Entwicklung Haptischer Geräte
Thorsten A. Kern (Hrsg.) Marc Matysek · Oliver Meckel Jacqueline Rausch · Alexander Rettig Andreas Röse · Stephanie Sindlinger
Entwicklung Haptischer Geräte Ein Einstieg für Ingenieure
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Dr.-Ing. Thorsten A. Kern TU Darmstadt Inst. für Elektromechanische Konstruktionen Merckstr. 25 64283, Darmstadt
ISBN 978-3-540-87643-4
e-ISBN 978-3-540-87644-1
DOI 10.1007/978-3-540-87644-1 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2009 Springer-Verlag Berlin Heidelberg Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Herstellung: le-tex publishing services oHG, Leipzig Einbandgestaltung: WMXDesign, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier 987654321 springer.de
Die Idee zu diesem Buch wurde bereits 2003 geboren. Damals als Möglichkeit der Weiterentwicklung einer Dissertation formuliert sollte das Buch eine schmerzlich empfundene Wissenslücke des Herausgebers füllen: Welche Quellen stehen einem technisch interessierter Menschen zur Verfügung, wenn er oder sie erstmalig mit der Aufgabe konfrontiert wird, ein haptisches Gerät zu entwerfen? Neben einer Vielzahl von Tagungsveröffentlichungen, Zeitschriftbeiträgen oder Dissertationen gab es kein Werk, welches einen Querschnitt durch diese technisch so anspruchsvolle Thematik zieht. Bestärkt durch die Kollegen, insbesondere Herrn Prof. Dr.Ing. Dr.-med. Ronald Blechschmidt-Trapp und Hr. Dr.-Ing. Christoph Doerrer, reifte der Wunsch zur Umsetzung über die Jahre. Während der parallel stattfindenden Dissertation stellte sich heraus, dass die in einem solchen Buch zu behandelnden Themenfelder noch umfangreicher waren, als dies 2003 eingeschätzt wurde. Mein Doktorvater, Hr. Prof. Dr.-Ing. habil. Roland Werthschützky ermutigte mich, das Projekt dennoch im Rahmen einer Zeit als Post-Doc zu verwirklichen, und eine Förderung der DFG (Kennzeichen KE 1456/1-1) zur Vertiefung der Entwurfsmethodik haptischer Geräte ermöglichte die wirtschaftliche Seite dieses Vorhabens. Nach einer Strukturierung der Themen stellte sich schnell heraus, dass die Inhalte sehr durch das Hinzuziehen von Spezialisten auf den einzelnen Gebiete gewinnen würde. So entstand das Multiautorenprojekt, wie Sie es heute in den Händen halten. Doch nicht nur die genannten Autoren haben Inhalte beigesteuert, auch ehemalige und aktuelle Kollegen wie Dr.-Ing. Markus Jungmann oder Ingmar Stöhr um wenigstens zwei zu nennen, haben sich für das Projekt begeistert. Die ersten Anfragen bei dem für die Veröffentlichung favorisierten Springer Verlag ergaben eine beeindruckend positive Reaktion. Die Zusammenarbeit mit Hr. Dr. Christoph Baumann von Springer war jederzeit konstruktiv und gemeinsam wurde das Projekt in der endgültigen Umsetzung, was Sprachversionen und Zeitpunkte der Veröffentlichung anbelangt, definiert. Viele Korrekturleser haben die wesentlichsten Fehler aus dem Manusskript beseitigt, allen voran Anika Kohlstedt, Sebastian Kassner und viele ungenannte Helfer in Form von Familienmitgliedern und Freunden der Autoren. Die Autoren bedanken sich bei all den oben genannten und den vielen vergessenen Helfern für die konstruktive Kritik. Ohne Ihre Unterstützung hätte das Buch nicht den vorliegenden Reifegrad erreicht. Weiterhin bedankt sich der Herausgeber explizit für die hervorragende Unterstützung, die er und viele der Co-Autoren am Institut für Elektromechanische Konstruktionen der Technischen Universität Darmstadt in ihrer Forschung und Arbeit erfahren haben.
die Autoren, i.A. Thorsten A. Kern
Vorwort
”Haptik”, ist im Gegensatz zur ”Optik” oder ”Akustik” ein für die Mehrheit der Anwender von Produkten noch nicht bekannter Begriff. Als ”haptisch” wird alles bezeichnet, was sich auf den Berührungssinn/Tastsinn bezieht. Haptisch ist also mehr als die pure mechanische Interaktion, sondern umfasst auch thermische und schmerzsensitive (nozizeptiv) Wahrnehmung. ”Haptisch” ist alles und alles ist ”haptisch”. Nur durch ”Haptik” kann der Mensch die ”Grenzen seines physischen Seins” begreifen, denn der Tastsinn macht es uns möglich, zu erkennen, wo ”ich” als Körper beginne und ende. Der Tastsinn ist hier deutlich leistungsfähiger als die Augen, sowohl in der Auflösung als auch im abgedeckten Raumwinkel: Wir realisieren in der Hitze eines Basketballspiels durch eine Berührung am Rücken sofort, dass aus dieser Richtung ein Gegner versucht uns anzugreifen. Wir bemerken die Intensität des Kontaktes, die Bewegungsrichtungen durch Scherung unserer Haut oder einen Luftstrom an Körperbehaarung. Und all dies, ohne dass wir ihn oder sie sehen. ”Haptische Systeme” 1 gliedern sich in wenigstens zwei Klassen. Da gibt es die zeitinvarianten Systeme (die Tasten meiner Tastatur), die bei Betätigung einen im Wesentlichen immer gleichen haptischen Eindruck vermitteln. Hierzu zählen auch Oberflächen z.B. die Holzmaserung, aus der mein Tisch besteht. Derartige haptische Oberflächen werden gerne als ”haptische Textur” bezeichnet. Weiterhin gibt es aktive rekonfigurierbare Systeme, die in Abhängigkeit z.B. von einer Menüauswahl ihre haptischen Eigenschaften ganz oder teilweise verändern. Außerdem gibt es Kombinationen und hybride Formen beider Systeme, die in Beispielen in den entsprechenden Kapiteln diskutiert werden. Der Schwerpunkt dieses Buches liegt allerdings auf den technischen Entwurfskriterien für aktive rekonfigurierbare Systeme, welche die haptische Kopplung im Sinne einer vor allem mechanischen Interak1
In der Technik gibt es drei Begriffe, die häufig verwendet werden und deren Definition nicht eindeutig ist: Gerät, Komponente und System. Systeme sind je nach Aufgabenstellung des Entwicklers entweder Gerät oder Komponente. Ein Motor ist eine Komponente eines Fahrzeugs, für den Entwickler des Motors ist es aber ein Gerät, das sich teilweise aus Komponenten (Zündkerzen, Kolben, Klopfsensoren, ...) zusammen setzt. Liest man nun technische Texte ist es manchmal hilfreich, alle drei Begriffe mit dem Wort ”Ding” zu ersetzen. Wenn auch nicht ganz ernst zu nehmen, so gewinnen die Inhalte in der Regel an Verständlichkeit.
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Vorwort
tion ermöglichen. Thermische und nozizeptive Wahrnehmung werden entsprechend ihrer Bedeutung eingeordnet, aber nicht tiefergehend diskutiert, ebenso die passiven haptischen Systemen. Die Tatsache, dass Sie dieses Buch gekauft haben, zeigt Ihr Interesse und Verständnis für die Problematik rund um das Thema ”Haptik”. Vielleicht haben Sie schon einmal den Entwurf eines technischen Systems versucht, das den haptischen Sinn täuschen soll, und waren mehr oder weniger erfolgreich bei dem Design des mechanischen Entwurfs und der Wahl der Aktoren. Vielleicht planen Sie auch nur ein entsprechendes Vorhaben im Rahmen Ihres Studiums oder als kommerzielles, industrielles Produkt mit dem Ziel, Bedienung zu vereinfachen oder neuartige Bedienkonzepte zu ermöglichen. Derartige Ansätze gibt es viele. Einige der ersten aktiven haptischen Systeme wurden in Flugzeugen eingesetzt, um durch Vibrationen am Steuerknüppel kritische Situationen kenntlich zu machen. Das am weitesten verbreitete haptische System ist mit Sicherheit der Vibrationsalarm an Mobiltelefonen, der auch ohne Sicht- oder Hörkontakt die Information über den Empfang einer Nachricht vermittelt - und dabei sogar im übermittelten Signal die Art der Nachricht, SMS oder Telefonat, kodiert. Komplexere haptische kommerzielle Systeme sind im Bereich der Automobilindustrie durch rekonfigurierbare Drehsteller als zentrales Bedienelement komplexerer Oberklassefahrzeuge zu finden. Weiterhin gibt es seit kurzem Bestrebungen auch außerhalb von speziellen Navigatons- und Modellierungsaufgaben im Computergrafikbereich mehrdimensionale haptische Interaktion für Computerspieler zugänglich zu machen. Vielleicht kommen Sie auch aus der beliebten und haptisch äußerst aktiven Seite der Medizin und insbesondere der Chirurgie. Für minimal-invasive chirugische Eingriffe werden immer komplexere Laparoskope, länglich ausgedehnte mechanische Werkzeuge, mit denen durch natürliche oder künstlich geschaffene Körperöffnungen komplizierte Eingriffe vorgenommen werden, verwendet. Dies ist automatisch mit einem Verlust des direkten Kontakts des Chirurgen mit dem operierten Organ/Gewebe verbunden. Eine seit Jahrzehnten beständige Motivation für den ersten Kontakt von Forschern und Entwicklern mit dem haptischen Sinn stellt der Wunsch dar, den Verlust des Tastsinns bei derartigen minimal-invasiven chirurgischen Eingriffen zu kompensieren, oder alternativ Trainingsmöglichkeiten für derartige Vorhaben zu schaffen. Wohl gemerkt, trotz aktueller, viel versprechender Entwicklungen im Bereich Telemanipulation oder Simulation ohne einen zufriedenstellenden kommerziellen Durchbruch. Trotz oder gerade ob der Vielfalt dieser mit haptischen Systemen arbeitenden Industrie ist das Verständnis der ”Haptik” und der damit direkt verknüpften Begriffe ”taktil” und ”kinästhetisch” mitnichten so eindeutig und unumstritten, wie es sein sollte. Wir, die Autoren, möchten Ihnen mit diesem Buch eine Hilfe anhand geben, sich im Bereich der Entwicklung haptischer Geräte zukünftig mit größerer Sicherheit zu bewegen. Diese Sicherheit wird aus der richtigen Einordnung und dem richtigen Umgang mit Begrifflichkeiten beginnen, wird über ein tiefergehendes Verständnis der Haptik und der vereinfachten Beschreibungsmöglichkeiten reichen und wird schließlich und endlich in konkreten Handlungsanweisungen und Empfehlungen beim Entwurf technischer, haptischer Systeme enden.
Vorwort
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Neben dem Bestreben, konkrete und projektbezogene Hardwareentwicklung durchzuführen, gibt es noch einen weiteren Grund sich mit der haptischen Geräteentwicklung auseinander zu setzen. Es ist das ständige Bestreben, das Wissen zur haptischen Wahrnehmung zu erweitern. Diese Disziplin wird Psychophysik genannt. Dies ist eine ”ungenaue” nicht deterministische Wissenschaft, die Hypothesen aufstellt und diese an Experimenten systematisch überprüft. Diese Experimente bilden eine Schlüsselrolle und die Qualität der dabei berücksichtigten Parameter ist essentiell für die Güte der Aussage. Eine Art Nebenprodukt dieser Wissenschaft ist eine Vielfalt an Geräten und technischen Systemen. In der Tat nutzt die Psychophysik viele Kompetenzen aus unterschiedlichsten Disziplinen, um ihre Fragestellungen zu klären, so dass bedeutende Ingenieure und Wissenschaftler wie Frau Prof. W ONG TAN sowie Hr. Prof. V INCENT H AYWARD für diese Klärung der psychophysikalischen Grundfragen auch die mit leistungsfähigsten haptischen Systeme entwickelt haben. Die Psychophysik ist hochdynamisch. Jedes Jahr werden neue Erkenntnisse in hunderten von Vorträgen auf Kongressen und in Zeitschriften veröffentlicht. Dieses Buch hat nicht den Anspruch, mit jedem Detail dieser psychophysikalischen Entwicklung schrittzuhalten, wobei es aber versucht, möglichst viele der Erkenntnisse mit in die Darstellung der haptischen Geräteentwicklung einfließen zu lassen. Vielmehr stammt dieses Buch von und richtet sich an Ingenieure der zuerst beschriebenen Disziplin haptischer Geräteentwicklung: dem Entwickler, sei es im konstruktiven Maschinenbau, hardwarenahen Elektrotechnik, der Regelungstechnik, Software-Entwicklung oder als Synergie mit Expertise in allen Disziplinen in der Mechatronik. Der haptische Sinn gewinnt zweifellos an Bedeutung. Dies spiegelt sich nicht nur in der Zahl der wissenschaftlichen Veröffentlichungen wieder, sondern ist vielmehr auch direktes Resultat der einfachen Tatsache, dass die Fernsinne Sehen und Hören im Alltag bereits mit synthetischen Informationen in nahezu perfekter Qualität versorgt werden. ”Perfekte Qualität” nimmt je nach Fragestellung viele Bedeutungen in diesem Zusammenhang an. So kann eine möglichst realistische Wiedergabe des Sinnerlebnisses ein Ziel sein. Die Auflösung eines dreidimensionalen Monitors muss in farblicher Dynamik und räumlichen Abstand der Bildelemente unterhalb des Auflösungsverhaltens des Auges liegen. Klänge müssen im Raum ortbar sein, und dürfen schon lange nicht mehr durch Artefakte des Speicher- oder Übertragungsmediums - also Rauschen - überlagert werden. Eine andere ”perfekte Qualität” kann es sein, Aufmerksamkeit zu erregen. Warnungen im Armaturenbrett des KFZ sind so ein optisches Beispiel, akustische Alarme im Flugzeug ebenfalls. Auch hohe Unterscheidbarkeit bei gleichzeitig großer Tragweite kann von Bedeutung sein, man denke nur an die Lichtsignale zur Navigation auf dem Wasser. Beide Bereiche - Optik und Akustik - sind bereits seit wenigstem einem Jahrhundert Gegenstand intensiver Untersuchungen und das Ziel vieler Geräteentwicklungen. So weit, dass in vielen Fällen die Grenzen der Wahrnehmung der dargebotenen Informationen erreicht sind. Es ist also naheliegend, einen weiteren Sinneskanal des Menschen zur Informationsvermittlung zu nutzen. Eine andere Motivation liegt in der Simulation möglichst realistischer virtueller Umgebungen. Nachdem die graphische Darstellung sowie die
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Vorwort
akustische Präsentation einen hohen Standard erreicht haben, richten sich die Interessen auf den Tastsinn als nächsten bedeutenden Sinn. Nur dieser Sinn macht Grenzen spürbar und ermöglicht eine Synergie aus Interaktion und Wahrnehmung. Als weiteren Bereich gibt es noch die Telemanipulations- oder Telepräsenzsysteme. Hier ist eine intuitive und unverzögerte Rückmeldung für den sicheren Umgang z.B. mit wertvollen oder gefährlichen Materialien unerlässlich. Mehr als genug Gründe um sich mit der Entwicklung haptischer Geräte zu beschäftigen, denn der Markt fordert es und Experten sind rar. Doch der Einstieg in die Thematik ist schwierig. Der Entwurf haptischer Systeme erfordert einen interdisziplinären Wissensschatz. Dazu gehören Grundlagen über die Eigenschaften haptischer Wahrnehmung, ihre Dynamik in Amplitude und Frequenz. Darüber hinaus ist es hilfreich einen Überblick über erfolgversprechende technische Ansätze zu haben, seien es hardwaretechnische Realisationen von Aktoren, Kinematiken oder ganzen Systemen bis hin zu den gängigen Softwarelösungen für deren Anbindung an Simulationssysteme. Innerhalb der Simulation wiederum ist ein Überblick über die Methoden haptischen Renderings hilfreich um die Kommunikation zwischen Hard- und Softwareingenieuren zu erleichtern. Die Autoren sehen ihren Auftrag erfüllt, wenn dieses Buch dazu beitragen kann, dass sich mehr Entwickler für den Bereich haptischer Geräteentwicklung begeistern lassen, und dadurch schneller bessere Systeme am Markt erscheinen.
Darmstadt, Juli 2008
Thorsten A. Kern
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Autoren Dr.-Ing. Thorsten A. Kern Technische Universität Darmstadt/Institut für Elektromechanische Konstruktionen Merckstr. 25 Darmstadt, D-64283
[email protected] Dipl.-Ing. Marc Matysek Technische Universität Darmstadt/Institut für Elektromechanische Konstruktionen Merckstr. 25 Darmstadt, D-64283
[email protected] Dipl.-Ing. Oliver Meckel Technische Universität Darmstadt/Institut für Flug- und Regelungstechnik Petersenstr. 30 Darmstadt, D-64287
[email protected] Dipl.-Ing. Jacqueline Rausch Technische Universität Darmstadt/Institut für Elektromechanische Konstruktionen Merckstr. 25 Darmstadt, D-64283
[email protected] Dipl.-Math. Alexander Rettig Fraunhofer Institut für Graphische Datenverarbeitung Fraunhoferstr. 5 Darmstadt, D-64283
[email protected] Dipl.-Ing. Andreas Röse Technische Universität Darmstadt/Institut für Elektromechanische Konstruktionen Merckstr. 25 Darmstadt, D-64283
[email protected] Dipl.-Ing. Stephanie Sindlinger, geb. Klages Technische Universität Darmstadt/Institut für Elektromechanische Konstruktionen Merckstr. 25 Darmstadt, D-64283
[email protected]
Inhaltsverzeichnis
Formelzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . xx Teil I Grundlagen des haptischen Entwurfs 1
Motivation und Anwendungen haptischer Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Bedeutung der Haptik aus philosophischer und sozialer Sicht . . . . . . 1.1.1 Haptik als Grenze des physischen Seins . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.2 Was prägte den Tastsinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.3 Besonderheiten im Entwurfprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Die Bedeutung der Haptik im beruflichen Alltag . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1 Der Tastsinn im medizinischen Alltag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2 Der Tastsinn im Cockpit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.3 Der Tastsinn am Schreibtisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.4 Der Tastsinn in der Musik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7 7 7 11 13 15 16 18 19 19
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Begriffsklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Wissenschaftliche Disziplinen in der haptischen Forschung . . . . . . . 2.2 Begriffe und Bezeichnungen beim Umgang mit haptischen Systemen 2.2.1 Grundbegriffe der Haptik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Definition haptischer Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Eigenschaften haptischer Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Charakterisierung haptischer Objekteigenschaften . . . . . . . . . 2.2.5 Technische Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23 23 25 25 26 30 32 33
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Biologische Grundlagen haptischer Wahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Biologie des Tastsinns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Haptische Wahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Psychophysikalische Konzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Frequenzabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Kennwerte haptischer Interaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Schlussfolgerungen aus der Biologie der Haptik . . . . . . . . . . . . . . . . .
39 39 44 44 50 55 60
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Inhaltsverzeichnis
3.3.1 3.3.2
Steifigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Ein Kiloherz - Bedeutung für den technischen Entwurf . . . . . 62
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Nutzermodellbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Zuordnung der Frequenzbereiche auf das Nutzermodell . . . . . . . . . . . 4.2 Modell des Nutzers als mechanische Last . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Griffarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Messverfahren und Messmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4 Modellparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Modellbildung haptischer Wahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Anwendungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.1 Kinästhetisches System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2 Taktiles System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3 Beispielanalysen im Zeit- und Frequenzbereich . . . . . . . . . . . 4.5 Zusammenfassende Anmerkungen zur Anwendung der Methodik . .
65 65 69 71 72 73 76 84 88 88 90 91 95
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Strukturen haptischer Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 5.1 Systembetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 5.1.1 Impedanz-gesteuert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 5.1.2 Impedanz-geregelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 5.1.3 Admittanz-gesteuert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 5.1.4 Admittanz-geregelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 5.1.5 Qualitative Gegenüberstellung der möglichen Systemstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 5.2 Abstraktion der weiteren Systembestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 5.2.1 Grundlegende Systemzerlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 5.2.2 Analyse der Systemanteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
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Teil II Entwurf haptischer Systeme 6
Identifikation von Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 6.1 Die richtigen Fragen für Spezifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 6.1.1 Interaktion als Klassifizierungsmerkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 6.1.2 Cluster “Kinästhetik“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 6.1.3 Cluster “Surface-tactile“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 6.1.4 Cluster “Vibro-Taktil“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 6.1.5 Cluster “Vibro-Directional“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 6.1.6 Cluster “Omni-Dimensional“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 6.1.7 Cluster “always“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 6.2 Experimente mit dem Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 6.3 Das Pflichtenheft eines haptischen Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 6.4 Abfolge der zu treffenden Technologie-Entscheidungen . . . . . . . . . . 132
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Methoden zur Regelung haptischer Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 7.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 7.2 Methoden der Systembeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 7.2.1 Klassische Methoden für lineare Eingrößensysteme . . . . . . . 136 7.2.2 Beschreibung linearer Systeme im Zustandsraum . . . . . . . . . 141 7.2.3 Methoden für nichtlineare Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 7.3 Stabilität gekoppelter Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 7.3.1 Stabilitätsanalyse linearer Systemanteile . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 7.3.2 Stabilitätsanalyse nichtlinearer Systemanteile . . . . . . . . . . . . . 150 7.3.3 Passivität gekoppelter Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 7.4 Regelung haptischer gekoppelter Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 7.4.1 Ansätze zur Strukturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 7.4.2 Anforderungsdefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 7.4.3 Reglerentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 7.5 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
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Kinematikentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 8.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 8.1.1 Mechanismen und deren Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 8.1.2 Kinematische Berechnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 8.1.3 Übertragungsverhalten und die Jakobi Matrix . . . . . . . . . . . . . 176 8.1.4 Optimierung des Übertragungsverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . 180 8.2 Serielle Mechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 8.2.1 Topologiesynthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 8.2.2 Berechnung der kinematischen Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . 183 8.2.3 Beispiel eines seriellen Mechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 8.3 Parallele Mechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 8.3.1 Topologiesynthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 8.3.2 Berechnung der kinematischen Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . 192 8.3.3 Beispiel eines parallelen Mechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
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Inhaltsverzeichnis
8.4 Gesamtablauf des kinematischen Entwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 9
Aktorentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 9.1 Allgemeines zum Aktorentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 9.1.1 Übersicht über nutzbare Aktorprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 9.1.2 Aktor-Auswahlhilfe Dynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 9.1.3 Getriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 9.2 Elektrodynamische Aktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 9.2.1 Der Elektrodynamische Effekt und seine Einflussgrößen . . . 208 9.2.2 Aktorentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 9.2.3 Aktorelektronik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 9.2.4 Beispiele elektrodynamischer Aktoren in haptischen Geräten 234 9.2.5 Fazit zum Entwurf elektrodynamischer Aktoren . . . . . . . . . . 238 9.3 Elektromagnetische Aktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 9.3.1 Magnetische Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 9.3.2 Auslegung des Eisenkreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 9.3.3 Beispiele elektromagnetischer Aktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 9.3.4 Magnetische Aktoren in haptischen Geräten . . . . . . . . . . . . . . 249 9.3.5 Fazit zum Entwurf magnetischer Aktoren . . . . . . . . . . . . . . . . 252 9.4 Piezoelektrische Aktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 9.4.1 Der piezoelektrische Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 9.4.2 Bauformen und Eigenschaften piezoelektrischer Aktoren . . . 259 9.4.3 Entwurf piezoelektrischer Aktoren für haptische Systeme . . 270 9.4.4 Vorgehen beim Entwurf piezoelektrischer Aktoren . . . . . . . . 270 9.4.5 Piezoelektrische Aktoren in haptischen Systemen . . . . . . . . . 276 9.5 Elektrostatische Aktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 9.5.1 Größen des elektrischen Feldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 9.5.2 Bauformen kapazitiver Luftspaltaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 9.5.3 Dielektrische Polymeraktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 9.5.4 Elektrorheologische Fluide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 9.6 Sonderformen haptischer Aktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 9.6.1 Haptisch-Kinästhetische Geräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 9.6.2 Haptisch-Taktile Geräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317
10 Kraftsensorentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 10.1 Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 10.1.1 Struktur des Displays . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 10.1.2 Kontaktsituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 10.1.3 Mechanische Eigenschaften des Messobjekts . . . . . . . . . . . . . 328 10.1.4 Textur des Messobjekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 10.1.5 Ermittlung der Entwurfskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 10.2 Sensorprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 10.2.1 Grundlagen der Elastomechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 10.2.2 Resistive Dehnungsmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 10.2.3 Piezoresistive Silizium-Sensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342
Inhaltsverzeichnis
xvii
10.2.4 Weitere resistive Sensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 10.2.5 Kapazitive Sensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 10.2.6 Optische Sensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 10.2.7 Piezoelektrische Sensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 10.2.8 Exoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 10.3 Auswahl eines geeigneten Sensors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 11 Einsatz von Positionssensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 11.1 Grundprinzipien der Positionsmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 11.2 Anforderungen im haptischen Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 11.3 Optische Sensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 11.4 Magnetische Sensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 11.5 Weitere Wegsensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 11.6 Elektronik für absolute Positionssensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 11.7 Beschleunigung und Geschwindigkeitsmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 11.7.1 Integration und Differentiation von Signalen . . . . . . . . . . . . . 385 11.7.2 Induktionssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 11.7.3 Kraftsensoren als Beschleunigungssensoren . . . . . . . . . . . . . . 388 11.8 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 12 Schnittstellenauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 12.1 Grenzfrequenzen im Übertragungsweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 12.1.1 Bandbreite in Telemanipulationssystemen . . . . . . . . . . . . . . . . 390 12.1.2 Bandbreite bei Simulator-Systemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 12.1.3 Datenraten und Latenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 12.2 Konzepte zur Bandbreitenreduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 12.2.1 Betrachtung der wirklich auftretenden Dynamiken . . . . . . . . 393 12.2.2 Lokale haptische Modelle im Regler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 12.2.3 Ereignis-orientierte Haptik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 12.2.4 Bewegungsextrapolation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 12.2.5 Kompensation extremer Totzeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 12.2.6 Kompression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 12.3 Standardschnittstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 12.4 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 13 Softwareentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 13.1 Überblick über das Themenfeld „Virtual Reality“ . . . . . . . . . . . . . . . . 404 13.2 Aufbau und Architektur von VR-Systemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 13.2.1 Hardware-Komponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 13.2.2 Anbindung von Geräten und Geräteabstraktion . . . . . . . . . . . 408 13.2.3 Software-Komponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 13.2.4 Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 13.2.5 Darstellungs-Subsysteme, „Renderer“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 13.2.6 Entkopplung des Haptik-Renderers von anderen Sinnesmodalitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419
xviii
Inhaltsverzeichnis
13.2.7 Haptische Interaktionsmetaphern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 13.3 Algorithmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 13.3.1 Virtuelle Wand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 13.3.2 „Penalty“-Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 13.3.3 Constraint-basierte Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 13.3.4 6 DoF-Interaktion: Voxmap-PointShell-Algorithmus . . . . . . . 434 13.4 Kollisionserkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 13.5 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 14 Abschließende Betrachtung zum Entwurf haptischer Systeme . . . . . . . 451
Inhaltsverzeichnis
xix
Teil III Anhang 15 URLs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 16 Mechanische Impedanzen und Admittanzen bei translatorischen und rotatorischen Systemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 17 Erläuterung zur Gyrator und Transformator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481
xx
Formelzeichen
Zeichen
Beschreibung
a a
m Beschleunigung s2 Reiz-Konstante Verschiebung (Denavit-Hartenbergm Parameter) Vektor, in dem Aktorwege und Winkel ai zusammengefasst werden (Kap.8) virtuelle Verschiebung der Antriebe (Kap.8) m Fläche m2 Querschnittsfläche einer Wicklung m2 Fläche einer Leiterschleife m2
a a
δa A ACoil AConductor ACore AEisen AG An
Δ A j , j=1,2,3 A(ω ) A α αc
Einheit
Fläche der effektiv leitenden Kupferseele m2 Querschnittsfläche des Eisenkerns m2 Querschnittsfläche im Luftspalt eines elektro- 2 m magnetischen Aktors Querschnittsfläche des Elements n eines ma- 2 m gnetischen Kreises Flächenelemente m2 Amplitudengang (Kap.7) dB Matrix eines LGS
B B
Rollwinkel (Drehung um x-Achse) Grad Grenzwinkel (Kap.8) Grad Drehung (Denavit-Hartenberg-Parameter) Grad (Kap.8) Temperaturausdehnungkoeffizient K−1 Übertragungsfaktor für differentielle Bewegungen magnetische Flussdichte im Eisenkern T = V·s m2 magnetische Flussdichte im Luftspalt eines T elektromagnetischen Aktors magnetische Flussdichte im Element n eines T magnet. Kreises Remanenzflussdichte T magnetische Flussdichte T Matrix eines LGS
BHmax
Energiedichte
αi αV K b0 BEisen BG Bn Br
J m3
Formelzeichen
xxi
Zeichen
Beschreibung
Einheit
β c
Nickwinkel (Drehung um y-Achse) Wahrnehmungskonstante
Grad
ci jlm
elastische Konstanten
C,CQ C0
Cd
Kapazität F= photoelastischer Koeffizient Bragg-Gitter Kopplungskapazität (bei mechanischer FestF bremsung) N Feldsteuerkonstante eines ERF V2
Cs C
materialspezif. Feldsteuerkonstante eines ERF Matrix eines LGS
ΔC C0
bezogene Kapazitätsänderung
circ
Umfang einer Leiterschleife
d di j,k
D
N Dämpfung/Reibung m·s V piezoelektrische Ladungskonstante m Verschiebung (Denavit-Hartenbergm Parameter) dielektrische Verschiebung/Verschiebungs- C m2 dichte (Durchgangs-)Matrix eines LGS
DL ΔD
Differenz Limen/Amplitudenauflösung positionsdiskrete Auflösung
δ e ei E E E0
Phasendifferenz (Kap.10) piezoelektrische Spannungskoeffizient
Cb
di D
Ere f E
ε ε ε ε0
richtungsangebender Einheitsvektor E-Modul elektrische Feldstärke (mit Dielektrikum) elektrische Feldstärke ohne Dielektrikum Referenzfeldstärke, für die Cs eines ERF angegeben ist elektrisches Feld Permittivität (ε = ε0 · εr ) relative Dielektrizitätskonstante bei konst. mech. Spannung Restfehlerschwelle (Kap.7) elektrische Feldkonstante (ε0 = 8, 854 · C 10−12 V·m )
m2 N
N V2
m
A·s m2 N m2 V m V m V m V m A·s V·m A·s V·m
C V·m
A·s V
xxii
Formelzeichen
Zeichen
Beschreibung
εr
realtive Permittivität (εr =
η f f0 , fR fb
Einheit E0 E )
Grundviskosität Frequenz
m2 s
Hz
Fb Fe
Resonanzfrequenz Hz Grenzfrequenz Hz Summe der Gelenkfreiheitsgrade eines Mechanismus Freiheitsgrad des i-ten Gelenks eines Mechanismus Summe der identischen Bindungen eines Mechanismus Dynamik der Erfassung der Inkremente bei der Hz Positionserfassung statische Nichtlinearität Getriebe-/Bewegungsfreiheitsgrad eines Mechanismus Kraft in Richtung der Kantenlänge a N am Punkt A angreifende Kraft N Kraft in Richtung der Kantenlänge b N Eingangskraft auf Masse m eines Systems N
FFeder FF
Federkraft Gegenkraft
N N
Fin Fl
Eingangskraft Kraft in Richutng von l
N N
FN Fnorm
Nennkraft Normalkraft
N N
Fw Fx
Wandler Eingangskraft Kraft in x-Richtung
N N
Fy Fz,el
Kraft in y-Richtung Kraft im elektrischen Fel in z-Richtung
N N
Fη
geschwindigkeitsabhängige Viskositätskraft
N
Fτ Fξ
feldabhängiger Spannungsterm
N
Kraft am Ort ξ
N
F FD
Kraft gerätbezogene Kraft
N N
Fm
Kraft auf Masse m
N
fges fi , i . . . g fid fink f (.) F Fa FA
Formelzeichen
xxiii
Zeichen
Beschreibung
Einheit
F noise F out
Störkraft Ausgangskraft/erzeugte Kraft
N N
F
Kraft N Vektor aller Kräfte/Momente auf die angetrieN benen Gelenke Gegenkraft N Lorentzkraft N Vektor aller Kräfte/Momente auf den Tool N Center Point Kraft zur Verschiebung in x-Richtung N Kraft zur Verschiebung in y-Richtung N Kraft im elektrischen Fel in z-Richtung N
Fa FF FLorentz Fx Fx Fy Fz,el
ΔF Δ Fi , i = 1, 2, 3 φ φ (ω ) Φ Φ Φ g g G GCD GDn , n ∈ ℵ
Kraftauflösung Ersatzkräfte
N N
magnetischer Fluss Phasengang
Wb=V · s Grad
Phasenwinkel Phasenverschiebung
rad rad
Reiz Anzahl der Gelenke eines Mechanismus (Kap.2) piezoelektrische Spannungskonstante Übertragungsfunktion
GFSense GHn , n ∈ ℵ
Übertragungsfunktion eines Reglers gerätbezogene Übertragungsfunktion Übertragungsfunktion eines Treibers (Umwandlung von Kraftsignal in Energie) Feedforward-Übertragungsfunktion Übertragungsfunktion für Umrechnung der Wahrnehmung einer oszillierenden Schwingung Übertragungsfunktion eines Kraftsensors nutzerbezogene Übertragungsfunktionen
GK GM
Übertragungsfunktion eines Kompensators Übertragungsfunktion eines Messgliedes
GR
Übertragungsfunktion des Reglers
GED GFF GFIP
V·m N
Formelzeichen
xxiv
Zeichen
Beschreibung
G(s)
Übertragungsfunktion im Laplacebereich Übertragungsfunktion der Strecke/des Aktuators Störübertragungsfunktion Gierwinkel (Drehung um z-Achse) Grad
GS GSZ γ γ˙
Einheit
h
Scherrate Höhe
s−1 m
H Hc
magnetische Feldstärke Koerzitivfeldstärke
HFe
A m A m A m
i
magnet. Feldstärke bei Spule mit Eisenkern magnet. Feldstärke im Luftspalt eines Magnet- A m kreises magnet. Feldstärke im Element n eines ma- A m gnet. Kreises Strom A
iL iSource
Strom durch Induktivität L Quellstrom
iw I
JND k
Wandler Eingangsstrom A Flächenträgheitsmoment m4 Strom am Eingang eines OperationsverstärA kers A Stromdichte m2 Jacobi-Matrix mit Aktorfreiheitsgraden a und FG des Tool Center Points x Just-Noticeable-Differenz bauformabhängige Konstante für ERF m·s
k k
Füllfaktor Spule (≥ 1) Geradensteigung im Popov-Kriterium
k k
Kopplungsfaktor oder auch k-Faktor Kettenzahl eines Mechanismus
k kL
Steifigkeit (mechanische) Steifigkeit im Leerlauffall
K
Nutzerreaktion
HG Hn
Ib j J=
Kkrit KR K˜
∂x ∂a
kritische Verstärkung Reglerverstärkung Wahrnehmungsraum
A A
N m N m
xxv
Formelzeichen
Zeichen
Beschreibung
Einheit
ΔK K K l lConductir
zeitl. Änderung der Wahrnehmungskurve Kraftwahrnehmung
dB
Verstärkungsmatrix Länge
m m
lMag ln
Länge einer Leiterwickung Länge einer Spule mit Eisenkern/eines Magnetkreises Länge eines Seltene-Erd-Magneten Länge des Elements n eines magnet. Kreises
L LM
Induktivität Successiveness Limen
H= s
L λ
Verstärkungsmatrix mechanisches Steuerverhältnis
λ
Wellenlänge m Ausgangswellenlänge an best. Stelle eines m Spektrums Bragg-Wellenlänge m Bragg-Gitterperiode m Masse kg Eingangsmoment in Achsrichtung des AntrieNm bes Biegemoment Nm Drehmoment Nm Momentquelle
lFe
λ0 λb Λ m Mα Mb M M0
μ μ μ μ μ0 μr n, N n n0 , ni nK δ n¯e f f ektiv
Beweglichkeit der Ladungsträger Reibwert Mittelwert Permeabilität (μ = μ0 · μr ) magnetische Feldkonstante relative Permeabilität
m m m
m2 V·s
V·s A·m H m
Zahl ∈ ℵ Nachgiebigkeit
N m
Brechungsindex Nachgiebigkeit der Kopplung bei Kurzschluss
N m
Mittelwert der Indexmodulation
V·s A
Formelzeichen
xxvi
Zeichen
Beschreibung
Δ nRK NConductor
Nachgiebigkeit der rotatorischen Kopplung bei Kurzschluss Anzahl an Leiterschleifen/Windungszahl
NA ω
numerische Apertur Rotationsgeschwindigkeit
ω,Ω p, P P Pel pel , Pel PLoss Pmech PSource PVerlust Pη Pτ
Winkelgeschwindigkeit Druck
π
piezoresistive Koeffizienten
πl
piezoresistiver Koeffizient in Längsrichtung
πq Ψ q, Q qi , i ∈ ℵ q r r ri , i ∈ ℵ R R0 Rcoil Ri , i ∈ ℵ RL Rm
piezoresistiver Koeffizient in Querrichtung
N m2 N m2 m2 N m2 N m2 N
Wahrnehmungsamplitude elektrische Ladung
C = A·s
RMag RmFe
Polarisation elektrische Verlustleistung
Einheit N m
s−1 rad s N m2 C m2
W = V·A A·V·s m3
elektrostatische Druck Verlustleistung
W
mechanische Leistung Quellleistung
W W
Verlustleistung viskositätsbedingter Druckverlust feldabhängiger Druckverlust
W
angetriebenes Gelenk i Vektor der angetriebenen Gelenke qi Abstand Radius
m m
aktive Widerstände elektrischer Widerstand
Ω= Ω Ω Ω Ω Ω
elektrischer Grundwiderstand Wicklungswiderstand Referenzwiderstände Leitungswiderstand magnetischer Widerstand/Reluktanz magnetischer Widerstand von Seltene-ErdMagnete magnet. Widerstand des Eisenkreises in einem Magnetkreis
A V·s A V·s A V·s
V A
xxvii
Formelzeichen
Zeichen
Beschreibung
RmG
magnet. Widerstand des Luftspaltes in einem A V·s Magnetkreis Messwiderstand in einer PWM Ω spezifischer Widerstand Ω
RSense Rspez f . dR R0
Δ Rinch Δ Rmm ρ ρ ρ s
Einheit
relative Widerstandsänderung Positionsauflösung angegeben in Dots-PerDPI Inch Positionsauflösung angegeben in Millimetern mm bel. kleine Zahl ≥ 0 Dichte spezifischer Widerstand/Leitfähigkeit
kg m3
Ω ·m m2 N
S
Elastizitätskonstante bei konstanter Feldstärke Maß für die Stärke der Modulation in einer optischen Faser Summe der passiven Bindungen eines Mechanismus externe Versorgungsrate
S S
mechanische Dehnung/Verformung Zwangsbedingungen in einem Mechanismus
Si , i ∈ ℵ
i-ter Schalter
Sx Sz
Querdehnung Längsstauchung
m m
σ σ t tr T T
Leitfähigkeit Standardabweichung
S m
Zeit/Zeitpunkt Übersetzungsverhältnis eines Getriebes
s
s s
Tl Tmax
N mechanische Spannung m2 Zeitkonstante s Anregelzeit (100% des Sollwertes werden zum s ersten Mal erreicht) Vorhaltezeit s N mechanische Spannung in Längsrichtung m2 Zeitpunkt für xd,max s
TN Tq
Nachstellzeitkonstante mechanische Spannung in Querrichtung
s
Tt
Totzeit
s
Tan TD
N m2
=
A V·m
Formelzeichen
xxviii
Zeichen
Beschreibung
T T
Transparency N Spannung m2 Spezialfall der homogenen Transformationsmatrix Ausregelzeit bis zu ε s Tool Center Point Scherkraft N Zeitkonstante der Sprungantwort eines elektris schen Übertragungssystems (τ = RL ) Fließspannung eines elektrorheologischen N m2 Fluides N dynamische Fließgrenze m2
T Tε TCP τ
τ τERF τF,d τF,s τMRF τy θ Θ Θ Θc ϑ u uC uRi , i ∈ ℵ uSource u U Ub Uin Uind U pull−in USense va ve
Einheit
N statische Fließgrenze m2 Fließspannung eines magnetorheologischen N m2 Fluides N Fließspannung m2 Rotationswinkel (Denavit-HartenbergGrad Parameter) magnetische Durchflutung A
Massenträgheit Akzeptanzwinkel
kg · m2 Grad
Temperatur Spannung
K V
Spannung am Kondensator
V
Spannung am Widerstand Ri V Quellspannung V mehrdim. Eingangsgröße eines linearen Systems elektrische Spannung V Betriebsspannung V Eingangsspannung V induzierte Spannung V Betriebsspannung bei welcher der Pull-in einV tritt Strom-proportionale Spannung über RSense V m Geschwindigkeit im Punkt A s m Eingangsgeschwindigkeit eines Systems s
Formelzeichen
xxix
Zeichen
Beschreibung
Einheit
vexplor vin
Geschwindigkeit der Bewegung Eingangsgeschwindigkeit
vm vmax
Geschwindigkeit der Masse m Maximalgeschwindigkeit
v v0
Geschwindigkeit Geschwindigkeit einer linearen Bewegung
vD
Bewegungsgeschwindigkeit des Gerätes
vH vind
m s m s m s m s m s m s m s m s m s
V
nutzerbezogene Geschwindigkeit Geschwindigkeit einer induzierten Bewegung Ausgangsgeschwindigkeit/erzeugte Ge- m s schwindigkeit m Geschwindigkeit einer spontanen Bewegung s Geschwindigkeit über einen mechan. Impe- m s danz magnetische Spannung A
V VERF
Volumen Volumen bzgl. elektrorheologischer Fluide
VMRF
Volumen bzgl. magnetorheologischer Fluide m3 skalare, nichtlineare, pos. definite Speicherfunktion der Systemzustände x Vorfiltermatrix
vout vspo vZ
V (x) V V˙
ΔV w w Wel Wel,ERF Wel,MRF Wmag Wmech δ Wα
δ Wx x xd (t)
Volumenstrom Volumenelement
m3 m3
m3 s m3
allgem. bezeichnete Ein- und Ausgangsgröße Wellenamplitude des Stators m elektrische Arbeit/Energie J= elektrische Energie bzgl. elektrorheologischer J Fluide elektrische Energie bzgl. magnetorheologiJ scher Fluide magnetische Energie J mechanische Arbeit J virtuelle Arbeit am Schubzylinder J virtuelle Arbeit am Antrieb
J
Wegstrecke Regelabweichung im Regelkreis
m
kg·m2 s2
xxx
Formelzeichen
Zeichen
Beschreibung
Einheit
xd,max x
maximale Überschwingweite im Regelkreis Auslenkung/Weg
m
x = (x, y, z) x
karthesische Koordinaten innere Zustände eines linearen Systems Vektor, in dem Wege und Winkel x j der Bedienplattform zusammengefasst werden virtuelle Verschiebung des Tool Center Points m Ortsauflösung m Lage eines Punktes im 3dim. Raum
x
δx Δx Δx X ξ ξG dξ y
transformatorische Wandlerkonstante Auslenkung
m
Luftspaltlänge eines Magnetkreises
m
räumliche Verschiebung
Y
Regelgröße mehrdim. Ausgangsgröße eines linearen Systems gyratorische Wandlerkonstante
Y YH
Admittanz nutzerbezogene Admittanz
zi z(t)
Störgröße Störsignal im Regelkreis
Z ZD
Impedanz (meist mechanisch) Display-/Interface-Impedanz
ZD ZH
Impedanz des Gerätes (Device) Nutzer-Impedanz
Z in Z max
Impedanz als Eingangsgröße maximale Hemmung/Vollast
Z min
Massenträgheit in Freiraumbewegeung
Z out Z rot
Impedanz als Ausgangsgröße rotatorische Impedanz des Motors (=
Ztransl
translatorische Impedanz des Motors Impedanzweite, Maß für Leistungsfähigkeit (Z width = Z max − Z min )
y
Z width
m N·s m N·s
M α ) (= Fv )
N·s m N·s m N·s m N·s m N·s m N·s m N·s m N·s m N·s m N·s m N·s m
1
Gliederung des Buches Das Buch gliedert sich in zwei Abschnitte. In Abschnitt I ”Grundlagen des haptischen Entwurfs” wird der Tast- und Bewegungssinn sowie die Verwendung des Begriffes ”Haptik” in unterschiedlichen wissenschaftlichen wie populären Formen erläutert, und somit der spezielle Bereich definiert, in dessen Kontext Haptik im Folgenden behandelt wird. Über die Definition der verwendeten Begrifflichkeiten wird eine Einführung in die biologischen Grundlagen haptischer Wahrnehmung gegeben, um einen Einblick in die Besonderheiten dieses räumlich verteilten Sinnesorgans zu geben und den Blick auf technische Systeme zur Täuschung des haptischen Sinnes zu schärfen. Im Anschluss werden grundlegende Strukturen und Klassen haptischer Systeme eingeführt und daraus eine erste Ableitung von technischen Anforderungen abgeleitet. Der Abschnitt schließt mit einer Betrachtung von Möglichkeiten zur quantifizierten Bewertung haptischer Wahrnehmung in Theorie und am Beispiel. In Abschnitt II ”Entwurf haptischer Systeme” wird der konkrete technische Entwurfsprozess in den für haptische Systeme relevanten Facetten vorgestellt. Beginnend mit dem Kapitel Anforderungsermittlung werden Methoden zur Regelung besprochen und der Blick auf die Zusammenhänge des gesamten technischen Systems gelenkt. Es schließt der Entwurf von Kinematiken mit einem besonderen Schwerpunkt auf den aufgrund ihrer Steifigkeit bei haptischen Systemen beliebten parallelkinamtischen Strukturen an. Das umfassende Kapitel des Abschnitts II beschäftigt sich mit dem Aktorentwurf. Hier werden alle bekannten Aktorprinzipien kurz erläutert und bezogen auf die Anwendungen in haptischen Geräten diskutiert. Im Kapitel Kraftsensorik wird die für Telemanipulations- und rückgekoppelte Systeme relevante Kraftsensor-Technologie beschrieben. Im Anschluss beschäftigt sich ein Kapitel mit Positionssensorik und den Möglichkeiten, die für haptische Anwendungen notwendigen Auflösungen zu erreichen. Eine Vorstellung von möglichen Schnittstellen und besonderen Interfacesystemen schließt den hardwareseitigen Entwurf ab. Im anschließenden Kapitel Softwareentwurf werden Begrifflichkeiten aus der Informationstechnologie in dem Maße eingeführt, wie sie für den Hardwareingenieur für ein umfassendes Verständnis des Einsatzes und der Problematik der Anbindung von Hardware an z.B. Simulationsumgebungen notwendig ist. Der Abschnitt schließt mit einer abschließenden Betrachtung zum Entwurf haptischer Systeme sowie einem Fazit.
Teil I
Grundlagen des haptischen Entwurfs
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Der Entwurf haptischer Systeme hat immer zum Ziel, den Tast- sowie den Bewegungssinn des Menschen zu täuschen. Dazu wird in diesem Teil des Buches ein grundlegendes terminologisches Verständnis, sowie ein übergeordneter Blick auf die Biologie und die Anwendung der physiologischen Erkenntnisse auf die technischen Problemstellungen vermittelt: • Kapitel 1 fasst die Motivation zum Entwurf haptischer Systeme zusammen. Es beschreibt die Bedeutung der Haptik im gesellschaftlichen Kontext sowie im beruflichen Alltag, um die Bedeutung dieses Sinnes und die daraus resultierende Verantwortung bei dessen Täuschung bewusst zu machen. • Kapitel 2 dient der Einführung übergreifender Begrifflichkeiten und dem Verständnis der an der haptischen Forschung beteiligten unterschiedlichen Disziplinen. • Kapitel 3 vermittelt ein grundlegendes Verständnis der an der haptischen Wahrnehmung beteiligten biologischen Sensoren (Rezeptoren) von Vorteil, um die Parameter technischer Einflussnahme einzuschätzen und ein Gefühl für die Fähigkeiten dieses komplexen Sinnes zu erhalten. • Als logische Konsequenz aus der technischen Einflussnahme beschreibt Kapitel 4 die technische Modellierung des Menschens als mechanische Last (Abschnitt 4.2) für das System und als frequenzabhängiger mathematischer Parameter (Abschnitt 4.3) für die Wahrnehmung. Zusammen ergibt dies ein Modell für die Mensch-Maschine-Interaktion und die Wahrnehmung dynamischer, physikalischer Größen. • Kapitel 5 führt ausgehend von diesem Modell die wichtigsten Klassen haptischer Geräte ein und leitet aus einer Sinn-bezogenen Betrachtung über zum technischen Entwurf haptischer Systeme.
Kapitel 1
Motivation und Anwendungen haptischer Systeme
T HORSTEN A. K ERN
1.1 Bedeutung der Haptik aus philosophischer und sozialer Sicht Haptik beschreibt den Tastsinn und den Bewegungssinn. Ein Ingenieur ist geneigt die Haptik in Form von Kräften, Auslenkungen, Frequenzen, mechanischen Spannungen und Scherkräften zu beschreiben. Dies ist selbstverständlich vernünftig und fördert die Möglichkeiten zum technischen Entwurf. Dennoch ist die Haptik mehr als das. Haptische Wahrnehmung reicht von einer selbstverständlichen Nebensächlichkeit im Interaktionsalltag, beim Trinken aus einem Glas oder dem Schreiben dieses Textes, über ein Mittel der sozialen Kommunikation, beim Händeschütteln und Auf-die-Schulter-Klopfen, bis hin zu sehr persönlichen und privaten zwischenmenschlichen Erfahrungen. Das folgende Kapitel legt die Bandbreite und den Einfluss der Haptik auf den Menschen jenseits von technischen Beschreibungen dar, und ist nicht zuletzt ein Hinweis an den Entwickler, verantwortungsvoll und bewusst mit der Fähigkeit zur Täuschung dieses Sinnes umzugehen.
1.1.1 Haptik als Grenze des physischen Seins Haptik stammt vom griechischen Begriff ”haptios” und bezeichnet etwas Greifbares. Tatsächlich hat sich das Bewusstsein für den haptischen Sinn in der Menschheitsgeschichte mehrfach gewandelt. A RISTOTELES setzt bei einer Aufzählung der fünf Sinne den Tastsinn an die letzte Stelle 1. sight, Gesichtssinn 2. hearing, Hörsinn 3. smell, Geruchssinn
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1 Motivation und Anwendungen haptischer Systeme
4. taste, Geschmackssinn 5. touch, Tastsinn bescheinigt dem Sinn aber auch gleichzeitig eine hohe Bedeutung im Sinne einer Unentbehrlichkeit [3]:
Manche Tierarten haben alle Sinne, manche nur einige davon, manche nur einen, den am wenigsten zu entbehrenden, den Tastsinn. Die gesellschaftliche Einschätzung des Tastsinns hat alle denkbaren Phasen durchlebt. So war er häufig mit dem Makel des Schmutzes behaftet, da durch ihn hindurch Lust vermittelt werden kann: ”Das Sehen unterscheidet sich vom Tasten durch die Reinheit, und ebenso unterscheidet sich Gehör und Geruch vom Geschmack: in gleicher Weise sind auch die Lustempfindungen unterschieden [281].” Er wurde als Sinn der Ausschweifung [78] bezeichnet und bei einer pauschalen Einteilung zwischen niederen und höheren Sinnen fast kontinuierlich als Sinn niederer Klasse geführt. Im westlichen Umfeld hat darüber hinaus die Kirche und deren Einflussnahme auf die zwischenmenschliche Berührung den Tastsinn und die damit verbundenen Freuden als verbotenen Sinn gebrandmarkt. Im 18. Jahrhundert veränderte sich hingegen die öffentliche Wahrnehmung des Tastsinns, K ANT wird folgende Aussage zugeschrieben [123]: ”Dieser Sinn ist auch der einzige von unmittelbarer äußerer Wahrnehmung; eben darum auch der wichtigste und am sichersten belehrende, dennoch aber der gröbste.... Ohne diesen Organsinn würden wir uns von einer körperlichen Gestalt gar keinen Begriff machen können, auf deren Wahrnehmung also die beiden anderen Sinn der ersten Klasse (Anm.: Sehen und Hören) ursprünglich bezogen werden müssen, um Erfahrungswissen zu verschaffen” K ANT weist damit auf die eine zentrale Funktion des Tastsinns hin. Der Tastsinn ist dazu da, die räumliche Wahrnehmung zu schulen. Erst das Anfassen ermöglicht es, die räumlichen Zusammenhänge, die wir aus den anderen Sinnen erlangen, einzuordnen und in Beziehung zueinander zu setzen. Zwar sind wir früh in der Lage, räumlich zu sehen und zu hören, aber die erstmalige Interpretation des Gesehenen, die Verknüpfung der beiden getrennt dargebotenen Bilder erfordert in der frühen Entwicklung ein Erfahren von Entfernungen zu Objekten. Dies wiederum kann nur über einen Sinn vermittelt werden, der den gesamten Raum von der Verkörperung des Seins bis hin zu dem Objekt überbrücken kann. Ein solcher Sinn ist der Tastsinn, der sich über die gesamte Grenze des physischen Selbst erstreckt, der Haut.
1.1 Bedeutung der Haptik aus philosophischer und sozialer Sicht
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Ein schönes Beispiel hierfür ist das Tragen einer Brille. Kurzsichtigkeit führt dazu, dass Brillen durch Ihren räumlichen Abstand zur Linse eine Verkleinerung der Abbildung der Umwelt auf der Netzhaut herbeiführen. Brillenträger haben also beim Tragen der Brille eine veränderte Sicht von Größe, so auch z.B. von der eigenen Körpergröße gegenüber dem Zeitraum, wenn sie Kontaktlinsen tragen. Bei jedem Wechsel zwischen den beiden Sehhilfen muss sich die Wahrnehmung des Körpers anpassen. Je nach Grad der Fehlsichtikeit ist dies ein durchaus bewusst wahrnehmbarer Prozess und in der Regel aber nach Einsatz von bekannten Bezugsgrößen (also Arme, die etwas berühren und Beine, die gehen) in wenigen Sekunden vollzogen.
Gerade im 20. Jahrhundert spricht auch die Kunst den Tastsinn an bzw. spielt mit diesem. Die Pelztasse (Abb. 1.1) macht einem auf drastische Art und Weise die Bedeutung von haptischer Textur als Oberflächenbeschaffenheit bewusst. Während die generelle Form der Tasse erkennbar und bekannt ist, ist die glatte Keramikoberfläche von Haaren überzogen. Der Kampf mit dem Schlamm (Abb. 1.2) erinnert daran, dass mitnichten nur Hände und Finger für den haptischen Sinn relevant sind, sondern vielmehr dieser Sinn sich als Hautsinn über den ganzen Körper erstreckt. Das ”Tapp- und Tastkino” (Abb. 1.3), bei dem 1968 VALIE E XPORTS nackte Haut durch einen Vorhang von Besuchern 12 s betastet werden durfte, war nach Vorstellung der Künstlerin Voyeurismus, die entscheidende Möglichkeit durch den direkten taktilen Kontakt sexuelle Freiheit ohne Voyeurismus erlebbar zu machen [70]. Und dies sind nur einige der Beispiele, bei denen Kunst und Künstler mit der haptischen Wahrnehmung in ihrer Mannigfaltigkeit gespielt haben.
Abb. 1.1 M ERET O PPENHEIM: Die Pelztasse 1936 [70][180].
Aber auch die haptische Interaktion mit virtuellen Welten und Empfindungen wird zur Kunst erhoben, wie an den Exponaten parallel zu den WorldhapticsKonferenzen regelmäßig eindrucksvoll durch das MIT Media Labaratory unter Prof. I SHII oder die Graduate School of Systems and Information Engineering der Uni-
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1 Motivation und Anwendungen haptischer Systeme
Abb. 1.2 K AZUO S HIRAGA : Doro ni idomu (Kämpfen mit Schlamm) 1955 [70][211].
Abb. 1.3 VALIE E XPORT: Tapp- und Tastkino 1968 [70].
versität Tsukuba unter Prof. I WATA demonstriert werden (Abb. 1.4). Und diese Exponate sind nur aufsehenerregende Ausprägungen der Disziplin von ”Tangible user interfaces” (TUI) , die unter Schwerpunkt auf eine intuitive Nutzerschnittstelle haptisch erfahrbare und auch rekonfigurierbare Objekte mit visuellen Displays kombinieren. Es existiert viel mehr, wenn man gelernt hat danach zu suchen. Der Tastsinn ist also vieles, eine Begrenzung des physischen Selbst, die hilft Entfernungen einzuschätzen und andere Sinne wie das Sehen zu kalibrieren. Er ist darüber hinaus ein Mittel sozialer Kommunikation und gerade durch seine begrenzende Funktion ein Mediator sehr persönlicher Erfahrungen. Weiterhin ist er wie alle anderen Sinne auch ein Zielobjekt der Kunst, die durch Täuschung, Verzeichnung und Überhöhung die Bedeutung des Sinns bewusst macht. Neben diesen Facetten ist er
1.1 Bedeutung der Haptik aus philosophischer und sozialer Sicht
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Abb. 1.4 Beispiel für ”Tangible Bits”, bei denen das Öffnen einzelner Flaschen unterschiedliche Daten, hier die einzelnen Instrumentalstimmen eins Trios, aktivieren und hörbar machen [108] .
aber auch in seiner Funktion und seinen dynamischen Eigenschaften ein beeindruckender Sinn. Dies zu erläutern ist Gegenstand der folgenden Abschnitte.
1.1.2 Was prägte den Tastsinn Wie im vorangegangenen Kapitel bereits erläutert, erfüllt der Tastsinn eine Vielzahl von Funktionen. Das Wissen über diese Funktionen ermöglicht es dem Ingenieur, Anforderungen an das technische System zu formulieren. Es hilft, sich kurz über den Sinn und Zweck dieses Sinnes Gedanken zu machen. Wir wählen dazu (noch) nicht den Weg die Kenndaten des Sinnes zu messen, sondern betrachten vielmehr die Eigenschaften der Objekte, die durch den Sinn unterschieden werden können. Neben der Wahrnehmung der Grenzen des Körpers dient er insbesondere zur Analyse von Oberflächenbeschaffenheiten. Der Mensch und seine Vorfahren mussten Strukturen von Früchten und Blättern ertasten können, um z.B. den Reifegrad zu beurteilen oder eine pelzige, eventuell ungenießbare Beere von einer glatten Frucht zu unterscheiden. Der haptische Sinn ermöglicht es, eine potentiell verletzende Struktur, z.B. einen stacheligen Samen, so vorsichtig zu greifen und mit ihr zu hantieren, so dass der Inhalt trotz der umgebenden Nadeln zugänglich gemacht werden kann. Der Tastsinn ist also darauf optimiert, Oberflächenrauhigkeiten wahrzunehmen und zu unterscheiden. Diese Oberflächenrauhigkeiten reichen von keramischen oder lackierten Oberflächen mit Strukturweiten im niedrigen μ m Bereich über angerauhte Oberflächen von beschichteten Schreibtischen bis hin zu grob ge-
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1 Motivation und Anwendungen haptischer Systeme
webten Kord-Stoffen mit Maschenweiten in Millimeter-Abmessungen. Der Mensch hat sich dafür eine typische Art der haptischen Interaktion mit Oberflächen angeeignet, die Rückschlüsse auf den zugrunde liegende Wahrnehmung liefert. Er bewegt dazu seine Finger relativ zur Oberfläche (Abb. 1.5), so dass Scherkräfte in die Haut eingeleitet werden. Die Höhe der Scherkräfte ist somit abhängig von der Güte der Reibkopplung zwischen Oberfläche und Haut, der tangentialen Elastizität der Haut in Abhängigkeit von der mechanischen Vorspannung resultierend aus der Normalkraft Fnorm und der Geschwindigkeit Fexplr der Bewegung und der Art der Kopplung μ.
m
Fnorm vexplor
Abb. 1.5 Illustration des Zusammenspiels aus Bewegung, Normalkraft auf die Fingerbeere und Reibkopplung .
Wer schon einmal eine technische Reibkopplung entworfen hat weiß, dass zwischen zwei Oberflächen über viskose Reibung lediglich mechanische Kopplungsfaktoren zwischen Anpresskraft und Scherkraft von bestenfalls μr = 0.1 erreicht werden können. Um dennoch effizienter Scherkräfte in die Haut einzuleiten, hat sich die Natur an den zum Ertasten wichtigsten Stellen eine besondere Hautoberfläche einfallen lassen, den Fingerabdruck. Über die Papillarleisten werden Scherkräfte effizienter in die Haut eingekoppelt, da über die Stege der Leisten die Reibkraft ein Biegemoment in den oberen Hautschichten erzeugt. Außerdem erlauben die Leisten für Strukturweiten in ähnlicher Größenordnung sogar geringe Formschlüsse, also Verkantungen zwischen Haut und ertasteter Oberfläche. Diese im ersten Moment überraschende aber unter Betrachtung der Tatsache, dass die Natur keine Struktur am Körper ohne Grund einführt, dann doch logische Erkenntnis hat zwei praktische Auswirkungen. Zum einen ist das Verständnis der Einleitung von Scherkräften über die Papillaren Gegenstand aktueller Forschung, um die physikalischen Mechanismen physiologischer Wahrnehmung besser zu verstehen [65] und das Design von taktilen Displays zu optimieren. Zum anderen ist die Anwendung dieser Erkenntnis zur Verbesserung der Messgenauigkeit kommerzieller Kraftsensoren nutzbar [267]. Weitere Details zu den biologischen Grundlagen taktiler Wahrnehmung werden in Kapitel 3 dargestellt. Der Tastsinn wurde also vor allem durch die Notwendigkeit zur Unterscheidung von Oberflächen geprägt. Nun ist die Haut zwar unser empfindlichstes, nicht aber unser einziges haptisches Sinnesorgan. In den Muskeln und Gelenken sitzen wei-
1.1 Bedeutung der Haptik aus philosophischer und sozialer Sicht
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tere Rezeptoren, die uns einen Eindruck von wirkenden Kräften vermitteln. Dieser Eindruck wird als kinästhetische Wahrnehmung bezeichnet. Wer schon einmal ein Gewicht von ein bis zwei Kilo (z.B. ein gut gefüllter Krug) am ausgestreckten Arm waagrecht zum Boden gehalten hat, der wird weniger den taktilen Eindruck der Oberflächenbeschaffenheit des Henkels in Erinnerung haben, sondern vielmehr das Gefühl von angespannten Muskeln, die langsam ermüden, und die dadurch resultierende Änderung der Winkelstellung der Gelenke. Letzteres wird als ”kinästhetische” Wahrnehmung bezeichnet. Während taktile Wahrnehmung v.a. die in Kräften (≈ 5 mN..5 N) und Auslenkungen (≈ 1 μ m..1 mm) niedrige und in Frequenzen hohe (≈ 10 Hz..1000 Hz) Interaktion zwischen Haut und Objekt beschreibt, so werden in Amplitude und Auslenkungen höhere und im Frequenzbereich niedrigere Kräfte vor allem in Gelenken aufgenommen. Dies macht es dem Menschen, aber auch jedem anderen Lebewesen mit Muskulatur und starrer Stützstruktur, sei es ein Chitinpanzer oder Röhrenknochen, möglich, sich koordiniert zu bewegen und gezielt mit der Umwelt zu interagieren. Während die taktile Wahrnehmung bei passiver (z.B. eine Relativbewegung zwischen still-stehende Fingerspitze und einer sich bewegenden Oberfläche) und aktiver (z.B. die Fingerspitze bewegt sich über die relativ dazu ruhenden Oberfläche) Interaktion ähnliche Wahrnehmungen hervor ruft, so ist die kinästhetische Wahrnehmung komplexer, weil durch weitere Faktoren beeinflusst. Der Mensch kann sich in seinem mechanischen Verhalten willentlich ändern. Ein Händeschütteln des gleichen Menschen kann steif und fest sein, es kann aber auch locker und freundschaftlich sein. Alleine die Kopplung aus Muskulatur, Gelenkstellungen und Wahrnehmung ermöglicht eine bewusste Einflussnahme auf die Kinästhetik des Menschen, so dass auch die Intensität kinästhetischer Wahrnehmung bei unveränderlicher Umwelt angepasst werden kann. Dies ermöglicht es uns, mit den gleichen Händen einen Schlag abzublocken, mit denen wir ein Baby in den Schlaf wiegen. Es ermöglicht uns eine Struktur vorsichtig taktil abzutasten, bevor wir sie fest greifen. Die Grenzen zwischen Aktio- und Reaktio, Aktiv und Passiv verschwimmen in der Kinästhetik. Diese Erkenntnis hat hohe Bedeutung für die Anforderungen an die regelungstechnischen Strukturen, die für den Entwurf haptischer Systeme genutzt werden können (Kapitel 5). Gleichzeitig stellt diese Anpassungsfähigkeit und die Unschärfe der Systemgrenzen haptischer Interaktion ein Problem für den Entwurf des technischen Gerätes dar.
1.1.3 Besonderheiten im Entwurfprozess Der Entwurf eines beliebigen technischen Systems ist immer eine lange Reihe von Kompromissen. Die Leistung des Ingenieurs liegt darin, die Kompromisse entsprechend bestehender Vorgaben, den Anforderungen, so auszuwählen, dass diese dennoch erreicht werden. Häufig sind die Kompromisse finanziell motiviert - ein Produkt sollte zumeist günstig in der Herstellung sein, ohne dabei Leistung einzubüßen. Eine Optimierung von Systemen mit Schnittstellen zu anderen rein technischen Systemen ist häufig hinsichtlich dieser Anforderungen elegant möglich, da
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1 Motivation und Anwendungen haptischer Systeme
die technischen Systeme in Ihren Kenndaten recht genau bekannt sind und ein technischer Entwurf die Kenndaten mit gewissen Sicherheitsannahmen berücksichtigen kann. So ist die Auslegung eines Sensors zur Erfassung einer Rotationsgeschwindigkeit eines Rades, z.B. ein Tachometer, eine relativ übersichtliche Aufgabe, da die erforderlichen Geschwindigkeiten bekannt sind, und Störgrößen wie Temperaturbereiche sowie Feuchtigkeit identifiziert oder mit hoher Genauigkeit gemessen werden können. Lautet die Aufgabe eine zweidimensionale Bewegung eines von einem Menschen geführten Gerätes auf einer ebenen Oberfläche zu messen - z.B. eine Computermaus -, dann sind die Anforderungen ebenfalls relativ einfach zu identifizieren. Die Temperaturbereiche sind bekannt, die Störgrößen lassen sich auf die optische, sowie mechanische Oberflächen-Beschaffenheit eingrenzen und dann gezielt ermitteln. Alleine die Geschwindigkeit ist nicht mehr eindeutig durch ein technisches System gegeben, sondern resultiert aus der Überlegung, welche maximalen Geschwindigkeiten eine menschliche Hand erreichen kann. Hier treten bereits Unsicherheiten auf, da die Dynamik menschlicher Bewegung zwar messtechnisch erfasst werden, dennoch aber eine hohe Streuung zwischen einzelnen Menschen auftreten kann. Diese Streuung betrifft die technischen Anforderungen von jedem durch den Menschen genutzten Objekt, und seien es nur die Abmessungen von Tischen und Stühlen. Der Umgang mit derartigen Streuungen und den dazugehörigen Messmethoden und statistischen Analysemethoden findet Anwendung in der anthropometrischen Modellbildung zur ergonomischen Gestaltung von Arbeitsplätzen [148] sowie der ergonomischen Normung ISO 9241/DIN 33 402 1 . Die Lehre der Anthropometrie gilt im statischen (Längen, Größen) und dynamischen (Geschwindigkeiten) Fall. Fakt ist: Jede Menschen-bezogene Kenngröße unterliegt einer so breiten Streuung, dass bei der Angabe von ergonomischen oder anthropometrischen Daten nur eine prozentuale Abschätzung in Form von Percentilen (Abb. 1.6)getroffen werden kann. Die Percentile sind ein Prozentwert über die Gesamtheit der interessierenden Daten (z.B. europäische weibliche Kinder zwischen 10 und 15 Jahren) und schließt je nach Zusammenhang die Menschen ein oder aus, die aufgrund ihrer Körpermaße das entsprechende Percentil übersteigen bzw. niedrige liegen. Bezüglich der Beschreibung von Körpermaßen und Dynamiken hat sich die oben vorgestellte Beschreibung über Percentile etabliert, was der natürlichen Streuung der Menschen gerecht wird. Bezüglich der Beschreibung von Sinnesorganen und deren Leistungen werden meistens Mittelwerte als Näherungen z.B. eines Schwellwertes verwendet2. Im Falle der Täuschung von menschlichen Sinnen lautet die Lösung für die Kompromisssuche häufig, die Amplitude, Amplitudenänderung oder Dynamik, die ein technisches System aufweisen muss, um einen ”realistischen” oder ”ausreichenden” haptischen Eindruck zu erzeugen. Die Wortwahl zeigt be1
Ergonomie ist die Wissenschaft von der Gesetzmäßigkeit menschliche Arbeit Die Verwendung von Mittelwerten zur Beschreibung der Fähigkeiten von Sinnesorganen ist zweifelhaft, findet aber in den meisten Veröffentlichungen Anwendung. Die Angabe von Streuungen würde der Variabilität der Wahrnehmung unterschiedlicher Menschen näher kommen. Eine Vermutung, warum dieses Vorgehen dennoch Anwendung findet, könnte sein, dass die Datenlage und somit die Zahl der Messungen nicht hinreichend genau ist, um ein den Percentilen vergleichbares Konzept anzuwenden.
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1.2 Die Bedeutung der Haptik im beruflichen Alltag
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Abb. 1.6 Anthropometrische Gestaltung von Sitz- und Steharbeitsplätzen unter Berücksichtigung des 5% und des 95% Percentil nach DIN 33406.
reits, dass die Anforderungen selten konkrete nachprüfbare Messwerte beinhalten, sondern sie sollen zumeist einen bekannten Zustand nachbilden, so dass eine Personengruppe - oder einfach nur der Vorgesetzte oder der Aufsichtsrat - mit dem haptischen Eindruck zufrieden ist. Dies ist in der Regel eine unbefriedigende Anforderung und wird im Verlaufe des Buches und insbesondere in Kapitel 6 noch tiefer gehend diskutiert.
1.2 Die Bedeutung der Haptik im beruflichen Alltag Die Bedeutung der Haptik im beruflichen Alltag unterscheidet sich in Abhängigkeit des betrachteten Berufes. Bei handwerklichen Berufen (handcraft) impliziert bereits der Name die Bedeutung der Haptik für die Ausführung der Tätigkeit. Kein Maurer, Schreiner, Metzger, Elektroinstallateur, Klempner oder Friseur wäre in der Lage den Beruf auszuführen, wenn nicht der Tastsinn wichtige Informationen über das Werkstück vermitteln würde, seien es die Haare zwischen den Fingern, die Feuchtigkeit der Wand (als geänderte Wärmekopplung), die Kabelseele in der Isolation, der Unterschied zwischen Sehne und Muskelfleisch, die Maserung von Kiefer und Buche, die Konsistenz des Speißes. Nicht umsonst steigt auch beim aktuellen Stand der Technik mit der geforderten Präzision der handwerklichen Tätigkeit die Einfachheit der Werkzeuge und somit die Involvierung des Menschens. Während eine erste Erdschicht mit einem Bagger ausgetragen werden kann, ist bei der Annäherung an eine in der Erde verbogenen Struktur der Einsatz einer Schaufel, vielleicht eines Spatels und bei Präzisionsarbeiten eines Pinsel oder eben des nackten Fingers notwendig. Doch auch im Handwerk hat mit dem Einsatz von immer flexibleren Maschinen die Abwendung vom Werkstück und dessen Eigenschaften eingesetzt. Heute bemängeln Meister, dass Lehrlinge entweder kein ”Gefühl” mehr für Materialien und ihre Eigenschaften haben, oder zwar das manuelle Geschick, nicht aber
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1 Motivation und Anwendungen haptischer Systeme
den informationlastig-technologischen Überbau in ihrem Berufszweig zur Steuerung der Maschinen mitbringen. Durch die Optimierung der Schnittstelle zwischen handwerklicher Arbeit und Maschinenprogrammierung wird versucht, in einigen Sparten diesem Trend entgegen zu steuern. Doch in anderen Berufssparten, fernab dessen, was die Bezeichnung Hand im Namen trägt, hat der Verlust des Tastsinns im beruflichen Alltag schon stattgefunden:
1.2.1 Der Tastsinn im medizinischen Alltag Ein akademischer Beruf, der große handwerkliche Fähigkeiten verlangt, findet sich in vielen medizinischen Disziplinen wieder. Sowohl zur Diagnostik, wie zur Therapeutik werden die Fähigkeiten des Tastsinns eingesetzt. Sei es zur Identifikation von Hauterkrankungen, Gelenkdiagnostik, Abtasten der inneren Organe von außen wie durch Körperöffnungen, oder der direkte chirugische Eingriff mit der Transplantation eines Herzens, dem Sägen eines Schädelknochens oder der Punktion des Spinalkanals. Der Tastsinn vermittelt dem Mediziner eine Mannigfaltikeit an Informationen über Textur, Steifigkeit und Temperatur der Organe. Informationen, die er anders nicht in solch direkter Form erlangen würde. Dennoch gibt es sowohl in der Diagnostik, wie in der Therapeutik Möglichkeiten und auch Notwendigkeiten, den Tastsinn zu substituieren. So können durch Magentresonaztomographie die Bänder und Menisci des Kniegelenkes eindeutig dargestellt werden. Eine beanspruchende, manuelle Untersuchung des Bewegungsraumes ist daher nicht zwingend notwendig, vor allem, da die Durchführung und Interpretation der haptisch gefühlten Begrenzungen Erfahrung benötigt. Darüber hinaus sind die Resultate dem Patienten schwerer zu kommunizieren, als dies durch einen bildhaften Beweis möglich ist. Vergleicht man lediglich den Aufwand in der Datenerhebung, so wäre aus gesundheitsökonomischen Gesichtspunkten die haptische Diagnose vorzuziehen. Ein Kompromiss stellen Geräte wie der ”Wristalyzer” [77] dar, die Gelenkbewegungen - hier des Handgelenks - mit unterschiedlichen Lasten beaufschlagen können oder aktiv bewegen, und parallel die Drehmoment vs. Winkel Kennlinien oder vollständige Elektro-Myogramme der beteiligten Muskeln aufnehmen. In einer Ausbaustufe mit aktiver Krafterzeugung können vergleichbare Systeme für Rehabilitations- und Trainingszwecke in allen Gelenkbereichen der Extremitäten, Hals-Wirbelsäule und Beckenbereich gefunden werden. Unter Berücksichtigung aller Faktoren ist im Moment eine Tendenz zur Technisierung derartiger Diagnostik und Therapeutik zu beobachten. In der Chirurgie ist die zwingende Notwendigkeit zur Technisierung und dem damit verbundenen Verlust des Tastsinns eher gegeben. Der Wunsch nach geringen kosmetischen Beeinträchtigungen durch Narben nach Operationen von dem Blinddarm (appendix) angefangen, über den Leistenbruch bis hin zur Herzbeipass führt zu der Entwicklung von laparoskopischen Instrumenten (Abb. 1.7), die durch ihre Länge und den mechanischen Aufbau einen Filter für haptische Informationen bilden. Die Entkopplung hat mit dem DaVinci-System (Abb. 1.8) - einem laparoskopischen Telemanipulationssystem ohne Kraftrückkopplung - ihren vorläufigen
1.2 Die Bedeutung der Haptik im beruflichen Alltag
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Höhepunkt. Da der Verlust des Tastsinns für chirurgische (wie auch sonstige internistische) Eingriffe bedauert wird, gibt es eine Vielzahl von Forschungsprojekten, die sich zum Ziel gesetzt haben, den Verlust durch die Anwendung alternativer Technologien [73] oder verbesserter Instrumente mit integrierter Kraftrückkopplung [203] zu kompensieren (Abb. 1.9).
Abb. 1.7 Starre laparoskopische Zange von Karl Storz.
Chirurg an der Steuerkonsole
Chirurgisches Robotersystem DaVinci
R Abb. 1.8 Chirurgischer Telemanipulator DaVinci von Intuitive Surgical, Installationin München .
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1 Motivation und Anwendungen haptischer Systeme
Bedienund Kontrollelement
15 mm
Aktortopf Ultraschallaktorik
Prallelkinematische Instrumentenspitze
Abb. 1.9 Funktionsmusters eines handgehaltenen laparoskopischen Telemanipulators mit erhöhter Zahl an Freiheitsgraden an der Instrumentenspitze sowie vorbereiteter intrakorporaler Kraftmessung und haptischem Feedback auf dem Kontrollelement [203].
1.2.2 Der Tastsinn im Cockpit Neben dem Ziel der Informationsgewinnung von bereits mechanisch vorliegenden Informationen (Elastizität, Oberflächenstruktur, etc.), gibt es die Notwendigkeit in informationslastigen Arbeitsumfeldern zusätzliche Daten auf die verschiedenen Sinne sinnvoll zu verteilen. Solche Arbeitsumfelder sind zumeist ControllingAufgaben, in denen der Mensch zeitkritische und verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen hat, wie in einem Jet, Flugzeug oder aber auch am Steuer des eigenen PKWs. Die Entwickler und Designer dieser Cockpits haben i.d.R. die Wahl zwischen der Verwendung des optischen, akkustischen und des haptischen Sinneskanals. Bereits die Wahl eines Scrollrades mit Endanschlägen statt eines reinen Inkrementalgebers wird durch die Erkenntnis beeinflusst, dass z.B. eine Bereichswahl eher möglich ist, wenn Anfang und Ende des Bereiches haptisch spürbar gemacht werden können [14]. Bedienelemente wie der i-drive in BMW ermöglichen eine Veränderung der haptischen Eigenschaften im Betrieb und daher eine weitere Dimension der Informationsvermittlung. Warnsignale werden bereits jetzt durch Vibrationsmotoren und sogenannte Taktons vermittelt. Insbesondere im militärischen Bereich ist eine komplexe räumliche Orientierung auf Basis von vibrierenden Kleidungsstücken (Abb. 1.10) für Marine und Flugpersonal Gegenstand aktueller Forschung [259, 113]. Bereits praktische Anwendung haben aktive Sidesticks im Flugzeug und vibrierende Bremsassistenten im PKW gefunden.
1.2 Die Bedeutung der Haptik im beruflichen Alltag
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Abb. 1.10 Mit Vibratoren bestückte Weste zur räumlichen Kodierung von Lagekoordinaten (TNO, Netherlands) [259].
1.2.3 Der Tastsinn am Schreibtisch In kaum einem anderen beruflichen Feld hat der Tastsinn so stark an Bedeutung verloren. Während der Umgang mit Papier, Stiften unterschiedlicher Art, Linealen, Aktenordnern, Ablagen noch vor wenigen Jahrzehnten den Tastsinn mannigfaltig gefordert hat, so ist die Schnittstelle eines Büroarbeitsplatzes heute eindeutig durch Tastatur und Maus definiert. Die Haptik von Tastaturen ist aufgrund der Konzentration auf diese eine Schnittstelle von außergewöhnlich hoher ergonomischer Bedeutung. Neben der Schaltcharakteristik der Taste ist die Oberflächenbeschaffenheit, die taktile Markierung auf den Buchstaben F und J (Abb. 1.11), sowie die Form und Größe der Taste ein unbedingt zu berücksichtigendes Entwurfskriterium. ISO 9241-400 definiert klare Entscheidungspfade, sowohl für den Designer als auch für den Käufer von Tastaturen. Dennoch steht es außer Frage, dass ökonomischer Gewinn beim Entwurf von Schnittstellen im Büro nicht durch die Änderung an Tastatur oder Maus erreicht werden kann, sondern vor allem durch Optimierung der Softwareergonomie. Dies führt dazu, dass in vielen Fällen der Begriff des ”Interface” ausschließlich auf graphische Interfaces beschränkt ist. R ASKINs ”The Humane Interface” [197] ist eine dezidierte und unterhaltsame Aufstellung von Softwarelösungen mit unergonomischen graphischen Interfaces und gibt Methoden und Entwurfskriterien zu deren Verbesserung.
1.2.4 Der Tastsinn in der Musik Von einem abstrahierten Standpunkt aus betrachtet hat der haptische Sinn vielfältige Parallelen zur akustischen Wahrnehmung. Beide dienen der Erfassung mechanischer Schwingungen und liegen in einem vergleichbaren Frequenzbereich, wobei
20
1 Motivation und Anwendungen haptischer Systeme
Abb. 1.11 Tastatur des Autors mit taktilen Markern auf den Buchstaben J und F.
der haptische Sinn zwei Dekaden niedrigerer Frequenzen (<10 Hz) besser wahrnimmt, während der akkustische Sinn zwei Dekaden höherer Frequenzen (>1 kHZ) besser erfasst. Diese Parallelen werden in der Musik gerne genutzt. Aber nicht nur um die Schwingungen einer Saite einer hochwertigen Geige oder einer Harfe zu ertasten, oder um das sanfte Vibrieren eines Blasinstrumentes beim tiefen A zu spüren, sondern auch bei sehr hilfreichen Ergänzugen zur Studiotechnik. Geräte wie der ”ButtKicker” (Abb. 1.12) von The Guitammer Company sind elektrodynamische Aktoren, die dazu genutzt werden, in einem Konzert das untere Frequenzband des Hörschalls auf den Stuhl des Schlagzeugers zu übertragen. Dies ermöglicht dem Schlagzeuger ein Feedback des Rythmus in der Band, ohne die Akustik des eigenen Schlagzeugs zu übertönen. Gleichzeitig ist eine Verringerung des Schalldrucks für die Musiker mit einer solchen taktilen Lösung verbunden, da diese nicht zwangsläufig darauf bedacht sind, dieselben Schalldruck-Pegel zu erfahren wie ihre begeisterten Zuhörer. Derartige Aktoren werden auch für die Stühle von Computerspielern und für Couchen von Heimkinos zur Steigerung der Wahrnehmung von lauten, Bass-lastigen Effekten angeboten. Der Vorteil ist auch hier, dass der taktile Effekt von der Empfindung ähnlich intensiv ist wie ein deutlicher Bass-Stoß, dabei aber wenig Schalldruck und somit auch quasi keine störende Beeinträchtigung Anderer erzeugt.
1.2 Die Bedeutung der Haptik im beruflichen Alltag
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Abb. 1.12 Elektrodynamischer Aktuator ”ButtKicker” zur Erzeugung niederfrequenter Schwingungen auf einen Schlagzeughocker.
Kapitel 2
Begriffsklärungen
T HORSTEN A. K ERN
Im Rahmen der Einführung wurde bereits eine Vielzahl von Begriffen benutzt, die aus dem Kontext haptischer Forschung und Entwicklung stammen. Mit diesem Kapitel ”Begriffsklärungen” wird nun ein systematischer Einstieg in das Feld haptischer Geräteentwicklung begonnen. Die folgenden Abschnitte erläutern die an Forschung und Entwicklung beteiligten Disziplinen, führen in die Begriffe und Bezeichnungen beim Umgang mit haptischen Systemen ein und illustrieren dies mit einigen technischen Beispielen.
2.1 Wissenschaftliche Disziplinen in der haptischen Forschung In der haptischen Forschung sind im Wesentlichen drei Interessengruppen (Abb. 2.1) auszumachen, deren Grenzen fließend sind. Die Beschäftigung mit der haptische Wahrnehmung (haptic perception) arbeitet nach strengen deduktiven wissenschaftlichen Prinzipien: Aus einer Beobachtung wird eine Hypothese abgeleitet. Zu der Hypothese wird ein Experiment entworfen, das unter Ausschluss weiterer veränderlicher Parameter ausschließlich den Gegenstand der Hypothese testet. Die Hypothese wird durch die Resultate des Experiments veri- oder falsifiziert, was zu einer neuen verbesserten Hypothese führen kann. Die haptische Wahrnehmung wird dabei von zwei Disziplinen adressiert. Die Psychophysik beschäftigt sich mit der Analyse der Wirkung von physikalischen Stimuli - im Falle der Haptik vor allem mit Schwingungen und Kräften unterschiedlicher Raumrichtung und Orientierung - auf den Menschen und deren subjektive Wahrnehmung. Ziel der Psychophysik ist ein erklärendes Modell der Wahr-
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2 Begriffsklärungen Produkt Wissen Anforderungen
Service orientierte Forschung
Industrie
Haptische Messtechnik !
Grundlagenforschung
Haptische Wahrnehmung Psychophysik !
! !
Wahrnehmung von ! - maximalen und minimalen Kräften ! - absoluten Schwellwerten - Auflösung und Abhähgigkeiten - Dynamik ! Interaktion ! - Strategien - Spontane reaktionen ! ...
! ! !
Standardisierung und Normung Kraftmessung Schwingungsmessung Bewegungs-, Geschwindigkeits- und Beschleunigungsmesstechnik
Neurobiologie Rezeptoren in Typ und Dichte Zusammenhänge zwischen Rezeptoren und kombinierte Wahrnehmung Nerven-Übertragung Ort- und Vorgänge in der Informationsverarbeitung Reaktionen
Angewandte Forschung
Haptische Synthese
Virtual Reality !
!
!
Hardware Interfaces - taktie - kinästhetisch - Information verarbeitung - Aktore und Kinematikentwurf Software Simulation - Algorithmik - Graphik and Haptik - Augmented reality Regelungstechnik für zeitdiskrete Systeme
Telemanipulation !
! ! ! !
Hardware Interfaces - taktile - kinästhetisch - Aktor und Kinematikentwurf Hardware Schnittstelle - Kraftmessungt Regelungstechnik für rückgekoppelte Systeme Telepräsenz Kommunikation und Totzeiten
Abb. 2.1 Übersicht über die an der haptischen Forschung beteiligten Disziplinen.
nehmung. Die Neurobiologie betrachtet die biologisch messbaren Zusammenhänge und analysiert damit die direkte Wandlung physikalischer Stimuli in neuronale Signale und deren Weiterverarbeitung im Gehirn. Beide Disziplinen ergänzen sich, so dass die neurobiologische Modellvorstellung Teile des psychophysikalischen Modells erklären können sollte. Diese wissenschaftlichen Disziplinen formulieren zur Durchführung der Experimente technologische Aufgaben, die in der Interessensgruppe der ”Haptischen Synthese” und der ”Haptischen Messtechnik” bearbeitet werden. Alternativ erhalten diese Gruppen Aufträge aus der Industrie, und bedienen sich dabei dem Wissen aus der Forschung zur haptischen Wahrnehmung. Diese Gruppen arbeiten im Gegensatz zur ersten Gruppe nach ingenieurstechnischen Lösungsstrategien: Aus einer technischen Fragestellung wird eine Annahme technischer Anforderungen auf Basis des aktuellen Wissensstand abgeleitet. In einem Entwicklungsprozess unter mehrfacher Überprüfung der Einhaltung sowie der Sinnhaftigkeit der ursprünglichen Annahmen wird ein Funktionsmuster und später ein Produkt entwickelt, das die technischen Anforderungen erfüllt. Dieses Produkt kann dann unter anderem zur Analyse haptischer Wahrnehmung eingesetzt werden, es kann aber auch als kommerzielles Produkt in der Spiele-, Automobil- oder Luftfahrtindustrie genutzt werden.
2.2 Begriffe und Bezeichnungen beim Umgang mit haptischen Systemen
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Im Falle der Erzeugung haptischer Eindrücke für Virtual-Reality (VR) Anwendungen betreffen technische Fragestellung in der Regel den Entwurf haptischer Displays für entweder taktile oder kinästhetische oder für kombinierte Anwendungen. Hierbei liegt ein Schwerpunkt auf der Auswahl der richtigen Aktoren, der Steuerungselektroniken und Treiberstufen sowie auf der Signalverarbeitung. Durch die in diesen Anwendungen häufig vorliegende Kopplung an Simulationen, also technische Systeme mit zeitdiskreter Signalverarbeitung, ist eine Berücksichtigung der Diskretisierung und ihr Einfluss auf die Güte der haptischen Darstellung notwendig. Im Falle von Telemanipulationssystemen sind die technischen Fragestellungen vergleichbar, sie unterscheiden sich aber vor allem in der jetzt notwendigen Messtechnik zur Erfassung eines haptischen Eindrucks. Weiterhin ist die regelungstechnische Aufgabenstellung komplexer, da es sich um ein rückgekoppeltes, geschlossenes System handelt mit unbekannten Lastgrößen auf beiden Seiten.
2.2 Begriffe und Bezeichnungen beim Umgang mit haptischen Systemen Die Definition der Begriffe in Zusammenhang mit haptischen Systemen ist aktueller Gegenstand der ISO 9241-910 Norm. Viele der hier vorgestellten Definitionen sind teilweise oder ganz an die dort vereinbarte Terminologie angelehnt. Die hier vorgestellte Terminologie ist eine Empfehlung, die nach Meinung und Erfahrung der Autoren von der Mehrheit der im haptischen Umfeld tätigen Wissenschaftler geteilt wird. Es wird aber darauf hingewiesen, dass es keinen verbindlichen Konsens über die Anwendungen der Begriffe gibt, so dass viele vergangene wie aktuelle Veröffentlichungen von den hier vorgestellten Definitionen abweichen. Die hier vorgestellte Nomenklatur resultiert aus den Veröffentlichungen von H AYWARD [88], C OLGATE [171], H ANNAFORD [83], B URDEA [34], A DAMS [2] sowie einer Vielzahl weiterer Autoren.
2.2.1 Grundbegriffe der Haptik Entsprechend Abbildung 2.2 ist Haptik als die Wahrnehmung von mechanischen, thermischen und nozizeptorischen1 Sinneseindrücken zu verstehen. Sie definiert sich also eher aus dem Ausschluss von optischer, akkustischer, olfaktorischer2, gustatorischer3 Wahrnehmung von der Summe der Sinneswahrnehmungen. Demzufolge untergliedert sich die Haptik in nozizeptive, thermosensitive, kinästhetische und taktile Wahrnehmung. Der Gleichgewichtssinn nimmt eine Sonderstellung ein, 1 2 3
schmerzhaften geruchlicher geschmacklicher
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2 Begriffsklärungen
da er nicht zu den klassischen fünf Sinnen des Menschen mit eigenen Rezeptoren zählt, aber in seiner Funktion eindeutig vorhanden ist und Gebrauch macht von den Rezeptoren der anderen Sinne, inbesondere den haptischen, macht. Haptik beschreibt die sensorischen wie motorischen Fähigkeiten in der Haut, Gelenken, Muskeln und Sehnen bzw. Bändern.
Menschliche Sinne: Haptik Riechen
Hören
Sehen
Schmecken
Gleichgewicht
Wärme
Schmerz
Taktil
Kinästhetik
Abb. 2.2 Aufteilung der Sinne.
Taktil bezeichnet die mechanische Interaktion mit der Haut. Taktile Wahrnehmung ist also die Wahrnehmung von ausschließlich mechanischer Interaktion. Man beachte, dass Taktilität nicht exklusiv an Kräfte oder Bewegungen gebunden ist. Kinästhetisch bezeichnet sowohl aktorische wie sensorische Eigenschaften der Muskeln und Gelenke, und bezieht sich daher auf deren Kräfte, Momente, Bewegungen, Positionen und Winkel. Dies hat zur Folge, dass per Definition bereits jede externe kinästhetische Interaktion eine taktile Komponente hat!
2.2.2 Definition haptischer Systeme Die technischen Begriffe sind vom Speziellen ins Allgemeine gegliedert und durch Blockdiagramme illustriert. Die Pfeile zwischen den Komponenten der Blockdiagramme können je nach Ausführungsform des technischen Gerätes unterschiedliche Informationen repräsentieren und bleiben daher unbeschriftet. Mit haptischen Geräten können sowohl Auslenkungen, Kräfte als auch Temperaturunterschiede, und in wenigen Realisationen auch Stimulationen der Schmerzrezeptoren übertragen werden.
2.2 Begriffe und Bezeichnungen beim Umgang mit haptischen Systemen
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Die Begrifflichkeiten System und Gerät und Teil lassen sich nicht zufriedenstellend übergreifend definieren. In Abhängigkeit der Sichtweise kann dasselbe Objekt für den Hardwareentwickler ein Gerät, für den Softwareentwickler ein System und für einen weiteren Hardwareentwickler nur ein Teil sein. Die Begriffe sind dennoch Gegenstand des ingenieurstechnischen Sprachgebrauchs und werden demzufolge hier entsprechend verwendet.
Ein haptisches Gerät ist ein System, das Ausgangsgrößen erzeugt, die haptisch wahrgenommen werden können. Es hat also entsprechend Abbildung 2.3 wenigstens einen Ausgang, aber nicht zwangsläufig einen Eingang. Die Markierungen auf den Buchstaben F und J einer Tastatur sind taktile Markierungen, die eine Information, nämlich die korrekte Lage des Zeigefingers, vermittelt. Diese Tasten sind durch ihre Oberfläche bereits taktile Geräte. Betrachtet man die Taste weiter, so hat diese bei Betätigung einen spürbaren Schaltpunkt, der die Information enthält, dass die Taste gedrückt wurde. Diese Information wird unter anderem kinästhetisch durch Wechselwirkung der Muskel und Gelenke mit der Mechanik der Taste vermittelt. Die Taste ist also ein haptisches Gerät. Ein Nutzer ist in dem Kontext haptischer Systeme ein Empfänger haptischer Informationen. Ein haptischer Regler bezeichnet eine Komponente eines haptischen Systems, welche spezifisch zu Aufbereitung der haptischen Informationen und zur Verbesserung ihrer Übertragung dient. Pragmatisch ist dies im Falle eines Telemanipulators häufig ein Feder-Dämpfer Kopplungselement zwischen Endeffektor und Bedienelement, oder ein lokales Modell des Interaktionsbereiches zur Kompensation von Verzögerungen auf der Übertragungsstrecke. Im Falle eines haptischen Simulators ist es häufig ein einfaches LTI-Modell mit hoher Mess- und Ausgabefrequenz, welches durch die Simulation in relativ zu dieser Ausgabefrequenz langsamen Zeitabschnitten durch Parameterübergabe aktualisiert wird.
Haptischer Regler
Haptisches Gerät
Nutzer
Abb. 2.3 Haptische Geräte, Nutzer und Regler.
Haptische Interaktion bezeichnet die haptische Übermittlung von Informationen. Die Übermittlung kann sowohl bi- als auch unidirektional sein (Abb. 2.4).
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2 Begriffsklärungen
Weiterhin kann spezifischer taktile (unidirektional) oder kinästhetische (uni- oder bidirektional) Interaktion stattfinden. Eine Markierung in Blindenschrift auf einem Geldschein resultiert z.B. in einer taktilen Kommunikation von Informationen durch haptische Interaktion.
Haptisches Gerät
Nutzer
: optional Abb. 2.4 Haptische Interaktion.
Adressierbarkeit haptischer Systeme beschreibt die Unterteilung (z.B. räumlich oder zeitlich) des Ausgangssignals eines Gerätes (häufig Kraft) oder des Nutzers (häufig Positionen). Auflösung haptischer Systeme beschreibt die Fähigkeit, eine Unterteilung (z.B. räumlich oder zeitlich) des Eingangssignals zu erfassen. In Bezug auf ein Gerät entspricht dies der Messgenauigkeit. Mit Bezug auf den Nutzer entspricht dies der Wahrnehmungsgrenze. Haptischer Marker bezeichnet eine Markierung, die eine Information über das die Markierung tragende Objekt über eine bekannte Codierung haptisch kommuniziert. Praktische Beispiele sind Markierungen in Blindenschrift auf Geldscheinen oder Stadtplänen. Häufig sind die Markierungen ausschließlich taktil, es gibt aber auch kinästhetisch wirksame z.B. in Form von Gehwegbegrenzungen und Ampelmarkierungen für Sehbehinderte. Ein Haptisches Display ist ein haptisches Gerät, das eine haptische Interaktion ermöglicht und bei dem die haptisch übermittelten Informationen einer Änderung unterliegen (Abb. 2.5). Es gibt sowohl ausschließlich taktile wie haptische Displays. Eine Haptische Schnittstelle ist ein haptisches Gerät, das eine haptische Interaktion ermöglicht und bei dem die haptisch übermittelten Informationen einer Änderung unterliegen sowie eine Messgröße der haptischen Interaktion vom haptischen Gerät übermittelt wird (Abb. 2.6). Ein haptisches Interface betrachtet also immer
2.2 Begriffe und Bezeichnungen beim Umgang mit haptischen Systemen
Haptisches Gerät
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Nutzer
: optional Abb. 2.5 Haptisches Display.
die Kombination aus Daten und Gerät.
Haptisches Gerät
Nutzer
Force Feedback/ Kraftrückkopplung/ Haptisches Feedback Abb. 2.6 Haptische Schnittstelle.
Kraft-Rückkopplung/Force-feedback bezeichnet die Information, die bei kinästhetischer Interaktion ausgetauscht wird (Abb. 2.6). Force-Feedback (FFB) ist ein durch kommerzielle Produkte wie FFB-Joysticks, FFB-Lenkräder oder sogar FFBMäuse geprägter Begriff und wird daher nicht immer konsistent mit der sonstigen Terminologie verwendet. Ein Haptischer Manipulator ist ein System, das mit Objekten mechanisch interagiert, und dabei Informationen über die Raumlage sowie die wirkenden Kräfte und/oder Momente misst. Ein Telemanipulationssystem bezeichnet ein System, das eine räumlich getrennte haptische Interaktion mit einem realen physischen Objekt ermöglicht. Es gibt rein mechanische Telemanipulationssysteme (Abb. 2.7), die Kräfte und Wege über ein Hebel-Seilzugsystem skalieren. Im Umfeld haptischer Schnittstellen sind vor allem elektronische Telemanipulationssysteme entsprechend Abbildung 2.8 relevant, die eine unabhängige Skalierung von Kräften und Wegen, sowie eine Rege-
30
2 Begriffsklärungen
lung von haptischer Schnittstelle und Manipulator ermöglichen.
Abb. 2.7 Mechanischer Telemanipulator zur Gefahrguthandhabung (CRL Model L) .
Manipulator
Haptischer Regler
Haptisches Gerät
Nutzer
Objekt
Abb. 2.8 Schema eines elektronischen Telemanipulators.
Haptischer Simulator ist ein System, das haptische Interaktion mit einem virtuellen Objekt ermöglicht (Abb. 2.9). Es bedarf immer eines Computers zur Abbildung der pyhsikalischen Eigenschaften. Haptische Simulatoren und Simulationen sind die eigentlichen Triebfedern, sei es für ernsthafte Trainingsanwendungen von z.B. Chirurgen, oder Spieleanwendungen für den Freizeitbereich, für die Entwicklung haptischer Geräte (siehe Kapitel 13).
2.2.3 Eigenschaften haptischer Systeme In [151] definiert L AWRENCE die Transparency (Transparenz) T als Faktor zwischen Impedanz als Eingangsgröße des haptischen Interfaces Z in und der tatsächlich
2.2 Begriffe und Bezeichnungen beim Umgang mit haptischen Systemen
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Simulation Haptischer Regler
Haptisches Gerät
Nutzer
Virtuelles Objekt
Abb. 2.9 Haptischer Simulator.
gefühlten Impedanz Z out als Ausgangsgröße des Gerätes T=
Z in . Z out
(2.1)
Das Prinzip der Transparency findet vor allem im Bereich regelungstechnischer Stabilitätsbetrachtungen Anwendung und sollte um ± 3 dB liegen. T kann als einziger etablierter, frequenzabhängiger, charakteristischer Kennwert haptischer Interfaces bezeichnet werden. Häufig wird lediglich der Betrag der Transparenz betrachtet. Eine Transparenz nahe eins zeigt, dass die eingangsseitig vorherrschende Impedanz, also der Widerstand einer Struktur oder die Masse eines bewegten Objektes, durch das technische System nicht beeinflusst wird. Der Nutzer am haptischen Geräte als Ende der Übertragungstrecke erfährt die am Eingang anliegenden mechanischen Eigenschaften unverfälscht. Die Transparenz kann dabei sowohl auf Telemanipulationssysteme wie auch auf haptische Simulatoren angewendet werden. C OLGATE beschreibt in [39] die Impedanzweite (Z-width) eines haptischen Systems Z − width = Z max − Z min (2.2) als Differenz der maximalen Hemmung/Vollast Z max ohne die spürbare Reibung, Massenträgheit in der Freiraumbewegung Z min . Die Z-width beschreibt die Leistungsfähigkeit einzelner Geräte und erlaubt eine Vergleichbarkeit zwischen Geräten nach technischen Änderungen, z.B. der Integration einer Regelung über eine Kraftmessung. Aktive haptische Geräte sind Systeme, die eine externe Energiequelle zur Darstellung der haptischen Information benötigen. Es handelt sich in der Regel wenigstens um haptische Displays. Im Gegenzug sind passive haptische Geräte Systeme, die alleine durch ihre mechanische Formgebung haptische Informationen übermitteln. Hier besteht die Gefahr eines gefährlichen Trugschlusses: Ein passives System ist im regelungstechnischen Verständnis ein System, dessen Energiefluss bezogen auf den Eingang immer negativ ist, d.h. ein System, das keine Energie abgibt. Dies ist ein wichtiges regelungstechnisches Stabilitätsmerkmal und wird im Detail in Kapitel 7.3.3 beschrieben. Hier sei darauf hingewiesen, dass passiv in einem All-
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2 Begriffsklärungen
gemeinverständnis von haptischen Systemen nicht gleichbedeutend mit Passivität ist4 . Die mechanische Impedanz Z beschreibt den komplexen Koeffizienten aus Kraft F und Geschwindigkeit v bzw. Drehmoment M und Winkelgeschwindigkeit Ω . Sie und ihr Kehrwert, die mechanische Admittanz Y dienen zur Beschreibung dynamischer technischer Systeme. Eine hohe Impedanz ist ein Maß dafür, dass ein System ”steif” oder ”träge” ist oder ”reibt”. Eine niedrige Impedanz spricht für ein ”leichtes” und/oder ”weiches” sowie ”gleitendes” System. Das Konzept der Impedanz wird unter dem Begriff Display-Impedanz oder Interface-Impedanz Z D auf das haptische System angewendet, und bezeichnet damit die Impedanz, die ein System an dessen mechanischem Ausgang (z.B. dem Griff) aufweist, wenn es bewegt wird. Wie bei technischen Systemen eignet sich die Impedanz darüber hinaus auch zur vereinfachten Beschreibung des Nutzers und seines mechanischen Einflusses auf das technische System. Hierzu wird der Begriff der Nutzer-Impedanz Z H verwendet. Die Nutzer-Impedanz - wie steif sich ein Nutzer verhält - kann teilweise willentlich beeinflusst werden. Ein Händeschütteln kann entweder fest oder weich sein. Der Grad dieser Beeinflussung ist frequenzabhängig, so ist auch ohne willentliche Veränderung durch den Hände-Schüttler bei niedrigen Frequenzen dieselbe Hand weicher als bei hohen Frequenzen, was sich alleine durch die zu bewegende Masse ergibt. Eine detaillierte Darstellung der Modellbildung sowie der Anwendung des Konzepts der Nutzer-Impedanz erfolgt in Abschnitt 4.2. Eine Einführung in die komplexe Rechnung mit mechanischen Größen wird in Anhang 16 gegeben. Da das Verständnis der komplexen Rechnung sowie der mechanischen Impedanzen aber grundlegend für den Entwurf haptischer Systeme im Sinne dieses Buches ist, wird zur Auffrischung bzw. Selbst-Studium auf bekannte Literatur der Elektromechanik [153] wie Regelungstechnik [162] verwiesen.
2.2.4 Charakterisierung haptischer Objekteigenschaften Neben den Begrifflichkeiten für die haptischen Systeme und deren Eigenschaften werden auch die haptischen Eigenschaften von Objekten mit festgelegten Begriffen bezeichnet. Eine haptische Textur bezeichnet die Objekteigenschaften, die ausschließlich taktil wahrgenommen werden kann. Die Rauhigkeit der Oberfläche, die Struktur eines Leders, sogar die haptischen Markierungen sind haptische Texturen der Objekte, auf denen sie zu finden sind. In einigen Fällen wird zwischen tangentialer und normaler Textur unterschieden, wobei sich die Richtungsbezeichnungen auf die Hautoberfläche bezieht. Diese Unterscheidung ist eher ein Resultat von technischen Beschränkungen denn von Besonderheiten taktiler Wahrnehmung, da taktile 4
wobei sich aber ein passives haptisches Gerät im Sinne dieser Definition tatsächlich auch im regelungstechnischen Sinne durch Passivität auszeichnet
2.2 Begriffe und Bezeichnungen beim Umgang mit haptischen Systemen
33
Displays häufig nicht in der Lage sind definiert einen drei Freiheitsgrade umfassenden taktilen Eindruck hervorzurufen. Eine haptische Gestalt bezeichnet die Objekteigenschaften, die vor allem kinästhetisch wahrgenommen werden können. Dies kann die Form eines Glases sein, was in der Hand gehalten wird. Es kann aber auch die Geometrie eines Tisches sein, der z.B. in einer virtuellen Umgebung haptisch erfahrbar gemacht wird. Tatsächlich sind die Begriffe Textur und Gestalt in ihrer Verwendung analog zu ihren Bedeutungen in der graphischen Programmierung und Softwaretechnik von Drahtgittermodellen (meshes) als Gestaltgeber und Oberflächentexturen (surfacetextures) als Farb- und Strukturgebung zu verstehen. Die haptische Textur beschreibt aber im Gegensatz der graphischen Textur vor allem dreidimensionale Oberflächeneigenschaften, die neben der reinen Struktur der Oberfläche auch auf molekularer Ebene die Anheftung oder die Reibung abbilden. Eine realistische haptische Textur ist also deutlich komplexer in ihren Parametern als eine graphische Textur, selbst unter der Berücksichtigung von Konzepten von Bump- und Normalmaps. Daher gibt es eine Vielzahl von Oberflächeneigenschaften, die spezifische haptische Oberflächeneffekte aus Sicht des Programmierers beschreiben. Diese Oberflächeneffekte besitzen teilweise physikalische Entsprechungen realer Objektoberflächen, sind aber streng genommen softwaretechnisch motivierte Konzepte, um den Realitätsgrad haptischer Texturen zu verbessern: • Die Oberflächenreibung bezeichnet die viskose (geschwindigkeitsproportionale) Reibung eines Kontaktpunktes auf einer Oberfläche. • Die Oberflächenhaftung bezeichnet eine Kraft, die die Bewegung eines Kontaktpunktes an eine Oberfläche bindet. Durch dieses Konzept können z.B. Klebeund Magnetkräfte abgebildet werden. • Die Rauhigkeit bezeichnet eine gleichmäßige, sinusförmige Struktur definierter geringer Amplitude, welche die Bewegung eines Kontaktpunktes auf einer Oberfläche rau erscheinen lässt.
2.2.5 Technische Beispiele Im Folgenden wird anhand einiger technischer Beispiel die Verwendung der zuvor eingeführten Begriffe gezeigt. Gleichzeitig dient dieses Kapitel einer weiteren Klärung der Zusammenhänge einzelner Begriffsgruppen. Die Beispiele beschreiben reale technische Systeme. Die Systeme sind als illustrierende Beispiele zu verstehen und sind nicht zwingend technologische Meilensteine oder haben außergewöhnliche Eigenschaften.
34
2 Begriffsklärungen
2.2.5.1 Force-Feedback Bedienelement Es existieren einige kommerzielle haptische Bedienelemente am Markt, die gerne für Aufgaben im Bereich Design, CAD und Modellierung eingesetzt werden. R Martkführer ist SensAble mit ihrer PHANTOM-Reihe mit dem aktuell kostengünstigstem Vertreter des PHANTOM Omnis (Abb. 2.10a). Die PHANTOM-Reihe zeichnet sich durch die freie Positionierung eines Stift-ähnlichen Griffes im Raum aus. Dessen Position und Orientierung wird gemessen (drei Translationen, drei Rotationen). Je nach Modell der Serie kann auf die Spitze in wenigstens drei translatorischen Freiheitsgraden eine Kraft ausgeübt werden. Die Krafterzeugung erfolgt über elektronisch kommutierte elektrodynamische Aktoren, die im Fuß des Gerätes angeordnet sind, und über Hebel- und Seilzüge, die Kräfte auf die relevanten Gelenke übertragen. Das Übertragungsverhalten des PHANTOMs ist durch die Hebelübersetzungen nichtlinear, diese Nichtlinearitäten werden aber für den statischen Fall im Software-Treiber kompensiert. Die PHANTOMe werden an handelsübliche PCs über je nach Produktgeneration unterschiedliche Schnittstellen angeschlossen, R z.B. dem Parallelport, eine eigene IDE Karte, oder dem IEEE FirewirePort. R Die PHANTOM-Geräte von SensAble sind haptische Geräte (Abb. 2.10c) die in mehreren Freiheitsgraden vor allem die kinästhetische Wahrnehmung der ganzen Hand sowie des Armes adressieren. Da die Krafteinleitung über einen handgehaltenen Stift erfolgt, gelten automatisch taktile Anforderungen an den technischen Entwurf. Der Nutzer hat mit dem Gerät eine haptische Schnittstelle, mit der bidirektional in Form eines haptischen Displays haptische Informationen aus einer Anwendung auf dem PC dargestellt, umgekehrt aber auch Positionen und Bewegungen des Nutzers an die Anwendung übertragen werden.
M0 Q
F0 dR
F0=M1/l W1
Fout
m v0
ZH
v0=W1 l a)
b) Fout
FSignal Haptisches Gerät
xSignal
Nutzer
xout
c) R Abb. 2.10 Haptisches Werkzeug am Beispiel eines SensAble PHANTOM Omnis(a) und zugehöriges mechanisches Netzwerk eines Freiheitsgrads (b) sowie Blockstruktur (c).
2.2 Begriffe und Bezeichnungen beim Umgang mit haptischen Systemen
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Die Netzwerkdarstellung eines Freiheitsgrades (Abb. 2.10b) zeigt den elektronisch kommutierten elektrodynamischen Motor als Momentenquelle M 0 mit Massenträgheit Θ des Rotors und rotatorischer Dämpfung dR durch Lager und Gelenke. Über einen Wandler wird durch die Hebelgesetze die rotatorische Bewegung in eine lineare Bewegung mit der Kraft F 0 und der Geschwindigkeit v0 gewandelt. Eine Masse m beschreibt die Masse des handgehaltenen Stifts. Der Anteil der gegenüber dem Nutzer dargestellten Kraft F out ist Abhängig von der Display-Impedanz als Summe aller Einzelimpedanzen und der Nutzerimpedanz Z H .
2.2.5.2 Rekonfigurierbares Tastenfeld Das rekonfigurierbare Tastenfeld (Abb. 2.11a) besteht aus einer Vielzahl einzelner Aktoren, die in einer Matrix angeordnet sind. Die Aktoren sind elektrodynamische Antriebe mit bewegtem Magneten. Jeder Aktor kann individuell zum einen als Kraftquelle, über eine Positionsregelung aber im Verbund auch als Positionsaktor gesteuert werden. Als Kraftquelle kann über die bekannte Position eine Schaltkennlinie einer Taste abgefahren werden, so dass die Aktoren unterschiedliches Schaltverhalten nachbilden können. Ziel des rekonfigurierbaren Tastenfelds [46] ist es, ein Pendant zu einem klassischen Touchscreen zu schaffen. Das heißt, eine Oberfläche zur Verfügung zu stellen, die in Abhängigkeit der Bediensituation z.B. in einem Menue unterschiedliche Funktionen bereitstellen kann. Einzelne Aktoren kombinieren sich hierzu zu größeren Tasten oder verändern sich in Größe und SchaltCharakteristik. Das rekonfigurierbare Tastenfeld ist ein haptisches Gerät (Abb. 2.11c) das vor allem die kinästhetische Wahrnehmung adressiert, somit aber automatisch taktile Wahrnehmung beachten muss. Der Nutzer ist der Bediener des Tastenfelds, der durch haptische Interaktion durch die Veränderung des Tastenfeldes in der Gestalt und der Tastkennlinien Informationen über z.B. die gerade aktivierte Menüebene erhält. Das Tastenfeld ist also wenigstens ein haptische Display, da es darüber hinaus aber auch Informationen über die Betätigung der Tasten an eine weitere Einheit kommuniziert ist es eine haptische Schnittstelle/haptic interface. Die Netzwerkstruktur (Abb. 2.11b) einer einzelnen Taste zeigt die gesteuerte Kraftquelle F 0 des elektrodynamischen Aktors, die Masse des bewegten Magneten m sowie die Reibung in den Führungen d. Eine Nachgiebigkeit existiert nicht, da im Gegensatz zu klassischen elektrodynamischen Aktoren z.B. aus Lautsprechern keine federnde Aufhängung vorgesehen ist. Der Aktor ist in der Lage eine Kraft Fout zu erzeugen, die im Wesentlichen abhängig ist von dem Verhältnis der komplexen Impedanz des haptischen Displays Z D = s m + d zu der Nutzerimpedanz Z H ist.
2.2.5.3 Taktiles Pin-Array Taktile Pin-Array sind die Urform von Systemen, die dem haptischen Sinn ortskodiert dynamische Informationen zur Verfügung stellen. Sie sind motiviert als Wei-
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2 Begriffsklärungen
F0
Fout m
d ZH
a)
b)
F/x Kurve
FSignal Haptisches Gerät
Haptischer Regler Tastendruck Ereignis
Fout
xSignal
Taste
Nutzer
xout
c) Abb. 2.11 Haptische Taste als rekonfigurierbare Aktoren mit einem Freiheitsgrad (a) und zugehöriges mechanisches Netzwerk (b) [46] sowie Blockstruktur (c).
terentwicklung der Braille-Displays, zu deren psychophysikalischen Wirkprinzipien seit Mitte des 20. Jahrhunderts, z.B. durch B ÉKÉSY [23], umfangreiche Studien gemacht wurden. Taktile Pin-Arrays bedienen sich unterschiedlicher Aktorprinzipien. Von elektromagnetischen Aktoren aus Nadeldruckköpfen [225] über Piezobieger [144] bis hin zu pneumatischen [284], hydraulischen [224], elektrostatischen [282] und thermischen [5] Aktoren wurde vieles versucht. Die taktilen Pin-Arrays waren vor allem Arrays mit haptischer Stimulation in normaler Hautrichtung. Erst in jüngster Vergangenheit wurden auch ortsverteilte Arrays zur Lateralkrafterzeugung erprobt [137]. Ein taktiles Pin-Array mit Anregung in Normalenrichtung ist ein haptisches Gerät (Abb. 2.12c) das schwerpunktmäßig die taktile Wahrnehmung adressiert. Der Nutzer befindet sich in haptischer Interaktion mit dem Gerät und erhält haptische Informationen in Form von ortskodierten Höhenveränderungen. Ein taktiles PinArray ist also ein haptisches Display. Im Gegensatz zu den vorherigen Systemen wird aber bei einem üblichen taktilen Pin-Array keine Information durch die Interaktion des Displays mit dem Nutzer an das System zurück gemeldet. Es handelt sich daher nicht zwangsläufig um ein haptisches Interface5 . Im mechanischen Netzwerk (Abb. 2.12) entspricht ein taktiles Pin-Array einer Positions- oder Geschwindigkeitsquelle v mit nachgeschalteter mechanischer Steifigkeit k eines technischen Systems (einer Kombination aus Aktorik und Kinematik). Wird dieses ausreichend steif ausgelegt, so ist die mechanische Admittanz des 5 Es sind durchaus taktile Systeme denkbar, bei denen z.B. die Lage des Fingers auf einer größeren Matrix eine Information an die steuernde Einheit übergibt, so dass die Begrifflichkeit haptisches Interface gerechtfertigt ist.
2.2 Begriffe und Bezeichnungen beim Umgang mit haptischen Systemen
k
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Fout
v0
a)
vH
ZH
b) xSignal
xout Haptisches Display
Nutzer
Fout c) Abb. 2.12 Klassisches taktiles Display in Form normal zur Displayoberfläche stehender Pins [268] (a) und zugehöriges mechanisches Netzwerk (b) sowie Blockstruktur (c).
technischen Systems klein, so dass die Auslenkung der Quelle vollständig am Nutzer anliegt. Das System ist positionsgesteuert.
2.2.5.4 Vibrations-Motor Vibrations-Antriebe dienen dazu, die Aufmerksamkeit auf Ereignisse zu lenken. In jedem modernen Mobiltelefon befindet sich ein Vibrationsantrieb entsprechend Abbildung 2.13a bestehend aus einem Antrieb und einem exzentrisch angeordentem Gewicht auf der Achse. Die Rotationsgeschwindigkeit der Vibrationsantriebe wird durch die anliegende Spannung gesteuert und bewegt sich zwischen 7000 und 12000 Umdrehungen pro Minute. Durch diese Spannungssteuerung ist es möglich, amplitudenabhängig Informationen zu kodieren. Dies wird bei Mobiltelefonen gerne dazu verwendet, die Klingelton-Melodie auch haptisch spürbar zu machen. Ein Vibrations-Antrieb ist ein haptisches Gerät (Abb. 2.13c) das die taktile Wahrnehmung adressiert. Der Nutzer befindet sich in haptischer Interaktion mit dem Gerät und erhält haptische Informationen in Form von in Frequenz und Amplitude kodierten Schwingungen. Ein Vibrations-Antrieb ist also ausschließlich ein haptisches Display, genaugenommen ein taktiles Display. Bei Vibrations-Antrieben ist der relevante, wirkende Krafteffekt die Zentripetalkraft. Unter der Annahme einer Rotationsgeschwindigkeit von ω = 2π 1000060RPM Hz und einer bewegten Masse von 0.5 g auf einem Radius von 2 mm ergibt sich eine re-
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2 Begriffsklärungen
k F0
Fout m
a)
d
ZH
b) xSignal
xout Haptisches Display
Nutzer
Fout c) Abb. 2.13 Vibrations-Motor eines Mobiltelefons (a) und zugehöriges mechanisches Netzwerk (b) sowie Blockstruktur (c).
sultierende Kraftamplitude von F = m ω 2 r = 1.1 N, also bei der Rotation eine sinusförmige Kraft mit einer Spitze-Spitzen-Amplitude von 2.2 N. Dies ist ein beeindruckender Wert für einen Antrieb von typischerweise 20 mm Länge. Betrachtet man die Netzwerkstruktur (Abb. 2.13b), dann kann der Vibrationsantrieb als Krafquelle mit sinusförmigen Verlauf betrachtet werden. Dieser muss eine Gehäusung mit der Masse m beschleunigen, das über eine Kopplung (z.B. Kleidung) an den Menschen koppelt. Wichtig ist, dass die Impedanz des Zweiges aus Feder/Dämpfer Kopplung und Nutzerimpedanz Z H groß ist gegenüber der Masse m, damit die Vibrationsenergie zum großen Teil auf den Menschen und somit zur Wahrnehmung geleitet wird.
Kapitel 3
Biologische Grundlagen haptischer Wahrnehmung
T HORSTEN A. K ERN
3.1 Biologie des Tastsinns In den vorangegangen Kapiteln wurden Beispiele haptischer Systeme diskutiert und die Bedeutung des haptischen Sinns erörtert, ohne eine genaue Vorstellung der Funktion der haptischen Wahrnehmung zu vermitteln. Um einen Entwurf eines haptischen Systems durchführen zu können, ist die Kenntnis grundlegender biologischer Kennwerte notwendig, da nur so Anforderungen an das technische System identifiziert und festgelegt werden können. Dieses Kapitel vermittelt die wichtigsten Begrifflichkeiten sowie Grundlagen zum Verständnis der Neurobiologie haptischer Wahrnehmung. Man beachte, dass die Forschung zur haptischen Wahrnehmung nicht abgeschlossen ist. Demzufolge stellt die hier präsentierte verkürzte Darstellung der komplexen biologischen Zusammenhänge eine fundierte Arbeitshypothese dar, die aber durch neuere Forschung teilweise widerlegt und erweitert werden kann. Um Informationen aus seiner Umwelt aufzunehmen, stehen dem Menschen fünf Sinneskanäle zur Verfügung: Gehörsinn, Geruchssinn, Geschmackssinn, Gesichtssinn und Tastsinn. Die Sinnesphysiologie unterscheidet fünf von dieser populärwissenschaftlichen Formulierung abweichende Sensoren und Sinnsysteme [213], die durch ihre Klassifikation eine dem technischen Vokabular verwandtere Betrachtungsweise zulassen: • Thermische Sensoren, die die Änderung der Temperatur vor allem in der Haut registrieren • Chemische Sensoren, die auf Geschmacks- und Geruchsstoffe, also chemische Reize reagieren • Optische Sensoren, die auf den Einfall von Photonen reagieren, insbesondere die Stäbchen und Zapfen der Retina
39
40
3 Biologische Grundlagen haptischer Wahrnehmung
• Schmerz Sensoren, auch Nozisensoren, die spezialisiert sind chemische aber auch physikalische Gewebsschäden zu registrieren • Mechanische Sensoren, die mechanische Spannungen und Dehnungen z.B. in der Haut oder in der Muskulatur registrieren Die Kanalkapazität der Sensoren und ihre Bedeutung für die menschliche Wahrnehmung werden unterschiedlich bewertet. Die optischen Sensoren registrieren demnach ≈ 10 Mio. bit/s, der Tastsinn ≈ 1 Mio. bit/s und der Hörsinn ≈ 100 kbit/s [18]. Die Verarbeitung der sensorisch erfassten Größen erfolgt in der Großhirnrinde (zerebraler Kortex). Diese wird in funktionale Hirnareale eingeteilt. Die primäre motorische Rinde ist dabei der physische Ort der Signalverarbeitung zum Tastsinn. Die Visualisierung der Aufteilung der Körperareale (somatotropen Anordnung) in der motorischen Rinde zeigt, dass ein signifikanter Anteil des Tastsinns auf die Finger und die Hand konzentriert ist (Abb. 3.1). Die in diesem Areal stattfindende sensomotorische Wahrnehmung kommt in ihrer Bedeutung für den Menschen direkt nach der visuellen Wahrnehmung und noch vor dem Hören.
Abb. 3.1 Darstellung der funktionalen Hirnareale mit motorischen Bezug (Somatotrope Anordnung)[53].
Innerhalb der Sensomotorik hat der haptische Sinn die größte Bedeutung. Es handelt sich dabei um eine Gruppe von mechanischen Sensoren, die innerhalb der Haut, Gelenke und Muskulatur, die aus Kräften resultierende Verformung der Gewebe erfassen. Haptische Wahrnehmung ist also die Summe der Signale einer Vielzahl von Messstellen am menschlichen Körper durch wenigstens sechs Typen von Sensoren. Diese Sensoren werden in zwei grundlegende Gruppen unterschieden: Taktile und kinästhetische Sensoren (Abb. 3.2).
3.1 Biologie des Tastsinns
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Haptische Rezeptoren
NociiRezeptoren
Tactile Rezeptoren
Kinästhetische Rezeptoren
- angeordnet in der Haut - hohe Bandbreite >100 Hz - reagieren auf Dehnung im umgebenden Gewebe
RA FA-I - schnell anpassend - Meisner corp. - dx/dt
SA-I - langsam anpassend - Merkel-cell - dx/dt & dx
SA-II
Thermische Rezeptoren
- angeordnet in Muskeln und Gelenken - niedrige Bandbreite < 100 Hz - reagieren auf Dehnung oder Spannung
PC FA-II
Spindel Spannungs Rezeptoren
Spindel Dehnungs Rezeptoren
- Pacinian corp. - langsam - parallel zu Muskel- schnell anpassend fasern anpassend - d²x/d²t - Ruffini corp. -x - strittig ob in unbehaarter Haut überhaupt vorhannuclear nuclear den
bag fibres
chain fibres
- in Serie zu Muskelfasern
Golgi tendon organ
- klein und dünn - Kraft-sensitiv - frequenzabhängig - konstante Kräfte auf Dehnung
DBF
SBF
- Dynamic Bag - Static Bag Fibres Fibres - Statische Kräfte - Geschw. abhängig
Abb. 3.2 Klassifizierung der haptischen Rezeptoren und deren Benennung, angelehnt an [229].
Taktile Sensoren befinden sich in den äußersten Schichten der Haut an exponierten Stellen (z.B. den Fingerkuppen). Sie reagieren auf Dehnungen der Haut und unterscheiden sich dabei, ob sie Auslenkungs-proportional, Geschwindigkeitsproportional oder Beschleunigungs-proportional aktiviert werden. Die Neurophysiologie unterscheidet zwischen vier verschiedenen Typen von taktilen Sensoren [229],[213]: • Rapid-adaption oder Fast-Adaption (RA oder FA-I) Meissner corpuscles - mit geschwindigkeitsabhängiger Aktivierung • Slow-adapting (SA-I und SA-II) Merkel cells und Ruffini-corpuscles - mit geschwindigkeitsabhängiger bzw. Auslenkungs-proportionaler Aktivierung, allerdings mit niedrigerer Dynamik1 als die Meissner Körperchen • Fast-Adaption (FA-II) Pacinian corpuscles - mit beschleunigungsabhängiger Aktivierung 1
Dynamik Bezeichnet die Breite des Frequenzbereiches, für den ein Sensor oder Aktor ausgelegt ist; im Gegensatz zu ”Amplitudendyamik”, was die Höhe des Hubs eines Aktorausgangs oder Sensoreingangs bezeichnet.
42
3 Biologische Grundlagen haptischer Wahrnehmung
Die Verteilung der Sensortypen variiert in den verschiedenen Hautarealen (Abb. 3.3) und ist Gegenstand der aktuellen Forschung. So ist nach [187] die Existenz von Meissner Körperchen in der unbehaarten Haut, entgegen der gängigen Lehrmeinung, gänzlich in Frage zu stellen.
Cornea Epidermis
Corium
MerkelZellen
RuffiniKörperchen
Subcutis PaciniMeissnerKörperchen Körperchen
Abb. 3.3 Anordnung der Sensortypen in den Hautschichten [46].
Kinästhetische Sensoren sind im Gegensatz zu den taktilen Sensoren vorwiegend innerhalb der Muskulatur, den Gelenken sowie den Sehnen angeordnet. Sie erfassen ausschließlich Kräfte, die auf ganze Extremitäten wirken. Die Anforderungen an die Dynamik sind durch das mechanische Tiefpassverhalten der vorgelagerten Extremitäten (ihre Massen, Dämpfungen und Steifigkeiten) gering. Die Anforderungen an die relative Auflösung der geringst möglichen wahrnehmbaren Kräfte relativ zur maximal wirkenden Kraft (Amplituden-Dynamik) ist jedoch vergleichbar. Kinästhetische Sensoren gliedern sich in zwei Gruppen: • spindle-stretch-receptors Dynamic Bag fibres and Static Bag fibres - in paralleler Anordnung zu den Muskelsträngen • spindel-tension-receptors Golgi tendon organ - in serieller Anordnung zu den Muskelsträngen Fasst man die Informationen zu den an der haptischen Wahrnehmung beteiligten Sensoren zusammen, dann ist bemerkenswert, dass die Natur eine Lösung zur Wahrnehmung von Kräften und Vibrationen hervorgebracht hat, die sich nicht signifikant von der technischen Lösung vergleichbarer Fragestellungen unterscheidet. Da die technischen Messverfahren älter als das Verständnis der biologischen Zusammenhänge sind, lässt sich vermuten, dass die physikalischen Randbedingungen nur derart optimierte Lösungen zulassen. Außer der Betrachtung dieser Sensoren als erstes Glied der haptischen Wahrnehmungskette, ist die Berücksichtigung eines Modells zur neuronalen Verarbeitung haptischer Informationen notwendig, um ein Gefühl für die Komplexität der beteiligten Einheiten und die Abgrenzung der für den Entwurf haptischer Systeme relevanten Komponenten zu vermitteln.
3.1 Biologie des Tastsinns
43
Abb. 3.4 Neuronale Verarbeitungskette am Beispiel des menschlichen Greifens nach einem Glas Wasser: A, B, C sind nicht näher definierte Entscheidungsglieder; τi Verzögerungsglieder.
In Abbildung 3.4 sind die an der Aufgabe ”Greifen eines Wasserglases” beteiligten neuronalen Komponenten dargestellt. Beginnend mit dem Handlungsantrieb aufgrund von z.B. zu hohem Salzgehalt, und unter Kenntnis eines Glases an der Position x wird in der Entschlussphase eine Entscheidung getroffen, ein Wasserglas zu greifen. Dies resultiert in der Programmierphase in der Definition von Bewegungen der einzelnen Körperglieder, die wiederum in der Bewegungsdurchführung durch untergeordnete Positionsregler geführt werden. Feedback geben dabei die Positionskontrolle der Winkelstellung der Gelenke als übergeordneter Regelkreis und die visuelle Kontrolle als untergeordneter Positionsregelkreis. Der visuellen Kontrolle untergeordnet existiert ein Regelkreis mit Kraft-Feedback, der, basierend auf einer anvisierten Maximalkraft, das sichere Halten des Glases ermöglicht. Alternativ kann auch eine Rückkopplung angenommen werden, der die Kraft nachregelt, um ein Durchrutschen des Glases zu vermeiden. Bemerkenswert ist die Analogie zu technischen Regelkreisen. Entschlussphase, Programmierphase und Durchführung sind anerkannte Abbildungen zentralnervöser Pläne [213]. Die Struktur der Positions- und Kraftregler ergibt sich aus der Anschauung der Dynamikbereiche und Messfehler, in dem die am Regelkreis beteiligten Komponenten arbeiten können. Die Positionsregelung über den Bewegungsapparat und kinästhetische Sensoren weist nach [279],[81] einen Dynamikbereich von ≤ 10 Hz auf. Weiterhin ist die Winkelstellung und absolute Positionsermittlung ohne Sichtunterstützung stark fehlerbehaftet (2◦ bis 10◦ in Abhängigkeit der beteiligten Gelenke [34]). Bewegung unter visueller Kontrolle sind deutlich präziser. Die optische Wahrnehmung kann Reize mit Frequenzen von 30 Hz, abhängig von der Beleuchtungsstärke, auflösen. Auch ist es dem Menschen durchaus möglich, unter
44
3 Biologische Grundlagen haptischer Wahrnehmung
optischer Kontrolle bis unmittelbar vor einem physischen Kontakt eine Position zu erreichen und zu halten. Etwas, was bei geschlossenen Augen und Kenntnis der Zielposition unmöglich ist. Die taktilen Sensoren der Kraftregelung wiederum weisen eine Dynamik im Bereich von mehreren hundert Herz auf. Dies, in Kombination mit der hohen Amplitudenauflösung, ermöglicht es dem Menschen, auch glatte, fragile Objekte sicher zu halten, ohne sie zu zerbrechen.
3.2 Haptische Wahrnehmung Zur Formulierung der Anforderungen für den Systementwurf ist eine Kenntnis der Kennwerte haptischer Wahrnehmung notwendig. Da der haptische Sinn als Hautsinn nicht räumlich konzentriert, sondern über den Körper verteilt ist, gibt es für jede Körperpartie unterschiedliche Kennwerte. Weiterhin ist haptische Interaktion immer bidirektional. Das heißt, dass vor allem im kinästhetischen Fall erst die Berücksichtigung von Positionen und Winkel der Gliedmaßen wie auch Kraft- und Momentenkennwerte mechanischer Vorspannungen beim Zugreifen, Drücken oder Halten die haptische Interaktion ausreichend genau abbilden. Als sei dies noch nicht ausreichend, zeichnet sich die haptische Wahrnehmung außerdem noch durch eine deutliche Abhängigkeit von der Dynamik der Anregung über einen breiten Frequenzbereich aus. Zu guter Letzt gibt es noch den Aspekt der Multimodalität2. So werden haptisch unauffällige Schalter und Taster aufgrund des Rast-Geräusches als qualitativ höher bewertet, als leise Taster mit identischen haptischen Eigenschaften. Die Komplexität der sich damit ergebenden Zusammenhänge haptischer Wahrnehmung resultiert darin, dass jegliche Kennwerte kritisch und im Kontext des jeweiligen Versuchsaufbaus und der Sorgfalt des zur Ermittlung verwendeten Experiments zu hinterfragen sind. Tatsächlich sind die in diesem Kapitel vorgestellten Kennwerte lediglich als Anhaltspunkte zu verstehen, die durch zukünftige Experimente erweitert, modifiziert und auch widerlegt werden können.
3.2.1 Psychophysikalische Konzepte Zum Verständnis der Kennwerte haptischer Wahrnehmung ist ein grundlegendes Verständnis einiger psychophysikalischer Konzepte notwendig. Die hier vorgestellten Definitionen basieren auf G. A. G ESCHEIDER [66], das jedem Leser als Einstiegslektüre bei Interesse mit diesem Schwerpunkt empfohlen wird.
2
Multimodalität: Kummulierter Einfluss unterschiedlicher Sinneswahrnehmungen zu einer Wahrnehmung eines Ereignisses.
3.2 Haptische Wahrnehmung
45
3.2.1.1 Thresholds und Differenz Limen In der Psychophysik unterscheidet man zwei wesentliche Analysekonzepte von Schwellwerten (thresholds). Zum einen die Messung von Schwellwerten zur differentiellen Wahrnehmung (thresholds of differential sensitivity) und die Erfassung von Schwellwerten zur absoluten Wahrnehmung (thresholds of absolute sensitivity). Alle Messmethoden der Psychophysik gliedern sich diesen beiden Kategorien unter. Sie unterscheiden sich in den Dimensionen (z.B. räumlich, zeitlich, spektral3), in denen die Stimuli dargeboten werden. Der absolute Schwellwert (Abb. 3.5) eines Reizes bezeichnet den Wert, ab dem ein Reiz φ überhaupt wahrgenommen wird. F stnd mean stnd
n1 n2 n3 ... nm Abb. 3.5 Ermittlung des absoluten Schwellwertes eines Reizes φ aus m Probandenversuchen .
Als weitere Messgröße ist die Änderung eines Stimulus interessant, die eine Just-Noticeable-Differenz (JND) 4 hervorruft. Die Änderung des Stimulus wird als difference threshold oder auch als Differenz Limen (DL) bezeichnet. Der DL ist also die Messung von Δ φ als Unterschied eines Reizes φ0 von einem anderen Reiz φ1 . Die JNDs werden dabei diskret als JND ∈ N gezählt. Der erste JND wäre also der erste DL nach dem absoluten Schwellwert, der zweite JND wäre der auf die Summe aus absoluten Schwellwert und erstem DL folgende DL, u.s.w. (Abb. 3.6). Die JND ist also die kleinste physiologische Skaleneinheit der linearisierten Wahrnehmung eines physikalischen Reizes φ . DL = Δ φ = φ0 − φ1
(3.1)
Die DL von Reizen wird unter unterschiedlichen Fragestellungen untersucht. Die dabei zur Anwendung kommenden unterschiedlichen Methoden lassen Rückschlüsse auf die neuronale Verarbeitung der Reize zu. Die klassische Methode zur Analyse des DL wäre die Präsentation eines Referenzreizes, und der Vergleich mit einem zweiten Reiz, der entweder im Wechsel automatisiert oder durch den Probanden gewählt dargeboten wird (Abb. 3.7). 3 4
also unterschiedlicher Frequenz selten auch Just-Noteable-Differenz
46
3 Biologische Grundlagen haptischer Wahrnehmung
F
JND JND4
F4 F3 F2 F1 F0
JND3
DL3
JND2 DL2 DL1
Physikalisch
JND1 DL0
JND0
Physiologisch
Abb. 3.6 Konzept der physikalischen Skala des Reizes φ und der linearisierten physiologischen Skala der diskreten JNDs.
F DF1
DF2
DF
DFm DF. .
stnd mean stnd
n1
n2
...
nm =F0
n1 =F1
n2
...
nm
n
=DF=>JND
Abb. 3.7 Ermittlung des DL als Resultat einer Just-Noticeable-Differenz (JND) Δ φ zwischen den Stimuli phi0 und phi1 aus m Probandenversuchen.
Es existieren aber noch weitere Aspekte, unter denen eine Analyse durchgeführt wird. Zum einen unter dem Aspekt des Maskings mit der Fragestellung: ”Ab wann werden zwei Reize in Abhängigkeit eines Parameters als zwei unterschiedliche Reize wahrgenommen?” Häufig untersuchte Parameter sind die Zeitabhängigkeit und die Ortsabhängigkeit. Daher existieren die festgelegten Begriffe des temporal masking sowie des spatial masking.
3.2 Haptische Wahrnehmung
47
Beispiel Masking: Die Wahrnehmung einer Änderung der Frequenz einer mechanischen Schwingung bei gleicher Amplitude soll untersucht werden. Hierzu werden dem Probanden die Summe aus zwei oszillierenden Reizen dargeboten. Der Proband hat nun die Möglichkeit die Frequenz eines der Reize zu variieren, bis er zwei voneinander unterschiedliche Reize wahrnimmt. Das Maß der Änderung der Frequenz Δ f ist der Wert des DL bezogen auf den Referenzreiz. Die Ergebnisse derartiger Experimente sind immer exakt und kritisch zu betrachten. Zum Beispiel kann das zuvor geschilderte Experiment durchaus auch so interpretiert werden, dass nur eine JND der maximalen Amplitude eines Summensignals untersucht wurde, und nicht eine DL einer Frequenzänderung. Daher ist in einer Folge von Hypothesen und derern Verifikationen oder Falsifikationen zu testen, ob z.B. ein Experiment, bei dem die Summenamplitude beider Signale unabhängig von der Frequenz identisch ist, einen systematischen Unterschied in den Ergebnissen der damit ermittelten JND aufweist.
Beispiel temporal Masking: Ein Reiz φ0 einer Frequenz wird über einen langen Zeitraum t dargeboten. Im Folgenden werden Reize φn z.B. in Abhängigkeit der Frequenz dargeboten. Die Wahrnehmung der Reize (zum Beispiel derer Absolutschwellwerte) wird in Abhängigkeit der Dauer t variieren. Das Maß dieser Variation ist der temporal-Masking-effect.
Beispiel spatial Masking: Zwei Reize φ0 und φ1 zum Beispiel in Form von Nadeln auf der Haut werden mit einem räumlichen Abstand d voneinander dargeboten. Ab einem Abstand d werden beide Reize unabhängig voneinander wahrgenommen. Dies ist ein spezielles Beispiel für spatial masking, das als Zweipunktschwelle eine eigenständige Begrifflichkeit erhalten hat.
Ein anderer Aspekt ist die Analyse des Successiveness Limen (LM) mit der Fragestellung: ”Wie viele aufeinander folgende Reize werden wahrgenommen?” Beispiel LM: Mit einem Vibrationsmotor werden an einer Körperstelle eine Folge von Reizen dargeboten. Die Reize variieren in dem zeitlichen Abstand zueinander. Der LM ist der zeitliche Abstand, bei dem die Folge korrekt wahrgenommen werden kann.
3.2.1.2 Psychophysikalische Gesetze Eine wichtige Form der Darstellung des DL Δ φ ist als bezogene Größe des Referenzstimulus φ0 in der Form
Δφ =c φ0
(3.2)
E.H. W EBER hat 1834 herausgefunden, dass der Wert c ein konstanter Quotient für eine spezifische Wahrnehmung aufweist. In seinem Experimenten hat er Ge-
48
3 Biologische Grundlagen haptischer Wahrnehmung
1 wichte auf der Haut platziert und herausgefunden, dass c ungefähr 30 beträgt. Das heißt, das nächsthöhere Gewicht, das man über die untersuchten Hautareale von ei1 nem Gewicht von 200 g unterscheiden kann, ist ein Gewicht von 30 · 200 g+ 200 g = 206, 66 g. Der Wert von c unterscheidet sich deutlich bei der Untersuchung unterschiedlicher Stimuli, aber der sinnesübergreifende Zusammenhang nach Gleichung 3.2 (Weber’s law) scheint in weiten Bereichen universell zu sein. Eine Konsequenz aus Webers Gesetz ist, dass man unterschiedliche Sinne und deren Wahrnehmung in ein Verhältnis zueinander setzen kann. Eine Ausnahme bilden niedrigen Stimuli (Abb. 3.8a) in der Höhe des absoluten Schwellwertes, bei denen sich c für denselben Stimulus deutlich erhöht.
DF/F
a)
Stimulus Intensität
DF/(F+a)
b) Stimulus Intensität
Abb. 3.8 Ermittlung der Just-Noticeable-Differenz (JND) Δ φ zwischen den Stimuli phi0 und phi1 aus m Probandenversuchen.
Eine Anpassung von Weber’s law
Δφ =c φ0 + a
(3.3)
kompensiert die Abhängigkeit der Wahrnehmung bei Stimuli niedriger Intensität (Abb. 3.8b). Die Konstante a ist wie auch schon c spezifisch für den jeweiligen Sinn und gegenüber c relativ niedrig. Die physiologische Ursache für a ist nicht abschließend geklärt. Eine Hypothese lautet, dass sie ein Maß für das somatosensorische Hintergrund-Rauschen der jeweiligen Rezeptoren ist. Einige Sinne, vor allem der akkustische und aber auch der haptische Sinn, weisen eine nichtlineare logarithmische Abhängigkeit der wahrgenommenen Intensität der physikalischen Anregung auf. Für den Stimulusbereich, in dem Weber’s law in der ursprünglichen Version nach Gleichung 3.2 als korrekt angenommen werden kann, ist es daher möglich über eine Beziehung, die als Fechner’s law bezeichnet wird,
3.2 Haptische Wahrnehmung
49
Ψ = k log φ
(3.4)
ein lineares Maß Ψ der Wahrnehmungsamplitude zu erreichen. Fechner’s law hat heute vor allem historische Bedeutung. Es wurde durch ein von S. S. S TEVENS 1975 vorgeschlagenes Gesetz ersetzt, das die Intensität von Stimuli über einen Exponentialzusammenhang darstellt:
Ψ = kφ a
(3.5)
Dieser als Power-Law bezeichnete Zusammenhang ermöglicht über die Konstanten a und k eine Abbildung einer Vielzahl von Wahrnehmungs-Abhängigkeiten. Wenn a = 1 gilt, dann zeigt Gleichung 3.5 einen linearen Zusammenhang. Bei Werten von a > 1 einen mit steigender Stimulus-Intensität verstärkten, bei a < 1 gedämpften Zusammenhang. Logarithmiert man Gleichung 3.5, so erhält man einen für Diagramme mit logarithmischen Achsen (Abb.3.9) günstigen Zusammenhang logΨ = log k + a log φ
(3.6)
mit y-Achsenabschnitt logk und einer Geradensteigung a.
Abb. 3.9 Logarithmische Darstellung hypothetischer Messungen entsprechend Gleichung 3.6 (nach [66]) .
Tabelle 3.1 zeigt einen Auszug aus den von S TEVENS veröffentlichten Daten [235] des Koeffizienten a entsprechend Gleichung 3.5.
3.2.1.3 Mittelwerte und Perzentile Die Analyse von psychophysikalischen Messungen ist aufgrund großer Streuweiten und daher notwendiger hoher Probandenzahlen oder speziell trainierter Versuchpersonen immer aufwendig. Es bietet sich daher die Nutzung statistischer Versuchspla-
50
3 Biologische Grundlagen haptischer Wahrnehmung
Tabelle 3.1 Exponent a der Power-Law Gleichung 3.5 für die Berechnung des Zusammenhangs zwischen sensorischer Amplitude und Stimulus-Intensität. Auszug aus [235] Kontinuum
gemessener Exponent gültig für Stimuli
Lautstärke Vibration
0.67 0.95
Vibration
0.6
Geschmack Geschmack Kälte Wärme Muskelkraft Druck auf Handfläche Finger Spanne Rotationsbeschleunigung Elektrischer Schock ...
1.3 0.8 1.0 1.6 1.7 1.1 1.3 1.4 3.5 ...
Schalldruck eines 3 kHz Schwingung mit 60 Hz Frequenz von unbekannter Amplitude auf Finger Schwingung mit 250 Hz Frequenz von unbekannter Amplitude auf Finger Zucker Süßstoff Metallkontakt am Arm Metallkontakt am Arm Statische Kontraktion Statische Kraft auf Haut Dicke von Blöcken 5-sec Drehung Strom durch Finger ...
nungen sowie die Anwendung von Signaldetektions-Algorithmen an. Für die Details dieser Verfahren wird auf generelle Literatur der statistischen Versuchsplanung sowie [66] verwiesen. Generell sind aber folgende Anmerkungen von Bedeutung: Bezüglich der psychophysikalischen Wahrnehmung hat sich gezeigt, dass Versuchsergebnisse sowohl bezogen auf den einzelnen Probanden in mehreren aufeinanderfolgenden Experimenten wie auch auf eine Gruppe von Probanden häufig einer Gauss’schen Normalverteilung gehorchen. Sie sind also durch Mittelwert μ und Standardabweichung σ eindeutig zu beschreiben. Ein Mittelwert beschreibt demnach das Maß, bei dem genau 50% der gegebenen Menge (z.B. von Versuchen) oberhalb und unterhalb liegen. Bezüglich der Angabe von Größen mit einer Verteilung die nicht einer Normalverteilung entspricht, ist die Verwendung von Perzentilen vorteilhaft. Ein typisches Beispiel für die Verwendung sind anthropometrischen Größen in der Ergonomie. Das x-te Perzentil beschreibt demnach den Wert auf einer Skala, unter den x Prozent der Probanden fallen. Im Sonderfall einer Normalverteilung ist das fünfzigste Perzentil identisch mit dem Mittelwert (Abb. 3.10).
3.2.2 Frequenzabhängigkeit Wie bei der Begriffsdefinition in Abschnitt 2.2 erläutert, hat jede kinästhetische Interaktion eine taktile Komponente. Aus den Betrachtungen zum ”Greifen eines Wasserglases” in Abschnitt 3.1 ist bekannt, dass die taktile Komponente der Inteaktion in der innersten Rückkopplungsschleife liegt, und daher den höchsten Anfor-
3.2 Haptische Wahrnehmung
51
n
Normalverteilung
m-s
m
m+s
F
n
Beliebige Verteilung
Perzentil 5%
Perzentil 50%
Perzentil 95%
F
Abb. 3.10 Gegenüberstellung einer Normalverteilung mit Angabe von Mittelwert μ und Standardabweichung σ und einer beliebigen Verteilung mit Angabe von Perzentilen.
derungen an die dynamischen Eigenschaften genügen muss. Dieser Abschnitt dient der Darstellung von Wahrnehmungsschwellwerten und Differenz-Limen, wie sie in Neurologie und Psychophysik ermittelt wurden, und ist daher eine Vorbereitung der Anforderungsermittlung für technische Systeme, die mit dem haptischen Sinn interagieren. Die Dynamik haptischer Wahrnehmung kann rezeptorseitig im Rahmen neurologischer oder wahrnehmungsseitig vor allem im Rahmen psychophysikalischer Untersuchungen durchgeführt werden. Bei der rezeptorseitigen Analyse ist die getrennte Betrachtung taktiler und kinesthätischer Sensoren möglich, da die Potentiale der unterschiedlichen Nervenstränge getrennt voneinander gemessen werden können. In [119] wurden die einzelnen taktilen Sensortypen (vergleich Abb. 3.2 auf Seite 41) in Bezug auf ihre Frequenzabhängigkeiten (Dynamik) und den Schwellwerten (threshold) der Detektion von Hautdeformationen (Abb. 3.11) untersucht. Man erkennt deutlich, wie die Frequenzbereiche der Slow-adapting (SA) und der rapidadapting (RA) Sensoren sich gegenseitig ergänzen und überlappen. Der SA-II Sensortyp ist dabei konzentriert auf einen Bereich um ≈ 8 Hz. Nach dieser Studie erreicht der mittlere Schwellwert der isolierten Sensoren seine maximale Empfindlichkeit bei ≈ 300 Hz mit 10 μ m Auslenkung. W ILKINSON hat in [279] eine Studie bezüglich der Schwellwerte an isolierten Golgi-Sehnen Rezeptoren durchgeführt (Abb. 3.12). Die Ergebnisse zeigen einen beinahen linearen Zusammenhang zwischen der Antwort des Rezeptors in mV und der Stimulation in μ m über der Frequenz. Der relevante Frequenzbereich dieser Rezeptoren ist natürlich deutlich niedriger als jene der taktilen aus Abbildung 3.11, da die Massen sowie die Steifigkeiten der Gliedmaßen eine ausgeprägte Tiefpasscha-
52
3 Biologische Grundlagen haptischer Wahrnehmung
Bereich der JND Bereich der höchsten Empfindlichkeit Mittlere Wahrnehmungsschwelle
Abb. 3.11 Frequenz-Dynamik und Schwellwerte zur Detektion von Hautdeformationen nach [119], reproduziert in [117] .
rakteristik aufweisen, und daher hochfrequente Anteile an Kräften und Auslenkungen von den kinästhetischen Sensoren abhalten. Es ist zu vermuten, dass kinästehtische Sensoren daher möglicherweise nie ausgeprägte Empfindlichkeit in hochfrequenten Bereichen entwickelt haben. Amplitude Rezeptor [mV/mm] 10
1
0.1 0.1
1
10
100
f [Hz]
Abb. 3.12 Schwellwerte von isolierten Golgi-Sehnen Rezeptoren [279].
Beim Entwurf haptischer Systeme liegt der Fokus dennoch weniger auf dem einzelnen, biologischen Rezeptoren, sondern vielmehr in der Wahrnehmung des Menschen, die aus der Summe aller taktilen und kinästhetischen Sensoren resultiert. In diesem Feld wurden eine Vielzahl von Studien gemacht, von denen drei hier representativ die Spannweite der Ergebnisse vorstellen. H UGONY hat bereist 1935 über die Wahrnehmung von Schwingungen in Abhängigkeit der Frequenz des Stimulus [99] veröffentlicht. Zusätzlich hat er verschiedene Stimulus-Level quantifiziert, die von dem Wahrnehmungschwellwert bis hin zu einem Schmerz-Schwellwert (Abb. 3.13a) definiert sind. TALBOT fügte dieser generellen Erkenntnis als wich-
3.2 Haptische Wahrnehmung
53
tiges Detail den Zusammenhang zwischen dem isolierten biologischen Sensor und der Wahrnehmung (Abb. 3.13b) hinzu. Beide Forscher zeigten, dass die Empfindlichkeit der Wahrnehmung bis zu einer Frequenz von ≈ 200 Hz (H UGONY) und ≈ 300 Hz (TALBOT) steigt. Für die Messungen wurde eine Auslenkungs-geregelte Schwinungsquelle verwendet. Diese, sowie andere Studien, wurden durch H AND WERKER [213] zu einer kombinierten Kurve haptischer Wahrnehmungsschwellwerte (Abb. 3.14) kombiniert.
10
-1
8 6 4
50 dB
Amplitude [mm]
2
a)
10
37,5
-2
8 6 4 25
2 10
Amplitude der Sinus-Schwingung am physiologischen Schwellwert [mm]
2000
-3
8 6 4
12,5
2 -4
10
0
100
JND 200 300 Frequenz [Hz]
1000
ANESTHESICED NORMAL 100
10
b) 400
500
100 10 Frequenz der Sinus-Schwingung
300
Abb. 3.13 Schwellwert der Wahrnehmung von Schwingungen nach H UGONY 1935 [99] (a) und Studie von TALBOT zur Wahrnehmung von Schwingungen [242](b).
Eine empfehlenswerte Quelle für Analysen zur haptischen Wahrnehmung sind in den Veröffentlichungen von G ESCHEIDER zu finden, der eine sehr stringente Analysemethodik und Diskussion haptischer Sinneswahrnehmung, seit 1970 bis zuletzt 2002 in allein 14 medizinisch/somatosensorische Veröffentlichungen direkt zu dem Thema, und einer Vielzahl weiterer Veröffentlichungen zu verwandten Themen, vorweisen kann. Als weitere hervorzuhebende Quelle dienen die Arbeiten von B ÉKÉ SY [23] sowie J OHANSSON . Neben dem Einfluss haptischer Wahrnehmung von der Frequenz existiert eine Abhängigkeit der wirkenden Fläche: großflächiger Einleitung von Kräften (A > 1 cm2 ) und der Einleitung von Kräften über kleine Flächen (A < 1 mm2 ) (Abb. 3.15). Bei kinästhetischen Displays handelt es sich immer um eine großflächige Ankopplung über die Finger. Bei taktilen Displays müssen geringe Flächen der Ankopplung angenommen werden. Die Wahrnehmungskurve setzt sich aus den Ausgangssignalen der vier Sensortypen zusammen und hat ein Minimum (Punkt maximaler Empfindlichkeit) bei ≈ 350 Hz. Die Frequenzabhängigkeit ist somit auch hier unbestritten. Lediglich der exakte Verlauf, als auch das Minimum der
54
3 Biologische Grundlagen haptischer Wahrnehmung Eindringtiefe [mm]
1000
Pacinian
100
RA 10
WahrnehmungsSchwellwert
1 1
10
100
350
1k
f [Hz]
Abb. 3.14 Kombinierte Kurve eines Schwellwerts haptischer Wahrnehmung [213].
Auslenkung [dB, rel. to 1µm Spitzenwert]
Wahrnehmungskurve (Frequenz maximaler Empfindlichkeit), variiert im Bereich von ≈ 100 Hz. Bemerkenswert ist, dass die Wahrnehmung besonders niedriger Frequenzen < 0, 1 Hz nicht abschließend dokumentiert ist. Man kann sich behelfen, indem ab ≈ 1 Hz die Wahrnehmungskurve als ein konstanter Wert angenommen wird.
A1 A2
PA & RA Rezeptoren SA I & SA II Rezeptoren
f [Hz]
Abb. 3.15 Frequenzabhängige Wahrnehmung von Schwingungen für zwei unterschiedliche Kontaktflächen A1 und A2 [67]. PA-, RA-, SA-Rezeptoren siehe Abbildung 3.2
3.2 Haptische Wahrnehmung
55
Neben der Frequenzabhängigkeit existieren noch weitere Abhängigkeiten haptischer Wahrnehmung. Anhaltende mechanische Reize haben eine reversible Desensibilisierung der Rezeptoren zur Folge. Diese zeitliche Abhängigkeit der Wahrnehmung wird in [69] dazu genutzt, einzelne Rezeptorklassen zu maskieren, um den Anteil anderer Klassen an der Wahrnehmung in den überlappenden Frequenzbereichen zu studieren. Die zeitliche Änderung der Wahrnehmungskurve Δ K in dB kann entsprechend Gleichung 3.7 genähert werden
Δ K(t) = 12 · (et )12 .
(3.7)
Daraus ergibt sich, dass die Desensibilisierung in einem zeitlichen Rahmen von einer Sekunde (Frequenzanteile unter 10 Hz) stattfinden. Daher ist ihre Berücksichtigung bei der Analyse von haptischen Displays, Telemanipulationssystemen oder Simulatoren wegen des großen Verhältnisses der Nutzungsdauer zur Desensibilisierung nicht notwendig, sondern es wird immer von einem eingeschwungenen, desensibilisierten Zustand ausgegangen. In der Praxis ist diese Näherung jedoch nicht immer zutreffend, da z.B. bei der Nutzung von taktilen Geräten auf Basis von Pinoder Scherkraftsystemen aus eigener subjektiver Beobachtung des Autors heraus eine Verringerung der Wahrnehmung einzelner Pins nach Minuten noch auftritt. Die Amplitudenauflösung (DL) der haptischen Wahrnehmung weist analog zur visuellen und akkustischen Wahrnehmung beim Menschen ein logarithmisches Verhalten auf. Die Wahrnehmung von kleinsten Änderungen in Abhängigkeit einer in der Amplitude veränderlichen Grundanregung wurde in [68] untersucht. Messungen wurden an zwei Frequenzen (25 Hz, 250 Hz) und mit weißem Rauschen gemacht. Die nachgewiesene Abhängigkeit des DL von der Amplitude der Grundanregung ist nichtlinear mit einer maximalen Abweichung von ≈ +3 dB. Sie ist für niedrige Amplituden der Grundanregungen höher. Dies legt nahe, dass zur Beschreibung der Wahrnehmung das in Abschnitt 3.2.1.2 vorgestellte Power-Law (Gl. 3.6) eingesetzt werden kann, wobei die Koeffizienten für jede Kontaktsituation bestimmt werden müssen.
3.2.3 Kennwerte haptischer Interaktion Neben den Dynamikverläufen aus dem vorangegangenen Kapitel existieren eine Vielzahl vereinzelter Werte aus Experimenten, die einen Eindruck der Fähigkeiten haptischer Interaktion ergeben. Die Ergebnisse teilen sich in zwei Gruppen. In der Tabelle zur haptischen Wahrnehmung (Tab. 3.2) sind rezeptorseitige Eigenschaften zusammen gefasst, während in der Tabelle der aktiven Bewegungen (Tab. 3.3) Grenzwerte und Fähigkeiten der aktiven Komponenten des haptischen Systems zusammengefasst sind. Die Tabellen beruhen auf einer Sammlung von D OERRER aus [46] und wurden um weitere Quellen ergänzt. Generell gilt aber beim Umgang mit derartigen Werten die Aussage von B URDEA [34] ”that it is dangerous to bank on recommendations for the design of haptic devices, especially when they are taken
56
3 Biologische Grundlagen haptischer Wahrnehmung
from different experiments, with varying methods, and when only a small number of participants took part”. Die hier vorgestellten Kennwerte können nur einen Auszug aus den in der Literatur vorgestellten Untersuchungen abbilden. Für eine recht aktuelle und ausreichend umfangreiche Zusammenstellung wird auf [116] verwiesen.
3.2 Haptische Wahrnehmung
57
3.2.3.1 Kennwerte haptischer Wahrnehmung
Tabelle 3.2 Kennwerte der Wahrnehmungsfähigkeit der menschlichen Hand. Grundgröße
Statische Auslenkung / Position
Kennwert
Körperstelle
Wert
Quelle
Hautauslenkung, Absolutschwelle (a)
Fingerspitze (taktil) Fingerspitze (taktil) Handfläche (taktil) Fingergelenk (kinästhetisch) Handgelenk (kinästhetisch) Finger (taktil) gesamter Körper (kinästhetisch) Fingerspitze, Handfläche (taktil)
10 μ m (b)
[120]
Zweipunktschwelle (c) (Räumliche Auflösung)
Positionsauflösung, Differenzschwelle (DL)(g) Frequenz, Obergrenze (taktile Wahrnehmung) Frequenz, Obergrenze (kinästhetische Wahrn.) Dynamische Auslenkung (Vibration)
Maximale Empfindlichkeit
Fingerspitze, Amplitude, Absolutschwelle Handfläche (taktil) Amplitudenauflösung, Differenzschwelle (DL)(g) Frequenzauflösung, Differenzschwelle (DL) Kraft, Absolutschwelle
Kraft und Druck
Kraft, Differenzschwelle (DL) Druck, Absolutschwelle Druck, Differenzschwelle (DL)
Drehmoment
Differenzschwelle (DL)
Nachgiebigkeit
Differenzschwelle (DL)
Fingerspitze (taktil) Fingerspitze (taktil) Fingerspitze (l) (taktil) Handfläche (taktil) gesamter Körper (kinästhetisch) Finger (taktil) Handgelenk (kinästhetisch) Daumen, Zeigefinger (kinästhetisch) Daumen, Zeigefinger (kinästhetisch)
2-3 mm (d, e, f) [34][120] 10-11 mm
[120] [223]
2,5 ◦
[244]
2,0 ◦
[244]
5-10 kHz
[31][34]
20-30 Hz
[31]
bei 200-300 Hz 0,1-0,2 μ m bei 200-300 Hz
[15][25] [120] [15][25] [120]
(h, i, j)
10-25 %
[25]
8-10 % (k)
[25]
0,8 mN
[34]
1,5 mN
[34]
5-10 % (ca. 7 %) (m, n, o)
[186]
0,2 N/cm2
[222]
(p)
4-19 % (q)
[244]
12,7 % (r)
[112]
5-15 % (s, t)
[243]
58
3 Biologische Grundlagen haptischer Wahrnehmung
Bemerkungen und Ergänzungen zu Tabelle 3.2 (a) Absolutschwelle: Ab diesem absoluten Grenzwert wird der Reiz wahrgenommen. (b) Wird eine Bewegung des Fingers zugelassen, so können Oberflächenstrukturen mit 0,85 μ m Höhe wahrgenommen werden [136]. (c) Zwei Reize mit einem örtlichen Abstand größer der Zweipunktschwelle werden unterscheidbar wahrgenommen. Die räumliche Auflösung ist der Kehrwert der Zweipunktschwelle. Die Tabellen zur Zweipunktschwelle am menschlichen Körper sind sehr umfangreich. Generell nehmen die Werte beginnend von der Fingerspitze mit 1 mm bis zu Bauch und Rücken mit 10 mm zu. Die Bedeutung der Zweipunktschwelle wird widersprüchlich diskutiert, da die Wahrnehmung von Scherungen der Haut heute mehr Bedeutung zugesprochen wird. Dennoch vermittelt die Zweipunktschwelle einen guten qualitativen Eindruck der Rezeptordichten am Körper. (d) Bei vibrotaktiler Stimulation (Vibrationen) befindet sich die Zweipunktschwelle an der unteren Grenze von 2 mm [120]. (e) Die Zweipunktschwelle wird kleiner, wenn die Reize nicht gleichzeitig, sondern zeitlich nacheinander dargeboten werden [120]. (f) Eine Positionsveränderung eines Reizes kann örtlich zehnfach besser aufgelöst werden als die Zweipunktschwelle [120]. (g) siehe Abschnitt 3.2.1.1 (h) Die Wahrnehmungsschwelle hängt stark von der Vibrationsfrequenz, dem Ort der Reizung und der Größe der Reizfläche ab [25][120][223]. (i) Amplituden größer als 0,1 mm werden an der Fingerspitze als lästig empfunden [25]. (j) Bei Reizung mit konstanter Frequenz und Amplitude findet eine Desensibilisierung statt, die bis zu einem Taubheitsgefühl führen und nach Beenden der Reizung noch mehrere Minuten andauern kann [35][119]. (k) Die Fähigkeit Reize zu unterscheiden reduziert sich ab 320 Hz [31]. (l) Die Absolutschwelle der Kraftwahrnehmung wird von taktilen Mechanorezeptoren durch die Verformung der Haut registriert. (m)Der Wert von 7 % wurde als weitgehend unabhängig vom betreffenden Muskelsystem und vom Betrag der Kraft ermittelt [186]. (n) Ein spezieller Versuch bezüglich Kräften zwischen Daumen und Zeigefinger zeigte eine JND von 5-10 % für Referenzkräfte zwischen 2,5 und 10 N bei einem Fingerabstand von 45 bis 125 mm. Für kleinere Kräfte wird eine größere JND vermutet [186]. (o) Bei einem Versuch zur Unterscheidung von Massen unterschiedlicher Gegenstände wurde eine JND von 10 % festgestellt [15]. (p) Die taktile Wahrnehmung des Menschen ist besonders empfindlich für Druckgradienten und speziell für Objektkanten [244]. (q) Versuch bei einem Referenzdruck von 1,8 N/cm2 . JND stark ansteigend mit abnehmender Kontaktfläche: 4,4 % bei 5,06 cm2 , 18,8 % bei 1,27 cm2 [244]. (r) Versuch bei einem Referenzdrehmoment von 60 mNm. (s) Versuch bei einer Referenznachgiebigkeit von 4 mm/N und einem Federweg von 15 bis 35 mm. (t) Bei der Wahrnehmung der Nachgiebigkeit spielt die geleistete Arbeit beim Stauchen und die Verformung der Objektoberfläche eine Rolle [34].
3.2 Haptische Wahrnehmung
59
3.2.3.2 Kennwerte aktiver Bewegungen
Tabelle 3.3 Kennwerte der Ausgabefähigkeit der menschlichen Hand.
Grundgröße Geschwindigkeit
Bewegung
Kennwert Maximale Geschwindigkeit
Bandbreite (Bewegung und Kraftausübung)
Maximale Kraft Kraft
Ausübungsgenauigkeit
Drehmoment
Maximales Drehmoment
Körperstelle
Wert
Quelle
Finger (handnächstes Gelenk) Finger (mittleres Gelenk) Finger Arm, unerwartete Reaktion Arm, periodische Bewegung gelernte Trajektorie Reflex Zeige-, Mittel-, Ringfinger Daumen Handgelenk zwischen 2 Fingern: Fingerspitzengriff (d) zwischen 2 Fingern: Schlüsselgriff (f) Fingerspitze (mit visuellem Feedback)(g) Fingerspitze (ohne visuelles Feedback) Finger (handnächstes Gelenk) Finger (mittleres Gelenk) Finger (handfernstes Gelenk)
17 rad/s (a)
[85]
18 rad/s (a)
[85]
(b)
[31]
5-10 Hz 1-2 Hz
[232]
2-5 Hz
[232]
bis 5 Hz bis 10 Hz
[232] [232]
40-50 N (c)
[34]
85-100 N 35-65 N
[85] [34]
45-65 N (e)
[34]
76-109 N
[34]
40 mN (h)
[232]
11-15 % (i)
[232]
370-500 Ncm (j)
120-289 Ncm
[85]
(j)
[85]
40-85 Ncm (j)
[85]
60
3 Biologische Grundlagen haptischer Wahrnehmung
Bemerkungen und Ergänzungen zu Tabelle 3.3 (a) Für langsame Bewegungen werden Geschwindigkeiten von 3-6 rad/s für handnächste und mittlere Fingergelenke angegeben [85]. (b) Die Bandbreite der Ausgabefähigkeiten ist situationsabhängig: unerwartete Signale: 1-2 Hz, periodische Signale: 2-5 Hz, bekannte Bewegungsabläufe: ca. 5 Hz, Reflex- reaktionen: ca. 10 Hz [31]. (c) Bei gestreckten Fingern und Bewegung nur am handnächsten Gelenk. Diese Werte sind weitgehend unabhängig von der Gelenkstellung (Beugung zwischen 0 und 80 ◦ ) [34]. (d) Es müssen verschiedene Griffpositionen der Finger unterschieden werden. Fingerspitzengriff bedeutet, dass ausschließlich die Fingerspitzen am Griff beteiligt sind. Eine Übersicht der Griffpositionen ist in [34] zu finden. (e) Die Maximalkraft kann nicht auf Dauer ausgeübt werden. Bei einer periodischen Kraftausübung von 25 % der Maximalkraft für 15 s mit anschließender Pause von 15 s entsteht schon nach 10 min der Eindruck einer Erschöpfung. Bei 15 % der Maximalkraft entsteht dieser Eindruck erst nach 104 min [278]. (f) Beim Schlüsselgriff drückt der Daumen an den seitlichen Bereich des Zeigefingers. (g) Aufgabe der Versuchsteilnehmer war das Ausüben einer konstanten Kraft. Dabei wurde auf einem Monitor die aktuell ausgeübte Kraft visuell rückgemeldet [232]. (h) Dieser durchschnittliche Fehler wurde weitgehend unabhängig vom Betrag der auszuübenden Kraft zwischen 0,25 und 1,5 N festgestellt. Die Kräfte wurden 14 s aufrechterhalten [232]. (i) Ohne visuelle Rückmeldung wird der Fehler deutlich größer und hängt von der auszuübenden Kraft ab, weshalb die Angabe in Prozentwerten erfolgt [232]. (j) Die Werte wurden rechnerisch aus Fingerkräften und -abmessungen bestimmt [85].
3.3 Schlussfolgerungen aus der Biologie der Haptik Neben dem Studium der reinen Kennwerte haptischer Wahrnehmung ist es sinnvoll, sich die Bedeutung von μ m-Auslenkungen, Frequenzen von 1 kHz und mehr in Bezug zu technischen und biologischen Systemen zu setzen. Dies ist eine kleine Fingerübung, um sich auf die Herausforderungen beim Entwurf haptischer Systeme vorzubereiten und basiert auf einem Vortrag von N IEMEYER.
3.3.1 Steifigkeiten Bereits die initiale Berührung eines Materials gibt uns Informationen über dessen haptische Eigenschaften. Der Mensch ist in der Lage sofort zu unterscheiden, ob er mit dem Finger auf einen Holztisch, ein Stück Gummi oder eine massive Betonwand trommelt. Dabei spielen neben den akkustischen und thermischen Eigenschaften vor allem die taktilen und kinästhetischen Rückmeldungen eine große Rolle. Unter der vereinfachenden Annahme einer zweiseitig eingespannten Platte, lässt sich über das E-Modul die Steifigkeit k dieser Platte näherungsweise mit
3.3 Schlussfolgerungen aus der Biologie der Haptik
k=2
b h3 ·E l3
61
(3.8)
ermitteln [153]. Abbildung 3.16a zeigt die Berechnung der Steifigkeiten einer Platte von 1 m Kantenlänge und 40 mm Höhe. Im Vergleich dazu wird die Steifigkeit kommerziell erhältlicher haptischer Systeme (Abb. 3.16b) gesetzt. Es ist offensichtlich, dass die Steifigkeit kommerzieller Systeme um Zehnerpotenzen unterhalb der Steifigkeiten massiver, aber dennoch alltäglicher Körper wie Tischen und Wänden liegt. Dennoch ist die Steifigkeit eines Gerätes nur ein Kriterium für die Auslegung eines guten, haptischen Systems. Dieser Vergleich soll bewusst machen, dass die pure Nachbildung von massiven Gegenständen nicht alleine aus einem technischen System kommen kann, vielmehr braucht es eine Kombination aus steifer5 und dynamischer Hardware, da - wie im vorangegangenen Kapitel gezeigt - vor allem die dynamischen Interaktionen in hohen Frequenzbereichen die Qualität der Haptik bestimmen.
Abb. 3.16 Vergleich zwischen Steifigkeiten einer 1x1x0.04 m3 Platte unterschiedlicher Materialien (a) mit den darstellbaren Steifikeiten kommerzieller haptischer Systeme (b).
5
im Sinne eines vertretbaren, technischen Aufwands
62
3 Biologische Grundlagen haptischer Wahrnehmung
3.3.2 Ein Kiloherz - Bedeutung für den technischen Entwurf Die haptische Wahrnehmung erstreckt sich in Frequenzbereiche bis zu 10 kHz, wobei der Schwerpunkt unterhalb von 1 kHz liegt. Die hohe Bandbreite der Wahrnehmung ermöglicht es uns, Mikrostrukturen von Oberflächen wahrzunehmen, wie auch hochdynamische Ereignisse, z.B. den Moment des Kontaktes beim Trommeln auf einer Tischplatte, genau zu erkennen. Nimmt man in einer Überschlagsrechnung ein Materialmodell entsprechend Abbildung 3.17 als eine Parallelschaltung aus einer bewegten Masse m und einer Feder k an, dann ergibt sich unter der Annahme eines für alle Materialien gleichen ”virtuellen” Volumen V und der individuellen Dichte ρ für einen qualitativen Vergleich die Möglichkeit zur Berechnung der Grenzfrequenz einer sprunghaften Anregung nach k k 1 1 = fb = . (3.9) 2π m 2π V ρ Abbildung 3.17 zeigt, dass alleine die Kollision mit Gummi und weichen Kunststoffen Grenzfrequenzen unterhalb von 100 Hz haben. Bereits festerer Kunststoff (Plexiglas) und alle weiteren Materialien weisen Grenzfrequenzen oberhalb von 700 Hz auf. In einem Umkehrschluss bedeutet das, dass für eine qualitativ hochwertige Abbildung einer solchen Kollission sowohl das signalverarbeitende, wie das mechanische Systeme wenigstens derartige Dynamiken aufweisen müsste, da der Mensch in diesem Frequenzbereich noch taktil empfindsam ist.
1.000
m
k
v
3dB - border-frequency [Hz]
F 100
10
fb de nu m
St ea l
ol yb M
on lic Si
G la s
lo y Al
G ra ni te
Co nc re te
s
W oo d
en e
ex ig la Pl
ro py l
Po lyp
Ru bb er
1
Abb. 3.17 3 dB Grenzfrequenzen f b einer Anregung eines einfachen mechanischen Modells verschiedener Materialien.
Daher wird beim Entwurf haptischer Systeme häufig empfohlen, das technische System so auszulegen, dass es in der Lage ist die volle haptische Bandbreite von
3.3 Schlussfolgerungen aus der Biologie der Haptik
63
1 kHz (bei manchen Quellen auch bis zu 10 kHz) zu übertragen. Dieser Forderung ist aus Sicht der Software- und Nachrichtentechnik nicht abwegig, da sowohl Abtastsysteme wie auch Algorithmen derartige Rechengeschwindigkeiten erreichen können. Betrachtet man aber den hardwareseitigen Entwurf, so sind Dynamiken von 1 kHz gewaltig, wenn nicht sogar utopisch. Abbildung 3.18 zeigt eine Beispielrechung der Schwingungsamplitden nach F0 = |x · (2π f )2 m|.
(3.10)
Betrachtet wird eine Kraftquelle, die eine Ausgangskraft F 0 generiert. Die Last des Systems ist eine Masse (z.B. ein Handgriff) von 10 g (!!). Das System ist unbelastet, d.h. es muss keine haptisch wirksame Ausgangskraft zu einem Nutzer generieren. Angenommen wird eine periodische Schwingung der Frequenz f und der Amplitude x. Bei einer angenommenen Amplitude der Schwingung von 1 mm, ist bei 10 Hz eine Kraft von ungef. 10 mN notwendig. Bei einer Frequenz von 100 Hz sind bereits 2-3 N notwendig. Bei einer Frequenz von 700 Hz bereits 100 N - und das nur zur Bewegung einer Masse von 10 g! Natürlich ist es so, dass in Kombination mit der Nutzerimpedanz als Last bei Frequenzen >100 Hz Amplituden im Bereich von 100μ m und weniger auftreten werden, dennoch macht diese Rechnung deutlich, dass die energetische Betrachtung mechanischer Systeme für in der Haptik relevante Frequenzbereiche absolut notwendig ist.
Linien gleicher Kräfte |F0| [N] 100
50
100
10
1
0.5
0.1
0
0.01
0.05
-2
10
10
500
100
50
10
5
00
1
0.5
0.1
0.05
0.01
50
0 1 00
0
10
500
0.5
0.01
x [m]
10
50
-3
0
0.1
0.05
Fm
10
5
F0
100
1
m=0.01 kg
50 100
10 -4
50
5
10
10
0
10
1
f [Hz]
10
2
10
3
Abb. 3.18 Äquipotentiallinien von identischen, notwendigen Kräften in Abhängigkeit der Amplitude und der Frequenz bei der Beschleunigugn einer Masse von 10 g.
64
3 Biologische Grundlagen haptischer Wahrnehmung
Der Entwurf eines technischen, haptischen Systems ist also ein Kompromiss aus Bandbreite, Steifigkeit, Dynamik der Signalverarbeitung und maximalen Kraftamplituden. Der Entwurf führt den Entwickler bereits bei einfachen Systemen an die Grenzen der technischen Möglichkeiten. Es ist daher notwendig, ein gutes Modell für den Nutzer des technischen Systems in Bezug auf seine Eigenschaften als Last der mechanischen Einheit, wie auch in Bezug auf seine haptische Wahrnehmung zu haben, um einen optimierten Entwurf des technischen System durchführen zu können. Mit dieser Modellbildung beschäftigen sich das folgende Kapitel.
Kapitel 4
Nutzermodellbildung
T HORSTEN A. K ERN
Das vorangegangene Kapitel hat gezeigt, dass die für die haptische Wahrnehmung relevanten Mechanorezeptoren frequenzabhängig sind. Die Amplitude einer Schwingung über den Frequenzbereich wird also unterschiedlich intensiv wahrgenommen. Weiterhin hat das letzte Kapitel deutlich gemacht, dass die Dynamik haptischer Wahrnehmung große Anforderungen an den Entwurf technischer Systeme stellt. Da bei haptischen Systemen der Nutzer immer Rückwirkungen auf das mechanische System hat, ist es also notwendig diesen in seinen mechanischen Eigenschaften bei der Auslegung des technischen Systems zu berücksichtigen. Dieses Kapitel setzt sich im ersten Teil mit dieser Beschreibung des Nutzers als Last auseinander. Diese Beschreibung erfolgt zweigeteilt in Abhängigkeit des betrachteten Frequenzbereiches. Im zweiten Teil des Kapitel wird ein Modell der frequenzabhängigen Wahrnehmung für hochfrequente Schwingungen vorgestellt. Das Kapitel schließt mit Anwendungsbeispielen und einer Zusammenfassung.
4.1 Zuordnung der Frequenzbereiche auf das Nutzermodell Betrachtet man den Frequenzbereich haptischer Wahrnehmung (Abb. 4.1), so erstreckt sich diese von quasi statisch (wenigstens 10 s) bis hin zu 1 kHz oder mehr. Der Bereich höchster Empfindlichkeit liegt dabei zwischen 100-300 Hz.
65
66
4 Nutzermodellbildung
Tatsächlich ist die haptische Wahrnehmung nicht statisch. Die untere Grenzfrequenz ist allerdings nicht exakt ermittelt. Als einfaches, persönliches Experiment versuche man nach einer Ruhephase (z.B. beim Liegen auf der Couch oder auf dem Bett) sich der Lage seiner Gliedmaßen, der Struktur der Decke oder des Polsters bewusst zu werden. Man wird feststellen, dass der haptische Sinn nach einer langen Ruhephase wenige mechanischen Informationen (aber durchaus Wärme) wiedergibt. Erst nach einer Bewegung wird z.B. die Textur des Stoffs der Decke wieder tastbar.
Der Bereich aktiver haptischer Interaktion - Bewegungen, die bewusst oder unbewusst vom Menschen ausgeführt werden - sind in der Bandbreite begrenzt. Die Quellen unterscheiden sich (siehe auch Abschnitt 3.2.3) bezüglich der Dynamik menschlicher Bewegung. Die schnellste bewusste Bewegung können Menschen mit ihren Fingern durchführen. Hier wurden Geschwindigkeiten der Tastendrücke von von bis zu 8 Hz1 gemessen. Da die Grenzfrequenz der Bewegung oberhalb dieses Wertes liegt, ist eine Annahme einer Grenzfrequenz von 10 Hz in den meißten Fällen angemessen. Man bemerke jedoch, dass diese Grenze aktiver haptischer Interaktion fließend und tätigkeitsabhängig sein kann. Der weitaus größere Teil des Spektrums haptischer Wahrnehmung ist passiv (passive haptische Wahrnehmung, auch passive haptische Interaktion) in der Form, dass der Nutzer keine aktive Rückwirkung in diesem Übertragungsbereich hat. Tatsächlich kann der Nutzer sein Lastverhalten auch in diesem Frequenzbereich zum Beispiel durch Änderung der Kraft beim Fassen eines Knaufes verändern, diese Änderung beeinflusst zwar diesen Frequenzbereich, findet aber selbst zeitlich in dem niedrigeren Frequenzbereich aktiver haptischer Interaktion statt. 0.1
1
10
100
1k
Haptische Wahrnehmung
10k f [Hz]
aktive haptische Interaktion passive haptische Interaktion
Abb. 4.1 Grenzfrequenzen f b einer Anregung eines einfachen mechanischen Modells verschiedener Materialien.
Betrachtet man die beiden großen Klassen haptischer Systeme (taktile und kinästhetische Systeme), so hat die obige Modellverstellung im Detail abweichende Auswirkungen: • Die Ausgangsgröße des kinästhetischen Systems F out (Abb. 4.2a) erzeugt zwei Reaktionen am Nutzer. Über die mechanischen Eigenschaften der Fingerspitze 1 8 Hz entsprechen einer Anschlagsgeschwindigkeit von 480 Anschlägen pro Minute. 400 Anschläge gelten als sehr gut für eine professionelle Schreibkraft, 300-200 Anschläge sind gut, 100 Anschläge schaffen die meisten Gelegenheitsschreiber.
4.1 Zuordnung der Frequenzbereiche auf das Nutzermodell
67
(je nach Griff auch der gesamten Handinnenfläche, also den Nachgiebigkeiten der Haut) wird eine spontane, nicht direkt beeinflussbare Reaktion in Form einer Bewegung vspo hervorgerufen. Weiterhin findet eine Wahrnehmung der Kraft statt. Diese Wahrnehmung K 2 wird entsprechend der aktuellen Situation bewertet und in eine Reaktion des motorischen Apparates überführt. Diese bewusste (induzierte) Reaktion vind resultiert in Summe mit der spontanen Reaktion in die Ausgangsgröße vout des Nutzers. • Die Bewegung des taktilen Geräts vout (Abb. 4.2b) summiert sich zusammen mit der bewussten durch den Nutzer durchgeführten Bewegung vind zu einer gemeinsamen Verschiebung bzw. Geschwindigkeit. Diese Verschiebung wirkt auf die Haut, die über ihre mechanischen Eigenschaften die Ausgangsgröße des Nutzers F out erzeugt. Die bewusste Bewegung vind addiert sich bei entgegengesetzten Bewegungsrichtungen zu vout , da bei entgegengesetzten Bewegungen eine größere Auslenkung der Haut und somit eine höhere Kraft zwischen Nutzer und technischen System ergibt. Sie subtrahiert sich analog bei gleichgerichteter Bewegung, da dann das Gerät (oder der Nutzer, je nach Betrachtungsrichtung) der Kraftwirkung ausweicht und bestrebt ist, eine kleine Deformation und somit eine geringe wahrgenommene Kraft zu bewirken. Ausschließlich die Ausgangsgröße F out der kombinierten Bewegung wird nach diesem Modell wahrgenommen, und bedingt die weiteren bewussten Bewegungen.
vor allem kinästhetischhaptisches Gerät (Kraftquelle)
Nutzer
Haut
vspo vind Muskeln &
xout
a)
xout
b)
Wahrnehmung
= xout
vor allem taktiles haptisches Gerät (Positionsquelle)
K
Fout
Fout
xout
1 s
s
+ +
vout
vout
-
+
vout- vind Nutzer
K'
Gelenke
vind Mukeln & Gelenke
K'
Haut
=
Fout Fout
Wahrnehmung
K
Abb. 4.2 Nutzermodelle als Blockstruktur bei kinästhetischen (a+c) und taktilen (b+d) Systemen.
2
Wobei K hier willkürlich gewählt ist und eher ein Zugeständnis an die Notation des Blockschaltbildes ist, denn dass es einer realen neurologischen Größe entspricht.
68
4 Nutzermodellbildung
Überführt man die Modellverstellung aus Abbildung 4.2 in eine abstrakte Notation, dann entsprechen alle Blöcke konkreten Übertragungsfunktionen GHn . Berücksichtigt man außerdem, dass die Nutzerreaktion K sich aus einem komplexen Handlungsmuster sowie der Wahrnehmung K zusammen setzt, und daher im Rahmen der Modellbildung nur als in der Bandbreite begrenzte Störgröße betrachtet werden kann, dann ergibt sich eine Blockschaltbild entsprechend Abbildung 4.3c für kinästehtische und 4.3d für taktile Systeme. Die Übertragungsfunktion GH3 entspricht dabei der mechanischen Admittanz des Griffs oberhalb der angenommenen Grenzfrequenz der aktiven Nutzerinterkation fg . Die Übertragungsfunktion GH1 ist ein Modell zur Quantifizierung haptischer Wahrnehmung, und wird in Kapitel 4.3 näher betrachtet.
Fout
GH1 GH3
xout
1 s
vspo + + vind vout
Fout
K
K' xout
1 s
vspo + + vind vmax fg
vout
c)
a)
xout
s
vout
+
vind
+
vout+ vind
GH2
xout K'
1/GH3 Fout b)
?
GH3
=
GH2
K
GH1
vout
-
vind vmax
+
fg
vout- vind
?
1/GH3
=
GH1
s
K Fout
GH1
K
d)
Abb. 4.3 Überführung der Blockstruktur der Nutzermodelle in Übertragungsfunktionen inkl. Vereinfachungen der Modellvorstellungen im Bereich aktiver haptischer Interaktion für kinästhetische (a+c) und taktile (b+d) Systeme.
Zu dem Einsatzbereich der hier vorgestellten Modellvorstellung sind zwei Anmerkungen zu beachten: • Die in Abbildung 4.2 und 4.3 vorgenommene Notation von Wegen x und Kräften F als Ein- bzw. Ausgangsgrößen des Nutzers stellen eine Möglichkeit der Notation dar. Tatsächlich existiert zwischen Nutzer und haptischem System eine Impedanzkopplung, so dass nicht eindeutig zwischen Ein- und Ausgangsgrößen unterschieden werden kann. Da dennoch das isolierte haptische System oh-
4.2 Modell des Nutzers als mechanische Last
69
ne Kopplung an den Nutzer in der Regel der Auslegung einer Positions- oder Kraftquelle folgt, ist eine Betrachtung in der hier vorgestellten Form häufig sinnvoll. Außerdem gibt es abweichende Aktorsysteme (z.B. Ultraschallaktoren), die sich nicht eindeutig einer dieser Klassen zuteilen lassen. Daher sollte bei der Beschreibung des jeweiligen Systems bewusst mit der Vorzeichenwahl und somit der Richtungsdefintion der Pfeile umgegangen werden! • Der Zweck der hier vorgestellten Modellvorstellung liegt in der Beschreibung einer mechanischen Last zur optimierten Auslegung eines haptischen Systems. Um eine regelungstechnische Stabilität einer Simulation oder eine Telemanipulators zu gewährleisten, ist eine Betrachtung des Frequenzbereiches aktiver haptischer Interaktion <10 Hz unbedingt notwendig. Die Stabilität wird entweder über geeignete Modelle, oder über eine Beobachtung der Ein- und Ausgangsgrößen z.B. in Bezug auf ihre regelungstechnische Passivität durchgeführt. Weiterführende Informationen zu diesen Fragestellungen sind in Kapitel 7 zusammengefasst. Die nun anschließenden Abschnitte zur Nutzerimpedanz (Abschnitt 4.2) und zur Wahrnehmung (Kapitel 4.3) beschreiben konkrete Modelle für die Übertragungsfunktion GH3 .
4.2 Modell des Nutzers als mechanische Last Die Nutzerreaktion im Rahmen der haptischen Interaktion setzt sich aus einem bewussten, bandbreitenbegrenzten Anteil zusammen - der aktiven haptische Interaktion - sowie einem passiven Anteil, der aus den mechanischen Eigenschaften der Finger, Haut und Knochen besteht. Der Einfluss dieses Anteils erstreckt sich über den gesamten Frequenzbereich, ist aber vor allem für hohe Frequenzen relevant. Dieser Abschnitt beschreibt diesen passiven Anteil haptischer Interaktion. Die Übertragungsfunktion GH3 aus Abbildung 4.3 ist eine Komponente der Impedanzkopplung mit Kraft-Eingang und Geschwindigkeits-Ausgang und ist somit eine mechanische Admittanz des Menschen Y H (siehe auch Abschnitt 16) bzw. der Kehrwert seiner mechanischen Impedanz Z H . GH3 =
vspo v − vind 1 = out = YH = F out F out ZH
(4.1)
Im Folgenden wird die mechanische Impedanz des Nutzers beschrieben. Die Diskussion einer mechanischen Impedanz anstatt der Admittanz hat den Vorteil eines leichteren Zugangs im Verständnis. Eine Impedanz ist nichts anderes, als die Steifigkeit oder Härte einer Mechanik, eines Materials. Hohe Impedanz heißt also, dass das Objekt eine oder mehrere von drei Eigenschaften hat: 1. Hart und steif im Sinne einer Federsteifigkeit, 2. träge im Sinne einer hohen Massenträgheit, 3. schwergängig im Sinne einer hohen Reibung.
70
4 Nutzermodellbildung
Immer resultiert eine geringe Bewegung (Geschwindigkeit v) bei hohen Impedanzen in eine hohe Kraftreaktion F. Eine niedrige Impedanz heißt, dass das Objekt, die Mechanik, entsprechend weich oder leicht ist. Auch sehr hohe Bewegungsgeschwindigkeiten resultieren dort in nur geringen Gegenkräften.
Es ist also durchaus legitim, beim Lesen den Begriff Impedanz durch Steifigkeit zu ersetzen. Man sollte jedoch beachten, dass die Steifigkeit (im linearen Fall die Federsteifigkeit/Federkonstante k) nur eine von drei Charakteristika der Impedanz ist (siehe Kapitel 16).
Die mechanische Impedanz des Menschen ist von mehreren Einflüssen abhängig: • • • •
Griffart, und somit der Konstruktion Physische Kondition Greifkraft, und somit dem Willen des Nutzers Hautoberflächenveränderung, z.B. durch Schweiß
Bei der Quantifizierung der mechanischen Impedanz ist es nun notwendig, durch die Berücksichtigung möglichst vieler Einflüsse die resultierenden Modelle zu präzisieren. Die Griffart ist durch die mechanische Konstruktion vorgegeben. Es ist daher notwendig, Modelle der Nutzerimpedanz für die jeweils relevante Form des Bedienelementes zu kennen. Die nutzerindividuellen Parameter, wie die physische Kondition und die Eigenschaften der Haut lassen sich vor allem durch eine Ermittlung der mechanischen Impedanz bei vielen Individuen unter unterschiedlichen Konditionen bestimmen. Man erhält auf diese Weise eine Spannweite in Form von Perzentilen, welche die mechanisch Impedanz der Nutzer abdeckt. Der ”Wille” wiederum ist - wie auch bei der aktiven haptischen Interaktion - nicht akzeptabel als Modell abbildbar. Die aus Sicht des Systems daher zeitlich nicht vorhersagbare Abhängigkeit der Nutzerimpedanz vom ”Willen” kann nur kompensiert werden, indem das System entweder für die Spannweite aller möglichen Impedanzkopplungen der Berührung ausgelegt wird, oder indem das System einen Paramter mit Zusammenhang zur Stärke der Kopplung zwischen System und Nutzer erfasst. Betrachtet man die möglichen Griffarten, so ist ein solcher Parameter häufig die Kraft, die der Nutzer zwischen z.B. zwei Fingern oder mit der Hand auf das Bedienelement aufbringt. In der einfachsten Ausprägung kann die Erfassung dieser Kraft durch einen so genannten Dead-man-switch erfolgen, der bereits 1988 durch H ANNAFORD [82] für haptische Systeme vorgeschlagen wurde. Ein Dead-man-switch wird solange gedrückt, wie der Nutzer das Bedienelement in der Hand hält. Er detektiert also das Loslassen des Bedienelementes und somit einen Impedanzsprung für Z H gegen 0.
4.2 Modell des Nutzers als mechanische Last
71
4.2.1 Griffarten Es existiert eine Nomenklatur für unterschiedliche Griffarten (Abb. 4.4). Die Hand ist eine Extremität mit 27 Knochen und 33 Muskeln. Sie vereinbart also 13 (Finger) bis 15 (inkl. Handgelenk) Freiheitsgrade3. Entsprechend vielfältig sind die Möglichkeiten für den Menschen zu Greifen.
Kontakt - Griffe 1 Finger
Präszisions- Griffe 2 Finger
Daumen gegenüber
Daumen
2 Finger
Daumen gekreuzt
3 Finger
3 Finger Gleichmäßig verteilt
Hand
Kraft -Griffe
-
5 Finger
4 Finger
Daumen gegenüber
Hand-Kamm
Gleichmäßig verteilte Handauflage
Hand
Abb. 4.4 Unterschiedliche Griffarten und deren Bezeichnungen.
Man unterscheidet generell zwischen drei Klassen von Griffen: • Der Kontaktgriff beschreibt die Berührung eines Objektes mit der ganzen Hand oder Teilen davon. Schalter und Taster werden i.d.R. durch Kontaktgriffe betätigt. Auch die ruhenden Fingerspitzen auf einer Tastatur oder einem Klavier werden als Kontaktgriff bezeichnet. Ein Kontaktgriff sperrt immer genau eine Bewegungsrichtung eines Objektes (also einen halben Freiheitsgrad). Kontaktgriffe sind durch diese einseitige Sperrung nur unter ausreichender Vorspannung als linear zu betrachten. Bei leichter Berührung findet sonst immer ein Abheben des Objektes vom Kontaktgriff bei Kräften statt, die von der Kontaktfläche weg gerichtet sind. • Der Präzisionsgriff beschreibt das Greifen mit den Fingern. In der Regel wird durch einen Präzisionsgriff wenigstens ein Freiheitsgrad des gegriffenen Objek3 Daumen: 4 DOF, Zeigefinger: 3 DOF, Mittelfinger, 2 DOF (teilweise 3 DOF), Ringfinger: 2 DOF, Kleiner-Finger: 2 DOF, Handgelenk: 2 DOF. Die Rotation der gesamten Hand erfolgt im Unterarm und zählt daher nicht zur den Freiheitsgraden der Hand selbst.
72
4 Nutzermodellbildung
tes formschlüssig durch wenigstens einen Finger und ein Gegenlager, was häufig ein weiterer Finger ist, blockiert. Weitere Freiheitsgrade werden reibschlüssig in der Bewegung eingeschränkt. Präzisionsgriffe variieren stark in der Steifigkeit der Kopplung zwischen Mensch und Maschine. Sie sind gleichzeitig aber sehr häufige Griffarten. • Der Kraftgriff beschreibt das Greifen eines Objektes mit wenigstens einem Finger sowie einem Gegenlager, was wiederum ein Finger sein kann, häufig aber die ganze Handfläche darstellt, mit dem Ziel, das gegriffene Objekt in allen Freiheitsgraden form- oder kraftschlüssig zu kontrollieren. Kraftgriffe sind, wie der Name schon sagt, die steifesten Kopplungen zwischen Mensch- und Maschine. Für alle Griffklassen können Messungen der Impedanzen des Menschen durchgeführt werden. Im Folgenden werden entsprechend dem Vorgehen nach K ERN [127] sowohl die Methode zur Messung als auch ein Modell der Nutzerimpedanz sowie die Parameter für unterschiedliche Griffe dargestellt.
4.2.2 Messverfahren und Messmittel Die Messung mechanischer Impedanzen ist ein in der Messtechnik bekanntes und quasi alltägliches Problem. Das Prinzip zur Messung einer Impedanz basiert auf einer Anregung des zu vermessenden Systems durch einen Aktor, wobei gleichzeitig Kraft und Geschwindigkeitsreaktionen des Systems gemessen werden. Für diesen Zweck existieren kombinierte piezoelektrische Kraft- und Beschleunigungssensoren (z.B. Impedanzsensor 8001 von Brüel & Kjær), wobei der Ladungsverstärker des Beschleunigungssensor einen Integrator beinhaltet. Generell ist die Impedanz organischer Systeme nichtlinear und zeitvariant. Die Nichtlinearität äußert sich vor allem durch ein viskoelastisches Verhalten, das aus einer Überlagerung von Relaxation, Konditionierung, Dehnen und Kriechen [63] resultiert. Die Effekte lassen sich teilweise in mechanischen Modellen mit konzentrierten Bauelementen abbilden, haben aber direkten Einfluss auf die Messungen. Es ist daher zu erwarten, dass Messungen auf Basis sprunghafter Anregungen sich in ihrem Ergebnis von einem Sinus-Sweep unterscheiden. Weiterhin hat durch die Konditionierung der Zeitraum der Messung Einflüsse auf das Ergebnis. Beides bedingt systematische Messfehler bei jeder Impedanzmessung am Menschen. Daher sind die aus deartigen Messungen resultierenden Modelle als ein Anhaltspunkt beim technischen Entwurf mit einer zugrunde liegenden Streuung zu verstehen, und nicht als absolute Wahrheit zu interpretieren. Für alle hier vorgestellten Impedanzmessungen gilt, dass die Messung im SinusSweep von der Hohen zur niedrigen Frequenz durchgeführt wurde. Die Anregung wurde mit definierter Kraft bei einer Kraftamplitude am Sensor von 2 N gefahren. Die mechanische Impedanz des Griffstücks wurde durch eine Kalibrierungsmessung vor jeder Impedanzmessung ermittelt und von den Messwerten abgezogen. Die Impedanzsensoren sind in ihrer Dynamik - dem Messbereich, innerhalb dem
4.2 Modell des Nutzers als mechanische Last
Gegenlager Stahl-Masse
73
Burster F-Sensor für statische Vorspannung Dynamischer Shaker Brüel&Kjaer 4810
Uout
Stift-Sensor mit integrierter FingerkraftMessung FlexiForce A201 L
Impedanz-Sensor Brüel&K jaer 8001
v F
Netzwerkanalysator Sinus-Sweep
Abb. 4.5 Messplatz zur Ermittlung von Nutzerimpedanzen nach [127].
sie funktionieren - beschränkt. Es ist zu beachten, dass durch die für die unterschiedlichen Griffarten abweichenden Griffstücke und deren Massen die maximale Frequenz, bis zu welcher der Anteil der Impedanz des Nutzers sich ausreichend von der Impedanz des Griffstücks abhebt, unterschiedlich ist. Die Modellparameter gelten daher auch nur jeweils innerhalb des messbaren Frequenzbereiches, für niedrigere und höhere Frequenzen sind die Modelle nicht zulässig. Die zugehörigen Anordnungen für die Messungen entsprechen Abbildung 4.6.
4.2.3 Modelle Zur Näherung der Impedanz des Menschen wurden unterschiedliche Ansätze gewählt (Abb. 4.7). Zur Beschreibung dienen mechanische Ersatzschaltbilder mit konzentrierten, linearen Bauelementen. Sie reichen von Modellen, die auch eine aktive Nutzerreaktion in Form von Kraftquellen (Abb. 4.7a) beinhalten über einfache Modelle mit drei Bauelementen (Abb. 4.7c) bis hin zu kombinierten Modellen unterschiedlicher Ausprägung. Die Vorteile der Verwendung mechanischer Modelle gegenüber Übertragungsfunktionen eines defnierten Grades im Zähler und Nenner ist, dass die Bauelemente bezüglich ihrer Abbildung in der Realität interpretiert werden könnne. So können Nachgiebigkeiten und Dämpfer in Reihe mit der anregenden Kraft, als ein Modell der unmittelbaren Hautankopplung betrachtet werden. Weiterhin erreichen mechanische Modelle auf Basis konzentrierter Bauelemente durch ihre Verschaltung in Reihen- und Parallelschaltungen sehr hohe Ordnungen, und
74
4 Nutzermodellbildung
Stift-Sensor mit Fingerkraft-Messung über FlexiForce A201 L
Gegenlager Stahl-Masse
Burster F-Sensor Statische Vorspannung Ball-Knauf Shaker Brüel&Kjaer 4810 mit Fingerkraft-Messung FlexiForce A201 H
Impedanz-Sensor Brüel&K jaer 8001
Abb. 4.6 Anordnungen zur Impedanzmessung.
können daher reale Messungen häufig besser und genauer als beliebige Übertragungsfunktionen abbilden. K ERN [127] hat auf Basis der Modelle aus Abbildung 4.7 ein achtelementiges Modell der mechanischen Impedanz des Nutzers (Abb. 4.8) zur Interpolation der Impedanzmessungen entwickelt. Das Modell zeichnet sich durch drei bei vielen Griffsituationen anzutreffenden Impedanzanteilen aus. Z 3 (Gl. 4.4) modelliert die Nachgiebigkeit und Dämpfung der unmittelbar mit dem Griffstück in Kontakt stehenden Haut. Z 1 (Gl. 4.2) ist das zentrale Element des Modells und beschreibt die mechanischen Eigenschaften der die Impedanz dominierenden Glieder, bei den meisten Griffarten vor allem der Finger. Z 2 (Gl. 4.3) modelliert bei vielen Griffen die mechanischen Eigenschaften der Gliedmaßen, häufig der Hand und lässt Rückschlüsse auf die Spannung der Gelenke zu. s2 m2 + k1 + d1 s s s 1 −1 Z2 = + d2 s + k2 sm1 Z1 =
(4.2)
(4.3)
d 3 s + k3 s
(4.4)
Z B = Z1 + Z2
(4.5)
Z3 =
4.2 Modell des Nutzers als mechanische Last F out
75
k2 m1
F out
k1 d1
Fout
d2
k2 m1
v out
k 1 d1
d2
v out
a)
b)
Hannaford 1988
Fout2
k2 d2
Jungmann 2004
F out
k2b
k3
d3 F out v out
k1b
m1
k1 d1
v out m1 Kunstmann 1999
Fout1
c)
k1 d1
d) Oguztöreli, Stein 1990
Abb. 4.7 Modellierung des Nutzers mit konzentrierten Bauelementen, (a) [82], (b) [117] (c) [182], (d) [142].
Z3 Fout vout
d3 k3
Z1
m2 k1 d1 k2 d2 Z2 m1
Abb. 4.8 Acht-elementiges Modell der Nutzerimpedanz [127] zur Nachbildung des passiven Nutzerverhaltens für Frequenzen >20 Hz.
Kombiniert hat das Modell die Übertragungsfunktion Z H = Z 3 Z B ⎛ s ZH = ⎝ + d 3 s + k3
⎞ −1 −1 s s2 m2 + k1 + d1 s 1 −1 ⎠ + + s d2 s + k2 sm1
(4.6)
(4.7)
76
4 Nutzermodellbildung
4.2.4 Modellparameter Zu dem obigen Modell (Gl. 4.7) können durch Messungen und Approximationen nun Werte ermittelt werden. Bei den hier vorgestellten Parametern wurden zwischen 48 und 194 Messreihen approximiert. Der hierzu verwendete automatische Näherungsalgorithmus besteht aus einer evolutionären Näherung, gefolgt von einem Curve-fit mit Optimierung nach N EWTON [30], um die finale Anpassung der evolutionär ermittelten Startwerte an die Messwerte durchzuführen. Die Messungen variierten in der mechanischen Vorspannung - der Griffkraft - mit der die Bedienelemente betätigt oder gehalten wurden. Die Griffkraft wurde durch Sensoren in den Handstücken erfasst. Sie war während der Messung quasi statisch und wurde für die Dauer eines Sinus-Sweeps im Bereich von 5% des Nennwertes durch die Probanden beibehalten. Die resultierenden Modellparameter konnten daher in Abhängigkeit von der Griffsituation sowie von der Greifkraft ermittelt werden. Sie werden im Folgenden vorgestellt.
4.2.4.1 Kraft-Griffe In der Klasse der Kraftgriffe wurden drei Griffarten untersucht. Beim Umfassungsgriff eines Zylinders mit der ganzen Hand (Abb. 4.9, Tab. 4.1) und beim Griff einer Kugel mit ähnlichen Abmessungen (Abb. 4.10, Tab. 4.2) zeigt sich eine Impedanz zwischen 35 und 45 dB. Die Impedanz weist eine Antiresonanz im Bereich 80 Hz auf, die sich für den Griff eines Zylinders für geringe Griffkräfte etwas zu höheren Frequenzen verschiebt. Die Perzentile, insbesondere die Impedanz des 5% Perzentils, zeigen, dass die gemessene Impedanzen mit einer deutlichen Streuung und Unsicherheit für niedrige Griffkräfte behaftet sind. Es ist zu vermuten, dass durch die Wahl der Probanden und die rein physiologisch großen Unterschiede der Handgröße die Impedanzen für schwache Griffe mit niedrigen Kräften große Variabilität aufweisen. Beim Griff zweier Ringe zwischen dem Daumen und dem Zeigefinger (Abb. 4.11, Tab. 4.3) bewegen sich die gemessenen Impedanzen zwischen 15 und 35 dB. Es zeigt sich eine deutliche Antiresonanz der Impedanz im Frequenzbereich zwischen 70 und 100 Hz, die eine deutliche Abhängigkeit von der Griffkraft aufweist. Die Antiresonanz verschiebt sich mit steigender Vorspannung zwischen den Fingern zu höheren Frequenzen und auch zu höheren Impedanzen. Diese Resonanzverschiebung ist ein Resultat der Abhängigkeit der Parameter k1 und m2 von der Griffkraft, die als zentrales Element von Z 1 die Antiresonanz beeinflussen. Das System ”Hand” wird zwar steifer, die an der Bildung der Impedanz beteiligten Masse m2 nimmt aber ab. Eine Erklärung für diesen Effekt ist nicht sofort ersichtlich. m1 stellt mit 10 kg ein quasi steifes Gegenlager dar.
4.2 Modell des Nutzers als mechanische Last
77
20 log|ZH| [dB]
60
95. Perzentil
50 50. Perzentil
5N 10N 15N 20N
45
40 30
40 5. Perzentil
20 35
10 0 1 10
2
3
10
1
10
2
10
3
10
10 f [Hz]
Abb. 4.9 Impedanz mit Perzentilen (a) und bei verschiedenen Kraft-Leveln (b) für Kraftgriffe auf einem Zylinder (Ø25 mm, definiert für 20 Hz bis 400 Hz). Tabelle 4.1 Modellparameter aus Abbildung 4.8 für Griffe aus Abbildung 4.9 Parameter 50. Perzentil
Funktion der Kraft
Einheit
k1 m1 d1 d2 k2 k3 d3 m2
−62.4 F + 1360 −0.216 F + 4.88 1.46 F + 21.20 −0.409 F + 39, 3 −365 F + 36800 1330 F + 5300 3.27 F + 133 0.00426 F + 0.0652
N/m kg Ns/m Ns/m N/m N/m Ns/m kg
412.61 1.577 43.43 33.06 31271.39 15007.10 182.77 0.13
20 log|ZH| [dB] 60
95. Perzentil 44
5N 10N 15N 20N
50. Perzentil 42
40 5. Perzentil
20
40 38 36
0 34 -20 1 10
2
10
3
10
32 1 10
2
10
3
10 f [Hz]
Abb. 4.10 Impedanz mit Perzentilen (a) und bei verschiedenen Kraft-Leveln (b) für Kraftgriffe um eine Kugel (Ø40 mm, definiert für 20 Hz bis 600 Hz).
78
4 Nutzermodellbildung
Tabelle 4.2 Modell Parameter von Abbildung 4.8 für Griffe aus Abbildung 4.10 Parameter 50. Perzentil
Funktion der Kraft
Einheit
k1 m1 d1 d2 k2 k3 d3 m2
−49.0 F + 3250.0 −0.111 F + 6.01 −0.0359 F + 46.3 −0.788 F + 43.4 13.3 F + 20800.0 109.0 F + 8090.0 4.94 F + 75.2 0.000150 F + 0.0961
N/m kg Ns/m Ns/m N/m N/m Ns/m kg
2500.74 4.32 45.72 31.35 21033.88 9743.13 150.60 0.098
20 log|ZH| [dB]
35
40 35 30 25
95. Perzentil
30
50. Perzentil 5. Perzentil
25 20
20
15
15 10 1 10
5N 10N 15N 20N
2
10
3
10
4
10
10 1 10
2
10
3
4
10
10 f [Hz]
Abb. 4.11 Impedanz mit Perzentilen (a) und bei verschiedenen Kraft-Leveln (b) für Kraftgriffe auf zwei Ringe (Ø25 mm des inneren Rings, definiert für 20 Hz bis 2 kHz). Tabelle 4.3 Modell Parameter aus Abbildung 4.8 für Griffe aus Abbildung 4.11 Parameter 50. Perzentil
Funktion der Kraft
Einheit
k1 m1 d1 d2 k2 k3 d3 m2
2.26 F − 14.0 −2.26 × 10−16 F + 10.0 −0.00538 F + 0.107 0.143 F + 5.47 304.0 F + 1590.0 150.0 F + 811.0 1.72 F + 10.5 −0.000287 F + 0.0206
N/m kg Ns/m Ns/m N/m N/m Ns/m kg
17.71 10.0 0.032 31.35 5843.70 2906.79 34.53 0.016
4.2.4.2 Präzisionsgriffe Bei den Präzisionsgriffen wurden zwei Griffarten untersucht. Bei einem von oben gegriffenen horizontalen Stift (Abb. 4.12, Tab. 4.4) zeigt sich eine ausgeprägte Antiresonanz bei Frequenzen zwischen 80 und 150 Hz. Die Impedanz verschiebt sich für höhere Griffkräfte zu höheren Impedanzen sowie niedrigeren Frequenzen, was auf einen Anstieg der Masse m2 zurückzuführen ist. Mit steigender Griffkraft zwischen den Fingern erhöht sich die Menge an Haut, die mit dem Griff in Kontakt
4.2 Modell des Nutzers als mechanische Last
79
kommt und zu Schwingungen angeregt wird. Bei einem in der Manier eines normalen Stiftes gehaltenen Zylinders (Abb. 4.13, Tab. 4.5) zeigt sich eine weniger deutlich ausgeprägte Antiresonanz der Impedanz, die bei etwas höheren Frequenzen liegt. 20 log|ZH| [dB] 50
2N 5N 7N 10N
30
95. Perzentil
40 30
25
50. Perzentil
20
0 1 10
20
5. Perzentil
10 2
10
3
10
4
10
1
10
2
10
3
4
10
10 f [Hz]
Abb. 4.12 Impedanz mit Perzentilen (a) und bei verschiedenen Kraft-Leveln (b) für Präzisionsgriffe auf ein Stift-ähnliches Objekt in horizontaler Lage (Ø10 mm, definiert für 20 Hz bis 2k Hz).
Tabelle 4.4 Modellparameter aus Abbildung 4.8 für Griffe aus Abbildung 4.12 Parameter 50. Perzentil
Funktion der Kraft
Einheit
k1 m1 d1 d2 k2 k3 d3 m2
−27.5 F + 391.0 0.560 F − 0.371 1.13 F + 0.193 −0.619 F + 12.2 380.0 F + 19600.0 229.0 F + 2190.0 0.409 F + 11.1 0.00883 F − 0.0144
N/m kg Ns/m Ns/m N/m N/m Ns/m kg
212.49 3.26 7.56 8.15 22092.31 3672.75 13.73 0.043
Tabelle 4.5 Modell Parameter von Abbildung 4.8 für Griffe entsprechend Abbildung 4.13 Parameter 50. Perzentil
Funktion der Kraft
Einheit
k1 m1 d1 d2 k2 k3 d3 m2
−74.3 F + 1840.0 0.0616 F + 1.34 −0.776 F + 28.4 0.0247 F + 3.11 −134.0 F + 37500.0 363.0 F + 1190.0 0.551 F + 8.64 0.00372 F + 0.00447
N/m kg Ns/m Ns/m N/m N/m Ns/m kg
1357.07 1.7376 23.3773 3.269 36672.20 3544.55 12.22 0.029
80
4 Nutzermodellbildung 20 log|ZH| [dB]
60 50
2N 5N 7N 10N
30
40 95. Perzentil
30
25
50. Perzentil
20
5. Perzentil
20
10 0 1 10
2
10
3
10
1
10
2
3
10
10 f [Hz]
Abb. 4.13 Impedanz mit Perzentilen (a) und bei verschiedenen Kraft-Leveln (b) für Präzisionsgriffe auf ein Stift-ähnliches Objekt in einer Lage vergleichbar mit dem Schreiben (Ø10 mm, definiert für 20 Hz bis 950 Hz).
4.2.4.3 Ein-Finger Kontaktgriff Im Falle der Kontaktgriffe sind die Impedanzen des Fingers in Abhängigkeit von der Anregungsrichtung und der anregenden Fläche interessant. Die Impedanz eines Zeigefingers gemessen normal zur Fingerkuppe (Abb. 4.14, Tab. 4.6) liegt zwischen 10 und 20 dB und zeigt eine Antiresonanz, die in Abhängigkeit der mechanischen Vorspannung sich von ≈ 150 Hz zu Frequenzen um die 70 Hz verschiebt. Die Impedanz desselben Fingers in lateraler Messrichtung zur Fingerkuppe (Abb. 4.15, Tab. 4.7) ist vom absoluten Betrag her ähnlich, was auf eine vergleichbare Beteiligung von Geweben und Knochen an der Impedanzbildung schließen lässt. Weiterhin weist sie eine von der Vorspannung unabhängige Antiresonanz bei ≈ 120 Hz auf. Im Gegensatz dazu zeigt die Impedanz des Zeigefingers in distaler Richtung (Abb. 4.16, Tab. 4.8) eine deutliche Abhängigkeit von der Anpresskraft, so dass eine bei niedrigen Kräften noch ausgeprägte Antiresonanz bei höheren Anpresskräften vollständig gedämpft wird. Die für die Auslegung taktiler Systeme relevante Resonanz bei kleinen Durchmessern der Kontaktfläche (Abb. 4.17, Tab. 4.9) unterscheidet sich von den Untersuchungen der großen Kontaktflächen. Auch hier resultiert eine Erhöhung der Vorspannung in einer Erhöhung der mechanischen Impedanz, das System wird steifer. Allerdings ist die Lageabhängigkeit der Antiresonanz bezüglich der Frequenz nicht gegeben. Die Antiresonanz verharrt bei ≈ 150 Hz. Postuliert man, dass hochfrequente Schwingungen dann besser wahrgenommen werden, wenn die Auslenkungen an der Fingerbeere maximiert sind (die Fingerbeere weich ist), dann bedeutet dies, dass Schwingungen bei leichten Berührungen besser wahrgenommen werden, da die Impedanz des Nutzers hier kleiner ist - er also ”weicher” berührt und daher eher intensiver mitschwingt. Hingegen harte steife Berührungen resultieren in einer schlechteren Wahrnehmung der Schwingung. Dies ist ein Effekt, den jeder leicht beobachten kann, wenn die Vibration eines Motors (eines Lüfters, CD-ROMs oder eines Autos) durch Oberflächenschwingungen erstastet werden. Auch hier führt eine
4.2 Modell des Nutzers als mechanische Last
81
leichte Berührung in der Regel zu einer bessern Wahrnehmung der Gehäusevibrationen. 20 log|ZH| [dB] 40 95. Perzentil
1N 2N 4N 6N
20
30 50. Perzentil
20
15 5. Perzentil
10
10 0 1 10
2
10
3
10
4
10
1
10
2
10
3
10
4
10 f [Hz]
Abb. 4.14 Impedanz mit Perzentilen (a) und bei verschiedenen Kraft-Leveln (b) für Kontaktgriffe auf ein Platte, welche sich in normaler Richtung zum Zeigefinger bewegt (definiert für 20 Hz bis 2k Hz).
Tabelle 4.6 Modellparameter aus Abbildung 4.8 für Berührungen aus Abbildung 4.14 Parameter 50. Perzentil
Funktion der Kraft
Einheit
k1 m1 d1 d2 k2 k3 d3 m2
0.0187 F + 0.0311 −5.95 F + 56.6 0.861 F + 0.993 −0.233 F + 3.94 −1940.0 F + 15600.0 374.0 F − 375.0 1.48 F + 4.75 0.000675 F + 0.0159
N/m kg Ns/m Ns/m N/m N/m Ns/m kg
0.091 37.28 3.79 3.18 9273.52 839.92 12.22 0.018
Tabelle 4.7 Modellparameter aus Abbildung 4.8 für Berührungen aus Abbildung 4.15 Parameter 50. Perzentil
Funktion der Kraft
Einheit
k1 m1 d1 d2 k2 k3 d3 m2
−14.0 F + 100.0 −0.0000000106 F + 10.0 0.117 F − 0.0558 0.509 F + 3.23 1250.0 F + 8860.0 63.3 F − 14.1 0.363 F + 3.25 0.00141 F + 0.0133
N/m kg Ns/m Ns/m N/m N/m Ns/m kg
54.60 10 0.323 4.88 12935.82 191.626 4.4342 0.0178
82
4 Nutzermodellbildung 20 log|ZH| [dB]
20
16
95. Perzentil
1N 2N 4N 6N
14
15 10
50. Perzentil
12
5. Perzentil
10 8
5 0 1 10
6 2
3
10
4 1 10
4
10
10
2
3
10
4
10
10 f [Hz]
Abb. 4.15 Impedanz mit Perzentilen (a) und bei verschiedenen Kraft-Leveln (b) für Kontaktgriffe auf ein Platte, welche sich in lateraler Richtung zum Zeigefinger bewegt (definiert für 20 Hz bis 2k Hz).
20 log|ZH| [dB]
40
25
30
1N 2N 4N 6N
20 95. Perzentil
20
15
50. Perzentil
10
5. Perzentil
10 0 1 10
2
10
3
10
4
10
1
10
2
10
3
10
4
10
f [Hz]
Abb. 4.16 Impedanz mit Perzentilen (a) und bei verschiedenen Kraft-Leveln (b) für Kontaktgriffe auf ein Platte, welche sich in distaler Richtung zum Zeigefinger bewegt (definiert für 20 Hz bis 2k Hz).
Tabelle 4.8 Modellparameter aus Abbildung 4.8 für Berührungen aus Abbildung 4.15 Parameter 50. Perzentil
Funktion der Kraft
Einheit
k1 m1 d1 d2 k2 k3 d3 m2
−291.0 F + 1720.0 0.0571 F + 9.71 1.61 F + 4.22 −0.711 F + 5.31 −8590.0 F + 50800.0 367.0 F + 811.0 0.266 F + 3.17 0.00405 F + 0.00636
N/m kg Ns/m Ns/m N/m N/m Ns/m kg
777.563 9.892 9.4437 3.0034 22874.36 2004.00 4.0377 0.0195
4.2 Modell des Nutzers als mechanische Last
83
20 log|ZH| [dB] 40
30
95. Perzentil 50. Perzentil
20
1N 2N 4N 6N
20
15
10 5. Perzentil
0 -10 1 10
2
10
10
3
10
4
10
1
10
2
10
3
10
4
10 f [Hz]
Abb. 4.17 Impedanz mit Perzentilen (a) und bei verschiedenen Kraft-Leveln (b) für Kontaktgriffe auf einen Pin mit einem Durchmesser von 2 mm, welche sich in normaler Richtung zum Zeigefinger bewegt (definiert für 20 Hz bis 2k Hz). Tabelle 4.9 Modell Parameter aus Abbildung 4.8 für Berührungen aus Abbildung 4.17 Parameter 50. Perzentil
Funktion der Kraft
Einheit
k1 m1 d1 d2 k2 k3 d3 m2
−124.0 F + 606.0 15.2 F + 25.5 −0.088 F + 2.09 −0.0106 F + 3.2 −1350.0 F + 11000.0 −36.3 F + 361.0 1.84 F + 2.39 −0.00202 F + 0.0180
N/m kg Ns/m Ns/m N/m N/m Ns/m kg
203.2139 75.0194 1.8054 3.1672 6656.03 478.73 8.3689 0.0114
84
4 Nutzermodellbildung
4.3 Modellbildung haptischer Wahrnehmung Zum Zeitpunkt der Drucklegung dieses Buches existiert kein allgemein anerkanntes und standardisiertes Verfahren zur Quantifizierung haptischer Wahrnehmung. Dennoch besteht ein Bedarf daran, haptische Wahrnehmung in Werte zu überführen, die in einer irgendwie gearteten Relation zueinander stehen, und somit Vergleiche zulassen. Bei der Auslegung technischer Systeme ist es von immensen Vorteil, bereits in der Entwicklung ein Werkzeug an der Hand zu haben, das es erlaubt, die Güte der technischen Entwicklung einzuschätzen. Dies kann zeitdiskret durch Simulation, aber auch analytisch durch Kennwertermittlung erfolgen. In der Optik und Akustik sind derartige Methoden seit Jahrzehnten bekannt. Mit Hilfe der v(λ ) bzw. der v (λ ) Kurven wird in der Lichttechnik der Helligkeitseindruck einer Lichtquelle oder eines beleuchteten Objektes spektral entsprechend einer normierten Wahrnehmungskurve der Wellenlängen bewertet. In der Akustik wird das Spektrum eines dynamischen Druckes entsprechend der Wahrnehmungskurven in phone und sone berechnet. Umso überraschender ist es, dass für den haptischen Sinn kein solches Verfahren etabliert ist. Dies ist wahrscheinlich auf die Vielfältigkeit haptischer Interaktion - also die schiere Zahl möglicher Berührungen und den immer anderen Lastund Wahrnehmungsfällen - und die Interaktion als solche zurück zu führen. Denn allein der haptische Sinn wirkt auf das wahrgenommene Objekt direkt zurück, es verändert also seine mechanischen Eigenschaften. Ein Effekt, der beim akustischen und optischen Sinn zwar auch zutrifft, aber vernachlässigbar ist4 . Die Betrachtung der haptischen Wahrnehmung ist außerdem nicht die Betrachtung der Übertragungseigenschaften eines technischen Systems, z.B. in der Art wie es durch die Transparency (Abschn. 2.2.3) durchgeführt wird. Die Parameter des technischen Systems können Teil einer Optimierung der haptischen Wahrnehmung sein, sie sind dann aber nur ein Teilaspekt der Übertragungsstrecke. Löst man sich von allen Erklärungsversuchen der unterschiedlichen Disziplinen und wirft einen ingenieurstechnisch motivierten Blick auf die haptische Wahrnehmung, dann wäre folgende Definition ein möglicher Ansatz:
4
Natürlich nimmt man optische Strahlung wahr, indem die Photonen absorbiert werden und daher einem Betrachter in der zweiten Reihe nicht mehr zur Verfügung stehen. Man wirft einen Schatten, dies ist aber i.d.R. trivial und für die eigentliche technische Auslegung des Displays irrelevant. Genauso verändert man die Akustik eines Raumes durch die eigenen Präsenz. Diese Effekte liegen aber zumeist jenseits der Wahrnehmung des durchschnittlichen Betrachters.
4.3 Modellbildung haptischer Wahrnehmung
85
“Der Sinneseindruck einer wirkenden Kraft beschreibt die Wahrnehmung der Präsenz einer wirkenden mechanischen Energie, die aber noch nicht als Positionsänderung erfahren wird.“ (T.A. Kern) Die Haut, Muskeln und Gelenke funktionieren vereinfacht gesagt wie ein Kraftsensor. Kleinste Auslenkungen stehen im funktionalen Zusammenhang mit der wirkenden Kraft. Die Haut ist aber im Gegensatz zum technischen System von der Auslenkungs/Weg Kennlinie sowie der Primärsensorverteilung her nichtlinear.
Betrachtet man die haptische Wahrnehmung durch die Haut, Muskeln und Gelenke also analog zu einem Kraftsensor, dann muss es eine Übertragungsfunktion geben, die eine Frequenzabhängigkeit der Messgröße Kraft beschreibt. Weiterhin sollte es möglich sein, eine Last des Kraftsensors für das vermessene System zu definieren. Und zu guter Letzt muss es eine Auflösungsgrenze bedingt durch ein Rauschen geben, das eine minimal messbare Kraft und einen Absolut- und Relativfehler definiert. All diese Eigenschaften sind uns für die Haptik bereits bekannt, sie verstecken sich nur unter anderen Begriffen. Die Übertragungsfunktion kennen wir als Wahrnehmungskurven mechanischer Schwingungen. Die Auflösungsgrenzen sind die JNDs. Die DLs und das Power-law geben uns Werte für die Absolut- und die Relativfehler an. Die Krux bei der Quantifizierung haptischer Wahrnehmung ist nun, dass die Messwerte und die Methoden sich über unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen über mehrere Jahrzehnte entwickelt haben. Sie weisen daher Lücken in der Dokumentation der Versuche, dem statistischen Datenmaterial oder einfach in der Zahl der durchgeführten Versuche oder in der Betrachtung der Einflussparameter auf. Zusätzlich streuen die Werte wie bei vielen psychophysiologisch motivierten Untersuchungen stark, so dass eine hohe Versuchszahl notwendig ist, und das für viele unterschiedliche Griffsituationen. Es ist daher notwendig, aus den bestehenden Daten und Veröffentlichtungen zu lernen und Arbeitshypothesen zu formulieren, die aufwendig und langfristig mit neuen Versuchen und Analysen verifiziert werden. Derartige Untersuchungen finden an wenigstens zwei Forschungsinstituten5 statt. Die Vollendung und Verifikation des hier formulierten Verfahrens zur Quantifizierung haptischer Wahrnehmung wird aber noch einige Jahre (Stand 2008) benötigen. Dennoch bietet es bereits jetzt einen Ansatz, um technische Entwürfe auf ihre zu erwartenden haptischen Eigenschaften hin abzuschätzen. Bereits in Abschnitt 4.2.4.3 wurde spekuliert, ob die Deformation der Haut in einem Zusammenhang mit der Höhe haptischer Wahrnehmung liegt. G ESCHEIDER und viele andere haben durch ihre Messungen der Wahrnehmungsschwellen von mechanischen Schwingungen (Abschn. 3.2.2) gezeigt, dass es funktionale Zusammenhänge gibt, die als eine Art Filter zwischen physikalisch messbaren Amplituden und physiologischen und/oder psychologischen Wahrnehmungen darstellt. Betrachtet man den Aufbau der Haut und die Lage der Sensoren, dann ist die Erkenntniss 5
Institut für Elektromechanische Konstruktionen, Technische Universität Darmstadt, Deutschland; Haptic Interface Research Labaratory, Purdue University, Indiana USA
86
4 Nutzermodellbildung
geradezu aufdringlich, dass Verformungen und Dehnungen für eine Wahrnehmung mechanischer Reize verantwortlich sein müssen. Wie in Abschnitt 4.1 begonnen, soll die Übertragungsfunktion GH1 die physikalische Kraftwirkung F out und eine Wahrnehmung der Kraft K 6 in Beziehung zueinander setzen. Es gilt K GH1 = (4.8) F out Die bekannten Kennlinien haptischer Wahrnehmung beschreiben lediglich die Wahrnehmung oszillierender mechanischer Schwingungen. Es existiert also eine Übertragungsfunktion GFIP =
K , x
(4.9)
wobei der Index FIP als Bezeichnung für die Umrechnung eines Eindrucks (Impression) einer oszillierenden Schwingung, unabhängig ob diese durch eine Auslenkungsamplitude x oder eine Kraftamplitude F vorgegeben zur Kennzeichnung verwendet wird. Abbildung 3.15 aus Abschnitt 3.2.2 zeigt eben diesen Wahrnehmungsschwellwert für die haptische Wahrnehmung am Finger in Abhängigkeit der Kontaktfläche und einer osziellierenden Auslenkung. Die Kurven lassen sich approximieren (Abb. 4.18) und auf ihr jeweiliges Maximum normieren. Für die Kontaktfläche von A = 2.9 cm2 gilt dann die Näherung GFIP A2.9 =
K (1 + Tn1 s) (1 + Tn2 s)4 (1 + Tn3 s)3 (1 + Tp1 s) (1 + Tp2 s)9 (1 + Tp3 s)2 (1 + Tp4 s)2
(4.10)
mit den Koeffizienten entsprechend Tabelle 4.10. Für eine Kontaktfläche A = 0.008 cm2 gilt analog die Näherung GFIP .008 =
K (1 + Tn1 s)2 (1 + Tp1 s)2 (1 + Tp2 s)9 (1 + Tp3 s)8
(4.11)
mit den Koeffizienten entsprechend Tabelle 4.11. Innerhalb des für die Wahrnehmung haptischer Schwingungen relevanten Frequenzbereiches von 10 Hz bis 10 kHz eignen sich die damit ermittelten Kurven um Schwingungen entsprechend ihrer Wahrnehmung zu gewichten. Da die Nutzermodelle nach Abschnitt 4.1 die Wahrnehmung auf der Basis von Kräften beschreiben, ist es notwendig einen Umrechnungsfaktor zur Überführung der Gleichung 4.9 in Gleichung 4.8 zu finden. Eigene Experimente und die Ergebnisse aus [109] lassen vermuten, dass die Nutzerimpedanz Z H als Umrechnungsfaktor geeignet ist. Aus der Modellvorstellung in Abschnitt 4.2 folgt, dass die Übertragungsfunktion 4.1 auch die Admittanz des Nutzers darstellt. Es gilt: 6
Wobei K ein willkürlich gewählte Bezeichnung ist.
4.3 Modellbildung haptischer Wahrnehmung
87
10
A2= 0.008 cm²
0
K x [d B ]
-10 -20
A1=2.9 cm²
-30 -40 -50 -60 -1 10
Messdaten von Gescheider Angenähertes, normiertes Polynom 0
1
10
2
10
10
3
10
4
10 f [Hz]
Abb. 4.18 Näherung der Kurven nach G ESCHEIDER aus Abbildung 3.15.
GH3 =
1 F mit Z H = out ZH vspo
(4.12)
Mit diesem Zusammenhang und dem Wissen, dass x = vs ist, ergibt sich aus Gleichung 4.9 nun GFIP =
K Ks K s ZH = = x vspo FH
(4.13)
und somit für GH1 (mit F out = −F H ) die Beziehung: GH1 =
K G = − FIP F out s ZH
(4.14)
Gleichung 4.14 ermöglicht es also unter den gegebenen Annahmen für die Nutzerimpedanz Z H sowie die Kennlinie GFIP die Anmutung eines technischen, haptischen Systems durch die Betrachtung dessen Ausgangskraft zu quantifizieren. Tabelle 4.10 Parameter für die Näherung aus Abbildung 4.18 für eine Kontaktfläche von 2, 9 cm2 nach Gleichung 4.10 Parameter
Wert
K Tn1 Tn2 Tn3 Tp1 Tp2 Tp3 Tp4
5 10−3 (2 π 2)−1 (2 π 80)−1 (2 π 320)−1 (2 π 15)−1 (2 π 200)−1 (2 π 420)−1 (2 π 1000)−1
88
4 Nutzermodellbildung
Tabelle 4.11 Parameter für die Näherung aus Abbildung 4.18 für eine Kontaktfläche von 0, 008 cm2 nach Gleichung 4.11 Parameter
Wert
K Tn1 Tp1 Tp2 Tp3
0.0785 (2 π 3)−1 (2 π 11)−1 (2 π 3000)−1 (2 π 4000)−1
4.4 Anwendungsbeispiele Das Modell aus Abbildung 4.3 kann in eine Darstellung eines mechanischen Schaltbildes auf Basis konzentrierter Bauelemente überführt werden (Abb. 4.19). Dies vereinfacht die Formulierung von Abhängigkeiten der Interaktion zwischen dem Menschen und dem technischen System und erlaubt die Betrachtung einiger einfacher Beispiele.
4.4.1 Kinästhetisches System Für ein kinästhetisches System (Abb. 4.19) nehmen wir ein vereinfachtes Modell mit einer idealen Kraftquelle (F 0 ) sowie einer unbekannten mechanischen Impedanz des Gerätes (Device) (Z D ) an.
Fout
F0 FD ZD
haptisches Gerät
ZH
vspo
vind
vD
Nutzer
Abb. 4.19 Mechanisches Netzwerk des Modells haptischer Interaktion (Abb. 4.3) mit dem Beispiel aus einer idealen Kraftquelle und einer komplexen Impedanz nachgebildeten Gerätes.
4.4 Anwendungsbeispiele
89
Die Knotengleichung für das Modell (Abb. 4.19) ergibt F 0 = F D + F out .
(4.15)
Unter Verwendung der Gleichung 4.14 gilt für die Wahrnehmung einer Ausgangskraft eines technischen Systems die Beziehung K=−
F out G . s Z H FIP
(4.16)
Gleichung 4.15 nach F out aufgelöst und in Gleichung 4.16 eingesetzt ergibt K=
Z D vD − F 0 GFIP s ZH
(4.17)
Die Bewegungsgeschwindigkeit vD des Gerätes ist als Summe von vind und vspo gleichzusetzen mit vout aus Abbildung 4.3. Die Lösung dieses Modells aus Abbildung 4.19 entsprechend Gleichung 4.17 ist geeignet, die haptische Anmutung eines jeden Gerätes zu quantifizieren, das durch eine Kraftquelle angenähert werden kann. Möchte man den umgekehrten Weg gehen, und einen Entwurf eines Systems anhand einer Modellinteraktion berechnen, dann ist es hilfreich die Gleichung 4.17 in Abhängigkeit von vind zu überführen. Dies ist am einfachsten über einen Maschenumlauf der Geschwindigkeiten möglich vD = vspo + vind .
(4.18)
Die Geräte-Geschwindigkeit vD über die Impedanz ersetzt und vspo = xspo s integriert ergibt FD = xspo s + vind . ZD
(4.19)
Unter der Verwendung von Gleichung 4.15 und mit F out = Z H xspo s kann man nun Gleichung 4.19 in F 0 − vind Z D = xspo s ( Z D + Z H )
(4.20)
überführen. Dies nach xspo aufgelöst und mit einer Abwandlung von Gleichung 4.16 mit der Wahrnehmung K in Verbindung gebracht, ergibt die Beschreibung eines beliebigen haptischen Systems mit Kraftquelle auf Basis nutzerinduzierter Bewegungen: K = −xspo GFIP =
vind Z D − F 0 G s ( Z D + Z H ) FIP
(4.21)
90
4 Nutzermodellbildung
4.4.2 Taktiles System Für ein taktiles System (Abb. 4.20) nehmen wir ein vereinfachtes Modell mit einer idealen Geschwindigkeitsquelle (v0 ) sowie einer unbekannten mechanischen Impedanz des Gerätes (Device) (Z D ) an.
ZD
Fout
ZH
vspo
vZD v0
vind
vD
Nutzer
haptisches Gerät
Abb. 4.20 Mechanisches Netzwerk des Modells haptischer Interaktion (Abb. 4.3) mit dem Beispiel eines aus einer Geschwindigkeitsquelle und einer komplexen Impedanz nachgebildeten haptischen Gerätes.
Die Lösung dieses Modells (Gl. 4.25) ist geeignet, die haptische Anmutung eines jeden Gerätes zu quantifizieren, das durch eine Geschwindigkeits- oder AuslenkungsQuelle angenähert werden kann. Für die für die Wahrnehmung dominierende spontane Auslenkungs-Reaktion an der Nutzerimpedanz gilt vspo = v0 − vind − vZD .
(4.22)
Nach Integration und Einsetzen in Gleichung 4.9 ergibt sich somit v0 − vind − vZD GFIP . (4.23) s Dies noch etwas strukturiert und in Abhängigkeit der Ausgangskraft (F 0 ) gebracht, ergibt: K = GFIP x =
K=(
F v0 vind − − 0 ) GFIP , s s ZD s
(4.24)
bzw. in einer Notation mit Auslenkungen: K = (x0 − xind −
F0 )G Z D s FIP
(4.25)
Gleichungen 4.24 bzw 4.25 lassen sich für “übliche“ taktile Systeme häufig deutlich vereinfachen da,
4.4 Anwendungsbeispiele
91
• bei taktilen Systemen i.d.R. die Auslenkung der Haut in einem Frequenzbereich relevant ist, in dem der Mensch nicht mit dem technischen System interagiert, es gilt vind = 0, • weiterhin ist häufig die Steifigkeit des technischen Systems sehr hoch. Die erste Annahme führt zu einer Vereinfachung von Gleichung 4.24 zu der deutlich übersichtlicheren Beziehung K=(
F v0 − 0 ) GFIP . s ZD s
(4.26)
Unter der zweiten Annahme ergibt sich aus Gleichung 4.26 selbstverständlich K=
v0 G = x0 GFIP , s FIP
(4.27)
was die Herkunft der Übertragungsfunktion GFIP aus einer Auslenkungs-proportionalen Messung wiederspiegelt.
4.4.3 Beispielanalysen im Zeit- und Frequenzbereich Basierend auf den Modellen aus den Abbildungen 4.19 und 4.20 und den dazugehörigen Systembeschreibungen nach Gleichungen 4.17, 4.21 und 4.25 lassen sich eine Reihe von Fragestellungen beim Entwurf und der Analyse haptischer Systeme betrachten. Im Folgenden werden exemplarisch die Ansätze dreier Fragen diskutiert.
4.4.3.1 Einfluss der Diskretisierungsstufen auf die haptische Wahrnehmung In vielen Anwendungen wird die Kraft F 0 durch zeitdiskrete Systeme erzeugt. Es stellt sich die Frage, wie weit die Zeitdiskretisierung zulässig ist, wo also die Untergrenze der technischen Anforderungen liegen. Jede Diskretisierung eines beliebigen dynamischen Signals erzeugt einen Sprung in dem Rythmus der Ausgabefrequenz. Ein solcher Sprung hat die maximale Amplitude bei der maximalen Steigung des zu übertragenden Signals und enthält, als ein Rechteck, Frequenzanteile deren Amplitude ausgehend von der Diskretisierungsfrequenz quadratisch abnehmen. Das heißt, dass bei einer Diskretisierung um 100 Hz die Sprünge deutlich spürbar sein müssten7 . Es ist jedoch unklar, wie stark sie hervortreten und ab welcher Frequenz die Welligkeit der wahrgenommenen Kraft ausreichend gering ist. Abbildung 4.21 zeigt die Berechnungen auf Basis der vorgestellten Methodik für einen 2 Hz Sinus mit einer Amplitude von 2 N bei einem einfachen mechanischen System bestehend aus einer Masse mit 20 g und eine Reibung von 0.1 Ns/m. Die Kraft wird mit den Frequenzen 100 Hz und 10 kHz diskretisiert (a), was in der FFT (b) das übliche Bild 7
Ein Grund, warum eine so langsame Kraftausgabe nicht praktisch durchgeführt wird.
92
4 Nutzermodellbildung
mit dominierender Grundfrequenz bei 2 Hz und den Spitzen der ganzzahligen Vielfachen der Diskretisierungsfrequenz zeigt. Betrachtet man nun den Wahrnehmungsraum K im Vergleich, also die Filterung der Kraft F 0 durch die haptische Wahrnehmung, dann erkennt man, dass die mit 100 Hz diskretisierte Kraft sehr viel weichere Stufen aufweist, und die mit 10 kHz diskretisierte Kraft keinerlei Stufen zeigt (c). Dies bildet sich auch in der FFT (d) ab, in der nur noch einzelne Oberschwingungen der Diskretisierung mit 100 Hz verblieben sind. Dies ist darauf zurückzführen, dass die haptische Wahrnehmung wie ein Filter wirkt, der die hochfrequenten Anteile der Diskretisierung dämpft. Man erhält durch die Anwendung der Methode also eine Visualisierung und Quantifizierung über die Zulässigkeit von Stufen in der erzeugten Ausgangskraft bei zeitdiskreten Systemen.
F0
Kraft-Bereich F0
2 0 -2 0
2
K-Bereich 1
2
t [s]
-5
K(F0)
1
2
x 10
1
0
0 -1
a)
F0 diskretisiert c) @100Hz
-2 0
20 log |F0 |
0.5
-2 0
1
F0 diskretisiert @10kHz
t [s]
120
20 log |K(F0) |
80 60 40
1
t [s]
0 -20 -40 -60
20
-80
0
-100
-20 0 10
0.5
20
100
b)
-1
5
10
f [Hz]
d) -120
0
10
5
10
f [Hz]
Abb. 4.21 Darstellung der haptischen Wahrnehmung einer sinusförmigen Kraft, diskretisiert mit 100 Hz und 10 kHz Tastfrequenz im Zeit- und Frequenzbereich.
4.4.3.2 Einfluss der Diskretisierungszeit auf die haptische Wahrnehmung Ein anderer Nebeneffekt der Diskretisierung ist die aus der Digital/Analog-Wandlung resultierende Totzeit des Systems. Totzeiten sind bekanntlich nichtlinear und daher innerhalb der hier vorgestellten linearen Analyse nur näherungsweise zu berück-
4.4 Anwendungsbeispiele
93
sichtigen. Eine solche Näherung ist die Approximation der Totzeit Tt durch ein PT1 Glied mit der Zeitkonstante Tt entsprechend GT =
1 . 1 + TT s
(4.28)
Generell sind Verzögerungsglieder in der Signalverarbeitungskette gleichbedeutend mit einer Reduktion der Dynamik des Gesamtsystems, was sich praktisch in der haptischen Darstellung harter Kontakte wiederspiegelt. Eine Kollision z.B. in einer Simulation zwischen zwei Objekten und die haptische Ausgabe der wirkenden Kräfte mit einem haptischen Gerät wird als härter wahrgenommen, umso größer der wieder-gegebene Frequenzbereich ist. Systemingenieure beobachten, dass eine Obergrenze des Frequenzbereiches nicht bei der üblicherweise angenommenen Wahrnehmungsschwelle taktiler Interaktion von 1 kHz liegt, sondern dass eine Ausgabe von berechneten Kräften mit bis zu 10 kHz noch einmal eine deutliche Steigerung der haptisch wahrnehmbaren Härte ergibt. Dies muss sich in der Analyse des Systems entsprechend obiger Methode wiederspiegeln. Den Graphen in Abbildung 4.22 liegt das identische System des vorherigen Abschnitts zu Grunde. Es wird jetzt von einem Sprung zum Zeitpunkt t=0.5 angeregt. Die Diskretisierung hat auf die Welligkeit des Sprungs keinen Einfluss, alleine aus diesem Effekt des vorangegangenen Abschnitt heraus sollte es also keinen Unterschied in der Wahrnehmung des Sprungs geben. Das PT1 Glied als Näherung des Totzeitgliedes bewirkt jedoch, dass die Kraft auf den Sprung dynamisch reagiert. Was in der FFT der Kraft (b) noch keine dramatischen Auswirkungen hat, wird in der Darstellung im Zeitbereich des Wahrnehmungsraums (c) deutlicher. Während die bei 100 Hz relativ langsam diskretisierte Funktion einen deutlich weicheren Anstieg hat, ist zwischen der 10 kHz und dem 1 kHz in der Amplitude nur noch ein geringer Unterschied zu erkennen. Die FFT (d) zeigt weiterhin, dass der Frequenzgang der 10 kHz diskretisierten Funktion zwanzig bis dreißig Herz mehr Dynamik abdeckt. Ein Effekt, der sich taktil deutlich auszahlt, zumal die Unterschiede im Sprung direkt im Bereich maximaler Empfindlichkeit liegen.
4.4.3.3 Frequenzganganalyse in der Entwurfsphase Eine weitere Möglichkeit der Anwendung obiger Methode liegt in der Frequenzganganalyse während der Entwurfsphase eines haptischen Systems. Abbildung 4.23 zeigt den Frequenzgang des Modells nach Abbildung 4.19 eines kinästhetischen Systems, bei dem alle Komponenten mit entsprechenden Transformationsfunktionen angenähert wurden. Als Eingangsgrößen wurde eine PT2 Approximation von der nutzerinduzierten Geschwindigkeit vind mit der Grenzfrequenz 10 Hz sowie von der Aktor-Kraftausgabe F 0 mit der Grenzfrequenz 100 Hz angenommen. Weiterhin wurden zwei Fälle betrachtet, zum einen mit maximaler Ausgangskraft F 0 sowie im Leerlauf, mit ausschließlicher Anregung durch vind . Das technische System weist eine Masse von m=20 g und einen Reibfaktor von 0.1 Ns/m auf. Das Diagramm zeigt
94
4 Nutzermodellbildung F0 2.5 2
Kraft-Bereich
K-Bereich
1.5 1 0.5 0 0
F0
0.5
-5
1
x 10
K(F0)
t [s]
2
4 2
1
a)
c) 0 0.49
0.5
t [s] 20 log |F0 |
F0 diskretisiert @ 1kHz F0 diskretisiert @10kHz
100 80 60 40
b)
0
F0 diskretisiert @100Hz
0.51
0.5
-20 -40 -60 -80
0
-100
d)
5
10
t [s]
0
20
-20 0 10
0.52 0.54 0.56 0.58
20 log |K(F0) |
-120 0
5
10
10
f [Hz]
f [Hz]
Abb. 4.22 Darstellung der haptischen Wahrnehmung eines Kraftsprungs zum Zeitpunkt t = 0.5 s bei den Diskretisierungs-Frequenzen 100 Hz, 1 kHz und 10 kHz im Zeit- und Frequenzbereich.
weiterhin die absolute Wahrnehmungsschwelle bei -138 dB, ein Wert der sich ausschließlich für die Approximation der Wahrnehmungskennlinie nach Näherung in Gleichung 4.10 ergibt. Der betrachtete Fall ist also die großflächige Anregung eines Fingers über einen Stößel normal zur Fingerbeere. Bemerkenswert ist, dass sogar im Leerlauf dieses sehr leichten und dynamischen Systems die Kennlinie Kmin nur für Frequenzen <2 Hz unter die Wahrnehmungsschwelle fällt. Die Fläche zwischen den beiden Kurven Kmin und Kmax ist ein Maß für die Leistung des Systems im haptischen Bereich und variiert in Abhängigkeit der Güte. Derartige Darstellungen auf Basis der hier vorgestellten Methode erlauben also mit einem Blick die Qualität eines technischen Entwurfs abzuschätzen.
Amplitude [dB]
-50
K max
-100 -100
-150
-110 -120
-200 -250
Schwellwert
-130
K min
-140 -150 -160
-300
0.1
10
0.4
10
0.7
10
f [Hz]
-350 0 10
2
10
4
10 f [Hz]
2 Hz
Abb. 4.23 Frequenzgang eines allgemeinen kinästhetischen Systems nach Gl. 4.21 mit maximaler Kraftausgabe und im Leerlauf.
4.5 Zusammenfassende Anmerkungen zur Anwendung der Methodik
95
4.5 Zusammenfassende Anmerkungen zur Anwendung der Methodik Der frequenzabhängige Term K ist entsprechend obiger Methodik ein Maß für die haptische Wahrnehmung hochfrequenter mechanischer Schwingungen. Die Güte und Aussagekraft von K ist abhängig von der Sicherheit, mit der die Funktionen GFIP und Z H vorliegen, also die Güte der Modelldaten der Frequenzabhängigkeit der Wahrnehmung und der mechanischen Last des Nutzers. Zum Zeitpunkt der Drucklegung dieses Buches stellen beide Funktionen und deren Abhängigkeiten noch Gegenstand aktueller Forschungen dar. Bei der Verwendung der vorgestellten Methodik ist es also ratsam, die jeweils aktuellsten Erkenntnisse zu nutzen und hierbei vor allem auch die Abhängigkeiten der Funktionen von der für die jeweilige Fragestellung vorliegenden Griff- und Kontaktsituation zu beachten. Sollten derartige Messwerte nicht vorliegen, dann bieten die in den Abschnitten 4.2 und 4.3 vorgestellten Daten eine erste Näherung. Diese sollten allerdings nur unter dem entsprechenden Bewusstsein für die Gesamtzusammenhänge und die Basis der hier vorgestellten Methodik haptischer Quantifizierung genutzt werden.
Kapitel 5
Strukturen haptischer Systeme
T HORSTEN A. K ERN ; O LIVER M ECKEL
Während in den vorangegangenen Kapiteln die haptische Wahrnehmung am Menschen Schwerpunkt der Betrachtungen war, wird in den folgenden Kapiteln die technische Realisation von haptischen Systemen im Vordergrund stehen. Die Betrachtung wechselt also von einer hauptsächlich Nutzer-zentrierten Sicht auf eine gerätespezifische Sicht. Das gewonnene Verständnis sowie die Methoden zur Quantifizierung haptischer Wahrnehmung werden aber zur Bewertung der Güte einer technischen Lösung verwendet werden.
5.1 Systembetrachtungen Beginnt man mit dem Entwurf haptischer Geräte, so ist es notwendig sich mit den grundlegend möglichen Strukturen auseinander zu setzen. Haptische Geräte ähnlicher Funktionalität können im Inneren aus sehr unterschiedlichen Baugruppen bestehen. Es existieren vier große Klassen von Systemstrukturen: 1. 2. 3. 4.
“Admittanz-gesteuerte Systeme“ - “open loop admittance controlled systems“ “Admittanz-geregelte Systeme“ - “closed loop admittance controlled systems“ “Impedanz-gesteuerte Systeme“ - “open loop impedance controlled systems“ “Impedanz-geregelte Systeme“ - “closed loop impedance controlled systems“
Impedanzsysteme basieren auf dem Übertragungsverhalten einer mechanischen Impedanz Z = Fv und entsprechen den üblichen Vorstellungen der Struktur eines kinästhetischen haptischen Gerätes. Das Gerät erzeugt eine Kraft als Ausgabe und erfährt eine Positionsänderung als Eingabe. Admittanzsysteme hingegen basieren auf der Definition der mechanischen Admittanz Y = Fv , die ein Übertragungsverhalten mit Krafteingang und Geschwindigkeitsausgang beschreibt. Derartige Systeme
97
98
5 Strukturen haptischer Systeme
erzeugen als haptisches Feedback eine Positionsveränderung und erfahren über den Nutzer eine Kraftantwort, die im Falle eines geregelten Systems gemessen und zur Korrektur der Positionsveränderung genutzt wird. Die Betrachtungen verhalten sich analog bei einer Analyse von Drehmomenten und Winkel-Charakteristika anstelle von Kraft- und Auslenkungen. Zur einfacheren Lesbarkeit wird im Verlauf aber ausschließlich von translatorischen Systemen gesprochen. In den folgenden Abschnitten wird ein genauerer Blick auf die Details der vier wichtigsten Systemvarianten geworfen:
5.1.1 Impedanz-gesteuert Impedanz-gesteuerte (open loop impedance controlled) Systeme basieren auf einer relativ einfachen Struktur (Abb. 5.1). Ein Kraftsignale SF wird über einen Treiber GED in eine kraftproportionale Energieform E F gewandelt, die dann durch einen Aktor GD1 in eine Ausgangskraft des Systems F 0 resultiert. Diese überlagert sich mit einer Störkraft F noise , die sich aus der vom Nutzer hervorgerufenen Bewegung xout über die mechanischen Eigenschaften der Kinematik GD3 ergibt. Diese Störkräfte sind in der Regel vor allem Reibungen und Massenträgheiten. Die Summe aus beidem ist die eigentliche Ausgangskraft F out des impedanz gesteuerten Systems. In der Regel existiert als weiteres Element GD2 ein Sensor zur Messung der Bewegung und der aktuellen Raumlage des haptischen Systems. SF
F0
EF GED
GD1
Fout
K GH1
+ Fnoise
?
GH3
GD3 Sx
GD2 Haptisches Gerät
xout
1 s
vspo vind vmax
+ +
vout
fg
Nutzer
Abb. 5.1 Blockschaltbild eines impedanz-gesteuerten haptischen Systems.
Beispiele Impedanz-gesteuerte Systeme sind die am häufigsten anzutreffende Systeme am Markt. Aufgrund des einfachen inneren Aufbaus lässt sich bereits mit wenigen Stan-
5.1 Systembetrachtungen
99
dardkomponenten bei der Beachtung von geringer Reibung und kleinen Massen ein akzeptables, haptisches Feedback generieren. Zu den kostengünstigeren Systemen gehört das über Fire-Wire angebundenen PHANTOM Omni (Abb. 5.2a), welches außer in der Forschung vor allem im Bereich der Manipulation von 3D-Daten bei Modellierungen oder Designprogrammen zum Einsatz kommt. Im höherpreisigen Segment liegen z.B. die Geräte des Unternehmens Quanser, die mit Anbindung an eine Real-Time MatLab Umgebung ausgeliefert werden. Die doppelte PhantographKinematik des “Haptic Wand“ (Abb. 5.2b) erlaubt eine Kraftrückkopplung auf fünf Freiheitsgraden in der Ebene. Auch wenn die Geräte impedanz-gesteuert sind, dann beinhalten die Treiberstufen dennoch einfache Modelle der mechanischen Struktur in der Software. Dies ermöglicht es bei der immer bekannten Raumlage des Instrumentes und somit auch dessen Lageänderung, Massen- und Reibungseffekte der Kinematik zumindest teilweise zu kompensieren.
a)
b)
Abb. 5.2 Beispiel impedanz-gesteuerter Systeme in a) seriell-kinematischer (PHANTOM Omni, SensAble) und b) parallel-kinematischer (5 DOF Haptic Wand, Quanser) Struktur.
5.1.2 Impedanz-geregelt Impedanz-geregelte (closed loop impedance controlled) Systeme (Abb. 5.3) unterscheiden sich gegenüber den impedanz-gesteuerten Systemen darin, dass die Ausgangskraft F out über einen Kraftsensor GFSense gemessen und als Regelgröße zur Differenzbildung Δ SF mit dem Sollwert benutzt wird. Weiterhin existiert üblicherweise ein Regler GCD in der Regelstrecke, der die dynamischen Eigenschaften der Rückkopplung optimiert. Durch die Rückkopplung ist es vor allem möglich, die aus der Mechanik des Systems resultierende Kraft F noise zu kompensieren. Dies hat zweierlei Effekte, zum einen ist das System im Leerlauf deutlich reibungsar-
100
5 Strukturen haptischer Systeme
mer und dynamischer als vergleichbare gesteuerte Systeme. Weiterhin kann durch die Kompensation über die Regelungsschleife das System mechanisch steifer ausgelegt werden, da Massen der Aktuatoren und Streben kompensiert werden. Dies ermöglicht bei maximaler Ausgangsleistung höhere Kräfte gegenüber den impedanzgesteuerten Systemen. SS SF -
GFSense CSF
EF GED
GCD
DSF
F0
GD1
Fout
K
GH1
+ Fnoise
?
GH3
GD3 Sx
GD2 Haptisches Gerät
xout
1 s
vspo vind vmax
+ +
vout
fg
Nutzer
Abb. 5.3 Blockschaltbild eines impedanz-geregelten haptischen Systems mit Kraftrückkopplung und Regelung.
Beispiel Impedanz-geregelte Systeme sind vor allem im Rahmen von Forschungsprojekten und Sonderaufbauten anzutreffen. Die delta-Serie von ForceDimension (Abb. 5.4) bildet eine Ausnahme, bei der bei einem kommerziellen System bereits die Möglichkeit existiert eine impedanzgeregelte Version zu bestellen. In dieser Ausbaustufe werden im Griffstück ein oder mehrere Kraftsensoren integriert, die entsprechend der Kinematik-Freiheitsgrade Kräfte messen. Impedanz-geregelte Systeme sind technologisch aufwendig, da sie einerseits den Anforderungen an minimale Massen und Lagerreibungen genügen müssen, andererseits aber zusätzlich einen Kraftsensor als Kosten-treibendes Element benötigen. Der Schwierigkeit minimaler bewegter Massen wurde beim Delta-Device über das Design als Parallelkinematik begegnet. Derartige Systeme neigen aufgrund der geringen mechanischen Dämpfung zu Schwingungen und müssen daher über die Treiber in ihrer Passivität sehr genau überwacht werden.
5.1 Systembetrachtungen
101
Abb. 5.4 Beispiel eines parallelkinematischen impedanz-geregelten Systems (delta3, ForceDimension).
5.1.3 Admittanz-gesteuert Admittanz-gesteuerte Systeme (open loop admittance controlled) (Abb. 5.5) haben einen Positionsausgang. Proportional eines Eingangssignals Sx wird über eine Steuerkette mit Energiewandler GED und Kinematik GD1 eine Auslenkung x0 erzeugt. Diese Auslenkung wird mit einer Störgröße xnoise in Abhängigkeit der mechanischen Eigenschaften der Kinematik GD3 überlagert, die sich aus der Nutzerreaktion in Form einer Kraft F out ergibt. Tatsächlich sind admittanz-gesteuerte Systeme derart ausgelegt, dass diese Störung häufig vernachlässigbar ist. Ein weiteres optionales Element von gesteuerten Systemen ist die Messung der Ausgangskraft über einen Kraftsensor F Sense , allerdings ohne Schließen des Regelkreises.
Beispiel Admittanz-gesteuerte Systeme haben bei haptischen Geräten vor allem Anwendung im Bereich taktiler Displays. Viele derartiger Displays sind pin-basiert, das heißt sie erzeugen eine ortsaufgelöste Information über das Heben und Senken einzelner in einer Matrix angeordneter Stifte. Die Urform derartiger Systeme sind BrailleDisplays (Abb. 5.6), die Text in einer taktil erfassbaren Blindenschrift codieren. Für den Antrieb taktiler, pin-basierter Displays kommen alle erdenklichen Aktorprinzipien zum Einsatz. Es gibt elektrodynamische, elektromagnetische, thermische, pneumatische, hydraulische und piezoelektrische Aktoren sowie Ultraschallwandler zum Einsatz.
102
5 Strukturen haptischer Systeme
Sx
Ev GED
GD1
xout
x0 +
xnoise
s
vout
GFSense
Haptisches Gerät
vind vmax fg
vout+ vind
?
1/GH3
1/GD3 SS
+
+
GH1
Fout
K
Nutzer
Abb. 5.5 Blockschaltbild eines admittanz-gesteuerten haptischen Systems.
Abb. 5.6 Beispiel eines admittanz-gesteuerten Systems in Form eines Braille Zeilenelementes (Wikipedia).
5.1.4 Admittanz-geregelt Admittanz-geregelte System (closed loop admittance controlled) (Abb. 5.7) haben identisch zu admittanz-gesteuerten Geräten einen Positionsausgang und einen Krafteingang. Die bei geregelten Systemen zwingend notwendige Messung der Ausgangskraft F out wird als Regelgröße SS zur Differenzbildung mit der Sollkraft SF genutzt. Die resultierende Differenz Δ SF wird über einen Regler GCD in den Regelkreis übergeben. Dieser stellt die Auslenkung xout so ein, dass eine definierte Kraft F out wirkt. Eine Variante eines admittanz-geregelten Systems stellt Abbildung 5.8 dar. Admittanz-Systeme haben für viele Applikationen durch die hohe Steifigkeit große Vorteile. Da Kraftsensoren GFSense eine aufwendige Komponente sind, die gerade bei Systemen mit vielen Freiheitsgraden außerordentliche Kosten verursacht, wurde bei dem System nach Abbildung 5.8 eine kraft-proportionale Messgröße zur Rückkopplung genutzt. Hierzu bietet sich z.B. bei elektrodynamischen Aktoren der Strom an, der auch Rückwirkungen des Nutzers über Induktionen abbildet.
5.1 Systembetrachtungen Sx
103
GD2
SF DSF -
x0
Ev GCD
CSv
GED
GD1
+
xout xnoise
s
vout
GFSense
fg
vout+ vind
?
1/GH3
1/GD3 SS
vind vmax
+
+
K
GH1
Fout Nutzer
Haptisches Gerät
Abb. 5.7 Blockschaltbild eines admittanz-geregelten haptischen Systems mit Kraftrückkopplung in der Regelung. Sx
GD2
SSalt SF DSF
GCD
GFalt-sense
CSv
GED
GD1 Ev
x0 +
xout xnoise
s
vout
GFSense
Haptisches Gerät
vind vmax fg
vout+ vind
?
1/GH3
1/GD3 SS
+
+
GH1
Fout
K
Nutzer
Abb. 5.8 Blockschaltbild einer Variante des admittanz-geregelten haptischen Systems mit messtechnischer Erfassung einer Kraft-proportionalen Größe.
Beispiele Admittanz-geregelte Systeme stellen aktuell die bevorzugte Möglichkeit dar, hohe Steifigkeiten bei entsprechenden Einbußen in der Dynamik umzusetzen. Die Möglichkeit dank Rückkopplung relativ wenig von der rein mechanischen Impedanz dem Nutzer haptisch zu vermitteln erlaubt weiterhin, serielle Kinematiken mit großem Arbeitsraum zu bauen. Der FCS HapticMaster (Abb. 5.9a) ist ein solches knapp 1 m hohes System, das in drei Freiheitsgraden Kräfte von bis zu 100 N ausgeben kann. Es beinhaltet einen Kraftsensor am Knauf. Die Achsen werden im Raum
104
5 Strukturen haptischer Systeme
durch selbsthemmende Antriebe angesteuert. Die Dynamik des Systems ist trotz der Größe beeindruckend, eine Dämpfung in der Regelung muss aber aus Sicherheitsgründen vorgesehen werden, so dass die effektiv nutzbare Bandbreite von Applikation zu Applikation begrenzt ist. Eine Realisation der oben beschriebenen Variante stellen die Virtuose-Systeme von Haption (Abb. 5.9b) dar. Hier wird der Strom an den elektronisch kommutierten Aktoren gemessen und als Regelgröße zurück geführt. Resultat ist ein Produkt, das hervorragende Eigenschaften bei der Darstellung harter Kontakte hat, das aber für die Simulation weicher Interaktionen z.B. mit Geweben nur eingeschränkt geeignet ist. Das Einsatzgebiet der Haption Systeme liegt daher u.a. im Bereich der professionellen Simulation von Montageabläufen zur Fertigungsvorbereitung.
a)
b)
Abb. 5.9 Beispiel von admittanz-geregelten Systemen in den Varianten mit a) Kraftmessung (HapticMaster, Moog FCS) und b) Strommessung (Virtuose 6D35-45, Haption).
5.1.5 Qualitative Gegenüberstellung der möglichen Systemstrukturen Da die haptische Mensch-Maschine Interaktion auf einer Impedanzkopplung basiert, ist immer die Kombination aus Wirkung und Gegenwirkung, ob über Kraft oder über Positionen, zu analysieren. Tatsächlich ist ohne Kenntnis der inneren Struktur eines Gerätes unmöglich von außen zu erkennen, ob ein System impedanzgesteuert, impedanz-geregelt oder admittanz-geregelt ist. Mit Erfahrung ob der technologischen Grenzen in wichtigen Parametern wie Dynamik und maximal darstellbaren Kräfte, kann ein Entwickler durch die Nutzung eines Systems eine fundierte Annahme machen, aber gegenüber dem Nutzer und gegenüber das Gerät ansteuernder Systeme sind die obigen drei Klassen identisch. Dennoch unterscheiden sich die vorgestellten Realisationen haptischer Systeme bei einer konkreten technischen Ausführung in vielen Parametern. Ihre Bedeutung für den jeweiligen technischen
5.1 Systembetrachtungen
105
Entwurf muss gegeneinander abgewogen werden. Die wichtigsten der Parameter sind: • • • • •
Anzahl der Komponenten Maximal erzeugbare Impedanz Minimal erzeugbare Impedanz Kraft-Auflösung Mögliche Komponenten-Impedanz (also z.B. Masse der Kinematik)
Diese Parameter und die Zuordnung zu den Verfahren wird in Abbildung 5.10 qualitativ einander gegenüber gestellt. Betrachtet man die vom Gerät erzeugbare Impedanz sowohl absolut als auch den abgedeckten Impedanzbereich als ein Kriterium für die Leistung des Gerätes, so zeigt sich, dass die admittanz-gesteuerten Systeme zwar eine hohe Impedanz erzeugen können, diese aber nur in engen Grenzen variabel ist. Erst admittanz-geregelte System haben dank der darin enthaltenen Rückkopplung die Möglichkeit, in ihrer Impedanz moduliert zu werden. Je nach Ausführungsform variieren die admittanz-geregelten Systeme in der Breite der Modulation. Im unteren Bereich der möglichen, realisierbaren Impedanzen schließen die impedanz-gesteuerten Systeme an. Sie zeichnen sich eher durch eine Einfachheit im Aufbau denn durch besonders große, abbildbare Impedanzbereiche aus. Sie ermöglichen aber gegenüber den admittanz-geregelten Systemen noch einen Gewinn in der unteren Grenze der Impedanz, sie sind also in der Regel reibungsfreier. Um dennoch sowohl hohe als auch niedrige Impedanzen mit einem Gerät erzeugen zu können, gibt es als weitere Möglichkeit die Wahl der Struktur eines impedanzgeregelten Systems.
Ausgabe Impedanz
Maximale Ausgabe-Impedanz
Minimale-Ausgabe-Impedanz
Impedanzgeregelt
Admittanzgeregelt Admittanzgesteuert
Taktil Interne Geräteimpedanz
Impedanzgesteuert
Kinästhetisch Interne Geräteimpedanz
Dynamik
Dynamik
Lage-Auflösung
Kraft-Auflösung
Abb. 5.10 Qualitative Übersicht über die Einsatzmöglichkeiten unterschiedlicher Gerätestrukturen.
106
5 Strukturen haptischer Systeme
Rein admittanz-gesteuerte Systeme eigenen sich i.d.R. ausschließlich für taktile Geräte, da hierbei keine aktive Interaktion von Seiten des Nutzers erfolgt, sondern lediglich Dehnungen in die Haut eingekoppelt werden müssen. Die Geräte haben also üblicherweise eine hohe innere Impedanz (Z D ). Die Dynamik ist bezogen auf die Auslenkungen sehr hoch. Genauso können - bezogen auf Auslenkungen - auch gute Auflösungen in der Ausgabe erzielt werden. Kinästhetische Geräte können erst mit Strukturen umgesetzt werden, die eine Modulation der darstellbaren Impedanzen ermöglichen. Die admittanz-geregelten Systeme zeichnen sich durch die darin enthaltene Rückkopplung vor allem dadurch aus, dass die inneren mechanischen Komponenten eine hohe Impedanz haben können. Die Dynamik der Systeme ist dementsprechend gering (<100 Hz) und die Kraft-Auflösung durch die schwer zu kontrollierenden Reibungen ebenso nicht trivial. Impedanz-gesteuerte Systeme haben durch die fehlende Rückkopplung eine deutlich höheren Dynamikbereich bei gleichzeitig deutlich geringerer interner Impedanz. Erst impedanz-geregelte Systeme erlauben wieder weite Impedanzbereiche von geringer bis sehr hoher Impedanz, wobei mit steigender Kraftauflösung diese Dynamik durch die maximale Geschwindigkeiten der Regelung der Rückkopplung sowie durch messtechnische Aspekte der Kraftsensorik begrenzt ist. Die Entscheidung für die Struktur eines haptischen Systems hat also signifikanten Einfluss auf seinen Einsatzbereich bzw. umgekehrt. Es gilt nun, die Anforderungen zu identifizieren, um eine solche Entscheidung zu treffen. Hierfür ist es einerseits notwendig, die richtigen Fragen zu stellen und einen Einblick in mögliche technische Umsetzungen für die einzelnen Elemente der obigen Strukturen zu haben. Dies ist Gegenstand des zweiten Teils dieses Buches. Andererseits ist es aber auch notwendig, eine abstrakte Systembeschreibung des Umfeldes des Einsatzes zu haben. Die Einführung hierzu wird im folgenden Abschnitt gegeben.
5.2 Abstraktion der weiteren Systembestandteile Nachdem der vorangegangene Abschnitt die generellen Strukturen haptischer Systeme eingeführt hat, erfolgt hier eine Abstraktion der weiteren Systemstrukturen im Umfeld des haptischen Gerätes. Diese weiterführende Abstraktion ist die Grundlage einer gezielten Auslegung und Analyse seines Übertragungsverhaltens.
5.2.1 Grundlegende Systemzerlegung Allen bislang vorgestellten Ansätzen zur Umsetzung von haptischen Systemen, seien es impedanz- beziehungsweise admittanzbasierende Systeme, lassen sich in vergleichbarer Weise abstrahieren und in die maßgeblichen Systembestandteile zerlegen. Als Gesamtsystem wird dabei der vollständige Mechanismus des haptischen
5.2 Abstraktion der weiteren Systembestandteile
107
Systems betrachtet. Der den haptischen Systemen zugrundeliegende Gedanke, besteht darin, dem menschlichen Bediener eines Apparates einen Eindruck über die vorliegenden Belastungen und Reaktionen des Apparates beziehungsweise des Prozesses zu geben, der durch den Apparat beeinflusst wird. In dieser sehr vereinfacht ausgesprochenen Betrachtungsweise spiegeln sich allerdings die verschiedenen Anteile wieder, die bei einer strukturellen Analyse betrachtet werden müssen. Hierzu zählen, ohne eine wertende Reihenfolge vorzunehmen die folgenden Bestandteile: • ein haptisches Gerät, das dem Bediener in Abhängigkeit ob impedanz- oder admittanzbasiert ein haptisches Feedback über Reaktionsgrößen aus dem Prozess liefert, • der Prozess, den der Bediener beeinflussen will und durch gezielte Aktionen verändert, • der Bediener, der als menschlicher Anwender als Teil des Gesamtsystems gesehen werden muss und in seiner Reaktion auf das haptische Feedback mit dem Gesamtprozess verkoppelt ist, • ein Telemanipulator, der den Bediener in der Einflussnahme auf den Prozess unterstützt. Dieser Anteil kann vollständig Teil einer Simulation sein, und somit nur in Form einer zeitdiskreten Simulationsengine vorliegen. • Des weiteren existiert ein Schnittstellenmodul mit Signalverarbeitung und Regelung, die aus den gemessenen oder simulierten Prozessreaktionsgrößen das haptische Gerät mit ensprechenden Vorgaben zum Feedback an den Bediener anspricht, • in einer verdeckten Ebene existieren weitere Regelungsstrukturen die im Zusammenspiel des Gesamtsystems eine wesentliche Rolle zur Sicherstellung des gewünschten Verhaltens spielen. Allen einzelnen Bestandteilen liegt zugrunde, dass sie entsprechend ihrer Einordnung in das Gesamtsystem an ihren Schnittstellen zueinander über Systemgrößen miteinander gekoppelt sind. In Abbildung 5.11 wird die Betrachtung auf das gesamte Telemanipulationssystem ausgedehnt.
Prozessistgrößen
Prozess Objekt
Zustandsgrößenübertragung
Aktuatorsystem mit - Sensorik - Regelung - Aktuatorik - Kommunikation
Prozessmanipulationsgrößen
Sollwertvorgaben: - Position - Kraft - Geschwindigkeit
Schnittstellenmodul mit - Sollwertgenerierung - Regelung - Kommunikation - Kommunikation
Sollwertvorgaben: - Position - Kraft - Geschwindigkeit
Aktuatorsystem mit - Sensorik - Regelung - Aktuatorik - Kommunikation
Zustandsgrößenübertragung
Abb. 5.11 Abstrahierte Betrachtung des Telemanipulationssytems.
Haptische Funktionsgrößen
Mensch
Eingabegrößen des Bedieners
108
5 Strukturen haptischer Systeme
Eine tiefergehende Analyse der Strukturen innerhalb eines Telemanipulationssystems erfolgt daher auf Basis des bekannten Übertragungsverhaltens der einzelnen Gesamtsystemanteile. Im Folgenden soll daher ein Ansatz aufgezeigt werden, wie die verschiedenartigen Systemstrukturen aufgefasst und beschrieben werden können.
5.2.2 Analyse der Systemanteile Im gesamten Telemanipulationssystem erscheinen mehrere miteinander im gesamten Prozess verkoppelte Systemanteile, die sich in ihrem Übertragungsverhalten sehr stark voneinander unterscheiden und im Hinblick auf ihre Beschreibung durch physikalische Gesetzmäßigkeiten stark variierende Möglichkeiten bieten. Im Vergleich zu den restlichen Bestandteilen bieten die Aktuatorsysteme im haptischen Gerät beziehungsweise im Telemanipulator am ehesten die Möglichkeit in ihrem Verhalten durch geeignete mathematische Formulierung wie Differentialgleichungen beschrieben zu werden. Ein allgemeiner Ansatz zur Beschreibung des Übertragungsverhaltens bietet das Blockschaltbild in Abbildung 5.12.
z1 w –
z2
GR
y
GS
GM
z3
Abb. 5.12 Blockschaltbild eines geregelten Aktuatorsystems.
Bewusst wird an dieser Stelle das beschriebene Aktuatorsystem in einem geschlossenen Regelkreis eingebettet betrachtet. Die Führungsübertragungsfunktion GF =
GR G S 1 + GR GS GM
(5.1)
beschreibt dabei das gesamte Ein- Ausgangsverhalten des geregelten Aktuatorsysteme. Hierbei wird das Übertragungsverhalten des Reglers durch GR , das der Strecke
5.2 Abstraktion der weiteren Systembestandteile
109
– in diesem Fall des eigentlichen Aktuators – durch GS beschrieben. Die Übertragungsfunktion GM stellt ein Messglied, z.B. ein Kraftsensor eines admittanzgeregelten Systems, dar, das in der Rückführung des Regelkreises enthalten ist. Neben den allgemein bezeichneten Ein- und Ausgangsgrößen, der Sollwertvorgabe beziehungsweise Führungsgröße w, und der Regelgröße y, wirken auf das dargestellte Teilsystem mehrere Störgrößen zi ein, die in Abhängigkeit des Teilsystems unterschiedliche Ursachen und Wirkungen haben. Die angenommenen Störgrößen sind in diesem Fall beispielhaft additiv erfasst. Häufig lassen sich nichtlineare Einflüsse und Abhängigkeiten von Größen, die nicht mit dem Regelkreis verkoppelt sind durch Störgrößen abbilden und beschreiben. Vielfach entsteht bei einer exakten Abbildung der Zusammenhänge eine hoch komplexe Beschreibungsstruktur, die für eine gezielte weitere Analyse und für die Auslegung weitere Systemanteile nicht mehr zu bewältigen ist. Hier muss der gesunde Mittelweg gefunden werden, um eine effiziente Beschreibung des betrachteten Systems zu gewinnen. Die Darstellungen unterschiedlicher Prinzipien zur Erzeugung des haptischen Feedbacks beziehungsweise einer Prozessbeeinflussung, sofern diese durch den Bediener nicht selbst ausgeführt wird, zeigen die hohe Vielfalt und Größe des Lösungsraumes. Jedoch liegen die entsprechenden Abstraktionen der Systeme auf einer Ebene nicht weit voneinander entfernt. Vielfach zeigen sich ähnliche Eigenschaften dieser Subsysteme: • Das Globalverhalten von Stellsystemen, insbesondere von elektromechanischen Antriebssystemen, lässt sich meist auf ein globales Proportionalverhalten zurückführen, beispielsweise bei der Betrachtung elektrischer Antriebe als Übertragungssystem mit einem elektrischen Strom I als Eingangsgröße und einem mechanischen Moment Mmech als Ausgangsgröße. Aufgrund eines konstanten Stroms wird sich als Ausgangsgröße ein konstantes Moment einstellen. Wird in einer weiter gezogenen Schleife (einer Überlagerung mit einem zweiten Regelkreis) die Aufgabe der Positionierung mit in die Systembeschreibung einbezogen, führt dies auf ein integrales Globalverhalten. Ein solches einfaches Beispiel enthält bereits viele Elemente der Systembeschreibung. Neben dem Übertragungsverhalten des reinen Antriebs werden die maßgeblichen Anteile des Antriebsstranges erfasst. • Allen Systemen liegt eine charakteristische Dynamik zugrunde. Diese äußert sich aufgrund der unweigerlich im System enthaltenen Energiespeicher (im mechanischen Bereich sind dies Massen und Federn, im elektrischen Umfeld Kapazitäten und Induktivitäten) im Ansprechverhalten, was in grober Näherung durch Verzögerungsglieder nter Ordnung darstellbar ist. • Klar trennbar von Verzögerungsgliedern sind die Systemanteile, die eine Totzeit aufweisen. Die in ihrer Auswirkung auf geschlossenen Regelkreise schwerwiegenden Totzeiten treten beispielsweise aufgrund der häufig bei haptischen Systemen vorkommenden, diskreten Signalverarbeitung auf. Laufzeiten von Signalen (beispielsweise bei medizinischen Teleoperationen mit haptischen Feedback) sind in speziellen Fragestellungen in der Forschung relevant. Klassische Sys-
110
5 Strukturen haptischer Systeme
temanteile, die einen offensichtlichen Totzeitcharakter haben (triviales Beispiel hierbei ist das Förderband), treten dagegen selten auf. Mit der Bezeichnung Aktuatorsystem erfolgt hier bereits die Annahme, dass dieses Betätigungssystem mittels einer Elektronik geregelt wird und einer übergeordneten Hierachieebene unterliegt. Die klassischen inneren Störgrößen (variierende Reibzustände, über die Temperatur veränderliche Widerstände, Spannungsschwankungen, etc.), die auf elektromechanische Aktuatorssysteme wirken, werden innerhalb dieser Regelkreisstrukturen ausgeregelt. Zusätzlich treten weitere Störgrößen in Erscheinung, die aus der Betätigungsaufgabe entspringen (Prozesslasten, Gegenkräfte, Positionsabweichungen, etc.). Wie eingangs erwähnt lässt sich die Erfassung der Störgrößen auf verschiedene Weisen formulieren: • Eine additive Formulierung auf Systemgrößen ist eine vergleichsweise einfache Methode zur Einbeziehung von Störgrößen in die Systembeschreibung. • Systemabweichungen aufgrund von Prozessgrößen, die durch einen nichtlinearen Zusammenhang hervorgerufen werden, lassen sich bei Kenntnis dieser Zusammenhänge entsprechend formulieren. Dies führt in den meisten Fällen, auf eine nichtlineare Gesamtbeschreibung des Systems, auf die in Kapitel 7 näher eingegangen wird. Die im Telemanipulationssystem enthaltenen Aktuatorsysteme dienen zum einen als Telemanipulator, zum anderen als haptisches System. Diesen beiden Ausprägungen liegen daher stark abweichende Schnittstellenstrukturen zugrunde. Abbildung 5.13 zeigt die Anknüpfung an das bereits erwähnte Schnittstellenmodul mit Signalverarbeitung und Regelung: z1 Nicht messbare Prozessreaktionen und Störgrößen
Geregeltes Aktuatorsystem Sollwertvorgaben
w –
Rückführung an zentrales Schnittstellenmodul
GR
GS
z2
y Prozessbeeinflussung durch - Position - Kraft - Geschwindigkeit
Messbare Prozessreaktionen und Störgrößen
Abb. 5.13 Aktuatorsystem im Telemanipulator.
Das Aktuatorsystem hat hierbei als Eingangsgrößen, die durch das Schnittstellenmodul kommandierten Sollwerte, beispielsweise eine Kraft und eine Sollposition.
5.2 Abstraktion der weiteren Systembestandteile
111
Die Ausgangsgrößen werden durch die gemessenen Istwerte, eventuell auch Regelabweichungen, sowie weitere innere Systemgrößen gebildet. Durch die direkte Anknüpfung an den Prozess erfährt das Aktuatorsystem wie bereits besprochen weitere Eingangsgrößen beziehungsweise Störgrößen aufgrund von Prozessreaktionen.
z Nicht messbare Prozessreaktionen und Störgrößen
Geregeltes Aktuatorsystem Sollwertvorgaben
w –
GR
Rückführung an zentrales Schnittstellenmodul
GS
y Haptisches Feedback an den Bediener - Position - Kraft - Geschwindigkeit
Messbare Eingaben und Reaktionen durch den Bediener
Abb. 5.14 Aktuatorsystem im haptischen Gerät.
Abbildung 5.14 zeigt die Anbindung eingesetzter Aktuatorsysteme im haptischen Gerät. Die Schnittstelle zum zentralen Modul für die Signalverarbeitung und Regelung ähnelt der bereits besprochenen Schnittstelle zwischen Telemanipulator und Regelungsmodul. Es erfolgt wiederum die Übertragung von Sollwerten, in diesem Falle Kräfte beziehungsweise Geschwindigkeiten – in Abhängigkeit von der zugrunde gelegten Methodik der Einflussnahme – sowie von gemessenen Größen, die durch den Bediener eingeprägt werden. Das zentrale Schnittstellenmodul, das als Knoten zur Verknüpfung des haptischen Geräts sowie des Telemanipulators zum Telemanipulationssytem bzw. dessen zeitdiskrete Simulation interpretierbar ist, bildet funktionell den Kern des Gesamtsystems. Die Aufgabensammlung, die diesem System zugeordnet wird beinhaltet folgende Schwerpunkte: • Sollwertgenerierung für den Telemanipulator. Hier erfolgt eine Interpretation des durch den Bediener eingeprägten Kommandos aufgrund der gemessenen Größen aus der Bedieneraktion. Je nach Umfang der verwertbaren Messgrößen erfolgt die Ermittlung einer Sollwertvorgabe. Hierbei können bereits ungewollte Systemanregungen im Resonanzbereich durch eine geeignete Filterung der unpassender Frequenzanteile vermieden und eine adäquate Prozessbeeinflussung berücksichtigt werden. • Ebenso wie für den Telemanipulator muss eine geeignete Sollwertvorgabe für das haptische Gerät erfolgen. Obwohl sich die Anforderungen im Hinblick auf
112
5 Strukturen haptischer Systeme
die Sollwertvorgabe für beide Teilsysteme hierin deutlich unterscheiden, stehen die gleichen Methoden zur Verfügung. Im Rahmen der Sollwertgenerierung lassen hier sich sowohl mathematische sowie logische Operationen verknüpfen und geeignete Sollwerte berechnen. Verarbeitet werden hierzu die vom Telemanipulator beziehungsweise aus dem Prozess gewonnenen Istwerte, Regelabweichungen sowie weiterer Systemzustände, sofern notwendig und verfügbar. • Abweichend von den bisherigen Annahmen dieses Abschnitts, lassen sich in das zentrale Schnittstellenmodul Teile der Regelung der Aktuatorsysteme integrieren. Dies erfordert allerdings innerhalb des Moduls, eine umfangreiche Verarbeitung weiterer Prozessgrößen, die bei der Anbindung bereits geregelter Aktuatorsysteme nicht notwendig sind. Damit bildet das Regelungs- und Signalverarbeitungsmodul einen wichtigen Teil des Gesamtsystems, der in seinem Übertragungsverhalten vollständig einem Entwurfsprozess unterzogen werden muss. Der Lösungsraum ist nahezu unbegrenzt wodurch ein systematisches Vorgehen zwingend einzuhalten ist. Die Peripherie des Telemanipulationssystems, z.B. das manipulierte Objekt, wird durch den Prozess beziehungsweise durch den Bediener abgebildet. Beide Gesamtsystemanteile sind nur begrenzt in ihrem Übertragungsverhalten beschreibbar. Die vorangegangenen Kapitel 4.2 und 4.3 gehen hierzu auf eine Formulierung des Bedieners als mechanische Last ein unter der Berücksichtigung der maßgebenden Aspekte im Hinblick beispielsweise auf Griffarten oder Kraftamplituden. Die Beschreibung des Bedieners oder Nutzers sowie der Einflussgrößen ist äußerst komplex und lässt sich nur in einem reduziertem Maße umsetzen, sofern die Formulierung in einer weiteren Entwurfsphase zur Auslegung und Analyse des Überragungsverhaltens des Gesamtsystems genutzt werden soll. Daneben ist das Übertragungsverhalten des manipulierten Prozesses mit unterschiedlicher Komplexität behaftet und für jeden Anwendungsfall erneut zu formulieren. Die Beschreibung der Abhängigkeit von Reaktionsgrößen aufgrund einer Anregung durch den Telemanipulator, die sich ebenfalls durch eigene Dynamik und Totzeiten äußern, ist je nach Anwendungsfall mit wenigen Zusammenhängen erfasst oder gänzlich unbekannt. Beispielsweise lassen sich die Reaktionskräfte einer im Raum bewegten Masse bei einer Handhabung mathematisch durch Bewegungsdifferentialgleichungen erfassen. Dagegen ist eine Formulierung der Widerstandskräfte, die der Vorschubantrieb eines Bohrwerkzeugs zur Gas- und Ölexploration erfährt, aufgrund der variierenden Festigkeiten der verschiedenen im Vorfeld unbekannten Gesteinsschichten, durch die das Bohrwerk getrieben werden muss, nahezu unmöglich. Hilfen zur Modellbildung bieten hier die Kraftmessverfahren, welche in Kapitel 10 vorgestellt werden. Grundsätzlich muss wie eingangs erwähnt aber eine Abschätzung der Notwendigkeit getroffen werden. Die mathematische Formulierung des Übertragungsverhaltens der Peripherie soll den Entwurf der restliche Gesamtsystemanteile im Telemanipulationssystem unterstützen. Insbesondere der Entwurf des Übertragungsverhaltens innerhalb des zentralen Regelungs- und Signalverarbeitungsmoduls erfordert eine sinnvolle und mit den im zweiten Teil des Buches beschriebenen
5.2 Abstraktion der weiteren Systembestandteile
113
Analyseverfahren vereinbare Formulierung, die in der Komplexität nicht die vollständige Tiefe der Realität abdecken kann.
Teil II
Entwurf haptischer Systeme
117
Im ersten Teil des Buches wurde ein Allgemeinverständnis für den Entwurf haptischer Systeme gelegt. Der Schwerpunkt lag dort auf der Vermittlung des biologischen Hintergrundes, sowie der Behandlung von daran abgeleiteten Fragestellungen. In diesem zweiten Teil des Buches werden konkrete technische Fragestellungen behandelt und Hilfestellungen für häufige Probleme gegeben. Die Kapitel in diesem Abschnitt gliedern sich entsprechend den klassischen Problemstellungen einer Geräteentwicklung, und gehen von allgemeinen Fragestellungen des Gesamtsystems hin zu speziellen Fragestellungen spezifischer Komponenten. Die Kapitel sind von der Reihenfolge her bewusst angeordnet, so dass Fragestellungen mit höherer Flexibilität in der technischen Umsetzung nach Kapiteln behandelt werden, die eher beschränkend auf das zur Verfügung stehende Lösungsspektrum wirken: • Kapitel 6 beschäftigt sich mit der Ermittlung der Anforderungen an eine technische Entwicklung. Der Entwurf haptischer Systeme streift eine Vielzahl technischer Fragestellungen und insbesondere die hohe Dynamikanforderungen der Geräte macht ein systematisches Vorgehen in der Anforderungsermittlung notwendig. • Nachdem die grundlegenden Anforderungen feststehen ist ein übergeordneter Blick auf die Struktur des zu entwerfenden Systems in Kapitel 7.1 sinnvoll. Die hierbei durchzuführende regelungstechnische Analyse hat als Ergebnis nicht nur die Wahl einer der möglichen Realisierungsformen des Gerätes, sondern definiert auch gleich die technischen Teilprobleme, die im Folgenden gelöst werden wollen. • Da insbesondere kinästhetische aber auch mehrdimensionale taktile Systeme zur Erfüllung der Anforderungen häufig mehrere Freiheitsgrade kombinieren müssen, ist ein bewusster Entwurf der kinematischen Struktur des Gerätes sinnvoll. Kapitel 8 vermittelt das für den Kinematikentwurf notwendige Wissen und behandelt die spezifischen Probleme haptischer Geräteentwicklung bei der Berechnung der Transferfunktionen. • Kapitel 9 ist das umfangreichste Kapitel dieses Teils und betrachtet gängige Aktorprinzipien auf deren Eignung für den Einsatz in haptischen Geräten. Die Abschnitte behandeln dabei die gängisten Aktorprinzipien in der Übersicht, sowie die Grundlagen für den Eigenentwurf spezifischer Aktuatoren. • Insbesondere rückgekoppelte haptische Systeme benötigen eine Kraftsensorik. Darüber hinaus sind neben den Simulatoren die zweitwichtigste Gruppen haptischer Systeme, die Telemanipulationssysteme mit haptischer Rückkopplung und somit auch die darin enthaltene Kraftmessung. Kapitel 10 behandelt die Auswahl und den Entwurf für Kraftsensoren, die im Dynamik- und Auflösungsbereich haptischer Interaktion geeignet sind. • Für eine vollständige haptische Interaktion ist bei jedem System die Lagemessung von herausragender Bedeutung. Technische Lösungen hierfür werden in Kapitel 11 vorgestellt, in dem verschiedene Positonssensoren und deren Ableitungen präsentiert werden. • Haptische Systeme sind üblicherweise mit digitalen Prozessoren verbunden, seien es Realisationen von Reglern oder die Simulationssysteme selbst. Kapitel 12
118
behandelt die Schnittstellen zu diesen Rechnern und die möglichen Umsetzungen. • Die häufigste Anwendung haptischer Systeme ist die Erfahrbarkeit virtueller Welten im Rahmen von Simulationen. Hierzu ist es notwendig, die physikalischen Eigenschaften der berührten Objekte in ausreichender Dynamik an der Schnittstelle zum Gerät zur Verfügung zu stellen. Kapitel 13 behandelt die dazu verwendeten Algorithmen und Software-Systemstrukturen und vermittelt einen Überblick, über die zu beachtenden technischen Probleme. • Kapitel 14 schließt mit einer abschließenden Betrachtung aller Kapitel und fasst die wichtigsten Empfehlungen für den Entwurf haptischer Systeme zusammen.
Kapitel 6
Identifikation von Anforderungen
T HORSTEN A. K ERN
6.1 Die richtigen Fragen für Spezifikationen Zu Beginn einer technischen Entwicklung ist es notwendig, die Anforderungen an das zu entwickelnde Produkt zu identifizieren. In der Regel sind die Anforderungen nicht eindeutig und klar vorgegeben. Vielmehr kommunizieren Auftraggeber gerne lösungsorientiert, d.h. ihnen ist eine gewisse technologische Lösung bekannt und sie möchten “ein Gerät, wie das Gerät P, nur besser/billiger/hübscher“. Übernimmt man als Entwickler derartige unspezifische Arbeitsaufträge, dann ist das Scheitern bereits vorprogrammiert. Der eigentliche Wunsch des Kundens ist nämlich in der Regel, dass das zu entwickelnde Produkt zwei Anforderungsklassen erfüllen muss. Diese sind, • eine gewisse Funktion • unter eindeutigen technischen sowie • markstrategischen Rahmenbedingugen zu erfüllen. Die marktstrategischen Rahmenbedingungen sind vielfältig und deren gezieltes Erfragen ist nicht Gegenstand dieser Betrachtung (für Details zu einer allgemeinen systematischen Produktentwicklung siehe [183]). Sie können zwar auch durch ein bekanntes Gerät P motiviert sein, mit dem man in Konkurrenz treten möchte, sie sind aber in der Regel deutlich umfangreicher und durch Budget, Dauer der Entwicklung, Personalressourcen und Kundenkreis bestimmt. Die technischen Rahmenbedingungen sowie die Funktion werden durch den Kunden häufig unspezifisch kommuniziert. Eine Aussage wie “Ein Gerät soll auf einen Handschuh eine Kraft rückkoppeln“ ist keine Definition einer Anforderung, sondern vielmehr bereits eine Lösungsmöglichkeit auf Basis bestehenden Wissen beim Kunden. Die Komplexität der technologischen Lösung basierend auf dieser
119
120
6 Identifikation von Anforderungen
Anfrage reicht von einem einfachen Aktor bis hin zu komplizierten Kinematiken für die einzelnen Finger. Fragt man nach, dann kann es durchaus sein, dass der Kunde z.B. den Krafteindruck beim Schalten einer Getriebekupplung eines PKWs simulieren möchte. Die Kenntnis dieser Anwendung, der Interaktion, ermöglicht bei der technischen Entwicklung eine viel breitere Betrachtung und somit eine optimierte Auswahl der technischen Lösung. Die folgenden Abschnitte dienen dazu, die Klassen an möglichen Realisationen zu identifizieren und die dafür notwendigen Fragen und deren Hintergrund in einfach anzuwendenden Clustern zu formulieren. Die Liste erhebt keine Anspruch auf Vollständigkeit, resultiert aber aus der Anforderungsermittlung an Dutzenden von Systemen in den letzten Jahren. Typ haptischer Interaktion?
Simulation und Telepräsenz von Objekten
Nutzung eines Werkzeuges 1
Direkte haptische Interaktion
Haptische Kodierung von Informationen
Anzahl an Dimensionen für die haptisch zu kodierenden Informationen Eine Dimension
(Intensität und/oder Zeit) 3
Veränderliche Textur 2
Veränderliche Form 1
x = Cluster der technischen Lösung
Richtungsvektor im 2D-Raum
4 + 3
Richtungsvektor im 3D-Raum
4
Räumlich verteilt 2D-Information
2
Räumlich verteilt 3D-Information
5
+ 3
Abb. 6.1 Strukturierung der Identifikation des relevanten Fragenclusters anhand der Analyse der anvisierten haptischen Interaktion.
In Abbildung 6.1 ist ein Entscheidungsbaum für die Identifikation der Fragencluster skiziiert. Das empfohlene Vorgehen sieht vor, den Baum von oben nach unten abzuarbeiten, um die richtige Anwendung und den dazugehörigen Fragencluster zu finden. Abschnitt 6.1.1 beschreibt die Nutzung des Entscheidungsbaums, während in den folgenden Abschnitten die einzelnen Fragencluster und die empfohlenen Fragen zur Anforderungsermittlung beschrieben sind.
6.1 Die richtigen Fragen für Spezifikationen
121
6.1.1 Interaktion als Klassifizierungsmerkmal Das zentrale Maß zur Identifikation der Anforderungen an haptische Systeme ist die Definition des Typs der haptische Interaktion.
Typ haptischer Interaktion Die erste Frage sollte immer die Art der Interaktion mit dem technischen System betreffen. Handelt es sich um eine Simulation einer realen Umgebung oder die Interaktion mit physischen Objekten in einer Telepräsenz; oder ist der Gegenstand der Interaktion die Kommunikation von Informationen über den haptischen Sinn. Im ersten Fall sind die möglichen Varianten weniger vielfältig.
Simulation und Telepräsenz von Objekten Ist das Ziel der Interaktion die Berührung virtueller oder über Telepräsenz verfügbargemachter Objekte, dann stellt sich die Frage, ob diese Berührung direkt über die Finger, Hände und Haut, oder über Werkzeuge stattfindet. Hat also der Nutzer ein spezifisches Werkzeug (Schraubenzieher, chirurgisches Instrument, Joystick eines Flugzeuges) ständig in der Hand und kontrolliert damit eines oder mehrere Objekte, oder berührt der Nutzer eine Vielzahl von Objekten im Rahmen der Interaktion mit den eigenen Händen. Im Falle der Werkzeug-Interaktion fällt die gewählte Lösung in den Cluster 1 “Kinästhetik“, im Falle der direkten Interaktion ist ein weiteres Detail zu klären.
Direkte haptische Interaktion Berührt man physikalische Objekte, so unterscheiden sie sich in ihrer Form mit allen physikalischen Eigenschaften des Volumens wie Masse, Nachgiebigkeit oder Elastizität und innerer Reibung, sowie in ihrer Textur (siehe Kapitel 2). Im Falle der Interaktion mit der Form sind die Fragen des Clusters 1 “Kinästhetik“ relevant, im Falle der Interaktion mit einer Textur sind Fragen des Clusters 2 “Surface-tactile“ zu berücksichtigen. Dies ist keine Entweder-Oder-Entscheidung, sondern vielmehr können beide Aspekte einer Objektinteraktion gleichzeitig oder auch jeweils einzeln gefordert sein.
Haptische Kodierung von Informationen Im Falle einer abstrakten und nicht Objekt-bezogenen Informationsvermittlung über den haptischen Sinn stellt sich die Frage nach der Dimension der Information.
122
6 Identifikation von Anforderungen
• Beinhaltet die Interaktion die Vermittlung eines reinen Ereignisses (Event), das von Zeit zu Zeit stattfindet (ein Anruf auf dem Mobiltelefon) oder soll eine ständig präsente Information (eine Entfernung zu einem Zielpunkt) haptisch vermittelt werden, dann sind dies eindimensionale1 Fragestellungen und können über Fragen des Clusters 3 “Vibro-taktil“ abgedeckt werden. • Ist die Interaktion hingegen eine Richtungsinformation, die eine Lage in der Ebene (Bewegungsrichtung) oder im Raum kodieren soll, dann ist eine Anwendung der Fragen des Clusters 4 “Vibro-direction“ interessant. Tatsächlich wird in diesen Fällen häufig auch eine zeitliche bzw. Entfernungsinformation vermittelt, so dass auch die Fragen des Clusters 3 Berücksichtigung finden sollten. • Liegt bei der Interaktion eine Vermittlung von Informationen über eine zweidimensionale Verteilung von Werten vor (eine Straßenkarte/Landkarte/Text auf einer Seite) dann sind die Fragen des Clusters 2 “Surface-Tactile“ zu beachten. • Ist die Interaktion eine Anwendung bei der volumetrische Informationen (das elektrische Feld einer Wasserbindung, medizinische Datensätze) haptisch vermittelt werden sollen, dann sollten Fragen des Clusters 5 “Omni-Dimensional“ in Betracht gezogen werden. Im Folgenden werden die Fragen in den Clustern näher erläutert, und einige Beispiele für das mit den Fragen verknüpfte Lösungsspektrum gegeben:
6.1.2 Cluster “Kinästhetik“ Der Cluster 1 muss dann gewählt werden, wenn eine Interaktion zwischen Fingern und Form direkt erfolgt, oder wenn die Interaktion über ein Werkzeug vermittelt wird. Beides sind technische Fragestellungen vieldimensionaler Probleme2. Jede Bewegungsdimension entspricht hierbei einem Freiheitsgrad des späteren technischen Systems. Die Fragen sind somit ziemlich gerade heraus und beschäftigen sich vor allem mit den Eigenschaften dieser Freiheitsgrade am Werkzeug oder am Nutzer: • Welche Freiheitsgrade hat das Werkzeug/die Bewegung? → rotatorische, translatorische, Verknüpfungen3 • Welchen Bewegungsraum haben die Freiheitsgrade? → Max. und min. Winkel und Strecken.
1
weil nur von einem Parameter abhängig Eine Werkzeuginteraktion kann durchaus auch ein eindimensionales Problem darstellen, ist in der Regel aber vieldimensional. 3 Im Falle von Fingerbewegungen ist zu beachten, dass nicht alle Freiheitsgrade einzelner Finger zwingend mit haptischen Eigenschaften für Interaktion ausgestattet werden müssen. Zumeist ist es alleine ausreichend, die Greifbewegung mit haptischem Feedback zu versehen. 2
6.1 Die richtigen Fragen für Spezifikationen
123
• Wie dynamisch ist die Bewegung? → Angabe von maximalen und minimalen Geschwindigkeiten und Beschleunigungen. Diese Frage kann zumeist nicht direkt beantwortet werden. Hierzu hilft vielmehr ein Blick auf die Interaktion und (wenn möglich) Messungen der Bewegungsgeschwindigkeiten an Instrumenten oder z.B. der Finger über Videoaufnahmen. • Welche Kräfte/Drehmomente treten in den Freiheitsgraden auf4 ? → Angabe von maximalen und minimalen Kräften und Drehmomenten • Wie ist die Dynamik dieser Kräfte/Drehmomente? → Bandbreite der Kräfte/Drehmomente im Frequenzbereich, alternativ maximaler Anstieg im Zeitbereich (“von 0 auf Fmax in 0.1s“). Diese Frage ist zumeist nicht direkt zu beantworten. Messungen gestalten sich ebenso häufig als schwierig und aufwendig, da ein Einfluss der Messung auf die Interaktion ausgeschlossen sein muss. Es empfiehlt sich daher, eine Betrachtung der Interaktion selbst und somit des Objektes mit dem interagiert wird durchzuführen. Ist es weich (häufig bei chirurgischen Simulationen) kann über einfache viskoelastische Modelle die Dynamik abgeschätzt werden. Die kritischen Fragen bezüglich der Dynamik betreffen meist den initialen Kontakt mit einem Objekt, die Kollision. Hier beschreibt vor allem die Steifigkeit des Objektes und die Geschwindigkeit des Kontaktes die notwendige Dynamik. Doch man beachte, dass die dabei entstehenden großen Forderungen häufig den technischen Möglichkeiten widersprechen (siehe Kapitel 3.3).
6.1.3 Cluster “Surface-tactile“ Eine haptische Textur stellt im abstrakten Sinne die Mirkostruktur einer Oberfläche dar. Die lateralen Relativbewegungen zwischen dieser Mikrostruktur und der Fingerspitze bzw. die normalen Kräfte erzeugen die typischen haptischen Eindrücke einer Oberfläche und vermitteln unterschiedliche Materialien. Haptic-Bumps auf den Tasten J und F sind auch eine Form von Textur der Taste. Genauso ist die Braille Schrift eine spezielle Textur, die zusätzliche abstrakte Informationen trägt. Der Cluster 2 muss also dann gewählt werden, wenn auf einer beliebigen Oberfläche über den taktilen Sinn weitere Informationen vermittelt werden sollen. Dies können entweder kodierte Informationen einer Landkarte auf einer mehr oder weniger ebenen Fläche, es können aber auch objektspezifische Informationen, wie sein Material, sein. Daraus ergeben sich folgende Fragen: • Welche Körperteile führen die Interaktion aus? → Diese triviale Frage hat signifikante Auswirkungen, da das interagierende Körperteil die beim Menschen vorliegende Auflösung der Rezeptoren und somit die Anforderungen an die TexturEinheit bestimmt. 4
Häufig ist es dem Auftraggeber nicht möglich, diese Werte konkret zu spezifizieren. Dann sind kreative Abwandlungen dieser direkten Fragen notwendig, indem z.B. nach der bewegten Masse gefragt wird, oder indem eigene Messungen am Werkzeug gemacht werden. Hierzu mehr in Abschnitt 6.2
124
6 Identifikation von Anforderungen
• Unterliegt die Form des die Struktur tragenden Objektes einer Änderung? Wenn ja, in welchen Bereichen? → Wenn die Formen sich stark verändern, dann ist es wahrscheinlich, dass zur Vermittlung von Textur-Informationen jeder Finger eine eigene Textur-Einheit (z.B. ein kleines Pin-Array) benötigt, da die Finger unabhängig voneinander positioniert werden. In diesem Falle ist wahrscheinlich auch eine laterale Realtivbewegung zwischen Finger und Textur-Einheit vorzusehen, um Scherkräfte in die Fingerspitze einzukoppeln. Ist jedoch die Form fix, z.B. im Falle einer Landkarte, dann kann die Relativbewegung durch die Finger erfolgen und die Textur-Einheit kann großvolumiger entworfen werden. • Welche Änderungsrate hat die Information? → Texturen verändern sich bei der Simulation von Objekten und bei der Darstellung von Karten wenig dynamisch. Dies ist grundlegende anders, wenn z.B. Texte dargestellt werden sollen. Die Antwort hierdrauf beeinflusst die Dynamik des technischen Systems signifikant. • Welchen Intensitätsbereicht deckt die Textur ab? → Im einfachsten Fall kann diese Antwort mit konkreten Auslenkungen oder einer Auflösung in bit angegeben werden. In der Regel werden hier aber nur qualitative Aussagen bezüglich der Objekteigenschaften, mit denen interagiert wird, angegeben. Dies muss daher durch eigene Experimente ergänzt werden. Sehr wichtig bei dieser Frage ist, ob die dargebotene und geplante Auflösung der Intensität nicht die Unterscheidbarkeitsgrenzen der in Kontakt stehenden Struktur übertrifft. Hierzu ist eine Recherche der entsprechenden psychophysikalischen Experimente ratsam, da man sonst eventuell die präsentierten Informationen gar nicht vermitteln kann.
6.1.4 Cluster “Vibro-Taktil“ Der Cluster 3 ist ein Lösungsspektrum für einfache, eindimensionale Fragestellungen bzw. Fragestellungen, mit unabhängigen Dimensionen (z.B. einer Kodierung von einer Ereignisklasse in der Frequenz und der Bedeutung des Ereignisses in der Amplitude). In diesen Cluster fallen Verteilungen von Intensitätsvariation und/oder eine zeitliche Verteilung von einzelnen Events. Die technologischen Lösungen liegen vor allem im Bereich von Vibrationsmotoren oder Taktoren, wie sie im Mobiltelefon oder im Handle einer Spielekonsole zum Einsatz kommen. Auch wenn die technologische Lösung einfach scheint, liegt die Kunst des technischen Entwurfes in der richtigen Codierung der Information in der Intensität bzw. Zeit und der günstigsten mechanischen Kopplung an den Nutzer. • Welche mechanische Schnittstelle für die haptische Information ist vorgesehen? → Konkret, wird diese Schnittstelle durch mechanisch fixe Rahmenbedingungen wie Gehäuse etc. beeinflusst? • Welcher Bauraum steht zur Verfügung? → Häufig sind vibro-taktile Lösungen durch sehr begrenzten Bauraum bereits im Vorfeld beschränkt. • Welche Auflösung hat die geplante Intensitätsvariation? → Hier gelten ähnliche Kriterien wie in dem “Surface-Taktilen“ Cluster, da es allerdings häufig
6.1 Die richtigen Fragen für Spezifikationen
125
schwingende Systeme sind, die die Intensität kodieren, muss die Abhängigkeit der wahrgenommenen Intensität von der Frequenz der Schwingung berücksichtigt werden. Die Wahrnehmung des Nutzers ist also in der Regel auch hier das begrenzende Glied für die mögliche Intensitätvariation, die ihrerseits aber von der mechanischen Kopplung abhängig ist.
6.1.5 Cluster “Vibro-Directional“ Während vibro-taktile Systeme eindimensionale Informationen in Form von Intensitäten codieren, ist es durchaus denkbar mehrere dieser Informationen dazu zu nutzen, eine Richtungsinformation zu codieren. Dies kann zweidimensional in der Ebene passieren, es kann aber ebenso dreidimensional gelten. Der Cluster 4 beschreibt derartige Systeme. Hintergrund ist, dass für eine Ebenen-Information mehrere haptisch aktive Elemente Ringförmig um einen Körperbereich geschlungen werden, z.B. ein Gürtel um den Bauch. Die Richtung wird in der Aktivität einzelner Elemente kodiert. Dieser Ansatz ist auch auf einen Raumvektor übertragbar, wobei hier eine Vielzahl haptischer Elemente auf einer geschlossenen Oberfläche, z.B. dem Oberkörper, platziert werden. Die Aktivität einzelner dieser Elemente kodiert so die Raumrichtung. Zusätzlich zu den Fragen der vibro-taktilen Systeme ergeben sich hierbei noch folgende Punkte: • Wie ist die anvisierte Auflösung in der Ebene/im Raum? → Auch hier kann es in Abhängigkeit der anvisierten Kontaktfläche mit dem Körper sein, dass der Mensch das begrenzende Maß für die Auflösung darstellt. Entsprechende Literatur (z.B. [52][259]) ist unbedingt im Vorfeld der Entwicklung zu sichten und auf die jeweilige Fragestellung anzuwenden. • Welche Anzahl von gleichzeitig dargestellten Vektoren sollen unterschieden werden? → Die Tatsache, dass ein Nutzer eine Richtung auflösen kann heißt noch nicht, dass bei der gleichzeitigen Präsentation zweier Punkte die Auflösung identisch ist. Hier treten häufig schwer quantifizierbare Masking-Effekte auf, die eine Art Interpolation zwischen den beiden Punkten verursachen. Entsprechende Experimente und Analysen sind zwingend anzuraten. • Welches Bezugssystem gilt als Referenz? → Die dargebotenen Informationen haben häufig ein Bezugssystem, das nicht zwingend identisch mit dem Bezugssystem des Menschen ist, bzw. der Mensch verändert seine Position z.B. auf einem Fahrzeug und verliert daher eine eindeutige Zuordnung vom am Körper befestigten haptischen Elementen. Daher ist es notwendig sich über das geltende Bezugssystem (lokal Nutzerbezogen oder Fahrzeug-bezogen oder vielleicht sogar Weltbezogen) Gedanken zu machen und entsprechende Messtechnik zur Erfassung der Veränderung der Nutzerposition zum Bezugssystem zu erfassen. Weiterhin kann es notwendig sein, dem Nutzer einen Refrenzreiz zu präsentieren, welcher die Wahrnehmung auf das Bezuggsystem eicht, z.B. ein “Nord“-Signal.
126
6 Identifikation von Anforderungen
6.1.6 Cluster “Omni-Dimensional“ Der Cluster 5 beschreibt Systeme, die eine echte räumliche Information kodieren. In einem dreidimensionalen Raum beinhaltet jeder Punkt entweder eine Intensitätsinformation (ein so genanntes Skalarfeld) oder eine Vektorinformation (ein sogenanntes Vektorfeld). Die Datenquellen sind vielfältig und häufig vorhanden, seien es medizinische Bilddaten oder die Daten von Feldern in der Strömungsmechanik, Atomphysik oder Elektrodynamik und Elektrostatik. Einzig Systeme zur haptischen Interaktion mit solch komplexen Datensätzen sind selten, und stellen häufig eine Kombination aus den Clustern “Kinaesthetic“ und “Vibro-Tactile“ für Skalarfelder bzw. “Kinaesthetic“ mit sechs haptisch aktiven Freiheitsgraden für Vektorfelder dar5 . Entsprechend reduzieren sich die spezifischen Fragen auf einen einzige Punkt: • Findet die haptische Interaktion mit Vektorfeldern oder mit Skalarfeldern statt?→ Bei reinen Vektorfeldern sollten Kinästhetische Systeme und die zugehörigen Fragen mit sechs aktiven Freiheitsgraden näher betrachtet werden, bei Skalarfeldern ist eine Betrachtung vibro-taktiler Systeme in Kombination mit dreiFreiheitsgraden kinästhetischen Systemen und die dazugehörigen Fragen am Notwendigsten. Der Skalarwert entspricht dann der Dynamik der codierten Information.
6.1.7 Cluster “always“ Des weiteren gibt es noch allgemein technische Fragen, die bei keiner Geräteentwicklung fehlen sollten, die aber für haptische Systeme durch die häufig aufwendigen und anspruchsvollen Realisationeneine außergewöhliche Bedeutung erlangen können. • Welche Energiequellen stehen zu Verfügung? → Es ist nicht zwingend voraus zusetzen, dass insbesondere in telemanipulativen Systemen immer elektrische Aktoren zum Einsatz kommen müssen. Auch die Verwendung von pneumatischen oder hydraulischen Energiequellen sind z.B. bei vor allem taktilen Systemen eine echte Alternative. • Wie teuer darf die Entwicklung sein6 ?
5
Die haptische Interaktion mit Objekten ist im mathematischen Sinne immer eine Interaktion mit Vektorfeldern. In den Vektoren sind die Kräfte der Objektoberflächen codiert, die ihrerseits in Realität noch abhängig von z.B. der Deformation des Objektes selbst sind. 6 Anmerkung: Aktuelle haptische Systeme reichen von 200 EUR für Großseriensysteme über 1.500 EUR für mittlere Serien, über 25 tEUR für Kleinserien bis hin zu 100tEUR und mehr für Einzelbauten - und dies nicht aus Habgier sondern häufig aufgrund des notwendigen, technischen Aufwands
6.2 Experimente mit dem Kunden
127
6.2 Experimente mit dem Kunden Anforderungen werden - wie zuvor bereits erwähnt - gerne von Kunden nur sehr verschlüsselt kommuniziert. Gerade bei den Anforderungen an haptischen Systemen besteht noch das Problem einer sehr unspezifischen Terminologie. Für haptische Sinneseindrücke existieren schwer absolut zu fassende Adjektive im Spektrum zwischen: rau, weich, glatt, sanft, hart, viskos. Darüber hinaus werden gerne vergleichende Begriffe eingesetzt, wie: pelzig, seidig, haarig, wässrig, klebrig. Was liegt also näher, den Kunden gezielt den gewünschten haptischen Eindruck über Vergleiche beschreiben zu lassen? Lass den Kunden den haptischen Eindruck mit Parallelen zu möglichst einfachen und leicht verfügbaren Gegenständen oder Objekten beschreiben! Obst und Gemüse bieten ein sehr breites Spektrum an Texturen und Konsistenzen Häufig ist auch auf Seiten des Kunden ein gewisses Verständnis für die haptischen Eigenschaften von Objekten bei einer Interaktion notwendig. Ein guter Musterkoffer beinhaltet also auch gleich Beispiele für haptische Extremfälle. Stelle einen Musterkoffer zusammen, der Gewichte und Federn unterschiedlicher Größe, glatte Murmeln, Pelz, Leder und Seide beinhaltet! Nutze diesen, um dem Kunden haptische Parameter zu verdeutlichen und seine Beschreibungen zu optimieren! Bewährt hat es sich auch, Federwaagen, Briefwaagen oder elektronische Kraftsensoren zu den Treffen mitzunehmen. Häufig ist es möglich, z.B. einen Handgriff gezielt daran zu befestigen und den Kunden die Waage ziehen zu lassen, bis ein seiner Erfahrung nach realistischer Kraft- oder Momenteneindruck entsteht. Nimm mechanische Messinstrumente zum Kundengespräch mit und lass den Kunden daran herumfingern! Dies gibt einen ersten groben Eindruck der notwendigen Kraftamplituden. Um Texturen zu beschreiben kann man in mechanischen Werkstätten über Rändelund Riefenmuster unterschiedliche Rauhigkeiten in Metall erzeugen. Alternativ ist auch Sandpapier ein mögliches Referenzmaß, das über die Körnung sogar in gewissem Umfang normiert ist.
128
6 Identifikation von Anforderungen
Nutze existente Materialien mit Skalen, welche die Rauhigkeiten beschreiben, um den haptischen Eindruck einer Textur zu simulieren.
Was nicht funktioniert: Ein normaler Kunde ohne Expertise im Bereich Haptik wird niemals in der Lage sein, Aussagen zu Auflösungen oder Dynamiken des haptischen Sinns zu treffen. Derartige Aussagen müssen immer aus der Interaktion und der Recherche des psychophysikalischen Wissens zu vergleichbaren Anwendungen und der Aufgabe abgeleitet werden. Bei jeglicher Systematik im Entwurf ist und bleibt vorerst der Entwurf haptischer Systeme stark abhängig von der Erfahrung des Entwicklungsingenieurs. Verunsichere den Kunden nicht, indem Fragen nach der physiologischen Auflösung gestellt werden! Dies muss Wissen des HaptikIngenieurs sein. Erfrage aber unbedingt die gewünschten Dynamiken der Interaktion (z.B. der Simulation im Sinne einer Framerate, oder der maximalen Lastwechsel pro Sekunde bei Telemanipulationen), um die Anwendung einschätzen zu können!
6.3 Das Pflichtenheft eines haptischen Systems Die Antworten des Kundens ergeben ein Lastenheft (functional requirements). Hieraus lässt sich ein technisches Pflichtenheft (system specifications) des haptischen Systems ableiten. Dieses wird sich zwischen taktilen und kinästhetischen Systemen unterscheiden. In Tabelle 6.1 wurden die relevanten technischen Parameter für ein allgemeines haptisches System zusammen getragen. Sie dient zur Orientierung und muss für die jeweilige Applikation um die nicht zutreffenden Punkte reduziert bzw. in den applikationsspezifischen Aspekten erweitert werden.
6.3 Das Pflichtenheft eines haptischen Systems
129
Tabelle 6.1: Beispiel eines Pflichtenhefts eines haptischen Gerätes P FLICHTENHEFT EINES HAPTISCHEN G ERÄTES Rev.: 01.01.2009 F/W
B ESCHREIBUNG
F/W7
Vor allem kinästhetisch motivierte Parameter
F
Zahl der Freiheitsgrade
2x rot., 1x transl.
F
Arbeitsraum
100x50x50 mm3
W
Maximaler Arbeitsraum
150x100x100 mm 3
F W F W F
W8
G RÖSSEN
Maximale Kraft in DOF “Name“ Maximale Kraft in DOF “Name“ Minimale Kraft in DOF “Name“ Minimale Kraft in DOF “Name“ Maximale Dynamik (Bandbreite) für DOF “Name“ im festgebremsten Zustand Maximale Dynamik (Bandbreite) für DOF “Name“ im festgebremsten Zustand
im
Q UELLE /KOMMENTAR Sollte eine Vorstellung der DOF geben, benennen! Minimal zu erreichender Arbeitsraum Maximal notwendiger Arbeitsraum
5N 7N
Identifiziere immer eine Spannweite von Kräften!
0.2 N 0.1 N 100 Hz
200 Hz
F
Kleines Grenzfrequenz festgebremsten Zustand
F
Maximale Geschwindigkeit 10mm/s bei Freiraumbewegung
F
Maximale Banbreite der Ge10Hz schwindigkeitsänderung
Statisch
Identifiziere immer eine Spannweite von Kräften! Zeigt (u.a.) die minimale Sinus-Bandbreite der Treiberelektronik Zeigt die Bandbreite, von welcher der Kunde träumt. Es kann Anwendungen geben, bei denen ausschließlich dynamische Bewegungen, ohne statischen Anteil, notwendig sind. Daher ist diese Frage immer einen Versuch wert. Dies ist auch eine Frage von Sicherheit, da hierdruch die im System gespeicherte mechanische Energie bestimmt wird. Die Änderung der Geschwindigkeit, also die Beschleunigung mit der das System arbeitet, hat sehr hohen Einfluss auf die Energie, welche das System braucht.
Fortsetzung auf der folgenden Seite ...
7
F: Forderung, W: Wunsch Die hier vorgestellte Kombination aus Forderungen und Wünschen (D und F) Abfragen kann für beinahe jeden Punkt des Pflichtenhefts durchgeführt werden. Es wird dringend empfohlen dieses Technik der Spezifikation zu nutzen, aus Gründen der Übersichtlichkeit wird aber im Rahmen der Darstellung diese Doppeltabfrage abgebrochen.
8
130
6 Identifikation von Anforderungen
Fortsetzung: F/W
B ESCHREIBUNG
F
Maximale haptische Impedanz 10Ns/m am Ausgang
F
Minimale haptische Impedanz 0.01Ns/m am Ausgang
F
Kleinste Positionsauflösung/Messunsicherheit für DOF 0.1mm “Name“
W F
G RÖSSEN
Kleinste Positionsauflösung/Messunsicherheit für DOF 0.05mm “Name“ Art der mechanischen SchnittKnopf/Stift/keine stelle
F
Mechanischer Bezugspunkt
F/W
Vor allem taktil motivierte Parameter
F
Richtung(en) der taktilen StiNormal zur Haut mulation
F
Maximale AuslenkungsAmplitude der taktilen Elemente
F
Minimale Amplituenauflösung der Auslenkung
F
Höchste Dichte der Stimulation
F F F
F
Grounded, getragen
Q UELLE /KOMMENTAR Dies ist eine alternative Darstellung gegenüber der unabhängigen Angabe von Kraft und Geschwindigkeit für dynamische Systeme! Dies ist eine Alternative Darstellung gegenüber der unabhängigen Angabe von Kraft und Geschwindigkeit für dynamische Systeme! Für haptische Interaktion ist eine Messung der Position in der Regel eine Selbstverständlichkeit.
Gibt es einen Griff? Hat Einfluss auf Gewicht, Größe und Energie
Eine Alternative wäre lateral oder auch eine Kombination aus Beidem Trifft vor allem auf PinDisplays zu, kann aber auch 1mm als Schwingungsamplitude von Vibratoren verstanden werden. Könnte aber auch mehrere Studigital (on/off) fen beinhalten, die der Pin anfahren kann Variiert extrem in Abhängig2mm Abstand Mitkeit der gewählten Kontaktte-Mitte Körperoberfläche
Maximale Größe der Stimula2mm Durchmesser tion Maximaler Frequenzbereich 100 to 300 Hz der Stimulation Minimale Frequenzbereichs1 Hz Auflösung
Natürlich nur für vibrotaktile Aktoren
Maximale Auslenkungskraft/20 N Steifikeite
Pin-basierte taktile Aktoren müssen nicht zwangsläufig ideal steif sein. Auch System niedriger Admittanz können Verwendung finden.
Fortsetzung auf der folgenden Seite ...
Für vibrotaktile Aktoren
6.3 Das Pflichtenheft eines haptischen Systems
131
Fortsetzung: F/W
B ESCHREIBUNG
G RÖSSEN
F
Verbindung zum Nutzer
Umgebungsbefestigung Getragen
F
Maximale Anzahl an Finger, welche gleichzeitig mit dem 1-10 Gerät in Kontakt sind
F/W
Digitale Geräteschnittstelle
F
F
F
W
F
Q UELLE /KOMMENTAR Notwendig um klar zu stellen, ob eine Relativbewegung zwi/ schen Haut (z.B. Finger) und Display möglich ist. Kann bei Voll-Hand Exploration einen gewaltigen Einfluss auf den Entwurf haben.
Typischerweise etwas kleiner als die Messunsicherheit von Kraft- oder PositionsMessung. Typischerweise etwas größer Minimale Auflösung der Ein12 bit als die Auflösung von Kraftgabedaten oder Positionsausgabe. Sollte wenigsten zweimal, besser 10 mal höher als die GrenzKommunikationsfrequenz der 1000 Hz frequenz des gesamten Enthaptischen Schleife9 wurfs sein. Hat Einfluss auf die wahrgenommene Steifigkeit. Üblicherweise ist die zu verWeitere Interface- Nutze USB/FireWi- wendende Schnittstelle durch Beschränkungen re... firmenpoltische Entscheidungen beschränkt. Wie jede Hardware braucht die haptische Schnitstelle i.d.R. Treiber-Schnittstelle API einen eigenen ComputerTreiber Minimale Auflösung der Aus12 bit gabedaten
F/W
Allgemeine Parameter
F
Maximaler turbereich
F
Maximaler Bauraum
500 · 500 · 200 mm3
F
Gewicht
1 kg
Betriebstempera-
10◦ C to 50◦ C
Kann hohe Bedeutung erlangen für Aktorprinzipien mit schlechtem Wirkungsgrad in extremen Umgebungen (KFZ). Systemgröße Besonders relevant, wenn das Gerät am Körper getragen werden soll. Diese Beschränkung wird großen Einfluss auf die erzeugbare mechanische Energie haben.
Fortsetzung auf der folgenden Seite ...
9
Eine “haptische Schleife“ bezeichnet einen vollständigen Zyklus mit der Ausgabe der Regeloder Steuergröße (typischerweise bei Simulatoren aus dem Eingabewert im Zeitabschnitt zuvor berechnet) und dem Lesen der Messgröße
132
6 Identifikation von Anforderungen
Fortsetzung: F/W
F
F
F
B ESCHREIBUNG
G RÖSSEN
Q UELLE /KOMMENTAR Sehr wichtig, es wurden schon Geräte auf Messen Batterie/ 110V/ Spannungsversorgung gesehen, welche durch Fehler 230V in der Spannungsversorgung abgeraucht sind. Primärleistungsaufnahme inkl. Maximale Leistungsaufnahme 50 W aller Verluste Ein Pflichtenheft beinhaltet außerdem Referenzen zu anderen Standards und Anforderungen, die an jeden Produktentwicklungsprozess gestellt werden, wie nicht zu überschreitende Kosten für das individuelle Gerät, den Entwicklungsprozess selber und die Anzahl an Geräte, die pro Zeiteinheit gefertigt werden sollen. Weiterhin ist der Zeitpunkt der Auslieferung zu definieren, die optischen Paramter in Bezug auf das Design, Sicherheitstechnische Aspekte, u.v.m. ...
6.4 Abfolge der zu treffenden Technologie-Entscheidungen Bei der technischen Entwicklung haptischer Systeme beeinflussen sich die Entscheidungen für einzelne Komponenten/Strukturen gegenseitig stark, der Einfluss ist aber nicht zwischen allen Fragestellungen gleich. Nach der Ermittlung der Anforderungen an das haptische System, ist es daher sinnvoll, die Lösungsfindung für einzelne Komponenten in einer gewissen Systematik durchzuführen. Es ist selbstverständlich, dass entsprechend einer Entwicklungsmethodik die Lösungen für jedes Teilproblem gegenüber gestellt werden sollten und dann in ihren Vor- und Nachteilen bezüglich der Spezifikationen bewertet werden. Die empfohlene Abfolge der zu behandelnden Teilprobleme ist Grundlage der Kapitelstruktur dieses Buchabschnittes und wird hier noch einmal zusammengefasst: • Entscheidung bezüglich der regelungstechnischen Struktur des haptischen Systems auf Basis der Einschätzungen an die Anwendung (taktil oder kinästhetisch), der Leerlaufimpedanz (Massen >20 g und Reibungen zulässig), und die maximale Impedanz (Steifigkeiten > 300 N/m oder kleiner) (Abb. 6.2). • Entscheidung bezüglich der Kinematik auf Basis von Berechnungen zum Arbeitsraum und der anvisierten Steifigkeit (Kap.8) • Mit einer dann bekannten mechanischen Struktur kann der Aktorentwurf durchgeführt werden. Hierbei ist eine Grobentscheidung entsprechend Kapitel 9.1 zur Orientierung möglich, aber erst die konkreten Berechnungen der Aktoren werden eine abschließende Betrachtung erlauben. • In Abhängigkeit der gewählten regelungstechnischen Struktur kann parallel zum Aktorentwurf die Kraftsensorik bearbeitet werden (Kap. 10). • Relativ unkritisch für die Konstruktion ist dann der Entwurf der Positionssensorik (Kap. 11).
6.4 Abfolge der zu treffenden Technologie-Entscheidungen
133
• Die elektronische Schnittstelle ordnet sich allen vorher festgelegten Gegebenheiten unter (Kap. 12). • Der Softwareentwurf des haptischen Renderings wiederum ist in vielen Punkten so unabhängig von den vorhergehenden technologischen Entscheidungen, dass er von der konkreten technologischen Realisation in fast allen Punkten entkoppelt werden kann (Kap. 13) Man beachte aber dennoch, dass z.B. eine Kinematikauslegung selbstverständlich nicht vollständig entkoppelt von den im zu Verfügung stehenden Bauraum realisierbaren Kräfte - also den Aktoren - bzw. der messtechisch noch zu erfassenden Wege - also der Wegsensorik - durchzuführen ist. Die obige Reihenfolge stellt also eine Empfehlung der Detaillierung und Abarbeitung der einzelnen Punkte dar, entbindet aber keinesfalls von der Pflicht des Entwicklers einen ausreichenden Überblick über die anderen Teilprobleme und deren wechselseitige Beeinflussung zu haben. Entscheidung auf die regelungstechnische Struktur
Taktil
Kinästhetisch
Zmin "groß" nur Ausgabe
Ein- und Ausgabe
Zmin "small"
Zmax <300 N/m Admittanzgesteuert
Digitale Eingabe
Zmax >300 N/m
Scalare Eingabe Impedanzgeregelt
Admittanzgesteuert mit Schaltereignis
Admittanzgeregelt
Impedanzgesteuert
Abb. 6.2 Entscheidungshilfe für die Auswahl der regelungstechnischen Struktur.
Admittanzgeregelt
Kapitel 7
Methoden zur Regelung haptischer Systeme
O LIVER M ECKEL
7.1 Einführung Die regelungstechnische Analyse und Beurteilung technischer Systeme und Prozesse begründet sich im allgemeinen durch den Wunsch nach einer sicheren und verlässlichen Einflussnahme auf die maßgebenden physikalischen Systemgrößen und das Gesamtverhalten. Der Begriff des Systems abstrahiert dabei die durch die physikalischen Gesetze verankerten Zusammenhänge und bringt diese auf eine Betrachtungsebene, in der eine systematische Beurteilung verschiedener physikalischer Systeme möglich wird. Auf dieser Abstraktionsebene gelingt die Behandlung regelungstechnischer Fragestellungen durch verschiedene Methoden und Techniken, die nicht auf eine einzige Systemklasse beschränkt bleibt. Das Ziel bei der Beschreibung, der Analyse und der regelungstechnischen Betrachtung von Systemen liegt letztendlich immer in der Sicherung der ablaufenden physikalischen Prozesse. Der Technik seinen Willen aufzwingen ist die grundlegende Motivation, mit der es gilt, die Auswirkung einer gezielten Einflussnahme auf ein System auszulegen und die Zuverlässigkeit nachzuweisen. Die abstrakte Betrachtung eines Systems unter regelungstechnischen Gesichtspunkten beinhaltet dabei zunächst die mathematische Abbildung der physikalischen Gesetze, denen das System unterworfen ist. Dabei erfolgt eine Gleichbehandlung verschiedener Systeme unterschiedlicher technischer Natur mit den gleichen Mitteln. Die Formulierung von Differentialgleichungen beziehungsweise Differentialgleichungssytemen ermöglicht die Abbildung vielfältiger Systemzusammenhänge. Analogien gestatten es diese Zusammenhänge und damit bekannte Verhaltensweisen eines Systems in den technischen Kontext eines anderen Systems zu übertragen. Die mathematische Systembeschreibung verlangt hierzu allerdings eine eindeutige Definition der betrachteten Systemgrößen beziehungsweise Zustände die für die re-
135
136
7 Methoden zur Regelung haptischer Systeme
gelungstechnische Betrachtung von Interesse sind. Nach der Überführung des physikalischen Kontextes in eine mathematische Abbildung, im Folgenden auch als Modellierung bezeichnet, erfolgt die eigentliche Systemanalyse im Hinblick auf das dynamische Verhalten sowie dessen Klassifizierung. Mit den gewonnenen Erkenntnissen lassen sich bewährte Auslegungsverfahren zur Entwicklung eines geschlossenen Regelkreises anwenden. Dabei stehen mehrere Ziele im Fokus der Reglerauslegung: • Systemstabilität: Die ureigenste Forderung nach Stabilität begründet die Basis der Regelungstechnik und ist als Hauptziel zu verstehen. • Regelgüte: Die quantitative Erzielung der Systemzustände auf die geforderten Sollwerte steht als weitere Anforderung im Vordergrund regelungstechnischer Betrachtungen. Ein System unterliegt Einflüssen im Folgenden auch als Störgrößen bezeichnet, die eine Sicherstellung des gewünschten Systemverhaltens unmöglich machen. Daher muss eine gezielte Einflussnahme beziehungsweise Regelung erfolgen, die durch ein geeignetes Reglerentwurfsverfahren ausgelegt wird. • Dynamik: Die Forderung nach Systemstabilität und Regelgüte wird durch den Wunsch nach einer geeigneten Dynamik für das geregelte System abgerundet. Hierbei tritt neben der quantitativen Erzielung der Systemzustände auf geforderte Sollwerte, die Qualität im Hinblick auf zeitliche Vorgaben in Verbindung mit dem benötigten Aufwand sowie der Zulässigkeit beim Wechsel von einem Sollwert auf den nächsten in den Vordergrund. Die Herausforderung bei der Bewältigung der gestellten Aufgabe bei der Reglerauslegung liegt häufig in der Behandlung von Zielkonflikten, die sich durch die einzelne Charakteristik der genannten Schwerpunkte ergeben. Nicht selten werden diese Fragestellungen in den verschiedenen Auslegungsverfahren unterschiedlich gewichtet und damit keine optimale sondern lediglich eine optimierte Lösung erzielt.
7.2 Methoden der Systembeschreibung Zur mathematischen Beschreibung von dynamischen Systemzusammenhängen existieren eine Reihe von Methoden. Eine mögliche Giederung trennt dabei die Methoden zur Beschreibung linearer Systeme von denen der nichtlinearen Systeme. Im folgenden werden die verschiedenen Verfahren kurz aufgegriffen und ihre Verwendung erläutert.
7.2.1 Klassische Methoden für lineare Eingrößensysteme Die in Kapitel 5 gezeigte unterschiedliche Beschreibung haptischer Displays als Impedanz- beziehungsweise Admittanz-geregelte Systeme resultiert in der unter-
7.2 Methoden der Systembeschreibung
137
schiedlichen Verwendung der entsprechenden Systemgrößen. Die Beschreibung des Übertragungsverhaltens lässt beide Ausführungen zu. Die Abbildung der physikalischen Zusammenhänge führt dementsprechend auf unterschiedliche Differentialgleichungen. Beispielhaft sei ein mechanisches schwingungsfähiges System 2. Ordnung betrachtet. Abbildung 7.1 zeigt ein entsprechendes schematisches Modell eines gedämpften Ein-Massenschwingers mit den konzentrierten Parametern Masse m, geschwindigkeitsproportionaler Reibung mit Reibungskoeffizient d sowie einer linearen Steifigkeit k.
x, x, x d m
f(t)
k
Abb. 7.1 Ein-Massen-Schwinger.
Aus den mechanischen Grundlagen folgt die Differentialgleichung: mx(t) ¨ + d x(t) ˙ + kx(t) = f (t)
(7.1)
Hierin ist x die momentane Position der Masse m. In dieser Formulierung dient die zeitliche Ableitung der Position dx dt = v als Flussgröße. Eine entsprechende Ableitung der Differentialgleichung liefert: mv(t) ˙ + dv(t) + k
v dt = f (t)
(7.2)
Ensprechend der Analogie zu den elektrischen Systembeschreibungen erhält man aus einem einfachen RLC-Netzwerk nach Abbildung 7.2 ebenfalls eine lineare gewöhnliche Differentialgleichung. L
di(t) 1 + Ri(t) + dt C
i dt = u(t)
(7.3)
Die analoge Beziehung der Differentialgleichungen verknüpft hier die Energiespeicher im mechanischen System – Masse und Feder als Träger kinetischer beziehungsweise potentieller Energie – mit den elektrischen Energiespeichern – Induktivität beziehungsweise Kapazität. Schließlich efolgt eine Verknüpfung der dissipativen Systemelemente nämlich dem elektrischen Widerstand mit der mechanischen geschwindigkeitsproportionalen Reibung.
138
7 Methoden zur Regelung haptischer Systeme
R
L
C
i u(t)
Abb. 7.2 RLC-Netzwerk.
Eine geänderte Herangehensweise an die Verknüpfung der mechanischen mit den elektrischen Systemgrößen erfolgt durch Wahl der Analogie 2. Art. Sie führt auf das durch folgende Differentialgleichung beschriebene Systemverhalten: C
du(t) 1 1 + u(t) + dt R L
u dt = i(t)
(7.4)
Die hieraus ableitbare elektrische Impedanz Z = ui beschreibt dabei das Übertragungsverhalten des fließenden Stroms i auf die Spannung u. Der Kehrwert führt auf die elektrische Admittanz Y = Z1 . Analog zu den elektrischen Netzwerken ist die Formulierung der Impedanz beziehungsweise Admittanz in die mechanischen Systeme übertragbar. Anhang 16 beschreibt die allgemeine Formulierung sowie die Impedanzen für translatorische und rotatorische mechanische Systeme. Der wesentliche Unterschied besteht in der Festlegung der Systemeingangs- beziehungsweise Ausgangsgrößen. Zur Formulierung mechanischer Impedanzen wird als Systemeingangs-größe eine Geschwindigkeit beziehungsweise eine Geschwindigkeitdifferenz betrachtet. Als Ausgangsgröße wird eine resultierende Kraft definiert. Bei einer Beschreibung durch mechanische Admittanzen erfolgt die Umkehrung der Betrachtungsweise. Eine Kraft als Eingangsgröße wirkt auf die Energiespeicher des System und beeinflusst eine Geschwindigkeit als Systemausgangsgröße. Obgleich die Beschreibung mechanischer insbesondere ungefesselter Systeme im Ansatz auf ein Kräftegleichgewicht zurückgreift und mit der Wahl der Eingangsgröße Kraft eine Beschreibung des Übertragungsverhaltens als Admittanz festgelegt wird, erfolgt durch die Beschreibung mit mechanischen Impedanzen keine Fehlinterpretation sondern lediglich eine anders gerichtete Betrachtungsweise auf das gleiche Systemverhalten. Als erläuterndes Beispiel werde folgendes mechanisches System betrachtet: Die Betrachtung des Systems mit der Kraft Fe , die an der Masse m angreift, als Eingangsgröße und der Geschwindigkeit im Punkt A des Systems va führt auf die Differentialgleichung: mv˙m + dvm = Fe (7.5) Zusammen mit der Kinematik der Hebelübersetzung vm = ba va folgt daraus a a m v˙a + d va = Fe b b
(7.6)
7.2 Methoden der Systembeschreibung
139
va
A b
a Fe
m
d Abb. 7.3 Mechanisches Admittanzbeispiel.
Die Betrachtung des Systems mit der Kraft im Punkt A als Systemausgangsgröße und der Massengeschwindigkeit vm = ve als Systemeingangsgröße gemäß nachfolgender Abbildung
Fa
A b a
d
m
ve Abb. 7.4 Mechanisches Impedanzbeispiel.
liefert den Zusammenhang a a Fa = m v˙e + d ve b b
(7.7)
Mit der Transformation der Impedanzen beziehungsweise Admittanzen in den Laplacebereich erfolgt eine Abstraktion der Systembetrachtung und eine flexible Behandlung der Verkettung und Kopplung verschiedener Systemkomponenten. Zur
140
7 Methoden zur Regelung haptischer Systeme
einheitlichen Behandlung erfolgt in der Regelungstechnik die Beschreibung des Systemverhaltens durch eine Übertragungsfunktion im Laplacebereich G(s). Insbesondere für Eingrößensysteme hat sich diese Beschreibungsweise stark bewährt und ermöglicht den Zugang zu direkt anwendbaren Methoden der Stabilitätsanalyse, der Systemklassifikation sowie den Verfahren zum Reglerentwurf. Eine Unterscheidung in impedanz- beziehungsweise admittanzgekoppelte Systemstrukturen ist hierin nicht mehr notwendig. Die Transformation der aus dem gegebenen Beispiel formulierten Differentialgleichungen in den Laplacebereich liefert je nach Ansatz Fa (s) a = · (d + m · s) bzw. ve (s) b
(7.8)
va (s) b 1 = · . Fe (s) a d +m·s
(7.9)
Kraft Fa
Geschwindigkeit va
Es wird deutlich, dass sich beide Ansätze jeweils durch Kehrwertbildung in die korrespondierende Darstellung überführen lassen. Eine Betrachtung der Phasenbeziehung der jeweiligen Eingangs- und Ausgangsgrößen zeigt allerdings den wesentlichen und erwartungsgemäßen Unterschied auf. Bei der Systembeschreibung durch Admittanzen nach Gleichung 7.6 eilt das Eingangssignal Fe (s) dem Ausgangssignal va (s) voraus, während sich dies bei der Beschreibung durch Impedanzen nicht so verhält. Zum Vergleich seien die jeweiligen Sprungantworten des Systems betrachtet. Es wird deutlich, dass das beschriebene System in Abhängigkeit der Wahl der
Zeit t
Zeit t
Abb. 7.5 Sprungantworten zur Systembeschreibung.
Eingangs- und Ausgangsgrößen unterschiedliche Sprungantworten aufweist. Das Überragungsverhalten, das durch Formel 7.8 beschrieben wird zeigt erwartungsgemäß die Sprungantwort eines klassischen PT1 -Verhaltens. Durch die Formulierung des Systemverhaltens über Formel 7.9 ergibt sich die Umkehrung in ein typisches voreilendes DT1 -Verhalten.
7.2 Methoden der Systembeschreibung
141
In Abbildung 7.5 ist links die Sprungantwort des Systems aufgrund einer sprungförmigen Änderung der Eingangskraft Fe dargestellt. Die rechte Abbildungseite zeigt dagegen die Systemantwort, bei einer sprungförmigen Änderung der Geschwindigkeit ve . Die unterschiedliche Dynamik ist offensichtlich und auf die entsprechend dem Ansatz verschiedenen Lösungen der jeweiligen homogenen beziehungsweise partikulären Differentialgleichungen zurückzuführen. Ungeachtet der gezeigten Zusammenhänge besteht keine grundsätzliche Vorgabe bei der Systembeschreibungsweise. Insbesondere durch die Formulierung von Übertragungsfunktionen im Laplacebereich Gi (s) sind jegliche Verknüpfungen verschiedener Systemanteile, unabhängig vom jeweiligen Ansatz der Beschreibung möglich. Zur Transformation des durch Impedanzen beziehungsweise Admittanzen formulierten Systemverhaltens in eine Übertragungsfunktion sowie zu den Methoden der Systembeschreibung im Laplacebereich wird auf die Literatur zur linearen Regelungstechnik [256], [61] und [160] verwiesen.
7.2.2 Beschreibung linearer Systeme im Zustandsraum Eine weitere Beschreibungsweise zur Formulierung von Systemzusammenhängen erfolgt durch die Verwendung der Zustandsraumdarstellung. Bei einer linearen Beschreibung von Systemen durch eine gewöhnliche Differentialgleichung nter Ordnung erfolgt hier eine Überführung in ein Differentialgleichungssystem mit n Differentialgleichungen 1. Ordnung. Neben der vereinfachten Handhabung insbesondere bei der Anwendung numerischer Lösungsmechanismen bietet sich hier der maßgebende Vorteil der Behandlung von Mehrgrößensystemen, deren Kopplungen zwischen den mehrdimensionalen Systemeingängen, den inneren Systemzuständen sowie den Systemausgängen systematisch erfasst und abgebildet werden. Die Darstellung von Systemen im Zustandsraum erfolgt im Zeitbreich, im Gegensatz zu den bisher eingeführten Übertragungsfunktionen G(s) des Frequenzbereichs. Die Formulierung des Systems erfolgt dabei über die Systemgleichung x˙ = Ax + Bu
(7.10)
y = Cx + Du.
(7.11)
sowie über die Ausgangsgleichung
Die vektoriellen Größen u und y beschreiben die mehrdimensionalen Eingangsbeziehungsweise Ausgangsgrößen. Der Vektor der inneren Systemzustände wird durch den Vektor x beschrieben. Zur Verdeutlichung soll das eingangs bereits behandelte Schwingungssystem zweiter Ordnung nach Abbildung 7.6 in Zustandsraumdarstellung beschrieben werden. Die Differentialgelichung, welche das System beschreibt lautet bei zeitinvarianten Parametern:
142
7 Methoden zur Regelung haptischer Systeme
my¨ + d y˙ + ky = u
(7.12)
Abbildung 7.7 zeigt das dargestellte PT2 -System als Blockschaltbild.
y, y, y d m
f(t)
k
Abb. 7.6 Schwingungssystem zweiter Ordnung.
u –
1 — m
.. y
ò
. y
ò
y
–
d k
Abb. 7.7 Blockschaltbild
Die vorliegende Differentialgleichung zweiter Ordnung lässt sich in ein Differentialgleichungssystem erster Ordnung überführen. Hierzu erfolgt eine zweckmäßige Wahl der Integratorausgänge als Zustandsgrößen: x1 = y ⇒ x˙1 = x2 k d 1 x2 = y˙ ⇒ x˙2 = − x1 − x2 + u m m m
(7.13)
Daraus lassen sich folgende vektoriellen Größen ableiten und als Gleichungssystem aufstellen:
0 1 0 x˙1 x1 = + 1 u (7.14) x˙2 x2 − mk − md m Diese Formulierung wird als Systemgleichung bezeichnet:
7.2 Methoden der Systembeschreibung
143
x˙ = A x + B u
(7.15)
Sie enthält mit x den Zustandsvektor. Seine Komponenten beschreiben die inneren Größen des Prozesses, die bei der bisherigen Betrachtung nur implizit in der Differentialgleichung bzw. Übertragungsfunktion enthalten waren. Die Formulierung des Systemausgangsvektors geschieht über die Ausgangsgleichung. Für das gewählte Beispiel nach Abbildung 7.6 ergibt sich der Systemausgang y in Abhängigkeit von den Zustandsgrößen x wie folgt:
oder in Vektorschreibweise
y = x1
(7.16)
x1 y= 1 0 x2
(7.17)
Eine allgemeine Form der Ausgangsgleichung wird beschrieben durch: y = Cx + Du
(7.18)
Die allgemeine Form der Zustandsraumdarstellung liefert für Ein- oder Mehrgrößensysteme in Anlehnung an das Blockschaltbild aus Abbildung 7.8: x˙ = A x + B u y = Cx+Du
x0 (t) u (t) B
x× (t)
ò
x (t)
y (t) C
A
D
Abb. 7.8 Allgemeines Blockschaltbild der Zustandsraumdarstellung.
Die im gewählten Beispiel nicht vorkommende Durchgangsmatrix D tritt bei der Systembeschreibung dann in Erscheinung, sobald ein System einen direkten Durchgriff des Systemeingangs u auf den Systemausgang y ohne Zeitverzögerung
144
7 Methoden zur Regelung haptischer Systeme
aufweist. In diesem Fall wird das System als sprungfähig bezeichnet. Zur weiteren Erläuterung der Bedeutung der Gleichungsmatrizen A, B, C und D sei auf [159] verwiesen.
7.2.3 Methoden für nichtlineare Systeme Die Einbeziehung nichtlinearer Systemzusammenhänge stellt eine Herausforderung im Hinblick auf eine geeignete und für weitere Systembetrachtungen und Methoden verwendbare Systembeschreibung dar. Für statische Nichtlinearitäten stehen die Wiener- beziehungsweise Hammersteinmodelle zur Verfügung, welche die statischen Nichtlinearitäten im geschlossenen Regelkreis in einem Übertragungsglied zusammenfassen und von der restlichen Systemdynamik trennen. Abbildung 7.9 zeigt die Anordung eines linearen Systemanteils beliebiger Dynamik in Reihe geschaltet mit einer folgenden statischen Nichtlinearität. Das in dieser Form beschrie-
u
G(s)
~ u
f(.)
y
Abb. 7.9 Wiener-Modell.
bene Wiener-Modell eines nichtlinearen Systems führt auf die Formulierung u(s) ˜ = G(s) · u(s) y(s) = f (u(s)). ˜ Entsprechend beschreibt das Hammersteinmodell nach Abbildung 7.10 die Reihenschaltung aus einer statischen Nichtlinearität vor einem linearen zeitinvarianten dynamischen Systemanteil. Für die mathematische Systembeschreibung folgt dement-
u
Abb. 7.10 Hammerstein-Modell.
sprechend
f(.)
~ u
G(s)
y
7.2 Methoden der Systembeschreibung
145
u(s) ˜ = f (u(s)) ˜ y(s) = G(s) · u(s). Komplexere Strukturen weisen eine Kombinationen aus beiden Modellformen auf. Die mit diesen Formulierungen mögliche Abbildung von Systemzusammenhängen stößt bei höhergradigen Nichtlinearitäten an ihre Grenzen. Beispielhaft zeigt an dieser Stelle Abbildung 7.11 den Fall eines Systems mit einer Limitierung der inneren Änderungsrate.
u
ò
K –
y
Abb. 7.11 System mit interner Sättigung.
Klassische Fälle aus der Praxis sind beispielsweise elektrische Maschinen, deren generierbare Antriebsmomente durch Sättigungseffekte begrenzt werden. Infolgedessen bleibt die verfügbare Motorbeschleunigung auf einen Maximalwert begrenzt. Über die herkömmlichen Beschreibungsweisen sind derartige Nichtlinearitäten nur sehr schwer oder überhaupt nicht zu erfassen und lassen sich nicht in eine verwendbare mathematische Systembeschreibung pressen. Die Erfassung von Systemen mit verschiedenartigen Nichtlinearitäten gelingt zumeist durch die Verwendung der allgemeinen Zustandsraumdarstellung, die in der nichtlinearen Form eine hohe Vielseitigkeit bietet. Ausgehend von den Gleichungen 7.10 und 7.11 wird der allgemeine Systemansatz für nichtlineare zeitvariante Ein- beziehungsweise Mehrgrößensysteme wie folgt formuliert: x˙ = f(x, u,t) y = g(x, u,t). Die in dieser Form erfolgende Beschreibung von Systemen liefert eine hohe Flexibilität sowie eine weitreichende Vielseitigkeit zur Erfassung nichtlinearer verkoppelter Systemzusammenhänge.
146
7 Methoden zur Regelung haptischer Systeme
7.3 Stabilität gekoppelter Systeme Wie in Abschnitt 7.1 bereits erwähnt liegt die wichtigste Zielsetzung der Regelungstechnik darin begründet, die Stabilität von Systemen während des Betriebes sowie in Ruhelagen sicherzustellen. Insbesondere für die Beurteilung des Stabilitätsverhaltens haptischer Systeme, die aufgrund der Kopplung dieser Systeme an den Menschen und den damit verbundenen sicherheitstechnischen Aspekten besondere Anforderungen aufweisen, soll dieser Abschnitt einen Einblick in die gängigen Verfahren geben. Grundlegend hierfür ist eine geeignete Systembeschreibung, welche einerseits die dynamischen Zusammenhänge ausreichend darstellt, andererseits mit den beschriebenen Analysemethoden vereinbar ist. Zur Beurteilung von Systemanteilen, Gesamtsystemen bis hin zu geschlossenen Regelkreisen von Ein- oder Mehrgrößensystemen im Hinblick auf Stabilität stehen eine Reihe von Methoden zur Verfügung deren Einsatzmöglichkeiten an dieser Stelle näher betrachtet werden sollen.
7.3.1 Stabilitätsanalyse linearer Systemanteile Die klassische Stabilitätsanalyse linearer zeitinvarianter Systeme erfolgt durch die Beurteilung der Polstellenlage. Die aus einem charakteristischen Polynom einer Differentialgleichung beziehungsweise aus dem Nenner einer Übertragungsfunktion G(s) berechenbaren Polstellen eines Systems liefern durch Ihre Lage in der komplexen Zahlenebene eine unmittelbare Aussage zur Stabilität des betrachteten Systems. Maßgebend ist dabei die Lage bezüglich der Imaginärachse. Polstellen mit negativem Realteil werden als stabile Polstellen bezeichnet, instabile Polstellen besitzen einen positiven Realteil. Der Bezug zur Stabilität wird aus der Bedeutung des Realteils für die homogene Lösung einer gewöhnlichen Differentialgleichung deutlich. Für ein System gelte die Differentialgleichung T y(t) ˙ + y(t) = Ku(t).
(7.19)
Der Ansatz zur homogenen Lösung der Differentialgleichung erfolgt über y h = eλ t
1 hier mit λ = − . T
(7.20)
Es wird direkt deutlich, dass das System eine positive Zeitkonstante T haben muss, damit der Pol lambda = − T1 in der linken Hälfte der komplexen Zahlenebene liegt. In diesem Falle verschwindet die homogene Lösung bei einer Grenzwertbetrachtung für t → ∞, während die homogene Lösung im instabilen Fall exponentiell über alle Grenzen wächst. An dieser Stelle soll nicht vertieft auf die Herleitung der linearen Stabilitätstheorie eingegangen werden, daher wird zur Schaffung eines grundlegenden Verständnisses auf die einschlägige Literatur zur Regelungstechnik
7.3 Stabilität gekoppelter Systeme
147
insbesondere der Grundlagen verwiesen. Erwähnenswert bleiben verschiedene Methoden in der Herangehensweise zur Stabilitätsanalyse. Hierbei lässt sich eine Unterscheidung treffen zwischen solchen Verfahren, die eine direkte Stabilitätsanalyse des betrachteten Systems beinhalten und jenen, die eine Stabilitätsaussage über einen geschlossenen Regelkreis treffen, der neben dem betrachteten System zusätzliche Reglerstrukturen enthält. Die direkte Stabilitätsanalyse wird für lineare Systeme wie oben erwähnt beispielsweise mittels der Beurteilung der Polstellenlage durchgeführt. Neben der direkten Berechnung der Systempolstellen lässt sich über das Routh-Hurwitz-Stabilitätskriterium eine Aussage über die Lage der Pol- beziehungsweise Nullstellen des betrachteten Systems treffen, ohne diese explizit zu bestimmen. Dies erleichtert in den Fällen, in denen es keine geschlossene Lösung zur Bestimmung von Polstellen gibt, die Stabilitätsanalyse des betrachteten Systems. Zur Bestimmung der Stabilität von geschlossenen Regelkreisen ist die Beurteilung dessen Polstellenlage ebenfalls ohne Einschränkung zulässig. Daneben existieren weitere Methoden, die durch eine geschickte Anwendung über die reine Stabilitätsanalyse für einen vorab festgelegten geschlossenen Regelkreis hinausgehen. Zu den bekanntesten Verfahren zählen • das Wurzelortskurvenverfahren sowie das • Nyquist-Stabilitätskriterium. Auf die Anwendungsmöglichkeiten beider Verfahren soll im folgenden kurz eingegangen werden, ohne deren Herleitung tiefgehend zu erläutern. Das Wurzelortskurvenverfahren bietet bei der Stabilitätsanalyse die Möglichkeit, die Lage der Polstellen des geschlossenen Regelkreises in Abhängigkeit von variablen Systemparametern darzustellen. Variable Systemparameter sind beispielsweise schwankende Zeitkonstanten, sowie Systemverstärkungen. Bei der Einbeziehung dieses Verfahrens in den Reglerentwurf wird allerdings vornehmlich die Gesamtverstärkung des offenen Regelkreises −Go = GR GS
(7.21)
betrachtet. Hierin ist GR eine Reglerübertragungsfunktion, GS die Übertragungsfunktion der Strecke. Anhand von definierten Skizzierregeln ist die Abhängigkeit der Lage der Polstellen von der Verstärkung des offenen Regelkreises K darstellbar. Hierbei muss allerdings stets beachtet werden, dass die Stabilitätsaussage für den geschlossenen Regelkreis GR GS Gg = (7.22) 1 + G R GS gilt. Beispielhaft wird hier ein IT2 -System betrachtet, das eine zu regelnde Strecke darstellt. 1 1 1 GS = · · (7.23) s 1 + s 1 + 4s Zur Regelung wird ein Proportionalregler mit GR = KR eingesetzt. Für den offenen Regelkreis gilt somit
148
7 Methoden zur Regelung haptischer Systeme
−Go = GR GS =
KR s(1 + s)(1 + 4s)
(7.24)
Über die Anwendung der in der Literatur mehrfach angegebenen [160], [256] Skizzierregeln ergibt sich eine Wurzelortskurve mit einem Verlauf, wie er in Abbildung 7.12 dargestellt ist.
Abb. 7.12 IT2 -Wurzelortskurve.
Die Polstellenverläufe zeigen, dass für kleine Verstärkungen KR die Polstellen des geschlossenen Kreises in der linken Halbebene liegen und Stabilität erreicht wird. Für wachsende Verstärkungen wandern allerdings zwei Polstellen in die rechte Halbebene, so dass ab eine kritischen Verstärkung Kkrit der geschlossene Regelkreis instabil wird. An diesem vergleichsweise einfachen Beispiel soll deutlich werden, dass sich diese Methode in den Reglerentwurf einbeziehen lässt und eine Aussage über das Stabilitätsverhalten des geschlossenen Regelkreises liefert ohne eine direkte Stabilitätsanalyse an diesem durchzuführen. Für die Verwendung des Nyquist-Stabilitätskriteriums gilt in gleicher Weise, dass die Analyse anhand der Kenntnis des offenen Regelkreises durchgeführt wird, eine Stabilitätsaussage allerdings für den geschlossenen Regelkreis getroffen wird. Bei der Darstellung der Vorgehensweise wird sich an dieser Stelle auf das vereinfachte Nyquist-Stabilitätskriterium beschränkt. Maßgebend für die Stabilitätsanalyse ist die Betrachtung des Frequenzgangs des offenen Regelkreises −Go ( jω ) = GR ( jω )GS ( jω )
(7.25)
7.3 Stabilität gekoppelter Systeme
149
Das Nyquist-Verfahren nutzt hierbei die für die Stabilität geltenden Zusammenhänge von Amplituden- zu Phasengang. Beispielhaft sei wieder das vorab vorgestellte IT2 -System zusammen mit einem Proportionalregler betrachtet. Für den Frequenzgang zeigt Abbildung 7.13 folgende Verläufe im Amplituden- und Phasengang:
Bodediagramm
Amplitudengang [dB]
40 20 0 -20 -40 -60 -80 -100 -120
Phasengang [Grad]
-90
-135
jR -180
-225
-270 10
-2
10
-1
10
0
10
1
10
2
BodediagrammFrequenz [rad/sek]
Abb. 7.13 IT2 -Frequenzgang.
Für Stabilität muss über den gesamten Frequenzbereich gewährleistet sein, dass die Phase ϕ (ω ) > −180◦ ist, sofern der Amplitudengang A(ω ) oberhalb der 0 dBLinie liegt. Aus Abbildung 7.13 wird ersichtlich, dass durch eine entsprechende Wahl der Reglerverstärkung der Verlauf des Amplitudengangs gedanklich vertikal verschoben wird, der Phasengang in diesem Fall davon unabhängig ist. Die im Rahmen der Reglerauslegung häufig an spezifische Anforderungen geknüpfte Phasenreserve ϕR ist ebenfalls dargestellt. Diese Anforderungen müssen vorab durch den Entwickler festgelegt sein um eine gezielte Reglerauslegung zu ermöglichen. Der in diesem einfachen Beispiel gezeigte vergleichsweise geringe Einfluss auf Amplituden- und Phasengang durch die Reglerverstärkung KR genügt hier, um eine vorgegebene Phasenreserve einzustellen. Die Verwendung weiterer Reglerstruktu-
150
7 Methoden zur Regelung haptischer Systeme
ren (PI, PIDTn , Lead-Lag) erhöht die Möglichkeiten der Einflussnahme und der gezielten Anpassung an die gestellten Anforderungen. Neben dem hier vorgestellten vereinfachten Nyquist-Stabilitätskriterium existiert zur Anwendung auf instabile Regelstrecken das allgemeine Nyquist-Stabilitätskriterium. An dieser Stelle soll allerdings auf die Herleitung und K AZMAREK Behandlung nicht näher eingegangen werden. Eine ausführliche Diskussion erfolgt in [160] und [256].
7.3.2 Stabilitätsanalyse nichtlinearer Systemanteile Die bisherigen vorgestellten Verfahren zur Stabilitätsanalyse beschränkten sich in ihrer Anwenung auf lineare zeitunabhängige Systeme. In realen Anwendungsfällen treten jedoch sehr häufig nichtlineare Systeme beziehungsweise Systemanteile in Erscheinung. Zur Behandlung dieser Systeme lässt sich über eine Linearisierung in einem Arbeitspunkt die Betrachtung des Systems in diesem fokussieren und die bisher vorgestellten Verfahren anwenden. Ist die Betrachtung des Systems in diesem einen Arbeitspunkt nicht ausreichend, so müssen weitergehende Verfahren zur Stabilitätsanalyse von nichtlinearen Systemen angewendet werden. Hierzu existieren ein Vielzahl von Methoden, die unterschiedliche Betrachtungsweisen zugrundelegen. Zu erwähnen sind hierbei: • • • • •
Gleichung der harmonischen Balance Analyse der Phasenebene Popov-Kriterium sowie das Kreiskriterium Stabilität nach der direkten Methode von Lyapunov Passivitätsanalyse
Ohne auf die Herleitung und mathematische Beweisführung einzugehen, sollen an dieser Stelle ausgewählte Verfahren vorgestellt und die Anwendung demonstriert werden. Eine Vollständigkeit kann aufgrund des thematischen Umfangs nicht eingehalten werden. Für eine tiefergehende Betrachtung wird die entsprechende Fachliteratur [59], [57], [58], [257], [130] und [227] empfohlen. Die Behandlung von geschlossenen Regelkreisen mit einer statischen Nichtlinearität lässt sich beispielsweise mittels des Popov- beziehungsweise Kreiskriteriums durchführen. Abbildung 7.14 zeigt die entsprechende Struktur eines geschlossenen Regelkreises: Hierin ist G(s) eine lineare Übertragungsfunktion und f (.) eine statische Nichtlinearität im Rückwärtszweig. Wird G(s) im Zustandsraum beschrieben x˙ = Ax + Bu˜ y = Cx so folgt die Zustandsraumdarstellung, welche das Gesamtsystem beschreibt zu:
7.3 Stabilität gekoppelter Systeme
151
~ u
w –
G(s)
y
f(.)
Abb. 7.14 Regelkreis mit stat. Nichtlinearität.
x˙ = Ax − B f (y) y = Cx. Für den Sonderfall, dass f (y) = k · y, wird die Betrachtung auf ein lineares Eigenwertproblem zurückgeführt. Bei einer beliebigen nichtlinearen Funktion f (y) erhöht sich die Komplexität. Daher wird zunächst gefordert, dass die nichtlineare Funktion innerhalb eines Sektors liegt, der durch eine durch den Ursprung laufenden Geraden mit der Steigung k begrenzt wird. Abbildung 7.15 zeigt schematisch die geforderte Lage von f (y). Mathematisch formuliert lautet die Forderung 0 ≤ f (y) ≤ ky.
(7.26)
Das Popov-Kriterium liefert eine einfach anzuwendende Handhabungsweise zur Stabilitätsbetrachung für das gezeigte System. Das beschriebene System ist um seine Ruhelage x˙ = x = 0 global asymptotisch stabil wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: • Der lineare Anteil ist asymptotisch stabil und vollständig steuerbar. • Der nichtlineare Anteil erfüllt die Forderung nach der Lage innerhalb des gezeigten Bereichs nach Abbildung 7.15. • Für eine beliebig kleine Zahl ρ ≥ 0 existiert eine beliebige positive Zahl α , so dass folgende Ungleichung erfüllt ist: ∀ω ≥ 0 Re[(1 + jαω )G( jω )] +
1 ≥ρ k
(7.27)
Die durch die Gleichung 7.27 beschriebene Bedingung wird als Popov-Ungleichung bezeichnet. Sei G( jω ) = Re(G( jω )) + jIm(G( jω )) (7.28) so liefert Gleichung 7.27
152
7 Methoden zur Regelung haptischer Systeme
f(y)
k
y
1
Abb. 7.15 Sektorforderung.
Re(G( jω )) − αω Im(G( jω )) +
1 ≥ρ k
(7.29)
Definiert man eine bezogene Übertragungsfunktion G∗ = Re(G( jω )) + jω Im(G( jω ))
(7.30)
dann folgt aus Gleichung 7.29, dass die grafische Auftragung von G∗ , die sogenannte Popov-Ortskurve, in der komplexen Zahlenebene unterhalb der Geraden y = α1 (x + 1k ) liegen muss. Abbildung 7.16 zeigt beispielhaft die grafische Auftragung der Popov-Ortskurve in der durch die Popov-Ungleichung geforderten Lagebedingung. Die Verwandschaft zum Nyquist-Kriterium zur Betrachtung der Stabilität für lineare Systeme wird hier sehr deutlich. Während beim Nyquist-Kriterium die Lage der Ortskurve von G( jω ) bezüglich des kritischen Punktes (-1,0) beurteilt wird, erfolgt hier die Analyse der Lage der Popov-Ortskurve im Vergleich zu einer Geraden. Die Verwendung des Popov-Kriteriums bietet für die beschriebene Systemstruktur den großen Vorteil, eine Stabilitätsaussage zu treffen, ohne dass eine explizite Beschreibung der vorhandenen Nichtlinearität existieren muss. Die Forderungen an die Nichtlinearität begrenzen sich auf die Lage im beschriebenen Sektor sowie auf ihr gedächtnisloses Übertragungsverhalten. Die Schwierigkeit bei der Verwendung liegt in den meisten Fällen darin, das betrachtete System in die geforderte Struktur durch geschickte Transformationen zu überführen. Zur Vollständigkeit soll an
7.3 Stabilität gekoppelter Systeme
153
f(y)
1/a
-1/k 1
y
G*(jw)
Abb. 7.16 Popov-Ortskurve.
dieser Stelle auf das Kreis-Kriterium verwiesen werden. Die Sektorbedingung ist hierbei nicht mehr nur durch eine Gerade beziehungsweise der x-Achse festgelegt, vielmehr wir als Sektorbedingung für die Nichtlinearität durch k1 ≤
f (y) ≤ k2 y
(7.31)
beschrieben. Zur weiteren Anwendung und den veränderten Bedingungen sei auf die entsprechende Literatur [257], [130] und[227] verwiesen. Eine weitere Methode zur Stabilitätsanalyse nichtlinearer Systeme ist die Direkte Methode nach Lyapunov. Der Grundgedanke zielt darauf ab, dass für lineare wie für nichtlineare Systeme, die einem stabilen Gleichgewichtszustand zustreben, gelten muss, dass die gesamte Energie des Systems kontinuierlich dissipiert werden muss. Folglich besteht die Möglichkeit, eine Aussage über die Systemstabilität zu treffen, indem die Eigenschaften der Funktion, die den Energiezustand des Systems charakterisiert, analysiert wird. Dabei basiert die direkte Methode von Lyapunov darauf, dass die Betrachtung der Systemenergie verallgemeinert wird, indem eine künstliche skalare Funktion generiert wird, die nicht zwangsweise die Energie des betrachteten dynamischen Systems beschreibt, allerdings in ähnlicher Weise das Verhalten einer Energiefunktion in einem dissipativen System aufweist. Diese Funktionen werden als Lyapunov-Funktionen V (x) bezeichnet. Für die Betrachtung der Systemstabilität wird die eingangs eingeführte Systembeschreibung
154
7 Methoden zur Regelung haptischer Systeme
x˙ = f(x, u,t) y = g(x, u,t). herangezogen. Nach dem Lyapunov-Theorem muss für die Stabilität eines Gleichgewichtzustands im Urspung mit x˙ = x = 0 gelten: 1. Es existiert eine skalare Funktion V der Systemzustände x, die positiv definiert ist. Dies bedeutet, dass für die Funktion gelten muss: V (0) = 0 und V (x) > 0∀x = 0. 2. Die zeitliche Ableitung V˙ ist negativ definit, das heisst V˙ (x) ≤ 0. 3. Es muss weiterhin gelten, dass V (x) → ∞ sofern x → ∞. Werden die Bedingungen nach positiver beziehungsweise negativer Definitheit der Lyapunov-Funktionen sowie der Zeitableitungen in einem begrenzten Bereich um den Gleichgewichtszustand erfüllt, ist dieser Gleichgewichtszustand im Ursprung lokal asymptotisch stabil. Ist diese Beschränkung der Gültigkeit nicht vorhanden und ist die Forderung V (x) → ∞ sofern x → ∞ erfüllt, so gilt die Gleichgewichtslage als global asymptotisch stabil. Zur Verdeutlichung soll das nichtlineare System 1. Ordnung x˙ + f x = 0
(7.32)
betrachtet werden. Hierbei stellt f(x) eine kontinuierliche Funktion mit x · f x > 0 und f (0) = 0 dar. Mit diesen Randbedingungen lässt sich eine Lyapunov-Funktion V = x2
(7.33)
als Kandidat heranziehen. Die zeitliche Ableitung von V liefert V˙ = 2xx˙ = −2x f (x).
(7.34)
Für die beschriebenen Eigenschaften von f (x) sind alle Bedingungen nach der direkten Methode von Lyapunov erfüllt und das System um seine Ruhelage global asymptotisch stabil. In diesem Fall ist eine genaue Kenntnis des Funktionsverlauf nicht vonnöten, die Forderung der Existenz von f (x) im 1. und 3. Quadranten genügt zur Sicherstellung der negativen Definitheit von V˙ (x). Als weiteres Beispiel soll ein nichtlineares Mehrgrößensystem betrachtet werden x˙1 = x2 − x1(x21 + x22 ) x˙2 = −x1 − x2 (x21 + x22 ) Auch hier ist der Ursprung des Zustandsraums ein Gleichgewichtszustand des Systems. Über die Lyapunov-Funktion V (x1 , x2 ) = x21 + x22 sowie deren zeitliche Ableitung
(7.35)
7.3 Stabilität gekoppelter Systeme
155
V˙ (x1 , x2 ) = 2x1 x˙1 + 2x2x˙2 = −2(x21 + x22 )2
(7.36)
folgt direkt für den gesamten durch x1 und x2 definierten Zustandsraum die positive Definitheit für V (x1 , x2 ) und die negative Definitheit von V˙ (x1 , x2 ). Der Ursprung des Zustandsraum ist für dieses System ebenfalls ein gobal asymptotisch stabiler Gleichgewichtszustand. Das Auffinden von gültigen Lyapunov-Funktionen für spezifische Anwendungen stellt eine besondere Schwierigkeit bei der Verwendung der gezeigten Methode dar.Hierfür existiert keine geschlossene Vorgehensweise, worin eine großer Nachteil der Methode liegt. Als Ansätze zur Strukturierung der Vorgehensweise behandelt Slotine [227] folgende Methoden: • die Krasovskii Methode, • die Variable Gradienten Methode. Daneben werden die Möglichkeiten zur Einbeziehung physikalischer Zusammenhänge, sofern bekannt, bei der Bestimmung von Lyapunov Funktionen für komplexe nichtlineare dynamische Systeme vorgestellt.
7.3.3 Passivität gekoppelter Systeme Eine weitere Methode zur Stabilitätsuntersuchung von dynamischen Systemen besteht im Passivitäts-Formalismus. Die Behandlung von Systemen mittels der Beschreibung des Energieverhaltens durch Lyapunov-Funktionen führt auf den Ansatz, diese Betrachtungsweise auf Kombinationen von Systemen auszuweiten. Der Passivitäts-Formalismus bedient sich hierbei wiederum einer nichtlinearen positiv definiten Speicherfunktion V (x) mit V (0 = 0), welche die gesamte Energie des betrachteten Gesamtsystems darstellt. Die Änderung dieser Systemenergie bestimmt, ob ein System passiv ist. Ein System x˙ = f(x, u,t) y = g(x, u,t). ist passiv zur externen Versorgungsrate S = yT u sofern die Ungleichung V˙ (x) ≤ yT u
(7.37)
erfüllt ist. Khalil unterscheidet diese Systempassivität je nach Art der systemeigenen Dissipationseigenschaften in verschiedene Fälle (Lossless, Input Strictly Passiv, Output Strictly Passiv, State Strictly Passiv, Strictly Passiv) [130], worauf an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden soll. Ist ein System bezogen auf die externe Versorgungsrate S passiv, so ist es im Sinne von Lyapunov stabil. Werden passive Einzelsysteme parallel geschaltet und über eine Rückführung miteinander verknüpft, so resultiert dies jeweils wieder in einem neuen passiven
156
7 Methoden zur Regelung haptischer Systeme
Gesamtsystem. Über die Verbundenheit der Passivität auf Stabilität im Sinne von Lyapunov lässt sich auf diese Weise der Rückschluß auf die Stabilität eines Systems ziehen, indem die Passivität der einzelnen Systemanteile nachgewiesen wird und die Verschaltung der Anteile dergestalt ist, dass das Gesamtsystem passiv ist. Zur Verdeutlichung soll das Beispiels eines RLC-Netzwerkes nach [130] auszugsweise vorgestellt werden. Betrachtet wird das folgende Netzwerk nach Abbildung 7.17: uR2=f(iL)
L iL
U(t)
C
uC i3=f(uR3)
i1=f(uR1)
Abb. 7.17 Passivitätsbestimmung am Beipiel eines RLC-Netzwerkes Sektorforderung.
Für die Behandlung werden folgende Größen als Systemzustände betrachtet: iL = x1 uC = x2 Als Eingangsgröße u wird die angelegte Spannung der Spannungsquelle U, als Ausgangsgröße y der Strom i definiert. Die Widerstände werden durch nichtlineare Zusammenhänge von Strom zu Spannung beschrieben: i1 = f1 (uR1 ) i3 = f3 (uR3 ) Für die Spannung am Widerstand, welcher mit der Induktivität in Reihe geschaltet ist gilt UR2 = f2 (iL ) = f2 (x1 ) (7.38) Dies führt auf das nichtlineare Differentialgleichungssystem zur Beschreibung des dynamischen Verhaltens: Lx˙1 = u − f2 (x1 ) − x2 Cx˙2 = x1 − f3 (x2 ) y = x1 + f1 (u)
7.3 Stabilität gekoppelter Systeme
157
Das beschriebene RLC-Netzwerk ist passiv, solange die folgende Bedingung erfüllt ist: t V (x(t)) − V (x(0)) ≤ u(τ )y(τ )d τ (7.39) 0
Die in diesem Falle im System gespeicherte Energie wird durch die Speicherfunktion 1 1 V (x(t)) = Lx21 + Cx22 (7.40) 2 2 beschrieben. Aus der Passivitätsbedingung 7.39 lässt sich die Bedingung V˙ (x(t), u(t)) ≤ u(t)y(t)
(7.41)
ableiten. Dies bedeutet, das der Leistungszufluss in das RLC-Netzwerk größer oder gleich sein muss, wie die Änderung der im System gespeicherten Energie. Das Einsetzen von V (x) in die Passivitätsbedingung liefert: V˙ (x, u(t)) = Lx1 x˙1 + Cx2x˙2 = x1 u − f2(x1 ) − x2 + x2 x1 − f3 (x2 ) = x1 u − f2(x1 ) + x2 f3 (x2 ) = x1 + f1 (u) u − u f1(u) − x1 f2 (x1 ) − x2 f3 (x2 ) = uy − u f1(u) − x1 f2 (x1 ) − x2 f3 (x2 ) Dies führt auf den Zusammenhang u(t)y(t) = V˙ (x, u(t)) + u f1(u) + x1 f2 (x1 ) + x2 f3 (x2 ).
(7.42)
Sind die Funktionen f1 , f2 und f3 selbst passive Untersysteme, das heisst, dass die Funktionen zur Beschreibung der nichtlinearen Widerstandscharakteristik nur im 1. und 3. Quadranten liegen dürfen, so ist V˙ (x, u(t)) ≤ u(t)y(t) und somit das RLC-Netzwerk passiv. Die Verschaltung dieses Netzwerkes mit anderen passiven Systemanteilen, parallel oder in einer Rückführungsstruktur, führt wieder auf ein passives System. Zur Beurteilung der Passivität und damit der Stabilität von komplexen nichtlinearen Systemen bietet diese Methode einen strukturierten Ansatz, der eine hohe Flexibilität aufweist. Abschließend soll festgehalten werden, dass die in diesem Abschnitt vorgestellten Methoden zur Stabilitätsanalyse linearer und nichtlinearer Systeme verschiedenartige Vor- und Nachteile aufweisen, im Hinblick auf die Anwendbarkeit, Aussagekraft und Komplexität. Die Verwendung der einzelnen Methoden ist daher immer für den jeweiligen Anwendungsfall zu überprüfen. Alle hier behandelten Verfahren zeigen nur einen Ausschnitt aus dem Spektrum der Stabilitätsanalyse und sind in vielen Abschnitten bewußt nicht in der nötigen Ausführlichkeit behandelt worden, um den begrenzten Gesamtumfang Rechnung zu tragen. Eine Vertiefung über die gegebene Literatur sei dem Leser daher nahegelegt.
158
7 Methoden zur Regelung haptischer Systeme
7.4 Regelung haptischer gekoppelter Systeme Zu Beginn dieses Kapitels wurde die Notwendigkeit regelungstechnischer Strukturen allgemein aufgezeigt und die verschiedenen Motivationen besprochen. Zur Regelung der maßgebenden Systemgrößen innerhalb eines haptischen Systems bedarf es daher einer Kenntnis der grundlegenden Strukturen und Verfahren zum Entwurf der notwendigen Regler. Bei der Betrachtung haptischer Systeme obliegt es daher dem Entwickler, eine Vielzahl von Fragestellungen zu lösen und mit dem Gesamtentwurf in Einklang zu bringen. Während bei der Regelung eines haptischen Displays verstärkt der über den Anwender geschlossene Regelkreis im Fokus der Analyse steht, wird bei einem Telemanipulationssystem die Betrachtung auf den manipulierten Prozess beziehungsweise das manipulierte Objekt ausgedehnt. So verdoppelt sich hier der Aufwand, sowie die Vielfalt der Fragestellungen. Insbesondere die mechanische Kopplung des Menschen auf Bedienerseite und eventuell auch auf Prozessseite erfordern den Einsatz von Regelungsstrukturen, um eine ununterbrochene Kontrolle auf das Gesamtsystem zu erzielen. In den folgenden Abschnitten werden gängige Regelungsstrukturen und Auslegungsverfahren vorgestellt. Mit dieser Auswahl soll dem Leser das Grundwerkzeug mit auf den Weg gegeben werden, mit dessen Hilfe der analytische Reglerentwurf für haptische Systeme durchgeführt werden kann. Die in den vorangegangen Abschnitten behandelten Verfahren zur Modellbildung beziehungsweise zur Stabilitätsanalyse finden hier als Basis der Auslegungsverfahren wiederum Verwendung. Insbesondere die Aufgabe der Modellbildung erfordert den Überblick über die anzuwendenden Reglerauslegungsverfahren, da beides miteinander vereinbar sein muss.
7.4.1 Ansätze zur Strukturierung In Kapitel 5 wurden verschiedene Strukturen haptischer System vorgestellt, deren maßgebliche Unterschiede hier noch einmal aufgegriffen werden sollen: • Impedanz-gesteuert: Dem Bediener wird hierbei ein Krafteindruck vermittelt, der über eine Steuerkette aus einem Vorgabewert generiert wird. Kapitel 5 zeigt mit Abbildung 5.1 das grundsätzliche Schema dieser Struktur. • Impedanz-geregelt: Abbildung 5.3 zeigt die Struktur des haptischen Displays bei einer Impedanzregelung. Hierbei wird das dem Bediener als Systemausgangsgröße aufgeprägte Kraftsignal gemessen und über eine Rückführung einem Regler zugeführt. An dieser Stelle entsteht daher die Aufgabenstellung zur Auslegung des eingesetzten Reglers. • Admittanz-gesteuert: Abweichend von den vorherigen Ansätzen wird bei Admittanz-gesteuerten Systemen dem Bediener ein Positionssignal aufgeprägt. Neben diesem grundsätzlichen Unterschied erfolgt jedoch auch hier die Generierung des Ausgangssignals rein gesteuert auf Basis einer Positionsvorgabe. Abbildung 5.5 zeigt schematisch die Struktur dieser Methode.
7.4 Regelung haptischer gekoppelter Systeme
159
• Admittanz-geregelt: Als vierte Variante beschreibt Abbildung 5.7 eine Admittanzregelung. In diesem Fall wird die durch den Bediener auf das haptische Display ausgeübte Kraft gemessen und auf den Vorgabewert zurückgeführt. Damit wird ebenfalls ein Regelkreis über den Bediener geschlossen. Abweichend im Vergleich zur Impedanzsteuerung zeigt sich das Übertragungsverhalten dieser Struktur. Als Sollwert wird hier eine Kraft SF vorgegeben und mit der Regelgröße SS verglichen, die Ausgangsgröße ist allerdings eine Position xout . Der Bediener ist hier also in sehr viel größererem Maße in den geschlossenen Regelkreis eingebunden als bei Impedanz-geregelten Systemen Allen genannten Methoden liegt eine Grundstruktur zugrunde, die durch eine Aufteilung nach Abbildung 5.11 deutlich wird. In dieser Struktur werden sämtliche geschlossenen Regelkreise deutlich, die im gesamten Telemanipulationssystem auftreten. • Auf der Seite des haptischen Displays wird ein Regelkreis über den Bediener geschlossen. Dies gilt für alle beschriebenen Methoden, sobald die Aktion beziehungsweise Reaktion durch den Bediener auf das zentrale Schnittstellenmodul zur Datenverarbeitung und Regelung zurückgeführt wird. • In gleicher Weise wird auf Prozessseite ein Regelkreis gschlossen, sofern die eventuell messbaren Reaktionsgrößen aus dem Prozess zur Datenverarbeitung und Regelung im zentralen Schnittstellenmodul zurückgeführt werden. • Daneben existieren untergeordnete Regelkreise, deren Auslegung ebenfalls einen erheblichen Einfluss auf das Gesamtsytem haben. Hierzu gehören die spezifischen je nach eingesetzten Aktuatortyp unterschiedlichen Regelkreise beispielsweise Strom- und Geschwindigkeitsregelkreise innerhalb einer Kaskadenregelung. Es wird deutlich, dass die Aufgabenstellung der Regelung haptischer gekoppelter Systeme vielschichtig und vielfältig ist. Eine allgemein gültige Vorgehensweise lässt sich daher nicht geben. Vielmehr muss im ersten Schritt eine geeignete Strukturierung erfolgen, um das Gesamtproblem handhabbar zu machen. Die gezeigten Regelkreisstrukturen erfordern im Einzelnen die Auslegung folgender Regler: 1. Auslegung der Teilregler der Akutatorsysteme 2. Auslegung des übergeordneten Reglers für das haptische Display 3. Auslegung des übergeordneten Reglers für den Prozessmanipulator In vielen Fällen wird eine Trennung dieser Anteile nicht möglich sein, da sich je nach Anwendung die Funktionen der genannten Regler überschneiden. Daher ist bei der Auslegung bereits sehr früh darauf zu achten, welche Regler zum Einsatz kommen müssen, und welche Funktionen diese übernehmen werden. Zur Verdeutlichung sei folgendes Gedankenbeispiel genannt: Die Flughöhenregelung eines Passagierflugzeuges wird auf Basis von gemessen Prozessgrößen (Isthöhe, verbrauchter Treibstoff, Beladung, Wetter, Freigaben) vorgenommen. Auf dieser Ebene erfolgt in einem geschlossenen Regelkreis die Bestimmung einer Sollwertvorgabe an untergeordnete Regelkreise, die für Manövrierung des Flugzeugs verantwortlich sind. In
160
7 Methoden zur Regelung haptischer Systeme
diesen Regelkreisen erfolgt die Regelung der Aktuatorik zur Verstellung der Steuerklappen beziehungsweise zur Trimmung. Für die Regelung haptischer Systeme lässt sich eine vergleichbare Funktionsverteilung vornehmen. Sowohl für die Regelung der Prozessmanipulation als auch des haptischen Displays erfolgt eine Generierung der Sollwertvorgaben innerhalb des zentralen Schnittstellenmoduls zur Regelung und Datenverarbeitung, das Kraftbeziehungsweise Positionssollwerte generiert, die durch die untergeordneten Regelkreise geregelt werden. Diese Sollwertvorgabe geschieht durch eine geeignete Verarbeitung in Form von ausgelegten Regelgesetzen. Zur Auslegung dieser Regelgesetze lassen sich die nun folgenden Vorgehensweisen betrachten. Entsprechend der unterschiedlichen Anforderungen lassen sich verschiedene Auslegungs- und Optimierungsverfahren betrachten und bei der Bestimmung geeigneter Regelgesetze verwenden. Im folgenden erfolgt daher eine Aufstellung typischer Anforderungsspektren an geschlossene Regelkreise gefolgt von einer Sammlung von Methoden zum Reglerentwurf.
7.4.2 Anforderungsdefinition Neben der grundlegenden Anforderung der Systemstabilität mit ausreichenden Stabilitätsreserven lassen sich an die Regelgüte geschlossener Regelkreise verschiedene Anforderungen im Hinblick auf Dynamik und Genauigkeit stellen. Um die Anforderungen an einen geschlossenen Regelkreis quantitativ greifbar zu machen, lässt sich beispielsweise aus der Sprungantwort des geschlossenen Kreises eine Merkmalsliste generieren und für die einzelnen Merkmale ein Zielbereich definieren. Betrachtet man allgemein die Sprungantwort eines geschlossenen Regelkreises, so ergibt sich in vielen Fällen das nach Abbildung 7.18 charakterisierte Führungsverhalten: Wie erkennbar ist, wird der geforderte Sollwert durch den geschlossenen Regelkreis erreicht und das Regelungsziel sichergestellt. Daneben treten Merkmale in Erscheinung die eine Beurteilung der Regelgüte erlauben. Im Einzelnen sind dies: xd, max Tmax Tε Tan
-
maximale Überschwingweite Zeitpunkt für xdmax Ausregelzeit (bis zur Restfehlerschwelle ε ) Anregelzeit (100% des Sollwertes werden zum ersten Mal erreicht)
Für die genannten Größen lassen sich entsprechende Anforderungen quantitativ formulieren. Des Weiteren sind zusätzliche Anforderungen zu stellen, beispielsweise die Anzahl der Über- und Unterschwinger sowie deren Frequenzverhalten. Übergeordnet über dem hier betrachteten Führungsverhalten muss insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen für haptische Systeme eine Betrachtung des zulässigen Frequenzspektrums erfolgen. Kapitel 4.2 und 4.3 analysieren die Nutzerimpedanz für verschiedene Anordnungen. Hieraus ergeben sich zum einen Frequenzbereiche,
7.4 Regelung haptischer gekoppelter Systeme
161
maximale Überschwingweite xd, max e
Sollwertvorgabe w(t) Regelgröße y(t)
Tan Tmax
Te z.B. 95%
Zeitachse t
Abb. 7.18 Sprungantwort eines geschlossenen Regelkreises mit Anforderungskriterien .
die durch den Regelkreis im haptischen Display nicht angeregt werden dürfen, zum anderen muss eine maximale Eckfrequenz bei einer vorgegebenen Amplitude eingehalten werden. Für die Regelkreisauslegung zur Prozessmanipulation sind identische Aspekte maßgebend. In diesem Falle gewinnt die Resonanzvermeidung jedoch noch stärker an Bedeutung. Als Maßnahmen zur Vermeidung ungewollter Frequenztanteile in den jeweiligen Regelgrößen lassen sich entsprechende Filtermethoden einsetzen. Die Ermittlung der Anforderungen darf sich allerdings nicht nur auf das Führungsverhalten beschränken. Die in der Modellbildung haptischer Systeme vorgenommenen Annahmen und Interpretationen von Reaktionen als Störgrößen erzwingen, dass bei der Auslegung der Regelkreisstrukturen das Störverhalten mit einbezogen wird. Abbildung 7.19 zeigt hierzu vergleichbare Merkmale, wie ein geringer Störeinfluss quantitativ und qualitativ erfasst werden kann. Vielfach erzeugen die Anforderungen im Hinblick auf das Stör- und Führungsverhalten einen Zielkonflikt, da die Optimierungsmethoden nur begrenzt eine gleichwertige Berücksichtigung beider Forderungen zulassen. Je nach Anwendungsfall ist daher eine Abschätzung der Störanfälligkeit ratsam um aus den möglichen Ansätzen den gewinnträchtigsten zu bestimmen. Die aufgrund der Ermittlung der Anforderungen qualitativen und quantitativen Merkmale des Verhaltens geschlossener Regelkreise sind nicht in allen Fällen als direktes Gütekriterium in Regleroptimierungsverfahren verwendbar. Vielfach müssen die aufgezeigten Merkmale erst in mit den Auslegungsverfahren vereinbare Größen umformuliert werden. So lässt sich beispielsweise die Anregelzeit TAn nicht direkt in einem analytischen Optimierungsverfahren anwenden, sondern muss, da die geforderte Dynamik auch durch eine entsprechende Polstellenlage charakterisiert wird, in diese nutzbare Forderung gewandelt werden. Des weiteren erlauben Simulationen und Versuche ein iteratives Vorgehen bei der Bestimmung des optimalen Regelgesetzes. Jedoch sei hier Vorsicht geboten, da hier sehr schnell von der analytischen
162
7 Methoden zur Regelung haptischer Systeme
maximale Überschwingweite xd, max Regelabweichung xd(t)
e
0
Störsignal z(t)
Taus Tmax
Te, aus z.B. 5%
Zeitachse t
Abb. 7.19 Anforderungskriterien für das Störverhalten eines geschlossenen Regelkreises
Vorgehensweise abgewichen wird und mittels Trial and Error eine Lösung herbeigeführt wird.
7.4.3 Reglerentwurf Die zur Regelung der angesprochenen Systeme einsetzbaren Regler sollen in diesem letzten Abschnitt vorgestellt werden und für eine Vorauswahl charakterisiert werden. Zur Optimierung der zunächst wählbaren Reglerparameter stehen verschiedene Optimierungsverfahren zur Verfügung, die an dieser Stelle ebenfalls angesprochen werden, ohne auf die exakten Herleitungen einzugehen. Aus den betrachteten Methoden zur Systembeschreibung gehen verschiedene Ansätze zum Aufbau von Reglerstrukturen hervor. An dieser Stelle sollen die klassischen PID-Regler, strukturellen Erweiterungen, sowie der Zustandsregler mit Beobachter vorgestellt werden.
7.4.3.1 Der klassische PID-Regler Der wohl am häufigsten eingesetzte Regler ist eine additive Kombination aus proportionalem, integralem und differenzierendem Regler. Diese Kombination lässt sich je nach Anwendung als reiner P-Regler, als PI-Regler, als PD-Regler und als PID-Regler einsetzen. Der PID-Regler vereinigt in einer Reglerstruktur alle Vorteile der einzelnen Inhalte. Seine Übertragungsfunktion wird beschrieben durch:
7.4 Regelung haptischer gekoppelter Systeme
163
1 + TV s GR = KR 1 + TN s
(7.43)
Abbildung 7.20 zeigt das entsprechende Signalflussdiagramm. Die hierbei auftretenden Parameter sind die Proportionalverstärkung des Reglers KR , die Nachstellzeitkonstante TN sowie die Vorhaltezeit TD .
xd
KR
1 ¾¾ Tns
u
Tvs
Abb. 7.20 Signalflussdiagramm des PID-Reglers
Durch eine optimierte Einstellung dieser Parameter lassen sich sehr viele regelungstechnische Aufgabenstellungen lösen. In dieser Anordnung profitiert man beim Entwurf einerseits von der hohen Dynamik des P-Reglers, andererseits gewährleistet der Integralteil des Reglers, dass im Führungsverhalten keine bleibende Regelabweichung auftritt. Die Verwendung des differentiellen Anteils bietet einen zusätzlichen Freiheitsgrad zur gezielten Lagebeeinflussung der Polstellen des geschlossenen Regelkreises. Zur Auslegung lassen sich sehr viele Verfahren heranziehen. Beispielhaft seien hier folgende genannt: • Das Wurzelortskurvenverfahren: Dieses Verfahren dient zur aktiven Platzierung der Polstellen des geschlossenen Regelkreises bei gleichzeitiger Berücksichtigung der wählbaren Reglerverstärkung KR . Hierbei wird durch die Wahl der Parameter TN und TD die Lage der Nullstellen des PID-Reglers beeinflusst. Wie aus der Stabilitätsanalyse mittels Wurzelortskurvenverfahren deutlich wird, ist die Form der Wurzelortskurve und damit die Lage der Polstellen des geschlossenen Regelkreises unmittelbar davon abhängig. So wird es möglich, die Polstellen des geschlossenen Regelkreises und damit einen maßgeblichen Aspekt der Dynamik einzustellen bei gleichzeitger Stabilitätsanalyse. • Über die Methodik der Integralkriterien wird eine Optimierung der zugrundegelegten Systemantwort, beispielsweise Führungs- oder Störgrößensprünge, vorgenommen. Dabei erfolgt die Optimierung der Reglerparameter durch eine Minimierung des eingesetzten Integralkriteriums. Die Vorgehensweise ist wie folgt: Die sich aufgrund eines Eingangssignals einstellende Regelabweichung xd (auf unterschiedliche Weise zeitlich gewichtet) des geschlossenen Regelkreises wird über der Zeit integriert und dieses Integral in Abhängigkeit der wählbaren Reg-
164
7 Methoden zur Regelung haptischer Systeme
lerparameter minimiert. Konvergiert das Intergral der Regelabweichung gegen einen Minimalwert, so lassen sich die hieraus abgeleiteten Reglerparameter bestimmen. Eine ausführliche Behandlung der Auslegungsverfahren zur Reglereinstellung lässt sich an dieser Stelle nicht durchführen. Zur Vertiefung wird auf die gängige Literatur zur Reglerauslegung verwiesen [160], [159].
7.4.3.2 Strukturelle Erweiterungen Neben dem Regler lassen sich im geschlossenen Regelkreis mehrfach strukturelle Erweiterungen einsetzen, welche das Gesamtverhalten beeinflussen, auf die Stabilität allerdings keine Auswirkung haben. Betrachtet werden sollen hierbei die Störgrößenaufschaltung die Hilfsgrößenaufschaltung sowie einsetzbare Führungsfilter zur Beeinflussung des Frequenzspektrums im Ausgangssignal.
Störgrößenaufschaltung Der Grundgedanke der Störgrößenaufschaltung liegt darin, bekannte, messbare und in ihrer Auswirkung eindeutig nachweisbare Störgrößen, die auf ein System oder Systemanteile wirken, derart zu nutzen, dass die Auswirkung durch gezielte Verarbeitung und Aufschaltung der gemessenen Störgröße kompensiert wird. Abbildung 7.21 zeigt schematisch den beschriebenen Ansatz. In dieser modellhaften Anmessbare Störung z
GSZ Kompensator
Störübertragungsfunktion
GK
GR
GS
Abb. 7.21 Vereinfachter Störgrößeneinfluss
nahme wirkt die Störgröße z über die Störübertragungsfunktion GSZ auf den geschlossenen Regelkreis. Die gemessene Störgröße wird über einen Kompensator
7.4 Regelung haptischer gekoppelter Systeme
165
GK geführt und auf den Reglerausgang aufgeschaltet. Es wird deutlich, dass bei einer geeigneten Auslegung von GK die Auswirkung der Störgröße z vollständig kompensierbar wird. Eine derartige Auslegung wird formuliert durch GK =
−GSZ GS
(7.44)
In dieser idealen Anschauung verbleibt allerdings die Fragestellung, ob eine Inversion von GS mathematisch und vor allem praktisch möglich ist. In vielen Fällen, wo dies nicht der Fall ist, verbleibt es, für GK eine Approximation vorzunehmen. Aus Abbildung 7.21 wird ebenfalls deutlich, dass diese unterstützende Struktur keinen Einfluss auf das Stabilitätsverhalten des geschlossenen Kreises hat und somit unabhängig davon entworfen werden kann. Neben der Umsetzbarkeit muss allerdings auch hier der Grad des zusätzlichen Aufwandes betrachtet werden. Dieser steigt schon allein durch die notwendige Erfassung der Störgröße sowie der zusätzlichen Signalverarbeitung im zu realisierenden Störgrößenkompensator.
Hilfsgrößenaufschaltung - Vorsteuerung In ähnlicher Weise wie bei der Störgrößenaufschaltung wird bei der Hilfsgrößenaufschaltung die Kenntnis zusätzlicher Signale genutzt, um das gesamte Regelungsverhalten zu verbessern. Hierzu stehen mehrere mögliche Strukturen zur Verfügung. Abbildung 7.22 zeigt als Beispiel, eine Vorsteuerung durch die Aufschaltung des Sollwertes w auf das Stellsignal u unter Zuhilfenahme einer FeedforwardÜbertragungsfunktion GFF .
Vorsteuerungsfilter GFF
w
GR
u
Abb. 7.22 Schematisches Beispiel zur Vorsteuerung
GS
y
166
7 Methoden zur Regelung haptischer Systeme
7.4.3.3 Regelung im Zustandsraum Neben den bislang gezeigten Verfahren und Strukturen, die sich hauptsächlich in Eingrößensystemen wiederfinden, werden insbesondere für Mehrgrößensysteme Zustandsregler eingesetzt. Wie in diesem Kapitel unter dem Abschnitt 7.2.2 beschrieben, bietet sich für die Systembeschreibung von Mehrgrößensystemen die Zustandsraumdarstellung an. In dieser Formulierung lässt sich eine entsprechende Reglerstruktur umsetzen, die die betrachteten Systemzustände aufgreift und auf vorgegebene Sollwerte regelt. Der Vorteil der eingesetzten Auslegungsverfahren besteht darin, dass die zur Regelung der einzelnen Zustandsgrößen notwendigen Regler nicht als Einzelregler ausgelegt werden müssen sondern dass eine ganzheitliche Auslegung vorgenommen wird. Auf diese Weise lassen sich selbst für komplexe Mehrgrößensysteme mit verkoppelten Eingangs-, Ausgangs- und Zustandsgrößen Regler als Ergebnis eines geschlossenen Optimierungsverfahren auslegen. An dieser Stelle sollen die grundlegenden Strukturen der Regelung im Zustandsraum vorgestellt werden. Hierbei werden die Zustandsrückführung, sowie der Zustandsbeobachter angesprochen. Eine detaillierte Behandlung der verschiedenen Auslegungsverfahren ist hierbei nicht zweckmäßig und es wird auf die ensprechende Fachliteratur verwiesen [159], [257].
Zustandsrückführung Abbildung 7.23 zeigt die Struktur der klassischen vollständigen Zustandsrückführung. Vergleichbar zu Abbildung 7.8 wird auch hier die Regelstrecke in Zustands-
D
x0 (t) w (t)
x× (t)
u (t) V
B
ò
A
K
Abb. 7.23 Vollständige Zustandsrückführung
x (t)
y (t) C
7.4 Regelung haptischer gekoppelter Systeme
167
raumdarstellung mit den Matrizen A, B, C und D beschrieben. Die Zustände x des Systems werden nun zurückgeführt und über die Verstärkungsmatrix K auf vorgegebene und über eine Vorfiltermatrix V geführte Sollwerte geschaltet und der Systemeingangsvektor u gebildet. Es wird deutlich, dass sowohl K und V nicht quadratisch sein müssen, da eine Systembeschreibung im Zustandsraum unterschiedliche Dimensionen im Zustands- und Eingangsvektor beziehungsweise im Vektor der Sollwerte und dem Eingangsvektor zulässt.
Zustandsbeobachter Die vorab vorgestellte Struktur einer Zustandsrückführung erfordert, dass sämtliche zurückgeführte Zustände des System messbar sind und für die Regelung beziehungsweise die Signalverarbeitung zur Verfügung stehen. Dies ist in Abhängigkeit vom betrachteten System nicht immer der Fall. Vielfach stehen nicht die technischen Möglichkeiten zur Verfügung um alle interessierenden Zustandsgrößen zu messen. Des Weiteren steigt der erforderliche Aufwand und die damit verbundene Kostenfrage rückt in den Vordergrund. Um diesem Umstand Abhilfe zu leisten, bedient man sich der Methodik, aus den verfügbaren und mit vertretbarem Aufwand gemessenen Ausgangsgrößen, die nicht verfügbaren Systemzustandsgrößen zu rekonstruieren. Abbildung 7.24 zeigt die gesamte Struktur der auf einen Zustandsbeobachter basierenden Regelung im Zustandsraum. Parallel zur Regelstrecke mit den Parametermatrizen A, B, C und D wird eine weitgehend exakte Nachbildung, beschrieben durch die Parametermatrizen A∗ , B∗ , C∗ und D∗ , ebenfalls mit dem Stellgrößenvektor u beaufschlagt. Diese Nachbildung dient als Beobachter und schätzt die Systemzustandsgrößen x∗ sowie den Systemausgang y∗ . Die Differenz zwischen dem tatsächlich messbaren Ausgangsvektor y und y∗ wird über eine Verstärkungsmatrix L auf den Beobachter zurückgeführt. Hierdurch wird erreicht, dass die aufgrund der zur realen Regelstrecke immer vorhandenen Abweichungen in den Parametermatrizen geschätzten Systemzustände korrigiert werden und nicht aufrund der unbekannten Anfangszustände auseinanderdriften. Die nun verfügbaren geschätzten und korrigierten Zustände x∗ lassen sich nun wiederum über eine Verstärkungsmatrix K zurückführen und zur Regelung verwenden. Die hier beschriebene Form des Beobachters wird als Luenberger-Beobachter bezeichnet. Hierbei werden sämtliche zur Regelung eingesetzen Systemzustände durch den Beobachter geschätzt. In der Praxis wird dagegen die direkte Zustandsmessung oftmals kombiniert mit beobachterbasierten Schätzung von nur einigen Zuständen. Diese Struktur wird dann als unvollständiger Beobachter bezeichnet. Ansätze zur Auslegung von Beobachtern finden sich beispielsweise in [159] und [257].
168
7 Methoden zur Regelung haptischer Systeme
D
x0 (t) w (t)
x× (t)
u (t) V
B
x (t)
ò
y (t) C
A
L
-
D* x× (t)*
B*
ò
x (t)* C* y (t)*
A*
K
Abb. 7.24 Zustandsbeobachter
7.5 Fazit Mit der Aufgabe der Regelung haptischer Systeme wird der Entwickler mit einer vielschichtigen Sammlung von Fragestellungen konfrontiert. Der Wunsch nach einer sicheren und zuverlässigen Einflussnahme auf alle im gesamten haptischen System verankerten Prozesse und Größen erfordert eine gezielte Vorgehensweise zur Bewältigung und Lösung dieser Aufgabenstellung. Das vorliegende Kapitel erfasst dabei die grundlegenden Themen, die dem Entwickler begegnen werden und stellt verschiedene Verfahren und Methoden vor, die ihn bei regelungstechnische Analyse und Synthese unterstützen. Bei der regelungstechnischen Analyse von Systemen erfolgt zu Beginn eine Abstraktion des Systemverhaltens und eine mathematische Modellbildung des vorliegenden Systems. Hierbei steht eine Vielzahl an Methoden zur Verfügung, die in Abhängigkeit von der gewünschten Komplexität eingesetzt werden können. Neben
7.5 Fazit
169
der Beschreibung linearer beziehungsweise linearisierter Systeme oder Systemanteile, bieten nichtlineare Systemformulierungen vielfach die Möglichkeit komplexe Strukturen mit erhöhter Genauigkeit zu erfassen. Ebenso stehen Methoden zur Verfügung, welche die Kopplungen von Mehrgrößensystemen formulierbar und einer weiteren Analyse zugänglich machen. Allen Methoden und ihrer Anwendung zur Erzielung eines möglichst exakten Modells des vorliegenden physikalischen Systems steht die Notwendigkeit gegenüber, dass die mathematische Beschreibung für weitere Analysemethoden und Reglerauslegungsverfahren dienen soll. Daher muss hier ein Kompromiss gefunden werden, um die abgebildete Komplexität und damit die Modellgenauigkeit so hoch wie möglich zu erfassen und gleichzeitig eine in vertretbarem Aufwand handhabbare und für weitere Analysemethoden nutzbare Systembeschreibung zu erhalten. Zur Analyse muss in besonderem Maße die Stabilität des gesamtem Systems sichergestellt sein und auf ihre Robustheit hin überprüft werden. Die auszugsweise vorgestellten Verfahren lassen sich je nach Ausprägung rein auf lineare Systeme oder auch auf nichtlineare Systeme anwenden. Vielfach steigt auch hier der Aufwand mit der Komplexität der Systembeschreibung. Demgegenüber steht, dass die Stabilitätsanalyse anhand einer nicht exakten Systembeschreibung auch nur eine Stabilitätsaussage für dieses vereinfachte Modell der Realität liefert. Die zugrundegelegten Annahmen und Abweichungen müssen in ihrer Auswirkung eingeschätzt werden und die Robustheit der Stabilität sicherestellt werden. Die eigentliche Aufgabe zur Regelung haptischer Systeme besteht allerdings im Entwurf der Regelungsstrukturen, die im System an verschiedenen Stellen eingesetzt werden müssen. Dabei enthält dieser Entwurf sowohl die Auswahl geeigneter Regler mit zusätzlichen unterstützenden Strukturen als auch eine Optimierung der wählbaren Parameter. Mit den in der Literatur mehrfach behandelten Verfahren zur Regleroptimierung sind dem Entwickler damit die notwendigen Bausteine an die Hand gegeben, um im Rahmen der Entwicklung haptischer Systeme den Ansprüchen der regelungstechnischen Anforderungen gerecht zu werden.
Kapitel 8
Kinematikentwurf
A NDREAS RÖSE In diesem Kapitel werden die Grundzüge des kinematischen Entwurfs haptischer Displays behandelt. Haptische Displays erzeugen selten Kräfte in nur einer Raumrichtung. In diesem Fall wäre die kinematische Struktur des Bedienelements einfach. Viel interessanter ist die Eingabe von Wegen und Winkeln sowie die Ausgabe von Kräften und Momenten mit zwei, drei oder mehr Freiheitsgraden. Für die Umsetzung von Kräften in mehreren Raumrichtungen werden Mechanismen benötigt, die die Kräfte von mehreren Aktoren an den Ort ihres Wirkens (die Hand) umsetzen. In der Theorie und anhand von einigen Beispielen werden hier zwei grundsätzlich unterschiedliche kinematische Strukturen erläutert: seriell kinematische und parallelkinematische Strukturen. Die vorliegende Betrachtung beschränkt sich auf den kinematischen Entwurf von haptischen Systemen. Sie deckt daher nicht die komplette Entwicklung von Mechanismen ab. Vor allem Betrachtungen zur statischen und dynamischen Analyse sind der weiterführenden Literatur zu entnehmen. Dieses Kapitel kann als Leitfaden verstanden werden, um eine geeignete kinematische Struktur des haptischen Systems auszuwählen und zu entwerfen.
8.1 Grundlagen 8.1.1 Mechanismen und deren Einordnung Die Kinematik (die Lehre der Bewegung) beschäftigt sich mit der Berechnung von Bewegungsvorgängen mechanischer Systeme. Im Gegensatz zur Kinetik werden innere und äußere Kräfte in dem System vernachlässigt. Es geht ausschließlich um die Beschreibung der Bewegungen. Ergebnis von kinematischen Betrachtungen sind daher die idealen Übertragungseigenschaften des untersuchten masselosen mechani-
171
172
8 Kinematikentwurf
schen Systems. Selten hat man es bei haptischen Bedienelementen mit Bewegungen mit nur einem Freiheitsgrad zu tun. Diese können auch mittels Direktantrieb ohne weitere Mechanismen zur Bewegungsumsetzung aufgebaut werden. Im Allgemeinen benötigt man jedoch eine kinematische Struktur, die ebene oder räumliche Bewegungen umsetzt bzw. Kräfte in mehreren Raumrichtungen erzeugt. Wir werden uns hier daher mit der Entwicklung und der kinematischen Beschreibung von (nichtlinear übersetzenden) Mechanismen mit mehreren Freiheitsgraden beschäftigen. Bei der Entwicklung ist es üblich zunächst mittels kinematischer Betrachtungen eine Tolpologie für einen Mechanismus festzulegen, dann seine Übertragungseigenschaften zu berechnen und ihn im Bedarfsfall weiter zu untersuchen. Der Begriff Topologie bezeichnet hierbei die Anordnung von Gelenken und Starrkörpern innerhalb eines Mechanismus. Wenn die Anordnung festgelegt ist, folgt im Allgemeinen eine Dimensionierung der Abmessungen, damit der Mechanismus bestimmten Anforderungen wie z.B. dem Erreichen eines bestimmten Arbeitsraums genügt. Ein angetriebener Mechanismus (auch: Roboter, Roboterarm), besteht im Allgemeinen sowohl aus angetriebenen Gelenken (auch: Motoren, Aktoren, Aktuatoren) und nicht angetriebenen Gelenken (auch: passive Gelenke). Ein angetriebener Mechanismus enthält genau so viele Aktoren (bzw. Aktorfreiheitsgrade), wie er Bewegungsfreiheitsgrade besitzt. Sonderbauformen arbeiten mit mehr Aktoren, als der Mechanismus Bewegungsfreiheitsgrade besitzt, um die Struktur zu versteifen. Diese Bauformen liegen außerhalb der hier betrachteten Menge an Mechanismen. Bei Mechanismen mit mehreren Freiheitsgraden unterscheiden wir die zwei grundsätzlichen Bauweisen: parallelkinematisch und seriell kinematisch. Eine Mischform aus beiden nennen wir hybrid kinematisch. In der Abbildung 8.1 sind Beispiele für einen seriellen, einen parallelen und einen hybriden Mechanismus gezeigt. Rein serielle Mechanismen enthalten keine passiven Gelenke; alle Aktoren liegen seriell angeordnet in einer einzigen kinematischen Kette. Parallele Mechanismen bieten die Möglichkeit, alle Antriebe gestellfest anzuordnen und damit die bewegte Masse zu minimieren. Dies macht sie für haptische Anwendungen besonders interessant. Als Gestell wird hier der Starrkörper innerhalb eines Mechanismus bezeichnet, der nicht bewegt wird.
Beispiele Es gibt zahllose Beispiele für unterschiedliche Roboter, Positioniersysteme und Mechanismen. Allen gemeinsam ist, dass sie über Antriebe und über Starrkörper verfügen, aus denen sie aufgebaut sind. Bei einigen Robotern wird die Antriebsleistung über Seilzüge umgesetzt, so auch in einigen haptischen Bedienelementen (Abb. 8.2). Da allen Mechanismen die Auslegung gemein ist, werden an dieser Stelle zwei Beispiele genannt, die nicht im Bereich der Haptik zu finden sind.
8.1 Grundlagen
173
Abb. 8.1 Serieller a), paralleler b) und hybrider c) Mechanismus. Bei einem parallelen Mechnismus können alle Antriebe gestellfest angeordnet werden.
Abb. 8.2 Haptisches Bedienelement Falcon der Firma Novint mit parallelkinematischer Struktur, bei dem die Antriebsleistung über Seilzüge umgesetzt wird. Quelle: Firma Novint
Die Abbildung 8.3 zeigt einen voll parallelen Mechanismus der Firma PI mit sechs Beinen - einen Hexapoden. Diese Struktur wird in der Literatur oft als StewardGough-Plattform bezeichnet, da sie von D. Steward und V. E. Gough aber auch von K. L. Cappel unabhängig voneinander etwa zeitgleich entwickelt wurde. Der Tool Center Point kann im Raum in sechs Freiheitsgraden positioniert werden. Die Bewegung wird von sechs Linearantrieben erzeugt, die jeweils die Basis mit dem Tool Center Point verbinden. Für haptische Anwendungen ist eine solche Struktur gut geeignet, da ihre kinematischen Beziehungen bereits analytisch gelöst sind [101]. Der abgebildete Hexapod der Firma Physik Instrumente (PI) GmbH & Co. KG ist
174
8 Kinematikentwurf
jedoch ein Positioniersystem. Er verfügt nicht über die nötige Dynamik für ein haptisches Bedienelement. Die Abbildung 8.4 zeigt einen SCARA-Roboter (Selective Compliance Assembly Robot Arm) der Firma Mitsubishi Electric. Diese Art Roboter wird häufig in der Fertigungsautomatisierung als Pick and Place Roboter eingesetzt. Hier soll lediglich die serielle kinematische Struktur des Roboters gezeigt werden. Für eine präzise Bewegung ist die Auslegung der Aktoren sehr entscheidend. Jeder Aktor bewegt alle folgenden Aktoren.
Abb. 8.3 Parallelkinematischer Hexapod der Firma Physik Instrumente (PI) GmbH & Co. KG. Der Mechanismus besitzt sechs Freiheitsgrade, die über Linearantriebe angesteuert werden. Quelle: Firma PI (www.pi.ws)
Abb. 8.4 SCARA Roboter der Firma Mitsubishi Electric zum Einsatz in der Fertigungsautomatisierung. Quelle: Firma Mitsubishi Electric
8.1 Grundlagen
175
8.1.2 Kinematische Berechnungen Die kinematische Beschreibung eines Mechanismus für haptische Anwendungen reduziert sich auf die Beschreibung der Beziehungen der Ein- und Ausgangsgrößen Kräfte, Momente und Wege an den Aktoren und an der Bedienplattform (bei Robotern auch Tool Center Point, TCP). Sei a = (a1 , a2 , ..., an ) der Vektor, in dem die Aktorwege und Winkel ai zusammengefasst werden und x = (x1 , x2 , ..., xm ) der Vektor, in dem die Wege und Winkel der Bedienplattform x j zusammengefasst werden. Man formuliert dann das direkte kinematische Problem (auch direkte Kinematik, Vorwärtskinematik) x = f (a)
(8.1)
und seine Umkerfunktion das inverse kinematische Problem (auch Rückwärtskinematik, Inverskinematik) a = f −1 (x)
(8.2)
Für haptische Anwendungen benötigen wir meistens die Vorwärtskinematik nach Gleichung (8.1). Sie enthält den Zusammenhang, der zur Eingabe von Wegen benötigt wird. Die Hand greift an dem TCP (x-Koordinaten) an und bewegt ihn. Die Aktoren werden über den Mechanismus zwangsweise mitbewegt. Man möchte nun wissen, wo sich die Hand befindet. Wenn die Stellung der Aktoren mit Sensoren (z.B. Drehwinkelgeber) bestimmt wird, kann mittels der Vorwärtskinematik die Position der Hand errechnet werden. Auch für die Berechnung der Kraftausgabe an der Hand wird die vorwärtskinematische Beziehung benötigt. Die Kraftberechungen werden später unter Zuhilfenahme der Jacobi-Matrix ermittelt. Bei seriellen Mechanismen ist die Berechung der vorwärtskinematischen Beziehung (8.1) relativ einfach über die Methode der Denavit-Hartenberg-Parameter (Abschn. 8.2.2) möglich. Bei parallelen Mechanismen hingegen ist die inverskinematische Beziehung oftmals mittels Vektorzügen zu lösen, die Vorwärtskinematik ist jedoch im Allgemeinen nicht analytisch lösbar. Für viele parallelkinematische Anwendungen ist die Vorwärtskinematik in der Literatur schon gelöst, so dass man hier auf eine analytische Lösung zurückgreifen kann [249]. Anmerkung: Das zuvor Gesagte trifft auf die größte Klasse der haptischen Bedienelemente, die impedanzgesteuerten bzw. -geregelten zu. Bei admittanzgesteuerten oder -geregelten Systemen spielt zusätzlich die Inverskinematik eine wichtige Rolle. Hier wird die Information benötigt, wie weit der TCP sich relativ zur Hand bewegen muss, um eine Kraftänderung hervorzurufen. Die Berechnung der Lageänderung des TCP ist in der Inverskinematik abgebildet.
176
8 Kinematikentwurf
Beispiel Betrachten wir zum Beispiel einen Delta Roboter (Abb. 8.5). Er gehört zu der Gruppe der parallelkinematischen Mechanismen (Abschn. 8.3) Der Delta Roboter hat einen Gesamtfreiheitsgrad von 3, er kann sich also in 3 unabhängigen Koordinaten bewegen. Die 3 Bewegungsfreiheitsgrade des Tool Center Points sind kartesische Koordinaten (Bewegung entlang orhtogonaler Achsen). Die kinematischen Probleme für den Delta Roboter sind in der Literatur gelöst [249]. Er verfügt auch über 3 (rotatorische) Antriebe. Wenn man einen Delta Roboter als haptisches Display verwenden möchte, ist man an der Beschreibung der Bewegung des TCP interessiert, da dieser ähnlich einem Joystick für die Steuerung eines Manipulators eingesetzt werden kann. Man will mit dem Tool Center Point auch eine Kraftrückmeldung an den Bediener realisieren und muss daher die Antriebe so ansteuern, dass die gewünschte Kraft am Tool Center Point vorliegt. Daher benötigt man, wie wir später sehen werden, ebenfalls die Vorwärtskinematik nach Gleichung (8.1).
Abb. 8.5 Der Delta Roboter hat 3 rotatorische Aktoren und 3 Freiheitsgrade seines Tool Center Points, die sich am besten in kartesischen Koordinaten beschreiben lassen. Bei einem haptischen Display würde der TCP als Eingabeelement dienen. (Quelle: Firma ABB)
8.1.3 Übertragungsverhalten und die Jakobi Matrix Für das Verständnis dieses Abschnitts ist es nötig, sich nochmals vor Augen zu führen, dass wir es hier mit nichtlinear übersetztenden Getrieben mit mehreren Freihetsgraden zu tun haben. Ihr Übertragungsverhalten (die kinematischen Beziehungen) lässt sich nicht über lineare Gleichungssysteme ausdrücken. Das Übersetzungsverhältnis von Wegen und Kräften ändert sich über dem Arbeitsraum. Man muss in einem haptischen Display diesen nichtlinearen Zusammenhang hinterlegen.
8.1 Grundlagen
177
Wenn man ein Stab-Gelenk-Getriebe nur wenig um einen Arbeitspunkt bewegt, dann kann das Übertragungsverhalten von Aktoren zum Tool-Center-Point in diesem Arbeitspunkt linearisiert werden. Wir betrachten ein Getriebe mit einem Freiheitsgrad wie in Abbildung 8.6(a). Diese Anordnung ist nichtlinear übersetzend. Als Eingangsgröße definieren wir einen Rotationsantrieb mit dem Rotationswinkel α und als Ausgangsgröße den Weg der Schubstange x. Die Vorwärtskinematik berechnet sich offensichtlich zu x = a · sin(α )
(8.3)
Sie ist in der Abbildung 8.6(b) als Funktion geplottet.
Abb. 8.6 Nichtlinear übersetzendes Getriebe mit einem Freiheitsgrad. a) Aufbau, b) vorwärtskinematische Übertragungsfunktion
Wenn wir die Funktion an einer beliebigen Stelle α0 linearisieren, erhalten wir dx|α0 =
dx |α · d α = cos(α0 ) · d α = b0 · d α dα 0
(8.4)
und damit den Übertragungsfaktor b0 für differentielle Bewegungen. Die Ableitung b0 an der Stelle α0 enthält sowohl das Wegübertragungsverhalten an der Stelle α0 als auch das Kraftübertragungsverhalten. Über das Prinzip der virtuellen Arbeit berechnen wir mit einer virtuellen Arbeit am Antrieb δ W x und am Schubzylinger δ Wα :
δ Wx Fα · δ α Fα Fx Mα · α Fx
= δ Wα = Fx · δ x δx = δα δx = δα
(8.5)
178
8 Kinematikentwurf
Damit ist das Kraft-Moment-Übertragungsverhalten an der Stelle α0 Mα · α 1 = Fx b0
(8.6)
also der Kehrwert des Wegübertragungsverhaltens. Hierbei ist Mα das Eingangsmoment in Achsrichtung des Antriebs und Fx die Ausgangskraft in Richtung von x. Anmerkung: Virtuelle Größen kennzeichnet man mit δ , um sie von differentiellen Größen (d) zu unterscheiden. Nach dem Prinzip der virtuellen Arbeit wird der Mechanismus an einer Stelle betrachtet. Es tritt eine infinitesimal kleine (also nur eine virtuelle) Verschiebung des Mechanismus auf. Damit ist die geleistete Arbeit unabhängig von Verschiebungen, und es können die Kraftübertragungen ausgedrückt werden. Selbstverständlich wird auch bei der Differentialrechnung eine infinitesimal kleine Veränderung betrachtet. Daher wird mit den Ableitungen der Weggrößen gerechnet. Sie gehen in die Ergebnisse ein. Eine singuläre Stellung tritt auf, wenn b0 = 0 wird (z.B. bei α = 90◦ ). Dort kann die Schubkurbel keine definierten Kräfte mehr übertragen, also nicht mehr in einem haptischen Display zur Kraftübertragung eingesetzt werden.
Übergang zum Mehrdimensionalen Wir betrachten hier kinematische Zusammenhänge mit mehreren Freiheitsgraden und müssen daher Abbildungen Rn → Rm betrachten. Dort wird ebenfalls eine Linearisierung durchgeführt, die jedoch nicht zu einem Übertragungsverhalten führt, sondern in der Jacobi-Matrix J ausgedrückt wird. Die Jacobi-Matrix berechnet sich bei n Aktorfreiheitsgraden a = (a1 , a2 , ..., an ) und m Freiheitsgraden des Tool Center Points x = (x1 , x2 , ..., xm ) zu ⎛ ⎞ ∂ x1 / ∂ a 1 · · · ∂ x1 / ∂ a n ∂x ⎜ ⎟ .. .. .. =⎝ J= (8.7) ⎠ . . . ∂a ∂ xm / ∂ a 1 · · · ∂ xm / ∂ a n Damit ist sie Träger aller Übertragungsinformation der Vorwärtskinematik. Die Inverse Jacobi-Matrix J−1 stellt die gleiche Information für die Rückwärtskinematik dar. Das (differentielle) Wegübertragungsverhalten lässt sich mit der Jacobi-Matrix folgendermaßen ausdrücken: dx = J · da da = J−1 · dx
(8.8)
Wir haben nunmehr ein lineares Gleichungssystem mit der Koeffizientenmatrix J. Wenn die Bewegung des TCP in genauso vielen Koordinaten beschrieben wird, wie
8.1 Grundlagen
179
es Antriebe gibt, dann hat das Gleichungssystem eine quadratische Koeffizientenmatrix. Aus der linearen Algebra ist bekannt, dass ein Gleichungssystem mit quadratischer Koeffizientenmatrix unendlich viele Lösungen erhält, wenn die Determinante der Koeffizientenmatrix verschwindet. Daraus folgt, dass ein Aktorfreiheitsgrad bzw. ein TCP-Freiheitsgrad frei gewählt werden kann, wenn det(J) = 0 bzw. det(J−1) = 0
(8.9)
ist. Dies ist gleichbedeutend damit, dass von den Aktoren zun TCP oder von TCP zu den Aktoren keine Kräfte von dem Mechanismus übertragen werden können, was für ein haptisches Display bedeutet, dass es nicht mehr funktioniert. Die Stellungen, in denen die Determinante von J bzw. J−1 zu Null wird, nennen wir singuläre Stellungen, die Übertragungsfunktionen haben hier eine Singularität (im Gegensatz zu allen anderen Stellungen, in denen die Kinematik eindeutig bestimmt, also regulär ist). Für die Auslegung eines haptischen Displays bedeutet dies, dass der Arbeitsraum so zu wählen ist, dass die Singularitäten außerhalb liegen. Dieses Problem tritt in der Praxis von Haptischen Displays vorzugsweise bei parallelkinematischen Mechanismen auf (auch Abschn. 8.3), weshalb sich hier der Entwurf komplizierter darstellt als bei seriellen Mechanismen. Anmerkung zu Singularitäten: In der Praxis werden selbstverständlich auch nicht-quadratische Systeme vorkommen. Das ist immer dann der Fall, wenn die Bewegung des TCP in mehr Koordinaten beschrieben wird, als es Antriebe gibt. Wenn z.B. ein Mechanismus vier Antriebe besitzt und daher nur vier Bewegungsfreiheitsgrade aufweist, sich aber im Raum bewegen kann, dann ist es oftmals sinnvoll, ihn in sechs Koordinaten zu beschreiben. Diese können drei kartesische Raumrichtungen und drei Euler-Winkel sein. Der TCP bewegt sich dann immer gleichzeitig in mehreren dieser Koordinaten. Die Koordinaten sind nicht vollständig unabhängig steuerbar. In diesem Fall erhalten wir eine 6 × 4 Jacobi-Matrix. Die Bedingung für eine Singularität wird hier über den Rang der Jacobi-Matrix bestimmt [30]. Ist der Rang von J oder J−1 kleiner als vier, dann ist die Stellung singulär. Für die Herleitung des Kraftübertragungsverhaltens kann eine ähnliche Betrachtung wie die aus Gleichung (8.5) auch im mehrdimensionalen Fall bei Positioniersystemen mit mehreren Freiheitsgraden erfolgen [249]. Wir bezeichnen fa = ( fa1 , fa2 , . . . , fan )T als Vektor aller Kräfte und/oder Momente fai auf die angetriebenen Gelenke und fx = ( fx1 , fx2 , . . . , fxm )T als Vektor aller Kräfte und/oder Momente fx j auf den Tool Center Point. Die virtuellen Verschiebungen der Antriebe bezeichnen wir als δ a = (δ a1 , δ a2 , . . . , δ an ), die des Tool Center Points bezeichnen wir als δ x = (δ x1 , δ x2 , . . . , δ xm ). Hierbei korrespondieren die Indizes mit den Bezeichnungen aus Gleichung (8.7). Mit der Betrachtung der virtuellen Arbeit erhalten wir
180
8 Kinematikentwurf
fTx
δ Wx = δ Wa · δ x = fTa · δ a
Mit dem Zusammenhang dx = J · da aus Gleichung (8.8) folgt fTx · J · δ a = fTa · δ a Die Betrachtung der virtuellen Arbeit gilt bei einer nichtsingulären Konfiguration für jede virtuelle Verschiebung δ a. Daher folgt fTx · J = fTa Durch Transponieren der Gleichung erhalten wir schließlich fa = J T · fx
(8.10)
also den Zusammenhang zwischen den Kräfte und Momenten auf die Antriebe und auf den Tool Center Point. Auf die gleiche Art erhält man auch die Umkehrung fx = J−T · fa
(8.11)
Anmerkungen: • Die Gleichung (8.10) ist von großer Wichtigkeit für die Ansteuerung von haptischen Displays. In ihr steht explizit der Zusammenhang des Kraftübertragungsverhaltens. Wenn eine Kraft- und Momentensituation am TCP ausgegeben werden soll, dann berechnet sich mit der Gleichung (8.10) die notwendige Ansteuerung der Antriebe, um die gewünschten Ausgangskräfte- und Momente zu erhalten. • Die Gleichungen (8.10) und (8.11) ergeben sich durch rein kinematische Betrachtungen und vernachlässigen dynamische Kräfte sowie Kräfte durch die Erdbeschleunigung. Bei einem haptischen Bedienelement, das eine vergleichsweise schwere Mechanik besitzt, müssen diese Kräfte berücksichtigt werden [249]. Dies ist immer dann der Fall, wenn die Kräfte durch beschleunigte Massen oder durch die Erdbeschleunigung in Größenordnungen liegen, die nicht vernachlässigt werden können. Wenn man z.B. eine Masse von m = 5 g in t = 0, 1 s auf s = 1 mm konstant beschleunigt, erhält man bereits eine Kraft von F = m · s/t 2 = 0, 5 N.
8.1.4 Optimierung des Übertragungsverhaltens Eine bestimmte Topologie (eine Anordnung von Antrieben, Streben und passiven Gelenken) eines mehrdimensional übersetzenden Getriebes hat ein nichtlineares
8.2 Serielle Mechanismen
181
Übertragungsverhalten, das maßgeblich von den Längenverhältnissen abhängig ist. Für parallele Mechanismen macht Merlet die Aussage, dass ein paralleler Roboter mit gut entworfenen Dimensionen eine bessere Leistung bringen kann, als ein von der Topologie besser geeigneter paralleler Roboter mit schlecht gewählten Dimensionen [169]. Optimieren bedeutet hier das Verändern von Größenverhältnissen innerhalb des Mechanismus mit dem Ziel, bestimmte als optimiert angesehene Eigenschaften zu erhalten. Dies kann z.B. ein möglichst großer Arbeitsraum mit homogener Verteilung der am TCP wirkenden Kräfte auf die Antriebe sein. Die systematische, auch numerische, Optimierung wird hauptsächlich in parallelkinematischen Anordnungen angewendet. Dies liegt sicher daran, dass serielle Roboterarme oft anhand der geometrischen Problemstellung entworfen werden können, und dass ihre Singularitäten durch Strecklagen offensichtlicher zu finden sind als bei parallelen Mechanismen. Selbstverständlich kann das Übertragungsverhalten bei seriellen Mechanismen auch durch Verändern der Strebenlängen beeinflusst und optimiert werden. Um eine Optimierung automatisiert durchführen zu können, müssen folgende Schritte erfolgen: 1. Festlegen der zu optimierenden Größen und ihrer Wertebereiche (z.B. Strebenlängen 2. Formelmäßige Beschreibung des Optimierungsproblems 3. Mathematische Optimierung z.B. mittels Gradientenverfahren oder evolutionärer Algorithmen. Diese Vorgehensweise wird in [179] und besonders auch in [133] beschrieben. Eine der schwierigsten Aufgaben ist die formelmäßige Beschreibung des Optimalzustands. In [24] werden verschiedene Optimierungsprobleme genannt, die mittels der Singulärwerte der Jacobi-Matrix, also direkt mit dem Übertragungsverhalten als Maßzahl beschrieben werden. Für eine Optimierung muss die zu optimierende Maßzahl im gesamten Arbeitsraum durch Abtasten ermittelt und mit einer gezielten Veränderung der Mechanismusabmessungen maximiert oder minimiert werden. Diese Vorgehensweise dauert unter Umständen sehr lange. In der Praxis empfiehlt sich hier mehr als sonst zunächst die Literaturrecherche, um zu ermitteln, ob die betrachtete Topologie bereits verschiedenen Optimierungen unterzogen wurde, die für die eigene Arbeit relevant sind. Die Optimierung von komplexen Mechaniken z.B. mittels mehrkriterieller Optimierung oder evolutionärer Algorithmen ist ein weites Feld, in das viel Forschungsarbeit für einen Erfolg investiert werden muss.
8.2 Serielle Mechanismen In diesem Abschnitt wird die Vorgehensweise zum Entwurf einer seriell kinematischen Struktur für ein haptisches Display beschrieben. Der Entwurf gliedert sich in drei Teilbereiche • Topologiesynthese: Das Entwerfen einer Anordnung von Streben und Aktoren
182
8 Kinematikentwurf
• Berechnung der Kinematik: Berechnungen zur Eingabe von Wegen über den Bediener und zur Ausgabe von Kräften an den Bediener • Dimensionierung: Das Festlegen der Abmessungen (Abschn. 8.1.4)
8.2.1 Topologiesynthese Ein serieller Mechanisus ist nichts anderes als eine Aneinanderreihung von Streben und Aktoren, wobei die Aktoren als angetriebene Gelenke aufgefasst werden können. Für die Komplexität der kinematischen Beschreibung ist nebensächlich, ob es sich um lineare oder rotatorische Aktoren handelt. Für den Arbeitsraum und die Orientierung der Bedienplattform ist es jedoch von entscheidender Bedeutung. Ein räumlicher serieller Mechanismus mit drei rotatorischen Antrieben hat in seinem Arbeitsraum z.B. eine ständig wechselnde Orientierung. Wenn auf die Bedienerhand keine Momente aufgebracht werden sollen, dann muss diese Rotation an dem Griffstück von zusätzlichen passiven Gelenken aufgenommen werden. Vergleiche hierzu die Abbildung 8.7. Die Momente werden von der Hand entkoppelt. Das Griffstück muss hier nicht im Tool Center Point liegen, da die Momente von den passiven Gelenken eliminiert werden. Kraftvektoren sind beliebig im Raum verschiebbar. Auf das Griffstück wirken somit die gleichen Kräfte wie auf den TCP.
Abb. 8.7 Das PHANTOM Omni haptic device der Firma SensAble Technologies Beispiel für ein räumlich arbeitendes seriell kinematisches Bedienelement. Die Hand ist hier mit passiven Gelenken von den Rotationsbewegungen des Roboterarms entkoppelt, so dass keine Momente in die Hand eingekoppelt werden.
8.2 Serielle Mechanismen
183
Bei der Auslegung eines seriellen haptischen Displays sind im Bezug auf die Wahl der Gelenke die folgenden Punkte zu beachten: • Lineare Gelenke neigen dazu, bei Belastung quer zu ihrer Bewegungsachse zu verkanten. Daher ist der Mechanismus so aufzubauen, dass möglichst keine Kräfte quer zu Lineargelenken wirken oder aber die lineare Lagerung muss geeignet konstruiert sein. Angetriebene Gelenke werden vom Bediener während der Wegeingabe mitbewegt. Sie wirken für die Bewegung des Bedieners also wie passive Gelenke. Daher gilt das vorab genannte auch für Linearaktoren. • Rotatorische Gelenke können keine definierten Kräfte übertragen, wenn sie in Strecklage stehen und in der Streckrichtung belastet werden. Bei der Schubkurbel aus Abbildung 8.6 tritt dieser Fall bei α = π /2 auf. Das passive Gelenk an der Außenseite des Kreises liegt in Strecklage. Wie in Gleichung (8.5) gezeigt wurde, kann in dieser Stellung keine definierte haptische Rückmeldung erzeugt werden. Gleiches gilt für Kräfte radial zu Schubgelenken. • Allgemein gilt, dass die Gelenke möglichst reibarm aufgebaut sein müssen, damit die errechneten Kräfte von den Aktoren auch tatsächlich an der Bedienplattform verfügbar sind. Eine Methode zur Minimierung der Reibung ist der Einsatz von Kugellagern. Der Lauf der Kugellager ist jedoch speziell bei Linearlagern spürbar. Da Menschen mit vielen seriellen kinematischen Ketten ausgestattet sind (z.B. Arme, Beine) ist der Bewegungsraum einer seriellkinematischen Anordnung intuitiv fassbar. Das macht es einfach, ein solches haptisches Bedienelement zu entwerfen. Wie in Abschnitt 8.4 zusammenfassend verdeutlicht wird, ist dies allerdings nicht das einzige bedeutsame Kriterium. Der Entwurf kann auf geometrische Weise mit Zirkel und Lineal geschehen. Es sollte jedoch das Folgende beachtet werden: • Alle Aktoren bedeuten bewegte Massen. In seriellen Mechnanismen liegen alle Aktoren hintereinander. Dies wirkt sich negativ auf die Dynamik der Kraftübertragung aus. Eine dynamische Betrachtung sprengt dieses einführende Kapitel und kann z.B. [249] und [100] entnommen werden. • Als einfaches Entwurfskriterium können die Aktoren alle so nah wie möglich an der Basis angeordnet werden.
8.2.2 Berechnung der kinematischen Probleme In Abschnitt 8.1.3 wurde die Bedeutung der kinematischen Beziehungen für ein haptisches Display dargelegt. Demnach benötigt man für das Kraftübertragungsverhalten eines Mechanismus die Vorwärtskinematik. Im Folgenden wird eine Methode
184
8 Kinematikentwurf
dargestellt, mit der die Vorwärtskinematik eines beliebigen seriellen Mechanismus berechnet werden kann: Die Methode der Denavit-Hartenberg-Parameter. Die Methode basiert darauf, sich an einer seriellen kinematischen Kette Glied für Glied „entlangzuhangeln“ und jedes mal durch Multiplikation mit einer homogenen Koordinatentransformationsmatrix die Koordinaten eines Gliedes auf das jeweils vorherige zu beziehen. Dabei wird jede Transformationsmatrix durch maximal vier Parameter, die Denavit-Hartenberg-Parameter, bestimmt. Wenn man auf diese Weise entlang der gesamten Kette wandert, dann kennt man die kinematische Beziehung des TCP bezogen auf die Basis in Abhängigkeit der Aktorstellungen und damit die Vorwärtskinematik. Eine geeignete homogene Koordinatentransformation lässt sich durch die Matrix T ⎛ ⎞ R1,1 R1,2 R1,3 t1 ⎜ R2,1 R2,2 R2,3 t2 ⎟ Rt ⎟ =⎜ T= (8.12) ⎝ R3,1 R3,2 R3,3 t3 ⎠ 0 1 0 0 0 1 beschreiben [100]. Mit homogenen Transformationsmatrizen lassen sich im Allgemeinen auf einfache Weise Rotationen, Translationen, Skalierungen und perspektivische Transformationen [249] beschreiben. Für die Anwendungen in der Robotik verwendet man jedoch den Spezialfall der homogenen Transformationsmatrix nach Gleichung (8.12). Diese bildet Rotationen und die Translationen ab. Anmerkungen: • Matrizenmultiplikationen sind assoziativ, jedoch nicht kommutativ. Die Reihenfolge der Multiplikationen ist im Folgenden entscheidend für die Berechnung der Vorwärtskinematik (s.u.). • Die Zahlen in der letzten Zeile der Matrix bewirken, dass sich die Rotationen und die Translationen gegenseitig nicht beeinflussen. So ist es möglich, auf einem Rechner durch einfache Matrizenmultiplikationen sowohl die Rotation als auch die Verschiebung abzubilden. Dies erhöht die Übersichtlichkeit der Implementierungen erheblich. Das ist sicher ein Grund, warum homogene Koordinatentransformationen zur Berechnung in der Robotik oft eingesetzt werden. Mittels einer homogenen Transformationsmatrix T kann ein Vektor p, der in homogenen Koordinaten beschrieben ist, durch skalare Multiplikation aus einem Koordinatensystem (0) in ein anderes (1) überführt werden: p1 = T · p0
(8.13)
Für eine Multiplikation mit einer 4 × 4-Matrix müssen die Vektoren vom Typ 4 × 1 sein. Dies ist bei Vektoren in homogenen Koordinaten der Fall. In der Robotik werden nur Rotationen und Translationen ausgeführt. Ein Vektor p ist daher von der Form
8.2 Serielle Mechanismen
185
p = (px , py , pz , 1)T
(8.14)
wobei px , py und pz die kartesischen Vektorkoordinaten sind. Die Berechnung der Vorwärtskinematik geschieht in den folgenden Schritten: 1. Definition eines gliedfesten Koordinatensystems am unteren Ende von jedem Glied, ausgehend von einem gestellfesten Basiskoordinatensystem und endend in einem am TCP befestigten Koordinatensystem. Die Koordinatensysteme müssen so auf den Gliedern des Mechanismus liegen, dass sich ein nachfolgendes Koordinatensystem (i+1) aus dem vorherigen (i) durch die folgenden Veränderungen ergeben kann: • Drehung θ um die zi -Achse (Drehungen nach „Korkenzieherregel“, also im Uhrzeigersinn, wenn man entlang der Drehachse schaut) • Verschiebung d entlang der zi -Achse • Verschiebung a entlang der xi+1 -Achse • Drehung α um die xi+1 -Achse („Korkenzieherregel“) 2. Aufstellung einer Tabelle mit allen Denavit-Hartenberg-Parametern (θ , d, a, α ) der gesamten Kette (Die Kette bestehe hier aus n-Koordinatensystemem). 3. Aufstellen von einer Transformationsmatrix (Ti ) für jeden Satz Denavit-Hartenberg-Parameter (s.u.). 4. Multiplikation der Transformationsmatrizen um die Gesamttransformation Tges zu berechnen. Tges = Tn · . . . · Ti · . . . · T0 Die so berechnete gesamte Transformationsmatrix Tges überführt die Basiskoordinaten p0 in die TCP-Koordinaten pTCP und entspricht damit der Vorwärtskinematik. pTCP = Tges · p0
(8.15)
Jede Matrix Ti wird aus den Denavit-Hartenberg-Parametern in der folgenden Form berechnet: ⎛ ⎞ cos(θi ) −sin(θi ) · cos(αi ) sin(θi ) · sin(αi ) a · cos(θi ) ⎜ sin(θi ) cos(θi ) · cos(αi ) −cos(θi ) · sin(αi ) a · sin(θi ) ⎟ ⎟ Ti = ⎜ ⎝ 0 ⎠ sin(αi ) cos(αi ) d 0 0 0 1 (8.16) Die Matrix Tges = ∏ni=0 Ti ist abhängig von jedem Denavit-Hartenberg-Parameter. Sie entspricht der Hintereinanderausführung von n + 1 Transformationen im Raum und enthält den Zusammenhang zwischen dem TCP-Koordinatensystem und dem Basiskoordinatensystem. Dieser Zusammenhang ist durch drei translatorische und drei rotatorische Freiheitsgrade vollständig beschrieben. Tges ist daher von der Form:
186
8 Kinematikentwurf
Tges = ⎞ ⎛ cosα · cosβ cosα · sinβ · sinγ − sinα · cosγ cosα · sinβ · cosγ + sinα · sinγ x ⎜ sinα · cosβ sinα · sinβ · sinγ + cosα · cosγ sinα · sinβ · cosγ − cosα · sinγ y ⎟ ⎟ ⎜ ⎝ −sinβ cosβ · sinγ cosβ · cosγ z⎠ 0 0 0 1 (8.17) Hierbei sind x, y und z die kartesischen Koordinaten des TCP bezogen auf das Ursprungskoordinatensystem. α , β und γ entsprechen dem Roll-, Nick- und Gierwinkel, also einer Rotation um die x-Achse (rollen, α ), einer Rotation um die neue (verdrehte) y-Achse (nicken, β ) und einer Rotation um die daraus resultierende zAchse (gieren, γ ). Sie können durch einfache Berechnungen aus der Matrix wieder extrahiert werden. Anstelle von Roll- Nick- und Gierwinkel können selbstverständlich auch andere Konventionen, wie z.B. Eulerwinkel zugrunde gelegt werden. Dann ändert sich die Interpretation der Matrix Tges Die Inverskinematik ist bei seriellen Mechanismen nur schwer zu berechnen. Hierzu werden in [249] Methoden vorgeschlagen. Die Inverskinematik ist für haptische Displays jedoch nur von untergeordneter Bedeutung. Sie wird lediglich benötigt, wenn ein Mechanismus in einem admittanzgesteuerten bzw. -geregelten System eingesetzt werden soll.
8.2.3 Beispiel eines seriellen Mechanismus In der Abbildung 8.8 ist ein Beispiel eines seriellen Mechanismus dargestellt. Die angetriebenen Gelenke sind mit q1 bis q4 bezeichnet. Es existieren drei rotatorische und ein linearer Antrieb. In das Zentrum jedes Antriebs sowie in den Tool Center Point (TCP) werden Koordinatensysteme (1 bis 5) gelegt. Ein Weltkoordinatensystem (0) bezeichnet einen bekannten Punkt des Gestells. Die einzelnen Koordinatensysteme wurden so gelegt, dass ein nachfolgendes Koordinatensystem aus einem vorhergehenden mit den vier zur Verfügung stehenden Denavit-Hartenberg-Parametern berechnet werden kann (siehe Abschnitt 8.2.2). Hier soll die Vorwärtskinematik des Mechnanismus gelöst werden. Zunächst werden in der Tabelle 8.1 die notwendigen Denavit-Hartenberg-Parameter aufgestellt.
8.2 Serielle Mechanismen
187
Abb. 8.8 Beispiel eines seriellen Mechanismus Tabelle 8.1 Denavit-Hartenberg-Parameter des Mechanismus aus Abbildung 8.8 n
0 1 2 3 4
θ d d α (Rotation (Verschiebung in (Verschiebung in (Rotation um zn ) zn -Richtung) xn+1 -Richtung) um xn+1 ) 90◦ 0 90◦ −q4 0
q1 l1 l2 l3 l4
0 0 0 0 0
90◦ −q2 −q3 0 0
188
8 Kinematikentwurf
Nun können die Transformationsmatrizen T0 bis T4 aufgestellt werden. ⎛ ⎞ 001 0 ⎜1 0 0 0 ⎟ ⎟ T0 = ⎜ ⎝ 0 1 0 q1 ⎠ 000 1 ⎛ ⎞ 1 0 0 0 ⎜ 0 cos(−q2 ) −sin(−q2) 0 ⎟ ⎟ T1 = ⎜ ⎝ 0 sin(−q2 ) cos(−q2 ) l1 ⎠ 0 0 0 1 ⎛ ⎞ 0 −cos(−q3) sin(−q3 ) 0 ⎜1 0 0 0⎟ ⎟ T2 = ⎜ ⎝ 0 sin(−q3 ) cos(−q3 ) l2 ⎠ 0 0 0 1 ⎛ ⎞ cos(−q4 ) −sin(−q4 ) 0 0 ⎜ sin(−q4 ) cos(−q4) 0 0 ⎟ ⎟ T3 = ⎜ ⎝ 0 0 1 l3 ⎠ 0 0 0 1 ⎛ ⎞ 100 0 ⎜0 1 0 0 ⎟ ⎟ T4 = ⎜ ⎝ 0 1 0 l4 ⎠ 000 1 Die gesamte Vorwärtskinematik Tges ergibt sich durch die Multiplikation Tges = T4 · T3 · T2 · T1 · T0 und ist nur von den geometrischen Abmessungen (l1 , l2 , l3 , l4 ) und von der Stellung der angetriebenen Gelenke (q1 , q2 , q3 , q4 ) abhängig. Anmerkungen: • Die Lösung wird durch die vielen Multiplikationen von sin- und cos-Termen recht unhandlich, lässt sich jedoch für einen gegebenen Wert von (q1 , q2 , q3 , q4 ) durch Matrixmultiplikation schnell berechnen. • Die Jacobi-Matrix der Vorwärtskinematik wird noch wesentlich aufwändiger, muss aber für das Kraftübertragungsverhalten berechnet werden. Eine unerlässliche Hilfe beim Berechnen stellen Programme dar, die die Lösung in einer symbolischen Form errechnen können (z.B. die symbolic toolbox von Matlab).
8.3 Parallele Mechanismen
189
8.3 Parallele Mechanismen Bei einem parallelkinematischen Mechanismus werden im Gegensatz zu seriell kinematischen Anordnungen sowohl passive Gelenke als auch aktive Gelenke miteinander gekoppelt. Die Kopplung geschieht im Allgemeinen so, dass jedes aktive Gelenk (jeder Aktor) zu einem Bewegungsfreiheitsgrad beiträgt. Damit gelten wie bei seriellen Mechanismen alle schon bekannten Vorüberlegungen aus dem Abschnitt 8.1.3. In diesem Abschnitt wird die Vorgehensweise zum Entwurf von parallelen Mechanismen beschrieben. Er gliedert sich in die Teilprobleme • Topologiesynthese: Das Entwerfen einer Anordnung von Streben und Aktoren • Berechnung der Kinematik: Berechnungen zur Eingabe von Wegen über den Bediener und zur Ausgabe von Kräften an den Bediener • Dimensionierung: Das Festlegen der Abmessungen (Abschn. 8.1.4)
8.3.1 Topologiesynthese Die Grübler Formel Wenn aktive und passive Gelenke so gekoppelt werden sollen, dass der resultierende Mechanismus genau so viele Freiheitsgrade besitzt, wie er Aktoren enthält, dann muss die Anzahl der Gelenkfreiheitsgrade genau bestimmt sein und gewissen Verteilungsregeln entsprechen. Die Anzahl der zu verteilenden passiven Gelenke wird durch die Formel von Grübler bestimmt, die sich anschaulich herleiten lässt [169][100][24]. Ein Mechanismus mit n Starrkörpern (einschließlich Gestell) ohne Kopplung der einzelnen Elemente hat im allgemeinen 3-dimensionalen Fall F = 6 · (n − 1) Freiheitsgrade. Jeder Körper hat sechs Freiheitsgrade im Raum. Das Gestell steht fest, es hat keinen Freiheitsgrad. Bei Kopplung mit g Gelenken von Freiheitsgrad fi (i = 1 . . . g) wird F um je (6 − fi) eingeschränkt. Es folgt g
F = 6 · (n − 1) − ∑ (6 − fi ) i=1
g
= 6 · (n − g − 1) + ∑ fi
(8.18)
i=1
F wird als Getriebefreiheitsgrad bezeichnet. Nach [100] herrscht in einem Getriebe „Zwangslauf“, wenn jeder Stellung eines beliebigen Getriebegliedes (verschieden vom Gestell) die Stellung der übrigen Getriebeglieder eindeutig zugeordnet ist. Der Getriebefreiheitsgrad F ist die Anzahl der
190
8 Kinematikentwurf
relativen Einzelbewegungen, die in einem Getriebe verhindert werden müssen, um die Bewegungsunfähigkeit aller Getriebeglieder zu erreichen. Wenn also die Anzahl der Gelenkfreiheitsgrade nach der Gleichung (8.18) bestimmt wird, dann handelt es sich um einen Mechanismus, der sich durch F Aktoren in F Freiheitsgraden antreiben lässt. In der Berechnung müssen noch sogenannte identische Bindungen fid und Zwangsbedingungen s korrigiert werden, damit die Gelenkanzahl exakt bestimmt ist. g
F = 6 · (n − g − 1) + ∑ fi − fid + s
(8.19)
i=1
F n g fi fid s
Getriebefreiheitsgrad Anzahl der Glieder Anzahl der Gelenke Freiheitsgrad des i -ten Gelenks Summe der identischen Bindungen Summe der passiven Bindungen
Anmerkung: Eine identische Bindung liegt z.B. vor, wenn ein Stab an beiden Enden Kugelgelenke enthält. Dann kann der Stab um seine Achse rotiert werden, ohne dass eine Zwangslaufbedingung verletzt wird. Ein anderes Beispiel für eine identische Bindung sind zwei koaxial angeordnete Schubgelenke. Passive Bindungen liegen laut [118] vor, wenn Zwangsbedingungen herrschen. Wenn z.B. 5 Gelenkachsen parallel zu einer 6-ten liegen müssen, damit eine Bewegung stattfinden kann, dann gilt z = 5. Eine anderes Beispiel für eine passive Bindung sind zwei Schubgelenke, die parallel zueinander liegen müssen, damit eine Bewegung möglich wird.
Berechnung der zu verteilenden Gelenkfreiheitsgrade Zu dem Zeitpunkt des Entwurfs der Mechanismus-Topologie ist im Allgemeinen die Anzahl der Getriebeglieder und der Gelenke noch nicht festgelegt. Man startet mit der Vorstellung, welchen Gesamtfreiheitsgrad F der Mechanismus erhalten soll. Dieser Freiheitsgrad ist gleich der Anzahl der aktiven Gelenke. Ein parallelkinematischer Mechanismus wird in [100] nach seinem Parallelitätsgrad klassifiziert. Enthält der Mechanismus genauso viele Beine wie Freiheitsgrade (siehe z.B. den Hexapoden aus Abbidung 8.3), dann nennt man ihn voll parallel. Weitere Bauformen werden teilweise parallel oder hochgradig parallel genannt. Wir beschränken uns hier auf voll parallele Bauformen. Bei diesen bestimmt sich der Zusammenhang zwischen der Anzahl der Ketten k, der Gelenke g und der Glieder n nach n = g−k+2
(8.20)
8.3 Parallele Mechanismen
191
Basis und Tool Center Point zählen auch als Glieder in die Anzahl n. Sie werden auf der rechten Seite durch den Summand „2“ berücksichtigt. Durch Einsetzen dieses Zusammenhangs in (8.19) ergibt sich ein Zusammenhang zwischen Kettenanzahl k, Getriebefreiheitsgrad F und Summe der Gelenkfreiheitsgrade fges = ∑gi=1 fi g
fges = ∑ fi = F + 6 · (k − 1) + fid − s
(8.21)
i=1
Anmerkungen: • Bei voll parallelen Mechanismen wird in jeder Kette, die von Basis zu Tool Center Point geführt wird (in jedem Bein), genau ein Antrieb mit einem Freiheitsgrad platziert. • Die Anzahl der Ketten k ist daher bei voll parallelen Mechanismen gleich der Anzahl der Freiheitsgrade F. Damit vereinfacht sich die Gleichung (8.21) zu fges = 7 · F − 6 + fid − s
Kinematisches Schema und Gelenkverteilung Zum Entwurf eines Mechanismus bietet es sich an, sich die Verteilung der Gelenkfreiheitsgrade (inklusive Aktoren) auf kinematische Ketten anhand eines kinematischen Schemas zu verdeutlichen. Für einen Delta Roboter wie aus Abbildung 8.5 ist das kinematische Schema in der Abbildung 8.9 dargestellt. Der Delta Roboter besitzt k = 3 Ketten, weist F = 3 Freiheitsgrade auf und besitzt weder identische Freiheitsgrade noch Zwangsbindungen. Nach der Gleichung (8.21) müssen daher fges = F + 6 · (k − 1) = 15 Gelenkfreiheitsgrade auf die 3 Ketten verteilt werden. Dies geschieht oftmals (wie auch hier) symmetrisch, so dass jede Kette 5 Gelenkfreiheitsgrade enthält. Abbilding 8.9a zeigt die Verteilung der Gelenkfreiheitsgrade auf die Ketten, die von der Basis zum Tool Center Point geführt werden. In jedem Bein befindet sich hier ein Rotationsantrieb, der einen der Gelenkfreiheitsgrade darstellt. Die restlichen Gelenkfreiheiten sind als Kardangelenk ausgeführt, so dass sich eine Verteilung der Gelenkfreiheitsgrade wie in Abbildung 8.9b ergibt. Eine andere Verteilung der Gelenkfreiheitsgrade ist selbstverständlich möglich und führt zu einer anderen Topologie des Mechanismus. Hier wird in den meisten Fällen intuitiv konstruiert. Als einfache Konstruktionsregeln können die folgenden Punkte beachtet werden: • Gelenkfreiheitsgrade konzentrieren. Kugelgelenke oder Kardangelenke vereinfachen die Konstruktion gegenüber Gelenken mit nur einem Freiheitsgrad. Dies macht sich vor allem in der Bestimmung der kinematischen Beziehungen bemerkbar. Weiterhin wird dadurch das Gelenkspiel konzentriert und der Mechanismus lässt sich leichter ohne merkliches Spiel aufbauen.
192
8 Kinematikentwurf
Abb. 8.9 Kinematisches Schema des Delta Roboters aus Abbildung 8.5. Der Mechanismus besitzt 15 Gelenkfreiheitsgrade, die auf 3 Beine aufgeteilt sind (a). Jedes Bein enthält einen als Rotationsantrieb ausgeführten Freiheitsgrad (b). Die Gelenkfreiheitsgrade eines Gelenks sind jeweis in den Kreisen notiert.
• Möglichst ortsfeste Aktoren einsetzen. Die Antriebe in dem Beispiel des Hexapoden sitzen in den Streben und werden während des Positionierens mitbewegt. Da die Streben sich in diesem Fall nicht besonders stark bewegen, wirkt sich das nicht gravierend auf die Dynamik des Hexapoden aus. Wenn die Antriebe basisfest liegen, dann sind die besten dynamischen Eigenschaften zu erwarten, da ihr Gewicht nicht beschleunigt werden muss. • Freiheitsgrade gleichmäßig verteilen. Eine symmetrische Konstruktion ist in jedem Fall gegenüber einer unsymmetrischen zu bevorzugen. Die kinematischen Berechnungen vereinfachen sich hierdurch sehr. In unsymmetrischen Fällen ist mit höherer Wahrscheinlichkeit keine analytische Lösung der Vorwärtskinematik zu finden. Für die ersten Entwürfe von parallelkinematischen haptischen Systemen ist eine Anlehnung an bekannte parallelkinematische Mechanismen zu empfehlen. Diese sind im Allgemeinen schon ausführlich in der Literatur beschrieben. Viele Beispiele zu parallelkinematischen Anordnungen finden sich in [179], [24] und [169].
8.3.2 Berechnung der kinematischen Probleme Parallelkinematische Mechanismen haben die Eigenschaft, dass sich Ihre Inverskinematik im Allgemeinen leichter berechnen lässt als Ihre Vorwärtskinematik (bei seriellen Mechanismen ist es umgekehrt). Selbst bei einfachsten Anordnungen ist es oftmals analytisch nicht möglich, die Vorwärtskinematik zu berechnen, die jedoch für das Kraftübertragungsverhalten in haptischen Bedienelementen benötigt wird. Bei Systemen, bei denen Symmetrien zur Berechnung genutzt werden können und bei denen mehrere Freiheitsgrade von passiven Gelenken z.B. als Kardangelenk oder als Kugelgelenk konzentiriert sind, besteht die Möglichkeit, dass eine analytische Lösung angegeben werden kann. In [251] und [250] finden sich analytische Lösungen der Vorwärtskinematik von einfachen Manipulatoren mit 3 Freiheitsgra-
8.3 Parallele Mechanismen
193
den. Weitere Betrachtungen können [249] und [101] entnommen werden. Eine Vorgehensweise für die Berechnung der Inverskinematik kann folgendermaßen angegeben werden: 1. Aufstellen von geschlossenen Vektorzügen getrennt für jedes Bein, die von einem basisfesten Koordinatensystem (0) über den TCP zurück zu dem Koordinatensystem (0) verlaufen. 2. Aufspalten der Vektorzüge nach allen (kartesischen) Bewegungskoordinaten des Beins. 3. Auflösen des so entstandenen Gleichungssystems nach den TCP-Koordinaten. Ein Beispiel für diese Berechnung befindet sich in Abschnitt 8.3.3. Die Übertragungsfunktionen von parallelkinematischen Mechanismen und insbesondere auch die Vorwärtskinematik enthalten Singularitäten (Abschn. 8.1.3). Diese liegen anschaulich gesprochen oft bei Strecklagen von passiven Gelenken. Bei dem Entwurf von Mechanismen ist dies in jedem Fall zu beachten.
8.3.3 Beispiel eines parallelen Mechanismus In der Abbildung 8.10 ist ein Beispiel eines planar arbeitenden parallelkinematischen Mechanismus dargestellt. Die beiden angetriebenen Gelenke sind mit q1 und q2 bezeichnet und können in dem Vektor q zusammengefasst werden. Die Längen der beiden Streben auf der rechten Seite sind gleich gewählt (a) und greifen an beiden Enden im gleichen Abstand (b) an. Sie bilden also eine Parallelschwinge. Somit bewegt sich der TCP in kartesischen Koordinaten x = (x, y) ohne sich zu verdrehen. Ein Weltkoordinatensystem ist mit 0 bezeichnet. Das mit dem TCP verbundene Koordinatensystem ist mit T bezeichnet. Im Sinne der Grübler Berechnung für die zu verteilenden Mechanismus-Freiheitsgrade (8.21) ist dies eine Zwangsbedingung. Weitere fünf Zwangsbedingungen ergeben sich dadurch, dass die fünf Achsen der rotatorischen Gelenke parallel zu der Achse des 6. rotatorischen Gelenks liegen müssen, damit eine Bewegung stattfinden kann. In Summe ergeben sich S = 6 Zwangsbedingungen. Der Mechanismus verfügt über k = 3 Ketten, soll F = 2 Bewegungsfreiheitsgrade (Bewegung in der x-y-Ebene) aufweisen. Identische Freiheitsgrade (vgl. Abschn. 8.3.1) enthält der Mechanismus nicht ( fid = 0). Nach der Gleichung (8.21) müssen fges = F + 6 · (k − 1) + fid − s = 8 Freiheitsgrade in Gelenken untergebracht werden, damit der Mechanismus mechanisch bestimmt ist. Zwei von diesen Freiheitsgraden sind durch die Linearantriebe q1 und q2 gegeben. Es sind also 6 Freiheitsgrade in passiven Gelenken unterzubringen, damit der Mechanismus beim Festbremsen der Antriebe starr wird. Dies ist mit den 6 passiven Rotationsgelenken erfüllt. Im Folgenden soll nun exemplarisch die Inverskinematik (q = f (x)) berechnet wer-
194
8 Kinematikentwurf
Abb. 8.10 Beispiel eines seriellen Mechanismus
den, da diese analytisch noch einfach darstellbar ist. Mit der Inverskinematik könnte der vorgestellte Mechanismus z.B. in einem admittanzgeregelten haptischen Display eingesetzt werden. Für ein impedanzgeregeltes /-gesteuertes System wäre die Vorwärtskinematik notwendig. Die Inverskinematik berechnet sich am einfachsten durch zwei geschlossene Verktorzüge im Weltkoordinatensystem über den Tool Center Point, in denen seine Koordinaten x = (x, y) enthalten sind. Die Vektorzüge gehen über die Beine auf der rechten bzw. linken Seite und sind nach der x- und der y-Koordinate aufgespalten. 2 c − d2 − x d x = c − a · cos(α ) − ⇒ sin(α ) = 1 − (8.22) 2 a b b ⇒ q2 = y − a · sin(α ) − 2 2 2 d x− 2 d x = a · cos(β ) − ⇒ sin(β ) = 1 − 2 a
y = q2 + a · sinα +
y = q1 + a · sinβ ⇒ q1 = y − a · sin(β ) Durch einsetzen von 8.22 in 8.23 und 8.24 in 8.25 ergibt sich
(8.23) (8.24) (8.25)
8.4 Gesamtablauf des kinematischen Entwurfs
195
2 x − d2 q1 = y − a · 1 − a 2 c − d2 − x b q2 = y − a · 1 − − a 2 Dies ist die gesuchte inverskinematische Beziehung. Anmerkungen: • Die Vorwärtskinematik x = f (q) ist selbstversändlich ebenfalls notwendig, um bei Messung der Wege an den Antrieben die Position des TCP zur Ortseingabe zu bestimmen. Falls sie nicht berechnet wird, muss die Bestimmung des TCPOrtes zur Nutzung als haptisches Bedienelement auf anderem Wege geschehen (z.B. durch zusätzliche Sensoren). • Die Umformungen der Gleichungen enthalten sin(φ ) = 1 − cos2(φ ) als Ersetzung. Der Radikant der Wurzel darf für reelle Lösungen nicht negativ werden. Hiermit wird plausibel, dass die Mechanik Singularitäten enthält, bei denen das Übertragungsverhalten unbestimmt ist.
8.4 Gesamtablauf des kinematischen Entwurfs In den vorangegangenen Abschnitten wurden die Grundlagen des kinematischen Entwurfs behandelt. Hier soll nun noch einmal der Gesamtablauf skizziert werden. Abbildung 8.11 fasst den groben Ablauf zusammen. Auf die einzelnen Punkte wird im Folgenden eingegangen.
Abb. 8.11 Gesamtablauf des kinematischen Entwurfs.
196
8 Kinematikentwurf
Auswahl der Struktur Grundsätzlich besetehen die beiden Lösungen: seriellkinematische und parallelkinematische Anordnungen. Eine Mischform aus beiden bezeichnet man als hybrid kinematisch, es können also auch einige Freiheitsgrade parallel und andere seriell aufgebaut werden. Hierbei nutzt man die Vorteile der beiden Konzepte, muss allerdings auch mit allen Nachteilen leben. Die Tabelle 8.2 listet die für haptische Anwendungen interessanten Eigenschaften auf und wertet sie qualitativ. Genauer wurden die beiden möglichen Anordnungen in den Abschnitten 8.2 und 8.3 betrachtet. Tabelle 8.2 Für haptische Anwendungen interessante Eigenschaften von seriellen und parallelen Mechanismen Eigenschaft Mechanische Impedanz Verhältnis Arbeitsraum/Bauraum Berechnung der Vorwärtskinematik
Serielle Mechanismen Parallele Mechanismen hoch groß einfach
niedrig klein schwierig
Das wichtigste Kriterium in der Tabelle 8.2 ist in der mechanischen Impedanz zu sehen. Diese sollte bei haptischen Bedienelementen so gering wie möglich sein, um eine möglichst unverfälschte Übertragung der Antriebskräfte auf den TCP zu gewährleisten. Das kann am besten durch eine parallelkinematische Anordnung mit Umsetzung von Streben in leichter Bauweise und reibarmem Aufbau der Gelenke geschehen. Die Aktoren sollten in diesem Konzept so angeordnet sein, dass sie möglichst ortsfest innerhalb des Mechanismus platziert sind (z.B. gestellfest), oder die Antriebsleistung sollte mittels Seilzügen übertragen werden, so dass durch die Antriebe keine großen bewegten Massen entstehen. Das haptische Bedienelement „Delta.3“ der Firma Force Dimension (Abb. 8.12) mit der kinematischen Struktur eines Delta Roboters (vergleiche Abbildung 8.5) erfüllt diese Anforderungen und ist daher ein gutes Beispiel für eine gut gewählte kinematische Struktur. In dem haptischen Bedienelement der Firma Novint (Abb. 8.2), das die gleiche kinematische Struktur aufweist, wird die Antriebsleistung zusätzlich über Seilzüge auf den Mechanismus übertragen. Die intensive Nutzung der Delta-Struktur zeigt, wie gut sie für haptische Anwendungen geeignet ist. Wenn die Impedanz des übersetzenden Mechanismus hoch ist (hohe Massen, große Reibungen), dann ist es von der Struktur des gesamten haptischen Bedienelements sinnvoll, eine geregelte Anordnung zu verwenden. Bei Mechanismen mit geringen Impedanzen kann oft auf eine Regelung verzichtet werden.
8.4 Gesamtablauf des kinematischen Entwurfs
197
Abb. 8.12 Das haptische Bedienelement „Delta.3“ der Firma Force Dimension besitzt eine parallelkinematische Struktur mit gestellfest angeordneten rotatorischen Aktoren. Die Streben sind möglichst leicht gehalten, um eine geringe mechniasche Impedanz zu erzielen.
Entwurf einer dem Problem angepassten Topologie Der Entwurf einer geeigneten Topologie wurde bereits in den Abschnitten 8.2.1 und 8.3.1 umrissen. Bei seriellen Strukturen ist ein Topologieentwurf oftmals intuitiv erstellbar, da der Arbeitsraum einfach mit Lineal und Zirkel gefasst werden kann. Parallele Strukturen weisen hier größere Schwierigkeiten auf. Nachdem die Anzahl der benötigten Freiheitsgrade bestimmt und ein kinematisches Schema entworfen wurde (Abschn. 8.3.1), empfiehlt es sich hier, zunächst ein einzelnes Bein zu entwerfen, das von der Basis zum Tool Center Point reicht. Dieses Bein legt bereits die Bewegung grob fest. Beim Hinzufügen von weiteren Beinen werden dann Bewegungen von vorher entworfenen Beinen z.B. durch erzwungene Parallelbewegung weiter eingeschränkt. Bei parallelen Mechanismen empfiehlt sich zusätzlich die Literaturrecherche über industrielle Handhabungsroboter, aber auch über Werkzeugmaschinen (z.B. [169] [179] [249]).
Berechnung der kinematischen Probleme Nach Auswahl bzw. Entwurf steht man je nach Art der eingesetzten Topologie vor einem analytisch unlösbaren Problem: der Berechnung der Vorwärtskinematik. Ggf. muss auch die Inverskinematik bekannt sein, wenn man mit Admittanzregelung arbeitet. In Abschnitt 8.2.2 wurde eine allgemeingültige Methode zum Berechnen der Vorwärtskinematik von seriellen Mechanismen vorgestellt. Bei parallelen Mechanismen gibt es keine allgemeingültige Methode. Zudem ist die Vorwärtskinematik in vielen Fällen nicht analytisch lösbar. Hier hilft bei einer bereits aus anderen Anwendungen bekannten Struktur die Literaturrecherche. Bei nicht analytisch lösbaren Problemstellungen kann inzwischen auch über eine numerische Echtzeit-Lösung nachgedacht werden. In einem einfachen Newton-Raphson-Näherungsverfahren,
198
8 Kinematikentwurf
können Lösungen (Nullstellen) für geschlossene Vektorzüge gefunden werden. Auf einem PC mit einigen GHz Taktfrequenz ist diese Berechnung für haptische Regelungen noch nicht schnell genug. Angepasste Hardware wie z.B. Field Programmable Gate Arrays (FPGA) sind jedoch für diese Berechnungen geeignet und bieten das Potential, kinematische Probleme numerisch innerhalb von deutlich unter 1 ms zu berechnen.
Optimierung der Strukturabmessungen In Abschnitt 8.1.4 wurde bereits auf die Schwierigkeiten bei einer automatisieren Optimierung von Mechanismen hingewiesen. Wenigstens sollte eine Analyse der Lage der Singularitären und ggf. eine intuitive Optimierung der Struktur durchgeführt werden, damit das Bedienelement in jedem Punkt des Arbeitsraums eine Kraftübertragung gewährleistet.
Kapitel 9
Aktorentwurf
T HORSTEN A. K ERN , M ARC M ATYSEK , S TEPHANIE S INDLINGER
Während in den beiden vorangegangenen Kapiteln mit den Grundlagen der Regelungstechnik sowie der Kinematik Themen mit eher strukturierendem Charakter behandelt wurden, wird in diesem und den folgenden Kapiteln der Entwurf einzelner Komponenten diskutiert. Die Aktoren stellen dabei die wichtigste Komponente jedes haptischen Systems da, da deren Auswahl bzw. Konstruktion maßgeblich zu dem haptischen Eindruck des Systems beiträgt. Das Kapitel behandelt die bei haptischen Systemen häufig eingesetzten Aktoren entsprechend ihren physikalischen Wirkprinzipien gegliedert. Für jeden Aktortyp werden die wichtigsten physikalischen Grundlagen vermittelt, Beispiele für ihre Auslegung gegeben und eine oder mehrere Anwendungen diskutiert. Andere, selten für haptische Systeme genutzte Aktorprinzipien werden mit kurzen Beispielen im Abschnitt 9.6 ”Sonderformen” behandelt, bzw. in der Übersicht über die physikalischen Wirkprinzipien in Abschnitt 9.1 eingeordnet. Die Erfahrung zeigt, dass es für haptische Anwendungen geeignete Antriebe selten ”von der Stange” gibt. Sie stellen immer besondere Anforderungen, sei es in der Drehzahl, Leistungsdichte oder Geometrie. Dies bedingt, dass auch reine Anwender von Aktuatoren über die Möglichkeiten der Modifikation bestehender Antriebe, aber auch die physikalischen Grenzen eines Antriebsprinzips informiert sein sollten. Dieses Kapitel richtet sich daher sowohl an die Anwender als Leser, die lediglich einen geeigneten Aktor auswählen wollen, sowie die Hardwareingenieure, die einen spezifischen Aktor für ein haptisches Gerät selbst entwerfen wollen.
199
200
9 Aktorentwurf
9.1 Allgemeines zum Aktorentwurf T HORSTEN A. K ERN
Vor der endgültigen Auswahl der für ein haptisches System geeigneten Aktorik sollte die Kinematik und die regelungstechnische Struktur entsprechend den vorangegangenen Kapiteln feststehen. Um diese beiden Fragestellungen wiederum sinnvoll bearbeiten zu können, ist ein grundlegendes Verständnis der für haptische Anwendungen zur Verfügung stehenden Aktoren und der damit realisierbaren Energiedichten, Kräfte und Wege notwendig. Dieser Abschnitt macht einige Vorschläge, die helfen eine Vorselektion geeigneter Aktoren anhand der aus den Spezifikationen bekannten Parameter zu treffen.
9.1.1 Übersicht über nutzbare Aktorprinzipien Es gibt eine Reihe allgemeiner Ansätze, eine beliebige Energie in mechanische Energie zu wandeln. Jeder dieser Wege beschreibt einen Aktortyp und wird als “Wirkprinzip“ bezeichnet. Die bekanntesten häufig genutzten Wirkprinzipien sind: • Elektrodynamisches Prinzip - Kraft, so genannte Lorentzkraft, die auf einen strom-durchflossenen Leiter in einem Magnetfeld wirkt. • Elektromagnetisches Prinzip - Kraft, die auf einen Magnetkreis wirkt um die in diesem enthaltene Energie zu minimieren. • Piezoelektrisches Prinzip - Kraft, die in Folge einer angelegten Spannung auf einen Kristallverbund wirkt und diesen deformiert. • Kapazitives Prinzip - Kraft, resultierend aus dem Bestreben von Ladungen die in einem Kondensator gespeicherte Energie zu minimieren. • Magnetorheologisches Prinzip - Viskositätsänderung einer Flüssigkeit die aus dem Bestreben von Partikeln resultiert, die in einem Magnetkreis enthaltene Energie zu minimieren. • Elektrochemisches Prinzip - Hub bzw. Druck in einem geschlossenen System, bei dem unter Anwendung elektrischer Energie ein Material ausgast und somit sein Volumen ändert. • Thermisches Prinzip - Längenänderung eines Materials aufgrund der gezielter Temperaturänderungen resultierend aus dem thermischen Ausdehnungskoeffizienten. • Formgedächtnis-Legierung - Formänderung eines Materials aufgrund von relativ niedrigen Temperaturänderungen (≈ 500◦ C) in eine Ursprungsform, die bei der Herstellung unter hohen Temperaturen (≈ 1000◦C) eingeprägt worden war. Jedes dieser Wirkprinzipien wird in unterschiedlichen Ausführungsformen genutzt. Diese unterscheiden sich in der Wirkrichtung z.B. eines Kraftvektors (das
9.1 Allgemeines zum Aktorentwurf
201
elektromagnetische Prinzip teilt sich auf in Magnetische Antriebe und Reluktanzantriebe; das piezoelektrische Prinzip z.B. in drei Aktorformen in Abhängigkeit der Stellung zwischen dem elektrischen Feld und der Bewegungsrichtung) oder dem Bauprinzip (Resonanzantriebe vs. Direktantriebe). Resultat sind eine Vielzahl von geprägten Begriffen für Aktuatoren, die im Folgenden eingeordnet werden: • Elektromotor - der allgemeinste Begriff überhaupt. Kann jeden elektromechanischen Wandler beschreiben, meint aber in der Regel einen Aktor der eine kontinuierliche, rotatorische Bewegung macht, bei der Ströme entweder durch Kommutierung (mechanisch oder elektrisch) oder über ein Drehstromsystem geschaltet werden. Es handelt sich in der Regel um Synchronläufer, also ein Antrieb, bei dem der Rotor sich synchron mit dem Drehfeld bewegt. Der Begriff umfasst aber im allgemeinen Sinne bei Drehstromsystemen auch Hysteresemotoren und Käfigläufer, die aber bisher für haptische Anwendungen nicht einmal in Sonderfällen Bedeutung erlangt haben. • EC-Antrieb - Spezielle Form des Synchronmotors und bei haptischen Anwendungen sehr verbreitet. Motor nach elektromagnetischen oder elektrodynamischen Prinzip mit gezielter elektronischer Steuerung des Drehfeldes (elektronisch kommutiert, electronic-commutated) • DC-Antrieb - Eine andere spezielle Form des Synchronmotors und bei haptischen Anwendungen gerne aufgrund seiner geringen Kosten genutzt. Motor nach elektromagnetischen oder elektrodynamischen Prinzip mit gezielter mechanischer Steuerung des Drehfeldes über geschaltete Kontakte (mechanisch kommutiert. mechanically-commutated ) • Resonanzantrieb - Oberbegriff für Aktuatoren nach unterschiedlichen Wirkprinzipien. Beschreibt einen Aktor, bei dem eine Komponente des Antriebs in einer mechanischen Resonanz (in einer Mode) oder nahe dieser Mode betrieben wird. Das Element macht dabei meist elliptische Schwingungen mit der Resonanzfrequenz, und treibt dabei über Reibkopplung ein zweites Element mit diesen schnellen Schritten. Durch die hohe Frequenz wirkt die Bewegung des zweiten Elementes kontinuierlich. Der Begriff wird vor allem in Verbindung mit piezoelektrischen Aktoren gerne verwendet. • Ultraschallmotor - Resonanzantrieb, der Schritte mit einer Frequenz im Ultraschallbereich (>15 kHz) durchführt. Diese Aktoren werden quasi immer nach dem piezoelektrischen Wirkprinzip gebaut. • Tauchspulmotor (voice-coil actuator) - Antrieb nach dem elektrodynamischen Prinzip, bei dem ein auf einen Zylinder gewickelter Leiter in einem spezielle angeordneten Magnetkreis bestromt wird, so dass eine Abstoßung zwischen Spule und Magnetkreis auftritt. Gibt es mit “bewegten Magneten“ und “bewegter Spule“. • Shaker - Andere Form des Tauchspulmotors ergänzt um eine elastische Aufhängung der Spule, so dass durch den Gleichgewichtszustand zwischen Feder der Aufhängung und Kraft auf die Spule eine Auslenkung eingestellt werden kann. Wird gerne in Zusammenhang mit der schnellen (dynamischen) Bewegung von Massen verwendet um Schwingungstests durchzuführen (daher der Begriff
202
• •
•
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• •
•
9 Aktorentwurf
“Shaker“). Ist aber quasi nichts anderes, als ein Lautsprecher ohne räumlich ausgedehnte Membran als Schallwandler. Tauchanker - Aktor nach dem elektromagnetischen Prinzip, bei dem ein Stab aus ferromagnetischen Material in einen mit einer Spule versehenen Eisenkreis gezogen wird. Stark nichtlinear in der Kraft-Weg-Kennlinie. Schrittmotor - Oberbegriff für alle Aktorprinzipien, die sich schrittweise fortbewegen. Der Unterschied zu den Resonanzantrieben liegt darin, dass hier keine Komponenten des Aktors in einer mechanischen Resonanz betrieben werden. Die Frequenzen der Schritte liegen deutlich unterhalb derer von Resonanzantrieben. Der Begriff wird am häufigsten auf rotatorische Antriebe angewendet, die nach dem Reluktanzprinzip oder einem anderen elektromagnetischen Antriebsprinzip arbeiten. Pneumatik und Hydraulik - Dies sind Aktorprinzipien, die keine elektrische Eingangsgröße haben. Sie wandeln Druck und Volumenfluss in Auslenkung und Kraft. Medium der Druckübertragung ist bei der Pneumatik die Luft, bei der Hydraulik eine Flüssigkeit, i.d.R. ein Öl. Die Druckerzeugung erfolgt meist über den elektrischen Aktor in Form eines Kompressors. Biegeaktor - Aktor, häufig Piezoaktor, der sich zusammen mit einem mechanisch passiven Substrat durch innere mechanische Spannungen bei der Ansteuerung der elektrisch aktiven Schicht(en) verbiegt. Piezostapel - Mehrere piezoelektrische Schichten mechanisch in Reihe geschaltet, so dass die kleinen Auslenkungen der Schichten sich zu einer großen, nutzbareren Auslenkung addieren. Piezomotor - Oberbegriff für alle piezoelektrischen Antriebe. Bezeichnet insbesondere Antriebe, die über einen Reibschluss einen Rotor oder einen Translator quasi kontinuierlich bewegen, ohne dabei zwingend in Resonanz betrieben zu werden. Kapazitiver Aktor - Vor allem in der Mikrotechnik verbreiteter Aktor mit kammartig verzahnten Elektrodenpaaren, der Kräfte im mN-Bereich bei μ m Auslenkung ermöglicht. Formgedächtnis-Draht (Shape-memory wire) - Draht auf der Basis des Formgedächtnis-Prinzips, der zu Verkürzungen im Prozentbereich (≈ 8% der Gesamtlänge) bei Änderung der Temperatur (z.B. durch Kontrolle des durch den Draht fließenden Stromes) fähig ist. Oberflächenwellen (surface wave) - Oberbegriff für eine Gruppe von Aktoren, die durch hochfrequente Schwingungen in mechanischen Strukturen stehende Wellen erzeugen oder die Resonanzmoden der Struktur anregen. Dieser Aktor hat häufig piezoelektrische Aktoren als Grundlage und wird seit einigen Jahren gerne im Bereich von haptischen Textursimulationen eingesetzt.
Jedes dieser Aktorprinzipien hat bereits Anwendung in taktilen und/oder kinästhetischen Systemen gefunden. Um bei der Vielfalt der Möglichkeiten ein Entscheidungskriterium zu haben, lassen sich diese Aktuatoren in Klassen zusammenfassen. Die meisten dieser physikalischen Wirkprinzipien und deren Realisation in konkre-
9.1 Allgemeines zum Aktorentwurf
203
te Produkte lassen sich in “selbsthemmende“ Systeme und “freilaufende“ Systeme, oder kurz • Positionsquellen (x) bzw. Winkelquellen (α ) • Kraftquellen (F) bzw. Drehmomentenquellen (M) gruppieren. Aus dem Verständnis für die grundlegensten haptischen Strukturen (Kap. 5) lässt sicher vermuten, dass beide Klassen in unterschiedlichen haptischen Systemen zum Einsatz kommen. In Tabelle 9.1 sind die Strukturen haptischer Systeme und die dabei typischerweise eingesetzten Aktoren zugeordnet. Die Tabelle zeigt eine Tendenz. Es ist aber unter der geschickten Kombination von passiven Bauelementen prinzipiell möglich jeden Aktor für jede Klasse einzusetzen. Tabelle 9.1: “Klassische“ Einsatzgebiete der Aktorprinzipien bei haptischen Systemen X: wird häufig von mehreren Gruppen verwendet bzw. ist kommerzialisiert; (X): einige Aufbauten, vor allem Forschung; -: sehr selten bis gar nicht, und wenn nur in Forschungskontext); T YP: Gibt einen Anhaltspunkt, welcher Aktortyp (translatorisch oder rotatorisch) häufiger zum Einsatz kommt. Wenn der Aktor ungewöhnlich ist, aber existiert, dann ist die Markieerung in Klammern gesetzt.
1 2
Kontroll-Typ: Typ
Aktor
Admittanz Impedanz Reg. Steuer. Steuer. Reg.
Rot. Rot. & transl. Rot & transl. Rot & transl. Rot & transl. Transl. Transl. Transl. Rot. (& transl.) Transl. (& rot.) Transl. (& rot.) Transl. Transl. Transl. & rot. Transl. Transl. Transl.
Elektromotor1 EC-Motor DC-Motor Resonanz-Motor Ultraschall-Motor Voice-Coil Shaker Tauchanker Schrittmotor Pneumatisch Hydraulisch Biegeaktor Piezo-Stapel Piezo-Aktor Kapazitiv Formgedächtnis Oberflächenwelle
X X X X X X (X) (X) X -
X X X X X X X X X X (X) (X) (X)
(X)2 X X (X) (X) X X -
X X X -
im Sinne eines mechanisch Kommutierten Antriebes mit einer Leistung von 10 bis 100 W durch hochfrequente Vibrationen der Kommutierung
204
9 Aktorentwurf
9.1.2 Aktor-Auswahlhilfe Dynamik
Kraft [N] Drehmoment [Nm]
Die verschiedenen Bauformen der Aktoren eines Prinzips decken Leistungsbereiche in Form eines erzielbaren Hubs oder einer erzielbaren Kraft bzw. Moment ab. Abbildung 9.1 setzt auf Basis der Erfahrungen des Autors diese Eigenschaften in Bezug zu dem für Haptikanwendungen interessanten Dynamikbereich. Die wichtigsten Aktorprinzipien sind hier über Rechtecke realisierbaren Hüben (a)3 und typischen Ausgangskräften bzw. Drehmomente (b) zugeordnet. Der tatsächlich durch einen spezifischen Aktor eines Prinzips individuell abgedeckte Bereich ist allerdings in der Regel geringer als die hier angezeigte Fläche. Das Diagramm ist so zu lesen, dass es zum Beispiel für Haptik-Anwendungen sinnvoll nutzbare elektromagnetische Linearaktoren gibt, die bis zu ≈ 50 Hz bei 5 mm Hub arbeiten. Diese Ausführungsform ist aber nicht spezifisch dieselbe die gleichzeitig ≈ 200 N Kraft generiert, da bei elektromagnetischen Systemen die nutzbare Kraft mit kleinem absoluten Hub quadratisch (siehe Abschnitt 9.3) steigt. Die Diagramme aus Abbildung 9.1 verdeutlichen die Bandbreite möglicher Realisationen nach einem bestimmten Aktorprinzip und zeigen den bevorzugten Dynamikbereich. Bei der Verwendung der Diagramme muss allerdings berücksichtigt werden, dass die Grenzen fließend sind und immer im Kontext des Einsatzes und von dem individuellen Aktorentwurf betrachtet werden müssen.
Weg [mm]
Hydraulisch
100
Elektromagnetisch Rotatorisch
Hydraulisch Piezo-Stapel
100
E.-magnetisch linear
E.-Magnetisch Rotatorisch
Reluktanz rotatorisch (Schrittmotor)
10 Linearer Reluktanzmotor (Schrittmotor)
Ultraschall linear
El.-dyn. rotatorisch
Reluktanz (Schrittmotor) rotatorisch
El.-dyn. rotatorisch
10
El.-dyn. linear
El.-dyn. linear
E.-Magnetisch linear
Piezo-Biege Piezo-Biege
1
1
Kapazitiv Piezo-Stapel
a) 1
10
100
Ultraschall linear
Reluktanz (Schrittmotor) linear
b) 1000
f [Hz]
Kapazitiv
1
10
100
1000
f [Hz]
Abb. 9.1 Einordnung der Aktorprinzipien entsprechend den erzielbaren Hüben (a) und Kräfte bzw. Momente (b) über den Dynamikbereich.
3
für kontinuierliche, rotatorische Systeme ist der Hub natürlich quasi unendlich.
9.1 Allgemeines zum Aktorentwurf
205
9.1.3 Getriebe Die Anwendung von Getrieben ist im allgemeinen Maschinen- und Gerätebau das Mittel der Wahl, Aktoren an ihre Last und Lasten an die Antriebe anzupassen. Getriebe existieren in einer Vielzahl von Formen. Ein einfacher Hebel kann ein Getriebe sein, eine komplexe Kinematik entsprechend Kapitel 8 ist immer ein stark nichtlineares Getriebe. Spezielle Getriebeformen werden in den jeweiligen Kapiteln zu den Aktorprinzipien diskutiert. Es gibt aber eine allgemeine Überlegung beim Einsatz von Getrieben, die für haptische Systeme eine besondere Bedeutung erhält: Die Skalierung der Impedanzen.
aout Mout
ain Min r2
a)
ain Min
xout Fout xout Fout
r1 b)
l2
l1
xin Fin
r1
c)
Abb. 9.2 Einfache Getriebeanordnungen für Wälzräder (a), einen Hebel (b) und ein Seilzug (c) .
Prinzipiell spricht nichts gegen den Einsatz von Getrieben beim Entwurf haptischer Systeme. Jedes Getriebe (Abb. 9.2), sei es rotatorisch/rotatorisch (Zahnrad oder Reibräder), translatorisch/translatorisch (Hebel bei kleinen Auslenkungen), rotatorisch/translatorisch (Seilzug) hat eine Übersetzungsverhältnis “tr“. Dieses Übersetzungsverhältnis skaliert unter der Vernachlässigung von Verlusten und Reibung Kräfte und Momente entsprechend Fout l2 = tr = , Fin l1
(9.1)
Mout r2 = tr = , Min r1
(9.2)
Fout 1 = tr = , Min 2π r1
(9.3)
und Wege bzw. Winkel entsprechend xin l2 = tr = , xout l1
(9.4)
αin r2 = tr = , αout r1
(9.5)
206
9 Aktorentwurf
αin 1 = tr = . xout 2π r1
(9.6)
Die Geschwindigkeiten und Winkelgeschwindigkeiten skalieren analog als Differential obiger Gleichungen. Ausgehend von der Definition der Impedanz des Motors Z transl = Fv bzw. Z rot = M α
bedeutet das, dass für die mit einem Motor zu treibenden Impedanzen Z out (Lastfall) gilt: Z transl = Z rot =
1 1 F in F = out 2 = Z transl out 2 vin vout tr tr
(9.7)
M in M 1 1 = out = Z rot out 2 2 α α tr tr
(9.8)
Das Übersetzungsverhältnis tr geht quadratisch in die Berechnung der Impedanzen ein. Die zu treibende Impedanz des Systems wird also mit einem Getriebe der Übersetzung größer Eins aus Sicht der Aktors klein. Dies ist günstig für den Aktorentwurf (und der eigentliche Grund für den Einsatz von Getrieben). Bei haptischen Systemen, insbesondere den impedanzgesteuerten, ist allerdings auch der umgekehrte Fall zu betrachten, der einen Leerlauf des Systems widerspiegelt. Bei einem Übersetzungsverhältnis größer Eins4 steigt die wahrgenommene mechanische Impedanz eines Systems Z out quadratisch mit der Übersetzung an. Dies ist insofern kritisch, da eine gewollte Erhöhung der Ausgangskraft nur linear mit dem Übersetzungsverhältnis ansteigt, während z.B. die ungewollte Wahrnehmung der Massenträgheiten eines Rotors quadratisch skalieren. Dieser Effekt ist jedem bekannt, der versucht hat ein hochübersetzendes Getriebe (tr = 100) am Abtrieb zu drehen. Die Massenträgheit des Motors und die internen Reibungen sind quasi gleichzusetzen mit einer Selbsthemmung des gesamten Systems. Als ein Resultat dieser Abhängigkeiten ist die Verwendung von Getrieben bei Kraftgesteuerten haptischen Systemen auf Übersetzungsverhältnisse von 1 bis maximal 20 (mit deutlichen Schwerpunkt auf die Übersetzungsverhältnisse 3 bis 6) sinnvoll. Für höhere Übersetzungsverhältnisse haben sich insbesondere Systeme nach Abbildung 9.2c und Gleichung 9.6 bewährt. Sie werden in vielen kommerziellen Systemen eingesetzt, da hier durch die Definition tr = 2π1r1 und den darin enthaltenen Faktor 2π sich leicht ein niedriges Übersetzungsverhältnis generieren lässt. Bei entsprechenden rotatorischen Aktoren (typisch: EC-Antriebe) mit sehr niedriger Impedanz hat diese Anordnung ausgesprochen gute dynamische Eigenschaften. An dieser Stelle noch ein Hinweis aus der Erfahrung: Zahnräder können bei haptischen Systemen eingesetzt werden, aber nur wenn die durch die Verzahnung resultierenden Welligkeiten im Drehmoment beachtet und konstruktiv weitestgehend minimiert werden. Das heißt, die Zahnräder sollten spielfrei (Achtung, geringes Spiel resultiert immer in einer höheren Reibung und hohen Verlusten), am Besten durch 4
was dem Regelfall entspricht, da üblicherweise sich schnell bewegenden Aktoren in langsame Bewegungen übersetzt werden müssen.
9.1 Allgemeines zum Aktorentwurf
207
Materialpaarungen mit einem weichen Material, entworfen werden und zumindest einseitig mit einer Geradverzahnung (also keiner Evolventenverzahnung) versehen werden.
208
9 Aktorentwurf
9.2 Elektrodynamische Aktoren T HORSTEN A. K ERN
Elektrodynamische Aktoren sind aufgrund der direkten Proportionalität ihrer Steuergröße (dem elektrischen Strom) und der Ausgangsgröße (Kraft oder Drehmoment) die bevorzugten Aktoren für viele haptische Anwendungen. Im Falle kinästhetischer Systeme werden sie zumeist als steuerbare Kraftquellen eingesetzt. Aber auch bei taktilen Systemen finden sie als sehr dynamischer Aktor Anwendung zur Schwingungsstimulation von Hautarealen. Sie werden hierbei gleichermaßen rotatorisch wie translatorisch eingesetzt. Mal bewegen sich die Spulen, mal wird der Magnet bewegt. Das folgende Kapitel gibt eine kurze Einführung in die Berechnungsgrundlagen elektrodynamischer Systeme, stellt dann einige Bauformen der Aktoren im Detail vor und schließt mit einem Blick auf die Möglichkeiten zur Ansteuerung der Aktoren für haptische Anwendungen.
9.2.1 Der Elektrodynamische Effekt und seine Einflussgrößen Elektrodynamische Aktoren basieren auf der L ORENTZ-Kraft FLorentz = i · l × B,
(9.9)
die auf bewegte Elektronen in einem magnetischen Feld wirkt. Die L ORENTZKraft ist abhängig vom Strom i, der magnetischen Induktion B sowie der Länge der Wicklung l. Die folgenden Abschnitte beschäftigen sich mit der Optimierung der einzelnen Parameter zur Maximimierung der erzeugten Ausgangskraft FLorentz . Elektrodynamische Aktoren bestehen immer aus drei Komponenten: • Magnetfelderzeugung (Spule, oder meistens Magnet), • Flussführung (auch Eisenkreis), • elektrischer Leiter (meistens als Spule oder komplexe Wicklung ausgeführt). Bei oberflächlicher Betrachtung wird gerne die Empfehlung zur Maximierung des Stroms i in dem elektrischen Leiter ausgesprochen. Ein gegebener Bauraum für die Leiterlänge l (Wicklungsqeurschnitt) und die ebenso nicht unendlich steigerbare Flussdichte (typisch 0,8 bis 1,4 T) B beschränkt die Wirksamkeit dieser Schrittes meistens, was an einem Rechenbeispiel deutlich gemacht wird.
9.2.1.1 Wirkungsgrad elektrodynamischer Aktoren Exemplarisch wird eine der einfachsten Konstruktionen eines elektrodynamischen Aktors in Form des AVM 20-10 (Abb. 9.3) betrachtet, bestehend aus einer gewi-
9.2 Elektrodynamische Aktoren
209 Wicklung
FLorent z
Pol-Schuh
i B S N
Eisenrückschluss
Magnet
Abb. 9.3 Tauchspul-Aktor Baureihe AVM von adrive-technology als Grundlage für das Rechenbeispiel.
ckelten Spule und einem permanentmagnetisch-erregten Eisenkreis. Die elektrische Verlustleistung Pel dieses elektrodynamischen Systems in Form einer kleinen Tauchspule mit einem Wicklungswiderstand von Rcoil = 3.5 Ω und einem Nennstrom i = 0.78 A ergibt sich zu Pel = Rcoil i2 = 3.5 Ω · 0.78 A2 = 2.13 W.
(9.10)
Bei dieser elektrischen Verlustleistung generiert der Aktor bei einer Flussdichte von B=1.2 T, einer orthogonalen Leiteranordnung, und einer Leiterlänge im Luftspalt von l=1,58 m die Kraft FLorentz = i l B = 0.78 A · 1.58 m · 1.2 T = 1.48 N.
(9.11)
Geht man davon aus, dass das System im Leerlauf betrieben wird, d.h. ausschließlich die Spulenmasse mit m=8.8 g aus dem Ruhezustand hinaus beschleunigt, dann wird die elektrische Leistung bei einem Hub von x=10 mm für einen Zeitraum von x xm t= 2 = 2 = 0.011 s (9.12) a F benötigt. Die elektrische Verlustenergie ergibt sich also zu Wel = Pel · t = 23, 4 mJ.
(9.13)
mech Dies ergibt einen Wirkungsgrad von W W+W = 38% für den Leerlaufbetrieb. el mech Nimmt man nun an, dass derselbe Aktor eine Fingerkuppe mit einer Kraft von 1 N über einen Zeitraum von z.B. zwei Sekunden beaufschlagen soll, dann ergibt sich Wel = 2.13 W · 2s = 4.26 J, was einem Wirkungsgrad des Systems «1% entspräche. Und tatsächlich liegt der Wirkungsgrad elektrodynamischer Aktoren in vielen haptischen Anwendungen mit statischen Kräften in diesen geringen Bereichen. Diese
210
9 Aktorentwurf
einfache Rechnung verdeutlicht das Problem elektrodynamischer Systeme auf drastische Weise: Die elektrische Leistung, deren Wärme abgeführt werden muss, überwiegt die mechanisch abgegebene Leistung um ein Vielfaches. Es ist daher notwendig, beim Entwurf elektrodynamischer Aktoren der Optimierung der Leistung im Aktorvolumen und dem Wärmemanagement gehobene Aufmerksamkeit zu schenken.
9.2.1.2 Minimierung der Verlustleistung Typische Bauformen elektrodynamischer Aktoren nutzen einen gewickelten Leiter in selbsttragender Form oder auf einem Spulenträger gewickelt (Abb. 9.4). Da der Bauraum für die Wicklung, der innerhalb eines homogenen Magnetfeldes zur Verfügung steht, begrenzt ist (Querschnittsfläche ACoil ), ist die Anzahl der Leiterschleifen NConductor innerhalb der Fläche abhängig von den geometrischen Abmessungen der Querschnittsfläche sowie der Fläche AConductor , die ein einzelner Leiter im gewickelten Zustand benötigt (Gl. 9.15). Diese Fläche entspricht nicht nur der Fläche der effektiv leitenden Kupferseele ACore , sondern berücksichtigt auch die Dicke der Isolation sowie die räumliche Ordnung, die unterschiedliche Drahtdurchmesser bei maschineller Wicklung einnehmen. Derartige Parameter sind tabellarisch hinterlegt [181] und werden hier als Faktor k ≥ 1 angenommen (Gl. 9.15). Die Länge l des Leiters ergibt sich durch Multiplikation der Anzahl der Leiter mit dem Umfang Circ (Gl. 9.16). i
ASpule
B
Pole-Schuh des Magnetkreises
Acore
Aconductor
Zylindrische Wicklung im Querschnitt
FLorent z
Abb. 9.4 Schnitt durch einen zylindrischen elektrodynamischen Aktor nach dem Tauchspulprinzip.
Die Wahl des Drahtdurchmessers hat über die Fläche ACore deutlichen Einfluss auf den Widerstand der Wicklung. Der spezifische längenbezogene Widerstand Rspezf eines Drahtes ergibt sich aus Gl. (9.17). Große Drahtdurchmesser mit großer Fläche ACore ermöglichen Wicklungen mit hohen Strömen bei geringer Spannung aber in begrenztem Bauraum mit weniger Windungen. Kleine Drahtdurchmesser ermöglichen die Begrenzung von den notwendigen Strömen bei hohen Spannun-
9.2 Elektrodynamische Aktoren
211
gen, aber mehr Windungen innerhalb eines begrenzten Bauraumes. Durch eine gute Auslegung des Drahtdurchmessers kann die Wicklung als Last an eine zugehörige Quelle angepasst und maximale Leistung entnommen werden. Die Leistung, die innerhalb einer Wicklung umgesetzt werden darf, ist allerdings begrenzt. Die Begrenzung resultiert aus der umgesetzten Verlustleistung PVerlust (Gl. 9.18) und der dabei entstehenden Wärme, die abgeführt werden muss. Die Möglichkeiten hierzu sind abhängig von der Betriebsdauer, dem Bauvolumen des Aktors, den verwendeten Materialien und einer eventuellen Kühlung. AConductor = k · ACore NConductor =
ACoil AConductor
lConductor = NConductor ·Circ Rspezf. =
lConductor ρ AConductor
PLoss = i2 · RCoil Aus Gl. 9.18 folgt
i=
Mit Gl. (9.17) ergibt sich:
(9.14) (9.15) (9.16) (9.17) (9.18)
PLoss RCoil
(9.19)
PLoss ACore ρ lConductor
(9.20)
i=
Eingesetzt in (9.9) (und unter Beibehaltung der Richtung des Stromflusse ei ) gilt: PLoss ACore lConductor ei × B (9.21) FLorenz = ρ Unter Verwendung von Gl. (9.15) bis (9.16) ergibt sich: PLoss ACoil N Circ FLorenz = ei × B ρk
(9.22)
Die Gleichungen 9.15 bis 9.18 in Gleichung 9.9 eingesetzt, ergibt eine präzisere Betrachtung der Einflussgrößen auf die L ORENTZ-Kraft nach Gleichung 9.22. Die Höhe der L ORENTZ-Kraft wird bestimmt durch die Verlustleistung PLoss, die in der Spule umgesetzt werden darf. Besteht noch Einfluss auf die geometrische Gestaltung, dann muss die Fläche der Wicklung sowie der Umfang des Wicklungskörpers maximiert werden. Weiterhin kann durch Materialwahl (z.B. Aluminium statt Kupfer) der spezifische Widerstand minimiert werden. Außerdem sollte der Füllfaktor k verringert werden. Hierbei bietet sich z.B. die Verwendung von Drähten mit rechte-
212
9 Aktorentwurf
ckigem Querschnitt an, um leere Zwischenräume zu vermeiden. Die Frage nach dem maximalen Strom ist lediglich in Verbindung mit der zur Verfügung stehenden Spannung relevant, wenn eine Leistungsanpassung des Wicklungswiderstandes an die Quelle erfolgen muss. Hierbei muss für iSource und uSource der entsprechende Wicklungswiderstand entsprechend Gl. (9.24) ausgewählt werden. PSource = uSource · iSource = i2Source · RCoil RCoil =
PSource i2Source
(9.23) (9.24)
Bemerkenswert ist, dass aus der Sicht des Entwurfs bei realistischer Betrachtung der L ORENTZ-Kraft nach Gl. 9.22 eine Steigerung des Stroms nicht erstrebenswert ist. Die Möglichkeit PLoss zu optimieren, indem Kühlung vorgesehen wird oder die Betriebs- und Ruhezeiten genau analysiert werden, ist viel bedeutender. Weiterhin zeigt die Rechnung, dass die Flussdichte B einen relativ zu den anderen beteiligten Größen quadratisch höheren Einfluss auf die Maximalkraft hat.
9.2.1.3 Maximierung der magnetischen Flussdichte B Generell ist für die Optimierung elektrodynamische Aktoren eine Maximierung der magnetischen Flussdichte B an der Stelle notwendig, an der die stromführenden Leiterschleifen liegen. Diese Stelle ist in der Regel ein Luftspalt. Die Höhe der magnetischen Flussdichte wird vornehmlich durch die Auslegung des Magnetmaterials bzw. der Erregerwicklung des statischen Grundfeldes, sowie die Auslegung der Flussführung beeinflusst. Im Rahmen dieses Buchs geben wir einige grundlegende Entwurfshinweise an die Hand. Für eine weiterführende Betrachtung und Optimierung dieser Auslegung wird auf [122] verwiesen.
Grundlagen der Berechnung magnetischer Kreise Die Berechnung magnetischer Kreise weist Parallelen zu der Berechnung elektrischer Netzwerke auf. Man kann entsprechend Tabelle 9.2 Analogien zwischen elektrischen und magnetischen Größen definieren. Hierbei ist die direkte Analogie von dem magnetischen Fluss φ die elektrische Ladung Q. Für die Arbeit mit den Größen bietet es sich jedoch an, in elektrischen Strömen I als Analogon zum magnetischen Fluss zu denken. Man beachte jedoch, dass dies eine pure Denkhilfe ist, die mathematisch nicht der Realität entspricht. Das direkte Analogon im magnetischen Fall wäre ein zeitabhängiger magnetischer Fluss dφ dt , der üblicherweise nicht mit einem eigenen Formelzeichen definiert ist. Die Besonderheit in der Modellvorstellung ist die magnetische Durchflutung Θ , die analog
9.2 Elektrodynamische Aktoren
213
Tabelle 9.2 Analogien zwischen elektrischen und magnetischen Größen. Beschreibung
Elektrisch
Magnetisch
Fluss differentieller Fluss
Ladung Q [C=As] I = dQ dt [A]
magnetischer Fluss φ [Vs]
Flussgröße
Verschiebunsdichte D [C/m2 ] Q = DdA
Flussdichte B [T=Vs/m2 ] φ = BdA
A
Stromdichte J [A/m2 ] I = JdA
A
A
Spannung U [V] Elektromechanische Kraft (EMK)
Durchflutung Θ [A] Magnetomechanische Kraft (MMK)
Induktionsgesetze
U = −N ddtφ
Θ = N dQ dt Θ =NI (N= Windungszahl)
Feldgröße
el. Feldstärke E [V/m]
magn. Feldstärke H [A/m]
Differentialgröße
Spannung U [V] U = ab Eds
magnetische Spannung V [A] V = ab Hdl
Maschengleichung
Uges = ∑ Ui
Θ = ∑ Vi
el. Widerstand R [Ω ]
magn. Widerstand Rm [A/Vs] Reluktanz Rm = Vφ
El.-Mag. Kopplung auch früher:
i
Widerstandsgröße
R=
U I
i
Kopplungsfaktoren
Permittivität ε = ε0 εr (ε0 = 8, 854 · 10−12 C/Vm)
Permeabilität μ = μ0 μr (μ0 = 1, 256 · 10−6 Vs/Am)
Kopplung zwischen Feld und Flussgrößen
D=εE
B=μH
Leistung [W]
Pel = U · I
Energie [J]
Wel = Wel t
Wmag = φ V Wmag = ∑ Hn ln · Bn An n
zu einem Umlauf im elektrischen Netzwerk die Summe aller magnetischen Spannungen darstellt. Sie wird dennoch gesondert behandelt, da häufig Anwendungen die Erzeugung einer magnetischen Durchflutung im Eisenkreis durch eine Spule mit einer Windungszahl N und einem Stromfluss I vorsehen. Die Kopplung zwischen Feld- und Flussgrößen ist im elektrischen Fall die Permittivität ε und im magnetischen Fall die Permeabilität μ . Man erkennt, dass sich die Feldkonstanten ε0 und μ0 um den Faktor 106 unterscheiden. Dies ist ein wesentlicher Grund dafür, warum
214
9 Aktorentwurf
in makroskopischen Systemen der elektromagnetische Effekt deutlich stärkere Antriebe ermöglicht, und daher beim Bau von Aktoren bevorzugt wird5 . Es existiert aber noch eine weitere Besonderheit: Während im elektrischen Fall die elektrische Permittivität auch für komplexe Aktoren in weiten Bereichen (siehe auch Kapitel 9.5) als linear im Arbeitspunkt angenommen werden kann, weist die Permeabilität μr gängiger flussführender Materialien eine nichtlineare Abhängigkeit auf. Die Materialien geraten in Sättigung. Der Höhe des magnetischen Flusses im magnetischen Material unter Vermeidung von Sättigungseffekten kommt also eine besondere Bedeutung bei der Auslegung magnetischer Kreise zu. B [T]
1 Graugruss 2 Sintereisen 3 X12CrMosS17 1.4104 4 X4CrMoS geglüht 1.4105 5 ST37 1.0254 6 CoFe-Legierungen H [A/cm]
Abb. 9.5 Sättigungsverhalten von üblichen magnetischen Materialien[122] .
Eisenkreis Für die Maximierung der magnetischen Flussdichte ist die mathematische Berechnung und/oder die Simulation des magnetischen Kreises notwendig. Für die Simulation magnetischer Felder wird auf marktübliche Software von CAD und FEM Herstellern verwiesen6. In der Berechnung unterscheidet man bei magnetischen 5 In mikrotechnischen Systemen ist die Energiedichte bezogen auf das Bauvolumen der zu optimierende Faktor. Die Fertigung von miniaturisierten Platten für kapazitive Aktoren hat gegenüber der Fertigung von Spulen mit miniaturisierten Eisenkreisen hier deutliche Vorteile, und wird daher bevorzugt eingesetzt. 6 Für den Anfang gibt es auch frei verfügbare Programme zur Magnetfeldberechnung, z.B. für rotationssymmetrische oder planare Systeme von DAVID M EEKER unter dem Namen “Femm“.
9.2 Elektrodynamische Aktoren
215
Kreisen zwischen stationären, quasistationären und dynamischen Magnetfelder. Bei stationären Magnetfeldern findet keine zeitliche Änderung des Magnetkreises statt und ein eingeschwungener Zustand der Flussdichte wird angenommen. Bei quasistationären Felder wird die Induktion berücksichtigt, die durch Änderungen im Magnetfeld-erzeugenden Strom oder durch Bewegung der Anker hervorgerufen wird. Dynamische Magnetfelder berücksichtigen weitere Effekte von den dynamischen mechanischen Eigenschaften bewegter Komponenten bis hin zu Änderungen der Geometrie des Eisenkreises sowie der Luftspalte im Betrieb. Für elektrodynamische Aktoren ist häufig die Betrachtung von statischen Eisenkreisen für eine erste Dimensionierung ausreichend. Die relevanten dynamische Rückwirkungen für elektrodynamische Aktoren werden in Abschnitt 9.2.1.4 vorgestellt. Es stehen prinzipiell zwei Möglichkeiten zur Verfügung, die magnetische Flussdichte im Bereich der stromführenden Wicklung zu erzeugen: 1. Erzeugung über einen gewickelten Leiter in Form einer Spule (Erregerwicklung) 2. Erzeugung über einen Permanentmagneten Beide Ansätze haben spezifische Vor- und Nachteile: Bei einem gewickelten Leiter ist die Flussdichte mit B = μ (N I − HFe lFe ) theoretisch beliebig steigerbar. In der Praxis geht aber das flussführende Material in Sättigung (Abb. 9.5), so dass die Flussdichte begrenzt ist. Weiterhin wird über den ohm’schen Widerstand der Erregerwicklung Verlustleistung erzeugt, die zusätzlich zu den Verlusten aus dem elektrodynamischen Prinzip (Abschnitt 9.2.1.1) abgeführt werden muss. Durch den Verzicht auf flussführendes Material und die Verwendung von außerordentlich niederohmigen Erregerwicklungen sind theoretisch sehr hohe Feldstärken möglich7, der technologische Aufwand wird für haptische Geräte jedoch bisher nicht betrieben. Bei der Verwendung eines Permanentmagneten ist man in der maximal zur Verfügung stehenden Flussdichte (Remaneszenzflussdichte Br ) durch das Magnetmaterial beschränkt. Außerdem ist ein Magnet am ehesten mit einer Quelle vergleichbar, die eine Leistung zur Verfügung stellt. Die Flussdichte als für elektrodynamische Aktoren relevante Größe ist daher nicht unabhängig von der magnetischen Last am Permanentmagneten. Weiterhin sind die magnetischen Eigenschaften des Magnetmaterials temperaturabhängig und bei bestimmten Magnetmaterialien kann eine falsche Handhabung die magnetischen Eigenschaften des Materials beschädigen. Dennoch stellen moderne Dauermagnetmaterialien aus sogenannten “Seltenen Erden“ die bevorzugte Wahl zur Erzeugung von statischen Magnetfeldern für elektrodynamische Aktoren dar. Im Folgenden werden die Berechnungsgrundlagen für einfache Magnetkreise gezeigt. Über die hier gezeigten Verfahren hinaus ist eine analytische Präzisierung der Berechnung möglich [122]. Es wird jedoch empfohlen, 7
Magnetresonanztomographen zur medizinischen Bildgebung erzeugen in Luftspalten von bis zu einem Meter Durchmesser Feldstärlen von 2 Tesla durch die Verwendung supraleitender Spulen und quasi keiner Flussführung.
216
9 Aktorentwurf
früh im Entwurfsprozess Simulationsprogramme einzusetzen. Insbesondere Streufelder stellen für den Entwurf magnetischer Kreise eine große Herausforderung dar, und gerade Anfänger sollten sich durch die Computervisualisierung ein Gefühl für deren Verlauf entwickeln. Gleichstromerregtes Magnetfeld Abbildung 9.6a zeigt einen Magnetkreis aus Eisen mit der Querschnittsfläche A, der an einer Stelle einen Luftspalt der Länge ξG (G=Gap) aufweist. Der Magnetkreis ist von einer Spule mit N Windungen umwickelt, durch die ein Strom I fließt. Die mittlere Länge des Magnetkreises ist lFe . Für die Berechnung lässt sich der Magnetkreis in ein magnetisches Ersatzschaltbild (Abb. 9.6b) überführen. Entsprechend den Analogien aus Tabelle 9.2 erzeugt die magnetische Induktion eine Durchflutung Θ , die eine Differentialgröße ist. In Kombination mit den zwei magnetischen Widerständen des Eisenkreises RmFe und des Luftspaltes RmG ergibt sich ein magnetischer Fluss φ .
f
lFe
I N
xG
B
a)
Q
RmFe
RmG
b)
Abb. 9.6 Magnetische Felderzeugung B über stromdurchflossene Spule mit N Wicklungen (a) und zugehöriges magnetisches Ersatzschaltbild (b) .
Für die Berechnung der Flussdichte B im Luftspalt gilt die Annahme, dass der magnetische Fluss φ im Luftspalt identisch mit dem Fluss im Eisenkreis ist. Streufelder sind in diesem Beispiel nicht berücksichtigt8. Für die Flussdichte im Eisen gilt dann: B=
φ A
(9.25)
Die magnetischen Widerstände von Materialien und Übergangsflächen sind von deren Geometrie abhängig, die tabellarisch hinterlegt sind [122]. So ergibt sich für den 8
Eine Berücksichtigung von Streufeldern würde einer Parallelschaltung weiterer magnetischer Widerstände zu dem Widerstand des Luftspaltes entsprechen.
9.2 Elektrodynamische Aktoren
217
magnetischen Widerstand eines Zylinders der Länge l und des Durchmesser d z.B. ein Zusammenhang entsprechend Gleichung 9.26. Rm =
4l μ π d2
(9.26)
Für den gegebene Eisenkreis nehmen wir also die Widerstände RmFe und RmG als bekannt bzw. berechenbar an. Dann gilt für den magnetischen Fluss
Θ , RmFe + RmG
(9.27)
Θ . (RmFe + RmG ) A
(9.28)
φ= und somit für die Flussdichte B=
Mit diesem Vorgehen lässt sich durch geschicktes Annähern der magnetischen Widerstände ein beliebig komplexes Netzwerk magnetischer Kreise berechnen. Im gegebenen Fall des simplen Hufeisenmagnets mit Luftspalt gibt es zur Berechnung noch einen alternativen Ansatz: Unter der Annahme, dass die magnetische Flussdichte im Luftspalt identisch mit der Flussdichte im Eisen ist (keine Streufelder, siehe vorher) gilt für die Flussdichte B der Zusammenhang: B = μ0 μr H
(9.29)
Unter der Annahme, dass μr entweder als Faktor oder als Kennlinie (wie Abb. 9.5) vorliegt, ist also lediglich die magnetische Feldstärke im Eisen zu berechnen. Mit B B lFe + ξG μ0 μr μ0
Θ = HFe lFe + HG ξG =
(9.30)
ergibt sich für die Flussdichte B=Θ
1 lFe μ0 μr
+ ξμG0
,
(9.31)
und kann daher direkt angegeben werden. Permanent-Magnet erregtes Feld Wie zuvor erwähnt, stellt im Falle elektrodynamischer Aktoren gegenüber der elektromagnetischen Felderzeugung die Felderzeugung via Permanent-Magnet das üblich Vorgehen dar. Da Permanentmagnete nicht hinreichend als einfache Fluss- oder Feldstärkenquellen betrachtet werden können, ist hierzu ein Grundverständnis von
218
9 Aktorentwurf
Magneten notwendig. Vereinfacht gesagt, ist ein Magnet eine Quelle magnetischer Energie, die proportional zum Volumen des Magneten zunimmt. Magnete werden aus unterschiedlichen Werkstoffen hergestellt (Tab. 9.3), die sich in der maximal erreichbaren Flussdichte (Remaneszenzflussdichte Br ), den maximalen Feldstärken (Koerzitieffeldstärken Hc B und Hc J ), der Energiedichte (BHmax ) sowie den Temperaturkoeffizienten unterscheiden. Man unterscheidet weiterhin bei identischen Materialien zwischen isotropen und anistropen Zellanordnungen. Bei isotropen Materialien besteht das Magnetmaterial aus einem homogenen Material, das entsprechend einer Vorzugsrichtung magnetisiert werden kann. Bei anisotropen Magneten wurde ein Magnetpulver mit einem Bindemittel (z.B. Epoxidharz) gemischt und durch ein Guss- oder Spritzgussverfahren in Form gebracht. Letzteres ermöglicht quasi beliebige Formgebungen und eine sehr freie Gestaltung der Polverteilungen. Anisotrope Magnete zeichnen sich allerdings durch etwas schlechtere Kennwerte in ihrer Energiedichte sowie in den maximalen Feldstärken und Flussdichten aus. Tabelle 9.3 Magnetische Eigenschaften von Dauermagnetstoffen [122] Werkstoff
Br [T]
Hc B [kA/m]
(BH)max [kJ/m3 ]
AlNiCo (isotrop) AlNiCo (anisotrop) Hartferrite (isotrop) Hartferrite (anisotrop) SmCo (anisotrop) NdFeB (anisotrop)
0,5 ... 0.,9 0,8 ... 1,3 0,2 ... 0,25 0,36 ... 0,41 0,8 ... 1,12 1,0 ... 1,47
10 ... 100 50 ... 150 120 ... 140 170 ... 270 650 ... 820 790 ... 1100
3 ... 20 30 ... 70 7 ... 9 25 ... 32 160 ... 260 200 ... 415
Abbildung 9.7 zeigt den zweiten Quadranten der B-H-Kennlinie (nur dieser ist für den Betrieb in Aktoren wirklich relevant) mehrerer Magnetmaterialien. Die Remaneszenzflussdichte BR beschreibt die Flussdichte bei ideal kurzgeschlossenen Polflächen (ein Magnet, der von magnetisch ideal leitendem Eisen umfasst wird). Befindet sich in dem Eisenkreis ein Luftspalt, dann ergibt sich eine magnetische Feldstärke H als Last. Als Reaktion stellt sich ein Arbeitspunkt, wie hier exemplarisch auf der NdFeB Kennlinie für eine Flussdichte von -200 kA/m dargestellt, ein. Die tatsächlich zur Verfügung stehende Flussdichte an den Magnetpolen sinkt entsprechend. Da an elektrodynamische Aktoren für haptische Anwendungen hohe Anforderungen bezüglich ihrer Energiedichte gestellt werden, finden quasi ausschließlich Magnetmaterialien auf Basis seltener Erden (NdFeB, SmCo) Anwendung. Dies ist auch für den Entwurf der Magnetkreise vorteilhaft, da nichtlineare Effekte nahe der Koerzitieffeldstärken wie beim AlNiCo oder Barium-Ferrit keine Rolle spielen9 . Für die Seltene-Erd-Magneten lässt sich dank ihrer sehr linearen 9
Die geringe Koerzitieffeldstärke dieser Materialien hat z.B. zur Folge, dass ein im Eisenkreis eingebauter, aufmagnetisierter Magnet nach dem Entfernen und Wiedereinbau aus dem Kreis
9.2 Elektrodynamische Aktoren
219
B/H-Kennlinien der magnetische Widerstand in Form einer Geradengleichung definieren (siehe auch Abb. 9.8c): RMag =
Hc lMag V = φ Br A
1 Barium-Ferrit 2 AlNiCo 500 3 NdFeB kunststoffgebunden 4 SmCo5 5 Sm2Co17 6 NdFeB (N35) 7 NdFeB (N50)
(9.32)
B [T] Br
H [kA/m] Hc
Abb. 9.7 Entmagnetisierungskennlinien unterschiedlicher Dauermagnetstoffe [122] .
Mit diesem Wissen berechnet sich der magnetische Kreis entsprechend Abbildung 9.8a und dem zugehörigen Ersatzschaltbild (Abb. 9.8b) analog zu dem elektrisch erregten Eisenkreis. Für die Flussdichte im Eisen gilt erneut:
φ (9.33) A Für den gegebene Eisenkreis nehmen wir die Widerstände RmFe und RmG als bekannt bzw. berechenbar an. Aus Gleichung 9.32 kennen wir den magnetischen Widerstand des Permanentmagneten. Die Quelle im Ersatzschalbild wird bestimmt durch die Koerzitieffeldstärke und die Länge des Magneten Hc lMag . Damit ergibt sich B=
Hc lMag , RmFe + RmG + RMag
(9.34)
Hc lMag . (RmFe + RmG + RMag ) A
(9.35)
φ= und somit für die Flussdichte B=
(der temporären Vergrößerung des Luftspaltes) seine ursprüngliche Flussdichte nicht mehr erreicht. Weiterhin ist die Temperaturabhängigkeit der Koerzitieffeldstärke und der RemaneszenzFlussdichte so kritisch, dass niedrige Temperaturen knapp unter dem Nullpunkt eine Entmagnetisierung des Materials bewirken können.
220
9 Aktorentwurf
A N c)
lFe N S
lMag
f
xG
B
lMag
S
RmFe HClMag
a)
b)
RmG
RMag
Abb. 9.8 Magnetische Felderzeugung B über Permanentmagneten (a) und zugehöriges Ersatzschaltbild (b), sowie Detailskizze Magnet (c).
Etwas umgeformt und RMag eingesetzt ergibt sich die Beziehung B=
Br Hc
lMag A
(RmFe + RmG ) BR + Hc
lMag A
,
(9.36)
l
die durch den Faktor Br Hc Mag A verdeutlicht, dass es häufig sinnvoll sein kann für eine maximale Flussdichte B im Luftspalt den Magneten mit maximaler Länge bei gleichzeitig kleinstmöglicher Fläche (die durch den Arbeitshub und die Sättigungsfeldstärke im Eisenkreis bestimmt ist) zu betreiben.
9.2.1.4 Weitere Kopplungen in elektrodynamischen Aktoren Zur vollständigen Beschreibung eines elektrodynamischen Aktors gehören wenigstens drei weitere Effekt, die im Folgenden kurz in Ihren Auswirkungen skizziert werden.
Induktion Zur vollständigen Beschreibung eines elektrodynamischen Aktors gehört neben der Betrachtung des magnetischen Kreises sowie dem mechanischen Aufbau der Wicklung und der Verlustleistung auch seine elektrischen Eigenschaften. Der elektrodynamische Aktor ist bei dieser Betrachtung ein zweipoliger Transformator (Abb. 9.9).
9.2 Elektrodynamische Aktoren
i0
R
221
L
F0 F0=B l i0
u0
u1
v0
m
k
d
u1=B l v0 Abb. 9.9 Elektrische und mechanische Beschreibung eines elektrodynamischen Aktors als transformatorisches Ersatzschaltbild.
Ein Strom i0 erzeugt gekoppelt über die durch die Konstruktion festgelegte Propotionalitätskonstante B l eine Kraft F 0 , die den Aktor an diesem hängende Lasten in Bewegung versetzt. Die Bewegung selbst resultiert in eine Spannung v0 , die ihrerseits über das Induktionsgesetz über die Proportionalitätskonstante in eine induzierte Spannung u1 resultiert. Durch Messung von u1 kann bei Stromspeisung eines elektrodynamischen Aktors die Rotationsgeschwindigkeit bzw. die Bewegungsgeschwindigkeit bestimmt werden, bei Spannungsspeisung steht mit der Messung von i0 ein Kraft- bzw. Drehmomentenproportionales Signal zur Verfügung. Dies ist der Ansatz, der in den admittanzgeregelten Geräten von Haption für die Regelgröße verwendet wird (siehe Abschnitt 5.1.4). Die Induktion ist ein messbarer Effekt, muss aber auch nicht überschätzt werden. In der Regel werden elektrodynamische Aktoren bei haptischen Systemen als Direktantriebe bei kleinen Rotationsgeschwindigkeiten bzw. geringen Bewegungsgeschwindigkeiten eingesetzt. Typische Kopplungsfaktoren bei rotatorischen Antrieben liegen in Abhängigkeit der Baugröße im Bereich zwischen 100 bis 10 Umdrehungen , so dass bei einer für Direkantriebe bereits schnellen Drehzahl von 10 Hz sV eine induzierte Spannungsamplitude |u1 | von 0.1 bis 1V erreicht wird, was in der Regel zwischen 1% bis 5% der Steuerspannung des Antriebs liegt.
Elektrische Zeitkonstante Ein weiterer Aspekt, der sich aus der Modellvorstellung nach Abbildung 9.9 ergibt, ist die Betrachtung der elektrischen Übertragungseigenschaften. Typische Induktivitäten L elektrodynamischer Aktoren liegen im Bereich 0,1 mH bis 2 mH. Der ohm’sche Widerstand der Wicklungen ist in hohem Maßen vom Entwurf abhängig, bewegt sich aber häufig im Bereich 10 Ω bis 100 Ω . Die Sprungantwort i des elektrischen Übertragungssystems u0 hat demnach eine Zeitkonstante τ = RL = 0 10 μ s bis 30 μ s und liegt daher in einem Frequenzbereich »10 kHz und deutlich oberhalb der für haptische Anwendungen relevanten Dynamiken.
222
9 Aktorentwurf
Feldrückwirkung Ein nicht zu vernachlässigender Faktor bei elektrodynamischen Aktoren für hohe Kräfte, ist die Rückwirkung, die der magnetische Fluss der Wicklung zur elektrodynamischen Krafterzeugung auf die magnetische Flussdichte im Luftspalt haben kann. Betrachtet man den Aktor aus dem Eingangsbeispiel (Abb. 9.3 auf Seite 209) so ist bei positiven Strömen das durch die Spule erzeugte Feld dem durch den Magneten im Eisenkreis erzeugte Feld entgegen gerichtet. Es kann durch Substitution mit dem vom Magneten erzeugten, statischen Magnetfeld berücksichtigt werden. Je nach Bestromungsrichtung addiert sich das zusätzliche Magnetfeld auf das statische Grundfeld, oder es schwächt dieses. Bei ungünstigen Dimensionen und Auslegungen kann dies zu einer richtungsabhängigen Veränderung der Aktoreigenschaften führen. Die Schwierigkeit liegt hier weniger in einer potentiellen Schädigung des Magneten, die modernen Magnetmaterialien sind hinreichend stabil, sondern in einer Variation der im Luftspalt zur Verfügung stehenden Flussdichte. Eine tiefergehende Beschreibung elektrodynamischer Aktoren auf Basis konzentrierter Bauelemente ist in [153] zu finden.
9.2.2 Aktorentwurf Wie bereits zuvor erwähnt, bestehen elektrodynamische Aktoren aus drei Grundkomponenten: Spule/Wicklung, Eisenkreis, magnetische Erregung. Im Folgenden wird aufbauend auf diesen Grundkomponenten ein Vorgehen zum Entwurf elektrodynamischer Aktoren empfohlen. Da generell üblich, wird bei der magnetischen Erregung von einem Permanentmagneten als Quelle ausgegangen.
9.2.2.1 Aktor-Topologie Die grundsätzliche Frage am Anfang des Entwurfes eines elektrodynamischen Aktors liegt in der generellen Aktortopologie. Zumeist ist bekannt, ob das System translatorische oder rotatorische Bewegungen ausführen soll. Im Anschluss können die Komponenten Eisenkreis, Magnetanordnung, Polschuh sowie Spule nach belieben systematisch variiert werden. Auf diese Weise entstehen nahezu hundert sinnvolle Varianten. Einige wenige gängige und häufig umgesetzte Strukturen sind in Abbildung 9.10 für translatorische Aktoren und in Abbildung 9.11 für rotatorische Aktoren dargestellt. Beim Entwurf elektrodynamischer Aktoren sollte auch immer die Frage gestellt werden, ob die Spule oder der Eisenkreis bewegt wird. Durch diese Variation lassen sich häufig scheinbar komplexe räumliche Anordnungen deutlich vereinfachen. Man beachte jedoch, dass ein bewegter Eisenkreis oder Magnet schwerer und daher weniger dynamisch als eine bewegte Spule ist. Andererseits hat man keine Kontaktierungs- oder Kommutierungsprobleme bei fesstehenden Spulen.
9.2 Elektrodynamische Aktoren
223
FLorent z
FLorent z
FLorent z
FLorent z
Polschuh Wicklung
S
Rückschluss
S
S
N
N
S N
S N
N
a)
b)
c)
d)
Abb. 9.10 Varianten elektrodynamischer Aktoren für translatorische Bewegung mit bewegtem Magneten (a), bewegter Spule (b), als Tauchanker (c) sowie als Flachspule (d). rotating, self supported coil
I S N
N S Eisenrückschluss
a)
feststehender Magnet
b)
S N
Abb. 9.11 Varianten elektrodynamischer Aktoren für rotatorische Bewegung als selbsttragende Wicklung (a) und als Scheibenläufer-Wicklung (b).
Bewegte Spule Elektrodynamische Aktoren nach dem Prinzip der bewegten Spule mit feststehendem Magnetkreis, werden als “Tauchspule“ im translatorischen bzw. als “eisenloser Rotor“ im rotatorischen Fall verwendet. Sie weisen geringe bewegte Massen und daher eine hohe Dynamik bei Wegen von mehreren Millimetern auf. Sie werden vor allem im Audiobereich als Lautsprecher eingesetzt. Aktoren nach dem Prinzip der Tauchspule weisen zwei Nachteile auf:
224
9 Aktorentwurf
• Da die Spule bewegt wird, ist die elektrische Kontaktierung mechanischen Belastungen ausgesetzt. Bei großem Hub des Aktors muss sie dementsprechend stabil sein. • Möchte man Tauchspulen als reine Kraftquellen mit großem Hub ausführen, dann ist nur ein geringer Prozentsatz der stromdurchflossenen Wicklung innerhalb des Luftspaltes und somit an der Krafterzeugung beteiligt. Bei hohen Hüben haben Tauchspulen einen geringen Wirkungsgrad. Dies kann durch ein Schalten der relevanten Spulenbereiche kompensiert werden, was aber mehr Zuleitungen erfordert. Ähnlich verhält es sich mit rotatorischen Systemen. Basierend auf dem elektrodynamischen Prinzip gibt es zwei Typen von Wicklungen, die für rotatorische Servosysteme zum Einsatz kommen: die FAULHABER und die M AXON-Wicklung der gleichnamigen Hersteller. Diese Aktoren sind insbesondere als “eisenlose Motoren“ bekannt. Beide Wicklungsprinzipien ermöglichen die Herstellung freitragender Spulen, die durch die schräge Anordnung der Leiterbahnen nach einem Backvorgang eine ausreichende Stabilität gegen die im Betrieb wirkenden Fliehkräfte haben. Die verbackenen Leiterbahnen werden über eine Scheibe mit der Achse verbunden und bilden den kompletten Rotor des Antriebs (Abb. 9.12). Durch die geringe rotierende Masse der Wicklung weisen derartige Aktoren ein exzellentes Dynamikverhalten auf. Dies ermöglicht es, dass die Wicklung um einen feststehenden, diametral magnetisierten Magneten angeordnet wird. Dadurch ist eine weitere Volumenreduktion gegenüber konventionellen Aktoren möglich, da die Gehäusung lediglich den Eisenrückschluss des Magnetkreises bilden muss.
Anschluss Kabel
Bürstenkappe Lager 2 Gehäuse
Kommutator Träger Selbsttragende Korbwicklung Wicklung
Achse
Permanentmagnet Lager 1
Abb. 9.12 Aufbau eines elektrodynamischen Aktors mit freitragender Wicklung nach dem FAUL HABER Prinzip [95].
In der selbsttragenden Spule selber sind Bereiche parallel verlaufender Leiter zu Polen zusammengefasst10. Bei bewegter Spule ist immer eine Form von spezieller 10
Die FAULHABER und die M AXON Wicklungen zeichnet es aus, dass durch die geschickte Wickeltechnik in Form eines rotierenden Zylinders bzw. einer flach gedrückten Vierkantwicklung das
9.2 Elektrodynamische Aktoren
225
Kontaktierung notwendig, die entweder über Schleifringe und elektronische Kommutation oder über mechanische Schaltvorgänge erreicht werden muss. Die oben genannten freitragende Wicklungen sind in Abhängigkeit der Polzahl an mehreren Stellen kontaktiert. Die Kontaktierungen werden auf die Achse des Rotors geführt und über Bürsten mit dem feststehenden Teil des Antriebes, dem Stator, verbunden. Diese Anordnung ermöglicht eine kontinuierliche Bewegung des Rotors, wobei die Veränderung des Stromflusses in der Wicklung rein mechanisch über das gleiten der Bürsten über die Kontaktstellen der Wicklungsabschnitte auf der Achse erfolgt. Diese mechanische Kommutation ist ein Schaltvorgang mit einer parallel geschalteten Induktivität. Da diese Antriebe dank ihrer mechanischen Kommutierung direkt an eine Gleichspannung angeschlossen werden können, werden sie auch als DC-Antriebe bezeichnet. Der Term “DC-Antrieb“ beschränkt sich aber nicht auf Aktoren nach dem elektrodynamischen Prinzip, sondern kann auch auf Antriebe nach einem elektromagnetischen Prinzip verwendet werden.
Bewegter Magnet Aktoren nach dem Prinzip des bewegten Magneten haben im translatorischen (Abb. 9.10a) Fall zum Ziel, große Hübe mit kompakten Wicklungen zu ermöglichen. Der bewegte Teil des Aktors besteht fast vollständig aus magnetischem Material, dessen Polarisationsrichtung in unterschiedlichen Ausführungsformen variieren kann. Aktore nach diesem Prinzip können sehr hohe Leistungen umsetzen, sind aber durch die große Menge an Magnetmaterial teuer. Weiterhin ist der bewegte Magnet schwer, die Dynamik des Aktors ist somit geringer als im Fall der bewegten Spule. Im Falle rotatorischer Systeme ist der prinzipielle Aufbau eines Antriebs mit bewegtem Magneten dem eines Antriebs mit feststehenden Magneten vergleichbar. Abbildung 9.13 zeigt einen solchen Antrieb. Die gestellfeste Wicklung ist mit den zu Strängen zusammengefassten Leiterbahnen um einen diametral magnetisierten Magneten angeordnet. Dieser rotiert auf einer Achse, die zumeist auch den Eisenrückschluss bewegt. Der bewegte Eisenrückschluss minimiert Wirbelströme durch das bewegte Magnetfeld des Rotors. Um die Leiterbahnen richtig zu bestromen ist eine Kenntnis der Rotorlage notwendig. Zu diesem Zweck werden Sensoren genutzt, die über den Halleffekt oder auch über eine Kodierscheibe die Winkellage messen. Elektrodynamische Antriebe mit bewegtem Magneten werden als EC-Antriebe (Electronic-Commutated) bezeichnet. Da aber auch elektronisch kommutierte elektromagnetische Antriebe existieren, wird auch diese Bezeichnung nicht exklusiv für Antriebe nach dem elektrodynamischen Prinzip verwendet.
Zusammenfassen in Pole mit der Kontaktierung eines nicht unterbrochenen Drahtes an einzelnen Punkten erreicht werden kann.
226
9 Aktorentwurf
Abb. 9.13 Komponenten eines EC Antriebs und äquivalentes Ersatzschaltbild.
Elektronisch kommutierte Aktoren (ob elektrodynamisch oder elektromagnetisch) werden in Zusammenschluss mit den geeigneten Treiberstufen häufig auch als Servoantriebe bezeichnet. Unter einem Servoantrieb wird dann ein Aktor verstanden, der in der Lage ist ein definiertes Bewegungsprofil abzufahren. Servoantriebe sind für kinästhetische haptische Geräte nur selten sinnvoll einzusetzen. Häufig werden daher EC-Antriebe mit für haptische Anforderungen geeignete Treiberstufen ausgestattet. 9.2.2.2 Kommutierung bei haptischen Systemen Die insbesondere bei rotatorischen Aktoren immer notwendige Kommutierung zur Strom-Weiterschaltung hat Einflüsse auf die Güte der Kraft- bzw. Drehmometenausgabe. Mechanisch kommutierte Aktoren Bei mechanisch kommutierten Aktoren wird der Stromfluss plötzlich unterbrochen. Es entstehen zwei Effekte schaltender Kontakte: Die Spannung an den Kontaktstellen steigt, es kann zu Funkenbildung - dem sogenannten “Bürstenfeuer“ kommen. Weiterhin induziert der verbleibende Stromfluss in der abgeschalteten Wicklung ein Drehmoment, das am Abtrieb messbar wird. Abbildung 9.14b zeigt die Messung einer Kraft auf einem von einem Aktor angetriebenen Stab entsprechend Abbildung 9.14a. Die Kraftspitzen können deutlich werden, da sie um ≈ 100 mN die Grundkraft von 1, 3 N, also um 8%, übersteigen. Transformiert man die Messkurve in den (Abb. 9.14c) nach der Methode Bewertung haptischer WahrWahrnehmungsraum K nehmung (Abschnitt 4.3), dann wird der Unterschied noch deutlicher. Die durch die Kommutierung hervorgerufenen Wahrnehmungsspitzen übersteigen die kontinuierliche Wahrnehmung um 25%. Diese Überhöhung ist darauf zurückzuführen, dass die niederfrequente Schwingung deutlich gedämpft wird, während die Kommutierungsspitzen, relativ zum Rauschen verstärkt werden. Die hohen Frequenzen der
9.2 Elektrodynamische Aktoren
227
steilen Kommutierungsflanken bestimmen überproportional die haptische Wahrnehmung. 2
2x10
-6
Fab
1.6 1.4 1.2
Weg
MMotor a)
Fab [fOsc]
Fab [N]
1.8
1
b)
1x10-6 10 20
30
Weg [mm] c) 10
20
30 20
Weg [mm]
Abb. 9.14 Gemessene und wahrgenommene Kraft bei einem mechanisch kommutierten Aktor. a) Messanordnung, b) gemessener Kraftverlauf, c) wahrgenommener Kraftverlauf nach der FIPMethode.
Die Strom- und Momentenüberhöhungen können zwar durch Einbringen von Widerständen und Kapazitäten in der Wicklung reduziert werden. Dies führt jedoch zu höheren Massen des Rotors und schlechteren Dynamikeigenschaften. Außerdem ist eine vollständige Kompensation nicht möglich. Dennoch werden mechanisch kommutierte Antriebe für kostengünstige haptische Systeme eingesetzt. Das Phantom Omni von Sensable sowie der Falcon von Novint haben derartige Aktoren.
Elektronisch kommutierte elektrodynamische Aktoren Elektronisch kommutierte elektrodynamische Aktoren unterscheiden sich in der Messtechnik, die zur Winkelmessung und somit als Basis für das Schalten der Ströme verwendet wird. Es gibt vier gängige Verfahren: • Bei sensorlosen Verfahren (Abb. 9.15a) wird die in einer Wicklung induzierten Spannung gemessen. Beim Null-Durchgang wird eine Wicklung entsprechend einer Drehzahl nach extrapolierten 30◦ mit einer Spannung beaufschlagt. In der Kombination von Messung der Induktion und nachgeschalteten Spannungsaufschlag erfolgt eine kontinuierliche Drehbewegung mit “schubweiser“ Anregung. Dieses Verfahren ist für langsame Drehzahlen durch die dann geringe, induzierte Spannung und den damit schwierig zu bestimmenden Schaltpunkt, und aufgrund hoher Drehmoment-Schwankungen von bis zu 20% für haptische Anwendungen nicht geeignet. • Blockkommutierungsverfahren (Abb. 9.15b) basieren auf dem Einsatz einfacher Hall-Schalter oder Feldplatten zur Lagedetektion des Rotors. Drei um 120◦ phasenversetzte Sensoren ermöglichen die Detektion von sechs unterschiedlichen
228
9 Aktorentwurf
Rotorlagen. Entsprechend dieser Rotorlagen werden diskret die Wicklungen angesteuert. Die Reduktion auf insgesamt sechs Zustände pro Umdrehung machen auch diese Verfahren nur schlecht geeignet für haptische Systeme. Die Drehmomenten-Schwankungen liegen auch hier bei >15% auf einer Umdrehung. • Sinus-Kommutierungsverfahren mit analogen Signalen basieren auf der Messung der Rotorlage über wenigstens zwei Hall-Sensoren. Diese sind mit einem Winkel von meist 120◦ oder 90◦ an der Stirnseite des Rotors befestigt. Sie liefern ein rotorlage-proportionales Signal mit einem Phasenversatz, meist eine analoge Spannung, entsprechend ihrer konstruktiven Anordnung. Dies ermöglicht über Vorzeichenbetrachtung der Spannungen und Auswertung ihrer Höhe eine absolute Lageinformation zu errechnen, und für die Kommutierung der Antriebe zu verwenden. Weisen die Sensoren einen Phasenversatz auf, der identisch mit der Lage der Wicklungen ist, dann ist eine direkte Steuerung der Stromtreiber über das analoge Signal ohne zwischengelagerten Rechenschritt möglich. • Sinus-Kommutierungsverfahren mit digitalen Codescheiben (Abb. 9.15c) basieren auf der Messung der Rotorlage über eine zumeist optische Codescheibe. Durch reflektive oder transmittive Messung wird die Rotorlage mit hoher Auflösung (z.B. 128 Positionen / Umdrehung) abgetastet. Diese relative Lageangabe kann nach einmaliger Kalibrierung zur inkrementellen Positionsmessung genutzt werden. Je nach Auflösung der Codescheibe ist eine sehr glatte sinusförmige Ansteuerung der Wicklung möglich. Die Sinus-Kommutierungsverfahren stellen aufgrund ihrer Eignung für langsame Drehzahlen und ihrer geringen Drehmomentenschwankungen in Abhängigkeit der Rotorlage die bevorzugte Ansteuerung elektronisch kommutierter Aktoren für haptische Systeme dar.
9.2.3 Aktorelektronik Zum Betrieb elektrodynamischer Aktoren sind einige spezifische Schaltungen notwendig. Im folgenden Abschnitt werden die gängigen Anforderungen an diese Elektroniken erläutert.
9.2.3.1 Treiberstufen Treiberstufen sind elektronische Schaltungen, die ein Signal niedriger Leistung (einige Volt, wenige Milliampere) in einen zum Antrieb eines Motors geeigneten Spannungs- und/oder Strompegel wandeln. Für elektrodynamische Aktoren in haptischen Anwendungen ist es in der Regel notwendig Treiberstufen zu entwickeln, die einen geregelten Strom in einem weiten Dynamikbereich bis einige Kiloherz zur Verfügung stellen. Dieser Abschnitt beschreibt generelle Konzepte und Ansätze für deratige Schaltungen.
9.2 Elektrodynamische Aktoren
229
Abb. 9.15 Technologien unterschiedlicher Kommutierungsverfahren: Sensorlos (a), Blockkommutierung (b) und optische Codescheibe (c)
Topologie elektronischer Quellen Treiberstufen für Antriebe, unabhängig von dem zu Grunde liegenden Aktorprinzip, werden entsprechend der vom Treiber zugelassenen Flussrichtung elektrischer Energie (Abb. 9.16) klassifiziert. Man unterscheidet vier Klassen an Treiberstufen: • 1-Quadranten Regler können nur positive Ströme bei positiver Spannung generieren. Ein angeschlossener Antrieb ist in der Lage, in eine definierte Richtung zu drehen. Sie arbeiten ausschließlich im 1. Quadranten entsprechend Abbildung 9.16a. • Geschaltete 1-Quadranten Regler ermöglichen eine Richtungsumkehr der Bewegung durch ein Logiksignal. Sie arbeiten im 1. und 3. Quadranten entsprechend Abbildung 9.16a, haben aber durch das Schalten einen nichtlinearen Sprung in Ihrer Kennlinie nahe des 0-Punkts (Abb. 9.16b). • Echte 2-Quadranten Regler sind in der Lage eine im Nullpunkt stetige Kennlinie zu erzeugen. Sie arbeiten im 1. und 3. Quadranten entsprechend Abbildung
230
9 Aktorentwurf
9.16a, sind aber nicht für unterschiedliche Flussrichtungen für Strom und Spannungen vorgesehen. • Vier-Quadranten Regler arbeiten in allen Quadranten entsprechend Abbildung 9.16a. Sie sind in der Lage Ströme bei beliebigen Spannungspegeln (oder umgekehrt) zu regeln. In mobilen Antriebs-Anwendungen erlauben Vier-QuadrantenRegler eine Rückspeisung der induzierten Ströme in einen Energiespeicher. Für haptische Geräte ist einerseits der geschaltete 1-Quadranten Regler interessant, da für viele haptische Systeme keine Notwendigkeit einer Steuerung des Gerätes um den Spannungs- und Strom-Nullpunkt besteht. Andererseits ist für Systeme mit hoher Dynamik und geringer Impedanz der 2-Quadranten-Regler oder auch der 4-Quadranten Regler relevant, da bei solchen Systemen die aus der Unstetigkeit resultierende Hysterese im Schaltpunkt spürbar würde.
2-Quadranten Regler
U 2. Quadrant Generatorbetrieb Drehrichtung 1
Geschalteter U 1-Quadranten Regler
1. Quadrant Motorbetrieb Drehrichtung 1
I
I 3. Quadrant Motorbetrieb Drehrichtung 2
M
U I
4. Quadrant Generatorbetrieb Drehrichtung 2
a)
b)
Abb. 9.16 Darstellung der vier Quadranten eines Motorbetriebs im durch Strom und Spannung aufgespannten Arbeitsraum
Pulsweitenmodulation und H-Brücke Mit Ausnahme von wenigen Telemanipulationssystemen sind die die Aktoren steuernden Quellen immer digitale Prozessoren. Da die Aktoren ein analoge Spannung oder Strom benötigen, um Kräfte bzw. Drehmomente zu generieren, ist eine Wandlung zwischen dem digitalen Signal und der analogen Steuergröße notwendig. Hierzu existieren zwei gängige Verfahren: 1. Verwendung eines digital-analog Wandlers (D/A-Wandlers) 2. Verwendung einer Puls-Weiten-Modulation (PWM) Die Verwendung von A/D-Wandlern als externe Bausteine oder integriert in Mikrocontrollern wird nicht weiter behandelt, da sie einerseits sehr einfach ist, andererseits aber durch die relativ hohen Kosten verursacht durch den Schaltungsaufwand
9.2 Elektrodynamische Aktoren
231
im Mikrocontroller üblicherweise nicht eingesetzt wird. Das Mittel der Wahl für Treiberschaltungen elektrodynamischer Aktoren zur Wandlung zwischen digitaler und analoger Größe stellt die PWM dar (Abb. 9.17a). Bei der PWM wird ein digitaler Ausgang eines Controllers mit hoher Frequenz (>10 kHz)11 geschaltet. Die Periode der PWM ist dabei festgelegt, über das Programm wird das Tastverhältnis zwischen Einschalt- und Ausschaltzeit eingestellt. In der Regel steht dafür ein Byte zur Verfügung, was einer Auflösung von 256 Stufen innerhalb einer Periode entspricht. Wird das PWM Signal gefiltert, entweder durch einen elektrischen Filter oder durch ein mechanisches Tiefpass-Übertragungsverhalten im Motor selber, ergibt sich ein geglättetes Ausgangssignal. Umax
Uout/Uin
t
µC
f
t
Iout
a)
U
S2 I
S1 S2
S3 M
S4 b)
U
S5
U
I
RSense
S4
S3 M S5
c) USense ~ I
Abb. 9.17 Prinzip der Puls-Weiten-Modulation (PWM) an einem digitalen μ C-Ausgang (a), Prinzip der H-Brücken-Schaltung (b) und erweiterte H-Brücke mit PWM (S1) Strommessung an (RSense )(c)
11 Übliche PWM Frequenzen liegen bei 20 KhZ oder 50 kHz. Dennoch werden im Bereich der Automobilindustrie für Stromtreiberschaltungen von LEDs auch PWMs mit Frequenzen deutlich unter 1 kHz genutzt. Frequenzen in diesem Bereich sind für haptische Anwendungen ungeeignet, da das Schalten durch den Aktor übertragen wird, und daher wahrgenommen werden kann. Übliche Gerätedesigns haben zwar auch bei einigen hundert Herz bereits ein stark gedämpftes Übertragungsverhalten zwischen Eingangssignal und generierter Kraft am Ausgang, dennoch ist durch die Sensitivität der taktilen Wahrnehmung im Frequenzbereich um 200 Hz erhöhte Aufmerksamkeit bezüglich schaltender Signale notwendig.
232
9 Aktorentwurf
Puls-Weiten-Modulationen werden häufig in Verbindung mit H-Brücken eingesetzt (Abb. 9.17b). Die Bezeichnung H-Brücke kommt von dem H-förmigen Bild des Motors umgeben von vier Schaltern. Die H-Brücke kennt zwei Betriebszustände für zwei Bewegungsrichtungen und zwei Bremszustände. Werden entsprechend Abbildung 9.17b die Schalter S2 und S5 geschaltet, dann fließt der Strom I in positiver Flussrichtung durch den Motor M. Werden stattdessen die Schalter S3 und S4 geschaltet, dann fließt der Strom I in negativer Flussrichtung. Ein zusätzliches, digitales Signal, das auf die H-Brücke wirkt ermöglich die Motordrehrichtung umzukehren. Dies ist das gängige Verfahren bei geschalteten 1-Quadranten Reglern. Weitere Schaltzustände sind das Schließen der Schaltergruppen S2 und S3 bzw. S4 und S5. Beides bewirkt einen Kurzschluss des Motors und bremst somit dessen Betrieb. Nicht zulässige Zustände sind das gleichzeitige Schalten von S2 und S4 bzw. S3 und S5, was immer in einen Kurzschluss der Versorgungsspannung führt und in der Regel in eine Zerstörung der zum Schalten verwendeten Halbleiter. Um die H-Brücke mit einer PWM zu kombinieren, können nun entweder die Schaltergruppen S2 und S5 im Takt der PWM geschaltet werden, oder ein weiterer Schalter S1 (Abb. 9.17c) wird in Reihe mit der H-Brücke geschaltet, der die Versorgungsspannung U moduliert. In der praktischen Realisation wird letzteres bevorzugt umgesetzt, da das Timing der Schaltvorgänge an S2 bis S5 kritisch ist, um eventuelle Kurzschlüsse der Versorgungsspannungen zu vermeiden. Der Aufwand dies in der Geschwindigkeit einer PWM durchzuführen ist zumeist deutlich höher, als die Kosten eines weiteren Schalters. Die praktische Umsetzung von H-Brücken erfolgt über Feldeffekt-Transistoren. Der diskrete Aufbau von H-Brücken ist möglich, aber nicht einfach. Insbesondere das exakte Timing der Schaltvorgänge, das Verhindern von kurzzeitigen Kurzschlüssen während des Schaltens, und die Absicherung der Elektronik gegen Induktionsströme durch das Schalten ist nicht trivial. Am Markt existieren eine Vielzahl von integrierten Bausteinen, die bereits entsprechende Schutzschaltungen vorsehen und nach außen ein Minimum an Steuerleitungen zur Verfügung stellen. Die ICs L6205 (2A), L293 (2.8A) und VNH 35P30 (30A) seien hier als für Experimentalaufbauten geeignete Beispiele genannt. Für EC-Antriebe gibt es weiterhin spezielle Bausteine, welche das Timing der Feldeffekt-Transistoren übernehmen und die Anzahl an benötigten PWMs am Mikrocontroller reduzieren. Die IR213xx Serie beispielsweise schaltet drei Kanäle mit je einer externen Halbbrücke aus N-MOS Transistoren mit einem sicheren Timing der Schaltvorgänge. Die oben beschriebene PWM mit H-Brücke entspricht einer gesteuerten Spannungsquelle. Für elektrodynamische Systeme ist eine deartige Ansteuerung zumeist hinreichend für einen akzeptablen haptischen Eindruck. Dennoch muss bei hochdynamischen Systemen mit einer Gegeninduktion (Abschnitt 9.2.1.4) aus der Bewegung gerechnet werden, was bei einer gesteuerten Spannungsquelle in eine Variation des Stroms in der Spule resultiert und somit in einer unkontrollierten Änderung der L ORENTZ-Kraft. Weiterhin kann die hohe umgesetzte Verlustleistung in den Spulen (Abschnitt 9.2.1.1) in eine erhöhte Temperatur an der Spule und daher zu einer temperaturabhängige Veränderung der Leitfähigkeit des Kupfermaterials führen. Der mit steigender Temperatur steigende Spulenwiderstand wird bei einer gesteuerten Spannungspeisung zu einen geringeren Stromfluss führen. Ein Aktor wird alleine
9.2 Elektrodynamische Aktoren
233
durch die Spannungsspeisung nach längerer Betriebsdauer und gestiegener Temperatur im Aktor-Inneren eine geringere Kraft bei gleicher Steuergröße generiert. Es ist daher bei entsprechend hohen Anforderungen an die Güte des haptischen Eindrucks sinnvoll, einen Stromregler zu integrieren. Hierzu kann im Falle der PWM ein niederohmiger Messwiderstand (RSense in Abbildung 9.17c) integriert werden, an dem eine Strom-proportionale Spannung USense über eine A/D-Wandlung gemessen wird. Im Mikrocontroller wird dann der Stromregelkreis geschlossen. Sowohl die A/D-Wandlung wie auch die Regelung ist aber für hoch-dynamische Systeme im Bereich von Dynamiken bis zu mehreren Kilohertz zeitlich kritisch und stellt hohe Anforderungen an die regelnde Elektronik. Es ist daher üblich, bei der Anforderung an geregelte Ströme auch analoge Stromquellen in Betracht zu ziehen.
Analoge Strom-Quellen Analoge Stromquellen sind vereinfacht formuliert gesteuerte Widerstände im Strompfad des Antriebs, die dynamisch an den gewünschten Stromfluss angepasst werden können. Identisch zu klassischen Widerständen setzen analoge Stromquellen bei einer zur Verfügung gestellten konstanten Spannung, die nicht im Antrieb benötigte Leistung in Wärme um. Sie sind also im Gegensatz zu den geschalteten Quellen mit hohen Verlusten behaftet. Zwei generelle Schaltungsausführungen sind in Abbildung 9.18 dargestellt. Durch die Verwendung eines diskreten Stromreglers (Abb. 9.18a) können analoge Stromquellen mit nur durch die Feldeffekt-Transistoren (FET) begrenzten, nahezu beliebigen Ausgangsströmen aufgebaut werden. Diese müssen zur Wärmeabfuhr auf entsprechend Kühlkörper gesetzt werden. An die Operationsverstärker bestehen nur geringe Anforderungen. Diese Regeln die FET im linearen Bereich proportional der über RSense abfallenden Spannung, die ihrerseits proportional zum Stromfluss im Motorpfad ist. Je nach dem im Betrieb genutzten Quadranten (1 oder 3) ist entweder der N-MOS Transistor oder der P-MOS Transistor leitend. Deutlich weniger Komponenten und im Aufbau auch weniger fehleranfällig ist die Verwendung von Leistungs-Operationsverstärkern (z.B. LM675, Abb. 9.18b). Als nicht-invertierender oder invertierender Operationsverstärker beschaltet, können diese über einen Messwiderstand RSense als spannungsgesteuerte Stromquelle genutzt werden.
9.2.3.2 Temperaturüberwachung Durch den geringen Wirkungsgrad und die hohe Verlustleistung bei elektrodynamischen Aktoren, ist häufig eine Temperaturüberwachung in den Spulen sinnvoll. Anstatt einen Messwiderstand wie den PT100 in Spulennähe zu platzieren, ist ein gängiges Verfahren die Überwachung des ohm’schen Widerstands der Spule selber. Entsprechend dem Wicklungsmaterial (z.B. Kupfer, Cu) ist die Leitfähgikeit der Spule proportional von der Spulentemperatur abhängig. Bei Kupfer beträgt dieser Faktor 0,39% pro Kelvin Temperaturänderung. Da bei den Treiberschaltungen ent-
234
9 Aktorentwurf U+ RSense + +
10k
U-
PMOS -
1k
+ 1k + Uin -
a)
NMOS
RSense = 4 W
U+ 10k
Uin
Iout
Iout
M 1k RSense -
M
b)
U-
Abb. 9.18 Diskreter Stromregler [247] (a) und Stromregler mit Leistungs-Operationsverstärker (b)
weder Strom oder die Spannung am Aktor durch die Steuergröße bekannt sind, ist eine Temperaturüberwachung durch die Messung der jeweils anderen Größe problemlos möglich.
9.2.4 Beispiele elektrodynamischer Aktoren in haptischen Geräten Elektrodynamische Aktoren werden vor allem als Kraft- bzw. Momentenquellen in kinästhetischen Systemen eingesetzt. Insbesondere EC-Antriebe finden sich in den Produkten von Quanser, Forcedimensions, Immersion oder Sensable wieder. Mechanisch kommutierte elektrodynamische Aktoren werden in kostengünstigen kinästhetischen Systemen, wie dem Phantom Omni oder dem Novint Falcon eingesetzt. Für taktile Anwendunge kommen sie in Form von Tauchspulantrieben zur Schwinungserzeugung zum Einsatz. Die Möglichkeit über den Spulenstrom Frequenz und Amplitude unabhängig voneinander zu steuern macht die Antriebe für Taktoren interessant. Taktoren (Abb. 9.19) sind kleine, scheibenförmige Aktoren, die z.B. in Kleidung oder mobile Geräte eingesetzt werden können, um Informationen über taktile Stimulation kleiner Hautareale zu vermitteln.
9.2.4.1 VDO-Kreuzspulsystem Neben freitragenden Spulen sind elektrodynamische Aktore nach dem Kreuzspulsystem eine weitere Möglichkeit, definierte Drehmomente zu erzeugen. Continental VDO (ehemals Siemens VDO, Mannesmann VDO) hat Anfang 2000 einen haptischen Drehsteller als zentrales Bedienelement für die Anwendung im Automo-
9.2 Elektrodynamische Aktoren
235
Abb. 9.19 Elektrodynamischer Tatkor von Frequenzbereich zwischen 100 Hz und 800 Hz.
Audiological
Engineering
Inc..
Arbeits-
bil entwickelt (Abb. 9.20). Er besteht aus einem diametral magnetisierten NdFeBMagnet, der rotatorisch gelagert ist. Der Magnet ist von einem Eisenrückschluss umgeben. Die Feldlinien verlaufen von dem Zylindermagneten zum Eisenrückschluss. Die um 90◦ versetzten Spulen umschließen diesen Magneten, die elektrodynamisch wirksamen Wicklungsanteile liegen im Luftspalt zwischen Eisenrückschluss und Magnet. Die Lagemessung erfolgt über zwei um 90◦ zueinander versetzte HallSensoren. Der Antrieb ist in der Lage ≈ 25 mNm Drehmoment bei einem Durchmesser von 50 mm zu erzeugen.
Kreuzspulsystem
Eisenrückschluss
Magnet N
S
Leiterplatte Hall-Sensoren
Abb. 9.20 Elektrodynamisches Kreuzspulsystem mit bewegtem Magneten als haptischer Drehsteller.
236
9 Aktorentwurf
9.2.4.2 H ANNAFORD-Flachspulsystem Das Flachspulsystem (Abb. 9.21) von der Arbeitsgruppe um H ANNAFORD ist Teil eines Fingertip-Haptic-Displays. Die Aluminium-Spule (geringerer spezifischer Widerstand als Kupfer) wurde in der Ebene gewickelt und ist über einen Backvorgang selbsttragend fixiert worden. Sie ist zur besseren thermischen Ableitung der Verlustleistung in einen Aluminium Träger eingebettet, der an einer Achse rotatorisch aufgehängt ist. Der Magnetkreis schließt sich über zwei Schenkel dieser Spule durch diametral magnetisierte Flachmagnete. Das System ist in der Lage Drehmomente von 160 mNm und mehr zu erzeugen. Das Wärmemanagement zur Abführung der Verlustleistung und die Analysen zur Konvektion sind in [155] beschrieben. Magnetpole
N
Wicklung Spulenträger
Drehachse
I S
Abb. 9.21 Elektrodynamisches Flachspulsystem zur Erzeugung von Kräften auf die Fingerkuppen[155].
9.2.4.3 K UNSTMANN-Telemanipulator Das elektrodynamische haptische Gerät des K UNSTMANN-Telemanipulators ist teil eines Mikromontage-Arbeitsplatzes. Ziel war es auf zwei Fingerkuppen sowie zur Schwerkraftgenerierung Kräfte zu erzeugen. Hierzu wurde eine Lösung (Abb. 9.22) bestehend aus einer rechteckig gewickelten Flachspule gewählt, die über ein Eisenjoch geführt ist. Über diametral magnetisierte Flachmagnete wird ein normal zum Joch stehendes B-Feld erzeugt. Die langen Seiten der Spule sind somit elektrodynamisch wirksam. Es können Kräfte von bis zu 3 N im Dauerbetrieb erzeugt werden.
9.2.4.4 D OERRER-HapKeys Die HapKeys von D OERRER wurden bereits in Abschnitt 2.2.5.2 erwähnt. Die zu Grunde liegenden elektrodynamische Linearaktoren basieren auf einem gleitgela-
9.2 Elektrodynamische Aktoren
237
Abb. 9.22 Elektrodynamisches Rechteck-Flachspulprinzip ähnlich einer Tauchspule[142].
gerten, bewegtem Magneten mit Polschuhen innerhalb von zylindrisch gewickelten, feststehenden Spulen mit Innendurchmesser 5,5 mm und Außendurchmesser 8 mm. Der Eisenrückschluss ist ein von den benachbarten Elementen magnetisch entkoppeltes, 0,7 mm starkes Rohr aus einer Cobald-Eisen Legierung mit besonders hoher Sättigungsflussdichte. Die Kräfte pro Aktor erreichen bis zu 1 N im Dauerbetrieb.
Abb. 9.23 Elektrodynamischer Linearaktor mit bewegtem Magneten [46].
238
9 Aktorentwurf
9.2.5 Fazit zum Entwurf elektrodynamischer Aktoren Elektrodynamische Aktoren stellen durch ihre Proportionalität zwischen der Steuergröße Strom und der Ausgangsgröße Kraft oder Drehmoment das bevorzugte Aktorsystem für kinästhetische Impedanz-gesteuerte Geräte dar. Der Markt bietet durch DC- und EC-Antriebe eine Vielzahl von Lösungen, so dass für jede Anwendung ein Kompromiss aus haptischer Güte und Preis des Aktors gefunden werden kann. Sind spezielle Anforderungen zu erfüllen, dann ist die Auslegung, Konstruktion und Inbetriebnahme spezieller elektrodynamischer Aktoren relativ einfach. Die Schwierigkeiten durch thermische und magnetische Auslegung sind überschaubar, so lange einige Grundregeln beachtet werden. Die Beispiele für spezielle haptische Systeme aus den vorangegangenen Abschnitten belegen dies eindrücklich. Alleine die für haptische Geräte geeigneten Treiberelektroniken mit den Anforderungen an eine schnelle Stromregelung und echtem 2-Quadranten-Betrieb stellen immer noch eine Ausnahme im Katalog der auf die Automatisierungstechnik fokussierten Hersteller dar, und müssen daher meist selbst gebaut oder teuer eingekauft werden. Kommerzielle Hersteller haptischer Geräte, z.B. Quanser, bieten daher ihre Haptik-geeigneten Treiberstufen unabhängig von ihren eigenen Systemen am Markt an. Für den Entwurf von niedrig-Impedanzsystemen führt aktuell kein Weg an Antrieben nach dem elektrodynamischen Prinzip vorbei. Andere in diesem Buch ebenfalls vorgestellte Aktorprinzipien benötigen durch die hohe innere Reibung eine Regelung inklusive einer irgendwie gearteten Messtechnik in Form zusätzlicher Sensoren oder der Überwachung innerer Aktorgrößen, um ähnlich leichtgängig und dynamisch eingesetzt werden zu können. Diesen großen Vorteil elektrodynamischer Systeme erkauft man sich mit dem geringen Wirkungsgrad und den damit relativ niedrigen Energiedichten pro Bauvolumeneinheit des Aktors.
9.3 Elektromagnetische Aktoren
239
9.3 Elektromagnetische Aktoren T HORSTEN A. K ERN
Elektromagnetische Aktoren stellen in der allgemeinen Automatisierungstechnik die verbreitetsten Antriebsprinzipien dar. Sie sind durch die einfache Herstellung, die nicht zwingende Notwendigkeit eines Magneten und ihre Robustheit bezüglich äußerer Einflüsse das Mittel der Wahl, um in Haushaltsantrieben von Waschmaschine und Trockern bis hin zur Wasserpumpe im Kaffeeautomaten oder der Umlenkung von Papierwegen im Drucker eingesetzt zu werden. Dennoch ist ihre Nutzbarkeit für den Entwurf haptischer Geräte vielfach nicht gegeben. Der Schwerpunkt ihrer Anwendung in der Haptik liegt in taktilen Systemen, was durch die spezifischen Eigenschaften elektromagnetischer Wirkprinzipien begründet ist. In diesem Kapitel wird die theoretische Grundlage für das Verständnis eletkromagnetischer Aktoren gelegt. Es werden technische Umsetzungen an einigen Beispielen gezeigt, wobei zuerst allgemeine Konstruktionen und später spezifische Aktoren vorgestellt werden. Das Kapitel schließt mit einigen Beispielen aus haptischen Anwendungen elektromagnetischer Aktoren.
9.3.1 Magnetische Energie Die einer Bewegung in einem magnetischen Antrieb zu Grunde liegende Größe ist die magnetische Energie. Sie wird in den flussführenden Elementen des Antriebes gespeichert. Zu diesen flussführenden Elemten zählen der Eisenkreis (vergleiche auch Abschnitt 9.2.1.3 auf Seite 212) und der Luftspalt, sowie alle Streufelder, die hier aber nicht weiter betrachtet werden. Aus Tabelle 9.2 auf Seite 213 ist bekannt, dass die gespeicherte magnetische Energie in einem magnetischen Kreis die Produkte der Flüsse und magnetischen Spannungen in jedem Element des Kreises sind: Wmag = ∑ Hn ln · Bn An
(9.37)
n
Wie jedes System ist auch der magnetische Kreis bestrebt, die in ihm zu haltende Energie zu minimieren12. Bezogen auf elektromagnetische Aktoren betrifft die Minimierung der Energie quasi immer die Reduktion des magnetischen Widerstandes des Luftspalts RmG . Hierzu sind zwei Effekte dankbar, die auch in der Elektrostatik für elektrische Felder auftreten (Abschnitt 9.5): 12
Dieses Bestreben beliebiger Systeme ist auch der Grund, warum Äpfel zu Boden fallen. Sie minimieren ihre potentielle Energie. Auch die Ausweichbewegung einer stromdurchflossenen Spule im Magnetfeld ist Resultat dieses Effektes. Generell ist es häufig hilfreich, beliebige Aktorprinzipien als ”Aufbauten, die bestrebt sind die innere Energie zu minimieren” zu betrachten.
240
9 Aktorentwurf
• Elektromagnetische Längseffekt (Abb. 9.24a, auch Reluktanzeffekt) • Elektromagnetische Quereffekt (Abb. 9.24b)
xL
I
I N
xQ
N
B
a)
B
b)
Abb. 9.24 Elektromagnetischer Quer- (a) und Längseffekt (b).
Die mit dem jeweiligen Effekt erzeugten Kräfte bzw. Momente sind Ableitungen der Energie in der entsprechenden Ortskoordinate, Fξ =
d Wmag , dξ
(9.38)
was für beliebige Magnetkreise einer Kraftberechnung in Richtung der Änderung des Lutspaltes 1 d RmG Fξ = − φ 2 2 dξ
(9.39)
entspricht.
Beispiel: Quereffekt Der magnetische Widerstand eines beliebigen, homogenen, Körpers der Länge l zwischen zwei Grenzflächen (Abb. 9.25a) der Fläche A berechnet sich zu Rm =
l . μA
(9.40)
Dies ergibt für die im Widerstand gespeicherte Energie: Wmag = (B A)2
l . μA
(9.41)
Die Flussdichte B ist abhängig von der Länge des Materials. Nimmt man an, dass der zu betrachtende magnetische Kreis aus nur einem Material besteht, dann gilt für die Durchflutung Θ
9.3 Elektromagnetische Aktoren
241
Θ=
B = N I, μl
(9.42)
woraus folgt
μ . (9.43) l Diese Gleichung für die Flussdichte eingesetzt in Gleichung 9.41 und um einige Größen gekürzt ergibt für die magnetische Energie B = NI
1 Wmag = (N I)2 Aμ . l
(9.44)
Unter der Annahme, dass die magnetische Energie sich im Luftspalt konzentriert, also kein nennenswerter magnetischer Widerstand im Eisenkreis auftritt, ergibt sich die Näherung der Kraft für den Quereffekt in Richtung von l abgeleitet zu 1 1 Fl = − (N I)2 Aμ 2 . (9.45) 2 l Die Kraft weist einen antiproportionalen, quadratischen Zusammenhang (Abb. 9.25b) zum Abstand auf. Umso enger die Pole zueinander stehen, umso größer ist die Anziehungskraft.
Fl B
a)
l
b) l
Abb. 9.25 Elektromagnetischer Quereffekt im Luftspalt (a) und vom qualitativen Krafverlauf (b).
Beispiel: Längseffekt, Reluktanzeffekt Die Berechnung lässt sich für den Längseffekt wiederholen. Unter der Annahme, dass die Fläche A aus Gleichung 9.44 rechteckig und aus den Kantenlängen a und b besteht (Abb. 9.26a), dann gilt für die in Längsrichtung wirkenden Kräfte beim Verringern des Luftspaltes durch ein magnetisch leitbares Material in Richtung a 1 Fa = (N I)2 bμ , l und in Richtung b
(9.46)
242
9 Aktorentwurf
1 (9.47) Fb = (N I)2 aμ . l Der Reluktanzeffekt ist also im Gegensatz zum Quereffekt linear (Abb. 9.26b). Die wirkende Kraft ist lediglich von der Länge der Kante des bewegten Materials abhängig. Zur Auslegung eines elektromagnetischen Aktors ist folglich die Kenntnis der im magnetischen Kreis gespeicherten Energie notwendig. Obige Beispiele entsprechen maximal Überschlagsrechnungen zur Grobabschätzung der Eignung eines Aktorprinzips. Die Netzwerke bei der realen Aktorauslegung müssen Effekte wie magnetische Streuflüsse und Widerstände im Eisenkreis betrachten, da die Ergebnisse der Berechnung für einen Entwurf ansonsten nicht hinreichend genau sind. Es ist daher notwendig, sich mit der Auslegung von Eisenkreisen und deren Berechnung vertraut zu machen.
a
b
Fa, b
B
l
a)
x b)
x
Abb. 9.26 Elektromagnetischer Längseffekt im Luftspalt (a) und vom qualitativen Krafverlauf (b).
9.3.2 Auslegung des Eisenkreises Die grundlegenden Zusammenhänge zur Auslegung von magnetischen Kreisen wurden bereits in Abschnitt 9.2.1.3 für elektrodynamische Aktoren eingeführt. Aus der Betrachtung von Längs- und Quereffekt heraus ergeben sich für elektromagnetische Aktoren eine Reihe von Grundformen (Abb. 9.27). Im Gegensatz zu den elektrodynamischen Aktoren ist man bei der Gestaltung des Luftspaltes von elektromagnetischen Aktoren freier. Es ist nicht mehr nötig, im Luftspalt einen elektrischen Leiter zu führen. Neben den in Abbildung 9.27 gezeigten Geometrien gibt es noch weitere Variationsmöglichkeiten. Die Geometrien können in einen rotationssymmetrischen Aufbau statt der hier dargestellten ebenen Struktur überführt werden. Weitere Spulen oder Dauermagnete im Eisenkreis können ergänzt werden. Der Formenvielfalt sind als einzige Grenzen eine ausreichende Querschnittsfläche der Flussführun-
9.3 Elektromagnetische Aktoren
243
gen gesetzt, um das Material nicht in Sättigung geraten zu lassen, und ein ausreichend großer Abstand zwischen flussführenden Elementen, um einem magnetischen Schluss über die Luft in Form von ungewollten Streufeldern zu minimieren.
Abb. 9.27 Grundformen elektromagnetischer Aktoren.
9.3.2.1 Querschnittsflächen-Überschlagsrechnung Die Berechnung der Querschnittsfläche zur Dimensionierung des Eisenkreises ist einfach. Das übliche, leicht zur Verfügung stehende und in der Feinwerktechnik und Prototypenbau gerne verarbeitet Material ist Stahl ST37. Die B/H-Kennlinie mit dem Sättigungsverhalten ist Abbildung 9.7 auf Seite 219 zu entnehmen. Für dieses Beispiel wählen wir eine für das Material sinnvolle Flussdichte von 1,2 T, die einer Feldstärke im Material von H ≈1000 A/m entspricht. Im Luftspalt soll eine Flussdicht von 1 T herrschen. Für den magnetischen Fluss im Luftspalt gilt
φ = AG BG .
(9.48)
Da der magnetische Fluss unter Vernachlässigung von Nebenschlüssen und Streueffekten vollständig durch das Eisenkreis geleitet werden muss, gilt also AEisen BEisen = AG BG ,
(9.49)
und daher das Verhältnis bei den im Beispiel angenommenen Werten: AEisen BG = = 0, 833 . AG BEisen
(9.50)
244
9 Aktorentwurf
Der Eisenkreis kann also an der engsten Stelle von der Querschnittsfläche im Minimum 83% der Querschnittsfläche des Luftspalts betragen. Wobei mehr Querschnittsfläche in geringere Flussdichten und daher zu geringeren Feldstärken im Material führt, und daher wenn möglich vorgesehen werden sollte. Man beachte jedoch, dass bei technischen Realisationen unter der Vernachlässigung von Streueffekten fast immer AG ≤ AEisen gilt, da die Grenzfläche des Luftspalts ein Pol des Eisenkreises darstellt.
9.3.2.2 Magnetische Energie in Flussführung und Luftspalt Bei den vorangegangen Rechenbeispielen wurde zur Vereinfachung angenommen, dass die im Eisenkreis gespeicherte Energie deutlich geringer als die Energie im Luftspalt ist. Betrachtet man den magnetischen Widerstand eines Körpers, dann gilt Rm =
l . μA
(9.51)
Bei zwei Körpern identischer Länge und Querschnittsfläche skaliert der magnetische Widerstand mit der Permabilität μ : Rm1 μ2 = . Rm2 μ1
(9.52)
Die Permabilitätszahl μr = HBμ0 ist das Verhältnis aus Flussdichte zu Feldstärke in einem Material bezogen auf die magnetische Feldkonstante. Sie ist nichtlinear (Abb.9.28) für alle gängigen flussführenden Materialien in den für den Aktorentwurf relevanten Flussdichtebereichen zwischen 0,5 und 2 T, und entspricht der inversen Steigung im Diagramm 9.7. Die maximalen Permeabilitätszahlen werden häufig in Tabellen angegeben, gelten aber nur für eine Feldstärke im Material. Sie betragen zwischen 6000 für reines Eisen bis hin zu 10000 für Nickel-Legierungen oder gar 150000 für spezielle weichmagnetische Materialien. Mechanische Bearbeitung von dem flussführenden Material, und die daraus resultierenden thermischen Veränderungen im Gefüge können zu einer deutlichen Verschlechterung der Materialeigenschaften führen, die durch einen Glühprozess wieder hergestellt werden können.
Im Allgemeinen lässt sich aber festhalten, dass selbst außerhalb der optimalen Flussdichte jenseits der Stättigung bei zur Flussführung eingesetzten Materialien die gespeicherte Energie um mehrere Zehnerpotenzen geringer ist, als im Luftspalt. Dies legitimiert die Vernachlässigung der gespeicherten Energie für die Überschlagsrechnungen, zeigt aber auch, dass Potential in einer Optimierung elektromagnetischer Aktoren steckt. Dieses Potential erschließt sich vor allem durch den
9.3 Elektromagnetische Aktoren
245
Einsatz gängiger FEM-Software, die zumeist als Module zu eingesetzten CAD Programmen angeboten werden13.
mr
mr max
H Abb. 9.28 Qualitativer Verlauf der Permeabilitäszahl für gängige flussführende Materialien.
9.3.2.3 Permanentmagnete in elektromagnetischen Aktoren Permanentmagnete im Eisenkreis elektromagnetischer Aktoren unterscheiden sich in Ihrer Wirkung nicht wesentlich von mit einem Gleichstrom durchflossenen Spulen. Sie stellen ein polarisiertes Feld dar, das in Kombination mit einem gesteuerten zweiten Feld in eine Anziehung und/oder Abstoßung resultiert. Für die Berechnung kombinierter Magnetkreise kann über Substitution der einzelnen Quellen im magnetischen Ersatzschaltbild gearbeitet werden. Die Berechnung erfolgt dann analog zu den Methoden, die bei den elektrodynamischen Aktoren (Abschnitt 9.2.1.3) vorgestellt wurden. Die Nutzung von einem zusätzlichen Permanentmagneten im Kreis erlaubt entweder • die Realisation eines stromlos gehaltenen Zustands, • oder das Schalten zwischen zwei Zuständen mit nur einer bestromten Wicklung. Ein gutes Beispiel für einen stromlos gehaltenen Zustand in [122] zeigt die Berechnung eines polarisierten Haftmagneten (Abb. 9.29). Bei nicht erregter Spule wird der Fluss durch den oberen Anker gelenkt, und dieser sicher gehalten. Wird die Spule bestromt wird der magnetische Fluss durch den Anker kompensiert. Der magnetische Nebenschluss unterhalb der Spule oberhalb des Magneten verhindert, dass der Dauermagnet über den Knick in der B-H-Kennlinie hinaus ein Gegenfeld erfährt und dauerhaft depolarisiert.
13
Ein frei verfügbares Programm zur Magnetfeldberechnung für rotationssymmetrische oder planare Systeme gibt es z.B. auch von DAVID M EEKER unter dem Namen ”Femm”.
246
9 Aktorentwurf
N S
a)
N S
b)
N S
c)
Abb. 9.29 Permanentmagnet im Eisenkreis mit der Geometrie (a), dem Feldbild bei nicht erregter Spule (b) und dem Feldbild bei eingeschalteter Wicklung (c), wodurch der Anker frei gegeben wird.
9.3.3 Beispiele elektromagnetischer Aktoren Elektromagnetische Aktoren existieren in einer Vielzahl von Realisationen am Markt. Der folgende Abschnitt stellt typische Bauformen für die einzelnen Wirkprinzipien und daraus resultierende kommerzielle Produkte vor. Nicht alle werden in haptischen Systemen eingesetzt. Das Wissen um die Konstruktionen ergibt aber einen Einblick in die Gestaltungsmöglichkeiten.
9.3.3.1 Klauenpol-Schrittmotor Der elektromagnetische Klauenpol-Schrittmotor (Abb.9.30) gehört zu den am häufigsten eingesetzten rotatorischen Antrieben. Er wird aus zwei gestanzten Blechen (1,2) gefertigt, bei denen die Pole - die sogenannten Klauen - um 90◦ abgewinkelt werden. Die Bleche stellen die Flussführung für jeweils eine von zwei Wicklungen (3) dar. Ein Permanentmagnet-erregter Rotor (4) mit einer Poleinteilung, die den einzelnen Klauen entspricht, richtet sich im Ruhezustand gegenüber den Klauen aus. Im Schrittbetrieb werden wechselweise die Spulen (3) bestromt, was in eine kombinierte Abstoßung und Anziehung des Rotors führt. Die Bestromung kann dabei durch einfaches Schalten der Ströme erfolgen. Klauenpol-Schrittmotoren erlauben auch einen Mikroschrittbetrieb, bei dem die Spulen in Stufen bestromt werden, so dass auch für die Dauer der Bestromung stabile Zustände zwischen zwei Polrastungen eingenommen werden können. Klauenpol-Schrittmotoren gibt es mit unterschiedlicher Polzahl, unterschiedlicher Phasenzahl und für unterschiedliche Lasten. Sie haben durch die Permanentmagnet-Erregung ein hohes Haltemoment bezogen
9.3 Elektromagnetische Aktoren
247
auf ihre Baugröße. Die Frequenz der Schritte für schnelle Bewegungen kann bis zu einigen Kiloherz betragen. Durch Zählen der Pulse kann auf die Lage des Rotors rückgeschlossen werden. Schrittverluste - die Tatsache, dass auf ein elektrisches Steuersignal kein mechanischer Schritt erfolgt - sind bei korrekter Auslegung des Antriebsstrangs nicht wahrscheinlich. Klauenpol-Schrittmotoren sind die Arbeitstiere der elektrischen Automatisierungstechnik. 1 3
a)
b) 2
c)
4
Abb. 9.30 Zwei-phasiger Schrittmotor aus Blechbiegeteilen mit permanentmagent-erregtem Rotor in 3D-Skizze (a), Querschnitt (b) und mit Detailaufnahme der Klauenpole (c)[212].
9.3.3.2 Reluktanzantrieb Der rotatorische Reluktanzantrieb (Abb.9.31) basiert auf dem elektromagnetischen Längseffekt. Durch geschicktes Schalten der Wicklungen (2) ist es möglich, den Rotor (3) in kontinuierlicher Bewegung bei minimalen Drehmomentschwankunge zu halten. Hierzu besitzt der Rotor weniger Pole als der Stator. Der Polwinkel des Rotors βr ist größer als der Polwinkel des Stators βs . Reluktanzantriebe können durch Integration von Permanentmagenten auch als Schrittmotoren eingesetzt werden. Generell zeichnen sie sich durch hohe Robustheit der Komponenten und großen Wirkungsgrad bei - für elektromagnetische Aktoren - geringen Drehmomentenschwankungen aus.
9.3.3.3 Elektromagnetische Bremse Elektromagnetische Bremsen (Abb.9.32) basieren auf dem Quereffekt. Sie machen sich die hohe Kraft bei magnetischer Anziehung zu nutze, um auf eine rotierende Scheibe (1) Reibung zu erzeugen. Dazu existieren meist rotationssymmetrische Flussführungen (2), in denen eine Spule (3) eingebettet ist. Die Stirnflächen der Flussführungen bzw. die Bremsscheiben (1) sind bei elektromagnetischen Bremsen
248
9 Aktorentwurf
a)
c)
b)
Abb. 9.31 Geschalteter Reluktanzantrieb mit Pol- und Spulenanordnung (a), im Längsschnitt (b) und mit Flusslinien bei magnetischer Erregung (c)[212].
für höhere Lastfälle mit speziellen Beschichtungen versehen, um den Verschleiß und die Reproduzierbarkeit des Bremsmomentes über viele Betriebsstunden positiv zu beeinflussen. Die Strom/Bremsmomenten-Kennlinien von elektromagnetischen Bremsen sind stark nichtlinear. Dies ist zum einen durch die quadratische Abhängigkeit der Kraft-Stromkennlinie des elektromagnetischen Effekts selber bestimmt, zum anderen liegt dies an der zum Bremsen verwendeten Reibpaarung. Sie werden dennoch für haptische Geräte zur Simulation ”harter Kontakte” und Anschläge eingesetzt. Durch die zeitliche Veränderung ihrer Eigenschaften aufgrund von Verschleiß, die schwierige Ansteuerung für definierte Bremsmomente und die Tatsache, dass sie nur bremsend (passiv) aber nicht aktiv genutzt werden können, bleibt ihnen eine breite Anwendung für haptische Systeme bisher versagt. 1
3 2
Flight-Depot.com
3 2
a)
b) 1
Abb. 9.32 Elektromagnetische Bremse im Querschnitt (a) und als technische Umsetzung für Modellflugzeuge (b).
9.3 Elektromagnetische Aktoren
249
9.3.3.4 Tauchanker Elektromagnetische Tauchanker (Abb.9.33) basieren in der Regel auf dem elektromagnetischen Quereffekt. Sie werden vor allem für Schalt- und Steueranwendungen eingesetzt, die das Erreichen definierter Zustände fordern. Über einen meist lediglich geblechten Eisenrückschluss (2) wird ein durch eine Spule (3) induzierter magnetischer Fluss in einen zentralen Anker gelenkt, der über ein Joch (4) angezogen wird. Die Form des Jochs bestimmt signifikant die Kennlinie des Tauchankers. Durch Variation der Geometrie ist eine Linearisierung der Kraft-Weg Kennlinie in gewissen Grenzen möglich. Auch stark nichtlineare Zugkraft-Charakteristika können so erreicht werden. Tauchanker gibt es mit zusätzlich integrierten Magneten und mit weiteren Spulen auch als mono- und bistabile Schalter. Durch Variation des Drahtdurchmessers und der Anzahl der Windungen können sie leicht auf sehr unterschiedliche Spannungspegel angepasst werden. 2
3
3
4 2 1
a)
b)
1
Abb. 9.33 Tauchankersystem (a) mit Kennlinienbeeinflussung (4) und Umsetzung als Zuganker (b) mit geblechtem Eisenrückschluss (2).
9.3.4 Magnetische Aktoren in haptischen Geräten Elektromagnetische Antriebe kommen in haptischen Anwendungen vor allem bei taktilen Geräten zum Einsatz. Dennoch existieren bei admittanzgeregelten Systemen Lösungen, die unter Verwendung von Schrittmotoren mit Kraftmessung beeindruckende Ergebnisse erzielen. Neben dem kommerziellen System des ”HapticMaster” von Moog (Abschnitt 5.1.4) ist vor allem eine Idee von L AWRENCE in den letzten Jahren aufgefallen.
250
9 Aktorentwurf
9.3.4.1 Feder-Bogen-Antrieb In [152] beschreibt er einen kostengünstigen Antrieb für kinästhetische haptische Systeme (Abb. 9.34) bestehend aus einem elektromagnetischen Schrittmotor, der über ein Kabel an einem Stift ankoppelt, der durch eine mechanisch parallel geschalteten Feder mit beiden verbunden ist. Der Stift ist analog zu anderen haptischen Geräten die Schnittstelle zum Bediener, und ist weiterhin mit einem Kraftsensor auf Basis eines mit DMS versehenen Verformungskörpers ausgestattet. Um die beim elektromagnetischen Prinzip immer auftretenden Schwankungen im Drehmoment durch das Rasten der Polung zu kompensieren, wurde ein externer Encoder am Motor ergänzt, und eine Drehmomenten/Drehwinkel Kennlinie aufgenommen. Ein mathematischer Spline-Fit dieser Kennlinie dient der Kompensation der Schwankungen. Weiterhin erlaubt eine angepasste Steuerungselektronik anders zu üblichen Schrittmotorelektroniken eine Sinus-förmige Ansteuerung des Motorstroms über jeden einzelnen Schritt. Neben der Kompensation der Schwankungen beinhaltet die Regelung auch die Kompensation von Reibungseffekten. Resultat ist eine Kraftquelle, die für Bewegungen mit eingeschränkter Dynamik eine Kraftübertragung mit geringen Störeffekten bei hohen Steifigkeiten von bis zu 75 kN/m zeigt.
Abb. 9.34 Elektromagnetischer Schrittmotor mit Feder im admittanzgeregelten Betrieb [152].
9.3.4.2 Elektromagnetischer Pin Array Die Verwendung elektromagnetischer Aktoren zur Ansteuerung von einzelnen Stiften in Arrayverbünden ist sehr verbreitet. Die ersten Anwendungen gingen auf Druckköpfe von Nadeldruckern in den 80er und 90er Jahren zurück. Moderne Ver-
9.3 Elektromagnetische Aktoren
251
fahren sind deutlich spezfischer und machen sich auch Fertigungsverfahren der Mikrotechnologie zu Nutze. In [45] wird ein Aktorarray (Abb. 9.35) bestehend aus Spulen mit 430 Windungen auf 0,4 mm Wicklungskernen vorgestellt. Über ihnen ist ein Magnet in einem Polymer-Verbund eingebettet, der durch den im Eisenkreis induzierten Fluss abgestoßen wird. Mit einem Aktor mit Durchmesser von 2 mm ist eine Spitzenkraft von bis zu 100 mN möglich. Weiterhin umfasst das Projekt auch eine induktive Messung der Aktorposition.
a)
b)
Abb. 9.35 Elektromagnetischer monostabiler Aktor mit Permanentmagnet: Prinzipskizze (a) und Aktorverbund (b) [45].
9.3.4.3 Elektromagnetischer Tauchanker zur taktilen Vermittlung von Sprachinformationen Die teilweise Substitution verloren gegangener Sinne durch haptische Informationen ist eine Grundmotivation für den Entwurf haptischer Geräte. Insbesondere Methoden durch taktile Informationen den Verlust des Gesichtsinns, aber auch des Hörsinns, zu kompensieren werden seit langer Zeit erprobt. Ein Verfahren zur Kodierung von Sprachinformationen auf mehrere durch Schwingung stimulierte Punkte am Unterarm wurde auf der technologischen Basis eines elektromagnetischen Tauchankers nach dem Reluktanzprinzip 1986 an der Technischen Universität Darmstadt durch B LUME entwickelt und erprobt. Der Aktor (Abb. 9.36) beinhaltet zwei symmetrische Tauchanker (zur Horizontalachse), die auf zwei unabhängige, in einem Stößel integrierte magnetische Flussstücke wirken. Der Anker ist im unbestromten Zustand durch den integrierten Magneten bestrebt, eine symmetrische Mittelstellung einzunehmen. In der Mittelstellung wirken sowohl im oberen, als auch im unteren Eisenkreis identische, entgegengerichtete Reluktanzkräfte. Im bestromten Zustand wird in Abhängigkeit der Stromflussrichtung jeweils der Fluss im oberen oder der unteren Eisenkreis verstärkt, die Gegenseite geschwächt. Die Reluktanzkräfte des verstärkten Bereichs ziehen den Anker in eine für den Bereich
252
9 Aktorentwurf
symmetrische Mittelstellung. Der Stößel wird in Richtung des geschwächten Bereiches ausgelenkt. Der Aktor hat bei 20 mm Außendurchmesser eine Dynamik von bis zu 500 Hz bei einem Wirkungsgrad von ≈ 50% erreicht. Die Kräfte liegen bei ≈ 4 N pro Ampere Strom.
Umrandung
Stößel
Spulen
Eisenkreis Federlager
a)
Anker
b)
Abb. 9.36 Elektromagnetischer Aktor nach dem Reluktanzprinzip im ”Gegentakt-Tauchanker” Design mit Permanentmagneten: Querschnitt (a) und Aufbau inklusive Treiberelektronik (b) [25].
9.3.5 Fazit zum Entwurf magnetischer Aktoren Elektromagnete stellen genauso wie elektrodynamische Systeme vor allem Kraftquellen dar. In rotatorischen Antrieben überwiegt die Nutzung von Reluktanzeffekten für kontinuierliche Bewegungen. Bei linearen Antrieben überwiegt die Verwendung von Hubankern und dem nichtlinearen Quereffekt, wobei Ausnahmen für beides existieren und teilweise überraschende Eigenschaften aufweisen (siehe Abschnitt 9.3.4.3). Die translatorischen Systeme sind in der Regel Schalter, die monostabil gegen eine Feder arbeiten (Tauchanker, Bremse, Ventil) oder bistabil zwischen zwei Zuständen schalten. Für beide Effekte gibt es Anwendungen in der Haptik. Während die Reluktanz gleichermaßen bei kinästhetischen Systemen als Antrieb im admittanzgeregelten Fall wie bei taktilen Systemen als Vibrationsantrieb zum Einsatz kommt, sind schaltende Antriebe vor allem bei taktilen Geräten mit einzelnen Pins und Pin-Arrays verbreitet. Elektromagnetische Antriebe haben aufgrund ihrer Massen im Gegensatz zu den sehr schnellen elektrodynamischen Antrieben ihre Stärken bei weniger dynamischen Anwendungen, bei denen sie durch ihr hohes Haltemoment überzeugen können. Dennoch ist insbesondere beim Schalten zwischen zwei Zuständen das Bewegen als solches und das abrupte Abbremsen an Anschlägen ein sehr dynamischer Vorgang. Die dynamische Beschreibung von Schaltvorgängen wurde hier nicht weiter ausgeführt, basiert aber im ersten Entwurf auf der Modellierung einer nichtlinearen Kraftquelle des Elektromagneten und der Betrachtung der bewegten Massen, Federn und Dämpfern im technischen System als
9.3 Elektromagnetische Aktoren
253
konzentrierte Bauelemente. Elektromagnetische Antriebe besetzen durch die relativ hohen Massen des Eisenkreises, die nicht immer leicht zu beherrschenden Nichtlinearitäten der Feldverläufe sowie die geringe Wirkungstiefe beim Quereffekt bei haptischen Anwendungen Nieschen. Dort führt aber kein Weg daran vorbei, ihren Einsatz ernsthaft zu berücksichtigen. Ist eine geeigneter Bereich gefunden, überzeugen sie durch einen im Vergleich sehr hohen Wirkungsgrad und große Robustheit gegenüber Umgebungseinflüssen.
254
9 Aktorentwurf
9.4 Piezoelektrische Aktoren S TEPHANIE S INDLINGER , M ARC M ATYSEK
Neben den elektrodynamischen Aktoren haben sich in den letzten Jahren eine Vielzahl von Anwendungen mit piezoelektrischen Aktoren für haptische Systeme ergeben. Ihre besonderen Eigenschaften in Bezug auf Dynamik und Resonanzbetrieb erlauben es, sie nicht nur als Positionsstellantrieb, sondern vor allem auch als variable Impedanz mit einem breiten Steifigkeitsspektrum zu betreiben. Das folgende Kapitel stellt die Berechnungsgrundlagen für piezoelektrische Materialien vor, zeigt Ausführungsformen piezoelektrischer Aktoren und deren Anwendungen für haptische Systeme. Hierbei wird neben den spezifischen Ausführungen taktiler und kinästhetischer Geräte auch auf die Regelung der Aktoren und die Werkzeuge zu deren Auslegung eingegangen.
9.4.1 Der piezoelektrische Effekt Der piezoelektrische Effekt wurde im Jahr 1880 von den Brüdern Jacques und Pierre Curie erstmals entdeckt. Der Begriff leitet sich ab aus dem Griechischen „piedein piezo“ = „drücken“ [114]. In Abbildung 9.37 ist schematisch ein Quarzkristall (chemische Formel: SiO2 ) dargestellt. Wirkt auf diesen Kristall eine gerichtete, nur von einer Seite wirkende, Kraft, bilden sich mikroskopische Dipole innerhalb der Elementarzellen durch Verschiebung der Ladungsschwerpunkte aus. Die Aufsummierung aller mikroskopischen Ladungsverschiebungen führt zu einer makroskopisch messbaren elektrischen Spannung. Dieser Effekt wird als der reziproke piezoelektrische Effekt bezeichnet. Er ist umkehrbar zum direkten piezoelektrischen Effekt. Wird an ein piezoelektrisches Material eine elektrische Spannung angelegt, erfährt das Material abhängig von der Feldstärke eine mechanische Deformation entlang der Kristallrichtung [7, 8, 218]. Piezoelektrische Materialien weisen ein anisotropes, d.h. richtungsabhängiges Verhalten auf. Der Effekt ist folglich von der Richtung des steuernden elektrischen Feldes und von der betrachteten Wirkrichtung relativ zur Polaristationsebene abhängig. Zur Beschreibung des anisotropen Verhaltens werden den Effekten Indizes zugeordnet. Zur Indizierung wird ein kartesisches Koordinatensystem verwendet, dessen Achsen mit 1, 2 und 3 gekennzeichnet sind. Die Polarisationsebene der piezoelektrischen Materialwürfel wird üblicherweise in Richtung der Ebene 3 dargestellt. Die Scherungen an diesen Achsen werden mit 4, 5 und 6 markiert. Die drei wichtigsten in Abbildung 9.38 schematisch dargestellten Teileffekte, die in einem piezoelektrische Material auftreten können, sind der Längseffekt, der Quereffekt und der Schereffekt.
9.4 Piezoelektrische Aktoren
255
F + + +
+ + +
+ -
Elektrodenfächen
+
O
Si
Si O
+ -
O-
Si
O Si O Si Si O + +
d0
+
d d0
-
-
-
-
-
F
-
-
Abb. 9.37 Schematische Kristallstruktur von Quarz im Grundzustand und unter Belastung [218]
metallische Elektrodenflächen T3,S3
l b
x0 U
U
x0
T1,S1 U h
l
h x0
h
b
l
b
3
2 1
T5,S5
Abb. 9.38 Unter elektrischer Spannung auftretende Effekte: links longitudinaler Effekt (Dickenschwinger), Mitte transversaler Effekt (Längsschwinger), rechts Schereffekt [218]
Der Längseffekt (auch Longitudinaleffekt genannt) wirkt in der gleichen Richtung wie das angelegte elektrische Feld und der sich in dem Material ausbildenden elektrischen Feldstärke E3 . Die resultierende mechanischen Spannungen T3 und Dehnungen S3 liegen folglich ebenfalls in der Ebene 3. Bei dem Quereffekt (oder Transversaleffekt) bilden sich die mechanischen Größen senkrecht zur elektrischen Anregung aus. Auf eine Spannung U3 mit der elektrischen Feldstärke E3 folgt die mechanische Spannung T1 und die Dehnung S1 . Der Schereffekt tritt auf, wenn die elektrische Anregung U in der Ebene 1 senkrecht zur Polarisationsrichtung angelegt wird. Die resultierenden mechanischen Spannung treten tangential zur Polarisationsrichtung, also in Scherrichtung auf, und werden mit der Richtung 5 bezeichnet.
256
9 Aktorentwurf
9.4.1.1 Piezoelektrische Grundgleichungen Der piezoelektrische Effekt wird am einfachsten über die Zustandsgleichungen beschrieben: P = e·T
(9.53)
S = d·E
(9.54)
und mit P S E T
= = = =
Polarisation (in C/m2 ) Verformung (dimensionslos) elektrische Feldstärke (in V/m) mechanische Spannung (in N/m2 )
Die piezoelektrischen Koeffizienten sind • der piezoelektrische Spannungskoeffizient (oder Kraftkoeffizient) e (Reaktion der mechanischen Spannung auf das elektrische Feld) ei j,k =
∂ Ti j ∂ ∂ Ek
(9.55)
• und der piezoelektrische Verzerrungskoeffizient (oder Ladungskoeffizient) d (Reaktion der Verzerrung auf das elektrische Feld) di j,k =
∂ εi j ∂ ∂ Ek
(9.56)
Der Zusammenhang der beiden piezoelektrischen Koeffizienten ist über die elastischen Konstanten Ci jlm definiert durch ei j,k = ∑ Ci jlm · dlm,k (9.57) lm
Die in den oberen Gleichungen aufgeführten Tensoren werden in der Regel in Matrixfom (Voigtsche Notation) notiert. Damit erhält man Matrizen mit sechswertigen Komponenten, welche den oben festgelegten Achsdefinitionen entsprechen. Die untenstehende Matrix beschreibt die Verknüpfung der dielektrischen Verschiebung D, der mechanischen Dehnung S, der mechanischen Spannung T und der elektrischen Feldstärke E.
9.4 Piezoelektrische Aktoren
D1 D2 D3 S1 S2 S3 S4 S5 S6
T1 0 0 d31 s11 s12 s13 0 0 0
257
T2 0 0 d31 s12 s11 s13 0 0 0
T3 0 0 d33 s13 s13 s33 0 0 0
T4 0 d15 0 0 0 0 s44 0 0
T5 T6 d15 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 s44 0 0 2(s11 − s12)
E1 ε11 0 0 0 0 0 0 d15 0
E1 0 ε11 0 0 0 0 d15 0 0
E3 0 0 ε11 d31 d31 d33 0 0 0
Diese Matrix lässt sich für die Spezialfälle des Längs- und Dickenschwingers vereinfachen. Für einen in Richtung 3 kontaktierten Längsschwinger gilt folglich T D3 = ε33 E3 + d31T1
(9.58)
S3 = d31 E3 + sE11 T1 .
(9.59)
Analog gilt für den Dickenschwinger (Quereffekt) der Zusammenhang T E3 + d33T3 D3 = ε33
(9.60)
S3 = d33 E3 + sE33 T3
(9.61)
mit D3 E3 S1 , S3 T1 , T3 T ε33 d31 , d33 sE11 , sE33
= = = = = = =
dielektrische Verschiebung in C/m2 D=0: Leerlauf Feldstärke in V/m E=0: Kurzschluß Δ L/L = Dehnungen, dimensionslos S=0: Festbremsung mechanische Spannungen N/m2 T=0: Freilauf relative Dielektrizitätskonstante bei mechanischer Spannung = 0 piezoelektrische Ladungskonstanten in C/N Elastizitätskonstanten bei Feldstärke = 0
Die Berechnung der piezoelektrischen Koeffizienten vereinfacht sich somit zu den folgenden Gleichungen: Die Ladungskonstante d berechnet sich für elektrischen Kurzschluss, d.h. E = 0, zu D dE=0 = (9.62) T und für mechanischen Leerlauf, d.h. T = 0 zu dT =0 =
S . E
Die piezoelektrische Spannungskonstante ist definiert als
(9.63)
258
9 Aktorentwurf
g=
d . εT
(9.64)
Der Kopplungsfaktor k ist durch die Gl. 9.65 gegeben, und stellt ein Maß für die Energieumwandlung, aber auch für die Größe des piezoelektrischen Effekts dar. Er dient dem Vergleich verschiedener piezoelektrischer Materialien. Er entspricht nicht dem Wirkungsgrad, da Verluste nicht mit berücksichtigt werden. k=
umgewandelte Energie . au f genomme Energie
(9.65)
Die ausführliche Beschreibung des piezoelektrischen Effekts und weitere Berechnungsgrundlagen sowie Werte der piezoelektrischen Kenngrößen sind u.a. in [29, 103, 153] zu finden.
9.4.1.2 Piezoelektrische Materialien Bis 1944 konnte der piezoelektrische Effekt nur bei Einkristallen beobachtet werden. Das sind z.B. bei Quarz, Turmalin, Lithiumniobat, Kalium- und AmmoniumHydrogen-Phosphat (KDP, ADP) und Seignettesalz [7]. Bei diesen ist die Richtung der spontanen Polarisation durch die Richtung der Kristallgitter vorgegeben [114]. Der bekannteste Einkristallwerkstoff ist Quarz. Die Entwicklung des Polarisationsverfahrens ermöglichte 1946 erstmals die nachträgliche Polarisation von Keramiken durch das Anlegen eines äußeren elektrischen Gleichfeldes. Auf diese Weise wurden „Piezokeramiken“ erzeugt. Durch die Entwicklung dieser polykristallinen Werkstoffe mit piezoelektrischen Eigenschaften erreichten die piezoelektrischen Werkstoffe eine hohe technische Bedeutung. Die heute am meisten verwendeten Materialien sind z.B. Bariumtitanat (MaTiO3 ) oder Bleizirkonat-Bleititanat (PZT) [7]. C 82 ist eine Piezokeramik, die sich aufgrund ihres hohen k-Faktors gut als Aktormaterial eignet. Sie weist allerdings wie alle Piezokeramiken im Gegensatz zu Quarz eine geringere Langzeitstabilität und den pyroelektrischen Effekt auf [153]. Seit den 60er Jahren ist der teilkristalline Kunststoff Polyvinylidenfluorid (PVDF) bekannt. Gegenüber den bisher genannten Werkstoffen zeichnet er sich durch eine hohe Elastizität und eine geringe Dicke (6 μ m bis 9 μ m) aus. In Tabelle 9.4 sind die verschiedenen piezoelektrischen Materialien mit ihren spezifischen Kennwerten aufgeführt. Der Vergleich der spezifischen Kennwerte macht deutlich, dass aufgrund des hohen Kopplungsfaktors bei gleichzeitig großem piezoelektrischen Ladungsmodul und hoher Curietemperatur PZT am besten als Aktormaterial geeignet ist. Neben den oben erläuterten piezoelektrischen Größen ist die Curietemperatur eine weitere wichtige Größe, um Eigenschaften piezoelektrischer Materialien zu beschreiben. Wird das Material über die Curietemperatur erwärmt, geht die Polarisation verloren. Die Größe der Curietemperatur ist materialspezifisch (s. Tabelle 9.4).
9.4 Piezoelektrische Aktoren
259
Tabelle 9.4 Ausgewählte piezoelektrische Werkstoffe mit Materialkennwerten [153]. Konstante
Einheit
Quarz
PZT-4
PZT-5a
C 82
PVDF
d33 d31
10−12 m/V
2,3 -2,3
289 -123
374 -171
540 -260
-27 20
e33 e31
A·s m2
0,181 -0,181
15,1 -5,2
15,8 -5,4
28,1 -15,4
108 -
sE33 sE11
10−12 m2 /N
12,78 12,78
15,4 12,3
18,8 16,4
19,2 16,9
-
cE33 cE11
1010 N/m2
7,83 7,83
6,5 8,1
5,3 6,1
5,2 5,9
-
-
4,68; 4,68
1300; 635
1730; 960
3400; -
12 ;12
-
4,52; 4,41
1475; 730
1700; 830
3100; -
-
k33 k31
-
0,1 -
0,7 0,33
0,71 0,34
0,72 0,36
0,20 0,15
ϑCurie
◦C
1
575
328
365
190
80
ρ
kg m−3
2660
7500
7500
7400
1790
T ε33 ε0 ; T ε11 ε0 ;
S ε33 ε0 S ε11 ε0
9.4.2 Bauformen und Eigenschaften piezoelektrischer Aktoren Aktoren, die den piezoelektrischen Effekt nutzen, gehören zu den Festkörperaktoren. Die Umsetzung der elektrischen in mechanische Energie erfolgt ohne bewegte Teile, was eine sehr schnelle Reaktion gegenüber anderen Aktorprinzipien ermöglicht. Ebenso zeichnen sich piezoelektrische Aktoren durch eine hohe Lebensdauer aus. Die Dickenänderungen sind gegenüber anderen Prinzpien sehr gering, die erzeugbaren Kräfte jedoch deutlich höher.
9.4.2.1 Grundlegende piezoelektrische Aktorbauformen Je nach Anwendungsfall können verschiedene Wandlerbauformen eingesetzt werden. Beispielsweise kann in einem Fall ein hoher Stellweg, in einem anderen Fall eine hohe Haltekraft oder Steifigkeit im Vordergrund stehen. Die am häufigsten eingesetzten Bauformen sind der Biegewandler und der Stapelaktor. Der schematische Aufbau dieser beiden ist in Abbildung 9.39 (a) und (c) dargestellt. Stapelaktoren basieren auf dem longitudinalen piezoelektrischen Effekt, dem sog. Längseffekt. Dafür werden mehrere Keramikschichten wechselnder Polarität übereinander gestapelt. Zwischen den Schichten befinden sich Kontaktelektroden zur Ansteuerung. Ein Stapelaktor bildet sehr hohe Haltekräfte bis zu mehreren 10 kN aus. Der mögliche Stellweg ist mit bis zu max. 200 μ m im Vergleich zu anderen Bauformen eher gering. Über eine Hebelanordnung wie in Abbildung 9.39 (b)
260
9 Aktorentwurf
Longitudinaler Effekt: x
x
3
UB (a) Transversaler Effekt:
1
(b) x
x x
UB
x
UB (c)
2
UB
(d)
UB (e)
UB (f)
Abb. 9.39 Wichtige piezoelektrische Wandlerbauformen unterschieden nach longitudinalem und transversalem Effekt: Longitudinaler Effekt: (a) Stapelaktor, (b) Stapelaktor mit Hebelübersetzung, Längenänderung: x = d33 ·UB Transversaler Effekt: (c) Biegeaktor, (d) Tubus, (e) Streifenaktor, (f) Biegescheibe, Längenänderung: x = −d31 ·UB [114] .
kann der Stellweg des Stapelaktors deutlich erhöht werden. Zur Ansteuerung eines Stapelaktors sind hohe Spannungen im Bereich von einigen 100 V notwendig. Biegeaktoren basieren auf dem transversalen piezoelektrischen Effekt, dem sog. Quereffekt. Durch Ausnutzung des Bimorf-Verhaltens kommen sie vor allem dort zum Einsatz, wo hohe Stellwege gefordert sind. Die Verwendung des Quereffekts zeichnet sich durch mögliche geringe Steuerspannungen aus [7, 114]. Durch die realisierbaren geringen Keramik-Schichtdicken senkrecht zur Feldstärke lassen sich bei geeigneter Wahl der Geometrie verhältnismäßig große Stellwege erzielen. Weitere Bauformen, die den Quereffekt nutzen, sind z.B. ein tubusförmiger Aktor, der Streifenaktor oder die Biegescheibe in Abbildung 9.39 (d) bis (f). Aufgrund ihrer Bauform sind die Eigenschaften dieser Aktoren ähnlich denen der den Längseffekt ausnutzenden Aktoren: Die erreichbaren Stellwege sind mit ca. 50 μ m deutlich geringer, während deutlich höhere Stellkräfte als bei dem Biegewandler erreichbar sind. Der Schereffekt wird in der Antriebstechnik selten eingesetzt. Obwohl er etwa doppelt so hohe Ladungsmodule und Kopplungsfaktor wie der Quereffekt besitzt
9.4 Piezoelektrische Aktoren
261
und es zudem möglich ist, durch die Auslegung des Verhältnisses Länge / Dicke (l/h) die Auslenkung x0 im Leerlauffall (Auslenkung ohne äußere Last) zu steigern wird die Klemmkraft FK jedoch nicht beeinflusst. In Tabelle 9.5 sind die Eigenschaften der verschiedenen typischen Bauformen noch einmal zusammengefasst. Dargestellt sind typische Stellwege, Stellkräfte und Betriebsspannungen. Tabelle 9.5 Eigenschaften typischer piezoelektrischer Aktorbauformen [114]. Standardbauformen
Stapel
Typische Stellwege Typische Stellkräfte
Stapel mit BiegeHebelüber- wandler setzung
Tubus
Biegescheibe
20...200 μ m ≤ 1.000 μ m ≤ 1.000 μ m ≤ 50 μ m
≤ 50 μ m
≤ 500 μ m
≤ 30.000 N ≤ 3.500 N
≤ 1000 N
≤ 1000 N
≤ 40 N
60...500 V
120...1000 V 10...500 V
≤ 5N
Typische 60...200 V 60...200 V 10...400 V Betriebs200...500 V 200...500 V spannungen 500...1000 V 500...1000 V
Streifen
9.4.2.2 Ausgewählte Sonderbauformen piezoelektrischer Antriebe Neben den bereits vorgestellten Standardbauformen existieren zahlreiche Variationen an weiteren Bauformen. In diesem Abschnitt sollen exemplarisch Ultraschallaktoren mit Resonator, der Wanderwellenmotor und ein piezoelektrischer Schrittantrieb vorgestellt werden. Zunächst werden zwei verschiedene Ultraschallaktoren vorgestellt. Anhand des grundlegenden Aufbaus werden sie nach Motoren mit stabförmigem Resonator und Motoren mit kreisringförmigem Resonator unterschieden.
Ultraschallaktoren mit stabförmigem Resonator Eine Sonderbauform piezoelektrischer Ultraschallaktoren ist aus einem piezoelektrischen Stapelaktor und einem mechanischen Resonator aufgebaut [114, 252, 253, 255, 272]. Der Resonator dient als Stator des Motors, an dessen schwingendem Ende der Rotor angetrieben wird. Da es sich bei der Bewegung des Aktors um keine fortlaufende sondern um eine stehende Welle handelt, wird diese Bauart auch als „standing wave“ bezeichnet. Die schwingende Bewegung des Stators wird auf den Rotor übertragen und versetzt diesen in Rotation. Obwohl die erzeugbaren Amplituden nur im Bereich von
262
9 Aktorentwurf
einigen μ m liegt sind Geschwindigkeiten von mehreren 100 U/min möglich, wie das nachfolgende Rechenbeispiel zeigt: Die Amplitude am Ende des Resonators beträgt etwa 4μ m. Beträgt die Frequenz der Schwingung 25 kHz, so ergibt sich eine Umdrehungsgeschwindigkeit v von v = 4 μ m · 25 kHz = 100 m/sec.
(9.66)
. Grundlegend werden zwei verschieden Bauformen mit stabförmigem Resonator unterschieden: der monomodale und der bimodale Motor. Beide prinzipiellen Aufbauten sind in der Abbildung 9.40 schematisch dargestellt.
Einspannung
Einspannung x
Rotor
Rotor
x y
monomodaler Resonator
bimodaler Resonator
Abb. 9.40 Schematischer Aufbau des monomodalen (links) und bimodalen (rechts) piezoelektrischen Antriebs mit stabförmigen Resonator [114]. .
Bei dem monomodalen Motor bildet sich nur eine Schwingungsmode aus. Er wird folglich mit einer einzelnen Frequenz angeregt, wodurch der Resonator eine longitudinale Bewegung in Richtung der Stabachse ausführt. Die Spitze des Resonators ist angeschrägt. Der Kontaktpunkt wird asymmetrisch zur Rotorachse platziert, so dass durch die eindimensionale Schwingung des Stators ein „Anstoßen“ des Rotors stattfindet. Der Stator führt eine Ausgleichsbewegung nach oben durch, wodurch der Rotor in Rotation versetzt wird. Die Umkehrung der Rotationsrichtung dieses Motors ist nur durch eine andere Platzierung unterhalb der Symmetrieachse des Rotors möglich. Bei dem bimodalen Motor wird der Resonator in zwei seiner Moden, einer Longitudinal- und einer Biegemode, zum Schwingen angeregt. Die Ansteuerung erfolgt mit zwei Frequenzen, die additiv überlagert werden. Werden die zwei Frequenzen so gewählt, dass die eine Frequenz ein ganzzahliges Vielfaches der ersten Frequenz beträgt, ergibt sich eine geschlossene rotatorische Bewegung (LissajousFigur). Durch die Phasenverschiebung zwischen den zwei Frequenzen ist es möglich, eine Rotation in beide Richtungen zu ermöglichen. Ebenso kann über die Phasenverschiebung die Drehgeschwindigkeit des Rotors definiert geändert werden. Abbildung 9.41 verdeutlicht diesen Zusammenhang. Die Form der Bewegung der Resonatorspitze wird durch den Phasenwinkel Θ bestimmt. Für den Phasenwinkel Θ = 0 liegt für den Linkslauf ein optimaler Kon-
9.4 Piezoelektrische Aktoren
263
Y0
Y0 Linkslauf
-X0
X0
-X0
X0
-Y0
-Y0 1 Q= 4p
Y0
Q=0
Stillstand -X0
X0
-Y0
Q= 1p
Y0
Y0
2
Rechtslauf
-X0
X0
-X0
X0
-Y0
-Y0
3 Q= 4p
Q=p
Abb. 9.41 Bewegung der Resonatorspitze des bimodalen Resonators bei verschiedenen Phasenverschiebungen. Der Kontaktbereich mit dem Rotor ist dick gekennzeichnet [114]. .
takt zwischen der Resonatorspitze und dem Rotor vor. Die Drehgeschwindigkeit ist folglich maximal. Wird Θ erhöht, ändert sich die Bewegungsform der Spitze und folglich auch die Kontaktzeit und -form zwischen Resonator und Rotor. Beispielhaft ist dies für Θ = π4 dargestellt. Bei einem Phasenwinkel von Θ = π2 liegt kein antreibendes Moment mehr vor. Diese Phase kann genutzt werden, um die Blockierung des Motors im ausgeschalteten Zustand zu überbrücken. Es ist also ein aktiver Entblockierzustand, bei dem die Reibung zwischen Rotor und Resonator durch die schwingende Bewegung der Resonatorspitze aufgehoben wird. Eine weitere Vergrößerung des Phasenwinkels zu Θ = 34 π führt zu einer Umkehrung der Drehrichtung des Motors. Bei Θ = π ist für den Rechtslauf wieder eine optimale Kontaktbedingung mit maximal übertragbarem Drehmoment erreicht. Die Bewegung der Rotorspitze kann nach Abbildung 9.41 durch die folgenden Gleichungen beschrieben werden:
264
9 Aktorentwurf
x = x0 sin(ω1t), y = y0 sin(ω2t + Θ ).
(9.67)
Dabei ist f1 die Frequenz der longitudinalen Schwingung und f2 = 2 · f1 die Frequenz der Biegemode. Beträgt die Biegemode kein ganzzahliges Vielfaches der transversalen Mode, driften die Frequenzen im Betrieb auseinander. In diesem Fall muss eine definierte Phase zwischen den zwei Ansteuerfrequenzen eingehalten werden, um einen definierten Kontakt zwischen der Spitze und dem Rotor zu erzeugen. Untersuchungen zur Optimierung des Kontaktverhaltens sind u.a. in [62, 79, 174, 241, 288] aufgeführt. Die Bewegungsamplitude piezoelektrischer Aktoren mit einem stabförmigen Resonator liegt im Bereich von einigen μ m. Um diese zu vergrößern, kann man die Form des Resonators verändern. Grundsätzlich bieten sich drei verschieden Formen an: Das Stufenhorn, das Exponentialhorn und das sich linear verjüngende Horn. Weitere Informationen sind in zahlreichen Veröffentlichungen u.a. in [16, 252, 253, 255] angegeben. Berechnungsvorschriften und Optimierungskriterien für die Auslegung der Resonatoren piezoelektrischer Aktoren sind in [49, 221, 254, 272] zu finden. Ein kommerziell erhältlicher piezoelektrischer Aktor mit monomodalem Resonator ist der Motor der Fa. Elliptec [163, 260] . Die Form des Resonators und die Anordnung der piezoelektrischen Elemente sind im Vergleich zum grundlegenden Aufbau variiert, wie in Abbildung 9.42 zu sehen ist.
Einspannung
piezoelektrischer Stapel Resonanzkörper
Federelement
Kontaktfläche
Abb. 9.42 Skizze des piezoelektrischen Ultraschallaktors der Firma Elliptec [163]. .
Der Motor besteht aus einem piezoelektrischen Stapelaktor sowie einem Resonanzkörper, an dessen Spitze eine elliptische Schwingung erzeugt wird. In die Spitze ist eine Nut eingebracht, die als Kontaktfläche dient und den angetriebenen Körper zusätzlich führt. Der Motor wird mit Hilfe eines elastischen Elementes, z.B. einer Dreh- oder Blattfeder über einen definierten Winkel an den anzutreibenden Körper gedrückt. Dies kann sowohl ein Zylinder für eine translatorische Bewegung als auch ein kreisförmiger Körper zur Erzeugung einer rotatorischen Bewegung sein. Zu Ansteuerung des Motors wird nur eine Frequenz f1 benötigt. Durch Ansteuerung mit der Frequenz f2 kann die Drehrichtung der elliptischen Bewegung und somit die Antriebsrichtung des Körpers umgekehrt werden.
9.4 Piezoelektrische Aktoren
265
Tabelle 9.6 Technische Eigenschaften des Elliptec-Motors X15G [4]. Symbol Parameter
Werte min. typ. max. Leerlaufbetrieb 300 350 550 Beschleunigung von 0 auf max. Geschwindigkeit bei m = 1, 5g 5 Haltekraft im unbestromten Zustand 0,5 0,8 1,2 Blockierkraft 200 300 500 Betätigungskraft bei 100 mm/s 100 200 350 Betätigungskraft bei 200 mm/s 25 100 200 Blockier-Drehmoment bei 20mm des angetriebenen Rotors 2 3 5 Drehmoment bei 20mm und 95,5 rpm 1 2 3,5 Drehmoment bei 20mm und 191 rpm 0,25 1 2 Frequenz Vorwärtsbetrieb bei vmax 77 81 84 Frequenz Rückwärtsbetrieb bei vmax 93 98 108 Frequenzauflösung 0,2 0,6 temperaturabhängige Frequenzdrift 35 50 70 Wegauflösung var. 5 bis 100 Energie der Treiberelektronik 1,8 max. Strom der Treiberelektronik bei 5 V 300 450 600 Motorspannung (peak-to-peak) 5 7 10
Einheit
v0 a FH FB F100 F200 MB M100 M200 f fw f bw fr fD rs Pp0 Idriver Umotor
mm/s ms N mN mN mN mNm mNm mNm kHz kHz kHz Hz/◦ C μm W mA V
Eine typische Länge des Motors ist 20 mm, der Resonator weist eine Höhe und Breite von je 3 mm auf. Das Gewicht beträgt 1,2 g. Die technischen Daten des Elliptecmotors sind in der folgenden Tabelle 9.6 zusammengefasst Der Elliptecmotor ist preisgünstig in einem Starter Kit mitsamt der zugehörigen Ansteuerelektronik erhältlich.
Ultraschallaktoren mit kreisringförmigem Resonator Neben den Aktoren mit stehender Wellen können auch Aktoren aufgebaut werden, die eine Wanderwelle erzeugen. Sie werden dementsprechend auch als „travelling wave“ bezeichnet. Die bekanntesten Wanderwellenmotoren sind kreisringförmig aufgebaut. Der erste Motor dieser Form wurde 1973 von S ASHIDA aufgebaut [253]. Wanderwellenmotoren zählen ebenfalls zu den Ultraschallaktoren, da ihre Ansteuerfrequenzen zwischen 20 kHz und 100 kHz liegen. Dieser Abschnitt beschränkt sich auf die Vorstellung der kreisringförmigen Wanderwellenmotoren mit umlaufender Biegewelle. Näheres zu linearen Wanderwellenmotoren sind in bekannter Literatur zu finden [55, 90, 91]. Wie Abbildung 9.43 zeigt, besteht der Stator des Motors aus einem Ring mit piezoelektrischen Elementen. Diese sind in abwechselnd positiver und negativer Polarität auf dem Ring platziert. Der Stator ist mit Einschnitten versehen, um die umlaufenden Biegewelle zu ermöglichen. Jeder Punkt an der Oberfläche des Stators des Motors führt, wie in Abbildung 9.43 schematisch dargestellt ist, eine ortsfeste elliptische Bewegung aus (Trajek-
266
9 Aktorentwurf
Ringscheibe mit piezoelektrischen Elementen -
+
Rotor
Reibbelag
- + - + + + +
+ + +
Drehrichtung des Rotors Metallteil
-
Statoroberfläche
Fortpflanzungsrichtung der Wanderwelle
Stator
+ + - + -
Piezokeramik
Abb. 9.43 Piezoelektrischer Wanderwellenmotor: links: Statorscheibe mit piezoelektrischen Elementen und rechts: schematische Darstellung der Funktionsweise eines ringförmigen piezoelektrischen Wanderwellenmotors [114] .
torie). Diese einzelnen elliptischen Bewegungen überlagern sich zu einer fortlaufenden Welle auf dem Stator. Durch Reibschluß wird die Bewegung auf den Rotor übertragen und dieser so angetrieben. Der Kontakt zwischen Stator und Rotor ist dabei ständig vorhanden d.h. zu jedem Zeitpunkt sind gleich viele Punkte in Kontakt. Die Bewegungsgleichung des Wanderwellenmotors ist u(x,t) = A cos(kx − ω t)
(9.68)
Durch Umformen ergibt sich die folgende Form: u(x,t) = A(cos(kx))(cos(wt)) + A(cos(kx − π /2))(cos(kx + π /2))
(9.69)
Der zweite Term der Gleichung 9.69 beinhaltet eine wichtige Information zur Ansteuerung des Wanderwellenmotors. Eine Wanderwelle kann folglich durch zwei zeitlich und räumlich phasenverschobene stehende Wellen erzeugt werden. Typischerweise erfolgt die Ansteuerung mit einer räumlichen Phasenbedingung von x0 = λ /4 und einer zeitlichen Phasenbedingung von Φ0 = π /2. Dies ist die einzige Möglichkeit, in der Struktur eine Wanderwelle zu erzeugen. Die Drehrichtung des Motors kann durch einfache Änderung der zeitlichen Phasenverschiebung von +π /2 auf −π /2 umgekehrt werden [80, 93, 97, 253]. In Abbildung 9.44 ist die Realisierung eines Wanderwellenmotors zu sehen. Ein großer Vorteil des Wanderwellenmotors ist, dass hohe Drehmomente auch bei niedrigen Drehzahlen erzeugt werden können. Er besitzt ein kleines Bauvolumen bei geringem Gewicht. Wie in Abbildung 9.44 zu sehen ist, ist eine flache Bauform möglich. Im passiven Zustand besitzt der Wanderwellenmotor ein hohes Haltemoment von ca. 100 N. Weitere Vorteile sind die gute Steuerbarkeit, die hohe Dynamik, die Unempfindlichkeit gegenüber elektromagnetischer Störstrahlung sowie der geräuschlose Be-
9.4 Piezoelektrische Aktoren
267
Abb. 9.44 Reaslierung eines piezoelktrischen Wanderwellenmotors der Daimler-Benz AG [271]. .
trieb [274]. Eine typische Anwendung des Wanderwellenmotors ist die Realisierung der Autofokus-Funktion in Photoapparaten.
Uchinomotor Der piezoelektrische Motor von K. Uchino [252, 253] weist eine sehr kompakte Bauform auf (s. Abbildung 9.45). Sie besteht aus einem metallischem Rohr, das an zwei seiner Außenseiten so abgeflacht wird, dass zwei aufeinander senkrecht stehende Flächen entstehen. Auf diese Flächen werden zwei quaderförmige piezoelektrische Elemente platziert. y
hohler Metallzylinder PZT-Platte X x
PZT-Platte Y
Abb. 9.45 Schematische Darstellung des piezoelektrischen Ultraschallaktors von Uchino [252, 253].
Wird die Platte X angesteuert, erfährt der metallische Hohlzylinder ein Biegemoment entlang der x-Achse. Wegen der unsymmetrischen Masseverteilung des Zylinders aufgrund der Platte Y wird zusätzlich eine zweite Biegebewegung in y-Richtung induziert. Diese Bewegung ist phasengleich mit der Bewegung in xRichtung. Die resultierende Bewegung ist eine elliptische Bewegung. Diese Bewegung treibt einen Zylinder, der sich innerhalb des hohlen Metallzylinders befindet,
268
9 Aktorentwurf
in translatorischer Richtung an. Um die Drehrichtung des Motors umzukehren, wird die Platte Y angesteuert. Der Motor ist sehr klein. Sein typischer Durchmesser beträgt 2,4 mm bei einer Länge von 12 mm. Er zeichnet sich durch ein sehr einfaches Design und einfache und kostengünstige Herstellung aus. Die Ansteuerfrequenz liegt bei 61 kHz. Im Freilauf wird bei einer Drehgeschwindigkeit von 1800 rpm ein Drehmoment von 1,8 mNm erreicht. Die Geschwindigkeit der erzeugten Linearbewegung kann zwischen 1 μ m/s und 10 mm/s mit einer Auflösung von 0,5 μ m stufenlos variiert werden. Die Ansteuerspannung beträgt typischerweise 80 V.
angetriebene Stange
Ultraschallmotor
Fingerspitze
Abb. 9.46 Photo einer Realisierung eines Ultraschallmotors nach dem Uchinoprinzip der Firma Squiggle Motors [231].
Eine besonders kleine Ausführung dieses Motors hat Abmessungen von 1,5 x 1,5 mm2 bei der Läge von 6 mm der Fa. Squiggle Motors (s.Abb. 9.46). Er ist damit der kleinste Linearmotor, der derzeit erhältlich ist.
Piezoelektrischer Schrittantrieb Eine weitere außergewöhnliche Bauform ist der Motor PI Nexline. Er kombiniert den longitudinalen Effekt mit dem piezoelektrischen Schereffekt. Auf diese Weise wird ein piezoelektrischer Schrittantrieb realisiert. Der prinzipielle Aufbau des Motors ist in Abbildung 9.47 schematisch dargestellt. Die Bewegung des Motors ähnelt dem Inchwormprinzip. Abwechselndes Klemmen, Vortreiben und Loslassen der piezoelektrischen Elemente bewirken die lineare Bewegung der Stange. Die piezoelektrischen longitudinalen Elemente erzeugen dabei die Klemmung in z-Richtung, die Scherelemente die Bewegung bzw. Kraftwirkung in x-Richtung. Werden die Scherelemente um 90◦ gedreht ist ebenfalls eine Bewegung in y-Richtung möglich. Vorteil dieser Aktorbauform ist die hohe Positioniergenauigkeit des angetriebenen Elementes. Bei einem gesamten Stellweg von 20 mm beträgt sie 0,5 nm. Die Schrittfrequenz beträgt, abhängig von der Ansteuerung, bis zu 100 Hz und erlaubt,
9.4 Piezoelektrische Aktoren
269
z-Longitudinalelemente angetriebene Stange piezoelektrische Elemente
P E P E P E P E P E P E P E P E
x-Scheerelemte z
y x
Abb. 9.47 Piezoelektrischer Schrittantrieb, der den Schereffekt und den longitudinalen Effekt ausnutzt [129].
je nach maximaler Schrittlänge Geschwindigkeiten bis zu 1 mm/s. Die Schrittweite kann stufenlos zwischen 5 nm und 8 μ m gewählt werden. Die gewünschte Position kann geregelt oder ungeregelt angefahren werden. Für die geregelten Betrieb steht über dem gesamten Stellbereich ein Linearencoder zur direkten Positionserfassung mit einer Auflösung von 5 nm zur Verfügung. Im ungeregelten Betrieb erreicht der Schrittmotor eine Auflösung von 0,03 nm in einer hochdynamischen DitheringMode. Der Aktor kann Zug- oder Druckkräfte von maximal 400 N erzeugen, die maximale Haltekraft beträgt 600 N. Die reguläre Betriebsspannung liegt bei 250 V. Alle hier angegeben Werte beziehen sich auf den Aktor N-215.00 Nexline der Fa. Physik Instrumente (PI) GmbH & Co. KG (www.pi.ws) [129]. Da durch den Schrittantrieb keine Reibung zwischen den piezoelektrischen Elementen und dem angetriebenen Element auftritt, zeichnet sich diese Bauform zusätzlich durch eine hohe Lebensdauer von über 10 Jahren aus. Eine Anwendung des Schrittmotors zeigt Abbildung 9.48. Hier sind sechs Antriebe in einer Parallelkinematik integriert. Dieser Hexapod kann für große Lasten auch unter starken Magnetfeldern eingesetzt werden.
Abb. 9.48 Anwendung des piezoelektrischen Schrittantriebes in dem Hexapod [129].
270
9 Aktorentwurf
9.4.3 Entwurf piezoelektrischer Aktoren für haptische Systeme Nachdem in den vorherigen Abschnitten die grundlegenden Bauformen piezoelektrischer Aktoren sowie ausgewählte Sonderbauformen vorgestellt wurden, folgt in diesem Abschnitt die Darstellung des Entwurfs piezoelektrischer Aktoren. Zunächst wird das grundlegende Vorgehen bei dem Entwurf beschrieben. Hinweise, welche Bauformen sich für welche Anwendungen eignen, werden gegeben. Im Anschluss werden drei verschiedene Werkzeuge zum Entwurf vorgestellt: Die Beschreibung mit Hilfe elektromechanischer Netzwerke, analytische Gleichungen und Finite-Elemente-Simulationen.
9.4.4 Vorgehen beim Entwurf piezoelektrischer Aktoren In Abbildung 9.49 ist das generelle Vorgehen beim Entwurf eines piezoelektrischen Aktors dargestellt.
Klären der Anforderungen
Auswahl einer grundlegenden Aktorbauform
Analytische Berechnungen
Elektromechanische Netzwerke
FEMSImulationen
Entwurf des Aktors
praktische Verifizierung in Tests
Abb. 9.49 Vorgehen beim Entwurf eines piezoelektrischen Aktors.
Die Auswahl einer grundlegenden Aktorbauform, wie sie in den ersten Abschnitten diesen Kapitels vorgestellt wurden, hängt stark von dem gewünschten Anwendungsfall ab. Zur Orientierung ist in Abbildung 9.50 ein Entscheidungsbaum dargestellt, in den sich die gewünschte Anwendung einordnen lässt.
9.4 Piezoelektrische Aktoren
271
Gerät
taktil
kinästhetisch Art der Anregung
Art der Penetration
senkrecht zur Haut Auflösung des Displays
Braille Vibrotaktil 1
2
lateral zur Haut
passiv
aktiv
Art der Stimulation
diskret
kontinuirlich
3
4
Richtung, die der Nutzer erfahren soll
rotatorisch linear 5
6
rotatorisch linear 7
8
Abb. 9.50 Entscheidungsbaum zur Auswahl einer piezoelektrischen Aktorbauform.
Im Folgenden werden für die aufgezeigten Anwendungen Hinweise zu geeigneten Bauformen piezoelektrischer Aktoren gegeben. Diese Liste garantiert jedoch keine Vollständigkeit! Es ist an dieser Stelle der Kreativität des Entwicklers überlassen, neue und innovative Lösungen zu finden und umzusetzen. Für die Entwicklung eines taktilen Displays können jedoch grundlegende Hinweise aufgestellt werden. Diese sind: 1
Braille Displays müssen der Fingerkraft entgegenwirken. Das erfordert Kräfte im mN-Bereich sowie Auslenkungen von etwa 100 μ m. An die Dynamik werden keine hohe Anforderungen gestellt; sie liegen hier im niedrigen Frequenzbereich. Die kleinsten Abmessungen eines Pixels müssen entsprechend der menschlichen Auflösung am Finger 1 x 1 mm2 betragen. 2 Im Vergleich zum Braille-Display werden bei einem vibrotaktilen Display höhere Frequenzen sowie kleinere Auslenkungen und Kräfte benötigt, um dem Nutzer eine statische Form darzustellen. 3,4 Diese Displays haben zur Zeit noch keine praktische Anwendung und befinden sich bezüglich ihres vermittelten Gefühlseindrucks noch im grundlegenden Forschungsstadium. Zum Einsatz kommen ebenfalls Biegeaktoren. 5-8 Im Gegensatz zu taktilen Displays hängt bei kinästhetischen System die Auswahl der grundlegenden Bauform stärker von der Anwendung ab. Erforderliche Kräfte, Stellwege und Freiheitsgrade bestimmen die Aktorwahl. Weiterhin kann der Bauraum ein anwendungsspezifisches Ausschlusskriterium darstellen. Weitere Hinweise zum Klären der Anforderungen sind in Kapitel 6 aufgeführt. Zur weiteren Orientierung sind in Abbildung 9.51 die Bauformen aus Abschnitt 9.4.2 in ein Kraft - Amplituden - Diagramm eingeordnet worden, um die Auswahl zu erleichtern.
272
9 Aktorentwurf
Amplitude [µm] 1k BiegeStapel wandler BiegeStapel scheibe
100
StreifenStapel aktor, Tubus
10
Stapel mit Hebel
Stapel
1
1
10
100
1k
10k
Kraft [N]
Abb. 9.51 Kraft-Amplituden-Diagramm zur Einordnung der piezoelektrischen Aktorbauformen.
Die Auswahl einer geeigneten Bauform für eine bestimmte Anwendung erfordert viel Erfahrung. Oft kann durch Kombination verschiedener Bauformen ein völlig neues Antriebskonzept entwickelt werden. Jedoch eignen sich auch die am Markt erhältlichen piezoelektrischen Antriebe aus Abschnitt 9.4.2.2 für den Einsatz in haptischen Displays. Ist das grundlegende Aktorprinzip ausgewählt, folgt der Entwurf. Dafür stehen drei verschiedene Methoden zur Verfügung, die im Folgenden vorgestellt werden. Die jeweiligen Methoden werden an dieser Stelle grundlegend vorgestellt, sowie ihre jeweiligen Vor- und Nachteile aufgezeigt. Zudem werden Hinweise auf geeignete weiterführende Literatur gegeben.
9.4.4.1 Methoden und Werkzeuge zum Entwurf Für den Entwurf der Aktoren stehen grundsätzlich drei verschiedenen Entwurfswerkzeuge zur Verfügung: • Beschreibung mit Hilfe elektromechanischer Netzwerke • Analytische Berechnungen • Finite Elemente Simulationen
9.4 Piezoelektrische Aktoren
273
Beschreibung mit Hilfe elektromechanischer Netzwerke Die piezoelektrischen Grundgleichungen in Abschnitt 9.4.1.1 auf Seite 256 dienen als Basis zur Erstellung des elektromechanisches Ersatzschaltbild für einen piezoelektrischen Wandler. Der piezoelektrische Aktor kann als elektromechanisches Schaltbild dargestellt werden. In Abbildung 9.52 ist der Wandler mit einer gyratorischen Verknüpfung dargestellt (a), alternativ ist eine transformatorische Verknüpfung möglich (b) (siehe auch Anhang 17). i u
iw Cb
i
Fw F
( ) ( )( ) u 0 Y v i = 1/Y 0 Fw
nK v
u
Fw Cb
(a)
( ) ( )( ) u j/X 0 v i = 0 jX Fw
F nK
nC v
(b)
Abb. 9.52 Darstellung des piezoelektrischen Wandlers als elektromechanischen Schaltbild als (a) gyratorische und (b) als transformatorische Verknüpfung [153].
Für die gyratorische Verknüpfung sind in den Gleichungen 9.70 bis 9.73 die Beziehungen zur Berechnung der Bauelemente aus den Konstanten e, c, ε sowie den Wandlerabmessungen l und A zusammengefasst [153]. A A = (ε − d 2 · c) l l A 1 l nK = · = s · C A l 1 l s l Y = · = · e A d A d2 e2 = k2 = ε ·c ε ·c Cb = ε ·
für v = 0
(9.70)
für U = 0
(9.71) (9.72) (9.73)
mit der piezoelektrischen Kraftkonstanten e = d ·c =
d s
(9.74)
Für die tranformatorische Verknüpfung gilt: X=
1 ω Cb ·Y
und
nC = Y 2 ·Cb
(9.75)
274
9 Aktorentwurf
In Abbildung 9.53 ist das Ergebnis der Darstellung eines Elementes Δ x aus einem piezoelektrischen Bimorph-Biegewandler (Abmessungen Δ l x Δ h x Δ b) als elektromechanisches Schaltbild dargestellt. x1 +Dx
x1
0
l 3
u
2 1
P P
E3,D3
x h
E3,D3
b
piezoelektrischer Bimorph im Ausgangszustand
Dx DA
M(x1) W(x1)
M(x1+Dx) Betrachtung eines Biegeelemtes im Bereich Dx
W(x1+Dx)
Dx u DCb
Darstellung des Biegeelementes in einer Zehnpolersatzschaltung
(Y) DnRK
M(x1)
M(x1+Dx) W(x1+Dx)
W(x1) F(x1) v(x1)
F(x1+Dx) 2/Dx
Dm
2/Dx
v(x1+Dx)
Abb. 9.53 Ergebnis der Darstellung eines piezoelektrischen Bimorph-Biegeelementes als elektromechanisches Schaltbild im quasistatischen Zustand [153].
Es gilt: T Cb = 4ε33 (1 − kL2 )
Δ nRK ≈ 12 sE11 1 1 d31 = Y 2 sE11
b ·Δx h
(Δ x)3 b · h3 b·h Δx
Der als verlustfrei betrachtete piezoelektrische Wandler verknüpft zunächst die elektrischen mit den mechanisch rotatorischen Koordinaten. Diese sind das Drehm-
9.4 Piezoelektrische Aktoren
275
moment M und die Winkelgeschwindigkeit Ω . Um die Kraft F und die Geschwindigkeit v bestimmen zu können, muss eine zusätzliche transformatorische Verkopplung zwischen dem rotatorischen und dem translatorischen mechanischen Netzwerk eingefügt werden. Als Ergebnis erhält man die vollständige Beschreibung des Teilstückes Δ x aus dem Bimorph in einem Zehnpolersatzschaltbild.
Analytische Berechnungen Eine erste Möglichkeit für den Entwurf piezoelektrischer Aktoren liegt in der Anwendung analytischer Gleichungen. Der Vorteil der analytischen Gleichung liegt in der anschaulichen Beschreibumg der physikalischen Zusammenhänge. Der Einfluss verschiedener Parameter auf eine Zielgröße kann direkt aus den Gleichungen heraus bestimmt werden. Dies ermöglicht eine hohe Flexibilität bei der Variation von z.B. Abmessungen und Materialparametern. Zudem ist der Rechenaufwand zur Lösung der Gleichungen im Vergleich zu Simulationen deutlich geringer. Nachteilig bei analytischen Gleichungen ist, dass sie nur bei einfachen, symmetrischen Geometrien durchgeführt werden können. Komplexere Geometrien lassen sich mit analytischen Gleichungen nur schwer beschreiben. Aber auch bei einfachen Geometrien ist die Beschreibung sehr komplex und erfordert eine relativ lange Einarbeitungszeit und hohes mathematisches Verständnis. Im Folgenden werden relevante Literaturstellen zur Einarbeitung in analytische Berechnungsverfahren sowie Literatur mit Lösungen spezieller Probleme bei dem Entwurf piezoelektrischer Ultraschallaktoren aufgeführt: • Sehr ausführliche Gesamtwerke über den Entwurf piezoelektrischer Aktoren sind [252, 253, 255, 254]. • Die Theorie des piezoelektrischen Effekts und piezoelektrischer Elemente werden in [29, 103, 104] betrachtet. • Die mathematische Beschreibung von Wanderwellenmotoren ist in [208, 285] dargestellt. • Das Kontaktverhalten zwischen Stator und Rotor bei Wanderwellenmotoren behandelt [79, 241, 270, 288] • In [7, 8] wird das statische und dynamische Verhalten piezoelektrischer MultilayerBiegeaktoren beschrieben. • Die Beschreibung des mechanischen Schwingungsverhaltens von Resonanzkörpern ist in [16, 49, 56, 135, 221, 272] ausführlich beschrieben.
Finite Elemente Simulationen Die Anwendung der den vorherigen Abschnitten vorgestellten Lösungsansätze ist auf einfache Geometrien beschränkt. In der Realität treten jedoch komplexe Strukturen auf, die mit analytischen Gleichungen oder mit Hilfe elektromechanischer
276
9 Aktorentwurf
Netzwerke nicht lösbar ist. Diese Strukturen können mit der Methode der Finite Elemente Simulationen (FEM) untersucht werden. Vor allem bietet sich bei dem Entwurf piezoelektrischer Aktoren die Verwendung gekoppelter Systeme an. Ein Beispiel einer FEM-Simulation eines piezoelektrischen Wanderwellenmotors ist in Abbildung 9.54 dargestellt.
Abb. 9.54 FEM-Simulation der Schwingungsform des Stators eines piezoelektrischen Wanderwellenmotors (stark überhöht dargestellt) [274]. .
Zur Lösung der Differentialgleichung stehen auf dem Markt eine Vielzahl verschiedener Simulationsprogramm zur Verfügung. An dieser Stelle sollen nur einige vorgestellt werden. Dies sind z.B. • • • • •
ANSYS (www.ansys.com) ATILA (www.cedrat.com) Comsol Multiphysics (www.femlab.de) ProMechanica (www.ptc.com) oder GiD (http://gid.cimne.upc.es).
Die Simulationsprogramme sind unter den angegebenen Adressen käuflich zu erwerben. Kostenfreie Testversionen sind auch verfügbar, besitzen jedoch Beschränkungen z.B. in der verwendbaren maximalen Knotenanzahl oder den auswählbaren Elemente aus den Bibliotheken. Literatur für den Einstieg in die Finite-Elemente-Simulation bieten die Bücher „FEM für Praktiker“ [173, 234] sowie zahlreiche Dokumentation und Handbücher der jeweiligen Simulationssoftware.
9.4.5 Piezoelektrische Aktoren in haptischen Systemen Piezoelektrische Antriebe gehören zu den am weitesten verbreiteten Antrieben in haptischen Systemen. Die zuvor beschriebenen Bauformen können in unterschiedlichen Auslegungen für eine Vielzahl von Anwendungen optimiert werden. Einer
9.4 Piezoelektrische Aktoren
277
der wichtigsten Gründe für die häufige Verwendung ist die hohe Leistungsfähigkeit dieser Aktoren bei vergleichbar geringem Platzbedarf, also einer hohen Leistungsdichte. Um eine Klassifizierung diverser realisierter haptischer Systeme vorzunehmen, erfolgt eine Einteilung in taktile und kinästhetische Systeme.
9.4.5.1 Piezoelektrische Aktoren in taktilen Systemen Für den Aufbau eines taktilen Displays ist es von großer Bedeutung, in welchem Einsatz es betrieben werden soll. Die Bandbreite reicht hier von makroskopischen Tischaufbauten, die beispielsweise als Blindenschrift-Lese-Systeme unter einer handelsüblichen PC-Tastatur aufgestellt werden und nur wenige Braille-Zeilen darstellen können, bis hin zu hochintegrierten Systemen, die sogar in mobilen Anwendungen zum Einsatz kommen. Gerade hierbei sind die Anforderungen an einen kleinen Bauraum, eine sichere und leise Funktionsweise, aber auch an ein geringes Gewicht bei möglichst geringem Energiebedarf und minimaler Hitzeentwicklung enorm. Die folgenden Beispiele sind in zwei Untergruppen gegliedert, die sich in der Richtung der Kraftwirkung auf die Haut des Nutzers unterscheiden: senkrecht oder lateral.
Taktile Displays mit senkrechter Penetration Braille-Zeilen Als Braille-Zeichen werden die Punktmuster in Form von Erhöhungen aus einer Ebene bezeichnet, die als Blindenschrift dienen. Durch Ertasten der aus acht Punkten (zwei nebeneinander, vier übereinander) bestehenden Kombinationen können 256 Zeichen unterschieden werden. Schon seit den 70er Jahren werden Lesegeräte für Blinde entwickelt, die diese Zeichen in Form einer 2x4 Pin-Matrix darstellen können. Die wichtigsten Kenndaten sind die maximale Auslenkung von 0, 1 − 1 mm und eine Gegenkraft von 200 mN. Schon früh wurden elektromagnetische Antriebe durch piezoelektrische Bimorph-Biegewandler ersetzt, da diese eine viel flachere Bauform erlauben, leiser und schneller sind. Bei typischen Betriebsspannnungen von ±100 − 200 V und einem Nennstrom von 300 mA verbrauchen sie außerdem deutlich weniger Energie. Abbildung 9.55 zeigt den typischen Aufbau eines BrailleZeichens, dass von piezoelektrischen Bimorph-Biegeelementen angetrieben wird. Nachteilig an diesen Systemen ist der recht hohe Preis, da für 40 Zeichen mit je acht Punkten insgesamt 320 Biegeaktoren benötigt werden. Außerdem beanspruchen sie ein heute relativ großes Bauvolumen, da die Biegeelemente eine Länge von einigen cm aufweisen müssen, um die gewünschte Auslenkung zu erreichen. Diese taktilen Anzeigegeräte gehören zur Klasse der gestaltabbildenden Displays. Die statisch ausgelenkten Pins ermöglichen dem Nutzer das Erkennen der abgebildeten Struktur.
278
9 Aktorentwurf
Abb. 9.55 Schematischer Aufbau eines Braillezeichens mit Piezo-Biegeaktoren
Vibrotaktile Displays Bei einem vibrotaktilen Display erkennt der Nutzer nicht die Auslenkung einer Oberfläche, sondern die Hautoberfläche wird in Schwingung versetzt, was bei geringeren Amplituden der Auslenkung zu einem vergleichbaren Gefühlseindruck führt. Der Aufbau von vibrotaktilen Displays entspricht grundsätzlich einer Erweiterung der Braille-Zeichen auf eine N x N - Matrix, die dynamisch angeregt wird. Das erzeugte taktile Bild wird nicht von der Eindringtiefe der Penetration erzeugt, sondern von der Amplitude der Schwingung [106]. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Untersuchung der Anregungsfrequenz, da das menschliche Empfinden bei den meisten Sinnesorganen frequenzabhängig ist. Mit genauer Kenntnis dieser Zusammenhänge lassen sich optimierte taktile Displays bauen, die eine effiziente und gut wahrnehmbare Stimulation erzeugen. Wichtig für diese Art von Displays ist eine ausreichend große Anzeigefläche, da Eigenbewegungen des Fingers eine Störgröße darstellen. Der „Texture Explorer“ ist als vibrierendes 2 x 5 Pin-Array aufgebaut [105] . Mit ihm werden Untersuchungen zur Wahrnehmung von taktilen Reizen, sowie der Überlagerung taktiler Reize mit einer Kraft-Rückmeldung durchgeführt. Die darzustellenden Oberflächen unterscheiden sich sowohl in ihrer Geometrie, als auch in der Oberflächenrauhigkeit. Abbildung 9.56 zeigt den schematischen Aufbau des AktorArrays. Die Kontakt-Pins sind 0, 5 × 0, 5 mm2 groß und mit einem Mittelpunktabstand von je 3 mm angeordnet. Jedes Pin wird separat von einem piezoelektrischen Bimorph-Biegeaktor mit einer Spannung von 100 V und einer Frequenz von 250 Hz betrieben. Die maximale Auslenkung der Pins aus der Oberfläche heraus beträgt 22 μ m und kann auf weniger als 1 μ m genau aufgelöst werden. Ein deutlich aufwändigeres System besteht aus 100 einzeln angesteuerten Pins [237]. Es bietet weiterhin die Möglichkeit zu einer breitbandigen Stimulation von 20 − 400 Hz. Abbildung 9.57 zeigt den schematischen Aufbau. In einem Kreis um die Stimulatorfläche sind 20 piezoelektrische Bimorph-Biegewandler (PZT-5H Morgan Matronic, Inc.) in insgesamt fünf Lagen übereinander angeordnet. An jedem Biegeaktor ist ein Kunststoffpin befestigt, der in der Stimulationsfläche im Ruhezustand 1 mm aus der Oberfläche heraus ragt. Die Pins haben einen Durchmesser von 0, 6 mm und sind in einem Abstand von jeweils 1 mm angeordnet. Bei einer maximalen Spannung von ± 85 V erreichen sie eine Auslenkung von ± 50 μ m. Um die
9.4 Piezoelektrische Aktoren
279
Abb. 9.56 Schematischer Aufbau des „Texture Explorer“ [105]
aktive Fläche herum ist eine Reihe passiver Pins gleicher Höhe angeordnet, um dem tastenden Finger die Begrenzung der Displayfläche anzuzeigen.
Abb. 9.57 Schematischer Aufbau des 100 Pin-Arrays [237]
Ein noch leistungsfähigeres System zeigt [144]. Das deutlich kompaktere 5 x 6 Pin-Array kann sowohl statisch als auch dynamisch bis zu Frequenzen von ≈ 500 Hz betrieben werden. Auch hier kommen piezoelektrische Bimorph-Biegewandler zum Einsatz, die eine Auslenkung von 700 μ m erreichen. Allerdings ist die Blockierkraft mit 60 mN recht gering. Ubi-Pen Der „Ubi-Pen“ stellt eines der am höchsten integrierten taktilen Systeme dar. In einem Stift ist sowohl ein Scheibenmotor, als auch ein taktiles Display integriert [147]. Der Aufbau des taktilen Displays basiert auf dem „TULA35“ UltraschallLinearmotor (Piezoelectric Technologie Co). Den schematischen Aufbau dieser Linearmotoren zeigt Abbildung 9.59. Der Aktor besteht aus einem Antriebselement,
280
9 Aktorentwurf
Abb. 9.58 Schematischer Aufbau des 5x6 Pin-Arrays [144]
einem Stift und dem bewegten Element. Die zwei piezokeramischen Scheiben werden so zu einer Schwingung angeregt, dass der Stift nach oben und unten oszillieren kann. Dabei handelt es sich um eine elliptische Schwingung, bei der der Stift das bewegte Element z.B. langsam mit nach oben führt, in der schnelleren Bewegung nach unten jedoch die Reibkraft überwindet und das Element an der höheren Position verharrt. Der Aktor hat einen Durchmesser von 4 mm und eine Höhe von 0, 5 mm, der Stift ist 15 mm lang und hat einen Durchmesser von 1 mm. Dieser kann damit direkt als „Pin“ genutzt werden, der aus der Oberfläche heraus tritt. Die Blockierkraft des Aktors ist größer 200 mN und bei einer Anregungsfrequenz von 45 kHz kann er eine Geschwindigkeit von 20 mm/s erreichen.
Abb. 9.59 Schematischer Aufbau des Ultraschallmotors „TULA35“ [147]
Abbildung 9.60 zeigt den Aufbau des 3 x 3 Pin-Arrays. Bemerkenswerte ist die geringe Größe des Aufbaus: alle äußeren Kanten haben eine Länge von 12 mm. Die Stifte sind mit einem Punktabstand von je 3 mm angeordnet, insgesamt sind unter einer Fläche von 1, 44 cm2 neun separate Antriebe untergebracht. Um diese
9.4 Piezoelektrische Aktoren
281
hohe Aktordichte erreichen zu können, sind die Stiftlängen unterschiedlich ausgeführt. Somit können die beweglichen Elemente so dicht aneinander gefügt werden, dass sie direkt miteinander verbunden werden können. Wird dieser Block an der Oberkante des Displays befestigt, bewegen sich die Stifte bei einer Aktivierung des Aktors in, bzw. aus der Ebene. Das Gewicht der kompletten Einheit beträgt 2, 5 g. Wird der maximale Stellweg von 1 mm genutzt, so kann eine Bandbreite von 20 Hz erreicht werden.
Abb. 9.60 Taktiles 3x3-Pin-Array [147]
Die Integration in einen Stift, mitsamt eines zusätzlichen Scheibenmotors zur Generation von Vibrationen in der Spitze, ist in Abbildung 9.61 gezeigt. Der zusätzliche Antrieb dient der Darstellung eines Kontaktes des Stifts mit der Oberfläche. Der komplette Stift wiegt 15 g.
Abb. 9.61 Prototyp des „Ubi-Pen“ [146]
Mit dem Ubi-Pen lassen sich sowohl die Oberflächenstrukturen wiedergeben, wie z.B. die Oberflächenrauheit, als auch Hindernisse oder extreme Unebenheiten. Dafür werden Vibrationen mit dem Scheibenmotor überlagert. Besteht ein Kontakt des
282
9 Aktorentwurf
Stifts mit einer druckempfindlichen Oberfläche (Touch-Panel), so kann ein dort dargestelltes grafisches Bild beispielsweise hinsichtlich seiner Grauwerte ausgewertet werden, die dann mit dem taktilen Display in Form unterschiedlich weit ausgelenkter Pins dargestellt werden können. Mit dem System wurden bereits viele Tests zur Wiedererkennung unterschiedlicher dargestellter Informationen durchgeführt [145]. Die erzielten Ergebnisse sind mit einer durchschnittlichen Wiedererkennung von etwa 80 % bei untrainierten Nutzern beeindruckend gut.
Taktile Displays mit lateraler Hautbewegung Diskrete Stimulation Die Stimulation erfolgt nicht über eine lokale Auslenkung senkrecht zur Hautoberfläche, sondern über Scherkräfte, die von der lateralen Bewegung der Kontaktelemente und der Fingeroberfläche erzeugt werden („laterotactile display“) [89]. In Abbildung 9.62 links ist der schematische Aufbau eines eindimensionalen Aktorarrays zu sehen. Die Aktivierung eines Piezoelementes führt zu dessen Dehnung und somit zu einer Deformation des passiven Kontaktkammes (Krone). Wird an dieser Stelle die aufgelegte Haut eines Fingers auseinander bewegt, so wird dies als ein „Kontaktpunkt“ wahrgenommen. In Abbildung 9.62 rechts ist ein 2-D Display
Abb. 9.62 1D Array eines "laterotactile display“ [89] und 2D STReSS2 Display [156]
abgebildet. Bei der Erweiterung eines 1D zu einem 2D Array ist zu beachten, dass die Überlagerung der zwei Bewegungsrichtung zu neuen, komplexeren Bewegungsmustern führt. Eine genauere Untersuchung zur Leistungsfähigkeit dieses Systems zeigt [156], hier wird u.a. die Tauglichkeit des lateralen Dehnungsprinzips als virtuelles 6-Punkt Braille-Diplay nachgewiesen. Kontinuierliche Stimulation Der Übergang von den zuvor beschriebenen diskreten angeregten Punkten wird mit einem piezoelektrischen Wanderwellenmotor gezeigt [22]. Dem tastenden Finger
9.4 Piezoelektrische Aktoren
283
steht eine geschlossene, kontinuierliche Oberfläche gegenüber. Die taktile Darstellung ist damit deutlich höher und unempfindlicher gegenüber Bewegungen des Fingers. Wird die Kontaktoberfläche unter der Haut zu einer stehenden Welle angeregt, so empfindet der Nutzer eine Oberflächentextur, bei einer Relativbewegung zwischen Oberfläche und Finger sogar eine Oberflächenrauheit. Dem bewegten Finger kann über eine Änderung der Gestalt der Wanderwelle eine Tastkraftänderung simuliert werden. Abbildung 9.63 zeigt schematisch den Kontakt zwischen Finger und Wanderwelle, sowie die zugehörigen Bewegungsrichtungen. In einen Testaufbau
Abb. 9.63 Kontaktfläche zwischen Finger und Wanderwelle [22]
von [22] ist ein Stator des Wanderwellenmotors USR60 (Shinsei) verbaut. Dieser bietet mit einer Wellengeschwindigkeit von 15 cm/s eine typische tangentielle Geschwindigkeit und kann dabei Kräfte bis ≈ 2 N ausüben. Mit diesem System können gleichmäßige und verzögernde Eindrücke durch eine Veränderung der Wellenform erzeugt werden. Weiterhin kann durch die Überlagerung eines niederfrequenten periodischen Signals über die Ultraschall-Vibration das Gefühl einer Oberflächenrauheit erzeugt werden. Aktuell wird an der Herstellung eines linearen UltraschallWanderwellen-Displays gearbeitet.
9.4.5.2 Piezoelektrische Aktoren in kinästhetischen Systemen Die in kinästhetischen Systemen eingesetzten piezoelektrischen Antriebe dienen meist als aktive Komponenten, d.h. der Nutzer interagiert direkt mit den vom Aktor generierten Kräften, bzw. aufgebrachten Drehmomenten. Ein klassisches Beispiel hierfür ist der Drehknopf, der direkt von einem Wanderwellenmotor angetrieben wird. Bei passiven Systemen dient der Aktor als schaltendes Element, das entweder diskret oder kontinuierlich abgegebene Leistung eines Aktors oder eingebrachte Kräfte eines Nutzers aufnehmen, bzw. ihnen entgegen wirken kann. Beispiele hierfür sind Bremsen und Kupplungen.
284
9 Aktorentwurf
Aktive kinästhetische Systeme Piezoelektrische Wanderwellenmotoren haben ein sehr hohes Drehmoment zu Masse Verhältnis, verglichen mit klassischen elektrischen Motoren. Sie sind daher prädestiniert für Einsätze in Anwendungen mit einem hohen Drehmoment bei kleineren Drehzahlen, sie benötigen nämlich kein zusätzliches Getriebe oder andere Untersetzung. In kinästhetischen System werden genau diese Antriebscharakteristika benötigt. Mit einem relativ einfachen mechanischen Aufbau lässt sich ein haptischer Drehknopf realisieren: eine drehbar gelagerte Platte, an der der Endeffektor für den Nutzer befestigt ist, wird auf den Stator eines Wanderwellenmotors gedrückt. Den schematischen Aufbau des kritischen Kontaktstücks zeigt Abbildung 9.64. Auf Grund der Eigenschaften eines Wanderwellenmotors kann die Drehzahl des Rotors leicht verändert werden, indem die Wellenamplitude des Stators w erhöht wird. Da es sich bei dem Motorprinzip um einen mechanischen Resonator handelt, wird er mit Spannungen bei Frequenzen in der Größenordnung seiner Resonanzfrequenzen betrieben. An dieser Stelle wird auch der schwierigste Aspekt dieser Konfiguration ersichtlich: die Motoren weisen an der Stator-Rotor-Schnittstelle ein stark nichtlineares Verhalten auf. Dem Ansteuerungskonzept und der Elektronik kommt somit eine große Bedeutung zu. In Abbildung 9.65 ist die Drehzahl/Lastmoment-
Abb. 9.64 Verlauf der Statorwanderwelle unter dem Rotor [72]
Kennlinie für verschiedene Wellenamplituden w des Aktors aus [43] gegeben. Das Drehmoment hängt stark von der aktuellen Drehzahl und der gewählten Wellenamplitude ab. Mit einer Steuerung des Phasenversatzes und einer genau einstellbaren Amplitude der Wanderwelle kann das kinästhetische System auf einen linearen Drehmoment-Drehwinkel-Kennlinienverlauf geregelt werden. Dabei wird ein maximales Drehmoment von ≈ 120 mNm erreicht. Eine genaue Beschreibung der Auslegung der Phasenkontrolle für ein piezoelektrischen Wanderwellenmotor an obigem Beispiel ist in [72] gegeben. Eine spezielle Ausführung eines solchen kinästhetischen Drehknopfes ist zu neurowissenschaftlichen Untersuchungen für den Einsatz in der Magnetresonanztomographie ausgelegt [60]. Um eine Regelung der Admittanz des Systems zu ermöglichen, ist das erfassen des Drehmoments erfor-
9.4 Piezoelektrische Aktoren
285
Abb. 9.65 Drehzahl/Lastmoment-Kennlinie für unterschiedliche Amplituden [43]
derlich. Dies wird wegen der speziellen Einsatzbedingungen mit Lichtleitfasern durchgeführt, das Drehmoment wird über eine Intensitätsmessung des Lichtes an der Spiegelung über eine verbiegbare Polymerprobe ermittelt. Damit das starke Magnetfeld und die schnell geschalteten Gradienten des Magnetfeldes das Gerät nicht stören (und umgekehrt) ist der Aufbau überwiegend aus nicht leitenden Materialien aufgebaut. Bei dem Wanderwellenmotor handelt es sich um eine spezielle MRkompatible Version des „URS60“ (Shinsei). Hybrid-Systeme Eine weitere Klasse kinästetischer Systeme sind die Hybrid-Systeme. Will man mit einem Display eine sehr große Bandbreite von Kräften und Auslenkungen darstellen, so gibt es keinen Antrieb, der alle diese Größen generieren kann. Deshalb sind einige Hybridsysteme entstanden, bei denen zwei (oder mehr) Komponenten zusammen agieren. Ein typisches Beispiel dafür ist die Kombination eines dynamischen Motors mit einer Bremse, letztere ist integriert um deutlich größere Haltemomente zu generieren. Wie im vorigen Abschnitt dargestellt, ist die Regelung eines Wanderwellenmotors auf eine Impedanz sehr herausfordernd. Einen relativ eleganter Weg dies zu umgehen, ist der Einsatz eines Wanderwellenmotors in Kombination mit einer Kupplung. Der Wanderwellenmotor unterscheidet sich von herkömmlichen Motoren vor allem darin, dass er mit einer lastunabhängigen, einstellbaren Geschwindigkeit rotiert. Um am Ausgang ein gewünschtes Drehmoment zu generieren, wird dem System eine Kupplung hinzugefügt. Anstelle einer Kupplung kann auch ein Differenzial und eine Bremse verwendet werden. Ein solches System stellt [37] vor. Wird das System belastet, so reicht allein der Betrieb der Bremse aus, um die Reibung zu erhöhen oder sogar für ein Blockieren zu sorgen. Dem System steht somit die komplette Dynamik des Wanderwellenmotors für aktive Kräfte zur Verfügung, die passiven können durch die Bremse deutlich verbessert werden. Durch den
286
9 Aktorentwurf
einfachen mechanischen Aufbau und die Einsparungen im Energieverbrauch eignen sich diese Systeme sogar für mobile Anwendungen.
Passive kinästhetische Systeme Objekte können mit Hilfe stehender Schallwellen zur Levitation (Schwebung) gebracht werden. Um dies zu erreichen muss mit der Ultraschallquelle eine stehende Welle gebildet werden. In den Druckknoten der Welle entsteht ein Potential, das ein in die Nähe des Knotens positioniertes Objekt anzieht. Die Größe des Objektes ist dabei von entscheidender Bedeutung, da bei zu großer Ausdehnung der Einfluss der nächsten Knoten zu stark wird. Ein System, das auf diesem Prinzip basiert, ist in [140] beschrieben. Es handelt sich um ein Exoskeleton, also ein Handschuh mit externen mechanischen Führungen und Gelenken. Die Gelenke sind als piezoelektrische Kupplungen ausgeführt, deren schematischer Aufbau in Abbildung 9.66 gezeigt ist. Im Ausgangszustand werden die beiden Platten über eine Feder zusammen gepresst, es entsteht ein Haltemoment. Wird der Vibrator angeregt, so tritt der Schwebeeffekt zwischen Rotor und Stator im Spalt h auf, wodurch die Reibung drastisch gesenkt wird und die beiden Platten frei gegeneinander verdreht werden können.
Abb. 9.66 Schematischer Aufbau der „Schwebe-Kupplung“ [140]
9.4.5.3 Zusammenfassung Taktile Systeme werden zunächst nach der Richtung der Bewegung unterschieden. Bei einer senkrechten Bewegung in die Hautoberfläche hinein, unterscheidet man passive Systeme, die mit ihren Pins eine Oberfläche nachstellen, die der Nutzer ertasten kann. Bei aktiven Systemen, den vibrotaktilen Displays, wird die Information durch eine dynamische Anregung der Hautoberfläche übertragen. Dem Nutzer emp-
9.4 Piezoelektrische Aktoren
287
findet dabei ein „stehendes Bild“. Der Vorteil dieser Variante liegt in den deutlich geringeren Anforderungen hinsichtlich der auszuübenden Kraft und Auslenkung, da die menschliche Empfindlichkeit bei dynamischen Auslenkungen der Haut deutlich höher ist. Nachteilig wirken sich jedoch schnell die Eigenbewegungen eines Fingers aus. Bei einer stehenden Bilddarstellung kann der „Leser“ beliebig nachtasten, was bei einer dynamischen, wechselnden Darbietung nur schwer möglich ist. Eine weitere Alternative sind taktile Systemen mit einer lateralen Bewegung der Haut. Bei geeigneter Anregung fühlt der Mensch ebenfalls eine punktuelle Deformation analog zu einer senkrechten Penetration. Besonders komfortabel sind hier Systeme mit einer geschlossenen Oberfläche, allerdings ist hier eine dynamische Anpassung der Darstellung in Abhängigkeit der Fingerposition für größere Flächen sehr herausfordernd. Die darstellbaren Flächen sind generell kleiner, da die Aktorelemente nicht so dicht angeordnet werden können. Die kinästhetischen (Force-Feedback) Systeme werden in aktive und passive Systeme unterschieden. Bei aktiven Systemen können sowohl Gegenkräfte, als auch unterstützende Kräfte generiert werden. Das darstellbare Spektrum ist somit nur auf die mechanisch möglichen Bewegungs-Freiheitsgrade begrenzt. Eine stabile Regelung für aktive Systeme wird schnell sehr aufwändig, da die komplexen Strukturen meist komplizierte Kontroll-Algorithmen erfordern. Es bleibt bei diesen Systemen immer die potenzielle Gefahr, dass bei einer Fehlfunktion das aktive System den Nutzer verletzen kann. Passive Systeme mit Bremsen oder Kupplungen ermöglichen dem Nutzer das Fühlen eines Widerstandes gegen die eigentliche Bewegung (Reaktionskräfte). Diese Aufbauten werden dementsprechend einfacher und können keine Gefahr für den Nutzer darstellen. Grundsätzliche Nachteile passiver Systeme sind ihre vergleichsweise hohe Reaktionszeit, ein im Langzeiteinsatz unstabiler Betrieb und das verhältnismäßig große Bauvolumen. Hybride Systeme, die eine Mischung beider Arten darstellen, meist aber unter Verwendung mindestens eines anderen Aktorprinzips, können das gewünschte Einsatzgebiet deutlich erweitern. Sie vergrößern zwar den mechanischen Aufbau, können aber die Anforderungen an die Regelung deutlich vereinfachen und sind bei großen Haltemomenten, bzw. -kräften extrem energiesparend. Für die dargestellten drehbaren Knöpfe mit variablen Drehmoment/Drehwinkel-Kennlinien stellen sie derzeit eine der besten Lösungen dar.
288
9 Aktorentwurf
9.5 Elektrostatische Aktoren M ARC M ATYSEK
Elektrostatische Wandler gehören neben den piezoelektrischen Wandlern zur Gruppe der elektrischen Wandler, da die elektrischen Größen direkt mit den mechanischen Größen verknüpft sind. Grundsätzlich können dabei beide Wandlungsrichtungen betrieben werden, d.h. die Wandler können als Aktoren und als Sensoren betrieben werden. Elektrostatische Feldaktoren werden bevorzugt wegen ihres vergleichsweise einfachen Aufbaus und geringen Energiebedarfs verwendet. Besonders durch die Fortschritte in den Fertigungsverfahren der Mikrotechnik können die Vorteile von integrierten Aufbauten genutzt werden. Gerade bei der Miniaturisierung gewinnen die elektrostatischen Feldantriebe gegenüber den elektromagnetischen Antrieben an Bedeutung. Zwar ist deren Energiedichte bei makroskopischen Aufbauten deutlich höher, jedoch kann bei entsprechender Verkleinerung vor allem die Wärmebelastung (Verlustleistung) schnell zu einer begrenzenden Einflussgröße werden. [154] Eine wichtige Untergruppe der elektrostatischen Feldaktoren sind Dielektrische Elastomeraktoren, eine Festkörpervariante, bei der ein Elastomer als Dielektrikum verwendet wird. Dieses weist eine höhere Durchschlagfeldstärke als Luft auf, dient als Träger für die Elektroden und kann gleichzeitig als isolierendes Gehäuse genutzt werden. Neben diesen klassischen Feldaktoren gehören auch elektrorheologische Fluide zur Gruppe der elektrostatischen Aktoren. Hier bewirkt ein äußeres angelegtes Feld eine Änderung der physikalischen Eigenschaften des Fluids.
9.5.1 Größen des elektrischen Feldes 9.5.1.1 Kraft auf Ladungen Die Größe der zwischen zwei Ladungen Q1 und Q2 im Abstand r wirkenden Kraft F wird durch das C OULOMBSCHE-Gesetz Gleichung (9.76) bestimmt. F=
1 Q1 Q2 4πε0 r2
(9.76)
9.5 Elektrostatische Aktoren
289
9.5.1.2 Elektrisches Feld Der Raum, in dem diese Kraft wirkt, wird als elektrisches Feld E bezeichnet. Die Feldstärke ist definiert als das Verhältnis der auf eine Ladung im Feld wirkenden Kraft F zur Größe dieser Ladung Q. E=
F Q
(9.77)
Die Ladungen sind also die Ursache eines elektrischen Feldes, die Kräfte auf Ladungen im elektrischen Feld sind die Wirkung. Ursache und Wirkung sind einander proportional. Mit der elektrischen Feldkonstante ε0 = 8, 854 · 10−12C/Vm gilt im Vakuum (bzw. in Luft) Gleichung (9.78). D = ε0 E
(9.78)
Die Verschiebungsdichte D gibt das Verhältnis der gebundenen Ladungen zur Größe der geladenen Fläche an. Die Richtung entspricht dem Feldlinienverlauf von einer positiven zu einer negativen Ladung. Wird ein elektrisches Feld mit einem nichtleitenden Stoff (Dielektrikum) gefüllt, so wird ein Teil der Verschiebungsdichte gebunden, da das Dielektrikum polarisiert wird. Dementsprechend sinkt die Feldstärke von E0 auf E (bei gleicher Verschiebungsdichte D). Das Verhältnis der Feldschwächung entspricht also der materialbhängigen Polarisierbarkeit des Dielektrikums und wird als Permittivitätszahl εr = E0 /E bezeichnet.
9.5.1.3 Kapazität Unter der Kapazität einer Anordnung versteht man das Verhältnis der zugeführten Ladung Q zur resultierenden Spannung U. Ein Kondensator mit zwei ungleich geladenen Platten mit der Fläche A und einem festen Plattenabstand d besitzt eine vom Dielektrikum abhängige Kapazität C: C=
Q A = ε0 εr U d
(9.79)
9.5.1.4 Energiebetrachtung Die Energie des gespeicherten elektrischen Feldes berechnet sich nach Gleichung (9.80), bzw. für den Plattenkondensator mit Gleichung (9.79) nach Gleichung (9.81). 1 1 Q2 Wel = CU 2 = 2 2 C
(9.80)
290
9 Aktorentwurf
A 1 Wel = ε0 εr U 2 (9.81) 2 d Mit dieser elektrischen Energie kann eine mechanische Arbeit nach Gleichung (9.82) verrichtet werden. Wmech = Fx
(9.82)
9.5.2 Bauformen kapazitiver Luftspaltaktoren Eine bevorzugte Bauform elektrostatischer Aktoren sind Plattenkondensatoren mit Luftspalt. Dabei ist jeweils eine Elektrode fixiert, während die andere so eingespannt ist, dass sie in der gewünschten Bewegungsrichtung eine hohe Nachgiebigkeit aufweist, in alle anderen Richtungen jedoch eine ausreichende Steifigkeit besitzt. Um Arbeit in Form von Bewegung zu verrichten, wird die Energie des elektrischen Feldes nach Gleichung (9.81) genutzt. Unter Berücksichtigung des Aufbaus der Aktoren lassen sich zwei grundsätzliche Aufbauformen unterscheiden: die Auslenkung kann zu einer Veränderung des Plattenabstandes d oder der Plattenfläche A führen. Beide Anordnungen werden im folgenden näher betrachtet.
9.5.2.1 Bewegung in Feldrichtung
Abb. 9.67 Plattenkondensator als Luftspaltaktor.
Betrachtet man den Plattenkondensator in Abbildung 9.67, so lässt sich die Kapazität CL mit A (9.83) d berechnen. Wie zuvor gezeigt, kann für diese Anordnung die gespeicherte Energie Wel für die angelegte elektrische Spannung U berechnet werden: CL = ε0 ·
9.5 Elektrostatische Aktoren
291
1 1 A Wel = CU 2 = ε0 U 2 (9.84) 2 2 d Entsprechend wird die Kraft zwischen den beiden Platten in z-Richtung berechnet: Fz,el =
∂W 1 ∂C = U2 ∂z 2 ∂z
(9.85)
A 2 U ez (9.86) 2d 2 Hierbei werden die Streufelder an den Kanten der Platten vernachlässigt, was bei entsprechenden geometrischen Verhältnissen von Plattenfläche A und Plattenabstand d zulässig ist. Die bewegliche Elektrode wird durch ein Federelement in ihrer Ausgangslage gehalten. Das bedeutet, dass der Aktor gegen diese Feder arbeiten muss. Der schematische Aufbau dieses Aktors ist in Abbildung 9.68 dargestellt. Der Plattenabstand d ist durch die Dicke der Isolationsschicht dI begrenzt. Durch die Betrachtung des Kräftegleichgewichts nach Gleichung (9.87) lässt sich der Zusammenhang zwischen Auslenkung z und elektrischer Spannung U berechnen: Fz,el = −ε0
Fz (z) = FFeder (z) + Fz,el (U, z) = 0
(9.87)
U2 1 =0 −k · z − ε0 A 2 (d + z)2
(9.88)
U 2 = −2
k (d + z)2 · z ε0 A
Abb. 9.68 Schematischer Aufbau eines Aktors mit veränderlichem Luftspalt.
(9.89)
292
9 Aktorentwurf
Betrachtet man die elektrische Spannung U in Abhängigkeit der Auslenkung z, so lässt sich ein Maximum finden: dU 2 k = −2 (d 2 + 4dz + 3z2) = 0 dz ε0 A
(9.90)
1 4 z2 + dz + d 2 = 0 3 3 1 z1 = − d; z2 = −d (9.91) 3 Damit der Aktor stabil betrieben werden kann, muss die Kraft der Rückstellfeder immer größer als die Anziehungskraft der geladenen Platten sein. Dies ist nur in dem Bereich 1 0>z>− d 3 möglich. Für kleinere Abstände wird die Anziehungskraft größer als die Gegenkraft der Feder und die bewegliche Platte wird auf die feststehende gezogen (Pullin). Da dies zu einem elektrischen Kurzschluss führen würde, ist in jedem praktischen Aufbau mindestens eine Elektrode mit einer Isolationsschicht versehen. Mit Gleichung (9.89) und Gleichung (9.91) kann die Betriebsspannung berechnet werden, bei der der Pull-in eintritt: 8 k 3 U pull−in = d (9.92) 27 ε0 A Die Haltekraft, die benötigt wird, um in diesem Zustand zu bleiben, ist deutlich geringer, als die Kraft im Moment des Pull-in. Es gilt zu beachten, dass die Kraft bei sich verringerndem Abstand der Elektroden quadratisch ansteigt. Eine Grenzwertbetrachtung für d → 0 liefert für die Kraft F → ∞. Die Isolationsschicht erfüllt also auch den Zweck einer Kraftbegrenzung.
9.5.2.2 Wanderkeilantriebe Eine Sonderbauform der Luftspaltaktoren mit veränderlichem Plattenabstand stellen die Wanderkeilantriebe dar. Zur Vergrößerung des Stellweges wird eine gebogene, flexible Gegenelektrode auf einer mit einer Isolation versehenen Grundelektrode angebracht. Der Abstand der Elektroden vergrößert sich keilförmig von der Einspannung zum freien Ende hin. Das resultierende elektrische Feld ist in dem Bereich, in dem die Elektrode aufliegt am größten und nimmt mit steigendem Luftspalt ab. Bei der Auslegung der Steifigkeit der Gegenelektrode muss gewährleistet sein, dass sich diese entlang des engsten Keilspaltes auf der Isolation abrollen kann.
9.5 Elektrostatische Aktoren
293
Abbildung 9.69 veranschaulicht das Prinzip im Ausgangszustand und während der Deformation.[210]
Abb. 9.69 Wanderkeilantrieb vor und während der Auslenkung.
9.5.2.3 Bewegung quer zur Feldrichtung Der wesentliche Unterschied zur vorigen Anordnung besteht darin, dass die Platten bei ihrer Bewegung parallel verschoben werden. Der Plattenabstand d wird also konstant gehalten, während sich die Fläche ändert. Analog zu Gleichung (9.84) kann die Kraft zur Verschiebung in beiden Richtungen der Bewegungsebene berechnet werden: Fx =
∂W 1 ∂C = U2 ∂x 2 ∂x
1 b Fx = ε0 U 2 ex 2 d Fy =
∂W 1 ∂C = U2 ∂y 2 ∂y
1 a Fy = ε0 U 2 ey 2 d
(9.93) (9.94) (9.95) (9.96)
Die Kräfte sind von der Überlappungslänge unabhängig und somit für jede Aktorposition konstant. In Abbildung 9.70 ist die bewegliche Elektrode wieder an einer Feder befestigt. Wird eine elektrische Spannung an diese Kondensator angelegt, so vergrößert sich die Fläche A entlang der Kante a. Dabei wird die Feder ausgelenkt und erzeugt eine Gegenkraft FF FF = −kxEx Für das Gleichgewicht der auf die Elektrode wirkenden Kräfte gilt:
(9.97)
294
9 Aktorentwurf
Abb. 9.70 Elektrostatischer Aktor mit veränderlicher Plattenfläche.
Fx (x) = FF (x) + Fx,el (U)
(9.98)
Aus der Ruhelage (Fx (x) = 0) kann die Auslenkung der Elektrode in x-Richtung berechnet werden: b1 1 x = ε0U 2 (9.99) 2 dk Typischerweise wird dieser Aufbau in Form von zwei Kammstrukturen realisiert, bei der ein Elektrodenkamm in den Gegenelektrodenkamm greift. Dabei handelt es sich um eine elektrische Parallelschaltung von n Kapazitäten, wodurch größere Kräfte erzielt werden können. In Abbildung 9.71 ist eine solche Anordnung gezeigt. Der Fläche der überlappenden Elektroden ist in x-Richtung mit a, in y-Richtung mit b gegeben. Mit dem Plattenabstand d lässt sich die Kapazität nach Gleichung (9.100) berechnen.
Abb. 9.71 Aktor mit Kammstruktur und veränderlicher Plattenfläche.
9.5 Elektrostatische Aktoren
295
ab ·n (9.100) d Wie zuvor kann durch Differentiation der Energie nach der Bewegungsrichtung die elektrische Kraft berechnet werden: CQ = ε0 ·
Fx =
∂W 1 ∂C 1 2 b = U2 = U ε0 · n ∂x 2 ∂x 2 d
(9.101)
9.5.2.4 Zusammenfassung und Beispiele Bei den zuvor beschriebenen Aktoren wirkt die elektrostatische Kraft immer indirekt, nämlich über die bewegliche Gegenelektrode, auf den Nutzer. Eine viel einfachere Gestaltung eines taktilen Displays nutzt die Haut des Menschen als Gegenelektrode, auf die damit direkt die elektrostatische Feldkraft wirkt. Demnach lassen sich Anwendungen hinsichtlich ihrer Kraftwirkung in direkte und indirekte Verfahren unterscheiden.
Direkte Feldkraft Im einfachsten Aufbau wird eine Elektrode, bzw. ein strukturiertes Elektrodenarray unter einer isolierenden Schicht kontaktiert. Der schematische Aufbau ist in Abbildung 9.72 gezeigt. Der Nutzer stellt mit seinem tastenden Finger die Gegenelektrode dar. Durch die Anziehungskraft auf die leitfähige Haut kommt es bei einer Bewegung des Fingers zu einer lokalen Erhöhung der Reibung, die der Nutzer wahrnehmen kann. Diese Systeme sind leicht zu realisieren und lassen sich hervorragend miniaturisieren. Der größte Nachteil dieses Systems liegt in der Empfindlichkeit gegenüber Feuchtigkeit, die jeder Nutzer in Form von Schweiß auf der Oberfläche hinterlässt. Dies kann dazu führen, dass das elektrische Feld nur bis an die Oberfläche der Isolation gelangt, der Nutzer jedoch keine Kraftwirkung wahrnimmt.
Abb. 9.72 Elektrostatischer Stimulator mit Finger als Gegenelektrode [245].
296
9 Aktorentwurf
Indirekte Feldkraft Bei diesen Systemen wird die Feldkraft genutzt, um eine Bedienoberfläche zu bewegen. Der Finger des Nutzers interagiert mit dieser Oberfläche (Schlitten) und erfährt durch dessen Bewegung eine wahrnehmbare Stimulation. Eine Umsetzung mit einem Aktorkamm und Bewegung quer zur Feldrichtung ist in Abbildung 9.73 gezeigt. Die Strukturhöhe beträgt 300 μ m; sie ist bei einer Betriebsspannung von 100 V auf eine Nennkraft von 1 mN ausgelegt. Der gleiche Aufbau mit einem Aktor mit Parallelelektroden kann eine Auslenkung von 60 μ m erreichen, die abgebildeten Kammelektroden sogar eine Auslenkung von 100 μ m.
Abb. 9.73 Elektrostatischer Kammaktor zur tangentialen Fingerstimulation [71].
Zusammenfassung Elektrostatische Antriebe mit Luftspalt erreichen Kräfte im Bereich von mN bis N. Da die Aktoren Feld getrieben sind, ist der Kompromiss aus Plattenabstand und elektrischer Betriebsspannung für jede Anwendung separat zu prüfen. Die Durchschlagfeldstärke von Luft (ca. 3 V/μ m) ist der obere begrenzende Faktor, die Stellwege dieser Aktoren sind auf den μ m-Bereich beschränkt. Dabei kann die elektrische Betriebsspannung einige 100 V betragen. Aufgrund der eingeschränkten Auslenkung sind die Anwendungen in haptischen Systemen fast ausschließlich auf die Darstellung taktiler Reize beschränkt. Für eine konkrete Aktorentwicklung ist es empfehlenswert, sich mit der Modellbildung dieser Aktoren zu beschäftigen, insbesondere mit der Netzwerktheorie nach Lenk [153], da bei diesen Berechnungen vom späteren mechanischen Lastfall bis hin zur elektrischen Ansteuerung das komplette elektromechanische System analysiert werden muss.
9.5 Elektrostatische Aktoren
297
9.5.3 Dielektrische Polymeraktoren Wie in vielen anderen Bereichen, so ersetzen auch in der Aktorentwicklung neuartige Kunststoffe immer häufiger klassische Materialien wie z.B. Metalle. Durch den enormen Fortschritt der Materialentwicklung können die mechanischen Eigenschaften in einem sehr großen Spektrum an die jeweilige Anwendung angepasst werden. Entscheidende Vorteile sind weiterhin die günstigen Materialkosten, es können nahezu beliebige Formen hergestellt werden und das ebenfalls mit verhältnismäßig geringem Aufwand. Polymere, die ihre Gestalt bzw. Form unter Einfluss einer externen Anregung ändern, werden als „aktive Polymere“ bezeichnet. Die Ursachen für diese Gestaltsänderungen können dabei sehr vielfältig sein: elektrische und magnetische Felder, aber auch Licht oder der pH-Wert. Werden diese Materialien in Aktoren verwendet, so sind die resultierenden mechanischen Eigenschaften, wie Nachgiebigkeit, Kraft und Deformation bei gleichzeitig hoher Belastbarkeit und Robustheit denen von biologischen Muskeln sehr ähnlich. [10] Um die große Vielfalt der „aktiven Polymere“ zu klassifizieren, werden diese üblicherweise nach dem physikalischen Wirkprinzip unterschieden. Es erfolgt eine Einteilung in „nichtelektrische Polymere“, die z.B. durch Licht, pH-Wert oder Temperatur chemisch aktiviert werden und „elektrische Polymere“, die von einer elektrischen Größe aktiviert werden, den so genannten „Elektroaktiven Polymeren (EAP)“. Diese werden wiederum in „ionische“ und „elektronische“ EAP unterschieden. Allgemein lässt sich sagen, dass elektronische EAP mit einer möglichst hohen Feldstärke, nahe der Durchschlagfeldstärke, betrieben werden. Je nach Schichtdicke des Dielektrikums sind 1 − 20 kV typische Betriebsspannungen. Dadurch sind sehr hohe Energiedichten und geringe Reaktionszeiten (im Millisekundenbereich) erzielbar. Ionische EAP werden mit deutlich niedrigeren Betriebsspannungen von ca. 1 − 5 V betrieben. Allerdings wird für den Transport der Ionen ein Elektrolyt benötigt, das häufig in Form ein wässrigen Lösung vorhanden ist. Mit diesen Aktortypen werden meist Biegeaktoren aufgebaut, die mit deutlich längeren Reaktionszeiten (Sekundenbereich) große Deformationen an der Biegerspitze erreichen können. Alle EAP-Technologien befinden sich noch in der grundlegenden Entwicklungsphase, jedoch sind zwei Aktorvarianten derzeit schon so erfolgreich, dass sie zu Testzwecken bereits in der Robotik eingesetzt werden: „Ionische Polymer-MetallKomposite“ (IPMC) und „Dielektrische Elastomeraktoren“ (DEA). Eine Zusammenstellung und Beschreibung aller EAP-Typen bietet Kim [132]. Aufgrund der Zugehörigkeit dielektrischer Elastomeraktoren zur Gruppe der elektrostatischen Aktoren, wird deren Funktionsweise im Folgenden erläutert. Einen Vergleich typischer Kennwerte eines dielektrischen Elastomeraktors mit einem menschlichen Muskel zeigt Tabelle 9.7. Durch den Einsatz eines Elastomeraktors mit großen Dehnungen werden auch zusätzliche Mechaniken, wie Getriebe oder Lager nicht mehr benötigt. Weiterhin erlaubt die Verwendung dieser Materi-
298
9 Aktorentwurf
alsysteme den Nachbau komplexer Systeme, wie sie in der Natur vorkommen. So wird z.B. die Fortbewegung von Insekten und Fischen imitiert (Bionik). [11] Tabelle 9.7 Vergleich zwischen einem menschlichen Muskel und einem DEA nach Pei [190] Parameter
menschlicher Muskel
DEA
Dehnung (%) Spannung (MPa) Energiedichte (kJ/m3 ) Dichte (kg/m3 ) Dehnungsgeschwindigkeit (%/s)
20 − 40 0, 1 − 0, 35 8 − 40 1037 > 50
10 bis > 100 0, 1 − 2 10 − 150 ≈ 1000 450 (Acryl) 34000 (Silikon)
9.5.3.1 Dielektrische Elastomeraktoren - elektrostatische Festkörperaktoren
Abb. 9.74 DEA im Ausgangszustand (links) und geladenen Zustand (rechts).
Der Aufbau entspricht typischerweise dem eines Plattenkondensators, allerdings ist in diesem Fall ein elastisches Dielektrikum (Polymer, bzw. Elastomer) zwischen zwei nachgiebigen Elektroden angeordnet. Es handelt sich damit um einen Festkörperaktor. Den schematischen Aufbau eines dielektrischen Elastomeraktors zeigt Abbildung 9.74 links. Im ungeladenen Ausgangszustand entsprechen die Kapazität und speicherbare Energie der des Luftspaltaktors (Gleichung (9.79) und Gleichung (9.80)). Eine Zustandsänderung dieser Konfiguration nach Anlegen einer elektrischen Spannung U ist in Abbildung 9.74 rechts zu sehen: auf dem geladenen Kondensator befinden sich jetzt mehr Ladungen (Q + Δ Q), die Elektrodenfläche ist größer geworden (A + Δ A)während der Abstand der Elektroden (z − Δ z) gleichzeitig geringer geworden ist. Die Änderung der Energie nach einer infinitisimalen Änderung dQ, dA und dz wird mit Gleichung 9.102 berechnet. Q 1 Q2 1 1 Q2 1 dW = dQ + dz − dA (9.102) C 2 C z 2 C A
9.5 Elektrostatische Aktoren
299
dW = UdQ + W
1 1 dz − dA z A
(9.103)
Die Energieänderung entspricht also der Änderung der elektrischen Energie durch die Spannungsquelle und der umgesetzten mechanischen Energie, die von der Geometrie abhängt (sowohl in Feldrichtung (dz), als auch parallel dazu (dA)). Im Vergleich zum Luftspaltaktor in Kapitel 9.5.2 kommt es zu einer Überlagerung der Abstandsänderung und Änderung der Elektrodenfläche. Möglich wird dies durch eine Materialeigenschaft, die näherungsweise für alle Elastomere und einige Polymere gilt, nämlich die Volumenkonstanz: ein in einer Achse gestauchter Körper wird sich entlang den beiden anderen Achsen ausdehnen, da er inkompressibel ist. Damit ist ein direkter Zusammenhang zwischen Abstandsänderung und Änderung der Elektrodenfläche gegeben. Es gilt Gleichung (9.104). A dz = −zdA
(9.104)
Gleichung (9.103) vereinfacht sich damit zu 1 dW = UdQ + 2W dz z
(9.105)
Aus dieser elektrischen Energie kann die resultierende Anziehungskraft der Elektroden bestimmt werden. Bezogen auf die Elektrodenfläche A ergibt sich damit der elektrostatische Druck pel bei dQ = 0 nach Gleichung (9.106) pel =
1 1 dW = 2W A dz Az
(9.106)
und mit Gleichung (9.80)
1 U2 pel = 2 ε0 εr Az 2 2 z
1 = ε0 εr E 2 Az
(9.107)
Vergleicht man das Ergebnis mit dem aus Gleichung (9.85) resultierenden Druck eines Luftspaltaktors mit veränderlichem Plattenabstand, so sieht man, dass für dielektrische Elastomeraktoren gerade ein doppelt so großer Druck erzielt werden kann (bei sonst gleichen Parametern) [192]. Weitere Gründe für die deutlich höhere Leistungsfähigkeit der dielektrischen Polymeraktoren basieren ebenfalls auf dem verwendeten Material. Für die relative Permittivität gilt: εr > 1, je nach Material εr 3 − 10. Durch chemische Behandlung oder Einfügen von Füllstoffen kann die relative Permittivität weiter erhöht werden. Hierbei muss allerdings beachtet werden, dass sich andere Parameter (wie etwa Durchschlagfeldstärke und E-Modul) nicht stärker verschlechtern, als der Gewinn des gesteigerten εr ist. Gerade die Durchschlagfeldstärke stellt einen der wichtigsten limitierenden Faktoren dar. Bei vielen Materialien konnte eine Steigerung der Durchschlagfeldstärke bei planarer Vordehnung beobachtet werden; so sind Durchschlagfeldstärken von 100 − 400 V/μ m keine Seltenheit.
300
9 Aktorentwurf
Der Pull-in-Effekt tritt nicht wie bei Luftspaltaktoren bei z = 1/3 ·z0 auf, sondern erst bei deutlich höheren Dehnungen. Bei einigen Materialien kann durch mechanisches Vorspannen des Aktors der Pull-in sogar soweit verschoben werden, dass vorher die Durchschlagfeldstärke erreicht wird. Grund dafür ist wieder die volumenkonstante dielektrische Schicht, die ein viskoelastisches Verhalten aufweist. Sie entspricht einer „Rückstellfeder“, die für große Dehnungen eine stark nicht-lineare Kraft-Weg-Kennlinie hat. Durch das mechanische Vorspannen wird der Arbeitspunkt entlang der Spannungs-Dehnungs-Kennlinie des Materials verschoben. Für den Einsatz in dielektrischen Elastomeraktoren können viele Materialien verwendet werden. Die Materialeigenschaften decken dabei ein extrem breites Spektrum ab und reichen von gelartigen Polymeren bis hin zu relativ festen Thermoplasten. Grundsätzlich muss jedes dielektrische Material neben einer hohen relativen Permittivität eine hohe Durchschlagfeldstärke und eine hohe Nachgiebigkeit (Elastizität) aufweisen. Silikone bieten die höchste Verformungsgeschwindigkeit und eine hohe Temperaturbeständigkeit. Acryle haben eine höhere Durchschlagfestigkeit und erreichen damit höhere Energiedichten. Folgende Aufzählung stellt eine Auswahl der derzeit am häufigsten verwendeten dielektrischen Materialien dar: • Silkon HS 3 (Dow Corning) CF 19-2186 (Nusil) Elastosil P7670 (Wacker) • Acryl VHB 4910 (3M) Für die erforderlichen dehnbaren Elektroden werden meist Graphitpulver, leitfähige Ruße und pastöse Suspensionen mit leitfähigen Partikeln verwendet.
9.5.3.2 Bauformen dielektrischer Elastomeraktoren Wie bereits erwähnt, werden mit dielektrischen Elastomeraktoren sehr hohe Dehnungen (Stauchungen in Feldrichtung) erreicht (10 − 30%). Um aber die elektrischen Spannungen in einer sinnvollen Größenordnung zu belassen, sind die Schichtdicken (abhängig von der Durchschlagfeldstärke) im Bereich von 10 − 100 μ m. Die daraus resultierenden absoluten Auslenkungen in Feldrichtung sind zu gering, um in einem Aktor sinnvoll genutzt zu werden. Es gibt mehrere Konzepte, wie die absolute Auslenkung erhöht werden kann. Dafür wird zwischen den beiden grundsätzlichen Bewegungsrichtungen unterschieden: der Längseffekt in Feldrichtung (die Dickenänderung) und der Quereffekt in der Ebene senkrecht zur Feldrichtung (die Flächenänderung). Die besondere Bedeutung dieser Unterscheidung liegt wieder in der Volumenkonstanz des Materials: eine uniaxiale Druckbelastung entspricht einer zweiachsigen Zugbelastung in den anderen beiden Raumrichtungen. Die zwei Querdehnungen in der Ebene ergeben somit eine Flächenänderung. Mit der Volumenkonstanz gilt Gleichung (9.108), aus der folgende Merkmale für die Längsstauchung Sz und die Querdehnung Sx ersichtlich werden:
9.5 Elektrostatische Aktoren
301
• bei einer Längsstauchung von 62 % sind beide Dehnungen gerade gleich groß • für kleinere Werte der Längsstauchung ist die resultierende Querdehnung kleiner • für Längsstauchungen > 62 % nimmt die Querdehnung viel schneller zu als die Längsstauchung 1 Sx = √ −1 1 − Sz
(9.108)
Die Flächendehnung SA ergibt sich nach Gleichung (9.109) in Abhängigkeit der Längsstauchung Sz : SA =
Sz dA = A 1 − Sz
(9.109)
Die Zunahme der Fläche unter unaxialer Stauchung ist also immer größer und stellt damit das effektivste Aktorprinzip dar. In Abbildung 9.75 sind drei typische Bauformen skizziert. Mit einem Rollenaktor (links), der als Voll- oder Hohlzylinder aufgebaut sein kann, lassen sich Längenänderungen bis über 10 % erreichen. Kornbluh [138] beschreibt einen Acryl-Rollenaktor, der mit einem Eigengewicht von 2, 6 g eine Maximalkraft von 29 N erreicht und eine Auslenkung von 35 mm. Die Fertigung der großflächigen Elektroden ist sehr einfach. Das Aufrollen der Aktoren unter einer extremen Vordehnung (bis 500 %) kann dagegen recht schwierig werden. Bei dem Stapelaktor (Mitte) lassen sich je nach Herstellungsart extrem dünne dielektrische Schichten herstellen und damit die geringsten Betriebsspannungen für DEA realisieren. Da der Längseffekt genutzt wird, sind die Auslenkungen zwar nur in der Größenordnung von 10 %, dafür lassen sich die Aktoren in der höchsten Packungsdichte direkt nebeneinander herstellen [117]. Die einfachste und effektivste Bauform ist die einer eingespannten Folie, deren komplette Flächenänderung in eine Aufwölbung umgesetzt wird (Diaphragma-Aktor rechts)[139]. Soll dieser Aktor allerding belastet werden, so wird von der unbelasteten Seite eine zusätzliche Kraftquelle benötigt, z.B. ein Druck, der die Auslenkung unterstützt und eine höhere Gegenkraft bietet.
Abb. 9.75 Typische Bauformen von dielektrischen Elastomeraktoren: Rollenaktor (links), Stapelaktor (mitte) und Diaphragma-Aktor (rechts).
302
9 Aktorentwurf
9.5.3.3 Zusammenfassung und Beispiele Wie bei den Luftspaltaktoren sind auch die dielektrischen Festkörperaktoren maßgeblich durch die Durchschlagfeldstärke des verwendeten Dielektrikums begrenzt. Allerdings kann bei geeigneter Auslegung leicht der Pull-in vermieden werden. Die Aktoren weisen dadurch einen größeren Arbeitsbereich auf. Durch die unterschiedlichen Bauformen kann eine Vielzahl von Anwendungen realisiert werden, je nach gewünschtem Stellweg, Maximalkraft oder Aktordichte.
Taktile Displays Eine der einfachsten Formen eines taktilen Displays ist ein Braille-Display. Diese Anzeigegeräte dienen der Darstellung der Blindenschrift, in der Punktmuster kleiner erhabener Punkte ertastet werden. Im Standardbraille werden sechs Punkte genutzt, im computertauglicheren Eurobraille sogar acht. Diese Punkte sind in einer 2x3, bzw. 2x4 - Matrix angeordnet, wie in Abbildung 9.76 dargestellt. In einem Lesegerät werden 40 - 80 Zeichen dargestellt. In der herkömmlichen Bauweise wird für jeden Punkt ein separater Piezobieger verwendet, was zu einem enorm hohen Preis führt. Aus diesem Grund gibt es eine Vielzahl von Prototypen, bei denen die Verwendung kostengünstiger Antriebe, bei gleichzeitig einfachem Aufbau und ausreichender Leistungsfähigkeit im Vordergrund steht. So sind bereits mit Hilfe der drei vorgestellten Bauformen dielektrischer Polymeraktoren Prototypen realisiert. In Abbildung 9.76 ist rechts der schematische Aufbau einer Aktorspalte mit Rollenaktoren aus [200] dargestellt. Vier Rollenaktoren sind hier jeweils unter einem Pin angeordnet, welcher nach Anlegen einer elektrischen Spannung von dem sich längenden Rollenaktor aus der Bodenplatte heraus gedrückt wird. Der Elastomerfilm ist um eine 60 mm lange Feder mit einem Außendurchmesser von 1, 37 mm gewickelt. Bei einem elektrischen Feld von 100 V/ μ m kann die zuvor gestauchte Feder eine Auslenkung von 1 mm erreichen und dabei eine Kraft von 750 mN ausüben. Die eigentliche Kraftquelle ist hier also die durch den passiven Film gestauchte Feder mit einer Federkonstanten von 225 N/m. Die maximal benötigte Auslenkung von 500 μ m im Display wird bereits bei einer Feldstärke von 60 V/μ m erreicht. Der Einsatz von Stapelaktoren nach J UNGMANN [117] ist schematisch in Abbildung 9.77 links dargestellt. Der größte Vorteil dieser Variante besteht in der extrem hohen Aktordichte bei einem einfachen Herstellungsprozess. Außerdem sind die geschlossenen Silikonkörper so flexibel, dass sie an fast beliebige geformten Oberflächen fixiert werden können. Die Oberfläche, die ebenfalls aus Silikon besteht, weist eine gute Rauhigkeit und Temperaturleitfähigkeit auf und wird von vielen Nutzern als angenehm empfunden. Bei einer Feldstärke von 30 V/ μ m und einem Stapel aus 100 dielektrischen Schichten kann eine Auslenkung von 500 μ m erreicht werden. Die Last, die ein lesender Finger auf das weiche Substrat ausübt, führt bei einem typischen Anpressdruck von 4 kPa zu einer Auslenkung von 25 μ m, was deutlich unter der wahrnehmbaren Schwelle von 10 % der Auslenkung liegt. Für den Betrieb
9.5 Elektrostatische Aktoren
303
Abb. 9.76 Darstellung eines Braille-Zeichens durch DE-Rollenaktoren. Links: Geometrie eines Braille-Zeichens; rechts: schematischer Aufbau einer Aktorzeile [200].
ist zu beachten, dass die Arrays in einer negativen Logik betrieben werden müssen: aktivierte Pins werden nach unten gezogen. Der Aufbau eines Braille Displays mit Diaphragma-Aktoren nach H EYDT [92] ist vorteilhaft, weil die Vergrößerung der eingespannten Fläche direkt zu einer Bewegung aus der Ebene führt. Um allerdings eine Kraft ausüben zu können, ist eine mechanische Vorspannung erforderlich. Diese kann beispielweise durch eine Feder oder einen Luftdruck unterhalb des Aktors generiert werden. In Abbildung 9.77 rechts ist der schematische Aufbau für einen Punkt zu sehen, der durch eine Feder mit einem Durchmesser von 1, 6 mm vorgespannt ist. Bei einer Betriebsspannung von 5, 68 kV erreicht der Aktor eine Leerlaufauslenkung von 450 μ m.
Abb. 9.77 links: Aktorzeile einer Stapel-Aktormatrix [117]; rechts: Einsatz von DiaphragmaAktoren [92].
304
9 Aktorentwurf
Künstliche Muskeln Um die Entwicklungsarbeiten voran zu treiben und um das Zukunftspotenzial adaptiver Werkstoffsysteme medienwirksam zu verbreiten, hat YOSEPH BAR -C OHEN (Jet Propulsion Laboratorys der NASA am „Institute of Technology“) im Jahr 2001 einen Wettbewerb in Kalifornien ausgerufen. Im März 2005 kam es dann im Rahmen des SPIE’s Smart Structures and Materials Symposium (Conference on Electroactive Polymer Actuators and Devices EAPAD) tatsächlich zu einem ersten Wettbewerb im Armdrücken, bei dem ein 17-jähriges Mädchen gegen diverse Maschinen, allesamt von EAP-Aktoren angetrieben, antrat. Mit zwei Aktortypen (DEA und IPMC) an einem Kunststoffarm konnte ein künstlicher Arm von Environmental Robots Incorporated (ERI) immerhin 26 Sekunden lang ausreichend Gegenkraft generieren um ein Patt zu halten. Auf Platz zwei landete der Arm der Eidgenössischen Material- und Prüfanstalt (EMPA) aus der Schweiz. In Abbildung 9.78 ist einer der verwendeten „Muskeln“ (bestehend aus sieben Rollenaktoren) zu sehen, der eine Masse von ca. 38 kg anheben kann.
Abb. 9.78 Muskel des Armdrückers der EMPA (EAPAD 2005) [11].
9.5.4 Elektrorheologische Fluide Flüssigkeiten, deren rheologische Eigenschaften (vor allem die Viskosität) von der Stärke und Richtung eines umgebenden elektrischen Feldes beeinflusst werden, werden als Elektrorheologische Fluide (ERF) bezeichnet. ERF gehören damit zur Klasse nichtnewtonscher Fluide, die sich durch eine veränderbare Viskosität bei konstanter Temperatur auszeichnen. Der elektrorheologische Effekt wurde erstmals an einer Suspension von Maisstärke und Öl von Willis Winslow im Jahr 1947 entdeckt.
9.5 Elektrostatische Aktoren
305
Elektrorheologische Fluide weisen Dipole in Form von polarisierbaren Partikeln auf, die in einer nicht leitfähigen Suspension dispergiert sind. Diese Partikel werden durch ein äußeres angelegtes elektrisches Feld ausgerichtet. Es kommt zu einer Interaktion von Partikeln und freien Ladungsträgern. Dabei bilden sich kettenförmige Mikrostrukturen zwischen den Elektroden aus [41, 98, 220]. Dies scheint jedoch nicht der einzige für die Viskositätserhöhung verantwortliche Effekt zu sein, denn selbst nach Zerstörung dieser Mikrostrukturen [188] bleibt eine deutliche Viskositätserhöhung erhalten. Die genaue Analyse der wirkenden Mechanismen ist noch Gegenstand aktueller Forschungsarbeiten. Je nach Stärke des angelegten elektrischen Feldes ändert sich die Viskosität der Flüssigkeit. Bei einem elektrischen Feld von etwa 1 − 10 kV/mm kann sich bei elektrorheologischen Fluiden die Viskosität um einen Faktor von bis zu 1000 gegenüber dem feldfreien Fall vergrößern. Dieser enorme Unterschied besteht beispielsweise zwischen der Viskosität von Wasser und der von Honig. Ein weiterer Vorteil ist die hohe Geschwindigkeit der Viskositätsänderung: sie ist reversibel und kann innerhalb von etwa 1 ms vollzogen werden. Elektrorheologische Fluide sind damit gut für dynamische Anwendungen geeignet. Werden große Feldstärken angenommen, so lässt sich das ERF als Binghamflüssigkeit modellieren. Diese weist ab einem Schwellwert ein lineares Fließverhalten auf: erst ab der Mindestspannung τF,d (Fließgrenze) beginnt das Fluid tatsächlich zu fließen, unterhalb dieses Grenzwertes verhält sich das Fluid wie ein elastischer Körper. Die Scherkraft τ wird nach Gleichung (9.110) berechnet.
τ = μ γ˙ + τF,d
(9.110)
Dabei entspricht μ der dynamischen Viskosität, γ˙ der Scherrate und τF,d der dynamischen Fließgrenze. Letztere wird proportional dem Quadrat der elektrischen Feldstärke verändert, gemäß Gleichung (9.111)). Der Proportionalitätsfaktor Cd entspricht einer vom Hersteller angegebenen Materialkonstante.
τF,d = Cd E 2
(9.111)
Für komplexere Berechnungen, die den Übergang des Fluids zum und vom Fließen besser beschreiben, wird das Modell zu einem nichtlinearen System nach Gleichung (9.112) erweitert (mit n = 1 entspricht dies Gleichung (9.110))
τ = τF,d + kγ˙n
(9.112)
Diese allgemeinere Form beschreibt die Scherkraft für viskos-plastische Fluide mit Fließgrenze nach Vitrani [265]. Für eine Betrachtung im Ruhezustand, bei der Scherrate γ˙ = 0 muss die statische Fließgrenze τF,s mit τF,s > τF,d eingeführt werden. Bei Erreichen der statischen Fließgrenze wird das ruhende Fluid deformiert. Mit den materialspezifischen Größen Cs und Ere f gilt Gleichung (9.113).
τF,s = Cs (E − Ere f )
(9.113)
306
9 Aktorentwurf
Als Materialien für die Partikel werden meist Metalloxide, Siliziumsäureanhydride, Polyurethane oder Polymere mit metallischen Ionen verwendet. Der Durchmesser der Partikel beträgt 1 − 100 μ m, der Volumenanteil in einer Suspension zwischen 30 und 50 %. Als Trägermedien werden typischerweise Öle (z.B. Silikonöl) oder speziell behandelte Kohlenwasserstoffe verwendet. Auch im Bereich der elektrorheologischen Fluide können durch den Einsatz nanoskaliger Partikel Fluide hergestellt werden, die eine weitere Verstärkung der Viskositätsänderung bewirken („giant electrorheological effect“)([75], [275]). In [50] und [196] wird eine mathematische Modellbildung zum dynamischen Fließverhalten von ER-Fluiden vorgestellt. Die Eigenschaft, die Viskosität reversibel verändern zu können, lässt sich vorteilhaft in Force-Feedback-Geräten, haptischen Displays, sowie in künstlichen Muskeln und Gelenken nutzen. Da die Änderung der Viskosität primär eine Änderung von Gegenkräften bewirkt, nicht jedoch eine eigene Gestaltsänderung oder Kräfte, werden ERF-Aktoren auch als „passive Aktoren“ bezeichnet. Zur Leistungsbeschreibung wird die mechanische Steuergröße, also das Verhältnis aus Materialeigenschaften im stimulierten Zustand zu denen im Ausgangszustand definiert. Dabei kommen grundsätzlich drei Nutzungsszenarien in Betracht [33]:
9.5.4.1 Scherung (shear mode)
Abb. 9.79 Beeinflussung der Schubkraft mit einem ERF-Aktor.
Das ER-Fluid befindet sich zwischen zwei parallelen Platten, eine feststehende und eine dazu relativ bewegliche Platte. Die einzige Randbedingung ist, dass der Plattenabstand d konstant ist. Wirkt eine Kraft F auf die obere Platte, so lenkt sich diese bei der Geschwindigkeit v gerade um x aus. Für die gezeigte Anordnung (siehe Abb. 9.79) lässt sich nach [193] das mechanische Steuerverhältnis λ nach Gleichung (9.116) aus dem Verhältnis der dissipativen Kräfte (feldabhängiger Fließspannungsterm, Gleichung (9.115)) zu dem feldunabhängigen Viskositätsterm (Gleichung (9.114)) berechnen. Dabei ist η die Grundviskosität des ER-Fluids (im nicht erregten Zustand) und τy die Fließspanung, die sich in Abhängigkeit des elektrostatischen Feldes ändert.
9.5 Elektrostatische Aktoren
307
η vab d Fτ = τy ab
Fη =
λ=
τy d Fτ = Fη ηv
(9.114) (9.115) (9.116)
9.5.4.2 Durchfluss (flow mode)
Abb. 9.80 Beeinflussung des akustischen Kanalwiderstandes mit einem ERF-Aktor.
Der schematische Aufbau dieser Konfiguration ist in Abbildung 9.80 zu sehen. Die beiden festen Platten bilden einen Kanal, durch den das Fluid auf Grund eines äußeren Druckes p mit dem Volumenstrom V˙ fließt. Wird zwischen den Platten ein elektrisches Feld E erzeugt, so kommt es zu einem erhöhten Druckverlust über dem Kanal und somit zu einer Reduzierung des Volumenstroms. Analog zur vorigen Anordnung kann ein feldunabhängiger, viskositätsbedingter Druckverlust pη und ein feldabhängiger Druckverlust pτ berechnet werden [193]: 12η V˙ a d 3b cτy a pτ = d Das mechanische Steuerverhältnis entspricht: pη =
λ=
cτy d 2 b pτ = pη 12η V˙
(9.117) (9.118)
(9.119)
Bei entsprechender Auslegung des Fluids kann der Strömungswiderstand durch das elektrische Feld so stark vergrößert werden, dass bei Erreichen einer Grenzspannung das Fluid völlig gestoppt wird. Damit stellt dieser Kanal ein Ventil ohne mechanisch bewegte Teile dar.
308
9 Aktorentwurf
9.5.4.3 Druck (squeeze mode)
Abb. 9.81 Änderung der akustischen Impedanz durch einen ERF-Aktor bei extern wirkender Kraft.
Der Aufbau, um einen Druck ausüben zu können, ist schematisch in Abbildung 9.81 gezeigt. Im Gegensatz zu den beiden vorigen Varianten verändert sich hier der Abstand der beiden Platten relativ zueinander. Wirkt eine Kraft F auf die obere Platte, so bewegt sich diese senkrecht nach unten. Dabei wird das Fluid aus dem Plattenspalt heraus gedrückt. Angenommen wird ein anfänglicher Plattenabstand d0 und eine relative Geschwindigkeit v der sich nach unten bewegenden Platte. Die geschwindigkeitsabhängige Viskositätskraft Fη und der feldabhängige Spannungsterm Fτ werden nach [115] wie folgt berechnet: Fη =
3πη vr4 2(d0 − z)
(9.120)
Fτ =
4πτy r3 3(d0 − z)
(9.121)
Damit gilt für das mechanische Steuerverhältnis:
λ=
8τy 3(d0 − z)2 9η vr
(9.122)
Unter Druck (Kraft auf die obere Platte) wird das Fluid aus dem Spalt gedrückt. Auch bei dieser Konfiguration wird der Kraft-Weg-Zusammenhang bei der Bewegung stark von der elektrischen Feldstärke beeinflusst. Eine Analyse des dynamischen Verhaltens solch eines Aktors wird in [269] beschrieben.
9.5.4.4 Anforderungen für die Aktorauslegung Die von einem ERF-Aktor benötigte maximale Kraft Fτ , bzw. die benötigte mechanische Leistung Pmech sind die Eingangsgrößen bei einem anwendungsbezoge-
9.5 Elektrostatische Aktoren
309
nem Aktorentwurf. Gleichung (9.114) bis Gleichung (9.122) können für alle drei Konfigurationen so kombiniert werden, dass das für die gewünschte mechanische Leistung benötigte Volumen nach Gleichung (9.123) berechnet werden kann: V =k
η λ Pmech τy2
(9.123)
Das Volumen wird also von dem mechanischen Steuerverhältnis, den fluidspezifischen Größen η und τy sowie einer von der gewählten Konfiguration abhängigen Konstante k bestimmt. Die zum Aufbau des elektrostatischen Feldes des Aktors (volumenabhängige) benötigte elektrische Energie Wel entspricht demnach Gleichung (9.124). 1 Wel = V ( ε0 εr E 2 ) (9.124) 2 Neben den elektrorheologischen Fluiden sind die magnetorheologischen Fluide (MRF) sehr ähnlich aufgebaut. Das physikalische Verhalten der Flüssigkeit wird jedoch durch ein Magnetfeld bestimmt. Alle vorigen Berechnungen gelten grundsätzlich auch für MRF. Betrachtet man das für einen Aktor benötigte Volumen nach Gleichung (9.123) und berücksichtigt, dass die Viskositäten von elektrorheologischen und magnetorheologischen Fluiden vergleichbar sind, so ergibt sich ein Volumenverhältnis proportional zum reziproken Verhältnis der Quadrate der Fließspannungen gemäß Gleichung (9.125). VERF τ2 = MRF 2 VMRF τERF
(9.125)
In guter Näherung ist die Fließspannung eines magnetorheologischen Fluids etwa eine Größenordnung höher als die eines ERF. Daraus ergibt sich ein geringeres Volumen für einen MRF Aktor (etwa 2 Größenordnungen kleiner). Abgesehen von dem für eine bestimmte Leistung benötigtem Volumen ist ein Vergleich der beiden Fluide sehr schwierig: für ein ERF werden hohe Spannungen bei relativ niedrigen Strömen benötigt. Die größten Verluste treten durch einen Leckstrom durch das Medium (ERF) selbst auf. Bei einem MRF-Aktor hingegen sind kleine elektrische Spannungen bei sehr hohen Strömen notwendig, um das benötigte Magnetfeld aufzubauen. Die größten Verluste hierbei sind thermisch bedingt, da die Ströme entsprechende Temperaturanstiege verursachen. Die benötigte elektrische Energie für einen MRF-Aktor wird nach Gleichung (9.126) mit der magnetischen Flussdichte B und der magnetischen Feldstärke H berechnet. 1 Wel,MRF = VMRF ( BH) (9.126) 2 Damit kann auch das Verhältnis der benötigten Energien für beide Fluide mit Gleichung (9.127) bestimmt werden.
310
9 Aktorentwurf
Wel,ERF VERF ε0 εr E 2 = Wel,MRF VMRF BH
(9.127)
Bei typischen Werten für alle Parameter kann festgestellt werden, dass die benötigte elektrische Energie zur Aktoransteuerung ungefähr gleich groß ist. Einen guten Überblick über die Entwicklung beider Fluidarten und einen Vergleich gibt [36].
9.5.4.5 Zusammenfassung und Beispiele Elektrorheologische Fluide werden als teilaktive Aktoren bezeichnet, da sie primär die elektrische Größe nicht in eine Bewegung umsetzen, wohl aber in eine Eigenschaftsänderung, die eine Grundbewegung verändern kann. Diese Veränderbarkeit reicht über ein sehr breites Spektrum. Die realisierten Anwendungen reichen daher von kleinen taktilen Displays bis hin zu großen haptischen Systemen.
Taktile Systeme Der erste Einsatz von ERF als taktile Sensoren in einer künstlichen Roboterhand war bereits im Jahr 1989 von Kenaley [124]. Ausgehend von dieser Arbeit entwickelten sich mehrere Ideen, die ERF in taktilen Arrays einzusetzen, um virtuelle Systeme zu unterstützen. So entstanden auch mehrere taktile Displays, u.a. eine 5x5 Matrix von Taylor [246] und eine weitere von Böse [32]. Abbildung 9.82 zeigt den schematischen Aufbau eines taktilen Aktor-Elements. In die mit einem ERF gefüllte Kammer wird vom Nutzer ein über eine Kontaktfläche verbundener Kolben gedrückt. Je nach Aktivierungszustand des ERF kann eine unterschiedliche Gegenkraft erzeugt werden. Damit der Stößel nach dem Drücken wieder in seine Ausgangslage zurückkehren kann, ist an der Oberseite ein elastischer Schaum verbunden, der als Rückstellfeder dient. Bei einem elektrischen Feld von 3 V/μ m kann bei einer Auslenkung um 30 mm eine Kraft von ca 3, 3 N erzeugt werden. Das Schalten der elektrischen Spannung erfolgt von der Unterseite über Leuchtdioden und entsprechende Empfänger (GaAs-Elemente).
Haptischer Drehknopf Eine weitaus näherliegende Art, ERF in haptischen Systemen einzusetzen, ist die Verwendung als „variable Bremse“. Eine typische Anwendung außerhalb haptischer Systeme sind nämlich variable Bremsen und hydraulische Lager (z.B. adaptive Stoßdämpfer). So gibt es einige Anwendungen, bei denen ein Drehknopf eine Scheibe innerhalb eines ERF oder MRF [157] bewegt und somit unterschiedliche Gegendrehmomente erzeugt werden können. Abbildung 9.83 zeigt den schematischen Aufbau für einen MRF-Drehknopf. Wichtig ist dabei die Erfassung der aktuellen Position, hier über ein Potentiometer realisiert. In Abhängigkeit des Drehwinkels
9.5 Elektrostatische Aktoren
311
Abb. 9.82 Schematischer Aktoraufbau eines taktilen Aktors [32]
kann eine gewünschte Gegenkraft, bzw. Drehmoment erzeugt werden. Bei einem ausgereiften System kann der Nutzer beispielsweise ein „einrasten“ des Drehknopfes wahrnehmen - die „Rasttiefe“ kann wiederum in einem großen Bereich simuliert werden. Durch eine veränderliche Reibung können auch Anschläge simuliert werden, ebenso wie Vibrationen und freies Drehen.
Abb. 9.83 Schematischer Aufbau eines haptischen Drehknopfes [157]
Eine Erweiterung dieses eindimensionalen Systems zeigt [273]. Hier sind zwei der obigen Systeme (basierend auf ERF) an einen Joystick mit zwei Freiheitsgraden gekoppelt. So kann in jede Bewegungsrichtung (Kippen) des Joysticks eine beliebige Gegenkraft erzeugt werden. Da mit ERF höhere Drehmomente bei geringerem Energieverbrauch als bei einem elektrischen Motor realisierbar sind, sind sie vor allem auch für mobile Anwendungen, wie z.B. im Auto sehr gut geeignet.
312
9 Aktorentwurf
Force-Feedback Handschuh Für die Entwicklung eines Simulators für Operationen wird ein Force-Feedback Handschuh entwickelt [12]. Mit Hilfe der haptischen Rückmeldungen sollen operative Eingriffe besser trainiert werden können. Das System MEMICA („Remote MEchanical MIrroring using Controlled stiffness and Actuators“) soll einem Arzt die Operation mit Hilfe eines Roboters ermöglichen, in dem es das dringend erforderliche „Gefühl“ des echten Eingriffs wiedergibt. Dabei kommen sowohl auf der Seite des Bedieners als auch an der Stelle der „virtuellen Operation“ ERF-Aktoren zum Einsatz. Die einstellbare Nachgiebigkeit basiert auf dem selben Prinzip wie die taktilen Systeme, für das Generieren von Kräften ist jedoch eine Kraftquelle notwendig. Hier kommt ein neuartiger ECFS („Electronic Controlled Force and Stiffness“) Aktor zum Einsatz. Der schematische Aufbau ist in Abbildung 9.84 zu sehen. Es handelt sich um einen Inchworm-Antrieb, wobei die beiden „Bremsen“ mittels des umgebenden ER-Fluids realisiert sind. Der Antrieb für die eigentliche Vor- und Rückwärtsbewegung besteht aus zwei Elektromagneten.
Abb. 9.84 Schematischer Aufbau eines ERF-Inchwormantriebes [12]
In einem haptischen Exoskeleton werden beide Aktortypen verbaut, wobei sie auf der Außenseite eines Handschuhs befestigt werden, um die natürliche Bewegung der Hand nicht zu behindern. Mittels der Aktoren zwischen allen Fingergelenken können beliebige Kräfte und unterschiedliche Nachgiebigkeiten unabhängig voneinander simuliert werden. Die ECFS-Aktoren können bei einer Betriebsspannung von 2 kV eine Last von 50 N darstellen.
9.6 Sonderformen haptischer Aktoren
313
9.6 Sonderformen haptischer Aktoren T HORSTEN A. K ERN
Die bisher vorgestellten Aktorprinzipien sind die am meisten verbreiteten Ansätze zum Antrieb haptischer Geräte. Über diese Prinzipien hinaus gibt es aber auch eine Vielzahl von Forschungsprojekten, Einzelbauten und Sonderklassen haptischer Geräte, deren Kenntnis eine Bereicherung für den interessierten Ingenieur darstellt. Es ist unmöglich im Rahmen eines Buches der Vielfalt von haptischen Geräteentwürfen vollständig gerecht zu werden. In diesem Abschnitt sei dennoch ein Querschnitt durch alternative, aber auch kuriose und unkonventionelle Systeme zur Erzeugung kinästhetischer und taktiler Wahrnehmung zusammen gefasst. Der Querschnitt basiert auf der subjektiven Beobachtung und dem Wissen der Autoren und hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die vorgestellten Systeme wurden nach dem Kriterium ausgewählt, jeweils eine eigene Klasse haptischer Geräte und Aktoren zu beschreiben. Sie sind weder grundsätzlich die ersten Systeme ihrer Art, noch zwangsläufig die Besten. Sie bilden aber Kristallisationspunkte für weitere Recherchen, falls für spezifische Anforderungen besondere Lösungswege gewählt werden müssen. Die hier vorgestellte Vielfalt soll inspirieren, auch kreative Wege zur Erzeugung haptischer Sinneseindrücke nicht zu früh im Entwurfsprozess zu verwerfen.
9.6.1 Haptisch-Kinästhetische Geräte Haptisch kinästhetische Geräte in dieser Kategorie zeichnen sich in erster Linie durch außergewöhnliche Kinematiken und weniger durch besondere Aktorprinzipien aus. Dennoch sollte jeder Entwickler Beispiele aus diesen Geräteklassen kennen und in den gerade bearbeiteten Entwurf einfließen lassen.
9.6.1.1 Spidar-System Der Spidar (Abb. 9.85) basiert auf den Arbeiten von Prof. S ATO und wurde sowohl in Forschungsprojekten [240, 175] wie kommerziellen Systemen mehrfach eingesetzt. Es handelt sich um ein Interaktionswerkzeug, meistens eine Kugel, an der acht Seile befestigt sind. Jedes Seil führt zu einem Aktor in einem zumeist (aber nicht zwingend) rechteckigen Raum. Die Antriebe sind in der Lage Zugkräfte auf die Seile auszuüben, wodurch auf das Werkzeug Kräfte und Drehmomente in sechs Freiheitsgraden dargestellt werden können. Als Aktoren kommen häufig elektrodynamische elektronisch kommutierte Einheiten zum Einsatz. Das SpidarPrinzip kann fast beliebig sakliert werden, so dass sowohl Tisch-große wie auch Raum-große Umsetzungen existieren. Es besticht duch die geringe Anzahl an me-
314
9 Aktorentwurf
chanischen Komponenten und die sehr kleine Reibung. Da über Seile nur Zugkräfte übertragen werden können, ist bemerkenswert, dass dieser Nachteil durch lediglich zwei weitere Aktoren kompensiert werden kann.
a)
http://ascii.jp/elem/000/000/023/23108/
b)
Abb. 9.85 a) Desktop-Version des Spidars mit Kugel-förmigen Interaktionskörper, b) Raumfüllende Version ”INCA 6D” mit 3D Visualisierungsumgebung von Haption.
9.6.1.2 MRT-kompatibel haptisches Gerät Die Konstruktion von elektrodynamischen oder elektromagnetischen Aktoren setzt in der Regel immer die Präsenz eines Magnetfeldes mit der dazugehörigen Flussführung voraus. Gleichzeitig ist man bei der Konstruktion von Aktoren für medizinische Anwendungen dann beschränkt, wenn es um den Einsatz am MagnetResonanz-Tomographen (MRT) geht. In der Nähe der hohen statischen Magnetfelder sind ferromagnetische Materialien nicht zulässig. Im Bereich der Gradientenspulen zur Bilderzeugung können beliebige leitfähige Materialien aufgrund der induzierten Ströme nicht verwendet werden. Für die Verwendung haptischer Systeme im oder nah eines MRTs wurde in [202] ein elektromagnetischer Aktor (Abb. 9.86) entwickelt und erprobt, der das ohnehin vorhandene statische Magnetfeld als Gegenpol zu einem mit zwei Spulen erzeugten Magnetfeld nutzt. Die mit dem System erzeugten Drehmomente betragen beeindruckende 4 Nm bei einer Entfernung von 1 m zum MRT, ohne die Bildgebung negativ zu beeinflussen.
9.6.1.3 Magnetorheologische Flüssigkeiten als dreidimensionale haptische Displays Der Wunsch nach der Erzeugung eines künstlichen haptischen Eindrucks in einem Volumen für Interaktion ist eine grundlegende Motivation für eine Vielzahl von Entwürfen. Die in Abschnitt 9.5 vorgestellten rheologischen Systeme erlauben durch die Kontrolle von magnetischen oder elektrischen Feldern diesen Effekt. Die Arbeitsgruppe um B ICCHI verfolgt seit vielen Jahren die Möglichkeiten zur Erzeu-
9.6 Sonderformen haptischer Aktoren
a)
315
b)
Abb. 9.86 Funktionsprinzip des MRT Aktors aus [202](a) und Aufbau mit den deutlich sichtbaren Spulenkörpern auf der linken Seite (b).
gung von ortsaufgelösten, unterschiedlich viskosen Bereichen in einem Volumen (Abb. 9.87), um Kraftrückkopplung auf eine Hand zu geben. Die Ergebnisse wurden zuletzt in [20] zusammengefasst. Die Optimierung eines solchen Aktors hängt stark mit der Beherrschung der rheologischen Flüssigkeit zusammen [21]. Die bisher durchgeführten psychophysiolgischen Experimente zeigen, dass mit dem aktuellen Aufbau die Identifikation von einfachen geoemtrischen Strukturen auf Basis eines 4x4 Rasters im rheologischem Volumen möglich ist.
Abb. 9.87 Magnetorheologisches Aktorprinzip nach [20] auf Basis eines 4x4 Rasters für VollHand-Interaktion.
316
9 Aktorentwurf
9.6.1.4 Induktion und Wirbelstrom als Dämpfung Ein aktives haptisches Gerät wird darauf ausgelegt, Kräfte bzw. Drehmomente aktiv zu erzeugen. Durch diese aktive Erzeugung ist das gesamte Spektrum mechanischer Interaktionskörper (Massen, Federn, Dämpfer) abgedeckt. Dennoch ist nur ein Bruchteil haptischer Interaktion aktiv. Dies führt zum Beispiel dazu, dass aktive Systeme bewusst auf Passivität hin überwacht werden müssen. Ein alternativer Ansatz für den Entwurf von Aktoren besteht also darin, Eigenschfaten von Aktoren, die mechanische Energie konsumieren sich zu Nutze zu machen. Die Arbeitsgruppe um C OLGATE hat in [165] eine Erhöhung der Impedanzweite eines elektronisch kommutierten elektrodynamischen Aktors vorgestellt, bei dem zwei Wicklungen durch einen variablen Widerstand kurzgeschlossen waren. Die dadurch mögliche Gegeninduktion hat den rotierenden Motor deutlich gebremst. In [76] geht die Arbeitsgruppe um H AYWARD noch einen Schritt weiter, und fügt einer Pantograph-Kinematik eine Wirbelstrombremse (Abb. 9.88) als zusätzliche, ausschließlich für die Dämpfung verwendete Bremse zu. Mit dieser Methode sind dynamische Änderungen der Dämpfung bis 250 Hz einfach möglich.
a)
b)
Abb. 9.88 Prinzip der Wirkung einer Wirbelstrombremse auf eine rotierende Scheibe (a) und Umsetzung auf ein haptisches System (b) aus [76].
9.6.1.5 MagLev - Butterfly Haptics In den 90er Jahren hat die Arbeitsgruppe um H OLLIS ein haptisches Gerät [17] basierend auf dem elektrodynamischen Aktorprinzip entwickelt (Abb. 9.89). Seit kurzem wird das Gerät von Butterfly Haptics kommerziell vermarktet, und in aktuellen Forschungsvorhaben zur psychophysikalischen Analyse vor allem von Texturwahrnehmungen eingesetzt. In einer Halbkugel sind sechs Flachspulen mit jeweils einem eigenen Magnetkreis angeordnet. Die Kombination der Lorenzkräfte aller Flachspu-
9.6 Sonderformen haptischer Aktoren
317
len erlaubt einen Antrieb der Halbkugel in drei translatorischen und drei rotatorischen Richtungen. Über drei optischen Sensoren, die jeweils eine Translations- und eine Rotationsrichtung erfassen, wird die Bewegung der Kugel gemessen. Neben der Aktuierung im Raum umfasst die Ansteuerung auch eine Schwerkraftkompensation über die sechs Antriebe, so dass die Lagerung der Halbkugel vollständig über die Lorenzkräfte erzeugt werden kann. Der Luftspalt an den Spulen erlaubt eine Translation um 25 mm und Rotation um ±8◦ in jeder Raumrichtung. Durch die geringe Masse der Halbkugel, dem elektrodynamischen Aktorprinzip als Antrieb und dem Verzicht auf ein mechanisches Lager sind Kräfte mit einer echten Bandbreite von 1 kHz möglich.
Interaction-handle
a)
Flotor Inner Stator magnet assemblies (6) Outer stator b) magnet assemblies (6) Optical sensors (3)
Abb. 9.89 Das MagLev Gerät mit einer Hand auf dem Bediengriff (a) und einer Skizze des internen Aufbaus (b) [17].
9.6.2 Haptisch-Taktile Geräte Haptisch taktile Geräte in dieser Kategorie sind intelligente Kombinationen bekannter Aktorprinzipien zu haptischen Systemen mit hoher Ortsauflösung oder außergewöhnlichen dynamischen Eigenschaften.
9.6.2.1 Thermopneumatisch Ein klassisches Problem taktiler Pin-Arrays ist die hohe Aktordichte, die unterhalb der Pins zur Ansteuerung und Rekonfiguration der Pin-Positionen notwendig ist. Daher werden vielfältige Verfahren erprobt. In [264] wird ein thermopneumatisches System vorgestellt (Abb. 9.90) basierend auf mit einer Flüssigkeit mit niedrigem Siedepunkt gefüllten Röhren (Methyl-Chlorid). Das System erlaubt eine Rekonfi-
318
9 Aktorentwurf
guration der Pins innerhalb von zwei Sekunden, hat aber bei sehr günstigen Einzelkomponenten einen hohen Energiebedarf.
a)
b)
Abb. 9.90 Thermopneumatisches Aktorprinzip im schematischen Aufbau (a) und als Aktor (b) [264].
9.6.2.2 Aggregatzustand als Fixierung Eine alternativer Ansatz wird in [176] über die Änderung des Aggregatzustandes zwischen der festen und flüssigen Phase verfolgt (Abb. 9.91). Die Bewegung der Pins erfolgt dabei mit Hilfe von Druckluft. Die Pins hängen mit einem Ende in einem mit Metall mit niedrigem Schmelzpunkt (U-Alloy) gefüllten Tigel. Jeder Tigel unterhalb eines Pins kann unabhängig voneinander beheizt werden. In der flüssigen Phase des Metalls kann der Pin über eine Druckluftzufuhr bewegt werden, in der festen Phase wird der Pin in der Position fixiert. Raster-Auflösungen von 2 mm sind durch das Prinzip relativ einfach möglich.
9.6.2.3 Fishbone-Illusion Ähnlich wie im Bereich visueller oder akustischer Wahrnehmung unterliegt auch der haptische Sinn beeindruckenden Illusionen. Eine der bekanntesten ist die von NAKATANI konsequent verfolgte Illusion [177] konkave oder konvexe Linien beim Ertasten geometrisch völlig andersartiger Strukturen zu erzeugen. Diese ”Fishbone”Illusion (Abb. 9.92 basiert nach aktuellem Kenntnisstand darauf, angrenzende Gebiete auf der Haut beim Streichen über eine strukturierte Oberfläche unterschiedlichen Scherkräften auszusetzen, die dann ein vergleichbares Muster von Spannungen und Dehnungen erzeugt, wie dies bei einer Interaktion mit realen Formen der Fall
9.6 Sonderformen haptischer Aktoren
a)
319
b)
Abb. 9.91 Taktiles Display mit Fixierung einzelner Pins durch Änderung des Aggregatzustands eines Metalls im Querschnitt (a) und als Umsetzung (b) [176].
gewesen wäre. H AYWARD, als begeisterter Querdenker haptischer Forschung, hat erst kürzlich eine Übersicht über die bekanntesten taktilen Illusionen veröffentlicht [87], die eine Struktur und Abhängigkeit der Effekte miteinander nahe legt.
a)
b)
Abb. 9.92 Gräten-Struktur zur Erzeugung der Illusion einer konkav gewölbten Linie in realen Proportionen (a) und als Skizze (b) [177].
9.6.2.4 Piezoelectrischer Textur-Aktor Neben der Anwendung für Braille-ähnliche Aufgaben ist der Entwurf taktiler Displays vor allem für die Textur-Wahrnehmung interessant. W INFIELD hat auf der Worldhaptics-Konferenz 2007 ein beeindruckend einfaches taktiles Texturdisplay auf Basis einer piezoelektrischen Scheibe im Resonanzbetrieb vorgestellt [280].
320
9 Aktorentwurf
Durch Variation von Frequenz und Amplitude ist es gelungen, den Finger unterschiedlich stark über der piezoelektrischen Scheibe in Schwebung zu versetzten, also den Reibkoeffizienten zwischen beiden zu variieren. Mit einem optischen Tracking über der Scheibenfläche und einer ensprechenden Modulation der Ansteuerung ergeben sich deutlich wahrnehmbare Texturen mit fühlbaren, räumlichen Auflösungen (Abb. 9.93).
Glas Piezoelectric disc
a)
Mounting ring
b)
Abb. 9.93 Piezoscheibe auf Glassubstrat (a) und Auszug aus den möglichen Texturen (b) [280].
9.6.2.5 Medien-Ultraschall-Aktor Auch aus Piezoaktoren und im Ultraschallbereich, aber unter Verwendung von Schalldruck als auslenkende Kraft, werden die taktilen Displays von I WAMOTO gebaut (Abb.9.94). Das Prinzip verfolgt den Ansatz, über den Schalldruck einer Ultraschallquelle eine Auslenkung der Hautoberfläche zu erzeugen, und somit einen haptischen Eindruck zu vermitteln. Während zuerst mit Hilfe von Ultrschallarrays taktile Punkte in einem flüssigen Medium erzeugt wurden [110], gehen die aktuellen Entwicklungen auf die Luft zur Übertragung der Energie über [111]. Die im Moment erreichten Schalldrücke vermitteln lediglich einen geringen taktilen Effekt. Insbesondere das Luft-basierte Verfahren arbeitet aber völlig kontaktlos, und könnte daher für völlig neuartige Bedienkonzepte in Kombination mit Gestenerkennung interessant sein.
9.6.2.6 Wahrnehmung von Oberflächenhaftung Ein selten adressierter Effekt bei der Interaktion mit Objekten basiert in der Wahrnehmung von Haftung zwischen Haut und Objekt. Dies kann lediglich ein Resultat von Verunreinigungen auf der Oberfläche sein, tritt aber vor allem bei weichen Materialien wie Silikonen, Gummi oder gar Klebstoffen besonders auf. Ein Gerät zur
9.6 Sonderformen haptischer Aktoren
a)
321
b)
Abb. 9.94 Taktile Displays auf Basis von Ultraschall-Druck mit einem Fluid als Medium [110](a) oder Array zur Luft-Übertragung [111] (b).
Erzeugung von Oberflächenhaftung wird in [283] vorgestellt, und auf zuvor experimentell ermittelte Haftungskennlinien angewandt. Das Gerät (Abb. 9.95) basiert auf drei Vakuumpumpen, die unabhängig voneinander elliptische Ringe unter dem Finger mit einem Druck beaufschlagen können. Über die Variation des Vakuums und des konzentrisch angeordneten Zylinders ist es möglich, beim Abheben eines Fingers von den Ringen die Hautfläche in drei Stufen fest zu halten. Die resultierende Wahrnehmung entspricht der Wahrnehmung vom Haften an unterschiedlich klebrigen Oberflächen.
9.6.2.7 Taktile Kontaktlinse Da die taktile Wahrnehmung der Haut vor allem auf in die Haut eingeleiteten Spannungen und Dehnungen basiert, ist es prinzipiell denkbar die Wahrnehmung von sehr kleinen Strukturen über einen Hebel auf die Hautoberfläche zu bringen, und dort vergrößert abzubilden. Dieses Prinzip wurde in [131] genutzt, um eine taktile Kontaktlinse entsprechend Abbildung 9.96 zu bauen. Die taktile Kontaktlinse ist ein rein mechanisches Gerät, das über an einer Membran aufgehängte Stäbe die Haut bei der Berührung von Unebenheiten stärker dehnt.
9.6.2.8 Taktile Marker durch Scherkräfte Ausgehend von der Erkenntniss, dass vor allem Scherkräfte und Oberflächenspannungen in der Haut taktile Wahrnehmung erzeugen, ist es naheliegend zu untersu-
322
9 Aktorentwurf
Abb. 9.95 Prinzipskizze des in [283] realisierten Gerätes zur Erzeugung von Oberflächenhaftung als taktilen Reiz.
a)
b)
Abb. 9.96 Taktile Kontaktlinse zur Vergrößerung der Scherung an der Hautoberfläche beim Berühren kleiner Grate in Prinzipskizze (a) und Aufbau (b) [131].
chen, ob koordinierte Scherungen der Haut eine vergleichbare Wahrnehmung hervorrufen, wie erhabene Pins auf einer Oberfläche. Die Arbeitsgruppe um H AWYARD entwickelt daher seit Jahren Schwerkraftdisplays für Braille-ähnliche Anwendungen. Das in [156] vorgestellte System (Abb. 9.97) verwendet Piezobieger zur Erzeugung der Scherkräfte. Diese Piezobieger werden zustäzlich zur beressern Kopplung an die Fingeroberfläche in den aktuellen Versionen im Halbkreis angeordnet. Die damit erreichbare Wahrnehmung ist beeindruckend realistisch, und spiegelt die Bewegung eines Pins unter der Fingeroberfläche wieder. Eine verwandte taktile Illusion ist als ”hair-comb-effect” bekannt.
9.6 Sonderformen haptischer Aktoren
a)
323
b)
Abb. 9.97 Array aus piezoelektrischen Biegeaktoren in gerader (a) und der Fingerform angepasster ”STReSS2 ” Anordnung[156].
9.6.2.9 Haptisches Display für Freiraumbewegungen Im Falle der Interaktion mit großen, virtuellen Welten ist es häufig notwendig Geräte zu entwickeln, die am Körper getragen werden. Eine interessante Lösung wurde in [248] vorgestellt, bei der über Bänder (Abb. 9.98) an der Handfläche, sowie an den einzelnen Fingern taktile Wahrnehmungen erzeugt werden. Das Prinzip basiert auf zwei Antrieben pro Band, die bei gleichsinnigem Lauf eine Scherkraft auf die Haut aufbringen können, bei gegensinnigem Lauf eine Normalkraft. Dadurch ist es möglich, in einer virtuellen Welt taktile Effekte beim Greifen eines Objektes zu simulieren, allerdings ohne die zugehörigen kinästhetischen Effekte. Dennoch gibt es positive Nutzerreaktionen auf derartige Systeme.
a)
b)
Abb. 9.98 Körper-basiertes taktiles Gerät zur Erzeugung von Normal- und Scherkräften mit Prinzipskizze für die Handfläche (a) und Gerät an der Hand (b)[248].
324
9 Aktorentwurf
9.6.2.10 Elektrotaktil Da die haptischen Rezeptoren auch elektrisch stimuliert werden können ist es nahe liegend, haptische Geräte zu entwickeln, welche die taktilen Sinnesorgane über geringe Ströme anregen. Die Entwicklung solcher Geräte ist bis in die 70er Jahre zurück zu verfolgen. Eine der letzten Realisationen wurde in [121] (Abb. 9.99) vorgestellt. Elektrotaktile Displays funktionieren, sie haben jedoch den Nachteil, dass neben den Mechanorezeptoren auch die Nocireceptoren des Schmerzempfindens aktiviert werden. Weiterhin ist der elektrische Widerstand zwischen Display und Haut starken Schwankungen unterworfen. Zum einen interpersonell durch Unterschiede in der Hautdicke, zum anderen aber auch durch elektrochemische Prozesse zwischen Hautschweiß und Elektroden über der Zeit. Die erzielbaren taktilen Muster und ihre Unterscheidung sind Gegenstand aktueller Untersuchungen.
a)
b)
Abb. 9.99 Elektrotaktiles Display zum Tragen auf der Stirn mit Sicht auf die Elektroden (a) und Kantenfindungs- und Signalübertragungsprinzip (b) [121].
Kapitel 10
Kraftsensorentwurf
JACQUELINE R AUSCH
Das folgende Kapitel soll als Hilfestellung für die Auswahl bzw. den Entwurf von Kraftsensoren haptischer Systeme dienen. Unter Abschnitt 10.1 werden grundsätzliche Fragen hergeleitet, die notwendigerweise zu Beginn des Sensorentwurfs gestellt werden sollten. Eine Auswahl der zu berücksichtigenden Aspekte erfolgt in Abschnitt 10.1.5. Darauf aufbauend werden die wichtigsten Sensorprinzipien vorgestellt. Neben einer kurzen Beschreibung der Wandlungseigenschaften werden die Sensoreigenschaften nach haptischen Gesichtspunkten beleuchtet und durch ein Anwendungsbeispiel illustriert.
10.1 Randbedingungen Die Struktur eines haptischen Systems bestimmt maßgeblich den Entwurf der Kraftsensorik. Besondere Bedeutung kommt der Anwendungsbestimmung des haptischen Gerätes zu. Allen Systemen ist gemein, dass ein Nutzer mit einem Objekt in Kontakt tritt. Es ist zu klären, zu welchem Zweck das Gerät eingesetzt werden soll, beispielsweise als Telemanipulator für medizintechische Zwecke oder als intelligentes Werkzeug mit haptischer Rückmeldung für den CAD-Bereich. Auch die Eigenschaften des Gerätenutzers, im Falle eines Telemanipulationssystems ebenso die Eigenschaften eines zu bewegenden oder zu manipulierenden Objektes sind beim Sensorentwurf zu berücksichtigen. Diese Faktoren sollen im Folgenden näher erläutert werden.
325
326
10 Kraftsensorentwurf
10.1.1 Struktur des Displays Aus der Anwendungsbestimmung resultiert die Struktur des haptischen Geräts. Es existitieren aus regelungstechnischer Sicht grundsätzlich die in Kapitel 5 beschriebenen vier Varianten, die bezüglich der zu erfassenden Messgrößen genauer betrachtet werden sollen: • Impedanz-Steuerung: Erfassung der durch den Nutzer ausgeübten Auslenkung, Rückmeldung einer Kraft • Impedanz-Regelung: Erfassung der durch den Nutzer ausgeübten Auslenkung und Kraft, Rückmeldung einer Kraft • Admittanz-Steuerung: Erfassung der durch den Nutzer ausgeübten Kraft, Rückmeldung einer Auslenkung • Admittanz-Regelung: Erfassung der durch den Nutzer ausgeübten Kraft und Auslenkung, Rückmeldung einer Auslenkung Im Falle einer Steuerung werden nur die Eigenschaften eines Objekts berücksichtigt. Das Objekt kann hierbei real oder virtuell sein. Virtuelle Objekte treten beispielsweise bei Operations- oder Flugsimulatoren auf. Eine Sensorik zur Erfassung der Objekteigenschaften ist nicht vonnöten. Soll mit einem realen, physikalischen Objekt interagiert werden, wie bei Telemanipulationssystemen (z.B. DaVinciSystem) der Fall, werden die Objekteigenschaften über eine Sensorik detektiert. Die meisten Telemanipulationssysteme basieren auf einer Impedanz-Steuerung. Bei geregleten Systemen wird neben der Impedanz des Objekts auch die Nutzerimpedanz berücksichtigt. Bei einer Impedanz-Regelung ist die Messung der vom Nutzer ausgeübten Kraft, bei Admittanz-Regelung die Messung der vom Nutzer ausgeübten Auslenkung oder Geschwindigkeit zusätzlich zu realisieren (siehe hierzu auch Kapitel 7). Das Messobjekt kann somit entweder ein reales, physikalisches Objekt oder der Nutzer des haptischen Systems sein. Neben den mechanischen Eigenschaften des Messobjekts müssen auch die Art der Interaktion und die Kontaktsituation bekannt sein oder ermittelt werden, um eine Aussage über obere Grenzfrequenz, Nennkraft und Auflösung der zu entwickelnde Sensorik treffen zu können. Die Einflussfaktoren, die im Folgenden genauer beleuchtet werden, sind die Art des Kontakts von haptischem System mit Objekten und die Objekteigenschaften selbst. Hierbei werden die mechanischen Eigenschaften und die Textur des Objekts gesondert betrachtet.
10.1.2 Kontaktsituation Bei der Analyse der Objekteigenschaften ist es aufgrund der unterschiedlichen Interaktionen sinnvoll, zwischen dem Nutzer des haptischen Systems und realen Objekten als Messobjekt zu unterscheiden. Ist der Nutzer das „Messobjekt“, so muss die
10.1 Randbedingungen
327
Kraft gemessen werden, die der Nutzer auf das Bedienelement des haptischen Systems ausübt. Hinsichtlich Kraftamplitude, -Richtung und Frequenz sind allgemeingültige Aussagen schwierig, da die Nutzerimpedanz insbesondere von der Greifsituation, Alter und Geschlecht des Nutzers abhängt (siehe Abschnitt 4.2). In Abschnitt 4.2.1 sind die Greifsituationen in Kraftgriff, Präzisionsgriff und Kontaktgriff klassifiziert.Die daraus resultierenden Randbedingungen sollen im Folgenden quantifiziert werden. Die beiden erstgenannten Griffarten nutzen beispielsweise Finger oder Handfläche als Gegenlager, was zu höheren Griffkräften bis etwa 100 N (vgl. [34], [86]) und einem steiferen Kontakt führt. Neben den Kraftbeträgen ist auch die Kraftrichtung von Bedeutung. So müssen abhängig von Nutzungskontext und Greifsituation bis zu drei Komponenten erfasst werden, um die Kraftwirkung im System korrekt berücksichtigen zu können. Hierbei wird davon ausgegangen, dass keine Momente zwischen Display und Nutzer auftreten. Hat der Nutzer „statischen“ Kontakt mit den Display, so ist die Erfassung der Normalkomponente bezogen auf die Kontaktfläche zwischen Nutzer und Display ausreichend. Übt der Nutzer eine Relativbewegung zum Display aus, so müssen zusätzlich die Scherkräfte detektiert werden und eine Drei-KomponentenMessung ist sinnvoll. Der menschlichen Frequenzwahrnehmung folgend sollten statische und dynamische Signalanteile gleichermaßen erfasst werden (vgl. Kapitel 3). Die untere Grenzfrequenz muss bei haptischen Systemen immer gegen den Wert 0 Hz gehen, da (quasi-) statische Vorgänge, wie sie beim Halten des Bedienelements auftreten, dem Signal überlagert sind und schon kleinste Amplituden eines driftenden Offsets den haptischen Eindruck verfälschen (vgl. kl. wahrnehmbare Kraft in Abschnitt 3.1). Die obere Grenzfrequenz ist jedoch abhängig von der Griffsituationen und der dabei auftretenden Griffkraft. Bei Kraft- und Präzisionsgriff nimmt die Griffkraft tendenziell höhere Beträge an und die obere Grenzfrequenz kann << 1.000 Hz, 1 etwa um 200 Hz gewählt werden (siehe auch Abschnitt 3.1). Beim Kontaktgriff ist die Griffkraft bedeutend geringer als bei obigem Beispiel, da in der Regel der Daumen nicht als Gegenlager eingesetzt wird. Es können hochfrequente Signalanteile auftreten und die obere Grenzfrequenz der Sensorik sollte im Bereich von etwa 1.000 Hz liegen. Bei Telemanipulationsystemen wird mit einem realen, physikalischen Objekt interagiert. Die für die Interaktion von Nutzer und haptischem System gemachten Annahmen sind auch auf diesen Objekttyp übertragbar. Da actio gleich reactio, ist der auftretende Kraftbetrag abhängig von der Intensität und der Art der durchgeführten Interaktion. Denkbar ist hier das Komprimieren oder Aufnehmen eines Objekts mittels eines Greifers oder das Abtasten mittels eines Stößels. Die auftretenden Kraftbeträge können nicht pauschal festgelegt werden, sondern sind abhängig von der Anwendungsbestimmung des haptischen Systems. Beispielsweise bei Telemanipulationssystemen für die minimalinvasive Chirurgie treten Kraftbeträge von 1 N bis 60 N auf (vgl. z.B. [204]). Die Art der Anwendung ist somit zu analysieren und die 1
Zur Erinnerung: Wie in Kapitel 3.1 beschrieben, ermöglicht die vibrotaktile Wahrnehmung dem Menschen das Spüren von Frequenzen bis 2000 Hz.
328
10 Kraftsensorentwurf
auftretenden Kräfte gegebenenfalls im Rahmen von Vorversuchen zu bestimmen. Die Dynamik der Interaktion, insbesondere die obere Grenzfrequenz, wird von der mechanischen Impedanz des Objekts bestimmt, die im Folgenden berücksichtigt wird.
10.1.3 Mechanische Eigenschaften des Messobjekts Wie in Kapitel 5 für den Nutzer beschrieben, kann die mechanische Impedanz eines Objekts mit Hilfe der Netzwerktheorie in drei physikalische Wirkungen untergliedert werden: die Nachgiebigkeit n, die Dämpfung d und die Masse m. Bei starren Objekten aus beispielsweise Metall oder Keramik ist der Aspekt der Nachgiebigkeit dominant. Die Interaktion zwischen haptischem System und Objekt kann als harter Kontakt beschrieben werden, d.h. insbesondere hochfrequente Anteile sind im Kraftsignal enthalten. Die obere Grenzfrequenz sollte bei 1.000 Hz liegen. Weiche Objekte wie Silikone oder Organe weisen visko-elsatisches Materialverhalten auf. Das visko-elastische Verhalten kann nach K ELVIN mit einem Netzwerk aus Nachgiebigkeiten ni und Dämpfungselementen di sowie Massen m simuliert werden, um die dynamischen Effekte wie Relaxation und Kriechen zu beschreiben (siehe Abb. 10.1 und Abb. 10.2). vin vin
n2 Fin
n2 d2 Fin
n1
(a) Kelvin-Modell zur Modellierung dynamischer Effekte
d2 n1
m
(b) Erweiterung des Kelvin-Modells um die Masse des Objekts zur Berechnung der Resonanzfrequenz
Abb. 10.1 Ersatzschaltung nach Kelvin zur Modellierung visko-elastischen Materialverhaltens. Die Ergänzung einer Masse ermöglicht die Berechnung der Resonanzfrequenz. Durch Hinzunahme weiterer Dämpfungs- bzw. Federelemente kann das dynamische Verhalten des jeweiligen Materials nachgebildet werden.
Für die Auslegung der Sensorik ist wie auch im Falle starrer Objekte die Berücksichtigung der Nachgiebigkeit von herausragender Bedeutung. In Abschnitt 3.3.1 wird dies am Beispiel eines kleinen Rechenexempels verdeutlicht und die Grenzfrequenzen verschiedener Materialien gegenübergestellt. Für weiche Materialien wie
10.1 Randbedingungen
329
Spannung T
Dehnung S
Spannung T
Gummi liegt die obere Grenzfrequenz bei << 10 Hz. Bei der Interaktion mit weichen Objekten treten somit überwiegend niedrige Frequenzanteile auf. Die obere Grenzfrequenz wird von der Interaktionsfrequenz bestimmt und liegt bei maximal 10 Hz (vgl. [125], [198], [226]). Sind in einem weichen Messobjekt starre Elemente enthalten, z.B. Tumore in Weichteilgewebe, so ist als obere Grenzfrequenz ebenfalls 1.000 Hz zu wählen. Um eine exakte Aussage über das Frequenzverhalten des jeweiligen Messobjekts zu erhalten, ist eine Analyse der mechanischen Eigenschaften des Messobjekts notwendig (vgl. [198], [216], [125]). Im Rahmen von Messungen sollten, wie im Kapitel 3 beschrieben, die Impedanzen der Objekte ermittelt werden. Für eine erste Abschätzung sind die in Kapitel 3.3.1 berechneten Grenzfrequenzen ausreichend. Im Zweifelsfall ist der Arbeitsfrequenzbereich der Sensorik überzudimensionieren und 1.000 Hz als obere Grenzfrequenz zu wählen, um das entsprechende Kraftsignal für einen unverfälschten haptischen Eindruck bereitstellen zu können.
Zeit t (a) Relaxation
Zeit t (b) Kriechen
Dehnung S (c) Hysterese
Abb. 10.2 Visualisierung der Phänomene Relaxation, Kriechen und Hysterese.
Wie die Dynamik orientiert sich auch die zu realisierende Kraftauflösung an einer physiologischen Größe, der Just Notable Difference (JND) und liegt bei 5 - 10% der aktuell wirkenden Kraft (vgl. Abschnitt 3.1). Von der Größe JND kann eine weitere Sensorkenngröße, die Messunsicherheit, abgeleitet werden. Hier sollte als Wert ca. 5 % der kleinsten, auftretenden Kraftamplitude gewählt werden, um den haptischen Eindruck des Objekts nicht zu verfälschen. Bei Telemanipulationssystemen steht die Interaktion des haptischen Systems mit realen, physikalischen Objekten im Fokus. Abhängig von der Art der Interaktion gewinnt neben den mechanischen Eigenschaften der Objekte wie Gewebenachgiebigkeiten o.ä. die Textur (Oberflächenstruktur) der Objekte an Bedeutung und wird im folgenden Abschnitt genauer diskutiert.
330
10 Kraftsensorentwurf
10.1.4 Textur des Messobjekts Die für die menschliche Wahrnehmung relevanten Eigenschaften einer Textur sind einerseits die Oberflächenstruktur an sich (z.B. die Maserung von Holz), andererseits das „Frequenzbild“, welches durch die Textur an den vibrotaktilen Sensoren der Haut erzeugt wird. Ist die Oberflächenstruktur eines Objekts zu detektieren, könnte die Kraftvariation über der Kontaktfläche ermittelt werden. Für eine statische Messung sind Array-Anordnungen von Einkomponentenkraftsensoren oder auch Drucksensoren denkbar, die auf das Objekt aufgelegt werden. Die Struktur des Objektes ruft unterschiedlich hohe Kontaktkräfte hervor und erzeugt so eine Kraftverteilung über der Sensorfläche. Die Größe des Arrays sowie des einzelnen Arrayelements kann nicht allgemeingültig festgelegt werden, sondern ist vorrangig abhängig von der Beschaffenheit des Messobjekts. Im Falle der oben beschriebenen, statischen Messung sollten Anzahl und Größe der Sensor-Array-Elemente so ausgelegt werden, dass die Struktur in einer geeigneten räumlichen Auflösung detektiert werden kann. Ist die Größes des Sensorelements in der gleichen Größenordnung wie die abzubildende Struktur, so kann die Struktur nur bei exakter Postitionierung aufgelöst werden. Die Größe des Elements darf also höchstens halb so groß sein, wie die zu vermessende Struktur. Allerdings entsteht hierbei ein Abbildungsfehler. Abbildung 10.3 zeigt, dass im ungünstigen Fall die Breite des Strukturelements größer, der Abstand zwischen den Elementen kleiner als in Realität detektiert wird. Bei n Sensorelementen wird die Breite des Strukturelements zu n+1 n und der Abstand zu n−1 wiedergegeben. Je mehr Sensoren pro Fläche verwendet werden, umso kleiner n wird der Abbildungsfehler und umso wahrheitsgetreuer wird die Struktur dargestellt (vgl. Abb. 10.4). Allerdings ergibt sich ein hoher Aufwand bei der Signalauswertung. Neben dem beschriebenen Abbildungsfehler ist ein weiterer Nachteil der statischen Messung, dass die reine Kenntnis der Oberflächenbeschaffenheit nicht ausreichend ist, um eine Aussage über das Objektmaterial zu treffen. Der vollständige haptische Eindruck benötigt die oben beschriebene Frequenzinformation. Um neben der Oberflächenstruktur auch die Frequenzinformation zu gewinnen, ist es sinnvoll, eine Relativbewegung zwischen Objekt und haptischem System durchzuführen und somit die Textur dynamisch ortsaufgelöst zu vermessen. Abhängig von der Geschwindigkeit der Relativbewegung kann die räumliche Auflösung bei gleicher Kontaktfläche und Anzahl von Messelementen wie im statischen Fall vervielfacht werden. Die Verwendung einer Array-Anordnung zur gleichzeitigen Erfassung der Information ist nicht mehr zwingend nötig. Bei bekannter Relativgeschwindigkeit können die aus der Interaktion gewonnenen Informationen in Relation zueinander gesetzt werden. Wichtig ist die Verwendung von Mehrkomponentensensoren, da insbesondere die Kräfte in Bewegungsrichtung zum haptischen Eindruck beitragen [178]. Diese dynamische Messmethode ist vergleichbar mit dem menschlichen Vorgehen: Um die Textur eines Objektes zu erfassen, streicht oder tastet er über die Objektoberfläche. Die Oberflächenstruktur regt den Fingerabdruck zum Schwingen an und die vibrotaktilen Sensoren erfassen das Frequenzbild. Die hierbei auftretenden
10.1 Randbedingungen
331
l Position
1
Position
2
Sensor 1
Sensor 2
Sensor 1
Dx
Sensor 3
Sensor 2
Sensor 3
l
l
l
l
Verschiebung des Arrays um Dx
Textur
Signal
1
Signal
2
Abb. 10.3 Skizze zur statischen, ortsaufgelösten Kraftmessung mittels eines 3xn-Arrays. Ein Sensorelement hat die Abmessung eines Texturelements. An Position 1 ist das Array optimal platziert. Wird das Array um Δ x auf Position 2 verschoben, so wird die Struktur fehlerhaft detektiert.
l
Position
1
Position
2
S1
S2 S1
S3 S2
S4 S3
Dx S4
Verschiebung des Arrays um Dx
l
l
l
l
Textur
Signal
1
Signal
2
1/2l
3/2l
Abb. 10.4 Skizze zur statischen, ortsaufgelösten Krafmessung mittel eines 6xn-Arrays. Ein Sensorelement ist halb so groß wie ein Texturelement. An Position 1 ist das Array optimal platziert. Bei einer Fehlpositionierung an z.B. Position 2 ergibt sich wieder ein Abbildungsfehler, der kleiner wird mit zunehmender Anzahl an Array-Elementen.
Kraftbeträge sind wesentlich geringer und nehmen Werte von 0,3 bis 4,5 N an [35]. Die Kraftauflösung folgt, wie im vorigen Abschnitt erwähnt, der physiologischen Größe JND. Die haptische Information über die Textur ist in den hochfrequenten Anteilen des Signals zu finden. Entsprechend der menschlichen Frequenzwahrnehmung sollte die obere Grenzfrequenz 1.000 Hz aufweisen. Der zu wählende Nenn-
332
10 Kraftsensorentwurf
kraftbetrag sollte abhängig von der Nachgiebigkeit des Objekts gemacht werden. Je weicher ein Objekt ist, umso niedriger muss der Nennkraftbetrag gewählt werden, da die Oberflächenstrukturen deformiert und nicht mehr exakt detektiert werden können. Der Nennkraftbetrag sollte ≤ 4,5 N gewählt werden, um sowohl bei weichen als auch bei harten Objekten die Textur ortsaufgelöst erfassen zu können. C ALDWELL [35] geht von F = 0,3 N aus.
10.1.5 Ermittlung der Entwurfskriterien Aus der Beschreibung der Randbedingungen geht hervor, dass die begrenzenden Faktoren nicht aus der Realisierung des haptischen Systems kommen, sondern physiologische Faktoren die Größen Nennkraft, Auflösung, Arbeitsfrequenzbereich und Messunsicherheit bestimmen. Zur quantitativen Bestimmung der resultierenden Anforderungen ist das zu entwickelnde Gesamtsystem, insbesondere der Kontakt von Messelement und Messobjekt zu berücksichtigen. Aus der Anwendungsbestimmung und somit Struktur des Displays ergeben sich Messbereich und Anzahl der zu detektierenden Kraftkomponenten. Abhängig vom Integrationsort innerhalb des haptischen Systems ergeben sich zudem die erforderlichen Abmessungen der Sensorik. Der Integrationsort bestimmt weiterhin, welche Objekteigenschaften des Nutzers oder eines beliebigen Objekts berücksichtigt werden müssen. Das in Abbildung 10.5 dargestellte Diagramm veranschaulicht das Vorgehen zum Ermitteln der wichtigsten Anforderungen für den Sensorentwurf.
10.2 Sensorprinzipien Im vorherigen Abschnitt wurden die wichtigsten Kriterien, die bei der Entwicklung eines haptischen Sensors zu berücksichtigen sind, benannt und quantifiziert. In Abschnitt 10.3 sind die Kernanforderungen nochmals tabellarisch zusammengefasst. Um die Wahl eines geeigneten Sensorsprinzips zu erleichtern, werden die auf Abbildung 10.6 aufgeführten Sensorprinzipien betrachtet. Neben den etablierten Messaufnehmern wie resistive, kapazitive, optische oder piezoelektrische werden auch „Exoten“ wie Elektroluminiszenzfolien oder aktive Tauchspulsysteme besprochen. Die meisten Sensorprinzipien sind aktive Wandler und nutzen zur Kraftmessung die Ausschlagsmethode, d.h. elastomechanische Größen wie Dehnung oder Spannung werden erfasst und die wirkende Kraft hieraus berechnet. Daher folgt zunächste eine Einführung in die Grundlagen der Elastomechanik. Zur Gruppe der aktiven Wandler zählen resistive, kapazitive, optische und auch magnetische Sensoren. Piezoelektrische, elektrodynamische oder auch elektrostatische Sensoren hingegen zählen zu den passiven Wandlern, die ebenfalls nach der Ausschlagsmethode arbeiten. Anschließend an den Exkurs in die Elastomachanik wird das jeweilige Wandlungsprinzip hinsichtlich seiner Funktionsweise näher erläutert und es wer-
10.2 Sensorprinzipien
333
zu erfassende Objekteigenschaft
Integrationsort
Anwendungsbestimmung
Struktur des haptischen Systems
Telemanipulation
Regelung
Endeffektor und Bedienelement
Steuerung
Endeffektor
Bedienelement
Elastomechanik
Textur
unter Berücksichtigung
Anforderungen
Display
keine Kraftmessung
Kontaktsituation
physiologischer Größen
Anzahl der Kraftkomponenten Nennkraft Auflösung/Messunsicherheit räumliche Auflösung Arbeitsfrequenzbereich
Abb. 10.5 Baumdiagramm zur Ermittlung der Hauptanforderungen an Kraftsensoren für haptische Systeme. Neben den jeweiligen Objekteigenschaften sind bei der Anforderungsermittlung auch die physiologischen Größen der haptischen Wahrnehmung zu berücksichtigen.
334
10 Kraftsensorentwurf
resistiv
piezoelektrisch
Dehnung S
Resonanzprinzip Metallfilm-DMS Dünnschicht-DMS Dickschicht-DMS
Oberflächenwellen
Ultraschallprinzip PZT-Folien PVDT-Folien
Spannung T piezoresistiv
Kontaktfläche A Dichte r kapazitiv
optisch Dehnung S Faser-Bragg-Gitter
Fläche A Abstand d Abstand d
Interferometer Intensitätsmodulation
Abb. 10.6 Überblick über die etablierten Sensorprinzipien zur Kraftmessung in haptischen Systemen. Daneben werden im Folgenden u. a. auch aktive Sensorsysteme besprochen.
den diverse Applikationsbeispiele vorgestellt. Die verschiedenen Sensorprinzipien werden hinsichtlich ihrer Eignung zur kinästhetischen oder taktilen Kraftmessung bewertet und auf Basis der unter Kapitel 6 gestellten Anforderungen und der zu Beginn erwähnten Randbedingungen kann zum Ende dieses Kapitels eine Bewertungsrichtlinie zur Auswahl des geeigneten Sensorprinzips gegeben werden.
10.2.1 Grundlagen der Elastomechanik Wie eingangs erwähnt bildet die Elastomechanik die Grundlage für eine Vielzahl von Sensorprinzipien. Im Folgenden sind die für den Sensorentwurf nötigen Grundkenntnisse zusammengestellt. Ein elastischer Körper wird mit einer Kraft beaufschlagt. Aufgrund der wirkenden Kraft wird der Körper elastisch verformt. Es entstehen innere Spannungen T , die zu einer Gestaltänderung des Körpers, den Dehnungen S führen. Über materialspezifische Parameter, die so genannten elastischen Module si j sind Dehnung und Spannung verknüpft. Zur besseren Vorstellung wird zunächst ein Gedankenexperiment durchgeführt (vgl. auch [214]). Wird eine Volumenelement Δ V aus dem belasteten Objekt freigeschnitten (s. Abb. 10.7), so müssen an den Schnittflächen des Quaders die Ersatzkräfte Δ F wirken, um den Verformungszustand aufrechtzuerhalten. Aufgrund
10.2 Sensorprinzipien
335
der Gleichgewichtsbedingung ist die Summe aller auf Δ V wirkenden Kräfte und Momente gleich Null. 3
Volumenelement dV
DF
3
DF1
T32
T31
DF3 DF
T33
DA3
T23
T13
DF2
T11
2
T12
T21
T22 2
DA2 1
DA1
1
Abb. 10.7 Kubisches Volumenelement dV eines elastischen Körpers. Die in Folge einer Deformation wirkenden inneren Spannungen lassen sich durch Komponenten Ti j des Spannungstensors beschreiben nach [214].
Zerlegt man die Kraft Δ F nun in ihre drei Komponenten Δ F1 , Δ F2 und Δ F3 , so wirken nur noch Anteile senkrecht zu den Flächenelementen Δ A j . Der Quotient aus der wirkenden Kraftkomponente Δ Fi und des zugehörigen Flächenelementes Δ A j ergibt die resultierende mechanische Spannung Ti j . Durch die Gleichgewichtsbedingung Ti j = T ji ergeben sich sechs unabhängige Spannungskomponenten, die den Spannungstensor bilden. Die Elemente des Tensors lassen sich in Normal- (Spannungen parallel zur jeweiligen Flächenormale) und Scherspannungen (Spannungen senkrecht zur Flächennormalen) zerlegen. Betrachtet man das Volumentelement Δ V vor und nach der Belastung durch die wirkende Kraft, so erfolgt eine Verschiebung des Elements Δ V bezogen auf das Koordinatensystem 123 sowie eine Deformation. Die Würfelseiten ändern ihre Länge und stehen nicht mehr im rechten Winkel zueinander (s. Abb. 10.8). Zur Beschreibung dieser Gestaltänderung wird die Dehnung Si j eingeführt. Die Dehnung ist ebenfalls eine tensorielle Größe, die sich aus neun Elementen zusammensetzt (s. Gleichung 10.1). ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ d ξ1 Δ x1 S11 S12 S13 ⎝ d ξ2 ⎠ = ⎝ S21 S22 S23 ⎠ · ⎝ Δ x2 ⎠ (10.1) d ξ3 S31 S32 S33 Δ x3 Aufgrund der Volumenkonstanz kann folgende Beziehung aufgestellt werden δ ξi δ ξ j 1 Si j = S ji = · (10.2) + 2 δ x j δ xi und die Matrix läßt sich auf sechs linear unabhängige Elemente reduzieren. Die Normaldehnungen wirken parallel zur jeweiligen Flächennormalen und führen zu
336
10 Kraftsensorentwurf
3
P’
P dx Dx
Lage des Punktes P vor Belastung: Dx = (Dx1 ; Dx2; D x3)T Verschiebung des Punktes P um dx nach Belastung: Dx = Dx + dx 2
1 Abb. 10.8 Illustration der Verschiebung des Punktes P zum Punkt P in Folge einer wirkenden Kraft nach [214].
einer Volumenänderung. Die Scherdehnungen, die senkrecht zur Flächennormalen wirken, beschreiben die Winkeländerung zwischen den Kanten des Würfels. Für isotrope Materialien wie beispielsweise Metalle oder Al2 O3 -Keramik kann der Zusammenhang zwischen der oben beschriebenen Gestaltänderung und der mechanischen Spannung wie folgt formuliert werden: ⎞ ⎛ s11 S1 ⎜ S2 ⎟ ⎜ s12 ⎜ ⎟ ⎜ ⎜ S3 ⎟ ⎜ s12 ⎜ ⎟=⎜ ⎜ S4 ⎟ ⎜ 0 ⎜ ⎟ ⎜ ⎝ S5 ⎠ ⎝ 0 0 S6 ⎛
s12 s11 s12 0 0 0
⎞ ⎛ ⎞ T1 s12 0 0 0 ⎟ ⎜ T2 ⎟ s12 0 0 0 ⎟ ⎜ ⎟ ⎟ ⎜ T3 ⎟ s11 0 0 0 ⎟·⎜ ⎟ ⎟ ⎜ T4 ⎟ 0 2(s11 − s12 ) 0 0 ⎟ ⎜ ⎟ ⎠ ⎝ T5 ⎠ 0 0 2(s11 − s12 ) 0 0 0 0 2(s11 − s12 ) T6
(10.3)
Die sechs unabhängigen Spannungs- bzw. Dehnungskomponenten sind zur Vereinfachung zu einem Vektor zusammengefasst. Die Komponenten mit den Indizes 1, 2 und 3 kennzeichnen hierbei die Normalkomponenten, Indizes 4, 5 und 6 die Scherkomponenten [276]. Die Parameter si j sind richtungsunabhängig. Aus ihnen können das bekannte Elastizitätsmodul E und das Schubmodul G abgeleitet werden: s11 =
ν 1 1 2 , s12 = , = 2(s11 − s12 ) = (1 + 2ν ) E E G E
(10.4)
ν kennzeichnet hier die sogenannte Poisson- oder Querkontraktionszahl und ist materialabhängig. Bei Metallen nimmt ν Werte zwischen 0,25 und 0,35 an. Für homogene Materialien kann in Gleichung 10.3 allerdings in guter Näherung mit T = E · S auf einen linearen Zusammenhang reduziert werden. Für anisotrope Materialien wie beispielsweise Silizium oder Quarz sind die elastomechanischen Eigenschaften abhängig von der Lage des Koordinatensystems (s. Abschnitt 10.2.3) und die Matrix der Elastischen Koeffizienten enthält bis zu 21 Elemente. Weiterführende Informationen sind beispielsweise [214] zu entnehmen.
10.2 Sensorprinzipien
337
10.2.1.1 Beispiel Balkenbiegung Wird nun eine Kraft an der Spitze eines einseitig eingespannten Biegebalkens aus isotropem Material eingeleitet (s. Abb. 10.9), so wirkt ein Biegemoment MB auf den Körper. Die mechanischen Spannungen T (y) sind linear über den Querschnitt y y
x
b
S2
S1
h
T(z)
z
z l Biegelinie w(z)
F Biegemoment: MB = F(l-z)
Abb. 10.9 Biegung eines einseitig eingespannten Biegebalkens. Rechts ist die über den Querschnitt auftretende Spannung aufgeführt.
verteilt und nehmen den Wert T (y) = c · y an, wobei c ein Proportionalitätsfaktor ist. Das Biegemoment entspricht dem Integral der über den Querschnitt verteilten Spannung T (y). MB =
Da das Integral sich c zu
Ay
2 dA
A
y · T (y)dA = c ·
y2 dA
(10.5)
A
dem axialen Flächenträgheitsmoment I entspricht, ergibt
MB . (10.6) I Die resultierenden Dehnungen S1 und S2 wirken längs und quer an der Balkenoberfläche. Im elastischen Bereich ist die Dehnungskomponente S1 mit der Spannungskomponente T2 über den Elastizitätsmodul E verknüpft und berechnet sich zu c=
S2 =
MB F · (l − z) T2 = = E I ·E I·E
(10.7)
und ist somit abhängig von der Geometrie der Querschnittsfläche A des Balkens, der Position z auf der Balkenoberfläche und der wirkenden Kraft F. Zur Berechnung der Dehnungskomponente S1 muss die Querkontraktion berücksichtigt werden und es gilt S1 = −ν · S2 .
(10.8)
Für vertiefende Studien zum Thema Elastomechanik beispielsweise zur Berechnung der Deformation von Faserverbundwerkstoffen sind u.a. die Werke von S CHNELL [214], W ERTHSCHÜTZKY [276] und BALLAS [8] zu empfehlen.
338
10 Kraftsensorentwurf
10.2.1.2 Detektion der Kraft Die in Abbildung 10.9 wirkende Kraft F kann über die Erfassung einer der an der Balkenoberfläche resultierenden Dehnungen Si oder über den Ausschlag gemessen werden. Dem obigen Beispiel folgend bietet sich die Erfassung der Dehnung S2 an, da nach B ERNOULLI für lange, schmale Balken die Dehnungen quer zur Balkenoberfläche verschwinden. Die dehnungssensitiven Elemente sind nun so zu platzieren, dass sie die größtmögliche Dehnungsänderung erfassen. Die oben beschriebenen Zusammenhänge sind am Beispiel eines einseitig eingespannten Biegebalkens gemacht. Um mehrere Kraftkomponenten zu erfassen, muss unter Berücksichtung der elastomechanischen Zusammenhänge ein geeigneter Verformungskörper entworfen werden. Hilfreich ist beispielsweise das Werk von B RAY [28]. Ziel ist hierbei, dass im Lastfall ein Dehnungsfeld erzeugt wird, aus welchem eindeutig die einzelnen Kraftkomponenten berechnet werden können. In der Regel ist der Zusammenhang von Kraft Fi und Ausgangssignal ui der jeweiligen Sensorelemente durch ein lineares Gleichungssystem gegeben (vgl. z.B. [266]). Gleichung 10.9 zeigt dies am Beispiel eines dreikomponentigen Sensors. ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ u1 a11 a12 a13 F1 ⎝ u2 ⎠ = ⎝ a21 a22 a23 ⎠ · ⎝ F2 ⎠ (10.9) u3 a31 a32 a33 F3 Es wird postuliert, dass zu einem Spannungssignal ui alle Kraftkomponenten beitragen. Die Elemente ai der Matrix werden durch Kalibrierung des Sensors bestimmt, indem jeweils nur eine Kraftkomponente definiert eingeleitet und die resultierenden Spannungssignale gemessen werden. Nach Bilden der Inversen A−1 der Matrix A, kann der Kraftvektor berechnet werden.
10.2.2 Resistive Dehnungsmessung Eines der etabliertesten Verfahren ist die Kraftmessung auf Basis der resistiven Erfassung der Dehnungen eines (Mess-)Objekts. Bei der resistiven Dehnungsmessung wird hierzu eine Widerstandsanordnung auf der Balkenoberfläche angebracht. Die Widerstandsgebiete sind so zu platzieren, dass sie die größtmögliche Änderung der zu detektierenden Dehnung erfahren. Zur Erinnerung: Der elektrische Widerstand ist über l l R0 = ρ · = ρ · (10.10) A b·h definiert. ρ kennzeichnet hierbei den spezifischen Widerstand, l, b, h (Länge, Breite und Höhe) das Volumen des Widerstands. Das totale Differential in Gleichung 10.11 beschreibt die relative Widerstandsänderung, die durch die Deformation hervorgerufen wird.
10.2 Sensorprinzipien
339
dρ ρ
dR dl db dh − − = + R0 b h l rel.Volumenanderung ¨
(10.11)
piezoresistiverAnteil
Die Deformation bewirkt zum Einen eine Änderung des geometrischen Anteils Al , zum Anderen eine Änderung des spezifischen Widerstand ρ . Auf die Werkstoffspezifische Änderung wird in Abschnitt 10.2.3 genauer eingegangen. Mit Hilfe der Gleichung 10.12 kann der Zusammenhang zwischen Dehnung und relativer Widerstandsänderung formuliert werden. dR d (N · μ ) = 2− ·T (10.12) R0 T ·N ·μ :=k,k−Faktor
Die Änderung des Widerstandes kann mit einer W HEATSTONEschen Brückenschaltung ausgewertet werden. Hierbei werden ein bis vier aktive Widerstandsgebiete zu einer Messbrücke verschaltet und und mit konstanter Spannung oder konstantem Strom versorgt (s. Abb. 10.10). In Gleichung 10.13 erfolgt die Berechnung der Brückenanordnung (c) unter der Annahme, dass die Grundwiderstände R0i den gleichen Widerstandswert R0 haben. Die Werte von R0 sind wie auch der k-Faktor materialspezifisch und in Tabelle 10.1 gelistet (siehe auch [209]). ! " r1 Ucc 1 r2 r3 r4 (10.13) Δu = = · − + − R0 · I0 4 R01 R02 R03 R04 Die Versorgung mit konstantem Strom bringt den Vorteil der Kompensation des temperaturabhängigen Drifts des Messsignals (Weiterführende Information unter [44]). Für Metalle ergibt sich typischerweise ein k-Faktor von ≈ 2. Der materialspeRL r1
r1
R4 Du
R2
RL
R3
R2
RL
(a) Viertelbrücke wobei Ri Referenzwiderstände, ri
r1
R4 Du
UCC
RL
Du
UCC r3 RL
(b) Halbbrücke
r2
r4 UCC r3 RL
(c) Vollbrücke
aktive Widerstände, RL Leitungswiderstände
Abb. 10.10 Brückenanordnung zur Auswertung von ein bis vier aktiven Widerstandsgebieten.
340
10 Kraftsensorentwurf
zifische Anteil ist von geringerer Bedeutung und geht in die erste Nachkommastelle ein. Bei Halbleiter- und glaskeramischen Werkstoffen ist der materialspezifische Anteil dominant. Im Falle der Halbleiter-DMS treten k-Faktoren bis 80 auf. Auch bei Widerstandspasten, die in Dickschichttechnologie auf Substrate2 aufgetragen, und Polysiliziumschichten, die in der Dünnschichttechnologie beispielsweise aufgesputtert werden, kommt der materialspezifische Anteil zum tragen und der k-Faktor nimmt Werte bis etwa 18 für Dickschichtwiderstände bzw. bis etwa 30 für Dünnschichtwiderstände an. Tabelle 10.1 listet die k-Faktoren verschiedener Materialien auf, die in der Dehnungsmessung ihren Einsatz finden. Tabelle 10.1 k-Faktoren wichtiger Widerstandsmaterialien nach [276] Technologie Metallfilm-DMS Dickschicht Dünnschicht Si-Technologie
Material
k-Faktor
Grundwiderstand R0 in Ω
CuNi
2,1
120, 350, 700
Bi2 Ru2 O7
18,3
≈10k
TiON
4 ...5
≈5k
Poly − Si
20 ...30
≈5k
p − Si
80,4
3k ... 5k
Wie schon erwähnt, werden Dehnmesselemente in verschiedenen Technologien gefertigt. Die am weitesten verbreitete Variante sind die Folien-DMS. Dick- und dünnschichttechnologisch hergestellte Messelemente sind aufgrund der zur Fertigung nötigen Peripherie vorwiegend in OEM-Sensoren oder Speziallösungen für Industrieanwendungen zu finden. Interessante Quellen hierzu sind die Veröffentlichungen von PARTSCH [189] und C RANNY [42]. Kontaktpads
organisches Substrat (30...50 mm) Metallfolie (Messgitter, 5 mm)
Klebeschicht (5 mm)
Substrat (Stahl, Al)
Abb. 10.11 Aufbau eines Folien-DMS: Das Messgitter ist entweder aus einer strukturierte Metallfolie. Für Spezialanwendungen wird auch Draht verwendet.
2
Als Substratmaterialien kommen vorwiegend (Schicht-) Keramiken in Frage. Seltener auch Metalle, wobei zusätzlich eine Isolationsschicht aufgebracht werden muss.
10.2 Sensorprinzipien
341
Folien-DMS sind ein Mehrschichtsystem aus metallischem Messgitter und organischem Substrat, welches beispielsweise mittels kaltaushärtenden CyanacrylatKlebstoffen (Dehnungsanalyse) oder auch mittels heißaushärtender Klebstoffe wie Epoxidharz (Messaufnehmnerbau) auf einen Verformungskörper appliziert wird (s. Abb. 10.11). Sie sind langzeitstabil, robust und kommen insbesondere bei hochpräzisen Messaufgaben wie Windtunnelwaagen oder Wägesensoren zum Einsatz. Erreichbare Dynamik, Auflösung und Messbereich sind einzig von den Eigenschaften des Verformungskörpers abhängig. Die minimalen Abmessungen der Einzel-DMS liegen bei etwa 3 mm Breite und 6 mm Länge. Die Messgitter selbst haben kleinere Abmessungen. Daher kann das organische Substrat gekürzt werden, so dass Abmessungen von etwa 1,5 mm Breite und 5 mm Länge erreichbar sind. Werden FolienDMS eingesetzt, so sollten die bei Nennlast auftretenden Oberflächendehnungen des Verformungskörpers bei 1.000 μ m/m liegen, um die Eigenschaften des Messelements optimal auszunutzen. Es gibt eine Vielzahl an Messgitteranordnungen, die bei Kraft- und Momentensensoren Einsatz finden. Abb. 10.12 zeigt eine Auswahl handelsüblicher Messgitteranordnungen, die auf entsprechende Verformungskörper appliziert werden können.
X-Rosetten zur Erfassung eines Zweiachsigen Spannungszustandes (Hauptrichtungen bekannt) 90° 90° 90° 45° 45° 0° 0° 0° R-Rosetten zur Erfassung eines Zweiachsigen Spannungszustandes (Hauptrichtungen unbekannt) 90° 90° 90° 90° 45°0° 45° 45° 45° 0°
0° 0°
120°
120°
60°
0°
120° 60° 60°
0° 0°
Abb. 10.12 Überblick über mögliche Messgitteranordnungen für Folien-DMS. Siehe auch [276].
Desweiteren sind auch Halbleiter-DMS käuflich zu erwerben. Der Aufbau des Messelements ist ebenfalls vergleichbar mit Folien-DMS, da halbleitende Elemente auf organische Substrate geklebt werden (vgl. Abb. 10.11). Diese Messelemente
342
10 Kraftsensorentwurf
werden wie Folien-DMS gehändelt und sind ebenfalls in verschiedenen Anordnungen wie beispielsweise T-Rosetten verfügbar. Bei Messelementen mit höherem k-Faktor (Tab. 10.1) können die Verformungskörper entsprechend steifer ausgeführt sein, d.h. geringere Nenndehnungen sind möglich. Solche Messelemente sind insbesondere beim Entwurf miniaturisierter Sensoren für haptische Systeme von Bedeutung, da so bei kleinsten Abmessungen hohe Grenzfrequenzen erreicht werden können. Ein käuflich erwerbbaren Beispiel hierfür ist der OEM-Sensor nano 17 von ATI (vgl. Abb. 10.13). Die Dehnmesselemente sind piezoresistiv und haben somit einen k-Faktor von etwa 80. Aufgrund des großen Potentials zur Miniaturisierung und damit dem vielfältigen Einsatz in haptischen Systemen sollen piezoresistive Sensoren, insbesondere Silizum-Sensoren, in einem gesonderten Abschnitt behandelt werden.
N A N O 1 7R C A BLE E XI T (STA N D A RD ) O L SIF DE Krafteinleitung y
17 mm
14,5 mm
Krafteinleitung Fz
Krafteinleitung Fx
Abb. 10.13 Miniatur-Kraft-Momentensensor nach [6]. Die Resonanzfrequenz des Sensors liegt bei 7,2 kHz.
10.2.3 Piezoresistive Silizium-Sensoren Wie von Charles S. S MITH im Jahre 1954 erstmals veröffentlicht [230], erfolgt bei halbleitenden Materialien mit symmetrischer Kristallstruktur wie Silizium oder Germanium eine Änderung der spezifischen Leitfähigkeit ρ infolge einer wirkenden Kraft oder eines wirkenden Drucks. Dies soll im Folgenden für monokristallines Silizium genauer erläutert werden.
10.2.3.1 Der piezoresistive Effekt Wird ein halbleitendes Messelement durch eine Last deformiert, so bilden sich mechanische Spannungen Ti im Material aus. Zur Erinnerung: Aufgrund der Anisotropie dieses Materials sind die elastomechanischen Eigenschaften abhängig von
10.2 Sensorprinzipien
343
der Lage des Koordinatensystems und somit von der Lage im Kristallgitter. Diese Spannungen haben eine Auswirkung auf die Beweglichkeit μ der Ladungsträger und somit auf den spezifischen Widerstand ρ . ρ ist eine werkstoffbestimmte Größe, die u.a. über die Größen Beweglichkeit μ und Anzahl N der Ladungsträger beschrieben wird (vgl. Abschnitt 10.2.1). Unter Berücksichtigung dieser Parameter kann der Zusammenhang zwischen der relativen Widerstandsänderung und der sie hervorufenden Dehnung formuliert werden. dρ dV d(N · μ ) V − , = , mit ρ = ρ V N·μ N · μ · |q|
(10.14)
wobei V das Volumen des Widerstandsbereichs und |q| die Ladung der Teilchen sind. Dem O HM’schen Gesetz folgend verknüpft der spezifische Widerstand ρ den Vektor E = (E1 E2 ; E3 )T des elektrischen Feldes mit der Stromdichte J = (J1 J2 ; J3 )T : ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ρ11 ρ12 ρ13 ρ1 ρ6 ρ5 J1 J1 E1 ⎝ E2 ⎠ = ⎝ ρ21 ρ22 ρ23 ⎠ · ⎝ J2 ⎠ = ⎝ ρ6 ρ2 ρ4 ⎠ · ⎝ J2 ⎠ E3 ρ31 ρ32 ρ33 J3 ρ5 ρ4 ρ3 J3 ⎛
(10.15)
Aufgrund der symmetrischen Kristallstruktur von Silizium3 ergeben sich sechs unabhängige Widerstandskomponenten ρi , die symmetrisch zur Diagonalen des Tensors ρ sind. Über die Matrix der piezoresistiven Koeffizienten π kann der Einfluss der sechs wirkenden Spannungskomponentnen Ti beschrieben werden. Die kubische Symmetrie bewirkt, dass sich die Anzahl der piezoresistiven, richtungsunabhängigen Koeffizienten auf drei reduziert. Durch Dotierung von Silizum mit Fremdatomen wie Bor oder Phorsphor werden definierte Gebiete mit erhöhtem Widerstand erzeugt. Durch Art und Konzentration der Dotierung von Silizium werden die Werte der drei π -Koeffizienten beeinflusst (weiterführende Informationen siehe [9]). ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ρ1 ρ0 π11 ⎜ ρ2 ⎟ ⎜ ρ0 ⎟ ⎜ π12 ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎜ ρ3 ⎟ ⎜ ρ0 ⎟ ⎜ π12 ⎜ ⎟ = ⎜ ⎟+⎜ ⎜ ρ4 ⎟ ⎜ 0 ⎟ ⎜ 0 ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎝ ρ5 ⎠ ⎝ 0 ⎠ ⎝ 0 0 0 ρ6 ⎛
π12 π11 π12 0 0 0
π12 π12 π11 0 0 0
0 0 0 π44 0 0
0 0 0 0 π44 0
⎞ ⎛ ⎞ T1 0 ⎜ T2 ⎟ 0 ⎟ ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ 0 ⎟ ⎟ · ⎜ T3 ⎟ · ρ0 ⎟ ⎟ 0 ⎟ ⎜ ⎜ T4 ⎟ 0 ⎠ ⎝ T5 ⎠ π44 T6
(10.16)
Für homogen und schwach dotiertes Silizium können die in Tabelle 10.2 gelisteten Werte angenommen werden. Abhängig vom Winkel zwischen Stromdichtevektor J und mechanischer Spannungskomponente Ti können drei Effekte unterschieden werden. Beim so genannten Längseffekt fließt der Strom i parallel zur mechanischen Normalspannung, beim 3
kubisch flächenzentriert
344
10 Kraftsensorentwurf
Tabelle 10.2 Piezoresistive Koeffizienten von homogen dotiertem Silizium aus [9].
π12 in
mm2 N
π44 in
mm2 N
ρ in Ω cm
n-Si
11, 7
−102, 2 · 10−5
+53, 4 · 10−5
−13, 6 · 10−5
p-Si
1, 8 · 1014
7, 8
+6, 6 · 10−5
−1, 1 · 10−5
+138, 1 · 10−5
N in
π11 in
mm2 N
1 cm−3 6 · 1014
Dotierung
Quereffekt fließt i senkrecht zur mechanischen Normalspannung und letztlich beim Schereffekt fließt i parallel oder senkrecht zur mechanischen Scherspannung. Abbildung 10.14 veranschaulicht den beschriebenen Zusammenhang. dotierter Widerstand Silizium
T1 = Tlängs, T2 = Tquer , T4 = Tscher
h
u
i
i
l T2
32
T1
(a) Längseffekt
T2 1
T1
(b) Quereffekt
T4
(c) Schereffekt (piezores. Halleffekt)
Abb. 10.14 Darstellung des Längs-, Quer- und Schereffekts in Silizium nach [276]. Bei handelsüblichen Silizium-Sensoren werden in der Regel die beiden Erstgenannten eingesetzt.
Für die Änderung des Widerstands gilt abhängig von der Orientierung des Widerstandsgebiets aus Abb. 10.14 folgende Gleichung: dρ = πl · Tl + πq · Tq ρ0
(10.17)
Somit fließen sowohl Längs- als auch Querspannungen in die Berechnung der Widerstandsänderung ein. Abhängig von der kristallographischen Orientierung der Widerstandsgebiete setzen sich die Längs- und Quer-Koeffizienten aus den drei π Koeffizienten zusammen (vgl. Tab. 10.2.3.1). Weiterführende Informationen für den Entwurf piezoresistiver Silizium-Sensoren sind beispielsweise den Veröffentlichungen von BAO [9], W ERTHSCHÜTZKY [276] und S TAVROULIS [233] zu entnehmen.
10.2 Sensorprinzipien
345
Tabelle 10.3 Zusammenstellung von πl - und πq -Koeffizienten für ausgewählte Widerstandsanordnnugnen in Abhängigkeit der kristallographischen Orientierung [233]. Oberflächenorientierung
πl
Querrichtung
[100]
π11
[010]
π12
[110]
π11 +π12 +π44 2 π11 +2π12 +2π44 3 π11 +π12 +π44 2
[110]
π11 +π12 −π44 2 π11 +2π12 −π44 3 π11 +5π12 −π44 6
Längsrichtung
(100)
[111]
(110)
[110]
[112] [001]
πq
10.2.3.2 Beispiele für piezoresistive Silizium-Sensoren Piezoresistive Silizium-Sensoren für die mechanischen Größen Druck und Kraft sind oftmals als integrierte Sensorelemente ausgeführt, indem die piezoresistiven Gebiete in den Silizium-Verformungskörper integriert werden. Für Drucksensoren ist dies Stand der Technik und für nahezu alle Druckmessbereiche sind Sensorelemente käuflich erwerbbar. Beispielsweise die Firma Silicon Microstructures Inc. (SMI) vertreibt Chips mit Glasgegenkörper zur Absolutdruckmessung mit einer Kantenlänge von etwa 650 μ m (vgl. Abb. 10.15(a)). Durch geeignetes Packaging können diese Sensoren in einem Array angeordnet werden, um die uniaxial wirkende Kraft- bzw. Druckverteilung über einer Fläche auszuwerten. Drucksensorelement
piezoresistive Gebiete Ri Si-Verformungskörper
smi
Borosilikatglas (a) Sensoren im Wafer-Verbund Elementkantenlänge ca. 650mm
(b) Schnitt durch ein Messelement
Abb. 10.15 Beispiel piezoresistiver Miniaturdrucksensoren [228].
Im Bereich der Kraftsensoren ist die Realisierung miniaturiserter Mehrkomponentenkraftsensoren Thema der Forschung. Die Abmessungen der einzelnen Sensorelemente liegen bei etwa 300 μ m bis 2 mm. Die messbaren Nennkräfte bewegen sich in der Regel im Bereich von 300 mN bis 2 N. Aufgrund der Batch-Fertigung der Messelelemente ist die Realisierung von Einzelsensorelementen wie auch Array-
346
10 Kraftsensorentwurf
Anordnungen4 möglich. Die Empfindlichkeit der Sensoren liegt bei 2% relativer Widerstandsänderung bezogen auf die Nennlast. Abbildung 10.16 zeigt vier Beispiele aus der aktuellen Forschung für Mehrkomponentenkraftsensoren. Varianten (a) [258], (b) [263] und (d) [166] wurden für die Kraftmessung in haptischen Systemen entwickelt, Variante (c) [27] für die taktile, dimensionelle Messtechnik. Die Krafteinleitung erfolgt jeweils an der stabförmigen Struktur.
(a) 3-K-Einzelsensor
(b) Array aus 3-K-Sensoren
1 mm
(c) 3-K-Einzelsensor
(d) 3-K-Einzelsensor
Abb. 10.16 Unterschiedliche Ausführungsformen piezoresistiver Silizium-Kraftsensoren aus [258] (a), [263] (b), [27] (c), [166] (d).
Seit 2007 vertreibt ein ungarischer Hersteller das so genannte Tactologic-System. Hier bei sind biszu 64 miniaturisierte Sensorelemente zu einem Array von 3x3 mm2 angeordnet. Die Sensorelemente haben Abmessungen von 0,3x0,3 mm2 und können sowohl Scherkräfte bis 1 N als auch Normalkräfte bis 2,5 N Nennlast messen. Die Krafteinleitung erfolgt über Silikonpunkte, die auf die einzelnen Sensorelemente aufgebracht sind (vgl. Abb. 10.17 (a) und (b)). Mit diesem Array sind sowohl statische als auch dynamische Vorgänge bis in den kHz-Bereich messbar. Allerdings beeinflusst das viskoelastische Verhalten der Krafteinleitung die Dynamik durch Kriechen insbesondere bei der Messung der Normalkräfte [262], [261].
4
Es werden keine Einzelsensorelemente, sondern Arrays vereinzelt.
10.2 Sensorprinzipien
347
piezoresistive Gebiete
Krafteinleitung
1 mm
100 µm (a) Si-Struktur ohne Krafteinleitung (Tactologic)
(b) 2x2 Array zur 3-KomponentenKraftmesung (Tactologic)
Abb. 10.17 Mehrkomponentenkraftsensor zur Erfassung taktiler Kräfte [261].
10.2.4 Weitere resistive Sensoren Neben den bisher vorgestellten resistiven Sensorvarianten exisitieren weitere, „exotische“ Ausführungen, die anhand von drei Beispielen vorgestellt werden sollen. Alle Sensoren sind sowohl in Array-Anordnungen zur orstaufgelösten Druck- bzw. Einkomponentenkraftmessung als auch als Einkomponentensensoren realisiert. Die genutzten Messeffekte beruhen auf der Änderung der geometrischen Parameter des Messelements. Die auf Abbildung 10.18 gezeigten Beispiele (a) [102] und (b) [206] nutzen den sogenannten Engeeffekt. Hierbei vergößert sich mit zunehmendem Druck5 die Kontaktfläche A und der Widerstand sinkt. Die beiden äußeren Schichten bestehen aus einem elastischen Material, auf das in einer Matrixstruktur Leiterbahnen aufgebracht sind. Die Zwischenschicht besteht beispielsweise aus kleinen pyramidenförmigen, deformierbaren Strukturen. Lastabhängig wird diese Struktur komprimiert und die Kontaktfläche vergrößert. Die Firmen Interlink und TekScan greifen bei ihren Sensorarrays auf den Engeeffekt als Messeffekt zurück (Force Sensing Resistor genannt). Interlink vertreibt Polymerfolien, die in einem Dickschichtverfahren mit resistiven Pasten, deren Grundwiderstand im M Ω -Bereich liegt, bedruckt werden. Die Sensorfolien sind etwa 0,25 mm dick und in einem Arbeitsbereich von 0 bis 1 N bzw. bis 100 N erhältlich. Neben der Empfindlichkeit für Kraft oder Druck reagieren diese Sensoren auch auch Temperaturänderungen mit 0,5 K. Für die Sensorfolien von TekScan liegen die Nennkräfte im Bereich von etwa 4,4 N bis 440 N, die räumliche Auflösung reicht bis zu 27,6 Elementen je Zentimeter. Die verfügbaren Array-Größen reichen von etwa 13x13 mm2 bis hin zu 0,5x0,5 m2. Die Dicke dieser Folien beträgt etwa 0,1 mm. Die Messunsicherheit dieser Sensoren ist mit etwa 10 % sehr hoch. Der Arbeitsfrequenzbereich der Sensoren liegt im Bereich von 0 bis etwa 100 Hz. Neben der Anwendung in so genannten Datenhandschuhen, wie von BURDEA [34] beschrieben, werden diese Sensorfolien in der Orthopädie zur Messung der Druckverteilung in Schuhen und Prothesen und in der Automobilindustrie eingesetzt. 5
Über die Kontaktfläche kann auf die wirkende Kraft geschlossen werden.
348
10 Kraftsensorentwurf
Eine weitere Möglichkeit ist die Variation des Abstandes zwischen zwei Elektroden (Variante (b) in Abb. 10.18). Das Messelement besteht wie im vorherigen Fall aus flexiblen Substraten mit Reihen- und Spaltenelektroden, in deren Zwischenschicht sich eine elektrisch leitende Flüssigkeit befindet. Lastabhängig wird die Flüssigkeit verdrängt und der Abstand der Elektroden variiert. Nachteilig bei diesem Prinzip ist, dass sehr große Abstandsdifferenzen von bis zu 10 mm notwendig sind, um verwertbare Ausgangssignale zu erhalten. Bisher ist dieses Prinzip Gegenstand der Forschung.
(a) Nutzung des Engeeffekts, Entwicklung des Fraunhofer Instituts für BMT
(b) Variation des Elektrodenabstands
Abb. 10.18 Ausgewählte Beispiele für resistive Folien-Sensoren, die den Engeeffekt nutzen [134], [206].
10.2.5 Kapazitive Sensoren Bei kapazitiven Sensoren sind mindestens zwei Elektroden parallel zueinander angeordnet. Abbildung 10.19 zeigt den Aufbau einer einzelnen Messkapazität. Im
d
A U
e0, er
C = e0er A mit er = 8,85 pF/m d
Abb. 10.19 Aufbau einer Einzelkapazität.
Gegensatz zum resistiven Wirkprinzip, bei welchem die mechanischen Feldgrößen Dehnung oder Spannung erfasst werden, wird beim kapazitiven Prinzip die integrale Größe Auslenkung (auch Ausschlag) direkt gemessen. Hinsichtlich des Wirkprinzips können drei Gruppen unterschieden werden. Die beiden ersten Gruppen arbeiten nach dem sogenannten Ausschlagsprinzip. Die me-
10.2 Sensorprinzipien
349
chanische Größe ändert hierbei entweder den Elektrodenabstand d oder die wirksame Elektrodenfläche A. Bei der dritten Gruppe wird die relative Dielektrizitätszahl εr beeinflusst. Die Änderung des Elektrodenabstands wird in der Regel zur Messung der mechanischen Größen Kraft, Druck, Weg und Beschleunigung genutzt. Die mechanische Größe wirkt hierbei direkt auf eine der Elektroden und lenkt diese relativ zur anderen Elektrode aus. Die sich ergebende Kapazitätsänderung berechnet sich zu: ΔC ξ 1 ≈± . (10.18) = C0 1 ± ξ /d d
ξ kennzeichnet hierbei die Abstandsänderung. Desweiteren kann der Elektrodenabstand konstant gehalten und eine der Elektroden parallel verschoben werden (vgl. Abb. 10.20). Die wirksame Elektrodenfläche wird dementsprechend variiert und die so erfolgende Kapazitätsänderung kann zur Messung des Winkels, Füllstandes oder auch des Weges verwendet werden. Sie berechnet sich zu: ΔC ΔA = 1± . C0 A0
(10.19)
Die dritte Möglichkeit zur Kapazitätsänderung ist die Variation der relativen Dielektrizitätszahl. Dieses Prinzip wird vorwiegend zur Bestimmung des Füllstandes, bei Näherungsschaltern oder zur Schichtdickenmessung genutzt. Die Kapazitätsänderung berechnet sich zu: ΔC Δ εr = 1± . (10.20) C0 εr0 10.2.5.1 Eigenschaften kapazitiver Druck- bzw. Kraftsensoren Für die kapazitive Kraft- bzw. Druckmessung finden vorwiegend Varianten, welche die Abstandsänderung nutzen, Einsatz. Daher wird im Folgenden insbesondere dieses Wirkprinzip betrachtet. Wie aus Gleichung 10.18 hervorgeht, ist bei der Abstandsänderung der Zusammenhang zwischen Kapazitätsänderung und mechanischer Größe Kraft bzw. Druck bei Einzelkapazitäten nichtlinear. Die Auslenkung ξ liegt im Bereich von 10 nm bis 50 μ m [276]. Zur Linearisierung der Kennlinie muss ein Arbeitspunkt eingestellt werden, indem beispielsweise drei Elektroden als Differentialkondensator angeordnet werden. Die im Arbeitsbereich auftretenden Auslenkungen ξ sind in der Regel ≤ 10% des Elektrodenabstandes d. In diesem Bereich kann der Kennlinienverlauf als linear angenommen werden (vgl. Abb. 10.20(a)). Bei der Variation der Elektrodenfläche ist der Kapazitätswert propotional zur Elektrodenfläche und der Verlauf der Kapazitätsänderung linear (vgl. Abb. 10.20(b)). Die Auswertung der Kapazitätänderung kann zum einen direkt nach dem Ausschlagsverfahren erfolgen (open loop). Die gebräuchlichsten Auswerteverfahren werden im Folgenden kurz vorgestellt. In einer Brückenanordnung wird Sensor in eine Kapazitätsmessbrücke integriert oder zu einem passiven Schwingkreis mit Spulen oder Widerständen ergänzt (Oszillatorschaltung). Zudem kann die Impedanz bei
350
10 Kraftsensorentwurf
C C1
C, C2
C0 C2 C1
C
l/x 2
-1
0,1
1
{
1
-0,1
Arbeitsbereich (a) Variation des Elektrodenabstandes bei Einzel- (1) und Differentialanordnung (2) C
C0 C
l/x
-1 1 (b) Variation der wirksamen Elektrodenfläche Abb. 10.20 Schematischer Aufbau kapazitiver Sensoren und Verlauf der Kapazitätsänderung.
konstanter Messfrequenz gemessen werden. Eine weitere Möglichkeit ist die Auswertung durch Pulsweiten-Modulation (sog. Umladeverfahren). Zum anderen kann der Ausschlag aktiv kompensiert werden und die zur Kompensation nötige Energie wird gemessen (closed loop). Vorteil der closed loop Signalverarbeitung ist die hohe Linearität, die durch die geringen Auslenkungen erreicht wird. Weitere Informationen sind beispielsweise [276] und [277] zu entnehmen. Die Vorteile kapazitiver Sensoren im Gegensatz zu resistiven Sensoren liegen u.a. im geringen Energieverbrauch und der hohen Empfindlichkeit. Zudem ermöglicht die einfache mechanische Struktur eine kostengünstige Realisierung miniaturisierter Sensoren in beispielsweise Oberflächenmikromechanik (siehe Abb. 10.21). Im Gegensatz zu resistiven Sensoren, bei denen Position und Dimension der Widerstandsgebiete direkt Einfluss auf das Übertragungsverhalten haben, sind die Fertigungstoleranzen bei kapazitiven Sensoren hoch. Durch Packaging und Temperatureinfluss hervorgerufene mechanische Spannungen haben bei kapazitiven Sensoren keinen Einfluss auf die Performanz. Auch eine Fehlpositionierung der Elektroden zueinander ändert nicht das Übertragungsverhalten, sondern beeinflusst ausschließlich die Grundkapazität. Die Fertigungsschritte bei kapazitiven Siliziumsensoren sind
10.2 Sensorprinzipien
351
kompatibel zur CMOS-Technologie. Damit ist eine direkte Integration der Sensorelektronik auf einem Chip möglich und der Einfluss parasitäerer Kapazitäten wird minimiert. Ist die Integration der Elektronik nicht möglich, so sind die temperaturund zeitabhängigen parasitären Kapazitäten nicht zu vernachlässigen und führen insbesondere bei miniaturisierten Sensoren 6 zu einem schlechten Rausch-SignalAbstand (vgl. [195]). Ebenso sind die parasitären Kapazitäten nicht zu vernachlässigen, die oftmals in der Größenordnung der Messkapazitätsänderung liegen. Auch kann die Dielektrizitätszahl nicht als konstant angenommen werden.
10.2.5.2 Beispiele kapazitiver Sensoren Hinsichtlich der Fertigungstechnologie können kapazitive Sensoren, die in haptischen Systemen eingesetzbar sind, in drei Gruppen eingeteilt werden. Die erste Gruppe bilden miniaturisierte Drucksensoren, die mikrotechnisch in Siliziumoberflächen- oder Volumenmechanik realisiert werden. Aufgund der geringen Abmessung von wenigen Milimetern ist die zu bewegende Masse des Sensors gering und die Sensoren haben einen großen Arbeitsfrequenzbereich (Frequenzen von 0 Hz bis in den kHz-Bereich). Wie schon bei piezoresistiven Siliziumsensoren beschrieben, können die mikrotechnisch hergestellten kapazitiven Einzelsensoren in einem Array angeordnet und zur räumlich verteilten Druck- bzw. Kraftmessung verwendet werden. Beispielsweise S ERGIO [217] berichtet von der Realisierung kapazitiver Arrays in CMOS-Technologie. Problematisch sind die aufgrund der geringen Elektrodenfläche im fF-Bereich liegenden Kapazitätsänderungen, die in der Größenordnung der parasitären Kapazitäten der Zuleitungen liegen. Abhilfe schafft hier parallele Verschaltung mehrerer Einzelsensoren zu einem Sensorelement [276]. Der Arbeitsfrequenzbereich der vorgestellten Beispiele reicht von statischer Messung bis hin zu mehreren MHz obere Grenzfrequenz und ist somit zur Messung taktiler Information einsetzbar. Ein weiteres Beispiel, welches aufgrund der hohen oberen Grenzfrequenz von 1 kHz und einer hohen räumlichen Auflösung von 0,01 mm2 zur taktilen Messung geeignet ist, ist ein aus Polysilizium gefertigtes Array u.a. zur Fingerabdrucksmessung. R EY [201] berichtet von dem Einsatz eines solchen Arrays zur intrakorporalen Druckmessung an einem Greifer. Problematisch sind hierbei wieder die parasitären Kapazitäten, die im Bereich der messgrößeninduzierten Kapazitätsänderung liegen. Zwei Beispiele für in Oberflächenmikromechanik hergestellte Mehrkomponentenkraftsensoren zeigt Abbildung 10.21 (a) [19] und (b) [238]. Der Zweikomponentensensor7 ist für die Rasterkraftmikroskopie entwickelt worden und die dabei auftretenden Nennkräfte liegen im μ N-Bereich. Der Dreikomponentensensor ist für Mikromanipulationen beispielsweise in der Molekularbiologie konzipiert und die
6
Aufgrund der kleinen Elektrodenfläche ergibt sich eine geringere Grundkapazität, vgl. Formel in Abb. 10.19. 7 immer bezogen auf die wirkenden Kraftkomponenten
352
10 Kraftsensorentwurf
kapazitive Kammstrukturen (a) 2-Komponenten-Kraftsensor, Nennkraft 1,5 mN
Pipette (Injektion) Kraftsensor
F
Zelle Pipette (Halten)
kapazitive Kammstruktur (b) 6-Komponenten-Kraftsensor, Nennkraft 500 µN Abb. 10.21 Beispiele von kapazitiven Mehrkomponentenkraftsensoren Oberflächenmikromechanik hergestellt nach [19] und [238].
in
Silizium-
Nennkräfte nehmen ebenfalls Werte von wenigen μ N an. Beide Sensoren nutzen das Prinzip der Abstandsänderung zur Kraftmessung. Die zweite Gruppe bilden keramische Drucksensorzellen, die insbesondere im Automobilbereich und der Prozessmesstechnik verbreitet sind. Substrat und Messplatte sind hierbei in der Regel aus Al2 O3 -Keramik. Die Elektroden werden auf die Keramiksubstrate aufgesputtert und Substrat und Messplatte mittels dickschichttechnologisch aufgebrachten Lotschichten verbunden. Im Gegensatz zu den Silizumsensoren sind diese Sensoren eher makroskopisch und haben Abmessungen im Bereich mehrerer Zentimeter. In dieser Technologie sind sowohl Differenz- als auch Absolut- und Relativdrucksensoren mit Nenndrucken im Bereich von 0 bis zu 200 mbar als auch von 0 bis ca. 60 bar verfügbar (z.B. Abb. 10.22, Fa. Endress und Hauser). Der Arbeitsfrequenzbereich dieser Sensoren liegt mit 0 bis ≈ 10 Hz im unteren Bereich. Die dritte Gruppe bilden sogenannte Foliensensoren, wie sie beispielsweise von der Firma Althen vertrieben werden. Die kapazitiven Sensorelemente sind hierbei mit einer räumlichen Auflösung von ≤ 2x2 mm2 in einer Matrix angeordnet. Das
10.2 Sensorprinzipien
353
Membran (Al2O3) CR CP Dünnfilm-Elektrode
p
5,1 mm 0,3 … 3 mm 30 µm
CR CP Grundkörper (Al2O3) 32
Abb. 10.22 Aufbau einer keramischen Druckmesszelle der Firma Endress und Hauser nach [276] .
Substrat bildet eine flexible Polymerfolie. Die Dicke des Arrays beträgt etwa 1 mm. Der Arbeitsfrequenzbereich erstreckt sich von 0 bis etwa 1 kHz. Nenndrucke bis etwa 200 kPa können erfasst werden bei einer Auflösung von 0,07 kPa. Aufgrund des Kriechens (vgl. auch Abschnitt 10.1.3) des Substrats und parasitärere Kapazitäten ergibt sich eine hohe Messunsicherheit. Ein weiteres Beispiel eines Polymerfoliensensors aus dem Bereich der Forschung zeigt Abbildung 10.23 [38]. Im Gegensatz zu den vorherigen Beispielen erfasst dieses Array die mechanische Größe Kraft. Normalkräfte werden durch die Änderung des Elektrodenabstands, Scherkräfte durch die Änderung der wirksamen Elektrodenfläche detektiert. Wie der Sensor der Firma Althen können hiermit statische und dynamische Vorgänge bis 1 kHz erfasst werden. Die örtliche Auflösung liegt bei etwa 1x1 mm2. Nachteilig ist wieder die hohe Messunsicherheit durch Kriechen des Polymers sowie parasitäre Kapazitäten. Draufsicht 1 Elektrode in oberer Schicht C1
C2
C4
C3
Seitenansicht
4 Elektroden in unterer Schicht
Polyimidfolie
flexibles Dielektrikum
Abb. 10.23 Schematischer Aufbau eines kapazitiven Scherkraftsensors [38].
354
10 Kraftsensorentwurf
10.2.6 Optische Sensoren Im Bereich der optischen Messtechnik sind sowohl Freistrahl- als auch faseroptische Sensoren verfügbar. Zur Kraft- bzw. Druckmessung werden vorwiegend faseroptische Sensoren eingesetzt, die im Folgenden genauer vorgestellt werden sollen. Allen faseroptischen Sensoren ist gemein, dass die mechanische Größe die Übertragungseigenschaften der optischen Übertragungsstrecke verändert und damit die Parameter einer reflektierten oder transmittierten elektromagnetischen Welle beeinflusst. Die elektromagnetische Welle ist über die Wellengleichung definiert [167]. ∇2Ψ =
δ 2Ψ δ 2Ψ δ 2Ψ + + 2 δ x2 δ y2 δz
(10.21)
Ψ steht hierbei für eine beliebige Welle. Eine mögliche Lösung dieser Differentialgleichung zur Beschreibung der Ausbreitung im Raum ist die ebene Welle. Hierbei schwingen elektrisches Feld E und magnetisches Feld B senkrecht zueinander und zur Ausbreitungsrichtung. Das sich in z-Richtung ausbreitende elektrische Feld wird durch Gleichung 10.22 beschrieben. 1 E(z,t) = A(z,t) · e jω0t−β0 z 2
(10.22)
A kennzeichnet hierbei die Amplitude der Einhüllenden, ω0 die optische Trägerfrequenz und β0 die Ausbreitungskonstante. Über die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Gruppe vg (λ ) 8 sind E- und B-Feld miteinander verknüpft. Abhängig vom Ausbreitungsmedium kann die Gruppengeschwindigkeit über den Brechungsindex ng berechnet werden [168]. c0 (10.23) vg (λ ) = n(λ ) Abhängig von der Wellenlänge λ der Welle ergeben sich für n verschiedene Werte. Die Wellen breiten sich abhängig von ihrer Frequenz und Wellenlänge unterschiedlich schnell aus, der Puls „verschmiert“. Für vertiefende Informationen sind [167], [168] [184], [289] und [170] empfehlenswert. Wirkt nun eine mechanische Größe wie Kraft oder Druck auf die Übertrasgungsstrecke, so wird die Übertragungsstrecke deformiert und es können zwei Einflussarten unterschieden werden: 1. Materialspezifisch: Änderung des Brechungsindex n (photoelastischen Effekt) 2. Geometrisch: Änderung der Strahlführung Der photoelastische Effekt beschreibt die richtungsabhängige Änderung des Brechungsindex, welche duch mechanische Belastung hervorgerufen wird. Abbildung 10.24 veranschaulicht diesen Effekt. Der sich ergebende Brechungsindexunterschied ist abhängig von der wirkenden mechanischen Spannung T und kann durch folgende Gleichung beschrieben werden (vgl. [96]):
8
Im Vakuum entspricht diese der Lichtgeschwindigkeit c0 = 2,99792458· 108 m/s.
10.2 Sensorprinzipien
355
Δ n = (n1 − n2) = C0 · (T1 − T2 )
(10.24)
C0 ist hierbei der materialabhängige, photoelastische Koeffizient, Ti kennzeichnen die sich ergebenden Materialspannungen. Abhängig vom Brechungsindex ändern sich Polarisation, Wellenlänge und Phase des Lichts. Im zweiten Fall ändert die mechanische Größe die Bedingungen der Strahlführung. Mit Hilfe der geometrischen Optik können die Auswirkungen der mechanischen Größe auf Intensität und Phase des Lichts beschrieben werden.
F, p
E3
3
Volumenelement eines Lichtwellenleiters
E2 d Gangunterschied der Feldkomponenten
T3, n3 T2, n2 2
E3
1
E2 Abb. 10.24 Visualisierung des photoelastischen Effekts [96]. Durch die verschiedenen Brechnungsindizes senkrecht zur Ausbreitungsrichtung breiten sich die Feldkomponenten mit unterschiedlicher Geschwindigkeit aus, es ergibt sich ein Gangunterschied δ und die Polarisation ändert sich.
Eine Störgröße, die bei allen faseroptischen Sensoren zu nicht zu vernachlässigenden Änderungen führt, ist die Temperatur. Abhängig von dieser variiert der Brechungsindex der Faser und die Eigenschaften des Lichts werden beeinflusst. Neben dem thermoelastischen Koeffizienten, welcher die Dehnungen, die durch die Temperaturänderungen im Material hervorgerufen werden, berücksichtigt, nimmt die Temperatur direkt auf den Wert des Brechungsindex Einfluss (siehe Abschnitt 10.2.6.3). Zur Temperaturkompensation muss eine Referenzfaser genutzt werden, welche keine Beeinflussung durch die mechaische Größe, sondern ausschließlich durch die Temperatur erfährt. Vorteilhaft bei allen faseroptischen Sensoren ist ihre Störunempfindlichkeit gegenüber elektromagnetischer Strahlung. Im Folgenden werden die wichtigsten Prinzipien zur optischen Kraft- bzw. Druckmessung vorgestellt und disskutiert.
10.2.6.1 Änderung der Intensität Prinzipiell können zwei Sensorvarianten unterschieden werden, bei denen die Intensität variiert wird. Beiden ist gemein, dass durch die mechanische Größe die Bedingungen der Totalreflexion variiert werden (siehe Abb. 10.25). Der Winkel αc
356
10 Kraftsensorentwurf
Mantel (n2)
Luft (n0) ac qc
Kern (n1)
Abb. 10.25 Strahlführung in einer Multimodenfaser. Wird Licht unter Winkeln größeren θc eingekoppelt, so wird das Licht nicht mehr im Kern geführt.
ist der Grenzwinkel zur Totalreflexion und über das S NELLIUSsche Gesetz wie folgt definiert: n2 sin(αc ) = (10.25) n1 Die numerische Apertur NA gibt hierbei den zulässigen Grenzwinkel θc zur Einkopplung des Lichts in eine Multimodenfaser an: # sin(θc ) = n21 − n22 (10.26) Wird der Winkel des Strahls durch die mechanische Größe variiert, so dass er größere Werte als θc bzw. kleinere Werte als αc annimmt, so wird weniger Licht wird eingekopelt bzw. ist die Bedingung der Totalreflexion nicht mehr erfüllt und das Licht wird nicht mehr vollständig im Kern geführt. Es kommt zur Abnahme der Intensität des empfangenen Lichts. Abbildung 10.26 zeigt schematisch den Aufbau der ersten Variante. Das Sensorelement befindet sich am Ende einer Multimodefaser. Sensorelement Sender
Empfänger
LWL LWL
Kupplung
LWL
auslenkbare reflektive Fläche
Abb. 10.26 Schematischer Aufbau eines optischen Sensors der nach dem Prinzip der Intensitätsmodulation arbeitet.
Das vom Sender (z.B. Laserdiode, λ = 1550 nm) emittierte Licht wird in eine Multimodefaser eingekoppelt. Ein reflektives Element ist am Ende der Übertragungsstrecke angebracht. Dieses Element kann deformierbar oder starr ausgeführt
10.2 Sensorprinzipien
357
sein und bildet den Verformungskörper des Sensorelements. Hier erfolgt die Einleitung der mechanischen Größe. Abhängig von der wirkenden Kraft bzw. dem wirkenden Druck wird das reflektive Element ausgelenkt (im Falle starrer Elemente) oder deformiert (im Falle flexibler Elemente). Wird der Abstand variiert, so ist die Funktionsweise vergleichbar mit einem Abstandssensor und die Intensität direkt proportional zur Auslenkung (siehe Abb. 10.27). Die Kraft ist wiederum eine Funktion der Auslenkung und direkt abhängig von der NAchgiebigkeit n des Sensorelements: F(z) = n · z.
(10.27)
Wird die Geometrie der Fläche verändert, so wird - der geometrischen Optik folgend - ein Teil des Lichts in den Mantel eingekoppelt (Streuung) und es kommt zur Intensitätsabnahme. Die Intensität des durch den Empfänger detektierten Lichts verringert sich (vgl. Abb. 10.27). Reflektives Objekt
n1 n2
n3
Reflektives Objekt
n1 n2
F, p n3
(a) starres Element: Abhängig von der Auslenkung ändert sich die Intensität Reflektive Schicht Reflektive Schicht
n1 n2
n3
n1 n2
F, p n3
(b) flexibles Element: Abhängig von der Deformation ändert sich die Intensität Abb. 10.27 Variation der Intensität durch starre bzw. flexible reflektive Elemente. Das reflektive Element kann auch in einem festen Winkel zum Faserende angebracht sein.
In den universitären Veröffentlichungen von P EIRS [191] und K ERN [126] wird beispielsweise das Prinzip für die Mehrkomponentenkraftmessung verwendet. Bei dieser Variante ist der Messbereich direkt abhängig von den mechanischen Eigenschaften der Befestigung des Reflexionskörpers. Mit Hilfe der in Abschnitt 10.2.1 beschriebenen Berechnungsmethoden kann die Befestigung ausgelegt werden. Nachteilig bei diesem Prinzip ist die Verwendung von Polymeren (Silikone) zur Ankopplung des Reflexionsobjekts. Dies führt zu Kriechen des Sensorsignals. Die Messunsicherheit solcher Sensoren liegt bei etwa 10% [126]. Der Durchmesser dieser Sensoren liegt im Bereich weniger Millimeter, die Länge ist abhängig von der Applikation. Eine weitere Störgröße stellt die Temperatur dar. Bei dieser Variante
358
10 Kraftsensorentwurf
führt die Temperaturänderung zu einer Ausdehnung (oder Schrumpfung) des Polymers, der Abstand des reflektiven Elements ändert sich und damit ergibt sich ein fehlerhaftes Messsignal. Aufgrund der geringen Abmessungen ist eine Anordnung als Sensorarray möglich. Die zweite Variante sind so genannte Microbending-Sensoren, deren Aufbau Abbildung 10.28 schematisch zeigt. Wie auch bei der ersten Variante wird Licht in eine Multimodenfaser eingekoppelt. Die Kraft-, Druck oder Dehnungseinleitung erfolgt über eine kammartige Struktur, die zu Mikrobiegungen der Faser führt (vgl. Abb. 10.28). Durch diese Deformation wird wie bei der ersten Variante Licht aus dem Biegestruktur F, p
Multimodefaser
S Verformungskörper (a) Anordnung eine Microbendingelements
(b) Strahlführung bei Deformation
Abb. 10.28 Variation der Strahlführung durch Mikrobiegungen.
Kern aus- und in den Mantel eingekoppelt und somit nicht weiter geführt. Die Intensität des empfangenen Lichts nimmt ab.9 Die Abstände der kammartigen Struktur zur Erzeugung der Mikrobiegung liegt im Bereich von etwa 1 mm, die Höhe der Struktur ist ebenfalls in dieser Größenordnung (vgl. [236]). Damit ergibt sich für die Einleitung der mechanischen Größe ein Bereich von ∼ = 1 cm Länge und ≥ 5 mm Breite. Der Messbereich ist abhängig von der Auslenkung der Biegestruktur und damit vom Biegeradius der Faser selbst. PANDEY [185] beschreibt die Realisierung eines Drucksensors für Drucke bis zu 30 bar. Je kleiner der Biegeradius, umso geringere Nenndrucke bzw. -Kräfte werden realisiert. Hinsichtlich der detektierbaren Komponenten sind ausschließlich einkomponentige Sensoren realisierbar. Soll an räumlich verteilten Stellen die mechanische Größe erfasst werden, so können mehrere Microbending-Strukturen über die Länge einer Faser verteilt werden. Die Auswertung dieser Messstellen erfolgt beispielsweise mit einem optischen Zeitbereichsreflektometer (OTDR - Optical-Time-Domain-Reflectometry). Hierbei wird ein gepulstes Signal (Lichtpulse von ca 10 μ s Länge) in die Faser eingekoppelt und das rückgestreute Licht über der Zeit gemessen. Mit der Kenntnis der Ausbreitungsgeschwindigkeit des Lichts in der Faser v kann aus der Zeitverzögerung auf die Position des jeweilige Messstelle geschlossen werden. Weiterführende Informationen sind [161], [236] oder [185] zu entnehmen. Die Dynamik dieser Sensoren 9
Sowohl das transmittierte als auch das reflektierte Licht kann ausgewertet werden.
10.2 Sensorprinzipien
359
ist nur durch die Auswerteeinheit begrenzt und somit für den gesamten Bereich der haptischen Sensoren anwendbar.
10.2.6.2 Änderung der Phase Die Variation der Phase des Lichts durch die mechanische Größe nutzen interferometrische Sensoren. Die am weitesten verbreitete Variante ist die Fabry-PèrotAnordnung, die im Folgenden näher erläutert werden soll. Außerdem finden auch Michelson- und Mach-Zehnder-Anordnungen Einsatz. Die Anordnung besteht aus zwei planparallelen, reflektiven, teildurchlässigen Objekten z.B. die Enden einer Faser, die einen optischen Resonator bilden (vgl. Abb. 10.29). Das einfallende Licht optischer Resonator d Sender
LWL
Kupplung
LWL
LWL n
Empfänger
Transmission
(a) schematischer Aufbau eines Fabry-Pérot-Interferometers a
dl (b) Transmissionspektrum
l (c) Strahlenverlauf im Resonator
Abb. 10.29 Aufbau und Funktionsweise eines Fabry-Pérot-Interferometers.
wird innerhalb des Resonators mehrfach reflektiert und interferrieren. Die Resonanzbedingung dieser Anordnung wird durch den Abstand d der relfektiven Elemente und den Brechungsindex n innerhalb des Resonators bestimmt. Der so genannte freie Spektralbereich kennzeichnet die Phasendifferenz δ , die zu konstruktiver Überlagerung der Strahlen führt:
δ=
2π · 2 · n · d · cos(α ) λ
(10.28)
Abbildung 10.29(b) zeigt den typischen Verlauf des Transmissionsspektrums eines Fabry-Pérot-Interferometers. Der obigen Formel folgend ergibt sich bei den entsprechenden Wellenlängen eine Transmissionspeak, die übrigen Wellenlängen werden
360
10 Kraftsensorentwurf
ausgelöscht. Durch die mechanische Größe wird der Abstand d der Flächen zueinander und damit die Bedingung für die konstruktive Interferenz variiert. Sensoren, die dieses Verfahren nutzen, werden beispielsweise von der Firma LaserComponents zur uniaxialen Kraft- oder Druckmessung eingesetzt und sind für Drucke bis hin zu 69 bar verfügbar [150]. Problematisch ist hierbei auch der Einfluss der Temperatur, der durch Temperaturmessung über eine Referenzanordnung kompensiert werden muss. Neben der Größe Druck können auch einkomponentig Kräfte und Dehnungen erfasst werden (vgl. Abb. 10.30). Der Aufbau entspricht hierbei einem MichelsonInterferometer. Das Sensorelement besteht aus zwei Multimodefasern, wobei die Dehnung nur auf eine der Fasern übertragen wird. Wie auch bei der Fabry-PérotAnordnung besteht das Sensorelement aus zwei planparallelen, reflektiven Flächen, deren Abstand durch die Dehnung variiert wird. Innerhalb der Ausleseeinheit befindet sich eine Referenzmessanordnung. Zur Auswertung der Dehnung werden die Phasenlagen der Mess- und der Referenzanordnung verglichen. Mit diesem Prinzip sind hohe Signalfrequenzen von mehreren Kilohertz detektierbar. Die Abmessungen des Sensors ergeben sich aus dem Duchmesser der Faser inklusive Schutzbeschichtung (coating) von ≤ 1 mm und der anwendungsabhängigen Länge von 2 bis 20 mm. Bei den Drucksensoren liegt die Genauigkeit bezogen auf den Nennwert des Sensors bei etwa 0,5% bei den Dehnungssensoren bei 15·10−6. Ausleseeinheit
Sensor Kupplung
Spiegel (fest)
Spiegel (beweglich)
Spiegelzone
Referenzpunkte zur Messung der Längenänderung LED
{
PC
Photodiode Wandlung & Verstärkung
Abb. 10.30 Kompensation des Temperatureffekts in einem interferometrischen Dehnungssensor nach [107].
10.2.6.3 Änderung der Wellenlänge Zur optischen Erfassung mechanischer Dehnungen sind so genannte Faser-BraggGitter-Sensoren (FBGS) weit verbreitet. Hierbei variiert der Brechungsindex des Kerns einer Monomodefaser in Abhängigkeit des Ortes (s. Abb. 10.31), so dass sich eine Gitterstruktur ergibt. Die Brechungsindexmodulation kann durch
10.2 Sensorprinzipien
361
2π n(z) = n0 + δ ne f f ektiv (z) = n0 + δ ne f f ektiv · 1 + s · cos z + φ (z) (10.29) Λ
Intensität
beschrieben werden (vgl. [215]). n0 ist hierbei der Brechungsindex im Kern der Faser, δ ne f f ektiv der Mittelwert der Indexvariation und s ein Maß für die Stärke der Indexvariation. Λ kennzeichnet die Gitterperiode und die Phasenverschiebung φ (z) wird durch die Messgröße hervorgerufen. Im unbelasteten Fall gilt φ (z) = 0. Abbildung 10.31 zeigt den schematischen Aufbau. Wird nun Licht in die Faser einge-
Eingang Bragg-Gitter L
l
1250nm
Mantel
1400nm
Kern y x
Intensität
z Reflexion nKern(z) n0+dneff(z)(1+s) l
n0+dneff(z)
1304nm 1305nm
n0
n0+dneff(z)(1-s) z
Abb. 10.31 Aufbau eines Faser-Bragg-Gitter-Sensors angelehnt an [215] .
koppelt, so wird ein Teil des Licht dem Gesetz von B RAGG folgend reflektiert. Der Reflexionsspektrum hat einen Peak bei der so genannten B RAGG-Wellenlänge λb . Diese Wellenlänge ist abhängig vom Brechungsindex n(z) und der Gitterperiode Λ :
λb = 2nΛ .
(10.30)
Wird durch die mechanische Größe nun der Gitterabstand bzw. der Brechungsindex variiert, so verschiebt sich das Maximum des Reflexionsspektrum von λ0 im unbelasteten Zustand zu einer anderen Wellenläge. Aus dem Wellenlängenshift kann auf die wirkende mechanische Größe rückgeschlossen werden. Es ergibt sich folgender Zusammenhang:
Δλ δ n/n = (1 − C0) ·(S + αV K · Δ ϑ ) + ·Δϑ, λ0 δϑ
(10.31)
k−Faktor
wobei αV K der Temperaturausdehnungskoeffizient des Verformungskörpers und C0 der photoelastische Koeffizient ist. Neben der Änderung durch die rein mechanische Dehnung S hat die Änderung der Temperatur ϑ einen ebenso großen Einfluss auf den Wellenlängenshift. Zur Temperaturkompensation muss eine weiterer
362
10 Kraftsensorentwurf
FBG-Sensor in einem dehnungsfreien Gebiet installiert werden, um die temperaturbedingten Wellenlängenshift bestimmen zu können. Die Temperaturkompensation erfolgt rechnerisch. Analog zu resistiven Dehnungssensoren ergibt sich für FBGSensoren ein k-Faktor von k ≈ 0,78 bei konstanter Messtemperatur. Es können Dehnungen bis zu 10.000 μ m/m erfasst werden. Die Höhe der Sensoren liegt im Bereich der Monomodefaser, die Länge wird von der Gitterlänge bestimmt die midestens 3 mm Länge aufweisen muss, um ein auswertbaren Reflexionsspektrum zu liefern (vgl. [128], [26] oder [54]). Die Auflösung liegt bei 0,1 μ m/m und ist wie auch die Dynamik nur von der Auswerteeinheit bestimmt. Zur Kraftmessung können diese Sensoren wie handelsübliche Dehnmessstreifen auf einen Verformungskörper appliziert werden, dessen Abmessung und Gestalt den Messbereich bestimmt. Problematisch bei der Verwendung dieser Sensoren zur indirekten Kraftmessung auf metallischen Verformungskörpern sind die stark abweichenden Temperaturausdehnungskoeffizienten von Faser, Kleber und Verformungskörper sowie die schlechte Reproduzierbarkeit der Verklebung. Insbesindere durch das Kriechen des Klebers und der manglenden Kriechanpassung auf das Verformungskörpermaterial kommt es zu großen Messfehlern. Wie schon bei den Microbending-Sensoren beschrieben, können auch bei diesem Prinzip mehrere räumlichverteilte Messstellen realisiert werden. Zur Unterscheidung der verschiedenen Messstellen können Gitter mit unterschiedlichen Gitterperioden Λi und damit verschiedenen Bragwellenlängen λb eingeschrieben werden. Weitergehende Informationen zur Verwendung von FBGSensoren sind beispielsweise [215], [54], [26] und [128] zu entnehmen.
10.2.7 Piezoelektrische Sensoren Insbesondere zur Erfassung hochfrequenter Messvorgänge sind piezoelektrische Sensoren weit verbreitet. Der Messeffekt dieser Sensoren beruht auf einer messgrößeninduzierten Ladungsverschiebung innerhalb des piezoelektrischen Materials, dem so genannten piezoelektrischen Effekt (siehe Abschnitt 9.4). Die Ladungsverschiebung führt zu einer zusätzlichen Polarisation des Materials und damit zu Ladungsänderungen an der Oberfläche des piezolektrischen Materials, welche mittels Elektroden ausgewertet wird (siehe Abb. 10.32). Neben der Erfassung der mechanischen Größe Kraft wird dieses Sensorprinzip insbesondere zur Messung von Druck und Beschleunigung eingesetzt. Zur Kraftmessung wird überwiegend der longitudinale Effekt genutzt. Detailierte Informationen zum piezoelektrischen Effekt sowie der möglichen Bauformen sind Abschnitt 9.4 zu entnehmen. Die in der Sensortechnik verwendeten Materialien sollen im Folgenden genauer vorgestellt werden. Die technisch nutzbaren piezoelektrischen Materialien lassen sich in drei Gruppen unterteilen. Die erste Gruppe sind Einkristalle wie beispielsweise Quarz oder GalliumOrthophosphat10. Die sich im Lastfall ergebende Polarisationsänderung ist direkt proportional zur mechanischen Spannung. Das Übertragungsverhalten ist sehr li10
Dieser Kristall ist insbesondere bei hohen Temperaturen einsetzbar.
10.2 Sensorprinzipien
363
Elektrode F +Q
3 E3=0 -Q
D3 T3
2 1
piezoelektrisches Material Abb. 10.32 Visualisierung des piezoelektrischen Prinzips nach [276].
near und es tritt keine Hystere auf. Die piezoelektrischen Koeffizienten sind sehr langzeitstabil. Nachteilig ist der geringe Kopplungsfaktor k von etwa 0,1. Zur Erinnerung: k ist definiert als Quotient aus der umgewandelten und der aufgenommenen Energie. Die zweite Gruppe bilden so genannte polykristalline Piezokeramiken, wie Bariumtitanat (BaTiO3 ) oder Blei-Zirkonat-Titanat (PZT, Pb(ZiTi)O3 ), die im Sinterprozess hergestellt werden. Die Polarisation wird im Herstellungsprozess künstlich erzeugt (vgl. Abschnitt 9.4). Vorteilhaft bei diesem Material ist der 7-mal größere Kopplungsfaktor als bei Quarz, nachteilig jedoch das nichtlineare und Hysterese behaftete Übertragungsverhalten und die geringe Langzeitstabilität. Das Material neigt zur Depolarisation. Die letzte Gruppe bilden teilkristalline Kunststofffolien aus Polyvinylidenfluorid (PVDF). Der Kopplungsfaktor liegt mit 0,1 bis 0,2 im Bereich der Quarze. Vorteilhaft ist die geringe Bauhöhe (Foliendicken von wenigen μ m) und die hohe Elastizität des Materials. Die beiden ersten Materialen finden in den klassischen Kraftsensoren wie sie beispielsweise von der Firma Kistler vertrieben werden, Anwendung. Die messbaren Nennkräfte liegen im Bereich von 50 N bis 1,2 MN, die Abmessungen liegen bei etwa 16 mm Durchmesser und ca. 8 mm Höhe. Dynamische Vorgänge im 100 kHzBereich sind erfassbar. Sowohl Ein- als auch Mehrkomponentensensoren sind verfügbar. Abbildung 10.33 zeigt den Aufbau eines Drei-Komponenten-Kraftsensors von Kistler. Zur Analyse der dynamischen Bearbeitungskräfte beim Fräsen und Bohren im Werkzeugmaschinenbau bzw. zur Beanspruchungsanalyse im Automobilbau werden piezoelektrische Sensoren klassischer Weise eingesetzt. In haptischen Systemen findet diese Sensorvariante bisher keine Anwendung, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass prinzipbedingt statische Vorgänge nicht erfasst werden können. Sensoren, welche auf PVDF-Folien als piezoelektrisches Material zurückgreifen, werden zunehmend zur Erfassung dynamischer taktiler Vorgänge verwendet. Der hierbei genutzte piezoelektrische Effekt wird allerdings zur Erzeugung einer Aus-
364
10 Kraftsensorentwurf
F
F
Isolator Elektrode 1
Deckplatte
Deckplatte
piezoelektrische Elemente
Elektrode 2
Elektrode 2
(a) mögliche Aufbau-Varianten für piezoelektrische Kraftsensoren x z
+ + + + + +
2
- - - - - - - - - - -
y
x
+ + + + + + + + + + + +
3
- - - - - - - - - - -
y
+ + + + + + + + + + + +
1
- - - - - - - - - - + + + + + +
4 z
(b) Aufbau eines 3-Komponentensensors:1 Elektroden, 2 Quarzplatten Schereffekt Fx, 3 Quarzplatten Längseffekt - Fz, 4 Quarzplatten Schereffekt - Fy Abb. 10.33 Konstruktionsprinipien piezoelektrischer Kraftsensoren [276].
lenkung und nicht zu deren Messung eingesetzt, weshalb die Beschreibung dieses Prinzips in Abschnitt 10.2.8.1 erfolgt.
10.2.8 Exoten Die im Folgenden vorgestellten Sensorausführungen sind keine Kraft- oder Drucksensoren im klassischen Sinne, sondern wurden im Rahmen verschiedener Forschungsprojekte explizit für haptische Systeme entwickelt. Der Fokus dieser Entwicklungen liegt auf der ortsaufgelösten Erfassung taktiler Informationen.
10.2 Sensorprinzipien
365
10.2.8.1 Resonanzprinzip Zur Erfassung vibrotaktiler Information eignet sich bespielsweise das so genannte Resonanzprinzip . Abbildung 10.34(a) zeigt den prinzipiellen Aufbau eines solchen Sensors. Eine piezoelektrische Folie (PZT oder auch PVDF) wird hierbei als Aktor genutzt. Über die Elektroden an Ober- und Unterseite wird ein elektrisches Wechselsignal eingekoppelt und über den piezoelektrischen Effekt das Material zu mechanischen Schwingungen angeregt. Es schwingt in seiner Resonanzfrequenz f0 . n 1 · f0 = (10.32) 2d ρ d ist hierbei die Dicke, n die Nachgiebigkeit und ρ die Dichte des verwendeten Materials. Die Kraft, welche die Deformation hervorruft, ist proportional zur Frequzenzänderung [194]. Zur örtlich verteilten Messung sind die Sensoren als Array aus 3x3 bis hin zu 15x15 Sensoren aufgebaut. Die Abmessungen liegen je nach Anzahl der Array-Elemente bei 8x8 mm2 bzw. 14x14 mm2. Die Dicke der Sensorfolien ist << 1 mm. Ein großer Nachteil dieses Prinzips ist die starke Temperaturempfindlichkeit der Resonanzfrequenz des verwendeten piezoelektrischen Materials. Sie liegt bei ca. 11,5 Hz pro 1 ◦ C, ermittelt in einem Temperaturbereich zwischen 20 und 30 ◦ C [64], [134]. piezoelektrisches Material
Zeilenelektrode
Sender
PZT-Folie
Spaltenelektrode Empfänger (a) Prinzipskizze eines Oberflächenwellen- (b) Prinzipskizze eines Arrays nach dem resonators Resonanzprinzip Abb. 10.34 Schematischer Aufbau von Sensoren, dienach dem Resonanzprinzip arbeiten. (a) aus [276], (b) aus [194] .
So genannte Oberflächenwellenresonatoren, auch SAW-Sensoren11 genannt, nutzen ebenfalls das Prinzip der Änderung der Resonanzfrequenz. Die Anregung erfolgt über eine Interdigitalstruktur (Sender) (siehe Abb. 10.34(b)). Die mechanischen Schwingungen mit Frequenzen im MHz-Bereich breiten sich auf der Oberfläche des Materials aus, werden an den parallelen Metallelementen reflektiert und 11
engl. Surface Acoustic Wave
366
10 Kraftsensorentwurf
von der Empfängerstruktur detektiert. Durch die mechanische Größe wird das Material deformiert, die Laufzeit der mechanischen Welle ändert sich und damit die Resonanzfrequenz. Auch hier ist die Temperatur eine der Hauptstörgrößen. SAWSensoren werden zur Erfassung von Kraft, Moment, Druck und Dehnung verwendet. Hinsichtlich des Arbeitsfrequenzbereichs können sowohl statische als auch dynamische Vorgänge erfasst werden.
10.2.8.2 Elektrodynamische Sensorsysteme Im Forschungsprojekt TAMIC wurde unter anderem ein aktives Sensorsystem zur Analyse von Organgewebe im Rahmen minimalinvasiver Operationen entwickelt (siehe [216]). Hierbei wird das Gewebe mittels eines elektrodynamisch angetriebenen Stößels zu Schwingungen angeregt (siehe Abschnitt 9.2). Der Stößel ist permanent in axialer Richtung magnetisiert. Die Bewegungen des Stößels induzieren in einer im System integrierten Spule Spannungen, über welche auf die durch das untersuchte Gewebe hervorgerufene Dämpfung und damit die wirkende Kraft rückgeschlossen werden kann. Die maximale Auslenkung des Stößels liegt bei 1 mm. Mit diesem System wurde dynamisch von 10 Hz bis 60 Hz gemessen. Die Kräfte liegen im Berech bis etwa 200 mN. Die Abmessungen des Sensorsystems liegen mit einem Durchmesser von ≤15 mm und einer Länge von ≤400 mm im Bereich herkömmlicher minimalinvasiver Instrumente. Detailierte Informationen sind [216] zu entnehmen. Ein weiteres Beispiel für einen miniaturisiertes Sensorsystem zur Erfassung räumlich verteilter, taktiler Information stellt H ASEGAWA in [84] vor. Abbildung 10.35 zeigt schematische den Aufbau eines Systemelements. Membran mit piezoresistiven Gebieten Krafteinleitung Permanentmagnet
Substrat Flachspule
Abb. 10.35 Schematischer Aufbau eines aktiven Elements nach [84]. Die Abmessungen liegen bei 6x6x1 mm3 .
10.2 Sensorprinzipien
367
Die Elemente sind in einem Array angeordnet. Im quasistatischen Betrieb des Systems kann neben der Kontaktkraft kann auch die Nachgiebigkeit des untersuchten Objekts erfasst werden. Die Oberseite des Systems bildet eine Silizummembran mit einem kleinen Würfel zur Krafteinleitung im Zentrum. Die Auslenkungen der Membran wird wie bei einem Siliziumdruck- oder kraftsensor durch piezoresistive Bereiche erfasst. Von der Auslenkung kann auf die wirkende Kontaktkraft rückgeschlossen werden. Zur Erfassung der Nachgiebigkeit des Objekts wird die Flachspule (siehe Abb. 10.35) bestromt. Im Zentrum an der Unterseite der Membran ist ein Permanentmagnet angebracht. Das sich ergebende Magnetfeld ist dem Feld des Permanentmagnten entgegengerichtet, die Membran wird ausgelenkt und der Würfel in das Objekt gedrückt. Die zur Deformierung des Objekts aufgewendete Kraft wird mit der piezoresistiv erfassten Auslenkung zur Berechnung der Objektnachgiebigkeit verwendet. Im dynamischen Betrieb wird die Spule mit einem Wechselsignal betrieben, so dass die Membran in ihrer Resonanzfrequenz schwingt. Durch den Kontakt mit dem zu vermessenden Objekt wird die Resonanzbedingung geändert. Aus den sich ändernden Parametern wie Phasendrehung, Resonanzfrequenz und Amplitude kann auf die elastischen Koeffizienten sowie die Dämpfungskoeffizienten des Materials rückgeschlossen werden. Aufgrund der starken Miniaturisierung können hochfrequente Vorgänge bis zu mehreren Kilohertz erfasst werden. Die Nennkräfte liegen im Bereich von etwa 2 N, die Auflösung des Systems ist unbekannt.
10.2.8.3 Elektroluminiszenzsensoren Ein hochauflösender Berührungssensor wird von S ARAF [207] vorgestellt. Er soll zur Analyse der Textur von Organoberflächen eingesetzt werden. Abbildung 10.36 zeigt den schematischen Aufbau. Auf einem trasparentem Glassubstrat ist eine 10 μ m dicker Schichtverbund bestehend aus Gold- und Cadmiumsulfitpartikeln12 aufgebracht. Die Schichten sind durch dielektrische Barrieren voneinander getrennt. Die Kraft bzw. der Druck wird an der obersten Goldschicht eingeleitet und bewirkt ein Durchbrechen der dielektrischen Schicht und es kommt zum Stromfluss. Außerdem wird hierbei Energie in Form kleiner Lichtblitze freigesetzt. Das optische Signal wird von einer CCD-Kamera detektiert. Das optische Signal ist direkt proportional zur durch die Last hervorgrufene Dehnungsverteilung. Die sich ergebende Stromdichte wird ebenfalls ausgewertet. Die räumliche Auflösung der Anordnung liegt bei 50 μ m. Nenndrücke bis etwa 0,8 bar sind detektierbar. Die Sensorfläche hat eine Größe von 2,5x2,5 mm2, die Dicke des Sensors ist mit ≤ 1 mm sehr gering. Weitere Informationen sind [207] zu entnehmen.
12
halbleitendes Material
368
10 Kraftsensorentwurf
Messobjekt
F, p
Goldkontaktschicht
I V
Messelement transparente Elektrode
Glassubstrat CCD
Sammellinse
Abb. 10.36 Schematischer Aufbau eines Elektroluminiszenzsensors nach [207].
10.3 Auswahl eines geeigneten Sensors In den vorangegangenen Abschnitten wurden zunächst die Quellen zur Anforderungsermittlung vorgestellt. Daran anschließend folgte die Vorstellung und Diskussion der wichtigsten Sensorprinzipien zur Ermittlung der Kraft. Der nun folgende Abschnitt soll als Hilfestellung dienen, um für die jeweilige Anwendung den geeigneten Kraftsensor zu ermitteln. Abhängig von den ermittelten Anforderungen, die mit Hilfe der in Abschnitt 10.1 vorgestellten Anwendungsbestimmung erfolgen kann, können so geeignete Sensorprinzipien ausgewählt werden. Zur besseren Übersicht sind die in Abschnitt 10.1.5 disskutierten Hauptanforderungen in Tabelle 10.4 zusammengestellt. Die Anforderungen sind hinsichtlich der menschlichen Wahrnehmung in kinästhetische und taktile Information unterteilt. Detaillierte Angaben insbesondere zur Kraft- bzw. Ortsauflösung der jeweiligen Sensorvarianten sind dem Abschnitt 10.1 zu entnehmen. Die Eigenschaften der aktiven oder auch passiven Wandler, bei denen eine mechanische Zwischengröße wie Dehnung oder Spannung erfasst und über die Elastomechanik die Kraftberechnung erfolgt, sind stark abhängig von der Gestaltung des Verformungskörpers. Insbesondere Nennkraft, Anzahl der detektierbaren Komponenten und Dynamik werden direkt vom Verformungskörperdesign beeinflusst. Ein Vergleich mit den anderen Sensorprinzipien ist schwer möglich. Daher sollen diese Verfahren seperat untereinander verglichen werden. Als Vergleichskriterien werden Übertragungsverhalten und Abmessungen gewählt. Abbildung 10.37 klassifiziert die Prinzipien hinsichtlich ihrer k-Faktoren und Abmessungen. Je kleiner ein Dehnungsmesselement, umso miniaturisierter kann der Kraftaufnehmer ausgeführt werden. Aufgrund der somit geringen Masse ergibt sich eine höhere obere Grenzfrequenz des Sensors. Je höher der k-Faktor des Messelements ist, umso geringere Dehnungen sind für ein hohes Ausgangssignal nötig und umso steifer kann die Struktur des Verformungskörpers sein bzw. umso kleinere Nennkräfte sind mit diesem Sensorprinzip detektierbar. Hinsichtlich der unteren Grenzfrequenz sind die vorgestellten Dehnmesselemente bis auf die SAW-Sensoren auch zur Erfassung sta-
10.3 Auswahl eines geeigneten Sensors
369
Tabelle 10.4 Zusammenstellung der Kernanforderungen an haptische Sensoren Art der Information kinästhetisch
Anforderung
Wert
Nennkraft FN
(5 ... 100) N
Auflösung Δ F
5 %FN
Arbeitsfrequenzbereich
(0 ... 10) Hz
Nennkraft FN
≤ 0,3 N bzw. ≤ 4,5 N
Auflösung Δ F
5 %FN
taktil
Arbeitsfrequenzbereich
(0 ... 1.000) Hz
Ortsauflösung Δ x
strukturabhängig, ≥ 1 mm
tischer Messvorgänge geeignet. Mit Hilfe piezoresistiver und kapazitiver Siliziumsensoren können Messfrequenzen bis 10 kHz hochauflösend detektiert werden. Fläche 2 [mm ] a b c d e f
f
10 b
5
optische DMS, z.B. FBGS Metallfilm-DMS Dickfilm-DMS Dünnfilm-DMS Si-DMS SAW-Sensoren
a
0,5
c d e k 2
5
10
15
20
40
80
Abb. 10.37 Vergleich verschiedener Dehnungsmessverfahren hinsichtlich Abmessung und kFaktor.
Für die übrigen Sensorprinzipien ist es sinvoll, die Nennkraft in Abhängigkeit der Abmessung darzustellen. Abbildung 10.38 ordnet die vorgestellten Prinzipen hinsichtlich ihrer Nennkraft und dem zugehörigen Bauvolumen ein. Bis auf piezoelektrische Sensoren können alle Sensorprinzipien sowohl statische, als auch dynamische Vorgänge erfassen. Die obere Grenzfrequenz ist überwiegend abhängig von der zu bewegenden Masse. Daher gilt, je miniaturisierter der Sensor,
370
10 Kraftsensorentwurf
Volumen 3 [mm ] kapazitiv (Keramik) piezoelektrisch*)
100
piezoelektrisch**) (System)
10
piezoresistiv (ATI)
faseroptisch
1
kapazitiv (Silizium)
resistiv (FSR)
kapazitiv (Folie)
piezoresistiv***) FN [N] 1
10
100
*) Handelsübliche Kraft-/ Momentensensoren **) aktive Sensorsysteme, die unter der Rubrik Exoten aufgeführt wurden ***) Tactologic-System Abb. 10.38 Vergleich verschiedener Sensorprinzipien hinsichtlich Abmessung und Nennkraft.
umso höher ist die obere Grenzfrequenz. Abbildung 10.39 vergleicht die vorgestellten Sensorprinzipien hinsichtlich der detektierbaren Nennkraft und des Arbeitsfrequenzbereichs. Mit Hilfe der vorgestellten Diagramme kann in einer Vorauswahl das geeignete Sensorprinzip für den jeweiligen Anwendungsfall ermittelt werden. Die weiteren Sensoreigenschaften wie Auflösung, Energieverbrauch, Kosten oder Störgrößeneinfluss sind stark abhängig von der jeweiligen Realisierung und werden daher nicht gegenübergestellt. Weiterführende Beschreibungen der Sensoreigenschaften sind den in den vorhergehenden Abschnitten angegebenen Quellen zu entnehmen.
10.3 Auswahl eines geeigneten Sensors
371
FN [N]
kapazitiv (Keramik)
100
piezoelektrisch*) kapazitiv (Folie) piezoresistiv (ATI)
10 resistiv (FSR)
piezoelektrisch**) (System)
1
piezoresistiv***)
faseroptisch kapazitiv (Silizium)
f [Hz] 0
1
10
100
1000
*) Handelsübliche Kraft-/ Momentensensoren **) aktive Sensorsysteme, die unter der Rubrik Exoten aufgeführt wurden ***) Tactologic-System Abb. 10.39 Vergleich verschiedener Sensorprinzipien hinsichtlich Nennkraft und Arbeitsfrequenzbereich.
Kapitel 11
Einsatz von Positionssensoren
T HORSTEN A. K ERN
Um die Nutzerreaktion bei haptischen Systemen zu erfassen, ist zumeist eine Messung von Positionen bzw. deren zeitlichen Ableitungen (Geschwindigkeiten, Beschleunigungen) notwendig. Hierfür stehen eine Vielzahl von unterschiedlichen Messprinzipien zur Verfügung. Da für haptische Anwendungen, insbesondere kinästhetische, in der Regel eine Rückwirkung auf das Aktorsystem nicht gewünscht wird, konzentriert sich diese Darstellung auf mechanisch rückwirkungsfreie Prinzipien. Neben den allgegenwärtigen optischen Messprinzipien ist es gerade in Verbindung mit dem Entwurf angepasster Antriebe interessant, induktive oder kapazitive Messverfahren zu nutzen. Dieses Kapitel gibt eine Übersicht über die gängigsten Verfahren, verbunden mit Hinweisen zu ihren Vor- und Nachteilen in Bezug auf haptische Anwendungen.
11.1 Grundprinzipien der Positionsmessung Man unterscheidet zwei Arten von Positionsmesssystemen, differentielle und absolut messende Systeme.
11.1.0.4 Inkrementalprinzip Differentielle Systeme erfassen die Änderung in diskreten Schritten sowie die Änderungsrichtung, und protokollieren (meistens: zählen) diese Ereignisse. Dieses Protokoll muss durch ein Signal in einer Refrenzposition zurückgesetzt werden. Tritt kein Schrittverlust während der Bewegung auf, beinhaltet ein einmal referenziertes differentielles System die absolute Position. Wählt man die Referenzposition
373
374
11 Einsatz von Positionssensoren
innerhalb eines häufig genutzten Arbeitsraumbereiches, dann wird im Betrieb ein differentielles System mehrfach referenziert, und Schrittverluste wirken sich nur bis zur erneuten Referenzierung aus. Die Messung der Schritte erfolgt über ein diskretes, periodisch auftretendes Ereignis, meist eine Codescheibe oder Kerben in einem magnetischen Rotor. Dieses Ereignis wird durch den Sensor in ein digitales Signal gewandelt, dessen Frequenz proportional der Geschwindigkeit der Bewegung ist (Abb. 11.1A). Um neben den diskreten Ereignissen auch eine absolute Lage zu erfassen, ist die oben erwähnte Richtungsmessung notwendig. Dazu werden häufig dieselben Ereignisse mit einem Phasenversatz (zwischen 1◦ und 179◦, optimal 90◦) gemessen. Betrachtet man nun den Status (high/low) dieses zweiten inkrementelle Signal (Abb. 11.1B) an z.B. den steigenden Flanken des ersten inkrementellen Signals (A), dann hat man ein low für die eine und ein high für die andere Bewegungsrichtung. Entsprechend addiert bzw. subtrahiert man die Zählung bei den jeweiligen Richtungen. Gängige Mikrocontroller sind mit Zählern für inkrementelle Messungen ausgestattet, die bereits Eingangspins für das Zählsignal und die Zählrichtung geben. Diskrete Zählbausteine werden als ”Quadrature-Encoder” ICs angeboten und beinhalten meist Motorsteuerungen, die aber eher für Positionieraufgaben und daher nicht für haptische Anwendungen optimiert sind. Direction
Direction
U[V]
U[V]
A
A t
B a)
t B
t b)
t
Abb. 11.1 Prinzip der Richtungsdetektion bei zwei um 90◦ phasenverschobenen, digitalen Signalen.
11.1.0.5 Absolutmessung Absolute Systeme erfassen direkt einen Positions- oder Winkel-proportionalen Wert. Sie werden meist analog ausgeführt. Eine Referenzierung dieser Systeme ist nicht erforderlich. Weiterhin haben sie Vorteile in Bezug auf die Messfrequenz, da sie nicht mit einer der maximalen Bewegungsgeschwindigkeiten angepassten Dynamik messen müssen um keine Schritte zu verpassen, sondern mit einer dem nachgeschalteten Verarbeitungsprozess angepassten Frequenz, die häufig deutlich niedriger liegt. Durch die analoge Messtechnik ist der Aufwand in der Schaltung, der Stör-
11.2 Anforderungen im haptischen Zusammenhang
375
kompensation und der quasi obligaten Digitalisierung der analogen Signale aber verhältnismäßig hoch. Eine Alternative zu der reinen Absolutmessung mit analoger Technik stellt eine diskrete Absolutmessung von definierten Zuständen dar. In Abschnitt 9.2.2.1, Abbildung 9.15, wurde bereits für die Kommutierung von EC-Antrieben eine diskrete Positionskodierung der Winkelstellung eines Magneten mit Feldplatten vorgestellt. Der Ansatz basiert darauf, über m Messstellen die n Zustände annehmen können eine diskrete Auflösung von Δ D durch nm = Δ D
(11.1)
zu erreichen. Im Falle des kommutierten EC-Antriebes gab es m = 3 Messtellen, die n = 2 Zustände annehmen konnten, und daher maximal 8 Positionen auf dem Umfang kodieren, wovon aber nur sechs genutzt wurden. Es gibt aber auch komplexere optische Codescheiben mit mehreren Bahnen für jeweils einen Sensor. Diese können in der Regel zwei Zustände annehmen (hätte man z.B. mehrere Farben auf der Codescheibe, wären auch mehrere Zustände denkbar), so dass z.B. eine Auflösung von 1◦ (also 360 diskreten Schritten) eine Anzahl von m=
log(Δ D) = 8.49 log(n)
(11.2)
mindestens neun Bahnen zur Kodierung benötigt.
11.2 Anforderungen im haptischen Zusammenhang Positionsmesssysteme werden neben der Ampltiude vor allem durch ihre Auflösung und die Dynamik der Messung charakterisiert. Für haptische Geräte wird, in Anlehnung an die Bemessungsgrundlage von Computer-Mäusen und Scannern, die Positionsauflösung in einem Arbeitsraum gerne in Dots-Per-Inch angegeben (Δ Rinch ). Die Auflösung Δ Rmm in metrischen Millimetern ergibt sich dann zu:
Δ Rmm =
25, 4 mm DPI . Δ Rinch
(11.3)
Ein System mit 300 dpi Auflösung hat also eine Positionsauflösung von 84 μ m. In Abhängigkeit des verwendeten Messsystems sind unterschiedliche Maßnahmen notwendig, um diese Messunsicherheit zu erreichen. Bei inkrementell arbeitenden Messsystemen sind die Sensoren für die Erfassung einzelner Schritte (z.B. Löcher in einer Maske) häufig niedriger auflösend, so dass eine Übersetzung der Bewegung auf größere Ausschläge stattfinden muss. Dies geschieht meist durch Vergrößerung des Durchmessers der Codierscheibe auf einer Achse und Messung dicht an ihrem Rand. Bei analogen absolut arbeitenden Systemen besteht die Möglichkeit die Signalaufbereitung zu verbessern. Ziel ist es, den Rauschanteil im Signal relativ zum
376
11 Einsatz von Positionssensoren
Nutzsignal zu minimieren. Dies geschieht vor allem durch die Unterdrückung von Störquellen (z.B. Umgebungslicht), die Modulation und Filterung der Signale (z.B. Lock-in-Verstärker, siehe Abschnitt 11.6.0.6) oder die Verbesserung der Sekundärelektroniken der Sensoren (höher auflösende A/D-Wandler, konstantere Referenzquellen). Neben der Positionsmessung ist die Dynamik der Messung für den Entwurf zu berücksichtigen. Diese Anforderung ist nur für inkrementell arbeitende Messysteme relevant. Absolute Messsysteme benötigen eine Bandbreite, die der Bandbreite der Schnittstelle bzw. Übertragungsstrecke (Kapitel 12) für die Positionserfassung entspricht. Inkrementelle Messsysteme hingegen müssen unabhängig von der Bewegungsgeschwindigkeit immer jedes Ereigniss erfassen können. Die Protokollsysteme, zumeist Zähler in Mikrocontrollern, müssen daher entsprechend der maximalen Inkrementfrequenz ausgelegt werden. Hierzu sind Annahmen bezüglich der maximal auftretenden Bewegungsgeschwindigkeiten vmax zu treffen. Geht man z.B. davon aus, dass ein mit 300 dpi aufgelöstes System mit einer Maximalgeschwindigkeit von vmax = 100 mm/s bewegt wird, dann gilt für die Dynamik fink der Erfassung der Inkremente: 1 Δ Rmm = fink vmax
(11.4)
Für das Beispielsystem ergibt sich eine notwendige Messfrequenz von fink = 1190 Hz. Die effektive Zählfrequenz liegt zur Richtungserkennung in Abhängigkeit des verwendeten Messprinzips meist um den Faktor zwei bis vier oberhalb dieser Frequenz.
11.3 Optische Sensoren Optische Sensoren zur Positionsmessung werden gerne und häufig eingesetzt. Sie zeichnen sich im Gehäuse durch hohe Robustheit und gute Signalpegel aus. Sie sind kostengünstig und im Falle diskreter Positionsmessung auch sehr einfach auszulesen. 1
Codescheibe Codescheiben stellen die am weitesten verbreitete Form der Positionsmessung bei haptischen Geräten, vor allem in der Klasse von kostengünstigen Systemen, dar. Sie basieren auf einem transmittiven (Abb. 11.2a) oder reflektiven Prinzip, bei denen 1
Die hier aufgeführten Beispiele werden jeweils für translatorische oder rotatorische Anwendungen vorgestellt. Es ist aber immer die jeweils andere Bauform auch möglich, da ja bekanntlich eine Translation nur eine Bewegung auf einem Umfang mit einem unendlich großen Radius ist.
11.3 Optische Sensoren
377
ein Lichtstrom in diskreten Ereignissen freigegeben bzw. unterbrochen wird. Die dabei notwendige Blende liegt immer dicht über dem Empfänger, und wird häufig gestanzt, auf ein transparentes Substrat (Glas, Kunststoff) per Dickschichttechnik oder auch nur über einen Laserdrucker aufgetragen. Bei besonderen Anforderungen an die Auflösung werden sie aus Metall entweder selbst tragend oder wiederum auf einem Substrat als Träger einer dünnen Metallschicht nach einem photolithographischen Prozess geätzt. Für die Detektoren gibt es unterschiedliche Ausführungsformen. Auf Abbildung 11.2 ist zum einen ein diskreter Aufbau mit zwei Sendern in Form von Dioden und zwei Empfängern (Photodioden oder Phototransistoren) gezeigt. Die Anordnung der Sender/Empfänger-Einheiten muss den Phasenversatz der Signale zur Richtungsdetektion (siehe Abschnitt 11.1.0.4) ermöglichen. Alternativ werden Gabellichtschranken, als bereits gehäuste Sender/Empfänger-Einheit angeboten. Weiterhin gibt es Opto-Encoder (z.B. den HLC2705), welche die digitale Signalverarbeitung zur Richtungsdetektion aus den beiden inkrementellen Signalen integriert haben. Die Ausgabeleitungen beinhalten dann lediglich die Frequenz der Bewegung sowie ein Signal über die gerade anliegende Bewegungsrichtung.
Grauwerte Mit ähnlichen Komponenten, aber zur absoluten Messung lässt sich eine Grauwertscheibe bzw. auch ein Graukeil-Sensor bauen. Auch dieses Verfahren existiert transmittiv oder reflektiv (Abb. 11.2b), wobei der Lichtstrom durch Pigmente in der Scheibe in Abhängigkeit des Winkels/der Position unterschiedlich stark reflektiert wird. Die Amplitude der Reflexion gibt eine absolute Lageinformation der Scheibe wieder. Zur Messung ist wieder entweder ein diskreter Aufbau oder die Verwendung sogenannter Reflexlichtschranken möglich. Trotz der Tatsache, dass sie häufig als einfache digitale Schalter eingesetzt werden, weisen sie durch die fixe Positionierung einer Senderdiode und eines Empfängertransistors sehr interessante lineare Eigenschaften auf, z.B. in der Empfindlichkeit des Photostroms von der reflektierten Energiemenge, also der Absorption der Reflexionsfläche.
Reflexlichtschranke Reflexlichtschranken weisen auch für die direkte Abstandsmessung interessante Eigenschaften auf. Im Bereich von mehreren Millimetern haben sie einen stückweise linearen Zusammenhang zwischen Photostrom und Abstand des Sensors zur reflektierenden Fläche. Sie eignen sich daher als Sensor zur absoluten Positionsmessung translatorischer Bewegungen (Abb. 11.3a). Dadurch können z.B. bei der SFH900 bzw. deren SMD Nachfolger SFH3201 in einem Nahfeld bis ≈1 mm zum Sensor Messunsicherheiten von wenigen Mikrometern Messunsicherheit erzielt werden, während in einem Fernfeld von bis zu ≈5 mm nach dem Sensor noch Messungen 1 mit 10 mm Messunsicherheit gemacht werden können.
378
11 Einsatz von Positionssensoren
Diskreter AufbauTransmission
Diskreter Aufbau Reflexion
Reflexlichtschranke Optischer Encoder a)
b) Gabellichtschranke
Abb. 11.2 Inkrementelle optische Positionsmessverfahren (a) und Absolute Positionsmessung über Graukeil (b).
Maus-Sensoren Die Erfindung optischer Mäuse ohne Kugel hat zu einem für viele Anwendungen äußerst interessanten Sensortyp geführt. Die optischen Maus-Sensoren basieren auf einem IC, der über eine Optik eine beleuchtete Fläche ortsaufgelöst misst (Abb. 11.3b). Die Auflösung der verwendeten CMOS Detektoren beträgt meist 16x16 bzw. 32x32 Pixel. Basieren auf diesem Bild identifiziert der Chip die Bewegung von Kontrastsprüngen in Richtung und Geschwindigkeit. Das Interface zur Ausgabe dieser berechneten Werte variiert von Sensor zu Sensor. Die ersten Typen haben an jeweils zwei Pins ein inkrementelles Signal für Bewegungen in X bzw. Y-Richtung identisch zu den oben beschriebenen Messprinzip mit Codescheiben geliefert. Weiterhin boten sie auch die Möglichkeit, über ein serielles Protokoll das vollständige aufgenommene Bild abzufragen. Die modernen Sensoren (z.B. ADNB-3532) bieten nur noch serielle Protokolle zur direkten Kommunikation mit dem Mikrocontroller, was eine weitere Miniaturisierung durch den Verzicht auf Kontakte ermöglicht. Die Auflösung heutiger Sensoren liegt zwischen 500 und 1000 dpi und ist für die meisten haptischen Anwendungen ausreichend. Lediglich die Geschwindigkeit der Positionsausgabe variiert bei den unterschiedlichen am Markt angebotenen Sensortypen stark, und muss für den jeweiligen Entwurf kritisch überprüft werden. Sie liegt, soweit dem Autor bekannt, immer unterhalb von 50 Hz. Frühe Sensoren hatten auch ein Drift-Problem und neigten zu Zählfehlern, was nur durch häufige Referenzierung auszugleichen ist.
11.4 Magnetische Sensoren
379
Die Sensoren werden meist mit einer für Computer-Maus-ähnliche Anwendungen angepassten Optik ausgeliefert. Es besteht aber die Möglichkeit, über eine eigenen Optikentwurf auch Messungen von bewegten Oberflächen über weitere Distanzen von einigen Zentimetern zu machen.
Reflexlichtschranke LED
Kamera-Chip
Reflexionsfläche a)
a
Linse b) Reflexionsfläche
Abb. 11.3 Abstandsmessung mit Reflexlichtschranke (a) und Messung der Bewegung einer Reflexionsfläche in zwei Freiheitsgraden ”Maus-Sensor” (b).
Triangulatoren Optische Triangulation ist ein weiteres Prinzip zur berührungslosen Abstandsmessung, das aber bei haptischen Systemen selten zum Einsatz kommt. Über eine Lichtquelle, meist ein Laser, wird die zu messende Fläche beleuchtet, und der reflektierte Strahl fällt in Abhängigkeit von dem Abstand zur Fläche auf unterschiedliche Positionen entlang eines Sensorarrays (Abb. 11.4). Der Sensorarray kann aus diskreten Photodioden bestehen, wird aber meist als CCD oder CMOS Zeile mit entsprechend hoher Auflösung ausgeführt. Über Schwerpunktbildung zwischen mehreren Detektoren kann die Messunsicherheit weiter verringert werden. Triangulatoren sind verglichen mit den anderen optischen Messverfahren teuer, da insbesondere die Detektorzeile bei adequater Auflösung einen hohen Kostenfaktor darstellt. Bezüglich Grenzfrequenzen (» 1 kHz) und Messunsicherheiten (<10 μ m) lassen sie dann aber keine Wünsche offen. Es ist eines der wenigen Prinzipien, die nicht sinnvoll zur Messung kontinuierlich rotierender Systeme eingesetzt werden kann.
11.4 Magnetische Sensoren Neben den optischen Messprinzipien sind vor allem magnetische Messprinzipien bei haptischen Geräten interessant. Dies liegt darin begründet, dass für elektrodynamische oder elektromagnetische Aktoren bereits Magnetfelder im System erzeugt werden, die dann durch geeignete Sensoren erfasst werden können. Man unterschei-
380
11 Einsatz von Positionssensoren
Detektorzeile
Laser
a Abb. 11.4 Triangulation eines Abstands mittels Laser und Detektorzeile.
det generell zwischen Sensoren, die statische Felder, Feldplatte und Hall-Sensor, nutzen, und Sensoren, die Induktionsströme durch zeitlich veränderliche Felder zur Grundlage haben.
Feldplatten Feldplatten sind zweipolige Elemente und können als magnetisch steuerbare Widerstände betrachtet werden. Sie nutzen den G AUSS-Effekt, der darauf beruht, dass Ladungsträger beim Durchlaufen eines Magnetfeldes aufgrund der L ORENTZ-Kraft abgelenkt werden. Die damit verbundene Verlängerung des Weges [181] bedingt eine Erhöhung des ohm’schen Widerstandes, die als Materialparameter von der Elektronenbeweglichkeit und der durchlaufenen Strecke im Magnetfeld abhängig ist. Als Material für Feldplatten kommt InSb mit besonders hoher Elektronenbeweglichkeit zum Einsatz, das zusätzlich ähnlich einem metallischen DMS meanderförmig geführt ist. Feldplatten sind nicht sensitiv auf die Polarität des Magnetfeldes, sie detektieren also nur den Betrag. Die Widerstandserhöhung ist nichtlinear ähnlich einer Dioden oder Transistorenkennlinie. Es wird eine magnetische Vorspannung empfohlen, um die Platte im linearen Bereich zu betreiben.
Hall-Sensoren Hall-Sensoren beruhen ebenfalls auf dem G AUSS-Effekt, nutzen aber im Gegensatz zur Feldplatte nicht die Widerstandserhöhung über den Stromfluss durch den
11.4 Magnetische Sensoren
381
Halbleiter, sondern messen die Spannung orthogonal zum Stromfluss, die sich aus der Verschiebung der Elektronen vom direktem Pfad durch das Halbleitermaterial ergibt. Das daraus resultierende Signal ist linear und biploar entsprechend der Feldrichtung. ICs mit integrierter Verstärkerelektronik und digitalen oder analogen Ausgangssignalen werden am Markt angeboten. Eine häufige Verwendung ist eine um einen Winkel α versetzte Anordnung an einem diametral magnetisierten Rotationsmagneten (Abb. 11.5), über die bei analogen Sensoren eine absolute Lagedetektion sowie eine Drehrichtungserkennung durchgeführt werden kann.
N a
S
Abb. 11.5 Messung des Rotationswinkels eines Magneten über Feldplatten oder Hall-Sensoren.
Induktions-Systeme Eine Alternative der Positionsmessung besteht in der Ausnutzung der Änderung von Induktivitäten. Diese ist abhängig von mehreren Parametern, Beispielsweise der magnetischen Permeabilität innerhalb einer Spule. Über eine differentielle Messung zwischen zwei Spulen (Abb. 11.6b) ist eine Wegmessung möglich, wenn z.B. ein Ferromagnetisches Material als Eisenkern verschoben wird. Alternativ kann auch die Geometrie des Eisenkreises oder dessen Sättigung die Induktivität beeinflussen. Dies macht man sich bei Systemen zu nutze, die in der Nähe einer Spule (Abb. 11.6a) einzelne Ereignisse über Kerben in einem ferromagnetischen Material kodieren. Ein einfaches elektronisches Verfahren zur Messung einer Induktivität ist der Aufbau eines LR-Seriengliedes, das - beispielsweise über einen Mikrocontroller - mit einem Spannungssprung beaufschlagt wird. Gemessen wird die Zeit, die die Spannung über dem Widerstand benötigt, um einen definierten Pegel an einem Komparator zu über- bzw. zu unterschreiten. Die Zeitdauer entspricht bei konstantem Widerstand der Induktivität. Man beachte allerdings bei der Auslegung, dass die
382
11 Einsatz von Positionssensoren
gewickelte Spule einen nicht zu vernachlässigenden eigenen Widerstandsanteil hat. Alternativ kann auch das LR-Glied mit einer Frequenz nahe der durch RL gegebenen Resonanzfrequenz beaufschlagt werden. Die am Widerstand gemessene Spannungsamplitude variiert in Abhängigkeit der Verstimmung der Induktivität durch die oben genannten Einflüsse.
a weichmagnetisch i1
i2
u1
u2
ferromagnetisch i1 u1 i1
a)
a
b)
u1
Abb. 11.6 Inkrementelle Messung einer Bewegung über Induktionsströme (a) und differentielle Messung der Lage eines Eisenkerns (b).
11.5 Weitere Wegsensoren Neben den oben genannten Wegmessverfahren gibt es noch einige seltener eingesetzte Prinzipien, die hier aber dennoch kurz Erwähnung finden sollen.
Ultraschallsensoren Ultraschallsensoren (Abb. 11.7) basieren auf der Laufzeitmessung zwischen der Aussendung einer akustischen Schwingung und der Zeitmessung bis zu ihrer Reflexion. Die verwendete Frequenz ist abhängig von der zu erreichenden Messunsicherheit und dem Medium, in dem die Welle sich ausbreiten soll. Grob gilt, umso dichter ein Signal umso geringer ist dessen Dämpfung. Für Messungen in Geweben kommen Frequenzen zwischen 1 und 40 MHz zum Einsatz, im Wasser wird bei Frequenzen zwischen 100 und 500 kHz gemessen, in der Athmosphäre nutzt man Frequenzen <30 kHz. Während bei medizinischen Anwendungen mit Gewebe als Medium die Dämpfung im Bereich 1 dB/Mhz/cm recht linear ist, ist die Dämpfung bei Messungen in der Athmosphäre stark abhängig von der gewählten Frequenz und
11.5 Weitere Wegsensoren
383
meist nichtlinear. Weiterhin variiert die Schallgeschwindigkeit in Abhängigkeit der akustischen Dichte des Mediums. Für die transversale Richtung, die meistens zur Messung verwendet wird, ergeben sich so zwischen ≈340 m/s in Luft und ≈1500 m/s in Wasser. Die entsprechend der Wellentheorie minimal erreichbare Messunsicherheit in transversaler Richtung von λ2 ist natürlich mit beiden Faktoren gekoppelt und begrenzt so eine minimal erreichbare Messunsicherheit. Als Quelle und Empfänger der mechanischen Schwingungen kommen in den meisten Anwendungen piezoelektrische Materialien zum Einsatz (Abb. 11.7b), die über eine Masse in ihrem Ausschwingverhalten zusätzlich gedämpft werden, um klar abgegrenzte Schallimpulse zu erreichen.
Ultraschallsensor
a)
b)
Rückwärtiger Dämpfer Piezokeramische Scheibe Ankoppelschicht
Abb. 11.7 Abstandsmessung mittels Ultraschallsensor (a) und Querschnitt durch medizinischen Ultraschallkopf (b).
Kapazitive Sensoren In Abschnitt 9.5 wurden die Gleichung zur Berechnung von Kapazitäten zwischen den Platten elektrostatischer Aktoren (Gl. 9.79) eingeführt. Natürlich kann auch die Messung einer variablen Kapazität, insbesondere in Bezug auf den linearen Effekt einer transversalen Plattenverschiebung, zur Positionsmessung verwendet werden. Dies ist insbesondere dann interessant, wenn im technischen Aufbau bereits relatv zueinander bewegende, leitfähige Komponenten zum Einsatz kommmen. Da die Kapazität aber stark von der Permittivität des Mediums zwischen den Platten abhängig ist, und dieses sich bereits durch verstäubte Öle oder Luftfeuchtigkeit deutlich verändern kann, ist eine derartige Messung nur bei entsprechend unanfälligen oder gut gehäusten Aktoren zu empfehlen. Dennoch haben kapazitive Sensoren für haptische Anwendungen ein interessantes Einsatzgebiet, da über die Messung der Kapazitätsänderung an einem Griff auch bei einer nicht-leitfähigen Beschichtung über der eigentlichen Elektrode eine Berührung sicher identifiziert werden kann.
384
11 Einsatz von Positionssensoren
11.6 Elektronik für absolute Positionssensoren Die absolute Messung einer Position bedarf, wie zuvor bereits erwähnt, einem gegenüber diskreten Sensoren gesteigerten Aufwand in der Elektronik. Zwei Aspekte seien im Folgenden näher erläutert.
Konstantstromspeisung und Spannungsreferenzen Für die Erzeugung eines konstanten Strahlungsflusses oder der Messung über einer Messbrücke ist die Verwendung einer Konstantstromquelle notwendig. Neben der Möglichkeit zur Beschaltung von Operationsverstärkern als Konstantstromquellen oder der Nutzung von Transistorschaltungen, existiert für Aufbauten mit niedriger Stückzahl die Möglichkeit spezielle ICs als Stromquellen zu verwenden. Der LM234 als Beispiel ist ein Spannungsgesteuerter 3-poliger IC, der einen Strom mit einem maximalen Fehler von 0.1 %/V Änderung in der Versorgungsspannung hält. Die maximal zur Verfügung gestellten 10 mA sind für die Versorgung optischer und resistiver Sensoren in der Regel ausreichend. Die Änderung eines Signals wird meistens relativ zu einer Spannung im System gemessen. Hier ist es notwendig, dass die Spannung möglichst genau bekannt und unabhängig von Temperatureffekten oder Schwankungen auf der Eingangsseite gehalten wird. Für diese Anforderungen sind übliche Spannungsregler, wie sie auch zur Versorgung von Schaltungen eingesetzt werden, nicht geeignet. Eine Alternative stellen Zehnerdioden im Sperrbetrieb da. Diese können jedoch nicht nach belieben belastet werden, und sind natürlich nur für die Stunden der Zehnerspannungen erhältlich. Am Markt werden weiterhin sogenannten Referenzspannungsquellen für eine Vielzahl von Spannungsstufen angeboten. Der REF02 beispielsweise ist ein sechspoliger IC, der temperaturstabil eine Spannung von 5 V mit einem Fehler von 0,3 % hält. Die Last für deratige Spannungsquellen ist begrenzt, im Falle der REF02 nur 10 mA, aber ihre Anwendung ist auch nicht die Versorgung der Schaltung, sondern nur die Bereitstellung eines Referenzwertes.
11.6.0.6 Kompensation von Störungen Die naheliegenste Methode zur Kompensation von Störungen im Messsignal liegt in der Verwendung einer Trägerfrequenz mit der das Signal moduliert wird. Vorraussetzung ist natürlich, dass der Sensor im zur Modulation verwendeten Frequenzbereich keine signifikante Dämpfung aufweist. Dies ist zumindest bei optischen Sensoren im Bereich von einigen Kiloherz noch nicht gegeben. Auf der Empfängerseite wird das Signal dann Bandpass-gefiltert und gleichgerichtet oder anderweitig gemittelt, wodurch störende Frequenzen oder überlagerte Gleichanteile wirksam unterdrückt werden. Eine einfache aber äußerst effektive Schaltung zur Störungskompensation ist die
11.7 Beschleunigung und Geschwindigkeitsmessung
385
Verwendung eines sogenannanten ”Lock-in”- Verstärkers. Auf der Senderseite wird das Signal mit einer Frequenz f zwischen den Zuständen Ein und Aus geschaltet. Auf der Empfängerseite wird das Nuztsignal sowie z.B. ein Gleichanteil und weitere störende Frequenzen empfangen. Ein nachgeschalteter Verstärker wird mit der Frequenz f zwischen einer Verstärkung von +1 und -1 derart geschaltet, dass bei Empfang des mit Störungen überlagerten Nutzsignals die positive Verstärkung anliegt, während bei der Periode ohne Nutzsignal, wenn also am Empfänger nur die Störung anliegt, diese mit -1 invertiert wird. Das resultierende Signal wird anschließend Tiefpass-gefiltert, was zu einer Subtraktion der Störanteile führt und als Ergebnis lediglich eine dem Nutzsignal proportionale Spannung ausgibt.
11.7 Beschleunigung und Geschwindigkeitsmessung Neben der direkten Posisitionsmessung ist bei haptischen Systemen, insbesondere bei Fragen nach Stabilität des rückgekoppelten Systems bzw. des Impedanzverhaltens, die Kenntnis der ersten und zweiten Ableitung in Form von Geschwindigkeit und Beschleunigung interessant. Dies kann entweder durch direkte Messung, oder durch eine Differentiation des Weg-Signals über eine digitale oder analoge Schaltung erfolgen. Weiterhin wäre es denkbar, z.B. eine Geschwindigkeit zu messen, und daraus einen verfahrenen Weg durch Integration zu errechnen. Die Möglichkeiten zur Integration und Differentiation bzw. deren Grenzen und die verbreitetsten direkten Messverfahren werden in diesem Abschnitt kurz vorgestellt.
11.7.1 Integration und Differentiation von Signalen Die Intergration bzw. Differentiation von Signalen kann entweder analog oder digital erfolgen. Beide Varianten haben unterschiedliche Vor- und Nachteile.
Analoge Differentiation Die Grundschaltung eines aktiven analogen Integrators ist in Abbildung 11.8a dargestellt. Es handelt sich um einen Hochpass, was bereits die Schwierigkeiten analoger Differentiation vermuten lässt. Das Hochpassverhalten ist bandbreitenbegrenzt. Die obere Grenzfrequenz ergibt sich aus der Resonanzfrequenz fR = 2π1RC und aus der Banbreite des Operationsverstärkers. Da diese Bausteine für haptische Anwendungen meist ausreichend dynamisch sind, stellt dies in der praktischen Anwendung kein Problem dar. Da aber die Gegenkopplung durch die natürlich Bandbreitenbegrenzung des Operationsverstärkers bei hohen Frequenzen eine Phase von 90◦ verursacht, die sich zu der Phase von 90◦ des Differentiators addiert, neigt die Schaltung dennoch zu Schwingungen [247]. Dieser Effekt kann durch das Einbringen
386
11 Einsatz von Positionssensoren
eines Serienwiderstands mit der Kapazität C kompensiert werden, was für den Operationsverstärker mit einer linearen Verstärkung gleichzusetzen ist. Dies senkt die Phase für hohe Frequenzen um 45◦ und ergibt so einen Phasenabstand zum instabilen Grenzfall. Analoge Differentiation ist daher ein probates Mittel zur Berechnung von Geschwindigkeiten aus Positionssignalen. Eine doppelte analoge Differentiation bedarf aber einer sorgfältigen Auslegung der zugehörigen Schaltung, da dabei mehrere kapazitive Eingänge in Serie geschaltet werden. Weiterhin ist zu bedenken, dass die Amplitude des Operationsverstärkers durch die Versorgungsspannung begrenzt ist. Die Amplitudendynamik muss dementsprechend auf die maximal zu erwartenden Signaländerungen skaliert werden.
Analoge Integration Die Grundschaltung eines aktiven analogen Integrators ist in Abbildung 11.8b gegeben. Analoge Integration ist ein bewährtes Verfahren aus der analogen Rechentechnik, das allerdings nur beschränkt auf haptische Fragestellungen anwendbar ist. Die Schaltung hat eine obere Grenzfrequenz gegeben durch die Resonanz fR = 2π1RC , sie weist aber bei nicht-idealen Operationsverstärkern auch eine untere Grenzfrequenz auf. Dies ist auf den Strom Ib am Eingang des OPs zurück zu führen, der bei Uin = 0 den Kondensator C kontinuierlich lädt. Gilt C=10μ F und Ib = 1μ A, dann steigt die Spannung um 0.1 V pro Sekunde. Während man in der Signalverarbeitung dies durch einen nachgeschalteten Hochpass wieder kompensieren kann, ist dieses Verhalten für haptische Anwendungen mit den relativ niedrigen Frequenzen der Signale von mehreren Sekunden bis 10 kHz in der Regel nicht geeignet. C
R
U-
C
R
Uin
U-
Ib -
+
Uout
Uin
+
U+ a)
U+ b)
Abb. 11.8 Analoge Differentiations- (a) bzw. Integrations-Schaltung (b)[247].
Digitale Differentiation Digitale Differentiation besteht in der Subtraktion von zwei aufeinander erfassten Messwerten. Prinzipiell ist eine digitale Differentiation sehr gut anwendbar, insbe-
11.7 Beschleunigung und Geschwindigkeitsmessung
387
sondere wenn die Messsignale mit hoher Frequenz erfasst werden. Die Nutzbarkeit des Signals hängt im Wesentlichen von dem Rauschanteil auf dem Eingangssignal ab. Häufig wird das least-significant-bit z.B. einer AD-Wandlung verworfen, bevor die Differentiation durchgeführt wird, da dieses meist um den Rauschanteil (das Quantisierungsrauschen) der A/D-Wandlung schwankt.
Digitale Integration Digitale Integration ist die Aufsummation laufender Messwerte und Teilung dieser Summe durch die Anzahl der Messwerte, bzw. die Summe von Änderungen eines Messwertes. Die Inkrementalmessung eines digitalen Gebers stellt ebenfalls eine Form der Integration auf Basis einer Änderungsinformation dar. Das Verfahren ist bei ausreichend hoher Messfrequenz jehnseits der Signalfrequenz robust. Außer einer ausreichenden Registergröße für den Messwert zur Verhinderung eines Überlaufs ist nichts weiteres zu beachten.
11.7.2 Induktionssysteme Die häufigste Form eine Geschwindigkeit zu erhalten ist die digitale Signalverarbeitung eines Poisitions-Messsignals. Um die Bewegungsgeschwindigkeit dennoch direkt zu erfassen, ist die Verwendung eines geschwindigkeitsproportionalen physikalischen Effekts notwendig. Neben der durch die Wellenlänge bei haptischen Systemen meist nicht sinnvollen Doppler-Ultraschallmessung (Vergleiche auch Abschnitt 11.5), ist die Ausnutzung der elektrischen Induktion der am häufigsten genutzte Effekt. Entsprechend ergibt sich die elektrisch induzierte Spannung U in einem Leiter der Längen l, der sich orthogonal durch ein Magnetfeld B mit der Geschwindigkeit v bewegt U = v B l. (11.5) Insbesondere geometrische Anordnungen identisch zu denen von elektrodynamische Aktoren (Abschnitt 9.2) lassen sich für den Zweck der Geschwindigkeitsmessung nutzen, indem in der Spule ein Strom induziert wird. Hierbei wird vom Aufbau im Unterschied zur aktorischen Anwendung die Wicklungslänge maximiert, um ein ausgeprägtes Spannungssignal zu erhalten. Die Induktivität der Wicklung erzeugt in Verbindung mit ihrem ohm’schen Widerstand einen Tiefpass, welcher die Dynamik des Signals beschränkt. Der größte Fehler beim Aufbau dieser Aktoren besteht aber darin, dass die Homogenität der Wicklung durch das Verrutschen einzelner Wicklungsbahnen gestört ist, und daher bei unterschiedlichen Auslenkungen unterschiedliche Wicklungslängen im Bereich des B-Feldes zum Liegen kommen.
388
11 Einsatz von Positionssensoren
11.7.3 Kraftsensoren als Beschleunigungssensoren Im Gegensatz zur Geschwindigkeitsmessung gibt es bei der Messung von Beschleunigungen eine breite Auswahl an Sensoren. Bis auf wenige Ausnahmen machen sich die meisten Sensoren die Beziehung a=
F m
(11.6)
zu nutze. Tatsächlich werden in Fortführung der in Kapitel 10 vorgestellten Kraftmessverfahren die Sensoren um eine definierte Masse m ergänzt, die dann zu einer mechanische Dehnung eines Biegers bzw. sonstigen Trägers führt und ein Beschleunigungs-proportionales Signal erzeugt. In der professionellen Messtechnik haben sich vor allem piezoelektrische für hochdynamische, aber auch piezoresistive für niederfrequente Beschleunigungen durchgesetzt. In mechatronischen Systemen mit höherer Stückzahl werden gerne mikromechanische Beschleunigungssensoren mit Kamm-Strukturen in Silizium und kapazitivem Messprinzip zur Beschleunigungsmessungen integriert. Die Anforderungen der KFZ-Industrie für Airbags und Fahrstabilisierungsprogramme Beschleunigungen in mehreren Raumrichtungen zu messen haben günstige und robuste ICs auf dem Markt verfügbar gemacht, z.B. der ADXL Serie von Analog Devices. Die Bandbreite dieser Sensoren reicht von 400 Hz bis 2.5 kHz bei maximalen Beschleunigungen >100 g in bis zu drei Raumrichtungen. Alleine eine fertigungsbedingte breite Streuung bei den Kennwerten, vor allem der Ausgangsspannung bei 0 g, erfordert eine sorgfältige Kalibrierung des individuellen Sensors.
11.8 Fazit Beim haptischen Geräteentwurf ist die Wegmessung ein untergeordnetes Problem. Im Bereich der physiologisch wahrgenommenen Auflösungsgrenzen gibt es hinreichend präzise und dynamische Verfahren zur Positionsmessung. Auch die Berechnung oder Messung von Beschleunigungen oder Geschwindigkeiten ist möglich. Die optische Messtechnik ist ohne Zweifel die am häufigsten angewandte Technologie. Gerade beim Entwurf von spezifischen Aktoren ist es aber durchaus angebracht zu hinterfragen, ob nicht andere Messmethoden besser in den Aktor integriert werden können. Werden allerdings spezifische Anforderungen im Bereich von μ m-Messunsicherheiten an die Wegmessung gestellt, sind die hier aufgeführten Verfahren mit Zurückhaltung zu betrachten. Messungen im μ m-Bereich bedürfen spezieller optischer oder kapazitiver Messtechnik. Mit Ausnahme spezieller psychophysikalischer Fragestellungen ist es aber unwahrscheinlich, dass eine derartige Messtechnik für haptische Geräte notwendig sein wird.
Kapitel 12
Schnittstellenauswahl
T HORSTEN A. K ERN
Nach der Entscheidung für den Aktor (Kap. 9) zur Erzeugung des haptischen Feedbacks und der Messung von Kräften (Kap. 10) oder Positionen (Kap. 11) ist es notwendig, die Schnittstelle zur Aktorik und die Datenerfassung und Weiterleitung der Signale von der Sensorik zu betrachten. Die Anforderungen resultieren wie bei jeder Schnittstelle - aus der Amplitudenauflösung der Information und der Geschwindigkeit, in der diese übertragen werden kann. Der Schwerpunkt der Diskussion in diesem Kapitel liegt auf der Geschwindigkeit der Übertragung, da dieser Aspekt bei haptischen Geräten immer einen Engpass darstellt. Sowohl in Bezug auf Verzögerungen in der Übertragung sowie in Bezug auf die maximale Rate im Sinne einer Grenzfrequenz, bewegen sich haptische Anwendungen häufig an den Grenzen von Standard-Schnittstellen. Generell muss bei Datenschnittstellen zwischen räumlich verteilten taktilen Displays mit einer Vielzahl von Aktoren und primär kinästhetisch genutzten Systemen mit einer geringen Anzahl von Aktoren unterschieden werden. Bei erstgenannten taktilen Systemen, Pin-Arrays, Vibratoren, Taktoren, liegt der Schwerpunkt des Schnittstellenentwurfs vor allem in der Anwendung von Bus-Systemen zur Reduktion der Kabellängen und der damit verbundenen Dezentralisierung der Steuerungsschaltkreise. Während hier natürlich auch zeitliche Fragestellungen existieren das taktile Signal trotz Bussystem rechtzeitig zu parametrisieren und zu kodieren, so sind die übermittelten Datenraten in der Regel für übliche Bussysteme unkritisch. VAN E RP weist darauf hin [259], dass 30 ms zeitlicher Versatz zwischen zwei durch Vibratoren erzeugte Impulse nicht mehr aufgelöst werden können. Dies führt bezüglich der Datenschnittstelle zur Schlussfolgerung, dass einerseits eine Verzögerung zweier gleichzeitig wahrzunehmenden Signale von <30 ms wahrscheinlich unkritisch ist. Dies ist eine Anforderung, die selbst mit seriellen Automatisierungsnetzwerken wie CAN, oder in der zeitgetriggerten Variante TTCAN problemlos erreich-
389
390
12 Schnittstellenauswahl
bar ist. Dementsprechend konzentriert sich dieser Abschnitt auf die Anforderungen an haptisch kinästhetische Geräte mit wenigen Aktoren, wobei aber diese Geräte auch taktilen Anforderungen genügen müssen.
12.1 Grenzfrequenzen im Übertragungsweg Abschnitt 4 hat gezeigt, dass bei haptischen Systemen zwei Frequenzbereiche zu betrachten sind. Der niedrige Frequenzbereich bis ≈ 10 Hz beinhaltet einen bidirektionalen Informationsfluss, während der hochfrequente Bereich > 10 Hz unidirektional haptische Informationen vom technischen System zum Nutzer überträgt. Der Nutzer beeinflusst zwar über die Variation der mechanischen Kopplung die Güte dieser Übertragung, diese Beeinflussung findet allerdings niederfrequent statt und ist aus Sicht der Bandbreite für die Rückübertragung nicht relevant. Wendet man diese Erkenntnis auf die gängigen Strukturen haptischer Geräte aus Abschnitt 2.2.2 an, dann ergeben sich einige spannende Erkenntnisse. Für die folgenden Betrachtungen wird angenommen, dass die Übertragung und Signalverarbeitung der Informationen digital erfolgt, so dass die maximale Signalfrequenz entsprechend N YQUIST um den Faktor zwei schneller abgetastet werden müsste. In der Praxis zeigt sich, dass der Faktor zwei in der Abtastung eher theoretischer Natur ist, und wenigstens der Faktor 10 über der Grenzfrequenz des analogen Systems abgetastet werden muss. Die Werte in den Bildern und Texten beziehen sich auf diese Annahme.
12.1.1 Bandbreite in Telemanipulationssystemen Für einen Telemanipulator (Abb. 12.1) bedeutet die Erkenntnis der unterschiedlichen Dynamiken bei der Interaktion mit dem Nutzer die Möglichkeit, von der Asymmetrie in der Signalübertragungsbandbreite direkt zu profitieren. Theoretisch ist es möglich, die am Objekt gemessene haptische Information im Bereich von 1 bis 10 kHz zu wandeln und über Regler und Gerät dem Nutzer in Form von Kräften oder Positionen darzustellen. Die Nutzerreaktion kann dann mit entsprechend niedriger Bandbreite von 5 bis 15 Hz erfasst und über Regler und Manipulator zur Objektmanipulation verwenet werden. Obwohl dieser Ansatz tatsächlich funktioniert, bringt die Einfachheit der Messung von Positions-bezogenen Daten und die Notwendigkeit, diese im Rahmen von z.B. Passivitäts-Überwachung zu verarbeiten es mit sich, dass die Bewegungen des Nutzers ähnlich dynamisch abgetastet werden, wie das Feedback an den Nutzer erfolgt.
12.1 Grenzfrequenzen im Übertragungsweg
Physisch
Signal
1-10 kHz
10-100 kHz
Manipulator
391
Daten
Signal 10-100 kHz
Haptischer Regler
Physisch 1-10 kHz
Haptisches Gerät
Nutzer
Objekt
5-15 Hz
50-150 Hz
50-150 Hz
5..15 Hz
Abb. 12.1 Blockschaltbild eines Telemanipulators mit haptischem Feedback.
12.1.2 Bandbreite bei Simulator-Systemen Für einen Simulator mit haptischen Feedback ergeben sich aus den unterschiedlichen Dynamiken gegenüber dem Telemanipulator etwas abweichende Erkenntnisse. Zwar gilt auch hier, dass theoretisch die Bewegungsinformation niederfrequenter erfasst werden könnte. Dennoch muss der Simulator (Abb. 12.2) die Ausgabe in einer Frequenz von 1-10 kHz zur Verfügung stellen. Demzufolge muss der Simulator für jeden Simulationssschritt die aktuellen Positionsdaten kennen. Dies führt dazu, dass bei Simulatoren sowohl die haptische Ausgabe als auch die Messung der Nutzerrekation hochfrequent erfolgen müssen (Ausnahmen, siehe Abschnitt 12.2). Für die Integration des haptischen Reglers gibt es bei Simulatoren zwei Ansätze. In vielen Geräten ist er als externe Hardwarekomponente ausgeführt (Abb. 12.2), was den Simulationsrechner entlastet und bei besonderen Datenverarbeitungskonzepten mit parametrisierbaren Modellen die Datenraten deutlich reduziert (siehe Abschnitt 12.2). Alternativ kann der Regler auch in Software als Treiber durch den Simulationsrechner (Abb. 12.3) gerechnet werden, was vor allem bei außergewöhnlich leistungsfähigen und fest konfektionierten Anlagen zum Einsatz kommt oder bei besonders günstigen haptischen Geräten für die Spieleindustrie mit geringen Anforderungen an die Dynamik der haptischen Ausgabe.
12.1.3 Datenraten und Latenzen Tabelle 12.1 fasst die für kinästhetische Anwendungen zur Übertragung notwendigen Datenraten in Form typischer Beispiele zusammen. Die Datenraten liegen zwischen 200 kbit/s für einfache Anwendungen bis hin zu 50 Mbit/s für komplexere Systeme. Deratige Raten für Nutzdaten - exklusive dem Overhead für das Proto-
392
12 Schnittstellenauswahl
Daten
Signal
Daten
10-100 kHz
Signal
Physisch
10-100 kHz
1-10 kHz
Simulation Haptischer Regler
Haptisches Gerät
Nutzer
Virtuelles Objekt
10..100 kHz
10-100 kHz
5..15 Hz
Abb. 12.2 Blockschaltbild eines Simulators mit haptischem Feedback und externem Controller.
Daten
Physisch
Signal 10-100 kHz
1-10 kHz
Simulation Haptischer Regler
Haptisches Gerät
Nutzer
Virtuelles Objekt
10..100 kHz
5..15 Hz
Abb. 12.3 Blockschaltbild eines Simulators mit haptischem Feedback und im Treiber ausgeführtem Regler .
koll und der Gerätesteuerung allgemein - werden erst seit kurzem durch mehrere Schnittstellen nach den neuesten Standards erreicht (siehe auch Abschnitt 12.3). Tabelle 12.1 Rechenbeispiel für geforderte unidirektionaler Datenraten typischer haptischer Geräte. Freiheitsgrade 1 DOF 3 DOF 6 DOF
Auflösung 8 bit 16 bit 8 bit 16 bit 8 bit 16 bit
0.1 kHz 800 bit/s 1600 bit/s 24 kbit/s 48 kbit/s 48 kbit/s 96 kbit/s
1 kHz 8 kbit/s 16 kbit/s 240 kbit/s 480 kbit/s 480 kbit/s 960 kbit/s
10 kHz 80 kbit/s 160 kbit/s 2.4 Mbit/s 4.8 Mbit/s 4.8 Mbit/s 9.6 Mbit/s
Zusätzlich zu der Forderung nach dem Datenstrom besteht auch die Forderung nach einer geringstmöglichen Latenz. Insbesondere Schnittstellen, die nach einem Paketprinzip mit einer Unsicherheit in dem Zeitpunkt des Paketversands arbeiten
12.2 Konzepte zur Bandbreitenreduktion
393
(z.B. USB) sind bezüglich dieses Effekts kritisch zu betrachten. Variable Latenzen zwischen mehreren Paketen sind in jedem Fall kritisch. Bezüglich konstanter Latenzzeiten ist der Bezug zu anderen Sinneseindrücken wichtig: Eine Kollision darf haptisch nicht signifikant früher oder später erfolgen, als sie gehört oder gesehen werden kann. In Abhängigkeit der Art der Präsentation der Eindrücke an die anderen Sinne sind stark unterschiedliche Latenzzeiten möglich. Diese Abhängigkeiten sind Gegenstand aktueller Forschung und werden z.B. von der Forschergruppe um B USS an der TU-München untersucht.
12.2 Konzepte zur Bandbreitenreduktion Wer schon einmal versucht hat, einen kontinuierlichen Datenstrom von mehreren Megabit mit einem Rechner zu verarbeiten, und gleichzeitig noch andere Aufgaben mit derselben Einheit durchzuführen, der wird festgestellt haben, dass die Verwaltung der Datenströme immense Rechenleistung bindet. Dementsprechend und aus Fragen der Telemanipulation mit entfernten Systemen sind verschiedene Lösungen zur Bandbreitenreduktion haptischer Datenübertragung entstanden.
12.2.1 Betrachtung der wirklich auftretenden Dynamiken Allem voran steht die bewusste Beschäftigung mit der Anwendung des haptischen Gerätes und der dabei auftretenden Dynamiken, wie in Kapitel 6 bereits erwähnt und im Rahmen der Einführung in Abschnitt 3.3 berechnet. Zu betrachtende Grenzfälle sind immer die initialen Berührungen oder Kollisionen von Objekten. Handelt es sich dabei um weiche Objekte, dann liegen die Grenzfrequenzen im Bereich < 100 Hz. Sind aber harte Objekte beteiligt und besteht der Wunsch auch deren Kollision richtig wieder zu geben, dann müssen höhere Frequenzen > 1 kHz haptisch dargestellt werden. Weiterhin ist zu betrachten, ob der Nutzer in der Dynamik seiner Bewegung beschränkt ist, oder vielleicht sogar beschränkt sein soll. Das DaVinci System (Abb. 1.8 auf Seite 17) als unidirektionaler Telemanipulator filtert z.B. die hohen Frequenzen der Bewegung des Menschen, um das Zittern der Instrumente zu unterbinden.
12.2.2 Lokale haptische Modelle im Regler Eine häufig angewendete Strategie, die in vielen haptischen Bibliotheken abgelegt ist, ist die Verwendung von lokalen haptischen Modellen zur Reaktion auf Nutzereingaben mit deutlich größerer Dynamik als eine Simulation der Objektinteraktion (Abb. 12.4). Derartige Modelle sind meistens linearisierte Funktionen, die
394
12 Schnittstellenauswahl
über einen oder mehrere Parameter mit der Simulationsfrequenz der Objektinteraktion aktualisiert werden. Jeder Freiheitsgrad des haptischen Systems hat häufig ein Feder-Masse- oder Feder-Masse-Dämpfer-System als Modell, dessen Steifigkeiten, Nachgiebigkeiten oder Massen in der Simulation für den Zeitschritt zwischen zwei 1 Simulationsabschnitten, meistens ≈ 30 s, auf den gerade relevanten Wert gesetzt werden. Dieser Ansatz erlaubt es in der einfachen Form natürlich nicht, nichtlineare Effekte abzubilden. Der am häufigsten auftretende nichtlineare Effekt einer Simulation bei der Interaktion mit virtuellen Welten ist das Abheben eines Werkzeugs von einer Oberfläche. In Abhängigkeit der Verzögerung der Aktualisierung des lokalen Modells, kommt es zu einer Wahrnehmung von ”Kleben”, da das Werkzeug durch das lokale Modell für einen Simulationsschritt an der Oberfläche festgehalten wird. Konzepte, die nichtlineare Steifikeiten im Modell vorsehen, beseitigen diesen Effekt zufriedenstellend. Man gewinnt also durch die zusätzliche Berechnung des lokalen, haptischen Modells eine deutliche Datenreduktion zwische der Simulation und dem haptischen Regler. Enfernt verwandte Konzepte werden auch in aktiven haptischen Drehstellern im Automobil eingesetzt, bei denen über das CAN Bussystem lediglich die haptischen Eigenschaften des Systems, die Rastpunkte, konfiguriert oder selektiert werden und der Drehsteller ausschließlich die Schaltereignisse an den übergeordneten Host zurücksendet.
Daten
Signal
Daten
50-100 Hz
F m
Virtuelles Objekt
Physisch
10-100 kHz
Haptischer Regler mit lokalem Modell
Simulation
Signal
k
1-10 kHz
Haptisches Gerä
Nutzer
d
v
50-100 Hz
10..100 kHz
5..15 Hz
Abb. 12.4 Blockschaltbild eines Simulators mit haptischem Feedback und einem in den Regler ausgelagerten, lokalen, haptischen Modell.
12.2.3 Ereignis-orientierte Haptik K UCHENBECKER hat 2005 das Konzept der ”Event-based haptics” [141] vorgestellt und seitdem weiter perfektioniert. Es basiert auf der Teilung zwischen niederfrequente Interaktion und hochfrequenter unidirektionalen Präsentation, vor allem taktiler Informationen (Abb. 12.5). Diese taktilen Ereignisse sind im haptischen Regler
12.2 Konzepte zur Bandbreitenreduktion
395
abgelegt und werden von der Simulation ausgelöst. Sie werden dann additiv auf das niederfrequente, von der Simulation synthetisierte Signal gemischt und kombiniert am Bedienelement dargestellt. In einer Ausbaustufe findet eine Überwachung der Kopplung zwischen haptischem Gerät und Nutzer statt, und die Events werden dementsprechend skaliert. Das Verfahren erzeugt beeindruckend realistische Kollisionen mit verhältnismäßig weichen haptischen Sytemen, setzt aber natürlich wie jedes andere hochdynamische System voraus, dass die Treiberelektroniken und Antriebe ausreichend dynamisch angesteuert werden können.
Daten
Signal
Daten
50 Hz
Signal
Physisch
10-100 kHz
1-10 kHz
Haptischer Regler
Simulation
+
Haptisches Gerät
Nutzer
Virtuelles Objekt
50-100 Hz
50..100 Hz
5..15 Hz
Abb. 12.5 Blockschaltbild eines Simulators mit haptischem Feedback und in einem Regler abgelegten, hochfrequenten Ereignissen.
12.2.4 Bewegungsextrapolation Eine weitere sehr häufig eingesetzte Form der Bandbreitenreduktion auf dem Pfad zur Messung der Nutzerreaktion stellt die Bewegungsextrapolation dar. Insbesondere bei Simulatoren, die in Kombination mit lokalen Modellen arbeiten, ist es häufig dennoch gewünscht, Zwischenstufen der Bewegung unabhängig von der Bereitstellung von Messwerten zu kennen, da die Dauer eines Simulationsschritts unter Umständen stark variiert und daher zur Verfügung stehende Rechenzeit sinnvoll genutzt werden soll. Die Extrapolation entspricht mit steigender Latenz und sinkender Übertragungsrate einer Prädiktion, die haptische Interaktion bei extremen Totzeiten ermöglichen soll.
396
12 Schnittstellenauswahl
12.2.5 Kompensation extremer Totzeiten Die Arbeitsgruppe um N IEMEYER vom Telerobotics Lab. an der Stanford University verfolgt die Kompensation hoher Totzeiten von mehreren Sekunden [172] durch die Prädiktion sowohl der Bewegungen des Nutzers wie auch des von der Umwelt generierten haptischen Feedbacks. Das dabei verwendete Grundkonzept basiert auf einer Erweiterung eines Telemanipulationssystems, um einen Regler des Manipulators und einen leistungsfähigen Regler des haptischen Feedbacks (Abb. 12.6). Letzteres kann als eigener Simulator der manipulierten Umwelt betrachtet werden. Während der Bewegung im Raum wird parallel ein Modell der Umgebung erzeugt. Findet eine Kollision in der realten Welt statt, dann wird diese Kollision als Wand in dem Modell hinterlegt und in der Simulation des Modells ein haptisches Feedback einer Kollision vermittelt. Da dies durch den Zeitversatz in der Regel nicht an der Position geschieht, in der die Kollision in der Realität stattgefunden hat, wird langsam während der weiteren Interaktion der Kollisionspunkt im Modell an die korrekte Position verschoben. Durch die sukzessive Exploration der Umwelt entsteht so ein immer detaillierteres haptisches Modell. Das Verfahren befindet sich aktuell im Forschungsstadium.
Physischl 1-10 kHz
Data
Signal 10-100 kHz
Signal variabel
Manipulator Regelung
Manipulator
Daten variabel Haptischer Regler mit anpassbarem Welt-Modell
Signal 10-100 kHz
Physisch 1-10 kHz
Haptischer Regler
Nutzer
Objekt
5-15 Hz
50-150 Hz
variabel
variabel
50-150 Hz
5..15 Hz
Abb. 12.6 Blockschaltbild eines Telemanipulators mit Kompensation hoher Totzeiten durch anpassbare Welt-Modelle.
12.2.6 Kompression Wie auf jeden Datenstrom, so ist es auch bei haptischen Datenströmen eine Kompression zur Reduktion der Bandbreite möglich. Dies kann durch numerische Methoden auf Basis der Pakete und der darin enthaltenen Daten erfolgen, es kann sich aber auch spezifische Eigenschaften der haptischen Mensch-Maschine-Interaktion zu Nutze machen. Die folgende Liste gibt eine kurze Übersicht über einige Ansätze:
12.3 Standardschnittstellen
397
• Ein erster Ansatz für die Reduktion von haptischen Daten liegt in der situativen Anpassung der Abtastung auf dem Pfad zur Messung der Nutzerreaktion. S HA HABI [219] (University of Southern California, USA) vergleicht unterschiedliche Digitalisierungsverfahren, die sich in der Zeit- und der Amplitudendiskretisierung an die aktuellen Bewegungsgeschwindigkeiten anpassen. • Die Arbeitsgruppe um B USS (TU-München, Germany) betreibt seit Jahren intensive Forschungen bezogen auf den Verlust von Auflösung im haptischen Datenstrom [143] als auch die Bandbreite der Daten. Sie koppeln ihre Forschungen mit der Analyse der Nutzer-Reaktionen und basieren die daraus resultierende Algorithmik auf der psychophysikalischen Wahrnehmung und einer Ziel-Nutzen Analyse. • Die Arbeitsgruppe um E L S ADDICK (University Ottawa, Canada) ist bestrebt, durch Standardisierung der Interaktion in dem deskriptiven Datenformat ”HAML” für multimediale Anwendungen eine Datenreduktion zu erreichen [47]. Die damit verbundene Modellierung der Umgebung mit wenigen Parametern hat vor allem bei Tele-Interaktion zwischen einer Vielzahl von Anwendern in virtuellen Welten deutliche Vorteile in Bezug auf Stabilität und Toleranz in veränderlichen Übertragungswegen gegenüber klassischen Telemanipulationsprinzipien mit expliziter Übertragung von Kräften und Positionen. Ein Nebenprodukt dieser Arbeiten sind Konzepte zur unidirektionalen Wiedergabe haptischer Daten in Form eines ”Haptic Player” [48]. • Weiterhin nahe liegend ist die Nutzung der Einschränkungen haptischer Wahrnehmung zur Datenkompression. Die Arbeitsgruppe um K UBICA (University of Waterloo, Canada) demonstriert in [287] die Analyse einer Interaktion mit einer virtuellen Umgebung unter verschiedenen Geschwindigkeiten. Die dabei festgestellte Abhängigkeit der Kraft-Wahrnehmungsschwelle von der Geschwindigkeit der Bewegung wurde erfolgreich als Basis für die Datenreduktion genutzt. • Die Arbeitsgruppe um W ERTHSCHÜTZKY (TU-Darmstadt, Germany) verfolgt die messtechnische Charakterisierung haptischer Wahrnehmung im Bereich von Millinewton und Mikrometer-Auflösungen bei Grenzfrequnzen bis 1 kHz. Ziel ist es eine Datenbank zu schaffen, um Kompressionsverfahren auf Basis frequenzabhängiger Wahrnehmungskennlinien zu entwickeln.
12.3 Standardschnittstellen Die meisten haptischen Geräte werden an handelsüblichen PCs oder damit verwandten Systemen betrieben, da diese eine hohe Flexibilität in der Konfiguration für Forschungsprojekte bieten, oder alternativ, weil sich das Gerät an die Nutzer von Spiel- oder Designsoftware auf Basis einer PC Architektur richtet. In diesem Abschnitt werden die unterschiedlichen Standardschnittstellen gängiger PC Hardware beleuchtet und in ihren Eigenschaften mit Bezug zu den Anforderungen haptischer Geräte vorgestellt.
398
12 Schnittstellenauswahl
Serial port Der serielle Port ist in Abhängigkeit des verwendeten Betriebssystems1 einfach anzusprechen. Die serielle Schnittstelle an Heimcomputern basiert auf dem RS232 Standard. Dieser definiert neben einigen Timing-Aspekten, dass die verwendeten Pegel zwischen ±3 bis 15 V für Low- und High-Pegel wechseln. Eine Anbindung an digitale Schaltungen muss daher zwingend über einen Umsetzer auf 5 V Logiklevel erfolgen, wie dem MAX232. Für die Datenübertragung sind in der Regel neben Masse nur zwei Leitungen (RxD und TxD) notwendig. Die maximalen spezifizierten Datenübertragungsraten liegen im Bereich 20.000 bit/s, wobei aber auch Übertragungsraten jenseits der Spezifikation mit z.B. 56kbit/s oder 128 kbit/s durchaus möglich sind. Sowohl die Übertragungsrate wie die Anzahl der die Nutzlast tragenden Bytes ist in Grenzen frei einstellbar. Zwei kommunizierende System müssen aber aufeinander abgestimmt sein. Eine einfache Parity-Controlle über ein Bit ist vorgesehen. Der serielle Port ist also zur Ansteuerung einfacher haptischer Geräte in Bezug auf die Datenrate durchaus geeignet. Allerdings ist aufgrund seiner Master-Slave Architektur eine bidirektionale Datenkommunikation mit hohem Datenoverhead in der Absprache beider Einheiten verbunden. Da moderne PCs nicht mehr zwingend mit seriellen Schnittstellen ausgestattet werden, werden am Markt USB-to-serial Converter angeboten. Sie emulieren in Software einen COM-Port und geben die Daten über eine typische 9-polige Buchse aus, die über einen USB Stecker in das System eingesteckt wird. Die Datenraten dieser Converter sind meistens ausreichend, durch die Softwareemulation sind allerdings Verzögerungen in der Ausgabe vorhanden. Sie sind daher nur bedingt für haptische Anwendungen geeignet.
Parallel port Der parallele Port ist, soweit bei modernen PCs noch vorhanden, häufig als 25poliger zweireihige SUB-D Buchse an der Computerrückseite ausgeführt. Ähnlich wie beim der seriellen Schnittstelle ist in Abhängigkeit des verwendeten Betriebssystems die Ansteuerung mehr oder weniger einfach. Im Idealfall (einige LinuxSysteme und DOS) kann die im Betriebssystem zugewiesene Adresse des Ports direkt mit drei hintereinander liegenden Byte beschrieben werden. Das erste Byte entspricht dabei den acht Datenleitungen, die zwei weiteren Bits dienen der Steuerung bzw. dem Lesen der Kontrollleitungen. Der parallele Port arbeite mit 5 V Signalpegeln bei maximalen Source-Strömen von ≈ 5 mA und Sink-Strömen von ≈ 20 mA. Eine Überlastung bzw. das Anlegen falscher Spannungspegel ist dringend zu vermeiden, da die meisten Parallel-Schnittstellen an handelsüblichen PCs keine Schutzschaltungen aufweisen. Die Datenübertragung bei modernen Parallelports sind meistens bidirektional. Da aber der Wechsel zwischen unidirektionalem und 1 Bei Linux und DOS-Systemen ist eine direkte Kommunikation mit der seriellen Schnittstelle deutlich einfacher, als unter einem Windows Betriebsystem, bei dem immer eine Form von Terminal-Programm oder Treiber benötigt wird.
12.3 Standardschnittstellen
399
bidirektionalem Betrieb Zeit benötigt, werden die Kontrollleitungen gerne als Input definiert, während die Datenleitungen als Output arbeiten. Schreiben und Lesen vom Port ist mit Frequenzen von bis zu 100 kbit/s problemlos möglich. Eine Erweiterung des Parllel ports stellt der ”Enhanced Parallel Port” (EPP) und der ”Enhanced Capabilities Port” (ECP) dar. Während der ECP vor allem Plug&Play Funktionalitäten beinhaltet, ist der EPP auf eine Maximierung der bidirektionalen Datenrate ausgelegt. Übertragungsraten von bis zu 2 Mbit/s sind damit möglich. Dies ist vor allem auf die Hardware-Umsetzung des Datenprotokolls zurück zu führen. Diese Hardware-Umsetzung bedingt aber auch auf Seiten des haptischen Gerätes zusätzliche Komponenten, da dort natürlich ebenfalls das Protokoll schnittstellennah kodiert werden muss. Der parallele Port ist für haptische Geräte aus Sicht der Datenraten insbesondere im EPP Übertragungsmodus geeignet. Vor allem die niedrigen Latenzen von <100 μ s zwischen Kommando und Anliegen der Daten machen ihn attraktiv. Alleine die schwindende Verfügbarkeit bei Standard-PCs erzwingt ein Ausweichen auf andere Schnittstellen. Der serielle wie auch der parallele Port können bei richtiger Konfiguration der Bytes und Software-Programmierung des Datenprotokolls auch als Hilfs- und Debugging-Schnittstelle zu Bus-Systemen wie I2C oder CAN dienen.
USB Der USB-Port ist eine serielle Schnittstelle mit festgelegtem Datenübertragungsprotokoll. Sie besteht aus zwei Datenleitungen, einer Masseleitung sowie einer 5 V Versorgungsspannung, die pro Gerät mit bis zu 100 mA belastet werden kann. Entsprechend Spezifikationen kann diese Last auf bis zu 1 A erhöht werden, wenn der Host zustimmt. Erweiterungen des Standards zu ”Powered USB” sehen weitere Leitungen für größerer Ströme und höhere Spannungn vor. Die USB-Clients erhalten am USB-Port eine Kennung zugewiesen, welche die Datenpakete definiert. Jeder USB Teilnehmer hat einen Device-Descriptor, der den Hersteller und das Produkt eineindeutig definiert. Weiterhin gliedert sich jedes Gerät in eine Klasse ein. Für Eingabesysteme ist die Human-Interface-Devices Klasse (HID) reserviert, für Geräte mit aktivem, haptischen Feedback gibt es die eigene Klasse der ”PhysicalInterface-Devices” (PID). Jeder Hersteller eines USB Treiberbausteins muss eine eindeutige Produkt-ID beantragen. Wegen dieser Bedingung und der Komplexität der Implementation eines USB konformen Protokolls empfiehlt es sich, für die Produktentwicklung bei geringen Stückzahlen fertige USB-Schnittstellenbausteine zu nutzen, die an den eigenen Mikrokontroller über parallele oder serielle Datenströme angeschlossen werden. Die USB Schnittstelle kann in unterschiedlichen Modi betrieben werden. Für die Übertragung großer, zeitkritischer Datenmengen ist vor allem der ”isochrone” Transfer relevant. Die theoretische Limiterung liegt in den Datenpaketen, die nach Spezifikation von USB 2.0 in sogenannten Micro-Frames übertragen werden. Die Dauer eines Micro-Frames beträgt 125 μ s. Sogenannte Full-Speed Systeme können bis zu
400
12 Schnittstellenauswahl
1023 Bytes pro Micro-Frame übertragen, High-Speed Geräte sogar dreimal 1024 Bytes pro Micro-Frame. Dies ergibt eine theoretische Datenrate von ≈1 MByte bis 24 MByte pro Sekunde. Laut Spezifikationen sind sogar Übertragungsraten bei der Verwendung mehrerer isochroner Endpoints in einem Gerät von bis zu 40 MByte/s Nutzlast möglich. Die Datenrate des isochronen Transfers ist auf die unidirektionale Übertragung optimiert. Bei bidirketionaler Kommunikation reduziert sich die Datenrate entsprechend. Dennoch deckt die Geschwindigkeit des USB Ports alle Anforderungen typischer haptischer Geräte. Alleine zwei Aspekte sind kritisch in Abhängigkeit der Anwendung zu überprüfen: • Das Microframe von 125 μ s Dauer (8 kHz) stellt eine absolute Obergrenze der zur Verfügung stehenden Bandbreite dar. Dies erlaubt nach N YQUIST ohne Kompression und Dekodierung eine Übertragung von bis zu 4 kHz Bandbreite. • Die Höhe der Datenübertragungsrate ist mit ≈ 0.1% toleranzbehafetet.
FireWire - IEEE1394 FireWire, Apples Markenname, nach dem IEEE1394 Standard ist ähnlich wie USB ein serielles Übertragungsformat. Tatsächlich existiert es schon deutlich länger, als die USB Spezifikationen. Das sechspolige FireWire Kabel beinhaltet auch eine Masse und eine Versorgungsleitung. Die Spannung ist nicht reguliert und kann zwischen 8 und 33 V betragen. Bei FireWire 400 sind bis zu 48 W übertragbare Leistung spezifiziert. Die Datenraten liegen je nach Ausführung des Ports zwischen 100, 200, 400 und 1600 kbit/s, und sind daher völlig ausreichend für haptische Anwendungen. Sogar Glasfaserübertragungen bis 100 m Abstand sind bis zu 3200 kbit spezifiziert. In der Bus-Hardware ist die Teilung von Speicherbereichen zwischen Host und Client vorgesehen, was besonders latenzarme Übertragungen ermöglicht. Weiterhin sind Netzwerke ohne expliziten Host möglich. Die Schnittstelle nach IEEE1394 ist für Anwendungen mit hohen Datenraten die bevorzugte, serielle Schnittstelle. Alleine die mangelnde Verbreitung bei handelsüblichen PCs scheint einem breitem Einsatz entgegen zu stehen.
Ethernet Die Möglichkeiten der an jedem PC vorhandenen Ethernet-Schnittstelle sind stark von dem mit ihr verwendetem Protokoll abhängig. Während die Schnittstelle 10 MBit, 100 MBit oder aktuelle Gigabit Übertragungen ermöglicht, ist die zur Verfügung stehende Nutzlast innerhalb der Übertragungsrate von der Verschachtelung der darüber liegenden Protokolle abhängig. Für das bekannteste TCP/IP Protokoll hat dieses Protokoll einen Headeranteil von 40 Byte. Das Ethernet Protokoll ergänzt dies um weitere 18 Byte für den Ethernet Frame und für das gesamte Paket um weitere 8 Byte, so dass sich ein Overhead pro Paket von 66 Byte ergibt. Diesem Paket können bis zu 1460 Byte an Daten zugefügt werden. Dies ist bezogen auf den Platz
12.3 Standardschnittstellen
401
pro Paket für typische haptische Anwendungen ausreichend. Unter der Annahme, dass z.B. eine sechs-Freiheitsgrad Kinematik mit 16bit (2 Byte) auflösenden Sensoren und Aktoren angesteuert werden soll, bedeutet das, dass innerhalb eines Pakets gerade mal 12 Byte echter Nutzdaten übertragen werden. Je ein Paket für die Kraftausgabe und eines für die Positionsmessung. Die Zahl der Bytes in den Nutzdaten hat eine Untergrenze, die sich nach dem physikalischen Aufbau des Netzwerks richtet. Sie liegt in der Regel bei Heimnetzwerken im Bereich von 50 Byte und die Datenpakete müssen dementsprechend aufgefüllt werden. Innerhalb eines Zyklus des Beispiel-Haptikgerätes werden daher 232 Byte Übertragen, also 1.856 kBit. Ein 10 MBit Netzwerk würde daher eine theoretische Bandbreite von 8 kHz für den beschriebenen Anwendungsfall zur Verfügung stellen. Auch in Anbetracht der Tatsache, dass Daten nicht ohne weiteren Overhead (Adressübergabe, Statusabfrage) übertragen werden können ist dies hinreichend für viele haptische Anwendungen. Der Nachteil der Verwendung von Ethernet liegt in dem für Mikrokontroller recht hohen Aufwand der Paketerstellung entsprechend dem Protokoll, die meist in Software hinterlegt ist. Weiterhin reduzieren viele Clients an einem Netzwerk die Datenrate erheblich, was aber durch die Verwendung von Switches kompensiert werden kann.
Messkarten/Multifunktionskarten Messkarten oder Multifunktionskarten zum Betrieb an den internen Rechnerschnittstellen (PCI, AGB, PCMCIA), aber auch zum Betrieb an den oben beschriebenen externen Schnittstellen, sind eine einfache Möglichkeit, Hardwareaufbauten anzusprechen. Sie zeichnen sich meist durch bereits vorkonfektionierte Treiber mit auf die Hardware abgestimmten Eigenschaften aus. Sie sind für die Verwendung im Sinne eines Rapid-Prototyping von Aufbauten zwingend zu berücksichtigen, haben aber den Nachteil, dass die Datenverarbeitung im Rechner unter den Restriktionen des Bestriebssystems erfolgt. Gerade in Kombination mit Nicht-Echtzeit Betriebssystemen wie Windows kann dies für haptische Anwendungen und den Entwurf z.B. von Reglern nicht ausreichend dynamisch sein.
HIL-Systeme ”Hardware In the Loop” (HIL) Systeme kommen aus der Regelungstechnik und kompensieren den Nachteil von Multifunktionskarten für das Rapid-Prototyping von Schnittstellen haptischer Geräte. HILs beinhalten immer einen leistungsfähigen Prozessor mit Proprietären oder offenem Echtzeit-Betriebssystem. Die Programme müssen, identisch zu allen anderen Mikrocontroller-Systemen am Rechner erstellt und auf diesen Prozessor übertragen werden. Die dabei zur Verwendung kommenden Compiler erlauben häufig eine Programmierung in graphischen Programmiersprachen wie MatLab/Simulink oder LabView. Die Prozessoren der HILs sind über spezielle Bussysteme mit variabler und der Aufgabe angepasster Peripherie verbun-
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12 Schnittstellenauswahl
den. Hier gibt es von analogen und digitalen Ausgängen über spezielle Bus- und Motortreiberschnittstellen eine Breite Auswahl. HIL-Systeme sind für die immer zeitkritischen Anwendungen der Haptik in der Entwicklungsphase prädestiniert, haben aber einen hohen Preis für die Einzelkomponenten verglichen mit allen anderen Lösungen.
12.4 Fazit Die Schnittstelle ordnet sich den Anforderungen des Systems unter. Prinzipiell gibt es heute mit Standardkomponenten für alle realistisch zu erwartenden Anforderungen an Datenraten Lösungen. Alleine wirtschaftliche oder firmenpoltische Restriktionen können verhindern, die geeignete Schnittstelle für ein haptisches Gerät auszuwählen. Dies ist ein deutlicher Unterschied zu einem Zeitraum Anfang des 21ten Jahrhunderts. Damals wurden noch spezifische Schnittstellen für haptische Geräte entworfen, um den hohen Datenübertragungsraten gerecht zu werden. Dementsprechend finden sich heute noch kommerzielle Produkte mit eigenen ISA oder PCI Steckkarten am Markt. Oder andere, die nur mit einem EPP parallelem Port zusammen arbeiten. Es ist allerdings nicht zu unterschätzen, eine Controller-Schaltung z.B. auf Basis des USB Protokolls für die bei haptischen Geräten notwendigen Datenraten zu entwerfen, das Layout zu routen und zu programmieren. Auch wenn entsprechend den technischen Kenndaten die Anforderungen erfüllt werden, ist der erstmalige Aufbau und die Inbetriebnahme alles andere als trivial.
Kapitel 13
Softwareentwurf
A LEXANDER R ETTIG The ultimate display would, of course, be a room within which the computer can control the existence of matter. A chair displayed in such a room would be good enough to sit in. Handcuffs displayed in such a room would be confining, and a bullet displayed in such a room would be fatal. With appropriate programming such a display could literally be the Wonderland into which Alice walked. I VAN E. S UTHERLAND, 1965 [239] Das ultimative Darstellungssystem natürlich wäre ein Raum, in dem der Computer die Existenz von Materie kontrollieren könnte. Ein in einem solchen Raum dargestellter Stuhl wäre geeignet darauf zu sitzen. Handschellen dargestellt in solch einem Raum würden fesseln, und ein Geschoss dargestellt in einem solchen Raum wäre tödlich. Mit geeigneter Programmierung könnte solch ein Darstellungssystem buchstäblich das Wunderland sein, in das Alice hineinging. Ein zentrales Anwendungsfeld für haptische Systeme ist die so genannte „Virtuelle Realität“, ein Konzept der Mensch-Maschine-Interaktion, das sich innerhalb der letzten 20 bis 25 Jahre rasant entwickelt hat, nachdem die Vision selbst schon zu Beginn der Entwicklung von Computergraphik in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts von S UTHERLAND formuliert wurde. Der Fokus dieses Kapitels zum Softwareentwurf liegt auf eben diesem Einsatzgebiet von Computer-Haptik in virtuellen Welten. Andere Einsatzfelder von haptischen Systemen wie die Modifikation haptischer Eigenschaften von Bedienelementen bzw. die Telemanipulation benötigen eine primär regelungstechnische Systemstruktur, auf die in anderen Kapiteln dieses Buches eingegangen wird (Kap. 7 und 12). Nach einem kurzen Überblick zur Motivation der Thematik und der Begriffsklärung werden verschiedene Themen aus Sicht des Entwicklers von Virtual-RealitySoftware diskutiert. Entsprechend der Zielsetzung dieses Buches bietet das vorliegende Kapitel keine erschöpfende Darstellung, sondern vermittelt ein Grundver-
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404
13 Softwareentwurf
ständnis mit dem Ziel, das Interesse für weitere Beschäftigung mit dem Thema zu wecken.
13.1 Überblick über das Themenfeld „Virtual Reality“ „Virtual Reality“1 , kurz VR, bezeichnet eine Technologie, die unter anderem den Anspruch erfüllen will, die natürliche Umgebung möglichst realitätsgetreu in einer Computer-Simulation nachzubilden oder auch Unwirkliches Wirklichkeit werden zu lassen und dem menschlichen Betrachter quasi „wie in echt“ zu präsentieren. Die dargestellte virtuelle Umgebung soll sich dabei so verhalten, wie es der Anwender aufgrund seiner Erfahrungen in der natürlichen Welt erwartet. Im Ideal erlaubt VR dem Menschen einen völlig intuitiven Umgang mit dem Rechner, der nicht erlernt werden muss. Drei wesentliche Kriterien sind im Lauf der Forschungen zur Virtuellen Realität identifiziert worden, die zur Erreichung dieses Ziels möglichst gut erfüllt werden sollten: eine Darstellungsqualität und Präsentationsform, die Immersion ermöglicht, natürliche oder intuitive Interaktion und realistisches oder zumindest plausibles Verhalten der dargestellten Umgebung.
Immersion Immersion, das „Eintauchen“ des Anwenders in die virtuelle Welt, findet statt, wenn der Anwender gleichsam vergisst, dass er mit einer virtuellen Welt interagiert und darüber die reale Umwelt weitgehend in den Hintergrund tritt. Dazu müssen möglichst viele Sinne mit möglichst hoher Qualität angesprochen werden: in allererster Linie der dominante Gesichtssinn sowie das Gehör, aber auch — sobald bei der Anwendung manipulative Interaktion relevant ist — die haptische Wahrnehmung, in allerdings eher exotischen Szenarien auch der Geruchssinn oder gar der Geschmackssinn. Verschiedenste Sinnesmodalitäten werden einbezogen, man spricht von multimodaler Präsentation.
Natürliche Interaktion Erfahrene Computeranwender sind leicht geneigt, die Bedienung des Rechners mit der Maus als natürlich und intuitiv zu empfinden. Tatsächlich finden aber so genannte mehr oder weniger abstrakte Interaktionsmetaphern Anwendung, die erst ver1
Es gibt auch die Begrifflichkeiten „Augmented Reality“ (AR), „Mixed Reality“ (MR) oder gar „Augmented Virtuality“, mit denen verschieden Formen an Mischung und Einbettung von realen und virtuellen Objekten in eine reale oder virtuelle Umgebung bezeichnet werden. Dies wird hier aber nicht weiter unterschieden.
13.1 Überblick über das Themenfeld „Virtual Reality“
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standen und trainiert werden müssen: ist es „natürlich“, ein virtuelles Objekt durch Drücken auf eine Maustaste zu „greifen“, nachdem ein Pfeilsymbol auf dem Bildschirm mittels einer räumlich davon getrennten Bewegung eines Plastik-Kästchens (der Maus) auf die visuelle Repräsentation des Objektes bewegt wurde? Tatsächlich natürliches Greifen ist freilich etwas anderes: die Hand wird dorthin bewegt, wo das Objekt gesehen wird, es wird, wenn auch in Sekundenbruchteilen, mit dem Tastsinn Kontakt aufgenommen und die Finger werden schließlich um das Objekt geschlossen. Hinzu kommt, dass den Interaktionsmetaphern oft nur mehr oder weniger naheliegende Bedeutungen zugeordnet sind — man öffnet ein Dokument, indem man dessen Bildchen auf dem Bildchen eines Textverarbeitungsprogrammes ablegt? Dies sind sicherlich nützliche und sinnvolle Konzepte, aber ihre Semantik muss explizit erlernt und begriffen werden. Mittels anderer Eingabegeräte wie dem Datenhandschuh bis hin zu Ganzkörper-Trackingsystemen, die die Bewegung aller Gliedmaßen verfolgen, will die VR-Forschung tatsächlich natürliche Interaktion mit komplexen Datenwelten ermöglichen.
Natürliches Objektverhalten Das dritte Kriterium, „plausibles Verhalten“, schließt unter anderem ein, dass Losgelassenes fällt, Flüssigkeiten schwappen und fließen, dass man nicht durch Wände gehen kann und sich Objekte der virtuellen Umgebung nicht gegenseitig durchdringen können. Diese Verhaltens-Eigenschaften müssen durch verschiedenartige Simulationen bereitgestellt werden. Gerade der letztgenannte Aspekt natürlichen Objektverhaltens, die Undurchdringlichkeit fester Gegenstände, lässt sich zwar über eine Kollisionserkennung und mehr oder weniger physikalisch korrekte Simulation auch in einer rein graphischen Präsentation umsetzen, es bleibt dann aber die mögliche Diskrepanz zwischen der realen Bewegung des Anwenders und dem visuellen Echo dieser Bewegung. Sie tritt beispielsweise auf, wenn ein virtueller Hammer auf der Oberfläche der virtuellen Wand stoppt, während die reale Hand des Anwenders, der diesen führt, bereits tief ins virtuelle Mauerwerk eingeschlagen hat. Haptisches Rendering2 mit kraftreflektierenden Robotern bietet die Möglichkeit dieses Manko zu beheben. Diese Betrachtung ist nicht nur von akademischer Bedeutung, sondern durchaus motiviert durch einen praktischen Nutzen für den Anwender (oder dessen Arbeitgeber). Ein in diesem Zusammenhang nicht zu unterschätzender Nutzen ist der Faktor Spaß, der offensichtlich direkt kommerziell relevant ist in der ComputerspieleIndustrie. Im Zuge der rasanten Entwicklung der Rechnertechnologie, die ganz wesentlich von Computerspielen vorangetrieben wurde, sind heutzutage handelsüb2
Mit rendering, engl. für darstellen, wird allgemein ein Darstellungsprozess durch ein Computersystem bezeichnet. Ohne weitere Abgrenzung ist damit meist die Bilderzeugung der graphischen Darstellung gemeint, man spricht aber analog bei der Erzeugung von strukturierten, informationstragenden Reizen für andere Sinnesmodalitäten von akustischem, olfaktorischem, oder eben haptischem Rendering.
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liche PCs in der Lage, VR-Szenen einer Komplexität und Qualität darzustellen, wie sie noch vor wenigen Jahren spezialisierten Graphik-Großrechnern von SGI, SUN oder IBM vorbehalten waren. VR-Technologien betreten damit den breiten Massenmarkt: viele Computerspiele insbesondere aus dem Genre der so genannten Ego-Shooter oder der Motorsport-Simulationen mit ihrer hervorragenden GraphikDarstellung und realistischen Physik-Simulation können — wenn auch mit konzeptionellen Abstrichen — durchaus als „Virtual Reality“ bezeichnet werden. Heutzutage ist der Detail-Reichtum dieser virtuellen Welten enorm, sehr schnell findet Immersion statt, man vergisst, dass man spielt, fast alles verhält sich plausibel. Die Interaktion jedoch ist kaum natürlich oder intuitiv, solange die Bedienung der Spiele über Tastatur und Maus erfolgt. Passende Eingabegeräte füllen zum Teil diese Lücke: die Motorsport-Simulation macht sofort deutlich mehr Spaß, sobald man ein vibrierendes Lenkrad in den Händen und Gaspedale unter den Füßen hat — und, die Fahrleistung wird besser. Dieser Faktor, bessere Performanz der Anwender, ist auch eine treibende Kraft für den Einsatz virtueller Realität im industriellen oder medizinischen Umfeld. Ein weiterer bestimmender Aspekt ist die Möglichkeit der Kosteneinsparung bei gleichzeitiger Erhöhung der Qualität von Produkten durch den Einsatz virtueller Prototypen. Die Automobilindustrie als Vorreiter wünscht zum Beispiel, dass Fahrzeuge noch vor dem Bau des ersten physikalischen Prototypen lebensgroß in photorealistischer Qualität mit korrekter, verifizierbarer und interaktiv modifizierbarer Beleuchtung so dargestellt werden, dass Designer Entscheidungen über Formdetails, die Auswahl des Lacks und die genaue Farbgebung des Fahrzeuginnenraums treffen können — natürlich am Besten, ohne dass man ihnen das Software-System erklären müsste. Genauso soll am virtuellen Prototypen untersucht werden, ob das Fahrzeug in der vorgesehenen Weise montiert werden kann. Da bei der Montage der Monteur selbst ebenfalls Gegenstand der Untersuchung ist, bietet es sich an, eine reale Person die virtuelle Montage durchführen zu lassen. Dieser Ansatz ist bei vielen Fragestellungen der Simulation des Montageprozesses im Computer ausschließlich mittels Mensch-Modellen überlegen. Damit die Ergebnisse der Untersuchung übertragbar sind, muss das virtuelle Montageszenario möglichst realitätsnah sein. Dazu gehört gerade bei Montagen in schlecht einsehbaren engen Bauräumen, dass eine haptische Rückkopplung bei Bauteil-Kollisionen erfolgt, denn diese wird mehr oder weniger bewusst vom Monteur zur Wegfindung und präzisen Platzierung von Werkzeug oder Bauteil genutzt und benötigt. Ganz ähnlich ist der Nutzen von haptischer Rückkopplung bei der Simulation medizinischer Eingriffe zum Training bestimmter Operationsverfahren. Bei Operationen sind natürlich die manipulativen feinmotorischen Fähigkeiten des Chirurgen von zentraler Bedeutung. Insbesondere bei minimalinvasiver Chirurgie (MIC) ist zu ihrer Erlangung viel Übung nötig, da der Arzt nicht direkt mit seinen Fingern im Operationsgebiet interagieren kann, sondern in ganz ungewohnter Weise nur indirekt über lange dünne Instrumente, die durch kleine Einschnitte in den Situs vorgeschoben werden. Dabei drehen sich die Bewegungsrichtungen der Instru-
13.2 Aufbau und Architektur von VR-Systemen
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mentenspitze im Bezug zur Handbewegung teilweise um, weil die Durchstoßstelle als Drehpunkt wirkt. Hinzu kommt, dass auch der Blick nicht direkt, sondern über Endoskopansichten auf Bildschirmen erfolgt, die heutzutage noch überwiegend monoskopisch sind. Die räumliche Orientierung und die erschwerte HandAuge-Koordination in dieser Situation müssen erlernt und intensiv trainiert werden. Dazu werden traditionell Kunststoffmodelle oder Tierkadaver eingesetzt, immer mehr etablieren sich aber VR-Trainings-Simulatoren. Ausgestattet mit realistischer Visualisierung, Simulation der Weichteildeformation, haptischer Rückkopplung und Funktionalität zur Analyse und Bewertung des Trainings sind sie deutlich flexibler in der Auswahl der Trainingsszenarien und besser geeignet für die Verfolgung des Lernfortschritts.
13.2 Aufbau und Architektur von VR-Systemen 13.2.1 Hardware-Komponenten Allgemeine Virtual-Reality-Systeme enthalten als zentrale Hardwareeinheit leistungsstarke Rechner oder Cluster von Rechnern, die über Netzwerkschnittstellen kommunizieren. An diese sind über verschiedene Schnittstellen Eingabe-Geräte und Display-Systeme angeschlossen. Unter den Eingabegeräten spielen bei VR-Anwendungen die vom DesktopBetrieb bekannten Eingabegeräte Tastatur und Maus höchstens eine untergeordnete Rolle. Um dem Anspruch natürlicher Interaktion gerecht zu werden, sind eine Vielzahl anderer Eingabesysteme entwickelt worden. Im Zentrum stehen so genannte Tracking-Systeme, die eine absolute 3-dimensionale Positionsmessung und meist auch eine Messung der Orientierung im Raum ermöglichen, d. h., 6 Freiheitsgrade, Degrees of Freedom (DoF) bereitstellen. Damit kann sowohl eine genaue Lagebestimmung eines Interaktionsgerätes vorgenommen als auch die aktuelle (Kopf-)Position und die Blickrichtung des Anwenders gemessen werden. Letzteres ist unter anderem Voraussetzung für eine perspektivisch korrekte visuelle Darstellung der virtuellen Umgebung oder auch eine adäquate Raumklangsimulation. Als Technologien kommen beim 6 DoF-Tracking Magnetfeld-Sensoren zum Einsatz, die ein von einem Magnetfeldemitter erzeugtes Feld messen, oder UltraschallEmitter und -Sensoren sowie kamerabasierte Systeme, bei denen mittels Bildverarbeitungsmethoden definierte Merkmale der realen Welt (so genannte Marker) aus den Videodaten extrahiert und damit unter Einbeziehung der Kameraparamter deren relative Lage berechnet wird. Solche Tracking-Systeme arbeiten üblicherweise mit einer Aktualisierungsrate von 30 bis 50 Hz. Bei Trackingsystemen ist neben ihrer Aktualisierungsrate auch die Latenz zwischen Messzeitpunkt und Bereitstellung der Daten im VR-System wesentlich: ist diese zu groß, dann treten merkliche Verzögerungen zwischen Aktionen des Benutzers und Sichtbarwerden der Wirkung auf, was die Immersion stört: zieht beispielsweise bei einer Kopfdrehung das Bild merk-
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13 Softwareentwurf
lich nach, so wird sofort der Eindruck zerstört, dass die wahrgenommenen visuellen Reize von fest im Raum verorteten Objekten herrühren könnten. Auf der Seite der Ausgabegeräte werden mit verschiedensten technischen Ansätzen spezifische Reize für die verschiedenen Sinnesmodalitäten erzeugt. Für die auditive Wahrnehmung erfüllen diese Aufgabe Lautsprechersysteme, angefangen beim Kopfhörer, über Surround-Sound-Systeme bis zu dichten Lautsprecher-Arrays, mit denen an bestimmten Orten definierte Schallereignisse erzeugt werden können. Dem dominanten Distanz-Sinn des Menschen, dem Gesichtssinn, wird jedoch mit Abstand die meiste Aufmerksamkeit gewidmet. Basierend auf dem physiologischen Modell des trichromatischen Sehens bauen fast alle optischen DisplaySysteme mit 50 bis 120 Hz Einzelbilder aus kleinen Bildelementen (Picture Elements, kurz Pixel) mit den additiven Grundfarben Rot, Grün und Blau auf. Der Eindruck von Kontinuität von Bewegungen wird dadurch erzeugt, dass der Wechsel der Bilder schneller als die Bewegungsverschmelzungsfrequenz des Sehapparates erfolgt, die beim Menschen bei ungefähr 15 Hz liegt [74]. Zur Erzeugung eines visuellen Tiefeneindrucks wird im Kontext VR besonderer Wert auf stereoskopische Displays gelegt, da die Präsentation perspektivisch unterschiedlicher Bilder für jedes Auge beim Normalsichtigen am effizientesten die Wahrnehmung räumlicher Tiefe auslöst. Die Größe von graphischen Displays, wie sie bei VR Anwendung finden, reicht von kleinen optischen Einheiten in Datenbrillen oder HMDs (Head Mounted Display) bis zu großen mit vielen Projektoren angestrahlten Kachelprojektionen oder Projektionen auf die Wände eines Würfels, in den man hineintritt, eine so genannte CAVE (rekursives Akronym für Cave Automatic Virtual Environment). StandardMonitore oder autostereoskopische Monitore kommen ebenfalls zum Einsatz, sie erfüllen aber den Anspruch der Immersion nur schlecht. Eine Sonderstellung unter den Hardware-Komponenten von VR-Systemen nehmen die kraftreflektierenden haptischen Geräte ein: sie sind sowohl Ein- als auch Ausgabe-Geräte, denn sie verfügen über die Funktionalität zur Eingabe mittels (mechanischen) Trackings in ihren passiven Freiheitsgraden und zur (Reiz-)Ausgabe durch Kraftübertragung in ihren aktiven Freiheitsgraden.
13.2.2 Anbindung von Geräten und Geräteabstraktion Für die Anbindung der verschiedenartigen Ein- und Ausgabe-Geräte bieten viele flexible VR-Systeme das Konzept der Geräte-Server und so genannten logischen Geräte an. Als Server werden Rechner bzw. laufende Software-Prozesse bezeichnet, die anderen Programmen Dienste bereitstellen. Im Falle von Geräte-Servern ist dies der Dienst, nach definiertem Protokoll3 Eingabe-Daten zur Abfrage bereitzustellen bzw. Ausgabe-Daten entgegenzunehmen. Der Geräte-Server abstrahiert da3
Als Protokoll wird ein Schema bezeichnet, das die Semantik eines ansonsten abstrakten Datenstroms beschreibt und die Reihenfolge seiner Elemente festlegt.
13.2 Aufbau und Architektur von VR-Systemen
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bei soweit sinnvoll von den Eigenschaften des physikalischen Gerätes. Alle 6 DoFTrackingsysteme liefern beispielsweise Positions- und Orientierungsdaten, unterscheiden sich aber von Hersteller zu Hersteller in der Ansteuerungs-Sequenz, mit der sie initialisiert und kalibriert werden, sowie die Datenabfrage durchgeführt wird. Diese technischen Details kann der Geräte-Server, der auf das jeweilige Trackingsystem angepasst ist, verbergen. Er stellt als Dienst ein allgemeines logisches Gerät „Position und Orientierung“ mit einem gleichbleibenden Protokoll zur Übertragung der Steuer- und Nutzdaten zur Verfügung. Dieser Dienst kann darüberhinaus netzwerktransparent erfolgen: das Ein- oder Ausgabegerät kann an einem anderen Rechner im Netzwerk angeschlossen sein, wenn das Kommunikationsprotokoll zwischen VR-System und Geräte-Server entsprechend ausgelegt ist und das VR-System über passende Konfigurationsmechanismen Zugriff auf den entfernten Server erhält. Für den Anwendungsentwickler, der eine virtuelle Szene aufsetzt, ist es mit dem Konzept der logischen Geräte und Geräte-Server nicht mehr notwendig, sich über den genauen Typ beispielsweise des verwendeten Tracking-Systems Gedanken zu machen. Es kann sogar statt eines absolut messenden Tracking-Systems ein relatives 6 DoF-Eingabegerät wie eine so genannte SpaceMouse4 angeschlossen werden, ohne dass das Szenario angepasst werden muss, solange der zugehörige SpaceMouseServer das logische Gerät „Position und Orientierung“ implementiert. Dieses Konzept findet sich übrigens auch in den graphischen „Desktop“-Oberflächen moderner Arbeitsplatzrechner: über die USB-Schnittstelle angeschlossene Computermäuse melden sich als Human Interface Device (HID, Mensch-Schnittstellen-Gerät) an, mitgelieferte Gerätetreiber sorgen dafür, dass das Betriebssystem das Gerät als „Zeigegerät“ verwenden kann. Ganz ähnlich muss sich der VR-Systementwickler5 für die Ausgabe von Audiound Bild-Daten auf einem Einzelrechner nicht um Server kümmern, da das Betriebssystem und Standardbibliotheken Software-Schnittstellen zu den jeweiligen Gerätetreibern bereitstellen, die die Hardware, d. h., die Sound- oder Graphikkarte des Rechners, ansteuern, über deren Hardware-Schnittstellen dann Monitor oder Lautsprecher mit Signalen versorgt werden. Sobald aber kompexere Ausgabesysteme auf verteilten Rechnersystemen zum Einsatz kommen sollen, genügen die standardisierten Treiber-Schnittstellen nicht mehr, das VR-System muss die Funktionalität selbst bereitstellen. Dies gilt für graphische Ausgabesysteme wie Kachelprojektionen oder CAVEs, die oft mit Clustern von Rechnern betrieben werden, von denen jeder einen oder mehrere der Projektoren ansteuert. Dann muss von den Rechnern durch darauf laufende Server-Prozesse ein gemeinsamer Dienst zur zusammengesetzten Ausgabe 4
Die SpaceMouse besteht aus einem etwa handtellergroßen Knopf mit Sensorik, die Kräfte und Momente misst, welche der Anwender mit der Hand darauf ausübt. Diese werden von der internen Software des Geräts in Bewegungen umgerechnet. 5 Man unterscheidet oft zwischen dem Systementwickler, der eine softwareseitige Infrastruktur, hier das VR-System, schafft, und dem Anwendungsentwickler, der eine solche Infrastruktur verwendet, um mit Objektdaten und Verhaltensbeschreibungen eine virtuelle Umgebung zu modellieren.
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des Bildes bereitgestellt werden6. Das gleiche Konzept findet Anwendung, wenn die akustische Ausgabe zum Beispiel über einen dezidierten Audio-Rechner stattfinden soll. Die Gerätetechnologie im VR-Umfeld ist äußerst vielfältig, die Entwicklung der Konzepte noch zu dynamisch, so dass es noch keine allgemeinen Standards gibt und jedes VR-System seine eigenen Protokolle für die Anbindung von Geräten definiert.7 Wünschenswert wäre es, wenn sich in Zukunft ähnlich zur Standardklasse HID von USB-Geräten systemübergreifende Haptik-Geräte-Klassen etablieren ließen, basierend auf für Echtzeit-Datenübertragung geeigneten, möglichst weit verbreiteten Schnittstellen wie beispielsweise IEEE 13948 (Abschnitt 12.3). Während für reine Eingabegeräte die Latenzen, die bei der Übertragung der Daten über Netzwerkschnittstellen auftreten, meist unproblematisch sind, sind sie kritisch, wenn sie innerhalb der Kontrollschleife eines Haptik-Gerätes auftreten. Eine netzwerktransparente Geräteabstraktion ist deswegen für Haptik-Geräte nicht ohne Weiteres geeignet. Darauf wird im speziellen Fall des Software-Renderes in Abschnitt 13.2.5 und bezogen auf die Latenzen in Kapitel 12 näher eingegangen. Ein weiterer Aspekt der Geräteabstraktion ist gerade bei Haptik-Geräten von großer Relevanz: der Anwendungsentwickler modelliert die virtuelle Umgebung in kartesischen Koordinaten, ebenso finden Simulationen üblicherweise in kartesischen Koordinaten statt. Die notwendige Umrechnung der Eingabe-Daten von Geräte-Koordinaten in kartesische Koordinaten sollte aber vor der Applikation ebenso durch den Geräte-Treiber und/oder -Server „versteckt“ werden, wie die Umwandlung der kartesischen Ausgabe-Kräfte oder -Momente in die Motor-Kräfte/ -Momente und zugehörigen Ansteuerungs-Ströme, da dazu internes Wissen über die Kinematik und den mechanischen und elektronischen Aufbau des Geräts notwendig ist, das fast ausnahmslos für das Design des virtuellen Szenarios irrelevant ist.
13.2.3 Software-Komponenten Die zentrale Software-Instanz eines VR-Systems, oft Objekt-Manager oder VRKern genannt, verwaltet die Szene, d. h., alle Objekte der virtuellen Umgebung, und steuert den Datenfluss zwischen allen Hardware- und Software-Komponenten. Zentrale Datenstruktur der Szene ist meist der so genannte Szenegraph. In ihm sind die Objekte in einer Transformationshierarchie in Gruppen strukturiert und zu6 Bei UNIX-ähnlichen Systemen mit graphischer Benutzungsoberfläche basierend auf dem XWindows-System ist auch dieses Konzept seit langem etabliert. Ein Rechner, auf dem ein X-Server läuft, kann graphische Ausgaben für alle im Netzwerk befindlichen Rechner darstellen, die das entsprechende Protokoll verwenden. 7 Einige Software-Bibliotheken entstehen mit dem Ziel, eine einheitliche Server-Schnittstelle für verschiedene Eingabegeräte anzubieten, so die freie quelloffene Bibliothek VRPN, Virtual Reality Peripheral Network. 8 Apples FireWire, SONYs i.Link
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einander in Beziehung gesetzt. Die gesamte virtuelle Umgebung teilt sich ein globales Weltkoordinatensystem. Über Knoten, die Transformationen beschreiben, sind untergeordnete Objekte in der virtuellen Welt verortet, Vater-Kind-Beziehungen im Graphen bilden räumliche und kinematische Abhängigkeiten ab. So sind zum Beispiel die vier Geometrie-Objekte, welche die Räder eines Fahrzeugs repräsentieren, über Transformationsknoten mit dem Knoten verbunden, der die Karosserie des Fahrzeugs enthält, der selbst wieder über einen Transformationsknoten mit dem Weltkoordinatensystem verbunden ist (Abb. 13.1). Über die zeitliche Änderung der Parameter der Transformationsknoten dieser Hierarchie lassen sich leicht die abhängigen Bewegungen der einzelnen Bestandteile des Fahrzeugs beschreiben, sowohl die Rotation der Räder um ihre Achse relativ zur Karosserie als auch die Überlagerung der Vorwärtsbewegung des gesamten Fahrzeugs. Der Objekt-Manager verwaltet darüber hinaus die Verhaltensbeschreibungen der Szene. In diesen ist definiert, welche Wirkung ein „Ereignis“ auf die Objekte der Szene hat und welche Folgeereignisse davon angestoßen werden. Je nach Konzept des VR-Systems werden diese Abhängigkeiten in Skripten oder parametrisierbaren Modulen „ausprogrammiert“ oder durch einen so genannten Verhaltensgraphen bzw. durch eine Kombination beider Verfahren ausgedrückt. Nach dem Laden der Szenebeschreibung und Aufbau aller Datenstrukturen startet der VR-Kern einen sich bis zum Beenden des Systems wiederholenden Zyklus, der sich in 3 Phasen unterteilt9 : 1. Aufsammeln aller Ereignisse 2. Propagation der Ereignisse durch den Verhaltensgraphen bzw. Anstoßen der Ereignisbearbeitung in den jeweiligen Modulen 3. Darstellung des Zustands auf den Ausgabegeräten Die erste Phase umfasst unter anderem aber nicht ausschließlich die Abfrage der Daten von Eingabegeräten über die oben dargestellten Geräte-Server. In der zweiten Phase werden die verschiedenen Simulationen mit den Daten der Ereignisse beschickt und weitergeschaltet. Da diese, wie weiter unten beschrieben, zum Teil nebenläufig ausgeführt werden können, endet diese Phase mit einer Synchronisation zu einem konsistenten Zustand, der in der dritten Phase von den verschiedenen Renderern für die einzelnen Sinnesmodalitäten für die Darstellung auf den Ausgabegeräten interpretiert wird.
13.2.3.1 Ereignisse und deren Propagation, Verhaltensgraph Es gibt verschiedene Arten und Quellen von Ereignissen: selbstverständlich sind Benutzeraktionen über Eingabegeräte Ereignisse, die entweder zu vereinzelten Zeitpunkten stattfinden (letztlich führt man ja beispielsweise nur ab und zu einen 9
Dieser grundsätzliche Ablauf findet prinzipiell bei allen interaktiven Software-Systemen statt, also auch bei allen vertrauten Programmen mit graphischer Benutzungsoberfläche von Textverarbeitungssystemen bis zu Computerspielen.
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Mausklick aus) oder, wie bei Einsatz eines Tracking-Systems, zu jedem Zeitschritt, da Tracking-Systeme üblicherweise regelmäßig Daten senden. Weniger offensichtlich sind intern ausgelöste Ereignisse wie die Fortschreibung der Simulationszeit, durch welche die Zustandsberechnung laufender Animationen oder Simulationen angestoßen wird. Darüber hinaus sind auch Zustandsänderungen, die selbst indirekte Folge von Benutzer-Eingaben oder Simulationen sind, Ereignisse in der virtuellen Welt, wie zum Beispiel die Kollision zweier Objekte. Ereignisse werden softwareseitig durch Zustandsänderungen von Objekten abgebildet, d. h., durch Änderung des Wertes einer oder mehrerer im Objekt gespeicherter Variablen, die aktuelle Eigenschaften des Objekts beschreiben. Der Objekt-Manager hat nun die Aufgabe, entsprechend der Szenenbeschreibung Ereignisse zu propagieren, d. h., dafür zu sorgen, dass die betroffenen Objekte der Szene mittels Nachrichten über die für sie relevanten Ereignisse informiert werden, um darauf reagieren zu können. Zur Veranschaulichung des zugrundeliegenden Prinzips wird hier z. T. auf die Begrifflichkeit des ISO-Standards X3D [1] zurückgegriffen. Auch VR-Systeme, die diesen Standard nicht implementieren, funktionieren in der Regel konzeptionell ähnlich. Neben den Software-Objekten, die Objekten der virtuellen Welt entsprechen, im Szenegraphen angeordnet sind und von einem der Renderer dargestellt werden (sichtbare Objekte durch die Graphik, Geräuschquellen durch den akustischen Renderer, fühlbare Objekte durch den Haptik-Renderer), gibt es Software-Objekte, die ausschließlich Verhaltens-Funktionalität bereitstellen. Dazu gehören unter Anderem Animationen, die beispielsweise eine vordefinierte Bewegung speichern, die zeitgesteuert abgespielt werden soll, oder Simulationen. Beide Objekttypen — Szenen- und Verhaltens-Objekte — werden als Knoten im Verhaltensgraphen verwaltet. Der Szenegraph ist damit als Untergraph in den Verhaltensgraph eingebettet. Neben der Vater-Kind-Knoten-Beziehung der Transformations-Hierarchie gibt es im Verhaltensgraph weitere Beziehungen, ausgedrückt durch gerichtete Kanten, die Reaktionsketten von Ereignissen aufbauen. Diese Kanten werden (in X3D) Routes genannt. Routes dienen der Übertragung von Nachrichten zwischen Knoten. Dabei ist eine Nachricht im einfachsten Fall die Übermittlung eines neuen Werts: eine Animation erzeugt zum Beispiel eine neue Position, die im Transformationsknoten des zu animierenden Objekts gesetzt werden soll. Bei anderen Konzepten entspricht die Übertragung der Nachricht dem Aufruf einer Funktion des empfangenden Knoten mit möglicherweise mehreren Parametern. Die durch die Nachricht ausgelöste Zustandsänderung des empfangenden Knoten führt oft wieder zur Generierung von Ereignissen, worüber per Nachricht andere Knoten informiert werden müssen. Der Prozess diese Weiterverteilung oder Propagation von Ereignissen wird EreignisKaskade genannt. Ein einfaches Beispiel soll das Konzept verdeutlichen: zum Abspielen einer zeitgesteuerten Animation wird in der Szene ein Zeitgeber instantiiert. Dieser erzeugt in jedem Durchlauf der VR-Applikationsschleife ein Zeitsignal (das Ereignis ist „neuer Schleifendurchlauf hat begonnen“), das an einen Animationsknoten übermittelt wird durch eine Nachricht, die einen neuen Zeitwert mitteilt. Der Animationsknoten
13.2 Aufbau und Architektur von VR-Systemen
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wertet eine in ihm gespeicherte Funktion aus, die dem Zeitwert einen Positionswert zuordnet (diese Auswertung ist das Folge-Ereignis). Das Ergebnis wird an einen Transformationsknoten übertragen, der in seiner internen Transformation den neuen Positionswert setzt. Beim nächsten Darstellungszyklus (Kap. 13.2.5) erscheint ein in der Hierarchie unter dem Transformationsknoten hängendes Objekt an der neuen Position.
S T
A A
G T
T
T
T
G
G
G
G
=
Abb. 13.1 Simpler Szene- und Verhaltensgraph eines fahrenden Fahrzeugmodells: S: Wurzelknoten der Szene, T: Transformationsknoten, G: Geometrieknoten, A: Animationsknoten, Uhrsymbol: Zeitgeber. Routes sind gestrichelt dargestellt.
Über diese Verknüpfungen von Verhaltens- und Szene-Objekten ist es möglich, ein dichtes Geflecht von Abhängigkeiten aufzubauen, über das sehr komplexes Verhalten in einer virtuellen Umgebung modelliert werden kann. Nachrichten über Ereignisse werden dabei regelmäßig nicht nur an ein, sondern an viele Objekte weiterverteilt (indem entsprechend mehrere abgehende Routes gezogen werden). Genauso kann ein Objekt verschiedenste Nachrichten empfangen und entsprechend unterschiedlich reagieren. Die Kontrolle dieses Nachrichtenflusses ist Aufgabe des Objekt-Managers des VR-Systems. In gewissen Konstellationen der Ereignis-Kaskade können beispielsweise Zyklen auftreten, die aufgebrochen werden müssen, um Endlos-Schleifen und damit ein scheinbares Stillstehen des Systems zu vermeiden. Ereignisse, die deswegen in einem Zeitschritt nicht bearbeitbar sind aber nicht verloren gehen sollen, werden in die Ereignis-Kaskade des nächsten Zeitschrittes eingebracht.
13.2.4 Simulation Trotz der Vielfalt, die aus der Verknüpfung von vielen simplen Verhaltens-Elementen erzeugt werden kann, ist manches Verhalten in einem virtuellen Szenario nicht
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13 Softwareentwurf
durch einfache ereignis- und zeitgesteuerte Abläufe wie Animationen zu beschreiben sondern kann nur mittels darüber hinaus gehenden Simulationen erreicht werden. Beispielsweise ist es bei einem Trainingssimulator für chirurgische Eingriffe nicht durchführbar, für alle möglichen Operationsschritte — Anfassen, Klemmen, Schneiden an den verschiedensten Stellen — Animationen vorzuplanen, die jeweils passend die lokale Gewebedeformation oder gar topologische Veränderungen durch Schnitte darstellen. Vielmehr muss das Verhalten der Organe in Echtzeit simuliert werden, wobei je nach Anwendungsfall ein unterschiedlicher Grad physikalischer Korrektheit benötigt wird: geht es zum Beispiel eher darum, Fingerfertigkeit (Motorik) zu erlernen, dann genügt plausibles realitätsähnliches Verhalten des Gewebes, sollen aber diagnostische Fähigkeiten (Sensorik und Interpretation) trainiert werden, bei denen bestimmte Eigenschaften der untersuchten Strukturen auf pathologische Veränderungen hin zu untersuchen sind, dann müssen diese natürlich mit deutlich höherer Realitätstreue simuliert werden. Simulationen benötigen zur Implementierung der bei der Modellbildung identifizierten Zusammenhänge meist Datenstrukturen und Berechnungsmethoden, die in einem allgemeinen VR-System nicht vorgesehen sind. Oft sind die physikalischen Modelle außerdem bereits in Physik-Simulations-Bibliotheken oder -Systemen umgesetzt, die weiterverwertet und an ein VR-System angebunden werden sollen. Dazu wird ein Konzept benötigt, wie die Applikationshauptschleife des VR-Systems mit der Simulationskomponente Daten austauscht und sich mit ihr synchronisiert. Einfachere Simulationen können direkt als Knoten des Verhaltensgraphen implementiert und in der Applikationsschleife abgearbeitet werden. Der Knoten kapselt dabei die Schnittstelle zur Simulations-Bibliothek, leitet empfangene Ereignisse als Eingabedaten an die Simulation weiter und stellt die Ergebnisse der Simulation als Folgeereignisse zur weiteren Propagation bereit. Dieser Ansatz ist allerdings nur geeignet, wenn die Simulation nicht zu viel Rechenleistung benötigt. In der Applikationshauptschleife kann für die Durchführung des Simulationsschrittes nur eine begrenzte Rechenzeit zur Verfügung gestellt werden, da die verschiedenen Ausgabesysteme regelmäßig angesteuert werden müssen, um zum Beispiel die minimale Bildaktualisierungsrate zu garantieren. Andernfalls wird die virtuelle Umgebung träge oder beginnt zu ruckeln. Selbst wenn die einzelne Simulation an sich Echtzeitanforderungen erfüllt, kommt es vor, dass ihr im Kontext des Gesamtsystems, in dem noch andere Aufgaben wie Abfrage der Geräte und Abarbeitung der Ereignis-Kaskade durchzuführen sind, nicht genügend Leistungsresourcen bereitgestellt werden können. In diesem Fall ist es notwendig die Simulation vom Takt der Applikationshauptschleife zu entkoppeln. Zur Verdeutlichung der Problematik soll zunächst der Begriff „Echtzeit“ diskutiert werden, der im Umfeld der Comptergraphik oft etwas weniger spezifisch als beispielsweise in der Robotik verwendet wird: wesentliche zeitliche Anforderung bei graphischer Ausgabe ist ja, dass bis auf Ausnahmen eine Bildaktualisierungsrate oberhalb einer Frequenz von mindstens 15 Hz erreicht wird, damit der visuelle Eindruck von Bewegung entsteht und keine allzu merklichen Verzögerungen zwischen Benutzeraktion und Reaktion des Systems auftreten. Dieses wird oft schon als hinreichend aufgefasst, um von Echtzeit-Computergraphik zu sprechen. Präziser
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wäre allerdings in diesem Fall die Formulierung, die Anwendung biete interaktive Computergraphik, um auszudrücken, dass das System schnell genug für flüssige Interaktion ist. Im Simulationsumfeld versteht man unter Echtzeit, dass die simulierte Zeit oder Modellzeit genauso schnell fortschreitet wie die reale Zeit. Simulationen können die Zeit stauchen oder strecken (Zeitraffer oder Zeitlupe), um beispielsweise Prozesse darzustellen, die in der Realität zu langsam oder zu schnell ablaufen, um sie beobachten zu können; dann laufen sie nicht in Echtzeit. Damit ist zunächst nichts darüber gesagt, wie lange die Berechnung eines Simulationsschrittes dauern darf. Demgegenüber wird Echtzeitfähigkeit von Steuerungssystemen insbesondere in der Robotik so definiert, dass innerhalb einer vorgegebenen Dauer das Ergebnis einer Berechnung vorliegen muss, das dann zur Ansteuerung verwendet wird. Genügt es, diese Anforderung im Durchschnitt zu erfüllen, wobei Ausnahmen im Wesentlichen unschädlich sind, solange sie eine gewisse Häufigkeit nicht überschreiten, so spricht man von „weicher“ oder Pseudo-Echtzeit. Bei „harter“ Echtzeit muss das System für jeden Berechnungsschritt garantiert innerhalb der Zeitvorgabe ein Ergebnis bereitstellen. Die Vorgabe der Taktrate kann dabei sehr unterschiedlich ausfallen. Für manche Systeme genügt eine sichere Taktrate im Sekundenbereich, während in anderen Fällen auf die Mikrosekunde genau getaktet werden muss. Zur Erfüllung von harten Echtzeitanforderungen hoher Taktrate im MultitaskingBetrieb (siehe unten) müssen die eingesetzten Steuerrechner mit Echtzeit-Betriebssystemen wie LynxOS, QNX oder VxWorks ausgestattet sein. Diese sorgen dafür, dass entsprechend privilegierte, wichtige Prozesse innerhalb einer garantierten kurzen Zeitspanne den Prozessor für eine definierte Dauer zur Verfügung bekommen. Aufbauend auf dieser Garantie können wiederum die darauf laufenden Programme Echtzeitgarantien geben. Das oben angerissene Problem, für eine Simulation nicht genügend Resourcen bereitstellen zu können, stellt sich nun wie folgt dar: sei die Simulation so, dass sie innerhalb der Dauer einer Applikationsschleife, die mit einer Mindestfrequenz von 15 Hz laufen muss, keinen vollen Simulationsschritt berechnen kann. Sie erfüllt also nicht die weiche Echtzeitbedingung des VR-Systems. Gleichzeitig erfüllt sie aber möglicherweise eine Echtzeitbedingung für Simulationen, wenn sie beispielsweise bei halber Auslastung eines Prozessors mit einer Frequenz von 5 Hz Zeitschritte von 0,2 s in Modellzeit berechnen kann. Indem nun die Simulation in eine separate Schleife ausgelagert wird, wird eine Anbindung der Simulation an die VR-Applikation möglich: ungefähr alle 3 Durchläufe der Hauptschleife kann die Simulation neue Daten über ihren Knoten im Verhaltensgraph bereitstellen, die dann zur Anzeige kommen. Der nächste Simulationsschritt wird dann mit gegebenenfalls neuen Parametern gestartet, die von Ereignissen aus anderen Teilen der virtuellen Welt herrühren. Um diese Nebenläufigkeit der VR-Hauptschleife und der Simulation zu erreichen, lagert man die Simulation in einen eigenen so genannten Thread aus. Threads sind ein vom Betriebssystem bereitgestellter Mechanismus, Teile eines Programms zeitlich unabhängig vom Rest des Programms laufen zu lassen, ähnlich dem Konzept von Prozessen, das Grundlage von Multitasking ist: vereinfacht dargestellt,
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wechselt der Prozessor dabei in kurzen Zeitabschnitten das Programm, das er gerade abarbeitet. Für den Anwender entsteht so der Eindruck, dass die Bearbeitung gleichzeitig stattfindet. Bei modernen Prozessoren mit mehreren Prozessorkernen oder bei Rechnersystemen mit mehreren Prozessoren findet die Abarbeitung von einigen der Programme (bei Prozessen) bzw. Programmteile (bei Threads) sogar tatsächlich gleichzeitig statt. Dieses Konzept wird bei komplexen Szenarien noch weiter geführt: es ist genauso möglich, die Simulation auf einen zweiten Rechner oder einen ganzen Rechencluster10 auszulagern. Man spricht dann auch von verteilten Systemen. Zu lösen ist die Aufgabe der Synchronisation zwischen der Simulation und dem Rest des Systems: immer wenn ein Datenaustausch zwischen den beiden Schleifen stattfindet, muss garantiert werden, dass sich beide Subsysteme jeweils in einem konsistenten Zustand befinden. Die Übertragung der Daten einer nur zur Hälfte mit aktuellen Werten gefüllten Rotationsmatrix beispielsweise hätte Daten-Korruption zur Folge, die inkonsistente Kopie der Matrix würde höchstwahrscheinlich gewisse mathematische Eigenschaften nicht besitzen, die für ihre Weiterverwendung wesentlich sind. Solche Probleme werden vermieden, indem die nebenläufigen Programmteile an definierten Stellen im Ablauf aufeinander warten und so nur „freigegebene“ Daten übertragen werden. Auf die genauen Mechanismen zur Synchronisation von Threads und Prozessen soll hier aber nicht weiter eingegangen werden. Der implementatorische Aufwand dabei wird erwartungsgemäß umso größer, je komplexer die Verteilung ist: laufen die Threads auf einem Rechner, kann gemeinsamer Speicherplatz im RAM zum Datenaustausch verwendet werden, bei ClusterSystemen muss eine Kommunikation über das Netzwerk mit den dort inhärenten Latenzen einbezogen werden.
13.2.5 Darstellungs-Subsysteme, „Renderer“ Wesentlicher Zweck eines VR-Systems ist natürlich, die simulierte virtuelle Umgebung darzustellen. Dazu müssen letztlich verschiedene Darstellungs-Subsysteme regelmäßig den Szenezustand interpretieren und daraus für jede vorgesehene Sinnesmodalität ein adäquates Reizmuster, eine Darstellung, erzeugen. Für die augenfälligste davon, die visuelle Darstellung, heißt das, dass etwa alle 10 bis 50 Millisekunden das graphische Rendering angestossen werden muss. Da die Berechnung eines neuen Bildes nur dann sinnvoll ist, wenn ein neuer Zustand der virtuellen Szene bereitsteht, wird das graphische Rendering meist direkt in die Applikationshauptschleife des VR-Systems integriert. Nach Abarbeitung der Ereignis-Kaskade und gegebenenfalls Synchronisation mit Daten aus nebenläufigen Simulationen startet das System eine so genannte Traversierung des Szenegraphen: bei einem rekursiven Durchwandern der Transformationshierarchie werden nach 10
Als Cluster wird in diesem Zusammenhang ein Verbund von gemeinsam an einer Aufgabe arbeitenden Rechnern bezeichnet.
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und nach alle Knoten, die visuell relevante Informationen tragen, besucht und die entsprechenden Daten an die Basis-Graphik-Bibliothek11 des Systems übertragen: in Transformationsknoten werden affine Transformations-Matrizen aus den Daten für Verschiebung, Rotation und Skalierung akkumuliert, in Material-Knoten werden Farbeinstellungen und Texturen abgerufen, Licht-Knoten liefern Daten zu Richtung, Farbe, Helligkeit und Abschwächung von Lichtquellen und nicht zuletzt in den Geometrieknoten werden die Dreiecke oder anderen Polygone, aus denen sich die Objekte zusammensetzen, an die Graphik-Bibliothek „gepumpt“12. Die Graphik-BasisBibliothek ist dafür verantwortlich, über entsprechende Treiber die Daten effizient auf die Graphik-Karte zu übertragen. Diese führt die eigentliche Bildgenerierung, also die Berechnung der Farbe für jeden Bildpunkt, autark durch und stellt das Bild als Ausgangssignal dem angeschlossenen Monitor oder Projektor bereit. Man beachte, dass die Graphik-Karte Monitor oder Projektor mit konstanter Frequenz (meist 60 Hz bei Flachbildschirmen und möglichst deutlich höherer Frequenz bei Röhrenmonitoren) ansteuert, asynchron und völlig unabhängig von der Berechnung des Bildes. Bei Röhrenmonitoren ist die hohe Bildwiederholrate bis über 85 Hz notwendig, damit auch die auf Bewegungswahrnehmung spezialisierten Rezeptoren der peripheren Netzhaut kein Flimmern mehr wahrnehmen: bedingt durch das Funktionsprinzip der Kathodenstrahlröhre schwankt die Helligkeit jeden Bildpunktes, denn der Phosphor auf dem Bildschirm wird durch den im Zickzack darüberhuschenden Elektronenstrahl nur kurz angeregt und leuchtet mit abfallender Helligkeit nach, bis er erneut angeregt wird. Die Nachleuchtdauer soll einerseits nicht zu hoch sein, damit schnelle Bewegungen sauber ohne Schlieren darstellbar sind, andererseits werden dadurch Helligkeitsschwankungen bei einer zu niedrigen Bildwiederholrate unterhalb der Flimmerverschmelzungsfrequenz störend wahrgenommen. Flachbildschirme oder beispielsweise LCD- oder DLP-Projektoren haben dieses Problem nicht, da der Lichtfluss durch eine quasi konstant leuchtende Lichtquelle erzeugt wird und die Bildpunktfarbe durch Filterung entsteht. Bei der graphischen Darstellung sind also die Bildaktualisierungsrate und die Bildwiederholrate zu unterscheiden. Erstere wird vom VR-System bestimmt und muss die Bewegungsverschmelzungsfrequenz überschreiten, während letztere durch die Graphik-Karte und ihre Treiber bestimmt wird und auf die höhere Flimmerverschmelzungsfrequenz und Eigenschaften der Darstellungshardware abgestimmt sein muss. Eine Bildaktualisierungsrate des VR-Systems, die über der Bildwiederholrate des angesteuerten Monitors oder Projektionssystems liegt, hat offensichtlich keinen praktischen Nutzen sondern würde nur unnötig Rechenleistung beanspruchen. Beim akustischen Rendering tauchen zum Teil ähnliche Konzepte wie beim graphischen Rendering auf. Um die räumliche Verortung virtueller Schallquellen in die Klangdarstellung einzubeziehen, wird ebenfalls die Transformationshierarchie ausgewertet und jeweils Position und Orientierung der Schallquelle sowie des Anwen11
Die Basis-Graphik-Bibliothek ist unter Rechnern mit Windows-Betriebssystem meist DirectX, bei anderen üblicherweise das plattformübergreifende OpenGL (Open Graphics Library). 12 Man spricht auch von der Polygon-Pumpe.
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ders bestimmt. Gemeinsam mit diesen Parametern für die Erzeugung von StereoEffekten13 werden die Audio-Daten jeder Schallquelle in Stücken, so genannten Audio-Chunks, an eine Audio-Bibliothek14 übergeben, die sie an die Sound-Karte weiterreicht. Diese führt die eigentliche Klang-Synthese durch und erzeugt das Ansteuerungssignal für die Lautsprecher. Um störend hörbare Unterbrechungen in der Klang-Darstellung zu vermeiden, muss das VR-System gewährleisten, dass der Sound-Karte genug Audio-Daten bis zum nächsten Aktualisierungszyklus zur Verfügung stehen. Menschen nehmen Frequenzen bis über 10 kHz bewusst wahr, für eine klare, artefaktfreie Audio-Darstellung sind mindestens Dynamiken bis 20 kHz wünschenswert. Damit ist die Erzeugung von Klängen durch Simulation des Schwingungsverhaltens der Objekte der virtuellen Szene aufgrund der dazu nötigen enormen Rechenleistung praktisch kaum in Echtzeit durchführbar. In den meisten VR-Systemen behilft man sich deshalb mit dem Kunstgriff, die darzustellenden Klänge aus einer Reihe von vorproduzierten Klängen (samples) zusammenzustellen, auch wenn dies nicht das volle Spektrum der Klangvielfalt realer Interaktion mit schwingungsfähigen Objekten ermöglicht. Teilweise wird bei der Interaktion mit einem Objekt auch zwischen an verschiedenen Stellen des Objektes abgelegten Samples interpoliert [199]. Die Anforderungen bei der visuellen und der auditiven Darstellung sind also rein durch die biologischen Fähigkeiten der Sinne diktiert. Visueller wie akustischer Sinn wirken nicht auf das technische Gerät zurück, es existiert also keine Kopplungsschleife15, die potenziell Instabilitäten verursachen könnte. Dagegen hat die haptische Darstellung neben der physiologischen auch eine regelungstechnische Komponente, denn bei haptischen Systemen findet ein bilateraler Energieaustausch zwischen haptischem Gerät und Benutzer statt. Deshalb bestehen für die Ansteuerung haptischer Geräte, insbesondere Force-Feedback Systeme, harte Echtzeitanforderungen wie generell bei der Steuerung gekoppelter Systeme: treten in der Kopplung zu hohe Latenzen auf — wird die Ansteuerungsinformation 13 Für realistische Raumklang-Simulationen müssen zusätzlich auch Geometrie-Informationen einbezogen werden. 14 Beispielsweise plattformübergreifend OpenAL (Open Audio Library) oder Microsoft-spezifisch DirectSound3D 15 Streng genommen existiert auch hier eine Rückkopplung, die über die Interaktion des Nutzers mit der virtuellen Welt geschlossen wird. Die in der Praxis auftretenden Instabilitäten resultieren aber weniger aus den spezifischen Eigenschaften des visuellen oder akustischen Renderings, sondern vielmehr aus instabilen Physik-Simulationen. Resonanzen treten zwar in der Darstellung, aber nicht durch die Darstellung auf. Ein Objekt mag auf dem Monitor zittern, der Strahlungsfluss vom Monitor wird dadurch aber nicht chaotisch oder erfährt eine Überhöhung mit Gefährdung des Nutzers. Etwas anders kann es beim akustischen Rendering sein. Dort kann eine Interaktion und eine zu langsame Synthese der Klänge in einer akustischen Resonanz resultieren, die — bei entsprechend leistungsfähiger Soundanlage — auch eine Überhöhung in der akustischen Druckwelle zum Nutzer verursacht. Dieses Problem ist jedoch meist aufgrund der geringen Schallleistung der Hardware unkritisch.
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des Gerätes zu lange nicht aktualisiert — destabilisiert dies die Kontrollschleife. Dies geschieht bei den typischerweise schwach gedämpften Systemen haptischer Geräte in einer Resonanzfrequenz, welche die Gefahr einer Selbstzerstörung des Gerätes oder einer Verletzung des Anwenders mit sich bringt. Entsprechend besteht häufig die Forderung bei besonders hohen Kraftgradienten und den am häufigsten eingesetzten Systemen mit niedriger Impedanz (Kap. 5) nach Regelfrequenzen von mehr als 1000 Hz (Kap. 12). Neben dieser technischen Anforderung hat diese hohe Frequenz auch ganz praktische Implikationen auf die Güte der Darstellung des haptischen Eindrucks. Da die haptische Wahrnehmung Schwingungen von über einem Kiloherz erfassen kann (Abschnitt 4.3), werden virtuelle Systeme, die haptische Informationen derartig schnell zu Verfügung stellen können, als realistischer empfunden. Dies betrifft insbesondere die Extremfälle von Freiraumbewegungen und Kollisionen mit harten Kontakten.
13.2.6 Entkopplung des Haptik-Renderers von anderen Sinnesmodalitäten Die visuelle Darstellung benötigt Bildwiederholraten, die sich an der zeitlichen Auflösung des optischen Sinnes orientieren. Selbst für Wahrnehmung im peripheren Sichtbereich und für besonders schnelle Bewegungen sind Frequenzen von 70 Hz völlig hinreichend. Bei professionellen Anwendungen mit im Vergleich zu Computerspielen geringen Bewegungsgeschwindigkeiten sowohl des Betrachters als auch der virtuellen Objekte genügen meist sogar ≈ 20 Hz. Die Anforderungen an den visuellen Renderer liegen also bezügliche der Frequenz der Datenbereitstellung um den Faktor 10 bis 100 unterhalb derer des haptischen Renderers, der mit ≈ 1000 Hz betrieben werden sollte. Also muss das haptische Rendering vom Takt der Hauptschleife des VR-Systems und anderer, langsamerer Darstellungs-Subsysteme entkoppelt werden, für die eine solch hohe Wiederholrate weder nützlich noch im Allgemeinen durchführbar wäre16 . Die Entkopplung der Haptik-Rendering-Schleife erfolgt nach den gleichen technischen Prinzipien, mit der auch die Nebenläufigkeit von Simulationen erreicht werden kann (vergleiche auch Abschnitte 12.1 und 12.2): Nach der Initialisierungsphase der VR-Applikation startet das System einen Thread, der mit hoher Priorität und Frequenz nebenläufig zur Hauptschleife der Applikation die Haptik-RenderingSchleife abarbeitet. In dieser findet die Abfrage der Positionsdaten des Haptik-Geräts, Kollisionserkennung, Kontaktklassifizierung mit Kraftsimulation und schließ16 Beim akustischen Rendering liegen die Grenzfrequenzen zwar sogar oberhalb derer des haptischen Renderings, mit dem Sample-basierten Ansatz kann aber trotzdem die Ansteuerung der Audio-Bibliothek in der Hauptschleife verbleiben. Nur eine vollständig physikalisch basierte Klang-Simulation müsste entkoppelt werden, darauf soll hier aber nicht weiter eingegangen werden.
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lich die Ansteuerung des Haptik-Geräte-Treibers mit den berechneten Kräften und Momenten statt. Der Haupt-Thread liest zu Beginn jeden Zyklus’ die Positionsdaten des Haptik-Geräts vom Haptik-Thread, um sie in seine Ereignis-Kaskade einzupflegen. Der umgekehrte Datenfluss vom Haupt- zum Haptik-Thread ist aufwändiger: Bei komplexen Szenen ist die Kollisionserkennung der zeitkritische Faktor des haptischen Renderings. Ein effizienter Ansatz ist deshalb, die Datenmenge, auf der im Haptik-Thread Kollisionserkennung durchgeführt werden muss, zu reduzieren: der Haupt-Thread stellt dem Haptik-Thread jeweils nur einen lokalen SzeneAusschnitt zur Verfügung, so dass eine globale Kollisionserkennung lediglich mit der Frequenz der Hauptschleife durchgeführt werden muss während die hochfrequente Kollisionsdetektion nur auf den Objektteilen erfolgt, die sich gerade in der Nähe der haptischen Probe befinden. Dazu berechnet der Haupt-Thread nach Abarbeitung der Ereignis-Kaskade aus der aktuellen Position und Bewegung der haptischen Probe17 ein Gebiet, das die haptische Probe und ihren prognostizierten Bewegungspfad mindestens bis zum nächsten Kollisionszyklus der Hauptschleife umfasst. Das Gebiet sollte dabei zwar mit möglichst geringem Volumen, aber dennoch eher etwas zu groß als zu klein geschätzt werden. Alle Polygone der Szene, die innerhalb des Gebiets liegen oder von seinen Grenzen geschnitten werden, werden an den Haptik-Rendering-Thread übertragen und von diesem dargestellt. Zum Aufsammeln der betreffenden Polygone wird ein das Gebiet darstellendes Oberflächenobjekt mit der Szene geschnitten, wobei es sich wiederum um ein Problem handelt, das mit Kollisionserkennungsalgorithmen gelöst wird. Es ist ersichtlich, dass die Kollisionserkennung der Hauptschleife regelmäßig und in nicht zu großen zeitlichen Abständen durchgeführt werden muss, da die Prädiktion der Bewegung der haptischen Probe sonst zu ungenau und der bereitzustellende Szeneausschnitt immer größer wird, mit Folgen für die Laufzeit der lokalen Kollisionserkennung in der Haptik-Schleife. Der Datenaustausch zwischen dem Haupt-Applikations-Thread und dem HaptikThread muss sorgfältig entworfen werden, derart, dass der Haptik-Thread nie länger angehalten werden muss, um auf die Datenbereitstellung durch den Haupt-Thread zu warten. Beim Datenaustausch zwischen Threads ist es notwendig, die Speicherbereiche, die aktuell von einem Thread beschrieben werden, vor jeglichem, auch lesendem, Zugriff durch andere Threads zu schützen, da die Daten während des Schreibvorgangs noch nicht konsistent sind. Dazu wird der Speicherbereich mit vom Betriebssystem bereitgestellten Mechanismen vom schreibenden Thread für alle anderen gesperrt — wenn ein anderer Thread bei der Abarbeitung seines Programmcodes zu einer Anweisung kommt, die auf besagten Speicher zugreift, muss er angehalten werden, bis der schreibende Thread den Bereich wieder freigibt. Damit der Haptik-Thread durch den Schreibvorgang des Haupt-Threads beim Bereitstellen des lokalen Szeneausschnitts nicht ausgebremst wird, muss eine derartige Blockierungsphase möglichst kurz gehalten werden. 17
Die Geschwindigkeit der haptischen Probe kann natürlich im Haupt-Thread aus der aktuellen und der Position aus seinem letzten Zyklus abgeleitet werden. Günstiger ist es jedoch, wenn auch diese Information vom Haptik-Thread bereitgestellt wird.
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Mit einem Double Buffer-Ansatz ist dies gut zu erreichen: während der HaptikThread auf einer lokalen Kopie der Szene rendert, füllt der Haupt-Thread einen zweiten Speicherpuffer mit der nächsten lokalen Szenekopie. Erst wenn die Kopie vollständig in den Puffer übertragen ist, wird der Haptik-Thread benachrichtigt, dass er ab sofort die Daten im zweiten Puffer darstellen und den ersten Puffer freigeben soll zur erneuten Befüllung durch den Haupt-Thread. Nur für die Übertragung dieser kurzen Nachricht und das Umschalten der Puffer müssen sich die beiden Threads synchronisieren. Dies ist so zu gestalten, dass der Haupt-Thread gegebenenfalls auf den Haptik-Thread warten muss, aber nicht umgekehrt — zum einen aufgrund der kritischeren Eigenschaften des haptischen Renderings, zum anderen, da die Haptik-Schleife wegen ihrer höheren Frequenz ohnehin öfter an den Progammstellen zur Synchronisation „vorbeikommt“, die durchschnittliche Wartezeit des Haupt-Threads also viel kürzer ist als im umgekehrten Fall. Das Konzept der lokalen Szenekopie findet auch erfolgreich Anwendung, wenn die Haptik-Rendering-Schleife auf einem anderen Rechner abläuft als die HauptApplikationsschleife. Es gibt beispielsweise Haptik-Geräte wie den FCS HapticMaster (Abb. 5.9 auf Seite 104), die mit einem eigenen Treiber-Rechner ausgeliefert werden, auf dem die Haptik-Rendering-Schleife abläuft. Es ist dann nicht mehr notwendig, auf dem VR-Rechner einen hochfrequenten Haptik-Thread bereitzustellen. Bis auf die Unterschiede der verwendeten Betriebssystem-Mechanismen zur Inter-Prozess-Kommunikation kommen in einer solchen Systemstruktur die gleichen Prinzipien bei Datenaustausch und Synchronisation zum Einsatz.
13.2.7 Haptische Interaktionsmetaphern Wie oben schon kurz angesprochen, wird mit dem Begriff Interaktionsmetapher im Kontext der Mensch-Maschine-Schnittstellen (HCI — „Human-Computer-Interface“) ein Konzept bezeichnet, nach dem die Aktion des Anwenders mit der darauf folgenden Reaktion eines Computer-Systems verknüpft ist. Die im täglichen Umgang mit dem Computer zum Standard gewordene Arbeit mit der Maus zum Steuern eines kleinen Pfeils und Klicken zum Auslösen von Aktionen basiert auf einer komplexen Interaktionsmetapher, die sich aus vielen einzelnen Interaktionsmetaphern zusammensetzt. Eine davon ist z.B. die Metapher „Drag and Drop“: Das Zeigen auf ein Objekt mit der Maus, Klicken, Festhalten und Ziehen des Objekts, um es auf einem anderen Objekt, z.B. dem Icon eines Papierkorbs, loszulassen. Diese Interaktionsmetapher ist dem Ergreifen, Bewegen und Loslassen eines Gegenstandes nachgebildet. Für die haptisierte Interaktion in virtuellen Umgebungen gilt es ebenfalls, auf sehr grundsätzlicher Ebene zwei Interaktionsmetaphern zu unterscheiden. Im Ideal eines perfekten haptischen Displays könnte der Benutzer direkt mit allen Objekten der virtuellen Umgebung fühlbar interagieren: beim Greifen entsteht ein haptischer Eindruck an Fingern und Handfläche genau in dem Moment, zu dem der Kontakt mit dem zu greifenden virtuellen Objekt aufgenommen wird. Die Finger
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der Hand sind ebenso wie alle anderen Körperteile ganz frei in der Bewegung bis auf die Einschränkungen, die von der virtuellen Umgebung erzeugt werden. Überall am Körper können haptische Reize erzeugt werden. Dies wird direkte haptische Interaktion genannt. In eingeschränktem Maß ist sie möglich: die ersten Modelle des haptischen Geräts PHANTOM besitzen beispielsweise als Endeffektor einen kleinen Kunststoffkegel, in den man wie in einen Fingerhut seinen Finger steckt und über ihn den TCP bewegt. Die Kraftrückkopplung des Geräts führt zu dem Eindruck, mit dem Finger (fast) direkt die Oberfläche virtueller Objekte berühren zu können. Um diesen Eindruck auf die ganze Hand zu erweitern, würde man jedoch viele Effektoren benötigen, für jeden Finger, am Besten sogar für jedes Fingerglied, mehrere für die Handfläche, ebenso für den Handrücken. Mit Exoskeletts ist man einen Schritt in diese Richtung gegangen, allerdings ist man noch weit von Geräten entfernt, mit denen ein annähernd realistischer Eindruck erzeugt werden kann. Die softwareseitige Aufgabe erscheint dabei als der leichtere Part: die Hand lässt sich mit heutiger Softwaretechnologie in ausreichender Granularität in der virtuellen Umgebung nachmodellieren und auch die Kollisionsdetektion und Kraftsimulation zwischen dem Handmodell und der virtuellen Umgebung stellt zwar eine große Herausforderung, aber keine grundsätzliche Unmöglichkeit dar. Auf der Geräteseite allerdings ist allein das genaue mechanische Tracking der Handbewegung überaus anspruchsvoll: jeder Finger kann mit 4 Freiheitsgraden bewegt werden, der Daumen mit 3 und hinzu kommen die komplexen Bewegungsmöglichkeiten der Mittelhand. Umgekehrt müsste für all diese Freiheitsgrade Aktorik höchster Qualität auf engstem Raum untergebracht werden. Doch selbst wenn man sich nur auf die Fingerspitzen beschränkt, bleibt der technische Aufwand enorm. Deswegen bietet sich eine andere Interaktionsmetapher an, die bei allen weit verbreiteten Haptik-Geräten Anwendung findet: eine indirekte Interaktion mit der virtuellen Umgebung, auch Tool-Handle-Metaphor genannt. Dieses Konzept sieht vor, dass man die virtuelle Umgebung nicht mehr direkt mit den Fingern, sondern mittelbar über einem Gegenstand ertastet, den man in der Hand hält. Es ist, als würde man mit einem Stift die Umgebung berühren anstatt mit der Fingerspitze. Diese durchaus gravierende Einschränkung erlaubt mit erheblich weniger gerätetechnischem Aufwand dennoch äußerst nützliche haptische Interaktionen. Zum einen gibt es auch in der Realität viele Anwendungen, bei denen die haptische Wahrnehmung indirekt erfolgt. Ganz offensichtlich ist dies der Fall in der minimalinvasiven Chirurgie, aber auch Essen mit Messer und Gabel, das Ertasten der Kerbe einer Schraube mit dem Schraubendreher, das Schreiben und Malen mit Bleistift oder Pinsel oder Modellieren von Ton mit Werkzeugen und Bearbeiten von Holz mit einem Beitel sind Beispiele. Bei solchen Aktivitäten kann zur Übertragung in die virtuelle Umgebung der Endeffektor mit dem Werkzeug gleichgesetzt werden. Ist der Endeffektor am haptischen Gerät austauschbar, dann kann ein dem Griff des realen Werkzeugs nachgebildeter Endeffektor zum Einsatz kommen. Auffällig ist bei dieser Betrachtung, dass diese Interaktionen wenig explorativen Charakter haben, sondern der Modifikation von Objekten dienen.
13.3 Algorithmen
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Die Tool-Handle-Metapher ist aber auch bei anderen Fragestellungen von Nutzen: immer, wenn es passend ist, den Endeffektor mit einem (im Wesentlichen starren) virtuellen Objekt zu identifizieren, das in der virtuellen Umgebung bewegt werden soll, bietet es sich an, einen realen Repräsentanten des Objekts als Endeffektor einzusetzen. Bei der einleitend bereits erwähnten Fragestellung der EinbauMontage-Simulation bietet der Ansatz in Kombination mit Rapid-Prototyping interessantes Potenzial. Das Bauteil, dessen Einbaubarkeit mittels eines virtuellen Szenarios überprüft werden soll, wird direkt nach den aktuellen CAD-Daten beispielsweise mit einem Stereolithographie-Prozess gefertigt und als Endeffektor montiert. Der Monteur hat dann die Möglichkeit, das Bauteil wie bei der realen Einbau-Situtation zu greifen und zu bewegen. Die Wahl der Interaktionsmetapher spielt eine ganz wesentliche Rolle beim Design sowohl des Gerätes als auch bei der Planung der Applikation und der einzusetzenden Algorithmen.
13.3 Algorithmen Bei der visuellen Präsentation virtueller Objekte können je nach Zweck der Darstellung verschiedenste Eigenschaften herangezogen, andere ignoriert werden. Viele Aspekte wie Umriss, Farbe, Reflektionseigenschaften, Transparenz, lokale Farbvariationen (Textur) tragen dazu bei, einen realistischen Eindruck zu erzeugen. Zu den wichtigsten und primären Merkmalen gehören jedoch zunächst diejenigen, die die Form eines Objekts „begreifbar“ machen. Während der Entwicklung der Computergraphik ist entsprechend zunächst auf den Umriss und formgebende Kanten Wert gelegt worden, bevor dank besserer Möglichkeiten der Soft- und Hardware die Darstellung von Helligkeitsunterschieden, schließlich Färbung und anderer visueller Objekteigenschaften realisiert wurde. In ganz ähnlicher Weise ist ein erstes Ziel haptischen Renderings, dem Anwender eine Formwahrnehmung virtueller Objekte zu ermöglichen und in zweiter Linie Materialeigenschaften zu vermitteln. Diese Eindrücke entstehen, wenn Körperteile des Beobachters, meist Finger oder Hand, während einer explorativen Bewegung auf einen Widerstand treffen, der gewisse Eigenschaften hat: insbesondere muss er eine gewisse räumliche und zeitliche Kohärenz aufweisen, abhängig sein von der vom Beobachter aufgebrachten Kraft und darüber hinaus in räumlicher Beziehung zum Beobachter stehen. Ein haptisches Display muss also an unterschiedlichen Orten unterschiedliche Kräfte erzeugen. Zur Verortung ist zunächst eine dreidimensionale Repräsentation der beteiligten Objekte in Form eines mathematisch beschreibbaren Modells nötig. Grundsätzlich sind die gleichen Repräsentationen verwendbar, wie sie auch für die visuelle Darstellung in der 3D-Computergraphik zur Anwendung kommen. An die Stelle der Attribute, die für eine visuelle Darstellung notwending sind, treten Beschreibungen für Steifigkeit oder Elastizität (Härte), Rauhigkeit und Klebrigkeit.
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13 Softwareentwurf
Die in der so genannten „Echtzeit“-Computergraphik seit langem mit Abstand dominierende Repräsentation räumlicher Struktur beschreibt Objekte über eine Vielzahl von Dreiecken, die die Oberfläche des Objekts approximieren. Auch CADSysteme, in denen mit Flächenbeschreibungen höherer Ordnung modelliert wird (beispielsweise Non-Uniform-Rational-B-Spline-Tensorflächen, NURBS), erzeugen für die graphische Bildschirmdarstellung eine auf Dreiecken basierende Zwischenrepräsentation, da heutige Graphik-Hardware hochgradig auf die Verarbeitung von Dreiecken optimiert ist. In bestimmten Anwendungsbereichen (z. B. bildgebende Verfahren in der Medizin wie Computer- oder Kernspin-Tomographie) werden auch direkt Volumenmodelle, meist in Form regelmäßiger 3D-Gitter skalarer oder vektorieller Daten (Voxel), mittels Direct Volume Rendering (DVR) visualisiert. Beide Repräsentationen können auch für die haptische Simulation Anwendung finden, wobei meist zusätzliche Datenstrukturen für die Kollisionserkennung (Abschnitt 13.4) aufgebaut werden müssen. Neben den virtuellen Objekten muss in irgendeiner Weise der interagierende Benutzer in der virtuellen Umgebung repräsentiert werden. Beim graphischen Rendering ist das Analogon dazu die über Position, Orientierung, Öffnungswinkel und möglicherweise weitere Parameter beschriebene Kamera, die dem Auge des Betrachters entspricht. Für das haptische Rendering wird — im häufigsten Fall, dass der Anwender mit seiner Hand interagiert — der Hand minimal ein Punkt gleichgesetzt, dessen Koordinaten aus der Position des Endeffektors des haptischen Geräts, dem Tool Center Point (TCP), abgeleitet werden. Dieser Punkt in der virtuellen Umgebung ist jedoch vom TCP zu unterscheiden: es sind im Allgemeinen Koordinatentransformationen notwending, um den vom Gerät gelieferten Positionsdaten des TCP eine Position in der virtuellen Umgebung zuzuordnen, so beispielsweise bei einem virtuellen Molekül-Baukasten mit haptischer Unterstützung, bei dem eine Skalierung um mehrere Größenordnungen stattfinden muss. Die Repräsentation des TCP in der virtuellen Szene wird im Weiteren als Haptischer Interaktions-Punkt, kurz HIP bezeichnet. Bei manchen Haptik-Rendering-Verfahren tritt neben dem HIP noch ein weiteres Objekt auf, das die Benutzerinteraktion abbildet. Dabei kann es sich wieder um ein punktförmiges oder auch um ein komplexeres Objekt handeln. Es wird im Folgenden als haptische Probe bezeichnet. Während der HIP immer die Position des TCP in der virtuellen Szene repräsentiert, ist die haptische Probe das Objekt, mit dem die Kontaktberechnung durchgeführt wird. Bei den so genannten „Penalty“-basierten Ansätzen (Abschnitt 13.3.2) fallen HIP und Position der haptischen Probe zusammen, während dies bei anderen Verfahren nicht immer der Fall ist. Grundsätzliche Komponente eines Haptik-Rendering-Algorithmus’ ist eine auf die Repräsentationen der Objekte angepasste Kollisionserkennung. Diese stellt die Lokalisierung des Kontaktes zwischen Anwender und virtuellem Objekt bereit. Auf grundsätzliche Konzepte von Kollisionserkennung wird im Abschnitt 13.4 eingegangen.
13.3 Algorithmen
425
Die Kollisionserkennung ist eng in die Gesamtstruktur des Haptik-RenderingAlgorithmus integriert: schematisch kann ein Zyklus des haptischen Renderings dargestellt werden als • • • •
Positions-/Lagebestimmung Benutzerinteraktion Kollisionsdetektion/-bewertung Simulation Ausgabe von Kraft oder Position über das Haptische Interaktionsgerät
Im Folgenden werden einige Verfahren vorgestellt, mit denen virtuelle Objekte haptisch gerendert werden können.
13.3.1 Virtuelle Wand Das einfachste haptische Modell ermöglicht das virtuelle Berühren einer glatten, ebenen Fläche mit einer punktförmigen Probe analog beispielsweise zu einer harten Bleistiftspitze. Dazu wird das Haptikgerät so angesteuert, dass einer Bewegung im freien Raum — nehmen wir der Einfachheit halber zunächst den Halbraum mit positiver x-Koordinate — kein Widerstand entgegensetzt wird. Eine Bewegung des HIP durch die yz-Ebene hindurch wird jedoch abgebremst durch eine Gegenkraft F und somit weitgehend verhindert — der Anwender nimmt den Kontakt mit einer virtuellen Wand wahr. Die Berechnung der Gegenkraft in der einfachste Form lautet: ! K · (x, 0, 0) für x < 0 F= (13.1) (0, 0, 0) sonst wobei über den Proportionalitätsfaktor K die Härte der Wand gesteuert wird: konzeptionell wird also das Verhalten einer Feder nach dem H OOK’schen Gesetz simuliert, die ausschliesslich in Richtung der Normalen der yz-Ebene wirkt (Abb. 13.2). Bewegungskomponenten parallel zur Ebene werden nicht gebremst. Dadurch erscheint die Oberfläche perfekt glatt. Eine große Federkonstante K führt zu einem schnellen Kraftanstieg beim Kontakt mit der virtuellen Wand, wodurch sie sich hart anfühlt, während ein kleines K eine weiche Wand ergibt, als wäre sie aus Schaumstoff. Dieses Modell einer virtuellen Wand kann ebenso als Kraftfeld interpretiert werden: vor der Wand ist das Kraftfeld Null, hinter der Wandoberfläche ist das Potenzial proportional zum Abstand und senkrecht zur Wandoberfläche. Das Modell lässt sich leicht verallgemeinern zu einer Ebene beliebiger Ausrichtung und Position: ist eine Ebene implizit gegeben in hessescher Normalenform mit normiertem Normalenvektor n und Abstand d der Ebene zum Ursprung über ⎛ ⎞⎛ ⎞ x0 n0 d = xn = ⎝ x1 ⎠ ⎝ n1 ⎠ (13.2) x2 n2
426
13 Softwareentwurf
n x
HIP F
Abb. 13.2 Virtuelle Wand
dann gilt für die Berechnung der Kraft F für eine Position p des HIP: ! K(d − pn)n für pn < d F= 0 sonst
(13.3)
Die Formulierung der Kontrollschleife des haptischen Renderings für die virtuelle Wand ergibt sich daraus sofort: wiederhole lese HIP-Position p s = d - SkalarProdukt(p, n) wenn s > 0 F = SkalarMultiplikation(K * s, n) sonst F = 0 steuere HIP mit F an Die Kontrollschleife muss mit umso höherer Frequenz abgearbeitet werden, je größer K ist, um die Stabilität des Systems zu gewährleisten: durch die zeitliche Diskretisierung entsteht ein Fehler, der dazu führt, dass das System umso mehr Energie erzeugt, je größer das Produkt aus K und δ t ist. Damit zeigt die virtuelle Wand nicht mehr das passive Verhalten, das man in der Realität von einer Wand „erwartet“. Denn sobald die durch den Diskretisierungsfehler erzeugte Energie die mechanische Dämpfung im Mensch-Maschine-System übersteigt, beginnt das Haptik-Gerät beim Kontakt mit der virtuellen Wand wahrnehmbar zu vibrieren (Abschnitt 7.3.3). Ist eine Dämpfung in Hardware oder deren Regelung nicht möglich oder sinnvoll (Kap. 7), dann kann eine zusätzliche Dämpfung in der Regelungsschleife des Haptik-Renderes zur Verbesserung der Stabilität führen. Zur Federkraft wird eine Bremskraft hinzuaddiert, die der Bewegung des HIP entgegengesetzt und vom Betrag proportional zu dessen Geschwindigkeit v ist mit einem Proportionalitätsfaktor D, der Dämpfungskonstanten. Man erhält ein Feder-Dämpfer-System
13.3 Algorithmen
427
$ F=
Kq − Dv, für s > 0 0 sonst
(13.4)
mit s = d − pn und q = s · n. Der Vektor q realisiert den Abstand des HIP p von der Ebene entgegen der Normalenrichtung und damit die Eindringung in die virtuelle Wand. Um weiterhin eine ideal glatte Wand darzustellen, ist darauf zu achten, dass bei der Dämpfung nur die Normalenkomponente der Geschwindigkeit einbe˙ Wählt man stattdessen v = p, ˙ dann entsteht der Eindruck von zogen wird: v = q. Reibung in der xy-Ebene, der allerdings insofern nicht realitätsgetreu ist, als dass diese Reibung unabhängig von der Anpresskraft ist und kein Übergang von Haft- zu Gleitreibung auftritt. In der Implementierung18 der Kontrollschleife wird die Geschwindigkeit v in der q −qi−1 einfachsten Umsetzung durch den Differentialquotienten tii −ti−1 der Werte aus dem aktuellen (i) und dem vorherigen Zeitschritt (i − 1) angenähert: initialisiere q_alt, t_alt wiederhole lese HIP-Position p lese aktuelle Zeit t s = d - SkalarProdukt(p, n) q = SkalarMultiplikation(s, n) wenn s > 0 v = SkalarMultipliation(1/(t_alt - t), (q_alt - q)) F = SkalarMultiplikation(K, q) SkalarMultiplikation(D, v) sonst F = 0 steuere HIP mit F an q_alt = q t_alt = t Es ist leicht einsichtig, dass auch nach Einführung einer Dämpfung die Dauer des Ansteuerungszyklus nicht zu groß werden darf, da sich dabei unter anderem die Qualität der Geschwindigkeitsapproximation verschlechtert. Allerdings kann durch geschickte Abstimmung der Parameter K und D bereits für niedrigere Abtastraten eine gute haptische Qualität erreicht werden. 18
Bei der Implementierung zeitkritischer Systeme wie haptischer Kontrollschleifen, die mit großer Häufigkeit abgearbeitet werden, sollte besonders darauf geachtet werden, wiederholte Berechnungen gleicher oder nicht benötigter Werte zu vermeiden. Moderne Compiler können doppelte Berechnungen oft aus dem Maschinencode herausoptimieren. Manche manuellen „Verbesserungen“ stören den Compiler sogar dabei, optimalen Code zu erzeugen. Zunächst gilt es deswegen, den Algorithmus an sich nach Komplexitätsbetrachtungen zu optimieren, ihn dann zu implementieren und nur mit guter Überlegung Detail-Optimierungen am Quellcode vorzunehmen. Es sollte dann anhand von Tests überprüft werden, ob das compilierte Codestück tatsächlich effizienter arbeitet als die nicht manuell optimierte Version; nur erfahrene Programmierer können gute Compiler in dieser Disziplin schlagen.
428
13 Softwareentwurf
13.3.2 „Penalty“-Ansätze Das Haptik-Rendering-Verfahren der Virtuellen Wand im vorigen Abschnitt folgt einem so genannten „Penalty“-basierten Ansatz. Bei solchen Ansätzen wird pro Zyklus zunächst mittels Kollisionsdetektion festgestellt, ob sich der HIP im Inneren eines virtuellen Objekts befindet, ob „Kontakt“ besteht.19 Anschließend wird der Kontakt klassifiziert und eine Rückstell- oder „Straf“-Kraft berechnet, die der Eindringung entgegenwirkt und bestrebt ist, den HIP aus dem physikalisch unmöglichen Überlappungszustand hinauszubewegen. Als „Klassifizierung des Kontaktes“ bezeichnet man die Bestimmung einer „Eindringtiefe“ und „-richtung“ als Basis für die Berechnung der besagten Straf-Kraft. Dieser Schritt ist bei der virtuellen Wand trivial und entspricht der Berechnung des Vektors q. Die Funktion der Kollisionsdetektion erfüllt in diesem einfachen Modell die Abfrage s > 0. Dagegen gestalten sich bei komplexeren Objekten sowohl Kollisionsdetektion als auch -klassifizierung erheblich aufwändiger. Tatsächlich ist der wesentliche zeitkritische Anteil bei echten Anwendungsdaten regelmäßig die Kollisionsdetektion. Bei Penalty-Ansätzen mit einer punktförmigen haptischen Probe muss, wie weiter oben bereits angedeutet, nicht zwischen ihrer Position und dem HIP unterschieden werden. Eine naheliegende Definition einer Eindringtiefe und -richtung ist der minimale Abstand des HIP zur Oberfläche des virtuellen Objekts (Abb. 13.3 ). Die Rückstellkraft soll so wirken, dass sie den HIP auf einen nächstgelegenen Oberflächenpunkt zubewegt. Damit ist für jeden Punkt im Objektinneren die zugehörige Eindringtiefe und -richtung fix und kann vorab berechnet werden. Die Klassifizierung des Kontakts lässt sich in diesem Fall mit einem Präprozess effizient gestalten, der im Folgenden motiviert wird für die Repräsentation virtueller Objekte als polygonale Oberflächenmodelle.
Abb. 13.3 Minimaler Abstand verschiedener Punkte zur Objektoberfläche 19
Der Sonderfall, dass sich der HIP zum Messzeitpunkt exakt auf der virtuellen Oberfläche befindet, kommt aufgrund der zeitlichen Diskretisierung praktisch nicht vor, wird aber zur Erreichung einer vollständigen Fallunterscheidung mit dem „Kontakt“-Fall zusammengefasst.
13.3 Algorithmen
429
Bis auf zunächst vernachlässigbare Ausnahmen hat jeder Punkt des Objektinneren zu genau einem Punkt der Objektoberfläche minimalen Abstand. Polygonale Oberflächenmodelle zeigen als Merkmale Eckpunkte, Kanten und Flächen. Alle Punkte des Objektinneren, die zum gleichen Merkmal, also zum selben Eckpunkt, zur selben Kante oder zur selben Fläche nächstgelegen sind, können in einer gemeinsamen Region, der Voronoi-Region [149] des Merkmals zusammengefasst werden. Die Voronoi-Regionen aller Merkmale partitionieren den Inneraum des Objekts (Abb. 13.4). Diese Partitionierung wird mittels einer so genannten MedialachsenTransformation (MAT) durchgeführt, auf die hier nicht detailliert eingegangen wird. Es sei nur soviel zur Herkunft des Begriffes gesagt, dass die Grenzflächen der besagten Regionen Medialflächen (im zweidimensionalen Fall Medialachsen) genannt werden. Sie werden durch die Mengen der Punkte gebildet, die zu mehr als einem Oberflächenpunkt minimalen Abstand haben.
Abb. 13.4 Innere Voronoi-Regionen eines Objekts. Hellgraue Gebiete gehörigen zu gepunkteten Merkmalen, mittelgraue zu gestrichelten und dunkelgraue zu schwarzen Merkmalen.
Jeweils ein Oberflächenmerkmal des Objekts und Medialflächen begrenzen die Voronoi-Region des Oberflächenmerkmals. Für konvexe Polyeder sind die Medialflächen eben, während im allgemeinen Fall an den Voronoi-Regionen konkaver Kanten oder Eckpunkte gekrümmte Medialflächen auftreten können. Um die VoronoiRegionen zu repräsentieren, werden sie meist selbst durch Polyeder approximiert. Während der Laufzeit des Haptik-Renderes muss nun zum HIP die VoronoiRegion bestimmt werden, die ihn enthält. Befindet sich der HIP zu einem Zyklus genau auf einer Medialfläche (ein nur theoretisch relevanter Fall), so ist die obige Festlegung der „Eindringrichtung“ nicht eindeutig, und es muss eine der benachbarten Regionen ausgewählt werden, z. B. diejenige, die in der aktuellen Bewegungsrichtung anschließt. Die Suche nach der Voronoi-Region wird zum Beispiel mit einem klassischen hierarchischen Hüllvolumen-Algorithmus (Abschnitt 13.4) durchgeführt. Ist die Voronoi-Region bestimmt, gestaltet sich der Rest des Klassifikationsschritts einfach: es wird der Vektor zum nächstgelegenen Punkt auf dem zugehörigen Merkmal berechnet (für diese Berechnungen sei auf Literatur zur Geometrie verwiesen).
430
13 Softwareentwurf
Penalty-basierte Ansätze haben jedoch eine grundsätzliche Schwierigkeit: da die Klassifikation des Kontakts und damit die Bestimmung der Eindringtiefe und -richtung nur den aktuellen Zustand betrachtet, treten an den Grenzen der VoronoiRegionen Unstetigkeiten mit spürbaren und oft störenden Wechseln der Kraftrichtung und -intensität auf. Insbesondere bei im Verhältnis zur Federkonstante dünnen Strukturen kann der unerwünschte Effekt auftreten, dass der HIP in eine Region wechselt, die einer gegenüberliegenden Objekt-Oberfläche zugeordnet ist. Das führt zu einem unerwarteten Umkehren der Kraftrichtung: der beim Eindringen zunehmende Widerstand wird plötzlich durch eine in Bewegungsrichtung wirkende Kraft ersetzt, die den HIP auf der gegenüberliegenden Seite aus dem Objekt hinaus drückt. Abbildung 13.5 veranschaulicht diesen Zusammenhang.
HIP F
M
Abb. 13.5 „Durchtunneln“ bei dünnen Strukturen: plötzliche Umkehr der Kraft beim Überschreiten der Medialachse (M)
Diesen konzeptionellen Nachteil, dass die „Historie“ des Kontaktes nicht abgebildet wird, und seine Folgen vermeiden die anschließend dargestellten Constraintbasierten Ansätze.
13.3.3 Constraint-basierte Ansätze Das Prinzip Constraint20 -basierterer Ansätze ist, die virtuellen Objekte der Szene als für die haptische Probe undurchdringliche Begrenzungen des freien Raumes zu modellieren. Während der HIP geführt durch den Benutzer in ein Objekt eindringt, wird die haptische Probe auf seiner Oberfläche gehalten, derart, dass sie den lokal minimalen Abstand zum HIP einnimmt. Aus der relativen Lage von HIP und hapti-
20
Zwangsbedingung
13.3 Algorithmen
431
scher Probe wird eine Kraft bestimmt, die den HIP in Richtung der haptischen Probe bewegt. Diese Kraft wird am haptischen Gerät für den Anwender spürbar. 1995 von Z ILLES und S ALISBURY [290] vorgeschlagen, ist ein Vertreter dieser Algorithmenklasse der God-Object21-Algorithmus (stellenweise auch SurfaceContact-Point-Algorithmus genannt), einer der zentralen Algorithmen haptischen Renderings und in vielen Haptik-Rendering-Bibliotheken implementiert. Er löst die wesentlichen Probleme der oben beschriebenen Penalty-Ansätze und ermöglicht Ein-Punkt-Interaktion mit polygonalen Oberflächenmodellen. Der Algorithmus ist also geeignet zur Ansteuerung haptischer Geräte mit 3 aktiven translatorischen Freiheitsgraden. Das Verfahren lässt sich am Einfachsten beschreiben, in dem die Bahn des HIP und der virtuellen Probe beim Kontakt mit einem virtuellen Objekt nachvollzogen wird (Abb. 13.6). Zu Beginn sei der HIP im Freiraum. Der Ort der haptischen Probe, p0 , fällt mit dem HIP zusammen. Nun bewegt der Anwender den Endeffektor des Haptik-Gerätes. Es wird überprüft, ob die haptische Probe dem HIP folgen kann, indem mit der Verbindungsstrecke zwischen ihrer alten Position und dem aktuellen HIP ein Strahltest gegen die Szene durchgeführt wird. Schneidet die Strecke keine Objektoberfläche, dann wird die haptische Probe an die neue HIP-Position gesetzt und der nächste Zyklus kann beginnen. Andernfalls wird die Trägerebene22 E1 des von der Strecke durchstoßenen Polygons des Objekts zur Zwangsbedingung für die haptische Probe und ihre Bewegung auf sie eingeschränkt: es ist dann der Punkt p1 auf der Ebene zu bestimmen, der minimalen Abstand zum HIP hat. Dieser ist ein neuer Kandidat für die Position der haptischen Probe. Allerdings muss auch hier zunächst überprüft werden, ob die Verbindungsstrecke zwischen p0 und p1 frei ist. Bei nicht konvexen Objekten kann es vorkommen, dass ein zweites Polygon zu betrachten ist und damit dessen Trägerebene E2 als weitere Zwangsbedingung für die Position der haptischen Probe hinzukommt. Im Dreidimensionalen ist damit die Position der Probe auf die Schnittgerade der beiden Trägerebenen eingeschränkt, der neue Kandidat p2 für die Positon der haptischen Probe ist der dem HIP nächstgelegene Punkt auf dieser Gerade. Ein drittes Mal muss nun die Verbindungsstrecke zwischen p0 und p2 überprüft werden. Gegebenenfalls wird durch die Trägerebene eines weiteren Polygons die mögliche Position der haptischen Probe auf den gemeinsamen Schnittpunkt p3 aller drei Ebenen eingeschränkt, ansonsten ist p2 der gesuchte neue Ort der haptischen Probe. Da drei Trägerebenen als Zwangsbedingungen die möglichen Positionen der haptischen Probe bereits auf einen Punkt einschränken, ergibt es keinen Sinn, innerhalb eines Zeitschritts einen weiteren Test vorzunehmen. 21
Die haptische Probe wird von den Autoren als „God Object“ bezeichnet, üblich ist auch der Begriff virtueller Proxy. 22 Als Trägerebene wird die unendlich ausgedehnte Ebene bezeichnet, auf der die Eckpunkte eines ebenen Polygons liegen. Sollten die Eckpunkte eines Polygons nicht in einer Ebene liegen, dann muss es vorab in ebene Teilpolygone, der Einfachheit halber Dreiecke, zerlegt werden. Dieser Schritt ist aber in einen Vorabprozess zu verlagern, so dass hier nicht weiter darauf eingegangen werden soll.
432
13 Softwareentwurf
Ist nun die neue Position der haptischen Probe bestimmt, wird über ein zwischen HIP und haptischer Probe aufgespanntes Feder-Dämpfer-System (Formel (13.4)) die über das haptische Gerät auszugebende Kraft berechnet. p0 p1
p2
E1 HIP
E2
Abb. 13.6 Ablauf God-Object-Algorithmus (Darstellung für 2D-Fall). Gepunktet die optimale Position der haptischen Probe.
Es ist zu beachten, dass der Algorithmus nicht garantiert, dass in einem Zeitschritt die haptische Probe den lokal minimalen Abstand zum HIP erreicht. Abbildung 13.6 zeigt einen solchen Fall, bei der der optimale Punkt auf der zweiten Trägerebene, nicht aber auf der ersten Trägerebene liegt. Dennoch wird die haptische Probe durch den Algorithmus auf die Schnittgerade beider Trägerebenen eingeschränkt. Dies ist aber nicht kritisch: bereits im nächsten Zeitschritt bewegt sich die haptische Probe weiter auf den optimalen Punkt zu. In der praktischen Anwendung sind bei hohen Aktualisierungsraten dadurch keine Artefakte wahrnehmbar, da das Verfahren über einige wenige Zeitschritte hinweg auf die optimale Position der haptischen Probe hin konvergiert. Der theoretische Nachteil, dass der Algorithmus in seltenen Fällen mehrere Zeitschritte zur Konvergenz benötigt, wird mehr als wettgemacht durch den Vorteil der Garantie, dass der Algorithmus nach maximal 3 Tests terminiert und damit in einem verlässlichen Zeitfenster ein Ergebnis liefert. Der größte Laufzeitanteil des Algorithmus wird im Allgemeinen durch die Strahltests zur Feststellung der Zwangsbedingungen beansprucht, weswegen auch hier ausgefeilte Kollisionserkennungsverfahren zum Einsatz kommen müssen. Die Minimierung des Abstands unter den Ebenen-Zwangsbedingungen ist hingegen wenig aufwändig. Sie wird wie folgt angesetzt: der Abstand zwischen haptischer Probe p und dem HIP q wird minimiert, indem das Minimum der Energiefunktion (13.5) unter einer bis drei Zwangsbedingungen, gegeben durch Ebenengleichungen (13.6), gesucht wird. 1 f (p) = (p − q)2 2
(13.5)
Ei : ni p − di = 0
(13.6)
Mit dem Verfahren der Lagrange-Multiplikatoren erhält man die zu minimierende Funktion 3 1 h(p, λ1 , λ2 , λ3 ) = (p − q)2 + ∑ λi (ni p − di ) 2 i=1
(13.7)
13.3 Algorithmen
433
Das Minimum wird bestimmt, indem die partiellen Ableitungen δδphi und δδλhj gleich Null gesetzt und das entstehende Gleichungssystem gelöst wird: ⎛ ⎞⎛ ⎞ ⎛ ⎞ q0 p0 1 0 0 n10 n20 n30 ⎜ 0 1 0 n11 n21 n31 ⎟ ⎜ p1 ⎟ ⎜ q1 ⎟ ⎜ ⎟⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ 0 0 1 n12 n22 n32 ⎟ ⎜ p2 ⎟ ⎜ q2 ⎟ ⎜ ⎟⎜ ⎟ ⎜ ⎟ (13.8) ⎜ n10 n11 n12 0 0 0 ⎟ ⎜ λ1 ⎟ = ⎜ d1 ⎟ ⎜ ⎟⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎝ n20 n21 n22 0 0 0 ⎠ ⎝ λ2 ⎠ ⎝ d2 ⎠ n30 n31 n32 0 0 0 λ3 d3 Die Matrix ist symmetrisch, enthält in der linken oberen 3 × 3-Teilmatrix immer die Einheitsmatrix und in der rechten unteren immer die Null-Matrix. In den ersten beiden Durchläufen pro Zeitschritt sind nur eine bzw. zwei Zwangsbedingungen definiert, das Gleichungssystem reduziert sich dann auf die linke obere 4 × 4- bzw. 5 × 5-Matrix, während es im dritten Durchlauf genügt, das Teil-Gleichungssystem ⎛ ⎞⎛ ⎞ ⎛ ⎞ n10 n11 n12 p0 d1 ⎝ n20 n21 n22 ⎠ ⎝ p1 ⎠ = ⎝ d2 ⎠ (13.9) n30 n31 n32 p2 d3 zu lösen, das allein die Berechnung des Schnittpunktes der drei Trägerebenen darstellt, da die Lösungswerte für die Lagrange-Multiplikatoren nicht von Bedeutung sind. Aufgrund seiner einfachen Struktur kann das jeweilige Gleichungssystem für jeden der drei Fälle symbolisch invertiert werden, so dass zur Laufzeit nur noch die Koeffizienten eingesetzt werden müssen. Es ist zu empfehlen, daraus jeweils handoptimierten Programmcode abzuleiten, bei dem sorgfältig die Anzahl der benötigten mathematischen Operationen in Betracht gezogen wird. Die Lösung des 3 × 3-Gleichungssystems (13.9) ist beispielsweise am effizientesten mit der C RA MERschen Regel zu implementieren23. Eine Erweiterung des God-Object-Algorithmus’ von einer Ein-Punkt-Interaktion hin zu einer Interaktion mit einer kugelförmigen haptischen Probe ist 1997 von RU SPINI, K OLAROV und K HATIB [205] vorgeschlagen worden. Diese löst das Problem des God-Object-Algorithmus’, dass aufgrund numerischer Ungenauigkeiten die haptische Probe an Kanten von Polygonen ins Innere des Objekts durchfallen kann. Der Übergang vom ausdehnungslosen Punkt zu einem Objekt mit Volumen verhindert diesen durch numerische Lücken auftretenden Effekt. Hinzu kommt bei dem in einigen Haptik-Bibliotheken RUSPINI-Algorithmus genannten Verfahren das Konzept des Force-Shading. Es dient der Glättung der durch die polygonale Diskretisierung fühlbar kantigen Oberflächen, zurückführbar auf die Unstetigkeit der Normalenrichtung an Kanten und Ecken. Beim graphischen Rendering mit beispielsweise Phong-Shading werden die Kanten zwischen den Polygonen verwischt, indem zur Beleuchtungsberechnung an jedem Flächenpunkt eines Polygons eine Normale aus an den Eckpunkten des 23
Bei größeren Gleichungssystemen führt diese hingegen zu ineffizientem Code
434
13 Softwareentwurf
Polygons gespeicherten Normalen interpoliert wird. Diese Idee wird beim ForceShading aufgegriffen, muss aber um einen Schritt erweitert werden: da die Richtung der Kraft im constraint-basierten Ansatz von der Richtung des Feder-DämpferSystems zwischen haptischer Probe und HIP bestimmt ist, muss aus der interpolierten Normalen eine neue Position für die haptische Probe abgeleitet werden. Die Autoren des Algorithmus’ schlagen dazu eine zweiphasige Anpassung vor: nachdem entsprechend dem beim God-Object-Algorithmus beschriebenen ConstraintVerfahren eine erste Position p der haptischen Probe berechnet ist, wird durch p eine Ebene gelegt, deren Normale der interpolierten Normalen entspricht. Auf diese Force-Shading-Ebene wird der HIP q projiziert. Im zweiten Schritt wird mit dem so gefundenen Punkt q anstelle des HIP in einem zweiten Durchgang des ConstraintVerfahrens die finale Position p der haptischen Probe bestimmt. Dadurch nähert die Richtung des Feder-Dämpfer-Systems die Richtung der interpolierten Normalen an. Interessant ist bei diesem Ansatz zur Glättung der Kraftrichtung, dass die Modifikation der dargestellten Kraft allein durch eine Änderung der Position der haptischen Probe und nicht durch direkte Addition von Kräften auf den HIP erfolgt — diese Vermeidung eines konzeptionellen Bruchs ist enorm wertvoll für die Erhaltung der Stabilität des Verfahrens. Wie von den Autoren des Algorithmus’ weiter ausgeführt, lässt sich mit einem solchen Vorgehen auch hervorragend die Integration von Reibung bewerkstelligen sowie die Abbildung lokal unterschiedlicher Steifigkeit des berührten Objekts und die Darstellung von feinen Oberflächenstrukturen durch haptische Texturen.
13.3.4 6 DoF-Interaktion: Voxmap-PointShell-Algorithmus Ein weiterer grundsätzlicher Algorithmus wurde 1997 von M C N EELY, P UTER BAUGH und T ROY [164] bei Boeing entwickelt zur Lösung von Fragestellungen aus dem Umfeld des Virtual Prototyping. Der VPS-Algorithmus kombiniert einen Penalty-Ansatz auf hybrider Kollisionserkennung mit der Simulation von Festkörperdynamik und dem von 1993 von C OLGATE et al. [40] vorgeschlagenen Konzept der virtuellen Kupplung (siehe weiter unten). Im Gegensatz zu den bisher dargestellten Verfahren erlaubt der Algorithmus neben der Ausgabe von Kraftvektoren zusätzlich die Darstellung von Momenten in drei Freiheitsgraden. Dies ist eine wesentliche Anforderung bei der interaktiven Planung von Montagepfaden mit virtuellen Prototypen. Dabei kommt die Tool-HandleMetapher zum Einsatz, wobei das fragliche Bauteil mit dem Endeffektor des haptischen Geräts assoziiert wird. Eine bei der Entwicklung des Algorithmus’ zu lösende Herausforderung war, haptisches Rendering für äußerst komplexe Szenarien mit hoher Polygonzahl zu ermöglichen, wie sie aus Flugzeug-Konstruktionsdaten entstehen. Eine geschickte Repräsentation der Szene macht dies möglich: statt die Kollisionserkennung auf den polygonalen Daten durchzuführen, wird eine hybride Kollisionserkennung zwischen dem statischen Teil der Szene, dargestellt in Form der so genannten Voxmap,
13.3 Algorithmen
435
und dem „dynamischen Objekt“ durchgeführt, das dem einzubauenden Bauteil entspricht und durch eine so genannte PointShell repräsentiert wird.
Abb. 13.7 Kollision zwischen dynamischem Objekt (blau) und statischem Teil der Szene (grau) mit antiparallelen Oberflächennormalen in den Kontaktpunkten.
Hybride Kollisionserkennung Die Voxmap ist eine globale Datenstruktur, die die gesamte statische Szene repräsentiert. Sie besteht aus einem dreidimensionalen Würfel-Raster und wird in einem Präprozess in mehreren Stufen erzeugt. In jedem Raster-Element oder Voxel (kurz für Volumen-Element in Analogie zum Pixel) ist zunächst kodiert, ob dieses sich innerhalb eines Objekts befindet, ob es Oberflächen enthält oder ob es leerem Raum der Szene entspricht (Abb. 13.8). In einem weiteren Schritt werden die Voxel detaillierter klassifiziert, so dass beispielsweise in jedem Freiraum-Voxel skalar der Abstand zum nächstegelegenen Oberflächenpunkt gespeichert ist24 . Die Voxmap liegt anschließend als dreidimensionales Array skalarer Daten in einem zusammenhängenden Speicherbereich vor. Der Rasterisierungsprozess des ersten Erzeugungsschritts der Volumendarstellung kann sehr effizient mit der Graphik-Karte durchgeführt werden, indem die Szene schichtweise gerendert wird. Das Volumenmodell entsteht dann als Stapel der erzeugten Schichten. Die Auflösung der Rasterisierung ist so zu wählen, dass ein Detaillierungsgrad entsprechend den Anforderungen der Anwendung erreicht wird. Beispielsweise genügt oft eine Auflösung von 1 mm bei Montageszenarien im Automobilbereich. 24
Die Berechnung dieses Distanzfeldes erfolgt über eine EDT, eine euklidische DistanzTransformation
436
13 Softwareentwurf
Abb. 13.8 Voxmap des statischen Teils der Szene: Oberflächen-Voxel sind dunkelgrau, innere Voxel hellgrau und Freiraum-Voxel weiß dargestellt.
Das dynamische Bauteil, das der Benutzer in der Szene bewegen will, wird durch die PointShell (Abb. 13.9) repräsentiert, die ebenso wie die Voxmap vorab berechnet werden kann. Sie besteht aus einer Menge von Punkten, die auf der Oberfläche des dynamischen Objekts liegen, vergleichbar den Daten, die ein Laserscanner erzeugt. Auch der digitale Erstellungsprozess dieser Punktmenge ist mit einem Scanvorgang vergleichbar: die Punkte werden konzeptionell durch Strahltests in einem regelmäßigen Raster abgetastet, was ebenfalls gut auf der Graphik-Karte durchgeführt werden kann. Auch hier ist die Dichte der Abtastung so zu wählen, dass sie das Objekt mit allen wesentlichen Details abbildet und abgestimmt ist auf die Auflösung der Voxmap. Zu jedem Oberflächenpunkt wird zusätzlich die entsprechende Oberflächennormale berechnet und (negiert) gespeichert. Dies wird etwas weiter unten motiviert. Auf der Voxmap-PointShell-Repräsentation des Szenarios findet nun in jedem Zyklus des haptischen Renderings eine simple Kollisionserkennung statt: entsprechend der aktuellen Transformation des dynamischen Objekts wird jeder Punkt der PointShell in das Koordinatensystem der Voxmap transformiert und überprüft, in welchem Voxel er zu liegen kommt: ist es ein Leerraum-Voxel, liegt keine lokale Kollision vor, andernfalls muss der Punkt bei der anschließenden Klassifikation und Kraftsimulation weiter behandelt werden. Der Vorteil der hybriden Darstellung bei der Kollisionserkennung liegt nun darin, dass für jeden PointShell-Punkt nur genau ein Zugriff in die Voxmap stattfinden muss, der noch dazu sehr effizient direkt aus den transformierten Koordinaten des PointShell-Punktes berechnet werden kann: den dreidimensionalen Index in die Voxmap erhält man durch Runden der PunktKoordinaten auf ganzzahlige Werte! Damit ist das Laufzeitverhalten der Kollisionserkennung völlig unabhängig von der ursprünglichen Modellkomplexität des statischen Teils der Szene. Diese vorteilhafte Laufzeitkomplexität erreicht man allerdings auf Kosten relativ hoher Spei-
13.3 Algorithmen
437
Abb. 13.9 PointShell des dynamischen Objekts mit negierten Oberflächennormalen
cherkomplexität25, denn der Speicherbedarf skaliert kubisch mit der Auflösung der Voxmap. Die Laufzeitkomplexität des gesamten Kollisionserkennungsschritts mit einem Test für jeden PointShell-Punkt allerdings skaliert linear mit der Anzahl der Punkte der Punktwolke, die wiederum quadratisch von der Größe des dynamischen Objekts im Verhältnis zur Abtastdichte abhängt. Dynamische Objekte mit zu großer Oberfläche sind also problematisch26.
Lokaler Penalty-Ansatz Nach Aufsammeln aller kollidierenden Punkte der PointShell werden für diese lokale Strafkräfte Fi berechnet und wie weiter unten beschrieben aufsummiert. Bei der Bestimmung der Einzelkräfte kommen die mit der PointShell gespeicherten Oberflächennormalen ni zum Einsatz: beim Kontakt zweier realer Objekte sind die Oberflächennormalen an der Kontaktstelle antiparallel (Abb. 13.7). Dies trifft auf mikroskopischer Ebene auch an Kanten und Ecken zu. Man kann also als Kontaktnormale für jeden PointShell-Punkt die mit diesem gespeicherte Oberflächennormale des dynamischen Objekts verwenden. Nun bleibt die Schwierigkeit zu lösen, jeweils eine Eindringtiefe des PointShellPunkts pi zu bestimmen. Mit einem geschickten Kniff wird dieses Problem auf das Modell der virtuellen Wand zurückgeführt: man legt durch den Mittelpunkt m j des 25 Ein häufig auftretender Zusammenhang: je mehr Speicher man zur Verfügung hat, umso besseres Laufzeitverhalten lässt sich erreichen. 26 Dabei gibt es aber wiederum mit hierarchischen Hüllvolumen-Ansätzen (Kaptitel 13.4) Optimierungspotenzial, auf das hier aber nicht weiter eingegangen wird.
438
13 Softwareentwurf
Oberflächen-Voxels, in dem sich pi befindet, eine Ebene mit der Normalenrichtung ni und berechnet den Abstandsvektor von pi zu dieser Ebene. Multipliziert mit einer Federkonstanten erhält man daraus die lokale Strafkraft Fi (Abb. 13.10 und Formel 13.3): ! K(m j ni − pi ni )ni für pi ni < m j ni Fi = (13.10) 0 sonst
ni mj pi
Abb. 13.10 Bestimmung der lokalen Strafkraft
Sind die lokalen Einzel-Kräfte pi aller n detektierten Kontakte bestimmt, werden daraus eine Gesamt-Kollisions-Kraft FK und ein Gesamt-Kollisions-Moment MK aufsummiert: FK =
1 Fi n∑ i
1 MK = ∑ Fi × li n i
(13.11)
mit li = pi − S, wobei S die aktuelle Lage eines Referenzpunktes (bevorzugt der Schwerpunkt) des dynamischen Objekts sei. Die Skalierung mit dem Faktor 1/n verhindert die Entstehung zu starker Kräfte und glättet die Auswirkungen von hinzukommenden oder wegfallenden Kontaktpunkten zwischen Berechnungszyklen. Ein naheliegender Gedanke ist nun, das 6 DoF-Haptikgerät direkt mit FK und MK anzusteuern, was eine harte Kopplung des HIP mit dem dynamischen Objekt, also der haptischen Probe bedeutet. Es zeigt sich jedoch, dass dieses Vorgehen zu oft instabilem Systemverhalten mit schlechter Qualität des haptischen Eindrucks führt.
13.3 Algorithmen
439
Die Dynamik des haptischen Geräts reicht dann oft nicht aus, um die simulierten Kräfte abzubilden.
Virtuelle Kupplung Ähnlich, wie beim God-Object-Algorithmus die über das Haptik-Gerät auszugebenden Kraft über das Feder-Dämpfer-System zwischen haptischer Probe und HIP bestimmt wird, koppelt die so genannte virtuelle Kupplung das dynamische Objekt mit dem Endeffektor des haptischen Geräts, dem Handgriff, dessen Position in der virtuellen Szene durch den HIP gegeben ist. Sie ist beim VPS-Algorithmus als Feder-Dämpfer-System mit 6 Freiheitsgraden ausgelegt: eine translatorische Feder mit zugehörigem Dämpfer bilden 3 translatorische Freiheitsgrade ab und eine rotatorische Feder mit zugehörigem Dämpfer 3 rotatorische Freiheitsgrade. Die Simulation der in der virtuellen Kupplung auftretenden Momente ist ganz analog der Kraftsimulation im translatorischen Feder-Dämpfer-System zu implementieren. Es sind zu berechnen: FV = Kt q − Dt v MV = Kr θ − Dr ω
(13.12)
Dabei sind Kt und Kr die translatorische bzw. rotatorische Federkonstanten und Dt und Dr die jeweilige Dämpfungskonstanten. Die Größen q und v sind der vektorielle Abstand zwischen dynamischem Objekt und virtuellem Griff (entspricht der Auslenkung der virtuellen Feder mit Ruhelänge 0) sowie die relative Geschwindigkeit zwischen beiden. Analog dazu ist θ die vektorielle Darstellung der relativen Rotation zwischen dynamischem Objekt und virtuellem Griff, ω die relative Winkelgeschwindigkeit.
Festkörperdynamik Noch ist ungeklärt, wie die Lage und Bewegung des dynamischen Objekts in der virtuellen Umgebung bestimmt wird. In den bisher beschriebenen Schritten werden in jedem Haptik-Rendering-Zyklus Kräfte und Momente der virtuellen Kollision sowie die der virtuellen Kupplung berechnet. Nun muss noch deren Wirkung auf das dynamische Objekt simuliert werden. Ein Ansatz ist die Integration der Bewegungsgleichungen nach N EWTON und E ULER27 :
27
Für eine sehr schöne Einführung in die Implementierung einer Festkörperdynamik-Simulation auf Basis der N EWTON -E ULER -Gleichungen siehe [13].
440
13 Softwareentwurf
F = FK + FV = ma M = MK + MV = Iα + ω × Iω
(13.13)
mit der translatorischen Beschleunigung a = v˙ und der Winkelbeschleunigung α = ω˙ . Als zusätzlich bereitzustellende Größen kommen die Masse m des dynamischen Objekts hinzu und sein Inertialtensor I, der die Masseverteilung des Objekts beschreibt. Beide Größen können aus dem Oberflächenmodell des Objekts mit bereits implementierten Verfahren abgeleitet werden: man erstellt mit dem auch bei der Erzeugung der Voxmap angewandten Voxelisierungsverfahren ein Volumenmodell des dynamischen Objekts und weist dem Mittelpunkt wk jeden belegten Voxels eine Punktmasse mk zu. Die Gesamtmasse m erhält man dann einfach durch Aufsummieren aller mk und die Komponenten Ii j des Inertialtensors ⎛ ⎞ I00 I01 I02 I = ⎝ I10 I11 I12 ⎠ I20 I21 I22 über Ii j =
n
∑ mk (r2k δi j − rki rk j )
(13.14)
k=1
mit dem K RONECKER-Symbol δi j und r = v − S, wobei S der Angriffspunkt der virtuellen Kupplung am Objekt ist. Idealerweise ist das Objekt so modelliert, dass S mit dem Modellursprung zusammenfällt und mit dem Schwerpunkt des Objekts. Letzteres ist wichtig, damit bei rein translatorischer Bewegung im kollisionsfreien Raum keine Momente entstehen, was sich störend auf den haptischen Eindruck auswirken würde. Mit diesen Komponenten ist der VPS-Algorithmus komplett: in der virtuellen Szene erfolgt die Kollisionsdetektion und Bestimmung von Kollisionskräften, die neben den in der virtuellen Kupplung entstehenden Kräfte und Momente auf das dynamsiche Objekt einwirken und zu dessen Bewegung führen. Die Momente und Kräfte der virtuellen Kupplung werden schließlich über das Haptik-Gerät ausgegeben, sie schlägt damit die Brücke zwischen realem Handgriff und virtuellem Bauteil: als würde der Anwender das dynamische Objekt an einem Gummiband durch die Welt bewegen, so stellt sich die Situation nun dar. Über die die Wahl der Masse des dynamischen Objekts in Abstimmung mit den Federsteifigkeiten und besonders der Dämpfung der virtuellen Kupplung lässt sich der haptische Eindruck steuern und dem Anwendungszweck entsprechend anpassen. Diese — in vielen Aspekten oberflächliche — Darstellung des VPS-Algorithmus zeigt, wie Objektrepräsentation, Kollisionserkennung, physikalische Modellierung und schließlich die Simulation der darzustellenden Kräfte für das haptische Rendering zusammenhängen und aufeinander abgestimmt sein müssen. Gleichzeitig wird bei kritischer Betrachtung ersichtlich, wie sich aus bestimmten Modellierungskonzepten Beschränkungen für Anwendungen ausserhalb der ur-
13.4 Kollisionserkennung
441
sprünglich anvisierten Einsatzbereiche ergeben: der statische Teil der Szene, der als Volumenmodell dargestellt ist, kann beispielsweise nicht ohne Weiteres deformierbare Objekte repräsentieren. Auch Bewegungen von Objekten der statischen Szene und Interaktionen zwischen Objekten außer dem dynamischen Objekt sind aufgrund der verwendeten asymmetrischen, hybriden Kollisionserkennung nicht direkt umsetzbar. Es sei aber festgestellt, dass sich der Algorithmus für den vorgesehenen Anwendungszweck der interaktiven Überprüfung der Einbaubarkeit starrer Bauteile in starre Bauräume als äußerst wertvoll erwiesen hat und dort zu den besten Verfahren gehört.
13.4 Kollisionserkennung Kernstück jedes Haptik-Rendering-Algorithmus’ ist eine effiziente Kollisionserkennung. Mit einer Frequenz von teilweise 1000 Hz muss überprüft werden, ob Kontakt zwischen der haptischen Probe und einem virtuellen Objekt besteht. Kollisionserkennung ist auch für Applikationen im Virtual-Reality-Umfeld von Bedeutung, die ohne Haptik auskommen. Als ganz wesentlich seien alle Arten von PhysikSimulationen genannt, bei denen virtuelle Objekte interagieren. Sowohl im wissenschaftlichen und industriellen Anwendungsbereich als auch bei Computerspielen ist Kollisonserkennung damit von zentraler Bedeutung und steht deshalb seit Beginn der Entwicklung von Virtual Reality im Interesse. Neben dem offensichtlichen Einsatz von Kollisionserkennungsalgorithmen — zum Testen ob virtuelle Objekte kollidieren — gibt es auch weniger offensichtliche: bei so genannten Raytracern, das sind bildgenerierende Systeme, bei denen möglichst physikalisch korrekt der Verlauf vieler einzelner Lichtstrahlen simuliert wird, um ein fotorealistisches Bild einer virtuellen Szene zu erhalten, müssen viele Millionen Kollisionstests zwischen einem Strahl und der virtuellen Szene (Strahltests) durchgeführt werden. Anhand der folgenden Betrachtungen sollen die grundlegenden Fragestellungen und Konzepte sowie Prinzipien für die Optimierung von Kollisionserkennungsverfahren dargestellt werden, um ein gutes Grundverständnis für die Problematik zu ermöglichen. Für umfassende Darstellungen sei aber auf die Spezial-Literatur zur Kollisionserkennung verwiesen [286, 51]. Bei allen Fragestellungen, bei denen mit großen Datenmengen effizient umgegangen werden muss, sind Algorithmen zu entwerfen, die eine möglichst niedrige so genannte Komplexität besitzen. Mit Komplexität wird ausgedrückt, wie die Laufzeit, der Speicherbedarf oder auch der Bedarf an anderen Resourcen des Algorithmus von der Problemgröße, d. h., der Anzahl der zu bearbeitenden Elemente abhängt. Soll zum Beispiel getestet werden, ob zwei Objekte kollidieren, so kann das „brute force“ durchgeführt werden, indem alle Dreiecke des einen gegen alle Dreiecke des anderen Objekts getestet werden. Der Aufwand wächst hierbei quadratisch mit der Problemgröße: verdoppelt sich die Anzahl der Dreiecke beider Objekte,
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13 Softwareentwurf
vervierfacht sich die Laufzeit, der Algorithmus hat also quadratische Ordnung, die (Laufzeit-)Komplexität ist O(n2 ). Die Größe der Modelle, die in heutigen VR-System sogar auf handelsüblichen PCs graphisch in Echtzeit (Abschnitt 13.2.4) dargestellt werden können, liegt bei mehreren hunderttausend Dreiecken oder überschreitet die Millionen. Auch in solch komplexen Szenarien ist effiziente Kollisionserkennung wünschenswert, quadratische Komplexität allerdings völlig unpraktikabel. Die Gesamt-Komplexität eines Kollisions-Verfahrens lässt sich mit einer plausiblen Idee verbessern: man reduziere in mehreren Schritten die Problemgröße, indem man mit einfachen, „kostengünstigen“ Tests möglichst viele Elemente von weiteren aufwändigeren Tests ausschließt. Die einzelnen Stufen werden oft in einer Kollisions-Pipeline angeordnet und der Reihe nach abgearbeitet. Zum schnellen Ausschluss von mehreren Elementen wird deren räumliche Kohärenz betrachtet und ausgenutzt. Zum Beispiel fasst man benachbarte Dreiecke zusammen und berechnet für diese ein einhüllendes Objekt. Liefert ein Test für das Hüllobjekt keine Überlappung, so kann auch für die enthaltenen Elemente keine Überlappung auftreten, und sie können von der weiteren Betrachtung ausgeschlossen werden. Verschiedene Geometrien eignen sich als Hüllobjekte: Kugeln, Quader, konvexe Polyeder mit festgelegter Ausrichtung der Oberflächen (so genannte Discrete Oriented Polytopes, DOP), um die am häufigsten verwendeten zu nennen. Üblicherweise werden innerhalb einer Kollisionsdetektionsstufe nur Hüllgeometrien des gleichen Typs verwendet. Eine „gute“ Hüllgeometrie lässt sich effizient auf Überlappung testen und approximiert die eingefaßten Elemente möglichst gut, da das die Anzahl von falsch-positiven Tests verringert. Die Qualität der Approximation, die mit einem Hüllgeometrietyp erreichbar ist, hängt entscheidend von der Geometrie des eingehüllten Objekts ab. In Abbildung 13.11 ist das für verschiedene Hüllgeometrien erkennbar: längliche Objekte lassen sich zum Beispiel nur ungenügend durch Kugeln approximieren. Günstig bezüglich der Approximationsqualität für verschiedenste Objektgeometrien sind also flexiblere Hüllgeometrietypen. Allerdings ist für diese der Überlappungstest aufwändiger. Ein guter Kompromiss sind DOPs, die bei verhältnismäßig einfachem Überlappungstest meist eine gute Approximationsqualität erzielen. Es gibt jedoch keine in allen Fällen optimale Wahl des Hüllgeometrietyps, da das Laufzeitverhalten bei Kollisonserkennung von sehr vielen Faktoren abhängt. Der Test, ob zwei Kugeln überlappen, ist konzeptionell einfach: seien m0 und m1 die Mittelpunkte der Kugeln und r0 und r1 ihre Radien. Dann überlappen sich die Kugeln nicht, wenn |m0 − m1 | > r0 + r1 . Für eine Implementierung sollte die Monotonität des Quadrates im ersten Quadranten ausgenutzt werden, damit das Ziehen der Wurzel zur Bestimmung des Abstands von m0 und m1 vermieden werden kann: die Testbedingung lautet dann (m0 − m1 )2 > (r0 + r1 )2 . Damit spart man einmal Wurzelziehen auf Kosten einer zusätzlichen Multiplikation bei der Quadrierung der Radiensumme, die aber erheblich weniger Prozessor-Zyklen verbraucht. Die Optimierung dieser Tests ist relevant, da sie innerhalb des Detektionsprozesses sehr oft verwendet werden, wie weiter unten beschrieben. Die Bestimmung der minimalen
13.4 Kollisionserkennung
443
Abb. 13.11 Typen von Hüllgeometrien in 2D (von links nach rechts): minimale Hüllkugel, achsparalleler Hüllquader (Axis Aligned Bounding Box, AABB), am Objekt ausgerichteter Hüllquader (Object Oriented Bounding Box, OOBB), Discrete Oriented Polytope (DOP)
einhüllende Kugel (diese existiert und ist eindeutig) ist nicht trivial, kann aber mit dem Algorithmus von H OPP [94] durchgeführt werden. Mit im Durchschnitt noch weniger Aufwand lässt sich die Überlappung zweier achsparalleler Quader testen. Einen achsparallelen Quader Q kann man mit zwei Eckpunkten qmin und qmax beschreiben, analog einen zweiten Quader P. Der Schnitt beider Quader ist dann leer, es findet also keine Kollision statt, wenn für mindestens eine Koordinate das Minimum des einen Quaders größer als das Maximum des anderen Quaders ist (Abb. 13.12). y
p max,1 P p min,1 q max,1 Q q min,1 q min,0
x
p min,0 q max,0 p max,0
Abb. 13.12 Überlappungstest bei Quadern: keine Überlappung der Intervalle auf der y-Achse garantiert Kollisionsfreiheit.
Damit lässt sich ein Test formulieren, der im Durchschnitt aller kollisionsfreien Fälle weniger als bis zur Hälfte abgearbeitet werden muss, weil er vorher bereits eine Kollison ausschliesst:
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13 Softwareentwurf
wenn qMin[0] > pMax[0] melde "keine Kollision" sonst wenn qMax[0] < pMin[0] melde "keine Kollision" sonst wenn qMin[1] > pMax[1] melde "keine Kollision" sonst wenn qMax[1] < pMin[1] melde "keine Kollision" sonst wenn qMin[2] > pMax[2] melde "keine Kollision" sonst wenn qMax[2] < pMin[2] melde "keine Kollision" sonst melde "Quader überlappen" Ihr volles Potenzial entfalten Tests mittels Hüllvolumen in hierarchischen Kollsionsdetektionsalgorithmen, die auf Bäumen ineinander geschachtelter Hüllvolumen arbeiten28. Die Wurzel eines solchen Baumes umfasst das gesamte Objekt, d. h., alle seine Dreiecke. Bei der Konstruktion der Hüllvolumen-Hierarchie (BoundingVolume-Hierarchy, BVH) werden rekursiv alle Dreiecke eines Knotens auf seine Kindknoten aufgeteilt, bis schließlich die Blätter des Baumes jeweils genau ein Dreieck enthalten (Abb. 13.13). Eine günstige Aufteilung ist wesentlich für die Effizienz der anschließenden Kollisionsdetektion. Qualitätskriterien sind: • der Baum ist bezüglich der Anzahl der Kindknoten möglichst balanciert und dadurch in der Tiefe optimiert. Dies ist gleichbedeutend damit, dass die geometrischen Primitive eines Knotens möglichst gleichmäßig auf seine Kindknoten verteilt sind. • die Aufteilung der geometrischen Primitive ist so gewählt, dass die Volumina der Hüllgeometrien von Knoten möglichst klein sind und sich auf derselben Ebene im Baum möglichst wenig überlappen. Inwieweit beide Kriterien gleichzeitig erfüllt werden können, hängt vom Aufbau der jeweiligen Modelle ab. Für Modelle, die aus Dreiecken sehr unterschiedlicher Ausdehnung bestehen, kann keine nach beiden Kriterien optimale Unterteilung gefunden werden. Nach Konstruktion der Hüllvolumen-Hierarchie in einem Präprozess stehen die Datenstrukturen bereit, mit denen während der Laufzeit der interaktiven Applika28
Ein Baum ist ein zyklenfreier zusammenhängender Graph, bestehend aus Knoten und diese verbindende Kanten. Gerichtete Bäume besitzten eine Wurzel. Als Blätter bezeichnet man die Knoten, die keine „Kind-Knoten“, keine abgehenden Äste besitzen. Meist kommen in hierarchischen Kollisionserkennungsalgorithmen binäre Bäume zum Einsatz, d. h. solche, bei denen jeder Knoten außer Blättern zwei Kind-Knoten besitzt. Auch Oktrees, Bäume mit je 8 Kind-Knoten, finden häufig Verwendung. In der Informatik werden Bäume üblicherweise „verkehrt herum“ dargestellt, d. h., die Wurzel ist oben und man steigt in der Hierarchie hinab, um zu den Blättern zu gelangen.
13.4 Kollisionserkennung
445
Abb. 13.13 Schematische Darstellung der Aufteilung einer Geometrie in einer HüllvolumenHierarchie
tion sehr früh große Anteile eines Objekts bei der Untersuchung der Kollision mit einem weiteren Objekt ausgesiebt werden können: überlappt das Hüllvolumen eines Knotens im Baum nicht mit dem zweiten Objekt, so können alle Kindknoten und damit alle enthaltenen Dreiecke von weiteren Tests ausgeschlossen werden, während nicht auszuschliessende Kindknoten in einem rekursiven Durchlauf weiter untersucht werden. Sehr schnell bleiben nur nahe an Kontaktstellen liegende Unterbäume übrig. Bei der Fragestellung, ob überhaupt Kollision besteht, kann die Kollsionserkennung abgebrochen werden, sobald für einen Ast der Hierarchie Kollision nachgewiesen worden ist. Für diese Fragestellung führt der Beinahe-Kontakt deshalb zum durchschnittlich ungünstigsten Verhalten: es muss in der Hierarchie möglicherweise auf mehreren Pfaden weit abgestiegen werden bis hin zu teuren Dreiecks-Tests, die letztlich doch nur „keine Kollision“ als Antwort liefern. Für haptische Anwendungen sind allerdings genaue Informationen über den Kontakt notwendig, um ihn klassifizieren zu können. Deswegen müssen alle Kontaktstellen bestimmt werden, d. h., alle Dreiecke, die mit dem zweiten Objekt überlappen. Bei dieser oft exakt genannten Kollisionserkennung unterscheidet sich der Kontakt vom Beinahe-Kontakt nicht wesentlich im Laufzeitverhalten. Bei vielen Anwendungen interessiert nicht die Kollision einer geometrisch einfachen Probe (zum Beispiel Punkt oder Kugel) mit Objekten der virtuellen Szene sondern der Kontakt zwischen komplexen geometrischen Modellen. In diesem Fall sind für beide in einem Test untersuchten Objekte Hüllvolumen-Hierarchien vorhanden, die in einem parallelen rekursiven Abstieg abgearbeitet werden:
446
13 Softwareentwurf
Funktion KollisionsTest( Knoten0, Knoten1 ): wenn Hüllvolumina von Knoten0 und Knoten1 disjunkt: Rücksprung sonst wenn Knoten0 und Knoten1 Blätter sind: wenn DreiecksTest( Knoten0, Knoten1 ) positiv: füge Dreiecks-Paar zu Kollisions-Liste hinzu sonst wenn Knoten0 "größer als" Knoten1: für jeden Kindknoten k von Knoten0: KollisionsTest( k, Knoten1 ) sonst: für jeden Kindknoten k von Knoten1: KollisionsTest( Knoten0, k ) Die Funktion KollisionsTest im obigem Pseudo-Code-Listing wird bei leerer Kollisions-Liste mit den Wurzelknoten der Hüllvolumen-Hierarchien beider Objekte aufgerufen. Bei ihrer rekursiven Abarbeitung wird die Liste mit allen Paaren von Dreiecken des einen und des anderen Objekts gefüllt, die kollidieren (es handelt sich also um eine exakte Kollisionserkennung). Ist die Liste am Ende leer, dann besteht für den aktuellen Zeitschritt keine Kollision. Bei der Wahl des Abstiegspfads kann als Metrik (für den Test „größer als“) die Anzahl der Kinder oder die Ausdehnung des Hüllvolumens herangezogen werden. Neben räumlicher Kohärenz wird oft auch zeitliche Kohärenz ausgenutzt: in einem mit kleinen Zeitschritten simulierten System treten in der Regel von einem zum nächsten Simulationsschritt nur verhältnismäßig kleine Änderungen auf. Informationen aus dem vorheringen Durchlauf der Kollisionsdetektion können also wiederverwertet werden als Startpunkt für die Suche nach einer Kollision im aktuellen Schritt. Verfahren nach diesem Prinzip werden inkrementelle Kollisionserkennungsverfahren genannt. Ein gutes Beispiel dafür ist ein Algorithmus, der oft sehr schnell Kollisionsfreiheit nachweisen kann und deswegen gerne in einer frühen Phase der KollsionsPipeline verwendet wird. Dieser versucht, zu konvexen Hüllen zweier Objekte eine Ebene zu bestimmen, die zwischen beiden liegt, so dass jedes der Objekte sich nur in jeweils einem der beiden disjunkten Halbräume befindet, welche die Ebene erzeugt — die Existenz einer solchen trennenden Ebene garantiert Kollisionsfreiheit. Bei jedem Durchlauf der Kollisionserkennung wird zunächst überprüft, ob im vorherigen Zeitschritt eine trennende Ebene bekannt war. Für diese wird überprüft, ob sie auch im aktuellen Zeitschritt trennend ist. Falls ja, kann für das Objektpaar die Abarbeitung der Kollisions-Pipeline abgebrochen werden. Falls nein, wird „in der Nähe“ der vorherigen Ebene nach einer neuen trennenden Ebene gesucht bis eine gefunden oder eine maximale Anzahl von Versuchen durchgeführt wurde. In letzterem Fall wird die Bearbeitung der Kollisions-Pipeline fortgesetzt, da eine Kollision nicht ausgeschlossen werden kann (Abb. 13.14). Ein weiteres inkrementelles Verfahren ist der Closest-Feature-Tracking-Algorithmus von L IN und C ANNY [158]. Er sucht das Paar an Oberflächenmerkmalen (Punkte, Kanten oder Flächen) zweier polygonaler Objekte, die den minimalen
13.4 Kollisionserkennung
447
E
Abb. 13.14 Trennende Ebene E
Abstand zwischen beiden realisiert (Abb. 13.15). Das Verfahren startet mit einem beliebigen Merkmals-Paar und betrachtet in einer Iteration gezielt29 Paare von benachbarten Merkmalen, ob sie enger beieinander liegen. Die Suche führt schnell zum Ergebnis, wenn mit einem guten Startpaar begonnen wird — ein solches steht mit dem Merkmals-Paar aus dem letzten Kollisionstest meist zur Verfügung.
Abb. 13.15 Nächstgelegene Merkmale verschiedener Objekte
Bei haptischem Rendering mit einer punktförmigen Probe muss die Fragestellung bei der Kollisionserkennung etwas anders formuliert werden als bei Kollisionstest zwischen komplexeren Modellen: es ist zu klären, ob sich der Punkt im Inneren eines Objekts befindet oder ob er bei der Bewegung seit dem letzten Zeitschritt eine Objektoberfläche durchdrungen hat. Im Inneren eines geschlossenen Polyeders30 befindet sich ein Punkt genau dann, wenn ein Strahl, der von ihm aus in eine beliebige Richtung geschossen wird, ungerade oft eine Oberfläche durchstößt. Bei konvexen Polyedern trifft der Strahl genau 29
Zur Auswahl des nächsten Merkmal-Paares werden die Voronoi-Regionen der Objekte analysiert. 30 Ein aus Dreiecken modelliertes Objekt, das einen soliden Körper darstellt, ist ein solches geschlossenes Polyeder. Bei nicht geschlossenen Polyedern, bei denen die Oberfläche ein „Loch“ hat, kann ein Inneres nicht ohne Weiteres definiert werden.
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13 Softwareentwurf
einmal, bei konkaven Objekten können mehrere Treffer auftreten (Abb. 13.16). Bei der Implementierung dieses Tests müssen Sonderfälle beachtet werden: der Strahl kann im Rahmen der numerischen Genauigkeit eine Kante oder einen Punkt treffen. Dann müssen die zugehörigen Flächen sehr sorgfältig gezählt werden. Bei einer streifenden Berührung der zugehörigen Flächen (nur im konkaven Fall möglich) dürfen sie nicht gezählt werden; bei einem „Durchschuss“ darf nur einfach gezählt werden, auch wenn zwei oder mehr Flächen den Strahl berühren.
Abb. 13.16 Strahltests mit ungerader (durchgezogener Strahl) und gerader (gestrichelter Strahl) Anzahl an Schnittpunkten für einen inneren bzw. einen äußeren Punkt
Die Frage, ob eine punktförmige Probe seit dem letzten Zeitschritt eine Oberfläche durchstoßen hat, wird ebenfalls mittels eines Strahltests beantwortet, wobei statt gegen eine Halbgerade gegen die Strecke getestet wird, die die vorherige und die aktuelle Position der Probe verbindet. In beiden Fällen kann der Strahltest mit den oben beschriebenen effizienten Kollisionserkennungsverfahren optimiert werden, indem Strahl bzw. Strecke rekursiv gegen die Hüllvolumen-Hierarchie des fraglichen Objekts getestet wird. Die Betrachtung der beiden Fragestellungen bei der Ein-Punkt-Interaktion führt auf eine weitere grundlegende Unterscheidung. Bei den bisher betrachteten Kollisionstests zwischen komplexen Objekten wurde jeweils nur der statische Zustand der Objekte zu einem Zeitschritt betrachtet. Durch die zeitliche Diskretisierung können aber prinzipiell Kollisionen übersehen werden, wenn sich ein relativ kleines oder schnelles Objekt nur zwischen den Zeitpunkten zweier Simulationsschritte in Kollisionslage befindet. Diesem Problem widmen sich die Verfahren zur dynamischen Kollisionserkennung (im Gegensatz zur so genannten statischen Kollisionserkennung), die darüberhinaus geeignet sind, den Kollisionszeitpunkt zurückzurechnen und den entsprechenden Zustand der beteiligten Objekte zu interpolieren. Das grundlegende Konzept ist, jenes Volumen zu approximieren, das von einem Objekt seit dem letzten Simulationsschritt überstrichen wurde und dieses auf Kollision mit dem anderen Objekt zu testen. Wichtig ist zu vermeiden, für beide Objekte die Bewegungs-Volumina zu berechnen: wird die relative Bewegung der Objekte zueinander im Koordinatensystem eines der beiden Objekte ausgedrückt, so genügt es, nur für das andere, das „dynamische“ Objekt, ein Bewegungsvolumen zu bestimmen.
13.5 Fazit
449
Auch für die dynamische Fragestellung eignen sich die Methoden hierarchischer Kollisionserkennung. Ausgehend davon, dass für beide beteiligten Objekte Hüllvolumen-Hierarchien vorliegen, wird für das dynamische Objekt bei der Rekursion des Kollisionstests jeweils für das Hüllvolumen des aktuellen Knotens ein Bewegungsvolumen approximiert und mit diesem der Überlappungstest durchgeführt. So wirkt wieder das Prinzip, mit möglichst einfachen Mitteln möglichst früh große Geometrieanteile auszuschließen, die nicht an einer Kollision beteiligt sein können. Die Approximation des Bewegungsvolumens sowohl der Hüllgeometrien als auch der einzelnen Dreiecke ist einfach, solange die Bewegung rein translatorisch ist. Dann lässt sich das Bewegungsvolumen selbst wieder als polygonales Objekt beschreiben. Bei Rotationen entstehen aber als Begrenzungsflächen gekrümmte so genannte Regelflächen, deren exakte Darstellung komplexer ist. Es wird deswegen wieder auf eine grobe äußere Approximation des Bewegungsvolumens durch den verwendeten Hüllgeometrietyp (Kugel, Quader, DOP) zurückgegriffen. Erst bei den Blättern der Hierarchie werden für die einzelnen Dreiecke schließlich exakte Tests durchgeführt, insbesondere dann, wenn der Kontaktzeitpunkt zurückgerechnet werden soll.
13.5 Fazit Zur Integration haptischen Renderings in Virtual-Reality-Systeme ist meist eine Modifikation der Architektur bestehender Systeme notwendig, bzw. bei der Neuentwicklung eines multimodalen Systems, das auch den haptischen Sinn ansprechen soll, sollte beim Entwurf eine entsprechende Architektur gewählt werden: das System muss Funktionalität für Multithreading und/oder Verteilung mit Synchronisationsmechanismen bereitstellen, um eine Entkopplung des höherfrequenten Haptik-Aktualisierungsrhythmus von den Zyklen für Applikationsverhalten und graphischer Darstellung zu ermöglichen. Darüberhinaus müssen im VR-System Datenstrukturen und Algorithmen für exakte Kollisionserkennung zwischen haptischen Proben und virtuellen Objekten vorhanden sein, sowie physikalische Modelle zur Berechnung von Kollisions- oder Reibungskräften. Sollen die in der Haptik-Simulation berechneten Kräfte wiederum Auswirkungen auf die virtuelle Umgebung haben, so sind Instanzen für physikalische Simulationen zu Festkörperdynamik, Deformationsverhalten usw. in die virtuelle Szene einzubauen und mit den Objekten der Szene zu verknüpfen. Beim entstehenden Datenfluss ist besonderes Augenmerk ist auf die Synchronisation der verschiedenen Module zu legen. Aufgrund der Zwitterartigkeit von haptischen Geräten — sie sind sowohl Eingabeals auch Ausgabegerät — muss auch ein adäquates Konzept zur Geräteabstraktion umgesetzt werden. Mindestens die Kommunikation zwischen hochfrequentem Haptik-Rendering-Thread und Haptik-Gerät ist zwingend latenzarm zu gestalten. Bei „gefährlichen“, also besonders starken oder schnellen Haptik-Geräten ist es
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13 Softwareentwurf
darüber hinaus dringend empfehlenswert, für die Haptik-Rendering-Schleife harte Echtzeit-Garantien zu geben, also unter Anderem auf ein Echtzeit-Betriebssystem aufzusetzen. Weiche Echtzeit-Anforderungen sollten aber auch bei kleinen HaptikGeräten in jedem Fall erfüllt werden, um grundsätzliche Systemstabilität und brauchbare Qualität der haptischen Darstellung zu erreichen.
Kapitel 14
Abschließende Betrachtung zum Entwurf haptischer Systeme
T HORSTEN A. K ERN
Wie jeder technische Entwurf ist auch der Entwurf haptischer Systeme geprägt von der Optimierung eines technischen Systems auf Basis einer Abwägung einer Vielzahl von Entscheidungen für Einzelkomponenten, die sich in der Regel gegenseitig beeinflussen. Der Anfang eines jeden Entwurfs stellt die Ermittlung der Anforderungen auf Seiten des Kunden bzw. aus dem Projekt dar. Die in Kapitel 6 vermittelten Methoden sollen helfen, hier systematisch die wichtigen Aspekte zu erfragen. Insbesondere muss man sich bewusst sein, dass beim technischen Entwurf einer Sinn-bezogenen Schnittstelle wenige präzise und eindeutige Begriffe den Sinneseindruck beschreiben. Außerdem resultiert häufig Vorwissen beim Auftraggeber in zusätzlicher Verwirrung, da insbesondere in der Haptik Begriffe wie z.B. Auflösung oder Dynamik falsch eingesetzt oder sogar falsch Verstanden werden. Der Einsatz von Hilfsmitteln, ”Anschauungsobjekte” der Haptik - Etwas in die Hand geben! - erlauben eine Eingrenzung der Anforderungen ohne große Missverständnisse. Das Schaffen von gemeinsam akzeptierten Referenzen ist notwendig. Dies erfordert natürlich beim Entwickler ein Verständnis für die Besonderheiten haptischer Wahrnehmung. Dies ist nicht nur auf die technischen Kenndaten beschränkt, die vor allem in den Kapiteln 2 und 3 beschrieben wurden. Sie umfassen auch die anderen, ”weichen” Aspekte der Haptik, welche aus ihrer psychologischen und sozialen Bedeutung resultiert (Kap. 1). Kapitel 4 versucht eine erste Brücke zwischen diesen Aspekten und der technischen Beschreibung haptischer Wahrnehmung zu schlagen. Die Anwendung dieser Methoden bedarf noch erhöhter Aufmerksamkeit, da die Datenlage für die gemittelten Modelle nicht hinreichend exakt ist. Dennoch zeigen die Verfahren einen Weg auf, in welche Richtung bei der Optimierung haptischer Geräte gedacht werden kann. Auf Basis der Anforderungen kann der technische Entwurf begonnen werden. Teil der ersten Entscheidungen ist die Auswahl der Struktur des haptischen Systems (Kap. 5). Während diese Entscheidung zwar am Anfang des Entwurfsprozesses
451
452
14 Abschließende Betrachtung zum Entwurf haptischer Systeme
steht, so ist es dazu notwendig zumindest eine grobe Skizze für die favorisierten Strukturen des zu entwickelnden Gerätes zu machen. Dies bedarf des fundierten Vorwissens über alle Teilgebiete der haptischen Geräteentwicklung, welche dann natürlich auch bei der Ausführung der Konstruktion zum Tragen kommen. Die Basis des Entwurfs bildet - neben der oben genannten Entscheidung für die generelle Struktur (Kap. 7)- für kinästhetische, aber auch für taktile Systeme, die kinematische Struktur (Kap. 8). Mit den dort gemachten Vorüberlegungen zum Erreichen des Arbeitsraumes bzw. einer gewissen Auflösung der Elemente oder einem Verständnis für Übertragungs- und Getriebeverhältnisse werden geeignete Aktoren ausgewählt oder vollständig neu entworfen. Kapitel 9 bietet hierfür die Grundlage und stellt unterschiedliche Aktorprinzipien gegeneinander. Beispiele für Realisationen, auch ungewöhnliche, von in der Haptik genutzten Aktoren bilden eine kreative Basis um in Kombination mit der Kinematik den Anforderungen an Maximalwege, Kräfte, Impedanzen oder Auflösungen gerecht zu werden. Da zunehmend admittanzgeregelte Systeme bei kinästhetischen wie taktilen Fragestellungen an Bedeutung gewinnen, muss der Kraftsensor als weitere Komponente eines haptischen Gerätes ausgewählt bzw. entworfen werden. Kapitel 10 legt hierfür die Grundlage und vermittelt die Möglichkeiten aber auch die Schwierigkeiten, die einem bei der Arbeit mit Kraftmesstechnik für haptischen Anwendungen erwarten. Eine häufige Anwendung von haptischen Geräten liegt in der Mensch-MaschineSchnittstelle von Simulatoren. Sei es für Computerspiele von Action bis Adventure, oder für ernsthaftere Anwendungen des Trainings von Chirurgen, im Militärbereich oder im Design. Dies erfordert immer neben der Ausgabe von haptischen Informationen auch die Rückführung der Bewegungen des Nutzers. Die dabei üblicherweise eingesetzten Messprinzipien werden in Kapitel 11 vorgestellt. Mit allen vorangegangenen Entwicklungsschritten ist das haptische Gerät in der Lage, dem Nutzer eine taktile oder kinästhetische Ausgangsgröße darzustellen, und misst gleichzeitig in den meisten Fällen eine Reaktion. Gerade in Zusammenhang mit den heute immer eingesetzten handelsüblichen PCs müssen sowohl Ein- als auch Ausgabedaten an den Rechner übergeben werden. Die daraus resultierenden Anforderungen, und die dafür zur Verfügung stehenden Standard-Schnittstellen werden in Kapitel 12 vorgestellt und in ihren Leistungsdaten bewertet und einander gegenübergestellt. Die bereits oben angesprochene häufige Anwendung von haptischen Geräten in Simulatoren bedingt immer die Interaktion mit einer irgendwie gearteten Simulationssoftware. Hierfür ist es für den Geräteentwickler hilfreich einen Einblick in die Anforderungen und Herausforderungen geeigneter haptischer Algorithmik und den damit in Verbindung stehenden VR-Umgebungen zu haben. Dies wird in Kapitel 13 gelegt und vertieft. Der Querschnitt, der dieses Buch bietet, wird helfen die Entwicklung haptischer Geräte zu beschleunigen und die gröbsten Fehler im Entwurfsprozess zu vermeiden. Die Forschung im Bereich haptischer Geräteentwicklung macht aber rasante Fortschritte. Neue regelungstechnische Konzepte werden erprobt, die Einbeziehung der haptischen Wahrnehmung in den Entwurf ist ein Gegenstand aktueller Untersuchungen. Aktoren entwickeln sich kontinuierlich weiter, sogar neuartige Prinzipien kommen mit beständiger Regelmäßigkeit zum Einsatz. Durch die langsam
14 Abschließende Betrachtung zum Entwurf haptischer Systeme
453
steigende Verfügbarkeit hochdynamischer, hochauflösender Kraftsensoren werden geregelte Systeme zunehmend interessant. Diese Dynamik in der immer noch jungen Disziplin verpflichtet den Entwickler die aktuelle Forschung aufmerksam zu verfolgen. Nicht zuletzt dafür wurde eine Tabelle mit Adressen von Arbeitsgruppen mit Haptik-Bezug im Anhang 15 zusammengestellt.
Teil III
Anhang
Kapitel 15
URLs
Die folgenden Tabellen stellen eine Sammlung aller den Autoren geläufigen Namen und Gruppen dar. Die Listen sind naturgemäß nicht vollständig, geben aber einen Einstieg in die Recherche relevanter Quellen. Ergänzungen für zukünftige Auflagen bitte direkt per Mail an den Herausgeber schicken!
Tabelle 15.1: URLs von Labors und Institutionen, die im Bereich haptischer Geräteentwicklung arbeiten, Erweiterung basierend auf www.HapticsSymposium.org. Institution
Vorsitz
ALAB, Tokyo Univ. S HINODA A Labaratory for Tele- F IORINI operation and Autonomous Intelligent Robots (ALTAIR) Artificial Intelligence K HATIB Lab, Robotics Bionengineering, De- B URDET partment of Bioinstrumentation Lab., J ONES Haptic group Biorobotics Labaratory H ANNAFORD BioRobotics Labaratory RYU Biomimetics and Dex- C UTKOSKY terous Manipulation Labaratory Computer Graphics La- G ROSS baratory ETH Zürich Delft Haptics Lab H ELM and others Fortsetzung auf nächster Seite ...
URL
Typ
www.alab.t.u-tokyo.ac.jp/ http://metropolis.sci.univr.it/r_d/r_d.php
Lab Lab
http://robotics.stanford.edu/
Lab
www.bg.ic.ac.uk/staff/burdet/Home.html
Person
http://bioinstrumentation.mit.edu/jones/
Person
http://brl.ee.washington.edu http://robot.kut.ac.kr/ http://bdml.stanford.edu/DML
Lab Lab Lab
http://graphics.ethz.ch
Lab
www.tudelft.nl
Lab
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15 URLs
... Fortsetzung Institution Vorsitz URL Typ Fujimoto Lab F UJIMOTO http://drei.mech.nitech.ac.jp/ fujimoto/ Lab Group of Robots and In- F ERRE and http://138.100.76.36/en/default.asp Group telligence Machines others Haptics and Embedded P ROVANCHER http://heml.eng.utah.edu/pmwiki.php/Main/HomePageLab Mechatronics Lab Haptics Grasp Lab K UCHENBECKERhttp://haptics.grasp.upenn.edu/ Lab Haptic Exploration Lab O KAMURA www.haptics.me.jhu.edu/ Lab Haptic Interface Rese- TAN www.ecn.purdue.edu/HIRL/index Lab arch Lab Haptics Research Group PANCHANATAN http://haptics.asu.edu/index.php Lab Haptics and Virtual Rea- C HOI http://hvr.postech.ac.kr/wiki/wiki.php Lab lity Lab Haptics Labaratory H AYWARD www.cim.mcgill.ca/%7Ehaptic/grouphome.html Lab Haptiklabor H EGEL www.haptiklabor.de/ Lab Haptix Labaratory G ILLESPIE http://www-personal.umich.edu/%7Ebrentg/Web Lab Harvard Biorobotics La- H OWE http://biorobotics.harvard.edu/ Lab baratory Human Factors Engineer A NDREW
[email protected] Person Human machine inter- B URDEA www.caip.rutgers.edu/vrlab/ Lab face Lab Human sciences group, G RIFFIN www.isvr.soton.ac.uk/HSG Inst. Insitute of sound and vibration reserach Institute of Automatic B USS , H IRCHE , www.lsr.ei.tum.de/ Inst. Controle Engineering S TURSBERG , S CHMIDT Institute of Robotics and H IRZINGER www.dlr.de/rm/en/ Inst. Mechatronics Institute for Elektrome- S CHLAAK , www.institute-emk.de/ Inst. chanical Design W ERTH SCHUETZKY
Interactive Systems Re- H ARWIN search Group (ISRG) Interdisciplinary Institu- H OWE te for Biomedical Research (IINR) Ishibashi and Sugawara I SHIBASHI , S U Lab GAWARA Laboratoire de Systèmes B LEULER Robotiques (LSRO) Laboratoire Systemes K HEDDAR Complexes (Fre-CNRS) Mechatronics and Hap- O’M ALLEY tics Interfaces (MAHI) Mechatronics Lab YOKOKOHJI Microdynamic System H OLLIS Labaratory Fortsetzung auf nächster Seite ...
http://www.reading.ac.uk/isrg/isrghaptics.asp www.oucom.ohiou.edu/IINR/
Group
http://nma.elcom.nitech.ac.jp/index_e.html
Lab
http://lsro.epfl.ch
Lab
http://lsc.univ-evry.fr/
Lab
http://mems.rice.edu/ %7Emahil
Lab
www.mechatronics.me.kyoto-u.ac.jp www.msl.ri.cmu.edu/
Lab Lab
Lab
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... Fortsetzung Institution Vorsitz MIT Touch Lab S RINIVASAN Multimedia Commu- S ADDIK and nication and Research others (MCR) Lab Multimodal Interaction B REWSTER Group Multisensory Perception E RNST and Action PERCRO Bergamasco Physics of man, depart- K APPERS, ment KOENDERING Precision and Intelli- S ATO gence Laboratory Psychology at Hamilton G ESCHEIDER , B URR , Y EE , W ELDON , VAUGHAN Psychology at Carnegie K LATZKY Mellon, spacial and haptic Labaratories for Intelli- C OLGATE , P ES gent Machine Systems HKIN , LYNCH (LIMS) Robotics Group, B ICCHI ”E.Piaggio” Salisbury Research S ALISBURY Group Sensory Motor Neuros- W ING cience Sensory Perception and M AC L EAN Research Group Skripte zur Psychologie Z WISLER Tachi Lab TACHI Telerobotics and Control K WON Lab (TCL) Telerobotics Lab N IEMEYER The Senses of Touch PATTERSON TNO, Haptics E RP, VAN Touch Laboratory L EDERMAN Haptic group Utah H OLLERBACH , J OHNSON , M ASCARO , P ROVANCHER Virgina Touch Laborato- G ERLING ry Virtual Reality and Ac- BAUR tive Interfaces (VRAI) Group Fortsetzung auf nächster Seite ...
URL http://touchlab.mit.edu/ http://www.mcrlab.uottawa.ca/
Typ Lab Lab
www.dcs.gla.ac.uk/ stephen/
Group
www.kyb.tuebingen.mpg.de/ marc www.percro.org/
bu/people/- Lab
www.phys.uu.nl/ wwwpm/HumPerc
Lab Inst.
http://kenwww.pi.titech.ac.jp/
Lab
http://academics.hamilton.edu/psychology/home/
Inst.
www.psy.cmu.edu/faculty/klatzky/lab/
Lab
http://lims.mech.northwestern.edu
Labs
www.piaggio.ccii.unipi.it/newrobotics/ roboticresearch.html
Group
http://jks-folks.stanford.edu/home.html
Lab
www.symon.bham.ac.uk/labs.htm
Lab
www.cs.ubc.ca/labs/spin
Lab
www.zwisler.de/ http://tachilab.org http://robot.kaist.ac.kr/
Person Lab Lab
http://telerobotics.stanford.edu www.ggy.bris.ac.uk/postgraduates/ggmp www.tno.nl www.cs.utah.edu/ jmh/Haptics.html
Lab Person Inst. Lab Group
www.sys.virginia.edu/ggerling/
Lab
http://vrai-group.epfl.ch/
Group
http://psyc.queensu.ca/%7Echeryl/labpage.html
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15 URLs
... Fortsetzung Institution Vorsitz Virtual Reality in Medi- H ARDERS cine Virtual Reality Lab K ESAVADAS Visualisation and Image S TETTEN Analysis Labaratory (VIALAB) VR-Lab. Univ. of Tsuku- I WATA , YANO ba
URL http://www.vision.ee.ethz.ch/research/projects _med.cgi?topic=6
Typ Lab
www.haptics.buffalo.edu www.vialab.org
Lab Lab
http://intron.kz.tsukuba.ac.jp/index_e.html
Lab
Tabelle 15.2 Konferenzen, Arbeitsgruppen und Zeitschriften mit einem Nennenswerten Anteil an Entwicklungen haptischer Hardware Titel
URL
Typ
Eurohaptics Conference Haptics-e HapticsSymposium Haptics technical comittee (IEEE) Transactions on Haptics (IEEE) Worldhaptics Conference
www.eurohaptics.com www.haptics-e.org/ www.hapticssymposium.org www.worldhaptics.com www.computer.org/th www.worldhaptics.com
Conf. Journ. Conf. Soc. Journ. Conf.
Tabelle 15.3 Kommerzielle Hersteller von Produkten mit Haptik Bezug Hersteller
URL
Typ
Butterfly Haptics Chai3D ForceDimension Guitammer Company Inc. haptiklibary Haption Haptx Immersion Moog FCS Robotics MPB Technologies Inc. Novint Quanser reachin SensAble Sensegraphics Xitact
www.butterflyhaptics.com www.chai3d.org www.forcedimension.com www.ButtKicker.com www.haptiklibrary.org www.haption.com www.haptx.com www.immersion.com www.fcs-cs.com/robotics www.mpb-technologies.ca www.novint.com www.quanser.com www.reachin.se www.sensable.com www.sensegraphics.com www.xitact.com
HW SW HW HW SW HW SW HW & SW HW HW HW HW SW HW & SW SW & HW HW
Kapitel 16
Mechanische Impedanzen und Admittanzen bei translatorischen und rotatorischen Systemen
T HORSTEN A. K ERN
Zur Beschreibung technischer Systeme ist eine Modellbildung der realen physikalischen Eigenschaften notwendig. Ein zentrales Werkzeug ist die Verwendung von linearen, zeitinvarianten Gliedern mit konzentrierten Bauelementen. Der folgende Abschnitt stellt eine kurze Einführung in diese Thematik dar. Weitere Details sind insb. [153] zu entnehmen. Konzentrierte Bauelemente repräsentieren reale physikalische Objekteigenschaften. Sie vereinfachen diese Eigenschaften in drei grundlegenden Aspekten: • Die durch die Bauelemente representierten Objekte haben keine räumliche Ausdehnung - sie sind konzentriert in einem Punkt. • Die Objekteigenschaften sind linear. • Die Objekteigenschaften sind unabhängig von der Zeit. Unter den oben genannten Einschränkungen sind jeweils drei Typen von Objekten ausreichend, um alle relevanten mechanischen Effekte zu beschreiben: • Masse m bzw. Massen-Trägheitsmoment Θ • Feder bzw. Drehfeder mit Nachgiebigkeit n oder Federkonstante k • Viskose Reibung bzw. Drehreibung mit Dämpfung d bzw. Reibungkoeffizient r Sie werden durch Symbole entsprechend Abbildung 16.1 dargestellt. Mit den Bauelementen kann sowohl im Zeitbereich als auch im Frequenzbereich Modellbildung betrieben werden. Für die in dieser Arbeit dominierende Analyse auf Stabilität und Frequenzgang bietet sich die Beschreibung im Laplacebereich mit komplexen Zahlen an. Da in allen betrachteten Fällen von endlicher Betriebsdauer ausgegangen werden kann, gilt s = j ω + ϕ (mit j · j = −1) als komplexe Kreisfrequenz. Zur Berechnung eines komplexen Systemverhaltens unterscheidet man zwei Quotienten: • mechanische Impedanz Z transl =
F v
bzw. Z rot =
M Ω
461
462
Abb. 16.1 Symbole konzentrierter mechanischer Bauelemente für translatorische (a) und rotatorische (b) Systeme entsprechend der 2. Analogie .
• mechanische Admittanz Y tranl =
v F
bzw. Y rot =
Ω M
Somit gilt für die:
translatorische Masse: translatorische Feder: translatorische Reibung: rotatorische Masse (Massenträgheitsmoment): rotatorische Feder: rotatorische Reibung:
sm = Z 1 k sn = s = Z r=d=Z sΘ = Z 1 k sn = s = Z r=s=Z
Die Bauteile lassen sich zu Netzwerken kombinieren. Der Umgang ist hierbei analog zu elektrischen Wechselstromnetzwerken. Je nachdem, ob die Geschwindigkeit oder die Kraft (Drehmoment ode Rotationsgeschwindigkeit) als Differenzgröße betrachtet wird, lassen sich zwei Analogien formulieren, was insbesondere Auswirkungen auf die Berechnung der Knoten- und Maschengleichungen in der Netzwerktheorie hat. Für dieses Buch gilt die 2. Analogie, wobei F die Fluss- und v die Differenzgröße ist. Eine Überführung der mechanischen Netzwerke in ihre elektrischen Äquivalenzen findet hier nicht statt, die Beschäftigung mit dieser Betrachtung sei aber jedem Elektrotechniker zum besseren Verständnis der mechanischen Systeme ans Herz gelegt. Die Einschränkung auf konzentrierte Bauelemente und damit Ortsunabhängigkeit lässt sich durch den Übergang zu finiten Netzwerkelementen oder durch Anwendung der Lösung von Wellengleichungen umgehen. Im Rahmen dieses Buches wird von diesen weiterführenden Methoden jedoch kein Gebrauch gemacht.
Kapitel 17
Erläuterung zur Gyrator und Transformator
S TEPHANIE S INDLINGER
Bei dem Entwurf elektromechanischer Systeme werden Wechselwirkungen zwischen elektrischen und mechanischen Netzwerken mit Hilfe von Wandlern beschrieben. Ziel ist die Beschreibung der Wechselwirkungen durch lineare, verlustfreie und zeitinvariante Vierpole. Die elektromechanischen Wandler werden in aktive und passive Wandler unterteilt. Sie besitzen die folgenden Eigenschaften [153]: Tabelle 17.1 Eigenschaften passiver und aktiver elektromechanischer Wandler [153]. PASSIVE
WANDLER
AKTIVE
WANDLER
reversible Verkopplung zwischen mechanischen mechanische Größen steuern Leistungsfluss und elektrischen oder magnetischen Feldgrößen zwischen innerer Hilfsenergiequelle und Ausgang keine innere Hilfsenergiequelle erforderlich
innere Hilfsenergiequelle erforderlich
Signalfluss ist in beide Richtungen möglich
Signalfluss nur in einer Richtung möglich
nur bei eingespeister mechanischer Leistung auch bei fehlender mechanischer Leistung am ist elektrische Leistung entnehmbar und umge- Eingang ist ein elektrisches Ausgangssignal kehrt vorhanden
Mögliche passive Wandlertypen elektromechanischer Netzwerke sind z.B. • • • • •
elektrostatische Wandler piezoelektrische Wandler magnetische Wandler elektrodynamische Wandler und piezomagnetische Wandler.
463
464
17 Erläuterung zur Gyrator und Transformator
Sie können, wie in den folgenden Gleichungen dargestellt ist, eine transformatorische oder eine gyratorische Verkopplung darstellen. transformatorische Verknüpfung gyratorische Verknüpfung
μL λL
μL λL
=
=
X 0 0 1/X
0 Y 1/Y 0
μK · λK
μK · λK
In transformatorischen Netzwerken werden die Flussgrößen (Potentialgrößen) μ mit Flussgrößen und Differenzgrößen λ mit Differenzgrößen verknüpft. Gyratorische Netzwerke verknüpfen Fluss- mit Differenzgrößen und umgekehrt. Die Indizees L und K kennzeichnen Leerlauf bzw. Kurzschluss. Die Wandlerkoeffizienten X (transformatorisch) und Y (gyratorisch) müssen aus den jeweils vorhandenen Wechselwirkungen bestimmt werden. Weitere Informationen zur Bestimmung der Wandlerkoeffizienten und dem Vorgehen zur Lösung elektromechanischer Netzwerke sind in [153] zu finden.
Beispiel: Dem in Abbildung 17.1 dargestellten Grundmodell des elektrodynamischen Wandlers liegt das Konstruktionsprinzip eines Schwingtisches zugrunde. Eine durch die Feder n aufgehängte zylindrische Scheibe der Masse m und der Drahtlänge l sowie der Windungszahl w kann sich in Richtung ihrer Achse in einem Luftspalt bewegen. Da der ringförmige Luftspalt durch die Induktion B0 eines Dauermagneten durchsetzt ist, werden bei einem Stromfluss in der Spule Kräfte in axialer Richtung erzeugt. v w ,l
n ,r m
hS h
B0 r
b
i u
Abb. 17.1 Prinzipskizze des elektrodynamischen Wandlers [153]
Diese L ORENTZ-Kraft lässt sich durch die folgenden zwei Gleichungen beschreiben: F = B0 · l · i und u = B0 · l · v (17.1)
17 Erläuterung zur Gyrator und Transformator
465
Folglich stellt der elektrodynamische Wandler eine transformatorische Verkopplung des elektrischen und des mechanischen Netzwerks dar, da sowohl die Flußgrößen i und F, als auch die Differenzgrößen v und u miteinander verknüpft sind. Der elektrodynamische Wandler in Abbildung 17.1 im elektromechanischen Schaltbild sieht wie in Abbildung 17.2 dargestellt aus: i
Lb
FW uW
( ) ( )( ) uW i
1/X
=
0
0
v
X
FW
nI
n
m
1
r
v
{
u
R
nL
Abb. 17.2 Darstellung des elektrodynamischen Wandlers (Transformator) im elektromechanischen Schaltbild [153]
Dabei gelten die folgenden Zusammenhänge: X= Lb = R= nL = m= r=
1 B0 · l μ0 · w2 · 2π r · h 2 hs 1− b 4 h ρl , l = 2π r · w A n ρ ·VS 1 1 ,ω2 = ω0 · Q · n L 0 n L · m
transformatorische Kopplungskonstante Induktivität der Spule, festgebremst Widerstand der Spule Nachgiebigkeit Masse der Spule
Zur Transformation der Bauteile auf die jeweils andere Seite des elektromechanischen Netzwerkes gelten die folgenden Transformationsbedingungen: • Eine Reihenschaltung bleibt eine Reihenschaltung • Eine Parallelschaltung bleibt eine Parallelschaltung Für die Transformation von der mechanischen auf die elektrische Seite gilt:
466
17 Erläuterung zur Gyrator und Transformator
m X2 n Ln = 2 X 1 Rr = r · X2 h 1 Z= 2= X z· X2
Cm =
Für die Transformation von der elektrischen auf die mechanische Seite gilt: mC = nI = rR = h= z=
C X2 L · X2 1 R · X2 Z · X2 1 Z · X2
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Sachverzeichnis
Symbols
π -Koeffizienten Y 32 Z 32
344
Bimorph, piezoelektrisch 274, 277, 279 Blockkommutierung 227 Braille-Zeilen 277 Bremse, elektromagnetisch 247 C
A absolute Schwellwerte 45 active haptic interaction 66, 69 Admittanz, mechanisch 32 Admittanz-geregelte Systeme 97, 102 Admittanz-gesteuerte Systeme 97, 101 Adressierbarkeit 28 Aktiv 31 aktiv 13 Aktorbauformen, piezoelektrische 259 Aktoren, elektrostatisch 288 Aktoren, piezoelektrisch 254 Aktorentwurf 199 Anforderungsermittlung 332, 368 Anregelzeit 160 ANSYS 276 Anthropometrie 14 ATILA 276 Auflösung 28 Auschlagsprinzip 348 Ausgangsgleichung 143 Ausregelzeit 160 B Bernoulli 338 Bewegter Magnet 225 Biegeaktor 202 Biegeelement 277 Biegemoment 337
C 82, Materialkennwerte 258 Cedrat 276 closed loop admittance controlled 97 closed loop impedance controlled 97 Cluster ’always’ 126 Cluster ’Kinästhetik’ 122 Cluster ’Omni-Dimensional’ 126 Cluster ’Surface-tactile’ 123 Cluster ’Vibro-Directional’ 125 Cluster ’Vibro-Taktil’ 124 Comsol Multiphysics 276 Curietemperatur 258 D D/A-Wandler 230 DC-Antrieb 225 dead-man-switch 70 Dehnmesselemente 340 Dehnung 335 Delta Roboter 176 Delta.3 197 Denavit-Hartenberg-Parameter 185, 187 Determinante 179 Dickenschwinger 257 difference threshold 45 Differenz Limen 45 Digital/Analog-Wandler 230 direkte Kinematik 175
175, 184,
481
482 Direkte Methode nach Lyapunov 153 Diskretisierung 92 Display Impedanz 32 Display, haptic 28 DL 45 DoF 407 Dots-Per-Inch 375 DPI 375 Draht 210 Duchflutung, magnetische 212 Durchflutung 212 dynamic 41 Dynamik 136 Dynamik haptischer Wahrnehmung 51 E EC-Antrieb 225 EC-Motor 201 Echtzeit 414 Effekt, piezoelektrisch 254 Eisenkreis 242 eisenloser Motor 224 elastische Konstante 256 Elastomechanik 334 Elektrische Zeitkonstante 221 Elektrochemisches Prinzip 200 Elektrodynamische Aktoren 208 Elektrodynamisches Prinzip 200 elektromagnetische Bremse 247 Elektromagnetischer Aktor 239 Elektromagnetisches Prinzip 200 elektromechanisches Netzwerk 273 Elektromotor 201 elektronisch-kommutiert 225 elektronische Kommutation 225 elektrorheologische Fluide 304 elektrostatische Aktoren 288 Elektrostatische Plattenaktoren 288 Elliptec 264 Energie, magnetisch 239 Energiedichte, magnetisch 218 Engeeffekt 347 Entwurf piezoelektrischer Aktoren 270 Entwurfprozess 13 Event 122 Event-based haptics 394 evolutionärer Algorithmus 181 Experimente 127 F Führungsfilter 164 Füllfaktor 211
Sachverzeichnis FA-I 41 FA-II 41 Fabry-Pèrot 359 Falcon 173 Faser-Bragg-Gitter-Sensoren 360 fast-adapting 41 Fechner’s law 48 Feldaktor, elektrostatisch 288 Feldrückwirkung 222 Feldstärke, magnetisch 212 FFB 29 FIP 86 Firma Force Dimension 197 Firma Novint 173 Firma SensAble Technologies 182 Fluide, elektrorheologisch 304 Flussdichte, magnetisch 212 Flussdichte, magnetische 214 Foliensensoren 352 Force Sensing Resistor 347 Force-feedback 29 Force-Impression 86 Formgedächtnis-Draht 202 Formgedächtnis-Legierung 200 Frequenzabhängigkeit 51 Frequenzganganalyse 93 functional requirements 128 G gear transmission-ratio 205 gear-wheel 206 Gelenk, angetriebenes 172 Gelenk, linear 183 Gelenk, nicht angetriebenes 172 Gelenk, passives 172 Gelenk, rotatorisch 183 Gerät 27 Gerät, haptisch 27 Gesetz von Bragg 361 Gestalt, haptisch 33 Getriebe 205 Getriebefreiheitsgrad 189 GiD 276 gleichstromerregtes Magnetfeld 216 Gleichung Wanderwellenmotor 266 Grübler Formel 189, 193 Gradientenverfahren 181 Griffarten 71 Grundgleichungen, piezoelektrisch 256 Grundlegende piezoelektrische Aktorbauformen 259
Sachverzeichnis
483 Inverskinematik bei parallelen Mechanismen
H H-Brücke 232 Halbleiter-DMS 341 Hammersteinmodell 144 Hapischer Simulator 30 HapKeys 236 haptic interaction 121 haptic loop 131 Haptik 26 haptische Geräte, aktiv 31 haptische Geräte, passiv 31 haptische Gestalt 33 haptische Interaktion 27 haptische Schleife 131 haptische Schnittstelle 28 haptische Textur 32 haptischer Manipulator 29 Haptischer Marker 28 haptischer Regler 27 haptisches Display 28 haptisches Gerät 27 haptisches Rendering 405 Harmonische Balance 150 Hexapod 173 HID 409 Hilfsgrößenaufschaltung 164 hochgradig parallel 190 homogene Koordinatentransformation hybrid kinematisch 172, 196 Hydraulik 202 I identische Bindung 190 Immersion 404 Impedanz 69 Impedanz, Display 32 Impedanz, mechanisch 32 Impedanz, Nutzer 32 Impedanz, Schnittstelle 32 Impedanz-geregelte Systeme 97, 99 Impedanz-gesteuerte Systeme 97, 98 Impedanzkopplung 68, 70 Impedanzweite 31 Induktion 220 Input Strictly Passiv 155 Integralkriterien 163 Intensität 355 Interaktion, haptisch 27 Interaktionsmetapher 404, 421 Interface 19 Inverskinematik 175, 197
193
J Jacobi-Matrix 175 Jacobi-Matrix, direkte 178 Jacobi-Matrix, inverse 178 Jacobi-Matrix, Rang 179 JND 45, 329, 331 Just-Noteable-Difference 45 Just-Noticeable-Difference 45 K
184
k-Faktor 339, 368 kapazitive Aktoren 290 kapazitive Sensoren 348 Kapazitiver Aktor 202 Kapazitives Prinzip 200 Kinästhetisch 26 kinästhetisch 13, 334, 368 Kinästhetische Sensoren 42 Kinematik 171 kinematische Beziehung 176 Kinematischer Entwurf, Gesamtablauf 195 kinematisches Problem, direktes 175 kinematisches Problem, inverses 175 Kinematisches Schema 191 Koeffizienten, piezoelektrische 256 Koerzitieffeldstärke 218 Kollisionserkennung, dynamische 448 Kollisionserkennung, statische 448 Kommutierung 226 Kontaktgriff 71, 80 Kopplungsfaktor, piezoelektrisch 258 Kraftübertragungsverhalten 179 Kraftgriff 72 Kraftgriffe 76 Kraftrückkopplung 29 Kunde, Experimente mit 127 L Längseffekt, magnetisch 241 Längseffekt, piezoelektrisch 255 Längsschwinger 257 Ladungskonstante 257 Lastenheft 128 Lineare Eingrößensysteme 136 Lissajusfigure 262 LM 47 Lorentz-Kraft 208 Lossless 155
484 Luenberger-Beobachter 167 Lyapunov 150 Lyapunov-Funktion 153
Sachverzeichnis Nutzer-Impedanz 32 Nyquist-Kriterium 147 O
M magn. Widerstand 212 Magnetfeld, gleichstromerregt 216 magnetische Durchflutung 212 Magnetische Energie 239 magnetische Energie 244 magnetische Energiedichte 218 magnetische Feldstärke 212 magnetische Flussdichte 212, 214 Magnetische Kreise 212 magnetische Querschnittsfläche 243 magnetische Spannung 212 magnetischer Fluss 212 magnetischer Widerstand 212 Magnetorheologisches Prinzip 200 Manipulator, haptisch 29 Marker, haptisch 28 Masking 46 Materialien, piezoelektrisch 258 Materialkennwerte, piezoelektrisch 258 mechanisch kommutierte Aktoren 226 mechanische Admittanz 32 mechanische Impedanz 32 mechanische Kommuation 225 Mechanismus 172 Mechanismus, paralleler 189, 193 Mechanismus, serieller 181 Mehrgrößensysteme 141 Mehrkomponentenkraftsensor 345 Meissner 41 Merkel 41 Messgitteranordnungen 341 Microbending 358 Modellzeit 415 Multimodalität 44 N natürliche Interaktion 404 natürliches Objektverhalten 405 Nennkraft 326, 369 Netzwerktheorie, Entwurf piezoelektrischer Aktoren 273 Neurobiology 24 Nichtlineare Satbilitätsanalyse 150 Nichtlineare Systeme 144 normal-distribution 50 normaler Textur 32 Nutzer 27
obere Grenzfrequenz 328, 370 Oberflächeneigenschaften 33 Oberflächenhaftung 33 Oberflächenmikromechanik 351 Oberflächenreibung 33 Oberflächenwelle 202 Oberflächenwellenresonatoren 365 open loop admittance controlled 97 open loop impedance controlled 97 Output Strictly Passiv 155 P Pacinian 41 Parallelitätsgrad 190 parallelkinematisch 171, 172, 196 passiv 13, 31 passive Bindung 190 passive haptic interaction 66 passiver Schwingkreis 349 Passivität 32, 150, 155 PD-Regler 162 Percentil 14 percentile 50 Permabilität 212 Permanentmagnet 215, 245 Permeabilität 213 Permeabilitätszahl 244 Permittivität 212, 214 Pflichtenheft 128 PHANTOM Omni haptic device 182 Phasenebene 150 photoelastischer Effekt 354 physisches Selbst 8 PI-Regler 162 PID-Regler 162 piezoelektrische Aktoren 254 piezoelektrische Aktoren, Entwurf 270 piezoelektrische Gleichungen 257 Piezoelektrische Grundgleichungen 256 Piezoelektrische Koeffizienten 256 Piezoelektrische Kopplungsfaktor 258 Piezoelektrische Materialien 258 Piezoelektrische Materialkennwerte 258 piezoelektrische Sensoren 362 piezoelektrische Sonderbauformen 261 piezoelektrische Spannungskoeffizient 256 piezoelektrischer Bimorph 274, 277, 279 Piezoelektrischer Effekt 254
Sachverzeichnis piezoelektrischer Längseffekt 255 piezoelektrischer Quereffekt 255 piezoelektrischer Scheereffekt 255, 268 Piezoelektrischer Schrittantrieb 268 piezoelektrischer Verzerrungskoeffizient 256 Piezoelektrisches Prinzip 200 Piezomotor 202 Piezostapel 202 Pixel 408 Pneumatik 202 Popov-Kriterium 150 Popov-Ortskurve 152 Popov-Ungleichung 152 Positioniersystem 172 power law 49 power-grasps 76 Präszisions-Griff 71 Präzisionsgriffe 78 ProMechanica 276 Propagation 412 Psychophysic 23 Psychophysik 44 PT1 -Verhaltens 140 PT2 -System 142 Puls-Weiten-Modulation 230 PVDF, Materialkennwerte 258 PWM 230 PZT-4, Materialkennwerte 258 PZT-5a, Materialkennwerte 258 Q Quadranten-Regler 229 Quarz, Kristallstruktur 254 Quarz, Materialkennwerte 258 Quereffekt 240 Quereffekt, elektromagnetisch 240 Quereffekt, piezoelektrisch 255 R Rückwärtskinematik 175 RA 41 rapid-adapting 41 Regelgüte 136 Regelung haptischer gekoppelter Systeme 158 Regler, haptisch 27 Reglerentwurf 162 relative Widerstandsänderung 339, 343 Reluktanz 212 Reluktanzantrieb 247 Reluktanzeffekt 240 Reluktanzeffekt, magnetisch 241
485 Remaneszenzflussdichte 218 Rendering 405 Resonanzantrieb 201 Resonanzprinzip 365 Resonator, kreisringförmig 265 Resonator, stabförmig 261 Roboter 172 Roboterarm 172 Routh-Hurwitz-Stabilitätskriterium Ruahigkeit 33 Ruffini 41
147
S SA-I 41 SA-II 41 Sashida 265 SCARA-Roboter 174 Scheereffekt, piezoelektrisch 255, 268 Schnittstelle, haptisch 28 Schnittstelle, Impedanz 32 Schrittantrieb, piezoelektrisch 268 Schrittmotor 202, 246 selbsttragende Spule 224 Seltene-Erden Magnete 215 Sensoren, Kinästhetisch 42 Sensorfolien 347 sensorlose Kommutierung 227 sensors, tactile 41 seriell kinematisch 171, 172, 196 Servoantrieb 226 Servomotor 226 Shaker 201 shape 121 Shape-memory wire 202 Silizium-Sensoren 345 Simulator, haptisch 30 singuläre Stellung 179 Singulärwerte der Jacobi-Matrix 181 Singularität 179 Sinne 7 Sinus-Kommutierung 228 slow-adapting 41 Sonderbauformen, piezoelektrische 261 Spannung, magnetisch 212 Spannung, mechanisch 337 Spannungskoeffizient, piezoelektrisch 256 spatial masking 46 Störgrößenaufschaltung 164 Störverhalten 162 Stab-Gelenk-Getriebe 177 Stabilitätsanalyse 146 standing wave 261
486
Sachverzeichnis
State Strictly Passiv 155 Stevens 49 Steward-Gough-Plattform 173 Strictly Passiv 155 Stromquelle, analog 233 Successivenes Limen 47 surfac wave 202 System 27 System, Adressierbarkeit 28 System, Auflösung 28 Systemausgangsvektors 143 Systembeschreibung 136 Systembetrachtungen 97 Systemgleichung 142 Systemgrößen 135 Systemstabilität 136 Systemstrukturierung 158 T tactile 13 tactile sensors 41 Taktil 26 Taktile Wahrnehmung 26 tangentiale Textur 32 Tangible user interface 10 Tauchanker 202, 249 Tauchanker, elektromagnetisch 249 Tauchspulmotor 201 Teil 27 teilweise parallel 190 Telemanipulationssystem 29 Telemanipulator 29 Temperaturüberwachung 233 temporal masking 46 Textur 330 Textur, haptisch 32 texture 121 Texture Explorer 278 Thermisches Prinzip 200 threshold 45 threshold, difference 45 Tool Center Point, TCP 175 Topologie 172, 197 Totalreflexion 355 transmission-ratio 205 Transparency 30 Transparenz 30 travelling wave 265 Treiberstufen, elektrodynamisch 228 TUI 10 TULA35 279 U Ubi-Pen
279
Uchinomotor, Uchino 267 Ueberschwingweite 160 Uebertragungsfunktion 146 Uebertragungsverhalten 176 Uebertragungsverhalten, Optimierung Ultraschallaktoren 261 Ultraschallmotor 201 US-motor 201
180
V Verformungskörper 338 Verkörperung des Seins 8 Verlustleistung, elektrodynamisch 210 Versorgungsrate 155 Verzerrungskoeffizient, piezoelektrisch 256 vibro-taktil 330, 346, 351 Vibrotaktile Displays 278 virtuelle Arbeit, Prinzip der 177, 179 visko-elsatisches Materialverhalten 328 voice-coil Aktor 201 Voigtsche Notation 256 voll parallel 190 Vorwärtskinematik 175, 197 Vorwärtskinematik, bei seriellen Mechanismen 184 W Wahrnehmung 84 Wahrnehmung, kinästhetisch 88 Wahrnehmung, taktil 90 Wanderwellenmotor 265, 284 Wanderwellenmotor, Gleichung 266 Wanderwellenmotor, linear 265 wave, standing 261 wave, travelling 265 Weber’s law 48 Wheatstonesche Brückenschaltung 339 Widerstand, magnetisch 212 Wiener-Modell 144 Wirkprinzip 200 Wurzelortskurve 147 Wurzelortskurvenverfahren 163 Z Z-width 31 Zustandsbeobachter 167 Zustandsrückführung 166 Zustandsraumdarstellung 141 Zustandsregelung 166 Zustandsvektor 143 Zwangslauf 189 Zweipunktschwelle 47