt ein kategorial geformter Gegenstand, ein „kategorialer Gegenstand“ da. Das alles zunächst abgesehen vom Ausdruck. Freilich besteht hier die Schwierigkeit zu entscheiden, inwieweit diese Unterscheidung als eine Unterscheidung wirklich verschiedener Phänomene anzusehen ist. Nämlich, wenn ich einen Gegenstand erfasse, so finde ich, wenn die Erfassung eine deutliche ist,3 immer schon eine Synthese, also das Phänomen des Gegenstands und von ihm das oder jenes besonders aufgefasst. Im Hinsehen über den Gegenstand geht Synthese in Synthese über und dabei ist immer eine Gesamterscheinung (die aber bei jedem Schritt phänomenologisch eine andere ist) da, auf deren Grund etwas herausgehoben ist. Ein beständiges Schema finden wir also: „etwas“ und „etwas an ihm“. Und was dem „Etwas“ schlechthin entspricht, das ist im gesamten synthetischen Phänomen eine Komponente, und all diese Kompo-
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Spätere Randbemerkung: „Also alle Vorstellungen, in denen ihr Gegenstand mit demselben Sinneswesen vorgestellt wird, haben gleiche explizierende Urteile bzw. Quasiurteile. Aber die gleichlautenden Urteile sind bei Wahrnehmungen und Phantasien nicht wirklich gleich: Die einen sind Quasiurteile.“ – Anm. des Hrsg. 2 Spätere Randbemerkung: „Am besten statt Anschauen Erfahren und die Untersuchung an erfahrenden Vorstellungen führen, dann die Phantasiemodifikationen nehmen und beides in Beziehung setzen.“ – Anm. des Hrsg. 3 Dagegen würde man sagen: Ja, wenn eine deutliche! Nämlich, das ‚Analysieren‘ des erscheinenden Gegenstands (und synthetisch Verknüpfen oder Beziehen auf den Gegenstand), das ist eben das V e r d e u tl i c h e n. Sowie wir einen Gegenstand ansehen und er uns interessiert, beginnen wir sogleich zu verdeutlichen.
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nenten (mit dem, was sie „an ihm“ erfassen) sind durch Einheitsbewusstsein verbunden. Die synthetisch angeknüpften Glieder können nun auch für sich festgehalten werden und im Einheitsbewusstsein verfolgt werden (z. B. diese Umrandung). Aber das ist ein anderes Einheitsbewusstsein und ein anderer Gegenstand. Dagegen: Doch fragt es sich, wie das unmittelbare, „schlichte“ Auffassen, das im ersten Blick, dann zu interpretieren ist. Doch wohl als verworrenes, müsste man sagen. Im ersten Blick erfasse ich da den Gegenstand als Ding und als Buch, ohne dass darum die allgemeine Bucherfassung als begrifflich allgemeine vollzogen wäre; aber als eine Dingeinheit, die aus Blättern von Papier besteht etc., ist es aufgefasst. Jedoch nicht in der expliziten Weise: etwas, aus Blättern von Papier bestehend etc. Das Schema ist doch dieses: dass der Gegenstand als noch unbestimmtes Was aufgefasst ist und dann in partialer Identifikation als etwas, das α ist. Wenn nun auch immer ein gewisser Bestimmtheitsgehalt mit der ersten Gegenstandsaufassung gegeben ist, so kann doch nicht schon eine Identifikation vorliegen; vielmehr haben wir wohl prinzipiell zu unterscheiden: die ungeschiedene Einheit, die einen Bestimmtheitsgehalt, umflossen von einem Hof der Unbestimmtheit, zwar hat, aber nicht in synthetischer Weise.1 Und dann das Auseinandergehen in Synthesen und immer neuen Synthesen, wobei im Blicken des Auges, im Herumgehen, Sichnähern und -entfernen etc. immer neu ungeschiedene Erscheinungen erwachsen und im Einheitsbewusstsein ineinander übergehen und so das Erscheinende immerfort das Eine ist, das schon als α, β Bestimmtes ist vermöge der soeben vollzogenen und in das einheitliche Urteilsbewusstsein übernommenen Synthesen, und zugleich sich neu bestimmt als γ, δ etc. Also müssen wir doch zwischen schlichter Erscheinung (als unanalysierter, logisch unentfalteter) und synthetischer Erscheinung, logisch entfaltender unterscheiden! Dem eben gemachten Unterschied würde also entsprechen der Unterschied zwischen dem G egenstand schlechthin (dem schlicht erscheinenden Gegenstand, dem erscheinenden Gegenstand
1 Wir müssen also unterscheiden: den ungeschiedenen Bestimmtheitsgehalt und den in der Weise des explizit Gehabten oder Zukommenden geschiedenen. Und nur durch die Analyse, also durch Urteile und durch das Einheitsbewusstsein, in dem das schlichte Phänomen in das Synthetische übergeht, sprechen wir von dem „Ungeschiedenen“.
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der vereinheitlichten schlichten Vorstellungen, welchen die Synthesis vorausgesetzt) und dem k ategorialen Gegenstand.1 Im Gang der (eigentlich vollzogenen) Erkenntnis steht, solange wir denselben Gegenstand betreffende Urteile fällen, derselbe Gegenstand da, als Einheitliches auf ihn bezüglicher Erscheinungen, deren jede ihn mit einem unexplizierten und im Allgemeinen verschiedenen Bestimmtheitsgehalt vorstellt. Das synthetische (oder vielmehr das analysierende, den Bestimmtheitsgehalt des Gegenstands, der jeweils erscheint, explizierende) Denken setzt nun den Gegenstand als „dies“, bestimmt ihn prädikativ als α, denkt den als dieses α bestimmten dann, weiter prädikativ explizierend, als β usw. Hierbei tritt in die Einheit der urteilenden Erkenntnis immerfort das als α seiend bestimmte Dies in Identität mit dem als β bestimmten, und evtl. treten ausdrückliche Identitätsurteile (total identifizierende) ein: „Dieses α ist dasselbe wie dieses β“ usw. Was haben wir also zu unterscheiden? Im Einheitsbewusstsein, das geeinigte Erscheinungen verschmilzt oder ineinander übergehen lässt, erscheint etwas, erscheint Eines; in dem Einheits-Bewusstsein lebend steht kontinuierlich etwas da, ein urteilsmäßig, also durch Prädikate noch Unbestimmtes, etwas, das noch nicht bestimmt ist „als was es ist“. Es ist das in dem Urteilssinn noch Unbestimmte, das, was als „dies da“ oder „das“ bei Beginn des Urteilens gesetzt und weiter bestimmt wird als „Das ist α“ oder „Das ist etwas, das die Eigenschaft α β hat“ usw. Und nun steht nicht mehr das bloß Unbestimmte, die bloße Einheit da im Einheitsbewusstsein, sondern das α, oder zunächst „Das ist α“, „Das ist ein α“, „Das α ist ein β“, „Das β ist dasselbe wie das α“ usw.2 Dabei tritt auseinander: das im Urteilsbewusstsein oder, sagen wir, im bestimmenden, identifizierenden und prädizierenden Bewusstsein bewusste „S ist P“ und das S, der Gegenstand, der aber nicht mehr unbestimmter, sondern Subjektgegenstand ist, als Dies – als Dies, welches α ist und dgl. – gedachter.
1 Besser: Das ist eine Unterscheidung, die in Wahrheit oder in Gemeintheit zu verstehen ist. Also wahrer Gegentand und wahrer Sachverhalt, wahres Nominale etc. Andererseits Gegenstandsgemeintheit (als Korrelat der betreffenden Anschauung) und kategoriale Gemeintheit. 2 Spätere Einfügung: „Das = dasselbe.“ – Anm. des Hrsg.
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Was ist das nun für eine Unterscheidung, der Gegenstand als „unbestimmter Gegenstand der empirischen Anschauung“ und der Gegenstand als Erkenntnissubjekt,1 als Gegenstand-worüber, als das Dies, so und so bestimmt in der Einheit der Urteilssynthesis? Ist denn nicht der Gegenstand derselbe? Derselbe, noch unbestimmte, wird bestimmt, derselbe, bloß angeschaute, wird gedacht. Darauf ist wohl Folgendes zu antworten: Ich kann auf die wechselnden Phänomene2 selbst, nämlich auf das anschauende Bewusstsein in seinem Fluss und seiner Einheit im Fluss hinsehen und es zum Objekt der Urteilsbeschreibung machen, und dann sage ich mit Evidenz aus: Die Phänomene wechseln und sind in gewisser Weise zu einem Einheitsphänomen verbunden. Ich sage nun auch: Sie „meinen“ alle dasselbe, oder es erscheint in allen dasselbe und in verschiedener Weise, mit einem verschiedenen Bestimmtheitsgehalt. Ich sehe nun, dass „dasselbe“ nicht ein Stück der Phänomene und nicht ein Moment derselben ist. Ich kann in den Phänomenen leben, und da steht einfach das eine und selbe einmal von der einen Seite, das andere Mal von der anderen Seite da. Ich muss sagen, dass in den Anschauungen, in den Erscheinungen dieses Dinges leben etwas anderes ist als auf sie hinsehen (was neue Anschauungen, reflektive voraussetzt) und dass im Einheitsbewusstsein der Erscheinungen, in denen ich lebe, eben eine Einheit angeschaut ist oder sonstwie vorgestellt, gemeint ist, die eben das ist, was das bezeichnende und prädikativ fungierende „dies“ oder „das“ meint, und was in der sich auf die Erscheinungen bauenden Prädikation so und so bestimmt, wobei die Prädikation sich nach dem unexplizierten Inhalt des erscheinenden richtet und ihn eben „analytisch“ expliziert (wozu freilich auch das Beziehen und die Beziehungsprädikate des Erscheinenden im Zusammenhang mit anderem Erscheinendem gehören). Speziell hinsichtlich der Erscheinungen ist zu unterscheiden: das erscheinende Identische des Einheitsbewusstseins der verschiedenen Erscheinungen und das Erscheinende der einzelnen Erscheinung, so wie es da erscheint (gerade mit dem unexplizierten Bestimmtheitsgehalt). Wir können, im Einheitsbewusstsein lebend, auf das Eine und Selbe hinsehen, und wir können auf das Eine von Teilen oder Phasen 1 2
„Erkenntnissubjekt“ später verändert in „Urteilssubjekt“. – Anm. des Hrsg. Spätere Ergänzung: „intentionalen Erlebnisse“. – Anm. des Hrsg.
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des Einheitsbewusstseins für sich achten und dann sagen: Das Dies, das im ganzen Einheitsbewusstsein der Phänomene erscheint oder bewusst ist, das ist einmal in der einen Weise (mit dem Bestimmtheitsgehalt, nach der Seite) erscheinend, das andere Mal in jener Weise erscheinend. Und würde die Erscheinungseinheit sich fortsetzen und mit neuen Erscheinungsabflüssen zu einer erweiterten Einheit kommen, so würde das Einheitliche der früheren Erscheinungseinheit nur als ein relativ Unvollkommenes, Einseitiges sich charakterisieren gegenüber dem einheitlich Erscheinenden der gesamten, erweiterten Einheit. Es ist nun zweierlei Einstellung, ob wir den erscheinenden Gegenstand schlechthin,1 der soeben als so erscheinend dasteht, meinen, d. i. ob wir einfach im Einheitsbewusstsein leben, oder ob wir die Reflexion auf den „erscheinenden Gegenstand, so wie er erscheint“ vollziehen, d. i. genauer gesprochen, nicht auf den Gegenstand, sondern auf das Wie seiner Gegebenheit, auf die Gegebenheitsweise, Erscheinungsweise des Gegenstands. Es ist das, was die „Reflexion“, die keine Reflexion auf das Aktwesen ist, in jeder neuen Erscheinung neu erfassen kann, als ein „immer wieder anderes“. Der „Gegenstand“ erscheint immer in „gewisser Weise“. „Der Gegenstand“ sagt aber nicht dasselbe wie „der wirkliche oder wahre Gegenstand“, sagt das nicht ohne weiteres. Denn im Einheitsbewusstsein der Erscheinungen steht das Identische da, ist es bewusst; und wenn im Fortgang der aktuellen Erfahrung (im Sichfortspinnen der aktuellen setzenden Anschauungen) die Einheit evident auseinandergeht in „Widerspruch“, in Unstimmigkeit, so wird das dastehende Etwas oder Eins der bislang einstimmigen Erscheinungen charakterisiert als „nichts“, als nicht seiend. Dagegen ist es evident, dass etwas, dass dieses Ding da erscheint, dass es einmal als seiend, das andere Mal als nichtseiend erscheint. Offenbar gehört es zum Wesen2 der betreffenden Erscheinungen und Erscheinungsreihen, ein solches „Etwas“ bewusst zu haben als notwendiges Gemeintheitskorrelat. Und dieses Etwas als Gemeintes, als Korrelat von Akten des zugehörigen Aktwesens 1) nennen wir 1
Spätere Einfügung: „(evtl. in Anführungszeichen)“. – Anm. des Hrsg. Spätere Randbemerkung: „Wieder die Verwechslung: Nicht Wesen (Eidos)!“ – Anm. des Hrsg. 2
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die „intentionale Gegenstandsgemeintheit“, das „Erscheinende als solches und schlechthin“; 2) andererseits nennen wir das Wie des Gegebenseins – als Wesen, das ebenfalls zum Wesen des Aktes,1 und zwar korrelativ gehört – das „Bestimmtheitswesen der Erscheinungen“.2 (Doch bin ich über die Terminologie noch nicht sicher.) Dem Bedeutungswesen3 der Erscheinungen, gewissermaßen der verborgenen („verworrenen“ würde der alte Rationalismus sagen) Denkbedeutung,4 entsprechen dann, wenn wir zu den Akten der Urteilssynthese übergehen, die Urteilsbedeutungen und die nomin alen B ed eu t u n gen, die sich auf den Gegenstand, der da zunächst anschaulich bedeutet ist, beziehen. Wie das Anschauen sein phänomenologisches Wesen hat und wie dieses Wesen zu unterscheiden ist von dem erscheinenden Gegenstand als solchen und von dem Bedeutungswesen der Erscheinung,5 so ist das synthetische Bewusstsein und sein phänomenologisches Wesen zu unterscheiden von dem gedachten Gegenstand als solchen und schlechthin und von der Urteilsbedeutung (Urteil als Bedeutung) und von den logischen Bedeutungen, die sich ihr einordnen, so von den nominalen Bedeutungen, die den gedachten Gegenstand (den Urteilsgegenstand-worüber) als Subjekt oder Objekt nennen.6 Die logische Bedeutung wird gewonnen durch Bedeutungsreflexion, die zu unterscheiden ist von der phänomenologischen Reflexion. Sie ist ein idealer Gegenstand, so wie das Bedeutungswesen der Anschauung.7 Es ist ferner zu sagen, dass auch eine „leere Vorstellung“ ihr Gemeintes als solches und ihr Bedeutungswesen hat, und zwar ein bestimmtes, wenn sie eine deutliche und bestimmte Vorstellung ist,
1
Spätere Randbemerkung: „Das sind keine Wesen.“ – Anm. des Hrsg. Spätere Randbemerkung: „Besser: das Erscheinende im Wie. Das ‚expliziert‘ sich im ‚logischen Gehalt‘, durch lauter Bedeutungen (Ausdrücke).“ – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Ergänzung: „Bestimmtheitswesen“. – Anm. des Hrsg. 4 Spätere Randbemerkung: „Nicht Wesen.“ – Anm. des Hrsg. 5 „Bedeutungswesen der Erscheinung“ später verändert in „Bestimmtheitswesen der Erscheinung (das Erscheinende im Wie)“. – Anm. des Hrsg. 6 Spätere Randbemerkung: „Warum ist hier nicht unterschieden: die synthetischen Akte und die eigentlichen Bedeutungsakte, die die Synthese ausdrücken, das ausgedrückte Urteil etc.“ – Anm. des Hrsg. 7 Spätere Randbemerkung: „Nicht die logische Bedeutung, sondern die logische Idee ‚Bedeutung‘. Die Bedeutung selbst ist nie ein Eidos. Vgl. S. 55 = S. 397,17– 399,4.“ – Anm. des Hrsg. 2
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und soweit sie es ist. Auf die Unterschiede der Deutlichkeit und Undeutlichkeit müsste mehr Rücksicht genommen werden. Ebenso kann sich auf die leere Vorstellung eine Urteilssynthese aufbauen, wobei aber zu beachten ist, dass nicht erst die leere schlichte Vorstellung vorhanden zu sein braucht, um dann erst synthetische Fassung zu erfahren.1 Wenn ein Satz gelesen oder ein gehörter Satz verstanden wird, so bildet sich die Denkeinheit des Bewusstseins mit allem, was sie fordert, aber nicht so, dass eine vorangehende schlichte Vorstellung in Denkform gebracht würde. Letzteres ist der Fall, wenn wir einen uns vorschwebenden „Gedanken“ zum Ausdruck bringen. Es mag ja sein, dass uns schon in vager Weise ein Urteilsgedanke vorschwebt, als eine sich nur ausdrückende und verdeutlichende verworrene Urteilsintention. Dabei hat der verworrene Urteilsgedanke in verworrener Weise schon seine Subjekte und Prädikate. Es kann aber auch sein, dass solche Gliederung noch nicht vorhanden ist und dass ein verworren Vorstelliges erst sich als Vorstellung „verdeutlicht“, sozusagen uns näher kommt und immer noch unanschaulich bleibt, und dann urteilsmäßige Explikation, urteilsmäßige Gliederung und Form annehmend. Endlich kann sich, wie gewöhnlich, beides durcheinandermischen, indem der schon prädikative Gedanke beim Ausdruck neue Formen annimmt, dadurch dass das als Unterlage dienende Vorstellige uns „näher“ kommt und zu neuen, bisher nicht vorgesehenen Urteilsfassungen Anlass gibt.2 Nun ist aber weiter zu unterscheiden: Denke ich mir bloß, ohne zu urteilen, z. B. „Es wird mir das große Werk gelingen“. Gehe ich dann zur Vermutung oder zum Zweifel, zur Frage oder auch zum Urteil im Sinn der vollen Überzeugung (Gewissheit) über, so ist das bloß Gedachte (der bloße Gedanke), das Vermutete, das Erfragte, 1
Spätere Randbemerkung: „Verworren = unklar, und bestimmt muss geschieden werden.“ – Anm. des Hrsg. 2 Spätere Einfügung: „Die Evidenz, in der eine unklare Vorstellung bei Überführung in die klare und explizierte als Vorstellung vom selben gleich Bestimmten gilt: Ich bin dessen sicher, dass ich das ‚meinte, nur unklar‘. Beispiel: eine unklar auftauchende Erinnerung, die klar wird. Aber nicht immer sind es Erinnerungen. Ein auftauchender Einfall, ein Gedanke. Wie ist das phänomenologisch zu klären? Und wann habe ich wirklich (und wie weit kann ich es haben) die Evidenz, dass es ‚dasselbe‘ war? Mitunter gerate ich ja bei der Explikation ins Schwanken, in neue Unklarheiten etc.“ – Anm. des Hrsg.
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das Geglaubte in einem Inhalt übereinstimmend.1 Bloß denkend denke ich dasselbe, was ich vermutend vermute, und dasselbe ist der Inhalt der Frage, dasselbe der Inhalt der Überzeugung. Sie alle haben ein ihnen gemeinsames Wesen.2 Das ist der p ropositionale Inhalt. Ebenso sprechen wir vom nominalen Inhalt. Andererseits, beschränken wir uns etwa auf das gewisse Urteilen, so steht in ihm dieser propositionale Inhalt in der Seinsweise (Gewissheitsweise) da. Beschränken wir uns auf das Vermuten, so steht derselbe Inhalt in der Wahrscheinlichkeitsweise da oder Möglichkeitsweise. Und so überall (auch bei Wünschen, Wollungen). Das gilt, ob nun das Urteilen, das Vermuten, das Fragen ein richtiges, vernünftiges ist oder nicht. Also zum Wesen des Urteilens, gehört es, dass es Urteilen-von ist, und das, was dieses „von“ besagt, ist das urteilsmäßige Gemeinte als solches, das Urteil im logischen Sinn, d. i. das eben in der Weise der „Gewissheit“ oder „Wahrheit“3 dastehende „S ist P!“. Zum Wesen des Vermutens gehört es, dass es Vermutung von etwas ist; es ist ein Bewusstsein, in dem ein propositionaler Inhalt in der Wahrscheinlichkeitsweise dasteht: „S dürfe sein!“. Genannt ist der Gegenstand, wir sprechen bei jeder Nennung von einem solchen. Ebenso bei jedem Aussagen, Urteilen sprechen wir von einem geurteilten Sachverhalt, von dem, was dabei ausgesagt sei. Das „ausgesagt“ ist das Analogon des „genannt“. Ist das Urteilen ein richtiges, so besteht der ausgesagte Sachverhalt in Wahrheit. Ist das nennende Setzen ein richtiges, so ist der genannte Gegenstand in Wahrheit. Wir sagen nun aber alle: Ob der Sachverhalt in Wahrheit besteht oder nicht, der Gegenstand in Wahrheit ist oder nicht, „er“ ist doch geurteilt, er ist doch genannt. Wir unterscheiden also den Gegenstand, den Sachverhalt als das Genannte, Beurteilte, den genannten, geurteilten „als solchen“, und den wahrhaft seienden, wahrhaft bestehenden Sachverhalt. Wir sagen alle: Jedes Urteil, mag es wahr sein oder nicht, urteilt, setzt urteilend, vermeint urteilend einen Sachverhalt; und ist das Urteil ein richtiges, so entspricht ihm nicht nur überhaupt ein geurteilter Sachverhalt als solcher, sondern
1 Spätere Randbemerkung: „Die Materie der Logischen Untersuchungen.“ – Anm. des Hrsg. 2 Spätere Randbemerkung: „Wieder kein Wesen.“ – Anm. des Hrsg. 3 „Wahrheit“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg.
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ein wahrer Sachverhalt. (Nämlich, „sein“ Sachverhalt entspricht ihm „in Wahrheit“.) Also: Zum Wesen jedes Urteilens gehört es, dass es Urteilen von etwas, von seinem „Sachverhalt“ ist, und dieser Sachverhalt als das geurteilte Was ist ein dem Urteilen korrelatives Wesen.1 Und ebenso bei jeder aktuellen Nennung; sie ist Nennung 5 von etwas, das gehört zu ihrem Wesen, sie hat ein korrelatives Wesen,2 das Genannte als solches. Zum Wesen des aktuellen (setzenden) Nennens gehört es, dass ein nominaler Inhalt in Seinsweise dasteht: „dieses Haus!“ (wir nehmen ein Gewissheits-Nennen, ein Nennen im Bewusstsein der Seinsgewissheit) usw. 10 All diese Wesenskorrelate der (unmodifizierten) Akte sind also nicht zu verwechseln mit jenen bloßen „Aktinhalten“, im Sinn nämlich der nominalen und propositionalen Inhalte. Jedes logische Urteil, jede Vermutung, Frage hat einen propositionalen Inhalt,3 und dieser kann all diesen „logischen“ Wesen4 gemeinsam sein, ein gemeinsamer 15 Wesenbestand. Wie steht nun etwa das logische Urteil zur Wahrheit, dem wahren Urteil? Wie die logische Vermutung zur gültigen, wahren Vermutung, zur Wahrscheinlichkeit?
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„Wesen“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. „Wesen“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. 3 Spätere Randbemerkung: „Der propositionale Inhalt darf nicht verwechselt werden mit dem Geurteilten als solchen, dem Sachverhalt in Anführungszeichen, denn dieser ist ein Urteilsgehalt (aus dem Urteilen zu entnehmen), während der propositionale Inhalt aus Urteilen, Vermutungen etc. zu entnehmen ist. Scheidet sich aber Urteil im ontischen Sinn und ‚Sachverhalt‘ (in Anführungszeichen)? Etwa dadurch, dass Sachverhalt der vermeinte ist unabhängig von der Art der kategorialen und ausdrücklichen Fassung? Aber was soll das heißen?“ – Anm. des Hrsg. 4 „Wesen“ später gestrichen. – Anm. des Hrsg. 2
TEXTKRITISCHER ANHANG
ZUR TEXTGESTALTUNG Der vorliegende Band gliedert sich wie auch die Husserliana-Bände XIII, XIV, XV, XX/2, XXXIII, XXXIV, XXXVI und XXXVIII in Te xt e und B e i l age n. Die zur Veröffentlichung kommenden Manuskripte stammen aus dem Nachlass Edmund Husserls, der im Husserl-Archiv in Leuven aufbewahrt wird, und zwar handelt es sich um Manuskripte aus den Konvoluten: A I 4, A I 7, A I 8, A I 9, A I 10, A I 11, A I 16, A I 17 I, A I 39, A VI 12 I, A VI 12 IIII, K I 12, K I 57, K I 58, M III 3 I 1 I und M III 3 IV 2. Die in vorliegender Edition veröffentlichten Manuskripte zum Thema „Urteilstheorie“ entstanden im Wesentlichen in Husserls Hallenser (1887– 1901) und Göttinger Zeit (1901–1916). Aus der Freiburger Zeit (ab 1916) wurden vom Herausgeber lediglich zwei Manuskripte ausgewählt (Beilagen XXV und XXVI), bei denen es sich aber um Ausarbeitungen handelt, denen Manuskripte älteren Datums zugrunde liegen. Von einer Veröffentlichung von thematisch zwar zur Urteilstheorie gehörigen Texten Husserls, die schon in früheren Husserliana-Bänden erschienen sind, wurde abgesehen. Eine Ausnahme bilden lediglich die ersten Paragraphen des hier in Text Nr. 9 veröffentlichten Manuskriptes, die schon in Husserliana XXVI (Beilage XVIII) erschienen sind. Sie werden aber im vorliegenden Band zum ersten Mal in ihrem Gesamtzusammenhang und im Unterschied zur früheren Veröffentlichung in Husserliana XXVI „erster Hand“ ediert (siehe zu diesem Editionsprinzip unten). Der Band gliedert sich in zwei Hauptteile. Der chronologisch angeordnete erste Hauptteil besteht ausschließlich aus Texten und Beilagen, die in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts entstanden sind, also, wie zu Beginn erwähnt, aus der Hallenser Zeit Husserls stammen. Die Texte und Beilagen des zweiten Hauptteiles sind rein thematisch angeordnet; sie stammen vorwiegend aus der Göttinger Zeit Husserls, wobei der größte Teil von ihnen (mit Ausnahme der auf 1918 zu datierenden Beilagen XXV und XXVI) zwischen 1908 und 1911 verfasst wurde. Eine verlässliche Datierung der Manuskripte ist jedoch wegen fehlender Angaben in vielen Fällen schwierig. Alle Texte Husserls werden im vorliegenden Band „erster Hand“ veröffentlicht, das bedeutet: Als später identifizierbare Bearbeitungen der Manuskripte durch Husserl, die zumeist mit einem anderen Schreibmittel als dem ursprünglichen gemacht wurden, werden vom Haupttext getrennt und in Form von Anmerkungen des Herausgebers kenntlich gemacht. In den Textkritischen Anmerkungen im Anhang ist dann auch das Schreibmittel angegeben, mit dem
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textkritischer anhang
Husserl die späteren Eingriffe in die Manuskripte gemacht hat. In bestimmten Fällen wird zusätzlich vermerkt, welche Veränderungen, Durchstreichungen, Einfügungen, Ergänzungen, Randbemerkungen oder Notizen in der ursprünglichen Fassung der Manuskripte gemacht wurden. Die Textkritischen Anmerkungen zu den einzelnen Texten und Beilagen sind jeweils eingeleitet durch eine allgemeine Beschreibung des dem betreffenden Text bzw. der betreffenden Beilage zugrunde liegenden Konvoluts, in dem das Manuskript im Leuvener Husserl-Archiv aufbewahrt wird. Stammt das Manuskript aus mehreren Konvoluten, so werden die betreffenden Konvolute beschrieben. Liegt die Beschreibung eines Konvolutes schon in einem früheren Husserliana-Band vor, so wird lediglich auf diese Beschreibung verwiesen. Bei der Angabe von Textbearbeitungen Husserls wird zwischen Veränderungen, Einfügungen, Randbemerkungen, Notizen und Durchstreichungen unterschieden. Einfügungen sind Zusätze, für die Husserl die Stellen angegeben hat, an denen sie in den Text einzurücken sind. Ergänzungen sind Zusätze, für die eine solche Angabe von Husserl fehlt und die daher vom Herausgeber in den Text eingerückt wurden. Randbemerkungen sind Zusätze, die sich nicht dem fortlaufenden Text eingliedern lassen. Notizen sind kurze, stichartige Bemerkungen, oft mit Verweisungscharakter. In einigen Fällen mussten im Drucktext Verschreibungen oder syntaktische Fehler Husserls korrigiert oder fehlende Worte eingefügt werden. Die Korrekturen des Herausgebers sind an entsprechender Stelle in den Textkritischen Anmerkungen verzeichnet. Vom Herausgeber eingefügte Worte sind im Drucktext durch spitze Klammern gekennzeichnet. In solche Klammern sind auch alle vom Herausgeber formulierten und eingefügten bzw. vom Herausgeber aus den Randtiteln von Edith Stein übernommenen Titel gesetzt. Zeichensetzung und Rechtschreibung wurden den seit 2006 geltenden Regeln unter Verwendung des Duden angepasst. Unterstreichungen sind in Husserls Manuskripten sehr häufig vorzufinden und dienten ihm meist als Lesehilfe. Sie wurden nur in den Fällen berücksichtigt, in denen es sich um vom Kontext geforderte Hervorhebungen handelt; sie sind im Text durch Sperrdruck wiedergegeben. Enthalten die folgenden Beschreibungen der Manuskripte keine anderweitigen Angaben, so handelt es sich stets um mit schwarzer Tinte geschriebene Stenogramme (Gabelsbergerscher Stenographie) auf Blättern vom Format ca. 21 × 16,5 cm (als „Normalformat“ bezeichnet). Blätter im „Folioformat“ haben die Größe ca. 34 × 21,5 cm. In den Textkritischen Anmerkungen werden die folgenden Abkürzungen verwendet: angestr. = angestrichen; Anm. = Anmerkung; Bl. = Blatt oder Blätter; Blaust. = Blaustift, Bleist. = Bleistift, Rotst. = Rotstift, etc.; Einf. = Einfügung; Erg. = Ergänzung; geschr. = geschrieben; gestr. = gestrichen;
zur textgestaltung
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Kl. = Klammer oder Klammern; p. = pagina (bei der Angabe von Husserls eigener Paginierung der Bl.); Rb. = Randbemerkung; Rd. = Rand; Ms. (Mss.) = Manuskript(e); unterstr. = unterstrichen; Unterstr. = Unterstreichung; V. = Veränderung.
TEXTKRITISCHE ANMERKUNGEN Da viele der in der vorliegenden Edition veröffentlichten Manuskripte (Texte Nr. 6, 8–17, 19–20 und die Beilagen XXIV–XXX) ursprünglich zu einer Textsammlung gehörten, die Edith Stein im Frühjahr 1918 im Auftrag Husserls zum Thema „Urteilstheorie“ zusammengestellt hat, soll hier zunächst über dieses Projekt informiert werden (vgl. auch die Hinweise in der „Einleitung des Herausgebers“, oben S. XIII f., und in Husserliana XXVI, S. 223 f., sowie in Husserliana XX/1, S. XLV Anm. 1). Die von Edith Stein im Frühjahr 1918 erstellte Sammlung von Manuskripten Husserls zum Thema „Urteilstheorie“ umfasste etwa 400 paginierte, zumeist doppelseitig beschriebene Blätter (also insgesamt etwa 800 Einzelseiten). Diese auch als „U-Blätter“ bzw. mit dem Buchstaben U (so z. B. die Aufschrift auf der Vorderseite von Bl. A I 10/1) bezeichneten Blätter sind von Stein von 1 bis etwa 340 paginiert worden. Einige Bl., die wahrscheinlich zum Teil erst später hinzugelegt wurden, sind in die fortlaufende Paginierung nicht aufgenommen (vgl. dazu unten, S. 417 f.). An den Rand vieler Blätter hat Stein Titel geschrieben, die deren Inhalt zusammenfassen; unter diesen Randtiteln notierte sie meist Seitenzahlen von Blättern, die verwandte Themen behandeln. Ihre Randtitel (manchmal auch die von Husserl stammenden Randtitel und Überschriften) und die Querverweise hat Stein in ein zehn Blätter umfassendes Inhaltsverzeichnis übernommen, das sich im Konvolut A I 16 (Blätter 98–107) befindet und das unten (S. 418–447) wiedergegeben wird. Bei der Übernahme in das Inhaltsverzeichnis hat Edith Stein manchmal die auf den Blättern notierten Randtitel geändert (alle von ihr stammenden Randtitel auf den in vorliegender Edition veröffentlichten Blättern werden in den Textkritischen Anmerkungen wiedergegeben). Außer dem Inhaltsverzeichnis zur Urteilstheorie hat Edith Stein ein Verzeichnis mit thematisch zur Urteilstheorie gehörigen Exzerpten Husserls zu Autoren wie Marty, Sigwart, Meinong u. a. angelegt, das ebenfalls im Konvolut A I 16 (Blatt 108) liegt, sowie ein Verzeichnis (A I 16/110a,b), das den Titel Negatives Urteil trägt, und ein kurzes, unter dem Titel ad Reinach (A I 16/110b) stehendes Verzeichnis. Letzteres bezieht sich auf eine von Husserl geführte Auseinandersetzung mit Adolf Reinachs auf seiner Habilitation aus dem Jahr 1909 aufbauenden und im Jahr 1911 erschienenen Schrift „Zur Theorie des negativen Urteils“ (in: Münchener Philosophische Abhandlungen. Theodor Lipps zu seinem sechzigsten Geburtstag gewidmet von seinen früheren Schülern, Leipzig 1911, S. 196–254). Zu diesem Teil des Inhaltsverzeich-
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nisses konnte keine Manuskriptunterlage im Nachlass Husserls aufgefunden werden. Edith Stein hat die von ihr ausgewählten, stenographisch beschriebenen Manuskripte Husserls zur Urteilstheorie nicht noch einmal abgeschrieben, wie sie es bei anderen Textzusammenstellungen getan hat. Wahrscheinlich sollte die Textsammlung zuerst Husserl vorgelegt werden, bevor weitere Schritte im Hinblick auf eine Veröffentlichung des Materials durchgeführt werden sollten. Wie oben schon in der „Einleitung des Herausgebers“ (S. XIV Anm. 1) zitiert, schrieb Husserl am 5. April 1918 aus seinem Urlaubsort in Bernau an Roman Ingarden, dass er „eben daran sei den großen, von Frl. Stein geordneten Convolut über Urtheilstheorie (über 800 stenographische Seiten) durchzusehen“. Husserl scheint sich im April 1918 nur kurz und in den folgenden Monaten nicht weiter mit Steins Textzusammenstellung zur Urteilstheorie beschäftigt zu haben. Erst in späteren Jahren sind die ursprünglich wohl zusammenliegenden Blätter in andere Zusammenhänge eingeordnet worden, und zwar wahrscheinlich durch Husserls damaligen Assistenten Landgrebe, der im Auftrag Husserls Mitte bis Ende der 1920er Jahre im Rahmen des (mehrere Bearbeitungsphasen durchlaufenden) Projektes zu den „Logischen Studien“ auch die zur Urteilstheorie gehörigen Manuskripte herangezogen hat (vgl. Dieter Lohmar: „Zu der Entstehung und den Ausgangsmaterialien von Edmund Husserls Werk ‚Erfahrung und Urteil‘“, in: Husserl Studies 13 (1996), S. 31–71). Heute liegen die „U-Blätter“ verstreut in den Konvoluten A I 8, A I 9, A I 10, A I 11, A I 12, A I 16, A I 17 I, A I 39, A VI 8 II, A VI 12 I, A VI 12 III, B III 12, M III 3 I 1 I, M III 3 IV 2. Auf der Grundlage des von Edith Stein erstellten Inhaltsverzeichnisses konnte der größte Teil der U-Blätter im Nachlass Husserls wiedergefunden werden. Von den fehlenden Blättern (etwa fünfzehn Blätter) sind einige mit Sicherheit von Husserl weggeworfen worden, so z. B. das ehemals mit 46 paginierte U-Blatt, wie man der Notiz auf der Rückseite von Blatt A VI 12 III/51 Das Übrige ist weggeworfen entnehmen kann. Es sei darauf gewiesen, dass Edith Stein in ihr Inhaltsverzeichnis nur die Seitenzahlen derjenigen Blätter eingetragen hat, die auch mit Randtiteln versehen sind. In der nachfolgenden Aufstellung werden aber auch die Blätter verzeichnet, die keine Randtitel tragen, die aber aufgrund der Paginierung und ihres Inhalts höchstwahrscheinlich zu den von Edith Stein ehemals für die Textzusammenstellung „Urteilstheorie“ ausgewählten Blättern gehörten. In einigen Fällen hat Husserl U-Blätter neu ausgearbeitet und die überarbeiteten Blätter nachträglich zu der Textsammlung hinzugefügt. Im Zuge einer solchen Neuausarbeitung ist das zugrunde liegende, originale U-Blatt wohl vernichtet worden (vgl. oben und die Textbeschreibungen zu Beilage XXV und XXVI unten, S. 484 ff.). Wahrscheinlich hat auch Husserls späterer Assistent Ludwig Landgrebe weitere Blätter in die Textsammlung
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zur Urteilstheorie eingefügt (so z. B. die mit ad 40 gekennzeichneten Blätter A I 11/36 u. 37) bzw. herausgenommen. Die hinzugelegten Blätter sind meist mit Buchstaben nummeriert, die an die jeweilige Paginazahl des U-Blattes angehängt wurden. Im Folgenden wird das von Edith Stein erstellte Inhaltsverzeichnis zur Textsammlung Zur Urteilstheorie (ergänzt durch die im Nachlass aufgefundenen U-Blätter ohne Randtitel) und das sich daran anschließende unter dem Titel Negatives Urteil stehende Verzeichnis, aus dem ebenfalls Blätter in der vorliegenden Edition zur Veröffentlichung kommen, mit dem jeweiligen Nachweis der Archivsignaturen wiedergegeben. Zur Vervollständigung werden auch die beiden Verzeichnisse Exzerpte und ad Reinach wiedergegeben, aus denen hier keine Blätter veröffentlicht werden. Neben den Randtiteln und der ursprünglichen Paginierung der U-Blätter werden auch die von Edith Stein stammenden Querverweise auf Blätter mit ähnlichen Themen verzeichnet. Bei U-Blättern, die in vorliegender Edition veröffentlicht werden oder schon in einem anderen Husserliana-Band veröffentlicht worden sind, werden die entsprechenden Nachweise gegeben.
Paginierung und Randtitel von Edith Stein 1. Begriffliche Auffassung ohne Worte. Individuelle und unbestimmt-allgemeine Auffassung
Verweise von Edith Stein auf U-Blätter verwandten Inhalts
Husserlsche Manuskriptblätter mit Archivsignatur
Vgl. 6 f., 13, 18, 21, 26, 185, 196, 204
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2. Der begriffliche Bestand als die Wahrnehmung Bestimmendes und als Sitz der Wahrheit und Falschheit
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3. Orientierung der begrifflichen Aussage nach der Anschauung
A I 17 I/81
4. Wahrnehmung von individuellen Gegenständen und Sachverhalten. Urteil = beziehende Prädikation (gegen Brentano)
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5. Unbestimmtheit der gegenständlichen Deutung und Mehrdeutigkeit
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textkritische anmerkungen
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6. Subsumierende Prädikation, Vgl. 1, 13, 18, 21, 26, 185, A I 17 I/74 Ausdruck des Seins und der 196, 204, 274 Verknüpfungsformen Vgl. 12, 54, 107, 117, 121, 168, 202 7. Anschauen, beziehendes Denken, Aussagen
A I 17 I/75 (= Hua XX/2, S. 329–330; Beilage XXXVI)
8. „Ist“ als Ausdruck einer Identifizierung bzw. partiellen Deckung
A I 17 I/84
9. Differenzierung der Urteile nach ihrer Materie
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10. Urteil und Aussage als konkrete Einheit. Ausdruck des Urteils und Ausdruck der Gegenstände bzw. Sachverhalte
Vgl. 106
11.
A I 17 I/86
A I 17 I/87
12. Scheidung von Wahrnehmungs- bzw. Aussageinhalt und Setzungscharakter
Vgl. 6, 54, 107, 117, 121, 168, 202
13. Anschauung und Begriff, Wahrnehmung und Urteil
Vgl. 1, 6 f., 26, 185, 18, 21, A I 17 I/76 196, 204 (= Hua XX/2, S. 325–326, 26; Text Nr. 20)
A VI 12 III/50
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A I 17 I/77 (= Hua XX/2, S. 326,27– 327,16; Text Nr. 20)
15.
A I 17 I/78 (= Hua XX/2, S. 327,16– 327,31; Text Nr. 20)
16.
A I 17 I/79 (= Hua XX/2, S. 328–329; Text Nr. 20)
17.
A I 17 I/89
18. Individuelle, unbestimmtallgemeine und begriffliche Auffassung eines Inhalts 19.
Vgl. 1, 6 f., 13, 21, 26, 185, A I 17 I/88 196, 204, 274 A I 17 I/90 (= Hua XX/2, S. 331–332; Beilage XXXVII)
420
textkritische anmerkungen
20. Schwankende und feste Bedeutungen. Fließende Unterschiede der Anschauung und Idealbegriffe 21. Wahrnehmung, Urteil, Aussage
A I 17 I/91–92 (Hua XX/2, S. 339– 342; Text Nr. 21) Vgl. 1, 6 f., 13, 18, 26, 185, A I 17 I/93 204, 274 (= Hua XX/2, S. 335–336; Beilage XXXIX)
22. Intuitiver und begrifflicher belief
A I 17 I/94
23. Apprehensive und konzeptive Synthesis; Intention und Erfüllung in beiden Fällen
A I 17 I/95 (= Hua XX/2, S. 319–321, 23; Text Nr. 19)
24.
A I 17 I/96 (= Hua XX/2, S. 321,23– 324,9; Text Nr. 19)
25.
A I 17 I/97 (= Hua XX/2, S. 324,11– 324,24; Text Nr. 19)
26. Einzelanschauung, klassifizierende Erkenntnis, Ideation, Begriff
Vgl. 1, 6 f., 13, 18, 21, 185, A I 17 I/98 196, 204, 274 (= Hua XX/2, S. 337,4– 338,21; Beilage XL)
27. Bedeutung als das Identische in mannigfachen Akten des Meinens und Ausdrückens. Bezogenheit der auf Individuelles gerichteten Bedeutungen auf Ausdrückenden und Verstehenden
Vgl. 38, 46 f., 56, 101, 104, A I 11/21 141, 143, 190 (= Hua XXVI, S. 202,9– 203,13; Beilage XIX)
28. Identität und Objektivität der auf Individuelles gerichteten Bedeutungen. Notwendigkeit einer wiedererkennenden Synthesis der zu Grunde liegenden Vorstellungen
A I 11/22 (= Hua XXVI, 203,13– 204,18; Beilage XIX)
29.
A I 11/24 (= Hua XXVI, S. 204,19–205,15 und 206,18–206,34; Beilage XIX)
textkritische anmerkungen
421
30.
A I 11/25 (= Hua XXVI, S. 205,16– 206,17; Beilage XIX)
31.
A I 11/26 (= Hua XXVI, S. 206,34– 207,41; Beilage XIX)
32. Unterschied der auf Ideales Vgl. 33, 41 gerichteten Bedeutungen von den empirischen
A I 11/27 (= Hua XXVI, S. 207,41– 208,42; Beilage XIX)
33. Wahrheit der idealen und der empirischen Urteile
A I 11/28 (= Hua XXVI, S. 208,43– 209,42; Beilage XIX)
34. Zusammenfall von Gegenstand und Wesen, absolute Gegebenheit des Wesens bei Idealem im Gegensatz zum Empirischen
A I 11/29 (= Hua XXVI, S. 209,42– 210,46; Beilage XIX)
35.
A I 11/30 (= Hua XXVI, S. 210,46– 212,7; Beilage XIX)
36.
A I 11/31 (= Hua XXVI, S. 212,7– 213,20; Beilage XIX)
37.
A I 11/32 (= Hua XXVI, S. 213,20– 214,24; Beilage XIX)
38. Bedeutung = Gemeintes als solches und Bedeutung = Wesen des Gemeinten, als Spezies
Vgl. 27, 46 f., 56, 101, 104, A I 11/33 141, 143, 190 (= Hua XXVI, S. 214,25– 215,29; Beilage XIX)
39. Der ideale Gehalt der Vgl. 51, 77, 181 empirischen Aussage = unreine Idee
A I 11/34 (= Hua XXVI, S. 215,30– 216,40; Beilage XIX)
40.
A I 11/35 (= Hua XXVI, S. 216,40– 217,27; Beilage XIX)
ad 40. (1)
A I 11/36 (= Hua XXVI, S. 217,30– 218,36; Beilage XIX)
422
textkritische anmerkungen
ad 40. (2)
A I 11/37 (= Hua XXVI, S. 218,36– 219,33; Beilage XIX)
41. Evidenz des idealen Urteils Vgl. 32 f. im Gegensatz zum empirischen
A I 11/38
42.
A I 11/39
43.
A I 11/40
44. Das identische Urteil kein Teil der konkreten Phänomene
A I 11/41 (hier = S. 309,4–310,21; Text Nr. 15)
44a.
A I 11/42 (hier = S. 310,22–311,26; Text Nr. 15)
44b.
A I 11/43 (hier = S. 311,26–312,32; Text Nr. 15)
44c.
A I 11/44 (hier = S. 312,32–314,13; Text Nr. 15)
44d.
A I 11/45 (hier = S. 314,14–315,8; Text Nr. 15)
45. Ideation (Anschauung und Leermeinung); Bedeutungserfassung
Vgl. 143 (Hinweis von Husserl: Das Übrige ist weggeworfen)
A VI 12 III/51
46. Bedeutung als phansisch (= Vgl. 27, 38, 56, 101, 104, noetisch) gemeinsames Wesen 141, 143, 190 konkreter Urteilsphänomene (bedeutungsmäßiges Wesen) 47. Urteil als Korrelat der Urteilserlebnisse vom selben Wesen
Vgl. 6 f. (Hinweis von Husserl: überarbeitende Abschrift)
A VI 12 I/33
48.
A VI 12 III/52
49.
A VI 12 III/53
50.
A VI 12 III/54
51. Adäquate, inadäquate, leere Ideation (Gegebenheit der Sachverhaltsidee)
Vgl. 40, 77
A I 11/4
textkritische anmerkungen
423
52.
A I 11/5
53. Gegebenheit der DingIdee. Reflektive Erfassung der Zugehörigkeit der Abschattungen verschiedener Stufe zur Dingeinheit
A VI 12 III/55 (hier = S. 394,6–395,35; Text Nr. 20)
54. Synthetische Akte innerhalb der Anschauung. Ausdruck des Erscheinenden und Ausdruck des Seins
Vgl. 6, 12, 107, 117, 121, 168, 202
A I 11/6 (hier = S. 396,1–397,16; Text Nr. 20)
55. Verworrene Meinungen, ihre Sinngebung und ihr Ausdruck
Vgl. 301, 256
A I 11/7 (hier = S. 397,17–399,4; Text Nr. 20)
56. Bedeutung als der idenVgl. 27, 38, 46 f., 101, 104, A VI 12 III/56 tische Gehalt verschiedener 141, 143, 190 (hier = S. 399,4–401,4; Anschauungen und als ihr Text Nr. 20) logischer (in einer Vielheit von Urteilen zu explizierender) Gehalt 57.
A VI 12 III/57 (hier = S. 401,5–402,30; Text Nr. 20)
58. Unbestimmter Gegenstand Vgl. 1, 6, 13, 18, 21, 26, der Anschauung und 185, 196, 204 bestimmter (= Subjekts-) Gegenstand
A VI 12 III/58 (hier = S. 402,31–404,20; Text Nr. 20)
59. Der Gegenstand schlechthin = das „Erscheinende als solches“ und das „Erscheinende im Wie“
M III 3 IV 2/155 (hier = S. 404,20–406,5; Text Nr. 20)
Vgl. 104, 144
60.
A VI 12 III/59 (hier = S. 406,6–407,24; Text Nr. 20)
61. Der geurteilte Sachverhalt (der genannte Gegenstand) als solcher und der wahrhaft Seiende
A VI 12 III/60 (hier = S. 407,25–409,7; Text Nr. 20)
62.
A VI 12 III/61 (hier = S. 409,7–409,19; Text Nr. 20)
424
textkritische anmerkungen
63.
A VI 12 III/62 (= Hua XXVI, S. 164,36– 165,40; Beilage XI)
64.
A VI 12 III/63 (= Hua XXVI, S. 165,40– 166,35; Beilage XI)
65.
A VI 12 III/64 (= Hua XXVI, S. 166,36– 167,27; Beilage XI)
66. Bedeutungsintention in Meinung und Erfüllung
A VI 12 I/217
67. Irrelative und relative (bzw. adressierte) Ausdrücke
A I 16/19 (= Hua XX/2, S. 422,17– 423,33; Beilage LIII)
68.
A I 16/20 (= Hua XX/2, S. 423,34– 425,2; Beilage LIII)
69.
A I 16/21 (= Hua XX/2, S. 425,2– 425,37)
70. Verschiedene Urteilserlebnisse und ihre Einigung als Bewusstsein vom Selben
A I 11/8 (hier = S. 221,1–222,32; Text Nr. 10)
71.
A I 11/9 (hier = S. 222,32–224,24; Text Nr. 10)
72. Urteilsvermeintes als solches und wirklicher Sachverhalt
Vgl. 78, 83 ff., 103, 249
A I 11/10 (hier = S. 224,25–226,15; Text Nr. 10)
73. Das bestimmte Urteil als singuläre Idee
A VI 12 III/66 (hier = S. 226,16–228,25; Text Nr. 10)
74. Evidenz als Rechtsausweis des Urteils. Der Erscheinungsgehalt des konkreten Urteils (Cognitionale) und das Korrelat des Behauptens, die Wahrheit
A VI 12 III/67 (hier = S. 228,25–230,18; Text Nr. 10)
75.
A VI 12 III/68 (hier = S. 230,19–232,24; Text Nr. 10)
textkritische anmerkungen
76.
425
A VI 12 III/69 (hier = S. 232,25–233,16; Text Nr. 10)
77. Reine und unreine Ideen und Wahrheiten (Sätze über Ideales und Empirisches)
Vgl. 40, 51, 81
A VI 12 III/75
78. Der bloß gedachte und der wirkliche Gegenstand bzw. Sachverhalt
Vgl. 72, 83 ff., 103, 249
A VI 12 III/76 (hier = S. 176,2–177,20, Text Nr. 9 und Hua XXVI, S. 197,11–198,9; Beilage XVIII)
79. Satz als Idee des Geurteilten als solchen
A I 11/46 (hier = S. 177,20– 179,14, Text Nr. 9 und Hua XXVI, S. 198,9– 199,19; Beilage XVIII)
80.
A I 11/47 (hier = S. 179,14– 181,4, Text Nr. 9 und Hua XXVI, S. 199,19– 200,23; Beilage XVIII)
81.
A I 11/3 (hier = S. 181,5– 183,15, Text Nr. 9 und Hua XXVI, S. 200,24– 202,7; Beilage XVIII)
82.
A VI 12 III/77 (hier = S. 183,18–185,29; Text Nr. 9)
83.
A VI 12 III/78 (hier = S. 185,29–188,2; Text Nr. 9)
84.
A VI 12 III/79 (hier = S. 188,3–190,4; Text Nr. 9)
85.
A VI 12 III/80 (hier = S. 190,5–192,4; Text Nr. 9)
86. Inhalt und Wesen; Wesen des Vermeinten und Wesen des Gegenstandes bzw. Sachverhalts
426
86.
textkritische anmerkungen
Wahrscheinlich sind die mit 86, 86a, 86b, 86c, 86d, 86e paginierten Bl. im Jahr 1918 als Ersatz für ein ursprüngliches U-Blatt mit der Paginierung 86 geschrieben worden, das nach der Ausarbeitung vernichtet worden ist.
A I 11/11 (hier = S. 208,13–209,22; Beilage XXV)
86a.
A I 11/12 (hier = S. 209,22–210,14; Beilage XXV)
86b.
A I 11/13 (hier = S. 210,15–211,20; Beilage XXV)
86c.
A I 11/14 (hier = S. 211,21–212,9; Beilage XXV)
86d
A I 11/15 (hier = S. 212,10–213,16; Beilage XXV)
87.
A I 17 I/10b
87.
Wahrscheinlich sind die A VI 12 III/81 mit 87a, 87b, 87c, 87d, (hier = S. 213,19–214,28; 87e paginierten Bl. im Beilage XXVI) Jahr 1918 als Ersatz für ein ursprüngliches UBlatt mit der Paginierung 87 (vermutlich das Bl. A I 17 I/10b) geschrieben worden.
87a.
A I 17 I/10a (hier = S. 214,29–215,15; Beilage XXVI)
87b.
A VI 12 III/82 (hier = S. 215,16–216,29; Beilage XXVI)
87c.
A VI 12 III/83 (hier = S. 216,29–218,4; Beilage XXVI)
textkritische anmerkungen
427
87d.
A I 11/16 (hier = S. 218,5–219,5; Beilage XXVI)
87e.
A I 11/17 (hier = S. 219,6–220,14; Beilage XXVI)
88. Formenlehre der Satzinhalte und Bedingungen möglicher Wahrheit
A VI 12 III/84 (hier = S. 192,7–192,30; Text Nr. 9)
89. Die logischen Sätze als Gesetze der Urteilsideen (Sätze)
A I 10/5 (hier = S. 193,1–194,26; Text Nr. 9)
90. Betroffenheit der Sachverhalte von den logischen Gesetzen
A I 10/6 (hier = S. 194,27–196,21; Text Nr. 9)
91.
A I 10/7 (hier = S. 196,21–198,38; Text Nr. 9)
92.
A I 10/8 (hier = S. 199,3–200,27; Text Nr. 9)
93. Logische Gesetze über die Folge von Sätzen und über die Wahrheit von Sätzen (Geltungslehre)
A I 10/9 (hier = S. 200,28–202,9; Text Nr. 9)
94. Ontologische Gesetze
A I 10/10 (hier = S. 202,10–203,27; Text Nr. 9)
95.
A I 10/11 (hier = S. 203,28–205,17; Text Nr. 9)
96.
A I 10/12 (hier = S. 205,17–207,17; Text Nr. 9)
97.
A I 10/13 (hier = S. 207,17–208,8; Text Nr. 9)
428
textkritische anmerkungen
98. Prädikate von intentionalen Materien (Wahrheit, Wahrscheinlichkeit u. dgl.) und Prädikate von phänomenalen Materien (Schönheit)
Vgl. den Hinweis auf dieses nicht auffindbare Bl. auf dem Titelbl. A I 9/1
99. Möglichkeitsaussagen
Vgl. 279
100. 101. Meinung als Einheit des Zeitflusses, als das Identische singulärer Bewusstseinsvorgänge und als ihr identisches Was
A VI 12 III/85 Vgl. A 34 ff. = A VI 8 II/131–134, W 38 ff. = A VI 8 I/68 f., vgl. A VI 8 II/152, 27, 38, 46 f., 56, 104, 141, 143, 190, 207, 322
A VI 12 III/86
102.
A VI 12 III/87
103. Der gemeinte Gegenstand Vgl. 72, 78, 83 ff., 249 und das Gemeinte als solches
A VI 12 III/88
104. Unterschiede im Wie des Gemeintseins. Bedeutungsmäßiges und erkenntnismäßiges Wesen
A VI 12 III/89
Vgl. 27, 38, 46 f., 56, 101, 141, 143, 190, 59, 144
105.
A VI 12 III/90
106. Ausdruck des bewussten Was und Kundgabe der Erlebnisse
Vgl. 10
A VI 12 III/91
107. Ausdruck von Seinsgegebenheiten und von bloß Vorgestellten. Bedeutung als der identische Sinn in einem Wahrnehmungszusammenhang und als Sinn der einzelnen Wahrnehmungsphasen
Vgl. 6, 12, 54, 117, 121, 168, 202, vgl. 148, 160, 163, A 36 ff. = A VI 8 II/136–141, A 48 = A VI 8 II/147
A VI 12 III/92
108.
A VI 12 III/93
109.
A VI 12 III/94
110.
A VI 12 III/95
111. Satz, Sachverhalt, Sachlage
Vgl. 136
A VI 12 III/96
112. Urteils-, Frage-, Wunschverhalt
A I 11/50
113.
A I 11/51
textkritische anmerkungen
114.
A I 11/52
115.
A I 11/53
116.
A I 11/54
117. Bloße Materie und Qualifizierung
Vgl. 6, 12, 54, 107, 121, 168, 202
A I 11/55
118.
A I 11/56
119.
A I 11/57
120.
A I 11/58
121. Setzen des Sachverhalts und Setzen des Urteils. Aussagen über das erscheinende Was und Ausdruck des Setzungscharakters
Vgl. 123, 128, vgl. 6, 12, 54, 107, 117, 168, 202
122.
123. Einstellung auf den Sachverhalt und Einstellung auf den Urteilssinn
429
A VI 12 III/97 (hier = S. 141,10–142,35; Text Nr. 8)
A VI 12 III/98 (hier = S. 142,36–143,32; Text Nr. 8) Vgl. 121, 128
A VI 12 III/99 (hier = S. 143,32–146,3; Text Nr. 8)
124. Annahme, Voraussetzung, Vgl. 279 ff. bloßer Gedanke
A VI 12 III/100 (hier = S. 146,4–147,30; Text Nr. 8)
125.
A VI 12 III/101 (hier = S. 147,30–149,34; Text Nr. 8)
126.
A VI 12 III/102 (hier = S. 149,34–151,26; Text Nr. 8)
127.
A VI 12 III/103 (hier = S. 151,30–153,4; Text Nr. 8)
128. Urteile über Urteile und Gedanken, über Sätze und Sachverhalte 129.
Vgl. 121, 123
A VI 12 III/104 (hier = S. 153,5–154,17; Text Nr. 8) A VI 12 III/105 (hier = S. 154,18–156,3; Text Nr. 8)
430
textkritische anmerkungen
130.
A VI 12 III/106 (hier = S. 156,8–158,2; Text Nr. 8)
131.
A VI 12 III/107 (hier = S. 158,2–158,26; Text Nr. 8)
132.
A I 11/18 (hier = S. 159,4–160,25; Text Nr. 8)
133. Universelle Urteile
A VI 12 III/108 (hier = S. 160,26–162,10; Text Nr. 8)
134. Bewusstsein = Haben von Erscheinungen (in ihnen leben oder auf sie hinblicken)
A VI 12 III/47 (= Hua XXVI, S. 167,31– 168,41; Beilage XII)
135. Explizierendes (aussagendes) Einheitsbewusstsein; das einheitlich Gegenständliche der einheitlichen Prädikation
A I 17 I/2 (= Hua XXVI, S. 168,42– 170,14; Beilage XII)
136. Sachlage, kategorialer Gegenstand und Sachverhalt
Vgl. 111
A I 17 I/3 (= Hua XXVI, S. 170, 14–171 22; Beilage XII)
137.
A I 17 I/4 (= Hua XXVI, S. 171,23– 172,29; Beilage XII)
138.
A I 17 I/5 (= Hua XXVI, S. 172,33– 173,22; Beilage XII)
139. Eigenvorstellungen
A I 17 I/6 (= Hua XXVI, S. 173,23– 174,30; Beilage XII)
140.
A I 17 I/7 (= Hua XXVI, S. 174,30– 175,23; Beilage XII)
141. Der identische Gegenstand verschiedener Bestimmungen und die nominale Bedeutung; das Propositionale
Vgl. 27, 38, 46 f., 56, 101, 104, 143, 190
A I 17 I/8 (= Hua XXVI, S. 175,24– 176,26; Beilage XII)
textkritische anmerkungen
431
142.
A I 17 I/9 (= Hua XXVI, S. 176,27– 177,33; Beilage XII)
142 a.
A VI 12 III/48
142 b.
A VI 12 III/49
143. Idee als identisches Gemeintes verschiedener Erscheinungsweisen. Der identische Gegenstand in verschiedener denkmäßiger Fassung
Vgl. 45, 307. Vgl. 27, 38, 46 f., 56, 101, 104, 141, 190
A I 11/19 (hier = S. 302,19–304,15; Beilage XXIX)
144. Der Gegenstand schlechthin und der Gegenstand im Wie. Reflexion auf Erscheinungen bzw. Bedeutungen
Vgl. 59, 104
A VI 12 III/109 (hier = S. 304,16–305,37; Beilage XXIX)
145.
A VI 12 III/110 (hier = S. 306,1–307,2; Beilage XXIX)
146. Unzeitlichkeit des Vermeinten als solches. Ideierende Reflexion
A VI 12 III/111 (hier = S. 307,3–308,21; Beilage XXIX)
147. Kontinuierliche Einheit einer Anschauung und Einheit ihres Sinnes
B III 12/66 (= Hua XXVI, S. 177,34– 179,2; Beilage XIII)
148. Sinn der Teilstrecke Vgl. A 49 = A VI 8 B III 12/67 und Sinn des Ganzen. II/148, vgl. 107, 160, 163 (= Hua XXVI, S. 179,2– Verschiedenheit und Identität 180,11; Beilage XIII) (der gegenständliche Richtung, des Vermeinten) 149. Deckung verschiedener Anschauungen
B III 12/68 (= Hua XXVI, S. 180,16– 181,25; Beilage XIII)
150.
B III 12/69 (= Hua XXVI, S. 181,25– 182,38; Beilage XIII)
151.
B III 12/70 (= Hua XXVI, S. 182,41– 183,41; Beilage XIII)
432
textkritische anmerkungen
152.
B III 12/71 (= Hua XXVI, S. 183,41– 184,45; Beilage XIII)
153.
B III 12/72 (= Hua XXVI, S. 184,46– 185,39; Beilage XIII)
154. Wechselnder Sinn und identische Bedeutung bei der Wesensanschauung und in der Denksphäre
B III 12/73 (= Hua XXVI, S. 185,43– 186,28; Beilage XIII)
155.
B III 12/74 (= Hua XXVI, S. 186,28– 187,34; Beilage XIII)
156.
B III 12/75 (= Hua XXVI, S. 187,34– 188,27; Beilage XIII)
157. Sinnesanalyse und logische Bedeutungsanalyse
Vgl. 198, 223 ff., 241, 128
A VI 12 III/27
158. Empirische und apriorische Aussagen über das erscheinende Ding. Sinnesurteile und allgemeine Wesensurteile
A VI 12 III/28 (hier = S. 376,2–377,26; Text Nr. 19)
159.
A I 11/82 (hier = S. 377,26–379,13; Text Nr. 19)
160. Reflektive Erfassung des Wahrnehmungssinnes. Der identische Sinn aller Sinnesphasen. Begriffliche Fassung des Sinnes. Sinn als Moment der Erscheinung
Vgl. 107, 148, 163. Vgl. A 45 = A VI 8 II/145
A I 11/83 (hier = S.379,18–381,11; Text Nr. 19)
161.
A I 11/84 (hier = S. 381,12–382,33; Text Nr. 19)
162.
A I 11/85 (hier = S. 383,4–384,26; Text Nr. 19)
textkritische anmerkungen
163. Klärung und Bestimmung des Sinnes. Prädikative Bestimmung = Heraushebung von Teilbedeutungen des Vollsinnes. Fließender Sinn und feste Bedeutung.
Vgl. 107, 148, 160
433
A I 11/86 (hier = S. 384,26–386,17; Text Nr. 19)
164.
A I 11/87 (hier = S. 386,18–388,21; Text Nr. 19)
165.
A I 11/88 (hier = S. 388,22–390,13; Text Nr. 19)
166.
A I 11/89 (hier = S. 390,15–391,36; Text Nr. 19)
167. Leere und erfüllte Bedeutungen; Mittelbarkeit der Bedeutung definierter Namen
A I 11/90 (hier = S. 391,36–393,17; Text Nr. 19)
168. Vorstellungsbestand (Sinn) und Stellungnahme. Beschreibung des Sinnes und seinssetzende Aussagen
Vgl. 6, 12, 54, 107, 117, 121, 202
A VI 12 I/51
169.
A VI 12 I/52
170.
A VI 12 III/29
171.
A VI 12 III/31
172.
A VI 12 III/32
173. Unmöglichkeit einer wirklichen Identifizierung von Phantasiegegenständen. Individualität = Existenzform
A VI 12 III/33
174.
A VI 12 III/34
175. Erscheinung als das Identische in Wahrnehmung, Erinnerung etc. Wesen als das in der Kontinuität der Erscheinungen Gegebene
A VI 12 III/35
176.
A VI 12 III/36
434
textkritische anmerkungen
177. Die Idealität der Bedeutungen und ihre evidente Identifizierung
A VI 12 III/37
178.
A VI 12 III/38
179. Frage der Allgemeinheit der Bedeutungen
A VI 12 III/39
180.
A VI 12 III/40
181. Sinn und Geltung empiri- Vgl. 40, 51, 77 scher und reiner Ausdrücke. Ideen verschiedener Kategorie und Spezies
A VI 12 III/41
182.
A I 11/91
183.
A VI 12 III/42
184.
A I 11/92
185. Unbegriffener und Vgl. 1, 6 f., 13, 18, 21, 26, begriffener Gegenstand. 196, 204, 274 Begrifflichkeits- und Allgemeinheitsbewusstsein. Denken, Begreifen, Präjudizieren
A I 17 I/66 (= Hua XX/2, S. 225,10– 227,10; Text Nr. 15)
185. (I)
A I 17 I/67 (= Hua XX/2, S. 238,8– 239,18; Beilage XXVIII)
185. (II)
A I 17 I/68 (= Hua XX/2, S. 239,19– 240,10; Beilage XXVIII)
185. (III)
A I 17 I/69 (= Hua XX/2, S. 240,11– 240,26; Beilage XXVIII)
186. Conceptualien der verschiedenen Gegenstandsregionen
A I 17 I/70 (= Hua XX/2, S. 227,11–229,16; Text Nr. 15)
187.
A I 17 I/71 (= Hua XX/2, S. 229,17– 231,25; Text Nr. 15)
188.
A I 17 I/72 (= Hua XX/2, S. 232,1– 233,4; Text Nr. 15)
189. Der Satz vom Widerspruch
Vgl. 269
A I 9/70
textkritische anmerkungen
190. Derselbe Bedeutungsgehalt in verschiedenen anschaulichen Modis und logischen Fassungen (als Vordersatz, Nachsatz u. dgl.)
Vgl. 27, 38, 46 f., 56, 101, 104, 141, 143
A I 11/110
191.
A I 11/111
192.
A I 11/112
193. Einfache und zusammengesetzte Prädikate
A I 12/5
194. Auseinandersetzung mit Marty (Urteil = Prädikation und Glauben. Modi der Prädikation. Nominalisierte Prädikate)
A I 11/120–125 (= Hua-Dok. III/1, S. 89–93)
195. Rickert. Zwei Wege der Erkenntnistheorie (besonders über Bedeutung und Wert, Sein und Sollen)
Vgl. W
196. Schlichte Setzungen, Unter- und Nachsetzungen
Vgl. 1, 6 f., 13, 18, 21, 26, 185, 204, 274
197.
435
A I 11/113 (hier = S. 249,3–250,31; Text Nr. 12) A I 11/114 (hier = S. 257,14–259,17; Beilage XXVII)
198. Rückweis implizierter Vorstellungen auf analytische Verdeutlichung und Rückverweis auf Anschauung
Vgl. 157, 223 ff., 241, 248
A I 11/115 (hier = S. 250,31–252,21; Text Nr. 12)
199. Hypothesis und Kausalurteil
Vgl. 233, 235 ff., 249, 332 ff.
A I 11/116 (hier = S. 252,22–254,12; Text Nr. 12)
200.
A I 11/117 (hier = S. 254,13–255,35; Text Nr. 12)
201.
A I 11/118 (hier = S. 256,1–257,11; Text Nr. 12)
202. Der Geltungswert der Vorstellungen und sein Ausdruck 203.
Vgl. 12, 54, 107, 117, 121, A I 11/133 168 A I 11/119
436
textkritische anmerkungen
204. Prädikation; absolute Positionen (nominaler Gegenstände) als letzte Grundlage aller Prädikation
Vgl. 1, 6 f., 13, 18, 21, 26, 185, 196, 274
205.
A I 11/134
A I 11/135
206. Negatives Urteil 207. Meinen als doxa und als Zuwendung
Vgl. A 34 ff. = A VI 8 II/131–134, W 38 ff. = A VI 8 I/68 f., vgl. A VI 8 II/152, 101, 322 ff.
A VI 8 II/41
208. Möglichkeit der Überführung aller Akte in die Aufmerksamkeits- und in die doxische Modifikation
A VI 12 I/61
209. Urteil = unmodifizierte doxa, der logische Grundakt
A VI 12 I/62
210. Unterschiede der Aktqualität und der Materie (des Sinnes und seiner Fülle)
A VI 8 II/42
211.
A VI 8 II/43
212. Meinen aufgrund von Erscheinung und leeres Meinen
A VI 8 II/44
213. Vergegenwärtigen, leeres Meinen und vergegenwärtigtes Meinen
A VI 8 II/45
214.
A VI 8 II/46
215. Einfälle und festgehaltene Urteile als nicht-explizite Urteile
A VI 12 I/74
216.
A VI 8 II/47
217.
A VI 12 I/73
218. Intention auf den Gegenstand (wahrnehmende, urteilende, gefallende etc.) und Intention auf sein Sein
A VI 8 II/48
219. Gegenständliche und vergegenständlichte Bedeutungen
M III 3 I 1 I/156
textkritische anmerkungen
437
220.
A I 9/30
221. Unmöglichkeit wahrer Aussagen über unmögliche Gegenstände
A I 9/31 (hier = S. 316,7–316,20; Text Nr. 16)
222.
A I 9/32 (hier = S. 316,21–318,3; Text Nr. 16)
223. Evidenz formal-logischer Sätze aufgrund uneigentlicher (materialer) Anschauungen
Vgl. 157, 198, 241, 248
A I 9/33 (hier = S. 318,4–319,17; Text Nr. 16)
224. Seinsgeltung und analytische Geltung
A I 9/34 (hier = S. 319,18–321,10; Text Nr. 16)
225. Analytische Urteile (= Sinnesurteile ohne Gegenstand-worüber) als Urteile unter Voraussetzung
A I 9/35 (hier = S. 321,11–323,20; Text Nr. 16)
ohne Paginierung von Edith Stein, aber mit ihrem Titel Sinnesurteil und hypothetisches Urteil
A I 9/36 als Beilage zu A I 9/35 (hier = S. 331,7–332,4; Beilage XXX)
226. Apriorische Urteile aufgrund materialer Wesensanschauung 227.
A I 39/8b (hier = S. 505–506; Textkritischer Anhang)
228. Urteile mit gemischten Setzungen (essentialen und existentialen). Reine analytische Urteile ohne Essentialund Existentialsetzung
A I 9/37 (hier = S. 323,21–324,38; Text Nr. 16)
229. Logische (formale) und materiale Essenz
A I 9/38 (hier = S. 325,1–326,17; Text Nr. 16)
230.
A I 9/39 (hier = S. 326,17–327,25; Text Nr. 16)
231.
A I 9/40 (hier = S. 327,26–329,11; Text Nr. 16)
438
textkritische anmerkungen
232.
233. Generelles Urteil, singuläres Urteil über Spezies, hypothetisch-allgemeines Urteil
A I 9/41 (hier = S. 329,12–331,4; Text Nr. 16) Vgl. 199, 235 ff., 249, 332 ff.
A I 9/45
234. Daseins-, Wesens-, Bedeutungs-, analytische Urteile (S. 241) 235. Hypothetische Urteile aufgrund von Setzungen (Wesens- und Bedeutungssetzungen) – Notwendigkeitsurteile 238. Evidenz der Hypothesis nicht auf Setzung des Vordersatzes gegründet 240. Begründung der Notwendigkeit der Folge in der Voraussetzung als solcher (nicht im einzelnen Wesensverhalt) 241. Unterschied der sachVgl. 157, 198, 223 ff., 248 lichen und der analytischen Notwendigkeitsurteile (Urteile aus bloßen Bedeutungen, über Wesen und Dasein) 245.
A I 9/69
246.
A I 9/42
247. Möglichkeit der Scheidung der Urteilsklassen (Wesens-, Bedeutungsurteile etc.) innerhalb der Bedeutungslehre
A I 9/43
248. Analytische Urteile als Auseinanderlegung verworrener Bedeutungen
Vgl. 157, 198, 223 ff., 241
A I 9/54
249. Das Gemeinte (der bloße Sinn) und die Voraussetzung bzw. der bestehende Gegenstand und Sachverhalt
Vgl. 72, 78, 83 ff., 103
A I 9/55
textkritische anmerkungen
439
250.
A I 9/56
251.
A I 9/57
252.
A I 9/58
253.
A I 9/59
254. Urteile aufgrund bloßer Vorstellung und hypothetische Urteile
A I 9/46 (hier = S. 333,8–334,30; Text Nr. 17)
255.
A I 9/47 (hier = S. 334,31–336,19; Text Nr. 17)
256. Symbolisches und verworrenes, anschauliches und klares Vorstellen. Beschreibende Urteile ohne Seinssetzung
Vgl. 55, 301
A I 9/48 (hier = S. 336,20–338,9; Text Nr. 17)
257.
A I 9/60 (hier = S. 338,10–340,9; Text Nr. 17)
258. Wesensurteile aufgrund „bloßer Vorstellung“
A I 9/61 (hier = S. 340,9–341,16; Text Nr. 17)
259.
A I 9/62 (hier = S. 341,16–343,27; Text Nr. 17)
260. Immanente und transzendente Wesenserfassung und ihre Evidenz
A I 9/63 (hier = S. 344,1–345,34; Text Nr. 17)
261.
A I 9/64 (hier = S. 346,1–347,21; Text Nr. 17)
262. Wesensanalyse und logische Sinnesanalyse
A I 9/65 (hier = S. 347,22–349,17; Text Nr. 17)
263.
A I 9/66 (hier = S. 349,18–350,22; Text Nr. 17)
264. Bedeutung von Eigennamen
A I 9/67 (hier = S. 350,23–352,9; Text Nr. 17)
440
textkritische anmerkungen
265. Der modifizierte Sinn mythologischer Urteile
A I 9/50
266.
A I 39/6b
267.
A I 39/13b
268. Volle und leere, schlichte und kategoriale Vorstellungen 269. Widersinn und Heterogenität. Prinzipielle Verkehrtheit und Widerstreit
Vgl. 189
A I 16/96
270. Äquivalenz des Bestehens von Sachverhalten und der Geltung von Urteilen
A I 9/68 (vgl. A I 16/97)
271. Möglichkeit eines Urteils in der Vorstellung
A I 11/69
272.
A I 11/70
273.
A I 11/71
274. Klassifikatorisches Erken- Vgl. 1, 6 f., 13, 18, 21, 26, nen und Irrtumsmöglichkeit 185, 196, 204
A I 11/72
275.
A I 11/73
276.
A I 11/74
277. Materiale und formale Notwendigkeitsgesetze
A I 9/49
278. Formale Unabhängigkeit der Axiome einer konkreten Mannigfaltigkeit voneinander 279. Urteil als Gattung, die Vgl. 124 alle Setzungsqualitäten als Differenzen befasst. Motivierte (logisch begründete) Urteile. Anmutung, Vermutung, Möglichkeit, Wahrscheinlichkeit
A I 16/64
280.
A I 16/65
281. Zweifel, Frage, epoché. Idee des Intellekts und der Logik
A I 16/66
282.
A I 8/28
283.
textkritische anmerkungen
441
284.
A I 8/24 (hier = S. 234,6–235,27; Text Nr. 11)
285.
A I 8/25 (hier = S. 235,28–237,29; Text Nr. 11)
285a
A I 8/26 (es handelt sich um eine Abschrift einer gestr. Passage des nachfolgenden Bl. A VI 12 I/283)
286.
A VI 12 I/238 (hier = S. 237,29–239,21; Text Nr. 11)
287. Gewissheit und Überzeugung
A VI 12 I/241 (hier = S. 239,22–241,17; Text Nr. 11)
288.
A VI 12 I/242 (hier = S. 241,18–243,2; Text Nr. 11)
289.
A VI 12 I/243 (hier = S. 243,2–244,16; Text Nr. 11)
290.
A VI 12 I/249 (hier = S. 244,17–245,8; Text Nr. 11)
291.
A I 16/79 (hier = S. 245,9–246,17; Text Nr. 11)
292.
A VI 12 I/250 (hier = S. 246,18–248,6; Text Nr. 11)
293.
A VI 12 I/251
294.
A VI 12 I/186
295.
A VI 12 I/187
296. Indifferenz
A I 16/80
297.
A I 16/81
298.
A I 16/82
299.
A I 16/67
442
textkritische anmerkungen
300. Bejahung, Anerkennung, Übereinstimmung 301. Verworrenheit und Deutlichkeit bei leeren Urteilen
A I 16/85 Vgl. 55, 256
A VI 12 I/252
302. Modale Unterschiede Vgl. W 38 = A VI 8 I/68 A VI 12 I/253 des Urteilsvollzugs: Fällen, Festhalten, Wiederaufnehmen; Analoges im Willensgebiet 303. Korrelation von reiner Logik und allgemeiner Ontologie, reiner Grammatik und Formenlehre der kategorialen Gegenstände
A I 10/17 (hier = S. 168,4–169,7; Beilage XXIV)
304.
A I 10/18 (hier = S. 169,8–170,11; Beilage XXIV)
305. 306.
A I 10/19 (hier = S. 170,12–171,30; Beilage XXIV)
307a.
A I 9/51 (Abschrift einer gestr. Passage des mit 306 paginierten Bl. A I 10/19)
307. Stufen der Evidenz; Surrogatvorstellungen; verschiedene Allgemeinheitsformen; Allgemeinheit und Notwendigkeit 308.
Vgl. 45, 143
A I 9/52 (hier = S. 172,1–173,19; Beilage XXIV)
A I 9/53 (hier = S. 173,19–175,11; Beilage XXIV)
309. 310. Reine Logik und letzte Klärung der Erkenntnis 311. Vorstellende Erlebnisse und spontane Akte. Analysierende Vorstellungen und darauf gebaute Denksetzungen
A VI 12 I/63 (hier = S. 260,2–261,33; Text Nr. 13)
textkritische anmerkungen
443
312. Einstimmigkeit und Unstimmigkeit, Glaube und Unglaube in der Vorstellungssphäre
A VI 12 I/255 (hier = S. 261,34–262,35; Text Nr. 13)
313. Begriff der Erfahrung: Hinwendung und Vorstellung
A VI 12 I/68 (hier = S. 263,3–264,21; Text Nr. 13)
314. Gleichgültigkeit von Sachverhalten (bzw. Sätzen) gegen den Unterschied von Gegenwärtigung und Vergegenwärtigung. Unterschied von Wiederholung und Vergegenwärtigung.
M III 3 I 1 I/171 (hier = S. 264,22–266,11; Text Nr. 13)
315. Objekt der Vorstellung = Objekt möglicher schlichter Zuwendung. Schlichte nominale und nomalisierte Vorstellungen
A VI 12 I/69 (hier = S. 266,12–268,10; Text Nr. 13)
316.
A VI 12 I/256 (hier = S. 268,11–269,30; Text Nr. 13)
317.
A VI 12 I/257 (hier = S. 269,31–271,24; Text Nr. 13)
318. Rezeptive und produktive Objektivation
A VI 12 I/258
319.
A VI 12 I/259
320.
A VI 12 I/260
321.
A VI 12 I/261
322. Aufmerksamkeit als schlichtes und explizierendes Erfassen
Vgl. W 38 ff. = A VI 8 A VI 12 I/262 I/68 ff., A 34 ff. = A VI 8 (hier = S. 272,8–273,28; II/131–134, 101, 207) Text Nr. 14)
323. Unterschiede der logischen Akte: thematisches Bewussthaben, spezielles Meinen, nominales Erfassen
A VI 12 I/263 (hier = S. 273,29–275,16; Text Nr. 14)
324.
A VI 12 I/264 (hier = S. 275,26–277,9; Text Nr. 14)
444
textkritische anmerkungen
325.
A VI 12 I/265 (hier = S. 277,10–278,27; Text Nr. 14)
326. Haupt- und Nebenbestimmungen – Syntagmata verschiedener Stufe
A I 11/95 (hier = S. 278,30–280,12; Text Nr. 14)
327. Einheit des kategorischen Urteils. „Vorstellungs“Richtung-auf als schlichtes Erfassen oder nominale Setzung
vgl. 332
A I 11/96 (hier = S. 280,13–282,8; Text Nr. 14)
328. Thetische und synthetische Akte
A I 11/97 (hier = S. 282,8–284,2; Text Nr. 14)
329. Attribution
A I 11/98 (hier = S. 284,3–285,28; Text Nr. 14)
330.
A I 11/99 (hier = S. 285,29–287,21; Text Nr. 14)
331.
A I 11/100 (hier = S. 287,22–289,24; Text Nr. 14)
332. Kategorische und kausale Form
vgl. 327; 199, 233, 235 ff., 249
A I 11/101 (hier = S. 296,28–298,3; Beilage XXVIII)
333.
A I 11/102 (hier = S. 298,4–299,15; Beilage XXVIII)
334. Hypothetisches Urteil
A I 11/103 (hier = S. 299,16–300,33; Beilage XXVIII)
335. Kausales und hypothetisches, kategorisches Sach- und Gedankenurteil
A I 11/104 (hier = S. 300,34–302,15; Beilage XXVIII)
336.
A I 11/105 (hier = S. 289,25–291,16; Text Nr. 14)
337.
A I 11/106 (hier = S. 291,17–293,5; Text Nr. 14)
textkritische anmerkungen
445
338.
A I 11/107 (hier = S. 293,6–294,37; Text Nr. 14)
339.
A I 11/108 (hier = S. 294,38–295,30; Text Nr. 14)
340.
A I 11/109 (hier = S. 295,31–296,25; Text Nr. 14)
Exzerpte 1/34. Aus M a r ty ’ s Sprachphilosophie Über Wortformen, Modi des Glaubens (Urteil, Annahme, bloße Vorstellung), Idealität der Bedeutung, Gemütsakte und ihr Ausdruck (Emotive).
F I 3/3–36
30 ff. Äußere und innere Wahrnehmung (B e r g m a n n)
F I 3/32 ff.
35/37. Aus M i l l ’ s Urteilstheorie Gegenstände des Glaubens: Koexistenz, Sukzession, Ursächlichkeit, Relationen. Hypothetisches und kausales Urteil. Modale Urteile
F I 3/37–39
Sigwart 38. Erklärende Urteile 40. Plurale Urteile 44. Universelle Urteile 56. Modalitätsunterschiede; Notwendigkeit 66. Möglichkeit
F I 3/40 F I 3/42 F I 3/46 F I 3/58 F I 3/68
71/75. Erdmann Modale Beurteilung, Notwendigkeit, Möglichkeit
F I 3/72–76
76. M e i n o n g – H ö f l e r Koexistenz als Gegenstand des Glaubens
F I 3/77
446
textkritische anmerkungen
79. Aufmerksamkeit
F I 3/80
80. K a n t-Literatur
F I 3/81
Negatives Urteil I. Negation als Bestandteil der Urteilsmaterie bzw. des Sachverhalts im Gegensatz zum Urteilsakt, als Bestandteil der Form (als des Allgemeinen im Gegensatz zum wechselnden Inhalt)
(vgl. XII)
A I 16/68 (hier = S. 127,3–129,12; Text Nr. 6)
II.
A I 16/69 (hier = S. 129,13–130,24; Text Nr. 6)
III. Zusammengehörigkeit von Negation und Affirmation gegenüber Frage, Wunsch etc.
A I 16/70–71 (hier = S. 130,25–132,24; Text Nr. 6)
IV.
A I 16/72 (hier = S. 132,25–133,21; Text Nr. 6)
V. „Ja“ und „nein“ als Stellungnahmen zu Sachverhalten bzw. Urteilen
A I 16/73
VI.–VII.
A I 16/74–75
VIII. Anerkennung und Verwerfung im Gegensatz zu Bejahung und Verneinung im Urteil
A I 16/76
IX. Partielle Übereinstimmung von P und S im kategorischen Urteil
A I 16/77
X. Nichtigkeitsbewusstsein und behauptendes Leugnen bei Urteil und seinen Modifikationen sowie bei den anderen Grundklassen von Akten
A I 16/84
XI.
A VI 12 I/185
XII. Negation als Bestandteil der Urteilsmaterie
A I 16/78
textkritische anmerkungen
XIII.
A VI 12 I/244
XIV. Ausdruck als Behauptung (vgl. W 71) und ausdrückliches Fragen, Wünschen, Verneinen
A VI 12 I/245
XV.
A VI 12 I/246
XVI. Unglaube = auf Widerstreit fundierter Glaube
A VI 12 I/247
XVII.
A VI 12 I/248
447
Ad Reinach: 1. Überzeugung und Behauptung; Vorstellen und Meinen 5. Meinen und Verstehen. Zurückkommen auf ein Urteil u. dgl. 7. Stellungnahmen als Bereich der Positivität und Negativität. Urteilsvermeintes 8. Existierender Sachverhalt (Gegenstand) und Urteilsvermeintes 9. Erkennen als Sachverhaltsanschauung 12. Negation als „Funktion“
Text Nr. 1 (S. 1–30) Text Nr. 1 fußt auf den Bl. 1–25 aus dem Konvolut K I 57. Die zum größten Teil kurrentschriftlich beschriebenen Bl. im Folioformat liegen in einem Umschlag (Bl. 1 u. 26) von Folioformat, auf dessen Vorderseite (Bl. 1) sich folgende Aufschriften befinden Folioblätter aus dem Jahr 1893. Versuch einer fortlaufenden Kurrent-Ausarbeitung über den Ursprung der Begriffe Notwendigkeit (notwendige Folge), über hypothetisches und kausales Urteil. (Seinerzeit Meinong geschickt.) darunter folgt mit Bleist. Historisch interessant. Die im Umschlag liegenden Bl. sind einseitig beschrieben (mit Ausnahme der Bl. 15 u. 25) und mit Bleist. von 1–22 paginiert (mit Ausnahme der Bl. 8 u. 25, die keine Paginierung tragen).
448
textkritische anmerkungen
Husserls oben genannte Bemerkung auf dem Umschlagsbl. (Bl. 1a) Seinerzeit Meinong geschickt lässt sich wie folgt präzisieren: Husserl hat das in vorliegender Edition als Text Nr. 1 veröffentlichte Ms. (wohl zusammen mit einem weiteren Ms., das in Husserliana XXII, S. 303–348 veröffentlicht ist) am 5. April 1902 an Alexius Meinong geschickt (vgl. Husserl-Briefwechsel I, S. 144). Auf die postalische Versendung dieser Bl. weist übrigens auch die für Husserls Mss. sonst unübliche doppelte Bl.-Faltung hin. Die Mss. wurden allerdings von Meinong wohl schon kurz nach Erhalt, nämlich am 10. April 1902, mit folgender Erklärung an Husserl zurückgeschickt: „Von der mir in so freundlicher Weise gebotenen Gelegenheit, in Ihre älteren Ms. Einblick zu nehmen, möchte ich zur Zeit lieber keinen Gebrauch machen, und dies sowol aus einem äußeren wie aus einem inneren Grunde. Der erstere besteht darin, dass ich den ganzen Problemkreis für die nächste Zeit habe bei Seite schieben müssen, weil anderweitiger Collegienstoff mich ganz in Anspruch nimmt. Ich will aber nicht verschweigen, dass noch ein Anderes hinzukommt. Sie werden es mir nicht verdenken können, dass ich aus Ihrem Briefe den Eindruck gewonnen habe, dass Sie für Verluste an geistigem Eigentum nicht unempfindlich sind. Nun könnte aber in Zukunft einmal leicht geschehen, dass irgend ein in Ihren Aufzeichnungen anklingender Gedanke auch in einer meiner Veröffentlichungen ausgesprochen würde, ohne dass ich mich dann noch daran erinnerte, ihm einmal bei Ihnen begegnet zu sein.“ (HusserlBriefwechsel I, S. 146 f.) Neben kurrentschriftlichen Bearbeitungen mit Tinte, Bleist. u. Blaust. finden sich im Ms. K I 57 auch Bearbeitungen in stenographischer Schrift mit verschiedenem Schriftmaterial. Das von Husserl mit 1 paginierte Bl. (K I 57/2) trägt groß mit Blaust. am oberen Rd. die Jahreszahl 1893, die als Datierung für Text Nr. 1 übernommen wurde. 1, 4–6 Titel auf der Vorderseite von Bl. K I 57/1, statt Versuch über den Ursprung der Begriffe Notwendigkeit und notwendige Folge, über hypothetisches und kausales Urteil im Ms. Folioblätter aus dem Jahr 1893. Versuch einer fortlaufenden Kurrent-Ausarbeitung über den Ursprung der Begriffe Notwendigkeit (notwendige Folge), über hypothetisches und kausales Urteil. (Seinerzeit Meinong geschickt.) danach Einf. mit Bleist. Historisch interessant. || 1, 16 sind versehentlich gestr. || 1, 18 kann nicht sein V. für ist ist versehentlich nicht gestr. unmöglich, || 1, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Blaust. || 2, 15 den Willensakt V. für mit dem Willensakt zugleich || 2, 22–26 von Am häufigsten bis pflegt. V. für Es ist anzunehmen, dass diesem Begriff die psychologische Priorität zukommt versehentlich nicht gestr. in Reflexion auf und dass erst durch Reflexion auf ihn der Begriff des Könnens gebildet wird. || 2, 26 Ohnmacht V. für Hemmung || 2, 27 der erfolgreichen Bemühung
textkritische anmerkungen
449
und V. für der Wunsch- und || 2, 29 daher Einf. || 2, 29–33 von bin nicht gehemmt bis zugrunde V. für bin nicht gehemmt, unfähig“, mit sich || 2, 31 mit sich Einf. mit Bleist. || 2, 31 also Einf. mit Bleist. || 2, 38 eine bleibende V. für zu einer bleibenden || 3, 14 statt ein anderes als im Ms. ein anderes wie || 3, 16 welches die vorgestellte V. für das die || 3, Anm. 1 später gestr. = mit Bleist. gestr. || 4, 1–2 von wofern ich bis „wenden“ will V. für das Gefürchtete zu meiden, die „Not“ zu „wenden“ || 4, 8 nach den Dingen gestr. selbst || 4, 10 nach Fähigkeit dazu. gestr. Salz lässt sich in Wasser lösen, die Löslichkeit ist als Vermögen gedacht usw. || 4, 11 Subjekte V. für Wesen || 4, 18 nach verschwinden gestr. oder verblassen || 4, 34 statt führen im Ms. führten || 5, 17 den V. für den hypothetischen oder wirklichen || 5, 25–26 von Diese letztere bis reicht V. für überall wo die letzteren gegeben sind || 5, 27 vor Der Terminus gestr. Keineswegs besteht dann aber Einsicht. || 5, 31 es der Fall ist Einf. || 5, Anm. 1 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 5, Anm. 2 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 5, Anm. 3 spätere Einf. = mit Bleist. Einf. || 6, 3–4 dass, wenn wir hier von Urteilen sprechen, wir Vermutungen V. für dass wir hier auch Vermutungen || 6, 13 gewisses Urteil versehentlich mit Bleist. gestr. || 6, 19 Notiz am Rd. Verte || 6, 23–25 von wird nicht bis Ausdrucksweisen, die V. für macht man übrigens auch Gradabstufungen, wo auf Ausdrücke || 6, 24 nach so gestr. strenge || 6, 30 Anhalt V. für Boden || 6, Anm. 1 später gestr. = mit Bleist. gestr. || 6, Anm. 2 Rb. || 7, 15 nach keiner neuen gestr. Festigkeit || 7, 23 Bedeutung der V. für modalen || 7, 25 nach Nichtgenötigtsein gestr. ihre Quelle haben || 7, 26 nach ob die gestr. Festigkeit der || 7, Anm. 1 später gestr. = mit Bleist. gestr. || 7, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 8, 11 Erzeugung evidenter Urteile V. für Einsicht || 8, 12 Evidenz V. für Einsicht || 8, 13 Evidenz V. für Einsicht || 8, 18 nach evidente Urteil gestr. d. h. jede Anerkennung eines evidenten oder Verwerfung eines absurden Einf. oder Verwerfung eines absurden Sachverhalts || 8, 19 nach absurde Urteil gestr. d. h. jede Anerkennung eines absurden, jede Verwerfung eines evidenten Sachverhalts || 8, 19 nach bezeichnen. gestr. In übertragenem Sinne wird man die bezüglichen Sachverhalte selbst als Notwendigkeiten oder Absurditäten bezeichnen. || 8, 20 jeder Widerspruch oder Zweifel V. für die Verneinung oder Bezweiflung || 8, Anm. 1 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 8, Anm. 2 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 8, Anm. 3 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 8, Anm. 4 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 8, Anm. 5 der Text steht auf einem separaten Bl. (K I 57/8), das die Notiz mit Bleist. trägt Noten. Parallelstelle zu P am Rd. von Bl. K I 57/9 verweist Husserl auf diesen Text mit der Bemerkung P (dazu Parallelblatt) Die V. im letzten Satz des Textes (Einf. von negativen und V. von logischen in unlogischen sind mit Bleist. vorgenommen) || 9, 1– 2 nach subjektiv gefühlten gestr. Zwang || 9, 5 nach der Widerspruch gestr. und Zweifel || 9, 5 nach Widerspruch, weil gestr. sie unvernünftig sind. Es ist
450
textkritische anmerkungen
unvernünftig || 9, 21–22 von unter dem bis d. i. V. für als ein absolut gewisses und festes, das || 9, 25–26 von natürlich, der bis zu urteilen; V. für zu richtigem Urteil Disponierter || 9, 28 nach eines absolut gestr. intelligenten || 10, 2 nach eigentümliche Rolle gestr. in der Logik || 10, 4–5 Begriff der Notwendigkeit, der durch den V. für Unterschied || 10, 8 zu machen ist V. für werden kann || 10, 10 vor „sehen“ gestr. ohne || 10, 11 aus „axiomatischen“ Gründen V. für aus ihren letzten Gründen in der angegebenen Weise || 10, 14 sondern nicht begriffen V. mit Bleist. für sondern begriffen || 10, 20 dagegen Einf. mit Bleist. || 10, 23 (welches selbst eine begriffliche Evidenz ist) V. für ist || 10, 25 als Gründen Einf. || 10, Anm. 1 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 10, Anm. 2 später gestr. = mit Bleist. gestr. || 10, Anm. 3 später gestr. = mit Bleist. gestr. || 10, Anm. 4 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 10, Anm. 5 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 11, 3 a priori V. mit Bleist. für analytisch || 11, 18 nach usw., gestr. insbesondere || 11, 19 nach Art, sie gestr. bilden in ihrer Gesamtheit die || 11, 25 nach sie nicht gestr. überhaupt || 11, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 11, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 11, Anm. 3 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 11, Anm. 4 spätere V. = V. mit Bleist. || 12, 1 nach wirklichen Vollzug gestr. so mindestens seiner Intention nach den Vollzug || 12, 3 nach einschließt. gestr. Einf. sofern sie in Reflexion auf das wirklich gefällte Urteil gebildet und dadurch inhaltlich bestimmt ist. || 12, 13 nach Eine objektiv gestr. geredet unbegreifliche || 12, 26 nach Absurdität. Absurdität gestr. bildet das Gegenstück zur Einsicht, ihr objektives Korrelat ist || 12, 27 bildet das Gegenstück zur V. für die in entsprechender Weise der || 12, 27 nach apriorischen Notwendigkeit gestr. gegenübersteht || 12, Anm. 1 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 12, Anm. 2 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 12, Anm. 3 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 12, Anm. 4 spätere Rb. = Rb. mit Bleist., statt S. 202; II, S. 33, 37 im Ms. p. 202; II, p. 33, 37 || 13, 1–2 Eine Erkenntnis der evidenten Verwerflichkeit eines reinen V. für ein evident falsches || 13, 4 verwerflichen Begriffsurteil V. für rein begrifflichen Irrtumsgrunde || 13, 8 statt Die apriorische im Ms. 2) Die apriorische || 13, 8 nach Notwendigkeit ist gestr. absolute || 13, 12 Erklärende V. für Erklärte || 13, 13–14 erklärende V. für erklärte || 13, 14 erklärenden V. für erklärten || 13, 19–22 von In diesem bis Sachverhalte. V. für Das Schaf muss gespaltene (und kann nicht ungespaltene) Hufe haben, weil alle Wiederkäuer dergleichen haben. || 13, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 13, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 13, Anm. 3 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 13, Anm. 4 spätere V. = V. mit Bleist. || 13, Anm. 5 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 14, 6 mit Evidenz V. für logisch || 14, 6 nach Evidenz folgt. gestr. Logisch bedeutet aber soviel wie mit apriorischer Notwendigkeit; denn jeder gültigen Folgerung kommt Apriorität zu. || 14, 10 der erklärenden V. für der logisch apriorischen || 14, 11 nach Evidenz der gestr. logischen || 14, 12 nach apriorischen Begründung gestr. im letzteren Fall || 14, 14 motiviert
textkritische anmerkungen
451
evident V. für a priori gültig || 14, 23 oft genug der V. für gelegentlich das || 14, Anm. 1 spätere V. = V. mit Bleist. || 14, Anm. 2 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 15, 2–3 von die unlogische Erklärung bis ist die V. für und beide wieder sind einfacher als die || 15, 5–8 am Rd. abwärts weisender Blaust.-Pfeil || 15, Anm. 1 spätere V. = V. mit Bleist. || 15, Anm. 2 spätere V. = V. mit Bleist. || 15, Anm. 3 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 15, Anm. 4 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 15, Anm. 5 spätere V. = V. mit Bleist. || 15, Anm. 6 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 15, Anm. 7 spätere V. = V. mit Bleist. || 16, 2 des bezüglichen Urteilsaktes V. für gewisser Urteilsakte || 16, 4 nach Erlebnis der gestr. subjektiv || 16, 9 vor Sachverhalte gestr. objektiven Urteile danach die gestr. Einf. mit Bleist. oder vielmehr || 16, 12–13 objektiv und abstrakt genommenen Urteile V. für mehrfach veränderten und nicht mehr rekonstruierbaren Satzteil || 16, Anm. 1 später gestr. = mit Bleist. gestr. || 16, Anm. 2 V. = V. mit Bleist. || 16, Anm. 3 spätere V. = V. mit Bleist. || 16, Anm. 4 spätere V. = V. mit Bleist. || 16, Anm. 5 spätere V. = V. mit Bleist. || 17, 1 logisch V. mit Bleist. für evident || 17, 2 es Einf. mit Bleist. || 17, 3 sichtbar V. für fühlbar || 17, 25 nach Begreiflichkeit gestr. (als psychologischer Charakter) || 17, 28 des Begreifens V. für der Begreiflichkeit || 17, Anm. 1 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 17, Anm. 2 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 17, Anm. 3 spätere V. = V. mit Bleist. || 17, Anm. 4 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 17, Anm. 5 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 17, Anm. 6 spätere V. = V. mit Bleist. || 17, Anm. 7 spätere V. = V. mit Bleist. || 18, 14–15 Notiz mit Bleist. Verte || 18, 22–23 nach erklären sollte gestr. und dgl. Wieder kommt es vor, dass wir || 18, 26 Fälle V. für wohl || 19, 8 nach A gilt; gestr. aus dem als gültig gesetzten Sachverhalt A || 19, 15 nach einem kontinuierlichen gestr. aber innerlich doch diese Einzelakte in sich fassenden || 19, 16 nach bezogenen Akte gestr. ihre Einheit haben || 19, 19–20 von vorgestelltes Sein bis oder Nichtgelten V. für vorgestellte Urteile || 19, 23 es V. mit Bleist. für doch || 19, 23 in versehentlich mit Bleist. gestr. || 19, 29 statt diesen im Ms. dieses || 19, 35 nach grünen gestr. Goldes || 19, Anm. 1 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 20, 15 mangelt V. für fortfällt || 20, 26 vielmehr Einf. mit Bleist. || 20, 26–27 nach folgt B gestr. resp. (in Umkehrung: B ist die „notwendige Folge“ von A) || 20, Anm. 1 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 21, 14 Sätze. V. für Grundsätze der Geometrie bzw. der Mechanik und Mathematik. || 21, 26 nach dem jeweilig gestr. bestehenden || 21, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 21, Anm. 2 spätere Rb. mit Bleist. || 22, 5 statt nennen als im Ms. nennen wie || 22, 7 statt interessiere als β im Ms. interessiere wie β || 22, 9 und dem, wo es V. für oder || 22, 10 statt dass ein im Ms. dass ein ein || 22, 10 bevorzugendes V. für bloßes || 22, 11 zugute kommt V. für bevorzugt || 22, 13 nach als das gestr. die Folge || 22, 14 Gewiss versehentlich mit Bleist. gestr. || 22, 15 sich V. für zu gewissen || 22, 26 nach jedem gestr. wesentlichen || 22, 26–27 von Ich sage Teilgrund bis Urteil leistet V. für oder genauer: zu jedem wesentlichen
452
textkritische anmerkungen
Teilgrund, d. h. zu jedem, der || 22, 28 einen wirklichen Beitrag V. für wirklich beiträgt || 22, 35–36 von nicht wesentlich verändert bis erhalten bleibt. V. für als solchen erhält. || 22, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 23, 4 nach in den gestr. unanalysierten || 23, 7 dürfen nur nicht V. für bestehen || 23, 17 wofern sie überhaupt V. für sollen sie || 23, Anm. 1 spätere Einf = Einf. mit Bleist. || 23, Anm. 2 spätere V. = V. mit Bleist. || 24, 2 einen V. für das Urteil eines || 24, 2 einen anderen V. für es || 24, 19 vollen V. für hypothetischen || 24, 20–21 unter den V. für hierbei die || 24, 21–22 von auftreten. bis dann logisch V. für sind. Die Beziehung des Q als Folge des P ist dann || 24, 35–36 von Aber jeder bis hypothetisch-deduktiven V. für Aber jeder einzelne Satz dieses deduktiven || 25, 7 Satz Einf. mit Bleist. || 25, 29 vermitteln V. für ermöglichen || 25, 30 mit dem Anspruch auf kategorische Gültigkeit V. für kategorisch gültige || 25, Anm. 1 spätere V. = V. mit Bleist. || 25, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 26, 4–5 von aber eine bis viel bedeutsamere V. für ferner eine wesentliche || 26, 6 Nach dem soeben Erörterten V. für Sie || 26, 8 sie sagt uns aber V. für endlich || 26, 10 sind gestr. und mit Bleist. rückgängig gemacht und dann ersetzt durch den gestr. Text wären, nämlich ob sie den Charakter gestr. bloßer von Erklärungsgründen oder den von bloßen Folgerungsgründen haben. || 26, 29– 31 von irgendwelche Wahrheiten bis des Q sei. V. für unter Voraussetzung beliebiger Wahrheiten Q aus P folge. || 26, 33 höchst wichtige V. für nützliche || 26, 33 nach in seinem gestr. wissenschaftlichen wissenschaftlichen V. für vorwiegenden || 26, 33–34 in seinem Gebrauche wohl vorwiegend V. für zuweisen wollten und die ihm überall auch || 27, 1–3 von Heben wir bis so ist V. für und daraus wieder || 27, 8 vor versehentlich gestr. || 27, 9 nach wollen, gestr. etwa zu dem Zweck, die Konsequenzen, wie die eben ausgesprochenen, zu ziehen || 27, 11 gleichgültig durch welche Vermittlung V. für logisch || 27, 11–12 nach sich zieht gestr. dass A nicht gelten kann, ohne dass zugleich B gelte, dass das Urteil A gelte und B gelte nicht, verwerflich sei – oder wie man es sonst äquivalent ausdrücken mag. || 27, 12 unzähligen Fällen V. für der Regel || 27, 23 nach ganze gestr. vorwiegende wissenschaftliche vorwiegende wissenschaftliche V. für logische || 27, 23–24 nach hypothetischen Urteils gestr. und sein ganzer und sein ganzer V. für und so aller Wert derselben || 27, 25 nach den man gestr. in der Regel || 27, 31 Aber was soll die Auswahl begrenzen V. für Aber wie die Begrenzung vornehmen || 27, 35–36 bald in einem engeren und inhaltsreicheren V. für werden, sie wird es bloß „in der Regel“ nicht || 27, 38 nach Anwendungsfälle der gestr. hypothetischen || 28, 5 nach zuschreiben lässt, gestr. dass vielmehr dieser Sinn von Fall zu Fall, von Wissensgebiet zu Wissensgebiet wechselt || 28, 6 die Behauptung V. für das Folgeurteil || 28, 7 sie erwachsen und mit dem sie V. für es erstanden und in dem es || 28, 8 eine überall gleichsinnige V. für ein nach ein gestr. Einf. selbständiges Urteil mit klar bestimmter Materie || 28, 10–11 von die das bis
textkritische anmerkungen
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und andererseits V. für von der Funktion dieser Behauptung, also von || 28, 11–12 das Begründungsgebiet V. für die Begründungsweise || 28, 13 nach sind imstande gestr. es zu einem selbständigen Urteil zu ergänzen || 28, 14 jeweilig gemeinte V. für zugrunde liegende || 28, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 29, Anm. 1 später gestr. = mit Bleist. gestr. || 30, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist.
Text Nr. 2 (S. 31–50) Text Nr. 2 fußt auf den Bl. 6, 7 u. 9–11 aus dem Konvolut K I 58, aus dem auch die Beilagen I–VIII stammen. – Das Konvolut K I 58 besteht aus insgesamt dreizehn stenographisch, meist beidseitig beschriebenen Bl. vorwiegend im Folioformat, die in einem Umschlag (Bl. 1 u. 15) liegen, auf dessen Vorderseite (Bl. 1) folgende Aufschriften stehen Vorstellen und Urteilen danach mit Bleist. WS 1893/94 darunter mit Bleist. die ebenfalls mit Bleist. umkreiste Signatur M. Auf der Rückseite des Umschlagsbl. (Bl. 15) steht mit Blaust. geschr. Folio „M“. Vorstellung – Urteil. Alte stenographische Blätter aus 1893. Die Signatur M ist auch mit Bleist. am Rd. der Vorderseite von Bl. 4 notiert. Die Text Nr. 2 zugrunde liegenden Bl. aus dem Konvolut K I 58 sind mit Bleist. von 1–5 paginiert. – Im Ms. finden sich zahlreiche Einf., Erg., V. und Unterstr. mit Bleist., Blaust. und Rotst. Laut Husserls Angabe auf der Vorderseite des Umschlags (Bl. 1) sind die Bl. aus dem Konvolut K I 58 auf das WS 1893/94 zu datieren. 31, 22–23 vor Sigwart betont Einf. mit Rotst. 1) || 31, 25–26 Sollen wir sagen Einf. mit Bleist. || 32, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 33, 2 Fragezeichen mit Lilast. am Rd. || 33, 7–8 nach nicht haben? gestr. Dies führt uns also auf Punkt 2) zurück. || 33, 9 nach des A gestr. ad 2) A ist also ein repräsentierender Inhalt. Die Repräsentation kann nun verschieden sein. || 33, 31 statt allein, so spreche im Ms. allein, das spreche || 33, Anm. 2 Rb. || 34, 2 Bejahung Erg., ohne Kl. im Ms. || 34, 3 nach eine Repräsentation irrtümlich geschr. sich || 34, 29 statt Da im Ms. Das || 34, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 35, 5 statt aus im Ms. voraus || 35, 8 abwärts gerichteter Bleist.Pfeil am Rd. || 35, 18 ich Einf. mit Bleist. || 35, 26–27 statt das das im Ms. die das || 35, 35 statt mit den im Ms. mit der || 35, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 36, 19 von (Beides hat bis nicht getrennt.) Kl. vom Hrsg. || 36, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 37, 1 statt ist als Eigenschaft im Ms. ist wie Eigenschaft || 37, 5 Teilobjekt V. für relativ unselbständiges Objekt || 37, 26 nach oder weil gestr. aus anderen Gründen || 38, 6 nach uneigentliche Urteile. horizontaler Trennungsstrich mit Bleist. || 38, Anm. 1 spätere Rb. =
454
textkritische anmerkungen
Rb. mit Bleist. || 38, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 39, 21 bewährte V. mit Bleist. für vorfände || 39, 26–27 Anschauung im Ms. in eckigen Bleist.Kl. || 39, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 39, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 39, Anm. 3 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 40, 26–28 von expliziert durch bis erlebt sein. im Ms. in eckigen Bleist.-Kl. || 40, 33 Es geht V. mit Bleist. für Daraus geht || 40, 33 – 41, 4 mit Bleist. am Rd. angestr. || 40, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 40, Anm. 2 später gestr. = mit Bleist. gestr. || 41, 2–8 mit Bleist am Rd. angestr. || 41, 31 vor Ob wir spitze Bleist.-Kl., abwärts gerichteter Bleist.-Pfeil am Rd. || 41, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 41, Anm. 2 spätere Einfügung = Einf. mit Bleist. || 42, 20 während eines flüchtigen Zeitpunkts V. für solange ich urteile || 43, 30 nach lässt gestr. Indem jedes Vorgestellte auf eine ideale Anschauung hinweist, weist es ja eo ipso auf ein Seiendes hin, aber ein als seiend Vorgestelltes. || 43, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 43, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 44, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 44, Anm. 2 Rb. || 45, 7 der Frage in eckigen Kl. || 45, 10–11 statt Es fragt sich nun: Ist ein vorgestelltes Urteil ein beurteilbarer Sachverhalt? im Ms. Ist ein vorgestelltes Urteil ein beurteilbarer Sachverhalt? Es fragt sich nun. || 45, 28 nach dasselbe? gestr. Ja. || 46, 12 statt Wie verhalten im Ms. Wie verhält || 46, 36 statt knüpfen sich im Ms. knüpft sich || 47, 11 statt gar nicht im Ms. gar keines || 47, 34 statt Gesetzt, im Ms. Entweder || 48, 11 statt wahr oder falsch im Ms. wahr und falsch || 48, 21 nach ein entgegengesetztes. gestr. Es kann überhaupt ein Urteil begleitet sein von Zweifel, Vermutung und schließlich auch Glauben, Gültigkeitsbewusstsein auch ohne entsprechende Anschauung. Man bedenke, dass das Urteil ebenso auch von Verwerfung, Nichtglauben || 48, 29 Beziehung auf den Sachverhalt V. für Modalität || 48, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 49, Anm. 1 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 49, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 49, Anm. 3 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 49, Anm. 4 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 49, Anm. 5 spätere Rb. = Rb. mit Bleist., statt Dadurch findet im Ms. Dadurch tritt || 50, 27–28 nach das Subjekt gestr. oder durch einfache es folgt ein unleserliches Stenogramm Verwerfung des Besiegten gegenüber der wirklichen Anschauung. || 50, Anm. 1 spätere Rb. || 50, Anm. 2 spätere Einf. = Einf. mit Bleist.
Beilage I (S. 51–53) Der Text von Beilage I fußt auf Bl. 8 aus dem Konvolut K I 58 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts siehe oben, S. 453). Das Bl. ist von kleinerem Format (ca. 21 × 17,5 cm) als die anderen Bl. des Konvoluts, die meist Folioformat haben; es ist nur leicht mit Tinte und Bleist. bearbeitet.
textkritische anmerkungen
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Wahrscheinlich sind die Ausführungen des Bl. 8 im zeitlichen Zusammenhang mit den anderen Bl. des Konvoluts K I 58, d. h. wohl auch im Wintersemester 1893/94 niedergeschrieben worden. 51, 11 nach Ursprünglich? gestr. Das jedenfalls nicht. Ich urteile ursprünglich wie in der Anschauung. || 51, 32 vorziehenden Lesart unsicher || 52, 9 auf dem Rathausplatz V. mit Bleist. vor dem wirklichen Rathaus || 52, 12 nach oder nicht. gestr. Und doch! Die Sache ist anders wie bei den repräsentierenden Vorstellungen. || 52, 20 nach als Rathausturm, gestr. das Haben desselben || 52, 22 nach Art, dass gestr. nur die Zugehörigkeit der Worte erkannt wird. (?) || 52, 23 zugleich mit dem Wiedererinnern V. für in Form des Wiederinnerns || 52, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist.
Beilage II (S. 53–55) Der Text von Beilage II fußt auf Bl. 13 aus dem Konvolut K I 58 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts siehe oben, S. 453). Das Bl. im Folioformat ist nur wenig bearbeitet; es finden sich lediglich zwei Unterstr. mit Rotst. Wahrscheinlich sind die Aufzeichnungen des Bl. 13 im zeitlichen Zusammenhang mit den anderen Bl. des Konvoluts K I 58 entstanden und daher wohl ebenfalls auf das Wintersemester 1893/94 zu datieren. 53, 16–17 statt von Beschränkung unserer bis nicht erschöpft. im Ms. eine Beschränkung, die unseren Gliederungen den Begriff des Sachverhalts nicht erschöpfen lässt. || 54, 8 statt auch gewisse im Ms. auch und gewisse || 54, 25 statt Verwerfen können im Ms. Verwerfen kann || 54, 29 nach sollen. Trennungsstrich || 55, 20 nach reflektiertes. Trennungsstrich
Beilage III (S. 55–56) Der Text von Beilage III fußt auf dem einseitig beschriebenen Bl. 2 aus dem Konvolut K I 58 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts siehe oben, S. 453). Das Bl. ist von kleinerem Format (ca. 21 × 17,5 cm) als die anderen Bl. des Konvoluts. Es ist nur leicht mit Tinte und Bleist. bearbeitet. Wahrscheinlich sind diese Aufzeichnungen im zeitlichen Zusammenhang mit den anderen Bl. des Konvoluts K I 58 entstanden und daher wohl ebenfalls auf das Wintersemester 1893/94 zu datieren.
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textkritische anmerkungen Beilage IV (S. 56–59)
Der Text von Beilage IV fußt auf Bl. 3 aus dem Konvolut K I 58 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts siehe oben, S. 453). Das Bl. im Folioformat ist nur leicht mit Tinte bearbeitet. Wahrscheinlich sind die Aufzeichnungen im zeitlichen Zusammenhang mit den anderen Bl. des Konvoluts K I 58 entstanden und daher wohl ebenfalls auf das Wintersemester 1893/94 zu datieren. 57, 1 statt anderes als im Ms. anderes wie || 57, 9 nach Nein. gestr. Geht nicht alle Objektivierung, alle Vorstellung, in dieser Weise aus dem Urteil hervor? || 57, 24 nach steht im Ms. es || 57, 29 statt Weise als im im Ms. Weise wie im || 57, 34–35 statt nur ausnahmsweise im Ms. nur und ausnahmsweise || 57, 37 statt Gegensatz im Ms. Gegenteil || 58, 8–9 Bejahung und Verneinung ganz aufheben wollten. V. für von Bejahung und Verneinung ganz absehen sollten. versehentlich von im Ms. nicht gestr. || 58, 23 – 59, 13 von Ganz ähnlich bis entspricht? im Ms. in eckigen Kl. || 58, 25 vermutlich Erg., ohne Kl. im Ms. || 58, 32 modifizierte V. für vorgestellte || 58, 34 modifizierten V. für vorgestellten
Beilage V (S. 59–62) Der Text von Beilage V fußt auf Bl. 4 aus dem Konvolut K I 58 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts siehe oben, S. 453). Am oberen Rd. der Vorderseite findet sich unter dem vom Hrsg. als Titel der Beilage übernommenen Rd.-Titel die mit Bleist. geschr. Signatur M, die auch auf dem Umschlagsbl. des Konvoluts K I 58 (vgl. oben, S. 453) notiert ist. – Das der Beilage V zugrunde liegende Bl. hat Folioformat und ist mit Tinte und Bleist. bearbeitet; wenige Unterstr. sind mit Bleist., Blaust. und Rotst. ausgeführt. Wahrscheinlich sind die Aufzeichnungen im zeitlichen Zusammenhang mit den anderen Bl. des Konvoluts K I 58 entstanden und daher wohl ebenfalls auf das Wintersemester 1893/94 zu datieren. 59, 15–16 Titel am Rd., darunter mit Bleist. die Signatur M || 61, 9–10 von Soll begriffliche bis werden? V. mit Bleist. für Begriffliche Vorstellung entweder im weitesten Sinn = repräsentierende Vorstellung. || 61, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 61, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 62, 5 vor durch im Ms. einen || 62, 14 nach Inhalte gestr. gleichgültig, ob immanente oder intendierte. Gegenstand ist Einheit oder Vielheit in der Mannigfaltigkeit. Eine Mannigfaltigkeit zusammengehöriger Inhalte, die als
textkritische anmerkungen
457
Einheit gedacht werden. Es liegen also Anschauungsverläufe vor, innerhalb welcher || 62, 16 sind zweimal im Ms.
Beilage VI (S. 62–64) Der Text von Beilage VI fußt auf Bl. 5 aus dem Konvolut K I 58 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts siehe oben, S. 453). Das Bl. im Folioformat ist nur leicht mit Tinte bearbeitet. Wahrscheinlich sind die Aufzeichnungen im zeitlichen Zusammenhang mit den anderen Bl. des Konvoluts K I 58 entstanden und daher wohl ebenfalls auf das Wintersemester 1893/94 zu datieren. 64, Anm. 1 Rb. || 64, Anm. 2 Rb.
Beilage VII (S. 64–65) Der Text von Beilage VII fußt auf Bl. 12 aus dem Konvolut K I 58 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts siehe oben, S. 453). Das Bl. im Folioformat ist nur leicht mit Tinte bearbeitet. Wahrscheinlich sind die Aufzeichnungen im zeitlichen Zusammenhang mit den anderen Bl. des Konvoluts K I 58 entstanden und daher wohl auch auf das Wintersemester 1893/94 zu datieren. 64, 25 statt zwischen im Ms. von
Beilage VIII (S. 66–67) Der Text dieser Beilage fußt auf Bl. 14 aus dem Konvolut K I 58 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts siehe oben, S. 453). Das Bl. ist von kleinerem Format (ca. 20,5 × 13,5 cm) als die anderen Bl. des Konvoluts, die meist Folioformat haben. Es ist nur wenig bearbeitet. Das Bl. trägt auf der Rückseite die Notiz mit Rotst. Standesamt. Wahrscheinlich sind die Aufzeichnungen im zeitlichen Zusammenhang mit den anderen Bl. des Konvoluts K I 58 entstanden und daher wohl ebenfalls auf das Wintersemester 1893/94 zu datieren. 66, 15 nach Unbestimmtheitsbewusstsein. Trennungsstrich
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textkritische anmerkungen Text Nr. 3 (S. 68–81)
Text Nr. 3 fußt auf den Bl. 4–12 aus dem Konvolut A I 7. – Das Konvolut A I 7 umfasst insgesamt 30 Bl. (vgl. zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts auch Husserliana XXII, S. 463). In einem wohl erst nach 1908 angelegten Umschlagsbl. (Bl. 1 u. 30), das von einer Drucksache (Göttinger Veranlagungskommission, datiert auf den 12. Dezember 1908) gebildet wird, liegen meist ältere, oft nicht zusammenhängend geschr. Reflexionen zu folgenden auf der Vorderseite des Umschlagsbl. (Bl. 1) notierten Themen: zunächst mit Blaust. Existentialsätze darunter mit Bleist. Formal Logisches, Existentialsätze u. dgl. Bei den am Schluss des Konvoluts A I 7 liegenden Bl. 21–29 handelt es sich um die von Husserl etwa zwischen Ende 1896 und Anfang 1897 verfasste Besprechung von Kasimir Twardowski „Zur Lehre vom Inhalt der Vorstellungen, Eine psychologische Untersuchung“ (Wien 1894). Diese Besprechung, die zu Husserls Lebzeiten nicht gedruckt wurde, ist in Husserliana XXII, S. 349–356, veröffentlicht. Dem in vorliegender Edition unter a) veröffentlichten Text (hier = S. 68–70) liegen die kleinformatigen Bl. 4 u. 5 (Format ca. 17 × 11 cm) aus dem Konvolut A I 7 zugrunde. Die Bl. sind mit Bleist. bearbeitet. Auf der Vorderseite von Bl. 5 steht am Rd., und zwar seitwärts zum restlichen Text und untereinander notiert SS 94: 84; 94/95: –; SS 95: 70; 95/96: 5; SS 96: 64 und dazu noch einmal die Zahlen 84, 75, 64. Husserl hat hier wahrscheinlich die Hörerzahlen seiner Vorlesungen aus dem Zeitraum vom SS 1894 bis SS 1896 notiert. Es ist zu vermuten, dass diese Notizen kurze Zeit nach Beendigung des Sommersemesters 1896 entstanden. – Dem unter b) veröffentlichten Text (hier = S. 71–74) liegen die Bl. 6 u. 7 zugrunde. Diese Bl. sind mit Tinte, Blaust. und Bleist. bearbeitet. – Dem unter c) veröffentlichten Text (hier = S. 74–76) liegen die Bl. 8 u. 9 zugrunde. Diese Bl. sind mit Tinte und Bleist. leicht bearbeitet. – Dem unter d) veröffentlichten Text (hier = S. 76–81) liegen die Bl. 10–12 zugrunde, die mit Bleist. von 1 bis 3 paginiert und mit Tinte und Bleist. bearbeitet sind. Direkte Datierungen gibt es im Konvolut A I 7 keine. Lediglich die eben genannte, wohl nach dem Sommersemester 1896 entstandene Notiz auf Bl. 5 und die ebenfalls schon erwähnte, im Konvolut A I 7 liegende Besprechung Husserls von Twardowski, die auf etwa Ende 1896, Anfang 1897 zu datieren ist, machen es neben formalen Kriterien, wie Schriftbild und Papiersorte, wahrscheinlich, dass die hier als Text Nr. 3 veröffentlichten Bl. zeitlich vor den „Logischen Untersuchungen“ entstanden sind, und zwar mit einer gewissen Unbestimmtheit etwa Mitte bis Ende der 90er Jahre des 19. Jahrhunderts.
textkritische anmerkungen
459
68, 25 statt gleich sein im Ms. Gleichheitszeichen || 68, Anm. 2 später gestr. = mit Blaust. gestr. || 69, Anm. 1 von Man beachte bis nicht existiert. mit Bleist. gestr., dazu die Bemerkung Falsch. || 70, 2–3 statt entweder im Ms. bald || 70, 25 statt dem Beispiel im Ms. den Beispielen || 71, Anm. 1 spätere V. = V. mit Bleist. || 72, 20 Rd.-Titel Versuch einer gewissen Auffassung des Existentialsatzes. || 72, Anm. 1 später gestr. = mit Bleist. gestr. || 72, Anm. 2 später gestr. = mit Bleist. gestr. || 72, Anm. 3 später gestr. = mit Bleist. gestr. || 72, Anm. 4 später gestr. = mit Bleist. gestr. || 72, Anm. 5 später gestr. = mit Blaust. gestr. || 72, Anm. 6 später gestr. = mit Bleist. gestr. || 73, 5 nach Satzes. gestr. Aber das freilich meine ich nicht, dass Existenz eine innere Beschaffenheit ist der Vorstellung bzw. des Satzes, dem statt dem im Ms. denen sie in den Beispielen „Sokrates existiert“ etc. zugeschrieben wird. || 73, 6–13 geschweifte Bleist.-Kl. am Rd., nach Wahre. Trennungsstrich mit Bleist. || 73, 14 speziell Stenogramm nicht eindeutig || 73, 20–21 Materie V. für Vorstellung || 73, 28–29 Erg. mit Bleist. || 73, Anm. 1 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 73, Anm. 2 später gestr. = mit Bleist. gestr. || 73, Anm. 3 Rb. || 75, 6 bejaht Erg., ohne Kl. im Ms. || 75, 18 statt oder im Ms. und || 75, 27 statt dann im Ms. da || 75, Anm. 1 später gestr. = mit Bleist. gestr., Fragezeichen mit Bleist. am Rd. || 76, 23 nach einer „Vorstellung“ gestr. einer Repräsentation || 76, 23–24 von der Gegenstand bis objektiven Sinn Erg., ohne Kl. im Ms. || 76, Anm. 1 = Rb. || 76, Anm. 2 = Rb. || 76, Anm. 3 = Rb. || 77, 18 nach Repräsentation. Schlusszeichen || 77, Anm. 1 Rb. || 78, 21 statt oder existiert im Ms. oder nicht existiert || 78, Anm. 1 Rb. || 79, 3 statt existiert“; oder im Ms. existiert oder existiert nicht“ oder || 80, 24 Dies und ist im Ms. jeweils zwischen eckigen Kl. || 80, Anm. 1 Rb. || 81, 3 vor Bei dem im Ms. 1) || 81, Anm. 1 später gestr. = mit Bleist. gestr.
Text Nr. 4 (S. 82–91) Text Nr. 4 fußt auf den Bl. 16–17 u. 21–22 aus dem Konvolut K I 12, aus dem auch die Beilagen IX–XXII stammen. – Das Konvolut K I 12 umfasst ohne das Umschlagsbl. (Bl. 1 u. 29) insgesamt 27 stenographisch beschriebene Bl., zumeist von Normalformat. Bei Bl. 16 bzw. 17 und bei Bl. 24 bzw. 25 handelt es sich um auf Normalformat gefaltete, ursprünglich großformatige Bl. Das Bl. 4 ist etwas kleiner als Normalformat. Auf der Vorderseite des Umschlags (Bl. 1) stehen die folgenden Aufschriften Satz, Urteil, Sachverhaltsvorstellung. Das Identische von „S ist P!“ und der Vorstellung „dass S P ist“. Vorstellung als Grundlage des Urteils (und aller „psychischen Phänomene“). Dass-Sätze als Subjekt-Bedeutungen. Satz – Sachverhalt – Wahrheit. „Geltungswert“ von Vorstellungen (nominale Setzungen, evtl. nominale Setzungen von Dass-
460
textkritische anmerkungen
sätzen an Subjektstelle) darunter steht mit Blaust. Aus den 90er Jahren. Offenbar hat Husserl im Konvolut K I 12 seine zu verschiedenen Zeiten entstandenen Überlegungen zu den auf dem Umschlagsblatt notierten Themen zusammengelegt. Die Bl. des Konvoluts machen, nach Schriftart und Papier zu urteilen, einen uneinheitlichen Eindruck. Sie sind zumeist nicht paginiert. Eine Ausnahme bilden lediglich die Bl. 19 u. 20, die mit Bleist. von 1–2 paginiert sind, sowie die hier als Text Nr. 4 veröffentlichten Bl. 16–17 u. 21–22, die mit Bleist. von 1–5 paginiert sind. Die Bl. zeigen zahlreiche Bearbeitungsspuren mit verschiedenem Schriftmaterial (auch mit Grünst.), die sich in einigen Fällen genauer datieren lassen: So ist auf der Vorderseite von Bl. 12 (hier veröffentlicht in Beilage XIX) mit Blaust. am Rd. notiert Durchaus richtig, vidi 1910. Die Rückseite von Bl. 13 (hier Beilage XX) trägt am Rd. die Notiz mit Bleist. Richtig 1910. Aus diesen und ähnlichen Bemerkungen lässt sich schließen, dass Husserl zumindest einige der im Konvolut K I 12 liegenden Bl. im Jahr 1910 noch einmal gelesen und zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich auch bearbeitet hat. – Die Rückseite von Bl. 9 trägt die Anzeige eines Berliner Wäschegeschäfts, die auf Ende September 1897 datiert ist. Auch die Niederschrift des Textes von Bl. 3 lässt sich mit großer Sicherheit auf Ende 1899 datieren (vgl. dazu unten den Hinweis zu Beilage XII, S. 463). Die auf dem Umschlagsbl. (Bl. 1 u. 29) angegebene Datierung aus den 90er Jahren ist daher wahrscheinlich in Richtung auf die späten 90er Jahre des 19. Jahrhunderts zu präzisieren. 82, 2 Sätze und Wahrheiten. Sätze und Vorstellungen Titel als Überschrift || 82, 15 statt intensiver als im Ms. intensiver wie || 82, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 82, Anm. 3 spätere Rb. = Rb. mit Blaust., im Ms. in Kl. || 82, Anm. 4 spätere Einf. = Einf. mit Blaust., im Ms. in Kl. || 82, Anm. 5 spätere Bemerkung = Bemerkung mit Blaust. || 83, 1 statt intensiver als b im Ms. intensiver wie b || 83, 1–2 statt und umgekehrt im Ms. oder umgekehrt || 83, 3–4 statt intensiver als b im Ms. intensiver wie b || 83, 13 Denn nicht jede Unmittelbarkeit kann uns dienen. Erg. || 83, 21 statt Sachverhalt sind nicht im Ms. Sachverhalt ist nicht || 83, 21–22 statt Die Wahrheit „4 im Ms. Die Wahrheiten „4 || 83, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Blaust. || 83, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Blaust. || 83, Anm. 3 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 84, 2 könnte es nicht haltbar sein V. mit Blaust. für ist es nicht haltbar || 84, 25 statt und c ähnlich im Ms. und b ähnlich || 84, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Blaust., statt den Begriff im Ms. der Begriff || 84, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 85, 3–4 = einer von beiden Sachverhalten Erg.; im Ms. ohne Kl, statt einer im Ms. eines || 85, 12–14 von während jede bis erscheint. im Ms. in Bleist.-Kl. || 85, 18–19 Ein Tisch hat zur Folge ein Gerät V. für Sokrates hat zur Folge Plato || 85, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 86, 12 statt wir im Ms. von || 86, 14 nach werden das irrtümlich
textkritische anmerkungen
461
im Ms. was || 86, 18 „Setzung“ V. für Affirmation || 86, 25–26 statt So ist der eben gebrauchte Ausdruck „die Geltung des Sachverhalts“ kein im Ms. So eben der gebrauchte Ausdruck „die Geltung des Sachverhalts“ ist kein || 86, Anm. 1 spätere V. = V. mit Bleist. || 86, Anm. 2 später gestr. = mit Blaust. gestr. || 86, Anm. 3 später gestr. = mit Blaust gestr. || 86, Anm. 4 später gestr. = mit Blaust. gestr. || 86, Anm. 5 später gestr. = mit Blaust. gestr. || 86, Anm. 6 später gestr. = mit Blaust. gestr. || 87, 2 statt α) im Ms. 1) || 87, 6 statt β) im Ms. 2) || 87, 8 so vorgestellten V. für die Vorstellung des, im Ms. ist die Vorstellung in der V. versehentlich nicht gestr. || 87, 10 nach und das gestr. Geltungsmoment || 87, 12 statt Wie verhalten im Ms. Wie verhält || 87, Anm. 1 später gestr. = mit Blaust. gestr. || 87, Anm. 2 später gestr. = mit Blaust. gestr. || 87, Anm. 3 spätere V. = V. mit Blaust. || 88, Anm. 1 Rb. || 88, Anm. 2 später gestr. = mit Blaust. gestr. || 89, 3 statt α) im Ms. 1) || 89, 9 statt β) im Ms. 2) || 89, 33 statt anzudeuten, und im Ms. anzudeuten hat, und || 91, 2 statt drücken im Ms. stellen
Beilage IX (S. 91–94) Der Text von Beilage IX fußt auf den Bl. 19–20 aus dem Konvolut K I 12 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts siehe oben, S. 459 f.). Die Bl. sind von 1–2 mit Bleist. paginiert; sie sind hauptsächlich mit Bleist. bearbeitet. Die Paginazahl 1 auf Bl. 19 ist mit Bleist. und Blaust. unterstr., daneben ist mit Blaust. notiert bene. Wenige Unterstr. sind mit Rotst. ausgeführt. Der Text der Beilage IX stammt wohl, wie die anderen Bl. aus dem Konvolut K I 12, aus den späten 90er Jahren des 19. Jahrhunderts. 91, 8–9 Titel als Überschrift || 91, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Blaust. || 91, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 91, Anm. 3 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 91, Anm. 4 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 91, Anm. 5 spätere V. = V. mit Bleist. || 91, Anm. 6 spätere Bemerkung = Bemerkung mit Bleist. || 91, Anm. 7 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 92, 2–3 nach Vorstellen sagen. gestr. Nämlich jedem Satz entspricht Wahrheit oder Unwahrheit, und || 92, 26 demselben V. mit Bleist. für dem || 92, Anm. 1 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 92, Anm. 2 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 92, Anm. 3 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 92, Anm. 4 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 92, Anm. 5 spätere Rb. = Rb. mit Bleist., der Evidenz V. mit Bleist. für des Urteils || 93, 14 nach Wahrheit ist gestr. im einen Sinn || 93, 15 nach objektiven Sätzen gestr. Man nennt aber auch die konkrete Einheit von gestr. wahrer Satzbedeutung und ihrer Beschaffenheit || 93, 15 nach B o l z a n o recht. gestr. Ich darf nicht Subjektives und Objektives verwechseln. || 93, Anm. 1 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 93, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 93, Anm. 3 spätere Rb. = Rb. mit
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textkritische anmerkungen
Bleist. || 94, 3 Gehalt Lesart nicht eindeutig || 94, Anm. 1 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 94, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 94, Anm. 3 spätere Rb. = Rb. mit Bleist.
Beilage X (S. 94–98) Der Text von Beilage X fußt auf den Bl. 14–15 aus dem Konvolut K I 12 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts siehe oben, S. 459 f.). Die Bl. 14–15 sind in der Hauptsache mit Rotst., vereinzelt mit Bleist. und Blaust. bearbeitet. – Der Text der Beilage stammt wohl, wie die anderen Bl. aus dem Konvolut K I 12, aus den späten 90er Jahren des 19. Jahrhunderts. 94, 28 statt kann sagen im Ms. entweder sagen || 95, Anm. 1 später gestr. Rb. = Rb. mit Rotst. gestr. || 95, Anm. 2 später gestr. = mit Rotst. gestr. || 95, Anm. 3 später gestr. Einf. = mit Rotst. gestr., im Ms. ohne Kl. || 95, Anm. 4 später gestr. Einf. = mit Rotst. gestr., im Ms. ohne Kl. || 95, Anm. 5 später gestr. = mit Rotst. gestr. || 96, 23 nach entspricht). gestr. Auch Aussageinhalte können Inhalte schlicht setzender Akte sein, z. B. „die Wahrheit: 2 × 2 ist 4“. || 96, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 96, Anm. 2 spätere Einf. = Einf. mit Rot. || 97, 13 nach ein im Ms. unentzifferbares Stenogramm || 97, 33 – 98, 10 von Aber knüpft bis Tatsache. in Bleist.-Kl. || 97, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Rotst. || 97, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. und Rotst. || 97, Anm. 3 spätere Erg. = Erg. mit Rotst.
Beilage XI (S. 99–102) Der Text von Beilage XI fußt auf einem gefalteten Bl. im Folioformat, das aus dem Konvolut K I 12 stammt und dessen Bl.-Hälften der Archivzählung zufolge mit 24–25 nummeriert sind (zur allgemeinen Beschreibung des Konvoluts K I 12 siehe oben, S. 459 f.). – Das Bl. ist mit Tinte, Bleist., Blaust. und Rotst. bearbeitet. Der Text von Bl. 24 beginnt mit Fortsetzung und der Zählung 2); ein wohl ehemals vorangehender Textteil konnte im Nachlass nicht aufgefunden werden. – Der Text der Beilage XI stammt wohl, wie die anderen Bl. aus dem Konvolut K I 12, aus den späten 90er Jahren des 19. Jahrhunderts. 99, 2 Aussage und Wahheit Titel als Überschrift || 99, Anm. 3 spätere Rb. = Rb. mit Blaust. || 99, Anm. 4 spätere Rb. = Rb. mit Blaust., zusätzlich mit Blaust. umkreist || 99, Anm. 5 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 99, Anm. 6 Rb. || 100, 18 von Wahrheit in bis anderes als V. für Wahrheit,
textkritische anmerkungen
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können wir sagen, setzt || 100, 18–19 statt der Sachverhalt im Ms. den Sachverhalt || 100, 19 nach vor. gestr. Indessen fragt es sich, ob das Verhältnis von Wahrheit und bloßen Satzgedanken zu dem Sachverhalt als ein gleichmäßiges zu fassen ist. || 100, 19 Rd.-Titel mit Bleist. Wahrheit = Sachverhalt || 100, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 100, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 100, Anm. 3 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 100, Anm. 4 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 101, 24 im Ms. Sachverhalt! mit doppeltem Ausrufezeichen; nach Sachverhalt! horizontaler Trennungsstrich || 101, Anm. 1 = Rb. || 101, Anm. 2 = Rb. || 101, Anm. 3 spätere Bemerkung = Bemerkung mit Bleist. || 102, 4 statt irgendetwas anderem im Ms. irgendeinem anderen || 102, 7 statt kundgebend sind im Ms. kundgebend ist || 102, 9 selbst Einf. mit Bleist. || 102, Anm. 1 spätere Einf. = Einf. mit Bleist.
Beilage XII (S. 103–104) Der Text von Beilage XII fußt auf Bl. 3 aus dem Konvolut K I 12 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts siehe oben, S. 459 f.). Oberhalb des vom Hrsg. als Titel der Beilage übernommenen Rd.-Titels Urteil, Sachverhaltsvorstellung (propositional nichtsetzender Akt), Sachverhalt hat Husserl mit Rotst. Nota bene geschr. – Das Bl. ist vor allem mit Blaust. und Rotst. bearbeitet. Der Text der Beilage XII ist wahrscheinlich Ende 1899 entstanden, da Husserl in seinem Beispielsatz „Die Buren nehmen Ladysmith ein“ auf die Belagerung der Stadt Ladysmith durch die Buren Bezug nimmt, die am 2. November 1899 begann. 103, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Rotst. || 103, Anm. 3 später gestr. = gestr. mit Blaust.
Beilage XIII (S. 104–106) Der Text von Beilage XIII fußt auf Bl. 4 aus dem Konvolut K I 12 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts siehe oben, S. 459 f.). Das Bl. 4 ist etwas kleiner (ca. 19 × 17 cm) als Normalformat und mit Bleist., Rotst., vereinzelt auch mit Grünst. bearbeitet. Die Überschrift des Bl. Satz und Sachverhaltsvorstellung und der sich darunter mit Rotst. befindliche Satz Ob der Satz die Sachverhaltsvorstellung einschließt ist vom Hrsg. als Titel der Beilage übernommen worden. Auf der Vorderseite hat Husserl am oberen Rd. mit Grünst. Nota bene notiert. – Der Text der Beilage XIII stammt wohl, wie
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textkritische anmerkungen
andere Bl. aus dem Konvolut K I 12, aus den späten 90er Jahren des 19. Jahrhunderts. 104, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Grünst. || 105, 16 mir Stenogramm nicht eindeutig || 105, 17 statt stelle im Ms. stellt || 105, 25 1) Einf. mit Rotst. || 105, 25 2) Einf. mit Rotst. || 105, 27 nach Zukommen, Gegenstand. gestr. Nein || 105, 34 – 106, 3 von Wenn ich bis ausführen. am Rd. mit Rotst. doppelt angestr. || 105, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 105, Anm. 2 später gestr. = mit Rotst. gestr. || 105, Anm. 3 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 106, 9–10 als Nachbild vorgängiger V. mit Rotst. für in Reflektion auf vorgängige || 106, 13–14 Halluzination Erg., im Ms. ohne Kl.
Beilage XIV (S. 106–107) Der Text von Beilage XIV fußt auf Bl. 5 aus dem Konvolut K I 12 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts siehe oben, S. 459 f.). Das Bl. 5 ist einseitig mit Bleist. beschrieben; es ist mit Tinte und Rotst. bearbeitet. Auf der Vorderseite von Bl. 5 hat Husserl am oberen Rd. mit Bleist. Nota bene notiert. Der darunter stehende, ursprünglich mit Tinte geschr. und dann mit Rotst. nachgezeichnete Rd.-Titel Ob die Vorstellung des Sachverhalts Teil ist vom Urteil ist vom Hrsg. als Titel der Beilage übernommen worden. – Der Text von Beilage XIV stammt wohl, wie die anderen Bl. aus dem Konvolut K I 12, aus den späten 90er Jahren des 19. Jahrhunderts. 106, 18 Titel am Rd. mit Tinte und Rotst. || 106, 23–28 dreimal angestr. am Rd. || 107, 1–6 geschlängelter Strich mit Rotst. am Rd.
Beilage XV (S. 107–108) Der Text von Beilage XV fußt auf der Vorderseite von Bl. 7 aus dem Konvolut K I 12 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts siehe oben, S. 459 f.). Die mit Blaust. und Tinte unterstr. Überschrift Was ist das Identische der Aussage und der entsprechenden Vorstellung? ist vom Hrsg. als Titel der Beilage übernommen worden. Das Bl. 7 ist mit Bleist. und Rotst. bearbeitet. Der mit Rotst. gestr. Text der Rückseite von Bl. 7, der aus anderem Zusammenhang stammt, wird in den Textkritischen Anmerkungen wiedergegeben. – Der Text von Beilage XV stammt wohl, wie die anderen Bl. aus dem Konvolut K I 12, aus den späten 90er Jahren des 19. Jahrhunderts.
textkritische anmerkungen
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107, 31 in ihr Einf. mit Bleist. || 107, 32–33 mit neuem objektivem Charakter V. für mit Setzung || 108, 25 nach Urteils). ist der auf der Rückseite des Bl. K I 12/7 stehende Text, der aus einem anderen Zusammenhang stammt, mit Rotst. gestr. Ausdruck. Sinngebender Akt. Inhalt oder Bedeutung – Gegenstand. Gelegenheitliche Ausdrücke, ihr Unterschied von den äquivoken Ausdrücken. Begriffliche Bedeutungen – anschauliche Bedeutungen. Die Unterschiede der festen und gelegenheitlichen, der univoken und äqivoken Ausdrücke. Begriffliche Bedeutungen und anschauliche Bedeutungen. Erg. mit Bleist. Hat jeder Akt einen Inhalt, der als Bedeutung fungieren kann? Die wesentlichen Unterscheidungen. Der Sinn der Aussage: „S ist P“, „Gott hilft“, „4 ist eine gerade Zahl“. Im Urteil erscheint ein Sachverhalt: In der Wahrheit ist er selbst gegeben. Die dem Urteil zugrunde liegenden Vorstellungen: „S, P“, „Gott, der Helfende“. Vorstellung des ganzen Sachverhalts „Gott hilft“. Die kann auch ein Anderer haben. Das subjektive Urteil. Der Andere stellt „dasselbe“ vor, was ich urteile, den Urteilsinhalt. Dieser ist auch in meinem Urteil das, was gesetzt ist. Da hätten wir also eine Vorstellung und ein Urteil desselben „Inhalts“. Vorstellung, dass 2 × 2 4 ist. Urteil, dass 2 × 2 4 ist: „2 × 2 ist 4“. Vorgestellt ist der Sachverhalt. Geurteilt ist der Sachverhalt. Beiderseits aufgrund desselben Inhalts. Was ist nun wahr? Das Urteil? Oder der Inhalt? Soll ich sagen: Der Inhalt ist wahr, das Urteil gilt? Es ist ein Urteil, dessen Inhalt wahr ist. Die Vorstellung ist eine adäquate, richtige. Ihr Inhalt ist wahr. Oder: Das Urteil ist wahr. Die Vorstellung ist richtig, sofern sie ein wahres Urteil begründet. Dass 2 × 2 4 ist, ist. Der Sachverhalt besteht. „Der Kaiser ist verreist“. Urteilen beide dasselbe, so haben beide dasselbe Urteil. Beide glauben an die Existenz des Kaisers, aber nicht an das Verreisen. Der Inhalt ist derselbe; dazu die eine Setzung. Nicht aber die ganzen Urteile. Inhalte. „Der Kaiser von Frankreich“. Ich glaube nicht an seine Existenz. Aber ich stelle vor: D er i st . Der vorgestellte Inhalt enthält eine Setzung? Nicht eine Setzung, aber einen vorgestellten Satz. „2 × 2 ist 5“, der Sat z, dass 2 × 2 5 ist. Vorstellung und Satz. Wenn ich über Inhalte spreche, so habe ich Vorstellungen von ihnen und Urteile über sie. Die Inhalte zerfallen in solche, welche Sätze zu Gegenständen haben, und solche, welche nicht. Sokrates. Der Sinn des Wortes: die Vorstellung Sokrates. Der Gegenstand: Sokrates. || 108, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist.
Beilage XVI (S. 108–110) Der Text von Beilage XVI fußt auf Bl. 8 aus dem Konvolut K I 12 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts siehe oben, S. 459 f.). Das Bl. 8 ist nur leicht mit Blaust. und Rotst. bearbeitet. Der Rd.-Titel Vorstellung
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textkritische anmerkungen
als Grundlage aller psychischen Phänomene, den der Hrsg. in den Titel der Beilage übernommen hat, ist mit Grünst. geschr. – Der Text von Beilage XVI stammt wohl, wie die anderen Bl. aus dem Konvolut K I 12, aus den späten 90er Jahren des 19. Jahrhunderts. 108, 27–29 Vorstellung als Grundlage aller psychischen Phänomene Titel oben am Rd. mit Blaust. || 110, 2 abwärts gerichteter Blaust.-Pfeil am Rd.
Beilage XVII (S. 110–112) Der Text von Beilage XVII fußt auf Bl. 10 aus dem Konvolut K I 12 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts siehe oben, S. 459 f.). An den oberen Rd. der Vorderseite von Bl. 10 hat Husserl mit Blaust. geschr. Falsch Der Text der Rückseite ist später mit Blaust. gestr. worden. – Das Bl. ist in der Hauptsache mit Bleist. bearbeitet; einzelne Unterstr. sind mit Blaust. und Rotst. ausgeführt. Die Niederschrift des Textes des Bl. ist wohl, wie bei den anderen Bl. aus dem Konvolut K I 12, auf die späten 90er Jahre des 19. Jahrhunderts zu datieren. 110, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Blaust. || 111, 21–22 statt wenn als „Urteil“ im Ms. wenn unter „Urteil“ || 111, 27 nach irgendwelche Setzung gestr. selbst mit zu den vorgestellten Momenten gehört || 111, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 111, Anm. 2 später gestr. = mit Blaust. gestr. || 111, Anm. 3 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 112, 14 Fragezeichen und Ausrufezeichen mit Bleist. am Rd. || 112, 15 im Ms. doppeltes Ausrufezeichen nach vorhanden || 112, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist., statt runde Kl. Im Ms. eckige Kl. || 112, Anm. 3 später gestr. = mit Rotst. gestr.
Beilage XVIII (S. 112–113) Der Text von Beilage XVIII fußt auf Bl. 11 aus dem Konvolut K I 12 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts siehe oben, S. 459 f.). Das Bl. 11 ist nur einseitig beschrieben und in der Hauptsache mit Bleist. bearbeitet; eine einzelne Unterstr. mit Blaust. findet sich zu Beginn des Textes. – Der Text von Beilage XVIII stammt wohl, wie die anderen Bl. aus dem Konvolut K I 12, aus den späten 90er Jahren des 19. Jahrhunderts. 112, Anm. 5 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 112, Anm. 6 spätere Erg. = Erg. mit Bleist. || 113, 6 am Rd. mit Bleist. doppelt angestr. || 113, 19 nach dem V. für den || 113, 19 statt nach dem Sachverhalt im Ms. den Sachverhalt
textkritische anmerkungen
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Beilage XIX (S. 113–115) Der Text von Beilage XIX fußt auf Bl. 12 aus dem Konvolut K I 12 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts siehe oben, S. 459 f.). Das Bl. 12 ist mit Bleist., Blaust. und Rotst. bearbeitet. Der Hrsg. hat den Rd.-Titel auf der Vorderseite von Bl. 12 Urteil: Erscheinung, dass es so ist. Vorstellung des Sachverhalts ist nicht gleich Vorstellung des Urteils als Titel der Beilage übernommen. Husserls Rb. mit Blaust. auf Bl. 12a Durchaus richtig, vidi 1910 weist darauf hin, dass er dieses Bl., wie vermutlich auch andere Bl. aus dem Konvolut K I 12 (vgl. die Textbeschreibungen zu Beilage XX u. XXI), im Jahr 1910 noch einmal gelesen und bei dieser Gelegenheit bearbeitet hat. – Der Text der Beilage stammt wohl, wie die anderen Bl. aus dem Konvolut K I 12, aus den späten 90er Jahren des 19. Jahrhunderts. Diese Datierung legt auch die Bezugnahme Husserls auf die Eisenbahn über die Anden nahe; eine Eisenbahnstrecke, deren Bau Ende des 19. Jahrhunderts konkrete Gestalt annahm. 113, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Blaust. || 113, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist.
Beilage XX (S. 115–116) Der Text von Beilage XX fußt auf Bl. 13 aus dem Konvolut K I 12 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts siehe oben, S. 459 f.). Der Rd.-Titel auf der Vorderseite von Bl. 13 Dass-Sätze als Subjektbedeutungen wurde vom Hrsg. als Titel der Beilage übernommen. Die Rb. mit Bleist. auf der Rückseite des Bl. Richtig 1910 weist darauf hin, dass Husserl dieses Bl. 1910 gelesen und bei dieser Gelegenheit wohl auch bearbeitet hat (vgl. die Textbeschreibungen zu Beilage XIX u. XXI). – Das Bl. 13 ist nur leicht mit Bleist. bearbeitet; Unterstr. sind mit Bleist., Blaust. und Rotst. ausgeführt. Der Text von Beilage XX stammt wohl, wie die anderen Bl. aus dem Konvolut K I 12, aus den späten 90er Jahren des 19. Jahrhunderts. 115, 18 statt eine Möglichkeit ist im Ms. ist eine Möglichkeit im Ms. || 116, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 116, Anm. 2 später eingef. = mit Bleist. eingef.
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textkritische anmerkungen Beilage XXI (S. 116–118)
Der Text von Beilage XXI fußt auf Bl. 26 aus dem Konvolut K I 12 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts siehe oben, S. 459 f.). Das Bl. 26 ist unwesentlich größer als Normalformat und von etwas dickerer Papiersorte. Der Hrsg. hat die mit Blaust. unterstr. Überschrift auf der Vorderseite von Bl. 26 Sachverhalt und Wahrheit als Titel der Beilage übernommen. Die mit Blaust. geschr. Rb. Richtig stammt wahrscheinlich aus dem Jahr 1910, als Husserl dieses und andere Bl. aus dem Konvolut K I 12 erneut gelesen hat (vgl. die Textbeschreibungen zu Beilage XIX u. XX). – Das Bl. 26 ist nur leicht mit Blaust. und Rotst. bearbeitet. Es stammt wohl, wie die anderen Bl. aus dem Konvolut K I 12, aus den späten 90er Jahren des 19. Jahrhunderts. 116, Anm. 3 spätere Rb. = Rb. mit Blaust. || 117, 12 vor Die Vorstellung gestr. Materien für die weiteren Unterschiede synkategorematischer Bedeutungen. Attribut-Bedeutungen und Prädikat-Bedeutungen. Relationsbedeutungen. Logische Form und eines von beiden etc. || 117, 19 1) Einf. mit Rotst. || 117, 22 2) Einf. mit Rotst. || 117, 26 3) Einf. mit Rotst. || 117, Anm. 1 spätere Erg. = Erg. mit Blaust.
Beilage XXII (S. 118–120) Der Text von Beilage XXII fußt auf Bl. 27 aus dem Konvolut K I 12 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts siehe oben, S. 459 f.). Das Bl. 27 ist vor allem mit Bleist. bearbeitet; Unterstr. sind mit Blaust. ausgeführt. Der Text dieser Beilage stammt wohl, wie die anderen Bl. aus dem Konvolut K I 12, aus den späten 90er Jahren des 19. Jahrhunderts. 118, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 118, Anm. 3 Anm. des Hrsg. || 118, Anm. 4 spätere Erg. = Erg. mit Bleist. || 118, Anm. 5 spätere Erg. = Erg. mit Bleist. || 119, 7–8 = richtig Erg., im Ms. ohne Kl. || 119, 12 nach Wahrheiten. gestr. Nennen wir Sätze, welchen Wahrheit entspricht, selbst Wahrheiten, so können wir sagen: || 119, 35 statt des Satzes im Ms. des Sachverhalts
Text Nr. 5 (S. 121–126) Text Nr. 5 fußt auf den Bl. 59–62 aus dem Konvolut A I 16 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts vgl. Husserliana XX/2, S. 484 f.). Die Bl. liegen zusammen mit anderen Bl., die ebenfalls urteilstheoretischen Themen
textkritische anmerkungen
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gewidmet sind, in einem Binnenumschlag (Bl. 56 u. 111). Die Überschrift auf der Vorderseite von Bl. 59 Was ist das Wesen der „Urteilstheorie“, die wir zugrunde legen müssen? ist vom Hrsg. als Titel von Text Nr. 5 übernommen worden. Die nach der Archivzählung mit 59a u. 60b bezeichneten Seiten sind die Hälften eines gefalteten Bl. im Folioformat, das auf den beiden Hälften der jetzigen Rückseite (59b bzw. 60a) einen kurrentschriftlich geschr. und mit Bleist. gestr. Text aus anderem Zusammenhang trägt (der Text dieser gestr. Seite wird unten in den Textkritischen Anmerkungen wiedergegeben). Das Bl. 59a trägt die Rb. mit Bleist. Lesenswert! 1910! Und darunter die Datierung mit Bleist. Vor den Logischen Untersuchungen, spätestens 1898. Es ist mit Rotst. mit I paginiert, das Bl. 61 trägt auf der Vorderseite mit Rotst. die Paginierung II, das Bl. 62 trägt keine Paginierung von Husserls Hand. – Die Text Nr. 5 zugrunde liegenden Bl. sind mit Bleist. geschr. und nur leicht mit Bleist. und Rotst. (Unterstr.) bearbeitet. Husserls eben genannte Bemerkung auf Bl. 59a ist so zu verstehen, dass er die als Text Nr. 5 veröffentlichten Bl. spätestens 1898 geschr. und im Jahr 1910 wieder gelesen hat. 121, Anm. 1 Rb. mit Bleist. || 121, Anm. 2 spätere Einf. = Einf. mit Rotst. || 122, 11–12 nach Prädikation von M auf der Rückseite des mit A I 16/59b und A I 16/60a nummerierten Bl. (im Folioformat) folgender kurrentschriftlich gschr. und mit Bleist. gestr. Text aus anderem Zusammenhang Ebenso will ich im Wunschsatz meinen Wunsch, also die Tatsache, dass ich dies wünsche, im Fragesatz die Frage, also die Tatsache, dass ich dies zu wissen verlange usw., zum Ausdruck oder zur Mitteilung bringen. Wer also könnte leugnen, dass all diese Satzformen bloß spezielle Abwandlungen von Aussagen sind und demgemäß ihren vollangemessenen Ausdruck in den normalen Aussagen finden: „Ich wünsche, dass …“, „Ich frage (verlange zu wissen), ob …“ usw.? Wie einleuchtend diese Überlegung auch erscheint, als zutreffend können wir sie nicht gelten lassen. Ihren Fehler klarzulegen, müssen wir neben der Unterscheidung zwischen Setzung und Urteil noch eine weitere Unterscheidung berücksichtigen. Im Wunschsatz gebe ich, wie in jedem Ausdruck etwas kund. Aber nicht bloß in dem weiteren Sinn, der manche Apperzeption in sich fasst, welche ohne den Vorzug spezieller Zuwendung bleibt. Im Wunschsatz drücke ich ja etwas aus; die Tatsache, dass ich den Wunsch hege, will ich dem anderen mitteilen und nicht bloß nebenbei merklich machen. Sie muss somit zu spezieller Hervorhebung kommen. Obwohl wir also den Wunschsatz als klar kundgegeben bezeichnen, unterscheiden wir auch bei ihm zwischen dem, was er ausdrückt, und dem, was er etwa „bloß“ kundgibt, nämlich ohne es auszudrücken. Darin liegt natürlich kein Widerstreit. Denn hier handelt es sich nach unserer Auffassung um eine Unterscheidung innerhalb der Kundgabe: das im Wunschsatz Ausgedrückte ist selbst ein Kundgegebe-
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textkritische anmerkungen
nes, während es im Aussagesatz ein Ausgesagtes ist. In allen Ausdrücken ist eben etwas ausgedrückt und dieses ist ihr Sinn; sie zerfallen aber in zwei wesentlich unterschiedene Klassen, sofern der ausgedrückte Sinn entweder in konkreten psychischen Erlebnissen der Kundgabe besteht, oder in idealen Aussageinhalten bzw. Teilen von solchen. Der im Wunschsatz ausgedrückte Sinn ist, wie schon zugestanden, die Tatsache meines lebendigen Wünschens. Der Angeredete versteht mich, wenn er mich als Träger dieses Wunsches apperzipiert. Damit diese Leistung möglich ist, genügt es nicht, dass ich nur überhaupt wünsche; ich muss wahrnehmend auf den Wunsch hinblicken, ihn mitsamt seinem Ziel (dem gewünschten Sachverhalt) begrifflich und wörtlich fassen und so den Wunschsatz herstellen, dessen spezifische Form die begriffliche Ausprägung des Wunsches als solchen ist, während sein Inhalt, das, was gewünscht ist, zu begrifflicher Fassung bringt. || 122, 19 statt universe im Ms. university || 124, 21 Rb. mit Rotst. Vgl. Beiblatt oder alternative Lesart Vgl. Beiblätter. Es ist unklar, welches „Beiblatt“ oder „Beiblätter“ Husserl hier meint. || 124, 28 nach Ausdruck. gestr. Oder sollen wir sagen: Indem ich ein Erlebnis, etwa eine Wahrnehmung, ausdrücke, muss ich ein Zeichen und eine Zeichenvorstellung haben, die sich auf die Wahrnehmungserscheinung bezieht, und diese muss mit dem Seinscharakter behaftet sein; und wenn ich eine Verwerfung ausdrücke, so muss die Verwerfung als solche doch gesetzt werden, damit ich sie ausdrücken kann. Jede Aussage, jeder geschlossene Ausdruck stellt also das, was er ausdrückt, als seiend hin. || 124, 31–34 mit Rotst. am Rd. angestr. || 125, 3 statt oder im Ms. und || 125, 31–38 mit Blaust. am Rd. angestr., aufgrund des Schriftbildes möglicherweise etwas später hinzugefügt || 125, 33–34 vor Der Urteilscharakter eckige Bleist.-Kl. || 126, 6 statt dem im Ms. denen
Text Nr. 6 (S. 127–133) Text Nr. 6 fußt auf den Bl. 68–72 aus dem Konvolut A I 16 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts vgl. Husserliana XX/2, S. 484 f.). Die Bl. liegen zusammen mit anderen Bl., die ebenfalls urteilstheoretischen Themen gewidmet sind, in einem Binnenumschlag (Bl. 56 u. 111). Die Bl. 68 u. 69 sind mit Rotst. mit I u. II paginiert. Bei den nach der Archivzählung mit 70a u. 71b bezeichneten Seiten handelt es sich um die Hälften eines gefalteten Bl. im Folioformat, das auf der jetzigen Rückseite (Bl. 70b bzw. 71a) einen kurrentschriftlich geschr. und mit Bleist. gestr. Text aus anderem Zusammenhang trägt (der gestr. Text wird unten in den Textkritischen Anmerkungen wiedergegeben). Das Bl. 70 trägt mit Bleist. die Paginierung III; das Bl. 72 trägt mit Bleist. die Paginierung IV. Edith Stein hat diese von I bis IV paginierten Bl. in ihr
textkritische anmerkungen
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mit Negatives Urteil tituliertes Inhaltsverzeichnis aufgenommen (vgl. dazu oben, S. 446 f.). Es konnte nicht ermittelt werden, auf welche Ausarbeitung sich Husserl bezieht, von der er auf Bl. 70a spricht (hier = S. 130,28 f. u. S. 131,6). – Die Bl. sind leicht mit Tinte, Bleist., Blaust. und Rotst. bearbeitet. Auf der Vorderseite von Bl. 68 und auf der Vorderseite von Bl. 69 hat Husserl als Datierung den 4.6.1899 angegeben. 127, 4 Rd.-Titel von Edith Stein Negation als Bestandteil der Urteilsmaterie im Gegensatz zum Urteilsakt als Bestandteil der (allgemeinen) Form im Gegensatz zur (variablen) Materie || 127, 5 Rd.-Titel mit Rotst. Materie || 127, Anm. 1 Rb. || 127, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Rotst. || 128, 3 statt ihn im Ms. es || 128, 7 statt Bildgegenständlichkeit streiten im Ms. Bildgegenständlichkeit streitet || 128, Anm. 1 Rb., im im Ms. zweimal geschr. || 129, 7 Rd.-Titel mit Bleist. Charakter der Richtigkeit || 129, 11 Rd.-Titel mit Bleist. Charakter der Nichtigkeit || 129, 13 Datum oben am Rd. 4.6.1899 || 129, 14–21 Nota bene. Rb. mit Rotst., dreimal mit Rotst. unterstr. || 129, 22–24 von Prädizieren bis gehört mit Blaust. am Rd. angestr. || 131, 4 statt auflegt im Ms. auflege || 131, 7 statt von im Ms. zwischen || 131, 23 nach zu bedenken). auf der Rückseite des mit A I 16/70b und A I 16/71a nummerierten Bl. steht folgender mit Bleist. gestr. kurrentschriftlicher Text aus anderem Zusammenhang Unter intentionalem Inhalt kann nach dem Bisherigen Doppeltes verstanden werden: 1) der intentionale Gegenstand, 2) die Bedeutung des betreffenden Erlebnisses. Die Frage nach dem Inhalt eines Urteils, etwa „Die Wale sind Säugetiere“, oder nach dem, was in diesem Urteil geurteilt sei, kann gerichtet sein auf das Gegenständliche, also auf den seienden Sachverhalt, oder auf die Bedeutung, d. i. das Urteil in specie (den Satz) „Die Wale sind Säugetiere“. Es kann aber auch drittens unter Urteilsinhalt etwas anderes gemeint sein, welches wir, analog wie in den früheren Fällen, durch eine gewisse Reihe von Identitäten bzw. Unterschieden aufweisen. Während wir in Interesse der beiden ersten Unterscheidungen auf die Fälle hinblicken hinblicken V. mit Bleist. für hinweisen, wo mit Bleist. gestr. bald der gegenständliche Gehalt identisch war, während der Bedeutungsgehalt teils teils Einf. mit Bleist. differierte und bald (der Bedeutungsgehalt) Kl. mit Bleist. identisch war (während sich im Gegenständlichen ein Wechsel zeigte) Kl. mit Bleist., handelt es sich jetzt um Identitäten des „Inhalts“, welche diese beiden Gruppen von Fällen durchsetzen, derart nämlich, dass bei den ersteren noch ein Identisches möglich ist, das nicht als Identität der intendierten intendierten Einf. Gegenständlichkeit und im zweiten Fall ein Identisches, das nicht als Identität der Bedeutungsintentionen in Anspruch zu nehmen ist. Wir sagen nämlich allgemein, derselbe Inhalt könne Inhalt einer Vorstellung, einer Frage, eines Zweifels, einer Vermutung, eines Urteils, eines Wunsches sein
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textkritische anmerkungen
usw. Wer sich vorstellt, es gebe am Mars intelligente Wesen, stellt dasselbe vor wie derjenige, der fragt: „Gibt es am Mars intelligente Wesen?“. Wieder wie derjenige, der „dasselbe“ für möglich, wahrscheinlich, zweifelhaft, wirklich, wünschenswert hält und dgl., mag er dies übrigens in den normalen Redeformen oder überhaupt ausdrücken oder nicht. Was ist nun unter Inhalt (der Vorstellung, der Frage, des Zweifels usw.) in diesem Sinne zu verstehen? Offenbar ist das Gegenständliche der wechselnden Intention überall dasselbe, das Bedeutungsmäßige das Bedeutungsmäßige V. mit Bleist. für die Bedeutung im Ms. ist die versehentlich nicht geändert, als Wesen oder Form der Intention, überall verschieden. am Rd. ein Markierungszeichen mit Bleist. Aber mit dieser Bemerkung langen wir nicht aus. Man versteht leicht, dass der Bestand eines Identischen der Gegenständlichkeit notwendig hinweist auf ein Identisches Identisches zum Teil verdeckt durch ein aufklebtes Papier im Akt bzw. in der Bedeutungsintention, wie wie verdeckt durch ein aufklebtes Papier folgende Übelegung deutlich macht. Allgemein zu reden, ist der Gegenstand – gleichgültig in welchem Sinn und mit welchem Recht von seiner Existenz gesprochen werden mag, also also zunächst gestr. und dann die Streichung wieder rückgängig gemacht auch gleichgültig, ob er wahrhaft ist oder nicht ist, ob er real oder ideal ist, ob er möglich oder unmöglich ist usw. von ob er real bis ist usw. Einf., dannach gestr. individuell oder sprezifisch, generell usw. – dem Akt transzendent. Im eigentlichen Sinn (dem reeller Bestandstücke) ist, wie wir schon ausführten, || 131, 24 abwärts gerichteter Rotst.-Pfeil am Rd. || 131, Anm. 1 spätere Erg. = Erg. mit Rotst. || 133, Anm. 1 = Rb. mit Bleist.
Text Nr. 7 (S. 134–139) Text Nr. 7 fußt auf den Bl. 87 u. 88 sowie den Bl. 91 u. 92 aus dem Konvolut A I 16 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts vgl. Husserliana XX/2, S. 484 f.). Die Bl. liegen mit anderen Bl. zusammen, die ebenfalls urteilstheoretischen Themen gewidmet sind, in einem Binnenumschlag (Bl. 56 u. 111). Es handelt sich um zwei, jeweils gefaltete großformatige Bl. (Format jeweils ca. 29 × 22,5 cm). Bei den nach der Archivzählung mit 87a u. 88b bezeichneten und von Husserl beschr. Bl.-Hälften handelt es sich um die Rückseite einer Drucksache (Leinen-, Wäsche-Ausstattungs-Geschäft aus Halle a. S. gegründet 1881, zu datieren laut Angabe nach nicht mehr vorhandenem Poststempel), die nach der Archivzählung mit 88a bezeichnet ist. Auf der Blatthälfte 87a hat Husserl am Rd. die Datierung 20/4 1899 angegeben. Zusätzlich ist am oberen Rd. mit Rotst. vermerkt Resultat und mit Bleist. und mit Rotst. nachgezeichnet Extrakt aus Msc. P (ein Ms. mit der Signatur P konnte in Husserls Nachlass
textkritische anmerkungen
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nicht identifiziert werden; vgl. den Hinweis P 78 ff. auf dem Umschlagsbl. 2a aus dem Konvolut A I 10 und auf Bl. 1a aus dem Konvolut A I 9). Das zweite großformatige und ebenfalls gefaltete Bl. (Archivzählung 91 u. 92) ist doppelseitig beschrieben. – Die Bl. sind nur mäßig mit Bleist. und Rotst. bearbeitet; vereinzelte Unterstr. sind mit Tinte, Blaust. u. Rotst. ausgeführt. Die Datierung erfolgt aufgrund von Husserls eigener Angabe auf der Vorderseite von Bl. 87 auf den 20.4.1899. 134, 4 Notiz mit Bleist. und Rotst. Extrakt aus Manuskript P. Es konnte nicht geklärt werden, auf welches Manuskript sich Husserl mit der Signatur P bezieht. || 134, 4 Rb. mit Rotst. Resultat || 134, Anm. 1 Rb. auf dem Bl. 87a aus dem Konvolut A I 16. || 134, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 134, Anm. 3 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 135, Anm. 1 spätere Erg. = Erg. mit Bleist. || 135, Anm. 2 spätere Rb.= Rb. mit Bleist. || 135, Anm. 3 spätere Erg. = Erg. mit Bleist. || 136, 11 statt wie im im Ms. wie z. B. im || 137, Anm. 1 spätere Erg. = Erg. mit Bleist. || 137, Anm. 2 spätere Erg. = Erg. mit Bleist. || 137, Anm. 3 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 137, Anm. 4 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 138, Anm. 1 Rb. = Rb. mit Bleist.; im Ms. in Bleist.-Kl. || 138, Anm. 2 spätere Einf. = Einf. mit Bleist.; im Ms. in Bleist.-Kl. || 139, Anm. 1 spätere Einf. = Einf. mit Bleist.
Text Nr. 8 (S. 141–162) Text Nr. 8 fußt auf den Bl. 97–108 aus dem Konvolut A VI 12 III (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts vgl. Husserliana XXIII, S. 692, Husserliana XXVI, S. 254 und Husserliana XXXVIII, S. 500 f.) und auf dem Bl. 18 aus dem Konvolut A I 11 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts vgl. Husserliana XXVI, S. 263 und Husserliana XXXVIII, S. 499 f.). Diese Bl. gehören zu der von Edith Stein für die Textsammlung zur Urteilstheorie ausgewählten Mss. (vgl. dazu oben, S. 416 ff.). Sie sind von ihr mit Bleist. von 121–133 paginiert worden, und zwar die Bl. 97–107 aus dem Konvolut A VI 12 III von 121–131, das Bl. 18 aus dem Konvolut A I 11 mit Bleist. als 132, das Bl. 108 aus dem Konvolut A VI 12 III mit Bleist. als 133 (zur genauen Entsprechung zwischen Archivzählung und der Paginierung der U-Blätter durch Edith Stein siehe die Tabelle oben, S. 418 ff.). Die Seitenzahlen der aus dem Konvolut A VI 12 III stammenden Bl. sind mit Rotst. durchgestr. worden. Ein Zeichen, das wahrscheinlich von Husserls Assistenten Ludwig Landgrebe stammt, der damit auszuschaltende Bl. markiert hat, also jene Bl., die er nicht für eines der Projekte verwenden wollte, an denen er im Auftrag Husserls arbeitete. Dagegen sind die Seitenzahlen der Bl., die von Landgrebe ausgewählt wurden,
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textkritische anmerkungen
meist mit Rotst. umrandet (vgl. die entsprechende Notiz Landgrebes auf dem Bl. A I 17 I/1 u. 11 und die Erläuterungen des Hrsg. von Husserliana XX/2, S. 489). Landgrebe bzw. Husserl haben sich demnach etwa um 1925 mit diesen Mss. beschäftigt. Die am Rd. der Vorderseite von Bl. 101, das die Stein’sche Paginierung 125 trägt, zu findende Notiz Husserls mit Blaust. von hier an ist wahrscheinlich als Bearbeitungshinweis für Landgrebe gedacht. Auf dem mit 121 paginierten Bl. (A VI 12 III/97a) hat Husserl am Rd. mit Bleist. notiert 121–133 lesen das Wort lesen ist nachträglich mit Bleist. wieder gestr. worden, darunter hat Husserl eine Null gesetzt, wohl als Zeichen, dass er mit dem Inhalt des Textes nicht mehr zufrieden war. Darauf beziehen sich wahrscheinlich auch die ebenfalls am Rd. von Bl. 97 notierten Bemerkungen mit Bleist. von 125 an? und darunter mit Bleist. die ersten Blätter sind nichts Wesentliches. Nullen befinden sich auch am Rd. der Bl. 98a, 99a, 108b. Daneben finden sich aber auch positive Bewertungen (wie Gut) auf den Bl. 105b u. 106b bzw. Nota bene mit Bleist. auf dem Bl. 101b. – Es konnte nicht geklärt werden, auf welche Mss. sich Husserl mit seiner Rb. mit Bleist. Über diese Fragen habe ich ja lange und breit gehandelt in II auf der Vorderseite von Bl. 101 bezieht. – Da Husserl die in dem nachfolgenden Text Nr. 9 veröffentlichten Bl. ausdrücklich als Zweite Serie bezeichnet und sich entsprechend in Text Nr. 8 auf die Bl. von Text Nr. 9 mit der Bezeichnung nächste Serie bezieht (A VI 12 III/106b, hier = S. 157 Anm. 4), hat der Hrsg. die Bezeichnungen Erste Serie bzw. Zweite Serie für die Titulierung von Text Nr. 8 bzw. Text Nr. 9 übernommen (vgl. ergänzend auch die Beschreibungen zu Text Nr. 9). – Die hier als Text Nr. 8 veröffentlichten Bl. sind teilweise stark mit Tinte, Bleist., Blaust. und Rotst. bearbeitet. Einige der mit Bleist. geschr. Rb. Husserls sind wahrscheinlich zur Verdeutlichung und wohl von anderer Hand mit Bleist. noch einmal nachgezeichnet worden. Der Hrsg. datiert Text Nr. 8 etwa auf das Jahr 1910. 141, 10 Rd.-Titel von Edith Stein Setzen des Sachverhalts und Setzen des Urteils darunter Notiz von Edith Stein mit Bleist. Vgl. 123, 128. darunter, wohl von Husserl, Rb. mit Bleist. 121–131 danach gestr. lesen || 141, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 142, 20 Rd.-Titel von Edith Stein Aussagen über das erscheinende Was und Ausdruck des Setzungscharakters darunter Notiz von Edith Stein mit Bleist. Vgl. 6, 12, 54, 107, 117, 168, 202. || 142, 32–33 statt dabei aber auch in das Wahrnehmen phantasiemäßig im Ms. aber auch in das Wahrnehmen phantasiemäßig dabei || 143, 7–8 eine Null mit Bleist. am Rd. || 143, 32 nach kann ich steht auf der Rückseite des Bl. A VI 12 III/98 folgender Text, der mit Blaust. gestr. ist S ist P! Das ist gemeint, das ist eingesehen oder das ist gesetzt. Und ich kann sagen: das, dieser „Sachverhalt“ (aber auch „dieser Satz“: aber dann wende ich mich anders) statt runden Kl. im Ms. eckige Kl.; das in Bleist.-Kl. Stehende ist eine V. mit Bleist. für dieser Satz.
textkritische anmerkungen
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Sowie ich vorstellend sagen kann „Das ist vorgestellt, ist gesehen, ist erinnert, das ist ein Haus, das hat die und die Beschaffenheiten“ (das genommen, so wie es in der Vorstellung Vorgestelltes ist, das Vorgestellte als solches) statt runde Kl. im Ms. eckige Bleist.-Kl.. Urteilsweise: In der Vorstellung lebend, urteile ich in einer Weise, die ich nenne „über das Vorgestellte urteilen“, z. B. „Dies ist ein Zentaur“ ein Zentaur Einf. mit Bleist.. Ich mache nur die Vorstellung zur Grundlage einer Prädikation, zunächst einer nominalen Setzung. Ebenso: Ich urteile „S ist P!“. Ich kann darauf eine Urteilsweise gründen, welche daranschließend aussagt „Dies, dieser Sachverhalt, hat das und das zur Folge“ etc. Er hat das und das Subjekt, das Prädikat, er statt er im Ms. sie ist ein relationeller, ein realer Sachverhalt etc. Das Urteil kann in dieser Weise zur Grundlage neuer Urteile gemacht, zunächst zur Grundlage nominaler Vorstellungen gebraucht werden. Das ist äquivalent mit dem Ausspruch: Das Urteil setzt einen Sachverhalt, einen gewissen näher zu beschreibenden. So wie ich nun das Wahrgenommene beschreiben und darüber in Wahrheit aussagen kann „aufgrund der Wahrnehmung“, und so wie nun diese Beschreibungen ihren Wert, ihre Wahrheit behalten können, auch wenn die Wahrnehmung sich als Illusion herausstellt, genauso kann ich über das Geurteilte in Wahrheit urteilen, auch wenn sich herausstellt, dass das Urteil falsch ist. Und so wie auf der einen Seite das Wahrgenommene (in gewissem Sinn verstanden) das Subjekt der wahren Aussage ist „Das Wahrgenommene existiert oder existiert nicht (der ‚Gegenstand‘ existiert)“, so auf der anderen Seite: „Der Sachverhalt besteht oder besteht nicht“. Bis hier ist alles absolut richtig. || 143, Anm. 1 Rb. || 143, Anm. 2 spätere Rb.= Rb. mit Bleist. || 144, 10 Rd.-Titel von Edith Stein Einstellung auf den Sachverhalt und Einstellung auf den Urteilssinn (Satz) darunter Notiz von Edith Stein mit Bleist. Vgl. 121, 128, 279 ff. || 144, 28 zwei abwärts gerichtete Blaust.-Pfeile untereinander am Rd. || 144, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 145, Anm. 1 später gestr. = mit Blaust. gestr. || 145, Anm. 2 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 145, Anm. 3 Anm. x spätere Erg. = Erg. mit Bleist. || 146, 3 mit Blaust. am Rd. angestr. || 146, 4 Rd.-Titel von Edith Stein Annahme, Voraussetzung, bloßer Gedanke || 146, 24 Und dazu kommt V. mit Bleist. für Aber || 147, 7 oder unmöglich Erg. || 147, 8 entsprechende Einf. mit Bleist. || 147, 19 als Gegenstand V. für als Satz || 147, 19 doch nicht als seiend Setzen Erg. mit Bleist., ohne Kl. im Ms. || 147, Anm. 1 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 147, Anm. 2 spätere Erg. = Erg. mit Bleist. || 148, 11 Schwierigkeiten heraus? dazu die Rb. mit Bleist. Über diese Fragen habe ich ja lange und breit gehandelt in II. es konnte nicht geklärt werden, auf welche Mss. sich Husserl bezieht || 148, 12 a) Einf. mit Blaust. || 148, 12 und b) Einf. mit Blaust. || 148, Anm. 1 spätere V. = V. mit Bleist. || 148, Anm. 2 Rb. mit Blaust., dazu abwärts gerichteter Blaust.Pfeil am Rd. || 149, 6 abwärts gerichteter Blaust.-Pfeil am Rd. || 149, 7 abwärts
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textkritische anmerkungen
gerichteter Bleist.-Pfeil am Rd., daneben Rb. mit Bleist. Nota bene. || 149, 11–12 Wahrnehmen Erg., ohne Kl. im Ms. || 149, 17 Rd.-Titel mit Bleist. Das fingierte Urteil || 149, 21 Rd.-Titel mit Blaust. Hypothetische Sätze, Voraussetzung || 149, Anm. 1 Rb. mit Bleist., statt vom im Ms. von || 150, 15–17 von Ebenso, die bis gegenständlich bewusst, V. mit Bleist. für Ebenso die Voraussetzung als das Bedingende ist im hypothetischen Urteilen bewusst oder vielmehr gegenständlich bewusst, || 150, 21–23 von I. Niederes bis ihrem Sinn. Erg. am Rd. || 150, 23 nach „haben“ wir mit Bleist. gestr. eine Erscheinung, || 150, 23–28 geschweifte Kl. am Rd. || 150, 24 Dasein V. mit Bleist. für unleserliches Stenogramm || 150, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 150, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 150, Anm. 3 später gestr. = gestr. mit Bleist. || 150, Anm. 4 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 150, Anm. 5 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 150, Anm. 6 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 151, 3 einer Vielheit V. mit Bleist. für vielen || 151, 21–22 direkten Vorstellen als Subjektvorstellen V. für direkten Schauen || 151, Anm. 1 = Rb. || 152, 13 statt Phantasie (von im Ms. Phantasie von (von || 152, 16–17 Bewusstsein vom Vorstellen V. mit Bleist. für Bewusstsein von Vorstellen || 152, 26–27 wie wir unwillkürlich sagen Einf. mit Tinte und Bleist. || 153, 6 ausgedrückt V. für hingestellt || 153, 7 Rd.-Titel von Edith Stein Urteile über Urteile und Gedanken, über Sätze und Sachverhalte darunter von Edith Stein mit Bleist. Vgl. 121, 123. || 153, 13 (natürlich über Urteilsakt, über bloße Denkakte) Erg., im Ms. ohne Kl. || 153, 14–17 von Man kann bis nicht. mit Bleist. angestr. || 153, 19 statt oder im Ms. und || 153, 23 formale Einf., im Ms. ohne Kl. || 153, Anm. 1 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 154, 25 Satzinhalt? V. mit Bleist. für Satz? || 154, Anm. 1 spätere Einf. = Einf. mit Blaust. || 154, Anm. 2 Rb. mit Bleist. || 154, Anm. 3 spätere Erg. = Erg. mit Bleist. || 155, 19–20 statt vermeintem im Ms. vermeinter || 155, Anm. 1 später gestr. = mit Bleist. gestr. || 155, Anm. 2 = Rb. mit Bleist. || 155, Anm. 3 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 156, Anm. 1 später gestr. = mit Bleist. gestr. || 156, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 156, Anm. 3 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 157, 7–13 abwärts gerichteter Blaust.-Pfeil am Rd. || 157, 13–17 mit Rotst. am Rd. angestr. || 157, 15 das Gemeinte als solches Erg., im Ms. ohne Kl. || 157, Anm. 1 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 157, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 157, Anm. 3 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 157, Anm. 4 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 157, Anm. 5 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 157, Anm. 6 Rb. später gestr. = Rb. mit Bleist. gestr. || 158, 17–26 geschweifte Blaust.-Kl. am Rd. || 158, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 158, Anm. 2 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 158, Anm. 3 spätere Einf. = Einf. mit Bleist., statt Sachverhalten urteilsweise im Ms. Sachverhalten es urteilsweise || 159, 20 Aber dieses V. mit Tinte und Bleist. für ausradiertes und nicht mehr rekonstruierbares Stenogramm || 159, Anm. 1 Rb. || 159, Anm. 2 später gestr. = mit Blaust. gestr. || 160, 7 nach „gehabter“ gestr. und urteilsmäßig || 160, 10
textkritische anmerkungen
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Rd.-Titel mit Bleist. Existentialurteile || 160, 21 einsichtigen V. für wahren || 160, 31 Rd.-Titel mit Bleist. Der Satz als Gehalt des leeren Urteilens || 161, 11–12 Rd.-Titel von Edith Stein Universelle Urteile || 161, 26 statt Ein Mensch im Ms. Ein ein Mensch || 161, Anm. 1 später gestr. = mit Bleist. gestr., dazu eine Null mit Bleist. am Rd. || 162, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist.
Beilage XXIII (S. 162–167) Der Text von Beilage XXIII fußt auf den Bl. 26–29 aus dem Konvolut A I 10. – Das Konvolut A I 10 umfasst insgesamt 34 Bl., die in verschiedenen Binnenkonvoluten liegen. Ein Teil der Bl. dieses Konvoluts gehört zu der von Edith Stein im Auftrag Husserls zusammengestellten Sammlung von Texten zur Urteilstheorie (vgl. dazu oben, S. 416 ff.). Die Bl. liegen in einem großformatigen, gefalteten Umschlagsbl. (1 u. 34), das von einer auf den 20. Oktober 1908 datierten Todesanzeige (Friedrich Althoff) gebildet wird. Auf der Vorderseite von Bl. 1 befinden sich folgende Aufschriften Husserls: Etwa auf der Mitte des Umschlagsbl. (A I 10/1a) hat er notiert und mit Blaust.strichen am Rd. markiert Logik und Ontologie. Ist die apophantische Logik Bedeutungslehre oder ist sie Ontologie? Es handelt sich um eine Wiederholung dessen, was am oberen Rd. des Bl. mit Bleist. geschr. steht Logik und Ontologie. Ist apophantische Logik Bedeutungslehre oder ist sie Ontologie darunter mit Bleist. mit Bezug auf einige der im Konvolut A I 10 liegenden Bl. aus der Textzusammenstellung zur Urteilstheorie darin U 303–310, 284– 285, 289 – Von den angegebenen U-Blättern liegen allerdings nur noch die mit 303, 304, 306 paginierten Bl. im Konvolut A I 10 (A I 10/17, 18, 19). Auf der Rückseite von Bl. 19 hat Husserl mit Blaust. notiert 307–310 liegt bei analytische Urteile ganz am Schluss (bei den mit 307 u. 308 paginierten Bl. handelt es sich um die in der folgenden Beilage XXIV veröffentlichten Bl. A I 9/52 u. 53). Das im Konvolut A I 10 auf das Umschlagsbl. (1 u. 34) nachfolgende kleinformatige und gefaltete Bl. 2 u. 14 dient als Binnenumschlag und trägt auf der Vorderseite von Bl. 2 folgende Aufschriften mit Bleist. U 89– 97 ausscheiden, danach mit Bleist. geschr. und mit Bleist. wieder gestr. und für anderweitige Zusammenhänge zu benützen, obschon manch große Unklarheiten darin sind. Dazu P 78 ff. (Bl. mit der Signatur P und entsprechender Paginierung konnten in Husserls Nachlass nicht identifiziert werden; vgl. auch den Hinweis auf dieses Ms. auf Bl. A I 16/87a und den Hinweis oben, S. 472 f.). Bei den von 89–97 paginierten U-Blättern handelt es sich um die Bl. 5–13 aus dem Konvolut A I 10, die in vorliegender Edition in Text Nr. 9 veröffentlicht werden. Auf der anderen Hälfte des Umschlagsbl. (14b) steht ein nicht gestr. Satzfragment, das einen auf der Rückseite des Umschlagsbl. (2b bzw. 14a)
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textkritische anmerkungen
stehenden und mit Rotst. gestr. Text aus anderem Zusammenhang fortsetzt, der hier wiedergegeben wird immanentes Sein ist undurchstreichbar in der Gegebenheit. Transzendentes Sein durchstreichbar. Es ist undenkbar, dass der Strom des Bewusstseins mit seinen hyletischen Gegebenheiten, während er gegeben ist, nicht sei. Dagegen ist, wie immer transzendentes Sein gegeben ist, denkbar, dass es nicht sei. Soll man hier von Daseins-Notwendigkeit sprechen? Sie der Wesens-Notwendigkeit gegenüber stellen? Es drückt sich damit aus, es gibt Dasein, tatsächliches Sein, von dem evident ist, dass es ist; die Setzung des Immanenten als so und so gegeben ist unaufhebbar. Es ist unmöglich, dass das Immanente wahrnehmungsmäßig gegeben ist und doch nicht sei, während es sich umgekehrt verhält mit dem transzendenten Sein. Eine Wesensnotwendigkeit: Unverträglichkeiten, die sich auf Wesen beziehen. Ist etwas vom Wesen a, so ist es unmöglich, dass es im Ms. folgt nicht vom Wesen b sei oder dass es von dem mit a unverträglichen Wesen sei. Im Wesen verträgt sich im selben Gegenstand a und b nicht. Die Setzung a fordert die von b oder fordert nicht-b schlechthin. Dann schließt die Gegebenheit, Wahrnehmung von a, aus die Setzung von b, die Wahrnehmung von b etc. Daseinsnotwendigkeit – was soll das sagen? Ein Daseiendes ist da und ist unverträglich mit dem Urteil, dass das Gesetzte nicht sei. Im Fall der Wesensnotwendigkeit ist das Verhältnis objektiv und nicht ursprünglich auf das Bewusstsein bezogen, auf die Weise der Gegebenheit, und was die Gegebenheit als solche fordert. Die Datierung der hier als Beilage XXIII veröffentlichten Bl. 26–29 aus dem Konvolut A I 10 ist schwierig. Der größte Teil der Bl. dieses Konvoluts scheint etwa im Zeitraum 1907 bis 1908 geschrieben zu sein; das lässt sich zum einen aus der Datierung Husserls 23/X 1907 mit Blaust. auf der Vorderseite von Bl. 30 schließen. Zudem ist die als Umschlagsbl. für das Konvolut A I 10 verwendete Todesanzeige (Bl. 1a) auf den 20. Oktober 1908 datiert, und eine im Konvolut A I 10 liegende Universitäts-Drucksache (Bl. 32) trägt die Datierung 21. Oktober 1908. Der einleitende Satz des Bl. A I 10/17a Ich sagte in den Vorlesungen ist wohl als Bezugnahme auf die Vorlesung des Wintersemesters 1910/11 über „Logik als Theorie der Erkenntnis“ (zum Teil veröffentlicht in Husserliana XXX) zu verstehen. – Die hier als Beilage XXIII veröffentlichten Bl. 26–29 sind mit Blaust. von 1–4 paginiert. Sie sind mit Tinte leicht bearbeitet; vereinzelte Unterstr. und Markierungen sind mit Blaust. ausgeführt. Husserls Notiz auf der Vorderseite von Bl. 25 Halle und auf dem Bl. 26 (hier = S. 162,16– 163,23) die Rb. Halle sowie Abschrift (und Erweiterung wohl) eines alten Blattes aus der logisch-arithmetischen Zeit (auf Adlerpapier). Nota bene ist wohl so zu verstehen, dass er in diesem Fall Bl., die aus der Hallenser Zeit stammten (also aus der Zeit vor 1900), abgeschrieben und bearbeitet hat. Der Hrsg. nimmt an, dass dies im Jahr 1908 geschehen ist.
textkritische anmerkungen
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162, Anm. 2 Rb., Halle Erg. am Rd., Nota bene Erg. am Rd. || 163, 22–23 von „Gesetzt, es bestehen bis alle beiden“ Erg., im Ms. ohne Kl. || 164, 32 statt Ähnliches gibt im Ms. Ähnliches überhaupt gibt || 164, Anm. 1 Rb. || 165, 35 statt (phantasierte) Haus im Ms. (phantasierte Haus) || 166, 18 eben in uneigentlicher Redeweise gebrauchte im Ms. in runden Kl. || 166, Anm. 1 Rb. || 167, 3–4 d. i. auf möglicherweise gültige Prädikatbedeutungen bzw. Einf. || 167, 4 vor mögliche Prädikate versehentlich nicht gestr. und
Beilage XXIV (S. 168–175) Der Text von Beilage XXIV fußt auf den Bl. 17–19 aus dem Konvolut A I 10 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts siehe oben, S. 477 f.) und auf den Bl. 52–53 aus dem Konvolut A I 9 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts vgl. Husserliana XXVI, S. 250 u. Husserliana XX/2, S. 486). Die Bl. sind von Edith Stein in ihre Textsammlung zur Urteilstheorie aufgenommen worden (vgl. dazu oben, S. 416 ff.); die Bl. 17–19 aus dem Konvolut A I 10 tragen mit Bleist. die Paginierung von Edith Stein 303, 304, 306; eine ältere Paginierung von Husserl mit Bleist. ist nur noch auf Bl. 17a möglicherweise als 1 lesbar. Die Bl. 52 u. 53 aus dem Konvolut A I 9 setzen die Paginierung der UBlätter mit Bleist. mit 307 u. 308 fort. Ein möglicherweise ehemals existierendes Bl. mit der Paginierung 305 konnte in Husserls Nachlass nicht aufgefunden werden (zur Entsprechung zwischen Archivzählung und der Paginierung der U-Blätter durch Edith Stein siehe die Tabelle oben, S. 418 ff.). – Husserl hat den größten Teil der Rückseite des Bl. A I 10/19 mit Rotst. gestr., und diesen Text dann wortgetreu auf der Vorderseite von Bl. A I 9/51 abgeschrieben, worauf er dort auch mit einer Notiz mit Bleist. hinweist. Er hat die Abschrift wohl angefertigt, um den Textzusammenhang nicht völlig zu zerstören, als er Bl. entnahm, und zwar, wie er auf dem Bl. A I 10/19b mit Blaust. notiert hat, 307–310 liegt bei analytische Urteile ganz am Schluss (bei den mit 307 u. 308 paginierten Bl. handelt es sich um die in vorliegender Beilage XXIV veröffentlichten Bl. A I 9/52 u. 53). – Die der Beilage XXIV zugrunde liegenden Bl. sind vor allem mit Tinte, Bleist. u. Blaust. bearbeitet; einige Unterstr. sind mit Blaust. u. Rotst. ausgeführt. Direkte Datierungen sind nicht zu finden. Der einleitende Satz auf der Vorderseite von Bl. 17 aus dem Konvolut A I 10 Ich sagte in den Vorlesungen ist wohl als Bezugnahme auf die Vorlesung des Wintersemesters 1910/11 über „Logik als Theorie der Erkenntnis“ (zum Teil veröffentlicht in Husserliana XXX) zu verstehen. Der Hrsg. nimmt daher an, dass die Ausführungen der Beilage XXIV noch während oder kurz nach dem Wintersemester 1910/11 entstanden sind.
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textkritische anmerkungen
168, 4 Rd.-Titel von Edith Stein Korrelation von reiner Logik und allgemeiner Ontologie, reiner Grammatik und Formenlehre der kategorialen Gegenstände || 168, 24–26 geschweifte Kl., Rd.-Titel mit Blaust. Reine Grammatik und Formenlehre der Gegenstände || 168, Anm. 3 spätere Erg. = Erg. mit Bleist. || 168, Anm. 4 spätere Ergänzung = Erg. mit Bleist. || 168, Anm. 5 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 169, Anm. 1 Rb. || 169, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 169, Anm. 3 später mit einer Null am Rd. versehen = Null mit Bleist. am Rd. || 169, Anm. 4 Satz! spätere Erg. = Erg. mit Bleist. || 169, Anm. 5 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 169, Anm. 6 später gestr. = mit Blaust. gestr.; nach „gibt“ es innerhalb der Blaust.-Streichung mit Tinte gestr. und zwar entweder die Sortierung der Gegenstände nach den „realen“ Kategorien „Ding“, „Eigenschaft“, „Relation“, Unterscheidung zwischen selbständigen und unselbständigen Gegenständen, Dingen und Nichtdingen etc., oder auch Unterscheidungen rein apriorischer Art, nach Nichtsachverhalte etc.? innerhalb der Blaust.-Streichung mit Tinte gestr. Doch ist es fraglich, ob diese Gegenüberstellung radikal und natürlich ist. || 169, Anm. 7 Rb. || 170, 1 nach aus Gegenständen gestr. überhaupt neue Gegenstände zu bilden sind, oder || 170, Anm. 1 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 170, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 171, 3 Rd.-Titel von Edith Stein Logische und metaphysische Kategorien || 171, 12–14 am Rd. geschweifte Kl. || 171, 26 statt sind im Ms. ist || 171, Anm. 1 später gestr. = mit Rotst. gestr. || 171, Anm. 2 Rb. || 171, Anm. 3 spätere V. = V. mit Bleist. || 171, Anm. 4 spätere Rb. = Rb. mit Blaust. || 172, 23 Notiz am Rd. mit Bleist. von Edith Stein Vgl. 45, 143. danach Rd.-Titel von Edith Stein Stufen der Evidenz; Surrogatvorstellungen; verschiedene Allgemeinheitsformen; Allgemeinheit und Notwendigkeit || 172, 24 nach es zugleich irrtümlich im Ms. es || 172, Anm. 1 Rb. || 172, Anm. 2 Rb. || 172, Anm. 3 = Rb., oder ob Einf. mit Bleist. || 173, 24 statt ihrer so viele im Ms. so viele ihrer || 174, 6–7 statt das da sei sie nicht im Ms. das sei sie da nicht || 174, 7–8 und nur solche Einf. || 174, 18 Rd.-Titel Surrogatvorstellung || 174, Anm. 1 Rb. || 174, Anm. 2 Rb. || 174, Anm. 3 Rb. || 175, Anm. 1 Rb.
Text Nr. 9 (S. 176–208) Text Nr. 9 fußt auf Bl. aus verschiedenen Konvoluten. Aus dem Konvolut A VI 12 III stammen die Bl. 76–80 u. 84 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts vgl. Husserliana XXIII, S. 692, Husserliana XXVI, S. 254 und Husserliana XXXVIII, S. 500 f.). Aus dem Konvolut A I 11 stammen die Bl. 3 u. 46–47 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts vgl. Husserliana XXVI, S. 263 und Husserliana XXXVIII, S. 499 f.), die Bl. 5–13 stammen
textkritische anmerkungen
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aus dem Konvolut A I 10 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts siehe oben, S. 477 f.). – Edith Stein hat die von ihr mit Bleist. von 78–85 und von 88–97 paginierten Bl. in die Textsammlung zur Urteilstheorie aufgenommen (vgl. zu dieser Textsammlung und zur Entsprechung zwischen Archivzählung und der Paginierung der U-Blätter durch Edith Stein oben, S. 416 ff.). Die in der Stein’schen Paginierung fehlenden Bl. 86 u. 87 sind wahrscheinlich von Husserl aus dem ursprünglichen Zusammenhang zwecks Neubearbeitung herausgenommen und danach zum Teil vernichtet worden (vgl. dazu oben, S. 417). Die Neuausarbeitung des ursprünglich mit 86 paginierten Bl. liegt vor auf den mit 86, 86a, 86b, 86c, 86d paginierten Bl. 11–15 aus dem Konvolut A I 11. Dieser Text wird in der nachfolgenden Beilage XXV veröffentlicht. Auch das ursprünglich mit 87 paginierte Bl. (Husserl hat dieses Bl. wahrscheinlich nicht weggeworfen, sondern den Text der ehemaligen Vorderseite mit Blaust. gestr. und die leere Rückseite für die Neuausarbeitung benutzt; der gestr. Text von Bl. A I 1 17/10b wird unten, S. 487 wiedergegeben) ist von Husserl neu ausgearbeitet worden. Diese Neuausarbeitung liegt vor auf den mit 87, 87a, 87b, 87c, 87d, 87e paginierten Bl. A VI 12 III/81–83, A I 17 I/10a und den Bl. A I 11/16–17. Dieser Text wird in Beilage XXVI veröffentlicht. Die beiden ersten Paragraphen des Editionstextes (hier = S. 176,2–183,15), und zwar gründend auf dem Bl. 76 aus dem Konvolut A VI 12 III und auf den Bl. 3,46–47 aus dem Konvolut A I 11, wurden schon als Beilage XVIII in Husserliana XXVI (S. 197–202) in einer Ausgabe letzter Hand veröffentlicht und werden hier in erster Hand wiedergegeben (vgl. zu diesen Editionskriterien oben, S. 413 f.). Auf dem mit Bleist. mit 89 paginierten Bl. 5 aus dem Konvolut A I 10 hat Husserl mit Blaust. notiert U 89–97; bei diesen Bl. handelt es sich um die hier in Text Nr. 9 zur Veröffentlichung kommenden und aufeinanderfolgend im Konvolut A I 10 liegenden Bl. 5–13. – Auf der Vorderseite von Bl. 76, das die Paginierung durch Edith Stein 78 trägt, steht am oberen Rd. mit Bleist. 78–88 und darunter mit Bleist. 2te Serie. Der Hrsg. hat die mit Blaust. unterstr. Überschrift Worüber urteilt die reine Logik? und die Notiz am Rd. mit Blaust. 2te Serie auf Bl. 76a als Titel von Text Nr. 9 übernommen (vgl. zur Bezeichnung Serie, die der Hrsg. auch in den Titel von Text Nr. 8 übernommen hat, oben S. 474, den Hinweis in Husserliana XXVI, S. 261 sowie die Notiz mit Bleist. auf der Rückseite von Bl. A VI 12 III/77 Bl. 16 der vorigen Serie und die Rb. mit Bleist. auf der Vorderseite von Bl. A VI 12 III/106 Vgl. noch die Ergänzung Blatt 5 der nächsten Serie. Da wird statt auf Identität auf Verschiedenheit rekurriert). Bis auf die Paginazahl 80 (Bl. A I 11/47) sind alle Paginazahlen dieser Folge mit Rotst. von Landgrebe durchgestr. worden (vgl. zur Bedeutung dieser Markierung, oben S. 473 f.). – Die Text Nr. 9 zugrunde liegenden Bl. sind zum Teil stark und dabei vor allem mit Bleist. bearbeitet; Unterstr. sind
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textkritische anmerkungen
mit Blaust., vereinzelt auch mit Rotst. ausgeführt. Wahrscheinlich sind die Text Nr. 9 zugrunde liegenden Bl. im Herbst 1910 niedergeschrieben worden. 176, 2 Titel unter Verwendung der Überschrift Worüber urteilt die reinen Logik? und der Notiz mit Bleist. am Rd. „Zweite Serie“ Anführungszeichen im Ms. bei „Zweite Serie“ mit Blaust. || 176, 11 Rd.-Titel von Edith Stein Der bloß gedachte und der wirkliche Gegenstand bzw. Sachverhalt dazu die Notiz von Edith Stein mit Bleist. vgl. 72, 83 ff., 103, 249 ff. daneben die Notiz von Husserl mit Bleist. (in „Analytisches Urteil“) darunter ebenfalls mit Bleist. von Husserl 78–88 zu beachten || 176, 21 statt ich da im Ms. ich das || 176, Anm. 2 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 176, Anm. 3 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 177, 31 statt ist ein Renaissancebau im Ms. etc. || 177, Anm. 1 später gestr. = mit Bleist. gestr. || 177, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist., dazu eine Blaust.-Kl. am Rd. || 177, Anm. 3 spätere Erg. = Erg. mit Bleist. || 178, 11–12 statt ist ein Renaissancebau im Ms. etc. || 178, 18 nach Geurteilte als solches Einf. eines Gleichheitszeichen mit Blaust. || 178, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist., von Satz als bis als solchen. mit Blaust. eingerahmt; statt S. 80 im Ms. p. 80 || 178, Anm. 2 spätere Einfügung = Einfügung mit Bleist. || 178, Anm. 3 spätere Rb. = Rb. mit Blaust. || 178, Anm. 4 Rb. || 179, 11 statt ist ein Renaissancebau im Ms. etc. || 179, 21 statt oder im Ms. und || 179, 23 statt oder im Ms. und || 179, 33 am Rd. mit Rotst. angestr. || 180, 14 am Rd. mit Bleist. angestr. || 180, 18 statt ihr Wahrgenommenes im Ms. sein Wahrgenommenes || 180, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Blaust., dazu abwärts gerichter Blaust.-Pfeil || 180, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist.; statt dasselbe wie wirkliche Urteile im Ms. dasselbe mit wirklichen Urteilen || 180, Anm. 3 spätere Einf. = Einf. mit Blaust. || 180, Anm. 4 Rb. || 181, 11 Demgegenüber Erg. mit Blaust. || 181, 14 nach als Idee. Notiz mit Bleist. Hauptblatt davor eine spitze Bleist.-Kl. || 181, 25–26 nach dementsprechend unterscheiden. mit Blaust. gestr. Fürs Erste || 181, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 181, Anm. 2 später gestr. = mit Blaust. gestr. || 181, Anm. 3 spätere Einf. = Einf. mit Blaust. || 181, Anm. 4 spätere Rb. = Rb. mit Blaust.; statt vorige Seite, rechts im Ms v. S. r. || 181, Anm. 5 spätere V. = V. mit Bleist. || 182, 8 abwärts gerichteter Blaust.-Pfeil am Rd. || 182, Anm. 1 spätere V. = V. mit Bleist. || 182, Anm. 2 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 182, Anm. 3 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 182, Anm. 4 spätere Einf. = Einf. mit Bleist., daneben Rb. mit Bleist. Habituell. || 182, Anm. 5 spätere Rb. = Rb. bis allgemeine Idee? mit Blaust., dann mit Tinte über einen ausradierten Text geschr., nach Idee? mit Bleist. gestr. Aber || 182, Anm. 6 spätere Erg. = Erg. mit Bleist. || 182, Anm. 7 spätere Erg. = Erg. mit Bleist. || 182, Anm. 8 Rb. || 183, 14 nach nennen wir im Ms. als || 183, 21 solche Einf. mit Bleist. || 183, Anm. 1 spätere Erg. = Erg. mit Bleist. || 183, Anm. 2 Rb. || 183, Anm. 3 spätere Erg. = Erg. mit Bleist. || 183, Anm. 4 Rb. || 183, Anm. 5
textkritische anmerkungen
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spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 183, Anm. 6 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 183, Anm. 7 Rb. || 184, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 184, Anm. 2 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 184, Anm. 3 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 184, Anm. 4 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 184, Anm. 5 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 184, Anm. 6 spätere V. = V. mit Bleist., spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 184, Anm. 7 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 185, 3 statt wenn im Ms. dass || 185, 9–10 von Zum Problem bis Enthaltenes ist Erg. am Rd. || 185, Anm. 1 Rb. || 185, Anm. 2 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 185, Anm. 3 spätere Einf., dazu Notiz mit Bleist. am Rd. Blatt 16 der vorigen Serie || 186, 9 setzendes mit Bleist. nachgeschr. || 186, 10 statt gleichsam heißt im Ms. ist gleichsam || 186, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 187, 8 Rd.-Titel mit Blaust. Über bloße „Inhalte“ als Satzinhalte darunter abwärts gerichteter Blaust.-Pfeil || 187, 20 statt gesetzt im Ms. gesetzter || 187, 22 abwärts weisender Blaust.-Pfeil am Rd. || 187, Anm. 1 spätere Einf. = Einf. mit Blaust. || 187, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 187, Anm. 3 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 187, Anm. 4 Rb. = Rb. mit Blaust. || 187, Anm. 5 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 188, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 188, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 188, Anm. 3 spätere Einf. = Einf. mit Blaust. || 188, Anm. 4 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 188, Anm. 5 später gestr. = mit Bleist. gestr. || 189, 13 Aber V. mit Bleist. für Und || 189, 16 nach machen Einf. mit Blaust. 1) || 189, 16 abwärts weisender Blaust.-Pfeil am Rd., darunter ausradierte und nicht mehr rekonstruierbare Rb. mit Bleist. || 189, 25–28 am Rd. mit Blaust. angestr. || 189, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 189, Anm. 2 Rb. || 190, 18 statt dem im Ms. in dem || 190, 19–20 von bzw. bis liegen kann im Ms. in Kl. || 190, 21–23 von Die täuschende bis setzen. große spitze Blaust.-Kl. am Rd. || 190, Anm. 1 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 190, Anm. 2 spätere Erg. = Erg. mit Blaust. || 191, 14–15 somit keinen Charakter V. mit Bleist. für dafür keinen anderen Charakter || 191, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 191, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 191, Anm. 3 spätere V. = V. mit Bleist. || 191, Anm. 4 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 192, 10 Rd.-Titel von Edith Stein Formenlehre der Satzinhalte und Bedingungen möglicher Wahrheit || 192, 11 popositionale Essenzen Erg. am Rd. || 192, 20 Stoff Erg., im Ms. ohne Kl. || 192, Anm. 1 spätere Streichung = Streichung mit Bleist. || 193, 1 Rd.-Titel von Edith Stein Die logischen Sätze als Gesetze der Urteilsideen (Sätze) || 193, 9 Diese wären dann kurzweg als Urteile bezeichnet. Erg. am Rd. || 193, 19–20 von beliebige Urteile bis erzeugend bilden V. mit Bleist. für die Urteile M, N, P in solchem Zusammenhang vollziehen || 193, 20 sehen kann V. mit Bleist. für sehe || 193, 26 statt in ein im Ms. als || 193, 29 – 194, 7 von 3) Man bis wahr ist. in Bleist.-Kl., mit Bleist. angestrichelt || 193, 30 – 194, 2 von In je bis Urteile. am Rd. mit drei Bleist.-Linien untereinander angestr. || 193, Anm. 1 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 193, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 193,
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textkritische anmerkungen
Anm. 3 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 193, Anm. 4 später gestr. = mit Bleist. gestr. || 193, Anm. 5 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 193, Anm. 6 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 194, 6 statt und wenn im Ms. und dass wenn || 194, 6 statt sind, dass im Ms. sind, dass dann || 194, Anm. 1 Rb. mit Bleist. || 194, Anm. 2 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 194, Anm. 3 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 194, Anm. 4 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 195, 5 logischen Urteilen V. für Sätzen || 195, 6–7 statt Satz P im Ms. Satz N || 195, 16 Rd.-Titel von Edith Stein Betroffenheit der Sachverhalte von den logischen Gesetzen || 195, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 195, Anm. 2 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 195, Anm. 3 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 196, 14 nach Das Geurteilte mit Bleist. gestr. Was || 196, 27–28 von Aber der bis da. Erg. || 196, 28 – 197, 2 von Er ist bis Sachverhalt. Einf. am Rd. || 196, Anm. 1 Rb., davor doppelte eckige Kl. || 196, Anm. 2 spätere Einf. = Einf. mit Blaust. || 196, Anm. 3 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 196, Anm. 4 Rb. || 197, 10 statt P! im Ms. N! || 197, 22–23 von d. h. nicht bis es meint V. mit Bleist. für d. h. Gegebenes || 197, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 199, 27 nach vermeinter mit Blaust. gestr. gegeben wäre || 199, Anm. 1 spätere Bemerkung = Bemerkung mit Bleist. || 199, Anm. 2 Erg. || 199, Anm. 3 spätere Einf. = Einf. mit Blaust. || 200, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 201, 22 statt binden im Ms. bindet || 201, 28 und ein Satz überhaupt Einf., im Ms. ohne Kl. || 201, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 202, 1 Rd.-Titel von Edith Stein Logische Gesetze über die Folge von Sätzen und über die Wahrheit von Sätzen: Geltungslehre. || 202, 35 geschweifte Bleist.-Kl. am Rd. || 203, 5 Rd.-Titel von Edith Stein Ontologische Gesetze || 203, 22 statt einer im Ms. eines || 204, 11 ab Wenn jedes am Rd. mit Bleist. angestr. || 204, 12–21 von insofern als bis sein). im Ms. in Blaust.-Kl. || 204, 19 statt sein soll im Ms. soll sein || 204, 21 ab Wenn, wiederhole am Rd. mit Blaust. angestr. || 204, 24 am Rd. mit Bleist. angestr. || 204, 31 statt es doch im Ms. es ist doch || 205, Anm. 1 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 205, Anm. 2 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 206, 24 statt aus, im Ms. voraus, || 206, Anm. 1 spätere V. = V. mit Bleist. || 206, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 206, Anm. 3 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 206, Anm. 4 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 206, Anm. 5 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 207, 34 statt bezeichnet werden im Ms. heißen || 207, Anm. 1 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 207, Anm. 2 Rb.
Beilage XXV (S. 208–213) Der Text von Beilage XXV fußt auf den Bl. 11–15 aus dem Konvolut A I 11 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts vgl. Husserliana XXVI, S. 263 und Husserliana XXXVIII, S. 499 f.). Bei diesen Bl., die mit Bleist. mit 86, 86a, 86b, 86c, 86d paginiert sind (zur Entsprechung zwischen Archivzäh-
textkritische anmerkungen
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lung und der Paginierung der U-Blätter durch Edith Stein siehe die Tabelle oben, S. 418 ff.), handelt es sich wahrscheinlich um Husserls ausführliche Neubearbeitung eines ehemals mit 86 paginierten Bl. (vgl. dazu ergänzend die Ausführungen zu Text Nr. 9, oben S. 480 ff.), das ursprünglich wohl zu der von Edith Stein zusammengestellten Textsammlung zur Urteilstheorie gehörte (vgl. dazu oben, S. 416 ff.). Aus dem von Edith Stein erstellten Inhaltsverzeichnis (vgl. oben, S. 425) ist zu entnehmen, dass ein mit 86 paginiertes U-Blatt den Rd.-Titel Inhalt und Wesen; Wesen des Vermeinten und Wesen des Gegenstandes bzw. Sachverhalts trug. Ein Bl. mit diesem Rd.-Titel konnte in Husserls Nachlass nicht gefunden werden. In diesem wie auch in anderen Fällen (vgl. z. B. den oben, S. 417, wiedergegebenen Hinweis, der sich auf Bl. A VI 12 I/51b befindet) ist davon auszugehen, dass Husserl das der Neuausarbeitung zugrunde liegende Bl. vernichtet hat, nachdem er dessen Inhalt auf den in der Beilage XXV veröffentlichten Bl. mit der Paginierung 86, 86a, 86b, 86c, 86d neu ausgearbeitet hatte. Die Bl. sind nach formalen Kriterien betrachtet von einheitlichem Erscheinungsbild; die Verwendung von liniiertem Papier ist im Vergleich zu den anderen U-Blättern unüblich und deutet auf eine spätere Entstehungszeit dieser Bl. hin. Die Paginierung der Bl. scheint nicht von der Hand Steins zu stammen; möglicherweise hat Landgrebe diese Bl. paginiert, als er sich als Assistent Husserls Mitte der 20er Jahre mit diesen Mss. beschäftigt hat (vgl. auch die Ausführungen zu Text Nr. 9, oben S. 481, und zur Beilage XXVI, unten S. 486 f.). – Die Bl. sind mit Tinte und Bleist. bearbeitet; vereinzelt sind Unterstr. mit Bleist. und Blaust. ausgeführt. Der Hrsg. geht davon aus, dass der Text der in Beilage XXV veröffentlichten Bl. im Jahr 1918 niedergeschrieben wurde, als sich Husserl mit der von Edith Stein zusammengestellten Textsammlung zur Urteilstheorie beschäftigte (vgl. dazu oben, S. 416 ff.). 208, 18 = ich fingiere mir Erg., im Ms. ohne Kl. || 208, 23–24 von Und selbst bis nicht. Einf. und mit einem Bleist.-Strich von dem vorherigen Text getrennt || 208, 29–31 von Damit wandeln bis Umfingieren. Einf. am Rd. || 209, 5–6 von trotz der bis „Dinge“ Erg. || 209, 11 nach Unbestimmten. gestr. Handelt es sich bei dem Ansatz von vornherein um eine umphantasierte Wirklichkeit gegebener Dinglichkeiten, wie wenn ich den Ansatz mache, dass der Mond zylindrische Form habe, mir das denke (als wirklich denke), so stehe ich von vornherein auf dem Wirklichkeitsboden und || 209, 12 auswertbar im Ms. wohl versehentlich gestr. || 209, 29 statt nicht doch im Ms. doch nicht || 209, 29 statt auf S. 188 ff. im Ms. 84 = A VI 12 III/79 || 210, 15–16 Rd.-Titel mit Bleist. Phantasieren || 210, 17–20 von 2) Sich als bis haben etc. Rd.-Titel mit Bleist. Sicheinbilden als Phantasieren und die Phantasiegegenstände als Fikta setzen || 210, 21–23 Rd.-Titel mit Bleist. Sichdenken als Assumieren ||
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210, Anm. 1 spätere Erg. = Erg. mit Bleist. || 210, Anm. 2 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 210, Anm. 3 = Rb. || 211, 21 Rd.-Titel mit Bleist. Ansatz in der puren Phantasie: 1) als reiner Phantasieansatz, 2) als Ansatz auf eine wirklich gesetzte Wirklichkeit bezogen. || 211, 28–29 nach aktuelle Wirklichkeit gestr. (oder auch auf eine andere gesetzte Wirklichkeit || 211, 30 statt sind im Ms. bin || 211, Anm. 1 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 212, 6–9 am Rd. mit Bleist. angestr. || 212, 20 von Einf. mit Bleist. || 212, Anm. 1 Rb. || 213, 9 statt denselben im Ms. derselbe || 213, Anm. 1 spätere Erg. = Erg. mit Bleist.
Beilage XXVI (S. 213–220) Der Text von Beilage XXVI fußt auf den Bl. 81–83 aus dem Konvolut A VI 12 III (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts vgl. Husserliana XXIII, S. 692, Husserliana XXVI, S. 254 und Husserliana XXXVIII, S. 500 f.), auf dem Bl. 10 aus dem Konvolut A I 17 I (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts vgl. Husserliana XX/2, S. 486) und auf den Bl. 16 u. 17 aus dem Konvolut A I 11 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts vgl. Husserliana XXVI, S. 263 und Husserliana XXXVIII, S. 499 f.). Die Bl., die nach formalen Kriterien (Format, Papiersorte, Schriftbild) einen einheitlichen Eindruck machen, sind mit Bleist., wahrscheinlich nicht von Edith Stein, mit 87, 87a, 87b, 87c, 87d, 87e paginiert worden (zur Entsprechung zwischen Archivzählung und der Paginierung der U-Blätter siehe die Tabelle oben, S. 418 ff.). Das mit 87a paginierte Bl. 10 aus dem Konvolut A I 17 I ist auf der Rückseite von Edith Stein mit Bleist. als 87 paginiert. Der nun kopfständig stehende Text ist mit Blaust. gestr. (der gestr. Text ist unten wiedergegeben). Der Hrsg. nimmt an, dass Husserl dieses ältere, ursprünglich zu der Textzusammenstellung zur Urteilstheorie gehörige Bl. auf den hier in Beilage XXVI veröffentlichten und von 87 bis 87e paginierten Bl. neu ausgearbeitet hat (vgl. dazu auch die Angaben zu Text Nr. 9, oben S. 481, und zu Beilage XXV, oben S. 484 f.). – Die Bl. der Neubearbeitung sind leicht mit Tinte bearbeitet. Es finden sich auch zahlreiche Bearbeitungsspuren mit Bleist., die von der Hand Landgrebes stammen. Die Paginazahlen 87, 87b, 87c der aus dem Konvolut A VI 12 III stammenden Bl. sind von Landgrebe mit Rotst. umrandet, als Zeichen, dass er diese Bl. für seine Bearbeitungen im Auftrag Husserls herangezogen hat (vgl. dazu oben, S. 473 f.). Eine sichere Datierung ist schwierig. Das Bl. 82 aus dem Konvolut A VI 12 III trägt mit Bleist. die Signatur B2. Manuskripte mit dieser Signatur werden in einer von Ludwig Landgrebe erstellten Zeittafel der Manuskripte (M III 3 I 1 I/7a) auf das Jahr 1908 datiert. Gegen diese Datierung spricht aber, dass sich Husserl auf dem mit 87d paginierten Bl. A I 11/16a (hier = S. 218,5) auf alte Blätter bezieht, die in Text Nr. 9 veröffentlicht sind und die
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wohl vom Herbst 1910 stammen. Der Hrsg. vermutet daher, dass Husserl den Text der der Beilage XXVI zugrunde liegenden Bl. ähnlich wie im Fall der Beilage XXV im Jahr 1918 niedergeschrieben hat, als er sich mit der von Edith Stein zusammengestellten Textsammlung zur Urteilstheorie beschäftigte (vgl. dazu oben, S. 416 ff.). 213, 19 Das mit Der Sachverhalt beginnende Textstück ersetzt den folgenden, mit Blaust. gestr. Text auf dem Bl. A I 17 I/10b Der Sachverhalt selbst „Die Erde ist eine Kugel“ schließt den Gegenstand Erde ein, und zweifellos meint das Urteil „Die Erde ist eine Kugel!“ die Erde mit in der Subjektnennung und meint diesen Sachverhalt. Oder das bessere Beispiel (um keine Eigennamen zu haben): „Dieses Papier ist weiß“. Andererseits ist der Sachverhalt in der bestimmten prädikativen Weise gemeint, durch die bestimmten Begriffe gefasst, und das Gemeinte im ersten Sinn ist der Sachverhalt gerade in dieser prädikativen Form oder dieser bestimmte prädikative Verhalt. Rb.: Das Ding ist nicht Stück eines Erfahrungsurteils und eines noch so vollkommen anschaulichen, das sich auf das Ding bezieht. Das gilt für alle solche transzendenten Einsichten. danach gestr. „Wesen“ kann stehen bleiben, nur sagt das eben, dass prädikativer Verhalt als solcher den „Gegenstand“ als bloßen Sinn umspannt. Man kann fragen: Wie verhält es sich für vollkommen evidente Axiome, die sich auf Wesen als Gegenstände beziehen, und für unmittelbare Wesenseinsichten überhaupt? „2 4“. Hier sind doch 2 und 4 selbst in der Evidenz des prädikativen Verhalts beschlossen, und der prädikative Verhalt selbst als wahrhafter schließt in seiner Wahrheit die idealen Gegenstände selbst ein. Der prädikative Verhalt in der Einsicht setzt Bejahung des Subjektgegenstands voraus, aber schließt ihn selbst nicht eigentlich in sich. danach gestr. und in eckigen Blaust.-Kl. Und so fasst dann auch das prädikative Wesen, das Wesen des prädikativen Verhalts, nicht das Wesen des Gegenstands ein. (Also genauso Einf. aber anders als vorhin wie der Inhalt der Erscheinung nicht Inhalt des Gegenstands ist.) Da tritt ferner auf: der Unterschied zwischen Sachverhalt selbst in gewissem Sinn (in dem Sinn nämlich, dass der „Sachverhalt“ „Die Erde ist rund“ den Gegenstand Erde (den Gegenstand selbst) einschließt) und andererseits der prädikative Verhalt, das in der Aussage Vermeinte als solches, so wie es da vermeint ist, analog wie zu scheiden ist: der wahrgenommene Gegenstand selbst und der „wahrgenommene Gegenstand“, so wie er in der Wahrnehmung „erscheint“. Ist auch zu scheiden der gestr. eingesehene prädikative Verhalt || 213, 30–31 von um ein Individuelles bis ein Ding später mit Bleist., wahrscheinlich von Ludwig Landgrebe, verändert in z. B. um eine Dingwahrnehmung || 213, 33 statt Wahrnehmung ist im Ms. Wahrnehmung sei || 214, 12 nach tragen. Markierungszeichen mit Bleist. von
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textkritische anmerkungen
Ludwig Landgrebe || 214, 29 vor So wie spitze Bleist.-Kl || 214, 29–35 von So wie bis den wahren. in spitzen Bleist.-Kl. || 214, Anm. 1 Rb. || 215, 7–8 statt wie auch im Ms. auch wie || 215, 13 Ähnlich im anderen Fall. V. für den wohl versehentlich nicht gestr. Satz Und wie im anderen Fall? || 215, 15 nach die im Ms. zu || 215, 35–37 von Das ist bis nicht. mit Bleist. verändert, wohl von Ludwig Landgrebe, in Darüber wird später noch zu reden sein. || 215, 38–39 von Wenn der bis gegeben. daneben Rb. mit Bleist. wohl von Ludwig Landgrebe Zum Beispiel: Wenn ich ein Empfindungsdatum immanent fasse, so ist es der Wahrnehmung selbst immanent, das Ich erfasst das selbst und hat es im Wahrnehmungsakt umfasst, in „reeller“ Weise. || 216, 5 statt einem im Ms. einen || 216, 13 statt nicht ein im Ms. ein nicht || 217, 11–12 von Doch ist bis erweist. mit Bleist., wohl von Ludwig Landgrebe, gestr. || 217, 12–13 von Aber gehört bis muss? verändert, wohl von Ludwig Landgrebe, in Aber gehört es zum Leeren, dass es erst durch Erfüllung den Sinn ausweisen muss. || 217, Anm. 1 Rb. || 218, 5 statt S. 188 im Ms. 84 = A VI 12 III/79 || 218, 7 statt 1) dem aktuellen im Ms. dem 1) aktuellen || 219, 7 statt vom im Ms. das || 219, Anm. 1 Rb. || 220, 12 nach haben? gestr. Nun, eigene Wissenschaften wohl nicht. Aber wir urteilen doch die Möglichkeit selbst generell in jeder apriorischen Wissenschaft, so wenn wir über mögliche Urteile urteilen, auch über die Möglichkeit von möglichen Urteilen.
Text Nr. 10 (S. 221–233) Text Nr. 10 fußt auf den Bl. 8–10 aus dem Konvolut A I 11 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts vgl. Husserliana XXVI, S. 263 und Husserliana XXXVIII, S. 499 f.) und auf den Bl. 66–69 aus dem Konvolut A VI 12 III (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts vgl. Husserliana XXIII, S. 692, Husserliana XXVI, S. 254 und Husserliana XXXVIII, S. 500 f.). Diese Bl., die Edith Stein in die Textzusammenstellung zur Urteilstheorie aufgenommen hat (vgl. dazu oben, S. 416 ff.), sind von ihr mit Bleist. von 70–76 paginiert. Die Paginazahlen 73–76 der im Konvolut A VI 12 III liegenden Bl. 66–69 sind von Landgrebe mit Rotst. durchgestr. (vgl. zur Bedeutung dieser Markierung, oben S. 473 f.). Auf der Vorderseite von Bl. 8 aus dem Konvolut A I 11 steht am oberen Rd. mit Bleist. mit Bezug auf die in vorliegendem Text Nr. 10 veröffentlichten Bl. notiert 70–76; daneben mit Blaust. die Signatur O2. Auf welche Mss. sich Husserl mit der Signatur O2 bezieht, konnte nicht geklärt werden (vgl. Husserliana XX/2, S. 582). Die Überschrift Urteilen, seine Korrelate und die zugehörigen Ideen auf der Vorderseite von Bl. 8, die eine Erg. mit Blaust. ist, ist vom Hrsg. als Titel von Text Nr. 10 übernommen
textkritische anmerkungen
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worden. – Die Bl. sind mit Tinte und Bleist. bearbeitet; zahlreiche Unterstr. sind in der Hauptsache mit Blaust. ausgeführt. Der Hrsg. datiert die Entstehung von Text Nr. 10 auf etwa 1911 oder 1912. 221, 8 statt mich dabei im Ms. dabei mich || 221, 19 Rd.-Titel von Edith Stein Verschiedene Urteilserlebnisse und ihre Einigung als Bewusstsein vom Selben || 221, Anm. 1 spätere Erg. = Erg. mit Blaust., spätere Rb. = Rb. mit Blaust und mit Bleist. || 221, Anm. 2 spätere V. = V. mit Bleist. || 221, Anm. 3 spätere V. = V. mit Bleist. || 221, Anm. 4 spätere V. = V. mit Bleist. || 221, Anm. 5 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 221, Anm. 6 spätere Erg. = Erg. mit Bleist. || 222, 21 verlassen V. mit Bleist. für lassen || 222, Anm. 1 spätere V. = V. mit Bleist. für Urteil || 222, Anm. 2 spätere V. = V. mit Bleist. || 222, Anm. 3 spätere V. = V. mit Bleist. || 222, Anm. 4 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 223, 20–21 von demselben, V. mit Bleist. für desselben, || 223, 23 sind Wahrnehmungen V. mit Bleist. für ist Wahrnehmung || 223, 25 statt Urteilen sind im Ms. Urteilen ist || 224, 20 ein jeweils vorliegendes V. mit Bleist. für das || 224, 28–29 statt können wir evident dazu stimmend nicht nur fortfahren im Ms. wir evident dazu stimmend nicht nur fortfahren können || 224, 32 statt das aus im Ms. das das aus || 224, 35 nach einzutreten vertikaler Blaust.-Strich || 225, 9 mit Bleist. doppelt angestr. || 225, 27 Rd.-Titel von Edith Stein Urteilsvermeintes als solches und wirklicher Sachverhalt darunter Notiz von Edith Stein mit Bleist. Vgl. 78, 83 ff., 103, 249. || 225, Anm. 1 spätere V. = V. mit Bleist. || 225, Anm. 2 spätere V. = V. mit Bleist. || 225, Anm. 3 spätere V. = V. mit Bleist. || 225, Anm. 4 spätere V. = V. mit Bleist || 225, Anm. 5 spätere V. = V. mit Bleist. || 226, 13 statt als im Ms. wie || 226, 24 nach der Idee mit Tinte und Bleist. gestr. ja es || 226, 24 es mit Bleist. gestr. || 226, 26 Urteilen V. mit Bleist. für Urteil || 226, Anm. 1 spätere V. = V. mit Bleist. || 226, Anm. 2 spätere V. = V. mit Bleist.; im Ms. nur Urteilen mit Bleist. verändert || 226, Anm. 3 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 226, Anm. 4 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 226, Anm. 5 spätere V. = V. mit Bleist. || 226, Anm. 6 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 226, Anm. 7 spätere V. = V. mit Bleist. || 226, Anm. 8 spätere V. = V. mit Bleist. || 226, Anm. 9 spätere V. = V. mit Bleist. || 226, Anm. 11 spätere V. = V. mit Bleist. || 226, Anm. 12 spätere V. = V. mit Bleist. || 227, 5 statt das das Urteilen im Ms. das das das Urteilen || 227, 8 Rd.-Titel von Edith Stein Das bestimmte Urteil (Akt und Korrelat) als singuläre Idee (nicht Gattung) || 227, 16 Anm. x spätere V. = V. mit Bleist. || 227, 18 Einf., statt und „differenziert“ im Ms. und und „differenziert“ || 227, 20–32 von Das Urteil „2 × 2 = 4“, bis „2 × 2 = 4!“ Einf. || 227, Anm. 1 spätere V. = V. mit Bleist. || 227, Anm. 2 spätere V. = V. mit Bleist., spätere Erg. = Erg. mit Bleist. || 227, Anm. 3 spätere V. = V. mit Bleist. || 227, Anm. 5 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 228, 4 statt charakterisiert ist im Ms. charakterisiert hat || 228, Anm. 1 Rb. || 229, 15–16 statt Aber in ihm selbst als evidentem kommt
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textkritische anmerkungen
im Ms. Aber als evidentes kommt in ihm selbst || 229, 18 und mit Hilfe einer Reflexion Erg. || 229, 25 statt fallen im Ms. fällt || 229, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 229, Anm. 2 Rb. || 230, 6 statt darüber im Ms. davon || 230, 9 Rd.-Titel von Edith Stein Der Erscheinungsgehalt des konkreten Urteils (Cognitionale) und das Korrelat des Behauptens (Satz). Wahrheit || 230, 22 (Behaupten!) Erg. am Rd. || 230, 31 – 231, 1 von Sie differenziert bis Formen. Einf. || 230, Anm. 1 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 230, Anm. 2 spätere Erg. = Erg. mit Bleist. || 231, 2–9 von davon, dass bis als solcher Einf. || 231, Anm. 1 spätere Einf. = Einf. mit Bleist., teilweise mit Tinte überschrieben || 231, Anm. 2 spätere V. = V. mit Bleist. || 231, Anm. 3 spätere Erg. = Erg. mit Bleist. || 231, Anm. 4 spätere V. = V. mit Bleist. || 231, Anm. 5 spätere V. = V. mit Bleist. || 231, Anm. 6 Rb. || 232, 14 irrig Erg., im Ms. ohne Kl. || 232, 21 1) Einf. mit Blaust. || 232, 22 2) Einf. mit Blaust. || 232, 22 andererseits: Einf. mit Blaust. || 232, Anm. 1 Rb. || 232, Anm. 2 spätere V. = V. mit Bleist. || 233, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 233, Anm. 2 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 233, Anm. 3 spätere V. = V. mit Bleist. || 233, Anm. 4 spätere Einf. = Einf. mit Bleist.
Text Nr. 11 (S. 234–248) Text Nr. 11 fußt auf den Bl. 24–25 aus dem Konvolut A I 8, auf den Bl. 238, 241–243 u. 249–250 aus dem Konvolut A VI 12 I (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts vgl. Husserliana XXIII, S. 496, Husserliana XXVI, S. 490 f. und Husserliana XXXVIII, S. 421 f.) sowie auf dem Bl. 79 aus dem Konvolut A I 16 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts vgl. Husserliana XX/2, S. 484 f.). Das Konvolut A I 8 besteht aus insgesamt 63 Bl. Das Umschlagsbl. (1 u. 63) wird von einem großformatigen gefalteten Bl. gebildet, das auf der Vorderseite von Bl. 1 folgende Aufschriften trägt Göttingen 1909, 1910 zum Teil Vorbereitungen zur Wintervorlesung 1910/11. am oberen Rd. mit Blaust. und mit Blaust. umkreist die Signatur Mx darunter mit Tinte und mit Rotst. am Rd. angestr. 1–15 Formale Mathesis (analytische Urteile). Formale Theorien der Modalitäten (Wahrscheinlichkeiten etc.). Die Scheidung der Regionen und Domänen dazu als Erg. Zur Lehre von den Kernen. es folgt Ontologie der Natur – Ontologie der Werte, der Güter. Empirische Apperzeption, axiologische Apperzeption. Axiologische Wesensurteile (formale und materiale) – axiologische Tatsachenurteile. Normative Tatsachenwissenschaften – Geschichte. Zweckbegriff (Kulturobjekt), Wissenschaften von axiologischen Tatsachen wie die Nationalökonomie, Historie. Naturwissenschaft und Kulturwissenschaft. Formale und materiale Axiologie und Praktik daneben als Erg. am Rd. mit Blaust. cf. die Vorlesun-
textkritische anmerkungen
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gen Sommersemester 1928 es folgt mit Tinte Konstitutive Erforschung der axiologisch universalen Ideale. Transzendentallogische und transzendentalaxiologische Betrachtung. „Bedingungen der Möglichkeit“. Wie muss die Welt beschaffen sein, um den höchsten logischen bzw. axiologischen Idealen gemäß zu sein. danach gestr. Einordnung der Technologien und der normativen Disziplinen in eine Wissenschaftseinteilung Formale Bedingungen der Möglichkeit einer an sich seienden Natur (und deren Wertewelt). Formale Bedingungen der Möglichkeit für „Wir und Umwelt“ als Natur. Das der Archivpaginierung zufolge mit 2 u. 62 nummerierte Bl. ist ebenfalls ein großformatiges gefaltetes Umschlagsbl. mit den folgenden Aufschriften mit Blaust. auf der Vorderseite von Bl. 2 Darin Iβ 1910. Zur Idee der Wissenschaftslehre. Einteilung der Wissenschaften und der philosophischen Disziplinen. Natürlich auch zur Lehre von den Regionen, Domänen. Verschiedene Begriffe von Widersinn p. 5 f. Bei den Text Nr. 11 zugrunde liegenden Bl. aus den Konvoluten A I 8, A VI 12 I und A I 16 handelt es sich um U-Blätter, die Edith Stein für die Textsammlung zur Urteilstheorie ausgewählt hat (vgl. dazu oben, S. 416 ff.). Diese Bl. sind von ihr mit Bleist. fortlaufend von 284–291 paginiert, eine ältere Paginierung Husserls mit Bleist. läuft von α1–α9 (zur Entsprechung zwischen Archivzählung und der Paginierung der U-Blätter durch Edith Stein siehe die Tabelle oben, S. 418 ff.). Das Bl. 79 (hier = S. 245,9–246,17) aus dem Konvolut A I 16 ist möglicherweise erst später zu den anderen Bl. hinzugefügt worden, da es sich in der Papiersorte und in der Schreibweise der Paginierung α8 von den anderen Bl. unterscheidet. Auch ist die Paginierung des vorangehenden Bl. 292 aus dem Konvolut A VI 12 I von α8 in α9 verändert worden, um die Einfügung des mit α8 paginierten Bl. (A I 16/79) zu ermöglichen. Die Paginazahlen von Edith Stein auf den Bl. 238, 241–243 u. 249–250 aus dem Konvolut A VI 12 I sind mit Rotst. wohl von Landgrebe durchgestr. worden (vgl. zur Bedeutung dieser Markierung, oben S. 473 f.). Auf dem mit α1 bzw. 284 paginierten ersten Bl. (A I 8/24a) findet sich eine wohl von Edith Stein mit Bleist. geschr. und mit Bleist. wieder gestr. Notiz Zu 279/283. Wahrscheinlich war das als 284 paginierte Bl. ursprünglich als Ergänzung zu den ehemals unmittelbar voranliegenden U-Blättern 279–283 gedacht (zur genauen Entsprechung zwischen Archivzählung und der Paginierung der U-Blätter durch Edith Stein siehe die Tabelle oben, S. 418 ff.). Den auf der Vorderseite von Bl. A VI 12 I/238 mit Bleist. gestr. Text (hier = S. 237,29–238,12) hat Husserl abgeschrieben, wie er in einer Notiz mit Bleist. am Rd. dieses Bl. vermerkt hat. Die Abschrift findet sich auf dem Bl. A I 8/26, das die korrespondierende Notiz Abschrift mit Bleist. trägt; das liniierte Bl. ist mit Bleist. mit 285a (vielleicht nicht von Edith Stein) paginiert. Wahrscheinlich hat Husserl die Abschrift angefertigt, als er zur Urteilstheorie gehörige Bl. bzw. Textpassagen in neue Zusammenhänge
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textkritische anmerkungen
eingeordnet hat. Da die Abschrift bis auf geringfügige Abweichungen wortgetreu ist, wird sie hier nicht wiedergegeben. Am Ende der Abschrift hat Husserl dann noch notiert Es folgen weitere Untersuchungen über die Modalitäten der Gewissheit und über die Äquivokation von Gewissheit: Es konnte nicht ermittelt werden, auf welche Mss. sich diese Bemerkung bezieht. Die mit Bleist. geschr. Notiz auf der Vorderseite von Bl. 249 Die Bl. β liegen in Str. Dazu β1 β2 β3, jetzt in Str. bezieht sich auf Husserls zusammen mit seinem Assistenten Landgrebe Mitte der 20er Jahre geplantes Projekt Studien zur Struktur des Bewusstseins (vgl. dazu z. B. die Angaben in Hua XX/1, „Einleitung des Herausgebers“, S. XXI). Die angegebenen Bl. befinden sich im Konvolut A VI 8 I (Bl. 137–139 u. 135–136). Auf der Vorderseite von Bl. 137 ist mit Bleist. am Rd. notiert Zu den Blättern α in Iβ und daneben mit Bleist. Oktober 1910. Die Signatur Iβ mit der Angabe 1910 findet sich auch auf der Vorderseite von Bl. 87 aus dem Konvolut A VI 8 I sowie auf der Vorderseite des Umschlagsbl. 2 aus dem Konvolut A I 8. – Die Bl., die hier als Text Nr. 11 veröffentlicht werden, sind vor allem mit Tinte und Bleist. (vereinzelt mit Blaust.) bearbeitet; Unterstr. sind mit Rotst. und Blaust. ausgeführt. Direkte Datierungen finden sich auf den Bl. nicht; der Hrsg. datiert Text Nr. 11 auf etwa 1910 oder 1911. 234, 15 statt tritt im Ms. treten || 234, Anm. 2 Rb., später gestr. = Rb. mit Bleist. gestr. und im Ms. in eckigen Bleist.-Kl., dazu eine Null mit Bleist. am Rd. || 235, 13 statt α) im Ms. a) || 235, 13 statt β) im Ms. b) || 235, 15 auch Einf. mit Bleist. || 235, 29 Rd.-Titel mit Blaust. Über Wahrscheinlichkeitsurteile || 235, Anm. 1 spätere Erg. am Rd. = Erg. mit Bleist. am Rd. || 235, Anm. 2 spätere Erg. am Rd. = Erg. mit Bleist. || 235, Anm. 3 Rb. || 235, Anm. 4 Rb. || 236, Anm. 1 späterer Rd.-Titel = Rd.-Titel mit Bleist. || 236, Anm. 2 Rb. || 236, Anm. 3 Erg. || 237, 29 statt da gehört das im Ms. das gehört || 237, Anm. 1 Rb., später gestr. = Rb., später mit Blaust. gestr. || 238, Anm. 1 Rb. || 239, 6 irriges V. für falsches || 239, 16 statt übertriebener im Ms. übertreibender || 239, 28 Rd.-Titel Gewissheit und „Überzeugung“ || 239, Anm. 1 Rb. || 240, Anm. 1 Rb. || 241, 18 – 242, 10 abwärts gerichteter Blaust.-Pfeil am Rand. || 241, Anm. 1 später gestr. = mit Blaust. gestr. || 242, 30–31 nach objektivem Sinn im Ms. ein Ausrufezeichen zwischen roten Kl. || 242, Anm. 1 spätere V. = V. mit Bleist. || 244, 16 Kraft Erg., ohne Kl. im Ms. || 244, 26–27 statt vermutenden Sich-Entscheiden im Ms. sich vermutenden Entscheiden || 244, 31 über variable im Ms. zur Verdeutlichung in Kurrentschrift variable || 244, 31 statt sich im Ms. sie || 244, 33–34 und psychologisch von Möglichkeiten: Stellungnahme Erg. am Rd., im Ms. ohne Kl. || 245, 1–3 mit Rotst. angestr. || 245, 1–8 mit Rost. angestr. || 245, 11 statt Es ist im Ms. Ist es || 245, 27 statt über im Ms. für || 246, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 246, Anm. 2
textkritische anmerkungen
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später gestr. = mit Blaust. gestr.; spätere Rb. = Rb. mit Blaust. || 247, 21 nach Voraussetzung. Schlusszeichen || 247, 28 zweiter Stufe mit Blaust. gestr. || 248, 5 Lesart für gelb unsicher || 248, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Blaust.
Text Nr. 12 (S. 249–257) Text Nr. 12 fußt auf den Bl. 113 u. 115–118 aus dem Konvolut A I 11 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts vgl. Husserliana XXVI, S. 263 und Husserliana XXXVIII, S. 499 f.). Es handelt sich um U-Blätter, d. h. um Bl., die von Edith Stein für die Textsammlung zur Urteilstheorie ausgewählt (vgl. dazu oben, S. 416 ff.) und von ihr mit Bleist. mit 196 und von 198–201 paginiert wurden (zur Entsprechung zwischen Archivzählung und der Paginierung der U-Blätter durch Edith Stein siehe die Tabelle oben, S. 418 ff.). Auf das in dieser Folge fehlende Bl. mit der Paginierung 197 (A I 11/114) weist Husserl auf der Rückseite von Bl. 115 mit der Notiz dazu Beilage H hin; dieses Bl. wird nachfolgend in der Beilage XXVII veröffentlicht. Der Hrsg. hat die Überschrift Untersetzungen auf der Vorderseite von Bl. A I 11/113 als Titel von Text Nr. 12 übernommen. – Die Text Nr. 12 zugrunde liegenden Bl. sind mit Tinte und Bleist. bearbeitet; Unterstr. sind mit Blaust. und Rotst. ausgeführt. Auf der Vorderseite von Bl. 113 hat Husserl mit Bleist. notiert 1908 durchgesehen bzw. ausgearbeitet. Auch an anderer Stelle (Bl. A I 11/95; hier veröffentlicht in Text Nr. 14) datiert Husserl die in Text Nr. 12 veröffentlichten Bl. auf 1908 (siehe dazu unten, S. 498). 249, 6 Rd.-Titel von Edith Stein Sachliche Setzungen, Unter- und Nachsetzungen danach Notiz von Edith Stein Vgl. 1, 6 f., 13, 18, 21, 26, 185, 204, 274. || 249, 24–25 statt und kategorial verknüpften, selbständig kategorialen Einheiten im Ms. im Gegensatz zu kategorial verknüpften, zu selbständig kategorialen Einheiten || 249, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist., statt S. 54 im Ms. p. 54 || 250, 19 statt ausmacht im Ms. ausmachen || 250, Anm. 1 Rb. || 250, Anm. 2 Rb. || 251, 7 Rd.-Titel von Edith Stein Rückweis implizierter Vorstellungen auf analytische Verdeutlichung und Rückweis auf Anschauung danach Notiz von Edith Stein mit Bleist. Vgl. 157, 223 ff., 241, 248. || 251, 25 nach König von Preußen. im Ms. (für Preußen ähnlich) || 251, 28–33 von Wichtig ist bis Urteilens. geschweifte Blaust.-Kl. am Rd. || 251, Anm. 1 Rb. || 252, 3–4 nach hat. Die gestr. symbolische || 252, 11 statt ihre Befriedigung im Ms. seine Befriedigung || 252, 24 statt so liegt im Ms. sie liegt || 252, 33 Rd.-Titel von Edith Stein Hypothesis und Kausalurteil danach Notiz von Edith Stein mit Bleist. Vgl. 233, 235 ff., 249, 332 ff. || 252, Anm. 1 Rb. || 253, Anm. 1 Rb. || 253, Anm. 2 Rb. || 254, 25–26 statt Ist, fragen wir, der Satz im Ms. Sind, fragen
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textkritische anmerkungen
wir, die Sätze || 255, 13 nach hier seinen gestr. originären || 255, Anm. 1 spätere Erg. = Erg. mit Bleist. || 255, Anm. 2 spätere Einfügung = Einf. mit Bleist. || 256, 35 nach ihm verhalten. gestr. und die nicht selbst Sachverhalte || 257, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist.
Beilage XXVII (S. 257–259) Der Text der Beilage XXVII fußt auf dem Bl. 114 aus dem Konvolut A I 11 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts vgl. Husserliana XXVI, S. 263 und Husserliana XXXVIII, S. 499 f.). Das Bl. 114 ist mit Bleist. von Edith Stein als 197 paginiert; es gehört zu der von ihr zusammengestellten Textsammlung zur Urteilstheorie (siehe dazu oben, S. 416 ff.). Durch die Notiz am Rd. der Vorderseite von Bl. 114 Beilage H H sowohl mit Rotst. als auch mit Blaust. geschr., durch die Notiz mit Bleist. bisher Beilage am Ende des Textes auf der Rückseite von Bl. 114 und durch die Bemerkung zu Beginn des Textes Dazu einige Ausführungen ist dieses Bl. von Husserl als Beilagentext bestimmt, und zwar zu den hier als Text Nr. 12 veröffentlichten Bl. Darauf wird auch auf der Rückseite des im Konvolut A I 11 liegenden Bl. 115 mit den Worten hingewiesen dazu Beilage H, die aber auch als Erläuterung nach dem unten Stehenden gelesen werden kann. – Das Bl. 114, das vom Hrsg. wie Text Nr. 12 auf 1908 datiert wird, ist in der Hauptsache mit Tinte bearbeitet. 257, 14 Rb. mit Tinte, Rotst. und Blaust. Beilage H || 258, Anm. 1 Rb. || 259, 17 Rb. Bisher Beilage.
Text Nr. 13 (S. 260–271) Text Nr. 13 fußt auf den Bl. 63, 68–69 u. 255–257 aus dem Konvolut A VI 12 I (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts vgl. Husserliana XXIII, S. 496, Husserliana XXVI, S. 490 f. und Husserliana XXXVIII, S. 421 f.) sowie auf dem Bl. 171 aus dem Konvolut M III 3 I 1 I. – Das Konvolut M III 3 I 1 I besteht aus insgesamt 217 Bl. Es handelt sich um eine SchreibmaschinenAbschrift, die Ludwig Landgrebe von der auf der Grundlage von Husserls Mss. hergestellten Ausarbeitung zu den Studien zur Struktur des Bewusstseins (vgl. dazu z. B. die Angaben in Hua XX/1, „Einleitung des Herausgebers“, S. XXI) angefertigt hat. Es ist eine Dublette vom I. Abschnitt der Studien zur Struktur des Bewusstseins mit dem Titel Aktivität und Passivität (Titel auf Bl. M III 3 I 1 I/1). Bei dem in Text Nr. 13 veröffentlichten Bl. 171 aus dem Konvolut M III 3 I 1 I (hier = S. 264,22–266,11) handelt es sich um eines der
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wenigen handschriftlich von Husserl beschriebenen Bl., die sich in Landgrebes Typoskript befinden. Die Text Nr. 13 zugrunde liegenden Bl. gehören zu den von Edith Stein für die Textsammlung „Urteilstheorie“ ausgewählten Bl. (vgl. dazu oben, S. 416 ff.). Sie sind von ihr mit Bleist. von 311–317 paginiert (zur Entsprechung zwischen Archivzählung und der Paginierung der U-Blätter durch Edith Stein siehe die Tabelle oben, S. 418 ff.). Alle Paginazahlen sind zusätzlich von Landgrebe mit Rotst. umrandet, und zwar als Zeichen, dass Landgrebe diese Bl. für eine Ausarbeitung im Auftrag Husserls verwendet hat (vgl. dazu oben, S. 473 f.). Wahrscheinlich stammt auch die neben den Paginazahlen mit Bleist. notierte Signatur Ob (vgl. dazu unten) von der Hand Landgrebes. Nur auf der Vorderseite von Bl. 63 fehlt die Signatur Ob, dort steht neben der Paginazahl mit Rotst. notiert αβ. Außerdem hat Husserl mit Blaust. auf diesem Bl. am Rd. vermerkt Cf. Xo, p. 6 f. und darunter die Notiz mit Blaust. geschr. Xo, p. 6 aus IX/X, 1911, worin noch andere solche Ausführungen stehen. Auf welche Bl. sich Husserl hier mit der Signatur Xo bezieht, ist unklar. Der Hrsg. hat den Rd.-Titel von Husserl auf der Vorderseite von Bl. A VI 12 I/63 Erfahrungsvorstellung und Urteil. Vorstellende (objektivierende) Erlebnisse und spontane Akte als Titel übernommen. – Die Text Nr. 13 zugrunde liegenden Bl. sind von Husserl leicht mit Bleist. und Blaust. bearbeitet; es finden sich zahlreiche Unterstr. vor allem mit Blaust. Von Landgrebe stammen Str., Rb. und Markierungszeichen mit Bleist. Landgrebe hat die mit der Signatur Ob bezeichneten Mss. in seine Ausarbeitung zu den Studien zur Struktur des Bewusstseins (vgl. dazu z. B. die Angaben in Hua XX/1, „Einleitung des Herausgebers“, S. XXI) aufgenommen. Dort werden Mss. mit dieser Signatur auf Sept./Okt. 1911 datiert (M III 3 I 1 I/7a). Dem entspricht Husserls eigene Datierung auf dem Bl. A VI 12 I/63a, und zwar auf den 15.9.1911. 260, 24 a) Einf. mit Bleist. || 260, 31 nach herumläuft. gestr. Mein Blick durchläuft den gesehenen Gegenstand, der im Durchlaufen als einer dasteht, und ergreift besonders dies und jenes, das aber in ihm verbleibt. || 260, Anm. 1 Rb. || 260, Anm. 2 später gestr. = mit Bleist. gestr. || 261, 7 b) Einf. mit Bleist. || 261, 28–29 statt Im Herumsehen bin ich mir soweit im Ms. Soweit im Herumsehen bin ich mir || 261, 30 nach ist P!“. Markierungszeichen mit Bleist., wohl von Ludwig Landgrebe || 261, 30 statt Das Wahrnehmen im Ms. Das das Wahrnehmen || 261, Anm. 1 spätere Erg. = Erg. mit Bleist. || 262, 2–3 statt sofern, als im Ms. sofern, es als || 262, 12 Rd.-Titel von Edith Stein Einstimmigkeit und Unstimmigkeit, Glaube und Unglaube in der Wahrnehmungssphäre. || 262, 17 1) Einf. mit Blaust. || 262, 18 2) Einf. mit Blaust. || 262, 24–27 am Rd. mit Rotst. angstr. || 263, 3–5 am Rd. mit Blaust. angstr. || 263, 6 Notiz mit Bleist., wohl von Ludwig Landgrebe Vgl. 311. || 263, 8 vor Und
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textkritische anmerkungen
was Markierungszeichen mit Bleist., wohl von Ludwig Landgrebe || 263, 8 Rd.-Titel mit Blaust. Begriff des Erfahrens || 263, 10–11 andererseits Einf. mit Blaust. || 263, 31 Rd.-Titel mit Blaust. Hinwendung || 263, Anm. 1 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 264, 2 Rb. von Ludwig Landgrebe mit Bleist. Vordergrund – Hintergrund. Vgl. Str. 7, Ax 36, A 25 fff., Ms 7 ff. gemeint sind Mss., die zum Teil von Landgrebe in seine Ausarbeitung „Studien zur Struktur des Bewusstseins“ aufgenommen wurden || 264, 15 nach ausmacht, Markierungszeichen, wohl von Ludwig Landgrebe || 264, 16–21 geschweifte Blaust.-Kl. am Rd. || 264, 18 satt wo solche im Ms. wo wir solche || 264, 22 Rd.-Titel von Edith Stein Gleichgültigkeit von Sachverhalten (bzw. Sätzen) gegen den Unterschied von Gegenwärtigung und Vergegenwärtigung. Unterschied von Wiederholung und Vergegenwärtigung || 264, 30–31 statt des Sachverhalts im Ms. den Sachverhalt || 264, 32 statt bzw. auf im Ms. bzw. oder auf || 264, 33 Rb. von Ludwig Landgrebe mit Bleist. Evtl. zu § 20. || 265, 6 nach gegenüber, sondern irrtümliche Einf. entweder || 266, 20 Rd.Titel von Edith Stein Objekt der Vorstellung = Objekt möglicher schlichter Zuwendung. Schlichte nominale und nominalisierte Vorstellungen || 266, 21 nach soll, Markierungszeichen mit Bleist., wohl von Ludwig Landgrebe || 266, 22–26 von dass in ihm bis hinzutreten kann. V. mit Bleist. für dass ein Blick der Hinwendung, Zuwendung, dieses Gegenständliche entweder schon gestr. als Gegenwärtigtes oder Vergegenwärtigtes erfasst oder bei Erhaltung der gegenständlichen Beziehung (was nicht sagt: bei unverändertem phänomenologischen Gehalt der Vorstellung) erfassen kann. || 266, 26–27 Korrelativ gesprochen: Einf. mit Bleist. || 266, 29 – 267, 3 geschweifte Blaust.-Kl. am Rd. || 266, Anm. 1 spätere Einf. = Einf. mit Blaust. || 266, Anm. 2 spätere Rb. mit Bleist. || 266, Anm. 3 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 267, 21–25 am linken und rechten Rd. mit Blaust. angestr., daneben Rb. mit Blaust. Resultat. || 267, 29 statt einerseits im Ms. entweder || 267, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 267, Anm. 2 spätere Einf. = Einf. mit Blaust. || 267, Anm. 3 spätere Einf. = Einf. mit Blaust. || 268, 2–3 nach bzw. aufgemerkt. Markierungszeichen mit Bleist., wohl von Ludwig Landgrebe || 268, 11–12 statt Vorstellung ist nun im Ms. Entweder ist nun Vorstellung || 268, 11–12 von Aber nun bis ist nun von Ludwig Landgrebe mit Bleist. ersetzt durch Und das ergibt dann auch einen zweiten Begriff von Vorstellung. Wir verstehen dann darunter || 268, 15–25 von Allerdings müssen bis Wie immer: in eckigen Blaust.-Kl., von Ludwig Landgrebe mit Bleist. gestr. || 268, Anm. 1 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 269, 10 von Ein zweiter bis wäre derjenige von Ludwig Landgrebe mit Bleist. ersetzt durch Und das führt auf einen anderen Vorstellungsbegriff, den Begriff von Vorstellung des Substratbewusstseins || 269, 13 statt in dem im Ms. in denen || 269, 17–18 von Es ist bis Vorstellen wäre von Ludwig Landgrebe mit Bleist. ersetzt durch Und es fällt dann unter den Titel des
textkritische anmerkungen
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Vorstellens || 269, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist., statt der weitere im Ms. den weiteren, später von Ludwig Landgrebe mit Bleist. gestr. || 270, 11–13 von Schließen wir bis gehören soll von Ludwig Landgrebe mit Bleist. ersetzt durch Gehen wir nun wieder zum zweiten Vorstellungsbegriff über, Vorstellen als objektivierender Akt, so gehört zu seinem Auszeichnenden gegenüber allen anderen Erlebnissen || 270, 14 Stenogramm am Rd. mit Bleist. unleserlich, danach Notiz mit Rotst. Cf. 3) folgende Seite || 270, 21 1) Einf. mit Blaust. || 270, 26 2) Einf. mit Blaust. || 270, 26 Andererseits von Ludwig Landgrebe mit Bleist. gestr. || 270, 31 am Rd. mit Rotst. doppelt angestr. || 270, 35 Markierungszeichen mit Bleist. von Ludwig Landgrebe am Rd. || 270, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist., von Ludwig Landgrebe mit Bleist. gestr. || 271, 1 am Rd. mit Blaust. doppelt angestr. || 271, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist.
Text Nr. 14 (S. 272–296) Text Nr. 14 fußt auf den Bl. 262–265 aus dem Konvolut A VI 12 I (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts vgl. Husserliana XXIII, S. 496, Husserliana XXVI, S. 490 f. und Husserliana XXXVIII, S. 421 f.) und auf den Bl. 95–100 u. 105–109 aus dem Konvolut A I 11 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts vgl. Husserliana XXVI, S. 263 und Husserliana XXXVIII, S. 499 f.). Edith Stein hat diese Bl. in die Textzusammenstellung zur Urteilstheorie aufgenommen (vgl. dazu oben, S. 416 ff.). Sie sind von ihr mit Bleist. von 322– 331 und von 336–340 paginiert (zur Entsprechung zwischen Archivzählung und der Paginierung der U-Blätter durch Edith Stein siehe die Tabelle oben, S. 418 ff.). Die in der Reihenfolge dieser Paginierung fehlenden Bl. mit den Paginazahlen 332, 333, 334 u. 335 werden in der nachfolgenden Beilage XXVIII veröffentlicht. Die Paginazahlen der Bl. aus dem Konvolut A VI 12 I (262– 265) und von Bl. 99 aus dem Konvolut A I 11 sind mit Rotst. umrandet, als Zeichen von Landgrebe, dass er diese Bl. in seine Ausarbeitung von Husserls Mss. aufgenommen hat (vgl. dazu oben, S. 473 f.). Die Paginazahlen der Bl. 95 u. 98 aus dem Konvolut A I 11 sind mit Rotst. durchgestr., und zwar als Zeichen, dass er diese Bl. nicht aufnehmen wollte. Auf dem mit 322 paginierten Bl. (A VI 12 I/262) ist mit Bleist. notiert Anfang Oktober 1911 und darunter mit Blaust. die Signatur π. Auf der Rückseite von Bl. 263 hat Husserl mit Bleist. notiert Vgl. die Blätter ξ, insbesondere cf. 30b, für alles Weitere „ξ“ in Ms und darunter, ebenfalls mit Bleist., Cf. in X. Die Blätter I2 ff. Lesart für I2 nicht sicher. Die mit Bleist. geschr. Signatur Ob auf der Vorderseite von Bl. A I 11/95 findet sich auch auf Bl. von Text Nr. 13. Mit der Notiz mit Bleist. auf
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textkritische anmerkungen
diesem Bl. 95 Vgl. weiter unten die früheren Ausarbeitungen von 1908 196 ff. weist Husserl auf die hier in Text Nr. 12 und in Beilage XXVII veröffentlichten Bl. hin, die die Paginierungen (196–201) von Edith Stein tragen. Die Notizen mit Bleist. auf der Rückseite von Bl. A I 11/98 Cf. dazu die Ausführungen, p. 11 und entsprechend auf der Vorderseite von Bl. A I 11/100 Cf. die Ausführungen von 11 wohl zur Ergänzung beziehen sich auf die ehemalige Paginierung der Bl. durch Husserl, die durch die Paginierung von Edith Stein nur noch in Einzelfällen zu entziffern ist, so z. B. auf dem hier in Beilage XXVIII veröffentlichten Bl. 101 aus dem Konvolut A I 11, das von Husserl mit 11 paginiert worden ist (vgl. dazu unten die Bemerkungen in Beilage XXVIII). Die hier als Text Nr. 14 veröffentlichten Bl. sind von Husserl mäßig mit Tinte, Blaust. und Bleist. bearbeitet; Unterstr. sind vor allem mit Blaust. ausgeführt. Die Bl. sind von Landgrebe mit Bleist. mit Bearbeitungshinweisen versehen. Der Text ist nach Husserls Notiz auf der Vorderseite von Bl. A VI 12 I/262 auf Anfang Oktober 1911 zu datieren. 272, 8–9 Rd.-Titel von Edith Stein Aufmerksamkeit als schlichtes und explizierendes Erfassen darunter Notiz von Edith Stein mit Bleist. Vgl. 101, 207, A 34 ff., W 38 ff. || 272, Anm. 1 Rb. mit Bleist., darunter Signatur mit Blaust. π || 273, 9 Notiz mit Bleist. am Rd., wohl von Ludwig Landgrebe Zu 32. || 273, 9–28 von Ich kann bis s i e be s t i m m t . in Bleist.-Kl., wohl von Ludwig Landgrebe || 273, 29 Rd.-Titel von Edith Stein Unterschiede der logischen Akte: thematisches Bewussthaben, spezielles Meinen, nominales Erfassen || 273, Anm. 1 Rb. || 274, 1 das Fragezeichen bei Explikation? mit Blaust. nachgeschr. || 274, 22 Blaust.-Pfeil am Rd. || 274, 23–25 statt zwischen 1) Erfasstsein überhaupt, Objektivierend-im-Blick-Haben überhaupt und 2) Objektivieren im Ms. 1) zwischen Erfasstsein überhaupt, Objektivierend-imBlick-Haben überhaupt 2) und Objektivieren || 274, 23 1) Einf. mit Blaust. || 274, 24 2) Einf. mit Blaust. || 274, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 275, 1 3) Einf. mit Blaust. || 275, 13 Notiz mit Bleist. (wohl von Ludwig Landgrebe), mit Bleist. gestr. Von hier an zu § 30. || 275, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 275, Anm. 2 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 276, 7 statt fundierenden im Ms. fundieren || 276, 31 statt (als „Sich-richten-auf-das-Objekt“) im Ms. (als „Sich-richten-auf“) das Objekt || 276, 34–35 statt und dgl. betrachten im Ms. und dgl. sprechen || 277, 21 statt gründen sind im Ms. gründen ist || 277, 38 nach geworden ist. Markierungszeichen mit Bleist., wohl von Ludwig Landgrebe || 278, 29 Gang ins rein Grammatische Rd.-Titel mit Blaust., danach Rd.-Titel von Stein Haupt- und Nebensetzungen – Syntagmata verschiedener Stufe || 279, 10 derselben statt denselben im Ms. || 279, 26 statt gesamten Themata im Ms. gesamten Themen || 279, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist., statt Vgl. die früheren im Ms. Vgl. weiter unten die früheren || 280, 11–12 nach
textkritische anmerkungen
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nun Einzelanalysen. Schlusszeichen mit Bleist. || 280, 13 Rd.-Titel von Edith Stein Einheit des kategorischen Urteils. „Vorstellung“ = Richtung-auf als schlichtes Erfassen oder nominale Setzung darunter Notiz mit Bleist. von Edith Stein Vgl. 332. || 280, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 281, 8 statt den Sachverhalt im Ms. seinen Sachverhalt || 281, 20 Rd.-Titel mit Blaust. Vorstellung (die nominale Vorstellung der Logischen Untersuchungen) || 281, 29 Rd.-Titel mit Bleist. Vorstellung || 281, Anm. 1 Rb. || 281, Anm. 2 Rb. || 282, Anm. 1 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 283, 17 nach unten gerichteter Blaust.-Pfeil am Rd. || 283, 31 statt auf im Ms. in || 283, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 283, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist.; zusätzlich von Das „Vorstellen“ bis objektivierenden Akte. am Rd. mit geschweifter Kl. mit Blaust. zusammengefasst || 283, Anm. 3 späterer Rd.-Titel = Rd.-Titel mit Bleist. || 283, Anm. 4 späterer Rd.-Titel = Rd.-Titel mit Blaust. || 283, Anm. 5 späterer Rd.-Titel = Rd.-Titel mit Blaust. || 283, Anm. 6 spätere Erg. = Erg. mit Bleist. || 284, 16 nach gerichtet ist. Absatzzeichen mit Blaust. || 284, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 285, 9–10 Rd.-Titel Attribution || 285, 19 P mit Blaust. überschrieben || 285, 34 Gegenständlichkeiten V. mit Blaust. für Gegenstände || 285, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Blaust., statt S. 11 im Ms. p. 11 || 285, Anm. 2 spätere Einf. = Einf. mit Blaust. || 286, 6 vor Andererseits Markierungszeichen mit Bleist., wohl von Ludwig Landgrebe || 286, 27 richtet sich als Ganzes Erg., im Ms. ohne Kl. || 286, Anm. 1 spätere Streichung = mit Bleist., möglicherweise von Landgrebe, gestr. || 286, Anm. 2 spätere V. = V. mit Bleist. || 286, Anm. 3 spätere V. = V. mit Bleist. || 286, Anm. 4 spätere V. = V. mit Bleist. || 287, 2 Es ist Einf. mit Bleist. || 287, 5 hervorgegangene Gebilde V. für hervorgegangene Nominalgebilde || 287, 7–12 geschweifte Blaust.-Kl. am Rd. || 287, 8 ein komplexes nominales Gebilde mit Bleist. gestr. und wohl von Ludwig Landgrebe ersetzt durch Urteil || 287, 22–35 von Die Untersetzung bis hindurchgeht. in spitzen Bleist.-Kl. || 287, 31–34 Rd.-Titel mit Blaust. Hauptsatz, Nebensatz || 287, Anm. 1 spätere Erg. = Erg. mit Bleist. || 287, Anm. 2 Notiz mit Blaust.. || 288, 1–18 von Man sagt: bis der Setzung in spitzen Bleist.-Kl. || 288, 14–15 nach schlechthin unterscheiden. gestr. (Freilich darf man sich durch die empirisch-grammatischen Formen nicht missleiten lassen und etwa das „A ist vermutlich B“ so interpretieren, als ob das „ist“ eine Bestimmung erführe.) || 288, 21–29 von der Hauptsetzungsrichtung bis Richtung ändern V. für und dem Setzungsmodus (der selbst wieder aus Setzungen im Neben somit besteht), wie korrelativ zwischen gesetzter Gegenständlichkeit schlechthin, dem Korrelat der Hauptrichtung, und Gegenständlichkeit im Wie. Doch dieser Begriff der Gegenständlichkeit im Wie, der gesetzten Gegenständlichkeit im Wie des Gesetztseins || 288, 29 nach ändern. Schlusszeichen mit Blaust. und Blaust.-Linie || 289, 9 syntaktische Form V. für „Setzungsmodus“ || 289, 16 nach „Hypothesis“ gestr. wobei im Einzelnen die Thesen wirklich Thesen
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textkritische anmerkungen
und nicht Hypothesen sein mögen. || 289, 18 syntaktischen Modus V. für Setzungsmodus || 289, 19 statt Haben im Ms. Hätten || 289, Anm. 1 Rb. || 289, Anm. 2 Rb. || 289, Anm. 4 spätere V. = V. mit Bleist. || 289, Anm. 5 Rb. || 290, 3–14 von Wir können bis Charakter „Gedanke“. in eckigen Bleist.-Kl. || 290, 25 nach Setzung), mit Bleist. gestr. bzw. || 290, 29–33 von Dieses Ganze, bis charakterisiert. Erg. am Rd. || 290, 30 statt ihn durch und durch im Ms. durch und durch ihn || 290, Anm. 1 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 291, 19 Text mit Blaust. am Rd. dreimal angestr. || 291, 19–26 geschweifte Blaust.-Kl. am Rd. || 291, 31–33 am Rd. mit Blaust. doppelt angestr. || 291, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Blaust. || 292, 37–38 nach eine Voraussetzung gestr. (abgesehen von der Charakteristik). || 293, 4 Richtung. V. mit Bleist. für Richtung, wenn der Gedanke der Voraussetzung dient. || 293, 15 statt die Voraussetzung im Ms. das Voraussetzung || 293, 18–23 geschweifte Blaust.-Kl. am Rd. || 293, 26 nach solchen. horizontaler Blaust.-Strich || 293, 27 ab Aber sprechen am Rd. mit Blaust doppelt angestr. || 293, 28–34 mit Bleist. angestrichelt am Rd. || 293, 30 statt und den im Ms. und dem || 293, Anm. 1 spätere Erg. = Erg. mit Bleist. || 294, 3–5 von oder wie bis Tatsache. Einf. am Rd. || 294, 24 statt das wirkliche im Ms. die wirkliche || 294, 25 statt derjenigen im Ms. diejene || 295, 15 modifizierte Setzungen. V. mit Bleist. für modifizierte. || 295, 22–30 am Rd. mit Blaust. angestr.
Beilage XXVIII (S. 296–302) Der Text von Beilage XXVIII fußt auf den Bl. 101–104 aus dem Konvoluts A I 11 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts vgl. Husserliana XXVI, S. 263 und Husserliana XXXVIII, S. 499 f.). Husserl bezeichnet sie als „eingeschobene“ Bl., nämlich eingeschoben in den als Nr. 14 wiedergegebenen Text. Sie werden daher als Beilagentext wiedergegeben. Am oberen Rd. der Vorderseite des ersten (A I 11/101) der insgesamt vier Bl. findet sich mit Bleist. folgende Bemerkung: Zum Teil machen die folgenden vier Blätter von näheren Ausführungen Gebrauch, die nachher kommen, aber – da diese vier Blätter eingeschoben worden sind für ein falsches Blatt – früher ausgearbeitet waren. Alles sehr wichtig. Auch die spätere Wiederholung. Letzterer Hinweis bezieht sich wahrscheinlich auf den hier etwa ab S. 298 veröffentlichten Text, da Husserl auf der Vorderseite von Bl. 102 mit Blaust. am Rd. notiert hat Wiederholung davon gleich unten Die Bl. 101 bis 104 aus dem Konvolut A I 11 sind von Edith Stein in ihre Textsammlung zur Urteilstheorie aufgenommen worden (vgl. dazu oben, S. 416 ff.); die Bl. sind von ihr mit Bleist. von 332–335 paginiert. Eine ältere, wohl von Husserl stammende Paginierung ist nur auf der Vorderseite von
textkritische anmerkungen
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Bl. 101 noch deutlich als 11 zu lesen. Auf den anderen Bl. hat Edith Stein ihre Paginierung über die Husserls geschr., so dass die ursprüngliche Seitenzählung nicht mehr zu erkennen ist. Wahrscheinlich waren die Bl. jedoch ehemals vor bzw. nach dem Bl. 101 fortlaufend, also mit… 9, 10 bzw. 12, 13 … paginiert. Die Hinweise Husserls im Text, nämlich auf der Vorderseite von Bl. 101 mit Blaust. cf. 10 f. und die Rb. auf der Rückseite von Bl. 104 Vgl. auch das S. 18 Erwähnte beziehen sich daher wohl nicht auf die Paginierung der U-Blätter durch Edith Stein, sondern auf die ursprüngliche Paginierung der Bl. durch Husserl. – Die Bl. aus dem Konvolut A I 11, die hier als Beilage XXVIII zum Abdruck kommen, sind leicht mit Tinte, Bleist. und Blaust. bearbeitet. Die Unterstr. sind vor allem mit Blaust. ausgeführt. Eine direkte Datierung findet sich nicht; aus Husserls oben wiedergegebener Bemerkung (hinsichtlich der eingeschobenen Beilagenblätter) lässt sich aber der Schluss ziehen, dass der Beilagentext etwas später entstanden ist als der auf Anfang Oktober 1911 zu datierende Text Nr. 14, in den diese Beilagenbl. eingeschoben waren. Der Hrsg. datiert den in Beilage XXVIII veröffentlichten Text daher auf etwa Ende 1911. 296, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 297, 4 Rd.-Titel von Edith Stein Kategorische Form danach Notiz von Edith Stein mit Bleist. Vgl. 327. || 297, 9 vor Es ist spitze Blaust.-Kl. || 297, 9–11 geschweifte Blaust.-Kl. am Rd. || 297, 28 Rd.-Titel mit Blaust. Kausale Form danach Notiz von Edith Stein mit Bleist. Vgl. 199, 233, 235 ff., 249. || 297, Anm. 1 spätere Erg. = Erg. mit Blaust. || 297, Anm. 2 spätere Erg. = Erg. mit Bleist. || 297, Anm. 3 spätere Erg. = Erg. mit Bleist. || 297, Anm. 4 spätere Rb. = Rb. mit Blaust. || 297, Anm. 5 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 298, 3 nach den Sachverhalt. gestr. Es ist aber nicht so, meinte ich früher immer, dass hier ein kategorisches Urteil komplizierter Art vorliegt, in welchem diese nominale Eigenvorstellung als Subjekt fungierte, also der als Tatsache gesetzte Sachverhalt als Gegenstand-worüber, von dem dann ausgesagt wäre das Zur-Folge-Haben-dass… Vielmehr halte ich dafür, dass die Prädikation der Folge eine zirkumskriptive bzw. reflexive Form ist. Ich bin aber jetzt sehr zweifelhaft. Ich habe mich ganz vertieft in die schauende Analyse einiger Beispiele. || 298, 8 nach Danach wäre mit Blaust. gestr. die im Ms. irrtümlich nicht gestr. nominale || 298, 19 statt dass solche im Ms. dass nicht solche || 298, 19–21 geschweifte Blaust.-Kl. am Rd. || 298, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Blaust. || 298, Anm. 2 Rb. || 299, 37 Rd.-Titel mit Blaust. hypothetisches Urteil || 299, Anm. 1 spätere V. = V. mit Bleist. || 300, 8 nach Zusammenhangs Gedankenstrich mit Blaust. || 300, Anm. 1 spätere V. = V. mit Bleist. || 301, 5 Rd.-Titel von Edith Stein Kausales und hypothetisches, kategorisches Sach- und Gedankenurteil || 301, 24 Rd.Titel mit Bleist. Beschreibung von Bildobjekten || 301, Anm. 1 spätere Einf. =
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textkritische anmerkungen
Einf. mit Bleist. || 301, Anm. 2 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 301, Anm. 3 spätere Rb. = Rb. mit Bleist., möglicherweise nicht von Husserl geschr. || 301, Anm. 4 Rb.
Beilage XXIX (S. 302–308) Der Text von Beilage XXIX fußt auf dem Bl. 19 aus dem Konvolut A I 11 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts vgl. Husserliana XXVI, S. 263 und Husserliana XXXVIII, S. 499 f.) und auf den Bl. 109–111 aus dem Konvolut A VI 12 III (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts vgl. Husserliana XXIII, S. 692, Husserliana XXVI, S. 254 und Husserliana XXXVIII, S. 500 f.). Diese Bl., die Edith Stein in die Textzusammenstellung zur Urteilstheorie aufgenommen hat (vgl. dazu oben, S. 416 ff.), sind von ihr mit Bleist. von 143– 146 paginiert (zur Entsprechung zwischen Archivzählung und der Paginierung der U-Blätter durch Edith Stein siehe die Tabelle oben, S. 418 ff.). Die Paginazahlen der Bl. aus dem Konvolut A VI 12 III sind von Landgrebe mit Rotst. durchgestr. worden (zur Bedeutung dieses Zeichens, vgl. oben S. 473 f.). Das mit 143 paginierte Bl. 19 aus dem Konvolut A I 11 trägt auf der Vorderseite mit Blaust. die Signatur ρρ. Vorder- und Rückseite von Bl. A VI 12 III/108 tragen eine wohl von Husserl stammende Blaust.-Paginierung (1 u. 2), die mit Bleist. gestr. ist; ebenso ist eine 4 ist auf der Vorderseite von Bl. A VI 12 III/111 ausradiert worden. – Die Bl. sind mit Tinte, Bleist., Blaust. und Rotst. bearbeitet. Die Unterstr. sind vor allem mit Blaust. ausgeführt. Direkte Datierungen finden sich auf diesen Bl. nicht. Der Hrsg. datiert die Entstehung dieses Beilagentextes ähnlich wie Text Nr. 14 auf etwa Ende 1911. 302, 22 Notiz. von Edith Stein mit Bleist. Vgl. 45, 307. || 302, 25 sie wird Einf. mit Bleist. || 302, 27 Rd.-Titel von Edith Stein Idee als identisches Gemeintes verschiedener Erscheinungsweisen. Der identische Gegenstand in verschiedener denkmäßiger Fassung || 302, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Blaust., darunter mit Blaust. die Signatur ρρ || 302, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 302, Anm. 3 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 303, Anm. 1 Rb. || 303, Anm. 2 später gestr. = mit Blaust. gestr. || 303, Anm. 3 Rb. später gestr. = Rb. mit Blaust. gestr. || 303, Anm. 4 Rb. später gestr. = Rb. mit Bleist. gestr. || 304, 2 nach als solchen gestr. (Diese Idee schließt nicht die Idee des Gegenstands selbst ein, sondern die Idee des Gegenstandsvermeinten.) || 304, 29 Rd.-Titel von Edith Stein Der Gegenstand schlechthin und der Gegenstand im Wie. Reflexion auf Erscheinungen bzw. Bedeutungen danach Notiz. mit Bleist. von Edith Stein Vgl. 59. || 304, Anm. 1 später gestr. = mit Blaust. gestr. || 304, Anm. 2 Rb., von
textkritische anmerkungen
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auf das bis vollziehen. mit Blaust. angestr. || 304, Anm. 3 später gestr. = mit Blaust. gestr. || 305, 6–9 geschweifte Blaust.-Kl. am Rd. || 305, 11 statt diesen Zentauren im Ms. dieser Zentaur || 305, 12–17 mit Blaust. am Rd. angestr. || 305, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 306, 8 1) Einf. mit Rotst. || 306, 8 2) Einf. mit Rotst. || 306, 10 von die Reflexion bis als das V. für die Reflexion die „Wahrheit“ „Gold ist gelb“, der wahre „Satz“, als das || 306, 22–23 von Der Gegenstand steht bis wahrgenommen“ im Ms. versehentlich nicht gestr. || 306, 23 erscheint gestr. || 306, 26 nach als solches. gestr. Oder noch besser: Es erscheint ein Geurteiltes. || 306, 28 zweifellos Erg., im Ms. ohne Kl. || 306, Anm. 1 später gestr. = mit Blaust. und Rotst. gestr. || 306, Anm. 2 später V. = V. mit Bleist. || 306, Anm. 3 später gestr. = mit Blaust. gestr. || 307, 4 statt insofern, als im Ms. insofern, dass || 307, 6 Rd.-Titel von Edith Stein Uneigentlichkeit des Vermeinten als solchen. Ideierende Reflexion || 307, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist., dazu ein abwärts gerichteter Pfeil mit Blaust. || 307, Anm. 2 Individualität spätere Erg. = Erg. mit Bleist. || 307, Anm. 3 spätere V. = V. mit Bleist. || 307, Anm. 4 Rb., sich modifizierenden alten im Ms. in Kl. || 307, Anm. 5 spätere Rb. = Rb. mit Rotst. || 308, 2 statt zwischen dem Roterfahren im Ms. des Roterfahrens || 308, 4–5 statt dem Rotphantasieren, dem Rotabbilden im Ms. was ist der Unterschied des Rotphantasierens, des Rotabbildens || 308, 4–9 von oder in bis dergleichen ausmacht im Ms. in eckigen Blaust.-Kl. || 308, 12 nach dasselbe ist, gestr. soweit der „Inhalt“ und nicht der „Charakter“ in Frage ist || 308, 21 statt die sein: im Ms. sein die: || 308, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 308, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 308, Anm. 3 später gestr. = mit Bleist. gestr.
Text Nr. 15 (S. 309–315) Text Nr. 15 fußt auf den Bl. 41–45 aus dem Konvolut A I 11 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts vgl. Husserliana XXVI, S. 263 und Husserliana XXXVIII, S. 499 f.). Das Bl. 41 wurde von Edith Stein in ihre Textsammlung „Urteilstheorie“ aufgenommen (vgl. dazu oben, S. 416 ff.). Es trägt ihre Paginierung mit Bleist. 44 und einen Rd.-Titel von ihrer Hand. Die im Konvolut A I 11 nachfolgend liegenden Bl. 42–45 tragen eine ältere, wohl von Husserl stammende Paginierung mit Bleist., die von 1 bis 4 läuft. Sie sind nachträglich mit Bleist., wohl von Ludwig Landgrebe, mit 44a, 44b, 44c und 44d paginiert worden, der diese Bl. wahrscheinlich auch zur Textsammlung „Urteilstheorie“ hinzugelegt hat. Husserls Bemerkung darüber Ausarbeitungen auf dem mit 44 paginierten Bl. (hier S. 309,4–310,21) bezieht sich möglicherweise auf diese Bl. Die Notiz auf dem mit 44a bzw. 1 paginierten Bl. abschr. kann sowohl als abschreiben (z. B. als Hinweis von Husserl an seinen Assistenten Landgrebe),
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aber auch als Abschrift gelesen werden. – Die Überschrift auf der Vorderseite von Bl. 41 (A I 11) Die Starrheit der idealen Bedeutungen hat der Hrsg. für den Titel von Text Nr. 15 verwendet. Die Text 15 zugrunde liegenden Bl. sind nur leicht mit Bleist. und Tinte bearbeitet. Da die Bl. nach formalen Kriterien (Papiersorte, Schriftbild) einen einheitlichen Eindruck machen, nimmt der Hrsg. an, dass sie nur mit geringer zeitlicher Differenz entstanden sind. Eine verlässliche Datierung ist wegen fehlender Angaben schwierig. Wahrscheinlich ist eine Entstehungszeit um das Jahr 1908. 309, 14 Rd.-Titel von Edith Stein Das identische Urteil kein Teil der konkreten Phänomene || 310, 1 statt sind im Ms. ist || 310, 22 Rb. mit Bleist. Abschrift. || 312, Anm. 1 spätere Erg. = Erg. mit Bleist. || 314, 15 vor Wesen gestr. Stenogramm, möglicherweise als pure zu lesen || 314, 16 solchen statt in solche im Ms.
Text Nr. 16 (S. 316–331) Text Nr. 16 fußt auf den Bl. 31–35 u. 37–41 aus dem Konvolut A I 9 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts vgl. Husserliana XXVI, S. 250). Diese Bl., die von Edith Stein in die Textzusammenstellung zur Urteilstheorie aufgenommen wurden (vgl. dazu oben, S. 416 ff.), sind von ihr mit Bleist. von 221–225 und von 228–232 paginiert (zur Entsprechung zwischen Archivzählung und der Paginierung der U-Blätter durch Edith Stein siehe die Tabelle oben, S. 418 ff.). Ein in die Reihenfolge der Paginierung der U-Blätter gehöriges Bl. mit der Paginazahl 226 konnte in Husserls Nachlass nicht aufgefunden werden; es trug wohl, wie aus dem von Edith Stein erstellten Inhaltsverzeichnis zur Urteilstheorie hervorgeht (siehe dazu oben, S. 437), ihren Rd.-Titel Apriorische Urteile aufgrund materialer Wesensanschauung. Bei dem sich daran wohl ursprünglich anschließenden mit 227 paginierten U-Blatt handelt es sich um die Rückseite von Bl. 8 aus dem Konvolut A I 39; der Text dieser im Hinblick auf die Vorderseite kopfständig stehenden und gestr. Seite wird in den Textkritischen Anmerkungen wiedergegeben, da er sich nicht unmittelbar in den Textzusammenhang einfügen lässt. Die möglicherweise entstandene Lücke ist vom Hrsg. im Drucktext mit einem Sternchen markiert worden. – Viele Paginazahlen der hier als Text Nr. 16 wiedergegebenen Bl. sind sowohl mit Bleist. als auch mit Tinte geschr. Eine Erklärung für die uneinheitliche Schreibweise der Seitenzahlen ist, dass Edith Stein die schon vorhandene Paginierung der Bl. durch Husserl, die wohl von 1 bis 12 lief, in ihre Neupaginierung einbezogen hat. Dass es sich um einen weitgehend einheitlich geschriebenen und zwölf Bl. umfassenden Text handelte, ergibt sich
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aus Husserls Notiz auf dem ersten Bl. des hier als Text Nr. 16 veröffentlichten Textes (A I 9/31), wo er mit Bleist. notiert hat Nota bene und darunter mit Bleist. 12 Blätter. Husserls Notiz mit Bleist. auf der Vorderseite von Bl. A I 9/38 Hier schließt sich wohl besser p. 11 an ist daher auf das Bl. A I 9/40 zu beziehen, das von ihm mit 11 und später von Edith Stein mit 231 paginiert worden ist. Die Text Nr. 16 zugrunde liegenden Bl. sind nur mäßig mit Bleist. und Tinte bearbeitet; Unterstr. sind vor allem mit Blaust., zum Teil aber auch mit Rotst. ausgeführt. Einzelne Bearbeitungen mit Bleist. stammen wohl auch von Landgrebe. Eine explizite Datierung findet sich auf den Bl. nicht; der Hrsg. datiert Text Nr. 16 auf etwa 1908. 316, 7 statt Ich sage über im Ms. Aber ich sage über || 316, 14 Randtitel von Edith Stein Unmöglichkeit wahrer Aussagen über unmögliche Gegenstände || 316, 20 nach Überlegen wir Notiz, wohl mit Bezug auf den als Text Nr. 16 wiedergegebenen Text Darüber 3 3 mit Bleist. gestr. Blätter || 316, 23 vor rund, und mit Bleist. gestr. α || 316, 25 (Sein der Universalität) wohl von Ludwig Landgrebe mit Bleist. gestr. || 316, 27 wohl von Ludwig Landgrebe mit Bleist. gestr. || 316, Anm. 2 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 317, 14 statt Er hat im Ms. Es hat || 317, Anm. 1 Rb. || 318, 4 Rd.-Titel von Edith Stein Evidenz formal-logischer Sätze aufgrund uneigentlicher (materialer) Anschauungen darunter Notiz von Edith Stein mit Bleist. Vgl. 157, 198, 241, 248 || 318, 10 denen statt der im Ms. || 318, 15 vollziehe V. für vollziehend sage: Von zwei etc. || 319, 16–17 ein Satz V. für ein Sachverhalt im Ms. ein versehentlich gestr. || 319, 18 Rd.-Titel von Edith Stein Seinsgeltung und analytische Geltung || 320, 9–10 statt Ich setze im Ms. Setze ich || 320, 19 Ich denke ein rotes Haus. V. für Ich stelle ein rotes Haus vor. || 320, Anm. 1 Rb. || 320, Anm. 2 Rb. || 321, 11 Rd.Titel von Edith Stein Analytische Urteile (= Sinnesurteile ohne Gegenstandworüber) als Urteile unter Voraussetzung || 321, 16 nicht etwa V. mit Bleist. für keine || 321, Anm. 1 Rb. || 321, Anm. 2 Rb. || 321, Anm. 3 Rb. || 322, 4 sind statt ist im Ms. || 322, 20 zwar V. für doch nicht || 322, Anm. 1 Rb. später gestr. = Rb. mit Bleist. gestr. || 322, Anm. 2 Rb. || 323, 20 mit analytische Urteile. endet der Text auf dem von Edith Stein mit 225 paginierten Bl. (A I 9/35), ein unmittelbar anschließendes und mit 226 paginiertes Bl. fehlt. Die Rückseite von Bl. A I 39/8 trägt die Paginierung von Edith Stein 227 22 mit Bleist., 7 mit Tinte und die Rb. Nota bene. Der Text dieser Seite ist gestr. und lässt sich nicht umittelbar in den Textzusammenhang einfügen, er wird daher hier wiedergegeben (vgl. dazu auch die Textbeschreibungen zu Text Nr. 16): Doppelsinn: Die apriorischen Urteile, Sätze, Wahrheiten „gründen“ in den bloßen Vorstellungen, in bloßen Begriffen, im bloßen Sinn. Das heißt eben, die apriorische Einsicht gründet in den bloßen Wesensintuitionen, in diesen „bloßen Vorstellungen“ (es bedarf
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nicht entsprechender einzelner Wahrnehmungen und Erfahrungen). Weiter: Der apriorische Satz enthält „reine Begriffe“, er enthält an sich (er ist eine Bedeutung) nichts von Untersetzung individueller Existenz, weder bestimmt noch unbestimmt. (Eben darum fordert die Einsicht in seine Wahrheit keine Wahrnehmung und Erfahrung). Rb. mit Bleist. Hier ist Satz falsch verstanden. Andererseits korrelativ: Der apriorische Sachverhalt „gründet“ in den Essenzen. Zum Beispiel: Die Essenz Rot ist verschieden von der Essenz Grün: darin Verschiedenheit, das Verschiedensein gründet. Der Sachverhalt enthält Essenzen, und in diesen Essenzen gründet er mit seiner logischen Form. Ferner: Ist überhaupt a intensiver wie b und b intensiver wie c, so gründet darin „a ist intensiver wie c“. Es ist noch zu erwägen, wie das Gründen zum Fundieren steht. Nämlich: a) Mit α und β ist eine Form notwendig mitgegeben, in eins damit. b) Mit α und β ist die Möglichkeit einer kategorialen Form gegeben, die nicht notwendig reell mitgegeben ist. || 323, 21 vor Betrachten im Ms. 2) || 323, 21 Rd.-Titel von Edith Stein Urteile mit gemischten Setzungen (essentialen und existentialen). Rein analytische Urteile ohne Essential- und Existentialsetzung || 324, 18 statt übernommen im Ms. übergenommen || 324, 25 nach gehört im Ms. Auslassungszeichen || 325, 1 Rd.-Titel von Edith Stein Logische (formale) und materiale Essenz || 325, 7 vor In mit Bleist. gestr. Ist || 325, 21–23 von Ich sagte bis Wenn vollzogen. wohl von Ludwig Landgrebe mit Bleist. gestr. || 325, 28 statt als im Ms. wie || 325, 29 statt als im Ms. wie || 325, 33 Nehmen wir das Beispiel: Einf. mit Bleist. || 325, Anm. 1 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 325, Anm. 2 Rb. || 326, Anm. 1 Rb. || 326, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 326, Anm. 3 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 326, Anm. 4 spätere Rb. = Rb. mit Bleist., unter phanseologisch im Ms. nocheinmal mit Bleist. phanseologisch || 326, Anm. 5 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 327, 12–25 vor das nicht bis Essenzen geurteilt. gestr. Text aus anderem Zusammenhang Zur Paradoxie. Wenn U gilt, gilt V. Also, es ist wahr, dass U — V. Es ist nicht wahr, dass (U — V). Also, wenn U gilt, gilt V. gestr. (Im analytischen Sinn geschlossen „Wenn U, so V“ kann existentialen Sinn haben, kann Wesenssinn oder den Sinn eines Schlusses (conclusio) haben. || 327, 19–25 von 1) bis geurteilt. geschweifte Kl. mit Blaust. am Rd. || 327, 29 statt Wetter im Ms. wird || 327, 31 statt π ist eine reelle im Ms. Es ist eine reelle || 327, 32 sei Erg. || 327, Anm. 1 spätere Einf. = Einf. mit Bleist., im Ms. in Bleist.-Kl. || 329, 6 statt oder im Ms. noch || 329, 11 statt liegt im Ms. ergibt || 329, Anm. 1 Rb. || 330, 2 statt in der im Ms. die || 330, Anm. 1 Rb.
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Beilage XXX (S. 331–332) Der Text von Beilage XXX fußt auf dem Bl. 36 aus dem Konvolut A I 9 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts vgl. Husserliana XXVI, S. 250). Auf der Vorderseite des Bl. steht mit Bleist. notiert ad 5 (gemeint ist Bl. A I 9/35; hier = S. 321,11–323,20) und etwas darunter mit dickerem Bleist. (möglicherweise nicht von der Hand Husserls geschr.) als Beilage zu den 12 Blättern. Gemeint sind die in vorliegender Edition in Text Nr. 16 veröffentlichten 12 Blätter, wie sie auch auf der Vorderseite von Bl. A I 9/31 bezeichnet werden. Der Text der Rückseite des hier als Beilage wiedergegebenen Bl. ist kopfständig und gestr. und wird in den Textkritischen Anmerkungen wiedergegeben. Das Bl. gehört wahrscheinlich zu den U-Blättern, es trägt zwar keine Paginierung von Edith Stein, dafür aber ihren Rd.-Titel Sinnesurteil und hypothetisches Urteil. – Das Beilage XXX zugrunde liegende Bl. ist nur leicht mit Tinte, Bleist. und Blaust. bearbeitet. Es ist wie Text Nr. 16 auf etwa 1908 zu datieren. 331, 7 Rd.-Titel von Edith Stein Sinnesurteil und hypothetisches Urteil daneben von Husserl Nota bene. Nochmals überlesen. darunter Notiz mit Bleist., evtl. nicht von Husserl als Beilage zu den 12 Blättern = Text Nr. 16. || 332, 4 nach Urteil. gestr. Text der Rückseite von Bl. A I 9/36 Urteilen. Kategorisch urteilen. Grundsetzungen, auf die sich Beziehungssetzungen aufbauen. a) Individuelle Setzungen, z. B. „der König von Frankreich“. b) Generelle Setzungen, z. B. „das Dreieck“, „die Zahl 4“. Hier ist zu überlegen. „Eine gerade Zahl kann nie die und die Form haben.“ „Eine ungerade Zahl kann nie die Wurzel dieser Gleichung haben.“ In der Mathematik: Habe ich da nicht viele Sinnesurteile, die bestehen bleiben, auch wenn keine Grundsetzungen vorgenommen sind? Ein Dreieck hat zur Winkelsumme 2 R. Ein Dreieck, beim Beweis vollziehe ich Setzungen, dass die und die Verbindungslinien „existieren“. Gesetzt, ABC sei ein Dreieck. Ich ziehe eine Parallele (bei jedem Dreieck kann ich eine solche ziehen): „Ein rundes Viereck ist rund“. Ein kreisgeformtes Viereck hat die Kreisform. über Kreisform Erg. Sie „existiert“ Oder: Eine Figur, die zugleich Quadrat und Kreis ist, hat einen Radius, hat die und die Eigenschaften, die zum Kreis als solchen gehören, d. i. in der Geometrie bewiesen werden. Da werden also auch Setzungen vollzogen und treten in die Sinnesurteile ein. Setzungen, die sich auf Essenzen, auf Möglichkeiten beziehen: begründet in den Axiomen. All das „gilt“ vom runden Viereck? „Das“ runde Viereck hat all diese Beschaffenheiten, die des Kreises und die des Vierecks, also lauter widersprechende? Da kommt man darauf: „Was die Eigenschaft a hat, kann nicht die Eigenschaft b haben. X hat die Eigenschaft a, also nicht die Eigenschaft b. Also das runde Viereck hat die Eigenschaft a und und zweimal im Ms. die
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Eigenschaft a nicht. Es ist a und ist nicht a. Es hat keine ‚seiner‘ Eigenschaften etc. Es ist nichts. Nichts ist = etwas, das nicht etwas ist“. Kann man also sagen, solch ein Gegenstand sei etwas? Sagen wir, er sei etwas, so ist es auch wahr, dass er das nicht ist, oder nicht wahr, dass er etwas ist oder dieses ist. Ich kann also nicht mit Recht sagen, dass das runde Viereck so ist.
Text Nr. 17 (S. 333–352) Text Nr. 17 fußt auf den Bl. 46–48 u. 60–67 aus dem Konvolut A I 9 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts vgl. Husserliana XXVI, S. 250). Die Bl. gehörten ursprünglich zu den von Edith Stein zusammengestellten Mss. zur Urteilstheorie (vgl. dazu oben, S. 416 ff.). Die Bl. sind von ihr mit Bleist. von 254 bis 264 paginiert (zur Entsprechung zwischen Archivzählung und der Paginierung der U-Blätter durch Edith Stein siehe die Tabelle oben, S. 418 ff.). Die Paginazahlen 258 bis 264 sind wohl von Landgrebe mit Rotst. durchgestr. worden, als Zeichen, dass er diese Bl. nicht für seine Ausarbeitung im Auftrag Husserls benutzen wollte (vgl. oben, S. 473 f.). Auf der Rückseite von Bl. 47 steht mit Bleist. notiert Beilage (V) und auf der Vorderseite von Bl. 48 mit Bleist. dazu vgl. (V). Es konnte nicht geklärt werden, auf welche Beilage sich Husserl hier bezieht bzw. welche Mss. mit der Signatur (V) gemeint sein könnten; wahrscheinlich steht das V für „Vorstellung“ (vgl. das Bl. A I 39/5b, das aus den Vorlesungen von 1901/02 stammt und diese Signatur trägt). Husserls Rb. mit Bleist. auf der Vorderseite von Bl. 48 (als 256 paginiert) Im Fortgang der Betrachtung kommt schon selbst die Korrektur. Drei Blätter weiter. bezieht sich wahrscheinlich auf das Bl. 63 (als 260 paginiert; hier = S. 344,1–345,27), auf dessen Vorderseite mit Bleist. notiert steht Die folgenden Blätter sind wohl zu beachten. – Die Bl. des hier als Text Nr. 17 veröffentlichten Textes sind vor allem mit Tinte, aber auch leicht mit Bleist. und Blaust. bearbeitet. Unterstr. sind mit Tinte und Blaust. ausgeführt. Der Hrsg. datiert die Entstehung dieses Textes auf etwa 1908. 333, 8 Rd.-Titel von Edith Stein Urteile aufgrund bloßer Vorstellung und hypothetische Urteile || 333, 8 Analytisch urteilen – aufgrund der „bloßen Vorstellung“ urteilen. im Ms. als Überschrift || 333, 19 statt denn eigentliche Identifikationen sind impressional im Ms. aber eigentliche Identifikationen sind nicht impressional || 333, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Blaust. || 333, Anm. 2 Rb. || 334, 5 nach zugrunde. gestr. Ebenso wie bei Wesensurteilen (prädikativen) Setzung von Wesen. || 334, Anm. 1 Erg., im Ms. nach Wesensurteil drei Fragezeichen || 335, 1 expliziter V. für impressionaler || 335, 4 unmodifizierte Erg. || 335, 12 nach voraus im Ms. Auslassungszeichen || 335,
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21 ab Ich habe abwärts gerichteter Pfeil mit Bleist., darunter Notiz mit Bleist. Beilage (V) siehe dazu die Hinweise in den Textbeschreibungen, S. 508 || 335, Anm. 1 Rb. || 335, Anm. 2 Rb. || 335, Anm. 3 Rb. mit Bleist. || 335, Anm. 4 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. und mit geschweifter Kl. zusammengefasst || 336, 6 statt oder im Ms. und || 336, 10 statt oder im Ms. und || 336, 11 statt es in deutlicher Weise im Ms. in deutlicher Weise es || 336, 20–22 von Wir haben bis (intuitiv) am Rd. doppelt angestr. || 336, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 336, Anm. 2 Rb. || 337, 3 Rb. mit Bleist. Dazu vgl. (V) siehe dazu die Hinweise in den Textbeschreibungen, S. 508 || 337, 9 Quasiidentifikationen Einf. am Rd., ohne Kl. im Ms. || 337, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 337, Anm. 2 Rb. || 338, 7–8 statt aber hier verschiedene Weisen im Ms. aber verschiedene Weisen hier || 338, 14–15 (modifizierte Evidenz) Erg. am Rd. || 338, 30 – 339, 4 von die aber bis bezeichnet werden. V. für die aber zu vollen Urteilen nur werden können und ihre objektive Wahrheit gewinnen können durch Beziehung auf die Vorstellung. Wenn || 338, Anm. 1 Rb. || 338, Anm. 2 Rb. || 339, Anm. 1 Rb. || 340, 9 Rd.-Titel von Edith Stein Wesensurteile aufgrund „bloßer Vorstellung“ || 340, 11 statt existential geurteilt im Ms. geurteilt existential || 340, 36 – 341, 1 von Ist es bis Vorstellung urteilen? geschweifte Kl. am Rd. || 341, 11–12 ab Warum können abwärts gerichteter Pfeil mit Blaust. || 341, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 342, 23–24 von und Ideation bis vollzogen wird Einf. || 342, 25 von Überall ist bis die Ideation! Erg., im Ms. ohne Kl. || 342, Anm. 1 Erg. || 342, Anm. 2 Erg. || 343, 10 vor Ich kann im Ms. Kl. || 343, 14 statt wie die im Ms. mit der || 343, Anm. 1 Rb. || 344, 1 Rd.-Titel von Edith Stein Immanente und transzendente Wesenserfassung und ihre Evidenz || 344, 1 Einerseits Einf. mit Bleist. || 344, 6–8 von (Genau bis Ideation.) Einf. || 344, 17–21 von (In bis herausschaut. Einf., ohne schließende Kl. im Ms. || 344, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 344, Anm. 2 Rb. || 345, 23 näher V. für klar || 345, 23 bestimmen zweimal im Ms. || 345, 28–34 von Also liegt bis nähere Bestimmung. Einf. am Rd. || 345, 30 Existenz V. für Evidenz || 345, Anm. 1 Rb. mit Bleist. || 346, 8 nach fortsetzen. gestr. Ein Widerstreit findet nicht statt, wenn ich die Grünauffassung einfach fahren lasse. Sie ist da, wenn ich sie festhalte, also Quasisetzung vollziehe und beibehalte und nun die neue Anschauung als Quasiwahrnehmung nehme, die herausstellt, die Farbe sei „in Wahrheit“ Rot. || 346, 12 hinter herausgestellt im Ms. ein Fragezeichen in Kl. || 346, Anm. 1 Rb. || 346, Anm. 2 Rb. || 347, 9 statt beschlossen sind im Ms. beschlossen ist || 347, 22 Rd.-Titel von Edith Stein Wesensanalyse und logische Sinnesanalyse || 347, Anm. 1 Rb., statt die Dingidee ergebend im Ms. ergebend die Dingidee || 347, Anm. 2 Rb. || 348, 5–6 statt man von Dingen aussagt und was man ihnen dabei allgemein zuschreibt im Ms. man sagt von Dingen aus und was schreibt man ihnen dabei allgemein zu || 348, 10 letztklärenden Sinn als Rd.-Titel mit Bleist.
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wiederholt || 348, 16 statt einerseits im Ms. entweder || 348, 19 statt bezeichnen alternative Lesart beziehen || 348, 24–25 statt die evtl. im Ms. evtl. die || 348, 27 – 349, 2 von (Wobei bis kann.) Einf. am Rd. || 348, Anm. 1 Rb. || 349, 4 statt ist, dies im Ms. ist, dass dies || 349, 10–12 von Ich lege bis lässt). Einf. am Rd. || 349, 14–15 von (die bis Sinn). Einf. am Rd. || 350, 27 generelle Erg., im Ms. ohne Kl. || 350, 32 Rd.-Titel von Edith Stein Bedeutung von Eigennamen || 350, Anm. 1 Rb. || 350, Anm. 2 Rb. || 351, 18 statt dem im Ms. den
Text Nr. 18 (S. 353–371) Text Nr. 18 fußt auf den Bl. 12–18 u. 21–24 aus dem Konvolut A I 4. Das Konvolut A I 4 umfasst insgesamt 87 Bl. Das äußere Umschlagsbl. (1 u. 87) wird von einem braunen, umgewendeten Briefumschlag gebildet (an Husserl adressierte Drucksache vom Max Niemeyer Verlag mit Poststempel 31 Mai 1926 auf der Rückseite von Bl. 87). Auf der Vorderseite des Umschlagsbl. (1) steht mit Blaust. geschr. Ältere Manuskripte zur Urteilstheorie, auch zur Lehre von den Wahrscheinlichkeiten. Die Bl. 2 und 73 bilden einen Innenumschlag, auf dessen Rückseite (Bl. 73) die mit Blaust. geschr. und mit Blaust. wieder gestr. Notiz Zu IV steht. Auf der Vorderseite (Bl. 2) finden sich mit Blaust. geschr. die folgenden Aufschriften Evidenz, Wahrheit für immanente Gegebenheiten, für transzendente Gegebenheiten, für Wesen. Evidenz und Adäquatheit. Meist Altes als Erg. mit Rotst. Zum Teil auch neuere Manuskripte, zum größten Teil ganz alte aus der Hallenser Zeit. Lag bei WW. Vgl. über die parallele Gemütsevidenz etc. In der Hauptsache handelt es sich bei den in dem Innenumschlag (2 u. 73) liegenden Bl. um einen mit Blaust. von Edith Stein von 90 bis 149 paginierten Text, der allerdings nicht zu den Mss. zum Projekt „Urteilstheorie“ (vgl. dazu oben, S. 416 ff.) gehört, sondern zu einer von Stein zusammengestellten Sammlung von Texten Husserls zu den Themen Wahrnehmung, Vergegenwärtigung, Stellungnahme …, Phantasie, Bildbewusstsein (Aufschrift auf A VI 11 II/2). Diese Textsammlung trug die Signatur WW, auf die sich Husserl entsprechend auch auf dem Innenumschlag von A I 4 (Bl. 2a) mit der Notiz bezieht lag bei WW. Edith Stein hat zu dieser Textsammlung (ähnlich wie zur Urteilstheorie; vgl. dazu oben, S. 418 ff.) ein umfangreiches Inhaltsverzeichnis angelegt (eine Beschreibung dieser Textsammlung und ein Abdruck des von Edith Stein erstellten Inhaltsverzeichnisses finden sich in Husserliana XXIII, S. 602 ff., vgl. auch die Hinweise auf diese Textsammlung in Husserliana XXXVIII, S. 417 f.). Auf Bl. A VI 11 II/5a dieses Inhaltsverzeichnisses hat Husserl mit Bezug auf die im Konvolut A I 4 liegenden Bl. notiert 89–152 ist herausgenommen (die
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von 150–152 paginierten Bl. handeln zum Teil über Billigung, Wert, Evidenz und liegen nun im Konvolut A VI 24, Bl. 7–10). Wahrscheinlich hat Husserl diese Bl. über Evidenz, Wahrheit (A I 4/2a) im Jahr 1921 aus der von Edith Stein zusammengestellten Textsammlung herausgenommen, da er einen Teil des Inhaltsverzeichnisses von Edith Stein auf einem separaten Bl. (A I 4/4a) abgeschrieben hat, das auf der Rückseite ein auf den 2. März 1921 datiertes Schreiben trägt. – Am Ende des Konvoluts A I 4 liegt noch ein weiterer Binnenumschlag, der von den Bl. 74 u. 86 gebildet wird (Brief vom Ministerium des Kultus und Unterrichts, datiert auf der Rückseite von Bl. 74 auf den 17. Juni 1916). Auf der Vorderseite von Bl. 74 steht mit Blaust. Bolzano, Begriff der Wahrscheinlichkeit und Gewissheit. Die aus dem Konvolut A I 4 stammenden Bl. 12–18, 21–24 des vorliegenden Textes Nr. 18 sind am oberen rechten Rd. von 1–11 paginiert. Eine ältere, gestr. Paginierung der Bl. mit Bleist. lässt sich zum Teil noch rekonstruieren, sie lief von 6–15. Zusätzlich sind die Bl. von Edith Stein am oberen linken Rd. mit Blaust. paginiert, und zwar die Bl. 12–18 von 94–100 und die Bl. 21–24 von 103–106. Aufgrund ihrer Paginierung gehörten die Bl. zu der oben beschriebenen, von Edith Stein zusammengestellten Manuskriptsammlung zum Thema Wahrnehmung, Vergegenwärtigung, Stellungnahme …, Phantasie, Bildbewusstsein. Die in der Reihenfolge sowohl der Archivzählung als auch in der Paginierung von Edith Stein fehlenden Bl. (A I 4/19 „101“ bzw. 20 „102“) werden nachfolgend als Beilage XXXI bzw. XXXII veröffentlicht. Auf diese Beilagen weist Husserl mit der Erg. mit Blaust. Beilage 1α 2α auf der Rückseite von Bl. 18 hin. Der Text auf Bl. 12 aus dem Konvolut A I 4 ist eine spätere, leicht veränderte Abschrift des auf der Rückseite von Bl. 13 stehenden Textes. Die Text Nr. 18 zugrunde liegenden Bl. wurden von Husserls späterem Assistenten Ludwig Landgrebe abgeschr. (siehe M III 11/1–9). Husserl hat diese Abschrift wahrscheinlich um 1927 gelesen und dabei am schreibmaschinenschriftlichen Text Landgrebes wenige Korrekturen und Anmerkungen angebracht. In Anmerkungen zum Drucktext werden diese Kommentare Husserls zum Typoskript Landgrebes, soweit sie inhaltlich von Belang sind, wiedergegeben. Die Wiedergabe des Textes folgt in der Edition aber nicht der Transkription von Landgrebe, sondern einer kollationierten Neutranskription der Originalbl. Husserls durch den Hrsg. Die hier als Text Nr. 18 veröffentlichten elf Bl. sind mäßig mit Tinte bearbeitet, Unterstr. sind vor allem mit Blaust. und Tinte ausgeführt. Das erste Bl. (A I 4/12a) trägt am oberen Rd. die Datierung 15. VIII. 1908; das achte Bl. (A I 4/21a) am oberen Rd. die Datierung 20. VIII. 1908. Auch die Schreibmaschinenabschrift (M III 11) des Ms. trägt mit Blaust. die Datierung 1908 von Husserls Hand.
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textkritische anmerkungen
353, 4–5 Titel ist ein Rd.-Titel von Husserl auf der Vorderseite von Bl. A I 4/12 || 353, 9 nach sie sind gestr. gedacht || 353, 10–12 von Individuelle Gegenstände bis bezügliche Urteile. V. am Rd. Sie weisen sich als seiende, mit sich identische Gegenstände aus, teils im Ms. es direkt in wiederholter Wahrnehmung bzw. im Wahrnehmungszusammenhang, auch in wiederholter Erinnerung, teils indirekt. || 353, Anm. 2 Rb. mit Blaust. und Bleist. gestr., dazu Notiz mit Bleist. Eigenes Blatt als Hinweis auf die Abschrift einer gestr. Seite (siehe oben, S. 354, Anm. 1). || 354, 15 statt kann dieselben im Ms. kann sie dieselben || 354, Anm. 1 die in der Anm. wiedergegebene Abschrift der Rückseite des Bl. A I 4/13 befindet sich auf dem Bl. A I 4/12 || 355, 3–4 Rd.-Titel von Edith Stein Übereinstimmung und Widerstreit in transzendent-deiktischer Erfahrung. || 355, 4 statt über im Ms. auf || 355, Anm. 1 spätere V. = V. mit Bleist. || 356, 5 Rd.-Titel von Edith Stein Unmöglichkeit intersubjektiver Erfahrung von immanentem Sein || 357, 7 Rd.-Titel von Edith Stein Vagheit der Beschreibung anschaulicher Gegebenheiten || 357, 31 „Verschwommen“ und „deutlich“ Rd.-Titel || 357, Anm. 1 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 358, 23 Rd.-Titel von Edith Stein Dies-Setzung und Beschreibung von Phantasie- und Scheinbildern. daneben Notiz mit Blaust. von Edith Stein Vgl. 45, 61, 228. || 358, Anm. 1 spätere V. = V. mit Bleist. || 358, Anm. 2 Rb. || 359, 10 statt bei einem im Ms. ein || 359, Anm. 1 Rb. || 361, 4 Rd.-Titel mit Blaust. Erscheinende Gegenstände als solche und immanente Gegenstände || 361, 38 statt und ich im Ms. und und ich || 362, 18 Rd.-Titel von Edith Stein Ausdrucksglauben und Seinsglauben darunter Notiz mit Blaust. von Edith Stein Vgl. 232, 241, 276. || 363, 3–7 geschweifte Kl. mit Bleist. am Rd. || 363, 14 wesentlich möglich zugehörig V. für wesentliche Möglichkeit || 363, Anm. 1 Rb. || 364, 7 statt Wie steht im Ms. wie stehen || 364, Anm. 1 Rb. || 365, 5 statt zwei Anschauungen im Ms. beide || 365, Anm. 1 Rb., dazu die Datierung 20.8.08. || 365, Anm. 2 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 365, Anm. 3 spätere Rb. = Rb. mit Blaust. || 365, Anm. 4 spätere Randbemerkung = Rb. mit Bleist. || 366, 2 statt sie im Ms. es || 366, 3 Datierung 20.VIII.08 als Notiz am Rd. || 366, Anm. 1 Rb. || 367, 9–10 statt allerdings in einem anderen Sinn als im Ms. wie allerdings in einem anderen Sinn || 367, 19 statt Erfahrungsurteil im Ms. Erfahrungsurteilen || 367, 26 Rd.-Titel von Edith Stein „Zeitlosigkeit“ der Wahrheit || 367, Anm. 1 Rb., es folgt im Ms. der nicht geklärte Hinweis Vergleiche die Untersuchungen über Erscheinendes als solches. || 368, 33– 34 nach eingeordnetem Subjekt gestr. sondern auch Unabhängigkeit vom absolut genommenen Akt und „Jetzt“ (von der immanenten Zeitlichkeit). In der absoluten Interpretation der empirischen Welt gewinnt ja jeder Akt gesetzmäßige Beziehung zur Gesamtheit des absoluten Seins, bzw. jedes Empirische gewinnt seine absolute Bedeutung. || 368, Anm. 1 Rb. || 369, 6
textkritische anmerkungen
513
statt abgeben im Ms. abgibt || 369, 11 Rd.-Titel von Stein Objektivität der Aussagen über Immanentes || 369, Anm. 1 spätere Einf. = Einf. mit Blaust. || 370, Anm. 1 Rb. || 371, Anm. 1 spätere Erg. = Erg. mit Bleist. || 371, Anm. 2 Rb.
Beilage XXXI (S. 372–373) Der Text dieser Beilage fußt auf Bl. 19 des Konvoluts A I 4 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts siehe oben, S. 510 f.). Das Bl. trägt am oberen Rd. die Aufschrift Beilage zu den Blättern 5–7, womit die in Text Nr. 18 veröffentlichten Bl. A I 4/16–18 (hier = S. 360,18–366,2) gemeint sind. Entsprechend weist Husserl auf dem in Text Nr. 18 veröffentlichten Bl. 18 aus dem Konvolut A I 4 auf diese Beilage sowie auf den nachfolgend in Beilage XXXII veröffentlichten Text hin, und zwar mit der Notiz mit Blaust. Beilage 1α 2α. Das Bl. 19 der Beilage XXXI trägt die Paginierung 1α und die Paginierung mit Blaust. von Edith Stein 101; das sich unmittelbar anschließende Bl. A I 4/20 (Paginierung 2α bzw. Paginierung von Edith Stein mit Blaust. 102) wird entsprechend in der nachfolgenden Beilage XXXII veröffentlicht. Das Beilage XXXI zugrunde liegende Bl. wurde von Husserls Assistenten Ludwig Landgrebe abgeschr. (siehe M III 11/9–10). Husserl hat dieses Typoskript wahrscheinlich um 1927 gelesen (vgl. oben die Textbeschreibungen zu Text Nr. 18). Die Wiedergabe des Textes folgt in der Edition nicht der Transkription von Landgrebe, sondern einer kollationierten Neutranskription der Originalbl. Husserls durch den Hrsg. – Das Bl. ist nur wenig mit Tinte bearbeitet; Unterstreichungen sind zumeist mit Blaust. durchgeführt. Wahrscheinlich ist der Text der Beilage im Zusammenhang mit Text Nr. 18 entstanden und daher ebenfalls auf 1908 zu datieren. 372, 5 Bedenken Rb. || 372, Anm. 2 im Ms. als Überschrift
Beilage XXXII (S. 374–375) Der Text von Beilage XXXII fußt auf Bl. 20 aus dem Konvolut A I 4 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts siehe oben, S. 510 f.). Das Bl. trägt am oberen Rd. die Aufschrift zur Beilage. Das Bl. ist als 2α bzw. von Edith Stein mit Blaust. mit 102 paginiert und schließt so unmittelbar an das mit 1α bzw. von Edith Stein mit Blaust. 101 paginierte Bl. A I 4/19 an, das in Beilage XXXI veröffentlicht ist (vgl. die Ausführungen dort). – Das Bl. ist nur wenig mit Tinte bearbeitet; Unterstreichungen sind zumeist mit Blaust.
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textkritische anmerkungen
durchgeführt. Wahrscheinlich ist der Text der Beilage im Zusammenhang mit Text Nr. 18 entstanden und daher auf 1908 zu datieren. 374, 3 Notiz am Rd. Zur Beilage
Text Nr. 19 (S. 376–393) Text Nr. 19 fußt auf dem Bl. 28 aus dem Konvolut A VI 12 III (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts vgl. Husserliana XXIII, S. 692, Husserliana XXVI, S. 254 und Husserliana XXXVIII, S. 500 f.) und auf den Bl. 82–90 aus dem Konvolut A I 11 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts vgl. Husserliana XXVI, S. 263 und Husserliana XXXVIII, S. 499 f.). Die Bl. gehörten ursprünglich zu den von Edith Stein zusammengestellten Texten zur Urteilstheorie (vgl. dazu oben, S. 416 ff.). Die Bl. 82–90 aus dem Konvolut A I 11 sind von Edith Stein mit Bleist. von 159–167 paginiert; das Bl. 28 aus dem Konvolut A VI 12 III ist mit Bleist. von Edith Stein mit 158 paginiert (zur Entsprechung zwischen Archivzählung und der Paginierung der U-Blätter durch Edith Stein siehe die Tabelle oben, S. 418 ff.); die Paginazahl 158 ist von Landgrebe mit Rotst. durchgestr. worden (vgl. zur Bedeutung dieses Zeichens, oben S. 473 f.). Die ersten vier Bl. (paginiert von 158–161, hier = S. 376,2–382,33) unterscheiden sich in der Papiersorte von den anderen Bl. Auf sie bezieht sich möglicherweise die Rb. mit Bleist. auf der Vorderseite von Bl. A VI 12 III/28 Die ersten Blätter nicht erheblich. – Die Text Nr. 19 zugrunde liegenden Bl. sind mit Tinte, Blaust. und Bleist. bearbeitet; Unterstr. sind mit Blaust. und Rotst. ausgeführt. Der Hrsg. datiert die Entstehung von Text Nr. 19 auf etwa 1908. 376, 2–3 von Empirische und bis erscheinende Ding. im Ms. als Überschrift || 376, 26 a) Einf. mit Blaust. || 376, 26 Rd.-Titel von Edith Stein Sinnesurteile und allgemeine Wesensurteile von Husserl verändert in Sinnesurteile, Erfahrungsurteile und realontologische Wesensurteile || 376, 27 b) Einf. mit Blaust. || 376, 28 Erscheinungskorrelate V. für Sinneskorrelate || 376, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 377, 1–2 von Wie sehen bis aus? mit Rotst. am Rd. doppelt angestr. || 377, Anm. 1 spätere V. = V. mit Bleist. || 377, Anm. 2 spätere V. = V. mit Bleist. || 377, Anm. 3 spätere Einf. = Einf. mit Blaust. || 377, Anm. 4 spätere V. = V. mit Bleist. || 377, Anm. 5 später gestr. = mit Bleist. gestr. || 378, 2 ich doch V. mit Blaust. für ist doch || 378, 10 statt dass das hier da ist im Ms. dass da hier das ist || 378, 15 statt Erscheinenden im Ms. Erscheinendes || 378, Anm. 1 Rb. || 378, Anm. 2 spätere V. = V. mit Bleist. || 378, Anm. 3 Rb. || 379, 4–5 von Dingerscheinungen, Dingapparenzen, also
textkritische anmerkungen
515
auch Einf. mit Tinte und Bleist. || 379, 24 Rd.-Titel von Edith Stein Reflektive Erfassung des Wahrnehmungssinnes. Der identische Sinn aller Sinnesphasen. Begriffliche Fassung des Sinnes. darunter Notiz von Edith Stein mit Bleist. Vgl. 107, 148, 163. || 379, Anm. 1 später gestr. = mit Bleist. gestr. || 379, Anm. 2 Rb. || 379, Anm. 3 Rb. || 379, Anm. 4 spätere Einfügung = Einf. mit Bleist. || 380, 3–4 von dabei ist bis Teiles identisch V. für dabei nicht total identisch, sondern partial identisch || 380, 6 statt Ob sich im Übrigen im Ms. Im Übrigen ob sich || 380, Anm. 1 Rb. || 381, 7 Rd.-Titel von Edith Stein Sinn als Moment der Erscheinung || 381, 23 nach Sinn liegt gestr. und wieder nicht so liegt, wie in einem Ganzen der Teil liegt || 381, Anm. 1 Rb. || 381, Anm. 2 Rb. || 382, Anm. 1 später gestr. = mit Bleist. gestr. || 382, Anm. 2 später gestr. = mit Bleist. gestr. || 384, 27–28 Rd.-Titel von Edith Stein Klärung und Bestimmung des Sinnes darunter Notiz von Edith Stein mit Bleist. Vgl. 107, 148, 160. darunter abwärts gerichteter Blaust.-Pfeil || 385, 19 statt kommt zur im Ms. kommt es zur || 386, 9 Rd.-Titel von Edith Stein Prädikative Bestimmung = Heraushebung von Teilbedeutungen des Vollsinnes. Fließender Sinn und feste Bedeutung daneben abwärts gerichteter Pfeil || 386, 26 statt selbst fließend im Ms. selbst sich fließend || 386, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 386, Anm. 2 Rb. || 387, 22–23 statt und wenn die im Ms. und die die || 387, Anm. 1 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 387, Anm. 2 später gestr. = mit Bleist. gestr. || 387, Anm. 3 spätere Rb. = Rb. mit Bleist., unter Nota bene abwärts gerichteter Bleist.-Pfeil || 388, 3 Gedachten Erg. || 388, 35 nach Bedeutung ist. Schlusszeichen || 388, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 389, 8 festgehalten Lesart unsicher || 390, 5 nach Bedeutungen im Ms. (nach ihnen Lesart unsicher || 390, 19 vor Fürs Erste im Ms. 1) || 390, Anm. 1 spätere Einf. = Einf. mit Blaust. || 390, Anm. 2 Rb. || 392, 3 Rd.-Titel von Edith Stein Leere und erfüllte Bedeutungen || 392, 5 statt was das ist „Zahl“ im Ms. was das Zahl ist || 392, 33 statt sind im Ms. ist || 392, 37 statt wie im Ms. die wie || 393, 1–4 am Rd. mit Blaust. angestr. || 393, Anm. 1 Rb. || 393, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist.
Text Nr. 20 (S. 394–409) Text Nr. 20 fußt auf den Bl. 55–61 aus dem Konvolut A VI 12 III (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts vgl. Husserliana XXIII, S. 692, Husserliana XXVI, S. 254 und Husserliana XXXVIII, S. 500 f.), auf den Bl. 6–7 aus dem Konvolut A I 11 (zur allgemeinen Beschreibung dieses Konvoluts vgl. Husserliana XXVI, S. 263 und Husserliana XXXVIII, S. 499 f.) und auf dem Bl. 155 aus dem Konvolut M III 3 IV 2. Das Konvolut M III 3 IV 2 besteht aus ca. 160 Bl. Es handelt sich um eine Schreibmaschinen-Abschrift, die Ludwig Landgrebe Ende der 1920er Jahre
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textkritische anmerkungen
auf der Grundlage einer Auswahl von Mss. Husserls zum Thema Gegenstand und Sinn hergestellt hat, und zwar handelt es sich um eine Dublette dieser Abschrift, die, wie Landgrebe auf dem Umschlagsbl. M III 3 IV 2 (Bl. 1 u. 160) notiert hat, grösstenteils verwendet wurde in der Ausarbeitung der Urteilstheorie, zum Teil erledigt durch die „Formale und transzendentale Logik“. Bei dem in Text Nr. 20 veröffentlichten Bl. 155 aus dem Konvolut M III 3 IV 2 (hier = S. 404,20–406,5) handelt es sich um eines der wenigen handschriftlich von Husserl beschriebenen Bl., die sich in Landgrebes Typoskript befinden. Die als Text Nr. 20 veröffentlichten Bl. gehörten ursprünglich zu den von Edith Stein zusammengestellten Texten zur Urteilstheorie, und zwar sind sie von 53–62 mit Bleist. von Edith Stein paginiert (vgl. zu dieser Textsammlung und zur Entsprechung zwischen Archivzählung und der Paginierung der UBlätter durch Edith Stein oben, S. 416 ff.). Die Paginazahlen der aus dem Konvolut A VI 12 III stammenden Bl. sind von Landgrebe mit Bleist. durchgestr. (vgl. zur Bedeutung dieses Zeichens, oben S. 473 f.). Auf dem ersten der als Text Nr. 20 veröffentlichten Bl. (A VI 12 III/55a) ist mit Bleist. notiert entnommen aus O2 und darunter mit Bleist. pp. 10–13 und darunter ebenfalls mit Bleist. Gut. Ein Ms. mit dieser Signatur (O2) konnte im Nachlass Husserls nicht identifiziert werden (siehe den Hinweis oben, S. 488). – Die Text Nr. 20 zugrunde liegenden Bl. sind vor allem mit Bleist. bearbeitet; Unterstr. sind mit Blaust., seltener mit Rotst. ausgeführt. Das Bl. 155 aus dem Konvolut M III 3 IV 2 trägt mit Bleist. die Signatur B2 (vgl. dazu den Hinweis oben, S. 486). Dieses Bl. ist von Landgrebe mit Bleist. bearbeitet worden. Der Hrsg. datiert Text Nr. 20 auf etwa 1908. 394, 6 Rd.-Titel von Edith Stein Gegebenheit der Dingidee darunter Rb. mit Bleist. Entnommen aus O2, P. 10–13. Gut. || 394, 12 (der V. mit Bleist. für (oder || 394, 21 Rd.-Titel von Edith Stein Reflektive Erfassung der Zugehörigkeit der Abschattungen verschiedener Stufe zur Dingeinheit || 394, Anm. 2 spätere Erg. = Erg. mit Bleist. || 394, Anm. 3 später gestr. = mit Bleist. gestr. || 394, Anm. 4 spätere V. = V. mit Bleist. || 394, Anm. 5 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 394, Anm. 6 Rb. || 395, 30–31 vor Wir sagen etwa aus im Ms. Wir sagen aus || 395, Anm. 1 spätere Erg. = Erg. mit Bleist. || 396, 1 Rd.-Titel von Edith Stein Synthetische Akte innerhalb der Anschauung. Ausdruck des Erscheinenden und Ausdruck des Sinnes darunter Notiz von Bleist. von Edith Stein Vgl. 6, 12, 107, 117, 121, 168, 202. || 396, 21 1) Einf. mit Blaust. || 396, 23 2) Einf. mit Blaust. || 396, 27 nach erscheint. gestr. Freilich, ob das Gesehene existiert, mag zweifelhaft sein und || 396, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 397, 13 statt ist Anschauung im Ms. sind Anschauungen || 397, 17 Notiz am Rd. mit Bleist. von Edith Stein Vgl. 256, 301. || 397, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 397, Anm. 2 spätere Erg. = Erg. mit Bleist. || 398, 12–13 von eine gewisse
textkritische anmerkungen
517
bis gewisse Schwere V. für irgendeine noch zu bestimmende Farbe etc. || 398, 15 Rd.-Titel mit Bleist. Verworrene Meinungen und ihre Sinngebung, ihr Ausdruck. darunter Notiz mit Bleist. Vgl. 60. || 398, 15–20 am Rd. mit Blaust. angestr. || 398, Anm. 1 spätere Erg. = Erg. mit Bleist. || 398, Anm. 2 Rb. || 398, Anm. 3 Rb. || 399, 6 Rd.-Titel von Edith Stein Bedeutung als der identische Gehalt verschiedenartiger Anschauungen und ihr logischer (in einer Vielheit von Anschauungen zu explizierender) Gehalt darunter Notiz mit Bleist. von Edith Stein Vgl. 27, 38, 46 f., 101, 104, 141, 143, 190 || 399, 8 nach oder ein gestr. reproduktives || 399, 9 nach nichtwahrsetzendes mit Bleist. geschr. und wieder gestr. ein neutrales || 399, Anm. 1 Rb. || 399, Anm. 2 spätere Erg. = Erg. mit Bleist., im Ms. doppeltes Ausrufezeichen || 399, Anm. 3 spätere V. = V. mit Bleist. || 399, Anm. 4 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 399, Anm. 5 spätere Erg. = Erg. mit Bleist. || 399, Anm. 6 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 399, Anm. 7 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 399, Anm. 8 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 399, Anm. 9 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 400, 5 statt dass statt im Ms. dass wir statt || 400, 7–14 später mit Bleist. an den Rd. geschr. drei Fragezeichen || 400, 19 statt seinem logischen im Ms. seinen logischen || 400, 20 statt „seinem analytischen im Ms. „seinen analytischen || 400, 24 statt ist der im Ms. als || 400, Anm. 2 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 400, Anm. 3 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 400, Anm. 4 spätere Bemerkung = Bemerkung mit Bleist. || 400, Anm. 5 spätere Bemerkung = Bemerkung mit Bleist. || 400, Anm. 6 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 400, Anm. 7 spätere V. = V. mit Bleist. und Rost., die spätere Rb. Neu schreiben ist eine Rb. mit Bleist. || 400, Anm. 8 spätere Einf. = Einf mit Bleist. || 401, 1 und Einf. mit Bleist. || 401, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist., statt vorgestellt wird im Ms. vorstellen || 401, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 401, Anm. 3 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 402, 19 statt von im Ms. mit || 402, 31 statt Dem eben im Ms. 2) Dem eben || 402, Anm. 1 Rb., explizit Einf. mit Bleist. || 403, 6 statt unexplizierten im Ms. inexplizierten || 403, 7 Rd.-Titel von Edith Stein Unbestimmter Gegenstand der Anschauung und bestimmter (= Subjekts-) Gegenstand darunter Rb. mit Bleist von Edith Stein Vgl. 1, 6, 13, 18, 21, 26, 185, 196, 204. || 403, 16 statt unterscheiden? Im im Ms. unterscheiden? a) Im || 403, Anm. 1 Rb. || 403, Anm. 2 spätere Einf. = Einf. mit Bleist., statt dasselbe. im Ms. dasselbe, – || 404, 1–4 am Rd. mit Bleist. angestr. || 404, 29 Rd.-Titel von Edith Stein Der Gegenstand schlechthin, das „Erscheinende als solches“ und das „Erscheinende im Wie“ darunter Notiz mit Bleist. von Edith Stein Vgl. 104, 144. darunter Notiz mit Bleist., wohl von Ludwig Landgrebe Einige Wendungen evtl. zu Paragraph § 2. || 404, 30 ab Speziell hinsichtlich am Rd. mit Bleist. angestr. || 404, 33 statt unexplizierten im Ms. inexplizierten || 404, Anm. 1 spätere V. = V. mit Bleist. || 404, Anm. 2 spätere Erg. = Erg. mit Bleist. || 405, 3–5 statt von das ist bis jener Weise erscheinend im Ms. das ist einmal in der einen erscheinend in der Weise
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textkritische anmerkungen
(mit dem Bestimmtheitsgehalt, nach der Seite) erscheinend das andere Mal in jener Weise || 405, 9 dem im Ms. zweimal geschr. || 405, 11–17 am Rd. mit Bleist. angestr. || 405, 34 1) Einf. mit Rotst. || 405, Anm. 1 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 405, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 406, 2 2) Einf. mit Rotst. || 406, 4 das Bestimmtheitswesen V. mit Bleist. für das Bedeutungswesen wobei das versehentlich einmal mit Tinte, einmal mit Bleist. geschr. ist || 406, 6 statt Dem Bedeutungswesen im Ms. 3) Dem Bedeutungswesen || 406, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 406, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 406, Anm. 3 spätere Erg. = Erg. mit Bleist. || 406, Anm. 4 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 406, Anm. 5 Bestimmtheitswesen der Erscheinung (das Erscheinende im Wie). V. mit Bleist. für Bedeutungswesen der Erscheinung. || 406, Anm. 6 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 406, Anm. 7 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 407, 7–11 am Rd. mit Bleist. angestr. || 407, Anm. 1 Rb. = Rb. mit Bleist. || 407, Anm. 2 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 408, 2 statt was im Ms. als || 408, 18 Rd.-Titel von Edith Stein Der geurteilte Sachverhalt (bzw. der genannte Gegenstand) als solcher und der wahrhaft seiende || 408, Anm. 1 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 408, Anm. 2 spätere Rb. = Rb. mit Bleist. || 408, Anm. 3 später gestr. = mit Bleist. gestr. || 409, 2–7 am Rd. mit Rotst. angestr. || 409, 16 nach Wesensbestand Schlusszeichen || 409, Anm. 1 später gestr. = mit Bleist. gestr. || 409, Anm. 2 später gestr. = mit Bleist. gestr. || 409, Anm. 3 spätere Einf. = Einf. mit Bleist. || 409, Anm. 4 später gestr. = mit Bleist. gestr.
NACHWEIS DER ORIGINALSEITEN In der jeweils linken Spalte befindet sich die Angabe von Seite und Zeile im gedruckten Text, in der jeweils rechten Spalte die des Manuskriptkonvoluts und der Blattzahlen im Manuskript nach der offiziellen Signierung und Nummerierung des Husserl-Archivs. 1,4–6 1,9–2,3 2,5–3,3 3,4–4,18 4,18–5,18 5,18–8,19 8, Anm. 5 8,19–9,32 9,33–11,3 11,3–12,19 12,19–14,14 14,16–15,20 16,1–17,10 17,10–21,13 21,13–22,13 22,14–23,11 23,11–24,11 24,11–25,12 25,13–26,15 26,15–27,12 27,12–28,5 28,5–30,18 31,5–33,13 33,14–36,2 36,3–38,33 39,1–50,29 51,4–53,11 53,14–55,29 55,31–56,22 56,24–64,22 64,25–65,36 66,5–67,1 68,5–81,16 82,2–87,11 87,12–91,6 91,10–94,20
K I 57/
K I 58/
A I 7/ K I 12/
1a 2a 3a 4a 5a 6a–7a 8a 9a 10a 11a 12a 13a 14a 15a–16a 17a 18a 19a 20a 21a 22a 23a 24a–25a 6a 7b 7a 9a–11a 8a–b 13a–b 2a 3a–5b 12a 14a 4a–12b 16a–17b 21a–22a 19a–20a
94,24–98,29 99,2–102,32 103,2–107,23 107,25–108,25 108,27–110,20 110,23–113,19 113,21–116,9 116,11–120,12 121,2–122,11 122,12–126,8 127,3–131,23 131,24–132,24 132,25–133,21 134,4–134,30 135,1–135,33 136,1–139,32 141,10–143,32 143,32–158,26 159,4–160,25 160,25–162,10 162,16–167,28 168,4–171,30 172,1–175,11 176, 2–177, 20 177, 20–181,4 181, 5–183,15 183,18–192,4 192,7–192,30 193,1–196,21 196,21–197,29 197,30–198,38 199,3–208,8 208,13–213,16 213,19–214,28 214,29–215,15 215,16–218,4
A I 16/
A VI 12 III/ A I 11/ A VI 12 III/ A I 10/ A I 9/ A VI 12 III/ A I 11/ A VI 12 III/ A I 10/
A I 11/ A VI 12 III/ A I 17 I/ A VI 12 III/
14a–15b 24a–25b 3a–5a 7a 8a 10a–11a 12a–13b 26a–27b 59a 60b–62b 68a–70a 71b 72a 87a 88b 91a–92b 97a–98a 99a–107a 18a–b 108a–b 26a–29b 17a–19b 52a–53b 76a–b 46a–47b 3b–a 77a–80b 84a 5a–6b 7b 7a 8a–13a 11a–15b 81a–b 10a 82a–83b
520 218,5–220,14 221,2–226,15 226,16–233,16 234,6–237,29 237,29–239,21 239,22–244,16 244,17–245,8 245,9–246,17 246,18–248,6 249,3–250,31 250,31–257,11 257,14–259,17 260,2–261,33 261,34–262,35 263,3–264,21 264,22–266,11 266,12–268,10 268,11–271,24 272,8–278,27 278,39–289,24 289,25–296,25 296,28–302,15 302,19–304,15
nachweis der originalseiten A I 11/
16a–17b 8a–10b A VI 12 III/ 66a–69a A I 8/ 24a–25b A VI 12 I/ 238a–b 241a–243b 249a A I 16/ 79a–b A VI 12 I/ 250a–b A I 11/ 113a–b 115a–118b 114a–b A VI 12 I/ 63a–b 255a–b 68a–b M III 3 1 I 1/ 171a A VI 12 I/ 69a–b 256a–257b 262a–265b A I 11/ 95a–100b 105a–109b 101a–104b 19a–b
304,16–308,21 309,4–315,8 316,7–316,20 316,21–323,20 323,21–331,4 331,7–332,4 333,8–338,9 338,10–352,9 353,4–5 353, 6–354,17 354, Anm. 1 354,17–356,4 356,5–366,2 366,2–371,32 372,5–375,29 376,2–377,26 377,26–393,17 394,6–395,35 396,1–399,4 399,4–404,20 404,20–406,5 406,6–409,19
A VI 12 III/ 109a–111b A I 11/ 41a–45b A I 9/ 31a 32a–35b 37a–41b 36a 46a–48b 60a–67b A I 4/ 12a 13b 12a–b 13a 14a–18b 21a–24a 19a–20b A VI 12 III/ 28a–b A I 11/ 82a–90b A VI 12 III/ 55a–b A I 11/ 6a–7b A VI 12 III/ 56a–58b M III 3 IV 2/ 155a–b A VI 12 III/ 59a–61a
NAMENREGISTER
Bolzano 86, 93, 101, 138, 139, 160 Brentano 15, 32, 36, 42, 44, 86 Erdmann 45, 67 Hume 43 Anm. Kant 217, 303, 367
Land 37 Lipps 64 Plato 84, 85 Sigwart 1, 31, 32, 34– 36 Sokrates 84, 85 Windelband 36