Bastei
Texas-Western Band 660
Ein Greenhorn kam ins
Diggercamp
Ein mitreißender Erfolgsroman von Bill Murphy
Es ...
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Bastei
Texas-Western Band 660
Ein Greenhorn kam ins
Diggercamp
Ein mitreißender Erfolgsroman von Bill Murphy
Es war die Zeit des großen Goldrausches. Tausende verwegener Abenteurer zogen nach Westen, um bei der Jagd nach dem gelben Metall das große Glück zu finden. In den wilden Diggercamps herrschten Gesetzlosigkeit und Gewalt. Aber es gab auch tapfere Männer, die allen Banditen und Goldhyänen furchtlos entgegentraten und kein Risiko scheuten, um dem Recht zum Sieg zu verhelfen. Einer dieser Männer war Ed Gregory. Er kam in das Diggercamp Black Hawk, um seinen verschollenen Bruder John zu suchen. Ed Gregory sah aus wie ein Greenhorn, und alle wunderten sich, daß ausgerechnet er den Stern nahm. Denn die Banditen von Black Hawk hatten jedem Sheriff den Tod geschworen...
Die vierspännige Kutsche jagte am Rande des Waldes dahin. Das Heulen des Windes war im Innern der Kutsche nicht zu hören. Es ging unter im Rattern und Holpern der hohen Räder der planmäßigen Postkutsche zwischen Fairplay und Golden. Der hagere Passagier mit dem Gesicht eines Kartenhais und der Kleidung eines Spielers zog die Nase kraus. Er saß mit dem Gesicht zur Fahrtrichtung, und der leichte Sprühregen stäubte ihm in das knochige Antlitz. Er wickelte sich fester in die dicke Wolldecke und näselte dann mit der Miene eines Leichenbitters zu Ed Gregory hinüber: »Wir kommen höher ins Gebirge. Es wird kalt.« Ed Gregory saß dem Hageren gegenüber. Im krassen Gegensatz zu ihm hatte er ein volles Gesicht, war breiter in den Schultern und sonnengebräunt. Er war jung, nicht einmal dreißig Jahre, groß und muskulös. Sein Haar war pechschwarz. »In den Bergen ist der Winter noch nicht vorüber, und ich glaube, daß wir auf dem Paß in ein Schneetreiben kommen.« Dann schwiegen die Männer wieder. Plötzlich griff der Fahrer den vier Pferden in die Zügel. Er bremste den Lauf der jagenden Kutsche und brachte sie zum Stehen. Die beiden Insassen des Gefährtes beugten sich zur linken Seite hinaus. Sie sahen, daß der Fahrer und dessen Begleiter vom Bock stiegen. Sie erkannten erst jetzt, daß der zweite Mann einen Stern an der Brust trug. Die beiden Männer blieben vor dem Schlag der Kutsche stehen. Aus schmalen Augen blickten sie zum Wald hinüber. »Was gibt es, Gents?« fragte der Hagere ungeduldig. Der Sheriff wandte sich den beiden Passagieren zu. Er schaute sie eine Sekunde prüfend an, und danach kam er mit seinem Anliegen heraus. In seinem breiten, texanischen Slang zerquetschte er die Worte förmlich zwischen seinen Zähnen. »Wir haben fünf solide Geldsäcke im Kasten.« Er hob abwehrend die Hand, weil der Spieler etwas einwenden wollte.
»Ich glaube Ihnen gern, daß Sie überrascht sind. Aber diese Art von Geldtransporten ist zur Zeit die einzig sichere Methode. Wenn ein Überfall stattfindet, dann wird es oben auf dem Paß sein. Der Fahrer muß anhalten, um die Pferde ausruhen zu lassen. Die Company zahlt jedem hundert Dollar, der mir mit seiner Waffe zur Seite steht, wenn dieser Transport überfallen wird. Sie können sich natürlich heraushalten.« »Auf die hundert Dollar dieser sauberen Gesellschaft pfeife ich, Sheriff«, zischt der Hagere giftig und nestelte dabei aufgeregt an seiner bunten Halsschleife. Der Texaner blickte aus schmalen Augen zu dem aufgeregten Mann hinauf. Er fixierte ihn. Dann sagte er ruhig: »Wie Sie Ihre Colts in den Schulterhalftern tragen, muß ich annehmen, daß Sie sich nicht so ohne weiteres von ein paar Wegelagerern aus den Stiefeln stoßen lassen. So ängstlich, wie Sie sich geben, sind Sie bestimmt nicht.« Und mit der ausgestreckten Hand tippte er auf die beiden kaum wahrnehmbaren Ausbuchtungen an den Schultern des Hageren. Aber der Mann zeigte sich wenig überrascht. Scharf erwiderte er: »Sie können sagen, was Sie wollen. Von mir aus können Sie auch Ihr Angebot auf das Zehnfache erhöhen. Was mich betrifft, ich pfeife darauf.« Er wandte sich Ed Gregory zu und sagte: »Verkaufen Sie mir Ihren Grauen! Ich biete Ihnen hundert Dollar! Hundertzwanzig! – Hundertfünfzig!« Ed, der diese Rede bisher schweigend und ohne jede Regung verfolgt hatte, grinste breit und schüttelte den Kopf. »Nicht für tausend! Nein! Der Graue ist unverkäuflich.« Er sagte es leise, doch betonte er dabei jedes Wort. »Das wird Ihnen jetzt nichts mehr nützen«, warf der Texaner ein. »Gar nichts! Sie begreifen, daß ich Sie jetzt, nachdem Sie das Geheimnis kennen, nicht mehr weglassen kann!« Er hielt plötzlich seinen Colt in der Hand und richtete ihn auf den Spieler, der beide Hände zu den Halftern hochreißen
wollte. Der Zug des Texaners war so sauber und glatt, und die Schnelligkeit seiner Hand war so verblüffend, daß der Hagere die Hände mit kantigem Gesicht fallen ließ und diese dann in die Taschen seiner dicken Stoffjacke stieß. »Lassen Sie das lieber bleiben!« sagte der Sheriff ruhig. »Ich kann Späße schlecht vertragen. Bei meinem Job ist das zu gefährlich. Und merken Sie sich: Vom Bock aus habe ich ein gutes Schußfeld!« Das Gesicht des Spielers war vor Zorn so weiß wie eine Wand. Er ballte die Hände, die er in seinen Rocktaschen verbarg, und fauchte: »In Golden werden Sie sich verantworten, Sheriff! In Golden werden Sie was erleben!« Doch der Mann aus Fairplay ließ sich durch diese Drohung nicht beeindrucken. Er steckte den Colt so schnell weg, wie er ihn gezogen hatte. Danach hob er den Kopf zu Ed Gregory auf und musterte ihn. »Und wie ist es mit dir, Cowboy?« Ed lächelte. Die Art des langen Texaners gefiel ihm. Der Sternträger hatte ihm schon in Fairplay imponiert, wo er mit noch so einem baumlangen Kerl, der als Deputy fungierte, eisern Zucht und Ordnung hielt. Das Gesetz war immer nur so stark wie die Männer, die den Stern auf der Brust trugen. Und in Fairplay stand das Gesetz auf eisernen Füßen. Der Texaner und sein Partner sorgten dafür. Ed Gregory kannte die Zustände in dieser Goldgräberstadt. Er wußte, daß der lange Texaner eine harte und rauhbeinige Nummer sein mußte. Und harte Nummern mochte Ed schon immer. Aus diesem Grunde grinste er den Sheriff aus Fairplay an, nickte und murmelte: »In Ordnung! Doch ich muß mir die Chancen vorher genau ausrechnen!« Der Sheriff war zufrieden. Er wischte sich über das vom Regen nasse Gesicht und gab dem Fahrer ein Zeichen, daß er weiterfahren sollte. Als er sich abwandte, um auf den Bock zu klettern, meinte er zu Ed: »Wenn’s nur nicht zu lange dauert,
Cowboy! Ich meine dein Ausrechnen!« Mit wiegenden Schritten ging er nach vorn. Er schaute noch einmal zum Wald und zu den Bergen hinüber, ehe er dem Fahrer folgte, der auf den Bock stieg. Dann griff der Kutscher nach den Zügeln, schwang die lange Peitsche und trieb die vier Gäule vor der Kutsche mit lautem »Heh« und »Braah« an. Die Pferde legten sich ins Geschirr und zogen sofort los. Die Postkutsche folgte dem Weg, der durch ausgefahrene Wagenspuren gezeichnet war. Die beiden Passagiere in der Kabine wurden plötzlich hart gegen die Wand geworfen, da sich der Weg unvermittelt um eine steil aufregende Felswand wand. Der Fahrer ließ die Pferde etwas zu wild in diese enge Kurve hineingehen. Denn als das Gefährt aus der Schleife herausschoß, schleuderte die Kutsche stark und wirbelte die Insassen durcheinander. Der Spieler stieß sich den Kopf, und er bedachte den Fahrer mit saftigen Flüchen. Doch Ed Gregory ging darauf nicht ein, da ihm dieser Mann unsympathisch war und er eine Unterhaltung vermeiden wollte. Der Hagere war ihm nicht gerade unheimlich, aber Ed traute ihm nicht über den Weg. Irgendwie sah die ganze Geschichte vorhin nach Theater aus. Und er hatte bereits in Fairplay die gut eingearbeiteten Schulterhalfter im Rock dieses Mannes entdeckt. Die Kutsche rollte nun langsam den Kenosha-Paß hinauf. Auf halber Höhe verwandelte sich der Regen in leichtes Schneetreiben. Das waren die letzten Auswirkungen des Winters. Seit drei Wochen war der Paß wieder befahrbar, war er frei von Eis und Schnee. Nun quirlte der Wind noch einmal Schneeflocken durch die Schlucht. Die vier Männer wickelten sich fester in ihre Decken, Felljacken und Wollröcke. Es war kalt. Dann wurde die Schlucht breiter. Durch Geröll und Felsbrocken, die irgendwann einmal aus den steilen Wänden
gebrochen waren, bahnte sich die Kutsche ihren Weg, der flacher wurde. Das Gespann vor der Kutsche dampfte. Der Fahrer ließ die Tiere halten, und in diesem Moment wurde es Ed Gregory zum Verhängnis, daß er den Hageren nicht mehr beachtet hatte. Denn als er den Kopf zum Fenster hinausschieben wollte, riß ihn die scharfe Stimme seines Mitreisenden herum: »Jetzt werden Sie vernünftig bleiben, Mister! Fangen Sie erst mal an zu rechnen, bevor Sie etwas unternehmen!« Ed Gregory war herumgefahren. Als er die Colthand hinunterstoßen wollte, mußte er erkennen, daß ihn der Hagere bereits in zwei Mündungen schauen ließ. Im gleichen Augenblick zerrissen draußen mehrere Schüsse die eisige Bergluft. Ed vernahm über sich Stöhnen. Gleich darauf glaubte er zu hören, daß zwei Körper vom Bock der Kutsche fielen. Er dachte plötzlich daran, daß der Hagere kurz hinter Fairplay mehrmals den Wettervorhang an der rechten Seite vor das Fenster gezogen hatte. Er tat so, als ob es ihm nicht gelingen würde, den Vorhang unten festzuhaken. Nach dem zweiten oder dritten Versuch gab er es dann auf. Ed entsann sich auch, daß der Hagere lange vor Abfahrt der Kutsche an der Poststation stand, und nun glaubte Ed zu wissen, daß dieser schon in Fairplay von den Geldsäcken wußte. »Los, steigen Sie aus!« Der Hagere beugte sich aus der Kutsche, ohne jedoch Ed Gregory aus den Augen zu lassen, und rief den draußen auftauchenden Reitern entgegen: »He, Jeff! Kümmere dich um diesen Cowpuncher! Er wollte sich hundert Dollar verdienen und mit den anderen beiden Narren das Geld bewachen. Doch er hat mich nicht mit einkalkuliert. Er scheint mir ein verdammt schlechter Rechner zu sein.« Er lachte schallend. Jeff, der Bandit, sprang vom Pferd, zückte seine Waffen und hielt sie Ed Gregory vor den Bauch. Als Ed draußen stand, schlug der rauhe Wind ihm Schnee und Kälte ins Gesicht. Er sah den langen Texaner tot im
Schnee liegen, das Gewehr noch in der Hand. Zwischen den hinteren Pferden entdeckte er auf der Deichsel den Fahrer. Der Mann lag unnatürlich verkrampft, mit den Händen auf dem Schaft des Gewehres, dessen Lauf sich beim Sturz in den Schnee bohrte. Auch er rührte sich nicht. Ed Gregory blickte sich um, und es war der Zorn des ehrlichen Mannes, der ihn packte. Drei weitere Banditenreiter trieben ihre Pferde durch den Schnee heran. Sie hielten ihre Gewehre schußbereit unter den Armen. Einer der Reiter trieb seinen Gaul zurück, verschwand hinter kantigen Felsen, um später mit zwei Packtieren wieder aufzutauchen. Der Bandit vor Ed zog ihm vorsichtig das Eisen aus der Halfter. Ed mußte es geschehen lassen. Denn der Hagere war vorsichtig und drückte ihm dabei einen Coltlauf zwischen die Schulterblätter. Der Bandit brummte zufrieden, steckte sich Eds Colt in den Gürtel und wies mit der Hand zur Felswand. »Stell dich dahin, Stranger!« brummte er und stieß ihn auch schon mit dem Colt hinüber. Ed Gregory mußte durch den Wind und den Schnee zum Rande der Schlucht laufen. Er ging mit hängenden Schultern, hinter ihm ein Bandit mit vorgehaltenem Colt. Auf halbem Wege blieb der Bursche stehen und rief ihm nach: »Bleib besser an der Wand, Cowboy, und sieh dir die Sache von weitem an!« Damit ging er zur Kutsche zurück, an der die anderen bereits den Kasten aufgebrochen hatten und die Geldsäcke herauszuziehen begannen. Im Handumdrehen waren die Banditen fertig. Die Geldsäcke lagen festgezurrt auf den Tragegeschirren der Lasttiere. Die Banditen stiegen in die Sättel; und der Hagere war es, der sich auf den Rücken von Eds Grauem schwang. Ed stand an der Wand und ballte die Hände. »Du verdammter Pferdedieb! So wahr ich einer der sieben
Gregorysöhne bin, dich sehe ich wieder, und dann rechnen wir beide miteinander ab!« Er spürte die Kälte plötzlich in allen Knochen. Der treibende Schnee stach ihm wie mit tausend Nadeln ins Gesicht. Seine Zähne begannen zu klappern. Da stemmte er sich gegen den Wind und ging zur Postkutsche hinüber. Von den Banditen war schon nichts mehr zu sehen. Vor der leblosen Gestalt des langen Texaners blieb er stehen. Er bückte sich, schob seine Arme unter den Körper des Sheriffs, hob ihn auf und brachte ihn in die Kutsche. Auch den Leichnam des Fahrers schaffte er hinein. Die Männer waren schwer. Die Anstrengung trieb ihm den Schweiß aus den Poren. Er sammelte auch noch die herumliegenden Waffen ein. Langsam und nachdenklich ging er zu den Pferden, überprüfte Geschirr und Zügel des Gespannes und stieg dann auf den Bock. Er wickelte sich die Wetterplane um die Beine, und danach trieb er die Pferde an. Die vier Gäule trabten willig an und zogen die Postkutsche den Paß hinunter. Im Tal, dicht am Dake-See, sah Ed Gregory die Blockhütte der Wechselstation schon von weitem. Auch die Besatzung der Station hatte die Postkutsche bereits ausgemacht. Ein Mann mit einem frischen Vierergespann wartete vor der Tür. Dicht vor ihm brachte Ed das Gefährt zum Stehen. Der Mann hob grüßend die Hand, blickte auf den Schnee, der überall noch auf der Kutsche lag, und sagte: »In den Bergen ist noch Winter. Wir befürchteten schon, daß der Paß wieder zuschneit und...« Plötzlich verstummte er. Seine Augen wurden weit und starr. Sie blickten voll Grauen auf die leblose Hand, die aus dem Wagenfenster hing. Er ließ die Zügel des bereitstehenden Vierergespannes aus der Hand fallen, wandte sich der Hütte zu, und sein schriller Ruf ließ zwei Männer aus der Blockhütte eilen.
Ed warf die Zügel zur Erde und stieg vom Bock. Die drei Männer hörten sich schweigend seine Geschichte an. Später wechselte einer von ihnen die Pferde aus. Die anderen führten Ed in die Blockhütte. Sie schoben für ihn einen Schemel vor den Ofen und gaben ihm heißen Kaffee zu trinken. Nach einer halben Stunde rumpelte die Kutsche mit vier frischen und ausgeruhten Pferden weiter. Ein älterer Mann der Stationsbesatzung fuhr mit. Er führte nun die Zügel. Gegen Abend erreichten sie Bailey. Sie fuhren bis zur Poststation. Dort standen Männer in großer Anzahl. Sie wartete auf die Ankunft der Postkutsche. Denn dies war die einzige Abwechslung in diesem Nest. Mit der Postkutsche kamen die neuesten Nachrichten, kamen einige Zeitungen, die sich die Männer dann gegenseitig aus den Händen rissen. Ab und zu kam auch mal ein Fremder mit, der hier in Bailey ausstieg, um in die Berge und Goldgräbercamps zu ziehen, um dort das große Glück zu machen. Die Männer von Bailey hörten aus dem Munde Ed Gregorys eine rauhe und blutige Geschichte. In Bailey gab es noch kein Gesetz. Es gab keinen Sheriff, an den sich Ed Gregory und der Mann der Station vom Dake-See hätten wenden können. Ihren Bericht über den gemeinen Überfall konnten sie erst in Golden zu Protokoll bringen. Der Oldtimer der Wechselstation kratzte sich an diesem Abend in Bailey mehrfach den angegrauten Schädel, wenn er an die langen und mißmutigen Gesichter der Bosse der Overland Cargo and Stage Carriage Company dachte, die diese auf die Nachricht hin sicher ziehen würden. Fünf Säcke Geld zum Teufel und das Leben zweier Männer dazu! Spät am Abend brachten Ed und der Alte mit Hilfe einiger Männer aus Bailey den Sheriff und den Fahrer unter die Erde.
Dann gingen sie zur Poststation zurück, um dort die Nacht zu verbringen. In dieser Nacht mußte Ed Gregory noch lange an seinen Grauen denken und an den Mann, der ihm sein Pferd genommen hatte. Sie brachen am Morgen früh auf. In Bailey war es noch still, als der hochrädige Postwagen vorbei an den zerfallenen Bretterhütten in Richtung Golden in das wildzerklüftete Land hinausfuhr. *** Ed Gregory und der Grauhaarige erreichten am späten Mittag die Stadt Golden. Bärtige Männer in derber Kleidung bevölkerten die Gehsteige. Es waren Goldgräber aus den Camps in den Bergen, die hier ihre Einkäufe machten, ihre Vorräte an Lebensmitteln und Munition ergänzten. Es waren auch Männer dabei, die von Weit her in diese Stadt gekommen waren und die sich nun ihre Ausrüstung in den Stores und Magazinen zusammenstellten. Laden reihte sich an Laden. Es war ein geschäftiges Treiben. Die Händler hatten sich auf diesen Goldboom in den Bergen eingestellt. Sie führten alles, was ein Goldgräber brauchte. Vom Mehlbeutel bis zum neuesten Waschsieb hatten sie alles auf Lager. Der Mann vom Dake-See fuhr, wie es alle Postkutschenfahrer taten, mit jagenden Pferden durch die Stadt. Auf den Straßen lag fußhoch der Staub. Die Strahlen der Frühlingssonne hatten den Schlamm und Morast des vergangenen Winters bereits getrocknet. Dieser Staub wurde nun von den trommelnden Hufen der Pferde und den Rädern der Kutsche hochgewirbelt. Vor dem Postoffice zog der Grauhaarige scharf die Bremse an. Auch hier standen wieder Menschen in dichten Trauben, die auf die Ankunft der Postkutsche warteten. Doch so viele Neugierige waren hier in Golden etwas ungewöhnlich. Den
Grund errieten die Männer auf dem Bock der Kutsche, als sie den Sheriff der Stadt und noch einige gutgekleidete Männer mit ernsten Gesichtern in der Mitte dieser Menschenansammlung entdeckten. Die Kunde vom Überfall war der Kutsche vorausgeeilt. Ed Gregory stieß einen leisen Pfiff durch die Zähne, als er in der Gestalt des Sheriffs den alten Mac Power, den Freund seines Vaters, erkannte. Auch Power stutzte. Er schob seinen breitrandigen Hut aus der Stirn und stemmte die Arme auf die Coltkolben, als Ed Gregory auf ihn zukam. Dann streckte er die eine Hand nach vorn, tippte Ed damit vor die Brust und schnarrte, die Augen zusammengekniffen: »An dir ist etwas, das ich kennen müßte.« In Ed Gregorys Augen blitzte es, und er erwiderte: »Es war einmal ein Mann, der hatte sieben Söhne...« »Große Hölle!« fuhr ihm da Power dazwischen und zog die Brauen in die Höhe. »Ein Gregory! Welcher bist du?« »Ich bin Ed, der siebente Gregory«, antwortete Ed stolz. Mac Power kannte das Land der Gregorys, und er kannte vor allem Adam Gregory. Er war sein Freund. Und eben weil er das Land und die stolze Sippe der Gregorys genau kannte, zog er jetzt die Stirn in steile Falten. Sein Blick wurde sogar lauernd, als er nun den siebenten Sohn Adam Gregorys fragte: »Was treibt dich aus dem Valley, Ed Gregory? Nach dem Tode meines Freundes scheint dort Unruhe eingezogen zu sein. Dein Bruder John war der erste Narr, der das Rinderreich Adam Gregorys verließ, und er war auch der erste, der oben in Black Hawk Gold fand und damit Unordnung und Habgier in das Land brachte. Nun, er mußte es mit seinem Leben bezahlen. Was ist es also, Ed?« Diese Frage hing einen Atemzug lang in der Luft. Dann sagte Ed Gregory mit sanfter Stimme: »John liebte das Leben wie ich!« »So dachte ich es mir«, erwiderte der Alte und stemmte die
Fäuste in die Hüften. »So dachte ich es mir. Nach den Gesetzen, die Adam für euch im Valley schuf, mußte ein zweiter Narr dieser Sippe hier auftauchen, um den Mord an eurem ersten Narren zu rächen. Wie sagte Adam Gregory zu euch? In unserer Sippe steht einer für das Leben des anderen! Er sagte aber auch: Ein jeder bleibe bei den Herden!« »Nur einer brach aus, Mac Power. Das war mein Bruder John. Für alle, die am Leben sind, gelten die Worte Adam Gregorys nach wie vor. Sprechen wir später noch einmal davon, Mac Power!« »Gut!« antwortete der Sheriff, strich sich über das bartlose Kinn, blinzelte zu den Männer der Overland Cargo and Carriage Company und den mit verhaltener Spannung wartenden Menschen auf dem Bohlensteig hin. Er erkannte die wachsende Neugier in ihren Gesichtern, und er dachte daran, daß sie alle John Gregory kannten, der hier als erster Gold fand und dem Lande dadurch Reichtum und auch Unordnung gebracht hatte. Ed Gregory begann mit seinem Bericht vom Überfall auf dem Paß. Er ließ nichts aus. Vergaß nichts. Er erzählte alle Dinge, die er erlebt hatte und die er wußte. Er berichtete auch, daß die Banditen sein Reitpferd gestohlen hatten. Die Menschen auf dem Gehsteig drängten sich dichter heran, gespannt verfolgten sie Ed Gregorys Bericht. Als er fertig war, sagte ein älterer Mann zu Sheriff Power: »Ein Hagerer in der Kleidung eines Spielers? Das kann nur Gleen Curtis gewesen sein. Ich kenne diesen Aasgeier genau. Er war es auch, der vor zwei Monaten die Postkutsche am Clear Creek überfallen hat. In Central City oder im Black Hawk Camp können Sie ihn todsicher finden.« Der Sheriff stand mit breiten Beinen am Rande des Sidewalks, und in seinem Gesicht arbeitete jeder Muskel. Der Blick seiner grauen Augen heftete sich auf die Postkutsche. Am liebsten hätte er den Rat des Mannes befolgt und sich zum
Black Hawk Camp auf den Weg gemacht. Doch er wußte, daß das sinnlos war. Der Agent der Company sprach aus, was ihm durch den Schädel geisterte, indem er sagte: »Es wäre eine verdammt aussichtslose Sache, Power, wenn Sie sich jetzt auf Ihren Klepper schwingen und nach Westen den Clear Creek entlangreiten. Black Hawk würden Sie nie erreichen, Power! Ich wette, schon in einem der ersten Camps auf diesem Wege fallen Sie aus dem Sattel! Und das würde uns wenig nützen. Fünf Säcke Geld und zwei Männer! Wir müssen es hinnehmen und es in Zukunft anders handhaben. Auch diese verkappten Transporte sind nicht die erhoffte Lösung. Gehen wir in Ihr Office, Sheriff, und fertigen Sie ein Protokoll an.« Power nickte. »Gehen wir, Männer!« Er wandte sich ab und stakte auf langen Beinen seinem Dienstgebäude zu. Die Männer der Company, Ed Gregory und der Grauschädel vom Dake-See folgten ihm. *** Als Power mit dem Essen fertig war, schob er Teller und Tasse zur Seite, wischte sich den Mund und sagte dann mit dem Anflug eines Lächelns in den Mundwinkeln: »Du siehst deinem Vater verdammt ähnlich, Ed! Wieso bin ich bloß vorhin nicht darauf gekommen, daß ein Gregory vor meiner Nase stand?« »Ich bin der jüngste von seinen Söhnen. Ich sehe ihm trotzdem sehr ähnlich. Jeder, der ihn kannte, behauptet das.« Auch Ed war nun fertig mit dem Mahl. Er drehte sich eine Zigarette, zündete sie an und warf den Beutel zu Mac Power hinüber. Erst als der Sheriff seine Zigarette ziemlich aufgeraucht hatte, hob er den Kopf, blickte dem Sohn seines Freundes voll ins Gesicht und sagte mit dunkler Stimme: »Du mußt dir also
ein Pferd kaufen. Aber damit solltest du in das Luis-Valley zurückreiten. Was willst du in den Bergen? Wegen John? Es wäre sinnlos, Junge! John ist tot! Seine Mine gehört fremden Leuten. Was überall im Lande unten war, sitzt jetzt dort oben. Es gibt in den Bergen, besonders im Black Hawk Camp, keine Ordnung, kein Recht und kein Gesetz. Es ist ein teuflisches Land.« Ed erhob sich und ging ein paarmal durch den Raum. Dann blieb er dicht vor dem Alten stehen. »Du kennst die Gregorys. Du weißt, daß ich auf halbem Wege nicht umkehren kann!« Der Sheriff nickte schweigend. Er riß ein Streichholz an und entzündete die große, schwere Petroleumlampe. »Ich kenne die Gregorys. Ich weiß, was dein Vater für ein Mann war. Und du hast, so scheint mir, das alles von ihm geerbt. Besonders seinen dicken Kopf. Dann reite also!« Ed nahm wieder Platz. Der Alte holte eine Flasche Whisky aus dem Schrank, die sie beide an diesem Abend austranken. Dabei gerieten sie ins Plaudern. Aber bald war es nur noch der Alte, der erzählte. Erst spät in der Nacht gingen die Männer zu Bett. Ed Gregory schlief im Bett des Deputy, den ein Auftrag weit ins Land führte und der in einer Woche erst zurückerwartet wurde. Am Morgen weckte sie der Nachtmarshal. Mac Power begann mit seiner ersten Runde, und Ed Gregory schlenderte durch die Stadt. Bei einem Pferdehändler erstand er ein Reittier. Er bekam es für hundert runde Dollar. Der Preis brachte ihn nicht aus der Fassung. Hier, am Rande des Goldlandes, hatte er nichts anderes erwartet. Er führte den Nachtschwarzen zur Poststation. Vom Postmeister ließ er sich sein Sattelzeug und die Bettrolle aus der Kutsche bringen. Die Ausrüstung hatte der verdammte Spieler nicht mitgenommen. Eds Grauer war ungesattelt hinten an der Kutsche angebunden gewesen. Ed ritt dann zum Office hinüber. Hier stieg er ab, band das Pferd an der Haltestange
fest und ging in das Magazin nebenan. Als er wieder herauskam, hielt er einen Proviantbeutel in der Hand, und in seiner Halfter steckte ein neuer Colt. Mac Power stand vor der Tür des Sheriffs Office. Er schaute Ed zu, als er den Proviantbeutel hinter den Sattel band. Erst als Ed damit fertig war, sagte der Sheriff: »Da ist noch etwas!« Er blickte sich schnell um und fuhr mit gedämpfter Stimme fort: »Du mußt dich in den Bergen auch vor der Company in acht nehmen. Der Chefagent in Central City und im Black Hawk Camp ist Davey Hackett. Es laufen zu viele Fäden bei ihm zusammen. In der Stadt gehört ihm das berüchtigte ›Tellerhouse‹. Auch die Mine deines Bruders soll in seinem Besitz sein.« »Es ist gut, Mac Power! Du hast mir gesagt, was ich wissen muß, erwiderte Ed und wandte sich ab, ging zu seinem Pferd, band es los und stieg in den Sattel. Dann ritt er los. Zurück blieb ein alter Mann, der den Stern auf der Brust trug. Er schaut ihm nach und dachte: Adam, er ist wie du! Jedes seiner Worte könnte von dir gesprochen sein und seine Bewegungen sind wie deine waren. Hoffentlich konntest du ihm auch deine Härte geben. Denn niemand in diesem Land wird jetzt soviel Härte brauchen wie er! *** Am zweiten Tag ritt Ed Gregory in Central City ein. Es war Mittag. Er ritt bis vor das »Tellerhouse«, und der erste Bekannte, den er hier traf, war sein Grauer. Ed schob sich den Stetson in den Nacken und pfiff leise durch die Zähne. Der Hagere, sollte er noch der Besitzer des Grauen sein, hatte sich nicht einmal die Mühe bereitet, das Brandzeichen der GregoryRanch zu überbrennen. Dann war Ed mit einem Satz aus dem Sattel. Er schlug die Zügel des Rappen um den Haltebalken und war mit ein paar
schnellen Schritten bei seinem Grauen. Der Graue riß den Kopf hoch und wieherte sofort hell und laut. Er stieß den Kopf vor Eds Brust. Ed klopfte ihm den schlanken Hals und blickte sich um. Doch niemand war stehengeblieben, und keiner schaute zu ihm her. Sein Blick blieb an der Schwingtür des »Tellerhouse« hängen, und ein Gedanke schoß ihm durch den Kopf. Mit langen Schritten ging er auf den Vorbau des Hotels zu und stand einen Atemzug später schon in der Hotelhalle. Die Halle war groß und geräumig. Die Theke nahm die ganze hintere Front ein. Davor standen die Tische. Sauber ausgerichtet in Reih und Glied, mit je vier Stühlen. Rechts an der Wand führte eine breite, mit brandroten Teppichen ausgelegte Treppe in die oberen beiden Stockwerke. Links befand sich eine Art Podium für die Kapelle. Hinter dem Tresen standen zwei Männer in gestreiften Anzügen und mit sichtbaren Schulterhalftern. Im Vordergrund, an einem der ersten Tische, saßen zwei Männer in derbem Lederzeug, links vor dem Podium saßen vier Männer in städtischer Kleidung beim Kartenspiel. Einer von ihnen war der Hagere aus der Kutsche! Ed erkannte ihn sofort wieder. Er hätte ihn unter Hunderten herausgefunden, obwohl er dort mit dem Rücken zu ihm saß. Das Schlagen der beiden Flügeltüren ließ die wenigen Männer in der Hotelhalle zum Eingang sehen. Da ein Fremder in den Raum getreten war, sahen sie etwas länger hin, als es sonst wohl üblich war. Der Spieler blickte fragend in die zur Tür gerichteten Gesichter seiner Partner und drehte sich dann um. Das Staunen in seinem Gesicht hielt nur einen Atemzug an. Dann hatte er die Überraschung überwunden. Die Karten, die er fächerförmig in der Linken hielt, schob er mit der rechten Hand zusammen und knallte sie auf die Tischplatte. Die drei Männer an seinem Tisch waren gute Partner, und
sie verstanden sein Zeichen. Sie schauten auf die Karten, sahen in sein grinsendes, auf den Fremden gerichtetes Gesicht und erhoben sich mit ihm. Es war so still in der Halle, daß das Rücken ihrer Stühle direkt Lärm verursachte. Sie schlugen ihre Röcke zurück. Ed Gregory ließ mit hartem Gesicht die Spannung im Raum steigen. Seine Blicke wanderten hin und her. Er schaute von einer Gruppe zur anderen und erkannte sofort, daß er sehr günstig stand, da er alle Männer vor sich hatte. Dann schaute er den Hageren fest an und murmelte sanft: »Auf seine Art war der Graue ein Verräter, Curtis! Doch das ist für mich kein Grund, auf ihn zu verzichten.« Der Hagere nickte und grinste. »Das mag stimmen, Rindermann. Aber mir gefällt der Graue.« Ed schüttelte sacht den Kopf und erwiderte mit ruhiger Stimme: »Ich kann mich nicht erinnern, den Gaul verschenkt zu haben.« Einer der beiden Männer hinter dem Tresen besannen sich auf seine Pflicht und rief aus sicherer Entfernung: »He, Cowpuncher! In diesem Laden sind wir Ruhe gewohnt. Entweder trinkst du hier in aller Stille einen Whisky, oder du kannst dir diesen herrlichen Bau von draußen ansehen.« Ed beherrschte sich, weil er wußte, daß dies dem Hageren verdammt gut in das Spiel gepaßt hätte. »Ich will hier keinen Streit und auch keinen teuren Whisky. Ich will mir nur mein Pferd wiederholen, das der Spieler freundlicherweise vom Kenosha-Paß bis hierher geritten hat.« Er wandte sich dem Hageren zu und sagte: »Sie werden doch hoffentlich keine Einwendungen machen?« »Mr. Curtis hat...« zischte der Mann hinter dem Tresen, doch der Hagere unterbrach ihn mit einer schroffen Handbewegung. Die Lippen zusammengepreßt, starrte er Ed Gregory in die Augen und dann sagte er langsam zum Tresen hinüber: »Laß das, George! Ich bringe das selber in Ordnung.«
Im gleichen Moment beugte er sich nach vorn und riß die Colts aus den Schulterhalftern. Ed hatte aufgepaßt und blitzschnell den Revolver gezogen. Er kam eher zum Schuß. Der Spieler hatte die Läufe seiner beiden Eisen noch immer nicht ganz hoch, da stieß ihn ein harter Schlag gegen den Tisch. Der konzentrierte und verbissene Ausdruck in seinem hageren Gesicht war sofort verschwunden, und Schmerz machte sich darin breit. Seine Eisen fielen polternd auf die blanken Holzdielen, da er mit der linken Hand blitzschnell nach der durchschossenen rechten Schulter griff. Dann sank er neben seinen Revolvern zusammen. Im Fallen schlug er mit dem Hinterkopf auf und wurde bewußtlos. Die Männer in der Hotelhalle standen wie erstarrt. Seit zwei Jahren sahen sie in diesem Lande zum ersten Male einen Mann, der schneller war als Gleen Curtis. Das fuhr ihnen in die Glieder. Sie alle gehörten zu den Leuten Davey Hackett, und dessen Macht war auf den Händen schneller Männer aufgebaut. Der eine Mann im gestreiften Anzug hielt den Kopf etwas geneigt und sagte mit heiserer und belegter Stimme: »Das wird todsicher die teuerste Rechnung, die dir jemals präsentiert wurde, Rindermann!« Ed kam nicht mehr dazu, dem Mann zu antworten. Das Haus war auf einmal mit dem Geräusch laufender und hastender Füße angefüllt. Der Schuß hatte die Mittagsruhe im »Tellerhouse« zerrissen. Männer kamen die Treppe herunter. Neugierige wollten sich, von der Straße kommend, durch die breiten Schwingtüren schieben. Aber sie wurden schnell wieder hinausgedrängt. Die Spieler am Tisch des Hageren zeigten plötzlich wieder Leben. Die Starrheit fiel von ihnen ab. Sie beugten sich über Curtis, hoben ihn auf und legten ihn auf den Tisch. Dabei fielen die Karten zu Boden, als ob das Spiel zu Ende wäre. Gleen Curtis
aber war noch nicht erwacht. Ed Gregory schaute sich um. Seine Augen waren schmal wie Striche. Den Revolver hielt er immer noch in der Faust. Von der Treppe her näherten sich vier Männer. Zu seiner größten Verwunderung mußte Ed feststellen, daß ein kleiner, drahtiger Mexikaner unter ihnen war, der den Gesetzesstern auf der hirschledernen Weste trug. Langsam schob Ed den Revolver in die Halfter zurück. Drei der Männer blieben zehn Yard vor ihm stehen. Nur der Mexikaner trat bis zu ihm heran und musterte ihn. Der Doc lief schnell mit wehenden Rockschößen durch den Raum. Er setzte seine schwarze Tasche beim Tisch des Hageren auf einen Stuhl. Danach erstarb jedes Geräusch im »Tellerhouse.« Alle in diesem Bau, bis auf den Doc, sahen zu Ed Gregory hin. Der Mexikaner schaute kurz zum Tisch. Seine Augen leuchteten auf. Dann blickte er Ed fest an. »Das war ein schlechter Scherz, Cowboy! Ausgerechnet Gleen Curtis mußtest du dir für deine Späße aussuchen. Warum?« »Er stahl mir mein Reitpferd. Ich will es mir nur wiederholen. Ich hatte ihn auch erschießen können.« »Er stahl dir den Gaul? Kannst du das beweisen?« Ein höhnisches Grinsen stand im Gesicht des Mexikaners, als er diese Fragen stellte. Ed Gregory nickte. Er blickte auf den Stern, den dieser Mann trug, und im gleichen Augenblick fielen ihm die Warnungen Mac Powers ein. Das war kein Sheriff, der das Gesetz vertrat. Das war sicher nur ein Aushängeschild. Ein Aushängeschild dieses Davey Hacketts, der hier Herrscher und König war. Er musterte die drei Männer hinter dem Mexikaner. Sie waren gut gekleidet. Ihre Anzüge waren aus bestem Stoff. Sicher war einer von ihnen dieser Hackett, dachte er. Der Sheriff, dieser drahtige Bursche, war wahrscheinlich eine
seiner Colthände. Bestimmt war dieser kleine Kater ein höllisch scharfes und schnelles Eisen. »Na, wie ist es, Cowpuncher? Hast du nun Beweise oder nicht? Laß dir nur schnell was Hübsches einfallen, sonst wird es bestimmt sehr rauh für dich«, knurrte der Mexikaner, als Ed die Antwort hinauszögerte. Er grinste immer noch spöttisch. »Jedes Gericht wird mir glauben, wenn ich behaupte, daß er meinen Grauen stahl. Ich kann auch beweisen, daß er auf dem Kenosha-Paß vor ein paar Tagen eine Kutsche überfiel und zwei Männer von seinen Banditen dabei erschossen worden sind. Einer dieser Männer war ein Kollege von dir. Es war der Deputy aus Fairplay.« Der Mexikaner wog den Kopf, blickte Ed belustigt an und sagte dann: »Sehr hübsch, diese Geschichte. Doch nicht so hübsch, wie es sein muß. Gleen Curtis erzählte mir von seinem Grauen eine andere Geschichte: In Fairplay traf er vor Tagen jemand, der Geld brauchte und ein Prachtpferd ritt. Curtis hatte Geld, aber er brauchte ein Pferd. Sie wurden sich schnell einig, sagte er mir. Doch nun sieht es mir so aus, als könnte sich dieser Mann doch nicht ohne sein Prachtpferd durchs Leben schlagen. Bei einem Prachtpferd ist das manchmal verständlich. Well! Doch nicht die Methode, die du dir hast einfallen lassen, um dein Paradepferd wiederzubekommen.« Der Mexikaner war plötzlich ernst. Seine Gesichtszüge verhärteten sich, und in seinem drahtigen Körper spannte sich jeder Muskel. Dann sagte er mit eisiger Stimme, während er Ed die Rechte entgegenstreckte: »Gib mir also deinen Revolver!« Ed Gregory sah nur die Hand des Mexikaners. Er sah nur diese rechte Hand. Er sah sie groß und größer werden, und in seinem Hirn hatte nur ein Gedanke Raum: diese Hand will deinen Colt. Zugleich erkannte er blitzschnell seine Chance. Sie lag in dieser Hand, die der kleine Mexikaner ihm entgegenstreckte.
Blitzschnell packte er die Rechte des Mexikaners, riß ihn zu sich heran und schlug ihm die Linke mitten ins Gesicht. Die Colthand des drahtigen Burschen, die dicht am Kolben lag, flog vor Schmerz in wilder Abwehrbewegung nach oben. Ed Gregory hielt die Arme des Mexikaners wie mit Schraubzwingen fest gepackt, zerrte den sich heftig wehrenden dunkelhäutigen Burschen, dicht vor sich haltend, zur Wand hinüber und lief mit ihm die wenigen Yards zu den Schwingtüren. Der Mexikaner wehrte sich verzweifelt. Doch es nutzte ihm nichts. Ed Gregory war dem kleinen Tiger an Körperkräften weit überlegen. So mußte es dieser über sich ergehen lassen, von Ed als Kugelfang benutzt zu werden. Als Ed die Schwingtüren erreichte, machte einer von den Männern einen Fehler. Er jagte einen Schuß hoch in die Tür. Auf Ed Gregorys Gesicht zauberte diese wütend abgeschossene Kugel nur ein Grinsen. Diese Kugel fegte die Gaffer und neugierigen Passanten draußen auf der Straße von den Sidewalks in die Haustüren hinein. Einige Vorsichtige verzogen sich sogar ganz. Noch mehr bewirkte diese Kugel! Sie fegte Ed Gregory den Rücken frei. Denn die Leute vor dem Hotel waren es, die Ed Sorge bereiteten. Ihnen hätte er beim Verlassen des »Tellerhouse« den Rücken zeigen müssen. Doch diese Gefahr war damit vorüber. Ed Gregory zögerte keine Sekunde. Er drückte die Türen mit dem Rücken auseinander und stieß den Mexikaner mit einem harten und trockenen Schwinger den Männern in der Halle entgegen. Als deren Kugeln über den stürzenden Sheriff hinwegfegten, war Ed schon draußen. Er schmiegte sich an die Bretterwand des Hotels, zog schnell die Waffe und spähte mit flinken Augen die Straße einmal hinauf und einmal hinunter. Mit Genugtuung stellte er fest, daß die pfeifenden und singenden Kugeln dieses
Revolverkampfes hier draußen ihre Wirkung zeigten. Die Straße war wie leergefegt! Nur ein paar Reittiere tanzten aufgeregt am Holm hin und her. Der Graue war noch unter ihnen. Ed stellte das mit einer gewissen Erleichterung fest. Obwohl er in diesem Augenblick noch nicht wußte, wie er an seine Pferde herankommen sollte, war er doch froh, daß der Graue noch am selben Platz stand. Das Bellen der Colts verstummte so plötzlich, wie es aufgebrandet war. Dann gingen die Schwingtüren auseinander, und einer der drei Gutgekleideten, die vorhin hinter dem Sheriff stehengeblieben waren, erschien auf der Veranda. Er blieb direkt an der Tür stehen und ließ die Flügel wieder zurückfallen. An der Bretterwand riß er ein Streichholz an und setzte damit eine schmale, lange Zigarre in Brand. Er musterte Ed Gregory mit neugierigen und wohlwollenden Blicken. Ohne auf die Coltmündung zu achten, sagte er mit einem süßlichen Lächeln: »Wir wollen das Spiel beenden! Stecken Sie Ihren Colt weg!« Ed Gregory war zunächst etwas erstaunt. Er schaute aus zusammengekniffenen Augen zu dem Mann hin und war sich sicher, daß er Davey Hackett gegenüberstand. Er bewunderte dessen Kaltblütigkeit. Davey Hackett hatte so wenig von der Gestalt eines Königs wie ein Rind von einem Pferd. Er wirkte eher wie ein Schaubudenbesitzer. Ein wenig bullig, behäbig und gedrungen. Er hatte eine Glatze und wäßrige Augen. Sie blickten verschlagen. Und beim Anblick dieser Augen schoß Ed Gregory der Gedanke durch das Hirn, daß ihm dieser Mann eine Falle stellte. Deshalb schüttelte er den Kopf und sagte schnell: »Meinen Colt halte ich Ihnen lieber noch etwas unter die Nase. So ist es für mich angenehmer. Sollte mich einer Ihrer Leute von Hinten in die Hölle schicken, kann ich Sie noch schnell mitnehmen.« »Sie haben mein Wort, daß es eine faire Sache ist«, erwiderte der Mann an der Tür und paffte an seiner Zigarre.
»Nun gut! Sagen Sie schnell Ihre Bedingungen, nennen Sie den Preis Ihrer plötzlichen Menschenfreundlichkeit. Sie sind doch ganz bestimmt Davey Hackett!« »Richtig. Ich bin Davey Hackett. Und ein Menschenfreund bin ich auch. Wenn es auch viele Menschen gibt, die das Gegenteil behaupten. Kommen wir zur Sache. Wer sind Sie, Cowboy, und was treibt Sie in diese Gegend?« Ed Gregory dachte sofort an Mac Powers Warnung. Er erkannte die Gefahr, die er mit der Nennung seines Namens und mit der Preisgabe seines Zieles heraufbeschwören würde, sollte Hackett mit dem Mord seines Bruders auch nur im entferntesten etwas zu schaffen haben. Deshalb antwortete er schlagfertig: »Ich will Gold suchen. Im allgemeinen nennt man mich Ed. Alles übrige soll keine Rolle spielen.« In den wäßrigen Augen Davey Hacketts huschte ein verstehendes Lächeln. Er nickte ein paarmal und sagte dann: »Ich verstehe, Sie haben also ‘was ausgefressen und haben nun Angst, daß sich ein Mann des Gesetzes nach hier verirrt.« Er lachte laut und fügte gleich hinzu: »Diese Sorte sind Sie hier los.« Er wandte sich um, da einige Männer durch die Tür traten. Ihre Colts trugen sie bereits wieder in den Halftern. Sie zogen mißmutige Gesichter, und Ed Gregory erkannte daran, daß Davey Hackett ein ehrliches Spiel trieb. Einer dieser Männer sagte verärgert zu Hackett: »Aus dir und deinen Einfällen wird nur der Teufel schlau, Dave! Was willst du mit ihm? Er schoß Curtis zusammen und schlug Josè ein paar Zähne aus dem Mund. Das werden sie nicht verdauen. Curtis schon gar nicht. Du wirst nur Ärger bekommen!« Hackett zog an seiner Zigarre und sagte zu Ed: »Ich mache Ihnen ein gutes Angebot. Für harte Männer habe ich eine Schwäche.« Ed schüttelte den Kopf. »Sie wollen mich anwerben? Daraus wird nichts.«
Dann drehte er sich um. In steifer Haltung ging er die wenigen Stufen zum Sidewalk hinab zu dem Rappen, band ihn los und führte das Tier an den Grauen heran. Er wechselte die Sättel, packte Gleen Curtis’ reich verzierten Sattel auf den Holm und bestieg danach den Grauen. Er blickte noch einmal kurz zu den Männern vor der Hoteltür, tippte an den Hut und ritt davon. Die Männer neben Davey Hackett kniffen die Augen zusammen und schauten dem Reiter mit den zwei Pferden voller Grimm nach. Hackett hatte seinen Blick ebenfalls auf den Rücken Ed Gregorys gerichtet. Er zuckte lässig mit den Schultern, als einer der Männer neben ihm mit drohender Stimme murmelte: »Der wird sich noch wundern! Oh, verdammt, wird der Bursche sich noch wundern!« *** Vor dem Gattertor des Stiefelhügels von Central City und dem Black Hawk Camp stieg Ed wenig später aus dem Sattel seines Grauen. Vom »Tellerhouse« bis vor dieses Tor waren es fünf Meilen. Fünf Meilen! Für alle, die hier oben lagen, waren es die letzten Meilen eines oft rauhen Lebens gewesen. Nur wenige waren unter ihnen, die keines gewaltsamen Todes starben. Knarrend öffnete sich unter der Hand Ed Gregorys das Gatter, und im gleichen Augenblick ging drüben an der windschiefen Bretterbude die Tür auf. Ein Oldtimer trat heraus und stülpte sich den speckigen Schlapphut über die strähnigen Haare. Sie waren schlohweiß. Der Mann blieb an der Hütte stehen und sah Ed entgegen. Ed stakte mit breiten Beinen zu ihm, hob die Hand zum Gruß und zeigte dann zu den Gräbern hinüber. »Ich suche das Grab John Gregorys. Wo kann ich es finden?«
Der Mann mit den weißen Haaren blickte Ed an. Unter diesen Augen, die Ed an die eines geschlagenen Hundes erinnerten, hingen große Tränensäcke. Der Mann war klein und gedrungen. Seine Kleidung bestand nur aus Lumpen. Sicher gehörte er zum Strandgut dieses Goldgräberlandes. Als Waffe trug er nur ein langes Messer im Schaft seines rechten Stiefels. Irgendwie gewann Ed die Erkenntnis, daß dieser kleine schmuddlige und heruntergekommene Mann mit diesem Messer besser umgehen konnte als manch einer mit seinem Colt. Doch Ed beachtete das nicht weiter. Die Augen dieses Mannes interessierten ihn mehr. Es waren Augen eines Menschen, der sicher alles Leid und alle Not, der alle Demütigung dieses Landes erfahren hatte. Aber bevor er seine Gedanken weiterspann, antwortete der Mann: »Ich bin hier der Totengräber! All diese Gräber habe ich ausgehoben. Alle! Und sicher werde ich auch eine Grube für dich schaufeln müssen. Denn bisher habe ich jeden unter die Erde gebracht, der hierherkam und sich mit hartem Gesicht nach dem Grabe eines Mannes erkundigte. Du bist ein Rindermann. Auch John Gregory war einer. Sicher bist du sein Partner, Freund oder Bruder. Du willst nun Rache nehmen. Ein Lump ist jeder, der nicht für seinen Freund oder Bruder reitet. Well, der ist ein Lump! – Doch wer reitet, der ist ein Narr! Ein verdammter Narr ist der! Nun komm! Ich zeige dir das Grab John Gregorys!« Er ergriff einen an der Bude stehenden Spaten und ging voran. Sie liefen durch lange Grabreihen. Es waren schlichte, kahle und einfache Erdhügel. Manche mit einem Brett oder einem Holzkreuz. Doch die meisten waren so kalt und kahl wie der Tod. Dann blieb der Totengräber vor einem der Gräber stehen. Am Kopfende stand ein Brett und Ed Gregory las, die Brauen
zusammengezogen, und die Lippen verkniffen, die eingebrannten Worte: JOHN GREGORY WAR DER ERSTE IN DIESEM LAND ER IST AM 1. MÄRZ 1859 GESTORBEN MAN FAND IHN TOT IN SEINER MINE Nach einer Weile sagte der Totengräber mit dunkler Stimme: »Ich muß jetzt für Ric Hardman eine Grube schaufeln. Sie werden ihn morgen früh bringen. Auch er hatte Pech. Wie John Gregory. Doch sein Tod trifft härter, Rindermann. Er hinterläßt eine Tochter. Du weißt sicher nicht, was es heißt, als Frau in diesem Land allein zu sein.« Dann ging er mit seinem Spaten davon. Ed blickte ihm nach, bis er stehenblieb, mit dem Spaten ein längliches Rechteck absteckte und mit krummem Rücken seine Arbeit begann. Ed wandte sich wieder dem Grab seines Bruders zu. Er nahm den Hut vom Kopf und blieb eine Weile so stehen. Später ging er durch die Reihen der Erdhaufen zu dem Totengräber. Der Mann stand schon knietief in der Grube. »Wer fertigte das Brett für John Gregorys Grab?« fragte Ed. »Dieser hier«, antwortete der Oldtimer und zeigte mit der Hand in die soeben ausgeworfene Grube. »Dieser hier war es.« »Er hat ein paar Worte vergessen«, kam es hart aus Ed Gregorys Mund. »No«, schüttelte der Alte seinen weißen Schädel. »No, vergessen hat er sie nicht, Rindermann. Er unterließ es nur. Es war für ihn zu gefährlich. Denn es war nur ein Unfall.« »Es war Mord!« »Das würde ich nicht so laut sagen. So laut nicht. Sicher, hier ist es nicht so schlimm. Aber unten in der Stadt oder im Camp mußt du die Hand dabei am Eisen haben. Am besten, du schießt gleich bei diesen Worten, Cowboy!« Nach einer Weile fuhr er fort: »Auch dieser starb durch einen Unfall. Nur anders!« Er fuhr mit der flachen Hand durch die Luft,
klammerte sie dann wieder an den Spaten. »Er stürzte mit seinem Pferd in eine Schlucht, obwohl der Weg breit, die Nacht hell und er nicht betrunken war. – Neben John Gregory legte man einen mächtigen Stein, und über diesen goß man eine Flasche Whisky. Ich war nur wenige Stunden später am Unfallort. In der Nacht noch bin ich in die Schlucht gestiegen. Ich bin sicher hier der einzige, der sich ganz nah an einen Toten heranwagt. Und ich sage dir, Rindermann: Ric Hardman war sowenig betrunken wie sein Pferd, das neben ihm lag. Nach Whisky rochen nur seine Kleider. Yeah, er hat ihnen lange getrotzt, länger als John Gregory es konnte.« »Wieso? Waren sie Partner?« »Nicht gerade. Sie konnten sich nur gut leiden. Es war wohl vor allem wegen Katie. Dein Partner hatte einiges vor. Und soweit ich es überschaute, hatte Ric nicht gegen deinen Part...« »Er war mein Bruder«, unterbrach Ed den Alten. Dieser nickte und begann auf einmal wieder mit seiner Arbeit. Er warf hastig Lehm aus der Grube. Ed Gregory setzte den Hut auf, murmelte einen Gruß und ging. Es waren viele Gedanken, die ihn dabei beschäftigten. Draußen vor dem Friedhof standen seine beiden Pferde. Er band sie los und stieg auf den Rücken des Grauen. Dann ritt er. Der Totengräber war auf den Rand der Grube geklettert. Er schaute dem Reiter nach, bis er verschwunden war. Dann stieg er in die Grube zurück und setzte seine Arbeit fort. Er war sehr emsig, und der Schweiß rann bald in Strömen. Ed Gregory ritt zum Black Hawk Camp hinunter. Es waren fünf Meilen Weg. Denn der Stiefelhügel lag genau zwischen Central City und dem Black Hawk Camp. Als es dunkel wurde, erreichte er die ersten Bretterbuden. Die meisten Häuser waren Herbergen, Bars und Hotels. Vor einem dieser Hotels hielt er an. CRYSTAL-PALACE stand in großen weißen Buchstaben auf der Vorderfront des Hauses. Es machte einen durchaus sauberen und auch soliden Eindruck.
Aus diesem Grunde stieg Ed vom Pferd. Er band die beiden Tiere am Haltebalken fest, nahm dem Grauen die Satteltaschen vom Rücken und betrat das Hotel. Obwohl es nun schon Abend war, herrschte im Hotel und auch in der Halle nur wenig Betrieb. Hinter dem Tresen stand ein Halbblut. Neben ihm sah Ed ein Mädchen mit rotem Haar und blassem Gesicht. Sie trug ein schwarzes Kleid. Vor dem Tresen saßen auf hohen Hockern drei Goldgräber. Es waren schon ältere Männer. Im ganzen Raum brannte nur der eine Leuchter über dem Tresen. Der Rest des Raumes war in Dunkelheit und Schweigen getaucht. Wie schon im »Tellerhouse«, so drehten die Menschen auch in dieser Halle ihre Köpfe zur Tür, als Ed Gregory eintrat. Die Gesichter der Männer waren hart und verbissen. Das Gesicht des rothaarigen Mädchens zeigte Traurigkeit. Ed Gregory wußte sofort, daß dieses Mädchen nur Katie Hardman sein konnte. Und er irrte sich nicht. Er nahm seinen Hut schon an der Tür vom Kopf, grüßte und ging langsam zum Tresen. Die Männer und das Mädchen hatten ihre leise geführte Unterhaltung unterbrochen. Sie schauten noch immer zu ihm. Seinen Gruß erwiderte das Mädchen mit leichtem Kopfnicken, und dabei zwang es sich zu einem Lächeln. Ed Gregory konnte sehr gut erkennen, wie schwer es ihr fiel. Die Männer erwiderten seinen Gruß nur knapp und voller Mißtrauen. Ed legte die Satteltasche auf den Tresen und seinen Hut obenauf. Dann stützte er die Ellenbogen auf und sagte zu dem Mädchen: »Ich möchte für meine beiden Pferde einen warmen Platz im Stall und gutes Futter. Für mich einen Whisky, ein Abendbrot und ein Zimmer für die Nacht, Miß Hardman.« In diesem Camp war es nicht ungewöhnlich, daß Katie Hardman mit ihrem Namen angesprochen wurde. In diesem wilden Camp kannten sie alle Männer. Doch dieser Mann war ein Fremder.
Darum sagte sie: »Das alles können Sie bekommen. Doch Sie sind fremd hier. Es ist nicht ungefährlich, im Hotel der Hardmans Quartier zu nehmen. Sie sollten lieber...« Doch alle weiteren Erklärungen konnte sich Katie Hardman sparen. Sie wurde von einem jungen Kerl rauh unterbrochen. Der schob sich blitzschnell durch die Tür, zog seinen Colt und rief voll Hohn und Spott Ed Gregory zu: »Hallo, Buddy! Dieses Hotel ist ein Rattenloch. Es ist voller Wanzen und Flöhe. Komm, nimm deinen Sattelpacken! Ich führe dich und deine hochbeinigen Klepper in ein besseres Hotel! – Na, komm schon!« fügte er schnell hinzu, da Ed sich nur langsam umdrehte und schweigend zu ihm schaute. Ed Gregory wurde sofort einiges klar. Schnell erkannte er die Zusammenhänge in diesem Camp. Im gleichen Augenblick glaubte er auch das Motiv zu Hardmans Mord gefunden zu haben. Sie wollten diesen Palast, sie wollten den Crystal-Palace, schoß es ihm durch den Kopf. Sie wollten dieses Hotel, so wie sie die Mine Johns gewollt hatten. Sagte nicht der Totengräber auf dem Friedhof: Hardman trotzte ihnen länger als John Gregory? Also müssen es die gleichen Leute sein. Und dieser Tiger da an der Tür gehörte zu ihnen, war einer von denen, die sich auch am Besitz seines Bruders vergriffen hatten. Die Mine gehörte jetzt Davey Hackett. Das bewies aber keineswegs, daß Hackett mit dem Mord etwas zu tun hatte. Er konnte diese Mine später gekauft haben. Verflucht, dachte Ed, alles wäre klar, hätte ich Davey Hackett in Central City meinen vollen Namen genannt! Well, vielleicht hätte ich meine Gegner dann jetzt schon erkannt! In diesem Augenblick beschloß er, diesen Fehler nicht noch einmal zu begehen. Darum sagte er dann zu dem Burschen an der Tür, während sich seine Gestalt unmerklich straffte: »Ich bin Ed Gregory, und ich nehme an, daß dieses Hotel der richtige Platz für mich ist. Gestern habt ihr Ric Hardman die
Schlucht hinuntergestoßen und seine Leiche mit Whisky übergossen. Wenn du nicht gleich die Tür von draußen zumachst, stoße ich dich mit einem Stück Blei hinaus. Du kannst wählen, wie du es haben willst!« In dieser Hotelhalle war es nicht nur der kleine Tiger an der Tür, der zusammenschrak. Die drei Männer, die beim Eintritt Ed Gregory so mißtrauisch dreingeschaut hatten, rissen die Köpfe hoch und sahen Ed ungläubig an. Sie mußten feststellen, daß dieser Fremde mehr wußte als sie selbst. Katie Hardman war genauso erstaunt. Doch als sie nun von dem Mord an ihrem Vater die genauen Einzelheiten erfuhr, schlug sie die Hände vors Gesicht und begann zu weinen. Im ganzen Camp waren es nämlich nur wenige, die annahmen, Ric Hardman wäre tatsächlich im Rausch die Schlucht hinuntergestürzt. Auch der junge Kerl, der noch immer den Colt hielt, war erschrocken. Denn was er hier zu hören bekam, war nicht vorgesehen. Seine Instruktionen lauteten, den Fremden aus dem CRYSTAL-PALACE herauszuholen und in eines der drei anderen Hotels zu bringen. Bisher war das immer ohne Zwischenfälle abgegangen. Es wurde wohl gemurrt und gezetert, aber immer ging es bisher glatt. Doch jetzt war es anders. An diesem Tag hatte der Teufel die Hand im Spiel. Das Pech dieses jungen Burschen war, daß er den Colt schon in der Hand hielt. Für ihn gab es kein Zurück, ohne das Gesicht zu verlieren. Deshalb riß er sich zusammen und schnarrte noch lauter: »Jetzt mußt du erst recht mitkommen, Stranger! Diese Geschichte mußt du Dicky Vrain vorsingen. Und zur Hölle mit dir, wenn er dabei ruhig bleibt! Nun los! Nimm deinen Packen und komm schon mit!« Er richtete die Coltmündung auf Ed Gregory. »Los jetzt!« Ed Gregory erkannte, daß dieser junge Bursche nicht so ohne weiteres das Feld räumen würde und daß hier nur Richter Colt die Sache bereinigen konnte. Darum nickte er vor sich hin
und brummte zu dem Jungen hinüber: »Nun gut! Wie du es willst! Es war wohl mein Fehler, daß ich vorhin ruhig zusah, wie du dein Eisen in die Hand genommen hast.« Er sah es in den Augen des Burschen siegessicher aufleuchten und wandte sich zufrieden seinem Sattelpacken zu. Er drehte sich dabei so, daß seine Coltseite zum Tresen zeigte. Während er den Hut aufsetzte, murmelte er einen Gruß zu Katie und den Männern, die diese Szene mit gespannten Gesichtern verfolgten. Dann griff er nach seinem Sattelpacken. Mit einem schnellen Blick sah er, daß der Bursche an der Tür nicht so auf der Hut war, wie er es hätte sein müssen, und warf sich die Satteltaschen über die Schulter. Dann wirbelte er herum. Die Satteltaschen flogen auf die Erde. Gleichzeitig schnellte seine Hand zum Revolver hinunter, und seine Kugel schlug dem Burschen das Eisen aus der Hand. Der Kerl taumelte gegen die Tür, noch ehe er begreifen konnte, was gespielt wurde. Diesmal war Ed Gregory schneller aus dem Bau. Er raunte den Männern noch zu, daß sie sich um den Burschen kümmern sollten, dann war er schon, den Colt noch in der Faust, durch die Tür. Draußen umfing ihn die Nacht. Er sah die Umrisse seiner Tiere, blickte schnell einmal die Straße hinauf und hinunter und sah schräg gegenüber eine Tür auffliegen. Lichtschein fiel bis zur Mitte der Straße. Drei Männer tauchten auf. Sie hielten Waffen in den Fäusten. Ed konnte es deutlich erkennen. Dann verschwanden sie in der blauschwarzen Dunkelheit. Irgendwo wurde eine Tür zugeschlagen. Stimmengewirr brandete auf und verstummte wieder. Nur die Schritte der Männer waren zu hören. Sie kamen rasch über die Straße. Ed Gregory konnte noch schnell von der Tür weg zur Hauswand gleiten, dann waren sie heran. Sie hasteten die Stufen herauf, verteilten sich links und
rechts von der Tür, und gerade, als einer von ihnen wie ein Feuerfresser in das Hotel eindringen wollte, zerriß Ed Gregorys scharfe Stimme die gespannte Stille und ließ die Männer herumfahren. »Ich habe euch genau vor der Mündung! Geht nur! Immer lustig hinein mit euch! Ihr werdet dabei der Reihe nach zur Hölle fahren.« Die drei Männer waren zu sehr überrascht worden. Einen Gegner schon draußen vor dem Haus anzutreffen, damit hatten sie überhaupt nicht gerechnet. Darum standen sie starr wie Blöcke, und nur ihre gepreßten Atemzüge waren zu hören. »Das dachte ich mir so, Gentlemen«, rief Ed. »Euch hat’s wohl die Sprache verschlagen! Steckt eure Kanonen weg und verschwindet!« Einer der Männer hatte inzwischen seine Sprache wiedergefunden, und dieser Mann sagte nun mit einer Stimme, aus der die Drohung nicht zu verkennen war: »Du bist ein Fremder. Ich kenne dich nicht. Wir wissen nur, daß du heute hier ankamst. Sicher willst du Gold suchen und spielst hier den wilden Mann, weil du einem Mädchen imponieren möchtest. Laß dir sagen, daß es verdammt gefährlich ist, vor diesem Girl den großen Mann zu markieren. Du mischt dich in ein Spiel, das dich einen Dreck angeht! Sei vorsichtig, Freund, dieses Spiel kann für dich so heiß werden, daß du darin umkommen wirst! Todsicher wirst du das, wenn du jetzt nicht deinen Colt wegsteckst!« »Spar dir deine Worte«, erwiderte Ed. »Mich lockte weder das Gold in dieses verdammte Land, noch brachte mich Katie Hardman durcheinander. Ich will in diesem Hotel Quartier nehmen, das ist alles. Und John Gregory war mein Bruder!« Da gingen diese drei Männer. Sie wandten sich ab und gingen einfach ihren Weg zurück. Nur einer von ihnen knurrte unten auf der Fahrbahn: »Jetzt wird’s vielleicht lustig!« Ed Gregory schaute ihnen nach, bis sie drüben im Haus
verschwanden. Als die Tür zuschlug, da wußte er, daß nun im Black Hawk Camp alles klar war, daß seine Gegner ihn kannten. Und er glaubte jetzt das Spiel zu überschauen. Als er sich umwenden wollte, bemerkte er plötzlich das Halbblut, das schon einige Zeit neben ihm verharrte und einen großen Colt in der Faust hielt. »Das sind Leute von Dick Vrain, Cowboy«, sagte der Mann zu Ed und schaute dabei zu dem Haus hinüber. Dann steckte er seinen Colt weg und lief die Stufen hinunter zu den Pferden, band sie los und führte sie in den Hof. Ed Gregory aber ging in die Halle zurück. Auf einem Stuhl saß der junge Bursche und hielt seine verletzte Hand steil nach oben. Katie Hardman verband sie gerade. Die drei Goldsucher standen, die Hände an den Waffen, verteilt im Raum und blickten mit wachen Augen zur Tür. »Schließt ab!« sagte Ed Gregory zu ihnen. »Schließt ab, dann sind wir vor Überraschungen geschützt.« Er ging zu Katie und dem Burschen und schob das Eisen in die Halfter. »Jetzt wirst du es dir ganz bestimmt überlegen, so ein Ding noch einmal zu drehen. Glaube mir, daß ich das nächste Mal besser treffen werde.« Der Bursche schluckte ein paarmal, biß sich auf die Lippe und stieß dann trotzig hervor: »Ich kann gegen dich nichts mehr ausrichten. Meine Schußhand ist hin. Aber ich werde meine andere Hand zurechttrimmen. Und solltest du dann noch in deinen Stiefeln durch die Gegend steigen, verlasse dich darauf, daß ich dir die Kugel für den Stiefelhügel besorgen werde. Doch so weit wird es sicher nicht kommen. Vrains Leute werden dich schon morgen zur Hölle sausen lassen. Ganz bestimmt werden sie das tun. Du hattest mächtig Glück. Doch morgen wird es dich verlassen. Dann kannst du zeigen, wie schnell du bist. Schneller als Dick Vrain bist du bestimmt nicht. Morgen schickt dich Bob dafür zur Hölle!« »Das soll er nur versuchen«, erwiderte Ed gelassen. »Und
nun geh zu ihnen hinüber«, fügte er hinzu, da Katie Hardman mit dem Verbinden fertig war. »Geh und sage Dick Vrain, daß ich mich morgen mit ihm unterhalten will!« »Darauf wird er höllisch brennen«, antwortete der Bursche mit heller Stimme und erhob sich. Er war noch etwas wacklig auf den Beinen und sehr blaß im Gesicht. Aber er stand und hatte wieder Mut. Er ging zur Tür. Dort fauchte er einen der Goldgräber an, daß er ihm öffnen sollte, und drehte sich dann noch einmal um und blickte Ed Gregory wild an. »Auf diese Unterhaltung wird Dick Vrain mächtig brennen, Gregory!« Dann war er draußen, und der Goldgräber schloß die Tür hinter ihm ab. *** Einer der drei Männer legte ein Dollarstück für den Whisky auf den Tresen und sagte zu Ed: »Wir sind die drei Mortons, und mit uns können Sie immer rechnen.« Dann ließ sie das Halbblut hinaus. Ed Gregory ging zu seinem Sattelpacken, hob ihn vom Boden auf und legte ihn wieder auf den Barhocker. Zu Katie gewandt, sagte er mit ernstem Gesicht: »Sicher sind diese drei Männer Freunde Ihres Vaters. Ich glaube, daß es gute Männer sind.« »Sie sind hart und gut. Man nennt sie hier die drei Mortons. Sie sind Brüder und suchen nach Gold. Sie haben im Norden einen Claim.« Katie Hardman führte dann Ed Gregory in ein kleines Zimmer, und die Köchin des Hotels brachte nach einer Weile für ihn das Abendbrot. Das Halbblut trug inzwischen seinen Sattelpacken und seine Bettrolle in das Zimmer hinauf, das er für die nächste Zeit bewohnen wollte. Während Ed aß, trank Katie Hardman heißen Tee. Dieser Tee beruhigte sie, ihr Gesicht bekam Farbe. Ed beobachtete
das, da er sie ab und zu verstohlen musterte. Sie gefiel ihm. Sie gefiel ihm schon, als er das Hotel betreten hatte. Mit jedem Blick, den er heimlich auf sie warf, gefiel sie ihm mehr. John hatte sie also geliebt, dachte er, und er konnte seinen Bruder verstehen. Dann dachte er daran, daß sie John verloren hatte und gestern ihren Vater. Seine Gedanken bekamen dabei sofort eine andere Richtung. »Diese Burschen wollen den Crystal-Palace?« fragte er. Doch Katie schüttelte den Kopf. »Wir besitzen, besser gesagt, besaßen eine Mine. Angeblich hat sie Vater gestern an einen Agenten verkauft. Mein Vater soll sich vor lauter Freude über den günstigen Vertrag derartig betrunken haben, daß er den Weg verfehlte.« »An wen soll er verkauft haben?« fragte Ed. »Das weiß niemand! Irgendwer hat dieses Gerücht aufgebracht«, gab sie zur Antwort und zuckte mit den Schultern. Nach einer Weile fuhr sie fort: »Es ist wie bei Johns Mine! Auch er soll seine Mine verkauft haben, und kein Mensch weiß, an wen. Erst nach einem halben Jahr wurde bekannt, daß dieser Hackett in Central City sie aufgekauft hat. Von einem Agenten. Nie hat je ein Mensch Verträge zu Gesicht bekommen, die John unterschrieben hat. Fest steht nur, daß Hackett jetzt gültige Dokumente darüber besitzt. Wie ich die Dinge in diesem Land überschaue, wird es mit unserer Mine genauso werden. Davey Hackett wird auch sie eines Tages besitzen. Nun wollen sie mich zum Verlassen dieses Landes bewegen. Sie versuchen es mit allen Mitteln. Aber ich bleibe! Ich bleibe, bis dieses Banditenland kein Banditenland mehr ist. Ich bleibe so lange hier, bis Recht und Gesetz in dieses Camp eingezogen ist. Dann werde ich das alles vor Gericht bringen.« Ed Gregory antwortete mit einem grimmigen und verächtlichen Zug um den Mund: »Da können Sie lange warten! Sehr lange, bis dieses elende Camp zur Ordnung
kommt. Eher wird wohl dieses ganze Brettercamp zum Teufel gehen, Madam!« Er schwieg und starrte vor sich hin. Doch nach einer kurzen Pause sagte er wieder ruhig: »Sollte der Mörder Johns und der Mörder Ihres Vaters ein und dieselbe Person sein, dann wird vielleicht in diesem Camp vieles verdammt schnell in Ordnung kommen, Madam!« Katie schaute ihn an. Ihre Worte kamen stockend, als sie zu ihm sagte: »Deshalb sind Sie... Sie suchen Johns Mörder? Sie sind gekommen, um Rache zu nehmen? Sie machen sich Hoffnungen, daß Sie hier im Camp den Mörder Ihres Bruders finden werden?« »Genau!« sagte Ed Gregory. »Doch wollen wir einmal alles der Reihe nach durchsprechen. Erst muß ich die Lage etwas besser überschauen können. Daß Dick Vrain hinter allem steckt, ist eine bloße Vermutung von mir. Sie kann natürlich falsch sein. Aber mein Gefühl sagt mir, daß Vrain und seine Leute irgendwie damit zu schaffen haben. Denn diese Leute sind es doch, die Sie terrorisieren! Also haben sie irgendwie mit der Geschichte zu tun. Nun, wir werden sehen, wie nun die Dinge weiterlaufen, und...« »Sie meinen Ihre Unterhaltung mit Dick Vrain?« unterbrach sie ihn. »Nicht ganz! Nicht ganz, Madam. Aber es wird bestimmt allerhand dabei herauskommen«, erwiderte er ihr. *** Am anderen Morgen stieg als greller, feuriger Ball die Sonne über die Front Range. Sie tauchte die Felsen, die Zinnen und Zacken dieses wuchtigen Gebirgszuges in ein blutiges Rot. Es war der Tag, an dem Ric Hardman unter die Erde gebracht wurde. Die drei Mortons und das Halbblut trugen den hellen Eichensarg aus dem Haus. Sie trugen ihn bis zu dem
Kastenwagen und stellten ihn dort ab. Dann führte Ed Gregory Katie Hardman aus dem Hotel zu dem Einspänner, der dicht hinter dem Leichenwagen stand. Ed Gregory blickte sich dabei um. Die Straße war fast leer. Nur ein paar Neugierige standen am Rande der Fahrbahn. Sie schauten mit ernsten Gesichtern herüber. Doch sie waren stumm. Nicht einer von ihnen kam herüber zur Tochter des ermordeten Mannes, um ihr ein paar Worte zu sagen. Niemand von ihnen sagte zu ihr, daß der ein Schuft war, der Ric Hardmans Pferd in die Schlucht gehetzt hatte. Es war die Angst, die diese Leute schweigen ließ. Als Ed Gregory dem Mädchen auf den Wagen half, da ging drüben am Goldenhall-Hotel die Flügeltür auf, und ein Mann, der so wuchtig wie ein Baum war, trat auf die Veranda heraus. Er war groß und stämmig. Ed erkannte die vitale Kraft und Energie, die in ihm steckte. Es war ein Mann mit einem zähen Willen und harten Fäusten. Er hatte ein kühnes Gesicht. Tiefe Falten zogen sich von den Flügeln der schmalen Nase zu den Mundwinkeln herab. Die Lippen dieses Mannes waren nur Striche, seine Augen waren kalt. Diese Kälte spürte Ed Gregory, als er um den Einspänner gegangen war und nun von der anderen Seite aufsteigen wollte. Ed blieb stehen, drehte sich herum und blickte zu dem anderen hinüber. Er kannte diesen Mann nicht, aber er ahnte, daß es nur Dick Vrain sein konnte. Dick Vrain! Der Mann, der hier in diesem Camp sein Gegner war. Ed bemerkte den abschätzenden Blick und sah das kühne und verächtliche Lächeln. Er wußte in diesem Augenblick, daß da drüben ein gefährlicher Mann stand. Dann wandte sich Ed ab und stieg auf den Wagen. Er ergriff die Zügel und trieb das Pferd an. So folgte er dem Leichenwagen, den drei Brüdern und dem Halbblut. Keiner dieser Männer würdigten den Banditen auf der Veranda des Goldenhall-Hotels auch nur eines Blickes. Nur
Katie schaute hinüber. Und als der Einspänner in Höhe des Hotels war, griff sie Ed Gregory kräftig in die Zügel und hielt das Gefährt an. Ihr Blick zeigte tödliche Verachtung, als sie den Kopf drehte und rief: »Nun, Dick Vrain! Haben Sie nichts zu sagen?« »Doch! Doch, Miß Hardman! Es tut mir leid, daß Sie Ihren Vater auf diese Art und Weise verlieren mußten.« Dick Vrain sagte es mit kaltem Gesicht und ohne die geringste Regung. »Man reitet nicht allein durch die Nacht, wenn man eine Mine verkauft hat und sich voll Whisky hat laufen lassen!« »Es war Mord! Es war ein gemeiner Mord, Dick Vrain!« schrie sie ihm ins Gesicht, während sich ihre schmalen Hände um die Zügel preßten. Aber diese Worte beeindruckten Dick Vrain nicht. Er schüttelte nur den Kopf und sagte ruhig, fast leise: »Das hat Ihnen dieser Cowpuncher an Ihrer Seite in die Ohren geblasen. Sie haben sich einen verdammt schlechten Berater genommen. Einigen Leuten wird das bestimmt nicht gefallen, Madam!« »Das wird sich herausstellen, ob dieses Lied falsch ist, Dick Vrain«, sagte da Ed Gregory. »Dann wird irgendeiner zur Hölle sausen.« Er schlug mit den Zügeln, und der Braune vor dem Wagen ging vorwärts. Dick Vrain lachte hart und trocken. Er stieß sich von der Brüstung weg, ging in den Bau zurück und murmelte grimmig vor sich hin: »Irgendeiner wird zur Hölle fahren! Ich weiß auch schon wer!« Die beiden Wagen fuhren durch das wilde Camp zum Stiefelhügel hinaus. Vor dem Gattertor des Friedhofes hielten sie an. Der Erdhaufen des frisch ausgehobenen Grabes leuchtete dunkel in der Sonne. Die Männer riefen den Totengräber. Doch in der Hütte blieb es still. Da öffneten sie selbst das Gatter. Die Brüder und das Halbblut hoben den Sarg Ric Hardmans vom Wagen und trugen ihm zum Grab. Katie trug einen Strauß Frühlingsblumen. An Eds Seite folgte sie den
Männern. An John Gregorys Grab blieb Katie stehen. Auch Ed verhielt seinen Schritt. Er nahm den Hut ab. Katie Hardman teilte den Frühlingsstrauß und steckte die eine Hälfte der Blumen in die Erde von John Gregorys Grab. Dann gingen sie weiter. Vor der ausgeworfenen Grube blieben sie alle stehen. Die Brüder und das Halbblut setzten Ric Hardmans Sarg behutsam zur Erde und traten an das Grab heran. Als sie hineinschauten, wußten sie, warum ihnen niemand das Gatter öffnen konnte. Der Totengräber lag tot in der Grube. Katie stieß einen leisen Schrei aus und preßte die Fäuste vor den Mund. Die Männer jedoch standen mit ernsten Gesichtern, und starrten sich an. Am härtesten packte es Ed Gregory. Es war ein Fehler von ihm gewesen, das Wissen des alten weißhaarigen Mannes gestern abend auszuplaudern. Das hatte diesen Oldtimer umgebracht. Der Totengräber wußte zuviel. Er hatte mehr gewußt, als seine Mörder vertrugen. Darum brachten sie ihn um. »Ich werde in diesem Camp alles in Ordnung bringen. Ich werde es ganz bestimmt in Ordnung bringen«, sagte Ed. Mehr nicht. Er sagte nur diese beiden knappen Sätze. Die Männer und das Mädchen verstanden ihn. Die Männer liefen zur windschiefen Bude am Eingang des Stiefelhügels und holten ein paar Schaufeln. Ray Morton sprach ein Gebet, denn in diesem Camp der Digger gab es keinen Padre. Während dann Schaufel für Schaufel Erde die Grube füllte, glitt Ed Gregorys Blick noch einmal über den Toten. Er sah, daß der Totengräber das Messer nicht mehr im Stiefelschaft trug, und er wunderte sich darüber. Doch ehe er weiter darüber nachdenken konnte, waren die Stiefel des alten Mannes schon mit Erde bedeckt. Neben diesem Grab hoben sie eine neue Grube für Ric Hardman aus. Es war fast Mittag, als sie ihn unter die Erde
gebracht hatten. Wieder war es Ray Morton, der das Gebet für den Toten sprach. Dann fuhren sie zurück ins Camp. Ed Gregory führte wieder den Einspänner. Als sie durch die Straße des Camps fuhren, das schon fast eine Stadt war, bemerkte Katie, daß viele Menschen unterwegs waren. Auch Ed fielen diese vielen Männer auf. Es waren fast ausschließlich Goldgräber. »Das ganze Camp ist heute auf den Beinen«, sagte Katie mit ernstem Gesicht. »Die Männer wollen sicher dabei sein, wenn Sie sich mit Dick Vrain unterhalten, Ed.« »Es muß sich lausig schnell herumgesprochen haben«, meinte Ed. »Die Digger brauchen nicht lange warten. Ich werde sofort zu ihm gehen. Sicher kann er mir auch über den Tod des Totengräbers einiges sagen.« Sie wandte den Kopf und blickte ihn voll an und legte ihre Hand leicht auf seinen Arm. »Ich will Sie nicht zurückhalten, Ed! Aber ich will Sie warnen. Dick Vrain war niemals fair. Er weiß, daß Sie kommen, und er wird auf seine Art darauf vorbereitet sein. Geben Sie acht, Ed! Bitte!« Ed erwiderte ihren Blick. Er nickte mit ernstem Gesicht. Dann zügelte er den Braunen und hielt den Wagen direkt vor dem Eingang des Crystal-Palace an. Ed brachte Katie Hardman bis zur Hoteltür und schaute von der Veranda auf die Fahrbahn hinab. Er sah die vielen Goldgräber wie teilnahmslos herumstehen. Doch er hatte, als er sich umdrehte, genau gesehen, daß sie alle zu ihm herblickten. Er fing noch manchen verstohlenen Blick auf. Es waren durchweg Blicke, die Sympathie verrieten. Diese Männer auf den Gehsteigen und am Rande der Fahrbahn waren Goldgräber. Und ein jeder Goldgräber in diesem Land litt unter der Banditenplage. Er mußte für seinen Claim an Davey Hackett Agentur einen hohen Zins zahlen. Und fand er Gold, war die Mine ertragreich, dann mußte er aufpassen, daß er nicht sein Leben verlor. Wie John Gregory
und Ric Hardman zum Beispiel. Männer, die genügsam waren und eines Tages mit vollen Lederbeuteln aus dem Lande wollten, wurden oft unterwegs, noch ehe sie das Goldland verlassen hatten, erschossen und ausgeraubt. Und nun war ein Mann in ihr Camp gekommen, der sich auflehnte gegen diese Banditenherrschaft. Ja, mehr noch! Der sie sogar angriff und der Bob Selkirk, dem wildesten Schießer Dicky Vrains, eine Lektion erteilt hatte. All die Digger kamen hier vor den Crystal-Palace zusammen, um diesen einen Mann zu sehen. Nun waren sie voll gespannter Erwartung. Auf einmal setzte sich Ed Gregory in Bewegung. Er ging langsam bis zur Treppe, stieg hinunter und ging an den drei Mortons vorüber, die rechts neben der Verandatreppe standen. Sie musterten ihn stumm und die Gesichter verschlossen. Ed verließ den Bohlensteig vor dem CrystalPalace und lief quer über die Fahrbahn zum Goldenhall-Hotel. Als er genau, in der Mitte der Straße war, rann es ihm eiskalt den Rücken hinunter. Ed ahnte plötzlich, mehr noch, er wußte, daß er einen entscheidenden Fehler gemacht hatte. Denn als er halb die Fahrbahn überquert hatte, ging drüben am Goldenhall die Flügeltür auf, und Dick Vrain und Bob Selkirk schoben sich gleichzeitig hindurch. Und in diesem Augenblick tauchten auch noch Männer hinter seinem Rücken auf, inmitten der Goldgräber. Ed wandte einmal kurz den Kopf, und da mußte er in drei vierschrötige und grinsende Gesichter blicken. No, dachte er, als er sich Vrain und Selkirk wieder zuwandte, niemals sind diese drei Männer Goldgräber. Ich hätte besser auf meinen Rücken achten sollen! Jetzt aber waren die Karten verteilt. Das Spiel lief. Auch die Goldgräber und die Mortons erkannten Ed Gregorys Nachteil schnell. Sie zogen grimmige Gesichter, als sie merkten, daß dieser Rindermann seine Sache hier im Camp
schon halb verloren hatte. Einige verdrückten sich langsam, denn sie wußten, daß sie es verdammt schlecht vertragen würden, wenn auch dieser Rindermann den Stiefelhügel hinauf mußte. Was nützte ihnen dann ihr Zorn? Dick Vrain würde mit seinen Schießern die Ruhe und die alten Verhältnisse ziemlich schnell wiederherstellen. Und Leute von ihnen wären es, die diesen jungen und trotzigen Burschen später auf den Friedhof tragen mußten. Dazu hatte niemand Lust. Doch unter den drei Mortons war nicht einer, der mit dem Gedanken spielte, das Feld zu räumen. Sie standen starr vor der Veranda des Crystal-Palace, und jeder konnte in den kantigen Gesichtern dieser drei Brüder Bereitschaft und Entschlossenheit sehen. Dann war Dick Vrain mit Bob Selkirk bis dicht an die Verandabrüstung getreten. Die beiden Männer waren so groß, daß ihnen die Brüstung gerade bis an die Coltkolben reichte. Die schwarzen Knäufe ihrer Waffen konnte Ed Gregory von der Fahrbahn gerade noch sehen. Irgendwie beruhigte ihn das. Er zog geräuschvoll die Luft durch die Nase und schaute Dick Vrain fest in die Augen, als dieser zu grinsen begann und ihm zurief: »Nun, wie ist es, Gregory? Wenn ich mich recht entsinne, wolltest du dich heute mit mir unterhalten. Fangen wir an damit!« »Richtig, Vrain! Ich wollte dich sprechen«, erwiderte Ed Gregory. Ehe er jedoch weitersprechen konnte, unterbrach ihn Dick Vrain: »Ich will dich gern anhören, Rindermann! Doch alles ist zwecklos, sollte es sich um Ric Hardman oder um deinen Bruder John handeln. John Gregory wurde in seiner Mine von einem Stein erschlagen, und Ric Hardman stürzte in die Schlucht, weil er betrunken war. Dabei bleibt es in diesem Camp!« Seine Worte klangen hart und drohend, und die Augen Dick Vrains hatten sich zu schmalen Schlitzen zusammengezogen.
»Das sagtest du heute schon einmal«, antwortete Ed Gregory, und er war sehr ruhig dabei. Obwohl die drei Schießer in seinem Rücken ihm diese Ruhe nahmen. Nicht eine Bewegung Dick Vrains ließ er sich entgehen, denn von ihm würde das Zeichen für diese Coltmänner hinter seinem Rücken kommen. »Well, du sagtest es heute schon einmal, doch der Totengräber sang mir gestern ein anderes Lied, ein höllisches! Dafür mußte er sterben, Dick Vrain!« Dann schaute Ed Gregory Bob Selkirk ins Gesicht, denn er begann plötzlich wie ein Stier zu fauchen, stieß Vrain den Ellenbogen in die Hüfte und polterte los: »Warum trägt er gerade hier diese Geschichte vor?« Ed, der die Männer nicht aus den Augen ließ und in dem jeder Muskel, jeder Nerv gespannt und voll Energie und äußerster Bereitschaft war, erkannte die plötzliche Blässe in Selkirks Gesicht. Und er stutzte, als er die leichte Wölbung unter Selkirks Cordjacke an der Schulter entdeckte. Darauf spielte er sofort an: »Der Totengräber verstand sich aufs Messer, Vrain. Wenn du also in diesem Camp einen Mann mit einer Stichwunde siehst, dann nimm ihn fest. Denn dieser Mann ist der Mörder des Totengräbers!« Nach diesen Worten herrschte eine unheimliche Stille auf der Fahrbahn des Black Hawk Camps. Die Goldgräber zogen sich zurück. Sie wußten alle, daß Gregory damit heikle Dinge angeschnitten hatte. Mit diesen Worten hatte er die Banditen aus der Ruhe und sich selbst um das Leben gebracht! Die Digger sahen, wie sich die drei Schießer hinter Gregorys Rücken bereitstellten, daß sie lauerten, daß sie wie reißende Wölfe auf Dick Vrains Zeichen warteten. Dick Vrain wollte dieses Zeichen geben. Doch da waren die drei Mortons! Die Brüder standen noch an der gleichen Stelle und hatten ihre Hände schon auf den
Kolben liegen. Deshalb sagte Vrain zu ihnen: »Laßt nur eure Colts stecken und schlagt euch jetzt nicht mehr auf die falsche Seite! Ich weiß, daß Ric Hardman euer Freund war. Doch dabei müßt ihr es lassen. Macht euch nicht auch noch diesen Heißsporn zum Freund! Der reißt euch bestimmt mit hinein!« Dann grinste er, da er aus den Augenwinkeln heraus sehen konnte, daß die drei Schießer zu den Brüdern Front gemacht hatten und langsam und vorsichtig nach den Halftern griffen. Well, dachte er schnell, den Rindermann schaffe ich schon mit Bob allein. Wenn der auch heute nur eine Hand gebrauchen konnte. Darum warnte er noch einmal die drei Brüder. »Haltet euch aus dieser Sache heraus! Es wird euch bestimmt...« Doch da war es schon zu spät. Es war der Colt in Ray Mortons Hand, der den Reigen eröffnete. Er war es, der am Abend vorher zu Ed Gregory sagte, mit den Mortons könnte er immer rechnen. Und hier erbrachte er den Beweis. Obwohl Ed Gregory gar nicht damit rechnete, den Beistand der Mortons zu erhalten. Die Mortons jedoch waren von Anfang an dazu entschlossen. Ray Morton war es nicht entgangen, daß die drei Schießer hinter dem Rindermann Front zu ihnen machten und nach den Revolvern griffen. Da zog Ray blitzschnell, weil er nicht warten wollte, bis die Karten vielleicht noch eine ganze Klasse schlechter wurden als sie ohnehin schon waren. Er war schneller als die drei Gunmen Dick Vrains. Ray hatte seinen Colt eine Zehntelsekunde früher aus der Halfter als der schnellste von ihnen. Und so schlug der Knall seines Colts auch eine Zehntelsekunde früher über die Fahrbahn. Ed Gregory nahm diese Geschehnisse in sich auf, während
er schon den Colt aus der Halfter riß. Dann jagte er die Kugeln zur Veranda hinauf. Er sah noch das Mündungsfeuer an Dick Vrains Hüfte, dicht über der Verandabrüstung, aber da war er schon zur Seite gesprungen und hatte noch einmal geschossen. Aber die beiden flohen! Er sah, wie Dick Vrain durch die Flügeltüren nach innen stürzte und wie Bob Selkirk mit angewinkeltem Arm rasch hinterher sprang. Ed Gregory warf sich herum. Er sah zwei Männer am Boden liegen. Einer von ihnen war Charles Morton. Doch er war nur verwundet. Ein Streifschuß. Er erhob sich bereits wieder, als Ed Gregory zu ihm trat. Die anderen beiden aus Vrains Mannschaft standen, die Gesichter verzogen und mit erhobenen Armen, vor den Revolvern von Ray und Fred Mortons. An Ray Mortons Gesicht war sehr deutlich zu erkennen, daß er diese wilden Burschen zum Satan jagen würde, sollten sie auch nur den Versuch unternehmen, sich einen Trick einfallen zu lassen. Dann standen die vier Männer, Ed und die drei Brüder, an der Giebelwand des Hotels in Sicherheit. Das Halbblut trieb ihnen die Reitpferde vor die Nase, und da brauchten sie eigentlich nur noch in die Sättel zu steigen. Doch am Goldenhall war es zu lebendig geworden. Vrain besaß ja viele Helfer. So jagte der Mann die Tiere ein Stück die Straße hinunter. Hinter einem Haus, wo der Weg in das wild zerklüftete Land hinausführte, brachte er die Pferde zum Stehen. Vom Hotel bis zu den Pferden waren es hundert Yard. Hundert Yard durch Feuer und Blei. Denn im Goldenhall Hotel war es gewaltig lebendig geworden. Aus den unteren Fenstern, rechts und links neben den Flügeltüren, züngelten die Mündungsfeuer bellender Colts. Auch die beiden Burschen, die eben noch vor Ray Mortons
Eisen standen, sahen sich plötzlich frei. Sie konnten nun an ihre Waffen und zückten sie, ohne lange zu überlegen. Sie standen breitbeinig hinter ihrem verletzt am Boden liegenden Partner und feuerten mit vier Revolvern auf die hinter der Giebelwand in Bedrängnis geratenen Männern. Hundert lumpige Yard trennten die Mortons und Ed von den Pferden! Hinter dem Hotel luden die Männer in fieberhafter Eile ihre Waffen nach. Dabei sagte Ray Morton zu den anderen: »Wir werden sie mit unseren Waffen in Deckung zwingen. Jagt alle Kugeln ‘raus, Jungs, denn wir werden hinterher keine mehr nötig haben.« Die Männer nickten mit ernsten Gesichtern, während ihnen die Geschosse um die Ohren flogen. Sie hatten den Doppelsinn seiner Worte verstanden. Ed Gregory lud den Colt auf, winkelte den Arm an und sagte über die Schulter zu den anderen: »Wir können nicht wie die Hasen alle auf einmal losrennen. Bestimmt unter euch die Reihenfolge. Ich werde als letzter laufen und als letzter meinen Colt leerschießen.« Ray Morton schaute seine Brüder der Reihe nach an. Jeder wußte, daß der letzte die schlechtesten Chancen hatte. Und Ray Morton bestimmte die Folge unter den Brüdern, indem er hervorstieß: »Charles, Fred – ich!« Damit war unter diesen vier Männern alles besprochen, was es zu besprechen gab. Ray Morton gab das Zeichen. Er hob nur leicht die Hand, und der Feuerzauber aus ihren Waffen brach los. Schon nach den ersten Kugeln, als drüben im Goldenhall jede Waffe verstummte, schlug Ray die erhobene Hand auf die Schulter seines Bruders Charles, und der rannte zu den Pferden hinüber. Dann jagte Fred Morton mit verschossenen Waffen davon.
Und als Ed Gregorys Colt zu bellen begann, stieß sich Ray von der Giebelwand des Hotels ab und hetzte in großen Sprüngen die hundert Yard zu den Pferden. Doch diese Strecke war für Ray Morton um fünf Yards zu lang. Die erste Kugel der Banditenmannschaft nach diesem wütenden Feuerüberfall der vier Männer traf Ray auf den letzten fünf Yard, und diese Kugel schmetterte ihn auf die Fahrbahn. Aber da sprang Ed Gregory schon los. Im Laufen noch jagte er die letzten drei Kugeln aus dem Revolver und mit langen Sätzen lief er diese fünfundneunzig Yard bis zu Ray Morton, bückte sich, half ihm hoch und zog ihn die letzten fünf Yard durch den Kugelregen der Banditen. Dann war er bei den anderen und den rettenden Tieren. Sie hoben Ray Morton auf sein Pferd und drückten ihm die Zügel in die kraftlosen Hände. »Reitet«, krächzte Ray mit heiserer und belegter Stimme. »Reitet, ich halte sie hier noch einmal auf!« Mit zitternden Fingern wollte er seine Waffe aufladen. Doch da sprang Ed Gregory noch einmal vom Pferd, warf Ray Morton eine Schlinge um die Brust und band ihn mit ein paar flink und sicher gelegten Knoten fest. Bestimmt hatte er das mal von einer Rothaut gesehen und konnte es nun hier verwenden. Er schlug Rays Fuchs heftig auf die Kruppe, und mit einem Satz jagte das Pferd los. Dann waren sie alle in den Sätteln und galoppierten davon. Fred Morton führte sie nach Norden aus dem Camp. *** Sie ritten eine ganze Stunde sehr hart. Ray Morton hielt nur noch die Indianerschlinge im Sattel. Sie ritten durch wildes Bergland und passierten Goldminen und
Schürfstellen. Die wenigen Digger, die an diesem Tage auf ihren Claims geblieben waren, hörten das Rudel schon von weitem. Jeder von ihnen, der diese Reiter vorüberjagen sah, konnte sich einen Reim darauf machen, wie es an diesem Tage im Black Hawk Camp ausgegangen war. Jeder wußte danach, daß alle Hoffnungen umsonst waren und daß Black Hawk noch einige Zeit Banditencamp bleiben würde. Als die Reiter an einem der Claims vorüber waren, blieben die drei Männer, denen es gehörte, aufrecht über ihrer harten Arbeit stehen und horchten in das Land hinaus. Zum Camp hin. Doch dort blieb es ruhig. Kein Hufschlag war zu hören, der ein neues Rudel ankündigte. »Sie reiten ohne Verfolger«, meinte einer dieser Männer. Er war rotblond, und beim Teufel, er war ganz bestimmt ein Ire. »Hm«, entgegnete ein anderer. »Das hätte für Vrain auch verdammt wenig Sinn, den Mortons und diesem Rindermann bis zum Morton-Claim zu folgen. Der Claim besaß nur einen schmalen Zugang. Dieser Mann war ein kleiner, dunkelhaariger und sonst bestimmt ein ganz lustiger Bursche. Doch jetzt zog er ein ernstes Gesicht. Bald wandte er sich wieder seiner Arbeit zu. Seine Partner aber standen noch lange und sahen den Reitern nach. Der Rotblonde knüpfte an die Worte des kleinen Schwarzkopfes an. »Diesen einen Zugang kann der blinde alte Morton mit einer Schrotflinte bewachen.« Der dritte spuckte in die Hände und griff nach dem Spaten. Er schüttelte den Kopf. Während er sich wieder an die Arbeit machte, brummte er: »Die Mortons reitet der Satan, Brüder! Bestimmt reitet sie der Satan. Sie sollten in Ruhe ihren Claim ausnehmen und dann aus diesem ungastlichen Land verschwinden, statt sich mit Dick Vrain anzulegen. Da kommt doch nichts heraus!« Dann arbeiteten sie alle drei wieder, und ihre Gedanken
beschäftigten sich nur noch mit ihrem Claim, mit dem Gold, das sie darauf zu finden hofften. – Denn diese drei Männer bauten darauf, Glückspilze zu sein und eines Tages im Boden ihres Claims auf Gold zu stoßen. Die Mortons und Ed Gregory ritten unterdessen die letzte Meile. Dann erreichten sie unvermittelt den Eingang einer schmalen Schlucht, und hintereinander ritten sie hinein. Nach guten dreihundert Yard kamen sie in ein kleines grünes Tal. Es war gerade so groß, daß es den Mortons Camp und Schlupfwinkel sein konnte. Für die Pferde war die Weide nur knapp und spärlich bemessen. Ein Geräteschuppen und eine Blockhütte standen eng an die steile und hohe Felswand gelehnt, aus der, dem Eingang des Kessels genau gegenüber, ein Rinnsal hervorquoll. Die Männer stiegen von den abgetriebenen Pferden, Fred und Ed banden Ray los und hoben ihn behutsam und vorsichtig aus dem Sattel. Dann legten sie ihn ins Gras. Ed Gregory blickte dabei zum Eingang der Schlucht zurück. Während er sich noch wunderte, warum die Brüder den schmalen Zugang unbewacht ließen, sah er einen steinalten Mann mit einer Schrotflinte unter dem Arm dort heraustreten. Erst als dieser alte Mann heran war, erkannte er an den glanzlosen und stumpfen Augen, daß er blind sein mußte. Der Oldtimer blieb vor den Männern stehen. Dann sah es so aus, als blickte er sie der Reihe nach an. Denn er ließ seinen Geierkopf langsam von links nach rechts wandern. Heiser klang seine Stimme, als er sagte: »Ihr seid mit vier Pferden in unser Camp gekommen. Mit einem Tier war etwas nicht in Ordnung, oder der Mann kann nicht reiten.« Fred Morton trat einen Schritt aus der Reihe der anderen, blickte einmal schnell zu Ray hinab und antwortete dann: »Stimmt, Vater! Wir ritten mit vier Pferden. Wir haben Ed Gregory, den Bruder John Gregorys, mit in den Kessel
gebracht. Im Black Hawk Camp sind wir an Dick Vrain geraten. Ray wurde verwundet.« »Ich hatte euch befohlen, euch im Interesse der Familie aus jedem Streit mit diesem Banditen herauszuhalten. Es führt zu nichts! Niemand soll auf die Mortons aufmerksam werden.« Fred Morton trat von einem Bein auf das andere. Merklich unsicher geworden, sagte er zu seinem blinden Vater: »Es war wegen Ed Gregory. Er bekam Streit wegen John und Ric.« Der alte Morton schnaufte ein paarmal. Dann nickte er und schlug mit der flachen Hand durch die Luft. »Dann sei’s euch verziehen! Willkommen in unserem Camp, Gregory! Dein Bruder John war unser Freund. Tragt Ray in die Hütte!« Er wandte sich zur Blockhütte hin und rief laut hinüber: »Clee! Hallo, Clee!« Und als er die Tür auffliegen hörte und ein hellblondes Mädchen erschien, rief er: »Reite zum alten Tom und sage ihm, daß er sofort kommen soll. Es hat Ray erwischt.« Dieses hellblonde Mädchen war vielleicht fünfundzwanzig Jahre alt. Es war die Tochter des alten Morton. Sie war groß und von schlankem Wuchs. Sie trug Männerkleidung. Ein paar hirschlederne Hosen, Reitstiefel und ein buntes Cowboyhemd. Darüber hatte sie – genau wie ihre Brüder – eine ärmellose Lederweste gezogen. Die hellblonden Haare waren im Nacken zu einem großen Knoten geschlungen. Diese Clee war nicht so hübsch wie Katie Hardman. Ed Gregory erkannte es sofort. Sie war eher von einer etwas herben Schönheit. Ihre blauen Augen blickten überrascht und auch etwas entsetzt. Sie stand aufrecht in der Tür. Dann stieß sie die Tür zurück, um den Männern Platz zu machen, und lief auf eines der ungesattelten Pferde zu. Sie sprang mit einem Satz auf und galoppierte schon durch den kleinen Kessel der engen Schlucht zu. Da die Tür der Blockhütte zu schmal war, so daß nicht alle drei Männer Ray Morton hineintragen konnten, ließ Ed los,
blieb stehen und schaute dem Mädchen nach. Um seinen Mund stand ein Lächeln, weil an diesem Mädchen alles richtig war. Sie würde gut in Adam Gregorys Land passen, dachte er. Dann ging er zu den Pferden zurück. Er sattelte sie ab und rieb sie trocken. Der Alte war unterdessen wieder in die Schlucht gegangen. Ed Gregory fragte sich, wo und an welcher Stelle in dieser schmalen Felsspalte der Oldtimer wohl vorhin gestanden haben mochte, als er mit den Brüdern in dieses Camp hier ritt. Unmöglich konnte man darin an einem Mann vorbeireiten, ohne ihn zu übersehen. Bald hörte er wieder Hufschlag in der Schlucht. Die Hand am Revolver, fuhr Ed herum. Doch er sah das Mädchen und dicht hinter ihr einen Mann heranreiten. Vor der Blockhütte stiegen beide ab und gingen rasch hinein. Die Pferde schnauften und trotteten zur Weide. Auch der alte Morton kam wieder aus der Schlucht. Er tastete sich zur Hütte hinüber, ging hinein, und Ed Gregory folgte ihm. Die Blockhütte der Mortons war geräumig genug, um den fünf Menschen Platz und Unterkunft zu bieten. Sie war in zwei Räume aufgeteilt. Der größere war, wie Ed beim Eintritt feststellen konnte, für die vier Männer hergerichtet, der kleinere war sicher der Schlafraum des Mädchens und wohl auch zugleich die Küche. Ray Morton lag auf einem alten Sofa. Mochte der Teufel wissen, wie das in diese Gegend gekommen war. Die Brüder standen am Kopfende, und Fred wischte dem Verwundeten mit einem Tuch den Schweiß aus dem Gesicht. Der Doc saß auf einem Hocker vor dem Sofa, und am Stöhnen Ray Mortons konnte Ed erkennen, daß er bereits die Kugel aus der Schulter entfernt hatte. Der Oldtimer stand daneben. Das Mädchen Clee war nicht im Zimmer. Doch dann ging die Tür zum Nebenzimmer auf. Clee
brachte für den Doc heißes Wasser. Sie blickte Ed an. Der nahm sofort seinen verstaubten Hut vom Kopf und nickte ihr zu. Sie erwiderte seinen knappen Gruß, ging zum Sofa und stellte die Schüssel ab. Sie tat dies alles, ohne den Blick von Ed Gregory zu wenden. In ihren Augen war dabei mehr Staunen als Neugier. Fred Morton hatte seine Schwester beobachtet. Er grinste still in sich hinein. Er legte das Tuch weg und ergriff die Schrotflinte seines Vaters, nahm Clees Hand und führte sie zu Ed Gregory. »Dies ist er«, sagte Fred zu dem Mädchen. »Ed Gregory! Von dem wir schon gestern abend erzählten. Wie wir sagten, ist er in dieses Land gekommen, um einiges in Ordnung zu bringen!« Zu Ed gewandt, fuhr er fort: »Das ist unsere Lady, Ed! Meine Schwester! Nenn sie Clee! Das wird schon richtig sein.« Er schob sich den Hut in die Stirn, schaute einmal kurz in ihre Gesichter und grinste. Ed Gregory und Clee Morton standen sich gegenüber. Ed schaute in zwei tiefblaue Augen. Das Mädchen übte eine Wirkung auf ihn aus, wie er sie bisher nicht kannte. Er schluckte mehrmals sehr heftig. Dann murmelte er einen Gruß. Auch Clee stand und schaute ihn an. Als sie seine Hilflosigkeit bemerkte, wurde auch sie unsicher. Sie erwiderte den Gruß, drehte sich ruckartig um und ging zum Sofa zurück. Ed folgte ihr langsam. Dicht hinter dem Doc blieb er stehen. Der Doc hatte schon die Wunde verbunden und wandte sich nun Charles zu, der ihm den bloßen Arm entgegenhielt. Der Doc säuberte auch diese Verletzung und verband sie. Dabei wandte er sich an den Oldtimer. »Er hat viel Blut verloren, Cole! Doch die Kugel war zu hoch gezielt. In zwei Wochen wird er wieder auf sein Pferd steigen. Sorge nur dafür, daß er die zwei Wochen im Bett bleibt. Jede Wunde kann aufbrechen. Diese erst recht. So etwas
ist immer eine gefährliche Sache. Kette ihn an, wenn er sich nicht fügen will, Cole!« »Er wird im Bett bleiben, Doc«, brummte der Alte schnurrig. Eine Weile später war alles getan. Der Doc erhob sich. Er erinnerte den alten Morton noch einmal an die zwei Wochen Bettruhe und verabschiedete sich. Clee brachte ihn vor die Hütte. Der Doc rief sein Pferd, stieg in den Sattel und nickte dem Mädchen noch einmal freundlich zu. Wenig später verklang der Hufschlag. Dann brach die Dunkelheit an. Ray war auf dem Sofa eingeschlafen. Der Alte, Ed und Charles gingen hinüber in die Küche, und das Mädchen bereitete ihnen ein Abendessen. Es gab Hammelfleisch, Gemüse und Brot. Später ging Charles hinaus in die Schlucht. Fred war der Zweitälteste Sohn. Und als er seine Mahlzeit beendet hatte, forderte der Oldtimer von ihm einen genauen Bericht. Fred erzählte ihm vom Kampf im Black Hawk Camp, und Cole Morton unterbrach ihn nicht, und damit gab sich der blinde Mann auch zufrieden. In der Nacht übernahm auch Ed Gregory eine Wache in der Schlucht. Fred Morton führte ihn hinaus und zeigte ihm eine Nische in der Wand, die sich sechs bis sieben Yard über dem Grund der Schlucht befand und durch Strauchwerk gegen das Land hinaus gut abgedeckt war. Ein Holzklotz als Sitzgelegenheit und eine dicke Pferdedecke gegen die Kälte der Nacht lagen da. Ed setzte sich hin, legte die Schrotflinte über seine Knie und wickelte sich in die Decke. »Im Morgengrauen wirst du das ganze Land vor dir überblicken können. In der Nacht bekommen wir nie Besuch. Drum schieße ohne Warnung, wenn jemand in die Schlucht will. Im Umkreis von fünfzig Meilen ist das bekannt«, sagte Fred. Dann ging er den Weg zurück.
Ed Gregory lauschte in das Land, er schaute zum Himmel auf und hing seinen Gedanken nach. Später dröhnte einmal dumpf ferner Hufschlag zu ihm herauf. Männer ritten weit draußen im Land. Ed ahnte, daß dies Banditen Dick Vrains waren, und er glaubte auch zu wissen, daß sie bestimmt einen Riegel um diese Schlucht legen würden, um ihn eines Tages abzufangen. Und er dachte daran, daß die Mortons seinetwegen eine Menge Verdruß bekommen hatten. Deshalb wollte er dieses Camp wieder verlassen. Er dachte dabei an den blinden Mann und an das Mädchen Clee. Ed Gregory wollte nicht, daß andere Menschen seine Sache zu der ihren machten und dabei ihre eigene Sicherheit und ihr Leben aufs Spiel setzten. In diesem Falle kamen die Sicherheit und Existenz eines alten Mannes und eines Mädchens dazu. Die Brüder hatten für die beiden zu sorgen. Es war unmöglich, daß Ed ihre Hilfe weiter in Anspruch nehmen konnte. In diesem harten Land mußte ein Mann seinen Weg allein gehen. Dann graute der Morgen. Unaufhaltsam breitete sich der junge Tag über das Land. Im ersten Licht dieses Tages erkannte Ed Gregory das Rudel Reiter vor der Schlucht. Es waren gut ein Dutzend rauher Gesellen, die auf tänzelnden Pferden vor der Schlucht Aufstellung genommen hatten. Als er sich erhob, bröckelte Gestein hinter ihm. Er wirbelte herum, aber es war Fred Mortons grinsendes Gesicht, in das er schaute. Der deutete mit dem Kopf zu den Reitern hinüber, und sagte grimmig: »So dachte ich es mir Gregory. Schau nach, ob Vrain und Selkirk dabei sind.« Ed blickte lange hin und schüttelte den Kopf. »Das sind keine Banditen, Boy. Das sind Digger! Das sind richtige Digger«, sagte Fred plötzlich.
Ed und Fred Morton schauten sich verständnislos an. Fred nahm sein Repetiergewehr vom Rücken und tippte Ed auf die Schulter. »Behalte sie gut im Auge. Laß nicht einen einzigen in die Schlucht. Der Teufel weiß, was diese Digger wollen. Ich steige höher in die Wand und werde mich mit ihnen unterhalten.« Er kletterte in einen schmalen Spalt hinein, und Ed Gregory konnte den leisen, schabenden Geräuschen entnehmen, daß er nach oben kletterte. Schon wenig später schallte seine Stimme aus der Wand: »Was treibt euch aus euren Minen, Jungs?« Unten kam Bewegung in das Rudel. Die Pferde gingen in der frischen Morgenluft hin und her. Sie warfen die Köpfe und zerrten an den Zügeln. Einer der Männer trieb sein Pferd vor, blickte zur Wand empor und rief dann: »Fred Morton! Komm herunter! Wir kommen in friedlicher Absicht. Was uns in die Sättel trieb, ist schnell gesagt! Wir wollen eine Unterredung mit Ed Gregory. Er ist doch bei euch, oder?« »Well, Patterson! Ed Gregory ist noch bei uns. Doch wir sind auch bei ihm. Das soll jeder einkalkulieren.« »Höre, Fred Morton! Du bist so lange in diesem Lande wie ich. Du weißt genau, daß ich mich um die Dinge in und um Black Hawk Camp nie gekümmert habe. Ich suche in diesem Lande Gold. Sonst nichts. Vor allem nicht Streit und Verdruß. Aber ich und diese Männer hier, die in diesem Lande ebenso nur nach Gold suchen, wir sind dahintergekommen, daß man an den Dingen nicht achtlos vorübergehen kann. Heute nacht hatten wir auf Grenns Claim eine Versammlung. Es waren über dreihundert Goldgräber gekommen. Sie wählten mich einstimmig zum Bürgermeister von Black Hawk Camp. In meiner Eigenschaft als Bürgermeister möchte ich nun Ed Gregory sprechen und ihn fragen, ob er das Amt des Sheriffs annehmen will. Wir brauchen dazu einen Mann, der schnell und hart genug ist, es auch mit dem schnellsten Schießer der
Banditen aufzunehmen. Ed Gregory konnte Gleen Curtis und Hacketts lausigen Sheriff schlagen. Uns allen erscheint er daher als der rechte Mann.« »Patterson, das war eine gewaltig lange Rede, und hoffentlich war sie nicht umsonst. Ed Gregory liegt unten in der Schlucht. Bestimmt hat er dich verstanden. Er mag dir die Antwort selbst geben.« Ed Gregory hatte jedes Wort des alten Patterson gut verstehen können: Viele Gedanken beschäftigten ihn dabei. Er dachte an seinen Bruder, an Ric Hardman und an den Totengräber. Er zauderte nicht eine Sekunde. Darum stieg er aus der Wand, ging die wenigen Yards aus der Schlucht und schritt langsam auf das Rudel zu. Die Schrotflinte hielt er in der Armbeuge. Vor dem alten Patterson blieb er stehen, stellte den Schaft der Flinte auf die Erde und stützte beide Hände auf die Mündung. Als die Reiter Ed Gregory aus der Schlucht kommen sahen, stiegen sie von den Pferden. Old Patterson war als erster aus dem Sattel. Er lief Ed mit ausgestreckter Hand entgegen. »Du konntest also meine Worte hören, Gregory! Nun, so entscheide dich jetzt! Du würdest für eine gute Sache im Sattel sitzen. Du reitest so und so gegen Dick Vrain und dessen Banditen. Mit uns hast du das Gesetz im Rücken!« Ed Gregory reichte dem Oldtimer die Hand. Dann ließ er seinen Blick über dieses Rudel gleiten. Er schaute einem jeden von ihnen ins Gesicht. Es waren harte, kantige Gesichter. Er sah, daß diese Männer rechtschaffen und gut waren. Und er sah, daß diese Männer ihn brauchten. Denn was ihnen fehlte, waren schnelle Hände, waren Hände, die flink mit einem Revolver umgehen konnten. Aus diesem Grunde hatten sie den Ritt mit Old Patterson unternommen. An ihrer Spitze benötigten sie einen Revolvermann, einen Mann, der Dick Vrain und dessen
Sattelratten nicht zu fürchten brauchte. Und für sie war dieser Mann Ed Gregory. Denn der hatte es im Camp und in Central City bewiesen, daß er so ein Mann war. »Es ist in Ordnung, Patterson«, sagte Ed Gregory nach einer geraumen Weile. »Wenn ich alle Vollmachten erhalte, die ein Sheriff zu bekommen hat, will ich das Amt annehmen.« »Ich wußte, daß du uns nicht enttäuschen würdest, Gregory! Ich wußte es«, sagte der alte Patterson, und wie triumphierend schaute er zu den Reitern hinüber. »Du sollst alle Vollmachten bekommen.« Dann trat Fred Morton zu der Gruppe. Er war etwas außer Atem von dem raschen Abstieg. Er schnaufte ein paarmal kräftig. Die letzten Worte des Oldtimers konnte er gerade noch verstehen. Darum sagte er, während er die Hand auf Ed Gregorys Schulter legte: »Für eure Sache könnt ihr keinen besseren Mann bekommen, Patterson! Was uns betrifft, so könnt ihr auf uns zählen, wie bisher jeder auf uns zählen konnte, der für eine gerechte Sache ritt.« »Darüber bin ich mir im klaren, Morton«, erwiderte der Alte. »Darüber bestand bei uns kein Zweifel. Kommt also heute abend vor Anbruch der Dunkelheit zu Grenns Claim hinüber. Wir sammeln uns dort. Ich schätze, daß dreihundert Reiter zusammenkommen werden. Und dann soll noch in dieser Nacht das Black Hawk Camp unser sein. – Und hier, Gregory, ist der Gesetzesstern des Black Hawk Camps.« Er überreichte Ed Gregory einen grobgeschnittenen Blechstern, den ein Mann mit einer Drahtschere aus einem Stück Blech geschnitten hatte. Etwas ungelenk waren mit einem Meißel die Worte eingeschlagen: Black Hawk Camp Sheriff. Ed wog den Stern in der Faust. »Ich nehme ihn. Ich bin also jetzt euer Sheriff. Um es von vornherein klarzustellen, Patterson, ich werde bestimmen, wie es weiterläuft. Ich vertrete
nun das Gesetz und werde es auch in das Camp bringen. Versammelt euch heute abend.« Patterson strich sich sichtlich verlegen und auch etwas erstaunt über seinen wallenden Graubart. »Sicher, du hast alle Vollmachten, Sheriff! Aber nun bringe nichts durcheinander! Wirf nicht alles um! Wir wollen heute nacht das Camp zusammenreiten. Willst du es anders, so nimmst du den Leuten Mut und Schwung.« »Ich will nichts umschmeißen«, sagte Ed und lächelte karg. »Ich will auch den Leuten den Schwung nicht nehmen. Ich will nur kein Gemetzel, Patterson! Wenn es anders geht, dann wollen wir es anders machen.« Da er in den Gesichtern der Digger den Trotz und die Ablehnung aufsteigen sah, fügte er schnell hinzu: »Seid ohne Sorge! Wir werden noch in dieser Nacht ins Camp einziehen, und noch in dieser Nacht wird Black Hawk Camp ein friedliches Camp werden.« Obwohl die Männer noch etwas ratlos dreinschauten, gaben sie sich zufrieden. Sie fragten sich nur, ob es eine andere Möglichkeit gab, das Camp zu erobern. Deshalb schauten sie Ed Gregory fragend an. Doch Ed lächelte nur, lüftete seinen Hut und sagte: »Also, bis heute abend!« Dann trennten sich die Männer. Ed Gregory und Fred Morton gingen in die Schlucht zurück. Dort erwartete sie Charles. Der stand an der Felswand. Mit der Rechten nahm er Ed die Schrotflinte aus der Hand, da er die nächste Wache hatte, und mit der Linken deutete er auf den Blechstern an dessen Brust. Er grinste übers ganze Gesicht, als er fragte: »Was soll das? Und was wollten diese Digger? Mir scheint, in diesem Lande hat sich über Nacht höllisch viel verändert!« »So ist es«, gab ihm sein Bruder zu verstehen und klärte ihn mit einigen Worten über das Geschehene auf. Dann gingen Ed Gregory und Fred Morton durch die Schlucht in den Kessel zurück.
Der alte Morton stand unter dem Eingang der Blockhütte, und Clee war drüben bei den Pferden am Bach. Da sie die Männer kommen sah, drehte sie sich um, strich sich mit beiden Händen das Haar zurück und kam zur Hütte. Als die beiden Männer dort ankamen, blickte auch sie auf den Blechstern an Ed Gregorys Weste. Doch noch bevor sie Fragen stellen konnte, berichtete Fred seinem Vater und ihr, was vorgefallen war. Sie hörten schweigend zu. Dann nickte der blinde alte Mann und sagte langsam zu Ed Gregory: »Du mußt wissen, ob es sich lohnt, daß du ihre Sache zu der deinen machst. In diesem Lande soll ein Mann seinen Weg allein gehen, Gregory! Wie es jetzt ist, kann die Sache aber zu groß für dich werden. Sicher, das Gesetz steht hinter dir, und alles, was du tust, steht nun in einem anderen Licht. Doch bist du so sicher, daß dir die Männer, die dich zu ihrem Sheriff machten, auch überallhin folgen werden? Ich glaube, um das Gesetz ins Land zu bringen, braucht man nicht nur ein paar Revolver, sondern auch eine Menge Leute, die es gleichfalls achten. Und die Burschen, die Patterson zum Bürgermeister und dich zu ihrem Sheriff wählten, weil sie aus einem lausigen Banditencamp eine Stadt machen wollen, sind ebenfalls rauhe Gesellen. Nur beißen sie nicht so scharf wie Vrains und Hacketts wilde Wölfe. Dazu fehlen ihnen die Zähne. Aber wild und zügellos sind sie auch. Du wirst es schwer haben, Gregory!« Dann hob er den Kopf und fügte ebenso langsam hinzu: »Doch dein größter Gegner wird Davey Hackett sein! Der schluckt es nicht, wenn ihr mitten in seinem Land das Gesetz errichtet!« Gregory holte tief Luft. Dem Oldtimer zugewandt, sagte er mit heiserer Stimme: »Ich ritt in dieses rauhe Land, um meinen Bruder zu rächen. Doch hier mußte ich erkennen, daß die Rache nicht das Wichtigste im Leben ist.« Seine Stimme war zuletzt immer rauher geworden. Dann wandte er sich mit einem harten Ruck ab und ging zu seinem
Grauen hinüber. Clee erkannte in diesem Augenblick, daß ihr nicht gleichgültig war, was Ed Gregory fühlte, dachte und nun unternehmen wollte. Sie sah, wie er sein Pferd zu satteln begann, und lief zu ihm. Als Ed die leichten Schritte des Mädchens vernahm, richtete er sich auf. Sie blieb mit stockendem Atem hinter ihm stehen. Langsam drehte er sich um. »Clee«, sagte er und lächelte. Er schaute ihr in die Augen. »Wo willst du hin, Ed? Ihr habt euch doch mit Patterson erst für die Nacht verabredet! Warum reitest du allein? Meine Brüder werden doch mit dir reiten!« Sie schaute schnell zur Blockhütte, und dann wollte sie zurücklaufen. Da trat er auf sie zu. Er faßte ihre Arme und hielt sie fest. Als Clee die Augen schloß, küßte er sie. »Das«, sagte er nach einer Weile, »wollte ich nur wissen.« Er drückte sie noch einmal an sich, dann machte er sich frei und sattelte den Grauen fertig. Clee blieb stehen und schaute ihm zu. Sie wußte, daß sie diesen Mann nicht halten konnte. Als Ed seinen Grauen gesattelt hatte, sagte er: »Ich komme bestimmt zurück. Du brauchst nichts zu fürchten. Alles wird gut werden. Deinen Brüdern sage, daß sie zu Grenns Claim reiten und mit Pattersons Leuten bei Anbruch der Dunkelheit in das Camp reiten sollen.« Dann stieg er in den Sattel seines Grauen und ritt aus dem Kessel. Ed trieb den Grauen aus der Schlucht in das bergige Land hinaus und hielt genau auf das Camp zu, das jetzt entschlossene Männer zu einer Stadt machen wollten. Zu einer friedlichen Stadt! Einmal sah er Reiter, die spähend und mit schußbereiten Gewehren durchs Land streiften. Da drängte er seinen Grauen ein Stück vom Weg in einen Wald und ließ die Männer vorbei.
Später trieb er sein Pferd wieder hinaus und setzte den Ritt fort. Durch enge Schluchten und Senken ritt Ed Gregory verhalten und mit der Hand am Colt. Er ritt mit wachen Blicken. Es lag ihm viel daran, ungesehen nach Black Hawk zu kommen. Einmal tauchte plötzlich ein Claim vor ihm auf. Sechs Männer schürften nach Gold. Sie brachen eine Felswand ab. Mit Hämmern, Meißeln und mit Brechstangen arbeiteten sie am abgesprengten Gestein. Sie waren emsig bei der Arbeit. Dadurch bemerkten sie den Reiter nicht, der sein Pferd verhielt und dann langsam wendete und zurückritt. Er umritt diesen Claim und kam so auch ungesehen an diesen Männern vorbei. Dann tauchte Black Hawk Camp vor ihm auf! Er stand auf einer Anhöhe und blickte hinunter. Das Camp lag im hellen Sonnenschein. Die Straße war leer. Die Männer waren alle draußen auf ihren Claims. Nur vor dem Goldenhall standen drei Reiter. Ein Pferd stand noch vor dem Holm. Bald kam ein vierter Mann aus dem Hotel, band dieses Pferd los, stieg auf und dann ritten die vier Männer aus dem Camp. Sie ritten nach Süden. Ed Gregory wartete, bis sie das Camp verlassen hatten und in einem Wald verschwunden waren. Danach erst begann er nach einem Weg zu forschen, auf dem er ungesehen ins Camp und zu Katie Hardman kommen konnte. Vielleicht dreihundert Yard westwärts zog sich hohes Gebüsch bis zu den ersten Bretterhütten des Camps hinunter. Ed lenkte den Grauen hinüber und ritt im Schutz der Büsche bis zu den ersten Buden hinab. Zwei Hunde gingen den Grauen knurrend und mit gesträubtem Fell an. Doch er setzte unbeirrt Huf vor Huf. Die Hunde blieben jaulend zurück. In den Bretterhütten regte sich nichts. Keine Menschenseele war zu sehen. So ritt Ed nun unbehelligt und von niemandem entdeckt in
das von Banditen beherrschte Camp ein. Unbemerkt erreichte er den Hof des Crystal-Palace von der rückwärtigen Seite. Als er einritt, stand mitten im Hof das Halbblut. Der Mann warf vor Überraschung und Begeisterung über das so plötzliche und unerwartete Auftauchen Ed Gregorys beide Arme hoch. Auf einem Absatz schnellte er dann herum und stürzte, mit heiserer Stimme nach Katie Hardman rufend, in den Bau hinein. Vor der Hintertür des Hotels stieg Ed aus dem Sattel. Da kam auch Katie aufgeregt herausgelaufen. Der Mann folgte ihr wie ein Schatten. Ed warf ihm den Zügel des Grauen zu. »Da nimm, Bruder! Bringe den Grauen in den Stall. Daß ich hier bin, soll für ein paar Leute eine Überraschung sein.« Geschickt fing der Bursche den Riemen auf. Während er das Reittier zum Stall hinüberführte, meinte er: »Große Hölle! Wird Vrain sich wundern. Der wird bestimmt aus allen Wolken fallen.« Wenig später saß Ed Gregory mit Katie Hardman in einem kleinen Nebenraum des Hotels. Die Gardinen waren zugezogen. Ed Gregory war hungrig wie ein Wolf. So griff er wacker zu und vertilgte eine gewaltige Portion Bohnen und Speck, die das Halbblut herbeigebracht hatte. Katie Hardman leistete Ed Gesellschaft. Aber sie bekam nur wenige Bissen hinunter. Nach dem Mahl erhob sich Ed, kramte seinen Tabaksbeutel hervor, drehte sich eine Zigarette und ging zum Fenster. Er schaute durch die Gardinen zum Goldenhall hinüber. Auch Katie Hardman hatte sich erhoben. Sie stellte sich dicht neben Ed und sah ebenfalls zum Goldenhall. Da sagte Ed, ohne sich ihr zuzuwenden: »Dieses Camp wird noch heute zur Ruhe kommen, Madam! Und dieses Camp wird noch heute eine richtige Stadt werden. Mit Bürgermeister und allem was zu einer richtigen Stadt gehört. Auch einen Richter werden die Bürger dieser Stadt erhalten. Dann können Sie Ihre
Klage vorbringen. Sicher werden Sie die Mine Ihres Vaters zurückerhalten.« Katie schwieg und blickte wieder zum Fenster hinaus. Ed schaute ihr einmal kurz ins Gesicht und glaubte Sorge und Mißtrauen darin zu erkennen. »In der vergangenen Nacht haben sich auf Grenns Claim viele Goldgräber gegen die Banditen verschworen. Sie haben gelobt, Black Hawk Camp zu einer friedlichen Stadt zu machen. Wenn die Dunkelheit anbricht, wird hier der Tanz...« »Ich weiß«, unterbrach sie ihn herb. »Ich weiß das alles. Einer von den Männern war noch früher als Sie im Camp. Er suchte Anhänger für die neue Idee. Dreihundert Männer waren in der Nacht auf Grenns Claim. Dreihundert! Und sie suchen noch mehr. Weil sie wissen, daß dreihundert Männer sehr wahrscheinlich nicht ausreichen werden. Ich weiß auch, daß man Sie zum Sheriff will!« Von der Seite her blickte sie ihn an. »Sie haben also angenommen. Aber was wollen Sie jetzt schon hier? Allein! Und dazu am Tag! Sie sagten eben selbst, daß bei Anbruch der Dunkelheit... Warum kommen Sie nicht mit den dreihundert Männern?« Diese Frage hing eine Weile im Raum. Dann wandte sich Ed Gregory ab und ging zum Tisch zurück, um wieder Platz zu nehmen. »Ich will versuchen, einen blutigen Kampf zu verhindern, Madam. Wie gesagt, ich will es versuchen. Ob es mir gelingen wird, ist vollkommen offen. Ich bin diesen Menschen hier im Camp etwas schuldig. Durch meinen Fehler starb ein Mann. Vielleicht kann ich das gutmachen, indem ich zu verhindern versuche, daß bei diesem Kampf um das Camp mehr Männer als nötig sterben.« Katie stand immer noch am Fenster und blickte durch die Gardinen auf die Straße hinaus. Ohne den Kopf zu wenden, flüsterte sie: »Sie kamen in dieses Camp, Ed, um Ihren Bruder zu rächen. Diese Aufgabe ist schon schwer genug. Sie laden sich zuviel auf die Schultern. Das wird Ihr Ende sein. In
diesem Camp werden Sie den Tod finden. Genau wie John.« Er lachte hart und bitter auf. Er wollte ihr etwas entgegnen. Doch Katie trat plötzlich vom Fenster zurück und winkte ihn schnell heran. Reiter kamen draußen vorbei und hielten vor dem Goldenhall-Hotel. Einer von ihnen sprang aus dem Sattel und lief rasch hinein. Die übrigen Männer blieben auf ihren Pferden sitzen. Die Tiere machten einen erregten Eindruck. Offenbar waren sie hart geritten worden. Sie warfen die Köpfe schnaubend auf und nieder, schlugen mit den Schweifen und stampften den Boden der Fahrbahn. Es dauerte nicht lange, da kam der Mann wieder aus dem Hotel, sprang auf sein Pferd und rief den Männern irgend etwas zu, das Katie und Ed nicht verstehen konnten. Die Reiter warfen ihre Pferde herum. Im gleichen Augenblick ging neben dem Goldenhall die Toreinfahrt auf, und ein weiteres Rudel Reiter stieß auf die Straße. Gemeinsam galoppierten sie davon. Es waren alles hartgesichtige Burschen. Dann war es draußen wieder still. Ein wenig Staub hing noch in der Luft, doch er legte sich bald. »Nun müssen Vrains Leute alle draußen im Lande sein«, sagte Katie Hardman. »Sie reiten schon den ganzen Morgen.« »Wer weiß, auf wen diese Raubfalken Jagd machen«, entgegnete ihr Ed Gregory. »Vielleicht hat Vrain schon Wind von dem Vorhaben der Goldgräber bekommen und greift sie nun draußen an«, vermutete Katie. »Das glaube ich auf keinen Fall. Wenn er darüber informiert wäre, würde er seine Leute im Camp zusammenziehen und warten, bis die Digger angreifen. Hier säße er sicherer. Und Pattersons Leute hätten es dann verdammt schwer. Wie viele Leute sind wohl jetzt noch drüben, Madam?« Entsetzt starrte sie ihn an. »Die Reiter können unvermittelt
zurückkommen, Ed. Es sind heute morgen mehrere Gruppen losgeritten. Jeden Augenblick kann eine hier auftauchen. Nein, Ed! Dieses Risiko ist zu groß für Sie. Vrain und Selkirk sind trotz ihrer Verwundungen viel zu gefährlich. Auch das Personal müssen Sie mit einkalkulieren. Ich weiß auch nicht, ob tatsächlich alle seine Leute weg sind.« »Sicher«, sagte Ed. »Aber ein Risiko ist immer drin, Madam! Doch hier habe ich die Chance, etwas für die Sache der Goldgräber zu tun. Ich werde jetzt hinübergehen.« Seine Worte klangen hart und eisig. Katie erwiderte deshalb nichts mehr. Sie hatte begriffen. Nur der Tod konnte diesen Mann aufhalten. Als Ed zur Tür ging, hielt er noch einmal ein. Die Hand schon auf der Klinke, blickte er sich um. »Ich werde wahrscheinlich einen sicheren Raum brauchen, ein vorläufiges Gefängnis. Haben Sie hier im Hause...?« Sie nickte und sagte leise: »Im Keller, Ed! Dort ist ein Verschlag. Ein starkes Schloß ist auch da. Ich hole sofort die Schlüssel. Viel Glück, Ed Gregory!« Ed trat in die leere Halle des Crystal-Palace. Er durchquerte sie. Dann trat er hinaus auf die Straße. *** Außer den Goldgräbern unter Pattersons Führung gab es in diesem Lande noch mehr Leute, die das Camp Black Hawk in Besitz nehmen wollten. Es handelte sich um ein rauhes Rudel, ein Rudel hartbeiniger und falkengesichtiger Burschen. Sie wollten das Camp jedoch nicht zu einer friedlichen Stadt machen. Diese rauhen Männer ritten, um die Macht Gleen Curtis’ im Camp wieder aufzurichten. Gleen Curtis war auch der Anführer dieser Horde. Er hatte eine Handvoll harter Burschen um sich geschart
und ritt nun damit gegen Dick Vrain, der ihn vor Monaten aus dem Camp hinausgejagt hatte. Curtis ritt gegen seine ehemalige eigene Mannschaft, die sich Dick Vrain anschloß. Gleen Curtis schwor damals Rache und Vernichtung. Und das war der Tag, vor dem sich Dick Vrain insgeheim fürchtete. Gleen Curtis ritt also gegen Dick Vrain – gegen dessen Mannschaft. Neben ihm ritt Josè, der Mexikaner, der Sheriff Davey Hacketts. Er ritt einen Pinto und saß auf einem prächtigen mexikanischen Sattel. An Josè, dem Mestizen, war alles prächtig. Das Sattelzeug, der Pinto, der forsch und hurtig unter ihm ging, die Colts mit ihren abgegriffenen Kolben, seine drahtige und sehnige Gestalt, die Härte in seinem Gesicht und – das blaue Auge, das Ed Gregory ihm geschlagen hatte. Curtis selbst saß mit weniger hartem Gesicht im Sattel. Seine rechte Schulter war immer noch dick verbunden, und sein Gesicht verzog sich ab und zu grimmig vor Schmerz. Besonders dann, wenn sein Tier die Hufe heftig aufsetzte. Eigentlich war es ein Wunder, daß Curtis schon wieder im Sattel saß. Doch wer ihn genauer kannte, hätte von ihm auch nichts anderes erwartet. Denn Curtis war hager und zäh. Und Curtis war hart. Zuweilen war er sogar eisenhart, besonders wenn der Haß ihn trieb. Heute kam zu all dem hinzu, daß dieser Ritt schon lange sorgfältig und bis in alle Einzelheiten durchgesprochen und geplant worden war. Der Ritt gegen das Black Hawk Camp, gegen Dick Vrain und dessen Sattelratten! Er wollte das Camp wieder in seiner Hand und Dick Vrain tot und zertreten sehen. Deshalb ritt er trotz der Schulterwunde und führte seine Mannschaft über das Land. Doch Dick Vrain hatte Wind von diesem Ritt bekommen! Er schickte Gleen Curtis seine hartgesottenen Leute entgegen. Dick Vrain hatte sich geschworen, die Herrschaft im Camp zu behalten und Gleen Curtis für alle Zeiten zu schlagen. Das war der wahre Grund, warum er gestern seine Reiter
zurückgehalten hatte. Warum er diesen heißspornigen Gregory und die Mortons nicht verfolgen ließ und auch nicht mehr belästigt hatte. Diese Sache ließ sich aufschieben. Jedoch nicht der Kampf gegen Gleen Curtis. Dick Vrain schätzte alles verdammt richtig ein und traf danach seine Entscheidungen. Er selbst war zur Tatenlosigkeit verurteilt, da ihn eine Kugel der Mortons die Hüfte aufgerissen hatte und er nun nicht in den Sattel konnte. Nicht besser ging es seinem Partner Bob Selkirk. Dem riß zwei Nächte vorher ein Messer die Schulter auf, und gestern traf ihn eine Kugel Gregorys. Vrain und Selkirk wünschten diesen Rindermann in alle sieben Höllen. So mußten sie sich nun auf ihre Reiter verlassen. Sie mußten sich wohl oder übel darauf beschränken, die Befehle zu erteilen und konnten sonst nur hoffen, daß ihre Reiter alles gut und richtig machten. Auf einem Hügel etwa drei Meilen vor dem Camp verhielten Gleen Curtis und Josè die Pferde. Zwei Männer mit scharfen Gesichtern waren noch bei ihnen, die ebenfalls ihren Pferden in die Zügel fielen. Alle vier beschatteten sie die Augen mit der Hand und blickten zu einer Felsgruppe hinüber, in die eine schmale Schlucht Einlaß gewährte. Sie sahen gerade noch die Staubfahne eines Reiterrudels, das darin verschwunden war. Der Mexikaner ließ die Hand sinken und sah Gleen Curtis an. »Sie sitzen in der Falle, Gleen. Sie sind wie Ratten hineingerannt.« Curtis nickte mit kantigem Gesicht und sagte dann durch die fast geschlossenen Zähne: »Jetzt werden sie’s bekommen. Jetzt werden sie ihren verdammten Lohn erhalten.« Die Augen der vier Männer begannen zu leuchten, als drüben bei der Felsgruppe plötzlich knatterndes Gewehrfeuer einsetzte. Dann tauchte nochmals eine Reiterschar auf, saß vor der Schlucht ab und verteilte sich im Gelände rings um den
Eingang zur Schlucht. Von diesen Männern war kurz darauf nichts mehr zu sehen. – Es war die größere Hälfte von Gleen Curtis’ Mannschaft! »Jetzt ist der Laden dicht, Gleen«, sagte Hacketts Sheriff. In seinen kohlschwarzen Augen leuchtete Mordlust auf. Am liebsten wäre er zur Felsgruppe hinübergeritten. Dorthin, wo jetzt eine mörderische Banditenschlacht entbrannte. Auch in den Augen Gleen Curtis’ leuchtete es zufrieden. Er schlug die linke Hand durch die Luft. »Nun los. Reiten wir ins Camp! Reiten wir, denn hier läuft es jetzt auch ohne uns! Ziehen wir Vrain und Selkirk das Fell über die lausigen Ohren!« Dann riß er seinen Braunen wild herum. Staub stieg zum Himmel, als die vier ihren Pferden die Sporen einsetzten und den Hügel hinuntergaloppierten. Gleen Curtis warf der Schmerz in der Schulter fast aus dem Sattel. Doch der nackte und wilde Haß und der Wille, einen anderen zu vernichten, waren stärker. Diese Dinge hielt ihn im Sattel seines hochbeinigen Pferdes. *** Ed Gregory überquerte die Fahrbahn. Er ging schnell. Rasch stieg er die Stufen zum Goldenhall hinauf. Vor den breiten Flügeltüren blieb er stehen. Er atmete einmal tief und kräftig, schob sich den Hut weit aus der Stirn und zerquetschte dabei einen Fluch zwischen den Zähnen. Dann stieß er die Colthand scharf nach unten und war schon durch die Tür. Im Goldenhall glaubten sie an diesem Morgen an einen Spuk. Es waren vier Männer, die es in der Halle von den Stühlen riß. Dick Vrain, Bob Selkirk, den Keeper Ray Rettig und Sarge Ross.
Sarge Ross war eine besondere Nummer. Er war ein Hüne, grobknochig und muskulös. Er besaß die Kraft eines Zugochsen und war so hart und zäh wie ein Stück altes Büffelleder. Sarge Ross war vor allem ein Mann, der durch viele Revolverkämpfe gegangen war. Diese Kämpfe hatten ihn geformt, hatten ihn das werden lassen, was er nun darstellte. Sein Name war in ganz Colorado ein Begriff. Sarge Ross war ein Mensch mit jener gnadenlosen, grausamen und unerbittlichen Härte, wie sie nur Männer eigen war, die mit dem Colt ihre Fährte zogen. Er besaß die wache und gespannte Bereitschaft dieser Sorte Männer. Eine Bereitschaft, die ihn nie verließ – nicht mal im Schlaf. Solch ein Mann war Sarge Ross. Sarge Ross war Dick Vrains As. Er war Dick Vrains Karte, die beim Spiel um die Herrschaft im Camp gegen Gleen Curtis stechen sollte. Dick Vrain hatte diesen Mann bei sich behalten, um Gleen Curtis aus den Stiefeln zu stoßen. Und er hatte Sarge Ross auch bei sich behalten, um einen Schutz für seine Person zu haben. Denn mit dem Hüftschuß war er in diesem Lande kein Mann und Gegner mehr für Gleen Curtis. Soweit war das eine einfache und glatte Rechnung. Doch als nun plötzlich die Tür aufflog und Ed Gregory erschien, gerieten Dick Vrains Überlegungen durcheinander. Plötzlich sahen sich die vier Männer in der Halle einem völlig unerwarteten Gegner gegenüber. Vor ihnen stand auf einmal ein Mann, an den sie seit vielen Stunden nicht mehr gedacht hatten, da ihnen Gleen Curtis mit seinem Rudel genug Sorgen bereitete. Es war also kein Wunder, daß der Schreck sie zunächst für den Bruchteil einer Sekunde lähmte. Aber sie fanden sich verteufelt schnell. Der erste, der die Zusammenhänge begriff, war Sarge Ross. Das plötzliche und schnelle Auffliegen der Tür jagte ihn sofort vom Stuhl. Als er in Ed Gregorys Coltmündung blickte,
riß er den Mund weit auf. Kaum aber war das rauhe »Ah« verklungen, da bellte schon sein Colt. Das Krachen war es dann auch, das Vrain, Selkirk und den Keeper den Griff zum Eisen tun ließ. Diese schnelle Kugel des Revolvermannes war es, die ihnen die Gedanken ordnete. Doch diese Kugel war um einen Lidschlag zu schnell verschossen. Sie stieß Ed Gregory nicht um. Sie zupfte nur an seiner Schulter. Und sein Schuß, dessen Krachen sich mit dem Dröhnen von Sarge Ross’ Colt vermischte, traf ihn in die Brust. So war das As Dick Vrains erledigt, noch ehe seine Partner die Revolver auf Ed Gregory richten konnten. Die nächste Kugel des Rindermannes schlug Bob Selkirk den Colt aus der Faust, und da gab Dick Vrain auf. Mit einem derben Fluch ließ er seine halberhobene Waffe zu Boden fallen. Auch Ray Rettig verzerrte das Gesicht und schob seine beiden langläufigen Colts wieder unter die Theke. So war es im Goldenhall vorüber, ehe es Dick Vrain und seine Männer richtig begriffen hatten. »Komm hinter dem Tresen vor, Keeper!« verlangte Ed. »Bestimmt hast du deine Finger noch an den Waffen. Los! Lang nach oben!« Ray Rettig schoß einen fragenden Blick zu Dick Vrain hinüber. Er sah dessen grinsendes, auf Ed Gregory gerichtetes Gesicht, und dann hörte er auch den Hufschlag draußen auf der Straße. Grinsend blieb er stehen, da er glaubte, daß ein Teil der Crew von Dick Vrain zurückkehrte. Auch Ed Gregory vernahm den anschwellenden Lärm. Sein Kopf flog zur Seite, und im gleichen Augenblick konnte er drüben am Crystal-Palace erkennen, daß Katie Hardman die Gardine zur Seite geschoben hatte und ohne jede Angst vor Gefahr mit ihrem Taschentuch winkte. »Sie winkt schon eine ganze Weile, Rindermann«, sagte Bob Selkirk zynisch, doch mit schmerzverzogenem Gesicht. Er hielt die zerschossene Hand hoch, und mit einem wilden Blick sah er Ed Gregory an. »Dafür wirst du jetzt deinen Lohn
bekommen. Gleich wirst du die Quittung erhalten, du elender Kuhtreiber.« Im selben Moment, in dem draußen vor dem Goldenhall die Pferde auf die Hinterhand gezogen wurden, glaubte Ray Rettig gegen Ed Gregory eine Chance zu haben. Doch das war ein Irrtum, den der Keeper mit seinem Leben bezahlen mußte. Eds Nerven und Sinne waren auf Grund der veränderten Lage und der sich nähernden drohenden Gefahr so wach und angespannt, daß ihm die schnelle Bewegung des Keepers nicht entging. Sein Schuß war glatt. Dann warf er sich zur Seite, war mit einem Sprung neben der Tür und hinter dem dicken und schweren Vorhang, der an kalten Tagen als Windfang vor die Tür gezogen wurde. Doch in diese Falle wollten Dick Vrain und Bob Selkirk ihre Männer nicht laufen lassen. Deshalb wagten sie jetzt einen Einsatz. Sie bückten sich beide nach ihren am Boden liegenden Waffen. Als sie sich aufrichteten und die Eisen schon in halber Höhe hatten, flogen wieder die Türen auf, und sie blickten in die Coltmündungen von Gleen Curtis und dessen scharfgesichtigen Männern. Gleen Curtis schoß sofort. Hart und erbarmungslos. Auch seine Reiter taten das. Dann entdeckten sie Sarge Ross. Die Ahnung, daß im Goldenhall etwas faul war, schlug zu spät in ihre hitzigen Schädel. Sie entsannen sich plötzlich des Schusses, den sie bei ihrem Eintreffen krachen hörten und von dem sie annahmen, daß er bereits ihnen gegolten hätte. Da überlief es sie eiskalt. Sie standen mitten im Raum. Mit dem Rücken zur Tür. Für Ed Gregory standen sie gerade richtig. Er sagte es ihnen auch. »So steht ihr prächtig, Amigos! Eure
Chancen sind verdammt gering!« Da reckten sie alle vier die Hälse und verharrten. Gleen Curtis bis sich auf die Lippen. Er wäre am liebsten herumgewirbelt, um mit dem Eisen, das er noch schußbereit in der Hand hielt, dem Mann hinter seinem Rücken eine Kugel zu verpassen. Doch die Worte dieses Mannes klangen zu hart, zu scharf, zu eisig. Sicher saß dem der Colt verdammt locker in der Hand. Dieser Gedanke war es, der ihn in seiner Haltung verharren ließ. Davey Hacketts sehnigem Sheriff und den anderen beiden Reitern, die mit ihnen vom Hügel herunter in das Camp gejagt waren, ging es nicht besser. Sie stöhnten wohl, doch auch sie dachten nicht daran, diesen Kerl zu reizen. Mit steifen, vorgereckten Colthänden standen sie da und schielten zu Gleen Curtis. Noch ahnte nicht einer dieser Männer, daß es Ed Gregory war, der hinter ihren Rücken mit dem schußbereiten Eisen stand und ihnen die Hitze in die Köpfe steigen ließ. Ed schob den Vorhang nun zur Seite und trat weiter in den Raum hinein. »Laßt fallen!« sagte er dann. »Alle!« Die Männer zögerten etwas. Doch so sehr sie sich auch anstrengten, es fiel ihnen kein Ausweg ein. Sie wußten genau, daß einer von ihnen sein Leben einsetzen müßte, damit die anderen eine Chance erhielten. Und dieses Opfer erschien jedem von ihnen zu groß. Die Partie war nicht mehr zu gewinnen. Das sahen sie ein. Doch eine Chance blieb ihnen – Gleen Curtis’ Rudel! Dieser Gedanke zauberte ein Grinsen in ihre Gesichter. Alle vier ließen sie ihre Waffen aus den Händen fallen. Als das Poltern verklungen war, sagte Gleen Curtis mit giftiger Stimme: »Du machst bestimmt einen gewaltigen Fehler. Todsicher, Hombre. Aaah, sicher hast du Sarge Ross erschossen. Hattest Streit mit deinem Boß. Der wird dir nun nicht mehr im Wege stehen. Auch sein Rudel geht in diesem
Augenblick dem Ende entgegen. Es hat also für dich wenig Sinn, wenn du dich mit mir anlegst. Eure Zeit in diesem Camp ist vorbei.« »Dick Vrain war nie mein Boß. Und sein Rudel kann mir gestohlen bleiben!« versetzte Ed frostig. Gleen Curtis überlegte jetzt einen Moment. Aber er fand keinen Zusammenhang. Der Mann hinter seinem Rücken gab ihm ein Rätsel auf. Irgendwie kam ihm diese Stimme jedoch bekannt vor. Deshalb fragte er: »Wer bist du? Und was war los in diesem Bau? Diese Männer hier waren deine Feinde. Wir konnten sie ausschalten. Warum richtest du nun deine Colts auf uns?« »Jetzt dreht euch um!« verlangte Ed Gregory. Als sie herum waren, fluchten Gleen Curtis und der Mexikaner mächtig rauh und wild. Denn sie blickten einem Mann in das steinharte Gesicht, der sie beide schon einmal überspielt hatte, der sie schon einmal schlagen konnte. Am liebsten würden sie sich auf diesen Rindermann stürzen. Doch bevor sie sich herumdrehten, hatten sie die ganze Zeit auf Sarge Ross gesehen, der mit den Colts in den verkrampften Fäusten starr und leblos vor ihnen lag. Dieser Anblick warnte sie, etwas Voreiliges und Unüberlegtes zu tun. So konnten sie in ihrer Lage nur verärgert fluchen. Endlich entdeckten sie den Stern auf seiner Brust. Gleen Curtis’ Gedanken eilten sofort zum Kenosha-Paß. Er überlegte laut: »Als Mann des Gesetzes kannst du uns nicht so ohne weiteres über den Haufen knallen. Du mußt uns einem Gericht übergeben. Das wird ein weiter Weg für dich und eine Chance für uns!« »Deine Hoffnungen sind umsonst, Curtis«, entgegnete Ed. »Noch heute wird dieses Camp eine friedliche Stadt werden. Eure Zeit hier wird für immer vorüber sein. Gute und anständige Männer werden aus diesem Banditencamp eine richtige Stadt machen. Und bestimmt werden sie ein solides
Gefängnis bauen.« Die Gedanken Gleen Curtis’ waren längst vom KenoshaPaß zurückgekehrt und nun draußen im Land bei seinem Rudel, auf das er jetzt setzte. »Pah! Ich habe zwanzig wilde Burschen im Sattel, Rindermann. Die wischen dieses Camp aus dem Land, noch bevor jemand hier etwas auf den Kopf stellt und durcheinanderbringt. Rindermann, steck auf! Gegen meine Mannschaft hast du keine Chance, und diejenigen, die hinter dir stehen, erst recht nicht. Ich reime mir schon einiges zusammen. Die Digger glauben sicher, daß Vrain und ich aneinander verbluten und hoffen nun, die Oberhand zu gewinnen. Das wird ein Irrtum sein. Meine Reiter werden nicht mehr lange auf sich warten lassen, und dann werden wir alles klären. Auch mit dir werden wir die Sache ins reine bringen!« Der Mexikaner nickte heftig. »Sicher, Gleen! Unsere Leute werden uns suchen.« Ed Gregory konnte nun diesen Worten entnehmen, daß eine mächtige Banditenfehde um die Herrschaft in diesem Camp entbrannt war. Er begriff auch, daß er in diesem Durcheinander mächtig Glück gehabt hatte. Bei diesen Gedanken atmete er merklich schneller. Er wußte aber auch, daß das Glück nicht ewig währte. Er mußte mit diesen Burschen jetzt verschwinden, bevor die Mannschaft von Gleen Curtis in das Camp einritt. Er mußte diese vier Männer in den Verschlag im Keller des CrystalPalace bringen. Eigentlich war der Keller als Gefängnis für Dick Vrain vorgesehen gewesen. »Ich muß euch jetzt hier wegbringen, Brüder. Die Notwendigkeit habt ihr ja eben selbst eingesehen. Ich kann euch nicht alle vier gleichzeitig durch die Tür treiben. Doch das wird Gleen Curtis schlecht bekommen. Wir gehen jetzt hübsch zahm in den Crystal-Palace hinüber. Ich gehe mit Curtis hinter euch. Und ich schätze, daß Curtis seinen Kopf
gern noch weiter auf den Schultern tragen möchte. Sucht es euch also aus!« Nach diesen Worten winkte er Gleen Curtis zu sich heran, drückte ihm den Coltlauf zwischen die Rippen und wies den anderen Banditen mit dem Kopf den Weg zur Tür. Er schaffte es. Er brachte tatsächlich ohne jeden Zwischenfall diese vier hartbeinigen Burschen über die Straße und in den Crystal-Palace. Dort stand das Halbblut mit einer abgesägten Schrotflinte und grinste breit übers ganze Gesicht. »Genauso habe ich es mir vorgestellt, Gentlemen«, sagte der Bursche und dirigierte die Männer mit der Flinte durch die Halle in die Küche und dann die Stufen zum Keller hinunter. Er funkelte Ed begeistert an, als er das schwere Vorhängeschloß zusperrte. »Wie lausige Affen sitzen sie jetzt im Käfig! Große Hölle, ist das eine Freude!« Ed Gregory legte ihm die Hand auf die Schulter. »Gib auf sie acht! Das sind vier Raubvögel, die ihre Strafe bekommen sollen.« Er amüsierte sich über den Eifer des Halbblutes, dann ging er zur Treppe und stieg hinauf. Nur kurze Zeit später erfuhren die vier Männer von dem Halbblut, daß der Mann, der sie im Goldenhall bezwungen hatte, Ed Gregory hieß und der Bruder John Gregorys war. Der Bruder des Mannes, der als erster in dieses Land gekommen war und Gold gefunden hatte. Gleen Curtis würgte es bei dieser Nachricht im Halse. *** Am späten Nachmittag ritten etwa zwanzig wilde und verwegene Burschen auf abgetriebenen Pferden in das Black Hawk Camp ein. Viele dieser Männer trugen durchblutete
Verbände. Sie kamen aus einem schlimmen Kampf. Es waren die Reiter von Gleen Curtis, die in der Felsgruppe drei Meilen vor dem Camp die Mannschaft Dick Vrains in eine Falle laufen ließen. Die Banditenmannschaft Dick Vrains existierte nicht mehr. Die Wölfe Gleen Curtis’ hatten sie zerrissen. Sicher hatten auch die Männer Gleen Curtis’ Verluste zu beklagen. Doch daran dachten sie jetzt nicht mehr, als sie in das Camp hineinjagten. Die Flügeltüren des Crystal-Palace standen weit offen. Im Keller – unter der zugeklappten Falltür – standen Ed Gregory und das Halbblut mit schußbereiten Waffen. Die vier Gefangenen im Verschlag standen mit gefesselten Händen da und lauschten gebannt. Der Mexikaner rief durch das Gatter den beiden Männern zu: »Jetzt ist es soweit, Gregory! Unsere Reiter kommen. Sie werden uns finden und befreien. Ich selbst werde dir nachher was erzählen! Und diesem Halbindianer an dieser Seite werde ich die Haut in Streifen...« »Jetzt hältst du dein loses Mundwerk, Junge! Oder ich komme zu dir und gebe dir eins auf den Schädel!« zischte das Halbblut, als der Lärm polternder Reitstiefel über ihnen ertönte. Er trat dicht an den Verschlag und schob den kurzen Lauf seiner Flinte durch die Bretter. »Ein lautes Wort, Brüder, und sie finden in diesem Keller nur vier Leichen!« Sein entschlossenes Gesicht unterstrich diese Worte. Die Gefangenen drückten sich verbittert an das Mauerwerk. Hinter dem Tresen in der Hotelbar stand Katie Hardman mit dem freundlichsten Lächeln der Welt. Und dieses Lächeln entwaffnete die sieben rauhen Burschen, die, ihre Colts in den Fäusten, durch die offene Tür stürmten. Sie blieben sichtlich verwundert stehen und senkten die Waffen. Ihre Blicke zuckten durch den Raum. Doch der war leer. Nur Katie Hardman, mit ihrem Lächeln, stand hinter dem Tresen.
Ein kleiner, rauhgesichtiger Zweihandmann, der der Anführer dieses Trupps zu sein schien und am weitesten vorn stand, schob als erster die Colts in die Halfter. Er nahm den Hut vom Kopf und ging, von seinen Partnern begleitet, zur Theke. Dort legte er den breitrandigen, aber arg zerknautschten Hut ab und stützte die Arme auf. »Whisky«, sagte er heiser. Katie Hardman lächelte immer noch. Sie hatte schon sieben Gläser gefüllt und schob sie nun den Männern zu, die sich neben ihrem Anführer aufgebaut hatten. Die Männer tranken sofort, und dann sagte der Rauhgesichtige, der Jube Baal hieß: »Genau gegenüber, Madam, ist das Goldenhall. Dort hat es einen harten Kampf gegeben. Unmöglich kann Ihnen das entgangen sein.« Katie Hardmans Herz begann rascher zu schlagen. Sie wußte, daß es von ihren Worten abhängen würde, ob diese Banditen mißtrauisch wurden. Noch waren sie ohne Arg. Noch gab es für sie keinen Anhaltspunkt für das, was Gleen Curtis und seinen Begleitern zugestoßen war. Die drei Goldgräber und der Storehalter von nebenan, die alles beobachtet hatten, waren rechtschaffene Leute, und Ed Gregory hatte sie auf die Seite jener Leute gebracht, die dieses Banditencamp zu einer blühenden Stadt erheben wollten. Falls sie von den Banditen befragt würden, würden sie die gleiche Antwort geben wie Katie Hardman. »Gleen Curtis hatte einen Kampf mit Dick Vrain«, sagte sie. »Sechs Männer waren im Goldenhall, als Curtis mit seinen drei Begleitern eintraf. Es gab einen kurzen, aber harten Kampf. Zwei der Partner Dick Vrains konnten entkommen. Curtis ritt mit seinen Leuten hinterher. Sind sie noch nicht zurück?« »No! In welche Richtung ritten sie?« »Sie sind nach Norden aus dem Camp geritten!« Der Rauhgesichtige warf einen Dollar auf die Platte, nickte Katie zu, und mit einer schroffen Handbewegung forderte er
seine Männer auf, ihm zu folgen. Draußen auf der Straße saß ein Teil der Banditen noch in den Sätteln. Drei der Leute standen am Rande der Fahrbahn vor dem Storehalter. Mit einem spöttischen Grinsen hörten sie sich dessen Bericht an, den er mit heftigen Arm- und Handbewegungen begleitete. Und dabei wies er immer wieder nach Norden. Als die drei Raubfalken Jube Baal mit seinen Männern aus dem Hotel kommen sahen, ließen sie den Storemann einfach stehen und gingen Jube entgegen. Einer der Männer rief ihm zu: »Curtis hat sich zwei dieser lausigen Brüder auf die Fersen geklemmt. Warten wir hier in diesem freundlichen Camp, bis er zurückkommt. Das Goldenhall ladet zum Trinken ein. Heute gibt’s Freibier. Leute! Dick Vrain ist unser Gastgeber.« Seine Worte wurden vom rauhen Lachen der Männer begleitet. Die noch in den Sätteln saßen, stiegen jetzt ab und stürmten lärmend in das Goldenhall hinein. Einer von Jube Baals Leuten wollte sie zurückhalten, indem er ihnen nachrief: »Ihr werdet auf alles Freibier dieser Welt verzichten, Brüder, wenn ihr diesen Laden hier vorzieht und das hübsche Girl hinter dem Tresen seht.« Er zeigte mit dem Daumen über die Schulter auf den Crystal-Palace und grinste dabei niederträchtig. Doch dieses Grinsen wischte ihm Jube mit einem heftigen Schwinger aus dem Gesicht. Alle Banditen waren nun stehengeblieben und sahen gespannt auf Jube Baal und den Mann, den er eben geschlagen hatte. »Von dieser Lady läßt du deine Finger, sonst breche ich dir die Knochen! « sagte Jube Baal grimmig. Dann wandte er sich den anderen zu. »Das gilt für euch alle. Nun geht und trinkt Vrains Laden leer.« Da grinsten die Banditen und verschwanden im Goldenhall. Nur der Mann neben Jube Baal maulte noch einmal: »Daß du immer übertreibst, wenn eine Schürze in der Nähe ist, Jube.
Verdammt, du solltest uns nach diesem Kampf den Spaß lassen!« Doch Jube Baal gab ihm keine Antwort mehr. Er knurrte ihn nur an. Da ging auch dieser Mann in das Goldenhall hinüber. Von den Banditen stand nun nur noch Jube Baal auf der Straße. Sinnend schaute er auf die zwanzig abgetriebenen Pferde. Wenig später ging auch er in Dick Vrains Hotel hinüber. Dort jagte er zwei Männer vom Tisch auf und diese in ihre Sättel. Mit mürrischen Gesichtern ritten sie kurz darauf hinter Jube Baal nach Norden aus dem Camp. Die drei Männer ritten mehrere Meilen in das Bergland hinaus. Jube Baal, der ein erfahrener und routinierter Mann war, prüfte mit kritischen Augen jede Fährte, die sie kreuzten. Hin und wieder schüttelte er seinen bulligen Schädel, blickte dann seine Partner fragend an und mußte an eben diesen Gesichtern erkennen, daß sich seine Sattelpartner herzlich wenig Gedanken um Gleen Curtis und dessen Begleiter machten. Das war auch so. Sie fluchten ab und zu verbittert vor sich hin und gaben sich gegenseitig durch Blicke zu verstehen, daß sie Jube Baal für verrückt hielten, weil sie nicht verstanden, was er wollte. Als die Sonne am Horizont verschwand, fiel Jube Baal seinem abgetriebenen Pferd in die Zügel. Er wartete, bis seine Begleiter heran waren. »Wohin Gleen Curtis mit seinen Männern ritt, mag der Teufel wissen. Nicht eine der frischen Fährten stammt von ihm. Wo mag er wirklich stecken? « »Du bist mit der Frau im Hotel zu zart umgesprungen, Jube«, gab einer der Männer zu bedenken. »Vielleicht ist sie die Geliebte von einem dieser Burschen, die Gleen entkommen konnten. Und sie narrte uns nur, um nicht noch mehr Wölfe auf seine Fährte zu bringen.« Der andere grinste niederträchtig. »Du hättest Morley nicht ins Gesicht schlagen sollen. Der versteht sich auf Frauen besser
als du.« Sie hatten beide noch mehr auf der Zunge. Doch der wilde Blick Jube Baals ließ sie schlagartig verstummen. Und sie waren froh, daß er wendete und den Rückritt antrat. So brauchten sie sich ihr Lachen nicht zu verkneifen und konnten hinter seinem breiten Rücken ungestört ihre Gesichter in Falten legen. So ritten sie zurück ins Camp. Zwei Meilen davor stießen sie auf über hundert Reiter. Patterson hatte seine Armee geteilt. Eine Hälfte umritt das Camp und brach von Süden her ein. Die andere Hälfte, die Jube Baal jetzt vor sich hatte, griff vom Norden her an. Patterson und seine Männer hatten durch den Gehilfen des Storehalters genaue Nachrichten aus dem Camp erhalten. Sie wußten, daß Dick Vrain erledigt war und Ed Gregory Gleen Curtis und drei weitere Raubfalken im Keller des CrystalPalace gefangenhielt. Sie wußten auch, daß Gleen Curtis’ Mannschaft am späten Nachmittag in das Camp eingezogen waren, und daß sie nun gegen die gefährlichste Revolvermannschaft des Landes ritten. Doch sie waren über dreihundert wilde Goldgräber, die das Land von der Banditenplage befreien wollten. Und mit ihnen zog die Gewißheit, daß sie ein ahnungsloses Revolverrudel angreifen würden. Jube Baal entdeckte die reitenden Digger als erster. Er erkannte auch sofort die Gefahr. Er stieß einen scharfen Schrei aus, um seine Gefährten zu warnen, und trieb sein Pferd einen Hang hinunter. Er kam dadurch sofort aus dem Blickfeld der Goldgräber. Diese glaubten zunächst Gleichgesinnte vor sich zu haben, die sich ihnen anschließen wollten. Doch als die drei Banditen so rasch ihre Richtung änderten, begannen einige von ihnen sofort zu schießen. Der Schrei Jube Baals rettete seinen Partnern das Leben. Denn diese konnten gerade noch zur rechten Zeit ihre Pferde
herumreißen und hinter dem Bergrücken verschwinden. Weit über die Hälse der Pferde gebeugt, jagten sie hinter Jube Baal den flachen Hang zum Camp hinunter. Dicht hinter ihnen schob sich die Masse der Verfolger wie ein Keil über den Bergrücken. Es blitzte und krachte! Als Jube Baal an den ersten Buden des Camps vorbeijagte und sich nach seinen Verfolgern umblickte, sah er gerade noch seinen zweiten Begleiter vom Pferd in den Sand stürzen. Der andere war schon verschwunden. Dann brach die Dunkelheit an. Die Verfolger hingen Jube Baal vielleicht hundert Yard auf den Fersen, als er vor dem Goldenhall sein erschöpftes Pferd zum Stehen brachte. Er riß den Colt aus der Halfter und jagte in rascher Folge dessen Trommel herum. Die Mündungslichter zuckten gegen den immer dunkler werdenden Himmel, und die Detonationen der wilden Schüsse schreckten die Mannschaft Gleen Curtis’ im Goldenhall von den Stühlen. Viele von ihnen waren betrunken. Die scharfen Sachen Dick Vrains hatten ihnen den Verstand umnebelt und – als wäre es nun dessen bittere Rache – sie fast völlig kampfunfähig gemacht. Sie stürzten also von den Tischen und stürmten, die Colts in den Fäusten, durch die Tür. Sie standen dann einige Sekunden mit wilden und ratlosen Blicken auf der Fahrbahn. Sie verstanden die heiseren Worte Jube Baals nur halb, die dieser ihnen vom tanzenden Pferd aus zurief. Doch als sie das große Rudel der Goldgräber nahen sah, stürzten sie auseinander. Sie drängten rückwärts die Straße nach Süden hinunter. Doch da hörten sie auch von dieser Seite trommelnden Hufschlag vieler Pferde. Da wußten sie, daß ihre Fährte hier zu Ende gehen würde. Viele machte dieser Gedanke wieder nüchtern. Und Gleen Curtis’ wilde Mannschaft setzte sich zur Wehr. Doch die Banditen waren ohne Chance. Auch Jube Baal erkannte das.
Als er die zweite Goldgräber-Mannschaft von Süden her anreiten sah, war er mit einem flinken Sprung aus dem Sattel. Er wußte, daß ihn sein Pferd keine Meile mehr tragen konnte und daß es zudem unmöglich war, auf dem Rücken eines Pferdes aus diesem Hexenkessel herauszukommen. Er war sofort mit ein paar großen, gewaltigen Sätzen hinter der Giebelwand des Goldenhall verschwunden. Hinter einem Stapel Bretter kniete er nieder und füllte seine leergeschossenen Revolver auf. Er spähte dabei zum Nachthimmel und berechnete eiskalt seine Chance. Er kam dabei zu der Erkenntnis, daß er still und leise auf abgelegenen Pfaden aus dem Camp verschwinden mußte, um zu Fuß vielleicht Central City zu erreichen. Er wartete noch einen Augenblick im Schutze des Bretterstapels und hörte auf den Lärm des Kampfes, der nur wenige hundert Yards von ihm entfernt auf der Straße tobte. Dann schlich er sich davon. Als er vorsichtig über einen Drahtzaun stieg, kamen von rechts zwischen zwei Buden ein paar Männer auf ihn zugelaufen und riefen ihn an. Jube Baal blieb stehen. Jedoch nicht länger, als er zum Zielen benötigte. Er schoß schnell. Zweimal hintereinander. Dann rannte er los. Er hörte den schrillen Schrei eines Mannes und wußte, daß er getroffen hatte. Doch nun blitzte es hinter ihm auf. Es waren bestimmt vier Revolver, aus denen ihm das Blei nachflog. Eine Kugel stieß ihm den Stetson vom Kopf. Eine zweite riß ihm ein halbes Ohr ab. Er schrie auf vor Schmerz, blieb im Schlagschatten eines Daches stehen und schoß noch einmal. Wieder traf er. Dann jagte er mit keuchenden Lungen weiter. Er rang schon jetzt nach Luft, weil er diese Art der Fortbewegung nicht gewohnt war. In wilder Zickzackfährte rannte er in geduckter Haltung zwischen mehreren Bretterbuden hindurch. Er hörte, wie seine Verfolger laut und
schrill nach Verstärkung riefen. Viele Goldgräber streiften jetzt in Gruppen durch das Camp. Denn nicht wenige aus Gleen Curtis’ zersprengtem Rudel versuchten, auf Seitenwegen aus dem Camp zu entwischen. Dann war Jube Baal an der letzten Hütte vorbei und am Rande des Camps angelangt. Vor ihm zog sich Wald einen sanften Hang hinauf. Doch bis zu den ersten Bäumen mußte er dreihundert Yard über Grasland. Wieder kniete er nieder, um die Colts nachzuladen. Er tat es jetzt mit fliegenden Fingern. Seine Lungen pumpten mächtig. Schweiß rann ihm über das bullige Gesicht. Als er die Colts geladen hatte, riß er sich das Halstuch herunter und preßte es auf das blutende Ohr. Dabei schaute er sich um. Sein Hirn arbeitete immer noch eiskalt und scharf. Er wußte, daß dieser Wald seine Rettung war. Aber er mußte ungesehen über das Grasland kommen, sonst schossen sie ihn ab wie einen Hasen. Er bot ein klares Ziel auf diese Weise, da er sich gut gegen den Nachthimmel abhob. Deshalb verharrte er und lauschte in die Nacht. In seiner Nähe regte sich nichts. Nur weit drüben zwischen den Hütten bellten Colts und schrieen Männer. Deutlich hörte er das Geräusch hastender Stiefel. Dann lief er los. Und Jube Baal, dieser hartgesichtige Bandit, wußte, daß er um sein Leben lief. Wenn jetzt Männer an diesem Camprand auftauchten, mußten sie ihn sehen. Jube Baal brach in Angstschweiß aus, da er gegen diese Kugeln machtlos war. Denn es waren Kugeln, die ihn in den Rücken treffen würden. Doch das Glück stand ihm in dieser Nacht bei. Jube Baal schaffte es! Mit ausgepumpten Lungen sank er keuchend und stöhnend hinter den ersten Bäumen zusammen.
Die Reiter, die Sekunden später am Waldrand vorbeijagten, störten ihn nicht mehr. Er blieb still und reglos liegen, bis er sich einigermaßen erholt hatte. Nach einer halben Stunde erhob er sich. Er lauschte zum Camp hinüber, in dem der Kampflärm inzwischen verstummt war. Allmählich stahl sich ein triumphierendes Grinsen in sein Gesicht. Dann wandte er sich langsam um und ging davon. Der Wald und die Nacht verschluckten ihn und seine Schritte. *** Das Black Hawk Camp gehörte den Goldgräbern! Im Crystal-Palace herrschte wildes Treiben. Ein großer Teil der Goldgräber füllte die Halle. Dichtgedrängt standen die Männer am Tresen. Alle Tische waren besetzt. Feurige und wilde Reden wurden gehalten, und scharfer Brandy und Whisky flossen. Und immer mehr Männer stiegen draußen von den Pferden und drängten sich durch die Tür zum Tresen. Einige Male öffneten sich auch die Flügeltüren, und eine Gruppe bis an die Zähne bewaffneter Goldgräber schleiften einen gefangenen Banditen herein. Die meisten waren arg zerhauen und verwundet. Die Goldgräber hätten am liebsten ihre Wut an ihnen ausgelassen. Aber Ed Gregory und das Halbblut mit der abgesägten Schrotflinte sorgten dafür, daß den Gefangenen nichts passierte. Einmal mußte Ed Gregory sogar einen der Goldgräber mit der Faust niederschlagen, als sechs Männer den Banditen Morley hereinbrachten, der vor wenigen Stunden darauf gebrannt hatte, mit Katie Hardman einen Whisky zu trinken. Morley war leicht verletzt. Hoch an der Schulter und am Kopf. Die Schwingtüren waren kaum hinter ihm und seinen Begleitern zusammengeschlagen, da brach das wilde Geheul
der schon betrunkenen Goldgräber los. Sie wandten sich vom Tresen ab und scharrten sich in einem dichten Haufen um den kleinen Trupp, der an der Tür stehengeblieben war. Die Bewacher des Banditen sahen sich unsicher an. Sie lachten und nickten einem Mann zu, der heiser krächzte: »Warum habt ihr ihn nicht gleich abgeschossen? Verdammt, was soll dieses ganze Getue? Hängt diesen lausigen Banditen auf!« »Aufhängen den Kerl! Aufhängen! Einen Strick! Her mit einem Strick!« So riefen und schrieen die Goldgräber im Crystal-Palace wild durcheinander. Dann wanderte auch schon eine Hanfschnur von Hand zu Hand durch den Raum zur Tür. Ed Gregory wandte sich den Goldgräbern zu und sagte laut und scharf: »Dieses Camp ist ab heute eine richtige Stadt. Ihr selbst habt es gewollt. Und zu einer richtigen Stadt gehört auch ein richtiges Gesetz. Jeder gefangene Bandit kommt vor ein ordentliches Gericht.« »Zum Teufel, Sheriff!« schrie ein untersetzter Mann mit zornrotem Gesicht. »Wir haben dich gewählt. Verdammt, da hast du recht. Wir haben dich aber nicht zur Amme für gefangene Banditen ausersehen!« Da begriff Ed Gregory, daß er zur Waffe greifen mußte. Im gleichen Augenblick dachte er an die warnenden Worte des blinden Morton. Das waren also die Gegner, vor denen ihn der Alte gewarnt hatte. Ed zog blitzschnell den Colt und schoß in die Decke. Dann hielt er die Mündung dem ersten der Hitzköpfe vor den Bauch. Der peitschende Schuß ließ die brüllende Masse der Goldgräber verstummen. Und der Mann, der Ed Gregorys Colt vor dem Bauch hatte,
wurde plötzlich vernünftig. Er ruderte heftig mit den Armen und hielt einige der hitzigen Männer zurück. Zu seiner Erleichterung konnte Ed Gregory feststellen, daß es gelang, die Männer zur Vernunft zu bringen. Plötzlich tauchte Patterson auf und rief den Goldgräbern zu: »Wir konnten den ersten Kampf gewinnen. Doch ich will euch alle jetzt daran erinnern, daß Central City nur wenige Meilen entfernt ist. Dick Vrain hatte dort nur Gegner, Gleen Curtis dagegen hat dort Freunde. – Viele!! Davey Hacketts Machenschaften sind in Gefahr, wenn nur wenige Meilen von seiner Banditenfestung entfernt das wahre Gesetz herrscht. Mehr will und brauche ich euch nicht zu sagen, Männer! Harte Zeiten stehen uns bevor. Drum trinke ich jetzt auf das Wohl dieser Stadt – und auf das Wohl unseres Sheriffs!« Er leerte das Glas, das ihm jemand reichte. Viele dieser Goldgräber bekamen nun nachdenkliche Gesichter. Sie schauten zu, wie Ed Gregory den Banditen Morley in den Keller führte. Einer dieser wetterharten und bärtigen Männer brummte zu seinem Nachbarn: »Lassen wir den Sheriff tun, was er für richtig hält. Ich glaube schon, daß er in Ordnung ist.« »Sicher, sicher! Doch in diesem Lande sollte man das mit dem Gesetz nicht so übertreiben. Auch wenn Morley vor ein Gericht kommt, wird er eines Tages hochgezogen. Warum also nicht gleich?« Der Bärtige zuckte die Schultern. »Das ist nur eine Meinungsverschiedenheit zwischen dem Sheriff und uns. Wir wären verrückt, würden wir Gregory deswegen über den Haufen geschossen haben. Bestimmt werden wir ihn brauchen, wenn Davey Hackett auf uns losgeht.« *** Hackett kam nicht. Er machte sich auf andere Art
bemerkbar. Der im Camp dringend erwartete Frachtwagenzug mit Werkzeug, Hausrat, Proviant und Futter für das Vieh kam nicht an. Es gab bald kein Fleisch mehr, kein Getreide, kein Brot, kein Salz, kein Körnerfutter für die Tiere – es gab praktisch nichts mehr. Der Preis eines alten, abgemagerten Pferdes stieg enorm. Lebensmittel wurden nur noch getauscht. Ein Berghuhn gegen ein Stück altes Brot oder einen Löffel Salz. Der Storekeeper schickte seine Gehilfen weg und schloß seinen Laden, weil er nichts mehr zu verkaufen hatte. Er selbst durchstreifte mit einer Schrotflinte das Bergland, um wenigstens seinen eigenen Bedarf an Fleisch zu decken. Der Storekeeper war ein Mann, der sonst ein ganzes Camp mit über fünfhundert hungrigen Menschen versorgte. Und er mußte sich schon weit über dreißig Meilen von der Stadt entfernen, um auf die Fährte eines jagdbaren Tieres zu stoßen. Es gab einige Männer in der Stadt, die sich auf den Rücken ihres Pferdes schwangen und nach Golden hinunterritten, um in dieser Stadt das Notwendigste zu kaufen. Am Anfang nahmen die Männer bis zu fünf Packpferde mit, doch wenn sie beladen zurückritten, wurden ihnen die Packtiere in der Nähe von Central City regelmäßig zusammengeschossen. Es war nicht schwer zu erraten, daß die Schützen Leute von Davey Hackett waren. Aus diesem Grunde – und auch, weil die Packtiere aus Fleischmangel immer weniger wurden – ritten die Männer jetzt nur noch mit ihren Reittieren. Samuel Jenkins kam aus Golden zurück. Er hatte Lebensmittel kaufen wollen. Er sah müde aus. Er war zerschlagen und zerschunden. Vor dem neuerrichteten Sheriffs Office glitt er aus dem Sattel,
hinter dem eigentlich ein voller Proviantsack liegen mußte. Doch dieser fehlte. Nur die Reste von abgeschnittenen Riemen hingen lose herunter. Samuel Jenkins ging steif und breitbeinig auf Ed Gregory zu, der abwartend vor seiner Blockhütte stand, die ihm Wohnung und Dienstgebäude zugleich war. »Du hattest Verdruß, Jenkins?« »Du errätst es verdammt schnell, Sheriff«, antwortete Jenkins mürrisch. »Drei Meilen vor Black Hawk rissen sie mich vom Pferd. Ich dachte schon, ich habe es geschafft. Doch plötzlich waren sie da. Ein Rudel von fünf wilden Burschen. Sie schnitten mir den Proviantsack ab.« Er verstummte mit lautem Stöhnen und fuhr sich dabei mit der Hand über das aufgeschlagene Gesicht. Ed Gregory zog die Stirn in Falten und biß sich auf die Unterlippe. Er zog die Luft scharf ein und nickte grimmig. »Nun gut«, sagte er. »Nun gut, Samuel! Jetzt werden wir kämpfen.« »Da hast du wieder recht, Sheriff!« *** Als Ed Gregory Tage später auf eigene Faust einen Frachtwagenzug auf schwierigem Gebirgstrail losschickte, bekamen die Männer die Entschlossenheit Davey Hacketts zu spüren, der diese neue Stadt einfach aushungern lassen wollte. Davey Hackett fing diesen Wagenzug weit vor Central City am Cleer Creek ab. Doch Ed Gregory hatte diese Möglichkeit einkalkuliert. Er hatte aus diesem Grunde eine starke Begleitmannschaft mitgegeben. Sechzig Männer ritten links und rechts neben den Planwagen. Sie waren für einen Kampf mit Hacketts Banditenreitern gerüstet. Die drei Vorreiter des Wagenzuges sahen nichts. Doch knapp hinter ihnen und nur wenige Yards vor dem ersten
Frachtwagen stürzten plötzlich zwei Bergkiefern krachend und splitternd auf den Weg. Bereits in dieses Krachen und Splittern mischten sich Schüsse. Der Frachtzugboß ließ sofort die Zügel aus den Händen gleiten und verschwand blitzschnell unter der Plane. Nur einen Augenblick später zerfetzten mehrere Gewehrkugeln die Wagenplane und das Holz des Bockes. Doch der Trailboß war kein Hasenfuß. Er schob den Lauf seiner Winchester durch die zerfetzte Plane und setzte sich zur Wehr. Über die Köpfe seiner erregten Maultiere jagte er das Blei zu den Banditen hinüber. Davey Hacketts Mannschaft hatte sich gut verteilt. Die Männer waren auf beiden Seiten der Schlucht in Stellung gegangen und nahmen den Wagenzug unter heftiges Gewehrfeuer. Sie waren durch Bäume, Sträucher und Knieholz ausreichend gedeckt und von den Männern des Zuges schwer auszumachen. Um die Maultiere in Panik zu versetzen, schossen die Banditen einige Tiere an. Das Schreien der verwundeten Tiere ließen die anderen scheu und kopflos werden. Prompt versuchten die Tiere auszubrechen. Nur mit Mühe gelang es den Männern auf dem Bock, die störrischen Tiere unter Kontrolle zu halten. Sie fuhren dicht auf und stellten alle Wagen schräg zum Berghang, so daß die Maultiere zwischen diesem und dem vorderen Wagen zum Stehen kamen. Ein Ausbrechen war ihnen somit schlecht möglich. Die Frachtwagenfahrer waren alles erfahrene Männer, die ihr Handwerk verstanden und mehr als einmal ähnliche Situationen gemeistert hatten. Erst nachdem dies getan war, griffen sie zu Gewehren und Schrotflinten. Die Männer der Begleitmannschaft, die Digger aus der Stadt Black Hawk, waren schon nach den ersten Schüssen aus den Sätteln. Noch im Heruntergleiten zogen sie ihre Winchestergewehre aus den Sattelschlaufen und begannen das
Feuer der Banditen zu erwidern. Hinter Wagenrädern, Steinen und Bäumen gingen sie in Deckung. Auch Ed Gregory war wie der Blitz vom Rücken seines Grauen. Mit einem Satz erreichte er eine schützende Steingruppe. Schnell orientierte er sich über die Lage. Er war sich darüber im klaren, daß er das vereinbarte Zeichen zum Angriff auf die Stellungen der Banditen würde geben müssen. Ohne einen richtigen Kampf kam der Wagenzug nicht durch. Denn unter dem Kugelregen der Banditen war es unmöglich, die Sperre zu beseitigen. Dann warfen die Banditen Brandfackeln. Sie trafen einen Wagen, der sofort brannte. Die Maultiere waren nun nicht mehr zu halten. Sie stiegen wie Wildpferde auf der Hinterhand empor, schrien, sprangen zur Seite und drängten dann zurück, bis sie frei waren. Einige stürzten und wurden, in den Geschirren hängend, von anderen mitgerissen. Wagen kippten um. Das Durcheinander war vollkommen. Etliche Männer, die unter den Wagen in Deckung gegangen waren, konnten ihr Leben nur dadurch retten, daß sie sich an den Wagen festhielten und von den durchgehenden Maultieren aus diesem Hexenkessel fahren ließen. Aber immer mit der Angst im Nacken, vom umstürzenden Wagen noch erschlagen zu werden. Mitten in diesem Durcheinander gab Ed Gregory das Zeichen zum Angriff. Die Männer des Wagenzuges hörten seinen lauten Schrei. Die Gesichter grimmig verzogen gaben sie den Ruf weiter und erhoben sich zum Angriff. In zwei Gruppen sprangen sie zu beiden Seiten die Hänge hinauf. In jedem dieser Männer brannte der Haß. Zorn trieb sie vorwärts. Viele hatten die Gewehre zurückgelassen. In jeder Faust einen Colt, so stürmten sie gegen Davey Hacketts Banditenrudel. Es war ein Kampf, der Opfer kostete. Ein Kampf Mann
gegen Mann. Hart und erbarmungslos. Diesem Ansturm der Goldgräber und Frachtwagenfahrer waren die Banditen nicht gewachsen. Davey Hacketts Mannschaft wurde von den Kämpfern des Wagenzuges regelrecht auseinandergerissen. Als die Sonne hinter den Bergen verschwand, hatte Davey Hacketts Mannschaft aufgehört zu bestehen. Es waren nur wenige, denen es gelang, in die Berge zu entkommen. Es waren die kümmerlichen Reste eines ehemals großen Banditenrudels. *** Zur gleichen Stunde, in der seine geschlagene Banditenmannschaft am Clear Creek aufsteckte und der Rest in die Berge floh, stieg Davey Hackett in Central City vor dem »Tellerhouse« in den Sattel seines Falben. Steve Bruns, Ben Evans, der krummbeinige Wade, Jube Baal und noch vier andere Revolvermänner waren bei ihm. Auch sie stiegen auf ihre Pferde. Davey Hackett legte sich die Zügel zurecht und wartete, bis seine Leibgarde zum Abritt fertig war. Indessen musterte er sie verstohlen unter halbgeschlossenen Lidern. Sie alle waren seit mehr als zwei Jahren seine ständigen Begleiter. Bis auf Jube Baal. Er wußte, daß er sich auf die anderen verlassen konnte. Hackett brummte zufrieden vor sich hin, denn er kannte den Wert solch einer Mannschaft. Aber er fragte sich, ob es richtig wäre, Jube Baal in diesen verläßlichen Haufen aufzunehmen. Die kleine und gedrungene Gestalt paßte verdammt wenig zu einem verwegenen Revolvermann. Doch Curtis hielt große Stücke auf ihn. Nun, Curtis war schließlich ein Mann, der sich auskannte und der sich nur selten täuschte. Bei diesem Gedanken lächelte er Jube Baal zu, der den
prüfenden Blick bemerkt hatte und herüberschaute. »Dann wollen wir mal deinen Boß aus dem Gefängnis holen, Jube«, brummte Hackett gutgelaunt. »Sicher«, antwortete Jube und nickte. »Sicher! Curtis wartet schon lange darauf, daß wir ihn endlich herausholen. Und dein Sheriff wird uns nicht weniger verdammen. Wir haben lange gezögert.« »Schwarz werden sie nicht geworden sein«, gab Hackett zurück und machte mit der Hand eine wegwerfende Bewegung. Er wandte sich danach seinem Revolverrudel zu. »Am Clear Creek werden unsere Leute mit der Arbeit sicher fertig sein! Jetzt reiten wir los. In diesem lausigen Camp werden sie Augen machen, wenn sie uns sehen. Ohne ihren Sheriff sind diese Digger eine willenlose Masse.« »Aaah, das wird ein mächtiger Spaß«, schnarrte der krummbeinige Wade. Die Männer grienten, drückten ebenfalls ihre Pferde um die Hand und folgten Davey Hackett. Nur Jube Baal verhielt noch einen Moment. Er blickte Steve Bruns nach. Dann ritt auch er. Sie ritten nach Norden aus der Stadt. Nach zehn Meilen waren sie am Ziel. Es war schon dunkel, als sie die ersten Bretterhütten der Stadt Black Hawk passierten. Um diese Zeit begann es an anderen Tagen in dieser Stadt schon ruhig zu werden. Doch heute fieberten die Einwohner einem Wagenzug entgegen, der am anderen Tage eintreffen sollte. Wenn er durchgekommen war. Doch ein Vorreiter sollte den Wagenzug melden. Auf diese Nachricht warteten die Leute in der Straße. Deshalb entgingen ihrer Aufmerksamkeit nicht jene acht Männer, die von Davey Hackett selbst angeführt wurden. Im dichten Pulk ritten diese neun Banditen in die Stadt ein. Die Hände an den Coltkolben, so ritten sie die Straße entlang. Neun Raubfalken, die zu jeder Tat bereit waren, da sie diese
junge Stadt beherrschen wollten. Es war Samuel Jenkins, der durch die Flügeltüren des Crystal-Palace stürmte und atemlos rief: »Es ist alles verloren, Hombres! Davey Hackett reitet ein! Davey Hackett ist da!« Noch bevor ihn die überraschten Gäste im Palace über Einzelheiten ausfragen konnten, war er wieder draußen. Samuel Jenkins rannte ein paar Häuser weiter zu seinem Pferd. Dann jagte er los, als sei der Satan hinter ihm her. Er ritt hinaus zu seinem Claim. Mit fliegenden Händen grub er einen Lederbeutel voll Goldstaub aus seinem Versteck, kramte seinen Sattelpacken zusammen und saß wieder auf. Er ritt in dieser Nacht noch aus dem Land. Er war nicht hart genug. Aus dem gleichen Grunde ritten an diesem Abend und in der Nacht noch viele andere Männer davon. Nachdem Samuel Jenkins wie von Sinnen aus dem Palace gerannt war, sprangen die Männer aus der Halle auf die Straße hinaus. Sie hörten den Hufschlag der Pferde und sahen schemenhaft die Reiter herankommen. Links und rechts auf den Gehsteigen hasteten fliehende Männer davon. Dann waren die Reiter heran! Patterson hatte nicht mehr als zwanzig Leute um sich scharen können. Mit ihnen griff er die Banditen an. Doch auch sie waren zu verzagt. Sie hatten keinen Plan. Es fehlte ihnen der Schwung. Denn die Überraschung war zu groß. Und als Patterson von einer der ersten Kugeln getroffen wurde, brach ihr Widerstand schnell zusammen. Es fehlte der Mann, der sie zusammenhielt und führen konnte. Die neun Banditen sprangen rasch von ihren Pferden und kämpften sich mit den Colts den Weg frei. Mit den Waffen verstanden sie besser als die Goldgräber umzugehen. Denn es war ihr Handwerkszeug. Neun geübte Revolvermänner kämpften eine kopflose Stadt nieder, die nur schwach und uneinig Widerstand leistete. Schuld daran war Samuel Jenkins und jene Männer, die gleichen Hasenfüße, die mit ihrem
Schreien eine Panik entfacht hatten. Die Bürger dieser Stadt verkrochen sich in ihre Häuser und Bretterhütten oder flohen hinaus in ihre Claims. Die Banditen aber drangen mit den Colts in den Fäusten in den Crystal-Palace ein. Katie Hardman stand hinter dem Tresen. Ein Paar alte Digger drückten sich an die Wände. Sie waren nicht mehr weggekommen. Einen verzagten Ausdruck im Gesicht und mit erhobenen Händen, verharrten sie stumm. Wie ein Rudel hungriger Wölfe brachen Davey Hackett und seine Reiter durch die Schwingtüren. Steve Bruns lief mit großen, raschen Schritten bis in die Mitte des Raumes. Dann jagte er die Trommel seines Colts herum. Er feuerte alle Kugeln in das Regal über dem Tresen, so daß Katie zur Seite springen mußte, um nicht von den herabstürzenden Flaschen und Scherben getroffen zu werden. Steve Bruns lachte heiser. »Gleen! Hallo, Gleen! Wir holen dich jetzt ‘raus!« schrie er. Wild warf er den Kopf zu Hackett herum. Die Augen funkelten in grimmiger Freude. Dann stürmte er weiter. Das Rudel folgte ihm, nur Hackett und Jube Baal blieben. Die Banditen liefen um den Tresen. Stießen die Tür zur Küche weit auf und rannten hinein. Drinnen heulte Steve Bruns wütend auf. Dann stand er vor der geöffneten Falltür. »Gleen! Gleen! Sammy, Hank! Seid ihr unten?« So schrie er hitzig in das Dunkel hinunter. Doch Steve Bruns erhielt keine Antwort. Er blickte seine Partner mißtrauisch an und stieg darauf schnell die Stiege hinab. »Gleen!« schrie er wieder. »Verdammt, Gleen, wo steckt ihr? Licht, Wade! Ich brauche Licht!« rief er wütend und unbeherrscht zu seinen Partnern hinauf. Wade blickte aus zusammengekniffenen Augen in das finstere Loch. Mit dem Ellenbogen stieß er Ben Evans an und befahl ihm, eine Lampe zu besorgen. Evans griff die brennende
Petroleumlampe vom Küchentisch und drehte den Docht weit heraus, so daß eine Rußfahne aus dem Zylinder quoll. Dann stiegen sie alle hinunter. Im Keller erkannten sie im Schein der Petroleumlampe, daß ihre Mühe ergebnislos war. Die Gefangenen waren nicht mehr da. Wer hatte sie fortgeschafft? Im Halbkreis standen sie zunächst ratlos vor dem Bretterverschlag. Evans hob schützend die Hand vor die blendende Lampe und schaute von einem zum anderen. »Los!« sagte er plötzlich erregt. »Worauf warten wir noch? Reiten wir ihnen...« »Draußen ist es dunkel«, fiel ihm Steve Bruns ins Wort. »Woher willst du wissen, in welcher Richtung sie aus diesem Nest geflohen sind?« Er schob beide Colts in die Halfter zurück, wies mit dem Kopf nach oben und sagte gepreßt: »Gehen wir hinauf!« Auch die anderen Revolvermänner schoben die Waffen in die Halfter. Dann verließen sie den Keller wieder. Ben Evans stieg als letzter empor. In der Küche stellte er die Lampe auf den Tisch zurück und lief in die Halle. Davey Hackett und Jube Baal blickten den Männern gespannt entgegen. »Was ist, Steve?« fragte Hackett gereizt. Bruns zuckte grimmig mit den Schultern und zeigte mit der Hand zu Katie Hardman hinüber. Katie Hardman war vor den Banditen bis an die linke Seite des Raumes gewichen. Dort stand sie an der Wand mit über der Brust gefalteten Händen. Sie war vor Angst blaß im Gesicht und bereute nun, daß sie den Mortons und dem Halbblut nicht gefolgt war, als diese die gefangenen Banditen aus der Stadt geschafft hatten. Steve Bruns und jene Männer, die mit ihm eben aus dem Keller gekommen waren, standen noch hinter dem Tresen. Sie standen nebeneinander und drehten sich nach Steves Worten zu
Katie Hardman um. Halb ärgerlich, halb belustigt schauten sie zu ihr hinüber. Steve Bruns verschränkte die Arme und raunte Hackett zu: »Frag sie, Davey! Sie muß doch wissen, wo unsere Partner so plötzlich geblieben sind. Laß sie schnell antworten, wir haben nicht viel Zeit.« Bei diesem letzten Satz wurde sein Blick hart. Jube Baal und Davey Hackett hielten die Waffen noch in den Fäusten. Hackett richtete den Colt auf Katie Hardman und sagte eisig: »Dir gehört doch dieser Laden hier, Täubchen! Also mußt du auch wissen, wo deine Gäste geblieben sind. Wo wurden sie hingebracht?« Nach dieser Frage wurde es so still, daß nur Katie Hardmans aufgeregtes, ängstliches und hastiges Atmen zu hören war. Sie drückte sich noch dichter an die Wand. Ihre Augen waren weit geöffnet. Sie sah Davey Hackett voll Furcht an. Doch sie antwortete nicht. Das Gesicht Davey Hacketts verhärtete sich. Jube Baal stand dicht neben Hackett. Es würgte ihm schon eine ganze Weile im Hals. Er wandte sich Hackett zu, blickte ihm nur den Bruchteil einer Sekunde in die Augen und wußte, daß dieser Mann nicht zögern würde. Baals Blick wanderte schnell zu Katie. In ihrem Gesicht las er deutlich und klar die Angst. Doch irgend etwas war in diesem nun schweißbedeckten Gesicht, das in ihm die Vermutung aufkommen ließ, daß dieses Mädchen nicht sprechen würde. Als Davey Hackett mit vor Wut versagender Stimme zischte: »Ich zähle jetzt, Madam! Eins...«, wurde es Jube Baal zuviel. Er schlug zu. Hart und trocken! Mit dem Coltknauf schlug er Davey Hackett über den Schädel. Hackett brach zusammen und blieb liegen.
Seine Leibwächter hinter dem Tresen begriffen zunächst diese veränderte Situation nicht. Sie standen einige Augenblicke wie erstarrt. Doch dann wirbelten sie herum und wollten die Eisen ziehen. Doch Jube Baal war höllisch auf der Hut! Was wenige Minuten vorher eine ganze Stadt nicht geschafft hatte, das zwang er hier allein. Sein eisiges und scharfes »Halt!« und seine erste Kugel, die Steve Bruns die Hand aufriß, hielten sie alle zurück. Sie zogen die Hände schnell wieder von den Eisen. Steve Bruns stieß grimmig hervor: »Das wirst du nicht überleben.« »Mag sein!« gab Jube zurück. Er wußte genau, wie gerissen, furchtlos und schlau diese Wölfe waren, daß ihnen bestimmt ein Trick einfallen würde, dieses Blatt zu wenden. Doch im Moment war er noch im Vorteil. Ohne Katie Hardman anzusehen, sagte er zu ihr: »Sicher haben Sie Freunde in den Bergen, Madam. Gehen Sie! Gehen Sie schnell! Nehmen Sie draußen den großen Braunen, reiten Sie! Ich selbst nehme mir Davey Hacketts Pferd.« Katie Hardman zögerte einen Augenblick. Sie war zu sehr von dieser plötzlichen Wendung überrascht. Denn von einem der Banditen Hilfe zu bekommen – wer in ihrer Lage hätte das gedacht? Eine schnelle und heftige Handbewegung Jube Balls ließ sie dann zur Tür laufen. Ohne sich noch einmal umzudrehen, lief sie hinaus. Sie fand draußen am Holm den großen Braunen Jube Baals. Katie zögerte einen Moment. Doch dann stieg sie entschlossen auf den Rücken des hochbeinigen Pferdes. In nördlicher Richtung ritt sie aus der Stadt. Als der Hufschlag draußen in der Nacht verklungen war, begann Jube Baal in gebückter Haltung rückwärts zur Tür zu laufen. Den Colt hielt er in der vorgestreckten Faust. Er ließ die sieben Falkengesichter nicht einen Lidschlag lang aus den Augen. Als er mit dem Rücken an die Schwingtüren stieß,
blieb er stehen. »Das schaffst du bestimmt nicht, Jube«, sagte Steve Bruns. Seine Augen waren dabei schmale Striche. Auch Ben Evans ließ sich jetzt vernehmen. Er hielt die Hände in Schulterhöhe. Mit nach unten gerichteten Fingern und irgendwie gespannt und verkrampft. Er lachte sogar, als er sagte: »Für Schürzen hattest du schon immer eine komische Schwäche. Das wußten wir, Jube! Doch heute hast du zum letzten Male den großen Kavalier gespielt.« Jube spie aus. »Dieser Hackett war mir schon immer zu gemein. Heute gab er mir den Rest. Sagt es ihm, wenn er aufwacht! Sagt es ihm! Und Curtis grüßt von mir! Sagt ihm, es tut mir leid. Er wird es begreifen. Er kennt meine...« Die letzten Worte gingen unter im Peitschen seiner Schüsse. Baal schoß drei-, viermal – dann war er mit einem Satz durch die Tür. Doch er lief nicht blindlings zu einem der Pferde und saß auf. Seine Gegner rechneten zwar damit, und so kam es, daß der erste von ihnen, der durch die Tür mit schußbereiten Waffen drängte, von seiner Kugel zurückgestoßen wurde. Außer Davey Hackett waren sie noch fünf Mann. Denn Jube Baal war am Pferdeholm stehengeblieben. Während er mit einer Hand Hacketts Falben losband, schoß er auf die Tür. Den Kopf zum Eingang des Crystal-Palace gerichtet, drückte er das Pferd herum und stieg auf. Er jagte noch eine Kugel hinüber. Die traf den krummbeinigen Wade. Dann galoppierte er davon. Er legte sich weit über den Hals des Falben und galoppierte die dunkle Straße nach Süden hinunter. Steve Bruns schoß wohl wenige Sekunden später beide Colts leer. Doch in der Dunkelheit war es ziemlich nutzlos. Ben Evans wollte auf sein Pferd. Doch Steve Bruns hielt ihn zurück, weil es sinnlos war, mitten in der Nacht einen
Fliehenden zu verfolgen. »Laß das, Ben!« brummte er mißmutig. »Irgendwo greifen wir ihn schon. Kümmert euch um Davey!« Dann gingen sie in den Palace zurück. *** Am nächsten Morgen hatte Ed Gregory den Frachtwagenzug neu formiert. Einige zerbrochene Räder, ein ausgebrannter Wagen, ein paar tote Maultiere und einige Erdhügel blieben zurück. Es war ein großer Kampf gewesen, der Opfer gekostet hatte. Mit zwölf Frachtwagen bewegte sich der Zug nordwärts. Einige der Prärieschoner wurden nur von vier oder sechs Maultieren gezogen. Darum bewegte sich der Wagenzug langsamer als vorher. Ed ritt zwei Stunden neben dem ersten Wagen. Dann beugte er sich zum Trailboß hinüber. »Es wird uns nichts mehr aufhalten. Behaltet das Tempo bei! So könnt ihr am Abend in der Stadt sein. Ich werde vorausreiten.« Er hielt seinen Grauen an und wartete auf einen der Männer des Begleitkommandos. Der Trailboß lehnte sich aus dem Wagen und rief: »Davey Hackett sitzt immer noch in Central City und...« Doch Ed Gregory hörte es schon nicht mehr. Das Rumpeln der hohen Wagenräder, das Schreien der Fahrer und das Knallen ihrer Peitschen — der Lärm dieses sich in die Berge windenden Wagenwurms übertönte die Worte. Ed ritt zurück, bis er auf den ersten Mann des Kommandos traf. Er übergab ihm das Kommando und trieb danach sein Pferd herum. Er galoppierte scharf an und ritt wieder nach vorn. Vorbei am ersten Wagen. Er winkte dem Trailboß, der wieder etwas von Hackett und der Stadt Central City rief, und war nur wenig später hinter der nächsten Wegbiegung verschwunden. So ritt er eine ganze Zeit sehr scharf. Erst gegen Mittag, als
er sich kurz vor Central City befand, ließ er den Grauen langsamer laufen. Der Trailboß hatte ihm warnende Worte zugerufen. Doch Ed Gregory war dem Zug vorausgeritten, um einen zweiten Kampf zu vermeiden. Er wußte, daß Davey Hackett bestimmt nicht allein in Central City zurückgeblieben war. Auf jeden Fall hatte er einige erstklassige Revolverkämpfer zurückbehalten. Entweder würde Hackett mit Hilfe seiner Leibgarde einen neuen Kampf wagen, oder aber er würde versuchen, aus dem Lande zu verschwinden. Gerade das wollte Ed verhindern. Wenn in diesem Land Gericht gehalten wurde, dann soll der größte Schurke mit auf der Anklagebank sitzen. Davey Hackett sollte eine gerechte Strafe für seine Schandtaten bekommen. Ed Gregory wollte Davey Hackett deshalb lebend in seine Hand bekommen. Aus diesem Grund ritt er dem Wagenzug voraus. Doch es kam anders, als er es sich gedacht hatte. Zunächst traf er zwei Meilen vor Central City auf einen einsamen Reiter. Dieser Mann ritt ein erstklassiges Tier, einen Falben. Als er so weit herangeritten war, daß er auf Ed Gregorys Brust den Sheriffstern erkennen konnte, stutzte er zunächst einen Moment. Doch dann hielt er an und wartete. Als Ed heran war, hob er die Hand. »Auf ein Wort, Sheriff«, sagte er. Und ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr er fort: »Ich bin Jube Baal. Welche Chance hat in diesem Lande ab jetzt ein Mann, der ein paar Postkutschen ausraubte und vor Jahren eine Bank ausnehmen half?« »Mord?« »Ja und nein!« »Genau! Wenn du mich nach deinen Chancen fragst, mußt du schon genau antworten«, gab Ed zurück, während er Jube
eingehend betrachtete. Dabei überlegte er krampfhaft, was diesen Burschen bewogen haben mochte, Davey Hackett zu verlassen. Denn daß Jube Baal zu Davey Hacketts Leuten gehörte, erkannte Ed sofort. »Wenn du es genau wissen mußt. Nun, ich – yeah, ich habe gestern abend in Black Hawk zwei von Hacketts Leibwächtern erledigt.« »In Black Hawk?« fragte Ed, und auf seiner Stirn zeigten sich plötzlich zwei steile Falten. »Ich nehme an, daß gestern in diesem Lande verdammt viel geschehen ist, Sheriff! Sicher habt ihr mit eurem Wagenzug Glück gehabt. Nur Hackett weiß es noch nicht. Yeah, und Hackett ist mit einem Revolverrudel in Black Hawk eingebrochen. Und das scheinst du nicht zu wissen.« »Sprich!« Dann berichtete Jube Baal dem Sheriff der Stadt Black Hawk, und das war eine verteufelte Geschichte. Des Sheriffs Miene wurde dabei dunkler und dunkler. Er biß sich auf die Lippe. Er hatte die ganze Zeit Angst gehabt, daß Davey Hackett ihm entkam. Dabei saß dieser siegessicher in Black Hawk, in Katie Hardmans Crystal-Palace. Hölle und Pest! Ed Gregory betrachtete Jube forschend. Nach einer Weile sagte er langsam: »Du wirst vielleicht ein Jahr in den Kasten gehen. Wir werden sehen. Aber dann wirst du eine Chance bekommen. Ich muß dich jetzt verhaften. Gib deine Eisen ab!« Jube Baal überlegte einige Zeit. Er hielt den bulligen Kopf geneigt und atmete dabei tief. Unsicher und beinahe verzweifelt erwiderte er: »Du kannst sie haben, Sheriff! Doch schätze ich, daß sie dir an meiner Seite mehr nützen, dir und dieser Stadt. Laß sie mir wenigstens, bis in Black Hawk alles wieder in Ordnung ist. Mir ist in dieser Nacht so manches durch den Kopf gegangen. Ich habe wohl vieles falsch gemacht. Doch jetzt könnte ich einiges wieder ins Reine
bringen. Du mußt mir die Revolver nur bis Black Hawk lassen.« »Wenn du nicht zur Bedingung machst, daß ich dich hinterher laufenlasse, dann soll es so sein, Jube Baal!« In Jube Baals Augen stand auf einmal ein seltsamer Glanz. Er nickte und erwiderte: »In Ordnung, Gregory! Keine Bedingung!« Dann drängte er schnell sein Pferd herum und ritt an Eds Seite nach Norden zurück. Der Sheriff und der Bandit Jube Baal waren das merkwürdigste Gespann, das jemals zusammen durch Central City geritten waren. Die Bürger dieser Stadt und die Girls in den Saloons steckten verwundert die Köpfe zusammen und sahen dem seltsamen Paar nach, das ungehindert durch die Stadt ritt. Verdammt, ein richtiger Sheriff und ein richtiger Bandit! Schulter an Schulter ritten Ed Gregory und der Bandit Jube Baal am späten Nachmittag in Black Hawk ein. Die Kunde vom Sieg der Frachtwagenzugmänner war inzwischen auf einigen Umwegen auch bis hierher vorgedrungen. Die Digger hatten sich zusammengerottet. Im weiten Bogen hatten sie einen Sperriegel um die Stadt gelegt. Denn auch Davey Hackett hatte von seiner Niederlage erfahren. Mit den letzten fünf Anhängern wollte er die Stadt und das Land verlassen. Doch die Goldgräber hatten ihm rechtzeitig den Weg verlegt. Nun saß Davey Hackett in dieser Stadt wie in einer Mausefalle. In der Stadt, die er wieder zum Camp erniedrigen wollte. Zum Banditencamp! Davey Hackett und Steve Bruns hatten sich im Crystal-Palace eingenistet. Die übrigen vier Falkengesichter saßen unter Ben Evans’ Führung im Goldenhall. So konnten sie die Straße unter Beschuß halten, und jeder, der in eines der Hotels einbrechen wollte, hatte Gegner in seinem Rücken. So war die Lage, als Ed Gregory und Jube Baal einritten und
auf die Posten der Stadtleute trafen. Diese waren zunächst erstaunt, Jube Baal an Gregorys Seite zu sehen. Doch der Vorfall am vorhergegangenen Abend im Crystal-Palace war von den alten Männern, die Zeugen gewesen waren, überall erzählt worden. Und als ihnen nun Ed Gregory sagte, daß Jube sich selbst gestellt habe, da begriffen sie. Sie berichteten dann, daß die Mortons die Gefangenen rechtzeitig weggebracht hatten und daß Curtis und seine Raubvögel im Camp der Mortons eingesperrt waren. Sie sagten ihm auch, daß Hackett mit noch einem Banditen im Crystal-Palace hockte und daß sich die übrigen im Goldenhall verbarrikadiert hatten. Dann begann der letzte Kampf! Ed Gregory und Jube Baal ritten weiter die Straße hinauf, während die Goldgräber den Ring um die beiden Hotels enger legten. Nur wenige Yards vor den Hotels stiegen Ed und Jube von den Pferden. Sie gingen noch ein paar Schritte weiter und blieben unter einem Dach stehen. Ed Gregory jagte aus seinem Colt einen Schuß, der sogleich vom Goldenhall her beantwortet wurde. Dann rief er laut: »Hackett! Davey Hackett! Hier spricht der Sheriff dieser Stadt. Werft eure Waffen auf die Straße heraus! Es ist sinnlos! Ihr seid von allen Seiten umstellt!« Doch zunächst fielen nur Schüsse, brüllte Steve Bruns aus einem der Fenster des Crystal-Palace: »Auf dich haben wir gewartet, Sheriff! Jetzt beginnt der Tanz!« »Ich gebe euch zehn Minuten!« rief Ed. »Zehn Minuten, Hackett, dann liegen eure Waffen auf der Fahrbahn, oder wir beginnen! Wir sind fast hundert Mann. Nun rechnet es euch aus!« Danach blieb es erst einmal still. Während die Sonne sich immer mehr dem Horizont zuneigte und die Zeit verrann, standen die beiden Männer mit den Waffen in den Händen da und warteten auf die Antwort der Banditen. Doch es blieb alles still.
Ed Gregory wartete noch fünf Minuten über die Zeit. Dann rief er noch einmal hinüber: »Die Zeit ist um!« »Kommt nur, kommt nur!« schrie Steve Bruns. Er rief es aus dem oberen Stockwerk des Crystal-Palace. Da hob Ed die Hand, und die Goldgräber feuerten aus allen Gewehren. Minutenlang hielt diese Schießerei an. Zunächst ohne einen Erfolg. Doch dann flaute das Feuer ab, da die Bürger der Stadt ihre Waffen nachluden. In dieser Feuerpause fielen aus dem Goldenhall sieben Colts und drei Gewehre auf die Straße. Ben Evans erschien mit erhobenen Händen in der Tür. Die Goldgräber hörten sofort auf zu schießen. Und so konnte jeder von ihnen den Schuß hören, der Ben Evans auf die Fahrbahn warf. Eine dünne Rauchfahne zog sich vom oberen Stockwerk des Crystal-Palace bis zur Tür des Goldenhall hin. Davey Hackett hatte an diesem Tage seine erste Kugel verschossen. »Verräter!« brüllte er wütend. Da liefen Ed Gregory und Jube Baal los. Dicht an der Hauswand liefen sie entlang. Unterdessen bestrichen die Goldgräber die Fenster des oberen Stockwerkes mit gezielten Schüssen. So gelangten Ed Gregory und Jube Baal fast unbehindert in die Bar des Crystal-Palace. Hackett und Bruns standen oben an der Treppe. Sie duckten sich und feuerten sofort. Sie trafen aber nicht und wichen zurück. Ed Gregory war mit ein paar schnellen Sprüngen durch den Raum und an der Treppe. Doch da tauchte Davey Hackett wieder auf und feuerte aus zwei Revolvern. Ein Schuß ging daneben, der andere traf Ed Gregory in die Schulter. Doch bevor Ed auf die Knie sank und ihm schlecht wurde, konnte er noch einmal schießen. Das Geschoß traf Hacketts rechten Arm, so daß er einen Revolver fallen lassen mußte. Den Rest besorgte Jube Baal. Sein Schuß traf ihn hoch in die linke Schulter. So mußte Hackett auch den anderen Colt
aus der Hand fallen lassen. Der Schmerz zwang ihn dazu. »Damit du vor ein Gericht treten kannst, Hackett, habe ich dir nicht in den Fuß geschossen«, meinte Jube spöttisch zu ihm. »Jetzt hole ich noch Steve. Dann ist es vorbei.« Er stürmte die Stufen hinauf und stieß Hackett zur Seite. Im Laufen schoß er. Und ungeachtet der ihm um den Kopf pfeifenden Kugeln sprang er rasch nach oben. Doch Stefe Bruns war plötzlich verschwunden. Lauschend blieb Jube Baal stehen. Da hörte er Steve Bruns’ hastigen Atem hinter seinem Rücken. »Nun wirf sie weg, Jube!« schrie Steve hinter ihm. »Du bist zu hitzig gewesen. Du warst schon immer ein Hitzkopf. Ein elender Verräter bist du auch, Jube! Aaah! Ich werde dich...« Aber da war Jube Baal herum. Er wußte genau, daß ihm nur die eine Chance blieb, um nicht von Steve Bruns hinterrücks erschossen zu werden. Die Kugel Bruns’ traf ihn wohl, denn der brauchte ja nur den gespannten Hammer fallen zu lassen. Doch auch Jube konnte seinen Schuß anbringen. Und Jube traf seinen Gegner richtig. Danach ließ Jube kraftlos die Colts aus den Händen fallen. Vor seinen Augen tanzten schwarze Ringe. Langsam drehte er sich um, und, sich gegen die Wand stützend, begann er, die Stufen herunterzusteigen. Die ersten Goldgräber erschienen unten an der Treppe gerade noch zur rechten Zeit, um Jube Baal aufzufangen. Damit war in Black Hawk der Kampf beendet. Mit diesem letzten Schuß Jube Baals war die junge Stadt frei von Banditen. Wenige Wochen später kam ein Richter aus Golden in die Stadt. Mörder und Banditen wurden von ihm abgeurteilt. Einige kleine Übeltäter kamen mit Freiheitsstrafen davon. Ein paar ließ er sogar laufen. Er jagte sie nur aus dem Land. Jube Baal wurde zu zwei Jahren verurteilt, weil er einige
Postkutschen mit überfallen hatte und einmal sogar eine Bank ausgenommen hatte. Nach seiner Genesung sollte er diese Strafe antreten. Ed Gregory aber heiratete Clee Morton. Es war ein großer und prächtiger Hochzeitszug. Der Richter sprach ihm die Goldmine seines Bruders zu. Auch Katie Hardman bekam die Mine ihres Vaters zurück. Und Katie Hardman winkte Ed Gregory und seiner jungen Frau lange nach, als die beiden aus der Stadt ritten, um in das San Luis Valley, in das Rinderreich der Gregorys, zu ziehen. ENDE